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DEREI |]

$rankfurter Bürgerzwifte und Zuftände

im Mittelalter.

Fraukfurter Vürgerzwiſte und Zuſtände

im

Mittelalter.

Ein auf urkundlichen Fotſchungen beruhender

Beitrag zur Geſchichte des deutſchen Bürgerthums. Bon

Dr. Georg Sudwig Kriegk.

Srankfurt am Main. I. D. Sauerländer's Verlag. 1862.

PIE ER Ger. eIIE.F.T

To N” A Zu

*—

JAN 30

ODrtuck von I. ©. Sauerländer.

Hohem Henate

der

freien Stadt Srankfurt

ehrerbictigft zugeeignet

dem Berfaffer.

Borrede,

Die Forſchungen, aus welchen das vorliegende Buch hervor⸗ gegangen iſt, hatten mich lange beſchaͤftigt, ehe ich zu dem Entſchlufſe fan, einen Theil ihrer Reſultate dem wiſſenſchaftlichen Publikum vorzulegen. Ich Hatte fie urjprünglich blos zu meiner eigenen Be lehrung begonnen, indem bad Stubium ber über bie Gefchichte Frankfurt's erichienenen Werke mich in Betreff mancher Seite und Einzelnheit derjelben unaufgeflärt gelaflen, oder auch in Hinficht auf deren feitherige Auffaflung und Darftellung bebenflich gemacht hatte. Degen biefes Umftandes hatte ich mich den Quellen jelbit zugewandt. Dadurch war ich aber zu der Erkenntniß gekommen, daß auch noch andere Punkte jener Gejchichte ber Berichtigung oder einer größeren Aufhellung bepürften. Dies führte mich in das urkundliche Stubium der Frankfurter Gefchichte immer tiefer hinein, und in Folge davon war Fahre lang meine ganze Mußezeit vemjelben gewidmet.

Die Refultate meiner Studien ſuchte ich zuerſt dadurch frucht- bringend zu machen, daß ich ala Geſchichtslehrer ber oberen Klaſſen des hiefigen Gymnaſiums ben Primanern von Zeit zu Zeit eine furze Darflellung ber Gejchichte ihrer Vaterſtadt gab. Ich fand diefen Unterricht in mehrfacher Hinficht für die Schüler fürberlich. Sie thaten, nachdem ihuen bie ganze Weltgejchichte vorgetragen worden war, einen Blick in den Entwicklungsgang beöjenigen politifchen Lebenskreiſes, welchem fie ſelbſt unmittelbar angehörten. Ste gewahrten bie Ruckwirkung des allgemeinen Ganges der Dinge auf dad Schidjal und den Zuſtand eines Kleinen Gemeinweiend. Ste gewöhnten fich,

VIII

die fie umgebenden Dinge, welche die Mehrzahl der Menſchen ge⸗ dankenlos anzufchauen pflegt, als Gegenftände ber Erkenntniß zu betrachten und in ihnen einen Zufammenhang aufzujuchen. Dieſes intellectuelle Intereſſe endlich” bat nicht nur in fich feinen Werth, fondern es muß auch dazu beitragen, daß ber vaterftädtifche Gemein: geift geweckt und genährt wird.

Eine andere Gelegenheit, jene Refultate anzuwenden, gewährte mir ber dahier beſtehende Verein für Gefchichte und Alterthumskunde. In den Sigungen desſelben hielt ich nämlid, von Zeit zu Zeit einen Bortrag über dieſen und jenen Punkt der Frankfurter Gefchichte, und zwar vor einem Kreiſe wifjenichaftlicher Männer, welche zum Theil jelbft fi) mit diefer Gejchichte oder mit einzelnen Partieen derſelben forjchend bejchäftigten. Ich verdante den Situngen biefeg Vereine, in welchen meine Vorträge mitunter zu eingehenden Be- fprechungen Anlaß gaben over wohl auch Vorträge über verwandte Gegenftände hervorriefen, manche Belehrung. Dabei hatte ich außer: dem noch die Freude, unter den Zuhörern audy eine nicht unbe: trächtliche Zahl von Mitbürgern zu jehen, welche, ohne einen wiſſen⸗ Ihaftlichen Zweck im Auge zu haben, ſich durch den Reiz hiſtoriſcher Belehrung oder durch das Jutereſſe au vaterftäbtiichen Dingen zur Theilnahme an jenen Sigungen angezogen fühlten.

Mehrere meiner dort gehaltenen Vorträge wurden nachher in biefigen Zeitungen abgebrucdt, wiewohl freilich ohne die ala Belege dienenden Anmerkungen unb in geringerem Umfange fowie in an- berer Form, als jie in dem vorliegenden Buche wiedergegeben fint. Dieſe Veröffentlihungen hatten ihre Veranlaſſung in dem großen Intereſſe an der Frankfurter Vergangenheit gehabt, welches gegen- wärtig in hiefiger Stabt herrſcht. Wiſſenſchaftlich brauchbdar waren fie nicht, weil ihnen die Nachweiſe und Belege fehlten. Died be wog mich, biefelben zugleich mit anderen, welche ihres Umfanges wegen in Zeitfchriften nicht veröffentlicht werben fonnten, in ein befondere Buch zufammenzuftellen. Außerdem glaube ich aber auch, daß die fiebenzehn Abhandlungen dieſes Buches, welche insgeſammt aus Quellen: Studien hervorgegangen find und zum Theil auf biäher

IX

unbefannt gewefenen Urkunden beruhen, auch für bie Gefchichte des deutichen Stäbtewejend überhaupt einigen Werth Baben werben.

Die erften ſechs Abhandlungen behandeln die inneren Bewegungen, welche während des Mittelalter in Frankfurt Statt gefunden haben. Die fiebente ift ein vielfach verbeflertes Verzeichniß der Frankfurter Bürgermeilter von 1311 biß 1423, welches endlich einmal zu geben durchaus nöthig war, wenn Forfchungen im Gebiete der mittelalter- lichen Geſchichte Frankfurt's nicht, wie jeither zuweilen geſchehen ift, durch die vorhandenen unrichtigen Verzeichniſſe irre geleitet werben jollen. Die übrigen Abhandlungen ſchildern Zuſtände und Verbält- niffe der Stabt Frankfurt im Mittelalter. Die Gegenftäude der letzteren Abhandlungen find, wie ich glaube, wichtig genug, um ihnen eine eingehende Betrachtung zugewenbet zu haben. Ich hege biele Meinung um fo mehr, da in der neueften Zeit das Intereſſe an der Erkenntniß der Sitten, Einrichtungen, Beichäftigungen und Zus fände des deutſchen Meittelakterd überall ſehr vege geworben iſt. Für diefe Erfenntnig vermag gerade das Studium der Gejchichte einzelner deutſcher Städte bie reichften Materialien zu liefern, und es jollten daher auch alle biejenigen, welche demſelben obliegen, darauf bebacht fein, ſolche Materialien zu ſammeln und vermittelſt ihrer einzelne Seiten des Lebens früherer Zeiten zu ſchildern. Webrigeng befindet fich unter den von mir gegebenen Abhandlungen diefer Art eine, der ich, wenn der Raum es, geftattet hätte, gern einen weit größeren Umfang gegeben hätte Es ift dies die Abhandlung über die Zünfte Für biefen Gegenftand bot fi mir nämlich ein be- ſonders reiches Material bar, weil bie Frankfurter Zünfte 1616 auf Befehl einer Taiferlichen Commiſſion alle ihre Zunftorbnungen hatten abliefern müffen, und dieſe damals in das hieſige Stadt⸗ Archiv niedergelegt worden waren. In %olge davon bietet das Letztere für das biftorifche Studium des Zunftweſens wahrfcheinlich weit mehr urkundliche Quellen dar, als irgend ein anderes beutjches Archiv, und vermittelft desſelben ließe fich wohl gerabe in biefiger Stadt die Entwicklung der Zünfte nach allen Seiten hin durch mehrere Jahrhunderte hindurch am leichteften verfolgen.

Was die dargeftellten inneren Bewegungen betrifft, jo beburften fle insgeſammt einer neuen urkundlichen Erforichung, ba ihre jeit- berigen Darftellungen manches Irrthuͤmliche und Lückenhafte ent hielten. Ich ſpreche dies offen aus, fühle mich aber zugleich gebrungen, meine Hochachtung gegen die früheren willenfchaftlicden Bearbeiter dieſes Theile der Frankfurter Gefchichte auszuſprechen und bie Erklärung hinzuzufügen, daß ich zum Theil fogar gerade burch meine urkund⸗ lichen Studien mit größerer Achtung gegen fte erfüllt worden bin.

Um bier bloß von den drei nicht mehr lebenden biefer Gejchicht- ichreiber, Leröner, Kirchner und Kichard, zu reden, fo Haben viele drei Männer insgeſammt große Berdienfte, welche ihnen niemals werden ftreitig gemacht werben können. Lersner bat zwar feine eigentliche Geſchichte gejchrieben, ober mit anderen Worten keine ben biftortfchen Zufammenhang der Kreigniffe nachweilende Darftellung gegeben ; aber cr hat auf vie mühevollſte Weile eine große Maſſe von unverfälſchtem Material zufammengetragen, was bei einem in glänzenden und einflugreichen Verhältnifien Iebenden Manne über rajchend ift, und nur aus ber Liebe zur Vaterſtadt, ſowie aus ehem lebhaften Intereſſe an deren Gefchichte erklärt werben kann. Sein Wert ift eine hifterifche Fundgrube, wie wohl feine andere deutſche Stadt fie beſitzt, und es wird als folche noch mehr anerkannt und nußbringend werben, wenn einmal ein ausführliches Regiſter zu ihm erſchienen jein wird.

Kirchner bat fi ein Verdienſt anderer Art erworben. Sein Merk ift die erite wifjenjchaftlich gearbeitete Gefchichte Frankfurt's; denn alle früheren Darftellungen der Frankfurter Geſchichte find fo verfaßt, daß fte, Chroniken⸗artig gejchrichen und der eigentlichen Kritik ermangelnd, nur bie rein Außerliche Aufeinanberfolge der Begeben- beiten vorlegen. Außerdem ift Kirchner's Werk auch noch bie erfte mit Geſchmack gejchriebene Gejchichte Frankfurt's, und wenn auch an der Eigenthuͤmlichkeit des Kirchner’ichen Styled Manches auszuſetzen ift, jo muß man doch die Gerechtigkeit haben anzuerkennen, daß biefe Eigenthümlichkeit nicht blos dem Verfaſſer, ſondern auch feiner Zeit ſchuldzugeben tft. Als Kirchner fchrieb, war bie bie herrichenbe

11

Manier, und das groͤßere Publikum verlangte damals eine Art von Schmuck, welche der jetzigen gebildeten Welt zuwider iſt. Auch unſere Tage haben in dieſer Hinſicht ihre Eigenthümlichkeiten, welche bei den nächſten Generationen wahrſcheinlich ebenfalls keinen Beifall mehr finden werden. Ein dritter Vorzug von Kirchner's Geſchicht⸗ ſchreibung iſt der geſunde Verſtand und der richtige Blick, die ſich in ſeinem Werke nicht ſelten zu erkennen geben. Dies iſt um ſo höher anzuſchlagen, da Kirchner fo wenige durchdachte Vorarbeiten benugen konnte, und da zu feiner Zeit die neuerbingd weit voran⸗ geſchrittene wiflenfchaftlihe Geſchichte des Stäbtemefend noch in ihren erften Anfängen ftand. Bei diefen in der That bedeutenden Vor⸗ zügen Kirchner’ darf man einzelne Irrthümer desſelben durchaus nicht fo hoch anfchlagen, ala Teyerlein und Ficharb es gethan haben. Solche Irrthümer müſſen in jebem umfangreichen gejchichtlichen Werke unterlaufen, umd wenn fie nicht in einer wirklichen Nachläf- figfeit de3 Verfaſſers ihren Grund haben, jo muß ber jpätere Ge ſchichtſchreiber, bei deffen Werke ja eine ſolche Mangelhaftigkeit eben: falls eintreten kann und wird, fie einfach berichtigen, aber micht mit befonderem Tadel überfchlitten.. Auch der wadere Battonn, deſſen milde und freundliches Weſen fonft von Allen, die ihn kannten, gepriefen wird, hat Kirchner mit allzu heftigen Worten unb noch dazu mitunter ungegrünbeter Weiſe getadelt. Der Letztere hatte z. B. die auf S. 106 des vorliegenden Buche erwähnte Urkunde Friedrich's III, nach welcher die vielen verfallenen Häufer der Stat Frankfurt entweder fofort wotederhergeftelt oder vom Rathe einge- zogen werden ſollten, mit dem Zuſatze angeführt, daß man auf ſolche Weiſe ver Nachläffigkeit ver Geiſtlichen zu fteuern gefucht habe, ehe viele ihnen zugehörige Häufer in Steinhaufen zerfielen. Diefen Zuſatz erflärt Battohın für einen übereilten Ausruf, welcher ‚als Leidenschaft und Unmahrheit betrachtet ein Flecken ber Kirchner'ichen Sefchichte ſei“, indem nicht bie Geiftlichen, ſondern bie Laien jenen in manden Stabttheilen eingetretenen Verfall verfchulnet hätten. Allein gerade dieſe Behauptung Battonn's ift micht richtig. Au Friedrich's Urkunde felbft werden weder vie Geiftlichen, noch bie

An

Zaren als bie Urheber jenes Verfalles bezeichnet; dagegen neunt ein 100 Jahre früher ertheilteg Privileg Karl’3 IV. die Geiftlichen allein bie Urheber des großen Schadens, welchen die Stadt Frankfurt ſchon zu jener Zeit dadurch erlitten hatte, daß die Geiftlichen zu viele Grundſtücke und Grundzinſen befaßen. Außerdem zeigt aber auch die Gefchichte ded Aufitandes von 1525, daß die Geiftlichen noch damals, d. h. wenige Jahrzehnte nad) Friedrich's III. Zeit, die meiften Grundzinfen befaßen, und daß aljo dieſes Kaiferd Gebot fich befon- ders auf fie bezogen haben muß.

Fichard's Schriften über Frankfurt waren nicht, wie Kirchner’ Geſchichte, für das größere Publikum gefchrieben worden; fie find vielmehr rein gelehrte und Eritifche Arbeiten. Sie beruhen auf einem Duelle Studium, wie e8 bisher noch fein anderer Frankfurter Ge Ichichtfchreiber geinacht und in Anwendung gebracht hat. Auch Fichard konnte fich bei der Abfaffung feiner unjchägbaren Schriften auf nur wenige gründliche Vorarbeiten über dag Städtewejen ſtützen; er hat aber beflenungeachtet die dunkeln Zuftände und Berhältniffe früherer Zeiten in hohem Grave aufgchellt. Seine Hauptfchrift ift dadurch jogar für die Geſchichte des deutſchen Städteweſens felbit jehr wichtig geworben. Meberhaupt find Fichard's Arbeiten das Bebeutendite, was über die älteren Zeiten Frankfurt's gejchrieben worden ift. Sie leiden nur an dem Einen Fehler, daß ihr Verfaffer die Dinge meiftend blos von feinem ariftofratifchen oder vielmehr patricifchen Standpunkte aus betrachtet hat.

Die Schriften der genannten brei Männer find diefenigen, welche ich bei den in dieſem Buche enthaltenen biftorifchen Darftellungen vorzugsweiſe benugt habe. Das Studium ber Quellen bat mich nicht jelten zu Reſultaten geleitet, welche von benen jener Männer abweichen. Diefe habe ich fchuldiger Weiſe "durch Nachweiſe zu begründen geſucht. Was übrigens die vielen mitgetheilten Stellen aus noch nicht veröffentlichten Urkunden betrifft, jo find biefelben, wie es Pflicht war, wörtlich genau abgedrudt worden; ich glaube für jedes Wort berjelben einftehen zu koͤnnen, jedoch aus verjchiedenen Gründen nicht für jeden einzelnen Buchftaben.

XI

An Einem Punkte meine Buches wird man vielleicht Anſtoß nehmen, nämlich daß ich den Aufitand von 1525 noch zu denen des mittelalterlichen Zeitraumes gerechnet habe. Ich hatte jedoch Hierzu zwei Gründe Jener Aufitand hängt auf? innigfte mit der ent ftehenden Kirchen-Reformation zufammen, die fi) aus den Verhält- niffen und geiftigen Bewegungen des |päteren Mittelalter? entwickelt, und dieſes in die Zuftände der neueren Zeit hinüberführen geholfen hat; er gehört alfo beiden Zeiträumen an. Außerdem Haben aber in jenem Aufftande das Zunftweſen und die Stellung der Kirche noch ganz den mittelalterlichen Charakter, während bei dem Haupt aufftande der neueren Zeit Frankfurt's (dem Fettmilch'ſchen) einerfeit? bie Stellung der Kirche eine ganz andere war, unb anbererfeit3 bie Zünfte, weldye damals zum Iehten Male ihre Kraft verfuchten, nicht mehr als ein organifcher Theil des Gemeinweſens, fondern ala ein nur noch der Form nach beitehendes corporatived Glied desſelben und als bloße politiiche Partei auftraten.

Zum Schluffe muß ih noch eine Schuld ber Dankbarkeit abtragen, indem ich hiermit öffentlich ausſpreche, daß ich ohne bie mir durch die verehrliche Archio-Deputation geftattete Benußung de hiefigen Stadt-Archivs und ohne die große Gefälligkeit, mit welcher Herr Archivar Dr. Kloß mir diefe Benutung erleichtert hat, fowie ohne die ebenjo bereitwillige Gefälligkeit, welche Herr Bibliothekar Dr. Haueifen in Betreff der hiefigen Stabt-Bibliothel mir ſtets erwiefen hat, nicht im Stande geweſen fein würde, biefen Beitrag zur Gefchichte Frankfurt's zu liefern.

Srankfurt a. M., den 18. Mai 1862.

%

G. 8. Kriegk.

Inhalt.

Seite I. Unruhen und Partei⸗ Räimpfe- im breizebnten Jahrhundert. . l- DI. Kirchlich⸗ politiide Bewegungen zur Zeit Lubwig’s bes Bolern . . . 6. II. Der Aufftand der Stanffurter Zünfte tm Drehen Jehr⸗ hundert . . 23 v IV. Der Rath der Dreiundfedäzig und ber Bürgerzwift * Zeit besfelben (1890 1408) . . 81 V. Der Kampf mit dem Klerus um den Beginn des fünften Jahrhunderts . 104 VI Der Auffianb von 1525 und Srankfurt’g Verhaltniß yum Bauern: kriege 187 VH. Urkundliches Verzeichniß der Frankfurter Bürgermeißer, von 1811-148... . 204° VI. Frankfurt's nächſte Umgebung im Mittelalter nen. 2835 IX. Das Innere der Stadt Frankfurt im Mittelalter . . . . 254 X. Sie Frankfurter Deffe tm Mittelalter . . . 294 XI. Frankfurter Geldgeſchäfte und Hanbelsbanfen im Mittelalter 830 - XI. Eine Frankfurter Spielbant im Mittelaltr. . . . 844 -- XII. Die Franffurter Zünfte im Mittelalter . . . 854 XIV. Gefellen: und Lebrlingewefen bei ben Frankfurter bendneien im Mittelalte . 896

- - XV. Geſchichte und Lage der Frankfurter Juden im Mittelalter . 405. XVI. Die Frankfurter Schuldhaft und Frankfurter Privatgefängniffe im

Mittleltr . . . 458. XVO. Scherz und Spott in den mittelalterliden Berfonen- Ramen Frankfurt8 . . . . 468

ee. 4

J.

Unruhen und Partei-Kämpfe im dreizehnten Sahrhundert.

Di: Geſchichte der Stadt Frankfurt ift erft vom vierzehnten Jahrhundert an eine zufammenhängende, oder mit anderem Worte eine woirfliche Geſchichte; denn über die frühere Zeit Frankfurt’ find ung nur lüdenhafte Berichte überliefert worden, vermittelft deren fich die Entwidelung des älteren Frankfurter Gemeinweſens blos in un: fiherer Weiſe darftellen läͤßt. Auch fiber die Unruhen, welche dieſes Gemeinwefen vor dem vierzehnten Jahrhundert erjchüttert haben, geben die noch erhaltenen Nachrichten nur jo fpärliche Angaben an die Hand, daß fich ihr Verlauf nicht im Zufammenhange erforfchen, ja zum Theil ſogar nicht einmal ihre Veranlaſſung erkennen läßt. Uebrigens find es nur zwei folcher politifchen Bewegungen, beren jene Nachrichten gebenfen, eine Tirchlich- politifche in der Mitte des dreizehnten Jahrhundert? und eine gegen das Oberhaupt bed beutfchen Reiches gerichtete in ober kurz vor dem jahre 1276.

Die Erftere hing mit dem nicht blos Deutfchland, fondern ganz Europa erſchütternden Kampfe zufammen, welchen der Hohenſtaufe Friedrich II. mit ver Kirche führte. In diefen Kampfe nahın bie Stadt Frankfurt Partei für den Kaifer, und fowohl Friedrich IL, als auch feine Söhne Heinrih VII. und Konrad IV. bezeugten fich ihr dafür durch Gunftbriefe dankbar. Der Kampf wurde übrigen, infofern er ein Waffenkampf war, einft fogar vor den Thoren von Frankfurt felbft geführt. Als nämlich 1246 die päbftliche Partei in der Perſon Heinrich Raspe's einen Gegenfönig sufgeftet und biejer

Kriegk, Frankf. Bürgerzwifte.

2 I. Unruhen und Partei:Kämpfe im breigehnten Jahrhundert.

jofort einen Reichſtag nach Frankfurt ausgejchrieben hatte, kam es am 5. Auguft nahe bei Frankfurt zu einem Treffen zwijchen Konrad IV. und Heinrich Radpe, in welchem ver Lebtere den Sieg errang !). Frankfurt blieb auch nach dem unglüdlichen Ausgange biefed Treffen? dem Kaifer Friedrich und, als berfelbe am 13. December 1250 ge ftorben war, feinem Sohne Konrad treu. Es wurde dafür von Pabſt Innocenz IV. nit dem Interdict belegt?). Die Stadt beharrte deffenungeachtet bei ber kaiſerlichen Partei, und auch ihre Getftlichen boten zum Theil dem Interdicte Troß. Zu denen, welche die thaten, gehörte der Dekan des Bartholomäus⸗Stiftes, Fonrad, nebft den Kanonikern Heinrich von Sundlingen und Arnold, fowie einige anbere Stiftgeiftliche, welche ung nicht genannt werben. Sa, bie Anhänger des Katferd im Bartholomäus-Stifte müfjen fogar bie Mehrzahl gebildet haben, da in einer päbftlichen Bulle gejagt wird, bie Genannten und ihre Freunde im Stifte hätten nicht nur fortge fahren Gottezbienft zu halten, fondern auch zwei neue Kanoniker, Sifried und Sifried von Wedere, obgleich fle wegen ihres Ber- halten ercommunicirt worben waren, in das Stift aufgenommen?).

Auch die Bürger von Frankfurt Tiegen ſich von ihrer Treue gegen den Kalfer und feinen Sohn nicht abwendig machen, obgleich Pabſt Innocenz IV. fie durch freundliche Worte zu fich herüberzu- ziehen ſuchte. Er erklärte in einem Schreiben, welches er bald nad) bes Kaiſers Tod an Frankfurt und mehrere andere Stähte erliek (Februar 1251), ſich bereit, Ihre Anhänglichkeit an Friedrich als ayg

1) Kirchner's Befchichte I. S. 180 und Thomas Annalen S. 107 fig.

*) Diefes Interdict muß vor bes Kaiſers Tobe (18. December 1250) aus: gefprochen worden fein; denn in einer Bulle von 1251 (Böhmer’3 Urkundenbuch ©. 84 fig.) beißt es, daß gewiſſe Geiſtliche troß des Interdiets vor ben Anhängern bes Kaiſers und feines Sohnes Mottesbienft gehalten hätten. Andrerſeits kann es in Fein früheres Jahr fallen, als in bie zweite Hälfte von 1248, weil tn biefem Jahre der Erzbifhof von Mainz allen denen, welde ber Prebigt ber Frankfurter Dominifaner veumüthig beimohnen würden, einen Ablaß ertheilt hatte, dieſes Frankfurter Kloſter alfo 1248 mit Zuſtimmung des Erzbiſchofs Gottesbienft hielt. Wahrſcheinlich ward das Interdict ſchon vor dem Mai 1246 ausgeſprochen, in welchem Monate und Jahre Konrad IV. ben Frankfurtern eine beſondere Gunfi mit den Worten gewährte, ſie hätten fi berfelben durch Treue und Ergebenheit würdig gemacht (Böhmer, p. 46).

°) Böhmer, p. 85.

1. Ynruben und ParteiM&mpfe im dreizehnten Jahrhundett. 3

Furcht vor demſelben hervorgegangen zu verzeihen, und bat fie Bringend, in den Schooß der Kirche zurückzukehren und, anftatt des vom Lyoner Concil abgefegten Hohbenftaufen Konrad, den Grafen Wilkhelm won Holland, melden hie päbftliche Partei nad) Heinrich Raspe's Tode zum Könige gewählt Hatte, ala ihren Herrn anzuer- kennen. Die Stadt Frankfurt fchentte feiner Bitte kin Gehör. Selbſt als bald nachher (März 1251) Wilhelm bei Oppenheim, alfo in ber Nähe von Franffart, feinen Gegner In einem Treffen beflegt hatte, erkannten die Frankfurter ben Sieger nicht ala König an. Au äfneten fie ihm ein Jahr fpäter, ald er einen Reichstag nach Frankfurt ausgeſchrieben hatte, die Thore ihrer Stabt nidht, und Wilhelm mußte feinen Meichstag vor ihren Mauern halten!) Erft kurz vor oder vielleicht ſogar erjt nach bem Tode Konrad's IV. welcher im Mai 1254 erfolgte, ſcheint Frankfurt fi dem Grafen Wilhelm als deutſchem Könige unterworfen zu haben.

Die dem Kaifer anhängigen Stiftsgeiftlichen hatten ſchon zur

Zeit von Friedrich's Tode ihren Gegnern das Feld räumen müſſen;

dern bereits im Anfang des Jahres 1251 ericheint in einer vom Bartholomaͤus⸗Stifte ausgeftellten Urkunde nicht mehr Konrad, fondern ein Anderer, Friedrich, als Dean, und dieſe Urkunde ward nicht nur von dem Lehteren, jondern zugleich von „ganzen“ Kapitel aus: geteilt"), worauuß hervorgeht, baß Konrad und feine Freunde bamals bereitö aus dem Kapitel vertrieben morden waren. Im April 1251 beauftragte Pabſt Innocenz den Probſt von Rosdorf, jene Männer zu ermahnen, daß fie innerhalb einer Friſt von zwei Monaten fich deu Geboten der Kische unterwerfen follten, und fte, falls fle dies

ij Thomas, Annalen. ©. 111 fig.

N) Böhmer, p. 83. Es ift übrigens offenbar nicht richtig, wenn Fichard (MWetteraria S. 88) fagt, zwiſchen den Defanen Konrad unb Friedrich fcheine eine Lücke in der Meibenfolge ber Delane des Bartholomäus Stiftes obzumwalten. Es wird zwar Konrad feit 1248 (Böhmer, p. 74) in feiner Urkunde mehr als Deran erwähnt; daraus folgt aber nicht, daß er bereit# damals aufgehört babe es zu fein. Ercommunicirt (und alfo auch fuspenbirt ober abgefegt) wurde Konrad nach ber oben erwähnten Bulle, burdh ben Mainzer Erzbiſchof Siegfried, unter welchen ber 1249 geftorbene Erzbifchof Siegfrieb IE. verſtanden ift. Auch geht aus jener Bulle bervor, daß Konrab und feine Anhänger im Stifte noch mehrere Jahre na Ihrer Greommmmietrung fortfuhren, gottesbienfiliche Handlungen zu verrichten.

1*

4 I. Unruben und Partei-⸗Kämpfe im breisehnten Jahrhundert.

nicht thun würden, aller ihrer Einkünfte und echte verluftig zu erflären‘!). Diefem Auftrage gemäß erließ der genannte Probft im November 1251 ein Schreiben an ben „ehemaligen Dekan Konrab und an die von ihm zur Zeit feiner Ercommunication aufgenommenen zwei Kanoniker. Da fein Schreiben nidyt auch an Heinrich von Sunblingen und andere frühere Anhänger des Kaiferd im Stifte gerichtet ward, fo fcheinen diefe damals entweder nicht mehr gelebt oder wohl auch fich früher dem Pabſte wieder zugewandt zu haben. Der Pabſt forderte die genannten drei Geiftlichen auf, innerhalb zweier Monate die Stadt Franffurt zu verlaflen und ber Partei⸗ nahme für des Pabſtes Gegner gänzlich zu entjagen. Zugleich er- Härte er dad Kanonikat der beiden zulcht Gemählten für null und nichtig. Was hierauf gegen die drei genannten Geiftlichen weiter gethan wurde, und welches ihr ferneres Schickſal war, iſt unbe fannt; es wird ihrer in feiner Urkunde mehr gebacht. Webrigens hatte Konrad’3 Nachfolger im Dekanat, Friedrich, früher für feine Anhaͤnglichkeit an den Pabſt jchwer büßen müflen. Er war auf einer Reife, welche er für dag Stift unternommen hatte, in Ge fangenichaft gerathen, und hatte während verfelben nicht nur manches Zeid erdulden, jondern auch eine große Summe Geldes bezahlen müfjen. Das Stift entichädigte ihn nachher dafür).

Noch weit weniger, ald von Frankfurt's Verhaͤltniß zum Kampfe der Hohenftaufen, wird uns von einer Auflehnung ber Stabt gegen den deutſchen König gemeldet, welche kurz nach dem Snterregnum ausgebrochen war. Nur eine einzige Urkunde gebenft ihrer, und auch diefe 6102 mit wenigen Worten. Es enthält nämlich ein Manifeft,

1) Böhmer, p. 85. Ich halte für nötbig, zu bemerken, baß die Auffchrift, unter welcher Kirchner, I ©. 135, das Schreiben bed Rosdorfer Probftes anfübrt, nur eine moberne ardhivalifche Bezeichnung ift, mit ber biefeß Schreiben in ben Archiv⸗Katalog des Bartholomäus-Stiftes eingetragen if. Dies ift nöthig zu beachten, weil man fonft den Ausbrud, Konrad babe vor dem ercommunicirten Kaiſer Gottesbienft gehalten, als einen urkundlichen anfehen könnte.

2) Nach einer Urkunde aus dem Jahre 1254 bei Böhmer, p. 91, war die Sache tempore turbationis hujus, cum in negotiis ecclesiae nostrae satis arduis mitteretur, unb Triebrich hatte in feiner Gefangenſchaft labores et incommoda infinita zu ertragen und wegen berfelben dreißig Marl UnfoRen zu bezahlen gehabt.

I. Unruhen und Partei⸗Kämpfe im breizehnten Jahrhundert. 5

welches Rudolf von Habsburg im Auguft 1276 erließ )), folgende Erklärung: „Wir verzeihen aus Gnade den Bürgern Frankfurts bie Nebellion oder vie kühne Verwegenheit und verdammenswerthe Berirrung, deren fie fich gegen und und das Reich ſchuldig gemacht haben follen, welche fie ſelbſt aber mit Beitimmtheit abläugnen. Und weil fie und durch eine Beiſteuer von 1200 Mark Kölnifch einen angenehmen Dienft erwiefen haben, fo entbinden wir fie, aus ge: bührendem Danf für ihre Yreigebigkeit, auf drei Jahre von jeder Abgabe, jedoch mit ver Einfchränkung, daß fie und während biefer brei Jahre je 300 Mark jährlich entrichten follen.” Die Frankfurter hatten alfo in einem der drei criten Regierunggjahre Rudolf's J. irgend etwas begangen, was man ald Auflehnung gegen ben König bezeichnen konnte; umd wenn fie auch ſelbſt ihre Schuld läugneten, jo fcheinen ſie doch, um einer Beftrafung zuvorzufommen, burch ein Geldgeſchenk den König mit fi) ausgeföhnt zu haben. Dies ift Alles, was wir willen und außerdem zu vermuthen wagen fünnen.

Zu den inneren Unruhen Frankfurt's im breizehnten Jahr⸗ hundert ift zwar auch noch die erfte jogenannte Judenſchlacht zu rechnen, welche um bad Jahr 1240 Statt hatte; wir übergehen jeboch bier dieſe, fowie bie in das Jahr 1349 fallende zweite Juden⸗ Schlacht, weil beide Ereigniffe nur in Verbindung mit ber Gefchichte ber Frankfurter Juden ſelbſt behandelt werden Fünnen.

ı) Böhmer, p. 179.

6 UI. Kirchlich⸗politijche Bewegungen zur Zeit Lubwig's bei Yeiern.

u

Kirchlich-politiſche Bewegungen zur Zeit Ludwig's des Baiern.

Bon ben vier deutſchen Kaiſern, welche für die Geſchichte ben Stadt, Frankfurt die wichligften geweien find, Karl vem- Großen, Ludwig den Deutihen, Lubwig dem Baiern und Karl IV., bat Ludwig der Baier für Frankfurt die größte Bebeutung gehabt; bemm bie Privilegien, bie er dieſer Stadt gewährte, waren bie: Hauptgrundr lagen ber Freiheit und bes Wohlſtandes derſelben. Ludwig ber Vaier ift aber außerdem für Frankfurt's Gefchichte au, aus bem: Grunde wichtig, weil die hiſtoriſch bedeutendſte Angelegenheit feiner Regierung, fein Kampf mit dem. Pabſtthum, nicht nur in ver Stabtı Frankfurt einige feiner wichtigiten Momente gehabt, fondern auch in ber dortigen Getjtlichkett einen Zwiejpalt hervorgerufen hat, welcher dem Kirchlichen Leben der Einwohner Jahre lang Hemmungen bereitete, und einen Theil des Frankfurter Klerus zum Feinde der dem Kaiſer anhängigen Bürgerjchaft machte. Webrigen? war Ludwig, während feiner faft dreiunddreißigjaͤhrigen Regierung, nicht weniger ala 48 oder 49 mal in Frankfurt anweſend, wo er bald im Johanniter⸗Hofe, bald im Deutichherrenhaufe, bald bei Jakob Knoblauch (im Saalhof) wohnte, und einmal auch der Saft von drei Bürgern war, beren Namen auffallender Weife in Frankfurter Urkunden nur bei diefer Gelegen- beit vorkommen !).

1) ©. Böhmer’3 Regeſten Ludwig's des Baiern. ©. 5, 41, 42 u. 120.

II. Firchlich:politifcge Bewegungen zur Zeit Ludwig's des Baiern. 7

Im Herbft des Jahres 1323 begann mit dem Baunftuche, welchen Babft Johann XII. gegen Ludwig fchleuberte, der lang⸗ wierige Kampf des Letzteren mit dem Oberhaupte der Kirche. In biefem Kampfe wurden von Kaiſer und Reich die wichtigften Ent: ſchelbungen gerade auf denjenigen Reichs- und Fürftentagen getroffen, welche nad) Frankfurt ausgeſchrieben worden waren. Schon im Jahre 1824, in welchem Ludwig faſt den ganzen Mai und uni zu Frankfurt vermeilte, erließ er von Sachſenhauſen cine feiner Appellaktonen gegen ben Pabſt. Frankfurt's Bürger und, wie es ſcheint, duch die ganze Gelftlichkeit der Stadt nahmen von Anfang an Partei für Ludwig. Die Erfteren' blieben ihm auch bis zu feinen Ende tieii. Ihre Stadt wurde bafim, unb zwar fpäteften in ber erſten Halfte des Jahres 1329, mit dem Interdict belegt, was dann mehrere Jahre ſpater einen Theil ber Frankfurter Geiftlichen bewog, den Gottesdienſt einzustellen (f. Anm. 1).

Ludwig Fam, nachdem er 1326 wieder in Frankfurt geweſen war, gegen Enre des Jahres 1831 in Begleitung feine! Gemaͤhlin anf‘ neue dahin, und verweilte mehrere Monate daſelbſt )Y. Er wurde bei ſeiner Ankunft von ber Bürgerſchaft und dein Klerus glänzen empfangen: ver: Rath, die Prieſterſchaft und das Volk zogen ihm mit dem Heilthum, ſowie mit Fahnen und brennenden Kerzen entgegen). Nachher beſuchte Ludwig vie Stadt Fraukfurt wieder im Jahre 1883, in welchem er mehrmals daſelbſt anweſend war. Der Rath/ lieny ihm damals die Reichsſteuer für zwei Jahre voraus⸗ bezahlen. Auch in den Jahren 1386 und 1837 verweilte Ludwig wieder vorubergehend zu Frankfurt. Am Sfterfteh und Kngften aber that; er dies im Jahre 1388; dern in bemfelben kam er viermal

1) &8 iR ein Druck- ober Schreibfehler, wenn Lersner, I. ©. 822, ihn im Jahre 1829, welches Ludwig in Italien zubrachte, zu Frankfurt einen Reichstag halten läßt.

") Naͤch ben in ber haͤnbſchtiftiichen uffenbach ſchen Exrcerpten⸗ Sammlung, bie ſich auf ber Frankfurter Stadt-Bibliothek befindet, enthaltenen Notizen. Eine derſelben gibt an, des Kaifers Einzug babe am Andreas-Abend, d. i. am 29. Nov., Statt gefunden. Dies iſt jedoch unrichtig, da nach den Böhmer'ſchen Regeſten Lubwig vom 27. November bis zum 2. December in Hammelburg verweilte, Jene Notizen bei Uffenbach find fiberhaupt großentheils unzuverläffig, ba fie ohne alle Kritik zufammengetiagen find, und ihnen nur felten ein Beleg beige: fügt iſt.

8 II. Kircglichpolitifche Bewegungen zur Zeit Ludwig's des Balern.

nach Frankfurt, und blieb einmal acht, ſowie ein andermal fünf Wochen daſelbſt.

Das zuletzt genannte Jahr iſt das wichtigſte Jahr in Ludwig's Regierung; denn in ihm wurden, um die Rechte des Reiches gegen den Pabſt zu wahren, auf einem zu Frankfurt gehaltenen Reichstage Beſchlüſſe gefaßt, welche zu den folgenreichſten der deutſchen Geſchichte gehoͤren. Dieſe Beſchluͤſſe verkundete Ludwig, nit dem kaiſerlichen Ornat geſchmückt, am 8. Auguſt im Deutſchherrenhauſe zu Sachſen⸗ hauſen. An demſelben Tage erließ er gegen die Anmaßung des Pabſtes, Richter des deutſchen Königs zu fein und in deſſen Er- wählung mit einzugreifen, ein Manifeſt an die Chriftenheit, welches an eine ber Thüren ber Bartholomäug-Kirche angefchlagen wurden). In der folgenden Zeit feiner Regierung verweilte Ludwig jebed Jahr außer 1343 und 1345 ein oder mehrere Male auf kürzere ober längere Zeit in Frankfurt, und es wurben bort von ihm noch brei- mal (1339, 1342 und 1344) entjcheivende Reichstage gehalten.

Diefe wichtigen Reichöverhandlungen, welche vor den Augen ber Zranffurter Bürgerſchaft geführt wurden, mußten bie Xebtere um jo mehr in großer Aufregung erhalten, da die Frankfurter bie Partei des Kaiſers mit Entichievenheit und Ausdauer ergriffen hatten.

Wie fehr die Stabt dem Kaifer ergeben war und blieb, zeigt nicht -

nur das Interdict, mit welchen fie viele Jahre Iang belegt war und bis nach Ludwig's Tode belegt blieb, fondern es geht auch aus den vielen Gunjtbriefen hervor, welche Ludwig ven Franffurtern von 1320 an, bejonders aber in ber Zeit von 1329 bis 1337 gewährte. Es ergibt ji außerdem auch aus dem boppelten Umſtande, daß Frank furt 1339 dem Kaifer die Reichäfteuer von vier Jahren wieder im Voraus entrichtele, und daß berfelbe noch ein Jahr vor feinem Tode den Franffurtern und ben drei anderen wetterauiſchen Städten in einem an fie erlafjenen Schreiben für ihre Treue herzlich dankte. Anders dagegen, ald mit der Bürgerjchaft, verhielt es fich mit der

1) Nach den Uffenbach'ſchen Notizen wäre basfelbe an bie auf ber Norbdfeite ber Kirche befinbliche Marien: Thür angefchlagen worben; aber fchon Feyerlein (Nachträge II. S. 129 fig.) bat barauf aufmerffam gemacht, daß der Flügel, an welchem biefe Thür fich befindet, erfi 1846 zu bauen angefangen wurde. S. auch Nömer’s Bartholomäus-Kirche ©. 88.

II. Kirqhlich⸗politiſche Bewegungen zur Zeit Lubwig’s des Baiern. 9

Geiſtlichkeit; denn von biefer blieb nur ein Theil de Mailer treu, bie Mehrzahl dagegen ergriff früher oder jpäter Partei für den Pabſt.

Ueber die Stellung bes Frankfurter Klerus zu dem damaligen Rampe zwifchen Kaifer und Pabſt melden uns bie gleichzeitigen Urkunden nur Folgendes. Das Bartholonäus-Stift, welches im Juni 1335 au dem Probft Johann Unterfchaff von Eonftanz, dem Delan Reinhard von Efcheräbeim, dem Scholafticus Friedrich von Karben, dem Santor Wider Froſch, dem Plebanus oder Stabtpfarrer Heilmann Froſch und den Kanonitern Nicolaus von Bettenheim und Heinrich Wei beitaud, war damals noch einig‘); nachher aber ſpaltete es fich in eine Taiferliche und eine päbftliche Partei, und warb wegen der Hartnäcdigfeit, mit welcher die Lebtere zum Pabſte hielt, durch den Kaiſer faft aller feiner Güter beraubt). Zur kaiſerlichen Partei gehörten der Probſt Johann Unterfhaff von Eonftanz, ber Dekan Reinharb von Eſchersheim, Heilmann Froſch und mehrere andere Geiftlihe). Diele feine Anhänger nahm Ludwig nachdrücklich in Schutz. Namentlich ſchickte er 1343 ſowohl dem Bartholomäus⸗Stift, als auch dem Stadtrath das Verbot zu, päbftliche Befehle anzunehmen und zu befolgen, welche gegen feine Anhänger, inöbefondere gegen ben Probft Johann, gerichtet feien, indem er zugleich, Beide für jeden Schaben verantwortlich machte, welchen bieje in Folge folcher Befehle erleiden würden‘). Um jene Zeit hatte übrigens bie kaiſerliche Partei das Uebergewicht im Stifte; denn eine von dem Faiferlich gefinnten Reinhard von Eſchersheim ausgeſtellte Urkunde vom November 1344 beginnt mit den Worten: „Wir Reinhard Dekan. und das ganze Kapitel der Bartholomäug- Kirche” 5),

Ueber das Berhalten des Leonharbs-Stiftes melden die gleich zeitigen Berichte nichts. Dagegen gebt in Betreff des dritten Frank⸗ furter Stiftes, des Xiebfrauenftiftes, aus ihnen hervor, daß dasſelbe in ben Jahren 1337 und 1338 gegen den Kaifer feinblich gefinnt

1) Dies geht aus ber bei Böhmer, p. 588 sq., befindlichen Urkunde hervor.

) Böhmer, p. 595 sq. u. 617 sq.

) Böhmer, p. 588 u. 617. Johann Unterfhaff wird auh Johann von Mainz genannt, weil er zugleich Probſt zu St. Victor in Mainz wer.

‘) Böhmer, p. 582 sq. °) Böhmer, p. 589.

10 II. Hiräligepoltifige Bewegungen zur Zr Lubtih'a bes Wilken:

war, ſchon 2340 aber auf deſſen Seite fand't)! Wads die beiden in Fraukſurt beſtudlichen Mittetorden betrifft, ſo ſcheinen die Johanniter zur baiſerlichen Partei gehört zu haben, weil ver Kaifer ihnen 1346 das Recht gewährte, fich täglich Holz aus dem Reichswalde holen zw laflen?); wenißſtens waren fie hiernach in ber letzten Zeit won Ludwigis Regierung dieſem zugethan. Bon: den Deutfchherren ſteht bie auch für bie frabere Seit feit; denn ihnen fchenkte Ludwig im September 3338 für em Anniverfarium, das er in ihrer Kirche ftößtete, ein Stuͤck bes Reichſswaldes bei Frankfurt. Sie Blicken ihm auch nachher treu, wie zwei Urkunden von 1341 und 1342 zeigen, im welchen: er ihnen ben Pachibeſitz eines Frohnwaſſers beftätigte, und- fie in demſelben jchäßte: Gehen wir zu den eigentlichen Klbſtern über, ſo bieten und bie gleichzeitigen Nachrichten in Betreff keines derſelben Angaben, welche mit Stcherheit anf deſſen Verhalten in bem: großen: Parteien⸗Ktampfe ſchließen Taften. Von dem Weißfranen⸗ Klofter berichten fie eine Gunſtbezeugung, weldje Ludwig ihm 1342 erwied?).. In Betreff; der Karmeliter hat fi eine Urkimde erhalten, nach welcher dieſe im April 1829 noch Gottesdienſt Hiektin*). Ven den: Barfüßern meldet ein der Jahresangabe entbehrendes Schreiben des KMaiſers an den Stadtrath, daß nach einer Anzeige des Letzteren dieſelben ihren: Gottesdienſt halten wollten‘, und daß vet Kaiſer dies billigend fie dem Stadtrathe empfahl), was buch wohl nur auf einen Wiederbeginn ihres eingeftellten Gottesdienftes, ſowie auf’ eure zu: irgend einer Beil Statt gefundene Unterwerfung unter daB Inters bicd: und auf eine nachher erfößgte Umkehr zur Parteinahme für den Keaſer bezogen werben kaun. Was endlich vie Dominikemer betrifft; ſo fragten dieſe anfangs nichts nach dem Interdict; nachher aber ergriffen fie die Partei des Pabfies. Sie wurden deshalb um 1335 aus Frankfurt vertrieben, und irrten dann lange in der Verbannung umher (ſ. Anm. 1 und 2).

Die vorſtehenden Angaben enthalten alles dasjenige, was bie’ gleichzeitigen Nachrichten uns über das Verhältnig Frankfurt’, und feiner Geiftlichkeit zu Kaifer und Pabſt mitiheilen. Außerdem finden

ı Den Nachweid hiervon werben wir fpäter im Terte' geben. 2).Böhimer; p: 604: °) Böhmer, p: 877: 4) Böhmer, p. 495. °) Böhmer; p. 558.

IL Archlich⸗ politiſche Bwegungen zur Zeit Labwiga des Bakrn, 11

ſich aber in ber handſchriftlichen Excerpten⸗Sammlung Uffenbach g noch andere Nachrichten, welche nicht beglanbigt find, und meilumder ſomohl einander felbft, als auch jenen urkundlich feſtſrehenden Angaben widerſprechen. Sie bernhen offenbar der Mehrzahl nach auf Weber lieſerungen, welche lange Zeit muͤndlich vererbt wurden; Bei einigen deutet der Umſtand, daß ſie ein Tages⸗Datum enthaften „ſogur auf älteve fchriftliche Duellen hin. Sie verdienen aljo zwar eine Beruch ſichtigung, aber doch: nur in fo weit, als fie den urkundlichen Nad- richten nicht widerftreiten. Nehmen wir fie mit dieſer Beſchraͤnkung als Ergänzung der Leisteren in. vie Geſchichtkerzaͤhlung mit auf, fo geſtaltet ſich dieſe für die Zeit von 1329 bis zur Ausſoͤhnmig ver Statt Frankfurt mit der Kirche folgendermaßen.

Späteften? in dem zuleht genannten Fahre wurde die Stabe Franffurt wegen ihrer Anhänglichkelt an den Kalfer mit ben Inter⸗ biet: belegt. Keines der in Frankfurt beftehenden Stifte und Klöfter unterwarf fich demſelben gleich anfangs, fonbern alle fuhren: vielmehr: fort, ihren Gottesdienſt zu halten Erft mehrere Jahre fpäter be gannen fie zum Theil, dieſen einzıftellen und gegen den Katfer Parker. zw nehmen. Bon Sekten ber Dominikaner gefcha wies um vas - br: 1386652). Diele wurben: deshalb damals aus der‘ Siabt ver⸗ trieben , behrten aber: entweder bald wieber, mit ſtillſchweigender Ge— nehmigung bed; Stabtrathes, zurlic, ober Liegen während ihrer Bere bannung ihr Kohler durch einige wenige Mitglieber verwalten. Von den anderen geifllicden Krperſchaften blieben wie Deutſchherten und: bag Leonhares⸗Stift, ſowie vermuthlich auch die Johannitet dem: Miſer fortwaͤhrend anhaͤngig N. DE LeonhardSuftes gedenken zwar bie geeichzeitigen: Urkunden: gar: nicht; dagegen erklären aber alle fpätever: Nachrichten einftimmig, daß daßſelbe dem Kaiſer un⸗ wandelbar treu geblieben ſei. Huch: war dieſes Stift vor aller

ıy Die uffenbach ſchen Angaben ſagen eines Thells: die Dominikaner Hätten fyon 1881’ ihren Gottesbienſt eingeftelft und: feien beabalb vertrieben worben, anderes: Theild. aber, ihre Bertreibnng babe am 9. Augnuſti 1888 (am :Tnge. nady; ber. Berfünbigung. der damaligen . Reigäbefchläffe) :Statt gefunden.

) Den Uffenbach’fchen Nachrichten zufolge hätten bie Deutichherren 1888 ihren Gottesbienft eingeftellt und erfi 1345 wieder begonnen; bie if jedoch, nach ben, was oben von ben ihnen 1888, 1841 und’ 18423 gewährten Tatferlichen Gunſibezeugungen -gefagt wurbe, vbllig ˖ nnrichtig.

12 11 Küchlich⸗politiſche Bewegungen zur Zeit Ludwig's des Baiern.

anderen geiſtlichen Koͤrperſchaften demſelben von früher her zu Dank verpflichtet, weil Ludwig ihn 1318 das Patronat der Barochie Braun: heim mit allen zu bemfelben gehörenden echten und Einkünften ge- ſchenkt hatte (ſ. Ann. 3). Alle übrigen Stifte und Klöfter gingen im Berlaufe des Streited zwilchen Kaiſer und Pabſt zu ber Partei des Letzteren über. Zu welcher Zeit dies jedoch geſchah, ift in Betreff feiner ber geiftlichen Körperichaften mit Sicherheit zu beitimmen. Nach den Uffenbacy’ichen Nachrichten gefchah es bet den meilten ber: jelben im Jahre 1388.

Dieſes Jahr war, wie in der Gejchichte jenes nationalen Kampfes ſelbit, fo auch in der Gefchichte feiner Ruͤckwirkung auf bie Stabt Frankfurt eines ber wichtigſten. Als Kaifer Ludwig am 8. Auguft das gegen den Pabſt gerichtete Manifeſt an bie Thür der Bartholo- maͤus⸗Kirche hatte anfchlagen laſſen, hatten Abgeſaudte des Pabſtes, welche nach Frankfurt gekommen waren, die Kuͤhnheit, an biefelbe Thür auch den gegen Ludwig gefchleuderten Bannfpruch anheften zu laſſen. Diefe Kühnheit Hatte jchlimme Folgen für die päbitlich geſinnten Geiftlichen der Stabt, am meiften für das Bartholomäus: Stift. Die Mitglieder dieſes Stifted hatten ven Kaiſer ſowohl durch ihren Vebenswandel, ala auch durch ihr Verhalten gegen ihn ſchon früher ſehr erbütert. Ihrer Herkunft nach meiſtens vornehm und durch ihre Erziehung an ritterliche Vergnügungen gewöhnt, hatten fie die Einkünfte des damals jehr reichen Bartholomänz-Stiftes be nubt, um ein Leben des Genuſſes zu führen. Sie hatten ihre geilt- lichen Aemter durch Vicare verwalten laſſen, fich felbft aber ber Hege- und Beigjagd, jowie dem Vogelfange ergeben und noch dazu der Wolluft gefröhnt. Auch waren fie in ihrem Webermuth jo weit gegangen, daß fie den Kaifer felbit, während feiner Anweſenheit in Frankfurt, auf wahrhaft höhnende Weile beleidigt hatten. Sie hatten ihm, wenn er ihnen begegnete, die übliche Ehrenbezeugung des Kniee- beugen? nicht erwiejen; und al? ſie einft, von ber Jagd zurückkehrend, an dem über die Brüde reitenden Kaifer vorüber kamen, hatten fie fogar, um ihn zu kraͤnken, ihre Sperber ihm entgegengefchwungen. Der Kaifer ſoll damals zu feinen Begleitern gejagt haben, er werde ben geiftlichen Herren ihren Stolz Iegen und fie zwingen, bie Taifer- Tiche Majeftät zu ehren. Dieſes drohende Wort führte er gleich nach bem 8. Auguft aus, und zwar in einer Weile, welche für jene Herren

II. Kirchlich-pefktifige Bewegungen zur Seit Labwig's bes Vaiern. 13

die empfinblichfte war, und ihm ſelbſt die gerechiefte Strafe zu ſein ſchien. Die Stiftsherren hatten die Majeſtät des Kaiſers ſchwer beleidigt, und doch waren bie reichen Beſitzungen bes Stifte Aus⸗ fläfle der Gnade, mit welcher frühere Water dasſelbe bedacht hatten. Ludwig entriß daher dem Stifte den größten Theil feiner Güter und Zinſen, und verjchenfte dieſe an benachbarte Herren und Kirchen. Nur die Einkünfte der Probftei ließ er, dem ihm ergebenen Inhaber zu Liebe, unangetaftet 2). Diefer Schlag traf dad Stift fehr hart; denn es hatte in Folge desſelben Mühe fortzubeftehen. Die ihm ent⸗ riffenen Befigungen und Gefälle waren nämlich fo beveutenb, daß ber Veberreft zum Unterhalte ber Kanoniker nicht außreichte, und deshalb der Erzbiſchof von Mainz fich 1345 bewogen fühlte, eine berfömmliche Gelbleiftung des Stiftes an feinen Stuhl auf den halben Betrag herabzuſetzen; ja, er mußte wenige Jahre nachher bielelbe fogar noch einmal vermindern). Beim Pabfte dagegen fand das Stift fein Mitleid; im Gegentheil, biefer ertheilte ihm anf feine Klagen fogar noch einen Verweis, welder wohl verbient war und zugleich als ein Beleg dafür bienen kann, daß dag Stift ſich gegen den Kaiſer wirklich jo übermüthig benommen hat, wie oben erzählt worben ift. Der Pabſt erwiberte die Erklärung bed Stiftes, daß ed ein Opfer jeined Gehorſams gegen ihn geworben jei, mit ben Worten: die Herren hätten fich freilich als gehorſame Söhne ver Kirche, aber nicht ala Muge Männer benonmen?). Das Stift ge: langte nie wieder zu feinem früheren Reichthum. Es würde fogar, wie man behauptet, fich nicht haben erhalten koͤnnen, wenn es nicht von reichen Leuten mit neuen Schenkungen bebacht worden wäre. Das Liebfrauenftift benahm fich klüger; denn obgleich dasſelbe zum PBabfte hielt, jo wird uns boch nicht? von einer feine Beſitz⸗ thünmer fchmälernden Strafe gemelvet, die ihm wegen feiner Partei⸗

V Eine der Uffenbach'ſchen Notizen enthält noch den Zufab: bie bamalige Einziehung ber meiften Stiftögüter fe der Grund, warum fpäter bie Stabt ben Befis ber hohen Jagden nicht gehabt habe.

*%) Böhmer, p. 595 sq., 688 sq. u. 656 sg. An ber zweiten biefer Stellen werben bie dem Stifte entriffenen Einfünfte einzeln aufgezählt.

Airchner, I. ©. 221 Note. Dort findet fi auch eine richtige Bemer⸗ fung über den Umfang des von Stifte damals erlittenen Schadens, fowie über den Werth ber Angaben, weiche bas Stift ſelbſt darüber gemacht bat.

14 IL Giuhlidepoiitiiäie Wewegungen zur Zelt Bubteig’s bi Maianı.

nahme für den Pabſt eribeilt worden wäre. Auch dieſes Stift hakte von Rıdier arträndt. Als derſelbe mwänslich nach femer Kallerkränmg son ame heriömwlicden Rechte Gebrauch gemacht und einem feiner Diener für eine Stifti-Pfrände vorgeſchlagen Hatte, war das Stift ſo kühn geweſen, hiefen Borichlag zurückzuweiſen und die betveffende Bfrünbe einem Auhänger des Pabſtes zu ertheilen. Dafür warb es us September 1336 in der Weiſe beſtraft, daß Ludwig einen Theil der Stifisgüter in Beſchlag nehmen ließ und dem Stadtrathe ven Befehl gab, einen beſtimmten Theil vom jährlichen Ertrage derſelben an dem von ihm Vorgeſchlagenen auszahlen zu laſſen. Bus Stift lentte hierauf Tluger Welle ein. Sa, es wußte jogar vie Gunſt des Kaiſers zu gewinnen, was Boch wohl nicht anders, als burch offene Parteinahme für ihn, möglih war. Der Kaiſer erwied fi ihm »aoflir daukbar. Im Jahre 1340 ftiftete er beim Liebfrauenftifte für fig, ſowie für feine Vorfahren und Nachfelger im Koönigthum ein Jahresgedächtniß, und erklaͤrte dafür das Sf‘ von allen meltlichen Dienfien und Abgaben frei 2).

Bon ber paͤbſtlich gefinnten Geiſtlichen ber drei Fraukfurter Stifte ſcheint Feiner durch den Kaiſer aus Frankfurt vertrieben wor gen zu fein, außer einem einzigen, dem Vicar Dieb zu St. Bar thelcmäus. Dieter war berjenige Beiftliche, welchen das Liehfrauenitift ftatt des vom Kaiſer Vargeichlagenen wit einer Pfründe bedacht hatte; er ward bafür auf Befehl des Kalſers ausgewieſen. Die gleiche Strafe traf auch alle Kioftergeiftlichen, welche zur pähftlichen Partei hörten. Doch fteht in Betreff deines ver Klöfter, defien Mitglieder in bie Verbaunung geſchickt wurden, vie Zeit feit, im welcher bies geſchah. Die Dominikaner waren befanntlich ſchon um 1335 im Eril, Die Karmeliter jollen, dem. Uffenbach'ſchen Nachrichten zufolge, am 9. Auguft 1338 aus Frankfurt verjagt worben fein und ef zwölf Jahre fpäter (am 31. Oftober 1350) ihren Gottesdienſt da: ſelbſt wieder eröffnet haben). Bon den Barfüßern melden bie

ı) Böhmer, p. 548 sq., 550 sq., 554, 568 20. Das freunbliche er: haltmid, in welches das Gift zum Kaifer getreten wae, bamerte bis zum Tode Ludwig's fort. Dies läßt Ach aus dem Umſtande fchließen, daß Ludwig noch 1846 einen vom Gtifte ınit dem Bogt von Bonames geichlofienen Vertrag be- Rätigte (Böhmer, p. 597).

*) Auch zivei im Yrankjurter Archis befindliche Karmeliter⸗ Chroniken, weldye

IL Arrqlich· polliſche Bewegungen zur Zeit Lubenig's hab Main. 15

Uffenbach'ſchen Notizen ebeufalls eine im Jahr 1338 Stadt gehabte Bextzeibung, fpwie ihre Müdtepe im Jahre 1850; bach ſagt eine biefer Notizen, bie Barfüher hätten es 1388 mit dem Mailer gehalten und ſeien deshalb nicht vertrieben werben. Sächer ift, daß fie aine Zeitlaug ihren Gottesdienſt eingeſtellt hatten, fich abex nechher dem Kaiſer zuwandten, und dann ihren Gottesdienſt wieder hielten. tue? Aehnliches herichtet eine der Uffenbach'ſchen Notizen vom den Domini⸗ kauern. Dieſe wären nämlich, heißt es, als fie aus Fraukfurt ver⸗ trieben worden waren, nach Rom gezogen, haͤtten aber daſelbſt keinen Unterhalt gefunden, ſich deßwegen nach Deutſchland zurückbegeben, bie Partei des Kaiſers ergriffen und demſelben durch wie von ihnen gepredigte Lehre, daß das romiſche Reich von Golt und nicht ma Pabſte wäre, ſehr viel genügt. Wahrſcheinlich iſt dieſe Angqbe aller⸗ dings nicht.

Bon dem nächiten Reichſtage, welchen Kaiſer Lubwig in Trank furt hielt (1339), werben und Feine Bezishungen zu ber Stadt und ihren Einwohnern gemeldet. Dasſelbe gift yon dem 3842 daſelbſt gehaltenen Reichätage. Dagegen erſieht mau Sei Gelegenheit eines damals eingetretenen furchtbaren Ereigniſſes, daß das Interdict won den in ber Stadt gebliebenen Geiſflichen nicht beachtet wurde. Yan Juli 1342 faud nämlich die größte Main⸗-eberſchwemmung Stadt, welche jemals in Frankfurt vorgekommen ift, und als nach dem Zu⸗ rücktreten des Gewaſſers eine Dank⸗Proceſſion gehalten wurde, nahmen nicht nur alle Geiſtliche an derſelben Theil, ſondern es warb auch in der Bartholomäus-Kirche eine Meſſe gehalten. Daß ein Theil der Stiftsherren dieſer Kirche damals und auch nachher noch immer dem Pabſte anhing und in deſſen Intereſſe thätig war, geht aus dem oben erwähnten Schreiben hervor, durch welches Ludwig im September 1343 ſowohl dem Stabtrathe, ala dem Barkbalomäufs Stift drohend verbot, päbftliche Briefe, welche gegen feine Anhänger gerichtet feien, anzunehmen und in Ausführung zu bringen. In dem an das Stift gerichteten Schreiben hatte er für noͤthig gehalten, in bejonbere den Probſt Johann in Schub zu nehmen.

Einige Mitglieder des Bartholomäug-Stiftes waren aljo offenbar

in ber zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts verfaßt worden find, bemerken das Rämliche.

16 II. Kirchlich⸗politiſche Bewegungen zur Zeit Ludwig's bes Baiern.

noch immer für die Sache des Pabſtes thätig. Ste erbitterten da- burch das dem Kaifer ergebene Volt, und biefes ließ fich endlich zu einer Gewaltthätigkeit gegen das Stift hinreißen. Am 28. Juni 1344 fchlug eine Anzahl Bürger eine Thür der Bartholomäug- Kirche ein, und zerirümmerte die Fenſter dieſes Gebäudes, vielleicht weil ber Gottesdienſt längere Zeit ausgeſetzt geblieben war, vielleicht aber auch um bie für ſich allein Gottesdienſt haltenden Geiftlichen zu überfallen. Im Herbft dezfelben Jahres hielt der Katfer wieder einen durch feine Beichläfje wichtig gewordenen Reichtag in Frankfurt. Gleich darauf schloß er in Frankfurt ein Schugbiinvnig mit dem Erzbiſchof von Mainz, dem dortigen Dom-Kapitel und den vier wetterauiſchen Städten, deren eine befanntlih Frankfurt war. Einen Monat fpäter endlich (November 1344) übte er in Frankfurt auf feierliche Weife das Taiferlihe Richteramt aus: von einem Throne herab, welcher auf dem Samftagäberg errichtet worden war, verfündigte er den über einen Streit des Erzbifchofs von Mainz mit dem Pfalzgrafen Ruprecht erlafienen Sprach der Fürften. Der Spruch war gegen ven Pfalzgrafen ausgefallen, und man beforgte daher einen Angriff des Rebteren auf ven Kaiſer und die Fürften. Deshalb waren etwa 5000 Mann Soldaten im die Stabt Frankfurt eingerüct, und bie Bürger mußten, bamit für alle Fälle Vorkehrung getroffen ſei, eine Zeitlang Abend an jedem Hauſe eine brennende Laterne aufhängen.

Im Juli 1346 ſprach Ludwig von Nürnberg aus der Stabt Frankfurt und ben brei anderen wetterauifchen Städten fchriftlich feinen Dank für die ihm bisher bewieſene Treue aus, und bat bie vier Städte zugleih, ihm auch in dem bevorſtehenden Kampfe mit Karl von Mähren, welcher als fein Gegenkoͤnig aufgetreten war, ihre Treue zu bewahren. Im Auguft 1347 befuchte er die Stabt Frank⸗ furt zum legten Male. Zehn Wochen ‚fpäter (11. Oktober) über: raſchte ihn in feinem Heimathslande der Tod. Obgleih cr im Baune geitorben war, fo hielten ihm doch die Geiftlichen des Bartholomäng- Stiftes ein feierliche Begaͤnguiß mit einer Todtenmefje‘). Dies ge- ſchah am 28. und 29. Dftober. Bier große Kerzen waren für bie Feier in der Kirche aufgeftellt worden. Am erften Tage wurbe bie Todtenmeſſe gehalten, zu welcher man mit allen Glocken läutete. Am

1) Nach ben Zauf’fchen Eollectaneen in Uffenbach's Sammnilung.

II. Kirchlich⸗politiſche Bewegungen zur Zeit Ludwig's des Balern. 17

zweiten Tage warb ſchon von Nachts 1 Uhr an bis zum Beginne ber Meſſe geläutet; nachdem biefe gehalten worden war, beenbigte man bie eier mil einem Todtengebete. Ludwig's treuefter Anhänger im Frankfurter Klerus, der Probſt Johann Unterfchaff, war damals nicht mehr am Leben; er hatte fchon zwei Jahre früher (3. Mai 1345) das Zeitliche gefegnet.

Die dem Kaifer anhängig gewefenen Geiftlihen waren ſchon längjt ercommuncirt worden, und blieben es zum Theil auch noch nach Ludwig's Tode. Die zu diefer Partei gehörenden Mitglieder des Bartholomäus⸗-Stiftes wurden erft Ende Oktober 1350 von ben über fie verhängten Kirchenſtrafen losgeſprochen ). Um diefe Zeit fehrten andererſeits auch die aus der Stabt vertrichenen geiftlichen Anhänger des Pabſtes zurüd. Auch die Stadt, auf welcher fchon eine lange Reihe von Jahren das Interdict lag, wurde damals durch venfelben päbftlichen Commiflär, der jene Stiftäherren von St. Bar- tholomäus abjolvirt hatte, den Erzbiſchof Balduin von Trier, vom Banne TLosgejprochen ?). Der Rath wie anfangs bie päbjtliche Gnade zurüd, weil fie ihm in einer Form gewährt werben follte, welche der Ehre und dem Rechte des Neiched und der Stadt wider: ſtritt. Er follte ſich nämlich nicht nur für einen vom chriftlichen Glauben abgefallenen Ketzer befennen, ſondern auch eidlich geloben, forthin niemand mehr als Kaifer anzuerkennen, der nicht vom römt- ſchen Stuhl approbirt fe. Der Rath gab auf dieſes Verlangen folgende Erflärung: er werde ſich nur eine Formel gefallen laſſen, welche dem Neiche und der Stabt Feinen Eintrag thue; er werde auch ferner einem Könige, welcher den Pabſt um die Kaiferfrönung gebeten, fie aber nicht Erhalten habe, den ſchuldigen Gehorjam Ieiften; bie Stadt fei unfchuldiger Weile im Banne geweſen, und ber Rath glaube mit den, was er gethan habe, im Nechte gewefen zu fein; er werde fich gleich anderen Ständen des Meiches der vorgelegten Ab— jolutiong-Form um fo weniger unterwerfen, da biefelbe großen anti hriftlichen Stolz und Webermuth in fich habe, und der Hoheit eines

1) Böhmer, p. 617 sq.

2) Nach ber einen der drei Angaben, bie fich bierüber bei Uffenbach finden, geſchah es 1849, nach ben beiden anderen 1850; alle brei aber haben basfelbe Tages- Datum, Symonis und Judä.

Kriegt, Fraukſ. Bürgerzwifte. 2

18 IL Lirglicpolitiiche Bewegungen zur Zeit Ludwig's des Baiern.

erwählten Kaiferd und der Kurfürften nachtheilig ſei. Mit dieſer Erflärung wandte fich ber Rath an den neuen Herricher Karl IV. Diefen erfuchte er, durch einen Gejandten beim Pabſte eine andere Formel auswirken zu laſſen. Karl ging jedoch auf die Bitte des Rathes nicht ein. Die Abjolution der Stadt gejchah daher auf Grund der alten Formel; aber der Rath unterwarf fich ihr nur mit Proteft und unter Vorbehalt feines Rechtes.

Nun zum Schluffe noch eine Bemerkung über ein noch vor: handenes Zeichen feiner Huld, mit welchem Kaijer Ludwig eine ver Frankfurter Kirchen, deren Geiftliche ihm treu waren und blieben, beehrt haben fol! In Leröner’3 Chronik !) findet fich folgende Be merfung: „1339 haltet das Stift zu St. Leonhart mit Kaifer Ludwigen gegen ben Bann Pabſt Benedicti VI. Deßhalben wurde zum ewigen Gebächtnüß der Adler auff bie Kirche geſetzt und in bie Dechaney gemacht worden”. Dieje Notiz wurde von Kirchner mit den Morten wiedergegeben, Ludwig ſei es geweſen, der den Adler ala ein Zeichen der Huld über den Eingang der Leonhards-Kirche habe jeßen laſſen, und von feiner Zeit ber ſei der nördliche Thurm ber Kirche, ftatt der Spite, mit dem Adler als Zeichen Taiferlicher Gunft verfehen ?). In etwas veränderter Weiſe gedachte neuerdings Roͤmer °) der Herkunft des an ber Leonhards⸗-Kirche befindlichen Adlers: das Leonhardg-Stift habe zum Zeichen feiner Parteinahme für den Kaifer jpäter einen blechernen zweilöpfigen Adler auf das Heine Vorthürmchen ſetzen lafjen, das fich beim Eingange in die Leonharbö: Kirche befinde.

Woher Leröner, welcher biefe Nachricht zuerjt gibt, fie ge nommen hat, weiß ich nicht. Ich Habe fie in älteren Schriften ebenfo wenig, als in der Uffenbach'ſchen Sammlung finden können. Es ift mir deshalb nicht möglich, fiber ihre Zuverläffigkeit zu urtbeilen.

1) Lersner, II. 2. ©. 177, im Anfchluffe an I. 2, ©. 118.

7 Geſchichte L S. 226 und Anfichten J. ©. 92. Daß übrigens ber jetzt auf dem Thurme befinbliche Adler felbft nicht mehr aus Ludwig's Zeit berrühren kann, verfteht fi von felbft, ba ein aus Eiſenblech gemachtes, auf ber Spitze eined Thurmes ſtehendes Abzeichen ſich unmöglich ein halbes Jahrtauſend erhalten Tann. Auch gebt dies, wie Römer, Ber deutſche Adler. ©. 58, bewerkt, aus feinen Zuthaten hervor, nämlich aus den zwei Kronen, dem Patriarchen-Preus über ihnen und aus dem Scepter und Schwert in ben Krallen.

2) An ber fo eben angezeigten Stelle.

IL Archlich ⸗politiſche Bewegungen zur Zeit Libwig's des Beim. 19

Do lann ich mich nicht enthalten, einem Zweifel an her Richtig⸗ keit der Sache auszuſprechen, welcher theils auf dem erwähnten Mangel einer Beglaubigung, theild auf dem Umftanbe beruht, daß fh bei ber Leonhards⸗Kirche etwas Anderes findet, womit jener Adler in Beziehung gebracht werden kann. Diefe Beziehung beitcht in dem Gebrauche der Leonhards⸗Kirche zum Aufbewahren, wie zum öffentlichen Borlefen der ftädtifchen Privilegien⸗Urkunden.

Was die Aufbewahrung ber ſtädtiſchen Urkunden betrifft, fo gab es, fowiel ich weiß, im vierzehnten Jahrhundert und in der erſten Zeun des fünfzehnten für biejelbe weber ein beſonderes Gebäude, noch auch ein beſonderes Zimmer. Dagegen werben in ben Stadt⸗Rech⸗ nungäbüchern jener Zeit oͤfters verichließbare Srhränte und Läden erwähnt, die ſich theils in der Rathsſtube, theils in der ftäbtifchen Schreiberei oder Notarie befanden. ine berjelben heißt 1404 bie Siegellifie. Kine andere, weiche 1381 angeichafft wurde, wirb eine grade beiehlagene Lade zu den Briefen genannt. Bon einem in ber Rathsſtube ftehenden Schranke wird 1377 bemerkt, daß in ihm oben ein damals ansgefertigter Leibgedinge⸗Brief Tiege. Zwei neue Laden fire Briefe wurben 1386, eine beägleichen 1896 gekauft. Von einer anderen, welche 1401 angejchafft und in der Schreiberei aufgeftellt wurde, beißt es, fie jei beitummt, „ver Stabt Briefe und Privilegien etliche darin zu legen”, Im Jahre 1410 endlich wurde eine große beſchlagene Lade zu ber Stabt Quitancien (d. i Quittungen) gefauft. Erft in dieſem Jahr kam der Rath auf den Gedanken, ein beſonderes Ardiv einzurichten. Leräner jagt nämlich, damals habe derſelbe ein Haus in der Abficht gekauft, es niederreißen und „ein Liberei oder Bibliothek und anderes Gebaͤu“ an feiner Stelle errichten zu laſſen. Diefe Worte will Kirchner (I. 463) jo genommen haben, daß unter Liberei nicht eine Bibliothek, ſondern ein Archiv zu ver- ftehen ſei; offenbar bedeutet aber In einer Zeit, in welcher es noch feine gedruckten Bücher gab, eine von Staatöwegen gemachte Liberet (d. i zu deutſch Bücherei) ebenfo wohl das Eine wie das Andere. Db der Rath fein Vorhaben auöführte, ift nicht belannt.

Dagegen erfcheint im fünfzchnten Jahrhundert der 1388-1391 erbaute frädtlfche Vertheibigungd-Thurm an ber Leonhards⸗Krehe als berjenige Ort, an welchem die ftäbtifchen Privilegien aufbewahrt wurden, während zugleich in einer Urkunde des Leonhards-Stiftes von

2%

20 IE. Rirchlich-politifche Bewegungen zur Zeit Ludwig's bed Baiern.

1472 durch dieſes felbft befcheinigt wird, dag auch ein zu: den kirch⸗ fichen Gebäuden ſelbſt gehöriger Raum, nämlich ein im Glodenthurm über dem Ottilien- Altar befindliches Gewölbe, dem Rathe und ber Stadt von Alter her eigenthümlich zugebört babe. In jenem Thurm (und zum Theil vieleicht auch in biefem Gewölbe) blieben bie Privi- Tegien bis zur Zeit der Fettmilch’fchen Unruhen aufbewahrt, wo fie in den Römer gebracht wurden.

Sehen wir zu ber Art über, wie die von den Kaifern ertheilten Privilegien der Bürgerfchaft mitgetheilt wurden: jo möchte es zweck⸗ mäßig fein, einige Worte über die früheren obrigkeitlichen Verkün⸗ digungen und Bekanntmachungen überhaupt vorauszufchiden. Im vierzehnten Jahrhundert gefchahen alle Verkünbigungen, welche der Rath den Bürgern machte, durch Ausrufen berfelben in ber Stadt, und es gab dafür eine Zeitlang einen eigenen bejolveten Mann, welcher der Rufer hieß. Dies fand auch noch im folgenden Jahr⸗ hundert Statt). Außerdem gab es aber im fünfzehnten Jahr⸗ hundert auch noch drei andere Arten der Belanntmachung. Der Rath Tieß nämlich einer jeden Zunft und Stubengejellfchaft Abfchriften feiner Verordungen zufchiden, denjenigen Bürgern aber, welche weder zünftig waren, noch zu einer Stube gehörten, biefelben durch Raths glieder auf dem Rathhaufe vorlefen, fowie dort „an bie Tafel des Ge ſetzes“ anfchlagen, und endlich mitunter aud) durch den oberiten Richter von ben Ranzeln der Kirchen herab?) verfündigen. Dieſe Arten der Be: fanntmachung fanden jedoch blos bei neuen Gejegen und Verordnungen Statt. Was dagegen die Faiferlichen Privilegien betrifft, fo wurden biefelben theils gar nicht der Bürgerfchaft mitgetheilt, ſondern blog durch einen Rathsbeſchluß zu ihrer Kenntniß gebracht ®), theils aber

1) „Dieſe vier vorgefchrieben überfomen und gefebe,” beißt es an einer Stelle des bandfchriftlich vorhandenen, theilmeife im Archiv für Frankfurt's Ge: ſchichte und Kunft, Heft VII. abgedruckten fogenannten Geſetzbuches, „hat ber Rat auch offinberlih durch bie Stab laſſen rufen und virfunden‘ (1402).

) In bem fo eben erwähnten fogenannten Geſetzbuch findet ſich (BI. 37) einer Verordnung von 1514 bie Bemerkung beigefügt: „Dies if in der Pfar, in St. Peter, zu ben brei Könige, zu St. Katherinen, in ben drei Orben über bie Canzel verfünbet und jeber Zunft ein Zettel gegeben worben.‘ An einer anderen Stelle besjelben Geſetzbuches (f. Archiv. für Frankfurt’ Geſchichte und Kunſt. VII. S. 140) fommt das Anfchlagen an bie Tafel des Geſetzes vor.

®) Senckenb. Sel. jur. I. p. 519 sq.

II. Kirchlich-politifche Bewegungen zur Zeit Ludwig's des Baiern. 21

auch von einer Kanzel, d. b. einem Gange herab, der fich an ber nördlichen Seite der Leonhards⸗-Kirche befand, und über welchem ein Adler angebraht war, vorgelefen‘). Der letztere Gebrauch fand jevoch nur bis gegen dad Ende des fünfzehnten Jahrhunderts Statt. Das letzte Privilegium, welches an ber Leonhards⸗Kirche der Bürger: ſchaft vorgelefen wurde, war ber Brief Friedrich's III. über bie MWieberherftellung der baufälligen Häufer und bie Bebauung ber öden Hofftätten vom Jahre 14702).

Da auf folche Weile die Leonhards-Kirche der Ort war, at welchem die Borlefung ver kaiſerlichen Privilegien Statt fand, und da dies jtet3 unter dem dort angebrachten Adler gefchah: jo wird man boch ven Lebteren wohl richtiger auf jenen Gebrauch, ald auf eine Gunftbezeugung des Kaiſers Ludwig beziehen. Dagegen könnte man Beides zugleich thun, weil fich außer jenem Adler, welcher an ber Leonhards⸗Kirche für eine ber wichtigften Handlungen angebracht war, noch ein anderer auf einem Thurm der Leonhards-Kirche befindet, und dieſer doch zu jener Handlung feine Beziehung haben Tann ?).

1) Bon biefem Gange herab wurden damals bem Bolfe mitunter auch bie Heiligthlimer gezeigt und Sommers, wenn bazfelbe fi auf bem Kirchhofe aufhalten fonnte, .eine Predigt gehalten. In beiden Fällen war alfo ber Gang auch eine Ranzel im beutigen Sinne des Worte. Uebrigens ift die Angabe über das Ber: leſen der Privilegien von ihm herab eine der Notizen, melche fi bei Uffenbad finden. Eine andere Quelle berfelben ferne ich nicht.

9 Nah Orth's Anmerk. dritte Fortſetz. S. 566.

2) Auffallend bleibt immer bie Aufſtellung des Reichswappens auf ber Spike eined Kirchthurmes. Dies kommt, außer bei der Frankfurter Leonhards⸗Kirche, wohl nur felten, vielleicht auch gar nicht fonft irgendwo vor. Im Inneren ber Kirchen findet fich eine ſolche Ausſchmückung auch anderwärts, wie denn z. B. in Frankfurt jelbft ein Gewölbe der Bartholomäus Kirche 1410 das Reichswappen als Schluß: ftein erhielt (nach dem Stadt⸗Rechenbuche).

22 II. Der Aufftand der Frankfurter Zünfte im vierzehnten Jahrhundert.

Il.

Der Aufftand der Krankfurter Zitnfte im vierzehnten Jahrhundert.

Die ſtärkſte Erſchütterung des Gemeinweſens, welche in der mittelalterlichen Geſchichte Frankfurt's vorkommt, iſt der im Jahr 1355 beginnende und im Jahr 1366 gewaltſam unterdrückte Aufſtand der Frankfurter Zünfte. Dieſer Aufſtand iſt von Kirchner ziemlich kurz und mit einer gewiſſen Vorſicht, von Fichard dagegen aus⸗ führlich und von einem beſtimmten Partei⸗Standpunkte aus dar⸗ geſtellt worden. Die Angaben beider Maͤnner hat Römer Büchner burch die Mittheilung einiger urkundlichen Thatfachen ergänzt, ver- mittelft deren einer der Haupt⸗Entſtehungsgründe bed Aufftandes deuilicher erlannt wirb ?).

Diefe revolutionäre Bewegung filmmt ſowohl ihrer Zeit, aid auch ihren Urfachen nach mit den Aufftänden überein, welche um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts in vielen deutfchen Städten ausgebrochen find. Sie hat babei zugleich große Achnlichkeit mit den jpäteren Auffländen ber gemwerbtreibenden Klaſſe Frankfurts; denn bie Triebfraft, welche jenen mittelalterlichen Zünfte- Aufftand in Bewegung gebracht hat, iſt bicfelbe, welche auch bei biefen anregend und maßgebend waltete. Alle diefe Empörungen wurden nämli mehr oder weniger durch die Erbitterung hervorgerufen,

1) Die betreffenden Stellen find: Kirchner's Geſchichte. I. S. 897 big 409, Fichard's Entflehung ber Reichsſtadt Frankfurt. S. 204 bis 284 und Römer: Büchner’3 Entwidelung ber Stabtverfafiung von Frankfurt. S. 56 bis 71.

IN. Der Aufſtand ber Frankfurter Zünfte im viergehnten Jahrhundert. 23

welche das willfürliche Regiment der Stabtbehärbe und insbeſondere bie Art, wie biefelbe mit den jtäntiichen Geldern umging, im der Bürgerjhaft erweckt hatte. Bon den oben genannten drei Geſchichts— forfchern finden Kirchner und MNömers Büchner ben Hauptgrund des Aufſtandes von 1355 ebenfalls bloß in der Unzufriedenheit der Zünfte mit den beſtehenden Stadt-Regimente; Fichard dagegen leitet denjelben lediglich von Selbitfüchtigen Beftrebungen weniger Männer ber, nämlich von dem Ehrgeize einiger Zunftvorſteher und von der KHerrichfucht des damaligen Landvogtes ver Wetterau.

Für bie richtige Beurtheilung des Aufftandes von 1355 find verschiedene allgemeine Berhälniffe und Umſtände als mit einwirlend wohl zu beachten. Dahin gehört zuerit die Aufregung, melde um bie Mitte des vierzehnten Jahrhunderts unter den deutſchen Hand» werkern herrichte, und damals in Sehr vielm Städten Aufftänbe hervorrief. Diefe Aufregung war allenthalben aus benjelben Urfachen entiprungen und auf dasſelbe Ziel gerichtet: Die im Selbfigefühl erſtarkten Zünfte wollten die Alleinherrſchaft over, mo biefe nicht beitand, das Webergewicht ber Patricier nicht Länger dulden, und zugleich eine beſſere Verwendung der öffentlichen Gelber für bie Zukunſt ftcher Stellen. Ein zweiter allgemeiner Umſtand von Wichtig. keit iſt der Charakter des eigentlihen Herrn von Frankfurt und ber Räthe und Stellvertreter desſelben. Gebicter der Stadt war zur Zeit jenes Zuͤnfte-Aufſtandes Kaifer Karl IV., und unter ihm waltete auf ber einen Seite fein Kanzler Rudolf von Yriedberg, Biſchof von Verden, auf der anderen jein Stellvertreter in ber Wetterau, Ulrich III, Herr von Hanau. Bon biefen drei Männern, welche in den Gang jener Bewegung entſcheidend elngriffen, machte der Kaiſer ſelbſt ſich dabei am meiften burch feine befannte Leiden⸗ ſchaft der Geldgier bemerflih. Sein Kanzler Rudolf von Friedberg bagegen war einer der tüchtigften deutſchen Staatzmänner des wier: zehnten Jahrhunderts, und man wird baher bie wichtigften Maß. regeln, welche die kaiſerliche Regierung in Betreff der Frankfurter Unruhen traf, wohl auf ihn zurückführen dürfen. Außerdem til aber auch ein entfcheidender Einfluß dieſes Mannes auf den Ause gang jener Bewegung ganz beutlich in dem Umſtande zu erfennen, daß Rudolf mit dem Frankfurter Staatsmann Sifried zum Paradies, welcher ven Aufſtand zu bewältigen wußte, nahe befreundet war.

24 II. Der Aufſtand ber Frankfurter Zünfte im vierzehnten Jahrhundert.

Der dritte der genannten Männer, Ulrich IIL von Hanau, übte auf den Gang jener Unruhen von Anfang an ben größten Einfluß aus; denn er ſtand zu der Stadt Frankfurt in Verhältniffen, gemäß beren er für biefelbe eine ber wichtigften Perſonen war. Ulrih war Landvogt der Wetterau, und vertrat als folcher in Frauffurt den Kaiſer. Er war zugleih der Pfand- Inhaber des Frankfurter Schuliheißen- Amtes, und hatte ala folcher den Schultheißen zu ernennen. Er bejaß aber außerdem auch pfandweile das fich über neunzehn umliegende Dörfer erftredlende Gericht des Bornheimer Berges, fowie den benachbarten, für Frankfurt's Holzbedarf fo wichtigen Reichswald nebit dem Forſtamte desſelben. Enblich erhob er nicht nur, gleichfalls in Folge einer Verpfändung, die Hälfte des Ungelve3 (oder der Accife) in Frankfurt, ſondern es hatte fich auch eine Anzahl von Leuten, welche feine Unterthanen waren, daſelbſt niebergelaffen. Unter diefen Umftänden war Ulrich's Stellung aller: - dings eine für Frankfurt bevrohliche, und man muß zugeftehen, daß er beim Ausbruche eines dortigen Bürgerzwiltes leicht auf ben Gedanken kommen konnte, feine Stellung zu benugen, um bieje Stadt zu einem erblichen Beſitzthume der Herren von Hanau zu machen. Daß er aber, wie Fichard behauptet, die wirklich beab- jtchtigt und deshalb bei den Frankfurter Zunft- Unruhen dag Feuer gejhürt habe, darf nur dann angenommen werben, wenn fi), was nicht der Fall ift, der Beweis bafür aus ben Thatſachen ergibt. Neben ven angegebenen auswärtigen Verhältuiffen und Be ziehungen ift, zum befjeren Verftändnifje der Bewegungen won 1355, noch die Stellung der Frankfurter Zünfte zum Stabtrathe, ſowie der damalige Zuſtand der ftäbtilchen Verwaltung ind Auge zu faſſen. In Beziehung auf das Eritere findet ſich in der früheren Geſchichte Frankfurt's nichts, woraud man auf eine Migachtung des Rathes von Seiten der Zünfte jchließen könnte; und von einem viefelben beherrichenden Geiſte de Aufruhr? Tann vor 1355 feine Rede fein, obgleich ihnen die Handwerker anderer Städte ſchon feit längerer Zeit daS Beiſpiel von Auflehnung gegen die Regierung gegeben hatten. Auch waren ja, was damals in anderen Städten erſt erkämpft werben mußte, in Frankfurt ſchon längſt Zünftige in ben Rath aufgenommen. Selbſt die ehrerbietig bittende Sprache, welche bie Gärtnerzunft 1355 bei der Vorlegung ihrer Gewohnheit2-

III. Der Auffiand der Frankfurter Fünfte im viergehnten Jahrhundert. 25

Mechte gegen den Rath führte, kann, wie Römer Büchner mit Recht bemerkt, als Beweis einer gewiſſen Ehrerbietung dienen, welche bie Zünfte damals gegen den Rath hegten!). Einen anderen Beweis liefert der Umftand, daß von ben 52 Männern, welche 1355 im Kamen der Zünfte vor dem Rathe auftraten und folglih als deren gewählte Vertreter anzujehen find, fpäter nur zwei unter ben 24 Führern bed Aufftandes felbft erjcheinen ?). Uebrigens betrug bie Zahl der Zünfte in jenem Jahre nicht mehr als vierzehn. Diefe waren: Die Wollenweber oder Gewandmacher, die Metzeler (Mebger), die Kurfener (Kürfchner), die Bäder, die Schuchwurten (Schuhmacher), die Lower (Loher oder Gerber), die Fiſcher, bie Schneider, die Schiffer, die Steindedfer, die Zimmerleute, die Stein- megen, die Bender und Gärtner. Die übrigen Haudwerke waren theils in einzelne der genannten Zünfte aufgenommen, theild gehörten fie gleich: den meiften Nicht: Handwerkern gar feinem Zunftverbande aıt.

In der Verwaltung und dem Gerichtsweſen der Stadt waren Misbräuche eingeriffen, welche eine der Urfachen des Zünfte: Auf- ſtandes wurden. Dies würde jchon daraus zu. fchliegen fein, daß bie Zünfte damals eine andere Zuſammenſetzung des Stabtrathes und eine Art von Nechenfchaft über die Verwendung der öffentlichen Gelder verlangten. Es ergibt fich aber auch aus beſtimmten über: lieferten TIhatfachen: Diefe zeigen fogar, daß dad im Stabt-tegiment eingerifjene Uebel, welches die Zünfte allzu drückend fanden, ein mehrfaches war. Erftend war das Frankfurter Schöffengericht feit Jahren nicht mehr vollftändig befeßt. Zweitens hatten die Schöffen ihr für Stadt und Reich fo wichtigeg Amt zum förmlichen Eigen: tum einiger wenigen Familien gemacht, indem fie, anſtatt bie erledigten Stellen am Gerichte durch gemeinichaftliche Wahlen zu bejegen, jedem einzelnen Schöffen das Mecht der Beſetzung einer

) „Unſern gnebigen herren burgermeiftern, den fcheffin und dem Nabe gemeyn- lie gebin wir, bie gertener gemeynliche zu Franfenforb, unfir notborfft und unſern grogfen gebreften beſchrebin, alfe ber nach ſtet gefchrebin: Wir bibden uch, liben berren” u. f. w.

*) Die Namen biefer Männer find am Schluffe ber Zunftgefege angegeben, welche Böhmer, ©. 685 ff., mitteilt. Die beiden einzigen unter ihnen, welche nachher zu den Häuptern des Aufſtandes gehörten, find: der Schuhmacher Berthold und ber Loher Diebe.

26 FT. Ver Aufſtand der Frankfurter Zünfte im vierzehnten Jahrhiemdert.

Stelle, ja fogar daS Recht der Anmwartichaftsertheilung auf eine jolche zuerkannt hatten. Drittens hatte der Math, ſeitdem ihm von Lndwig dem Baiern bie Erweiterung der Stadt erlaubt worden war, große Summen für biefelbe ausgeben müſſen, und vorausſichtlich noch Tange Zeit auszugeben, weil bie noch immer fortgefeßten Arbeiten an den neuen Befeſtigungswerken fortwährend große Ausgaben ver: urfachten. Viertens hatte der genannte Kaiſer dem Mathe zu gleicher Zeit geftattet, zum Behuf jener Erweiterung bie Abgaben nad Belieben zu erhöhen; er hatte aljo dem Rathe ein echt ertheilt, welches für die Bürgerfchaft fehr gefährlich werben konnte, weil es einer Behörde gewährt worden war, die fich felbft ergänzte, aus lebenslänglichen Mitgliedern beftand und feine Mechenfchaft abzulegen hatte. Kaifer Karl IV. Hatte dieſes bedenkliche Mecht fogar noch dahin erweitert, daß ver Rath auch beliebige Anlehen machen bürfe.

Ueber die Höhe der Steuerlaft, welche die Bürgerfchaft um daB Jahr 1355 zu tragen hatte, und über bie Vertheilung derſelben unter Zünftige und Ungzünftige, „forwie unter Reiche und Arme ift, wegen der Mangelhaftigfeit der darüber vorhandenen Kachrichten, ſchwer zu urtheilen. Die directe Abgabe, bie fogenannte Beede, welche übrigens nicht jedes Jahr erhoben wurde, bejtand in einer für jene Zeit allerdings nicht geringen VBermögenzfteuer 2). Sie traf auch die völlig Beſitzloſen, da man von jeder Feuerſtäͤtte wenigftend drei Schillinge bezahlen mußte, und bies ®) iſt daher bie geringfte Zahlung, welche in den DBeebbüchern jener Zeit vorkommt. Die Beede wurde übrigens nicht blos von den Bürgern erhoben, fondern von jedem Einwohner, welcher ein Vermögen beſaß oder eine Feuerjtätte hatte, weshalb in den Beedbüchern hier und da auch Kinder als zahlend angeführt find). Won ben beiden wichtigften indirecten Abgaben, dem Ungeld und dem Mahlgeld, kann man

1) Ihr Betrag nach ben einzelnen Gegenſtänden bes Befitzes, wie er im Jahre 1854 amtlich feflgefeht war, iſt aus ber Mittbeilung in Römer⸗Büchner's Stabtverfafiung, S. 59 flg., zu erfehen.

2) Nicht 4 Schillinge, wie Römer-Büchner fagt. In den beiden Beed⸗ büdern von 1854 fommen eine Menge Beeden von nur B Schillingen vor.

2) Aus dieſem Grunbe Tann man auch nicht, wie mitunter geſchehen ift, bie Gefammifumme ber in einem Beebbuche Verzeichneten als bie Zahl der zur Zeit besfelben vorhandenen Bürger ober ala bie Seelenzahl ber Einwohnerſchaft anfehen.

IIT. Der Aufftend der Frankfurter Zitnfte im viergehwten Jahrhundert. 27

nicht fagen, daß ihr Befammibetrag um das Jahr 1355 hoch geweſen fei. Dieſer iſt denen der nächiten zwei “Jahrzehnte unge faͤhr gleich und fat um die Hälfte geringer, als ber von dreißig Jahren |päter 1).

Noch ſchwieriger, als ber den Betrag der Steuern, ift «8, über deren Vertheilung zu urtheilen. Wir beſitzen zwar bie zwei Beedbücher des Jahres 1354, in welchen bie zahlungspflichtigen Einwohner und ihr individueller Antheil an der Beede angegeben find; aber erftens fehlt bei den wmeiften verzeichneten Namen vie Angabe des Standes und ber Beichäftigung, und zweitens haben wir für feinen der Genannten einen Mapftab, nach welchen man fein Vermögen im Berhältniß zu dem anderer Bürger zu ſchaͤtzen vermöchte 7). Außerdem warb aber auch ver Beede⸗Betrag, welchen jeder Einzelne zu zahlen hatte, nicht vom Mathe beftimmt; jonbern jeder Einwohner hatte ſich, nach der für Alle aufgeftellten Norm bes für bie fahrende Habe, für Grunbftüce, für den Viehftand u. |. w. zu Entrichtenden, felbft zu ſchätzen und dann feine Angabe zu bes ſchwoͤren. Bon einer gerechten oder ungerechten Vertheilung dieſer Steuer durch den Math kann alfo eine Rede fein. EB ericheint uns daher nicht gerechtfertigt, wenn man aus dem Verhältniſſe, im welchem bie Beede- Beträge einzelner Rathsglieder zu denen anderer Bürger ftanden, auf eine finanzielle Bedruͤckung ber Buͤger ſchließen will (ſ. Anm. 4). Auch zeigt fich beim nachherigen Aufftanbe keine

ı) In runder Summe belief fi) ber Ertrag des Ungeldes 1848 auf 8780 Pfunb, 1849 auf 4240, 1858 auf 6060, 1860 auf 5880, 1865 auf 6740, 1876 auf 5010, 1886 aber auf 9640 Pfund, ber bed Mahlgeldes 1354 auf 1260, 1368 auf 1490, 1860 auf 1280, 1865 auf 1420, 1876 auf 8480, 1386 aber auf 4630 Pfund.

3) Fälſchlich iſt das eine ber beiden Beebbücher, in welchen 1648 Beebzahlenbe angeführt werben, neuerdings von einem Schriftfidller für ein Beebbuch ber ges fammten Stabt gehalten worden. Dasſelbe beginnt, was überfehen worben if, mit den orten: Nota procariam (d. i. bie Beede) collectam In insuperiori parte Civitatis sub Anno dm. MCCCLIII®. und umfaßt die Oberſtadt und Neuftadbt. Auch ift das andere (im Stadtarchiv gleichfalls noch vorhandene) ebenſo auf feiner erſten Seite ala das Beedbuch von 1854 für bie Unterſtadt (inferior pars Civitatis) bezeichnet. In dem Lebteren find übrigens zugleich bie Beeben von Sachſenhauſen und dem Hohen Rab eingetragen. Dasſelbe enthält 1077 Beed⸗ gahlende (BER ber Unterſtadt, BED non Gadfenbmufen und BB vom Hohen Rabe).

238 II. Der Aufflanb ber Sranffurter Zünfte im vierzehnien Jahrhundert.

Beichwerde hierüber. Wohl aber fand dies in Betreff der Verwen⸗ dung der ftäbtifchen Gelder Statt; denn die ſich erhebenden Zünfte und die an fie ſich anfchliegenden Kaufleute verlangten die Zulaffung von frei gewählten Vertretern in den Rath, damit durch diefelben bie ordentliche und gehörige Verwendung jener Gelber ficher geftellt werde.

Hiermit find und alfo zwei Urfachen des Aufftandes angegeben. Sie beftanden darin, daß der Rath bei feiner Yinanz: Verwaltung gar Feine Eontrole hatte, und daß er, wie die Aufftändifchen ihm vorwarfen, verfchwenberifch verfuhr. Jene Controle fehlte gänzlich, und fie wurbe auch fpäter Jahrhunderte lang vermißt, bis fie 1613 bleibend eingeführt ward. Was aber den verfchwenberifchen Gebrauch der Stabtgelder betrifft, ſo läßt fich allerbing? nachweilen, daß ter Rath mit diefen Geldern jo umging, als wenn fie fein Eigenthum wären. Er befchenkte 3. B. jebeö feiner Mitglieder mit einer ganzen oder einer halben Ohm Wein, wenn dasfelbe fich felbft oder eines feiner Kinder verbeirathete, und ebenfo erhielten die Rathsglieder nebft den Geiftlihen der Stifte und Klöfter an den höheren Feier: tagen Gelb aus der Stabtlaffe. Beide Misbräuche dauerten übrigens während des ganzen Zünfte-Aufftandes fort, und kommen erft kurz por der Unterdrückung deöfelben zum lebten Male vor. Dagegen währte ein anderer Misbrauch, daß nämlich die Nechenmeifter, d. h. die mit der Leitung der Ausgaben und Einnahmen betrauten Rath3- glieder ſtets ein Stüd Geld ald Mefle- und Neujahrsgeſchenk er- hielten, nicht nur während des Aufftandes, fondern auch noch lange nachher fort. Eine Verſchwendung war auch der Gebrauch, daß mitunter einzelnen Rathsgliedern aus ver Stabtlaffe Unkoſten erfebt wurden, welche fie in bloßen Privatangelegenheiten gehabt hatten (j. Anm. 5). Diefe Ausgaben find die einzigen nachweisbaren, welche man als verjchwenderifche bezeichnen kann; fie find jeboch, wie man fieht, viel zu geringfügig, als daß fie, wenn von ben Urfachen ber bherrichenden Unzufriedenheit die Rebe ift, in Anfchlag gebracht werben fönnten. So beträgt 3. B. die erwähnte Ausgabe für Hochzeiten in ben fünfzehn Fahren, in welchen fte vortommt, tim Durchichnitt nur 12% Pfund oder etwa 1014 Gulden jährlich ").

1) Die Gerechtigfeit gebietet übrigens, zur Verhütung eines Misverflänbrifies zu bemerken, baß es nicht blos bie jogenannten Patricier im Rathe waren, welche

II. Der Aufſtand der Frankfurter Zünfte im viergehnten Jahrhundert. 29

" Neben der Berfchwendung, welche dem Rathe vorgeworfen wurde, litt die Finanzverwaltung Frankfurt's, wie die der anderen Stäbte jener Zeit, an einem boppelten Webel, welches ben Bürgern ſich immer wieder als ein harter Drud fühlbar machen mußte. Dieſe Berwaltung wurde erftend ohne Boranfchläge, ſowie ohne die Rech nungsbücher jährlich mit einer Bilanz abzuſchließen, geführt, und zweitend half man ſich unaufhoͤrlich mit Anleihen, welche hoch verzinft werden mußten. Die Lebteren erforberten mitunter eine Zindzahlung bis zu 40 pCt. (f. Anm. 6). Man half fich aber, im 14. Sahrhundert und fpäter, außerdem noch durch die Mebernahme von Leibgebingen (Leibrenten) und von Wieberfäufen (d. h. durch Anleben, welche im Grunde nur formell von wirklichen verjchieden waren), und that Beides blos nach dem augenbliclichen Bebürfniffe und ohne die Einwirkung davon auf die in ben fpäteren Jahren nöthigen Ausgaben zu berückſichtigen. Für die Leibgebinge hatte man in der Regel 10 bis 12 Procent zu bezahlen, für bie Wieverfäufe je nach den Umftänden 5 bis 10 Procent. Faſt in einem jeden. ber Jahre, aus welchen die jtäbtilchen Rechenbücher ſich erhalten haben, wurden ſolche Geld-Operationen gemacht; und der Betrag der Geſammtſumme der in Folge derfelben zu zahlenden Zinſen war jo wechjelnd, daß er 3. 8. 1377 gerade noch einmal fo viel, 1379 aber wieder fait ebenjo viel als 1376 betrug. Died Alles mußte öfter Verlegenheiten und in Folge davon Steuerbrud erzeugen. Auch jab man fih um dag Jahr 1400 genöthigt, lange Berathungen über die Finanz-Verlegenbeiten zu halten. Daß übrigens bie auf ber Stabt ruhende Schufvenlajt beim Ausbruche des Zünfte- Auf: ſtandes wirklich eine mitwirfende Urſache war, wird fich fpäter zeigen.

Eine andere Urſache des Aufftandes, welche vielleicht die haupt- fächlichfte war, war das vom Rathe um dad Jahr 1350 einge ſchlagene Verfahren gegen die Zünfte. Eine Anzahl von Rathsver⸗ ordnungen, die fich erhalten haben, und welche meiſtens 1362 erlafien worden waren, läßt uns biejes bie Zünfte erbitternbe Verfahren

ein ſolches Hochzeitögefchen? erhielten. In jenen 15 Jahren empfingen es auch

folgende Handwerker im Rathe: der Fifcher Reinold, ber Weber Bolmar von

Bybra, der Mepger Leber, der Weber Heyne Holzbeimer und ber Kürfchner Albrecht (Zegterer fogar zweimal).

30 IM. Der Auffiand ber Frankfurter Zänfte im viezehnien Jahrhundert

ertennen?!). Dieſe VBerordnungen zielen nämlich darauf, bie Zünfte in ihrer Macht einzuichränfen und vom Rathe abhängig zu machen. Es follten fich Feine neuen Zhufte mehr neben denen, welche bereit beftanden, bilden birfen, und ben vorhandenen wurde verboten, bindende Beichlüfle ohne jedeamalige Genehmigung bed Mathes zu faflen. Auch neue Triufftuben follten ohne deſſen Erlaubniß wicht entftehen dürfen. Ein Beichluß der Schmiede, nur für gleiche Preiſe zu arbeiten, wurde fär nichtig, eine gemeinfame Zunft, in welche bie ZJimmerlente, Steindeder und Steinmegen fich vereinigt hatten, für aufgehoben erflärt. Dasſelbe geſchah in Betreff des Zunftzwanges, welchen vie drei zuletzt genannten Handwerke hatten einführen wollen. Ferner follte niemand mehr in eine Zunft aufgenommen werden, ohne vorher Bürger geworben zu ſein. Was aber das MWichtigfte für die Zünfte war, Fein Zunftgenoffe follte feiner Zunft und deren Vorſtehern weiter zu Gehorſam verpflichtet fein, als in Betreff des Kriegsdienſtes, ven er in Semeinjchaft mit feinen Zunfigenoffen zu feiften hatte, und im Betreff defſen, was zu ben Koften des gemein- ſchaftlichen Gottesdienftes ber Zunft beizutragen war.

Wenden wir und num zur Gefchichte des Aufſtandes ſelbſt, fo nahm die Bewegung, aus welcher fich derfelbe entwickelte, ihren An—⸗ fang damit, daß alfe Zünfte fich mit einander zu dem Zwecke ver: handen, ben Rath zur Anerlennung und Beftätigung ihrer Zunft ordnungen zu zwingen und dadurch ihre Selbitftänbigfeit gegen den- ſelben ficher zu ſtellen. Jene Zunftordnungen waren biöher nur Gewohnheitsrechte gemejen; fte folkten alſo jet in geſetzlich beſtehende Rechte umgewandelt werden, und In Folge davon die Zünfte eine fefte Steffung erhalten. Dies konnte in einer dem König gehörenden Stadt nur mit deilen Zuſtimmung geſchehen; es war aber anzu⸗ nehmen, daß dieſelbe nicht werde verſagt werden, wenn nur erſt der Rath ſeinerſeits zugeſtimmt hatte. Die Zünfte ſcheinen daher auch den Zeitpunkt, am welchem fie mit ihrem Begehren auftraten, mit Vorbedacht gewählt zu haben. Im Oktober 1354 war König Karl IV. über die Alpen gegangen, um ſich die Kaiferkrone zu holen, und es mußte voraugfichtli ein halbes Fahr vergehen, ehe er nach Deutſch⸗

i) Ele ſmd im erſten Bande von Benckenherg's Selecta juris, p. 12 bis 28, abgedrudt.

II. Der Auffland ber Frankfurter Zünfte im vierzehuten Jahrhundert. 31

land zurüd kam. Gegen Ente bed jahres 1354 hatten fich deahalb bie 14 Frankfurter Zünfte zu dem angegebenen Zwecke mit einander verbunden, und noch vor dem Beginn des nächiten Jahres brachten fie die Sache in Ausführung !). Abgefandte der 14 Zünfte er fhienen vor dem verjammelten Rathe mit der Forderung: derſelbe ſolle fie „bei den Gewohnheiten, welche fie von Alter ber hätten, handhaben”, d. h. er folle ihre herfömmlichen Zunftrechte als ſolche anerkennen und jich verpflichten, viefelben zu ſchützen und aufrecht zu erhalten. Der Rath wied das Begehren der Zünfte zurück, indem er erklärte, eine jolche Forderung jei noch nie vorgelommen und ftehe mit den Rechten des Rathes in Widerſpruch. Die Zünfte ſtanden jedoch von ihrem Begehren nicht ab, und e8 wurden nun eine Zeit- fang zwijchen ihnen und den Rathe Berhanplungen gepflogen, von denen eine gerade zu Anfang des Jahres 1355 in einem ber beiden Zunfthäufer ber Weber Statt fand. Bei diefen Berbanblungen hatte der Rath offenbar die Abficht, Zeit zu gewinnen und die Sache fo ange hinauszuziehen, bis der König aus Italien zurückgekehrt fein würde. Auch ſchickte er im Anfang bes Februar 1355 ?) den Stabt- Schreiber nach Italien an den König; wir willen jeboch weder ben eigentlichen Zwed, noch das Ergebniß dieſer Senbung.

Nachher mußte ſich der Rath auf dad Drängen ber Zünfte dazu verftehen, mit ben Bertretern berjelben eine Sigung zu halten. Sie fand im Barfüper-Klofter Statt, welches in jenen Zeiten öfters für folche verftärkte Rathsverſammlungen benußt wurde. Auch in diejer Sitzung befolgte der Rath feine bisherige Politik: er ſuchte Zeit zu

1) Die Zünfte traten mit ihrem Begehren zuerft vor dem verfammelten Mathe auf (Böhmer, p. 667); nachher hatten fie mit demfelben eine Zufammenfunft in einem ber beiden Häufer ber Weberzunft, und zulegt brachten fie bei einer anderen Zufammenfunft, deren Stätte das Barfüßer-Rlofter war, bie Sache zum Biele. Jene Zuſammenkunft im Weberbaufe fand fpäteftens am Anfange bes Jahres 1855 Statt; denn im Gtabt-Rechenbuc flieht unter Dominica poſt Epiph. bomint (11. Zanuar) folgender Ausgabepoften: „Den zünfften zu fchendene (d. i. für Wein), da fie unfre herren hatten geladen uff der muber Bus, 10 Pfund.”

3) Nicht 1854, wie Römer: Büchner aus Berfehen jagt, Die Notiz über diefe Sendung fteht freilich im Rechenbuch von 1854 (vichtiger von 1354/56); aber biefes Rechenbuch beginnt mit dem 4. Mai 1354 und endigt mut dem 12. April 1855, und die Ausgabe für jene Sendung ift unter Dom. poſt Puriß. (8. Februar) des Jahres 1355 eingetragen.

‚92 IH. Der Aufflend der Frankfurter Zünfte im vierzehnten Jahrhundert.

gewinnen, um bie Sache vor ben König bringen zu Binnen‘). Zu diefem Zwecke wollte er fi mit jeder einzelnen Zunft allein ver: ftändigen.. Die Zünfte gingen jeboch hierauf nicht ein, fonbern be ftanden darauf, daß mit ihnen allen zufammen verhandelt und ab- gefchloffen werde. Der Rath mußte ſich daher in ihr Begehren fügen. Er war freilih in feinem Rechte geweſen, indem er erflärt hatte, dag in einer Töntglichen Stabt ohne des Könige Zuftimmung bloße Gewohnheitsrechte nicht in fürmliche Gejege umgewandelt werben dürften; allein der König war zu weit entfernt, und die Zünfte brängten, gerade meil der Rath vom Könige nicht jo bald Hülfe zu erwarten hatte, zu jehr. Der Rath hatte alfo eingemilligt, die her- fömmlichen Rechte aller 14 Zünfte anzucrtennen; und ed ward nun ausgemacht, daß biefelben nebft der Anerfennungserflärung des Rathes in zwei Bücher gefchrieben würden, von welchen das eine der Math, das andere die Zünfte erhalten follten. In jener Erflärung wollte: der Rath die koͤnigliche Genehmigung vorbehalten; aber died wurde nicht zugegeben, der Rath mußte vielmehr bei den in der Verband: fung ausgemachten Wortlaute ftehen bleiben. Nun ließen alle 14 Zünfte durch je 2—5 ihrer Mitglieder bie niedergeſchriebenen Zunft: ordnungen dem Rathe überreichen, und bie Meberbringer leifteten vor demſelben einen Eid darüber, daß dieſe Zunftgeſetze auch wirklich althergebracht wären. Die überreichten Zunftordnungen wurden dann zufammengefchrieben, beiden Eremplaren die erwähnte Erflärung bed Rathes beigefügt, und dann das eine den Bünften eingehänbigt, das andere vom Mathe zurücthehalten?). Der wejentliche Inhalt jener Erflärung befteht darin, daß der Nath und die Schöffen fich ver- pflichteten, die erwähnten Zunftordnungen als zu Rechte beftehend anzuerkennen, und vie Zünfte im Beſitze und in ber Anwendung verjelben zu ſchirnen. Für den Fall aber, daß der König fich gegen das rechtmäßige Beftehen der Zunftordnungen ausfprechen ſollte, ver: pflichtete fich der Rath, Alles aufzubleten, um denjelben davon

1) Die Schöffen jagen in einem fpäter an den König gefandbten Berichte (Böhmer, p. 667) von biefer Sitzung: „Da beiten wir gerne gefehen, das es virzogen were worden bis an ud.”

) Das eine biefer zwei Eremplare iſt im Stadt-Archiv noch vorhanden. Es iſt bei Böhmer, p. 685 sqq. abgebrudt. Dort findet man auch bie beige: fügte Erflärung des Mathe,

II. Der Aufſtand ber Frankfſurter Zünfte te viergehnien Jahrhundert, 38

abzubriugen; würde dies aber nicht gelingen, fo gelobten ber Rath und die Schöffen den Zünften und biefe bem Rathe unb ben Schöffen, feit zufammenzuhalten und Lieb und Leid mit einander za theilen.

Die Zünfte waren jet ala gefehlich beſtehende Körperjchaften, ihr Recht, Berfammlungen zu halten, bindende Geſetze für die Ihrigen zu machen unb die Ungehorfamen unter benfelben zu beftrafen, als unantaftbar anerkannt; und auch ber König, welcher um jene Zeit bie Kaiſerwürde erlangte, that nachher durchaus Teine Einfprache da⸗ gegen. Was aber dad Wichtigfte war, die Zünfte, die ohnedies ben phyſiſch räftigften Theil der Bürgerfchäft bildeten, hatten nicht nur ihre Kraft kennen gelernt, ſondern fie alle waren auch zum erjten Male als ein gefchloffene® Ganzes aufgetreten, und hielten nun im Gefühle deſſen, was fie erlangt hatten, vorausfichtlich um fo fefter zufammen. Sa, e3 war nach ver Natur bed menjchlichen Weſens ſogar zu erwarten, daß fie bei dem errungenen Ziele nicht ftehen bleiben, fondern vielmehr die nächte Gelegenheit benutzen würden, um noch mehr Rechte und einen größeren Einfluß auf das Gemein- wejen zu erlangen. Daß died nachher wirklich geſchah, war ebenfo natürlich, als ſich aus dem Verfahren, welches ver Rath mehrere Jahre vorher gegen bie Zünfte eingefchlagen hatte, dag oben barge- ftellte Auftreten der Zünfte erklaͤrt. Es iſt daher eine ebenfo un- wahrfcheinliche, als gefuchte und durch nichts zu begründende An⸗ nahme, wenn Fichard die mit jenem Auftreten beginnende Bewegung vom Chrgeize einiger Zunftvorfteher herleite. Der Verlauf des Aufftandes ſelbſt fpricht vielmehr geradezu für bie entgegengefehte Annahme. Bon den 52 Männern nänlich, welche 1355 Im Namen einer jeden Zunft die Gefege derfelben überreichten und bejchworen, waren nicht weniger als zehn Mitgliever de Rathes ), und nur zwei von ihnen, der Schuhmacher Berchtold und der Gerber Diebe, erfcheinen unter denen, welche am Ende des Aufitandes als ftraf- fällig ſich durch die Flucht retteten.

1) Die Weber Bolmar von Bybra und Heyne Holzbeimer, bie Metger Hannemann Leber und Gerhard Alun, bie Gerber Emerih und Dietze, ber Kürfchner Albrecht, ber Fiſcher Reinold, ber Bäder Henne Schultheiß und ber Schuhmacher Berchtold.

Kriegt, Fraukſ. Burgerzwiſte. 8

4 EL, Der Aufſtenb der Zeanäinuits Züge im vischuien Daheiunbert

Nachdem die Zünfte ihren wächfen Speck erwicht baten, war eine Zeitlang wieder Ruhe. Diefe Bonnie jedoch wicht won Dauer fen, da her von den Zünften errungtme Vortheil andere Bürger gt dem gleichen Beginnen reizen mußte, und da bie Zünfte ſelbſt ewr fchloffen waren, noch weiter zu geben‘). Es waren bie Gewand⸗ ſchneider oder Schnithwaarenhänbler, welche die Bewegung von neuem anfachten. Sie verlangten vom Rathe ebenfalls bie Anerkennung und Betätigung ihrer hergebrachten Gewohnheiten, und waren bei biefem Begehren durch den Umſtaud begünftigt, daß fie fich entweber mit dem Rathe gegen bie Zünfte, oder mit diefen gegen jenen ver- bünden Tonnten. Sie boten, als fie jene Forderung machten, ſich dem Rathe als Stüge und Hülfe gegen die Zünfte an, Inüpften dies jedoch an die Bebingung, daß ihnen das Monopol des Einzeln Verkaufes der Tücher gewährt werde. Der Rath warb durch das Begehren der Gewandſchneider in große Verlegenheit gebracht. Gr tonnte einerſeits die von biefen geftellte Bedingung nicht eingehen, ohne ſich einer Tingerechtigkeit gegen alle andere Bürger ſchuldig zu machen, und ohne die Zünfte, beſonders den wichligjten Theil der⸗ felben, die Wollenweber, gegen fich aufzureizen; in der That erhoben auch die Wollenweber nebft mehreren anderen Zünften Einfprache gegen eine folche Befchräntung der Handelsfreiheit. Andererſeits war aber det Rath in Gefahr, ifolirt zu werben und fortan den verjchiedenen Körperichaften ver Stadt machtlos gegenüber zu ftehen. Gr wäürbe fich die Verlegenheit, in welche die Gewandſchneider ihn brachten, er fpart haben, wenn er gleich damals, als er die Forderungen ber Zünfte zugeftand, etwas gethan hätte, was erft fünf Jahre Ipäter gefchah, wenn er nämlich das Corporations-Ntecht, welches er damals ben Zünften allein zugeftand, der ganzen Bürgerfchaft gewährt hätte. So lange dies nicht geſchah, blieb dem Mathe Feine andere Wahl, als das Begehren der Gewandſchneider abaufchlagen und damit zu⸗ gleich die von ihnen dargebotene Hülfe zurückzuweiſen.

Hierauf wandten ſich die Gewandſchneider mit ihrem Geſuche an den Kaifer. Diefer ging auf ihre Bitte ein und gewährte ihnen ebendasſelbe, was den Zünften gewährt worden war, nämlich bie

1) Das Letztere folgt daraus, daß gleich nachher bie Gewandfchneider dem Rathe ihre Hülfe gegen die Zünfte anboten.

HIT. Ber Uxffient der Senifierter Sisehte im viegeheten Jahrhundeet. BE

Uinertennung und Beftätigung ihrer Gewohnheliorechte, fo weit wiefe wirflich auf Srerlommen beruhten, alſo ohne das geforderte neue Hannes Monopol. Er ließ am 29. März 1357 an den Landvogt der Welteran, Ulrich IEL, ven Befehl ergeben: biefer folle beim Kran: furter Rathe ermitteln, ob die Gewandſchneider bei demſelben ihre Gewohnheitsrechte ebenfo, mie früher die Zünfte, als folche nachges wiefen hätten; unb wenn dies der Fall el, fo jolle er im Namen des Eaiſers dem Rathe ernftlih gebieden, jene Rechte ebenfo, wie die ber Funfte, anzuerkennen unb in femen Schub zunehmen‘). Der Lanbe vogt That, wie ihm befohlen worben war. Wuffallender Weiſe weigerte Rd, ber Rath, das kaiſerliche Sehet fofort zu erfüllen. Er erklaͤrte dem Lendvogt, er wolle Über die Sache erft mid dem Kater ſelbſt unterbanbeln. Dagegen proteſtirie einerfeit$ ber Lanbuogt ?); anderer⸗ feits aber verllehen jebt bie Gewandſchneider erbittert den Weg beb Nechtes, ven fie bis dahin gegangen weren, und ſchlugen ben ber Gewalt em. She begehrten zuerft no einmal durch mehrere aus ihrer Ile, bie fie an ven Rath ſchickten, die Erfüllung ihres De gehrens, unb dieſe gebrandhten, als der Math wieber auf einer voraud⸗ gehenden Unterhandlung mit dem KRaifer beftand, drohende und vevolu⸗ Henke Work. Einer von ihnen erflärte dem Rathe geradezu: mau proteftire gegen die Widerſetzlichkeit desſelben, werde ſich aber jebt auf andere Weiſe zu helfen willen, und vie Gewandſchneider würben ficherfich zu Ihrem echte gelangen, fegar wenn es ihm felbit feinen Hals Iehten follte. Unmittelbar darauf traten hie Gewandſchneider, welche bisher zu der mid dem Namen der Gemeinde bezeichneten Ab⸗ Heilung ber Büurgerſchaft gehört hatten, zu der anderen Abtheilung, die and ben Zuͤnften beitand, iiber und machen gemeinichaftliche Sache mit diefen. Hiereus geht Abrigenb ebenfalls, wie aus bem, was unmittelbar nachher erfolgte, zugleich hervor, daß bie SZünfte noch keineswegs beruhigt und zufrieden waren.

Der Viebertritt der Gewandſchneider zu den Zünften und bie Verbindung, welche fie mit dieſen Ichleflen, if der eigentliche Unfang des Zunft Aufftanded. Durch Beides war ein entjchievener Bruch

1) Böhmer, p. 9.

3 Dies Hept In ten Worten bes Schöffen: Beriätes (Böhmer. p. 008): „Des geſchech nicht, und des erwas auch ber beuſt (d. i. Fehler ober Schaben) an ums wi.”

g*

86 HIL Der Aufſand ber Frankfurter Zünfte im vierzehmien jphchunbert. .

zwifchen ber Regierung und dem größten Theile der Buͤrgerſchaft entftanden, und in Folge desſelben warb nun während einer Meike von Jahren die Ruhe der Stadt zu wiederholten Malen und jedes Mal in ftärkeren Grade erfchüttert; denn das tft, wie die Gefchichte aller Zeiten und beſonders auch die der unfrigen zeigt, das Eigen⸗ thümliche aller politiichen Grfchütterungen, daß eine Revolution mit ver Gewährung ihrer erjten Forderung nicht beenbigt wird, ſondern daß fie, jo lange noch Stoff für fie vorhanden ift, jtetd neue Stürme am Horizonte des Staates heraufführt, und daß biefe fogar nad jeder Beſchwichtigung immer heftiger und verheerender werben, bis endlich das rechte Mittel oder auch der rechte Mann zu ihrer völligen Beihwörung gefunden if. Die Fort:Entwidlung der erjten Be wegung zu einer fürmlichen Revolution war, was nicht zu verkennen it, vom Rathe ſelbſt verfchuldet worben, und er hatte burch das, wodurch er biefe Schuld auf fich lud, feine eigene Lage noch in be fonderem Grade verjchlimmert. Er hatte ven Gewandſchneidern das verweigert, was er vierzehn anderen Körperfchaften gewährt hatte; er hatte dadurch die Hülfe verjcherzt, welche biefe ihm gegen bie Zünfte hatten leiften wollen; er hatte durch fein Verfahren außerdem zugleich den Landvogt der Welterau und ben Kaiſer ſelbſt gegen fi aufgebracht. Sein Verfahren war alfo ein politifcher Fehler ges weien, und man muß annehmen, daß ber Rath entweder die geheime Abſicht Hatte, den Zünften ihr erlangtes Recht bei gelegener Zeit wieder zu entreißen, in welchem Falle er dann die Ausdehnung des⸗ jelden auf andere Körperichaften unmöglich hatte zugeben koͤnnen, oder auch daß die Zünfte von ihrem neuen Rechte bereits einen zu bevenklichen Gebrauch gemacht hatten, und man aljo das vorhandene Mebel nicht noch weiter um fich greifen laſſen wollte.

Um den Beginn der Faſtenzeit des folgenden Jahres (1358) hielten viele aud den Zünften (Gewankjchneider und Handwerker) eine Berfammlung auf den Gaben, und beſchieden Lob von Holz baufen, den einen der beiden Bürgermeijter, zu ſich 1). Dieſer

1) Fichard (S. 218) hat fi durch das fehlerhafte Kersmer’fche Bürger: meifter-Verzeichniß verleiten laſſen, biefe Begebenheit drei Jahre früher, im Sabre 1855, Statt finden zu Iafien, in welchen weder Lob von Holzbaufen Bürgermeiſter, no der als Schöff bezeichnete Hartivig Wizſe Schöff war, Auch ber oben er- wähnte Taiferliche Befehl an Ulrich von Hanau, welcher vom März 1857 batirt

M. Der Aufflanb ber Frankfurter Zünfte im vierzehnten Jahrhundert. 37

erſchien, begleitet von ven Schöffen Konrad zu Lemwinftein und Hertwig Wizſe, welche auf feine Bitte mit ihm gegangen waren. Die Ber: fammelten machten ihm blos die Anzeige, fie hätten etwas mit dem Rathe zu verhandeln und von ihm zu fordern, es folle das in aller Form und auf gütliche Weiſe gefchehen, und wenn jemand das Ges gentheil behaupte, fo möge der Math ihm feinen Glauben fchenten. Die letzten Worte zeigen, daß die Aufregung jehr groß war, und daß man von Seiten des Rathes bereit? Gewaltthätigfeiten beforgt haben mußte. Bald nachher fand die von jener Verfammlung bes gehrte Verhandlung vor dem Rathe Statt. Abgefandte der Zünfte erfchienen wor demfelben, und trugen ihm ihre Forderung vor, und zwar nicht blos im Namen der Zünfte, fondern auch in bem ber Gemeinde oder des nichtzzünftigen Theiles der Bürgerfchaft: woraus man fieht, daß auch nicht wenige von ben Nicht: Handwerkern mit dem Rathe unzufrieven waren, und ſich gegen ihn an die Zünfte ange- ſchloſſen Batten!). Die gemachte Forderung beftand in der Vermehrung des Rathes um acht Perfonen, welche jedoch nicht, wie fonft bie Rathsglieder, vom Rathe ſelbſt, fondern von der Bürgerſchaft gewählt werden, übrigens aber mit den anderen alle Macht gemein haben und bei allen Aemtern fein follten. Motivirt wurbe diefe Forderung mit der Erklärung, bie Bürgerfchaft wolle um der Stadt Gefchäfte wiſſen, wohin der Stadt Gut und Gefälle gelommen wären oder kämen. Man verlangte alfo eine Vetretung der Bürgerjchaft in dem fich ftet# ſelbſt ergänzenden Ratte, und zwar durch wirkliche Vertreter, nämlich durch ſolche Männer, welche bie Bürgerfchaft ſelbſt gemählt habe, und welche offenbar ftetö nur auf ein Fahr gewählt werben follten ?).

IM und der Verſammlung auf der Baden vorausgegangen fein muß, zeigt bas Irrthümliche von Fichard's Verfahren.

1) Es ergibt fi auch baraus, daß erfiend bie am 11. November 1858 ge fchloffene Rachtung ein Vertrag zwifchen dem Rathe einerfeit3 unb ben Zünften und ber Gemeinde andererfeltd genannt wird, und baß zweitens in berfelben bie Berbiubung, welche bie Zünfte und bie Gemeinde mit einander geichloffen hatten, für aufgehoben erklärt wurbe.

2) Es ift nicht außgefprochen, ob die acht Vertreter auf Lebenszeit ober immer nur auf ein Jahr gewählt werben follten. Da aber ein halbes Jahr fpäter ber Raifer, auf die Forderung ber Bürgerfchaft eingehend, eine ſolche einjährige Ber: tretung feſtſetzen ließ, fo war offenbar auch vorher nur eine ſolche gemeint. Uebrigens kann ich den im Schöffenberihte (Böhmer, p. 669) vorkommenhen

88 TIL Der Aufftand der Frankfurter Zünfte im vierzehnten Zahrhunbert.

Der Rath gab auf bie Fordernug ber Zünfte zur Antwort: eine ſolche Sprache habe er wicht verdient, mit der Stadt Gute wäre sum Beſten derſelben und auf vechte Weife werfahren worden, auch feien immer die günftigen Rathöglicher mit dabei geweſen. Diele Art von Rechtfertigung konnte den Abgeſandten der Züufte unmöglich genägen; denn das Einzige, was zum Beweiſe einer bisherigen orbentlichen Führung der Befchäfte vorgebracht worden war, die Theilnahme der im Mathe ſitzenden Handwerker, war Tein Beweis kafür, ba ja biefe ihre Schulvigteit nicht geihan haben bonnten, oder auch ben anderen Rathsgliedern gegenüber kein Gewicht gehabt hatten. Es erfolgte daher auf jene Antwort des Rathes von Seiten eined ber Abgefandien bie kategoriſche Erfärung: man wolle es geradezu ausſprechen, bie ges machte Sorberung fet eine unbebingte, und man werde fich auf wichks Underes einlafjen. Der Rath erflärte ſchließlich das von den Zünften Degehrie für etwas, das noch nie worgelommen ſei, and meinte, man folle wegen ber heiligen Zeit der Faſten die Sache bi nach Oſtern auf fich beruhen laſſen, der Rath wolle mittlerweile ſich darüber mit dem Landvogte, mit den anderen wetterauiſchen Reichsſtädten, wit dem Schultheiß vor Oppenheim (Heing zum Jungen) uns wis anderen dem Reiche verpflichteten Reuten beraihen, damit ex ſicher fei, nicht etwas zu thun, was er vor dem Reiche und vor fich ſelbſi nicht verantworten koͤnne. Die Abgeſandten ver Hünfte gewährten bie gewwäinfchte Friſt, damit währen derſelben bie Sache ver bab Meich gebracht werde; einer von ihnen aber verlangte, daß der Raid uns die Hünfte fich gegeaſeitig Griſeln fallen ſollten. Dies wurke vom Rathe mit ber Erklärung zurückgewieſen, er babe bisher un niemand Geifeln geftelt, es fet vielmehr ftetö feinen Worten Glauben geſchenkt worden; und die Zünfte Begnügten ſich hierauf mit dem bloßen Verſprechen des Rathes.

Bis zu dieſem Zeitpunkte, d. h. etwa bis Ende Februar 1358, fennen wir ben Gang der Ereigniſſe aus einem Berichte, welchen bie Frankfurter Schöffen auf Befehl des Kaiſers an biefen geſandt Hatten, und der nicht früher als Ende Februar des ſolgenden Jahres wieben:

Ausadruck, „Die Achte ſollten alle Macht haben und bei allen Aemtern fein, alſe bie Buyfe jagen, bie bar ubir find gegebin,” ur von eimer erſt noch altzufaſſenden VBeſtimmung verſtehen.

ME. Der Uıfhend der Frankfurter Zlaıfte im viergeimten Yahrhunderi. 99

geſchrirben worken fein kann. Deu weiteren Bang vermbgen wir nur aus ven nicht zuſammenhaͤngenden Angaben zu erkennen, die fich m einzelnen Urkunden finden. Jener Bericht iſt Tihrigens nicht blos wegen feiner Angaben wichtig und belehrend, foubern auch wegen deß Tone, in welchem er geihrieben if. Dieſer zeigt nämlich eines Theils, daß die Züinfte ſchon im Yahre 1855, noch mehr aber Im Frühjahr 1358 eine drohende Stellung gegen den Math eingenommen bakken, uns daß beide Male im Fall ner Nicht⸗Erfüllung ihrer Forderungen der Ausbruch von Gewaltthaätigkeiten zu beforgen war. Er gibt aber anderes Theil auch durch feine ängſtlich merfichtige Form und burch das ſichtbare Streben der Schöffen, fich ſelbſt au entſchuldigen, such daB für ben weiteren Gang ber Dinge wichtige Fartım zu erfeunen, daß ber Railer gegen den Frankfurter Rath, beſonders gegen die Schöffenbant desſelben, nichta weniger als freunh⸗ lich geſiant war ?).

Ya ben nächſten ſieben Monaten nach ber zuletzt erwährten RNethoſtggung fanben Verhandlungen Statt, ſowohl zwiſchen ber Buͤvger⸗ ſchaft und dem Rathe, als auch zwildgen beiden Theile zuſammen uns bem Landvogt Ulrich, ſawie zwiſchen dem Rathe und der kaiſer⸗ lichen Regierung. Schon in ben naͤchſten zwei Manaten nach Oſtern, a vie dem Rathe geſetzte Friſt abgelaufen war, waren dieſe Ver⸗ haudlungen in vollem Gange. Nach ben Stadt⸗Rechmmngshüichern waren ſchon zu Anfang des Mai Jakob Klpbelauch, Johann vom Hohenhaus, Zohann in dem Saale und Andreas Heilegeiſt, welches Letztere damals Bürgermeiſter war, nach Nürnberg zum Kaiſer ge zit Sie warieten dort lauge auf ben Leigteren, während bey Stabt- ſchreiber Heinrich nach Prag geveift war, ma ale ber Kaiſer endlech gefommen war, begaben fie fi im Anguft mit ihm nach Rotenburg (J. Aum. 7). Unter dem 30. September iſt eine Ausgabe von nicht weniger als 556 Gulden eingeichrichen für eine Genbung am

9 Gpger gagen ben Verdacht, als wenn fie bem barrz vorher (Noventcher 1858) im Namen bei NKaiſers wit den Zuuften aeichlofienen Vertrage erigegen haubelien, glaubten die Schöffen fich fiher flellen zu müſſen. Ihr Bericht über die reige miſſe beginnt nämlich mit dem Worten: Bieter gmäblger Herrl Was hernach ge ſchrichen ſicht, das IR fo zu verſtehen, daß mehr bemeis ben geſchlofſenen Vertrog wit vodlcht ober gebrachen aber wollen, fombem wielander fo, daß wmir rm Gebote gemäß das VBorgefallene ohne Hintergedanken berichten wallen.

40 EEE Der Aufſtand ber Frankfurter Zünfte im vierzeheuen Iahrkanbet.

ben. Raifer, welche von ben Bürgermeifter Sifrieb von Spire, ven . Schöffen Junge und Log von Holzbaufen und Johann vom Hohen hans, und ben Rathöherren Hennefin Gärtner, Johann in dem Saale und Johann Bornfled unternommen wurde, und ber man noch zuerft Konrad von Haufen und dann Jakob Klobelauh nachſandte. Im Oktober endlich hatte der Kaifer einen feiner Näthe, Heinrich von Weſel, nah Frankfurt geſchickt.

Diefen Sendungen war ein vorläufiges Abkommen mit den Zünften voraudgegangen, welches im Mai beflegelt worden war und die Beranlaffung zu einem gemeinfchaftlfihen Mahle des Rathes und der Aunftoorfteher gegeben hatte (ſ. Anın. 8). Außerdem war auch der Vandvogt Ulrich eine? Tages nach Frankfurt gekommen, um zwijchen beiden Parteien zu vermitteln, indem er in eine Raths⸗ ſttzung auch zwei Männer von jeber Zunft und brei ober vier aus der Gemeinde Hatte beſcheiden laſſen Yy. Webrigend war eine Schuld von ewa 12,000 Pfund, welche der Rath anderen Stäbten und bem Kaiſer fchuldete, offenbar einer der Gegenftänve der Uinterhandlungen beiver Theile gewejen, und es ſcheint, als wenn bie Bürgerfchaft fich eine Zeitlang geweigert hätte, viefelbe anzuerkennen. Ebenſo fcheint die Bürgerfchaft eine Zeitlang darauf gebrungen zu haben, daß bie Schöffen und ver Rath ihr Selbftergängungsrecht verlieren jollten *).

Am 11. November 1358 kam enblich ein Vertrag zwifchen dem Mathe und der Bürgerfchaft zu Stande, welchen der Landvogt Ulrich vermittelt hatte und der Kaiſer am 14. Februar des nächtten Jahres

) Bei Böhmer, p. 670, iſt Ulrich's Brief an ben Math abgebrucdt, durch welchen dies angeorbnet wurde. Der Brief hat leiber Feine Jahreszahl und ein Tages: Datum, welches ebenſo wohl in ben April, als in ben Mai, Juni ober Auguft fallen kann. In bie Zeit, in welcher gemäß der am 11. November 1858 geſchloſſenen Rachtung ſechs neue Repräfentanten ber Zünfte und ber Gemeinbe einer jeden Rathsſitzung beimohnten, kann ber Brief nicht gehören, weil bann bie Zuziehung neuer Repräfentanten beiber Abtbeilungen ber Bürgerfchaft nicht nöthig geweſen fein würbe. Freilich Ednnte er einige Jahre fpäter, als bie Verhältnifie fich wieder geändert hatten und neue Awiftigfeiten ausgebrochen waren, gefchrieben worben fein.

2) Beides ergibt fih aus dem fünften und fechöten Artikel bes im November geichlofienen Vertrages. Jene Schuld beſtand übrigens größtenibeils aus Kapi⸗ talten, welche ber Rath in anderen Stäbten aufgenommen Bette; ſ. Fiharb's Entſtehung. ©. 227 fig.

IH. Der Wufflonb ber Frankfurier Zünfte im vierzehaten Jahrhundert. #1

beftätigte. Diefer Vertrag legte den Zwiſt, vermittelft einer Ber: faflungsänderung, auf folgende Weiſe bet: 1) Die Bürgerichaft fol jedes Jahr zwölf Leute ans ihrer Mitte wählen, bie fie auf ihren Eid für verftändig (ratber) hält, und aus biefen ſoll ver Rath Donnerftag nach der Oſterwoche, aljo einige Tage vor der Bürger: meiſterwahl 1), ebenfall3 auf feinen Eid ſechs zu einjährigen Bei⸗ figern des Rathes wählen; vie neuen Beiſttzer aber follen ſchwören, bem Weiche, dem Rathe und der Stabt daB Beſte zu werben und zu rathen, ſowie während ihres Jahres und nachher das im Mathe Ge hörte zu verichweigen. 2) Die Schöffen und der Rath follen fort fahren, jeded Jahr Bürgermeifter zu wählen, und zwar ohne Nüd: fit darauf, ob ein Rathsglied zu den einjährigen ober zu ben lebendlänglichen gehöre, ſowie in Betreff ber Lebteren wieder, ob er "auf der Handwerkerbank fite ober nicht. 3) Hat der Rath einer: jeit3 oder die. Bürgerfchaft andererſeits unter fich eidliche Verpflich tungen eingegangen, fo find dieſe fortan ungültig. 4) Alle groß: jährigen Bürger und Eimvohner, welche nicht Rathsglieder find, follen, fo oft der Landvogt und ber Rath es für nöthig halten, dem Reiche und dem Hathe den Eid bed Gehorfamd und der Tinters thänigkeit leiften. 5) Die Schöffen behalten ihr altes Recht ber Selbftergängung, und auch der Math bleibt bei feinen alten Mechten und in ber hergebrachten Verfaffung, außer daß er fortan aus ſechs Mitgliedern mehr beſteht. 6) Rath und Bürgerſchaft find ferner übereingelommen, die um 12,000 Pfund beiragende Summe, welche man amberen Städten unb dem Kaifer ſchuldet, gemeinfchaftlich zu feagen und zu bezahlen, wie e8 früher auch mit anderen Stabi: ſchulden gehalten worden ift. 7) Diefem Bertrage ift die kaiſerliche Beftätigung vorbehalten, und follte dieſelbe nicht erfolgen, jo ift der Vertrag ungültig, und alles Weitere dem Kaiſer anheimgegeben. 8) Wer für fich allein oder in Verbindung mit Anderen einen biejer Vertrags: Artikel verlegt, der fol für ehr: und treulos und für mein- eidig gehalten werben und mit Leib und Gut bem Reiche ver: fallen fein.

Unterſiegelt warb dieſer Vertrag vom Landvogte und vom Mathe; auch fügte der Letztere noch beſonders die Worte bei: er erkenne an,

ı) S. Senckenberg, L p. 22.

43 IE Der Ninffiamb ber Fraukſarier Düfte im vierzcheien Jahrhundert.

dan er bad Borgefchrichene in all bem Maße ums in allen den Pinklen, wie es geichrieben ſei, ohne Arglifi und vedlich halten wolle 1). Der Vertrag ſelbſt war ein bebeutenber Fortſchritt im pelitiſchen Leben ber Stabt; denn muftatt daß früher ber Rach fi felbft ergängte und jeder in ihn Aufgenoumene Lebendlang Rathaglich blieb, erhielt berfelbe nun einen Zuwachs von ſechs Weisgliebere, welche verwittelft einer inbirecten Wahl durch Die Buͤrgerſchaft felbkt ernaumt wurden und, als Volkbvrertreter im modernen Sinne bei Wortes, ihre Vollmacht nur auf eine beftimmte Zeit empfingen. Dadurch war fortan dem Wuflommen eines Kaſtengeiſtes, einer Anmilienberrichaft um eines mit dem Beitbebürfnifie im Widerſpruche ſtehenden Regiments vorgebeugt, während ber jährliche Zutritt von ſechs neuen Migliebern, wie ber im neueren Beiten eingeführte Bürger: Ausſchuß, zugleich eine Buͤrgſchaft dafür gewährte, daß mit den ſtͤdtiſchen Gelbern kein Misbrauch getrieben werbe.

Der die Ruhe der Stadt erſchiternde Stumm war durch ben Bertrag vom 11. November 1858 beſchwichtigt worden. Allein is denſelben Augenblick brach ein nener Sturm aus. Schon zehn Tage nach der kaiſerlichen Beſtätigung jenes Vertrages findet ſich im Stad Rechnungsbuch eine Sendung an den Vandpogt verzeichnet, welche bei ihm Math Helen ſollte in Betreff Heinrich's im Saale, des Bürger meifterö Andread Heilegeiſt und ihrer Freunde?). Da diefe beiben Männer bald nachher als bie Führer ver Zünfte und ihres Auf⸗ ſtaudes ericheinen, jo muß zwildhen ven Lebieren und dem Rathe ein neuer Zwiſt amdgebrochen gerefen fein. Dieſer md nicht näher ber kannt gewordene Zwiſt trat jeboch in den Hintergrund gegenüber einer auderen Gefahr, welche ein Theil bed Rathes, Die Schöffen,

1) In ben Annales reip. Frrancaf. (isı ben Uffenbach'ſchen Manufcripien ber Stabt:Bibliothef, Nr. 25) ift bei Erwähnung biefes Vertrages noch hinzu: gefügt, e8 ſei au ausgemacht worden, daß fortan ein dritter Bürgermeifter aus ben jhrfich In ben Math eintretenden GSechfen ermählt werben folle. Es iR bies ein Misverfuandniß des gositen Vertrags⸗Artikels and eime der vielen irrchumlichen Angaben, bie fi in ben Eollectaneen der Uffenbach'ſchen Manufcripte ſinden.

*) Dominica Mathät Apoftoli: Zehindehalbe Pfund und 1 Sch zu Foft und zu perde Ion Wigande von Lichtinftein, Johamne vom Hohmhuſe, Johanme von Holtzhuſin und Hennen Burnefleckin, Arnolde Schrein, du fie geredin warn gu unferm berren von Heynowe, umb rat von ime zu nemen al; von Heinriches in bem Sale unb Andres wegin und ſyner geſellin.

JEL. Der ufenb ber Fraukfurter Züwfte im viesgefnien Jahrhunberi. 48

sn gleicher Zeit über die Stabt heraufbeſchworen. Die Letzteven hadben fich nämlich ſchon feit Tängever Zeit zwei ange Misbraͤuche bei ihrem Gerichte erlaubt, und der erbitterte Kaifer beſtrafte fie bafür gerade am demſelben Tage, an welchem er ben zwilchen Rath nu Bürgerichaft geichlofienen Bertrag beftätigte, wa3 bem Anſchen ber Stadtbehoͤrde fehr nachtheilig fein und ber herrfchenden Aufregung neue Rabrung gewähren mußte.

Das Schoͤffengericht, deſſen Witgliever bekanntlich zngletch den beitten Theil des Rathes Bildelen, war nicht blos ein ſtadtiſches, ſendern auch ein Reichs⸗Gericht. Es beitanb aus vierzehn lebens⸗ laͤnglichen Beiſttzern, und bieſe ergänzten nach altem Herkommen ſich ſelbſt. Nun war aber bereits ſeit Menſchengedenken dieſes für Stabi und Reich wichtige Gericht ſelten vollſtaäͤndig belebt geweſen ), wei bie Schöffen, wie ſie ſelbſt in einem an ben Kaiſer erſtatteblen Recht⸗ fertigungsberichte ausfprachen, eine erlebigte Stelle nicht fofort bes festen, ſondern, erſt werm eine größere Zahl von Stellen erledigt war, nme Wahlen vornahmen. In Folge davon war während eines Zeitraumes von 40 60 Jahren die Zahl ver Schöffen einmal bis auf ſechs, ein amtermal bis auf acht, das dritte Mal bis auf fieben und das vierte Mal wieder His auf ſechs gujanmmengefdgmolzen. Diefen Misbrauch des Selbftergänzungärechteß, weicher offenbar wicht nur das Anſehen des Gerichtes beeinträchtigte, ſondern auch denen, die Bei ihm Recht ſuchten, nachtheilig war, glaubt Fichard?) damii rechtfertigen zu konnen, ba er ihn für eine aus dem Diikdlirikte ober Wofterben ber Dienfimannen entftandene Nothwendigkeit erflärt; denn ba eigenilich dieſe allen zum Beiſitze bevechtigt geweſen feien, und alſo ohne ihre Mitwirkung rechtlicher Weiſe feine Schöffenwahl habe vorgersanmen werben können, fo Hätten die Schöffen nicht gewagt, für ſich allein eine erledigte Stelle zu beieken; fie hatten baber immer fo Sage gewartet, bis das Schöffengericht auäguiterben

2) Einen anderen Diisftand übengeben wir, weil er nicht bios jeues Bericht unb jene Zeit traf, fondern fo alt, wie das Beſtehen von Gerichten überhaupt, gewefen zu fein fcheint. Wegen ihrer wurbe fchon um 1852 eine befonbere Ratha⸗ versrbnung erlafien (f. Senckenberg, I.p. 2 u.4). Auch iu ven Yatarı Anmerkt. 5 uwihatm Beriefierangsnorkigägen lautet ein Wrtiöd: „Bag bie ſcheſſia Mizlich m gueichte gan and ba Inden enbe gebin weit urieil mb unleibe.“

*) Entſtehung ber Reihäflabt Frankfurt. ©. 211.

44 M. Der Wufflenb der Frankfurter Zünfte im vierzehnten Jahrhundett.

gedroht und bied die Vornahme neuer Wahlen unumgänglich nöthig gemacht habe. Diefe an umd für fich ſchon fehr gefucht erfcheinende Annahme Fichard's kann weber durch irgend ein beftimmtes Factım, noch durch eine urkundliche Angabe begründet werden. Im Gegen: teil, ba 1359 der Kaiſer felbft den Befehl ertheilte, mehrere Hand⸗ werker in das Schöffengericht zu ermählen, fo Tonnte von den Dienft- mannen ala allein berechtigten Beiſitzern desſelben ſchon Tängft feine Rede mehr gemejen fein. Außerdem brachten aber auch die Schöffen ſelbſt, als fie fich wegen jenes Misftandes vor dem Kaifer zu ver- antworten juchten, gerade einen ſolchen Grund ihres Verfahrens, der fie in der That gerechtfertigt haben würde, nicht einmal anbeu- tungdweife vor. Sie blieben vielmehr, nachdem fie bie vor ihrer Zeit vorgelommenen misbräuchlichen Schöffenwahlen angegeben hatten, bei dem zulegt vorgelommenen Falle, bei welchem fie felbft- beiheiligt waren und folglich als fahrläffig erfchienen, ftehen und entichulbigten ihn mit einer berrichenden Seuche. Es fei, fagen fie, einer von ihnen von ber Seuche ergriffen worben, bie Webrigen hätten aus Furt vor Anftelung nicht mit ihm zuſammenkommen wollen, und nachher feien in kurzer Zeit noch drei von ihnen geftorben.

Die fo lange Statt gehabte große Unvollzähligkeit des Schäffen- gerichtes war jedoch nicht der einzige Misbrauch geweien, welcher in biefem eingerifien war, fondern die Schöffen hatten fidy noch eines weit ärgeren Misbrauches fchuldig gemacht. Sie hatten nämlich die in Gemeinſchaft vorzunehmende Erwählung neuer Collegen ganz ab: geſchafft, und dagegen durch einen unter ihnen gejchloflenen fürm: lichen Vertrag!) die Beitimmung getroffen, daß immer nur einer von ihnen, und zwar mit Einhaltung der Reihenfolge, ben neuen Schöffen zu wählen habe. Sa, fte hatten einander fogar das Recht gewährt, daß jeder für die fpäter von ihm zu vergebende Schöffen ftelle im Voraus eine jchriftliche Anwartichaft erigeilen bürfe?). Auch dieſen fchreienden Misbrauch, durch welchen das fo wichtige Schöffengericht zu einer Pfründe einiger wenigen Familien gemacht

1) &. Böhmer, p. 627.

”) Cine biefer Anwartſchafisertheilungen iſt 1409 aus ber Hinterlaffenfchaft ber Elfe von Holzhauſen in ben Beſitz ber Stabt gekommen. Böhmer bat fie p. 627 mitgetbeilt.

HI, Der Aufſtand ber Frankfurter Zihefte im viergehuten Jahrhundert. 45

wurde, fucht Fichard auf eine ebenfo jonderbare, aber auch ebenſo wenig ftichhaltige Weife zu rechtfertigen, wie er es mit jenem anberen Misbrauche verjucht hatte. Er jagt, indem er über pie misbräude liche Weberlaffung einer jeden Schöffenwahl an je einen einzigen Schöffen ganz ſchweigt, in Betreff der Anwartichaftsertheilungen: „Sine folche Anwartichaftsertbeilung konnte in jener Epoche der Auf [fung vortheifhaft fein, um jeden verfallenden Streit im Voraus zu bejeitigen, und vorgängige Erfahrungen mochten eine ſolche Ordnung ala nötbig empfohlen haben“. (Credat Judaeus Apella!) Die Schöffen ſelbſt fahen die Sache ganz ander? an; denn als im Sabre 1357 eine große Aufregung unter ben Bürgern herrichte, und fie ſelbſt durch Nichibefolgung des wegen ber Gemandichneiber ergangenen Zaiferlichen Gebotes fowohl diefe, als auch den Kaifer erbittert hatten, machten fie nicht nur durch fchleunige Erwählung von acht neuen Schöffen ihre Zahl vollftändig, ſondern te fchafften auch vor ver Wahl das Recht der Anwartichaftsertheiluug für immer wieder ab.

Die angegebenen Misbräuche wurden von dem Kaiſer 1359 mit Einem Schlage befeitig. Zu gleicher Zeit beftrafte er ihret- wegen bie Schöffen damit, daß er dag alte Recht ber Selbitergänzung, welches dieſe beſaßen, beichränkte und gegen deſſen Misbrauch Bor: fehrungen traf. Er beſtätigte am 14. Februar 1359 den im No veınber 1358 abgefchloffenen Vertrag zwilchen Rath und Bürgerichaft und damit zugleich principiel das im fünften Artilel desſelben ge⸗ wahrte Recht der Schöffen, fich jelbft zu ergänzen; allein an eben bemjelben Tage erlic er ein Manifeft, in welchem er jene Mis—⸗ bräuche beitrafte, und wegen der Schöffen und Rathswahlen neue Borichriften ertheilte. Da ber Kaifer fo beginnt dad Manifeſt vernommen habe, daß das Reichsgericht zu Frankfurt nicht vollzählig fei, ſondern jech8 oder mehr Stellen unbejegt geblieben wären (wobei übrigens der Kaiſer faljch berichtet war, weil damals nur zwei von den vierzehn Schöffen mangelten): fo habe er, damit dieſes Reichs⸗ gericht und der Schoͤffenſtuhl zu Frankfurt ganz unb volllommen befeflen und gehalten werbe, dem Landvogte der Wetterau, Ulrich von Hanau, folgenden Befehl ertheilt. Diefer folle ſofort im Namen und anftatt feiner, des Kaiferd, nach eigener Wahl ſechs Männer zu Schöffen ernennen, und zwar brei aus ben Zünften und drei

46 HE. Der Kıfenb ber Frankfarier Bieite ir vierzeheten Tahcbanberi.

auß ber Gemeinde. Dieſe ſechs neuen Schöffen fellten den acht übrigen volllommen gleich ftehen, bie Letzteren aber fernerhin Beine Wahl vornehmen, bis bie von Ulrich zu ernennenden Sechs voll: zählig wären. Auch wenn einer von den Sechlen ſtuürbe ober aus⸗ treie, folkten nicht wie Schöffen, fordern Ulrich die erlebigte Stelle bejeken, unb zwar innerhalb eined Monats und wit ſteter Ruͤckſicht baranf, daß fich ımier den Sechien immer drei Sänftige und drei Nicht Zünflige befänven. Was die Übrigen acht Schöffen betreffe, fo ſollten dieſe zwar ſich felbft ergänzen; wenn fle aber eine neue Wahl nide in Monatöfriit vornähmen, jo habe der Landvogt eb zu thun. Dasjcide ſollte amd geichehen, fo oft ber Math fein Selbſt ergängmgärecht nicht innerhalb cine Monats auslde. Der Kalter behielt übrigend ſich unb feinen Nachfolgern vor, fowohl alle bicfe Anorinnugen umpewanbeln ober wieeramfzuheben, als auch nament lich bie Zahl ver nenen, ſowie bie ber alten Schöffen zu mehren ober zu minbern. Außerdem bebrohte er jenen, welcher mit Worten oder Werken gegen bie ertheilten Vorſchriften handeln werde, mit ber Reichsacht. |

Dieje Anorbnungen und Befehle bed Kaiſers zeigen, daß ber felbe über bie Schöffen erbittert oder dech wenigitend gegen fie wis- trauiſch war. Das Nämliche geht auch daraus hervor, daß ber Anilex jene Befehle an eben demſelben Tage ergehen lieh, an dem er ven zwiſchen Rath und Bürgerfchaft gefchloffenen Vertrag ge nehmigte, in welchen bie Letztere dad Gelbftergänzungbredit ber Schöffen unbeichräntt anerkannt Hatte. Diefes ließ der Kailer ur un Prindp und einer gewiſſen Einſchräaänkung beſtehen; feine beſchränkenden Anordnungen mußten aber zu gleicher Zeit mit ber Beitätigung jenes Bertrages erlaflen werben, weil ben Letzteven gemäß ſchon wenige Wochen fpäter bie ſechs Glieder, um weiche ber Math vermehrt werben folkte, in dieſen eintraten, und alfo, um bas wiederhergeſtellte ſradtiſche Reginent genz in Orkmung zu bringen, auch das aus ben Schöffen beſtehende Dritiel des Mathe vollzaͤhlig fein mubte Das Berfahren ber kaiſerlichen Regierumg finket fomkt ſeine einfache Erklärung in dem argen Bergehen, befien bie Schöffen Ra ſchuldig gemacht hatten, ſowie in ber Dage ber Dimge ſelbſt. Dak unf jene Verfahren Wrich von Hanau, «ld Laubveogt ver Wetteran unb ald em beim Kaifer viel vermögender Manz, ul

HH. Der Muffe ber Frautfurter Zurrte tun Diergehesten Yahsfumbett 47

eingewirdt hai, daß er es namentlich geweſen ſein muß, ber dem Kaifer bie Sache berichtet Hatte, verſteht fich ven ſelbft. Man kaun hierbei fogar noch weiter gehen und die Vermuthung begen, va er baram gesucht habe, den unveranworilichen Fehler der Schöffen, fewie bie ganze Lage der Dinge zu benugen, um feine eigene Macht in Fraub furt zu vergrößern. Allein man darf nicht, wie Fichard gethan Bat, eine Bernmihung, jelbft wenn fie wie in dieſem Falle mit einiger Wahrſcheinlichkeit bekleidet ift, ald eine Wahrheit, ald eine unwider⸗ Fpredpliche" Thatjache barfichen.

Mit der Faiferlihen Urkunde vom 14. Februar 1359 begab ſich Uri alabald nach Fraukfurt. Hier ernannte ex, kraft ber ihm estgeilten Vollmacht, fogleih zwei nene Schöffen; denn es waren nicht ſechs, jondern nur zwei Stellen erledigt. Einer ber von Ihm neu eingejegten Schöffen war, worüber fein Zweifel obwalten faun, Heinri im Saale, einer ber angejehenfter und reichften Männer der Stadt, welcher von einem ihm eigenthümlich angehörenden Hauſe am alten Kaiferhofe feinen Namen hatte, und der, wie oben erwähnt wurde, nebit dem Bürgermeilter Andreas Heilegeift, ſchon gegen Ende bes vorhergehenden Jahres eine den Rath beunruhigende Bartei ger bildet hatte. Der andere von Ulrich ernannte Schöff iſt nicht mehr zu ermüteln!). Beide Männer wurben zwar von ben alten Schöffen ala Beiliger bed Berichtes angenommen; allein bie Letzteren prote⸗ ftirten zugleich beim Landvogt gegen bern Ernennung, weil biefe ihrem altherkoͤnmlichen Rechte ber Selbitergängung widerſtreite. Sie hatten ihn aufs dringendſte gebeten, die Sache jo lange auf fich be ruhen zu laſſen, bis fie biefelbe vor den Kaiſer bringen koͤnuten, welcher am 8. März von Nürnberg aus dem Nathe feine nabe

) Fichard nennt (S. 251), ohne irgend einen Nachweis dafür zu geben, Joham Forfmeifter als diefen neuen Schöffen. Romer-Büchner fagt fogar, aber ebenfalls obne einen Beleg dafür, Ulrich babe ſechs Schöffen ernamıt, den Mehger Heune Wirbel, ben Bäder Johann Schelle und den Schuhmacher Gerhard Neſentſch aaub bee BZünfien, ſowie wahrſcheinlich Johann Gurtner, Heimrich im Saale und den Wollenweber Andreas Heilegeiß and ber Gemeinde. Der Micht ver Schöffen an ben Kaiſer ſagt jedoch ganz Bekimmt, daß Ulrich wur zwei Sqͥchoͤfſen ernannt habe, und aus ben Zeugen-linterichrifien won Kaufbriefen ab amberen Urkunden laßt ſich nachweiſen, ba leineswegs ſechs Stellen erledigt gewefen waren. Mehr als 14 Beiſiher ſollte aber, much nach dem laiſerlichen Miejehle von 1859, das Gchäfiengericht nicht haben.

48 EI. Der Auffand ber Frankfurter Zünfte im vwiergehesten Jahrhundert.

bevorſtehende Ankunft in Frankfurt angezeigt hatte. Allein Ulrich Hatte ihre Bitte zurücgewiefen und ihnen nicht einmal, worum fie ihn ebenfalls gebeten hatten, eine Abfchrift ber Eaiferlichen Urkunde vom 14. Februar gegeben. Uebrigens kam ber Kaifer damals entweder gar nicht nach Frankfurt, oder er hielt fich wenigftend auf der Durch⸗ reife nur wenige Stunden daſelbſt auf (f. Anm. 9). Schon im Februar hatte man die Summe, welche die Stabt ihm ſchuldete, zurückbezahlt: fie betrug 7190 Gulden‘). Auch an den Landvogt wurden damals in einzelnen Raten 831 Gulden, die man ihm fchuldete, bezahlt ®). u

Nun folgt ein ganzes Jahr (vom März 1359 bi? Ende Februar 1860), aus welchem und nicht? gemeldet wird, und deſſen Haupt Begebenheiten wir nur aus dem Inhalte fpäterer Taiferlicher Ber: orbnungen zu vermuthen vermögen. Hiernach hatte ber Math die ihm zugefellten ſechs jährlichen Mitglieder nicht ala gleichberechtigte angefeben. Ferner war den anerlannten Rechten der Zünfte, beſonders denen der Gewandfchneider, auf irgend eine Weiſe zu nahe getreten worden. In der Bürgerichaft herrichte Unzufriedenheit und Zwie⸗ tracht, und bie beiden Theile derfelben, die Gemeinde und die Zünfte, hatten nicht nur Partei gegen einander gemacht, ſondern es waren auch öfters politifche Verſammlungen gehalten worden. Beide Theile waren mit der inbitecten Wahl der ſechs einjährigen Rathsglieder nicht zufrieden, und wollten gar feine Betheiligung bed Rathes bei derfelben Haben; bie Gemeinde insbeſondere aber fühlte fich dadurch beeinträchtigt, da die Zünfte zu wenige nichtzünftige Bürger in ben Wahlvorichlag zugelafien hatten. Dieſer Zuſtand der Dinge bewog die kaiſerliche Regierung, aufs neue einzufchreiten und Maßregeln zu ergreifen, durch welche die Eintracht und Ordnung wieberherge- jtellt werben ſollte. Ste that die vermittelft zweier Verfügungen,

.!) Danach iR Fich ard's Angabe (S. 227 fig.) zu berichtigen, nach welcher der dem Kaiſer gebührende Antheil an ber früher erwähnten Stadtſchulb von 12,000 Pfund bios 1114 Pfund betragen und nur in ber gewöhnlichen Neddd: ftener für das Yaufenbe Jahr befanden babe. Im Stabt-Rechenbuche von 1858/59 ſteht unter Dominica poft Apelloniä (10. Februar) 1859: -,Unfers herrn bes keiſirs fehriber zu Soltzbach von unfers herren bes keiſirs wegen fiebin bufent hundirt und nuntzig guldin.‘

9) Nach vier verfchiebenen Poften des Stadi⸗Rechenbuchs.

III. Der Aufſtand der Frankfurter Zänfte im vierzehnten Jahrhundert. 49

welche an einem und benjelben Tage (dem 24. Februar 1360) er- laflen wurden.

Die eine Verfügung‘ betrifft die Wahl und Stellung der ſechs einjaͤhrigen Rathsglieder, ſowie die vom Kaiſer ein Jahr früher ange⸗ ordnete Ernennung von ſechs Schöffen durch den Landvogt, die Rechte der Gemeinde und der Zünfte, die Stellung Beider gegen einander und bie zwilchen ihnen waltende Zwietracht. Die indirecte Wahl der ſechs einjährigen Rathsglieder wurbe in eine directe umgewandelt, indem fortan bie WBürgerfchaft diefe ohne Mitwirkung bes Rathes erwählen follte. Zugleich wurbe verfügt, daß jeder von beiden Theilen der Bürgerfchaft für fich allein drei diefer Sechfe aus feiner Mitte zu wählen habe. Die Sechfe felbft aber follten nicht ala ein weniger berechtigter Theil des Rathes angefehen werben, fonbern vielmehr ben anderen Rathöglievern an echten und Pflichten volllommen gleich- Reben. Der Rath babe fie, wie die Worte lauten, zu fich ala Rath- leute zu empfangen, und fe ebenfo, wie andere Rathleute, den Raths⸗ eid fchwören zu laſſen, und ſie follten bei ben anderen Rathleuten figen, rathſchlagen und alle anderen Dinge, wie fie auch heißen möchten, gleich den anderen Rathleuten fchaffen und thun. In Betreff der Schöffenmahl wurde bie ein Jahr früher erlafiene Verfügung vollftändig beftätigt und erneut. Der Gemeinde und ben Zünften ward geboten, einträchtig zu fein und, außer bei ver Wahl der ſechs einjährigen Rathleute, Teine Partei-Berfammlungen zu halten. Endlich wurden bie Rechte und Gewohnheiten der Zünfte, namentlich auch die” der Gewandſchneider, ſoweit fie herfömmlich wären und ben Rechten von Kaiſer und Reich feinen Eintrag thäten, neu beftätigt. Alle dieſe Verfügungen jollten Bürgermeifter, Rath und Bürgerfchaft zu Frankfurt, ſowie alle anderen Unterihanen des Reiches getreulich befolgen und nicht übertreten, bei Strafe von hundert Mark Silber. Beftehen bleiben aber ſollten biefelben fo lange, bis der Katfer oder feine Nachfolger fie widerrufen würben. |

Die zweite kaiſerliche Verfügung vom 24. Februar 1360 ge- gewährte der Gemeinde von Frankfurt das Recht, eben folche koͤrper⸗ ſchaftliche Vereine zu bilden, wie bie der Zünfte waren. Diefes Recht Sollte bei Strafe von hundert Mark Silber von niemand angelaftet werden; wohl aber follten bie Mechte des Meichd und jedermann fonft vorbehalten bleiben, und ber Reiter oder feine

KEriegk, Frankf. Bürgerzwifte.

50 II. Der Unffland der Frankfurter Zünfte im vierzchuten Jahrhundert.

Nachfolger tie ganze Verfügung widerrufen bürfen. Diefe latfer- liche Verfügung wird von Kirchner und Fichard mit Recht als ein harter Schlag, der die Zünfte traf, angejehen, weil durch die- ſelbe neben den Zünften eben folche fefögeichlofiene Vereine, wie diefe waren, hervorgerufen, jene alfo, wie Kirchner fich ausdrückt, mit ihren eigenen Waffen gefchlagen wurden. Dereine von Nicht Zünftigen, Trinkſtuben genannt, beitanden zwar jchon früher; aber fie waren bloß den Zwecken ber gefelltgen Unterhaltung gewidmet, während jebt geftattel wurde, auch in ber Gemeinde Vereine zu bilden, welche als Körperichaften anerfannt und, gleich ven Zunftvereinen, für alle Beziehungen de politifchen und focialen Lebens beftimmt waren, durch welche alſo auch die fogenannte Gemeinde eine geglie⸗ derte DOrganifation erhielt. Hierdurch erlitt allerdings das feitherige Usbergewicht der Zunfte über die übrige Bürgerfchaft einen Schlag; allein dieſer konnte die Zünfte doch nicht fogleich, ſondern erſt fpäter treffen. Die Zünfte waren ſeither wächtiger geweien, als bie ganze Abrige Bürgerfchaft, nicht blos, weil fie ſchon laͤngſt durch ihre Vereine eine feite Organifation gehabt hatten, fondern namentlich auch weil fie felbft und ihre Weitglieber wegen ber Gleichartigfeit ver Intereſſen, Beichäftigungen und Bebürfnifle, jowie der Bildung und Lebensweiſe einander nahe ftanden, und weil fie in Folge davon, fo oft es nöthig war, der Behörde gegenüber ala wohl geglieberte Theile eines Ganzen, nicht aber als iſolirte Körperfchaften auftraten. Man kann fie, in Betreff ihrer Stellung gegen bie übrige Bürger ſchaft und gegen bie Regierungsbehoͤrde, einigermaßen mi dem &lteren Plebejer⸗ Stande Rom's vergleichen, und fie fonnten, wie dieſer, unter der yührung gewandter Vorfteher burch die Gleichartige heit ihrer Intereſſen, durch ihre natürliche Gliederung unb durch ihre fefte Geſchloſſenheit der Behörde Leicht jehr gefährlich werben. Es war daher ein Fluger Gebaufen, ber übrigen Bürgerfchaft eine ähnliche Organifation zu gewähren und baburch ein Gegengewicht gegen die Zünfte zu ſchaffen. Dies war ber offenbare Zweck des ber Gemeinde ober dem nichtzünfligen Theile der Bürgerichaft Fraub furt's gewährten Sorpsrationd = und Vereindrechted. Man wirb daher auch gewiß nicht irren, wenn man in ber Taiferlichen Verfügung, welche dieſes Recht gewährte, die Einwirkung von tüchtigen Staats⸗ maͤnnern erfennt, wie der Taiferliche Math Rudolf von Friedberg

IT. Des Aufftand der Frankfurter Zünfte im viergehnten Jahrhundert. 51

und der beim Kaiſer viel vermögende Frankfurter Bürger Sifried zum Paradied waren. Allen man wird zu gleicher Zeit auch aner- kennen mäſſen, baß jener Zweck weber jchnell, nech Leicht erreicht werben fonnte. Wenn nämlich aud) jeder der Vereine, welche nun⸗ mehr in der Gemeinde fich bildeten, ober vielmehr fich neu organi⸗ firten, vorausfihtlih aus meiftend gleichartigen Elementen beftand, jo war dies doch weber in gleichem Grabe wie bei den Zünften ber Tall, noch aud konnten dieſe Vereine zufammen bei der großen Berichiedenheit, welche in Hinficht auf Intereſſen, Belchäftigung, Büldungszuftand und Lebenzftellung zwifchen ihnen beitand, ein fo feſtgeſchloſſenes und gut geglieverted Ganzes bilden. Dazu Eonnten fie vielmehr, und aud dann nur annähernd, blos mit der Zeit gelangen, wenn nämlich die Bildung eines Gegengewichted gegen bie Zünfte allen Bürgern als ein nothwendiges Bedürfniß recht fühlbar geworben war, und bie Vereine der Gemeinde und ihre Mitglieber fich durch die doppelte Macht der Gewohnheit und des Beduͤrfniſſes mehr in und zu einander gefunden hatten.

Hatten bie auf den Kaiſer einwirkenden Männer bie angebeutete Abficht, wie es fcheint, wirklich, jo war alfo doch von dem ber Ge meinde gewährten Rechte nicht ein fofort eintretender Einfluß auf ben Kranffurter Zünfte- Aufftand zu erwarten. Der Aufftand würde vielmehr gewiß, indem er ſich ungeftört fort entwidelte, weitere Ver⸗ fafiungsänderungen Herbeigeführt haben, wenn nicht gerade zu der jelben Zeit wie ein Deus ex machina ein einzelner Mann aufges treten wäre, welcher bie Uebermacht der Zünfte zu brechen und ihrem weiteren DVorjchreiten einen Damm entgegenzufegen verftand. Diefer Mann, welcher fpäter auch noch in anderer Hinficht ben inneren und Außeren Verhältniſſen Frankfurt's eine Wendung zu geben wußte, war Sifried zum Paradies, von Böhmer mi Recht der ausgezeichnetfte Mann in Frankfurt's politifcher Gefchichte genannt. Ein Hefle von Geburt (wahrfcheinlih in Warburg ges boren) und der Familie von Bidenkapp (Biedenkopf) angehoͤrend, war er nach Frankfurt übergefiebelt und bafelbit 1847 Bürger geworben 1). Bald nachher hatte er, der von Haufe aus wohlhabend

») Im Bürgerbuß, d. h. im officiellen Verzeichnifie der Bürgeramfnabenen, beißt e8 unter bem Sabre 1847: Syfrid des rychen Syfrides son vom Marpurg, 4*

52 III. Der Aufſtand der Frankfurter Zünfte im vierzehnten Jahrhundert.

war, die Tochter eines der reichften und angefehenften Bürger ber Stadt, des mit Kaifer Ludwig dem Baiern befreundeten Schöffen Jakob Knoblauch, geheirathet. Nach dem Tode diefer feiner erften Sattin, welche ihm drei Kinder gegeben hatte, heirathete er Katharina zum Wedel, von ber er ebenfalls drei Kinder erhielt. Er nannte ih Sifriev von Bydenkapp oder von Marburg, kommt aber am häufigften unter dem Namen Sifriev zum Paradies vor, welchen er nach einem von ibm erfauften und bewohnten, auf dem Liebfrauen- berge ftehenden Haufe erhielt. Da er bis zum Sabre 1359 in Frankfurter Urkunden nicht erwähnt wird, jo fcheint er in biefer Zeit oft von Frankfurt abweſend geweien zu fein. Bermuthlich war er damals öfters am Laiferlichen Hofe und vielleicht auch im Gefchäften des Kaiſers thätig; denn vom Jahre 1360 an erfcheint er als ein vertrauter und begünftigter Freund des Lebteren, und er blieb bis zu deſſen Tode ebenfo innig mit ihm befreundet, wie fein erfter Schwiegervater es mit Kaifer Ludwig geweſen war. Auch pflegte Kaiſer Karl IV., wenn er nach Frankfurt fam, ebenfo bei ihm feine Wohnung zu nehmen, wie Ludwig der Baier bei Jakob Knoblaud. Am Taiferlichen Hofe wurde Sifried, was für fein fpätered Auftreten in Frankfurt wichtig it, auch mit dem audge- zeichneten Kanzler Karl's, Rudolf von Friedberg, nahe befreundet. Seit dem Jahre 1359 erfcheint Sifried als Mitglied des Frankfurter Rathes. Uebrigens hat ſich das Bild diefed Mannes, welcher am 9. April 1386 ftarh, ebenfo wie das feiner zweiten Gattin, in dem einen der beiden Grabfteine erhalten, welche urfprünglich in ber abgebrochenen Kirche des Heiligengeiſt-Hoſpitals ftanden, und jebt an die innere Wand der Nikolai⸗Kirche eingemauert find.

Diefen Mann nahm Kaiſer Karl am 20. September 1360 zu feinem wirflihen Rathe )) auf. Am 9. Oktober aber verlieh er ihm

fidejussor pro dimidia marca Symon Patris, actum feria quarta post Mise- ricordia. .

!) In gaum servitorem et familiarem cottidianum. Wie hoch Sifried in ber Gunſt des Kaiferd ftand, zeigen die Ausdrücke, weiche biefer in Bezug auf ihm in einer am 9. Oktober 1860 ausgeflellten Urkunde gebraudt. Er nennt ihn nicht blos feinen lieben @etreuen und Hofgefind, fondern er preift auch „bie Zu⸗ verfiht ſteter Treue, Bieberkeit, Vernunft und Fleiß,” bie er an Sifried ge- funben babe.

HL Der Aufſtand der Frankfurter Zünfte im vierzehnten Jahrhundert. 53

nicht nur den erblichen Rang eines Meichd> Dienftmannes, indem er isn zugleich mit beſtimmten Einfünften begabte, jondern er ließ auch an den Landoogt und an Bürgermeifter, Schöffen und Rath von Frankfurt ven durch Strafandrohung verfchärften Befehl ergehen, bie erfte erledigt werdende Schöffenitele dem Sifried zum Parabied zu ertbeilen. Durch die fettere Verfügung griff der Kaifer in das Selbitergänzungsrecht der Schöffen zum zweiien Wale cin, fowie zugleich in dad dem Landvogte verliehene Recht, die nächfterledigten ſechs Schöffenftellen zu bejeßen, von welchen damals erit zwei wieder befeßt waren. Ein folder Schritt des Kaiſers bebrohte aber außer⸗ dem die Bürgerjchaft mit der Gefahr, dag, was auch 1363 wirklich geichah?), die Sache in Zuhuft wiederholt werde, fowie daß in Folge davon Männer, welche mehr das Intereſſe des Kaiſers, als das der Stabt im Auge hatten, in das Gericht und bie Regierungs⸗ bebörde eingefeht werden würden; ober mit anderen Worten, Frank: furt war dadurch bebroht, die halbe Selbſtſtändigkeit, welche es damals befaß, zu verlieren und ganz von der Willfür der Taifer- lichen Regierung abhängig zu werben. Bon folchen durch ben Kaiſer ernannten Männern mußte nämlich die Bürgerfchaft befürchten, daß fie gern an die Taiferlihe Machtvolllommenheit appelliven und von diefer auch die gewünjchte Hülfe erhalten würden. Bon Sifrieb zum Paradies insbeſondere aber hatte man gerechten Grund, zu beforgen, daß er fich die kaiſerliche Begünftigung nur in ber Abficht verichafft babe, in bie inneren Angelegenheiten ver Stadt umgeftaltend einzu: greifen. Es waren baher ſowohl die Bürger, als auch bie Schöffen und der Rath, fowie der Landvogt Ulrich über jenen Befehl des Kaiſers Fehr aufgebracht und insgefammt entichloffen, demſelben nicht Folge zu leiften. Eine Anzahl Bürger, wahrjcheinlich die Zunft: vorfteher, erjchienen vor dem Rathe, und proteftirten gegen bie vom Kaiſer zu Gunften Sifriev’3 erlaffene Verfügung als einen Eingriff in bie rechtmäßig beftehenbe Freiheit der Stabt. Der Rath jelbit aber und die Schöffen wieſen Sifried's Anwartſchaft auf eine Schöffen- ſtelle zuruck, fo daß berfelbe fich gendthigt jah, nach Prag zu reifen und beim Kaifer Magend aufzutreten. Ja, der Rath erließ am

I) Damals befahl ber Bali, einen beftimmten Mann zum Mitgliede bes Rathes zu ernennen.

54 M. Der Aufſtand ber Frankfurter Zünfte tm vierzehnten Jahrhumdert.

29. Oltober jogar eine Verordnung, welche offenbar gegen die Geltend⸗ machung dieſer Anwartfchaft gerichtet war ?). Sie lautete: Der Rath fet für die Ehre und ven gemeinen Nuben des Reiches und ber Stabt übereingefommen, daß niemand, er fei jebt Im Nathe oder komme nachher in ihn, nach der Stadt Franffurt Gnabe und Freiheiten fteben folle, noch daß einer oder jemand von jeinetwegen, er ſei Schöff oder Rathmann, etwas, dad der Stabt fchäblich fet, forbern folle, ſowie daß jedermann ebenfowohl, wie Schöffen und Rath, an biefem Gebot ftet und feit halten folle. Auch der Landvogt erflärte ſeinerſeits, daß er Sifried's Anwartfchaft nicht anerkenne, und daß er bei der nächften Erledigung einer Schöffenſtelle auf dieſelbe keine NRüdficht nehmen werde. Die Aufregung und Erbitterung ber Bürger: ſchaft über die kaiſerliche Willfür war fo groß, daß acht Mitglieber des Rathes, unter ihnen der eine Bärgermeifter, ſich einen Schritt erlaubten, um beffentwillen fie vom Kalfer mit Verbannung aus der Stadt beftraft wurden. Worin ihr Vergehen beftanben hat, wird uns nicht gemeldet, ſondern blos, daß fie wirklich eine kurze Seit verbannt waren, unb baf im December 1360 ver Landvogt, nachdem fie vom Kaiſer wieder begnabigt worden waren, ihnen bie Rückkehr nach Frankfurt geftattete. Diefe acht Nathöglieder waren: Der Bürger: meifter Anbread Heilegeiſt, der zu den angefehenften Maännern ber Stadt gehörende Schöff Heinrih im Saal, Contzechin Wygel, Jacobin Gärtner, der Mebger Henne Wirbel, welcher brei Jahre Ipäter Bürgermeifter war, der Bäder Henne Schelle, welcher fünf Sahre fpäter das Bürgermeifteramt beffeivete, der Schneiber Walter und der Schuhmacher Berthold. Da ihr Vergeben in bie Zeit nad) dem 1. Oktober fällt, und ſie ſchon am 18. December wieder be gnabigt worden waren, in ber Zwiſchenzeit aber außer der am 9. Oktober vom Kaifer erlafenen, vom Rath zurückgewieſenen Ver⸗ fügung nicht? Wichtiges vorkam, fo muß dad Vergehen, um deſſent⸗ willen jene Männer beftraft wurden, mit biefer Verfügung zuſam⸗ menhängen *).

t) Senckenberg, Sel. jur. L p. 65 »q.

2) Khre Verbannung aus ber Stadt fand nämlich früheftens im Oftober Statt. Dies geht aus dem Bürgerbuche hervor, in welchem bei ben einzelnen Büirgeraufnahmen bemerkt ift, welcher von ben beiden Bürgermeiftern das Antritts- gelb von den neu Aufgenommenen in Empfang genommen bat. In bein Bürger:

IH. Der Aufſtand der Frankfurter Zünfte im vierzehnten Jahrhundert. 55

8 iR unbegreiflich, daß Fichard behaupten konnte, die Schöffen umd, wie es fcheine, ver größere Theil der nichts zünftigen Rathsglieder (d. 5. alfo die Mehrzahl des Rathes) feien damals für Sifried zum Paradies geweien; denn es läßt ſich urkundlich nachweifen, baß fogar noch britthalb Fahre fpäter die Mehrzahl des Rathes, Tomte bie der Schöffen insbeſondere fih der Aufnahme Sifrtev’3 in bas Schöffengeriht nachdrücklich widerſetzt bat, und daß diefer mır eine Minderheit beider Körper für fich gehabt haben konnte. Der Wider Rand, welden bie Schöffen, ber Rath und ber Landvogt der Zu⸗ laffung Sifried's zu einer Schöffenftelle Leifteten, war fogar jo nach⸗ druücklich, daß der Kaiſer fih auf Sifried's Klage bewogen fand, ewnfie und drohende Schreiben an die Genannten zu erlaflen (|. Anm, 10).

Als der Kaifer, an welchen man 1361 mehrmals Geſandt⸗ fchaften abgehen ließ (ſ. Anm. 11), auf der Aufrechterhaltung von Sifried's zum Paradied Anwartſchaft feft beſtand, thaten der Math und ber Landvogt keine weiteren Schritte mehr. . Ste beichloflen vielmehr offenbar, ihr Recht erft dann wieder geltend zu machen, wenn bie Erledigung einer Schöffenftelle eingetreten fei, was erft um den Beginn bed Jahres 1363 Statt fand. Die Zwiſchenzeit fuchten ſowohl ver Rath und der Landvogt, als auch Sifried zum Paradies fiir die von ihnen ind Auge gefaßten Zwecke zu benutzen. Die Erfteren, welche in dieſer Sache ein und dasſelbe Intereſſe und Ziel hatten, fchloffen fich enger an einander an ‚und befeittgten einen langjährigen Anlaß zu Streitigkeiten zwiſchen ihnen. Ste fuchten fich nämlich mit einander in Betreff der Aniprüche zu verftänpigen, welche Ulrich an feine in Frankfurt wohnenvden Unterthanen machte, unb bie er bisher firenge behauptet hatte; und es kam endlich ein Vergleich hierüber zu Stande, welcher im März 1363 abgefehlofien warb). Sifried zum Parabied dagegen, in befien Schritten fich

buche iſt die Empfangnahme von Seiten bes Bürgermeifterd Andreas Heileneift neben ber durch feinen Gollegen Johann vom Hobenhaus Bid zum 1. Dftober angegeben; ven da an aber erfcheint durch ben Reſt bed Jahres 1860 hindurch nur ber Letztere ala Empfangnehmer. Das Vergeben bes Andreas Heilegeift und feiner Genoſſen, fowie ihre Verbannung muß alfo in bie Zeit mach dem 1. Oftober fallen ; bie Anwartſchaftsertheilung für Sifrieb zum Paradies aber fanb befanntlich am 9. Oktober Statt. N Büähmer, p. 886.

56 II. Der Auffſtand der Frankfurter Zünfte im vierzgehmten Jahrhundert,

ſtets ein weit vorausſehender Staatsmann zu erkennen gibt, bereitete einftweilen dasjenige vor, was er, wenn bie rechte Zeit bazu ges tommen ſei, zu Stande zu bringen befchlofjen hatte. Er wollte bie alte Berfaffung wieder hergeſtellt haben, und verband fich zu biefem Zwecke mit mehreren Glievern des Rathes, welche feine Anfichten teilten. Er hatte aber außerdem die Abjicht, die Stadt Frankfurt. von bem fremden Gebieter, ven fie außer dem Kaiſer hatte, Ulrich von Hanau, zu befreien; denn von diefem war bie Stadt in einer allzu großen Abhängigkeit, nicht weil er Landvogt der Wetterau war, ſondern weil er das ihm vom Reiche verpfänbele Frankfurter Schultheißenamt nebſt dem benadybarten Reichsforſte in feiner Hand hatte, Sifried benugte daher feinen Einfluß am kaiſerlichen Hofe, um fich ſelbſt und dadurch mittelbar der Stabt Frankfurt das Recht zu verfchaffen, jene Neichöpfandfchaften einzulöfen, und aljo bem Herrn von Hanau für immer eine Gewalt zu entreigen, won welcher ber Lebtere einen für Frankfurt's Freiheit gefährlichen Gebrauch machen konnte. Zu gleicher Zeit arbeitete Sifriev daran, ben Ein flug, welchen Ulrich am kaiſerlichen Hofe hatte, zu untergraben und dadurch feinen eigenen anderen Plan zu erleichtern, weldyer barin beftand, daß er das demokratiſche Webergewicht in der Frankfurter Berfaffung wieder bejeitigen wollte. Auch gelang es ihm wirklich, feinen nächſten Zweck zu erreichen: am 7. Januar 1363 gewährte per Kaifer ihm das Recht, jene Neichäpfandichaften um bie früher gezahlte Pfandſumme einzulöfen.

Um diefelbe Zeit wurde endlich eine Schöffenftelle erlebigt, ba der Schöff Diemar von Kichtenftein Ende 1362 oder in ber erften Zeit des Jahres 1363 ftarb. Sifrieb zum Paradies verlangte jogleich feine Einfegung in biefe Stelle; die Schöffen verweigerten Ihm jeboch diefelbe, und ſchickten (was wieder zeigt, daß die Mehrzahl verfelben Sifried’3 Gegner waren) einen aus ihrer Mitte, Wygel von Lichten- ftein, an den Kaifer, um die Aufrechthaltung der Faiferlichen Gchote von 1359 und 1360 zu erwirken, nach welchen ver Landvogt bie erledigte Schöffenftele zu bejeßen hatte. Aber auch Sifrieb reifte zum Raifer, und fein Einfluß trug den Steg davon. Der Kaifer ertheilte am 31. Mat 1363 den Schöffen den Befehl, Sifried zum Paradied „zur Stunde und ohne alle Widerrede“ zum Schöffen zu machen und ihm alle Rechte ber übrigen Schöffen zu gewähren,

HL Der Aufßand der Frankfurter Zünfte im vierzehnten Jahrhundert. 587

indem er babei eines Theils auf den in ben Geboten von 1359 und 1360 gemachten Vorbehalt fpäterer Aenderungen berjelben hin⸗ wies, und anderes Theild die Schöffen damit beruhigte, daß er bie fernere Aufrechterhaltung. diefer Gebote zufagte. . Zu gleicher Zeit (nur einen Tag fpäter) ließ er an Bürgermeifter, Schöffen und Rath den Befehl ergehen, Sifriev zum Paradies für alle Koften, Mühen und Berlufte, welche er in Folge des jeitherigen Widerſtandes gegen feine Anwartſchaft gehabt habe, fo zu entichädigen, daß ber: jelbe zufrieden geftellt fei. Ja, er forderte noch insbeſondere bie beiden regierenden Bürgermeifter auf, für die Ausführung dieſes Befehled Sorge zu tragen, fowie auch alles Andere, was Sifried und feine Freunde angehe, zu Ende zu bringen, und alle biejenigen, welche einzeln ober ala Partei dabei Hinderniſſe bereiten würden, ber Toiferlichen Regierung anzuzeigen. Rach der Erlafiung biefer Befehle ward Sifried endlich zum Schöffenamte zugelaflen ?).

Kein Mann der Frankfurter Gefchichte Hat wohl beim Antritte eined neuen Amtes eine fchwierigere Stellung gehabt, ala damals Sifried zum Paradies. Diefer hatte nicht nur die Mehrzahl feiner Amtögenoffen im Schöffenftuhle und im Rathe, fondern auch be Kaiſers Stellvertreter in Frankfurt, ven Vandvogt Ulrich, zu Feinden. Dazu kam noch, daß einer jeiner Gegner, Heinrich im Saal, welchen Ulrich zum Stadtſchultheißen gemacht hatte”), als folcher Präfident des Schöffengerichtes war. Außerdem ward aber Sifried, woran nicht zu zweifeln ift, auch von den Zünften und einem großen Theile ber übrigen Bürgerfchaft bitter gehakt. Daß er fich deſſenungeachtet

1) Es if ein Irrthum, wenn Fichard, S. 251, fagt: „Der Fall einer Schöffenerlebigung begab fi im Jahre 1362 durch ben Tod ober bie Abbanfung bes Schöffen Johann Forftmeiſter, ... und Sifrieb zum Barabiefe erfcheint als jüngfter Schöff in ben Währbriefen bes folgenden Jahrs.“ Der Taiferliche Befehl vom 81. Mat 1868 fpricht ganz beftimmt aus, Sifried folle bie „jegund‘ durch Diemar’s von Lichtenftein Tob erledigt gewordene Schöffenftelle erhalten.

#) Dies war fpäteftens ſchon in ber erften Hälfte bes Jahres 1862 gefchehen; beun nachdem 1861 noch Winther von Rohrbach als Schultheiß vorgelommen war, wirb Heinrich im Saal ſchon am 19. Juni 1862 im Stadt⸗Rechenbuche, fowie am 24. Zuli in einem Schreiben bed Landvogtes ber Schultheiß genannt. Diefes Schreiben ift bei Böhmer, p. 684, abgebrudt; jene Stelle des Rechen⸗ buches aber lautet: „Dominica poſt feſtum Corporis Grifti, 400 gulbin Heinr. im dem Sale dem ſchultheizſen von ber wagin.”

58 III Der Mufkanb ber Frankfurter Zänfte tm vierzehnten Jahrhunderi.

nicht 6163 in feiner Stellung behauptet, fonbern auch bald ven aröfgten Einflug auf das Gemeinweſen Frankfurt’ erlangt bat, ift ala ver glaͤnzendſte Beweis feiner großen ftaatämännifchen Begabung anzu⸗ fehen. Uebrigens warb feine Stellung glei anfangs noch durch ben Umftand erjchwert, daß auch der Landvogt noch Immer großen Ein⸗ fluß am kaiſerlichen Hofe hatte Dies geht aus zwei Tatferlichen Verfügungen von 19363 und 1364 hervor. Bald nad Sifrieb's Eintritt ind Schöffenamt nämlich machte der Kaiſer dem Vandvogte, „wegen der nüblichen, treuen und unverbrofienen Dienfte, welche er ihm und dem Meiche oft nuͤtzlich und fleißig geihan Habe”, ein Ge fchen? von 4000 Gulden, inden er ihm biefe Summe auf bie in feiner Hand befindlichen Reichspfandſchaften des Yrankfurter Schul theißenamtes, bed dortigen Reichswaldes und des Bornheimer Berges ſchlug, woburch dem Sifrteb deren beabfichtigte Einldfung erfchwert wurde. Ein Jahr fpäter (1. Mat 1364) ordnete ber Kalfer noch bazu zur Beſtreitung ber Koften, welche bie Handhabung des geftörten Landfriedens in der Wetterau verurfachte, einen Waarenzoll in Frankfurt an, und übertrug bem Landvogt die Beilimmung, auf welche Weife und durch wen berfelbe erhoben werben ſolle. Fichard bat in dieſer Falferlichen Verfügung ein Ergebniß von Ulrich's Streben, feinen Einfluß in Frankfurt zu vergrößern und bie Stabt unter feine Herrichaft zu bringen, erfeunen wollen. Allein ber Grund, warum bie Steuer erhoben werben follte, befand wirklich, ihre Erhebung konnte nathrlicher Welle nur vom Landvogt angeorbnet und über wacht werden, und die Frankfurter Bürger ſelbſt waren durch ben Kaiſer für ihre eigenen Waaren von biefem Zolle frei erflärt worden. Man follte im Gegentheil denken, daß Ulrich, wenn er jene Abficht hegte, die Einführung eines ſolchen unter jeine Leitung geftelften Zolles eher hätte zu verhindern fuchen müflen; denn ba biefer Zoll ebenfowohl an fi gehäßig als auch in feinen Folgen bedenflih war, und da der Kaiſer noch dazu die Privilegien ber Stadt, weldje mit dem neuen Zolle in Widerſpruch ſtehen würden, für kraftlos erflärt hatte, jo war die ganze Sache eher geeignet, bie Frankfurter Bürgerfchaft gegen Ulrich zu erbittern und feinen Anhang in der Stadt zu verringern.

Sifried zum Paradies hatte damals fchon Tängft eine Partei gebildet, deren Haupt und Führer er war; benn ſchon in bem zu

IN. Der Aufſtand der Frankfurter Zärfte im viergehnten Jahrhuudert. 59

feinen Gunften erlaffenen kaiſerlichen Schreiben vom 1. Juni if einerjeit3 von Sifried und feinen Fremden die Mebe, und wird andererfett3 feiner Gegner gedacht, welche theild einzeln, theils als Partei gegen ihn aufgetreten waren. Welches die Mitgliever feiner Partei waren, tft nicht mit Sicherheit zu beftimmen. Nur in Betreff Eines Mannes kann nicht zweifelhaft fein, daß er ſchon zu der Seit, als Sifried endlich in den Schöffenftuhl gelangte, ein entſchiedener Anhänger desfelben war. Diefer Mann war Lob zum Wedel; denn ihn ernannte der Kaiſer am 1. Juli 1363 durch einen neuen ſchrelen⸗ ben Eingriff in die anerkannten Mechte der Stabt zum Mitglied bes Rathes, was nur auf Sifried's Betreiben gefchehen ſein kann. Ber Kaiſer fandte nämlich an jenem Tage an die Schöffen und ben Rath ven Befehl, für die durch Sifrieb’3 Eintritt in das Schöffengericht erledigt gewordene Stelle eined Rathsgliedes fogleich Lob zum Webel au erwählen, und begleitete dieſen Befehl mit einer Strafandrohung von 100 Markt Silber gegen jeden, ber mit Math ober That hier- gegen handeln werde. Daß vieler Befehl ausgeführt wurde, findet fi zwar nirgends angegeben, tft aber doch wohl nicht zu bezweifeln 2). Sifried, welcher offenbar jenen Befehl des Katjers erwirkt hatte, wollte daburch verhindern, daß ber Rath, welcher daß althergebrachte und erft Yurz vorher vom Kaifer beftätigte Mecht der Stlbftergänzung hatte, damals aber der Mehrzahl nach aus Anhängern ber Zunft Partei beftand, nicht einen neuen Zuwachs von folchen Männern erhalte).

ı) Fichard (S. 251) fagt, aus noch unedirten Urkunden bes Stadt⸗Archivs erhelle, daß der Math und die Bürger, welche beshalb vor bem Rath erfihienen felen, 1868 gegen Lotzens Eintritt in bie Rathsſtelle, wie gegen Sifried's Eintritt in das Schöffenamt eine Beſchwerde beim Kaiſer eingereicht hätten, aber noch in demſelben Jahre abſchlaglich beichieben worben ſeien. Jene Urkunden bed Stadt: Archivs Habe ich nicht finden Fünnen. Vielleicht dachte Fich ard babe blos an bie bei Böhmer abgebrudte Urkunde vom Mai 1868, welche jebod nur von einer Beichwerbefüührung gegen Sifried's Eintritt in das Schöffenamt ſpricht.

9 Der Kalfer fügt In feinem Befehle (Böhmer, p. 689): „Lupe zu bem Wibel, ewer mitburger, ber darezu nuße umb gut ift, als wir bes von unfern heimelichen fin gentzliche underwiſet.“ Da der Haupt-Rathgeber bes Kaiſers GSifrieb's Freund Rudolf von Friebberg war, und da Sifried ſelbſt zu ben ge⸗ heimen Räthen des Kaiſers gehörte, fo Tann man einen Einfluß Sifried's auf jenen Schrint des Maifers nicht bezweifeln.

60 HI. Der Aufftand der Fraukfurter Bünfte im vierzehnten Jahrhundert,

Da bier zum erften Male eine von Sifried zum Paradies ge ſchaffene confervative oder reactionäre Partei fichtbar auftritt, To tft es nöthig, jegt auch von den Männern zu.reben, welche an der Spike der Gegen-Bartei ftanden. Hauptführer diefer Bartei war Heinrich im Saale, einer der vornehmften Männer der Stadt und jeit 1362 Stadt-Schulthei, weldden Manche, freilich ohne eigentlichen Beweis, dem Gefchlecdhte Spangenberg angehören laſſen. Er bewohnte ein zum Saalbofe gehörendes Haus, welches 1338 dem damaligen Be figer des Lebteren abgefauft worden war, und führte hiervon jemen Beinamen. Der zweite Haupiführer der bemofratifchen Partei war der Weber Andreas Heilegeift, Mitglied des Nathes und dreimal (1358, 1360 und 1364) mit dem Bürgermeifterane befleivet. Da er Beſitzer des Riedhofes, eines Neichdlehens, war, jo hält Ficharb ihn für einen der von ihm jo genannten Geſchlechter oder Burgenfen, deſſen berabgefommene Familie ein Handwerk ergriffen babe; jener Umftand ift aber zu einer fochen Schlußfolgerung nicht genügend. Haupt: Mitglieder verfelben Partei waren noch vier andere Weber, Henne Milwer, beflen Bruder Heile Milwer, Henne Jekel und Henne Saduz. Bon ihnen gehörten die beiden Erfteren (nad) bein Beebbuche) zu den reicheren Bürgern Frankfurt's; der Dritte war Mitglied des Rathes, da er mehrmals ala Thetlnehmer an Raths⸗Geſandtſchaften vorkommt ). Einer ber Hauptführer biefer Partei war auch der reihe Mebger Henne Wirbel, ebenfalld ein Mitglied des Rathes und einmal (1363) Bürgermeifter, ferner oft zu biplomatifchen Sendungen bed Rathes verwendet und im Herbft 1365, kurz vor dem Sturze feiner Partei, mit dem Bäder Henne Schelle einer ver Anführer auf dem nach kaiſerlichem Gebote ge- machten Kriegszuge in ven Elfaß 2). Zwei andere Megger, welche

1) Im Stadt⸗Rechenbuch kommen folgende Stellen vor: 1. Dominica Galli 1862: „Zacobe Clabelouche, Syfride von Spire, Johanne Jadeln und Johanne Wirbel zu zwein malen uff zwene bage zu Mentze gein unferm herren von Eppin- flein 16 Pfd. 18 Sch. 5.” 2. Dom. ante Luciä 1862: „Wygande von Licdhten- fein und Johanne Jekeln, alfe die geribbin warin von ber flebe wegin zu unferm herren von Heynawe, 2 Pfd. 14 Sch.” 8. Dom. Lätare 1868: „B Pf. 3 Sc. und 7 Sc. und 8 Pfb. Syfride von Spire, Joh. vom Hohinhuß, dem Schul ibeiffe, Henne Jelel, Job. Burnflede, Johanne Wyrbel um zwein ryde zu unferm herren von Heynaw.“

Im Rechenbuch von 1865 fommt unter Sabbath poſt Michaelis ver:

IH. Der Aufſtand der Frankfurter Zimfte im vierzehnten Jahrhundert. 61

zu derſelben Partei gehörten, waren Schone Friedrih von Eſch⸗ born und fin Sohn Henne, Beide nach dem Bechbuche zu den reichften Einwohnern der Stabt gehörend. Als Führer diefer Partei erfcheinen ferner der Bäder Henne Schelle und bie Schuhmacher Gerhard Rofenbufh und Berchtold, alle drei Mitglieder des Rathes und der Erjtere, welcher nach dem Beedbuche in Sachjen- haufen wohnte, im Jahre der Unterbrüdung des Zünfte-Aufftandes (1365/66) einer der beiden Bürgermeifter. Endlich find noch Folgende als Mitglieder diefer Partei hervorzuheben: Heinrich's im Saale Sohn Ulin, der in Sachſenhauſen wohnende Xöher oder Gerber Diebe und die ihrem Stande nach unbelannten Männer Peter Lupperg oder Luporg, Hartmud Scheffir und Herbord von Schwein beim. Der Letztere wirb von Fichard zu den fo genannten &e ſchlechtern gerechnet; ob mit Recht, fünnen wir nicht enticheiben. Auch Hartmud Scheffir könnte man für einen Mann diefer Art halten, dba er nad dem Aufitande viele. Sahre lang die Gegner mit deu Waffen befämpfte, was frühere Berbindungen mit fremben Ritter vorausfegen läßt. Außer den genannten Männern werben nur noch folgende, ihrem Stande nach nicht Bekannte als Anhänger jener Partei angeführt: ein Sohn von Henne Schelle, Elas Symnen- beimer, Better Kiftener, Contze Pule der Alte, Johann Scelhorn, Konrad Vorlauf, Hennilin Wile, Eongedhin Wygel, Jakobin Gärtner und ber Schneiver Walther, von welchen die drei Letzten Rathsglieder waren?),

Es gehörten alfo zu den Mitgliedern ber Bewegungs: Bartet, wie man flieht, nicht weniger als zehn Rathsglieder, unter ihnen einer, welcher zugleih Schöff und Stadtſchultheiß war. Bon ihnen blieben fieben ihrer Bartet bis zum Untergange berjelben getreu, und wurden bafür fpäter geächtet und verbannt. Wenn daher auch Fichard wohl richtig bemerft, daß an ben gewaltfamen Auftritten, welche kurz vor der Unterdrückung der Bewegung Statt hatten, der größere Theil der auf Lebenszeit im Rathe figenden Handwerker feinen Antheil genommen habe (f. Anm. 12): fo ift damit doch

„100 ®fb., 82 Pfb. Schellen (biefer war bamals Bürgermeiſter), Joh. Wirbel unb iren gefelle au pferbe Ion zu gebin gein Elſatſen.“

9 Sie werben nämlih 1860 vom Rathe „unjere Grunde genannt (Böhmer, p. 679).

62 IH. Der Auſfſtand ber Fraukfurter Zünfte im vierzehnten Jahrhundert.

noch keineswegs fein weiterer Ausſpruch bewieſen, die Mehrzahl biefer zünftigen Rathsglieder fei überhaupt gegen die Bewegung geweſen. Es geht vielmehr aus dem erften Befehle, welchen ber Kaifer zur Unterdbrüdung der Bewegung erließ, klar und deutlich hervor, daß der ganze Rath fi in zwei Parteien gejpalten hatte, von welchen bie unter der Leitung Heinrich's im Saale ftehende demokratiſche bie ftärfere geweien zu fein ſcheint ).

Kehren wir zur Geſchichte ber Bewegung ſelbſt zurüd, fo ent- widelte fich biefe in ben Jahren 1364 und 1365 zu einem foͤrm⸗ lichen Aufftanve, und es erfolgten recht eigentlich revolutionäre Scenen. Daß dies geichah, war bei der damaligen Lage ber Dinge ganz natürlich. Die zweimaligen Eingriffe, die ber Kaiſer in bie aner- fannten Rechte der Stadt gemacht hatte, ber vom Landvogte, vor ven meiften Bürgern, fowie von dem Stadtſchultheißen und einem Theile des Rathes gehegte Haß gegen Sifrieb und baß erfolgreiche Streben des Lebteren, fich eine Partei zu bilden alles dies mußte Me in der Bürgerfchaft herrſchende Aufregung bis zu revolutionären Ausbruͤchen fteigern und um jo gewaltigere Stürme herbeiziehen, da jetst erft die conferpative Partei einen Führer hatte und burch biefen gut organifirt und auf geſchickte Weiſe geleitet wurde.

Der erfte Sturm richtete fich gegen biefen Führer ſelbſt. Im Kunt 1364?) drang eine bewaffnete Schaar bei Nacht und Nebel in Sifried's Haus ein. Sie warb von dem Rathsherrn und Metzger Henne Wirbel angeführt, welcher 1360 ſchon einmal wegen einer revolutionären Handlung durch den Kaifer beftraft worden war, und noch wenige Wochen vorher das Bürgermeifter-Amt bePleivet hatte. Er und feine Genofien überführen, wie der urkundliche Ausdruck

ı) Böhmer, p. 697: „Die czweiunge, bie ba ift zufchen fcheffenen und euliden vom Rate zu Frankenfort an einem teile und Helnten gem Sale und andern feinen gefellen und witoolgern.”

2) Am 8. Juli erließ der Kaifer fein Gebot, diefen Vorfall zu beftrafen; am 1. Juni aber wurbe, nad bem Stadt⸗-Rechenbuche, Henne Wirbel mit Konrad von Blauburg, Johann vom Hohenhaus und Heinrih im Saale zu einer Vers banblung wit bem Landvogte nah Hanau gefehidt, was vermutben läßt, daß feine oben angegebene Frevelthat erſt nad biefem Datum begangen wurde. Vebrigend wer Henne Wirbel erß in ben lehten Tagen bes April von dem 1868/64 bekleideten Bürgermeifter-Amte abgetreten.

M. Der Aufſtand der Freukfurter Zünfte im viergehnten Jahrhuubert. 63

fautet, den Schöffen Sifried mit häflichen und frevelichen Worten, welche dem Kaifer, dem Reiche und dem genannten Schöffen jchmähs lich und unehrlich lauteten. Die Angreifer wollten offenbar Stfrieb weber gefangen nehmen noch töbten, ſondern blos durch angebrohte Lebensgefahr einjchüchtern und entweder zur Abdankung, ober zur Uebernahme gewiljer Verpflichtungen nöthigen. Ihre Abficht fcheiterte jedoch an dem unerfchütierlichen Muthe Sifried's. Diefer begab fich bierauf ſogleich Tlagend nah Prag, und erwirkte vom Kaiſer ſowohl ben Befehl, daß Schultheig, Schöffen und ‚Rath Henne Wirbel und feine. Mithelfer gebührend beitrafen follten, als auch die Erklärung, daß der Kaiſer den Schöffen Sifried im fortwährenden Beige feines Schöffeuamtes erhalten haben wolle, und daß jeder, welcher denſelben mit Worten oder Werten in diefem Amte bindere ober bränge, in des Reiches Ungnabe und in die geſetzliche Buße, ſowie noch insbeſondere in eine Strafe von zehn Pfund Gold verfallen fein fol. Ob und wie Henne Wirbel und feine Mitfchuldigen beitraft wurden, ift nicht bekannt. Schwer kann jeboch bie ertheilte Strafe nicht geweſen ſein, weil Wirbel Mitglied des Rathes blieb, und fchon in der erſten Hälfte dei Septeniber wieder mit einer biplomatifchen Sendung be⸗ traut wurde‘). Auch biefer Umſtand zeigt, daß die bemofratifche Bartei im Rathe die Mehrzahl bildete. Noch mehr aber geht dies baraus hervor, daß der 1363 vom Kaiſer willlürlih zum Mitgliede des Rathes ernannte Lo zum Wedel eniweder gar nicht in bene felGen aufgenommen worden war, ober wieder ausgeſtoßen wurde, oder auch freiwillig zurücgetreten tft 2).

Wie fchon das Iebtere Factum zeigt, jo fruchteten alle Befehle und Drohungen des Kaijer nicht; vielmehr fam fett dem Tage, an welchem ver Kaijer Sifried’3 Gegner aufs neue bedroht hatte, bie Revolution exit recht in vollen Gang, und in ber Zeit vom Juli

I) Im Stabt:Reigenbud beißt es unter dem Datum Eraltationis Crucis: ‚Lagen von Holtzhuß unb Johanne Wirbel 8 Pfd. zu unferm bern von Heynaw, alß unfer berre von Tryre und gewarnit hatte.” Auch im November find wieber zwei Sendungen Wirbel’3 mit Jakob Klobelauch, Johann vom Hohenhaus und dem Stadtichreiber nad Mainz und nad Windeden verzeichnet.

N) Sr wirb nämlid in einem Grlaffe bed Rathes vom Auguſt 1964 (Böhmer, p. 696) «ls ein nicht zum Matte gebörenber Bürger angefähet: „Jehamnnen Ehigfen, unjern ratgefellen, und Legen zum Mydel, aufern barger.“

64 II. Der Nufftand der Frankfurter Zünfte Im vierzehnten Jahrhundert.

1364 bis zum Ende des Jahres 1365 erreichte diefelbe nach und nach ihren Hoͤhepunkt. Leider find ung aus den erften Fünfpiertel- jahren dieſer wichtigften Zeit des Zünfte-Aufftandes gar Feine urkund⸗ lichen Angaben über denfelben überliefert worden. Wir koͤnnen des⸗ Halb nur aus den unmittelbar nachher außgeftellten Urkunden auf den damaligen Gang der Dinge zurüdichliegen (|. Anm. 13).

Der Rath, ſchon vorher in eine demokratische Mehrheit und eine confervative Minderheit zerfallen, beftand zulcht aus zwei fürmlichen Parteien, deren jede in der Bürgerichaft ihren Anhang hatte, und welche nicht nur einander feinblich gegenüber ftanden, fonbern fich auch gegenfeitig beleidigten und Träntten (j. Anm. 14). Der zu: lebt genannten Partei gehörten damals bie meiften Schöffen oder auch vielleicht alle außer dem Schultheißen Heinrich im Saale an; von den NRatbmännern aber ftanden bie meiften auf Seiten ber Gegen-PBartei, am entfchiedenften der Metzger Henne Wirbel, der Bäder Henne Schelle und der Schuhmacher Gerhard Rofenbufch, welche mit Heinrich im Saale die Führer diefer Partei bildeten. Wie ber Rath, jo war auch die Bürgerfchaft in zwei feindliche Parteien zer- rifien. Die eine derfelben, welche die große Mehrzahl bildete und meiftend aus Handwerkern beſtand, hatte fich förmlich organifirt und eine Verfchwörung gemacht, welche offenbar auf eine Umgeftaltung oder andere Beſetzung des Schöffenftuhle® und auf eine neue Ein- richtung des Rathes gerichtei war. Dieje Partet hatte jogar bie ſaͤmmtlichen Zünfte und einen Theil der Gemeinde durch geleiftete Eide und durch Urkunden, welche mit den Siegeln ber einzelnen Zünfte beglaubigt waren, in ihre Sache verftrickt (|. Anm. 15). Die Führer der Partei Hatten alfo durch die einzelnen Zünfte verftegelte Er- Märungen und Verpflichtungen ausftellen und biefe durch allc Zunft genoffen beſchwoͤren, und dadurch vermuthlich ſogar fich ſelbſt mit einer Art von Machtvollkommenheit ausftatten laſſen. Dies geht fowohl aus dem Inhalte der 1365 und 1366 in Bezug auf Frank: furt ausgefertigten Laiferlichen und erzbifchöflichen Urkunden hervor, ala auch aus einem Schreiben des Landvogtes Ulrih an Bürger: meifter, Schöffen und Rath, welches zwar eincd Jahre: Datums er: mangelt, aber durchaus nur in der zweiten Hälfte von 1365 ge ſchrieben worben fein Tann (j. Anm. 16). Nach biefem Schreiben hatten die Zünfte vier Männer erwählt, welche mit unbeichräntter

IEL, Der Aufſtand der Frautfurter Zunfte km vierzehnten Jahrhundert. 66

Nachtvollkommenheit in ihrem Namen handeln jollten, und denen jeder Suuftgenofie den Eid des Gehorſams leiften mußte; ver Kürfchner Konze Halver aber hatte ſich veflen geweigert, war baflır aus feiner Zunft geftoßen worben, und hatte fich deshalb klagend an ben Landvogt gewandt, welcher hierauf dem Mathe befahl, nicht nur deſſen Wiederaufnahme in die Zunft zu bewirken, ſondern auch in Betreff folder Dinge eine allgemeine Berfügung zu treffen. Jene vier Männer waren böchttwahrfcheinlich Heinrich im Saal, Henne Wirbel, Heme Schelle und Gerhard Rofenbufch.

Bon eimer vorgenommenen Aenderung ber beſtehenden Ver⸗ faflung zeigt ſich keine Spur. Fichard behauptet zwar, es ſei eine neue Ordnung der Dinge errichtet worden, weil 1364 und 1365 breit Bürgermeifter gewaltet hätten. Allein er ſtützt fich babe auf das erweißbar fehlerhafte Bürgermeifter - Verzeichnig Lersner's, durch welches auch Kirchner fih hat irre führen laſſen. Im Jahre 1364 waren Sohann von Holzbaufen und Andreas Heilegeiſt, im Sabre 1365 Johann von Hohenhaus und Henne Schelle Bürgermeifter. Der Letztere hörte erſt am Ende dieſes Jahres, als er auf kaiſer⸗ lichen Befehl ans bem Rathe geftoken worden war, auf, Bürgers meifter zu fein, und am feine Stelle warb für He übrige Dauer feiner Andiszeit Johann Gärtner gewählt ).

Am 2. November 1365 fchritt der Kaiſer mit einem Gebote ein, um bie Achtung und den Gehorfam gegen ben Rath wieberher: zuftellen, ver in ber Bürgerichaft beftehenden Verſchwoͤrung ein Ende zu machen, und ben Zwiſt ber beiben Parteien bes Rathes auf dem Wege Rechten? beizulegen. Es befand ſich kurz vorher am kaiſer⸗ lichen Hoflager ein auch in der Stabt Frankfurt begüterter Vaſalle des Vandvogtes, ber Ritter Gottfried von Stockheim, welcher Ber: weier des bamald aus ver Welterau abweienden Landvogtes war ?),

2) Der Beweis iſt in dem von mir verfertigten Blirgermeifter: Berzeichntffe gepeben, welches in biefem Buche abgebnudt if. Die Fichard'ſche und bie Kirchner'ſche Stelle find: Fichard's Entſtehung. S. 2856 fig., Kirchner's Geſchichte. L ©. 400. Die an ber leigteren Stelle befindliche weitere Angabe, daß ber Rath 1856 nur aus BO Perſonen befanden zu haben ſcheine, iſt bereits von Teyerlein (Nachträge. ©. 268) unb von Fichard (Archiv. I. ©. 894) berichtigt werben.

2) Dies folgt aus dem, im tifafigen Schreiben (Böhmer, p. 097) ge- 5

Kriegt, Srankf. Bürgerpoißte,

06. II. Der Auffiand Ser Fraackfutier Zünfte ins dierzchaten Zahrhermbert.

und fih, offenbar um im Betreff ber Frankfurter Zuftänte Bericht abuſtatten und des Kaiſers Befehle einguholen, nach Prag begeben hatte. Dieſen Wann hate ver Kaiſer ſogleich mit ſtrengen Befehlen nach Frankfurt geſandt, und ihm geboten, dieſelben ſpaͤteſtens acht Tage nach ſeiner Ankunft daſelbſt zu vollziehen. Gleich nach Gottfrieda von Stockheim Abreiſe von Prag aber erlieh der Kaiſer au 2. Rier. wernber. 1865 ein Schreiben an ben Erzbiſchof Gerloch von Mainz, ig welchem er dieſen für ben Fall, dag Stockheim feine Befehle nicht innerhalb der vorgeſchriebenen Zeit nusführe, zum kaiſerüchen Soamiffär in Fraukfurt ernannte, und mit der Vollgiehung jener Befehle beauftragte. Diefe eventuelle Beauftragung des Erzbiſchofs und der Umftand, daß ber Leptere wirklich als Commiflär auf trat, Stockheim aljo die Eniferlichen Befehle nicht jofort ausführte (j. Anm. 17), werfen einen Schatten auf Stockheim und auf feinen Vollmachtgeber, ven Landvogt Ulrich; fie genuͤgen aber offenbar nicht, um die Annahme zu rechtfertigen, bag Ulrih den Aufſtand ber Zünfte insgeheim begänftigt Babe,

Die Befehle, welde der Kaiſer dem Gotifrieb won Slochein unrd mittelbar dem Erzbiſchof Getlach zur Herſtellung der Otdnung und Ruhe ertheilte, waren gerecht und Ming. Vor allen Andeven ſollten die Bürger und Gerwohner Frankfurt's insgeſacant dem Kaiſer als ihrem rechten watürlichen Herrn, ſowie den Schöffen und dem alten Rathe (d.h. dem Rathe, wie er van Alters der zuſammen⸗ geſehyt war, alfo allen Rathagliedern außer ven nur auf ein Jahr. gewählten Sechjen ')) von des Kaifer und Reiches wegen ben Ein der Treue und bed Gehorſams jchwören. Zweitens warden alle

brauchten Ausdruce: „Br wir Wotirieb won Skechheim, unfern Tidken getruwen von des stein Ulsthh. Herten zu Samnen, umfirs lantusgts in her Webbereube, wegen, ernfilich entpfolhen und gebotten haben bei bem enbe, als ex und. und dem veiche verbunden if, das er innewendich acht tagen, fo erſte er llernapfie in bie Wedbereube kuwet, folle” u. ſ. w.

In dieſem Giane wird das Wort uch mehr als cn Shwhen purt in den 1877 ansgefieliten Zunftbriefen gebrandt, Wir biefe habe folgenden Amitel „Wu enſal ahmand daz . . bemiwerg triben, der ea big an bie gif mp grtriien enhaid, bo wife besre Feier Karle alle globebe uab werbemtmifie abe teb, bie hinder bem Riche und bem alden Rabe zu dranainford geſcheen waren, he nf Br va u. ſ. w.

IE Der Nnffend der Frankſunrter Zünfte im viesgehsten Sahrpunbert 67

nugeieblichen Berbisbungen anfgehoben, alle ungeſetzlichen Verab⸗ sebungen und Eidſchwuͤre für michtig erklaͤrt und Beides für die Aulun verboten. Drittens fellten die vier Hauptleiter der Rene Intion, Heinrich im Saale, Wirbel, Roſenbuſch und Schelle, auf ja lange, bis die eimzuleitende Unterſuchung ihre Schuld ober Unſchulb jeſigeſtellt Babe, von ihrem Rathamte, ſowie ber Erſtere auch von feinem. Schultheißen⸗ nnd Schöffen» YAUmie und Schelle von feinem Bürgermeifter s Umete ſuspendirt und proviſoriſch durch Andere erſetzt werden. Jene Unterſuchung aber ſollte durch ein kaiſerliches Gericht worgenemmen werden amd zugleich auch auf bie anderen Rathsglieber ſich eritredien, damit in Betreff der unter ihnen beſtehenden Parteiung und Zwietracht exmiktelt werde, wer im Rechte und wer im Unxechte ki. Endlich joßten für jo auge, bis dies fellgeftellt jet, beide Par keien. dire Caution von 2000 Mark Siiber dafür ftellen,. daß fie und ihre Anhänger Feine Sewaltthätigfeien gegen einmber üben würden,

Gottfried von Stodhehn war in der Ausführung ber kbaiſer⸗ lichen Beiehle Faunig, und in Folge davon trat fofort Erzbiſchof Gerlach als bevollmaͤchtigter Commillär des Kaiſers an feine Stelle. Dieſer fand aber, ala er die baiſerlichen Beſehle ausflhren laffen wollte, entſchiedenen Wiererſtandb. Die revolutionäre Partei wiberfegbe fich nicht nur det Sußpenbirung ihrer vier Häupter, ſondorn fie verging ſich auch auf irzend eine gemaltihätige Weiſe ar dem Schoffengerichte Worin dieſe Gewaltthat beſtand, tft unbefunmk Wahrſcheinlich fuchte mem ‚bie Schöffen zu zwingen, daß te in licher Weiſe wie die Zünfte es Früher gethan hatten, ben Leitern ber Bewegung einen Kid beiſteten un fich dadurch zu Dingen, welche wi: von Befehlen und der Autorität des KHalſers im Widerſpruche ftanden, verpflichteten 2). Im Folge davon ergriff ber eine Theil ver

Daß dos oben Grwähnte geſchaeh, ſoigt mir Kos ans ber jonleich zu melbenben Yacht won leben Schöffen, Towbern auch aus bein Taiferlichen Schrelben wen Bi. Detember 1865 (Böhmer, p. 700). Dieſes Schreiben m. den Ery⸗ Who begtiant nimlich mit ben Worten: „Wan euliche burger zu Frankerfurt zu audern cyiites wider uns, day reich und mit nomen wiber follıh gebet, als wir dir in mfitn kalſerlichen Sxiven aumens taben, an dem gerichte und in ber ſtot 33 Frankenfurt grobelich getan haben“ u. | w. Mit ben Hier erwähnten neulichen Befehlen des Anifers Kun nur das Schreiben des ſelben nom 2. Nevemker gemeint fein.

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68 . Der Uufftand ber Frankfurter Zürfte im viergeieten Jahrhundert.

Schoͤffen und mit ihnen mehrere ihrer Anhänger vie Flucht, wei fle, wie e8 in einer faiferlichen Urkunde heit, Ihre Eide und ihre Ehre bewahren wollten, und begaben ſich Hülfe ſuchend nad Prag zum Kaiſer !). Eine andere revolutionäre Handlung der Zunft Partei beftand darin, daß die vom Kaiſer befohlene Suspendirung ihrer vier Häupter zurückgewieſen wurbe, und biefe vier Männer fi) im Beſttze ihrer Stellen behaupteten ). Daß von biefen namentlich Heinrich im Saale bi zum Ende des Jahres Schultheiß blieb, daß der Kaiſer deshalb am 29. und 30. December den Pfanbinhaber des Schuliheifen- Amtes fowohl direct, ald auch vermittelt des Erz⸗ biſchofes aufforberte, einen anderen Schultheißen einzujchen, ia, daß er damals fogar fich gendthigt ſah, den Schöffen zu gebieten, beinem Schultheißen zu Gericht zu fißen, welcher nicht durch den Erzbiſchof als felcher beftätigt fei dies ift das einzige im ganzen Berlauf des Aufftandes vorkommende Factum, auf welches bie von Fichard mit Beſtimmtheit außgefprochene Behauptung, der Landvogt habe die Reowolution begänftigt, um durch fie Herricher vom Frankfurt zu werben, geftüßt werben könnte. Allein auch diefes Factum genügt wicht, um mehr ala eine bloße Vermuthung zu geftatten ober gar eine ſolche Vermuthung zu begründen. Der Landvogt konnte ja auch erzürnt fein, daß durch die Ernennung bed Erzbilchofö zum Com⸗ miſſaͤr fein eigenes Recht, das er als Landvogt der Welterau hatte, beeinträchtigt: worden war; er konnte ebenjo die Suäpenbirung Heinrich's auch aus dem Grunde unterlafien haben, weil er, wie Fichard ſelbſt vermuthet, fich vielleicht ſofort beim Katfer für deſſen Beibehaltung verwenbete; ja, er konnte endlich auch bie Ueberzeugung haben, daß daB Unrecht auf Seiten ber Gegen Partei fei, und man

) Böhmer, p. 706. Daß es gerade bie in einem anderen Faiferlichen Echreiben (Böhmer, p. 708) gewanuten ficben Schöffen geweien felen, wie Fichard, ©. 274, fagt, kann nicht behauptet werben, obgleich biefe ſieben ſicherlich zu ben damals Guifliebenden gehörten. Daß nicht alle Schöffen wit entflchen, ein Theil berfelben ſich aljo in das von ihnen Berlangte fügte, geht aus bem aus 30, December an bie Schöffen erlaflenen Befehle bed Kaiſers Kervor, ihrem feit- herigen Schultheißen nicht mehr zu Gerichte zu fiten (Böhmer, p. 699).

) Dies folgt für ben Schultheifen Heinrich im Saale aus ben drei kaiſer⸗ lichen Briefen vom 29. u. 80. December, im welchen außgefprodden wurbe, def derſelbe nicht Tänger Schultheiß bleiben bürfe.

M. Der Auffiaud der Fraukfurier Zünfte im vierzehnten Jahrhundert. 69

dem Laiſer falſch berichtet habe. Geht ja doch aus Allem, was uns bis zum Spätherbft 1365 gemeldet wird, ein eintraͤchtiges Zuſammen⸗ wirken des Landvogted und ber Frankfurtier Megierungsbehörbe hervor, und zeigt doch auferbem auch das oben erwähnte Schreiben, weldyes der Erftere wegen bed Kürfchners Halver erlieh, ein feſtes Auftreten besjelben gegen die Ungefetlichkeiten der Zünfte! Man muß im Intereſſe der Wahrheit dies Alles wohl beachten, weil Ficharb mit allzu großer Beftimmtheit jenem Manne den keineswegs nachweis⸗ baren Vorwurf macht, daß derſelbe die Stabt Frankfurt fich felbft babe unterwerfen wollen und veshalb das Teuer gefchürt habe. Nur ein vom Landvogt gegen Sifried zum Paradies gehegter Haß läßt ſich nachweilen; biefer war aber an unb für fi) von bem Augen⸗ büde an natürlich, ala Sifrien fich vom Kalfer das Recht verichafft hatte, die in des Erfteren Beſitze befinplihen Frankfurter Reichs⸗ pfandſchaften einlöfen zu dürfen. Auch blieb ja, was man wohl beachten muß, des Landvogtes Stellung zum Kaifer jogar nach ber Unterdrückung ber Unruhen ganz biefelbe, welche fie früher geweſen war. Weit vorfichtiger und bem urkundlich nachweisbaren Verhalte eher entſprechend, beurtheilt Kirchner den Landvogt, indem er blos ſagt: „Des Raths Freunde, in einer Schrift an den Kalfer!), geben ihm Partellichkeit Schuld. Gewiß haben die Zünfte durch feine Ver⸗ mittelung ihren Endzweck leichter erreicht.” Sifried's Verdienſt um die Bewahrung Frankfurt’ vor der Unterwerfung unter einen be nachbarten Herrſcher, welches Fichard mit Fug und Recht hervor: bebt, bleibt unumſtoͤßlich gewiß, auch ohne daß ber Landvogt ber Förderung des Aufftandes befchulbigt zu werben braucht. Jenes Verdienſt beruht Lediglich darauf, daß Sifried fpäter die aͤußerſt ſchwierige Aufgabe zu loͤſen wußte, bie in Einer Perjon vereinigte Mack eined Landvogtes der Wetterau und eines Stabt-Schultheißen von Frankfurt auseinander zu reißen, und zugleich für alle ünftigen Zeiten die Vergebung bes letteren Amtes in bie Hand der fläbtiichen Regierungäbehörbe zu bringen. .

Was den weiteren Gang der Dinge ſeit dem Ende bed Jahres 1365 betrifft, jo rief die Auflehnung der revolutionären Partei gegen

3) &8 iſt ber fräßer erwähnte Bericha gemeint, welchen bie Schöffen 1859 an den Kaifer gefandt hatten.

TO IE Der Unffemb ber Fraucfurter Zunfte dm niergehmten Yahrkenbeii;

bie erfien vom Kaiſer ertheilten Befehle eine Aenberung der kaiſer⸗ lichen Politik hervor. Der Kaifer hatte vermittelft ſeines Hofgerichtes ben Zwiſt der beiben Parteien unterfuchen und fchlichten wollen 9). Er fand jedoch ſchon acht Wochen fpäter (Ende December 1365 uud Anfang Januar 1366) hiervon ab, und übertrug bie Unter fuchung wie die Beſtrafung deſſen, was gefchehen war, feinem Goms mifſär, dem Erzbiſchof Gerlah. Er verlieh zw gleicher Zeit ben von ihm zuerſt betretenen Weg ber Mäfigung und ber unparteiiichen Gerechtigkeit, uud jchlug einen ganz anderen Weg ein. Noch che bie eingeleitete oder vielmehr erſt noch eimzulettenve Unterfuchnug bie Schuld uns den Grab ihrer Strafbarteit feſtgeſtellt hatte ?), traf er mehrere, bie Letztere unbebingt voraudjegende, zum Theil ſogar gexabezu ungerechte Maßregeln. Er entſetzte Heinrich im Saale für immer des Schultheißen⸗Amted, weil berjelbe an Kaiſer und Reich Miffethat begangen, nnd jen Amt zu Schaben und Schmach für ben Kaifer, bad Reich und bie Stadt Frankfurt werwaltet habe. Er befahl dem Landvogte, Heinrich's Stelle dem Sifriev zum Paradies zu verleihen; und bamit dies gewiß gejchehe, verfügte er nicht nur, daß Sifried dem Lanbuogte jährlich dieſelbe Summe zahle, welche Henrich dieſem entrichtet hatte, ſondern er verbot auch den Schöffen; unter dem Borfige ihres biäherigen Schultheißen Recht zu fprechen. Er enizog ferner einem der Angeklagten, Audreas Heilegeiſt, das im deſſen Bette befindliche Reichslehen des Riedhoſes, und Kbertrug eb als erbliches Mannd⸗Lehen an Sifrted zum Paradies; und de dieſes Lehen vor ber erwiefenen Schuld Hellegeiſt's rechtlicher Weiſe noch nicht zur Wiedervergebung au das eich zurückgefallen war, fo fügte ber Kaiſer, des Ausganges ber gerichtlichen Lnterfuchung un Boraud gewik, bie Worte hinzu: wenn ber Hof jet noch nicht an dad Meich zurückgefallen fei, fo folle er dem Sifried vos ber Bei an, wo dies gefchehen werbe, verliehen fein. Endlich erlaubte ſich der Kaifer noch, die Frankfurter Vorfälle zur Befriedigung feiner Hauptleivenichaft zu benugen. Er fette nämlich ben Betrag

1) „Wan wir das recht je felber,” Heißt es in feinem Erlaſſe vom 2. November, „beſehen wollen, und wollen gerichtes vecht vorgang haben lazzen.“

2) Die nachher erwähnten Taiferlichen Befehle find nämlich theils unmittelbar vor, theils q bit 6 Tage much ber Meeliung beb Grgbiihefed gan Uierfuier und Richter ertheilt worden.

BE: Der Wulf der Zrankfurter Siehe im viencheien Jahthunberi. 71

ker Girafgelber, welche vie Schuldigen bezahlen follten, im Borans wuf 8000 ſchwere Goldgulben ala Minimum feit, und eriheltte für ber Hall, daß bie einzuziehende uab zu verkuufenne Babe ber Schul⸗ digen nicht jo viel ergebe, ben weitere Befehl, das Fehlende ans ber Stadibaſſe zuzuſchießen. Er verschnete ferner, baß ker Erg Bifchof jene 8000 Gulden an fieben genannte Schöffen, welche bie ſelben in des Kaiſers Namen zu empfangen hätten, auszahlen, ben etwaigen Mehrbetrag aber einftweilen aufheben folke, indem ber Kalfer die Abſicht habe, mit dem Letzteren jene Schöffen zu beguabigen; und damlt bie Stadikaffe den voransſichtlich mäthig werdenden Zuſchuß auch geben Tümme, jo wurde dem Rathe zugleich erlaubt, vie Abgabe des Mahlgeldes von ber ein⸗ und augzufichrenden Frucht auf daß Doppeite zu erhoͤhen. Acht Wochen Tpäter (3. Wärz 1866) wurde neben der Wiederholung des Befehlen, den Betrag jener Strafſumme ndthigenfalls aus der Sadtlaſſe zu ergänzen, dem Rathe ſelbſ auherdem noch geboten, auch diejenigen Schoffen und ihre Anhaatger, weile im Beginn bed Winerßs aus Fraukfurt entfloßen unb zum EMiſer gereiſt waren, Für ihren Schabden und ihre Koften aus ben ſtartiſchen Geldern zu entjehkbigen:

Die vom Kaiſer in Betreff ber Straffememe erfaffene Mens ſaͤgumz tft vielleicht die ſchutzigſte Seite ver ganzen Geſchichte des Yrantfurter Fünfter Aufftandes; denn bie Art, wie ihre Jahlung angeoronet wurbe, Alk, wie Kirchner fagt, vermuthen, daß jene eben Schöffen dem Kaifer 8000 Gulben vorgeichoffen Batten, und wen bie ber Fall geweſen wäre, je wiärbe ber Betrag ver Bra) funmme nicht nach dem muthnaßlichen Grade der Stvafbearkeit, ſondern leeiglich mit Nückficht auf die Tuügung einer kaiferlichen Geloſchuld feſtgeſetzt worden ſein. Fichard hat allerdings Not, wenn ev jagt, der Gruubſatz, eine ganze Stadt für bie von einem Theile ihrer Eimrohner begangenen Verbrechen zu beſtraſen, habe in jenen Zelten ſtaatorechtliche Geltung gehabt; allein das Schmaͤhliche in dieſer Sache wüurde wid auf ver Anwendumg dieſes Grunbſates beruhen, ſondern uf der noch wor dem Begirme ver Unterfechung Hatigehubten Feſtſeuug einer Gtrafemme uud auf vem Verhaͤll⸗ niſſe, in weldem ſie vielleicht zu einer laiſerlichen Gelbſchuld ſtaub .: Anm. 18). Vebrigens waren bie betreffenben ſteben Schöffen Sifried zum Pearavisd, Jabob Kisbelauch, Romans. von Glauburg, Wygel

72 IEL Der Wuffimb ber Fraulſacer Züuefte im wiegelnien Zahehanbest

von Lichtenftein, Senne und Dog ven Holzhauſen und Widder Froſch Sie gehörten ohne allen Zweifel zu denen, welche gegen bad Enbe des Jahres 1365 zum Kaiſer eniflohen waren, und waren vielleicht fegar die einzigen Schöffen, weldye dies gethan hatten. Auch ihnen würde jene Geldſache zur Unehre gereichen; denn fie hätten, wenn fich die Sache fo verhält, gegen ihre Feinde ein Mittel angewankt, weiched unbefchabei ber Ehre bed Gehenben und des Empfangenden wicht angewandt werben kann.

Die letzte der Mafregeln, welche ber Kaifer um ben Beginn des Jahres 1366 zur Wieverherftellung und Befeftigung ber Ruhe und Orbnung traf, unb bei benen eine Einwirkung jener ficken Shöffen nicht wohl zu verkennen tit, beitand in einer Aenderung ber Frankfurter Verfaſſung. Bei biefem Schritte war der Kaiſer im jeinem vollen Rechte, weil Frankfurt als eine Intjerliche Stabt von ihm fein Gefeh zu empfangen hatte. Durch ein am 4. Jamnar er⸗ laſſenes Manifeſt bob ber Kaiſer bie fieben Jahre früher von ihm genehmigte Vermehrung des Rathes durch ſechs einjährige Miitglieben wieber auf und ftellte hiermit bie alte Verfaſſung wieder ber. Nur eine einzige Aenberung machte er an biefer, offenbar um ber Wieder⸗ bolung des Misbrauches, welchen bie Schöffen vor bem Jahr 1359 mit ihrem Amte gerieben hatten, für alle Zeiten vorzubeugen; er verfügte, daß die Schöffen jede an ihrem Gerichte erledigte Stelle in fpäteftens zwei Monaten wieber beſetzen müßten. Sonſt beftätigte er in biefem Manifefte noch alle rechtlich beſtehenden Freiheiten, Privllegien und Gewohnheiten der Stabt und ihrer Bürger, verbei aufs neue alle ungefeßlichen Verbindungen unter ven Letzteren, und brachte die Einwohnerjchaft dadurch in das frühere Unterthaͤnigleits⸗ verhältuig, daß er den Schöffen geftattete, allen Bürgern und Eins wohnern den Eid der Treue und des Gehorfams gegen Kaiſer, Schöffen und Rath, fo oft es nöthig dünke, aufs neue abzunehmen.

Die Ausführung aller angeoroneten Maßregeln hing natürlich von ber völligen Unterwerfung ber Aufftändijchen ab, mit welcher bekannilich Erzbiichof Gerlach von Mainz beauftragt worben war. Diefer begann feine Hauptaufgabe, die Unterfuchung und Beftrafung bed Geſchehenen, womit ver Kaiſer ihn burch Schreiben vom 31. Des cember 1365 beauftragt Hatte, am 24. Januar 1866 (]. Anm. 19). Er hatte vorher in Frankfurt öffentlich ausrufen laſſen, daß er an

M. Dex Wafhenb: der Fraucſarter Düfte ine viesgeheien Yahıenche 78

diſſem Tage dechin Tommen werde, um ſewohl ben vom Salfer bes fohlenen neuen Sulsigungseib Leiften zu lafſen, als auch eime Umer⸗ ſuchung über bad WBorgefallme zu halten. Am beflimmien Tage erfhien er in Frankfurt. Er ließ bier durch einen feiner Leute jenen Eid abnehmen‘). Hierauf begann er bie gerichtliche Unter⸗ fachung. Cr befihieb zu einem Berhöre, bei welchem alle Ausſagen eidlich gemacht werben mußten, zuerſt Wie Vorſteher aller Zünfie nebft anderen Zunftgenofien vor fi, dann aber auch alle Schöffen und Rathaglieder, ſowie Leute aus ber Gemeinde. Das Ergebniß dieſes Verhoͤres war, daß der Erzbiſchof 18 Männer als ſolche erlaunte, bie ſich gegen Kaiſer und Reich, gegen das Gericht, vie Schöffen, ven Rath und bie Stabt Frankfurt ſchwer vergangen haͤrten. Diefe Männer waren: Der ſeitherige Schultheiß Heinrich im Saale und fein Som Ulin, der Rathmann und geweſene Bürgermeilter Henne Schelle und fein gleichmaniger Sohn, ber Reignanı und Weber Andreas Heilegeift, welder 1864 und vorher fon zweimal Bürgermeifter geweien war, ber Rathmann und Schuhmacher Gerhard Mofenbufch, der Rathmaun und Mebger Henne Wirbel, welcher 1363 Bürgermeifter geweien war, ber Raihmann und Weber Henne Jekel, ver Rathmann nu Schuhmacher Berchtold, die Gebrüder Henne und Heile Milwer, Beide Weber, der Mebger Schone Friederich und fein Sohn Henne, der Loher Diebe und bie ihrem Stande nach unbelannten Männer Herbord von Schweinheim, Beter Lupperg, Saduß und Hartmud Scheffir. Diefen Achtzehn lieh hierauf ber Erz⸗ biſchof als eidlich Angeſchuldigten durch feinen Marſchall aͤffentlich zu Haufe und zu Hofe gebieten, an einem beſtinnuten Tage in ber erzbiſchoͤflichen Wohnung, bem beutfchen Hauſe, zu erjchelmen, um

) Die Formel biefes Eides bat fi erhalten. Es befindet ſich nämlich in einem Copialbuch bes Stadt⸗Archivd ber von Römer:Büchner, Stabiverfafiung. ©. 60, mitgelheilte Eib, welcher zwar ein Datum hat, aber nur bamals ge ſchworen worben fein Tann. Dies beweift die Erwähnung bei Erzbiſchefs vom Mainz und feines Provifork Nach dem Stabi: Mechenbuche leiſteten bie Züsfte biefen Eid im deutſchen Haus, in weldem ber Erzbiſchof abgeftiegen war, und der Proviſor wurbe nebft feinen Bebienfteten an biefem Tage vom Mathe nicht nur mit einem Mahle im Nürnberger Hof beehrt, ſondern ber (ixfrre erhiein and no aaen Bedyes von 8424 Gulden an Werih.

TEE Die Weoffaib ber Froimffeirten Jamae in biegehenien Ichchandea

ſich zu verentwerten und bdemn ihr Decht zu tmepfemgin. Uiie erſchienen jedech nicht, ſondern eutflohen aud ber Stadt. Num Lie ver Erzbiſchef Habe und Gut derſelben einziehen, um fie damit har We Vergehen zu büßen. .

Das ganze Verfahren des Erzbiſchoſs, welcher wie Angeſchnuldigten nicht einmal hatte verhaften oder auf andere Welle am Entmeichen verhindern laflen, war weber ungerecht noch hart geweſen; fee waren aber mit Recht dem weileren Berfahren mebgerwichen, inet fe die durch die Erfahrung ber Geſchichte Begrünbete Elughelis regel Wefelgten, nach welcher in Zeiten politiſcher Stürme bie Führer bev nuterltegenben Bartei weite handeln, wenn fie dem Urtheile eined auherordentlichen Gerichtähofes fich durch bie Flucht emtziehen.

Dies Alles war vor ben 8. Kebruar 1866 gejchehen, an weichem Tage der GErzbiſchof ein Wanifeft erlieg, um etwaigen durch die Zehchälinge audgefpromgten falſchen Gieräditen zu Begegum. Auch wurden alsbald noch andere Maßregeln gegen bie Yllchilinge aber, wie man damals fagte, vie Vorflächtigen ergriffen. Schon vor bem 17. Februar, ſowie gleich nachher ſchickte der Nath ihretwegen Abgo⸗ orbweie na Mein (ſ. Anm. 20); und am 20. Wärz ließ der Raller au dad Reich das Gebot ergehen, daß bie Borffädhtigen une W Gut überal feiigehalten werben follten, 6 in Bezug «uf fie ver. Reichs-Juſtiz Genüge gefchehen fe. Bon ven Vorfluchtigen behrten drei, Heile Müwer, Peter Yupperg und ‘ver Vober Diebe, Iso wieder nach Frankfurt zurück und ſtellten fich ven Gerichte; denn in dem erwähnten Talferlidhen Gebote ſind fie wicht, wie im Manifeſte des Erzbiſchofes, zugleich, mit ben Unteren genamtt. Habe unb But ber Ensfiohenen waren alsbald eingezogen und für ſlüttſches Eizenthum exfläct. worden, welt dann der Math dem Kiſer SONO ſchwere Gulden geben und einem Theile feiner Schöffen bie früher gehabten Koften bezahlen mußte. Die eingezogenen Beflgthümer wurden. nachher zum Theil verkauft, zum Theil gegen Zins verliehen; einen Hof aber, wselcher (wahrſcheinlich ala Reichslehen) dem Heirrich m Saale gehört hatte, ſchenkte ver Kaifer einem feiner Edellente Riklas Spilot von Vyrnowicz (ſ. Anm. 21). Die Strafſumme von 8000 Gulden wurde im Juli und Oftober 1366 vom Rathe au: bezahlt. Dagegen , finbet füh über bie Reifung ber den Schöffen gewährten Entichädigung gar Tee. uxtumbluße Angabe; vemm bie

III. Der Kuffiumb ber Fraufſurter Zütrfte ta vierzehaten Jahchündere v5

damaligen Stadi⸗Rechenbũcher enthalten keneswegs alle Einnahmen nnd Ausgaben. Uebrigens mußte die Einst auch bie Koſter der Unterfishung bezahlen. Sie beſtanden In ven Verzehrungskoſten vos Erzbiſchofs, feine Vitzthums, feined Marfchalles und ihrer Bienen haft, jowte ber mehrmals anmweienden kaiſerlichen Geſandten und Boten, und im reichen Gefchenten flir biefe Alle. Die VBerzehrungd Boten bes Erzbifchofes und feiner Leute beliefen ſich, ſoweit Re ange geben find, auf 764 Pd. 8 Schil. (637 Gulbden). Die Gchkäentt laſſen fich nicht genau amgeben, weil fe nicht immer ala ſolche be zeichnet fine. Der Erzbifchef allein erhielt ein Trinkfaß im Werthe von 280%, GBulsen, jowie ein Stück Tuch von 60 Bulsen Werth, und außerdem wurde ihm noch zweimal ein Faß Wein für zuſaumnen 83%, Gulden gefchentt. Sein Bitzthum, fen Marſchall und teime Dienerſchaft wurden mit 886% Gulden bedacht.

Die Unterſuchung dauerte bis zum Scluffe bes folgenden Jahres. Während derfelben kam Im Gommer ober Herbft 1968 andy ein Thell der Briefe an den Tag, vermitichfi deren bie Zünſte fich mil einander „gegen dad Reich, die Schöffen und den Rath ver: ſchworen Hatten‘, und in Betreff deren die vom Erzbiſchofe vernom⸗ menen Zünfte eiblich verficherten, daß fle Hinter ihrem Rüſcken bes flegelt worden fein. Dieſe Briefe, ſowie bie anf fte geleiſteten Eide wurden vom Erzbifchof far nichtig und kraftlos erflärt, vie Aus— fleferung anderer gleicher Briefe ſtrenge geboten, außerdem aber auch alle Siegel der Zünfte biefen abgenommen und nicht nur zerfchlagen, fonbern au der Beilb und Gebrauch von Bereindftegen den Zärnften ſowie allen anderen Geſellſchaften für immer unterfagt. Die Ger flüchtigen wurden auf ewige Zeiten verbannt und aus der Bürgers ſchaft ausgeſtoßen, allen Einwohnern ber Stabt aber, ben welllichen fowohl als ben geiſtlichen, feber Verlehr mit ihnen ımterfagt. Enblich behielt fich der Erzbiſchof die Beſtrafung alfer derer vor, welche noch weiter würden fehufbig befunden werben. Bet ber forigefehten Unter fuchung fand ver Erzbiſchof Im folgenden Jahre noch ſechs anbere Männer, jowie bie drei Vorflüchtigen, welche gleich anfangs wieder zurüdgeteprt waren, in jo weit fchulbig, daß er ihnen bie eibliche Verpflichtung abnahm, ſich feinem Urtheilsſpruche zu unterwerfen).

9 Fi waren: Nourad Berkauf, Johann Sqhelhorn, Meter. Mltener, Gore

76 EMI. Der Auffiand der Fraukſurier Zunfte im vierzehuten SJahrkumberti

Er übertrug jeboch am 4. November 1367 vie Eribeilung bes Ur-

theilsſpruches über fie, fowie über Andere, welche etwa nach ſchuldig befunden werben wärben, aus Mangel an Zeit dem Rathe vor

rt.

Wie dieſer Urtheilsſpruch lautete, und ob noch anbere Bürger ſchuldig befunden und beftraft wurden, wirb und nicht gemselbet. Doc WA kaum zu bezweifeln, daß bie Sirafe im Verluſte des Bürger: rechted und in ewiger Verbannung aus der Stabt beftanben hat. Es werden nämlich in einem Manifeſte vom 2. Juni 1372, in welchen ver Kalfer alle Ausſpruͤche und Anordnungen bed Erz biſchofes im Frankfurt beftätigte, die von Lebterem Beſtraften als VBorflüdhtige, als Berbannte und als „bie Anderen, bie gebrochen und gefrevelt hatten”, bezeichnet, und hieraus folgt, daß Berbannung, ſowie für die weniger Betheiligten Gefangenſchaft oder Gelobußen bie ertbeilten Strafen waren. Allein die Strafe der Verbannung wurde, was nachher auch zu Fettmilch's Seit ber Fall war, zugleich auch über die Familienangehörigen der Berurtheilten verhängt; benn im dem erwähnten kaiſerlichen Manifeſte heit es, daß alle Verbaunten oder Ylüchliggeworbeuen, „Mann oder Weib”, auf ewig aus ber Stabt verwiefen fein jollten.

Die Borflüchtigen und Verbannten fügten fich nicht ruhig in ihr hartes Geſchick; fie fuchten vielmehr noch acht Jahre Lang bie Rückkehr in ihre Vaterftabt zu erzwingen, und machten baburch dem wieberhergeftellten alten Rathe nicht geringe Sorge und Mühe. Schon bald nachdem bie erften achtzehn Flüchtlinge aus Frankfurt entronnen waren, beunruhigten fie den Rath jo fehr, daß der Kaifer bewogen wurbe, am 26. März 1866 allen Reichäftänden, Grafen, Freiherren, Rittern, Knechten, Städten und Gemeinben zu-gebieten, biefelben feit- zunehmen. An bie Stabt Worms ſchickte ber Kaiſer dieſes Gebot noch in einem beſonderen Schreiben, woraus erhellt, daß bie Flüchtlinge oder doch die meilten von ihnen fich in dieſelbe geflüchtet hatten. Die gegen fie ergriffenen Maßregeln fruchteten jeboch nicht). Im

Pule der Alte, Hennifin Wile, Elad Gymnenheimer unb bie drei früher vor: flüchtig Geweſenen, ber Loher Dieke, ber Weber Heile Milwer und Peter Lupperg. Die neu genannten Sechs find ihrem Stande nach umbefannt; bie vier erſten von ihnen gehörten, wie bie Anmerk. 4 zeigt, zu ben wohlhabenderen Bürgern.

2) Riraneı bat (L ©. 407) Unrecht, wenn ex jagt, ber Vorflüchtigen

IH. Dir ‚Wıffanb der Frankfurter Zänfte im viergelmien Jahıembit 77

Gegentheil, die Flüchtlinge rüfteten fich und Inüpften Berbindungen au, um ebenfo, wie vie athenifchen Tlächtlinge zu Thrafybul's Zeit, mi Hülfe anderer Staaten ihre Baterſtadt zurückzukehren und bie dortige Reaction zu vernichten. Schon Ende März 1366 machten Henne Milmer und Hartmud Scheffir einen Angriff auf Frankſurter Bürger, welche unter ber Führung Goͤtzens von Medenbach reiten, und wahmen einen Theil derfelben gefangen (|. Anm. 22). Im Mai mußte ſich der Rath wegen der Vorflüchtigen an bie Grafen von Beldenz und von Bolauden, weiche offenbar venjelben Aufnahme und Hülfe gewährt hatten, jowie an deu Erzbiſchef won Main wenden (ſ. Anm. 23) Im Juli Samen, wegen ber Pouflächtigen; ver Erzbifchof und bie kaiſerlichen Raͤthe won Colditz ame Midelf von Friedberg nach Frankfurt, und zu berfelben Zeit ſaudte mau fradtiiche Soͤldner nach Mainz, um von da aus ben Vorflüchtigen Harimud Scheffir abaufangen (ſ. Anm. 24) Im Auguſt venfchaffte mon fich ein kaiſerliches Schreiben, wn ben Herrn von Bolanden zu bewegen, daß er ‘fi der Worflüchtigen nicht ferner annehme (ſ. Anm. 25). Im September jah ſich der Rath wieder gendthiet, deu Erzbischof um Hülfe gegen diefelben Leute anzugehen, und dieher kam deshalb aufs neue nach Zrauffuri (). Anm. 26) Im Epäh berbft ſchickte man gegen die Vorflüchtigen Truppen bid in Ile Gegend von Kreuznach hin, und biefe waren fo glücklich, einen derſelben, den Sohn Heinrih’3 im Saale, gefangen zu nehuem (j. Anm. 27). Wie man aus allen dieſen Angaben fieht, fo hatten die Vorflüchtigen ſich auf dem linken Rhein-Ufer geſammelt, umb bort beſonders in Worms, ſowie bei den Herren von Belbenz umb Bolanden Aufnahme und Unterſtüczung gefunden.

Im ganzen folgenden Jahre dauerten bie kriegeriſchen Verfuche derſelben zur Ruͤckkehr fort. Sie wurden, wie es ſcheint, von Hark mud Scheffir geleitet und auch damals noch immer von der links⸗ rheiniſchen Pfalz her verſucht. Scheffir nahm im Sommer dieſes

werde nach ihren Euntweichen in oͤffentlichen Verhandlungen nicht wıehr gedacht. Das oben noch weiter Anzugebende, welches ben Stadt-Rechenbüchern und ben bei Böhmer abgebrndten Urkunden entnommen ift, beweiſt das Gegentheil. Diefe Angaben bat übrigens bis jet noch fein Schreiber Frankfurtiſcher Geſchichten beachtet. en

. Der Wuffhenb der. Fraulſurie Zünfte in vierzehmien Ithechundeti

Jahres, beim Maupfe mit den ſtaädtiſchen Truppen, zei Bürger welangen (1. Anm. 268). Da bie Berflüchtigen noch immer von nufen ber ſehr underfügt wurben, jo wandte ſich ber Rath nicht nur am ven Kurfärften von ber Pfalz, ſondern auch am dem Stellvertreter des Anilerä, heilen Sohn Wenzel. Der Letztere verſprach auch ſchon Mitte Marz dem Rathe, nichts zu Gunſten jener Leute zu thun und ihnen niemals Gnade zu gewähren !).

ud in den beiden folgenden Jahren (1868 und 1369) fehten die Worflüchtigen ihre Angriffe fort, unb zwar wicht mehr blos vom liaden Rhein⸗Uſer aus, ſondern nuch vom Tautens herab und von Ofben ber (f. Umm. 29). Im Fahre 1870 warh das Treiben ver Vorflücktigen für ven Rath; in hohem Grade bedenllich weil diefelden miht mer von befannten Hancuiſchen Vaſallen Gottfried von Stocdheim, fondeen ſogar einen Bruder des Kuifers, den Herzog Wenzel von Luxemn⸗ burg, welcher Gtaf von Brabant wat, für ſich zu gewinnen mußten, und dadurch felb vom Kalfer eine Bufage zu ihren &unften em halten zu Haben ſcheinen (f. Anmi. 30). Im Oltobet fand foger eine Fiſammankunſt Gottfried's von Stockheim und Helnrid/3 im Saale we dem Herzog von Brabant in Mainz Statt, und der Vetzuere ſcheieb an den Rath einen vie Werfiüchtigen betreffenden Brief, deſſen nühever habt und zwar mnbelannt ift, welcher ber den Halb zu beſenderen Seudungen am den Herzog ind am ben Ergblichef ver⸗ anlazie Außerben hakke Andteas Heilegeiſt mehren Franffutter Bär In ver Stabt Mainz gerichtlich belangt, und der Math mußte noch im folgenden Jahre eines feiner Milgheder nach Moinz ſchicken, am ſich feiner Buͤrger bei dem dortigen Gerichte anzunchmen. Auch an den Kaiſer wandte ſich ver Rath; zu wiederhelten Malen, und a hielt, wie es ſcheint, jichwer, bei dieſem bie Verwendung des Herzegs von Brabant zu überwinden. Endlich waͤhrten auch die bewaffneten Angriffe der Flüchtlinge unter Schefftr's Fuͤhrung fort (j. Anm. 31).

Erſt im Jahre 1372 gelang es dem Rathe, die Bemühungen der Vorflüchtigen um ihre Begnadigung und Rücklehr dadurch für immer zu vereiteln, daß er den Kalſer zur Crlaffung eines Mani joe bewog, in welchem Alles, was Erzbiſchof Gerlach an in

| 1) Böhmer, p. 718 sg.

IH. Der Unffineb der Grauffurder Zöafte im tiergfhuien Zuhrhembeti TO

FIrcetſurt verfügt hedie, beflätigt und das. Verſprechen ertheilt wemrbe; ven Vorflüchtigen mb Verbannten nitinals Gnade gu gewaͤhren Seit dieſer Zeik hörten Die Deſtrebungen ber Vorfluchtigen, ihm Rückkehr zu erzwingen, auf. Nur einer won ihnen, Harimub Scheifir, feigte noch gwei Jahre lang feine gemaitihäkigen Verſuche art, MM enblich nad) dein Sommer 1374 ven ihn Beine Rede mehr ist, want alſo much ex, ver harbuädigfte and unternchmenbfte von Allen, endlich Wpäter in ihre Voizriinst wieder ringelaffen wurden, wiſſen wir mich, Bar kommt im Bürngewergeichukiie vom 1887 ein Uin om Eonels a Müglien ver Gemrinde, jowie un Stabbiteiienkm von ‚1304 vie Malie desſelben und. in ‚eineme. Monfiniehe vom. 1876°) zim Endris Heilgeift vor; allein aus dieſen und ähnlichen Angeln kann man keinen folchen Schluß ziehen, und dem Geifte jener Zeiten ent: fpricht eher die Annahme, daß man feinen ber Aufftändifchen wieder aufgenommen babe. Auch die Zünfte erlitten, in Folge ihres mis⸗ glücten Aufftandes, einen harten Schlag. Auf Erjuchen des Rathes erhielt biefer 1368 vom Katfer den Auftrag, eine Revifion ber Zunft: orbnungen vorzunehmen und ven Zünften eine andere Einrichtung zu geben?). Died geſchah, und alle Zünfte erhielten 1377 neue Ordnungen, welche die eingetretene Reaction deutlich zu erkennen geben, und vwermittelft deren die Zünfte ihre frühere Selbftftändigfeit einbüßten. |

Auf ſolche Weiſe fchlug der Zünfte-Aufftand des vierzehnten Jahrhunderts, gleich dem des fiebenzehnten, zum Verderben ber Zünfte und ihrer Leiter aus. Dagegen hatte derſelbe nicht, wie biefer, eine Verbeflerung der Stabtverfaflung zur Folge, vermöge deren, was man auch damals fchon als nöthig erkannt hatte, eine Finanz-Eontrole bergeftellt worden wäre. Allein er gewährte der Bürgerfchaft einen anderen böchft wichtigen Vortheil. Durch feine Belämpfung gelangte nämlich in Frankfurt ein Mann zur Gewalt, welcher gleich nachher für Frankfurt's Freiheit und Selbitftändigfeit weit mehr that, als irgend ein anderer Bürger jemals gethan hat. Died war Sifrieb zum Paradied. Schon gleich nach ber Unterbrüdung des Auf-

In Nr. 87 ber Räbtifhen Urkunden bes SYobanniter = Orbens. ı) Böhmer, p. 722.

80 III. Der Auffiand ber Frauffurter Sünfte im viegehaten Jahrhundert,

fanseb war Sifried Schultheiß vom Frankfurt geworben (1866). Ruh in demjelden Sabre Läfte er, offenbar in geheimen Einver⸗ Röndniffe mit dem Rothe, das Schultheißen⸗ Amt, ven benachbarten Reichowald und bad mit bem Letzteren verbundene Forftamt von rem Pfandinhaber, dem Vandvogt Ulrich, ein, unb mehrere Jahre hater (1372) tvot er biefe Pfaudſchaften gegen bie für fie bezahlte Cumme an die Start ab. Er erwirkte damals zugleich die urkund⸗ he Zufage bed Katſers, daß biefelben zwar vom Reiche ſelbſt wieder eingeloſt, aber niemals wieder an Andere verfanft ober verpfänbet werben bürften. Dadurch warb Frankfurt vom jedermann aufer vom Kalfer wuahhlngig, und bie Stadt hatte nachher das Glück, daß diefe Unabhängigkeit bid zum YUntergange ven deeiches Jeih Des Reben blieb

N

IV. Der Rath ber Dreiunbfechäzig unb ber Bürgerzwiſt zur Zeit besfelben. 81

I.

Der Rath der Dreiundjehszig und der Bürgerzwiſt zur Zeit Desjelben.

Der Rath Hatte 1366, mit Hülfe des Kaiferd, die aufftändifchen Zünfte beflegt, fie bald darauf durch eine Reviſion ihrer Gefeke in Abhängigkeit von ſich gebracht (1377), und nachher (1387) allen Bürgern den Eid des Gehorſams gegen Schöffen und Rath aufs neue abgenommen. Die Ruhe wurde von 1366 an mehr ald zwanzig Sabre lang erhalten; fie warb aber 1389 durch ein Unglück, welches bie Stadt Frankfurt im Kriege traf, aufs neue mit einer Erjchütterung bedroht. Dieſes Unglück war bie am 14. Mai 1389 bei Kronen- berg erlittene Niederlage !). Die Stadt war in Folge berjelben nicht blos mit der jchwierigen Fortſetzung des Krieges, ſondern auch mit

1) Das von Kirchner richtig, von Feyerlein falſch angegebene Tages: Datum dieſer Schlacht ift neuerdings von Römer: Büchner (Archiv für Frank⸗ furt’8 Gefchichte, neue Folge I. S. 134 fig.) ganz ficher geftellt worden. Ein weiterer Beleg für basfelbe findet fih in dem zweiten offlciellen Bürgerbuche ber Stadt Frankfurt, welches S. 186 folgende amtliche Bemerkung enthält: „Senne Vorkauff bad uff den Dunerflag hude vor bem Rade zu den Heyligen geſchworn, daz er uff ben nehfte frydag nah Sant Pancratien dag, alß der ſtede frunde by Eronenberg nyberlagen, bo er auch gefangen wurde, fin ingeß virlure und ime genommen wurde” u. |. w. In Bezug auf den Ort, wo dieſe Schlacht geliefert wurde, ift dieſe Stelle zugleich ein Beleg für die Behauptung Römer:Büchner’s, daß fie bei Kronenberg felbft geliefert worben ift, während Kirchner fie bei Eſchborn, Yeyerlein zwifchen Kronenberg und Praunheim, Fichard bei Braunheim Statt finden läßt.

Kriegk, Frankf. Bürgerzwiite. 6

82 IV. Der Rath ber Dreiunbfechszig und ber Bürgerzwift zur Zeit beöfelben.

einer Umfchliegung und Belagerung bedroht. Das erlittene Unglüd fonnte aber auch leicht das BVertrauen in die beſtehende Regierung der Stadt untergraben; ja, es konnte ſogar gejchehen, daß bie Bes ftürzung, in welche bie Bürgerjchaft verjegt worden war, in eine länger dauernde Aufregung und Unzufriedenheit überging, und bie vor zwei Jahrzehnten erfticte Flamme des Aufruhr von neuem anfachte. Außerdem wurde die Regierung und Verwaltung jelbit, mit welcher gerabe jet viele Gejchäfte verbunden waren, durch den Umstand erfchwert, daß der Feind mehr ald 600 Gefangene gemacht hatte, unter denen fich der Stadt-Schultheiß und manche Mitglieder bes Rathes befanden. Die ſchlimmſte Folge der erlittenen Niederlage aber war die finanzielle Verlegenheit, in welche die Stadt durch fie verjeßt wurde.

Diefe war um fo größer, da ber Krieg bereit? große Koften verurfacht hatte), und jet noch fehr viele und ftarfe neue Aus— gaben gemacht werben mußten. Die Auslöfung der Gefangenen, in Betreff deren man alsbald einen Vertrag abſchloß, erforderte eine Summe von 73,000 Gulden, welche nachher auch vom 18. December 1889 an bis zum 2. Mai 1394 in ſechs Terminen wirklich bezahlt wurde. Der beſiegte Städtebund mußte den Feinden 60,000 Gulden zahlen, und die Stabt Frankfurt hatte als ihren Beitrag dazu bis zum April 1390 12,562 Gulden zu geben?). Sie mußte außerdem am 24. Juli 1389 noch 1062 Gulden Rücftände für den ſich auf: löſenden Städtebund und für den Wormjer ZoU zahlen. Sie hatte

1) Nah einer Notiz in den Uffenbach’fhen Manufcripten der Stabt⸗ Bibliothel (Nr. 17. ©. 106 fig.) berechnete der um 1500 lebende Stadtfchreiber Meldior Schwarkenberger aus vorhandenen Negiftern und Briefen bie Koften des Krieges von 1386 bis 1889 auf mehr als 100,000 Gulden.

) Diefe Summe if in ſechs verfchiebenen Zahlungspoften in das Stabt- Rechenbuch eingefchrieben. In ihr ift auch dasjenige mit einbegriffen, was Yrankfurt (ebenfo wie Mainz, Worms unb Speier) für die fäumig geivorbenen Bundesglieber, nämlich für Friedberg, Gelnhauſen, Straßburg unb einige andere Städte, bezahlen mußte. Webrigens find bie oben noch weiter angeführten Summen ebenfald dem Stadt⸗Rechenbuche entnommen. Ste fliimmen mit ben von mir in ben Mitteilungen des Frankfurter Vereines für Geſchichte, I. S. 814 fig., angegebenen zum Theil nicht überein, weil ich fie für ben gegenwärtigen Zweck anders zufammengeftelt und, nach nochmaliger Anficht bes Rechenbuches, genauer angegeben babe.

IV. Der Rath; der Dreiundſechszig und der Bürgerzwift zur Zeit desſelben. 83

ferner ihrem Berbündeten, dem Junker Philipp von Falkenſtein, zu den 600 Gulden, welche derfelbe jchon vorher empfangen hatte, bis zum Juli 1393 noch 1000 Gulden zu geben. Sie mußte überdies ihren Beitegern und deren Unterthanen jeden im Kriege erlittenen Schaden erfegen, und die dafür im Stadt-Rechenbuche aufgezeichneten Ausgaben betrugen bis zum Frühjahr 1395 micht weniger ala 5450 Gulden. Schon die angegebenen Summen belaufen ich zus fammen auf nahe 100,000 Gulden; und was im jener Zeit eine folche Ausgabe bedeutete, Tann man daraud ermeilen, daß in den Jahren 1389—1398 die durchſchnittliche jährliche Gejammteinnahme des ſtädtiſchen Haushaltes nur 46,953 Gulben betrug. Zu jenen Summen kamen aber noch die großen Ausgaben, welche man für diplomatische Sendungen und Unterhandlimgen, jowie für manches Andere, was die erlittene Niederlage in ihrem Gefolge hatte, machen mußte (|. Anm. 33). Die finanzielle Berlegenheit, welche die Kronen- berger Schlacht der Stabt Frankfurt bereitete, war aljo eine fehr bebeutende, und man wird ed begreiflich finden, daß die damals gemachten Schulden jogar hundert Jahre fpäter noch nicht ganz ab- getragen waren !).

Bei dieſer äußerſt mizlichen Lage der Dinge in Frankfurt war e3 nach der Kronenberger Schlacht durchaus nöthig, Maßregeln von außergewöhnlicher Art zu ergreifen. Die wichtigfte berjelben beftanb darin, daß der Rath den Beſchluß faßte, die fchwierigen Fragen nicht kraft feiner eigenen Machtvolllommenheit für ſich allein zu entſcheiden, fondern fi eines Theiles dabei auf bie geſammte Bürgerichaft zu ftügen, und anderes Theile eine Anzahl Bürger zu feinen Be rathungen und Berhandlungen binzuzuziehen. Schon unmittelbar nach der erfittenen Nieberlage berief er die Bürgerfchaft oder doch wenigftend die Vorjteher der Stubengejellichaften und Zünfte in das Barfüher-Plofter zufammen, um fi mit ihnen über dasjenige, was zunächft zu thun war, zu berathen 2). Nachher zog er einzelne Bürger zuerft vorübergehend und bann bleibend zu feinen Verhandlungen

1) 6, Römer: Büchner im Ardiv für Frankfurt's Geſchichte, neue Folge, I. ©. 148,

. NM Rbomer-Büchner Hat dieß ganz richtig aus folgendem, unter bem 22. Mai eingetragenen Poften bes Stabt:Rechenbuches gefchloffen: „12 heller umb 1 pfund Igchte, als der Raid zun Barfufien by nacht waz.“

6*

84 IV. Der Rath der Dreiunbfechdzig und ber Bürgerzwiſt zur Zeit besfelben.

und Sikungen zu (ſ. Anm. 34). Die wichtigfte Sache, um berent- willen der Rath fich mit Leuten aus der Bürgerjchaft veritärkte, war bag Gefchäft der Auzlöfung der Gefangenen und der Aufbringung der bafür nöthigen Geldſumme. Es waren 22 Bürger, welche ber Rath zu diefem Zwecke fich zugefellte (j. Anm. 35). Während jenes Geſchäft noch im Gange war, beichloß der Rath, anftatt jolcher bloßen Rathgeber und Gehülfen eine gewifle Zahl von vollberechtigten neuen Rathsgliedern in feine Mitte aufzunehmen Dies bedurfte jedoch, weil es eine Verfaffungsänderung war, der Genehmigung bes Königd. An den Lebteren wandte man jich deshalb Turz vor dem Schlufje des Jahres 1389, fowie gleich nach dem Anfange des fol- genden Jahres mit ber Bitte, zu geftatten, daß der Nath von 43 Mitglievern bis auf 63 vermehrt werbe (j. Anm. 36). König Wenzel gewährte biefe Bitte.

Ein Erlaß des Königs vom 5. Februar 1390 befagt: Schöffen und Rath zu Frankfurt hätten ihm worgeftellt, daß die 43 Perfonen, welche nach altem Herkommen den Rath bildeten, nicht mehr im Stande feien und auch weiterhin nicht im Stande fein würden, bie Negierungsgefchäfte zu verrichten. Sie hätten ihn daher um bie Erlaubniß gebeten, den Rath dadurch befjer zu beftellen, daß fie noch zwanzig andere Perſonen in ihn aufnähmen, und er habe dieſes Geſuch in folgender Weije gewährt. Die jebigen Rathsglieder follten zwanzig ehrbare, unverjprochene, dem Reiche Ehre bringende, ihm und ber Stabt nüßliche Leute erwählen und zu ſich in ben Rath aufnehmen. Der dadurch bis auf die Zahl von 63 Mitgliedern vermehrte Rath jolle jeboch in Betreff der Verwaltung und Gefchäftz- führung eine neue Einrichtung erhalten. Derfelbe folle nämlich in drei Theile von je 21 Perjonen getheilt werden, und dieſe drei Theile jollten abwechſelnd jeder ein Jahr lang die Rathsgeſchäfte verrichten, jo daß jeder Theil immer nach brei Jahren wieder in die Führung ber Gefchäfte eintrete, und alfo der wirklich regierende Rath fortan ftet3 nur aus 21 Perſonen beftehe. Wenn aber ver Xebtere in wichtigen Dienften des Nathichlages eine? ber zwei anderen Theile oder ihrer Beider bebürfe, fo folle er berechtigt fein, fih durch einen von biefen oder durch Beide zu verftärfen?!). So oft endlich in dem

1) Eine ähnliche Verfügung warb in jpäteren Zeiten durch ben Raifer für

IV. Der Rath der Dreiunbfechszig ımb der Bfrgerzwift zur Zeit desſelben. 85

regierenden Drittel durch Abdankung oder durch Todesfall eine Stelle erledigt werbe, jollten bie übrigen Rathsglieder *) diefelbe innerhalb eine? Monats durch Neuwahl befegen; nur went das abgegangene Müglied ein Schöff geweſen wäre, follte e3 bei dem alten Herkommen bleiben, nach welchem bie Schöffen ſelbſt aus allen drei Räthen einen neuen Schöffen zu erwählen hätten. Uebrigens kann es nicht zweifel- haft fein, daß durch biefe Verfügung die Zahl ver Schöffen (14) nicht vermehrt ward, fondern daß die neu hinzutretenden Zwanzig blos Rathmänner waren. Merfwürdig ift außerdem, daß ed in ber koͤniglichen Verfügung heißt, der Rath habe bisher aus 43 Mit- gliedern beitanden. Man verfteht die fo, daß den 42 Perjonen, welche nach allgemeiner Annahme den Rath bildeten, noch der Stabt- ſchultheiß beigezählt jet; allein diefer war nur Mitglied des Schöffen- ftuhles, nicht des Rathes 2). In Betreff der neuen Einrichtung jelbft ift zu bemerken, daß für dasjenige Drittel, welches gerade mit ber Regierung betraut war, der Namen „ber ſitzende Rath” ober „der Rath, der da fißet” gebräuchlich ward, und daß biefer Ausdruck auch fpäter, ala die alte Verfaffung wieberhergeftellt worden war, noch öfters zur Bezeichnung des Nathes vorkommt (ſ. Anm. 37).

Ueber den eigentlihen Grund diefer neuen Cinrichtung find die Anfichten verſchieden. Nach Kirchner hätte man bald nach ber Kronenberger Schlacht, durch welche auch die Zahl der Rathsglieder

ben 1732 errichteten Bürger: Ausfhuß ber Einunbfünfziger getroffen. Auch biefer ſollte in brei Theile zerfallen und immer nur zu einem Drittel thätig fein, und zwar aus dem Grunde, damit einem jeben Mitgliede ba8 Amt minber befchwerlich gemacht werbe. Bei ihm Fam jedoch biefe Befimmung entweder nie ober nur felten in Ausführung S. Morig, GStaatsverfaffung, I. S. 308 fig. umb Römer:Büchner, Stabtverfaffung, S. 184.

) Es if nicht Mar, ob die Übrigen des regierenden Drittels, wie Kicharb es verfieht, oder bie Mitglieder aller brei Drittel die Wahl vorzunehmen hatten.

) Eine Ausnahme hiervon hatte bei Heinrich im Saale Statt gefunden, indem biefer erwiefener Maßen zugleih Schultheiß und Rathmann gewefen war. Uebrigend paßt die Hinzuzählung bes Schultheißen nicht zu dem vom Könige gebrauchten Ausbrude, der Rath babe „von alten und vergangenen Zeiten bisher” aus 48 Perſonen befanden. Mein Freund Dr. Roth babier glaubt urkundliche Gründe zu ber Vermuthung zu haben, daß bie Zahl ber Handwerker im Rathe vor Alters nicht 14, fondern 15 betragen babe, unb daß beöhalb von 43 Raths⸗ gliedern bie Rede fei. Wir werben im weiteren Verlaufe unferer Darftellung auf biefen Punkt zurückkommen.

86 IV. Der Rath der Dreiunbfechtzig und ber Bürgerzwiß zur Zeit beöfelben.

vermindert worden war, bie erledigten Rathsſtellen mit mehr Zunft genofjen als gewöhnlich befett, und dies babe dann bie Nicht-Zünf: tigen bewogen, ihr früheres Vebergewicht dadurch wieberherzuftellen, daß fie eine Vermehrung des Rathes um 22 Mitglieder crwirft hätten. Die ganze Berfafiungsveränderung würbe hiernach aljo blos einen ariftofratifchen Partei Zwei gehabt haben. Nach Feyerlein hätte man, weil wegen ber Gefangenschaft oder Tödtung vieler Rathz- glieder die übrigen nicht allen Geſchäften Hätten obliegen Lönnen, zuerſt eine Kriegs-Deputation von 22 Bürgern gebildet, um dag Seihäft der Ausldfung der Gefangenen bejorgen zu laffen, nad Vollendung dieſes Gejchäftes aber hätten die ausgelöſten Rathsglieder ſich dadurch dankbar bewiefen, daß fie 20 von jenen 22 in ben Rath aufnahmen. Fichard endlich fpricht eine ganz andere Anficht aus, der auch Römer⸗Büchner im Weſentlichen beipflichtet.

Die durch dag Loͤſegeld herbeigeführte Ueberſchuldung der Stadt jagt Fichard erheifchte eine Vermehrung der. Abgaben; viele konnte aber von ehrgeizigen Männern benubt werben, um bic vor faum zwei Jahrzehnten beigelegten Unruhen wieder anzufachen, durch welche damals die Zünfte ein Webergewicht erlangt hatten. Dem fuchte ber Rath dadurch zuvorzufonmen, daß er zunächſt zur Betreibung bes Auslöfungsgefchäftes 22 Perfonen ans der Bürgerſchaft fich zu- gejellte. Da jedoch bie Folgen dieſes Gejchäftes in alle Zweige ber Bermaltung einjchlugen, fo ward eine gejesliche Vermehrung bes Rathes nöthig befunden, um durch die Theilnahme einer größeren Zahl von Bürgern an der Verwaltung dad Zutrauen Aller befto gewifler zu gewinnen. Eine ſolche Vermehrung des Rathes würbe aber, da die Rathsglieder vermitteljt der ihnen in jeder Sitzung be zahlten fogenannten Praſenz-Gelder einen Gehalt bezogen, vie Ber: waltungstoften gerade zu ber Zeit vermehrt haben, in welcher eine Verminderung berfelben dringend geboten war. Sie würde außerdem auch die in Zeiten ver Gefahr nothwendige größere Centraliftrung ber. Negierungsgewalt erjchwert oder vielmehr geradezu verhindert haben. Es galt alſo, eine neue DBerfaffung zu entwerfen, welche beide Zwecke mit einander vereinigte, ober mit anderen Worten, welche zugleich eine Vermehrung und eine Verminderung des Rathes herbeiführte, die aber in Betreff der Letzteren noch insbeſondere dafür Borkehrung traf, daß nicht der außgedehntere Wirfungsfreis, welchen

IV. Der Rath ber Dreiundſechszig und ber Bürgerzwift zur Zeit desſelben. 87

die verminderte Zahl der Rathsglieder jeben einzelnen berjelben ver: Ichaffte, diejen zu einem Misbrauche ver Gewalt verleitete. Die Ent werfung einer ſolchen Berfaffung würde auch für unfere Tage eine Schwierige Aufgabe fein. Damals wurbe dieje Aufgabe auf bie glück lichſte Weile gelöft, indem man ben Rath einerſeits in der äußeren Form um 20 Mitglieder vermehrte, anbererfeitö aber dadurch um die Hälfte jeiner biöherigen Mitgliederzahl verminderte, daß jedes Jahr nur ein. Drittel feiner 63 Mitglieder die Megierungsbehörbe bildete. In Folge diefer Einrichtung warb das Vertrauen ber Bürger: Schaft zum Ratte verftärkt, die Gewalt des Letzteren mehr centralifirt, einem Misbrauche derjelben vorgebeugt, und endlich zugleich an ben Präjenz: Geldern, welche von jebt an jährlich nur halb jo viel als früher betrugen, eine bebeutende Erſparniß gemacht.

Diefe Auseinanderfegung Fichard's trägt dad Gepräge ber MWahrfcheinlichkeit jo jehr an fich, daß man durch fie unwillfürlich zu der gleichen Anficht gebracht wird. Und doch gibt fie die Be weggründbe zu ber neuen Einrichtung nicht burchaug richtig an. Man kann allerdings in ber gemachten Verfaſſungsänderung nicht mit Teyerlein einen bloßen Act der Dankbarkeit anerkennen; und bie Kirchner'ſche Anficht, da fie aus Partei- merken hervorgegangen jet, jest ein Yactum voraus, welched auf willfürlicher Annahme beruht (die nach der Kronenberger Schlacht Statt gehabte Vermehrung ber Zahl der zünftigen Rathsglieder). Allein ebenjo wenig kann bie Abficht des Sparend, welche nach Fichard eine der Haupturſachen der neuen Einrichtung gewejen fein fol, zugegeben werben, während fonft Fichard's Anficht gewiß die richtige if. Mean wollte durch Vermehrung ver Zahl der Rathögliever der drohenden Gefahr innerer Unruhen begegnen, und vermittelft des eingeführten dreijährigen Turnus nicht nur der dadurch mehr centralifirten Regierungsgewalt eine größere Kraft ver Ausführung verleihen, fondern auch ber auf bie Hälfte ihres früheren Beſtandes rebucirten Negierung den Mis— brauch ihrer Gewalt unmöglich machen. Wäre dagegen zugleich eine Erfparung beabfichtigt worden, jo müßte biefe doch mindeſtens beim Beginne der ind Leben getretenen neuen Einrichtung auch wirklich ſichtbar geworben fein. Es mar aber dieſe gerade umgekehrt vom erjten Anfange an Eojtfpieliger, als die frühere Einrichtung. Während nämlich in ven legten fünfzehn Jahren die PräjenzGelver ſich jähr:

88 IV. Der Rath ber Dreiunbfechägig unb ber Bürgerzwift zur Zeit besfelben.

lich nur auf 13814 Pfd. bis höchſtens (und zwar nur einmal) auf 224 Pfd. oder durchſchnittlich auf etwa 183 Pfd. belaufen hatten, betrugen fie im erften Jahre der neuen Einrichtung 2651, Pfdb., fowie in allen achtzehn Jahren des Beſtehens derſelben jogar durch⸗ ſchnittlich 441%, Pfd., und die niebrigfte Jahresſumme, welche in biefer ganzen Zeit vorkommt, iſt 23814, Pf.

Sogar die gewiß gehegte Abficht, dem Rathe durch größere Eentraliftrung mehr Kraft zu verleihen, wurde gerade in den erften Sahren der neuen Verfaffung, in welchen dies doch vorzugsweiſe nöthig gewefen wäre, nicht verwirflicht. In biefen Jahren wurben nämlich die drei Räthe oder auch zwei von ihnen fehr häufig, zum Theil fogar öfter, als der jogenannte fißende Rath, verfammelt. Im erften Jahre ſcheint der Letztere regelmäßig alle Donnerftage ver: fammelt gewejen zu fein; die drei Räthe Tamen aber in biefem Sahre zwölfmal zufammen. Im folgenden Jahre (1391/92) wurden 67 Sikungen gehalten, unter diefen neun aus ben brei Näthen be- ftehende. Im Jahre 139293 fielen von 77 Situngen, welche ge: halten wurden, 44 bem ſitzenden Rathe, zwei zwei verjammelten Häthen, 31 aber den brei Räthen zu. Im Jahre 1393/94 bilveten bie Sibungen der drei Räthe fogar die weit überwiegende Mehr: zahl; denn dieſe waren nicht mweniger als 60mal, der fitende Rath aber nur viermal oder, wenn man 15 nicht näher bezeichnete Sieungen hinzurechnet, neunzehnmal verfammelt. Erft von 1394 an erjcheint der figende Rath als die wirflid, allein regierende Be— hörde; denn von dba an fand bie Zuziehung der anderen Näthe nie mehr als höchſtens viermal im Jahre Statt, nämlich blos fo oft die in der Regel alle Vierteljahre vorgenommene Rechnungsablage durch bie Nechenmeifter gemacht wurde‘). Von jenem Jahre an bis zur Miederherftellung der alten Verfaſſung (1408) beitand alfo eine wirkliche Wechjel-Regierung, welche in jedem Fahre nur durch ein Drittel der Rathmänner geführt wurde, und die beiden nicht

1) Nur einmal kommt in ber ganzen Zeit von 1894 biß 1408 eine aus einem anderen Anlaffe Statt gehabte Einberufung ber brei Räthe vor. Es beißt nämlih im Stadt-Rechenbuch unter Sabb. poft omnium fanctoren 1408: „12 Sch. groß 2 groß, ald man vor ben brin Neben rechenunge bet, und auch als die Rebe fuft by einander waren.‘

IV. Der Rath ber Dreiumdfſechszig und ber Bürgerzwift zur Zeit desſelben. 89

fungivenden Drittel bildeten fo zu fagen eine den fihenden Rath in finanzieller Hinficht controlirende Behoͤrde.

Aus dem Fahre 1395 haben wir ein Verzeichniß fänmtlicher damaliger Rathögliever. In zwei Schreiben nämlich, durch weldhe der Erzbifchof von Mainz im Juli und Auguft 1395 alle Schöffen und bie meiften Rathmänner ercommuncirte, werben bie von biejer Mapregel Setroffenen mit Namen aufgeführt; und in einem Notariats- Suftrument, welche? aus Anlaß einer Verkündigung an ben Rath am 25. Juli 1395 abgefaßt worben ift, find alle in ber betreffenden Rathsſitzung gegenwärtig Geweſenen genannt!). In jedem von beiden Berzeichniffen fehlt eine Anzahl, welche in dem anderen enthalten tft. Stellt man aber alle in ihnen angeführten Namen zufammen, fo erhalten wir für den Juli 1395 14 und für den Auguft 13 Schöffen, für beide Monate aber 40 Rathmänner, im Ganzen alio 64 und 63 Rathsglieder. Hierbei ift Eimer zu viel; dies bat aber wohl barin feinen Grund, daß einer ver Ralbmänner in dem Notariats- Inſtrument anders benamt ift, als in den erzbifchöflichen Schreiben.

Uebrigens enifteht auch die Frage, in welcher Zahl die 14 Schöffen beim Rathe ber 21 vepräfentirt waren; benn baß alle 14 zu demſelben gehört hätten, kann nicht angenommen werben, weil ſie dann ja zwei Drittel der Stimmen gehabt hätten, und aljo bie neu eingerichtete Regierung ein eigentliches Schöffen: Regiment geweſen fein würbe. Auch in Bezug auf diefe Frage gibt und das erwähnte Notariats⸗Inſtrument Auffchluß. Dazfelbe führt nämlich außer dem⸗ jenigen Schöffen, welcher zugleich Bürgermeifter war, jteben Schöffen ala in der Sitzung anmelend an. Der Rath ver 21 beftand alſo aus 7 Schöffen und aus 14 Rathmännern, bei den Erſteren wurbe aber derjenige nicht mitgezählt, welcher gerade Bürgermeifter war.

Die genannten drei Urkunden find auch noch für die Entichei- dung eine anderen Punkte wichtig, Es geht nämlich aus ihnen hervor, daß bei den 43 Mitgliedern de alten Rathes und bei den

2) Die erzbifchöflichen Schreiben find in Würdtwein, Subsid. diplom. H. p. 405 und 412, ba3 im Notariats : Anftrument enthaltene Verzeichniß aber in Römer:Büchner’s Stabtverfaffung, S. 40, abgebrudt. Die in ber Situng des 25. Zuli 1895 anmefenden Rathsglieder werden außerbem noch in einer Vollmacht genannt, welche der Rath an jenem Tage an fünf Procratoren aus: ſtellte (Stabt-Arhiv Uglb. B. 71).

90 IV. Der Rath der Dreiundſechszig und der Bürgerzwiſt zur Zeit befelben.

63 des neu eingeführten der Schultheig wicht mitgezählt ift, daß alfo in Beiden eine der drei Abtbeilungen des Rathes um ein Mitglied ſtärker geweien fein muß, als jede ber beiden anberen. Der Schultheiß ift weder unter den in der Sitzung vom 25. Yu Anweſenden, noch in ben beiden erzbilchöffichen Schreiben genannt, ſondern bieje führen, wie dad Notariats⸗Inſtrument, die Genannten blos mit dreierlei Bezeichnungen (als Bürgermeifter, Schöffen und Rathmänner) an.

Die wichtigſte Seite der Vermwaltungsthätigfeit war, während bed Beftchend der drei Räthe, bie Ordnung ber Finanzen. Diefe befanden fich in einem bedenklichen Zuftande, und die Schulbenlaft, bie der Stäbtelrieg dem Rathe aufgelaben hatte, war für biefen wohl der Hauptantrieb zu dem Beichluffe gemeien, durch Aufnahme von 20 Bürgern in den Math ſich das Vertrauen feiner Mitbürger zu erhalten. Die Stadt hatte nicht nur diefe Schulpenlaft zu ver: zinjen, fonbern auch noch immer bedeutende Ausgaben für einzelne Kriege und Kriegszüge, für Befeftigungen, für diplomatische Sendungen, welche gerade damals wegen bed langwierigen Zwiſtes mit bem Erz- bischof von Mainz ſehr häufig vorfamen, und für manches Andere zu macen. Blos die Sefchenfe, mit welchen von 1390 bis 1408 der König und feine Leute bebacht wurben, beliefen ſich auf 12,423 Gulden !), wobei weder die 928 Gulden 41, Schilling be: teagenbe jährliche Reichsſteuer, noch bie Ausgaben für Reichskriege, noch auch vie bei des Königd Anweſenheit in Frankfurt zu beftret- tenden SKoften mitgcrechnet find. Auch auf ein neue Rathhaus mußte man in jener Zeit bedacht fen. Man kaufte aus biejem Grunde 1405 die Hänfer zum Römer und zum goldenen Schwanen, nachdem fchon mehrere Jahre vorher Materialien zur Erbauung eines neuen Rathhaufes angefchafft worben waren 2); unb ba bieje Käufer fait ganz neu aufgebaut werben mußten, fo hatte man bafür eine Reihe won Jahren hindurch jehr große Ausgaben zu machen.

3) Nach einer Aufammenzählung ber betreffenden Angaben ber Stabi: Rechenbücher.

) Am 26. Mär; 1402 kommt im Stadi-Rechenbuch folgender Ausgabe⸗ Voften vor: „18 gulben und 1 ort umb ein ſchiff voll Mildeberger roder jtein und davon uz zu flahin zum numen rathuß.“ Much waren fchon 1401 fechs Rathsglieder zu „bumeiftern zum nuwen rathuſe“ ernannt worben.

IV. Der Rath ber Dreiundſechszig und der Bürgerzwiſt zur Zeit desſelben. 91

Was bie ftäbtifchen Schulden jener Zeit betrifft, jo ift es nicht möglich, ihren Betrag anzugeben. Sie beſtanden zum größten Theile ans fogenannten Leibgedingen und Wiederkaufsſsgülten. Weil nämlich das. Kirchengeſetz damals den Ehriften verbot, verzinzlihe Darlehen zu machen, und die bei Juden aufgenommenen Gelber in ber Regel jehr hoch verzinft werben mußten: fo halfen fich die Regierungen eined Theils damit, daß fie das Gefchäft der Lebensverficherung trieben oder, wie man- fi) ausdrückte, Leibgedinge an Einheimifche und Fremde verkauften, und anderes Theils damit, daß fie zwar auch bei Ehriften verzinzliche Anlehen machten, bieje aber als ſolche vermittelſt des fogenannten Wiederfaufes verdeckten. Ein Wichers kauf war eine Art von Sceinfauf: man faufte von einem Anderen für eine Summe Geldes' eine fogenannte ewige Gülte oder mit anderen Worten einen beftimmten jährlichen Erbzins, welcher fo lange entrichtet werben mußte, bis der Verkäufer jene Summe zurück⸗ gezahlt hatte. Bon einem Anlehen unterjchied fich diefer Scheinfauf blos dadurch, daß nur dem Berfäufer, d. 5. dem Schuldner das Recht zuftand, den Kauf durch Zurückzahlung der Kaufſumme rück⸗ gangig zu machen, der Verfäufer oder Gläubiger aber dieje Zurück⸗ zahlung nicht fordern durfte. In Frankfurt wandte ver Math dieje beiden Mittel, fich Geld zu verfchaffen, jo häufig an, daß während ber zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts nur wenige Jahre vorfommen, in welchen vie ftädtifchen Rechenbücher nicht beträchtliche Ausgaben für Leibgedinge und Wieberfäufe oder für eines von Beiden verzeichnet haben. Der Zinzfuß war bei Beiden fehr wechſelnd; denn er hing, wie heut’ zu Tage bei den Staatsanlehen, von der Beſchaffenheit der politiichen BVerhältuiffe ab. So konnte 3. B. die Stabt Frankfurt nach dem Unglücke der Kronenberger Schlacht Gelter auf Wieder: fauf nur zu 8 bis 10 pCt. jährlicher Zinſen erhalten, und Leib⸗ gedinge-Verträge nur zu 11 bis 1214 pCt. Renten abjchliegen, während unmittelbar vorher und nachher die Zinfen für die Erfteren meiftend blos 5 bis 6 pCt. und die Renten ber Leibgebinge bios 10 pCt. betrugen. Beide Arten, ſich Geld zu verjchaffen, waren alfo gerade dann, wenn man ihrer am meiften beburfte, am Toft- Ipieligften. Die Leibgedinge ingbefondere waren aber in jenen Zeiten noh dazu mit dem Nachtheife verbunden, baß ber Tod eine Menfchen, welcher cin Leibgebinge erkauft hatte, oft unbekaunt blich,

92 IV. Der Rath ber Dreiunbfedhözig und der Bürgerzwiſt zur Zeit beöfelben-

und daß deshalb mitunter auswärtige Familien die Rente auch noch nach dem Tode deſſen, auf deſſen Lebenszeit das Leibgebinge gemacht worden war, zu erheben fortfuhren. Diefer Tall kam fo oft vor, bag der Frankfurter Rath ftet3 demjenigen, welcher ihm die Nachricht vom Tode eined feiner augwärtigen Verficherten überbrachte, eine Belohnung ertheilte, und daß er 1408 fich veranlaßt fah, Leute nach Koblenz, Köln und Aachen zu ſchicken, blos um zu ermitteln, wer von den dortigen Leibrenten=Befikern noch am Leben fei?).

Die aus Leibgedingen und Wiederfäufen beftehende Stadtſchuld hatte noch das Nachtheilige, daß fie und ihr Zinfenbetrag bald höher, bald um fchr viel niebriger waren. Im Sahre 1376 3. B. beliefen fih die Ausgaben für fie auf 7411%, Gulden, im nächften Jahre bagegen auf 14,9231% Gulden und im Jahre 1378 wieder nur auf auf 80902, Gulden. Diefe Ausgaben erreichten übrigens gerade zur Zeit des Waltens der Dreiunbfechäziger, aus begreiflichen Gründen, eine beſonders bebeutende Höhe. Am Jahr vor der Kronenberger Schlacht (1388) betrugen fie 8570%, Gulden, im folgenden Jahre 10,709%4 Gulden, im Sahre 1390 12,875 Gulden. Ihren hoͤchſten Betrag erreichten fie im Jahre 1407, wo fich derjelbe auf 20,3481% Gulden belief.

Da es hauptſächlich die finanziellen Schwierigkeiten geweſen waren, welche eine Vermehrung der Zahl der Rathögliever erfordert hatten, jo mußte bie Befeitigung berjelben eine Hauptaufgabe des Rathes ver Dreiundfechdziger fein. Auch wurden wirklich während der Zeit dieſes Rathes finanzielle Operationen gemacht, deren Zweck eine Vermehrung der Einnahmen und eine Verminderung der Aus— gaben war 2). Diefe Operationen begannen erſt im Sommer 1399,

1) Im Juli 1357 fandte man z. B. ben Stabtfchreiber nach Oppenheim, „umb zu befehene bie lypgedinge uff ber ftab han, ob bie noch Iebetin. Im September 1897 ift folgende Ausgabe verzeichnet: „16 Sch. eim zu bobenbrobe, ber und fagete, baz einer tot waz, ber 800 gulden geldiß uff ber flat hatte.“ Im Yebruar 1408 ſchickt man Leute nach Aachen, „rechenunge zu virhoren und auch zu thun mit den, die Inpgebinge uff ber flat Hatten, unb aud zu Cobelentze und zu Collen zu irfarı, wer von todes wegin abegegangen wer. Im März 1410 beißt es: „1 gulden der von Coln boben gefchendt, ber ung fagete, bag ung ba fafte lipgedinge abegeftorbin weren.”

2) Die Rechenbücher erwähnen dftere Berathungen barüber, 3. B. December

IV. Der Rath der Dreiunbfechäzig und ber Bürgerzwift zur Zeit desſelben. 93

offenbar weil innere Zwiſte und ver hitzige Kampf der Stadt mit bem Klerus fie früher unmöglich gemacht hatten. Sie dauerten aber nachher noch über die Zeit der Dreiundſechsziger hinaus fort. Sie bejtanden in nicht? Anderem, ala in der Ablöfung der auf ber Stadt laftenden Wiederkäufe und in ver Verwendung bed auf folche Weiſe erhaltenen Geldes zu Keibgedingen ). Es war alfo das Geſchaͤft der Lebenzverficherungen für vortheilhafter erfannt worden, ala das der Wieverfaufsanlehen, obgleich die meiſten damals abge- löften Wieverfäufe mit nur 5 pCt. verzinft worden waren, und faft alle KXeibrenten, welche an die Stelle verfelben gejeßt wurben, aus

10 pCt. des eingezahlten Kapitals beftanden. Webrigend geht aus.

den ftädfifchen Rechenbüchern zwar hervor, daß man bei biefer Operation gewann; es ift aber bei der Art, wie jene geführt wurden, nicht möglich, den Betrag dieſes Gewinnes zu erfennen (ſ. Anm. 38).

In den erften ſechs Jahren der Herrichaft der Dreiundſechsziger wurde das Gemeinweſen wieder mit einer Zerrüttung bebroht. Eines Theil waren Rath und Bürgerfchaft mit ihren Geiftlichen und mit dem Erzbifchof von Mainz in den erbittertften Kampf gerathen, anderes Theils herrichte auch unter den Schöffen, dem Rathe und ber Bürgerichaft Zwietracht, und endlich machte die Streitfucht und der Ehrgeiz Jakob Klobelauch's des Jüngeren feinen Mitbürgern und dem Rathe viel zu fchaffen. Der Lebtere, ein Sohn des al? Freund Ludwig's des Baiern befannten Jakob Klobelauch, machte ebenjo wenig, als Sifried's zum Paradies Sohn, ber jüngere Sifried zum Paradies, den Andenken feines Vaters Ehre. Der jüngere Sifried war fchon mit feinem Vater in Zwiſt gewelen, und zu gleicher Zeit Hatte er einen Streit mit dem Rathe, deſſen Mit- glied er früher gemejen war und durchaus wieder fein wollte Er

1400 „über der flebe vente in zu nemen und uz zu gebin,“ Januar 1401 „über ber ſtede gefelle unb eine mynnerunge von des uzgebens wegen.‘

2) Schon bei ber erfien Erwähnung biefer Operationen (Sonmer 1899) beißt ed: fünf Rathsglieder hätten aus ber Stabtlaffe 2889 Gulden empfangen, um „da mide widderkaufe abe zu lofen, als in ber Rab baz befolen bat.’ Nachher wird die Aufgabe biefed Raths-Ausſchuſſes zu wiederholten Malen mit bem Aus: brude bezeichnet: es fei demſelben vom Rathe befohlen worden, „gulben zu lip: gedinge zu verfauffin und wibberfauff widder abe zu loſen.“

94 IV. Der Roth ber Dreiundſechszig und der Vürgerzwift zur Zeit besfelben.

war über diefe Sadye ſogar aus der Stabt getrieben worben, hatte fih aber Hagend an den König gewandt, und biejer hatte ein halbes Jahr vor des Vater? Tode zu Gunſten des Sohnes zwei Schreiben an den Rath erlaffen (j. Anm. 39). Der König Hatte eine Zurecht- weifung bes alten Sifried zum Barabied, fowie die Aufnahme des jungen Sifried in den Rath verlangt; es war aber auf fein Gebot offenbar nicht Rückfiht genommen worben. Gleich nach des Vaters Tode begehrte der Sohn nicht nur den Eintritt in den Rath, ſondern auch dad Schuligeigen- Amt. Der König unterftüßte ihn wieber nachbrüclich, und der Rath fchicte daher an den König mehrmals Geſandtſchaften, bei deren einer fich fogar neben fieben Rathöglievern noch ſechs Leute aus der Bürgerjchaft befanden (}. Anm. 40). Ueber den Ausgang diefer Verhandlungen erfahren wir nicht? Näheres; in ben Rath wurbe aber Sifried entweder gar nicht oder doch erft mehrere Jahre nachher wieder aufgenommen. Später (1396) machte er, wie wir jehen werben, zugleich mit Jakob Klobelaudy dem Rathe wieder viel zu ſchaffen. Jakob Klobelauch aber, welcher zum Unter: fchiede von jeinem gleichnamigen Stiefbruber, den Beinamen des Jüngeren batte und feit 1386 Schöff war, wurde ſchon 1381 wegen einer Beleidigung ſeines Neffen beitraft; 1388 verflagte er feinen Stiefbruder wegen bed der Familie gehörenden Knoblauchs-Hofes; 1395 endlich gericth er mit dem Rathe in einen Streit, welcher mit ben damaligen inneren Zuftänden ber Stadt zujammenbing. Diefe Zuftände waren jo beichaffen, daß der König zu wieber- holten Malen einjchreiten mußte. Zuerſt waren es wieder, wie 1359, die Schöffen, welche durch Vernachläfftgung ihres jo wichtigen Amtes ein ſolches Einfchreiten veranlaßten. Sie übten nicht blos die ihnen anvertraute Nechtspflege auf ſäumige Weife aus, ſondern fie machten fh auch wieder bed Vergehens jchuldig, eine Anzahl erlchigter Schöffenftellen unbefeßt zu laſſen. Im Beginne des Jahre 1395 waren fünf der 14 Schöffen-Stellen unbeleßt, und es konnten fowohl deshalb, ald auch weil einzelne Schöffen ohne gerechten Grund die Sitzungen verfäumten, diefe öfter nicht gehalten werben. Diez Alles findet fich in einem Schreiben an die Schöffen, welches König Wenzel am 1. Januar 1395 erließ, angegeben ). Der König

) Wie Fichard dazu koinmen konnie, zu fagen, bie Erwähnung ber Ber:

IV, Der Rath ber Dreiundſechszig und ber Vürgerzwift zur Zeit besfelten 96

gebot in dieſem Schreiben, augenbliclich die fünf erledigten Schöffen ftellen zu beſetzen und von Seiten bed Schöffengerichtes jedermann vollkommen und vajch zu feinem echte zu verhelfen. Deshalb follten die vorhandenen Schöffen, wenn auch einer oder ber andere von ihnen nicht erfcheine, fowohl die Neuwahlen fofort vornehmen, al3 auch durch weitere Wahlen denjenigen, ber ohne genügenben Grund die Sigungen verfäume, als ausgeſtoßen betrachten und einen Anderen an feine Stelle wählen. Das Schäffengeriht nahm in Folge dieſes Föniglichen Befehles alsbald fünf neue Wahlen vor, und machte fich durch dieſelben vollzählig ?).

Aus den nächſten zwei Monaten wirb und nichts weiter ge meldet, als daß der Rath jchon im December 1394, alfo vor jenem öniglichen Erlajie?), eine Geſandtſchaft an den König habe abgehen laſſen, und daß er im Februar und April einige feiner Mitglieder wegen Jakob Klobelauch’2 des Jüngeren nah Mainz geſchickt babe). Dagegen gibt ein Föniglicher Erlak vom 9. März 1395 *) eine merkwürdige Nachricht. Mach demſelben waltete nämlich in Frankfurt damals mancherlei Zwietracht, und ed waren bort Brüche (Bergehungen) vorgelommen, welche dem Reiche zur Schmach uns ber Stadt zum Verderben gereichen konnten. Dieſe Zwiſte und Brücde hatten, nach demſelben Erlafje, Statt gefunden zwilchen der Geiftlichteit, ven Schöffen, dem Rathe, ber Gemeinde, ben Zünften

fäumnifle von Gitungen ſei eine Anfpielung auf perſönliche Statt gehabte Vor⸗ fälle, die wahrfcheinli den Schöffen Jakob Klobelauch den Süngeren beträfen, tft nicht einzujehen. Um ber Verſäumniß eines einzigen Schöffen willen wirbe doch wobl der König nicht eine befondere Verfügung getroffen haben. Diele ſetzt viel: mehr eine Bernachläffigung ber Amtspflicht durch mebrere voraus, und zwar eine öfter vorgefommene.

) Fichard, ©. 814, gibt nad ben Schöffen: Protofollen bie Namen ber fünf neu erwählten Schöffen an. Sch babe feinen Grund, bie Nichtigkeit feiner Augabe zu bezweifeln, kenne aber die betreffenden Protofolle nicht.

2) Die Koften dieſer Gefandtfchaft find nämlih ſchon am 80. Januar 1895 mit bem Bemerlen eingejchrieben, biefelbe habe 39 Tage gebraucht.

°) Hieraus, wie Fichard thut, zu folgern, daß Jakob Klobelauch mit ber Wahl der fünf neuen Schöffen unzufrieben gewefen fei, und daß in Folge bavon ber Rath und die Schöffen in zwei Parteien gejpalten worben wären, beißt doch im Vermuthen gar zu weit gehen.

*#) Miütgetbeilt von Kirchner, L ©. 689.

96 IV. Der Rath der Dreiundſechszig und ber Bürgerzwift zur Zeit desſelben.

und den Einwohnern ber Stabt, und es war wider den König, das Schöftengericht und die Stadt gefrevelt, fowie bie jüngft vorgenom: mene Wahl von fünf neuen Schöffen beanftandet worden 2). Es waren aljo Zwiſtigkeiten entſtanden nicht nur zwifchen dem Klerus und dem Rath, worüber kein Zweifel obwalten Tann, ſondern auch zwilhen Schöffen, Rath, Gemeinde und Zünften, und dieſelben Bingen zum Theil mit der Erwählung der fünf füngften Schöffen zujammen. Dieſe Zwiftigleiten müflen von fehr ernfter Art gewefen jein; denn der König ſchickte um ihretwillen nicht nur feinen Rath Ehriftian von Blumenrad und feinen Hofichreiber Johann von Kirchheim mit der Vollmacht, Alles zu unterfuchen, nach Frankfurt, und gebot ven Schöffen, dem Rathe und den Bürgern, feinen beiden Bevollmächtigten Alles offen darzulegen, fondern dieſe entbanden jogar auch alle Bürger und Einwohner des Eided der Treue und bes Gehorſams, welchen biefelben 1387 den Schöffen und dem Rathe geleiftet hatten. Jedenfalls war wieder ein Zwiſt in ber Bürger: ſchaft ſelbſt ausgebrochen. Die Urjachen bezfelben erfahren wir jedoch nur in fo weit, als bie letzten Schöffenwahlen cine berjelben waren ?). Das Stadt-Rechenbuch meldet und zwar wicber unter dem 3. April, daß die beiden Rathsglieder Gipel zum Eher und Johann Kranich nebit einem Schreiber „wegen Jekil Klobelauch's und anderer heimlichen Sachen” nah Mainz gefandt worben wären, und daß man bie Föniglihen Räthe Chriftian von Blumenrad, Johann von Kirchheim, Graf von Dettingen, Hand Hedil und Konrad Beheim durch eine koſtbare Speije beehrt habe; man vermag aber aus biefen beiden Angaben feinen Schluß auf die Lage ber Dinge zu ziehen. Dagegen meldet und ein weiterer Föniglicher Erlaß vom 3. Mai dad, was von den beiden Bevollmächtigten, Chriftian von Blumenrad und Johann von Kirchheim, geihan worden war.

1) Dies Alles ift in dem Töniglichen Erlaffe angebeutet. Daß aber, wie Fichard fagt, eine dem Rathe misgünftige Partei, wahrſcheinlich Jakob Klobelauch ber Jüngere, die Mehrzahl des Rathes beim Föniglichen Hofe angefchwärzt babe, ift eine Vermuthung, welche zwar nicht winwahrfcheinfich ift, von ber man aber boch nit mit Fihard fagen kaun, fie werde durch jenen Erlaß erwiefen.

2) Es beißt im Föniglichen Erlaſſe, ber Auftrag der königlichen Commiffäre betrefie die letzte Wahl von fünf Schöffen und bie genannten anderen Dinge (d. 5. den obwaltenden Zwift und die vorgelommenen Brüche).

IV. Der Rath der Dreiumbfechözig und der Bürgerzwiſt zur Zeit desſelben. 97

Diefe hatten die ganze Bürgerjchaft vor ſich geladen, Alles, was ber Rath geihan Hatte, abgeftellt und die ihm geleifteten Eidſchwüre für ungültig erflärt: woraus fich ganz gewiß ergibt, daß Rath und Bürgerſchaft mit einander in heftigen Zwiſte gewefen waren, und daß bie Föniglichen Bevollmächtigten in Folge davon das Unterthanen- Berhältnig der Bürgerjchaft zum Rathe für aufgelöft erffärt hatten *).

Sonderbarer Weiſe widerrief König Wenzel ſchon am 3. Mat 1395 das von feinen Bevollmächtigten Gethane in fo weit, daß er die dem Rath früher geleifteten Eide der Bürgerfchaft wieder in Kraft ſetzte, und der Letzteren befahl, dem Rathe in allen Sachen gehorfam und unterthänig zu fein. Im Laufe der nädhiten zwölf Monate brach jedoch der Zwilt von neuem aus. Er ward diesmal fo arg, daß die Stabt Frankfurt von Seiten des Könige mit einer Geldſtrafe bebroht wurde, daß (wahrjcheinlih im Frühjahr 1396) drei Nathöglieber, die Schöffen Gipel zum Eber und Junge Froſch und der Rathmann Henne zu Efchenbach, welcher 1395 Bürgermeifter geweſen war, nebft dem Frankfurter Bürger "Wider vom Saale in die Reichdacht gethan wurden, und daß das Hof- gericht Habe und Gut diefer vier Männer einziehen ließ (j. Anm. 41). Der Zwiſt war ein zwiefacher, ein öffentlicher und ein privater. Eine? Theild waren nämlich Schöffen, Rath, Gemeinde und Hanb- werfer ?) mit einander in Zwiſt, und anderes Theil ftanden Jakob Klobelauch der Jüngere und Sifrieb zum Paradies ber Jüngere einander jo feindlich gegenüber, daß der Rath fich veranlaßt fand, wegen der Zwietracht beider Männer im Juni eine Geſandtſchaft an die Erzbifchöfe von Trier und Köln und im Oftober eine an den König zu ſchicken (ſ. Anm. 42). Offenbar hing diefe Privat Teindichaft mit dem in der Bürgerſchaft felbft waltenden Zwiſte zufammen; jedenfalls müfjen beive Männer jehr entſchiedene Anhänger gehabt und einen großen Einfluß ausgeübt haben, weil fich fonft bie ihretwegen Statt gefundene Beranftaltung bejonderer Geſandtſchaften nicht würde erklären laſſen. Zu allem dieſem kam noch ein er: würfnig mit der Löniglichen Regierung, in welches die Stabt wegen

1) Leider iſt das Stadt-Rechenbuch von 1895, welches bie Zeit von Mai 1895 bis Mai 1896 umfaßt, verloren gegangen; wir würben fonft vielleicht etwas Näheres über biefe Zwietracht erfahren.

*) Diesmal ift hierbei nicht, wie früber, auch von ber Geinliqhtet bie Rebe.

Krieg, Frank. Bürgerzwifle.

98 IV. Der Rath der Dreiundſechszig und der Bürgerzwift zur Zeit befelben.

einer unbelannten Angelegenheit ihrer Juden gerieth, und in Folge defjen gegen ben Rath ein Proceß beim koͤniglichen Hofgericht einge leitet wurde N).

Der König ſah fich in Folge der wieder auggebrochenen Zwie⸗ tracht genöthigt, im Herbft 1396 wieder zwei bevollimächtigte Commiſſaͤre nach Frankfurt zu jenden. Diefe Eommifläre waren ber edle Burziboy von Swynar, Hauptmann in Baiern, und der Prager Domherr Franciscus, oberſter Geheimfchreiber des Könige. Sie Hatten ben Auftrag, alle Mishelligkeiten, Zweiungen, Gebrechen und Zwiſte, welche zwilhen Schöffen, Rath, Gemeinde, Zünften, Einwohnern, Jakob Klobelauh und Sifried zum Paradies obwalteten, zu unter ſuchen und entweber in Güte oder auf dem Wege Rechtens beizu- legen. Sie kamen im September in Frankfurt an, um ihren Auftrag zu vollziehen, und ihre Anweſenheit muß in der Bürgerichaft eine bedenkliche Aufregung hervorgerufen haben, weil ver Rath während derfelben Sicherheitämaßregeln ergriff, wie fie nur bei brobenben Unruhen ergriffen zu werben pflegten (j. Anm. 43). Sie legten übrigens alle Zwiſtigkeiten auf gütliche Weife bei, indem fic Namens ihres Herren mit dem Rathe eine Richtung abjchloffen, welche der König am 17. December 1396 beftätigte (j. Ann. 44).

Diefe Richtung bat ſich weder im Orginal, noch in einer Abſchrift erhalten. Wir kennen fie nur aus dem, was bie Lönigliche Beitätigunggurfunde über fie ausfpricht, und aus einigen Erwäh— nungen in ben Stadt-Rechenbüchern. Nach viefen zweierlei Angaben aber warb durch fie keineswegs, wie Fichard meint, bloß eine Zwie⸗ tracht geordnet, welche nur aus der perjönlichen Feindfchaft einiger Mitglieder des Schöffenftuhle® und der Bank der Gemeinde herpor- gegangen war ?), ſondern fie hatte vielmehr die Beilegung von Zwi- ftigfeiten, welche in dem Gemeinwefen ſelbſt obgewaltet hatten, fowie bie Ordnung von noch anderen allgemeinen Angelegenheiten zum Zwei. Nach zwei Stellen de Stabt-NRechenbuches waren bie Juden,

2) Das Nähere hierüber gibt die Anmerf. 46.

*) Schon bie richtige Vermuthung Fichard's ſelbſt, daß bie Fünftige Er: wählung von brei Bürgermeiftern einer ber Artikel ber Richtung geweſen ſei, hätte ihn von einer foldhen Annahme abhalten follen; benn eine foldhe Berfafjungss änderung konnte doch nicht blos wegen ber perfönlichen Feindſchaft einiger Schöffen und Rathsglieder vorgenommen worden fein.

IV. Der Rath der Oreiundſechszig und der Bürgerzwift zur Zeit desſelben. 99

die vier Geächteten und andere Dinge die Gegenftänve dieſes Ver⸗ traged (j. Anm. 45), und nah dem Wortlaute ver Töntglichen Beitätigungd=-Acte wurden nicht nur die vier Geächteten aus ber Reichdacht entlaffen und in ihre früheren Würden, Rechte und Gnaden wiebereingejeßt, jondern auch bie Stabt ſelbſt mit der Zurücknahme der Strafe begnadigt, welche der König früher entweber angebroht ober vielleicht auch wirklich ausgeſprochen hatte. Außerdem enthielt bie Richtung höchftwahrfcheinlich noch einen Artikel, gemäß deſſen zur Schlichtung bed Bürgerzwiſtes feftgefebt wurde, daß fortan nicht mehr zwei, jondern brei Bürgermeifter jährlich erwählt werben follten; denn vom Herbſt 1396 an bis zum Frühjahr 1408, zu welcher Zeit dad Dreiundfechäziger- Regiment ein Ende nahm, walteten jähr- lich drei Bürgermeifter, und es läßt fich für dieſe wichtige Verfaſſungs⸗ änderung durchaus Fein anderer Anlaß und Grund auffinden !). Diefe Aenderung jelbft aber deutet ihrerſeits auch wieder auf vor- handen gewejene Zerwürfnifie im Gemeinweſen, welche einen tieferen Grund gehabt haben müffen, als die perfönliche Feindichaft einiger wenigen Männer, auf welche Fichard alle Begebenheiten jener Zeit zurüdführen will. Es war ein Streit ber brei Parteien geweſen, welche auch vierzig Jahre früher mil einander ‚um bie Herrjchaft gekämpft hatten (der Schöffen, der Gemeinde und der Zünfte), ſowie zugleich ein Streit der drei Arten von Rathsgliedern, welche bie - Regierungsbehörbe. bildeten (dev Schöffen, der vor ber neuen Orb- nung ber Dinge und der nach deren Einführung gewählten Rath- männer). Er wurde in der Richtung offenbar dahin ausgeglichen, daß einer der Bügermeijter inner aus ben Schöffen . genommen werben follte, die beiden anderen aber aus ben der Gemeinbe oder den Zünf- ten angehörenden Rath2glievern, und zwar ohne Rückſicht darauf, ob fie ſchon vor längerer Zeit oder erjt feit der Vermehrung des Rathes in diefem ſaßen. Wir finden nämlich unter ben je brei Bürgermeiftern ver Jahre 1396—1407 ftet3 einen Schöff und außer⸗ dem, ſoweit wir Stand und Gewerbe der Betreffenden erfahren, 1396 einen Zünftigen (Johann Ernſt) ) und Peter von Bommerz-

1) Die Beweiſe für das bamalige Beſtehen eine breifachen Bürgermeiſter⸗ Amtes find in meinem Bürgermeifter-Berzeichniffe gegeben. 2 Er wird im Stadt-Rechenbuche viermal mit ben Ausbrude „meiſter Sohann Ernſt“ angeführt. 7*

100 IV. Der Rath ber Dreiundfechäzig und der Bürgerzwift zur Zeit desſelben.

heim, 1397 einen Wolleneber (Diele Monthebur) und Hermann Burggrave, 1398 den Bäder Wigel Widenbuſch und Konrad Wi, 1399 Heine Herdan und oft von Alvenjtad, von welchen der Letztere wahrſcheinlich ein Zunftgenoffe war, 1400 den Metzger Ruprecht Bike und Heinrich) Wiße gejejlin zun Wißen, 1401 den Krämer Johann Erwin und Brand Klobelauch, 1402 den Krämer Hans Sidenſticker und Sohann zum Ebir, 1403 die nicht näher bezeichneten Johann von Egers⸗ heim und Bechtold Heller, 1404 den Schmidt Konrab von Geilnhuß und Heinrich Herdan, 1405 den Mebger Elefe Winther und Heinrich Wiße geſeſſin zun Wißen, 1406 den Wollenweber Diele Monthebur und Konrad Wyß, 1407 den Bäder Wigel Widenbuſch und Konrad zum Gerung. Endlich wurde in der Richtung offenbar auch feſtgeſetzt, daß die gegen den Rath und bie Judenſchaft beim Hofgericht angeftellte Klage zurückgezogen werben folle (j. Aum. 46). Die Acte, durch welche die Richtung beftätigt wurde, enthielt außerdem noch eine wiederholte Beltätigung aller Privilegien, reiheiten und Rechte der Stabt Frankfurt.

Die früher vom Könige angebrohte Strafe, welche ohne Zweifel eine Gelbftrafe gewefen war, hatte berjelbe zwar nach dem Wortlaute feiner Beftätigungs-Acte zurücdgenommen; allein die Stabt mußte deſſenungeachtet ebenfo, wie einjt nach der Unterbrüdung de Zünfte - Aufftandes, eine bebeutende Summe an den König bezahlen. Diefe von Burziboy und Franciscus für den Legteren ausbebungene Summe belief fi auf 5000 Gulden. Sie ward vom April 1397 an bi zum Sanuar 1398 in vier Raten entrichtet, und die Frankfurter Juden erjegten der Stabt durch Zahlung von 1000 Gulben ein Fünftel diefer Summe !). Die Sache der vier geächteten und nachher wieder beguadigten Männer jcheint einige Schwierigkeiten gehabt zu haben; denn der Rath jah fi noch im Januar und Juli 1394 genöthigt, ihretwegen den Rath einiger fremden Herren einzuholen (j. Anm. 47).

Im weiteren Verlaufe des Dreiundſechsziger-Negimentes trat feine Störung des inneren Friedens mehr ein, außer daß Rath und Bürgerjchaft einerjeit3 einen ſchon Tängft auggebrochenen Streit mit der Geiftlichfeit zu Ende zu führen hatten, und daß Beide anberer-

9) Alle diefe Angaben find dem Stadt-Rechenbuche entnommen.

IV. Der Rath der Dreiundfechäzig und ber Bürgerzwift zur Zeit besfelben. 101

ſeits durch den hadernden Sinn Jakob Klobelauch's des Jüngeren noch mehrmals beläftigt wurden. Was dieſen Mann betrifft, fo fönnte er wohl, von Ehrgeiz getrieben, in ben erwähnten Zerwürf— niffen die Rolle zu spielen gefucht haben, welche früher Heinrich im Saale geſpielt hatte; die und überlieferten Nachrichten find aber zu dürftig, als daß man dies ohne Weiteres annehmen dürfte Sie geben ung nicht das Ziel feiner politifchen Thätigkeit, jondern blos feinen ehrgeizigen, unrubigen und ftreitfüchtigen Sinn zu erfennen. Diefer tritt auch in allem bem hervor, was ung über fein ſpäteres Leben gemeldet wird. Er wird am 1. Juli 1395 noch unter ben 14 Schöffen mit aufgeführt, am 4. Auguft dieſes Jahres aber nicht mehr ?), hatte fih alſo offenbar im Juli 1395 veranlagt oder genöthigt gefehen, damals jeine Schöffenftelle aufzugeben. Außer: dem war, wie wir willen, fein Zwilt mit Sifried zum Paradies im Sommer 1396 für die Stabt fo bedrohlich geworben, daß der Rath deshalb Sefandte an die Erzbifchdfe von Trier und Köln und fogar an den König geſchickt hatte. Als gleich darauf Burziboy und Franciscus die mehrerwähnte Richtung in Frankfurt gemacht hatten, brachten fie auch durch förmlichen Vertrag eine Ausföhnung zwiſchen Jakob Klobelauh und der Stadt zu Stande (f. Arm. 48). Klobelauch brach bald nachher diefen Vertrag, und erlaubte ſich jogar, das fehr wichtige Privileg der Stadt zu verlegen, daß gegen diefe und ihre Bürger niemald ein auswärtiges Gericht angerufen werden dürfe. Er fuchte ſich nämlich vermiftelft außwärtiger Nichter- fprüche in ven Beſitz zweier, den Frankfurter Bürgern Henne Froſch und SHeinrih Schwarz gehörender Güter zu fegen, weil Beide ihm Geld ſchuldig waren ?). Er wurde dafür auf Befehl des Rathes verhaftet, bis diefer ihn, mit Erlaubniß der Gemeinde und der

1) Das Verzeichniß derer, welche an diefen beiden Tagen Schöffen waren, findet id in Würdtwein Subsid. diplom. II. p. 405 sq. u. 412 sq.

2) Dies findet fi in einer fpäteren Verſchreibung Klobelauch's angegeben. Auch Tann man es aus bem, was in Anmerk. 48 aus feiner Berfchreibung ange: führt ift, erfehen, fowie aus einer anderen Stelle derfelben, in welcher er verfprach, ben Rath unb bie Stadt nie mehr mit Hofgerichte, Landgerichte oder anderen Gerichte zu laden, zu bannen, zu echten, noch ander? zu Proben (beleidigen), fonbern vor dem Frankfurter Neichögericht Recht zu geben und zu nehmen nach ben Freiheiten, welche bie Stadt vom Meiche habe.

102 IV. Der Rath ber Dreiunbfedhäzig und ber Bürgerzwifl zur Zeit besfelbe.

Zünfte, 1397 wieder freilieg. Doch mußte Kiobelauch bei feiner Entlafjung aus der Haft nicht nur Urfehde jchwören (d. b. den Eid leiften, daß er fich wegen feiner Gefangenhaltung nicht rächen wolle), fondern er mußte auch durch eibliches Veriprechen jeder Yeind- Ichaft gegen die Stadt entfagen, und überdies feinen Bruder Konrad und drei andere Anverwandte ald Bürgen ftelen. Seine bamalige Urfehde-Berfchreibung ward am 9. Juni 1397 außgeftellt.

Vierthalb Jahre fpäter war ber Rath fchon wieber genöthigt, dieſes Mannes wegen eine Geſandtſchaft an ven König abgehen zu laſſen (j. Anm. 49). Anlaß dazu gab eine Klage, welche Jakob Klobelauch, trotz feiner Verſchreibung, in Gemeinfchaft mit feinem Bruder Konrad am Mainzer geiftlichen Gerichte gegen den Rath angeftellt hatte. Sie betraf ein ihm gehörende Haus, unb war gleichzeitig mit der Klage eines feiner Gläubiger wegen desſelben Haufes (|. Anm. 50). Den Ausgang dieſes Necht2ftreites Tennen wir nit. Dagegen zeigt eine neue von Jakob Klobelaudy ausge ftellte Urfehde-Verichreibung, welche vom 28. April 1402 datirt ift, daß er damals wieder die Gnade des Rathes angefleht und erhalten hatte. Diesmal mußten aber feine rau und jeing Kinder die Ver⸗ ſchreibung mit außftellen. Auch fcheint die ihm gewährte Gnade nicht bis zu feiner Freilafjung ausgedehnt worden zu fein, ſondern vielmehr fih darauf beichränft zu haben, daß man ihn zwar aus ber ftäbtifchen Haft entließ, dagegen aber feiner Familie die Ber- pflihtung auferlegte, ihn in einem Privatgefängnifie feftzuhalten. Diefe ließ für ihn ein Gefängnig im Saalhofe einrichten, und als er 1418 (offenbar in demſelben) geftorben war, verkaufte fein gleich- namiger Sohn dieſes Gefängnig an die Stabt !).

Aus der Zeit der Dreiundſechsziger ift nur noch das Eine als intereffant zu bemerken, daß man 1398 ein ftäbtifches Privilegien- Buch abfaflen ließ. In dieſem Buche, für welches eine beſondere bejchlagene Lade angefertigt wurde, waren bie Stabt- Privilegien auf

’) Seine Gefangenhaltung befland nicht, wie Fichard (in feinem banb- ſchriftlichen Werke über die Frankfurter Gefchlechter) meint, barin, daß man ihn in dad Hojpital zum heiligen Geiſt that, fondern die Familie ließ ihm im Gaal- bofe eines jener Privatgefängnifie erbauen, beven es bamals in Frankfurt mehrere gab, und welche von mir in eimer befonderen Abhandlung biefeß Buche aus⸗ führlich befchrieben merben.

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IV. Der Rath der Dreiundfechözig und ber Bürgerzwift zur Zeit desſelben. 103

Pergament zufammengefchrieben. Die Abſchrift hatte man in Mainz verfertigen laſſen, und dort wurbe biefelbe (durch die geiftliche Behörde) auch beglaubigt (ſ. Anm. 51). Xeider ift dieſes Buch, wie jo manche andere Urkunde, nicht auf unfere Zeit gekommen.

Am Schluſſe des Amtsjahres 1407/08, d. h. Mitte Mai 1408, traten zwanzig Rathsglieder aus dem Rathe aus, dieſer beftanb fortan wieder aus nur 43 Mitgliedern, und auch bie frühere Zahl der Bürgermeifter warb wiederhergeſtellt. Dies gejchah nicht in Folge einer Zwietracht oder auch einer in der Bürgerjchaft entitan- denen Bewegung, jondern durch einen offenbar einmüthigen Beſchluß des Rathes und mit der ſtillſchweigenden Zujtimmung der Bürger. Es ging wohl aus der Weberzeugung hervor, daß bie zur Zeit ber Noth und um dieſer willen gemachte Vermehrung der Rathsglieder nicht länger erforderlich fei, und daß der nach einem dreijährigen Turnus vorgenommene jährliche Wechſel derer, welche die jtäbtilchen Geſchäfte zu beforgen hatten, für die Führung dieſer Gejchäfte nicht erſprieslich ſe. Im Frühjahr 1408 fchickte der Rath eine Botſchaft an den König, und Tieß ihn erjuchen, zu geftatten, daß ber Math wieder auf feine frühere Mitgliederzahl herabgeſetzt werde, wobei ſich bann bie Wieberherjtellung der Zweizahl ver Bürgermeifter und bie Abſchaffung eines jährlichen Wechſels der Rathsglieder von felbft veritand (f. Anm. 52). Durch ein am 9. Mai 1408 ausgeſtelltes Privileg gewährte König Ruprecht die ihm vorgetragene Bitte. Nach dem Wortlaute dieſes Privilegs fjollten vom Datum desfelben an jederzeit 43 ehrbare Perjonen und nicht mehr den Rath zu Frankfurt und die Stabt, Bürger und Einwohner verforgen und denſelben in alfen Dingen vorftehen, wie es von Alter ber gewejen und bem Nechte gemäß fei; und diefe 43 Perfonen jollten jederzeit nach der Stadt Gewohnheit und Herkommen in den Rath geforen werben ?).

2) Privilegienbuch, S. 255. Die Koften dieſes Privilegs gibt folgende Stelle bes Nechenbuches (Sabb. poſt. Urbani 1408) an: „BO gulden unfer& herren des kuniges fehribern und 4 groß den kammerknechten vur das fiegel waß umb bes Richs brieff, als unfer herre ber kunig bie gnabe bet, das bie bry Rede abefin fulden und ber Rab wider bliben an ben bry und virkig perſonen.“

104 V. Der Kampf mit bem Klerus um den Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts.

V.

Der Kampf mit dem Klerus um den Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts.

Die Stadt Frankfurt hatte im Mittelalter, gleich den anderen deutſchen Städten, häufige Streitigkeiten mit der Kirche. Bald war man mit dem Haupte der ſtädtiſchen Geiſtlichkeit, dem Erzbiſchof von Mainz, in Zwietracht; bald erregte eines der drei geiſtlichen Stifte, welche in Frankfurt beſtanden, einen Hader; bald gerieth man mit einem der dortigen Kloͤſter in Streit; bald endlich hatte man die geſammte Geiſtlichkeit oder, wie die mittelalterliche Bezeichnung lautet, die Pfaffheit der Stadt zu bekämpfen. Bannſprüche gegen einzelne Bürger erlaſſen und vorübergehende Einſtellungen des Gottesdienſtes waren jo häufig, daß aus der Stadtkaſſe ſehr oft Zahlungen für die Zurüdnahme der Erfteren und für das Ablaufen ſolcher Ein- ftellungen oder, wie man bieje nannte, des Ungeſungenſeins gemacht werden mußten (j. Anm. 53). Zweimal aber gerieth die Stabi Frankfurt in einen fo heftigen und fo lange bauernden Streit mit dem Klerus, daß fie beide Male mit einer Auflöfung ihrer Kirchlichen Verhältniffe bedroht war. Dies fand das erfte Mal unter Kaifer Zubwig dem Baiern Statt, als derſelbe im Banne war und bie Bürgerfchaft nebſt einem Theile der Getftlichkeit für ihn Partei nahm. Der zweite Hauptlampf, welchen Frankfurt mit der Kirche zu führen hatte, brach gegen bad Ende des vierzehnten Jahrhundert? aus. Er währte mehr als anderthalb Jahrzehnte, und warb mit jolcher Erbitterung geführt, dag der Erzbifchof von Mainz ſogar zum aͤußerſten Mittel griff, indem er fowohl gegen ben Rath, ald auch gegen die weltlichen Richter ver Stabt den Bannfluch ſchleuderte.

V. Der Kampf mit bem Klerus um ben Beginn bes fünfzehnten Jahrhunderts. 105

Die Gefchichte dieſes zweiten Hauptfampfes iſt aber beſonders auch um beswillen intereffant, weil berjelbe einerſeits mit einer gleichen allgemeinen Bewegung in anderen beutfchen Städten zufammenfällt, und andererjettö nicht, wie der Kampf zu Ludwig's des Baiern Zeit, vor außen ber angeregt wurde, fonbern unmittelbar aus den Intereſſen und Bebürfniffen der Bürgerjchaft felbft hervorging.

Während des vierzehnten Jahrhunderts entfpannen fich in vielen beutjchen Städten die heftigſten Zwifte mit ber Kirche. Die beiden Haupturjachen derfelben waren: das drückende Mizverhältnig, in welchem die Geiftlichfeit wegen ihrer großen Einkünfte zu ber mate⸗ riellen Wohlfahrt der Laien ftand, und die Abgabenfreiheit, welche der Klerus als ein Vorrecht in Anſpruch nahm und auch wirklich befaß. Die Geiftlichen hatten durch die fogenannten Seelgerette ') und andere Schenfungen, mit welchen ber fromme Sinn der Bürger fie reichlich bedachte, einen großen Theil des Grundbeſitzes und bes baaren Geldes der Städte erworben ?). Daburch war nicht allein vieled Geld als ber todten Hand angehörend dem Geſchäftsverkehr entzogen worben, fonbern ber übergroße Reichthum des Klerus brachte auch noch von einer anderen Seite ber das Gemeinmefen in Gefahr. Die Getftlichleit machte nämlich ihr baares Vermögen theils durch Erkaufung und Verpachtung von Grundſtücken Zinfenstragend, theils Tegte fie e8 als fogenannte ewige Gülten auf Häufer und Feldgüter an. In Folge davon war in Frankfurt nach der Mitte de3 vierzehnten Jahrhunderts ein großer Theil der Häufer in ben Beſitz der Geiftlichen gekommen, oder doch ihnen zinspflichtig gemacht worden. Sa, fogar ſchon 1318 müflen dort auffallend viele Grund- ſtücke im Beftbe des Klerus geweſen fein, weil der damals ernenerte Stabifrieven das Gebot enthält, e8 dürfe fein in Frankfurt wohnender Orden fernerhin zu den Grundftücen, welche er bereits beſitze, noch andere zu eigen erhalten, und alle Orden müßten diejenigen, welche

!) Seelgerette oder Seelgerebe (auch Seelgeräthe) waren Schenfungen an bie Kirche, welche im der Abficht gemacht wurden, durch das ber Kirche gebrachte Opfer von zeitlihem Gute und durch Gebete ber Geiftlichen für bie Seele des Schenkenden biefe zu retten.

9) Kirchner (I. ©. 287) fagt, um 1877 habe bie Frankfurter Geiſtlichkeit bereitß ein Drittel aller liegenden Gründe befeffen; ich weiß jedoch nicht, worauf biefe Annahme beruht, unb ob fie richtig iſt.

106 V. Der Kampf mit bem Klerus um ben Beginn bes fünfzehnten Jahrhunderts.

ihnen geſchenkt würden, binnen SJahresfrift verkaufen !). Weil ferner fo viele Häufer Eigenthum ver Kirche und ihre Inhaber blos Erb pächter waren, jo wollten weder dieſe, noch die Kigenthümer viel Geld auf deren Vnterhaltung verwenden. Es gab daher im vier: zehnten und fünfzehnten Jahrhundert zu Frankfurt jo viele baufällige oder gar in Trümmer zerfallene Häufer, dag baburch nicht blos das Ausfehen der Stadt verfchlechtert, fondern auch der Verkehr und Wohlſtand derſelben beeinträchtigt wurden. Dies erfahren wir aus bem Munde zweier Kaifer und eines Pabſtes. Im Jahre 1376 ließ nämlich Kaifer Karl IV. folgendes Gebot ergehen: da bie vielen der Kirche gemachten Schenkungen ber Stadt Frankfurt großen Schaden und Verderb brächten, jo müßten bie dortigen Geiftlichen alle Grundſtücke und Gülten, bie ihnen als Seelgerette gegeben worben feien oder Fünftig würden gegeben werben, binnen Jahres⸗ frift an weltliche Einwohner veräußern, wibrigenfalld der Rath das Recht erhalte, diefelben ohne Weiteres verkaufen zu dürfen. Dieſes auf das Vorhandenfein vieler baufälligen Häufer und öden Stätten geftühte Gebot wurde 1470 durch Kaifer Friebrih IH. in fo fern erneut, als ohne Bezugnahme auf die Geiftlichkeit allen denen, welche ſolche Häufer und Stätten bejäßen oder Gülten auf ihnen ruhen hätten, befohlen wurde, biejelben wiederherguftellen und zu bebauen, widrigenfalls folche Grundſtücke dem Rathe und der Stadt ala Eigen- thum zufallen folten. Mehrere Jahre fpäter (1477) beftätigte Papſt Sixtus IV. durch eine Bulle, in welcher das babei zu Grunde liegende Factum ebenfall3 anerkannt wird, dieſes Gebot. Der Frank: furter Rath ſelbſt endlich ſprach in einer 1439 erlaflenen Berorb- nung aus, es gebe in ber Stabi viele wüfte Stätten, auf denen früher Häufer geitanden hätten, welche aber aus bem Grunde leer und oͤde geworben feien, weil auf jenen Häufern zu viele Zinjen und Gülten lafteten ?).

1) Böhmer, p. 444. Schon bamals hatten bie vielen auf Grundſtücken rübenben Erbzinfen ber Geiftlichen bie Bürgerfchaft fo ſehr erbittert, daß 1815 das Bartholomäus-GStift einen foldhen Zins blos aus diefem Grunde (cum multe insultaciones per inpignoraciones nobis et nostre Ecclesie orirentur) an einen Laien verkaufte (f. Fich ard's Archiv, III. ©. 168 fig. 187).

2) Die betreffenden Stellen finb: Privilegienbuch, S. 192, 828 u. 829, Archiv für Frankfurts Befchichte und Kunſt, VIL ©. 155.

V. Der Kampf mit dem Klerus um ben Beginn bes fünfgehnten Jahrhunderts. 107

Das andere Hauptübel, durch welches die Geiftlichfeit dem Gemeinweſen Schaden brachte, ihre Abgabenfreiheit, wirkte auf die übrigen Einwohnerklaſſen um fo nachtheiliger ein, da ja gerabe bie Geiftlihen einen großen Theil de Grundeigenthums und ber aus demſelben fließenden Gefälle beſaßen; benn die nothwendige Folge davon war, daß bie ftäbtiiche Behörde ihre Bürger mit unverhältniß- mäßig ſchweren Steuern belaften mußte. Jenes Uebel warb aber im Laufe des vierzehnten Jahrhunderts immer brückender, weil gerade damals fowohl wegen ber ewigen Kriege und Fehden, ala auch wegen ber fortfchreitenden Entwicklung des äußeren Lebens bie ftäbtifchen Ausgaben ftet3 vermehrt werden mußten. Außerdem beeinträchtigten die Geiftlichen durch ihre Abgabenfreiheit auch den Erwerb ihrer Mitbürger; denn fie konnten die auf ihren Gütern gezogenen over ala Zehnten erhobenen Früchte und Weine billiger verkaufen, als diefe. Ya, ſie verzapften ihre Weine jogar im Kleinen, ohne, wie die bürgerlichen Wirthe, die gejeßliche Abgabe des Ungelves (d. i. der Acciſe) davon entrichtet zu haben. In den Klöftern, ja jogar in ben Häufern ber geiftlichen Stifte!) wurbe ein förmlicher Wein⸗ zapf gehalten. Am meiſten und Iängften gefehah bie in dem Kar: meliter- und dem Dominifaner-Klofter; in Beiden fand es jogar noch bis zu ihrer Säcularifatton im Jahre 1803 Statt. .

Alle diefe Meisverhältniffe machen es begreiflih, dag im vier zehnten Jahrhundert die Bürger der Städte und ihre Behörben ſich gegen die Geiftlichen erhoben, und dieſelben gleich den übrigen Ein- wohnern zu befteuern, ſowie an ber Erweiterung ihrer Befigthliner zu hindern fuchten. Dies geſchah damals faft in allen ſüddeutſchen Städten, am nachbrüdlichiten in Wormd, wo man 1386 fogar bie gejammmte .Geiftlichfeit aus der Stadt jagte und, als ſie von einem benachbarten Orte aus das Tönigliche Hofgericht angerufen halte, gewaltfam in die Stabt zurücichleppte und eine Zeitlang eingelerfert hielt. Die Geiſtlichen wurden zu jener Zeit in den Städten bes fübweftlichen Deutſchland fo ſehr gehaßt und mit folcher Erbitterung angegriffen, daß Leräner mit vollem Rechte fagt, fie feien damals am Ober: und Mittel-NRhein weit mehr verfolgt worden, al bie Juden.

1) Im Sabre 1898 ließ ber Rath einen Kanonikus verhaften, meil biefer, troß des kurz vorher erlafienen Verbotes, in feinem Haus Wein ausſchenkte.

108 V. Der Kampf mit bem Klerus um ben Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts.

In Frankfurt hatte der Rath fchon 1378 den Grundbeſitz und die Erbzinfen des Bartholomäud: Stiftes zu befteuern angefangen, und die Abgaben von Beiden mit Gewalt eintreiben laſſen. Das Stift hatte fi) damals an den Papft um Hülfe gewendet, unb ber Rath fcheint in Folge der von Letzterem ergriffenen Maßregel (der Androhung Firchlicher Strafen) von feinem Beginnen wieder abge- ftanden zu haben). Um da3 Jahr 1390 entipann fich bagegen auch in Frankfurt ein langer und hartnädiger Kampf mit ber Geift- fichfeit.. Diefer warb durch einige vorausgegangene Vorfälle von minderer Bebeutung eingeleitet. Im Jahre 1386 ließ der Rath einen Verbrecher, der fi in den Bezirk der Pfarrfircdhe geflüchtet hatte, ohne Rüdficht auf das Kirchliche Aſyl-Recht, aufgreifen und dann, vermöge des über ihn auögefprochenen Strafurtheiles, in ben Main werfen. Ein Theil de Rathes wurbe deshalb nebft dem Stadt-Schultheien vor das geiftliche Gericht in Mainz geladen; es ift jedoch nicht befannt, was hierauf weiter geſchah (|. Anm. 54). Im folgenden Fahre fand etwas Aehnliches Statt. Dean nahm wieder einen Mann auf Tirchlichem Grund und Boben gefangen. Diesmal 309 die Stadt den Kürzern. Der Erzbifchof und fein geiftliches Gericht nahmen fich des verlegten Afyl-Nechtes mit folchem Nachdrucke an, daß der Rath nicht nur den Gefangenen, und zwar neu gekleidet, ver Kirche außliefern, fondern auch dem erzbiichöflichen Bevollmächtigten feine Koften bezahlen mußte (ſ. Anm. 55).

Ein Vorfall von bebeutender Art ereignete fi im Jahr 1388. Der damald waltende Stäbtefrieg, an welchem aud Frankfurt Theil nahm, machte neue Anftalten zur Bertheidigung der Stabt nöthig. Zu dieſen gehörte auch ein feiter Thurm am Main, welcher da, wo bie Stadtmauer vor ber Leonharb3- Kirche Hinzog, neben der bortigen Pforte erbaut werben follte. Seine Erbauung war jedoch nicht anders möglich, als daß man ihn zum Theil auf den jener Kirche gehörenden Grund und Boden ſetzte. Der Rath, welcher zum allge- meinen Beften auf diejeg Eigenthumsverhältniß Feine Rückſicht nahm, ließ troß ber Proteftation des Leonhards⸗Stiftes den Thurm erbauen, und in drei Jahren war berfelbe vollendet. Diefer Thurm gehörte übrigens zu ben ftärfften und höchften ber ftädtifchen Ringmauer, und

ı) Böhmer, p. 756.

V. Der Kampf mit dem Merus um den Beginn bes fünfgehnten Jahrhunderts. 109

war fpäter bejonderd aus dem Grunde merkwürdig, weil vom fünf: zehnten Jahrhundert an bis in das fichenzehnte hinein in ihm fich bie wichtigften Urkunden des Stadt-Archivs befanden. Er bat fi bis 1808 erhalten, wo er nebft jo manchen anderen Thürmen abgeriffen wurde 2). Gegen jeine Erbauung hatte der Erzbifhof von Mainz vergebens proteftirt; und wahrfcheinlich hängt der Umſtand, daß man im Sommer 1389 Geld zahlte, um das Firchliche Hauptfeit der Stadt Frankfurt, Maria Magdalena, feiern zu dürfen, mit einem in Folge davon ausgeſprochenen Interdicte zuſammen. Diefer Zwift mit dem Klerud war noch lange nicht beigelegt, ala ſchon wieder ein anderer entftand. Ein Pfaffe war um den Beginn des Jahres 1390, man weiß nicht, aus welchem Grunde oder Anlaffe, am Rieder Hofe erjchoffen worden. Dies führte entweder ein neues, ober ein verjchärftes Interdict herbei, und man mußte Gelbjendungen nach Mainz machen, um zuerjt auf fünftehalb Monate und dann noch einmal die Wieber- heritellung des Gottesdienſtes zu erlangen (j. Anm. 56). Mittlerweile war eine Angelegenheit, welche ein für den Klerus und die Stadt gleich wichtiges Princip berührte und deshalb ganz andere Folgen hatte, ald alle jene Vorfälle, der Hauptgegenjtand des Streite® geworden. Der Rath hatte nämlich ſchon 1389, wahr: fcheinlih in Folge der Finanz-Noth, in welche die Kronenberger Schlacht Frankfurt verfebt hatte, wieder angefangen, von den Gelft- lichen die Beede einzuforbern, jowie Ungeld, Mahlgeld und Salzgeld zu erheben und ihrem Weinverkaufe gewiſſe Schranfen zu feßen. Das Bartholomäus: Stift hatte dagegen proteftirt, und König Wenzel, welcher um Hülfe angegangen worben war, hatte fchon im Juni 1390 dem Rathe verboten, die Frankfurter Geiftlichkeit zu befteuern 2); allein der Rath hatte fich dadurch nicht irre machen laſſen. Er ftüßte ſich dabei auf ein poſitives Recht, und fuhr auch fernerhin fort, diejes geltend zu machen. Kaifer Ludwig hatte ihm nämlich, ohne irgend eine Bedingung oder Zeitbeichräntung, das Recht gewährt, das Mahlgeld nach eigenem Ermeſſen zu erhöhen und von jedermann, namentlich auch von ben Geiftlichen zu erheben, obgleich derſelbe

1) &. Battonn's Beichreibung ber Stadt granffurt, I. ©. 54 fig. und Feyerlein's Nachträge, I. ©. 194. 2) Würdtwein, Dioeces. Mogunt. I. p. 134 a9.

110 V. Der Kampf mit bem Klerus um den Beginn bes fünfzehnten Jahrhunderts.

Kaiſer 1318 den Klerus von der Verpflichtung, Mahlgeld zu ent- richten, befreit hatte. Außerdem hatte Kaifer Ludwig 1333 dem Rathe erlaubt, dad Ungeld, das Meahlgeld und andere Steuern um ſoviel, als es zur damals geftatteten Erweiterung der Stabt nöthig jet, zu erhöhen und auch bie Geiftlichkeit zur Entrichtung biejer Abgaben herbeizuziehen ; und dieſes Recht follte erjt dann aufhören, wenn bie Stabterweiterung vollendet wäre. Der Rath war aljo in feinem Rechte; denn bie zum Begriff der Stabtermeiterung gehörenden neuen Befeftigungöwerfe waren allerdings noch nicht vollendet. Andererſeits war freilich zmetfelhaft, ob jene vom Kaiſer verlichene Recht ſich auch auf diejenigen Einkünfte bezog, welche der Kirche zu frommen und milbihätigen Zwecken gejchentt worben waren; jeben- falls hatte der Klerus nicht Unrecht, wenn er fich weigerte, von jolchen Einkünften Abgaben zu entrichten‘). Daß er zugleich aber widerrechtlicher Weiſe überhaupt die Beede, das Ungelb und das Mahl- geld richt entrichten wollte, zeigt dev Inhalt der beiden Befehle, welche König Wenzel 1390 und 1394 zu Gunften der Frankfurter Geift- lichkeit erließ. In Hinficht hierauf war, trog ber königlichen Befehle, ber Frankfurter Rath, der ſich dabei auf ein 50 Jahre älteres Privi- legium jtügen konnte, in feinem vollen Rechte. Freilich waren bie vielen Privilegien: Ertheilungen, welche in jenen Zeiten vorfamen, auch in dieſem Streite für beibe Theile ein Unglüc, weil fie zum Theil einander widerſtritten und das wirkliche Recht unklar machten. Hatte ja doch z. B. derſelbe Kaifer Ludwig, welcher die Geiftlichkeit bis zur Vollendung der Frankfurter Stabterweiterung dem Trank: furter Rathe fteuerpflichtig gemacht hatte, fchon fieben Jahre Tpäter (1340) das dortige Liebfrauftift von allen weltlichen Abgaben befreit?)

1) S. Fichard, Ardiv, I. S. 880. Daß übrigen? der Rath auch folche Stiftungen wirklich befteuerte, fpricht der Erzbifchof in einem Schreiben vom 11. December 13894 (Würdtwein, Subsid. diplom. II. p. 400) aus, indem er fagt: Magistri civium, scabini, consules majores et pociores necnon eom- munitas in .oppido Francofurt ..... . de legatis ad pios usus, videlicet ad exequias et anniversaria defunctorum peragendas, ad luminaria ecclesiarum ibidem, necnon ad elemosinas pauperibus erogandas certam portionem seu quotam, contra canonicas et legitimas sanctiones, quolibet anno a pensio- nariis et censitis ecclesiarum et clericorum detineri et sibi presentari precipiunt. . |

2) Böhmer, p. 568.

V. Der Kampf mit dem Klerus um den Beginn des fünfzehnien Jahrhunderts, 111

Der Rath blieb feſt auf ſeinem Rechte beſtehen, und verthei⸗ digte es mit der größten Hartnäckigkeit in dem langjährigen Kampf, ver fich darüber entipann. Weit gleicher Hartnädigleit aber wehrte fih die Frankfurter Geiftlichleit und ihr Oberhaupt, der Erzbilchof von Mainz, gegen die Anerkennung dieſes Rechtes, bis endlich der Erzbiſchof and Eigennug feine Geiftlichen im Stiche ließ, und fo den Rathe von Frankfurt den Sieg verichaffte.

Ein anderer Gegenftand des Streites, welcher alsbald in ben: jelben hineingezogen wurde, war ein der Stadt gewährte Privi⸗ legium, da3 einem zu Gunſten de Bartholomäug:Stiftes erlaffenen widerſtritt. Dieſes Stift befaß feit der Karolingifchen Zeit daS ver- briefte Recht, von Allem, was auf Frankfurter Boden Tönigliches Gut war,. ven Zehnten zu erheben, oder vielmehr ed hatte biejen Zehnten als etwas fich von felbft Verſtehendes vom erjten Anfange an bejeflen, und dur Karl den Dielen noch bazu bie Nona von allem jenem Gute erhalten!). Nun batte aber Kaiſer Karl IV. 1376 der Stadt Frankfurt, zum Behufe der Unterhaltung der Main- Brüde, den Sachlenhäufer Berg, welcher koͤnigliches Gut war, gefchentt, und nicht nur das Verfaufen ober VBerpachten desſelben geftattet, jondern auch bald nachher durch ein zweited Privilegium diefen Berg in dem Umfange für zehntfrei erflärt, daß weder bie Stabt, noch derjenige, dem fie Stücke des Berges verlaufen werde, Zehnten, Renten oder fonftige Abgaben davon zu entrichten hätte). Der Rath ſcheint den ihm gefchenkten Berg, welcher damals noch mit Gebüſchen und einzeln ſtehenden Walpbäumen bedeckt war, eine Zeit⸗ lang nicht anders als zum Holzfällen und Wellenmachen benubt zu haben. Im Jahre 1389 faßte er aber den Beſchluß, den Berg auszuroden und zum Behufe der Anlage von Weingärten ſtückweiſe zu verpachten ober zu verkaufen (ſ. Anm. 57). Er beauftragte damals einen Ausſchuß, den Berg ausroden zu laſſen und dann in einzelnen Parcellen zur Bepflanzung mit Neben zu verlaufen ober zu verpachten. Dies gefchah, und jo entſtanden im Kaufe der nächiten _ Sahrzehnte die noch jebt vorhandenen Weingärten des Sachjenhäufer Berges, welcher damals wegen biefer neuen Unlagen ber neue Berg

1) S. Fichard's Wetterarla, ©. 27 fi. 2) Privilegienbuch, ©. 193 und 194,

112 V. Der Kampf mit dem Klerus um ben Beginn bes fünfzehnten Jahrhunderts.

genannt wurde (j. Anm. 58). Gleih anfang war aber ba2 Bartholomäug-Stift mit der Forberung aufgetreten, daß die Inhaber der neuen Weingärten ihm den Zehnten zu entrichten Hätten; und diefen Anfpruch hielt es im weiteren Verlaufe des Streites aufrecht. Die Geiftlichfeit wandte fi gleih anfangs an ihren Erz bifchof und an das geiftliche Gericht zu Mainz. Der Rath unter handelte deshalb während mehrerer Jahre mit dem Erfteren, und fetftete auch den Vorladungen des Lebteren Folge; denn er Tonnte weder des Erzbiſchofs Recht, die Frankfurter Geiftlichleit zu vertreten, beftreiten, noch auch das früher erlangte Recht, dag Frankfurt und feine Bürger vor fein fremdes Gericht geladen werben dürften, geltend machen. Dieſes Necht war der Stabt blos in Betreff welt licher Streitfragen gewährt worden, und bie Forderungen des Klerus betrafen, in jo weit ſie fih auf die frommen Stiftungen und Ber: mächtniffe bezogen, auch geiftliche Dinge (j. Anm. 59). Sendungen nad) Mainz, um mit dem Erzbifchof wegen der Forderungen und Behauptungen der Geiftlichleit zu unterbandeln, wurben in ben nächtten Fahren oͤfters gemacht; auf die Vorladungen und Sprüche der geiftlichen Gerichte aber nahm man einen Procurator an und Tieß fich durch ihn vertbeibigen. Dies geichah 3. B. 1392, als bie Mainzer Johanniter den Rath wegen der Beede verflagten, welche diefer von ihren auf Frankfurter Grundſtücken ruhenden Gülten eintrieb. Die Interdicte und Bannſprüche, welche zu wieberholten Malen erfolgten, laufte man durch Gelb ab, wie z. B., als em Geiftlicher einen ftäbtifchen Zöllner wegen feines amtlichen Verfahrens gebannt hatte (ſ. Anm. 60). Dagegen ging aber der Nath zugleich in Betreff der Forderungen an den Klerus, die er für berechtigt hielt, fefteg Schritte auf der beiretenen Bahn weiter. Er ließ 1393 einen Kanonifus des Bartholomäus-Stiftes jogar in das Gefängnig werfen, weil derſelbe trotz des Verbote? Wein in feinem Haufe verzapfte. | Eine betrübende Seite dieſes Streite® zwilchen ber Stabt Frankfurt und ihrer Getftlichlett ift das Verhalten des Königs Wenzel zu bemjelben. Beide ftreitende Theile wandten fich zu wieder⸗ holten Malen an das Oberhaupt der Nation; biefes griff jedoch nicht entjcheidend ein, um baburch dem Streite ein Ende zu machen. Mebrigend war es nicht etwa blos der Erzbifchof von Mainz, welcher

V. Dex Kanıpf mit dem Klerus um den Beginn bes fünigehnien Jahrhunderte: 113

die Hülfe des Könige für den Frankfurter Klerns in Anſpruch nahm, fondern auch die drei Frankfurter Goflegtat- Stifte ſchickten einmal (im Beginn des Jahres 1394) von ſich aus und auf eigene Koften einen Unterhaͤndler nach Prag. Wir befigen noch ven ſchrift⸗ ficken Bericht des Letzteren über feine Sendung !), und es geht aus demſelben hervor, daß man damals in Prag bie Entfcheldung hinaus⸗ zufchieben fuchte, weil, wie ber Berichterftatter fich ausdrüͤckt, die önigliche Regierung babet eine Summe Geldes zu gewinnen fuche. Dieſes gehäifige Streben, fich auf Koften bes Meiches Geld zu machen, bildete nämlich ebenſo unter König Wenzel, wie früher unter deſſen Vater Karl IV., einen Charakterzug des Meichs- Regimentes, Dies hatte für den Frankfurter Kirchenftreit die Folge, daß ber Tönigliche Hof ſich bald auf die eine, bald auf die andere Selte neigte. Des halb fuchten auch beide Parteien zwar eines Theils immer wieber das Oberhaupt der Nation für ſich zu gewinnen, anders Theils Heß fich aber jede von Beiden, wenn deſſen Entfchelvung ihr ungünftig war, dadurch nicht irre machen, weil Beide recht wohl wußten, daß ven föniglichen Geboten weder die Rückſicht auf Recht und Gerech⸗ tigfeit zu Grunde lag, noch auch im Fall des Ungehorſames Nachdruck werde gegeben werbent.

Chenfo wenig, wie der beutiche König, übte das geiftliche Dberhaupt des Abendlandes, der Pabft, einen entſcheidenden Einfluß auf den Streit aus, welcher in Frankfurt zwilchen Kirche und Staat geführt wurde. Doch lag hiervon der Grund nicht in ben beireffenden - Berjönlichkeiten, ſondern in ben gerabe damals beitehenden allgemeinen Berhältniffen des Kirchen: Megimentd. Dieſes war gefpalten und dadurch um den größten Theil feines Anfehens und feiner Macht gebracht; denn zwei Päbſte nahmen damals, der eine von Rom, ber andere von Avignon aus, die Herrichaft der Kirche in Anſpruch, und verfolgten einander als erbitterte Feinde, und wenn auch im deutfchen Reiche der roͤmiſche Pabft allein anerkannt war, jo hatte er doch natürlich nicht unbebingtes Anfehen, und mußte überbieg allzu fehr auf die Vertheidigung feiner ſelbſt bebacht fein.

In Folge dieſer weltlichen und Kirchlichen Verhaͤltniſſe entbehrte der Streit in Frankfurt bis zur Zeit von Wenzel's Nachfolger einer

ı) Böhmer, p. 770. Kriegk, Frankf. Bärgerzwifte. 8

114 V. Der Kampf mit dem Mlerus um den Beginn des fünfzehuten Jahrhunderis.

höheren ausgleichenden Einwirkung, und blieb Jahre lang den beiden Partelen allein Tiberlaffen. on biefen machte die eine im Jahre 1898?) einen Vermittlungsvorſchlag, auf welchen jeboch die andere nicht einging. Der Erzbifchof bet nämlich dem Mathe an, ben Streit fchtebsrichterlich entjcheiden zu laſſen; und zwar follte bie auf folgende Weile gefchehen. Die Streitgegenflände follten, je nachdem fte geiftlich oder weltlich feien, von einander getrennt und bie Einen entweber durch ein geiftliches Gericht oder durch geiftliche Perſonen, über welche beide Theile ſich zu vereinbaren hätten, die Anderen aber ebenfo entweder durch ein weltliches Gericht oder durch gewählte Ver⸗ treter beider Parteien entfchteben werden. Dieſer Vorſchlag war gerecht und billig, aber zugleich auch unausführbar; denn die Gegen- fände des ſchwebenden Streites hatten faft indgefammt ebenfowohl eine geiftliche, als eine weltliche Seite, und Beide waren nicht ſcharf und beftimmt von einander zu trennen. Außerdem mußte aber ber Rath den erzbifchöflihen Vorſchlag noch aus ben Grunde zurüd- wetien, weil er durch das Zugeſtehen einer ſchiedsrichterlichen Ent⸗ ſcheidung fein urkundliches Recht, alle Bewohner von Frankfurt zu befteuern und Teinen Zehnten vom Sachſenhäuſer Berge zu geftatten, ſelbft ala etwas Zweifelhaftes anerkannt haben würbe.

Beide Parteien wandten ſich hierauf an König Wenzel, und bei biefem wußte damals die Stadt Frankfurt das Webergewicht zu er⸗ langen. Wenzel hatte fih 1390 beftimmen Laffen, der Stabt befehlenb zu erflären, daß das ihr gewährte Recht, beliebige Abgaben zu erheben, durchaus nicht auf die Geiſtlichkert angewandt werben bärfe. Ein fo Tategerifcher Ausſpruch Tonnte freilich jetzt nicht oßne Weiteres zurücigenommen werben; der König ließ ſich aber bagegen zu einem SHäritte bewegen, welcher bie Einleitung zu einer ſolchen Zurück⸗ nahme war. &r fchidte im Februar 1894 ein Schreiben nach Feankfurt, in welchem fener Befehl zwar wieberhelt war, zugleich aber auch als ein blos proviſoriſcher Befehl bezeichnet wurbe, indem er mi dem Zuſatze begleitet war, bie Steuerfreißeit des Klerus Tolle jo lange unangetaftet bleiben, 513 Tönigliche Raͤthe die urkundlichen Rechte beider Partelen geprüft hätten, und dann barauf hin eine

1) Die Sache findet fich in einem Schreiben des Erzbiſchofs vom 9. Januar

1895 an bie Frankfurter Bürgerfchaft (Böhmer, p. 778) angegeben, und kann nicht früher oder fpäter als 1893 Statt gefunden haben.

V. Der Lampf wit dem Klerus um den Beginn bes fünfzehnten Jahrhunderts. 115

Enticheibung erfolgen würde. Ob und wie dieſe Enticheibung ertheilt wurde, wird und nicht gemeldet.

Zu der Zeit, als der König dieſen Schritt geihan hatte, kam eine Verftänbigung des Rathes mi einem der in Yrankfurt anfäffigen geiftlichen Orden zu Stande. Es wird nämlich berichtet, daß im März 1394 der Rath ven geiftlihen Krieg, welchen er mit ben Deutichherren geführt, und ber ihn 149 Pfd. Heller gefoftet hatte, durch einen Vertrag mit diefem beendigt habe (j. Anm. 61). Bon dem Inhalte dieſes Vertrages ift nicht? bekannt. Er blieb jedoch nicht lange in Kraft; denn ſchon von 1395 an entrichteten bie Deutfchherren wieder neun Jahre lang nicht mehr ihre Beede, und ber Rath bielt ihnen deshalb ebenfo lang gewille Zinfen zurüd. Mit dem Erzbiichof von Mainz jebte der Rath die Verhandlungen bis zum Winter bed Jahres 1394 unausgeſetzt fort. Auch ſtand er während dieſes Jahres noch nicht in einem feindlichen Verhältniffe zu ibm. Dies geht daraus hervor, daß im Oktober der Rath des Erzbiſchofs Leute befchenkte, und ihn ſelbſt bei feiner Anmejenbeit feterlich empfangen ließ (j. Anm. 62). Nicht Iange nachher aber entftand zwilchen dem Rathe und dem Erzbiſchof eine entjchiebene Feindſchaft, die fich im nächiten Jahre auf ben höchiten Grab ber Erbitterung ſteigerte. Der Erzbiichof brach alle Unterhanblungen ab, und ſetzte, um den Rath zur Nachgiebigfeit zu zwingen, biefem am 11. December unter Androhung der Ercommuntcation eine zwei⸗ monatliche Frift, innerhalb deren er nicht nur die Beiteuerung der Geiftlichkeit einzuftellen und die Zehenten-Leiftung vom Sachſenhauſer Berg an dad Bartholomäugß- Stift zu geftatten babe, ſondern auch alle feither vom Klerus eingetriebenen Steuern biefem zurüderftatten und die gegen ihn erlaflenen Verorbnungen und Gebote widerrufen folle. Zugleich gebot der Erzbiſchof der Frankfurter Geiſtlichkeit, bis dahin, wo ber Rath diefe Forberung erfüllt haben werbe, jeden Verkehr mit ihm abzubrechen, ihm aber zugleich auch zu erklären, daß der Erzbifchof nach Ablauf jener Frift gegen ihn von allen firchlichen und ftantlichen Gejegen Gebrauch machen, jowie auch ben weltlichen Arm wiber ihn anrufen werde‘). Bor der Hand war

1) Daß erzbiſchöfliche Schreiben in bei Wärdtwein, Subsid. diplom. II.

p. 400, abgebrudt. 8*

116 V.Der Kampf mit dem Klerus um den Beginn bes fünfzehnten Jahrhundert.

alfo das Mmterdict dem Frankfurter Rathe bloß angedroht. Das alsbald näher zu erwähnende königliche Schreiben vom 29. December fpricht zwar von einem bereit3 über bie Stabt verhängten Interdict; allein der König war, wie man ſieht, hierüber falſch Gerichtet. "

Der Erzbifchof Hatte, als er jene drohende Stellung einnahm, außer Acht gelafien, daß der Rath noch immer überwiegenden Einfluß am koͤniglichen Hofe hatte, und mußte bieß bald zu feinem Nachtheile empfinden. Als nämlid, der Rath fich Flagend an den König wandte, befahl diefer nicht nur dem Erzbifchof, fein Verbot des Gottesdienſtes fofort zurücdzunchmen, fondern er beauftragte auch den Bifchof von Würzburg mit ber Vermittelung des Streites, und befahl ſogar (29. December 1394) den brei Frankfurter Stiften, dad von ihrem Herrn erlaflene Gebot unbeachtet zu laſſen, und in der ganzen Sache fortan blos nach den Weifungen des Biſchofs von Würzburg zu handeln. Zugleich erflärte der König, daß, im Fall dem Lebteren die Auggleichung des Streites nicht gelinge, er entweber jelbft over durch feine Räthe die Sache zu Ende bringen werde 1).

Da auf diefe Weife der König felbft fo weit ging, daß er, ver mittelft eines willfinwlichen Eingriffes in die Firchliche Ordnung, bie Frankfurter Geiftlichfeit der Autorität de Erzbiſchofs von Mainz entzog und unter bie Befehle eines anderen Biſchofs ftellte, fo Tonnte auch der Rath ed wagen, noch entjchievener ala bisher gegen bie Geiftlichen der Stabt zu verfahren. Er hatte jenen Schritt des Königs offenbar felbft herbeigeführt; denn er hatte fchon vorher zwei feiner Mitglieder nad) Prag geſchickt, und bieje, welche damals neun undtreißig Tage außblieben, Hatten die Leute des Töniglichen Hofes, vom Kanzler an bis zur Dienerfchaft herab, reichlich beſchenkt (j. Anm. 63). Er war feiner Sache offenbar ſchon vor dem Eins treffen des Töniglichen Schreiben? gewiß geweſen, und deshalb auch bereit3 gegen den Klerus in einer ſolchen Weiſe aufgetreten, daß es faft fcheint, ala wenn er geradezu die Abficht gehabt Habe, die Geift- lihen fernerhin in allen weltlichen Dingen als den Laien gleichftehend zu betrachten. Er ertheilte nämlich den brei Gtiftd- Kapiteln bie Weiſung, daß fie fi von nun an nicht mehr fhriftlich, ſondern

!) Böhmer, p. 772. Das weiterhin Angegebene ergibt fi aus bem bei Böhmer unmittelbar baranf abgedrudten Schreiben des Erzbiſchofs.

V. Der Kampf mit dem Klerus um den Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts. 117

gleich allen anderen Einwohnern ber Stadt nur durch perfönliches Erſcheinen auf dem Rathhauſe ober auf bes Nathes Trinkſtube, ver Fahrporte, an ihn zu wenden hätten; und als bie geiftlichen Herren dieſes Gebot, weil es gegen Herkommen und Schicklichkeit ftreite, zurüchviefen, erließ ber Rath ein Manifeft an feine Bürger, in welchem er die Frankfurter Pfaffheit der Hofffahrt und des Leber: muths bezichtigte. Er kümmerte ſich außerdem zugleich nicht mehr um die den Geiftlichen zuftehende eigene Gerichtöbarkeit, fondern er ftellte die Ungehorfamen unter ihnen vor das weltliche Gericht, und ließ fie burch dasſelbe verurtheilen und beftrafen. Dad Lebtere wird und zwar nicht in beftimmter Weiſe gemeldet; e3 geht aber deutlich aus dem Umftande hervor, daß fpäter der Erzbifchof nicht blos die Rathsglieder, fondern auch die weltlichen Richter von Frankfurt als Frevler an der Kirche ercommunicitte.

Die Rüdfichtzlofigkeit, mit welcher der Rath verfuhr, bewog andererjeitd ben Erzbifchof zu dem unerhörten Schritte, fich fchriftlich an die einzelnen Körperichaften der Frankfurter Bürgerfchaft zu wenden, mit welchen er boch der Orbnung gemäß nicht unmittelbar verkehren durfte, ja fogar den Math bei der Bürgerjchaft förmlich zu verflagen. Died geſchah vermittelft einer Anzahl gleich lautender Schreiben, welche vom 9. Januar 1395 bafirt und „an bie bürger von der gemeinde und von ben zunfften zu Frandenfurt” abreifirt waren, und benen ein oder zwei früher (1390 und 1394) zu unten des Frankfurter Klerus erlafjene Edicte des Koͤnigs abjchriftlich bei- lagen. Dieſe erzbifchöffichen Schreiben wurden auf die Stuben ber verſchiedenen Zünfte und Gefellfchaften geſchickt. Der Rath verbot jedoh, Hiervon zu vechter Zeit in Kenntniß geſetzt, den Betref- fenben, die Schreiben zu äffnen, und biefe wurden ungelejen ihm übergeben !). | |

Im Frühjahr 1395 fchichte einerfeitd der Rath einen feiner weltlihen Kichter, Dielman Gaft von Sachſenhauſen ober, wie er nach feinem Wohnhaufe auch genannt wird, Dielmann zum Affen, welcher nachher (1401) oberfter Richter warb und in diefem Streite vom Rathe mehr als einmal und meisten? mit Erfolg zu diplomatischen Unterhandlungen verwendet wurde, nad Rom, um

1) S. Böhmer, p. 774.

118 V. Der Kampf mit dem Klerus wm den Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts.

gegen den Erzbifhof und das Mainzer geiftliche Gericht an ben Pabſt zu appelliren (f. Anm. 64). Andererſeits ſandte ver König zwei Bevollmächtigte, feinen Rath Chrifttan von Blumenrab und feinen Schreiber Johann von Kirchheim, nach Frankfurt mit einem vom 9. März batirten Schreiben, in welchem er anzeigte, biefe Beiden follten nicht nur den in ber Bürgerfchaft waltenden weltlichen Streit, fondern auch den Zwift ber Stabt mit der Pfaffheit unterfuchen und dann dem Könige zum Behufe weiterer Maßnahmen Bericht ab: ftatten 2). Bon dem Ergebniffe der Sendung Dielman Gaſt's wird una ebenfo wenig etwas gemelbet, ala von dem, was in Betreff des firchlichen Streite® durch die Täniglichen Gefandten, bie fih von Frankfurt aus auch nach Mainz begaben, verfügt worben if. Da- gegen geht aus allen ung befannten Umftänden hervor, daß weder ber Erzbifchof, noch der Frankfurter Rath die von ihnen bejchrittenen Wege verließen. Der Lebtere hatte übrigens damals auch unter ber Geiſtlichkeit ſelbſt entjchtevene Anhänger. Es waren nämlich nicht weniger als 15 Dominikaner, 12 Barfüßer und 8 Karmeliter, d. 5. die melften oder, was wahrfcheinlicher tft, alle Frankfurter Bettelmönche, vom Erzbifchof abgefallen, und hatten für ven Rath Bartei genommen: wie denn in jener Zeit faſt Aberall bie Bettelorben zu den Bürgern hielten, und gegen die Bifchöfe Oppofition machten. Diefen feinen Anhängern im Klerus ftellte ver Rath am 18. April 1395 einen Schirmbrief au, burch welchen er ven 35 mit Namen genannten Dednchen, falls fie wegen ihrer Anhänglichfeit an ihn von ihren Oberen verfolgt und beftraft werben follten, Schuß und Ent- ſchaͤdigung zufagte (f. Anm. 65).

Der Erzbifchof hatte offenbar die am 11. December 1394 aus: gefprochene Drohung in Ausführung gebracht, und in Frankfurt ven Gottezvienft eine Zeitlang einftellen laſſen. Auch hatte die Geiſt⸗ Tichfeit ihm gehorcht; denn der ihr am 29. December 1394 vom Könige eriheilte Befchl war offenbar nicht befolgt worden, und auch ber damals zum Töniglichen Commiflär ernannte Bifchof von Würz- burg Hatte, da von ihm nicht weiter die Rede tft, dieſen Auftrag nicht angenommen. Das erwähnte Verfahren des Erzbiſchofes und ber fortwährende Gehorfam, welchen die Weltgeiftlichen ihm leiſteten,

i) Airchner, I. ©. 689.

V. Der Rauıpf mit bem Klerus um ben Beginn bes fänfzehnten Jahrhunderts, 119

veranlaßten bei ber am 10. Juni 1395 Stalt findenden Feier des Frohnleichnams⸗Feſtes eine üffentliche Verhöhnung bes Erzbiſchofs und ber Pfaffheit. Außer jenen 35 Mönchen beiheiligte fich kein Geiftlicher bei diefer eier. Auch von den Schülern der Stift ſchulen cerichienen nur wenige, und biefe wurden bei der Proceſſion, anftatt von ihren Lehrern, von einem ber weltlichen Richter geführt. Sie fangen während bed Zuges ein beutfches Lieb, welches nach feinen uns überlieferten Anfangsworten („der Kedel der was nuwe“) ein Spottlied auf den Erzbiſchof und feine Anhänger geweien zu fein ſcheint. Auch die 35 Mönche, von welchen der Dominikaner Schann Rofenbaum anftatt des Dekans vom Bartholomäus: Stift dad Sacrament trug, machten fich damals einer ſolchen Verhoͤhnung ſchuldig; denn fie hatten ihre Häupter mit Kraͤnzen von wohlrtechenden Blumen und Kräutern gefchnädt, und Johann Rofenbaum trug auf dem Kopfe ein Gewinde von Rofen und anderen Blumen. Die Gegner raͤchten fih dadurch, daß fie den Lebteren ſpottend 508 Refenbäumchen nannten D).

Drei Wochen fpäter fehritt der Erzbischof zum Aeuferften. Er ertheilte den Geiſtlichen feines Bistums ben Befehl: erftend bie (von ihm mit ihren Namen genannten) Bürgermeifter, Schöffen, Rathsherren und weltlichen Richter der Stabt Frankfurt ſammt ihren Anhängern al? excommunicirt zu verkünden; zweitens fünfzehn Tage nachher ben Gemeinbeglievern zu gebieten, baß fie bei Strafe ber Heineren Excommunication allen Verkehr mit den erwähnten Perſonen abbrechen, und ihren weber ben Eintritt in ihre Wohnungen geitetten, noch Salz, Speife und Trank reichen follten; brittend ben Gottes⸗ dienſt in Frankfurt jo Lange einzuftellen, als auch nur neh ein einziger von den Ercommunicirten in ber Stabt verweile; und enblich viertend dieſen anzuzeigen, daß ber Erzbiichof auch ben weltlichen Arm wider fie anrufen werde. Der lebte Theil dieſes Befehles wurde am 25. Juli in der Weiſe ausgeführt, daß der Notar Halder ſich mit vier Zeugen auf die Fahrpforte begab, und bem dort ver- fammelten Rathe in aller Form die erwähnte Anzeige machte. Das Stadt⸗Archiv befigt noch das Notariats⸗Inſtrument, welches bei dieſer Gelegenheit abgefaßt wurde, und in welchem bie bei bem Ackte

I) Lersner, IL, 2, ©. 7.

120 V. Der Kampf mit dem Aerus um ben Begimm des fänfzehnten Jahrhunberts.

anweſenden Rathsglieder namentlich angeführt find. Es beſtanden bie Lebteren aus 8 Schöffen und 36 Rathsherren, wobel zu bemerken tft, daß unter jene acht der eine und unter dieſe ſechsunddreißig der andere Bürgermeifter mit eingerechnet ift.

Die vom Erzbifchof ercommunicirten Rathäglieber, weldde in feinen jchriftlichen Befehl 1) alle mit Namen angeführt find, waren bie fämmtlichen 14 Schöffen und 37 Ratböherren; zu ihnen kamen noch fünf weltliche Richter, unter ihnen auch Dielmann Gaft. In den erwähnten Notariat Inftrument finden fich unter den 36 Raths⸗ gliebern, welche ala in der betreffenden Rathsſitzung anweſend genannt werben, 14 der vom Erzbifchofe Ercommunicirten nicht, Dagegen aber 13, welche nicht ercommunicirt worden waren. Die Verſchonung diefer 13 mit der Ereommunication würde fich dadurch erflären laſſen, daß biefelben den vom Rathe gegen den Klerus gefaßten Beichlüffen nicht zugeftimmt batten, wenn nicht noch in berfelben Sikung des Rathes die ſämmtlichen anweſenden Rathsglieder eine Vollmacht für fünf Procuratoren auggeftellt hätten, welche feine Sache vertreten und vertheibigen follten *).

Der Roth ließ ſich durch den Schritt des Erzbifchofs nicht, wie biefer offenbar erwartet hatte, einjchüchtern. Im Gegentheil, er erließ jogar gegen bie ihrem Oberhirten folgſamen @eiftlichen Ver⸗ orbnungen, welche der Erzbiſchof als abfcheuliche bezeichnet. Der Zebtere jebte daher am 4. Auguft feine geiftlidhen Waffen aufs neue in Thaͤtigkeit. Er gebot allen Geiftlichen feiner Diöcefe, an allen Sonn- und Feſttagen die Ercommunicirtien mit Anfchlagen ber Glocken und bei brennenden, nachher aber wieder auszuloͤſchenden und auf bie Erbe zu werfenden Kerzen als ſolche namentlich zu

2) Diefer it in Würdtwein, Subsid. diplom. IL. p. 412 sqq., abgebruckt. Das fpäter zu erwähnenbe zweite Ercommunications Schreiben bed Erzbiſchofs vom 4. Auguft 1895, in welchem bie Namen wieber insgeſammt genannt find, ift ebendafelbft p. 405 sag. mitgetheilt.

) Die Namen jener 13 Rathöglieber find: Johann Grand, Kaspar Jingel, Reinhard Mymner, Konrab zum Einhorn, Johann Kempe, Johann zum Appin⸗ beimer, Konrab zum Gerunge, Michael aber, ber Schmidt Nikolaus Schutten: beim, Johann Schaff, Johann Ernft, ber Schuhmadyer Gerhard von Hohenftadt und Johann Gerhard. Die erwähnte Vollmacht vom 25. Juli Bat fi (Stabt- Archiv Ulglb. B. 71) erhalten: in ihr werben biefelben Rathsglieder, wie in dem Notariata⸗Inſtrument, namentlich angeführt.

V. Der Rampf mit bem Merus um ben Beginn bes fünfzeheien Jahrhuuberis 121

verfündigen, unb bie jo lange fortzufeten, bis die Ercommunicirten ausgewandert fein würben. Zugleich zeigte er an, daß er, wenn bied den erwarteten Erfolg nicht habe, das Interdict auf die Stadt legen und bie weltliche Gerechtigkeit wider die Frevler in Anſpruch nehmen werbe, und enblich bebrohte er diejenigen Getftlichen, welche in der Ausführung diefer Befehle ſäumig fein würden, gleichfalls mit der Ercommunication.

Nachdem es fo weit geloinmen war, gerielhen der Erzbiſchof und bie Stadt Frankfurt auch ala weltliche Mächte mit einander in Feindfchaft, und zur Zeit des Beginnes der Herbitmefle von 1395 kam es zwiſchen ihnen zu einem förmlichen Waffenkampfe. Frank⸗ furter Soldaten zogen mit Rittern und Knechten Johann's von Kronenberg, welcher damals im Dienſte der Stadt ſtand, Main: aufwärts den Meßfremden entgegen; ſie ritten bis in die Nähe von Alchaffenburg, wurben aber hier von Eberhard von Fechenbach, dem Mainziſchen Vitzthum in Afchaffenburg, überfallen, beficgt und bes raubt. Mehrere von ihnen, unter ihnen ein Bruder und ein Knecht des damaligen Stabt-Hauptmannes Gilbrecht Riedeſel, geriethen in Gefangenſchaft. Auf die Nachricht von dieſem Weberfalle fandte ber Rath von Frankfurt alsbald einen Knecht mit einem Karren ab, welcher während der Nacht nach der Kampfitätte fuhr, um zu retten, was noch zu reiten war (ſ. Anm. 66).

Sp weit Hätte es nicht kommen können, wenn Deutſchland damals in. Wirklichkeit ein Reichſs-Regiment gehabt hätte. Dieſes gab es jeboch in den lebten Zeiten Königs Wenzel befanntlich nicht. Beide Theile waren daher auch in dem weiteren Verlaufe des Streites auf fich allein angewiefen. Da nun weber ber Rath, welcher bie Mebrzahl der Geiſtlichkeit gegen ſich hatte, noch ver Erzbiſchof, welcher in der Frankfurter Bürgerichaft feine Anhänger gefunden hatte, entſchieden das Webergewicht erlangen konnte, jo ift es erflärlich, daß Beide fich jehr bald, wenn auch nicht zu einer Beilegung, doch wenigftend zu einer Vertagung bed Streites geneigt zeigten. Auch waren wirklich nach der Erlaflung des Iebten erzbiſchoͤflichen Mani- feſtes gegen ben Rath noch Feine fechd Wochen verflofen, als es zu einem proviforifchen Vergleiche fam. Diefer warb von unge Froſch, Johann von Holzhaufen und mehreren anderen Rathögliebern mit fünf Bevollmächtigten des Erzbiſchofs, welchen der Rath nachher

1232 V. Der Kamıpf mit bem Mierus sm ben Beginn bed fünfgehnten Jahrhunberta

ein Geſchenk von zujfammen 200 Gulden machte, im Thiergarten zu Mainz verabrevet, und dann am 14. September 1895 von beiden Theilen beftätigt 7). Der Vergleich war, wie gejagt, Fein befinitiver, fondern blos ein zehnjähriger Waffenftillftand, nach deſſen Ablauf beide Theile mit ihren Anfprüchen wieder in den Status quo ante zurücktreten follten.

Nach biefem Vertrage jollten bie Geiftlichen zehn Jahre lang nicht nur mit allen Arten von Abgaben verfchont bleiben, ſondern auch ihre Natural-Gefälle ohne Entrichtung von irgend einer Steuer verkaufen bürfen; jedoch waren hiervon alle diejenigen Einkünfte ausgenommen, welche nicht zum Unterhalte ber Geiftlichen, zum Gottesdienfte, zu Almofen und zu Pfründen dienten, oder nicht zur Dedung eined Ausfalles in den Einfünften dieſer Art verwendet wurden. Diejes beſchränkte Zugeftändnig war das Einzige, was bie Kirche durch den Vertrag von 1395 gewann. Größer waren bie Vortheile, welche die Stabt Frankfurt durch denfelben erwarb. Erftens mußte das Barthelomäug-Stift jenen Anfpruh an den Zehnten vom Sachfenhäufer Berge brei Jahre Lang ruhen Laffen, und dadurch follte dem Rechte feiner Partei Eintrag gethan werben: eine Beſtim⸗ mung, bei welcher natürlich die Stadt, als factiiche Beſitzerin jenes Zehntend, im Bortheile war. Zweiten? wurbe außgefprochen, daß der Rath das bigher als Beebe, Ungeld, Wahlgeld u. |. w. von ber Geiftlichkeit erhobene Geld nicht zurüdzuerftatten habe. Drittens - mußte der Erzbifchof, wa ſich von ſelbſt verftand und beshalb auch feinen Artikel des Vertrages bildete, nicht nur die ausgeiprochenen Ereommuntcationen aufheben, fondern er fchlug auch Pie gegen den Rath und gegen Bürger von Frankfurt eingeleiteten geiftlichen Proceſſe für immer nieder. Er entjagte vierlend allen feinen Anſprüchen in Betreff des Leonhards-Thurmes und ded vor fünf Jahren began- genen Prieſtermordes, ja fogar in Betreff der Kirchengüter, welche im Stäbtefriege von 1388 und 1389 durch Frankfurter Truppen geplündert ober fonft beichäbigt worben waren. Er gab fünftens bie im Kampfe bei Aichaffenburg gemachten Gefangenen ohne Xöfes geld frei. Er verzichtete endlich jechätend was das Auffallenbfte

1) Lersner, L 1. ©. 867 und Würdtwein, Sabsid. diplom. II. p. 418, Der geſchloſſene Vergleich ſteht aud im Privilegienbud,, ©. 219.

V. Der Kampf mit dem Klerus um ben Beginn des fünfzchnten Jahrhunderts. 123

iſt auf die Beſtrafung der drei gegen ihn vebelltfch gewefenen Frankfurter Kloͤſter, und entjagte der Jurisdiction über fie 9.

Diefer auf ein Jahrzehend gefchloffene Vertrag wurde nicht einmal ein, gefehweige denn zehn Jahre gehalten; der Streit brach vielmehr ſchon nach Furzer Zeit aufs neue aus. Es iſt nicht nöthig, allen einzelnen Wandlungen des ferneren Kampfes nachzugehen, da fi die weitere Geftaltung der gegenfeitigen Verhältniſſe ſchon an einigen wenigen Begebenheiten erkennen läßt.

Das für den ferneren Gang der Dinge wichtigſte Ereigniß war ber am 19. Oktober 1396 erfolgte Tod des Erzbiſchofs Konrad I. von Mainz, weil an beflen Stelle ein Mann trat, welcher in ſitt⸗ licher Hinficht vielleicht der fchlechtefte von allen Erzbiſchoͤfen bez Mainzer Stuhle war. Diefer Mann war Johann HO., Graf von Naſſau. Er wußte fih das Erzbisthum in Rom zu erwerben, wo man ihm basjelbe am 24. Sanuar 1397 ertheilte, und von wo er alsbald dem Frankfurter Rathe feine Ernennung brieflich anzeigte (j. Anm. 67). Er war ein Mann, der ſich von felbftjüchtigen Zwecken Ieiten Tieß und fein Deittel zur Erreichung berjelben fcheute; er hat daher auch fpäter, wie wir fehen werben, in der Sache der Frankfurter Geiftlichkeit die Rolle des Judas gefpielt, und dadurch dem Rathe den endlichen Sieg über den Klerus verichafft.

Bereit3 im Anfange des Sommerd 1396 war der, wie man ſich ausdrückte, wegen ber Pfaffheit geführte Krieg wieder im Gange, und ber Rath Hatte feinen Diplomaten Dielmann Gaft auf? neue nach Rom geſchickt, wo derjelbe damals lange verweilte (|. Ann. 68). Im nächten Jahre (1397) mußte derjelde Dielmann Gaft zu wie berholten Malen nach Mainz reifen, um wegen neuer Zwiftigfeiten zu unterhanbeln. Dieſe betrafen unter Andern einen Pfaffen, den man wegen eined Pferbebiebftahlee in das Gefängniß geworfen hatte, aber auch ein Interdict, welches wahrfcheinlih vom Bartholo⸗ mäug-Stifte ausgeſprochen worden war (|. Anm. 69). Zu derjelben Zeit war ber Rath fo Hug, die Gunft der Umſtände zu benuben, um tm Lager der Feinde felbft feften Fuß zu faflen. Der Erzbifchof

ı) Es iſt unerflärlih, wie Ficharb (Archiv, I. ©. 381) fagen Tonnte, ber Rath habe ber Geiftlichkeit alle Gegenſtände bes Streits eingeräumt, während doch jener Vertrag für ben Rath weit vortheilhafter war, als für die Geiſtlichkeit.

124 V. Der Kampf mit dem Mlerus um ben Beginn bed fünfzehnten Jahrhunderts.

hatte Geld nöthig, und der Rath gewährte ihm basfelbe bereitwillig in der Form eines Wiederkaufes. Der Entleiher mußte fich babei zwar, ftatt be damals fonft gewährten Zinfes von 51, bis 8%, pCt., zu einer jährlichen Verzinfung mit 10 pCt. verftehen; allein gerabe bie gewährte bem Rathe den Vortheil, daß er den Erzbifchof, welcher nachher die Zinfen nie zahlte, mehr in feiner Gewalt hatte (ſ. Anm. 70). Während auf foldhe Weife der Rath die Hand deſſen zu lähmen juchte, welcher die Führung ber Gegner hatte, warben dieſe in ihrem Intereſſe wieder einmal am Töniglichen Hofe, und bewirkten bort, daß König Wenzel am 12. Januar 1398 durch ein Schreiben an den Erzbifchof und durch ein Manifeſt an dad Neich nicht nur bie Freiheiten und Rechte des Frankfurter Bartholomäug-Stiftes aufs neue beftätigte, fondern auch einen jeden, welcher dieſelben antajten würde, mit Strafe bebrohte 1). Nüsen konnte freilich dieſe Gunft eines Herrfchers, beffen Gewalt damals ihrem Ende entgegen ging, dem Stifte nur wenig. Doch wagte man bald nachher von Seiten des geiftlichen Gerichte? in Mainz, ven Schultheiß und bie Schöffen ber Stabt Frankfurt vorzuladen, weil fie fich der Nechte eines Mit⸗ bürgerd, Dulde Bart's, angenommen hatten, welcher wegen bes Härings:Unterfaufeg mit einem Manne aus Bingen in Streit gerathen und von Letzterem bei jenem Gerichte angeklagt worden war

6. Anm. 71). Diefer Streit um das beim Häringskaufe zu zahlende

Geld zog ſich nachher noch bis in das Jahr 1401 Hin, und warb ein fogenannter geiftlicher Krieg, welcher zuletzt jogar vor dem Pabfte ſelbſt geführt ward und ber Stabt Frankfurt viel Geld Toftete (ſ. Anm. 72).

Diefe Begebenheiten fielen in die Zeit, in welcher bie Fürften bes Reiches bereit3 an eine Abfebung Wenzel’3 und an die Erwäh:- lung eine neuen Königs dachten. Der Rath von Frankfurt blieb dem König Wenzel bis zum lebten Augenblide treu. Diefer war dafür gegen ihn fo dankbar gefinnt, daß er im Februar 1400, ſechs Monate vor feiner Abfegung, einem Frankfurter Abgeſandten gegen:

über Taut die Treue der Stäbt pries, und in Betreff der wier:

Ipenftigen Geiftlichfeit dad Wort ſprach: „Wenn ich hinaus in bad Reich komme, fo will ich wahrlich dem Treiben berfelben ein Ende

ı) Würdtwein, Dioeces. Mogunt. II. p. 482, 486.

V. Der Kampf mit dem Llerus um den Begim des fünfzehnten Jahrhunderis. 125

machen; benn ich verfichere Euch, daß hr einen gnäbigen Herrn habt” 1). Diefer in Ausſicht geftellte Beiſtand war freilich von feinem Werthe, da der Thron deſſen, der ihn zugejagt hatte, bereits wanfte; der Frankfurter Rath hatte fi aber damals bereit von einer anderen Seite her eine bejjere Hülfeleiftung zu verfchaffen gewußt. Er ftand nicht nur mit bem- Erzbifchof fortwährend in gutem Einvernehmen (ſ. Anm. 73), fondern er hatte ſich auch durch Dielmanı Gaft in Rom das wichtige Mecht zu verfchaffen gewußt, daß während ber beiden Frankfurter Mefjen und 14 Tage vor und nach ihnen unter allen Umftänden Gottesdienft gehalten werben müffe, felbft wenn im Barın befindliche Perjonen in der Stadt anweſend feien (f. Arm. 74). Durch dieſes der Stadt verliehene Recht warb es den Geiftlichen fortan unmöglich gemacht, bei Gelegenheit eines etwaigen Interdictes die für Frankfurt's Wohlfahrt fo wichtigen Meſſen zu jtören. Da ihnen dieſe der Stabt gewährte Vergünftigung fehr ärgerlich war, jo arbeiteten fie nun ebenfall® am päbſtlichen Hofe, und Dielmann Gaft mußte im Winter von 1399/1400 wieder nah Rom Yeifen. Diefer gewandte Unterhändler erwirkte damals, daß der Pabft die beiden Privilegien, durch welche Kaifer Karl IV. 1376 der Stabt Frankfurt ven Sachjenhäufer Berg zum zehentfreien Beſitze gefchenkt, und König Richard 1257 die an Kirchen ober Geift- Tihe gelommenen Grundſtücke für fteuerpflichtig erflärt hatte, ſowie überhaupt die Privilegien der Stadt Frankfurt beitätigte (|. Anm. 75).

In Frankfurt jelbft war man bamald und in der nächitfol- genden Zeit jchon wieder mit der Geiftlichleit in Zwiſt, und auch der Erzbiſchof fing an Schwierigkeiten zu machen. Der Letztere weigerte ich eine Zeitlang, die Augführung des vom Babfte gewährten Rechtes in Betreff des Gottesdienstes in, vor und nach der Mefle zu geftatten, unb war erft im Sommer 1400 dazu zu bewegen (j. Ann. 76). In den nächlten beiden Jahren nahın die Spannung zwifchen ihm und der Stabt immer mehr zu, und ber ftäbtifdge Klerus Tonnte deshalb ebenfalls fein Haupt wieder mit größerer Kühnheit erheben. Zu dem noch immer fortdauernden Proceſſe wegen Dulde Bart's kam noch eine andere Klage, welche der Geiftliche Jakob Baumann gegen mehrere Frankfurter in Mainz angeftelkt

!) Böhmer, p. 781.

126 V. Der Kampf mit dem Merus um ben Beginn bes fänfgehuten Jahrhunderts.

batte. Auch in Betreff einer Vicarie, welche der Rath zu vergeben und ſchon 1399 dem Sohne eines feiner Mitgliever ertheilt Hatte, jete der Klerus ihn einen fo hartnäckigen Widerſtand entgegen, baß man fit) 1401 auch um diefer Sache willen nah Rom wenben mußte (j. Anm. 77). Im Jahr 1401 gewährte bad Bariholomäus- Stift wieder einem Mörder ein Afyl, und der Rath ließ deshalb die Pfarre durch Bewaffnete umſchließen !). Ein Jahr früher hatte der Rath auf den Bartholomäus-Tag die Hauptglode der Bartholo: mäug-Rirche Täuten laffen, was jonft immer durch bie Leute bes Stiftes gethan worden war; und zwar war bied aus bem Grunde geſchehen, damit „bie Pfaffheit nicht zu den Glocken Lüme” 2). Am Sabre 1401 war, nad dem Tode bed Stabtpfarrerd, ein anderer Streit zwifchen dem Rathe und dem Bartholomäus-Stifte wegen ber Beſetzung der Pfarrei entftanden, weil Letzteres biefe ohne Mitwir⸗ tung des Rathes vornehmen wollte. Zugleich hatte dasſelbe Stift den Rath und die Bürgerjchaft für im Banne befindlich erflärt und den Gotteöbienft eingeftellt, und ver Rath wanbte ſich damals in einem langen Schreiben an ben Töniglihen Kanzler um Hülfe?). Be diefen vielfachen und unaufhörlicden Streitigkeiten fparte ber Roth, weder Zeit, noch Geld, noch Arbeit und Mühe, um ſein Recht zu behaupten. Auch hatte er, ofjenbar damit die Sache feit und confequent betrieben werbe, einen ftehenden Ausſchuß von neum Rathöglievern ernannt, welcher mehrere Jahre hindurch den Kampf mit der Geiſtlichkeit leitete.

Mit dem Beginne des Jahres 1402 tritt in der Gefchichte dieſes Frankfurter Streites die mwohlthuende Erjcheinung ein, daß man endlich das Walten einer Neichöregierung gewahr wird. Seit

2) Sabb. poſt. Bonifacii 1401: 8 Pb. 6 Sch. 6 Hell. fünf Fnechten, fünf tage und nachte Iheſus, als ber einen mort getan hatte, uff dem parkirchhofe huden.

2) Sabb. poſt Bartgolomäi 1400: 4 Sch. von ber ſtorm uff ſant Barthol. tag zu Iuben, daz man doch nit ſchuldig IR von rechte, ban iz ber Rab hieß, uff daz bie pafiheib zu ben gloden nit qweme.

9 Diefes fehr ausführlicde Schreiben flieht im erſten Bande ber Kaiferbriefe des Stadt⸗Archwos, und ſpricht u. A. auch die lage aus, daß für Frankfurt und Sachſenhauſen nur eine einzige Pfarrei beftehe, obgleich auch noch viele Dörfer zu derfelben gehörten.

V. Der Lampf mit bem Lierus um den Vegian beb fänfgehuten Jahrhunderis. 127

jener Zeit ließen fi nämlich König Ruprecht und fein Reichs Bicar Herzog Ludwig ernftlich angelegen fein, ven Streit beizulegen. Es war aber auch hohe Zeit, daß enblich einmal an eine Ber mittelung besfelben gebacht wurde; denn beibe Parteien waren immer feinbfeliger gegen einander geworben, und es fchien kaum möglich, daß fie ſich unter einander jelbjt zu vergleichen im Stande fein

würden. Died wird man aus den einzelnen Vorfallenheiten erkennen, bie fich in den zwölf Monaten vor den Juni 1403, wo endlich der König einen Bergleih zu Stande brachte, ereignet haben. Im Juni 1402 Ind bei Gelegenheit des Frohnleichnams⸗-Feſtes der Rath die Geift- lichen oder vielleicht auch (was nicht deutlich iſt) dieſe jenen zu einem Mable ein; die Einladung wurbe aber zurückgewieſen (|. Anm. 78). Zu berjelben Zeit ſchickte der Math, ſobald der König aus Italien nach Heidelberg zurückgekehrt war, eine Gefandtichaft an ihn, um feine Hülfe gegen den Erzbifchof und den ftäbtifchen Klerus anzu- flehen (ſ. Aum. 79). Als gleich . darauf der König in Mainz anmeiend war, ſchickte man noch einmal eine Sefanbtichaft von fieben Perſonen an ihn. Bei der eriten Sendung hatte man fi) namentlid) arsch über Unrechtmäßigkeiten zu beflagen, welche der Erzbiichof ſich vermittelft feine Gerichte zu Hofheim gegen einzelne Frankfurter Bürger erlaubt hatte, ſowie darüber, daß berfelbe den Frankfurter Stabijchreiber Heinrih in Hofheim gefangen hielt (j. Anın. 80). Die Verwendung bed Rathes nübte nichts, und Heinrich blieb in ber Gefangenschaft des Erzbiſchofs. Im Juli war ein jüdiſcher Ber Srecher, der ſich vor feiner Hinrichtung zum Chriſtenthum belehrt Hatte, gehentt und, ala er vom Galgen berabgefallen war, auf ben benachbarten Gottesacker des Gutleuthofes begraben worden. Darüber war bie Geijtlichfeit fo jehr erbittert, daß fie alle gottesdienſtlichen Verrichtungen einftellte und nicht eher fich zufrieden gab, ala bis bie Leiche wieder ausgegraben und ber Gottesader auf ftäbtifche Koſten von neuem geweiht worden war (}. Anm. 81). In bemjelben Monat mußte der ftäbtifche Brocurator Heinrich Welver die Stabt bei dem Mainzer Gerichte vertreten, an welchen ber Dechant von St. Bartholomäus, Nikolaus von Kungeftein, den Rath wegen einer Summe von 19 Gulden verflagt hatte, die er von feinem Vater ber in Anſpruch nahm und dann auch erhielt. Im September hatte derſelbe Mann den Rath und die Bürgerfchaft wieder in Maing

128 V. Der Kampf mit dem Merus um den Begiem bes fünfzehnten Jahrhunderis.

wegen ber Anklage zu vertheibigen, daß fie mit Leuten, die Im Banne waren, Gemeinfchaft gehabt hätten (ſ. Anm. 82). Zu berfelben Zeit mußte einerjeitd mit dem Erzbiſchof und andererſeits wit dem Könige unterhandbelt werden, weil dad Bartholomäus-Stift das Recht des Königs, nach jenem Regierungsantritte einen Bicar desſelben zu ernennen, nicht anerfannt und ben von ihm ernannten Salob Alzel zurückgemiefen. hatte. Der König Hatte deshalb feinem Landvogt in der Wetterau und dem Rathe den Befehl ertheilt, die Befikungen . des Stiftes mit Beichlag zu belegen; der Vandvogt unb ber Math wurben aber, als fie diefen Befehl ausführten, von Mainz aus in den Bann gethan ). Im Januar 1403 wurde ver König zu einem bictatorifchen Befehle an den Erzbifchof veranlaft, weil Hermann Schelreiß, Burgmann bed Letzteren in Seligenftadt, den zum Könige reilenden Frankfurter Stadtſchreiber Peter unterwegd überfallen, gefangen genommen unb nur gegen cine bedeutende Summe Gelbes und gegen ein eidliches Verſprechen freigegeben halte. Der koͤnig liche Befehl ward jeboch vom Erzbifchof nicht beachtet 2). Im März 1408 jandte man Dielmann Gaft nach Heidelberg, um bei brei dortigen Rechtsgelehrten des Könige, an die man fi) auch früher ſchon gewandt hatte und nachher noch oͤfters wandte, und Yon benen einer ber Föniglihe Doctor Meifter Job genannt wird, Rath zu holen, als die Geiftlichkett, unter dem Vorgeben, der Papſt babe das Brivileg wegen bed Gottesdienftes in der Mefje zurüdgenommen, in der Faftenmeffe Leinen Gottesdienft halten wollte (f. Anm. 83). Im Mat mußte man wieder einen Procurator nach Mainz jenden, weil die Zünfte unter ver Anklage, daß fie mit einem Gebannten Verkehr gepflogen hätten, vor das dortige getitliche Gericht gelaben worden waren (|. Anm. 84).

König Ruprecht und Herzog Ludwig hatten, während bie Alles vorfiel, ohne Unterlaß an einer VBermittelung gearbeitet; fie hatten zu dieſem Zwecke mit beiden Theilen Verhandlungen gepflogen, und

) S. Orth's Neihömefien, ©. 58. Auch dad Stabt-Rechenbuch berichtet unter Simonid et Zubä biefe Sache.

*) Das Töniglige Schreiben, welches im erflen Bande ber Kaiferbriefe des Stadt: Archivs ſich befindet, iſt aus Nürnberg und von Gonverfiont® Pauli 3408 datiri.

V. Der Kampf mit dem Lierus um den Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts. 129

Beide mehrmals zu-Tageleiftungen vor fich erjcheinen laſſen ). Erſt im Juni 1403 jeboch gelang es ihnen, das vorgeſteckte Ziel zu erreihen. Bei einer neuen Tagesleiftung nämlich, welche damals in Hemsbach an der Bergſtraße gehalten wurde, kam ein Vertrag zwifchen beiden Theilen zu Stande, welcher freilich auch wieder, wie der von 1395, ein bloßes Proviſorium herbeiführte. Nach dieſem Vertrage ?) jollten alle Streitigkeiten, welche vergangene Dinge betrafen, durch den König entſchieden werben; in Betreff aller übrigen aber wurde nur auf fo lange Verfügung getroffen, bis eniweber König Ruprecht oder Erzbifchof Johann von Mainz zuerit mit Tode abge: sangen wäre. Bis dahin ſollte nämlich nach dem Vertrage von 1395 und nach früheren Vorgängen verfahren werden. Außerdem mußte der Erzbifchof den gefangenen Frankfurter Stadtfchreiber Heinrich aus feiner Haft entlaflen und deſſen Amtsgenoffen Peter der Ber- pflichtungen entbinben, welche verjelbe gegen Hermann Schelreig eingegangen war. Diefer Vertrag koſtete der Stadt Frankfurt viel Geld: fie hatte nicht nur die Ausfertigung der Vertragsurkunde zu bezahlen und die koͤniglichen Diener zu belohnen, fondern fie machte auch dem Könige, feinem Sohne Zubwig, dem Herzog Ludwig von Baiern und dem Burggrafen Friedrich von Nürnberg, welche ben Bertrag hatten zu Stande bringen helfen, Dankgeſchenke; der König allein erbielt 1000 Gulden (|. Anm. 85).

Es ging nach dem Abſchluſſe des Hemsbacher Vertrages ebenso, wie es nach dem des Vertrages von 1395 gegangen war. Schon wenige Wochen nach dem Tage von Hemsbach ſah fich der Rath gendthigt, ven König mit der Bitte anzugehen, daß er ben Erzbiichof zur Erfüllung der Bertragsbeftimmungen anhalten möge (ſ. Anm. 86). Nachher gab ein im Leonharb2-Stifte außgebrochener Streit neuen Anlaß zu Zwiftigfeiten des Rathes mit dem Erzbifchof: Der Dechant jenes Stiftes, Wittefind Salzmann, ber es damals ſowie nachher mi dem Rathe hielt, gerieth mit einem feiner Kanoniker, Johann Rede, in Streit, und biefe Angelegenheit wurbe vor das Mainzer geiftliche Gericht gebracht, welches danın mehrere Beamte des Rathes

1) Eine ſolche Tageleiflung war nach ben Stadt-Rechenbuche int Januar 1402 zu Weinheim, im Februar 1402 zu Oppenheim, im Mat 1408 wieber zu Weinheim gehalten worden.

9) Er ift bei Lersuer, II. 2, S. 4 abgebrudt.

Kriegk, Fraukſ. Bargerzwiſte. 9

130 V. Der Kampf mit dem Alerns um den Beginn bes fünfzehnten Jahrhunderts.

in ihn verwidelte (ſ. Anm. 87). Zu berfelben Zeit wurde von diefem Gerichte der Rath felbft vorgeladen, weil man ihn des Der: fehres mit Leuten, die im Banne waren, befchulbigte (ſ. Anm. 88). Schon vorher hatte man den Stabt-Abookaten Heinrih Welder nach Rom fohiefen müffen, um von dort aus Schutz und Hülfe gegen den Erzbifchof und die Frankfurter Pfaffheit zu erwirken und den erfolgreichen Bemühungen entgegenzuarbeiten, welche bie Gegner in Rom felbft gemacht hatten. Es war den Lebteren gelungen, ben Pabſt zur Zurücknahme mehrerer der von ihm der Stabt ertheilten Privilegten zu bewegen. Heinrich Welver, deſſen Sendung Drei⸗ vierteljahr In Aufpruch nahm, zeigte fich als einen ebenſo geſchickten Diplomaten, wie früher Dielmanı Gaft geweien war. Er bewirkte, daß der Pabft das wichtige Privileg wegen bes zur Meſſezeit unbe dingt zu haltenden Gottesdienſtes aufrecht erhielt, ja fogar daß der⸗ ſelbe die Frankfurter Geiftlichen, welche in ver Faſtenmeſſe 1403 ben Gottesdienst nicht gehalten hatten, in den Bann that. Diefer gewanbte Unterhändler hatte nachher auf feiner Rückreiſe das Unglüd, feitge- nommen und 14 Wochen lang in Paſſau gefangen gehalten zu werben, jo daß der Rath lange nicht wußte, was aus ihm geworben fet, und Leute ausſandte, um feinefwegen Erknndigungen einzuziehen. Mean darf vielleicht annehmen, daß es bie geiftlichen Feinde ber Stadt Frankfurt waren, welche ſich auf biefe Weiſe an Heinrich Welver für die von ihm errungenen Bortheile rächten. Auch der vorhin erwähnte Geiftliche Wittelind Salzmann arbeitete damals in Rom zu Gunften ver Stabt (ſ. Anm. 89).

Mu dem Erzbiichof kam e8 im Sommer 1404 beinahe wieder, wie im Jahr 1395, zum förmlichen Waffenfampfe, und er benahm fi) damals gegen bie Stadt jo gewaltthätig, daß fie in Betreff feiner jehr auf der Hut fein mußte. ALS er im Juni gegen ben Lanb- grafen von Helen zu Felde 309, und mit feinen Truppen in Ober- Erleubach auf mehrere Wochen Halt machte, ließ der Rath nicht nur bejondere Vorſichtsmaßregeln an und ver ben GStabithoren ergreifen, ſondern er ſchickte auch Söldner, Schüben und bewaffnete Zunftgenofien aus, welche Bonames und Niever-Erlenbacdh befeßen mußten. Auch nahmen wirklich die biſchoͤflichen Truppen einen ber Knechte des damaligen Stabt-Hauptmannes Hermann von Robenftein Dinterliftiger Weiſe gefangen (ſ. Anm. 90). Sm Herbit kraͤnkte ver

V. Der Kampf mit dem Merus um ben Beginn bes fünfzehnten Jahrhunderts. 131

Erzbifchof die Stabt dadurch, daß er die Main-abwärts zur Mefle reiſenden Kaufleute, als fie in fein Gebiet gefommen waren, nicht nah Frankfurt weiter ziehen ließ, fondern vielmehr zwang, ihre Waaren in Seligenftabt und anderen Orten nieberzulegen (|. Anm. 91). Nach diefer Meſſe (oder vielleicht auch fchon nach der Frühjahrz- meſſe) wiederholte der Mainzifche Vitzthum zu Ajchaffenburg, Eber- barb von Fechenbadh, die Gewaltihat, welche er 1395 begangen hatte: er überfiel und beraubte die heimkehrenden thüringifchen und meikent- chen Kaufleute; die Landeöherren derſelben verjchafften ihnen zwar einen Thell des Geraubten wieder, allein im Januar 1405 war noch immer ein Werth von mehr ald 1500 Gulden in den Händen bes Räuber). Das feindfelige Verfahren bes Erzbiſchofes verfehlte nicht, auch die Frankfurter Beiftlichleit zum Widerftande und zur Auflehnung zu reizen. Im Herbſt erlaubte fi dad Bartholomäus- Stift, eigenmächtig in die rein weltliche Verwaltung einzugreifen, indem jein Official Kaufbriefe für einzelne Bürger außftellte; und zu gleicher Zeit verweigerten die geiftlichen Herren auch wieber bie Entrichtung von Abgaben an ben Rath (f. Anm. 92).

Mitten in dem erneuten Streite fiel wieder ein Theil der Seiftlichleit vom Erzbiſchof ab. Die in Sachſenhauſen wohnenden Ritter des Deutjchherren- Ordens verftändigten ſich mit dem Rathe, und fchloffen am 11. April 1404 einen Friebenzvertrag mit ihm ?). In diefem wurde die zwilchen dem Sachjenhäufer Deutfchordenz- Haufe und der Stabt beftehende Zwietracht dahin ausgeglichen, daß der zehn Jahre früher, fowie ein ſchon vor mehr als hundert Jahren geichloffener Vertrag wieder in Kraft geſetzt wurbe, und daß die Deutfchherren fich verpflichteten, dag Ungeld von Früchten und Mehl zu entrichten, fowie die Beede von einem Theile ihrer Bülten und Zinfen zu bezahlen. Die Ritter kamen im nächiten Jahre ber eingegangenen Verpflichtung nach, indem fie ihre ſeit neun Jahren vrüditändigen Abgaben nachzahlien, wogegen auch der Rath feinerfeit3 ihnen ven ebenſo Large zurückgehaltenen Zins, der ihnen

1) Diefes ſprechen bie Landgrafen von Thüringen in einer Befchwerbefchrift gegen ben Erzbifhof aus, welde Fichard in ber Wetteraria, ©. 188 fig. bat abbruden Tafien.

N) Die Uffenbach'ſchen Manuſcripte der Stabt = Bibliothel (de eccles. monast. Francof. p. 4) theilen denfelben mit.

9*

132 V. Der Kampf mit bem Merus um ben Beginn des fünfzehnien Jahrhunderts.

feit alter Zeit von zwei Hofftätten zu entrichten war, nachträglich verabfolgen ließ (j. Anm. 93).

Das Beilpiel ver Deutfchherren fand weber bei bem anderen in Frankfurt beftehenden geiftlichen Nitterorben, dem der Sohanniter, Nachahmung, noch wirkte es auf bie. Wiberfelichfeit ber brei geift- lihen Stifte mildernd ein. Im Gegeniheil, die Feindſeligkeit der Vetzteren, fowie einzelner Geiftlichen nahm gerade damals in hohem Grade zu. Beſonders drei Geiftliche zeichneten fich durch ihren hart naäckigen Kampf gegen den Rath aus, ber Dechant bed Bartholo- mäus-Stifted, Johann Mußhund, der Cuſtos zu St. Bartholo⸗ mäus, Nikolaus Gerftungen ober, wie er auch genannt wird, Clas Gerftenejel, und ein feiner Stellung nach nicht befaunter, wahrſcheinlich nicht einheimifcher Geiftlicher mit Namen Heinrich von Colmenach. Der Erftere ging nebſt feinem Officlal im Sommer 1406 fogar jo weit, daß er die Bürgermeifter, als fle in den bem Stifte gehörenden Frohnhof gelommen waren, feithalten ließ; ſie erlangten ihre Freihelt nur durch Weberfteigen der Mauer wieder (j. Anm. 94). Der Zweite und der Dritte verflagten, jeber beſonders, 1405 Schöffen und Rath wegen bed Mefle- Privilegiumg, fowte wegen deſſen, was der Rath in Betreff der früher vom Könige dem Schreiber Jakob Alzei ertheilten Bicarie zu St. Bartholomäus gethan hatte, und wegen anderer Dinge beim päbftlichen Stuhle. Gegen beide ftreitfüchtige Geiſtliche hatte der Rath Jahre lang fich zu vertheidigen. Er mußte ihreiwegen von feinen beiben bewährten Unterhänblern, Dielmann Gaft und Heinrich Welver, den Erfteren - 1405 wieder nah Rom, ben Zweiten zu wieberholten Male zum Könige fenden. Der König gewährte zwar den brei Frankfurter Stiften 1405 einen Schußbrief, in welchem ihre hergebrachten Frei⸗ heiten und Rechte auf neue beftätigt wurben !); er nahm fich aber dabei auch bed Frankfurter. Rathes beim Pabſte an. Died und Dielmann's Geſchicklichkeit bewirkten, daß der Pabft die Entjcheibung des Streites mit Heinrih von Colmenach dem Könige überlieh, worauf dann feit dem Frühjahre 1406 von Heinrich von Colmenach feine Rede mehr war (ſ. Anm. 95). Dagegen mußte man mit GSerftungen noch bis zum Jahre 1410 ftreiten und um dieſes

ı) Würdtwein, Dioeces. Mogunt. II. p. 440.

V. Der Kampf mit dem Klerus um den Beginn bei fünfgehnten Jahrhunderts. 133

Streiteg willen bebeutende Summen ausgeben. Die Koften beöfelben betrugen 3. B. 1406 353 Gulden und im folgenden 550 Gulden.

Die Hartnädigfeit, mit welcher ein Theil der Geijtlichen den Kampf fortfegte, und die Kühnheit, vermittelft deren einer von ihnen fich fogar an ben Bürgermeiftern ber Stadt vergriff, werben leichter begreiflich fein, wern man bedenkt, dag um jene Zeit das Anfehen bed Königs Ruprecht ſchon fehr gefunten war. Ruprecht's Gegner unter den beutichen Fürften hatten 1405 zu Marbach ein fürmliches Bündniß geſchloſſen, und er hatte in Folge davon Mühe, ſich gegen ſie zu behaupten. Uebrigens hielten damals body die Mitglieder ber brei Stifts⸗Kapitel in Frankfurt nicht mehr feſt zufammen; wenigftens hatten zwei von ihnen bereit? 1404 bie Partei des Rathes offen ergriffen. Diefe beiden Stiftsgeiftlichen waren ber Dechant des Leonhard: Stiftes, Wittelind Salzmann, und ber Scholafter zu St. Bartholomäus, Johann Heilgenftein. Ste hatten in Rom, wo fie 1404 verweilten, dem Mathe ſolche Dienfte geleiftet, daß biefer fich nach ihrer Rückkehr gegen Beide durch Geſchenke dankbar bewies (|. Anm. 96). Auch ver Schüler des Stabtpfarrerz leiſtete ber ftädtifchen Sache einen ihn felbit freilich keineswegs ehrenden Beiftand, indem er bem Rathe wichtige Papiere mittheilte (|. Anm. 97).

Der Streit zwiſchen dem Rathe und der Geiftlichkeit ging erft nach der Mitte bes Jahres 1407 zu Ende. Damals kam nämlich, nachdem ber Rath fchon feit dem März geheime Unterhandlungen mit dem Erzbifchof gepflogen hatte, und bereit3 Ende April wieder in ein ganz freundliches Verhältniß zu ihm getreten war (ſ. Ann. 98), enblich ein vbefinitiver Vertrag zu Stande. Diefer am 25. Auguft gefchloflene Vertrag entſchied ben Streit zu Gunften ber Stadt. Daß dies geſchah, Hatte einen Grund, ber und deutlich zeigt, auf weiche Weile auch in den belobten Zeiten des Mittelalterd Staats⸗ verträge mitunter zu Stande gebracht wurden. Es erhielten nämlich nit nur, woran man nicht gerade Anſtoß nehmen würde, bie Räthe und Diener bed Erzbiichofs von Mainz bei der Abſchließung dieſes Vertrages Geldgefchenfe von der Stabt Frankfurt (ſ. Anm. 99), fonbern auch der Erzbifchof felbft wurbe in reichem Maße mit Gelb bedacht oder vielmehr, um die Sache beim rechten Namen zu nennen, durch eine große Summe Geldes beftochen. Er hatte, wie wir willen, 1397 beim Frankfurter Rathe 2000 Gulben zu 10 pCt. jährlicher

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Zinſen geliehen, aber bis 1407 dieſe Zinjen nie bezahlt, fo daß er demjelben jetzt 4000 Gulden ſchuldig war. Diefe Summe und noch 600 Gulden dazu ſchenkte ihm der Rath beim Abfchluffe des Ver⸗ trage? vom Auguft 1407, und zwar weil er, wie es in dem officiell geführten ſtädtiſchen Ausgabenverzeichnifje heit, jenen Vertrag zum Beſten der Stabt Frankfurt gejchloffen und ihr außerdem noch in einem befonderen Bertrage andere VBortheile gewährt hatte (|. Anm. 100).

Was den Anhalt des Vertrages vom Auguft 1407 betrifft 1), fo 309, wie ſchon bemerkt, die Geiftlichkett den Kürzeren. Ste büßte ihre in Anſpruch genommene Steuerfreiheit ein, wurde für ben eben: falls beanfpruchten Zehnten des Sachfenhäufer Berges mit ber geringen Summe von 20 Pfund Hellern oder 16%, Gulden jährlich entjchäbigt, und mußte die Verpflichtung eingeben, Tünftighin alle Süter und Erbzinjen, welche fie neu erwerben werbe, binnen Jahres⸗ friſt an weltliche Einwohner zu veräußern oder, wenn fi für bie jelben Feine Käufer finden würden, fie ebenfo, wie es bei bürger: lichen Befisthümern gejchab, zu verfteuern. Ferner wurde bie Frankfurter Geiftlichfeit verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, daß der Proceß, welchen Nikolaus Gerftungen noch immer in Nom führte, niebergejchlagen werbe, während zugleich ein anderer Rechtsſtreit, ven ein Vicar des Keonharbs-Stiftes (Ditmar Zirdel) 1404 mit einer Frankfurter Bürgerin um mehrerer Erbzinfen willen begonnen hatte, auf billige Weiſe und mit Gleichtheilung der Koften beigelegt wurbe. Gegenüber von biefem allem erlangte bie Geiftlichleit, außer ber gering gegriffenen Entſchädigung für den Zehnten des Sachjenhäufer Berges, nur olgendes als ein ebenfall® geringfügiges Ergebniß ihres Kampfes. Ste follte erftend zwar zu jeder Beede, welche ber Rath Fünftig auzfchreiben werde, zugezogen werben, aber nicht wie bie weltlichen Einwohner nach dem jevegmaligen Stande ihres Ver: mögen? und Einkommens, fondern mit der ein für alle Mal feit- geſetzten Gefammtfumme von 100 Gulden bei einer zu erhebenben ganzen und von 50 Gulden bei einer zu erhebenben halben Beede.

) Er if in Orth’ Anmerkungen zur Reformation, L a. ©. 715 abge brudt. Diefer Vertrag galt übrigens nicht für bie brei Frankfurter Klöfter und für bie Deutfchherren und Zohanniter, fondern er ward blos für bie drei Stifte und für bie weltliche Geiftlichfeit zu Weißfranen, zu St. Katharinen, zu St. Nicolai, zum heiligen Geiſt, im Sachfenhäufer Spital und zu Allerheiligen gefchlofien.

V. Ter Qampf mit dem Klerus um den Beginn des fünfzehnten Jahrhunderis. 135

Auch mußte das Liebfrauftift außerdem noch gewiffe Gülten und Grundſtücke befonderö verbeeven. Ebenſo wurde dic gefammte Geift- lichfeit verpflichtet, die VBecde noch von allen denjenigen Befigungen zu entrichten, welche bei dem Rathe als früher weltlich gewefene Beſitzungen eingejchrieben waren, ober bei berem Schenfung man bie Beedezahlung vorbehalten hatte; und um dieſe Verpflichtung feſtſtellen zu Tünnen, mußten dem Rathe die betreffenden Urkunden vorgelegt und nöthigenfalls eidliche Ausſagen gethan werben. Von den Abgaben, welche man Salzgeld, Mahlgeld und Niederlegegeld vom Weine nannte, wurden bie Geiftlichen nur in jo weit frei- erflärt, als bie betreffenden jteuerbaren Gegenftände zu ihrer cigenen Nothourft dienten. Den Wein follten fie, nur wenn er von ihren eigenen Befigungen bezogen wurde, jteuerfvei haben, während fie bagegen allen gefauften Wein ebenfo, wie die weltlichen Einwohner, ver: fteuern mußten. Wein zu fchenfen und mit biefem ober fonftigen Gefällen Handel zu treiben, warb ihnen unterfagt. Nur zu Gunften des Bartholomäug-Stifte® wurde hiervon eine beichränkte Ausnahme gemacht. Der Probft und bie Kanonifer dieſes Stiftes follten nämlich während der jechd Wochen zwijchen Martini und Weihnachten Wein iteuerfrei jchenfen dürfen, jedoch nur nach vorher gemachter Anzeige beim Rathe und in ber Weile, daß fie gleich den Laien von allem gekauften Weine, den fie fchenkten, das geſetzliche Ungeld entrichteten.

Es bielt den von ihrem Biſchof verlaffenen oder vielmehr ver- rathenen geiftlichen Herren fchwer, ſich in die ihnen aufgebrungene Nothwendigkeit zu fügen, und fie machten noch zwei Jahre lang ohnmächtige Verjuche, viefelbe von fich abzuwenden. Sie verftanden fich erft mehrere Monate nach dem Abſchluſſe des Vertrages, und erit nachdem der Rath fich deshalb an den Erzbijchof gewandt hatte, bazu, bie in dem DVertrage ihnen auferlegten Verpflichtungen durch bad Aufbrüden der drei Stiftsfiegel anerzufennen (j. Anm. 101). In der erjten Hälfte des folgenden Jahres mußte der Rath den Erzbiſchof und den König mehrmald mit der Bitte angehen, die Frankfurter Paffheit zur Befolgung der Vertragsbeſtimmungen anzu- halten, und namentlich auch den erbitterten Cuſtos Nikolaus Gerftungen zur Ruhe zu bringen, welcher jogar noch dann, als die brei Stifte die ihm als ihrem Procurator ertheilte Vollmacht zurückgezogen hatten, in Rom zu Magen fortfuhr, und erjt drei Jahre nach bem

136 V. Der Kampf mit dem Merus um ben Beginn bes fünfzehnten Jahrhundert.

Abſchlufſe des Vertrages (Ende December 1410) ſich mit dem Mathe ausſöhnte (ſ. Anm. 102). Auch in Betreff der übrigen Geiftlichen fah ſich der Erzbifchof noch im Oktober 1409 genöthigt, ſie vor ſich zu beſcheiden und ihnen befehlend zu erflären, daß der geſchloſſene

Vertrag in allen feinen Theilen aufrecht erhalten bleibe (|. Anm. 103). Erſt von biefer Zeit an hörte bie Wiverjehlichkeit des Frankfurter Klerus auf, und die Stabt trat in den Genuß ber ihr vertrag mäßig zuerfannten echte.

Auf joldye Weife endete der Langjährige Kampf, welder in Frankfurt zwifchen Kirche und Staat geführt worben war, mit bem Siege des Lebteren. Diefer Steg felbft aber war ein fo entjchel- benber, daß in Frankfurt nachher die Geiftlichkeit nie mehr das Mebergemicht über die weltliche Regierung zu erlangen vermochte.

1 E3 war, wie aus ber Gefchichte dieſes Kampfes Mar hervorgeht, vie ausdauernde Energie, die unerjchütterliche Conſequenz und die ben Umftänben gewachjene Klugheit und Gemwanbtheit des Rathes geweſen, was ber Bürgerichaft ein ſolches Ergebniß des Kampfes errungen hatte, Wer aber damals in dem Nathe die eigentlichen Leiter gewefen, welchen Männern man alfo vorzugäwetfe ven ſchwer erfämpften Sieg zu verdanken hatte, ift und bleibt wegen ber Befchaffenheit der gleichzeitigen Gejchichtäquellen unbekannt. Aus jenen Zeiten, in welchen nur Wenige Sinn für eine pragmatifche Behandlung ber Gefchichte hatten, werben und zwar Namen genug überliefert; dagegen werben aber die individuellen Eigenfchaften ver auftretenden Männer, jowie ihre jittliche und intellfectuelle perfönliche Beziehung zu bem Gange der Dinge in den meiften beutfchen Geſchichtsquellen jener Zeit unbeachtet gelafjen. Dies ift namentlich auch bei der älteren Gefchichte der Stadt Frankfurt der Fall. In ihr treten bie leitenden und bejtimmenden Perjönlichkeiten erft in dem Verhältnifje immer klarer hervor, als die überlieferten Begebenheiten fich ber neueren unb neueften Zeit nähern; im Mittelalter dagegen ift faſt ſtets nur bie Entwidelung der Dinge an und für ſich felbft der Erkenntniß bed Forſchers erreichbar. Diefer vermag daher auch in ber mittelalter- lichen Gefchichte Frankfurt's nur felten bie angenehmfte feiner Pflichten zu erfüllen, jene ber Vorzeit fchuldige Pflicht, das Weſen und Wirken verbienter Männer zu veranfchaulichen und ihnen jo in ber Vater⸗ flabt ein dankbares Andenken zu jtiften.

VI. Der Aufſtand von 1525 und Franffurt’s Verhältwig zum Bauerntriege. 137

VI.

Der Aufftaud von 1525 und Frankfurt’s Verhältniß zum Banernfriege ).

Der fogenannte Bauernkrieg iſt die ftärkite innere Bewegung, welche im ganzen Verlaufe ber deutjchen Reichsgeſchichte vorkommt. Er war nämlich nicht blos, wie man ihn genannt und früher auch meiſtens bargeitellt hat, eine bewaffnete Erhebung des Bauernſtandes gegen feine Unterbrüder, ſondern vielmehr ein Aufftand der ganzen unteren Bollöflafie in Stadt und Land gegen bie bevorrechteten weltlichen und geiftlihen Stände, aljo eine evolution im vollen

7) Die Hauptquelln find, außer ben Raths⸗-Protokollen: 1. das fogenannte Aufruhrbuch ober, wie ber Titel auch lautet, „ber ergangnen auffrur allbie (als bie fich verlauffen) handlung,’ ein im Stadt: Archiv (Mglb. E. 81. Nr. 1) befinbliches, offenbar von einem bamaligen Rathsgliede ober auch vom bamaligen Stadtfchreiber verfaßtes Manufertpt; 2. daB Tagebuh Wolfgang Königftein’s, eines Kanonikers des Liebfrauenftiftes, welches fi unter ben Urkunden biefes Stiftes erhalten hat ımb bie Zeit von 1521 bis 1581 umfaßt; 8. eine ziemliche Anzahl Actenfüde aus dem Jahre 1525, welche das Stadt-Archiv in Myglb. €. 31. Nr. 2 enthält; 4. eine fpätere Zufammenflellung ber Begebenheiten aus dem Aufruhrbuch, bem Tagebuch Königſtein's, ben Menningsbüchern und Schurg's Manufcript res clero - potiticae (Mglb. ©. 81. Nr. 4); als Ber: faffer iR I. P. 8. bezeichnet (wahrſcheinlich ber 1665 geflorbene Joh. Philipp Kellner). Neuere ansführlichere Bearbeitungen ber Geſchichte dieſes Aufflanbes gibt es nur zwei, die von Kirchner (II. S. 25 bis 49) und bie von W. Zim⸗ mermann in feiner Sefchichte bed Bauernkrieges (III. S. 524 bis 584 und 864 ber Ausgabe von 1854). Lersner behandelt den Aufſtand an drei Stellen feiner Chronik (L 1. S. 877, I. 2. ©. 19 und IL. 1. ©. 488), aber jedes RA

ſehr kurz.

138 VI Der Auffiand von 1525 und Frankfurt's Verhältniß zum Bauernkriege

Sinne des Worte. Wie im ganzen füblichen und mittleren Deutſch⸗ land damals die Bauern ſich erhoben, fo waren zu gleicher Zeit auch die Bürger ber meiften bortigen Städte in Aufftand; und Beide wurden ebenfo von einem und demſelben Geifte getrichen, wie Beide ein und dasſelbe Ziel im Auge hatten. Auch fehen wir eines Theild die Männer, welche ala Freiheit3:Apoftel damals der Re: volution den Weg bahnten, ebenfomohl in den Städten als auf dem Lande für diefelbe arbeiten, und anderes Theils gewahren wir bei den ftäbtifchen Einwohnern die Iebhaftefte Sympathie mit den em: pörten Bauern, fowie bie Neigung, biefelben zu unterſtützen und gemeinfchaftliche Sache mit ihnen zu machen.

In Betreff jener Männer genügt es, als Beifpiele Thomas Münzer in Mühlhaufen, Jakob Wehe in Leipheim, Wenbel Hipler in Heilbronn und in den Stäbten bed Hohenlohifchen, den Kellner Weigand in Miltenberg, einen Menzingen, Deufchlin, Ehriften und Karlftadt in Rotenburg an der Tauber anzuführen, von welchen beſonders ber Lebtere das Städtiſche und Bäuerliche bis zu dem Grade in ſich vereinigte, daß er als geiſtiger Streiter durch Wort und Schrift wirkte, und zugleich, um nach dem Vorgange des Apoſtels Paulus ſein Brod mit eigener Hand zu verdienen, den Bauernrock angezogen hatte und Feldarbeiten verrichtete. Was aber die Sympathie der Stäbter mit den empoͤrten Bauern betrifft, jo nahmen viele Städte, wie Heilbronn, Rotenburg, Reutlingen, Mer: gentheim, Kaufbeuren und Bamberg, entweber geradezu Partei für die Bauern, ober fie unterftüßten biefe doch mehr oder minder. In Frankfurt freuten fich nicht nur viele Bürger, als der fogenannte belle Haufen der Bauern ſich der Stadt näherte, ſondern es baten fogar noch gegen Ende Mai 1525, ald bie Sache ber Bauern ihrem Untergange nahe war, Frankfurter Handwerker der Math um bie Erlaubniß, zu ben Bauern ziehen zu dürfen‘). Ja, ala bereits die Bauern faft überall wieder unterbrüdt waren, und bie fiegenden Fürften einen drohenden Brief nad) Frankfurt geſchickt hatten, wagte der Kürfchner Rüter in Gegenwart von Rathsgliedern dieſe Fürſten

1) Im Raths-Protokoll vom 28. Mai 1525 heißt es: „Als etliche fchug- weder bitten, ine zu erlawben, zum pauren hawffen zu ziehen: ine weder ver- pieten oder erlawben.

VI. Der Auffiend von 1525 und Franffurt'3 Berbältuiß zum Bauernkriege. 139

treulofe und unbarmberzige Menfchen zu nennen, und fo viele andere Bürger thaten bazfelbe, daß der Rath deshalb eine Verwarnung an die Bürgerichaft ergehen laſſen mußte).

Auch die Forderungen, welche damals bie Stäbter ihren Obrig- feiten gegenüber machten, ftimmen der Hauptſache nach mit denen der Bauern überein; fie unterfcheiden ſich von biefen nur durch bie Nicht Erwähnung derjenigen Webel, welche wie bie Leibeigenſchaft in den Städten nicht vorhanden waren, jowie durch die Anwenbung des Principe der Bewegung auf die fpeciell ſtaͤdtiſchen Berhältnifie. Sogar die Begründung jener Forderungen ift ganz biefelbe, ja zum Theil fogar in die nämlichen Worte gefaßt. Vergleicht man 3. B., um bei der Stadt Frankfurt ftehen zu bleiben, die von ihren Bürgern gemachten Forderungen mit den berühmten zwölf Artikeln, welche bei den oberjchwäbifchen Bauern entitanden waren: fo findet man, daß Beide in ihrer Einleitung theils auf bag Evangelium gegründet, theild gegen den Vorwurf der unrechtmäßigen Anwenbung besfelben ficherzuftellen gefucht werben, und daß Beide in ihrem Schluſſe den Rechtsanſpruch auf jebe weitere Forderung wahren, welche aus ber Heiligen Schrift als dem Inbegriffe des göttlichen Mechtes nachzumeiien fein würde. Diefe Wahrnehmung brängt uns willfürlih zu der ſchon oft aufgeworfenen Frage, ob bie mit bem Kamen des Bauernkrieges bezeichnete deutſche Revolution aus der Reformation hervorgegangen fei.

Die ˖ Verneinung diefer Frage ergibt ſich jchon aus dem Um⸗ ftande, daß bereii3 vor dem Beginn der Reformation die Bauern- aufftände des Bundſchuhes und des armen Konrad in Schwaben und am Oberrhein, fowie ber ver fogenannten Stora branda in Kärnthen ausgebtochen, und gleich dem Bauerntriege nicht blos gegen das weltliche, fordern auch gegen das geiftliche Herrenthum gerichtet geweſen waren. Dasſelbe Ergebniß liefert die Betrachtung des

I) Raibs = Protofol vom 20. Juni: „Als Hermann NRüter kurßner gerebt bat, daß bie furften truveloß umb ungnebig fein worben, in beyweſen ber Rats⸗ freund und irer diener, boil er ſich brümpt, baß er by den burn gewefl ſy: nad ime ſchicken und ime bie reb, auch ber furften brief furbalten und ernfllich zu weg fagen, das er felbft fur ſich ſehe.“ Desgleichen vom 29. Juni: „Als bem Rabe furkompt, baß bie burger ben furften, graun und bern ſmelich nach rebben: Bath der nottel uf hude ußruffen laſſen.“

140 VI. Der Aufſtand von 1595 und Frankfurt's Verhäliniß zum Bauernkriege.

Geiſtes, welcher fchon vor ber Reformation in Betreff der Geiſftlichkeit ſowohl die Stäbter, als bie Bauern beſeelte. Sa, fogar aus dem Beginne des Bauernkrieges ſelbſt laͤßt fich ein Beweis für bie außgeiprochene Behauptung beibringen. Bei ber eriten bamaligen Empörung der Bauern, dem im Sommer des Jahres 1524 audge- brochenen Aufftande in Oberfchwaben, erflärten bie Empörer dem Abgeſandten ihrer Herren, fie feien nicht evangeliſch und Hätten ſich nicht des Evangeliums wegen zufammengerottct 1). Die Tirchliche und bie politiiche Bewegung jener Zeit gingen nicht aus einanber hervor, ſondern fie waren neben einander auftretenbe Ericheinungen, welche dem natürlichen Gange der Dinge als ihrer gemeinfchaftlichen Duelle entfprungen find. Auch war ja damals nicht, wie in unjerer Zeit, Alles ſcharf von einander gefchieben, vielmehr waren Kirche und Staat noch fo jehr mit einander verfchmolzen, daß die Erſchut⸗ terung des einen biefer beiden Haupt: Elemente und Haupt Formen des damaligen Leben? nothwendiger Welfe auch das andere berühren mußte.

Andererſeits hat bie beutjche Revolution von 1525 einige Aehn- Ticket mit ber von 1848. Bringt man nämlich den doppelten Unterfchteb unferer Tage von ber Reformationd- Zelt, das bloße Nebeneinanderftehen von Kirche und Staat und das geringere Gewicht der religiöfen Boritellungen, in Abrechnung, jo haben im Vebrigen beide Erfchütterungen des deutſchen Nationallebenz eine gewiſſe Gleich⸗ artigfeit. Beiden geht eine große, wohlbegründete Unzufriedenheit mit dem Beſtehenden voraus. Beide Fünbigen ſich durch einzelne Ausbruche im Voraus an. Beide ziehen, ſobald ber Moment bed Hauptausbruches erſchienen ift, mit Blitzesſchnelle zuͤndend über bie beutfchen Gaue hin. Beide beginnen mit einigen Hauptforberungen, welche, an Einem Punkte zum erjten Male außgefprochen, alsbald überall wiederholt werben. Beide erwecken gleich anfangs eine Anzahl von treibenden Bewegungs: Männern, welche in Einem Geifte Handeln, ſogleich idealiſch über das Nächftliegenbe hinausgreifen, und allent- halben die Mafje bereit finden, ihrer Leitung zu folgen. Beide Scheitern an dem Mangel von praftifch tüchtigen Führern, an ber Mannichfaltigkeit der Intereffen und Berhältniffe des deutfchen Volke,

1) ©. Zimmermann’s Bauernkrieg, II. &. 16 der Ausgabe von 1854.

VL Der Aufſtand von 1525 und Frankfurt's Verhültuiß zum Bauerntriege. 141

an der mit jeber anhaltenden Waffen: Erhebung verbundenen Aud⸗ artung des Sinnes, ſowie an dem in Folge von allem dieſem einge- tretenen Wiebererftarten der anfangs vatb- und bülflofen Macht der Herrſcher. Bei Beiden enblich iſt das durchſchimmernde rein nationale Streben die erfreulichite Selle; denn auch 1525 befeelte unjere Nation der Gebanfe ter beutfchen Einheit und das tief gefühlte Bebürfnig der Herftellung eines kraͤftigen einheitlichen Regiments tm Vaterlande ).

Um nun zu dem beſonderen Gegenſtande dieſer Darſtellung, dem Verhaͤltniſſe der Stadt Frankfurt zu ber Revolution von 1525, überzugehen, jo war auch dort der Zuſtand ver Dinge fo beichaffen, dag Frankfurt in die allgemeine Bewegung bineingezogen werben mußte. Bon den beiden Seiten bed damaligen öffentlichen Lebens, der kirchlichen und der politiichen, war bie eritere diejenige, die ſich im traurigiten Zuftande befand. Die Geiftlichleit war durch Zwie⸗ tracht in fich ſelbſt zerrüttet, fowie wegen ihrer Sittenloſigkeit allge mein gehaßt und jogar verachte. In Hinficht auf das Letztere erregte die aäͤußerſt anſtoͤßige Lebensweiſe ver Seiftlichen jo großes Aergerniß, daß fie den Gegenftand einer ber Beichwerbe- Artikel bildete, welche die Bürger 1525 bei ihrem Aufitande dem Rathe vorlegten, daß der Rath diefen Artikel auch ohne Weiteres zugeſtand, und daß die Geiftlichen, ſogar ald der Sturm von 1525 an ihnen glüdlich vorübergegangen war, leichtfinniger Weiſe ihren Argerlichen Lebenswandel noch immer fortjebten (j. Anm. 104). Ebenfo arg, wie mit der Sittlichfeit, ſah es mit der Einigkeit ber Geiftlichen und mit ihrem gegenfeitigen Benehmen au. Um das Jahr 1505 er: laubten fih 3. B. ein Barfüßer und ein Dominikaner, ſogar bie

1) Der im Bauernfriege entflandene Verein, ber fich bie enangelifche Brüder⸗ ſchaft nannte und feine Mitglieber ebenfowohl unter den Bauern, wie unter ben Städtern hatte, flellte ben Grundſatz auf, daß man keinen Herrn außer bem Kaiſer haben wolle. Wie biefer In Schwaben entftandene Bund wollten auch bie empörten Franken und Eljäfier nur Einen Herm, bie römifch-Taiferliche Majeftät, haben. Der belannte Kongreß ber Bauernhäupter aber, welder am 9. Moi in Heilbronn gehalten wurde, und den man bad Bor-PBarlament der Bauern nennen fönnte, verlangte nicht nur gleiche Münze und gleiches Maß und Gewicht in Reiche, fondern er entwarf auch bie Grundlage einer Reform, nach welcher daB Reich aus Iauter Freien und Gleichen unter Einem Haupte, bem Kaiſer, beſtehen folte. ©. Zimmermann, I. ©. 15, 507, 641 fig., 704 biß 707.

142 VI. Der Aufftand von 18525 und Frankfurt's Verhältniß zum Bauernkriege.

Kanzel der Hauptklirche zu gegenfeitigen Schmähungen zn benuben, und es kam dabei einft während der Prebigt zu einem jo ärgerlichen Gezänfe zwifchen Beiden, daß bie erbitterte Gemeinde ben einen von ihnen beinahe getödtet Hätte). Sogar im Inneren ber einzelnen Eollegiat-Stifte zankte man fi nicht allein auf gemeine Weiſe, fondern es kam auch vor, daß einer den anderen ſchlug ). Während dieſe ftarfen fittlichen Gebrechen dem Klerus bie Verachtung der Bürgerichaft zugezogen hatten, war berjelbe zugleich wegen der brüdenden Abgaben, die man ihm zu zahlen hatte, ver- haft. Trotz der kaiſerlichen und päbftlichen Gebote von 1376 und 1477 (f. oben S. 106) bejaßen die Geiftlichen noch eine Menge von Gülten oder Erbzinfen, fo daß der Rath fchon vor dem Auf- ftande von 1525 Schritte zur Abldfung derfelben gethan Hatte, und daß er noch 25 Jahre fpäter ausſprach, Frankfurt ſei mehr als andere Städte mit ſolchen Zinfen belaftet®). Sonverbarer Weife waren in Frankfurt noch dazu bie Aiche und bie von ihr zu er- hebenden Gefälle ein Recht de Dom: Probfted. Daß die Geiſtlich⸗ feit auch in der letzten Zeit ihre Einkünfte fortwährend vermehrt und dieſe noch dazu nicht auf gebührende Weile verwendet hatte, zeigen der dreizehnte und wierzehnte Artikel der 1525 von bem Bürgern gemachten Forderungen ; denn in biefen wirb verlangt, daß die Pfründen nur an würbige Geiftliche vergeben und mit einer Abgabe belaftet werden follten, jowie daß inskünftige fromme Ber: mächtniffe nur für einen unter der Verwaltung der Stabtbehörde ftehenden Almofenlaften gemacht werben follten. Im vierten Artikel

N) Kirchner, L ©. 516 fig.

7) Als Belfpiele mögen folgende Vorkommenheiten dienen. Der Pfarrer zu St. Bartholomäus, Peter Meyer, Iebte in Haber und Streit mit ben anderen Ranonilern feines Stiftes (Ritter’3 e ang. Denkmal, S. 79). Ber Kanonikus bes Biebfrauflifte Wolfgang Königfein fpricht in feinem Tagebuch von feinem Dechanten, bem bekannten Cochläus, in böhnenber Weiſe. Derfelbe Stiftsgeiftliche berichtet in Betreff einer Kapitel⸗Sitzung feines Stiftes, daß auf eine Aeußerung von ihm ber Dechant ihm nicht allein geflucht, ſondern auch mit Schlägen ge droht habe, und daß ein anderer Kanonifer fonar bie Worte außgeftoßen babe, er werde ihm, wem bad Gefagte auf ihn geben folle, das Leben nehme. Im Raths⸗Protokoll vom 25. Mat 1525 wird berichtet, daß zwei mit Namen genannte Mitglieber bes Leonharba - Stifteß einander gefchlagen bätten und beshalb nad Mainz vorgelaben worben felen.

8) S. Leräner, II. 1. ©. 117 fig.

VI. Der Aufſtand von 1525 und Frankfurt’ Verhältniß zum Bauernkriege. 143

wird den Mönchen der ftäbtifchen Kloͤſter ſogar nachgefagt, fte und ihre Vorfahren Hätten nicht nur den Bürgern Geld abgebettelt und mit falſcher Geiftlichkeit abgegeizt, fondern auch einen Theil der fo erlangten Summen, anftatt biejelben in Frankfurt jelbit zu frommen Zwecken zu verwenben, in andere Stäbte geſchickt. Der Oruck, welcher wegen ber vielen Tirchlichen Abgaben auf ben Bürgern faftete, und das Streben der Geiftlichen, ihre Einkünfte noch zu vermehren, muͤſſen jchr groß geweſen fein, da bie Sachtenhäufer in einem 1524 dem Mathe überreichten Bittgefuche !) fich nicht ſcheuen, ben Stadipfarrer Meyer einen Schanffrefler zu nennen und zugleich ven Herren des Bartholomäus- Stifte den Vorwurf zu machen, biefelben ſeien beflifien, nicht allein die Schaafe zu weiden, fonbern die Schaafichur (nämlich Gülten und Renten) zu verewigen, forte den Zehnten und den blutigen jauren Schweiß nebft Haut und Haaren abzuziehen, ohne Rüdficht daran), daß die armen Weiber und Kinder der Laien nicht ſatt zu effen hätten.

Am meilten war ben Bürgern das Bartholomäugs-Stift ver- haßt, nächit ihm aber bie Kloftergeiftlichen. Dies ergibt fich aus der jo chen erwähnten Beſchwerde der Sachlenhäufer und aus dem Umftande, da 1525 gleich beim Beginne bes Aufftandes bie Bürger in das Hauptgebäude jene® Stiftes und in die Klöfter eindrangen, fowie in Betreff der Mönche und Nonnen insbeſondere noch daran, daß die ihnen gemachten Schenkungen in den legten Jahren bedeutend abgenommen hatten ?), und daß im fünften und 48ſten Artikel der 1525 von der Bürgerfchaft gemachten Forberungen die Aufhebung aller Klöfter verlangt wurde. Bon den Mönchsorden felbft fcheint der ber Antoniter am wenigjten, der der Deutjchherren am meilten verbaßt gewejen zu fein; benn ber Eriteren wird während bes ganzen Aufftandes von 1525 mit feinem Worte tabelnd gedacht, die Letzteren bagegen waren während desſelben vorzugsweiſe durch bie Wuth und Plünderungzluft des Poͤbels bevroht. Das deutſche Haug in Sachſenhauſen hatte einerjeit? wegen feines in großem Umfange geübten Aſyl⸗Rechtes Häufig mit dem Rathe Streit), und anderer

1) Abgebrudt in Ritter’ evangeliigen Denkmal, S. 67 fig.

ı) ©. Rirdner, I. ©. 517.

2) Auch noch unmittelbar nach bem bie Geiſtlichen fo ſehr bebrohenben Aufftande von 1525 kam Folgendes vor, was Königftein in feinem Tagebuche

144 VI. Der Aufſtand von 1825 und Frankfurt's Verbältuiß zum Bauernfriege.

ſeits beeinträchtigten bie getftlichen Ritter durch ihre großen Schaaf: heerven bie Viehweiden der Bürger in hohem Grabe. Das Lebtere hatte die Bürgerfhaft fo fehr erbittert, daß ſchon vierzehn Tage nach dem Beginne bed Aufftandes das Leben ber Deutjchherren durch ben gemeinen Haufen ernftlich bebroht war, und daß der Rath den Schäfer derfelben nicht gegen bie Gefahr, getödtet zu werben, ſchützen zu Bönnen glaubte (j. Anm. 105).

In Betreff ber religiöfen Seite bed Kirchen⸗ und Priefter- thumes fühlte bie Bürgerfchaft das Beduͤrfniß eines einfacheren, mehr auf das Innere bed Menſchen wirkenden Gottesdienſtes. Ste jehnte fich deshalb nach wirklich frommen und erleuchteten Geiftlichen, fowie nach der durch Geremonten und Gepränge faft ganz aus der Kirche verbrängten Predigt des göttlichen Wortes !). Ebendeshalb ‚verlangten bie Bürger 1525 bie Abichaffung der im Grunde nur noch zu Feſtzügen bienenden Brüberfchaften, welche bei einzelnen Koͤrperſchaften beftanden, fowie die Beſeitigung ber vielen Anniver- farten ober SJahresgedächtniffe von Verftorbenen und des kirchlichen Prunkes, welcher bei Beerdigungen und bei ben Feſten ber Brüber- fchaften entfaltet wurde. Bor allen Anderen aber, forderte man beffere Pfarrer; und weil diefe Forderung von Seiten ber geiftlichen Behörde nicht berichfichtigt wurde, jo verlangte man, daß bie Wahl der Geiftlihen an den Rath und die Gemeinde übertragen werbe.

Nicht fo fchlimm, wie mit den Firchlichen Zuftänden, ſah es in Frankfurt mit den politifchen aus; denn die Mehrzahl der Bürger

am 7. Dftober 1526 berichtet: „Des Abends bat ein meltlich Richter Heinrich von Abe, genannt Waderwalt, einen Schinder im Frauenhaus umbradt. Er if in das Deutſchhaus gewichen und banad mit andern Buben aus ber Stabt gewichen.“ Ebenſo gab es noch in ben nächſten zwei Jahrhunderten gar häufig Streit zwifchen ben Rathe und ben Deutſchherren, weil bie Letzteren immer wieber Verbrechern ein Afyl gewährten.

V Kirchner, L ©. 518, tbeilt aus einer dem Stabtpfarrer 1444 ertheilten Amtsvorfchrift einen Sab mit, nach welchem diefer nur viermal im Jahre zu prebigen verpfliägtet war. Er gibt auferbem Beifpiele, welche zeigen, daß das ſchlecht befriedigte Bedürfniß des Volkes, eine Predigt zu hören, ben tüchtigeren Prebigern Taufende von Zuhdrern verfchaffte. Dasfelbe geht auch auß ber Ber: ehrung bervor, weiche die Bürgerfchaft bem 1505 geflorbenen Pfarrer Henfel gewährte und bei feiner Beerdigung in anfallender Weiſe zu erkennen gab (eirchner, L ©. 570 flg.).

VE Der Aufſtand von 1525 und Frankfurt's Verhältniß zum Bauernkriege. 145

bewahrte ſogar während des Aufftandes von 1525 den Leitern ber Stadt Achtung und Vertrauen, während gegenüber ven Getftlichen dad Umgefehrte Statt fand. Doch waren auch im weltlichen Regi⸗ mente Misbräuche eingeriffen. Diefe waren der Hauptſache nad biefelben, welche auch beim Zünfte-Aufftande des 14. Jahrhunderts die Empörung hervorgerufen hatten, und nachher zu Fettmilch’3 Zeit noch einmal eine Revolution herbeiführten. Auch hatten fie ſchon in den legten Jahrzehnten vor dem Aufftande von 1525 bei einem Theile der Bürgerfchaft eine Stimmung erzeugt, die man gerabezu ala eine revolutionäre bezeichnen kann. Sm Sabre 1487 3. B., als ein Rathöglied der Handwerker: Bank wegen Beruntreuung ftäbtifcher Gelder gefangen gejeht worden war, fagte ein Bürger, es gäbe noch mehr Diebe im Rathe; er bezeichnete fogar zwei Rathsglieder, einen Slauburg und einen Froſch, als foldde, warb aber zur Strafe bins gerichtet *). Ferner tadelte 1523 cin Schneider einen Schreiner wegen jeiner Anhänglichkeit an ben Rath, und fagte zu ihm, alle bie, welche des Rathes Farbe trügen, feien Verräther; er wurbe bafür vor Gericht geftellt, entzog ſich aber ber Strafe durch bie Flucht 2).

Im ‚Grunde wurzelten die Misbräuche, welche im ftäbtifchen Regimente vorkamen, in dem Umftande, daß ber aus Tebenslänglichen Mitgliedern beftehende, nur von der Reichsregierung abhängige Rath weder in der Geſetzgebung an irgend eine Mitwirkung der Bürger ſchaft, noch auch ſelbſt in Betreff der Finanzen an einen ihn con- trolivenden Ausſchuß derjelben gebunden war; und es iſt eine auf- fallende Erfcheinung, daß namentlich der Gedanke einer finanziellen Eontrole in Frankfurt bis auf Fettmilch's Zeit immer nur in fehr befchräntter Form zu Tage getreten if. Die einzelnen Miöbräuche ſelbſt, weiche 1525 im Stadt-Megimente walteten, bilbeten Haupt

3) Lersner, II. 1. ©. 6885.

*) Bürgermeifterbu von 1525 in die Praesentat. Marine: „AlB Hans von Frandenfurt gnant Naftbans ſnider im jare 1528 fi mit Fierobent fchriner getwihet und gefagt, alle die jhenen, fo bed Rats farben tragen, fien alle verretter , derhalb Flerobent ine mit recht furgenomen, iſt er Hans ent- wichen, etlich zeit fich ußmenbig ber flat gethan, dem Rade gefchrieben, ſich wibder infomen zu laffe, das time geweigert, hat er ſich ber in gethan und ift angenommen worben: uf ein orfribben uflafien und bie flat verfchweren laſſen.“

Kriegt, Frankf. Bürgerzwife. 10

146 VI Ber Auffand von 1598 und Frankfurt's Verhältniß zum Bauernkriege.

Segenftände der damals von der Bürgerfchaft gemachten Forderungen ; biefe in 46 Artikel gefaßten Forderungen geben und daher das Mittel an die Hand, den AZuftand der ftäbtifchen Regierung und Verwaltung ober wenigſtens das, was ein großer Theil der Bürger: haft an ihm auzzufegen hatte, Tennen zu lernen !).

Nach diefen Artikeln hatten die Rathswahlen nicht immer „auf: richtige, verftänbige, erfahrene und geſchickte“ Männer in ben Rath gebracht, ſondern es war vielmehr bei der Aufnahme neuer Mit glieber auf Freundſchaft und Verwandtſchaft gejehen worben, jo daß mitunter Bater und Sohn oder auch zwei Brüder zugleich im Rathe und im Schöffengerichte jagen. Das Raths⸗Protokoll vom 21. April bezeichnet diefen Vorwurf als ungegrünbet, und eine handſchriftliche Erklärung des Nathes, welche offenbar eine für einen Vortrag bei der Bürgerjchaft beſtimmte Inftruction war, fordert biefe zur Angabe berer, welche „aus Schenk oder Gunft” angenommen worden feien, auf und verjpricht bie zu beftrafen ?).

Der Vorwurf ber Willfür und des Misbrauches ver Gewalt, welchen die Bürgerjchaft dem Rathe machte, wirb von berjelben nad folgenden verjchiedenen Seiten hin zu begründen gefucht. Erſtens fol der Rath Bürger troß ber angebotenen Bürgichaftzleiftung

1) Diefe 46 Artikel findet man Bei Kirchner, II. S. 514 fi. abgebrudt. Ob fie genmu wiebergegeben find, weiß ich nicht, ba das Driginal im Stadt⸗ Archiv nicht mehr aufzufinden if. In diefem findet man nur ben in bag Auf: ruhrbuch aufgenommenen Artifelbrief, d. h. jene Artikel in ber Zorn, in welcher fie vom Rathe angenommen worden find. Den Ausbrüden nad waltet allerdings zwifchen biefem Artitelbriefe und ben bet Kirchner «bgebrudten Artifeln ein bedeutender Unterſchied; der Inhalt ſelbſt aber ift bei Beiden ber nämliche.

2) Das Math: Protofoll Tautet: „Der Böfte artikel die ratsfrund belangenb: dveil differ art. eym Erbarn Mate ſchmehlich zugemeljen, den art. verantwortten unb daby fagen, ein E. R. babe fih laut ires art. gevliffen, werb es auch noch tun.” In ber oben erwähnten Erflärung (Stabt:Arhiv Mglb. €. 81. Nr. 2) it dies fo ausgedrückt: „Stem, ben Söften, ben follen bie frund verantivorten, daB ſichs nymmer erfunden fol, funſt ſy eyn Stat willig, wie fie begeren; wo aber eyner auß fehend oder gunft don ymant angenommen wer, wo fold angezengt, wer un E. R. zu flraffen erbuttig.” Uebrigens findet man in ben Lersier’fchen Verzeichniſſe für bie Zeit des Aufftandbes nur zweimal Rathsherren von gleichem Namen, nämlid zwei Neubaus ımb zwei bem Sporer : Handwerle angehörige Happel. Gelegentlich bemerfe ich, baß bie bei Kirchner, IL ©. 520 ff. mitge tbeilte Rathzerflärung aus dem Aufruhrbuche abgebrudt ifl.

VL Der Aufſtand von 1898 und Frankfurt's Berhältmiß zum Vauernkriege. 147

gefänglich haben einziehen laſſen, während die doch nur bei Friedens⸗ bruch, bei groben Verbrechen und bei Nichtbefolgung einer erhaltenen Vorladung gerecht und nöthig fe. Der Math behauptete, eb fei jenes bisher nur bei Friedensbruch und bei Ungehorfam gegen eine gerichtliche Vorladung geſchehen. Zweitens follte ber Math bisher die Schatungen und Beeden nicht auf gerechte Weiſe, je nach dem Unterſchiede der Vermögens angefebt haben, und es wurde be&halb eine dabel Statt findende Mitwirkung der Bürgerfchaft verlangt. Der Rath erklärte Hierauf, es fei auch bisher niemals eine Beede ohne Willen der Bürgerfchaft angeſetzt worden, womit aber aller dings eine Mitwirkung berfelben weder für die Vergangenheit behauptet, noch für die Zukunft zugeftanden wurde. Ein dritter Vorwurf beftand darin, daß die Wachtdienfte nicht in gevechter Welle anges ordnet worben feien, indem der Arme ebenſo viele zu verrichten gehabt Habe, als berjenige, welcher mehrere Häufer beitge. Der Math ging auf das aus Anlaß dieſes Vorwurfes gemachte Begehren ein, ohne über das Higher Gefchehene fich augzufprechen ’). Viertens ſollten fich feither nicht blos die Deutjchherren ala Inhaber des Sand⸗ hofes, fondern auch bie vornehmen weltlichen Beſitzer des Seller: hofes und des Neuhofes der ſtädtiſchen Weideplaͤtze für ihre Heerden Bebient, und die anderen Bürger von der Nutznießung derſelben ausgefchloffen haben. Auch biefen Vorwurf erkannte der Rath duvch bad Merfprechen möglicher Abbülfe an. Ein fünfter Tadel betraf das Forſtweſen: man Tlagte, daß die Eicheln und Bucheckern, anftakt zur Viehmaſt ber Bürger zu bienen, oft heimlicher Welfe an bie umliegenden Orte verkauft und noch dazu die Bürger am Biehtrieb gehindert würden, dag man bie Armen beim Holzſammeln zu ſtrenge beitrafe, und daß die Holzaustheilung nicht zu einer und vderſelben Zeit Für Alle gemacht werde, weshalb denn die reichen Bürger das meifte und befte Holz, die ärmeren aber bie Stümpfe erhielten. Diefer Tadel wurde durch bie verfprochene Abftellung ebenfalls anerkannt. Auf gleiche Weiſe verhielt es ſich mit dem fechiten Vorwurf, daß die

1) So nad dem Ratbs: Protofol und nach ber erwähnten Inſtruction, in weldyer noch dazu biefe Yorberung für eine billige erflärt wird. Wenn bei eirchatr, L S 528, ficht, ber Math; Habe auch hierbei ausgeſprochen, ed ſei ſchon biaher fo gehalten worben, fa rührt bie aus einer nur mittelbaren Duelle (dem biftorifchen Berichte des Aufruhrbuches) ber.

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148 VI Der Auffianb von 1525 und Frankfurt's Berhälmi zum Bauernfriege.

Reichen, unter ihnen auch ein Theil ber regierenden Herren, bie auf ven Markt gebrachten Früchte, um mit ihnen Handel zu treiben, ſchon vor den Thoren auflauften, und baburch den ohnedies durch fchwere Abgaben gebrüchten Armen dad Brod vertheuerten !). Einen anderen Nachtheil erlitten bie Aermeren fiebentend durch bie dem Mathe vorgeworfene Begünftigung der Juden, welche freilih nur daraus zu erklären fein würbe, daß bie Herren ber Behörde ſich dafür Gelbvortheile verjchafft hätten. Man klagte, daß den Juden nicht nur der Wucher, fondern auch der Kleinhandel und der Ber- fauf neuer Tücher gejtattet ſei, daß geftohlene oder verlorene Sachen, welche in beren Hände gerathen waren, nur gegen Bezahlung wieber erlangt werden koͤnnten, und daß man in Betreff der an Juden gegebenen Unterpfänder, welche oft nicht wieber zu erlangen wären, beit Gericht Fein Necht erhalten koͤnne. Der Rath verſprach, abge jeben vom Kaufen und Verkaufen, welches den Juden nicht gewehrt werben Fünne, die gewünjche Abhülfe, ſowie auch ven Schöffen eine ent- fprechende Weifung zu geben. Achtens klagte man, baß der Rath zu viele Reifige im Solve habe, während nicht mehr als zwölf nöthig feien; jene Reifige koſteten nämlich nicht blos viel Geld, fondern fie beihädigten auch übermütbiger Weile mit ihren Pferden und Hunden dad bebaute Feld. Der Rath behauptete dagegen, er halte nur zwanzig, und biefe feien zum allgemeinen Beten jest nicht zu ent- behren; jobald man ihre Zahl verringern könne, folle es gefchehen. Die neunte Klage beitand darin, dag der Taglohn, welchen bie armen Bürger von den Befigern ber Grundſtücke erhielten, zu gering ſei und um zwei Heller gebeflert werben müfje, welche Forberung ber Rath fofort zugeftand. Zehntens erhob man bie feit Einführung ‚des römischen echtes immer wiederkehrende Klage, daß bie Gerechtig⸗ feitöpflege zu langfaın und Eoftjpielig fei, und burch die Advokaten noch langjamer und Toftipieliger gemacht werde. Auch bierin wurde Abhülfe zugefagt. Eine elfte Klage, welche den Bürgern zur Ehre gereichte, betraf die häufig vorkommenden Laſter der Völlerei und Gottezläfterung; dieſe jollten nach der ganzen Strenge der Verord⸗

1) Im Kirchner'ſchen Abdruck der Artikel heißt es blos, bie Meichen thäten dies; allein in bem Aufrubhrbuche, welches boch einen offichdfen Urfprung bat, fteht ftatt deſſen: ‚etliche aus ber Obberkait.“

VL Der Auffiand von 1525 und Frankfurt's Verhältniß zum Bauernkriege. 149

nungen, welche der Rath ſelbſt früher erlaflen hatte, beftraft werben. Der zwölfte Vorwurf endlich bezog fich auf die bereit jeit 150 Jahren eingeführte Bevormundung der Zünfte durch den Rath. Er tft befonders deshalb merkwürdig, weil er zeigt, daß in den Zünften noch immer die Erinnerung an die Zeit ihrer früheren Selbitftändig- keit fortlebtee Sie forderten nämlich die Zurücknahme ver beiden Borjchriften, nach welchen die an eine Zunft gerichteten Briefe nur vom Bürgermeifter eröffnet werden durften, und der Rath das Necht hatte, den Zünften ohne ‚ihre Zuftimmung Gefeße zu geben, ſowie außerdem noch, daß der Rath feinen, welcher feine Kenntnig bes Handwerkes nicht ermwiefen habe, zum Handwerke zulaffen dürfe, Dad Letztere geftand der Rath zu; bie beiden anderen Forderungen aber fchlug er ab, die eine, weil er auch jeither ohne Wiflen der Handwerke Tein Zunftgeſetz geändert oder neu gegeben habe, bie andere, weil einzelne (uns nicht bekannte) Worfallenheiten bewiefen, daß das Nicht-Eröffnen der Briefe durch die Zünfte ſelbſt in deren eigenem Jutereſſe liege ?).

Neben den angeführten Vorwürfen willfürlihen Verfahrens hatte der auf den Bürgern laftende Drucd der Abgaben einen anderen Hauptanlag zur herrichenden Unzufriedenheit gegeben. Nach ben beim Beginne des Aufftandes dem Rathe gemachten Forderungen der Bürgerfchaft klagte dieſe über folgende Abgaben, welche außer ber Beede oder Schagung (d. i. der Bermögenzfteuer) auf ihr laſteten. Das Ungeld d. b. die Accife wurde von Wein, Korn, Salz, Del und Fifchen erhoben, und war fo ftark, daß man eine Minderung um die Hälfte verlangte; der Math aber geftand dieſe nur um den vierten Theil zu, weil font der Ausfall bei diefer boch auch von ben Fremden zu leiftenden Abgabe zu groß fei. Diefelbe Herabjegung forderte man bei den Währjchaftögeldern oder der beim Verlaufe von Grundſtücken zu entrichtenden Abgabe; und biefe muß bebeutend gewejen fein, weil ver Rath die Forberung ohne Weitered zugeitand. Bon den Weingärten in Sachjenhaufen zahlte man einen zum Unter halte der Main-Brücke dienenden Zins; auch von biefem wurde auf

1) Am Rath = Protokoll lautet ber hierüber gefaßte Beſchluß: „Der Buße art., das die hantwerck follen macht haben, die brieff uffzubrechen: den art. fruntlich abeflagen und fie vergangener handlung mit Joſt Zrunten und andern hermanen.“

150 VL Der Auffland von 1828 und Frankfurts Verdältnig zum Vauernkriege

Begehren die Hälfte nachgelajien. Von Korn, Hol und Anderem, was ein Bürger in ber Stabt Faufte, mußte er beim Weberfahren über die Brüde Zoll zahlen, beffen geforberte Abfchaffung ber Rath ebenfalls zuließ. Bon jedem Weingarten und Acer wurbe ein zur Beſoldung der Feldſchützen bienender jogenannter Schublohn entrichtet, deſſen Herabjegung geforbert und gewährt warb. Der Anbau einer einem Bürger gehörenden wüſten Stelle und die Umwandelung eines Aderlandes in einen Weinberg war nicht bloß nur mit Erlaubnik ber Feldgeſchworenen geftattet, fondern man mußte biefen auch eine Zahlung dafür machen. Die Bürgerichaft hatte gegen bas Erſtere nicht? einzuwenden, wohl aber gegen daß Xebtere, und ber Rath ging auf ihr Begehren ein‘). Wurde ferner durch Metzgerheerden oder ſonſt bie Feldfrucht befehädigt, fo hatte der Beſchädiger nicht nur dem igenthümer nach dem Spruche des Adergerichtes Erſatz zu leiften, fonbern er wurbe auch noch zu einer Buße an die Stabtfaffe verurtheilt. So zweckmaͤßig dies war, fo wurde boch feine Abſchaffung verlangt und gewährt. Auch den Fleinen Zehnten wollten bie Bürger abgeichafft haben; derſelbe warb aber von der Geiftlichfeit bezogen, welche dafür das TFafelvieh halten mußte, und feine Abichaffung bedurfte aljo der Zuftimmung von biefer 9). Eine der größten Laften, welche aber chenfalld großentheild von ber Geiftlichfeit herrührte, waren bie auf Häufern und Felbgütern ruhenden ewigen Gülten oder Erbzinfen. Man war jo billig, nicht unbebingt deren Aufhe⸗ bung zu fordern, jondern die Bürgerjchaft verlangte blos, daß alle diejenigen Gülten, beren Rechtmaͤßigkeit nicht durch Brief und Siegel beurkundet werben Tönnte, für ungültig, alle anderen aber für ablöß> bar erflärt werben follten. Bel ber großen Menge diefer Art von Laſten und bei dem Nachtheile, welchen ſie für die Grundſtücke, fowie

1) Es handelte fich hierbei hauptfächlich um das in früheren Zeiten oft vor: fommenbe und beshalb immer wieder verbotene Vervielfältigen bes Weinbaues auf Roften bes Getraidebaues. Dies geht aus ber mehr erwähnten Inſtruction hervor: „uff ben 15. art. inen ambeigen urſach, daß ben Rat biducht hat, ed werben viel sder, die frucht tragen mogen, zu wingarten gemacht, ba8 bem armen ſwar, ban wo die [chen erfrießen (erfrieren), muß ber arın man doch arbeiten und bat nicht da von; wo fie aber davon nit abfiehen wollen, laß ber Rat geicheen, das eyn iglicher find gefallens wingarten mad.”

2) In ber Inſtruction heißt es: „uf ben SBften haben bie priefler antwort (zu) geben; ber probfl ift nit bie; wer daß fafel fiehe Halten werbe.‘

VI. Der Aufſtanb von 1525 und Frankfurt's Verhältniß zum Bauernkriege. 151

für Wohlſtand und Gewerbäthätigfeit hatten, war bie Forderung eine gerechifertigte, und ber Math hatte felbit ſchon ſeit mehreren Jahren darüber mit dem Klerus, wiewohl vergebend, unterhanbelt; bie Gewährung diefer Forderung wurde aber vom Mathe beanftandet, weil fie bedenkliche Derwidelungen herbei geführt haben mwürbe, und nicht bloß einen Widerſtand ber Kirche, ſondern auch ein Einſchreiten ber Reich2gerichte würde bejorgen laflen (ſ. Anm. 106).

Dem Viſirer d. h. dem Angeitellten, welcher bie Weinfäfler zum Behufe ber Erhebung der Acciſe auszumeſſen hatte, mußte man feither für diefe Bemühung eine Abgabe bezahlen, welche bedeutend geweſen jein muß, weil bie Bürgerfchaft zur Zeit des Aufſtandes nur die Verminderung derjelben um die Hälfte verlangte, was ber Rath für die Einhelmifchen, aber nicht für die Fremden gewährte. Sm Betreff der Aiche und des Maaßes und Gewichte hatte der Probft des Bartholomäud-Stiftes das unnatürliche echt, daß Beides unter feiner Aufficht und Leitung ftand, und daß er bie Einfünfte bavon bezog. Die Bürgerſchaft wollte Beides in die Hände beb Rathes gebracht haben, der Rath antwortete, daß bie von ber Zuftimmung der Geiſtlichen abhänge. Die Letzteren ftimmten nicht zu, und Beides blieb noch ſehr lange Zeit ein dem Bartholomäus Stift gehörendes Vorrecht ). Eine eigenthümliche Abgabe war bie folgende: wollte ein Bürger eine Treppe, cine Schwelle oder ein Kellerloch In oder vor feinem Haufe machen, fo bedurfte er dazu nicht 6108 der Erlaubniß des Bauamtes (oder, wie man damals fich aus⸗ drückte, ver Baumeifter), jondern er mußte auch eine Zahlung ar die Stadtkafſe Bafür machen. Das Letziere ftellte der Rath auf bie Forderung der Bürgerichaft fofort ab. Sogar von einem fo noth⸗ wendigen Bebürfniffe, wie bie Milch ift, mußte eine Abgabe entrichtet werben; auch dieſe bob der Rath auf Begehren der aufftänbigen Bürger ſogleich auf. Ebenſo hatte jeder Bürger von einem Schweine, das er in feinem Haufe mäftete, dad Zwiefache deſſen zu zahlen, was er für ein mit ber Heerde gehende Schwein entrichten mußte, nämlich zwei Pfund Heller ?). Endlich gab es noch eine nicht deutlich

1) 5, Feyerlein's Nachträge, II. ©. 226 fig. und Römer:Büchner’s Stadwerfaffung, S. 8 fig.

I) Eime für jene Zeit fehr bebeutenbe Steuer. Eſs mußte nämlich ſchon für jeded mit der Heerde gehenbed Schwein ein Pfund Heller bezahlt werben, wie aus

152 VI. Der Aufſtand von 1525 und Fraukfurt's Berhältnig zum Bauernkriege.

zu erkennende Abgabe, welche von „ven Karren in der Meſſe“ bezahlt werben mußte; auf die Forderung ber Bürgerfchaft lie ber Math diefelbe fallen.

Für die Beurtheilung bed Aufftandes von 1525 ift noch ein rein Außerliches Verhaͤltniß zu beachten, welche? in bemjelben maß⸗ gebend war. Die Bürgerichaft war nämlich in lokaler Hinfiht in drei Theile gefchieden, von welchen zwei faſt geradezu als bejonbere bürgerliche Gemeinden erjcheinen. Der Main jchied Sachſenhauſen, ber tiefe Graben aber und bie Mauer, welche noch aus ber Zeit vor ber zweiten Stabt-Ermweiterung herrührten, trennten die foges nannte Neuftadt von ber inneren ober alten Stabt; und während jeder Nacht wurden nicht nur die Pforten jener Mauer, ſondern auch bie Brüdenthore gefchloffen gehalten. Die großentheild aus Gärtnern beftehenden Bewohner der bezeichneten zwei Vorſtaͤdte waren aljo von denen der Altftabt halb abgetrennt. Auch bildeten ſte gewiffermaßen bejondere Kirchengemeinden, indem fle blos bie in ihren Quartieren beftehbenden Kirchen, die Dreikonigs⸗Kirche in Sachſen⸗ haufen und die Peters⸗Kirche in der Neuftabt, zu befuchen pflegten !). Sogar noch heut? zu Tage haben die Sachjjenhäufer das Anfehen eines befonderen Theiles der Bürgerfchaft; und auch in Betreff ber in der Altengaffe und der Breitengaffe wohnenden Gärtner fand noch bis in bie neuejte Zeit hinein Statt, daß fie bie Peterd-Kirche ala ihr eigenthümliches Gotteshaus betrachteten. „Zur Zeit des Aufs ftandes von 1525 fahen fich beide Theile ver Bürgerjchaft jo fehr ala befondere Gemeinden an, daß fie fogar eigene Gemeindehäufer zu erhalten ſtrebten?). Tür. jenen Aufftand felbit Hatten beibe

folgenden Worten ber Inftruction hervorgeht: „ben 16. art. leſt ber Rat nad; boch welcher fur den hirten tribet, fol fin pfunb geben.’

1) Auch traten fie zur Zeit ber Reformation bem Rathe gegenüber als foldhe Befondere Kirchengemeinden auf: |. Ritter’ evang. Denfmal, ©. 66 ff. und ©. 146 fig. |

*) Dan vergleiche folgende Stellen bes Raths⸗Protokolles von jenem Jahre: am 2. Mai: „als fie bie Neweftatt ein behaufung uf bem Danbplan zu buve begeren;” an bemfelben Tage: „als bie Saffenhufer ein huß uf fant Elßbet firhen by ber Larbütten zu ſetzen begeren“; am 4. Mai: „als bie forfimaifter relacion gethan, wie bie Newenftetter und Sachſenhewſer begeren brinfhewfer zu pawen: das befitigen und zu gelegener zeitt ermwegen;” am 80. Mai: „als anbracht, wie die Numenftetter gern betten ein ſpielhauß gepawet: bie bawmanfter

VI. Der Aufflanb von 1525 und Fraukfurt's Verhältnig zum Banernkriege. 158

Theile der Bürgerichaft beſonders dadurch eine Bedeutung, daß bie Bewegung, wie wir ſehen werben, uriprünglic von ihnen ausge: gangen ift.

Noch ift, in diefer Einleitung zur Gefchichte des Aufſtandes von 1525, jchließlich des Verhältniffes zu gebenten, in welchen bie Mitglieder des Rathes zu der geiftigen Seite der Bewegung ftanden. Die große Mehrzahl derjelben, ja, wie es fcheint, mehr oder weniger alle Rathöglieder waren der durch Luther angeregten Kirchen⸗Refor⸗ mation zugethan. Diejenigen aber, welche am entfchiedenften für diefelbe Partei nahmen, waren: bie Schöffen Hamann von Holz haufen, Johann Froſch, Philipp Fürftenberger und Hans Bromm, fowie die Rathsherren Johann Stephan von rom ftetten, Bechtold vom Rhein, Claus Sceit, Stephan Grünberger und ber erft zehn Tage nach dem Beginne des Auf: ftandes in den Rath eingetretene Hans Eller. Bon ihnen waren Bechtold vom Rhein und Claus Scheid für die Sache ber Refor⸗ mation jogar big zu dem Grade eingenommen, daß fie zwei Jahre fpäter, ihrer Stellung uneingedenk, Öffentlich die Frohnleichnams⸗ Procelfion verhöhnten !). Webrigend zeigt ſich in ben die kirchliche Neuerung betreffenden Rathsverhandlungen Feine Spur einer Im Intereſſe der alten Kirche beſtehenden Oppofition. Diefer Umſtand wirkte auf den Gang der Frankfurter Volksbewegung günftig ein; denn er ift offenbar die Haupturfache, daß während berjelben die Bürgerfchaft dem Rathe Vertrauen zu ſchenken fortfuhr und nicht, wie in Rotenburg und anderen Städten, bis zu einer Umgeftaltung der Regierung und ihrer Form fortjchritt.

Der Aufftand felbit, zu deſſen Darftellung wir jebt übergehen, brach am zweiten Dftertag (17. April) 1525 aus. Schon in ber kurz vorher beendigten Faſtenmeſſe ging das Gerücht, daß eine Ber: ſchwoͤrung in Frankfurt beftehe, und daß man nach ber Mefle dort etwas Neues fehen werde. Viele der fremden Kaufleute hörten dies, und die Bürgermeifter erhielten von verfchiedenen Seiten her Anzeige von dem, was bevorftehe (j. Anm. 107). Es gehörte damals in

folich8 fampt den ſchutzenmaißtern bejehen und widder anpringen laſſen;“ am 1. Auguft: „bie gertner bitten abermals, ihnen ein genieyn haus zu bauen: wird fuglich abgeſchlagen.“

) & Kirchner, I. ©. 61.

154 VI. Der Aufftand von 1525 und Franffurt’s Verhalmiß zum Bauernkriege.

Frankfurt ebenfo wenig, als in ben letzten Tagen des Februar 1848, ein befonderer prophetifcher Gelft dazu, um die bevorftehenden Unruhen vorauszujehen; und es iſt für 1525 ebenfo wenig, ala für 1848, nöthig, neben dem inneren Zuſammenhange ber in verfchtedenen Städten und Gegenden entſtandenen Volksbewegungen nocd eine beſondere Aufreizung der Frankfurter durch fremde Sendlinge anzu- nehmen. Der 1525 in Frankfurt lebende Kanonikus Königftein fagt zwar das, was bei Aufftänden Immer gefagt wirb: es jeien beim Ausbruche der Frankfurter Empörung „auch etliche frembe Perſonen“ unter den ſich zufammenrottenden Bürgern geweſen; bies wird aber doch wohl nur in fo weit bem wirklichen Verhalte ent- ſprechen, als auch ſchon vorher Freiheit. Mpoftel nach Frankfurt gekommen waren und dort, wie iberall, Anklang gefunden hatten. Als man in Frankfurt fih erhob, ftand bereits durch ganz Schwaben und einen Theil von Franken bin ber Bauern Aufruhr in heilen Flammen; in Bamberg, Windsheim, Würzburg, Mergentheim, Roten⸗ burg, Kempten, Memmingen, Heilbronn und anderen Städten war der Aufftand bereit? losgebrochen; und art demſelben Tage, an welchem er in Frankfurt begann, verübten die empörten Bauern vie ſchreck lichſte That, welche im ganzen Bauernkriege begangen worben tft, indem fie vor ben Thoren von Weindberg jenes bekannte Blutgericht üßer den Grafen von SHelfenftein und feinen Genofien hielten: wie hätte es, bei einem ſolchen Zuftande der Dinge in Süddeutſch⸗ land, noch einer befonderen Aufftachelung beburft, um auf in Frank furt die berrfchente Unzufriedenheit in ein thätlihes Auftreten umzuwandeln! Im Gegentheil, gerade das Oſterfeſt, an veſſen zweiten Tage bort der Aufftand begann, hatte ber Unzufriedenheit neue Rahrung gegeben, und mußte bei dem in jener Zeit herrſchenden lirchlichen Sinne die erbitterten Bürger zum Aeußerſten treiben; denn in der Hauptkirche der Stadt, ſowie in der won Sachfenhaufen untere blieb am heiligen Ofterfefte, durch die Schuld der ohnedies verhaßten Geiftlihen, der Gottezbienft.

Am Oftermontag um zwölf Uhr Mittags, alſo gleich nach der bamaligen Eſſenszeit, verfammelten fi) die Bürger von Sachſen⸗ haufen und der Neuftabt, und zwar offenbar die gejammten ober doch meilten Bewohner beider Stabttheile, auf dem in der Neuftadt gelegenen Peters-Kirchhofe (j. Anm. 108). Als vie Keiter biejer

VL Ber Aufflanb von 1525 und Frankfurts Verhältnig zum Bauernfriege 155

Verſammlung erfcheinen zwei Handwerker, der Schneider Nikolaus Wild genannt Krieger und der Bender Peter Dordel (ſ. Anm. 109). Die Gegenftände, welche verhandelt wurden, waren bie Befchwerben über die ewigen Gülten und über bie Abgabe vom Korn, vom Weine und von den fogenannten Meffe-Karren ). Auf erhaltene Anzeige von dieſer Volksverſammlung eilten bie beiden Bürgermeifter, Hamann von Holzhauſen und Hand Stephan von Eronftetten, nah dem Peters-Kirchhofe. Sie fragten nach bem Zwecke ber Zufammenkunft, und erhielten, nachdem die Berfammelten fich berebet hatten, eine mündlihe Angabe ber verſchiedenen Beſchwerden ber Bürgerfchaft. Beide Bürgermeifter forderten bie Berfannnlung auf, biefe Beſchwerden zu Papier zu bringen, bamit fie bem Rathe vor gelegt werden fönnten; man antwortete ihnen jedoch mit einem allge meinen Murren, und verlangte augenblicliche Entſcheidung. Dies bervog bie Bürgermeifter zu der Frage, ob die Verfammelten (pie ja ala Sachjenhäufer und Neuftäbter nur einen Theil ber Bürgerſchaft bildeten) ihre Forderungen für ſich allem, ober im Namen und Aufs trage der ganzen Bürgerfhaft machten. Da ergriff Peter Dordel dad Wort und fagte, daB ausgefprochene Begehren werde von ihnen und von einer ganzen Gemeinde aller Zünfte gethan. Nachher warb Nikolaus Wild durch die Verfammlung beauftragt, mit den Bürgers meiftern das Weitere zu verhandeln. Während biefer mit benfelben ſprach, fette fich die verfanmelte Menge in Bewegung, um ben durch die empörten Bauern und Bürger anderer Gegenden gegebenen Bei⸗ ſpiele gemäß die Geiſtlichkeit heimzuſuchen. Vergebens bemähten ſich die Bürgermeiſter, ſie davon abzuhalten. Unter dem Rufe: „Die Mönche haben lange genug mit und gegeſſen, wir müſſen auch einmal mit ihnen efjen!” zogen die Bürger in das DominikanerKloſter,

) Nach bem Maths: Protokoll beſprach man fich über „etlich beſchwerde unb namentlich der Farm in ber meh (megen).” Schurd (in ben Uffenbach ihn Manuferipten) und Königftein nennen die andern oben angeführten Beſchwerden. Davon, daß, wie Kirchner fagt, die Verfammelten auch fiber den Drud ber Gewiffen und bie Sitten der Geiftlihen geflagt Hätten, melden bie Quellen nichts, obwohl es allerbings wahrfcheinlih ift und aus Königftein’s Worten, man habe - wuf bem Peters: Kicchhofe eine Gonfpiration wider ben Rath und bie Geiſtlichkeit gemacht, fowie aus dem, was bie verfammelte Menge gleich nachher that, und aus ben nachher aufgeſtellten Artikeln gefchlofien werben Tann.

156 VI. Der Aufſtand von 1525 unb Frankfurt's Berhältnig zum Bauernfriege.

fowie in den nahe dabei gelegenen Frohnhof, den Aufbemahrungsort der Natural-Sefälle, weiche bad Bartholomaus:Stift zu beziehen hatte. An beiden Orten wurde auf Koften der Geiftlichkeit gegeflen und getrunfen, aber Tein weiterer Unfug verübt. Hiermit enbigte ber erfte Tag bed Aufruhrs ?).

- Am folgenden Tage (18. April) des Morgen? febte der Rath, zur Unterhanvlung mit der Bürgerfchaft, aus feiner Witte zwei Eommiffionen ein, die eine für die Ober-, die andere für bie Unter: ſtadt. Zugleich ordnete er, „damit der gemeine Mann gejtillt werde‘, eine Inventariftrung deſſen an, was bie brei Golfegiatftifte und bie geiftlihen Orden ber Stadt befaßen (ſ. Anm. 110). Nachmittags wurden die Gewaltthaͤtigkeiten des vorhergegangenen Abends wieder⸗ bolt, indem eine große Menge Leute in das Karmeliter-Flofter, ſowie in die Wohnungen de Dechanten und des Cantors vom Bartholo mãus⸗Stift eindrangen und, wie Königftein ſich ausdrückt, dafelbft ihren Muthwillen trieben. Zugleich begaben fich Viele in den Roͤmer, und machten dort dem anweſenden Bürgermeifter Vorwürfe darüber, daß, wie man vernommen habe, der Rath einen ftarken Zug Reifige verfchrieben habe und in die Stadt einrücken Lafjen wolle. Vergebens verficherte der Bürgermeifter bei Eidespflicht, daß dieſes Gerücht falfch fe. Die Führer ber Menge felbft wußten recht gut, wie es fich mit der Sache "in Wirklichkeit verhalte; denn fie ſelbſt hatten das Gerücht ausgeiprengt, um ebenſo, wie man es wenige Wochen vorher in Windäheim gemacht hatte, die Bürger unter die Waffen Bringen zu können”). Auch forberten die Zunftvorſteher die Hand:

i) Wie nah und nach einzelne Ereigniſſe entftellt werden, bavon geben bie Darfiellungen in Fanſt's Gollectanen und in des Gnodalius Rusticorum taumultus in Germania (bei Schad, II. p. 1097 der Ausgabe von 1574) einen Beweis. Die verfammelte Menge war nah dem gleichzeitigen Berichte König: ſtein's unbewaffnet, und doch heißt es bei Fauſt: primo impetu plebs armata irruit in coenobium Dominicanorum, fowie bei Gnobalius: Francofurtenses in feriis paschalibus ad arma concurrentes impetum in monasterium prae- dicatorum fecerant. Ebenſo wahrheitsmwibrig läßt ber Lebtere auch das Liebfrau- Rift durch bie Vollgmafje beimgefucht werben.

2) An Windsheim hatten fih am Tage von Marik Verkündigung, als in der ganzen Stadt feine Prebigt gehalten worden war, viele Handwerker auf bem Marfte verfammelt, den Bürgermeifter zu fih rufen laſſen, und ibm über bie Entziehung bed göttlichen Wortes, über bie allzu hoben Steuern unb über bie

VI. Der Auffiand von 1535 und Frankfurts Verhältnig zum Bauernkriege. 157

werfer fofort auf, fich zu bewaffnen, und ließen nicht blos Patrouilien durch die Straßen ziehen, ſondern auch alle Stabtihore befeen. Bier Tage lang war auf folche Weife die Stadt in ber Gewalt ber bewaffneten Zünfte, und während biefer Seit wurben, damit bie Sachſenhaͤuſer nicht von der übrigen Bürgerfchaft getrennt waren, die Brüdenpforten Tag und Nacht offengelafjen. Doch warb, wie der ſonſt gegen bie Aufſtändiſchen feindlich gefinnte Königftein meldet, während biejer vier Tage kein Muthwille getrieben und niemand beichädigt.

Am dritten Tage (19. April) Tiefen Rathsverordnete bie Zünfte und Gefellichaften zujfammenrufen; es erjchienen jedoch blos bie Weber, Krämer und Schmibte. Diefen wurde vorgeitellt: ver Auf ruhr, welcher allenthalben entbrannt ſei, drohe auch in Frankfurt einzubringen; dies koͤnne aber der Stadt, namentlich in Betreff ihrer Mefje- Privilegien, großen Schaven bringen; der Math forbere baber die Verſammelten auf, ihm zum allgemeinen Beiten wie in ihrem eigenen Snterefje zur Abwehr einer folhen Gefahr. behütflich zu fein; follten, wovon der Rath fein Willen habe, Mängel und Ge brechen vorhanden fein, jo möge man dieſelben ihm anzeigen; er werbe ſich dann aller Gebühr halten und beweilen. Die Berfammelten nahmen dad Gefagte zuftimmend auf, und auch bie beiden Gefell- ſchaften Limburg und Frauenftein, benen man die Anfprache bei Rathes fchriftlich zufchichte, ſagten dieſem ihren Beiftand zu. Die übrigen Theile der Bürgerfchaft dagegen fuhren fort, mit den empörten Neuftäbtern und Sachjenhäufern gemeine Sache zu machen. Die

beiden Letzteren und ein Theil der Zünfte hatten fich fchon Morgens

zwilchen 6 unb 7 Uhr vor ber auf dem Liebfrauberge gelegenen Schneiberftube verfammelt. Bon hier zogen fie auf ben geräumigeren Ropmarkt, wahrjcheinlich weil fie ſich daſelbſt beſſer orbnen konnten. Dorthin verfügte ſich alsbald auch der Schöff Philipp Fürften- berger, einer ber vom Rathe ernannten Commifläre und, wie aus Allem hervorgeht, das populaͤrſte Mitglied des Rathes. Er begegnete

Familienherrſchaft im Rathe, ober, wie fie fi ausbrüdten, über ben Betterleing- Rath geflagt. Die befehmwichtigenden Worte des Bürgermeiſters batten Teinen Erfolg. Man verbreitete vielmehr dag Gerücht, einige taufend Mann bes ſchwä⸗ bifchen Bundes feien im Anzug, und in Folge davon erſchien Abends bie ganze Bürgerfchaft bewafinet auf dem Markiplatze, beſetzte bie Thore u. ſ. w.

158 VL Der Aufſtend von 1898 und Franlfurt’ä Verhältnis zum Bauernkriege.

ber verfaunmelten Menge an der Katbarinen- Pforte, durch welche fie anf den Liebfraucberg zurückkehrte Hierhin folgte ihr Fürftenberger, und auch die bem Rathe anhängig gebliebenen Bürger fanden ſich bafelbft ein. Als Zweck des Zufammentritted der Bürger bezeichnete man dem Schöffen Fürftenberger das ſchon erwähnte Gerücht von heraunahenden Reiſigen, welche vom Mathe Herbeigerufen worden wären, um bie Stabt zu befegen und bie Bürger einzufchüchtern. Auch diesmal ließ man ſich nicht beichwichtigen, ala Fürſtenberger aufs beſtimmteſte verſicherte, an jenem Gerüchte ſei kein wahres Wort. Sogar feine Aufforderung, ihm diejenigen zu nennen, von welchen jene Ausſage gemacht worden jei, hatte feinen Erfolg. Es blieb ihm daher nichts Anderes übrig, ala die Verfammelten zur Ernennung eined Ausſchuſſes aufzufordern, weil ver Rath doch nicht mit der ganzen Vollsverſammlung unterhandeln und biefe nicht jo lange, bis alle ihre Beſchwerden feitgeftellt ſeien, verjammelt bleiben könne. Died wurde angenommen und jofort von den Verfammelten ein Ausſchuß ernannt, welcher aus 61 Männern beftanb, nämlich aus vier Neufläbtern, drei Sachtenbäufern, zwei ranenjteinern, zwei Krämern, wer Barchentwebern, drei Schuitern, drei Fiſchern, brei Schweidern und je zwei von ben übrigen 17 Zünften, jowie aus brei Unzünfligen. Bon ben fogenannten Gefellichaften erfcheint die des Haufed Limburg nidd im Ausfchuffe vertreten, ohne daß wir den Grund davon wiſſen. Unter den Gemwählten findet man bereits bie Männer, welche im weiteren Berlaufe des Aufftandes eine Haupt⸗ rolle ſpielten, nämlih Raspar Schott von ben Frauenſteinern, ben Woltenweber Theiß (Matthias) Abel, den Schulter Hana von Siegen, den Schneider Nikolaus Wild, die Neuftädter Thiel Rand (er war Wirth zur Krone) und Asmus Coutz (f. Anm. 111). Der erwählte Ausſchuß begab ſich jofort in die am Kiebfrauberge gelegene Schneiberftube, um ben ihm gewordenen Auftrag zu voll⸗ zuehen. Er brauchte dazu zwei Stunden. Waͤhrend dieſer Zeit ging die auf dem Kiehfranberge verſammelte Menge richt aus einander, und auch Fürjtenberger, zu welchem mittlerweile ber Birrgermeifter Holzhanfen, die Rathsherren Stephan Goͤbel und Johann von Buchen und der Rathsſchreiber Hilgard Ochs famen, blieb daſelbſt. Um zehn Uhr erhielten dic genannten Nathögliever bie Autwort des Ausſchuſſes. Sie begaben ſich nach Empfang berjelben nach dem

VI. Der Aufſtand vor 1625 und Frankfurt's Verhältniß zum Bauerntriege. 158

Mömer, und bie Mehrzahl der verfammelten Bürger folgte ihnen biß babin nach.

Es war Flug geweſen, die aufrührerifche Menge zur Erwählung eines Ausſchuſſes zu bewegen; denn dadurch wurde nicht nur bie Bewegung in die Hand einer kleineren Zahl von Leuten gebracht, mit welchen leichter zu verhandeln war, jondern ein folcher Ausschuß konnte auch jo lange, als der Rath kein Anjehen hatte, die Hanb- habung der Orbnung beiorgen. Das Lebtere war aber durchaus nöthig, da der Pöbel ſchon am 19. April über die Juden berfallen wollte, und nur durch bewaffnete Bürger davon abgehalten werben tonnte. Auch war mehrere Tage lang die Macht bes Rathes völlig gebrochen, und die Negierung lag ganz in ben Händen de Aus- fchuffes (j. Anm. 112), Die unter den Waffen ftehenven Bürger, welche nur dem Kebteren gehorchten und fich in vier Haufen getheilt hatten, bielten alle Stadtthore beſetzt und wachten anf allen Zunft- ftuben. Auch verlangten die Sachfenhäufer, daß dad Geſchütz des Brückenhofes auf der Brüde aufgeftellt und ihnen zur Verfügung überlafjen werde, und der Rath mußte ihnen vwillfahren. Auf dos Begehren ber Zunftvorfteher, den vier bewaffneten Haufen die Buͤchſen⸗ meilter und vier Rathsglieder beizuoronen, beichloß der Rath zwar bied zu thun; allein feine Mitglieder wurben von den Bürgern mit den Worten zurücdgewiejen, fie brauchten Leine Rathsherren, fie ſeien ſelbſt Rath, Bürgermeifter, Biſchof, Pabſt und Kaiſer. Was übrigens die Lage des Rathes noch ſchlimmer machte, war die ſofortige Ver⸗ breitung des Aufruhrs auf die umliegenden Doͤrfer: die Bewohner von Bornheim, Bonames und Oberrad folgten gleich anfangs dem Beiſpiele der Stadtbewohner, und reichten ebenfalls ihre Beſchwerde⸗ Artikel beim Rathe ein. Uebrigens war die Macht des Rathes, wie geſagt, nur während mehrerer Tage gelähmt; aber zu einem gemalt ſamen Angriff auf ihn oder gar zu einer Abſetzung des Rathes oder auch nur eines einzigen feiner Mitglieder kam es ſogar damals nicht. Trotz dieſes urkundlichen Verhaltes leſen wir in Barthold's Geſchichte ber deutſchen Staͤdte (zugleich mit falſcher Angabe des Tages⸗Datums): „In Frankfurt ward ſchon am 15. April der alte Rath ſtüͤrmiſch abgeſetzt, dem neuen eine Verwaltungsbehörde von 24 Mitgliedern zur Seite geſtellt und bie ältere Freiheit der Bürger gewährleiſtet“. Es beruht diefer Irrthum darauf, daß ſchon die Älteren Frankfurter

* Bu

160 VI. Der Aufſtand von 1625 und Franlfurt’s Verhältniß zum Bauernkriege.

Geſchichtſchreiber eine Stelle des faft gleichzeitigen Berichterftatters Gnodalius falſch verftanden haben, und dann das Misverſtändniß ber- jelben in andere Bücher übergegangen iſt (j. Anm. 113).

Die Antwort, welche der Ausſchuß am 19. April nach zwei Hündiger Berathung ben Rathsverordneten ertheilt hatte, enthielt nur allgemeine Andeutungen, und follte erft durch eine fpätere jchriftliche Auzeinanderjegung in eine beitimmtere Faſſung gebradht werben. Zu dieſem Zwecke kam der Ausſchuß am Nachmittag im Antoniter- Hofe wieder zufanmen, und ſetzte dafelbit auch am folgenden Tage feine Sieungen fort. Schon um die Mittagszeit dieſes Tages (Donnerstag den 20. April) war er mit feiner Arbeit fertig, und über- gab die in 42 Artikel eingeibeilten Forderungen ber Bürgerjchaft dem Bürgermeifter. Der Lebtere rief fofort den Rath zufammen, und diejer berieth Nachmittags von vier Uhr an, fowie am anderen Tage von Morgens ſechs Uhr an die übergebenen Artikel, welche er größtentheil® genehmigte. Während feiner Berathungen wurbe durch Rathsverordnete auch mit den drei Stiften über Diejenigen Artikel, welche die Geiftlichfeit betrafen, verhandelt und biefelben zu einer fchleunigen Antwort aufgefordert. Die größte Eile war naͤm⸗ lich nöthig, weil die aufgercgte Büärgerfchaft unter den Waffen ftand, und weil Einzelne von dem Bürger-Ausfchuffe oft unter Begleitung vieler Leute im Römer erſchienen, und mit der Erflärung, fte Lönnten bie Maffe nicht länger im Zaum halten, eine raſche Entfcheibung verlangten. Auch fuhr der Ausſchuß fort, Sitzungen zu halten, und machte Zufäge oder Aenberungen, jo daß jeder Aufichub vie Der fHändigung zwiſchen dem Rathe und ber Bürgerichaft erjchwerte. Was die Geiftlichen betraf, jo befanden fich dieſe in einer weit pein- licheren Lage, als der Rath; denn fie wurben, wie fie recht gut wußten, von der Mehrzahl der Bürger gehaßt. Bereitd am 20. (Donnerstag) gab daher ein Theil von ihnen dem Rathe eine auftimmende Antwort. Am Morgen des folgenden Tages Tamen, auf dringendes Begehren des Rathes, die Kapitel der drei Stifte zufammen, und faßten, jo fchwer ihnen dies auch wurde, den Beſchluß, NH in die Nothwenbigfeit zu fügen. Um zwei Uhr warb ihre in alles Geforberte einwilligende jchriftliche Erklärung ven dazu verorb- neten Rathsfreunden übergeben, wobei die geiftlichen Herren über ihr Verderben klagten, bie Rathafreunde aber ihnen mit betrübten Gemüthe

VI. Der Aufftand von 1525 und Franffurt’3 Verhältniß zum Bauernkriege. 161

erwieberten, daß auch ver Rath und die Stadt fein beſſeres Loos hätten ?). Ä

Eine Stunde fpäter, als die Geiftlichen ihre fchriftliche Zuſtim— mung zu den fie betreffenden Artikeln ertheilt hatten, überbrachten Abgeoronete des Rathes deſſen Antwort auf alle 42 Artikel dem im Antoniter-Hofe verfammelten Bürger-Ausſchuſſe. Diefe Antwort war in den meiften Punkten zuftimmend, enthielt aber für Mehreres den durch das Intereſſe der Stadt gebotenen Vorbehalt der Genehmigung des Kaiferd und „anderer Obrigkeit”, unter welch letzterem Ausdrucke wohl der Erzbifchöf von Mainz und die Großmeifter des Deutfch- herren und des Johanniter-Ordens gemeint waren. Außerdem bat der Rath in Betreff einiger Artitel um eine nähere Erflärung, und wünfchte, daß mehrere andere von Seiten des Ausfchuffes nochmals erwogen würden. Dieſe Antwort des Rathes befriebigte den Aus— ſchuß durchaus nicht, und fteigerte, wie es fcheint, die unter den Bürgern berrichende Aufregung auf? höchſte. Der Ausſchuß faßte den Beſchluß, die unbebingte und vollftändige Einwilligung des Rathes zu fordern. Dieſem Befchluffe gemäß erjchienen am anderen Morgen (Samstag den 22. April) zwei Mitglieder des Ausſchuſſes, der Schneider Nikolaus Wild und der Schuhmadher Hand von Siegen, ſchon um fechd ihr, zu welcher Stunde eine Sitzung des Rathes eröffnet wurde, im Römer, während zu gleicher Zeit bie Mehrzahl der Bürgerfchaft fich bewaffnet auf dem Liebfrauberge auf: jtellte, um abzumarten, was ber Rath thun werde. Die genannten beiden Abgeoroneten des Ausſchuſſes erflärten im Namen desſelben

- dem Rathe, daß die Bürgerfchaft die übergebenen Artikel unverändert

und ohne weiteren Auffchub bewilligt und zugelaffen haben wolle. Diefe kategorifche Forderung ließ fich, unter den obwaltenden Umftänden,

‚nicht zurüchweifen. Der Rath nahm deshalb nothgedrungen ?) nicht

1) Von ben Thränen, welche dabei gefloſſen fein ſollen, und von ben Vor: würfen, welche bie Geiftlichen bem Mathe gemacht hätten, wiffen die gleichzeitigen Berichterftatter nichts. Kirchner und nach ihm Zimmermann haben dies aus⸗ malend hinzugefügt. ,

2) Das Aufruhrbuch fagt, nachdem es die bewaffnete Zufammenrottung auf bem Liebfrauberge erwähnt bat: „Hat €. €. Rath in ber ylle, und ſollichem onpillicden gewalt mit vernunfft zu begegnen, als daß die noet berforbert, bie artickel alle, wie begert, genglichen zugelaſſen.“

Krieg!, Frankf. Bürgerzwife. 11

162 VI Der Aufſtand von 1525 und Zrankfurt'3 Verhältniß zum Bauernfriege

uur bie 42 Artifel unverändert an, ſondern er beichloß auch zugleich für den Fall, daß eine feinerfeil3 zu gebende Verbriefung derſelben verlangt werden würde, dieſe ebenfalls außguftellen. Unmittelbar nachher traten die vom Rathe berufenen Borjteher aller Stifte, Klöfter und Ordenshäuſer zufammen, und bewilligten auch ibrerjeits eine Berbriefung der fie betreffenden Artikel.

Nachdem biefe gemacht und dem Rathe übergeben worden war, verfügten ſich um zehn Uhr die Rathsglieder Fürftenberger, Göbel und Knauff nebjt den beiden Rathsſchreibern Hilgard Ochs und Johann Marfteller in den Antoniter : Hof. Hier überbrachten fie dem Ausfchuffe im Namen bed Rathes die Erklärung: biefer ger nehmige die 42 Artikel, verlange aber dagegen, daß unmittelbar nach deren Verkündigung die gefammte Bürgerfchaft den Bürgereid aufs neue ſchwoͤre. Der Ausſchuß ging auf diefe Forderung ein, forberte aber dagegen auch die Verbriefung ber Artikel, was bie Rathsver⸗ ordneten fofort zugeftanden. Die Lebteren fehrten bann in ben Roͤmer zurüd. Mittlerweile hatte der Rath durch Trommeljchlag und Ausruf die ganze Bürgerfchaft auf ven Mömerberg beſcheiden laſſen. Um elf Uhr war diefe verfammelt, und nun follten ihr die Artikel mit einigen vom Rathe ala Einleitung und Schluß Hinzugefügten Worten vorgelefen werden. Noch im legten Augenblicke waren dieſe Artitel um drei vermehrt worden. Es hatten nämlich die beiden Ausſchuß—⸗ mitglieder Hand von Siegen und der Frauenfteiner Kaſpar Schott noch auf dem Römerberge drei Artikel (43 45) hinzu ſetzen laſſen (j. Anm. 114). Nachdem dieje drei Artikel noch aufs genommen worden waren, verbriefte man alle 45 Artifel Namens der Regierungsbehoͤrde mit dem Stadtfiegel, Namens der Bürgerichaft aber mit den AZunftfiegeln der Wollenweber, Metzger, Schmibte, Bäder, Schuhmacher und Schneider. Hierauf ließ der Rath ben verfammelten Bürgern den ganzen Artikelbrief, ſowie den Bürgereib vorlefen. Dann beſchwor er felbft jenen Brief, und nachdem dies gejchehen war, ernenerte aud) die Bürgerfchaft mit aufgeredften Fingern ihren Bürgereid. Hiermit war, wie es fchien, die Volksbewegung zu ihrem Ziele und Schluffe gebracht. Jetzt wurden auch bie biäher gefchloffen gehaltenen Stabtthore wieder geöffnet, und die während fünf Tagen geftörte Orbuung und Rube fchien wieber hergeftellt zu fein.

VI. Der Aufſtand von 1528 und Frenkfurt's Verhältnih zum Bauernkriege. 163

Der am 22. April beſchworene Artilelbrief, deſſen Ortginal foäter an den Rurfürften der Pfalz abgeliefert werben mußte, bes findet fin abihriftlich im Stadt⸗Archiv, und ift auch in das daſelbſt aufbewahrte Aufruhrbuch aufgenommen. Kirchner bat blos die Eins leitung und den Schluß desſelben abdrucken laſſen, die Artikel ſelbſt dagegen in berjenigen Form mitgetheilt, in melcher fie ala Yorberung des Ausichufles am 20. April dem Mathe übergeben worben waren. In beiden Schriften finven fich manche, offenbar währenn ber Ber: bandlungen eingetrvetene Verſchiedenheiten, welche jedoch nicht weſentlich find. Die von Kirchner mitgetheilte Eingabe des Ausſchuſſes an ven Rat) iſt beſonders wegen ber beigefügten Metivirung intereflant. Sie hat aber auferbem auch noch ein rein gelehrtes Antereffe, indem fie gu einem Hifterifch- wiffenfchaftlichen Irrthume Veranlaſſung ges geben bat. Sowohl Kirchner nämlich, als auch Lersner und die Fauſtſchen Coflectaneen ſetzen biefer Eingabe das Datum vom 13. April bei, obgleich ber Aufſtand erft am 17. feinen Anfang genommen bat; und dies hat ben mneueften Gefchichtsfchreiber des Bauernkrieges ( Zimmermann) bewogen, den ganzen Verlauf her von und befchriebenen Volksbewegung um act Tage zurüdzuverlegen, wobei er crflärte, Krehner irre gänzlich in den Daten. Daß jedoch Kirchner nicht geirrt het, und daß der Aufſtand nicht am 10,, fondern am 17. April ausgebrochen ift, beweift nicht blos das gleich zeitige Tagebuch Königſtein's, fondern namentlich auch das Raths⸗ PVrotofell. Andererſeits it es freilich hoͤchſt befremdend, daß bie Elugabe des Ausſchufſes, welche erſt am 20. April eingereicht wurde, um acht Tage zuruͤckdatirt iſt. Dieſe Eingabe iſt im Stadt: Archio nicht mehr aufzufinden, fo daß ein etwa bet ihrer Abſchreibung Statt gefundenes Berfehen nicht conftatirt werben Tann. Im Aufruhrbuch, aus welchem Kirchner fie abgefchrieben haben will, iſt fie troß dieſer Berfigerung nicht enthalten. Jenen Irrthum beim Abfegreiben bes Driginals kann man übrigen? nicht wohl annehmen, da ja, wie bereits erwähnt wurde, in brei der Zeit nah um ein Zahrhundert von einander entfernten Drud- und Hanpfchriften basfelbe Datum des 13. April angegeben if. Dagegen läßt ſich ein Schluß aus dem Umſtande ziehen, daß in der Fauſt'ſchen und der Kirchner’fchen Sopie (Lersner bat die Artikel ſelbſt nicht abdrucken Lafien, ſondern bins die Einleitung und den Schluß derjelben) ungeachtet jenes

11*

164 VI. Der Auffland von 1625 und Frankfurt's Verhältuiß zum Bauernkriegt.

Datums bereit? die Artifel 43 45 ftchen, obgleich. diefe erft am 22. April durch Hans von Siegen und Kaspar Schott hinzugefügt worden find. Hiernach konnte keine jener Copieen nach dem Original jelbft gemacht worden fein. Es bleibt nad) allem dieſem nichts Alt: deres übrig, ala anzunehmen, daß entweder der Auzfchuß felbjt aus Verſehen dad unrichtige Datum gefchrieben hat, oder daß jchon ber erjte Abſchreiber biefer Artikel den Fehler gemacht hat, und daß alle vorhandenen Copieen nach feiner Abſchrift, nicht nach dem Original gemacht worden find !).

Die Artikel felbft, deren eigentlich nur 45 find, denen aber als fechdundvierzigfter noch eine allgemeine Schlußbemerkung über ihre Entftehung und ihren Zweck Hinzugefügt ift, brauchen nur in jo weit beiprocen zu werden, ala fie den Geiſt der damaligen Frank—⸗ furter Bürgerfchaft bezeichnen; denn die Beſchwerden, welche jie ent halten, find bereit? früher angegeben worden. In Hinficht auf jenen Geift find beſonders zwei Dinge charakteriftifh, nämlich der ſchon von Leröner gepriefene ehrerbietige Ton und fromme Sinn der Bürger, welcher aus ben Artikeln bervorleuchtet, und der Umſtand, daß die Bürger bei ihren Forderungen nicht etwa blos von rein politifchen Anfichten und von der Rückſicht auf materielle Intereſſen ausgegangen find, ſondern ſich auch burch fittliche und religiöfe Be⸗ weggründe beitimmen unb leiten liegen. Dem Ganzen liegt ber Gedanken zu Grunde, daß Gott den Geift der Wahrheit und die Dffenbarung feines heiligen Evangeliums wieber in vieler Menjchen Herzen gegoffen habe, daß aber ber Teufel durch feine Anhänger diefen Geift vermittelft der Zwietracht und des Aufruhrs wieder zu erſticken ſuche. Hieran Inüpfen die frommen Bürger ben weiteren Gedanken, es fei, um das wahre Heil zu erlangen, nöthig, Gott und fein heilige® Wort vor Augen zu haben, brüberliche Liebe und Einig- feit zu pflegen und dad, was der Beflerung bebürfe, jelbjt in

ı) Man Tünnte auch auf ben Gedanken kommen, baß bie Artikel, welche ja fo manche Aehnlichfeit mit den an anderen Drten aufgeftellten haben, burch bie Führer ber Bewegung ſchon vor dem Außbruche ber Lebteren niebergejchrieben worden feien. Dies läßt fich jeboch nicht wohl annehmen, weil fonft gewiß ſchon am erftien Tage des Aufftandes, an welchem ja bie Bürgermeiſter felbft zu einer ſchriftlichen Eingabe ber Beſchwerden aufgefordert hatten, bie Artikel eingereicht worben wären.

N VI. Der Aufſtand von 1525 und Frankfurts Verhältnig zum Bauerntriege. 165

einträchtiger Weife zu beflern, bamit nicht Fremde die Zuftände ber Stadt Frankfurt zu reformiren fuchten, und dadurch diefe Schaben erleive. Sie bezeichnen ferner das, was fie forbern, blos als ihre „Bitte und Meinung.” Zugleich erflären fie, die von ihnen auf geftellten Artifel feien weder einzelnen Individuen zuzufchreiben, noch aus felbftjüchtigen Abfichten herzuleiten, ſondern fie ſeien blos zur Ehre Gottes und zum Beſten der Bürgerfchaft erdacht und aufge ftellt worden. Die Forderung einer befleren Beſetzung der Pfarreien begründen fie damit, daß dag lautere Wort Gottes, das heilige Evangelium ohne die Zuthat menjchlicher Sabungen geprebigt, und das Volk in rechter Lehre geftärft werben folle. Sie verlangen ferner gleiche Gerechtigfeit und gleiche bürgerliche Laſten für Arme und Reiche (Art. 10 u. 40). Sie motiviren das Begehren der Abichaf- fung unbilfiger Abgaben damit, daß die Erhebung derfelben gegen bie brüberliche Liebe und Billigfeit ftreite (Art. 22). Ste forbern bie Aufhebung des Cölibat3 und die Bejeitigung bed „großen Laſters“ ber Unzucht bei Geiftlichen und MWeltlichen, weil dem Nächften Aergerniß aus demſelben erwachſe. Deshalb verlangen ſie, daß ein jeber, der nicht Feufch zu leben vermöge, in den Stand ber Ehe trete (j. Anm. 115). Ebenſo fordern fie, daß alle Gottesläfterer und Säufer, ein jeder nach dem Grade feine Vergehens, beftraft werben (Art. 35). Sie wollen ferner die vielen in der Kirche bes ftehenden Pfründen nur durch die Nachlommen von deren Stiftern der, wenn das Gejchlecht der Letzteren ausgeftorben fei, durch ben Math vergeben haben; und zwar follen biefelben nicht, wie either fo oft gefchehen war, unwürdigen Günftlingen ertheilt werben, fonbern „frommen, aufrichtigen, gelehrten Perſonen, welche der Bürgerfchaft zugeneigt feten und das Volf im göttlichen Wort unterweifen koͤnnten;“ alles aber, was von jenen Pfründen auf ſolche Weife nicht wermenbet werde, jolle man in einen allgemeinen Almofenfaften Tegen, damit aus biefem der arme Mann ernährt und jo der Gaffenbettel befeitigt werde 1). Aus denselben Grunde wollen die Bürger nicht nur dag foftfptelige Gepränge bei Firchlichen Handlungen befeitigt haben, fon- dern fie verlangen auch, daß man fortan fromme Vermächtniffe nur

1) Art. 18. Wie arg ber Gaffenbettel im fünfzehnten Jahrhundert geweſen war, fann man aus Kirchner, I. S. 587 fig., erfehen.

166 VL De Auffland von 1535 und Fraukfurt's Verhältwig zum Bauernkriege.

für jenen allgemeinen Almojenkaften folle machen dürfen !). Man erkennt aus diefen Frankfurter Artikeln ebenjo, wie aus ben ähn⸗ lichen Forderungen anderer beutfcher Bürgerfchaften, daß die Bürger der deutfchen Stäbte und unter ihnen beſonders die Handwerker den Innerften Sinn und Kern der Reformation erfaßt hatten. Es war, um mit Barthold zu reden, „bie lebte große That des demokratiſchen deutichen Bürgertfums oder daß lebte von den unbelohnten, unbe: Iobten, vergefienen Verbienften ber Handwerker, daß fie die Bahn brecher des Evangeliums geweien find.”

An den Einleitungd= und Schlugworten, welche der Math dem Artikelbriefe beifügte, wird diefer Artifelbrief oder, mit anderen Worten, der zwiſchen Rath und Bürgerfchaft gefchloffene Vertrag theils damit gerechtfertigt, daß ohne bie Abſtellung mancher im Gemeinweſen vor handener Mängel und Gebrechen Eintracht und Frieden nicht hätten erhalten werben koͤnnen, theil® aber auch bamit, daß die bereit? im vielen Städten ausgebrochene Revolution nur auf ſolche Weife von Frankfurt abzuhalten geweſen fei. Außerdem fagt der Rath für fich und feine Nachfolger die Aufrechterhaltung und Befolgung des Ver⸗ trages zu, jedoch mit dem vieldeutigen Zuſatze, in fo fern es mit Gott und Ehren möglich fei, fowie mit dem auch Namens der Bürgerichaft ausgefprochenen Vorbehalte, daß die Nechte von Kaifer und Reich, ſoweit fie nicht wider göftliched Recht oder göttliche Ge⸗ rechtigkeit feier, dadurch nicht angetajtet werben jollten ?). Endlich enthält der Schluß des Vertrages noch eine Amneftie für alles, was in ben Ichtoerflofjenen Tagen gejchehen ſei, jowie bie Zuſage, ba an den Artikeln ohne Zuftimmung der VBürgerichaft nichts geändert werben jolle.

1) Art 14. Dieſes Begehren einer befonderen flaatlihen Armenkaſſe lag im Geiſte ber Zeit ober, wenn man es lieber fo bezeichnen will, im Geiſte ber Re formation. Schon im Fruhjahre 1522 prebigte, nad Königftein’s Tagebuch, ein Anhänger Luther's in ber Katbarinen : Kirche, „man folle Ten zinß geben, fondern arm liudt ba mit verſehen.“

9) Diefe beiden Vorbehalte finden fi zwar In bem feinem Urfprunge nad officiellen Aufruhrbuche, aber nicht in ber befonderen Abfchrift des Artikelbriefes, welde im Stadt:Archiv vorhanden ift, fowie auch nicht in ber von Fauſt in feine Sollectaneen aufgenommenen Copie. Uebrigens ift jene Abfchrift des Archivs au ſonſt fehlerhaft; beum fie enthält auch diejenigen Worte nicht, welche aus fprechen, baß ber Brief durch fech® Zünfte beflegelt worden fei.

VI Der Aufſtand von 1826 und Ftankfurt's Berhättniß zum Bauernkriege. 167

Die Führer der Bürgerſchaft ließen die 46 Artikel fogleich drucken und in bie umliegenden Ränder verbreiten, was bald nachher, als die Fürften ihre empörten Unterthänen wieder unterworfen hatten, von biefen zum Nachiheile der Stadt Frankfurt angewandt wurde. Die fofortige Verfendung der gedruckten Artikel Spricht für den oben behaupteten inneren und äußeren Zufantmenbang ber Volksbewegungen, welche damals das deutſche Reich erſchütterten. Die Sache ift aber anch von einer anderen Seite ber intereflant: fie bemweift nämlich bad damalige Beftehen einer Buchdruderel in Frankfurt‘). Daß übrigend, wie man hier und ba lieſt, jene gebrucken Artikel in Mainz und an anderen Orten den Aufftand hervorgerufen hätten, fann und darf ebenfo wenig behauptet werben, ald daß 1848 ber Aufftand in einer Stadt, welcher einige Tage nach dem in einer anderen aus brach, durch ven Xebteren herbeigeführt worden ſei. Ueberdies fand namentlich in Mainz die Empörung bereit? am 25. April Statt, und bis zu diefem Tage Tonnten doc, bie am 23. in Frankfurt an- genommenen Artikel unmöglich gebruct, nach Mainz gefickt und dort unter der Bürgern verbreitet worden fein. Daß fie aber nicht eiwa vor dem 23. April gebrudt und verbreitet wurden, gebt aus der Srflärung hervor, welche die Fürften zwei Monate fpäter ven Frankfurter Abgeordneten machten ?).

Mit der Annahme und Beſchwörung der von der Bürgerfchaft aufgeftellten Artikel hatte die Revolution keineswegs ihr Ende er- reiht. Es ging vielmehr damals in Frankfurt ebenjo, wie e& nach ben Abichluffe der 1358 zwiſchen Rath und Bürgerfchaft getroffenen Vereinbarung gegangen war, und wie ed 1613 nad) der Aufftellung bes Bürgervertrages wieder ging. Eine Verfaſſungsaͤnderung, welche auf dem Wege der Gewalt herbeigeführt worden ift, befeitigt richt

. 9) Gedruckt iR in Frankfurt allerbings fchon früher worben, und bie Fauft’fchen Gollectaneen begeben einen Irrthum, wenn fie S. 276 fagen: „Sn biefem 1525. Jahr ift die Buchdruckerkunſt in biefer Stadt angefangen worden burch Chriſtian Egenolph, qui obiit 1565.” Mebrigens befitt weder das Stadt⸗Archiv, noch bie Stabt⸗-Bibliothek em Gremplar des 1525 gemachten Abdruckes ber Artilel.

2) In biefer Erflärung heißt es von ben Franffinter Artikeln: „Die eyn €. Rath verfiegelt Hett, die auch further in bie furfientbumb und umbligenbe laniſchafften gefchict in drud gebracht, daraus ander nit zu vernemen, dan als ob gefagt oder verflanden werben folt: Hernach, Tieben brüber, volgt und nad; wir haben eyn rechten weg? für ung, wir haben euch bie baen gemacht.’

168 VL Der Aufſtand von 1525 und Frankfurt's Verhältnig zum Bauernkriege.

fofort die Erfchütterung der Gemüther und die Neigung zum Ber: bejjern, wendet den Geift der Bürger nicht fogleich wieder ben alten Gedanken und Gewohnheiten zu, und ftellt nicht fofort bie alten Bande des unbewußten Gehorſams und Vertraueng wieder ber. Es müflen vielmehr, nach einem in der menfchlichen Natur begründeten Gefege, neue Bewegungen entftehen, welche entweder nur durch eine ftärfere äußere Gewalt niedergejchlagen werden, oder gleich benen des Pendels erft nad und nach aufhören, die aber, im Gegenjak gegen bie Pendels Bewegungen, erſt noch eine Zeitlang an Umfang und Stärke zuzunehmen pflegen.

Der aus 61 Bürgern beſtehende Ausſchuß ging, obgleich nach der Beichwörung des Artifelbriefes feine Aufgabe erfüllt war, nicht auseinander. Er gab fich zugleich auch eine bejjere Organifation, um bie Ausführung jenes Briefes mit Erfolg überwachen zu Fönnen, und um für den Fall einer nöthig werdenden neuen Erhebung die Aufregung zu erhalten. Am 23. oder 24. April beſchloß derſelbe nämlich, einen engeren Ausſchuß aus feiner Mitte zu ernennen, weil eine Verſammlung von 61 Gewerbäleuten ihrer Gefchäfte wegen un: möglich jeden Tag Situng halten Tonnte. Jedoch trat hiermit nicht, wie Zimmermann jagt und Kirchner zu verftehen gibt, der größere Ausſchuß außer Thätigkeit; er kam vielmehr, wie feine fpätere oͤftere Erwähnung zeigt, noch immer von Zeit zu Zeit zufammen. Der engere Ausſchuß beftand aus zehn Mitgliedern. Diefe waren je ein Bertreter der Sachjenhäufer, der Neuftänter, ver Gejellfehaft Frauen- ftein und der Zünfte der Wollenweber, Mebger, Bäder, Schmibte, Schneider, Schuhmacher und Kürſchner. Bon ihnen find zwei bereit3 früher erwähnte, der Frauenfteiner Kaspar Schott und ber Schuhmacher Han? von Siegen, die bemerfenäwertheften. Die übrigen waren: der Wollenweber Theiß Abel, ver Metzger Hang Hirden, der Bäder Hand von Umbftabt, der Hufichmibt Bal- thaſar Veltlin, der Schneider Jakob Villinger, der Kürfchner Hand Schweiger, ber feinem Gewerbe nach nicht näher bezeichnete Sadyjenhäufer Peter Hammann und ver Neuftäbter Thiel Rauch, Wirth zur Krone. Bon biefen zehn Männern erfcheint Hans von Siegen fortan als das Iettende Haupt der Bewegung. Uebrigens gehörte auch Nikolaus Wild, obgleich er nicht unter den Zehnern war, noch immer zu den Führern bes Volkes.

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Der Rath war dadurch, daß neben ihm eine ſich auf die große Mafje ſtützende Behoͤrde beftand, nicht nur um die Gewalt und um fein Anſehen gebracht, und in feinen Entichlüffen von der Zuſtim⸗ mung biefer Behörde abhängig gemacht, ſondern er mußte auch Alles, was die Zehener forderten, gewähren und Alles, was Anjtoß geben . tonnte, zu vermeiden ſuchen. Er wagte im Anfange des Mai das beim Amtsantritt der neuen Bürgermeifter übliche Feſteſſen ebenjo wenig zu halten, al die brei Stifts-Kapitel fich getrauten, die am 25. April gebräuchliche Proceffton nad Oberrab vorzunehmen. Er mußte ruhig mit zufehen, daß der Ausſchuß und die Zehener, wie es im Aufrubrbuch heißt, für und für in den Artikeln örterten, Haubten und dichteten umd die Dinge je länger je beffer zu machen meinten. Er mußte in Erwägung, daß „noch großer Wiberwille im Volke herriche”, fih in den Willen der Zehener fügen, als dieſe auf Hans von Siegen’3 Antrag drei neue Artikel, welche gegen bie Geiſt⸗ lichkeit gerichtet waren, von ihm angenommen und verfündigt haben wollten ). Er mußte ebenfo auf Begehren ber Zehener ben brei Stiften anzeigen, daß diefelben in vier Wochen die fchriftliche Zuftim- mung ihrer abwejenden Dechanten zu den Artikeln beizubringen hätten, wibrigenfall3 bie Beſitzthümer und Pfründen berjelben würden eingezogen werben. Er mußte ferner gejchehen lafjen, daß Hans von Siegen, Nikolaus Wild und Andere zu den einzelnen Geiftlichen gingen, und ihnen im Namen der Bürgerfchaft drohend befählen, ihre Mägde fortzufchicden. Er mußte endlich, weil, mie das Auf: ruhrbuch jagt, Fein Anfechten ober Unglüc allein kommt, auch noch erleben, daß feine Dörfer gleichfalls Artikel machten und ihn mit Forderungen beftürmten 2). Er ſelbſt Tieß es fich übrigen? angelegen

1) Diefe Artikel waren: 1. daß bie dem Artitelbriefe wiberftreitenden Zinſen nicht mehr bezahlt zu werben brauchten; 2. daß bie Deutfchherren das ihnen zus lebende Recht ber Schaafhut in Sachſenhauſen vom Herbſte an verlieren follten; 8. daß jeber, welcher Erbzinfen beziehe, die Rechtmäßigkeit berfelben innerhalb vier Wochen nachweifen müffe und, wenn er bieß nicht zu thun vermoͤge, berfelben verluftig fein folle.

7) Schon am 20. April batten bie Oberräber und Bornheimer ihre Artifel beim Rathe eingereicht. Am 25. tbaten dies auch bie Bonamefer, während zu⸗ gleich die beiden genannten Dörfer ihre Forderungen wiederholten. Am 4. Mai ſchickten die Nieder⸗Erlenbacher, am 9. die Häufer, am 80. bie Sobener und Sulzbadyer ihre Artifel an den Raid. Am bikigfen fcheinen bie Bornheimer

170 VL Der Aufſtand von 1895 und Frankfurt’ Verbältnik zum Bauernkriege.

ſein, auch ſeinerſeits und von freien Stücken die beſchworenen Artikel in Ausführung zu bringen. Schon am 25. April bereitete er bie ihm für die Zukunft zuſtehenden Pfarıwahlen vor; am 27. orbnete er die Gründung eines allgemeinen Almofenkaftend? an; am 28. befahl er, in allen Stiften eine Inventariſtrung vorzunehmen; am 29. traf er Beftimmungen über die Stellung berjenigen Geiftlichen, welche fich verheirathen würden ). Uebrigens erwählte er am 1. Mai, dem damals für ben Wechſel des Blirgermeifteramtes beftimmten Tage, den beim Volke beliebten Schöffen Philipp Fürftenberger zum älteren unb den Rathöhern Stephan Göbel zum jüngeren BDürgermeifter.

Im Monat Mai wurde ein Theil der Bürgerfchaft immer unrubiger und troßiger, und ber Math mußte fi) manches Harte sefalfen laſſen. Er benahm fich dabei, was nicht zu verkennen ift, mit großer Klugheit, forte jedes Mal, wenn dies gerathen war, mit Feſtigkeit. Dabei kam ihm ein Umstand fehr zu Statten, welcher anfangs das Gemeinweſen völlig zu zerrütten und alle Gräuel eines wilden Aufruhres nad) Frankfurt zu bringen drohte, zufälliger Weife aber ohne Schaden vorüberging. Died war dad Herannahen bed and Banern des Odenwaldes und ded Near: Thales beftehenven fogenannten helfen Haufens, welcher, von Göb von Berlichingen und Georg Mebler geführt, am 5. Mai plündernd bis Miltenberg, fa zum Theil fogar bis in die Stadt Afjchaffenburg vordraug, unmittelbar

gewefen zu fein; bemm ihre Forderungen famen während einer Zeit von neun Wochen in nit weniger als neun Natbsfigungen zur Sprache. Einmal (am 4. Mai) beantwortete ber Rath ihr Drängen bamit, baß er ihnen fagen ließ, ex babe jebt Anderes zu thun.

ı) In den Raths: Protofollen Heißt es: Am 25. April: Als bie Rathſchlagung anf ben erften gefäwornen art. (welcher die Pfarrwahl durch ben Rath vorfchrieb) gelefen worden: baby laſſen und mit eynem capittel reden, was eyn pferners infommen ſy. Am 27. April: Die frunde, ben gemeinen Faften und anber artidel zu ratbichlagen, Phifips Fürſtenberger, Sebaftian Smibt, Steffan Bronberg, Bechtold von Rhein, Johan von Buchen, Bechtolt Knauf. Am 28. April: In ben brien flifften alle guter zu inventiren. An demſelben Tage: Ufjzuzeichen bie igenen, fo ben gemeynen Taflen ußteilen follen, etlih bavon zu verornen. Am 239. April: Als die geifllichen, To ſich albte verandern werben, ob man fie auch wit laften Fauffen und verfauffen: inen vergonnen, fo ferne fie fi erlich Halten, burger werden und tre pfrunde ligen laſſen.

VI. Der Auffland vom 1825 mb Srunffurt'd Berhältniß zum Bauernkriege. 171

darauf aber für gut Hielt, fich nah Würzburg bin zu werben. Die jo nahe heranrüdenvde Gefahr der Plünderung und der Aufld- fung aller Ordnung brachte in einem Theile der Bürgerichaft einen Umſchlag der Stimmung hervor. Diefe unvorbergefehene Wirkung, welche der Gang bed Bauernkrieges in Frankfurt machte, und bie geſchickte Art, wie der Rath dieſelbe benutte, bildeten ben erften Anfang einer Reaction; bie Weberwältigung ver empörten Bauern aber, welche in den nächften Wochen ben Fürften gelang, und ber Entſchluß der Letzteren, auch in den Städten Alles in den alten Stand zurädzuführen, machten nachher dem ganzen Frankfurter Auf ftande ein Ende. Ohne biefe beiden Kreigniffe würde die dortige Bollabemegung ſich ficherlich jo weit fortentwicelt haben, daß bie beftchenne Verfaſſung völlig umgeftaltet worden wäre. Died wird fih aus dem ergeben, was nunmehr über die einzelnen Begebenheiten im Mai zu berichten ift.

Die große Mafle wurde während dieſes Monat immer re volntionärer und gewaltihätiger. Schon am erften Tage desfelben vergriff fich der Böbel an einem ftäbtiichen Auswieger. Zu gleicher Zeit fanden wieder Zuſammenrottungen Statt, und es mußten einige Dürger gefänglich eingezogen, freilich aber auch ſchon nach wenigen Tagen wieder entlaflen werden. Am 4. Mai fah fih der Rath genöthigt, auf Begehren der Sachfenhäufer und Neuſtädter bie ben- jelben verhagten zwei Foͤrſter zu verabſchieden. Am 8. und 9. Mai bat ber mit Plünderung bebrohte Comthur des deutſchen Haufe, jowie der Graf von Solms und der Vitzthum Martin von Heuſen⸗ famm, welche in biefem Haufe Eigenthum ftehen hatten, ben Rath um Schub. Zu derſelben Zeit griffen Sachjenhänfer ben Deutich herren⸗Orden, welcher ihnen beſonders wegen ſeiner Schäferei-&e- rechtigkeit verhaßt war, in der Perjon eines feiner Schäfer an, indem fie diefen zu toͤdten ſuchten. Selbft das ſtaͤdtiſche Eigenthum war nicht mehr fiher: Einzelne nahmen ohne Weiter? Bells von ben jogenannten Almeien, d. 5. von ben beſonders zwiſchen Häufern befindlichen Grundſtuüͤcken, welche der Stadt gehörten, und der Rath hatte deshalb ſchon am 5. Mai an alfe Almeien den Adler anjchlagen laffen. Am 11. Mai wurbe von Seiten des Ausfchuffes bie Drohung außgefprochen: wenn nicht jofort die ewigen Gülten abgefchafft würden, fo Tönne der Ausſchuß nicht länger die ungeduldige Bürgerichaft

172 VI. Ber Aufſtand von 18525 und Feankfurts Verhaltniß zum Bauernkriege.

beſchwichtigen und den Math gegen Gewaltthaten ſchützen. Am 17. Mai mußten bie beiden Bürgermeifter an ber Spite einer ſtarken Patrouille Nachts in der Stadt umberziehen, weil zwei Handwerker einen fchriftlichen Aufruf zur Empörung verbreitet hatten, und zugleich Andere von Hand zu Haus gingen, um bie Bürger zum Aufftande anzureizen. Einer lad fogar vom Gerichtäftuhle herab einen folchen Aufruf, den er von zwei Zehenern erhalten hatte, feinen Mitklrgern vor. Ein anderer Bürger, Cuntz Haſe, der ſchon am 5. Mai verhaftet worden war, muß fich gegen die @eiftlichkeit ſchwer ver⸗ gangen haben, weil der Rath feinetwegen an bie kirchliche Oberbehörbe Schreiben Tieß, und weil jpäter bie Kurfürften von Mainz, Trier und der Pfalz in Betreff feiner eine befondere Verfügung trafen. Sogar ein einflußreiches Mitglied der Geſellſchaft Frauenftein, welches zur Raths⸗Partei gehörte, Hana Ziechle, verging fich in dieſer Zeit allgemeiner Verwirrung fo fehr, daß er einen Handwerksmann tötete und dadurch dem Rathe eine nicht geringe Verlegenheit bereitete '). Eine noch größere Verlegenheit war ben Rathe am 11. Mat entitanden. An dieſem Tage warb ihm nämlich angezeigt, daß der Mepger Henne Stord bie beiden Schöffen Friedrich von Alzei and Johann Froſch, fowie den Syndikus Dr. Adolf Knoblauch und den Gerichtöfchreiber Johann Fichard üffentlich befchulbige, ihm das Siegel von einem ihm gehörenden Gültbriefe abgejchnitten zu haben, baß berjelbe auch den Ausſchuß und bie Bürgerichaft auf- zuheßen fjuche, und daß in Folge davon ber Poͤbel mit Aufruhr: gebauten umgehe. Der Rath wandte fich ſofort beſchwerend an bie Zehener, und biefe bejchieden den Mebger vor fich; ber Letztere leiftete jedoch der Vorladung nicht Folge, fondern Tieß durch einen ber Zehener, Kaspar Schott, den Rath um Gnabe bitten und ihm zugleich das Anerbieten machen, er wolle einftmeilen ind Gefängnif gehen. Hiermit konnten fich jedoch die Beſchuldigten nicht zufrieden geben: fie verlangten vielmehr eine förmliche Unterjuchung der Sache, fowie eine angemeſſene Beftrafung bes ſchuldig befundenen Theiles. Der Rath ging auf dieſes Begehren ein. Er erjuchte die Zehener, burch jede Zunft einen oder zwei Männer erwählen zu laffen, welche in Gemeinfchaft mit den Rathsgliedern bie Sache unterfuchen unb

1) Alle biefe Borfallenheiten finden fi im Naths- Protokolle angegeben.

VI. Der Aufftand von 1525 und Frankfurt’ Verhältwiß zum Bauernkriege. 173

das Urtheil Sprechen follten; denn der Rath wolle dieſen Rechtsfall, weil zwei Schöffen dabei beiheiligt feien und die übrigen als Zeugen auftreten follten, nicht durch das Schöffengericht entſcheiden laſſen, jondern die beiden anderen Rathsbänke an deſſen Stelle treten laſſen. Die Zehener gingen auf das Begehren des Rathes ein, und es wurden hierauf durch die Zünfte, die Sachjenhäufer, die Neuftäpter und die Gefellfchaften der Limburger, Frauenfteiner und Krämer 56 Männer gewählt. Mit viefen traten alle Mitglieder des Rathes, welche nicht Schöffen und nicht mit den Klägern verwandt waren, 21 an der Zahl, zufammen, und bildeten mit ihnen einen außer ordentlichen Gerichtshof, welcher gleich anfangs auch noch den Stabt- hauptmann Johann Weiß von Feuerbach und ven Rechts⸗ gelehrten Georg Deublinger als Beifiger zuzog (ſ. Amn. 116). Bom 13. Mai an, an welchem Tage der Gerichtähof feine Thätig- teit begann, dauerte die Unterfuchung und Verhaudlung desſelben zwei Wochen lang; dann fand: wegen ber inzwijchen eingetretenen Ereigniffe eine Unterbrechung Statt, und erit am 11. Juni wurbe ber Urtheiläfpruch verfündigt. Der Inhalt des LXebteren wird ung nicht gemeldet, jedenfalls aber enthielt er irgend ein Straferfenninig gegen ven verflagten Metzger, welcher ja feine Schuld ſchon un Voraus bekannt hatte. Uebrigens hatte während ber Gerichtöverhandlung der Schöff Friedrih von Alzei feine Stelle im Schöffengericht und Rath niedergelegt, entweder weil er wirklich, was er ald Motiv angab, Trank war, oder weil er des Mitregierend in einer folchen Zeit überbrüßig geworden war. Das Letztere iſt wahrfcheinlicher; denn er hatte ſchon am 16. Mai, gleich nach dem Beginne jener Unterfuhung fi) aus dem Schöffengerichte und dem Rathe zurüd- gezogen, und trat am 23. Mai befinitiv auß!).

Nach Allem, was fi aus dem bisher Berichteten in Betreff des damals herrichenden Geiſtes erkennen läßt, würde es nicht befremvend fein, wenn und aud eine wirkliche an Rathsgliedern begangene Gewalttbat gemeldet würbe. Und dies ift in ber That

1) Nach biefer auf dem Raths-Protokolle beruhenden Angabe ift die von Heyden im Neujahrsblatte des Franff. hiſtor. Vereins für 1860, S. 9, mitge- theilte Bemerfung Lersner’s, daß Friedrich von Alzey am 28. März abgebanft habe, zu berichtigen.

174 VL Der Aufftand von 1685 und Frautfurt's Verhliiuiß zum Vauernbkriege.

der Fall. In Fanſt's Collectaneen wird nämlich Folgendes berichtet: „Die Fraukfurter Bürger gingen 1525 in ihrem Wufftanve fo weit, daß fle einst plöplich das Gemperlein ober bie Tleine Sturmglode des Pfarridurmes !) laͤuteten, um bie Maſſe des Volkes zuſammen⸗ zubringen, bann bie Rathsherren zu überfallen und mit ihnen nad Sutbünten zu verfahren. Auch liefen fie wirklich nach ven Wohnungen der Leisteren, beſonders nach dem Haufe des älteren Blrgermeilters Philipp Fürſtenberger. Dieſer Half ſich Damit, daß er ihnen 100 Gulden ſchickte, um fie unter fich zu vertheilen, indem er fie zugleich bitten ließ, von ihrem Vorhaben abzuftehen. Sie nahmen die Summe an, und während fie fi in dieſelbe theilten, gelang es ihm, nach dem Römer zu entkommen. Hier ordnete er raſch bie nöthigen Maße regeln zur Unterbrüdung des Aufruhrs an: er lieh ven Pfarrifurm befeßen, und nahm bann mit ben ſtädtiſchen Söldnern die Haupt: fehreier gefangen. Dieje mußten jeboch, damit bie Bürgerichaft nicht von neuem aufgereiss werde, aläbald wieder unbeitraft entlaflen werben”. Dieſem Berichte find zwar die Worte beigejchrieben: Ich Hlaube, daß das zulegt Erzählte in ein ambered Jahr verlegt werben muß”; allein nichtäbeftoweniger iſt die Erzählung richtig und gehört in das Jahr 1525. Diefelbe paßt nämlich in die beiden anderen Jahre, in welchen SFürftenberger ebenfalls älterer Bürgermeifter war, keineswega, und fie wird augerbem für dad Jahr 1625 noch vurch dad Raths- Protokoll wenigſtens zum Theil beitätigt. In dieſem heißt es nämlich unter dem 9. Mai: „AB ber Pfaretgurm- Wächter anbringt, daß ſich Asmus Cong (eines der Diitgliever des Bürger ansſchuſſes) rühme, daß er heimlich auf dem Pfarrthurm geweſen jet und deu Beſehl gehabt Habe, auf vie Storm zu fchlagen: wird den Baumeiftern befohlen, dafür zu jorgen, daß man nicht leicht zu ber Storm kommen fann, und nit ber Zeit zu erflären, wer ihm befoblen habe, auf ven Thurm zu gehen”.

Berade um jene Reit mußte in Fraukfurt wie Aufregung am ftärfften fein, weil am 5. Mai, wie bereit. bemerkt ward, die Wogen

) „Ein Blädlein zu ober uf dem Bartbelomäng - Thurn, damit man Verrath anbeutet ober jond große ber Stabt anſtehend Gefahr.“ Näheres über biefe Glode findet mean in Römer-Büchner’s Wahl: unb Mrbnungsfirde, ©. 60.

VL Der Aufſtand von 1595 und Fraukfurt's Verhältniß zum Bauernkriege. 170

des Bauernkrieges bis in die Nähe yon Frankfurt heranrollten. Viele aus dem Volke ſahen damals, wie Königftein meldet, mit Sehn⸗ fucht der Ankunft der Bauern des hellen Haufens entgegen; denn fie wollten, jobald diefe in Frankfurt eingerücdt wären, über bie Juden und über die gleich verhaßten Deutichherren herfallen und an Beiden ihre Mordluſt büßen. Auch hatten fie bereits unter ein» ander ausgemacht, daß fie, wenn ed nicht nach ihrem Willen gebe, fi) an den beſchworenen Artifelbrief nicht halten, ſondern Alles über ben Haufen werfen würden. Bereits am 4. Mat, aljo einen Tag vor dem Borbringen der Bauern bis Afchaffenburg, erhielt ver Math die Anzeige, daß biejelben in ber Richtung nach Frankfurt heran- zögen, und daß fie laut äußerten, fie wollten in Frankfurt die Juden und die Deutichherren vertilgen. Diefe Kunde bemog ven Rath, am 5. und 6. Mai der Bürgerſchaft eine ſchriftliche Anſprache vorleſen zu laflen. In berjelben warb auf die Nachtheile, welde für bie Meſſe und andere Privilegien Frankfurt's eniftehen koͤnnten, auf merffam gemacht und die Bürgerfchaft aufgefordert, dem Mathe zur Beihübung der Stadt treulich beizuftehen; in Betreff der bebrohten Juden und Deutjchherren aber wurde ausgeſprochen, daß die Exfteren viele Güter, welcde Meſſefremden und anderen, zum Theil hoben Perjonen gehörten, in Verwahrung hätten, und daß bie Letzteren jegt an allen bürgerlichen Laften Theil nähen, alfo auch gleich allen anderen Bürgern gejchügt werden müßten. Die Gefahr war damals in ber That ſehr groß; denn nicht nur waren ber Odenwald, die Stadt Afchaffenburg, da Fuldaiſche und das gange Rhein⸗Ufer von Speier an bis nad) Eoblenz hin im Aufftanbe, ſondern der helfe Haufen ver Bauern hatte auch bereitö feine Boten in die verſchiedenen Theile des Bisthums Mainz gefandt, um alle bortigen Gemeinden zum Anfchluffe an feine Sache zwingen zu lafien. Die Stabt Tranffurt war aljo ringgum von ben Klammern des Aufrubrs umgeben. Sogar in den nächligelegenen Orten, in Hanau, Stein⸗ heim, Dieburg, Bergen, Eſchersheim, waren die Bürger und Bauern im Aufftande ). In Frankfurt jelbft war die Stimmung ber großen

) Das Lebtere folgt daraus, daß Köntgftein meldet, in den genannten Orten wäre fteben Wochen fpäter auf Befehl der herankommenden Fürſten einzelne Leute Feftgenommen und hingerichtet werben.

176 VI. Der Aufſtand von 1525 und Frankfurt's Verhälmiß zum Bauernkriege.

Maſſe jo beſchaffen, dag an eine Vereinigung Aller zur Abwehr der drohenden Gefahr nicht zu denken war. Amar erklärten mehrere Zünfte, fie würden ihrem Bürgereide tren bleiben und mit Leib und Gut bei dem Rathe und ihren Meitbürgern ftehen; aber felbft biefe Zünfte fügten hinzu, zur Beſchützung der Geiftlichen und ver Juden würden fie ſich nicht hergeben. Die anderen Zünfte gaben ven Rath2- verordneten fjogar die Erflärung, ſie würden beim rjcheinen der Bauern fi nicht nady den Anoronungen des Rathes richten, ſondern lediglich den Befehlen bes Ausſchuſſes Folge leijten. Unter dieſen Umftänden war e8 für Frankfurt ein Süd, daß die Bauernhaufen ihrem Zuge plößlich eine andere Richtung gaben. Zugleich hatte aber der Schredten, welcher biefen Haufen vorausging, in Frankfurt eine dem Rathe günftige Wirkung gehabt; denn man erkennt fchon in dem, was zehn Xage fpäter geſchah, das Vorhandenſein und Walten einer gemäßigten Partei.

Der Rath benahm fi, um diefe Partei zu ftärfen und mit ihrer Hülfe die Dinge wieder in Ordnung zu bringen, mit vieler Klugheit. Dabei ward er auch burch die Fehler unterftügt, welche die Segen Partei beging. Dieſe hätte auf den oben erwähnten Vor— ſchlag des Rathes, durch die Bürgerichaft einen befonderen Ausſchuß für die Sache des Mebgerd Stord ermählen zu laſſen, nicht eingehen follen; denn dieſer Ausihup war ja cbenfo gut, als der ſchon länger waltende, eine Bolfövertretung, und konnte als folche leicht bad Anſehen bes Lebteren in Gefahr bringen und feine Kraft lähmen. Run war noch dazu zufälliger Weife der neue Ausſchuß unter dem Eindrucke der von den Bauern ber drohenden Gefahr gewählt worben, und died hatte die Folge, daß derſelbe feiner großen Mehrzahl nach aus Leuten der gemäßigten Partei beftand: von den 61 Männern des alten Ausſchuſſes befanden fich nur 14 und von ben Sehenern fogar kein einziger unter den Mitgliedern des neuen Ausfchufles. Der Rath hatte alfo au dem Letzteren eine Träftige Stütze erhalten. Gleich nach der Einfehung de neuen Ausſchuſſes thaten die Zehner etwas, was fie, ohne daß fie es ahnten, auf? neue in Nachiheil brachte. Sie fuchten den Metzger Stord, der zu ihren Auhängern gehörte, dadurch zu retten, daß ſie unter dem Vorgeben, das Bolt fei wegen ber noch immer nicht georbneten Angelegenheit der Erbzinfen in großer Aufregung und werde ſich nicht länger von Gewaltthätigleiten

VL Der Aufftanb von 1525 und Frankfurt's Verhältnig zum Bauernkriege. 177

zurüchalten Tafjen, die Behandlung dieſes Gegenjtandes in ben Vordergrund ſchoben. Allein ver Rath benubte dieſe ihre Kift, um auf noch Kiftigere Weife die. Reaction in den Gang zu bringen. Er ging bereitwillig auf das Verlangen der Zehener ein, und brachte ſogar von fih aus zugleich noch eine zweite Angelegenheit, deren wir weiter unten gedenken werben, in Anregung, blos damit ber für Storck's Proceß erwählte Ausſchuß auch noch diefen ‚Gegenitand in Behandlung nehme, dadurch die Eigenſchaft eine? für bie dffent- fichen Angelegenheiten überhaupt beftehenven Bürgeraugfchuffes erhalte, und fo nicht nur dem Anfehen ber Zehener und ihres Ausſchuſſes Eintrag thue, fondern auch die Handhabe fein könne, vermittelft deren man ben alten Ausſchuß und bie Zehener ganz befeitige. ,

Die Führer ver revolutionären Partei fuhren freilich fort, ber Vöbel aufzuheben, und ließen zmei Tage nach der Einfeßung des neuen Ausſchuſſes jogar einfeitig durch ihren Ausſchuß einige neue Artikel vor den auf dem Nömerberg verfammelten Zünften ausrufen. Allein die conjervative Partei war doch fchon jo ſtark und räftig, daß mehrere Zünfte ſich jogleich gegen dieſes Berfahren ausſprachen, und daß ber neue Ausſchuß, als er noch an demſelben Tage eine außerorbentliche nächtlihe Bemwachung der Straßen beichloß, Leute genug fand, welche zu biefem Zwecke die Waffen ergriffen, und während einiger Nächte, zum Theil unter perjönlicher Führung ber Bürgermeifter, die Straßen durchzogen ). Auch machte dies feine Wirkung. Die Bürger der revolutionären Partei ließen es nämlich den Anderen gegenüber zwar an heftigen Worten nicht fehlen; aber Me wagten doch nicht Gewalt zu gebrauchen, ober, wie Königftein mit verächtlihen Worten fi außbrückt, der faule Haufen unb ber Ausſchuß liegen ſich, als ihre Gegner in ſolcher Weiſe auftraten, nicht merfen. Doch wäre es in ber eriten Nacht beinahe zu einem Kampfe zwifchen beiden Parteien gelommen. Hans von Siegen, Nikolaus Wild und ber Kürfchner Laux hatten auch ihrerſeits eine Schaar von Leuten unter die Waffen gerufen, und zogen mit berfelben ebenfalls in ber Stadt umher. An bed Erjteren Wohnung trafen fie auf die bewaffnete Schaar ihrer Gegner, welche von ben

2) Nach einer zwelmaligen Bemerkung Königftein’s waren es nichts zänftige Bürger, welche dies thaten. Kriegt, Frankf. Burgerzwiſte. 12

178 VI Der Aufftand von 1525 und Frankfurt's Verhältniß zum Banernfriege.

Rathsherren Gronberger, Völker, Stallburg, Kupfereifen und Rücker geführt wurde. Hans von Siegen redete die Begleiter der Rathsherren mit aufreizenden Worten an; er Außerte fich in ven beftigiten Ausdrücden über ben Rath und deſſen veactionäre Beitrebungen, forderte die ihm gegenüberftehenden Bürger auf, zu ihm überzutreten, und fagte ihnen, fie dienten, ohne es zu veiflen, den gegen die Freiheit gerichteten Beſtrebungen bed Rathes („DO ihr Bürger, wenn ihr wüßtet, warum ihr hier gehet, ihr würbet nicht mit ihnen gehen”). Allein es gelang ihm weder, jene Bürger zum Abfalle vom Rathe zu bewegen, noch auch bie Führer berjelben in Aufregung zu bringen und dadurch einen Tumult zu veranlafien, welcher viele Leute berbeigezogen und einen Kampf hervorgerufen baben würde. Der Rathsherr Gronberger, welcher auf der anderen Seite dad Wort ergriff, richtete, anftatt fich zu heftigen Ausdrücken binreigen zu lafjen, nur freundliche Worte an Hans von Siegen und feine Leute, und biefe zogen hierauf unverrichteter Sache ab).

Drei Tage ſpäter (18. Mai) konnte der Rath jogar wagen, ven alten Ausſchuß und die Zehener für abgejegt zu erklären. Er verfuhr, um dies thun zu können, gerade jo, wie man 1848 in ben verjchiedenen deutſchen Ländern verfahren ift: er ſchloß fich feft an die gemäßigte Partei an, und bejeitigte dann mit ihrer Hülfe bie revolutionäre und radikale Partei. Den Anlaß zu dieſem Schritte nahm er von dem die Reaction bindernden Treiben eines jener Zrei- beit3:Apoftel, welche damals überall in Süb- und Mittel-Deutjchland bie Volksbewegung leiteten. Diefr Mann war der feit einiger Zeit wm Frankfurt lebende Dr. Gerhard Wefterburg Er hatte fi ſchon vor dem Beginne bes Aufitandes in Frankfurt niedergelaffen ?),

2) Das Aufruhrbuch fährt, nachdem es gefagt hatte, Hans von Siegen habe durch feine Worte die Bürger ben Rathsherren abtrünnig machen wollen, fo fort: „BDweil aber herr Steffan (Sronberger) in ime ben zom vertrudt unb Hanſen von Siggen fambt ſynen gefellen keyn urfach, fonder für unb füro gutte wort geben, hatt Hans von Siggen fambt ben fynen, wie wole ongern, on wythern verhandlung, boch mit viel ſynen auffrurigen, ongefchidten, wibberchriftlichen, an⸗ raiglichen worten abfchaiden müſſen.“

2) Dies gebt baraus hervor, daß das Aufruhrbuch fagt, Hana von Siegen und feine Anhänger hätten vor, in und nad dem Aufrubr ihre Zuſammenkünfte bei Wefterburg gehabt. Das Gerücht, daß er ber Verfertiger ber. Frankfurter Artifel fei, wird von Königftein gemeldet. Webrigend gibt Schurd ihm ben

VI. Der Aufſtand von 1525 und Frankfurt's Berhältnig zum Bauernkriege 179

und man fagte von ihm auch, er habe die von der Bürgerichaft aufgeftellten Artikel entworfen. Er wohnte in einem auf der Galgen- gaſſe gelegenen Haufe des Schöffen Hans Bromm in Miethe, nannte fih einen evangeliihen Mann, und hatte einen politiichen Klubb gebildet, deſſen Mitglieder ebenfalld die Evangelifchen hießen, und welchem viele Bürger, unter ihnen auch Hans von Siegen, ange hörten. Da Wefterburg fchon vor dem Beginne bes Aufſtandes nach Frankfurt gefommen war, fo, deutet auch das Beſtehen einer evan- gelifchen Brüderſchaft in Frankfurt auf den engeren Zuſammenhang der dortigen Bewegung mit der allgemeinen deutſchen Revolution ; denn der Bund ber evangeliichen Brüderjchaft war bereit3 ein Jahr früher in Schwaben entitanden, und von dort durch geheime Send- linge bis nah Franken und Thüringen verbreitet worden. Die Sitzungen ded Frankfurter Klubbs wurden in Weſterburg's Wohnung gehalten, und zwar nicht blos am Tage, fondern auch Nachts. Diefen Klubb zu fprengen und ben Stifter und Xeiter dezfelben zu ver- treiben, bejchloß der Rath in demfelben Augenblicke, als die Ermäh- lung von 56 Richtern über den Mebger Stord ihm am 13. Mai Männer zur Seite gejegt hatte, welche der großen Mehrzahl nad) nicht, wie der alte Ausſchuß und bie Zehener, Anhänger Weiter burg’3 waren, und die baldige Herjtelung der Ruhe wünfchten. Er fand diefe Männer bereit, mit ihm gegen Wefterburg und feinen Klubb vorzufchreiten.

Schon am Tage feiner Einfegung entſchloß fich biefer confer: vative Ausſchuß, dag Haupt des Klubbs aus der Stabt zu treiben. Er ließ bereit? an dieſem Tage (13. Mai) den Dr. Wefterburg auffordern, bis zum nächiten Tage die Stadt zu verlaſſen. Weiter: burg leitete, auf feine Anhänger geftüßt, diefer Aufforderung feine Folge. Er reichte vielmehr am folgenden Tage (14. Mai), nad: dem er die ganze Nacht Hindurch mit feinen Freunden Berathung gepflogen hatte, eine Bittfchrift um Geftattung feines längeren Ber- bleiben? ein, aber nicht bei dem Rathe ober ber neuen conſervativen Bürgervertretung, fondern beim alten Ausſchuſſe. Dieſer beichloß natürlich, fich feiner anzunehmen. Ja, er ging ſogar noch weiter:

Vornamen Thomas. Seine Heimath ift ebenfo unbelannt, wie fein ſpäteres Seid. 12*

180 VI. Der Aufſtand von 1525 und Frankfurt's Verhältnig zum Bauernkriege.

er erfuchte den Rath, dem Dr. Wefterburg das Bürgerrecht zu ertheilen. Dieſes Geſuch wurde mit der Erflärung zurückgewieſen, dag man unter den obmwaltenden bedenklichen Zeitumftänden in einer Reichsſtadt und beſonders in Frankfurt nicht einen jeden ald Bürger aufnehmen könne. Zu gleicher Zeit ließ der Rath den Doctor nochmals in freundlicher Weife auffordern, aus ber Stadt zu weichen, und oronete für die nächte Nacht bie oben erwähnte Patrouille an, gegen welche Han? von Siegen, wie man jebt fieht, aus begreiflichen Gründen fogar einen Kampf herbeizuführen ſuchte. Der Doctor weigerte fich wieder, Folge zu leiften; und ala ihn hierauf der Rath zum britten Male und in befehlender Form auzbieten ließ, gab er die troßige Antwort: wolle Gott, fo werde er hinweg ziehen, wolle Gott nicht, jo bleibe er. Nun ließ der Rath die Bürgerfchaft auf

ven 18. Mai in ben Antoniter-Hof zufammenrufen, und derfelben in feinem und bed neuen Ausfchuffes Namen folgenden Vortrag halten: „Da bei ben gegenwärtigen Zeitläuften in allen Stäbten neue Unruhen zu befürchten feien, dieſe aber die Stadt Frankfurt ind Unglüc ftürzen und ihren Untergang herbeiführen könnten, fo babe der Rath ſchon vor mehreren Tagen ſich Verorbnete ber ganzen Bürgerichaft (d. i. den conjerwativen Ausſchuß) zugefellen laſſen, um mit ihnen das Beſte der Stadt zu berathen umd zu bejorgen. Diefe Vertreter der Bürgerfchaft hätten in Gemeinſchaft mit dem Mathe, nach einem einftimmig gefaßten Beſchluſſe ), den Dr. Wefterburg zum zweiten Male „freundlicher und gütlicher Meinung” erfuchen Iafien, fih aus Frankfurt zu entfernen. Nichtäbeftomeniger verharre ber Xebtere trotzig bei feinem Entjchluffe, in der Stabt zu bleiben. Der Rath und die Vertreter der Bürgerfchaft wenbeten fich daher an diefe mit der Bitte, ihnen ihren Beiftand zu leiften. Zugleich werbe im Hinbli auf die bebenklichen Zeitwerhältniffe die Bürger: ſchaft erfucht, jene ihre Vertreter dahin zu bevollmächtigen, daß fie in allen wichtigen Wngelegenheiten gemeinfchaftlih mit dem Rathe das Nöthige befchließen und ind Merk jeten follten. Außerdem möge ſich die Bürgerjchaft durch die Anhänger Weſterburg's nicht

1) „Durch einhelligen eins €. Rats und auch aller zunfft, gejelfehafft und gemeyn verorbneten überfomenen beſloß,“ heißt es in dem fchriftlichen Vortrag, welchen ber Rath ber Verſammlung vorlefen ließ.

VL Der Aufftand von 1525 und Frankfurt’ Verhältnig zum Bauernkriege. 181

zu Gunſten dieſes Mannes bejtimmen lafjen, ſondern vielmehr in diefer wie in anderen Sachen dem Rathe beiftehen, namentlich aber ihm behülflich fein, dag ohne Erlaubniß der Bürgermeiſter feine Veriammlungen gehalten, Feine Verbindungen gejchloffen und keine aufrübrerifchen Schriften verbreitet würden”.

Gegen dieſes Anfinnen des Rathes Ichnten fich fogleich manche Bürger auf, und es fam im Antoniter-Hofe zu ftürmifchen Auf: trütten (ſ. Anm. 117). Nichtzbeftoweniger gingen alle anmejenden Körperichaften mit alleiniger Ausnahme der Schuhmacher: Zunft auf bad Begehren des Rathes ein. In Folge davon zeigte der Rath gleich am nächſten Tage dem alten Ausfchuffe und ben Zehenern ihre Abſetzung an. Es geſchah dies, nach dem Raths-Protokoll, mit freundlichen Worten und mit der Aufforderung, fich fernerhin nicht mehr zu verfammeln, weil das Regiment dem Rathe befohlen jet. Da der alte Ausſchuß und bie Zehener fich als jelbftitändige Behörden benommen und al3 jolche ver Bürgerfchaft gegenüber gehandelt hatten, jo hätte ihre Abſetzung eigentlich durch eine öffentliche Belanntmachung der Lebteren Fund gegeben werden müſſen. Auch findet fich wirklich im Stadt-Archiv der Eutwurf eines foldhen Manifeftes; unten iſt aber die Erflärung beigefügt, dasſelbe fei nicht veröffentlicht worden. Der Rath und ber confervative Ausſchuß (denn in Beider Namen ift dieſes Manifeſt abgefaßt) hatten alfo anfangs eine jolche Bekaunt⸗ machung befchlofjen, gleich darauf aber vorgezogen, bie Abjegung des alten Ausſchuſſes und feiner Zehener blos indirect befannt werben zu laſſen, wohl. weil eine öffentliche Verkündigung berfelben die Auf- regung vermehrt haben würde. Deshalb ließ auch der Rath am Nachmittage ded 19. Mat eine Anzahl Bürger vor fich befcheiden, blos um ihnen anzuzeigen, daß jene beiven Behörden abgeſetzt feien und niemand ihnen ferner Gehorfam leiſten dürfe (ſ. Anm. 118).

Bon allen Körperfchaften der Stabt hatte am 18. Mai nur die Schuhmacher= Zunft in die begehrte Bevollmächtigung des Storck'ſchen Ausſchuſſes nicht eingewilfigt, und fie [uchte ihren Wiberfpruch dagegen auch nachher noch aufrecht zu erhalten. Diez gejchah nicht etwa, weil die Schuhmacher allein radifal gefinnt geweſen wären; denn das ſpaͤtere Benehmen der Gärtner und Steinmeßen zeigt, daß auch noch andere Zünfte es waren. Die Schuhmacher handelten vielmehr offenbar nur aus dem Grunde fo, weil fie allein die eigentliche Abſicht

182 VI. Der Aufftand von 1525 und Franffurt’3 Verhältniß zum Bauernfriege.

des Rathes durchichaut hatten. Sie hatten ganz richtig erfannt, daß vermittelft einer allgemein gefaßten Bevollmächtigung des confervativ gefinnten Storck'ſchen Ausſchuſſes der alte befeitigt und die Reaction gefeßlich berechtigt werben follte.e Ste hatten überdies an Hang von Siegen einen Führer, ber ſich während des ganzen Aufſtandes als einen Mann von großer politischer Einficht und Gewandtheit zu erkennen gibt, und ber zugleich auch Conſequenz, Muth und Ausdauer befaß. Hand von Siegen, welchen dad Aufruhrbuch bei diefer Gele genheit „ein vermeſſenliches Haupt der Schuhmacher und feiner Gefellen” nennt, hatte offenbar feine Zunft auf die eigentliche Abficht des Rathes aufmerffam gemacht, und das, was bieje Zunft unmittel- bar nach der Berfammlung vom 18. Mat that, gefchah ficherlich auch zufolge eines von ihm ertheilten Rathes. Die Schuhmacher liegen nach jener Berfammlung Weſterburg's Sache, deren fie fich bisher nachbrüdlich angenonmen hatten, ganz fallen, um das, was in dieſem Augenblicte weit wichtiger war, durchſetzen zu koͤnnen. Sie hatten am 18. Mai burch ihren Sprecher Hans von Siegen erflären laffen: „ſie wollten fich zwar ſonſt ihrem DBürgereide gemäß halten, aber ihre zwei Vertreter in dem Storck'ſchen Ausſchuſſe feien von ihnen nur zu dem Zwecke, den Mebger Stord zu richten, gewählt worden; eine weitere Bollmacht hätten dieſelben nicht erhalten; viel mehr wären es Icviglich ihre drei Vertreter im alten Ausſchuſſe, welche über alle anderen Dinge mit zu entfcheiden hätten; fie ver- langten daher, daß in allen politifchen Angelegenheiten bloß bie Letzteren ala ihre Vertreter angefchen würden, und fte jeien entjchlofjen, bie zwei anderen Schuhmacher, wenn biefelben ihre Vollmacht über- ichreiten würden, deshalb in Strafe zu ziehen.” Vergebens hatten bie anmejenden Rathsfreunde den Sprecher ver Schuhmacher: Zunft gebeten, dem Beifpiele der anderen Zünfte zu folgen; Hans von Siegen beharrte mit feinen Zunftgenofien auf der außgefprochenen Anſicht. Noch an demfelben Tage ließ daher ber Rath die Schuf- macher- Zunft auffordern, am näcften Morgen vor ihm und bem neu bevollmächtigten Ausfchuffe zu ericheinen. Die Abficht dabei war: den Schuhmadhern freundliche Worte zu geben, ihnen durch den Ort und den Charakter der Sitzung, vor welcher fie erjcheinen jollten, zu imponiren und dadurch, fowie durch das Einführen und Befragen eines jeden einzelnen Zunftgenoſſen den Einfluß ihres

VI. Der Auffiand von 1525 und Frankfurt's Verhältniß zum Bauernfriege. 183

Hauptes und Leiters zu befeitigen !). Die Schuhmacher: Zunft Teiftete jedoch der Vorladung nicht Folge, fondern fchichte ihren Hans von Siegen und brei andere Meifter, Hand Schweiber, genannt der junge Schultheiß, Jakob Meydebach und Hand Kreuder, von denen ber Erftere ebenfo wie Hana von Siegen Mitglied des alten Ausſchuſſes war. Diefe beantworteten die Aufforderung, fi) den am Tage vor: ber von den anderen Zünften gefaßten Befchlüffen anzufchlicken, mit ber Erflärung: des Dr. Wejterburg wolle fi) ihre Zunft allerdings nicht weiter annehmen, auf etwas Anderes aber werde dieſelbe fich nicht einlaffen und namentlich auch die Vollmacht, welche ihre zwei Vertreter im Stord’fchen Auzfchufje hätten, nicht erweitern. Hierauf wurden die vier Schuhmacher mit der Erflärung entlaffen, der Rath und der Bürgerauzfchuß laſſe durch fie nochmald die ganze Zunft vorlaben, damit jeber Meifter für fich feine Meinung ausſpreche. Diefer Borladung wurde zwar entiprochen; als jedoch immer nur je einer won ben Zunftgenofien in die Rathsſtube eintreten jollte, weigerten fie ſich defjen, und. ver Rath mußte nachgeben und alle zufammen vor fich erfcheinen lafjen. Nun wurde bie Zunft zuerft ivegen ihres „ungehorjfamlichen Handelns’ getavelt und an ihren Bürgereib erinnert. Dann lad man ihr eine jchriftliche Erklärung des Inhaltes vor: erjten ihre zwei Vertreter im neuen Ausſchuſſe würden nicht aus demjelben entlafjen, weil nichts gegen biefelben vorliege; zweiten? die Schuhmacher hätten pflichtgemäß mit Sorge zu tragen, daß ohne Erlaubnig der Obrigkeit fein Gebot gehalten, Feine neue Berbindung gemacht, Feine aufrührerifchen Schriften verfaßt, angenommen und verbreitet würben; drittens feien fte gleich ven übrigen Zünften verpflichtet, ihre rechtmäßige Obrigkeit zu ſchützen und zu jchirmen; viertend endlich follten fie fich hüten, revolutionäre Sendungen zu machen, aufrührerifche Verfammlungen zu veranitalten und andere Zünfte oder Gejellichaften aufzuhegen, indem ber Rath und ber Ausſchuß bejchloffen hätten, alles die nicht länger zu dulden

I) Diefe Abfiht if in den Worten des Raths-Protokolles beutlich ausge: fprodden: „fol man bie ſchumacher noch eynmal beihiden und men, was bie zunfit, alle gefelfchafften und die gemeynden zugefagt haben, erinnern, daß fie bemfelben auch geleben und ben zweyen, fo fie felbft gefeßt baden, by bem faz lafien, ban ber Rat halt fie vor fromm, erbar lud, und follen die ungebuft lafien; und dar eyn nach bem andern verhoren, ob es ir aller meynung ſy.“

184 VI. Der Yuffienb von 1595 und Frankfurt's Verhälmiß zum Bauernkriege.

und diejenigen, welche ſich deſſen jchulbig machen würden, an Leib und Gut zu ftrafen. Nachdem biefe Erflärung verlefen worden war, ergriff Hans von Siegen dad Wort und erflärte nochmals, daß bie Zunft dabei verharre, nur ihre drei Vertreter im alten Ausſchuſſe, nicht aber die des neuen als Vollmachttraͤger für politifche Dinge anzujehen. Nun erklärte man von Seiten bed Rathes geradezu: dieſer befehle ihnen, dem Beichluffe der anderen Zünfte beizutreten 1). Zugleich wurde der Zunft angezeigt, erſtens, daß der alte Ausſchuß und bie Zehener abgeſetzt jeien, und zweitens, baß den Schuhmachern jest der Bürgereid werde vorgelefen werben, und daß jeder von ihnen, welcher dem Befehle des Rathes Folge Ieiften wolle, zum Zeichen feineg Gelöhniffes einzeln heroortreten und dann fich entfernen folle. Hierdurch, beſonders durch dic offenbar unerwartete Anzeige, daß ber alte Ausſchuß und die Zehner aufgelöft jeien, war ber Widerſtand der Zunft gebrochen; und Hand von Siegen ertheilte fogleich im Namen derfelben die Antwort: weil der Rath es jo haben wolle, jo feten fie willig, das Verlangte zu thun. Er mochte überdied auch wohl bedacht haben, daß eine einzige Zunft gegen ben Willen aller anderen nicht? auszurichten vermöge. Nachdem hierauf ber Bürgereid ver lefen worden war, traten Alle nach einander hervor und thaten, was verlangt worden war.

Der Rath hatte jeht dag, was er wünjchte, erreicht. Er hatte ben revolutionären Ausſchuß befeitigt und an beffen Stelle einen anderen gebracht, welcher confervativ gejinnt war, und noch dazu nicht wie jener jelbftitändig handeln konnte, da er nicht einen für fi beitehenden Ausſchuß bildete, fondern fich immer nur in Gemein: {haft mit dem Rathe und auf deſſen Ruf verfammelte 2). Im Verein mit diefem Ausſchuſſe hatte ver Rath gleich nach der Bevoll⸗

1) „Hat man inen ernfllich gebot, daß E. ER. daſſ und keyn anders wolle gehabt haben,’ heißt es im Raths-Protokoll.

2) m dieſer Hinfiht war ber neue Ausſchuß eine Ähnliche Behoörde, wie bie geſetzgebende Verfammlung Frankfurt's während ber Zeit von 1816 bis 1856, nur baß in ber Lehteren nicht der ganze Rath, fondern blos bie Hälfte besfelben mit den Vertretern der Bürgerfchaft zufammen faß. Weil ber neue Ausfchuß nicht eine felbfiftändige Behörde, fondern ein dem Rath fir alle Fälle, in welchen biefer es wilnfchte, beigegebener Bürgerausfhuß war, fo wird er im Raths⸗ Protokoll vom 18. Mai mit ben Ausbrüden bezeichnet: „die jbewen, To fie (bie Bürger) zu eynem Rat geſetzt haben” (d. 5. dem Mathe beigegeben haben).

VI. Der Aufſtand von 1525 und Frankfurt's Verhältniß zum Bauernkriege. 185

mädhtigung desſelben die Beendigung der Weiterburgifchen Angelegen⸗ heit vorgenommen. Sn der erften gemeinfchaftlichen Sieung, welche der Rath und der Ausſchuß am Nachmittag des 18. Mat hielten, war ein in der Stadt verbreiteter aufrührerifcher Brief verlefen worden, fowie ein Schreiben Wefterburg’3, in welchem dieſer an- zeigte, daß er abgereift fe. Man hatte dem Tebteren Schreiben feinen Glauben geſchenkt; denn es war beichloffen worden, ven Doctor, im Pal er noch anmejend fer, unter Androhung feiner Berhaftung nochmals ausbieten zu laflen, im entgegengefegten Fall aber ihm Weib und Kind fchleunigft nachzufenden. Am folgenden Tage (19. Mat) erhielt ver Rath eine Eingabe, in welcher Weſter⸗ burg's Gattin bat, ihr den Aufenthalt in Frankfurt noch auf einige Tage zu geftatten, da fie nicht wife, wo ihr Dann fich jet befinde. Es wurden ihr noch drei Tage zugeftanden, zugleich aber auch be- ſchloſſen, den Doctor, wenn er noch in ber Stabt fei, verhaften zu laſſen. Diefer war jedoch bereits abgereift. Vier Tage fpäter erjuchte einer feiner Freunde, der befannte Schneider Nikolaus Wild, ven Rath um eine Beicheinigung, daß Wefterburg ehrlich abgeſchieden jei; es warb bejchloffen, ihm „eine ziemliche Schrift” zu geben. Mit Weſterburg's Entfernung war bie Seele der Bewegung verichwunden, und diefe ward jeßt immer fchwächer. In den nächften Wochen waren Rath und Bürgerfchaft vorzugsweiſe mit der Erläu- terung des jechdten und elften Artikels beichäftigt, welche die Gülten und Erbzinſen betrafen. Dieſe follten nach jenen Artikeln theils abgeichafft, theils abgelöft werben. Man hatte jedoch bei der Ab- faffung ver beiden Artikel nicht beachtet, daß unter den Gülten und Erbzinjen je nach ihrer Entftehung, ihrer rechtlichen Begründung und ihrer Beziehung zu auswärtigen Behörben ein großer Unter: jchied beitehe, in Folge deffen fie fich nicht nach einem und bemfelben Princip behandeln ließen. Namentlich war bei einer Anzahl ber- jelden der Umstand bevenflih, daß ihre einfeitige Aufhebung bie echte geiftlicher Behörden und weltlicher Herren verlegen mußte, und baher ber Stadt großen Schaden bringen konnte. Wegen biefer verwidelten Berhältniffe wurbe in der Zeit vom 13. Mat biß zum 1. uni die Bürgerfchaft mehrere Male durch ven Math und ben neuen Ausſchuß verfammelt, um durch fie eine nähere Erläu- terung ober vielmehr eine Beichränkung des Inhaltes jener zwei

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Artikel beichließen zu laſſen. Dean konnte jedoch, bei der großen Berichiedenheit der Anfichten, zu Teinem beftimmten Beſchluſſe ge⸗ langen, und der Rath Tieß zulcht die ganze Verhandlung mit ber Erflärung fallen, daß er feine und des Ausſchuſſes Anficht als bie allein gejeßlich gültige betrachte Auch für eine ſolche Beendigung dieſes Streites hatte ver Math fich einen Mugen Ausweg erdacht. Indem er fi) nämlich auf die Unmöglichkeit, in anderer Weife die Streitfrage zu loͤſen, berief und zugleich den Bürgern, wie es in bem betreffenden Erlafje beißt, den Elend :Warnungsfpiegel anderer Städte vorhielt, verlangte er von ihnen, daß alle diejenigen, welche jene zwei Artikel anders verftanden und angewandt haben wollten, fh nennen follten, damit man fie, wenn bie Stadt deshalb vom Kaifer oder von anderen Mächten angefochten werbe, die Sache ver: antworten laſſe. Nach einer foldhen Erklärung blieb biefe natürlich auf ſich beruhen.

Sowohl hierbei, ald auch nachher vwerficherte der Rath ſtets, er meine es mit der Vollziehung des Artifelbriefes, ſoweit fie mit Gott und Ehren möglich fei, ernft und ehrlich. Diele Bürger fchenften jedoch diefer Verficherung feinen Glauben, und ber Rath hatte, wir dad Aufruhrbuch ſich ausdrückt, ſtetes Ermahnen und Nachlaufen, als ob er die Artikel nicht vollſtrecken wolle. In der That ſcheint es aber dem Rathe nach dem, was er bis Mitte Mai gethan hatte, mit der Ausführung der Artikel ernſt geweſen zu ſein, wiewohl freilich nur mit einer in mehrfacher Hinſicht beſchraͤnkten Ausführung. Er Tieß den Kapiteln bed Bartholomäud: und Liebfrauen : Stiftes feine Rube, bis fie von Seiten ihrer abweſenden Dechanten eine genügende Verſchreibung in Betreff der fie angehenden Artifel bei- gebracht hatten). Er forgte nicht nur für den Lebenzunterhalt ber freiwillig austretenden Mönche und Nonnen, fondern er ließ auch dem 44ften Artikel gemäß alle Beguinen in zwei Häufer zufammen Bringen, und verbot bie Zulaffung neuer Beguinen. Er war zu ber im 14ten Artifel vorgefchriebenen Abſchaffung der Brüberfchaften und zu der ebenfalls vorgefchriebenen Verwendung ihres Eigenthumes für

1) Der Dechant bes Tiebfrauenftiftes war ber befannte Cochläus. Er hatte fi, wie Gnobalius berichtet, gleich nach dem Beginne bed Aufftanbes, ehe noch bie Stabttbore von ben Bürgern befegt worden waren, bavon gemacht.

VI. Der Aufftand von 1525 und Frankfurt's Verhältniß zum Bauernkriege. 187

milde Zwecke behülflih. Er befahl den weltlichen Richtern, ein ſcharfes Auffehen auf die Pfaffenmägbe und auf verbächtige Frauen- zimmer zu haben, und Tieß einen Theil von biefen aus ber Stadt treiben. Er zwang nach dem 23ften Artifel die Geiftlichen, fortan ebenſo, wie bie anderen Bürger, Wachebienfte zu thun. Er gebet, bein britten Artikel entiprechend, dem Stabtpfarrer Peter Meyer, als derjelbe von zwei Bürgern verklagt wurde, nicht, wie biefer wollte, in Mainz, jondern in Frankfurt Recht zu geben. Er halte endlich, zum Behuf der Ausführung des erften Artikels, fchon feit den 24. April fi bemüht, einen dem Evangelium ergebenen tüchtigen Prediger anzuftellen, und bereit3 am 10. Mai ven bekannten Praͤ⸗ difanten Algeßheimer in Dienft genommen, und ftellte vier Wochen fpäter noch einen anderen Präbdifanten, Melander, an).

Um die Mitte des Juni bereitete der Gang ber allgemeinen Ereigniſſe wieder neue Verlegenheiten, und führte zugleich die Leite Wendung in der Frankfurter Mevolution herbei. Die empörten Dauern waren fait allenthalben überwunden worden, und ein furchtbar blutiges Gericht erging über die unglücdlichen Beſiegten. Wer von ihnen zu entfliehen vermochte, entfloh, und viele fuchten auch hinter Frankfurt's Mauern Schub und Rettung Außer ben Bauern kamen damald auch mandye Prädikanten als Flüchtlinge nach Frankfurt; doch reiften dieſe fogleich nach ihrer Heimath weiter. Die revoluttonäre Partei erwies ben Lebteren auf ihrer Durchreife große Ehre; das Aufruhrbuch meldet namentlih, daß Hand von Siegen und feine Freunde einem Theile derjelben „gar herrlich zu Roß“ das Gelcite gegeben hätten. Die Zahl ber in die Stabt fliehenden Bauern wurde alsbald jo groß, daß man ihreimegen beſondere Maßregeln ergreifen mußte. Schon am 13. Juni befahl ber Rath wegen der flüchtigen Bauern den Wirthen, jeden Abend bie von ihnen aufgenommenen Fremden anzumelden. Zwei Tage

ı) Nah dem Raths-Protokoll vom 18. Juni und nach einem im Stabt- Archiv (Mglb. C. Bl. Nr. 2, 7b) erhaltenen Rathſchlagungs-Protokoll vom 24. April batte man anfangs Decolompabiuß und Dr. Eberba in Vorſchlag gebracht. Am 10. Mai war Algeßheimer angeftellt worden. Zugleich hatte man fib an Luther gewandt, und von biefem war Johann Agricola (Im Raths⸗ Protokoll „ber von Wittenberg” genannt) gefendet worden. Am 18. uni warb der Leßtere wieder entlaffen und Melander’3 Anſtellung befchloffen,

188 VI. Der Anffland ven 1525 und Frankfurts Verhältniß zum Bauernfriege.

fpäter verordnete er, daß bewaffnete Leute, deren viele ankamen, nicht zu ben Thoren eingelaffen werben bürften; und nach wiederum zwei Tage ließ er bie in ber Stabt befindlichen Bauern auffordern, hinweg zu ziehen, weil er fie gegen ihre Herren nicht fchüßen könne. Zu gleicher Zeit gebot er, Feine Bauern mehr einzulafien. Trotz biefer Aufforderungen und Gebote befanden fich am 26. uni fo viele Flüchtlinge aus dem Mainzifchen und aus Bergen in rauf: furt, dag der Rath ihnen unter Androhen der Verhaftung befehlen laffen mußte, wieder fortzuziehen.

Theils um den Zuzug neuer Flüchtlinge beffer abwehren zu können, theils aber auch weil man nicht mußte, wefjen man fich von den fiegenden Fürften zu verſehen hatte, bejchloß der Nath am 17. Junt, neue Söldner anmerben zu laſſen. Er holte dazu die Zuftimmung ber Bürgerjchaft ein, und die einzelnen Körperfchaften ertheilten diefelbe zwar, knüpften aber zum Theil befonvere Be- dingungen daran. Die meiften Zünfte, unter ihnen auffallender Weife auch die Schuhmacher, ftellten bie ganze Sache dem Nathe anheim !). Andere verlangten, daß man vorzugsmeife Handwerks⸗ Incchte anwerben und biejen ein großes Handgeld (oder, wie der Ausdruck eigentlich lautet, Wortgeld) geben ſolle. Andere forderten, man jolle die Söldner nicht an allen Punkten ber ſtädtiſchen Ber: theidigungswerke verwenden, damit fie biefe nicht Tennen Ternten. Anbere ftellten die Bebingung, daß der Rath die Söldner auch verhindere, Muthwillen zu treiben und bie Bürger zu beichädigen. Einige Zünfte hielten "fh aus, daß Henfel von Nürnberg, mit welchem der Rath bereit? in Unterhandlung ftand, und mit dem er am Tage nachher auch wirklich abjchloß, nicht ala Hauptmann an- genommen werde. Die Schröder und Weißgerber verlangten, daß bie Söldner nicht blog dem Rathe, fondern auch der Bürgerfchaft Ihwören jollten. Am freundlichiten antworteten bie Barbiere: ein ehrbarer Rath habe feither ehrlich und redlich gehandelt und regiert, man hoffe daher, daß er es auch fernerhin thun werde. Man ficht übrigen? aus biefen Angaben, wie ſchwer e8 dein Rathe einer mittel-

1) Die Erflärung ber Schuhmacher (Mglb. C. 81. Nr. 2, 16) lautete: „Die ſchumacher flellen e8 meyn bern heym und evcheren ſich auch, daß Beft zu thun.“

VI. Der Wuffland von 1525 und Frankfurt's Verhältniß zum Bauernkriege. 189

alterlichen Reichäftabt gemacht wurde, bie Verwaltung zu führen. Im vorliegenden Falle mußte noch dazu bafür geforgt werden, daß nicht flüchtige Bauern, welche von ihren Herren zurückverlangt werben konnten, fich unter falfchen Namen anwerben liegen. Dies geſchah wirklich, und die auf folche Weile Eingefchlichenen mußten bereit? am 4. Juli wieder entlaffen und fortgefchidt werben. In der Stadt felbjt meldeten fi fo wenige Leute zum Sölbnerbienft, da am 26. Juni die Hauptleute beauftragt werden mußten, aus⸗ wärts zu werben. Uebrigens Tonnten fich die Bürger von Anfang an mit den neuen Söldnern nicht vertragen. Schon am 26. Juni wurde dem Mathe geklagt, daß manche Bürger bie Söldner durch ben Zuruf Wolfl Wolf! verfpotteten und reizten; und am 29ften mußte er durch die Ausrufer die Einwohner verwarnen laſſen, bie Soͤldner zu verhühnen. Webrigend waren, neben ber Anwerbung von Soldaten, zur Sicherung der Stabt auch noch manche andere Vorkehrungen zu treffen; wußte man ja body nicht, was bie über die Städte erzürnten Fürften thun würden, und konnten ja doch auch verjchlagene Bauernichaaren in die Nähe von Frankfurt kommen! Seit dem 19. Juni Tieß der Rath die Nachtwachen verjtärfen, bie Sachſenhäuſer Warte und die Brüde mit einer größeren Zahl von Soldaten beſetzt halten, gemifchte Schaaren von Bürgern unb Söldnern mit der Bewachung aller Bforten beauftragen und, damit jeden Augenblic dad Nöthige verfügt werben könne, an jeder Pforte ftet3 einen Rathsherrn verweilen. Auch erhielten die Metzger Befehl, Schlachtvieh anzufchaffen, und dieſes wurde zuerft in ben Zwingern der Stadtmauer, dann aber, um den Zugang zu ber Xebteren frei zu halten, auf ven Judenkirchhof gebracht.

Bon den Fürſten, welche noch immer mit der Unterwerfung ver Bauern beichäftigt waren, konnte die Stabt Frankfurt nichts Gute erwarten, zumal nachdem ein vom 12. Juni batirte® Manifelt des ſchwäbiſchen Bundes nicht nur die Aufſuchung, Verhaftung und Beitrafung der beim Bauernfriege Betheiligten geboten, ſondern auch ausdrücklich ausgefprochen hatte, bie eigentlichen Anjtifter des Bauern: aufftandes hielten ſich in Städten und Flecken verſteckt. Auch waren ja andere Stäbte, wie Würzburg, Bamberg, Nördlingen und das benachbarte Mainz, von ben Fürften hart beftraft worden. Bereits am 17. Juni befchloß daher der Rath zu überlegen, wie ber Artilel-

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brief, wenn man feinetwegen angegangen werde, zu verantworten fein möchte. Schon zwei Tage nachher (19. Juni) kam früh Morgens von Alchaffenburg ein an den Rath gerichteted drohendes Schreiben an. Es war von den brei Fürſten gejchrieben, welche damals in Frankfurt's Nähe gegen die Bauern zu Felde lagen, dem Kurfürften Richard von Trier, dem Kurfüriten Ludwig von der Pfalz und dem damaligen Statthalter des Erzſtiftes Mainz, Biſchof Wilhelm von Straßburg. Diefed Schreiben enthielt Folgendes: Der fchwäbilche Bund habe, ald daS gemeine Bolt „in den Städten und auf dem Lande” ſich empört hätte, ein ftarfes Heer gerüftet und durch das⸗ jelbe die Rebellen bejiegt; viele der Lebteren feien aber nad Frank⸗ furt geflohen und befänden fich noch daſelbſt; auch habe man in Frankfurt ſelbſt nicht wenige Edelleute und Gciftliche des Ihrigen beraubt; es werbe baher verlangt, daß biejen ihr Eigenthum zurück erftattet, die eniflohenen Bauern aber auägeliefert würden; gefchehe Beides nicht, jo werde man bie Stadt als Theilnehmerin am Banern- aufftanbe betrachten und dasjenige, was nöthig fei, thun. Der Inhalt dieſes Schreibend war bebenflich genug; er warb es aber noch mehr durch den Umftand, daß die Fürften, welche das Schreiben außgeftellt hatten, damals in ber Gegend von Afchaffenburg und Umftadt, aljo in der Nähe Fraukfurt's brandichagenb und ftrafend verweilten. Die Bürgermeifter ließen deshalb fogleih zu Mathe läuten, und die verſammelten Rathsherren verloren dann Teine Zeit, um die nöthigen Maßregeln zu ergreifen. Sie beantworteten das Schreiben jofort mit ber Erflärung, daß fie wegen ber Wichtigfeit ber Sache eine bejondere Gefanbtichaft abjchielen würden). Dann Tießen fie augenbliclich die Bürgerjchaft zufammenrufen, um ſich mit derfelben über das Weitere zu verftändigen. Nur von einem Theile der Zünfte, von der Geſellſchaft Frauenftein, von den Neuftäbtern

1) Der Entwurf biefeg Antwortfchreibens bes Rathes an bie Fürſten ift noch vorhanden (Melb. C. 81. Nr. 2, 15), aber jonderbarer Weife falfch batirt. Sein Datum iſt nämlih Freitag nach Frobnleihnam (d. i. 16. Juni), obgleih das Schreiben ber Fürſten felbft dag Datum Sonntag nach Frobnleihnam und als Bräfentatum feria secunda post Corporis (19. Zuni) bat. Uebrigens ift auf dem Stadt⸗Archiv da fürftliche Schreiben fowohl im Original, als auch in brei Abfchriften vorhanden, bag früher erwähnte Manifeft bes ſchwäbiſchen Bunbes aber in einer notariell beglaubigten Abſchrift.

VI. Der Aufſtand von 1505 und Fraukfurt's Verhältwiß zum Bauernfriege. 191

und von ber Gemeinde haben fich die Antworten erhalten, welche fie dem Rathe auf deſſen Frage um ihre Meinung eriheilten. Diefe Antworten fielen größtentheild dahin aus, daß man bie Flüchtlinge, weil dies einer Fatferlichen Reichsſtadt unehrenhaft fer, nicht aus— liefern, die Edelleute und Geiftlihen aber, welche ſich durch ben Artikelbrief beeinträchtigt glaubten, auf den Weg Rechtens vers weiſen folle.

In einer noch an demſelben Tage, an welchen dad Schreiben der Fürſten angelommen war, gehaltenen zweiten Rathafigung wurbe eine Geſandtſchaft an die Xchteren gewählt. Sie beitand aus dem älteren Bürgermelfter Kürftenberger, dem Rathsherrn Gron⸗ berger, dem Stadt-Hauptmann Johann Weiß von Feuerbach, vem Amtmann von Bonamed, Eberhard Schenk zu Schwein! berg, dem Syndikus Dr. Adolf Knoblaud und dem Raths—⸗ ſchreiber Johann Marftäller. Diefe Gejanbtfchaft reifte gleich am folgenden Tage ab, traf aber, als fie nach Seligenftabt Fam, nur den Statthalter von Mainz an, weil die beiden anderen Fürften bereitö über Oppenheim gegen bie pfälzifchen Bauern gezogen waren. Die Geſandten reiften den beiden Füriten nad, mußten jedoch, während biefe Pfeddersheim belagerten, einige Tage in Oppenheim verweilen. Schon von hier aus zeigten fie, auf Grund ber ihnen vom Mainzer Statthalter und von Anderen gemachten Mittheilungen, dem Rathe an, daß man entweder die Bürgerfchaft zum Aufgeben des Artikelbriefes bewegen oder eine? Angriffes ber Fürften auf bie Stadt Frankfurt gewärtig fein müfle. Der Rath antwortete ihnen am 25. Juni: er finde noch zur Zeit nicht gerathen, jenes Anfinnen an die Bürgerichaft zu richten, und hoffe um jo mehr, daß bie Fürften zufrieden gejtellt werben könnten, da ſeines Wiflend in Frankfurt feinem Edelmanne etwas entrilfen worden wäre, unb ba mit der Geiftlichteit gewiß auch noch ein Webereinfommen werbe getroffen werden Tönnen. An bemjelben Tage trafen jedoch bie Gefandten im Lager vor Pfeddersheim mit den Kurfürften von Trier und der Pfalz zufammen, und erhielten von ihnen fehr fategoriiche Erflärungen. Frankfurt babe, fagte man ihnen, aller- dings flüchtige aufrührerische Unterthanen der Fürſten aufgenommen und zum Theil ſogar ald Söldner angeiworben; wenn ferner bie Geiftlichkeit und die Nitterichaft in Frankfurt auch vielleicht noch

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nicht beraubt worben wären, fo werde dies doch demnächſt als eine nothwendige Folge des Artikelbriefes eintreten; dieſer ſtehe mit den Rechten des Kaiferd, mit dem Landfrieden und mit der Ehrbarkeit in Widerſpruch, ſei auch zur Verbreitung des Aufruhrs in bie Rachbarlande gejchidt worden, und habe überdies ſchon durch die Aenderungen, bie man .in Betreff der Sacramente vorgenommen, fowie durch die Abfebung von Pfarrern eine fchlimme Anwendung erhalten; er müſſe daher befeitigt und die Anſtifter und Betreiber des Frankfurter Aufſtandes beitraft werben; die Fürften würben ſich ſonſt genöthigt ſehen, mit ihren Truppen gegen Frankfurt zu zieben und dort die Webelthäter und Mebellen ebenſo, wie es bereits in anderen Gegenben gejchehen ſei, zu beftrafen. Die Frankfurter Abgeorbneten vermochten diefe harten Forderungen und Drohungen nur in fo weit zu mildern, daß vom Mathe ber Stabt verlangt wurde: er folle den Artikelbrief gänzlich befeitigen, Alles in ven früheren Stand zurüdführen und das fchriftliche Verfprechen er- theilen, daß er Tünftighin jedem Aufruhr in Frankfurt vorbeugen wolle, außerdem aber auch noch bie Anftifter zu gelegener Zeit betrafen, den drei Fürften in Betracht ihrer Gutthat und ihrer großen Koften eine Summe Geldes verehren, und endlich innerhalb vier Tagen eine fchriftliche Zufage über die Alles einjenven wolle?)

Mit diefer Erflärung reiften die Abgeordneten fogleih nad Frankfurt zurüd, wo fie am 27. Juni Morgens früh ankamen. Hier hatte bereit? zwei Tage vorber der Deutſchordens⸗Comthur zu Sachſenhauſen den Bürgermeiftern ein an ihn gerichtete, vom 13. Juni datirtes Schreiben übergeben, in welchem ber befannte Feldhauptmann des ſchwaͤbiſchen Bundes, Georg Truchfeß, ihn auf- forberte, den feinem Ordenshauſe vom Frankfurter Rathe aufge drungenen Vertrag zu überjchidlen, damit man gegen benjelben einfchreite; und außerdem hatte der Rath am 26. Juni beſchloſſen, fih mit den Zünften über nöthig gewordene Abänberungen des Artikelbriefes zu verftändigen. Als am anderen Morgen bie Ge fandten des Rathes zurückgekehrt waren, ließ man glei auf ben Nachmittag den Bürgerausſchuß, ſowie auf den folgenden Tag

*) Die betreffenden Urkunden befinden fich im Mittelgewölb bed Stadt Archivs C. 81. Nr. 20 u. 28.

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(28. Juni) die ganze Bürgerſchaft zufammenrufen. Der Sitzung des Erfteren wohnte, wie immer, der gefammte Rath, fowie von ben Geſandten Knoblauch und Weiß von Feuerbach bei. In beiden Ber: fammlungen wurben die Forderungen der Fürften und des Rathes Erjuchen fie anzunehmen vorgetragen, dabei die blutigen Scenen des zu Ende gehenden Bauernkrieges mit den Ichhafteften Farben geichil- dert, auf die graufame Beitrafung mander Stäbte aufmerffam gemacht, und endlich für den Fall der Nicht: Annahme jener Forde⸗ rungen bie Belagerung der Stadt und ein ſchreckliches Schickſal ihrer Bewohner in Ausſicht geftellt ). Dabei gaben bie Rathsver⸗ ordneten ihren Mitbürgern im Auftrage des Rathes noch dad Ber: Iprechen, daß diefer in Betreff der abzufchaffenden Zinfen und Gülten mit ber Zeit Alle thun werbe, was mit Ehren verantwortet werben koͤnne. Die Mehrzahl der Bürgerfchaft ging auf dad an fie geftellte Anfinnen des Rathes cin; mehrere Zünfte Mmüpften aber bie Bes dingung daran, daß dad Wort Gottes aufrecht erhalten und bie Führer des Aufftandes nicht „ausgeheimelt“ werben follten ?). Uebrigens herrfchte an diefem und in den nächften Lagen eine große Gährung, und von den Gärtnern gingen fogar mehrere in ber Stadt umher und -fuchten verjchiebene Zünfte aufzuheben ®).

Noch am Abend vesfelben Tages, an melden die Bürgerjchaft ihre Antwort ertheilt Hatte, veiften bie Gefanbten wieder zu dei

2) 58 finden fih (Mglb. C. 81. Nr. 2, 24 u. 25) zwei verfchlebene (die eine von Marftäller, die andere wahrfdeinlih von Dr. Knoblauch verfaßte) Borflellungen an die Bürgerfchaft niedergejchrieben, und bie ‚eine noch dazu im drei Eremplaren: Beides offenbar, weil, wie Königftein meldet, den Handwerks⸗ leuten auf ihren Stuben und ben Nicht-Zünftigen im Antoniter:Hof Vortrag gehalten wurde.

2) Die Erfiärung der Schuhmacher 3. B. lautete: „Schumacher geben antwort, das fie e3 dem Rat zuftellen; doch das es mit ben zinfen lidlich weg furge⸗ nonımen wurde zu andern, das mit beim wort gotted bar inn gefehen werde, und das, bie dife handelung furgenommen haben, nit geheymelt werben.‘

2) Raths-Protokoll vom 28. Juni: „Mit den jhenen, fo von ben gertenern umb lauffen und unberften etlich zunfft zu bewegen, dißmals bie ankunemen (b. i. zu verbaften) underlafien unb der antwort zu brien uhren erwarten.” Desgleichen vom 29. Juni: „Nach ben ihenen fchiden, fo umbgelauffen find, und fie erfragen, waß fie geurfacht hab, daß fie Haben begert von ber bern wegen eyn gebot zu machen.”

Kriegt, Frankj. Bärgerzwiße. 18

194 VI. Der Aufftand von 1525 und Frankfurt's Verhältniß zum Bauernkriege.

Fürften zurüd. Sie überbrachten biefen die Erklärung, daß ber Rath ihren Forderungen entiprechen wolle, wenn ihm nicht die Beftrafung ver Auftifter und Führer bes Aufruhrs zugemuthet werde, weil das Letztere fich mit der von ihm im Artifelbriefe ertheilten und befchworenen Amneftie nicht vereinigen laſſe. Für den Fall aber, daß diefe Beſchränkung der fürftlichen Forderungen nicht werde angenommen werben, hatte der Rath feine Geſandten bevolfnächtigt, jene Beitrafung für eine unbeftinnmte fpätere Zeit zuzuſagen ). In Betreff des von den Fürften begehrten Geldgeſchenkes erhielten bie Geſandten den Auftrag, dazjelbe mit füglichen Worten abzulehnen, wenn aber die Fürften nicht davon abftchen wollten, einem jeden von ihnen 1000 Gulden zu verfprechen.

Die Gefandten famen am 3. Juli wieder nach Frankfurt zurüd. Sie überbradhten dad von den Fürften abgefaßte, von ihnen felbft im Namen der Stadt angenommene Formular ciner Verſchreibung mit, welche vom Rathe ausgeſtellt werden follte. In diefer Berfchreibung war der Artitelbrief nebſt den Verträgen, welche die Geiftlichkeit in üngfter Zeit mit dem Mathe hatte fchliegen müfjen, für null und nichtig erklärt, fomwie die Verpflichtung eingegangen, ven füheren Zuftand in Frankfurt wiederherzuftellen, dad Original des Artikel: briefes innerhalb vierzehn Tagen, vom 2. Juli an gerechnet ?), an den Rurfürften von der Pfalz auszuliefern, und dafür Sorge zu tragen, daß in Frankfurt feine Empörung mehr entftehe. Der Rath beichloß fogleich, dieſe Verfchreibung auzzufertigen und dag Original des Artifelbriefes auszuliefern. Das Lebtere war jedoch nicht im feinem Befiße, jondern e3 wurde von den Mollenmebern aufbewahrt, einer der ſechs Zünfte, welche am 22. April den Brief unterficgelt

1) Es heißt im Kath: Protokoll vom 28. Juni: ‚Mit ber ftraff gegen ben tbeter ber uffrure konne man fi nit wole bie zu ftraffen verfchriben; dan ber Rat hab eyn eibt zu got und ben beyligen gefworn, bag nit zu rechnen; doch wo fle nit da von abftehen wollen, daß dan im die verfchribung gefeßt werde, daß ber Rat bie firaff zu finer gelegenheit ime vorbehalten wolt.“

2) Diefe Zrift ift im Raths-Protokoll und im Aufruhrbuche angegeben. Da: gegen enthält die im Stadt: Archiv (Mglb. C. 81. Nr. 2, 29) vorbandene, vom 2. Juli datirte Verfchreibung, welche aber blog Copie ift, den Ausbrud: „Inn brien wachen nehſtkunftig.“ Offenbar ift bie Verfchreibung ſchon am 25. Juni von ben fürfilihen Räthen entworfen, aber nachher vom 2. Zuli batirt und bie dreiwöchentlihe Frift durch mündliche Erflärung um acht Tage verkürzt werden.

VI. Der Aufſtand von 1525 und Frankfurts Verhältniß zum Bauernfriege. 195

hatten, und die Wollenmweber weigerten fich, ohne die Zuftimmung der fünf anderen Zünfte dasſelbe an ben Rath abzugeben. Da nun auch bie Letzteren Schwierigkeiten machten, fo fuchte der Rath die Fürften zunächft dadurch zufriebenzuftellen, daß er ſchon am 4. Juli befchloß, den Geiftlichen ihre Verfchreibungen zurüdzugeben, und am 7. Juli diejelben ihnen aushändigen lich. Am 8, Juli aber Tieß er die Bürgerfchaft zufammenrufen, und erfuchte fie, im Hinblick auf die ſonſt eintretenden großen Gefahren ihm ven Artifelbricf nebft den im Befige mehrerer Zünfte befinvlichen Abfchriften besfelben zum Behufe der Auslieferung zuzuftellen. Zur Förderung feines Gefuches gab er dabei das Verfprechen, dad Ungeld vom Getraide um 20 Pro⸗ cent herabzuſetzen, die Abgabe von ven Weingärten ganz zu erlaflen, und in Betreff der übrigen Beftimmungen des Artifelbriefeg Alles zu thun, was mit Gott und Ehren möglich fei. Die Antworten ber einzelnen Körperfchaften fielen jedoch nicht nach Wunfch aus, und die jech® Zünfte, welche unterfiegelt hatten, erflärten, daß fie ohne die Zuftimmung ber anderen Zünfte den Artitelbrief nicht heraus⸗ geben würden.

Auch die nachher mit den Zünften gepflogenen Unterhandlungen führten nicht zum Ziele. Nach einer vom 15. Juli batirten Urkunde, welche die Erklärungen von ſieben Zünften enthält, fprachen die Steimmegen jogar geradezu aus: fie wollten fich der Fürften Anfinnen oder Begehren gar nicht anfechten lafjen, ſondern in alle Wege ber kaiſerlichen Majeftät zur Strafe und zu Anderem gehorfam fein, wiewohl fie bereit wären, jich in Betreff des Artitelbriefes allem dem zu unterwerfen, was bie gejammte Bürgerfchaft vermilligen werke. Am 20. Juli, als die von den Fürften gejebte Frift bereit? abge laufen war, Tieß der Rath die Vorjteher aller Körperichaften auf bein Nömer zufammenfommen nnd ihnen Borjtellungen machen, welcher Nachtheil der Stadt aus ber fortgeſetzten Weigerung entjtehen werde, und wie bieje ja doch nicht? nützen werde, weil der Artifelbrief jelbft in Folge des am 28. Juni gefaßten Beſchluſſes der Bürgerſchaft feine Geltung mehr babe. Zugleich wies er, falls man feiner Auf: forderung wieder fein Gehör fchenke, alle Verantmwortlichkeit für bie daraus entftehenden Folgen von ſich. Seht erſt verftand man ſich endlich zur Auslieferung. Am Nachmittag erfchienen die Zunftmeiſter der ſechs Zünfte, welche unterjiegelt hatten, unter ihnen auch Hans

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194 VI. Der Aufſtand von 1525 und Fraukfurt's Verhältniß zum Bauernfriege,

Kürften zurüd. Sie überbrachten diefen die Erflärung, daß ber Rath ihren Forderungen entiprechen wolle, wenn ihm wicht bie Beftrafung ver Anftifter und Führer des Aufruhrs zugemuthet werde, weil das Letztere jich mit der von ihm im Artikelbriefe erteilten und befchworenen Amneftie nicht vereinigen laſſe. Für ben Tall aber, daß dieſe Beſchränkung der fürftlihen Forderungen nicht werde angenommen werden, hatte der Rath feine Geſandten bevollinächtigt, jene Beftrafung für eine unbeſtimmte fpätere Zeit zuzuſagen ). In Betreff des von den Fürften begehrten Geldgeſchenkes erhielten bie Gefandten den Auftrag, dasſelbe mit füglichen Worten abzulchnen, wenn aber die Fürſten nicht davon abjtehen wollten, einem jeden von ihnen 1000 Gulden zu verfprechen.

Die Gejandten kamen am 3. Juli wieder nach Frankfurt zurüd. Sie überbrachten dad von ben Fürſten abgefaßte, von ihnen ſelbſt im Namen der Stadt angenommene Formular einer Verſchreibung mit, welche vom Rathe ausgeſtellt werden follte. In diefer Verſchreibung war ber Artifelbrief nebſt den Verträgen, welche die Geiftlichkeit in jüngfter Zeit mit dem Rathe hatte fchliegen müffen, für null und nichtig erklärt, fomwie die Verpflichtung eingegangen, ben füheren Zuftand in Frankfurt wiederherzuftellen, dad Original des Artikel: briefes innerhalb vierzehn Tagen, vom 2. Juli an gerechnet ?), an den Rurfürften von der Pfalz auszuliefern, und dafür Sorge zu tragen, daß in Frankfurt feine Empörung mehr entjtehe. Der Rath beſchloß fogleich, diefe Verſchreibung auszufertigen und das Original ded Artilelbriefes auszuliefern. Das Lebtere war jeboch nicht in feinem Belige, fondern e3 wurde von den MWollenwebern aufbewahrt, einer ver ſechs Zünfte, welche am 22. April den Brief unterfiegelt

1) Es Heißt im Raths-Protokoll vom 28. Yuni: ‚Mit ber flraff gegen ben tbeter der uffrure konne man fi nit mole die zu ftraffen verfchriben; ban ber Nat hab eyn eidt zu got und ben beyligen gefmorn, daß nit zu rechnen; doch wo fle nit da von abflehen wollen, daß dan im die verfehribung gefegt werbe, daß der Rat bie ſtraff zu finer gelegenheit ime vorbehalten wolt.“

2) Diefe Friſt if im Raths-Protokoll und im Aufruhrbuche angegeben. Da⸗ gegen enthält die im Stadt: Archiv (Mglb. C. 81. Nr. 2, 29) vorhandene, vom 2. Juli datirte Verfchreibung, welche aber blos Eopie ift, den Ausbrud: „Inn drien wuchen nebfttunftig.” Offenbar iſt die Verfchreibung fon am 25. Juni von den fürftlihen Räthen entivorfen, aber nachher vom 2. Juli datirt und bie dreivöchentliche Frift durch mündliche Erflärung um acht Tage verlürzt werben.

VI. Der Auffiand von 1525 und Frankfurns Berhältnik zum Bauernfriege. 195

hatten, und die Wollenweber weigerten ſich, ohne die Zuftimmung ber fünf anderen Zünfte dasſelbe an den Rath abzugeben. Da nun auch bie Letzteren Schwierigkeiten machten, fo fuchte ber Rath bie Fürften zunächſt dadurch zufriedenzuftellen, daß er fchon am 4. Juli beſchloß, den Geiſtlichen ihre Verfchreibungen zurüdzugeben, und am 7. Juli diefelben ihnen aushändigen lich. Am 8. Juli aber ließ er die Bürgerſchaft zufammenrufen, und erfuchte fie, im Hinbli auf die fonft eintretenden großen Gefahren ihm ven Artifelbricf nebſt den im Befige mehrerer Zünfte befinvlichen Abſchriften desſelben zum Behufe der Auglieferung zuzuftellen. Zur Förderung feines Gefuches gab er dabei das Verfprechen, da Ungeld vom Getraide um 20 Pro- cent herabzufeben, die Abgabe von ven Weingärten ganz zu erlaffen, und in Beireff der übrigen Beitimmungen des Artikelbriefes Alles zu thun, was mit Gott und Ehren möglich ſei. Die Antworten der einzelnen Körperichaften fielen jedoch nicht nach Wunſch aus, und die fech® Zünfte, welche unterjiegelt hatten, erflärten, daß fie ohne die Zuftimmung der anderen Zünfte den Artifelbrief nicht heraus: geben würben.

Auch die nachher mit den Zünften gepflogenen Unterhandlungen führten nicht zum Ziele. Nach einer von 15. Juli batirten Urkunde, welche die Erklärungen von fieben Zünften enthält, ſprachen die Steinmegen fogar geradezu au: fie wollten ſich der Fürſten Anfinnen oder Begehren gar nicht anfechten laffen, fonvern in alle Wege der taiferlihen Meajeftät zur Strafe und zu Anderem gehorfam fein, wieroohl fie bereit wären, ſich in Betreff des Artikelbriefed allem dem zu unterwerfen, was bie gefammte Bürgerfchaft verwilligen werde. Am 20. Juli, ala die von den Fürften gejebte Friſt bereitö abge- laufen war, ließ der Nath die Vorfteher aller Körperfchaften auf dein Roͤmer zufammenkommen und ihnen Borftellungen machen, melcher Nachtheil der Stadt aus ber fortgejegten Weigerung entftehen werde, und wie bieje ja doch nichts nüßen werde, weil der Artilelbrief felbft in Folge des am 28. Juni gefaßten Beſchluſſes der Bürgerichaft feine Geltung mehr habe. Zugleich wies er, falls man feiner Auf forberung wieder kein Gehör ſchenke, alle Verantwortlichkeit für bie daraus entſtehenden Folgen von fih. Jetzt erft verftand man fich endlich zur Auslieferung. Am Nachmittag erfchienen die Zunftmeiſter

der ſechs Zünfte, welche unterjiegelt hatten, unter ihnen auh Hans 18*

198 VI. Der Auffland von 1525 und Frankfurts Verhältniß zum Bauernfriege.

aber gelangte er zum Ziele, indem damals endlich wit Zuſtimmung des Kaiſers dieſe Laften für ablösbar erklärt, und die Quoten: Beträge für ihre Abloͤſung beftimmt wurben. Während fich im jenen mit dem Klerus gepflogenen Verhandlungen das Beitreben fund gibt, einer der ftärkiten Beſchwerden der Bürgerfchaft gerecht zu werben, verleßte der Rath dagegen eine Beitimmung des Artitelbriefes, gegen beren Aufrechterhaltung gewiß fein Fürft etwas einzumenden gehabt hätte. Obgleich nämlich der einunddreißigſte Artikel beftimmt hatte, daß feiner, der nicht fein Handwerk gehörig ausgelernt und dies bewiefen habe, als Meiſter angenommen werben dürfe, drängte ber Rath doch "Schon Mitte Juli dem Metzger-⸗Handwerke einen ſolchen Mann auf. Vergeben? wiberfeßten fich die Metzger, ſie mußten den⸗ felben zulaffen, und erſt nachdem dies gejchehen war, gewährte ihnen ber Math den Zuſatz zu ihrem Zunftbuche, daß fernerhin Feiner, der nicht ihr Handwerk orbnungsmäßig gelernt habe, in dasſelbe ala Meifter aufgenommen werden dürfe).

Am 27. Juli ftattete der von Heidelberg zurückgekehrte Stephan Gronberger dem Rathe Bericht über feine Sendung ab. Er zeigte an, der Kurfürft von der Pfalz fei mit Allem, was zuletzt gefchehen war, zufrieden geweſen, und habe auch geftattet, daß der fett Anfang Mai in Haft gehaltene Bürger Cuntz Hafe (ſ. oben S.172) zum Behufe der Auswanderung freigelaflen werde. Dagegen erklärte er, der Kurfürſt verlange, daß ein Aufrührer mit Namen Reußyſen, ver fih in Frankfurt aufhalte, am Leibe geftraft werde. Der Rath war milde genug gejinnt, dem Lebteren jagen zu laflen, er möge ſich augenblicklich aus Frankfurt entfernen. Am 16. September ließ er alle in der Stabt anwejenden Flüchtlinge ernftlich auffordern, Frank⸗ furt zu verlaffen; und als dies nichts Half, ließ er feine Aufforderung mit dem Zuſatze wieberholen, er werde fie nicht länger ſchutzen und diejenigen, bei welchen fie wohnten, betrafen). Auch fonjt benahm

I) Nach ben Ratte: Protofollen vom 18., 18. und 25. Juli.

9 Ratbs- Protokoll vom 16. September: „Den ußgetreten ernfllich fagen, fih ber flat zu maden;‘ besgleihen vom 21. September: „Nach ber meſſe ußruffen, bas bie jhenen, fo uffborung gemacht und anderfi wo entlauffen, ſich ber flat zu machen; ban man wol gegen eynem yeden rechts geflatten, auch ber Rat bie ibenen, fo bie hufen und berbergen, firaffen.” Noch am 14. November

wurde vom Rath folgender Beſchluß gefaßt: „Die entlawffnen auffrurigen, fo fi offentlich alfhie enthallten, Iaut bes Edicts nit gedulden.“

VL Der Aufſtand von 1535 und Fraukfurt's Verhältniß zum Bauernkriege. 199

ſich der Rath, nad, ver Vollendung der Reaction, in milder Weiſe. Am 2. Auguft beichloß er, gegen biefenigen Bürger, welche entlaufen, d. 5. zu den empörten Bauern gezogen waren, nur den Weg Rechtens einzufchlagen 2). Beſonders rühmlich für den Rath ift fein Verhalten gegen die Meainzijchen Behörden, als dieſe die flüchtig gewordenen Untertanen ihres Herren, welde in Frankfurt verweilten, ausge biefert haben wollten. Am 6. Auguft machte 5. DB. der Amtmann des Mainzifchen Ortes Dieburg eine folche Forderung in Betreff be Dieburgerd Claus Hutmacher, welcher zur Zeit der Bauern- aufftände feiner Eide und Pflichten vergeffend viel Muthwillen getrieben, im Schlofje zu Dieburg Gewaltthätigkeiten geübt und Andere dazu angeftiftet habe. Der Rath ertheilte auf dieſes Begehren die Ant: wort: Hutmacher fei bald nach feiner Ankunft auf die Klage eines Dritten bin verhaftet und vor Gericht geftellt worden, er fünne deshalb nicht auggeliefert werden, dem Amtmann ftehe aber eine Klage gegen ihn vor dem Frankfurter Gerichte frei; man könne ihm nur in joweit gefällig fein, dap man jenen Mann vierzehn Tage länger in Haft halte, um fo Zeit zu einer Anklage besfelben zu gewähren. Als der Amtmann diefe Friſt nicht benußte, wurde Hut macher freigegeben. |

Auch gegen die eigenen Bürger, welche ſich während des Auf- Standes vergangen hatten, verfuhr man, wie dag angeführte Beiſpiel des Cuntz Haſe zeigt, nicht mit Härte Nur zwei Bürger wurden verbannt; mit Sefangenichaft warb nad dem Aufftande. fein Be⸗ theiligter beftraft; und Blut ift weber im Verlaufe vezjelben von den Bürgern, noch bei feiner Unterbrüdung durch den Rath vers gofien worben, während in mancher anderen Stabt damals zahlreiche Hinrichtungen vorkamen. Jene beiden Verbannten waren der bereits erwähnte Cuns Hafe und Asmus Cuntz. Dem Cuntz Haſe geftattete der Rath im Auguft feine Bitte, daß er noch eine Zeit lang in Frankfurt bleiben burfte, nachher gab er ihm Gelb, um feiner los zu werben; nachdem Haſe ſich dann entfernt hatte, bat

1) Ich befenne offen, baß ich nicht weiß, ob ich den Siun ber betreffenden Stelle des Raths-Protokolles richtig angegeben habe. Diefe lautet: „Als Doctor Nicolaus (d. i. ber Syndikus Nikolaus Rücker) fein ratb der angezaigten ent- laufenen burger halben, fo albie find, gegeben, die auf recht anzunemen: bem nachkommen.“

200 VL Der Aufftand von 1525 und Frankfurt's Verhäftwig zum Bauernfriege.

er ein Jahr fpäter, ihm bie Rücklehr zu geftatten, fein Gefuch wurbe aber abgeichlagen ?). Der andere Berbannte, Asmus Cuntz, hatte ein trauriges Geſchick Er war bekanntlich Mitglie des revolutionären Ausſchuſſes geweien und hatte cinft, um einen Aufruhr herbeizuführen, die Sturmglocke geläutet. Nichtöbeftoweniger blieb er nach der Unter⸗ brüdung bes Aufftandes unangefochten. Allein im December beging er mit Anderen arge Yorftfrevel, widerfebte fich der deshalb über ihn verhängten Buße, fcheint uͤberdies auch noch bei anderen Exceſſen ſich beiheiligt zu haben, und wurde deshalb, fowie wegen einer Art von Verſchwörung gefänglich eingezogen. Bei Gelegenheit feiner Verhaftung machte er es, wie fpäter Fettmilch, als diefer in einem Thurme eingefperrt war: er rief auf dem Wege zum Gefängnik zu wieberholten Malen: „Liebe Bürger! Scht, alfo fchleppt man uns Bürger in dad Gefängniß!“ Diefer Verſuch, zu feiner Rettung einen neuen Aufftand hervorzurufen, bewog ben Rath, ihn auf bie Folter Tpannen zu laſſen und wenige Tage nachher das Urtheil über ihn zu fprechen, baß er nebft feiner Frau bis auf zehn Meilen in der Rundung verbannt ſei, ſowie daß er fchwören müfle, dies einzuhalten, und daß er, wenn er nad Frankfurt zurückkehre, im Voraus zur Strafe des Ertraͤnkens verurtheilt fe. Asmus war tolffühn genug, fchon wenige Wochen nach feiner Berurtheilung zurückzukehren, und wurde bann wirklich in den Main geworfen (|. Anm. 119).

Die aufrühreriiche Stimmung der Bürgerichaft dauerte, andy al3 die Bewegung unterbrüdt worben war, noch eine Zeit lang fort. Noch im Oktober wurden geheime Zufammenfünfte der Un⸗ zufriedenen gehalten, und ein Bäder erlaubte fi auf ber Stube feiner Zunft auszufprechen, daß biejenigen, welche von diefer Zunft wegen Rathögliever feien, fammt allen reichen Bädern bie Treppe hinunter geworfen zu werben verdienten 3). Ein Jahr fpäter äußerte

Raths-Protokoll vom 22. Auguft 1525: „Als Contz Hafe pitt, ime zu geftattenn, eyn zeitt lanng bie zu fein: bem wilfaren, fo lang eym €. Rath eben iſt;“ deßgleihen vom 81. Augufl: „Cuntz Hafen etwas geben, bamit man fein abe kome;“ beögleichen vom 22. November 1526: „Al Contz Hafe umb geleibe bytt, ſich albie zu enthalten und zu erneren: bie byt abflagen.” Zimmermann (Th. III. ©. 864) bat irthümli bad, was von Asſsmus Cuntz berichtet wird, auf Contz Hafe übertragen.

2) Raths-Protokoll vom 24. Oktober: „Zu gebenden ber heymlichen zufamen

VI. Der Aufftamb von 1825 umb Frankfurt's Berhäftnig zum Bauernkriege. 201

ſich die herrfchende Unzufriedenheit befonders durch Angriffe auf die ber alten Kirche treu gebliebenen Geiftlichen, und bei dieſer Gelegen- heit erfahren wir zum legten Male Einiges über die Führer des Aufftandes, beſonders über den bebeutendften berfelben, Hand von Siegen. Im November des Fahre 1526 beftand große Zwietracht unter den Bürgern, indem ein heil verfelben ven Tutherifchen Predigern, ein anderer dem der Reformation feindlichen Bfarrer zu St. Peter, Magifter Michel, anhing. Dieſe Zwietracht ging in Thätlichkeiten über. Namentlich Tieß ſich die eine Partei zu Ercefien gegen den genannten Pfarrer hinreißen, welchen fie durchaus aus der Stadt vertrieben haben wollte. Als die Sache zu arg wurde, fchritt der Rath ein, indem er bie Haupträpelöführer aufgreifen, an den Pranger ftellen und dann aus ber Stadt treiben ließ. Dies rief eine folche Erbitterung hervor, daß ein neuer Aufftand aus⸗ zubrechen drohte. Der Wollenweber Theiß Abel, der Schneiber Nikolaus Wild, der Kürfchner Lukas und der Schuhmacher Han? von Siegen vereinigten fih zu bem Entfchlufle, ihre Zünfte zu einer Eingabe an den Rath zu bewegen, in welcher über jenes Verfahren des Letzteren Befchwerbe geführt werben ſollte. Ste entwarfen eine ſolche Eingabe, fertigten fie im Namen aller Zünfte aus, und legten fie ihren eigenen Zünften zur Berathung und . Annahme vor. Ihr Antrag fand jedoch bei der Mehrzahl ihrer Zunftgenofjen Widerſpruch, und mußte deshalb wieder fallen gelaffen werden. Der Rath überging die Sache anfangs mit Stillfchweigen, und ließ auch, um die unruhigen Köpfe auf andere Dinge hinzu- Ienfen, gefchehen, dag man damals die Jobſt-Brüderſchaft auflöfte, und deren Kleinode, obgleich bdiefelben früher zu gottesvienftlichen Zwecken gebient hatten, zum Spott und Aerger der Geiftlichen am Nitolaus- Abend auf öffentlichem Markte feil bot und verkaufte An - ben folgenden Tagen befchteden jedoch die Bürgermeifter bie genannten Berfafler ver projectirten Eingabe nebft mehreren ihrer Zunftgenofen vor fi, um fie mit Rüdficht auf die jeit 1377 beitehende Vorſchrift

fommung etlicher albie in der Gelhewßer gaſſenn, darunder Sans Müller wollen: weber fein fol.” Ebendaſelbſt: „Als Hans beder gegen bem Krachbein über bie bedier ratbern uf ber flobin übergeben und gefagt, man fol die ratbern am umb bie richen beder hyn nach ber ftigen abwerffen: Hans bederu uf gnade uf ben Eſch⸗ heymer thorn geben biefien ein monet und niemandt zu ime laſſen.“

202 VI. Der Auffland von 1525 und Fraukfurt's Verhältniß zum Bauernkriege.

zu verhören, daß Yeiner Zunft cin Schreiben vorgelegt werben bürfe, welches nicht einer der Bürgermeifter vorher gelejen habe. Was hierauf weiter erfolgte, ift nicht befannt. Es ift uns naͤmlich nur dad Protokoll jenes, drei Tage lang fortgefegten Berhöred, nicht aber der in Folge desſelben gefaßte Rathsbeſchluß überliefert worden. Dagegen lernen wir aus jenem Protokolle den eigentlichen Familien⸗ namen des bebeutendften Mannes kennen, welcher in dem Frankfurter Aufftande von 1525 handelnd aufgetreten if. Hans von Siegen wird nämlich in dem Protofolfe Hana Daub genannt !).

Ob um zum Ausgange des eigentlichen Aufſtandes zurüd: äulehren bie drei Fürften von Mainz, Trier und Pfalz das ihnen zugebachte Gefchen? von je taufend Gulden erhalten haben, wird ung nicht gemeldet. Es ift aber nach dem, was in anderen Städten gefchehen war, ebenjo wahricheinlih, als daß man, wie Zimmermann ohne Angabe feiner Duelle jagt, fie außerdem noch durch Zahlungen, welche ihre Näthe erhielten, zufrieden ſtellte und von einer Befeung der Stadt abhielt?). Uebrigens gedenkt dag Rathar Protokoll vom 18. Juli noch eines Pferdes, welche® man dem Kurfürſten von der Pfalz zum Geſchenk machte.

Was fchließlich die Bewegung auf den Frauffurter Dörfern betrifft, jo erfahren wir nur, daß auch dieſe im Aufftande begriffen waren; es wird und aber ebenfowenig über ben Berlauf, ala über ben Ausgang desſelben gemeldet. Nur Folgendes ift aus den Raths⸗ Protokollen zu erjehen. Die Bornheimer waren es, welche von allen Bewohnern der ftädtifchen Dörfer dem Rathe durch ihren Ungeftüm und ibre Hartnädigkett am meiften zu fchaffen machten. Sogar noch al? der Drohbrief der Fürften angelangt war, mußte ihnen mit Nachdruck geboten werden, ihren Zehenten zu entrichten. Ohne Zweifel fügten auch bie übrigen Dörfer fich nicht ſobald wieder unter die wieberhergeftellte alte Ordnung ber Dinge Dies folgt daraus, daß im Juli der Rath nad) der Anwerbung neuer Söldner

2) Diefeg Protokoll iſt dem Aufruhrbuche angehängt. Die oben berichteten Borfälle aber werden uns von Königftein in feinem Tagebuche gemeldet.

9 Das Stabi: Rehenbucd enthält allerdings Feine jene® Geſchenk oder dieſe anderen Aahlungen betreffenden Ausgabe : Bohlen; allein erflens find in ben Kädtifcgen FJinanzbüchern jener Zeit nicht immer alle Ausgaben eingefchrieben, und zweitens Tonnte man Gründe haben, gerade foldhe Ausgaben unerwähnt zu laffen.

VL Der Wufflonb von 1825 und Fraukfurt's Berhältwig zum Beuerntriege. 208

einen hell derfelben fogleich auf die Dörfer verlegte Sogar noch als die Zünfte den Artikelbrief zurückgegeben und fich jo in bie Reaction gefügt hatten, mußte man Söldner nach Oberrad und Sulzbach verlegen. Auh in den Frankfurter Dörfern mag, in jener Zeit einer allgemeinen Erhebung des Bauernftande®, manche wilde Scene vorgefommen, auch aus ihnen mancher Einwohner den empörten Bauernfchaaren Franten’3 und Schwaben's zugezogen, und nachher als Opfer ber fürftlichen Mache gefallen fein, da ja in den benachbarten fürftlichen Städten das Gleiche gefhah. Die Zeit: genofjen melden und hierüber nichts; aber fie berichten doch, daß damal3 „um Frankfurt herum viel Raub und Mord gefchehen ſei,“ daß bie fliegenden Fürſten in Friedberg, Hanau, Bergen, Eſchersheim und anderen benachbarten Orten flüchtige Bauern hätten verbaften und zur Beftrafung fortichleppen lafien, und daß, als Ende uni ver Bauernaufftand völlig unterbrücdt wurde, bie Verzweiflung Manchen dazu trieb, feine eigenen Parteigenofien und Mitſtreiter zu verrathen ?).

1) Alle biefe Angaben finden fi in Köntgftein’® Tagebuch.

204 VII. Urkunbliches Verzeichniß der Frankfurter Bürgermeifler von 1811— 1428.

VII.

Urkundliches Verzeichniß der Frankfurter Bürger⸗ meiſter von 1311 1423.

——

1. Einleitung.

Die Bürgermeifter waren in Frankfurt von der eriten Zeit an, in welcher fie vorkamen, ber Zahl nach tet? zwei; nur in ben Jahren 1396 bi? 1408 hatte man aus bejonderen Gründen brei ?). Bon den zwei Bürgermeiltern vepräfentirte der eine bie erfte Raths⸗ bank oder die aus Schöffen beſtehende Abtheilung des Nathes, ver andere aber die beiden anderen Rathsbänke oder die Rathmänner, und Beide wurden deshalb auch aus den entjprechenden Abtheilungen gewählt). Der Erjtere hieß der Bürgermeilter aus den Schöffen, ber Zweite der Bürgermeifter aus dem Rathe; doch wurden Beide auch durch die Benennungen älterer und jüngerer Bürgermeifter von einander unterjchieben (j. Anm. 120). Ihr Titel war jtet2 Bürgermeifter, in lLateinifchen Urkunden Magistri civium ober Pro- consules; denn was das lebtere Wort betrifft, fo drüdte man das Wort Rathmann im Lateinifchen durch Consul aus, und die Bürger: meifter hießen als erecufive Stellvertreter deö Rathes Proconsules (j. Anm. 121).

1) S. oben ©. 99.

2) Eine fehriftliche Verordnung hierüber findet fih nicht früher, als im 15. Zahrhundert; fie iſt im Archiv für Frankfurt's Geſch. und Kunſt, VII. ©. 125 abgedrudt.

VII Urkundliches Berzeichniß der Frankfurter Bürgermeißter von 1811—14238. 205

Früher, ala im Sahre 1311, mit welddem das nachfolgende Berzeichnig beginnt, ift bis jeßt noch keine Erwähnung der Frans furter Bürgermeifter gefunden worden; benn bie Beilpiele, weile Fichard aus den Jahren 1304 und 1306 anführt, beruhen theils auf der fehlerhaften Abſchrift einer Urkunde, theild auf einem Misverftändnifle ‘).

Die Bürgermeifter wurden immer nur auf Ein Jahr erwählt; ed Tonnte aber, wie aus dem nachfolgenden Verzeichniſſe hervorgeht, in der Mitte des 14. Jahrhundert? ein abtretender Bürgermeifter fofort wieberermählt werden. Die Erwählung geſchah ftet3 durch den Rath felbit. Sie wurbe jedoch, wenigftend im 15. und 16. Jahr: hundert, nicht durch den ganzen Rath vorgenommen, fonbern durch einen Ausſchuß desſelben. Diefer Ausſchuß beftand aus ben beiden regierenden Bürgermeiftern, ben zwei ihrem Amtzalter nach eriten Schöffen, den zwei älteften Mitgliedern ver zweiten Bank und ſechs Mitgliedern der Handwerker: Bank (nämlich je einem Weber, Mebger, Schmidt, Bäder, Schuhmacher und Kürfchner) 2). Der Wahl ning, wie noch jeßt gebräuchlich ift, fchon in alten Zeiten ein, damals in einer feierlichen Meſſe beftehendes, Kirchengebet für die glückliche Führung des Bürgermeifter- Amtes voraus ?). Die Erwählten mußten fofert die Aemter, welche fie etwa bekleideten, niederlegen (|. Anm. 122). Unmittelbar nach ihrer Erwählung mußten fie, und zwar in bie Hand des älteften Schöffen, einen Amtseid leiſten ). Am Tage der Wahl fand ein Gelage Statt, an welchen die Mitglieder bes Rathes Theil nahmen. Es wurde entweber im Ratbhaufe, over im Haufe eine der Bürgermeifter gehalten, im Iebteren Falle jedoch ebenfo, wie im erfieren, auf Koften der Stabtlaffe Es war ein boppeltes, indem die Mitglieder der Handwerker: Bant ihr befonderes

ı) Fichard's Entſtehung, S. 128 fig. und 182. ©. bie Berichtigung im Römer: Büchner’s Stabtverfaffung, ©. 46. Einen noch größeren Irrthum bat ih Feyerlein (TI. ©. 170 fig.) zu Schulden Tommen laften, indem er, das Wort Gonful für identiſch mit Bürgermeiſter nehmend, ſchon 1268 bie Bürgermeifter erwähnt findet.

N ©. Archiv für Frankfurt's Geſch. und Kunfl, VII. S. 125.

®) Aarchner, I. S. 417 fig.

) Senckenberg, Sel. jur. I. p. 23, wo auch aus dem Jahre 1854 ber Inhalt bes Eides angegeben ifl.

206 VII. Urkundliches Verzeichniß der Zranffurter Bitrgermeifter von 1811— 1428.

Mahl auf dem Rathhauſe hielten. Man darf übrigens diefes Bürger: meiſter⸗ Gelage nicht mit dem befannten Sirfchefien, ‚welches faft Immer in ber Mitte des Sommer? gehalten wurde, verwechſeln (f. Anm. 123). Im Beginn der meueren Zeit war cd auch ge bräuchlich, vor die Wohnung eines jeden neuen Bürgermeifters einen ftarten Maibaum zu pflanzen, welcher dann deſſen Eigentgum blieb; im Sabre 1597 änderte aber der Rath diefe Sitte dahin ab, daß fire jeden neuen Bürgermeifter ein folcher Maibaum auf den Römer: berge errichtet werben, und Beide anftatt desfelben je einen halben Stoß Holz aus dem Walde erhalten follten ?).

Die Zeit der Wabl und bes Amtsantritted der Bürgermeifter war nicht immer die nämliche. Erit jeit 1729 ift es gejeßlicher Brauch, daß die Wahl der Bürgermelfter im December, ihr Amts- antritt amı 1. Januar Statt findet. Im Mittelalter dagegen änderte ſich diefe Zeit oft. Nach dem äÄlteften Bürgerbuche fanden 1326 bis 1330 die erften aufgefchriebenen Bürgeraufnahmen: burch bie neuen Bürgermeifter im Beginne ded Jahres oder auch am Anfang des Februar Statt, 1331 aber am 25. Februar, 1333 am 12, März, d. i drei Wochen vor Oftern, 1334 und 1335 zehn ober elf Tage yor Oftern, 1337 fünf Wochen vor Oftern, 1338 fieben Wochen nah Pfingften, 1339 gar Ende November u. |. w.: fo daß «3 alfo damals entweder, was nicht wahrſcheinlich ift, gar keine beftimmie Wahlzeit gab, oder daß zwifchen den einzelnen Bürgeraufnahnen fehr große Zwilchenräume waren. ebenfalls muß aber um 1330 ver Amtsantritt der Bürgermeilter im Beginne bed Fahre Statt gefunden haben. Einen fichereren Maßſtab geben und die 1348 beginnenden Stadt⸗Rechenbücher, weil die Rechnungen eines jeden Jahres wit dem Amtsantritte ber Bürgermeifter ihren Anfang nahmen. Nach diefen Büchern fand 1348 bis 1352 dic Wahl ber Bürgermeifter 6 bis 11 Wochen vor Oſtern Statt, dann aber ſtets nah Oſtern. Died ftimmt mit einer Rathsverordnung von 1352 überein, in welcher feftgejeßt wurbe, daß am nädften Samstag nach der Ofterwoche die neuen Bürgermeifter gewählt werden follten ?). Bon jenem Jahre an bis 1390 beginnen die Nechenbücher vierzehn

2) Lerämer, IE 1. ©. 801. 2) Benckenberg, Sel. I. p. 22.

VO. Urkundliches Verzeichniß der Yrankfurter Bürgermeiſter von 1311—1428. 207

Tage oder (jedoch nur in fünf Jahren) 3 bis 4 Mochen nach Dftern. Seit 1391 dagegen fangen dieſelben niemals mehr 14 Tage, ſondern 3 bis 4 over auch 5 bis 7 Wochen nach Oftern an !).

Die Auszeichnung der Bürgermeifter vor den übrigen Raths⸗ gliedern beftand zur Zeit des Mittelalterd darin, daß fie in der Rathsſitzung befondere Kinzelnfite hatten, während bie übrigen Rathsglieder auf Bänken, die mit ledernen Kifjen verjehen waren, jagen (|. Anm. 124). Sie trugen außerdem noch einen befondern von Tuch gemachten Hut, deſſen Stoff im Rechenbuch von 1382 ‚ingelachtes Duch“ genannt wird, und welcher im 15. Jahrhundert als ihre Amtstracht bezeichnet wird. Außer dieſem Hute erhielten fie noch je ſechs Ellen Tuh und ein Stud Barchent für ihre Kleidung. Im fünfzehnten Jahrhundert änderte man die? dahin, daß die Bürgermeilter blos die berfömmliche Kopfbedeckung und den Barchent, ftatt der ſechs Ellen Tuch aber Geld erhielten ?).

Auch gewille Einkünfte waren mit dem Amte der Bürgermeifter verbunden. Diefe erhielten einen Theil der Bußgelder, welche in der Meſſe und außerhalb derfelben bezahlt werben mußten, und zmar von den Bußgeldern in ber Meſſe zwei Driütel, von den anderen die Hälfte). Außerdem wurden jedem Bürgermeifter 30 Pfund (25 Gulden) oder, wenn einer bloß ftellvertretender Bürgermeilter , war, bad enifprechende Quantum gegeben, und zwar bamit er von dieſem Gelde ein Pferd halte. Am Ende des Mittelalter wurde dies abgeichafft und dafür ein Marftall errichtet, in welchem die Stadt ſelbſt die Pferde für die Bürgermeifter hielt). Jene 30 Pfund werden in den alten Rechenbüchern theild mit hinzugefügter Angabe ihres Zweckes, theild mit ber Bezeichnung, ſie feien der „Jahrlohn“ ber Bürgermeifter, angeführt. Endlich erhielten die Bürgermeiiter noch das fogenannte Schenkegeld. Dieſes beftand in bald größeren,

1) Et iſt unbelannt, in welches Jahr eine ebenfalls von Sendenberg (Sel. L p. 5) mitgetheilte Verordnung fällt, nach ber bie Bürgermeifter : Wahlen „uffe ben bunreftag in ben heilegin tagen zu phingiften” vorgenommen werben follen.

2) Arhiv für Frankfurt's Gef. und Kunft, VII. ©. 127 und Lersner, I 1. ©. 249. -

°, Archiv für Frankfurt’ Geſch. und Kunf, VII. ©. 147, wo jedoch bie Beflimmung, daß fie außerhalb der Meſſe nur bie Hälfte erhielten, nicht wit abgedrudt ifl.

4) Ebendaſelbſt ©. 126.

208 VII. Urkundliches Verzeichniß ber Frankfurter Bürgermeiſter von 1811— 1428.

bald Heineren Beträgen, und wurbe zu dem Zwecke gegeben, damit die Bürgermeifter bei feitlichen Gelegenheiten ober bei der Anweſenheit von Fürſten und Herren Wein ſchenken ließen; es wird deshalb auch zuweilen das Weinfchenkegeld ber Bürgermeilter genannt. Webrigenz mußten die Bürgermelfter am Ende ihres Jahres NRechuung ablegen, und einmal (1381) kam es vor, daß der Rath eine folche Rechnungs- ablage nicht richtig fand und zum Behuf der näheren ‘Brüfung eine bejondere Commiſſion einfegte, weldhe dann ben betreffenden Bürger: meifter zu einer Nachzahlung zwang ").

Die Bürgermeifter hatten ihre befonderen Diener, welche im 14. und 15. Jahrhundert die Bürgermeifter:Knechte genannt werben ?). Bemerlenswerth ift, daß im Mittelalter der Bürgermeilter während feines Amtsjahres nicht immer in ber Stadt felbft wohnte. Es fommt zweimal vor, daß ein Bürgermeifter feine Wohnung auf feinem in Bornheim gelegenen Gute hatte (j. Anm. 125).

Was nun die vorhandenen Bürgermeilter-Verzeichnifje angeht, jo gibt es deren mehrere in ben Uffenbach'ſchen Manuſcripten, ein anderes bei Leräner und eined in Roͤmer⸗Büͤchner's Stabtverfaffung. Das Letztere iſt der Abdruck eines im Stabt-Archiv befindlichen, welches bis 1600 geht und alfo um dieſes Jahr verfertigt worden iſt. Alle diefe Verzeichniffe, von welchen das zulekt erwähnte als dad beſte zu bezeichnen iſt, enthalten beträchtliche Fehler. Diele find in dem Lersner'ſchen Berzeichniffe jo zahlreich, daß 3. B. von den 54 Jahren 1345 bis 1398 nur vierzehn die richtige Angabe der Bürgermeifter enthalten, und 19 Jahre hinter einander (1380 bis 1398) insgeſammt falich find. Diefe Mangelhaftigfeit der vor- handenen Verzeichnifle hat Anlaß zu manchen hiftorifchen Irrthümern gegeben. Fichard hat ſich 3. B. durch den Umftand, daß Leröner für die Jahre 1364 und 1365 fälfchlidy je drei Bürgermeifter

ı) Stadt-⸗Rechenbuch von 1881, Sabb. poft Duafimobogeniti: 21. Bid. minus 8 hell. han wir enphangin von Wiganb zu Swanawe, alß be rechnunge geton hatte vor ben nunen, bie bar ubir gekorn waren zu horen von fines burger: meyſtirs amptes wegen.

9) In einem Ausgaben-Verzeichniſſe im Stabdt Archiv (Lade „Legationen und Schickungen“ Nr. 2) von 1866 heißt es von einer Zahlung an ben Bürgermeiſter Zohan Gärtner: „daz Holt fin knech Stralenberg“, fowie von zwei anderen: „und bolt Contze Mache unfer berrm net’. Für das 15. Jahrhundert fiehe feröner, D. 1. ©. 250.

VID. Urkundliches Berzeichniß ber Frankfurter Bürgermeifter von 1311— 1428. 209

angibt, zu dem Schluffe verleiten Tafien, daß man damals, was gar nicht der Fall war, eine Verfaſſungsveränderung gemacht habe 1). Erft vom Jahre 1424 an find die Angaben der genannten Ver: zeichniffe richtiger. Doch finden ſich auch dann noch einzelne Fehler, welche auch für bie nachherige Zeit eine Revifion dieſer Verzeichniſſe nötbig machen. Das nachfolgend gegebene bejchräntt fich auf die Zeit von 1311 bis 1423, weil gerabe dieſe Zeit eine ber wichtigften in der Frankfurter Gefchichte ift, und zugleich am meilten einer Berbefterung der vorhandenen Verzeichniſſe beburfte.

2. Berzeichniß der Bürgermeifler von 1311 —1423.

1311 @. i. 1811/12): Heinrih von Hachinberg und Mbolf..... Es iſt ohne Zweifel Adolf Klobelaucd gemeint. Im Bürger: bu, S. 1, werben bie 1811/12 zu Bürgern Aufgenommenen unter ber Weberfchrift angeflihrt, fie jeien sub Heynrico dicto de Hachin- berg et Adolfo magistris civium aufgenommen worben. Beide Namen find ganz deutlich gefchrieben; ben Grfteren fchreibt das Lersner’fche Verzeichniß fälſchlich Heinrich von Hochenberg, fowie dad Römer’fche Heinrich Heldinberg oder Hachinbert. Adolfus ma- gister civium kommt auch in einer Urkunde vom Auguſt 1811 vor: Böhmer, Cod. dipl. p. 897. 1312: Wigel.. Wanebach und Hertwig von .....

Soviel iR im Bürgerbuch, S. 1, deutlich zu leſen; das Webrige ift ganz verwiſcht. Lersner und das Verzeihniß bei Römer baben die Namen: Weigel von Wanebah und Hertwin von Birgel; nur macht dag Lebtere beide Männer fälfchli zu Bürger: meiftern des Sabre 1811. Zur Zelt der Verfaffer biefer zwei Ber: zeichnifle wird ber legtere Namen wohl noch lesbar geweſen fein, und wir fünnen ihn baber fo, wie fie ihn ſchreiben, als richtig anfehen.

1313: Hertwig zum Rebitod und Wigand (oder Wider) zum Froſch.

Im Buürgerbuch, ©. 1, beißt es, 1818 ſeien Bürgeraufnahmen gewefen „Hert. de Vite et Wi. ad ran magistris civium.“ Bas Verzeichniß bei Römer fchreibt ben zweiten Kamen: Wigandt Zan oder Ran. Zan kann jeboch der betreffende Name nicht geheißen baben, weil zwar das erfte Mal, wo fein Namen im Bürgerbuch vorkommt das R nicht ganz beutlich iſt, das zweite Mal aber biefes deutlich da fteht, und überbie ein Namen „zum Zan“ nicht füglich angenommen werben Könnte,

ı) Fichard, Entflehung, ©. 256 fig. Kriegt, Frankſ. Bürgerzioifte, 14

210 VIL Urfunbliches Berzeichniß der Zrauffurter Bürgermeifter von 1811-1423.

1314: Wigand (oder Wider) zum Froſch uns Herwig zum Rebſtock. Bürgerbuch. S. 3: Anno da, MOCCXIII® sub Wi. ad Ranam et Hertwico de Vite magistris civium ete. Hier find alfo, im Vergleich mit der Angabe des vorhergehenden Jahres, beide Namen umgefellt. Dies if allerdings in einer officiellien Schrift auffallend. Zälfehlich ſchreibt Lers ner dem letzteren Namen: Heinrich zum Rebftodl. 1315: Hermann genannt Elobeloud und Arneld zu deme Schuchus. So im Büegerbuch, ©. 3. Des Derzeichniß bei Römer und Lersner ebenfo; nur ſetzt Lersner zum Namen Gicbeloud (bei ihm Knoblod) hinzu: dietns de Ovenbach. 1316: Conrad von Rintfleyfh und Johann von Holzhufen. So im Bürgerbuch, ©. 8. Das Lersner'ſche und das Bars zeichniß bei Römer nennen ben Ginen blos: Conrad Rintfleifc. 1317 1320: unbekannt In biefen Jahren unb dem nächſten Jahre (1321) bat bas Bürgerbuch bie zu Bürgern Aufgenommenen nicht verzeichnet; es find alfo in ihm auch nicht bie Bürgermeiſter berfelben genannt. Auch die anderen Verzeichniffe geben feine VBürgermeifter biefer Jahre an. 1321: Han von Spire und Gyplo von Holtzhuß. Diefe Beiden werben als Bürgermeifter in dem auf bem Stabt: Archiv befindlichen Beedbuch von 1320 1322 angegeben; in biefem Richt nämlih, S. 34, eine Notiz mit folgendem Schluſſe: sub anno domini CCCXXII® circa dominicam Invocavit sub Han de Spira et Gyplone de Holtzhusz magistris ciuium.

1322: Wortwin genannt an der Edin und Colmann von Lych- tinberg. So im Bürgerbud, S. 5, und bei Lersuer mb Römer. Nur ſteht in dem Verzeichnifſe bei Römer verbrudt Wrgrterin.

1323: Jacob genannt Elobelouh und Rulmann vom Lympurg. ©. im Bürgerbug, ©. 6, unb in den beiben genannten Ber: zeichnifſen, amögenonmen, daß Lersner „Jacob von Knoblauch und Rulman Weis von Limburg” fchreibt. 1324: Gyplon von Froſch und Gyplon von Holghufin. Im Bürgerbuß, S. 7: sub Gyplone de Rans et Gyplone de Holtzhusin magistris eivium. Leräner fchreibt Gypel Froſch und Gypel von Holghaufen. Ein im Stadt-Archto (Untergewölb

lit. C. modo CC.) befindficdes Verzeichniß fehreibt: Geipel Froſch und Geipel von Holtzhaußen.

VER. Urfandiches Verzeichaiß ber Bramfferter Bürgermeifter vom 1911-1488, 211

1325: unbckanut. Das Bürgerbuch enthält eine Bürgeraufnahmen dieſes Jahres. 1326: Hannemann von Holshufin und Eulmann von Lychenberg.

So im Bürgerbuch, S. 8. Dort fteht deutlich Lychenberg, nicht Lichtenberg, wie die anderen Verzeichnifie fchreiten. Doch darf man in Betreff jener Zeiten auf bergleihen Schreibungen Fein Ge wicht legen.

1327; Hanman von Spira und Wiler von Oninbad).

So (Hanmannım de Spira et Wikerus de Oninbach) fteht in ben Iateinifch abgefahten Bürgerbug, ©. 9. Deutich heißt daher ber erfie Ramen: Hannemann von Spire (Speier). Leräner ſchreibt fälfcglih: Herman von Speyer und Weider von Offenbach. Das Verzeichniß bei Römer nennt ben Lebteren: Wider be Ouvenbach.

1328: Gyplon Froſch und Gyplon von Holthufin.

©» (Gyplon de Bana et Syplon de Holtkasin) bas Bürger: buch, ©. 9.

1329: Hanman von Spyra und Wifer von Oninbad.

Bürgerbuß, S. 111.51. Lers ner ſchreibt wieber irrihümlich: Herman von Speyer and Weider von Offenbach.

1330: Drutwin genannt Schrenfe und Heilmann Schultheiß von Eſſchirſheim.

Bürgerbuch, S. Il: sub Drutwino dicto Schrenke et Heil- manno Schult. de Essirsheim magistris civium.

1331: Hermann genannt Elobelouch und Gerlah von Hohinhus.

Bürgerbuh, ©. 18: sub Hermanno dicto Clobelouch et Gerlaco de Alta domo magistris civium. Lersner unb das 6.210 unten erwähnte archivalifche Verzeichnii nennen ben Erfteren faͤlſchlich Hanß Knoblauch. In einem Verzeichniſſe, welches Nr. 21 der Uffenbach'ſchen Manuſcripte enthält, ſteht: Hannß Hermann Klobeloch.

1382; Berchtold gmannt von Walnftat und Ludwig von Holtz⸗ hufen.

So im Biltgerbuch, ©. 14.

1333: Syfrid genannt Froſch und Hertwig von Glouburg.

Bürgerbuh, S. 17: Sub Syfrido dieto Rana et Hertwico de Glouburg Magistris Civium.

1384; Dymar von Lychtenſtein und Heinrich von Holbhauſen.

So im Bürgerbuch, S. 18.

1335: Bertold von Walinſtat und Culmann genannt Zan.

Co im Bürgerbuch, ©. 22. 14*

212 VIE nrkundliches Berzeichniß der Frankfurter Bilegermeißter von LB11- 148,

1336: unbefannt; vielleicht diefelben wie im Jahre 1886.

Das Bürgerbud enthält zwar bie Bürgeraufnahmen biefed Jahres, gibt aber deſſen Bürgermeifter nit an. Das Verzeichniß bei Römer enthält auch für dieſes Jahr die Namen Bertold von Walinftat und Eulman Zan. Lersner führt für 1836 nur Einen Bürgermeifter an, und nennt ihn Hermann Kuoblauch; ih weiß nicht, worauf feine Angabe berubt. Daß übrigens zwei Jahre Hinter einander diefelben Bürgermeifter gewefen feien, kann aus ber Nicht-Anführung von Bürgermeiftern für 1836 im Bürgerbuch nicht geſchloſſen werden, weil im bemfelden auch fpäter Sabre vorkommen, in welchen bie Bürgermeifter nicht genannt find.

1337: Gypel von Holtzhuſin und Conrad zu Xewinftein.

Im Bürgerbuh, ©. 29, werden bie Bürgermeifter dieſes Jahres zweimal angeführt: bag eine Mal fo, wie fie oben gefchrieben find, das andere Mal fateinifch fo: Gyplo de Holtzhusen et Conr. Lewinstin. Das ©. 210 unten erwähnte archivalifche Verzeichniß Schreibt ben Iebtern Namen: Löwenftein sc. Weiß, Leräner: Gonrab Weib von Löwenftein.

1338: Syfrid Froſch und Syfrid von Spire.

Bürgerbuh, ©. 85: sub Syfrido Rana et Syfrido de Spire magistris civium.

1339: Gerlah von Hohinhus und Syfrib von Spire.

Bürgerbuh, S. 40: sub Gerlaco de Alta domo et Syfrido de Spire magistris civium.

1340— 1342: unbefannt.

Das Bürgerbuch gibt bie in diefen Jahren aufgenommenen Bürger an, nicht aber die Bürgermeifier. Leröner und andere Verzeichniffe nennen ebenfalls bie Bürgermeifter biefer Jahre nicht. Dagegen gibt das Verzeichniß bei Römer fir 1940 Gerlach de Alta domo und Seyftieb von Speier, für 1841 Gerlach de Alta domo und Johann Froſch; fir 1842 enthält es folgende Angabe: „Hertwig Wyß, Johan Froſch Scabinus senior Coss.* Da ber Verfafier doch gewiß nach einer vorgefunbenen Notiz geſchrieben hat, jo kann feine Angabe nicht gerabezu verworfen werben; ba aber feine Angaben fonft nicht immer richtig find, fo fann man fie auch in biefem Fall nicht für gewiß nehmen.

1342 war Hertwig zum Rebftod einer der beiden Bürger: meilter. ; '

In einer Urkunde bes Karmeliter-Kloſters von IV. Kal. Oct. 1842 heißt e3, das in ihr Berichtete fei gefchehen praesentibus honora- bilibus viris Jacobo dicto Knovenloych, Theymaro de Leyg- chensteyn, Conrado de Gloyburg scabinis, Hertwico de Restock (sic!) magistro civium.

VII Uchmbliches Verzeichniß ber Frankfurter Bürgermeiſter von 1811— 1423. 213

1343: Syfrid Froyfche und Herwig ...

Im Bürgerbuch, S. 51, finden fi) beim Jahre 1848 bie Worte: sub Syfrido Froysche et Hertwico. Im Verzeichniß bei Römer fteht bei 1843 zweimal: Hertwig Wyſſe und Seyfrid Froſch; nur ift ber erflere Nanıen das eine Mal Hertwig Weyß geichrieben. Lerſsner bat für dieſes Jahr gar Feine Angabe. Da ber Namen Hertwig in ber Familie Wyß oder Weyß gebräuchlih war, fo barf man auf bie Angabe des Römer’ichen Verzeichnifies bin Hertwig Wyß für den einen ber beiden Bürgermeiſter von 1848 halten.

1344 ; unbelannt.

Das Bürgerbuch gibt wieder bie Bfirgermeifter nicht an. Die anderen Verzeichniffe wiberfprechen einander zu fehr, als daß fi aus ihnen biefe Bürgermeifler ermitteln laſſen könnten. Lersner nennt . Dietmar zum Lichtenſtein und Johann von Goldſtein, das

- Berzeichniß bei Römer dagegen Seyfrid Froſch und Johann Goltſtein, das S. 210 unten erwähnte Verzeichniß endlich und ein in ben Uffenbad’fhen Manufcripten befinbliches Verzeichniß Gerlah von Hohenhaus und Eonrabt Wolff von Siegen.

1345: Dymar von Lychtinftein und Johan Goltſtein.

So nah dem Bürgerbuch, S. 62, und nach mehreren Berzeich- nifien; Lersner dagegen nennt Gerlach von Hohenhaus und Conrad Wolff von Siegen. Offenbar bat ber Lebtere die Jahre 1844 unb 1845 aus Berfehen mit einander verwechielt.

1846: Dymar von Lychtinſtein und Syfrid von Spire,

Nach dem Bürgerbud, ©. 74. Die anderen Berzeichniffe ſtimmen

‚damit überein. 1347: Jakob Klobelauch der Junge und ........

Das Bürgerbud gibt S. 81 bie Bürgeraufnahmen bes Jahres 1847 nur mit dem Namen Eines Bürgermeifterd, unter dem fie Statt gefunden, an, und zwar nach einem, fogar in ben Raths⸗ Protofollen noch bis in das 16. Jahrhundert hinein beftehenden, öfteren Gebraudhe nur mit dem Bornamen besfelben. Es beißt: Sub Jacobo Juniori magistro eivium. Unter biefem Safob ift ficher Jalob Klobelauch zu verftehen, in beifen Familie ber Vornamen Jakob vorzugsmeife vorfommt. Außerbem führt das Bürgerbuch nur noch die Namen berer an, welche bie bei einer Bürgeraufnahme zu bezahlenden 8 Pfund Heller einfaffirt haben, was gewöhnlich durch bie Bürgermeifter geſchah. Dieſe Namen find: 1. Hertwicus, 2. Dyle, 8. Syfrid Froyſchs, 4. Jacobus senior, 5. Jakob. Damit find uns fünf Namen gegeben, von benen zwei bie bürgermeifterlichen geweien fein müſſen. Welche aber dies waren, ift nicht feflzuftellen; nur baß ber eine Bürgermeiſter Jakob Klobelaudy ber Zunge geweſen ift, fcheint gewiß zu fein; bemn das NMechenbuch von 1848 1851,

214 VII. Urkunbliches Berzeichniß ber Frankfurter Bürgermeifter von 1B1L--1428.

ein amtlich geführtes Buch, nennt Jacob Glabelouh ben Jungen einen Bürgermeifter des Jahres 1847. Tas Lersner’fhe und andere Verzeichniſſe geben Seyfried Froſch und Hellmann Schultheiß ala Bürgermeiſter an, das Verzeichniß bei Römer dagegen Jakob Klobelauch den Jungen und Hertwig zum Rebſtock.

1348: Gerlach von Hohinhus und Syfrid von Spire.

So das Büuͤrgerbuch, ©. 87, Leräner, bie anderen Verzeichnifſe und das Rechenbuch von 1848 1861.

1349: Wycker von Onenbach und Ludwig von Holghufen.

So (namentlich nicht Ovenbach) nah bem Bürgerbug, &. 98, und nach dem Mechenbud von 1848 1851. Lersner und bas Verzeichniß bei Römer haben biefelben Namen, Erfterer fchreibt aber Offenbach und Letzteres Ouvenbach.

1350; Syfrid Froyſchs und Wygel zum Iſenmenger.

So nach dem Rechenbuch von 1848 1851, in welchem Sonntag vor Michaelis 1850 eine Ausgabe in einer heimliden Sade mit ben Zuſatze verzeichnet if: „alſe Syfrib Froiſchs und Wygel zum Sfenmenger bie Burgermenfter wale wizent.“ Das Bürgerbuch gibt bie Namen ber Bürgermeifter nicht beſonders an, ſondern es bemerit S. 96 98 nur, daß Syfrid (einmal Syfrib Froyſchs) und Wy. bie 8 Pfd. bei ben Bürgeraufuabmen dngenommen hätten. Das Verzeichniß bei Römer bat ebenfalls jene beiden Namen. Leröner bagegen gibt nur Einen Name, und zwar Syfrid ven Speyer an.

1351: Jungo (Zunge) von Holghufen und Heilo (Heile) genannt Clabelouch.

Bürgerbuch, S. 99: Sub magistris civium Jung. de Holtzh. et Heiloni dicti Clabeloueh. Das Rechenbuch nennt für biefeg Jahr keinen Bürgermeifter; dagegen führt das für das folgende Jahr Helle Clabelouch als gewefenen Bürgermeifter an.

1352: Jacob Clabelouch ber Junge und Hertwig zum Nebeftode. ©&o (Jacobus Clabelouch Junior et Hertwicus zum Rebestocke) heißen fie im Bürgerbuh, S. 102, und im Rechenbuch von 1852. Die anderen Verzeichniſſe haben ebenfalz bie genayntes beiden Namen. Das von Römer abgebrucdte Verzeichniß führt aber, was Römer nit erwähnt bat, bie Namen zweimal an, und zwar zuerft fo, wie fie von und angegeben wurden, und bann fo, daß Hertwig zum Rebſtock mit dem Zuſatz „Schöff“ vor Jakob Clobelouch gefeht wirb. Lerdmer fchreibt: Hartwig zum Humbract (alias zum Rebſtoch) unb Jacob Knoblauch, 1358: Wunder von Onenbach und Conrad zum Lewinjtein.

Das Nechenbud von 1854 (das von 1858 iſt nicht mehr vor: handen) enthält im Mai eine Zahlung an Wycker von Onenbach, bie man ihm von feinem Bürgermeifteramt ſchuldig geblieben fet;

VI. Urtmbliches Berzeichniß ber Frankfurter Bürgermeifler von 18111428. 215

das Brnerburch aber (zweitet Band) gibt S. 12 18 Lewinflein, Eonrad und Wycker ald diejenigen an, welche bie 3 Pfund bei Bürgeraufnabmen eingenommen hätten. Die angeführten beiden Namen bat and das Verzeichnif bei Römer (mur fchreibt es Ouven⸗ bat). Dagegen gibt Lerzner an: Dymar von Lichtenftein und Hertwig Weife von Limburg. 1354: Syfrid von Spire und Jacob Clabelouch der Junge. Beide werben im Rechenbuch von 1354 in zwei befonderen Rubriken als diejenigen angegeben, denen „in ihr Bürgermeiſteramt“ Gelber in einzelnen Poſten ausgezahlt worben ſeien. Im Bürgerbuch, S. 20 fig., werden Jacob und Sy, als diejenigen angemerkt, an welche bie be: Tannten 8 Pfd. entrichtet worden feien. Lersner gibt gar Teinen Namen.

1355: Heinrich Wizfe und Wygel zum Sfenmenger.

Das Bürgerbuh nennt für dieſes Jahr feine Bürgermeiſter, ſondern gibt nur mit Abkürzungen Wyg. und Wig. unb H. als bie Empfänger ber 8 Pfb. an; das Rechenbuch von 1856 führt die beiben Obengenannten als bie Bürgermeifter von 1355 an. Leräner führt nur Einen Bürgermeifter an, und nennt ihn Luize ober Loß von Holtzhauſen. Das Verzeihnig bei Römer enthält bie richtigen Namen. Sonberbarer Weife findet fi) in einem Rotariats-Inftrument bes Leonhard⸗Stiftes von 1355 noch ein anderer Bürgermeifter biefes Sabre angegeben. Dieſes Inſtrument enthält nämlich eine Er: Härung von Hertwicus dictus Stralenberg proconsul opidi Franck. über eine Gülte. Proconsul bedeutet Bürgermeifter, und wir hätten alfo für biefes Jahr drei ober (mit Zuziehung ber Lersner’fchen Angabe) gar vier Bürgermeifter, welche gleichzeitig nicht im Amte geweſen fein können. Vielleicht verwalteten einer ober zwei basfelbe nur vorübergehend wegen Erfranfung eines ber wirflicyen Bürgermeifter.

1356: Courad zu Lewinftein und Junge von Holtzhuſen. Das Rechenbuch von 1856 führt in den VBürgermeifter-Rubrilen Beide als bie Bürgermeifler dieſes Jahres an, fowie das Bürgerbuch im Amtsjahre 1356/57 Lewinſtein und Junge als bie Empfänger ber drei Pfund. Lersner führt nur Einen Bürgermeifter, Junge von Holghauien, an. 1857: Jacob Clabelouch und Lob von Holtzhuſen. Das KRechenbuch von 1857 enthält zwei Bürgermeifter Rubriken unter den Namen biefer Beiden, fowie bad von 1858 im ‘Mai 1358 folgenden Ausgabepoften: „Den alden Bürgermeiftern Sacobe Clabe⸗ louche und Logen von Holtzhuſen 44 Pfd. zu fchendene, bie fie fchuldig blibin, du fie von dem Burgermeiſter Ampte ſchidin.“ Ebenfo führt das Gürgerbuch, S. 29, wor bem Hiurmelfahrttage 1857 einmal wieber die Bürgermeliter bes betreffenden Jahres an, umd zwar mit

214 VII. urkundliches Verzeichniß ber Frankfurter Bürgermeifter von 1812-— 1428.

1348:

1349:

1350:

1351:

1352:

ein amtlid geführtes Buch, nennt Jacob Glabeloud ben Jungen einen Bürgermeiſter des Jahres 1847. Tas Lersner'ſche unb andere Verzeichniſſe geben Seyfried Froſch und Hellmann Schultheiß als Bürgermeifter an, das Verzeichniß bei Römer bagegen Jakob Klobelaud den Zungen und Hertwig zum Mebfiod.

Gerlad von Hohinhus und Syfrid von Spire.

So daB Bärgerbud, ©. 87, Lersner, bie anderen Berzeichnifie und das Rechenbuch von 1848 1861.

Wycker von Onenbad und Ludwig von Holghufen.

So (namentlih nicht Ovenbach) nach bem Buͤrgerbuch, S. 98, und nad dem Rechenbuch von 1848 1851. Lersner und das Verzeichniß bei Römer haben biefelben Namen, Erſterer fchreibt aber Offenbach und Letzteres Ouvenbach.

Syfrid Froyſchs und Wygel zum Iſenmenger.

So nach ben Rechenbuch von 1848 1851, in welchem Sonntag vor Michaelis 1850 eine Aubgabe in einer heimlichen Sache mit dem Zuſatze verzeichnet if: „alſe Syfrid Froiſchs und Wygel zum Iſenmenger bie Burgermeyſter wale wizent.“ Das Bürgerbuch gibt bie Namen ber Bürgermeifter nicht beſonders am, ſondern es bemerkt S. 96 98 nur, daß Syfrib (einmal Syfrib Froyſchs) und Wy. bie 8 Pfb. bei den Bürgeraufnahmen dngenommen bätten. Das Berzeichniß bei Römer bat ebenfalls jene beiben Namen. Leräner dagegen gibt nur Einen Namen, und zwar Syfrid won Speyer an.

Jungo (Zunge) von Holghufen und Heilo (Heile) genannt Clabelouch.

Bürgerbuch, S. 99: Sub magistris civinm Jung. de Holtzh. et Heiloni dicti Clebeloueh. Das Rechenbuch nennt für biefeg Jahr keinen Bürgermeifter; dagegen führt das für das folgende Jahr Heile Clabelouch als geweienen Bürgermeifter an.

Jacob Elabelouc, ver Zunge und Hertwig zum Rebeſtocke.

So (Jacobus Clabelouch Junior et Hertwicus zum Rebestocke) heißen fie im Bürgerbuch, ©. 102, und im Rechenbuch von 1852. Die anderen Berzeichnifie Haben ebenfalls bie genamiten beiden Namen. Dad von Römer abgebrudte Verzeichniß führt aber, wa Römer nicht erwähnt bat, bie Namen zweimal an, unb zwar zuerft fo, wie fie von und angegeben wurben, unb bann fo, daß Hertwig zum Rebſtock mit dem Zuſatz „Schöff vor Yalob Clobelouch gefeht wirb. Lersner fchreibt: Hartwig zum Humbrant (alias zum Rebſtoch) und Jacob Knoblauch.

1353: Wycker von Onenbach und Konrad zum Lewinſtein.

Das Rechenbud von 1854 (bad von 1858 iſt nicht mehr vor: handen) enthält im Mat eine Zahlung an Wycker von Onenbach, die man ihm von feinem Vürgermeifteramt ſchuldig geblieben ſei;

VO. Urkundliches Berzeichniß ber Frankfurter Bürgermeifler von 1811—1428. 215

das Bürnerbich aber (zweiter Band) gibt &. 12 18 Lewinflein, Conrad und Wyder als diejenigen an, welche bie 3 Pfund bei Bürgeraufnabmen eingenommen hätten. Die angeführten beiben Namen bat auch daB Verzeihnig bei Römer (nur fchreibt ed Ouven⸗ bad). Dagegen gibt Leräner an: Dymar von Lichtenftein und Hertiwig Weiſe von Limburg. 1354: Syfrid von Spire und Jacob Clabelouch der Junge. Beide werben im Rechenbuch von 1354 in zwei befonderen Rubriken als biejenigem angegeben, benen „in ihr Bürgermeieramt‘ Gelber in einzelnen Boften ausgezahlt worben feien. Im Bürgerbuch, S. 20 fig., werben Sacob und Sy, als diejenigen angemerkt, an welche bie be kannten 3 Pfd. entrichtet worden feien. Lerſner gibt gar keinen Namen.

1355: Heinrih Wizfe und Wygel zum Sfenmenger.

Das Bürgerbuch nennt für dieſes Jahr Leine Bürgermeifter, fondern gibt nur mit Ablürzungen Wyg. und Wig. und H. als bie Empfänger ber 8 Pfd. an; das Rechenbuch von 1856 führt bie beiden Obengenannten als die Bürgermeifter von 1355 an. Leräner führt nur Einen Bürgermeifter an, und nennt ihn Luize oder Loß von Holghaufen. Das Verzeichnig bei Römer enthält bie richtigen Namen. Sonberbarer Weife findet fi in einem Notariats-Inftrument bes Leonbarb:Stiftes von 1355 noch ein anderer Bürgermeifter dieſes Sabre angegeben. Dieſes Inſtrument enthält nämlich eine Er⸗ klärung von Hertwicus dictus Stralenberg proconsul opidi Franck. über eine Gülte. Proconsul bedeutet Bürgermeifter, und wir bätten alfo für dieſes Jahr drei oder (mit Zuziehung der Lersner’fchen Angabe) gar vier Bürgermeifter, welche gleichzeitig nicht im Amte geweſen fein können. Vielleicht verwalteten einer ober zwei basfelbe nur vorübergehend wegen Erfranfung eines ber wirklichen Bürgermeifter.

1356: Courad zu Kewinftein und Junge von Holshufen. Das Rechenbuch von 1856 führt in den Bürgermeifter-Rubriten Beide als die Bürgermeifter dieſes Jahres an, ſowie bad Bürgerbuch im Amtajahre 1856/57 Lewinftein und Zunge ald bie Empfänger ber drei Pfund. Lersner führt nur Einen Bürgermeifter, Junge von Holtzhauſen, an. 1857: Yacob Clabelouch und Lok von Holtzhuſen. Das KRechenbuch von 1857 enthält zwei Bürgermeifter -Rubrifen unter den Namen biefer Beiden, fowie das von 1858 im Mai 1858 folgenden Uusgabepoften: „Den alden Bürgermeiftern Jacobe Clabe⸗ louche und Lotzen von Holtzhuſen 44 Pfd. zu ſchenckene, die fie ſchuldig blibin, du fie von dem Burgermeiſter Ampte ſchidin.“ Ebenſo führt das GBürgerbuch, S. 29, vor bem Himmelfahrttage 1857 einmal wieber bie Bürgermeijter bes betreffenden Jahres an, und zwar mit

218 WM. iehmdliches Berzeichnih der Fraukfurter Biürgermeifter von 1811-1428.

dem Banerberge” Was unter bem letzteren Ansbrude zu ver: fieben iſt, wußte ich nicht zu ermitteln. In der Abreffe biefes Briefes iſt übrigens Heintze im Sal ohne biefen Zuſatz geſchrieben.

1361: Conrad von Glauburg und Johann genannt Gärtener.

So nach ben Bürgermeiſter-Ausgabe-Rubriken des Rechenbuchs von 1861 und nach dem Bürgerbuch, in welch Letzterem es beißt: Infra scripti recepti sunt in concives sub Conr. de Glouburg et Joh. dicto Gertener proconss. anno dm. Milles. CCCLX. primo. Lersner gibt für biefes Jahr gar feine Namen an

1362: Lotz (oder Ludwig) von Holkhufin und Johann Wizfe, jowie eine Zeitlang ala Stellvertreter Dymar (von Lich⸗ tenftein).

Das Bürgerbug, ©. 61: Bab Ludewico de Hotzh. et Joh. Wizsen proconss. anno dm. MCCCLX seeundo. Beide allein erheben auch bie brei Pfund. Dagegen enthält das Rechenbuch folgende nach einander kommende Rubriten: 1. Lohen von Holkhufin in fin burgermeifter ampt; 2. Lohen von Holtzhuſin in fin ſchencke⸗ gelt; 8. Hrn. Dymar in fin burgermeifter ampt; 4. ben zwein burgermeiftern in ir fchendegelt; 5. Job. Wizfen in fin burgermeifter ampt; 6. Job. Wizfen in fin ſchengelt. In ber vierten biefer Rubriken fommen u. X. zwei Poflen nach einander ver, und bei beren erfiem fieben bie Worte: das hiſchs her Lohe von Holtzhuß, bei bem zweiten aber: das hiſchs Johan ſchribin. Dies und ber Ausdruck „ben zwein Burgirm.“ zeigt, daß es nur zwei Bingermeiſter gab, daß dieſe Lotz von Holtzhauſen und Johann Wizſe waren, daß alſo Dymar nur vorũbergehend und ſtellvertretend Buͤrgermeiſter war. Leröner bat faͤlſchlich: Oymar von Lichtenſtein und Clas Hartung.

1363: Jacob Elabelouch und Johann Wirbel.

Das Bürgerbuch führt Beide nicht nur durch das ganze Jahr hindurch als bie Empfänger ber drei Pfund an, ſondern es gibt auch S. 66 bem Jahre bie Weberfchrift: Bub Jacobo Clabelouch et Johanne Wirbel magistris civium. Das Rechenbuch von 1868 führt zwar mur ben Lepteren als Bürgermeiſter namentlih an, es entbäft aber eine Ausgaben - Rubrit mit ber Weberfchrift: „Den swein Burgermeiſtern in ir ſchengelt.“ Beide werben auch in einem faiferlichen Befehle vom 1. Juni 1368 (Böhmer, p. 688) bie Bürgermeifter genannt. Außerdem bat daB Rechenbuch von 1364 folgenden Ausgabe : Voken: „7 Pf. Michel Apptelir, bie man in ber apptefin ſchuldig waz blebin under Jacobe und Johane Wirbel ben burgermeiſtern.“ Lersner führt unrichtiger Welfe brei Bürger: meiſter an, nämlich außer jenen Beiden noch Johann von Holphaufen.

1864: Zohaun von Holtzhuſen und Andres Heilegeift. Beide werben im Rechenbuch von 1864 und in dem von 1865

VIL Urkundliches Verzeichniß der Frankfurter Bürgermeifter von 1811-1498. 217

Zeit nur zwei Herzöge von Oeſtreich, Albert IL (} 1858) unb Rubolf IV. (} 1865), geftorben find, und Heilgeift im Xobesjahr beö Erfteren, nicht aber in bem des Letzteren Bürgermeiſter war. In der Ausgaben: Rubrif des Rechenbuches von 1858 für Sufrib von Spire finden fi endlich unter benı 30. September, 21. Oftober und 11. November noch drei Zahlungspoften, deren erfier fo ver: zeichnet iſt: „Dymar von Lichtinſtein 11 Pfd. H., mit name bu Sifrib von Spire gerebin was an unfern Herren ben keyſer von bes Radis wene.“ Mit diefen Worten if fomit Dymar von Lichtinftein als vorübergehender Stellvertreter Syfrid’3 von Spire bezeichnet. Ein undetirteß, unzweifelhaft vom Stabtfchreiber Heinrich geſchriebenes Schreiben im Stadt-Archiv (Lade „Legationen und Schidungen‘‘) beginnt mit ben Worten: „Her Johan in dem Sale, kibe her burger: meifter. Bernt, du ber Jacob, her Zohan vom hohen Hus und ir und Andres zu Nurenberg warit, umb ich zu dem male zu Prage was, alfe ir wale wizſit, da lech mir meifter Rubolf zu Prage czweir und czwenczig gulden, und bu ir und ich mit uch zu Soltzbach qwaman, ba lech he uns ſehs gulden u. f, w. Auch bdiefer Brief zeigt, daß Johann vom Saale im Anfange bed Jahre 1959 an Heilegeift’d Stelle Bürgermeifler war. 1359: Wygand von Lichtinftein und Johann in dem Sale. Das Buͤrgerbuch leitet die Bürgeraufnahmen von 1859/60 mit ben Worten ein: Infra scripti reeepti sunt in coneives sub Wy- gando de Liehtinst. et Johanne in deme Sale proconss. anno dm. Milles. CCCLIX. Aud führt es nachher beide Genannte als bie Empfänger ber brei Pfund an. Das Rechenbuch von 1359 if nicht mehr vorhanden; das von 1860 aber verzeichnet im Mai biefes Jahres bie Zahlung einer Summe an Wigand von Lichtenftein, „by man ime ſchuldig waz biebin von ſynes burgermeifier amptes wegin.“ Lersner's Angabe, nach welcher Heinrich im Saale und Gernand, Särtner, 1859 Bürgermeifter geweſen wären, ift alfo unrichtig. 1360: Johann von dem Hobinhufe und Andres Heilegeift. Das Rechenbuch von 1860 enthält zwei Ausßyaben = Rubrifen, welche überfchrieben find: „In bern Johans von dem Hobinhufe burgermeifler ampt“ und „In Andres Heilegeift burgermeifter ampt.“ Au das Bürgerbug, S. 49, bezeichnet Johannes de alta domo Seab. und Andr. Heilegeist als bie damaligen Bürgermeiſter und als die Empfänger ber drei Pfund. Mit bdiefer Angabe flimmen auch bie anderen Berzeichniffe überein. Webrigens ift ein Schreiben Nlrih’8 von Hanau ei Böhmer, p. 674, an bie beiden Genannten als Birgermeifter gerichtet, und ergibt fi daraus bas Jahr des⸗ felben. Sconderbarer Weife finden fich aber am Anfange dieſes Schreibens folgende Worte: „Henne Hochhus und Andres Heylgeift burger meiftern zu Franklinfurd und Helngen im Sal burgermeifter uf

220 VII Urkunblices Berzeichniß der Frankfurter Bürgerineifter von 1811—1438.

1867: Wider Froyſche oder Froiſchs und Lob zum Widdel. So na dem Rechenbuch von 1867 und bem Bürgerbuche.

1368: Lob von Holkhufin und Johann genannt Gerthener.

Dad Rechenbuch von 1368 enthält bie beiden Ausgaben-Rubriten: 1. Lotzen von Holghufen in fin burgermeiiter ampt; 2. Johanne genanb Gerthener in fin burgermeifter ampt. Das Bürgerbuch, S. 90, nennt Zohann Gerthener Bürgermeifter bes Jahres 1868, und führt ihn, Log von Holghufen und (viermal) Hertwig (alfo wohl Hertwig Wizfe) ala Empfänger der drei Pfund an. Wegen bes letzteren Umſtandes Könnte Hertiwig ein ober mehrere Male Stell: vertreter eines der beiben Anderen geweſen fen. Auf ben Umftand, daß in einem kaiſerlichen Erlaſſe vom Oktober 1368 (Böhmer, p. 722) Lotz von Holtzhuſen nicht Bürgermeifter, fondern blog Schöffe genannt wird, barf man wohl, gegenüber bem Angeführten, fein Gewicht legen.

1369: Johann von Holghufin und Heinrich Wizfe, ſowie Ende Ditober, als ber Erftere krank war, ftellvertretend Lotz von Holshufin.

Das Rechenbuch von 1869 enthält u. 9. folgende zwei Ausgaben⸗ Nubrifen: 1. Joh. von Holkhufin in fin burgermeifter ampt; 2. Heinr. Wizſin in fin burgermeifter ampt; in der Erfteren finden fih aber folgende zwei Poften: „In vig. Symonis et Jude aposto- lorum (d. i. 28. Oftober) 111 Pfd. bern Loge von Holtzh. von bodelon, alß be au des burgermeifter® ſtad waz; item 11 Pfb. Lopen von Holtzh. zu bobelone, ald Joh. von Holtzh. crang waz.“ Im Bürgerbuh wird am 8. Yuli ob. von Holghuß proconsul genannt. Als Empfänger ber drei Pfund bezeichnet dasfelbe Joh. von Holtzhuß und (dreimal im Herbft) Hertwig Wyzſe, woraus man fchließen möchte, daß auch biefer einmal Stellvertreter war. Sonberbarer Weife findet fih im Rechenbuch von 1369 unter dem 14. April 1369, alfo zur Zeit des Bürgermeiſter-Wechſels folgender Poften: „14 Sch., daz ber von Glauburg eingelingen uz gab, alß man nicht burgermeifter enhatde.“ Es waren alfo damals bie Dürgermeifter des vorhergehenden Jahres, noch ebe neue gewählt waren, aus bem Amte getreten. Nach bem Bemerften find bie Angaben afler fibrigen Verzeichniſſe unrichtig.

1370: Wigand von Lichtinftein und Johann Wyſſe (Wizfe).

So nad ben Bürgermeifter-Ausgaben-Rubrifen bes Nechenbuches und nach dem Umſtande, daß das Bürgerbuch, ©. 96 99, Beide ald Empfänger ber brei Pfund anführt. Daß Lersner'ſche Ber: zeichuiß gibt fälfchlich an: „Berta Weiß (oder vielmehr Hartwig Weiß dv. 2.) uud Gilbrecht.

VI. urtundliches Verzeichniß der Frankfurter Bürgermeifter von 1811-1428. 2 18

als Bürgermeifler bes erfieren Jahres bezeichnet, und im Bürgerbuch beißen dieſes ganze Jahr hindurch die Empfänger ber brei Pfund Johaun und Andrei. Lersner ſetzt no Johann Schell als britien VBürgermeifter hinzu. Die Unrichtigkeit ber Bezeihnung Johann Schell's als VBürgermeifterd gebt aus dem Obigen hervor, bie Un: richtigleit ber Annahme aber, daß es damals brei Bürgermeifter gegeben Babe, aus folgenden zwei Poſten bes Rechenbuchs von 1864: 1. CC Pfd. LXXIX Pf. den zwein Burgermeiftern; 2. alß bie Burgermeifter beide uzfe waren in ber Reyſe vor Lyche.

1365: Johann von dem Hochhuſe (oder Hobinhufe) und Johann Schelle, fowie, nachdem ber Letztere am Ende bed Jahres 1365 auf kaiſerlichen Befehl aus dem Rathe geftopen werben war, an deflen Statt Johann genannt Gertener.

Sn dem Rechenbuch von 1367 findet ſich eine nachträgliche Zahlung angegeben aus der Zeit, „alß Johan von Hohlnhuß unb Johan Schelle burgermeifter waren in item jare.” Auch bad Rechen: buch von 1865 nennt Beide öfters Burgermeifter, Dagegen find in bem Lebteren Würgermeifter = Ausgabe : Rubrifn nur für Johann Schelle und für Johann Gertener, nicht für Johann von Hohinhuß; allein bie angegebenen Zahlungen an Schelle geben nur bis Ende September, und die an Gertener beginnen erſt mit Anfang des Jahres 1866. In gleicher Weife bezeichnet das Bürgerbuch als Empfänger ber brei Pfund Hobinhuß und Schelle bis zum 2. Oftober; dann aber Fommt Feine Bürger-Aufnahme mehr vor bis zum 8. und 10. Januar 1366, und von ba an find Hohinhuß und Gertener als jene Empfänger bezeichnet. Da man nun weiß, bag im Folge eines kaiſerlichen Befchles vom 2. November 1865 Schelle aus dem Rath geftoßen wurde, und baß derfelbe hierauf aus ber Stabt entflob: fo if das Verhältniß jener drei Bürgermeifter Mar. Hohinhuß und Schelle waren vom Frühling bis zum Ende bed Jahres 1365 bie beiden Bürgermeifter, baun aber warb ber Lebtere ausgeſtoßen unb Gertener an feine Stelle zum Bürgermeifter erwählt. Alle vor: bandenen Bürgermeifter-Verzeichnifie find unrichtig.

1366: Jacob Clabelouch und Heinrih Wyzſe.

So nad bem Rechenbuch von 1866, in welchem für jeben ber beiden Genannten eine befondere Rubrik „in fin burgermeifler ampt enthalten ift, fowie nach dem von 1867, in welchem einmal eine Zahlung gemadt wird „ben alden burgermeiftern in ir fchenggelb, bern Jacobe Glabeloud und Heinrich Wyzſen,“ und nach bem Bürgerdug, S. 77 81, wo Jacobus und Heinrich bie Empfänger ber drei Pfund genannt werden. Lersner nennt ben Lebteren Heinrich Weis von Limburg.

2232 VIE, Urkanbliches Berzeichniß der Fraukfurler Büngermeißer von 1811148.

1378: Jacob Clabelouch und Heylmann von Spire. Sie werben in ben öfters erwähnten Rubrifen des Rechenbuches genannt. Lersner bat fäljchlich Lob von Holghaufen und nennt einen zweiten nicht.

1379: Sifrid zum Baradyfe und Heinrich Wizſe. Nah dem Rechenbuch und bem Bürgerbud (wo es beißt: prae- sentibus Sifr. ad Paradisom et Heinr. Wissen proconsulibus).

1380: Rulman Wieße (ober Wyſze) und Johann Froiſch.

Nah bem noch erhaltenen Stilde bes Rechenbuches von 1880, fowie nach bem von 1881. Auch das Berzeichniß bei Römer gibt fie, wiewohl im untgelehrier Folge. Die anderen Verzeichnifie dagegen find uarichtig: fie geben nur Einen Böüugermeifter an, ber es jeboch nicht war, Gelpel von Holtbaufen.

1381: Syfrid zum Baradyje und Johann Clobelauch, ſowie ala Stellvertreter für den Erfteren mach einauder Lob von Holtzhauſen, Hertwig Wieße und Adolff Wiße, als Stellvertreter für den Letzteren nach einander Wigand zu Swanau (Swanawe), Johann vom Widdel und

Johann Kranich.

Tas Rechenbuch von 1881 enthält bie gewöhnlichen zwei Rubrilen für bie Amtsausgaben ber Bürgermeifter. Die eine ift überfchrieben: „Usgebin Sifrid zum Paradiß burgermeifter in fin ampt“, bie Andere bat die Weberfchrift: „Uzgebin Johanne Clobelauche in fin burgermeiſter ampt”; jene enthält nur Einen Ausgabepoſten (vom 21. September), diefe nur zwei (vom 3. Juli und 6. Zuli). Auf dieſe Poften folgen in jeder Rubrik Ausgabepoſten für mehrere andere Männer, mb zwar bei jeben von biefen mit bem Zuſatze ‚au fin ampt”. Diefe Männer waren alſo fiellvertertenbe Bürger meifter, und ans ben Data’s ber Auszahlungen um jeben berfelben ergibt Rich bie Zeit feiner Stellvertretung. Nach biefen Data’s und nach zwei Angaben im Bürgerbuch wurben 1881 die Bürgermeiſter⸗ Aemter folgendermaßen verwaltet: Sifrid zum Parabyfe und Johann Cobelauch waren bie im Frühjahr gewählten ordentlichen Bürger- meifter biefes Jahres; Beide mußten aber durch Andere erfeßt werben, entweder wegen Kranfheit ober wegen anderer Verhinderungen; nach einer Notiz im Rechenbuch 3. B. war Sifrid vor ber Zeit bei 14. Septembers fünf Wochen lang auf einer Reife nad Prag ab: weiend. Nach einer anberen Netiz des Rechenbuches von 1884 (f. unten ©. 224) waren Beibe nur ein Vierteljahr lang Bürger: meifter und traten nachher auch nicht wieber in das Amt ein. Die Stellvertreier Gifrib’3 waren: zuerſt Lob von Holtzhauſen wenigſtens in der Zeit von Mitte Auguſt bis gegen Ende Dftober, dann Hertwig

VIT. Urkundliches Verzeichniß der Frankfurter Bürgermeifter von 1811—1428, 221

1371: Adolff Wizß und Pedir Aptelir.

Nah ben Bitrgermeifter-Ausgaben-Rubrifen bes Nechenbuches und nach dem Bürgerbucdhe, welches Leptere bie Empfänger der drei Pfund Adolffus und Peder nennt. Das Lersner'ſche Verzeichniß gibt nur Einen Bürgermeifter an, und nennt diefen fälſchlich Weigel zum jungen Lichtenftein.

1372: Lotz von Holtzhuß und Johann genannt Gerthener.

So nad ben Bürgermeiſter⸗-Ausgaben⸗Rubriken bes Rechenbuches und nad dem Bürgerbuche, welches Lebtere nicht nur Lodewig de Holtzhuß als Empfänger ber brei Pfund anführt, fondern aud bei einer Bürgeraufnabme von 1872 bemerkt, dieſelbe babe Statt gefunden coram Lotzoni de Holtzhuss et Johanne Gerthener proconsulibus.

1373: Sifrid zum Paradyfe und Hemrih von Holtzhuß und im Yebruar 1374, ala Stellvertreter des Letzteren, Rulman Wieße,

Das Rechenbuch gibt die beiben erfteren Namen in ben Bürgermeifter: Ausgaben: Rubrifen, und enthält außerbem unter bem Datum be 25. Februar 1874 einen Einnahmepoften mit ber Bemerkung: „al Rulman Wieße bay burgermeifter ampt an Heinr. flaib von Holtzhuß, du be zu unßerm herren bem keyſer gereden waz, virwarete.” Daß Bürgerbuch gibt von 1878 an bie Empfänger ber zwei Pfund nicht mehr an, unb erwähnt in biefem Jahre auch fonft feinen Bürgermeifter.

1374: Johan Froiſchs und Rulman Wieke (oder Wyße). Beide werben im Bürgerbuh, ©. 96, die Bürgermeifter, S. 107 bie proconsules biefes Jahres genannt. Auch das Mechenbuch von 1874 führt fie in befonderen Rubriken als VBürgermeifter an. Das Lersner'ſche Verzeichniß bat fälſchlich: Johann Holtzhaußen und Henn Klobeloch, alias Johann Sultzbach. 1375: Johann von Holtzhuß und Hertwin (oder Hertwig) Wieße. So nad ben Bürgermeifter = Ausgaben = Rubrifen und anderen Stellen bed Rechenbuches. Das Lersner'ſche Verzeichniß gibt gar feine Namen.

1376: Arnold zu Kichtinjtein und Gypel zum Eber. Nach den Bürgermeifter-Ausgaben:Rubriten und anderen Stellen des Mechenbuched. Das Lersner'ſche Verzeichniß hat fälſchlich: Johann Froſch und Johann Weiß von Limburg. 1377: Adolf Wyſſe und Jacob von Bomerſheim. Nach den Bürgermeiſter⸗Ausgaben-⸗-NRubriken des Rechenbuches. Das Lersner'ſche Verzeichniß bat wieder falſch: Arnold zum Lichtenſtein und Otto von Offenbach.

224 VII. urkundliches Verzeichniß der Frankfurter Bürgermeifter von 1311 —1428.

1384: Adulff Wieſſe und Brun zu Brunefelß.

Das Rechenbuch von 1884 enthält folgende zwei Bürgermeifter: Ausgaben: Rubrifen: 1. Uſgeben Adulffe Wieſſe in fin burgermeifter ampt (mit nur zwei Zahlpoften vom 18. Juni und 80. Juli); 2. Ufgeben Brune zu Brunefeld in fin burgermeifter ampt (mit Zablpoften vom 9. und 28. Juni, 6. und 11. Augufi, 6. Oftober, 1. und 17. November 1884 unb vom 4. Februar 1885). Das: felbe Rechenbuch enthält an einer anderen Stelle eine am 17. September gemachte Ausgabe, welche fo eingetragen ift: „Syfr. zum Paradiß unde Johanue Klobel. ir iglichen VII Pfd., alß fie eyn virteil jares Burgermeiſtere mit eyn waren.“ Dies kann ſich nicht auf das Jahr 1984 beziehen, weil im Rechenbuch von 1888 eine Zahlung vor: fonımt, welche noch am 16. April 1884 an einen ber Bürgermeifter von 1388 gemacht worden war, die von 1888 alſo erſt früheſtens nach dieſem Tage ins Amt traten, und die Zahlungen an Brun zu Brunefels und Adulff Wieſſe fhon im Juni beginnen, weil ſich alfo vor bem 17. September 1384 fein vierteljähriger Zeitraum für ein Bürgermeifter - Ampt von Sifrid und Klobelaud findet. Es Tann jene Zahlung nur im Zahre 1881 Statt gefunden haben, in welchem Syirib und Aobelauch bie gewählten Bürgermeiſter waren, aber fhon am 17. Auguft durch Andere erfegt erſchemen; und es folgt aus dieſer Notiz, daß Beide bamals nur ein Vierteljahr Lang Bürgermeifter gewefen find. Die Pfd., welche jeder 1384 nad: träglich bezablt erhielt, find ber vierte Theil jener 30 Pfd., bie man bamals jedem WBürgermeifter fir fein Amtsjahr ertheilte. Das Lersner'ſche Berzeihnig hat irrthümlich Jacob Knoblauch und Heilmann von Speier.

1385: Syfrid zum Paradiß und Heinrid von Holtzhuß. Nach ben bekannten Rubriken des Rechenbuches. Das Leräner’fche Berzeihnig gibt fällhlih Brause Braun zum Braunenfels und Heinrich von Holßhaufen. 1386: Adulff Wiefje und Johann vom Wyddel. So nach den Bürgermeifter-Ausgaben-Rubrifen bes Rechenbuches. Lersner gibt gar Feine Bürgermeifter dieſes Jahres an. 1387: Hertwin Wiß und Sifrid von Holtzhuß. Nah den oft angeführten Ausgabe : Rubriken. Lersner bat wieder fälfhlih Johann von Weydel und Hartwig Weis v. 2. 1388: Junge Froyſch und Heinrich Wieße. Nah ben bekannten Rubriken des Rechenbuches. Lersner

führt nur Einen Bürgermeifter an, und zwar wieder einen, ber es nit war, Conrad Weis zum Löwenflein,

VIE urtundliches Berzeichniß der Frankfurter Bürgenmeiter von 18111408, 223

Wieße in ber Zeit von Ende November bis in ben Jannar 1882 hinein, hierauf Adolff Wiße im Februar. Die Stellvertreter Clobelauch's waren: zuaft Wigand zu Swanau gleichzeitig mit Lo von Holtzhauſen (Beide werden an einer anberen Stelle bes Rechenbuches am 26. Oftober fogar mit ben Worten angeführt: „. . . by Loge von Holtzhuß unbe Wigende zu Swanau burgermeiftern), dann Sodann vom Wibbel während bed November, Mitte December und un den 25. Januar 1882, zulett Johann Kranick von Ende Januar 1882 an bis in den April hinein. Alle vorhandenen Bürgermeifter = Verzeichnifle find für biefes Jahr unrichtig.

1382: Johann Froiſſch (oder Froyſch), Arnold zu Liechten— ſteyn, Hertwig (oder Hertwin) Wieße und Otto von Ovenbach.

Sn dieſem Jahr ſcheint es, als wenn vier Bürgermeifter neben einander gewaltet hätten, obgleich fich für basfelbe durchaus fein Grund zu einer ſolchen Abweichung von dem Herkommen auffinben läßt; denn im Rechenbuch von 1884 findet fih folgender Ein: nabmepoften verzeichnet: „Sabbaihe ante Dyonifii band ung Arnold zu Liechtenfieyn, Johann Froyſch, Hertwin Wieße und Otte von Dvenbad, alt fie eyn Jar burgermeiſter waren, geentwort von kretzerye C Pb. XXXVIII Bid.‘ Außerdem enthält auch das Rechenbuch von 1882 vier Bürgermeifter - Ausgabe : Rubriken nad einander, nämlich fitr jeben ber vier Genannten eine befondere. Die einzelnen Tage, an welchen bie vier Männer im Rechenbuch als Bürgermeifter erwähnt werben, find folgende: 1) April: Liechtenftein am 19. unb 26., und vielleicht Wieße am 19. (weil er bamalz von der Stabt wegen ben Pfeifern bed Königs eine Schenkung machte, was burch den Bürgermeifter zu geſchehen pflegte); 2) Mai: Froyſch am 3. und 81.; 8) Juni: Froyſch am 14. unb 21., Lied: tenflein am 7., ®ieße am 21.5; 4) Juli: Ovenbach am 19.; 5) Auguft: Ovenbach am 2., Wieße am 16., Liechtenſtein am 19.; 6) September: Froyſch am 20. ımb 27.; 7) Oftober: Froyſch am 4. und 18.; 8) November: Wiehe am 1., Ovenbach am 22.5 9) December: Ovenbach am 6. und 18.; 10) 1883 Januar: Froyſch am 17. unb 24.; 11) Februar: Wieße am 28.; 12) März: Froyſch am 28. Wenn es 1382/88, wie fonft, mur zwei Bürgermeifler gab und die anderen zwei blos ſtellvertretend waren, fe muͤſſen Froyſch und Liechtenflein jene zwei gewefen fein; benn ihre AusgabensRubrifen ſtehen ben zwei anderen voran. Die vorhandenen Bürgermeifter- Verzeichniffe Haben insgeſammt unrichtige Angaben.

1383: Jacob Klobelaud und Gipel von Holtzhuß.

Nah den oft erwähnten Rubrifen des Rechenbuches. Das Lersner'ſche Verzeihnig bat fälfchlich Johann Frofg und Rulmanıı Wei.

226 VII. Urkundlices Berzeichniß ber Frankfurter Bärgermeifter von 18111428.

Rechnungdablage geweien war). Zu bemerken ift hierbei, daß bie in

diefen Rubriken verzeichneten Zahlungen eingejchrieben wurben: 1. die an Jekel Lentzel am 7. Mai, 4., 18. u. 25. Sunt, 9., 16. u. 80. Juli, 6. u. 19. Auguft, 1. u. 10. Oftober 1890; 2. bie an Kranich am 30, April, & u. 18. Juni, 1. u. 15. Oktober, 5. u. 19. November, 17. December 1890, 14. u. 20. Januar, 10., 18. u. 25. Februar, 4. u. 18. März, 8. u. 22. April, 6. Mai 1891; 8. die an Gonr. Wiße am 16. September. Johann Kranich war alfo im Juli ober Auguft krank, und hatte bamals Conrad Wiße zu feinem GStellveriretr. Nun enthält aber das Rechenbuch an anderen Stellen noch folgende zwei Ausgabepoften: 1. am 7. Januar 1891: „XXXVII Pfd. han wir gegebin Jacob Klobel. bem jungen in fin ampt, als er burgermeifter if an Jekil Lentzil's ſtad“; 2. am 11. Februar 1891: „Sacab Kobel. dem Jungen und ob. Birneburg ir iglichem VIII Pf. von XIII wodin, als ir iglich ein pfert in ben burgermeifter ampt bielt, alß fie burgermeifter waren zu ber 398, als Jekil Lentzil gefangen waz.“ Selil war alſo auf irgend einem Kriegäzuge in Gefangenfchaft geratben, und fein Gollege Kranich offenbar längere oder Öftere Zeit ebenfalls abwefend. Dadurch warb eine vierzehnwöchentliche Stellvertretung Beiber nötbig, für welche man Jacob Klobelauch den Jungen und Johann Virneburg wählte. Der 7. Zanuar fiel in bie Zeit biefer Stellvertretung, unb am 11. Februar fand biefelbe Ion nicht mehr Statt. Da nun unter bem 10. Oktober 1390 bie lebte an Lentzel gemachte Zahlung ver- zeichnet ift, fo muß jene Stellvertretung in bie Zeit von Ende Dftober bis Anfang Februar fallen. An Kranich find zwar in diefem Zeitraum (im November, December und Januar) Zahlungen gemadt worben; biefe wurben ihm aber entweber nach außen bin zugefchidt, da fonft Feine vierzehnwöchentliche Vertretung für ihn mit hätte Statt finden Fünnen, ober ex blieb in biefer Zeit im Amte, und man feste ibm aus irgend einem Grunde zwei Stellvertreter feines GCollegen zur Seite. Lersſner gibt irrthümlich die beiben Bürgermeifter des vorhergehenden Jahres als bie von 1890 an. Ich mache zum Schluffe noch auf folgendes aufmerffam. Jelil Lentzel war zwiſchen Ende Oftober 1890 und Anfang Februar 1391 eine Zeitlang in Sefangenfchaft, und zwar wahrjcheinlich vierzehn Wochen lang. Diefe Angabe bes Mechenbuches bat Römer (Arhiv für Frankfurt's Geſch. und Kunſt, neue Folge, L S. 187) fo verflanden, als wenn damit Jekil Lentzel's Gefangennehmung nad ber Schlacht bei Gronenberg gemeint fei: was unmöglich if, da ja biefe Schlacht im Frühling 1889, nicht 1890 Statt fand. Auch Römer’s Be merkung (ebendaf. S. 185), daß Sefil Lentzel als Älterer Bürger: meifter ben Befehl über bie zur Schlacht bei Eronenberg ausziehenben Zünfte geführt habe, ift nicht richtig, weil damals Lentzel nicht

VO. urtundliches Verzeichniß der Frankfurter Bürgermeifter von 1811-1428. 225

1389: Jacob Weybe und Jacob von Bomerjbeim.

Nach den erwähnten Rubrifen des Rechenbuches und, in Betreff Jacob Weybe’3, auch nach dem Bürgerbuch, in welchem biefer im Februar und April 1890 Bürgermeifter genannt wird. Das Lersner’fche Verzeichnig gibt gar Teinen Bürgermeifler an. Römer: Büchner irrt, wenn er in dem Archiv für Frankfurt’ Gefchichte und Kunft, neue Folge, Bd. I. ©. 185, fagt, vom 1. Mai 1889 an bis dahin 1890 feien Jeckel Lenkel und Johann Kranich Bürger: meifter geweſen: ein Irrthum, welcher um fo auffallender iſt, ba er mit der richtigen Angabe bes von Römer zuerft veröffentlichten beften aller bisherigen Bürgermeifter s Verzeichniffes im Wiberfpruch ſteht. Die Stelle bed Rechenbuches von 1890, welde Römer onführt, bezieht fi nicht auf das Jahr 1889/90, fonbern auf bag Sabre 1890,91. Ebenfo iſt die andere Angabe Römer’s, daß Jacob Weybe und Jacob Bomersheim vom 1. Mai 1388 bis dahin 1889 Bürgermeifter gewefen feien, nicht richtig. Dies Fönnten ſchon bie von Römer mitgetdeilten Urkunden beweifen, in deren einer, vom 27. Mai 1889 batirt, Jacob Weybe „zu bieß zyt burgermeifter” genannt wird, und nach deren anberen Jacob Weibe unb Jacob von Bomersheim ald Bürgermeifter unter ben Perſonen waren, welche Ende Auguft ben bei Eronenberg in Gefangenfchaft Gerathenen den Eid abnahmen. Weber bie wahrjcheinliche Veranlaſſung zu ber Ver⸗ wechfelung ber Bürgermeifter von 1889 mit benen von 1390, welche auch bei Lersner vorkommt, fiehe die folgende Anmerkung.

1390: Jekil Lentel und Johann Kranich. Als Stellvertreter: 1. im Mpril ober Mai, ala beide Bürgermeifter von ber Stadt wegen einige Zeit augwärtd waren, Sell Herdan; | 2. Conrad Wiße im Juni, Juli oder Auguft für ben erfranften Johann Kranih; 3. Jakob Klobelauch der JInnge und Johann Virneburg 14 Wochen lang (inner: halb der Zeit zwilchen Ende Oktober 1390 bis Anfang Februar 1391) für Jekil Lengel, welcher nach dem 11. Oktober in Gefangenfchaft gerathen war, oder auch für ihn und ven damals vielleicht oͤfters oder Tängere Zeit abweienden Johann Kranich.

Das Rechenbuch von 1890 enthält drei Bürgermeiſter⸗Ausgaben⸗ Rubriken nad einander mit folgenden Weberfchriften: 1. Ußgebin Jekiln Lengeln in fin burgermeifter ampt; 2. Ußgebin Johann Kranich in fin burgermeifter ampt; 8. Ußgebin Conr. Wiße in daz burgermeifter ampt, als er Johann Kranich verwefen bat, dba er fie waz in der erſten vechenunge (b. 5. in irgend einer Zeit von April bis Ende September, welches ber Zeitraum für die erfte

Krieg, Frankſ. Bürgerzioifte. 15

228 VII. Urkundliches Verzeichniß ber Frankfurter Bürgermeifter von 1811-— 1428.

vorhanden if. Dagegen finden fi in vier Urkunden von 1895 bie Namen von Bürgermeiftern biefes Jahres angegeben. Es find erſtens zwei gegen ben Frankfurter Rath ausgeſprochene Ercommunicationen des Mainzer Erzbifofs vom 1. Juli und 4. Auguft 1895 (Würdt- wein, Subsid. diplom. II. p. 405 417), bie beglaubigte Ab⸗ fhrift einer vom Rath ausgeflellten Vollmacht (Stadt s Archiv, Ugfb. 71) und ein in Römer’s Stadtverfaſſung, S. 40, aus: zugsweiſe mitgetheilted Notariat = Anftrument bed Stabt : Ardhins vom 25. Zuli 1395. In biefen.. Urkunden beißen bie damaligen Bürgermeifter (Magistri civium) Rulmann (Rulo), Wyſſe (Wyze) und Johann zu Eſchebach, fonft Firnburg genannt. Diefe müffen alfo, wenigftens im Sommer 1895, Bürgermeifter gewefen fein. Nun enthält aber daB Rechenbuch von 1896 unter den 4. November 1396 folgenden Poften: „XIII Pfd. XIII Sch. Ban wir gegebin Conr. Wiße und han yme dba mybde von oryn virteil iaren bekalt, als er burgermeifter geweſt ift, uff XII elen duches, als wir yme gelaffin Kan, bie ym uberblyben, ba er und Hein. von Holtzhuß felig fin gefelle die biener cleibten.” Zum Verſtändniß biefer Stelle iſt zu bemerken, daß bie Velleidbung der Diener durch bie Bürger: meifter beforgt gu werben pflegte, ſowie daß Heinrih von Holtzhuß bereit3 im Juni nicht mehr lebte. Welche Dauer bie Amtözeit eines jeden biefer brei oder vier Bürgermeifter (benn ber Ausdruck Geſelle bebeutet in der angeführten Stelle vielleicht nit jo viel als Mit- Bürgermeifter) hatte, ift nicht zu ermitteln. Lersner gibt Heinrich von Holghaufen und Johann von Firneberg ober Vernberg als Bürgermeifter an.

1396: Heinrih Wiße zum Rebftod, Peder von -Bomerjheim

und während eines halben Jahrs Johann Ernit.

Das Rechenbuch von 1896 enthält eine Bürgermeifter-Ausgaben- Rubrik für ben Erſten ber Genannten (mit zwei Poſten vom 21. Mai und 11. Juni), fowie eine andere für ben Zweiten (mit Poſten in allen Monaten außer bem yebruar), und nad bem Rechenbuch von 1897 erhielt im Juni dieſes Jahres jeder von Beiden 25 Gulden, „als er ein jar burgermeifter geweſt iſt.“ Beide waren alfo während bed ganzen Jahres 1396/97 Bürgermeifter. In ben zuleßt angeführten Rechenbuch befindet ſich aber auch eines Theil unter bem 14. Juli ein Poflen von 12%, Gulden mit ben Worten verzeichnet: Johann Ernft, als er ein halb iar burgermeifter geweit iſt“, und anberes Theile heißt es acht Tage fpäter, es ſei eine Summe Gelb für Kleidungen der Richter, Bortener u. f. w. ausgezahlt worben, „als Heinrich Wiße zum Nebeftode, Peder von Bomerfheim und Johann Ernſt, als bie burgermeifter geweft fin, uggegebin han.’ Es ergibt fich hieraus Folgenbes: Die beiden zuerft Benannten wurden im Frühling 1896 zu Bürgermeiftern gewählt

VII. Urkundliches Berzeichniß der Frankfurter Bfirgermeifter von 18111428. 229

unb bfieben e8 bis zum Frühling 1897; in ber Mitte ihres Amts: jahres ermwählte inan aber in ber Perfon Johann Ernfl’3 noch einen britten Bülrgermeifter für ben Reſt diefes Jahres, wie denn überhaupt von 1397 an eine Reihe von Jahren hindurch faft immer brei Bürgermeifter zugleich waren (f. oben S. 99). Lersner gibt für 1896 nur Einen Bilrgermeifter an, nämlich Heinrih Weiß v. 2,

1397: Jakob Herdan, Herman Burggrave und Diele Mon:

thabur. Das Rechenbuch von 1397 enthält brei Bürgermeifter-Ausgaben- Nubrifen nach einander, jede für einen ber oben Genannten. Die zwei erfien biefer Rubriken enthalten gar feine Poſten, die lebte dagegen fehr viele, welche alle Monate bed Amtzjahres umfafien. Gerade der Umftand, daß auch für Herban und Burggrave befonbere Rubriken gemacht find, obgleich beide Feine Zahlungen empfingen, beweift, baß Teiner von ihnen blos Stellvertreter war. Die Zahlungen wurben, was auch fpäter mehrmals vorfommt, nur an unb durch Einen der drei Bürgermeifter gemacht. Lers ner nennt drei Bürger: meifter, aber nicht die insgeſammt wirklichen, ſondern Gerbrecht von Slauburg, Conrad Weiß (v. 2.) und Thiel Montabor.

1898: Conrad Wiß und Wigel Widenbufh und wahrjcheinlich noh ber Schöff Gerbrecht von Slauburg als älterer Bürgermeifter. |

Für die beiden Exfteren hat dag Rechenbuch von 1898 Bürgermeifter: Ausgaben: Rubriken. Wahrfcheinlich gab es aber noch einen britten Bürgermeifter, für welchen man nur feine befondere Ausgaben: Rubrik machte, was auch im folgenden Jahr vorfommt; denn eg it jehr befrembend, daß von 1896 an bis zum Sabre 1408 in allen Jahren außer 1398 drei Bilrgermeifter waren. Wahrfcheinlich gehört ber im Römer’fchen Verzeichniffe bei 1898 genannte Gerbrecht von Slauburg, welchen bie übrigen Verzeichniſſe in das vorhergehende Jahr fegen, als Dritter in das Jahr 1398, zumal ba weder Konrad Wyß, noch Wigel Widenbufh, wohl aber Gerb. von Glauburg Schöff war, und in jenen Zeiten immer einer ber Bürgermeifter aus ben Schöffen genommen wurde. Lersner gibt Erwin Hartrad und Hermann zum Burggrav.

1399: Johann von Holtzhuß, Heinge Herdan und Soft von Aldenftad, ſowie eine Zeitlang (offenbar ala Stellver: treter Herdan's) Johann Erwin.

Nur für Herdan und Aldenftad bat bad Rechenbuch von 1399 befonbere Bürgermeifter-Auggaben-Rubriten. Dagegen wirb aber an einer anderen Stelle desſelben gefagt, „Joh. von Holtzhuß, Heinge Herdan und Soft von Aldinſtad die burgermeifter‘ Hätten bie Be: kleidung der Diener beforgt, und im Nechenbuch bes folgenden Jahres

230 VII urtundliches Verzeichniß ber Frankfurter Bürgermeißler von 18111428.

erhalten Joh. von Holtzhuſen unb Joſt von Wlbenftab je 25 Gulben, „als fie ein iar burgermeifter geweſt fin“. Für Heine Herdan, ber übrigens in allen Dronaten des Amtsjahres, außer bem Auguft, Geptanber und Oftober, als Bürgermeifter Zahlungen empfängt, findet fi unerflärlicder Weile biefe Ausgabe nit. Außer ben genannten Dreien erwähnt bas Medjenbud von 1899 noch eines Bürgermeiflers Johann Erwin am 8. November mit folgenben Worten: 8 Pfb. 3 HU. dem burgermeifter Job. Erwin und Henne zu Hanauwe, als fie mit cblichen der fiete bienern zu Bonemeß verkert Ban”. Er war alfo offenbar im Auguf, September unb Oktober ober in einem Theile dieſer Zeit Stellvertreter für Herban. In biefem Jahre iſt endlich einmal bie Angabe Leräner’s richtig. 1400: Arnold zu Lichtenftein, Heinrich Wiße geſeſſin zun Wißen und Ruprecht Biße.

Im Rechenbuch dieſes Jahres heißt e8 am 1. Auguft, bie Be Melbung ber Diener hätten beforgt „Arnold zu Lichtenflein, Heinrich Wihße gefeffin zun Wien und Ruprecht Biße burgermeiſter“, unb im Rechenbuch von 1406 findet ſich unter dem 21. Mai folgende Stelle: „1 groß dan wir Heinrich Wiflen nachgeben, als er uns berechent hatte, ala er ekliche zyt in ſyme burgermeifter ampt, als er mit Arnolde zu Lichtenflein und Ruprecht Biffen im 1400ten iare burgermeifter geweft waz, bie bobenlone uzgegeben hatte.’ Beſondere Bürgermeifter = Ausgaben - Rubriken finden fi nur für Wiße und Biße, die übliche Zahlung ber 25 Bulden aber ift für feinen von allen dreien verzeichnet. Lersner fagt: Arnold zum Lichtenflein, Ruprecht Wiß von Limpurg und Henri Wis zum Wellen. Cr hält alfo den Bürgermeifler Rupr. Biße, welcher ein Metzger war, für ein Mitglied einer der fogenannten Patricier - Familien; allein Biße, nicht Wiß, wird ber betreffende Mann im Stabt: Rechenbuche nicht einmal, ſondern fehr oft genannt (fogar ſchon in früheren Jahrgängen, wie 3. B. 1892 bei den Ausgaben für bie Reife vor Habflein). Nur ift die Schreibung bald Bifſe, bald Biße, bald Byße.

1401: Idel Drutman, Brand Klobelauch und Johann Erwin.

Für jeden biefer Drei bat das Rechenbuch bieſes Jahres eine Ausgaben-Rubrit „in fin burgermeifter ampt“, fowie basfelbe durch alle Drei bie Bekleidung ber Diener beforgen läßt, unb fie babei Bürgermeifter nennt. Auch verzeichnet das Nechenbud von 1402

- für alle Drei eine Zahlung von 25 Gulden mit bem Zufabe: „als fie ein iar burgermeifter fin geweſt.“ Lersner gibt alle Drei richtig an.

1402; Erwin Hartrad, Johann zum Ebir und Hans Sidenftider.

Bon biefem Jahre an bis 1407 ind. enthalten bie Mechenbücher immer mr Eine Bürgermeifter- Ausgaben- Rubrif, unb zwar immer

VIEL. Urkundliches Verzeichniß der Fraukfurter Bürgermeifter von 18111428. 231

nur für Eimen ber drei Bürgermeifter. Die Drei dieſes Jahres werben im Rechenbuch von 1402 in Betreff ber Bekleidung ber Diener erwähnt und babei Bürgermeifter genannt. Außerdem erhalten bie: felben im Rechenbuch von 1408 je 25 Gulden, „als fie ein tar burgermeifte geweft fin”. Lersner macht bie richtige Angabe.

1403: Johann Wie, Johann von Ergerſheim und Bechtolb

Heller.

Sie werben im Rechenbuch von 1408 bei der Belleibung ber Diener als Bürgermeifter angeführt. Nach dem Rechenbuch von 1404 erhielten zwar nur Wie und Heller die befannten 25 Gulden; dagegen ift aber Ergerfheim derjenige, beifen Namen bei ber Bürgermeifter- Ausgaben Rubrik genannt wird. Das Lers ner'ſche Verzeichniß gibt nur Koh. von Ergerfheim und Bechtold Heller an.

1404: Heinrich Wiße zum Rebeftod, Heinrih Herdan und

Conrad Smybt von Geilnhuß.

Die Nechenbücher von 1404 unb 1405 führen fie bei ber Be Heibung ber Diener und bei der Auszablung der 25 Gulden als Bürgermeifter an. Auch beißt es an einer Stelle bes Rechenbuches von 1404, drei Gulben feiern „ben brien burgermeiftern‘ zu einem gewiffen Zwece ausgezahlt worben. Leräner gibt nur Einen Bürger meifter, Johann Weiß von Lympurg.

1405: Hermann Burggrape, Henrich Wiße geſeſſin zun

Wyſſen und Elefe Winther.

Sie werben in ben Rechenbüchern bei ber Belleibung ber Diener und bei der Auszahlung der 25 Gulden bie Bürgermeifter genannt. An einer Stelle des Rechenbuches von 1405 mwirb von einer Abrech⸗ nung gefagt, es Hätten berfelben auch „die dry burgermeifter‘' beigewohnt. Lersſsner's Angabe iſt diesmal richtig.

1406: Gerbrecht von Slauburg, Conrad Wyß und Diele Mons

thabur. no

Die Rechenbücher führen alle drei bei ber in ber vorhergehenden Anmerkung erwähnten zwiefachen Gelegenheit als Bürgermeifter an. Nichtig iſt Lersner's Angabe.

1407: Brand Klobelauch, Eonrad zum Gerunge und Wigel

Widenbuſch.

Sie werben im Rechenbuch wieder, wie bie vorhergehenden, bei ber Befleidung ber Diener unb bei ber Auszahlung ber 25 Gulden als Blrgermelfter angeführt, das zweite Dial mit ben Worten: „als fie diß iar burgermeifter geweh fin.’ Leräner’s Angabe ift richtig, außer daß er Weigand ftatt Wigel jchreibt.

232 VII urtundliches Bergeiäieif ber Franffurter Ofrgermeißer von 18111498.

1408: el Drutmann und Johann von Wißel und vielleicht al? Stellvertreter des Erfteren im März Johann von Winfperger.

Für Beide findet fi im Rechenbuch eine Bürgermeißter-Ausgaben- Rubrik, und Beide erhalten 1409 je 25 Gulden, „zu Ion als fie big vergangen tar burgermeifte geweit fin.” Bon jebt an gab es toleber immer nur zwei Bürgermeiſter, weil bie 1890 vorgenommene Berfiärfung des Rathes um 21 Mitglieder, mit welcher die Dreifachheit bes Bürgermeifleramtes zufammenbing, im Mai 1408 wieber abge: ſchafft wurde. Lersner bat irrihümlich Eitel Trutmann und Johann zum Winfperger. In einem Fascikel bes Stabt-Archivs (Myglb. E. 25. Nr. 15) findet fich auch Johann von Winfperger als Bürger: meifter erwähnt. Diefer Fascilel enthält Eopien von Urkunden, u. A. von einem vor ber Burg Nöbdelheim am 18. März 1409 abge: faßten Notariats - Inftrument, nah welchem au biefem Tage „ber erfame Johan zu Winfperger burgermeifter zu Frankfurt” Namens bes „Rades und gemeynen Stebe Franckfurt“ ben Portener jener Buug verpflichtete, und biefer ‚in bie bant bes burgermeifterß globete und eyn geftaltin eid mit uff gerechten fingern fwor.” Da das Rechenbuch Auszahlungen an Wißel in allen Monaten, auch im März, foldhe an Drutmann aber nur im April 1409 verzeichnet bat, fo if Weinsberg wahrjcheinli Stellvertreter bes Lebteren geweſen. Doch muß man wohl beachten, baß bie Sache nicht auf einer wirklichen Urkunde, ſondern blos auf einer Copie berubt.

1409: Jacob Lenung und Johann von Ergerfheim.

Nah dem Rechenbuch beforgten Beide als Bürgermeifter bie Kleidung ber Diener. ine Bürgermeifter- Außgaben-Rubrif ift nur für ben Lebteren gemacht; aber in berfelben werben einmal „bie beiben Bürgermeifter” erwähnt. Leräner fchreibt: Leinung, alias Lened. Im Rechenbuch, wo ber Namen nur einmal vorlommt, ſteht: Lenung.

1410: Albredt Rotzmul und Jekil Brun.

Fortan kommt Im Rechenbuch immer nur einer ber Bürgermeifter mit einer befonberen Ausgaben-Rubrit vor. Dagegen werben Immer Beide angeführt als diejenigen, welche je 25 Gulden ala Vürger: meifter erhalten haben. Wir werben bies bei ben Bürgermeiftern ber nächftfolgenben Jahren nicht anders, als durch bas Wort Nechenbuch anzeigen. Lersner feht zum Namen Brun: „zum Braunfelß.“ Auch fchreibt er: Ratzmaul.

1411: Rudolff zu Humbrecht und Brand Klobelaud.

Rechenbuch von 1412. Das Lersner’fhe Verzeichniß Hat färfchlich: Herman zum Burggräff unb Heinrich Wei zum Wedel.

VIL Urkundliches Berpeiiärifi ber Frankfurter Bärgermeifter von 18111428. 235

1412;

1413;

1414

1415

1416

1417

1418

1419

1420:

Johann von Ergerjheim und Johann Balmftorffer. Rechenbücher von 1412 unb 1418. Leräner gibt Beide in umgelehrter Folge.

Johann Wyße und Johann von Breidinbach.

Rechenbücher von 1413 und 1414. Lersner ſetzt dem Namen Wyße (von ihm Weiß geſchrieben) ‚noch „von Limburg“ bei, und läßt das „von“ bei Breidenbach aus.

Heinrich Goltſtein und Johann zum Eber.

Rechenbücher von 1414 und 1416. Dad Lers ner'ſche Ber: zeichniß iſt in dieſem Jahre richtig.

Jacob Brun und Heinrich Wiß zum Widel.

Rechenbücher von 1415 und 1416. Lersner ſetzt wieber „zum Braunfeli” dem Namen Brun bei. Albrecht Rotzmul und Johann von Holtzhus der Junge. Mechenbücdher von 1416 und 1417. Lers ner ebenfo.

Conrad Wyße und Brand Knobelaud.

Rechenbücher von 1417 und 1418. Lers ner ebenfo.

Johann Egftad (fo im Nechenbuch, offenbar verjchrieben für Doftad oder Deftad) und Herte Glauburg (einmal Herte von Slauburg gefchrieben).

Rechenbücher von 1418 und 1419. Lers ner ebenfo.

Walther Swartzinberger und Clas Appinheimer, fowie während eines Vierteljahres als Stellvertreter des Eriteren Johann Palmftorffer.

Rechenbücher von 1419 und 1420. Das Rechenbuch von 1420 enthält Sabb. poft Walpurgä bie Auszahlung von je 25 Gulden an Swartzinberger und Appinheimer, „als fie bi virgangen tar burgermeifter geweſt fin”; es enthält aber unter benfelben Datum auch eine Zahlung von 6 Gulden an Johann Palmſtorffer mit ber Bemerkung: „als er an Walther Swarbenbergers ſtad ein vierteil iares burgermeifter waz, als man in gein Preßla zu unferm berrn dem konige gefchidt Hatte.” Lersner bat fälſchlich Johann Palm⸗ flörffer und Claus Appenbeimer.

Eberhard im Steynhufe und Johann von Glauburg. Nechenbücher von 1420 und 1421. Lersner ebenfo.

1421: Johann von Holtzhuß und Heilman Schiltknecht.

Nechenbücher von 1421 und 1422. Lersner falſch: Johann von Glauburg und Heilman Schildknecht.

234 VII. Uchmbliches Berzeichniß ber Zraukfurter Bürgermeifter vom 1811-1428.

1432: Heinrich Goltſtein und Herte Wyße.

Nechenbücher von 1422 umb 1428. Lersner ebenfo, außer daß er bem Namen Wyße noch „zum Krauch“ beifügt.

1423: Jacob Stralnderger und Johann Brun.

Mechenblicger von 1428 und 1424. Leraner bat fälſchlich: Johann Weiß zum Rebflod und Sohaun Brun zum Brunfelß.

VM. YJeaukfurt’s nächte Umgebung tm Mittelalter. 235

VII. Frankfurt's nächſte Umgebung im Mittelalter.

Wenn man die älteſte bildliche Darſtellung des Inneren der Stadt Frankfurt und ihrer Umgebung, ven Belagerungs-Grundriß von 1552 7), betrachtet, gewinnt man eine beutliche Vorftellung von dem Ausſehen, welches dieſe Stadt und ihre Umgebung vor 300 Jahren hatten. Man wird bei diefer Betrachtung einen großen Unterſchied zwilchen damals und jet gewahren. Nur in ber jogenannten Alt ftabt, d. h. innerhalb des verhältnigmäßig kleinen Raumes, ber fich von der Brüde bis zum Ende der Heinen Mainzer Gaffe und auf ben übrigen Seiten bis zum Frohnhofe, zur Judengaſſe, zu dem Baugraben, dem Holzgraben und den beiden Hirjchgräben erjtreckt, wird man mit wenigen Ausnahmen die noch jetzt vorhandenen Plaͤtze und Straßen, ja in ben Lebteren meiſtens fogar bie jebigen Häuſer⸗ Iinien finden. Die übrigen Stabttheile dagegen haben feit 1552 eine jehr große Veränderung erlitten.

Diefelbe auffallende, ja fogar noch eine bebeutenbere Veränderung zeigt fi) in der Stadigemarkung viesfeit wie jenfeit des Main. Anftatt der vielen Häufer, welche, 1000 bis 2000 Wohnungen ent baltend, jegt in ber Gemarkung ftehen, gewahrt man von Gebäulich- keiten außer 3 bis 4 einzelnen Häufern nur etwa fieben Höfe diesſeits,

!) Francofordiae ac emporii Germaniae celeberrimi effigatio, qualis quidem tum cernebatur, quum tempore Gallicae Confoederationis gravi obsi- dione premeretur. Bon biefem 1552 erfchienenen Grunbrifie bat &. Kruthoffer in Frankfurt 1861 einen neuen, nad ben Orlginal: Blaiten gemachten Abbrud veröffentlicht.

256 VIIL Franffurt's mädzfe Umgebung im Mitielakter.

fowie Einen Hof, die St. Wenbeld-Kapelle und bie Deutfchherren- Mühle jenſeits. Ebenſo gering tft die Zahl ver Gärten. Dagegen überrajcht und in beiden Haupttheilen der Gemarkung die Menge ber Weingärten. Der Weinbau war nämlih noch im 16. Jahr⸗ bunbert weit bedeutender, als jetzt. Es finden fich deshalb auf jenem Grundriffe Weingärten auch an folchen Stellen, an welchen jcht feine mehr zu fehen find, wie 3. B. auf dem Galgenfelde nach bem Main Hin und unmittelbar vor dem Bockenheimer Thor. In ver Sachſenhäuſer Gemarkung erſtreckte fich der Weinbau auf ber füb- lichen unb weftlichen Seite bis faft zum Stabtgraben ſelbſt.

Gehen wir nun noch mehrere hundert Jahre weiter zurüd, fo erjcheint der Unterſchied zwifchen der damaligen und jebigen Stadt⸗ gemarkung noch bebeutender. Es dürfte deshalb intereflant und belehrend fein, den Bli auf die mittelalterliche Bejchaffenheit von Frankfurt's Umgebung zu lenken und, vermittelft ber in älteren Urkunden zerftreuten Angaben, ein Bild ber damaligen Stabt- gemarkung zu entwerfen. Diejer Verſuch wird in der nachfolgenden Darftelung gemacht. |

In den früheften Zeiten des Mittelalterd war bie Umgegend Frankfurt's, werige Streden außgenommen, mit Wäldern bedeckt, und bedeutende Ueberreſte derſelben erhielten fich nachher noch Jahr⸗ hunderte lang. Diezfeit. des Main reichte der Wald noch im Anfange bes breizehnten Jahrhunderts ſowohl won Bornheim, ala von ber Nidda her, bis an die Stadt; jenſeits erſtreckte fich fogar noch andert- halbhundert Jahre fpäter der jetzige Stadtwald, welcher urfprünglich altenthalben bis zum Main reichte, über ben ganzen Mühlberg, Sachſenhäuſer Berg und Lercheäberg Hin bis zum Fuße dieſer Anböhen. Im Jahre 1251 nennt ein Gnabenbrief des Königs Konrad IV. die Lindan, unter melden Namen man damals ben ganzen Raum zwiſchen ber jebigen Bockenheimer und Efcheräheimer Landftraße begriff, einen dem Reiche gehörenden Wald, und man erfieht aus diefer Urkunde, daß die Lindau erft kurz vorher auszu⸗ roden begonnen worben war?). Dasfelbe Hatte ungefähr zu gleicher Zeit mit dem fogenannten Niederhol; (silva inferior) Statt

ı) Böhmer, p. 88. Der König nennt biefen Wald resecata silva nostra Lindach prope Frankenfurt.

VM. Frankfurts nächte Umgebung im Mittelalter. 237

gefunden, d. h. mit einen Walde, der fich weiter weftlich von dem Nidda⸗Fluſſe bis zur Stadt Frankfurt eritredite, und von welchem dieſer Strich nachher noch lange Zeit den Namen bed Niederholzes führte (j. Anm. 126). Zwiſchen Bornheim und Frankfurt war noh am Ende des Mittelalter ein bis nahe zur Stabt reichender Wald, welcher dad Bornheimer Holz hieß und erft 1522 in Aderland und Wiefen umgewandelt worden fein fol. Die be Sachſenhauſen befindlichen Anhöhen waren bis zum Ende des vier: zehnten Jahrhundert? mit einem, aus Gebüfch und zerftreuten Bäumen beftehenden Walde bedeckt. Diefe Anhöhen wurden 1376 der Stat Frankfurt vom Kaifer gefchentt, und 1389 begann man, den Wald auszuroden, den Boden in einzelne Grundftüde abzutheilen und biefe, zum Behuf der Anlegung von Weingärten, theils zu verkaufen, theils in Pacht zu geben. Man nannte bamalz die neue Ermwerbung ben neuen Berg, welcher Namen erſt päter mit ber Benennung Sachſenhaͤuſer Berg vertaufcht worden iſt ). Noch im Jahre 1411 wurden die Inorrigen Bäume verkauft, welche bei der Anlegung ber dortigen Weingärten ftehen geblieben waren, und noch 1409 war die Gegend Hinter ber Deutfchherren- Mühle mit Holzgeſtrüppe bedeckt (j. Anm. 127).

Wie an Wäldern, fo war auh an Sümpfen und ftehenden Waffern die Stabtgemarfung im Metttelalter ſehr reich. Dieſelben befanden fich beſonders da, wo noch jebt ihre Meberrefte fichtbar find, nämlich am Fuße des Möderberges umd in ber Niebenau, fie waren aber früher waflerreicher und ausgedehnter. Der an ber erfteren Stelle befindliche Nieder Bruch, früher auch theilweiſe ver Koͤnigs⸗ bruch genannt ?), Hing und hängt noch mit ber feuchten Nieberung zufammen, die ſich nach Seckbach hin zieht. Er war im Mittelalter waflerreicher, ala jebt, und fein Abflug ging zum Theil in ben tiefen und breiten Graben, welcher die Stadt umfloß, ſowie aus dieſem in einen die Stadt durchziehenden Graben. In der Nievenau befand fich fogar ein kleiner See, der Ruften- over Roſtenſee genannt, welcher einen Abflug zum Main Hatte. Diefer war jehr fiſchreich; denn es findet fih oft angegeben, daß er zum Behufe dei

7) S. oben S. 111 fig. Noch 1479 kommt in einer Urkunde ber Karmeliter

der Name des „nuwen berges“ vor. ) &. Prwilegienbuch, S. 847.

238 VL Frankſfurt's näcdke Umgebung im Mittelalter.

Fiſchens verpachtet wurde, ober daß der Rath in ihm fifchen ließ, um aus ihm Die Stadigräben aufs neue wit Fiſchen zu verfehen !). Seine Lage entſprach der ber jetzigen Zimmerwieſe. Auf dem Grundriſſe von 1552 iſt diefer Sce nicht deutlich zu erkennen, obgleih er damals noch vorhanden war. Im Jahre 1540 ließ der Rath an ihm eine gemeine Weide anlegen?). Anderthalb Jahrhunderte ſpäter aber (1698) verfchwand der See, indem ein Bierbrauer, welcher ihn gekauft hatte, ihn mit dem Straßentehricht ausfüllen und in eine Wiefe umwandeln lieg”). Auch bei Sachſenhauſen gab ed, im Süden und Often bed Orte, Sümpfe und Teiche, welche zum Theil noch auf dem Grundriſſe von 1552 zu feben find. Die bebeutendfte dortige Waſſerſtrecke führte ven Namen des laugen Bruches. Ste war im Dlittelalter eingebäumt und muß, ba fie oͤfters verpachtet wurde, ebenfalla Fiſche enthalten haben. Im Sabre 1377 wurde je mit einer Mauer eingefaßt.

Die Benutzung des Bodens um Frankfurt und Sachlenhaufen herum entſprach dem Umſtande, daß im Mittelalter die Bürger nicht blos Handel und Handwerke, fondern auch Aderbau, Viehzucht uud einbau trieben. Der Boden der Gemarkung beitand baher aus Aeckern, Wiejen oder Weiden und Weingärten. Eigentlihe Gärten gab ed 1552, wie der mehrerwähnte Grundriß zeigt, nicht viele vor ber Stadt, um jo mehr dagegen in ber bie Aititabt umgebenden Neu⸗ ftabt, deren Boden zur Hälfte von Gärten und Hofräumen einge nommen war. Bor ber Zeit ber Entſtehung der Neuftabt gab es offenbar mehr Gärten in der Gemarkung, und auch als die Stabi erweitert worden war, legte man fowohl diesſeits, als jenfeit? wieder neue Gärten in ver Gemarkung an).

1) Die jährliche Pachtſumme betrug, nad den Stadt: Nechenbüchern, 1378 29 Pfb., 1882 10 Mark, 1408 und 1409 11 und 1410 10 Gulden. Auch eines befonberen Mannes, welcher „des Roſtenſeees wartet” und bafür jährlih 2 Pfund erhielt, wird gedacht.

7) In einem Buche bes Biebfrauenftiftes, welches bie Güter desſelben beſchreibt (Nr. 25 a ber Bücher besfelben im Stadt-Archiv), bat S. 182 ber Dechant 1550 die Notiz eingetragen: er habe zwei auf ben Ruſten-See floßende Aecker 1540 bem Frankfurter Rathe gegen Entſchädigung abtreten muͤſſen, als derſelbe „die gemeyn weit by dem Roſten See gemacht bat’.

8) Lersner, IL. 1, ©. 26.

*) So kommt 3. 8. 1800 em Garten am Schwarzbermanns : Born, fowie

VOI. Yrankfurt’s nächfle Umgebung im Mitielalter. '239

Mm der Gemarkung lagen viele Höfe Sie waren früher, wovon man bet manchen, beſonders beim Kühhornd- und beim großen Kettenhofe, noch jet ſehr deutliche Spuren fieht, mit Mauern und breiten Gräben umgeben und mit Zugbrücken verfehen; benn einer felhen burgartigen Einrichtung bedurften fie in jenen Seiten ber Raubluft und Linficherheit durchaus. Im Mittelalter waren biefe Höfe, foweit man fie kennt, folgende: L Diesſeit des Main: ber Rebſtock, welcher im Mittelalter der Familie Froſch gehörte; ber am Wolfenfee gelegene Birnburger Hof (jebt Hellerhof); das fogenannte Haus zu Niedenau oder die Eidenau (am Raftenfee) (j. Anm. 128); der große umd ber dabei gelegene Fleine Kötenhof (von ihren früheren Befigern, der Familie Koten oder Koͤten, fo genannt, woraus der jeßige Namen Kettenhof emtitanden ift); bie grüne Burg, wahrjcheinlich iventifch mit dem an ver Bockenheimer Grenze gelegenen Hofe der Familie Glauburg!); die Dede ober Holzhäuſer Dede; die Lleine oder Stalburger Dede; ver Knoblauchs-Hof, nachher Kühhorns-, fowie Bertrams⸗ und Rohrbacher⸗Hof genannt (welche Benennungen indgefammt von ven biefen Hof beſitzenden Familien herrühten); ver Wilhelms Hof an der Friedberger Lanbfiraße?); die Guͤnters-Burg, welde im Mittelalter die Dijenau (Ochfenau), fowie nachher die Born- burg hieß, nach einander den Familien Weiß, Gärtner und Slau- burg gehörte, und ihren jeßigen Namen von einem fpäteren Beſitzer erhalten hat; ber große und ber Fleine Nieder Hof, von weldden ber erftere einer ber Alteften und größten Krankfurter Höfe war, im wierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert eine Kapelle, fowie einen bejonderen Kaplan hatte, und um bie Mitte dieſer Zeit der Familie Froſch gehörte. IL. Senfelt des Main: der (in der Oberräber

einer an ber Pfingfiweibe vor, 1850 einer vor ber Rieder (Allerheiligen:) Pforte. In einer einzigen Urkunde ber Frankfurter Deutfchherren von 1406 werben folgenbe Gärten erwähnt: einer nach dem Bornheimer Holze bin, einer mit einem Haufe am Rieder Berge, zwei ebenfalls mit Häuſern beim Klobelauchs⸗Hofe, einer auf dem Bornheimer Wege und einer gegenüber ber St. Wenbels = Kapelle.

1) Fichard Hält Beide für zwei verfchlebene Höfe.

6. Unmer. 181 und folgende Stelle eines Kaufbriefes von 1857 in den Copialbuche bes Liebfrauftiftes Nr. 24, S. 809, in welder eine Gulte fo beſchrieben wird: sita in nova eivitate Franckinfurden. in platea scilicet ante Frediberger porten super curia dieta der Wilheimhoiff.

240 VIEL Franturr3 nähe Umgebung im Wittelniter.

Gemarkung gelegene) Wafferhof, gegen das Ende des Mittelalters nach einer Frankfurter Familie der Stralenberger Hof genamıt; der an der. Dftfeite Sachſenhauſen's gelegene Slauburger over Pithans-Hof; der Riedhof; der Sandhof. Der nicht nut auf- gezählte Gutleuthof war kein Hof in dem bier genommenen Sinne des Wortes, fondern ein für Ausſaͤtzige beſtimmtes Hoſpital.

Auch Wohnhäufer gab es in der Gemarkung. Namentlich fcheinen vor ber eigentlichen Stabterweiterung von 1333, burch welde ein jehr großer Raum der Gemarkung zu ber Stabt binzugezogen ward, viele Häufer in ver Lebteren gejtanben zu haben. Dies läßt fih aus dem Umſtande fchließen, daß in Folge des ftetö zunehmenden Wohlftandes der Stadt, jowie wegen ber vielen fogenannten Pfahl Bürger, welche in Frankfurt Aufnahme fanden, die Einwohnerzahl ſich fortwährend vermehrte. Schützen konnte man die Häufer ber Gemarkung nur fo lange, als ihre Zahl noch nicht groß war; nachher aber warb es nöthig, den von ihnen eingenommenen Raum ebenfalls mit Feſtungswerken zu umgeben. Died war auch, mie Yicharb richtig erfannt hat, der Grund, warum man bie erwähnte Stabterweiterung in einem auffallend großen Umfange vornahm. Wenn nämlich Leute füch in der Gemarkung häuslich nieverließen, jo war es, wie Ficharb ebenfalls bemerkt, natürlich, daß fie ihre Wohnungen längs ber Land⸗ ftraßen erbauten, welche bie Gemarkung burchzogen, und daß deshalb die Haͤuſerreihen fich weit hinaus erſtreckten, während zwiſchen Ihnen große leere Räume fich befanden. Wollte man nun die Gefammtheit aller Wohnhäufer mit Graben, Wal und Stadtmauer umgeben, fo mußte man hierfür nothwenbiger Weiſe weit außgreifen (|. Anm. 129).

Für den Aderbau war gejeglich die Dreifelder⸗Wirthſchaft eingeführt, jo daß alfo jeder Adler ober vielmehr jedes der brei Felder, in welche bie biezfeitige Gemarfung eingetheilt war, immer im dritten Jahre brach Tag und zum Weiden des Viehes benußt wurde). Die Gemarkung zerfiel eigentlich in bie folgenden vier Theile: Erftend im Often das Rieder Feld, vom Ober-Main au

2) In einer Rathsverordnung von 1504 (Archiv für Frankfurts Sei. und Kunft, VIL S. 152) heißt es: „Raben bievor von alter umb biefe Statt Fr. allemege drey felde geweit fein und alle jare "eins brach gelegen if, doch bi anhero in biefelben brachfelde Frucht geſewet worden, dardurch bie Iube, fo bie brachfelbe mit irem fehe gebruchen, czu bußen komen“ u. f. w.

VII. Frankfurt's nächfle Umgebung im Mittelalter. 241

bis zu den Bruce unterhalb des Nieder Hofes. Zweitens und dritten? dad nach dem gleichnamigen Hofe benannte Knoblauchs⸗ Teld und dad Friedberger: Feld, welche zufammen fich von dem Nieder Felde bis zur Grenze von Bockenheim und zur heutigen Bodenheimer Landſtraße erftreckten, und von benen das Lebtere nach Rordoſten, das Erjtere nach Nordweſten lag (|. Anm. 130). Viertens dad Galgenfeld, welches an der Bockenheimer Straße anfing und bis zum Main ging. Tür die Dreifelder-Wirthfchaft war ein Theil ber unter No. 2 und 3 zufammengefaßten Abtheilungen zu dem Rieder Felde gefchlagen und dag Uebrige als Friedberger Feld zufam- ‚mengefaßt 1). Webrigend führten einzelne Strecken einer jeden vieler vier Haupttheile auch im Mittelalter noch ihre befonderen Namen. So wird 3. B. in Urkunden ein Theil des Friebberger Feldes das Preungezheimer Feld genannt, ein Theil des Knoblauchs⸗-Feldes das Zeimenrobe 2), ein Theil des Galgenfeldes dag Bockenheimer und ein anderer Theil desſelben das Roͤdelnheimer Feld genannt.

Der Weinbau warb im Mittelalter weit ftärfer getrieben, als heut’ zu Tage, wie denn auch damals meit mehr Wein getrunfen wurde, als jet. Noch im Jahre 1500 fah fich deshalb der Frank⸗ furter Rath veranlaßt, das Anlegen neuer Weinberge zu verbieten, weil dadurch, wie er fein Verbot motivirte, die guten Felder, Aecker und Gärten verberbt würden und diejenigen, welche neue Weingärten machen ließen, mehrentheild wenig Nutzen davon gehabt, ja geradezu ih in Schaden gebracht hätten). Diefes Verbot ift ein Beweis ver großen Ausdehnung, welche der Weinbau in Frankfurt hatte, Außerdem findet man aber auch in früheren Zeiten Weingärten in Thellen der Gemarkung angelegt, in welchen er jeßt ganz ver ſchwunden ift, 3. B. vor dem Bockenheimer Thor, am Ginheimer Steege, da, wo vor dem Friedberger Thor der Bornheimer Pfab von der Bilbeler Straße abgeht, und an derjenigen Stelle bed Galgen⸗ feldes, wo biejes fih zum Main bin fenkt; fogar noch 1716 rebet

1) S. die angeführte Stelle be Archivs. Die von ber alten Cintheilung ber Gemarkung ſehr verfehiedene heutige findet man in, einer Tabelle von Franck's topographiſchem Ueberblick der Stadt Frankfurt.

Zwiſchen bem Eſchersheimer und Friedberger Thor. Battonn, I. ©. 281 fig., gibt feine Lage näher an.

») ©. Orth's Anmerk. zur Reformation, dritte Fortſetzung, S. 6857.

Kriegt, Frankf. Bürgerzwifte. 16

242 VOL Fraukfurt's nächſte Umgebung im Mittelalter.

eine Urkunde der Deutfchherren von einem Weingarten, welcher az ber legieren Stelle neu angelegt worben fe. Ebenſo verhält es fi wit den umliegenden Orten: im jechözehnten Jahrhundert iſt z. B. von Schwanheimer, Nieberräder und Bockenheimer Wein bie Rede, und noch weit früher von ben Weingärten des Dorfes Preunges⸗ heim 1). In Betreff der Weinlefe im Mittelalter find zwei Dinge beachtendwerth, ihre Zeit und bie bei ihr nöthigen Schutzmaßregeln. Während die Weinlefe heut? zu Tage in bie zweite Hälfte des Dftober fällt, ward fie im Mittelalter, nach einer Durchſchnitts⸗ berechnung der letzten Zeit des fünfzehnten Jahrhunderts, um den 24. September gehalten. Webrigeng fand auch fchon damals zumeilen jene zweimalige Leſe Statt, welche feit mehreren Jahrzehnten faſt überall wieber in Brauch gekommen ift: man las nämlich zuerſt bie völlig reifen Trauben oder, wie fie genannt wurben, das Faule und Kleberod und erft fpäter die übrigen Trauben?). Ein befonberer Schuß für die auf dem Felde Beichäftigten war im Mittelalter gar oft ſowohl bei der Weinlefe, als auch bei ber Getraibe-Ernte nöthig, weil man damals felten vgr einem plöglichen Ueberfalle der Raub⸗ ritter fiher war. Ohne einen folgen Schub waren Freiheit und Leben ber Feldarbeiter gar oft in Gefahr. In dem befannten Stäbte- Triege 3. B. wurde einft eine Anzahl Sachlenhäufer bei der Wein leſe gefangen fortgeihleppt ). Man hielt deshalb zus Ernte und Weinlefe- Zeit in der Regel für nöthig, Sülbner im Felde jo lange aufzuftellen, biö jene Zeiten vorüber waren.

Die Viehzucht warb während des Mittelalters in ber Stadt Frankfurt wohl ebenjo jtark getrieben, als jebt auf den Dörfern. Es gab dort große Kühe-, Schweines und Schaafheerben, während zugleih auch viele Hühner, Gänſe, Enten und Tauben gehalten wurden. Beionderd war die Zucht des zuletzt genannten Federviehes jehr beveutend, fo daß es ein eigenes Taubenamt gab, welches

1) ©. Leröner, I. 1, ©. 636 und 748, Kirchner, L S. 97. Ber Schwanheimer Weingärten und bed von ihnen erhobenen Zehntens gedenkt eine Urkunde bed Bartholomäus - Stifte von 1581 (H. III. 39).

2) S. Lersner, II. 1, ©. 730, 731 und an anderen Stellen.

2) Stadt⸗ Rechenbuch: Sabb. poft Georgii 1389: 4 groſſe eyme bobem, ber eine werliche warnunge brachte von Steinheym, alß man bie armen Iube zw Saſſinhuß in den wingerthen fing.

VI, Zaeutfurt's näcke Umgebung im Mittelakter, 244

aus drei bis vier Nathagliedern, ben fogenannten Taubenberren, beſtand und bauptjächlich das häufig vorkommende Einfangen fremder Tauben zu beftwafen hatte. Am ftärkiten fcheint bie Schweinezucht gerieben worden zu fein; denn der Schmuß und Geſtauk, welcher durch dieſelhe in den Straßen entitand, veranlaßte den Rath gar af zu beſonderen Verordnungen, welche freilich nichts fruchteten. Im Jahre 142] 3. B. verbot er, Schweine in ben Straßen umher Igufen au laſſen, und noch 1481 wußte er förmlich unterjagen, Schweinsftälle auf der Straßenfeite der Häuſer anzubringen *). Auch die Schaafszucht war ſehr bedeutend. Dies geht u. A. daraus hervor, daß in einer der Mitte des 14. Jahrhunderts angehörenven Beede⸗ Rolle 9) die von den Schaafen zu zahlende Peede nach je Hunderten derſelben angelegt ift. Es ergibt ſich ach ang einer im folgenden Jahrhaundert heim Mathe verhandelten Frage, oh es wicht gerathen je, jedem Bürger blos Ein Schaaf für jeden Morgen Ackerland, ſowie zur den Befihern gewillee Höfe eine heſondere Schäfersi zu geſtatten *).

Die Muͤckſicht auf die Viehzucht wird in einer Berorbuung von 1504 ala einer ber Gründe angegeben, warum jebed Jahr ein Drittel des Acherlandes brach liegen mußte d). Auf dieſem Drittel ließ man bie Heerben ber Bürger weiben, währen den Metzgern ein Bruch im Mieder Felde ala beſonderer Weideplatz angewieſen

16. Orth, Yortf. III. S. 594, wo auch eine Verorbnung bieriber aus dem Jahre 1405 mitgetheilt if. Aus demfelben Jahre meldet das Medenbud) Felgendes: 2 Pfb. 10 Sch. Han uns gegeben Johann und Junge Wyfle, Engel Brun und Heintze zum Remer, als bie ubir hie duhen gefaßt fin und daz gelt au pene gefallen iß.

”) ©. Archiv für Frankfurt's Geſch. und Kunft, VII. ©. 147, und bie bort nicht mit abgedrudte Stelle des Geſetzbuches, welche in einer Anmerkung ber nächſten Abhandlung des vorliegenden Buches zu finden ifl.

) S, finde fi in Rãömer⸗Hüuchner's Stahtverfaflung, S. 59, ſowie bie bes 15. Jahrhundertz im Archiv für Franlf. Geſch, und Kunſt, VIL ©. 164, .

5, Archiy für Fraukfurt's Geſch, ind Sunk, VI. S. 16%. Wins bie Schoafheegrden, welche die Deutſchherren auf dem Sanbbofe hielten, waren fo zahl: reich, daß 1525 der Comthur fi wegen bed Schadens, welchen biefelben dem Walde zufügten, vertragsmäßig dazu verftanb, ferten wicht mehr als 1000 Schaafe dort zu Halten (Urkunde der Deutfchherren von Dienst. nach Luciä 1528).

9) ©. oben S. 240 Anmerk.

16*

244 VID. Frankfurt's nächfle Umgebung im Mittelalter.

war. Außerdem gab es aber noch einc gemeine Weide, deren Lage wir zwar nicht genau fennen, welche aber 1368 als eine bereit? feit längerer Zeit beftehenbe erwähnt wirb ). Auch die Pfingft- weibe, deren Namen fchon 1300 in einer Urkunde vorkommt ?), war vermutblich eine gemeine Weide. Wegen der ſtark getriebenen Viehzucht gab es auch Wiefen an ſolchen Steffen, welche heut’ zu Tage als Ader: oder Gartenfeld benußt werben: jo kommen z. 2. 1498 Wiefen am Schwarzhermannd- Born vor. Die Wiefen waren fo zahlreih und fo werthvoll, daß im 14. Jahrhundert für einen Morgen Wiejenland eben diefelbe Beede entrichtet werben mußte, wie für einen Morgen Weingarten. Eine neue gemeine Weide Iegte man im Sabre 1496 auf der weſtlichen, d. b. auf ber der alten gemeinen Weide entgegengefeten Seite der Gemarkung an: man Taufte damals zu diefem Zwecke einen Ader von fünf Morgen?). Da ein folches Grundſtück für eine gemeine Weide doch gar zu Mein war, fo ver- einigte man vermuthlich mit dem erfauften Acer die am Main ber ziehbende Strecke, welche von jeher unangebaut gemwejen und mit wilden Raſen bewachſen war, und jchuf fo wohl die Grinphrunnen- Wiefe, welche noch in unferem Jahrhundert ald gemeine Leibe gebtent bat. Im Sabre 1550 ward eine eben ſolche Weide am Ruften-See angelegtt). Uebrigens ließ man im WMütelalter alle Arten von Bichheerden nicht blos auf offenen Weidepläßen, fondern auch im Walde weiden. Um die Mitte des 14. Jahrhundert? warb dad Vieh, wenigftend während einer Zeit bed Jahres, Morgens über den Main in den Wald und Abends wieder zurückgeführt; und weil bie bejchwerlich war, jo lich man damals in Nieberrab eine Scheune bauen, in welcher das Vieh die Nacht zubrachte °). Auch hatte Kaifer Ludwig IV. den Franffurtern 1322 das Privi⸗ legium ertheilt, daß Alles, was von Wald und Feld bei Frankfurt

1) Privilegienbuch, S. 182. Auf ihr war ed mobl, wo 1377 den Bürgern 163 Kühe durch benachbarte Ritter geraubt wurden: Kirchner, 1. ©. 288.

2) In einer Karmeliter- Urkunde von 1300 werben brei Gärten erwähnt, ber eine am Schwarzhermanns = Borm, der zweite am Bornbeimer Wege, ber britte juxta pingestweide.

8) Lersner, I. 1, ©. 798.

#) ©. 288.

6) Senckenberg, $Sel I. p. 74.

VIIL Frankfurt's nächſte Umgebung im Mittelalter. 245

dem Reiche gehöre, an niemand zum: Ausroden ober zu einem anderen ihren Weiden nachtheiligen Zwecke verliehen werben ſolle; doch verbot derſelbe Kaifer ſchon zwanzig Jahre fpäter, Schaafe in ben Reichswald zu treiben ). Weil die Stadt Frankfurt das Necht hatte, den Neichswald zur Viehmweide zu benutzen, jo mußten noch am Ende de Mittelalter die Sachjenhäufer Hirten, um dieſes Necht aufrecht zu erhalten, das Vieh jeden Sommer wenigſtens zweimal bis in die Gemarkung von Langen und Egelsbach treiben ”).

Eine Erjcheinung, welche mit einer einzigen Ausnahme (zu Keliterbach) heut’ zu Tage ſogar im meitelten Umfange um Frank: furt herum nicht mehr vorkommt, war im Mittelalter fogar nahe vor den Thoren der Stabt zu fehen. Dies waren die Wind mühlen. Kirchner ift durch den Umftand, daß Leröner vor bem Sahre 1442 Feine Windmühlen erwähnt, zu der unrichtigen Angabe veranlagt worden, Windmühlen feien bei Frankfurt erit in 15. Jahr⸗ hundert, beſonders ſeit 1442, errichte worden. Sie kommen dort ihon hundert Jahre früher vor. Damals ftand eine Windmühle an der Friedberger Landitraße, und man benannte bie dortige Gegend nad ihr (ſ. Anm. 131). Diejenige Winbmühle, nach welcher eine Stelle der Allerbeiligengaffe und ein dortiges Haus noch jebt benannt find, warb 1442, diejenige aber, nach welcher man eine Gegend vor dem Unter-Main= Chor benennt, 1590 erbaut 3). Außer ven Windmühlen hatte man im mittelalterlichen Frankfurt noch Roß- und Waflermühlen, jowie in vielen Käufern auch Handmühlen. - Eine Roßmühle wird 3.8. im Baumeifterbuch von 1343 erwähnt.

Die Waffermühlen waren theild Schiffsmühlen, theils auf dem Lande oder auf der Mainbrüde ftehende Mühlen. Bon Wafler- mühlen, welche auf dem Lande fanden, war bie Deutichherreit= ober Hohenrad= (Hohenrod⸗) Mühle vor Sachjenhaufen bie größte und wohl auch die Ältefte. Dad Mühlenwerk des Schneidwalles, welches auf diefer am Unter: Main errichteten Baftion ftand, wurde erft im Beginn des 16. Jahrhunderts erbaut. Die auf der Brücke ftehende Mühle feheint erft dann erbaut worben zu fein, als man ſchon

1) Böhmer, p. 462, 585 sa. 9) Kirchner, I ©. 479. ®) Leröner, II. 1. S. 22, 28 fig.

246 VID. Frankfurts nächſte Umgebung tin Mittefelter.

laͤngft Schiffsmühlen gehabt Hatte; denn während bie Leuteren beteit£ im 13. Jahrhundert erwähnt werben, gedenken die Urkunden either BSrüdenmühle mit Beſtimmtheit erft Im Beginne bes fünfgehnten. Zwar wird ſchon 1348 eine ftädtifche Ausgabe für das Sägen von Holz zur Mühle, für ein Mühleiſen, für Pfannen dazu und für anderes Mühlengeräthe gemeldet; allein es wird dabei nicht gejagt, für welche Mühle dies Alles beftimmt war. Im Winter 1410 auf 1411 Tieß der Rath einen Mühlenmacher von Speier Pannen, um duch ihn eine Mühle auf der Brüde errichten zu laſſen 2). Diefe war in einem Jahre vollendet, im Februar 1412 warb fte probirt und gut befunden. Zu ihrer Erbauung hatte man Milten- Berger Duaberfteine, ſowie 19 beſonders große und ſtarke Hoͤlzer aus dem Pabenhäufer Walde, weldye bie für jene Seit bedentende Summe von 77%, Gulden Tofteten, und zwei Paar Mühlfteine, deren Preis etwas über 80 Gulden war, kommen Laffen (j. Anm. 132). Schon 1414 brannte diee Mühle ab. Sie wurde alsbald wieder hergeſtellt, Titt aber nachher noch oͤfters durch das Waſſer und den Krieg Schaden.

Die auf den Main beſindlichen Schiffsmühlen waren tim Mittelalter zahlveih, und gaben ben Fluſſe ein eigenthümliches Ausfehen, deſſen er jetzt ganz entbehrt. Lerſsner jagt zwar, es habe 1430 nur zehn Schiffmuͤhlen gegeben; ihre Zahl war aber größer, da in einem Kaufbriefe von 1306 eine einzige Familie ala Eigen- thümerin von fünf Mühlenwaflern, d. b. von fünf für ben Mühlen- Betrieb abgebänmten Stellen ded Mains erwähnt wird?) Eine Anzahl diefer Mühlenwaſſer und Sciffemühlen, weldye übrigens ſowohl ober= ala unterhalb der Brücke ſich befanden, gibt Fichard m Battonn's Befchreibung von Frankfurt an. Zu ihnen gehörten auch zwei Walkmuͤhlen, welche Eigenihum des Wollenweber- Hand- werled waren und in der Gegend des Leonharbs-Thores lagen (f. Anın. 133). Urfprünglich waren alle diefe Muͤhlenwaſſer offenbar

*) Stadt⸗Rechenbuch, Luck 1410: 2 gulden gefgendt zu zerunge em molenmeifter von Spire, bem man ein molen verbingete dem Rade an der bruden zu madin.

”, Böhmer, p. 171. &8 find vielleicht diefelben, weldt im 15. Idchrhundert dem Liebfrauftifte gehörten (General: Nachrichten ber Stiftsgüter, Nr. 28 ber Bücher dieſes Stiftes, S. 15).

VI. Frankfurt's nachſte Umgebung im Wittekikter. 9247

keͤnigliches Eigenthum, und wurden an einzelne Familien als Reichs⸗ lehen vergeben). Im Jahre 1410 kaufte der Rath einem Bürger zwei Muͤhlenwaſſet ab, um durch deren Beſeitigung ben Schiffweg, welder zu ſehr verargt war, zu erweitern, obwohl er ſelbſt kurz vorher Mrühlenmacher won Heidelberg und Eflingen zur Erriöätung ſtädtiſcher Mühlen auf dem Main vwerfchrichen hatte, unb 1406 wieder einen Heidelberger Maͤhlenmeiſter hatte kommen lafſen, welcher in Frankfurt Mühlen der Art, wie man fie am Nedar Hatte, errichten ſollie (ſ. Anm. 134). Daß übrigens jene Main-Mühlen nicht etwa auf der Brüden- Inkl oder auf ber bis vor kurzem weiter abwärts vorhanden gewejenen Inſel ftanden, ſondern wirkliche Schiffsmuhlen waren, ergibt fich aus folgenven zwei Notizen: im Jahr 1388 ließ ber Rath die Furth „zwiſchen den Mühlen” ver graben, und in einer Urkunde von 1325 wirb beim Verkaufe won drei Main: Müblen zugleich der am Sachſenhanſer Ufer befindtiche Winterhalt, in welchen fie beim Beginne des Winiers gebracht wurden, mitverfauft?). Auch wurden jogar noch weil Tpäter, nämlich 1605 und 1608, Schiffamühlen auf dem Deain errichtet ®).

Auch die Ufer des Main waren im Mittelalter anders be- Schaffen, als jetzt. Oberhalb der Brücke behnte ſich da, wo jetzt bie Häuferreihe der Schönen Ausſicht Steht, die Stadt nur noch eine feine Strede weit oberhalb der Brüde bin. Weiter aufwärts gab es im 14. Jahrhundert zwar jo viele vor der Stadtmauer gelegene Wohnhaͤnfer, daß fie eine Straßenreihe bildeten; im folgenden Jahrhundert aber waren biefelben nicht mehr vorhanden, und der ganze Strich blieb nachher bis zur neueften Zeit nadter Boden. An ver Brücke felbft gab es nach beiden Seiten hin feinen Weg auf dem Main- Ufer. Weiter abwärts Tonnte man zwar längs ben Main her gehen; das Ufer war aber niedrig und ungepflaftert. Auch fanden auf ihm an einzelnen Stellen Reihen von eingeranı- melten Pfählen, über welche ver austvetende Fluß ging, unb um verentwillen bei Meinem Hochwaſſer die Leute durch ausgeſtellte

) Fichard, Entflehung, S. 150, führt Beiſpiele davon an.

2) Stadt⸗-Rechenbuch, Bialkta annium fanctorum 1388: 11 Sch. ben furb zufichen ben molen zu virgraben. Die erwähnte Urkunde f. bei Böhmer, p. 488.

8) Leräner, OD. 1. ©. 772. '

248 VIII. Frankfurt's näcfte Umgebung im Mütelalter.

Wachen gewarnt wurden, durch das auf bem Ufer ftehende Wafler zu reiten“). Erft 1517 warb das Ufer gepflaftert, bei welcher Gelegenheit man es auch etwas erhöhte ?). Häufer fanden, abge rechnet den Saalhof und zwei Kirchen, anfang? nicht am Ufer; bie Stabt war vielmehr auch bier durch eine hohe Mauer begrenzt, und erft um den Beginn des 15. Jahrhunderts wurben bicht an gber auch auf die Mauer Häufer erbaut und in der Lebteren Fenſter angebracht ?).

Krahnen gab es um bie Mitte des 14. Jahrhunderts brei, welche durch die Bezeichnung als oberfter, mittelfter und nieberfter von einander unterfchieden wurden. Sie waren jedoch feine auf bem Ufer errichtete, fondern Schiffäfrahnen. Sogar noch am Anfange des folgenden Jahrhunderts, als es jchon zwei fteinerne Krahnen gab, behielt man einen der Schiffefrahnen bei (j. Aum. 135). Die Krahnen ftanden vermuthlih an benfelben Stellen, an welchen fie noch auf dem Grundriffe von 1552 gezeichnet find. Mit Sicherheit weiß man jedoch nur, daß einer berjelben bei der Lennharbs: Kirche ftand *).

Der hiſtoriſch michtigfte Theil der Gemarkung tft das Galgen⸗ feld, neuerdings euphemiftifch dad Gallus-Feld genannt; denn von ibm aus hielten in den fpäteren Zeiten des Mittelalter bie Kaiſer ihren Einzug in die Stadt, und auf ihm mußte, wenn ein Gegen- kaiſer aufgeftellt worden war, der Gewählte ſechs Wochen und brei Tage lagern, um feinen Gegner zu einem etwaigen Kampfe zu erwarten. Doch ſchlug Karl IV., als er bie Krone dem König Günther ftreitig machte, fein Lager nicht auf dem Galgenfelde, ſondern bei Sachſenhauſen auf?). Wohl wegen jenes herfömmlichen.

2) Rechenbuch, Vigilia Paſchä 1402: 8 Sch. 5 Hell. eim knecht, 5a tag an dem Mein, ald ber ußgelauffen waz, bie Iube zu warn, baz fie uber bie pele icht . binriben hinder fant Leonhard.

N) Lersner, D. 1. ©. 771.

9) Battonn, I ©. 88.

4) Am Rechenbuch von 1894 fommt. unter ben Ausgaben für Steine vor: 19 Pfd. für 200 Bockinheimer und 7% Pfd. davon zu furen zu eim fuße by fand Leenbarb zu eim nuwen kranchen.“

° Dies folgt aus ben Worten des Mechenbuches von 1849: 20 Pfd. den von Saffenbufen zu buwen unb zu hudene, da der konig uff velde lagck und gekorn ward.

VIIL Frankfurt's nächfte Umgebung im Mittelakter. 249

Brauches, daß der erwählte König unter gewiſſen Umflänpen auf dem algenfelde fein Lager auffchlug und nachher von ihm aus in bie Stadt einzog, war das alte Galgenthor (nahe der Stelle dei jegigen Taunus Chores) nicht nur das großartigfte Stabtthor, ſondern auch als das Hauptthor der Stadt allein mit ben Biloniffen der beiden Schuß- Patrone Frankfurt’3, Karl's des Großen und bed heiligen Bartholomäus, geihmüdt ). Ein Theil de Galgenfeldes hieß dad Streitfelo, welden Namen Thomas von ven erwähnten Herkommen bei ftreitigen Koͤnigswahlen ableitet ). Das Galgenfelb jelbit hatte feinen Namen von dem auf ihm ftehenvden Galgen, und ward nach mittelalterlichen Begriffen, cben weil es die Gerichtäftätte war, als der vornehmſte Theil der Gemarkung angejehen. Der Galgen, ober richtiger ausgedrückt, dad Hochgericht, ftand auf einer nahe der jegigen Mainzer Landſtraße und dem Nuften:See gelegenen Anhöhe, der Galgenberg genannt. Es war ein aufgemanertes Biered mit je einem SHolzpfeiler au feinen vier Eden, und dieſe Pfeiler waren oben durch Balken mit einander verbunden, während zugleih zwei andere Balken, bie fih in ber Mitte des Ganzen durchkreuzten, von den vier oberen Eden biejed Gebälles ausgingen. Auf dem Grundriß von 1552 ift eine bildliche Darftellung bes Hochgerichted gegeben. Diejes blieb bis 1806 ftehen, wo Marſchall Augereau es miederreißen ließ‘). Wenn ein Lagern des Königs auf dem Galgenfelde bevorftand, jo Heß man den Galgen durch den Züchtiger reinigen und bie an ihm hängenden Todten begraben; wenigſtens gejchah dies, ala 1400 König Ruprecht bort fein Lager aufichlug ). Das Galgenfeld war übrigens nicht etwa unangebaut; denn 1405 wurben auf ihm durch Nathägliever und Gejchworene die Grenzſcheiden der Ackerfelder befeben ®), und auch fpäter finden

1) Diefe beiden Gteinbilber find jet in ber Halle der Gtabt = Bibliothek L

) Thomas Annalen, S. 107 fig.

) Battonn, I. S. 172. Geine Beichreibung bes Galgenfeldes ſelbſt ſteht S. 117 122.

*) Stadt⸗Rechenbuch, Sabb. poft Aegidii 1400: 8 Pfb. dem zuchtiger mit knechte und umb gebug, ben galgen zu fegen und bie bobe zu begraben, als bie furſten fi vur bie fat legen wolden.

®) Ebendaſelbſt Sabb. por Georgii 1405: 11 Pfb. 18 Sch. 6 Hell. virherte⸗

250 VII. Feinkſart's nie Umgebung tm Weistelhlier.

ſich Nachrichten über dortige angebaule Grunbftüde. Im Jahre 1406 war bag Gulgenfeld eine auf eimenttrimliche Weite gefährliche Gegend. Damals trieben ich auf ihm vermißderte Hunde ınnber, welche bie Menſchen anftelen und manches Ungluͤck umrichteten. Wan grub, um biefe Gefahr zu befeltigen, eine Streit des Bodens auf, welche dann bedeckt wurde und als Fallgrube für die Hunde diente !).

Die Wege vor ber Stadt waren nicht, wie man vielleicht bett, bei ſchlechtem Wetter grunblos, ſondern man Trug ſchon im 14. Jahrhundert Sorge dafür, daß fie unter allen Umftänden gang: uns fahrbat waren. Diefe Fürforge war eine zwiefarhe: man beſtreute nämlich die Wege mit Sand und kleinen Steinen, und belegte fie ftellenweiſe mit Wellen. So wurben 3.8. 1400 blos für die am Nieder Hofe vorbetführende Straße 2300 Wellen gefauft, und zum Beſtreuen ber Wege bicnende Tleine Steine, Grippelfteine genannt, wurden fait jedes Jahr angefchafft ). Für die Unter Baltung der Strapen außerhalb wie innerhalb der Stadt gab es befondere Arbeitölente, die ſogenannben Wegemacher. Die Haupt⸗ ſtraßen hakten zum Theil eine von der ber jetzigen Steaßen ver⸗ Ahiedene Nichtung. Die Straße nad Mainz ging anf der linken Seite ded Mains über den Riedhof, den Goldſtein, Raunheim, Rüſſelsheim und Bifchoffaheim, und man nannte deshalb den In der Sachſenhaͤufer Gemarkung befindlichen Theil derfelben die Mainzer Strakt (f. Anm. 136). Die Straße nah Worms ging fiber Gevau, die nach Aſchaffenburg und Würzburg über Padenhduſen oder Heufen- framm nach Babenhtiuſen und von da über Stligenftabt und Stoch Stadt. Die Strafe nach Limburzg ging über Homburg und Fiofter Thton, De nu Friedberg über Peterweil. Die Heiden letzteren Streußen wuren ine Seine Strecke weit eine amd dieſelbe. Da, wo Beide (noch in ber Frankfurter Gemarkung) fih von einander

bie fcheffen, bes Rads frunde und die gefworn, umb lantſcheidunge zu begecn mb zu befebin uff bem Rieder felde und galgifelb.

9 Sbendaſelbſt Severini 1406: 8 PR. 2 Sqh. 8 Hal. von emer gruben uzwenbig Mentzer portben zu machin und umb holy und gebug dazu, bie hunde vetin zu Feten, als die den Inden da groſſen ſchaben gethun han unb bie Tube unberieen zu vyſſen.

) Stadt-Rechenbuch, Sabb. ante Luciä 1400: 10 Pfb. 7 Sch. umb 2500 Welten, y daB Yundert um 9 Sc, uff ben weg by Rebern ber inme.

VI. Franffirt’s nachſte Umgebung im Bittelkliet. 251

trennten, fttind An Wo nit einer eiſernen Sand, welche Auf den Meg nach Friedberg hindentete. Hiervon fährt noch ſedt eine Straße den Namen der elfernen Hand ).

Ein für den Schuß der Stadt Fehr wichtiger Theil der Gemarkung war die Landwehr, d. h. ein die Stadt in einem weiten Bogen umziehender Wal und Graben. Die Landwehr warb erſt 1370 zu machen angefangen, uno ihre Errichtung hängt mit dern erften Gebrandhe des Schießpulvers im Kriege zuſammen: man wollte den Feind, welcher jebt Angriffswaffen Hatte, die von ber Ferne het wirkten, mdglichft weit von der Stadt entfernt halten. Die Erbauung der Landwehr dauerte von 1370 bis 1427. Nachher ward no einmal 1476 und zulebt im 17. Jahrhundert am ihrer Wiederherſtellung gearbeitet. Seit dem 80jährigen Kriege aber erwieß fich der Gebrauch einer ſolchen Schuzwehr, welche ſogar fehon bei ver Belagerung von 1552 die Feinde nicht gehindert hatte, bis zu ben Mauern der Stadt vorzubringen, bei der umgeſtalteten Nriegd- Yınft als unnuͤtz. Seit diefer Zeit ließ man bie Landwehr zerfallen und zum großen Theil fogar abſichtlich wieder abtragen, jo daß fie Hut’ zu Tage an den meiften Stellen ihres Laufes nicht mehr zu erkennen IR. Am deutlichſten gewahtt man ihre Ueberreſte noch hinter Obetvad und Sachfenhauſen da, wo fie vdm Oberruder Schießplatze an länge den Walde und dann, ben Wendels⸗ und Hoeaner⸗Weg durchſchneidend, nach der Sachſenhäufſer Warte zieht. Bon der Lebteren an ging ihr weiterer Lauf Aber die Salpeterhütte und bie Binter der Loniſa gelegene ſchwatze Steinkaute nach dem Main Hin. Diesſells begann fie oberhalb der Stadt am Maln⸗Ufer an dem fogenannten hohen Stege, welcher dicht an ber feigen tnchefifchen Grenze fich Befindet. Bon ihm muß zog fie Aber den River Hof, am Fuße des Rieder Berge ber, an den *riten Häufern Bornheim's vorbei nach "der Friedberger Warte Voen dieſer en aber ging fie über ven Kühheras⸗Hof, ben Ajernen Schlag, den Ginheimer Steeg (nahe der Grünenburg), die Bed heimer Warte, hinter dem Selferhof her nach ber Galgeawarte (Sallenwarte) und dann hinter dem Gutleuthof her zum Main,

Im Sabre 1406 ward die neu errichtete Landwehr au Einer

N Battonn, I. S. 282.

252 VIEL Frankfurt's nächke Umgebung im Mittelalter.

Seite zu einem größeren Kreife erweitert, wobel ber Herr von Hanau und eine beträchtliche Zahl fremder Dörfer (die des jogenannten Bornheimer Berges) den einen Theil, die Frankfurter den anderen Theil der Arbeit beforgten. Diejes erweiterte Stüd der Landwehr ging in der Nähe des Eſchersheimer Steeged ab nach dem Ginheimer Holze, an der Marbach her und durch die Bodenheimer Gemarkung nach der Nidda. Die Koften der Arbeit, fowie die der nachherigen Unterhaltung des neuen Stückes wurden fo beitritten, daß die Stabt nicht ganz die Hälfte, ver Boruheimer Berg aber und ber Herr von Hanau etwas über die Hälfte derfelben zu bezahlen hatten (|. Aum. 137).

Die Landwehr war ba, wo Wege fie überjchritten, mit Schlägen verjehen, welche oft gejchloffen waren und bei bedenklichen Umftänven durch Bewafinete bewacht wurden‘). Uebrigens gab es auch inner: halb der Landwehr ſolche Schläge an den Straßen; im Jahre 1400 3. B. befanden fich auf den Wegen um Sachjenhaufen herum nicht weniger al? fieben Schläge. Die Unterhaltung der Landwehr koſtete vieles Gelb; denn von Zeit zu Zeit mußte ber Graben geräumt und neue Erde auf dem Walle aufgeworfen werben. Der Lebtere war jtellenweife durch Pfähle und Blanken gefeftet und verwahrt. Außerdem war er mit Dorngebüfch, Weiden und anderem Gehölze bepflanzt. Die Zweige dieſer Gehölze wurden von Zeit zu Zeit in bie Erbe eingebrück, bamit fie neu emporwuchſen und ein beſonders für Reiter undurchbringliche® Didicht oder, wie man es im Miütel- alter nannte, ein Gebücde bildeten. Den Ueberreſt folcher Gebücke, welche bei den Vertheidigungswerken des Mittelalter cine große Rolle jplelten, und auch bei den Wällen der Stabtgräben, ſowie bei ben Befeitigungen der Frankfurter Orte Bonamed und Goldſtein ange wandt waren, glaubt man fogar noch jebt in der knorrigen Beſchaffeu⸗ beit der Bäume zu finden, welche die alte Landwehr hinter Oberrad bebeden.

Faft an allen Stellen, an denen eine Haupiftraße bie Landwehr durchſchnitt, errichtete man Warten .oder Wartthbürme Eine berjelben Ing auf der Sachſenhäuſer Seite, auf der Höhe nad

1) Ein Friebberger Golbſchmidt, welcher 1897 mit Umgehung eines ſolchen Schlages durch die Landwehr felbfi geritten war, wurbe nach dem Stadt⸗Rechenbuch mit dem Verluſte feines Pferdes und einer Buße von einem Gulben beſtraft.

VI. Frankfurt's nachſte Umgebung ım Mittelalter. | 253

Darmſtadt hin. Es ift dies die noch immer wohl erhaltene jogenannte Sahjenhäufer Warte, welche 1470 erbaut worden war, nachdem die benachbarten Grafen und Herren ihre Erbauung lange verhindert batten. Diesſeits gab es folgende Warten: die an der Mainzer Landſtraße ftehende Mainzer Warte oder Galgenwarte (Gallen warte), welche 1396 erbaut worden ift; die 1406 erbaute Boden: heimer Warte, an der Stelle jtehend, wo früher (che Bodenheim ich bis an die Warte felbft ausdehnte) die Wege von Roͤdelheim und Bockenheim zufammen trafen; die um 1476 erbaute Fried: berger Warte, an dem Scheidepunft der Straßen nach Friedberg und Homburg ftehend; die Rieder Warte, hinter dem grojen Rieder Hofe, welche 1396 dicht an der Hanauer Landſtraße erbaut wurbe, und nad) Battonn noch am Ende des vorigen Jahrhunderts da ftand; die einft auf dem Bornheimer Wege am’ Ende der Weinberge flehende Bornheimer Warte, deren feit 1504 nicht mehr gedacht wird. Es gab indeflen früher noch mehrere mit den Namen „Warten” bezeichnete Gebäude oder Stellen, deren Beichaffenheit und ebenfo wie zum Theil ihre Lage nicht mehr bekaunt ift (ſ. Anm. 138).

Zum Schluffe diefer Darftellung wollen wir unferen Blick auch noch auf die am meilten in bie Augen fallende Begrenzung ber Umgegend Frankfurt's, das Taunus-Gebirge, richten. Der ange führte jebige Namen desſelben war Teinem Bewohner des mittelalter- [schen Frankfurt befannt. Man nannte jenes Gebirge damals nie anderd als die Höhe, welche Bezeichnung fih noch in dent Namen Homburg vor der Höhe erhalten hat. Diefer Benennung entſprechend wurden im Mütelalter auch die Bewohner des hinter dem Taunus. bis zum Weſterwald fich erftreddenden Landes bie Ueberhöhiſchen, ſowie dag Eifen, welches Frankfurt von ihnen bezog, überhöhiſches Eifen genannt (ſ. Anm. 139). Es ift, wie man jieht, das Wort überhoͤhiſch in etymologiſcher Hinsicht identiſch mit dem neuerdings nur zu oft vorkommenden Worte ultramonten.

254 IX. Daß Inncee ber Gltadt Fraukfurt im Mittelaler.

R. Das Innere der Stabt Frankfurt im Mittelalter,

Die Stabi Fraukfuri, ſchon mehr ala tauſend Jahre als, Bat das eigenthuͤmliche Geſchick gehakt, daß fie im Daufe ber Jahrhunderte ſich nicht allmälig vergrößerte, fondern non Zeit zu Zeit auf einmal bedentend erweiiert warb, und Tängere Zeit (einmal fogar übe» 400 Sabre) eine und biefelde Begrenzung behalten hat. Sie lag anfangs hoͤchſtwahrſcheinlich auf einer Inſel, indem ein Arm bei Mein fe umfloh und ihre Grenze bilbeter). Diefer Main⸗Arm floß in der Michtung eimer Linie, welche vom der Gegend ber Bruͤcke au nach dem Brüsdkhof, dem Frohnhof une dem Eompoftell, dann aber quor über bie Fahrgafle, ſowie wetter hin durch bie tieffte Stelle der Born⸗ gafle, her Sruggafle, her Neugaſſe und bes Mürnberger Hofes sieht, nachher Die neue Kraͤme ba, we ber Wedel ift, durchſchneidet, hierauf au ber Südſeite des Pauls⸗Platzes ber zun fühlichen Cube des geoken Rommarkied, won da an parallel mit ber Schüppengafle zum waißen Hirſch und zuletzt um bie Weißfrauenſchule berum zum ſegenannten Schneidwall am Main geht. Längs derſelben Vinie ward bie Stadt ſchon früh mit einer Mauer umgehen, von welcher der oſtliche Theil in einer unbekannſen Feit verſchwunden if, ber nördliche und weſtliche Adel aber ſich ſtreckenweiſe HA zum Beginne unſeres Jahrhunderts erhalten hat. Ueberreſte dieſer Mauer finden ſich noch in dem Boden des am Eck der Borngaſſe ſtehenden katho— liſchen Pfarrhauſes und einiger anderen benachbarten Grundſtücke, ſowie auf der Grenze der Weißfrauenſchule und des weißen Hirſches,

1) Archiv für Frankfurt's Geſch. und Kunſt, neue Folge, I. S. 68 fig.

IX. Daa Jnare ber Stodt Frankfurt im Mittelalter 268

wo noch ein Stuck ber Mauer hoch hervorregt). Zu ein und unbekannten Zeit wurde dieſes ältehte Frankfurt faft um deu doppelten Raum vergrößert, Die Stabt behnte fih in Folge baven Kia zu der jebigen Judengaſſe, dem Baugraben, bem Holzgraben und ben beiden Hirfchgräben ans. Die Stabtmaner diefer erſten Erweiterung blieb groͤßtentheils bis in das vorige Jahrhundert hinein ſtehen 9). Vom Jahre 1333 an warb bie zweite Erweiterung Frankfurt'a vorgenommen; und damals yergrößerte man hie Stapt auf einwel um das Awiefache ihres biäherigend Raums), Die damals Bin zugegogene Strecke wurde, zum Unterſchied von den früheren Raume oder ver Nltftadt, die Neuftadt genannt. Ihre äußere Grenze bezeichnet noch jetzt der zwiſchen der Stadt und ber Promenade ziehenne Graben, jeboch mit der Einfchränfung, da der ganze Raum zwilchen den Main, dem Frohnhof, der Judenmauer, dem Allep⸗ heiligen⸗ Thor und ber Ober⸗Main⸗Anlage zwar eine Zeitlang zum Theil mit Wohnhaͤuſern verſehen, aber feit der Zeit um das Jahr 1409 nicht mehr bewohnt wart). Bon biefem Raume war nämlich ver nach der Main-Brüde zu gelegene Theil in der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts wit Hänfern veriehen, und Wurde bie Vorſtadt Frankfurt's ſowie das Fiſcherfeld genannt. Gr hieß auherdem auch das Feld der Weißgerber, weil dieſe hauptſächlich im ihm wohnten. Die Vorſtadt Fiſcherfeld beſijand jedoch nur aus einer einzigen Reihe von Haͤuſern, deren Fagaden nach Suͤden gerichtet waren, ſewie aus drei von Süben nach Norden laufenden Sackgaſſen. Diele Vorſtadt wird in den Beebhüchern von 1345 und 1865, nicht eher in dem von 1394 angeführt, Auch die Stant-Rechenbludker

) Battonn's Beſchreibung der Stapt Frankfurt, I ©, 62 65, unb Thomas Annalen, S. 22.

N Batton, L ©. 80 fig.

®) Weber diefe Erweiterung f. Battonn, I. ©. 94 fig, und Fiarb's Zuſade zu befien Werte, S. 184 fie.

*) Der Frankfurter Geifliche Baldemar von Peterweil, weicher 1982 farb web eine eins Topographie Fraukfurt's binterlofien hat (abgedrudt umb von Dr. Euler erläutert im erften Bande der Mittheilungen des Vereins für Geſch. und Alterthumskunde in Frankfurt), widmet ber Befchreibung biefer Vorftadt einen befonderen Abfchwitt In Betreff ber Namen Alt: und NReuftadt if zu bemerken, daß Beide ſchen vor ber Entſtehung ber amilig fa genannten Neuſtodt vor- kommen: |. Battonn, ©. 9.

258 IK. Das innere der Stadt Frankfurt im Mittelalter.

vom 1367, 1368, 1869 und 1375 gedenken ihrer; namentlich wird in dem von 1867 eine Zahlung an ſechs Nachtwächter auf dem Sticherfelde, jowie in dem von 1375 die Mauer und ein neu erbauter Erker „gein den Wieigerwern uff dem Fyſſcherfelde“ erwähnt. Nach den Beedbüchern wohnten 1354 29 und 1365 22 Leute auf dem Fiſcher⸗ felde, woraus fich ergibt, daß diefe Vorftadt fehr Klein war. Diefelbe war übrigens, gleich der eigentlichen Stadt, mit einer Mauer umgeben. Am fünfzehnten Jahrhundert wird des Fiſcherfeldes ala eines bewohnten Stadttheiles nicht mehr gedacht; und dasſelbe war offenbar ſchon gleich nach 1897, wo zum lebten Male die auf dem Fiſcher⸗ felde ftehenden Häufer erwähnt werben, feine Borftadt mehr, ſondern die Stelle der dortigen Wohnhäuſer hatten Gärten und Felder einge nommen. Die Urſache zu diefer auffallenden Veränderung ift nicht bekannt ?).

Zum dritten Male wurde die Stadt von Jahre 1788 an erweitert, und zwar dadurch, dag man nicht blos ven feit 1400 unbewohnten Boden ver Vorſtadt Fifcherfelo, fondern auch den anlie⸗ genden Raum bis zur Ober-Main-Anlage mit Häufern verfah. Man ahnte damals nicht, daß fchon bald nachher die vierte Stabtermweiterung folgen werde. Diefe warb noch von einem Theile derſelben Menſchen erlebt, deren Kindheit oder Jugendalter in die Zeit der dritten Er- weiterung gefallen war. Ste ging und gebt noch immer vor ben Augen der jebt lebenden Generation vor ſich, und unterjcheidet ſich von allen früheren dadurch, daß fie ohne eine im Voraus feſtgeſetzte Grenzlinie vorgenommen wurde. Bon ben bezeichneten vier Stabt- ermeiterungen hatte die zweite am Tängften denügt, nämlich von 1333 bis 1788, die dritte aber am Fürzeften, nämlich kaum vier Jahr: zehnte. In Feiner anderen Zeit hat aber auch eines Theiles bie Bevoͤlkerung Frankfurt's fo raſch zugenommen, als in unferen Tagen ?), und in Teiner anderen haben fich die Anfprüche auf Umfang, Bequem: lihfet und Annehmlichleit der Wohnungen in gleichem Grade geſteigert. |

Der Umftand, daß bie zweite Stabterweiterung mehr ala 400

2) Weber dieſes Fifcherfeld vgl. Battonn, I. S. 188 bis 2085. 3 Die Zunahme derfelben betrug allein in ben 82 Jahren 1823 1856 19000 Seelen.

e IX. Das Innere ber Stabt Frankfurt im Mittelalter. 257

Jahre Tang genügte, hat feinen Grund in ihrem gleich anfangs auf- fallend weit ausgedehnten Umfange; dieje bedeutende Ausdehnung aber, welche man dem neu hinzu genommenen Stabtgebiete gab, war nicht etwa auf die Vorausſicht des fteigenden Wohlſtandes gegründet, fondern durch eine in unferer Beichreibung der Stabt-Umgebung (S. 240) angeveutete Nothwendigkeit geboten. Mehrere Jahrhunderte hindurch war der für biefe Erweiterung in Anſpruch genommene Raum nicht einmal zur Hälfte mit Wohnhänfern bedeckt, ſondern er beftand vielmehr größtentheild aus Höfen und Gärten. Dies zeigt fich auch noch auf dem 1552 erjchtenenen Srundrifje der Stadt, deſſen Verfertigung gerade in die Mitte der Zeit fällt, für welche jener Raum auggereicht hat. Auch wird ed noch 1577 vom Mathe ſelbſt ausgeſprochen. In einer Schrift, welche derſelbe damals dem Reiche uͤbergab), heißt es: die Stadt Frankfurt jet zwar ſehr aus: gebehnt, aber der größere Theil derſelben, namentlich die Neuftabt, enthalte blos etliche an den Straßen liegende Häufer und außer ihnen nichts als weitläufige Pläbe und Gärten. Bon den älteren Theilen der Stadt hatte Sachſenhauſen die meiften offenen Räume. In diefem Stabttheile gab es, nach dem zuvor erwähnten Grunbriffe, noch 1552 ſowohl dftlich des Affenthores, ala auch zwilchen ihm, ver Dreilönig-Kirche und dem Walle jolche Räume, und dieſe waren wohl auch im Mittelalter nicht bebaut. Außerdem wird 1345 urkund⸗ ih ein im öſtlichen Theile Sachjenhaufen’3- gelegener Hof erwähnt, zu welchem nicht nur ein Baumgarten, jondern auch ber zwei Hufen d. 5. etwa 60 Morgen große Thiergarten gehörte ?).

Nah Allem, was fo eben angegeben wurde, ift der größte Unter: ſchied zwiſchen dem mittelalterfichen und dem jeßigen Frankfurt in ber Neuftadt zu finden. In der Altſtadt dagegen zeigt ſich wohl in Bezug auf die einzelnen Häufer ein Unterſchied, nur in ſehr beichränttem Grabe aber bei den freien Pläben, bei den Straßen und fogar bei den Linien, welche bie Häuferreihen bilden. Dieſer Gegenfag wird fogar noch bei der Betrachtung jene vor 300 Jahren verfertigten Grundriffeg fi einem Jeden von ſelbſt bemerflich machen. Man findet auf demfelben faft alle noch jetzt vorhandenen

) Rersmner, IL, 1, &. 261. ) Böhmer, p. 592 sq. Kriegt, Frankf. Burgerzwiſte. 17

268 IX. Das Innere ber Stadt Frankfurt im Mitidalter.

Straßen und Pläße der Altitadt, gewahrt aber in ber Neuftabt gar Manches, was jeßt ganz anders geworben if. Da nun die Lebtere im Mittelalter noch weniger Wohnhäufer Hatte, ald im Jahr 1552, jo gewinnen wir durch bie Betrachtung ihres Auftandes in biefem Jahre ein annäherndes Bild ihres mittelalterlichen Ausfchensd, Sie beftanb 1552 aus ‚vier großen NRevieren, deren Ränder mit Häufern verjehen waren, deren Inneres aber große Höfe und Gärten enibielt und von nur ſehr wenigen Straßen durchſchnitten wurde. Das erfte dieſer Reviere iſt der zwilchen der Allerheiligen-Gaffe, dem Walle, der Altgafje und ber Friedberger Gaſſe gelegene Raum. In ihm waren, mit Ausnahme einiger wenigen Sadgaflen, von allen heutigen Straßen nur die Gafje hinter der Judenmauer, die Breitengaffe, bie Stelzengaffe und die Vilbeler Gafje vorhanden; dagegen beitand mindeſtens die Hälfte des ganzen Reviers aus offenen Räumen, von welchen der große Bleichgarten noch ein Weberreft iſt. In dem fich weitlich anfchliegenden zweiten Bezirke, welcher von ber Altgaffe, der Friedberger Gaffe, dem Bau- und Holzgraben, der Ejcheräheimer Gaſſe und der Bleichſtraße begrenzt ift, gewahrt man auf dem Grunbriffe von 1552 nur zwei durchgehende Straßen, die Schäfergaffe und bie Zeil, und auf der Leßteren finden fih an ihrer ganzen Südſeite faum drei ober vier Häufer. Doch gab ed 200 Jahre früher in jenem Raume noch eine britte Straße, welche bie Froſchgaſſe hieß und jest ben Namen der Stiftöftraße Hat!). Das noch weiter weftlich gelegene dritte Revier, zwijchen der Eſchersheimer und Bodenheimer Saffe, enthielt in feinem Inneren gar feine Straße, und beitanb größtentheild aus offenen Räumen. Dagegen enthielt ber vierte Bezirk, der fich von der Bockenheimer Gaffe bis zum Main erftreckte, mehr Häufer ala Gärten. Doch hatte auch in ihm die öftliche Seite des Roßmarktes noch feine Gebäude, und ebenſo war im Weiten bie eine Seite des Hirſchgrabens und der Raum zwilchen den Häufern ber jeßigen Gallus-Gaſſe und dem Weißfrauenflofter noch nicht mit Gebäuden verjehen. .

Die Neuftabt enthielt eine Zeitlang ſogar förmliche Aeder 2).

1) Baldemar, in ben Mittheilungen des Vereins für Geſch. und Alterthums⸗ kunde, I. S. 100. Offenbar beftanb biefe Straße auch noch 1552, iſt aber auf bem Grundriffe nicht mit Sicherheit zu erfennen.

3) Ein Beftandbbrief von 1878 (in bem Copialbuche bes Liebfraufiftes, Nr. 24,

IX. Das Anmere ber Stabt Frankfurt im Mittelalter. 3859

Ste hieß von Anfang an bie Neuftabt?), wird aber mitunter auch blos die Borftadt genannt?) In den früheren Zeiten führte fie auch den Namen „vie Gärten” ?). Diefen Namen hatte fie jedoch nicht von den vielen in-ihr befindlichen Gärten erhalten, ſondern er ftammte noch aus der Zeit vor ihrer Entjtehung. Früher nannte man nämlich denjenigen Theil der Gemarkung, welcher zwiſchen der Nieder und der Bockenheimer Landſtraße lag, die Gärten; und biefer Namen verblieb nachher auch der Neuftadt, welche ja größtentheilg auf jener Strede erbaut wurde (j. Aum. 140). Die Gärtner blieben nach der Entitehung der Neuftadt größtentheilg in berfelben wohnen, bejonderd in dem Bezirke am Rieder Thoret). Webrigend ward die Altſtadt um noch einmal zu diefer zurüdzufehren für ſich allein ſchon im vierzehnten Jahrhundert in zwei Theile

6. 242) ift Aber folgendes Grunbdſtück ausgeftellt: zwen morgen landig mit ben wege, gelegin ir ber Numen ſtad Binder dem Ramhoffe, unde floßent wit eyme deyle an Brunen garten und mit andern beyle in bie edere Katherinen Jacob Viols frauwen unde an bie muren ber Nuwenftab und an Conrad Kolers edir und an ben garten, ber etwan waz u. |. w.

1) Schon in ben Paiferlihen Privilegium, welches bie betreffende Stabi: erweiterung geftattete, wird fie fo genannt. Aud im Rechenbuch von 1349 bat fie diefen Namen („vyer zu wachen in ber Nuwen flabt eim yglichen 16 Sch.“). Es ift daher nicht richtig, wenn Fichard (zu Battonn, S. 185) fagt, fie fei anfangs zu oder in den Gärten und erit fpäter bie Neuſtadt genannt worben.

N In einer Urkunde des Liebfrauftiftes von 1564 wird z. B. die Lüge eineß Hauſes fo bezeichnet: „in ber Ealbecher gaſſen und ber Vorſtadt gelegen”, und in einer eben folgen Urkunde von 1571 finden fi die Worte: „hoff unb geſeß Weidenbufch genant, in der Vorftadt gelegen”.

9) In einer Urkunde bed Ltebfrauftifte von 1866 heißt ed: pars domorum et edificiorum sitorum in nova civitate Frankenfordena nominata vul- gariter zu den garten juxta plateam seu strfatam, qua itur ad portarh ejüsdem civitatis dietam vulgariter de Reyder porten. Andi im Stabi: Rechenbuch wirb bie Neuſtadt Dfterd fo genmmt, 3. B. Dominica ante Urbani 1849: die erderchin uff ber mure zun Garten 7 Pfd.; Domin. poſt Eliſabeth: meifter Wyder Froyſſchen 50 Pfb. von bed numwen fpitald wegen zun Garten; ohne Datum 1851: um fall an die alden flab umb zun garten. Im Beedbuch son 1854 wird bie Rubrik Neuftadt“ mit dem Worte Ortulani bezeichnet, gerade wie ebenbafeltft Matt Metzgergafſe bad Wort Carnifiees flebt.

) In einer Urkunde bei Leonhares = Stijeh von 1359 wird ein Haus fo . befeärieben: „Lit in ber Numenftat in der gazzen zu ber rechten hand, ba mar ıg geb gegin Niebern, ba die gertener wonent”.

17°

260 IX. Das Innere ber Stadt Frankfurt im Mittelalter.

geſchieden, welche man die Ober: und die Nieder-Stadt nannte: der Römerberg, die neue Kram und der Liehfrauberg bildeten die Grenze beider Theile).

Sadjenhaufen war im Mittelalter größer, als es jet ift, indem es zwei Vorftäbte hatte, welche außerhalb des den Ort um⸗ gebenden Graben? lagen. Beide follen 1552, ehe die damalige Belagerung der Stadt begann, niedergeriffen worden fein; auf dem Grunbriffe von 1552 find fie nicht mehr zu fehen. Beide beftanden nur aus je Einer Straße, welche auf ihren zwei Seiten Häufer: reihen hatte, und waren ebenfo, wie bie Älteften Straßen der Neu- ftabt, längs den Haupt-Landſtraßen erbaut. Die Eine lag vor ber jeßt nicht mehr vorhandenen Oppenheimer Pforte, an der Oppen- heimer Landftraße, auf welcher man fowohl nah Mainz, als auch nah Oppenheim und Worms reifte. Obgleich der um 1350 lebende Baldemar von Peterweil diefe Vorſtadt als aus zwei Häuferreihen beftehend fchildert, jo führt doch auffallender Weile das Beedbuch von 1367 nur brei „uziwendig der Oppenheimer Porte“ wohnende Leute an, welche Beede zahlten, und das von 1394 gedenkt ihrer ebenfo wenig, als der anderen Sachjenhäufer Vorftabt. Die Lebtere, welche den Namen „der Steinweg” hatte, lag vor der Affenpforte (dem heutigen Affenthore), und erſtreckte fich längs ber nach Darın- ftadt führenden Straße bin. Sie endigte da, wo jebt die Straßen nah Offenbah, Darmitadt und Gerau fid) von einander Tcheiben. Hier ward die Straße nicht durch ein Thor, ſondern durch einen bloßen Schlag oder Riegel gejchloffen gehalten (j. Anm. 141). In fpäterer Zeit dagegen ftand vafelbjt ein Thor, bie Kührains— oder Kehreing: Pforte, nachher auh DQuirind- Pforte genannt; im 17. Sahrhundert ward diejes letzte Weberbleibfel der alten Vor- ſtadt Steinweg abgebrochen ?). Im Jahre 1790 ließ man an ber Stelle, wo bieje Pforte geftanven hatte, eine Pyramide als Geleitz- fteitt errichten, welche jet auch nicht mehr vorhanden tft. Die

1) Diefe Einteilung ber Altfiadt Tommt fon in bem Älteften vorhandenen Beebbuche, bem von 1820, vor. Gie [cheint nicht im bürgerlichen Leben, ſondern 6103 in den VBeede: und Zinsbüchern gebräuchlich geweſen zu fen (Battonn, I. ©. 181 fig.).

3) So fagt Feyerlein, Anfichten, Nachträge u. f. w., I. ©. 198.

IX. Das Innere ber Stadt Frankfurt im Mittelalter. 261

Vorſtadt Steinweg, welche zwei Sadgafien enthielt, war 1367 von 58 Beedepflichtigen bewohnt. Sie wird jchon 1338 erwähnt‘).

Frankfurt und Sachfenhaufen waren auf ihren Landſeiten bereits in ber zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts mit einem Graben umgeben. Diefer war viel breiter, wafjerreicher und tiefer, als fein jetziger Weberreft im diesſeitigen Stadttheile. Er enthielt fo viele Tiiche, daß er zuweilen auf Koften ver Stadt gefiſcht oder zu biefem Zwecke verpachtet wurde. Auch ließ der Rath oft Fiiche hinein thun, um bie Ergiebigfeit zu vermehren (|. Arm. 142). Der Stabt- graben wurde vom Wieder: und Mebger:Bruche ber, ſowie an einzelnen Stellen der Nord» und Nordweft Seite durch zufliegendes Waſſer gefpeift, und Hatte ſowohl ober- als unterhalb einen Abfluß in den Main. Nichtsveftoweniger war er mehr ein ſtehendes, als ein fließendes Waſſer, und bildete deshalb einen der Geſundheit ſchädlichen Theil der nächſten Stadtumgebung. Auf feinen beiden Seiten war er mit einer Mauer eingefaßt. Hinter derſelben erhob fih auf der Stabtfeite ein fortlaufender Wall, welcher an einzelnen Stellen beſonders hoch emporftieg, um eine Baftton zu bilden. In Sachſenhauſen war der Graben nicht mit einer Mauer, jondern mit Palliſadenwerk eingefaßt, welches Letztere auch diesſeits Hier und dba angebraht war. Auch an der äußeren Mauer bed Graben? lag ein Wal; diefer war mit Weiden bewachfen, deren Aeſte von Zeit zu Zeit in bie Erde eingebrüct wurben, um dadurch ein ſogenanntes Gebüde (f. oben ©. 252) zu Stande zu bringen (j. Arm. 143). Dies gejchah beſonders zu der Zeit, als noch nicht alle Theile der Stadtgrenze eine Feitungdmauer hatten. Es ift übrigen? ein bedeutender Irrthum, wenn Leräner und nach ihm Battonn jagen, erjt im Jahre 1442 fei der Stabtgraben vor dem Ejcheräheimer und Bocenheimer Thor gemacht worden; denn nach dem Baumeifter-Buche wurde der Graben vor dem erfteren Thor bereit3 1343 gemacht, und nad den Stabt-NRechenbüchern befand fih nit nur ſchon 1375 ein Graben zwijchen dem Rödelnheimer (d. i. Bocenheimer) und dem Ejcheräheimer Thore, ſondern e8 wurde

) Im Bürgerbuch kommt nämlid 1888 vor: Conradus opilio uf dem Steinwege.

262 IX. Daß Innere ber Stadt Frankfurt im Mittelalter.

auch Thon 1402 der Graben zwifchen dem Erfteren und dem Fried⸗ berger Thor mit Fiſchen verjehen ?).

Auch eine hohe und ftarke Mauer wurde bereit im 14. Jahr⸗ hundert um bie Neuftadt und um Sachjenhaufen herum zu erbauen begonnen. Daß fie, wie Battonn jagt, erſt 1513 vollendet worden fei, jcheint mir unwahrfcheinlich; denn es werben erſtens ſchon weit früher einzelne Stellen der Stadtmauer erwähnt, und zweitens ſchließt Battonn aus dem 1451 von der Mauer bei Allsrheiligen gebrauchten Ausdrucke „neue Mauer” zu viel, da biefer ja aud) eine neu bergeftellte oder eine weiter vorgerückte und deshalb neue Mauer beveuten kann. Es fcheint vielmehr, daß ſchon am Anfange des 15. Jahrhunderts die Stadtmauer größtentheil® vollendet war (f. Ann. 144). Diefe Mauer erhielt fi bis in die neuefte Zeit: fie wurde zum Theil im 17. und 18. Sahrhundert, zum heile ober auch erft unter ber Herrſchaft des Fürften Primas nieder⸗ geriffen ). Sachjenhaufen war längere Zeit nur buch die an mehreren Thoren fiehenden Thürme, durch einen mit Palliſaden begrenzten Graben, burch einen Wal und durch einen vermittelit bed Gebückes verbichteten Zaun gefchübt. Gegen bad Ende de? 14. Sahrhundertö aber umgab man ed nad; und nach ebenfalls mit einer Mauer (f. Anm. 145). Die Stadtmauer war mit vielen Thürmen verfehen. Außerdem gab es an ihr eine beträchtliche Zahl von Erfern‘, deren Inneres im Winter erheizt werben Tonnte 9). Diefe Erfer waren mit Schiefer gebedit und zum Theil mit zinnernen Kräufen verziert*). Die Stadtmauer felbft war hoch und breit; nah einer Angabe in den Uffenbach'ſchen WManufcripten baute man

1) Leröner, I. 1. ©. 869. Battonn, I. ©. 126 fig. Gegenüber ber Angabe Beider vergl. man die in Anmerkung 148 mitgetheilte Stelle des Stabt- Rechenbuches von 1875, fomwie noch folgende bed von 1402: 81 Pfd. 12 Sch. umb 1125 ſtude fifche, die in ben graben by Allenheilgen und zuſchen Friedeberger und Rebelnheimer porten qwamen.

) Battonn, I. S. 108 flo.

9) Stadt-Rechenbuch, Sabb. ante Jakobi 1890: „8 Pfd. mynner 5 hell. umb Falen, bie quamen uff die thorne, erdere und wachten”. Es muß alfo wenigftend ein Theil ber Erler heizbar gemwefen fein.

4) Ebendaſelbſt kommt 3. B. 1879 eine Ausgabe vor „umb zin zu fneuffin uff eynen erder‘, fowie 1881 eine andere für „20 fneuffe uff bie erder zu Saſſ., bie balden 2 zuntbener minus 10%s pfundes“.

IX. Das Jmere der. Stadt Frankfurt im Peittefakter 263

fie gleich anfangs in folder Breite, daß auf ihr zwei Geharnifchte bequem an einander vorbeigehen konnten. Einen eigenthümlichen Schmud erhielt fie im Laufe der Zeit durch den Epheu, welcher an vielen Stellen an ihr hinaufwuchs. Dieſer bewucherte ihre Seiten nach und nach fo jeher, daß 1502 der Rath fich bewogen fand, ihn alfenthalben abreigen zu Laffen ?).

Der Ausgang aus ber Stabi wurde durch Thore vermittelt, welche Pforten oder vielmehr Porten, ſelten Thore genannt wurden. Sie beitanden auf der Landſeite faft insgeſammt aus boppelten, durch eine Brüde mit einander verbundenen Thoren, und man unterſchied biefe burch die Benennungen innere unb äußere Pforten von einander, Sie waren ber Zahl nach faſt ebenfo viele, als die heutigen Stabtthore. Im diesſeitigen Stabttheile befand fich auf der Main: Seite zuerft eine Fleine Pforte oberhalb der Brücke. Sie führte in bie Vorftabt Fiſcherfeld, und hieß die Kifcherpforte oder auch die Fiſcherfeldpforte 2). Die zweite Pforte am Main war bie Brücdenpforte over dasjenige Thor, durch welches man auf die Brüde ging. Sie wurde im ganzen Mittelalter, ja fogar noch bis zum Anfange des 18. Jahrhunderis während der Nacht geichloffen gehalten. Die Main: Pforten, d. 5. bie zwiſchen ver Brüde und dem unteren Ende der Stadt befindlichen Thore, waren ber Reihe nach folgende: 1. Die Fiſcherpforte; 2. die Juden⸗ oder Löher-Pforte, von dem Juden: Quartier unb ber Löher- Gaffe, welche Beide in der Nähe waren, benannt; 3. die Metzler⸗ (Metzger-) Pforte; 4, die Spetalis- Pforte (Heiligegeift-Pforte); 4. die Fahrpforte; 5. bie Wiſſen- oder Wiß- Pforte (dad jeßige Holzpfürthen); 6. die Leonhards-Pforte, auch Viſir— und Jörgen-Pforte genannt (weil einer der fogenannten Bifirer auf ihr wohnte, und weil die Leonhards-Kirche früher der Marta und dem 5. Georg geweiht geweſen war); 7. und 8, zwei nicht mebr beſtehende Pforten am Weinmarft, von denen feine bejonderen Namen vorkommen; 9. die Franenpforte, melde da, wo jpäter

I) Leraner, D., 1, ©. 798.

2) Den Iepteren Namen führte fie nicht, wie Battonn fagt, erſt nach bem 14. Jahrhundert. Im Stabdt-Rechenbuch von 1881 3. B. fteht eine Ausgabe für „Bockinheimer qwaber under bie fifcherfelbe porthen“, eine andere für „Imebemerde an ber fificherfelde porthe”.

264 IX. Das Innere der Stabt Frankfurt im Mittelalter.

ber Schneibwall erbaut wurde, ftand und von einem benachbarten Frauenhauſe ihren Namen hatte.

Die Thore der Landſeite folgten fih, wenn man vom unteren Main aus um bie Stadt geht; in folgender Reihe: 1.die Mentzer⸗ Pforte an der Edle der Main-Mauer; 2. die Galgen- Pforte, auch Menger: Pforte genannt, welche in der Gegend des jebigen Taunus⸗Thores ftand und 1809 abgebrochen wurde; 3. und 4. zwei Pforten bei Luginsland:); 5. die Rödelnheimer Pforte, welche auch Bodenheimer Pforte hieß und in der Nähe bes jetigen Bockenheimer Thores ftand; 6. die Efchersheimer Pforte, auch Eſchemer Pforte genannt; 7. die Kabenpforte (gegenüber dem Haufe Nr. 62 der Bleichſtraße); 8. die Friebberger oder Frieder Pforte); 9. die Bornheimer Pforte, welche dem Enbe ber Breitengaffe gegenüber lag, aber fchon 1405 nicht mehr eriftirte ®), nicht zu verwechjeln mit der gleichnamigen Pforte, welche am Ende ber Fahrgaſſe aus der Altitabt in die Neuftadt führte; 10. die Nieder Pforte oder das Nieder Thor, auch Meder Pforte und Allerheilgen- Pforte genannt; 11. die Schieß⸗ ober Schoß⸗Pforte, zwilhen dem Wollgraben und ber Judengaſſe.

In Sachfenhaufen gab es auf der Lanbfeite folgende fünf Pforten: 1. die neue Pforte, am Thiergarten gelegen und deshalb auh die Pforte beim Thiergarten genannt; durch fie führte ber Weg nach Oberrad, welcher jet burch das Affenthor geht *); 2. die Affenpforte, auch Raeder oder Roder Pforte genannt; 3. die Oppenheimer Pforte (f. oben ©. 260); 4. die dem heutigen Schaumain= Thor entfprechende Pforte am Ulrichftein. Auf der Main: Seite habe ich im 14. Jahrhundert nur bie in ber Nähe der Ulrichjtein= Pforte gelegene Fifcher- Pforte, den Durch: gang durch den am Sachſenhäuſer Ende der Main-Brücke ſtehenden

) Im Stabt= Rechenbuch heißt e8 in ber Ausgaben : Rubrit „An ber ftebe buwe’ von einer Ausgabe, fie fei gemacht worben für „bie wo porthen by Lugeindazland.“

9) Der letztere Namen kommt in ben Stadt⸗Rechenbüchern ebenfo zuweilen vor, wie ber Namen Efchemer Pforte.

®) Battonn, I. ©. 100.

4) Sie heißt im Stabt : Redenbuch von 1862: „bie Porte da man zu Rabe uz geit by bern Rudolfis hobe“.

IX. Das Innere der Stadt Frankfurt im Mittelalter. 265

Brückenthurm und die oberhalb der Brüde befinblihe Main: Pforte urkundlich erwähnt gefunden Y.

Außer den angeführten dies- und jenfettigen Thoren finden ſich im 14. Jahrhundert noch folgende, ihrer Rage nach nicht ficher zu beftinmende erwähnt: die Beder Pforte; die Dumpel: Pforte, welche ebenfo, wie der Dumpelborn, in der Nähe der am Main gelegenen Mainzer Pforte ftand und vielleicht mit dieſer identiſch war; die Compoft: Pforte, in der Nähe der biesfeitigen Fiſcher⸗ Pforte gelegen und wahrjcheinli mit ver Loͤher⸗Pforte iventilch; bie Erwuynd- Pforte; die am Main gelegene Pforte unter dem Kumphauſe, unter welcher wahrjcheinlich die Fiſcherpforte ver ftanden ift; die Oygen= Pforte, nach dem Namen eines Pförtners benannt; die Waltird: Pforte (ſ. Anm. 146).

Die Zahl der mittelalterlichen Thürme Frankfurt's und bie Lage eined jeden berjelben genau anzugeben, ift jest nicht mehr möglid. Im Jahre 1552 hatte die Stadt Franffurt, wie man auf dem Grundriffe von 1552 fteht, an ihren äußeren Mauern und MWällen diesſeits 40 bis 41, jenjeit? 15 Thürme. Am Jahre 1808 zählte Feyerlein ) dort 46, hier 22 Thürme, welche damals theils noch ganz, theild in halb zertrümmertem Zuftande vorhanden waren. Jetzt ftchen von allen dieſen Thürmen diesſeits nur noch zwei (der Eſchersheimer Thurm und der Rententhurm) und fenfeit3 nur noch ſechs (fünf am Main-Ufer oberhalb der Brüde und ein größten: theils zertrümmerter am Schaumain: Thor). Webrigend mache ich in Betreff der fünf Sachlenhäufer Feſtungsthürme oberhalb ber Brücke darauf aufmerffam, daß dieſe nebft der fie mit einander verbindenden Stadtmauer heut’ zu Tage noch gerade fo auzfchen, wie fie vor 300 Jahren auf dem Grundriffe von 1552 bargejtellt find. Die meilten Thürme find, wie man fieht, erſt vor etwa fünfzig Jahren, bei der unter dem Fürſten Primas vorgenommenen volftändigen Demolirung der Feſtungswerke, verfchwunden.

Sm 14. und 15. Sahrhundert gab es in Frankfurt und

2) In Betreff ber Letzteren beißt ed im Stadt: Rechenbud von 1889, bei Angabe ber Einnahmen vom Zoll: und Wegegeld: „Bon der Moyne porthen obe: wendig ber bruden 1 Pfb. mynner 4 heil.”

) Nachträge zu Kirchner's Geſchichte, I. ©. 188 bis 200.

266 IX. Daß Innere der Stadt Frankfurt im Mittelalter.

Sachſenhauſen an den Auferen Mauern folgende Thürme: I. Dies ſeits: 1. Der 1801 abgebrochene Brüdentburm; 2. der Thurm ber Fiſcheͤrpforte (unterhalb ver Brüde); 3. der Meglerthurm (an der gleichnamigen Pforte); 4. der Thurm an der Spetalis- Pforte; 5. der in ber eriten Hälfte des 15. Jahrhunderts erbaute Rententburm; 6. der um 1390 erbaute, 1808 niebergerifiene Leonbarb&sThurm ; 7. der Frauenthurm an der Frauen: pforte; 8. der Mainzer Thurm an ver Ede der Stadtmauer am Main, da, wo biefe fich nach der Lanpfeite hin wendet ?); 9. ber Mainzer oder Galgen-Thurm, an der Galgenpforte ftehenn ?); 10. ver Thurm am Luginzland; 11. der Thurm an der Roͤdel⸗ beimer oder Bonenheimer Pforte; 12. der Eſchersheimer Thurm, welcher in ber zweiten Hälfte bed 14. Jahrhunderts erbaut worden iſt (ſ. Anm. 147); 13. der Friedberger Thurm; 14. bis 16. das Bornheimer Thürmchen, der Ruland3-Thurm und ber Brachtes-Thurm, von welchen vielleicht die beiden Letzteren identiich find); 17. der Nieder Thurm; 18. und 19. zwei ſoge⸗ genaunte Judenthürme, in ver Gegend des Juden-Kirchhofes gelegen ®); 20. der Thurm im Frohnhofe. - II. In Sachſen⸗ haufen: ber jenfeitige BrüdenthHurm; mehrere Heine Thürme am Main oberhalb der Brüde, ein Thürmchen beim Thiergarten ; ber Drachenfels; der Affenthburm; ver Vohbrads-Thurm; zwei Thürme an der Oppenheimer Pforte; der Ulrichftein am Untermain= Thor, noch jetzt theilweiſe erhalten.

Im Inneren ber Stabt, in welchen Fcyerlein 1808 diesſeits 20 und jenjeit® 3 Thürme zählte, finden fih im 14. Jahrhundert

) ©. oben &. 108 fig.

2) Im Stadt-Rechenbuch von 1870 wird er durch ben Ausbrud „Denker thurn uff dem Moyne“ von dem nachfolgenden unterfihieben.

%) In ben Jahren 1881 bis 1882 wurde ber Thurm mem gebaut; im

" Stadt: Mechenbuch fommen zu jeuer Zeit viele Ausgaben für „ben mumen galgen

tborn‘' vor.

*) Im Stadt» Mechenbud kommt vor: 1870 „ber Meine nube tborn gein Bornheim“, 1871 „das Bornheimer thornicye. Der Ruland⸗Thurm lag zwifchen der riebberger und ber Rieber Pforte; ebenſo ber Bradted-Thurm. "

*) Im Stadt⸗Rechenbuch kommt 1568 „der Judenthurm“ vor, 1870 „ber Thurm binter dem Judenkirchhoff“', 1871 „der nube thorn inter bem Juben- thurm“, 1872 „der nuhe Judenthurm“.

DE Das Innere ber Stabt Frankfurt im Mittelalter. 267

folgende jet nicht mehr vorhandene erwähnt: der Bornheimer Thurm an ber noch jcht Bornheimer Pforte benannten Stelle; ein in beilen Nähe geftandener Thurm!); der Bockenheimer Thurm an der Älteren Bockenheimer Pforte (ver Katharinens Pforte); der am Ausgang der Weißablergafle auf ven Hirichgraben geftandene Guldenthurm; der frühere Pfarrthurm (ver jetzige warb 1415 bis 1512 erbaut); der Prediger: Thnrm ober Moͤnchs⸗ thurm am Dominifaner-Klofter; der Ochſenthurm zwiſchen dem MWollgraben und dem Frohnhofe; der Thurm bei der Schuppel- burg am Ausgange der Schüppengaſſe auf den Hirfchgraben; der nahe dabei, am Weißfrauenflofter geftandene WeipfrauensThurm; der Thurm der Elifabethen- Kirche in Sachfenhaufen. Von einigen in mittelalterlichen Schriften genannten Thürmen weiß mun ihre Lage nicht mehr anzugeben. Diefe find: der Spießed:Churm?); ver Oygen-Thurm?); der neue Thurm „hinter den Bumeiſtern“; ber Madentburm Mebrigend gab ed außer den genannten Thürmen ‚noch andere, beren Namen ung nicht überliefert worden fine.

Die Thürme waren bereit3 im 14. Jahrhundert mit Schiefer gedeckt. Sie hatten zinnerne Knäufe, und zwar zum Theil acht bie zehn (ſj. Anm. 148). Die Spiken ber Thürme waren meiftend mit gemalten Yahnen verfehen ). Bon einem Feftungsthurm wird auch gemeldet, daß er außer zwei ahnen noch zwei vergolvete Kreuze gehabt habe 5). In Kriegäzeiten befeftigte man an ben einen ober anderen Hauptthurm einen Korb, und beauftragte Leute, desſelben zu warten. Kirchner (I, 481) meint, diefe Körbe ſeien jedesmal,

1) Im Stadt⸗-Rechenbuch von 1871 fommen neben einander wor: ber Born⸗ beimer Thurn, das Bornheimer Thornichen unb „ber nuwe thurn gein Bor heimer tbor”.

) Er wird im Gtabt: Rechenbuche zuerſt 1872 erwähnt, und zwar fo, baf es ſcheint, als wenn er erf in biefem und bem folgenden Jahre erbaut worben wäre. Groß war er nicht; denn 1879 wird er ebendbafelbh „Spiefled thorniche“ genannt.

&) Ge fcheint am Main geſtanden zu haben.

9) Z3. B. im Stabt- Redenbucdh von 1878 heißt «8: „12 Pfb. 4 Sch. bie fanen yff Frebeberger thorn unbe die fanen, bie obir unferm herren bem Bonige by dem bellefin gebragen worden, zu malen.”

5) StadtRechenbuch: Sabb. ante Katharinä 1872: 4 gulben zwo fanen ande zwei cruce uff Mentzer thorn zu malen unde umb gulb bar zu.

268 IX. Das Innere ber Stadt Frankfurt im Mittelalter.

wenn ein Feind herannahte, in der Abficht außgehängt worden, bie im Felde zerftveuten Bürger zu warnen. Dieſe Einrichtung hatte jeboch wohl cher den Zweck, bie fliehenden Mitbuͤrger, benen die fhweren und gut verfchloffenen Thore nicht fchnell geöffnet werben tonnten, in ben Körben beraufzuziehen; wenigften? würde hiermit der Umſtand beſſer in WUebereinftimmung zu bringen fein, daß der bei einem folchen Korbe Angeftellte mehrere Tage Hinter einander beöfelben warten mußte ?).

Der viezfeitige und ber jenjeltige Theil der Stadt waren burch bie Main: Brüde mit einander verbunden. Dieje warb während des Mittelalterd mehrmals durch Wafferfluthen ganz oder theilmeife zerftört. Die bedentendfte Zerftörung fand 1342 Statt. Nach der: jelben wurden bie Funbamente neuer Pfeiler gelegt, welche, mit Ausnahme mehrerer des mittleren Theile der Brücke, noch heut’ zu Tage die nämlichen find. Diefe Pfeiler wurden von Duaberfteinen gemacht. Am fiebenten derjelben befand fich ver Thalmeg ber Schiffe; denn zweimal (1400 und 1407) fcheiterte ein Schiff an ihm, und hinderte tie Fahrt der anderen eine Zeitlang ?)., Die Brüde heißt manchmal die fteinerne, manchmal aber auch bie hölzerne Brüde ®). Auch finden fich Fehr oft Ausgaben für Brücken Diele und Brücken⸗ Rägel, welche auf die Main Brücke kamen, verzeichnet (|. Anm. 149). Es verhielt ſich nämlich mit der Main-Brücke offenbar fo: dieſe hatte fteinere Pfeiler, war aber anfang? gar nicht und nachher bio zwifchen einigen wenigen Pfeilern gewölbt, jo daß je zwei Pfeiler

1) Stadt⸗Rechenbuch, Sabb. poſt Eyriaci 1889: Jacobe von Kaldebach 8 Sch. alder, 6 dage des korbes uff Rebdeinheimer porthen zu warten. Das Rechenbuch von 1389 enthält eine befonbere Rubrik von Zahlungen an „bie, bie in biefem kriege an den porthen ſitzen“, und in biefer fommen auch bei bem Möbelbeimer und dem Friedberger Thore bie Leute vor, „bie ber Förbe warten.”

2) Ebendaſelbſt, Sabb. poft Beorgii 1400: 4 Sch. eim knechte, 2 tage an bem fadhe uff dem Mein zu halden in eim nacen und die lude zu marnen, daz fie in ben fiebinden piler nit furen; item 8s gulden umb ein alb ſchiff, als under dem fobenden piler ber bruden zubrach. Die ſteinernen Pfeiler (pilae) ber Brüde werben fon 1285 erwähnt: Privilegienbud, ©. 8.

8) In einer Urkunde bes Liebfraufliftes von 1368 beißt es: vicaria in ponte lapideo super Mogonum posito erigenda et constituenda Im Stabts Nechenbuch findet fi Sabb. ante Berpetune 1409: 1 gulden vier Inechten, dry nachte der holten bruden in dyſem grofien geweſſer zu huden.

IX. Das Innere ber Stabt Frankfurt im Mittelalter. 269

durch Balken und Diele mit einander verbunden waren (}. Aum. 150). Einzelne fteinerne Gewölbe der Brüde werben ſchon 1357 erwähnt (}. Anm. 151). Nachher wurde im Sabre 1399 ein Brüdtengewölbe gemacht, fowie 1414 wieder eines (|. Ann. 152). Um bie Pfeiler der Brüde zu fchügen, waren an ihrem Fuße Pfähle eingerammelt, welche von Zeit zu Zeit durch neue erfegt wurden. Das Lebtere geſchah 3. B. von 1401 bis 1408 nicht weniger als fünfmal (ſ. Anm. 153). Bor ven einzelnen ‘Pfeilern war ein jogenannter Eisbaum angebracht, welchen eingebleite eiferne Klammern fefthielten (. Anm. 154). Welche Art von Brüftung die Brüde im Mittel- alter hatte, ift nicht bekannt. Die jebige fteinerne Brüftung der⸗ felben wurde, nad) Battonn, um 1743 angebracht. Daß chen vorher eine andere vorhanden. war, verfteht fich von ſelbſt. Auf dem Srunbriffe von 1552 hat bie Öftliche Brüftung aufrecht ſtehende Stangen, welche mit Tüchern behangen find; dieſe waren aber blos vorübergehend angebracht worden, damit bei der damaligen Belagerung der auf dem Mühlberg lagernde Theil der Feinde nicht jehen Tonnte, welche Truppen über die Brücke zögen HY.

Die Brüde hatte befanntlih an jedem ihrer beiven Ausgänge einen Thurm, unter welchem ver Weg hindurch ging. Auch befand ſich auf ihr die bereit? oben (S. 245 fig.) erwähnte Brüdenmühle: diefe Tag etwas über der Mitte ber Brüde hinaus nah Sachfen- haufen zu, und erftredite jich über die ganze Breite der Brücke Kim, fo daß ber Weg unter ihr hindurch ging. Außer den beiden Thürmen jtand auf der Brüde noch eine Kapelle. Jene Thürme hatten ge wille Ausſchmückungen. Im Thorgang des biegfeitigen Thurmes befand ſich ein an die Wand gemaltes Crucifix, welches oft aufge⸗ frifcht wurde (ſ. Anm. 155). Andere Bilder an biefem Thurme, namentlih das bekannte ſchaͤndliche Spottbild auf bie Juden, ind erft an oder nach dem Enbe des Mittelalter3 angebracht worben. Auch der Durchgang des Sachſenhäuſer Brückenthurms hatte ein Heiligenbild: es war ein unter einem Gehäufe angebrachtes Muttergottes⸗ Bild, und warb ebenfall3 oͤfters reftaurirt (ſ. Anm. 156). Bel diefem Bilde ftand ein Gelbftod für freiwillige Gaben, welche zur

1) ©. Saffian, Belagerung von Frankfurt 1562, im Programm ber höheren Bürgerfchule von 1859, ©. 28.

2370 IK. Das Inmere der Stadt Frankfurt im Mittelatktt.

Unterhaltung ber Brücke geipenvet wurben. Derſelbe lieferte ver Stadtkaſſt manches Städ Geld, während zugleich öfters Sterbende zum Seile ihrer Seele ebenfo für die Brüde, wie für Kirchen, eine Summe Geldes, irgend ein Möbel over auch einen ewigen Zins vermachten (ſ. Anın. 157), Man ſah im jenen Zeiten bie Sorge für ven Unterhalt der Brüden als ein Werk der Wohlihätigfeit und Froͤmmigkeit an. Haben ja dach 1300 mehrere Bilchöfe einen Ablaß für alle diejenigen verfündigt, welche in Verbindung mit reuevoller Beichte ein chriftliches Almofen für die Frankfurter Brücke ſpenden würden 1)!

Die auf der Brucke beſindliche Kapelle ſtand nach Batton auf demjenigen Pfeiler, welcher bem Sachfenhäufer Brückenthurm am wächften war, nach Feyerlein dagegen in ber Mitte der Brücke, da, wo jebt dad Kruzifir fteht ?). Sie war uriprünglich der Jungfrau Marta und den beiden Heiligen Stepbanus und Bonifacius gewidmet; ala fie jedoch durch die Waſſerfluth von 1342 zeritört worden war, weihte man fte felbft nach ihrer Wiebererbauung ber Katharina, ihren Altar aber der Maria, dem Stephanus und den Bonifacius ®). Die Kapelle war eine der Stationen, zu welcher die feierlichite in Frankfurt gehaltene Proceflion ging; diefe Proceffion wurde zum Andenken an die größte jemals vorgefommene Ueberſchwemmung gehalten, und fand auf Maria- Magvalent: Tag Statt, well an biefen Tage bie Waſſersnoth ihren höchften Grab erreicht hatte.

Am Schluſſe des WMittelalterd wurde auch das fogenannte Rattenhaͤuschen auf der Brüde erbaut, deſſen Stelle Battonn zwiſchen der Mühle und dem Thurm der Sachfenhäufer Seite vermutbet. 83 war ein neben angebrachte Häuschen, in welchem von 1498 an bis 1569 täglich eine Stunde lang ein Mann ſich aufhielt, um gegen

) Böhmer, p. 387.

») Battonn, I 6. 214 flg., Feyerlein's Nachträge, IL. S. 288.

2) Bon biefer zweimaligen Gröauung kommt es wahrfcheinlid ber, dah Kirchner, I. ©. 204 und 286, und Feyerlein, II. ©. 228, von zwei auf ber Brüde ftehenden Kapellen reden. Das zweite Mal fand die Einweihung auf ben Tag vpn Kosmas ımb Damianus Statt, und bie bat wohl ben Anlaß gegeben, baß Kirchner (Anſichten, I. S. 65) fagt, bie Kapelle fei biefen beiden Helligen gewibmet geweien. Nach einer Angabe der Uffenbach’Ichen Manuſcripte wurde fie auch der Maria Magdalena geweiht: f. Battonn, I. S. 214 fig.

IX. Daß Inmere der Stabt Frankfurt im Diittelalter. 271

einen Pfennig jede ihm gebrachte todte Ratte in Empfang zu nehmen und te, nachdem er ihr den Schwanz abgeichnitten hatte, in ben Main zu werfen. Den Schwanz behielt er als eine Art von Quit⸗ tung für die aus der Stadtkaſſe wieber zu empfangenben Pfennige zurüd. Diefe Maßregel wurde zu einer Zeit eingerichtet, in welcher die Ratten fehr überhand genommen hatten. Die Volksſage brachte biefelbe mit folgendem Vorfalle in Verbindung. Ein Jude hatte fich in koſibarer Kleidung in eine zu Frankfurt gehaltene fürftliche Tanz⸗ geſellſchaft einzufchleichen gewußt, war aber erfannt und zu eimer großen Geldſtrafe verurtheilt worden. Die von ihm bezahlte Summe wandte man dazu an, bie damals ſehr überband genommenen Ratten auf die angegebene Weiſe auszurotten; und nachher wurden mehrere Sahrhunderte hindurch alle von Juden entrichteten Strafgelber auf gleiche Weife verwendet 1). Diefe Sage ftinmt mit dem am Ende des Mittelalterd herrſchenden Geiſte jo ſehr überein, daß man fie für begründet halten Tann. Im Jahre 1553 zwang man fogar einen Juden, jenen Rattenpfennig zu erheben und die abgelieferten Ratten in den Main zu werfen. Im Fahre 1569 hörte diefer ganze Brauch auf; denn damals beftimmte man das Mattenhäuschen zur Aufbewahrung des Pulverd ber mit biefem handelnden Kaufleute 9.

Auf der Mitte der Brücke fteht heut zu Tage ein Crucifir und über demjelben ein mejjingener Hahn, welcher unbeweglich ift und alfo nicht etwa als Windfahne hatte dienen jollen. Das Vorhau—⸗ denſein von Beiden rührt höchftwahrfcheinlich davon Ber, daß bie betreffende Stelle der Brüde im Mittelalter ald Hinrichtungsfbätie diente. Eine der haͤufigſten Hinrichtungdarten war nämlich im mittel- alterlichen Frankfurt das Ertränfen: fie warb 3. B. allein in ben 23 Sahren 1378 1400 nicht weniger als 25mal vollzogen. Die zu dieſer Strafe Verurtheilten wurben auf die Mainbrücke geführt, bort vom Henker entweder mit Stridlen gebunden ober in ein Faß gefchlagen, und dann in ven Fluß geworfen. Dies geichah natürlich an derjenigen Stelle, an welcher das Waſſer des Fluſſes am ftärkften ſtroͤmte, man aljo am ficherften war, daß der Körper nicht fofort and Ufer getrichen werde. Hiermit hängt offenbar die Errichtung

Schubt, jüs. Merkwürd. II. S. 820 flg- ®) Lersner, I. 1. ©. 441.

272 IX. Das Innere ber Stadt Frankfurt im Mittelalter.

eines Erucifired an jener Stelle zufammen. Zwar wurden im Mittel: alter Erucifire an fo vielen Stellen errichtet, daß diefelben in jedem einzelnen alle Teiner befonderen Erklärung bebürfen; allein bei Richtftätten pflegte damals felten das Zeichen des Kreuze ober eine Kapelle zu fehlen, und fo wird alſo wohl auch jened Erucifir der Main-Brüde mit der dortigen Nichtftätte in Beziehung ftchen. Selbſt ver Hahn kann in der .Abficht angebracht worben fein, den Ber- brecher durdy die Erinnerung an Petrus zur Rene zu ermahnen, obwohl er vielleicht auch blos als das Symbol der Wachſamkeit auf der Brüde hatte ftehen ſollen ). Die Volksſage, die fih an ihn und an das Erucifir anfnäpft, ft zu bekannt, als daß fic hier erzählt zu werben brauchte. |

Treten wir nun in das Innere der Stadt felbft ein, fo finden wir, wie ſchon bemerkt, im älteren Theile zwar bie noch jeßt vor: handenen Plaͤtze, Straßen und Straßenlinien größtentheilö wieder; im Uchrigen aber bieten ung alle Theile der Stabi ein ganz anderes Ausfehen dar, ala biefelben jet haben. Bor Allem finden wir bie Altftapt von der Neuftabt in der Weiſe getrennt, dag die Mauern und Gräben, welche vor 1333 die Erftere ald Befeſtigungswerke umgeben hatten, ſammt ihren Thürmen erhalten worben waren, und die Altftadt gegen bie Neuſtadt förmlich abfchloffen. Das Letz⸗ tere fand fogar noch im 16. Jahrhundert Stadt. Zwiſchen beiden Stabttheilen gab es wenn man von der früher bewohnten Vor⸗ ſtadt Fiſcherfeld abfieht nur drei den Verkehr vermittelnde Durch- gänge, die am alten Bornheimer Thurme (ſ. S. 267) befindliche Bornhbeimer Pforte, die Bodenheimer Pforte oder Katharinen: Pforte und bie unter dem Guldenthurm hindurchgehende Gulden⸗ pforte?). Diefe Durchgänge waren mit Thoren verfehen, und wurden Nacht? ebenjo, wie die Brückenpforten, gejchloffen gehalten.

1) Battonn, I. S. 222 flg., Feyerlein, ©. 228 fig. Der Lebtere erzählt auch bie Sage von bem ſchwediſchen Solbaten, welcher 1685 aus Fanatismus auf das Grucifir gefchoffen baben, aber von der zurüdprallenden Kugel getöäbtet worden fein fol. Er erflärt bie betrefienbe Vertiefung an ber rechten Wabe bei Gekreuzigten, welche diefe Sage veranlaßt bat, als beim damaligen Brüdenfampfe entflanden.

7) Der Durchgang durch bie Haafengaffe wurde erſt 1590 gebrochen: f. Steitz, Die Melanchthons⸗ und Luthers s Herbergen, ©. 8.

IX. Das Innere der Stadt Frankfurt im Mittelalter. 273

Im Jahre 1355, als die Handwerke ihre Gewohnheitärechte dem Rathe jchriftlich überreichten, hatten die in der Neuftadt wohnenden Gärtner bei der Webergabe der ihrigen Fein bringenderes Anliegen auszufprechen, als daß man ihnen Nachts, zur Herbeibringung des Sacramented für Sterbende und zur Herbeirufung von Hebammen, die Thore der Altjtadt öffnen laſſen möge. Ebenſo fand fich Hundert Fahre fpäter der Rath beivogen, den Pabſt zu erjuchen, daß er bie in der Neuftadt gelegene Peters = Kirche und die Sachjenhäujer Dreitönigs - Kirche für felbftftändige Kirchen erkläre, damit auch in ver Nachtzeit, in welcher beide Stabttheile von der Altſtadt abge- ſperrt feien, in jenen das Sacrament gereicht werben könne !). Außer dem Graben, welcher Alt und Neuftabt von einander trennte, war der Boden der bieöfeitigen Stadt auch von Kanälen oder, wie man in Frankfurt fie nannte, Aduchen (jegt Antauchen) burchaogen (j. Anm. 158). Der größte biefer Kanäle entjprach feinem Laufe nach dem älteften Stabigraben, und war aus biefem entftanden: er zog von der Gegend ber Dominifaner- Kirche ber durch die Mitte ver Borngafle und der anderen mit biefer parallel laufenden Gaſſen, durchſchnitt am Wedel die neue Kräme, ſowie weiterhin die Sübfeite des Pauls-Platzes und des großen Korn- marktes, und ging dann hinter der Weißfrauenkirche her in den Main. Er war während des Mittelalter Tein eigentlicher Kanal, fondern ein offener Graben, wurde am Ende dieſes Zeitraumes auf feinem Boden mit Dielen belegt, und erſt fpäter, ſtellenweiſe ſogar erit am Ende des 18. Jahrhunderts, ummauert und übermwölbt, Des: halb hieß er audy der Bach oder der Graben durch die Stabt. Stellenweife war er mit hölzernen Brücken verjehen ?), ſowie, damit man bei Feuersnoth Leichter zu feinem Waſſer kommen könne, mit Schutzbrettern und befonderen Zugängen 3). Außer diefen Kanal

4) Würdtwein,. Dioeces. Mogunt. IL p. 508 sq. Der Pabſt beauf- tragte in Folge davon ben Erzbifchof von Mainz, auf die Abbülfe jenes Misftandes bebacht zu fein. -

2) Eine ſolche Brüde befand fi 3. B. noch 1586 da, wo in ber Rothkreuz⸗ gaſſe das Haus zum großen Speicher fteht (Römer: Büchner’s Beiträge, ©. 52).

° Im Geſetzbuch aus dem 15. Jahrhundert beißt es in ber Verordnung über die Löſcheanſtalten: „Darzu bat ber Rat mit ben Richtern beflalt, dag man bie phule in der Nuwenſtat und an allen andern enden offhalte, und fin auch von

Kriegt, Zrankf. Bürgerzwifte. 18

274 IX Das Innere der Stabt Frankfurt im Mittelalter.

oder richtiger Graben gab es in der Alt wie in ber Neuftadt noch andere fürmliche Kanäle, wie 3. B. an ber Leonhards⸗-Kirche und in der Nähe des jebigen Allerheiligen Thores 1).

Der mitten durch bie Stadt ziehende Graben wurbe von Zeit zu Zeit gereinigt. Zu biefem Zwecke ließ man zumeilen ben Nieder: und Mebgerbruch, welche jenen Graben, wie ven um die Neuftabt ziehenden, mit Waſſer fpeiften, abbämmen (ſ. Anm. 159). Am Ende des Mittelalter (1468) fam man auf den Gedanken, einen Theil des Main-Waſſers um und durch die Stadt zu führen, damit die jtädtifchen Gräben reinered Wafler und dieſes eine rajchere Bewegung erhielten. Man wollte nämlich das rechte Main= Ufer ba, wo an der jebigen kurheſſiſchen Grenze die biezfeitige Landwehr begann, durchftechen, und jo vermittelit des Grabens ber Letzteren Flußwaſſer in die Niederung des Nieder Bruches, jowie aus ihr in die Stabt- gräben leiten. Dieſes Projekt wurde jedoch aus unbekannten Gründen wieder fallen gelaflen. Ebenjo ging ed, ald man 50 Jahre jpäter es wieder aufgegriffen hatte. Im Jahre 1558 wurde zwar bie Ausführung desfelben endlich vorzunehmen begonnen; allein man fcheint dabei nicht auf die rechte Weife verfahren zu fein, da pie “Sache bald ebenfall3 wieder aufgegeben wurde), Fünfzig Jahre nachher (1605) hatte ber Frankfurter Bürger und Mühlenarzt Rothmel einen Gedanken, welcher erſt in unferen Tagen feiner wirk⸗ lichen Ausführung enigegengerüdt if. Er wollte auf dem Main ein Waſſerwerk errichten, um vermittelft desfelben Main-Waſſer auf bie Brüde und von ihr aus in die ftähttfchen Gräben und Kanäle zu leiten. Der Rath ging auf Rothmel's Vorſchlag ein, und lieh bie Ausführung desſelben beginnen; die Sache kam aber bald wieder ind Stocden, wahrjcheinlih in Folge einer wegen ber Schifffahrt erhobenen Einſprache des Kurfürften von Weainz, welcher damals auch die Beſeitigung eines Theiled der Main - Mühlen verlangte, weil diefe ver Schifffahrt Hemmungen bereiteten 9).

Der Graben, welcher die Altſtadt von ber Neuftabt trennte, und an defjen früheres Vorhandenfein noch jegt die Namen Woll-

ber fledbe wegen im graben, ber durch bie flat geet, ſchutzbrede und ingange zum wafjer gemacht.“ Man vgl. übrigens über biefen Graben Battonn, I. ©. 74 fig. 1) ©. bie Anmerf. 158. *) Lersner, II. 1. ©. 770, 771 und II. 1. ©. 529. °) Daf. ©. 772.

IX. Das Junere ber Stabt Frankfurt im Mittelalter. 275

graben, Baugraben, Holzgraben und Hirfchgraben erinnern, war, zum Unterfchied von dem durch die Erftere und von dem um bie Letztere fließenden, nit mit Waller verſehen, ſondern troden; wenigſtens findet fich Feine Spur des Gegentheild. Streden von ihm wurden zwar ebenfalls, gleich denen des äußeren Stabtgrabeng, zuweilen verpachtet, aber offenbar nur zum Behufe des Abgrafenz oder für irgend eine andere Benutzung feined Bodens !). Das jüdliche Ende desjenigen Theiles, welcher der Hirſchgraben hieß, war fo jehr in die Breite erweitert, daß es einen offeiten Pla& bildete. Diefer weite Raum enthielt viele Bäume, und war aljo cine Art von Park. Die in ihm befindlichen Bäume waren Nupbäume: als jolche werden fie 1496, ſowie 1583 bezeichnet, in welch letzterem Sabre fie, wegen der beginnenden Bebauung des Hirjchgrabend mit Häufern, umgehauen wurden ?).. In dem Poarke wurden Hirjche gehalten. Diefe werden meine® Willen? 1400 zum erjten Male erwähnt. Damals beitanden ‚fie nur aus zwei Stüd, einem Hirſch und einer Hindin, welche Lebtere der Jude Gottſchalk von Kreuznach dem Rathe gejchenkt hatte 3). Schon 1408 aber hatte man für das befannte Hirſcheſſen, welches der Rath jährlich einmal hielt, die Wahl zwijchen mehreren Hirfchen in jenem Graben, und 1444 gab es deren fo viele, daß der Rath ven Herren von Falkenftein und Eppitein bie erbetene Erlaubniß ertheilen konnte, durch ihren Jaͤger einen Hirſch für ihren Thiergarten in Münzenberg einfangen zu lafjen *). Im Sahre 1556 fcheint das Aufziehen von Hirſchen im Hirichgraben abgejchafft worden zu fein 5). Der betreffende Theil des Grabens

1) Stadt⸗Rechenbuch, Sabb. ante Elifabeth 1899: 8 Pfb. von Conr. v. Durckelwil von eim iar von bem grabin zur rechten bant als man zu Bornheimer porten ußen geet; Sabb. poft Viti 1400: 3 gulden 1 ort han uns Heinke von Treife und ber pilftider gegeben von einem far von dem grabin zuſſchen fant Katbrinen porthen und dem armbrofter und dem grabin uswendig des Wollingrabin.

3) Lersmer, IL 1. ©. 28, 25.

8) Stabt= Rechenbuch, Valentini 1400: 9 Sch. 3 Hell. umb 1 achtell hafern bem birk in bem graben; Sabb. poft Servatii 1400: 4 gulden den knechten ge ſchenckt, als bie die binden ber brachten, als Gotſchald von Erugenach ber Jude dem Rabe ſchenckte; Circumciſ. bom. 1401: 3 Sch. umb babern dem hirtz und ber binben.

*) Lersner, I. 1. ©. 669, 797.

8) Ebendaſelbſt ©. 672.

18*

276 IX. Daß Innere ber Stabt Franffurt im Deittelalter.

führte, wie man fieht, feinen Namen von den dort gehaltenen Hirfchen; früher hieß er der Burggraben ?).

Den Gang auf den ihn begrenzenden Dämmen kann man ala bie einzige Art Promenade im modernen Sinne anfehen, vie es im mittelalterlichen Frankfurt gab. Doc ftanden auch wohl, wie noch im Jahre 1552, auf einigen öffentlichen Pläten und beſonders in den Höfen der Kirchen Bäume, welche im Sommer Schatten und ven Anblid des Grünen gewährten. Zu Leröner’3 Zeit (db. 5. vor 150 S$ahren) war der vor dem Leonhards⸗-Thor liegende Weinmarkt ein fchöner, mit vielen Bäumen bejebter Plab ?); 150 Jahre früher aber war er, wie ber Grundriß von 1552 zeigt, bie noch nicht. Dagegen ftand damals auf dem vor dem Kingange ber Leonhards⸗ Kirche gelegenen Kirchhof eine große Linde, welche jehr fchön gewefen fein muß, weil einer der Berichterftatter, deren Angaben Uffenbach gefammelt hat, ed für nöthig hielt, ihren Ilntergang zu melden: fie ward 1617 durch einen Sturmmwind umgeriffen, und bat im allen den Kopf des Adler? zertrümmert, welcher an der LReonhards- Kirche angebracht war 9). Uebrigens hatte die mittelalterliche Welt ebenſo, wie noch unſere Großeltern, das jebt fo allgemein empfundene Bedürfni des öfteren oder gar regelmäßigen Promenirens nicht. Man fucht daher auch in jenem Zeitalter vergeben? nach Anlagen der Art, wie fie zur Befriedigung dieſes Bebürfniffes jebt in allen Stäbten vorhanden find.

Dagegen Tiebte man im mittelalterlichen Frankfurt die Gärten und ben Genuß, welchen fie gewährten. Die geräumige Neuftabt wurde lange Zeit beſonders hierzu benutzt, obwohl es auch in ber Gemarkung nit an Gärten fehlte. In der Neuftadt hatten gar manche in der Altitadt wohnende Familien ihre Gärten, und biefe enthielten größtentheild Häufer, in denen man Sommer? wohnte, und welche deshalb Sommerhäufer hießen. Die vornehmen Familien, wie die Froſch, die Holzhaufen und Andere, befaßen in der Neuftadt Gärten von folder Ausdehnung, daß man denſelben den Namen Höfe gab. Aber auch Bürger der Mittelflaffe Hatten dort ihre

) Battonn, I. ©. 91 fig.

5) Lersner, I. 1. ©. 484.

®) De eccles., monaster. Francof. in den Uffenbach'ſchen Manuſcripten, ©. 181 fig.

IX. Das Innere der Stadt Frankfurt im Mittelalter. 277

Sommerwohnungen. So bejaß 3. B. ein fonft unbekannter Bürger (Werner Duling), nach bem noch erhaltenen Inventar feiner Hinter: laſſenſchaft aus dem Jahre 1502, nicht nur ein Wohnhaus in ber Altftabt, fondern aud ein Sommerhaus in der Neuftadt 1). Diefer Mann gehörte freilich, da er mit einem Palmftorfer verichwägert war, zu den reichen Leuten; aber e8 werben auch Sommerhäufer von anderen Bürgern erwähnt, wie 3. B. 1387 dad Sommerhaug des Bicar von Liebfrauen Johann Dub ?).

In Betreff der Wohnhäufer überhaupt tft zuerst zu bemerken, daß in Frankfurt wie überall dieſelben nicht durch Buchftaben und Nummern bezeichnet waren, fondern daß ein jedes feinen bejonberen Namen trug, welcher gewöhnlich auf einem an ihm angebrachten Schilde zu Iefen war?). Noch weit wichtiger, als biefer Unterfchieb zwifchen dem mittelalterlichen und dem modernen Frankfurt, ift eine im 14. und 15. Jahrhundert eingetretene Erſcheinung. Während nämlich daS heutige Frankfurt fi) gerade durch das gut unterhaltene Aeußere feiner Häufer auszeichnet, enthielt e3 in jenen Zeiten um⸗ gekehrt eine große Zahl von baufälligen und fogar von ganz zer- fallenen Gebäuden, was bem Ausfehen der Stadt felbft den Charakter der Armuth und Dede verlieh. Der Grund dieſer Erfcheinung lag in den vielen auf den Grundftücden laſtenden Erbzinfen, und gab mehrmald Beranlaffung, daß ber Kaifer felbft gebietend einfchritt €).

Die meiften Häufer waren in Fachwerk gebaut; fteinerne gab ed wenige. Wegen ber geringen Zahl ver Xebteren wurden manche von ihnen auch blos mit dem Namen das Steinhaus oder das fteinerne Haus bezeichnet. Fünf derfelben führen viefen Namen noch heut’ zu Tage, nämlich da bekannte jteinerne Haus auf dem Markt

1) Diefes Inventar befindet fich unter den Urkunden bes Dominikaner-Rlofters, und e8 heißt bort: In dem garten in ber Numwenftat ein Ieher alt bußge; im Sommerhuße ein beſchloſſen leher tiſch u. ſ. w.

2) Im Copialbuch des Liebfranflifte®, Nr. 24, befindet ſich S. 288 ein Notariats - Inſtrument von 1387, welches „in bem fommerhufe beö erbern herren bern Johans genant Dutz“ abgefaßt worben ift.

2) ©. Battonn, I ©. 182 bis 184. H. NReiffenftein bat eine große Zahl diefer Häufernamen im Archiv für Frankfurt's Geſch. und Kunſt, neue Folge, I. ©. 854 flg., mitgetheilt.

) S. oben ©. 106.

278 IX. Das Innere der Stabt Frankfurt im Mittelalter.

(Nr. 44), die beiden Häufer Nr. 17 und 19 in der alten Mainzer Saffe (neben der Leonharbs-Kirche), welche früher aus drei fo benannten Gebäuden beitanden hatten, ſowie in Sachfenhaufen der Storch (Rr. 28 der Brüdenftrage) und das Haus zur Sonne (Elifabethen- ftraße 35 und Brücdenftraße 15). Diefe fünf oder viehnehr ſechs Häufer kommen als fteinerne fchon im Mittelalter vor, nämlich dag zuerft genannte von 1464 an, wo ed erbaut worden tft, bie brei in ber Mainzer Gaſſe 1405, der Storh 1446, die Sonne 1413. Außer diefen ſechs fteinernen Wohnhäufern habe ich noch folgende fünfzehn in Urkunden bes Mittelalterd erwähnt gefunben: vier, deren Lage nicht angegeben ift, in den Jahren 1253, 1284 und 1293 und in einem nicht genannten Jahre bes 14. Jahrhundert 2); ein zu Sachjenhaufen beim deutfchen Haufe gelegenes Haus, welches auch einen fteinernen Stall hatte, 1276; eines in der Nähe ber Bartho- lomäug- Kirche 1297; eines im Hainer Hof 1304; eines bei ber Nikolai⸗Kirche 1304; eined am Arnzburger Hof 1311; eines nahe ber Dreber- (jebt Kannengießer⸗) Gafle 1321; zwei in der Fiſcher⸗ gaſſe 13255 eines in der Bendergafle (welches ein altes fteinernes Haus genannt wird) 13382); eined am der Dechanei bes Liefraus jtifte® 1352 9%); eined gegenüber dem Haufe zum Sanphöfe in ber Sandgaſſe 1391).

Was die zum Bauen verwendeten Steine und Hölzer betrifft, io famen die Legteren nicht, wie heul’ zu Tage größtentheild, vom Ober-Main her, jondern von Mainz Wenigſtens wird das zu öffentlichen Bauten verwendete Holz im 14. und am Anfange beö 15. Jahrhundert? meiften? Mainzer Holz genannt, und daß biele Bezeichnung wirklich die Herkunft desſelben anzeigt, läßt fich mit

1) Böhmer, p. 89, 217, 279, unb Genfuß Buch des Leonbarbs - Stiftes aus dem 14. Sahrbundert (Nr. 1 der Bücher biefes Stiftes), Blatt 18b, wo ein an bie Sohanniter zu entrichtender Erbzins zweier Ehegatten erwähnt wirb de domo lapidea, quam inhabitant.

”) Die zuleht genannten neun Häufer fommen vor bei Böhmer, p. 177, 815, 860, 861, 897, 459, 488, 556.

8) In einer Richtung von 1858 (Copialbuch bes Liebfrauſtiftes, Nr. 24, ©. 195) „die feinen fammenabin, dy gelegin ift an ber bechanie bove unfers fifftes”.

%) Sn einer Urkunde von 1891 (Genfus = Buch bed Liebfrauftiftes Nr. 85, ©. 89): domus lapidea ex opposito des Santhoffs.

IX. Das Innere ber Stadt Frankfurt im Mittelalter. 279

Sicherheit behaupten. Webrigen? Tamen von Mainz her nicht blos Holzſtämme, fondern auch Diele (|. Anm. 160). Bon Mainz ber bezog man auch öfters gebackene Steine, welche indeſſen mehrere Male als Speierer gebadene Steine bezeichnet werden; man bezahlte um 1400 dad Tauſend derſelben mit zwei bis brei Gulden ). Die Bruchiteine, welche man zum Bauen verwendete, wurden theild im ſtaͤdtiſchen Gebiete gebrochen, theild aus Bocenheim und aus Miltenberg bezogen, und zwar beftellte man die Xeßteren direct bei „ben Gru⸗ benern zu Weildinberg”, von welchen fie dann zu Waſſer hergeſchickt wurden. Die ftädtifchen Steinbrüche, welche erwähnt werben, befanden ſich im Stadtwalde (in welchem die ſchwarze Grube des Buchwaldes namentlich angeführt wird), am Ginheimer Wege, im Affenftein, in der Bornheimer Gemarkung und in den Weinbergen zu Oberrad. Die Miltenberger Steine werben zumeilen als Quader bezeichnet, jowie rothe Miltenberger Steine genannt. Die Bodenheimer Steine wurden weit mehr, als heut’ zu Tage, zum Bauen verwenbet: man gebrauchte fie 3. B. auch zu den enftern und Schwibbogen des Leinwandhauſes ?). Dieſe Bockenheimer Steine werben in den Stabt- Rechnungsbüchern auch noch als folgende beſondere Arten bezeichnet: Bocenheimer Zalfteine, Bocenheimer Greven oder Grebfteine, Boden- heimer Ortfteine (diefe drei Arten wurden ſtückweiſe bezahlt), Bocken⸗ heimer Quader und B. Schalfteine. Sonft werben die Bruchiteine, ohne Bezeichnung ihrer Herkunft, auch noch unter folgenden Namen angeführt: Wackeſteine, Wölbejteine, Meauerfteine, Suntenfteine, Symöfteine, Schnedefteine und Langefteine.

Die MWohnhäufer waren keineswegs indgefammt an einander angebaut, ſondern es fcheint vielmehr, als wenn fich zwifchen ihnen meiſtens ein jchmaler Raum (ein Winkel) befunden babe, nad welchem die Dächer abfielen, und in den auch wohl der Abfluß ber Waſſerſteine geleitet war. Noch vor hundert Jahren gab es, wie

1) Stabt-Rechenbud, Sabb. poſt Michaelis 1874: 8 gulden fur eyn taufend Spirfer gebadener fleyne; Ausgaben: Rubril „ınnb ſteyn“: 1888 Tommen „850 gebadene fteyne von Spyre“ vor; in berfelben Rubrik 1898 heißt ed: 4 gulden umb 2000 gebadener ftein und 2 Pfd. davon von Menke ber zu furen.

2) Ehendafelbft, Antonii 1400: 7 Pf. 9 Sch. 8 Hell. umb 56 flude Bockinh. flein zu den finftern in dem großen Iinwathufe; Ausgaben - Rubrif „umb fleine‘ 1408: 9 fiude Bockinh. quaberftein zun fiopbogen in das linwathuß.

280 IX. Das Innere der Stabt Frankfurt im Dittelalter.

Orth fagt, viele folcher Winkel in Frankfurt. Nicht wenige der⸗ jelben waren ſtaͤdtiſches Eigenthum, hießen deshalb Almenden, und hatten als folche an ihrem Eingange einen Adler; fle waren theils durchgehend, theild nur am einen Ende offen. Bei manchen erlaubte ber Rath den Anwohnern, fie mit Freilaffung des Durchganges zu überbauen, wovon fich noch jeßt hier und da Spuren erhalten haben !). Uebrigend gab es für den Regenabfluß Händel an den Dächern; fie kommen in Frankfurt urfundli 1304 zum erften Male vor ?). Sie und der Abflug der Waflerfteine gingen jedoch nicht alfe in bie erwähnten Winkel, fondern zum Theil auch auf bie gemeine Straße °). Regen-Lifternen jcheint man im Mittelalter nicht gehabt zu haben; wenigſtens könnte man dies aus dem Umſtande fchliegen, daß eine jolche Eifterne, welche 1507 im Haufe zum großen Braunfels gemacht wurde, die Injchrift erhalten haben fol, fie fei die erite in Frankfurt gemachte Eifterne *). | |

Die Dächer waren lange Zeit theils Stroh-, theils Schinbel- dächer. Noch 1362 ließ der Rath felbft mehrere von ihm erbaute Häufer mit Stroh deden?). Aber ſchon 24 Jahre nachher (1386) fuchte er jene zwei Arten von feuergefährlichen Dächern’ zu befeitigen. Er machte nämlich damals befannt, daß ärmeren Leuten, wenn fie ihre Häufer mit Ziegeln oder gebadenen Steinen bediten, ber dritte Theil der Koften aus der Stadtkaſſe erjeßt werben folle. Auch geſchah dies noch in demſelben und in den nächften Jahren (|. Anm. 161). Bald nachher fcheint jedoch dieſes Toftipielige Mittel zur Beſeitigung der Stroh: und Schinveldächer wieder aufgegeben worden zu fein, ‚da die Stadt-Nechenbücher Feine Zahlungen jener Art mehr enthalten. Im Sahre 1439 erließ ber Rath das förmliche Gebot, die neuen Häufer nicht mit Stroh, fondern mit Schiefer oder Ziegeln zu

1) Orth, Yortfeßung, II. S. 502.

») Böhmer, p. 860. Die 1399 gemachten Kändel bes Leinwandhaufes waren von Blei: Stadt: Nedhenbudh von 1399, Rubrik ‚An ber ſtede bum“: 22 Pfd. 18 Sch. 7 Hell. umb 7%s zuntener unb ſeß phund biyes zu Eenbeln in daz nuwe lynwathuß.

2) Orth, Fortſetzung, II. ©. 462.

4) Lersner, J. 1. S. 28.

6) Stadt⸗Rechenbuch, Laurentil 19862: umb ſtro uff die nuwen huſer by ſant Katherinen 8 Pfd.

IX. Das Innere der Stadt Franffurt im Mittelalter. 281

bedten 1). Diejed Gebot wurde 1466 erneuert, und acht Jahre ſpaͤter befahl der Rath auch die Befeitigung der Schindeldächer?). Man fcheint jedoch feine Gebote nicht tet? befolgt zu haben; denn 1485 ſah fich der Rath nicht nur zu dem wiederholten Befehle genöthigt, daß alle neuen Häufer bloß mit Schiefer oder Ziegeln gedeckt werben jollten, fondern er fügte auch Hinzu, daß im Falle des Ungehorfams fowohl der Bauherr ala fein Werkmann jo lange, als das neue Strof oder Schindeldach bleibe, täglich eine Strafe von zehn Schtl- lingen bezahlen müßten). Wie die Dächer, jo hatten auch bie Einfriedigungen in der Stadt fein nach unferen Begriffen ftäbtifches Ausfehen: fie beftanden großentheild aus Zäunen, und erft 1439 wurbe verboten, fie anders ald in Mauerwerk oder Dielmänden auf: führen zu lafien®).

Ein Mizftand, welcher bie größtentheil® engen Straßen noch mehr verengte, waren die Weberhänge. Dieſe befanden ſich faſt an allen Häufern und waren, weil lange Zeit keine bejchränfende Vor⸗ fchrift beftand, meist übermäßig groß. Erft 1418 ergriff ver Rath Maßregeln gegen fie. Eine damals erlaffene und 1455 wieberholte Ber: ordnung befagte: in engen Gaffen dürfe ohne befondere Erlaubniß des Rathes gar Fein Ueberhang gemacht werben; in breiten aber bürfe der unterfte Ueberhang nicht über eine Elle, der zweite nur brei- viertel Ellen weit herausgeben, und weiter aufmärtd bürften gar feine fein. Dieſe Verordnung beftand bis 1719, wo bie unter dem Namen des Chriftenbrandes bekannte Feuersbrunſt dag neue Gebot veranlaßte, daß in allen Straßen nur ein einziger Meberhang gemacht werden, und derſelbe in breiten Straßen blos Einen, in engen bloß einen halben Fuß weit herausgehen bürfed). Erft in neuefter Zeit find die Meberhänge ganz verboten worden. Gleich ihnen waren auch die im mittleren Stod angebrachten Erfer, beſonders bei Eck⸗ häufern, zu der Zeit des Mittelalters ſehr Häufig. Ebenſo verhielt ed fi mit den jogenannten Schoppen oder Borkrämen, welche ben

I) Archiv für Frankfurts Geh. und Kunft, VIL ©. 147.

2) Leröner, II. 1. ©. 22. Ein Bürger, welcher 1468 beilen ungeachtet fein Haus mit Stroh gebedit hatte, mußte dieſes wieder befeitigen.

2) Qersner, II. 1. &. 28.

4) Archiv für Frankfurts Geſch. und Kunft, VII. ©. 147.

8) Kirchner, I. ©. 464, und Orth, Fortfegung, IIL ©. 487.

282 IX. Das Innere der Gtabt Frankfurt im Mittelalter.

Handelsleuten zum Feilhalten ihrer Waaren vienten, unb in ber Meile auch an fremde Kaufleute vermieihet wurden. Wan batte fie früher in willfürliher Größe gemacht, und erft 1454 wurben fie einer beftimmten Vorfchrift unterworfen. Nach der damals erlaflenen Verordnung, welche durch die feitherige allzu große Breite der Vor⸗ främen unb durch bie daraus entftandene Beläftigung bes Publikums motivirt war, follten biefelben fortan nur 5 Fuß 2 Zoll (alſo noch immer eine beträchtliche Strecke weit) vor bie Façade des unteren Stockes heraustreten dürfen (j. Anm. 162). Das Dach vieler Bor kraͤmen beſtand aus Schinveln, bis 1547 befohlen wurde, daß bie felben mit Schiefer gebedft werben müßten 2). Auch die Haußfeller erſtreckten ich zum Theil weit unter die Straße bin, und ed haben ich Keller von biefer Ausdehnung noch bis auf den heutigen Tag erhalten). Ebenſo befand fich der Eingang zu vielen Kellern auf der Straße, und auch die Kellerloͤcher waren mitunter vorliegend. Die Öffentlichen Plätze dienten hauptfächlich zum Feilhalten von Waaren. Auf dem Samstagsberg wurden nicht nur zu Lersner's Zeit die gewöhnlichen Wochenmärkte gehalten, fondern auf ihm hatten auch die Hoden und die Berkäufer von gejalzenen Fiſchen ihren Stand. Der Wochenmarkt feheint jedoch früher auf dem Liebfrau- berge gehalten worben zu fein, weil man ihn 1573 bei dem Verſuche, biefen Play zum Mefjehandel zu gebrauchen, auf das Pfarreifen verlegte). Er wird wohl auch im Mittelalter, wie zu Lersner's Zeit, Mittwochs und Samstags und mit dem Auffteden einer rothen Fahne gehalten worben fein. Der Filchmarkt fand vor der Nicolais Kirche Statt, aber blos in fo weit er die gefalzenen Fiſche betraf, deren Comjumtion im Mittelalter weit größer war, als heut’ zu Tage*). Dicht daneben war der Pla für die Hoden, welche fpäter

1) Unmittelbar nach ber fo eben erwähnten Verordnung if im banbfchriftlichen Geſetzbuch bie betreffende weitere Berorbnung von 1547 hinzugefügt. S. aud) Orth, Fortfegung, IT. ©. 461 fig.

9 Orth, Fortfeßung, III. ©. 575.

2) Lersner, L 1. ©. 480 u. 488.

*) Stadt: Nehenbuch, Sabb. ante Perpetuä 1400: 5 Pfb. 12 Sch. umb holtz zu fnyden zu ben benden, bie gefalten fifiche by fand Niclaß daruffe feile zu babin; Sabb. ante Valentint 1407: 5 Pfb. 5 Sch. umb bolg zu ben benden, ba uff man gefalgen ſiſchwerg uff dem berge by fant Niclaß feil bat, und ben zimer: Iuden unb andern, bie zu machen und fuft zu erbeiben, und das holtz zu furen.

IX. Das Innere der Stadt Frankfurt im Mittelalter. 283

zugleich auch auf dem Pfarreifen feil halten durften). Ste mußten für ihren Stand eine beftimmte Abgabe zahlen). Ein Mann war beſonders angeftellt und befolvet, welcher bie Aufficht über die Hoden führte®). Diefer hatte zugleich eine kleine Fahne aufzuftedten, welche jo lange ftehen blieb, als die Hoden feil halten durftent). An einer anderen Stelle des Roͤmerbergs bielten im vierzehnten und fünfzehnten Sahrhundert die Schuhmacher feil, und zwar zweimal wöchentlich ®). Auch die Gerber hatten ihre zwei beitimmten Markttage (Dienstags und Samstags); wir erfahren aber nicht, wo biefelben gehalten wurden ©). Die eingebürgerten Mebger hielten in ber Metzgergaſſe feil; den auswärtigen aber, welde an ben Markttagen Fleiſch in die Stadt bringen durften, war hierzu die nörbliche Seite bed Römer: berges angewiefen. Im Jahre 1423 wurde ben Letzteren zwar das Eindringen und Feilhalten von Fleiſch verboten, dagegen burfte aber jever Bürger feinen Fleiſchbedarf von außen beziehen). Die einges bürgerten Bäcker hielten nicht nur in ihren Häufern, fondern auch auf einem (unbekannten) öffentlichen Plate feil; nur in ber Meſſe durften fie dies überall thun. Die fremden Bäcker hatten ihren

1) Eine 1505 erlaffene Verordnung über die Hoden fagt, biefe bürften nur in ihren Häufern oder auf ihren verzinften Fenſtern feil haben; welche von ihnen aber bazu gelegene Häufer nicht hätten, follten ihren Stand haben „by bem phar ifen ober off bem Sampßtagberge by bem engel berabe, auch hinder unb neben ben fiſchbenken“: hanbfchriftlihes Geſetzbuch des 15. Jahrhunderts, Blatt 28 fig. Aus derfelben Berorbnung erfieht man, baß bie Hoden Eier, Käſe, Geflügel, Wildpret und Butter verkauften.

) Stadt-Rechenbuch, Sabb. ante Thomä 1410: 82 Sch. 4 Hell. virkerten rechenmeifter, richter und fchriber, als fie die hodin virbodt hattin von irer zinfe wegin zu mynnern.

2) ‚Welcher ber boden wartete”, beißt es in ben Stabt: Nechenbüchern.

*) Stabt:Rechenbuch 1898, Rubrik „Suldenern“: Heldeberg 12 von A jahr von ber boden benerchin uff und abe zu fteden. (Dasſelbe kommt vor: und nachher noch oft vor.)

8) In ben Schuhmachergefepen von 1855 (Böhmer, p. 641) heißt es, daß bie Schuhmacher zweimal wöchentlich Markttage bielten, unb baß feiner aufer biefen zwei Tagen zu Markt geben bürfe. Im Stabt-Rechenbuche von 1391 ſteht Rubrik „Schultheißen ampt”: Sabb. poft Nicolat bat uns Joh. Ernft 14 Sc. gegebin von merdetrecht von ben fchuchworten uff bem berge.

6) Böhmer, p. 642.

N) Brauer, I. ©. 588, und bandfchriftliches Geſetzbuch, Blatt 46.

284 IX. Das Innere der Stabt Frankfurt im Mittelalter.

beſonderen (ebenfall3 unbekannten) Platz. Sie durften das Brod nur auf den Wagen oder Karren, in denen fie basfelbe hereinge⸗ fahren hatten, auslegen; und bloß denjenigen, welche dasſelbe zu Schiffe nach Frankfurt brachten, war geftattet, ebenſo wie bie ein- heimifchen Bäder auf Tiſchen und in Schreinen feil zu halten). Uebrigens gab es im Mittelalter auch eine Nealgerechtigleit des Brod⸗ verfaufes, welche an jedermann ohne Ausnahme veräußert werben Fonnte, aber an eine beftimmte Stelle gebunden war. Died waren die fogenannten Brobtifche, welche in der Saal: und ver Benbergaffe ihre Stätte hatten, und von denen manchmal zehn einer einzigen Familie gehörten). Der Viehmarkt war urfprünglich in der Buch gaſſe ), ſowie in Betreff der Pferde auf dem Xiebfrauberg, welcher deshalb früher der Roffebühel geheißen hatte, und auf welchen 1490 der Ochſenmarkt verlegt wurde). Im fünfzehnten Jahrhundert ward der Viehmarft auf ber jebigen Zeil und auf dem Roßmarkt gehalten; dort fand er fogar noch vor hundert Fahren Statt). Der Holzverkauf, welcher urfprüngli am Ufer des Main war, wurbe 1463 auf ben Xiebfrauberg verlegt ®).

Eine recht eigentlich mittelalterliche Eigenthümlichkeit Frankfurt's waren die vielen fogenannten Gottezhäufer, welche zum DBehufe der Privatandadhten oder auch als Wohnhaͤuſer von Beckarden, Beguinen oder armen Wittwen von einzelnen Familien geftiftet worben waren. Ihre Stiftung fällt größtentheil3 in bag vierzehnte Jahr⸗ hundert; wenigſtens reichen die Nachrichten hierüber nicht weiter zurüd. Ihre Zahl war auffallend groß. Dies geht aus der Anführung von folgenden 39 hervor, welche ich in den Urkunden erwähnt gefunden habe, deren Lage aber meiſtens nicht mehr genau zu beſtimmen iſt. In der Oberftabt Tagen: der Mebftoden Gotteshaus, auch die Kapelle

ı) Böhmer, p. 780.

9) Lersner, IL 1. ©. 178, Böhmer, p. 864, 874, Fichard's Ent: ſtehung, ©. 150.

) Nach einer Urfunde bes Liebfrauftiftes von 1845 lag ein Hof „an beme fo marfet by Giczubyl“ (db. 5. bei dem Haufe Nr. 15 der Buchgaſſe).

*) Lersner, II. 1. ©. 557.

®) Lersner, I. 1. ©. 488 (welcher zugleich bemerkt, daß zu feiner Zeit ber Pferbemarft täglich gehalten worben fei), und Belli, Leben in Frankfurt, IV. ©. 54.

®) Lersner, II. 1. ©. 770.

IX. Das Innere der Gtabt Frankfurt im Mittelalter. 285

zum Rebſtock genannt; zwei Gotieghäufer der Herren zu den Wygeln, verichieden von der Kapelle zu ven Wygel, welche bald in das Eollegiat- ftift zu Liebfrauen umgewandelt worden ift (j. Anm. 163); die beiden neben einander gelegenen GotteZhäufer zu den Reien oder zum Reihen in der Steingaffe, von welchen wenigſtens eines ein Beguinen- Haus war !); der Kalbebechern Gotteshaus in der Gegend der Schnur: gafle; der Garleibin Gotteshaus beim Dominikaner⸗Kloſter; Hertwin's ober der Weißen Gotteshaus in der Keinen Fiſchergaſſe *); ein Beckarden⸗ Haus bei dem Stolzenberg (d. i. in der Gegend ber Mehlwage); der Mengozen Gotteshaus; zwei Gotteshäuſer der Elbrechte in der Sifengaffe?); eine Elaufe für Eine Perfon am LXiebfrauftift; zwei Gotteshäufer neben einander in der Gegend des Bornheimer Thorez; ver Bebeſtecken Gotteshaus ebendafelbft: ein Beckarden-Haus in ber Wildenmannd-Gafle*). In der Niederftadt Tagen: das Gotteshaus zum goldenen Froſch in der Weißfrauenftrake; ver Tinten Gottes⸗ haus in der jegigen Münzgaſſe; zwei Gotteshäufer neben einander in der Sandgaffe, von welchen das eine dad Ave Marien⸗Gotteshaus hieß (ſ. Anm. 164); dag Gotteshaus zu der Hube am golbenen Thurm; das zu ber Rufen; das der Hartmube; da des Schrenden; dag der Mebe von Spire; des Gyſen Gotteshaus; des Dozſen Gotteshaus; das Gotteshaus zum Smyztzkil; drei Gotteshäufer der Rulmennen neben einander; der Morlern Gotteshaus; des Drutman Gotteshaus; des von Löwenftein Gotteshaus); dad von Beguinen

1) In ben Beedbüchern von 1854 und 1894 kommen Beide in ber Steingafle vor. In einer Urkunde bes Liebfrauftifteg von 1428 wird von einem Haufe gefagt, es fet gelegen „uff dem Slochters bofe, obewendig bem Monczbofe, zufchen dem edhufe, da inne bie Bedinen wonen genant zum Reiben, und dem neſten bufe oben an bem Monczhofe.“

) Bon den brei zulegt genannten fommt das erfle in ben Beedbüchern von 1854 und 1894 vor; dag britte erwähnt eine Urkunde von 1377 bei Battonn, I. ©. 47 flg.; das zweite aber wird .1891 im Copialbuch bed Liebfrauftifteg, Nr. 24, ©. 811, in Betreff eines Haufes erwähnt, welches gelegen fei „by den Predigern zu Frand. an ber Garleibin gotes huſe uff der eden‘.

®) Diefe drei kommen im Beebbuch von 1394 vor.

4) Weber das erſte biefer fünf f. Böhmer, p. 715 (im Jahr 1866); bie beiden folgenden kommen im Beedbuch von 1854, das vierte aber in bem von 1865 vor; über das fünfte ſ. Kirchner, I. S. 282 fig.

6) Diefe 14 Gotteshäuſer werben im Beebbuch von 1367 angeführt.

286 IX. Das Iumere ber Stadt Frankfurt im Mittelalter.

bewohnte Hoch⸗Gotteshaus; dad Beguinen-Haus der großen Cinung in der Seckbaͤcher Gafle und das Michels⸗Gotteshaus oder die Meine Einung in der Michels⸗Gaſſe (eigen Blauehand⸗Gaſſe) (ſ. Anm. 165); endlich noch dad Gotteshaus bei dem Eifenmenger (auf der neuen Kräme!).

Die in den Straßen ſtehenden Brunnen hatten ebenjo, wie manches Andere, eine nach unſeren Begriffen borfartige Beſchaffen⸗ heit. Sie waren nämlid, wie die ber Privaten, nicht Pumpen, jondern Ziehbrunnen. Sogar ber im Rathsgebäude (dem Römer) befindliche Brunnen war ein folcher, wie daraus hervorgeht, daß für ihn öfter? Bornfeile und Eimer gefauft wurben 2). Auch auf dem Grundriffe von 1552 erblidt man faft nur Ziehbrunnen, und jogar noch in der Brunnen-Orbnung von 1596) ift nicht blos von Schwengeln, jondern auch von Seilen, Ketten und Eimern die Rebe. Uebrigens mußten die öffentlichen Brunnen im Mittelalter, wie noch lange nachher, von den umwohnenden Haugbefigern unterhalten werden; doch waren biejenigen Hauöbefiger, welche Brunnen in ihren Hänfern hatten, von einem Theile der Koſten befreit (|. Anm. 166), Auch gab zuweilen der Rath einen Beitrag dazu“). Ein Theil der Brunnen hatte feine befonderen Namen. Die älteiten von biefen, welche erwähnt werben, find: der Luprands⸗Born in der Borngaffe 1259, der Dumpelborn (Xempelborn oder Zrauenbrunnen) in ber Meiuen Mainzergaſſe 13005); ver Grabeborn auf dem goldenen Löwenplägchen 1347, der Gitzborn in der Schnurgafie 1369, der Kuebelind-Born in der Gegend der Leonhards-Kirche 13779); ber

I) Kommt in einer Liebfrauftifts - Urkunde von 1883 vor.

) Stadt-Rechenbuch, Sabb. ante Georgii 1408: 11 Sch. umb einen hamer uff bie bruden und umb zwene eymer und zu beflahen uff das rathuß; Graltat. Crucis 1409: 4 Sch. umb ein bornfeyl in ben Romer.

®) Lersner, IL1.©.9.

4) Stadt-Rechenbuch, Sabb. poft Margarethäi 1896: 4 Sch. zu ben eimern uff dem ſteinwege an dem borne; Rubrik „umb flein” 1405: 2 Pfd. umb flein, als man ben nachgeburen uff dem frithoffe zum born au machen gegeben Bat.

®) Böhmer, p. 122 u. 884, Euler, in ben Mittbeilungen bes Yranffurter Bereind für Geſchichte und Alterthumskunde, I. &.84, 97.

®), In einer Sohanniter-Urfunde von 1347 kommt Henfelin off bem Graben⸗ borne vor (f. Euler a. a. DO. ©. 97). Der Gitzborn lag nach einer Deutſch⸗ berren - Urkunde von 1869 in der Schmurgaffe nahe dem Haufe Lilienberg. Ber Knebelind:Born wird bei Böhmer, p. 752, zuerft erwähnt.

IX. Das Innere der Stadt Frankfurt im Mittelalter. 287

Darborn oder Torfborn (ſpäter Hirichborn) auf dem Tleinen Hirich graben um 1380, ber Wobelind:Born zwilchen Saalgaffe und Kraut⸗ markt um 1380, der Rotheborn oder Alande-Born bei der rothen Badftube um 1380, der Rumpenborn (ipäter Landbrunnen) bei der Kannengießergafje um 1380, ver Lufenborn oder Leisborn (Elifabethen- born) in der Weißadlergaſſe um 1380, der Sandborn in ber Fleinen Sandgaffe um 13802); der Griffenborn am Trier'ſchen Pläschen 1423, der Byfferborn (Bieberbrumnen) in der jetzigen Bibergaffe 1441, der Stodborn in Sachſenhauſen 1453 (ſ. Anm. 167). Wenden wir und zur Betrachtung ver Straßen und dffent- lichen Pläte, fo finden wir auch dieſe keineswegs jo bejchaffen, wie fie es heut’ zu Tage find. Frankfurt blieb hierin fogar Hinter anderen Städten zurüd. In Ulm 3. 8. hatte man ſchon 1397 einen beſoldeten Pfläfterermeifter, und eine Ulmer Urkunde dieſes Jahres fpricht fchon von einem der Ausbeſſerung bedürfenden alten Pflafter?). In Frankfurt dagegen dachte man 1399 zum eriten Male an die Pflaiterung einer Straße. Es war die Allerheiligen- Gaſſe, welche damals an ber gleichnamigen Kapelle gepflaftert wurde. Siebenzehn Jahre Tpäter geſchah dasſelbe mit dem Liebfrauberg. Die meiften anderen Straßen und Plaͤtze kamen erſt |päter an bie Reihe: die Schäfergaffe z. B. 1519, der Dom⸗Platz, wie ed fcheint, erſt 15739). Die Zeil, deren Süpfeite erft von 1589 an eine Häufer- reihe erhielt, wurde nicht wor dem Ende des fechözehnten Jahrhunderts zu pflaftern begonnen. In welchem Zuſtande viejelbe vorher fich befand, kann man daraus abnehmen, daß 1562 Kaiſer Marimilian IL, als er mit dem Herzoge von Baiern nach Frankfurt kommen und der Letztere im jeßigen Darmftäbter Hofe wohnen wollte, ben Rath brieflich erfuchte, ven Weg vor biefem Haufe pflaftern zu laffen, weil derſelbe „etwas böfe und im Winter fehr tief fein folle” 4). Das Einzige, was vor der Zeit des Pflafternd der Straßen für biefe geihah, beitand darin, dag man zuweilen durch Leute, welche bie Wegemacher genannt wurden, Sand und Tleine Steine auf ihnen ausbreiten ließ (|. Anm. 168). Die auf ſolche Weile einigermaßen

1) S. Eulera. a0. ©, 72, 76, 80, 92, 98 flg., 97. ) Jäger's Ulm, S. 440.

®) Lersner, I. 1. ©. 25, II. 1. S. 20, 21, 28.

) Steig, Melandhthon: und Luther: Herbergen, ©. 5.

288 IX. Das Junere der Stabt Frankfurt im Mittelalter.

gang und fahrbar gemachten Straßen nannte man Steinwege, welcher Namen 3. B. 1380 von der Straße vor dem Brüdhof vor- tommi!), ſowie um bdiefelbe Zeit von der bie fübliche Vorſtadt Sachſenhauſen's bildenden Straße, welche nachher kurzweg der Stein- weg hieß. Auch die noch heut’ zu Tage Steingafje benannte Straße wird wohl hiervon und nicht, wie Battonn meint, weil fie bie erfte gepflafterte Straße war, ihren Namen erhalten haben; denn es ift doch nicht anzunehmen, daß man bad Pflafter nicht in einer Haupt: ftraße, fondern in einer Nebengafje, welche fchen damals als folche bezeichnet wird, begonnen habe. Uebrigens pflegte man hier und da bie Seiten einer Straße aud mit Rafen zu belegen; wenigſtens geſchah die vor cinem bei der Stabtwage gelegenen Haufe, von welchem es 1382 heißt, das Gras bei demſelben fei ausgebeflert und neuer Raſen vor ihm gelegt worden ?).

Das erwähnte Bebedlen der Straßen mit Sand und Steinen war, ba die feite Unterlage fehlte, nur ein ſchwaches Mittel, die Straßen in gutem Zuſtande zu erhalten. Es werden uns daher auch auffallende Schilderungen von der Beichaffenheit der Wege in ber Stabt gemacht. - In einem Vertrage, welchen die Geiſtlichen des Bartholomäus: und des Leonhards⸗Stiftes 1318 mit einander ſchloſſen und 1323 erneuerten, wird unter Andern feitgejeßt, daß die Herren des letzteren Stiftes zur gemeinfchaftlichen Feier gewifler Feſttage nur dann im Dom zu erjcheinen brauchten, wenn bag Wetter und „ner Schmutz der Straßen” es gejtatteten ?). Ferner um während der Meſſe den Straßenverkehr möglich zu machen, mußte man im vierzehnten Jahrhundert vorher den „Dred” aus ber Stabt fahren und bie Straßen ftellenweife mit Stroh bebeden laſſen (1. Anm. 169). So oft auf dem NRömerberg ein Turnier gehalten wurde, mußte biefer mit Stroh beitreut werden (|. Anm. 170). Den einzelnen Bürgern war es erlaubt, die Straße vor ihren Häufern dadurch rein zu erhalten, daß fie Stroh auf dieſelbe ftreuten, nur mußte . dasfelbe im Sommer nach acht, im Winter nad) vierzchn Tagen wieder

1) Stadt⸗Rechenbuch, Sabb. ante Anıbrofii 1380: 7 gulben han wir zu dem ſteynwege vor dem Brodenhoffe geluben.

* Stadt-Rechenbuch, Sabb. poft Georgii 1382: 9 Sch. minus 4 Hell. baz graes by dem groffen ſteynen huß zu pladen unde rafen zu furen.

®) Böhmer, p. 440, 465.

IX. Das Innere der Stabt Frankfurt im Mittelalter. 289

entfernt werden !). Enblich tft für den vamaligen Zuftand der Straßen noch der Umftand bezeichnend, daß die Tothige Beſchaffenheit verfelben den Gebraud von hölzernen Schuhen oder doch von Schuhen, deren Sohlen aus Holz beitanden, nöthig machte, und daß es deshalb im vierzehnten Jahrhundert ein bejondered Handwerk der Holzihub- macher (Holzſchuher) gab). Selbſt die Mitglieder des Rathes mußten fich, wenn fie in die Rathsſitzung gingen, diefer hölzernen Schuhe häufig bedienen; denn eine Verordnung von 1441 gebot ihnen, biefe Schuhe vor der Situng auszuziehen 9).

Die ſchmutzige Beſchaffenheit der Straßen hatte noch andere Urſachen, als die dftere Grundloſigkeit des Bodens. Sie wurde unter Andern auch durch die ſtehenden Waſſer herbeigeführt, die ſich in manchen Straßen befanden. Es waren dies die ſogenannten Pfuhle und Weeden. Solche gab es z. B. am Friedberger Thor t), auf der gleichnamigen Gaſſe, wo ſie ſogar noch 1604 vorhanden waren 65), vor der Bornheimer Pforte), auf der Zeil dem ehemaligen Viehhofe gegenüber )), auf dem Roßmarft ®), in der Bibergaffe 9), auf der Röpdelheimer d. i. Bockenheimer Gaſſe (j. Anm. 171). Manche derſelben haben fich noch bis in dag 17. und 18. Jahrhundert hinein erhalten 19). Einige von ihnen waren mit Mauerwerk eingefaßt, damit

1) Im bandfchriftlichen Geſetzbuch ſpricht (Blatt 40) eine Rathsverordnung über bie Reinhaftung ber Straßen u. A. Yolgendes aus: Wulte aber ymant mit frifhem firve in eyner gaffen oder uff dem berge firaumen, ber. mochte das ba lagen Tigen in bem fommer echt tage und in bem winter 14 tage.

P Sie gehörten 1887 zur Zunft ber Schmidte: Kirchner, I. ©. 486. Die Statuten bes Liebfrauftiftes von 1827 verboten ben Kanonikern, bei Proceffionen calopides, d. h. hölzerne oder doch mit Holzfohlen verfehene Schuhe zu tragen: Böhmer, p. 489.

2) ©. Fiharb’3 Archiv, I S. 454.

*, Stadt-Rechenbuch, Sabb. ante Tiburtii 1407: 4 Sch, 6 hell., bie webe, bie zu ber Frideberger porten ber inne fluffit, zu beſehen.

8) Rersner, II. 1. S. 702.

*) Böhmer, p. 752.

) Lersner, II. 1. ©. 26.

®) Lersner, IL 2. ©. 22.

) Bürgerbuch von 1354 bis 1410 ©. 102: „ein fleden in ber Nuwinſtaid by ber nuwen weben obwenbig bed Biberbornes“.

10) Zu ihnen gehörte auch das Veftilenzloh auf bem Klapperfelde, welches erft in der neueften Zeit verſchwunden if (Battonn, I. ©. 166), und bie Weebe

Krieg, Fraukf. Vürgerzwifte. 19

290 IX. Das Innere der Stabt Frankfurt im Mittelalter.

fle wafjerreich blieben und bei Yeuerbrünften benußt werben Tonnten. Auch waren die Waflerrinnen der Straßen in fie geleitet.

Diefe ftehenden Waller verſetzten inbeflen doch nur in ihrer nächften Umgebung, fowie blos in feuchten Jahreszeiten die Straßen in einen fchlechten Zuftand. Dagegen erzeugte die große Mangel⸗ haftigkeit der Strafen: Polizei einen allgemeinen und bleibenden Misſtand. Eine gute Straßen: Polizei wäre gerade im Mittelalter jehr nöthig geweſen, weil die allgemein getriebene Viehzucht, beſonders aber die Zucht der Schweine für die Neinlichkeit der Straßen ehr verberblih war. Mit diefer war es in Frankfurt beinahe ebenjo arg beichaffen, wie in Ulm, wo bie Schweine fih Tag und Nacht auf den Straßen umher trieben, und wo fie erft feit 1410 blos in der Mittagzftunde auf diefelben gelaffen werden durften ). In Frankfurt waren nicht nur manche Schweineftälle an der vorderen Seite der Häufer angebracht, fondern man ließ auch die ſchmutzigen Thiere ebenfalls auf die Straße laufen. Das Letztere warb 1421 verboten, weil die fich umher treibenden Schweine den WMenfchen und den Steinwegen Schaben brädten (|. Anm. 172). Aber auch nachher noch wurde man durch dieſe Thiere in den Straßen beläftigt; denn bie Eigenthüner trieben viefelben täglich an ven Main ober auf das Feld, und waren babei fo fäumig, daß, wie es in einer Rathsverordnung heißt, die Schweine oft lange vor Anderer Thüren fichen blieben und „die Lude irjtendten” 2), Der Rath hatte daher jhon 1409 die Bäcker, deren Schweine die Mehrzahl bildeten, nad ihren Wohnungen in ſechs Klaſſen getheilt, und einer jeden dieſer ſechs Klaſſen ein beſonderes Stabtthor angewiefen, durch melchez ihre Schweine getrieben werben mußten ). Im Jahre 1481 wurde dad Halten von Schweinen in der Altſtadt ganz verboten und (auch für die Bäder) blos in Sachſenhauſen und der Neuftabt erlaubt. Der Eingang dieſer Verordnung *) gibt Folgendes ald Motiv ber: jelben an: „Angejehen und vermerkt, wie bie Stadt Frankfurt

auf bem Liebfrauberge, welche noch 1768 vorhanden war (Belli, Leben in Franffurt, V. S. 20).

1) Jäger's Ulm, ©. 41.

) Senckenberg, Sel. I. p. 7.

°) Hanbfchriftliches Geſetzbuch, Blatt 39.

*) Ebenbafelbfi Blatt 49.

IX. Daß Innere ber Stabt Frankfurt, im Mittelalter. 291

fonderlich vor anderen des heiligen Neiches Kammer zu fein ge würdigt und mit Meſſen und Märkten verjehen ift, auch deshalb unter die ehrbaren Kaufftäbte des Reiches gezählt wird: ift auch billig, daß ſie gleich‘ anderen Städten ihren Genofjen in Chrbarkeit und Reinlichkeit erhalten werde. Da aber die Menge der in ihr gezogenen Schweine, jowie der auf den Straßen liegende Mift Un- reinigfeit und übeln Geruch verurfachen, und zugleich die Stabt ungejund machen und in Misachtung bringen, fo gebietet ver Rath u. ſ. w.”

Der ſoeben erwähnte Mift bildete, in Verbindung mit anderen auf den Straßen liegenden Gegenftänden, eine große Berunftaltung derſelben d. Wie fehr man an die Milthaufen in ben Straßen gewöhnt war, mögen folgende Thatjachen zeigen. Der Pla an ber goldenen Zange (in der Fahrgafje) wurde im 14. Jahrhundert nur mit dem Ausdrucke „auf der Schweine Mift” bezeichnet 2). Im Jahr 1413 mußte der Rath, um die Gegend bes jebigen Parade: Plate zu einem Frucht- und Holzmarkt verwenden zu Tönen, die Beſeitigung der dort Tiegenden Mifthaufen befonders gebieten (f. Anm. 173). Um diefelbe Zeit befahl er, daß dieſe wenigſtens von den Steinmegen entfernt gehalten werden jollten?). Sogar noch 1481, ala er fie für immer befeitigen wollte, ſah er ſich zu folgender Beſchränkung feines Gebotes gendthigt: zwiſchen den Meſſen bürfe fein Mift oder Stroh auf die Straßen gelegt oder gejtreut werben, jondern jedermann müſſe den Mift aus feinem Haufe jofort in jeinen Hof zu Sachfenhaufen ober in der Neuftabt oder, went er einen folchen nicht befige, vor die Stadt Hringen lafjen; während der Meflen aber, in weldhen Wagen nicht leicht zu haben felen, dürften die Wirthe ben Mift drei Tage lang vor ihren Häufern Tiegen lafien 9. Auch Steine, Erde, Afche, Holz und den Kehricht,

?) Obgleich fchon 1886 Leute deshalb Buße zahlen mußten: Stabt-NRechenbud; : Sabb. ante Bonifacii hand uns Jacob von Bomerfheym unde Johan Fetze geent: wortt eynen gulden von buffe von mifte in fanb Anthonysgafien.

9) Mittheil. bes Frankfurter Vereins für Gef. und Alterthumst. L ©. 87.

3) Handfchrifiliches Geſetzbuch, Blatt 42: Auch fal ber mifte.. an allen gafien gentlich getan werben von ber fiebe fleinweg und auch forter keyn miſte oder erbe dargelacht werben by ber pene, ußgefcheiben fo ymant buwet.

*) Ebendaſelbſt BI. 50.

19*

292 IX.. Das Innere der Stabt Frankfurt im Mittelalter.

ja fogar tobte Thiere warf man in früheren Zeiten ohne Weiteres auf die Straße; und obgleich der Rath dies fchon 1413 unterjagt hatte, jo mußte er boch noch 1490 fein Verbot wiederholen !). Für die Erhaltung der Straßen-Reinigleit (wenn man ben damaligen Zuftand der Straßen fo nennen darf) und für die Erhebung von Bußgeldern wegen beren Beeinträchtigung war fchon 1388 ein be- ſonderer Raths-Ausſchuß eingefeßt, melcher den Namen des Dreck meifter- Amtes Hatte”). Alle Beauffichtigungen, Gebote und Strafen halfen jedoch wenig. Im Gegentheil, fo oft der Kaiſer in die Stadt fam oder ein Reichs- oder Fürftentag oder auch eine Haupt: Proceffion in ihr gehalten wurde, mußte ber Rath bie Hauptitrapen vorher erft bejonders reinigen und den Schmuß aus der Stabt Schaffen Taffen °).

Stand in biefen und anderen Dingen die Beichaffenheit des mittelalterlichen Frankfurt weit Hinter der des heutigen zurüc, fo hatte dagegen jened vor dieſem einen ganz eigenthümlichen Vorzug voraus. Es gab nämlich in dem fonft fo fchmußigen alten Frank—⸗ furt geheime Gemäder, welde für das Publikum beſtimmt waren und auf ftäbtifche Koften unterhalten wurben. Dieſe Gemächer, Profeien genannt, werben feit 1348 öflers ermähnt. Sie befanden fih namentliH am Main, und wurden in ber Regel vor dem Beginne einer jeden Meſſe gereinigt (j. Anm. 174).

Wir gehen zum lebten Gegenftande unjerer Betrachtung, zur Beleuchtung der Straßen, über. Eine foldye gab es regel- mäßiger Weile weber im Mittelalter, noch auch nachher bis zum 18. Jahrhundert. Dagegen fand fie außerorbentlicher Weile Statt, wenn bie Sicherheit der Stabt durch Kriegegefahr oder durch innere Unruhen bedroht war, oder wenn eine nächtliche Feuersbrunſt bie Straßen mit Menſchen erfüllte. Dann mußte nänmlich jedermann

1) Hanbfehriftliches Geſetzbuch Blatt 40 u. 84.

Stadt-Rechenbuch, Sabb. poft Blafli 1888: . hanb uns geentwortt Jacob Klobelauh der Zunge, Syfrid von Holghuß und. Henr. von Lyntheym von bem Dredmeifterampt 18 Pfd. 5 Sch. 6 Hell.; Sabb. poſt Georgii 1889: 8 gulben von Claweß Peber loufferß felgen fone, umb daz er Jacob Klobelauch ben Jungen unde fine gefellen dredimeifter geladen hatte umb finen Ion.

®) Leröner, II. 2. ©. 7. Stadt-Rechenbuch, Sabb. ante Katharind 1399: 1 Bid. 2 hell. von dem Samftagberge zu fegin, als bie furften hie waren.

IX. Das Innere ber Stadt Frankfurt im Mittelalter. 293

eine brennende Leuchte an feinem Haufe aushängen, oder es wurden in aufgeftedtten eifernen Pfannen, die man Feuer- over Fackelpfannen, Tadeleifen und euerlichter nannte, Schwefelringe oder Tannenholz angezündet (|. Anın. 175). Das Heraushängen von Leuchten fand 3. B. 1344 Gtatt, ala Kaifer Ludwig der Baier in Frankfurt über ben Pfalzgrafen Gericht hielt, und deshalb die Stabt nicht nur von außen ber bedroht war, ſondern auch mehrere taufend Mann fremder Truppen beherbergen mußte). Die Feuerlichter und dag Tannenholz für fie werben namentlich bei der jogenannten zweiten Judenſchlacht erwähnt, welche 1349 bejondere Sicherheitgmaßregeln in der Stabt nöthig machte). Die Schwefelringe, Tadeleifen und Feuer- oder Fadelpfannen kommen ebenfalld ſchon im 14., jomwie nachher im 15. und 16. Jahrhundert vor. Sie wurden audy auf den Wartthürmen gebraucht, um eine von außen her drohende Gefahr anzufündigen. In der Stadt zündete man fie übrigens auch dann an, wenn ein Fürft Abends feinen Einzug hielt, ober wohl auch wen eine be= ſonders glänzende SHochzeitöfeier gehalten wurde®). Unfere heutige Straßenbeleuchtung wurbe befanntlich erſt vor hundert Jahren (1761), in Folge der damaligen Beſetzung der Stabt durch bie Franzofen, eingeführt, nachdem man fchon 1707 den Verſuch einer allabendlichen Beleuchtung auf dem Aömerberge gemacht hattet).

1) Rersner, I 1. ©. 326 flg.

2) Stadt - Rechenbud, Domin. poſt Affumpt. Mariä 1849: 7 Pfd. 16 Hell. um dennen holt zu ben furlechtern.

8) Lersner, II. 1. ©. 288, 409, 797.

9 S. Battonn, L S. 177 ff.

294 X. Die Frankfurter Meffe im Mittelalter.

J. Die Frankfurter Meſſe im Mittelalter.

Die Frankfurter Meſſe, jet ein geringfügiger Theil des deutſchen Verkehrs, war einft einer der Angelpunfte, um welche fich nicht blos der beutfche, fordern auch der europätiche Handel drehte. Dieſe große Bedeutung ber Frankfurter Meſſe beftand fchon im 14. Jahr: hundert, und dauerte bis zum Ende bed vorigen, tm Ganzen alfo gegen 500 Jahre. Noh im Jahre 1788 nämlich ward die Zahl ber in jeder Meffe zu Frankfurt anweſenden fremden auf 40,000 angefchlagen Y); im 14. Sahrhundert aber erjchienen auf der Trank: furter Meſſe Fabrikanten und Kaufleute aus allen deutſchen Ländern und Stäbten, daS heutige Belgien miteingerechnet, und auch das damalige Centrum des Welthandels, Stalien, fandte die Mailänder und Benettaner als feine Vertreter (f. Ann. 176). Und doch hatte damals die Frankfurter Meſſe in ihrer nächften Nähe an Mainz und Friedberg noch jo bedeutende Nebenbublerinnen, daß bejonders die Friedberger Meſſen ſogar von den Frankfurtern ſelbſt regel: mäßig befucht wurden (j. Anm. 177).

Uebrigens fällt die glänzenbfte Zeit der Frankfurter Meſſe in bad 16. Sahrhundert, nächſt diefem aber in die zweite Hälfte des 15. und des 17., fowie zum Theil noch in dad 18. Jahrhundert. Aus diefen Zeiten rühren deshalb auch die glänzenden, zum Theil fogar überjchwenglichen Lobpreiſungen berfelben von einem Johannes von Soeſt, einem Mycillus, einem Henricus Stephanus, einem

1) Gercken, Beichreibung von Frankfurt, S. 185.

X. Die Frankfurter Mefle im Mittelalter. 295

Lanfius und Anderen ber). Schon im 15. Jahrhundert preift Aeneas Sylvius Frankfurt ala das Herz des Verkehr? von Ober- unb Unterbeutjchland 2). Bald nachher (1519) nennt König Franz IL. von Frankreich in einem officiellen Schreiben Frankfurt ſogar bie berühmtefte Handelsſtadt von faft der ganzen Welt). Zu berfelben Zeit zeigt ſich Luther in feinem patriotiichen Eifer über den großen Geldumfat ber Frankfurter Mefjen jo jehr erbittert, daß er Frank⸗ furt das Silber- und Goldloch nennt, „dadurch aus deutſchen Landen fleußt, was nur quillt, wächſt, gemüntet und gefchlagen wirbt). Gleich nach Luther's Zeit jagt Henricus Stephanus in einem Gedichte: Frankfurt habe ebenjo viele Waaren, ald Sterne am Himmel wären; Merkur jelbft fei der Leiter der dortigen Meſſen; es finde ſich zu Frankfurt in den Meſſen das Köftlichfte aller Länder, jo daß man meinen follte, dort fei deſſen Heimat; eine gewiſſe Straße der Stadt aber fünne man das Frankfurtifche Athen nennen, weil in ihr während der Meſſezeit alle Buchoruder und Buchhändler, fowie alle Bücher zu finden feien ®). Ebenſo beichreibt Hand Sach unter dem Namen Adrianus Teutonicus dad Gewühl und Gedränge 'in der Frankfurter Meſſe auf eine Art und Weile, welche jeßt wohl nur auf ven Straßenverkehr von London anwenbbar fein würde d). Ferner erflären im Sahre 1587 die fämmtlichen Frankfurter und Augsburger Kaufleute in einer gemeinjchaftlichen Bittihrift an den Rath, Frankfurt jet die Mutter aller Kaufmanns- gewerbe, dahin der Meſſen halben alle Nationen mit ihren Kauf: manndhändeln fich richteten 7). Im folgenden Jahrhundert gebraucht Lanfius von der Frankfurter Meſſe den Ausdruck, dieſelbe ſei bie erfte aller Meflen (omnium nundinarum caput). Sogar noch in ber Mitte des 18. Jahrhundert? nennt ein gewifler Walther bie Stabt Frankfurt des alten Tyrus Ebenbild, und der befannte Reije-

1) S. Kirchner, I. ©. 557, Leröner, L.1. 6. 10, I. 2. S. 10 u. 5689.

*) Inter inferiores et superiores Teutones commune emporium.

®) Celeberrimum non modo Germaniae, sed universi pene orbis terrarum emporium: Lersner, I. 1. ©. 129.

4) Orth's Reichsmeſſen, S. 808 fig.

8) Lersner, I. 1. ©. 10 und 4928.

6) Bei Lersner, II 1. ©. 569.

?) kersner, IL 1. ©. 820.

296 X. Die Frankfurter Meffe im Mittelalter.

befchreiber Keyßler berichtet als eine Verficherung erfahrener Handels⸗ leute, dag damals die Waaren, welche in berjelben während einer einzigen Meſſe feilgeboten wären, nicht mit zehn Millionen würden aufgekauft werben können, und daß deshalb bie Leipziger Meſſe der Frankfurter nachitehe !). Zum UWeberfluß bemerken wir enblich noch, daß man ehemals die Stadt Frankfurt wegen ihrer Meflen dag Kaufhaus der Deutfchen, eine der fieben Wunder Deutſchland's und bergl. m. genannt bat, ſowie daß wegen bed großen Zufammen- fluffe® von Fremden in biefen Mefjen es einft gebräuchlich war, nicht nur Bullen und kaiſerliche Erlaſſe während verjelben in Frankfurt anzufchlagen, fondern auch an vielen Orten für bie dahin reifenden Meßfremden zu beten 2).

Wichtiger, als dieſe meilt allgemeinen Angaben und Lobprei- jungen, find folgende urkundliche Meittheilungen, weldye ung bie frühere Bedeutung ber Frankfurter Meſſe zu erfennen geben. Zuerft zeigt ung eine Urkunde von 1382 den früheren großen Reichthum der Stadt Frankfurt, welchen dieſe hauptfächlich ihren Meſſen ver: dankte. Als nämlich 1382 die Stadt Weblar eine Schuldverſchreibung für die damals ungemein große Summe von faft 79,000 Gulden augftellte, weldhe Summe fie Einwohnern von Mainz, Worms, Frankfurt und Friedberg, ſowie dem Klojter Arnsburg ſchuldete: erfcheinen die Einwohner von Frankfurt bei derſelben in höheren Grade betheiligt und fomit reicher, ala die von Mainz, Worms und Friedberg ?). Ein anderer Maßſtab für Frankfurt's Reichthum im Mittelalter ift die Matrikel, welche 1471 für die Stellung eines Reichsheeres gegen bie Türken gemacht wurbe. Nach diefer, gehörte nämlich Frankfurt zu denjenigen ber 80 Reichsſtädte, welche am meiften Truppen zu ftellen hatten; benn e8 war ber Größe ber Truppenzahl nad bie fiebente von jenen 80 Städten, und hatte zugleich mit Bafel, Nürnberg und Augsburg, benen es ebenfo, wie

1) 6. Orth's Nechsmefien, ©. 74 und 560, wo noch mehr angegeben ifl.

2) Kirchner, I. ©. 557.

9) Fichard's Ardhiv, I. S. 177 fi. Dan muß nämlich hierbei in Anfchlag bringen, daß von ben Mainzer und Wormfer Bläubigern, welde zufammen etwa noch einmal fo viel als bie Frankfurter geliehen hatten, ber achte Theil dem Klerus angehörte, währenb unter ben Frankfurtifchen fi nur zwei Geiſtliche befanben.

X. Die Frankfurter Meffe im Mittelalter. 297

dem Markgrafen von Baben und zwei Mitteläbadhiichen Herzögen, gleichgeftellt warb, nur ſechs Städte (Meb, Straßburg, Cöln, Lübeck, Ulm und Braunfchweig) über fich, während dagegen Eonftanz, Regens⸗ burg, Hamburg, Bremen und 66 andere Städte unter ihm ftanben ?). Ein dritte Mittel, den Umfang des mittelalterlichen Meſſeverkehres in Frankfurt zu erfennen, bietet eine Rathsverordnung von 1481 bar; denn in biefer wirb den Einwohnern erlaubt, während ber Dauer der Meffen den Unrath vor ihren Häufern liegen zu Lafien, und zwar aus feinem anderen Grunde, al? weil man während ber Anwelenheit fo vieler Fremden nicht leicht Fuhren haben könne 2). Vierten? findet fih in einer Schrift, welche ver Rath 1577 beim Kaiſer einreichte, folgende officielle Erklärung: die Stadt Frank: furt, beren.eigener Handel nicht bebeutenb fei, habe ihren Erwerb bauptfächlich von den Mefien; in biefe bringe mitunter ein einziger Nürnberger Kaufmann mehr ala taufend Stück Waaren, und viele Italiener fetten in jeder Meſſe Sammt und Seide im Werthe von etlichen Tonnen Goldes ab). Eine fünfte Handhabe zur Beurthei⸗ lung des Umfanges der Frankfurter Meefjegefchäfte in früheren Zeiten biete und eine von Fichard (Archiv I, 154) mitgetheilte Tafelordnung dar, welche im 16. Jahrhundert von den im Nürn- . berger Hofe fpeifenden Meſſefremden errichtet worden war. Diele Tafelordnung enthält, wenn man bie als verftorben bezeichneten Leute abrechnet, für die Zeit von 1587 bis 1620 nicht weniger als 125 Unterfchriften, und unter ben 94 Unterſchriebenen, welche ihren Heimathsort beigefebt haben, waren 83 Nürnberger, 12 Bre& . lauer, 6 Lübecker, 5 Augsburger, ebenfo viele Danziger, 3 Polen, je einer au Riga, aus Thorn, aus Zürich, aus Mailand, aus Lyon, ſowie aus vielen beutfchen Städten. Und doch war ber Nürnberger Hof nur ein einzige ber vielen Häufer, in welchen Mefjefremden wohnten und fpeiften.

Noch ficherer und beutlicher würde fich die Bebeutung ber Frankfurter Meſſen im Mittelalter feftftellen Iaffen, wenn man alle Erträgniffe, welche biefelden der Stadtkaffe brachten, zufammenzählen könnte. Dies tft jeboch nicht möglich, da in den bamaligen Ein:

!) Lersner, I. 1. ©. 886 fig. 2) In bem handſchriftlichen Befepbuche BI. 50. °) Lersner, IL 1. &.260 fig.

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298 X. Die Frankfurter Meffe im Mittelalter.

nahme: und Außgabebüchern der Stabt bie angenommenen Rubriken nicht ftrenge eingehalten werden, und bie betreffenden Einnahmen oft mit anderen verjchmolzen ober auch in anderer Weiſe umbeutlich eingejchrieben find. Doch geht aus dieſen fogenannten NRechenbüchern wenigſtens ſoviel hervor, daß die Erträgniffe der Mefjen zu ben reichiten Einnahmequellen gehörten.

Tragen wir um zur Darftellung der mittelalterlichen Meile um Einzelnen überzugehen nah dem Alter berfelben, fo ift dieſes durchaus nicht zu beftimmen. Auch wird man kaum zweifeln fönnen, daß dieſelbe urfprünglich ein bloßer Jahrmarkt für die Umgegend war, und fich erft allmälig zu einem Markte für fernere Gegenden erweitert bat. Vermuthlich nüpfte ſich diefer alte Jahr⸗ markt an die Kirchweihe der Hauptfirche an, weldye in. dad Ende des Sommers fiel. Die ältefte urkundliche Erwähnung der Frauk⸗ furter Meſſe fällt in da8 Jahr 1240, in welchem ein Erlaß des Kaiſers Friedrich II. allen Befuchern berfelben auf ihrer Reife dahin und zurück den bejonderen Schub des Reiches verhieß !). In dieſem Erlafje wird die Frankfurter Meſſe zum eriten Wale als folche (nundinae) bezeichnet, und es geht aus dem Inhalte desfelben hervor, daß fie damals ſchon längft Fein bloßer Jahrmarkt mehr mar.

Die Frankfurter Meſſe ward urſprünglich nur Ein Mal im Jahre, nämlih am Ende des Sommers, gehalten. Erft im Jahre 1330 gewährte Kaifer Ludwig IV. der Stadt Frankfurt dag Privileg, baß dieſes jedes Jahr noch eine zweite Meile halten bürfe, für welche alle Rechte und Freiheiten der alten Meſſe in gleichem Grabe gelten ſollten 2). Diefe beiden von jener Zeit an bis zur Gegenwart fort- beftehenden Mefjen wurben als eine Angelegenheit des Reiches jelbit angefehen, und hießen daher bes heiligen Reiches Meſſen und Märkte zu Frankfurt). Sie wurden dur bie Namen alte und neue Meſſe oder Herbſt- und Faſtenmeſſe von einander unter- ſchieden (ſ. Anm. 178).

Anfang und Ende beiver Meffen waren nicht zu allen

Zeiten gleich. Die Gründe davon mögen allerdings, wie Fries

) Böhmer, p. 68.

2) Ebendaſelbſt p. 506.

* So nennt fie z. B. ber Frankfurter Rath ſelbſt 1428: |. Orth's Reichs⸗ meflen, ©. 61.

X. Die Zranffurter Meſſe im Mittelalter. 299

(Pfeifergeriht S. 41) meint, mitunter Kriegägefahr, ſchlimme Witterung oder Seuchen geweſen fein; ber Hauptgrund aber, warum bie Meſſen jo oft zu verſchiedenen Zeiten begannen und endeten, lag gewiß barin, daß man in diefer Sache von ben bie Meile befuchenden Kaufleuten abhängig war. Kam ein großer Theil von dieſen nicht zur beftimmten Zeit!), jo mußte man im Intereſſe der Sache feldft fich entjchlieken, bie Meſſe jpäter anfangen und länger dauern zu laflen. Dies ſpricht auch eine Rathsverordnung von 1428?) aus. Aus berjelben Ber orbnung erjieht man zugleich, daß der Rath bie anderen Stäbte mit⸗ unter bat, ihre Kaufleute zur rechtzeitigen Erfcheinung auf den Meſſen anzubalten: wie er denn auch jchon 1382, 1387 und 1394 etwas Achnliches gethan hatte (ſ. Aım. 179). Es wurden zwar dafür, daß man über die gefetliche Zeit feilbielt, auch Strafen angebroßt, wie jene Verordnung von 1428 ebenfalls zeigt; dies fteuerte aber dem Uebel nicht. Einmal (1406) fuchte ſich ber Rath dadurch zu helfen, daß er die Sache mit ben bie Meſſen beſuchenden Kaufleuten jelbft in Berathung nehmen und entjcheiden wollte; biefe beantworteten aber feine Aufforderung damit, daß fie Alles ihm allein anheim- ſtellten ). Unter diefen Umſtaͤnden laͤßt fich über die Zeit beiber Meilen im Mittelalter blos dazjenige angeben, was damals in ber Regel Statt fand. Die alte Meſſe wurde, wie e8 dem Verfaſſer des Buches über da Pfeifergericht fcheint, biß zum Jahr 1239, wo man das Kirchweih:rgeft der Frankfurter Hauptkirche auf den nächiten Sonntag vor Mariä Hinmelfahrt verlegte, wahrjcheinlich im Sommer gehalten, „weil dieſer die für Reiſende bequemfte Zeit fei”. Man könnte jedoch denfelben Grund auch und vielleicht noch mehr für bie Herbftzeit geltend machen. Es dürfte indeffen in Ermangelung aller pofitiven Angaben beffer fein, dieſe Frage auf fich beruhen zu laſſen und erft vom Jahre 1349 auszugehen, aus welchem vie ältefte urkundliche Nachricht über die Zeit der alten Meſſe überliefert it. In diefem Jahre bejtätigte Karl IV. die beiden Frankfurter Meffen, von welchen bie eine (bie alte Meffe) „zwiſchen den zwein unfer frawen tagen, als fie ze Himel fur und geborn war”, gehalten wurbet).

1) Beifpiele davon gibt Orth, ©. 542.

2) Bei Orth, ©. 61.

*) Das mehr erwähnte Handfchriftliche Geſetzbuch BI. 50. *) Böhmer, p. 618.

*

300 X Die Grankfurter Meſſe im Mittelalter.

Hternach war es damals fchon herkommlich, daß die alte Meile am Tage von Marti Himmelfahrt (15. Auguft) begann und am Tage von Mariä Geburt (8. September) enbigte, alfo 24 Tage währte?). Auch über Anfang und Ende ver neuen ober Faſten⸗Meſſe findet ſich keine ältere Angabe, als die in jener Königlichen Beitäti- gung enthaltene, daß fie zu Meittefaften d. h. um die Zeit des Sonntags Lätare Statt gefunden habe. Kaifer Ludwig hatte ben Frankfurtern, ala er ihnen dieſe zweite Mefje gab, geftattet, biefelbe in der Faftenzeit ober in irgend einer anderen beliebigen Zeit bes Sahres zu halten; er hatte nur die eine befchränktende Beitimmung hinzugefügt, daß die Meſſe bloß vierzehn Tage währen folle. Die Frankfurter festen die neue Meſſe fo an, daß diefe acht Tage vor Mittefaften (d. i. am Sonntag Oculi) begann und acht Tage nad) Mittefaften (d. i. am Sonntag Judica) enbigte?). Dies wurbe auch von Karl IV. beftätigt. Allein weder für die neue, noch für bie alte Mefje ward die in Karl’3 Privileg feftgejegte Zeit eingehalten: im Gegentheil, noch zu Lebzeiten dieſes Kaifer veränderte man die Zeit beider Meſſen mehrmals (f. Anm. 180).

Im Sahre 1384 verlängerte König Wenzel beide Meffen um je vierzehn Tage: ein Vortheil, welchen die Stadt Frankfurt ben Bemühungen Sifried’3 zum Paradies verbantte?). Diefe Berech—⸗ tigung wurbe jeboch ſchon zehn Fahre fpäter von Wenzel wieder zurüdigenommen, und zwar weil durch das Hinztehen der Mefjen nicht nur Landen und Leuten an ihren Meflen und anderen Sachen

’) In einem zweiten Beftätigungsbriefe Karl's IV. von 1866 (Privilegienbud, ©. 174) wirb dies genauer angegeben: „Der jarmarft, der fich anhebt an unfer frawen tag Assumpeio b. i. al& fie zu bimel fir, und weret biß unfer frawen tag darnach ben neheſten Nativitas b. i. als fie geboren warb”. In einem Rauf- briefe des Liebfrauftiftes von 1359 heißt es von einer Bülte, fie werbe bezahlt „alle iar uff unfir frawen bag ber Ieften, ala Franfinforter alldin meſſe uzgeyb’.

) Dies ergibt fih aus ber in der vorhergehenden Anmerfung angeführten Urkunde, in welcher e3 beißt: ‚Der ander jarmarft hebet fi an jehrlich uff ben ſuntag, als man in ber heiligen Firchen finget Oculi in ber vaflen, und weret uff ben funtag, als man auch in ber heiligen kirchen finget Judica in ber vaften”.

®) Privilegienbuch, S. 205 flg. Das erwähnte Verdienſt Siefried's gebt aus folgenden Worten des Mechenbuches von 1885 bervor: „BB gulden in unſers berren des Toniges kentzelie umb ben brieff, als ern zum Paradyſe irwarb, baz bie meſſe 14 tage irlenget worden“.

X. Die Frankfurter Meſſe im Mittelalter. 301

großer Schaden entjtehe, ſondern auch die heilige Zeit in der Kar⸗ woche unnüter Weife verzehrt werde. Wenzel gebot damals, bie Meflen fortan wieder nad) altem Herkommen zu halten. Er befahl ferner, daß die alte Meſſe am achten Tage nah Maris Geburt, bie neue aber am Freitag vor Palmarum zu Ende gehen folle!). Hier nach würde alfo die Erftere fernerhin 31 Tage (vom 15. Auguft bis zum 15. September) und die Lebtere 19 Tage (von Oculi bis Freitag vor Palmarum) gewährt haben. Schon nach zwölf Jahren (1406) ſah man fich, weil diefe Anordnung von den Mefjefremben nicht beobachtet worden war, zu einer neuen Maßregel genöthigt. Sie warb diesmal vom Rathe allein getroffen. Für bie alte Mefie wurde bie frühere Zeit von Mariä Himmelfahrt bis Mariä Geburt und für die neue die Zeit von Oculi bis Freitag vor Balmarum feft- gefett, fo daß aljo die Erftere 24, die zweite 19 Tage bauern follte. Zugleih oronete der Raih dad Ein: und Ausläuten einer jeben Mefle auf? neue an, und gebot bei Strafe, nach dem Schluffe der Meilen keinen Handel mehr zu treiben, fowie fchon den nächiten Tag nach ihrem Ende die feſtſtehenden Kramläden gejchloffen zu halten und die Meſſebuden abzufchlagen. Alle diefe Anoronungen wurden durch befondere Schreiben 21 veutfchen Städten angezeigt ?). Sie fruchteten wieder nichts. Noch in demſelben fünfzehnten Jahrhundert nämlich erjcheinen bie Mefjezeiten zu wieberholten Malen verändert 9): im Jahre 1479 3. B. verorbnete der Rath, dag niemand länger als big Dienstag nach Palmarım offenen Handel treiben dürfe, und daß dies überhaupt in jeder Meſſe nur noch vier Tage nach deren Ende und Auzläuten Statt finden dürfe, woraus ſich aljo eine damalige Verlängerung jeder Meſſe um vier Tage ergibt*). Im Jahre 1502 dauerte die Faſtenmeſſe, nachdem fie fchon vorher fih bis in bie Karwoche verzogen hatte, fogar bis 14 Tage nad) Oftern 5); fie hatte alſo damals auch ſpäter als an dem altherfömmlichen Tage begonnen. Im weiteren Verlaufe der Zeit kam es fogar dahin, daß beide Mefien

) Privilegienbuch, S. 216.

2) Das im Stadt⸗Archiv befindliche Geſetzbuch, Bl. 50 u. 51. 8. Frieß, ©. 45, und Orth, S. 66.

4) Diefe Verordnung flieht in dem erwähnten Geſetzbuche, BI. 51. 8) Lersner, II. 1. ©. 587.

802 X. Die Frankfurier Meſſe im Mittelalter.

in der Regel gerade an den Tagen begannen, an welchen fie früher geenbigt worben waren).

Beginn und Ende der Meflen wurden im neueren Zeiten bis zum 19. Jahrhundert dadurch angezeigt, daß von ber Brüde und der (am unteren Ende der Stabt befindlichen) Mühlſchanze aus Seftüd-Schüffe abgefeuert wurben, was auch während ver Meſſe jeden Abend geichah. Dies oder etwas Aehnliches fand im Mittel- alter nicht Statt. Dagegen rührt der Gebrauch ded Ein- und Auzläutend der Mefle ſchon aus biefem Zeitalter her. Die äftefte urkundliche Erwähnung desſelben, welche ich fand, ift aus dem Jahre 1375, in welchem das ftädtifche Nechenbuch eine Ausgabe für „eynen cloppel in die meflegloden” enthält; denn Meſſeglocke nannte man die Sturmglode, mit welcher die Meſſe ein: und ausgeläutet zu werben pflegte (ſ. Anm. 181). Den Ausdruck „Ein oder Aus- lauten der Meſſe“ babe ich nicht früher ala 1394 erwähnt gefunden, obgleich er natürlicher Weife Shen früher gebraucht worben fein muß. Es heißt nämlich damals im Rechenbuch, es feien 12 Heller bezahlt worben „von der meſſ in zu luden“. In den nächften Jahrzehnten kommt diefe Zahlung öfterd wieder vor, nur beftand fie dann ſtets in 4 Schillingen, und der Ausdruck lautet: „von ber florm der meſſe inzuluden”, oder „ber meſſe mit der ftormglode uzzuluden‘, ober: „von der ſtorm zu luden ald die mei] anging”. Der Gebrauch des Ein- und Ausläuten? hatte feinen anderen Zweck, als die Tage zu bezeichnen, an welchen die Mefje anfing und aufhört. Er fand deshalb früher nur an dieſen Tagen Stalt, und ward, wovon Orth (S. 541 fig.) mehrere Beijpiele anführt, jedes Mal auf einen anderen Tag verlegt, wern man ben Beginn oder dad Ende ber Meſſe ver: änderte. Auch war ein für jedermann beutliches Zeichen, wann bie Meile anging und endete, wegen der während der Dauer berjelben beitehenden bejonveren Rechte oder der fogenannten Meſſefreiheiten nöthig. Erſt Später (offenbar im ſechszehnten Jahrhundert) verlor fich diefer Begriff und Zwed des Ein- und Ausläutend, und bie Sache ward eine bloße Form. Sobald fie aber dies gemorben war, war ber Tag des Ein: und Ausläutens etwas Gleichgültiges, und man kehrte daher, ohne auf die veränderte Zeit ber Meſſen

1) Fries, ©. 44 fig. u. 62.

X. Die Frankfurter Meile im Mittelalter. 303

Rückſicht zu nehmen, in Betreff des Ein⸗ und Ausläutend zu den Tagen zurüd, an welchen dasjelbe früher lange Zeit gebräuchlich geweſen war, d. 5. zu ben beiden Marien-Tagen für die Herbitmeffe und zu dem Sonntag Dculi und dem Freitag vor Palmarım für die Frühjahrsmeſſe. Für die Herbſtmeſſe blieben dann die genannten beiden Tage fortwährend gebräuchlich; für bie Frühjahrsmeſſe aber wurde bie Zeit bed Ein: und Ausläntend in der neueren Zeit noch mehrmals verändert). Da übrigen ber angegebene eigentliche Zweck dieſes Gebrauche® in Rathsverordnungen bed fünfzehnten Jahr⸗ hundert beftimmt angegeben it, jo ſcheint es mir fehr gewagt, wenn Thomas das Ein: und Auzläuten der Herbſtmeſſe für iventifch mit dem Kirchweihgeläute ver Hauptlirche hält, und hieraus den weiteren Schluß zieht, daß die Frankfurter Meſſe als ſolche bis in bie Karolingifche Zeit hinaufreiche?). Was enbli die Tagesſtunde betrifft, in welcher zur Zeit bed Mittelalterd die Mefje ein- und aus geläutet wurde, jo iſt biejelbe unbefannt. Zu Leröner’s Zeit war das Geläute, wie noch heut’ zu Tage, Mittag? von Halb zwölf bis zwölf Uhr, und die wirb wohl auch früher die gebräuchliche Zeit geweſen fein.

Eine alte Einrichtung war dad Meffegeleite oder die Be ſchützung der Meſſefremden auf ihrer Reife nach und von der Frank—⸗ furter Meſſe. Beſondere Schugmaßregeln für diefe waren in ben älteren Zeiten burchaus nöthig, weil man, namentlich mit Waaren, nur auf ſolche Weiſe ficher reifen Tonnte Auch die Frankfurter ſelbſt beburften, wenn fte reiften, eines ſchützenden Geleites, welches daher auch im vierzehnten Jahrhundert bei ihrem regelmäßigen Befuche des Friedberger Marktes ſtets erwähnt wird (|. Anm. 182). In Ipäteren Zeiten, in welchen das Meſſegeleite zur Sicherheit der Rei- jeden nicht mehr erforderlich war, wurde dasſelbe deſſenungeachtet beibehalten, theil3 weil unter den Menjchen Gebräuche und Formen fih troß des Schwindens ihrer Zwecke gar leicht erhalten, theil® weil die benachbarten Fürſten von diefem Geleite ein fichereö regel-

) &. Orth, ©. 541 bis 547.

S. Wetteraria, S. 59 fig., und Thomas Annalen, S. 80 u. 100, fowie meine Bemerkungen im Archiv für Frankfurt's Geſch. und Kunft, neue Folge, I. ©. 82 flg.

304 X. Die Frankfurter Meſſe im Mittelalter.

maͤßiges Einfommen hatten!). Das Mkeficgeleite bat fi daher als bloße Form bis zum Jahre 1802, wo es zum leßten Dale vorkommt, erhalten. Daß es aber im Mittelalter durchaus nöthig, ja geradezu unentbehrlich war, beweifen die damals fo oft vorkommenden Berau⸗ bungen ber Mefjefremden, fowie der Umſtand, daß auch dag zwifchen Frankfurt und Mainz fahrende Marktſchiff, um nicht überfallen und beraubt zu werben, geleitet werden mußte. Werden ung doch aus dem vierzehnten Jahrhundert nicht weniger als zwölf Angriffe gemeldet, welche in einen Zeitraum von nur dreizehn Jahren auf Meflefremde gemacht worden find (|. Anm. 183).

Das Geleite erftreckte fich auf die ganze Reife zur Meſſe. Es war daher ein doppeltes, ein auswärtiges und ein ftäbtifches. Jenes wurde von ben betreffenden Landesherren auf deren Gebieten, dieſes von der Stadt Franffurt auf dem ihrigen beforgt. Mitunter gefchah e3 aber auch wohl, daß das erftere Geleite bis in die Stadt Frank: furt felbft Fam, um, wie der Ausdruck lautet, der Stadt bei ihrem Geleite zu helfen (|. Anm. 184), ſowie andererfeit3 auch das ftäbtifche Geleite fich meiftend über die Grenze des Stabtgebieted hinaus erſtreckte. Wegen jened auswärtigen Geleites mußte der Rath fi) gar oft jchriftlich oder durch Botfchafter an die Erzbifchöfe von Mainz, Trier und Cöln, an den Landgrafen von Heflen, an ben Kurfüriten der Pfalz, an den Markgrafen von Baden und an andere Fürften und Herren wenden, fowie mitunter auch an die die Meſſe befuchenden Städte felbft, um den fremden Kaufleuten ein fichereö Geleite zu verichaffen (ſ. Anm. 185).

Das ſtädtiſche Geleite beftand meiften? aus Schügen, welche dabei entweder auf Karren fuhren oder, wenn die Meflefremben zu Waſſer reiten, mitunter auch In einem Schiffe ſich befanden. Doc) waren die bad Geleite Bildenden im leßteren alle, wie e8- jcheint, nicht immer in einem Schiffe, fondern fie fuhren oder ritten auch am Ufer her (f. Anm. 186). Die Zahl der Schügen war, offenbar wegen ber bald größeren, bald geringeren WUnficherheit, nicht immer gleich groß: es werden jtäbtifche Meefjegeleite crmähnt, welche aus

ı) KLirchner, I. ©. 551, führt aus bem Beginn bes 15. Jahrhunderts eine Aeußerung bed Erzbifhofs von Mainz an, weldhe bie letztere Rückſicht fchon für jene Zeit geltend zeigt.

X. Die Frankfurter Meffe im Mittelalter. 305

nur 16 bis 18 Schüben beitanden; bei anderen dagegen waren es 24, 29, 30 und fo fort bis zu 912). Cinmal (1406), als ber Eppfteiner die Coͤlniſchen Kaufleute angegriffen hatte, gab man ben diefe zurück geleitenden Schüßen auch noch einen Büchſenſchützen mit. Außer dem Geleite durch die Schüten kommen, wiewohl nicht jo häufig, noch andere vor, nämlich durch die im Dienfte der Stadt ftehenden Gejellen und Ritter mit Glenen, durch benachbarte Ritter, welche man mitunter bat, ein Geleite gegen Bezahlung zu übernehmen, durch das reifige Volk und wohl auch durch eine Zunft). Auch diefe Arten von Geleite waren manchmal aus vielen Theilnehmern zufammen gejeßt: im Frühling 1376 beitand 3. B. ein Mefjegeleite aus 20 Glenen, im Frühling 1406 aus 37 Pferden, in der Herbft- mefle 1463 aus 91, in ver Frühjahrsmeſſe 1464 aus 111 Pferden ?). Uebrigens kommen mehrere Male wohl auch Geleite vor, bei welchen nur Ein oder zwei Männer genannt werben; allein in biefen Fällen find, wie jich von ſelbſt verfteht, nur die Führer des Zuges gemeint t). An dem Geleite nahmen manchmal aud) die Richter, mehrere Raths⸗ glieder, einer ber Bürgermeifter und der Stabthaupfmann Theil (ſ. Anm. 187). Bon bejonderen Feierlichkeiten und Ceremonien beim Geleite, wie fie in fpäteren Zeiten gebräuchlich waren, findet man im Mittelalter nicht? erwähnt, außer daß die ftädtifchen Pfeifer ebenjo am Meflegeleite Theil nahmen, wie fie jonft auch mit in den Krieg auszuziehen und bie Frankfurter Bürger auf den Friedberger Markt zu geleiten pflegten 5). Erſt am Ende bed. Mittelalterd fcheint das Meffegeleite feierlicher geworben zu fein; denn 1464 mußten, was ala etwas Neues erwähnt wird, die zur Einholung ber Lymburger

1) Im Herbſt 1878 enthält das Mechenbuch folgende Ausgabe: 27 Rfb. 6 Sch. den ſchutzen uff zwene bage, als man bie von Menke emweg furte, 91 ſchutzen“.

2) Im Frühling 1867: „3 Pfb. 8 Sch. zwein wenen, bie bie metzeler furten in ber meſſ gein den von Lympurg und Monthebur”.

2) Die beiden Ießteren Angaben find aus Lersner, I. 1. S. 425, genommen.

+) Im Frühling 1849: „Herburte 2 Pfd. 6 Sch., bu he bie von Lovene heym geleyte‘. Am Frühling 1378: „Kern unbe Metzeler vergerten 12 Sch. alder, al fle mit geften geyn Afchaffenburg riden von geheiße der burgermeifter”. Gegen Ende bed Jahres 1867: „2 Sch. Sterdiln mit den von Aufburg, alß be reib‘.

* Im Herbfi 1879: „2 gulden virkerten ber ftebe frunde, al man geyn den von Menge reib, it. 6 große bren fremeben piffern, die mit yn reden“.

Krieg?, Frank. Bürgerzwifte. 20 .

306 X. Die Frankfurter Meſſe im Mittelalter.

und Montabaurer Kaufleute ausziehenden 111 Mann auf gleiche Weiſe gekleidet fein (mit weißen und geſchwaͤrzten Zwildplitteln und mit ſchwarzen, rothen und weißen Trobbeln auf dem linfen Arm) !).

Die Mitglieder des Meſſegeleites erhielten im Mittelalter Geld, und biefed wurde jogar denjenigen bezahlt, welche an vemfelben Theil zu nehmen hatten, aber aus irgend einem Grunde daran verhindert worden waren”). Im Jahr 1464 wurden biefe Zahlungen abge Schafft und dagegen für die Beteiligten ein Efien im Römer einge führt). Außerdem pflegten im Mittelalter die Mitglieder bes Geleites unterwegs ein Mahl und Trinkgelage auf ftäbtifche Koſten zu halten). Auch vor dem Abzug und nach ber Heimfehr bielten biefelben, wie es fcheint, ftetd eine Berzehrungd). Der Gebrauch, unterwegs ein Gelage zu halten, fam nach Lersner (I, 1. S. 432) erft 1692 ab; er wurde damals durch ein Abendeflen auf dem Kauf⸗ hauſe erjebt.

In der neueren Zeit (vom ſechszehnten Jahrhundert an) erſtreckte fih das Frankfurtiſche Dreffegeleite niemals über das ftäbtifche Gebtet hinaus. Es gab zugleich beftimmte Stellen dieſes Gebietes, wo das Geleite der benachbarten Staaten die Meflefremben dem der Stabt Frankfurt übergab ober fie vom Lebteren übernahm. Dieje waren: erſtens für die von Mainz ber kommenden renden, welche durch die Leute des Mainzer Erzbifchofes geleitet wurden, die Galgenwarte;

2) Lersner, I. 1. ©. 426.

Im Rechenbuch von 1875 flieht Sabbath poft Matthäi: „3 Pfdb. ſechtzehen ſchutzen zu irgatunge, bie heyme muften blibin, alß man bie gefte uz ber alben mefle geyn Oppinheym geleybete unde baz bie gertbener mit iren Farren hinderien. S. auch die in Anmerk. 186 zuletzt angeführte Stelle.

2) Lersner, L 1. ©. 425.

4) Beifpiele find: Dominica Palmarım 1848: „unfe frunde unb byener, man bie von Lympurg balete, und virkerten zu Kungiftein 29 Pfb. praeter 8 Sch.” Nativ. Marik 1875: „2 Pfd. virkerten die biener by Dulyne zu Ruzſelſheym, alß fie in ber alden mefle geyn ben von Menke reden“. Sabb. poſt Ambrofii 1876: „virberten bie gefellen unbe biener zu Bonemefe, ala fie geyn ben von Lympurg in ber faften meſſ reden, 28 Sch.“

8) Sabb. poſt Decoll. oh. 1875: „2 Pfd. alber ben gefellen umb win, alß man iglichem eyne maz wynes fchandete, bu fie gereben waren geyn ben geften”. Die Marci 1410: „Aa Pfd. bie biener zu flerden, ald man bie von Marpurg unb anders die Lantgraveſchen flebe von Hefjen wiber uz ber meſſe geleibte”.

X. Die Frankfurter Meſſe im Mittelalter. 307

zweitens für das Koͤnigſteiner Geleite der Geleitsſtein vor ber Bocken⸗ beimer Warte, welcher einige Steimwürfe links neben der Möbeln beimer Straße ftand; dritten für die aus der Wetterau Kommenden, welche Heſſen⸗Darmſtadt geleitete, die Kriedberger Warte; viertens für dad Hanauiſche Geleite die Nieder Höfe; fünften? für bie auf ber anderen Seite des Main aus Franken Kommenden, deren Geleite Mainz hatte, anfangs der Schlag am oberen Ende von Oberrab, fpäter aber ber Schlagbaum der Sachſenhaͤuſer Warte für Alle außer den Nürnbergern, welche auch Bann noch Immer an jenem Oberräber Schlage empfangen wurden; ſechſtens für das Darmitänter Geleite von Mörfelden, Gerau und Oppenheim her zwei Stellen, nämlich auf der oberen Straße der Außerfte Schlag an ber alten Landwehr am Schafhofe (nahe der Stelle, wo jebt ſüdlich von der Ziegelhütte bie zwei auffallenden, ihrem Urſprunge nach nicht ficher bekannten Hohen Mauerrefte ftehen), und auf ber unteren Straße die Brücke über bie Koͤnigsbach, da wo bieje an ber Deutfchherren-Wtefe zwiſchen ber ſchwarzen Steinfaute und bem Niebbofe weiter zieht. Die zwei Geleitäfteine, welche noch vor nicht Langer Zeit vor bem Affenthor (an der Stelle der Duirind-Pforte) und an der Mainzer Landftraße ftanden, waren feine Meſſe-Geleits-Steine, und wurden überdies erft 1790 errichtet, wiewohl da fogenannte Fürſten- und Inſignien⸗ Geleite fchon früher dert in Empfang genommen und gegeben wurbe (j. Anm. 188).

GSefeitöftellen, wie bie genannten, gab es im Mittelalter nicht. Auch ging damald das Frankfurtifche Meffegeleite meiſtens über bag Gebiet der Stadt hinaus, und zwar bald weiter, bald weniger weit. Rah dem Mhein hin, woher und wohin die Meſſefremden bald zu Waſſer, bald zu Land reiften, enbigte und begann das Gelelte der Tranffurter abmwechjelnd an fehr verjchiedenen Orten. Die Rhein: abwärts? wohnenden Mefjefreinden wurden entweder bis nach Mainz, oder bis nad) Kelfterbach, dem Mönchshof, Raunheim oder Rüſſels— heim geleitet und von dort abgeholt (ſ. Anm. 189). Die Rhein- aufwärts Wohnenven geleitete man big nach Kelſterbach oder bis nach Oppenheim; einmal führte man fie tiber Hochheim). Die ſchwäbiſchen

1) Nach den Rechenbüͤchern wurben z. B. im Herbie 1978 „bie von Bafıl -

und bie oberlenfchen ſtede“ bis Kelfterbah, 1872 im Frühjahr „bie obirlendiſſchen . 90°

808 X. Die Frankfurter Meſſe im Mittelalter.

Städte wurden 1371 in.Langen abgeholt. Das Gelelle ver Franken, fowie mitunter auch der Schwaben begann und endete bei Baben- haufen oder Ajchaffenburg Y. Die Thüringer und Meißener, fomte bie Gelnhäufer fanden und verließen das Frankfurter Geleite bei Dörnigheim, bei Grünberg oder bei Gelnhaufen*). Für die heſſiſchen Städte waren Dortelmeil, Kloppenheim, Holzbaufen, Peterweil, Fried⸗ berg, Butzbach und fogar Gießen die Anfangs- oder Endpunkte des⸗ felben (j. Anın. 190). Die Weblarer wurden zumeilen in Wetzlar ſelbſt abgeholt). Für die fogenannten überhöhifchen, d. h. die jenfeit des Taunus wohnenden Kaufleute (die Limburger und Andere), beren Weg nicht immer der nämliche war, bildeten Königftein, Bonames oder Homburg die Anfangs und Endpunbkte des Frankfurter Geleites 4). Schliehlich bemerke ich noch, daß noch ein Geleitspunkt erwähnt wird, welcher mir feiner Lage nach unbekannt ift: 28 heißt Goginſcheym oder Gogenſcheym d). Webrigend mußten bie das Geleite Bildenden mitunter mehrere Tage lang an einem Orte warten ober, wie es heißt, auf der Straße halten, um die Meſſefremden zu erwarten (ſ. Anm. 191).

ſtede“ bis Hochheim, im Herbſt besfelben Jahres „die von Spire, von Wormeße, von Strafpurg und Bafel” bis Oppenheim, im Herbft bes folgenden Jahres „die Elfeßer unde andere kaufflüde“ ebenbahin geleitet.

1) Sabb. poft Matthäl 1874: „2 Pfd. 2 engilfihe hand bie biener zue czweyn malen vergert an wyne, alß fie in ber alden meſſe bie Swebiſſchen fiebe unde ander kaufflude geyn Aſchaffinburg gelegten‘. Sabb. poft Francifci 1874: „2 Pfb. Heinrih von Afchaffinburg, die be ben bienern geluben hatte zue zerunge in ber alben meffe, alje fie reden mit ben geften”.

a) Im Herbſt 1878 hielten bie Diener eine Verzehrung „zu Dorengheym, als fie bie von Geilnhuß in die meſſe geleyien”. Im Frühjahr 1868 „ryden bie dyener mit bed Margraffen luden gein Grunenberg”. Im Yrübjahr 1878 „reben bie diener mit den Tauffluden von Mieflen geyn Geilnhuß“.

®) Sabb. poſt Tiburtii 1888: „42 Pfd. 5 Sch. verkerten bie folbener zwo nacht, alß fie bie von Webflar in bie numen meß zue Webflar haleten“.

9 Dominica Palmarum 1848: „unfe frunde und byener, du man bie von LWmpurg Balete, und virkerten zu Kungiftein 29 Pb. praeter 8 Sch.“ Sabb. poſt Ambrofii: „virkerten bie gefellen unbe biener zu Bonemefe, alß fie geyn ben von Lympurg in bie faſte meſſ reben, 28 Sch.” Sabb. poſt Zubilate 1867 wirb Gelb für Pferbe bezahlt, „al man in ber mezfe bie von Lympurg und von Monthebur zu Hobinberg halete“.

®) Die zwei betreffenden Stellen find in ben Anmerkungen 187 und 191 mitgetheilt.

X, Die Frankfurter Meſſe im Mittelalter. 809

Die die Meſſe bejuchenden Auswärtigen wurben im Mittelalter immer mit bem Worte Gäfte ober mit dem Worte Kaufleute oder mit Beiden zufammen bezeichnet 1). Das critere Wort war tdentifch mit dem neuerdingd gebräuchlichen Ausdrucke Meflefrembe ; denn es bebeutete ſoviel als Fremde oder Nichtbürger?). Was die Wohnungen der Mefjefremden im Müttelalter betrifft, fo kehrten diefe nicht etwa blos in eigentlichen Herbergen ein, jondern es burfte, wie in neuerer Zeit, auch jeder Einwohner fie in fein Haug aufnehmen. Died geht aus einer der Verorbnungen bed 14. Jahr⸗ bunbert3 hervor, welche Sendenberg mitgetheilt hat®), weil in ber: jelben ven Wein-Unterfäufern verboten wird, ſolche Kaufleute, welche mit Wein hbanbeln, als Säfte bei fih aufzunehmen. Im 16. Jahr: hundert pflegten Kaufleute, welche miteinander in näherer Handels⸗ beziehung ftanden, in Einem Haufe zufammen zu wohnen ober wenigftens eine Tifchgenoffenschaft zu bilden. Manche Häufer, wie Alt: Limburg, der Nürnberger, Augsburger und Bafeler Hof, follen davon, daß in ihnen Mefjefremden aus einer und derſelben Stadt zu wohnen pflegten, ihren Namen erhalten haben. Kirchner (I, S.532) gedenkt auch einer im Mittelalter beftehenden Firchlichen Brüderſchaft der Meflefremden, veren Kirche die Nikolai-Kirche war, und in welcher jährlich zwei Brubermeifter, einer aus dem Nieberland, ber andere aus dem Oberland, erwählt wurden.

Das Feilhalten der Waaren fand theild in Kramläden, welche in Häufern eingerichtet waren, theild auf ber Straße in aufgefchlagenen Buben Statt. Diefe Räumlichkeiten, unter ihnen mitunter auch ganze Häufer, wurden von den Mefjefremben oft für eine Reihe von Jahren gemiethet, wie aus einer Urkunde von 1412

1) Beifpiele enthalten die vorhergehenden Anmerkungen. Für ben Gebraud beider Wörter zufammen mag eine Stelle bes Rechenbuches von 1889 dienen, wo Sabb. poft Balentini einer Sendung nach der Pfalz und nach Baden gedacht wird, welche Statt hatte, „umb geleibe unfern burgern uff bes Ryns firaume und auch die Faufflude und gefte yn die fafte meſſ neft kommet zu geleiden und zu firmen‘.

3) In einer Verordnung, welche um bie Mitte des 14. Jahrhunderts für bie Bimmerlente erlaffen wurbe, beißt es z. B.: „Auch enfullen fie eynen iglichen by lazfin erbeidin um fein geld, he fy burger adir gaſt“.

®) Senckenberg, Sel. jur. I. p. 69.

310 X. Die Frankfurter Mefie im Mittelalter.

hervorgeht ). Die Häufer, welche Meſſelaͤden enthielten, waren nicht blos Privatgebäube, wie bie ſchon 1303 mit folchen Läden vorkom⸗ mende Wolfenburg auf dem Krautmarkt ?), ſondern auch bie Stadt ſelbſt vermiethete für die Meſſen Läden in Häufern, welde ihr Eigenthum waren. Kin ſolches ftäbtiiche® Haus war z. B. ber Fraßkeller auf dem Krautmarki, welcher in der Meile theils für den Verkauf von Fleiſch, theil3 an die Kürfchner vermiethet wurde; zwei andere waren bad „große ſteynenhuß“ (das jebige Leinwand» hau?) und das „Wagenhus“ (die jebige Stabtwage). Bon Privat: häufern muß beijpieläweife noch der Saalhof angeführt werben, welcher jeit Ludwig's des Baiern Zeit zuerjt der Knoblauch’jchen Familie und dann einer Ganerbfchaft angehörte. In ihm befanden fih von alter Zeit ber fo viele Meſſeläden, daß bie Bürger darauf neidiſch wurden und den bortigen Meſſehandel in ihre Häufer zu zieben fuchten, worüber Kaiſer Siegmund 1416 ber Stabt eine Verwarnung ertheilte 2). Uebrigens findet fih in Betreff desjenigen ſtaͤdtiſchen Gebäudes, welches feit 1406 als Rathhaus das Haupt⸗ gebäude der Stadt war, feine Spur davon, daß basfelbe vor dem 15. Sahrhundert auch Kramläven enthalten babe, wie in fpäterer

Zeit bis in unfer Jahrhundert hinein.

Die im Freien ftehenden Meffeläden, im Mittelalter Krämen, Hütten oder Schreine genannt, waren theils mit einem Dache verjehen, theils unbedect “). Manche berjelben beſtanden in bloßen Tiſchen 5); andere waren unter ben Haugthoren aufgeftellt ©). Wieder

1) Senckenborg, Sel. VI. p. 658.

9 Böhmer, p. 852 sq.

®) Orth, S. 201 fig.

*) In dem von Sifrieb zum Paradies abgefaßten Schultheipenbuche, einer der fchönften Urkunden bes Stadt-Archivs (Uglb. A. 64, Nr. 2), wird eine Abgabe an den Schultbeiß folgendermaßen bezeichnet: „von jebem crame 6 alde hellir unbir dache adir nicht unbir backe”.

®) Der Rath felbft vermiethete Tiſche; er erhielt 3. B. 1878 „von eyme bufiche ber vor dem Froiſteller ſted“ 2 Gulden Miethegeld. An einer Urkunde von 1898 (Böhmer, p. 769) werben Menten erwähnt „von dyoſſchen ind taifeln, bie man zu ber ziet (nämlich zwifchen Mariä Himmelfahrt und Geburt) wär bie hüfer pliet zu feßen, ind von ußgaenden vinftern in bie ſtraeſſe“.

*) Die Stabt ſelbſt vermielhete im 14. Jahrhundert zwei Thore bes Fraß⸗ kellers an Kürfchner.

X. Die Frantſurter Mefſe im Mittelalter. 311

andere waren kleine Läben und Fenſter, welche man vor den Häufern anbrachte, und in Betreff deren 1496 bie beſchraͤnkende Verordnung erlajfen wurde, daß jie nicht mehr als fünfviertel Ellen weit hervor⸗ ftehen bürften, und daß ber Verkäufer felbft fih noch innerhalb des Hausraumes befinden müſſe 1). Alle diefe Meſſelaͤden waren eigentlich einer mejjentlichen Abgabe unterworfen, weil fie, wie von ihnen immer gejagt wird, „auf des Reiches Straßen” jtanden; und in ber That find von der Mitte de 14. Jahrhundert? an in den ſtädtiſchen Rechenbüchern regelmäßig Einfünfte verzeichnet, weldhe von „ben Cremen uff des Richs fragen” in jeder Meſſe erhoben wurben. Auch beginnt eine Verordnung von 1420?) mit den Worten: „Ein iglich Tauffmann, ber da ſteet uff der ftraffen mit finer kauffman⸗ ſchaft, wilcherley die ift, gibet ſehs hellir.“ Allein fchon früh ſcheinen manche Bürger die Mefleläpen vor ihren Häufern ala etwas zu dieſen Gehöriged angejehen und anftatt des Rathes Standgeld won denfelben erhoben zu haben; denn in einem ber zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts angehörenden Manufcript des Stadt⸗Archivs, welches 41 Borfchläge einiger Rathsglieder zur Verbeſſerung bes Regiment? und ber Finanzen enthält), finbet fich auch ber Vor⸗ ſchlag: „Nyemand enfal uff des Riches ftrazfen fein, der ymand einje, he incinſe ban der ſtad.“

Fragt man nach den Straßen und Pläben, auf welche ber Meſſehandel ſich beichräntte: fo ift zuerft bie richtige Bemerkung Kirchner's (I, ©. 553) anzuführen, daß weder bie Neuftabt, noch Sachſenhauſen jemald an dem Meſſeverkehr Antheil genommen hat, fondern daß biefer ſtets auf das Gebiet der Altitabt beſchränkt geblieben iſt“). In der Lebteren aber waren es die Gegend um

1) ©. Lersner, I. 1. ©. 557 und ©. 310 Anmerk. 5 biefes Buches.

9 In dem handſchriftlichen Geſetzbuch BL. 80.

2) Es iſt betitelt „Gutt beduncken oder fürſlag ettlicher rathsfreundt, was in dem Regiment ober auff ämptern zu verbeſſern ſey“, und befindet ſich in bem Fascikel Uglb. B. 71.

9) Doc bildet ber Pferdehandel eine Ausnahme Dieſer hatte früher auf bem Liebfrauberge Statt gefunden, weldyer deshalb der Roſſebühel hieß; feit ber Mitte des 14. Jahrhunderts aber warb er auf bem jekigen Roßmarkt, alfo im ber Neuſtadt, gehalten. Eine Urkunde des Leonhard? = Stifted von 1869 bes ſchreibt einen Hof jo: una curia sita in nova civitate in foro equorum im Franckinfurt.

310 Z. Die Frankfurter Mefie im Mittelalter.

hervorgeht I. Die Häufer, welche Meſſelaͤden enthielten, waren nicht blos Privatgebäube, wie bie fchon 1303 mit folchen Laͤden vorkom- mende Wolfenburg auf dem Krautmarkt ?), fonbern auch die Stabt ſelbſt vermiethete für die Meſſen Läden in Häufern, welche ihr Eigenthum waren. in folches ftäbtiiche® Haus war 3. B. ber Fraßleller auf dem Krautmarkt, welcher in der Meſſe theild für den Verkauf von Fleisch, theild an die Kürfchner vermiethet wurde; zwei andere waren bad „große ſteynenhuß“ (das jebige Leinwand⸗ Haus) und das „Wagenhus“ (die jebige Stabtwage). Bon Privat- häufern muß beifpieläweife noch der Saalhof angeführt werben, welcher jeit Ludwig's des Baiern Zeit zuerjt ber Knoblauch’ichen Familie und dann einer Ganerbfchaft angehörte. In ihm befanden fih von alter Zeit her fo viele Meſſeläden, daß bie Bürger darauf neidiſch wurden und ben dortigen Meſſehandel in ihre Käufer zu zieben fuchten, worüber Kaifer Siegmund 1416 ber Stabi eine Verwarnung ertbeilte ). Webrigend findet fi) in Betreff desjenigen ftäptifchen Gebäudes, welches ſeit 1406 ald Rathhaus das Haupt gebäude ber Stadt war, feine Spur davon, daß bagfelbe vor bem 15. Jahrhundert auch Kramläden enthalten habe, wie in fpäterer Zeit bis in unſer Jahrhundert hinein.

Die im Freien ftehenden Meſſeläden, im Mittelalter Krämen, Hütten oder Schreine genannt, waren theild mit einem Dache verjehen, theild unbebedt %). Manche berjelben beitanden in bloßen Tiſchen ); andere waren unter ben Hausthoren aufgejtellt ). Wieder

t) Senckenborg, Sel. VI. p. 653.

*) Böhmer, p. 352 sq.

®) Orth, ©. 201 fig.

9) In dem von Sifrieb zum Paradies abgefaften Schultheißenbuche, einer ber fchönften Urkunden bes Stadt-Archivs (Uglb. A. 64, Nr. 2), wird eine Abgabe an ben Schultheiß folgendermaßen bezeichnet: „von jedem crame 6 albe hellir undir dache abir nicht undir backe”.

®) Der Rath ſelbſt vermiethete Tiſche; er erhielt 3. B. 1878 „von eyme bufiche der vor dem Froiſtkeller ſted“ 2 Gulden Mietbegeld. In eimer Urkunde von 1898 (Böhmer, p. 769) werben Renten erwähnt „von bufichen imb taifeln, die man zu ber ziet (nämlich zwiſchen Mariä Himmelfahrt und Geburt) wär bie büfer pliet zu feben, ind von ußgaenden vinftern in bie ſtraeſſe“.

*) Die Stabt felbft vermielhete im 14. Jahrhundert zwei Thore bed Fraß⸗ kellers an Kürfchner.

X. Die Frankſurter Meſſe im Mittelalter. 311

andere waren kleine Läden und Fenfter, welche man vor ben Häufern anbrachte, und in Betreff deren 1496 bie beſchränkende Berorbnung erlaffen wurde, daß fie nicht mehr als fünfriertel Ellen weit hervor⸗ ftehen dürften, und daß der Verkäufer felbft fich noch innerhalb des Hausraumes befinden müſſe *). Alle dieſe Mefjeläpen waren eigentlich einer mefjentlichen Abgabe unterworfen, weil fie, wie von ihnen immer gejagt wird, „anf bed Reiches Straßen” ſtanden; und in ber That find von der Mitte des 14. Jahrhunderts an in den ftäbtifchen Rechenbüchern regelmäßig Einfünfte verzeichnet, welche von „ben Cremen uf des Richs ſtraßen“ in jeder Meile erhoben wurden. Auch beginnt eine Verordnung von 1420 2) mit den Worten: „Ein iglich Tauffmann, der da ſteet uff der ftraffen mit finer kauffman⸗ ſchaft, wilcherley die ift, gibet ſehs hellir.“ Allein fchon früh fcheinen manche Bürger die Mefleläven vor ihren Häufern ald etwas zu diefen Gehoͤriges angejehen und anftatt des Rathes Standgeld von denjelben erhoben zu haben; denn im einem ber zweiten Sälfte des 14. Jahrhunderts angehörenden Manuſeript des Stadt⸗Archivs, welches 41 Vorſchlaͤge einiger Rathsglieder zur Verbeſſerung des Regiments und der Finanzen enthält), findet ſich auch der Vor⸗ Ihlag: „Nyemand enfal uff des Riches ftrazfen ftein, ber ymanb cinfe, be incinfe dan ver ſtad.“

ragt man nach ben Straßen und Pläben, auf welche der Meſſehandel fich beichränfte: jo ift zuerft die richtige Bemerkung Kirchner’3 (I, ©. 553) anzuführen, daß weber bie Neuftabt, noch Sachſenhauſen jemals an dem Mefjeverfehr Antheil genommen hat, jfondern daß biefer ftet? auf das Gebiet der Altſtadt beichränkt geblieben iſt“). In der Lebieren aber waren es bie Gegend um

1) ©. Lersner, I. 1. ©. 557 und ©. 810 Anmerk. 5 dieſes Buches.

7) In dem handſchriftlichen Geſetzbuch BL. 80.

2) Es ift betitelt „Gutt bedunden ober fürflag ettlicher rathsfreundt, was in den Regiment ober auff ämptern zu verbefiern ſey“, und befindet fich in dem Fascifel Uglb. B. 71.

9 Doc bildet ber Pferbehambel eine Ausnahme Diefer hatte früher auf ben Liebfrauberge Statt gefunden, welcher beshalb ber Roſſebühel hieß; feit ber Mitte des 14. Jahrhunderts aber warb er auf bem jebigen Roßmarkt, alfo im ber NReuftabt, gehalten. Eine Urkunde bes Leonharb# : Gtified von 1869 bes ſchreibt einen Sof fo: una curia sita in nova civitate in foro equorum in Franckinfurt.

312 X. Die Frankfurter Meſſe im Mittelalter.

bie Bartholomäus: Kirche, ver Saalhof und die Saalgafle, das Ufer des Mainz, der Liehfrauberg, die Umgebung bed Barfüßerkloſters und der bei der Katharinen= Kirche befindliche Raum zwifchen ver inneren unb äußeren Bockenheimer Pforte, welche im Mittelalter als Site des Meſſehandels erwähnt werden: woraus jedoch allerdings nicht folgt, daß ſie allein e3 geweſen find. Der Römerberg erjcheint in jenen Zeiten niemal® zum Gebrauche für die Mefje verwendet, während damals auf ihm die Schuhmacher und (auf feiner äftlichen Seite, dem Samdtagsberge) die Verkäufer gefalzener Fiſche ihren Stand hatten !). Erſt am Ende des Mittelalters begann der Roͤmer⸗ berg eine Stätte für die Mefje zu werben. Zum erften Male geſchah dies 1485, wo ber Rath befahl, die Krämen biefe Meſſe auf dem Berge anzuorbnien 2); doch fcheint damals bie Sache nur vorübergehend für eine einzige Meſſe befchloffen geweſen zu fein. Rachher warb (nach Xeröner IL, 1, ©. 429) nicht früher als 1546 der NRömerberg für die Meſſe in Gebrauch genommen: es wurbe damals die erite Meffehütte auf ihm aufgefchlagen, und zwar durch einen Nürnberger. Bon dba an aber war und blieb der MRömerberg eine Haupt: Meflegegend; und die? mag der Grund geweſen fein, warum man (nad) Lersner L, 1, S©.430) 1574 den Schuhmachern befahl, ihre Waaren während der Meſſen an ver Bartholomäus: Kirche feilzubalten.

In Betreff der anderen genannten Raufpläße findet man bie Krämen oder Hütten an der Katharinen- Kirche und dem Bodens beimer Thor ſchon 1361 erwähnt. Site fcheinen jedoch nur Pleine Kaufläden gewejen zu fein, ha fie meiſtens mit ben Verkleinerungs⸗ wörtern Hottichen, Hufige und Krämiche bezeichnet werben. Sie gehörten der Stabt, wie die Krämen oder Hütten bei ven Barfüßern, deren erſt etwas fpäter gedacht wird. Das Main-Ufer jcheint gegen dad Ende des Mittelalterd die Hauptftätte des Meſſehandels geweſen zu fein. Died geht aus verfchiedenen Umständen hervor, wie 3. 2.

I) Die Lebteren werben mit ihren „benden uff dem berge by St. Niclas” um das Fahr 1400 häufig erwähnt. In Betreff der Schuhmacher findet fich im Rechenbuh von 1891, unter ber Rubrik Einnahmen vom Schultheißen : Amt, folgende Notiz: „bat uns Joh. Ernft 14 Sch. gegebin von merdetredht von ben ſchuchworten uff dem berge”.

3) Orth, ©. 199 Anmerl.

X. Die Sranffurter Meffe im Mittelalter. 318

daß ber Rath 1385, als er ftänttfches Eifen verkaufen mollte, diejes in einem Schiffe während ber Faſtenmeſſe feilhalten und, ala es Beinen Käufer gefunden hatte, wieder an feinen alten Pla in ber Stadt zurückbringen ließ ). Auch aus einem anderen eigenthüm- lichen Umftande erfennt man, daß im 14. und 15. Jahrhundert am Main ein lebhafter Meſſeverkehr mar. Dort gab ed nämlich damals geheime Gemädher, welche zum allgemeinen Gebrauche beftimmt waren, und immer vor der Herbitmeffe, ſowie einft, als der Main fehr Hein war, dreimal während verfelben gereinigt wurben (ſ. Anm. 192). Am Main war auch der Haupt: Weinhandel in der Meſſe. Eine Rathsverordnung von 1485 9) febte feft, daß in den Meſſen die zu Schiffe fommenben Weine entweder in den Schiffen felbft oder doch an ihrem Anterplab (‚off den ftaben hart davor’) verkauft werben mußten, die Elſäſſer Weine aber, „bie off Karren oder vanigen berbracht werden,” auf dem Liebfrauberge. Der letztere Plag diente alfo damals in der Meile mit zum Weinhandel. Sonft wurde er aber für die Meffegefchäfte nicht verwendet. Sogar noch im 16. Jahr: hundert jchlug ein Verſuch, welchen der Rath zu diefem Zwecke machte, gänzlich fehl: man ließ von 1573 an, weil die Meſſe mehr Raum erforderte, zwei Jahre lang etliche ſechszig Meſſebuden auf dem Liebfrauenberge aufichlagen, es konnten aber nur wenige ber- jelben vermiethet werben, weil, wie e3 heißt, biefer Platz zu weit von dem Roͤmer entfernt war. Man lich daher 1576 bie neuen Buben nicht mehr dort, fondern auf dem Samstagsberg aufichlagen, und verlegte den Fiſchmarkt, welcher auf Lebterem gehalten wurde, an die Mechgerpforte *).

Was die Gegend um bie Bartholomäus-Kirche betrifft, fo biente dieſelbe vorzugsweiſe zum Tuch⸗ und Linnenhandel. Der Erftere wurde beſonders in den Tuchgaden getrieben, deren Namen fih in ver Bezeichnung einer Gaſſe mit dem Worte Tuchgattern noch erhalten hat, und welche neuerdingd von Dr. Euler in ben Mittheilungen des Geſchichts- und Alterthumsvereined (L, ©. 82 flg.)

1) Diefe Notiz enthält das Rechenbuch von 1884.

2) In dem bandfchriftlichen Geſetzbuch, BI. 75. Sie findet fih im Archiv für Frankfurt's Gefchichte und Kunft, Heft 7, ©. 161, abgebrudt, aber unvoll: ſtändig, fo daß ber Sinn etwas geändert erfcheint.

8) Lersner, I. 1. ©. 450 und DL 1. ©. 560.

314 X. Die Frankfurter Mefle im Mittelalter.

ausführlich befchrieben worden find. Wußerdem fand er auf ber Neuen Kräme Statt, wo die Weberzunft in und außer den Meſſen ihre Tücher in dem fogenannten großen Kaufhaufe (Mr. 7 neben ber Boͤrſe) und in ber nahe babet gelegenen Sommermonne fell- bie. In dem letzteren Gebäude Hatten, neben ben Frankfurter Webern, auch bie Ufinger 27 Stände 1). Der Linnenhandel wurde in dem Leinwandhaus (linwathus) ober, wie man es im Mittelalter auch nannte, in der fiebe großem fteynen Hus getrichen, welches Gebäude noch jet Da fteht und den erfteren Namen trägt, damals aber durdy eine Gaſſe von dem anſtoßenden Gebäude ber Stabtiwage geichieben war ?). Auf dem Grund und Boten felbit, welcher zur Bartholomänd- Kirche gehörte, durfte nicht feil gehalten werben. Wir befigen noch eine Rathsverordnung aus der Mitte des 14. Jahr⸗ hunderts, welche ftrenge verbietet, auf irgend einer geweihten Stätte, bie Höfe der Kirchen mit inbegriffen, namentlich aber nicht auf dem Pfarreifen bei der Bartholomäus: Kirhe Waaren feil zu bieten, ja ſogar nor dem Hofe der genannten Kirche nur in jo weit, als ber Zugang zu ihr nicht gehindert werde °). Vom Jahre 1352 an findet men auch eine jährliche Zahlung bed Rathes an den Cuſtos ober auch ven Glöckner des Bartholomäus: Stiftes verzeichnet , welche zuerſt in 1 Pfund, dann in 1%, Pfund und zulegt in 1 Mark beitand, und in den NRechenbüchern mit den Worten verzeichnet ift: „daz man keinen feylen kouff uff dent par kirchhoffe enjal haben‘; einige Male Heißt es auch mit einem Zuſatze: „uff dem par kirchhoffe und in dem crucegange”. Aus diefer Zahlung ergibt fich, daß früher im Hofe und fogar im Kreuzgange jener Kirche fich Kaufläden be- fanden, von welchen das Stift eine Abgabe erhob; und man hat mit Necht daraus gejchloffen, daß fchon in älterer Zeit. bie unmittel- bare Umgebung der Hauptlicche der Stabt eine Haupiftätte des Meſſehandels geweien if. Jenes Verbot wurde übrigen? immer wieber umbeachtet gelaffen; das beweiſen die fpäteren Verordnungen von 1443 und 1463, welche dasſelbe, zum Theil unter Androhung größerer Strafe, wiederholen, ſowie eine jchriftlihe Aufforderung

2) Nach Artifel 91 der Chanbfehriftlichen) Wollenwebergeſetze.

2) Ueber biefe beiden Gebäude f. Euler in den Mittheilungen beö Vereins, I. ©. 80.

®) Senckenberg, Sel, L p. 47 sa.

X. Die Frankfurter Meffe im Mittelalter. 315

bed Babfte Nikolaus V. von 1452 an den Rath, nicht Länger zu bulden, daß im Bezirke ver Bartholomäus: Kirde und anderer heiligen Stätten Waaren feil gehalten werben, und endlich die von Müller in feiner Schrift über die Bartholomäus: Kirche gemachte Bemerkung, daß biefer Handel beffenungeachtet noch bis auf feine Zeit (um 1750) fortgejegt worden fei (|. Arm. 193).

Die Waaren, welche in der Mefle umgefebt wurden, und ihre Heimat hat Kirchner (L., ©. 536) meiftentheild aufgezählt. Bon ihnen einen im Mittelalter Tuch, Wolle, Leinwand und Pferde bie bedeutenbften gemwejen zu fein. Der Buchhandel ward erft im 16. Jahr⸗ hundert beveutend. Bemerkenswerth ift, daß, nach den Stadt⸗Rech⸗ nungsbüchern, die Tücher beſonders von Löven, Mecheln, Brüffel, eymburg und Speier in die Mefje gebracht wurden, und dag von ihnen bad Mecheler und Brüffeler das feinfte geweſen zu fein ſcheint, weil der Rath es zu Gefchenfen an ben Hof verwendete 1). Ebenfo ift den Kirchner’jchen Angaben noch Dinzuzufügen, daß bie Leinwanb aus verjchievdenen deutſchen Gegenden, namentlich auch von Bamberg, aus Heffen und aus den Niederlanden, in die Meſſe gebracht wurde 2). Merkwürdig ift ferner, daß im 14. Jahrhundert Papier und Pergament, Erftered aus ben Niederlanden kommend, zu den Meſſe-Artikeln gehörten, und daß der Rath jelbit feinen Bedarf an Beiden zumeilen in der Meſſe kaufte. Das Lebiere geſchah auch in Betreff der Tücher und des Barchents, indem ber Rath, Beides zur Belleivung feiner Diener und Söldner öfters in ver Mefje anfchaffen ließ. In Betreff des Barchents aber ift noch zu bemerfen, daß außer dem von Ulm auch Mailänder Barchent in bie Mefje Fam. Uebrigens gehörte zu den Hauptgefchäften der Mefie im Mittelalter auch der Geldhandel. Diefer warf durch vie Abgabe, welche von ihm entrichtet werben mußte, dem Rathe einen bejonders großen Gewinn ab. Wollte man überhaupt nach ver Rückſicht auf ben Ertrag der Abgaben an die Stabt den größeren oder Fleineren

1) Rechenbuch von 1891: „87 gulden umb ein rot tuch von Mechil umb 88 gulben umb ein fornblum tuch von Pruffel, die man fchendete bein Hanatzko und bern Rinzewys fraumwen, zu ber zyd alß Joh. von Holtzhuß und Bernhard Nygebur zu Prage waren”.

”) 6. Leröner, I. 1. ©. 558. Im banbfchriftlicden Geſeßbuch, BI. 18, tommt vor: „Ballen Linwat, als man plieget zu furen von Babenberg”.

318 X. Die Frankfurter Meffe im Bittelalter.

Umfang der einzelnen Meflegeichäfte beſtimmen, fo würben, nächft dem Ertrag vom Geldhandel und von der ftäbtijchen Wage, zuerft die Einfünfte vom Leinwanbmeflen und dann der Unterkauf von Pferden als die beveutendften erjcheinen.

Die Abgaben, welche die Meſſefremden zu entrichten hatten, waren jehr groß. Sie beftanden in verſchiedenen Land- und Wafler: zöllen, in dem Marktrecht oder der Handelsabgabe im Allgemeinen 7), in dem Hausgelde oder der Steuer von den Waaren und ihrer Lagerung (f. Anın. 194), in der Abgabe von dem Laden ober Krame (alfo dem Standgeld), in der vom Wiegen ber Waaren und im Untertaufe, welcher von faft allen Waaren zu entrichten war. Uebrigens find dieſe verſchiedenen Abgaben ihrem Begriffe, wie ihrem Betrage nach weber durch Xeröner, noch durch Orth für die früheren Zeiten feftgeftellt, und es wäre fehr zu wünfchen, daß jemand dies thue und den Betrag wie die Erhebungsart aller Handelsabgaben in und außer den Mefjen ficher ermittele, was auch ein jchr wichtiger Beitrag zu der noch ſehr vernachläffigten Gejchichte der ſtädtiſchen Finanzen im Mittelalter fein würbe. Die Nechenbücher, dad Schultheißenbuch und das alte Gejegbuh würden faſt allein ſchon als Quellen und Baſis für eine folche Arbeit genügen.

Manche Stäbte, Yürften und Hlöfter hatten durch bejondere Privilegien das Recht erhalten, in ver Meſſe von Frankfurter Zöllen befreit zu fein (j. Anm. 195). Dergleihen Zollfreiheiten wurden mitunter von den Kaiſern verliehen, wie denn unter Andern auch den Tyranffurtern und den Wormſern durch den Kaifer 1180 gegenfeitige Zollfreiheit gewährt wurde (welches Privileg, gelegentlich bemerkt, das ältefte befannte Privileg der Stabt Frankfurt ift). Mitunter wurden folhe Zollfreiheiten aber auch erfauft. Ein Bei⸗ ſpiel hiervon ift, daß Kaifer Karl IV, feinen vier Städten ‘Prag, Breslau, "Kotten in Böhmen und Sulzbach in Batern 1358 bie Befreiung vom Frankfurter Brüdenzoll für 300 Gulden erfaufte,

1) Das Marftreht war nicht, wie im Archiv für Frankfurt’ Gefchichte und Kunft, VII. ©. 161 fig. ſteht, eine bloße Abgabe derer, welche mit ihrer Kauf⸗ mannſchaft auf ber Straße ftanden; denn im Scultbeißenbuch Siefrieb’s zum Paradies, Blatt 9, heißt e8 unter ber Ueberſchrift „Nota daz merkitrecht“, jeder Kaufmann in ben Häufern babe 6 Heller, jeber Kram und bie Altgerwänber zu den Barfüßern, oder wo fie fanden, 6 alde Heller zu entrichten.

X. Die Frankfurter Meſſe im Mittelalter. 817

wobet er jedoch den Vorbehalt machte, daß Frankfurt daflır jährlich zehn Pfund an den Stabtjchultheigen bezahlen müfje (j. Anm. 196). Meiftend war die Befreiung von Zöllen in ober außer den Meſſen mit der Berpflichtung verbunden, bei der in der Regel alle Jahre Statt findenden Recognition dieſes Vorrechtes irgend eine Zahlung zu leiſten. Diefe beftand jedoch gewöhnlich nicht in baarem Gelbe, fondern in beſtimmten Waaren oder in anderen Dingen, welde in Hinficht auf den Grund ihrer Wahl zum Theil nicht zu erklären find. Fries (Pfeifergericht S. 170 fig.) gibt folgende Beiſpiele von Recogni⸗ tions⸗ Gebühren für Zollbefreiungen in Frankfurt: das Klofter Arns⸗ burg hatte dem Stabtjchultheißen ein Paar Stiefel und einen oder mehrere Käfe, ſowie jedem Schöffen ebenfall® einen ober mehrere Köfe zu liefern, ſpäter aber (nach Feyerlein’3 Briefen über Kirch- ner's Gefchichte IL, S. 221) Erfterem noch ein Paar Handſchuhe un ein beitimmtes Stud Tuch zu geben; das Klofter Ammterbach mußte in beiden Meſſen eine Meſte Hafermehl, in der einen Meſſe aber noch einen Kuchen von Weigmehl und in der anderen einen ge- würzten Kuchen liefern, die Karthaufe zu Mainz ein Paar Wecke von berjenigen Sorte, weldhe man Fitzen oder Flecken nannte, das Klofter Erbach ein halb Viertel Wein, die Sohanniter zu Höchft 20 Broͤdchen, jedes non 6 Pfennigen Werth. Allgemeiner befannt ift, daß bei dem fogenannten Pfeifergerichte, welches in jeder Herbſt⸗ mefje gehalten wurde, bie drei Stäbte Worms, Bamberg und Nürn- berg für ihre Zollfreiheit dem Schultheigen folgende Gegenftände geben mußten: Worms einen aus Holz geſchnitzten weißen Becher mit einem Pfund Pfeffer, ein Baar auf biefem liegende weiße Handichuhe, einen auf Lebteren liegenden Raͤder-Albus, ein weißes Stäbchen und endlich früher einen Bieberhut und fpäter ſtatt des⸗ jelben einen Goldgulden, Bamberg und Nürnberg aber jedes einen gebrechfelten weißen Becher von Holz nebit Pfeffer und cinem Paar Handſchuhen, fowie ein Stäbchen und einen Raͤder-Albus). Auch Frankfurt jelbft hatte in Nürnberg für bie dortige Sollfreibeit feiner Bürger alle Jahre ähnliche Geſchenke zu machen, an deren Stelle

1) Es if befannt, daß nach einer alten Wormfer Chronik die Geſchenke von ben oben angegebenen verſchieden waren, unb nicht bloß für ben Schultheißen, fondern auch für den oberſten Richter und bie Schöffen beſtimmt waren: f. Fries, ©. 148 fig. und Orth, ©. 164 fig.

318 X. Die Frankfurter Mefie im Mittelalter.

aber feit ter Mitte des 15. Sahrhunderts em halber Gulden gezahlt wurde (f. Anm. 197). Die Stadt mußte nämlich dem Burggrafen zu Nürnberg einen gebrechjelten weißen Becher, welcher ein Pfund Pfeffer enthielt, zwei weiße Handſchuhe und ein weißes Stäbchen überreichen laſſen, jedoch nicht in einem mit Pfeifern verfchenen feierlichen Aufzuge, wie Nürnberg, Wormd und Bamberg eB im Frankfurt zu thun verpflichtet waren. Jene Geſchenke koſteten, wie man aus den ftäbtifchen Rechnungsbüchern erfieht, meiſtens 12 Schil⸗ Uinge (d. i. einen halben Gulben), mitunter aber auch 13, 15 und 18 Schillinge, jowie eiumal blos 9% Schilling. Uebrigens fcheimt es nicht nöthig, das Pfeifergericht, welches in feiner alten feierlichen Weile im Jahre 1802 zum letzten Male gehalten worden ift, bier zu befchreiben, da e3 in vielen Büchern beichrieben ift, und wir über basjelbe jogar eine bejondere ausführliche Schrift von Fried befiben. Ueber die Bebentung feiner Cerimonien und über feine lebten Ab- haltungen iſt das, was Feyerlein (Briefe über Kirchner’3 Gejchichte IL, ©. 216 ff.) fagt, das Beſte.

Ueber die Art, wie in ber Mefle die Gefchäfte im Einzelnen getrieben wurden, oder mit anderen Worten über bie eigentlichen Meſſegeſchäfte, die Abrechnungsweiſe u. dgl. mehr fehlen und in Betreff des Mittelalters faft alle Nachrichten. Was über die Gelb- geichäfte, die Banken und bie Wechſelbriefe gemeldet wird, habe ich in der auf biefe Darftellung folgenden Abhandlung über bie Frank⸗ furter Gelbgefchäfte im Mittelalter zufanmengeftellt. Hier ift nur noch hinzuzufügen, daß ver für ganz Deutfchland wichtige Frank⸗ furter Meſſehandel fchon früh hen boppelten Gebrauch hervorrief, Auszahlungen, welche von einer Stabt nach einer anderen zu machen waren, in den Frankfurter Meſſen machen zu laffen, und bie Zeiten biefer Meffen auch für heimische Geſchaͤfte ala regelmäßige Zahlungs⸗ Termine anzufehen. Vom Erfteren gibt Leräner (I, 1. ©. 427) ein Beifpiel aus bem Jahre 1391, indem er eine zu Prag ausgeſtellte Berichreibung mittheilt, in welcher ber Biſchof von Straßburg ver- ſpricht eine Zahlung an ein Colner Handlungshaus in der nächlten Frankfurter Meffe zu leiften. Was aber den noch heut’ zu Tage in einem großen Theile von Süddeutſchland herrfchenden Gebrauch betrifft, die Rechnungen für gelieferte Waaren oder Arbeiten zu ben beiden Zeiten der Frankfurter Meſſe auszufertigen, ja mitunter babei

X. Die Yrankfurter Meſſe un Mimelalter. 819

fogar dad Wort Frankfurter Meile als Datum anzumenben, fo fcheint diefer Gebrauch jehr alt zu fen. Wenigſtens beftanb er unter den Frankfurtern ſelbſt ſchon um dad Jahr 1400, wie eiwe Stelle des Stadt-⸗Rechenbuches von 1400 zeigt, in weldyer gejagt

wird, daß ber Rath die Zahlungen, die er fir geliefertes Schreib- .

Material an ein Frankfurter Handelshaus zu machen halte, vier Meſſen lang haben Stehen laffen!). Bei dieſer Gelegenheit verdient noch bemerkt zu werben, daß auch bie Mefjegefchente fchon im vierzehnten Jahrhundert ebenſo gebräuchlich waren, wie bie Neujahrs⸗ geſchenke. Man nannte die Erſteren dad Meſſegeld, und fie wurden namentlich denjenigen Rathsgliedern, welche unter dem Titel Rechen: meifter die Finanzbehörde (das jegige Nechenei⸗Amt) bildeten, ſowie ihren Schreibern und Pebellen regelmäßig aus: der Stadtkaſſe gegeben. Dieſes Meſſegeſchenk der Rechenmeiſter und ihrer Bebienfteten betrug am Ende des vierzehnten und am Anfang des fünfzehnten Jahr⸗ bundert3 5 Pfd. 8 Schill. oder 44%, Gulden, früher aber bald mehr, bald weniger (j. Anm. 198).

Die obrigkeitliche Aufſicht und bie Sorge für bie öffent liche Sicherheit in der Meſſe waren im Mittelalter größer, ala in der neueren Zeit; man beburfte aber damals verjelben auch in höherem Grade. Was die Aufſicht ber Behörben betrifft, jo war fie, bei dem damaligen ſtarken Meſſeverkehr und bei ver Beichaffen- beit der größtentheild ungepflafterten Straßen, beſonders in ciner für uns auffallenden Hinficht nöthig: es mußte nämlich in den Meſſen vorzugsweiſe für die Gang und Fahrbarkeit ber Gaflen Sorge getragen werden. Wir finden daher öfters Ausgaben angeführt, welche gemacht wurden, um wie ber Ausdruck lautet „in ber mefle den dreg uzzufuren“, ſowie für „Stroh in ben breg in ver meſſe“. Sonft wurden, in Betreff ver noͤthigen Aufficht, vom Math vor ber Meſſe gewille Vorrichtungen getroffen und Anorbnungen gemacht. Sie beftanden vor allem Anderen darin, daß bie Mechens meifter oder wohl auch die Bürgermeifter, wie man ſagte, „ber ftebe ampte uff die meſſe beitellten”, d. h. daß fie bie Leute ernannten ur

1) Sabb. poft Pafhk 1401: 55 gulben 9 grofi Ban wir gegebin Kathr. zum Burggraven von vier meſſen umb pergamen und bapir in ber ſtede notary, baz fi doch biz ber umb einer rechenumge willen von bed wygegeldes wegin virkogen bat.

5230 X. Die Frankfurter Meſſe un Mittelalter.

anmwiefen, welche in der Mefle die Auffiht zu führen und bie ftädtifchen Gefälle zu erheben hatten, bei welchem Gefchäfte es dann, wie in früheren Zeiten bei faft allen amtlichen Verrichtungen, am Efien und Trinfen nicht fehlte Eine andere Haupt: Fürjorge war bie ftrenge Auffiht auf Maße und Gewichte. Auch in Betreff diejer Fürforge gingen der Mefje oͤfters Berathichlagungen voraus, welche ebenfalls mit Verzehrungen verbunden waren; in ber Meſſe aber wurden, wie man fich außbrücke, „bie Gewichte und Elen burch bie Stadt bejehen”. Zu bemerken ift hierbei, daß nach einer Raths⸗ verorbnung von 14061) in Frankfurt überhaupt falſche Maße und Sewichte weggenemmen und diejenigen, bei welchen fie gefunden worden waren, an Leib und Gut beftraft wurden, fowie daß für das Nängenmaß ein Normalmaß, nad) welchen jeber ich feine Elle ſelbſt machen und einrichten Tonnte, an der Hauptkirche angebracht, zur Gerechtmachung der Gewichte aber und zum Wichen bejondere Beamten eingejebt waren. |

Auh zum Behufe der Sicherheit der Perjonen und Waaren waren im Mittelalter ganz andere Maßregeln nötbig, als gegen- wärtig, weil biefelbe nicht nur gegen Diebe in der Stadt geſchützt werben mußte, fondern auch von außen ber durch Räuber eigener Art bebroht war. Den Dieben, die es zu allen Zeiten in ber Meſſe gab, gewährte früher die Menge der anweſenden Fremden, in Ber: bindung mit der geftatteten größeren Freiheit des Lebens, einen größeren und bequemeren Spielraum, weshalb auch damals das Sprihwort auflam, daß Schelme und Diebe in demſelben Augen: blicke, in welchem die Meſſe eingeläutet werde, in bie Stadt Franl- furt kämen und bis zum Augenblicke bed Ausläuten? in berfelben ihr Weſen trieben. Uebrigens konnten im Mittelalter vergleichen Leute leichter in die Meile kommen, da die Landſtraßen im Grunde unter gar Feiner Aufficht ftanden, und ba, wie aus einem dies ver⸗ bietenden Reichsbeſchluſſe von 1435 hervorgeht ?), Ritter und Herren nicht felten für Geld auch Dieben, Räubern und Mördern ficheres Seleite ertheilten. Am allergefährlichiten waren damals die ritter- lichen Näuber der Umgegend, welche nicht nur die Sicherheit vor

1) Sandfchriftliched Geſetzbuch, Blatt 50. 2) Lersner, L 1. ©. 830.

X Die Frankfurter Mefie im Mittelalter. 321

den Thoren bedrohten, ſondern auch bei etwaiger Nachläffigkeit in ber Bewachung der Stadt ſtets in dieſe einzubringen fuchten. Schügende Maßregeln waren aljo damals in weit größerem Umfange nöthig, zumal da vorkommenden Falle die Stabt felbft für bie Beraubung eined Meſſefremden verantwortlich gemacht wurde 1). Bei jo bewandten Umftänden mußte man in ber Meile Maßregeln ergreifen, wie fie jegt nur in Feſtungen zur Zeit des Krieges ergriffen werden. Beſondere Wächter hüteten, neben ben gewöhnlichen, Tag und Nacht auf den Thürmen der Stadtmauer; andere waren Nachts am Main aufgeftelt, um den auf dem Fluſſe Statt findenven Zugang zur Stadt zu bewachen; noch andere jtanden an bein Schlägen, ver: mitteljt deren vor der Stabt die Landfiraßen während der Nacht abgeiperrt gehalten wurden. War nun gar, wegen ber Feindjchaft eined der benachbarten Ritter ober wegen allzugroßer Raubluft der⸗ jelben die Gefahr einmal größer, als gewöhnlich, jo wurden noch ganz andere Sicherheitämaßregeln ergriffen. Dann hielt man jene Schläge auch am Tage geſchloſſen und ließ fie durch befondere Hüter für jeden Ankommenden, welcher unverbächtig war, beſonders auf- Schließen. Außerdem Tieß man die Stadtthore durch je zwei Gewappnete oder auch durch die Schügen bewachen. Ferner mußten dann ftäbtifche Sölbner oͤfters um die Stadt herum reiten oder wohl auch in einem benachbarten Walde fich aufftellen, um Webelwollende, welche berannahten, zurüdzutreiben. Ja, man rüftete mitunter noch eine bejondere Meine Schaar aus, welche während ber ganzen Meſſe ichlagfertig fein mußte (j. Anm 199). Auch die zu Lersner's Zeit übliche Sicherheitgmaßregel, Nachts die Bogen der Mainbrücke durch Ketten für Schiffe undurchfahrbar zu machen, Tommt fchon vom Sabre 1403 an vor; nur wurden bie Ketten nicht an ber Brücke ſelbſt, ſondern oberhalb derſelben am jogenannten Fache auögefpannt, wo man ſie Nachts auf beſonderen Kähnen bewachen ließ. Der zu Orth's Zeit übliche Gebrauch aber, die Soldaten aus ben Dorf: Ichaften auf den Warten und ber Landwehr abwechjelnd Wache halten zu laffen, war im Mittelalter nicht nöthig, weil die Warten dag ganze Jahr hindurch ihre ſpähenden Wächter hatten, und die Sölpner

» ’) Ein Beifpiel bes Letzteren gibt ein Schreiben Karl's IV. von 1861, welches bei Böhmer, p. 680, abgedrudt ifl. Kriegl, Frankf. Bürgergwifte. 21

322 X. Die Frankfurter Meſſe im Mittelalter.

den Raum zwilchen ber Landwehr und ber Stadt zur Weflezeit oͤfters durchreiten mußten.

Die Sicherheit und polizeiliche Ordnung in den Meilen warb übrigen? durch den Umftand erjchwert, daß während der Meſſe eine Art von Ungebundenheit gejtattet war, welche in dem fonft kirchlich⸗ ftrengen Mittelalter überrajcht. Es war nämlich während der Dauer ver Meſſe ein großer Theil der Verordnungen fiftirt, welche das äußere Leben innerhalb gewiffer Schranken hielten. Während ber Meilezeiten waren Handelsgeſchäfte und Handmwerfer-Arbeiten auch am Sonntage geftattet, und nach Lersner (L 1, ©. 432) hörte dieſe Erlaubniß erft im Jahre 1668 auf. Ich kenne zwar feine bejonbere dies geitattende Verordnung ber früheren Zeit; aber es folgt ſowohl aus der im genannten Jahre eingetretenen Aufhebung ber Sache, ala auch aus einzelnen Artikeln mehrerer alter Zunftgelebe, welche von ber einen Zunft auf die anderen zurüdichliegen laſſen und wenigſtens das Eine zu erkennen geben, daß in den Meilen für einen heil der Handwerfe der Sonntag, jowie der ſonſt ebenfalls heilig gehaltene Samdtagabend zum Arbeiten frei gegeben war. In der Zunft ordnung der Schneider und Tuchſcheerer von 1352 3. B., ſowie in ber einiger anderen Zünfte ift daß Arbeiten an Sonn- und eier: tagen und an bem vorhergehenden Abend bei Geldſtrafe verboten, es wird aber zugleich die Beſchränkung binzugefügt, daß dasſelbe in ven beiden Meſſen gejtattet fei. In der ven Sattlern, Schildern, Malern, Glajern, Kumetern und Barticheerern gemeinschaftlichen Zunftorvnung von 1406 ift das Teilhalten von Waaren ebenfo beftimmt in ven beiden Meflen für jeden Tag geitattet, den Bart- jcheerern insbeſondere aber die Erlaubnig gewährt, zur Meſſezeit auch Sonntags ihre Beden auszuhängen und bie Leute zu fcheeren.

Aber nicht blos im Handel und Verkehr, fondern auch in Genüffen und Vergnügungen wurden während der Meſſen die Zügel losgelaſſen, welche ſonſt dag Leben der Einwohner in geordneten Schranken hielten. Es war 3. B. im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert Geſetz, daß niemand über die Zeit ber Weinglode hinaus, welche jeben Abend im Winter um 8, im Sommer um 9 Uhr eine halbe Stunde lang geläutet wurde, im Wirthähaufe bleiben durfte, und daß bie Wirthe zu biefer Zeit ihre Gäſte forz- ſchicken und ihre Häufer zufchliegen mußten. Während ver Meſſe

X. Die Frankfurter Meſſe Im Mittelalter. 323

bagegen war bieje gefeßliche Vorſchrift ſuspendirt, und jeder konnte, jo lange er wollte, im Wirthshauſe fiten bleiben; denn die ältefte hierüber vorhandene Verordnung (aus dem vierzehnten Jahr⸗ hundert) jchließt mit den Worten: „in diyſen vorgefchrebin ſtucken ift der mezfe vryheid uzgenommen“1). Ebenſo verhielt es ſich mit dem Gebote in Betreff der Schwerter oder Iangen Meſſer, welche im Mittelalter die meiften Leute, mitunter ſogar Geiftliche, beim Ausgehen zu tragen pflegten, und bie unter Anbern noch 1511 jeber Schuhmacer-Meifter und -Gefelle trug?). Nach ber vorhin erwähnten Verordnung aus dem vierzehnten Jahrhundert war dieſe Sitte auf Mefjer und Schwerter von einer beitimmten Länge befchräntt, welche hundert Jahre Tpäter am Nömer angezeichnet war, und jeder dawider Handelnde wurbe nicht nur mit einer Geldftrafe von 5 Schillingen belegt, jondern er mußte auch entweder auf 14 Tage aus ber Stabt wandern oder noch 1 Pfo. Heller bezahlen; aber auch bei dieſem Verbote war ausgeſprochen, daß es in ben Zeiten der Meſſe feine Geltung habe.

Sogar die Kirche milderte für die Zeit der Frankfurter Meſſe bie Borfchriften ihrer ſonſt fo ftrengen Disciplin. Sie gejtattete eines Theild den Meflefremden wie den Einwohnern, während ber Meſſezeit auch an Fafttagen Fleiſch und andere verbotene Speifen zu effen, und verlieh anderes Theil® ver Stabt Frankfurt das für ber Meſſeverkehr wichtige Recht, dag felbft dann, wenn mit bem Banne belegte Berfonen in der Frankfurter Meſſe anweſend wären, dad Meſſeopfer und die Kirchengefänge nicht nur während, ſondern auch 14 Tage lang vor und nach der Meſſe gehalten werben burften: die erftere Vergänftigung warb 1478, bie zweite 1398 gemährt?). Ebenfo, wie die Kirche, zeigte fich die Reichsgewalt ven Frankfurter Mefien gewogen. Katfer Karl IV. gewährte 1376 ver Stadt Frank: furt das Privileg, daß die Reichsacht für einen jeden mit ihr Belegten, wenn berfelbe die Frankfurter Meſſe befuche, nicht nur während diefer, fondern auch acht Tage vor und nach ihr in Frankfurt und

!) Senckenberg, Sel. I. p. 67. N) S. Steig, im Archiv für Frankfurt's Gefchichte, neue Folge, I. S. 195 fig. und Lersner, I, 1. ©. 488. 2) ©. Orth, ©. 50 fig. 21*

324 X. Die Frankfurter Meſſe im Mittelatter.

feiner Bannmeile vollftändig ſuspendirt fein ſolle ). Ya, im Jahre 1435 durfte der Rath fogar einem mit dem Kaifer im Krieg befind- lichen Fürften jchreiben, daß deſſen Unterthanen mit Zuſtimmung bed Meiches während ber Meſſe in Frankfurt ebeufo, wie andere Meſſefremden, die vollftändige Sicherheit ihrer Berfonen und Waaren haben würden ?).

Neben den angeführten, für die Handelsgeſchäfte jehr wichtigen fogenannten Meſſefreiheiten gab es auch noch eine andere, welche für die Maſſe derer, die in der Meſſe blos fchauen und fich vergnügen wollten, die wichtigfte war. Ich meine die, gerade jebt durch poli- zeiliche Anordnung wieder fehr eingefchräntten, Mefjenergnügungen und Meffe-Sehenswürdigfeiten. Auch diefe waren im Mittel: alter ein Anhängjel der Meilen, wie denn zu allen Zeiten das Streben, ſich Geld zu machen, feine günftige Gelegenheit zum Ver⸗ ſuche dazu worüber gehen läßt. Zuerſt ift in diefer Hinficht von ber mittelalterlihen Meſſe Frankfurt's dasjenige zu erwähnen, was in neuefter Zeit zufeßt die unangenehmfte Seite ver Meſſe geworden war, und wohl hauptjächlich den Anlaß zu ver erwähnten polizeilichen Beichränfung gegeben bat, die Meſſe-Muſik. Diefe gab es auch Im Miütelalter; fie war aber damals offenbar kunftmäßiger. Ich habe freilich nur dreimal eine Erwähnung verfelben gefunden; aber jebes- mal wird ihrer auf eine folche Weife gebacht, daß eine Art von Kunftgerechtigkeit dabei zu. Tage tritt. In allen brei Fällen nämlich werben die Spielleute aus der ftäbtifchen Kaſſe bezahlt, und in zei Tällen erfcheinen fie als Muſiker, welche in der Meile eine Art von Wettkampf hielten, ober doch wenigſtens wirkliche Kunſt-Productionen aufführten. Die betreffenden Stellen, die ſich in den Stadt-Rechnungs⸗ büchern befinden, find folgende Ausgabe-Poſten: Dominica Duafl- mobogeniti 1348 (d. i. aljo zur Meffezeit), den fydelern zu fchendene 24 Pfd., du fie die fchule hy hatten; Sabb. poft Lätare 1368, 24 Pfd. den fyddelern und fpeiluden, alß fie in der numen mejj bie waren; und Sabb. poft Ambrofii 1376, 20 Pfd. ven meiftern der fydeler unde andern iren gejellen ber furften unde der herren fpelluden, alß ſy in der faften meſß jchule Hilten. Schon die für jene Zeit

1) Privilegtenbuch, S. 188. ») Senckenberg, Sel. VI. p. 492.

X. Die Frankfurter Meſſe im Mittelalter. 825

jehr großen Summen, welche in allen drei ällen den WMufifern bezahlt wurden, würden als Beweis dienen können, daß die Reiftungen verjelben etwas ganz Anderes waren, ala unfere jebige Meſſe-Muſik. Kicchner gedenkt (1. ©. 565) neben muſikaliſchen Künftlern auch der Dichter, welche „zur Meßzeit umberzogen, einen Herolb an ber Spike von einer Trinkſtube zur anderen, poetifchen Wettjtreit zu üben‘; ich weiß; jedoch nicht, in wie weit dies richtig ift, da ich in meinen urfund- lichen Forſchungen nichts hieranf Bezügliches gefunden babe. Auch in Betreff einer anderen Angabe Kirchner’3, daß nämlich die Fechter- genoffenfchaft ver fogenannten Marx-Brüder in ver Frankfurter Meffe ihre Schule gehalten und nur in biejer das Recht gehabt habe, einem Techter die Würde eines Meifterd des Tangen Schwerted zu eriheilen, fehlt jeder urkundliche Beleg; denn das zum Belege dafür angeführte Privileg Friedrich's III. von 1487 ſpricht nicht von Frankfurt, fondern von des heil. römischen Neiched Städten überhaupt. Doch läßt das jo häufige Vorkommen jener Nachricht bei ſpäteren Chronik⸗ fchreibern allerdings annehmen, daß die Marx-Brüder ihre Schule vorzugsweiſe in den Frankfurter Meſſen bielten, in welchen ja damals, wie an feinem anderen Orte Europa's, jo viele Länder ver- treten waren !).

Ueber die Spielbant, welche von 1379 bis 1432 während ber Meilen auf dem Heißenftein gehalten wurde, wirb in ber zwölften Abhandlung dieſes Buches ausführlich gehandelt. Es ergibt ſich aus biefer, daß damals für Teichtfinnige Menfchen die Frankfurter Meſſen ebenfo die Gelegenheit, mit ihrem Schickſale zu fpielen, varboten, wie heut’ zu Tage manche beutjche Badeorte. Kine zweite Art von Mefjevergnügungen war ein Spiel, welches in Frankfurter Urkunden dad Drenzelbrett oder die Drenzelbretter, mitunter auch das Drenzel- breit Schwarz und Weiß oder blos dad Schwarz und Weiß genannt wird. Es war, nach diefen Benennungen, ein unferem Damenbrette zu vergleichendes Spiel, und muß in den Meffen ſehr beliebt geweſen fein, da die Abgabe von ihm in ven Jahren 1385 bis 1394 meſſentlich

1) S. Orth, ©. 549 fig. Kirchner fagt (I. ©. 552) nicht richtig, daß Friedrich's III. Vergünftigungsbrief den TFechtmeiftern erlaubt babe, ihren Doctor: Grab auf der biefigen Mefle auszufpenden; denn von biefer Sotfitätt-Beflmmung fteht nichts in jenem Briefe.

326 X. Die Yrankfurter Meffe im Mittelalter.

um die für jene Zeiten bebeutende Summe von fünfzig Gulden ver- pachtet war. Eine beſonders fchmähliche Seite der Frauffurter Meſſe⸗ vergnügungen waren die feilen Dirnen. Weber fie bejiten wir keine älteren urkundlichen Nachrichten, als aus den Jahren 1354 und 1361. In diefen beiden Jahren find Ausgaben verzeichnet für das Beſichtigen unreiner Frauen durch den Stabtarzt, welcher, wie hin- zugefügt wird, im letzteren Jahre bie befichtigte Zrau rein fand: wobei Römer - Büchner !) ganz richtig bemerkt, daß fich dies nicht auf die in Frankfurt erft 140 Jahre fpäter (1496) vorkom- mende Syphilis beziehen koͤnne. Nächit biefen beiden Stellen ver Stadt-Rechnungsbücher ift eine wielleicht dem 14. Jahrhundert ange- hörende Verorbnung über bie Frankfurter Frauenhäufer und gemeinen Dirmen, welche Thoma? im Oberhof (S. 426 fig.) mittheilt, bie ältefte Nachricht. Faſt alle anderen mittelalterlichen Weberlieferungen gehören dem 15. Jahrhundert an. Aus ihnen kann jedoch hier nur dasjenige mitgetheilt werben, was ſich auf die Meflen bezieht. Es gab im 14. Jahrhundert in Frankfurt drei Frauenhäufer, welche alle brei in dem Raume zwilchen der Katharinen= Kirche, dem Kornmarkt und ber Meinen Mainzer Gaſſe lagen; aber es gab auch noch m anderen Stabtgegenven feile Dirnen, welche ihren bleibenden Wohnſttz in Frankfurt hatten. Zu ihnen kamen, wie jchon die ältefte DVer- orbnung über diefen Gegenftand zeigt, in den Mefien noch aus wärtige Dirnen. Die Lebteren wohnten in ven Weinhäufern bes Tifcherfeldeg und anderer Stabtgegenden, und hatten gegen eine Zahlung, über welche. fte mit dem Beauffichtiger aller gemeinen Dirnen, dem Stöcer, übereinfamen, einen erlaubten Gewerböbetrieb. Ihre Zahl muß mitunter fehr groß gemwefen fein, weil vie Meſſe jo ſtark bejucht war und jene Dirnen damals ſich überall da, wo viele Leute zufammen kamen, in großer Menge einfanden, wie ung denn 3. B. von dem 1394 in Frankfurt gehaltenen Neichdtage gemeldet wird, daß derſelbe nicht weniger als 800 foldye Perſonen herbeigelockt habe 2). Für die erſte Zeit des 16. Jahrhunderts folgt jene An- nahme daraus, daß in den damals erfchienenen Briefen der Duntel- männer Einer feinem Freunde mehr Glück wünfcht, als öffentliche

1) In ben period. Blättern ber Geſchichtsvereine, S. 825 fig. ) Lersner, I 1. ©. 827.

X. Die Frankfurter Meſſe im Mittelalter. 827

Dirnen in Frankfurt feten. Diefer Wunſch kann fih nämlich nur auf die Zeit der Mefje beziehen; denn außerhalb berjelben gab es nicht gerade auffallend viele Dirnen in Frankfurt: im Sabre 1479 3. B. betrugen alle zufammen nicht mehr als 392). Uebrigens wurbe vom Jahre 1545 an fremden Dirnen nicht mehr gejtattet, auf die Mefje zu kommen. Es war dies ebenjo eine unmittelbare Einwirkung der Reformation, wie ver Rathsbeſchluß von 1560, burch welchen alle Frauenhäuſer in Frankfurt befeitigt wurden ?).

Bon Sehenswürbigfeiten, welche in der Meſſe gezeigt wurden, iſt erft im 15. Jahrhundert die Rede. Die beiden älteften, deren Erwähnung gefchieht, waren ein Strauß und ein Elefant. Der Erjtere war nach der Angabe des um 1500 Iebenven Dominikaner? Herpiu im Jahre 1450 zu fehen, der Letztere nach ebendemſelben und nad einer Notiz in ben Uffenbach'ſchen Manuſcripten 1480, nach Leräner 1443. Bei dem Strauß beirug das Eintrittägelb einen Albus für jede Perfon. Der Elefant wurde in einem Garten an der Gallus-Gaſſe gezeigt, und erregte folches Aufſehen, daß er an das in dem Garten ftehende Haus in natürlicher Größe ange malt wurde, und biefes Haus den Beinamen „zum Elefanten‘ erhielt 9. Im 16. Sahrhundert fcheinen ſich die Mefje-Schen?- würbigfeiten vermehrt zu haben. Aus ihm wird und nämlich ge meldet, daß 1532 ein Pelikan, 1545 und 1588 ein Seiltänzer, 1556 eine durch ihre Kunftfertigleit ausgezeichnete Frau ohne Hände zu jehen war. Der Geiltänzer ging beide Male auf einem Geile vom Rilolai-Thurm herab, und fchoß das lebte Mal nicht nur einen Pfell herab, jondern er zündete auch ein Feuerwerk auf dem Geile an und brüdte einen Knaben in einem Schieblarren vor fich ber, worüber ihm der Rath ein verfiegelted Zeugniß ertheilte, und wofür derjelbe ihm überbie zwölf Reichſsthaler auszahlen ließ (ſ. Anm. 200). Am Ende de nämlichen ſechszehnten Jahrhunderts tauchte auch das Glücksſpiel, welches am Anfange bes fünfzehnten auf dem Heißenftein jo eifrig betrieben worden war, wieder auf, wiewohl in anderer

!) Lersner, U. 1. ©. 684.

) Leröner, II. 1. ©. 694, Ritter’3 Evang. Denkmal, S. 246.

®) Herpii Annales, bei Senckenberg, Sel. II. p. 20, 21, Fauſt's Eollectaneen, in ber Uffenbach'ſchen Sammlung, ©. 194, Leröner, L 1. ©. 429. |

328 X. Die Frankfurter Meſſe im Mittelalter.

Form. Es war nämlich) 1594 während ber Faſtenmeſſe ein Lotterie: Spiel oder, wie man es zu jener Zeit nannte, ein Glückshafen auf- geftellt, und zwar im deutſchen Haufe, beffen Inſaſſen, bie Deutſch⸗ herren, alſo Geiſtliche, ſich vermittelt desſelben eine neue Gelb- einnahme verjchaffen wollten. Der Rath verbot jedoch allen Leuten bie Theilnahme an diefem Spiele, und ließ ben von ben Deutſch⸗ herren angenommenen Spielhalter, einen Mann aus Gernäheim, in Haft nehmen, weil ohne feine Erlaubuiß niemand in- Frankfurt eine Lotterie oder dgl. betreiben dürfe‘). Es dürfte intereflant fein, bei biefer Gelegenheit zu erfahren, daß nach den im Stadt - Ardiv befindlichen Deutfchherren-Urkunden und ⸗Acten jene geiftlichen Herren auch ſpaͤterhin bis zu ihrem Verſchwinden aus Frankfurt den gleichen Verſuch noch öfters wiederholten, weil fie auf ihren Beſitzthümern jouverain zu fein behaupteten. Dies geichah nu. A. 1756, wo eine Lotterie im deutichen Haufe errichtet wurde, alsbald aber wieber ein- geftellt werben mußte, weil der Rath ben Unternehmer und feine Genoſſen, welche Frankfurter waren, mit dem Verlufte ihres Bürger vechtes bedrohte. Im Sabre 1799 gaben die Deutjchherren ben ihnen gehörenden Sandhof und, als der Rath dort bie Sache hin- berte, ein Haus in Nieberrad zu einer Waaren-Xotterie her, welche auch wirklich gehalten wurde. Am Jahre 1802 endlich geftatteten biefelben geiftlichen Herren, daß im großen Saale bed Sanbhofes ein Hazard: Spiel errichtet wurde, welche® auß Rouge et Noir und aus Biribi beftand; ber Rath Tieß jeboch deshalb ben deutſchherriſchen Beitänder des Sandhofe in Haft nehmen, und machte durch weitere Mapregeln dem Unfuge alsbald ein Enbe.

Mit der Betrachtung der Mefje-Vergnügungen oder mit anderen Worten mit der Betrachtung derjenigen Seite der Frankfurter Mefie, welche urfprünglich eine unbedeutende Nebenfache war, in unferen Tagen aber eine der Hauptfachen geworben ift, fchließt dieſe Dar: ftellung. Wohl koͤnnte noch Manches gefagt werben über die Ver—⸗ bandlungen, welde im Mittelalter über bie Frankfurter Meffe geführt wurden, und über die ernften Streitigfeiten, welche Frankfurt wegen jeiner Mefien im 14. und 15. Jahrhundert nach einander

1) Dies Alles gebt aus einer Urkunde von 1594 bervor, bie fich unter ben DeutfchherrenzUrkunden des Stadt⸗Archivs befindet und mit Nr. 105 bezeichnet if.

X. Die Frankfurter Meffe im Mittelalter. 329

mit Friedberg, Nürnberg, Strapburg, Schlettftabt, Coln und Mainz auszutragen hatte. Allein eine eigentliche Gefchichte der Frankfurter Meile, welche für fich allein fchon einen ziemlichen Raum erfordern würde, follte hier nicht gegeben werben, ſondern bloß eine Darftellung ihrer früheren Bedeutung und Beſchaffenheit. Nur das Eine möge zum Schluffe noch angeführt werden, daß die Frankfurter Mefle bereit3 am Ende des Mittelalter durch die damals neu geftifteten Meſſen zu Frankfurt an der Over und zu Braunfchweig, ſowie durch bie von Leipzig ihren erften Stoß erlitt. Dies ſpricht ber Rath ſelbft 1577 in einer an das Reich gerichteten Schrift") aus, indem er fagt: durch die Meflen zu Leipzig und zu Frankfurt an ber Oder erleide die von Frankfurt am Main einen großen Abbruch, weil die Polen, Böhmen und Preußen, welche früher in ziemlicher Anzahl die Mefle der letzteren Stadt befucht Hätten, jet fait gar nicht mehr in dieſe kämen, fondern fich nach den ihnen näher ge legenen Mefjepläten gewandt hätten.

I) Lersner, II. 1. ©. 262.

380 XL Frankfurier Gelbgefgäfte mb Handelsbanken im Mittelalter.

I.

Frankfurter Geldgejhäfte und Handelsbanten im Mittelalter,

Der Handel und bad Geldweſen bes Mittelalterd find Gegen- ftände, welche noch gar mancher gründlichen Forfchungen bebürfen, ehe e3 möglich fein wird, ſie richtig und allfeitig barzuftellen. Dieſe Torichungen werben aber am ficherften zum Ziele führen, wenn fie ſich zunächſt auf einzelne abgegrenzte Räume beichränfen, d. 5. wenn fie in Betreff einzelner Staaten, Provinzen und Städle oder auch einzelner Meiner Zeitabfchnitte da Münzwelen, bie Gelbverhältnifie und bie Beichaffenheit des Handelsverkehrs feftzuftellen ſuchen. Ge Ihichtöforfcher, welche dieſen Weg einfchlagen, werben dag nöthige Material liefern, vermittelft deſſen man fpäter die commerciellen und finanziellen Verhältniffe ganzer Reiche und Zeiträume ſowohl ihrem Weſen, als auch ihrer hiſtoriſchen Entwickelung nad) mit Sicherheit erkennen Tann. Ein fchmwacher Verfuch diefer Art ift die nachfolgende Darftellung, welche eine einzelne Seite der Frankfurter Handels⸗ geichäfte im Mittelalter behandelt. Sie beruht hauptſächlich auf der wichtigften Quelle für deren Gejchichte, auf den ſtädtiſchen Nechen- büchern, welche vom Jahre 1348 an noch vorhanden find, und welche, obgleich von denen des 14. Jahrhunderts vier ganz und eines zum größeren Theile verloren gegangen find 1), eine reiche Fundgrube für Forfchungen der verjchiedenften Art bilden. Uebrigens wird fidh

3) Nicht mehr vorhanden find bie Rechenbücher von 1858, 1855, 1859 und 1895; von dem des Jahres 1880 hat fi nur ein kleines Stüd erhalten.

XI. Frankfurter Gelbgeſchäfte und Handelsbanken im Tittelaltr. 331

meine Darftellung auf bie zweite Hälfte des 14. und das erfte Jahr⸗ zehent bed 15. Jahrhunderts bejchränten; denn weiter rüdwärts fliegen die Quellen jo fpärlich, dag für dieſe frühere Zeit eine eigent- liche Sefchichte des betreffenden Gegenftandes nicht gegeben werben fann, die erften Jahre des 15. Jahrhunderts aber bilden für bie Geſchichte des Frankfurter Handel3 den Beginn eines neuen Zeit⸗ abſchnittes, weil in ihnen zuerft die Banken und das Bangquierz- Geſchäft in Frankfurt entitanden find. Sch bin, bei aller Achtung gegen frühere Forſcher der Frankfurter Geſchichte, ver Anficht, dag man den jo eben angebeuteten Wenbepunft in ber Entwidelung des Frankfurter Handels feither nicht gehörig beachtet, und dag Wehen der damals errichteten Handels-Inſtitute nicht feiner eigentlichen Bedeutung nach erkannt hat.

In Lersner's Chronik findet fih (1. 1.S. 441) die ganz unbe greifliche Angabe, daß 1499 ver Gelbwechfel in Frankfurt noch ziemlich unbekannt geweſen fei, und daß man bvenfelben damals für eine Alfanzerei und einen halben Wucher gehalten habe. Dieje Ans gabe ift gänzlich falfch, mag man nun dag Wort Geldwechſel auf den bloßen Umtauſch von Münzforten oder auf Wechſelbriefe be- ziehen; denn jener war 1499 bereits mindeitend 150 Jahre lang als eine rein unentbehrliche Sache in beinahe täglichen Gebrauche geweien, und der Wechjelbriefe bebiente fich, wie wir fehen werden, ſchon faft Hundert Jahre vor 1499 die ftädtifche Behörde felbft bei ihren diplomatischen Sendungen nach Stalin. Das Gelogeichäft in Frankfurt beftand während des 14. Jahrhunderts in einem bloßen Eintaufchen der nicht gangbaren Münzforten gegen gangbare und im Abmwiegen aller in Zahlung gegebenen Gelder, melches Beides unter Auffiht der Staptbehörde geſchah. Am Ende jene Jahr: hundert? kommen zum erften Dale Wechfelbriefe in Frankfurt vor‘). Im Anfange des 15. Jahrhunderts aber errichtete die ſtädtiſche Be hörbe zuerjt eine und dann mehrere Banken, welche nicht blos das Umtaufchen der Geldforten beforgten, ſondern auch Geldgefchäfte im modernen Sinne ded Wortes trieben, fowie Gelder für den Staat eincaffirten und ihm nöthigen Falles Vorfchüfje machten. Ich werbe

1) Lersner ſelbſt gebenft (IT. 1. ©. 685) eines Mannes, welcher 1490 in ber Meſſe einen Anderen mit Wechfeln betrog und bafür hart beftraft wurbe.

333 XI. Frankfurter Geldgeſchäfte und Hanbelsbanfen im Mittelalter.

diefen Entwidelungsgang der Frankfurter Geldgeſchäfte nachſtehend im Einzelnen darlegen.

alien kannte ſchon im 13. Jahrhundert Wechjelanmeifungen und Wechjelbanten, und feine Handelsſtaͤdte betrieben die Gelbgeichäfte in foldher Ausdehnung, daß in anderen Ländern ber Namen Toms barde mit dem Worte Banquier gleihbebeutenb ward. Unter ven Deutichen dagegen Tamen bie eigentlichen Geldgeſchaͤfte erſt fpäter, die MWechfelbriefe und Banken aber erſt zu Ende bed 14. Jahr⸗ hunderts auf. Es wird zwar gemeldet, daß Pabſt Innocenz IV. fchon 1246 dem beutfchen Gegenkönig Heinrich Raspe eine Summe von 25,000 Mark Silber vermittelt eines venetianiſchen Wechſels zugeſandt babe, welcher Wechfel auf einen Frankfurter Kaufmann ausgeſtellt geweſen und von hemfelben ausbezahlt worden fei?), und die würbe, ſoviel ich weiß, der erfte in Deutichland vorkommende Wechſelbrief geweſen fein; die ganze Nachricht fteht aber mit Allem, wad und von dem damaligen Handelsverkehr Frankfurt's befannt it, jo fehr in Wiberfpruch, dag man ihr unmöglich Glauben fchenfen kann. Wechjelzgahlungen waren damals in Deutichland noch unbe fannt und Frankfurt's Handel verhältnigmäßig noch jo wenig aug- gedehnt, daß ſogar noch 150 Jahre päter der Frankfurter Rath, ala er jeinem Gefanbten in Rom (Heinrich Welver) Geld über: machen wollte, fi um einen Wechfelbrief nach Mainz wenden mußte, und daß zwei Sabre fpäter ein anderer Frankfurter Diplomat (Dielmann Gaft) auf der Reife nach Rom einige Tage in Heidelberg verweilen mußte, um ben ihm mitzugebenden Wechſelbrief abzumarten (f. Anm. 201). Auch würde ver Betrag der Summe, welche gegen jenen pähftlichen Wechfel in Frankfurt hätte ausgezahlt werden müſſen, für biefe Stadt einen Handelsverkehr vorausfeken, wie diefelbe ihn damals durchaus nicht gehabt haben Tann. Das frühefte Jahr, in welchem Frankfurter Urkunden eines Wechjelbriefes in Frankfurt Erwähnung thun, ift das Jahr 1391. In diefem Sabre ließ nämlich der Nath einen Mann pfänden, weil er in der Faſtenmeſſe einen Anderen „mit einem Weßil furefte” (d. i. bezahlte) 2), woraus man zugleich fieht, daß

)6&. Kirchner, I ©. 131, 541.

2) Stabt: Rehenbuh, Sabb. ante Albani 1891: 1 gulden wart Henr. Petterwil widder, ba myde man in von bed Rades wegin phante in der faften mefl, ald er faß und Fall, Wydenbuſch furefle mit eime weßil.

XI. Frankfurter Geldgefhäfte und Handelsbanfen im Mittelaltr. 833

bamald in den Frankfurter Meilen Feine anderen als baare Zah— Iungen erlaubt waren. In den nächften Jahren werben in ben Stadt⸗Rechnungsbüchern nur Wechjel nad) Stalien erwähnt, nämlich bie beiden oben angeführten für zwei nach Rom geſendete Unterhändler in den Jahren 1403 und 1405, drei andere abgeſchickte Wechſel von 1406 (j. Anm. 202) und ein nad Rom gefenveter Wechjel, in Betreff deſſen gefagt wird, ein gewifler Warmuter habe 1396 451% fl. dafür erhalten, daß er dem Frankfurter Gefandten in Rom 40 fl. mit einem Wechſel zu Rom beitellen follte?); im letzteren Falle mußte alfo ein Wechjelbrief nad Rom mit 13%, pCt. Aufgeld bezahlt werden. Außerdem babe ich in jener Zeit nur noch ein einziges Mal Wechjelbriefe erwähnt gefunden, und auch diefe waren italiänifche. Es findet fi) nämli im erjten ber Urkundenbaͤnde des Stabt- Archivs, welche den Titel Kaiferbriefe führen, das Inventar der Hinterlaffenfchaft eines italiänifchen Bifchof?, der 1409 in Frankfurt gejtorben war, und in biefem Inventar find unter Andern „drei Weſſelbriefe“ verzeichnet.

Das Wechſelgeſchaͤft beftand zu Frankfurt, wie überall, urfprünglich nur in bem, was ber eigentliche Begriff dieſes Wortes ift, in einem bloßen Geldverwechſeln. Diefeg Geihäft war im Mittelalter weit wichtiger, als in der neueren Zeit, weil es damals in Deutichland jehr viele Geldſorten gab, weil biefe von gar verjchiedenem Korne waren, und weil überall im Hanbelöverlehr nur die am betreffenden Orte geltenden Geldforten gebraucht werden durften ?). Deshalb war damals auch dag Geichäft des Geldverwechſelns ober, wie man im Mittelalter fi ausdrückte, der Weffil (Wechfel) ein Regale gleich dem Münzrecht, und durfte, wie dieſes Hoheitsrecht, von niemand als vom Staate oder von benen, welchen dieſer es über: tragen hatte, ausgeübt werben. In anderen Städten bat die Behörde das MWechfelgefchäft wohl auch frei gegeben; in Frankfurt aber blieb dasſelbe während des Mittelalter? ein Regale des Rathes. Dieſem war

1) Stadt-Rechenbuch, Sabb. ante Elifab. 1896.

2) ©. ben Auszug aus dem Geſetzbuch des 15. Jahrhunderts im Archiv für Frankfurt’ Weich. und Kunft, VIL ©. 146. Die dort mitgetheilte Verordnung iR im jenem Geſetzbuche, Blatt 86, noch einmal fo, wie fie 1467 erneuert wurde, mitgetbeilt, und ba findet fich ber Zuſatz, daß fremde Münzen au in ben Meſſen nicht gebraucht werben bürften.

334 XI Frankfurter Geldgeichäfte und Hanbelsbanken im Mitielalter.

ed im Jahre 1346 durch Kaiſer Ludwig den Baiern gejchenft wor: ben !), und zwar mit folgenden Worten: „Auch Haben wir ihnen (ven Schöffen, dem Rathe und der Stadt zu Frankfurt) die Gnade gethan um den Wechfel, daß fie den Wechjel überall in der Stadt beftellen mögen, wie fie bünfet, daß es ihnen und dem Lande nützlich fei, und es fol auch ander? niemand wechieln, als ſie oder die fie von ihretwegen barüber ſetzen, und wie fie den Wechſel beitellen, da fol ung wohl mit genügen”. Uebrigens wurde bad Gejchäft des Geldverwechſelns zwar ſowohl in als außer den Meſſen getrieben; am wichligften und einträglichiten aber war «3 natürlich in den Meilen, weil auch in biefen jedermann feine Zahlungen nur mil ſolchen Geldſorten machen durfte, welche in Frankfurt gejegliche Zahlungsmittel waren.

Dieſes Geſchäft durfte, wie ſchon bemerkt, nur von den Leuten getrieben werben, welchen die Behörbe es übertragen hatte Die Letztere erhielt von jeder einzelnen Geldverwechſelung eine Abgabe, was leicht bewerfitelligt werden fonnte, weil bei allen Zahlungen bie Gelder gewogen wurden, und zwar an einer eigend bafür be ſtehenden ftädtifchen Wage, welche bie Geldwage ober bie gulden wu filbern Wage hieß). Als 1402 der Rath den Wechſel ganz neu einrichtete, wurden für denſelben mehrere Wagen angejchafft, nämlich eine Goldwage, drei Wagen zum Wiegen der Gilbermünzen und mehrere Wagen für ungemünztes Silber, für Schnuren, Perlen und ähnliche Werthgegenftände. Durch ſtädtiſche Bedienstete ließ der Rath das Geſchäft des Geldwechſelns nicht betreiben, jondern er übertrug dasſelbe ſtets mehreren Kaufleuten, welche die Weſſeler genannt wurden. Dieſe -zahlten dafür feine Abgabe, ber Rath beguügte fich vielmehr mit dem ſogeuannten Wirgegeld, d. h. mit einer bei jedem Gebrauche der Geldwage aufgezeichneten Summe, welche zu beitimmten Zeiten in Geſammtbeträgen an die ſtädtiſche Kaſſe abgeliefert wurde. De Zahl jener Weſſeler war ſehr verſchieden: im Jahre 1368 werben ſechszehn angeführt, fpäter aber meiſtens nur brei oder vier. Unter ihnen befanden fi in ber zweiten Hälfte bes vierzehnten Jahrhunderts fogar Frauen; unter ven elf Wechälern des Jahres

i) Böhmer, p. 608. N Archiv für Frankfurts Geſch. und Kunſt, VI. ©. 145.

XL Frankfurter &eldgefchäfte ımd Handelsbanken im Mittelalter. 335

1368 nämlich werden nicht weniger als ſechs rauen genannt), und einige Zeit nachher kommen neben und nach einander Kune, Elfe und Katharine zum Burggrafen als felbititändige Wechfelerinnen vor. Ich füge ala bemerkenswerth noch hinzu, daß 1349—1354 eine Frau Irmengard die Auffeherin und Gelveinnehmerin an der Stabt- wage war, jowie daß 1395 eine Frau Elfe zum Swalbedher als Pächterin des Leinwandzolles vorkommt. Es geben alle dieje Notizen eine uns befrembenbe Stellung ber Frauen in jener Zeit zu erkennen; derin fie zeigen, bag damals Frauen commercielle nnd andere Ge ſchäfte jelbitftändig betrieben, welche heut’ zu Tage in den Händen von Männern find. Unter den männlichen Wechälern bes vierzehnten Sahrhunderts find ein Clawes Appenheimer und ein Johann Balmftorffer vorzugsweiſe bemerkenswerth, weil Beide ben reichiten und angejehenften Frankfurter Handelsfamilien jener Zeit angehörten, Am Ende des vierzehnten Jahrhunderts wurden übrigens bie Weſſeler meiften? nur mit den Namen der Häufer bezeichnet, in welchen fie ihre Geſchäfts-⸗Lokale hatten. Solche Häufer waren der Gifeler, ber Dupybenbaum 2) und der alte Burggraf, von welchen der Letztere das bis auf unjere Tage als Kaffeehaus befannt gebliebene Haus neben der Kopf: Apothefe auf dem Markt war, die beiven Anderen aber auf der neuen Kräme neben dem Haufe zum Webel ftanden.

Im Sabre 1402 wurde bad Wechſelgeſchäft völlig umgeſtaltet, indem der Rath, wie ber Ausdruck lautet, den Welt .beftellte®). Mit dieſer Umgeftaltung begann eine neue Phaſe des Frankfurter Handels; denn burch ſie wurden bie eigentlichen Gelpgefchäfte zuerft in Frankfurt eingeführt. Die Umgeftaltung beitanb darin, daß ber Rath eine förmliche Handelsbank errichtete, welche vermittelft mehrerer von ihm in Dienjt genommenen Gefchäftzleute und mit einem von ihm eingejchofjenen Kapitale arbeitete. Im Sommer jene Jahres nämlich wurbe zunächft auf ſtädtiſche Koften ein Lokal für die zu Ihaffende Bank eingerichtet und folgende Geyenftände für basfelbe angejchafft: bie bereits oben erwähnten Wagen verjchievener Art,

1) Im Stabt-Rechenbuch biefed Jahres.

*) Nicht Weidenbaum, wie Orth und Kirchner fchreiben.

2) Stabt:Rechenbuch, Sabb. poft Aegidii 1402: Wir han dem Rade und ber ftad 900 gulden gelacht vur den weßil, als den felbin weßil der Rab nu be ftalt bat.

336 XI. Frankfurter Gelogefchäfte und Handelsbanken im Mittelalter.

zwei große Tiiche von Nußbaumholz, zwei Laden zur Aufbewahrung bed Geldes während ber Nacht, eine Kifte zum Einkaffiren des Wiege- geldes, ein Kebig und vier Schirme). Unter ben zwei lebten biefer Segenftände werden wohl gitterartige Einrichtungen zum Abfperren einzelner Theile ded Lokales zu verſtehen fein. Nach der Einrichtung des Geſchaͤfts⸗Lokales nahm man 14 Leute in Dienft, welche gegen Bezahlung das Geſchaͤft betreiben ſollten, und der Rath ſchoß nicht nur 900 fl. in die Bank ein, fondern er ließ aud noch mehr als anderthalb taufend Gulden, welche bie Stabtlafle damals zu beziehen batte, durch die Bank einkaffiren, und gejtatiete, daß gleich anfangs auch Privatleute Geld in derſelben anlegten (|. Ann. 203). Das nee Inſtitut wurde übrigens nicht Bank genannt, fondern es führte von feinem Hauptgejchäfte den altherlönmlichen Namen „ver Weſſil“. Zu den erwähnten 14 Bevienfteten desſelben gehörten unter Andern Ewald zu DOrtenberg und zwei Humbrecdt, aljo Männer aus angejehenen Familien. Sie und die übrigen waren während ber Herbftmefle zum Theil drei bis vier Wochen, zum Theil nur 14 bis 20 Tage hindurch auf dem Weſſil beichäftigt. Nach der Meſſe betrieb einer von ihnen, Jekil Humbrecht zu Schonenjtein, dag Geſchaͤft allein.

Das neu geſchaffene Inſtitut beitand nach dem jo eben An- gegebenen wejentlich darin, daß die Stabtbehörbe das ganze Gejchäft des Geldwechſelns in ihre eigene Hand nahm, und daß fie ſich des⸗ felben bediente, um ihre überflüffigen Gelder nutzbringend zu machen. Das Lebtere geſchah aber nicht blos durch ben Gebrauch biefer Gelber zum Geloverwechjeln, fondern auch durch wirkliche Geldgeſchaͤfte, welche die Bank trieb. Dies findet fich zwar nirgends beftimmt ausgeſprochen; e3 ergibt fich aber aus ber früher erwähnten Anfchaffung mehrerer Magen für ungemünztes Silber, Schnuren und Perlen, ſowie aus dem Umſtande, daß bie beträchtlichen Summen, welche ver Staat in der Bank anlegte, für das bloße Geſchäft des Geldverwechſelns boch zu groß gemwejen fein würben. Auch folgt es außerdem noch aus ver Zulaffung von Privatgeldern, von welchen allein im December 1400 Gulden bei der neuen Bank angelegt wurden (f. Anm. 204). Außerdem geht ed aber auch noch aus dem hervor, was im folgenden Fahre von dem Weſſil berichtet wird.

1) Stadt⸗Rechenbuch, Sabb. poft Hegibli 1402.

XI. Frankfurter Geldgefchäfte und Hanbelsbanken im Mittelalter. 837

Schen im Beginn des nächſten Jahres (1403) änderte man die kaum errichtete Anftalt wieder um, und zwar in ziiefacher Weile. Es wurde nämlih erftend die Bank in vier von einander unabhängige umgewandelt, vermutblih weil in den Meffen eine einzige Anftalt für den Bebarf bes Geſchaͤftsverkehres nicht aus⸗ reichte. Zweiten? warb die Verwaltung durch den Staat ſelbſt nur für eine einzige biefer vier Banken beibehalten, bie anderen brei aber wurden vermittelft förmlicher Conceſſions⸗Acten an drei reiche Brivatleute überlaffen. Doch blieb der Staat auch bei biefen drei Banken in der Weife direct betheiligt, daß er in zwei berjelben eine Summe Geldes einſchoß, und von allen breien einen Theil ihres jährlichen Gewinnes erhielt. In diefer neuen Einrichtung blieb nachher die Anftalt ala eine vierfache Längere Zeit beftehen. Die für fich zurücbehaltene der vier Banken Tieß der Rath durch ben Handels⸗ mann Cleßchin Woltenburg zum Burggrafen, welchem ein jähr- ficher Gehalt bezahlt wurde, leiten. Die drei felbftftänbigen Bank⸗ balter aber waren: Jekil Humbredt zu Schonenftein, Sifried Guldenſchaff und Johann PBalmftorffer zum Quydenbaum oder, wie ber Lebtete fich nach dem von ber Familie Appinheimer ertauften Haufe zum Appinbeimer auch nannte, Johann Appin- heimer (ſ. Anm. 205).

Mit jedem der drei Bant- Inhaber ſchloß der Rath über das ihm überlaſſene Geſchäft einen Vertrag ab, durch welchen biejes demfelben auf eine beitimmte SZeitfrift geftattet wurde, ober, nach unferer Weife zu reden, der Rath ertheilte einem jeben eine auf eine beftimmte Seit befchräntte Eoncefjion. Zwei diefer Bank-Con⸗ ceſſionen vom Jahre 1403 haben fich erhalten 1). Sie nehmen zuerft auf allgemeine Beitunmungen über das Bankgeſchäft Bezug, welche ber Rath getroffen hatte, und geben dann im Einzelnen die Anwen: dung bderjelben auf die betreffende Bank und ihren Inhaber. Wir ertennen aus ihnen ebenfo, wie au der Art ihrer Erwähnung in den ftäptifchen Nechnungsbüchern, das Weſen der nen gefchaffenen Bank: nftitute oder, wie fie ftet3 genannt werben, der vier Weſſil. Diefe waren durchaus feine bloßen Geldmechäler : Gefchäfte mehr, fondern wirkliche Banken, welche neben dem Geldverwechſeln mit

ı) Sie find in Orth's Reichsmeſſen, S. 709 ff., abgebrudt. Kriegk, Frantf Bürgerzwiße. 22

338 XL Jeankfurter Gelbgefcäfte und Hanbelsbanken im Bkittelalter.

ihren Kapitalien Operationen machten. Deshalb wurben auch in jenen beiben Conceſſionen die Einnahmen als dreifache bezeichnet, nämlich als Wiegegeld, als Wechſelgeld und ald ber weitere Gewinn, welchen‘ man mi dem Stamm: Kapital und mit ben von Privat⸗ leuten in die Bank gelegten Geldern machte. Ueber dieſe dreierlei Geſchäfte mußte jede Bank zwei von einander getrennte Rechnungen führen, nämlich eine über dad Wiegegeld, bie andere über alle übrigen Geſchäfte; denn nur zu den Lebteren beburfte man eines Kapitald, dad Wiegegeld dagegen beftand blos in fortlaufenden Einnahmen, aus welchen die wenigen Wusgaben für dasſelbe (für bie Wagen und Gewichte und für die Wieger) ohne Weiteres be- ftritten werben fonnten. jene Scheidung in zweierlet Geſchaͤfte zeigt fih auch in den Stabt-Rechnungsbüchern, in welchen bie ſtädtiſchen Einnahmen von den Weſſiln immer zwiefach, nämlich ala Wiegegeld und als Winnung, db. h. ald Antheil an bem Gewinn, eingetragen find.

Worin die Geld-Operationen ber vier Wefteler oder Bankhalter beſtanden, findet fich nirgenb3 angebeutet; daß diefe aber ihre Kapi⸗ talien in Wirklichkeit auch zu folchen Operationen verwendeten, ergibt ſich ſowohl aus ber erwähnten Drelerleiheit ded Gewinnes, ald auch aus ber Art, wie fie bei ihrer Gründung in den Stadt⸗Rechnungs— büchern erwähnt werben. In dieſen heißt es nämlich, ver Rath habe in bie vier Weſſil Geld eingefchoffen, um mit bemfelben zu weſſiln (wechjeln) und Kaufmannichaft (d. i. HandeD zu treiben (ſ. Anm. 206); und bie Abgabe, welche die vier Weſſil außer dem MWiegegelde an den Staat zahlien, wird mehrmals die Abgabe von dem Weſfil und von ber Kaufmannſchaft genannt (j. Anm. 207). Dffenbar beſtand dad Hauptgefchäft der vier Banken darin, daß fie Gelder auf Unterpfänder lieben, alfo fogenaunte Berfaßgeichäfte machten; deshalb tft auch in den beiden erwähnten Eonceffionze Urkunden die Rede von Gold und Silber überhaupt, fowie von Perlen und Anderem, was zum Wechölergeichäfte gehöre, und wovon man Gewinn ziehen inne. Außerdem hinterlegte aber auch mancher Fremde am Ende der Mefje fein Geld in einer jener Banken, und bie Bankhalter werben daher wohl auch auf die Ordre besfelben Zahlungen für ihn gemacht haben. Sa, ba fchon im vierzehnten Jahrhundert gebräuchlich war, daß auswärtige Kaufleute ſich von ihren auswärtigen Schulbnern die Rüdzahlung des ihnen gegebenen Geldes

XI. Zmonkhurter Geldgeidgäfte und Henbeiäbanken un Millclalter. 3099

auf einer der beiden Frankfurter Mefjen ausbedungen 2): fo iſt zu vermutben, daß jenen Banlen gleich aufangs auch won auswärts Gelder und Anweiſungen zur Auszahlung derſelben au beſtimmte Perſonen zugeichidt wurden. Endlich find wahrfcheinlich nicht Lange nach der Entſtehung jener Banken auch fürmliche Wechjelbriefe von benjelben angenommen und ausbezahlt worben. In Frankfurt wurben ja eined Theils Schon Tängft Waaxen aus Oberitalien vwerfauft, in welchen Lande damals Wechſelzahlungen gang und gebe waren ?), und anderes Theiles mußte doch irgendwo am Wittelrhein eim Wechſelbrief einlöäbar fein, wenn, wie wir früher gefehen haben, 1409 ein italiäniſcher Bilchof für die Reife dahin Wechſelbriefe mitnahm; war bie aber dort irgendwo ber Fall, jo würde es geradezu unbegreiflich fein, wenn nicht auch in den für ganz Deutfch- land wichtigen Frankfurter Meilen Wechfelbriefe hätten verwerthet werben können. Jedenfalls ftcht nach dem oben Angegebenen das Eine feſt: dag bie vier Frankfurter Banken für Geldgeſchäfte über: haupt und ohne Einfchränkung auf folche von beitimmter Art con: cejftonirt waren, und bieraud mußte eine zunehmende Erweiterung ihrer Geſchaäfte ſich won ſelbſt ergeben.

Es iſt übrigens intereſſant, die Eonceiftond> Bedingungen ber neu geichaffenen Handels⸗Inſtitute näher ins Auge zu fallen. Wach ben beiben früher erwähnten Urkunden wurde erſtens bie Conceſſion wicht bios dem betreffenden Kaufmanne, ſondern zugleich auch feiner Battin ewiheilt: was ebenfo, wie das oben erwähnte Auftreten ven Frauen als Weſſelerinnen und Yellpächterinnen, deutlich zeigt, daß in jener Zeit die Frauen ber Saufleute nicht nur au dem Geſchaͤfte derſelben thätigen Aniheil nahmen, ſondern auch für fich allein ſolche und audere jebt nur als männliche angeſehene Sefchäfte trieben. ‘Ferner, wie eine Conceifion (für Jekil Humbrecht zu Schonenftein) ift auf zwei Jahre, die andere (für Johann Balnıftorfier) auf drei Jahre ver- ließen. In der Letztexen heißt es aber außerdem nicht nur, daß

2) Persner führt (J. 1, S. 427) eine Schuldverſchreibung au, welde ein Straßburger Ritter 1891 einen Cölnifchen Handelshauſe in Prag auöftellte, und in welcher berfelbe verfprach, das geliehene Geld in der nächſten Frankfurter Meſſe an jenes Hans zurfidzubezahlen.

Schon 1867 werden im Stadt⸗Rechenbuche Gäſte (d. i. Meſſefremde) ven Benebig erwähnt, fowie 1861 Gäße von Bern (b. i. offenbar von Verona).

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340 XL Frankfurter Geldgefyäfte und Handelsbanken im Mittelalter.

diefelbe nach Verfluß der drei Fahre fo lange weiter laufe, bis ent- weder der Conceffionirte oder ber Math fte ein halbes Fahr vorher aufgefündigt habe, fondern es warb dem Erſteren auch noch bie Vergünftigung gewährt, daß er oder feine Zrau bie Conceſſion jeder: zeit, fogar innerhalb der erſten drei Sahre, mit vierteljähriger Kündigung auffagen könne, falls eine von ihnen ftürbe ober erkranke, ober in Betreff feines LebenZunterhaltes in Verlegenheit komme, welche? Letztere fich offenbar auf den all bezog, daß das Geſchaͤft nicht ohne Verluft weiter- fortgeführt werden könnte. Drittens mußten die Sonceffionirten geloben, bei ihren Geichäften niemand zu übervortheilen, Arme und Reiche gleich zu behandeln und gute Geld- forten nicht einzufchmelzen. Viertens verpflichtete fich ber Rath gegen den einen ber Conceffionirten, ihm weder ein Rathsglied, noch fonft jemand zur Seite zu feben, aljo ihn fein Gefchäft ohne irgend eine obrigkeitliche Weberwachung treiben zu laffen. Diefe Beltimmung der Eonceffiond - Urkunde war um fo liberaler, da ber Rath in bie betreffende Bank die Hälfte des Betriebs⸗-Kapitals eingezahlt hatte, und da die Bank in unbegrenztem Maße von anderen Leuten Gelb annehmen durfte, um mit bemjelben zu operiren. Auch darin zeigte fih der Rath liberal, daß er ſich für NotHfälle nicht eine unbebingte Unterftüßung durch die Bank vorbehielt. Die Eoncefftons : Urkunde Palmſtorffer's enthält nämlich folgenden Artikel: wenn die ftäbtifche Finanz: Behörde Geld nöthig habe, jo möchte die Bank ihr leihen, und wenn umgefehrt die Bank „sich überfaufe von KRaufmannfchaft wegen, die zum Weſſil gehöre,” umd deshalb jene Behörde un Geld angehe, jo möchte bie Letztere ihr leihen; feiner won beiden Theilen aber fei zum Leihen verpflichtet, ſondern dieſes hänge ftet3 von feinem freien Willen ab. Was den Gewinn betrifft, jo ging diefer bei der einen Bank, weldhe Eigenthum des Rathes war und auf deſſen Koften und Gefahr beirieben wurbe, natürlich ganz in bie Stadtfaffe über; bei ben anderen mußte ein Theil besfelben dem Rathe gegeben werben, wogegen jeboch die Banfinhaber auch feine Eoncefftiond- Abgaben zu entrichten hatten. Bon viefen Bankinhabern war in den erften Jahren Guldenſchaff, welchen freilich auch nicht, wie den beiden Anderen, ein Kapital aus ber Staatskaſſe gegeben worden war, am beften geftellt: er mußte bie Hälfte des Wiege- gelved und blos den dritten Theil vom übrigen Gewinne abliefern.

XI. Frankfurter Geldgefchäfte und Hanbelsbanken im Mittelalter. 341

Palmjtorffer dagegen mußte von Beidem die Hälfte und Jekil Humbrecht von Beidem jogar zwei Drittel abgeben. Später änderte ſich dies jedoch, und alle drei hatten jährlich zwei Drittel des Wiege: gelde® und bed übrigen Gewinnes zu zahlen. Die Ablieferung an die Stabtlaffe fand jährlich zweimal, nämlich nach jeder ver beiden Meilen, Statt. In demjelben Verhältniffe, in welchem der Staat am Gewinne betheiligt war, trug er auch zur Bezahlung der bejon- deren Gehülfen bei, welche jede Bank während der Meſſen nöthig hatte. Alle anderen Ausgaben dagegen mußten die Bankhalter allein beitreiten. Auch etwaige Procefje, welche ihnen erwuchſen, hatten fte allein zu führen; nur wenn mit beiberfeitiger Zujtimmung das Geſchäft aufgelöt werde, follte der Staat für die hieraus entſtehenden Aniprüche Dritter einitehen. Was endlich die Bank-Lobkale betrifft, jo hatten auch für diefe die Unternehmer allein zu forgen. Uebrigens befand ſich Palmſtorffer's Bank in deſſen Haufe zum Duydenbaum unter der neuen Kräme Die Bank von Jekil Humbrecht war in einer der Hütten, welche damald auf dem Sumßtagsberg an ber Nicolai - Kirche zum Feilhalten von Waaren errichtet waren. Cleßchin Wolkenburg hatte die feinige im alten Buragrafen auf den Markte. Die Lofalität von Guldenſchaff's Bank ift mir nicht befanmt geworben; fie befand ſich wahrfcheinlich in deflen Wohnhaus, welches in dem Beebbuh von 1394 als nahe beim Haufe zum Paradies ftehend angegeben wird, aljo entweder auf dem LXiebfrauenberg oder in dem anftogenden Theile der neuen Kräme ftand.

Der jährliche Gewinn, welchen die vier Banken machten, war ſehr verſchieden; in den erjten neun Jahren ihres Beſtehens betrug bie höchſte Summe, welche der Staat von ihnen bezog, 991 Gulden, bie niedrigfte 100 Gulden. Dieſe Zahlen kommen und, wenn von Handelsbanken die Rede ift, gar gering vor; man muß aber be- denken, daß damals dad Geld einen ungemein viel höheren Werth als jett Hatte. Um daher jene Zahlen gehörig ſchätzen zu können, will ich aus der erjten Zeit der vier Banken einige Werthangaben mittheilen, welche aus Urkunden genommen find. Im Jahre 1409 entrichteten bie vier Banken 991 Gulven, im folgenden Jahre 874 Gulden an die Stabtlaffe; im erfteren Jahre belief fich aber bie gefammte Staatseinnahme, mit Einrechnung der gemachten Anlehen, auf 33,000 und im zweiten auf 23,991 Gulden, fie betrug alfo in

342 XI Frankfurter Geldgeſchafte und Handelsbanken im Mittelalter.

jenem nur breiundbreißig Mal und in dieſem nur ſiebenundzwanzig Mal mehr, als die Summe, welche die vier Banken dem Staate einbrachten. Den Werth aber, welden dad Geld in jener Zeit hatte, kann man aus folgenden damaligen Preifen erfennen: das Pfund Nindfleifch koſtete 4 bis 414 Heller, eine Bude Kohlen 17 Heller, eine Elle Leinwand für feines Tiſchzeug 16 Seller; einen Wagen Holz aus bem Stabtwalde In die Stat zu fahren Doftete trotz ber damaligen ſchlechten Wege nur 65 Heller; ein Holzhauer im Walde erhielt 16 Heller Tagelohn )).

Faſſen wir, zum Schluffe unferer Darftellung, alleg Angegebene in einem Gejammtüberblide zufammen: jo finden wir, daß in Franl- furt um den Beginn des 15. Jahrhunderts nicht nur die eigentlichen Geldgeſchäfte zuerft entjtanden find, fondern daß damals auch zuerft eine und dann vier Banken errichtet wurden, vermittelft deren ſich jene Gefchäfte in einer, der Entwidelung des Handels angemeffenen Weiſe um fo leichter ausbilden Tonnten, da wenigften® drei berjelben in ihren Operationen ganz felbftitändig waren. Andererſeits ges währten bie neuen Einrichtungen auch dem Staate felbjt als folchem jehbr große Vortheile. Dieſer bezog nämlich nicht nur von den vier Banken einen beträchtlichen Zuſchuß zu feinen Einnahmen, fondern er bediente fich derſelben auch zu ſtädtiſchen Einkaffirungen ?), unb fonnte außerdem auch in Zeiten ber Berlegenhelt von ihnen zu leichteren Bedingungen Geld erhalten, als dies früher möglich ge- weſen war. Vorher hatte in ſolchen Fällen der Staat fih auf vierfathe Weile zu helfen gefuht. Er hatte erjtend Gelb von reicheren chriftlichen Bürgern geliehen; dieſes Mittel war uber nur felten anmwenbbar geweſen, weil ven Chrilten nicht erlaubt war, Zinfen zu nehinen. Er hatte zweiten® unter ben Juden, für welche dieſes Verbot nicht beſtand, Anlehen gemacht?), was auch nicht felten geſchehen war; allein ſolche Anlehen waren ſehr unvortheilhaft,

ij Dieſe Preiſe find aus den Stadt-Rechenbüchern genommen.

9) Am Jahre 1414 ließ er z. B. einen gefangenen Edelknecht, als derſelbe wieber freitgegeben wurde, den Schuldbrief für ſein Löſegeld jo ausſtellen, daß ber Ebel: knecht fich verpflichtete, dasſelbe „uff ber ſtede weſſel“ zu bezahlen: Soncken- berg, Sel. jur. IL p. 58.

s) Man nannte beibe Arten von Anlehen „zun Chriften nehmen“ unb „zun Juden nehmen”.

XI. Fraukfurter Gelbgefhäfte und Haubelsbanken im Mittelalter. 343

weil man fo hohe Zinſen bezahlen mußte, daß 3.8. bie Zinfen, welche ich im viergehnten Jahrhundert für ftädtifche Anlehen dieſer Art aufgezeichnet fand, ein einziged Mal blog 9 pCt., einmal 1134 p&t., einmal 13 p&t., zweimal 18 p&t., einmal 45 pCt. und einmal fogar 52 p&t. betrugen (ſ. Anm. 208). Die beiden lebten Mittel endlich, welche der Staat in Gelvverlegenheiten hatte anwenden fönnen, und welche auch am higfigften angewandt worden waren, beſtanden in den Leibgedingen und Wieberfäufen; auch biefe hatten aber, wie wir bereits willen '), ihre bevenfliche Seite,

Unter ben angegebenen Umſtänden brachte, wie man fieht, bie Errichtung von Handelsbanken in Frankfurt nicht blos dem bortigen Handelöverkehr, fondern auch dem Gemeinweſen der Stabt felbft großen Nugen. Died geht auch deutlich aus den Frankfurter Finanz⸗ bücdern jener Zeit hervor. Seit der Errichtung ver vier Banken wurden von der ftäbtifchen Finanzbehörde weit weniger Verträge über Leibgedinge und MWieberläufe, in ven brei Jahren 1409 bis 1411 ſogar gar eine abgefchloffen; ebenfo ijt von jener Zeit an ver Ziusfuß für Beide ein geringerer; und enblich konnte gerade damals ber Rath die Taufenden Ausgaben um ein Bedeutendes dadurch verringern, das er einen großen Theil feiner Wiederfäufe einloͤſte.

) ©. oben ©. 91 fig.

344 XI. Eine Frankfurter Spielbank im Mittelalter.

in. Eine Frankfurter Spielbant im Mittelalter.

Es ift eine wohlthuende Erfcheinung unferer Tage, daß fidh bie öffentliche Meinung oder, richtiger ausgedrückt, das allgemeine Sitt- lichkeitsgefühl allenthalben entfchieven gegen das Tortbeitchen ver Spielbanken ausfpricht. Auch Haben bekanntlich die meisten europäifchen Regierungen biejelben verboten, wohl wiflend, daß der allerdings große pecuniäre Vortheil, welchen die Conceſſionirung der Spielbanten ihnen gewährt, bei weitem durch ben bleibenden Schaden überwogen wird, ben die Spielbanten der Sittlichfeit, der Arbeitfamfeit und ver Steuerfraft eine? Volkes bringen. Man ift nun in ber Regel geneigt, ſolche Erfcheinungen, wie die Spielbanken find, für Erzeugnifle ber neueren Zeit zu halten; dies find fte jeboch keineswegs, ſondern auch bie oft gepriefene Zeit des Mittelalterd bietet die gleiche Erjcheinung dar. Und zwar meine ich damit nicht die gewöhnlichen Spielhäufer, die fich trog aller Verbote in allen Zeiten immer wieder aufthun, und melde auch im Mittelalter ebenfo, wie in unferen Tagen, unter- jagt waren, fondern Spielbanten im modernen Sinne bed Wortez, d. h. conceffionirte und unter dem Schuße des Staates betriebene Anftalten des Gluͤcksſpieles, welche an ſolchen Orten errichtet find, in denen eine größere Zahl von vermögenden Menſchen zu gewifjen Zeiten zufammenftrömt.

Auch die Regierungen bed Mittelalters Tannten das Verberbliche bes Glücksſpieles, beſonders wenn es mit Ausſetzung lockender bober Gewinne getrieben wurde. Namentlich haben die Regierungen der gewerbthätigen Städte jener Zeit ben tief eingreifenden Schaden desſelben erkannt, und nicht blos bie Spielhaͤuſer, ſondern auch das

XII. Eine Frankfurter Spielbank im Mittelalter. 345

Gtücksfpiel überhaupt, ja mitunter fogar alles Spielen um Geld firenge verboten. Davon find uns Beifpiele überliefert worden, eben: fowohl aus der Geſetzgebung von Venedig und anderen italtänijchen Städten, als auch aus der von Megendburg, von Ulm und anderen Reichsftädten des deutſchen Vaterlandes. Auch in Frankfurt an Main war damald das Spielen um Geld beichräntt. Died zeigen bie Rathsverordnungen ber zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts, welhe u. U. namentlich feitfeßten, daß derjenige, welcher einem Anderen Geld zum Spielen leihe, ebenfo wie der Darleiher, ja fogar auch derjenige, welcher von folchen Gelvverleifungen Kenntniß erhalte und ſie nicht dem Bürgermeifter anzeige, den Betrag der geliehenen Summe als Strafgeld an die Stadt zu entrichten habe (f. Anm. 209). Ungeachtet aller folcher Verbote und Straf androhungen war auch im Mittelalter die Gewalt der Leidenjchaft mächtiger, als das Gefeß, und die Behörden fahen ſich deshalb gendthigt, immer wieder auf? neue Verbote zu erlafjen.

Diefe Nuglofigkeit der Verbote des Glücksſpieles im Mittelalter wird Kleinen, der das menfchliche Weſen kennt, üiberrafchen; am aller: wenigſtens wird aber jemand hierin eine Erjcheinung erfennen wollen, welche dem Mittelalter fpeciell eigenthümlich gewefen wäre. Dagegen bietet die Gefchichte von Frankfurt eine fehr auffallende Erfcheinung im Gebiete der Glücksſpiele dar, welche eben deshalb eine veran- Ichaulichende Darftellung verdient. Es ift dies das ein halbes Jahr: hundert hindurch fortdauernde Beſtehen einer öffentlichen Spielbant in Frankfurt, welche denen unferer Zeit jo ähnlich war, wie ein Ei dem anderen; und diefe Erjcheinung iſt um fo intereffanter, da fie während des Mittelalter wohl in feiner andern deutſchen Stabt vorkommt.

Diefe mittelalterliche Spielbanf der Stadt Frankfurt, welche als eoncejfionirte Anftalt eine Zeit lang in Pacht gegeben, und nachher jogar von der Behörde ſelbſt betrieben wurde, führte von dem Haufe, in ‚welchem fic zuerſt bejtand, ven Namen des Speled uff dem Heiffenftein, und behielt diefen Namen auch dann, als fie in ein andere? Haus verlegt worden war; ja, der Namen Heißenftein ward damals nicht nur auf das neue Spielhaug mit übertragen, fondern man nannte auch Da Spiel felbjt den Heißenftein.

Die Edle, welche jebt dad Gaſthaus zum weißen Schwanen

346 XI. Gine Frankfurter Spielbank im Mittelalter,

zwißchen dem Theater⸗Platz uub dem Steinweg bildet, war ver 500 „jahren von drei nebeneinander ftehenden, mit ihren Façaden gegen ben Steinweg gerichteten Häufern eingenommen. Dieſe brei Häuſer bieben Heißenitein, Windeden und weißer Schwan. Ihre gegen- ſeitige Lage war jo, daß ber Heißeuſtein die Ede bildete, und am ihn das Gebäude Windecken, ein Backhaus, anftich, auf der entgegen- geſetzten Seite des Vetzteren aber ber weiße Schwan lag). Das erſte ber genannten brei Häufer iſt als Sie ber erwähnten Spiel- bank berühmt geworben. Es muß ſchon früher zu ähnlichen Zwecken gedient haben, da es bereits 18 Jahre vor der Eröffnung jener Spielbank mit dem Namen bed Spielhaufes bezeichnet werben war. Die eigentliche Spielbant im Heikenftrin warb in der Herbſtneſſe des Jahres 1379 eröffnet, nachdem jchen fünf Monate früher die Behörde mit drei Spielpächtern einen Bertrag darüber abgefchloffen hatte. Die Pächter waren: Heintze Herdan, Wernher von Drtenberg und Wagmud?).

Bon biefer Zeit an warb: bad Spiel cine lange Reihe von Fahren hindurch während der Meffezeiten gehalten. Es zahlten bie Spielpächter in den erſten Jahren für jede Mefle 100 fl. alfo jähr- lich 200 fl. Pacht. Der mit ihnen geichloffene Vertrag ward, als er 1383 zu Ende ging, zu der biöherigen Pachtſumme erneuert?). Im Jahre 1387 wurbe er noch einmal erneuert, zugleich aber auch bie Pächter auf 125 fl. für jede Meſſe geſteigert. Vom Herbit 1391 an bis zum Herbſt des folgenden Jahres ericheint Heinge Herdau allein ala Wächter, und zwar zahlte er für jede Mefle 200 fl. Dann traten drei andere Wächter auf: Jakob Klobelauch der Junge,

) So nah Battonn. Fichard dagegen fagt in feinen Zufägen zu Battonn: ber weiße Schwan habe bie Ede gebildet unb ber Heißenflein neben bemfelben geitanden, ein britte® Haus habe e8 aber auf ber betreffenden Stelle nicht gegeben, fonbern das Haus Windecken, weiches Battonn als ein folches anſehe, fet identiſch mit bem Heißenſtein gewefen, welcher in frühever Zeit Windeden geheißen babe.

2) Stadt⸗Rechenbuch, Sabb. poſt Walpurg. 1879: Wir ban entpbangen 8 gulden von Heintzen Herben, von Wernber von Ortenberg unde Waſmude item gejelle von winfauffe von bem fpele uff dem Heiffenfteyne.

) Ebendaſelbſt, Sabb. ante Witt 1888: Von Heinge Herben, Wafmube unde Wernher uff dem Heiſſenſteyne 200 gulden von dem erften tare, alf fie von nuwes das fpel ampt beftanden kan, alß daz eigentlich geſchr. ſted in bem buche, ba ber Rebe gefele nme ſten.

ATI. Eine Frankfurter Spielbank im Mkittelalter. 347

Junge Froſch und Johann Kranich, und dieſe zahlten ein Jahr lang für jede Meſſe 240 ſl. Ste fiheinen dabei ihre Rechnung nicht gefunden zu haben, weil fie den Spielpacht nur ein Jahr beibehlelten. Rachher übernahm einer der früheren Spiebpächter, Heinge Herpan, für fich allein die Sache wieder, und zwar fin 800 fl. jährlich. Er blieb jedoch nur 2 Jahre lang Pächter. Dann (1396) über- nahm die Stadtbehörde felbft die Betreibung ber Spielbank, indem fie durch ihre Yinanzbehörbe, die fogenannten Mechenmeilter, das Spel auf dem Heipenftein beftcHen und leiten lied. Die Bebteren nahmen zur Betreibung des Spieles fieben Männer und einen Portter oder, nach mittelalterlichen Ausdrucke, einen Thorknecht in Dienft, und bezahlten diefen acht Leuten zufammen jährlich zuerft 6364 und dann 52%, fl. Die gefammten Unkoſten des Spieles beliefen Hch In ben erften zehn Jahren burchichnittlih auf eiwa 140 fi. in jeder Mefle; vom Jahre 1407 an aber, in welchem wie Zahl der Bediensteten um eine Perſon verringert ward, und nach welchem man nur noch 2 Jahre lang Hausmiethe zu bezahlen hatte, betrugen die Unfoften während 6 Fahren nur 639 fl. im Ganzen oder 106 fl. jährlich. Der reine Gewinn für die Stadtkaſſe dagegen betrug von der Herbftmefle 1379 an bis zur Herbſtmeſſe 1396, fett welcher Seit die Behörde ſelbſt das Spiel betrieb, jedes Jahr durchſchnittlich 332 fl; won der Herbfimefle 1896 an aber belief fich derfelbe in den nächjten ſechs⸗ zehn Jahren durchſchnittlich auf 891 Fl., jo daß fich alfo die ſtaͤdtiſche Rafje bei dem directen Betriebe des Spieles weit beſſer ftand, al? bei feder der früheren Verpachtungen. Da tm jener Zeit bie gefammte Einnahme der Stadt Frankfurt durchſchnittlich nur 29,666 fl. betrug, jo machte die zulegt genannte Gewinnſumme etwa den 33ften Theil des ganzen ſtädtiſchen Einkommens aus, und die Spielbank Tieferte alſo eine beträchtliche Zubuße zu dieſem.

Dad Spiel auf dem Heißenftein tft, wie fchon bemerkt, ganz und gar mit unferen modernen Spielbanken zu vergleichen; und wenn fir das Gebeihen ber Letzteren ein ftark befuchter Badeort, an welchem viele veiche Leute längere Zeit unbefchäftigt verweilen, die befte Stätte it, fo war im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert die Stadt Frankfurt zur Zeit ihrer Meffen für jene mittelalterliche Spielbank ber geeignetfte Ort in ganz Deutfchland; denn auch in ihr firömten während der Mefjen viele veiche Leute zufammen, und wenn auch

348 XI. Eine Jranffurter Spicdbanf im Mittelalter.

die große Mehrzahl derfelben keineswegs unbeichäftigt war, fo beftand fie doch aus Kaufleuten, weldye zum Theil geneigt waren, ehwas zu wagen, und gerade währen ihrer Anmefenheit in Frankfurt über große Summen Geldes zu verfügen hatten. Uebrigens ließ man von der Zeit an, ala der Staat felbft das Spiel in die Hand nahm und den Gewinn bdeöfelben für fich allein bezog, mitunter auch außer: halb der Meſſen die Spielbant eröffnen, nämlich wenn ein Reichs⸗ tag oder ein Fürftentag in Frankfurt gehalten wurbe. Dann wurbe das Spielgefchäft oder, wie der officielle Ausdruck lautet, das Spel- ampt je nach den Umſtänden entweder nur Einen Tag, oder eine bis drei Wochen lang betrieben. Wie hoch man den vom Heißenftein gezogenen Gewinn anfchlug, geht aus folgender Stelle eines anonymen undatirten Blattes hervor, welches die Meberichrift „Dyt ift die ſchuld dy man der ſtad ſchuldig ift” Hat und um 1390 gefchrieben ift!): „Umb daz fpiel uff dem Heyffinfteyne da wirt der ftab nicht vone, da ban ich vernommen, man wolle der ftad eyne glene vone haldin, und alle kauflude und gefte Cd. i. alle Meſſefremden) wenen, daz bie ftad große gulde davone habe”.

Das Spiel felbft beitand natürlich nicht in Roulette oder Pharo, weiche Spielarten erft jpäter erfunden worden find, jondern es war ein Würfelipiel. Man meldet ung aber nicht, in welcher Weile es geipielt worden ift. Daß es kein gewöhnliches Würfeljpiel mit einem oder zwei Würfel war, gebt aus ber auffallend großen Zahl Würfel hervor, welche von Zeit zu Zeit gefauft wurden. So lieh ver Rath 3. B. im Jahre 1397 7000 Würfel auf einmal Taufen, zwei Jahre nachher wieder 10,000, und zwei Jahre vor der Ein- ftelung des Spieles fogar innerhalb Jahresfriſt 16,400. Wenn man alle im Laufe der eriten 16 Jahre für Würfel außgegebenen Summen zufanımenzählt, und hieraus vermitteljt des durchſchnittlichen Preiſes, welcher für 1000 Würfel bezahlt wurde, die Gejammtzahl aller angejchafften Würfel berechnet, jo ergiebt fi, daß in jenen 16 Jahren 159,000 Würfel angejchafft worden find, daß aljo beim Spiel auf dem Heifenftein jedes Jahr durchſchnittlich 9937 Würfel verbraucht wurden. Die Würfel waren librigend keineswegs theuer; denn während der angegebenen Zeit Eofteten 1000 Stüd blos

1) Gtabt: Archiv, Uglb. B. 71.

X. Eine Frankfurtier Spielbank im Mittelalter. 349

17 Schillinge ober chwma %, Gulden. Sonberbarer Weiſe fcheinen diefe Würfel nicht in Frankfurt felbit verfertigt worden zu fein; denn im Stapt-Rechenbudy von 1397 findet fich folgender Aus- gabe-Boften: „1 Pfd zu bobenlon nach worffiln gein Spire zum fpiel uff dem Heißenſtein“.

Die übrigen Ausgaben für bieje® Spiel find zum Thell in gewiſſer Hinficht intereffant. Es kommen Ausgaben für Lichter vor, woraus man erfennt, daß das Spiel auf dem Heißenftein gleich unferen Spielbanten bis in die Nacht hinein getrieben wurbe. Ein andered Mal beißt c3: etwas über anderthalb Gulden feien dafür verausgabt worben, da man in dem Stabtgraben habe Heu machen und einen Theil deöfelben in den Heißenftein fahren Laffen !). Diefe Verbringung von Heu in den Heißenftein ift in der That auffallend; ich bemerfe aber, dag in jenen Zeiten Heu und Gras häufig zu irgend einem Zwede in Zimmern verwendet wurben. In ben Stabt- Rechenbüchern des vierzehnten Jahrhunderts kommen 3. B. fehr oft Ausgaben für Grad (manchmal Czedegras oder Tzedegrad genannt) vor, welches, und zwar während ber befjeren Jahreszeit, in dem Rathszimmer und in der Trinkitube bed Rathes gebraucht wurde, ohne daß die Art feiner Berwendung zu erfennen tft?). In eigener Weiſe bemerkenswerth ift cine andere Ausgabe für den Heißenftein. Im Jahre 1423 wurden nämlich zum Spiele uff dem Heißenſtein 9%, fl., wie der Ausdruck lautet, „fonderlich gefchenkt, als fie meynen, daz fie ſunderlich große koſten gehabt Han mit fpife und win, uff day die lute deſte me des fpielen gewarten mögen“. Man ficht, auch darin war jene mittelalterliche Spielbank denen unferer Zeit ähnlich, dag man es an. finnlichen Anveizungsmitteln, fein Geld dahin zu geben, nicht mangeln ließ. Daß dagegen auch bie Spieler es nicht an Verfuchen fehlen ließen, die Spielbant zu übervortheilen, gebt ebenfall3 aus den Stabt-Rechenbüchern hervor; denn mehrmals wird

Stadt⸗Rechenbuch, Sabb. ante Margaretbä 1411.

9) Ebendaſelbſt, Sirti 1879: 14 Hell. umb grabes czwo wochen in bie Ratftuben; Sabb. ante Barthol. 1402: 13 Hell. umb czebegraß zu bron malen; Sabb. ante Margar. 1406: 1 groff umb graß uff die Farporten und daz rathuß; Sabb. ante Bonifacti 1407: 8 Hell. umb graß zu zibden; Sabb. poſt Viti 1407: 26 Hell. umb czebegraß; Sabb. poft Servatii 1418: 2 Sch. umb mey und graß off daz ratbuß zu firaumen.

350 XIL Cine Juantfurien Gpiekkeut im Mittelalter.

in biefen boͤſer ober zu leichter Gulden gedacht, die vom Heißenſtein aus in die Stabtlafle gekemmen weren uns wit Berlufl verwertbet wurben.

Die Hauptauggabe für In? Spiel mar, nächſt der Bezahluug für die Bebdienfteten, die KHausmiethe. Der Heißenſtein gehörte zuexcht einem gewiſſen Gerlach von Roͤdelnheim. Diefem zahlte man für bad erfte Jahr 15 fl. Wiethe, dann für fieben Jahre 100 fi, d. h. alſo jährlich 14%, FL Bon 1405 bis 1407 gehörte ber Heißenſtein einem Maune Namens Heinke Herftabt, welchem jährlich zuerit 14 und dann 13 fl. Mietbe bezahlt wurden. Im zulegt genannten Sahre war der Heißenftein Eigenthum des reichen Kaufmannes Clawes Appenheimer, und biefer erhielt zuerjt 13, dann 14 und zulest 18 Hl. Mieihe. Die genannten Miethpreiſe waren, jo gering fie und zu fein fcheinen, ſehr bedeutend; fie gehörten zu den hödhitem, die in jenen Zeiten zu Frankfurt bezahlt wurden. Dies geht aus ihrer Vergleichung mit anderen Preiſen hervor, die ich aus ben Stade Rechenbüchern gefanune babe. Im Jahre 1895, ala Ritter Johann von Kronenberg ein Jahr im Frankfurt wohnen wollie, müethete der Rath für ihn einen gamgen Hof in der Neuſtadt, und für diefen mußte er bloß 26 fl Jahresmiethe zahlen. Zwei große Hänfer der Stadt, ter Speßhart und ber Talfenftein, wurden 1388 und 1402 das Erſtere für bios 250, dad Zweite für 300 fl. ver: faul. Gin Hans in der Mainzer Gaſſe, auf weldgen gar keine Laſten ruhten, kaufte der Rath 1396 für nicht mehr ald 25 fi. Für eines ber eingezogenen Häuſer des bekannten Schultheißen Heinrich im Saale wurden 1369 20%, F. gelöft. Im Jahre 1402 zahlte der Rath für ein in Sachſenhauſen an ber Oppenheimer Pforte gelegemed Haus blos 64% fl., uid 1404 wurden fogar zwei ebendafelbft an der neuen Pjorte gelegene Häufer und Höfe für bios 10%, Fl. vertanft. Alle dieſe Preile koͤnnen übrigens auch dazu dienen, um den tamaligen Werth des (Geldes im Verhältuig zu dem heutigen zu erfennen, und am hieruach die Bedeutung eins? jähr- bichen Gewinnes von 891 F., welchen das Spiel auf dem Heißenftein eine Zeit lang dem Staate abwarf, richtig zu ſchätzen.

Im Jahre 1409 beſchloß der Rath, ein eigene? Haus für bie Spielbank erbauen zu laſſen. Dies gejchah auch noch in demſelben Sahre, und 1410 ward dad Spiel in dad new, der Stabi gehürenhe

KIE. ine Frankfurter Spielbank im Mittelalter. 851

Haus verlegt, welches dann den Namen des neuen Heißenſtein er- hielt. Diefer neue Heißenſtein Tag ba, wo jest ber Hauptwache gegenäber das Bellt’fche Haus (Nr. 1 neu) flieht, und ſtieß mit feinem hinteren Theile auf den alten Stadtgraben. Er nahm aber nicht die ganze Façade des Belli'ſchen Hauſes ein, fordern zwiſchen ihm und der Katharinen= Pforte, durch welche man dert aus ver Altftadt in die Neuftabt ging, ftanden noch zmei Käufer, von benen dad an den Heißenſtein anftogende 1410 an einen Bierbrauer für 5 fl. jährlich wermiethet war.

In diefem neuen Heißenftein wurde das Spiel noch 22 Jahre fang betrieben. Dann aber, im Jahre 1432, ftellte der Rath, dag- felbe ein, oder wie es in ber Urkunde lautet, er that den Hetßenftein ab. Was ihn dazu bewog, wird uns nicht gefagt. Der Entichluf, dad Spiel einzuftellen, fcheint aber rafch gefaßt worben zu fein, da man noch kurz vorher, wie die Worte des Rechenbuches Lauten, „8000 wurffel zum ſpiele uff dem Heißenſtein zu der Faſtenmeſſe ußgegeben hatte, und ber Rab den Heißenftein zu derfelben meffe abebet und vorder meint Tiegen zu laſſen, bie noch da Liegen.” Ueb⸗ rigens fcheint der Rath fchon vorher wegen bes fchäplichen Ein- fluffes, den dieſes Spiel hatte, beforgt geweien zu fein; denn im Raths⸗Protokoll von 1428 finvet fich (Serta poſt Affumpt.) folgender Beſchluß: „Den vichtern zu befelhen, ſpil zu fturen und den Heiſſen⸗ ſteyn knechten und andern ir worffel legen.” Dies bezieht Ach wohl baranf, daß man dad Spiel mitunter auch außerhalb der Meſſen an anderen Orten trieb.

Zum Schluffe dürfte es noch interefjant fein, ein Auge auf die Männer zu werfen, welche während der erſten ſechszehn Fahre des Spieles auf dem Heißenftein deſſen Pächter gewejen waren. Drei Männer hatten dasſelbe zuerft eine Reihe von Jahren hindurch ge pachtet. Diefe waren Wernher von Ortenberg, auh Wernher uff dem Heißenftein genannt, Heinge Herdan und Wasmubd. Von ihnen ift uns der Leßtere feiner bürgerlichen Stellung na nicht bekannt; bie beiden Anderen aber gehörten ben angeſchenſten Familien der Stadt ar. Bon den Ortenberg’3 wie von ben Herdan's befanben ſich in jenen Zeiten öfters Einzelne im Rath. Gin Jacob Herdan war 1390 und 1897 Bürgermeifter; ein anberer Herban, welcher venjelben Vornamen wie ber genannte Spielpächter hatte und

852 XII. Gine Sranffurter Gpielbanf im Mittelalier.

wit diefem wahrjcheinlich identiſch ift, war 1399 und 1404 Bürger: meifter. Wernber von Ortenberg oder uff dem Heißenſtein ericheint bei einer auffallenden Gelegenheit ala ein vornehmer unb mit vor- nehmen Leuten in eigenthümlicher Weiſe verlehrender Mann. Im Sabre 1396 zahlte nämlich die Stadtkaſſe die bebeutende Summe von 50 Gulden an zwei Brüder aus der Patricier-Familie Wiße aus, und zwar wirb dabei im Rechenbuch bemerkt: es gefchehe dies dafür, daß Beide abgelaffen und Verzicht geleiftet hätten auf die Wettung, welche Lobe zum Wydel und Wernher uff dem Heißenftein vor Zeiten mit einander gemacht hätten, und es jeien die darüber aus geftellten Briefe zerriffen worden. Im legten Jahre feines Lebens erhielt Wernher wöchentlich 2 Gulden aus der Stabtlafle); und im Rechenbuche desſelben Jahres findet jich eine befondere Einnahmen: Rubrik mit der Ueberſchrift: „Von Wernher’3 wegin uff dem Heißen- ftein.” In diefer Rubrik find zuerft 155 Gulden, welche man nebft jtlbernen und goldenen Gegenftänden im Werthe von 100 Gulden erhalten habe, mit der Bemerkung verzeichnet, dab dies Alles ein Mann bei Wernher verſetzt gehabt babe. Nachher find etwa 44 Gulden verzeichnet, welche nebſt jilbernen Gefäßen nach Wernher's Tode in feinem Nachlaſſe gefunden worden jeien. Offenbar hatte Wernher ein Jahr vor feinem Ende fi mit feinem ganzen Vermögen gegen 2 Gulden wöchentlich bei ver Stadtkaſſe verfichert.

Drei andere Männer, welche ebenfalls eine Zeit lang dad Spiel auf dem Hetkenftein in Pacht hatten, waren Jakob Klobelaud der Junge, Johann Kranich und Junge Froſch. Alle drei gehörten. zu ven erſten Familien der Stadt, nämlich zu denjenigen Yamilien, welche von neueren Gejchichtfchreibern patricifche genannt worden find und Mitglieder des Hauſes Limburg waren. Alle drei begleiteten einmal das Bürgermeifter-Amt. Ya, der zuerit Genannte war fogar noch in dem Augenblide Bürgermeifter, ald er mit ben beiden Anderen den Spielpacht übernahm; denn er führte noch im April 1893 das Bürgermeifter- Amt, und fchon im vorhergehenden Monat wurde, während ber Faſtenmeſſe, dad Spiel auf feine und

) Das Stadt-Rechenbuch von 1896 hat biefe Ausgaben an ibn von Sabb. ante Servatii an bis Sabb. ante Elifabetb. wöchentlich verzeichnet, aber blos mit ben kurzen Worten: 2 gulden Wernher uff dem Heiffenfein.

XII. Eine Frankfurter Spielbank im Mittelalter. 358

feiner beiden Genofjen Rechnung betrieben. Es zeigt ſich alfo Mar und deutlich, daß man in jenen Seiten nicht blos die Beichäftigung mit dem Glüdgfpiele an und für ich, fondern fogar das Streben, es zur Ausbeutung Anderer als ein Geichäft zu treiben, keineswegs ala etwas Ehrenrühriges angefehen hat. Die Begriffe von Ehre und Ehrenhaftigkeit find nicht in allen Seiten die nämlichen; ja, fie ändern fich fogar oft fo jchnell, daß ſchon unfere nächften Vorfahren, wenn fie ind Leben zurückfehrten, über Manches den Kopf ſchüͤtteln würden, was nicht Wenige heutiged Tages unangefochten treiben.

Krieg, Jrantf. Bürgerzwifte. 28

354 XII. Die Frankfurter Zunſte im Bittelalter.

Kl. Die Aranffarter Zünfte im Mittelalter.

Weber die deutſchen Zünfte des Weittelalter find zum Theil jogar unter denjenigen Gelehrten, welche nicht gerade dieſen Zeitraum der vaterländiichen Gefchichte zum Gegenftande ihrer Studien gemacht haben, irrige Anfichten im Schwunge, obgleich ſchon vor dreißig Sahren Wilda (in feinem Buche über das Gildenweſen im Mittel- alter) das Wefen ber mittelalterlichen Genofjenfchaften bei ven ger- manischen Nationen, feinen Grundlagen und Hauptzügen nad), Mar dargeftellt hat. Noch weit irriger find die Anfichten, welche über die älteren deutſchen Zünfte im größeren Publikum verbreitet find. Dieſes Hält jene muüittelalterlichen Vereine noch immer für ebendas- jelbe, was die Zünfte der letzten Jahrhunderte geweſen waren, nänlich für bloße Gewerbögenofienfchaften oder mit anderen Worten für Verbindungen, welche zwilchen Leuten eined und dezfelben Hand» werkes für rein gewerbliche Zwecke gejchlofien waren. Bon den Verbindungen diefer Art unterſchieden fich jedoch die mittelalterlichen Zünfte in einem fehr bedeutenden Grade.

Will man fich einen richtigen Begriff von den mittelalterlichen Zünften bilden, jo muß man vor Allem die damalige Haupteinthei- lung einer ftädtifchen Bürgerjchaft ins Auge faffen, welche ebenfalls von der unjerer heutigen Stadigemeinden jehr verfchieden war. Die geſammte Bürgerichaft Frankfurt's, deren Zunftweſen allein in dieſer Darftellung behandelt werden fol, zerfiel im Mittelalter in zwei Abtheilungen ober Bürgerklaffen, von welchen die eine die Gemeinde genannt, die andere mit dem Ausdrucke „die Handwerker” oder „die Zünfte“ bezeichnet wurde. Dieſe Eintheilung war jedoch

HI. Bie Franffurter Zänife im Wlttclalter. 355

fehcdwigh, wie nan ans der Benennung ber letzteren Klaſſe ſchlietzrn föruiz, eine nach den Geſchäftsarton der Sinwahner gemachte, ſondern fie bezeg ſich auf diefe nur im Allgeneinen. Die letztere Abtbelung bestand nämlih mur der Mehrzahl nad aus Handwerkern, und außerdem gehästen einzelne Handwerker nicht zu dieſer Abtheilung, ſondern zur Gemeinde. Beiſpiele von Beidem gibt uns ein mach ungedrucktes Verzeichniß aller Bürger Frankfurt's, wmelches 1387 bi Golegenheit einer allgemeinen Eidealeiſtuug gemacht were if. Dieſes Verzeichniß zerfällt in zwei Abſchnitie, von welden per erſtere Bir Meberisgrift trägt: „Die Gemeinde, hie gefchworen har’, und Dig zweite kberjchrieben ift: „Die Hanbmerfer, die geſchworen hahen“. Unter ben im eriten Abſchnicte aufgeführten Bürgers befürden fich einzelpe Stiller, Weißgearber, Derchäler, Spengler und andere Haudweaks⸗ leute, wälwend unser den im zweiten Abſchnitte mergrichueken Bürgern, weiche nach Zunften geordnet find, ein Raßtuſcher 2. b. rin Pferde⸗ haͤudler als Mitglied der Baber⸗Zunft eingeſchrieben iſt. Fheudas⸗ ſelbe kaͤnmt auch In anderen deutſchen Städten des Mittelalters por; es enihielken daher auch die Zunftorduumgen mitunter beſondere Vpr⸗ ſchriften im Betreff derer, weiche nicht das Gewerbe ber Mehrzahl der Bunftgenoffen srishen.

Yene Sonderung ver Bürgerschaft in zwei Haupttheile war fomit Teine nach Ber Beichäftigung ber Individuen gemachte, gemäß beven Die Bürger in Handwerkor und Richt-Handwevlker eingetheilt gewejen wären. Ebenſo Avenig aber waren bie Mitglieder beider Theile durch eine unuͤberſteigliche Schranfe mon ‚einander geſchieden, io winem jeden Bürger die Wbthellung, in der er Ach befaud, als eine unbedingt nothwendige angewieſen. Im Gegentheil, .ciu jeher konnte ſich die feinige wählen. GEs kommt daher auch in ter Fraul⸗ furter Geſchichte einmal vor all vor, dag eine ganze Körperſchaft, weiche der Gemeinde angehörte, plöglich zu deu Haudwerkern ober Zumſten ÄAbertunt. Dies waren bie Gadenleute, d. h. vie in Baba oder Eramläden feihaltennen Kaufleute, befenbers Die Schnitiwaaren⸗ Händler. Sie gaben gleich nach dem Ausbruche des Zünfte-Auf— ftandes von 1355 ihren Verband mit der Gemeinde auf, und kraten zu bey Handwerkern über ). Die Zugehörigkeit zu einer jepgr beiden

I) ©. oben ©. 36.

28*

356 XI. Die Zranffurter Bänfte im Mittelalter,

Abtheilungen der Bürgerfchaft war aljo feine bindende, welche ben freien Willen des Einzelnen gefeſſelt hielt. Ja, e8 gab fogar Bürger, welche in beiden Abtheilungen zugleich waren, indem fie ſowohl ciner der Zünfte, in welche die eine berjelben zerfiel, als auch einer ‘ber fogenannten Gejellichaften, welche in ber anderen beftanden, anges hörten. Died gebt aus der im bandfchriftlichen Geſetzbuche befind⸗ lichen Feuerordnung des fünfzehnten Jahrhundert? hervor. In der⸗ ſelben ift nämlich einmal, nachdem vorher die Zünfte und bie fünf in der Gemeinde beftehenden Gejellichaften Limburg, Laderam, Löwen⸗ ftein, Frauenftein und die Krämerftube genannt worben waren, bie Mede von etlichen Perfonen, welche Weitgliever einer der genannten Zünfte und zugleich Mitglieder einer oder mehrerer der angeführten Geſellſchaften wären !). Diefe einer Rathsverordnung entnommene Stelle beweift übrigen, was wir gelegentlich bemerken, die Wahrheit des in neuerer Zeit mitunter beitrittenen Factums, daß früher auch Zünftige in die genannten fünf Gefellfchaften aufgenommen wurben. Auf der Theilung der Bürgerfchaft in zwei Theile beruhte auch die Aufammenfegung der Stabtbehärve, und die Aufnahme von Hanb- werkern in biefelbe hatte nicht darin ihren Grund, daß die Gewerbe ala folche, ſondern daß die zweite Abtheilung der Bürgerfchaft im Rathe vertreten jein ſollte. Dieſer beftand, dem Organismus des ftäptifchen Gemeinweſens entjprechend, aus drei Baͤnken oder Abthei- (ungen, nämlich aus den Vertretern ber beiden Bürgerklafien und aus den Schöffen ober den Weitglievern des höchſten Gerichtes. Beide Abtbeilungen der Bürgerjchaft zerfielen wieder in Unter⸗ abtheilungen, welche die Geſellſchaften hießen, aber ſchon frühe dadurch von einander unterfchieden wurden, daß man bie ber Ge meinde vorzugaweife Geſellſchaften, Stubengefellfhaften oder blod Stuben, bie ber anderen Abtheilung die Zünfte oder Handwerke nannte (ſ. Anm. 210). Jede Gejellichaft und jede Zunft führte einen bejonderen Namen. Derjelbe war bei ven Ge— ſellſchaften meiften? von den Häufern entlehnt, in welchen bie Zu⸗

1) Die Stelle Iautet wörtlich: „Obe auch ettliche perfonen in eynchem ber vorgefchreben hantwerg weren und barzu off der vorgefchreben ftoben eyner oder me gefellefchafft beiten, die fulben uber bad, das une von irs bantiverges wegen zu haben geburte (nämlich eine beflimmte Zahl von Eimern), glich wole von yder gefellefchafit, als er me hette, zwene eymer han und balden’.

XIM. Die Frankfurter Zünfte im Mittelakter. 357

fammenfünfte Statt fanden, bei ben Zünften aber ftet® von dem Gewerbe, welches die Mehrzahl ihrer Wlitgliever trieb. So hieken von den fünf Gefellfchaften, welche am Ende des Mittelalters in ber Gemeinde Frankfurt's beitanden, vier nach ihren Wohnfigen Limburg, Laderam, Löwenſtein und Frauenftein, die fünfte jedoch nach dem Gewerbe ihrer meiften Witgliever vie Gejellfchaft oder Stube der Krämer oder der Ulner. Andererfeitd hatten die 14 Zünfte, in welche die andere Bürgerklaffe 1355 zerfiel (jpäter waren es mehr), folgende Namen: die Gewandmacher oder Wollenweber oder auch das Wollenhandwerk, die Mebeler (Mebger), bie Kurſener (Kürichner), die Bäder, die Schuchwurten (Schuhmacher), die Lower (Xohgerber), die Fiſcher, die Schneider, die Schiffleute, die Steindeder, die Zimmer: leute, die Steinmeßen, bie Bender (Küfer) und bie Gärtner. Ueb⸗ rigen? war fein Bürger, mochte er nun ber Gemeinde oder ber Handmwerker-Abtheilung angehören, genöthigt, Mitglied einer Geſellſchaft oder einer Zunft zu fein. Es fcheint fogar die Zahl derer, bie ſich weder in einer Gefellichaft, noch in einer Zunft befanden, nicht unbe dentend geweſen zu fein. Dies gebt u. U. daraus hervor, daß in dem Geſetzbuche des fünfzehnten Jahrhunderts mitunter zuerit ben Geſellſchaften und den Zünften befondere Vorfchriften gemacht werben, dann aber das Gleiche auch für die übrigen Bürger gefchieht. Ebenſo ift einzelnen Rathsverordnungen die Bemerkung beigefügt, jie ſei allen Stubengejellichaften und Zünften in Abfchrift mitgetheilt, denjenigen Bürgern aber, welche „nicht Stubengejellichaft hätten, noch zünftig jeien”, auf dem Rathhauſe vorgelefen worden.

Die Zünfte waren, wie aus dem Gefagten bereit3 zur Gerüge hervorgeht, keineswegs gleich ven heutigen Zünften Gewerbsgenoſſen⸗ ſchaften, und beftanvden nicht gleich diefen aus der Gejammtheit aller Meiſter eines Handwerkes. Es verfteht fich freilich auch für bie Zeiten des Mittelalterd von ſelbſt, daß in ber Regel ver einzelne Bürger fich zu Seinesgleichen hielt, daß aljo die meiſten damaligen Handwerker in diejenige Zunft eintraten, welche die Leute ihres Gewerbes enthielt. Allein es beftand in dieſer Beziehung weber ein Zwang, noch hatten die Zünfte des Mittelalters gleich den heutigen einen rein gewerblichen Zweck. Es gab beöhalb damals auch einzelne Zünfte, welche mehrere, von einander zum Theil ſehr verjchiebene Handwerke enthielten. So vereinigten ſich z. B. um das Jahr 1350

358 AT. Die Frankfurter Sanfte im Miltclälter.

die Zimmerleute, Steindecker und Steinmeten, weiche bis dahin vrei beſondere Zünfte gebildet hatten, mit rinauder zu einer einzigen Zunft, wäs fie jedoch auf Befehl des Rathes alsbald vwelever auf: geben mußten ). Ferner waren, was ein noch ſchlagenderes Beiſpiel iſt, 1406 die Sattler, Schilder (Schildmaler), Maler, Glaſer, Komeder (Kummetmacher) und Scheerer (b. i die Barbiere, welche zugleich Wundärzte geringerer Art waren), in eine einzige Zunft vereinigt, obgleich ſich in gewerblicher Beziehung gat fein Verrinigungs⸗ Princihß für fie auffinden läßt; und das Geſedbuch dieſer Zunft, welchte nicht nach einem einzelnen jener Gewerbe, fondern nach ihnen Allen zuſammen benaunt wurde, ehfhiclt, neben ben allgemeinen Vor: ſchriften, einzelne Artikel für das eine oder daß andere Gewerbe alten. Ebenſo, Yoie in diefem Falle mehrere Gewerbe zuſammen eifie einzige Zunft bildeten, gehörten auch tinzelne Handwerker einer ihrem Gewerbe freindartigen Zunft an. So kommt 3. B. in bein beteits erwähnten Buͤrgerverzeichniſſe von 1887 ein Gärtner als Muglied ver Zunft der Sinmerlente und ein Kleiber ala Mitglied ber Baderzuuft vor?). Auch daß im Mittelalter eine Zunft fich auflöfte, iſt ein Beweis für die Unterordnung des gewerblichen Zweckes ber damaligen Zünfte; denn wäre biefer ber Hauptzwerk geweſen, fo würde gewiß Feine einmal beftchende Annft auskinauder gegangen fein. Beiſpiele viner ſolchen Anftäfung der Zunft find bie Särtner und bie Schiffer. Sie waren 1355 Zünfte, weiche von alter Zeit ber beſtauden Hatten, kommen aber fchon 30 Fahre fpäter (1387) in einem officiellen Verzeichniſſe der Zünfte?) nicht mehr vor.

Die Zünfte des Mittelalters Yatten eine ganz andere Brund- lage, als vie des gewerblichen Intereſſes, fowie einen über diefts weit hinausgehenden Zweck. Sie dildeten einen Theil jener Körper: ſchaften, in welche die ſtäͤdtiſchen Buͤrgerſchaften des Mittelalters für au Beziehungen des öffentlichen Lebens zerfielen, Uund bie man geradezu ala größere Familienkreiſe anſehrn kann. Sie waren ihrem

ı) Benckenbeitg, Bel. jew. I. p. 15.

2) „Gerhard Kreyer eim gertenet“ ift unter ven 57 Mitgliebern ber Zimmer: mannz: Zunft, „Heincze Solczbach kleuber“ unter ben 29 Mitgliedern ber Bader: Zunft aufgeführt.

In dem Früher erwähnten Bürgerderzeithniſſe, welches bei Vetegenhen ber eidesleifanig von 190% verfektigt worden If.

*

XI, Die Frankfurter Zünfte im Mittelalter. 369

eigentlichen Weſen nach organifche lieber des Gemeinweſens, und walteten als folche nach fünf verfchiebenen Seiten hin, von welchen nur eine dem Gewerbsweſen angehörte. Sie waren nämlid, zugleich politijche, militärifche, kirchliche, geſellige und gewerbliche Kreije der Bürgerfehaft, oder mit anderen Worten fie waren Vereine, welche eine Gemeinfchaftlichleit bes oͤffentlichen und foctalen Lebens bezweckten, ſoweit dieſelbe außerhalb der Familie jebed Einzelnen möglich war.

Diefe verſchiedenen Zwede und Seiten des urjprünglichen Zunftwelend würden für und aufs deutlichite erkennbar fein, wenn uns aus dem breizehnten, zwölften und elften Jahrhundert ausführ: lie und zujammenhängende Nachrichten über die deutſchen Hand werter und ihre Zünfte überliefert worden wären. Allein das, was uns über fie gemeldet wird, ijt um jo bürftiger, in je frühere Zeiten die Meldung fällt. Für Frankfurt ſelbſt reichen dieſe Nachrichten nur bis in das Jahr 1284 zurüd. Aus biefem Jahre hat ſich nämlich eine Rathäveroronung über sine Geldſtrafe erhalten, welche die Müller in einem gewiſſen Falle zu zahlen hatten, und in Betreff deren verfügt wurde, daß bad eme Drittel diefer Strafe dem Schultheißgen, das zweite dem Rathe, das britte den Werfleuten, welche Handwerkogenoſſen (antwercgenoz) genannt würben, zufallen ſolle). Die betreffende Urkunde ift übrigens für die Gefchichte ber Frankfurter Fünfte jehr wichtig; denn fie zeigt uns, daß in Frank⸗ furt jchen 1284 der Stand der Handwerker eine beſondere Abtheilung der Bürgerfchaft bildete, und als ein organiſches Glied derſelben von ver Stadtbehörde anerfanıt war. Sa, es gebt ſogar aus biefer Urkunde hervoxr, daß die Frankfurter Handwerker damals ſchon beitiumte koͤrperſchaftliche Rechte gehabt Haben müflen; und felbft das Wort Handwerksgenoſſen beutet ſchon ziemlich Mar auf das Beſtehen von Zunftverbindungen hin.

Troß ber Spärlichkeit älterer Nachrichten kann über den eigent- lichen Zweck und das urfpränglicde Welen ber Zünfte kein Zweifel eniftehen; denn Beides hat ſich noch bis in die Zeiten hinein erhalten, welche unferer Erlenniniih ig weiterem Umfange zugänglich find. Ka, jener urfprüngliche und eigentliche Zweck findet ſich fogar noch in einigen fpäteren Zunftorbnungen deutlich ausgeiprochen, indem

) Die Verordnung findet fi bei Böhmer, p. 214.

360 XIL Die Zrankfurier Zünfte im Mittelalter.

diefelben eine Gemeinfchaftlichkeit des Leben? als ben eigentlichen Zweck ver Zunft bezeichnen. Nach dem legten Artilel der Zunft: ordnung ber Frankfurter Bender von 1355 beitand dieſer Zweck barin, „Liebe und Leid mit einander zu leiven bei ber Stabt und wo es Noth gejchehe”. Ebendasſelbe fprechen die Zunftgeſetze ber MWeblarer Schmibte von 1361 aus; denn biefe beginnen mit ben Worten: „Wer unter den Schmibten zu Wetlar Meiſter werben will und mit den Schmibten Lieb und Leid tragen, ber ſoll“ u. |. w. i). Der Ausbrud Lieb und Leid mit einander tragen bezeichnete im Mittelalter eine Innige Verbindung, welche für alle Beziehungen und für alle vorkommende Fälle feſt gefchloflen ift; er ward deshalb auch von dem Frankfurter Rathe und feinen Zünften gebraucht, ala 1355 Beide fih mit einander verftändigten, und für ben Fall, daß ber König die vom Rathe anerkannten Zunftorbnungen verwerfe, einander gelobten, getreulich Lieb und Leid zu theilen?). Noch beutlicher ift ber Begriff dieſes Ausdruckes und zugleich der uriprüngliche Zweck ber Zünfte, welcher auch ber ver nichtzünftigen Bürgervereine des Mittelalter war, in der Orbnung einer alten Frankfurter Stuben- gejellichaft ausgeſprochen. In der Ordnung der Krämerftube von 1599 nämlich, welche eine Erneuerung derer von 1348 und 1400 war, beginnt ein Artikel mit folgenden Worten: „Dieweil dann für: nemlich eine ware vechtmäßige gemnine Geſellſchaft erfobert, alle brüberliche Lieb und Treu nach eines jeden Bermögen, bie Zeit feine Lebens, je einer dem andern zu erzaigen, auch umb bei wiln joviel mehr auß chriftlicher Lieb, die und billich dartzu raitzen und treiben follte, jeberzeit zu thun ſchuldig, auch oberzeltermaßen in Freud und Gejunbthaitt einander verpflichtet, alfo foln wir folches bornemlich erzeigen und beweifen auch in der Traurigkeit und letztem Abſchied“ *).

Auf den urſprünglichen Zwed eines innigen Verbandes zu Freud und Leib deuten auch mehrere Umſtände, welche noch in ben fpäferen Zunftorbnungen fichtbar geblieben find. Es tft erſtens die

Benennung Brüberfchaft (fraternitas, confratria), welche in einigen

1) Ulmenftein’s Geſchichte von Weblar, I. S. 640. 2) ©. oben. *) Fichard's Ardiv, IL. ©. 166.

XIII. Die Frankfurter Zünfte im Mittelalter. 361

Städten ftatt des Wortes Zunft vorfommt!). In Frankfurt gab es nur ein Handwerk, welches diefen Namen führte, das der Gold⸗ ſchmidte: daßfelbe wird in feinen älteren Geſetzen niemals eine Zunft genannt, jondern bald das Goldſchmidt⸗-Handwerk, bald das Gold⸗ jchmidt-Amt, bald gemeine Brüderfchaft und Amt. Das Zweite, was noch in ben fpäteren Zunftgeſetzen auf die Tendenz einer wirt: lichen brüderfchaftlichen Verbindung binweift, find mehrere in diejelben übergegangene Borfchriften, die nur einem folchen Zwecke, aber Feines- wegs einer blos gewerblichen Rückſichtsnahme entiprungen fein können. Bon Vorfchriften ſolcher Art finden fih in den mittelalterlichen Zunftorbnungen Frankfurt's folgende): es dürfe Fein Zunftgenofie einen andern fogar bloß im Scherze Tügeftrafen; es müſſe jeber, welcher einen Kauf abfchliehe, auf Begehren anderer Zunftgenofien diefe an demſelben Untheil nehmen laſſen; es bürfe fein Mann, welcher beicholten fei, in die Zunft aufgenommen werben; es dürfe fein Zunftgenofje dem anderen feinen Knecht abjpenftig machen; und endlich es ſolle Teiner eine von einem Anderen begonnene Arbeit übernehmen, ehe der Befteller diefen bezahlt habe. Bei allen diefen Geboten und Verboten ift noch dazu eine befondere Strafe angejekt, welche in jedem betreffenden Falle verhängt werben folle.

Endlich läßt fi auch der in den Zünften waltenve Begriff einer gemeinjchaftlichen Ehre und ihre Fürforge für die Wahrung berjelben nur aus der Abficht einer alle Verhältniffe umfafjenden innigen Verbindung herleiten. Die mittelalterlichen Zünfte hielten auf jene Ehre fo ftrenge, daB daraus das Sprichwort entftanden ift, die Zünfter müßten jo rein fein, als wenn fie von ben Tauben gelefen wären. Die gemeinfame Ehre beitand bei ihnen vor allem Anderen darin, daß der Zunft Fein Menſch angehöre, der nicht ehelich geboren und unbefcholten ſei. Deshalb war Beides das Haupterfordernig zur Aufnahme in die Zunft, ſowie um als Lehrling zugelaffen zu werben). Manche Zünfte fügten diefen beiden Auf: nahmebebingungen noch bie dritte hinzu, daß der Betreffende auch

) Wilda, &. 808, gibt hiervon Beifpiele.

*) Sie kommen übrigens auch in anderen Städten vor: |. Wilda, ©. 886.

*) Der in ben Franffurter Zunftgefeßen gebrauchte Ausbrud für Unbefcpolten: beit if: daß einer ein Biedermann fei, oder daß einer unbeſprochen jei.

3823 XIM. Die Frautſuriee Znite im Mitielekter.

fremm fein mäfle?!). In amberen Städten war außertem noch vor: gejchrieben, daß derſelbe fein Sohn foldher Pete fei, welche cin ver achtetes Gewerbe trieben. Hiervon zeigt ſich in den mittelalterlichen Zunftgeſetzen Frankfurt's feine Spur; daß aber die dortigen Züufte ſchon beim Beginn der neueren Zeit, alfo wohl auch ſchon im Mittel⸗ alter dieſen Grundſatz ebenfalls Befolgten, bemeift der von Lersuer (I. 2, 799) erwähnte Fall, daß 1518 die Frankfurter Kannengießer ven Schn eines Kartenmachers nicht als Lehrling zulaflen wollten, obgleich in Straßburg bie Kartenmacher eine achtbare Zunft bildeten und rathafähig waren. Auch das ehrenbafte Benehinen und verliche Berfahren der Zunftgenoſſen warb ald eine Ehrenfache ver Zunft an⸗ gefehen und durch Beitrafung bes Entgegengelehten zu wahren geſucht. Dabin gehört z. B. die bereits erwähnte Vorfchrift, daß bei Geld: jtrafe Fein Zunftgenoſſe den anderen einen Lügner nennen dürfe. Ebendahin gehört ein Artikel ver Wollenweber von 1469, nad weichen ein jeder ausgeſtoßen und nie wicher aufgenommen werden follte, welcher ein ihm zur Arbeit anvertrautes frembed Gut verjege oder unterſchlage, auf daß füch, wie hinzugefügt ift, cin Anderer und jedermann in ber Zunft aufrichtig, fromm und ehrbarlih halte. Neben diefen zum Theil fehr firengen Borfchriften zur Wahrung der Zunftehre deuten auch die mitunter vorkommenden Berbote gewiller Kleidertrachten anf die Junigkeit des Zunftverbandes und die Vicl- jeitigfeit feiner Beziehungen; dern diefe Verbote kommen einerſeits ſchon in einer Zeit vor, in welcher die Zünfte fich ihre Gehege noch ſelbſt gemacht hatten und nicht, wie fpäter, vom Rathe abhängig waren, und anbererfcit3 hatten Verbote ſolcher Art ihren Grund doch offenbar nur darin, daß die Züufte auch auf cine Gemeinfam- tet in den Sitten hielten, und alles von fich abzuwehren juchten, was ten Einzelnen ber Genojjerschaft entfremben konnte. Uebrigens ift zu bemerken, daß fich Verfchriften über die Tracht nur in ben Scweibergefegen und uͤberdies nur in denen ven 1352, nicht iu ben ſpaͤteren finden ?).

1) An den Geſetzen der Goldfchmidte z. B. iſt vorgeichrieben, ber Aufzu- nehmende müſſe mit glaublicher Kundfchaft oder durch einen verfiegelten Schein beiveifen, daß er von frommen Eltern ehelich geboren und felber fromm jei, auch fih ehrlich in bie Ehe begeben habe. Die Wollenweber erhielten 1469 ben Zufaß

zu ihren Geſetzen, daß ber Aufzunehmenbe ehelich geboren und fromm fein müffe. 2) ©. Böhmer, p. 628 unten und 624.

XIN. Die Frankfurter Fanfte tm Dittelälee, 868

Die Zünfte waren alſo urfprünglich nichts weniger als bloße Srewerbögenofjenfchaften. Ste waren vielmehr Brüberichaften ober innige Vereine für alle gemeinfamen Zwecke des Lebens. Ihre Mit: glieder follten Lieb und Leib mit einander theilen, aber nicht blos in Beziehung auf ihre perfönlichen Intereſſen und Verhältniffe, jondern, wie es in der oben angegebenen Stelle ver Frankfurter Bendergeſetze heißt, bei ter Stadt una mo es Noth geſchehe. Die Zünfte waren organiſche Glieder des Gemeinweiend, welche als ſolche politifche Pflichten und Mechte hatten, ebenſowohl eine foclale, als eine ge werbliche Abteilung der Burgerſchaft bilveten, und ihre gemein- ſchaftlichen Verhaͤltniſſe felbft orbneten und leiteten. Ihre Meitglicver waren alfo auch nicht wie bie der heutigen Zuünfte, welche bloße Gewerbs⸗Corporationen find, nur durch dad ſchwache Band des gemeinfamen pecuniaͤren Intereſſes mit einander verbunden, jondern fie bildeten Achte Corporationen nach dem mittelalterlichen Begriffe dieſes Wortes, d. h. fie waren für die inneren und aͤußeren Be ziehnugen des Lebens, ſowie für politifehe und kirchliche Pflichten mit rinander verbunden, und hatten gemeinſchaftliche Staudesſitten und eine gemeinſchaflliche Standesehre.

Als ſolche Corporationen hatten dic Zünfte, wie ſchon geſagt worden iſt, fünf verſchiedene Seiten ihres Weſens und Waltens, eine politiſche, eine militäriſche, eine kirchliche, eine geſellige und rine gewerbliche. Unterwerfen wir dieſe verſchiedenen Seiten des älteren Zunftweſens riner näheren Betrachtung, To dürfte zuerſt bie politiſche nnd die mit ihr verbundene militäriſche ind Auge zu faſſen fein. Die Zuͤnfte waren politifche Abtheilungen der Bürgerfchaft, welche ala folche nach der Beſchaffenheit des mittelalterlichen Städteweſens ein Für dieſes nothwendiges Veftehen hatten. Hatte der Rath einmal mit feiner Bürgerfhaft etwas zu verhandeln, To gefihah dies in der Weiſe, daß mehrere Bürger aus jeher Innft nnd ebenjo eine Anzahl von Bürgern aus der Gemeinde als der anderen Hanptabtheilung der Gefanmtheit vor den Rath berufen wurden. So gebot 3. B. ber Landvogt der Wetterau, als er beim Finfte-Aufftande die Frank furter Angelegenheiten in Ordnung bringen wollte, dem Rathe, zum Behuf einer Verhandlung nicht nur felbft zu einer bejtimmten Stunde zujammenzufommen, ſondern auch je zwei Bürger ans jeder Zunft

364 XIII. Die Frankfurter Zanfte im Mittelalter.

und drei ober vier aus der Gemeinde zus ſich zu beſcheiden 1). Hatte ferner der Rath ſeinen Bürgern etwas zu verkündigen, ſo geſchah dies entweder dadurch, daß er ſeine Bekanntmachung in den Straßen der Stadt ausrufen ließ, oder durch Verleſen derſelben vor dem Rathhauſe und von den Kanzeln herab, oder in der Weiſe, daß einer jeden Zunft und Stubengeſellſchaft eine Abſchrift zugeſchickt wurde; und von biefen brei Verfüntigungsarten war, wie man fieht, bie legtere diejenige, welche dem hbeabfichtigten Zwecke am meiften ent- ſprach. Wenn ferner die gefammte Bürgerichaft handelnd auftreten mußte, jo that fie es nach den Abtheilungen und Gruppen, in welche fie herfömmlicher Weife zerfiel, d. h. die Gemeinde erfchien nad) ihren Stubengefelifchaften, der übrige Theil der Bürger nach Zünften gruppirt. Dies fand 3. B. Statt, wenn die Bürgerfchaft dem Ober- baupte der Nation hulbigte, oder wenn fie, was zuweilen geſchah, dem Rathe ihren Eid erneuern mußte, oder wenn fie bei der öfteren Anweſenheit ded Königs diefen feierlich empfing. Im lebteren Falle zogen, außer den zur Gemeinde gehörenden Bürgern, die Zünfte, jede mit brennenden Kerzen verſehen, dem Könige entgegen”). Eben- dasſelbe gejchah bei den allgemeinen Tirchlichen Proceffionen, von welchen in Frankfurt die auf Marin Magdalenen-Tag die feierlichfte war. Die Zünfte, wie die in der Gemeinde beftehenden Gefellfchaften, hatten dem Gemeinweſen auch in polizeilicher Hinficht ihre Dienfte zu leiften. So oft die Ruhe im Inneren der Stabt ober ihre Sicher: beit nach außen bedroht war, mußten jene Körperichaften benjenigen Dienst thun, welcher heut? zu Tage durch Soldaten und Polizei: Mannfchaften getan wird: eine von jeder Gefellichaft und Zunft im Voraus dazu beftimmie Zahl von Mitgliedern wurde, wenn es nöthig war, zur Verftärfung der Wachen vermenbet, und war bie Gefahr beſonders groß, fo wurden von Raths wegen die Hanb- werfer bewaffnet auf ihre Zunftftuben entboten, um daſelbſt Tag und Nacht der weiteren Befehle zu warten (ſ. Anm. 211). Auch bei einer Feuersbrunft mußten die Zünfte wie die Stubengefellfchaften zum Löfchen erfcheinen, und für eine jede war vorgejchrieben, mit wie vielen Eimern, Wafjerfäflern, Leitern oder Werten u. dgl. m.

1) S. oben ©. 40. N S. Ulmenflein’s Weblar, I. S 265 u. 640.

ZUL Die Frankfurter Zünfte im Mittelalter. 365

fte ſich einzufinden hatte!). Ebenſo hatten nicht bloß die im Dicufte der Stadt ftefenden Söldner die Turniere, welche in Frankfurt gehalten wurden, zu ſchirmen, fondern auch eine oder mehrere Jünfte mußten bie zumeilen thun. So wird und 3. B. von einem 1386 gehaltenen Turniere gemeldet, daß dasſelbe durch bie fünf Zünfte der Schneider, Bäder, Schuhmacher, Lower und Fiſcher gefchirmt worden fei, wobei diefe zufammen 18 Viertel Wein verzehrt hätten. Endlich geſchah es auch mitunter, daß ftatt der ftäbtiichen Söldner eine Zunft das Geleite von Mefjefremden übernehmen mußte, wie 3. B. 1367, wo bie Kaufleute von Limburg und Wontabaur durch die Mebgerzunft in die Meſſe geleitet wurden.

Das Lebtere gehörte fchon der militäriichen Seite des Zunft weſens an. Jedes Mitglied einer Zunft war, gleich allen übrigen Bürgern, zum Kriegsdienfte verpflichtet, und mußte ſich auf eigene Koften für venfelben gerüftet halten ober, wie man im Wittelalter fagte, feinen Harnifch haben. Jede Zunft aber bildete eine beſondere Abteilung des Bürgerheered. Diefe vereinte Leiftung des Kriegs⸗ dienſtes wurde als einer der Hauptzwede des Zunftweſens angefehen. Sie bildet daher einen befonderen Artikel aller älteren Zunftgejege, und in denen der Steinmeßen wird das Einſtandsgeld, welches jeder Neu⸗Aufgenommne entrichten mußte, damit motivirt, daß die Zunft „der Stadt und dem Reiche deſto bejjer zu dienen vermöge”. Jener Artikel jchrieb jedem Zunftgenofien vor, daß er ftet3 feine Waffen und Rüftung bereit haben müſſe, und feste eine an die Zunftkaſſe zu entrichtende Gelbftrafe für dag Abhandenfein oder die Mangel- haftigkeit verjelben fe. Die Bewaffnung und Augrüftung war, je nah ben Vermögenzverhältnijjen des Einzelnen, verſchieden. Es gab nämlich einen fogenannten ganzen oder vollen Harniſch und einen Fleinen Harniſch. Den Erjteren d. h. die vollitändige Bes waffnung mußte jeder haben, welcher ein Vermögen von breikig Gulden befaß; die Bewaffnung der übrigen Zunftgenofjen wurde je nach den Verhältniffen eines jeden beſtimmt?). Der ganze oder

i) Das handſchriftliche Geſetzbuch des 15. Jahrhunderts enthält Blatt 100 bis 104 die ausführlichen Vorſchriften hierüber.

*) Die Zunftordnungen brüden dies jo aus: „nach marczal“, ober „nach mogebe, ala uff ihn gefeßt if’. Webrigens richtete fich bei ben Bädern bie Beichafienheit der Ausrüftung nach ber Zahl ber Schweine, welche jeder hielt.

368 ZI. Die Jranffurter Zünfte im Mittelalter.

unb fie zu berfelben eingeladen (virbodet) Wer ausblieb ober zu fpät kam, wurde an Geld geftraftl. Sogar die Frauen mußten den Beerdiguugen beimohnen !). Uebrigens wurten nicht nur die Männer, fondern auch die Frauen und Kinder ver Mitglieder einer Zunft durch dieſe beitatte. Bei den meilten Zünften mußten die vier jüngjten Meifter die Leiche eines Erwachjenen, ſowie der jüngfie die eined Kindes tragen ?).

Diefe Pflichten, welche man dem Zunftgenoffen und feinen Angehörigen noch im Tode zu leiſten hatte, verleihen den Zuuft- verbänden recht eigentlich dad Ausjehen größerer Familienkreiſe. Als eben folche erjcheinen fie, wenn man ben Blick auf ihr gefelliges Zufammenleben richtet. Die Zunftgenoffen waren nämlich auch zum gemeinjchaftlihen Lebensgenuſſe mit einander verbunden. Dieſer Zweck ihrer Verbindung war jogar ein vecht eigentlich nothwendiger in einer Zeit, in welcher es Feine gemifchten Geſellſchaften und Teine Anftalten und Einrichtungen für biefelben gab. Jede Zunft hatte daher, gleich allen ven Geſellſchaften, welche in der fogenannten Ge- meinde beftanden, für bie gejellige Unterhaltung ihrer Mitglieder befondere Anorbnungen gemacht. Dieſe beitanden darin, baß jebe einzelne Zunft biejenige Stube, in welcher bie geichäftlichen Ver⸗ fammlungen gehalten wurden, allabendlih als Xrinfftube benußte, und daß fie für die möthigen Getränke Sorge trug. Webrigend war natürlich Tein Mitglied gezwungen, bie Trinkſtube vegelmäßig zu befuchen. Am Ende des Mittelalters, ald das Zunftweſen feinen urfprünglichen Charakter ſchon zum Theil verloren hatte und, was früber nicht der Fall gewejen war, jeder Handwerker Mitglied ber betreffenden Zunft jein mußte, konnte fich ein jeder jogar ein für alle Mal von diefer rein gejelligen Seite des Verbandes außfchließen ®):

1) In ber Schiffer-Orbnung von 1355 Tautet ein Artikel: „Auch werd fache, das wir eyne Iych under uns bettin, willicher under uns heyme were, ez were frawe abir man, und nicht dar qweme, wan man bie Inch uff hube, ber abir die fulden gebin 8 Sch. Hell. zu eununge, wan ba3 virbobet wurbe”.

9) Schneidergefebe von 1352: „Auch follen vyere, bie zuleft meiflere under uns fint worden, bie großen lychen tragen. Auch fal der, der unbir ben vyren zuleſt meyſtir ift worden, das kynd tragen”. In ben Geſetzen ber Wener und Pluger von 1877 war die Vorſchrift eine andere: „Ein Tich zu brange, daz folen bie neften 4 bone allir neft ba by erfefchin fine, fe fin iung odir ault“.

®) Ein Artifel der Steinbeder:Gefege von 1476 lautet: „tem hait ber Rait

XIIL Die Zranffurter Zänfte iin Mittelalter. 369

Die Trinkſtube warb zu dem Zwecke befucht, Wein zu trinfen und fih durch Gefpräche oder durch Spielen mit Würfeln (jpäter mit Karten) zu unterhalten. Man nannte dieſe Zufammenkünfte Urten, Orten oder rien. Sie wurben nur Abends gehalten, begannen um 4 oder 5 Uhr, und mußten zu einer beftimmten Zeit geendigt werden. Diele Schlußzeit ift uns nicht befannt. Ber: muthlich war fie eine frühere, ald bie der fogannten Weinglocke, welche im fünfzehnten Jahrhundert Sommerd um 9 Uhr, Winters um 8 Uhr von einem Stadtthurme herab ertönte, und bei deren Auzläuten ale Wirthähäufer geräumt werben mußten. In ber Trinkſtube der nicht zu den Zünften gehörenden Krämer mußten bie Urten noch im ſechszehnten Jahrhundert in der Regel um 7— 714 Uhr geichloffen werben‘). Jeder Anmefende hatte das, was er trank, zu bezahlen. Doc gab es auch Fälle, in welchen Einer die Zeche für Alle bezahlen mußte. Dies fand namentlich bei der Aufnahıne eined neuen Meiſters oder Lehrlinges Statt; dein Beide mußten außer ihrem Kinftandögelde noch eine beſtimmte Quantität Wein liefern, welde von den Zunftgenofien vertrunfen mwurbe?). Auch andere Anläffe wurden mitunter benutzt, um in den Urten auf Koften eines Zunftgenoſſen Wein zu trinken, 3. B. die Erwählung eines Meifterd in den Rath, die Kindtaufe eines Zunftgenoſſen, eine Hoc zeit und ein Leichenbegängniß. Daß dies zuweilen geſchah, ergiebt ſich aus den Rathsverordnungen, durch welche es im fünfzehnten Jahr⸗ hundert theils verboten, theils eingejchräntt wurde 9). Sogar bie in ven Zunftgefegen vorgefchriebenen Strafen für ein und bad andere Ber: gehen beftanden zum Theil darin, dag man eine beitimmte Quantität Wein zum Vertrinken liefern mußte.

Weber das Betragen in den Urten waren in den Zunftgeſetzen

denn meiftern fteinbeder hantwerds gegonnet, ein ftobengefelfchaifft zu halben, uff daz, fo ber Raib mit ine zu reben habe ober man fie ein berrengeboit bieke maichen, ober fie by ein zu des Maibes gefchefften fein folten, baz man fie zu finden wife, und fal ein iglicher meifler zu Srandfurt die ftobengefelfcgaifft mit zu halten verbunden fin; doch fal er orten zu drinden unverbunden fin’.

1) S. Fichard's Ardiv, IL. ©. 157 fig.

2) ‚Das follen bie vom Handwerke vertrinken“ ober „das follen fie gemein- lichen vertrinken“, ift der Ausbrud, nit welchem bie Verwendung jenes Weines in den Zunftgeſetzen bezeichnet wird.

) Bol. Archiv für Frankfurt's Geſch. und Kunf, VIL S. 120 fig. 175.

Eriegk, Frankſ. Bürgerzwifte. 24

870 XIII. Die Frankfurter Zänfte im Mittelafter.

beftinmte, mit Strafanbrohmgen verbundene Borfchriften gegeben. Namentlich durfte Feiner die Urten verlaflen, ohne feine Zeche bezahli zu haben. In einigen Zünften war es zwar erlaubt, ftatt defſen einen Bürgen „auf ber Meifter Recht“ zu ftellen; wenn aber in biefem Falle einer nicht auf ben beftimmten Termin zahlte, fo wurde er für jeden weiteren Tag mit Geld beftraft. Uebrigens erficht man ans jenen Vorfchriften, daß es in ven Urten oft rob herging. Es finden ſich nämlich Strafen dafür angefebt, daß einer den anderen mit Worten mishandele, daß einer fogenannte verkorene Eide thue oder verforene Worte fpredhe, daß er einem anderen fluche, ihm eimen Maulftreich gebe, ihn mit der Kanne ober dem Kruge werfe, ven Degen oder das Mefler gegen ihn ziehe, Gegenftände zerbredie, ober überhaupt „unhubifch” wäre. In den Steindecker⸗Geſetzen von 1476 {ft fogar die Ränge des Meſſers vorgefchrieben, welches man in wie Urten mitbringen durfte: dasſelbe ſollte nidyt Aber eine Elle lang fein. Außer ben jo eben erwähnten Ausbrüchen der Gemeinheit und Rohheit find in vielen Aunftorbnungen noch andere ala ftrafbar bezeichnet, die man anftändiger Meife nicht nachſprechen Tann. Uebrigens waren alle biefe Rohheiten nicht dem Handwerkerſtande alfein eigen, fie lagen vielmehr im Geifte ber Seit ſelbſt. Das beweiſen die mancherlei für die geſammte Einwohnerſchaft erlafſenen Rathaverorbnungen bed viergehnten und fünfzehnten Jahrhunderts, welche gegen das Fluchen, gegen dad Schwören von „bofen, unmoge⸗ licher, unzitlichen, unczemelichen und zumale großen“ Eiden, gegen den Gebrauch von „boſen verkorn” Wörtern und gegen Gotteß- läfterungen gerichtet waren. Eine diefer Verordnungen führt als verbotene Schimpfwörter nicht weriger als achtzehn aus dem Worte Bock gebildete Ausdrücke an, wie Bocksnaſe, Bocksbart, Bocksſeele, Bocksherz und andere noch viel gemeinere. Beſonders am Ende des Mittelalterd nahmen die Gottesläfterungen, Flüche und Schwüre in Deutſchland fo jehr überhand, daß im Beginne des ſechszehnten Jahr⸗ Hundert ber Katfer jelbft fich gendthigt fab, ein Mandat bagegen au gehen zu laſſen. Aus Anlaß dieſes Mandates richtete der Rath 1509 an ſeine Bürger eine Anfprache, in welcher er über die in Frankfurt jo häufig vorkommenden argen Schwüre und Läfterungen klagte, die nicht nur von Ermwachfenen, ſondern fogar von Kindern gethan würben !).

1) ©. Archiv für Frankfurt's Geh. und Kunſt, VII. ©. 179 fig.

-.. u. wu Rn)

XIM. Die Frankfurter Bänfte Im Mittelaltet. 301

Um nun auch noch die fünfte Seite des älteren Zunftweſens, die geroerbliche, in Betrachtung zu ziehen, fo zeigt ſich dieſelbe als diejenige, welche allen anderen untergeorbnet war, und nicht als bie weſentliche Grundlage des Zunftverbandes angefehen werden kann. Namentlich kannte das ältere mittelalterliche Zunftweſen zwei Dinge nicht, welche den Haupt⸗Charakterzug des modernen bilden und dieſes mit den jetzt herrſchenden / gewerblichen Anſichten in Feindſchaft gebracht haben, die zünftige Gewerbs⸗Polizei und den ſogenannten Zunftzwang. Beide würden auch mit dem urfprünglichen Zwecke ber Zünfte, wie wir ihn bereit® kennen gelernt haben, nicht im Einklang zu bringen geweien fein. Vergleicht man bie Afteften Frant- furter Bunftgejehe (die won 1852 und 1355) met den fpäteren, fo ertnnt man jchon bei einem bloßen Ueberblicke Better, daß das gewerbliche Intereffe urfprüngfich nicht ind Auge gefafst worden war, fonvern erft fpäter maßgebend geworben Hi. Vorſchriften, welche dasſelbe wahren und fehlten, find wie auch Wilda bei ben Zünften anderer deutſcher Städte gefunden hat erit im Verlaufe ner Reit und auf misbräuchliche Weiſe aufgekommen, indem ber innige Verband nah und nad) für ſelbſtſüchtige Zwecke benutzt wurde, und der politifche und fociale Gemeingeifi biefer Koͤrperſchaften ſich in einen Gemeingeit des Eigennubes umwaundekte. In Betreff der Frankfurter Zünfte iſt es außerdem noch hoͤchſt wahrjcheinfih, daß auch der Rath dieſe Umwandlung herbeiführen half, indem er ſeit den Zunfte⸗Aufſtand von 1855 ſich beſtrebte, die gefährliche Macht ber Aünfte dadurch zu brechen, daß er, mit Benukung des Hanb- wer-Easiamus, piefelben immer mehr im blos gewerbliche Genoflen- ſchaften umzuwandeln fuchte.

Von rein gewerblichen Verfchriften findet man mit Ausnahme der Wollenweber⸗Geſetze, bei denen dies feinen beſonderen Grund hat, in ben frucheren Zunftordnungen kaum etwas, was nicht aus den angegebenen anderweitigen Beziehungen hergeleitet werben könnte. Namentlich iſt von einer ber Aufnahme eines Meiſters voraus⸗ gehenden Prüfung und von ber Berfertigung eines Meiſterfrückes feine Rede. In den Älteren Zunftordnungen wird in Betreff ber Aufnahme eined Meifterd nichts weiter gejagt, als daß ber Auf zunehmende Die geſetzlichen Einſtandsgebüͤhren zu entrichten habe und unbejcholten fein müfje Sogar in ben ſchon umgewanbelten Zunft-

24°

372 xIH. Die Yranffurter Zünfte im Mittelalter.

orbnungen von 1377 ift beiden Aufnahmebebingungen nur noch bie eine binzugefügt, daß ber Betreffende vorher Bürger geworben und die Erlaubnig des Rathes eingeholt haben müſſe. In einem Artikel der Wollenweber von 1377 wird noch dazu ber Fall, daß einer von einem anderen Handwerk zu dem der Wollenweber übertrete, ange nommen und ſelbſt für diefen Fall nichts Anderes vorgejchrieben ?). Eine aus der Zeit um 1500 ftammende Ordnung der Golbjchmibte handelt in nicht weniger als ſechs Artikeln von den Aufnahme bedingungen, und doch ift auch in ihnen von einem Meifterftücke feine Rede, jondern es wird dem Aufzunehmenden zur Bewährung feiner Tüchtigkeit blos dad Eine vorgefchrieben, daß er nach feiner Lehrzeit drei Jahre in Frankfurt gearbeitet haben müſſe, und während biefer brei Jahre nicht mehr ala zwei Meeifter gehabt haben bürfe. Ebenfo jchreiben die älteren Gefeke der Gerber vor, daß ber ala Meifter Aufzunehmende in Frankfurt gelerit haben müſſe, was nicht anders verftanden werben kann, als daß bie Gerber feinen Fremden in ihrer Zunft haben wollten. Das Einzige, worin man eine Meifterprüfung angedeutet finden koͤnnte, ift folgender Artikel ver Zimmerleute von 1355: „Wer in die Zunft aufgenommen werden will, der muß 3 Pf. Heller, 3 Pf. Wach und drei Viertel Wen geben; und wäre es Sache, daß einer käͤme, ber unfere Zunft begehrte und ein Bieber- mann wäre, ber fein Handwerk fennete, der müßte bad vorgenannte Geld, Wach und Wein geben”. Allein ver Augbrud „ver jein Handwerk Tennete” bedeutet offenbar keine anzuftellende Prüfung, fondern nur daß ber Betreffende den Meiftern ala ein gelernter Zimmermann bekannt fei, weil, wie aus biefer Vorjchrift hervorgeht, die Zimmerleute feinen, der nicht von ihrem Handwerle war, in ihrer Zunft haben wollten. Die Handwerker jener Zeit waren zu jehr Leute von gejundem praftifchen Verftande, als daß fie bei einem Manne, den fie bereit? ala Handwerkögejellen kennen gelernt hatten, noch eine bejondere Prüfung nöthig gefunden hätten.

Die erfte VBorjchrift einer Meifterprüfung kommt gerade mit dem Beginne der neueren Zeit vor und zwar zuerft bei ven Bädern, den

1) „Auch wulde ymand, ber ein ander bantwerg konde, fin bantiverg abe tun und biß briben, ber fal mit bem Made ußtragen und dan bem hantwerg fin recht geben, als vor gefchreben fleet; warn baz gefchicht, fo mag er diß hant⸗ werg tryben“.

XI. Die Frankfurter Zünfte im Mittelalter. 873

Bendern und ben Goldſchmidten. Ste wird aber bei allen brei Zünften jo erwähnt, daß fie deutlich als eine neu eingeführte Vor⸗ ſchrift erjcheint. Ja, bei ven Bädern wird diefe Prüfung noch dazu nur für den Fall angeorbnet, daß man bie Werktüchtigleit des fich um dad Meiſterrecht Bewerbenden nicht bereits kenne. In ihrem Zunftbuche findet ſich nämlich eine Rathsverordnung, welche um dag Jahr 1512 erlaſſen worden iſt und ſo lautet: Es ſolle hinfüro feiner in das Baͤcker-Handwerk aufgenommen werben, ber nicht, wenn die Bäder über jeine Kenntniß desſelben im Unklaren wären, vorher in einem ihm fremben Ofen bewiefen habe, daß er Brod zu baden verftehe!). Für die Bender oronete um biejelbe Zeit, nämlich 1495, der Rath ebenfall® eine fürmliche Meijterprüfung an, welche nad dem Wortlaute feiner Verorbnung auch bei diefem Handwerk als eine neue Einrichtung erjcheint (j. Anm. 213). Diefe Einrichtung ift, wie man fieht, nicht aus den Zünften jelbft herporgegangen, fondern vielmehr ihnen vom Rathe, als derſelbe die Zunft-Gefeh- gebung ganz in feine Hand genommen hatte, aufgebrungen worden.

Was die eigentliche Gewerbs- Polizei betrifft, jo war fie in Frankfurt bei allen Zünften, außer bei ven Bädern, Mebgern und Wollenwebern, unbefannt und ungebräuchlid. Von den genannten drei Gewerben aber waren bie beiben erfteren diejenigen, bei denen fie Ichon in der früheften Zeit im Intereſſe aller Stadtbewohner durchaus nöthig zu fein ſchien. Bei den Bädern gingen baber auch gleich anfangs die gewerböpolizeilichen VBorfchriften nicht von der Zunft, jondern von der Stadtbehörde aus. Schon bie ältejte Raths⸗ verorbnung, in welcher die Frankfurter Zünfte erwähnt werben, bie bereitö angeführte von 1284, ift eine in Betreff der Bäcker getroffene Berfügung, durch welche da Publikum gegen Beeinträchtigung geſchützt werben jollte ?). Weil es fich mit biefem Handwerke jo verhielt, haben auch die Bäcker beim beginnenden Zünfte- Aufftanve, troß der dafür günftigen Lage ber Dinge, nicht daran gedacht, die obrigfeitliche Aufficht Aber die Bäcderwaaren aus ihrer Zunftorbnung zu befeitigen.

2) ‚Der Rab ift uberfomen, das hinfuro Feiner Inn das becker hantwerg uff gnomen werben foll, denn bie beder bebunfet ober zwiffeln, das einer fin hantwerg nit Tonne, ber ſy dan zuvor inn eynem frembben offen verfuchet, das er brot zu baden geſchickt ſy“.

2) Sie ſteht bei Böhmer, p. 214.

3764 XIIE. Die Frantfurier Zünfte im Mitteleiter,

And) die Metzger, welche früher einer ſolchen Aufſicht wielleicht nicht unterworfen waren, begründeten 1855 ihr herfümmliches Recht, das m der Stadt durch Fremde feil gebotene Fleiſch zu befichtigen, wit der im Spmterefie des Publikums beischenpen Nothwendigkeit, indem fie erflätten, nit um ihres eigenen Nuhens willen finde dieſe Beſichtigung Steit, fondern wegen der Gefahr, welche ſonſt dem gemeinen Lande drohe. Was aber die Wellenweber betrifft, fo übten dieſe allerdings ſchon frühe eine zünftige Gewerba⸗Polizei and. u ihren älteften Geſetzen iſt nämlich die Prüfung und Verbleinng ber verfertigken Tücher, fowie eine beftimmte Läfige und Breite derſelben vörgefchrieben, der Anlauf von Weid ohne vorbergegangene Befichtigung durch die Vorſteher verboten, jedem Meifter der Gebrauch von nur zei Webeftühlen geftattet u. bel. m. Allein diefe Zunft war b—amalz bie größte, für den Wohlſtand der Stadt wichligfte und in gewerb- licher Hinficht am meiſten entwidelte von allen, und fie erſcheint nad ihren Zunftgefegen nicht als eine Geſammtheit von neben einander arbeitenden Deeiftern, ſondern vielmehr gewiſſermaßen al eine Art von Gewerbs-Aſſociation. Auch Tiegt ihren bie individuelle Gewerbsthaͤtigkeit feſſelnden Beitimmungen nur Ein Mal ein einfeitig egoiftifchee Motiv zu Grunde, nämlich damit fich der eine ebenfo gut ernähre, als ber andere 1). Alle anderen ausgeſprochenen Motive bagegen beziehen fich, fogar noch in den zwanzig jahre Später abge faßten Gefegen, auf die Wahrung des guten Namens, welchen wie Erzeugnifje dieſer Zunft hatten. Einige Beifpiele mögen dies nad weifen: bie Tücher ſollen ſtets eine und diejelbe Länge und Breite, fowie eine beſtimmie Art von Gewebe haben, damit „Lie Gäfte (d. 5. die auswärtigen Käufer) bewahrt werben unb bie Mitbürger Glauben behalten”; keiner fol zur Rachtzeit weben, „weil man Nachts nicht fo guted Gewand weben kann, als am Tage”; keiner fol die zum Gewerbe nöthige Afche ohne vorhergegangene Beſich⸗ tigung durch bie Vorſteher kaufen, damit „matt nur gute Aſche Taufe und ben Benien ihr Gut bewahrt werbe”; Ligen ſollen an bie Tücher nur angemwebt, nicht angenäht werben, „um baß niemand

1) Dieſes Motiv if zwar niet in ben Alteren Wollenweber⸗Geſeten, ſondern nur in benen von 1877 ausgeſprochen; allein bie beſchränkende Vorſchrift, auf welche fich dasſelbe bezieht, findet ſich ſchon in ben älteren Geſetzen.

ZI. Die Frankfurter Zünfte im Mitielalter. 375

beirogen werde”; waſchen joll man jeden Tag nur Ein Stüd Tuch, „damit die Tücher deſto bejjer gemacht werben”.

In den älteren Geſetzen aller übrigen Zünfte finden wir ſolche bie freie Thätigkeit des Einzelnen fefjelnde, feinen Gewerbfleiß be ſchränkende Beſtimmungen nicht, wohl aber Strafanfäge für fchlechte Arbeit und für Beirug Zwar juchten, wie wir aus alten Raths⸗ verorbnungen erjeben, fchon um 1850 auch andere Zünfte jenen Weg einzufchlagen, indem fie fich über einen von allen Genoflen einzubaltenden Preis der Arbeit verftändigten; jene Rathsverord⸗ nungen jprschen aber zugleich auch aus, daß dies eine Neuerung war, und verbsten fie als folche von Raths wegen!) Ebenſo beftreitet eine andere Rathöverorbnung aus jener Zeit den Zünften geradezu daS Hecht, gewerbliche Vorfchriften zu machen, indem fie ausſpricht, jedes Miüglied einer Zunft fei diefer zu Feinem anderen Gehorfam verpflichtet, als daß dasſelbe feine militärtiche Obliegen- beiten erfülle und den Firchlichen Zwecken der Zunft diene ). Dieſe Zeiten einer durch Zunftgeſetze nicht beſchränkten Gewerbäthätigfeit übten baher auch einen wohlthätigen Einfluß auf dag Emporblüben der Gewerbe, wie auf den Wohljtand ver Handwerker aus. Dem freien Gedanken und feiner Anwendung war in ben älteren Zeiten bei den beutjchen Handwerkern in jo ungehemmter Weile Raum gewährt, dag biefe Gewerbäleute fchon im vierzehnten Jahrhundert eine Erfindung machten, die wir irrthümlich für ein Ergebuiß des fortgefchrittenen Geiſtes unferer Zeiten zu halten pflegen. Ich meine bie wichtige Erfindung der Theilung der Arbeit, durch welche dieſe befier und Hilliger gemacht wird. Deutſche Handwerker waren es, welche diefe Erfindung gegen bad Ende des Mittelalter gemacht haben. Schon 1380 habe ich in einer Urkunde ber nieverrheinifchen Stadt Düren angegeben gefunden, daß die Schuhmacher diefer Stadt aus zwei Theilen beftanden, aus folchen, welche Schuhe für Er- wachfene, und aus folchen, welche Schuhe für Kinder verfertigten 9).

1) &. Senckenberg, Sel. I. p. 14 u. 15.

2) Senckenberg, Sel. L p. 22 8q.: „Man if} uf bem gemeinen Rabe ubir- komen, wo ein man odir ein frame in eyner zunfft ift, ber enſal ber zunfft nicht ann, dan zu ber fiebe moben zu ugpertin und zu hen kerczen, darzu fullen fie

ienen“. 2) In zwei Karmeliter⸗Urkunden, bie fich im Frankfurter Stadt: Archiv

376 XIII. Die Frankfurter Zümfte im Mittelalter.

Dies allein will allerdings noch nicht viel bedeuten, wohl aber ber Umftand, daß bie Nürnberger Rothſchmidte ſchon um jene Zeit eine wirkliche Theilung der Arbeit unter fich eingeführt hatten: der eine von ihnen gab fih nur mit bem Formen ab, ber Andere beſorgte bios den Buß, ein Dritter verfertigte blos den Schaft der Leuchter, ein Vierter bloß den Fuß und ein Fünfter den Henkel berfelben ?). Ebendasſelbe Nürnberg, am Ende des Mittelalter die bedeutendfte Gemwerbaftadt von ganz Europa, beflen Gewerbs⸗Induſtrie aber ganz in den Händen feiner Handwerker lag, erregte dad Staunen und bie Bewunderung eined berühmten Bhilofophen und Mathe— matikers bes ſechszehnten Jahrhunderts, bes Petrus Ramus, dadurch, dag Nürnberg zuerft von allen Städten und Staaten auf Staats- Toften einen Lehrer der Mathematik anftellte, nicht um gelehrte Vorträge zu halten, fondern vielmehr um, was damals unerhört ichien, bloße Handwerksleute in beutfcher Sprache zu unterrichten 2).

Einen traurigen Gegenfat gegen jene Zeiten einer fich frei bewegenden und zu fchöner Blüthe entfaltenden Gewerbsthätigfeit der Zünfte bilden die Frankfurter Zunftordnungen des Jahres 1377, welche der Rath den Zünften octroiirt hatte; denn fie deuten ſchon die beginnende Zeit einer von den Zünften ausgeübten, engherzigen Gewerbs-Polizei an, welche vom Rathe bereitwillig unterjtügt wurbe. Die beſchränkenden Vorfchriften der Wollenweber find nicht nur ſehr vermehrt, ſondern fie finden auch bei den anderen Zünften Nach— ahmung: kein Bäder darf unter dem feſtgeſetzten Preiſe verkaufen, fein Maler beim Einkaufe jeiner Farben ein beſtimmtes Marimum bed Preiſes überjchreiten, fein Scheerer fein Aushängeſchild mehr als zwei Ellen weit hinaus reichen laſſen u. dal. m. Die Zünfte

befinden, außgeflellt zu Düren 1880 und 1888, wird das Gewerbe eines bortigen Bürgers mit den Worten angegeben,. baß er puerorum calceator oder puerorum calcifex jet.

S. Mannert's Ueberblid von Nürnberg’s Auffeimen u. f. w., ©. 88.

) P. Rami Schol. mathem. p. 65: Illud de civitate hac (Nürnberg) singulare atque apud omnes civitates praedicandum, stipendium dare de publico mathematum professori, non ei solum, qui doctis et eruditis prae- legat, sed ei, qui vernacula lingua Latinae Grascaeque 'ignaros artifices erudiat; hinc etiam nobiles sine literis artifices, imo mathematicae disciplinae apud posteros doctores,

XI. Die Frankfurter Bünfte im Mittelalter. 377

gaben, indem fie auf diefe Bahn übergingen, nach und nad) bie ehrenhafte und einflußreiche Stellung politifcher und ſocialer Eorpo- rationen auf, und machten fich felbft zu bloßen gewerblichen Ge⸗ noffenfchaften; und dag der Math ihnen dabei feine Hülfreiche Hand reichte, beweiſen die vielen Rathsverordnungen bed fünfzehnten und ſechszehnten Jahrhunderts, durch welche das Publikum in gewerb- licher Beziehung immer mehr von den Zünften abhängig gemacht, dagegen aber auch dieſe in ihrer politiſchen Stellung und Macht immer mehr beſchränkt wurden.

Auch der Zunftzwang, d. h. die Vorſchrift, daß ein Handwerk nur von den Mitgliedern der betreffenden Zunft getrieben werden dürfe, beftand in älteren Zeiten nicht. Es ſcheint vielmehr urſprünglich auch in Frankfurt für jeden Bürger dieſelbe unumfchräntie Gewerbes freiheit beitanden zu haben, deren gleichzeitiges Beftehen in den nord⸗ deutfchen Städten Wilda (S. 302 flg.) nachgewiefen hat. Es ift ung wenigften? aus den älteren Zeiten gar Feine Angabe überliefert worden, welche auf das Entgegengefeßte würde ſchließen laſſen. Im Gegentheil, die ältefte Frankfurter Zunftorbnung, die es gibt, bie ber Schneider von 1352, enthält nicht die geringjte Andeutung eines Zunftzwanged. Außerdem bat fi aus berjelben Zeit eine Raths⸗ veroronung erhalten, welche ben Zimmerleuten, Steindeckern und Steinmetzen, als diefelben zur Herbeiführung eines Zunftzwanges mit einander in Verbindung getreten waren, eine folche Verbindung unterfagte, und ihnen bei ſchwerer Strafe gebot, feinem Einheintichen und fremden bag Arbeiten zu verwehren !). Auch bie vierzehn Zunft: orbnungen, welche 1355 die damals beftehenden Zünfte dem Rathe zur Beftätigung vorlegten, fprechen für daS frühere Nichtbeitehen eine? Zunftzwanged. Bon dieſen vierzehn Zunftordnungen enthalten nämlih nur fteben einen auf etwas der Art hindeutenden Artikel, aber auch in ihnen wird ber beanfpruchte Zunftzwang nicht im

1) Senckenberg, Sel.L.p. 15: „Auch bant bie zymmerlude, bie ſteynbeder und bie ſteynmeczen eyne zunfft mit einandir. Die zunfft fall allir dinge abe fin, Auch fullen fie eynen yglichen hy lazſin erbeiben um fein geld, be ſy burger abir gaft, unn enfullen ime bed nit werin” u. ſ. w. Die angebrohte Strafe beftand für das eritere Verbot in Stabtverweifung auf brei Monate ober ber Zahlung von 10 Pfb. Heller, für das zweite in Stabtverweifung auf einen Monat ober ber Zahlung von 8 Pfund.

378 XIE, Die Jrankperier Fünfte im Diittelaisen.

bentigen Siune des Wortes genenmen; denn es wird in ihnen nicht geforbert, daß ein Unzünftiger das betreffende Haudwerk nicht treiben dürfe, fonbern vielmehr, daß jeber, der ed treibe, in bie Zunft eintreten folle oder, wie die Bender ſich ausdrückten, genöthigt werbe, „Lieb und Leid mit ber Zunft zu leiven bei der Stabi unb wo es Noth geſchehe“. Es ſollte aljo das Betreiben eines Gewerbes wicht vom Aunftrechte abhängen; wohl aber follte derjenige, welcher _ es betrieb, „ber Zunft gehorfam fein”, d. h. biefelben politischen, militärifchen, focialen und gewerblichen Obliegenheiten übernehmen, zu vweldgen feine Gewerbsgenoſſen verpflichte waren. Daß auch hirrin die Wollenweber eine Ausnahme bilbeten, verſteht ſich nach dem, was oben über ihre in eine gewerbliche Aſſociation umge⸗ wandelte Zunft geſagt werben iſt, von ſelbſt. Bei ihuen allein iſt daher auch mit jener Yorderung ein moderner Zunftzwang gemeint, nnd dies ift ſelbſt in zweien ihrer Artikel deutlich mit den Worten ansgefprochen: „Wer unfer Meifterrecht nicht bat, der foll gewille Arten von Tüchern nicht machen dürfen”, und: „Welche Tucharten wir nicht machen dürfen, die foll auch Fein Anderer außerhalb ver Meilen in die Stabi bringen und feil bieten”.

Daß bie anderen Zünfte, welhe 1355 das erwähnte Verlangen ausiprachen, ben eigentlichen Zunftzwang nicht in Anfpruch nahmen, läßt fi) von einer berjelben fogar noch auf beſtimmtere Weiſe bare hun. In derjelben Zunftordnung der Bäder nämlich, in welcher ein Artikel jenes Verlangen enthält, ſpricht ein auberer von den in der Bannmeile wohnenben Ausbädern, und nimmt für die ſtädtiſchen Bäder das Recht in Anſpruch, daß die Letzteren ihre Laibe ebenjo groß oder Mein machen dürften, ala jene «3 thun würben, woraus alfo die fortwährend beftehenbe Concurrenz mit den Ausbäckern fich ergibt. Aber jogar von noch weiter her burfie damals Brob in die Stadt gebracht werben. Dies folgt nicht bloß aus einer der befaunten von Sendenberg mitgetheilten Rathsverordnungen, nach welcher diejelben Leute, die das Brod ber ftäbtiichen Bäcker zu befichtigen batten, auch dad von außen her eingeführte befichtigen folkten, fondern auch auß den Stadt-Rechnungsbüchern, in welchen häufig die Erhebung des Mahlgelves für ſolches Brod eingezeichnet ift (im Jahre 1382 z. B. einmal mit dem Ausbrude: für Brod, dad von Miltenberg herabfam). Auch von einer anderen jener

XIIL Die Frankfurier Zümfte im ittelafter. 379

Reben Zünfte, der der Mebger, laͤßt ſich in gleicher Weiſe darthun, daß fie das Recht des eigentlichen Zunftzwanges nicht beſaß. Friſches Fleiſch durfte bis in das fünfzehnte Jahrhundert hinein in die Stabt gebracht und verkauft werben, wie der Umſtand beweilt, daß 1423 dies mit den Worten verbeien ward, es folle fernerhin wicht mehr gefcheben. Aber ſelbſt dieſes Verbot war Tein unbedingtes; denn in derſelben Rathsverordnung, welche e3 enthält, wird erklärt, jeder Bürger und Einwohner dürfe feinen Bedarf an Fleiſch vom außen ber beziehen, nur dürfe er ihn nicht durch ven fremben Meuger jelbft herein bringen laflen!).

Erft im Jahre 1377 findet fih in allen Zunftgeſetzen die von Raths wegen gemachte Vorſchrift, daß jever, welcher ein Handwerk treibe, der betreffenden Zunft angehören mäfje. Jedoch wurde auch dieſe Vorſchrift eine Zeitlang noch nicht allgemein befolgt und ftreng gehandhabt; denn in dem officiellen Bürgerverzeichnifie von 1387 find noch manche Handwerker nicht bei ihrer Zunft, ſondern unter den ungünfligen Bürgern eingetragen. Mit dem Anfange des folgenden Jahrhunderts dagegen fette fich der Zunftzwang in Frankfurt feft. Sobald dies geichehen war, erhielt die gewerbliche Seite des Zunft weſens das Webergewicht, bie übrigen Seiten besfelben verloren immer mehr an Bebeutung, und die Zünfte wurben endlich daS, was fie nachher geblieben find, bloße Gewerbögenofienichaften.

Ehe wir nun bie innere Einrichtung ver Zünfte betrachten, if es nöthig, noch einmal auf die ältefte Zeit derſelben zurüdzubliden, am den großen Unterſchied zu erkennen, welchen pie bamaligen Zünfte als jelbititänbige Körperfchaften von benen der |päteren Zeiten bildeten. Ihre frühere Selbititänpigfeit war fo groß, daß man gerabezu jagen kann, bie Zünfte feien damals eime für bie Regie⸗ rungöbehörbe bedenkliche Macht im Staate geweſen. Die Regierungs⸗ behörbe war nämlich überwiegend (in manchen anderen Stäbten fogar gang) aus Gliedern des anderen Theiles ber Bürgerfchaft zufammengejeßt; biefer andere Theil war aber in fich nicht von fo homogener Art, wie die zünftige Bürgerfchaft, und durch Gliederung in einzelne natürliche Gruppen nicht jo organifirt, wie bie Lebtere. Es war daher zu beforgen, daß die Zünfte völlig das Webergewicht

’) Handſchriftliches Geſehbuch des fünfzehnten Jahrhunderts, Blatt 46.

380 XIII. Die Frankfurter Zünfte im Mittelalter.

über die Gemeinde erhalten möchten. Auch wurbe wirklich in Frank⸗ furt, wie in faft allen anderen deutfchen Städten, um die Mitte des vierzehnten Jahrhundert? von den Zünften ein gewaltfamer Verſuch dazu gemacht. Kurz vor diefem Verſuche, welcher die Macht ver Zünfte im glänzenditen Lichte erjcheinen Tieß, hatte der Rath, bie drohende Gefahr erfennend, fich bemüht, die Zünfte in ihren Rechten und ihrer Macht einzufchränten; denn fie ganz zu befeitigen, war nad) der Natur des ftädtifchen Organismus fo wenig möglih, daß man im Mittelalter fogar niemals daran gebacdht hat. Jene ver- geblihen Schritte de Rathes find uns aus einer Anzahl Raths⸗ verordnungen befannt, welche Sendenberg mitgeteilt hat. Der Rath fuchte erftend zu verhindern, daß die Zahl der Zünfte ſich vermehre, indem er verbot, neben ven bereits beitehenden Zünften eine neue zu bilden. Er erflärte zweitend, daß man, ohne vorher feine Erlaubniß dazu eingeholt zu haben, feine Trinkſtube einrichten bürfe. Er verbot brittend den Zünften, Geſetze unter einander zu machen ohne des Rathes Wiſſen und Willen. Er fuchte viertens bie Strafgewalt der Zunftvorſteher auf die militärischen und kirch⸗ lichen Pflichten der Zunftgenoffen einzufchränten, indem er befannt machte, daß über Beide hinaus fein Mitglied einer Zunft ſchuldig ſei, dieſer Gehorſam zu leiften. Er erflärte fünftens alle in und unter den Zünften gemachten eivlichen Berfprechungen (Glubede), welche dem Gerichte Eintrag thäten, für ungültig. Er bob ſechstens eine Verbindung anf, welche die Zimmerleute, Steindecker und Steinmeßen mit einander gefchloflen hatten, um höhere Preiſe für ihre Arbeit durchzufegen und den eigentlichen Zunftzwang einzuführen. Er that endlich ſiebentens ebendasſelbe gegenüber ven Schmibten, weldye eine neue Zunft gebildet und die Einhaltung gleicher Preife unter fich feſtgeſetzt Hatten. Alle diefe Schritte erreichten ven beabfichtigten Zweck nicht, fie trugen vielmehr dazu bei, daß 1355 dic Fünfte ihrerfeitö den Weg der Gewalt beichritten und das ftäbtifche Regi⸗ ment von fich abhängig zu machen fuchten.

Der Aufftand, welchen damals die Zünfte machten, nahm einen für fie unglücklichen Ausgang, und fie büßten in Folge desſelben die Selbftftändigfeit ein, . die fie bis dahin gehabt halten und nie mehr wieder erhielten. Dieje frühere Selbſtſtändigkeit der Zünfte war eine fehr ausgedehnte. Sie zeigt fich nicht etwa blos darin,

XII. Die Frankfurter Zünfte im Mittelalter. 381

daß früher jede Zunft ihr eigened Siegel hatte und gebrauchte, woburd fie als eine anerkannte moralifche PBerfon erichten, vie in ihren eigenen Angelegenheiten unabhängig waltete. Bei der Unter: drüdung des Zünfte-Aufjtandes (1366) wurde von Reichs wegen das Siegel einer jeden Zunft zerfchlagen und der Gebrauch desſelben verboten. Doch erhielten die Zünfte das Necht, Siegel zu haben, wahr: ſcheinlich ſchon kurze Zeit nachher wieder.

Zu derſelben Zeit, in welcher man ben Zünften ihre Siegel zerichlug, wurden fie auch eined anderen wichtigen Rechtes beraubt, welches fie früher befeflen hatten, nämlich des Rechtes, bei der Auf: nahme in ihre Genoflenfchaft an keine fremde Zuftimmung gebunden zu fein. Bon 1366 an durften fie niemand mehr ala Mitglie aufnehmen, ohne dak ber Rath dazu bie Erlaubniß gegeben hatte. Alle Zunftorbnungen von 1377 enthalten die Vorfchrift: keiner bürfe in die Zunft aufgenommen werben, der nicht zuvor Bürger geworden jei und es mit dem Rathe ausgetragen babe. rüber war von einer folchen Beſchränkung nie die Rede geweſen, ſondern die Zünfte hatten ganz nach ihrem alleinigen Ermeflen jedem vie Aufnahme gewähren oder verfagen können. Ja, fie hatten früher fogar nicht einmal darnach gefragt, ob ber Aufzunehmenve ein Bürger der Stadt fe. Nur die ilcher hatten eine Ausnahme hiervon gemacht, indem in ihren Geſetzen von 1355 neben anderen Aufnahmebebingungen auch die außgefprochen ift, daß der Betreffenve Bürger jein müßte. Bei allen anderen dagegen wurbe eine ſolche Bedingung nicht nur nicht geftellt, fondern in ber Steinmeßen- Ordnung von 1355 findet fich ſogar das Entgegengeſetzte geradezu ausgeſprochen; denn derjenige Artikel berjelben, welcher von ber Aufnahme handelt, fängt mit den Worten an: „Welcher Meifter in bie Zunft kommen will, er fei gejefjen oder fremd, ver fol u. ſ.w.“ Auch behielt früher, wenn man aus einem Artifel der Schuhmacher auf die übrigen Zünfte zurückſchließen darf, derjenige, welcher das Bürgerrecht aufgab und die Stadt verließ, fein Zunftrecht bei; nur wußte er wie jeder Andere fortfahren, feinen viertelfäbrlichen Beitrag in die Zunftlaffe zu leiften *). Nach ven Gefegen von 1377 dagegen

1) „Wers auch face, daz eyner von unglüdes wegen uz ber flab fure, wer ber were, gibet be dan fin fronefaſtengeld, fo beiehet man ime der gefellefchaft;

B82 XIH. Die Yonıkfurter Zünfte Im Belttelalter.

hörte ein jeder, weicher das Bürgerrecht aufgab, zugleich auf, Mit⸗ lied der Zunft zu fein, und cr mußte, wenn er in die Stadbt zurücktehrte und wieder in die Zunft eintreten wollte, zuerſt aufs neue Bürger werben wid alle übrigen Aufnahmebedingungen woch einmal erfüllen. Uebrigens fügten ſich die Zünfte, ala 1877 bie obrigkeitlihe Genehmigung ala Vorbebingung für die Aufnahme im eine Zunft außgejprochen worden war, nicht fofort in tiefes Be⸗ gehren. Sie wagten ed vielmehr noch faſt fünfzig Jahre lang, hiervon abzuſehen. Dies geht aus einer Rathsverordnung von 1433 hervor, in welcher jenes Gebet ala ein bisher zuweilen nicht befolgtes aufs neue eingejchärft wurde (j. Anm. 214). Noch beut- licher aber eriennt man das fortwährende Widerſtreben ber Zärfte, isre frühere Selbfiſtaͤndigkeit wergeifend ji in Die Abhäugigleit wom Mathe zu fügen, daran, daß um 1405 die Wollenmeber 24 Meiſter sufnahmen, ohne daß biefe zuvor die Erlaubniß des Nathe einge: belt nnd dad Bürgerrecht erhalten Hatten. Der Rath machte nachher biefe 24 neuen Wollenweber anf einmal zu Bürgern, und fie wurben, worms wir dieſes Yactum erfahren, mit ber Bemerkung tu des Bürgerbuch eingetragen, fie feien von der Zunft, ohne vorher dem Rote geſchweron zu haben, aufgenommen worben und bätten jetzt ihren Buͤrgeveid gelelftet, obgleich einige von ihnen ſchon Yahre lang das Handwerk als Meiſter in Frankfurt getrieben haͤften.

Die frühere Selbſtſtändigleit der Zünfte zeigt fich außerdem wech in drei verfchienenen Rechten, welche ihnen nach Yen Fünfte Aufſtande entrifien wurden. Sie hatten nämlich im Betreff ihrer eigenen Angelegenheiten nicht nur eine unbeichräntie geſetzgebende Gewalt, ſondern auch ein unbeſchrünktes Werfammlungd und Straf Recht. In ven älteren Leiten machten jie ihre Geſetze ſich Feibft und änderten fie nach Ihrem eigenen Belichen (f. Anm. 215). Daher ertlärten fie auch, als je 1855 vom Mathe die Beftätigung Ihoer alten Gefetze verlangten, biefe für Gewohnheiten, welche fie von

wirt be aher fung bar ane, bad be fie nicht engibet, fo wirluſet he die geſelle⸗ ſchaft (Böhmer, p. 641) Daß bier unter des „us ber fand faren” das Auf⸗ geben des Bürgerrechtes mit gemeint ifl, zeigt die bei Böhmer, p. 750, ftehenbe, Borjchrift von 1377, indem bdiefelbe non demjenigen, welcher feinen Wohnfig aus Frankfurt verlege, fagt, ein folcher müſſe, wenn er das Handwerk in Frankfurt wieber treiben tolle, vorher aufs neue Bürger werden.

XIH. Die Franfſurier Binsfe im Mlttelafiter. 583

ihren Vorfahren überlommen hätten; und es iſt babei von dem Rache der früheren Zeit nicht weiter bie Rede, ala daß fie fagen, berielße habe ihren Borfahren dieſe Gewohnheiten gegönnt, d. h. er habe nichts gegen biejelben eingewendet 2). Auch würbe ja, wenn ſich die Sache anderd verhalten hätte, bie 1355 durch bie Zünfte vom Rathe verlangte Beftätigung ihrer AZunftgefebe gar keinen Sinn gehabt Haben. Site wurde von ihnen nicht ala eine für bie Recht⸗ mäßigkeit derfelben nothwendige Form, fonbern offenbar blos aus dem Grunde verlangt, um ber Wieberholung des oben erwähnten Verſuches vorzubeugen, ben ber Rath Turz vorher gemacht hatie, und durch welchen er die gejeßgebende Gewalt über bie Zünfte fih an- zueignen gejucht hatte. Auch ber in einigen älteren Zunftverordnungen ftehende Artikel, daß die Beichlüfle der Zunft wicht in dasjenige, was dem Gerichte und dem Rathe zugehöre, eingreifen bürften, if feine die zünftige Geſetzgebung beſchränkende Sache, ſondern eiwas, bad ſich im Grunde won ſelbſt verftand?). Eine ebenſo ſich von ſelbſt verſtehende Befchränkung tft der in den älteren Bäckergeſeten enthaltene Artikel, daß die Beſchwerden über das Brob unb über die Bäckerſchweine nicht von dee Zunft entichieben werden dürften, fondern dem Rathe und ben in bemjelben ſitzenden Bäckermeiſtern anheimzugeben fein. Dagegen bildet die Stellung, welche ber Rath den Zünften nad) ihrem Aufftande gab, einen wahren Gegenfat gegen die frühere Stellung derſelben. Der Rath fbellte eine jede

1) So heißt es 3. B. In ben Geſetzen ber Schuchmwurten von 1855: „unfe gewonheid, die unfir alder uff uns brocht han unb umir alderu unfern albern dez wale gegunt han’. Sogar ber von ben Meßgern damals gebrauchte Ausbrud: „Dis recht Ban unfir aldern gehabit bis here von uwern aldern‘ kann nicht anders verfianden werben; in ber unmittelbaren Fortfegung dieſes Sapes heißt ed: „unde auch von unfer eynunge und unfe eynmudekeid und willefure, bie wir felbir undir einander dun, das ir uns bar an nicht enbrangit, warn uns dar zu beholffen umb unſir eynunge“.

9) Beiſpiele foldger Artikel And: erfiens bei den Bewanbwmachen: „Auch han wir bie gewonheid von alder, das wir finden mogen, daz unjern Banimerfe nuczlich fy, das wir das hoben unb wybbern mogin, baz bem gerichte abir benz Rabe nicht zugehorit“; zweitens bei den Schuchwurten: „Auch ift unſtr gewonheib here komen, ob wir feine befcheibenbeib unber und funden, das dem hantwerk erlich adir muczlich ſy, unb wir nobe welben dun, bas ben Mat abir baz gerichte wit ichte gelehen mochte‘.

384 XII. Die Frankfurter Zünfte im Mittelafter.

Zunft unter die Aufficht mehrer feiner Mitglieber ), während früher nur Die Bäcker einer ſolchen Aufficht unterworfen gewefen waren. Er behielt ſich außerdem auch das Recht vor, in einer jeden Zunft⸗ Ordnung zu Ändern, was und wie oft er wolle?), und übte fortan die gefeßgebende Gewalt über die Zünfte in fo vollftändiger Weiſe, dag von biefer Zeit an faſt jeder neue Artikel der Zunftgefeße die einleitenden Worte enthält, der Rath babe venfelben ver Zunft auf deren Bitte gegönnt ober zugelafien.

Ebenjo ging es mit einem anderen Rechte der Zünfte, welches diefe als felbftftändig waltende Körperichaften früher beſeſſen hatten, mit ihrem Verſammlungsrechte. Bis zu ihrem misglückenden Auf ftande hatten fie dieſes Recht ohne irgend cine Einſchränkung befeflen und ausgeübt, und die ZJunftgebote waren regelmäßig alle Biertel- jahre, fowie noch außerdem, jo oft ed nötbig fchien, von den Bor: ftehern einberufen worben, ohne daß man bie Erlaubnig des Rathes dazu eingeholt hatte. Der Rath hatte nur das Recht gehabt, auch feinerfeit3 die Abhaltung eine Gebote zu verlangen, um der Zunft irgend eine Mittheilung machen zu lafien?). Später dagegen (von 1377 an) findet fich in allen Zunftordnungen ber Artikel: die Zunft dürfe kein Gebot halten „ohne Geheiße derer, welche der Rath dazu geſetzt habe‘).

1) „Die, bie ber Rath ihnen über bas Handwerk aus dem Rathe gegeben bat oder noch gibt“ heißt es in den Zunftorbnungen von 1877.

3) In allen Zunftorbnungen von 1877 findet fich gleich vornen ber Artikel: der Rath behalte fi vor, in allen nachher gefchriebenen Artikeln ſämmtlich und in jedem befonderen zu wandeln und anders zu machen, warn und zu welcher Zeit und wie oft es ihm noth bünfe und gerathen erfcheine.

* ‚Ban wir zu houffe gebyten” ober „Wan wir eyn gemeyn gebote han“ oder „wan man uns zu houffe gebubit um dez bantwerfes nuz“ beißt e8 in den Zunftorbnungen von 1855. Ber Unterſchied zwiſchen den fogenannten Herreu⸗ geboten und ben Gefellengeboten, b. 5. zwifchen ben auf Geheiße des Rathes gehaltenen und ben blos von ben Borftehern veranftalteten Geboten, iſt in ben Schneidergeſetzen von 1853 durch zwei auf einander folgende Artikel fo ausge brüdt: Erſtens Wanne man und zu hauff gebürbit zu dem vier fronfaften abir ein gemein gebot but u. f. w.; zweitens: Auch warn man uns zu bauff gebübet von der Rebe wegen, wer dann daz gebot verfümet u. ſ. w. Uebrigens if, um ein Misverfländniß zu vermeiben, zu beachten, daß in jener Zeit das Wort Geſelle foviel als Zunftgenoſſe, d. 5. alfo foviel als heut’ zu Tage Meifter bebeutete.

4) In dem betreffenden Artifel der Steindeder:Gejehe von 1476 heißt «8

XII. Die Frankfurter Zünfte im Mittelalter. 385

Auch das Strafrecht der Zünfte endlich war früher ein felbft- ftämdigeö geweſen. Es erſtreckte ſich auf alle Mitglieder einer Zunft, ſelbſt die Frauen nicht ausgenommen, ſowie auf alle die verfchiedenen Berhältniffe, deren Gemeinfamkeit in älteren Seiten den Begriff des Wortes Zunft bildete. Die Borficher beitraften ebenjowohl bie Mangelbaftigfeit der Bewaffnung eines Zunftgenoſſen und die Ber: letzung der militäriichen Pflichten durch ihn, als auch feine Nicht Anweſenheit bei einem Gebote ober bei einem Leichenbegängnifje oder beim gemeinfchaftlichen Gottesdienſte. Sie beitraften ferner jede von einen Zunftgenoffen gegen den anderen begangene Injurie und jede Verlegung der gemeinfamen Ehre und Sitte. Sogar wenn eine Meiſtersfrau fich ein beleidigendes Wort gegen eine andere erlaubte, hatten bie Vorfteher das Recht, eine Geldſtrafe über fle zu verhängen. Sa, die Schiffer beftraften fogar Veruntreuungen, welche in ihren Schiffen begangen wurben, und bie Steinveder die Benachtheilung eines Arbeitägebers, obgleich Beides doch eigentlich dem ftäbtifchen Richter zugehörte und fpäter auch blos jeine Sache war. Ebenfo finden fig in den Wollenweber-Gejehen von 1355 zwei auffallende Artikel, welche in denen von 1377 nicht mehr vorkommen. Nach diefen Artikeln durfte erftend ber Rath eine Klage, welche wegen ber in den Zunftgefeßen vorgefehenen Straffälle bei ihm angebracht wurde, nicht annehmen, fonbern er mußte fie an die Zunft verweißen, und zweitend hatten bie Zunftvorficher das Recht, einen Mann oder eine rau, welde dem Handwerke Schaben zufügten, nicht blos durch einen Richter verhaften zu laſſen, ſondern nachher auch bei der vom Bürgermeifter vorzunehmenden Unterfuhung und Beftrafung mit thätig zu fein. Uebrigens findet fih auch fchon in den älteren Zunftgeſetzen die Vorfchrift, daß die Zunftmeifter fi vom Bürger- meifter die Beihülfe eines Richters erbitien mußten, um benjenigen, der die Bezahlung bes Strafgelde® verweigerte, dazu zu zwingen, jowie um einen Nicht Zünftigen am Eingreifen In ihre Rechte zu verhindern. Jedoch halfen fich im erſteren Falle mande Zünfte

fogar noch beſtimmter: „Wan fie von ives hantwerdcks jacken ein gefellengeboit haben wollen, fo follen der jarmeifter (d. i. ber Zunftvorfleher) zum mynſten einer darumb by yr berren, die ym won bem Rabe zugeben fin, oder by it einen fomen und bietien, yne ein gefellengebot zu erlauben, und yne baby ſaigen, waß bie ſaiche ſy“ w ſ. w.

Eriegk, Fraukſ. Burgerzwiſie. 26

386 XL Die Frankfurter Zünfte im Sittelakter.

damit, daß fie. den die Zahlung Verweigernden auf.jo Lange, big er diefelhe leiftete, aus ber Zunft ausfticken. Dieſes Ausftoßen aus der Zunft, und zwar mitunter jogar. für immer, fommt in mehreren älteren Zunftorbnungen ala ein Recht der Zunft und ihrer Bor: fteher vor; bie fpäteren dagegen, mit Ausnahme berer des Mollen- handwerfes, erwähnen dasſelbe nicht mehr. Bei den Wollenwebern jelbft aber hing die Wieberaufuahme eines Außgeftoßenen, welche früher blos Sadje ber Vorftcher geweſen war, jpäter von der Gnade des Rathes ab?). Uebrigens beſtanden die Strafen .faft ſtets barin, daß, der Straffällige eine gewifle Summe Geldes zahlen oder ein beftimmied- Quantuın Wein liefern mußte. Außer dieſen Strafarten fommt nur noch das Verbieten des Handwerkes auf vier Wochen bis zu einem Sabre, das völlige Ausſtoßen aus ber Zunft, bie Wegnahme einer fehlerhaften Arbeit und (bei den Wollenwebern) das Zerbrechen verbeiener Werkzeuge vor.

Die Strafgelver floffen in die Zunftlaſſe; feit 1377 aber mußte der halbe Betrag derjelben an ‚ven Rath, abgeliefert werden. Deshalb wurden fie auch feit dem im Beifein eined Richters einfaffirt, und bie den einzelnen Zünften zugeordneten Rathsglieder mußten die Controle darüber führen. Außerdem behielt fich der Rath in Be treff derer, welche ihren militärischen Verpflichtungen richt gehörig oblagen und dafür ‚von den Zunftvorſtehern gebäßt wurden, noch eine beſondere Beitrafung ſeinerſeits vor. Auch dies- war eine Reuerung. Ebenſo der in. allen Zunftorbnungen von 1377 jtehende Artikel, daß, wenn auch eine Injurie von Zunft wegen beitraft worden ſei, der Beleidigte doch nech bei deir Gerichten Recht ſuchen bürfe. In den Älteren Zunftorbnungen hatte untgelehrt die. Zunft ſich vorbehalten, Im Fall der gerichtlichen Beftrafung eines Zunft genofien. ihrerfeit3 noch eine zweite Strafe zu erthellen ).

1) In ben Älteren Gefeßen ber Wollenweber Heißt es: „fal ein tar das hantwerk entperen, und war ba8 tar komet, jo..fal be teydingen mit unfern- meyſtern (d. i. mit ben Junftvorfichern) umb ire gubbe”. In denen von 1877 bagegen fehlt biefer Zufag, und ‚in einem 1482 vom Rathe hinzugefügten Artikel beißt es: „er fulde des hanwwerckes entberen ein iare uff bes Rades gnade.“

2) „Auch han wir daß recht under und, warme ſich zwene fingen in ber urten, willicher under ben virluve an gerichte, der. mufte unfirn meyſtirn geben zu eynunge achtzehen heller” (Böhmer, p. 640). Yerner: „Auch wo fi frawen

XII. Die Frankfurter Zünfte im Mitielalter. 387

In Betreff der inneren Einrichtung der Fünfte, ſoweit dieſelbe ihre Verwaltung und Leitung beitifft, ift zunächft won den Aufnahme: bedingungen! zu reden. Diefe beſtanden theils in gewiſſen bereits angegebenen Eigenſchaften der Sittfichkeit und Ehrenhaftigkeit, theils in der Entrichtung eines beftimmten Einſtandsgeldes, wegen beffen man dag Eintreten in eine Zunft auch mit dem Ausdrucke „bie Zunft kaufen“ bezeichnete. Außerdem mußte der neu Anfgenommene ſchwoͤren, die Zunftgefetze zu befolgen. Durch jenes Einſtandsgeld kaufte ſich, wie in den SchühmacherGefetzen deutlich ausgeſprochen iſt, der Aufzunehmende in das gemeinſame Eigenthum der Zunft em. Es war ein dreifaches; denn es beftand in baarem Gelde, in Wachs und in Wein. Bei den Schiffern mußte der Aufzunehmende anferdem noch jevem Zunftvorſteher ein Paar Handſchuhe und jedem der übrigen Zunftgenofſen einen Schappel (d. i. einen Huf) geben. Ter baare Theil des Einftandes floß in die Zunftfaffe. Das Wachs würd zu den Kerzen verwendet, die man bei Gottesdienſten gebralichte. Der Wein aber: war zum fofortigen Vertrinken durch die Meeifter Geftimmt'Y). Der Betrag diefer drei Arten des Einftandes war nicht bei allen Zünften derſelbe. Der an Geld belief ſich auf 15186 Pfd. Heller, ver an Wachs auf 1 bis 6 Gewichtöpfüunde; und was den Wein betrifft, fo feinen die Bäcker und Steinmegen am wenigſten, bie Bender dagegen am meiften durſtig und weinltebend gewefen zu ſein, da jene nut 1'Dtertel, dieſe aber 6 Viertel vorgefchrießen hatten 2). Wehrigend brauchte dad Eintrittägelb nicht jofort bezahlt zu werben; bein im mehreren Zunftordnungen wird ausgeſprochen, daß dent Aufgenommenen, wenn er dasſelbe nicht bereit habe, eine Friſt gewährt werben folle, wogegen er aber (wenigſtens nach der Ordnung der Sieinmetzen) einen Bürgen ſtellen mußte:

ſchelden in unſer zunfft, die ſollen vor gerichte gen; williche da virluſet, die vir⸗ luſet auch under uns; koment fie vor gerichte nicht, fo, gebint und wirkufet yglich dry heller; das dun wir durch frides willen‘ (Böhmer, p. 648).

1) „Sechs Vierlel Weins, beißt e8 in ben Kürfchnergefeßen von’ 1886, ben Gefellen (d. i. den Meiftern) zu Kundſchaft, daß der Aufgenommene Geſciie ſei.“ An anderen Zunftorbnungen wird dies kürzer fo ausgedrückt: „zu eime urkunde⸗ oder „zw Erkennmiß des Handwerkes“.

In den Geſetzen von 1377 kommt derjenige Cinſtand, welcher “in "Bade befland, gar nicht mehr vor, und die beiben anderen Arten find für alle Fünfte gleichmäßig auf 8 Pfb. Heller und ein Viertel Wein feftgefeht.

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388 ZUL Die Frankfurter Zünfte im Mitelafter.

Eine Ermäßigung des Einftandägeldes fand Statt, wenn der Aufzunehmende der Sohn oder Schwiegerfohn eines Meiſters war, oder eine Meifterswittwe heirathete. Für alle drei Arten von neuen Zunftgenofjen betrug der Einftand, je nach den verfchiedenen Zünften und Zeiten, theils vie Hälfte, theils bloß ein Drittel, Fünftel oder Sechstel defjen, was andere Neu-Aufgenommene zu entrichten hatten. Dieſes Vorrecht gründete fich darauf, daß die Zunft eigentlih ein auf die Kinder forterbender Verein war, in welden urfprünglich auch nur felten einer aufgenommen wurbe, der ihm nicht ſchon durch Geburt angehörte. Sogar noch 1352 ſetzten die Bäderzünfte von acht Städten, unter welchen auch bie von frankfurt war, in einem zwifchen ihnen gejchlofjenen Vertrage eine Strafe dafür an, dag ein Meiiter einen Knaben, welcher nicht zum Bäcker⸗Handwerk geboren fei, diefes Lehre. Die Aufnahme in eine Zunft gewährte aljo eine Art von erblichem Rechte, oder wie dies in den Schmeibergelehen von 1377 ausgedrückt ift, durch dieſelbe erhielten ber neue Zunftigenoſſe und feine Kinder Necht zu Allen, was dem Hanbiwerke in Gemein- [haft zugehörte. Auch die Frauen wurden beöhalb ala Wlitglieber der Zunft ‚angejehen. Ein Artikel der fo eben erwähnten Geſetze ſpricht ſogar aus, ſelbſt eine unverheirathete Frau koͤnne in das Handwerk aufgenommen werden, ſie habe dafür die Hälfte des für Männer vorgeſchriebenen Eiuſtandes zu entrichten, und erhalte dadurch für ſich und ihre Kinder Recht zu dem Hankwerfe!). Uebrigens durfte eine Wittwe bad Gefchäft ihres Mannes forttreiben. Diez ift zwar in den älteren Frankfurter Zuuftgeſetzen nicht ausgeſprochen; allein hieraus würde eher zu folgern fein, daß man es als eine ſich von jelbft verftehende Sache anfah, als daß es verboten geweſen fei. Im fünfzehnten und jechözehnten Jahrhundert wird. biefeg Hecht der MWittwen in zwei Zunftorbnungen geradezu als folches anerkannt, und von ihnen darf man wohl auf die übrigen, ſowie auf die frühere Zeit zurüdjchliegen. Diefe zwei Junftorbnungen find bie ber Fiſcher und die der Golpjchmibte ?).

1) „Auch welche frauwe bit bantwerg triben wil, bie nyt mannes enhat, fie fol" u. f. w. Daß bier nicht etwa die Wittwe eines Meiſters gemeint if, folgt aus dem lmftande, daß zugleich gefagt wird, eine folde Frau müſſe vorher Bürgerin werben.

) Zu ber Letzteren findet fich folgender Artikel: „Ob eyn wittwe unverandert

XM. Die Frankfurter Zünfte im Mittelalter. 589

Was die inneren Einrichtungen ſelbſt betrifft, fo beſtand eine jede Zunft auß ber Gefammtheit aller derer, welche in fie aufge: nommen worden waren. Dieſe hatten vom Augenbii ihres Ein⸗ tritted an den Titel Meiſter. Sie hießen jedoch zugleich auch Geſellen, welches Wort ſoviel als Zunftgenoſſe bedeutete, und ftatt beffen auch einmal!) das Wort Zunftgefelle vorkommt; denn bie heut’ zu Tage übliche Bezeichnung der Arbeitögehülfen mit diefem Worte war dem Mittelalter fremd. Man nannte bie Kebteren damals Snechte, und der heutigen Begriff erhielt das Wort Geſelle erſt am Ende des Mittelalter”). Jede Zunft hatte ihre befonderen Borftcher, forte ein ihr gehörended oder von ihr gemiethetes Haus oder ſtatt desſelben eine beiondere Stube, in welchem ober in welcher bie "Gebote und die Urten gehalten wurden. Jede Zunft bildete ein abge- ſchloſſenes Ganze. Es gab zwar in Frankfurt mehrere Zünfte, welche in zwei Theile gejchievden waren, ohne dag wir den Grund daven kennen; allein auch dieſe bilveten deſſenungeachtet nur je eine Zunft, und Heide Theile waren denſelben Zunftgeſetzen unterworfen, und hatten eine gemeinfchaflliche Zunftkaſſe. Eine ſolche Scheidung in zwei Abtbeilungen beitand in ber Mollenweber-Zunft, und bei dieſer läßt ſich diefelbe leicht aus dem Umſtande erflären, daß von allen Frankfurter Zünften bie der Wollenweber die ihrer Mitglieder⸗ zahl nach größte war. Die Wollenweber hatten, wegen ihrer Schei- dung in zwei Theile, zwei Zunfthäufer, in deren jedem fi) Stände zum Feilhalten ver Tücher befanden. Dieſe beiden Zunfthänfer waren bad große Kaufhaus und das Haus zur Gommerwonne. Die Zunftgenoffen waren theils dem einen, theil3 dem anderen Haufe zugewieſen; jeder der beiden Theile Iegte nur in feinem Zunfthauſe feine Tücher zum Verkaufe aus, und bielt in dieſem feine beſonderen Urten; auch wurde ed mit denjenigen Zunftftrafen, welche in ver

(db. h. ohne wieder verbeirathet zu fein) das gultſmyt ampt myt gefellen arbeytten wolte, des hette fie macht”. Die Fiſcherordnung aber enthält eine Rathsverord⸗ nung von 1416, in der es beißt: eine jede Fiſcherswittwe bürfe das Handwerk fortßetreiben, wen fie das Frohnfaſtengeld (d. h. den herkömmlichen vierteljäbrigen Beitrag zur Zunftlaffe) entrichte.

ı) S. Böhmer, p. 645 oben. -

) Diefen Begriff Hat es 3. ®. in ber Stelle, welche in ber zweitvorhergehen⸗ ben Note angeführt if. 0

390 XIH. Die Zronffurter Zünfte im Wittelalter.

Lieferung eines beſtimmten Quaniums von Wein beftanden, fo gehalten, ‚daß die eine Hälfte des Weines dem einen, die andere bem anderen Haufe zufiel. Die Zunftgenofien hießen ald Mitglicher des einen ober des anderen Haufe die Haudgefellen desſelben. Es gab übrigens unter den Wollenweßern auch eine Zahl von Zunfigenoſſen, welche zwar bie lirten eines ber beiden Häufer zu bejuchen berechtigt waren, aber keine Wanrenftänbe in demſelben hatten. Zwiſchen biefen und ben fogenaunten Hausgeſellen brach 1427 ein heftiger Streit aus, ber fich um das Mecht der Erfteren, einen Theil jener Stände zu laufen, fowie um bie Frage drehte, ob die beiden Zunfthäufer ven betreffenden Hausgeſellen eines jeden derſelben angehörten, ober Eigentum der Zunft ſeien ). Der ganze Verlauf dieſes Streites ift in die Zunftordnung der Wollenweher eingefchrieben. Er warb durch den Math entichieven.

Zwei andere in zwei Theile gejonderte Zünfte waren die Bäder und die Weinfchröber. Bei ihnen kann die Sache nicht denſelben Grund gehabt haben, wie bei den Wollenwebern; denn die Schneider: zunft war zahlreicher, als Beibe, und doch unzertheilt, und die Wein- ſchröder gehörten fogar zu den Fleineren Zünften. Die Theilung ber Bäder ift in zwei Artikein ihres Zunftbriefes von 1377 ange deutet, in welchen es heißt, dic Vorſteher müßten immer zu gleichen Theilen aus jeder „Partie“ gewählt und die jährliche Rechnungs— ablage derjelben von Meiftern „aus beiden Seiten“ vorgenommen werden. Was bie Meinfchröber betrifft, jo kennen wir ihre Zwei⸗ theilung nur aus einer der älteren Rathsverordnungen, welche Senckeu⸗ berg mitgetheilt Hat. Diefe Tautet: „Auch follen die Weinſchroͤder ih theilen in die zwei Häufer (ed find die beiden in Frankfurt beſtehenden Schrobhäufer gemeint), und follen ein gefondert Ding fein, und follen bie einen mit den andern nicht zu thun haben“.

Die obere Leitung der Zünfte war feit ber Zeit des ver-

I) In biefem Steeite wurden alle diejenigen, welche zu keinem von beiden Häufern gehören, im Gegenſatz gegen bie fogenannten Haußgefellen die Gemeinde genannt. So heißt #8 3. B. im Artilel 99 ber Wollenweber⸗Geſetze von 1897: „czwen rvechenmeiftere czu ber orten czu haben, einen den hußgefellen und den andern ber gemeinbe, ber orten czu warten‘‘. Gleich darauf wird dieſer Unter⸗ ſchiebd fo ausgebrädt: „einen, ‚der ein Kußgefelle uff bem kauffhuſe if, und einen dem hantwerde, ber nit ein bußgefelle bar uff if”.

ZA; Die Frankfurter Zünfte im Mittelalter. 301

unglüdten ZünfteAufftandes in der Hand des Rothes, welcher auch die -gefeßgebenbe Gewalt bei ihnen ausubte. Er that Beides durch Rathsglieder, deren mehrere jeder einzelnen Zunft vorgeſetzt wurben, und von welchen die eigentlichen Zunftuorfteher abhängig - waren. Diefe Raths⸗Kommiſſaͤre gab es ſogar für ſolche Zünfte, von deren Mitgliedern eines oder ‚zwei in Mathe faßen?). In früheren Zeiten dagegen hatten bie. Zünfte das Recht der Selbftverwaltung befeffen, und waren auch in ihrer Geſetzgebung unabhängig geweſen. Die Verwaltungsformen waren in beiden Zelten die gleichen: jede Zunft hatte ihre Vorſteher, beſaß eine befondere Kaffe, und entſchied in ben fogeuannten Geboten durch bie Geſammtheit ihrer Mitglieder über ipre Angelegenheiten. Außer den BVorftehern hatten einige ‚Zünfte auch noch ‚einen Pedellen, welcher ver Zunfiknecht hieß; wenigſtens wird in Urkunden ein Knecht der Schneider, welcher die Strafgelder einzufafftren hatte und. von jebem meu aufgenommenen Meifter einen Schilling erhielt, jowie ein Knecht der Tower und ein Knecht der Wollenweber erwähnt). Die Vorfteher hießen nicht, wie heut’ zu Tage, ‚die Geſchworenen. Diefer Ausdruck findet ſich zwar in deu Wollenweber⸗Geſetzen, bedeutet aber in ihnen nicht bie Vorſteher, fondern die mit der Prüfung der verfertigten Tücher beauftragten Meifter. Dex mittelalterliche Titel der Zunftvorſteher war kurzweg die Meifter oder unſere Meiſter; zuweilen wurben fie auch die Zunft: meiſter ?) oder bie Meeiftirmanne oder, weil fie in der Regel auf Sin Jahr gewählt waren, die Sahrmeilter genannt. Auch nach ihrer Zahl pflegte man fie zu benennen: die Seſſer d. i. Sechſe (bei ben MWollenwebern), die Echter d. i. Achte (bei ven Bädern) u. |. w. Ihre Zahl war, wie man fchen hieraus erfieht, bei den einzelnen Zünften verſchieden: fie betrug 3. B. bei den Bäckern acht, bei ben MWollenwebern und bei den Schmeibern ſechs, bei den Benbern vier, bei ben Steindeckern zwei. Die Borfteher wurden alle Jahre neu gewählt,

1) So fommen z. B. in ben Bäckergefetzen von 1877 dieſe Eonmifläre unter der Bezeichnung vor: „bie, die ber Rath dazu ſchickt“.

2) Der Erftere kommt mit der Benennung „unfer knecht“ in ben Schneider: gefehen von 1852 vor (Böhmer, p. 624), ber Zweite im WBürgerverzeichnifie von 1387, ber Dritie (servus pannificum) im Beebbucd von 1822,

2) ©. die in Anmerkung 218 fichende Rathsverordnung von 1405. Bei Böhmer, p. 760, findet man biefen Titel 1888 gebraucht.

398 XI. Die Frankfurter Zümfte im Miltelalter.

außer bei den Bädern, bei denen ihre Amtszeit eine zweijährige war und jebed jahr die eme Hälfte von ihnen durch neugewählte erſetgt wurde. Ihre Erwählung geichah bei ven Zünften, von weldyen uns hierüber etwas gemeldet wird, nicht durch die Zunft ſelbſt, ſondern durch Die abgehenden Vorſteher. Später verichaffte fih der Rath einen Einfluß auf diefe Wahl Bei den Bädern z. B. burften feit 1877 die Borjteher nur durch diejenigen zwei Meiſter ermählt werben, welche Mitgliever des Rathes waren; bei den Wollmwebern fan «8 zuerft dahin, das dic neu Ermwählten der Genehmigung ber beiben Rathäglieder in der Zunft bedurften, dann aber (1430) befahl ber Rath, daß die abgeheunden Vorſteher mit den zwei Rathsgliedern bie neuen Vorſteher ernennen ſollten, und daß, wenn ſie fich mit einander nicht verftändigen könnten, der Rath felbft die Enticheibung zu geben

Die Borfteher mußten beim Antritte ihres Amtes ſchwoͤren, dasjelbe den Zunftgeſetzen gemäß zu verwalten. Dies gefchab früher wohl vor den abgehenden Meiftern over vielleicht auch vor ber ver: fammelten Zunft, fpäter Aber vor den Burgermeiftern ). Keiner durfte die Wahl ablehnen. Well die Vorfteber auch die Einnahmen und Ansgaben der Zunft beforgten, jo mußten fie am Ende ihres Amtes eine Rechnungsablage machen. Dies geſchah bei einer Zunft vor allen Meiftern, bei einer anderen vor einem ausgemählten Theile berfelben, bei wieber einer anderen vor ben neuen Vorſtehern. Bel den Bädern fand die Rechnungsablage vor 16-20 Weiftern Statt, and wurde dann zur Kenntnignahme vor die ganze Zunft gebracht. Bei den Wollmebern führte der Rath im fünfzehnten Jahrhundert eine Art von Reviſions⸗Colleg ein, welche aus 22 Vertretern ber Zunft zufammtengefeßt war, und das Ergebniß feiner Prüfung ber Zunft vorzulegen hatte (ſ. Anm. 216).

Außer den Vorftehern gab es noch andere Beamte einzelner Zünfte, wie 3. B. bei den Wollenwebern bie jogenannten Zwene ( Zweie), welche bie Tücher während und am Schluffe ihrer Bereitung befichtigen mußten, bei eben bemfelben Handwerk vie Siegelmeifter,

1) „Wan bie gefom fin,” beißt e3 in eimem Artikel der Steindeder von 1476, „fo ſollen fle vor bie birrgermeifter fomen und ben geloben bie ben eiben, fie ven Rabe gethan han, biefe vor und nach gefchryeben artidel nes irem beſten fermogen zu hanthaben funtber alle gebe”

XIM. Die Frankfurter Janfte hm Mitteläkter. 308

welche die zunftgerecht gemachten Tücher mit’ einem’ Zeichen zu ver: ſehen hatten, und bei verfchiedenen Zünften die Mechenmeifter. Die Letzteren hatten in den Urten das, was jeder Einzelne trank, durch Kerbichnitte zu bezeichnen, ſich dann die Zeche bezahlen zu laſſen, und von dem eingenommenen. Gelde die fürr bie Urten erforberlichen Ausgaben zu beftreiten.

Die Kaffe einer jeden Zunft hieß die Meifter-Bhchfe oder auch 6108 die Büchfe. In fie floffen die Einſtandsgelder der Meifter, dasjenige, was feber Lehrling bei feiner Annahme an die Zunft zu zahlen hatte, die Strafgelver, ver Meberfhuß aus der Urten⸗Kaſſe und endlich bie fortlaufenden Beiträge, welche jeber Meiſter entrichten mußte. Die Lesteren hießen das Srohnfaftengeld, weil fie alle Frohnfaſten, alſo vierteljährlich erhoben wurden. Bei manchen Zünften, welche keine eigenthümliche, fondern eine gemiethete Zunft⸗ ſtube beſaßen, hatten bie einzelnen Meifter noch eine andere Abgabe, nämlich den Anteil am fogenannten Stubenzing, zu entrichten. Alle Gelder der Zunftkaſſe konnten natürlich nur für Zunftausgaben oder, wie es in den Zunftgeſetzen ausgebrüdt wirb, „im gemeinen Nuten des Handwerk!” verwendet werben. Jedoch hatte fich ſchon im vierzehnten Jahrhundert hierin ein Misbrauch eingefchlichen. MWenigftend wird in den Bäckergeſetzen von 2377 angeführt, daß biejenigen Meifter, welche zugleich Rathsglieder waren, ſich bisher einen Theil der Aufnahmenelver angeeignet hätten, was damals für vie Zukunft verboten warb.

Die Verſammlungen aller Zunftgenoffen führten fchon im Mittet- alter den Namen Gebote. Sie wurden auch Gejellengebote genannt, weil die Mitglieder einer Zunft die Gefellen (mämlich vie Gefellen ober Genoſſen der Zunft) biegen. Sie fanden regelmäßig alle Viertel: jahre einmal Statt. War es aber nöthig, fo hielt man auch außer: dem Gebote. Diefe außergewöhnlichen Gebote wurben theils auf Befehl des Ratbes, thells ohne einen folchen von den Zunftuorftehern veranftaltet, und hießen im erjteren Falle Herrengebote. Wach bem Zinfte-Aufftande durfte kein Gebot mehr gehalten werden, ohne bag die Zunftvorfteher vorher die Erlaubnig der Rathe-Commifläre, welche jeder Zunft zugeorbnet waren, eingeholt hatten (ſ. Anm. 217). Auch wohnten feit diefer Zeit dieſe Commifläre den Geboten bei. In Bezug auf die Tage, an denen bie Gebote gehalten‘ wurden,

38 XI. Die Frankfurter Zänfte im Mittelekter.

findet ſich in ſpäteren Zunftorbwungen die Borfchrift, daß fie nur an Sonn: oder Feiertagen Statt haben bürften; in ben älteren ift hier: über nichts enthalten.

Kein Zunftgenoſſe durfte bei Strafe ein Gebot verfäumen, wenn er micht won den Borftehern die Erlaubnik dazu erhalten hatte In den Geboten ſaßen die Vorfteher und, feitvem biefelben nur in Beifein der zugeordneten Mathögliever gehalten werben durften, die Letzteren oben an. Die übrigen Zunftgenofien hatten ihre Site in ber Reihenfolge, nach welcher fie Meiſter geworben waren. So findet es fich in einigen SZunftorduungen angegeben, und von ihnen wirb man wohl auf dic übrigen zurüdichließen dürfen. Ebeuſo verhält es ſich wehl mit dem, was einige Zunftordnungen über den Hergang ver Beratbungen und über die Beichlußfaflung angeben. Hiernach burfien die Anweſenden nur ber Reihenfolge nach fprechen, die Mehr- beit der Stimmen entfchieb, die Vorfteher founten einem jeden, ber fih bei der Umfrage ungebührlich benahm, Schweigen gebieten, und bie Misachtung dieſes Gebotes wurte ebenjo, wie befeidigende Auge brüde, Fluchen und Schlagen, mit Geld beftraft. Uebrigens findet ſich in ben Schneidergeſetzen von 1352 noch eine Vorſchrift, nach welcher es ſcheint, dag man ſich in Hinficht auf den Beginn eine Gebotes nach cinem der gottezbtenftlichen Geläute der Kirchen gerichtet habe ).

Zum Schluffe ift noch ein Wort zu jagen über das angebliche Zufammenwohnen aller Genofjen einer Zunft in -einer und berjelben Strafe. Weil es nämlid in Frankfurt, wie in anderen Stäbten, nicht wenige nach Handwerken benannte Straßen gab (Mebgergaffe, Fiſchergaſſe, Beudergaſſe, Löhergaſſe u. ſ. w.), jo hat man daraus geichloflen, daß früher jeder Handwerker in ber nach feinem Hand» werke benanuten Straße gewohnt habe. Dies ift jedoch eine irrige Aufiht. Some wir nämlic vermittelit urkundlicher Angaben in wie ältere Zeit zurückzublicken vermögen, finden wir die Genoffen einer Zunft an verfchiedenen Stellen ver Stadt wohnend. Dies zeigb ſich namentlich in den Frankfurter Beedbüchern, in welchen bie Einwohner nad Straßen verzeichnet find, und beven älteſtes vom

1) ‚Auch wanne man uns zu bauff gebübit zu den vyer fronfaften, abir ein gemein gebot but, wer dan nicht enkomit, alfe man daz leſte zeichen zu prebegen virlaßen bat zu ben Predegern «bir zu ben Barfußen, ber virlüfet zu pene achzchen hellex (Böhmer, P. 628).

XII. Die Frankfurter Zünfte im Mittelalter. 395

Sahre 1320 if. Nach ihnen wohnten nur bie Filcher und Mebger in bejonderen Straßen, ſowie die Gärtner in einem befonveren Be: zirke (der Neuftadt); aber auch von ben Mitgliedern dieſer Zünfte wohnten nicht alle, ſondern nur die große Mehrzahl in den betreffen: den Straßen und Bezirken. So kommen 3. B. im Beebbuche von 1320 vor: ein Gärtner Heilmann mitten in der Altftabt, ein Fiſcher Winther an der Nifolai-Kirche, upp.im Beedbuch von 1321 ericheint der Metzger Wenzel Bis in der Filchergaffe wohnend.

Mit den von Handwerken enslchnten Straßennamen verhält es Nic offenbar ebenſo, wie mit dein Namen der älteften Judengaſſe; denn auch in dieſer wohnten Teinegwegs alle Juden, ja nicht einmal blos Juden. Jene Namen find dadurch entitanden, daß bejonbers viele der betreffenden Handwerker in einer und berfelben Straße wohnten, während andere ihrer Mitmeifter anderwärts ihre Häufer hatten. Bon einer Zunft, der der Bender, erfahren wir fogar durch zwei Rathsverordnungen!), daß 1402 nicht wenige ihrer Genoffen außerhalb der Benbergaffe wohnten. Der Rath gebot ihnen damals, feine in Schlagen beftchenvde Arbeit in oder vor ihren Häufern vor: zunehmen, wenn biefe nicht entweder in der Bendergaffe ober in der Neuftabt ftänden.

Man hat das angebliche Zufammenwohnen aller Genofjen einer Zunft ala etwas betrachtet, was die einzelnen Zünfte in fich felbft fräftiger und mächtiger gemacht habe. Dies Tann aber nur von einem Tleinen Theile der Zünfte gefagt werden; denn nur von wenigen, nämlich nur von den oben genannten drei Zünften, wohnte die Mehrzahl der Mitglieder in einer und derſelben Straße ober Stadtgegend. Alle anderen Zünfte ericheinen in den Beehbüchern burch die Stadt hin vertheilt. Außerdem iſt in Betreff Ihrer noch der Umſtand wohl zu beachten, daß die in Sadjfenhaufen und der Neuſtadt Wohnenden während der Nacht von den übrigen Genofjen ihrer Zunft ganz abgefperrt waren, indem bis in daß ſechszehnte Jahrhundert hinein die Brückenthore und die zwifchen der Alt und der Neuſtadt befindlichen Pforten Nachts zugefchloffen waren und für niemand geöffnet wurden (ſ. Anm. 218).

') Im Geſetzbuch des fünfzehnten Jahrhunderts, Blatt 88.

396 XIV. Gefellm: u. Lehrlinge Weſen bei dem Fraukf. Hambrersfern im Mittelalter.

N.

Gejellen- und Lehrlinge-Wejen bei den Franffurter Handwerkern im Mittelalter,

Bei den Handwerkern bed Mittelalter biegen bie Arbeitz- gehülfen nicht, wie heut’ zu Tage, Gejellen, jondern Knechte. Erit vom Echlufje des Mittelalter an wurde dad erjtere Wort zur DBe- zeichnung berjelben gebräuchlich; belanntlich hat fich aber dag Wort Knecht bei einigen Handwerkern noch bis zum heutigen Tage im Gebrauche erhalten. Bei einigen Zünften unterjchied man zwei Arten von Knechten, nämlih Meifterfnechte und gemeine Knechte (j. Anm. 219). Auch verheirathete Knechte gab es; wenigſtens wird ihrer in den Geſetzen der Bäder und Wollenweber gedacht !). Zunft genpjjen waren die Knechte ebenjo wenig, als die Lehrlinge; wohl aber fam ed vor, daß ein Meiiter fi als Knecht in die Dienfte eined anderen Meiſters begab”). Dagegen galten die Vorjchriften ber Zunftgefege auch für die Knechte und Lehrlinge, jomweit fie näm- lich auf diefe Aumendung fanden; und die Zunft konnte, jo oft es nötbig war, in Betreff der Arbeitsgehülfen neue Vorfchriften machen.

Um nun bei der Darftellung der Verhältnifje und Pflichten ber Arbeitögehülfen zuerſt mit den Lehrlingen zu beginnen, fo hießen diefe im Mittelalter immer nur die Lehrknaben. Solche Lehrlinge, welche älter al3 gemöhnlidy waren, jcheint man Lehrknechte

ı) Böhmer, p. 625 und 637.

7) Im Bädervertrag von 1353 (Böhmer, p. 625) fteht folgender Artikel: „Und wanne er (ber Knecht) meiftir wirt, fo mag in ein iglidy meifter haltden, ob er dienen wil”.

ZIV, @efsllen: u. Schrlinge-Wefen bei den Grantf. Handwerkern im Baittelaftir.. 307

genannt zu haben; denn dieſer zumellen vorkommende Namen kınn nicht anders verflanden werden!) In bie Lehre nahm man im Mittelalter wohl nur felten einen, befien Bater nicht fchen das betreffende Handwerk getrieben hatte. Ja, es ift fogar hoͤchſtwahr⸗ ſcheinlich, daß man in den älteren Zeiten einen Anderen gar nicht als Lehrling zuließ. Bei den Bädern war dies noch 13652 geradezu verboten ?). Die Haupibebingung, welche dem als Lehrling Anzu⸗ nchmenden geftellt wurbe, war die, daß er ehelich geboren ſei. Ste beitand bei allen Zünften, und wurbe von allen firenge eingehalten. Su manchen Älteren Zunftordnungen ift fogar die hoͤchſte geſetzliche Geldſtrafe gegen denjenigen Meiſter ansgefprochen, welcher einen Unehelihen im bie Lehre nahm. Uebrigens Hat fich der Gebrauch, nur ehelich Geborene ald Lehrlinge zugulafien, bei den Frankfurter Handwerkern bis in daß achtzehnte Sahrhundert hinein erhalten ®).

Jeder Lehrling mußte gleich anfangs eine durch die Zunft⸗ ordnung vworgejchriebene Zahlung in die Zunftkaſſe machen, und ber Lehrmeifter war verpflichtet, ihn ſofort wieder zu entlaflen, wen bie Zahlung nicht in der beitimmten rift entrichtet worben war. Diele Zahlung beitand in einer Summe Geld, fowie in einem Quantum von Wein, weldyer von den Zunftgenofien vertzunfen wurbe, und von Wach, welches zu ben bei gotteßdienftlichen Verrichtungen ver Zunft nöthigen Kerzen verwendet ward. Der Betrag bieler drei Leiftungen war nicht bei allen Zünften berfelbe; auch beſtanden bie- felben bald nur in Geld, bald in Geld und Wen, bald in Geld und Wachs, bald bios in Wein und Wachs“). In den Zunfe

) Er fommt 5. 8. in bem bei Anm. 219 angeführten Artilel ber Steindeder: Gefebe, fowie in dem Anm. 220 angeführten Artikel der Bendergefebe vor. Seine Bebeutung geht aus folgendem Paragraphen des Yädervertrages von 1382 hervor: „& iſt auch mer geret und ubiefomen, welich meiſter emen knaben ober einen knecht das antwerg lerte, bie nit zu bem antwerg geböm fint, ber meiſter fal geben ben anbern meiftern zwei punt heller in bie buflen zu pene, er enſi baue alfo Peine oder fi an yme geborn“.

N) ©. die vorhergehende Note.

6. Lersmer, I. 1. ©. 485.

9 Im Jahre 1855 betrugen dieſe Leiftungen: bei ben Gerbern ein halbes Pfund Heller, zwei Viertel Wein und ein Pfund Wach, bei den Benbern nichts weiter als ein Pfund Heller, bei ben Kürfchnern eine Viertel: Mark und zwei Pfund Wachs, bei den Schneidern ein Pfund Heller und ein Viertel Weins, bei ben Schuhmachern zwei Pfund Wachs und ein Biertel Weins.

398 ZIV. Befelin> u. Lehrlingee Ficken bei den yranlf. Handwerkern im Welttelället.

geliehen von 1977, bei deren Abfafjung der Ralh das eutſcheidende Wort: gefühet hatte, erſcheinen dieſe Leiſtungen bei allen Zünften gleich, und beſtanden im nicht? weiter, als einem halben Pfund Heller.

Ueber die Lehrzeit und das Lehrgeld findet fih nur in einigen wenigen Zunftordnungen cine Vorſchrift. Dice Lehrzeit betrug bei den Benderk am Ende des Mittelalterd zwei Jahre, bei den Gerbern ine vierzehnten “Jahrhundert eim Jahr, bei den Schneidern zu ber- felben Zeit drei Jahre (j. Anm. 220). Das Lehrgelb beſtand da⸗ mals bei den Lebtesen in 15 Pfund Hellern, bei ven Getbern in zwei Mark und einem Malter Korn, bei den Benbern hunderkfünfzig Sabre fpäter in ſechs Gulden ald Maximum. Dagegen wurde bei den Zummerleuten, Steindeckern und Sterumegen nicht wur fein Lehr: gelb begahlt, ſondern der Meiſter mußte vielmehr dem Lehrking ſoviel geben, als derſelbe durch feine‘ Arbeit verdiente.

Auch die Zahl der Lehrlinge, welche cin Meiſter halten burfte, waren in ben Zunftorbnungen mander Handwerker vorgejchrieben. Es scheint, daß. in allen Handwerken einem Meifter nur Ein Lehrling: geitattet war; . denn in allen Zunftorduungen, in welchen ſich hierüber eine Beſtimmung findet, iſt dies ausgeſprochen. Nur bei den Bendern war es erlaubt, zwei Lehrlinge zu haben; der betreffende Meiſter mußte aber bafür einen Geſellen weniger halten, als er ſonſt hätte halten dürfen: Als Grund, warum die Zahl ber Lehrlinge auf einen einzigen beſchraͤnkt wer, wird in einer für die Bender erlaſſenen Rathsverordnung von 1495 angegeben: damit den Beftellern ihre ‚Arbeit nicht durch Lehrlinge: verdorben werde !).

Der Uebergang aud dem Lehrlingsſtand in den Stand ber Geſellen war im Mittelalter weber mit irgend einer Ceremonie, noch mit einer Prüfung verbunden. Nicht einmal irgend etwas, was dem bei und üblichen Einjchreiben in die Liſte der Geſellen ähnlich geweſen wäre, ſcheint Statt gehabt zu haben. Ich habe nur Eine Beftimmung gefunden, welche man als eine Art von Prüfung be3 in ben Gefellenftand übertretenden Lehrlings anfchen koͤnnte; aber auch bei dieſer iſt der wirkliche Sinn der Worte ein anderer. Es enthalten nämlich bie Sieindecker⸗Geſetze von 1476 folgenden Ariikel:

1) ‚uff das ben luden ire arbeidt mit mit lereknechten ußricht oder ver⸗ wuſtet werde.“

XIV. Seelen: a. Lehrlinge-Weſen bei den Frankf. Handwerkern im Miltelalter. BOB

„Es ſoll auch Ten Meiſter einen Lehrknecht ober Knaben flappen, nageln oder mit dem Hammer arbeiter laſſen, derſelbe habe denn fein Lehrjahr ausgedient und fei erfaunt, daß er vom. Hankmert genug verftehe, um feinen Tagelohn verdienen zu koͤnnen, bamit den Leuten gleich gefchehe und ihre Dachungen deſto befler im Stande erhalten werden, bei Strafe von zwei Viertel des beften . Zapfweines, jo oft es gefchehe”. Diefe Worte fprechen, wie man fleht, nichts Anderes aus, als: der Meiſter folle im Intereſſe der Arbeitgeber gewiſſe Arbeiten nicht einem Lehrlinge anvertrauen, fonbern vielmehr nur einem folchen Arbeiter, von welchem ev überzeugt ſei, daß der⸗ jelbe fie zu machen verſtehe. Erft 1495 findet: fi, un® zwar bei den Bendern, die beftimmte Vorfchrift, daß ein Meifter keinen Knecht in Dienft nehmen dürfe, welcher nicht gewifie Arbeiten des Hand: werke3 machen Tönne, und ba jeder Knecht, der das vorgeſchriebene Maß von Kenminiffen nicht befige, noch minbeftend ein Jahr lang in die Lehre geben folle (j. Anm. 221).

Bon den Knechten ift in den Zunftgeſetzen begreiflicher: Weife noch mehr die Rede, als von den Lehrlingen. Die wichtigfte ber dieſelben betreffenden geſetzlichen Beſtimmungen ift gegen die Gefahr gerichtet, daß bie Knechte, um den Weiftern gegenüber ihren Willen geltend zu machen, mit einander und wohl audy mit denen anderer Städte einen Bund bildeten, und entweber die Arbeit plöhlich ein⸗ jtellten, oder gar alle Meifter eines Ortes in Verruf erklärten. Died muß wirflich zumeilen gejchehen fein, weil 1362 eine ber Frankfurter Zünfte mit den gleichen Zünften von: ſieben anbenen

Städten und 1383 eine andere mit den Zünften von. acht Stäbten

einen förmlichen Vertrag Aber gemeinichaftliche Anorbnungen wegen des Knechteweſens ſchloß, umd weil 1421 die Stapträihe von vier Städten dasſelbe thaten. Auch findet ſich in den Sattler⸗-Geſetzen von 1406 da3 Vorkommen von Verrufderlärungen durch Geſellen angedeutet; denn ein Artikel derſelben verbietet vielen, fich einem: Meifter gegenüber dadurch Recht zu verfchaffen, daß ſie dem: Weiſter ober feinen Knechten das Arbeiten unterfagten. Jener Vertrag von 1852 ward zwiſchen den Bäderzänften von Mainz, Worms, Sister, Oppenheim, Frankfurt, Bingen, Bacharach und Boppart, ber von 1383 zwiſchen den Schmibtzünften von Mainz, Worms, Speier,

Frankfurt, Gelnhaufen, Aſchaffenburg, Bingen, Oppenheim und.

400 XIV. Gefelien: u, Behrlingeciefen bei den Fraulf. Handwerkern im Wüistelalter.

Creuznach geſchloſſen. Veide eutbalten Beftimmungen über das Ber- haͤltnißz zwifchen den Meiftern und Kucchten, haben aber den offen- baren Hauptzweck, die Letzteren dadurch in Gehorſam zu halten, daß ihnen vorkommenden Falles unmöglich gemacht wurde, in ven anderen Städten Arbeit zu finden. Die Zünfte jener Städte kamen naͤmlich nicht nur Über eine gleichmäßige Behandlung und Bezahlung igrer Kuechte überein, ſondern fie beſchloſſen auch, in gewiſſen Fällen über einen Knecht eine Achtderllärung außzufprechen, welche in allen acht Städten in Anwenbuug gebracht werben müſſe. Dieſe Achts⸗ erllaͤrung erſtreckte fich jo weit, daß ein Knecht, welchem in einer der acht Stäbte dad Handwerk verboten worben war, in ben übrigen Städten weber jemald in Dienft genommen, noch auch zum Meifter: vecht zugelaffen werben durfte Im Jahre 1377 dehnte die Frank⸗ furter Bäcerunft dies ſogar anf alle die Knechte aus, denen in irgend eier anderen Stabt dad Handwerk verboten worben war }).

Wie die Bäderzünfte von acht Stätten im Betreff der Kuechte ſchon 1852 jenen Vertrag mit einander gemacht hatten, fo ſchloſſen 1421 auch die Stabiräthe von Mainz, Worms, Speier und Frankfurt mit einander einen Bertrag über die Art, wie es bei ihnen wit den Enechten aller Zünfte gehalten werden folle. Nach diefem Vertrage mußte jeder Knecht, fobald er in Arheit trat, dem Mathe ber beiref: fenden Statt Gehorſam und Treue fchwören, und fich verpflichten, in Stagefällen nur bei dem Gerichte biefer Stabt oder de, wohin ber Rath ihn weilen würde, Recht zu ſuchen; es wurde ferner den Snechten verboten, beiondere Trinkftuben zu haben, fowie Gebote zu halten, außer um ihrer gemeinfchaftlichen gottesdienſtlichen Berrichtungen willen, unb auch irgend eim Uebereinkommen mit ein: ander zu treffen; es wurde ihnen außerdem unterfagt, die kirchliche Todtenfeier für verftorbene Mitknechte au Werktagen zu begehen; es wurde endlich ausgemacht, daß ein Knecht, welcher ‘gegen eine biefer Borichriften gehandelt habe, in feiner ver vier Städte im Arbeit genommen werben bürfe (j. Anm. 222).

Die übrigen Haupt: Borfchriften, welche die Zunftgeſetze in Hinfieht der Knechte enthalten, betreffen den Muͤßiggang berfelben,

) &. Böhmer, p. 751. Die erwähnten Verträge ber beiberlei Zimfte von finden und acht Btäbten ſind ebendaſelbſt p. 625 und 760 abgebrudt.

XIV. Gefellen: u. Bchrlinge: Weſen bei ben Frankf. Handwerkern im Mittelalter. 401

bie Beruntrenungen und dag Betragen gegen ben Meifter oder deſſen Frau. Auch für diefe drei Vergehungen finden fi nicht in allen Zunftorbnungen Strafen angegeben, und man muß hier \wieber von den einen auf die anderen zurüdichliegen. Das willfürliche Ausſetzen der Arbeit wurde (bei den Schneidern) jo beſtraft, daß der Meifter einem Knechte für jeden Tag, den derſelbe ohne Erlaubnig feierte, einen Schilling an feinem Lohne abziehen mußte und, werk er bieß nicht that, ſelbſt mit fünf Schillingen gebüßt wurde. Auch burfte Bein Knecht eine Nacht außerhalb ber Wohnung feines Meiſters zußringen (bei den Bädern); er wurde dafür mit einen halben Pfund Wachs beftraft. Der Knecht hatte im Haufe ſeines Meifters nicht nur die Wohnung, jondern auch die Koſt. Nur an Sonn und Feiertagen durfte er fich Abend Käfe und Brod vom Meifter dahin abholen laſſen, wo er zu zechen pflegte‘). Veruntreuung und Diebftahl wurten damit bejtraft, daß dem fchuldigen Knechte das Handwerk verboten ward; auch durfte ſchon 1352 fein Meifter einen Kuecht, welcher in einer anderen Stadt beshalb das Handwerk ver Ioren hatte, in Dienft nehmen ?). Beleidigungen, die fich ein Knecht

gegen feinen Meiſter oder defjen Frau zu Schulden kommen lie,

wurden natürlich ebenfalls beitraft. Bezichtigte er 3. DB. dieſen ober jene der Rüge, jo Hatten bie Zunftmeifter eine Strafe über ihn zu verhängen, und er durfte, bis er fich bderjelben unterzogen hatte, nicht in Arbeit genommen werden. Machte er gar andere Knechte feinem oder einem anderen Meilter abtrünnig, jo durfte er ein Jahr lang in feiner Werkftätte arbeiten 9). Auch wer vor Ablauf feiner Dienftzeit den Meifter verlich, durfte von einem anderen Meifter nicht in Arbeit genommen werden %). Uebrigens war dem Knechte, der fih von feinem Meifter gefränkt oder benachtheifigt glaubte, das Recht vorbehalten, venfelben gerichtlich zu belangen 5).

1) Diefes Recht ift den Knechten im Gefeßbuch des fünfzehnten Jahrhunderts, Blatt 88 fig., gewährt, wenigftend ben Knechten der Huffchmidte und Schloffer.

2) So nach bem Bädervertrage von 1852 und nad ben Kürfchnergefegen von 1877.

8) Beides bei den Schneibern und Tuchſcheerern. Bei ben Gerbern warb dag erftere Vergehen mit 1 Schilling gebüßt.

) Nach ben Benbergefegen von 1877.

) Nach dem in Anm. 222 angeführten Städtevertrag von 1421 und nad bem Bertrage dee Schmibte-Zünfte von nenn Städten (bei Böhmer, p. 760).

Kriegt, Frankf. Bürgerzwißte. 26

402 XIV. Geſellen⸗ u. Lehrlinge ⸗Weſen bei ben Frankf. Hanhwerlern im Mittelalter.

Eine beftimmte Zahl von Knechten, welche jeder Meiſter halten durfte, war in den älteren Zunftgeſetzen nicht vorgefchrieben; wohl aber findet jich dic in ben Ipäteren. Bei den Schueibern burfte 3. B. ſeit 1377 cin Meifter nicht mehr als zwei Kuechte haben, wobei ihm aber geftattet war, fich durch feine Fran, feine Länder und feine Dienftmagd helfen zu laſſen. Bei den Beudern beftaud am Ende bed Mittelalterd dad Geſetz, daß Fein Meilter mehr als drei und, wenn er einen ober zwei Lehrlinge hatte, im erfteren Falle nur zwei, im anderen nur Einen Knecht halten dürfe. Den Steine deckern war damals nur je Ein Knecht und Ein Lehrling geftaitel. Auch jeder Fiſcher durfte nur Einen Knccht haben; nur wer ven ihnen zugleich Mitglied des Rathes mar, hatte das Recht, zwei zu halten.

Die Knechte wurden nicht auf willfürlicde Auffündigung, ſondern für eine beftimmte Seit gedungen, und biefe Zeit mußte fowohl vom Knechte, ald vom Meifter ausgehalten werben. Sn den fpäteren Gefegen war fogar durch die Zunft oder durch den Rath vorge fchrieben, auf wie lange Zeit mindeſtens jeder Knecht in Dienft genommen werben müfle; jo findet fi) z. B. in den Bendergeſetzen ein Nathöbefehl von 1388, nach welchem fein Knecht auf Türgere Zeit ala auf ein Jahr gebingt werben durfte. Auch ber Lohn des Knechtes war, und zwar fchon in ber älteren Zeit, nicht dem Er meljen des Meifters ober einer Uebereinkunft zwifchen Beiden anheim⸗ gegeben, fondern die Zunft felbit beftimmte benfelben, uud jeber Meifter, welcher mehr gab, verfiel ebenſo, wie jeder Knecht, ber feinen Meifter, zu einem höheren Lohn zu drängen fuchte, im eine Geldſtrafe. Bei den Bädern erhielt jeder Knecht außer feinem Lohne auch noch einen Rock von feinen Meiſter. Bel denjenigen Hand⸗ werfern, deren Arbeitözeit je nach ben beiden Haupt⸗-Jahreszeiten in ihrer Dauer länger oder kürzer ift, war ba Jahr von Zunft wegen in zwei beſtimmt abgegrenzte Theile gefchieden: bei ven Wollenmwebern 3. B. durch Michaelis und Mariä Lichtmeſſe, bei den Bendern durch Martini und Oftern. Uebrigens fommt ſchon früh auch vor, daß Knechte auf Stüd arbeiteten; aber auch für dieſe Art von Arbeit jegte die Zunft den. Preis feft und beftrafte deſſen Weberfchreitung. Die für beide Arten von Arbeiten gebräuchlichen Ausdrücke waren: gedingted Werk und in Tagelohn arbeiten (f. Anm. 223).

XIV. Geſellen⸗ u. Lehrlinge Wefen bei den Franff. Handwerkern im Mittelalter. 408

De Knechte mancher Handwerke hatten früher eine ähnliche Verbindung mit einander gehabt, wie die Zunft ihrer Meifter war, ab gleich dieſen Gebote gehalten, bindende Geſetze gemacht und ihre bejondere Trinfftube gehabt. Dies geht aus dem Stäbtenertrag von 1421 hervor, durch welchen das Lebtere unterfagt, bie Gebote der Knechte aber auf vier fährkich zu Haltende und bie Verhandlungen und. Befchlüffe derſelben auf die gemeinfanen kirchlichen Angelegen-

- beiten befchränkt wurden (ſ. Anm. 224). Doch blieb auch nachher

noh Ein Band, welches die Knechte einer Zunft umſchloß, für lange Zeit erhalten: es war dag der firchlichen Brüderfchaft. Die Knete hatten, gleich den Meiftern, ihre gemeinfchaftliche Kirchen⸗ feier, bejtatteten als eine Tirchliche Brüderfchaft ihre Todten, und liegen denſelben Seelenmeſſen halten. Diefe Verbindung wurde durch) ven Städtevertrag von 1421 nicht zerriffen, ſondern nur darin beſchraͤukt, daß die Seelenfefte für die Verftorbenen nicht mehr an Werktagen gehalten werben durften. Noch tm Anfange des fech- zehnten Jahrhunderts wird der Beitattungen gedacht, welche bie Brübderfchaft ver Bäckerfnechte hielt, und bei denen fie mit brennenden Kerzen den BVerjtorbenen zu Grabe trug. Es traten jogar Frauen ala „Mitſchweſtern“ einer folchen Brüberfchaft bei, um einft durch diefelbe beitattet zu werden. Sp enthält 3. B. eine Urkunde de Frankfurter Dominikaner » Klofterd das 1505 abgefaßte Teftament einer Frau, die fich eine Mitſchweſter der Brüderſchaft der Bäcker: mechte nennt und die Verordnung macht, dieſe folle fie nach ihrem Tode „mit ihren Kerzen auf den Pfarrkirchhof tragen, wie ihre Gewohnheit fei”. Die Brüberfchaft der Schmidtknechte hatte fogar eine eigene Gruft im Kreuzgange des Dominikaner-Kloſters 1). Diefe Brüderſchaften der Knechte fcheinen jedoch nicht bei allen Zünften beftanden zu haben. Man muß dies daraus fchließen, daß bie Meifter bes Bender-Handwerks fchon 1355 eine bejondere Kranfen= und Leichenkaſſe für ihre Knechte gebilvet Hatten: was nicht hätte Statt finden können, wenn ihre Knechte in eine Brüder: [haft vereinigt geweien wären. In den Bender = Gefegen jene?

) Nach einem Revers, welchen bie Brüberfchaft ber Schmidtknechte in Frankfurt 1421 dem Dominikaner: Klofter ausſtellte. Er befindet fi in einem Copialbuche der Dominikaner, Blatt 2.

26°

404 XIV. Geſellen⸗ u. Lehrlinge:Wehſen bei den Fraukf. Handwerkern im Mtiätelakter.

Jahres heißt e8 nämlich: jeder Meeifterfnecht müfle jährlich 18, jeber gemeine Knecht 9 Heller in die Zunftkaſſe bezahlen, dafür gebe man einem Knechte, wenn er erkranke, nach und nad) bis zu 18 Schillingen, und wenn er fterbe, jo beſtatte man ihn gleich einem Meiſter ?). Auch bei den Steindediern kommt am Ende des Miütelalterd etwas Achnliches für die Lehrlinge vor; nur war bei ihnen die Sache bem freien Willen der Einzelnen anbeimgegeben. Gegen eine beſtinunte Zahlung nämlich wurde ein Lehrling von der Zunft zu Grabe - getragen *).

) Böhmer, p. 648.

9) Der betreffende Artikel biefer Zunft (vom 1490) lautet: „Wan ein meifter einen fon bette und in dem bantıwerg were unb bette dem bantwerg geben 8 Sch. zu Iergelt, und fuget ſich, daz der flurb, und wolt in getragen ban, fo fal er geben ein punt waß bar von, baz man ven begen und brug; und menn ein frember knab dint eym meifter und bette auch gebin czehen Sch. unb begert auch ſich cm tragen, fo folt er aud geben 4 Sch. ober ein punt waiß”.

XV. Geſchichte und Lage ber Frankfurter Juden im Mittelalter. 405

IV.

Geſchichte und Lage der Frauffurter- Inden im Mittelalter.

Die neuere Gefchichte der Juden ift weientlich bie Gefchichte eined immer wiederkehrenden Jammers, welcher, wegen der Ent- behrung mancher natürlichen und vieler bürgerlichen echte, ſowie wegen der Frembartigfeit des Glaubens, ver Sitten und ber Ge bräuche, auf einem in bie ganze civilifirte Welt zerftreuten Volke laftete. Indeſſen war bie Lage der Juden in neueren Zeiten nicht immer und überall biefelbe, jondern nach Ländern und Jahrhunderten verſchieden; und was insbeſondere bie in Deutschland anfäffig ges worbenen Stuben betrifft, jo war ihre Lage währen des Mittelalters im Ganzen genommen eine beſſere, als in ben erften drei Jahr: hunderten der neueren Zeit. Namentlich aber war dies ber Fall in Betreff der Frankfurter Juden, welche im Mittelalter jener tiefen Verachtung und ſchmaͤhlichen Mishandlung entzogen waren, bie fie vom Beginne der neueren Zeit an bis zu unferem Jahrhundert zu erdulden hatten. Diefe Behauptung hat etwas Weberrafchenves in fih, weil die Meiſten gerade bei den Menſchen des fogenannten finfteren Mittelalters eine härtere Behandlung ber Juden annehmen zu müſſen glauben. Auch geben zu einer folhen Annahme noch einige andere Ymftände Anlaß, nämlich das Hart Tautende und deshalb oft mißverftandene Wort Kammerfnechte, mit welchem einft bie deutſchen Juden bezeichnet wurden, bie fogenannten Juden-Ver⸗ Käufe deutſcher Kaifer, die Mancher wohl gar mit dem Verkaufe von Sklaven in Eine Linie febt, und die unerhört graufamen

406 XV, Geſchichte unb Lage ber Zrankfunter Juden im Mittelalter,

Berfolgungen, denen zur Zeit des Mittelalters die Juden hier und ba mitunter ausgefcht waren. Und dennoch ift die außgejprochene Be⸗ hauptung eine hiſtoriſch begründete. Die Lage ber Juden war in Frankfurt wie in manchen anderen beutjchen Stäbten zur Zeit des Mittelalterd eine beffere, als in den zuletzt verfloffenen drei Jahr⸗ hunderten: die Juden hatten bamal nicht blos eine rechtlich ge⸗ ficherte Stellung, fondern auch ein eigentliches Bürgerrecht; fie waren von den Chriften keineswegs burch eine fo weite Kluft ge- ſchieden, wie fpäterhin; und bie damals mitunter gegen fie geübten Sraufamfeiten und Verfolgungen wurden nicht; wie zum Theil die der Chriften im alten Nömer⸗Reiche, ſyſtematiſch und von ber Regierung betrieben, fondern fie waren einzelne vorübergehende Er: fcheinungen, welche zwar allerdings zum Theil in ven Gelvgefchäften der Juden und in der pecuniären Abhängigkeit, in welche fie bie Chriften mitunter brachten, ihren Grund hatten, bauptjächlid aber dem fanatischen Hafje und ber Maubgier des Poͤbels entſprungen, oder doch nur von einzelnen Babjüchligen Herren angeregt werden jind (ſ. Anm. 225).

Die Wahrheit diefer Sätze läßt fih ſchon aus einigen Vor⸗ kommenheiten in ber Reichsgeſchichte erkennen. Kaiſer Heinrich IV. bezeichnet in einem Privilegium, welches er 1074 der Stadt Worms ertheilte ), die Einwohner dieſer Stadt fo, daß er, jegar mit Voran⸗ ſtellung des jüdiſchen Theiles derſelben, den Ausdruck gebraucht: „die Juden und die übrigen Wormſer (Judei et coeteri Wor- matienses)”; und dies thut er in einer Urkunde, in welcher er bie Wormſer für die ehrenwertheiten Bürger im Reiche erflärt, und fie allen übrigen als nachahmungswerthes Muſter hinſtellt. Sein Sohn und Nachfolger Heinrich V. faßt, bei der Beitätigung dieſes Privilegs, beide Klaſſen der Wormfer unter dem Ausdrucke „die Bürger von Worms” zufammen. Ferner, es war nicht nur durch bie Vor⸗ Ihriften des Kirchenrechtes die gewaltfame Belehrung ber Juden verboten, ſondern Kaiſer Heinrich IV, geitattete auch 1096, was ſogar heut' zu Tage ber Regent eines ftreng katholiſchen Laudes ſchwerlich wagen würde, allen zwangsweiſe getauften Juden bei

ı) Moritz, urprung ber Reichsſtädte, Anhang S. 140. Die 9 durch Heinrich V. ſteht ebendaſelbſt S. 142.

EV. Gefdichte und Lage ber Fraukfurter Juden im Bittelalter. 407

Reiches den Rücktritt zu ihrer früheren Religion!) Sehr über: raſchend iſt ferner, daß im breizehmten Jahrhundert zu Köln und im vierzehnten zu Nürnberg einzelne Juden dert Patriciern beider Städte völlig gleich geftellt worben find. In Köln focht nämlich 1258 ein Mann, welcher immer „Daniel der Jude“ genannt wird, auf dem Schlachtfelde in den Reihen ver ftäbtifchen Patricier gegen den Erzbifchof, und als er mit mehreren berfelben in die Gefangen: Ihaft des Letzteren gerathen war, fagte biefer zu den Gefangenen: „AU die Meinigen mögen fi fchämen, daß unter biefen da ein einziger Mann, der noch ungeübt im Kampfe ift, fie alle jo ſchnell burchbrochen hat, wie cin Falke, der auf einen Vogel ſtoͤßt. Dir Daniel gebührt, obgleich man dich gefangen genommen, ber ‘Brei des Streites”. Unter dem Nachfolger jenes Erzbiſchofes aber erjcheint berjelbe Daniel geradezu als einer ber ftäbtiichen Patricier; denn ala Erzbifchof Engelbert einen Theil der Geſchlechter gefangen hielt, waren es Rutger Overftolz, Daniel der Jude und Conſtantin von Aducht, welche bei ihm für „ihre gefangenen Freunde“ eine Für—⸗ ſprache einlegten ?). In Nürnberg findet fich die ebenfo überraſchende Ericheinung, daß 1314 ſechs Juden in einem vom Stadt⸗Schul⸗ theißen auögeftellten Gerichtöfpruche mit dem Xitel „Herr“ angeführt werben, welcher bort nicht einmal ven Schöffen immer eriheilt ward, und überhaupt bie mit ihm Beehrten ala Edelleute bezeich- nete ). Nicht weniger auffallend, ala dieſe beiden Angaben aus ber Kölner und Nürnberger Geſchichte, ift der Umftand, daß König Ruprecht noch 1401 in einem von ihm ertheilten Gnadenbriefe den Mainzer Juden die Gnade gewährt, daß te aller der Freiheiten,

1) Mone, Zeitſchrift für bie Sefchichte bes Oberrhein, IX. S. 259 unb bie Nachweiſe in Gotthelf's Darftellung ber Stellung ber baierifhen Juden, S. 7.

2 S. YJanffen’s Studien über bie Kölnifchen Gefchichtsquellen in ben Annalen des hiforiſchen Vereins für ben Niederrhein, I. 2. S. 205 unb 210. Freilich Tönnie man in diefem alle auch annehmen, daß Daniel ein übergetretener Zube geweſen fei, oder von einem befehrten Juden abſtammte, und aus biefen Grunde ben Beinamen „ber Zube‘ geführt habe. Aber auch dann würbe fein Beifpiel jedenfalls beweifen, daß ein folcher Beinamen und bie Erinnerung an bie jüdifche Abſtanmung eines Patriciers nichts Anſtößiges an fich hatte,

6. Roth v. Shredenflein, im Anzeiger bes germanifchen Muſenma, 1880, &. 445, Es waren aufer zwei ihrer Stellung nad unbekannten Juden bie vier Vorſteher der Nürnberger Synagoge, weiche biefen Titel erhielten.

408 XV. Geſchichte und Lage ber Frankfurter Juden im BRitieialter.

Landfrieve und aller anderer Gnaben, beren ebele und umebdele Leute genießen uud gebrauchen, ebenfalls geniehen und gebrauchen follen und mögen ®).

Auch die Kirche zeigte fich im Mittelalter oft mild und ſchonend gegen bie Juden. Obgleich nämlich ſchon 1215 ein Pabft den Juden eine fie Fenntlich machende Tracht vorgefchrieben hatte, und obgleich 1267 durch dad Wiener Goncil verboten worben war, daß bie Juden chriftliche Dienftboten im Haufe hielten, chriſtliche Bäder und Wirthshaͤuſer befuchten, die Arzneitunft an Ehriften übten, und neue Synagogen erbauten: fo haben dagegen doch mehrere Pälfte fich ihrer mit Eifer gegen Mishandlungen angenommen. Die Frank: furter Gefchichte fjelbft gibt ung ein Beiſpiel davon an bie Hand, indem 1287 Schultheiß, Schöffen und Rath von Frankfurt eine Bulle des Pabſtes Innocenz IV. von 1247 beglaubigten, in welcher die Beraubung und Verfolgung der beutfchen Juden verboten, die jelbe al3 ein Werk ver Habgier von geiftlihen und weltlichen Herren bargeftellt, und bie Erzählungen von bein Ermorden und Opfern hriftlicher Knaben für eine von jenen Herren außgegangene Er⸗ bichtung erflärt wirb"). Webrigend erhichten die Juden, troß ber erwähnten Eirchlichen Verbote, jchon früh in einzelnen Städten Rechte, welche mit diefen im Wiberfpruche ftanden, wie 3. B. 1084 in Speier das Recht, chriftliche Anımen und Dienftboten zu halten.

Was nun den oben erwähnten, oft misbeuteten Gebraud; betrifft, die Juden Kammerknechte des Reiches und des König zu nennen: fo hatten fie diefen Namen nur darum erhalten, weil fie eine Abgabe an die Fönigliche Kammer entrichten mußten. Hierzu waren fie aber aus dem Grunde verpflichtet, weil fie urjprünglich nicht irgend einem Reichsſtande oder einem Jonftigen Herrenthume, fondern blos dem Reiche und feinem jebesmaligen Beherrſcher ange- hörten. Aber auch biefem gegenüber waren fte nicht Leibeigene, jondern blog Zinshörige desſelben; fie waren deshalb auch nicht, wie die Hörigen, an ven Boden gebunden, fle durften vielmehr ihren.

!) Chmel, Reg. Ruperti, p. 192. Man vgl. übrigens in Betreff bes Begriffes ebel z. B. ben 1340 von ben vier wettermuifchen Stäbten gebrauchten Ausdrud: ein ritter abir ein fnecht, die man ebel lude heisfit (Böhmer, p. 567).

9) ©. Mone a. a. O. ©. 265 und Böhmer, p. 282.

XV. Gefichte umd Sage der Frankfurter Juden im Weittlalter. 409

Wohnſitz ändern, und waren nur gezwungen, fich innerhalb ver Grenzen des Reiches zu halten). Wie werig man im Mittelalter einen gehäffigen Begriff mit dein Ausdrucke Kammerknecht verband, kann aus dem Umſtande abgenommen werben, daß damals auch bie Hriftlichen Diener des Kaiſers die Kammerknechte desſelben genannt worden find (ſ. Anm. 226).

Rad den germanifchen Begriffen Tonnten die Juden nit in gleichem Sinne wie die Ehriften Staatöbürger und nicht mit diefen Senofien eines und besfelben Rechtes fein. Daran binderte fie im einem Zeitalter, in welchen der Staat mit der Kirche aufs innigſte verbunden war, vor Allem ihre Andersgläubigfeit, mit der fich noch dazu eme auf beiden Seiten waltende religiöje Abneigung verband. Es Hinderte fie daran außerdem ihre befondere Rationalität, indem fe durch Sitten, Lebensweiſe und Beichäftigung ſtets als Fremde erſchienen. Es hinderte ſie daran endlich auch, wiewohl in minderem Grade, ihre mit ſeltenen Ausnahmen blos dem Handel und zwar vorzugaweiſe dem Geldhandel gewidmete Erwerbsthaͤtigkeit, verbunden mit dem nach den ſtrengeren mittelalterlichen Begriffen nur ihnen zuſtehenden Rechte, Zinſen zu nehmen. Der letztere Umſtand war fo wichtig, daß im Mittelalter die Ausdrücke „un Juden nehmen“ und „Indenſchaden“ identifh waren mit den Ausdrücken „Selb gegen Zinfen leihen” und die „Zinfen für folhe Geld”. Der Handel felbft aber war jo augfchlieglid) der Lebenzberuf des Juden, daß man im Mittelalter fi) den Juden nur als einen Handels⸗ mann dachte, und daß man damals mitunter fogar meinte, ber Handel könne nirgends als in der Synagoge erlernt werben ?).

In Folge aller dieſer Rückſichten und Berhältniffe waren wie

) S. Mone, ©. 259. „Unfere und bes Reiches Juden“ ober Judei nostri nennt deshalb ber Kaifer bie Juden urfundlich ebenfo, wie er (zuerft Friedrich IL.) ihnen ben Namen Kammerfnechte ertheilt. Es ift Übrigens namentlich bie Tateinifche Neberfebung dieſes Worte® (servi camerae), welche einen Misverſtand veranlaßt bat. Servus und Judaeus waren aber im Mittelalter zwei verfchiebene Rechts⸗ begriff. Auch das einige Male ausgefprochene Recht bes Kaifers, bei feiner Krönung ben Juden nicht blos Habe und But, fonbern fogar das Leben nehmen zu bürfen, war wenigſtens in Betreff bes Lebens ber Juden Fein anerkanntes unb wirklich ausgelibtes Net: |. Gotthelf, Darftellung der Stellung ber Yuben in Baiern, ©. 27 fig.

2) Gotthelf a. a. O. ©. 7.

410 XV. Gedichte und Sage ber Frankfurter Juben im Wittelalktr.

deutſchen Juden bed Mittelalterd zwar Freijaffen mit bem Mechte bed Grumbbefiged, und hiepen zum Theil fogar, wie wir jpäter ſehen werben, gleich ven Ehriften Neichäbürger und Bürger ber Stadt, in welcher fie wohnten; fie konnten aber an ben active yolitiichen echten keinen Antheil haben, alfo weder im Stabtrathe figen, noch ein ſtädtiſches Amt befleiden, noch auch einer ber poli⸗ tiſchen Corporationen, in welche die Bürgerfchaft zerficl, alfo auch nicht einer Zunft angehören. Dabei waren fie jeborh mit den Chriſten benfelben bürgerlichen Gefeben unterworfen; und nur in Rechtöftreitigkeiten zwiſchen Juden ſelbſt waren fie, wie in der Ber- waltung ihrer Gemeinbeangelegenheiten, fich ſelbſt überlaffen. Außer⸗ dem galten fie für ein Eigenthum bed Kaiſers, erfreuten ſich jedoch ala ein folched auch des bejonveren kaiſerlichen Schutzes. Weil fie in biefer Stellung zum Kaiſer ftanden, konnten fie zwar wie auderes Reichsgut verpfändet werben; die war aber weder eine für fie fchmähliche Sache, noch charakterifirt es fie als Laiferliche Leibeigeme, ba der Kaifer ja auch ganze Reichsſtaͤdte verpfänden durfte und nicht ſelten verpfänbete.

Die deutihen Juden des Mittelalters waren alfe ungefähr im derfelben Lage, wie die fogenannten Beiſaſſen moberner Staaten un Städte; nur hatten te einerfeitd wegen ihres Verhaͤltniſſes zum Lafer mehr Abgaben zu entrichten, als viefe, und erfrenten fi andererjeitö in Betreff rein jüdiicher Angelegenheiten eines eigenen Gerichtsftandes umd einer eigenen Gemeinveverwaltung. Dagegen waren fie ſtets ber Gefahr ausgeſetzt, daß bie religiüfe Abneigung der Chriften, ber nationale Unterſchied zwiſchen dieſen und ihnen, ver Neid auf ihren Reichthum und ber Unmuth über bie pecuniäre Abhängigfeit von ihnen Willfür und Härte gegen fie hervorriefen. Unter diefen Umftänden konnte ihre Lage nicht überall und nicht zu allen Zeiten dieſelbe fein. Im Intereſſe des Kaiſers und ber Iofalen Obrigkeiten lag es ſtets, jie zu ſchützen, weil ihre Abgaben eine fichere und bedeutende Finanz-Quelle waren, und weil ihre Ders teeibung ben Geldmarkt eimer Stadt leicht in große Berlegenheit brachte. Sie ſelbſt beſaßen in ihrem nie verfiegenvden Geldreichthum ein Mittel, Ihre politifche Tage zu verbeflern, und fie machten von biefem Mittel oft einen umfafjenden Gebrauch. Sie gewannen fich 3. B. nicht nur durch Gelpgefchenfe und durch Anlehen die beſondere

XV. Gefdhichte und Page der Frankfurter Juden im Mittelafer 411

Gunſt der Fürſten und der ſtädtiſchen Obrigkeiten, fenbern fie brachten es mitunter auch dahin, daß einzelne won ihnen bie Steuer⸗ erbeber für die Abgaben ber Ehriften wurden, aljo gewifſermaßen ein öffentliches Amt befleiveten 2). In Köln beſaßen fie anderthalb Jahrzehnte lang fogar das Recht, daß jeder Ehrift, welcher eine Forderung an einen Juden hatte, nur vor jüdiſchen Richtern, nad) jübifchen echte und ohne irgend eine Appellation Magen burfte?). Allein ein bleibendes SHeranstreien aus ihrer eigentlichen Stellung und eine dauerhafte Erwerbung der eigentlich politifchen Mechte waren deſſenungeachtet für die Juden unmöglich, weil Beide mit den mittelalterlichen Anſchauungen und Verhaͤltniſſen zu fee im Wider⸗ fpruche ftand. Im Gegentheil, jedes DVoranfchreiten auf biefem Wege, jeder anf demjelben errungene Bortheil mußte ebendeshalb Erbitterung gegen fie hervorrufen und die Gefahr der Berfolguug berbeiziehen. Zu biefen Allen am noch, daß an bem einen Orte die religiöfe und nationale Abneigung gegen bie Juden größer, imd ſomit das Verhalten der Chriſten gegen fle dort weniger human war, als an dem anderen, daß aljo auch bie mitunter eintretenden Berjuche, fie auszurotten oder zu vertreiben, nicht überalk gleich hänfig und in gleichem Grabe hart und graufam waren. Die auseinandergeſetzten Umſtände und Verhältniſſe bewirkten bie größte Iofale und temporäre Verſchiedenheit der Lage der veutichen Inden des Mittelalter. Dieſe wurden an einzelnen Orten und in anzeinen Zeiten aufs furchtbarſte verfolgt und mishandelt; an anderen Orten und zu anderen Zeiten war ihre Lage weit beiler, als in den auf das Mittelalter zunächft folgenden Jahrhunderten, und hier und ba gefchah es jogar, daß einzelne Juden bie Ehren bed Standes der Edellente erlangten, was in neuerer Leit ihnen erſt mit der beginnenden Herrichaft des Humanitäts⸗Primcipes wicher za Theil wurde. Im Ganzen genommen muß man aber jagen, daß im beutjchen Mittelalter die Juden nicht jo, wie in den folgenden Sabrhunderten, allgemein und unausgeſetzt der Berachtung und ſchnoöden Behanbfung ver Chriften preiögegeben waren. Zu ben Städten, in welchen biefer Unterfchied der Zeiten am auffallendften

) Mone a aD. &. 262 und Walter’s beutfche Rechtageſchichte, $ 407. ) Mone, ©. 263 fig.

412 XV. Geſchichte und Lage ber Frankfurter Juden im Mittelalter.

zu Tage tritt, gehört die Stabt Frankfurt. In ihrer Gefchichte bietet ich die auffallende Erſcheinung dar, daß Haß, Verachtung und Mishandlung der Juden erſt vom Ende des Mittelalters an am ftärfften wurden, daß dagegen die Stellung ber Chriften gegen bie Juden früher toleranter und humaner war, als in den meiften anderen deutſchen Städten. oo

Die frübefte Zeit, in welcher Juden in Frankfurt erwähnt werben, ift bie Mitte des zwölften Jahrhunderts; damals gab es aber daſelbſt nicht blos wenige einzelne Juden, fonbern es beitand auch ſchon eine Judengemeinde?). Man muß aber annehmen, baß in Frankfurt ſchon weit früher Juden ſich niedergelaffen hatten; denn die nahe gelegene Gegend um Speier, Worms und Mainz war einer der älteften Wohnfibe der Juden in Deutichland, und and ihr ſiedelten gewiß fchon früh Juden nah Frankfurt über, weil diefe Stadt von Anfang an einer der Mittelpunkte des Handelsver⸗ kehres der umliegenden Lande war.

Erft hundert Jahre fpäter wird ver Geſchicke der Franffurter Judenſchaft zum zweiten Male gedacht. Damals fand nämlich die erfte und einzige Judenverfolgung durch Frankfurter Bürger im Mittelalter Statt, was um fo mehr zu beachten ift, ba in ben be nachbarten rheinifchen Städten die Juden zu öfteren Malen der Mordgier ihrer Mitbürger preisgegeben waren (j. Anm. 227). Es find und die Einzelnheiten dieſer Frankfurter Judenverfolgung, welche man fpäter mit dem Namen der erften Judenſchlacht bezeichnet bat, nicht genau bekanut, da wir nur eine einzige gleichzeitige und offictelle, zugleich aber auch ganz allgemein gehaltene Nachricht über fie befitzen. Dies tft ein Schreiben des Königd Konrad IV. vom Jahre 1246, durch welches den Frankfurter Bürgern Berzeihung dafür gewährt wird, daß fie ſich gegen bie bei ihnen wohnenden Juden Mord und Zerftörung hatten zu Schulden kommen Laflen *).

Kirchner (I. ©. 95) bat in einem jübifchen Buche aus jener Zeit eine Stelle gefunden, in welcher es von einzelnen Städten beißt: in ihnen gebe feine Jubengefellfchaft, wie in Frankfurt eine beſtehe. Urkunblic wird ber Frank⸗ furter Judengemeinde erft 1288 gedacht. Es gefchieht bie in einer Urkunde, welche mit den Worten beginnt: Nos Anselmus magister Judeorum et Ysaac de Bruchseilde necnon universitas Judeorum ibidem.

2) Böhmer, p. 76.

XV. Geſchichte und Lage der Frankfurter Juden im Mittelalzer. 418

Rad anderen, aus fpäterer Zeit überlieferten Nachrichten war 1240 oder 1241 ein junger Jude, welcher zum Chriſtenthume übertreten wollte, durch feine Angehörigen daran gehindert worden, man hatte den Juden darüber Vorwürfe gemacht, und war dann zum gewalt- fnmen Angriffe auf fie gefchritten. Die Juden hatten ſich gewehrt, und der Kampf war jo hitzig und hartnäckig geworben, daß mehrere Chriſten und viele Juden bag Leben verloren. Außerdem war während des Kampfes eine Feuersbrunſt entjtanden, burch welche die Hälfte der Stadt eingeäfchert worben fein jol. Bon ben Juden waren nach einer Angabe 173, nach einer anderen 180 theils er fehlagen worben, theils eines freiwilligen Todes in ben Flammen geftorben; die übrigen, 24 an ber Zahl, unter ihnen auch ber Rabbiner, jollen fi) durch Annahme der Taufe gerettet haben !).

In dem weiteren Verlauf des dreigchuten Jahrhunderts kommen nur zwei für bie Frankfurter Juden erfreuliche Erfcheinungen vor. Die eine ift die bereit? oben (S.408) erwähnte Beglaubigung einer paͤbſtlichen Bulle, durch welche die deutjchen Juden überhaupt gegen die Mishandlung und Verfolgung fanatifcher Chriften nachdrücklich in Schuß genommen wurden. Die anbere ift der erfolgreiche Schub, welchen der Stabt-Schultheig 1292 den Juden gegen einen Erpreſ⸗ ſungsverſuch des neu erwählten Königs Adolf gewährte. Diefer König Hatte fih eine Schuldenlaft von 20,000 Marl aufgelaben, und wollte zur Tilgung berjelben bie Frankfurter Juden zu einer außerorventlihen Steuer zwingen; allein der Schultheiß (Heinrich von Praunbeim) wiberjegte fich dieſen Vorhaben, und der König mußte von demfelben abſtehen?). Das Verfahren bes Schultheißen ift übrigen? geradezu unerflärlich, weil die Frankfurter Juden damals der Stabt noch nicht verpfändet waren, und man dem Kaifer das Recht, über feine Kammerknechte zu verfügen, nicht fireitig machen konnte. Wielleicht laͤßt fich jedoch die Einſprache des Schultheißen aus dem Lmftande erflären, daß die als Steuer geforverte Summe weit über die Kräfte ber damaligen Frankfurter Judenſchaft ging,

1) Sirhner, L ©. 194 fig.

N Orth's Anmel. IV. ©. 210, Leräner, L1.6©. 66, Kirchner, J. ©. 148 fig. Daß übrigens Heinrih von Praunheim jener Schultheiß war, ergibt fi aus einer vom Mai 1292 batirten Urkunde, welche von ihm als Schultheißen außgeellt if (Böhmer, p. 264).

414 XV. Geſchichte und Lage der Franffınter Juden im Mittelafter.

oder auch daß Thon damals ein Theil der Königlichen Einkünfte ven derfelben an irgend jemand verpfändet war.

Solche BVerpfänbungen der Judengefälle kamen, fomwie andere Geldanweilungen auf die Juden Frankfurt's, im breizehnten nnd vierzehnten Jahrhundert öfters vor. Im Sabre 1281 gewährte König Nudolf I. dem Frankfurter Schultbeifen Heinrich das Recht, von jebem Juden, der fich in Frankfurt aufbielt, eine Mark zum ergeben ?). Im Jahre 1292 wies König Adolf feinem Better Gott: fried von Eppftein und deſſen Nachkommen 25 Mark jähriger Eine fünfte auf die Frankfurter Juden an; viefe 25 Mark verlaufte ber Eppſteiner 1840 an die Herren von Sachlenhaufen?). Im Jahre 1292 fchenfte Adolf auch dem Gottfried von Merenberg für fich and feine. Erben 20 Mark folder Einfünfte, von welchen tiefer drei Jahre nachher vier an die Herren von Sachfenhaufen abtrat ®). Im Sabre 1297 wurbe auch der Mainzer Erzbiichof von König Abdolf mit 300 Mark jährlicher Eintünfte bebacht, welche die Frank furter Juden ihm entrichten follten. Der Erzbiſchof von Maing hatte nämlich als Erzkanzler von der Steuer, welche bie deutſchen Juden dem Könige jährlich bezahlen mußten, ein Zehntel zu bezichem, und da er ſowohl diefe mehrere Jahre nicht empfangen, als and gewiffe Ausgaben für ven König beftritten hatte, jo verfprach Adelf ihm eine Entfchäbigung von 5000 Mark, und wies ihm bis zu deren Bezahlung für jedes Jahr 200 Mark auf das Frankfurter Angeld und 300 auf die dortigen Juden an. Zwei Jahre nachher verwandefte Adolfd Nachfolger, Albrecht L, noch dazu jenes vom Erzbiſchof Gerhard von Mainz Lünftig zu beziebende Behntel im 500 Pfe. Heller, welche derſelbe fortan, neben ven ihn von Adolf angewwiefenen 300 Mark, jührlih won den Frankfurter Juden zu erheben Haben folle, mit der ausdruͤcklichen Erllaͤrung, daß ber König, ſo lange er und ber Erzbiſchof Ichten, den Frankfurter Juden eine Wnigliche Steuer auferlegen wolle*). Bald darauf (1308) trat der⸗

1) Böhmer, p. 202. Nach einer ungebrudten Urkunde verpfänbete berfefbe König Rudolf dem Grafen Adolf von Naffau (nachherigem dentfchen Könige) 21286 yeanzig Mark jührlicher Einkünfte von den Frankfurter Juden: Wiener’s Negeſten zur Geſch. der Juden, ©. 12.

9 Böhmer, p. 274 u. 280, fowie Senckenberg, I. p. 209 und 225.

2) Ebenbaf. p. 277 unb 296. *) Ebenbaf. p. 812, 827.

XV. Geſchichte und Lage ber Frankfurter Juden im Mittelalter. 415

ſelbe Erzbifchof an Sifried von Eppftein, dem er Dank und Geld ſchuldig war, 100 Mark von den jährlichen Einkünften ab, welche bie Frankfurter Juden ihn zu entrichten hatten !). Es Lafteten alſo um bad Jahr 1300 auf den Frankfurter Juden 345 Mark umb 500 Bfo. Heller, weldde Summen fie jährlih am den König oder bie von ihm mit ſolchen Geldern bedachten Perfonen zu entrichten hatten. Mechuet man bie damalige Mark zu 24 leichten Schiflingen ober gm etwa 20 Sulden unſeres heutigen Geldes, fo betrugen bie 345 Mark nahe an 7000 (genau 6900) Gulden. Das Pfund Heller glaubt Euler?) für Frankfurt un das Jahr 1300 auf 860 Heller und auf 20-—21 heutige Gulden berechnen zu müfler, wonach jene 500 Bft. auf 10,350 Heutige. Gulben zu vweranfchlagen fein würden. Died würde bie von den Frankfurter Juden dem Könige zu enl- richtende jährlide Steuer auf bie unmögliche Summe von ciwaß über 17,000 Gulden erhöhen). Auch war damals der Muͤnzwerth jo ſchwankend, daß nach Euler fchon 1320 bag Pfund Heller uur noch kaum 6 Gulden. Werth Hatte,

Am Anfange des vierzehnten Jahrhunderis zeigten mehrere Frankfurter Juden und Jüdinnen cine Kühnheit, welche fchon -200 Jahre ſpaͤter ihre Nachkommen fi ſchwerlich erlaubt Haben würden. Sie beſaßen Häufer, Weingärten und andere Grundſtücke, auf welchen Zehnten und andere Abgaben zu Gunften des BartholomäussStiftes ruhten; von den früheren chriftlichen Befigern jener Grunbitädk waren die betreffenden Abgaben ftetd entrichtet worden, die jüifchen aber weigerten fich deſſen, und fie Tönnen dafür ſchwerlich einen anderen Rechtsgrund geltend gemacht haben, als daß fie fich nicht für verpflichtet Hielten, an eine chriftliche Kirche ala folche Abgaben zu leiften. Das Bartholomand- Stift wandte ſich klagend an ben Babft. Diefer gebot 1312 einem Mitgliede der Mainzer Kirche, die Juden zu zwingen, daß fie entweder bie gejelich begründeten Ab⸗

1) Böhmer,p. 851. Die Faiferliche Beftätigung diefer Abtretung ſteht ebenbaf. &. #79.

) Im Anzeiger bed german. Muſeums 1861, ©. 816.

5) Wobei bie eine von jedem Juden an den Schultgeißen Heinrich zu zahlende Mark nicht mit gerechnet ift, weil nicht Mar ift, ob er fie von ben In Frankfurt anfäfligen oder blos von ben in Handelsgeſchäften dahin Tosnmenben Juden zu beziehen hatte.

416 XV. Gefiee und Lage der Frankfurter Juben im Bittelaller.

gaben eutrichteten, over bie betreffenden Grunbftüde zurädgäben. Um aber die Juben dazu zu bringen, folle nöthigenfalla deu Chriften ber Verkehr mit ihnen unterfagt werben; und wenn efıwa bie Zeugen, beren man bei der Ausführung des päbltlichen Befehles bebürfe, aus Gunſt, Haß oder Furcht die Außfage verweigerten, fo folle man fie durch Anwendung kirchlicher Strafen dazu zwingen 1). Man Tonnte aljo damals die Beſorgniß begen, daß chriftliche Bürger entweder and Haß gegen die Geiftlichkeit, oder aus Gunft für die Juden, oder and Furcht vor ihnen fich weigern würden, ein für Juden nachtheiliges Zeugniß abzulegen.

Bon ven Königen und Kaifern bed vwierzehnten Sahrbundertz find Ludwig der Baier und Karl IV., wie für bie Stadt Frankfurt überhaupt, fo auch für die Juden derfelben die wichtigften gewefen, und ber Erftere gehörte noch dazu zu denjenigen beutfchen Serrichern, welche fich die Frankfurter Juden am meiften zu Dank verpflichteten. Rubwig wie zwar gleich am Anfange feiner Regierung bem Mainzer Stuhle zu den ihm zu entrichtenden Judengeldern noch weitere 800 Pfund Heller an, welche für die Unterhaltung von Reichäburgen verwendet werben follten 2); er zeigte fich aber nachher ben Juden der Stadt Frankfurt ſtets gewogen. Im Jahre 1331 traf er mit ihnen (feinen lieben Kammerknechten, wie er fich ausdrückt) eine Webereinkunft in Betreff deſſen, was fie während ber nächiten zehn Jahre ihm oder feinem etwaigen Nachfolger ald Steuer zu entrichten hätten, uud ertheilte die auch biefen bindende AZufage, daß fie mit jeder weiteren Forderung verfchont bleiben follten. Zugleich befahl er dem grankfurter Mathe, erftend ven Juden ihre Rechte förmlich zu ver: Briefen und biefer Verbriefung gemäß ſtets gegen fie zu verfahren, zweitens aber fic auch gegen jedermann, der ihuen irgend ein Unrecht anthun wolle, jogar gegen den Kaifer jelbft ebenjo in Schuß zu nehmen, als wenn das Unrecht ber Stabt felbft wiberfahre 9).

Sechs Jahre fpäter (1337) erhielt Kaiſer Ludwig einen traurigen

1) Böhmer, p. 899. Uebrigens wie in bemfelben Jahre 1812 König Heinrich VIL den Bürgern von Eßlingen als Hülfsgelder zum Sriege gegen ben Grafen von Würtemberg 200 Pfd. Heller auf bie Sranffurter Juden an: ſ. Wiener's Regeften, ©. 2

) Böhmer, p. 418.

®) Böhmer, p. 510.

XV. Geſchichte und Lage ber Frankfurter Juden im Mittelalter. 417

Anlaß, fih der Frankfurter Juden wieder annehmen zu müſſen. Damals zog in den Rhein⸗Gegenden eine Rotte von allerlei Gefinvel umber, welche größtentheild aus Bauern beftanb und, mit Spaten, Senſen, Schlägeln und Miftgabeln bewaffnet, allenthalben die Juden andzurotten fuchtee Sogar mehrere Evelleute follen fich zu ihnen gefellt haben. Man nannte fie die Schlägler und die Juden— Ihläger Ihr Führer war urfprünglic der Bauer Armleder, welcher jpäter zur Strafe hingerichtet wurde. Dieſe immer mehr verwildernde Horde oder doch eine Schaar derſelben fam auch in bie Umgegend von Frankfurt, und bebrohte die dortigen Juden mit Raub und Mord. Der Rath bat damals in zwei Briefen den Kaifer um Hülfe gegen die Judenſchläger, und erjuchte ihn namentlich, ben beiden Herren von Eppftein und Hanau zu befehlen, daß jie in ihren Gebieten diefelben nicht duldeten. Bereitwillig ging Kaifer Ludwig auf die Bitte des Frankfurter Rathes ein. Er ließ das gewünschte Gebot an die erwähnten beiden Herren ergeben, befahl ihnen zugleich, den Rath ſelbſt von ver Ausführung feines Gebotes zu vergewiſſern, forderte den Lebteren auf, ihm ihre Antworten zugehen zu laſſen, legte auch dem Erzbiſchof von Mainz bie Beſchützung der Juden ans Herz, und ertheilte ihm und dem Frankfurter Mathe den Befehl, einander in diefer Sache zu unterftügen (j. Anm. 228). Mebrigens hatte Kaijer Ludwig jchon einige Monate früher in einem anderen Schreiben gezeigt, wie ſehr er fich die Beichügung der Frankfurter Juden angelegen fein Tief. Er hatte nämlich. am 15. April 1337 dem Mathe ernitlich geboten, die Juden ver Stadt bei ihren Gewohn⸗ heiten und Rechten zu halten, fie nur vor dem ftäbfifchen Gerichte belangen zu laſſen und namentlich nicht zuzugeben, daß ſie vor ein geiftliches Gericht gelaben würden 9).

Sm Jahre 1338 gewährte Kaifer Ludwig den Frankfurter Bürgern eine befonbere Gunft, damit fie, wie er in feinen Gnaden⸗ briefe fih außsbrüdt, die bei ihnen anfäffigen Juden deſto gerner und willtglicher fchirmeten und beforgeten. Er erklärte nämlich, daß bie Frankfurter Juden, wenn fie Geld außlichen, von jevem Pfund

3) Diefes im erſten Bande der fogenannten Kaiferbriefe bes Stadt: Archivs befindliche Schreiben ift im Urkundenbuch zu Olenſchlager's Erläuterungen, S. 91, abgedrudt.

Krieg, Zrankf. Bürgerzwifte, 27

418 XV. VGeſchichte umb Lage ber Frankfurter Juden im Mittelalter.

Heller bei Bürgern nur anderthalb, bei Auswärtigen aber zwei Heller wöchentlichen Zins nehmen bürften, fowie daß fie weder zu einem geringeren Zinfe, noch auch zu einem Anlehen gezwungen werben follten. Zugleich gebot er dem Rathe, diejelben nicht nur überhaupt, ſondern auch in Betreff ihrer Ausftände zu beſchũtzen 9).

Im Sahre 1346 hatte fich ein Theil der Frankfurter Juden auf unbefannte Weile vergangen. Als nun der Kaijer einige der Schuldigen beftrafen ließ, entzogen ſich mehrere andere (13 Männer, 8 Frauen bderjelben und noch etliche andere Juden) dem gleichen Schickſale dur die Flucht. Der Kaifer 309 hierauf Habe und Gut ber Flüchliggewordenen ein, verkaufte deren Häufer für 3000 Pfund Heller an den Rath der Stadt Frankfurt, und erlaubte demfelben, bei einem geringeren Erlöfe von dieſen Hänfern fi überall im Reiche an dem Beige der Flüchtlinge zu erholen. Zugleich geftattete er demfelben aber, jeden der Flüchtlinge wieder aufzunehmen und ihm fein Haus zurücdzugeben. Außerdem erklärte er, foldhe Zurück⸗ gekehrte wegen des von ihnen Begangenen feinerjeit3 zwei Jahre lang unangefochten zu laffen, nachher aber fie jo, wie Schuliheig, Schöffen und Rath der Stadt für gut halten würden, zu beftrafen. Kirchner bat dieſes Berfahren Ludwig's mit Unrecht ald eine aus Habgier hervorgegangene Willfür und Härte bezeichnet. Der Kaifer that nicht? Anderes, ald was zu jener Zelt auch gegen jeden Ehriften geihah, der fi dem Gerichte durch die Flucht entzog, und was unter Andern Karl IV. fpäter gegen die flüchtigen Theilnehmer des Zünfte-Aufftandes that. Sa, er verfuhr fogar milder gegen jene Juden, ald Karl gegen bie Tebteren, indem er bie Rückkehr ber Flüchtlinge geftattete und, in Betreff ihrer Beitrafung, fein Richteramt an die Frankfurter Stabtbehörde abtrat *). Uebrigend wurben einige der flüchtigen Juden nachher in Frankfurt wirklich wieber aufgenommen 9).

1) Böhmer, p. 558. Nebrigens beredjnet fich der für bie Bürger feige: feste Zinsfuß auf 82'% pCt. jährlih. In dem älteften Stadt-RNechenbuch, benz von 1848, find nämlich bie Einkünfte jeder Woche fo abdirt, daß 20 Schilfinge 1 Pfund und 12 Heller einen Schilimg ausmachen.

”) Böhmer, p. 604. Kirchner, I. ©. 196 fig. 198.

9 Das Bürgerbuch hat folgende ber in ber Faiferlichen Urkunde genannten Flüchtlinge als wieber aufgenommene verzeichnet: Fyſchs von Erfurte genant zum

XV. Gefgichte und Lage der Frankfurter Juden im Mittelalter. 419

Wenige Wochen vor feinem Tode (1347) gewährte Kaifer Ludwig ben Frankfurter Juden „aus Dank für den fchweren Dienft, den ſie ihm geleiftet hatten,” noch eine beſondere Gnabe. Er befreite fte für fih und feinen Nachfolger auf neun Bierteljahre von jeder Abgabe mit Ausnahme ded goldenen Pfennigs, d. i. des herkömm⸗ lichen Kopfgelves, welches jeder Jude und jede Jübin vom breizehnten Lebensjahre an jährlich an die Taiferliche Kammer zu entrichten hatte, Ja, er fügte in dem deshalb erlaffenen Manifeft ſogar Hinzu, daß er felbft, fall er hHiergegen handeln werde, ſich dem Spruche des Frankfurter Rathes unterwerfen wolle, welchen er zugleich fürmlich aufforberte, die bei ihm anfäffigen Juden gegen jedermann, felbft gegen den Kaiſer zu ſchützen 1).

Zwei Jahre nach Ludwig’ Tore (1349), ala Karl IV. deutſcher König geworden war, trat eincd der wichtigften Ereigniſſe in ber Geſchichte der Frankfurter Juden ein: Karl EV. verpfändete durch eine am 25. Juni auögeftellte Acte?) diejelben dem Rathe und den Bürgern Frankfurt's. Dadurch wurden bie dortigen Juden auf jo lange Eigenthum der Stadt Frankfurt, bis die Pfandſumme zurück— bezahlt war. Died gefhah nie. Im Gegentheil, 1685 entjagte Kaifer Leopold I. dem Wiederkaufsrechte, und die Stadt war ſeitdem vollftändige Eigenthümerin ihrer Juden. Die dem Saifer Karl IV. entrichtete Pfandfinnme betrug 15,200 Pfd. Heller. Es ift nicht möglich zu fagen, wieviel diefe-Summe nach unferem heutigen Gelb- werthe betragen babe. Am wahrjcheinlichften ift, daß dieſelbe 1349 in 76,004 unferer Gulden beitand®); da aber das Geld in ber Mitte des vierzehnten Jahrhunderts einen zwölf: bis dreizehnfach höheren Werth hatte, als heut’ zu Tage, fo muß man dieſe Summe für unfern gewohnten Maßſtab des Geldes auf 900,000 bis nahe eine Million Gulden veranfchlagen. Durch die Verpfärdungs:Acte wurben alle Juden, welche damals in Frankfurt wohnten, ſowie

Storke (offenbar ber vom Kaifer Bilhlin von Ertfurt genannte) und Criſtan Kruſe 1848, Menechin von Goftenge, Senberlin von Spire und Ball von Minpenberg 1849. ) Böhmer, p. 609. 1) Senckenberg, Sel. I. p. 684. ) ©. Kirchner, I. ©. 440. 27°

420 XV. Gefchichte und Lage ber Frankfurter Juden im Mittelalier.

biefenigen, welche fpäterhin bafelbft ihren Wohnſttz nehmen würben !), mit allen ihren Beſitzthümern der Stadt Frankfurt zur Nutznießung überlafien. Zugleich entfagte der Kaifer dem echte, Tünftighin irgend ein Geld ober einen Dienſt von ihnen zu fordern, ausge⸗ nommen das, was fie herkömmlicher Weile den Taiferlichen Amt- leuten zu entrichten hatten, fowie bie bei des Kaiſers Anweſenheit Statt findende Verpflichtung, gemäß beren die Juden vie Kanzlei bes Herrjcherd mit Pergament, feinen Hof mit Bettung und feine Küche mit Keffeln zu verjehen hatten. Auch follten fie fortfahren, die Einkünfte zu entrichten, welche früher dem Bistum Mainz und der Herrichaft Eppftein auf fie angemwiejen worden waren ?). Ferner gewährte ter Kaifer ver Stadt Frankfurt das Recht, daß ihre Juden weber vor dad Hofgericht, noch vor irgend ein anderes auswärtiges weltliches Gericht, fondern blos vor ben Frankfurter Schöffenftuhl geladen werben burften. Außerdem erklärte er, daß, wenn jemals die Judenſchaft Frankfurt's ausftürbe ober getöbtet würde oder bie Stadt verlajfe, diefe darum nicht zur Nechenfchaft gezogen werben folle, daß fle aber in dieſem Falle ſich überall an ber betreffenden Juden Gute ſchadlos halten dürfe und nur, wenn die dafür erlöfte Summe bie bezahlte Pfandfumme von 15,200 Pfd. Hellern über: fteige, den Mehrbetrag an den Kaifer abgeben müſſe. Endlich gab der Kaiſer nicht nur das Verſprechen, bie Frankfurter Juden nebit ihren ererbten Freiheiten, Mechten und Gewohnheiten zu jchüßen und - zu jchirmen, fondern er verpflichtete auch die Bürgerjchaft, dasſelbe zu thun.

In einer anderen, am nämlichen Tage auögeftellten Urkunde verſprach der Kater, die Einwilligung der Kurfürjten zu ber vor⸗ genommenen Verpfänbung beizubringen; und biefe erfolgte auch noch an bemfelben Tage von ben Kurfürjten der Pfalz und Brandenburg, fowte wahrfcheinlich nachher auch von den übrigen?) Bier Tage

1) „Unſer Juden gemeinlichen zu Franckfurth, unſſer cammerfnechte, veich und arm, die jezund da ſind ober hernach darkommen mögen“. An einer anderen Stelle derſelben Urkunde wird noch beſtimmter gefagt: „dieſelbig Juden, bie jezund zu Franckfurth feyn oder hernach bar zu wohnen kommen“.

2) ©. oben ©. 414 fig. Dagegen find auffallender Weiſe bie Einkünfte nicht erwähnt, welche ber Herr von Werenberg von ben Yuben zu beziehen hatte.

©) Senckenberg, Sel. VI. p. 567 bis 578,

XV. Geſchichte und Lage der Frankfurter Juden im Mittelalter. 421

ſpäter beftätigte der Kaiſer die Verpfänbung, und ertheilte ber Stabt zugleich die Zuficherung, nie mehr irgend eine Anweifung auf Ein-

fünfte von der Frankfurter Judenſchaft auzzuftellen Y. Zugleich beftimmie er, daß bie vorbehaltene Leiftung, welche die Juden bei des Herrſchers Anweſenheit in Frankfurt ben Amtleuten desſelben zu thun ſchuldig waren, in je fünf Pfund für fieben Beamte und Diener beftehen, aber bei mehr als einmaliger Anweſenheit Im Jahre nur einmal geleiftet werden folle?). Fünf Jahre jpäter (1354) beftätigte der Kaifer zum zweiten Dale die Yuden-Verpfändung von 13499), Im Sabre 1360 aber gewährte er der Stabt Frankfurt das Recht, fremde Juden aufzunehmen und mit ihnen über dad, was fie ihr jährlich zu zahlen Hätten, übereinzufommen. Dabei verfügte er, dag ein Theil der jährlichen Gefälle von diefer Klafje von Juden zur Beftreitung der Einkünfte, welche den Herren von Eppftein und von Sachſenhauſen auf die Frankfurter Juden angewiejen waren, dienen, das Webrige aber halb dem Kater, halb der Stadt Frankfurt zufollen ſolle. Zugleich gewährte der Kaifer, wahrjcheinlich um viele Juden zur Niceberlaflung in Frankfurt zu veranlaffen und dadurch feine eigenen Einkünfte zu vermehren, biefem Theile der Frankfurter Juden dad Borrecht, daß fie allein bie bei des Herrſchers Anwejen- bet in Frankfurt zu leiſtende Abgabe von Pergament, Beltzeug n. ſ. mw. nicht zu entrichten hatten *).

Im Jahr 1372 verkaufte Karl IV. das noch in feinen Beſitze befindliche Halbtheil der nach 1349 in Frankfurt neu aufgenommenen fremden Juden für 6000 Gulden an die Stadt, welche nun alle in Frankfurt anfälfigen Juden zu eigen hatte5). Doch blieben die auf ben Juden laftenden Einkünfte, welche die Herren von Eppftein und Sachjenhaufen zu beziehen hatten, vorbehalten. Ein ſolcher

2) Senckenberg, VI. p. 575 u. 577.

7) Ebenbaf. p. 573.

s) Ebendaſ. p. 577.

*), Dienfhlager’3 Erläuterungen S. 86. Im Sabre 1868 warb bie Er- laubniß, fremde Juben aufzunehmen, von Karl noch einmal betätigt: Böhmer, p. 685. Uebrigens bat bas Geld, welches der Kaiſer von ben in Frankfurt fich neu anfiebeinben Juden erhob, etwas Auffallendes, ba ja bereit3 1849 auch biefe Juden im Voraus für ftäbtifches Eigentum erflärt worben waren.

®) Benckenberg, VI. p. 601.

422 XV. Gefchichte und Lage der Frankfurter Yuben im BRittelalter.

Borbehalt ward nicht in Betreff einer Summe von 600 Gulden ge- macht, welche Karl 1360 theild dem Sifrieb zum Paradies, theils dem Probft zu Ingelheim auf feinen Antheil an ven Angaben der bezeich- neten Klaſſe von Juden angewielen hatte; denn wahrſcheinlich Batte die Stadt jchon 1372 einen Vertrag gejchloffen, kraft deſſen fie nach- ber diefe Zahlung in Xerminen ablöfte!). Auch die Judengefälle ber Herren von Sachſenhauſen wurden mehrere Jahre nachher durch die Stadt abgelauft, da ihrer jpäter nicht mehr gedacht wird. Die Herren von Eppftein aber bezogen noch im folgenven Jahrhundert jährlih 25 Mark „von der Juden-Beebe” in Frankfurt. Ein anderer Theil der Subengefälle, welchen das Mainzer Bizthum zu beziehen hatte, war fchon vorher abgefauft worden: er beitanb in jährlichen 900 Pfr. Hellern, welche ver Rath 1358 für 7500 Gulden abgelöft hatte ). Dagegen erjcheinen bald nach dem Jahre 1358 zwei andere ftädtifche Zahlungen von ben Judengefällen, deren Entftehung wir nicht fennen: von 1361 an bis 1365 bezog Ulrich von Hanau aus der Stabtlaffe einen Theil dieſer Gefälle, und von 1367 bis 1379 ber Herr von Erlenbach einen anderen (j. Anın. 229), Da die Zahlung an Ulrich von Hanau einmal das Halbtheil von ben Juden genannt wird, jo war fie offenbar nichts Anderes, ald das zuvor erwähnte, dem Kaifer zu entrichtende Halbtheil von den neu aufge nommenen Juden, welche Ulrich für Rechnung des Kaiſers bezog.

Kehren wir nun zum Verlaufe der Geſchichte der Frankfurter Juden zurück! Am 25. Juni 1349 hatte Kaiſer Karl IV. die Juden pfandweiſe an die Stabt abgetreten, und ſchon vier Wochen nachher fand in Frankfurt die fogenannte zweite Judenſchlacht Statt, oder mit anderen Worten bie Juden erlitten bafelbjt zum zweiten Male eine blutige Verfolgung, welche aber diesmal nicht von den Bürgern, fondern von Fremden ausging. Ueber dieſes Creigniß haben wir aus jpäterer Zeit Angaben erhalten, welche fehr unzu- verläffig find. Die einzigen gleichzeitigen und officiellen, aber ſonder⸗

1) Wenigſtens kommen in ben Rechenbüchern mehrere foldhe Termin: Zahlungen an Sifrieb zum Parabies vor, beren letzte (unter Sabb. ante Gregorii 1877) fo lautet: 72 gulden 10 bel. Syfr. zum Paradiß, unde ift un zu male beczalet ber 800 gulden, bie wir ieme gegeben han von ber 30 gulden gelbes wegen, bie be uff den Juden hatte,

2) S. Fichard's Ardiv, IH. S. 172, 190.

XV. Geſchichte und Lage der Frankfurter Juden im Mittelalter. 423

barer Weile feither nicht beachteten Nachrichten finden fih im Stadt⸗ Rechenbuch von 1349 (|. Anm. 230).

Prüft man von der Grundlage diefer ficheren Nachrichten aus bie ſpaͤter gemeldeten Angaben, jo ergibt ſich Folgendes als ber wirflihe Hergang und Berlauf der zweiten Judenſchlacht. Erfteng fand diefelbe am 24. Juli Statt 1); und es ift deöhalb ein Irrthum, wenn Kirchner und Fichard fie vor Karl's IV. Juden-Verpfändung geichehen fein lafjen, und Erfterer noch die Vermuthung binzufügt, der Kaiſer habe die Juden vielleicht aus dem Grunde verpfändet, weil er müde gewejen ſei, die Zahl feiner Kammerknechte mit jedem Tage vermindert zu ſehen. Die vorausgegangene VBerpfändung koͤnnte jogar mit zu ber Judenſchlacht Veranlaffung gegeben haben, in fo fern nämlich nach berjelben die Keinde ber Juden durch deren Er- mordung ſich nicht mehr unmittelbar am Reiche und feinem Ober- baupte, fondern vielmehr an der Stadt Frankfurt vergingen.

Jene Feinde der Juden, welche den blutigen Auftritt herbei führten, waren die rohe und fanatifche Schaar der Geifelbrüber, und an ſie Hatte fich vermuthlich ein Theil der noch wilderen Horde ber Judenſchlaͤger angejchloffen, welche damals noch immer am Rhein umherſtreifte. Dieje Fremden fielen, nachdem fie kurz vorher nad Frankfurt gefommen waren, raub⸗- und blutgierig über die Juden ber. Ste fuchten dieſe nicht nur niederzumetzeln, ſondern es brach auch ein Feuer aus, welches entweber zufällig entftandben, oder, was wahricheinlicher it, durch die Geifelbrüder und Judenſchläger an⸗ gelegt worden war. Da zu jener Zeit im Juden-Quartier auch Chriſten wohnten, fo kamen dieſe ebenfalls in große Gefahr. Ste ergriffen gleich den Juden die Waffen gegen die Räuber und Mörder, und bie chriftlichen Bürger der übrigen Stabttheile eilten, auf ben Ruf der Sturmglode, zur Hülfe herbei. In der Verwirrung bes ſich nun entjpinnenden Kampfes und bei dem ftarfen Brande, welcher alsbald von der Pfarrkirche an bis zur Main: Brüde wüthete, fonnten entweder bie fich wehrenden Juden Freund und Feind nicht mehr. unterfcheiden, ober die wilde Schaar ber Fremden machte burd)

I) Diefes Datum geben bie fpäteren Berichte an, und beitätigt wird es durch ben Umftand, daß das Stadt-Rechenbuch nicht früher als vom 26. Juli an bie Ausgaben verzeichnet bat, welche durch bie Judenſchlacht veranlaßt worden find.

424 XV. Gedichte und Lage ber Frankfurter Juden im Mittelalter.

das ausgeſprengte Gerücht, daß bie Juden das Teuer angelegt hätten, bie ben Xebteren befreundeten Bürger zu deren Feinden; und nun fümpften auch bie chriftlihen und jübifchen Stabibewohner gegen einander. Der Kampf enbigte erft dann, als die Juden theild ven Tod gefunden, theild die Flucht ergriffen hatten. Nach ver Been- bigung bed Kampfes wurben die raub⸗ und morbgierigen Fremden durch die Bürger aus ber Stabt getrieben, dann aber mehrere Wochen lang die Stabtihore durch verftärfte und gut gerüftete Wache⸗ poften gegen fie geſchützt. Der Rath hatte entweder gleich beim Beginn des Kampfes einen Theil des Juden-Quartiers durch Holze verfchläge unzugänglich machen, oder nad) dem Kampfe die Trümmer dieſes Quartier? burch ſolche Verichläge abiperren Laffen.

Wie viele Menjchen umgelommen unb wie viele Gebäude nieber- gebrannt find, iſt unbefannt. Nur ſoviel fcheint feftzuftehen, daß bie am Suden=- Quartier geftandene Fifcherpforte durch den Brand oder vielleicht auch durch Erjtürmung bejchäbigt worben war, unb daß das Feuer einerfeit3 daS Dach der Pfarrlicche und andererfeitd bag bes einen Brückenthurmes ergriffen hatte, daß aber beide Ge bäube feinen großen Schaden erlitten). Auch legte das Teuer bie meiften Häufer des Juden» Duartierd in Aſche. Es wird fogar gemeldet, daß zwifchen ber Pfarrfirche und ber Brücke alle Häufer niebergebrannt feien, und daß man beöhalb vom Pfarrkirchhof aus nah Sachſenhauſen habe hinüberbliden Tönen. Noch 1367 Tag eine Anzahl von Judenhäuſern in Schutt ?). Eine andere ber vielen, zum Theil ganz unzuverläjfigen Nachrichten über bie zweite Juden⸗ jchlacht meldet, daß auch das ftäbtifche Rathhaus, welches damals an ber Stelle bes jebigen Pfarrthurmes ftand, niebergebrannt worden

1) Die Nachrichten über bie Pfarrfirche find zu verfchiebenartig und einanber wiberfprechend, als baf ber wahre Verhalt ber Sache zu ermitteln wäre. Nach ber einen Angabe wäre bie Kirche ganz zerflört worden, nach anberen blos das Dad, nach wieder anderen dieſes unb ber hintere Theil ber Kirche. Cine vierte Angabe fagt, die beiden Glockenthürme wären von ber Hite zerfprungen und nod bazu ber Hintere Theil der Kirche eingeäfchert worden.

) Stadt-Rechenbuch, Dominica’ ante Cyriaci 1857: 4 Pfd. zu grabene uff ben Juden hobeftebin. Auch bie Judenſchule war zerlört worden ober hatte bo Roth gelitten, wie folgende Stelle bed Rechenbuches zeigt: Domin. poſt Margarethä 1857: zu grabene in ber Juden fchule 4 Pfd. 2 Sch.

XV. Geſchichte und Lage ber Frankfurter Juden im Mittelalter. 425

ſei. Es heißt nämlich, ein oder zwei Juden, welche in dem gegen- überliegenden Haufe zum Storche wohnten, hätten während des Kampfes feurige Pfeile in die Yenfterläden bes Rathhauſes gefchoflen und fo dieſes in Brand gefteckt, und es feien dabei faft alle Privilegien: Briefe der Stadt vernichtet worben. Diefe Erzählung wirb von einem Theile derer ſelbſt, welche fie überlicfert haben, für eine leere Erdichtung erffärt T); die Grundloſigkeit berjelben kann aber auch außerdem nachgewiefen werden. Im Stadt-Rechenbuch von 1349 finden fih nämlich unter dem 29. November desſelben Jahres, in befien Monat Juli die Sudenfchlacht geweien war, Ausgaben für das Meinigen ver Fenſter der Rathſtube und für das Zurechtmachen bes Ofens in berfelben verzeichnei ?); da nun bis zum Beginn des nächften Jahrhunderts das Rathhaus immer an feiner alten Stelle ftehend erwähnt wird, fo beweifen jene Ausgaben, daß es nach ber Judenſchlacht weder neu erbaut, noch auch einer beveutenden Aus⸗ befferung unterworfen worben tft, daß es aljo in berfelben ent- weder gar nicht oder boch nur wenig befchäbigt worden war.

Nach der Jubenfchlacht fchickte der Rath einen Gejandten an ben Kaiſer, um mit ihm wegen ber Juden zu reden, d. h. doch wohl um fich bei ihm wegen der begangenen Gräuelthaten zu rechfertigen. Derjelbe Gefandte wurde auch „nach ber Juden Gut” nah Mainz gefchiett, entweder weil dieſes dahin geflüchtet worden war, oder weil bie fremden Räuber fich mit ihrer Beute nach ben Rhein Gegenben gezogen halten. Die Juden jelbft waren, ſoweit fie nicht dag Leben verloren hatten, offenbar großentheils aus der Stadt entflohen ?). Ihr Quartier wird zwar fchon im nächiten Jahre nach ber Judenſchlacht wieder erwähnt; man Tann aber hieraus feinen Schluß ziehen ®).

2) So in den Uffenbach'ſchen Manufcripten, Nr. 21. S. 75 von bem Sammler ber Franckofurt. Politico- Ecclesiastica, Nr. 4. S. 105 von bem ber Collectanea Francof. (welcher fagt, dies fei ‚ein lauter Zabel und Gedicht“), und von Latomus, welcher jene Erzählung für ein Lügenwerk erflärt.

3), Dominica ante Nicolal: 2 Pfb. praeter 2 Sch. ben aben zu madhene uff ber Ratſtoben; item bie glefer uff ber Ratflobin zu büzfene und zu machene 14 Sch.

2) Nach ben Angaben in ber Uffenbach'ſchen Sammlung wären fie ins: gefammt entwweber umgelommen, ober entflohen, und zwar bätten bie Entfliehenben fi nach Böhmen begeben.

*) Stadt⸗-Rechenbuch, Domin. poſt Elifabeth. 1850: Hennedine Frommeline 22 Pfb. praster 8 Sch., daz be under ben Jüden hüte, zu Tome.

426 XV. Gedichte und Lage der Frankfurter Juden im Mitielaltet

Die Zubenftener wird zuerft 1357 erwähnt, in welchen zwölf Juden b. 5. zwölf jüdische Familienhäupter dieſelbe zahlten, und aus bem- felben Zahre Hat fi ein Laiferliches Schreiben in Betreff der For- derungen des Mainzer Erzbiſchofs an die Frankfurter Juden erhalten !). Aus der erwähnten Zahl der Juden im Sabre 1357 darf man übrigen? nicht etwa fchlichen, daß fie wegen ber vorausgegangenen Judenſchlacht jo Mein geweſen fei; denn 1360 werben nur adıt, 1361 fieben, 1362 ſechs, in der ganzen Zeit von 1957 bis 1379 aber durchjchnittlich nur vierzehn Juden als fteuerzahlend angeführt. Daß in den nächiten Jahren nach der Judenſchlacht nur noch wenige Juden in Frankfurt übrig waren, ergibt fi aus folgenden Umftänden. Unmittelbar nad jenem Ereigniffe entwarfen die Auguſtiner⸗Moͤnche ben Plan, in Frankfurt ein Klofter zu errichten, und zwar auf’ ber Brandftätte des Iuden- Duartierd; das Bartholomäus - Stift kam ihnen aber zuvor, indem es wegen ber Erbzinfen, die es auf einem Theile dieſes Quartiere ftehen hatte, den ganzen Raum bis zur Mehlwage und zum Leinwandhaus in Beſitz nahm 2). Ferner, eine Deutfchherren - Urkunde von 1362 gebraucht von ben Frankfurter Juden ben Ausbrud: „ehe fte vergingen” ®). Webrigens wird uns gemeldet, daß man fpäter einzelne Ereigniſſe mitunter nach dem Sabre diefer zmeiten Judenſchlacht datirt habe (ſ. Anm. 181). Etwa fünfzehn Jahre nach der zweiten Judenſchlacht müflen die Frankfurter Juden mit großer Kühnheit und Willfür aufgetreten fein; denn ein vom 19. Rovember 1366 datirtes Tatferliches Schreiben an den Stadt -Schultbeiken 4) ſagt, biefelben hätten willtürlich fich felbft Vorfteher gewählt, fowie fich eigene Geſetze gemacht und unter fih Gerichte gehalten, der Schultheiß ſolle fie dafür beftrafen und ihnen dergleichen fernerhin nur in jo weit geftatten, ala es ihm von Reich wegen zweckgemäß fcheine. Außerdem wachte tın December 1365 ein ftäbtifcher Söldner eine Zeit lang bei dem Frankfurter Juden

!) Böhmer, p. 688.

) Kirchner, I. ©.525 fig., Fauſt's Gollectaneen, bei Uffenbach (li O), ©. 128 und eben biefelben (ohne Buchflabenbezeignung) ©. 22.

%) Es wird in ihr eine Hofflätte befchrieben, „die da lyget gein ber Metzeler porten zu Franfinford und ber Juden dantzehus was, ee ſie virgyngen da ſelbis, an irem ſchulhofe gelegin“.

*) Privilegienbuch, ©. 167.

XV. Gefchichte und Lage ber Frankfurter Juden im Mittelalter. . 427

Saat von Koblenz, welder auch Iſaak der große Jude genannt wurde, und im folgenden Jahre ward Habe und Gut biefes Juden eingezogen und zum Beften der Stadt verlauft, ohne baß ber Grund von Beidem angegeben wird (ſ. Anm. 232). 8 fällt dies In die Zeit der Unterbrücdtung bed SZünfte: Aufftandes; man kann aber aus dieſem Umſtande nicht3 weiter fchließen, als daß bie Frank⸗ furter Juden vielleicht die Schwächung, welche damals bad Anſehen des Rathes erlitt, und bie drohende Wuflöfung ber Ordnung benutzt haben, um gleich den Zünften auch ihrerſeits fich eine größere Sefbft- ftändigfeit zu verfchaffen.

Im Jahre 1381 waren die Frankfurter Juden mehr als vier Wochen lang in einer foldhen Gefahr, daß man während bieler ganzen Zeit beſondere Maßregeln zu ihrem Schuße ergreifen mußte; ed ift aber nicht aufzufinden, worin dieſe Gefahr beitanden Bat. Die einzige hierüber vorhandene Nachricht ift nämlich eine im Stabt- Rechenbuch unter dem 4. Mai 1381 verzeichnete Zahlung an bie Beſitzerin des Haufed zum neuen Falkenſtein, welche Zahlung dafür gemacht wurde, daß die fädtifchen Söldner mehr als vier Wochen in deren Haufe gelegen und die Juden gehütet hatten, ſowie daß damal3 die Betten und anderes Weißzeug jener Frau verbrannt waren 9. Der neue Falkenftein ift das ſüdliche Eckhaus ber Fahr: gaffe und ber Prebigeritraße (Nr. 18 jener und Nr. 11 bieler Strage), und liegt gerade da, wo auf der Fahrgaſſe das Juden⸗ Quartier begann. Warıım damals bie Juden einer jo lange bauernben befonderen Hut bedurften, läßt fich weder aus irgend einer anderen gleichzeitigen Meldung, noch aus der allgemeinen Rage ber Dinge vermuthungsweiſe beftimmen 2). Daß man aber umgelehrt damals von ihnen etwas für die Stadt befürchtet und deshalb fie bewacht babe, kann nicht angenommen werben, weil es 1381 nicht mehr

1) Die Worte lauten: 14 Pfd. Engeln zu nuwen Falkenſtein fur iren muhefal, alß die biener zu Fallenſtein lagen und ber Juden Butten me dan vier wochin, unb auch dar für, alß ire bette und lylachen zu ber ſelbin zieb virbranten. Der zunächſt vorhergehende Poften ift folgender: 4% Pfd. alde Hell. minus dryer Heller virgerten bie diener zum guben luden und in ber nubenflab, alß fie, die eynen gefangin, nyberworffin.

9 Bon einem in Frankfurt gehaltenen Turniere, bei welchem in fpäteren Zeiten die Juben abgefperrt gehalten wurden, ift im Jahre 1881 keine Rebe.

428 XV. Geſchichte und Lage ber Frankfurter Juden im YRittelalter.

als neunzehn Steuer zahlende jüdifche Familien in Frankfurt gab (ſ. Anm. 238). |

Um biefelbe Zelt war bie Stadt Frankfurt in Gefahr, von ihren Juden wieder Abgaben an ben König zahlen zu müſſen, obgleich beffen Anspruch hierauf doch fchon vor zwanzig Jahren abgefauft worben war. Frankfurt und bie anderen Stäbte ver mittelcheinifchen Gegenven wurden nämlich im Herbſt 1383 durch ben jchwähifchen Stäbtebund benachrichtigt, daß der König bie Abficht habe, ſowohl von den fürftlichen ala von ben ftädfifchen Juden am Rhein ven zehnten Theil ihrer Abgaben für fich erheben zu laſſen !). Jener Bund erfuchte die rheiniſchen Stäbte, fih auf nichts ber Art einzu- lafien, fondern auf einem demnäaͤchſt zu haltenden Stäbtelage gemein- ſchaftliche Maßregeln zu ergreifen. Es wird ung über jened Bor: haben des Könige nichts weiter gemelvet; und hieraus folgt doch wohl, daß es alsbald wieder fallen gelafjen worden ift.

Im Sabre 1390 waren die Frankfurter in einer ebenfalls ihre beſondere Beihütung erheiichenden Gefahr, wie im Jahre 1381; biegmal tft aber bie. Beichaffenheit der ihnen drohenden Gefahr zu ertennen. Um den Beginn bed December 1390 mußten, während ein Turnier in Frankfurt gehalten wurde, die Juden durch ftäbtifche Söldner gefhütt werben, unb biefe ihre Beſchützer lagen wieder in einem am Ende des Juden⸗Quartiers ftehenden Haufe, nämlich im Stolzenberg d. 5. in dem Haufe, welches der Mehlwage gegenüber dad Ed der Fahrgaſſe und des Garküchenplakes bildet (Nr. 21 ver Erſteren und Nr. 9 des Lebteren) (f. Anm. 234). Der Grund, warum man bamal3 während eines Turnier „ber Juden hüten“ mußte, iſt leicht aufzufinden. Am 16. September 1390 hatte König Wenzel alle Schulden, welche Fürften und Ritter bei Juden gemacht hatten, für getilgt erflärt. Dieſe koͤnigliche Willfür traf bie Frank⸗ furter Juden, unter welchen damals mehrere jehr reiche Leute waren, recht empfinblih; und da ber Rath fich feiner Juden gegen den Kaiſer angenommen hatte, jo waren diefe in Gefahr, von ihren zum Turnier nach Brankfurt gefommenen Schulbnern gefränft und mis⸗ handelt zu werben. Es mußten alfo zu ihrem Schutze bejonbere Mapregeln ergriffen werden.

) Böhmer, p. 761 2q.

XV. Geſchichte und Lage der Frankfurter Juden im Mitielalter. 429

Jene Löniglige Verfügung 1) Tautete dahin, daß alle Schulden, welche Fürften, Grafen, Herren, Dienftlente, Mlöfter, Pfaffen, Mitter, Knete, Bürger der Stäbte und Bauern bis zum Tage ber Ber fügung bei ven im Lande Franken anfäfftgen oder anfällig geweſenen Juden gemacht hätten, fammt den rückſtändigen Zinjen aufgehoben wären, und daß jeder Wiberftand dagegen unwirkſam, alle dawider ftreitenden Privilegien oder Gerichtsverfügungen aufgehoben fein follten. Motivirt war diefer Gewaltftreih damit, dag die Fürften, Herren, Ritter und Kuechte erflärt hätten, fie feien, wenn fie die unermeß- lichen Zinfen für ihre Judenſchulden bezahlen müßten, unfähig, ihre Reichspflichten zu erfüllen, wären vielmehr geradezu genöthigt, landes⸗ flüchtig zu werben. Außerbem geben aber die Uffenbach’fchen Manuſcripte an, der eigentliche Grund habe darin beftanden, daß bie Juden fich geweigert hätten, den goldenen Pfennig an den König zu bezahlen, und daß der König fie dafür habe beftrafen wollen. Die Bedingungen, unter welchen Juden Geld Tiehen, waren allerdings in jenen Zelten oft außerorventlih hart. Der hochſte in Frankfurt vorgekommene Zins, welchen Juden nahmen, ift oben (S. 343) angegeben; an anderen Orten war er mitunter noch einmal fo hoch ). Allein man muß, um gerecht zu fein, zugeftehen, daß damals bie Juden gewiſſer⸗ maßen dazu genöthigt waren. Erftend waren nämlich bei ihnen Grundpfänder aus begreiflichen Gründen eine ungenügende Bürg- ſchaft des Kapitals?), und zweiten? konnte der jüdiſche Gläubiger nie ficher fein; daß nicht eine höhere Gewalt die bei ihm gemachten Schulden ohne Weiteres für getilgt erklärte. ine ſolche Schulden- tilgung kam nämlich nicht etwa blos unter König Wenzel vor, fordern. auch andere Könige und Yürften vor und nach ihm ſprachen fie aus. So hat Ludwig der Baier 1341 fir das Klofter Waldſaſſen und

ı) Orth's Reichsmeſſen, S. 620 fi.

N) Mone, Zeitfchr. für die Geſch. des Oberrheins, IX &. 272, gibt Bel: fpiele, nach welchen ein folcher Judenzins u. U. 1808 in Wien 180 pGt. betrug, und im vierzehnten Jahrhundert ben Bfterreichifchen Juden 65 pCt. als gewöhn- licher Zins geftattet waren.

®) Nebrigens kommen in Frankfurt judiſche Geldanlagen auf Weingärten, Häufer und andere Orundſtücke vor, weldye dafür gerichtlich verpfänbet waren und im Tall der Nicht: Heimzahlung von Gerichtswegen feil geboten wurden: f. Thomas, Oberhof, S. 810.

430 XV. Geſchichte und Lage ber Frankfurter Juden im BRitielalter.

1348 für ven Burggrafen von Nürnberg, Karl IV. 13847 für ven Letzteren, 1349 für den Markgrafen von Baden, 1354 für die von Scharfenftein, 1860 für zwei böhmifche Epellente, Herzog Heinrich vor Baiern 1338 für die Bürger von Straubing, fpäter aber König Ruprecht für die von Nürnberg die Aufhebung der Judenſchulden aus- geiprochen (1. Anm. 235). Unter Umftänden konnte freilich eine folche Maßregel für das Gemeinwohl unumgänglich gewejen fein, obgleich fie dies, als Wenzel fie für Franken ergriff, fchwerlid war, und unter allen Umftänden immer ein Unrecht und eine Gewaltthat blieb.

Für Frankfurt war Wenzel's Maßregel vorzugsweiſe wichtig, wie aus dem Umſtande hervorgeht, daß in Folge derſelben nicht weniger als 300 Quittungen über ven Empfang der von Juden zurüchgegebenen Unterpfänder und Schuldbriefe dem Nathe zugeftellt worden fein follen ). Der Rath bemühte fih vom erften Augen- blicke an, den Schlag von feinen Juden abzuwehren: er ließ in biefer Angelegenheit zwei Geſandtſchaften an den damals in SHeibelberg lebenden koͤniglichen Kanzler, eine an den König ſelbſt und mehrere an den Erzbiſchof von Mainz, fowie an ben Kurfürlten von der Pfalz abgehen; zugleich wandte er fich an die Herren von Iſenburg, Sppftein und Faltenftein, ſowie an den Schultheigen von Ajchaffenburg und an andere Leute um Rath, und pflog mit ben fürftlichen und ritterſchaftlichen Schulpnern jelbft Verhandlungen 2). Allein alle ſeine Bemühungen waren vergeblih. Die Juden jelbft erwieſen fich ihm für feine Fürſorge von Anfang an dankbar, und fuchten ihn auf dent eingeichlagenen Wege zu erhalten, indem fie ihm jchen im Anfange ded November ein Geldgeſchenk von 1000 Gulden machten 2). Vom Januar 1391 an wurde bie Zurückgabe der in den Händen

ver Juden befindlichen Unterpfänder und Schulobriefe begonnen,

ı) Orth's Reichsſsmeſſen, S. 622. Uebrigens kam, wie man bort flieht, Wenzel's Verfiigung and manchen Frankfurter Bürgern gegenüber ihren jübifdhen Gläubigen in Hanau, Mainz, Worms und anderen Orten zu Statten.

2) Dies Alles gebt aus vielen Stellen ber Stabi : Nechenbüder hervor. Kirchner bat daher Unrecht, weun er (I. S. 445) von einer befremdenden Nady: giebigleit des Rathes gegen Weunzel ſpricht.

8), Stabi: Nechenbug, Sabb. poſt omninm faucterum 1890: Duſeud gulden vpn ber Judiſcheit wegin, bie fie bem Nabe gegebin han von folicher koſte und erbeit wegin, als fie umb iren willen gehabt han.

XV. Geſchichte und Lage der Fraukfurter Juden im Mincialter. 431

nachdem der Rath mit den betreffenden Schulbnern befonbere Ber: träge gefchloflen Hatte). Die Sache wurde bann durch einen aus ſechs Männern beitehenden Rathsausſchuß betrieben, aber erſt im Jahre 1893 zu Ende gebracht ?). Sie war nämlich in ihrem Ber- laufe durch einen ſchreienden Misbrauch, welchen die Fürſten und Herren von der ihnen gewährten Töniglichen Vergünftigung machten, jehr ſchwierig geworden. Jene hochftehenden Schuldner der Juden hatten fich nicht mit dem erlangten Wortheile begnügt, fondern den⸗ jelben auch noch auf die Zukunft ausgevehnt, indem fie auf? neue Gelder bei Juden geliehen und dann, mit Berufung auf bie Eönigliche Schuldentilgungs Erklärung, auch vie Zurückzahlung diefer Gelder verweigert hatten. Diefer neue Raub traf befonderd die Frankfurter Juden, und war die Haupturfache, warum der erwähnte Rathe- ausihuß bis 1398 in Thätigkeit blieb). Der Rath nahm fich feiner Juden mit Nachdruck an. Er wandte ih an König Wenzel und bewirkte, daß diefer am 10. März 1392 bie Bekanntmachung erließ: feine zwei Jahre früher gewährte Vergünftigung beziehe fich nur auf bie Zeit bis zum Tage des Erlaſſes derjelben, alle Schulden aber, welche nach biefem Tage bei Frankfurter Juden gemacht worden jeien, müßten vollftändig an die Gläubiger zurückbezahlt werben *).

Wenige Jahre nachher (1396) war die Stabt bem Könige gegenüber ſchon wieder wegen ihrer Juden in VBerlegenheit; wir willen jeboch nicht, um was es fich dabei eigentlich handelte. Mitten in dem damaligen Bürgerzwifte mußte nämlich der Rath mit beu

I) Stadt⸗Rechenbuch, Sabb. poft Epiphan. dom. 1881: 3 Pfb. 9 Sch. vircgerten ber burggrave Gilbrecht, bie burgermeifter und bes Rades frunde, ala fie die moteln machten von ber Juden wegin zufifchen furften, rittern und knechten und ber flab; Sabb. poft Octavam Epiphan. dom. 13891: 1 gulden virczertin Gilbrecht Weife, MWinther von Vilmar und bes Rades frunde, ald man by ein waz und rittern und knechten phande von ber Juden wegin wibergab.

7) Ebendaf. Sabb. poft Walpurg. 1898: 8 Sch. 7 Hell. virczertin des Rades frunde, alß fie briefe und phande von des Rades wegin von ben Juden hinder fih namen.

) Offenbar feinetwegen nahm audy, wie bie in ber vorhergehenden Note mit⸗ getbeilte Stelle meldet, der Rath Anfang Mat 1398 die Schulöbriefe und Unter⸗ pfänder der Yuben in feinen Verwahr.

) Privilegienbuch, S. 218.

432 XV. Geſchichte und Lage der Frankfurter Yuben im Mitielalter.

königlichen Commifſaͤren auch wegen ber Juden unterhanbeln und mit jenen auch ihreiwegen einen Vertrag fchliegen. Er hatte in Folge dieſes Vertrages dem Könige 5000 Gulden zu geben, von welchen die Juden, gewifjermaßen als ihren Antheil daran, 1000 Gulben zahlten ?).

Gleich nah dem Beginne des folgenden (15.) Jahrhunderts famen in Frankfurt die fogenannten Juden-Stättigkeiten auf, mit welchen bie nachherigen anhaltend harten Zeiten ber dortigen Auden ihren Anfang nahmen, und beren erited Vorfommen daher bie mittelalterliche Gefchichte derſelben abjchließt. Man verſtand unter dem Worte Juben-Stättigfeit anfang? blos das Recht ver Juden, in Frankfurt zu wohnen, und die mit demjelben verbundenen Pflichten. In diefem Sinne wurbe daher früher auch wohl von ber Stättigfeit eines einzelnen Juden gejprochen ?). Nachher faßte man mit jenem Worte den Inbegriff aller Rechte und Pflichten der Frankfurter Juden zufammen, fo daß dasſelbe mit dem an anderen Orten ge bräuchlihen Ausdrucke Juden⸗Ordnung gleichbedeutend war; doch bildete auch dann noch die Vorſtellung von einem den Juden in beſonderer Art und nur au Gnade verliehenen Rechte, in Frankfurt zu wohnen, ben Hauptbegriff des Wortes. Die erfte diefer Juden⸗ Stättigleiten wurde im Jahre 1404 abgefaßt und nachher immer wieber auf je brei Jahre erneuert, aber jebegmal von ben Juden beſonders bezahlt, wiewohl anfang? nur in Folge eines förmlichen Vertrages und in der Form eines Gefchentes (ſ. Anm. 236). Diele oft geänderten Juben-Stättigfeiten wurben bald ein Inbegriff drückender Pflichten, harter Bejchränkungen und entehrender Vorjchriften. Die ältefte noch vorhandene Stättigkeit tft auß der Zeit von 1480 big 1500 9). Schon biefe gewährte jevem Juden die Erlaubniß, in Frankfurt zu wohnen oder, wie ber Ausdruck Tautet, „bie zu wonen und zu dienen,” nur als eim alle drei Jahre zu erneuerndes Recht,

1) S. oben S. 100.

2) So kommt z. B. im Rechenbuch von 1411 in ber Rubrik „Yunemen von ben Juden“ u. A. vor: „12 gulden von Wolffgins von Selginſtadt flebefeib wegen, ber nu von 1083 wegin virfarn if”. Auch die von den Juden jährlich zu zahlende Abgabe wirb „der Juden GStättigfeit” genannt.

8 Sie befindet fih in dem bandfchriftlichen Geſetzbuch des fünfzehnten Jahr⸗ bunberts, Blatt 105 bis 115, und iſt big jebt nur theilweife gebrudt.

XV. Geſchichte und Lage der Frankfurter Juden im Mittelalter. 433

und enthielt deſſen ungeachtet zugleich bie Beitimmung, daß ber Rath ſeinerſeits dieſes Necht auch innerhalb ber drei Jahre auflündigen dürfe. Erft 1616 wurde dad erwähnte Recht in ein bleibendes ver- wanbelt und jene Willkürlichkeit abgejchafft; die Lage ber Frankfurter Juden warb aber bekanntlich damit Feine beſſere.

Um nun zur Schilderung ber Lage ber Frankfurter Juden im Mittelalter überzugehen, jo find zuerft einige Worte über ihre Zahl vorauszuſchicken. Diefe muß jchon im breizehnten Jahrhundert be⸗ trächtlich gewejen fein, weil damals bereitö eine Judengemeinde (uni- versitas Judaeorum) in Frankfurt beftand !). Nähere Nachrichten fehlen jedoch. Auch in der erften Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts (d. i. vor der zweiten Judenſchlacht) muß ihre Zahl größer geweſen fein, als in der zweiten; benn 1346 wurden allein faft ebenfo viele männliche Frankfurter Juden vorflüchtig, als in ven nächften Sahrzehnten die burchjchnittliche Zahl der anſäſſigen Familienväter betrug, nämlich mehr als dreizehn 2). Vom Jahre 1357 an findet ih, aus Anlaß der jährlichen Steuerzahlung, die Zahl der Lebteren jedes Jahr im Stabt-Mechenbuch angegeben. Diefe betrug von 1357 bis 1400 burchichnittlih 16, von 1401 bis 1450 durch⸗ jchnittlich 12; die höchite vorkommende Zahl aber war in beiden Zeitabfchnitten 24 (1400 und 1411), die niebrigfte in dem erfteren 6 (1362 und 1379), in bem zweiten 3 (1416). Es wohnten übrigens damals auch nicht zahlende Juden in Frankfurt (ſ. Anm. 237). Jene Zahlen muß man, um auch bie Frauen, die Kinder und bag Geſinde der in Frankfurt anfäfjigen Familien hinzuzurechnen und fo die Seelenzahl der dortigen Juden zu ermitteln, wenigſtens um das Sechsfache vermehren. Hiernah würde dann die burchfchnittliche -Seelenzahl für die Jahre 1357 bis 1400 mindeftend 96, für bie Zeit von 1401 bis 1450 mindeſtens 78 betragen. Zu den anfäffigen Juden kamen aber offenbar während des ganzen Jahres immer noch eine Zahl anderer, welche bed Handels wegen kürzere oder längere Zeit in Frankfurt anwefend waren.

Die Einnahme, welche die ftäbtifche Kaffe von den Juden bezog, war fehr bedeutend. Sie beftand bei jeder einzelnen Juden⸗ Familie in einer beftimmten jährlichen Abgabe, über welche ver Rath

*) Böhmer, p. 240 sq. 9 Sie werben (Böhmer, p. 604 sq.) namentlich angeführt. Krieg, Zrankf. Bargerzwiſte. 28

484 XV. Geſchichte und Lage ber Frankfurter Juden im Mittelalter.

mit dem Haupte berfelben vorher Abereingelommen war. Außerdem machte die Juden⸗Gemeinde ober auch wohl ein Heiner Theil derſelben in: manchen Sabre dem Rathe noch ein beſonderes Geldgeſchenk, und endlich zahlten die Juden auch noch eine Abgabe von ihrem Trinkweine; die letztere Abgabe fommt jebodh erſt vom Sahre 1389 an vor). Um nun zuerft von jenen Schenkungen zu veben, fo wurden 3 B. in den 16 Sabren von 1375 bis 1390 durch bie Juden⸗Gemeinde dem Rathe nach unb nad 5900 Gulden geichentt, zu denen noch 303 Gulden kamen, welche einzelne Juden zu ben jtäptifchen Bauten freiwillig beitrugen.

Die eigentliche Steuer, welche die Juden am bie Stabi ent richteten, kommt fchon vor dem Jahre ihrer Berpfänbung vor, worand bervorgebt, daß bie Juden früher fowohl dem Könige, ald ber Stadt fteuerpflichtig gewefen waren ?). Diefe Steuer wurbe nicht, wie ſonſt in Deutjchlond die dem Könige zu entrichtende Judenſtener, nach dem Grundjaße erhoben, daß alle Juden beiberlei Gefchlechtes fie vom zurüdgelegeen zwölften Lebensjahre an zu entrichten hatten, fonvern fie beruhte auf einem Webereintommen, welched jede Familie mit dem Rathe gejchloffen hatte, und principiell ftand feit, daß nur der, welcher ein felbitftändiges Gewerbe trieb, ſie zu zahlen habe (ſ. Anm. 238). Auffallender Weife findet ſich in demjenigen Stabe Rechenbuch, in welchen zum erſten Dale nach ber Berpfänbung bev Juden die Abgabe derſelben an die Stadt verzeichnet if, Teine eigent- lie Steuer angegeben, fordern bloß eine Abgabe von den Juden⸗ haͤuſern, welche noch dazu auch von Ehriften, wie . 3. vom Stadt⸗ fchreiber, erhoben wurde). Grit vom Sabre 1360 an Hit jene

1) Eine andere Abgabe, weiche von 1891 an vorkommt, aber nur mäßrenb weniger Jahre entrichtet wurde, ift unklar. Gie beißt in dem Gtabi: Recgenbud „die vier Heller von je dem Gulden”. Im Rechenbuch von 1392 wird eine Einnahme fo bezeichnet: „von eins brieffes wegen, alß ein Jude widder gab, bag waz von y dem gufken 4 Beller”. Hiernach follte man benfen, daß jene Abgabe von ben Schuldbriefen ber Yuben erhoben wurde.

9 Stadt⸗-Rechenbuch, Domin, ante Circumciſ. bom. 1848: „400 Pfte gaben bie Zuben ber ftab zu flure’. Da bis 1866 bie Judenſtener biefem Beirag nicht mehr erreicht hat, fo folgt auch hieraus, daß bie Zahl ber in Fraukfurt anfäffigen Juden früher größer war.

8, Die betreffende Rubrif ift üÜberfchrieben: Cengua de domibus Jadeorum extra cimiterium (d. i. außerhalb bes Pfaxrkirchhofes). Dieſe Abgabe war noch

AV. Geſchichte md Lage der Frankfurter Yuben im Mittelalter. 435

Steuer als ſolche verzeichnet. Ste wirb unter verſchiedenen Bes nennungen angeführt. Sie heit nämlich Recepta ober Percepta de Judaeis, der Judenzins, ber Juden Schuß ober Geſchoß, das Judengeld, die Juden-Beede. Im Fünfzehnten Jahrhundert wire fie blos die Juden⸗Beede, die Juden Zinfen und das Einnehmen von den Inden genannt. In der Rubrik des Stadt⸗Rechenbuches, welche dieſe Steuer angibt, iſt jeder einzelne Jude mit ſeinem Betrage an- geführt. Zaͤhlt man dieſe Beträge alle zuſammen, fo erſcheinen folgende Geſammiſummen, bei welchen freilich die Summen nicht abgezogen find, vie die Stadt auf Tinigliche Welfungen Ein bis zu deren Ablöfungen an ben Eppiteiner, den Biſchof von Mainz und Andere zu zahlen hatte. Der böchfte jährliche Betrag ber Juden⸗ feuer waͤhrend ber Zeit von 1360 bis 1400 ift 842 Gulden (1375), ber nmiedrigſte 95 Gulden (1362), die Durchſchnittsſumme aber 347 Gulven. Die erſtere Summe wurde von 18, bie zweite von 6 Juden bezahlt. Die höcfte Steuer, welche eine einzelne Judenfamllie im vierzehnten Jahrhunmdert bezahlte, war 60 Gulben. Er ward von Symon von Seligenfiabt und von Zorlyne von Dieburg bezahlt, d. h. von den beiden reichſten jädifhen &m- wohnern, welche Frankſurt im jenem Jahrhundert hatte. Dean Kan dieſe Summe keineswegs eine beſonders hohe nennen und alfe auch wicht jagen, daß bie Frankfurter Juden damals hochbefleuert waren; denn 1354 war die Beebe, welche ſieben chriftliche Bürger zu zahlen hatten, höher und beirug bei einem derſelben ſogar 168 Galven!). Der gewöhnliche Tag, an welchem tie Judenſteuer erhoben wire, war Martini. Die Zahlung felbfi wurde für einen jeden im feinem erften Jahre genau nach den Wochen und fogar Tagen, während beren er in Frankfurt anjäfflg war, berechnet, und dasjenige von ber Steuer des Jahres, was er nicht „verſeſſen“ hatte, ihm entweder nachgelaſſen, over für des folgende Jahr gut geſchrieben. Einmal nm foger vor, dah zwei Juden eine Summe zahlte, für welche ihnen zugeſtanden wurde, zugleich noch ein Jahr weiter Prei zu Men?) Auch Tommi fonderbarer Weiſe vor, daß ein Jude Hans

dazu fo gering, daß fie bei keinem Haufe über 6 Sch. flieg, bei manchen aber nur 2 ©. befrug. », &. die im Anmerk. 4 dieſes Buches mitgetheilten Berdebeträge von 1864. *) Im Rechenbuch von 1968 heißt es von zwei Juden, fie Hätten zuſemmen 28°

436 XV. Geſchichte und Lage der Franffurter Juden im Mittelalter.

und Hof in Frankfurt beſitzt und bafelbft wohnt, und daß er doch unter den Steuerzahlenden nicht mit verzeichnet if. Dis ift z. B. der Fall mit Joſelyn von Würzburg, welcher übrigens auch in Mainz anjäffig war.

Was die jüdifchen Namen jener Zeiten betrifft, jo verhielt es fih mit ihnen gerabe fo, wie mit benen ber damaligen chriftlichen Bürger: gleich ven Lebteren hatten manche Juben außer dem Bor- namen noch einen bejonderen Namen, die Mehrzahl aber führte blos einen Vornamen, und wurde durch Hinzufügung des Geburtd- oder Wohnortes von Anderen, welche denſelben Namen hatten, unter fchieden. Eine andere bei Chriſten und Juden zugleich übliche Unter Icheidungsart gleicher Namen beitand in der Hinzufügung bed Namens von Bater oder Mutter oder von Schwiegervater ober Schwieger- mutter. Wirkliche Namen der erjteren Art, welche bet Frankfurter Juden des vierzehnten Jahrhundert? vorkommen, find: Bär, Fiſelin oder Fiſchlin, Fiſchs, Fuſchs, Tall, Heiger, Herb, Halpart, Helſch, Judeman, Kaufmann, Koſſirmann, Kirſing, Lewe und Lewin, Lieb⸗ mann, Meyer, Maus, Naſemann, Pilmann, Senderlin, Süßfind, Wolf u. A. (ſ. Ann. 239).

Bon den Frankfurter Juden des vierzehnten Jahrhunderts war die Mehrzahl offenbar jehr rei, Unter den ſechzehn Familien⸗ vätern ober- Müttern, welche nach einer Durchſchnittsberechnung damals in Frankfurt anfäflig waren, zahlten nicht weniger als vier zehn dreißig und mehr Gulden jährlicher directer Steuer; und wenn man dabei in Anjchlag bringt, daß zu jener Zeit das Gelb minbe- ſtens einen zehnfach höheren Werth hatte, jo erhält man einen Begriff von dem Reichthum der damaligen Frankfurter Juben. Jene vier zehn find: Simon von Selgenftabt und Zorlyne von Dieburg, die Wittwe Fijelin’3 von Dieburg, mit je 60 Gulden Steuer, Joſeb von Kaſſel mit 56 Gulden, Joſelyn von Marburg mit 50 Gul⸗ den, Fifelin von Dieburg, der Gatte ver Zorlyne, mit 45 Gulden, Kalman von Menke, Joſeb von Gemunde, Joſeb von Miltenberg, Salman von Menbe und Symelin von Sriburg

28 Bulben bezahlt, und dabei ift dann bie Bemerfung binzugefügt: „Die vechen- meiftern namen daz von ben Juden in ben bingen, al& fie meynten, fie fulben dar nach eyn tar fry figen”.

XV. Geſchichte und Lage der Frankfurter Juden im Mittelalter. 437

mit je 40 Gulden, Anjelm von Gemunde mit 32 Gulden, ber Inden-Arzt Jakob von Straßburg mit 31 Gulden, Sara von Miltenberg und Ber, Simon’3 von Selgenſtadt Sohn, mit je 30 Gulden.

Noch mehr fpringt der große Reichtum der Frankfurter Juden in die Augen, wenn man, foweit dies möglich ift, ihre großartigen Geldgeſchäfte näher betrachte. Der Handel, und zwar wie «8 ſcheint nur der Gelbhandel, war nämlich das einzige von ihnen getriebene Geichäft. Wenigftenz zeigt ſich in Yrankfurter Urkunden feine Spur vom Gegentheil. Auch andermärts verhielt ſich dies fo, und es bildet eine auffallende Ausnahme, wenn im zwölften Jahr⸗ hundert zu Paris 42 jübifche Manufacturen für Tuchmacherei und Gerberei beftanden baden’). Dagegen verfteht es fich bei ver Strenge ber altjũdiſchen Religionsbegriffe von ſelbſt, daß ſich unter den Frank: furter Juden immer einer befand, welcher Arzt war, und daß es in Frankfurt Weinfchenfen gab, welche von Juden gehalten wurden (j. Anm. 240), Manche Frankfurter Juden trieben ihre Gefchäfte in einem Umfange und in einer Art und Weiſe, welche man nur mit den Gefchäften ver erjten heutigen Banquiers-Häuſer vergleichen fann. Sie lieben dem Rathe der Stadt, ſowie auswärtigen Fürſten und Herren ‚und einzelnen Privaten Summen, welche für jene Zeiten mitunter ſehr beveutend waren. Dabei machten fie gelegentlich noch dem Rathe große Geldgeſchenke. Für die häufigen finanziellen Ver⸗ Vegenbeiten der Regierungen waren fie ganz umnenibehrliche Leute, namentlich wenn unvorhergejehene große Ausgaben zu machen waren. Als in der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrhundert die vier wetterauifchen Stäbte eines jener Geſchütze, welche man Katzen nannte, nöthig hatten, war es der Frankfurter Jude Simon von Selgenſtadt, welcher ihnen dad Geld für dieſelbe vorſchoß, mährend zu gleicher Zeit die Stabt Frankfurt desjelben Mannes noch zu mehreren anderen Anleihen bedurfte (. Anm. 241). Auch waren biefer und andere Frankfurter Juden die Geld⸗Agenten ebenſo für dortige und angwärtige Klöfter, wie auch für fremde Aegierungen: fie caffirten in beren Auftrage Gelber für fie ein, und es jcheint faft, als wenn damals einzelne juͤdiſche Banquiers bleibend Finanz

) Soldan, in ben preußiſchen Jahrbüchern, Juli 1861, ©. 89,

488 XV. Geſqhichte unb Lage ber Zranffurter Juden im Witiclaler.

Agenten einzelner Regierungen geweſen ſeien, wie andere es heul’ zu Tage find. So beſorgte z. B. Salman von Menke bie Geld geihäfte für die Herren von Schwarzburg, namentlich in wanden Jahren die Erhebung und Einfendung der Frankfurter Reichäfteuer, welche jene Herren ftatt des Kaiſers längere Zeit zu erheben hatten ?). Uebrigens ftanden damals eines Theiles auch Frauen an der Spike ſolcher jübifchen Handelöhäufer, und anderes Theils gehörten bie Bepteren mitunter auch mehreren ala Afjecie’3 verbundenen Leuten an. Zu den bebeutenbfien weiblichen Bauquierd jewer Zeit gehörte die Wittwe Zorlyne von Dieburg; neben ihr werben auch Rogline von Mofebah unb „ihre Geſellen“, Sara von Miltenberg und Andere erwähnt. Wie die eine biefer Frauen ihr Geſchäft mil Aſſociss betrieb, jo kommen in den ſtadtiſchen Nechenbidhern auch noch folgende Geſellſchafts⸗Firmen vor: Liebman von Arwyler und fin geielle (1376), Simon von Selgenftart und fine gejellin (1378), Kalman und fine gefellin (1378). Um aber ſchließlich noch an einem einzelnen Beifpiele ben Umfang ber Geldgefchäfte folcher Haͤuſer nachzuweiſen, jo mag bier bemerlt werben, welche Geſchäfte das Haus Simon von Selgenjtabt in ben Jahren 18761379 bloß für den Frankfurter Rath zu betreiben hatte. Im erfteren Jahre ſchoß das⸗ ſelbe mit vier anderen Häufern diefem 6723 Gulden, fowie für fich allein noch 218 Gulden vor; 1377 lieh es mit einem anderen ihm 1000 Gulden, ſowie 1378 für ſich allein 700 Gulden, während «3 dem Rathe noch dazu in Mainz 1200 Gulden verfchaffte, 1379 erbielien Simon von GSelgenftabt und zwei audere Darleifer 1000 Gulden des Gelichenen zurüd, und fchenften dabei non den ihnen zufommenben 215 Gulden Zinſen 481% Gulven?®).

1) So Heißt es z. 8. im Stadt-Rechenbuche, Sabb. poſt Elifak. 1871: 400 guldin und 82 gulbin Salmanne dem Juben von bed von Gwarkburg wegin; Feria ferta ante Antonti 1378: 500 gulben 42 gulben Salmanne von Menke von ber von Swartzburg wegen.

2) Wa Angaben bed Stadt⸗RMechenbuches. Rad Simon von Scigenfabt war jedenfalls Zorlyne von Dieburg bie Inheberin des bebeuteubften bamaligen Bangquier- Gefchäftes In Frankfurt. Sie zahlte ja gleich jerum bie höchße vor fommende Subenfteuer, und führte u. A. 1890 einen Proceß mit bem Edelknecht Henne Dieme von Langenaume über 3000 Gulben, b. 5. nach heutigen Geldwerth wenigſtens 80,000 Gulden, welche fie biefem Manne geliehen Hatte (Stadt Archiv, Lade kaiſerliche Commiſſionen Nr. 1 und 2).

XV, Geſchichte und Lage ber Frankfurter Juden im Mittclalier. 439

Die Inden⸗Gemeinde Hatte eine Art von felditfländiger Orga- nifation, indem fie unter der Aufſicht des Stadt⸗Schultheißen und des Rathes fich felbit verwaltete. Schon 1288 kommt ein jühifcher Meifter (magister Judaeorum) als Oberhaupt ber Gemeinde vor!) Als folder wird nachher 1374 Aſher, 1885—1392 Meyer von Northus, 1394-1396 Suglin von Speier bezeichnet?). Ob der Namen Kehrmeifter, mit welchem 1882 Abraham von Hanauwe bezeichnet wird ®), dasſelbe bebeutet, weiß ich nicht. Lersner ) fagt, 1462 hätten die Tuben zu ihrem Gottesbienfte einen Schulfiopper, einen Lehrmeifter und einen Vorſänger gehabt. Merkwürdig ift der 1366 von Kaifer Karl IV. gebrauchte Ausdruck „der Reiche meifter“, ohne deſſen Willen, Willen und Wort bie Frankfurter Juden feine Gefege machen und feine Gerichte halten follten, wobet noch Hinzugefügt wird, die Juden jollten fernerhin nur in fo weit, als ver Stadt⸗Schultheiß es ihnen geftatte, Meifter haben, Geſetze machen und Gerichte halten, und nur der Stadt: Schultheiß folle einem Juden bie Meifterfehaft übertragen dürfen 5). Als Lehrmeiſter wird 1363 und 1364 auch Joſeb Lampe bezeichnet. Der Sänger oder Vor ſänger kommt jchon 1345 vor, wo Salman Sänger ber Jude Bürger wird. Nachher wird 1398 Baroch ber Vorfänger ber Juden genannt (im Stadt⸗-Rechenbuch). Ein Schulllopper wird zuerit 1384—1388 erwähnt, wo Joſeb es war, dann 1396, wo Ebirlin dieſes Amt hatte ). Diefe drei jüdifchen Beamten, ber Lehr: meifter, der Borfänger und der Schulflopper, hatten ebenſo wie ber jübifche Metzger ihre befonderen Wohnungen, welche ber Gemeinde gehörten”). Aus "den kurz vorher erwähnten Befehle Karl’ IV.

!) Böhmer, p. 240 sg.

9, In den Steuerliftien bed Stadt: Rechenbuche2.

2) Bürgerbuch, S. 14.

9 I. 1. ©. 811.

5) Privilegienbuch, ©: 167. Der Ausdruck „Reichsmeiſter“ beruht, wie Orth, Fortſetzung, IV. S. 234, aus einander ſetzt, wahrſcheinlich auf einem graphiſchen Irrthum, indem die Worte des kaiſerlichen Schreibens ſo zu leſen find: „ane willen, wiſſen und wort unſer und des Reichs, meiſter, geſetze unbir yn machen” u. ſ. w.

9) Beides im Stadt⸗Rechenbuch.

) Leraner, I. 1. ©. 811.

440 XV. Geſchichte und Lage der Frankfurter Juden im Mittelalter.

gebt hervor, daß bie Juden unter des Stadt⸗Schultheißen Aufficht fih felbft verwalteten, daß aber biefer zu beftimmen hatte, wer von ihnen ihr DVorfteher und Leiter fein ſolle. Im Widerſpruch damit fteht, daß 1388 brei vom Mathe ernannte “Juden bie Leitung ber Juden⸗Gemeinde hatten, und daß diejenigen, welche benfelben nicht gehorfam waren, vom Mathe mit Geld gebüßt wurden‘). Allein man muß beachten, daß damals das Schultheipen-Amt bereit? Pfand⸗ Eigentfum der Stadt geworden war, daß alfo der Math deſſen Befugnifie zum Theil an fich genommen haben konnte.

In Bezug auf dad Gerichtsweſen galt im beutfchen Mittel- alter für die Juden meiftend der Grundſatz, daß bie freimillige Ge⸗ richt2barfeit und Alles, was bie Religion betraf, den Juden und ihren Schievärichtern anheim gegeben war, daß biefelben aber in allen anderen Dingen den Staatögerichten unterworfen waren. Jedoch fommt ganz in der Nähe von Frankfurt, in Aſſenheim, 1278 fogar vor, daß bie Juden das Hecht befaßen, megen Vergehen nur von einem Gerichte gerichtet zu werden, deſſen Beiſitzer nicht blos chriſt⸗ fihe Schöffen, fondern auch Juden waren?). Dieſes Vorrechtes erfreute fich die Frankfurter Juden nicht. Allein dagegen Tick doch bad Frankfurter Schöffengericht Juden als Zeugen gegen Chriſten zu, und geftattete in Civilſachen den Juden den Reinigungseid ®). Außerdem waren in Franffurt die Strafarten bei Juden nicht härter, als bei Ehriften. Sie beftanben während des vierzehnten Jahr⸗ hundert3 in Gelbbußen, und auf folhe Weife wurde jogar bie gejchlechtliche Vergehung mit Chrijtinnen beftraft, während an manchen anderen Orten auf biefe die Todesſtrafe gefeßt wart). Im Sahre

I) Stadt⸗Rechenbuch, Sabb. poft Bonifacti 1888: find ung worden 5 gulben von Johel, Hellmans enden von Marpurg, von buße wegen, alß er ben drey Auden, den der Raeb bie Juden befalen batte, nit geborfam geweſt waz.

) Mone’3 Zeitfchrift, IX. S. 271.

8) Beifpiele foldyer gerichtlichen Verhandlungen aus bem vierzehnten unb fünfzehnten Jahrhundert finden fih in Thomas Oberhof, S. 307, 835, 584, 586, 540. Mebrigens ijt ber alte (1892 niebergefchriebene) jübifche Reinigungseid bei Böhmer, p. 768, abgebrudt.

*) Selbſt in bem banbfchriftlichen Geſetzbuche bes 15. Jahrhunderts iſt Feine befiimmte Strafe dafür ausgefprochen (Archiv für Frankfurt's Bei. und Kunft, VI. ©. 184). Die Stadt: Rechenbücher liefern mehrere Beifpiele von ber Art,

XV. Gefdichte und Lage ber Frankfurter Juden im Betttelalter. 441

1410 gewährte man fogar einer chriſtlichen Magd Guade, welche ihr Kind einem Juden gegeben hatte (|. Anın. 242).

Vom Jahre 1462 an bis in ben Beginn. unfere® Jahrhunderts hinein durften die Frankfurter Juden nur in einer einzigen Straße wohnen, und wurden in berfelben während ber Nacht und an manchen Zagen förmlich eingefperrt gehalten. Won biefer harten Befchrän- fung war im Mittelalter feine Rede. Im Gegeniheil, die Juden fonnten damals ihre Wohnungen nad) Belichen wählen, und jeber: zeit in der ganzen Stabt umher gehen. Zwar gab ed auch damals cine Straße, die man die Judengaſſe (vicus Judaeorum ober strata Judaeorum) nannte; allein e3 verhielt fich mit diefer nicht anders, als mit denjenigen Strafen, welche nach einzelnen Handwerken die Mebger:, Filcher:, Bender⸗, Schmidt⸗Gaſſe u. ſ. w. genannt wurben, Nur weil viele Juden in jener Straße wohnten, nicht aber weil alle Juben oder auch nur Juden ihre Wohnung in ihr hatten, ober gar weil fte in ihr Hätten wohnen müſſen, führte viefelbe den Namen Juden⸗ gaſſe. Es war natürlich, daß die Juden ebenfo, wie bie Mitglieder einer Zunft, gern bei einander wohnten; und bei jenen bildete die Befonderheit ihrer Religion und ihrer Sitten fogar noch einen Grund mehr dafür. Allein ein Zwang fand nicht Statt. Soldhe Juden⸗ gaſſen gab es auch in anderen beutichen Städten, und in manchen berjelben mag auch damals fchon das Juden⸗Quartier ein abge jchlofjener, mit Mauer und Thor verfehener und den Juben zum Bewohnen angewiefener Raum gewefen fein, wie bie in ber Stabt Speier jogar ſchon um dad Jahr 1100 ver all geweien fein ſoll (. Anm. 243). In Frankfurt wohnten bie meiften Juden in ber Judengaſſe oder in beren Nähe; es wohnten aber auch Ehriften in jener Gafje, und die Juden felbft waren weder an biefelbe, noch an deren Nähe gebunden. Die Judengaffe und ihre Umgebung Tann man jomit daß ältere Juden-Quartier Frankfurt'3 nennen. Da bie Juden nur Handel trieben, fo ift es wohl begreiflich, daß fie faft insgeſammt in biefem Quartiere wohnten; denn dasſelbe Tag zwiſchen ber Brüde und dem Marfte, alfo im Mittelpunfte des Geſchaͤfts⸗ verfehres, und die Geißelbrüber erhoben deshalb, ala fte 1349 die

wie man in Frankfurt ſolche Vergehungen beſtrafte; fie finb in Anmerk. 225 mitgetheilt.

443 XV. Gej@icte wwb Lage der Frankfurter Juden im Mittelalter.

Juden angriffen, gegen viefe ben Borwurf, fie hätten ten beften Theil der Stadt inne !). Doc war die Nähe des Main-Fluffes für fe noch ein befonderer Grund, gerade bort zu wohnen, inbem fie für ihre vorgeſchriebenen Bäder des Flußwaſſers beburften ?).

Das ältere FZuden-Duartier wird 1270 zum erften Male urkundlich erwähnt). Es erſtreckte fidh von ber Brüde Die Fahrgaſſe entlang bis zu dem fogenannten Lumpenbrunnen, d. i. dem am Gingange ber Rannengteßer:Gaffe ftehenden Brunnen. Nach Norden hin war feine Grenze die nördliche Seite des Garküchenplatzes und die füͤd⸗ oſtſiche Ecke des Bartholomaͤns⸗irchhofes. Nach Weften aber zog die Grenzlinie über den Weckmarkt und durch bie Saalgafſe bis nahe zum ehemaligen Heiligengeiſt⸗Hoſpitale. Die Suͤdgrenze endlich warb durch bie Tängs dem Main ber zichende Stadtmauer gebildet. In diefer Ausdehnung war jedoch der weftlihe Theil, d. i. die Gegend der Metzgergaſſe und der Schlachthausgaſſe, am wenigfien von Juden bewohnt. Das weſtlichſte Haus, welches urkundlich als ein jüdifches vorkommt, war bag Haus Kabenellenbogen (Saalgafle Ar. 5); und man würde daher biefes als den weftlihen Endpunkt bed JudenQuartiers betrachten können, wenn nicht ber um 1380 lebende Kanonikus Baldemar von Beterweil in feiner Chorographie Frntint’3 fagte, die Judengaſſe erftredke ſich bis zum Helligengeift- Hofpital. Eine der Gaſſen des Juden⸗Quartiers hieß die Judengafſe. Sie iſt nicht mehr vorhanden, und es iſt nicht möglich, ihren ehe⸗ maligen Lauf genau anzugeben. Nach Baldemar trat man (in der Gegend der Mehlwage) von ber Fahrgaſſe her in ſie ein, und fie 308 von dort am Bartholomäus⸗Kirchhofe ber bis zum Heiligengeift- Hoſpital. Nach eben demfelben Schriftfteller hatte fie mehrere Seiten-

i) Die Geißelbrüber, fagt Königftein, bei Uffenbad, Nr. 2, S. 10, waren aufgebracht barfiber, daß bie Juden in optimo loci situ wohnten.

*) Sie ſelbſt klagten daher, als man 1460 beſchloß, fie in eine ferne nord⸗ BREGE Stadtgegend zu verſegen, In ihrer Eingabe un ben Rath: fie würben in biefer Gegend fein mit dem Main in Berbindung ſtehendes kaltes Bad haben: Lersner, U. 1. ©. 811.

*) Curia Michaelis Judei inter Judeos: Böhmer, p. 155. Der Ausbrud inter Judeos bedeutet ſoviel als Judengaſſe oder Juden = Quartier, wie man die

* Mepgevgafte umb Bendergafſe durch inter carnifioss, inter delistores eBie.

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XV. Geſchichte und Lage der Frankſarter Juden im Mittelalter. 443

gaſſen, von denen eine in die Fiſchergaſſe, zwei in bie Metzgergaſſe und brei in die Benbergaffe führten‘).

Es ift ein fchon von Battonn in feiner handſchriftlichen Be ſchreibung der Stadt Frankfurt beridgtigter Irrthum, wen Manche meinen, auch ber Juden-Kirchhof fei innerhalb bes bezeichneten Juden⸗Quartiers gelegen geweſen. Diefer Irrthum entſtand daraus, daß man gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts, als bie ber Mehlwage gegenüber gelegene obere Garküche neu erbaut wurde, beim Graben viele Scyäbel und andere Todtengebeine fand. Auch die Juden waren damals von diefem Irrthum befangen, fie gaben daher Geld für dieſe menschlichen Ueberreſte, die fie für die ihrer Vor⸗ Sahren hielten, und begruben fle auf ihrem Friedhofe. Es waren Jedoch nicht Meberrefte von Juden, fondern von Ehriften; ſie lagen in dem Boden, welder ſchon im Wittelalter zum Bartholomäug- Kirchhofe Hinzugenommen worben war. Der ganze Raum um bie Bartholomäug-Kirche herum war früher viele Jahrhunderte hindurch diejenige Staͤtte, auf welcher bie meiften Leichen chriftlicher Bürger beftaitet wurden, und man findet baber dort überall beim Aufgraben des Bodens noch fortwährend Menfchengebeine. Der jüdiiche Fried⸗ hof war von jeher, bis er in unferem Jahrhundert verlegt wurbe, an der Stelle, an welcher er noch jet hinter dem igraelitichen Kran⸗ kenhaus und Schulgebäude zu fehen if. Schon bas erfte Wal, wo er urhundlid erwähnt wird, im Jahre 1300 wird es ald außerhalb der damaligen Ringmauern Frankfurt's liegend bezeichnet). Als im vierzehnien Jahrhundert die Stadt erweitert wurde, kam ber Juden⸗ Kirchhof inuerhalb der neuen Stabimauern zu liegen, weldye mit ihrem Graben um ihn berum liefen und bei ihm einen Winkel, das ſogenanute Judeneck, bildeten. Weil er bicht an ben Manern und an einer von benjelben gebilveten Ecke lag, wurde er auch zum Schutze der Stabi zumeilen mit in Anfpruch genommen. Schon im

I) Baldem ar's Schrift if im erſten Bande der Mitiheilungen bes Bereint für Geſchichte und Alterthumskunde abgebrudt, überfeht und erläutert.

7) Böhmer, p. 836: m cymitherio Judeo a pud Frankofurt. Aud 1806 kommt ebenbafelbfi p. 869 eine euris und domus apud coymitherium Judeorum extra muros Frankinfordenses ver E Hi din Irrthum, wem Kirner (Anſichten, L 6.106) fagt, erfi 1459 hätten die Juben ben Begräbniß- play erhalten, den fie zu feiner Zeit noch hatten,

444 XV. Gefäichte und Lage der Fraukfurter Juden im Mittelalter.

Sabre 1949, als die Stadtmauer bei ihm noch nicht erbaut war, ließ man um ibn herum, d. h. offenbar auf feinen Umfafſungs⸗ mauern, Erker errichten), Im Jahre 1388, ala der Staͤdtekrieg bie Stadt umtobte, ließ man Holz in den Juden⸗Kirchhof fahren ?). Im Jahre 1494 wurben die bewaffneten Handwerker auf den Juden⸗ firchhof beordert, um bafelbft durch den Bürgermeifter und den Haupt⸗ mann gemuftert zu werden’). Im letzteren Fall Tann jedoch auch einer ber leeren Pläpe um ihn herum gemeint fein; benn man begriff offenbar auch feine Umgebung oft mit unter dem Namen bes Judenkirchhofes (ſ. Anm. 244). Webrigend ging von dem Juden⸗ firchhofe eine Gaſſe (die jebige Judenmauer) nach der Riedern⸗ ober Allerheiligen-Gaffe, und dieſe wurde im vierzehnten Jahrhundert ebenfalls die Judengaſſe genaunt, fo daß ed aljo damals zwei Judengaſſen in Frankfurt gab 4). Sie führte offenbar nur auf ben Judenkirchhof, da Baldemar fie eine Sadgaffe nennt. Im Jahre 1424 erwarben fich verfchiedene in Frankfurt's Nähe, zu denen aber auch ſolche von Windecken und fogar von Meünzenberg gehörten, vom Rathe das Necht, ihre Tobten auf den Frankfurter Juden⸗ Kirchhof beftatten zu dürfen, wofür fie außer einer einmaligen Summe von 100 Gulden noch in jedem einzelnen alle eine beftimmte Abgabe entrichten mußten (ſ. Anm. 245).

Die Juden hatten in ihren Quartier mehrere Häufer, welche ihr gemeinfchaftliches Eigenihum waren, alſo Gemeindehäufer. Diefe waren: die Synagoge ober Schule, die Juden-Badſtube ud dad Juden-Tanzhaus oder ⸗Spielhaus. Die alte Synagoge oder Judenſchule ift das der Schmiblftube gegenüber, zwiſchen den Häufern Nr. 2 und 4 gelegene Haus, welches noch jetzt bie Subenfchule genannt wird, und durch den an es gemalten Toloflalen Adler beſonders Tenntlich gemacht iſt. Diefer Adler rührt aus ber

1) Stadt-Rechenbuch, Domin. ante Nativ. Johannis Bapt. 1349: Gerharte Zommtrmanne 6%. Pfd. von ben eylff erfirhin um bie alden ftab unb um ben Juden kirchob zu machene.

1) Stadt = Reddenbug, Sabb. ante Eraftat. Erucis 1888: 4 Pfd. Hell. von beige uz dem buchwalbe in den Juden kirchhoff zu furen.

9) Lersner, D. 1. ©. 410.

*) ©. Baldemar von Peterweil, in ben Mittheil. bed Frankfurter Vereins, I. ©. 99 u. 100.

XV. Geſchichte und Lage ber Frankfurter Juden im Mittelalter. 445

Zeit um 1462 her; ala nämlich damals, hei der gewaltiamen Ver⸗ fegung der Juden in die jebige Judengaſſe, die Synagoge an bie Stadt fam, ließ der Rath ven Adler als Zeichen des ftädtiſchen Eigenthumsrechtes an dad Hans malen (j. Anm. 246). Neben ber Judenſchule, nach dem Mebgertbor Bin, ftand das Spielhaus oder Tanzhaus der Juden, über deilen Beſtimmung wir nichts Anderes erfahren, als was in feinem Namen ausgeſprochen ift (j. Anm. 247). Die Juden-Badſtube, deren Lage nicht beftimmt angegeben wird, lag in der Gegend der Synagoge; Battonn ver- muthet, daß fie der öftliche Theil der Schmidtſtube geweſen ſei H. Ein anderes Haus, welches vielleicht auch ber Juden- Gemeinde ge- hörte, hieß der Juden Hedhaus, d. h. nach Battonn fo viel als der Juden Wein: oder Wirthshaus und nach ihm iventifch mit dem jonft den Namen Stadt Nürnberg führenden Edhaus ber Schmidtſtube und der Heinen Fiſchergaſſe 2). Stäbtifches Eigenthum war ein anderes im Juden Quartier ftehendes Haus, welches auf- fallender Weife öfter? da® Judenhaus oder auch bad große fteinerne Judenhaus hieß, jonft aber auch dad große fleinerne Haus oder dad große der Stadt Haus genaunt wurbe, Diefed? Haus, welches nach Urkunden bei ven Megelern und bem Wagehaus gegenüber lag, ijt dag heut’ zu Tage Leinwandhaus ge- nannte Gebäude, und wirb auch von 1399 an immer nur mit diefem Namen bezeichnet. Warum es aber früher dad Judenhaus hieß, babe ich nicht ermitteln Können. ebenfalls diente es nicht zum Gebrauche der Juden, ba fchon zu ber Zeit, in welcher es jenen Namen trug, die Stadt Mefjegefälle aus ihm zog und feinen Hof zum Aufbewahren von Holz benußte (ſ. Anm. 248).

Das Juden-Quartier war, wie gejagt, ebenjowohl von Chriften als von Juden bewohnt, und diefe hatten ihre Wohnungen zum Theil auch außerhalb desſelben. Das Letztere geht aus dem doppelten Umftande hervor, daß um das Jahr 1312 einige Juden Häufer befaßen, welche fie von chriftlichen Bürgern erfauft hatten (ſ. oben ©. 415), und daß Pabſt Innocenz VII 1404 ben Letzteren foͤrmlich

1) Sie fommt zuerfi 1828 vor: Böhmer, p. 469. In einem Zinsbude des Leonharda⸗Stiſtes aus beim vierzebnten Jahrhundert (Nr. 1 der Bücher) heißt es ©. 24: domus cerdonis sita apud estaarium Judeorum.

) Sch babe es nur bei Battonn erwähnt gefunden.

448 XV. Geſchiche umb Rage ber Frankfurter Zudem im Mitielafer.

die Griaubnig ertheilte, ihre Häufer an Juden zu vermlethen ) Hat doch fogar nech 90 Jahre ſpaͤter ein Jude ein in der Mäbe ber Bornheimer Pforte gelegenes chriftliche® Haus Taufen wollen, was ihm jedoch, trag der Fürbiite der Königin, ver Rath den ver⸗ änderten Anfichten entſprechend vermehrte 7). Uebrigens gibt and dad Beebbuch von 1406 einen Juden an, welcher zwilchen zwei Ehriften eu der Johanniter⸗Kirche wohnte ®).

Bon Ehriften, welche im uden- Quartier und fogar in der Indengaſſe felbft wohnten, Iaflen ſich noch mehr ımd noch auf- falfendere Beifptele anführen. Sogar eine Zunft hatte daſelbſt ein Beſitzthum, im welchen wahrſcheinlich auch ihre Zunftftube fich be: fand. Dieſes war ber in ber Gegend des jetigen Rofeneckes gelegene Köher: Hof ). Auch der Altefte Münzhof der Stadt, der Volmarz Hof genanıt, welcher 1290 zum eriten Male erwähnt wird, lag in der Judengafſe, an der Stelle, wo jebt das Eckhaus Schmibtftube 1 und kleine Fiſchergaſſe 7 fteht (1. Anm. 249). Sogar Männer ber angefehenften Geſchlechter, ein Gärtner, ein Lowenſtein, ein Holz» heuſen umd ein Siockheim, Hatten Ihre Wohnhäufer in jenem Omrtier und zum Theil in ber Judengaffe felbft, gerade wie ebenbazfelbe im lm der Fall wor, obgleich dort die Juden auf ihre Gaſſe beſchraͤnkt waren (f. Anm. 250). Johann von Holshaufen, weicher dreimal (1364, 1309 und 1375) älterer Birrgermeiſter war, wohnte während ver Zeit feiner drei Bürgermeiſter⸗Aemter, fomwie überhaupt wenig⸗ ſtens 30 Jahre Img, in der Indengaſſe (f. Anm. 251). In Be ziehung auf den Wechſel der Anftchten vom ben Juden ift ber Umftand, daß tm vierzehnten Jahrhundert dreimal der Birrgermeifter in der Judengaſſe gewohnt hat, ſehr bezeichnend; denn dem Frank

) ©. Bender, Zuſtand ber Israeliten in Frankfurt, S. 10.

N) Lersner, U. 2. S. 44,

Es heit dort: „An ſant Johaus an: tem Luftydt von Sedebach, item Ha Jude 12 Sch, yagavid; Ren Henne von Bubingen 12 Sch. pagevit”. Mich bad auf ber Üplichen Eeite ber Fohrgaſſe, alfe auburhaib des Jaden- Bezirke, wiewohl an deſſen Grenze gelegene Haus zur Glocke (Fahrgafſe 14) gehörte 1875 einem Juben: Bersaer, Hi. 2. ©. 806.

9 Omris eerdonmen. Der Play vor dem Rufenek (große Fiſchergufſe 14), ber Ochſenkopf (Gariädenplak 18) und der Beine Nofenbuſch (ebenbaf. 31) find Theile dieſes Hofes.

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XV. Geſchichte und Lage bee Frankfurter Juden im Mittelalter. 447

furter des ſechszehnten, fiebzehnten und achtgehnten Jahrhunderts wärbe dies gerabezu als etrwas abfolut Unmögliches erichienen ſein.

Bon den Häufern der Juden war ein Theil Lönigliches ud fpäter ſtädtiſches Eigenthum, wie ſich aus ben von ihnen zu ent richtenden Abgaben ergibt, weldde ohne Rückficht darauf, ob ber Inhaber ein Jude oder ein Ehrift fei, erhoben wurben ). Andere Häufer dagegen, unb zwar wie es fcheint die Mehrzahl der won Juden bewohnten Häufer, waren volllemmenes Eigenthum ihrer Beſitzer; und es zeigt ſich auch hierin ein großer linterjchieb ber mittelalterlichen Zeiten von denen des ſechszehnten, ſiebzehnten und achtzehnten Jahrhunderis, im welchen ben Juden ber Bei von Grundeigenthum geradezu verboten war, und bie ven denſelben bes wohnten Haͤuſer wicht ihnen, ſondern der Stadt ald Cigenthum angehörten. Im Mittelalter fianden auch hierin bie Juden ben Ehriften willig gleich. Ihre Kaufbriefe über Hänfer wurden vom Ratbe ganz in derfelben Form ausgeftellt, wie bie der Chriſten 2). Anlehen, weiche fie auf Grundſtücke gaben, wurden gleich beuen ber Ehriften in dad ſtaͤdtiſche Buch eingetragen, und wenn biefelben eder ihre Zinſen nicht bezahlt wurben, fo wurben bie betreffenden Grund⸗ ſtuͤcke gleich denen, welche an Chriften verpfändet waren, von Gericht wegen ausgeboten 3). Daß die Juden mit vollem Gigeutleunsredhte Häufer befagen, kann aus folgenden Beifpielen erjehen werben ). Im Jahre 1288 verkaufte die Frankfurter Indengemeinde einem Erbzind auf einem Haufe, von welchem Haufe in dem Kaufbriefe gejagt wird, es babe früher dem Juden Gottſchalk gehört une fe jeht vollftändiged Cigenthum jener Gemeinde (ad nos pertinens pleno jure). Im Sabre 1312 waren mehrere Yuben, wie win

1) Eine Einnahme-Rubril bes Rechenbuches von 1857 ift überfchrieben: Gensus de domibus Judeorum extra cimiterium. Sie führt eilf Juden am, welche von ihren Häufern einen Grundzins bezahlten, fowie ferner ben ebenfalls in dem Juden⸗Quartier wohnenden Stabtfchreiber (notarfus civitatis sex den. de domo saa), und endlich fowohl ein Haus, beffen Befier wicht genaue wird (of der aduchin), als auch bie Juden Badſtube (estnarium judeerum).

2) Zwei folsher jüdifchen Kaufbriefe won 1898 und 1895 finden fi in ben Uffenbach'ſchen Manuferipten, Nr. 27, ©. 426 ff.

2) S. Thomas, Oberhof, S. 810 (aus bem Jahre 1888).

*) Die betreffenden MWebegefiien ſind: Böhmer, p. 240 uns 894, unb Leröner, II. 2. ©. 810.

448 XV. Gefcichte und Lage ber Frankfurter Juhen im Bittelalter.

bereitö wiflen (ſ. oben ©. 415), im Beſitze won Häufern, welche jie von Chriften erfauft hatten. Im Jahre 1846 ließ Kaifer Ludwig Habe und Gut vorflüchtiger Juden, darunter auch deren Häuſer einziehen unb an ben Math verlaufen. Im Jahre 1460 endlich nannten die Juden, in einer Eingabe an deu Rath, einen Theil der Häufer im Juden-Quartier ihr Eigenthum, welches fie fchom feit langer Zeit als ſolches beſeſſen hätten. Webrigen? waren die Frank: furter Juden, wie bie mancher anderen beutjchen Stäbte, nicht blos Im Beſitze von SHäufern, jondern auch von Feldgütern. Dies geht aus einem päbftlichen Schreiben von 1312 hervor, in welchem bavon die Rede ift, daß Frankfurter Juden Weingärten und andere Grund⸗ ftüde befäßen 1).

Wie in den Beſitz⸗ und Wohnungsverhältnifien, jo zeigt fich auch im Verkehr zwifchen Juden und Chriften während bes Mittel⸗ alters eine Stellung und Behanblung der Eriteren, weldye von ber der fpäteren Zeiten ſehr verfchieben tft. Schon im breizehnten Jahr⸗ bundert war ſowohl durch da in Schwaben geltende Recht, als auch durch die 1267 zu Wien gehaltene Kirchenverfammlung den Ehriften jede Gemeinfchaft der Tafel und ber Feſtlichkeiten mit ben Juden verboten worden, unb bie erwähnte Kirchenverfammlung batte den Juden außerbem noch unterfagt, chrijtliche Bäder und Wirthähäufer zu bejuchen, chriftliche Dienjtboten zu halten, Fleiſch an Ehriften zu verlaufen, bie Arzneifunft an ihnen auszuüben unb öffentlich anders, als mit dem fie kenntlich machenden Abzeichen des ſpitzen Hutes, zu erjcheinen. Bon diefem Allem findet fich nichts in den Frankfurter Verordnungen bis zum fünfzehnten Jahrhundert, mit der einzigen Ausnahme, daß 1387 den Frankfurter Juden ein Beſchluß des fchmäbiichen und rheinischen Städtebundes verfündigt wurde, nach welchem in allen Bunbesftäbten fein Jude bei hundert Gulden Strafe eine chriftliche Magb oder Amme follte in Dienft nehmen dürfen (ſ. Anm. 252). Dagegen findet fich, daß bie Frank: furter und ihre Behörde mitunter jogar gerade das Gegentheil von dem thaten, was die Wiener Kirchenverſammlung geboten hatte. Der Rath ftellte z. B. auch Juden als beſoldete Stabtärzte an.

ı) Böhmer, p. 899. In Betreff anderer Städte vgl. man Mone's Zeit: fhrift, IX. S. 269 fig.

XV. Geſchichte und Lage der Frankfurter Yuben im Mittelalter. 449

Außer dem von Leräner und Kirchner erwähnten, von Schubt mit Unrecht bezweifelten jüdifhen Stadtarzte Iſaac Priederih im jahre 13881) Habe ich noch 1394 den Juden Salman Pletſch und 1398 Iſaac Juben= Arzt als beſoldete Stabtärzte angeführt gefunden (f. Anm. 253). Auch der benachbarte Herr von Falken⸗ ftein ſtieß ſich, als er 1376 erkrankte, nicht an das Verbot jübifcher Aerzte). Im Sabre 1348 warb vom Rathe ein Jude fogar mit einer Sendung betraut, welche freilich die Frankfurter Judenſchaft betraf, die man aber fpäter felbft in diefem Falle nie einem anderen als einem chriftlichen Bürger übertragen haben würde ®).

Auch Im gewöhnlichen Lebensverkehr behandelte man bie Juden keineswegs zurückſtoßend; man trug vielmehr troß des Verbotes der Wiener Kirchenverfammlung kein Bedenken, gelegentlich näheren Umgang mit ihnen zu pflegen, und ſelbſt Rathsglieder thaten bie. Dafür findet fi ein Beweis in dem officiellen Ausgabenverzeichnifie von 1397. Dort wird nämlich ein Gulven für einen Wagen ver: rechnet, in welchem mehrere Juden mit Rathsgliedern von Mainz nah Frankfurt zurücdfuhren®). Juden fuhren alfo damals auf ftäptifche Koften von Mainz nad Frankfurt, und faßen dabei in _ einem und demſelben Wagen mit Rathsherren. Wenn bie zu Fettmilch's Zeit gefchehen wäre, fo würde der Rath es ficherfich jchwer haben büßen müflen. Von dem früheren humaneren Ver⸗ fahren gegen die Juden bictet auch ber erfte geiftliche und weltliche Fürſt bes Meiches ein Beifpiel dar. Der Erzbiſchof von Mainz bediente fich näͤmlich 1303 in einem Schreiben an vie Frankfurter Judengemeinde ebenderfelben Ausdrücke, mit welchen man damals Chriften brieflich anzureden pflegte. Sein Schreiben beginnt mit den Worten: „Gerhard, von Gottes Gnaden Erzbifchof des heiligen

I) Lersner, I. 2. ©. 59, Kirchner, L ©. 459, Schudt, II. S. 400. Stadt-Rechenbuch, Purif. Mari& 1876: 15 Sch. virkerten bie diener, alß uns unfer berre von Falfenflein gebeden hatte, baz wir fie mit Jacobe Judenartz zu yme lyßen ryden. °), Ebendaſ. Domin. Santate 1848: Salmanne Fyſcheline 7’, Pfb. praeter 4, daz be die ftab und bie Juden verrichte, die be virczerte zu Mencze. ©) Sabb. poft Walpurg. 1897: 1 gulden Peter Koten, als er vor zyden uzgegebin bat von eim wagin, ebliche burger und Juden mit ber ftebe frunden von Mentze ber uff zu furen, als der Meyn beftanden waz. Eriegk, Frank. Bürgerzwißte. 29

450 XV. GVeſchichte und Lage der Frankfurter Juben im Mitlelatzer.

Stuhles von Mainz, Erzkanzler des Heiligen Reiches in Germanien, der ihm geliebten Judengemeinde in Frankfurt Gruß und alles Gute.“ Ind doch enthält dieſes Schreiben nicht etwa das in irgend einer Berlegenheit geftellte Erſuchen um eine Gefälligkeit, ſondern einen Befehl, zu welchem der Erzbiichof vollkommen berechtigt war ").

Ein anderer Charakter: Zug der älteren Zeit des Frankfurter Judenthumes ift die Stellung der Stabibehörbe als ſolcher zu der Audengemeinde. Statt des autofratifchen Befehlen einerjeit? und des willenlofen Gehorchens andererkit3, worin jpäter das Verhältniß Beider zu einander beftand, berrichte in jenen früberen Seiten ber Gebrauch, daß der Rath mit der Judenſchaft Unterhanblungen pflog, mit ihr Verträge abſchloß, und ihr über dad Ausbedungene Vertragsurkunden ober, wie man zu jagen pflegte, Briefe außftellte. Dies war eine Folge der im Mittelalter waltenden Vorftellung, daß jedem Berhältnifje ein Necht inne wohne, welches nur mit Zuftim- mung der betreffenden beiden Theile umgeändert werben dürfe. Diefe Borfielung, nach welcher unter Andern auch Kaifer Ludwig 1331 mi den ranffurter Juden eine foͤrmliche Webereinktunft über ihre Steuer traf (f. oben ©. 416), begegnet und auch in Betreff de Verhältniſſes der Frankfurter Juden zum Rathe beim Durchblättern ber Städtischen Urkunden und Bücher öfter. Im Sahre 1363 3.2. ertbeilte der Kaifer dem Rathe die Erlaubniß, fremde Juden auf zunehmen, mit dem Zuſatze, der Rath bürfe mit benfelben über einen jährlihen Zins übereinlommen‘. Bon Zeit zu Zeit beißt es, ber Rath oder die ſtädtiſche Finanz-Behörde habe mit den Juden getebingt 9). Im Sabre 1404 ward die erfte der fogenannten Stättigkeiten den Juden nicht octroyirt, ſondern jene Behörde hielt vielmehr zweimal eine Sigung mit "ven Juden, um wmegen ber Stättigfeit eine Webereinkunft mit ihnen zu treffen ). Ebendasſelbe

!) Böhmer, p. 858. Dagegen ift ein anderes Schreiben, welches ber nächte Nachfolger bed betreffenden Erzbiſchofs mehrere Jahre fpäter an bie Frank⸗ furter Judenſchaft erließ (Böhmer, p. 880), in ber gewöhnlichen Ferm abge faßt, in welcher man an Untergebene fchrieb, d. h. obne ben oben bezeichneten Wunſch und ohne bag Wort geliebt.

2) Böhmer, p. 688.

* 3. 8. im Stadt-Rechenbuch vom 1389 unter Sabb. poſt Bartbol.: 2 Did, 7 Sch. virgerten bie rechenmeifter, alß fie mit ben Juden tebingeten.

*) Stadt-Rechenbuch, Sabb. poſt Udalrici 1404: 8 Pfd. 7 Hell. han bie

XY. Gejehichte und Lage der Feankfurter Juden im Miktelgitr. 461

geſchah 1407 bei der Erneuerung der Stättigkeit!). Als ferner 1410 vie Kurfürften zur Wahl cine neuen Königs zwieträchtig wach Frankfurt zogen, und ber Rath de2halb die Außbefjerung ber Feſtungswerke für nöthig bielt, wandte er ſich bittend an bie Juden, damit fic ihm eine Beilteuer dazu gewährten, was dann auch geſchah 2). Auch im Einhalten befjen, was man mit ben Juden vertragsweiſe ausgemacht hatte, und in der Beſchützung ber- felben gegen höhere Gewalten zeigte ſich der Rath zugleich gewiſſen⸗ baft und energiih. Als im Jahre 1405 König Mupredht über brei Frankfurter Juden, weil fie mit Geächteten Gemeinſchaft ge pflogen hätten, vie Acht ausſprach, und dem Nathe ihre Verhaftung und die Einziehung ihres Vermögens befahl, befolgte ber Rath dieſen Befehl nicht, weil er dadurch, wie es urkundlich heißt, bie der Judenſchaft gegebenen Briefe überfahren würde. Er jchidte vielmehr, um das Verfahren des Könige rüdgängig zu machen, eine koſtſpielige Geſandtſchaft an den König, und machte ihm, damit bie Stadt nicht in Ungnade falle, ein Geſchenk von 2000 Gulven, zu welchen jene drei Juden 900 Gulden beijteuerten (j. Anm. 254).

Wie wenig man in Frankfurt bis zum fünfzehnten Jahrhundert daran dachte, bie jüdiſchen Einwohner ald eine tief unter den übrigen ſtehende Kaffe oder auch als von Gott verdammte Reſte eines haflenswertben Volkes anzufehen, mögen noch einige andere bem ftäptischen Urkunden entnommene Rotizen zeigen. Während in Tran furt ſpäter der Namen cine? Inden officiell ſtets mit dem Zuſatze „Jude ober Schugjube” genannt wurde, geſchah dies vor bent fünf zehnten Jahrhundert in den von Staats wegen abgefahten Schriften keineawegs immer, ſondern in ihnen werben Juden oft gleidh ben

rechentheifter virkert, als fie zu zwein malen by einander gewef fin, mit ben Juden von irer ſtedikeid wegin zu ledingen und mit in zu nberfomen nach ben, als der Rad ubirlomen was.

) Stabt-Rechenbud, Sabb. poſt Viti 1407: 4 Pfb. 10 Hell. virkerten burgers meilter und rechenmeifter, als fle wit ben Juden tebingeten umb ire fiebefeib und auch umb ein fchende dem Rade zu tun.

2) Ebendafelöft, Luck 1410: 400 gulden han wir von ben Juden enphangen, als man in nırme ftebefeit gab und fie bat, bem Nabe etzwaz zu fhuren ſunder⸗ lihen, als man itzunt von der flebe wegin fere grube unb bumete, als man fich virfehe eins legers vor ber flat von bes Richs wegen.

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458 XV. Geſchichte und Bage der Frankfurter Juden im Mittelalter.

anderen Einwohnern ohne irgend einen Zuſatz angeführt. So finden fih 3.3. in dem Bürgerbudy, d. 5. in dem officiellen Verzeichniſſe der Bürgeraufnahmen, 1328 mitten zwifchen den Namen chriftlicher Bürger nicht weniger als fünfzehn Juden genannt, ohne daß biele auf irgend eine Weile als folche bezeichnet und von jenen unter: ſchieden wären (f. Anm. 255). An dem Worte Jude felbft aber nahm man damals fo wenig Anſtoß, daß dasſelbe fogar als chrift- licher Familiennamen gebräuchlich war, und 3. B. im Anfange bed vierzehnten Jahrhunderts der damalige Comthur des Frankfurter Sohanniter - Haufes ihn führte (er heißt in Urkunden frater Her- mannus dictus Jude, commendator superioris domus Frankin- fordenae ordinis Johannis Jerusalem.). Ja, in einer gerichtlichen Schulbverichreibung von 1296, welcher dad Stabifiegel aufgebrüudt tft, wird eine rau Greta, welche mindeſtens jchon acht Jahre vorher vom Judenthum zum Chriftenthum übergetrefen war, noch Immer „die Jüdin Greta” genannt !). Noch bezeichnender für den Geiſt jener Zeiten ift der Umftand, daß man mitunter die Namen verftorbener Juden mit dem binzugefügten Worte „ſelig“ anführte (ſ. Anm. 256). Eine ſolche Bezeichnung, durch welche alfo damals die fpäter als ewig verdammte Weſen betrachteten Juden auch noch nach ihrem Tode den Chriften gleich geftellt wurben, tft zwei und drei Jahrhunderte nachher jchwerlich irgend einem Frankfurter Raths⸗ bern oder Beamten jemals in ben Sinn gelommen.

In Betreff der mittelalterliden Lage der Frankfurter Juden ift noch eine Erfcheinung zu beachten, welche für und bie am meiften überrafchende iſt: bie Frankfurter Juden bejaßen bad Bürgerrecht, und wurben ebenfo wie bie Chriften Bürger genannt, während jie in neuerer Zeit befanntlich blos Hinterfaflen, Schutangehödrige, Schutzverwandte, Stättigkeitäverwandte oder Schubjuden hießen, und ihnen in ber Stättigfeit von 1480 geradezu verboten war, fi Frankfurter Bürger zu nennen. Im vierzehnten Jahrhundert be zeichnete ber Rath felbft in feinen Schriften die Juden als Bürger ber Stabt (|. Anm. 257). Ebenſo find in das Bürgerbuch bie neu aufgenommenen Juden zwifchen ven neu aufgenommenen Chriften als Bürger eingefchrieben, und es heit dort 3.8. 1348 von einer

) Böhmer, p. 286, 238, 298.

XV. Geſchichte und Lage ber Frankfurter Juden im Mittelalter. 453

Jüdin: „Hierauf iſt zuerft die Jüdin Hanna, bie Mutter des Juden Heilman von Gyzſen, zu einer Mitbürgerin gemacht worden‘ I), Es find, wie bie Vergleichung der Liſten der Judenſteuer zeigt, freilich niht ale neu aufgenommenen Juden in das Bürgerbuch einge ſchrieben; aber auch mancher neue chriftliche Bürger mag in jenen Zeiten, in welchen man vergleichen Dinge nicht gerade genau nahm, dort übergangen worben fein. Bei ben meiſten daſelbſt eingejchrie- benen Juden ift, wie bei vielen eingefchriebenen Chriften, nichts weiter bemerkt; bei anderen bagegen findet fich, wie bei ben Ehriften, bie dreifache Bemerkung beigefügt, daß der Betreffende das vorge- fchriebene Antrittägelb bezahlt, eine fichere jährliche Einnahme von einer halben Mark nachgewielen, und in Betreff diefer Einnahme einen Bürgen geftellt habe”). Diefer Bürge tft, jo oft er vorkommt, fein Ehrift, fondern ein Jude. Nur das Eine ift nicht deutlich, ob jenes Antrittägeld bei den Juden ebenfo viel wie bei den Ehriften, nämlich 3 Pfund, betragen habe. Außerdem wurde offenbar gleich bei ber Aufnahme feftgefegt, welche Summe ber beireffende Jude jährlich als feinen Antheil an der Judenſteuer zu bezahlen habe. Uebrigens kommt fein Judennamen im Bürgerbuch zweimal vor, woraus ſich ergibt, daß früher die Juden nicht auf eine beftimmte Zahl von Jahren, ſondern auf Lebenzzeit ald Bürger aufgenommen worden find. Das frühefte Jahr, in welchem ich eine jüdiſche Bürger- aufnahme auf beitimmte Zeit gefunden habe, ift dad Jahr 1375 (ſ. Ann. 258). Merkwürdiger Weile wird in ben alten Raths-Protokollen und Rathöverorbnungen, welche Sendenberg aus Slauburgifchen Schriften uritgetheilt hat, von einer Anzahl Juden fogar gejagt, dieſe feien 1360 Reih3bürger und Bürger der Stabt Frankfurt geworben °). Diefer Ausprud kann in jo fern nicht befremdend fein, ala ein jeder, der in ber kaiſerlichen Stabt Frankfurt Bürger warb, damit

) Post hoc est facta concivis primo Hanna Judes, mater Heilmani Judei de Gyzsen.

2) 3.8. im Jahre 1888 findet fi folgendes eingefchrieben: Samuel de Wetfar Judeus, pater Nasemanni, idem Nasemann est fidejussor pro pecunia et dimidia marca.

°) Senckenberg, Sel. jur. I. p. 53. „Dyſe Juden, bie bernad geſchrebin ſtant, fint des Richs und unfer herren burger worben zu Franckenford zc.

454 XV. Geſchichte und Lage ber Zeantſurier Juden tm Mitar.

zugleich auch unmittelbarer Unterthan des Kaiſers und fomit Bürger des Reiched geworben tft. Dagegen tft e8 auffallend, bag in Frank⸗ furter Urkunden diefer Ausdruck, welcher in Hinfiht auf Juden nur an jener Stelle vorkommt, auch von chriſtlichen Bürgern felten gebraucht wird (ſ. Anm. 259). Webrigend wurden in Frankfurt einerfeit3 Juden fchon vor der Zeit, in welcher der Kaifer die Juden ber Stadt verpfändete und ihr die Aufnahme fremder Juden ge ftattete, als Bürger aufgenonmen, unb andererſeits wohnten in Frankfurt am Ende de vierzehnten Jahrhunderts, ald es bafelbit feine dem Kaifer gehörende Juden mehr gab, auch Juden, welche nicht Bürger waren ?).

Auch in mehreren andern deutſchen Stäbten Tommi es vor, daß die Juden zu Bürgern berfelben aufgenommen wurben, und in dem Bürgerbuch von Kolmar finden fi im vierzehnten Jahrhundert folche jüdifche Aufnahmen ebenfo, wie in dem von Frankfurt, mitten unter den chriftlichen Aufnahmen verzeichnet *). Beifpiele find, außer der Stadt Kolmar, die Städte Speier, Wormd, Ulm, Gonftanz, Wimpfen, Erfurt, Stendal und Obernheim (in Rheinhefien) *). Wir dürfen jedoch aus allen biefen Beifptelen nicht zu viel fchlieken und namentlich nicht, unfern modernen Geſichtspunkt fefthaltend, uns der Anficht Hingeben, dag im Mittelalter die Bürgeraufnahme eines Juden ihm gleiche Rechte mit den chriftlichen Bürgern gewährt Habe. Dies konnte namentlich nicht mit den activen, geſchweige denn den höheren politischen Rechten der Fall fein; denn der Staat war zu jener Zeit mit der Kirche aufs innigfte verknüpft, und die herrſchenden Degriffe machten es unmöglih, daß ber Jude am Waffenbienfte Antbeil nahm. Das Wort Bürger kann allerdings damals nicht

1) In Betreff bes Erſteren f. die Anmerk. 256, in Betreff des Lebteren bie Anmert. 287.

2) &. Curiosit&s d’Alsace, Colmar 1861, im Anhange zum erſten Hefte. Dort beißt e8 3.8. ©. 2: Eberlin der Jude factus civis an Hanman Kuspfenninges bunrehus in sim hof, der Zenlins swehere waz, in vigilia beati Thome apostoli hora prime anno dom. MCCCLXT° Hennin schultheiss habet 8 libras.

° Drtb’3 Ammert. zur Reformation, 8. Fortf. S. 288, YJüger’s Um, ©. 899, Solban, in ben preuß. Jahrbüchern, ®b. VIII. ©. 87 fig, Mone’s Zeitſchr. VIO. S. 17, 81, 64 (in einem bort mitgetheilten königlichen Privileg von 1408 kommt auch ber Ausdrud Subenbürger vor).

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XV. Geſchichte und Lage ber Frankfurter Juden im Mittelalter. 455

blos den Begriff eimed mit dem Rechte der Anfäfitgfeit begabten Mannes gehabt haben; denn das Frankfurter Bürgerbuch macht biz zum Sabre 1346 gar oft einen Unterſchied zwifchen bloßen Bürgern, und anfäfjigen Bürgern !). Aber ba in biefem Buche Chriften und Juden unter einander, und ohne daß ein Unterſchied gemacht tft, ala neu aufgenommene Bürger verzeichnet find, jo muß das Wort

- Bürger einen beftimmten andern, ſowohl auf Juden, als auf Chriften

anwenbbaren Begriff gehabt haben. Ich kann dieſen Begriff nur barin finden, daß die Bürgeraufnahme einem Menſchen ba zwie fache Recht verlieh, in Frankfurt als Grundbefiter und als ein irgend ein Gejchäft Treibender zu wohnen, fowie, jowohl im Ber: hältnig zu jeinen Mitbürgern, als auch gegen außen burch bie Stabibehörbe und das ſtaͤdtiſche Gericht gejchügt zu werben. Weitere Rechte, namentlich eigentlich politiſche, konnte das Wort Bürger, fo lange man es auch auf Juden übertrug, nad ven im Mittelalter beſtehenden Verhältnifien und Anfichten nicht in fich begreifen. Dieſes Wort würde alfo in moderner Sprache vielleicht blos durch das Wort Beifaffe ausgedrückt werden können, obwohl auch hierbei wohl zu beachten wäre, daß bem mittelalterlihen Worte Bürger ber Begriff einer confefftonellen Auzfchlieglichkeit nicht anbing. Uebrigens hatten die jüdiſchen Bürger einer Stadt eine beſondere Pflicht, welche den Chriften nicht oblag. Dieſe Pflicht war die Abgabe des Schub: geldes oder der Judenſtener. Ste unterfchieb ſich von der durch bie hriftlichen Bürger bezahlten Beede, zu welcher die Juden nicht zu- gezogen wurden, dadurch, daß fie nicht wie dieſe nach dem jebes- maligen Stande des Vermögen? wechjelte, ſondern in einer für jeden einzelnen Juden im Voraus feftgefeßten Summe beitand. Bemerkenswerth ijt noch der Umftand, daß nach ber Verpfän-

1) Dasfelbe führt 3. ®. 1814 eine Anzahl Männer unter ber Meberfchrift an: mfra soripti pro residentibus civibus recepti sunt, fowie 1889 wit bem Ausdrud: Supra seripti X persone facti sant residentes concives, während «8 zu gleicher Zeit unb überhaupt meiſtens Anbere nennt, welche einfach als eives aufgenommen mworben find. Offenbar find biefe residentes eives ber Gegenſatz gegen bie ebenfalls dfterd vorkommenden cives extranei, von welchen Lebteren es 1585 einmal heit: Non scripei illos, qui sunt coneives civitatis extranei. Debrigens iR Feiner ber im Bürgerbuche vorkommenden Juden ein residens und ebenſo Feiner berfelben ein extraneus chris genannt.

456 XV. Geſchichte unb Lage ber Fraulfurter Zuben im Mittelalter.

bung ber Frankfurter Juden eine jünljche Bürgeraufnabme mehr in das Frankfurter Bürgerbuch eingetragen ift, jondern daß bie brei jüdiſchen Bürgeraufnahmen, welche nach berjelben dort angegeben werben, nur auf dem Dedel und auf einem Nebenblatte jenes Buches eingejchrieben find I). Dagegen finden fich freilich im ven Raths⸗Protolollen und in den Rathsverordnungen, welche Senckenberg miütgetheilt hat, welche übrigens inägefammt im Stabt: Archiv nicht mehr vorhanden find, noch in ben Sahren 1360 bis 1370 ſolche Bürgeraufnahmen verzeichnet. DOfficiel findet man ben Namen Bürger bei einem Juden nicht ſpäter ala 1391 gebraucht ). Das Schwinden viefer Bezeichnung ber in Frankfurt aufgenommenen und bafelbft anfäffigen Juden fällt in bie Zeit, in welcher man bereit? begonnen hatte, den Juden nur ein auf eine benannte Reihe von Jahren feſtgeſetztes Aufenthaltärecht zu gewähren. Hiervon war früher feine Rebe geweien. Zum erften Male kommt es im Jahre 1372 vor ?). Später wiederholt fich die Angabe einer beitimmten Zeit, für welche ein Jude in bie Stabt aufgenommen wurbe und feine Abgabe entrichtete, immer häufiger ). Schon 1386 wird bie Steuerzahlung eine Juden mit dem Worte Dienen bezeichnet °).

1) Sie gehören ben Jahren 1864, 1875 unb 1879 an.

In einer Urkunde des Stadt-Archivs von 1891 (Nr. 3 ber Labe „Eaiferliche Gommiffionen”). Sie iſt ein Never, durch welchen Riharb von Winden bie Verpflichtung eingeht, in feinem Streite mit einem Juden ſich bem Spruche des Frankfurter Schöffengerichtes zu unterwerfen. In ihm kommen bie Worte vor: „umb ſoliche anfprache, als ich han zu Seligman von Lenih Juden, burgern zu Srandinforb, von eins briffis wegin, als th an yme gefordert han”. Man vgl. übrigens auch bie in Anmert. 237 angeführte Stelle, welche berfelben Zeit angehört.

2) Im Rechenbuch biefeg Jahres ift nämlich die Rubrik Judenſteuer fo über- fehrieben: „Daz bie Juden gabin, alß man mit yn ubirquam zweye iar zu fiten”. Nachher kommt diefe Sache wieder 1875 und 1379 vor (f. Anmerl. 268).

9) Nah ben Stadt: Nedhenbücdern zahlt 1387 ein Zube für 1 Jahr und 28 Wochen, ein anderer für * Jahre; 1388 iſt bie Zahlung ber Stieftochter Joſeph's von Miltenberg mit bem Zuſatze eingetragen: zuſſchen bye (Martini) und Jacoby neift kommet bye zu lichen u. f. w.

8) In ber Rubrit „Judenzinſen“ des Rechenbuches von 1886 flieht u. U: „haid uns Joſes ſchulkluppel gegeben 5 gulden vor bie zyt, als er hye gefefien batte ungebienet, und fal vorwerter eyn tar figen umb 10 gulden, baz vor: werter Jacobi angeb”. Man vgl. auch Anmerk. 287.

XV. Geficte und Lage der Frankfurter Juden im Mitielalter. 457

Am Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts Tamen bekanntlich bie Stättigfeiten auf, und von biefer Zeit an blieb es bis 1616 Grundſatz, daß ber Jude das Nieverlaffungsrecht in Frankfurt nur für eine beftimmte Zahl von Fahren beſaß, und dasjelhe nach Ablauf dieſer Zeit immer wieder erneuern lafjen mußte.

Mit dieſer veränderten Anfiht von den Juden unb ihrer Stellung beginnt die, anfangs freilich noch fehr erträgliche, härtefte Periode des Frankfurter Judenthums, in welcher die Juden nur noch als Fremdlinge und als bloße Permifftoniften betrachtet wurden. Es ift der Anfang jener traurigen Zeit, in welcher einer nachher immer zahlreicher werdenden Klafje von Einwohnern immer härtere Beringungen ihrer Anfäffigfeit auferlegt wurben, zugleich aber auch das Herz ihrer Mitbewohner immer mehr entfremdet und zu Ver⸗ achtung und Haß umgeftimmt ward. Schon 1433 wurbe den Juden verboten, zu einer anderen Zeit, ald in ven vier Wochen zwifchen dem 28. Oltober und 25. November Rinpfleifch zu Taufen (ſ. Ann. 260), Um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts klagten fie bereit, daß fie auf den Straßen durch Schmähworte, Würfe und Schläge mis- handelt würden, und zwar nicht blos von Seiten ber Jugend, ſondern auch durch ältere Leute). Zu berfelben Zeit zwang man fie, ihre feitherigen Wohnungen zu räumen und fich in eine enge, finftere Gaſſe einfperren zu laſſen, welche am äußerften Ende der Stabt lag und von ihnen Neu=-Egypten genannt wurde. Am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts aber malte man an bie innere Wand ber biezfeitigen Brüdenpforte ein Schandbild, welches alle Vorübergehenven zum Haſſe gegen fie reizen mußte. Mit dem Beginne biefer Zeit, d. 5. mis bem Sabre 1404 als dem Sabre der erften Juden⸗ Stättigfeit, fchließt ſich alſo auch für das Yrankfurter Judenthum dad Miütelalter ab.

!) Lersner, II. 2. ©. 811, 814.

458 XVI. Die Frankf. Schuldhaft m. Frautf. Privatgefängniffe im Mittelalter.

IVI.

Die Frankfurter Schuldhaft und Frankfurter Privatgefängniſſe im Mittelalter,

Das Stadt: Archiv in Frankfurt enthält zwei Urkunden von 1472, welche einen eigenthümlichen damals in Frankfurt herrſchenden Rechtsgebrauch in Betreff der Schulbhaft zu erkennen geben. Das frühere Beſtehen dieſes Gebrauches ift ganz in Vergefienheit gerathen, fo daß nicht eimal der gelehrte und fleigige Rechts-Hiſtoriker Orth feiner gebenft. Ebendeshalb fcheint es zur Vervollftändigung der älteren Frankfurter Rechtsgeſchichte gerathen, den wefentlichen Inhalt jener beiden Urkunden befannt zu machen. Indem ich dies im Nachfolgenden thue, ſchicke ich die Bemerkung voraus, daß die eine berfelben ein vom kaiſerlichen Kammergericht, auf die Klage eines Nicht: Frankfurterd gegen Bürgermeifter und Rath von Frankfurt erlafjener Urtheilsſpruch vom 21. November 1472, die andere aber ein aus 81 Folio: Seiten beftehende?, vom 20. April 1472 batirtes Protofoll des Zeugenverhörs in biefem Procefje ift. Beide find noch mit ihren wohlerhaltenen Stegeln verfehen.

Klaus Bauare von Colmbah !) hatte an einen gewiſſen Hang von Thufenberg 183 Gulben zu fordern. Dieler fein Schuldner war ihm entwichen; er traf denſelben aber nach einiger Zeit (im Sabre 1471) in Frankfurt, und da Thufenberg ihm auch hier bie Zahlung verweigerte, fo Hagte er ihn beim Schöffengerichte an. In

1) Ich bemerfe, daß in ben betreffenden Urkunden nicht Mar zu erfehen ift, ob diefer Mann Bauare oder Banare hieß.

XVI. Die Frankf. Schuldhaft m. Frankf. Priontgefängniffe im Mittelalter. 459

Folge einer Entjcheivung dieſes Gerichted wurde Thufenberg in das ſtädtiſche Schuldgefängniß gebracht, das fich im vorderen Theile des Leinwanbhaufes befand. Bauare verlangte gleich anfangs von dem YBürgermeifter, daß der Gefangene auf feine (des Klägers) Koften fo lange feftgehalten werbe, bis verfelbe ihm Genüge geleiftet habe, weil er durch ftädtifchen Gerichtszwang in das Gefängnig gebracht worben fei; allein der Bürgermeifter erflärte ihm, daß die Stadt Franffurt dag rechtägültige Herkfommen habe, eirien Menfchen Schulden halber nur vier Wochen lang in ihrem Gefängniffe zu halten, daß dagegen der Gläubiger berechtigt fei, feinen Schuldner innerhalb der Stadt ſelbſt noch Länger gefangen zu halten, und daß zu biefem Zwecke einzelne Bürger in ihren Häufern Gefängnifle eingerichtet hätten, welche fir Geld vermiethet würden. Auch bezeichnete er ihm drei folcher Gefaͤngnifſe. Bauare beflchtigte diefelben in Begleitung des Stabtfnechtes; er mieihete aber Yeineg, weil, wie er ſelbſt be⸗ hauptete, ‚die Eigenthämer der Gefängniffe ihm erklärten, ſie würben den Thufenberg für fein Gelb in Haft nehmen, ober weil er, wie nachher der ftäptifche Anwalt behauptete, die Sache zu läſſig betrieb. Er verlangte hierauf vom Bürgermeifter noch einmal, dag man anf feine Koften den Schuldner länger gefangen halte; und als ver Bürgermeliter, mit Wicderholung ber früher gemachten Erklärung, fich defien weigerte, forderte Bauare, dag man ihm geftatte, ben Gefangenen aus der Stant fortzubringen, oder, wie der Ausdruck kautet, daß man ihm denſelben an einem Seile gäbe, um ihn mit Ah zu nehmen. Jedoch auch Died wurde, mit Bezugnahme auf das erwähnte zu echt beftehende Herkommen, verweigert. Vergebens appellirte hierauf Bauare fchriftlich vom Bürgermeifter an den Rath, wobei er die Drohung ausſprach, er werde fi, wenn man ben Gefangenen vor Bezahlung der Schuld freigebe, mit feiner Schuld⸗ forderung an den Rath felbft halten. Ebenſo vergeblich war es, daß cr den Markgrafen von Baden bewog, fich für ihn beim Mathe zu verwenden; man hielt in Folge diefer Verwendung den Gefangenen blos etwas laͤnger als vie herkömmlichen vier Wochen feſt. Als aber weder Bauare felbft, welcher unterdeſſen verreift war, noch auch ein Anwalt desſelben bis zum beftimmten Tage erfchien, ließ man Thufenberg frei.

Nun wandte fi) (im November 1471) Bauare Flagend an

460 XVI. Die Frankj. Schuldhaft u. Frankf. Privatgefängniffe im Mittelalter.

das kaiſerliche Kammergericht, und verlangte, daß der Rath zu Frankfurt fchuldig erfannt werde, ihm ſowohl die Schulofumme, als auch die wegen ber Sache entſtandenen Koften zu bezahlen. Das fatferlicde Kammergericht, welches in Wien feinen Sig hatte und unter ber Leitung des Erzbiſchofs von Mainz aus den „taiferlichen Räthen der Mechtögelehrten und des Reichs Tieben Getreuen“ beſtand, traf nach Anhörung des Frankfurter Anmaltes am 9. December 1471 bie Verfügung: der Rath zu Frankfurt folle einem zu ernennenden Serichtd : Kommiffär duch Zeugen bemeifen, baß eine nur vier Wochen dauernde ftäbtifche Schulbhaft wirklich altes Herkommen ſei, ſowie daß es zu der Zeit, als Thufenberg in ftädtifcher Haft war, Privatgefängniffe für Schuldgefangene in Frankfurt gegeben habe. Zum Gerichtö- Eommiffär wurde Neinharb Abt von Seligenftadt ernannt. Diefem warb zur Bollziehung feines Auftrages eine Friſt von achtzehn Wochen und neun Xagen gejegt; dem Klaͤger aber wurde aufgegeben, eine höchftend zehn Meilen von Frankfurt ent fernte Stadt zu beftimmen, in welche er durch den Commiflär zum Zeugenverhör eingeladen werden könne. Uebrigens ift dad Schreiben, durch welches dad Kammergericht dem genannten Abte feine Er- neunung und ben ihm ertheilten Auftrag auzeigte, erft einen Monat nach jener Entſcheidung (am 8. Januar 1472) ausgefertigt worben. Der Abt ließ fich alsbald vom Frankfurter Rath eine Anzahl Leute bezeichnen, welche als Zeugen zu verhören feien, und lub dann biele burch ein Schreiben vom 18, März ein, am 6. April vor ihm zu Frankfurt in der Herberge zum Fryenftein 2) zu erjcheinen. Der Kläger hatte ebenfalls zu dieſem Zeugenverhör eingeladen werben jollen; er war aber nicht in bad zuvor erwähnte Gebiet gekommen, fondern in Wien geblieben, und erhielt deshalb vom Abte keine Vorladung.

Das Zeugenverhör fand am beſtimmten Tage und Orte, unter ber perfönlichen Leitung des Abtes Statt, fowie in Gegenwart eines Frankfurter gefchworenen Notars, welcher bad Protokoll führte. Neunundzwanzig Perjonen, unter benen fich einige Geiftliche und

Es gibt in Frankfurt drei Häuſer biefes Namens, M. 142 (Wedmarkt 7 und Saalgaffe 2), M. 148 (Wedimarft 9) unb L. 147 (Hühnermarft 20), von welchen aber das Letztere ber alte Fryenſtein beißt.

XVI. Die Frankf. Schulbhaft u. Frankf. Privatgefängniffe im Mittelalter. 461

eine Frau befanden, waren als Zeugen vorgeladen worden. Sie wurden zunächit vereidigt, und zwar, wie des Abts Bericht an das Kammergericht fich ausdrückt, „die priefter mit uffgelachten fingern uff die heiligen Evangelien, bie da geinwurtig, und bie leyen mit uffgelachten fingern uff die Heiltgen ber bilde daſelbs auch geinmwortig woren und ich (nämlich der Abt) in myner bant hatte.” Der Zeugeneid lautete dahin: zu Gott und den Heiligen zu ſchwoͤren, auf ven Gerichtäfpruch (welcher verlefen worben war) Zeugnig und bie rechte Wahrheit zu fagen, foviel einem jeden wiſſend wäre, nie manbem zu Liebe oder zu Leibe, noch um Gift, Sabe, Gunſt, Haffe, Nydt oder einige ander Sachen, die Zeugniß der Wahrheit hindern möge. Nach gefchehener Eidesleiſtung erinnerte der Abt die Zeugen an den von ihnen gethanen Schwur und an die von einem falfchen Zeugen zu erleivenven Strafen. Die einzige weibliche PBerfon unter ven Zeugen, frau Katharina zum Smitzkyle, Wittwe des Henne Brun, fcheint was bemerkenswerth ift feinen Eid geſchworen zu haben, ſondern blos auf Ehrenwort verpflichtet worden zu fein; benn während bei den Ausfagen aller anderen Zeugen ihres Eides und Gelöbnifjes nicht noch einmal gebacht wird, ſchickt das Protokoll der Ausſage jener Fran bie Worte voraus, biefelbe habe „uff tre fraumeliche ere” ausgefagt, daß u. f. w. Nachdem die 29 Zeugen ihre Ausſagen getban hatten, behielt fich der ftäntifche Anwalt (es war Meifter Johann Gelthuß, beider Rechte Doctor) vor, noch andere Zeugen verhören zu laſſen. Bon dieſem Borbehalte machte er auch Gebrauch, und 14 Tage fpäter wurden noch zwei Zeugen verhört. Das Protokoll der Zeugen-Ausfagen warb vom anweſenden Notar beglanbigt, vom Abte mit feinem Stegel verfehen und dann an das Kammergericht abgefchiekt.

In einer etwa vier Wochen fpäter (14. Mai) gehaltenen Stkung des Kammergerichtes, in welcher auch der ftähtifche Anwalt und ber Kläger anweſend waren, wurde zuerft jenes ‘Protokoll verlefen und dann zunächft ber Kläger gehört. Diefer erkannte die Zeugenaus⸗ fagen, welche insgeſammt mehr ober weniger zu Gunften ver Stabt ausgefallen waren, nicht als wahrheitägemäß an, und warf dem Gericht? » Sommiffär ſelbſt Parteilichkeit vor, weil er das Zeugen- verhör in Frankfurt ſelbſt gehalten, ven Zeugen zum Vortheile bes Gegners noch einige andere Fragen, außer den durch dad Kammer-

463 XVI Die Frankj. Schalbhaft u. Frankf. Privatgefängniffe im Mitielalier.

Bericht ihm aufgetragenen, vorgelegt, und fich nicht eines beiden Par: kien fremden Mannes, ſondern eined Frankfurter Bürgers ala Protokollführers bedient habe. Auch ſuchte er zu feinen Gunſten den Umitand geltend zu machen, daß die Zeugen inägefammt Ein- woher, die meilten jogar Bürger von Fraukfurt, alfo „mit Pflichten, täglichem Beimejen und Gemeinſchaft“ dem Augeflagteu verwandt feien, und doch uicht vor dem Zeugenverhör ihrer Pflicht und ihres Bürgereided entbunden worden wären. Aber felbit hiervon abgefehen, jeien, wie er behauptete, die Ausſagen derſelben kraftlos; denn leiner von ihnen babe bewicien, daß das in trage ftehende Herfommen in Betreff ver Schuldhaft wenigftend 40 Jahre lang in Gewohnheit gewejen fei, was doch nöthig fei, wenn ein Herkommen ala zu Recht beftehend augeſehen werben ſolle. Ebenſo wenig babe, wie er weiter behauptete, einer der Zeugen ausgeſagt, daß zu ber Zeit, als Thufenberg in Frankfurt gefangen faß, Privatgefängnifle daſelbſt zu haben gemejen jeien. Endlich machte er noch geltend, daß einige der Zeugen gejagt hätten, fie hätten von folden Gefängniffen Feine Kenutnig, ſowie daß cinige andere erflärt hätten, es fei auch ihuen in ähnlichen Zählen ebenfo wie dem Kläger nicht möglich geweſen, ein Privatgefängnig zu miethen. Dieſe fehr jchwach begründeten Einwürfe des Klägers wiberlegte daun ber ſtädtiſche Anwalt, indem er namentlich durch ein Notariats⸗Inſtrument nachwies, daß die— jenigen unter ben Zeugen, welche dem Mathe verwandt wären, vor dem Außfages Act ihrer Pflicht gegen dieſen ledig geiprochen worden feien, fowie daß mehrere Zeugen das ſchon mehr als vierzigjährige Deitehen des fraglichen Herkommens behauptet hätten. Nachher ergriff der Kläger nochmal? das Wort, und machte unter Anderm bejonderd darauf aufmerklfam, daß Frankfurter Bürger und Ein wohner in dieſer Sade feine unverdächtigen Zeugen jeien, weil, falls der Rath ven Proceß verliere, die dann von biefem zu leiſtende Zahlung vom gemeinen Gute genommen ober durch erhöhte Steuern beitritten werden müfle. Nachdem hierauf ber ſtaͤdtiſche Anwalt noch einmal geiprochen hatte, wurbe die Gerichts⸗Sitzung gejchloflen. Der entſcheidende Spruch erfolgte erſt ein halbes Jahr fpäter, uänılich am 20. November. Er ſprach den Frankfurter Rath von ber gegen ihn erhobenen Klage frei, und veruxtheilte den Klaͤger in bie Zahlung der Koften, welche der Rath in diefer Sache gehabt Hatte.

XVI. Die Frankf. Schulbhaft u. Frankf. Privoigefängnifie im Mittelalier. 46

Das Intereſſanteſte in dieſem Proceſſe iſt das im fuͤnfzehnten Jahrhundert zu Frankfurt in Betreff der Schuldhaft geltende Rechts⸗ Princip, ſowie das damalige dortige Beſtehen und Anwenden vou Privatgefängniſſen. Jenes Rechts-Princip war, nach ber Ber ſicherung eines der verhoͤrten Zeugen, ſchon 47 Jahre vor dem Jahre 1471, alſo ſchon 1424, in Geltung; die früher erwähnte Zeugin Katharina zum Smigzkyle erklärte ſogar, daß in dem ihr gehörenden Salzhauſe ſchon vor 50 ober mehr Jahren ein Privat gefängnig zum Vermiethen beftanden habe. Einer der Zeugen, welcher früher ein Vorſprech in Frankfurt geweien war, verficherte, daß ſchon 1438 auch das Schöffengeriht auf jein Anfuchen förmlich ausgeſprochen habe, es fei altes Herlommen, Gewohnheit und Recht, bag die Stabt Frankfurt einen Schuldmann wicht über vier Wochen gefangen halte. Ein anderer Zeuge, welcher 24 Jahre lang oberiter Richter in Frankfurt geweien war, erklärte unter Andern Folgendes; wenn in Frankfurt der Rath einen Maun zu einem ber jichen Richter ernenne, jo werbe biefem von den anderen Richtern gejagt, was Weile und Gewohnheit zu Frankfurt fei, und wie ſich bie Richter mit Kommern (d. i. Verhaftungen) und mit Gebsten, auch mit Gefängnik der Schuldmänner und auberer Leute zu verhalten hätten; jo habe man denn auch ihm, ala er Richter geworben fei, gefagt, ein Schulomann werde vier Wochen lang im Leinwanbhaufe eingejperrt gehalten und dann freigelaflen, der Gläubiger dürfe ihn aber nachher ſelbſt in Gewahrſam halten.

Nach ven Angaben einzelner Zeugen und nach ben ſowohl im Zeugen PBrotofoll als im Gerichtöfpruche mitgetheilten Erklärungen ker Bürgermeifter verhielt es fich mit jemem Herkommen folgender maßen. Wenn ein Gläubiger von feinem Schulbner weder Zahlung noch Bürgichaft erlangen konnte, jo wurde auf fein Begehren ber Beßtere vier Wochen lang im Gefängnifie des Leinwandhaufes ein⸗ gefperrt gehalten. Dafür mußte der Gläubiger nicht uns dem Ge fangenwärter ein Schloßgeld von 6 Frankfurter Hellern bezablen, fondern er hatte außerdem noch täglich drei Heller zu geben, für welche dem Gefangenen Weißbrod gelauft wurde, und wenn ber Släubiger dies einen Tag unterließ, fo gab man den ‚Gefangenen augenblicklich frei. Mitunter kam auch vor, daß der Schulöuer während jener. Haftzeit gegen Stellung eine Bürgen auf mehrer

464 XVI. Die Frankf. Schulbhaft u. Franff. Privatgefängniffe im MWitteaftr.

Tage freigelaffen wurde, um ſich mit feinem Gläubiger zu verftän- digen, und daß er, wenn ihm dies nicht gelang, für ben Met ver vier Wochen ind Gefängnig zurückkehren mußte. In Einem alle ließ der Rath einen Schulpgefangenen etwas länger als vier Wochen fefthalten; dies geichah aber nur deswegen, weil fein Gläubiger am Ende der vier Wochen gerade in ftäblifchem Dienfte abweſend war. Webrigen? fand die vierwöchentliche Einiperrung nicht blos dann Statt, wenn ein Bürger fie für einen Mitbürger oder einen fremden verlangte, fondern auch ein Fremder Tonnte fie für einen auswärtigen ‘oder einen in Frankfurt verbürgerten Schuldner forbern. Da eine vierwöcentliche Schuldhaft in den meiften Fällen zur Erreichung bed mit ihr beabfichtigten Zweckes zu furz ift, fo war es durchaus nöthig, eine Verlängerung derſelben zu geftatten. Sehr wetfe hatte man nun in Frankfurt diefe Verlängerung fo eingerichtet, daß fie dem Gläubiger größere Koften verurfachte, als die Gefangen: haltung im ftäbtifchen Gefängniffe des Leinwanbhaufes, und daß folglich dadurch der Schuldner einigermaßen gegen die Wirkung bed perfönlichen Haſſes eined Gläubiger gefchüßt wurde, welcher viel- feicht vecht gern Jahre lang alle vier Wochen ein Schloßgeld von 6 Hellern bezahlte, um dem Erfteren ein hartes Schickſal zu bereiten. Dies wird auch von bemjenigen unter ben Zeugen, weldher 24 Sabre lang oberfter Richter geweſen war, als der eigentliche Grund bes Herkommend, einen Schuldner nur vier Wochen lang von Stadt wegen feitzuhalten, angegeben. Um nämlich den Schuldner gegen bie erwähnte Gefahr zu fchüben, befchräntte man bie ftäptifche Haft auf vier Wochen, und erlaubte bagegen zwar bem Gläubiger, ven Schuldner in einem Privathaufe bis zur Bezahlung der Schulv gefangen zu halten, unterwarf ihn aber babei gewiflen gejeßlichen Vorſchriften, welche den Gefangenen gegen Willkür und Mishand⸗ fung fiherten, und die uns bei Gelegenheit der Zeugenausfagen tm Bauarefchen Proceffe mitgetheilt werben. Erftend durfte der Schuldner nicht aus dem Bereihe der Stadt gebracht werben. Zweiten? mußte da für ihn beſtimmte Privatgefängnig, wie ber Ausdruck lautet, nah der Stänte Maß gemacht fein, d. 5. e8 mußte wenigſtens 9 Fuß hoch und 9 Fuß lang und breit fein. BDriktenz mußte dad Gefängnig unter Dach und fiber der Erbe, fowie ohne Rauch und Trauf fein, im Winter geheizt werben, und überhaupt

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XVI. Die Frankf. Schuldhaft u. Frankf. Privatgefängnifte im Mittelalter. 465

eine folche Befchaftenheit haben, daß dem Gefangenen an feinem Leibe Fein Schaden geſchehe. Vierten? durfte ber Schuldner nur ungeftoeft und ungeblodt, d. 5. ohne angebunden zu fein, gefangen

. gehalten werben. Fuͤnftens hatte der Gläubiger Gewißheit dafür

zu geben, daß fein Schuloner täglich die einem Gefangenen gebüb- rende Koft, nämlich genügendes Trinkwaſſer und wenigftens für drei Heller Weißbrob, erhalte. Endlich mußte der Gläubiger noch bafür Sorge tragen, baß fein Gefangener afle 14 Tage gefchoren (d. 5. barbirt) werde und alle vier Wochen ein Bad nehme. Damit died Alles auch eingehalten werde, Tieß man den Gefangenen alle vier Wochen von Stabt wegen aus dem Gefängniffe herausführen und „an feinem Xeibe bejehen, ob er nicht wont oder ungeborlich gehalten ſy“.

Die Lage eines Schuldgefangenen war, wie man fieht, keines⸗ weg? mit derjenigen zu vergleichen, in welcher zur Zeit des Mittel- alter andere Gefangene fich befanden. Sa, fie war fogar der der heutigen Schuldgefangenen ganz gleich; denn die gefangenen Schuloner

durften ebenfo wie diefe Beſuche empfangen, fich beliebige beſſere

Speifen und Getränke anfchaffen und fogar Trinfgelage halten. Mehrere der erwähnten Zeugen fagten nämlich aus, fie hätten oft fih mit dem einen oder anderen Schulbgefangenen unterhalten, während ver ganzen Zeit feiner Sefangenjchaft „by ime getrunten und Gemeinichafft gehabt” oder, wie ein Zeuge fich außbrüdt, „vor feinem Gefendnig mit ihm Gefellfchaft gehabt mit Efien und Trinken.” Bon einem der Gefangenen wirb auch berichtet, daß des Zeugen Mutter feiner gewartet und dafür ben für jene Zeiten beträchtlichen Kohn von 20 Gulden jährlich erhalten habe, fowie von einem anderen, dag es ihm gelungen fet, aus dem Gefängniffe auszubrechen und zu enttommen. Zu Gunften einiger Schuldgefangenen wurde auch von ihren Freunden etwas gethan, was heut’ zu Tage nicht mehr ge: fchehen darf, damals aber fogar mitunter für Leute gejchah, welche wegen eines Verbrechens verhaftet waren. Die Treunde gingen nämlich bettelnd zu einzelnen Leuten ober wohl audy von einer Trinkitube zur anderen, und verfchafften fich fo das nöthige Geld, um ben Släubiger zur Freilaffung des Schuldners zu bewegen. Dies geſchah namentlich durch die Freunde des Edelmannes Philipp von Rüdicken,

welchen cin in Sachfenhaufen wohnender Soͤldner in daft hielt, weil Kriegt, Frankſ. Bürgerzwifte.

4

466 XVI. Die Frankf. Schuldhaft u. Frankf. Privatgefängniffe im Witielalter.

derfelbe ihm bie für ein Pferd jchuldige Summe von 40 Gulden nicht bezahlt Hatte.

Sene Privatgefängnifle dienten übrigen? auch noch zu einem anderen Zwecke, für welchen im Mittelalter nicht wie heut’ zu Tage von Staats: oder Stadiwegen gejorgt wurbe; fie erjeßten nämlich unfere Srrenanftalten. Died geht aus den Ausfagen zweier Zeugen hervor. Ber eine berfelben berichtet von einem jener Gefängniffe, daß in vemfelben feine eigene Mutter „von ir ſynne wegen“ eine Zeit lang gefangen gehalten worden fei; der andere fagt von einem anderen Privatgefängniffe, in bemfelben habe eine Zeit lang ber PVriefter Conrad Hepe, Vicar zu St. Leonhard, gelegen, welcher „nit woil by den Tonnen” geweſen ſei.

Was nun ſchließlich die von den Zeugen erwähnten Privat- gefängniffe im Einzelnen betrifft, jo ift zuerft zu bemerken, daß mit- unter der Gläubiger in feinem eigenen Haufe ein Gefängnig machen ließ, weil entweder gerade feincd der vorhandenen zu haben ober ber Miethpreis derſelben ihm zu hoch war. Dies that unter Andern der fo eben erwähnte Söldner von Sachſenhauſen, welcher ven Junker Philipp von Rüdicken in feinem Wohnhaufe zum Segel feftbielt, jomwie einer der Zeugen, welcher zur Gefangenhaltung feines Schuldmannes „holcz kauffte und ein bejunder gefendenig machen that”. Das am häufigften erwähnte Privatgefängnig war in bem EinungsGäßlein, welches damals auch noch das Weikfrauen-Gäßlein genannt wurde und jegt die Seckbachergaſſe heißt; es befand fich in dem Haufe zum Hoenberger. Ein zweites war im Salzhauſe, d. h. in dem Edhaufe des Nömerberges und der Wedelgaſſe (Römerberg 27), welches um 1460 dem Henne Brun gehörte. Bon diefen Gefäng- niffe berichtete einer der Zeugen: im Salzhaufe fei eine Kammer, ba ftehe inne ein ſtarkes, reinliches beſonder (d. i. Privat) Gefängniß. Aus diefer Angabe und aus der früher erwähnten Bemerkung eines anderen Zeugen, baß einjt ein Gläubiger Holz getauft habe, um ein Sefängnig machen zu laſſen, erkennt man die Beichaffenheit von wentgftend einem Theile jener Privatgefängniffe: fie nahmen nämlich offenbar nicht alle einen ganzen Zimmerraum ein, jondern beitanden vielmehr aus einem durch Balfen und Dielen abgejchlagenen Theile desſelben. Ein drittes Privatgefängnig befand fich ebenfalls auf dem Nömerberg; doch wird feine Lage nicht näher angegeben. Dasfelbe

XVI. Die Frankf. Schuldhaft u. Frankf. Privatgefängniffe im Mittelalter. 467

war nämlich in eined Schreiber? Haufe auf dem Berge bei ber Nicolai: Kapelle. Ein viertes Brivatgefängnig war im Saalhof. Ein fünftes befand fich Hinter der Krämergaffe, d. h. hinter dem jeßigen Markt bei dem Haufe zum Fleſſer. Ein jechätes war in dem Haufe zur Woltenburg, welches der Familie vom Ryne gehörte und die Ede der Höllgaffe und des Krautmarktes bildete (Krautmarkt 7); dieſes Gefängnig war aber jchon im Jahr 1464 wieder abgebrochen worden. Gerade neben den Haufe zur Wolfenburg, auf einer dem Liebfrauenitifte zinsbaren Stätte, genannt der Numengaden, befand ſich ein fiebented Gefängniß. Endlich werden noch zwei Privatgefängniſſe angeführt, deren Lage ich nicht näher anzugeben weiß, das eine nämlich in Mangolt’3 Haufe vor der Bornheimer Pforte, dad anbere in einem Haufe bes Joſt Milius, deſſen Eigenthümer und Vermicther ſelbſt als Zeuge jich darüber ausſprach, und von welchem ein anderer Zeuge den Ausdruck gebraudt, Miliuß habe dasſelbe für feine Freunde machen lafjen ").

1) Eine intereffante Notiz über die damaligen Privatgefängniffe und ihren Gebrauch findet fih im flädtifchen Rechenbuch von 1420. In biefem ift nämlich Sabb. ante Martini folgender Einnahme - Voften verzeichnet: 22 gulden ban Mathijs Aptelir und fine frunde von finen wegin gegebin umb daz gefengniß, bar inne Mathijs vorg. gefeffin hat, als er nit wol by funnen was, als ber Rab baz gefeugnig vormals umb Jelil Klobelauch gefaufit hatte (f. oben S. 102) und iz Mathijs vorg. frunden vurter virkauffte.

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468 XVII. Scherz und Spott in ben mittelalterligen Frankf. VBerfonennamen.

IVII.

Scherz und Spott in den mittelalterlichen Frank⸗ furter Berfonennamen.

,

Die Entſtehung der Perfonennamen ift befanntlich eine Sache, welche, troß mancher gründlichen Arbeit, noch immer nicht völlig ind Klare gebracht ift. Für die weiteren Forſchungen über biefen Gegen: ftand Könnten die Urkunden der Stadt Frankfurt reichhaltigen Stoff liefern ; denn in ihnen, beſonders in den (amtlich geführten) Bürger: büchern und Beedbüchern des vierzehnten und fünfzehnten Jahr⸗ hundert, findet fich eine beträchtliche Zahl von Perjonennamen, welche der Wiſſenſchaft Higher unbekannt geblieben find. yür bie Iofale &ulturgefchichte aber würde es ein zugleich wichtiger und intereffanter Beitrag fein, wenn jemand vwermittelft jener Quellen bie Entwidelung verfolgen wollte, welche die Entftehung und Fortbildung der Perfonennamen in Frankfurt genommen bat.

Bürgerlie Zunamen famen zu Frankfurt fchon in der. Mitte des dreizehnten Jahrhunderts, wenn nicht noch früher, vor). In ber zweiten Hälfte dieſes Jahrhundert? vermehrte fich ihre Zahl. Sie war jedoch jelbft noch im Beginne des vierzehnten Jahrhunderts geringer, als bie Zahl der bloßen Vornamen; denn in dem erjten Jahre des älteften Frankfurter Bürgerbiches, in dem Amtsjahre 1311 bis 1312, machen die bloßen Vornamen noch 66 Procent aller oorfommenden Namen aus. Vierzig Jahre fpäter (1351) beläuft ſich dagegen ihre Zahl fchon auf nicht mehr als 34%, Procent. Auch war man im erfteren Jahre an die Zunamen noch fo wenig gewöhnt, daß von ben in demfelben vortommenden Zunamen 14 mit

) Thomas Annalen, S. 185.

XVII. Scherz und Spott in ben mittelalterlihen Frankf. Berfonennamen, 469

dem Zufage „genannt und nur acht ohne venfelben angeführt werben, während bei den mehreren taufend Namen, welche von 1345 big 1400, alſo während 56 Jahren, in das Bürgerbuch eingefchrieben find, jener Zufag nur noch neunmal vorkommt. Sn dem äfteften vorhandenen Beedbuch, dem von 1320, kommt berjelbe noch oft vor. Dagegen tft er von ber Mitte des vierzehnten Jahrhunderts an, ſoviel ich gejehen Babe, in den Beedbüchern nicht mehr zu finden, obgleich er in anderen Urkunden noch immer vorkommt.

Man war früher an den Gebrauch der bloßen Vornamen fo fehr gewöhnt, daß in ben Bürgerbüchern des vierzehnten Jahrhun⸗ derts fogar die regierenden Bürgermeifter oft nur mit ihren Vor⸗ namen angeführt werden. So führt 3. B. bie Meberfchrift des Bürgeraufnahme-Verzeichnifjes von 1311 bis 1312, in welchem Jahre Heinrih von Hachinberg und Adolf Klobelouch die Bürgermeifter waren, dieſe mit ven Worten an: „unter den Bürgermeiftern Heinrich genannt von Hachinberg und Adolf“. Ebenſo find in den Bürger: büchern eine lange Reihe von Jahren hindurch die Gelder, welche bie Bürgermeifter bei den Aufnahmen erhoben, faſt immer in ber Art eingefchrieben, daß blos ber Vornamen deſſen, der fie erhob, beigefeßt ift. Offenbar redete man im Mittelalter einander meiſtens nur mit dem Vornamen an, und nannte, wenn man von jemand fprach, gewöhnlich nur dieſen. Sogar noch im jechdzehnten Jahr: hundert geichah dies nicht felten. So wird, um einige Beiſpiele anzuführen, im Nath3-Protofoll von 1525 der Syndikus Doctor Adelf- Knoblauch ftet3 nur der Doctor Adolf genannt, und mitunter Hamann ftatt Hamann von Holzhaufen, Doctor Peter ftatt Doctor Peter Mayer, Doctor Niklaus ftatt Doctor Niklaus Rücker ge fchrieben.

In Betreff der Entftehung der Zunamen ergibt fi aus ben Frankfurter, wie aus anderen Urkunden, daß man vor dem Auf: fommen derſelben fich meiſtens mit dem Zuſatze bed Heimaths⸗ oder Wohnortes oder auch bes Heimathlandes und einem vorgejebten „von“ begnägte. Auch fügte man, um einen Mann von einem anderen bes gleichen Tauf> oder Bornamend zu unterjcheiden, feinem Vor⸗ namen gern bie Bezeichnung ſeines Gewerbes hinzu. So entitanden die noch immer am häufigsten vorfommenden Zunamen, wie Schneider, Schmidt, Metler oder Mebger, Krämer, Schäfer, Beder, Schwab,

470 XVIL Scherz und Spott in ben mittelalterlidgen Frankf. Berfonennamen.

Sachs, Schweizer, Hefle u. ſ. w. Sogar ein „Concze Frankenford kommt im Beebbuch von 1365 vor. Diefe Art von Namen waren jeboch anfangs nicht immer forterbende Familiennamen. Im Bürger: buch von 1311 bis 1312 kommt 3.8. ein Vater mit feinem Sohne vor, jener aber heißt „Ludwig genannt von Monechen”, biefer „Zubwig von Frankenberg”. Auch änderte fi noch im vierzehnten Jahr⸗ hundert der Zunamen eine? Mannes mitunter während des Laufe? feines Lebens. So findet fi 3. 3. im Bürgerbuch von 1333 ein Mann mit den Worten verzeichnet: „Peter genannt Jude, früher Mor”. Ferner wird manchmal Einer nad) zwei Orten zugleich be- namt, wie ein gewifler Johann, welcher im Bürgerbud von 1316 „Johann von Byberahe und Haſelach“ genannt wird. Webrigens verdient noch angeführt zu werben, daß bie Unterſcheidung durch den Zufay Senior ober Junior, der Alte ober ber Junge ſchon frühe gebräuchlih war: ich fand 3. B. ſchon im Bürgerbuch von 1323 den Ramen Conrad Gishubel Senior.

Doch diefe und ähnliche Verhältniffe und Beziehungen ber Perfonennamen find es nicht, welche bier in Betracht genommen werben follen. Es gilt vielmehr, den Einfluß nachzuwelien, den in Frankfurt Scherz und Spott auf die Entitehung von Perfonennamen ausgeübt haben. Schon Andere haben darauf aufmerffam gemacht, bag Namen wie Dil, Klein, Kahl und ähnliche aus Zeiten her⸗ rühren, in weldden man auf Törperliche Stattlichkeit und Fehler⸗ Iofigkeit viel hielt, und deshalb Teiht dazı kam, einem Menſchen einen Namen zu ertheilen, welcher ein augenfälliges Törperliches Gebrechen desſelben bezeichnete. Dies ift ſchon eine Art von Spott, und Namen folcher Art gehören alfo zu den fogenannten Spisnamen, welche zu jeder Zeit im Gebrauche waren und immer gebräuchlich bleiben werden. Zu ihnen gehören auch vie offenbar ebenfalls ſchon frühe vorkommenden Namen, welche ihrem Begriffe nach an ein fitt- liches oder intellectuelles Gebrechen, an irgend eine beruorftechente Eigenichaft, an eine auffallende Gewohnheit des betreffenden Menfchen oder auch an irgend einen fonberbaren Vorfall erinnern. Manche biefer Namen find nicht nur denen, welche fie erhalten hatten, während ihres ganzen Lebens geblieben, ſondern auch auf ihre Nach fommen übergegangen, alfo Familiennamen geworben. Es ift nämlich bei manchen Familiennamen wegen ihrer eiymologifhen Bebeutung

XVII. Scherz und Spott in den mittelalterlichen Frankf. Perfonennamen. 471

geradezu undenkbar, daß die Erſten, welche fie trugen, fich dieſelben jelbft beigelegt haben. Andererſeits kann man aber wohl begreifen, wie Leute ſich an einen ihnen ertheilten Spottinamen nach und nad) jo gewöhnten, baß fie felbft ihm zuleßt gebraucht haben; denn erſtens verlieren alle Namen durch ihren bejtändigen Gebrauch alsbald im Munde derer, welche fie aussprechen, ihren urfprünglichen Sinn und Begriff, und zweiten? war man in älteren Zeiten nicht fo zart: fühlend und häfelig, wie beut’ zu Tage. Mitunter mag es auch vorgelommen fein, daß ein mit einem Spotinamen Belegter jogar eine Ehre darin fand, von feinen Gegnern verfpottet worden zu fein, und denjelben durch fein eigened Gebrauchen jene® Namen? Trotz bot: ein Fall, welcher auch in der Gefchichte der Menfchheit felbft den Spottnamen von Parteien, wie Gueujen, Chouans und Sanscülottes, eingetreten ift.

Auch in den Frankfurter Urkunden bed Mittelalter? finden fich gar manche Namen, welche urfprünglih nur aus Spott ertheilt worden fein Eönnen, und bie deshalb zugleich zeigen, daß ben Be wohnern Frankfurt’3 ſchon in früher Zeit die Neigung zum Scherzen und Spotten eigen war. Außerdem läßt fich aber auch das hiſtoriſch beglaubigte Beispiel eines Frankfurters anführen, welcher gleich ben erwähnten Gueufen, Chouans und Sangcülottes den ihm ertheilten Spottnamen als eine Ehre anſah und darum ſelbſt gebrauchte. Es war dies ber um 1500 lebende Peter von Marburg genannt zum Paradied. Ein Fürft hatte, als Peter im Turnier-Kampfe fih auz- zeichnete, in Bezug auf deffen bürgerlichen Stand auögerufen: „Wer ift denn der Lump, der jo mandyen Danf davonträgt?”; und Peter fügte feitvem feinem Namen ven Zuſatz „genannt der Lump“ bei. Dies war freilich blos em Beinamen; im Grunde waren aber alle nachher zu Familiennamen gewordenen Bezeichnungen anfangs nichts Anderes. |

Unter den auffallenden Perfonennamen des miüttelalterlichen Frankfurt gibt es manche, welche nicht aus Spott hervorgegangen find, fondern umgekehrt eine ehrende Anerkennung ausſprechen. Zu biefer Klaſſe von Zunamen find folgende zu rechnen: Heinrich Dhne-Angft (Une Angeft), Hennefin Man, Konrad Fröhlich (Vrolich), Heinrich Friſchgemud ). Zu den felbftgegebenen Namen

1) Der zuerfigenannte Namen fommt im Bürgerbuch 1882 und im Beebbuch

472 XVII. Scherz und Spott in ben mittelalterliden Zranff. Perfonensamen.

find auch mandhe zu zählen, welche nicht danach ausſehen, aber doch zu ihnen gehören, wie Rindsfuß. Diefed Wort war urfpräuglich blos ein das Wohnhaus des Betreffenden bezeichnender Zufaß, und fommt ala folcher noch im Beedbuch von 1365 vor, wo ein Bürger nit dem Namen „Herman zum Ryntfuße“ verzeichnet if. Ebenſo verhält es fich offenbar mit folgenden Namen: Mecze an dem Felde, Konrad an dem Ende, Heinrih an der Eden unb Eoncze imme Hobe, d. i. Hofe, Hartmud mitten in dem Dorf, Kule by der Bach, Gerlah unter der Lynden?).

Ganz anderd dagegen find folgende Namen anzufehen, welche auf Förperliche Eigenthümlichkeiten bindenten, und mehr ober weniger als Spitz- und Spottnamen erfcheinen: der Fahle Wigand, Bolcz Spipebart, Hand Zegenbart, Hang mit dem Bart, Albrecht Zangnafe, Henne Langhals, Albredit Roczmul, Gerhard Hoch bein, Concze Krumpfuz, der kleine Theodor, der große Johann, Arnold mit der großen Nafen?). Andere Ramen biefer Art beziehen fich auf die Nationalneigung zum Weintrinken, 3. B. Hannfehin Schenke in das Glas, Ebirlin Lerencruch, Gerhard Nüchterndrung, Heinrich Weinfinke, Heinrih Beche rer, Suchewin, Gerhard Winprang, Concze Gutwin, Heinrih Rune glode (mit Beziehung auf die beftehende Vorſchrift, daß Sommers niemand laͤnger al3 big neun Uhr im Wirthshauſe bleiben durfte) ?). Auh der Namen Waffertrunt, welden 1459 ein Edelknecht

1854 vor, ber zweite und dritte im Bürgerbuch 1334 und 1885, ber vierte im Beebbuch 1864.

1) Diefe Namen finden fi im Bürgerbuch, und zwar ihrer obigen Reihen: folge nad in ben Jahren 1830, 1885, 1888 (an ber Eden und imme Hobe), 1840, 1844 unb 1845.

?) ‘m Bürgerbud) 1848, 1834, 1880, 1879, 1382, 1858, 1851, 1381 und 1881, außer ben Namen Langnafe, der fi im Veedbuch von 1854 findet, dem Namen Roczmul, welden einer ber Bürgermeiſter von 1410 führte, und dem zulegt erwähnten Namen, welcher in einer Urkunde des Liebfrauftifte von 1850 mit folgenden Worten vorlommt: „So gibit mir Arnold mit der großen nafen, eyn wingertir, alle iar achtzehen heller‘ u. f. mw.

*) Diefe Namen kommen vor: Schenke in das Glas in einer Karmeliter: Urkunde von 1487; Lerencruch im Stadt-Rechenbuch von 1852; Nüchterndrung, Weinfinke, Vecherer, Suchewin und NRuneglode im Bürgerbuch 1947, 1832, 1333, 1845, 1848, 1881; Gutwin im Beebbud 1867,

w——

XVIL Scherz und Spott in ben mittelalterlichen Frankf. Perſonennamen. 473

Philipp 3 Zum Jungen hatte‘), gehört offenbar ebenfo zu dieſer Klaffe von Namen, wie der Namen Lutirwafjer, welchen im Beedbuch von 1367 ein Einwohner führt.

Eine beträchtliche Zahl won fonvderbaren Perjonennamen, welche im alten Frankfurt vortommen, hängt mit irgend einer individuellen Eigenthümlichkeit anderer Art oder mit irgend einem Borfalle zu- fammen, ober ift auf eine andere nicht mehr erkennbare Weiſe ent- ftanden. Unter ihnen befinden fich einige in der That drollig zu nennende. Folgende mögen als Beifpiele dienen: Konrad von Rind» fleiſch), Herburd Huczel, Dubiney (d. i. Taubenei), Henczo Zartenbirn, Heinze Fingirhud, Heyle Blarod (d. i. Blaurod), Herman Bierede, Sifried Nachtjchade, Heinrich Surmilch (Sauermil) 2); ferner Jakob mit der lieben Duben (Taube), Eule Wurftenbenbil, Helle Fackildancz, Sifrid Hund, Gele Rofleifch, Hennefin Dufenthercze (Taufenpherz), Henne Ya nacht, Heile Durchdenbuſch, Henrih Schweinefleifch*). Im Sabre 1327 Tommt ſogar ein Heile Drittehalbphund, fowie 1367 ein Heinze Drittehalbphund vor 5). Am allermeiften befrembend ift der Namen eincd Mannes, weldyer 1402 Bürger warb und in bad Bürgerbuch fo eingetragen ift: „Herman Winsperger der Man mit dem Hymelrich.“ Daß der Zuname Dufil (d. i. Teufel) öfter? vorkommt, ift weniger auffallend, ald daß im Bürgerbuch zweimal (1333 und 1361) ein chriftlicher Bürger ven Namen Jude führt (Peter Jude und Hand Jude). Zwei andere das Wort Jude enthaltende Namen, nämlih Judengud (Günther Judengud 1354) und Judenſpieß (der Mebger Judenſpiz 1338, Heile Judinſpis 1346 und der Rathöherr Johann Judenſpieß um 1390), müfjen mit irgend einem bie Juden betreffenden Vorfalle zufammenhängen.

3) Lersner, I. 1. S. 297.

N So hieß einer der Bfirgermeifler von 1316.

) Diefe Nam finden fit im Bürgerbuch 1829, 1385, 1840, 1845, 1862 1877 (in diefem Jahre Vierecke und Nachtſchade).

*) Bon biefen Namen kommt ber Iebte in einem alten Nekrolog des Bar- tholomäus- Stiftes (f. Fey erlein's Nachträge, IL. ©. 192), ber zweit: und brittleßte im Beedbuch von 1867, die anderen in dem von 1854 vor.

*) Das erfie Mal im Bürger, das zweite Mal in Beebbuch.

474 XVII. Scherz und Spott in den mittelalterlichen Syranfi. Berfonennamen.

Daß man mit dem etymologifchen Begriff eine? Zunamens auch früher gern jene bekannte Art von Spott trieb, melde, obgleich keineswegs fein und Geift verrathend, doch in allen Zeiten vor- fommt, davon geben uns die Uffenbach’schen Dranufcripte zwei Bei: fpiele, die auch Lersner !) mitgetheilt hat. Das eine derſelben gebört in das vierzehnte Jahrhundert: die Mitglieder eines Kapitels fcherzten, als ihnen ſchriftlich mitgetheilt wurde, daß ihrem Biſchofe die Rega⸗ lien burch bie beiden Frankfurter Schöffen Rindfleiſch und Kuoblauch fibertragen worben feien, über das demſelben bei biefer Gelegenheit vorgefeßte, durch Knoblauch gewürzte Rindfleifh. Das andere Bei- ſpiel ift ans dem folgenden Jahrhundert, und betrifft die Namen Sommer und Pfeffer. Im Fahre 1486 (Lersner fagt 1498) ftarb ein wegen feiner Dice allgemein bekannter Kanonikus des Barthelo- mäus: Stifte mit Namen Johann Sommer, und faft zu gleicher Zeit Hatte ber Mainzifhe Kanzler Dr. Pfeffer das Unglüd, im Trieriſchen Hofe in eine Latrine zu ftürzen, aus weldyer cr balb- todt herausgezogen wurde. Dies gab Veranlaffung zu dem plınnpen Witzworte: „Der Sommer tft hinwegk; der Pfeffer Liegt im Dreck.“

Es Fünnte bie Erwähnung von dergleihen Witzen früberer Zeiten und zur Anführung von ähnlichen Scherzen unferer Tage bejtimmen und von diefen aus weiter dahin leiten, daß wir zeigten, wie and) noch heut’ zu Tage unter den Franffurtern Spig- und Spottnamen gleich denen älterer Zeiten entitehen, wenn fie auch nit wie diefe nach und nach erblihe Zunamen werben koͤnnen. Es würden fih dann auch in dem heutigen Frankfurt und Sachſen⸗ haufen Spottnamen auffinden laſſen, welche von ebenſo drofliger Art find, als die mittelalterlichen Namen eines Durchdenbuſch, eines Dritthalbpfund, eines Mannes mit dem Himmelreih und ähnliche. Diejelben würden jogar aus bein Grunde noch intereflanter fein, ala viefe, weil ſich die oft recht brollige Beziehung, denen fie ihre Entſtehung verdanken, nachweijen ließe. Allein die würde und von einer rein wiflenfchaftlichen Betrachtung Hinweg auf ein Gebiet führen, welches der heiteren gefelligen Unterhaltung angehört.

IL 1. &. 97, 210.

Anhang. Anmerkungen zu IL 475

Anhang.

nn

Anmerkungen zu II. Kirhlidj=politiicde Bewegungen zur Zeit Ludwig's des Vaiern.

1) Die erfie Erwähnung des in jener Zeit viele Jahre lang auf Frankfurt laſtenden Interdictes findet fih in einer auf dem Stadt-Archiv aufbewahrten Urkunde des Frankfurter Dominikaner-Kloſters. Diefe ift ein vom November 1329 batirtes beglaubigted Transſumpt eines Spruches, welcher auf Anorb- nung des Mainzer Stuhles im Juni besfelben Yahres erlaffen worden war. Nach bemfelben hatte ber Pfarrer von Afchaffenburg bie Frankfurter Dominifaner äffentlih für Ereommunicirte erflärt und ben Verkehr mit ihnen unterfagt, weil fie ſich dem über Frankfurt ausgefprochenen Inter⸗ biete nicht gefügt hätten. Die Lepteren hatten fich deshalb Plagend nad Mainz gewandt, und von bier aus erfolgte ein Spruch, welcher, mit Gleich⸗ theilung der Proceß⸗Koſten, jenen Pfarrer zur öffentlichen Zurüdnahme feiner Erflärung verurtbeilte, Der Lebtere führte denfelben jedoch erft bann aus, als im September ein neuer Befehl an ihn ergangen war. Nach biefem Allem muß ber Afchaffenburger Pfarrer die erwähnte Erflärung fhon in der erſten Hälfte bed Jahres 1329 gethan Haben, folglih auch das Interdict über Frankfurt fpäteftens in biefer Zeit ausgeſprochen worben fein.

2) Im Archiv bes Dominifaner-Klofterd befindet fih eine Urfunde von 18885, welche Fein Tages:Datum hat. Diefelbe enthält eine Recognition ber Richter von Afchaffenburg über einen Vergleich, welchen bie Frankfurter Dominikaner mit einem Manne von Seligenftabt wegen eineß ihnen zu zahlenden Korn: guldend abgejchlofien hatten. Außerdem enthält jenes Archiv ein im Anfange des fechözehnten Jahrhundert? gefchriebenes Copialbuch, und in biefem kommen folgende hierher gehörige Urkunden vor: Erſtens ein Gon- tract über die Bermiethung eines Haufe in Frankfurt durch die Dominikaner von Vigilia Elifabetb 1834; zweitens ein zu Gunften der Dominifaner auf ein Haus in Frankfurt außgeftellter Bültenbrief von Dienstag nad ben Zwölftentage 1835; brittens ein Vigilia Martini 1935 von einer gewiſſen Lyſa ausgeftellter Brief, durch welchen biefelbe bei ben Domtni- kanern eine Meſſe ftiftet, und ihnen dafür einen Korngulden ſchenkt, und

4716

Anhang.

in weldem folgende Worte vorfommen: Nec volo eos (nämlid bie Frankfurter Dominikaner) praefata pensione privari, nec ad hanc missam obligari, quamdiu sic expulsi miserabiliter discurrunt vaga- bundi; viertend ein Brief von III. Id. Augusti 1352, vermöge deſſen bie Dominikaner ein Haus in Frankfurt vermietheten. Außerdem verkündet in einer Original:Urfunde ber Dominifaner von crastino Nicolai 1338 ber Delan bes Bariholomäus:Stiftes, daß in Betreff eines Streites, welchen bie Frankfurter Dominikaner mit einem Manne von Bergen über ein Vilbeler Grundſtück hatten, ein Schlebsrichterfpruch erlafien worden ſei Endlih enthält ein Schreiben des Kaiferd Ludwig an ben Rath v. 17. Auguf 1887 (es iſt unten in Anmerkung 228 abgebrudt) am Schlufſe folgende Stelle: „Als ir ung oc gebeten habend umb bie Prediger, bes gunnen wir tv och wel, ob baz if, das fi io geleben unn gute ſicherheit tune, daz fi fingen uns leſen wellen als ander pfaffen, unn das fie wider und noch wider bie pfafheit, die an uns ift, nidht tune noch fin weder mit mworten, nod mit werfen, unn ſwen fie och furbad zu in enpbaben wellen, das die och fogtan ficherheit tune”. In dieſen verſchie⸗ denen Urkunden finden fi) Wiberfprüche, weldhe der vor hundert Jahren lebende Frankfurter Dominikaner Jacquin in feiner handſchriftlichen Chronif in der Weife Löfen zu können glaubt, baß er vermuthet, Lubwig babe zwar bie Dominilaner aus Frankfurt vertrieben, biefe hätten aber beifen: ungeadhtet, unter Gonnivenz bed Rathes, dort immerfort einen unfteten Sig behalten. Allerdings läßt fih auch bie Sache nur in biefer oder ähnlicher Weife anſehen. Vielleicht bielt fih, während ber Verbannung der Dominilaner, ſtets ein Meiner Theil berfelben geduldeter Weife in Frankfurt auf. _

9) Parrochialem ecclesiam in Prumheim, beißt es in ber bei Böhmer

446 fig. abgedrudten Schenkfungs:Acte, cum annexis filiabus et omnibus redditibus, juribus et pertinenciis suis. Da biefe Schenfung fon 1318 Statt gefunden Hatte, fo ift e& ein grober Verſtoß gegen bie Wahrbeit, wenn ber Samnıler ber Varia, welche der Schiele’fchen Chronik bei Uffen- bach angehängt find, S. 865 fagt: „Die zu Et. Lenharbt befamen (näm⸗ lih von Ludwig) 1388 das Filial Praunbeim und bie Zehende bafelbfl". Die anderen Angaben bei Uffenbach lauten blos dahin, baß Ludwig 1888 ben Praunbeimer Zehnten dem Bartbolomäug-Stift genommen und dem Leonhard: Stifte gefchentt habe. Dies Fännte allerdings als wirklicher Berhalt der Sache angefehen werben. Gelegentlih bemerken wir, daß Fichard in feinem Archiv an einer Stelle (III. 172) Kirchner wegen ber allerdings unrichtigen Angabe, das Leonharbs-Stift habe bie Parochie Braun: beim erfi 1388 von Ludwig erhalten, heftig tabelt, und daß er jonderbarer Weife an einer amberen Stelle (I, 308) zu bern Wiberlegung nichts Anderes zu fagen weiß, als daß er mit Eitirung Würdtwein's behauptet, jene Parodie fei bereit acht Jahre früher (1880) mit dem Leonhards⸗ Stift vereinigt geweſen. Diefe Behauptung ift fogar ungegrünbet, Auch

Anmerkungen zu III. 477

fagt Würbtwein blos, 1890 habe das Leonhardbs⸗Stift ein Recognitions⸗ Schreiben über eine jährliche Abgabe an ein anderes Stift erlaffen, welche für die von biefem gewährte Zuſtimmung zur Sncorporation der Parodhie Praundelm zu leiften fe. Das Leonhards-Stift war von 1818 an im rechtmäßigen Beſitze dieſer Parochie, und präfentirte auch, nach einer noch vorhandenen Urkunde, fchon 1824 dem Probft zu St. Peter in Mainz einen Geiſtlichen für die Parochie Praunheim, cujus jus patronatus, wie e3 in ber Urkunde heißt, ad nos dinoseitur pertinere. Allein in ben factifchen Befib Tam es erfi 1836; denn der fo eben genannte Brobft ſelbſt hatte das Patronat jener Parochie für fi in Anſpruch genommen, und das Leonhardb3-Stift war barüber mit ihm in einen Streit gerathen, welcher erfi 1836 burch Bergleich beigelegt wurde. Dies befagt eine im Gtabt- Archiv befindliche Urkunde von XIV. Kal. Julii 1886, in welcher Erzbiſchof Balduin bie Parochie Praunbeim fürmlih in das Leonharba: Stift incorporirte.

Anmerkungen zu II. Der Aufſtaud der Frankfurter Zünfte im vierzehnten Jahrhundert.

4) Folgendes find bie Namen derer, welche nad ben beiden Beedbüchern von 1854 die höchſten Beeden, nämlich mehr als dreißig Pfund Heller bezahlten: Brun und feine Mutter (196 Pfd.), Johann Frijtag für fih und feines Bruders Kind (125 Pfd. 16 Hel.), Mecze Aptelern (92 Pfd.), Heinrich Wizſe (90 Pf. 7 Sch), Wernher Gabenmann (85 Pfd. 6 Sch.), Heincze von Soden (76 Pfd. 2 Sch.), Rule Drut- man Sobn (73 Pfd.), Clara Rulmennen und ihr Sohn (68 Pfb.), Konrad von Fulde (64 Pfb.), Elfe Smwalbehern (60 Pfb. 12 Sch.), Sobann Bertener (55 Pfd. 1Sch. 7 Hell.), Heilman Snabil (54 Pfb.), Johann Luneburg (53 Pfd.), Konrad Gizubel (49 Pfd. 15 Sch.), Lobe zum Wydel, Hannemann Schurge (Beide 49 Pfb.), Hartmub zum Romer (47 Pfb.), Henlin im Sale (45% und noch 2 Pfb. unb etwas über 3 Sch. „von der nuen gaben wegen, von bufe, von crame und vom gereitfchafte wegen”), Jacob Klabeloucd ber Junge (44 Pfb.), Henne, Gyple und Kunczele von Holzhuſen (42 Pfd. 16 Sch.), Erwin Hartrab (42 Pfd. 6 Sch.), der Mebger Friedrich von Effheburnen (41 Pfb. 8 Sch.), Syfried von Bydenkap, ber unter dem Namen Syfried zum Baradies bekannte Staatsmann (41 Pfb.)*), Concze Forkauf (41 Pf), Hennein zu Sonnenberg (40 Pfb. 9 Sc.), Wigand Shurge, Waſmubd (Beide 40 Pf. 4 Sch.), Demub vom Hohin Hus (40 Pfb.), Hertwig zum Nebeflode (89 Pfb.), Drut- mann zu Rofenede (88 Pf. 1 Sch.), Gotze Dagſtele (383 Pfb.),

*) Im Beebbuch von 1365 erfchelnt er unter dem Iehteren Namen wit 84 Pfb. Sein Bruder, welcher ebenfalls Syfried Hief, zahlte 1864 27 Pfb.

478

Anhang.

Junge von Holzhuſen (85 Bib.), Hellmann zu Blonburg und fine Geſwiſtirde (34 Pfd.)*), Konrad zu Lewenfein (83 Bib. 10 Sch), Jacob Gertener (38 Pid.6 Sch.), Gotze von Meydebach (32’+ Pit), Wygele, Sohn der Katharina zum Zfenmenger (82 Bid. 4 Sch. 4 Hell), Johann Lemmegin (82 Pfb.), Heincze im Sale, ber nachherige Stabt: ſchultheiß (81 Pfr. 10 Sch.), Kulmann Scheiir (31 Pfb.), Heinge Rofenbufh (8024 Pfr). Die beim Zünjte-Aufflande Betheiligten find, weil öfters wichrere bei gleichen Namens vorlommen und manchmal auch bloß der Vornamen angegeben if, in ben Beebbückern nicht alle auf: zufinden. Als der reichte von ihmen erfcheint ber Metzger Friedrich von Eifgeburne, auch Schone Friedrich genannt: er zahlte 1354 41 Pfb. 8 Sch. (1865 18 Pid. 48 Sch.); auch Hatte er nad dem Stadt-Rechen: bud von 1858 früher ber Stadt bie für jene Zeit bebeutende Summe von 800 Gulden geliehen. Die Uebrigen folgen ji, mad dem größeren ober geringeren Betrage ihrer Beeben, fo: Heincze in Saale Bl Bf. 10 Sch.; Heile Milwer, ein Weber, 25 Pfd. 8 Sch. (19865 nur 9 Pfb.); Peter Kiftener 20 Bid. 15 Sch. 4 Hell.; Concze Buler 11% Pfd.; Heaume Schelhorn 10 Pd. 9 Sch. 1 Hell. (ein Anderer desſelben Namens nur 2 Pb. 8 Hell.); Andreas Heilegeift, ein Weber, 7 Bid. (1365 34 Pfb. im Sabre 1354 iſt unmittelbar vor ihm Hille Heilegeifi, wahrſcheinlich feine Mutter, mit 18 Pfd. 4 Hell. angeführt, 1865 ebenfo mit 8 Pfd. 18 Sch. 4 Hell); Henne Jekel ober, wie er im Beedbuch heißt, Kenne Jacle 5 Pfb. 19 Sch. 8 Hell; Gerhard Roſenbuſch, ein Schuhmacher, 5 Pfd. 8 Sch. 4 Hell. (für fih und feine Geſchwiſter); Heine S helle (in Sachſenhauſen wohnend) 4 Pfd, 16 Sh.; Henue Wirbel, ein Metzger, 8 Pd. 8 Sch. (feine Mutter, Kath. Wirbufern, zahlte 9 Pfd.); Konrad Borlauf B Pf. 2 Sch. (ein Eoncze Vorlauf kommt gleichzeitig mit 41 Pfd., fowie 1365 mit 77 Pd. 254. 2 Hell. vor); ber Lower (@erber) Dype (in Sachfenhaufen) 1 Pfd. 17 Sch. Die Uebrigen find nicht mit Sicherheit zu erkennen. Namentlich ifi dies mit Herburb von Sweinbeim ber Fall; bagegen kommt eine in Sachſenhauſen wohnende Elfe von Swein- beim mit 20 Pfd. vor.

5) Noch im Sabre 1884 verorbnete ber Rath, daß jeber, welcher von Stabt

wegen reife, täglich eine beflimmte Summe erhalten folle und außer berfelben nichts weiter in Anſpruch nehmen dürfe, als einen Erfag, wenn etwa feine Pferde auf der Reife umlämen ober Schaden litten. Dies zeigt, daß man früher ber Stadt dfterß zu viel berechnet hatte Daß man aber aud bei Reifen, welche in Privatgeichäften gemacht wurben, fi bie Koflen burd bie Stabt erfeßen zu Jafien pflegte, ergibt ſich aus einem offenbar ber zweiten Hälfte bes vierzehuten Jahrhunderts angehörnben Manufcript (Stadt: Archiv Uglb. B. 71), welches Üüberfchrieben iR: Gutt bebunden ober für-

*) 59 Seit im Beebbuch: „Heilm. zu GL unb fine geim. 24 Pfb., Helm. zu GI. für RG

10 BP.“ Im Jahre 1865 zahlte er allein 27 Pb. 2 Sqh, zwei Brüder von ihm 22 Po. 14 Sc.

7 wu. wer “w

Anmertungen zu III. 479

flag ettlicher Ratböfreundt, was in dem Megiment oder auff Amptern zu verbefiern fey. In diefem Tautet nämlich ein Vorſchlag fo: Uns bundet gub fin daz man niemandes uz bem Rabe lyhe zu rydin, be ſy ratman oder diener, dan uff des koſt und virluft, der in bibdet, bie ſache enrurte ban die gemeynde ane abir ber ftebe gemeinde fryheid.

6) So findet fich 3. ©. im Nechenbuche von 1369 folgender Ausgaben-Poflen auf Urbani eingetragen: Sofeline von Wirgeburg von des cloflird wegin zu fante Ratberinen 100 gulden 40 Pfund, die irfchenen waren uff fant Urbans dag, alß man fehreib 1868 iar und zum Juden geflanden hatten von ber zyd bis uff dieß dag, bar uff waz gegangin zu gefuh 46 Pfd., bie wir dem Juden auch gabin.

7) Beides folgt auß zwei in ben fogenannten Saiferbriefen des Stadt⸗Archivs befindlichen Schreiben an den Ratb, von denen das eine bie Unterſchrift bat: „von mir Jacobe Globelaud, Johan von Hoinhus, Johan in beme Sale und Endiris dem burgermeufter”, das andere aber fo unterjchrieben it: „Bon mir Sacobe Globelauh und Andiris deme burgermeyſter.“ Das Jahr bed erfteren Briefed war bad Jahr 1358, wie aus dem in diefem Buche gegebenen Bürgermeifter:Berzeichniffe und den Bemerkungen zu demſelben hervorgeht; der zweite Brief aber gehört ebenfalls diefem Jahre an, weil in demfelben der Tod des alten Herzogs von Deftreich gemeldet wird und von ben brei Bürgermeifter:Jahren Heilegeiſt's (1358, 1360 und 1864) nur das Jahr 1858 dasjenige ift, in welchem ein Herzog von Deftreih flarb. Beide enthalten übrigens für bie Frankfurter Geſchichte feine andere Anbetung, als baß ber Kaifer die Gefandten gnädig em: pfangen babe. Webrigens verlegt Zeräner (II, 1.255) diefe Sendung ebenſo, wie eine gleih nachher zu erwähnende, irctbümlih in das Jahr 1859; Beide fanden nad dem Stadt: Rechnungsbude 1358 Statt. Durch biefe falfche Angabe Lersner’s find Fichard (SG. 237) und Römer-Bücher (Stadtverfaffung S. 64) irre geleitet worden.

8) Im Rechenbuch finden ſich nämlid folgende zwei Bolten: Erſtens Domt- nica Pentecofled (20. Mai), bu ber zunfite unfer frunde bryffe befigilt wurden in des fchriberd Hufe, du virzerte man 8 Pfd. praeter 8 Sch.; zweiten? Dom. poft Urbani (27. Mai), bu ber Rat mit unfern frunden den zumfften azſen uff bem kouffhuſe, du bezalete ber Rat den wyn, ba fur geburte fih 19 Pfd. praeter 7 Sch. 4 Hell. (Mebrigend wurben, ba bie Ohm Wein damals etwa 47/2 Pid. koftete, bei biefer Gelegenheit nicht weniger als vier Ohm vertrunten).

9) In dem Stadt: Rechenbud fommt nur Folgendes vor, was auf feine An⸗ wefenheit bezogen werben kann: „Dominica poſt Paſce (27. April): Rulen Drutmanne zwey bunbirt gulbin, die be der ſtad geluben hatte, ber wordin bunbirt guldin unferm berren dem keiſir, bu man ime ſchanucte.“ Da ber Kaiſer jedoch ſchon am 18. März in Mainz war, fo kann fi bie mur auf feine Rückreiſe von Achen nach Prag beziehen, an welch letzterem Orte er bereit? am 5. Mai wieder eingetroffen war.

480 Anhang.

10) Die urkunblichen Gegenbeweiſe gegen bie von Fichard (Entſtehung &. 252) ausgeſprochene Anficht find folgende Im Februar 1361 fchreibt der Kaifer bem Ratbe: etliche Bürger Hätten dem Lebteren gefagt, bie bem Sifried gewährte Anwartſchaft auf bie nächfte erledigte Schäffenfielle greife im bie Rechte ber Stabt Franffurt ein; Sifrieb fei aber nicht auf fein eigene Geſuch, fondern auf Anbringen ber Faiferlichen Räthe und um feiner Ber: bienfte willen mit biefer Gnabebezeigung bedacht worben; ber Kaiſer erfläre baber, daß jeber, ber eine ſolche Anficht ausſpreche oder Sifried's Perſon verleße, in feine und bed Reiches Ungnabe verfalie; er gebiete zugleich dem Rate, dem Sifrieb gegen folge Wiberfacher Beiftand zu leiſten und in biefer Sache überhaupt ganz fo zu Banbeln, wie ber bamald an ibn ge fanbte Taiferliche Bevollmächtigte Konrad von Gyſenheim ibm angeben werde (Böhmer 680). Es geht aus biefem Briefe ziemlich Mar bervor, daß der Rath ſelbſt auf die Anfichten ber „etlichen Bürger” eingegangen war. Wer bie nicht erkennt, für ben kann es durch ein Taiferliches Schreiben, welches am 1. Juni 1868 an ben Rath erlaffen wurde, außer allen Zweifel gefett werben. In biefem Schreiben (Böhmer 688) wirb gefagt: der Rath babe die erften Briefe des Kaifers über Sifried's Anwart⸗ ſchaft auf die nächſte erledigte Schöffenftelle „nicht erhört”, und müſſe baber dieſem Manne bie Koſten erfeßen, welche derfelbe deshalb durch Reifen und Arbeiten erlitten babe (Böhmer 688). Zum Beweife aber, daß nicht 6108 bie Mehrzahl bes Rathes gegen Gifrieb war, fonbern daß auch bie bes Schöfiengerichtes noch im Jahre 1868 Sifried zu der damals erlebigten Schöffenfielle nicht zulaffen wollte, braucht man nur ein am 31. Mai 1868 an bie Schöffen gefanbtes Faiferliches Schreiben (Böhmer 687) zu Iefen. In bdiefen wird gefagt: bie Schöffen hätten einen aus ihrer Witte an ben Kaifer geſandt, um bie Nicht:Zulaffung Sifried's durch Hinweis auf das kaiſerliche Schreiben vom 14. Februar 1859 zu rechtfertigen, indem nach biefem Schreiben bie nächfterledigten ſechs Schöffenftellen durch ben Landvogt befeht werben follten; der Kaifer babe ſich aber in dem ge- dachten Schreiben vorbehalten, die in bemfelben getroffene Anordnung wieber zurüdzunehmen; er gebiete baber ernſtlich, daß bie Schöffen Sifrieb zum Paradies augenblidlih in ihre Mitte aufnehmen follten, obgleich er fonft jenes bem Landvogt gewährte Recht beftehen Taffen wolle. Daß auch Lanb- vogt Ulrich im Voraus erflärt hatte, er werde Sifrieb nit in das Schöffengericht eintreten laſſen, zeigt ber fehr gemeſſene und fogar fcharfe Befehl, durch welchen der Kaifer ihm am 28. April 1361 gebot, feinen Willen zu erfüllen (Böhmer 681). Uebrigens fällt in bie Zeit von: April 1860 bis dahin 1861 ein von Böhmer 674 fig. mitgetheiltes unda⸗ tirtes Schreiben des Landvogts, beffen Inhalt unmichtig if, das aber einen räthſelhaften Titel Heinrich's im Saale enthält. Es beginnt nämlich mit den Worten: „Ulricus dominus in Hanaw. Unſern graz bevor. Henne Hochhus und Andres Heylgeiſt burgermeiftern zu Frankinfurd und Heingen un Sal burgermeifter uf dem Banerberge. Lieben frint!“ Die

Anmerkungen zu III. 481

Adreſſe ſelbſt lautet: Hennen Hochhufe, Andreas Heilgeifie burgermeiftern zu Frankenfurd und Heinczen im Sale, unfern guden frunden. Der Ausbrud „burgermeifter uf dem Banerberge“ gibt Anlaß zu verſchiedenen Deutungen und Bermuthungen; wir Balten und aber bei demſelben nicht auf, da ber Brief fi blos um bie Privatangelegenheit eines Wundarztes Heinrich dreht, und jener Titel offenbar mit ben politifchen Ereignifien nicht im Zuſammenhange fleht.

11) In den Rechenbüchern beißt es: unter Dominica ante Purific. Mariä (31. Januar) 1861: „45 guldin und 8 Pfd. Johanne vom Hohinhuß und Hein. in dem Sale, alz fie gerebin warin zu unferm berren bem feifer zu fofte und zu pferbelön”; unter Domin. Palmarum (81. März) 1861: 64 Pd. 8 Sch. Johanne vom Hohinhuß, und Heinriche in dem Sale, alz ber Godefrid von Stogheim mit in reyb zu unferm herren deme keyſer, zu koſte und zu pherbelone, alß von meifter Rubolffi3 wegin, alf von unfer wende wegin und aud von andern ſachen“; unter Dom. poft Paſchä (4. April) 1861: „17% Sch., bie man virzerete uff bem Wydele, bu unfer herren zu unferm herren bem keiſer rydin gein Denke“; unter Dom. poft Walpurg. (2. Mat) 1861: „6 Pfd. 6 Sch., alß unfers herren des keyſers fchriber hy virzereten wale zu zweyn abir dryn malen, alß fie bie warin" ; unter Dom. poft Pentecofte® (28. Mai) 1861: „5 Pfd. 2 Sch. fur die Tofte, alß meifter Heinrich von Wyſele, unſers berren bes keiſers ſchriber, hy virzerete”; unter Dom. poft Nativit. Chriſti (26. December) 1861: „50 gulbin gein Nurenberg Conr. von Slauburg und Heinr. in dem ſale“.

12) Doc, ift auch hierbei feine Angabe (S. 283), nur drei derfelben hätten zu ben Geächteten gehört, unrichtig; denn ber Weber Andreas Heilgeift iſt doch diefen ebenfalls zuzuzählen. Auch vermag man keineswegs feftzuftellen, wer von ben 9 betheiligten zünftigen Rathsgliedern zu ben lebenslänglichen und wer zu den nur auf Ein Jahr gewählten Sechfen gehörte. Endlich begeht Fichard noch ein ſtarkes Verſehen, indem er fagt, die Mitglieder ber Zunftbant hätten ihr Anfehen geſchwächt und fi felbit unter die Zunft: meifter herabgeſetzt geſehen, bie ala Sechſer über fie emporgeftiegen wären. Unter biefen Sechfern befanden ſich ja feit bem Frühjahr 1860 nur drei Zünftige, die anderen drei waren Leute aus ber Gemeinde. Auch wiſſen wir, daß von den vier zinftigen Haupt-Leitern der demofratifhen Partei (Andr. Heilegeift, Gerhard Roſenbuſch, Henne Schelle unb Henne Wirbel) wenigftend brei nicht zu den Sechfen, ſondern zu ben lebenslänglichen Rathsgliedern gehörten. Dieſe waren Andrea Heilegeift, Gerhard Rofen- bufh und Henne Schelle; denn ber Erſtere kommt ſchon 1358, ber Zweite ſchon 1356, ber Dritte 1859 (der Lebtere in einem Kaufbriefe, ber fi in einem Copialbuche bed Liebfrauftiftes, Nr. 24 der Bücher beöfelben S. 302 befindet) ala Nathäglied vor. Sogar von bem Bierten kann nicht nachge⸗ wiefen werden, baß er zu ben Sechfen gehört habe.

Kriegt, Frankf. Bürgerzwifte. 81

482 Anhang.

18) Die einzigen aus jener Zeit von Yünfvtertefjahren, fomwie aus ben nächſter Monaten vorber berrübhrenden Angaben And folgende (au ben Gtabt Nechenbüchern entnommene und mit bem Datum ihrer Eintragung im biefe bezeichnete, alfo in bie nächfte Zeit vorher fallende): Am 11. Ma 1864 Verhandlung Lotzens von Holzhaufen und Herne Wirbel's mit Gottfried von Stodheim (dem Vertreter des Landvogtes). Am 1. Zumi 1864 Sendung von ſechs Rathsgliedern nad Hanau zum Landoogte und Beſchenkung des Letzteren mit einem uber Wein, „alö er fomen wag uz fremeben landen”. Um 20. Juli 13864 Sendung bei Stabtjchreibers Heinri zum Kaiſer. Am 1. Januar 1966: „Joſebe von Gaflele (einem Juden) 100 gulden und 30 guldin, bie Wigand von Lichtenfleisı virzerit hatte zu unferm herren bem keifer ala von Syfribes wegen zum Paradiß“. Am 8. März 1865 Sendung Johann vom Hohinhus unb bes Stabtfchreibers Heinrich an den Landvogt, als Heinrih vom Kaijer zurüdgefebrt war. Am 15. März 1365 Seubung Gottfried’ von Gtod: beim und des Stabtfchreiberd Heinrich zum Kaifer. Bom Mai 1365 an führten Sranffurt, die anderen weiterauifchen Stäbte und ber Landvogt mit dem Falfenfleiner einen Krieg, welcher den Sommer hindurch fortbauerte, und bei weldem man Königftein belagert. Am 5. Juli 1365 ritten Johann vom Hohinhus, Heinrich im Saal, Lob von Holzhauſen und Henne Wirbel nah Bensheim dem Kaifer entgegen. Am 12. Juli 1365 Sendung zum Raifer nach bem Elſaß, fowie Reife Sifrieb’8 zum Paradies mit ber Raiferin nach Aachen. Am 18. September 1865 läßt man bie Gaſſen reinigen, als bie Kaiferin Fam, und unter bem 11. Oktober iſt ein Geſchenk von 200 Gulden an fie eingetragen. Im September 1865 find dreimal Summen bemerkt, welche an den Bürgermeifter Henne Schelle, an Henne Wirbel unb „an ihre Gefellen” nach bem Elſaß geſchickt wurden, wohin im Zuli zu einem Kriege mit der fogenannten böfen Gefellfchaft Frankfurter Truppen gefanbt worben waren. Außer biefen Angaben ber Rechenbücder, mit welchen nicht viel anzufangen ft, bat ſich noch ein Schreiben vom 21. Oftober 1865 erhalten (Böhmer 696), burch welches ber Kaifer feine beiden Räthe Sifrieb zum Paradies und Rudolf von Friedberg beim Lanbvogt Ulrich beglaubigte, um mit ihm wegen Baben: hauſen's und wegen anderer, Kalfer und Reich, ſowie die wetterauifchen Reichsſtädte beireffenber Dinge zu verhandeln.

14) Dieß ergibt fih aus dem Taiferlihen Befehle vom 2. November. In dem: jelben wirb nämlich erſtens gefprochen von „der czweiunge, bie dba if zufchen fcheffenen und etzlichen vom Rate zu Franfenfort atı einem teile und Heingen gem Sale und andern finen gefellen unb mitvolgern”. Zweiten? wird befohlen, dad Recht und Unrecht beider Parteien zu unter: ſuchen und auf fo lange, bis biefes feitgeftellt fei, Heinrich vom Saale als Schultheißen abzufeben und ihn nebft Wirbel, Schelle und Rofenbufch nicht nur als Mitglieder ber höchften Behbrde zu fuspenbiren, fonbern aud einſtweilen unb für fo lange andere Männer an ihre Stelle zu erwählen.

Anmerkungen zu III. 488

Drittens ſollen beide Parteien des Rathes für fi mb ihre Anhänger eine Burgſchaft von 2000 Mark Silber dafür leiſten, daß fie während jener Unterfuchung einander nit an Leib und Gut befchweren und be ſchadigen.

18) Schon in dem kaiſerlichen Erlafſe vom 2. November 13865 iſt die Rebe von „globben, gebotten und vorbumtnuzsen, bie arıe laube be# reiches und wieder rebeliche alte nefeße unſer flete zu Frankenfort gefchehen weren“. Später aber (1866 und 1867) reden bie officiellen Urkunden von „ge brechen, die czwifchen ben fcheffen umb dem alden rate an eynem teile und den hantwerkienten an ben andern entflanden waren”, von „gentelnem brefien, der wyder das heilige riche, widder das gerichte, wibder bie fcheffen und den alden Rate geton und virebilt hette‘‘, von „‚brieven, mit ben fig die hantwerker wider bes heylge ryche, bie fcheffene und ben rat mit geſchworn eyden virbunden und virftridt hetten“, von „enden und globden obir bontnozzen, bie hinder dem ryche gemachet weren obir gefcheen”, von „virbontnoggen, eyden, glebden und virſtrickungen ber zunfte obir anbern Inte befampt ober befunder”, von ‚„burgern gebotten und buntnuffen, bie ane laube bes reiches unb wider vebelich alde geſecze unfer flete heimelich odir uffinlich big ber getan worben waren”. S. Böhmer p. 702, 718 und 718. Daß auch Nicht⸗Zünftige mit in der Verſchwörung waren, folgt aus einer Rathsverordnung bei Senckenberg I.p.21, welche nur in der Zeit nach dem Zunft:Aufftande erlaffen mworben fein kann. Sie lantet: ‚Were andy yman, be were in zunfften, in hantwerken, uz hant⸗ werten, abir wer be were, die glubede beiten geton, das dem gerichte fhebli were, bie glubebe wollen wir, das fie allir dinge abe fin; herum fal man dem Rat fragen; ob yman darum icht wyzſe, ber fal e& rugen uff fonen eyd.“

.16) Dies ergibt fi aus der in bem Schreiben vorfommenden Erwähnung von „Vieren, bie die zunfte darzu geforn beiten, waz bie teben, daz baz getan wer”, und auf weiche jeder Bunftgenoffe bei Strafe ber Ausſtoßung aus der Zunft ſchwören folte. Solche mit unumfchränfter Gewalt außgeftattete Viere Fönnen ebenfo wenig, wie ein folcher ihnen zu leiftender Eib vor bem Herbie 1865 vorgekommen fein; denn ſonſt hätte bie kaiſerliche Regierung ſchon früher Anlaß und Pflicht zum infchreiten gehabt, und Sifried zum Paradies würde dieſes Einfchreiten ſchon früher herbeigeführt haben. Außer: dem läßt fich biefe Sade, vermittelft beren eine neben dem Rathe unum: ſchränkt waltende zünftige Regierungsbehbrde gefchaffen wurde, mit Allem, was aus ber vorbergebenben Zeit gemeldet wirb, durchaus nicht in Uebereinſtimmung bringen. Uebrigens iſt das betreffende Schreiben bei Böhmer p. 669 »q. abgebrndt.

17) Barum er e8 mit that, ift nicht Mar. Zwei Sabre fpäter zeigt fich ber Zaiſer ihm gewogen, fo daß er alſo durch feine Unterlafiungsfünde dieſen wenigſtens nicht bleibend erzürnt Hatte. In einem Copialbuche bed Stadt: Archivs nämlich, welches Mundus betitelt ift (Privilegiorum V. 2.), findet

81*

484 Anhang. .

fi ein Dienstag nach Balentini 1968 in Nürnberg ausgeflellter Erlaß des Kaifers, in welchem es beißt: „daz wir angeichen haben bie ſteten getreuen bienfte, die und und bem riche ber veſte Botfrid von Stogbeim, unfer ımb bes Reichs Tieber getreuer, offt nuglihen getan bat und furbaz tun wil und mag in Fünftigen zeiten, und haben ym unb finen erben umb ben finen binft hundert gulden gegeben von unfern ſunderlichen gnaden, und geben ouch mit diefem briefe, und flaben ym diefelben hundert gulben ufi daz borff zu Rode obendig Frandenfurt gelegen, ba3 ym von und unb bem reiche verpfenbet if.”

18) Fichard fagt ©. 269 und 275: bie fieben Schöffen feien vom Laifer bevollmächtigt worden, bie 8000 @ulben zur Webermadung an ibn in Empfang zu nehmen, außerdem babe ber Kaifer fie für ben durch ibee Flucht erlittenen Schaden durch ben etwaigen Ueberſchuß ber Straffunmme entſchädigen wollen, er ſei aber durch ben Erzbifchof von ber Unzuläng- lichkeit der Letzteren unterrichtet worben, unb babe beöhalb [päter (3. März) jene Entſchädigung der Stabtlaffe zugeiviefen. Allein es if} doch höchſt befremdlich, daß der Erzbifchof, welcher die Siraffumme zu erheben hatte, biefe nicht felbft, fondern durch fieben Schöffen an ben Kaifer ſenden follte, während er ben etwaigen Mebrbetrag, welcher zur Entſchädigung jener Schöffen beflimmt geweſen wäre, in feinem Berwahr behalten ſollte. Als Grund ber legteren Beflimmung gibt das Faiferliche Schreiben an: „und damyde meinen wir bie egenanten unfer fcheffen guebeclih zu bebenfen;” als Grund ber erfteren aber wird fonberbarer Weife nicht? Andere ange geben, als daß ber Kaifer die Straffumme durch jene fieben Schöffen in Empfang nehmen wolle. Es beißt nämlich: bie 8000 Gulden „fal unfer egenant neve von Mencze geben und antwurten Cunrade von Blau: burg, Jacob Clobelauh ..... unfern fcheifen zu Frankenfurt, unb geben yn bie an biefem brieve (db. h. body: wir ſelbſt weifen fie ihnen buch dieſe Urkunde zu), war fie von des egenanten freveld wegen und daz gelt noch unſer vorderunge geben und beczalen ſullen“ (d. h. weil wir von ihnen bad Geld beziehen wollen, je nachdem wir ed von ihnen fordern werden, ober auch: nach Verhältniß beifen, was wir von ihnen zu fordern. haben). Bon einer Geldfumme ben kleineren Betrag unmittelbar von ihrem Erheber, den größeren aber fo zu beziehen, baß biefer fie an nicht weniger als fieben Leute auszahlt und bie Legteren bann bie Weber: fendung machen, und bie noch dazu in dem falle zu thun, wenn man befchloffen bat, den Fleineren Betrag diefen fieben Leuten zu fchenfen das ift etwas Unbegreifliches. Es liegt hierbei die Vermuthung nahe, baf jene Sieben den größeren Betrag bem Kaifer vorgeftredt Hatten, und ihn jegt wieber erhalten follten. Das ihnen zugebachte gnädige Bebenfen mit ben Meineren Betrage wäre dann ein Dankgeſchenk geweſen, und hätte ihnen nicht fofort, fondern erft dann, wenn man feine Höhe fannte, aus: bezahlt werben Tönnen. In dem faiferlichen Erlaffe vom 8. März ifl Übrigens von einem lWeberfchuffe gar Teine Rede, ſondern es wirb kurzweg

Anmerkungen zu II. 485

gefagt: der Kaiſer müfje 8000 Gulden für bie von ber Stabt eingezogene Habe der Straffälligen haben, und wenn bie Stadt aus berfelben nicht fo viel erlöfe, fo mühe fie das Fehlende aus ihrem Säckel hinzufügen; außer: ben müffe fie aber aus bemfelben Sädel auch noch diejenigen Schöffen entfhäbigen, welche gendtbigt gemwefen wären, aus Franffurt zu entfliehen und bei ibm Hilfe zu fuchen. Uebrigens gebietet bie Gerechtigkeit, zu bemerfen, daß bie Zahlung der 8000 Gulden nachher nicht an die Sieben, fondern an ben Raifer felbft geleiftet worden if. Nach dem Stabt:Rechen: buche wurden nämlih im Zuli 1366 2800 Gulden für den Kaifer nad Nürnberg geſchickt und 1200 Gulden in feinem Namen an einen Herrn von Weinsberg ausgezahlt, im Oktober aber 2800 Gulden in bes Kaifers Namen an zmei andere auswärtige Leute bezahlt und 1200 ©ulben wieder für benfelben nad Nürnberg gefenbet.

19) Nebrigens fann eine in Frankfurt eingetretene Auflöſung ber Ordnung unb

20

21)

Sicherheit, an welche man vielleicht denkt, nicht angenommen werden, weil nach den Stadt-Rechenbüchern dort um ben Beginn des December ein Turnier gehalten worden war, und etwa vier Wochen ſpäter die Kaiſerin ſelbſt nach Frankfurt gekommen, hier mit 120 Pfd. Heller beſchenkt und dann von Stadt wegen nach Aachen geleitet worden war. Kurz vor des Erzbiſchofs Ankunft aber ſcheinen die Aufſtändiſchen noch bie Abficht gehabt zu haben, mehrere ihrer Gegner, welche über Nürnberg vom Kaiſer nach Haufe reiften, bei ihrer Rückkehr zu verhaften; denn im Stadt⸗-Rechenbuch ft unter dem 17. Zanuar 1866 eine Ausgabe für ein Pferb verzeichnet, welches Lotz von Holzbaufen zur Reife nach Nitrnberg geliehen hatte, „bo be unfe herren warnete.“

Stadt: Nehenbuh an Sabbath vor Aubica: „14 Pfb. 5 Sch. Wig. von Lichtenflein, Syfride zum Paradiß zu ımferm berren von Mentz alß von ber vorfluchtegin wegin vor Faſnacht zu Fofte und zu pherde Ione, bern Wig. 8 Sch., Syfr. pherde Ion flete abhuc fore.” Sabb. vor Oculi: „Ss Pfd. bern Heinrich fchriber gein Meng, zu virkunden unferd herren briff von Mentz dem Rabe und den Stifften.” Sabb. vor Lätare: „I Pfd. bern Heinrich fchriber zu unferm herren von Mentz alß von der lude wegin, bie zB fin.”

Rah den Stadt-Rechenbüchern Taufte Heinrih Wyzſe mehrere Häufer Heinrich's im Saale für 300 Pfd., Berthold Ulner ein anderes, welches unter den Glafern ftand. Ein anderes Haus Heinrich’3, fomie bad Haug Henne Schelle'3 wurden von ber Stabt behalten und vermiethet. Diefe hatte übrigens nicht nur bie auf ſolchen Häufern rubenden geifllichen Grunbdzinfen, fondern auch die von ihren früheren Befigern gemachten Schulden zu bezahlen. So fommt 5. B. 1367 eine Zahlung an Culman fiicher vor ‚von Endres Heylgeiftes wegin, daz be uff fin gut irclagit batte und Endres fchuldig was Blibin,” und 1369 eine Zahlung von 75 Gulden an Wernher von Brakel, „alß ime Heinrih vom Sale ſchuldig waz.“ Mebrigend find die Einnahmen von ben verkauften Häufern und

486 Anhang.

Mobilten ber Vorflüchtigen größtentheils gar nit in bie Rechenbücher eingetragen. In bem von 1866 find z. B. nur vornen, ehe bie Ei: nahmen beB Jahres rubrifenweife angegeben werben, einige Notizen barlıber zugleid mit anberen Notizen bingefchrieben. Die eine lautet: „Won ber vorfluchtigen lude gude wegin, bie ber Marſchalg unfers herren von Meng virfoufft bat von bed Riches wegin, alje ime daz Rich befalin hatte: 6 guldin, 42 guldin 8 Sch.; item der Marfchalg 200 Pd. 8 Pb. von Gerhard Roſinbuſchs mwegin; item Loge zum Wydel bat gegebin 83 guldin von bed Marſchalkis wegin; item 800 gulbin von Yſackis des Juden, ale be gefangin waz; item Sabb. poſt Galli, Kranke ber curfner bat gegebin uz bem huß, daz Heint. waz in dem Sale, 6 Marl; item 8 PBfb. umb ein ſchelchin, eynen becher und leiffel; item 6 Pfb. minus 1 altem grozfen bon eyme menfchern heymelich; item in vigilta Paſche, 40 Pfb. von ber gelb wagin Cunne goltimebin; item bie Juben von diß tar 800 florenos unb 76 florenos ir cind. Gleich barauf heißt es: „Sabb. poſt feſtum Gorporis Erifti, Petir fchriber bat uns geentwortit von ber vorfluchtegin Iude wegin 100 Pfb. und 26 Pfb. Sabb. poſt Goncptionem, 14 guldin von Heinzen Topp in bem Sale. Stem 6 Pib. 4 Sc. worben uns von eyner ſchaylen unb von eyme becher.“ Bei ber erſten Notiz fickt auch eine Summirung von 5222 Pd. 6 Sch., welche jedoch durchge ſtrichen if. Stadt⸗ Rechenbuch: 1. Vigilia Paſchä (4. April) 1866: „4 Pfd. 4 Sch. Dyderich marfhalg und Wigend von Lichtinſtein gein Aſchaffinburg zu unferm herren von Mentze, alß Scheffer und Hennen Milwer Gogen von Medebach angegriffen batten, unb aud von ander unfer burger woegin. Stem 10 guldin Dyderich marſchalle zu dem von Bolanden, alt Scheffir Bogen von Medebach angegriffen hatte und auch ander unfer burger.“ 2. Sabbath pol Georgii (25. April) 1866: „82 Sch. 1 anglie. zu koſte und 8 Sch. zu pherde Ione zu Afchaffinburg zu unferm herren von Menke, alfe von ber gefangin mwegin, bie Scheffir und Milwer gefangen hatten.” Stabt:Rehenbug, Vigilia Pentecoſtes (28. Mai) 1866: „6 alte grozfe ben ſchribern briffe zu fchriben an ben greifen von Feldentz, an ben von Bolanden, alß von der Tube wegin, bie bem Riche norfludgtig fin worben. Item Wig. von Lichtinftein und Heinken Wyzſen dem burgermeifter gein Eltefyl zu unferm berren von Mentze, alß von ber vorfluchtegin Tube wegin 6 Pfd. 4 Sch. zu koſte und pherde lone 24 Sch. Stadt⸗Rechenbuch: „Petri ad vincula (1. Auguſt) 1866: 5! Pfb., alß unfer berre von Menke unb ber von Coldig und ire rete bie waren von ber vorfluchtegin, alfe ber Rab vor fie bezalete. Item 41 PPfb. bem bizfchoffe von Verben, bie he virzerete, alß unfer herren nach ime gefanb Batten von ber vorfludgtegin wegin. Item 7 Pfd. 1 anglic. Eefiln und ben bienern, alß fie zu Mentz waren unb warten, obb in glude geſchein mochte mit Hartmube Scheffir.“ 25) Stadt-Rechenbuch, Sabbath ante Rativ. Mariä (5. September) 1966:

u.

4

Anmerkungen zu II. 487

„17 alde grogß Hedderme gein Bolanden mit unſers berren bed feiferd briffen von ben vorfluchtegin.‘

26) Stadt-Rechenbuch: 1. Sabb. poft Invent. Crucis (19. September) 1866: „20 gulbin dem Scultheizfen und Wig. von Lichtinftein zu unferm herren von Meng gein Eltefyl von der vorfluchtegin wegin.‘ 2. Sabb. poft

Michaelis (3. Dftober) 1366: „52 guldin bem fygbume, bie wir ime ſchancten, und 50 guldin unſers berren von Meng bofigefinde, alß unfer berre von Menb bie waz, bie ſache ufzurichten von ber vorfluchtegin Tube.’

27) Stadt: Rehenbuh, Sabb. ante Martini (7. November) 1866: 1 guldin Heingen fon in dem fale, der gefaugin waz. Item 28 Pd. 6 Sch. Lotzen zum Widel, alß he mit ben bienern allen gerebin waz gein Crucenach von ber vorfluchtegin wegin.

28) Stadt-Rechenbuch: 1. Sabb. ante Purific. Mariä (80. Januar) 1867: Wigande von Lichtinſtein und Wicker Froiſchs 24 guldin und 8 Sch. zu zerunge zu unſerm herren dem hertzogin und 8 Pfd. 4 Sch. zu pherde Ion von der vorfluchtegin lude wegin. Item 5 guldin Johanne Gaſte zum hertzogin von ber vorfluchtegin wegin. Item 13 Pfd. minus 1 Sch. Eckiln und ſinen geſellen, alß ſie geredin waren, da die geſchichte geſchach von Scheffirs wegin, und 15 Sch., bu fie widder qwamen. Item 1 guldin dez foydis diener von Dypurg, alß be ſedde, Scheffir wer dod. 2. Sabb. poſt Cantate (22. Mai) 1867: „b Pfd. Wider dem burgermeiſter in hey⸗ melichen ſachen von Schellen wegin gein Mentz.“ 3. Sabb. ante Nativ. Johannis bapt. (19. Juni) 1367: „Wig. von Lichtinſtein und Wider Froiſch gein Heydelberg zu unſerm herren dem hertzogin von ber vor: fluchtegin.“ 4. Sabb. ante Margarethä (10. Juli) 1867: „Lotze von Holtzh. und Wider Froiſche ben abe gein Mentz uff eynen bag gein Scheffirn andirhalbe Dag 7Ys Pfd. und 1 Pfd. Hell., die Otle Deckel und der lewir, die gefangin waren, virzerete uff dem ſelbin dage. Item 8 guldin louffende bodin uff Schefirn. Item 14 guldin Otlen Dedelehen und finen gefellen in beymelichen botzſchefften uff Scheffirn.“ 5. Sabb. ante omnium fanctorum (30. Dftober) 1867: ‚10 guldin 5 alde groß und 2 Sch. alder Heller, alß die zwene virzereten in bem thurne von Schefird wegin.“

29) Stabt:Rehenbud: 1. Sabb. ante Invocavit (25. Februar) 1868: „13 Pfb. ben bienern und gein Afchaffinburg zu runden nad ben vorfluchtegin.‘ 2. in ber nicht näher beflimmten Zeit zwifchen 29. uni und 16. Sep: tember 1368: „Fridanke 24 Sch. gein Menge von Heylers wegin gein Sceffir, alß be im fchulbigete.” 8. Sabb. poft Octavam Epiphan. bom. (20. $anuar) 1869: „„7Ys Pfb. 4 Sch. 2 hell. zu Tofle, pherde lone 2 Pfb., al fie geredin waren, Wig. von Lichtinftein und Hochus, zu unferm berren von Mentz umb unſer friheibe und auch von Scheffirs wegin.“ 4. Sabb. poſt Margareth& (14. Zuli) 1869: 7 Pfd. minus 1 grozſen, alß bie diener Hilden uff Scheifir, alß he Frawenſteynes fon gefangin batte, über die Hohee“ (d. i. den Taunus). 5. Sabb. ante Galli (13. Oftober) 1369: 10 Sch. alter heller eyme boden gein Crucenach er parte Hartmubi

488

80)

81)

Anhang.

Scheffirs. Item 8 Sch. bie bie biener virzertin zu Gelginftab, alß fie hildin uff Scheffir.”

Das Letztere muß man aus einem Manifefte vom 2. Juni 1372 ſchliehen, in welchem ber Kaifer alle vom Erzbifchof Berla in Frankfurt getroffenen Verfügungen nochmals beflätigte und das Verſprechen gab, niemals zu erlauben, baß die Borflüctigen und Verbannten wieder nah Frankfurt zurückkehrten. Am Schluſſe wirb nämlich nit nur ben Letzteren jeber Rechtsanſpruch, den fie gegen ben Rath und bie Stabt erheben Tönnten, abgeſprochen, fondern ber Kaiſer fagt auch: „Und heiten wir bheine empfelunge getan obir hernach beten mit worten obir mit briefen, waın baz were, uber bie egenanten empfelung und rechtfertung etwann Gerlachs ertbiſſchoves ala vorgefchriben ftet, die fol ab fein und feine macht haben, und wieberrufen fie mit biefem unfirm brieve” u. ſ. w.

An einem bem Stadt-Rechenbuche von 1869 beiliegenden Briefe, in weldgem ber Mainzer PBrocurator Peter Gramann um bie Berichtigung ber von ihm für den Frankfurter Rath gemachten Auslagen bittet, beißt e8 u. U, er babe am 25. Januar 36 Sch. ausgegeben „von Gudeln Heyldebergern wegen, bie gebannt waz von Anbreiz Heilgeiſte“, nachdem das Rechenbuch ſelbſt ſchon im Sommer 1369 folgenden Ausgabe: Poften enthalten hatte: „1 gulbin, die Helbebergern uz bem banne zu kouffen, alß fie Andres Heilegeiſt in ben ban getan hatte”. Ferner findet fidh im Rechenbuche von 1871 unter dem 9. Auguft ber Poſten: „23 Sch. 4 Hell. Heinriche ſchriber von ber vorfluchtigen wegen gen Denk, Gertenern zu befelin, bay wir mit ben rechten wibberftein wollen Andreß Heilegeift von unfer burger wegin, die be angehabin Batte. zu laden‘; und am 25. Oftober erhielt nach bemjelben Bude Gramann 15 Gulden mit dem Bemerken: „alß man unfer burger uz dem banne fouffte von der vorfluchtigen wegin.” Die übrigen Angaben ber Rechenbücher, auf welchen das oben Bemerkte beruht, find: 1. Petri et Pauli (29. Juni) 1870: „2 Pfb. 1 Sch., al Heinrich ſchriber gerebin waz gein Denk zu meifter Zabil und zu Gramanne von ber vorfluchtegin wegin“. 2. Mattbäi Apoſt. (21. Septenber) 1870: „Ti guldin und 10 Sc. zu Tofle, alß Wig. von Lichtinflein und Lotze von Holtzh. gerebin waren zu Wurkeburg zu unferm berren bem keiſer von ber borfludhtegin wegin.”- 8. Unter benfelben Datum: „Hern Walter von Hobenberg, alß be zu Nurenberg Tag von ber flebe wegen unb ber vorfluchtegin martete, ob he icht irfaren mechte, 9 Pfd., alß ime ber Scholtheiß gefchriben hatte von des Radis wegin. Item 29 guldin Oyber. von Monkiſhorn alß von Scheffird wegen.“ 4. Omnium fandorum (1. Re: vember) 1870: „20 gulbin bern Heinr. Grebeler, alß be gefaren waz zum berzogen von Brabanb mit unſers herren brieffe von Menke al von ber vorfluchtegin wegin. Item 8 Pfd. Heinrich fchriber gein Eltefyl unb gein Meng von ber von Sultzbach unb auch von ber vorfludhtigen wegin. stem, 12 Pfd. 19 Sch. Wigande und Abolfie gein Afchaffindurg mit den ſteden umb bed landes nob und von ber vorfluchtegin wegin, bu ber

82

u

Anmerkungen zu IV, 483

Godefr. von Stogheim und Hei be in bem Sale ben abe gefaren waren zu dem herkogin Yon Braband.“ Unter demfelben Datum ifl eine Yus- gabe an ben erzbifchöflichen Schreiber „umb briffe zu unferm berren bem berkoge,” ſowie eine Sendung des Proruraterz Gredeler an den Erz⸗ biſchof „mit des herzoges von Brabant briff“ verzeichnet. 6. Mnndreä

egin.“ 7. Sabb. ante eine Sendung an ben Rath ber Stadt Mainz und nad Oppenheim au Jekil zur alden Monge verzeichnet

„alß von ber name wegin, bie Scheffir nam zu ES weinhelm unfern burgern“, fowie eine Zahlung an fünf Leuten, welche „hildin uff Scheffirn by Büdingen,“ Stadt⸗Rechenbuch: 1. Sabb. poft Divif. Apoſt. (17, Juli) 1872: „7 Sch. eyme bodin geyn Lympurg alß von Scheffers wegen.“ 2. Sabb. ante Katharina (20 November) 1372: „\O Sch., bie Heyntze Jeger zwene tage und tzwo nacht by dem burgermeifter birtzerte, alß be warnunge ted von effers wegen unde auch zum Reters unde vor bie Hohe gereden waz, zu beſehen, obbe keyn folk da bilde”. 8. Sabb, ante Eantate (14. Mai) 1373 werben Beter von Soddel und feine Geſellen bezahlt, alß fie gereben waren ubir Ryn von Scheffirs wegen.” 4. Killani (8. Juli) 1874: „3 Pfd. en birgerte Peder von Soddel ſelb ſeſte, alß ſie uff Scheffirs ſon 4 den.“

Anmerkungen zu IV, Der Rath der Dreiundſechszig und der

Bürgerzwiſt zur Zeit besfelben.

88) Im September 1389 erhielten 5. 8. Winther von Bilmar und Gilbrecht

Weiſe 200 Gulden für ihre biplomatifchen Demilhungen ; im Februar 1890 foftete die Sendung Adolf Wiße's und Bernhard Nogebur's nach Prag 262 Gulden, abgerechnet 218 Gulden, welche bei dieſer Senbung noch außerdem für Geſchenke und Anderes verausgabt wurben (ber dem Könige geſchenkte Wein foftete allein mit feinem Transport 195 Gulden).

34) Zum erſten Male erwähnt wirb dies im Rechenbuche unter dem Datum

des 81. Juli (Sabb. poſt Jacobi) 1389: „14 perfonen innewenbig

unde uzwendig bes Rades geyn Menge uff eynen bag von ber ſtede gefangen frunde wegen”,

85) Im Rechenbuche Heißt es Sabb. ante Thomä (18. December) 1889: „Wir

yan mphangen von Gipeln zum ber, Claweß Appinheym, Hellmanne von Spire, Brune zu Brunefels, Johann Ernf und Francke kurßener uz dem Rabe, von Jekil Herban, Jacob von Petterwil, Sontad zum Eynhorn, Ditopne Vanfie und Hermwyne Gruldenfaff u ben 22 perfonen, bie ber Rab by fi zu rade geheiffhen hat, unb bar zu uz ben

400

Anhang.

gefangen von Heinrich Wiehe zum Rebeſtocke, Conrad Lynunge, Conrad von Rungeltein, Wigeln Wydebuſch, Mulen Keifer und Henne Wolff fgerer, bie von dem Rabe gefaft wurben, daz geld von ber ftebe gefangen frunden, als daz berebt waz, uff zu bebin, 14,000 gulden 400 gulden mynner 2 gulden, alß daz auch bie vorgen. 17 perfonen bes Rades frunden beressint han”.

86) Im Rechenbuch finden ſich folgende Angaben: Gabb. poſt Nativ. bom.

find 42 Gulden weniger 45 NRegenöburgern eingetragen als Zahlung an Adolf Wieße den Alten und Bernhard Nygebur, mit bem Zuſatze: „alß ſie zu unſerm herren dem konige gereden ſolden ſin unde zu Nurenberg wendig worden“. Am 19. Februar (Sabb. poſt Valentini) 1890 iſt nachher Folgendes bemerkt: „Adolſe Wiße ber alde und Bernh. Nygebur gein Prage zu unſerm herren dem kunige 200 gulden 62 gulden, des han ſie mit namen 77 gulden in die cantzelye gegebin, ſo han ſie daz uberige gegebin zu geleide und virtzert, und han auch zwene boden virkoſtiget mit in ber uz und unſers herren bes kuniges diener einen von Nurenberg an biz gein Prage. Dan kann bied nicht anders verfichen, ala daß bie genannten beiden Geſandten in Nürnberg einen Töniglichen Boten ange: teoffen batten, nach ber Beiprehung mit demſelben zum Ginbolen neuer Snftructionen heimgelehrt und dann erft nach Prag ſelbſt gereiſt waren. Jene Sendung Tann fi übrigend nur auf bie erwähnte Berfaffungs: änderung bezogen haben, weil ber König bie Lebtere am 5. Februar ge- nehmigte, und in den nächften Monaten vorher Feine andere Senbung an ihn gemeldet wirb.

87) Durch die angegebene Benennung wird in ben Stabt = Nechenbücdhern das

regierende Drittel von ben anderen beiden unterjchieden. Auch in bem zweitälteften Bürgerbuche heißt es S. 1 von Thomas zum Guldenſchaff, er babe im Mat 1890 feine Bürgerfchaft vor dem figenden Rathe aufge: gefagt, während zugleich von einem Anderen (Pedir Krode) gejagt wird, er babe am 17. Januar 1898 dies vor ben drei Räthen gethan. Sogar noch im Jahre 1597 kommt biefer Ausdruck vor, welcher dann nur foviel als ber verfanmelte Math oder bie geſetzmäßige Sitzung besfelben bedeutet. Su dem alten bandfchriftliden Geſetzbuch beginnt nämlih eine auf Blatt 99 ſtehende Verordnung mit den Worten: „Item ban unfer bern der Rat ime ſitzenden Mate georbnet und geſetzt, daß“ u. |. w.

88) Zählt man alle in ben Mechenbüchern von 1399 bid 1410 angegebenen

Einnahmen und Ausgaben des betreffenden Finanz-Ausſchuſſes zufanımen, fo beliefen ſich bie Erfteren auf bie Geſammtſumme von 88,278 Gulden 10 Sch., bie Lebteren aber auf 81,580 Gulden. Man muß daraus auf einen Gewinn von 6698 Gulden 10 Sch. ſchließen; allein bie Reden: bücher geben nur 4251 Gulden 10 Sch. als die von dem Ausſchuſſe in die Stadtkaſſe abgelieferte Summe an.

89) Diefe meines Wiſſens noch nicht gebrudten Schreiben, welche auf bad

Berbältnig von Vater und Sohn fein gutes Licht werfen, befinden fi in

Anmerkungen zu IV. 491

den : fogenannten Kalferbriefen des Stabt⸗-Archivs. Ste lauten: Erſtens: Wentzlaw von gots gnaben Romifcher Tunig u. f. w. Liben getreiven, Wir ſenden zu euch den Ebeln Enmud von Enbelfborf, unfern rate und liben getrewen unberweiften eigentlich unfer meynung, von wegin unfers dieners Seiftides bed Jungen zum Parabis mit euch zu reben, und begern mit ernft, was er eich fage, das ir im des gentzlich glawben und borinn tut, als wir euch des ſunderlich getramn. Geben zu Prage bes freitags nad fand Gallen tag, unſer reiche bes Behmifchen in bem 28. und des Romifchen in dem 10. Jaren. Per d. ducem Teschin. Martinus Scot. Zweitens: Wentzlaw von gots gnaden u. f. w. Liben getrewen, Als wir euch vor: mals dicke geſchriben habn von wegen unſers bieners Seifriden des Jungen von Pardiſe, von wegen ſulcher ſachen, als czwiſchen im und ſeinem vater iſt, alſo begern wir noch von ewern trewen mit ganczem ernſte und fleiſſe und wollen gehabt haben von euch, das ir des egen. unſers dieners vater ewern mitburger doran ernſilich haldet und weiſet, dad er feinem ſone demſelben Seifriden gutlichen und fruntlichen tue, als ein vater ſeinem ſone billichen tun ſol. Wolde er aber des nicht tun, ſo iſt unſer meinung, das ir unſerm diener eines unverczogenlich rechten gen feinem vater helfen ſollet, das im gleich und billich von im widerfare, und in ouch als einen ratman ewrer flat zulaſſet, und ouch ym fride und ſicher geleite in ewer Rat und dann (7) gebet, als wir borinm genczlichen glawben und getrawen ewren trewen, und ir uns doran tut ſunderlich beheglichkeyt. Gebn zu Prage des dinſtags noch fand Marteins tag unſer reiche des Behmiſchn in dem 28. und des Romiſchn in dem 10. Jaren. Per d. ducem Teschinen. Martinus Scot.

40) Im Stabt:Rehenbude wird December 1386 ein Tönigliches Schreiben erwähnt „von Sifrieb wegen zum Paradiß umb daz ratompt unbe ſchul⸗ theißenampt”. Dann werben im Februar und März Sendungen erwähnt, welche feinetwegen gemacht werden mußten, fowie ein weiteres Schreiben des Königs, „daz Syfrid in ben Rad gen folbe unbe man yn zu eyme ſchultheißen machen folde“. Aus Anlaß dieſes Schreibens fchidte man bamals fieben Männer aus dem Mathe und ſechs aus der Bürgerfchaft an ben König. Diefe Senbung wurde nachher fowohl im April, ala im Auguft und im November wieberholt, „als Syfrid zum Paradyß ein ſchultheiß fin wolde unde in den Rab gen wolde“.

41) Die Kaiferbriefe enthalten folgendes Schreiben an ben Rath: „Wentzlaw, von gotes gnadin Romiſcher Funig, czu allen czeten merer bed Reichs und funig zu Beheim. Liben getrewen, warn Dyelbericken Kran, unferm Ihenden, biner und liben getrewen, von unferm und des heiligen Reichs hofgerichts wegen geboten if, das er uff Jungen Froſch, Geyſpels zun Eder ſcheppfen, Hennen zu Efchenpach ratmans und Weykers vom Sal burger zu Frandenfort guter anleyten folle, als das fulde brive, bie boruber geben find, eigentlichen underweiſen, dorumb gebieten wir euch ernflichen und heflitlichen mit biefem brive, das ir dem egen. Dyetherich

492

Anhang.

in der egenan. fachen beholffen ſein, und ouch im, was er ench in berichte ſache ſagen wirdet, gentzlichen gelowben ſollet, gleicherweis als ch mu ſelber mit euch reiten. Geben zun Karlſtein des dinſtags in”ber crcet wochen, unſer reiche des Behemiſchen in dem 38. und des Romiſchen im dem 20. iaren. Per d. Pizmisl. ducem Teschinen. Franciscus prae

positus North.“

42) Im Stadt: Rehenbuh beißt es: Erftens unter dem 10. Juni 13%:

„#7 Bfb. minus 15 Hell. virkerten Wolff von GSaffinhuß, &ilkredi Retefel, Pebir von Bomerfheim und Johannes fchriber felb 10 elf tag zu unfern berren von» Trere und von Eoelne, als von el. Ktobelaud: und Gifr. zum Paradiß wegin“. Zweitens unter dem 11. Rovembe 1896: „100 Pfb. 19 Pf. 8 Sch. han wir nzgegebin an dem fpanne unt zweytracht von Jekeln Klobelauchs und Sifrids zum Paradife wegin, mi namen 80 gulden als bruder Gonr. von Onenbach gein Prage virkerte, md 9% gulden umb ein phert, und 16 groff umb einen fabel, und 20 gulben minus 1 ortes, als Heinrich ſchryber 5 wochin und 4 tax gein Prage virkerte, und 11 gulden umb daz pherd al er reyt, und 27 gulden umb die brieffe als er bradte, ımb 16 Sch. umb ein pur

Ieberhofen”“.

48) Im Stadt⸗Rechenbuch finden ſich nämlich folsende Poſten: Erſtens

Sabbath poſt Michaelis (90. September): „14 Sch. Hell. virgerten de Rades frunde uff einen abent In ber fchribery, als ber Burziboy waz bie zu Frand. Item Heinrich fehriber gein Menge zu bem Burzoboy. stem, 200 gulden 48 gulden 8 groß virkerten ber Burzoboy und ber Franciſcus, unſers berren be3 kuniges biener, als bie hie achtbage lagin und ber Rab daz vur fie bebalte”. Zweitens Sabbath ante Dionyfil (7. Oltober) er: balten zwei Knechte eine Bezahlung „vur funff dage ber florm zu buben, alß ber Burziboi bie waz“, und Sabb. poft Luck (21. Oktober) werden 26 Schügen bezahlt, „einen tag und eine nacht an ben porten zu Buben, als ber Burzebon und her Franciscus, unfer® berren des funiges biener, bie waren‘.

44) Diefe Richtung wird im Stadt-Rechenbuch unter Sabb. poft ommium

fanctorum genannt „bie richtunge, al8 ber Burzoboy und ber Fransciſcus mit dem Rabe und ber Stab bie zu Frand. machten”, fowie unter Sabb. ante Walpurg. 1897 „bie richtunge, als ber Burzoboy und ber Francifeuß von unſers berren bed kuniges wegin mit uns troffin”. Sie war alfo nit in ber Form eines Vergleiches zwiſchen ben ftreitenben Parteien gemacht, ſondern in ber eines Vertrages, welchen bie Füniglicye Regierung mit bem Rathe fchloß.

45) In ber Einnahmen: Rubrif heißt e8 Sabbath ante Walpurg. 1397: „Die

richtunge, als ber Burzoboy unb her Franciſcus von unſers herren des funiges wegin mit und troffin von wegin ber Juden, der vier echter und von andern fache wegin“. Ebenſo wirb bie Richtung in ber Ausgaben⸗ Rubrik unter bemfelben Datum bezeichnet.

Anmertungen zu IV. 493

46) Diefe Anklage ift und nur andeutungsweiſe befannt geworben. Die Kaiſer⸗ briefe enthalten nämlich das Schreiben, durch welches ber Hofrichter bie Anflage für abgethan erklärt, und außerdem findet fich im Stadt-Rechenbuch von 1397 eine Ausgabe verzeichnet, welche für diefes Schreiben gemacht worden war. Die Stelle bed Rechenbuches lautet: „Sabbath poſt Albani, 20 gulden Zohannes Kirchheim umb einen brieff von hoffegericht, alß ber Burziboy den Rad und ſtad und Juden gelaben batte, daz bie Tabunge abe wer”. Dad erwähnte Schreiben, welches vom 28. September 1896 batirt ift und deshalb offenbar mit dem damals Statt gehabten Abjchlufie ber Richtung zufammenbängt, ift folgenden Inhalts: „Wir Bollo, von goted gnaden hertzog zu Siefie und berre zu Monfterberg, bed allerdurch⸗ leuchtigiften furften und beren bern Wentzlaus Romiſchen kunigs, zu allen zeyten merers bed Reichs und kunigs zu Behem, bofrichter, befennen und tun fund offenlich mit diſem brief allen den, bie in fehen ober horen lefen, das bderfelb unjer her, der kunig, foliche Tadunge, ald von wegen bes edeln Borziwoyen von Swinar, feines houptmans in Beyern, uf bie burgermeifter, Rate und burgere ber flat zu Frankfort fur deſſelben unſers beren des kunigs und bes Reichs hofgerichte zu bifem male gefchehen ift, genglih und gar abgetan, und ſy ouch beflelben hofgerichtes regiſtern tilgen und uſſtun geheiffen bat, und das ſy ouch von folicher egen. ladunge wegen folichen regiſtern genblichen und gar ab und getam fin, alfo das in biefelb ladunge furbaffmer keynen ſchaden fugen oder bringen fol noch mag in dheinweis. Mit urkund diez brief verfigelt mit des egen. bofgerichtes ufigebruftem infigel. Geben zu Prag nad Criſts geburb drewtzenhunder tar und dornach in dem ſehs und neongigifien iare an fant Michelsabende“. Unterzeichnet iſt dad Schreiben in nicht ganz beut- licher Weife: Ad relat. Decani Wissing (ober Boissing) der Cancell. Johannes de Kirchen.

47) Im Stabt:Rechenbuch findet fich zuerfi unter Sabb. poſt Eonverfionem Pauli angegeben, daß Herr Ulrich Weife und Winther von Vilmar eine Zahlung erhalten hätten „einen tag mit greve Phil. von Naffau zu leiſten und auch von der vier echter wegin”. Dann flebt unter Sabb. poſt Sacobi; „8 gulden 11 groß virkertin her Ebirh. und Gilbr. Weyſe und Winther von Vylmar ein nacht, als fie der Rad von ber vier echter wegin virbobet hatte”,

48) Im Stadt: Rechenbuch heißt ed unter Sabb. ante Elifabeth (18. Noveniber) 1896: „Dig nachgefchr. gelt hat ber Rab Jekiln Knobelauch laſſen faren in ber richtunge, als gemacht ift, bie ber Burzoboy und ber Franciſcus beredt han, mit namen 100 gulden 21 gulden 14 Sch., bie er uns ſchuldig waz blyben als von der Ieften reife wegin vur Hatzſtein, als er fo vil me ingmomen batte, ban er uggegebin hatte, und barzu 14 gulden, als er auch ingnomen hatte und ſprach, daz er die von ber ſtede wegin virkert hette“ (Jakob Kloblauch mar 1898 einer ber ſtädtiſchen Anführer auf bem Zuge gegen das Schloß Hatzſtein geweſen). Ferner beginnt eine Urfehde⸗

494

Anhang.

Verſchreibumg, welche Jakob Aoblauch 1897 ausſtellen maßle, mi ke Worten: „Ich Yalob Elobelauch der junge belenne und tue Tunt er lichen mit difjem brieffe umb foliche vichtunge, als bes allerdurchluchtze furften ımb bern bern Wenpelaus ... . . erber botfchafft zufigu de erfamen, wifen, befcheiden Tuben, ben burgermeiftern, ſcheffen, Re burgern, bifeflen und ber flad gemeinlih zu Franck. und bie yn zu vir antwarten fleen uff ein ſyten und mir uff bie anbern mit umſer babe

parthy willen mb willen betebingt, berebt und gemadht Ban, und id wi

affter der richtunge mir hatte Ioffen anfeiben uff eßkicher burger zu Frul gube und uff ander inplichtige qube, bie ber flab Franck. binfühefitig Im, daz doch iſt wider gnabe und friheide der fiebe Franck. alß fie vom hafız Nie, Romiſchn Feifern und konigen ban, und ſich auch bammbe anle rede by mir erlieffen, die bie vorg. richtunge ruren, darumb ber Rad ın Fand. vorg. fierunge von mir mudeten und mich im baz floh ia legen‘ n. ſ. w.

49) Stadt-Rechenbuch unter Sabb. ante Thomä (18. December) 1400: „Se

Fridr. von Saſſinhuß, Junge Froſch und Heinr. ſchriber gein Heidelben

zu unſerm herren dem kunige, als von ber gulden montze, von I

Klobelauchs und andern ſache wegin“.

50) Wir erhalten davon nur durch das Stadt-Rechenbuch Nachricht. J

biefem ift von Mai bis Auguf 1401 öfters bie Rebe von einer Zuhibitin. ||

welche der Erzbifhof von Mainz an das Frankfurter Schöffengericht fandt „mber Jedcil Alobelauchs Hufe nit zu teilen, als Joh. Schelm für fa ſchult baruff gefommert Batte‘ (ober, wie-eB ein andermal heißt, „al? Schelm uff Jeciil Klobelauchs huſe clagete‘‘), feruer von ZTagesleiftungen, welche Frankfutter Rathögefanbte mit Jakob Klobelauch einmal vor den Mainzer Rathe und ein andermal vor dieſen und des Erzbiſchofs Leuici zu leiſten hatten, ferner von einer neuen Inhlbition, welche das Mainze geiſtliche Gericht von Jakob's und Conrad's Klobelauch wegen nad) granf furt gefanbt hatte, ſowie von einer Sendung au ben König, welde bit Rath deshalb veranſtaltete. Endlich wird noch im Oktober 1401 did Inhibition des geiftlichen Berichtes erwähnt.

51) Stabdt-Rechenbuch, Sabbath poft Luciä 1898: „26 gulden 5 Ed. Ki

gefoft ber ftebe buch, ba inne die privilegien gefchreben ſteen, zu ſchriben und mit andern ſachen“. Sabb. ante Lätare 1399: „2 gulden han 7 Rades frunde des aptes von fant Alban ſchribern und dienern nejgend, als et die vibimus von ber privilegien wegen verß bat. tem. 11 6%. 7 Hell. umb pergamen und waß zu den obg. privilegien abezufdgeiben und vidimus zu machen umd zu verfiegeln. Stem, 18 Sch. umb ein laden zu machen unb davon zu beflahen zu ben privifegten und vidimms, als man uz ben privifegten hat tun ſchriben. Item, Junge Froſch, Hein. Wiße

‚und Erwin Hartdrab gein Menge mit ben privifegten, die ba abeyuſchtiben

und vibimus zu machen”.

Anmertangen zu V. 496

52) Stabt = Nechenbudh, Die Servatii 1408: „14 gulden virkerten Heinr. Herban und Heine. fihriber fieben dage gein Heidelberg zu unferm berren bem Fonige, von bern Ebirh. vom Hirkhom wegin von fin® geltes der lantvoigty wegen und auch als von dei Rads mynnerunge wegen”.

Anmerkungen zu V. Der Kampf mit ben Klerus um den Begim des fünfzehnten Jahrhunderts.

58) Es verlohnt ſich der Mühe, DBeifptele von Beidem aus ben Gtabt-Nechen- buchern und anderen Urkunden anzuführen, weil man aus ihnen erfennt, daß Beides nicht nur oft, fondern auch aus unbedeutenden Grlinden ge: ſchah. Schon 1819 Hatte der Pabft, weil manche geiftlihe Michter bei ihren Rechtsſprüchen fich von ber Gelbgier leiten ließen, bie Erlaſſung bes Verbotes nöthig gefunden, wegen einer Geldfchuld ein Interdict ausdzu⸗ fpreen (Böhmer p. 450). Was Frankfurt fpectell betrifft, fo finde ich folgendes hierher Gehörige erwähnt: 1358 Sendung zum Pabſte, „umb bay wir alz bigfe ungefungen fin’; 1363 Zahlung an einen Damm dafür, daß er „ben fang gewan“; 1864 Zahlung „von bed fangis wegin““, ſowie nachher Sendung um mehrerer willen, welche im Banne waren, und endlich nod eine Zahlung, um den Schultheiß, die Schöffen und einen Rathmann aus dem Banne zu laufen; 1865 Sendung nad) Mainz wegen bed Sarıge ; 1866 Zahlung wegen be8 Sanges; 1867 breimal Senbung nah Mainz wegen des Sanged; 1868 ebenfo Sendung babin; 1869 ebenfo; 1871 Zahlung, um die Bürger aus bem Banne zu faufen; 1878 desgleichen; 1885 werben ſechs Männer, um. berentwillen man ungeinngen war, aus ben Banne gelauft; 1886 geſchieht dasſelbe in Betreff zweier Männer, welche im Dienfle ber Siadt in den Bann gekommen waren; 1887 ver: ſchafft fi der Rath vom Könige eine fchriftliche Verwendung beim Pabſte, damit der Gottesbienft nicht fo „lichtelich“ eingeftellt werbe; 1388 Sendung nah Mainz, weil man ungefungen war; 1889 war der Gottesbienft wieber eingeftelit, und der Rath zahlte Gelb, damit berfelbe wenigſtens an bem Tage ber wichtigſten Frankfurter Proceffions: Feier, ber auf Maria Magdalena, gehalten werde; zugleih kaufte er wieder einen Mann aus dem Banne; 1891 fchidte er einen Boten nah Mainz, um „ben Geſang wiederzu⸗ bringen”; 1892 kaufte er einen feiner Zöllner aus dem Banne, in welchen ein Geiftlicher ihn gebracht hatte, und fehidte nach Mainz, um zu erlangen, daß in ber Mefje geſungen werbe.

54) Stadt⸗Rechenbuch, Sabb. poft Andrei 1886: „Meifter Herman ber fiebe paffe, Gipel zum Eber und Peter von Tryre gen Mentze, alß ber ſchul⸗ theig Winther von Wafen unde anders ber flebe frunde geladen waren gen Meute, umb baz fie eynen von dem kirchhoffe genonmen folden han unbe in ben Moyn geworffin‘.

55) Ebendaſelbſt, Sabb. ipjo die Laurentii (10. Auguſt) 1887: „17 Sc. 6 Hell. umb einen rog, eyne Togeln unde umb eyn par ſchuwe eyme

496

Nnhang.

nefangen, ben man wibber uff den lirchhoff entworte, alß er da von r nommen waz worden”. Sabb. ante Galli (12. DPtober) 1387: „10 guie bern Henr. von Geylnhuß, unfers bern von Mentze procuratore, ver ix tor, als er in ber ſache alß von ber geſchicht wegen, alß eyner von te: kirchboffe gnommen waz worben, vor ſich gefaren Hatte”.

56) Sadt⸗Rechenbuch: Sabb. ante Balentini 1890: „5 gulden 4 gu mi

eyne relaracien von bed priefterd wegen, ber by Riedern irflagen war baz man fingenbe wart von unfer frauwe tage Fergwibe an biß uf fm Johans tag zu mittefommere”; Sabb. ante Bit 1390: „Herman vontn Gipel zum Eber und Junge Frofih gein Menke von be3 yaffin wen ber by Rebern erfları wart. Item, 4" gulden umb bie relaraden vn bes paffin, ber by Redern erſlan wart, wegin zu fdhriben und zu befiegd”. Sogar noch im December 1898 und im Juli 1894 wird wegen biefes m: ſchlagenen Pfaffen eine Sendung nah Mainz gemeldet. In ber Radtem aber, welche 1895 zwifchen dem Erzbifchof und ber Stabt geſchlofſen murk, wirb biefer Vorfall mit den Worten erwähnt: „umb ben paffin, der ve den yren erfchoflen wart”.

57) Daß dies 1889 geſchah, zeigt das Stadt-Rechenbuch, welches unter Esk.

poft Ambrofüi 1890 folgenden Einnahme: Boften enthält: „Han wir enpbanze von Rulmanne und Conr. Wißen, Zohan Erwin, Hang von Ur Jekil Herban und von Rulen von Sweinheim 63 gulden 4 Sc., als W von bed Rades wegin beſcheiden fin, den berg henſyt Saffinhuß, der mi bruden gegebin if, uz zu geben, als man y bem morgen 1 gulden p winfauffe gibbet”.

58) Da bie Entftehung biefer Weingärten unferer fleißigen Sachfenbäufer immer

. bin von Intereſſe ift, fo führe ich bier bie weiteren Stellen bes Reden

buches über fie aus ben nächſten zwei Jahrzehnten an. Sabb. ante Zul 1894: 16° gulden han und gegebin Jekil Herdan, Rule von Sweinhein und Johan Ernft von be berges wegin zu Saff., als fie zu wingerikt uzgegebin han. Item, 24 Sch. 1 Hell. virgerten Jekil Herban, Rule vor Sweinheim und ander bed Rades frunde mit ben meßern, als fie ben bes zu Saff. zu wingariben uzmafien. Sabb. poft Thome 1894: 45° gulden von Jelil Herban, Johan Kranih und Zohan Ernſt von des bergis 3 Saſſ. mwegin zu wingertben uz zu gebin. Sabb. poft Epiphen. dei: 2 Pfd. 1 Sch. virgerten des Rades frunde und bie gefmorn zu zwein malen, als fie den berg zu Gafl. uzgabin. Sabb. ante Jacobi 140 8 groff hern Johan Fromelin, als er vorgiben ber flebe frumben mi namen Gonr. Wiffen und Zohan Erwin, die ubir bie nuwen wingarim gefaft waren, ein ingeß gegraben hatte. Sabb. poft Valentini 1408: 2 gulden Sipil Tremer, die er vorter Kennen find brubers fon geben ſah, die er gegeben hatte von ber zweier morgen wingerten wegen am nuwenberge, bie er beftanben hatte und die brudenmeifter die andern luden nu verluhen han. Sabb. poſt Georgii 1405: 2 Pfd. 2 Sch. virtzerten bes Rads frunde und bie geſworn zu meſſen und zu ubirflahin daz uzgegebin lant uſſwendig

59

Anmerkungen zu V. 497

Saſſinhuß an dem berge. Ipſa die Laurentii 1409: 18 Sch. 2 Hell. von den wellen zu hauwer by ber warte binder der butfchen herren molen am numenberg.

S. Fichard, Archiv L, 380 fig. Die Nicht: Weigerung bes Rathes, in bdiefer Sache und in Betreff anderer Firchlicher Streitfragen vor bem Mainzer Gericht Rebe zu fliehen, folgt aus dem Umflande, daß er 1892 eine Appellation machen ließ, und baß er 1894 einen „geiftlichen Krieg‘ mit den Deutfchherren führte Im Rechenbuche beißt es: 1. Sabb. ante omnium fanctorum 1892: 2 gulden Beter von Triere um ein appellacien und auch yme zu lone, alg die fand Johans herren zu Dienge unfere burger umb die bebe von ihren gulden bin abe geladen hatten. 2. Sabb. poft Gertrubis 1894: 150 Pfb. minus 1 ®Pfd, han wir uzgebin in bem geiftlichen gerichte und Triege, als man gehabt bat mit den dutſchen herren als von ber ſtede wegin, tem, 16 Pfd. 14 Sch. han wir uzgebin in dem geiftlichen Eriege, als bie butfchen herren mit Zeil Nuhuß gehabt han zu Cobelentz, daz boch bie ſtad anging. Es war nöthig, biefe Stellen anzuführen, weil es nad Kirchner I., 809 fälfchlich cheint, ald wenn ber Rath bie Competenz ber geiftlichen Gerichte beitritten hätte.

60) Stadt: Rehenbuh: Sabb. ante Ambrofii 1892: 17 groff Eonrab Bait

zolner uz dem banne zu keuffen, alß in ber Materne gebanet hatte umb bebe, die er yme von ber bebe abeflug.

61) ©. bie zweite ber in Anmerk. 59 angeführten Stellen bes NRechenbuches,

zu welchen noch folgende besfelben gehört: Sabb. ante Ambrofii (28. März) 1894: 200 gulden han wir gegebin ben butjchen herren vur ire brant zu Kebil in dem hertzogiſchen kriege (unter welchem ber Städtelrieg verfianden wird), vur daz abebrechen ber mure zu Made umb ire wingerthe, unb als daz in ber richtunge zuffche in und dem Rabe begriffen kreliche (sic) irludet nach uzwifunge der brief bar über gegebin.

62) Stabt-Rehenbud: Sabb. ante Galli 1394: 4 gulden unferd herren von

Menge vier farnden luden gefchentt von find inribend wegin zu Menke. Sabb. poft Galli: 12 Sch. umb 3 phund waßs zu luchtkirtzen, als ber bifchof von Mentze und ber Jantgreve von Heflen bie warn.

68) Stadt: Rehenbug: Sabb. ante Luciä (12. December) 1394 ift eine Zahlung

am Adolf Wiß und Zunge Froſch mit der Bemerkung eingetragen: „alß fie mit eplichen des Rades frunden ratflagetin uff bie botfchafft gein Prage“. Sabb. poft Converſionem Pauli (80. Januar) 1895: 300 gulden minus 12 gulden han wir gegebin Adolff Wiße dem alden und Junge Froſch, als fie zu unferm herren dem Fonige ryden mit 10 pherben gein Prage und waren 5 wochin unb 4 tage, und bed gelbes gekorte mit namen 46 gulden dem cantzler und ben fchribern vur briefie und ban 70 gulden zu geleide gelbe uz und in und unſers herren bes konigs piffern, dorwechtern und gefinbe zu fchenden, unb 16 gulden vur 1 pberb, ala fie der ſiad kaufften, und dan 100 gulden 47 gulden, als fie virgerten, und bon 9 gulden, als Henfeln beber mit ihn wirgerte und in daz wibber ge

Kriegt, Fraukf. Bürgergeifte. 32

498 Unhang.

gebin ſolde han, daz ym doch ber Rab ſchenckte. Item, Abdolff Wiße u Junge Froſch ir iglichem 89 Pf. von 2 pherben 39 tage gein Prag zu unferm herren dem fonige zu riden von ber paffbeib und ann ſache wegin.

64) Stadt:Rehenbud: Sabb. poſt Gregerii (13. März) 1395: 5 Pf. um 16 elen buches Dilman dem richter zu cleydern, als er gein Rome jolx von der pafiheid wegin mit ber appellacien.

65) Diefer Schutzbrief ift im Stadt-Archiv noch vorhanden. Er lautet folgmbe: maßen: „Wir ber Rad zu Frandefurb befennen mit bißem uffin brief alfo, ala die erbern geifilichen perfonen, mit namen bruder Johan Roſen baum, bruder Albradt von (bier fehlt ein Wort), bruber Gonrab vor Dfenbach, bruder Johan Monich, bruder Peter Dufel, bruder Criſtian ven Gobefenge, bruder Zohan Minus, bruder Johan Keiner, bruder Gone Balmeftorffer, bruder Ernſt, bruder Peder von Schaffheim, bruder Reyn bard Oße, bruder Mathis Molner, bruder Peder Fleßer und Nyclawei Rauchfeßern Prediger ordins, und bruder Arnold Gigübel von Frander furd, bruder Johan Urfel von Franckenfurd, bruder Johan Geyler von Frandenfurb, bruder Zohan Große von Geilnhufen, bruder Nyclawes Crafft von Frandefurd, bruder Erafft von Gpire, bruder Johan von Saffen huſen, bruder Bechtold von Frandefurb, bruder Nyclawes Pruße von Srandenfurd, bruder Ebirhard, bruder Ludewig und bruder Nyclawei Stiln Barfußer ordins, und bruber Srande von Golne, bruder Ger harb von Nice, bruber Heinrich Mynner, bruder Johan Selginſtat, bruder Zohan Rundel, bruder Ortwin von Klingenburg, bruder Johan Granyfen und bruder Zohan Gyße unfer fraumen bruder orbind confldentien und adheſien getan han unfer appellacten, als wir appellemi ban von ber proceß und manbat wegin unfers berren von Denkt und auch finer geifllichin richter czu Menke. Werz nu, baz den obgenanl perfonen davon von laden oder bannen mit geiftlichim gericht und recht ſchade entflünde, die wile fie by uns fin, dez reden wir fie czu enthebin ane alle geverde. Dez czu urkunde han wir ber fiede Frandenfurd ingeb an bißen brieff gehangen. Datum anno bm. CCOmo nonagesimo quinto dominica qua cantatur Quasimodogeniti.

66) Lersner II. 1, 844 fi. Im Stadt-Rechenbuche von 1897 findet fich unter Sabb. ante Bartholomät folgende Stelle: „8 Sch. eim knechte, ber vor zyden von ber flede wegin mit eim Farren by nachte fure Aſchaffenburg, als ber Vitztum ber flede biener in ber meh ny

67) Stadt-Rechenbuch: Sabb. ante Perpetuä (8. März) 1897: 2 gulben eim gefchendt, ber und von greve Zohan von Naflau einen brief von Rome bracht, als er uns fchreib, daß er baz bißthum zu Menke be balden bette.

68) Stabt:Rehenbud: Sabb. ante Udalrici 1896: 8 gulden eime phaffen, der Dilman botſchafft gein Mom brachte; Sabb. ante Elifabeih 1396: 100 Ph 74 Pfd. 12 Sch. han wir In dem kriege von der pafiheid wegin uzgegebin,

Anmerhingen zu V. 499

des fin mit namen Dilmans des richters huſfrawe zu zwein malen worbin 12 Pfd. und dann 45° gulden Hand Warmut, daz er Dilman 40 gulden mit eim weßil zu Rome beftellin folbe, und die uberige 90 gulden bern Peter von Ingelnheim, bie Dilman by yme zu Rome virgert hatte; Sabb. ante Ambroſii 1397: 5 Sch. 8 Hell. virkerte eins erbern herren knecht von Straßburg, ber in der ftebe fache zu Rome auch geworben hab.

69) Stadt-Rehenduch: Die Nativ. Mariä 1397: Dylman ber richter gein Mentze von eins gefangin paffin wegin; Sabb. poft Matthäi 1897: Dilman ber richter gei Mentze zu capittel von eins ſchulers wegin, der gefworn batte groffe eide; Sabb. ante omnium fanctorum 1897: Dilman ber richter zu bem capittel zu Menge als von ber paffheid unb interbicte wegin; Vigilia Matthid 1398: 2 gulden virgerte ein phaffe, ber gefangen lag von eins pherds wegin uff alden bruden thorn; Sabb. ante Servatii 1898: 1 gulden von eim inftrument zu fchriben von bes phaffin mwegin, ber bie gefangen Tag, umb baz er ein pherd entryden batte.

70) Stadt-Rechenbuch: Sabb, pofl omnium fancorum 1397: zwey dufent gulden han wir gegebin bern Johan ergbiffhoff zu Menge und han ym da müde abgefaufft zweyhundert gulden geldis wyderkauffs, die er uns virgifelt und virfchrebin bat nach Tube des brieffs, ben wir darüber ynne han.

71) Stadt-Rechenbuch: Sabb. ante Jacobi 1898: 6 gulden 8 Sch. umb ein abfolucien, als ſchultheiß und ſcheffin zu banne waren kommen von Dulben Bart wegin.

72) Stadt⸗Rechenbuch: Sabb. ante Perpetui 1400: „40 Pfd. 12 Sch. han wir uggegebin in der ſache, als Dulde Bart und Neſe von Binge zu Mentze geiftlichen Friegin, und als Dulde ein orteil enphallen ift und er appellirt bat, und auch bie fache gein Rome beflalt bat, und Fomet bie ſache bar von bes bering unberfauffes und beſehins wegen”. Außer an diefer Stelle wird die Sache noch oft im Mechenbuche erwähnt. Webrigeng war Dulde Bart ein Frankfurter Bürger, welder ben Unterfauf von ben Häringen gepachtet hatte,

78) Stadt-⸗Rechenbuch: Sabb. poft Martini 1398: 3 gulden unferd herren von Menge dryn piffern gefchendt, die er und ſchichte von find bruders dochter hochczyd wegin; Sabb. poft Gregorii 1899: 2 gulden 8 Sch. umb einen barchan bern Volprecht Nietefel, unſers herren von Mentze hofemeifter, gefchendt zu finer ritterfchafft; Sabb. poft Bonifacii 1899: 7 gulden 1 ort umb fifch unferm herren von Menge und unferm herrn dem bergogen ges fchendt, ala fie von Margpurg ber qwamen und bie burch ribben.

74) Stadt-Rechenbuch: Sabb. ante Dominicam Reminiſcere 1899: 300 gulden 8 gulden 17 Sch. 3 Hell. han wir uzgeben von ber fache wegen, als wir Dielman gein Rome gefant hatten, umb etliche fache zu erwerben, und er erwarb, daß man in iglichie meife und viergehen bage vor und vierzehen dage nach der meſſen fingen fulle, bes hat Dielman fur fin arbeit und muwe geburt 60 gulden.

32*

492

Anhang.

in ber egenan. ſachen beholffen fein, und ouch im, was er euch in berfelben fache fagen wirbet, genhlichen gelowben follet, gleicherweis als ob wir ſelber mit euch reiten. Geben zun Karlftein des binftags in”ber creivp: wochen, unfer reiche bes Behemiſchen in bem 88. und des Romiſchen in dem 20. iaren. Per d. Pizmisi. ducem Teschinen. Franciscus prae- positus North.“

42) Im Stadt-Rechenbuch heißt es: Erftend unter bem 10. uni 1396:

„47 Pfd. minus 15 Hell. virkerten Wolff von Saſſinhuß, Gilbredt Reteſel, Pebir von Bomerfheim und Johannes fehriber felb 10 elf tage zu unfern berren von®Trere und von Goelne, als von el. Klobelauchs und Gifr. zum Paradiß wegin“. Zweitens unter bem 11. Rovenber 1896: ‚100 Pfd. 19 Pfb. 8 Sch. han wir uzgegebin an dem fpanne und zweytracht von Jekeln Klobelauchs und Sifrids zum Paradiſe wegin, mit namen 80 gulden als bruder Conr. von Onenbach gein Prage virkerte, umb 924 gulden umb ein phert, und 16 groff umb einen fabel, unb 20 gulden minus 1 ortes, als Heinrich ſchryber 5 wohin und 4 tage gein Prage virkerte, unb 11 gulden umb daz pherd als er reyt, und 27 gulden umb bie brieffe al3 er brachte, ımb 16 Sch. umb ein par lederhoſen“.

48) Im Stadt⸗Rechenbuch finden ſich nämlich folgende Poſten: Erſtens

Sabbath poſt Michaelis (80. September): „14 Sch. Hell. virtzerten be Rades frunde uff einen abent in der ſchribery, als her Burziboy waz hie zu Franck. Item Heinrich ſchriber gein Mentze zu hern Burzoboy. Item, 200 gulden 48 gulden 8 groß virtzerten ber Burzoboy und ber Franciſcus, unſers berren be# kuniges diener, als bie bie achtbage lagin und ber Rad daz vur fie bepalte”. Zweitens Sabbath ante Dionyſii (7. Dftober) er: halten zwei Knechte eine Bezahlung „vur funff bage ber form zu huden, ak ber Burziboi hie waz“, und Sabb. poft Luck (21. Oktober) werben 26 Schügen bezahlt, „einen tag und eine nacht an ben porten zu Buben, als ber Yurzeboy und ber Franciscus, unſers berren bes funiges Diener, bie waren”. .

44) Diefe Richtung wird im Stadt-Rechenbuch unter Sabb. poſt omnium

fanctorum genannt „bie richtunge, als ber Burzoboy und ber Franzcifcus mit dem Rabe und der Stab bie zu Frand. machten‘, fowie unter Sabb. ante Walpurg. 1897 „bie richtunge, als ber Burzoboy und ber Francifeus von unferd berren des kuniges wegin mit uns troffin”. Ste war aljo nicht in der Form eines Vergleiches zwifchen ben freitenben Parteien gemacht, fondern in ber eines Bertrages, welchen bie konigliche Regierung mit dem Rathe fchloß.

45) In ber Einnahmen: Rubrik heißt e8 Sabbath ante Walpurg. 1897: „Die

richtunge, als ber Burzoboy und ber Franciſcus von unfers berren des kuniges wegin mit uns troffin von wegin der Juden, ber vier echter und von andern fache wegin”. Ebenſo wirb bie Richtung tin ber Ausgaben: Rubrik unter bemfelten Datum bezeichnet.

Anmerfungen zu IV. 498

46) Diefe Anklage iſt und nur anbeutungswelfe bekannt geworben. Die Kaifer: briefe enthalten nämlich dad Schreiben, durch welches ber Hofrichter bie Anklage für abgethan erflärt, und außerdem findet fih im Stadt-Rechenbuch von 1897 eine Ausgabe verzeichnet, welche für dieſes Schreiben gemacht worben war. Die Stelle bes Rechenbuches lautet: „Sabbath poſt Albant, 20 gulden Johannes Kircheim umb einen brieff von boffegericht, alß ber Burziboy den Rad und ſtad und Juden geladen hatte, daz bie labunge abe wer”. Das erwähnte Schreiben, welches vom 28. September 1896 batirt ift und deshalb offenbar mit dem damals Statt gehabten Abfchluffe der Richtung zufammenbängt, ift folgenden Inhalts: „Wir Bolfo, von gotes gnaden berog zu Siefie und herre zu Monſterberg, des allerdurch⸗ Veuchtigiften furfien und beren bern Wentzlaus Romiſchen kunigs, zu allen zeyten merers bed Reichs und kunigs zu Behem, bofrichter, befennen und tun fund offenlich mit bifem brief allen ben, bie in ſehen ober horen lefen, das berjelb unfer ber, ber Funig, foliche ladunge, ald von wegen des ebeln Borzimoyen von Swinar, feine® houptmans in Beyern, uf bie burgermeifter, Rate und burgere ber flat zu Frankfort fur beffelben unfers heren bes kunigs und des Reichs hofgerichte zu bifem male gejchehen if, geutzlich und gar abgetan, und ſy ouch beffelben hofgerichtes regiftern tilgen und uſſtun geheiffen bat, und das fy ouch von folicher egen. ladunge wegen ſolichen regiſtern gentzlichen und gar ab und getan fin, alfo das in biefelb Tadunge furbafimer keynen fchaden fugen oder bringen fol nod mag in bheinweis. Mit urkund bie; briefs verfigelt mit des egen. bofgerichtes uffgedrultem infigel. Geben zu Prag nad Criſts geburb drewtzenhunder iar und dornach in bem ſehs und newneigiften iare an fant Michelsabende“. Unterzeichnet iſt daB Schreiben in nicht ganz deut⸗ licher Weife: Ad relat, Decani Wissing (ober Boissing) der Cancell. Johannes de Kirchen.

47) Sm Stadt: Rechenbuch findet fi zuerſt unter Sabb. poſt Eonverfionem Pauli angegeben, baß Herr Ulrich Weife und Winther von Vilmar eine Zahlung erhalten hätten „einen tag mit greve Phil. von Naflau zu leiften und auch von der vier echter wegin“. Dann ſteht unter Sabb. poft Sacobi: „8 gulden 11 groß virkertin her Ebirh. und Gilbr. Weyſe und Winter von Vylmar ein nacht, als fie ber Rab von ber vier echter wegin virbobet hatte”.

48) Im Stadt-Rechenbuch heißt e8 unter Sabb. ante Elifabeth (18. Novenber) 1896: „Diß nachgeſchr. gelt bat ber Rab Jekiln Knobelauch laſſen faren in ber richtunge, als gemadt iſt, bie ber Yurzoboy und her Francifcus beredt han, mit namen 100 gulben 21 gulden 14 Sch., die er uns ſchuldig waz biyben als von ber leſten reife wegin vur Hatzſtein, als er fo vil me ingenomen hatte, dan er usgegebin batte, und barzu 14 gulden, als er auch ingnomen hatte und ſprach, daz er bie von ber ftebe wegin virkert hette“ (Jakob Kloblauch war 1398 einer der ftädtifchen Anführer auf dem Zuge gegen das Schloß Hapftein gewefen). Ferner beginnt eine Urfehde⸗

494

Anhang.

Verſchreibung, welche Jakob Kloblauch 1897 ausſtellen mußte, mit den Worten: „Ich Jakob Klobelauch ber junge belenne und tue kunt offen: lichen mit diſſem brieffe umb foliche richtunge, als des allerdurchluchtigen furſten und bern bern Wentzelaus.... erber botſchafft zuſſchn den erſamen, wiſen, beſcheiden luden, den burgermeiſtern, ſcheffen, Rabe, burgern, biſeſſen und ber ſtad gemeinlich zu Frand. und bie yn zu vir⸗ antwarten ſteen uff ein ſyten und mir uff die andern mit unſer beider parthy willen und wiſſen betedingt, beredt und gemacht han, und ich doch affter der richtunge mir hatte loſſen anleiden uff etzlicher burger zu Franck. gude und uff ander inplichtige gude, die ber flad Franck. dinſthafftig fin, daz doch iſt wider gnade und friheide ber ſtede Franck, alß fle vom heiligen Riche, Romiſchn keiſern und konigen han, und ſich auch damyde ander rede by mir erlieffen, die bie vorg. richtunge ruren, darumb der Nad zu Frand. vorg. ſicherunge von mir mudeten und mid in daz floß taden legen“ u. ſ. w.

49) Stadt-Rechenbuch unter Sabb. ante Thomä (18. December) 1400: „Her

Fridr. von Saſſinhuß, Junge Froſch und Heine. fchriber gein Heidelberg zu unſerm berren bem kunige, als von ber gulden monte, von el. Klobelauchs und andern fache mwegin”.

50) Wir erhalten davon nur burg das Stabdt-⸗-Rechenbuch Nachricht. In

biefem ift von Mai bis Auguft 1401 öfters bie Rebe von einer Inhibition, welche ber Erzbifhof von Mainz an das Frankfurter Schäffengericht fanbte ‚uber Zeil Klobelauchs Hufe nit zu teilen, als Joh. Schelm für fin ſchult daruff gefommert Hatte’ (ober, wie es ein anbermal beißt, „ala Schelm uff Zeil Klobelauchs Hufe clagete‘‘), ferner von Tagesleiftungen, welche Frankfurter Rathageſandte mit Jakob Klobelauch einmal vor dem Mainzer Rathe und ein anbermal vor biefew und beB Erzbiſchofs Leuten zu leiften hatten, ferner von einer neuen Inhibition, welche das Mainzer geifliche Gericht von Jalob's und Gonrad’3 Klobelauch wegen nad Fran: furt gefandt hatte, ſowie von einer Sendung an ben König, welche ber Rath deshalb veranſtaltete. Endlich wird noch im Oktober 1401 dieſe Inhibition bes geiftlichen Gerichtes erwähnt.

51) Stadt-Rechenbuch, Sabbath poft Luciä 1898: „26 gulden 5 Sch. Bat

gefoft der ſtede buch, da inne bie privilegien gefchreben fteen, zu fchriben und mit andern faden”. Sabb. ante Lätare 1899: „2 gulben ban bes Rades frunde des aptes von fant Alban fchribern unb dienern nefchendt, als er bie vibimus von ber privflegien wegen verß bat. tem. 11 Sch. 7 Hell. umb pergamen und waß zu ben obg. privilegien abezufcgriben und vidimus zu machen ımb zu verfiegeln. tem, 18 Sch. umb ein laden zu machen und bavon zu beflahen zu ben privifegien und vidimms, als man uz ben privilegin hat tun ſchriben. Item, Junge Froſch, Heime. Wiße

‚und Erwin Hartdrab gein Mentze mit ben privilegten, bie da abezuſchriben

und vidimus zu machen“.

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Anmerfangen zu V. 495

52) Stadt-Rechenbuch, Die Servatii 1408: „14 gulben virgertem Heinr. Herden und Heint. ſchriber fieben dage gein Heibelberg zu unferm herren dem Fonige, von bern Ebirh. vom Hirtzhorn megin von find geltes ber lantvoigty wegen unb auch als von bed Rads mynnerunge wegen”.

Anmerkungen zu V. Der Rampf mit dem Klerus um den Begim des fünfzehnten Jahrhunderts,

58) Es verlohnt ih der Mühe, Beiſpiele von Beidem aus den Stadt⸗Rechen⸗ büchern und anderen Urkunden anzuführen, weil man aus ihnen erfennt, daß Beides nicht nur oft, fondern auch and unbebeutenden Gründen ge: ſchah. Schon 1819 hatte der Pabft, weil manche geiftliche Michter bei ihren Rechtsſprüchen ſich von ber Gelbgier leiten ließen, bie @rlafjung bes Verbotes nötbig gefunden, wegen einer Geldſchuld ein Interdict auszu⸗ fpregen (Böhmer p. 450) Was Frankfurt ſpeciell betrifft, fo finde ich folgendes hierher Gehoͤrige erwähnt: 1358 Senbung zum Pabſte, „umb baz wir alz digfe ungefungen fin”; 1363 Zahlung an einen Mann dafür, daß er „ben fang gewan“; 1864 Zahlung „von des fangis wegin“, ſowie nachher Sendung um mehrerer willen, welche im Banne waren, und endlich noch eine Zahlung, um den Schultheiß, die Schöffen und einen Rathmann aus dem Banne zu Faufen; 1865 Sendung nad) Mainz wegen bed Sanges; 1866 Zahlung wegen bed Ganges; 1867 breimal Sendung nad Mainz wegen des Sanged; 1368 ebenfo Senbung dahin; 1869 ebenfo; 1871 Zahlung, um die Bürger aus dem Banne zu faufen; 1878 bdeßgleichen; 1885 werben ſechs Männer, um. berentwillen man ungeinngen war, aus bem Banne gelauft; 1886 gefchieht dasſelbe in Betreff zweier Männer, welche im Dienfle der Stadt in den Bann gefommen waren; 1387 ver: ſchafft fih der Rath vom Könige eine fchriftliche Verwendung beim Pabfte, bamit der Gottesbienft nicht fo „lichtelich“ eingeftellt werde; 1888 Sendung nah Mainz, weil man ungefungen war; 1889 war ber Gottegbienft wieder eingeftellt, und ber Rath zahlte Geld, bamit derſelbe wenigſtens an bem Tage ber widhtigften Frankfurter Proceffions:feier, ber auf Maria Magdalena, gehalten werde; zugleich Faufte er wieder einen Mann aus bem Banne; 1391 fchidte er einen Boten nah Mainz, um „den &efang wiederzu⸗ bringen‘; 1892 Taufte er einen feiner Zöllner aus dem Banne, in welchen ein Geiftlicher ihn gebracht hatte, und fchidte nach Mainz, um gm erlangen, baß in der Meſſe gefungen werde.

54) Stadt⸗-Rechenbuch, Sabb. poft Andrei 1886: „Meiſter Herman ber flebe paffe, Gipel zum Eher und Peter von Tryre gen Diente, alß ber fchul- theig Wintber von Wafen unde anders ber flebe frunde geladen waren gey Mentze, umb daz fie eynen von dem kirchhoffe genommen folben han unde in den Moyn geworffin”.

55) Ebendaſelbſt, Sabb. ipſo die Lanrentii (10. Augufl) 1887: „17 Sc. 6 Hell. umb einen rog, eyne Togeln unde umb eyn par ſchuwe eynıe

496

Anhang.

gefangen, ben man wibber uff ben Tirchhoff entworte, alß er da von ge nommen waz worden‘. Sabb. ante Galli (12. Oktober) 1887: „10 gulden bern Henr. von Geylnhuß, unfers bern von Menke procuratore, vor die for, als er in ber ſache alß von der gefchicht wegen, alß euner von bem kirchhoffe gnommen waz worben, vor ſich gefaren hatte”.

56) Sadt:Rehenbuh: Sabb. ante Balentini 1890: „B gulden 4 groß umb

eyne relaracien von bed priefler® wegen, ber by Riedern irflagen wart, baz man fingende wart von unfer fraume tage kertzwihe an big uff fanb Johans tag zu mittefommere”; Sabb. ante Biti 1890: „Herman von Orba, Gipel zum Eber und Junge Froſſch gein Menke von bes paffin wegin, der by Rebern erflan wart. tem, 4%s gufden umb bie relaracien von beö paffin, der by Rebern erjlan wart, wegin zu ſchriben und zu befiegeln“. Sogar noch im December 1398 und im Juli 1894 wird wegen biefes er: fhlagenen Pfaffen eine Sendung nah Mainz gemeldet. In ber Rachtung aber, welche 1895 zwiſchen bem Erzbiſchof und ber Stabt gefchloflen wurde, wirb dieſer Vorfall mit den Worten erwähnt: „umb ben paffin, ber von ben yren erfchoflen wart”.

57) Daß dies 1889 geſchah, zeigt das Stadt-Rechenbuch, welches unter Sabb.

poft Ambrofii 1390 folgenden Einnahme:Poften enthält: „Han wir enpbangen von Rulmanne und Conr. Wißen, Johan Erwin, Hank von Dppen, Jekil Herdban und von Rulen von Sweinheim 63 gulden 4 Sch., als bie von bed Rabe wegin befcheiden fin, den berg henſyt Saffiuhuß, der zur bruden gegebin if, uz zu geben, ald man y dem morgen 1 gulden zu winlauffe gibbet”.

58) Da bie Entſtehung biefer Weingärten unſerer fleißigen Sachfenbäufer immer:

- bin von Snterefle it, fo führe ich bier bie weiteren Stellen des Rechen:

buches über fie aus den nächften zwei Jahrzehnten an. Sabb. ante Lucdä 1894: 16° gulden han ung gegebin Zeil Herban, Rule von Sweinheim und Johan Ernft von bed berges wegin zu Safl., als fie zu wingertbe uzgegebin has. Item, 24 Sch. 1 Hell. virgerten Jekil Herban, Rule von Sweinheim und ander bes Rades frunde mit ben meßern, als fie ben berg zu Saff. zu wingartben uzmafien. Sabb. poft Thome 1394: 45%. gulden von Jekil Herban, Zohan Kranih und Johan Ernf von bes bergis zu Saſſ. mwegin zu wingertben uz zu gebin. Sabb. poſt Epipban. bomt.: 2 Pd. 1 Sch. virkerten des Rades frunde und bie gefworn zu zwein malen, als fie ben berg zu Saſſ. uzgabin. Sabb. ante Jacobi 1402: 8 groff bern Johan Fromelin, als er vorkiden ber ftede frunben mit namen ont. Wiffen und Johan Erwin, bie ubir bie nuwen wingarten geſaſt waren, ein ingeß gegraben hatte. Sabb. poſt Valentini 1408: 2 gulden Sipil kremer, die er vorter Hennen fins bruders fon geben fal, die er gegeben hatte von ber zweier morgen wingerten wegen am nuwenberge, die er beftanden hatte und bie brudenmeifter bie andern luden nu verluhen ban. Sabb. poft Georgii 1405: 2 Pfd. 2 Sch. virkerten bes Rads frunde und bie gefworn zu meflen und zu ubirflahin daz uzgegebin lant ufiwendig

Anmerkungen zu V. 497

Saſſinhuß an bem berge. Ipſa die Laurentii 1409: 18 Sch. 2 Hell. von ben wellen zu hauwer by ber warte hinder ber butfchen herren molen am nuwenberg.

59) ©. Ficharb, Archiv L, 380 fig. Die Nicht- Weigerung bes Rathes, in biefer Sache und in Betreff anderer Firchlicher Streitfragen vor dem Mainzer Gericht Rebe zu fliehen, folgt aus dem Umſtande, daß er 1392 eine Appellation machen ließ, und baß er 1894 einen „geiftlihen Krieg‘ mit ben Deutfchherren führte Im Rechenbuche heißt es: 1. Sabb. ante omnium fanctorum 1892: 2 gulden Peter von Triere um ein appellacien und auch yme zu lone, al bie fand Johans herren zu Mentze unfere burger umb bie bede von ihren gulden bin abe geladen hatten. 2. Sabb. poſt Bertrubig 1894: 150 Pfb. minus 1 Pfd. han wir uzgebin in bem geiftlichen gerichte und Triege, als man gehabt hat mit ben butfchen Herren als von ber ftebe wegin, tem, 16Pfb. 14 Sch. han wir uzgebin in dem geiftlichen Friege, als bie dutſchen herren mit Jelil Nuhuß gebabt han zu Cobelentz, baz boch die flad anging. Es war nöthig, biefe Stellen anzuführen, weil es nad Kirchner I., 809 fälfchlich fcheint, ala wenn der Rath bie Competenz der geiftlichen @erichte beftritten hätte.

60) Stadt: Redenbud: Sabb. ante Ambrofii 1892: 17 groff Conrad Bait zoiner uz dem banne zu feuffen, alß in ber Materne gebanet hatte umb bede, bie er ymie von ber bede abeflug.

61) ©. bie zweite der in Anmerk. 59 angeführten Stellen bes Nechenbuches, zu welchen noch folgende beöfelben gehört: Sabb. ante Ambrofii (28. März) 1894: 200 gulden Ban wir gegebin ben butjchen herren vur ire brant zu Kebil in dem berkogifchen kriege (unter welchem ber Städtelrieg verſtanden wird), vur daz abebrechen ber mure zu Rade umb ire wingerthe, und als baz in ber richtunge zuffche in und bem Rabe begriffen freliche (sic) irludet nach uzwiſunge der brief bar Über gegebin.

62) Stadt⸗Rechenbuch: Sabb. ante Galli 13894: 4 gulben unfers berren von Menge vier farnden luden gefchentt von find inridend wegin zu Mentze. Sabb. poſt Bali: 12 Sch. umb 8 phund waßs zu luchtlirken, als ber bifchof von Menge und der Tantgreve von Heflen hie warı.

68) Stadt-Rechenbuch: Sabb. ante Luciä (12. December) 1394 ift eine Zahlung an Abolf Wiß und Junge Froſch mit ber Bemerkung eingetragen: „alß fie mit etlichen bes Rades frunden ratflagetin uff bie botfchafft gein Prage“. Sabb. poſt Eonverfionem Pauli (80. Januar) 1395: 800 gulden minus 12 gulden han wir gegebin Adolff Wiße bein alden und Junge Froſch, als fie zu unferm herren dem konige ryden mit 10 pherden gein Prage und waren 5 wochin und 4 tage, unb des geldes gehorte mit namen 46 gulden dem cankler und den fchribern vur brieffe und dan 70 gulden zu geleide gelde uz und in und unfers herren bes konigs piffern, dormwechtern und gefinbe zu fchenden, und 16 gulben vur 1 pherb, als fie ber Hab Faufiten, und dan 100 gulden 47 gulden, als fie virgerten, und ban 9 gulden, als Henfeln beder mit ihn virgerte und in daz widder ge

KEriegk, Fraukf. Bürgerzwifte. 82

498 Anhang.

gebin folde han, daz ym doch ber Rab fchendie. tem, Adolff Wiße und Zunge Froſch ir iglihem 89 Pfb. von 2 pherben 89 tage gein Prage zu unferm berren bem fonige zu riden von ber pafibeib und anbrer fache wegin.

64) Stadt:Rehenbud: Sabb. poft regorli (18. März) 1895: 5 Pfd. umb 16 elen duches Dilman bem richter zu cleybern, ala er gein Rome folde von ber paffbeid wegin mit der appellacien.

65) Diefer Schußbrief ift im Stadt-Archiv noch vorhanden. Er lautet folgenber- maßen: „Wir der Rab zu Frandefurd befennen mit dißem uffin brieff alfo, als die erbern geifllichen perfonen, mit namen bruder Zohan Rofen- baum, bruder Albracht von (bier fehlt ein Wort), bruber Gonrab von Dfenbach, bruder Johan Monich, bruder Peter Dufel, bruder Criſtian von Cobelentze, bruder Johan Minus, bruder Johan Keiner, bruder Eonrab Valmeftorffer, bruder Ernfl, bruder Peder von Schaffheim, bruder Reyn⸗ bard Oße, bruber Mathis Molner, bruder Peder Fleßer und Nyclawes Rauchfeßern Prediger ordins, unb bruber Arnold Gißübel von Franden- furd, bruder Johan Urfel von Frandenfurd, bruder Johan Seyler von Frandenfurb, bruder Johan Große von Beilnhufen, bruber Nyclawes Erafft von Frandefurb, bruder Crafft von Gpire, bruder Johan von Saſſen⸗ bufen, bruber Bechtold von Franckefurd, bruder Nyclawes Pruße von Franckenfurd, bruder Ebirhard, bruder Ludewig und bruder Nyclawes Stiln Barfußer ordins, und bruder Francke von Colne, bruder Ger⸗ hard von Aiche, bruder Heinrich Mynner, bruder Johan Selginſtad, bruder Johan Runckel, bruder Ortwin von Klingenburg, bruber Johan Cranyſen und bruder Zohan Gyße unſer frauwen bruber ordins confidentien und adheſien getan han unſer appellacien, als wir appelleret han von der proceß und mandat wegin unſers herren von Mentze und auch ſiner geiſtlichin richter czu Menge. Werz nu, daz ben obgenant perſonen davon von laden oder bannen mit geiſtlichim gericht und recht ſchade entſtünde, die wile fie by uns fin, dez reden wir fie czu enthebin ane alle geverbe. Dez czu urkunde han wir ber fiebe Franckenfurd ingeß an biken brieff gehangen. Datum anno bm. CCCmo nonagesimo quinto dominica qua cantatur Quasimodogeniti.

66) Lersner II. 1, 844 fig. Im GStabt:NRedenbude von 1897 findet fi unter Sabb. ante Bartbolomäl folgende Stelle: „8 Sch. eim knechte, ber vor zuben von ber ſtede wegin mit eim Farren by nachte fure gein Aſchaffenburg, als ber Vitztum der ſtede biener in ber meh nyderwarff“.

67) Stadt-Rechenbuch: Sabb. ante Perpetu& (8. März) 1897: 2 gulben eim gefhendt, der und von greve Zohan von Naſſau einen brief von Rome bracht, ala er uns fchreib, daß er baz bißthum zu Denke be balden bette.

68) Stabt:Rehenbuh: Sabb. ante Udalrici 1896: 8 gulben eime phaffen, ber Dilman botjchafft gein Rom brachte; Sabb. ante Eliſabeih 1396: 100 Pfb. 74 Pfd. 12 Sch. han wir in dem kriege von ber paffheid wegin uzgegebin,

Anmertungen zu V. 499

des fin mit namen Dilmans bes richters bufframe zu zwein malen worbin 12 Pfd. und dann 45" gulden Hanz Warmut, baz er Dilman 40 gulden mit eim weßil zu Rome beflellin folde, und bie uberige 90 gulden bern Peter von Ingelnheim, die Dilman by yme zu Rome virkert batte; Sabb. ante Ambrofii 1397: 5 Sch. 8 Hell. virkerte eins erbern berren knecht von Straßburg, ber in ber ſtede fache zu Rome auch geworben bad.

69) Stadt⸗Rechenbuch: Die Nativ. Mariä 1397: BDylman ber richter gein Mente von eins gefangin paffin wegin; Sabb. poft Matthäi 1397: Dilman ber richter gei Menge zu capittel von eins fchulerd wegin, der geſworn hatte groffe eide; Sabb. ante omnium fanctorum 1997: Dilman ber richter zu bem capittel zu Mentze als von ber paffbeib und interbicte wegin; Vigilia Matthid 1398: 2 gulden virgerte ein phaffe, ber gefangen Tag von eins pherds wegin uff alden brucken thorn; Sabb. ante Servatii 1898: 1 gulden von eim inftrument zu fchriben von bes phaffin megin, ber bie gefangen Tag, umb baz er ein pherb entruben batte.

70) Stadt-Rechenbuch: Sabb. poſt ommium fanctorum 1897: zwey bufent gulden han wir gegebin bern Johan ergbifichoff zu Menke und han ym da myde abgefaufft zweyhundert gulden geldis wyderkauffs, die er ung pirgifelt und virfchrebin bat nach Tube des brieff3, ben wir barüber ynne ban.

71) Stadi⸗Rechenbuch: Sabb. ante Jacobi 1898: 6 gulden 8 Sch. umb ein abfolucien, als fehultheiß und fcheffin zu banne waren fommen von Dulden Bart3 wegin.

72) Stadt-Rechenbuch: Sabb. ante Perpetuä 1400: „40 Pfr. 12 Sch. han wir uggegebin in ber face, als Dulde Bart und Nefe von Binge zu Mentze geiftlichen Friegin, und als Dulde ein orteil enphallen ift und er appellirt bat, und auch die fache gein Rome beftalt bat, und komet bie ſache dar von des hering underfauffes und befehind wegen”. Außer an diefer Stelle wird bie Sache noch oft im Nechenbuche erwähnt. Uebrigens war Dulde Bart ein Frankfurter Bürger, welcher ben Unterfauf von ben Häringen gepadhtet hatte.

78) Stadt⸗-Rechenbuch: Sabb. poft Martini 1898: 8 gulden unſers herren von Menke dryn piffern gefchendt, die er und ſchichte von find bruder dochter hochczyd wegin; Sabb. poſt Gregorii 1399: 2 gulden 8 Sch. umb einen barhan hern Volprecht Nietefel, unſers berren von Mentze bofemeifter, gefchendt zu finer ritterfchafft; Sabb. poft Bonifacii 1899: 7 gulden 1 ort umb fiſch unferm herren von Menge und unferm herrn dem bergogen ges Ichendt, al3 fie von Margpurg ber qwamen und bie burch ribben.

74) Stadt-⸗Rechenbuch: Sabb. ante Dominicam Neminifcere 1399: 300 gulden 8 gulden 17 Sch. 8 Hell. Han wir uzgeben von ber fadje wegen, als wir Dielman gein None gefant hatten, umb etliche fache zu erwerben, und er erwarb, dak man in iglichir mefje und viergehen dage vor und vierzehen dage nach der meſſen fingen fulle, des hat Dielman fur fin arbeit und muwe geburt 60 gulben.

32°

500 Anhang.

75) Stabt:Redenbud: „Sabb. ante Perpetul 1400: 600 Pfb. 14 Pfb. 2 Sch. ban wir uzgegebin gein Rome, als und des Richs privilegien vom bei wingartben bergeß wegin uzwendig Saſſ. und kunig Richards comfirmacien von ber paffheid wegin befaginde und fufl zwo ander confirmacien be3 Richs confirmirt wurde, und und gegebin bes babſtes confervatorium uber alle unfer gnade und fribeib. Stem, 80 gulden Dilman Gaf bem richter zu zerunge gein Rome, bie egen. fache zu werben.” Mit ber erwähn ten Gonfirmation Richard's in Betreff ber Pfaffheit kann nur ber bei Böhmer p. 117 mitgetheilte Onabenbrief gemeint fein. Wie ſchwierig bem Kädtifchen Unterhänbler feine Aufgabe in Rom gemacht wurde, geht aus folgender Stelle des Stabt:Rechenbucheß hervor, welche zwar erft ein Jahr fpäter aufgezeichnet if, fi) aber nur auf ben Winter 1399 auf 1400 beziehen kann, weil in ber Zwiſchenzeit Dielmann nicht wieber nach Rom gegangen war. Die Stelle lautet: Die Georgii 1401: 10 gulden han wir von Dilmans bed richters wegin gein Rome gefant, als er mit ber flede bullen und brieffin ba arreftet waz.

76) Nachdem das Rechenbuch fon im März von Verhandlungen, weldye wegen biefer Sache mit bem Erzbiſchof gepflogen wurden, und im April von beffen Borladung derjenigen Ratböglieber, welche bie päbflliche Bulle wegen des Meſſegottesdienſtes ben Geiſtlichen infinuirt batten, gefprodhen bat, findet fi endlich unter dem 5. Juni bie Notiz: „200 gulden unferm herren von Menge und 10 gulden finen ſchribern und 20 gulden bem biſſchoff von Sleſewig umb unfers herren von Menke vibimus ber gnaben unb Bullen von unferm geifilichen vater dem babfte von Rome, baz man in yder meß zu Frand. und 14 tage bavor unb 14 tage darnach fingen ſal.“

77) Dieſe Vicarie, weldge der Rath dem Sohne Clawes Betzel's verliehen hatte, wirb in ben Rechenbüchern oft erwähnt, indem ibretwegen viele Sendungen und Verhandlungen gemacht wurden. Sie wirb bie Vicarle auf ber Brüde ober auch der Altar und das Beneficum auf der Brüde genannt, und ber Procurator Friedrih von Wonneden war ihretwegen nad Mom gefenbet worben.

78) Stabt:Redenbuh: Sabb. ante Bonifacii 1402: 18 Sch. minus 4 Hell. ban des Rades frunde virtzert uff ber farporthe uff unfers herren lichams tag, ala fie die paffen geladen hatten und nit mit in effen wolben.

79) Ebendaſelbſt wird unter Kiliani 1402 biefe Sendung nit ben Zufahe berichtet: „als fie unfern herren ben Fonig von des Rads und flete wegen, als er von welchen Ianben wiber beruß Tomen waz, enphingen und im des Rads und ſtede fache und notborfit von bes biffchoffes und paffen wegen au ergelen.”

80) Ebendaſelbſt Eabb. poſt Margaretbä 1402: 1 gulden unfers herren bei koniges ſchribern, einen brieff zu machen an ben biffchoff von Mentze von des gerichtiß wegen zu Hofeheim, als Heinrich ber fchriber da ufigehalden waz und man uff ber burger gube clagete.

Anmerkungen zu V. 501

81) Stadt⸗Rechenbuch: Sabb. ante Jacobi 1402: 14 groß von dem, ber gehangen waz unb berabe viele und zu guben Iuden begraben waz uff bem kirchofe und bie paffen meinten, baz bed nit fulde fin, bie wyle man bie virboben Batte von Herman Burggreve wegen zu begraben, und man in zu guden Inden mufte ußgraben und uff daz felt mufte begraben; Martini 1402: 5 gulden bern Conr. bem wibebifchoff von dem Pirchof zu guben Tuben zu wihen, als bie paffen meinten, daz er entwibet war, umb daz man einen Juden, ber vom galgen fiele, ber Griften glauben an fi) genommen hatte, dauff begraben hatte, und als man bie firictiffimum interbict. hielt; Sabb. poft Nicolai: 82 Sch. 8 Hell. umb 14 phund waſſ und zu machlon unb umb zubber, ald man ben Tirchoff zun guben Iuben wider wihete; Sabb. ante Antonii: 14 groff umb 14 elem linenduchs, als man ben Firchoff zu gudenluden wider wibete.

82) Ebendafelbfi: Sabb. poft Nativ. Mariä 1402 wird eine Zahlung gemacht,

„ala meifter Heine. Welder den Rab und gemeinde zu verentworten hatte, als fie (gein Menge) citert waren umb gemeinfchafft bennigen luden zu tun.‘

88) Stadt⸗Rechenbuch: Gertrubis 1408: Dilman ber richter gein Heidelberg, als er mit ben brieffen von ber meſſe wegen zu den boctoren bar gefchicht waz, iren rat zu nemen bauff, als ber bifhoff von Mentze und bie paffen meinten, baz3 ber babeft bie gratien widerruffen hette, und fie auch nit fingen wolben.

84) Ebenbafelbft beißt es unter Sabb. ante Urbani 1408, ber Procurator Dringftobe fei nach Mainz geſchickt worben, „bie hantwerde zu verantworten, als fie geladen waren von gemeinfchafft wegen, als fie eim fulben getan han.”

85) Stadt⸗Rechenbuch: Sabb. ante Mariä Magbal. 1408 wirb zuerft bemerkt, daß ber König damals nach Frankfurt gefommen fei, um eine Ausfähnung zwiſchen dem Erzbiſchof von Mainz, welcher jedoch nicht erfchten, und bem Landgrafen von Hefien zu Stande zu bringen, und ba ber Rath ihm Wein und Hafer im Werthe von 75 Gulden gefchen?t Habe. Dann werben bie 80° Gulden betragenden Gefchenke an feine Schreiber, Thorhüter, Boten und Pfeifer angegeben. Hierauf beißt e8 weiter: Item, fo ban wir dan duſent gulden gefchendt unferm herren dem kunige zu befundern bebegelichkeit umb bes willin, daz er igunt nulings zu Winheim und zu Hemſpach mit bertzoge Ludewig, bertzoge Stephans fon, unb burggreve Friederich von Nurenberg und andern finen reten, bie er volletlih ba by hatte, grofien Toflen und arbeibt von unfern und ber flete wegin gehabt, als wir mit unferm berren von Mentze und der paffheid zu Franck. gericht wurbe, unb als er auch vor in ber felbin ſache groffen Foften und muve uff tagin von unfern wegin gehabt bat zu Winbeim und zu Oppinheim, und auch fin fon berkog Ludewig als des Richs vicarius zu der zyt auch zu Winhelm und zu Oppinheim von ber felbin fache wegin unfer tage geleift bat, barumb wir in vor nicht geſchenkt noch gegebin hatten. Item, 40 Pfd. umb hundert

502 Anhang.

achtheil habern gefchendt hertzog Ludewig, hertzog Stephans fon von Beiern, unb burggreve Frieberih von Nurenberg, umb baz fie von unferd berren beö Tuniges wegin unfern tag zu Winheim unb zu Hemſpach gar gnedeclich geleiftet, ald wir mit bein bifch. von Menge und der pafiheid zu Franck. gericht wurden”.

86) Stadt-Rechenbuch: Sabb. poft Margaretbä (14. Juli) 1408 wird eine Sendung an ben König gemeldet, „baz fine guade wulde an unfern herren von Menke tun werben, daz ber rachtunge zuffchen im und uns nadge gangen wurde”. Schon 14 Tage nachher reiften einige Rathéglieder auch zum Erzbifchof felbit „von etzlicher artidele wegen, ala dem Rabe und ben iren baran broft waz, die in njt vollentzogen waren nach lube der richtunge unb funderlihen von der fommer zu Hofeheheim und Herman Schelt. wegen”. Nachher veranlapte die Nichterfüllung bed Vertrages noch andere Seudbungen.

87) Ebenbafelbft: Aegidii 1408: „O gulden Johannes Myntzenberg bein procu- rator gein Mentze, ald er meifter Heinr. Welber, Heinrich ſchriber, Dilman bem richter, Mathys Thome von Berlin, Johannes Kiften und Sifrid bem ſchriber in ber face, als fie Buman gelaben und gebannet hatte, umb daz fie baby waren geweit, daz Wydekinds brieff gein Neden zu ſant Leonharb gelefen wurden uber bie decheny und prunde, gebienet hatte und ir pro- curator geweft ift, und umb bie abfoluticien, als beö der Nat ubirfommen iſt“. Sabb. poft Valentini 1404: „13 gulden 1 Sch. han wir uggebin in ber ſache, als Buman von unferd berren bes bifichoffes von Menge wegin (er war deſſen Procurator Fiskal) in der fache zufihen Widekind Saltzman und ber Joh. Reden angelanget hat meifter Heine. Welder, Dilman ben richter, bie fchriber und etliche bes Rads bdiener, und wart des gelte mit namen 3 gulben Gonr. Grunauwe procurator, Dilman 7 gulben, bie er zu Menge virkert hatte und eins teil ben notarien gegebin, Heinr. fchriber 19 groß, 1 gulden Matbia, den er umb im procuratien gab, und 6 groß, die Sifr. der ſchriber uzgab“.

88) Ebenbafelbft: Sabb. poft Craltat. Eruci® 1408: 12 Sch. Dringfiobin (er war Procurator) gein Menke, ben Rab zu verantworten, als man fie geladen hatte umb gemeinfchafft, die fie bennigen luben getan fulben han.

89) Ebendaſelbſt: Sabb. pof Andrei 1408: 100 Pfb. 25 Pfd. 8 Sch. 8 Hell han wir uzgegebin zu ber zyd, als bie paffbeib zu Franck in ber faften meß nit fingen wolbin uff unſers geifllichen vater des babſtes friheibe und privilegien, und wir bie pafiheid darumb in des babſtes bann brachten, und auch da von dem richter, abvocaten unb procuratoren zu lon. Sabb. ante Purif. Mari 1404: 300 Pf. 382 Pf. 7 Sch. 6 Hell. Han wir uzge⸗ gebin, als wir meifter Heint. Welber gein Rome ſchichten und er wol uff bri virteil jars uzgeweſt ift, und waz baz in ber fache, als wir krieg hatten in geifllihen fachin mit unferm herren von Mentze und bern Jacob Buman, fim procurator fifcal, und der paffheid zu Franck. in mandin ſachin, und als der babft vil revocationes getan hatte, und meifter Hein. vorg. behilt

Anmerkungen zu V. 508

von bem babfi ein beſundern gnade und beclaratien, daz daz privilegium, als wir ba, baz man in ben meſſen und ein zyd vor und nach fein ceſſa⸗ tion noch interbict berlegin fal, daz daz in ber revocacien nit begriffe if, und bat meifter Heinr. vorg. baz egen. gelt all uzgegebin, und ift ime auch ein teil gnommen, und bat er iz auch fafte virtzert zu Paſſau in gefengniff, als er 14 wochin gefangen lag, biß uff 40 bucaten, bie der rab nod zu Rome bat ligen binder meifter Widekind Saltzman. ten, 42 Pfd. 4 Sc. Jan wir zu botfchefften uzgegebin, als meifter Heint. vorg. 14 wochin gefangen lag, zu erfarn, ob er tot ober Tebendig wer. Sabb. poſt Marci 1404: 85 gulden meifter Heint. Welder gefchendt ubir ſynen Ion, als er bru viertel jares gein Rome gefchicht waz und auch underwegen ba bynnen gefangen und ufigehalden.

9) Bom 28. Juni an wurden, nad bem Stabt-Rechenbuche, drei Wochen lang bie Wachen ar ben Stabithoren verftärft, die Schläge auf den Landftraßen Nachts bewacht und ebenfo in jeder Nacht Leute ausgeſchickt, welde um die Stadt herum ziehen mußten, unb zwar weil ber Erzbifchof mit feinen Truppen in Ober⸗Erlenbach lag. Sabb. poft Jacobi aber heißtes: 4 gulden Edart von Hapfeld, ald man im gab vur ein phert, baz er virborfft meinte zu ban, als ber Herman von Robenflein und zwene unjer biener mit im folben zu bern Herman von Garben riden von unfers herren des koniges wegen, und bie biener ba fine knechte zu Elwenftat in gefagit hatten, und daz in fruntlichkeib gerebt wart, wie wole fin Inechte, und die mit in ba waren von unfers herren von Dinge wegen, bern Hermans von Roden⸗ fein knechte einen, als in ber bie warte hinder in in nam, gefangen hatten.

91) Nach dem Rechenbuche unter Sabb. poſt Petri in vinculis 1404 ſchickte ber Rath den Schreiber Peter zum Konig, um „zu werben von be geleibs wegen zu ber meſſe, als unfer berre von Mentze die kauffmanſchafft zu Selgenftat und anderſwo ließ nyderlegen“.

92) Stadt⸗Rechenbuch: Sabb. poſt Martini 1404 wird wieder an ben König ein Gefanbter geſchickt „von ber fache wegin, als ber official brieffe plyget zu gebin von eigind und erbiß wegin“; und basfelbe gefchieht Sabb. poſt Epipban. 1405 „von ber paffin wegin, ala fie meinten fry zu fißen”.

98) Diefe gegenfeitigen Zahlungen find im Stabt-Mechenbuche unter Sabb. ante Zuch und Feria quarta poſt Luclä 1405 eingetragen.

94) Stadt⸗Rechenbuch: Bigilia Decollat. Johannis 1406: 2 gulben Joh. von Geilnhuß dem notarius von eim infirumente zu machen, als ber dechan ber official die burgermeifter und ber ſtede arkt in dem Fronhofe befloffin hatte und fie bie muren uff daruz fliegen.

95) Stadt⸗-Rechenbuch: Decollat. Johannis 1405: „100 gulden 57 gulben 8 Sch. 8 Hell han wir ußgegebin in ber fache, als Heinr. von Colmenach vier bed Rads frunde befundern und fuft fcheffen und Rad gemeinlich gein Rome per citatien gelaben hatte, und Dilman ber richter mit zwein pherben zu Heibelberg Iagin, und eins weßelbrieffö beybte, und auch unſers herren bed kuniges brieffe an unfern geifllichen vater ben babſt, und ber

504

Anhang.

babſt in fin bullen und brieffin bie ſache wider ber uz ſante und befalh unſerm herren dem funige”. Der anderen Stellen des Rechenbuches, welche dieſe und Gerſtungen's Sache betreffen, ſind fo viele, daß fie nicht mitgetheilt werben konnen.

96) S. Anm. 89. Im Stadt⸗Rechenbuche heißt es Decoll. Johamis 1406:

97)

3)

#)

100)

10 gulden bern Joh. Heilgenftein gefdhendt, als er von Rome gmam und meinte, bad er ber ftebe beſtes fafte geworbin heite und worter werben werbe; Sabb. ante Nicolai 1405: 50 gulden an gelde und dan 11 gulden umb ein balb buch gefchendet bern Wibelinde Saltzman, dechan zu jant Leondharb, als er dem Rabe und der Stadt und eblichen ben tren manden binft in dem bofe zu Rome getan bat, und darumb und anbers umb alle anſprache uff den Rab bat virkiegin.

Stadt: Rechenbud: Sabb. ante Petri in Fatbebra 1406: 4 Sch. des phet⸗ rers ſchuler gefchendt, als er ben burgermeiftern und dem ridhter brieft, bie ben Rat und flat angeen, zu wiſſen hıt.

Ebendafeldft werden unter Vigilia Pafg& und unter Sabb. ante Tiburtü 1407 Senbungen nah Mainz zu bed Biſchofs Räthen mit bem Zuſahe angezeigt: „in beimlichfeib zu reden von ber paffheid unb anber ſache wegin.” Drei Wochen fpäter aber (Sabb. ante Walpurg.) beißt cs, man babe Malvafier und wälſchen Wein gekauft, um benfelben bem En bifchof, ala er vor ber Stabt bin fuhr, zu ſchenken.

Nach dem Stadt: Nechenbuch gab man ben Schreibern besfelben BO Gulden, feinen zwei Portenern je 25 Gulden, fowie feinem Hofmeifler und dem Bisthum im Rheingan zufammen 120 Gulden.

Die Worte des Stadt-Rechenbuches (Sabb. poft Eraftat. Crucis 1407) find: 600 gulden Ban wir gegeben unb geſchenckt unſerm herren hern Joh. erpbiffhoff zu Mentze, und im barku wibirgeben einen brieff, ald wir von ime und finen goufeln inne hatten, der da befagit ubir 2000 gulden, bie wir im geluhen hatten zu ber zut, als er zu dem biffcätume des erſten qwam, und uns davon virfchrebin hatte, 200 gulden geltes wibirfauffes ierlichs zu geben, bie auch uff 10 jare virfeffen waren, ba} fi bie virfeffen gulden aud uff 2000 gulden traffen, und fchandeten im baz vorg. gelt, und gaben im ben egen. brief wiber zu ber zyt, als er und mit ber paffbeib gutlich rachte umb alle fache nach lude ber brieffe barubir gegeben, und er fich auch vur fi, finen flifft und nachkommen mit und umb alle anſprache von des ungelteß wegen und auch fuft richte, und und dartzu eßliche ander artifel von der meſſe fehurunge wegen und umb geleide und auch fuft virfchreib nach lude der briefe darubir gegeben.

101) Stadt-Rechenbuch wirb unter Sabb. poft omnium fanctorum 1407 ge

102)

meldet, bag eine Gefandtfchaft bes Rathes an ben Erzbiſchof geſchidt worben fei, weil „bie paffin bie richtbriefe noch nit verflegelt hatten.‘ Ebendaſelbſt: Sabb. poſt Nativ. Ehrifti: 2 gulden umb daz inftrument von bes Gerſteniſels wegin, als er einen ganken virtzog uff den Mad und flat getan bat.

Anmertungen zu VL 505

108) Nach dem Rechenbuch von Sabb. ante Argibii 1408 wurden damals meb: rere Rathsgliebder nach HöhR gefandt, „als unſer herre von Menke ber paffheit und dem Rade vur fih und fin rede bar befchiet und ubir einer mumwen entfcheidung von der rachtunge wegen ußrichtete, aljo daz ber Rab und flat by der rachtunge in allen artideln bliben folbe underrudt und fonderlih von bes Gerſtungen wegen.”

Anmerkungen zu VI. Der Aufftand von 1525 und Frankfurt's Berhältniß zum Bauernkriege.

104) Schon aus dem Jahre 1494 berichtet ber Frankfurter Dominikaner Herp (Senckenberg, Sel. juris II. p. 24), baß bie Vicare der Liebfraukirche wegen einer Dirne in Zwietracht gewefen feien und einer von ihnen einen anderen getöbtet habe. Gin anderes Beifpiel von geiftlicher Liederlichkeit jener Zeit gibt Kirchner I. S. 518. Der zweite und ber fünfundvierzigfte Artikel ber von ber VBürgerfchaft am ben Rath gemachten Forderungen find gegen die gefchlechtlichen Ausſchweifungen gericgtet, und zwar namentlich gegen bie ber Geiſtlichen. Königſtein meldet unter dem 26. April 1525, daß an dieſem Zage vier Führer der erbitterten Bürgerfhaft in bie Wohnungen licher Prälaten, Ranonifer und Vicare gegangen felen und biefen im Namen ber Bürger gefagt hätten, fie follten ihre Mägde aus dem Haufe thun umb fi) vor Schaden hüten, was auch geichehen ſei. Ginige Jahre fpäter (16529) orbnete der Erzbifhof eine Bifitatton der Stifte an, und diefe Tieß fi vor allen Dingen bie Austreibung ber Mägde aus ben Wohnungen der Geiflichen angelegen fein. Xrop biefer Bifttation ſah au der Rath im folgenden Jahre ſich kurz nad) einander zweimal ge: ndtbigt, die Mägde der Pfaffen fortzujagen. Jene Vifltation war vom Erzbifchof aus den drei Gründen befohlen worden, weil ber Gottesdienſt nicht mehr im vorgefchriebener Weiſe gehalten werde, weil in ben Stiften Zwietracht berrfche, und „weil bie Geiſtlichen ben Laien in Büberei bei Nacht auf der Gaffe mit Meflern und mit anderen ungiemlicyen Dingen ein böfes Beiſpiel gäben.” Den Pifltatoren warb unter Anbern auch durch eines der ausgezeichnetſten Rathsglieder, Hamann von Holzhaufen, binterbracht, daß ein Kanonikus bes Bartholomäus: Stiftes und einer des Liebfranfiftes Eheweiber und Jungfrauen verführt hätten. (Alles nad Königftein’d Tagebuch). Diefe Entartung ber Geiſtlichkeit kam übrigens ebenfo ſtark umd zum Theil noch ftärker auch am amberen Orten vor: man .vol. 3.8. Jäger’s Ulm, S. 505 fig. Für Frankfurt Könnten aus ben Urkunden des Stadt: Archivs noch manche weitere Beiſpiele bed höchſt an⸗ ſtößigen Benehmens der Geifllichen gegeben werben.

105) Königflein unter dem 5. Mai 1525: „Doc fin vill der boken buben under inen (den Zünften) geiveft, bie vermeinten, bie geiſtlichkeit umb juden, auch bie deutſchen Seren uff die Fleiſchbanck zu liebern“. Raths= Pro: tofoll vom 4. Mai: „Als dem Rat landtmanns weiß anlangt, wie bie

606 Auhanz.

buern die teutfchen herrn und bie Judden vertilgen wollen: uf morgen bie zunfft verbotten und inen die warnung anzeigen und erfarn, was fie by dem Rade thun wollen.“ Hierauf antworteten (nach dem Aufruhr⸗ buche) diejenigen Zünfte, bei welchen die Sache zuerſt vorgebracht wurde: fie wollten beim Rath und bei ber Gemeinde Leib und Gut laſſen, aber „die geiſtlichen und Judden wollen fie, wo ber flabt ober inen daraus fhabde entſteen follt, gar nit verantworten.” Im Raths-Protokoll vom 9. Mai heißt es: „WS ber trapirer ſich beclagt, wie etlih zu Safſenhuſen ben fcheffer uff irem boff durch ben fopff hauwen wollen: ime fagen, fi glimpflich zu halten mit bem triben.‘

106) Die Inſtruction enthält Folgendes: „uff ben ſechßten und enifften art. mag der Rat Inden, baß bie ewigen gulten uff eyn leſung geflelt werben, wo brieff uber fin; aber bie gulten, bo nit brieff uber fin, baß den bar umb nicht gegeben werben fol, iR hochlich zu bedenden; dan nit alleyn burgere, funder ußlendige, auch etlich vom abel inn biefer ftat haben; wo den nit gegeben werben folt, mocht gemenner flat eyn großer unrat entfiehen, wo fie vor dem Regiment ober Gamergericht verclagi wurden, bo €. R. dag villicht nit erhalten Tonte unb bar umb inn bie acht erfant wurde, was eunem E. R. und gemenne bar entfichen mocht unb warlich gank virberben. Wiewole E. E. R. vormals mit den herren zu Sant Bartbolomeus auch gehandelt haben und zu letzſten, be nit brieff uber geweſt weren, das bie abloflg wurben, wolt E. E. R. mit iren burgern auch reden, das ber glichen beide, ufßgefcheiben wes vererbet ober verluben guter weren unb das glaublih bybracht wurde, folten nit ab- geloft werben; fie haben das aber nit erlangen mogen.“

107) Dies wirb im Aufruhrbuche gemeldet. Aus ben Worten besfelben „weiche wernumg auch trewlich durch edell unb onebdell beſchehen“ erfieht man, daß auch von außen Her warnende Anzeigen gelommen waren. In ben Ratbs- Protofollen wird ber Anzeigen von ber bevorſtehenden Bewegung nicht gedacht; wohl aber enthalten biefelben Manches, was bie herrſchende Aufregung zu erfennen gibt. Am 21. März beichwert fih ber Kaplan Rau über eine Beleidigung, weldhe ihm im Nömer wiberfahren fei, unb ber Rath findet aus Anlaß biefer Beſchwerde für nötbig, die Abldſung ber ewigen Gülten rafch zu erwirken zu ſuchen. Am 28. März werben zwei Leute zur Strafe gezogen, weil fie in der Lanbwehr und in Bornheim ge ſchofſen und babei ein Kind verwundet hatten. An demſelben Tage wird eine Petition von Bürgern, bie fi über den Kaplan Rau befchweren, vorgelegt. Am 4, April iR bie Mebe von einer anderen Beſchwerbe wegen ber Mefle: Karren, fowie von einer anonymen Schrift, welche dem Bartho⸗ Iomäus-Stifte zugefandt worden war, und wegen beren biefes ben Rath um Hülfe bittet.

108) Mönigftein fagt, ohne beide Stabtihelle zu nennen: „etlich won ber gemein‘ (d. 5. von ber Bürgerſchaft). Kellner, weldger die Zahl der Verſam⸗ melten auf mehr als 600 angibt, fagt, biefe feien aus Sachſenhauſen und

109)

110)

111)

112)

Anmerkungen zu VL 507

ber Neuſtabt geweſen. Im Raths⸗Protokolle heißt es geradezu: „Als bic Numenfietter und bie Saſſenhuſer fih uff fant Peters firchhof gethan und ein confpiracion gemacht.” Auch das Aufruhrbuch fagt, bie Neuftädter und Sachſenhäuſer hätten fi) auf jenen Kirchhof gethan und „eyn große mennig und verfamblung gemacht.“

An einem Manufeript der Uffenbah’fen Sammlung (Faust Collect. Franeof. volumen lit. O. notatum) heißt e8 von bem Erſteren: „Nico: laus Wild genannt Krieger, die weil er ewan im Krieg geweit, bat ba Wort gethan und fich trogig genug geftellt gegen feine Obrigfeit; derhalben ob fih wohl die Obrigkeit nit an ihm vergriffen und rechnen wollen, bat er doch nachmals nie fein Gunſt bei bem Math gehapt, und bat fein Leben in höchſter Berachtung ſchließen müſſen, und if faft das ganze Geſchlecht drauf gangen”. Was ben anberen bamnligen Führer, Peter Dordel, betrifft, fo erfcheint derfelbe im weiteren Berlaufe ber Bewegung nicht mehr, fondern an feine Stelle tritt alöbald der Schubmader Hans von Siegen. Deshalb heißt es in einer von Fauft mitgetheilten kurzen Beſchreibung des Aufſtandes: Duo ex infima plebe, alter sutor, alter sartor, seditionis fuere capita.

Königfiein und nah ihm Kirchner fagen, es feien bereits in biejer Rathsſitzung die Beichwerben der Bürgerſchaft ſchriftlich eingereicht worden. Das Raths-Protokoll fagt hiervon nichts; und auch ber am 18. April gefaßte, am 19ten ausgeführte Beſchluß des Rathes, ein Manifeſt an bie Bürgerfchaft zu erlaffen und fie zur Aundmachung ihrer etwaigen Beſchwerden aufzuforbern, zeigt, daß Feine ſolche Schrift übergeben worben war.

Die 21 Zünfte, welche im Ausſchuſſe vertreten waren, find: bie Wellen: iweber, Metzger, Bäder, Schufter, Schmidie, Kürfchner, Fifcher, Schneider, Löwer (Löher), Bender, Barcpentweber, Weißgerber, Hutmacher, Stein: meben, Zimmerleute, Sattler, Steindeder, Schreine, Scherer, Schröder und Sadträgerr. Die Gärtner waren nicht beſonders vertreten; aber fie find offenbar vorzugäweife unter ben Neuftäbtern zu verfichen. Dies geht auch aus ber Bemerkung Königfein’s hervor, ber Ausſchuß babe aus je zwei Mitgliedern jeber Zunft, vier Sachſenhäuſern und vier Gaärtnern, beftanden. Doch find nachher im Mai bei dem bamals er: wählten Ausſchuſſe bie Gärtner und bie Neufläbter von einander gefchieben. Auch betrug damals die Zahl der Zünfte 22, indem ber Sadträger nicht gedacht wird und bagegen die Gärtner und die Müller als zwei Zünfte ericheinen. Unter ben Letzteren find wahrfcheinlich bie Fruchtmeſſer und Sadträger zu verfichen.

Seine Berathungen ſetzte freilich der Rath auch In jener Woche fort, unb zwar mit foldem Gifer, daß er dom Dienstag an bis zum Gnbe ber Woche nicht weniger ald fünf Sigungen hielt. Allen gebieten konnte ex während biefer Woche nicht das Geringſte. Das Aufruhrbuch drückt bies secht flark mit ben Worten aus: ... . . fo Haben doch fie vom ber ge mannbe, fonberlich bie ibenen, jo dem onwillen, neid, zandh und werberben

508

Unbang.

bieffer Tobfichen ſtadt fiir andern obzuliggen geneigter, und eflidhe, fo villeicht aus anderer raytzung unb urſachgeben ober bewegen zur aufrurh meh dann mandyer bibbermann in ber gemeynde gefchidt und lußtig geweſt. in bieffen ſachen foviel gehandlet und eyn follichs gelawffb in harnaſch gehapt, daB E. E. Rath on all vorgehabt rechte obberfayt und regiment geptetens und verpietend halben ben gedachten Donnerstag, Fryttag und Sambstag des morgens, auch nit anders gefeffen, ban als verlaeßne, verrathene unb vergwalttigte wayßen unb als bie jjenen, bie ires leibs, Lebens, irer eren und guts nit ſicher geweh. ,

118) Snobalins (Rusticorum tamultus p. 1097) fagt: Francofurtenses

eo... potestate senatui abrogata novam curiam in aedibus 8. Antonii constituerant, in qua XXIV ex plebe delecti summam potestatem ac jus omne totius urbis usurparent (was fi, wie bie folgenden Worte zeigen, nur auf bie oben bezeichneten drei Tage bezieht und auch für dieſe nicht eine Abfepung bed Rathes bebeutet). Ac con scriptis quadraginta sex postulatis, et clerum et senatum (diefer beſtand alfo doch noch!) eo minis adegerant, ut in ea consentirent. Run folgen jene 46 Forderungen, und bann heißt es weiter: Senatus ergo, qui tumultoanti plebi resistere non posset, his postulatis die sabbathi post ferias paschales una cum clero subecribit. Diefe Worte find in drei verfchlebenen Bänden ber Uffenbaſch'ſchen Manufcripte (Collectanesa Anonymi, Schiele's Chronica Francof. und Fauſt's Collectanea) mit dem Ausbrude wiebergegeben: bie Dürgerjchaft habe ben Rath abgeſetzt.

114) Irrthümlich fagt Kirchner, Hans von Giegen babe fie dem Frau:

Reiner Schott in bie Feder gefagt. Das Aufruhrbuch bezeichnet, was für bas Verhältniß der Geſellſchaft Frauenſtein zur Empörung nicht unwichtig tft, beide Männer als bie Berfafler biefer drei Artifel, indem es nad UAnführung der Letzteren fagt: „bie fur dem beflüß vorm Rhemer auff obgemelten ſambſtag umb eylff uber des mittags in ber ylie aus Gans von Siggen's und Kaspar Schotten redden in bie feber angeben‘. Webrigens betreffen biefe drei noch zuletzt Bbinzugefligten Artitel blos bie Geiftlichkeit und ben Gottesdienſt. Sie waren nämlich folgende: erftend bie Beguinen fol man ausfterben laſſen (in den anderen Artikeln war bloß von ber Aufhebung der Moͤnchs⸗ und Nonnenflöfter die Rebe geweien); zweitens, das Gepränge mit Seelenmeſſen und Leichenbegängniften foll abgeichafft werden (theils eine Erweiterung, theils eine Verſtärkung bed vierzehnten Artikels, welcher bie Abfchaffung der Anniverfarien, Brüderſchaften und Begängniffe forderte); brittend ben lebigen Frauenzimmern, weldye „bei ben Prieſtern und anderen Perfonen unehrlich gewohnt hätten” fell nicht geftattet werden, in ber Stabt zu wohnen, „um ibre Untugendb zu treiben” (Im Grunde nur eine erweiternde Erläuterung des zweiten Artifels, befien Verbot ‚bes großen Laſters ber Hurerei” leicht nur auf bas Im Haufe eines jeben Geſchehende bezogen werben konnte, unb damit zugleich eine

116)

Anmerkungen zu VL 509

Forderung ber Abſchaffung der Frauenhäuſer). Man erficht übrigens aus diefen drei noch zulegt geforberten Arlilein, daß ben Führern ber Be wegung nicht blos das materielle und politifche Snterefie vor Augen ſchwebte, fondern daß fie auch von ebleren Motiven geleitet wurben. Auch im weiteren Verlaufe des Aufftandes Tehrt das Begehren, daß Teime Unzucht gebulbet werbe, immer wieder. Nach den Ratb3: Protokoll wird am 80. Mai dem oberſten Richter geboten, bafür Sorge zu tragen, daß bie Pfaffenmägde unb bie öffentliden Dirnen aus der Stabt entfernt werben. Schon am folgenden Tage wird biefes Gebot wiederholt. Nachher drangen bie Berorbneten ber Bürgerfchaft beim Rathe fo nachbrüdlich auf bie gänzliche Austreibung der Dirnen, daß ber Rath am 11. Juni fi zu bem Nachweiſe gemöthigt Jah, wie er ſeinerſeits dieſelbe fich eifrig angelegen fein laſſe. Ja, die Bürgerfchaft fette fogar von fi aus Leute ein, welche bie Pfaffenmägbe aus ber Stabt treiben follten, hielt (nach dem Aufruhr⸗ buch) förmlich Gericht über gefchiedene Eheleute, und zwang biefe, entweder wieder zufammenzugehen ober bie Stabt zu verlaffen.

116) Die biefen Fall behandelnden urkundlichen Stellen find aud wichtig für bie

Entſcheidung einer biftorifchen Streitfrage, nämli ob e8 nad Fichard's eifrig verfochtener Anſicht ſchon im Jahre 1525 (und fogar noch weit früher), oder, wie Römer:Büchner meint, erſt fpäter eine wirkliche Handwerkerbant im Frankfurter Mathe gegeben habe. Die hierher gehörige Stelle des Ratbe-Protokolles von 1525 (feria sexta post Jubilate) würde für bie leßtere Anficht geltend gemacht werben können, wenn fie nicht gerabe bewiefe, daß man in ben Schriften früherer Jahrhunderte bie gebrauchten Worte nicht immer nach den firengfien Geſetzen grammatifalifcher Logik verfiehen darf. Sie lautet: „Als unfer bern ber mehler gerebt fol haben, das meifter Friederich von Algey, Johan Froſch, Doctor Abolff umb ber gerichtfchriber ime fin figel von fynem brieff abgefnitten folten haben mit gewalt, und als ſolichs bem ußſchuß vorgehalten if, bat unfer bern vor benfelben durch Caspar Schotten gnab begert und wol uff gnad uff eyn torn gem: iſt die meynung, daß die jhenen, fo betichen fin, begeren, bie fach zu rechtfertigen und ben ußſchuß bitten, von jeder zunfft eyn ober zwen in zu feben, bie fach mit beiffen zu hören und alsban mit beiffen urteilen; dan ber Rat wol beyden benken bie fach befelen zu hören und zu urteilen”. Man könnte aus dem Außdrude „beide Bänke‘ ſchließen, bag es im Frankfurter Rathe nur zwei Bänke (eine Schöffen: und eine Rathöherren: Bank) gegeben babe, wie man aus bem Ausbrude „beide Bürgermeiſter“ auf das Vorbandenfein von nur zwei Bürgermeiſtern fließt. Nun befand ſich aber unter denen, welche in jener Sache zu Gerichte faßen, und beren Namen ba Aufrubrbuch verzeichnet hat, Fein einziger Schöff, woraus fchon hervorgeht, ba in bem Ausbrude, „‚beibe Bänke” die Schöffenbant nicht mit einbegriffen war. Außerbem Tommt im Stadt: Rechentuh von 1525, d. h. im officiellen Verzeichniſſe der ſtädtiſchen Einnahmen und Ausgaben dieſes Jahres, eine Stelle vor,

510

Anhang.

welche geradezu ansſpricht, daß unter ben beiben Bänken bie Gemeinde Bank und die Handwerker-Bank verſtanden werben. Dieſe Stelle (‚‚Ußgeben zu prefenk”) lautet: „Item 70 gulden geben ben Ratfrunden uf ber gemeyn band, uff ber bantwerder band unb von allen zunfften zwei perfon, von der gemeyn in ber aldenflat vier, zwene der Numeflat und zwene von Saffenhufen als byfitzer eins GErbaren Rats, ala Hen Stord wehler von etlichen fcheffen, nemlich bern Adolffen Knobelauchen abvofat, meifter Friederih von Altzey lict, Johan Froſch fcheffen und meifter Zohan Fickhart grichtfchreiber, ußgegofien bat, wie biefelben vier perfonen ime eynen verfiegelten brief uber 50 gulden gelts fagenbe eigens willen? und mit gemalt vernidtinet haben follen. Dweil nun ein ufnı under der gemeyne albie geweſt und bem beziegk nit wibberfianbt befcher fih zu tag zu tag in witherung erwachſen fich ereiget, benfelben Sen Storck fur obgemelte perfonen des Rats und bufikern (ußgenommen ben ſcheffen, fo zeugkniß geben follen) gerichtlich beclagt und rechtlich diß zum ende urteil gehandelt, und iſt iglichem ein albus zu preſentz ımb fur ire verſeumniß gegeben worden“. Nach dieſer Stelle kann die Theilung des Rathes in eine Schöffen-, eine Gemeinde: und eine Handwerker⸗Bank für ba8 Jahr 1525 durchaus nicht beflritten werben. Aber auch fiir das frühere Beſtehen biefer drei Rathsbänke gibt es urfundliche Beweiſe. Einen für das Jahr 1478 bat Kirchner, I. S. 416 fig. ud Würdtwein mitgetbeilt. Einen zweiten für 1432 bat Herr Dr. Yranz Roth neulich im Raths-Protokoll dieſes Jahres gefunden. Dort kommt nämlid Blatt 72a folgende Stelle vor: „Item meyſter Johannen Amerbachs rebe zu boren und die frunbe darczu zu machen, von iglicher bende 4 zu nemen, mit namen: Joh. Palmftorffer, Walther (e8 ift Walth. Schwarzenberg gemeint), Holczhuſen, Stralnberg; Joh. Marpurg, Clais Appenheymer, Henne Brune, Conrad Nuhus; Gilbrecht, Sifrid, Bechtold Heller, Wiczel beder“. Sogar ſchon für 1868 gibt es einen urkundlichen Beweis für jene Zu- fammenfeßung bed Rathes: es ift bie bei Böhmer, p. 858 abgebrudte Rachtung von 1958, in welcher die Vermehrung bes Rathes um ſechs auf ein Jahr gewählte Mitglieder feftgefeht, und in Betreff ber Bürgermeiiter- wahl die Beſtimmung getroffen if, daß bie Bürgermeifter aus ben Schöffen, aus dem Rathe, aus den Handwerkern oder ben neu hinzugekommenen Sechfen gewählt werben follen. Uebrigens bemerke ih zum Schluſſe noch, daß weber 1525, noch in früherer Zeit ein befonderer Rangunterſchied zwiſchen ben Mitgliedern ber Gemeindebank und benen der Handwerlkerbank gemacht "wurde. Die Lebteren erfcheinen ebenfo wie jene als Mitglieber wichtiger Ausfchiiffe und Sefandtfchaften, und führen noch 1525 mit ihnen einen und denfelben Amtstitel. Im Raths-Protokoll wie im Aufruhrbuch und in Königfein’s Tagebuch werben bie Rathsglieder der einen wie ber anderen Banf Rathsfrunde, Rathmänner, Rathaherren ober aud blos Räthe genannt. Nur in Einer Stelle (einem Erlaffe des Rathes an bie Bürgerfhaft vom 5. Mai) wird ein Dritglied der Handwerker: Bank durch

Anmerlungen zu VL 511

den Aufadruck „bed Raths“ bezeichnet, was aber offenbar nicht anders zu verfiehen if, als wenn z. B. Königſtein in feinem Tagebuch einen Schoffen zugleih Rath nennt („Am 29. April 1529 ift geſtorben Johann von Melem, Shäff und Rath zu Frankfurt‘).

117) „Am 18. Mai,” fagt Königftein, „fſind alle zünffte wibber zuſammen fommen bes morgens früh, dazu auch die nicht zünfftigen, tn bem Dongeßhoffe, daſelbſt abber ein rottirung gehabt. Alſo beichlofien, daß ber boctor hinweg bat müflen, wiewol der fawle houff Hart bawibber gewer if’. Ubrigens hat Kirchner nicht nur bie Art, wie ber Rath fi des alten Auaſchuſſes entledigte und ben conferpativen neuen an beiien Gtelle brachte, ganz überfeben, fonbern er läßt aud bie Zehener, welche bereit? am 18. Mai befeitigt wurden, fogar noch in den legten Tagen biefes Monats mit dem Rathe verhandeln.

118) Das Raths⸗Protololl vom 19, Mai, an welchem Tage zwei Rathsſitzungen Statt fanden, enthält Folgendes: „Feria ferta poſt Gantate poſt prans bium: Als etlih gemeyns perfon für Rat erfordert, if inen gejagt, daß ber ußſchuß und Zehener follen abefein und niemant ben wither gehorchen‘. Der erwähnte Entwurf eines Manifeftes ift übrigens aus dem Grunde intereffant, weil ex zeigt, daß der Ausſchuß und bie Zehener fich als eine förmlicge, über dem Mathe ſtehende Regierungsbehörbe gerirt hatten, unb von einem heile der Bürgerichaft ala bie eigentliche Obrigleit angeſehen worben waren. Er lautet nah einer kurzen Ginleitung: „Rad bem biebvor eynn außſchuß fampt etzlichen Zehennernn im Thonegiß⸗ Hooff ge: weienn, und aber baß regiment bieffer loblichen ſtadt by eynnem erbarn Rath if, wie auch dieffer ſtadt Frandfurt burgerfchafft durch den leiplichen burgeraibt ſich derhalb eynnem ©. R. von nemen verpflicht umb zugethan: fo hatt bo E. E. R. ſampt allen verorbneiten byſeſſenn glamwblich ber: funden, daß maniche perfonne ſollichs außſchuß, auch der Zehenner ent: ſchafft, und baß bie nub meh ire arbeyt darnber verſewmen, auch dweil fi daß nit geburt, nit Ienger damit bemuhet, fondern baven ab fleenn follen, Teynn wiffens trage. Darımb iſt eyns E. R., auch aller zunfft, gefelfchaffter und verordneten fruntlichs begerai: wo yemant were, fo etawas zuclagen oder juppliciren bett ober givonnen, wolt ſich als gehor⸗ famer burger und inwoner mit fupplicacion und bergiychen fchrifften und obberfchrifften an den außſchuß zu thun hinefur enthallten und ſynner trew und pfliht nad by E. ©. R. als ber obberfait finden und beruhen laffen. Deß will fih €. €. R. der pillichfait nach gentzlich veſehen“.

119) Raths-Protokoll vom 26. December 1525: „Als bie furftmeifter anbrengen, wie Aßmus Contz, cleuber Wutz, Peweshens, Siffridt Gieſſen, Hans Werners Paulus und der junge Krutener ſampt andern uff dinſtag nehſt fur Thome zwene baum im buchwald abgehauwen und fi nit haben phenden wollen, daruff Aßmus Gong und Werners Paulus angenommen: mit Aßmus Gong des walts balber witber erforfhung balten”. Des: gleichen vom 2. Januar 1526: „Als Aßmus Gunßen und Werners

812

Anhang.

Baulns erfantnus verlebenn werbenn: Aßmus Gunben feruer uund wit weh (d. i. auf ber Folter) fragenn darkı, was ine verurfacdt, auf bem fewe ward (d. i. Säumarft) under bem veld eyn ſollich geſchray zu machen: „O ir burger, fehet, alfo ſchlayfft man mid hinwegk!“; ben andern ligen laſſenn und in nach ber verpuntung fragen”. Desgleichen vom 9. Januar 1526: „Aßmus Gonken der flat verbannen, morgen bin ußen furen und by 10 myl wechß fein Iebtag nit by bie flat zu fommen, bar umb daß er, als man ine inn gefengnuß gefurt bat, zum brittemal mit Inder fiym geruffen bat: „Lieben burger, alfo fleufft man und burger zu gefengnußl” in meynung eyn uffrur zu machen, auch anderer meh urſachenn“. Deigleihen vom 11. Januar 1526: „Als Aßmus Conpen huffraw byt und begert, fie albie zu lafien, byſi fie ire wingerten verfeuffe: ire ein monet erleuben unb fagen, iren mundt zu halten”. Desgleichen vom 6. März 1526: „Als Aſmus Cuntz bievor anf gmabe dieſſer Habt uff gehen meil wegs verwießen worbenn, barıber eyn lyplichen aibt er globt, auch zu gott und ben bailigen gefhworen, baby ime auch durch beſchaidt als Biſchoff ber richter waiß befolen (db. i. babei {Hm auch durch ben bamaligen Richter Bifchoff befohlen worden war), denn orfribben und aybt zubalten unb, wo er wibder geyn Franckfurt fomme, werb er ins waſſer geworffen, welichs alles gemelter Cumtz in vergeß geſtelt und wibber herin gangen: iſt auf beſchluß eyns E. Rath vom leben zum doith erkant, allſo das er by nacht inn Mayn geworffen werbenn folle”.

Anmerkungen zu VII. Urkundliches Verzeichniß der Fraukfurter

Bürgermeifter von 1311 1423.

120) ©. bie Verordnung im Archiv für Frankfurt's Geh. und Kunſt, VIL

©. 125, fowie folgenbe Stelle aus benfelben Geſetzbuche, die fi in ber, dem fünfzehnten Jahrhundert angehörenden Feuerordnung befindet: „Der Rat Hat auch fine frunde gemacht und ben befolhen, nemelichen ben jüngften burgermeifter ber ye zu zyden iſt“ u. |. w. Uebrigend vgl. man über bie Ramen Schöffen und Ratbmänner, als Bezeichnungen ber beiben Ab— tbeilungen des Rathes eine in ben Liebfrauftiitö= Urkunden befindliche Gr: Härung der Erben ber Katharina von Wanebach vom Jahre 1892. Diele fließt mit ben Worten, es fein als Zeugen folgende Männer bei ber Ausfertigung gewejen: „ber Hanneman und Gyple von Holtzhuſin gebruber, ber Rulman Wize von Lympurg, genant Scheffin zu Frandinforb, ber Heilman Schultheyze von Eficherfheim, Culman Cunrads Zaus eyden und Velmar von Byeberahe, genant Ratherren zu Frankinfort“. Noch iſt zu bemerken, daß ber Schöff ala Mitglied des Rathes auch Rathageſelle genannt wurde. In einer Urkunde des Leonhards⸗Stiftes von 1878 3. B. beißt Helle Froſch „unſer middeſcheffe und ratgeſelle“;

Anmerkungen zu VII. 513

nnd ebenfo wirb in einer eben folchen Hrfunde von 1898 Salob Klobe⸗ lauch der Junge genannt.

121) Es if dies wohl zu beachten, ba man mitunter, irregeleitet durch ben altrömifchen Gebrauch de Worte Proconsul, es jo verftanben hat, als wenn Consul ben eigentlichen Bürgermeifter, Proconsul aber deſſen Stell: vertreter in Fällen der Erfranfung u. f. w. bedeute. Selbſt Yeyerlein beging, mit ſich felbft in Widerſpruch geratbend, ben Irrthum, baß er Consules für gleichbebeutend mit Bürgermeifter nahm (Machträge, IL ©. 157 flg., 171 flg.). Consules beißen ftet3 nur die Rathmänner, und unter ihnen find auch die Blrgermeifter mit begriffen, fo baß fie manchmal gar nicht befonderd erwähnt werben. So beginnt 3. B. eine Urkunde bes Yeankfurter Karmeliter- Klofters von 1313 mit den Worten: Nos Scul- tetus, Scabini ac Consules oppidi Franckenfordeni, gerabe wie in einer deutſchen Urkunde des Leonhard: Stiftes von 1331 vorfommt: Erſtens, „it Schultbenze, Scheffenen und ber Rad gemeyne ber ftab zu Franken⸗ ford‘‘, unb zweitens: „Wir Schultheyze, Scheffin und Ratlube zu Franken: vord. Das Wort Rath wird deshalb auch mitunter burch Consulatus überfebt; 3. B. eine Urkunde der Frankfurter Sohanniter von 1278 beginnt fo: Nos Heinricus scultetus, scabini, consulatus et universi cives Frankenvordeni. elegentlich bemerke ih, daß ich einmal ben Ausdrud Rathsglied auch burch Coconsul überfeßt gefunden babe. Es kommt dies in einer Karmeliter: Urkunde des Frankfurter Stabt- Archivs von 1400 vor, in welcher bie Richter und Schöffen der Stadt Düren einen bortigen Bürger fo bezeichnen: Gobelinus dietus ante Portam, Coconsul.

122) Stadt: Rechenbud 1402: „A gulden Cleſen Winther von 9 wochen uff ber fiebe rentfiften zu fipen an ‘ob. Erwins flat, als er zu burgermeifter gekorn wart”. Im Rechenbuch von 1410 wird unter ben Beedern Ewald

Ortenberg mit dem Zuſatze genannt: „der nu an Sediln Brunen ftat geforn if, bie wile berfelbe Sekil zu burgermeifter gekorn iſt“. Das Gleiche wird in Betreff der Erſetzung eines zum Bürgermeifter Erwählten im Sabre 1411 gemeldet.

128) Wie Kirchner in den Anfichten, IL S. 111, getban bat. Webrigeng wirb im Stadt: Rechenbuch gegen das Ende des vierzehnten Jahrhunderts nur des Belages der Handwerker⸗-Bank bei ber Bürgermeifter- Wahl erwähnt (einmal mit dem Zuſatze: als fie [die Mitglieder der dritten Bank] jährlich zu thun pflegen). Erft 1405 kommt wieder ein gemeinfchaftliches Mahl ber drei damals beſtehenden Räthe vor.

124) Die Bänke der Rathsglieder werben im Nehenbud von 1382 (Sabb. poft Urbani) mit folgenden Worten erwähnt: „5 Pfb. minus 8 Sch. umb baz buch in die yo ratftuben uff die bende und bazfelbe duch zu geumen unbe umb gogeler bar zu”. Die Kiffen werben oft erwähnt; 3. B. 1886 wurden „AO lyddern koſſen in bie ratſtube“ gefauft, 1892 wurben „bie kuſſen in ber ratftoben gepladt”, 1897 wurben „vier felle bie kuſſen in ber ratftobin zu pladen’ gekauft, fowie 1898 zum gleichen Zwede Leber, 1400 wurden

Kriegk, Frankf. Bürgerzwifte. 53

514

Anhang.

fogar „45 kuſſen von Goln In bie ratftobin” angefchafft. Der Bürgermzeifter: Sitze gedenft dad Rechenbuch von 1885 mit ben Worten: „2 gulben mb die numen ſyddeln unbe dafeln in ber ratfluben, ba bie burgermeifter uffe ſyben“.

125) Das eine Beiſpiel führt Lersner, II. 1. ©. 167, von Rulmann von

Lymburg ar, welcher 1323 Bürgermeifter war. folgender Stelle de3 Rechenbuches von 1881 (Sabb. poft Pırificat. Mariä 1382): bus zu Burnheym zu bewaren, alß be von ber ſtede wegin gerebin wa”. Ebendafelbfi fommt (Sabb. ante Tiburtü) bei den Ausgaben für ben Kriegszug gegen Schotten unb Bommersheim Folgendes vor: minus 2 Sc. dren knechten, elf bage uff Adulff Wieſſen huß zu huden, alß he vor Schotten lag“.

Das andere findet fich in

„Judinhoffen felb drytte 27 groß, dry dage Adolffen Wißen ſin

„lo Pfb.

Anmerkungen zu VIII. frankfurt’ nädhfte Umgebung im Mittelalter. 126) Fichard (Wetteraria 33) fagt mit Beſtimmtheit, das Nieberholz fei im

Jahre 1279 ausgerodet worden. Died ift jedoch nicht richtig, Die von ihm angeführte Urkunde (Böhmer, p. 188 sq.) befagt nichts weiter, als baf bamal3 einige Huben bed Nieberholzes verkauft worben fein. Auch

werden bereit ein Jahr fpäter in einer anderen Urkunde (Böhmer,p. 197) Acker im Nieberholz erwähnt; und 1251 beißt dasſelbe ſchon resecata silva b. i. abgetriebener Wald (ebenbaf. p. 88). Dagegen ergibt ih aus Allem, daß dad Ausroden nicht lange vorher Statt gefunden hat.

127) Stadt:Rehenbudy von 1410, Sabb. poR Aununt. Mariä 1411: „5 gulben

bedit Ydel Drutman umb bie Inorrichten baum, ald noch waren blieben fieen, als die wingarten vor Saſſenhuß am nuwenberge waren gemacht”. Nechenbuch von 1409, Laurentü: „18 Sch. 2 Hell. von ben wellen zu baumen by ber warte binder der Dutſchen herren molen am numwenberg‘‘.

128) Stadt-Rechenbuch, Sabb. poft Ciriaci 1889: „9 Sch. minus 8 Hell. umb

fiffche virgerten ber fiebe frunde zu Nybenave, ba zu tebingen von ber ſtede gefangen frunde wegen’. In diefem Haufe wohnte ber Dann, ber deö Nuftenfeees zu warten hatte (er heißt deshalb 1396 Jekil zu Nydenauwe). Das Haus fland offenbar an bem noch jegt vorhandenen Teiche, ber ſich im Matti’fchen Garten befindet. Die Begend daneben bie der Sand.

129) S. Battonn's Beichreibung der Stadt Yranffurt L, S. 94 fig. und Fichard's

Bernerfungen ebendafelbit S. 134 fig. Von einzelnen Häufern, welde ſchon vor der Stabterweiterung in ber Gemarkung flanden, babe ich folgende in Urkunden gefunden: 1324 kommen in einer Urkunde bed Leonhard Stifte® vor sex domiculae sub uno tecto, sitae extra muros Franken- fordi ante portam, quae dicitur Burnheimer thor; 1829 wird im Bürgerbud eine Frau und 1332 ein Mann erwähnt, welche ante portam Moguntinam wohnten. Auch gleich nach der Stabterweiterung bauten fidh wieder Leute vor ben Thoren an. So kommen 1850 zwei Häufer am

Anmerkungen zu VII. 515

Enoblauchs⸗Hofe und eines am Mieberberge vor (f. S. 239 Anmerk.), ſowie in bemfelben Jahre zwei neue Käufer vor der Rieder Pforte (in einem Goptal- buche, welche Nr. 24 ber Bücher bes Liebirauftiftes if, S. 116). Ebenſo erwähnt ein dem 14. Jahrhundert angehörendes Cenſus⸗Buch des Leonhards⸗ Stiftes (Nr. 1 der Bücher dieſes Stiftes) einen Erbzins de Metzgers Lele de domo sua sita extra fossatum in Sassinhuss, quae quondam fuit Ortliebi uff dem steynwege, versus Hoenrade ad dextrum exenndi (exeunti). Daß fchon in ben nächflen 50 Jahren nad ber Stabterweiterung viele Häufer in der Gemarkung erbaut wurden, ergibt fi aus einer befonberen Rath3verordnung von 1894 über ben Berfauf derfelben und über bie Entrichtung des Ungeldes durch ihre Bewohner (Archiv für Frankfurt's Geſch. u. Kun VIL, ©. 188).

180) Nach einer Deutſchherren⸗ Urkunde von 1585 enibielt damals das Knob⸗ lauchs⸗Feld außer einem Theile der Landwehr bie Eſchersheimer Land⸗ Rraße, ben Knoblauchſs⸗Weg, bie Leimen-Mobe, ben Steinweg, bie Lindau und ben Warteweg, das Friebberger Feld aber, ebenfalld außer einem Thelle der Landwehr, bie Saalwiefe, den Knoblauchs-Hof, den Bilbeler Weg, die Friedberger Straße, bie Debe, bie Hundsweibe, ben &denheimer Weg ober bie alte Straße und ben Preungesheimer Weg ober Webler Weg.

181) Airchner, LS. 461. Das Stabt-Rechenbucdh enthält Sabb. Quaſimodogeniti 1849 folgende Angabe: „ber weg by ber wyntmolen den karren und zu folne 22 Sch.“ In einem Notariatd-Inftrument von 1857 (Copialbuch bes Liebfrauftiftes Nr. 24 ©. 288) kommt vor: Curia dicta der Wil- helmhoff et vineae super retro eandem curiam et unum jugerum terre proprium an der wintmulen. In einer Dominifaner:lirfunde von 1380 heißt es von einem Aderland: „gelegen in der termenye zu Frandefort an Henne Blomen, und ziehint uff die Frydeberger ſtrazſe, an Wigeln Ger: barben gelegen bie ber wyntmolen“.

182) Battonn, I. S. 218 bat Unrecht zu fagen, daß nicht ber Math, fondern Friedrich oder Rubolf von Sachſenhauſen biefe Mühle habe erbauen laflen; denn nad) dem Stadt⸗Rechenbuche wurden bie Koſten aus ber Stabtlaffe be firitten, wie nach der oben ©. 246 mitgetheilten Stelle bie Stabt auch mit einem Mühlenmeifter einen Vertrag gefchlojien hatte. Die Angaben bed Rechen: buches find: Decoll. Johannis: 70 Pfd. 19 gulden umb 19 großer bolker

dem Padenfhufer walden zun molen uff der brudin; Bigil. Palmarum 1412: 20 Bulden han wir gegeben Sifrid Ulldenmeifter über finen tagelon, als er ber ftab ein molen an ber bruden gemacht bat und man von bed

- Rabs megen mit ime alſo uberfommen wa; Sabb. poſt Tiburtit: 40 Pfd., fo Han wir ban gegeben 47'/s gulben umb zwey pare molenfteine in die molen uff ber bruden.

183) ©. Fichard bei Battonn S. 224. Den von ihm mitgetheilten Stellen bes Stadi⸗Rechenbuches ift noch folgende von Sabb. ante Walpurg. 1409 bei: zufügen: „18 gulden Ban wir geben Heine. Willen zun Wiflen, die er vorter geben bat zur wyche, die by Mentzer porten gemacht ift, zum dritten

83°

516 Anhang.

beil von ber ftebe wegen, unb als bie wober unb molner bie andern zweiteil von irer molen wegen geben han’.

184) S. Ficha rd bei Battonn I., S.223. Stadt⸗Rechenbuch: Luciä 1899: 16 Sch. 7 Hell. virtzerte eyn molenmecher von Heidelberg, nach bem ber Rad gefant hatte; Sabb. ante Ambrofii 1400: 1 gulden virkerte ein molenmeifter zu Heilprun, als man nad eim bargefchrebin hatte, eine molen ufj dem Meine zu machen; Sabb. poft Biti 1400: 11 Pfb. 14 Sch. eim mole meder von Eßlingen gefehendt unb zu zerunge, als er bie molenwaſſer beſach; Vigilia Afjumpt. Mariä 1406: 4 gulden eim molenmeifler von Heibelberg vur koſt und Ion gefchendt, als ber ber gerpden waz, zu beſehin, wie man molen bie machen mochte, als an dem Neder.

135) Die zwei ſteinernen Krahnen wurben 1881 erbaut. Wenn bafür bei Kirchner IL, ©. 240 das Jahr 1881 fleht, fo ift die wohl mır als ein Drudfehler anzuſehen. S. Fichard bei Battonn I., ©. 228 und Leröner II. 1, ©. 19. Noch 1404 kommt im Rechenbuch Die Luc vor: „I Bfb. von bem bolgen Tranen fchiffe zu awein malen zu ſtoppen“; und ebenfo beikt e8 dort noch 1422 (Sabb. poft Eircumcif.): „14 Sch. 2 Hell. ben ſchrodern von den bulczern Pranen in bem groffen waſſer zu arbeyden“.

136) In einer Deutfchherren:Urtunde von 1878 liegt ein Ader ber Sachſen⸗ häufer Gemarfung „an ber Mentzer ſtraßin“. In einer omberen von 1493 ſtößt ein Sachſenhäuſer Ader auf „bie alte Denker firaken”. Sm einer britten von 1548 heißt ed: „wie das under und beneben andern ge: mainen lanbtftraßen aufwendig bed fledens Sachſſeuhauſen ein landtſtras gelegen fei, bie Meintzer ſtras gehaiſſen if’.

137) Stadt-Rechenbuch: Die Severini 1406: 55 Pb. 11 Sch. 1 Hell. han wir usgegebin von funffgundert ruben zu grabin an ber ftebe lantwer nydewendig bes Gficherfheimer flegen am gein Ginheimer bolg, vorter bie Margbad abebien, als die borffer Bornheim berges und hberrichafft von Hanauwe dvorter ſeßhundert ruden gegrabin Ban vollen ıunb daz Ginheimer holtz biz in die Nyde, ald man mit der berrichafft von Hanaume ımb ben borffern alfo ubirlomen hatte, und gab ber Rab von y der rube zu grabin 20 Hell. Ebendaſelbſt Vigilia Symonis et Zub& 1408: 7 Pf. 1 Ed. 8 Hell. Han wir gegeben Wernher Korber zu unferm anbal zu iarlon, ber nuwen lantwer by Ginheim zu warten, ala er zun tar gewonnen tft ber lantwer umb 18 gulden zu warten, und mit namen war Wir bon ber ſtede Sand. wegin funff phennige gebin, fo ſal bie Bornheimer zint feß phennig gebin.

188) So wird in folgender Stelle des Stabt:Rechenbuches 1409 eine hinter ber Deutſchherren⸗Mühle flebende Warte angeführt: „13 Sch. 2 Hell von ben wellen zu baumen by ber warte Binder ber Dutfchen berren molen am nuwenberg“. Ebenſo heißt es bafelbft 1890 (alfo vor ber Erbauung ber Mainzer Warte): „6 Sch. zwein gefellen, die ein nacht bie warte in dem

Nyder Walde virflugen, als man die Taufflude des morgens uz ber meſſ geleiden folbe‘. Im Rechenbuch v. 1418 wirb bei ber Verkaufung bes

Aumerkungen zu IX. 517

Mobelauchs-Hofes an einen Privatmann gefagt, der Rath Habe babei fich und ber Stabt „ein uffenunge und andern bebeiff und zu einer mwarthe” vorbehalten. Webrigend werben im Sabre 1396 nur drei Warten, 1898 aber vier Warten als Stätten, an benen Wache gehalten wurbe, angeführt: Stadt⸗Rechenbuch, Sabb. ante Lamberti 1896: „2 Pfd. 2 Sch. ben bren knechten uff den brien warthen biefer wochin zu huden“; im Rechenbuch von 1898 bagegen werben ebenfo vier Knechte und vier Warten angeführt. Bieles über die Warten findet man bei Battonn I, ©. 140 fig. 148 big 150 bemerft. 189) Beifpiele mus bem Stabt:Rechenbuche find: Dom. poft Kiliani 1848: Herburb zu ben herren andir fit ber Hohe von der mezfe wegen, 8 Pfb. 5 Sch.; Sabb. poft omnium fanctorum 1375: 4 alde tbornofe tzweyn knecht, vor ber Hohe zu befehen, alß ber ſtede burger von Fredeberg uz dem wmerdete furen; Sabb. poſt Aflumpt. Marik 1409: 7 Pfb. von fiebin pherben zwo nacht, als man zu ben bienern fieben gefellen gebeben hatte, zu ryden unb nadzufolgen, als Frauwenſchuch und die Uberheheſchen Durdelwil virbranten; Sabb. poft Dorotheä 1409: als bie Uberhöſchen und Solmſchin in big Iant fallen wulden; Sabb. ante Epiphan. bom.: 70 gulden han wir gegebin umb 8 Pfb. ubirhoefichen ifen.

Anmerkungen an IX. Das Imere der Stadt Frankfurt im: Mittelalter.

140) Balbemar von Peterweil befchreist jenen Theil der Gemarkung, welchen er „bie Gärten ber Neuſtadt“ nennt. Daß aber berjelbe ſchon vor ber Entflehung der Neuftadt den Namen „bie Gärten“ führte, zeigt eine Ur⸗ funde der Deutfhherren von 1815. In ihr entfagen zwei Eheleute, Con- radus dietus ad Ortos und feine Gattin, omni juri, quod eisdem in bonis religiosorum virorum commendatorum et fratrum domus Theuton. in Sassenhuss, sitis in Campis Frankvordenis ab eisdem cultis, necnon in curte ad Ortos sita, quam iidem conjuges inhabitant, competebat.

141) Stadt-Rechenbuch, Sabb. poft Bonifacii 1375: 2 Pf. 9 Sch. minus 1 Hell. zu Tone eyme zymermane unbe eyme Inechte, eynen rygel zu Saſſ. uff bem ſteynwege zu machen; item 2 Pfd. meifter Johan Sulgbecher, ben rigel uff ben ſteynwege zu beflahen; Sabb. poft omnium fanctorum 1888: 2 Pfd. Furyans fone von 16 dage an bem rigel uff dem fleynmege zu Safl. zu figen, alß man yme ye von tzwey bagen 5 Sch. gibbet; Sabb. ante Servatii 1392: 624 Pfb., ala Rule von Sweinheim ben fleinmweg uzwendig Sajf. zu machen und zu pladen, und auch einen numen flag ba felbis zu main; Sabb. Walpurg. 1395: 8 Sch. 6 Hell. von eim flage du fand Wenbeln zu pladen.

142) Stadt⸗Rechenbuch von 1892: Sabb. ante Aegibli: 8 Pfd. 9 Sch. 2 Hell. umb 2250 buben fifiche in der ſtede grabin; Sabb. poft Aegidii: 5 Pib. 18 Sch. umb 8700 buben fiſſche in ber flede grabin; Sabb. ante Lamberti:

518

Anhang.

8 Sch. umb 125 ele (d. i. Yale) in ben grabin. Gtabt-Mechenbud von 1404: Sabb. ante Martini: 25 gulden umb 8000 buben fiflche in ber Rede graben. Uebrigens fand das Fiſchen bed Stadtgrabens noch im vorigen Jahrhundert Statt: Bei, Leben in Frankfurt IL, ©. 119.

148) Stadt-Rechenbuch: Sabb. poſt Agathä 1875: 10 Pf. umb borne zu

Saſſ. zue eyme zune; Mathiä 1875: 100 gulden 40 gulden unbe 10 Sch., ben zun uff dem grabin zufichen Reddelnheymer unbe Eſſcherſheymer portben zue machen unbe umb gerthen, ſteche unbe umb dorne bar zue, unde die thor zue machen unb umb fmebewerg dar zue umbe ben zum zue cleyben unde umb alle ander bing, die bar zue geboten; Sabb. ante Gertrudis 1376: 9 Pfb. minus 4 Sch. umb gerthen unbe umb fteden zum zume zu Gafl.; Sabb. poft Ambrofil 1376: 9 Pfd. 8 Sch. umb fleden, ranpueſter unde born zum zune zu Saff.; eine beſondere Ausgaben:Rubrit 13883 unb 1384 mit der Weberfchrift „Ufgebin zun blanden umb bie flab unde von wellnn zu machen uz den zelen, bie ba vone quamen”; Sabb. poft Balentimi 1399: 4 englifch von zwein tagin bie widen in dem graben by Mentzer porthen zu hauwen und zu buden; Sabb. ante Petri in Kathebra 1412: 82 Ed. 2 Hell. 20 tagelone, hecken zu buden zu Saſſinhuß.

144) Battonn I, S. 101 fig. Folgende urkundliche Angaben fönuen das oben Ge

fagte begründen: Stadt-Rechenbuch: Dominica ante Urbani 1849: Die erferchin uff ber mure zun Garten 7 Pfd. Eine Urkunde der Deutfchherren von 1867 befchreibt die Lage zweier Häufer in der Neuſtadt fo: fie feien gelegen „in ber Kaldybecher gaffen an bem ende by ber nuwen ringmuren nebyn Henkyn Beder von Prumbeym, und Ingen auch nit ferre von ber Redelynheymer porten”. Stadt-Rechenbuch: Sabb. ante Invocavit 1372: 2624 (die Münzart iſt vergeſſen hinzuzuſügen) von ſchefirſteynen uff vouff nuwe erfer an ber Nuweſtad und uff den nuhen thurn hinder dem Juden⸗ kirchhoffe und uff alle thurne und erfer umb bie ſtatd Frank. Im Stadt: Rechenbuche von 1378 werben unter den fläbtifcden Wächtern, welche dab ganze Jahr hindurch tätig waren, angeführt: zwei „uff dem erdier zufice Fredeberger und Eficherfheimer porten’‘, zwei „uff bem erder zuſſche Frede⸗ berger und Rider porten‘‘, einer „uff dem erder by galgen port“, einer „an dem ende by ber mur an galge porten“. Das Rechenbuch von 18% enthält eine Ausgaben-Rubrit mit ber Auffchrift: „Den bumeiftern an den thornichen umb die Nuwenftad”. In ben Rechenbüchern von 1885 und 1886 kommen Ausgaben vor für „ben twinger zufichen Fredeberger unbe Nieder porthe“; in bem von 1888 wird ber Zwinger an ber Roͤdel⸗ heimer Pforte, in dem von 1406 ber Zwinger bei ber Friebberger Pforte erwähnt.

145) Nach einer Stelle LersSner's (L, ©. 21) gefhah dies 1390, nach einer

anderen aber (I., 6.28) erfi 1491. Daß man jeboch ſchon vor 1890 dk Mauer theilweife zu bauen begonnen hatte, zeigen folgende Stellen bed Stadt⸗Rechenbuches: Die Barbark 1867: 8 Pfd. 8 Sch. bem grebern von ben garthen an ber mure zu Saſſ.; Sabb. poſt Urbani 1877: 40 PR-

-— —- m

Anmerkungen zu L. 519

han wir bern Rudulffes fraumen von Saff. unbe iren kynden gegebin, umb daz fie virhenget han, eyne mure burch iren hoff zu Saffenhuß zu machen; 1878 enthält das Rechenbuch eine befondere Ausgaben⸗Rubrik. „An den bu zu Saffinhufin‘‘; 1887 kommt ein Zwinger an der Oppenheimer Pforte vor, und es werben brei „nuwe“ Thürme in Sachſenhauſen erwähnt; von 1881 biß 1897 kommt jebes Jahr eine Ausgaben-Rubrif für ben Bau zu Sachſenhauſen vor.

146) Folgende Stellen ber Stabt:Rechenbücher enthalten bie angeführten Namen: Ausgaben: Rubrit für Steine 1385: „vier hauffen fieyne vor Beder portben zu furen“; Sabb. poft Petri und Pauli 1875: „36 Sch. Bern fmede fur eynen rog, alfe be Dumpel porthen beflußet‘‘; im Rechen: buch von 1871 wird ein Pförtner erwähnt, welder zugleih auf ber Eompof:Pforte und auf der Fifcherpforte angeftellt ift; in dem von 1878 kommen Wächter „uff dem erder bu Erwynis porthen” vor; in dem von 1870 wird ein Mann mit ber Bemerkung bezahlt, „von ber porthen undir bem kumphuſen gein dem Moyne zu beflißen‘‘; im Rechenbuch von 1878 ift bie Zahlung für einen Pförtner mit den Worten „Oygen uff ſiner porthen“ eingetragen, und in bem des folgenden Jahres beißt es: „it Pfb. virkerten ber flede frunbe unbe virbranten an holte und an lychten uff Oygen porthen, alß fie da wacheten”; Sabb. poft Elifa- beth 19365: „16 Sch. alder Hell. umb wyn wechtern uff figfcher porten und uf Waltirs porten, alß unfer herren bort uzfe waren zu Bornheim, zu wachen“.

147) Nach Leräner I, 1, S. 20 wurbe er, wie ber fonderbare Ausbrud lautet, am 11. Oktober 1846 gebaut. Dies beißt natürlih nur, daß an dieſem Tage feine Erbauung angefangen worben ift. In den Stabt:Rechenbüchern wird er erit 1868 erwähnt, indem von einem ber ſtädtiſchen Wächter gejagt wird, er babe feine Station „uff Ezſchirſheimer thurn“. Im November 1400 unb im Aprif 1401 gedenkt aber bag Stadt⸗Rechenbuch noch feiner Erbauung, er wurde alfo offenbar um jene Zeit erft vollendet (Sabb. ante Martini 1400: 4 gulden Joh. Wißen zu zinfe von fime bofe by Eſſcherheimer portben, als man dar inne bumele, da man Eficherfheimer thorn machte; Sabb. poſt Paſchä: 27 Sch. dein porthener an Eſſcherſh. porthen zu zinſe von eim iar, als man ben mumwen Eſſcherſheimer thorn Binvete).

148) Stadt - Reenbuch von 1378, Rubrik „den Bumeiſtern“ enthält eine Auzgabe von BI Gulden 8% Grofchen „umb zen zu ſechs kneuffin uff Frebeberger thorn“. Das von 1885 enthält eine Zahlung von 12 Pfd. 3 Sch. „umb eynen zenen knauff uff den thorn zu Saff., der binder fanb Elſebede ſted, der heidet 81 Pfd. zenes“. In bem von 1986 find verzeichnet „echte kneuffe, die kommen find uff nuwen Saſſenhuß bruden thorn, unbe bie halden 124 zynthener unde 28 Pfb. mynner eym brittel eynes phundes, ye dag phund umb 8 Sch.“ In dem von 1892 heißt es: „74 Pfb. 8 Sch. 8 Hell. für 10 kneuffe, die mit namen halden 6 centener und

520

149)

150)

Anhang

87 phund uff galgin thorn unb 7 Pfb. 4 Sch. 6 Hell. für einen knauff uff galgin tborn uff die warte”.

Stabt:Rehenbud, Sabb. poft Galli 1875: 100 gulden 2 gulben 5 Sch. 8 Hell umb 350 unb 18 eychen bele zur bruden; in ber Rubrik „‚ben Bumeciſtern an ber bruden” 1884 fommen „459 bruden dele“ vor, welde für 108 Gulden 19 Scillinge gelauft wurben; Sabb. pofl Aegidii 1386: 8 Pfd. 5 Hell., bie bruden ubir den Moyn eyns teils zu ſtutzeln; item, 8 Pfd. 5 Sch. minus 3 Hell- umb holtz unde daz holtz zu furen, bie bruden ubir Moyn zu ſtypern; im Rechenbuch von 1389 werben Sabb. poft Aegidii „600 bruden nele zur bruden ubir Moyn“ bezahlt.

Gerade fo verhielt es fi im Mittelalter mit der Nidba-Brüde bei Höchfl, wie auß folgenden Stellen des Stadt-Rechenbuches hervorgeht: Rubrik „den bumeyftern an ber bruden zu Nydehe“ 1862: 4 Sch. an bie ſteynen bruden zuſſchen Node und Hoyſte; Sabb. ante Miſeric. bom. 1870: 10 guldin Seylmanne zu Hoyſte, erbin zu follen und peyle zu flozfen an der ſteynen bruden zufichen Honfte und Nyden; Sabb, poft Andrei 1373: 2 Pfd. 4 Sch... .. unbe bie bile zu Nydehe an ber brucken abe zu werffin; Sabb. poſt Mathiä 1389: 80 Sch. funff zunımermannen, bie bruden zu Nyden abe zu worffin, unde zweyn wagen, bie bie dele bannen brugen.

151) Im Stadt-Rechenbuch von 1357 kommen unter ber Rubrif „ben bruden:

meyſtern“ (biefe kommen alfo ſchon damals, nit, wie Fich ard zu Battonn, J. ©. 218, ſagt, erſt 1867 vor) folgende Ausgaben vor: 233 Pfd. um ſteyne quabracin; item um borb zu ben bogeſtellin zu ber brudin 41 Pfb.; item 26 Pfd. und 5 Pfd., bie quamen um quabirate fteine; item 6 Pfd., bu der fiveboge waz gefallin.

152) Ueber das LXebtere |. Fichard zu Battonn, L ©. 218. Bon dem

Erfteren reben folgende ‚Stellen ber Nechenbücher von 18988 und 1899: Die fanctorum Innocentium 1898: 18 gulben han wir gegeben umb ein ſchiff vol Mildenberger qwaderſtein zu ben fwiebogen zu ber bruden; Sabb. ante Deuli 1899: 2 gulden von achte ferten hole uz dem walde zu furen zu bogeftellen zu ber bruden; Sabb. ante Lätare 1899: 2 gulben 7 Sch. von fieben ferten holy uz dem walde zu furen zu bogeſtellen; Sabb, ante Margarethä: !/ gulden den murem zu floßwin, als fie du gewelbe uff der bruden zugeſloſſen han; Vigilia Laurentii 1899: 150 pfund meifter Madern ſteynmetzen von des gewelbes uff der bruden wegen, daj ym alfo virdingt waz; Vigilia Andrei: 16 Pfb. 17 Sch. 8 Hell. und 6 gulden meifter Mabern ſteynmetzen von brechin und uberigen gehauwen fteinen und fpife zu bejlahin, als er den ſwybogin an ber brucken gewelbet bat’. Das bamald gemachte Gewölbe fenkte fich, gleich nachdem es fertig war, und der Meifter, welcher es gemacht hatte, mußte fich fofort ſchrifilich verpflichten, ed auf feine eigenen Koften wieberberzuftellen ober aud nei zu erbauen, wenn ed ganz ober theilweife einflürzen follte: Böhmer, p. 780 sq.

Anmerkungen zu IX. 521

158) Siadt⸗Nechenbnch, Sabb. ante Antonii 1401: 5 Pfd. 14 Sch. umb 57 brudenpele; Sabb. ante Converſ. Pauli 1401: 7 Pfd. 8 Sch. umb 74 brudenpele;, Sabb. poſt Bonifacti 1408: 25 gulden umb pele zur bruden an bie piler zu floßen;- Die Elifabetbä 1407: 9 Pib. 8 Sch. han wir uzgegebin von befelhnuſſe des Nads, ala man an ber bruden ubir Meyn uggegebin Bat, ald man pele fließ und auch ander erbeit baran tet; Sabb. poR Gonverf. Pauli 1408: 14 Bfb. 6 Sch. 1 Hell. han wir enphangen, als man an wellen uz ber fiebe walde geloßt hat ubir koſte, bie wellin zu hauwen ımb ir zu Buben, und als man bufent wellin in ben Romer tet furen, und als man vil pele zur bruden da machte unb auch ber in furte unb tet ſpihen; Sabb. ante Kiliani 1408: 7 gulden umb ein fchiff zur bruden, als man pele ftieß; Sabb. ante Martini 1408: 55 Bid. 2 Sch. 6 Hell. umb 500 und 34 pele von Auheim unb zu fchifflen, Yu zolle, uz dem jchiffe zu erbeiben und ſuſt zu fpißen und zu bereiben an ber bruden zu floßen.

154) Ebendaſelbſt, Sabb. poſt omnium fanctorum 1409: 4 Pfb. 7 Sch. umb bly an bie bruden, clammern unb fuft zu vergießen; Die Innocentium 1409: 8 Pfb. 2 Sch. umb einen zintener unb dru phund bfies zu ber bruden, bie ißbaum ba mide antzuclammern; Sabb. poft Anbreä 1408: 12 Pfd. 17 Sch. umb ſeß ißbaum zur bruden uber Mein vorn an bie froppe und umb 85 bele u. f. w.

155) Nicht, wie Battonn, IL ©. 40 fagt, Ehriftus mit den brei Jüngern am Delberg. Der Ausbrud „unfer8 Herren Martel“ bebeutet, wie man aus Scherz Lerifon fieht, meiſtens nur dag Kreuz Chrifli, und in ben Stadt: Rechenbüchern wird das Bild nicht blos mit biefem Ausdrucke bezeichnet, fonden auch gerabezu ein Crucifix genannt: Sabb. ante Tiburtii. 1882: 1 guldin, daz crutzefix an alten bruden thorn zu malen; Sabb. poft Michaelis 1889: 16 Sch. unſers herren martel an alden bruden thorn zu malen don nuwes; Sabb. poſt Albani 1892: 22 Sch. von unferd herren martel unter alden bruden tbom zu malen; Sabb. ante Margaretbä 1405: 9 Sch. von dem crucifir under bem bruden thorn zu malen. Auch an anderen Gebäuden ber Stabt waren Grucifire angemalt; fo beißt es z. B. Gonverf. Bauli 1371: 17 Sch. von unferd berren marteil zu nalen an Reddilnheimer porthen.

156) Stadt· Rechenbuch, Sabb. poft Andrei: 5 gulden han wir gegeben bem meler zu folichen ſieben gulden, als bie feß rechenmeiſter und Heinrich ſchriber von irme gelde darzu gegeben han, von bem thorn zu Saſſ. an ber bruden zu malen, unb auch baz gehufe, ba inne unſer lieben fraumwen Silbe Fleet, zu ernuwen; Sabb. ante Walpurg. 1409: 24 Pfb. 2 Sc. han wir enpbangen und gnommen bem flode, ber ba feet under bem Gaflinhuß bruden tom by unfer frauwen bilde,

157) Stadt-Rechenbuch, Sabb. poft Paſchäã 1875: 9 Pfb. minus 2 Sch. Hell. band und geentwort Hertwin Wieße und Gipel von Holtzhuß, baz fie zu czweyn malen uz bem ftode uff der bruden gnommen ban unbe un aud

522 Unbeng.

iR worden umb alde cleyder, bie zu ber bruden gefaft fin worben; Gabe. ante Perpetuä 1408: 21 Pf. 15 Sch. 8 Hell uz dem Rede by unfer fraumwen bilbe under ben numen bruden thorn zu Gaflinhufen.

188) So fommen 3. ®. im Stadt-Rechenbuch folgende Stellen vor: Vigil. Nativit. Mariä 1898: 20 gulden han uns bie bumeiſter geben, ala fie enpbhingen von Hand von Oppen, umb baz bie aduche by Allenheilgen numme durch finen garten fal geen; Sabb. ante Laurentii 1406: 2 groß Straden von zwein abnchen an dem Mein zu offen unb zn rumen; Sabb. ante Tiburtii 1407: 2 groß, die zwo aduchen by fant Leenbart zu offen; Sabb. poft omnium fanct. 1868: Johanne von Holtzhuß 29 Pb. minus 8 Sch. alſe von ber ebuchin (sic) wegin in ſyme boffe, bie ime die ſiad machin folde, alß ime der Rab gereb Hatte, daz Toftit alfe vele zu beden und zu maden. In einer Urkunde der Johamiter von 1409 fommt vor „das bus uff der abuchen, ba Gtillenfrieg inne moncte”.

159) Stadt-Rechenbuch, Vigil. Affumpt. Mariä 1406: 4 Sch. Straden von dem grabin uff dem Wieberfelde zu verdammen, als daz wafler ba waz abgegrabin; act Tage fpäter heißt e8: 5 Sch. 6 Hell. zwein knechten anderbalbin tag von dem grabin, ber burch bie ſtad geet, uff bem fifſcher⸗ felde wider zu machen, als ber abgellohin was; Bigil. Eonverf. Pauli 1410: 8 Sch. 5 Hell. 5'/s tagelon, uff dem filcherfelde am graben zu erbeiden und zu demmen, daz waſſer burch bie ſtad zu bringen.

160) Stadt-Rechenbuch, Dominica Palmarum 1348: Jacobe rihter und Heike ſyme bruder zu Denke 100 Pfd. praeter 8 Pfd. um borb und um holy; Sabb. poft Mariä Magbalenä 1871: 7 Pfd. mynner 1 Sch. umb tbile und umb enger holtz; Feria quarta poſt Zacobi 13872: 2 Bid. ane 1 Sch. bolß zum wagenhus von Menge zu furen; Rubrik „Uggebin ben bumciftern in ber flaid 1888’: 6 gulden, umb dennen bolg und borte von Menge ber uff zu furen; Sabb. pof Luciä 1885: 1 Pfd. edel zymmermane zu zerunge unde zu koſte vier bage geyn Menke, holtz zu befehen; Mathiä 1386: 1 Pfd. Zedel zymmermaune geyn Mentze vier bage, ber ſtad Holy unbe borte uz zu Tiefen, baz bie ſtad gefaufft haid; Bartholomäi 1392: 18 gulden 10 Sch. 6 Hell. umb borte, Mentzer holtzer und ber uff zu furen, affin portben und ben tborm by bern Rudolffes bofe zu beden,

161) Ebendaſelbſt, Grafing Laurentii 1886: Katherinen Morunge BY Sch. alder umb ziegel, ir bus zu beden, alß ber Rad ubirlommen if armen luden daz dritteil ber ziegelen zu betzalen, obe fie ihr huſer mit ziegeln beiden wollen. Noch im demfelben Jahre erhalten zwei andere rauen aus Hleihem Grunde Geld (bei der einen heißt es: vor daz britteil ber fleyne, als fie ir hus mit ſteynen gedacht haid). Viti 1887 erhält Clawes Wir: fäbter 18 Sch. alder „umb eyn drittel an tuſend gebaden ſſeynen, fin bus zu beiden, alß ber Rab ubirfomen if. Gabb. ante Simons et Yubä 1887 werden für ein Drittel ber Ziegel zur Bebarchung eines Privathauſes,

Anmerkungen zu IX. 528

befiehenb aus 1000 Ziegen, Pfo., 1888 desgleichen für 400 Ziegel 1 Gulden und für 866 Ziegel 18 Sch. 8 Hell. Zuſchuß gegeben.

-162) Diefe Verordnung lautet (nah dem banbfchriftlichen Geſetzbuche des fünf: zehnten Jahrhunderts, Blatt 71b): „Der Rat hat angefehen und beſonnen, das bie großen breiben ſchoppe, bie burch die gaßen in ber flat wyder und fure gemacht fin und forter me gemacht mochten werden, großen merglichen haben und unbrquemifeit in vil wife fugen mochten. Darumb folichen ſchaden zuverfommen und zu verhuden, ımb auch dar in gepurliche gleichheit und ordnung zu balten, fo hat ain Exrbar Mat geſetzt und georbent: Wer nun binfur an feiner behaufung aind fchopfs zu machen notdurfftig were, ber mag den in nachbefchribner geſtalt thun machen, nämlich daz ber von bem unberfien band bed hauß an zu meſſen nit lenger oder weiter dann flatmaß, das ift funf ſchuch und 2 zoll herauß geen fol”. Dann folgt die Angabe der Geldſtrafe für jebe Webertretung biefer Verordnung.

168) Das zuerfi genannte Gotteshaus Tommt fhon 1317 biBöhmer, p. 481, ſowie noch 1894 im Beedbuch ver; bie Kapelle zu ben Wygeln wird 1328 bei Böhmer, p. 464, erwähnt. Im Beedbuch von 1867 wird „eim goghns zu den Wygeln“ unmittelbar vor bem Sänger zu ben Wygeln und in der Begend ber Sandgafle und bes Kornmarktes angeführt, ſowie noch einmal in der Gegend ber Michelögafie und bed Gishübels „der herren gotſhus zu ben Wygeln“, fo daß es alſo damals zwei newe Gottes⸗ bäufer der Wygel gab.

164) Das zum goldenen Froſch, welches in Urkunden bes Liebfrauftiftes oft vortommt, tft das Haus J. 220 (Nr. 1 der Welßfranenſtraße), und war lange Zeit ein für arme Wittwen beſtimmtes Haus; bas Gotteshaus ber Tinten fommt im Beedbuch von 1867 und als Beguinen- Haus 1861 im Copialbuch des Liebfrauftiftes Nr. 24, S. 207, vor; bie anberen beiben finden fi im Beedbuch von 1867 angegeben; von bem einen ber Lehteren heißt es in einer Urkunde bes Liebfraufifte von 1868: ein Bus und gefeße geyn dem Santhofe ubir, und bat baz felbe bus und gefefle eczwan geheyhen Ave Marien geted bus.

165) Das Hoch⸗Gotteshaus kommt im eimer Urkunde bes Lichfraufiftes von 1470 mit den Worten vor: „ein huß gelegen hynder ben Barfufien in bem cleyn geschin, das hiefur das Hoch Gotßhuß geheifchen, auch ettliche Wedhmie ba inne vormals gewonet haben”. Weber bie große Einung f. Euler, in ben Mittheil. bes Frankfurter Bereines für Gef. und Alterthumskunde, I. ©. 94. Die Heine Einung (f. Kirchner, L ©. 288) wirb in einer Urkunde des Liebfrauftifte® von 1861 das Michels Gotshuß in der Michels Gaſſe genamt. Im Beebbuch von 1867 wirb zwiſchen bem Gotteshaus der Mebe von Spire unb dem zu der Rufen „das Getshus in ber Eymunge“ angeführt.

286) Das handſchriftliche Geſetzbuch enthaͤlt Blatt 71 folgende Ratbsverorbnung von 1423: „Der Rat if uberlommen, wen men forter nume born mache ober for am den alden machet gruntbuwe ober ſchyben, fwengel, Fetten

524 Anbang.

ober andere mergliche buwe baran but, das ban yderman ber zu gehorende geben fal nad gebumis und antzale, alfdan gelegen if. Doch wer fdbi in finem bufe oder hoffe eigen borne hette, ber fulde Halb als vil gebe, als ime fur geburt bette zu geben. Wan man aber bie borme feget od ſoſt befert an fetten, feile ober egmern, oder eymer machet, ober foft baraı pladet, darzu fal yderman geben, ber des borns tegelich gebruchet. Aud obe imant zu dem borne nit gehort unb bes doch mitgebrucht, ſal auch barzu geben. Und wer felbß borne in fime hus bat ober fine hofie, be iR nit fchuldig, zu bem borne zu fegen ober eymern zu machen ober fch zu pladen ober zu floppen zu geben. Actum in die Margarete virg. anno XIITIe. XXIo.

167) Zn einer Deutſchherren⸗Urkunde von 1423 kommt vor „ber griffen bom neben dem Sluchterſshofe“; in einer anderen von 1441 ein Hof in der Neuſtadt „jenfybt des buffer borns gelegen”; in einer dritten von 1459 „an buß under ben lowern in dem cleynen geſſechin geyn bem Stogkbern ubir“, und nach einer vierten von 1454 liegt diefed Haus in Sachſenhauſen.

168) Stadt Rechenbuch, Domin. poft Georgii 1850: 8 Pfd. meyſtir Johann wunbarpete, bag be ben wegemechern gap zu Ione von ber zugelgazfen zu machene; Rubrit „ben Bumeiftern in ber flab” 1866: 2 Pfd. umb far zu furen, ben weg zu follen by des pherrers hoff; Sabb. poſt Bonifaci 1885: 1 Pfd. umb waden an ben weg by fand Nyclaweß; Sabb. anlt Gertrudis 1390: 29 tagelon ben wegemechern, mit fanbe unbe ſteynen zu banbelogen mit 3 farren zwo wochen.

169) Stadt⸗Rechenbuch, Sabb. ante Quafimobog, 1867: 224 Pib. min 8 Sch. umb firo in den dreg in der meff und auch ben gefangin ıf ben thurn; Sabb. poft Lätare 1868: 1 Pfd. in ber meſſ ben dreg U gu furen.

170) Ebendaſelbſt, Domin. ante Nativ. Chriſti 1358: Hertwige Wizſen 8 Ti umb ſtrovz zu varen zu bem thurneye; Sabb. ante Katharind 1986 werden 680 weniger ein Viertel Gebund Stroh gelauft, „ben Samftages berg zu dem thorney zu beflrauwen’‘; Andrei 1898: 6 gulden umb fir, mi namen umb 600 gebunt und 10 gebunt, zum thorney uff ben des zu firauben.

171) VBärgerbuch von 1854 bis 1410, ©. 96: „Ein huß umb gefezfe gelegin I der Nuwenſtaid in der Reddilnheymer gazfen und ſtozſed ff den pul“. Im banbfchriftlichen Geſetzbuch heißt es Blatt 42: „Auch fal man den phule in ber Redelnheimer gaflen an dem wege in weſen halden und DM bedern nit gefiaben, das bie ire ſwine bar inne triben, bie ben brechen Dieſer Pfuhl wurde 1614 ausgefüllt: Lersner, IL 1. ©. 26.

172) Die betreffende Verordnung im handſchriftlichen Geſetzbuch, Blatt 40, fänzl mit den Worten an: „Als ettliche lude ire ſwine in ber flat ziehen und im den gaffen Taffen geen, bie dem fleimmege und ſoſt den luden ſchaden tun“. Sie endet mit bem Gebote, jebermann folle feine Schweine m feinem Hauſe oder Hofe halten, nicht aber „in ber fiat laffen Kaufen, 9

Anmerkungen zn X. 525

were dan, daB man Ne zu waſſer oder zu drende ober fur den bieten zu felbe triben wulde“.

178) Handſchr. Geſetzbuch, BI. 40: Bon des mifles wegen in ber Nuwenſtat ift ber Rat uberfomnen off dinſtag vor Margareten anno XIEIIe XIII, das ber miſte abeſin ſal zuſchen ſant Katherinen porten und der Eſcherß⸗ heimer porten und dem hoffe zum Froſche und Peder von Emße dem becker und wyder zu ſant Katherinen porten umb den und ſal man den platz zu eym merte zu fruchten und holtz fry halten by der pene. Auch als fieyue und phele uff dem felben merte geſatzt fin zu eyme wege, da iſt des Rats meyuunge, das nymant bar inn miſte legen ſal by der genannte buße.

174) Stadt⸗Rechenbuch, Domin. Invocavit 1848: 1 Ppfd. an daz privete by dem ſpital; Domin. Quafimodog. 1349: an daz beymelidein hinter bem

bord, um bolger, um neyle und arbeydens Iuben und vegene 9 Pf, 6 Sch. 4 Hell.; Sabb. ante Eraltat. Crucis 1883: 1 Pfd. in ber alben meſſ under ber Profeyen uff dem Moyne zu fegin; Sabb. poſt Lamberti 1888: 26 Sch. 6 Hell. die gemeynen profeyen an dem Moyne au fegen; Sabb. poſt Francisci 1408: 8 gulden 3 Sch. Ingebrant und finen gefellen von dem beimlichkeit und profeien zu fegen und reyne au halden in ber neften alden meſſe an bem Mein; Clifabethis 1407: 8 gulden 40 Hell. Yan wir gegebin von dem hufeln und profelen an bem Mein umb bie alden meſſe zu fegin und zu reinegin.

175) In der Feuerordnung des fünfzehnten Jahrhunderts (Geſetzbuch, Bl. 100 bis 104) heißt es u. A. „Es ſal auch yderman, ber baß vermag, fo e# nacht were, eyn liechte in ner luchten oben zu finem huſe heruß benden,

Ratbarinä 1899: 6 Pfh, Thomaz dem ſmyde umb 6 fadel iſen; Luck

1899: 18° gulden umb 1250 fmebH ringe in fadiln zu burnen; Sabb.

vo Thomä 1899: 10 Sc. umb 6 fadeln ſcheffte; Sabb. ante 1400: 14 Pfb. umb duſent mymıer 29 froebel ringe zu faciin; u

1408: 16 gulden 17 &4, 7 Hell. umb 2100 und 25 ſwevelringe; Sabb. poſt Converſ. Pauli 1409: 1 gulden umb vier nuwe fadelyfen; eh 1 groß von zwein alben fadelyfen zu fchefften; Sabb. ante Ratio. Mari 1411: 10 gulden umb ein bufent ſwebelringe.

Anmerkungen zu X, Die Fraukfurter Meſſe im Mittelalter.

176) In den Rechenbüchern der Gtaht werben im ber zweiten Hälfte bes Ye zehnten Jahrhunderts, bei Gelegenheit der Ausgaben für das Meſſege en folgende Stäpte erwähnt: Um, Augsburg , Straßburg, Schiletiſtadt,

177)

178)

179)

180)

Anhang.

Kolmax, Speier, Worms, Mainz, Creuznach, Mahen, Göln, Aachen, Löwen, Brüfſel, Mecheln, Nürnberg, Bamberg, Gelnhauſen, Friedberg Weplar, Bupbad, Marburg, Limburg, Montabauer, Siegen, Braunſchweig bie mietewifchen Städte überhaupt, Breslau, Prag, Venedig und Mailanı Bon ben beiden Iepteren Städten Tommt Venedig zuerſt 1867, Mailand mer 1889 vor. Im Jahre 1406 werben folgenbe dentſche Gtäbte gr: nannt, denen man brieflig bie neu beflinmte AinfangBzeit der Meſſen anzeigte: Ulm, Augsburg, Reutlingen, Cdin, Rotenburg a. d. Tauke, Chlingen, Meinz, Strakburg, Nörblingen, Winßheim, Megensburg, Ey, Merburg, Butzbach, Linsburg, Mentabawer, Friebberg, Boppart, Maya, Koblenz und Aſchaffenburg; an Aachen ging dieſe Anzeige nicht ab, weil es damals in der Acht war. Diefe Noiiz und das betreffende Schreiben um jene Stadte findet fich im dem hanbſchriftlichen \@efepbuch des fünf zehnten Jahrhunderis Blatt 51.

Faß jedes Jahr kommen Zahlungen für den Sqhuh der bie Friedberge Meſſe beſuchenden Weber, Krämer und anberen Bürger Frankfurt's ver; und noch 1894 bebingt Frankfurt (Lersmerll.S.817) ſich einen Schub für feine in jene Meſſe reifenden Bürger aus. Uebrigend heißt in frau: furter Urkunden diefe Meſſe nicht, wie die Frankfurtiſche, Meſſe, ſondem der Friedberger Merckit.

Die Namen Herbſt⸗ und Faſtenmeſſe kommen ſchon im vierzehnten Jahr: bunsbert vor. Was insbeſondere den bdamals ſelten gebrauchten erfieren Namen betrifft, fo findet er ſich 3. B. im Rechenbuch von 1858 in br Rubrit „der Stebe Zinfe” („bie Eremen in ber Mezſe zu Herbeſte“) un in einem Briefe Wenzel's von 1894. Jedoch nauute man bie Herbſtmeſſe damals meiftend nur die alte Meſſe. Auch der Namen Bartholomäus: Meſſe für alte Mefle kommt vor: f. Fries, Pfeifergericht S. 52. Ofie: mefle wurbe die andere, feitbem fie 1711 mit dem Sonntag nad Of begann, immer genannt; ims Mittelalter kommt biefer Namen noch nicht vor (Fries, Pfeifergericht ©. 62 fig.).

Dies geht aus folgenben Stellen ber Nechenbücher von 1881, 1887 umd 1898 hervor: Sabb. ante Tiburtii 1882: „I Pib. Peber von Nyden geyn Menke zu furen, unbe 2 gulben virkerte be wibber unbe vor ſehs tage in ber faften meſſe den kauffluden zu fagen in bie meſſ zu faren”. Gab. ante Ratharind 1887: „10 Sch. worden virkert, al man bie brieffe ſchreib von ber meß wegen im etzwy viel ftebe, baz bie kaufflude zytlich in De meh quemem”. Sabb. poſt Gertrudis 1394: „han wir Zacob Zeiten gegebin 47 gulden 12 heil, ben fleben und kauffluden obin und myden zu virfonden bie meff vorwerter zu halben nach brieffin und geboben une herren bes kuniges“.

Die Veränderungen find von Orth einzeln angegeben. Seinen Angaben Fünnten noch andere aus den fäbtifchen Rechenbüchern beigefügt waden, wie 3. B.: erſtens 1872 war bie alte Mefie ſchon mehr ala fünf Zap vor Mariä Geburt vorüber; denn am Sabb. ante Rativ. Mari if au

2 wu r -— oo ..

Anmerkungen zu X. 627

Zahlung für diejenigen eingefcgrieben, welche die von Bafel, Straßburg, Speiere und Worms „nz ber alben meß geyn Oppinheim geleiteten”; zweitens 1878 war fie ſchon mehr als ſechs Tage vor Mariä Geburt vorüber; denn unter Sabb. ante Nativ. Mariä iſt bie Zahlung für bie Geſellen und Diener eingefhrieben, welche bie von Baſel umb die ober: länbifchen Stäbte „uz ber alden Meſſe gelegten‘; drittens 1874 war fie {don vor Mariä Geburt zu Ende; benn unter Sabb. pofl Nativ. Mariä iR eine Zahlung für bie Verzehrung eingefhrieben, welche die biener hielten ‚An Mitwochen (alfo zwei Tage vor Mariä Geburt) zu Kelfierbach, alß fie mit kauffluden ben Mohn abe reden“; vwiertend 1876 muß die Faſten⸗ weſſe noch acht Tage länger gebauert haben, als gewöhnlich, weil im Rechenbuch deht: „5 Pfd. 1 Sch. verberten bie diener mit 20 gleuen, alß fie uff ben grünen bonnerstaig wit den geften uz der faftenmeile reden”.

181) ©. Römer: Büdhner, Wahl: und Rrömmgälirde S. 60. Auch an

folgenden Stellen ber Rechenbücher wird ber Meſſeglocke gebacht: 1881 Zahlung für „czweye Yen am bie meilegloden’‘; 1888 beögleichen für „eyn holtz unde eyme zymmermanne zu arbeiden am der meilegloden zu hencken“; 1888 beögleichen „von ber meflegloden zu henden“; 1802 des⸗ gleichen für „eynen riemen in bie meßgloden‘; 1402 desgleichen „von eim riemen in bie meflegloden zum cloppel zu machen”.

182) Schon im älteflen noch vorhandenen Rechenbuche der Stat wirb erwähnt,

dei 1850 die Schüsen die Frankfurter Wollenweber, welche auf ben Fuldaer Marft reiften, bis Gelnhauſen geleiteten und, ala biefelben wieber von Fulda heimfchrten, ihnen bis Selbold entgegen fuhren. Bon 1852 an aber finden ſich befländig Ausgaben verzeichnet fir das Geleite ber Fraukfurter Bürger nach und von bem Friedberger Markt. Dieſes Geleite beftand im fahrenden Schügen oder in reitenden Gölbnern, und häufig wirb der Verzehrung gebacht, welche dieſe ſchühenden Begleiter in Peterweil (einmal au in Bonames) hielten. Einmal wirb auch erwähnt, daß bie: felben babei in Friebberg ſelbſt übernachteten, ſowie ein anbermal, daß man einen Söldner nad Butzbach und Aflenbeim fchicte, ums „foll zu verſamen

- unfer burger von Fredeberg ber heym zu geleiben”. Richt felten kommt

auch vor, daß die Schützen und Diener, megen ber Reife von Frankfurter Bürgern nach oder von Friedberg, zwifchen Frankfurt und Friebberg auf der Straße bielten (einmal fogar mit bem Bufage: „wit den burger⸗ meiſtern“).

188) In Betreff des Marktſchiffes ſ. Lersner J. 1, S. 590 Die erwähnten

zwölf Angriffe (in ber Zeit von 1362 bis 1874) waren folgende 1862 (Zaflenmefle) wurden die- Kaufleute von Löwen angegriffen und gefangen genommen. 1863 (FJaſtenmeſſe) wurben ebenbiefelben bei Kelſterbach ihrer Tuchwaaren beraubt. 1864 nahm ber Herr von Solms Braunfchmeiger auf ber Reife zur Meſſe gefangen und warf fie in Lich ind Gefängniß. 1366 überfiel Graf Ruprecht von Nafiau Kaufleute, weiche auf dem Main in bie Faſtenmeſſe reiften, und nahm ihnen Gier und anbere Waaren

Unheng.

weg. Zu eben berfelben Zelt wurden bie Wollenweber von Kymbın zwiſchen Kiefer Thron und ber Höhe durch Graf Heinrich von Rafı (einen cölniihen Domberrn, bem man ben fauberen Beinamen (ni Schindleder gegeben hatte) überfallen, einige von ihnen getöbtet, ander gefangen genommen, unb ihnen mehr ala 800 Stüd Tuch geraubt. 136 wurben auf der Reiſe zur Faflenmeſſe mehrere Meſſefremden verwundet, und bie Gtabt fehidte zur Verfolgung der Straßenräuber Leute and. In demſelben Sabre überfiel ber ritterlihe Straßenräuber Hartmub Bax andere Meſſefremden auf ihrer Reife in bie Herbſtmeſſe. Vor ber Jalla: mefle von 1870 wurben einerfeits bie Kaufleute aus Meißen und ander: feita bie aus Schwaben überfallen und beraubt; eimer der Ränter war ber Herr von Gppfiein. Im Jahr 1871 überfiel ber Graf von Bir und der Herr von Iſenburg bie niederländifchen Tuchhänbier, welde au die Faſtenmeſſe reiften, bei Audernach und nahmen ihnen Waaren im Wertöbetrage von mehr als 4000 Gulden weg. Im Herbſie beajelben Jahres wird von einem Meſſefremden beridstet, welcher „in ber meh nyder geworffin warb”. Bor ber Dfiermefle 1374 wurden zwei Eölntfchen Rau: leuten ihre Wollewaaren auf ber Reife weggenommen. Bor ber Hedi: meffe des ſelben Jahres aber ſah fi der Rath genöthigt, Geſandie nad Aachen und Cdln zu ſchicken, um bie dortigen Kaufleute wegen ber Gejaht zu "beruhigen, welche ihnen auf ber Meife zur bevorfichenben Meſſe droht Aus den nädfen Zeiten nah 1974 will ich noch folgende an Met fremden beabfichtigie oder begangene Mäubereien anführen. Im Jahr 1973 wurben Kaufleute, welche aus ber Faſtenmeſſe heimkehrten, bei Höchſt übe:

fallen. Bor ber Faſtenmeſſe von 1886 wurden eines Theils die Yambrıpe

Kanfleute bei Lohr feflgehalten, und anderes Thells mußte eine Bolihafl am die Colner geſchidt werben, welche aus Furcht vor Graf Dielher ver Natzenellenbogen nicht in die Meffe zu ziehen wagten. Im Herbſt 158 kemächtigte ſich Engelhard von Frankenſtein zu Selgenſtadt bes Meſſegutes ber Nürnberger. Aus bem Srühjahr 1895 wird uns folgende ftäbtild Ausgabe gemeldet: „18 Sch. 3 Heller 6 knechten einen tag an den porthen zu figen und zu warten uff reubern, die ber von Nurenberg burger in de meß angegriffen hatten”. Bor ber damaligen aflenmeffe wurden di Franffurter ſelbſt, als fie ben in ihre Diefie Reifenden entgegenzogen, ven den Leuten bed Mainzer Grzbifchofes bei Aſchaffenburg überfalten, beraubt und zum Theil gefangen genommen. Um ben Beginn des fünfzehnien Jahrhunderis beraubte ber Mainzifche Statthalter von Afchaffenburg, weit! biefen Ueberfall geleitet hatte, auch bie aus ber Meſſe beimfehrenden thũringiſchen und meißenifchen Kaufleute. Im Jahr 1402 mußte ſich di Stadt an den Konig wenden, weil bie brabantifchen Städte vom Herjzoge von Geldern bedroßt waren und deshalb nicht zur Meſſe reifen konnten. Am April 1408 nahm König Ruprecht in zwei an ben Math; geridtelen Schreiben (Kaiferbriefe des Stadt: Archivs I, Nro. 188 und 202) fich zweier Bftreichifcher Kaufleute an, welche auf ber Reife zur Frankfurter Melt

Anmerkungen zu X. 529

durch Konrab von Winsberg beraubt und gefangen genommen worden waren. Im Frühjahr 1406 wurben bie heimkehrenden Eölner vom Herru von GEppflein angefallen. Alle diefe Angaben, welche offenbar nichts weniger als ein vollkändiges Verzeihniß ber in jenen Zeiten auf Meſſe⸗ fremde gemachten Angriffe find, babe ich aus den Rechenbüchern entnom⸗ men, mit Ausnahme von vieren, welche in ber Limburger Chronik, in Lersner's Wer (I. 1, ©. 844 fig.) und in Fihard’s Weiteraria S. 189 mitgetheilt find. Wie nötbig übrigens felbft noch lange nad jenen Zeiten die militärifche Begleitung der Meſſefremden war, Tann man barans abnehmen, daß noch 1517 Franz von Sidingen fieben Wagen mit Mefiegütern unmittelbar vor einem der Stabtthore wegraubte (Lersner J. 1, 6.429). Wegen der großen Unficherheit in jenen Zeiten traf man außer und neben dem Geleite noch andere Borfihtämaßpregeln, 3. B.: Sabb. ante Matthäi 1890: „6 Sch. zwein gefellen, bie ein nacht die warte in ben Nyber walde virflugen, als man bie kaufflude des morgens uz ber meſſ geleiden ſolde“; Sabb. poft Anıbrofü 1402: „I8 groff virkerten ber biner ein teil, als fie bern Herman von Rodenſtein gein Friedeberg ge: luben waren, und auch als ir ein teil die warte vor der Hohe verjlugen, ba man bie vom Friedeberg in bie mefje geleidete”. 1875 findet fi nad der Herbſtmeſſe folgende Ausgabe verzeichnet: „Anber: balbhundert phund unde feilehalb phund band virkert unferö herren bienere von Hanauwe in ber berberge zur Ruſen, alß fie in ber alden meffe bie lagen unbe bie gefte ber unbe hynnen hulffen füren“. Gerade ein Jahr nachher wurde folgende Ausgabe gemadt: „10 Pfd. 6 Sch. verkerten unſers berren bienere ven Hanawe, bie gefellen die man gebeben hatte unde die richtere unde bienere und alle ire Tnechte in Johans huß von Holtzhuß burgermeifter, alß fie geyn ben geften gereben waren in ber alden meſſ unde fie ber raib hyz laden”. Im Frühling bes Jahres 1404 beißt es im Rechenbuch: „8824 gulben unſers herren des koniges (dies war bekanntlich Ruprecht von der Pfalz) dienern, bie fin gnaden, von begerunge bern Hermans von Rodenſtein (er war fädtifcher Hauptmann) und des Rades wegen, mit 22 pberben ber gefchicht hatte, bie Taufflude und gefte belffen zu geleiben‘‘.

185) In den erfinm Monaten bes Jahres 1849 erichien, wegen bed Thron: ſtreites zwifchen Karl IV. und Günther, das Reiſen zur bevorftehenden Faſtenmeſſe bebenflih; der Rath forgte daher bei Zeiten für ein ficheres Geleite und ſandte, wie es beißt, „bie botin uz mit des Füniges bryffen und des Berkogin und mit des von Falkenſtein zu ben fleben um bie mezſe“. Ebenſo forgte er 1894 um ben Beginn bed März für das Ge leite der Faftenmeife (,,8 gulden 16 Sch. ben furften, graven unb herren zu ſchriben und zu bibden, alle Taufflube und gefle bife faftenmeh zu geleiden“).

186) Sabb. poſt Nativ. Mariä 1875: „82 Pfb. ben ſchützen zu lone, eyns mit ben geften uz ber alden meſſ geyn Mentze und eyns geyn Oppinbeim,

Kriegk, Fraukf. Bürgerzwifte. 54

184

rt

530

187)

Anhang.

unbe von eyme fchiffe, daz fie geun Menhe brug, unbe von ben larım, bie file geyn Oppinheym trugen“. Gabb. ante Michaelis 1399: „2 Ph. von eim fchiffe, bie ſchutzen in der meſſe mit dem Tauffluben gein Merk zu faren“. Gabb. poſt Rativ. Mariä 1374: „21 Sch. 1 Heller verherien bie biener an Mitwochen zu Kelſterbach, alß fie mit kauffluden ben Men abe reden”. Matthäi 1881: 14 Pfb. minus 2 Sch. 30 ſchuhen unk 15 karren bie fie furten zu Ione, bie von Menhe uz der meſſe zu geleiben, unde 4 ſchutzen bie wit fure hatten zu lone“.

Der ©. 805 in Anmerk. 4. angeführte Herburt war einer ber Rider. Im Frühjahr 1872 wird eine Zahlung gemadt an „bie richter unk biener nach Homberg, alfe fie bie von Lympurg geleibeten in ie meſſe“. Im Herb 1377 findet ſich folgende Zahlung: „19 Sch. alte virgerten ber fiebe frunde zu Goginſheim, alß fie bie gefle uz ber alden meſſ geleiten”. Im Frühjahr 1379 hat das Rechenbuch folgende zwi Ausgaben verzeichnet: „18 Pfb. B Heller virkerten ber burgermeifter Heil:

. man von Spire unbe anber ber fiebe frunbe unbe biemer zu bren reden,

188)

189)

ala man bie faufflube in bie nuwen meſſe geleibete”; „8 Pfd. 8 64. virkerten Heilman burgermeifter von Spire unbe bie gefellen unde diene, alß fie die gefte uz der faften meſſ furten unbe auch eyne macht Bilden uf ber ſtede fiende‘‘. In Betreff des Stabthauptmannes f. LersnerL1,6.428. ©. oben ©. 260 fig., fowie Feyerlein's Nachträge I. ©. 198 fig. md Orth's Reichsmeſſen S. 684 fig. Das Nähere über die oben angegebene Geleitsſtellen ſ. in Ort h's Reichſsmeſſen S. 106, 115 fig, 117 fig., 120, 128, 126, 187 flg. Folgendes findet ſich über Geleitsſtellen überhaupi auf ©. 228 ber Collect. de rebus Francof., welche in Nro. 23 bt Uffenbah’fhen Manuferipte enthalten find: „Geleit zwiſchen Mat und Frandfurth verglichen, fuhret Kauffleuth biß an bie Galgenwarth und vor ben Oberröber Schlag, grofe Herrn biß an Heyligen Stod vor ki Galgen Pfort, und an ber Kehr Einer Pforten, Heſſen mit Recht erhalten, muß vor der Warth bleiben, Pfaltz besgleichen”.

Sabb. poft Nativ. Mariä 1875: „32 Pd. den ſchutzen zu Tone eyns mil den geften uz ber alben mei geyn Mentze unbe eyns geyn Oppinheim unbe von eym fchiffe, baz fie geyn Menke drug, unbe von ben karren die fie geyn Oppinheym trugen zu lone“. Sabb. ante Michaelis 19%: „3 Pfd. von eim fchiffe, die fehugen in der meſſe mit bem kauffluden geit Mentze zu faren“. Sabb. ante Simonis et Jub& 1875 wirb eine Zahlung gemacht für die Zehrung der Diener zu Kelſterbach, „als fie zu leſt mi ben geften uz der alben meffe reden‘. Sabb. poſt Paſchä 1976: „5 PR. 26%. ſechszehin ſchutzen bis gein Ruhenheym bie von Mentze zu geleydin“ Nativ. Mariä 1875: f. oben S. 806 Anm. 4. Sabb. poſt Albani 1976: „ii albe große virtzerten bie diener zu Roßelheym, alß fie geyn ben gefen in ber fafte mefj redd“.

190) Nach ben Rechenbüchern hielten bie das Geleite Bildenden im Herbſt 1973

ihre Verzehrung zu „Dordelmpl‘, übernachteten im Frühjahr 1875 zu

Anmerkungen zu X. 531

Friebberg, „alß le geyn ben Heſſchen fteben reden, bie in bie faften meſſe wolden“, zogen Im Frühjahr 1874 „geyn Butzbach, alß des Lantgraffin ſtede da lagen unde in die faſten meſſe wolden“, und ritten im Frühjahr 1868 aus, „bie Heſſen zu geleiden gein ben Gyzſin“. Nach zwei Urkunden aber, welche Lersner II. 1, S. 817 unb 554 anführt, empfingen bie Franffınter um 1440 dad von Butzbach abgehende Eppfeiner Geleite in Kloppenbeim ober Holzbaufen, und ſchickten um 1894 ihre Geleitsmänner auch nach Peterweil, liber welchen Ort damals bie Straße von Frankfurt nach Friedberg ging.

191) Sabb. pofl Barthel. 1874: „28 Sc. 3 Heller verkerten bie biener an Donreftage (Hier fehlt offenbar „als fie‘) in dem Monichhoffe in ber alden meſſe bilden, item 27 Sch. alber 5 Heller vergerten fie am Mantage da felb, item 32 Sch. junger verkerten fie an Dinftage ba ſelb“. Sabb. porn Decoll. Johannis 1374: „2 Pfd. alter 21% Sch. after virgerten bie biener zu Babinhuß, alß fie da bilden uff ber ſtraße in ber alden meſſe“. „Item 3 Bfb. perbelon, alß bie gefellin bilden in der alden mefle in bem boffe zuffgen Menke und Franck. uff dem Moyne“. In bie Decoll. Johannis 1866: 2 Pfd. 8 Sch. 4 albe Bellen, ba unfer diener hildin uff ber firazfen in ber meſſe gein ben von Marpurg”. Sabb. poſt Paſchä 1875: „28 Sch. verberten bie diener zue Gogenſheym, alß fie in ber faften meſſe uff der ſtraße Bilden”.

192) Die Nechenbücher enthalten biefe Abgaben. Ea geht aus beufelben zugleich

beroar, daß diefe Gemächer ober, tote ber Ausdruck lautet, Profeien auf

ben Mam ſelbſt fanden, und daß nicht fowohl fie felbft, als vielmehr

das Mainbette unter und bet ihnen gereinigt wurben. So beißt e& 1388:

‚a Pfd. in der alden meff under ber profeyen uff bem Meyne zu fegen“;

1888: „238 Sch. 6 Heller bie gemeynen profeyen an dem Moyne zu fegen’;

31408: „3 Bid. 18 Sch. umb 16 bele zur profeyen an dem Meyn und

umb ⁊c.“; 1410: „82 Sch. zwein Tnechten zu drin malen in bifer meſſe

nachteß ımder ber profeien am Dein zu fegin, als ber Meinfo clein was‘.

Müller’s Bartholomäng- Stift ©. 128 flg., das handſchriftliche Geſetz⸗

buch Blatt 50, das Wanufeript de ecclesiis, monaster. Francof. in

Nro. 5 der Uffenbach’fhen Manuferipte In Letterem beißt es S. 98:

„854 hat das Gapitul (zu St. Bartbol.) und ber Rath fich verglichen

und verbotten, daß hinführo nichts mehr in und außerhalb bed Bartholo⸗

mäus Bezirk ober Freiheit folte feil gehabt werben. Dagegen hat €. €.

Nah dem Oustedi verfprochen, jährlich eine Mark Gelbs zu verehren ”.

Diefe Angabe if, wie fo viele in ber Uffenbachiſchen Manuſcripten⸗Samm⸗

Iung, ſalſch, ſowohl in Hinſicht auf die Jahreszahl, ala im Betreff ber

Geldfumme; benn nach ben Rechenbüchern ber Stabt leiftete ber Rath

ſchon 1962 jene jährliche Zahlung, und diefe betrug damals und in ben

nädften Jahren 1 Bfb., 1856 aber 11% Pfd., von 1867 an wieber 1 Pfb., von 1861 bis 1372 30 S@. ımb erfi von 1873 an 1 Mark, Wie wenig

Übrigens das Werbot befolgt wurde, gebt aud aus dem Schultheißenbuch

84*

198

u

532

Anhang.

Eifrieb’8 zum Parabied hervor, in welchem Blatt 9 eine Abgabe an ben Schultheißen fo angegeben ifl: „von jedem crame 6 alde hellir umbir dache aber nicht unbir dache, in bem Firdhoffe und in ben kirchen“.

194) Im Schultheißen⸗Buch ſteht Blatt 8: „Nota daz huſgelt. Wer gut in

195

ur

196)

197)

egme huſe ligin bat, der gebit dry alde hellir von dem tzintener zu bufgelde, unde wer baz fouffirt, der gebit ſehs alde hellir in ber mefle, er fy ein burger abir nicht, aber ufwenbig ber mefle fo gebit eim burger fein Hufgelt, unde der fehs hellir gefellit der Rab dry hellir, fo die erfim in belliv gefallint alleyne beme, bes baz bus ift adir pnne bat‘.

Im Scultheißen: Bug Sifrieb’3 zum Paradies, welches ber Zeit von 1870 bis 1880 angehört, findet fi Blatt 11 folgende Stelle: „Diät fint die ſtede die quifri fin an der brodiu, abir daz mercrecht gebit allirmenlich Age, Geylnhuſin, Henwe, Norenberg, Prage, Breſſelawe, Oppinbeim, Wormeße, Spire, Strafburg, Wetflar, Yribeberg, Soltzpach czu Bey, KNochten czu Beheim, Babinberg bie alde flab, die ander gebit ug ber Hab halbin czul und nit ben yn, Sletzſtad, Hagenaumwe, Eger”. Gin Ba: zeichniß aller derer, welche um 1567 biefe Zollfreiheit genoffen, findet ſich bei Lersner DO. 1, ©. 800.

Im Schultheißen⸗-Buch heißt es Blatt 5: „Nota die flab zu Frank. gebit eyme ſchulth. zu Frank. alle jar uff fant Michels tag 10 Pfd. Hell. ewigi⸗ geldiß fur unfern herren den keyſer Karle uud fine ſtede Prage, Sulkbad, Vrefpela und bie Kotten, daz fie zollfri fin an ber brodin zu Saffinbufin, und barumb gab ber felbe feifer ber ſtad 800 gulbin”. Daß bie jr kaufung biefer Städte duch Karl IV. im Jahre 1858 ober zu Anfang 1869 Statt fand, geht aus folgendem Ausgabenpoften bes Rechenbucht von 1858 hervor: Dominica poft Pafchä 1359, 19 Pfb. an virkuften an bofen bellern, an lichten guldin, an Behemiſchen und an ben drenhundirt guldin, die unfe berre der keyſir antwortete als von ber vier flebe wegin Prage, Breflow, Kotten und Soltzbach.

Nach Fries (Pfeifergericht ©. 178 fig.) wären bie betreffenden Geſchenle ſelbſt in Nürnberg nie überreicht, fonbern flet3 nur Geld gezahlt worden Dies ift jedoch nicht richtig, wie folgende brei Stellen ber Stadt⸗Nechnungs⸗ bücher beweiſen: erfiend 1383 Sabb. poſt Petri ab vincula: 2 gulden Sytzen von Schorreborff vor peffer, hentzſchuwe unde ander gerete, bie he zu Nurenberg von vier jar gegebin haid, daz unfer burgere ba zol fm fen; zweitens 1884 Gabb. poſt Epiphan. (1885): 3 gulden Gyfen von Schornborff, alß he von dren jaren zu Nurenberg von der ftebe wegen da gegebin hatte wor peffer, bentfchume, eynen bedyer unbe eynen ſtab; brittens 1408 Vigilia Nativ. Johannis: 12 Sch. han wir gegebin Hennen Moni, als er der ſtebe recht zu Nuremberg in ben neſten virgangen phingf heiligen tagen abegeriht hat, barumb die burger biff jar ba zolfry fin, und mad das mit namen umb einen wyßen gebreweien becher, ein phund pefferd bar inne, zwene wyße bentfchu und umb ein wyß fiebechin, und wolde des burggraven amptmann, ber das au tunde hatte gehabt, han, das er imt

Anmerkungen zu XI. 533

das mit phiffern antworten fulde, bes er boch nit tun wolde und mente,

dad man bed nit plichtig wer, und bleib iz auch baby.

Es heißt ſtets „ben Nechenmeiftern, ben ſchribern und irme gefinde zu

meſſegelde“; einmal kommt ftatt bes Tebteren Ausdruckes auch vor: „in

ber mefle fur tr recht”, ein andermal: „in ber mefle zu ſchenkgeld“.

Uebrigend nahmen 1856 auch die Ungelder an biefem Geſchenle Theil,

fowte 1872 auch einmal vorfommt, daß ber Stabtpfaffe (db. i. ber Pro:

kurator der Stabt) und fein Gefinde ein freilich Kleines Meſſegeſchenke von etwas mehr als einem halben Gulden (14 Sch.) erhielten.

199) Ein Beifpiel hiervon gibt bad Rechenbuch von 1879 unter Sabb. ante Urbani: „Engeln Wießen unde Hentzen von Holtzhuß dem Jungen ir iglichem 17 Pfd. 8 Sch. von 21 tagen, alfe fie Wider Froiſch felge unbe bie darzu gefaft worden vor langer zyt gewonnen batten, in eyner meſſ zu vieben, iglihem zum tage mit eyner glenen 18 Sch., und fie des warteten daig unbe nacht, unbe uff ire foft redden, uff wilche zyt fie des gebeiffen worden“. Webrigens finden fich alle oben angegebenen Sicherheits: maßregeln ebenfalls in den Rechenbüchern erwähnt.

200) Lersner I. 1, ©. 429. 480, II. 1, S. 660. Kirchner (I. ©.504) gebenft auch eines Taufendkünſtlers, der fein Glück auf ben Meſſen ver: fuchte, und 1486 als Zauberer in ben Main geworfen wurde“. Er gibt jedoch Feine Duelle an, und ba Lersner U. 1, ©. 684 bloß jagt: „1486 warb ein Zauberer und Falſarius ertrendt“, fo ift es klar, baß dies Kirchner's Quelle war, und daß der von ihm gebrauchte Aus⸗ druck „Tauſendkünftler“ nicht mit „Tafchenfpielfünftler‘’ ibentifch, ſowie bie Erwähnung ber Meſſen dabei nur eine Vermuthung if.

198

St

Anmerkungen zu XI. Srankfurter Geldgeſchäfte und Handelöbanten im Mittelalter.

201) Stadt-Rechenbuch wird unter Michaelis 1408 eine Sendung nach Mainz gwähnt, „ald man mit den Lumbarben tedingte von bed weifila wegen, als gein Rome von Welders wegin gemacht waz“, ‚nachdem ſchon im Juli angegeben worben war, daß man den Stabticgreiber nad Mainz geihiet hatte, „zu erfarn von gefted wegen an dem woefjeler, daz man gein Rn verweſſit hatte”. Im Rechenduch von 1405 werden Verhandlungen, ca * der Richter Dielmann Gaſt in Rom zu führen hatte, erwähnt und Herden Außgaben für biefelben u. A. bemerkt, bag „Dilman mit zwei v zu Heidelberg lagin und eins weßelbrieffs beydte“.

202) In den am Schluffe des Rechenbuchs Von 1406 beſindli |

folgende drei Bemerkungen: Grflen® 2 gulden 6 SS. 7 © Srumenbeis, weßilbrieff gein Colne; zweitens 8 gulden em gejellin von ber und einen weffelbrieff Tilman gein NRome trug Walter zur Bloden von eins weſſils wegin umb 150 zu fenden.

Ducaten gen

nad dem

heittend 180 gulden

584 Anhang.

208) Um Ende des Rechenbuchs von 1402 ſtehen folgende Notizen: Nota hude zu tage feria ſecunda poſt Katherinen han wir mit Jekil zu Schoneflein (die war einer ber in Dienſt genommenen Leute) alle ding gerechint und fleht gemacht, unb ban wir rechemeifter Yyıne uz der rechenunge geluhen 200 gulben. Auch hatte und Jelil uff die felbie zyd, als er gerechint batte, an bem weßil gewonnen 68 gulden, bie wir yme auch lichen zu ben obgenanten 200 gulden. Uff hude feria ſecunda poſt Katberinen Ban wir rechemelfter mit Sellin zu Schoneftein, als ber fyt ber nefte meſſe biz her allein uff dem weßil gefeffin bat, geredhint und alle ding glich gemadtt, alfo baz er in ber vorgenant zyd uff bem weßil erwonen bat, daz yme befanden fin 68 gulden. Stem ban wir am weßil 1000 gulben von Happel Kahbaums wegin. Item 800 gulben bau wir figen am wehl, die un bie brudenmeifter bar lachten. Item han wir gnomen vom weßil 400 gulden. Item in ber alden mefle anno 1402 han wir rechemeifte von bem weßil zu wigegelbe enphangen 200 gulden 16 gulden 17 Hl. Item in ber vorg. meſſ ban wir dem gejellin uff bem weßil zu Jon gebin big nachgeſchrebin: Jekiln zu Hanauwe 24 dage, Senne zu Freudenbetg 24 dage, Ewalt zu Ortenberg 24 bage, Peter Humbrecht 28 dage, iglichem 7 gulden, Heinge Tirmenflein 27 bage, Henne Balmenede 28 bage, iglichem 8 gulden, Peber Tonne 21 tage, Dilman Fribobe 20 tage, iglichem 6 gulden, Henne Winfperg 14 bage, Rorbad 14 bage, Mathis 14 bage, iglichem 4 gulden. Nota Sohannes Beier, Zell Humbrecht. Item vom weßil han wir enphangen, als man zu twigegelde uffgehabin hatte, 200 gulden 16 gulden 17 Hell., und waz daz zu uggenber meſſe. Nota deßs mantages nach Retivitat. Marie anno 1402 Ban lude vur Zeil gu Hanauwe uf dem weßil gehabt ligen 25 gulben, ber huben fie 31 widder uff und lic bie uberige 4 gulden lige, die er und auch in bie rechenunge gegebim bat. Uebrigend durfte, nach einer 1402 erlafjenen Verordnung, bad von Privaten in die Bank gelegte Gelb nicht gerichtlich angegriffen werden. Dieſe im Ditober 1402 erlafjene, im oft erwähnten Geſetzbuch Blatt 42 ſiehende Verorbnung lautete: Der Rat it uberkommen, ala er fich vormals aud vereyniget hat, das alles gelt, es fy was es fu, das fur der ſtede wechfel gelacht wirt, ſulle gut geleit haben, alſo das es nymant ſulle ober moge bekommern ober off halden.

4) Stadt Rechenbuch, Sabb. poſt Andrei 1402: „1400 gulden Zeh. ven Holt: buß und Henne von Breidenbach, bie wir in an ben weßil gelacht ban, in ba mibe 70 gulden geldes widderkauf abegulofen, als in baz der Rad in ſinen offin brieffen virfundet Hat”. Uebrigens war es auch ſchon vor biefer neuen Einriätung gebräuchli geweien, Gelb bei ben Wechſelern anzulegen, und man kann baraus fchließen, daß biefe bereit? früher neben ihrem Geldwechſeln eigentliche Geldgeichäfte trieben. In einer Urkunde bei Zeonharb3:Stiftes von 1897, welche bag Teftament eines Kanonifns enthält, beißt ed: Idem dietus testator asseruit, se habere trecentos florenos apud Johannem Appenheimer oppidanum Franckefordenum, quorum

Anmerkungen zu XI. 535

ducentos legavit et donavit nomine dotis Katherine filie sui fratris. Item reliquos centum florenos apud Johannem Appenheimer, ut per- fertur, existentes etc. Jener Appenbeimer war ein Wechfeler.

305) Stadi⸗Rechenbuch, Sabb. ante Perpetuä 1403: 2000 gulden han wir von bed Rads wegin gegebin und gelacht vur Joh. Appinheimer an ben weil, da mide kauffmanfchafft zu triben und zu weßiln, und fal er dem Rabe finen teil davon gebin und baz halben, als man mit yme barumb ubir- komen ift nach lude der brieffe baruber gegebin. tem 3000 gulben han wir von bed Rads wegin gegebin und geladyt vur Cleßchin Wolfen: burg, dem Rabe ba mide zu weßiln und faufmanfcafft zu triben. Item 121 gulden han wir gelacht und gegebin vur Jekiln zu Schonenftein vur ben weifll, al man mit yme ubirkommen if. Später, Sabb. ante Sirti 1408, Heißt e8 dann: 900 gulden han wir von Jekiln zu Shonen fein von dem weßil gnomen in die rechenunge, bie der Rab vor vur in uff den weßil gelacht hätte. tem nach der nefte virgangen fafte meſſe ban wir von bed weßils wegin gerechent mit Jekiln Humbredt zu Schonenftein, und gab er ung da 70 Pfd. zu wigegelde und dann vom weßil und Fauffmanfchafft 41 gulden, da von hat man widder gegebin 6 gulden eim gefelin, der yme die meß 21 tage half. Item Johan Balmftorffer zum Duydenbaum hat und nad ber vorg. fafte meß gegebin 24 gulden 7 Sch. zu wigegelde ald zum balbin teil und bann 100 gulden 86 gulden 6 Sch. von weßilgelde und kauffmanſchafft als zum balbin teil. Item Sifrid Guldenſchaff hat ung nad, ber vorg. faften meß gegebin 20 gulden zu wigegeld und 10 heller alß zum halbin teil und ban 16 gulben 5 Sch. von weßilgeld und fauffmanjchafft ald zum drittenteil.

Item Cleßchin Wolkenburg hat uns nad ber egenanten fajten meß gegebin 60 gulden zu wigegeld und dann 53 gulden von weßilgelde und fauffmanfchafft, davon hat man wider uzgegebin 12 gulden zwein gefelin, bie im in der meſſe 21 tage hulffen. Item Cleßchin vorg. hat uns uf hude fant Eiriacus tag gegebin 28 gulden von weſſel und tauffmanfchoftt und dan zu wigegelde 8 Pid. 11 Sch. 4 Hell. Nach ber Herbftmeie biefes Jahres heikt e3 (Sabb. por Mattyäi): 300 Pfd. 14 Pfd. 3 Hd han wir von den vier weſſeln enphangen von ber nefte vergangen wmeflie- _ In ben nächſten Jahren beißt e3 in ber Abrechnung, daß Cleßchin Wolten⸗ burg mit 60 Gulden als „Jahrlohn““ bezahl worden ſei, Avpenhed Guldenſchaff und Schonenſtein aber theils die Hälfte, teils em ober vd Drittel vom Wiegegelde und vom Gewinn erhalten Hätten.

206) In Betreff der Bank von Cleßchin Woltenburg, weläe gond an des Rated und von diefem mit 8000 Gulden ausdeſtotie egeben wird noch ber Zufag gemacht, biefed Geld {er jenem at aa traben. worden, un damit „beim NRathe“ zu weiflln und ern —X

In dem einen der erwähnten beiben Verwðdhe F wie mit kauuftmant

Gewinn ebenfalls als ein dreifacher beʒeichnet· Mas (ve".

. . n wit ſchafft oder wepiln gewinnen, und mag geimla vo

536 Anbang.

207) Daß bie Weſſeler Geldgeſchäfte trieben, Eönnte vermittelft des von Orth (Reichsmeſſen ©. 835) angeführten Eides berfelben befiritten werben. Eie ſchworen nämlih u. A., daß fie von bem Gelbe, welches der Rath ihnen leihe, feinen Heller aus ber Stadt führen, noch mit demſelben handeln, fondern mit ibm blos ben Wechfel halten wollten. Allein bies kann offen: bar nur fo verftanden werben, daß fie keinen Waarenhandel, fondern (mie es in der einen Conceſſions-Urkunde heißt) bios Kaufmannſchafi, die zum Weffil gehöre”, db. h. blos Geldgefchäfte treiben durften.

208) Die zuletzt angeführte, enorm hohe Verzinſung eines fläbtifchen Anlehens ift in mehrfacher Hinficht merkwürdig. Nach der betreffenden von Sencker- berg (Sel. jur. I., p. 645) mitgetheilten Schuldverſchreibung entlieh ber Rath am 28. Mai 1868 von vier (offenbar Mainzer) Juden 1000 Gulden unter folgenden Bebingungen: Erſtens vom 28. Mai bi zum 11. November werden wöchentlich 5 Gulden Zinfen bezahlt (mas alfo 26%o jährlich find); zweitend wird die Schuld am 11. November nicht zurädbezahlt, fo fel biefelbe auf 1125 Gulden geftiegen fein, b. 5. alfo zu den bereit bezahlten 26% Zinfen ebenfoviel bezahlt, oder mit anderen Worten das Kapital für bie Zeit von Mai bis November mit einem Jahreszins von 52° verzinkt werden; brittend vom 11. November an werben jene 1125 Gulden wöcent: ih mit 5 für je 1000 Gulden weiter verzinft; vierten als Bürgen für bie Rüdzahlung und Verzinfung ded Kapitals treten ber Stadt-Schultheiß Sifried zum Paradies und elf der angefehenften Frankfurter Bürger (ein Glauburg, ein Klobelauch, ein Loͤwenſtein, ein Lichtenflein, zwei Holzhauſen, ein Hohen⸗ baus, ein Froſch, ein Drutmann, ein Bärtener und einer zum Wedel) ein; fünften? werden biefe Bilrgen acht Tage nach dem 11. November zur Zah: Yung ermahnt und Jeiften fie diefelbe nicht, fo follen fie fich unverziglid in Mainz zu einem fogenannten Einlager fielen, d. 5. fie ſollen ſich nad Mainz begeben und bort in einer von ben vier jübifchen Gläubigern ihnen anzuweifenben offenen Herberge als Geifeln fo lange verbleiben, bis Kapital und Zinfen bezahlt find; ſechſtens ſowohl der Rath als diefe Bürgen und Geiſeln verzichten im Voraus auf alle Mittel, welche fie gegen biefe Ber: tragsbeftimmungen von Kalfer und Pabſt, durch Gerichte, durch Bann oder auf irgend eine andere Weiſe erlangen könnten; fiebentens if ein Jahr nad dem 11. November 1868 bie Schulb nicht abgetragen, fo mögen bie vier Gläubiger Leib und Gut bes Mathes mit ober ohne Gericht angreifen; achten alle benfelben zuerfannten Rechte follen auch auf diejenigen über geben, benen fie ihre Schuldforberung etwa abtreten werben. ine gleiche Schuldverfhreibung kommt in der Frankfurter Geſchichte nicht wieber ver. Aehnlich ift diejenige, welche 1898 brei der erften Hofbeamien des Königs Wenzel an ſechs Frankfurter Bürger für 459 Gulden und 2 Groſchen au flelten, bie ihr Gebieter für ben kurz vorher zu Frankfurt verzehrten Wein | jenen ſechs Bürgern ſchuldig geblieben war. Die Hofbeamten verpflichtelen fi ebenfall zu einem Ginlager, wenn fie auf bie” gefchehende Rüdforde | rung nicht fogleich bezahlten; nur follten fie nicht felbft als Geiſeln nad

Anmerkungen zu XIT. u. XII. 597

Frankfurt Tommen und bort in einer von ben Gläubigern angemiefenen offenen Herberge verbleiben, fonbern jeder von ihnen fellte flatt Teiner einen Edelfnecht nebft einem anderen Snechte jenden. Außerdem follten ben Gläubigern alle gehabten Koften berichtigt werden. Endlich entfagten fie ebenfalld der Anwendung aller geiftlichen oder weltlichen Rechtsmittel (Fichard's Archiv III. ©. 174 fig. 192 fig.). In diefem Falle waren e8 bie zer- rütteten SFinanzverhältniffe bes Königs, welche die Gläubiger zum Stellen folcher Bedingungen nöthigten; im erfteren Falle aber mußten ſich bie Gläu⸗ biger gegen die Schwierigleiten ficher fiellen, welche ihnen als Zuben ent: ſtehen konnten, wenn fie etwa gemdtbigt würden, ihre Fordernng beim Böniglicden Hofgerichte einzuflagen.

Anmerkung zu XII. Eine Frankfurter Spielbank im Mittelalter.

209) Diefe von Senckenberg Selecta jur. I. p. 58. mitgeteilten Verordnungen über dad Spielen find folgende zwei: Erftend: Auch enfal nyman uff keynerleie geburgebe abir in das vas fpelin abir um feinerleie ding, das geld brengen mag, das geburgige iſt, ane alle geverbe, wer barubir fpelete, alfe vele ber virlure, alfe vele hat be barzu ber ſtad gebin, un alfe vele, alfe ber gewynnet, alfe vele fal be ber ftab gebin und barzu ſynes gelbis alfe vele, alfe des geldis ift, ba be gewunnen bat. Zweitens: Auch enfal nyman dem andern Fein geld wizfentliche Inben zum fpele; wer es barubir übe, der fal alfe vele der ſtad gebin, unn wer es entneme, ber fal auch alfe vele ber ſtad gebin. Wer bifir fiude eynes ſehe, bag es gebrochin wurbe, un ber es nicht enrugete ben burgermeiftern, wo man das gewar würbe, ber ſulde biefelbin pene liden, als ber gebrochin hette. Eine andere jener Verordnungen (Senckenberg I.p. 87) lautet: Auch enfullen nyman, ed fin manneönamen adir fraumennamen, bober fpelin allirdeye ſpyl, ban uff zwene ſchillinge alder heller zu eyme bage, und zu ber nacht weddir umb geld adir umb geldes werd. Auch wer dyſer vorgefchrebin flude u. f. w. Eine Berorbnung aus dem folgenden Jahrhundert beflimmte die Spiele, weile man außer bem Haufe fpielen durfte, und febte bie Höhe bed zu Berfpielenden feſt: f. Ar. für Frankfurt's Geſch. u. Kunft VIL S. 172 fig.

Anmerkungen zu XII. Die Fraukfurter Zünfte im Mittelalter.

210) Für die Namen Zunft und Handwerk bebarf es ber Anführung von Bei: fpielen nicht. Was aber bie anderen brei Namen betrifft, fo mögen folgende Beifpiele aus Frankjurtiihen Urkunden genügen: In der Schuhmacher: Orbnung von 1865 (Böhmer, p. 841) heißt e3 von demjenigen, welcher aus ber Zunft ausgeftoßen wird: „he virlufet bie gefellefchafft”. Die Vereini- gung ber Krämer nannte fich „die Geſellſchaft der Krämerftuben, und ſtellte 1599 ala eine ihrer Aufnahme:Bedingungen auf, daß der Betreffende ‚nit zunftig, noch einer anderen Stubengefeljchaft, fonbern frege ſeye“ (Fichard's

598

Anhang

Archiv IL ©. 146. 148). In ber Feuerordaung des fünfzehnten Jahr⸗ hunderts, die fich im haucbſchriftlichen @eiepbuche befindet (Blatt 100 104), werden, nachdem bie einzelnen Zünfte und bie fünf Geſellſchaften Lympurg. Laberam, Lewenfein, Frauenſſein umb Kremere angeführt morben find, alle zufammen mit bem Ausbrude „bie vorgefchriben bantıwerg und bie vorgefchriben Reben”, ſowie em andermal mit bem Ausbrude „bie vorge ſchriben gefelefchafften oder hantwerg“ bezeichnet; ebendaſelbfſt wirb ben Gadträgern, welche eine ber Zünfte waren, geboten, aus ihrer Dritte adıı Perfonen zum Feuer abzuorbnien und benfelben „von iver gefellefchafft wegen“ eine gewiſſe Belleivung zu geben. in Beilpiel von dem Gebrauche bei Wortes Stubengefelfyaft für Zunft findet man oben ©. 869 Amm.

211) Als z. 8. 1410 eine Königswahl gehalten wurde, lieh man wäbrenb ber

Daner derfelben nur fünf Stadtthore offen, und an jedem berfelben beſan ben ſich ftet3 brei Rathöglieder unb vier Männer aus den Zünften (nad dem Rechenbuche jenes Jahres). Im folgenden Jahre umıßten beim gleichen Anlafle „die Hantwerclker nachtes und tages uff den Nuben mit irme barneich fein, zu wachen und zu huden“. Ferner findet fi im Zunftbuche der Schneider ein Zettel aus dem fünfzehnten Jahrhundert, welcher bie son Rath eriheilten Berfchriften bei drohenden Gefahren enthält, und nad diefen BVorfchriften wer won jeder Zunft und Geſellſchaft ſteis eine gemiiie Zahl von Männern zu beſtimmen, welche beim Länten der Sturmglode ſogleich bewaffnet an den Stadtihoren erjcheinen mußte.

212) Die Angaben, welche uns über beide Ausrüftungdarten gemacht werben,

find mangelhaft. In den Bädergefeken von 1877 z. B. wirb ber kleine Harniſch als aus Banger, eiferner Kopfbebedlung, Armieber und Handſchuhen beſtehend angegeben und eine eigentliche Angriffswafle gar nicht genannt. Nach dem alten bandfchriftlicgen Geſetzbuche bildeten 1882 bie eiſerne Kopf: Sebedung, zwei Handſchuhe und entweder ein Schwert, ober ein Kolben ober ein Spieß oder eine Bellebarde oder vergleichen ben kleinen Harniſch, im folgenden Jahrhundert dagegen bie eiferne Kopibebedung, zwei eiferne Handſchuhe und ein rebelih Gewehr in ber Hand. In demſelben Geſetz⸗ bug find beim vollen Harniſch Schwert, Armleder und Handſchuhe nicht mit gemamnt, offenbar weil fie fih von ſelbſt verſtanden.

218) Tiefe Rathsverordnung oder vielmehr ber hierher gehörige Paragraph ter:

ſelben lautet: „Deß glihen han wir ynen zugelaißen und gegont, das fie nun hynfure feynen inne ire handwergk zu eym meilter uff nemen follen, er fonne dan fin hantwerg, als ime gepuret. So er meifter geheifßen fin will mit namen, fol er fonnen eynen chmer inn fon ringe ober revff feßen, eynen badezober und eyn gut togelich follefafſe machen, alle nad erkeuntniß des hantwergs zunfftmeifter und ber viere, die alßdan fin; und obe er deß nit alfo fonte und beiveren mochte, folte er nit uffgenommen, fonder ime gefageit werben, daß er bafß lerne; bo by eh dan pliben folle one inrebde, uff das die burger und andere, bem ber arbeit noit if, befter fbatficher verforget werden mogen“. Bei ben Goldſchmidten wurde bas

Anmerkungen zu XII. 539

Verfertigen eines Meifterſtückes 1517 durch eine Rathsverordnung einge führt, beren Wortlaut (Reräner, II. S. 558 fig.) dasfelbe ebenfalls als eine ganz neue Vorſchrift bezeichnet: „Es foll fein Goldſchmidt zur arbeiten allbie vergönnet jeyn, Er könne dann ein Gürtel fchmitten, ein Kelch und ein Stegel ſchneiden: Doc follen die alte Meifter, bie jegt für Meifter arbeiten, nit verworfen werben‘.

214) Diefe Ratbsorbnung findet fich in dem Zunftbuche ber Bender. Sie lautet: „Zu wiſſen fy, als in ber Yantwerder bucher gefchreben fleet, das myemand foliche hantıwerde fulle noch dar czu gelaßen werben, er babe es ban vor mit dem Rabe ußgetranen nach lude desſelben artickels in iren buchern begriffen, und doch etlie hantwerder eyn deil von geborn burgern und andern czu gelagen han, des hat fidh der Rab davon unberfprochen und gecleret, alſo das bie hantwercker forter nymandt in ire hantwerde uffnemen noch enpfahen follen, fie fin geborn burger aber andere, fie haben dan vor ben burger eyd getan und 18 mit bem Nabe eygentliche ußgetragen, und wann das geſcheen if, fo mogen fie fie dann erft enphahen” u. f. w.

215) Die Schneibergefege von 1852 beginnen mit den Worten: „Dit fint bie gefegebe, die wir die meyſtere bie fnydere und die buchfcherere zuo Fran: finforb, bie bie zunfft bant, umb gemeinen nu unfirs hantwerdis unber uns han gefaft und gemacht”. In den Geſetzen ber Steinmegen von 1855 wirb einer Aenderung gedacht, welche bie Vorfahren der Steinmegen ımit einem Artikel berfelben vorgenommen hatten; von einer Mitwirlung ober einer Genehmigung des Rathes aber iſt babei Feine Rede. In ben Kürſchner⸗ Geſetzen von 1855 wird von bemjenigen, welcher biefelben verletze, geſagt: „wan be virbrichit, das be felber mit ung gemadt hat“.

216) Es beflanb aus ben zwei Meiflern, weiche Mitglieder des Rathes waren, aus vier Giegelmeiftern, aus brei Baumeiftern und zwei Walkern ber ben Webern gehörenden Waltmühlen, aus drei Vorſtehern bes ihnen ebenfalld gehörenden ſeumpfhauſes, aus vier anderen Zunftgenoffen, welche durch bie beiden Rathsglieder und bie Siegelmeiſter gewählt wurden, und endlich and vier Meiftern, welche die am Eigenthume der beiden Zunfthäuſer night mitberechtigten Zunftgenofim aus ihrer Mitte zu wählen hatten.

217) In den Bunftgefegen von 1877 ift nämlich der Urtilel enthalten: „Auch mogen fie zu irs hantwerks noben gebode laßen tun von gebeiße ber, die ber Rab bar zu ſchichet“. Am ben Steindeders@efegen von 1476 heißt es: „Wan fie von ires hantwerds ſachen ein gefellengehoit haben wollen, 10 ſollen der jarmeifter zum mynſten einer darumb by yr Herten, bie gen von dem Rabe zugebin fin, ober by ir einen komen und bietten, Dit 8 geſellengebot zu erlauben, und yne da by ſaigen, waß die ſaiche y, m war yn daz erlaubt iſt und fie daz tun, wer ban mit zum fomet” u. f. w. finfte

218) Zum Schlufle bemerfe ih noch, daß die Mitgliederzahl bet einzelnen > is und aus bem Jahre 1887 offtciell bekannt ik. Das Barg Te * nämlich, welches damals bei. einer allgemeinen Eidesleiſtums gemadt wurde,

Unbang.

und das fi nod im GtaM:Ardhive befindet, führt bie einzelnen Bürger, welche fhwuren, fo auf, daß bie aus ber Gemeinde ohne Rüdfidt wi ihre Gefellfchaften oder Stuben, die Aünftigen aber nach ihren eimzedam Zänften eingefchrieben find. Außerdem find auf einem loſe beiligmia Zettel auch noch diejenigen, welche nicht fehwuren, im gleicher Weile anr geben. Macht man nun biernach eine Zufammenzählung, fo enthielten ix 30 Zünfte, die es damals gab, folgende Mitgliederzahlen: bie ole: weber 808, die Mebger 89, bie Schmidte 98, bie Bäder 104, bie Edit macher 85, die Kürfchner BI, die Lohgerber (Lower) 84, bie Fiſcher 89, de Schneider 126, die Steinmehen 88, bie Opperfnechte (Aderbauer) 53, x Zimmerleute 57, die Steindeder 24, bie Bender 64, bie Leinemeber 53 bie Gadträger 25, die Weißgerber 18, die Weinſchröder 80, die Rau: knechte 25, bie Bader 29.

Anmerkungen zu XIV. Gefellen: und Lehrlinge-Weſen bei den

219)

Granffurter Handwerlern im Mittelalter.

An den Gteinbeder: Befehen von 1476 flebt folgender Artilel: „Unkt berren haben dem hanttwerg ber ſteindecer gegonet ein knecht in finem Wi czu Halten genunnet, ein meifter knecht ober ein lerknecht und ein fahrt (d. i. einen Lehrling) auch, mit meer”. In den Benbergefeßen von 135 (Böhmer, p. 648) werben von einander unterſchieden ber Meiſterluecht de gemeine Knecht und ber Lehrling. In denen von 1877 wird ber gemein Knecht ber Zuſchläger genannt; es heißt nämlich im ihnen von M Kranfen- und Leichenkaffe für bie Knechte: „Auh ſal eyn iglich mei Inecht geben achtzehen heller zu dem jare eyns uff ſanct Jacobs dag IM fin zufleger in der felben forme nune alde heller“.

220) Ein 1495 gemachter Artifel der Venberyefepe lautet: „Weider main

221)

eynen lerefnecht binget, der folle benfelben dingen zwey iare langl, all daß ime der lereknecht nit uber ſehs gulden zur Bofe und lone unnd KM bantwergk zehen Schillinge geben ſolle“. Die erwähnte dreijährige Ahr der Schneider findet ſich nicht in deren Geſeßen; wir erfehen fie aber auf bem Stabt-Rechenbuch von 1879. Damals ließ nämlich ber Math MM Sohn eine! Mannes, ber in fFädtifhen Dienften geflanden batie, su Koften des Aerars das Schneider⸗Handwerk erfernen, und da heißt eh Kr im Stadt: Rehenbudh: „6 Pfd. Syfrede Nachtſchade uff rechenunge, ab K Kypſpanes fon daz fnyber hantwergk fal leren unbe man ieme 15 u gebin fal, daz be yn dru iar halde unde lere. em 1 Pfb. dem fett daz he den knaben cleiden ſal“.

„Wir (dev Rath) haben auch ferner uff der meifter gutlich geſynnen unnd beger zugelaißen und beſcheiden, daß die meiſtere nu hinfur keynen meiſer Inecht bender hantwergks dingen follen oder wollen, er Tonne dan, ald con meiſterknecht billichen konnen fal, nemlicgen eyn eichen eymer inne fin rin oder reuffe fehenn, eynen babezober und ein gut togefich fulfaſſz von KT

Anmerkungen zu XIV. 541

arden aller werglicgen md dogelichen machen; und welcher bes nit gemachen Tonte, dem folle man keynen tagelon geben. Und wer if, das eyncher . meifter deß gemelien hantwergs eynen knechte dingen wulte ober bingte, ber nit fin reife umb faſſze gemefien konte, derſelbe meiſter folte denfelbenn Inechte nit bingen umb keynen lone, were wenig ober vil, er gebe ban . zuvor an ben hantwergk zehen ſchilling leregelts; unnd fo er bie alfo geben hette, alß dan mochte er ine dingen eyn iare langk und nit mynder, wie er mit ime uberfomen mochte. Wulte fich aber ber Inecht bar widder feßen und dem nit aljo nachlommen, fo folle ber meifter ben knecht nit alten, fonder ben laißen geen unb ime fagen, baß er baſße lerne. Und welcher meifter daß uber fure und dem nit nach queme, ber folt ben hant⸗ wergk mit eyme gulben zu pene verfallen fin balb und dem Rate und halb dem hantwergk unabeleßlich zu betalen‘.

222) Diefer Vertrag ift in die verfchiedenen Frankfurter Zunftorbuungen aufge nommen und lautet folgenbermaßen:

Nach bem als bie fiete Menke, Wormmöd, Spire und Frandenfurb mit ein ubir fomen han, etliche nachgefchribene artifele zu halden, fo bat ber Rab zu Franckenfurd vur fi) und die flab Fr. alfo beftalt und daz ange haben uff funtag vor fant Jacobs tage anno bm. mill. quabringent. vicefimoprimo.

1. Das alle hantwercke knechte zu Kr. follen globen und fiveren, ben burgermeiftern, jcheffen unb Rade und der flad zu Fr. getrume und bolt zu fin, und fie und die burgere ba felbiß vor irem fchaden zu warnen, und burgermeiftern und Rade ba felbis gehorfam zu fin ungewerlich, als lange fie in der ftab bie wonen.

2. Hetten ober gewonnen fie auch in ber felben zyt mit den burger meiftern, ſcheffen, Made ober ber ſtad oder iven burgern oder ben iren unb mit namen ben fie ba dienen ichtis zu fdhiden, barumb follen fie vor des Rychs gerichte zu Fr. ober dem Made ober wo fie ber Rab darunıb hynwyſet recht nemen und geben und uyrgen anders ane alle geverbe.

8. Und uff ſoliche globde und ende hat man in bar nach gejagit und geheißen, mit namen das fie fein fundern bringfioben han.

4. Auch follen fie irer lyche begengniße tum uff fyher tage unb nit ufj werdetage.

5. Auch mogen fie uff ye ben nehſten funtag nach iglicher fronfaften

gebode haben von irer Ferken wegen und umb feine anbere ſache ane ge- verbe, und follen baruber auch Fein ander gebobe ober virbobe noch geſetze machen ane willen unb virbengniße ber burgermeifter und Rads zu fr. Hetten fie bie aber bi ber gehabt, fo fulben fie auch abe fin und in vor- geichribener maße gehalben werben.

6. Auch wild meifler von ben bantwerdern barnad einen knecht enphebet ober uffnymet zu arbeiben, ber ben eyd nit getan Kat, ber fal ven knecht vur bie burgermeifter bynnen der mehften acht bagen, als er in enphangen oder uffgenommen bat zu arbeiben, brengen by dem eibe, ben

562

Anhang.

er den burgermeiltern unb den Made geſan hat, baz ber felbe knecht die glebbe und end auch alfo tu. Wilcher meiſter baruber einen knuecht all: bielbe oder zu erbeiben uffneme, ber were affter ben achtdagen allin 13; mit funff ſchilling phenningen zu pene verfallen, als dicke des mot geſchee

7. Und wilder knecht ſich wyder die vorgefchrisen ſache ſepte und dem nit nochgeen wulde, ben ſulden andere meiſter zu Menge, Wormms un Spire des hantwercks nit uffnemen zu knechte, als verre in das virkunde wurdt von ben meiſtern, da ſich ber knecht danchder geſaſt hatte.

229) An einer Rathsverordnung von 1498, bie ſich im Zunftbuche der Bender

befindet, heißt es: „Vorter iM unſer beſcheidt, daß eyn iglicher necht bender Bantwerd3, der gedingkie werck machet, obe fin ber meiſter in ber zyt {une gebingts beborfite in tagelone zu arbeiden, das folte er thun und bei mit weigern, unb dar nach demfelben fynem meifter fin gebingt werde doch us machen und bereiden one inredde; doch alfo daß ſolichs nit mit geverben an ben knecht gefucht ober geforbert werde“.

224) Ob fie feitbem bei dem einen oder anberen Handwerke bie Trinkſtuben

ber Meifter befuchten, ift nicht mit Sicherheit zu fagen. Nach einem Ur: tikel der Steindeder von 1476 müßte man bie annehmen; nad einem anderen fcheint e8, als wenn bie Knechte biefe® Handwerkes ſpäter bed wieder ihre beſondere Triufftube (Orten ober Urten) gehabt bätten. Ja bem einen Artikel beißt es nämlich: „SB fal niemant, ber uff ober m ber orten tft, ben knecht uff ober in ber orten flaen, ſtoſſen“ u.f.w. Te audere Artikel Tautet: „Iß fal auch kein meifter Inecht ober knabe, fremki oder hemiſch, in ber ortten ober dem gebuße, ba fie ir orten halden, ba andern” u. f. w.

Anmerkungen zu IV. Gefchichte md Rage ber Srauffurter Faden

im Mittelalter.

225) Bon den fünf Urſachen, welche Mone (Zeitfchr. für die Gefch. bes Ober

-tieind IX, S. 264 Ag.) für die mittelalterligen Jubenverfolgumgen an- nahm, finden nuw zwei Anmwerbung auf Zreniiart, und auch biefe mur in geringem Grabe. Jene Urfachen find: bie jübifchen Geldgefchäfte mit nd shne Wucher, ber Nebermuth uwb Trop ber Yuben ine Glücke, bad Dienfibotensefen, die Sagen vom Bergiften ber Brummen unb vom Töhten chriſtlicher Kinder umb bie ausbrechende Wuth de Pauperisandd. Bon ben brei lehten Urſachen zeigt ich in Frankfurt bis zum fünfzehnten Yeehundert Kine Spur. Bon den beiden erften aber rief daſelbſt Beine jemals eine Mishandblung durch die chriſtlichen Bürger hervor. Gegar bas bortige Berhandenfein berfeiten iſt, in fo weit fie auf bie Lepteren eine Wirkung Außerten, wur im geringen Umfange nachzuweilen. Bon ben Gelbgeichäften Baht RE nur eine driädende Wirkung auf ben vornehmeren heil ber Bürgerigaft mit Sicherheit auffinden. Auch in Betreff bed Uchermuthes

Anmerkungen zu XV. 648

der Inden ſind uns zwar einige Angaben überllefert worden, dieſe rühren aber aus dem Ende des Mittelalters ber. Dahin gehört dad von Kirchner, I, &.596 erwähnte Hochzeitöfe, welche ein Jude 1504 mit Einladung benachbarter Edelleute Bielt, das Ginfchleichen zweier Juden in eine 1506 gehaltene öffentliche Yerlichkeit, flir welche biefelben fehr Leiden mußten (Kirchner L, ©. 458), fowie bie ſchwer beftrafte Kühnheit eines Juden, fi 1498 verfleidet in ben Kreis ber Ritter eines Zurnierd einzu- brängen (ebendaſelbſt S. 452), und endlich bie Kühnheit, daß 1498 ein Jude fi bie Fürbitte der Kaiferin beim Rathe für eine Sache ver- ſchaffte, welde bamala bei ber ganzen Bürgerfchaft den größten Anſtoß erregen mußte (ebendaf. S. 885). Auch dag mehrmals gefelechiliche BVBergehungen eines Juden mit einer Chriſtin vorkommen, iſt hierher zu rechnen. Do kommen in bem mehr als fechBzigjährigen Zeitraume von 1848 bis 1416, in weldyem bie Stadt-Rechenbücher hierüber genaue Aus: funft geben, nur drei folder Yälle vor. In zweien biefer Fälle warb übrigens das Vergehen nur mit Geld geftraft, im dritten dagegen mit Brandmarfung und ſchimpflicher Ausweiſung; bie Tobesftrafe wirb aud) in ber im @efeßbuche befindlichen Stättigfeit des fünfzehnten Sahrhunberts (f. Arch. f. Frankfurt's Geſch. u. Kunſt VIL, S. 184) nicht ausgefprochen. Jene Fälle find: erftend Sabb. poft Annunt. Marik 1389: wir han entphangen von Morfe, Joſebs fone von Mildenberg, 600 gulben ber thuſend gulden, bie er bem Mabe zu buße gab, umb daz er by eyn Eriften fraumwen funden warb (im Juni wird dann bie Bezahlung bed Nefles ge: meldet); zweitens Sabb. ante Walpurg. 1403: 1 gulben, als man Crau⸗ wein und Heint. Heren ſchenckte, als fie baby waren uff dem torn, als man ben Juben begriffen batte by einer kriſthanen, ber an ben bume gab 350 gulben; item *a gulden ben knechten gefchendt, als bie den Juden be- griffen; drittens Sabb. poſt Nativ. Mariä 1416: 1 gulden 4 Hell. dem zuchtiger von ben zwein Juden umb geczug, umb fetle ꝛc., die man befant bay fie by Griften fraumen geweit waren und mit in zu ſchicken gehabt hatten, unb man fie durch die baden brant und zur flat mit ruden uzſlag. Im Sabre 1443 kommen (im Stadt-Rechenbuch) noch zwei Beifpiele folder Vergehungen vor; bie Schuldigen wurden bamals, ber Eine mit 600, ber Andere mit 1000 Gulden beſtraft. Schließlich bemerle ich noch, bag in Betreff des Raubens von Ehriftenfindern in Frankfurter Urkunden bes Mittelalters nichts zu finden if außer folgender Notiz bes Stabt- Nechenbuches: Sabb. poft Doroibei 1410: 5 Bfb. mymer 12 Hell. han wir gebin Kathrinen, bern Rudolies von Saſſinhuß ment, zu zerunge in bem ihorne, als fie gefangen lag von einer gefchichte wegin, als fie eim Juden ir kind gebin hatte, ber i3 gein Monrſtad brachte und ba gefangen lag und gebrant warb, und fie bie auch gefangen lag, biz fie ein Find in dem thorn gebar unb man daz von ber fiebe wegin ein wierteil iars ver- dingte und man fie darnach umb ber frauwen von Yallenften unb unſers berren von Menke frunbe groſſ flehe und bebe willin nzließ; Sabb. ante

544

226) Folgendes find Beifpiele aus den Frankfurter Stadt-Rechenbüchern : Satt.

2327) Bon ben Jubenverfolgungen, welche bein Beginn be? erſten Ereuzzuges am

Anhang. |

Nativ. Johammis 1409: BDielman der vbirfle ridhter gein Mentze von bei | finds wegin, als ein Zube gein Monrftad bracht hatte.

ante Urbani 1408: 11 groff hat Job. Erwin virfarn und zu ſchifflon unt |

auch unfers herren bes konigs kammerknechten virfchendit; Sabb. rei |

Urbani 1408: 50 gulden unferö herren bed Tuniges fchribern und 4 gıck

den Tammerfnechten vur das fiegel waß umb bed richs brieff. Derſelbe

Ausdrud wird 1871 von ben Dienern des Erzbifhof3 von Mainz ge braucht: Sabb. poſt Nativ. Ehrifti: 4 gulben ben fchribern, 2 gulden ben cammerfnechten unfers herren von Mentze zu wyhenachten, alß be bie my; zu ber zijd.

Rhein Statt fanden, zeigt fi im ganzen Gebiete des Main: Flufies Feine Spur. Die ebenfalld am Rhein entflanbene Judenverfolgung zur Zeit bei zweiten Kreuzzuges (1147) verbreitete fi bi8 nah Würzburg, wo damals viele Juden getöbtet wurben (f. Himmel ſtein's Geſch. der Juden in Franken im Archiv des hiſt. Vereines von linterfranfen XIL, ©. 173); von emn gleichzeitigen Mishandlung der Frankfurter Juben aber wirb uns nidt gemeldet, obgleich hieraus noch nicht folgt, daß eine foldye keineswegs Stat: gefunden babe. -

2238) Der Kaiſer erließ damals Furz nach einander zwei Schreiben an ben Rah.

Das eine hat Böhmer ©. 549 mitgetheilt; das andere ift noch nid! ge

drudt und au in ben Böhmer'ſchen Regeſten nicht erwähnt. Dieſei

Ietere, im Original vorhandene Schreiben (Stadt-Archiv Uglb. E. 46. Qa.\,

welches bem anberen um vier Tage voraudging, iſt das inhaltsreichere Ci lautet: Den wijen Iuten, ben burgermeiftern, ben fchepben, bem Rat un den burgern gemeinlichen ze Francheford, unfern lieben getrewen. Wir Lubowig von gots genaben Romiſcher Feifer, ze allen ziten merer des Richs enbieten ben wifen Iuten, den burgermeiftern, ben fchefien, dem Rat umn ben burgern gemeinlichen ze Franchenford, unfern liben getrewen, unfer buld und alles guet. Als ir uns gebeten babet, dad wir dem von Hanawe unn dem von Eppenflein fchriben umb die Juden, fult ir wizzen, das wir das getan haben, und baben in vaft unn ernfllichen geichriben, das fie bie Juden fchirmen unn nicht geftatten, daz fie ieman befjware, weder an lib noch an gute, unn das fi dheinen Aubenflaber in iren gerichten unn gebieten beliben lazzen, fi weren in daz unn greifien fi an. Da wir fendent in die zwen brief unn mutenb an fl, daz fi iv ber ein antwurtt geben, unn fwaz fi iv wider antwurtten unn ſchriben, daz lazzend uns zeband wizzen. Wir haben och bem GErkbifchoff von Meiny geſchriben unn gebeten, daz er bie Juden fchirme, fivo er muge, unb ſwes ir in bitet, bad er dar zue tune fulle, daß er das durch unfern willen tue, unn das lazzend in alle zit wizzen. ALS ir und och gebeten habend umb bie Prebiger, des gunnen wir iv och wol, ob baz if, das fi to geleben unn gute ficherheit tune, daz fi fingen unn leſen wellen ala anber pfaffen, unn daß fi wiber

Ä

m

Anmerkungen zu XV. 545

uns noch wider bie pfafbeit, bie an uns tft, nicht tune noch fin weder mit worten, noch mit werfen, und ſwen fi och fuerbas zu in enphahen wellen, bag die och fogtan ficherheit tune. Geben zu Sleuzungen des ſunntags nach unjerer frawen tag dem erflen under unſerm widerſehenden abler, in bem brei und zweinzigften iar unſers Rich und in bem zehenden bes Keiſertums.

229) Was die Zahlung an Ulrich von Hanau betrifft, fo finden ſich im Stadt⸗ Nechenbuch folgende Poſten: Dom. ante Luclä 1861: Des Yubin gelbes ift unferm berren von Heynawe worbin 30 gulbin, des geldis enward ung nit ban 80 guldin; Dom. poft Katharinä 1362: unferm herren von Heynowe 28" gulden von ber Juden wegen; Sabb. poſt Purif. Mari 1864: unferm berren von Heynaw dem lantfoyde von ber Judin wegin 45 gulbin und 6 Sch.; Sabb. ante Purif. Mariä 1365: 100 guldin und 7 guldin 14 Sch. Hell. unferm herren von Heynawe alß von ber Juden wegin; Sabb. poft Nicolai 1865: 100 guldin 46 guldin 18 Sch. unferm berren von Heynawe von ben Juden zu fyme balben teyl. Die Zahlungen an ben Herrn von Erlenbach find fo eingetragen: Sabb. ante Duafimodogeniti 1867: 823 Pfd. 8 Sch. Eonr. von Erlebad, alß wir mit ime tebingeten alB von der Juden wegin; Sabb. ante omnium fanctorum 1367: 4 Mark Conr. von Erlebach zu burgleyn von ber Juden ſchoys; Martini 1368: 4 Mark Conr. von Erlebach von ber Juden ſchozß. Nach: ber wird biefe Ausgabe bis 1379 noch oft mit dem Zuſatze „von ber Juden bede“ erwähnt.

250) Es find folgende Stellen: erſtens Domin. poſt Jacobi (26. Juli): 10 Pfb. bie gazfen zu virflahene um bofg und zur parre zu Tezfene; item das ge- fhüße von dem Rathuſe zu tragene, bu man bie Jüden flug, 2 groffz; zweitens Dom. poft Petri ab vincula (2. Auguf): Meyſter Frigen und Kipfpane 8 Pfb. praeter 8 Sch., der Juden hobeſtede zu virflahene und foicher porten zu machene; item ber flede geſchütze nach dem brande uff zu tragen 1 Pfb.; drittens Dom. poft Cyriaci (9. Auguſt): Herburte rihtir zu dem kunyge gein Colne 10 Pfb., alfe von Jacob Elabelou und ber Juden wegen zu reden; item Herburte richter 17 groſſ gein Menge nach ber Juden gude; item 4'/ Pfb. arbeidens knechten, die Budir Thorn (d. i. Brüdenthürme) zu lefichene, die in glebit warin; vierten? Dom. poft Affumpt. Mariä (16. Auguft): 7 Pfb. 16 Hell. um bennen holtz zu ben fürledtern; item zu huden uff ben porten und under ben porten gemappent zu hudene 28 Pfd. Die erwähnten Nachrichten aus fpäterer Zeit findet man alle in den Uffenbach'ſchen Manuſcripten zufanmmengetragen.

281) In den Königftein’fchen Eollectaneen bei Uffenbad heißt ed: Cujus rei monumentum, quod literae plures (pro dati temporis nota) con- tinere inveniantur vulgari vulgo: In ber Juden Schlacht, vel post - caedem Judaicam ao. 1849. Ein anderer Uffenbach’fcher Collectaneen⸗ Schreiber, Fauft, fagt: Damals if Fein Jud oder ir wenig uberbliben; denn man batumahl ber Datum ber brieff gefchrieben: Anno ... . von

Kriegt, Frautj. Bürgerzwife. 85

546

Anbang.

ber Zuben Schlacht. Bon einer anderen Feuersbrunſt, welche durch hie Auben entftandben fein foll, weiß man nicht, In welche Zeit dieſelbe fid. Königftein berichtet biefelbe, und Fauſt bat deſſen Worte folgende: maßen überſetzt: Man fagt, daß nicht allein durch obersehltes (nämliä baß bei ber Judenſchlacht entflandene), fondern auch ein andere euer, fo durch ber Juden entweder Boßheit oder Ohnachtſamkeit entflanden, ber Bürgerfchaft großer Schaden zugefuget worden. Denn als fie uff da Brudenmühl ihe Mehl bereiten wolden zu obngefauerlem Brodi, und be Judt des Teuer nicht gemugfam geachtet, fei die Mühl durch ſtetiges An blaßen bes Feuers ohnverſehens angegangen und abgebranbt, fey auch vo ben Windt in Sacfenbaufen getrieben worden, bapon uff bie hunden Heußer zu grumde gegangen, welchen Schaden man noch eflidjermaka umb bie h. Drei:König-Kirch fehen Fönne, fo noch nicht ausgebaut.

282) Es heißt im Stadt: Redentud, Nicolai 1865: 8 Sch. Fridanke zu zerung,

alß be by fake dem Juden lag. Im Rechenbuch von 1366 findet ff eine Anzahl von Einnahmen unter ber Aufichrift angegeben: „Bon it vorfluchtigen lude gude wegin, bie der -Marfchalg unfers deren ven Meng virkoufft bat von des Riches wegin, alfe ime baz Rich beiafi hatte”. Es enthält diefe Rubrik verfchiedene Einnahmen von den nah ber Unterbrüdung bes Zünfte-Aufflandes flüchtig gewordenen Theilnehmem besfelben, fowie am Schluffe noch einige Einnahmen anderer Art; sm mitten unter ben Erſteren ſteht: „800 guldin von Yfadis wegin di Juden, als de gefangin waz“ (f. Anm. 21). Wahrſcheinlich befand dit Ginnahme in dem Erlöfe von dem eingezogenen Haufe Iſaal's; den Bigilia Bartholomäi 1882 wird ein der Stadt gehöriges Grundſtüd ml den Worten erwähnt: „Uns iſt worbin 6 guldin von Cleyne Kennen um daz vlidilchin in dem Iowerhoffe, etzwanne waz Dfades bez groſſen Juden“ Sonft wird dieſes Mannes nirgends gedacht. Dagegen kommt an einige anderen Stellen (f. S. 550) ein Zube vor, welcher Iſaak von Goblmp genannt wird und 1864 und 1365 je 20 Gulden Steuer zahlte.

288) Es verhält fi mit biefer Nachricht ebenfo, wie mit zwei anderen, meld

in einer dem Ende bed vierzehnten Jahrhundert? angehörenden, mit „UN iſt ſchuld, die man der ſtad jchuldig iſt überfchriebenen Rotig im Ugfb. B.71 bes Stadt-Archivs ſtehen und ebenfalls nicht Mar zu erkennen find. Sit lauten: Großen frabil, den dy Juden begangin Kant, fint baz ſchultheißin ampt in unfer band kommen if, den fp nicht gebeflirt enhan, und go bumwe, dy man yn getan hat umb yren Tuben kirchhoffe; item und eyn teil von ben bantwerdin zu ben prebigern ſwuren, dy Juden zu (ira, bo by Juden zu Wormzſe gefangin warn, unb ber flab auf nicht wurden iſt.

284) An dieſes Echaus ſchließen ſich auf dem Garküchenplate zwei Hlukt

(Mr. 7 und 8) an, von welchen das zunächſt anllegende (Br. 8) die El Lüneburg, das andere ber Meine Gtolgenberg beit. Auch jenes CE

Anmerkungen zu XV. 547°

führte den TYeßteren Namen; es wurde aber nah Battonn aud blos Stolzenberg genannt. Ein großer Stolzenberg kommt nit vor, und Battonn vermutbet beöhalb, daß die Stabt Llineburg zugleich diefen Namen geführt habe. Die oben angegebene Notiz beruht auf folgender Stelle bed Stadt-Rechenbuches von 1880: Sabb. ante Luelä: 24 Sch. 2 Hell. virgertin Hans Ebir, Jelil Nuhuß und ire gefelen zu Stoltzenberg, als fie der Juden butten zum tbornen.

285) Walter’s Deutſche Rechtsgeſch. F407, Monea. a. O. ©. 259, Hä- berlin’s Reichsgeſch. VII. S. 685, Gotthelf's Darftel. ber Stellung ber Zuben in Bayern, S. 11. Daß übrigens bei Wenzel's Schulden⸗ tigung ber König ſich ſelbſt gewiſſe Wrocente vorbehalten babe, wie Kirchner nad Heinrichs Reichsgeſch. erzählt, wird von Fichard (Archiv, I. ©. 416) mit Recht wenigſtens für Frankfurt und Franfen bezweifelt. Auf weiche anberen Theile des Reichs die königliche Maßregel noch weiter ausgedehnt wurbe, iſt mir nit bekannt.

288) Stadt⸗Rechenbuch, Sabb. poft Udalrici 1404: 8 Pfb. 8 Sch. 7 Hell. han bie vedhenmelfter virkert, als fie zu zwein malen by einanber geweft fin, mit ben Juden won irer flebifeit wegin zu tebingen und mit in zu uber: fomen nad beim, als ber Rab ubirfomen was Sabb. poft Luck 1405 wird erwähnt, daß der Math fi dreier von feinen Juden gegen ben König angenommen babe, und zwar weil das, was ber Letztere verlangte, „treffe ben Rabe und ſtad an gnade und friheib unb auch rurte bie ſtedekeid, als der Rad ben Juden getan und gebin heile‘, sber wie es Aflumpt. Mariä 1405 heißt, weil der Rath, als ber König jene brei Juden an Beib und Gut zu greifen befahl, „bes zit tet und meinte nach ben brieffin umb ftebeleiben, ala le den Juden getan hatten und gegebin, das ſie bes nit tun felden und ben Juden ire brieffe nit ubirfuren”. Im Sabre 1407 heißt es, die gemeine (ubifchheit Habe den Rathe 688 Gulden geſchenkt, als ber Rab nu abe dru iawe Rebefein gegebin Hat und daz alfo berebt war; und außerdem wird Sabb. poft Biti 1407 eimer Berzehrung

- ber Bllrgermeilter und ber Rechenmelſter mit bem Zufape gedacht: „als fie mit ben Juden tebingeten umb ire fiebefeid und auch umb ein chende bem Rabe zu Inn”. Im Sabre 1410 endlich Heißt bie von ben Inden ent- richtete Steuer zum erſten Wale „Ünnemen von der Zuben ſtedeleid“.

2387) In einer Ungabe befien, was die Stadt an Einnahmen beziehen Tünne, aber nicht begiehe (Stadt⸗Archlv, Uglb. B. 71) findet ſich die Bemerkung: „Biele Juden, dy hy Ryen und gefehin han und nicht burger geweſt fin und ber flab nicht gebynet enhan noch endynen“. Diefe Angabe ift aus den Tehterı Zahren bes vierzehmien Jahrhunderts. Webrigens find einzelne bei Ler Zzner und Kirchner gebrudte Angaben ber. Zahl ber Tuben, welche in Frankfurt wohnten, falſch. So gab es z. B. nah Kirchner (1. S. 446) kafelbft 1429 nur ſechs Judenfamilien, nad Lersner (II. S. 808) 1417 nur zwei, 1439 ſechs füblihe Sausgefäße, und 1496 beirug nach bem Lepteren (II. &. 815) bie Sedenzahl der Juden 104 Seelen. Ich weiß

95*

548

Anhang.

nit, worauf biefe Angaben beruhen; aber richtig ſind fie nicht. Das Stadt: Rechenbuch gibt für jebed Jahr bie Namen der Steuer zahlenden Juden, b. b. ber Familien: Väter oder - Mütter der anfäffigen Juden an, und hiernach betrug bie Zahl der jübifchen Familien 1417 ſechs, 1429 ſechszehn, 1439 elf, 1495 neunzehn.

288) Benckenberg, Sel. I. p. 27: „Dfog von Meng 10 gulbin vor fid

und fonen bruder. Wanne fie aber engen brob nyzfen, fo follm fie mit unfern bern tebingen, und wan fie baz Ban, daz follen fy unfern herrn fagen und kunt tun. Actum 66 in crastino Valent.“ Ebenſo findet fi im zweiten Bürgerbuch, ©. 9, folgende Angabe: „Sare von Miltenberg, Lafaran, Kouffman, Salman tre fone und ir ſwager Dfasdir genand Spire, Juden, und ihre wybe und ire Finde fint burger wordin zwey iare, bie angeingin uff ben dinſtdag vor St. Margar. bag, und follin je vom iare gebin 60 guldin uff fant Mertins dag. Actum anno dom. MCCCLXXV° feria tertia post Marg. virg.

289) Es bürfte feinen Nuben haben, einmal in Betreff einer mittelalterlichen

Stadt alle in ihren Urkunden vorlommenden jübifchen Namen zufammen: zuftellen. Ich gebe daher nachfolgend alle diejenigen, welche ich in Frank furter Urkunden bis zum Schluffe des vierzehnten Jahrhunderts gefunden babe, und zwar in alpbabetbifcher Orbnung: Abraham, Bruder Samul's von Minpenberg, 1828 (Bürgerbug, S. 10); Abraham von Hanau, Lermeifter 1832 (ebend. S. 14); Abraham, Sohn Sofelin’s von Marburg, 1876, 1887 bis 1889 (Thomas, Oberhof, ©. 307 und Rechenbuch; er if vielleicht berfelbe, welcher 1884 bei Thomas, ©. 586, Abraham ber Jube genannt wird); Abraham von Würzburg 1897 (Rechenbuch). Anfelm, der Juden Meiſter, 1288 (Böhmer, p. 240); Anfelm, ber Eidam Israhel's von Dale, 1828 (Bürgerbug, ©. 10); Anfelm von Eromenberg 1341 (ebendaf. ©. 47. und Thomas, ©. 299); Anfelm von Gemunde 1368, 1967, 1369 bis 1876 (Senckenberg, Sel. I. p. 28, 29 und Redenbud). Aaron von Friedberg 1898 (Rechenbuch). Aſher, Meifter genannt, 1874 (Rechenbuch). Baroch, Borfänger, 1898 (Rechenbuch); Varoch von Augsburg 1899 bis 1402 (Kechenbuch). Baffene 1398 und 139 (Rechenbuch). Bendit 1868 bis 1870 (Rechenbuch). Ber ober uf Bern, Sohn Simon’s von Selgenflabt, 1864 unb 1865, 1869, 1983 bis 1885, 1887 biß 1892 (Mechenbuch und Senckenberg, I. p. 28); Ber, Seligmann's von Leni Schwager, 1888 (Rechenbuch). Betfelin, Schweſter von Herke, 1866 (Benckenberg, I. p. 27). Beffelyn, Juden magit, 1884 bis 1890 (Rechenbuch); Beſſelyn, Tochter Joſeb's von Alten: borf, 1890 biß 1892 (Rechenbuch). Bizſchoff von Roming, 1861, 1868, 1865, 1867 biß 1869 (Senckenberg, I. p.28, 54 und Redenbug). Bonnen 1395 und 1396, 1899 und 1400 (Rechenbuch). Brune von Oppenheim, eine Wittwe, 1867 (Rechenbuch). Burlin, Ehefrau Damarh, 1846 (Böhmer, p. 605). Bunble von Mannheim, im vierzehnten Jahr: hundert (Benckenberg, I. p. 27). Byf ober Bief von Cöln 13%

Anmerfungen zu XV. 549

(Rechenbuch); Byf oder Bief, Sußkind's Sohn, 1898 bis 1402 (Rechen: bud). Damar, Sohn Menichin's von Eoftente, 1846 (Böhmer, p. 605); Damar, Sohn Judelin's, 19346 (Böhmer, p. 604). David von Rinheim 1828 (Bürgerbug, S. 10); David von Fulde 1865 (Senckenberg, I. p. 28); David, Gottfhalf’3 Sohn, 1398, 1896 und 1897 (Rechenbuch); David, Meifter Meiher's von Erfurt Sohn, 1398 bis 1400 (ebenbaf.). Ebirlin, Sculflopper, 1896 (ebend.). Elheid, Ehefrau ofeb’3 von Miltenberg, 1889 bis 1891, 1893 (Rechenbuch); Elheid, Maſſer's Mutter, 1893 (ebendaſ.). Elys 1378 (ebendaſ.). Enſelin 1868 (Rechenbuch); Efter, Ehefrau des Meiſters von Miltenberg, 1890 (ebendaſ.). Falk ober Falfo, Eidam Joſeb's von Mintzinberg, oder Falk von Mintzenberg, 1329, 1846 und 1849 (Bürgerbud, S. 11, 77, Böhmer, p. 605). Finelin von Konnigiftein 1828 (Bürgerbuh, S. 10); Yinelin von Hammilburg 1330 (Bürgerbud, ©. 12). Fifelin oder Fiſchlin von Erfurt 1846 (Böhmer, p. 604); Salman Fifelin 1848, 1849 und 1357 (Schreiben Karl’3 IV. in ben Kaiferbriefen und Rechenbuch); Fifelin von Mentze 1378 (Rechenbuch); Fifelin von Dieburg 1872 bi 1377, 1378 und 1379 (Rechenbuch). Tifh oder Fyſchs von Erfurt, genannt zum Stord, 1348 (Bürger: bu, S. 76). rende 1857 (Rechenbuh). Friderich ber Zube 1857 (ebendaſ.). Fromut, Tochter Kaufmann's von Hanau, 1393 und 1894 (Rechenbuch). Fronkynd 1885 (Rechenbuch). Fuſchs von Heynam . 1864, 1365, 1367 (Senckenberg, I. p. 28 und Nehenbud). Yyfelman von Ehrin: f. unten Troſtlin. Seligmann Ganß 1389 bis 1393 (Rechenbuch). Gottſchalk, Frankfurter Jude, 1288 (Böhmer, p. 240 sq.); Gottſchalk von Oppenheim 1890 bis 1892 (Rechenbuch); Gottſchalk von Crutzenach 1400 (Rechenbuchſ. Granan, Liebmann’3 Sohn, 1346 (Böhmer, p. 604). Gumprecht von Wetflar, vierzehntes Jahrhundert (Benckenberg, I. p. 27). Gudela, Samuel’ Tochter, 1845 (Bürgerbud, S. 64), Gunelin von Friburg, vierzehntes Jahrhundert (Benckenberg, I. p. 26). Gut, Tochter Fall’8 von Minginberg, 1846 (Böhmer, p. 605). Gutlin von Eppflein 1892 bis 1407, 1409 bis 1411 (Rechenbuch). Haim, Ehefrau Falk's von Mingin- berg, 1846 (Böhmer, p. 605). Jakob Halpart, 1846 (Böhmer, p. 606). Hanna, Mutter Hellmann’3 von ben Gyzſen, 1848 (Bürgerbud, ©. 90). Hafe, Sohn Fiſelin's von Dieburg, 1893 (Rechenbuch). Hafemann 1887 (ebendaf.). Haffede, Joſeb's des Alten Tochter, 1389 (ebenbaf.). Heilmann von Warburg, 1868, 1370, 1372 biß 1382 (Rechenbuch und Senckenberg, I. p. 27); Heilmann von Menge 1866 (Senckenberg, I. p. 27). Helſch ber Zube (Beebbuh von 1406). Henchin, Ehefrau Sofeb’3 von Oppenheim, 1398 und 1894 (Rechenbuch). Hertze 1866 (Senckenberg, I. p. 27). Heyger von Wefele 1828 (Bürgerbud, S. 10). Hirzelin, die Jũdin, 1341 (Thomas, Oberhof, ©. 800). Michel Hotzel, 1890 bis 1395 (Rechenbuch). Jakob von Miltenberg, Joſeb's von Miltenberg Eidam, 1861 bis 1365, 1888 (Mechenbuch und Sencken- berg, I. p. 28, 54); Salob von Wilnouwe 1831 (Bürgerbuch, S. 18);

550

Anhang.

Jakob von Mente 1367 und 1368 (Rechenbuch); Jalob von Straßburg, ber Judenarzt, 1358, 1868 und 1864, 1867 bis 1370, 1872 bis 1378, 1881 biß 1891 (Rechenbuch und Senckenberg, I. p. 27, 54); Jatob, Helfrich's Sohn, 1857 (Rechenbuch). Jekel von Straßburg 1899 bis 1406 (Rechenbuch). Jenich in von Gandenrade, vierzehntes Jahrhundert (Senckenberg, I. p. 56). 3obel von Ingolſtadt 1881 (Rechenbuch); Johel, Heilmann's Eidam, 1888 biß 1388 (Rechenbuch). Joſeb von Miltenberg 1867 bis 1376, 1878 bis 1889 (Rechenbuch); Joſeb von Kafiel 1860 bis 1378 (Rechenbuch und Senckenberg, I. p. 28, 53); Joſeb, Schulfluppel, 1384 bis 1888 (Rechenbuch); Joſeb von Enfinfheim 1357 (ebendaf.); Joſeb von Erklentz 1892 und 1894 (ebenbaf.); Joſeb von Oppenheim 1892 (ebenbaf.); Joſeb von Lechnik 1898 (ebenbaf.); Joſeb von Gemunde 1865, 1868 biß 1876 (Rechenbuch und Senckenberg, L p. 28); Joſeb von Mintzenberg 1829 (Bürgerbud, ©. 11); Joſeph, Sohn Israel's von Tale 1828 (Bürgerbud, ©. 10). Yofelin oder Yafelin oder au Iſelin von Marburg 1863 bis 1878, 1881 bis 1384 (Rechen: buch und Senckenberg, I. p. 28, 54); Sofelin von Fulde, Sohn David's von Fulbe, 1865, 1367 biß 1879 (Rechenbuch unb Senckenberg, I. p. 28); feine Ehefrau 1881 und 1882 (Rechenbuch); Joſelin von Würzburg, welcher nie als Steuer zahlend, wohl aber als in ber Stabt wohnend angegeben wirb, 1369, 1876 biß 1379 (Rechenbuch); Sofelin von Milten- berg 1888 (Rechenbuch); Sofelin, Sohn bed Judenarztes Jakob, 1383 bis 1385 (ebenbaf.). Iſaak von Bruchfelde 1288 (Böhmer, p. 240 sq.); Iſaak von Eöln, Better Liebmann’3 von Eitenia 1838 (Bürgerbud, S. 10); Iſaak von Eoklenge, auch Iſaak ber große Jude genannt, 1864 unb 1365 (Bürgerbud, S. 91, Rechenbuch, Senckenberg, I. p. 55 und oben ©. 546); Iſaak von Mentze 1866, 1868 und 1869 (Rechenbuch und Senckenberg, J. p. 27); Iſaak von Orb, vierzehntes Jahrhundert (Senckenberg, L p. 27); Iſaalk von Leni 1878 bis 1882 (Rechenbuch); Iſaak von Ehrin 1972 und 1878 (ebendaſ.). Yfaechir genannt Spire, Schwager ber Sara von Miltenberg, 1875 (zweite Bürgerbud, ©. 9). Ismahel, Sohn Meyer's von Northus, 1386 bis 1892 (Rechenbuch); Ismahel von Gülche 1391 (Rechenbuch). Israel von Coln, Bif's Cidam, 1899 bis 1401 (Rechen- buch); Israel von Tale 1528 (Bürgerbudh, ©. 10). YJubelin (Yutlin) 1846 (Böhmer, p. 604); Judlin von Straßburg 1898 bis 1396 unb ihr Mann 1897 und 1398 (Rechenbuch). Judeman, Sohn Abraham's von Minkinberg 1328 (Bürgerbud, S. 10), Kalmann von Wilburg 1348 (Thomas, Oberhof ©. 525 flg.); Kalman von Menke 1360 bis 1864, 1867 bi 1890 (Rechenbuch und Senckenberg, I. p. 58); feine Kinder 1891 (Rechenbuch); Kalman von Selgenftabt 1886 (Rechenbuch); Kalman von Eſchwege 18883 und 1889, 1391 (ebendaf.). Lazarus Kaufmann (Kouffman) von Miltenberg, Sohn ber Sara von Miltenberg, 1375, 1880, 1889, 1401 bis 1407, 1409 unb 1410 (Rechenbuch und zweites Bürgerbud 9); Saufmann von Butzbach 1897 bis 1407 (Rechenbuch).

Anmertungen zu XV. 551

Kele, Ehefrau Sofeb’3 von Kaffel, 1881 bis 1384 (ebendaf,); Kele, Ehefrau Liebertrub’3 yon Mentze, 13896 und 1397 (ebenbaf.); Kele, Tochter Gottſchalk's von Crutznach, 1394 (ebendaf.). Die Kefemehern 1394 (Rechenbuch). Kirfan von Burg 1328 (Bürgerbud). Kirzfing von Butzpach 1384 (Thomas, Oberhof, ©.536). Koppelmann von Bonn 1400 (Rechenbuch). Koffirmann 1346 (Böhmer, p, 605). Rriffan oder Kirfan, Samuel Krufen Eidam 1345, 1346 und 1348 (Böhmer, p- 605, Thomas, Oberhof S. 526 und Bürgerbuch S, 76). JofebLampe, ber Juden Leremeifter, 1368 und 1364 (Rechenbuch und Benckenberg, I. p. 55). Lebelang 1398 (Rechenbuch). Lebun 1367 (ebendaf.). Lewe don Dagine 1828 (Bürgerbuch ©. 10); Lewe von Rotinburg, vierzehntes Jahrhundert (Senekenberg, I. p. 27), Zewin zum Storde 1349 (Bürgerbug, S.77). Liebertrud von Menge 1884 bis 1894 (Mechen- buch); Liebertrub von Lenich 1391 Lebendaf.). Liebmann oder Lieber: mann 1946 (Böhmer, p. 604); Liebmann zum Gtorde 1857 (Rechen: buch); Liebmann von Arwyler 1367 biß 1870, 1372 bis 1379 (ebenbaf.); Liebmann von Dorpmumd 1397 bis 1400 (ebendaf.); Liebmanı, ber Kele Neffe, 1397 (ebendaf.); Liebinanı von Frankenberg 1398 bis 1401 (Rechen: buch und Thomas, Oberhof, &. 540); Liebmann von Menge 1881 (Rechen: buch); Liebmann von Leni) 1383, 1385 big 1890, 1892 bis 1394, 1410 und 1411 (Rechenbuch); Liebmann, Eidanı Joſeb's von Miltenberg, 1381 bis 1384 (ebendaf.); Liebmangy von Nürnberg 1888 bis 189] (ebenbaf.); Riebmann von Wormä 1365 bis 1868 (ebendaf. und Senckenberg, IL. p. 27); Moſes Liebmann, vierzehntes Jahrhundert (Senckenberg J. p. 28). Man oder Mans, Sohn Zofeb’3 von Kaffel, 1886 und 1387 (Rechen: buch); Man von Spire 1864 unb 1867 (Rechenbuch und Senckenberg, I. p.27). Marfeel von Zritlar 1370 (Senckenberg, I. p. 55). Memlin, David’3 Frau, 1899 (Rechenbuch). Menchin oder Mennechin, Moſe— mann's Gibam, 1341 (Thomas, Oberhof, S. 299); Menchin von Eoftenke 1346 unb 1849 (Böhmer, p. 604 sq. und Bürgerbud, S. 77); Mendin, Sohn Gottſchalk's von Spire, 1898 (Rechenbuch). Meyer ober Meiber, Sohn Fifelin’3 von Erfurt, 1846 (Böhmer, p. 604); Meifter Meyer von Northus 1385 bis 1392 (Mechenbucdy); Meyer von Heidelberg 1888 und 1389 (ebendaf.). Mergard von Fritzlar 1400 bis 1407, 1410 und 1411 (Rechenbuch). Michel von Sobernheim 1860 biß 1363 (Rechen⸗ buch und Senckenberg, I. p. 54); Michel ber Zube 1270 (Böhmer, p. 155); Michel der Zube 13863 und 1889 (Nechenbudy und Sencken- berg, I. p.38. 68). Milyn, Tochter Kalmann's von Menge 1398 (in einer Urkunde dieſes Jahres bei Uffenbach Nro. 27. ©. 426). Morfe, Morjen oder Morfel von Wonneden 1876 (Rechenbuch); Morfe, Sohn Zofeb’3 von Wiltenterg, 1890 (ebendaf.); Morfe, Saufmann’s Eidam, 1400 (ebenbaf.); Morfe, Simpn’3 yon Selgenftabt Sohn, 1883 (ebendaf.); Morfe von Marburg 1376 biß 1379 (ebendaf.); Morſe von Menke 1372 und 1373 (ebendaf.); Morſe (ohne Zuſatz) 1822 (Beebbuch),

552

Anhang.

1881, 1891 und 1392 (Rechenbuch), Moſe, Moyffe oder Moſes von Odernheim 1871 (Thomas, Oberhof, S. 584); Mofe von Frislar 1879 (auf dem Dedel bes zweiten Bürgerbuch); Moſe (ohne Aufat) 1857 (Rechenbuch). Mofemann, Mozemann oder Mosman (ohne Zufaß) 1341 (Thomas, Oberhof, ©. 299); Rechelin Mofemann von Wetflar 1346 (Böbmer, p. 604). Mofemap 1357 (Rechenbuch). Nafemann von ben Gyzſen (Bürgerbuch, S. 87). Neben von Selgenſtadt 1870 (Sencken- berg, I. p. 26 89.). Nenniden, Ehefrau Michel's, 1864 (Rechenbuch und Senckenberg, I.p. 27). Numem an von Bappinheim 1357 (Rechen bud). NRuneman (ohne Zuſatz) 1357 (ebendaſ.). Petrus von Mentze 1348 (Thomas, Oberhof, S. 525). Salman Pletſch, ein Arzt (Rechen⸗ buh). Pure von Tryre 13876 und 1377 (Rechenbuch). Pylman von Anwil 1367 (Senckenberg, L p. 28 sq.). Rechele, bie Sübin, 1822 (Beedbuch). Rechlin 13899 (Rechenbuch). Ritzlin, Ehefrau Joſeb's von Lechnitz, 1896 bis 1407, 1409, 1411 (Rechenbuch). Ryglyn von Moſebach 1876 und 1377 (Rechenbuch). Salman von Eltevil, Lieb⸗ man's Eidam, 1381 (Bürgerbuch, S. 18); Salman, Liebman’s Sohn, 1848 (Bürgerbud, S. 86); Salman’s von Oppinheym Kinder 1371 bis 1377 (Rechenbuch); Salman Senger 1345 (Bürgerbud, ©. 66); Salman von Landenberg 1828 (Bürgerbuh, ©. 10); Salman von Menge 1360 bis 1368, 1867 unb 1868, 1370 bis 1378 (Rechenbuch, Senckenberg, L p. 58 und in zwei Urkunden bei Uffenbad Nro. 27, ©. 426 und 428); Salman, Biſſchof's Sohn, 1369 (Rechenbuch); Salman von Cöln 1887 (ebenbaf.); Salman von Dieburg 1388 (ebendaf.); Salmann von Stein- beim 1400 (ebendaf.); Salman, Sohn ber Sara von Miltenberg, 1375 (zweites Bürgerbuh, S. 9); Salman, Simon's von Selgenſtadt Sohn, genannt Salman ber Zube, 19368 (Rechenbuch); Salman, Anſhelm's von Gemynden Sohn, 1865 (Bürgerbuh, ©. 28); Salman (obne Zufag) 1312 (Bürgerbud, S. 1), 1365 (Bürgerbud, S. 28) und 19384 (Thomas, Oberhof, ©. 586). Sampfon von Wilnowe 1883 (Bürgerbuch, ©. 18). Samuel von Mintinberg 1328 (Bürgerbuch, S. 10); Samuel von MWetflar, Vater Naſeman's, 1383 (Bürgerbud, S. 17); Samuel von Burg 1342 (Bürgerbug, S. 47); Samuel von Bafel 1860 (Rechenbuch und Senckenberg, I. p. 54). Sar oder Sara von Nürnberg, zweite Ehefrau Kalman's von Menke, 1390 (in einer Urkunde bei Uffenbadh, Nro.27, 5.428); Sara, Ehefrau Menechin's von Coftente, 1846 (Böhmer, p. 605); Sara von Miltenberg 1875 bis 1378, 1381 und 1882 (Rechen: bu); Sara, Ehefrau Iſaak's von Lutern, 1398 bis 1400 (ebenbaf.). Saulin von Heilbronn 1860 (Rechenbuch und Senckenberg, I. p. 54). Saumel von Bilhofsheim 1894 (Rechenbuch); Saumel von Hanauwe 1898 (Thomas, Oberhof, ©. 540). Seld von Königftein 1346 (Böhmer, p. 605), Seltigman von lenid 1881 bi 1400, 1408 und 1404 (Rechenbuch); Seligman von Gelnhaufen 1873 bis 1378, 1881 bis 1400, 1402 (Rechenbuch); Seligman von Wonneden 1882 (ebendaf.); Seligman,

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WW 1. IV tr.

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Anmerkungen zu XV. 5568

Cidam ber Pure von Tryre, 1876 (ebendaſ.). Selikeid, Joſeb's Stief- tochter und Liebman’d Schwägerin, 1881 bis 1888, 1896 unb 1397, 1899 bis 1407, 1410 ıumdb 1411 (Rechenbuch). Senderlin von Spire, 1816 (Bürgerbuch, ©. 5), 1840 (Thomas, Oberhof, ©. 522), 1846 (Böhmer, p. 605), 1349 (Bürgerbudy, S. 77); Senderlin (ohne Zuſatz) 1889 und 1898 (Rechenbuch). Simon oder Symon von Selgen: fladt, auch genannt Simon zu Steynen Wunnenkerg, 1360 bis 13685, 1867, 1878, 1875 bis 1879 (Rechenbuch und Bürgerbuch S. 28 und Senckenberg, I. p. 58); Simon von Weftirburg 1828 (Bürgerbudh, S. 10); Simon, Eidam der Braune von Oppenheim, 1876 (Rechenbuch); Simon von Northuß, Meiſter Meyer's Sohn, 1898 und 1894 (Mecdenbudh); deffen Sohn 1881 und 1882 (ebendaf.); Simon (ohne Zuſatz) 1865 (Rechenbuch). Spire: f. oben Iſaechir. Stral der Jude 1857 (Rechen: bug). Meifter Suslin von Spire 1894 bi 1396, 1398 (Rechenbuch). Sußkind ober Süfelindb von Aſchaffenburg 1848 (Bürgerbudg, ©. 86); Sußfind, Eidam Gottſchalk's von Crutzenach, 1899 bis 1407, 1409 bis 1411 (Rechenbuch); Sußkind (ohne Zuſatz) 1892 bis 1897 (Rechenbuch); Sußfind von Rodinberg (Beebbuch v. 1406), Symelin von Stulzenbach oder Stulzenberg 1860 (Rechenbuch und Senckenberg, L p. 84); Symelin von Friburg 1872 bis 1875 (Rechenbuch); Symelin (ohne Zufah) 1896 (Rechenbuch). Troftlin, Schwager Fyſelman's von Ehrin, 1374 bis 1877 (Rechenbuch). Wolf von Gelgenflabt 1890 bis 1407, 1409 (Rechenbuch); Welf, Eidam ber Zorlyne, 1898 bis 1398 (ebendaf.); Wolf, Sohn Filelin’3 von Dieburg, 1399 bis 1404, 1407, 1409 bis 1411 (ebendaſ.) Wynelin von Altendorf, Sohn Kalman’s von Eſchwege, 1891 (Rechenbuch). Zorlyne von Dieburg, Wittwe Fifelin’8 von Dieburg, 1881 bis 1391 (Mechenbuch und in einer Urkunde der faiferlichen Commiffionen bes Stadt: Archivs von 1390).

240) Im Stabt:MRechenbuh von 1899 wirb ber Jude Baroch mit 5 Gulden

241)

Steuer angeführt und babe bemerft, er habe außerdem noch ebenfo viel bezahlt „von bdringwein und auch als er biß uff hude verfchendt bat, baran ym boch auch gnade gefcheen if’. Ebenſo zahlte 1401 der Jude Kauffman von Butzbach außer 12 Gulden Steuer no 88 Schillinge für Trinkwein und 15 Scillinge für Schenfwein.

Stadt: Rechenbud, Feria quarta pofl Dionyſii 1875: Des brieffes, ber ba Symone fiund, anderthalb hundert gulden von der Tate wegen ubir Ryn, des band bie von Fredeberg beczalet 55 gulden unde ben geſuch (db. i. bie Zinfen). So ban wir vor bie von Webflar berzalet 55 gulden und 88 gulden, bie ſybendehalb iare bar uff zum gefuche gegangen waren. So han wir vor bie von @eilnhufen beczalet desſelbin gelbes 67 gulden beubtgeld unbe geſuchs. tem, bie vierhundert gulden, die wir zu Denke us ben Juden lebigeten, bie ba uff bie von Webflar flunden von des gelbes wegen, daz dem von Beldenk von bem lantfreben gefiel... . . bie

gewonnen wir by zu Franck. zu Symone uff iren fchaben, bie hatten

554

242

248

ur

Unhung.

gehamben tywen gamke dar unde 15 wochen, bar uff waz gegangem zu geſuche anderhalbhundert phunb alber minus 25 Sch. alber, unbe warb ie ber gulden zur wochen vor eynen jungen heller geredend, bie 400 gulden unbe ben gefuch 150 Pfd. alder minus 25 Sch. alder Bau wir auch vor bie von Wehflar beizalet. tem, wir Ban anberwerde Symone nor bie von Vepflar betjalet 7 Bfb. unde 5 Sch. alder von ber katzeun wegen vor KRungifein, die wol 10 iare geftanden hatten, des be eynen brieff hatte, den geſuch wir ieme mit noden abe baden. Der fumme ift bir al des gelbes, daz wir bus ber vor bie von Wetzflar betzalet hau, ſechshundert gulden 64 gulden unde 2 Sch. alder. tem, mir han betzalet 56 gulden ©Symoue von Selgeſtaid, Sofeline von Marpurg und Sofeline von Fulde von des von Eppinflein wegen. tem, wir han betzalet 9 gulben Symone, bie be bar geluben batte umb fteyne geyn Reddelnheim von ber zyntte wegen, bie und gehoren zu geben.

S. Aum. 235. Andere Beifpiele von Yubenftrafen find in folgenben Stellen ber Stabt:Rechenbücher enthalten: Erſtens: Sabb. pol Benifacii 1383: Wir bau emphangen von Heylmanne von Marpurg Juden vierhundert gufden von foliches frabels wegen, alß be begangen hatte an Sofeline von Merpurg; zweitens: Sabb. ante Burif. Mariä 1885: Die Zorlin Judin bat geantwertt 60 guldin von bez Juden wegen, ber gein ber flab ge: brodin hatte; drittens: Sabb. poſt Gertrudis 1895: 4 gulden han wir gegebin Jacob bed Juden arbd huffrawen, bie ir vor zyden als von einer Juden bufle wegin abegnomen wurben, zu ber zyd als Jacob von Bo: merſheim burgermeiller waz, die vier gulden auch gegebn wurben Rupeln bem leuffer uff einen lauff gein Prage, und ber Rab nu überkomen ill, daz man bie vier gulden mibderfern felbe.

Mone’3 Zeitſchrift IX. S. 200 fig. Auch bie Frankfurter Juden ſprachen dies 1460 in einer Eingabe an den Rath von anderen Städten aus: Leröner, II. 1, ©. 811. Db, wie Bender, Zuftand ber Ziraeliten in Frankfurt S. 11, ſagt, bdiefer Gebrauch zuerfi in Stalien aufgelommen it, weiß ich nicht. Concilien-Beſchlüſſe hatten 1276 befohlen, baß bie Juden nur in Städten, Burgen und größeren Drten wohnen follten; erſt 1888 gingen fie weiter, indem fie bie Mbfonderung ber jübifchen Häufer und Herbergen von ben chrifllichen Wohnungen verfangten, und bem Juden verboten, Nachts das Juden⸗Quartier zu verlaffen: Himmelftein im Archiv bes hiſtor. Bereines für Unterfranken, XII., S. 148 fig.

244) Sp werben „8. im Stabi: Rechenbuce von 1366 zwei neu angenommene

Wächter „in dem Judenkirchhofe“ erwähnt. Ebenſo wird 1800 von einem gereiffen Gerlach und 1887 von einem Henne Schule gefagt, et babe im Judenlirchhofe gewohnt (der Legtere if in das Verzeichniß der Bürger, welhe 1887 gefchworen hatten, mit ben Worten eingetragen: Henne Schulge ym Juden kyrchoffe).

245) Tas Stadt Rechenbuch von 1424 enthält in der Rubrik „Hnnemen von

Zudenzinfen‘ folgende Bemerkung: „Ztem 100 gulden has wir enphangen

Anmertungen zu XV. DB

von etzlichin funderlichen Juden ber Rede umb Frauckenfurd, bie bach bem ftiffte von Menge nit zugehören, baz man in gegonnet bat von au fant Jacobs tag neft fomet uber vier iare weit darnach, baz fie ire toben Juden bie zu Franckfurd begrabin mogen, als auch bie ſelbin zyt die Judiſcheit bij und vom Nabe und ber flat flebifeit bat, und follin fie auch darzu funderig von den üben zu begrabin bie gebin mit namen: von eim menfchen, daz zur e viranbirt ift geweſt (b. i. von einem Verheiratheten), czwene gulden, von eim, baz eczwaz zu finen tagin fommen wer und boch unverandert wer geweſt, einen gulden und von eim Finde einen halben guiden”. Sn ben folgenden Jahren, und zwar durch das ganze fünfzehnte Jahrhundert hindurch, kommen dann öfters Einnahmen mit der Bezeich⸗ nung vor: „von fremden doden Juden bie zu begraben“. Ber ben 1495 in Frankfurt begrabenen fremden Juden wirb bemerkt, baß fie von Prum- beim, Wynecken und Minpenberg gebracht worden ſeien.

246) Sp fagt Battonn. Die frühefle Erwähnung dieſer Synagoge ift aus ben Jahre 1288 (Böhmer, p. 240). Stellen, welche deren Lage bezeichnen, find: Erſtens in einem Notariats-Inſtrument bes Copialhuches Nro. 24 bes Liebfrauftiftes S. 285 vom Sabre 1366 heißt ed: domus sita prope domum vulgariter dictam Komphusz, ex opposito synagoge Judeorum; zweiten? in einem SKaufbriefe von 1405 (ebendaſelbſt S. 851) heißt es: Schillinges hus gelegen gein ber Judenſchule ubir uff dem orte, ala man in daz komphus geet; dritten: in einem Cenſus-Buche bes Liebfrauſtiftes von 1504 flieht: duse domus contigune nune aciales prope aream latere orientali in dem cleyn fischer geszgin ex opposito domus dietae zun Kirszbaum, ex opposito synagoge anlique Judeorum, quo itur versug Moganum.

347) In einer Urkunde bed Deutfchherren- Haufes von 1560 vergleidgen ſich mehrere Bürger mit ben Deutfchherren in Betreff einer Bülte „uff ber Judin ſpylhus an der Juden Schule zu Frankinford“. In einer anderen Urkunde der Deutichherren von 1862 kommt vor „bie hoveſtat, bie ba Inget gein ber Metzeler porten zu Franlinſford und ber Juden dantzehus was, ee fie virgungen ba ſelbis, an irem fchulbofe gelegin“. Aus ben Ieteren Worten folgt, daß dieſes Haus bei der Yudenfchlacht von 1349 zerſtört worben if. Nachher warb es aber wieber aufgebaut, wie folgenbe von Battonn mitgetheilte Stelle eines Zinsbuches bed Bartholomäus: Stiftes von 1880 zeigt: domus sita in vico sti. Spiritus sen eimiterü ecelesiae Sti. Bartbol. ad portam Mogi carnificum latere orientali, contigua domui corearum (14056 if gefchrieben chorearam) Judeorum. Auch noch 1495 wird es im Stadts Rechenbuh (Rubrike Innemen von ben Jũdden“) erwähnt, indem eine Abgabe vom „danzhaus“ eingetragen if.

248) Tas Haus war urfprünglihd das Wohnhaus des Juden Joſelin von Würzburg geweien, unb der Bau war fo geichehen, daß biefer das Geld vorgefchofien und den Bau beforgt hatte. Diefer Umfland gab vielleicht den Anlaß zu dem Namen Judenhaus. Im Stadi⸗Rechenluch beißt es:

556

Unbang.

Sabb. poft Purtfic. 1870: 400 guldin Joſelyne von Wirkeburg, bie Be verbuwen felde und auch verbumet bat an bem huß, ba be ynne wonet; ttem han wir ime gegebin 100 guldin und 5 guldin, bie be auch verbuwet bat; item 50 auldin 382 Sch., die be auch daran verbumet Hat, und fint ime auch bezalit; item wir ban tme aud gegebin 200 guldin von ben 1200 gulden, des be unfern briff hatte von der ſtede wegin; Sabb. pofl Untonii 1876: zwelffhundert gulden Joſirlyne von Wyrtzeburg, alß wir unfer brieffe von yme gelebiget han von des ſteynen huſes wegen by ben mebelern. Die Stellen bed Stabt:Rechenbudes, in welchen das Gebäube bad Judenhaus genannt wirb, find folgente: Sabb. pofl Zubilate 1367: 7 Bfd. Heingen Bode umb holtz an daz Judenhus; Sabb. ante Remi: nifcere 1878: 7 Pfd. 4 Engilfihe umb tzwene zinthener unde 84 Pfd. biyes, die man virgüßin haid in der ftebe bume, mit namen an daz Juden⸗ hus und an Menber thorn; Sabb poſt Ambrofii 1378: von huſgelbe uz dem Judenhuß 7 Pfd. 6 Sch.; Sabb. poft Ambroſii 1879: 10% Pfb. 3 Sch. von fleiſſche uz dem groffen ſteynen Judenhuß von fleiſſche zu zinß in der faſten meſſe.

249) Stadt⸗Rechenbuch, Domin. ante Anbre& 1856: Hern Franken und hern

Hartmude von Cronenberg 20 Pfd. fur den byſſchoff von Mentze zu cinſe von ber alten Muntze in ber Inden gazſen uff ſaut Mertins bag, ben man nennet bern Folmars boff; Dom. poft Katharinä 1857 kommt ber- felbe Poſten mit benfelben Worten wieder vor; Dom. poft Andrei 1858: Hern Francken und ben Hartmude von Eronenberg zu cinfe 20 Pfd. von dem Myntzhobe gelegin undir ben Juden.

2350) Jager's Ulm S. 400. Beifpiele von chriftfihen Wohnungen im Frank:

furter Juben-Quartiere find in folgenden Stellen enthalten: Erſtens Böhmer p. 201 wird 1280 ein Mann des Namens Fridericus mit dem Zufaße genannt: qui moratur inter Judeos, und bie Lage feines Haufe wirb mit den Worten befchrieben: domus sua apad ferrum porte cimiterii site. Zweitens im Beedbuch von 1821 heißt es ©. 83: Johannes sutor inter Judeos apud falvam %s mrc. de domo quam inhabitat. Britiens Stadt-Rechenbuch von 138657, Rubrik „ver ſtede cinfe”: „Johan Gertener 4 marf zu cinfe, die he uff fant Mertins dag fulde han gegebin von ſyme bufe an der edin und etzwanne waz Suzfefindes des Juden, daz be um bie ftab bat gefeuffit”. Viertens Stabt:Rechenbudh von 1858, ebenbiefelbe Rubrif: „Zohan Gertener 4 mrc. zu ainfe von Suzſekindes des Juben bufes, daz be um die flab hat beflandin”. Fünftens in bemfelben enthält eine Rubrif verfchiedene Einnahmen und unter biefen folgende: „Heintze Hentzſchuher 2 mrc. von eyner Juden hobeſtad, da der Hentzſchuer ynne wonet vor ber bruden uff unfer frawen bag lychtmezfe, das Heylen Flezſers was; item Gonr. zu Lewynſtein 12 mre. von ſyme gefezfe undir ben Juden by den Amfpurgern” (es war, wie man aus Lersner, II 2. ©. 808 fieht, daB Fahrgaſſe Nr. 14 gelegene Haus zum Ochſen). Sechſtens im Rechenbuch von 1861, Rubrit, „der ſtede cinfe zahlt Wernher Vechir

Anmerkungen zu XV. 587

6 Mark „umb eynen Juden fleden gelegin hindir besfelbin Wernhers Vechirs hus“. Siebentens, bei ber 1887 Statt gehabten Eibesleiftung der Bürgerfchaft kommt in ber Zunft ber Oppirtnechte vor „Sonbechin in ber juden gaßen“. Achtens ein Cenſus⸗Buch de Leonhards⸗Stiftes aus bem vierzehnten Jahr⸗ bunbert enthält ©. 24 die Worte: domus cerdonis sita apud estuarium Judeorum. Neuntens ein Cenſus⸗Buch bes Liebfraufiftes von 1891 ent- hält S. 73 unter der Weberfchrift Inter Judeos folgenden Erbzins: Item 2 mrc. de domibus Ottonis dieti Teckelecheri et vocantur Steynheim (diefes iſt das Haus Nr. 5 der Fahrgaſſe). Zehntens, Uffenbach hat: in Nr. 27 feiner Mannfcripte S. 426 fi. aus Glauburgiſchen Papieren brei Urkunden von 1890, 1898 und 1895 mitgeiheilt, nach welchen ber Jude Kalman von Menke die beiden Häufer Brüdenau (Fahrgaſſe 1) und Kapenellenbogen (Saalgaffe 5) befefien Batte, und feine Erben das Erſtere einmal an Gutlin von Eppenfteln und nachher an Konrad von Glauburg verfauften; und babei wird gefagt, die Brüdenau liege neben bem Haufe bes Herrn Johann von Stodheim.

251) Das Stadt⸗Rechenbuch von 1861 enthält unter einer Rubrik von ver ſchiedenartigen Einnahmen folgenden Poften: „Johan von Holtzhuſin Bat und geantwortit uff Domin. Judica von ber Juden bobeflad, bie ime ge- Iuben ift für 6 mrc. gelbis, 90 marc”, woraus ſich ergibt, daß er bamals da8 betreffende Haus fchon fünfzehn Sabre lang inne hatte, Fünfzehn Sabre fpäter (1376) redet eine Urkunde beö Leonhards⸗Stiftes von ber habitatio domini Jobannis de Hultzhusen, scabini Franken., in vico Judeorum ex opposito cymiterii ecclesiae sancti Bartholomei, ubi itur ad pontem dicti opidi Franken. In ber letzteren Urkunde if alfo nicht etwa blos von einem Befisthume Johann's von Holzbaufen, jonbern von feiner bortigen Wohnung die Rebe,

252) In dem fogenannten Buch bed Bundes (Frankfurter Stadt⸗Archiv Obglb. C. C. 65) iR Blatt 110 dieſer Bunbesbefchluß mit folgenden Worten ange geben: Man ſal wißen, baz ber Swebifihen ſtede und Rynſchen ftebe frunbe gentzlich ubirkommen fin, daz man in allen yren ſteden ben Juden verbieden fal, keyne Eriften ammen noch Griften maget zu baben, bie yn bunen, bij eyner pene hundert gulden, bie ber Jude ober Judynne, bie baz ubirfuren, alß bide fie baz teben, ber flab, bo fie geſeßen weren, geben folten; und folte man fie ber felbin pene bie dem eyde nit ubirheben, unb fal man auch ber ammen obir maget bie flad, do fie geffin und ben Juden gebpnet hette, eyn iar verbyden. Unb byt iſt ben Juden zu Syrandenforb von Hertwine Wießen und Sifrive von Holtzhuß burgermeiſtern in yrer ſchul verfundet Anno bom. MCCCLXXXVII infra octavam Nativit. Marie virginis gloriose.

258) Stabt-Rechenbud von 1394, Rubrik „Soldenern unb bie ber ſtad virbunden fin’: 18 gulben Salman Pletſch Juden ber fiebe wondarzt finen halbin iarlon. Im Stabt-Rechenbud von 1898 wirb in berfelben Rubrif ebenſo ber Judenarzt Yſaac erwähnt. Außer ben jüdiichen Stabtärzten babe ich

558

Anhang.

noch felgende andere judiſche Aerzie erwähnt gefunben: Jakob von Straßburg 1908 bis 1891, Barod 1401 und Iſaak 1410 (alle brei in den Stadt: Regenbühern). Kitchner und Bender führen na Schubt wo cine Judin als 1489 die Helllunde auslbenb und von 1611 an ben Juben Moſes als angekellten Stadtarzt an. Daß eine Fran bie ärztliche Praxis trieb, darf wit auffallen; es kommen im Wiklelalter auch Chriſtinnen vor, welche bies tpaten. So heißt es z. B. im Stabt-Rechen- buch von 1894, Sabb. poſt Barbarä: 1 galben meiſter Hanß dei artztes felgin Dochter, als fie ben dienern eins teild, die vor Wißenkirchen nyder⸗ login, ardtete. Uebrigens bemerke ich noch, daß bie Frankfurter Juden keine Glaubensgendffinnen als Hebammen gehabt, ſondern ſich chriſtlicher Hesammen bedient zu haben ſcheinen; denn 1460 begründen fie ihre Be— ſchwerde fiber Ihre Befchlofiene Verſetzung an bas Mlliche Ende ber Stadt unter Andern mit der Bemerkung, fie könnten von emer fo entlegenen Gegend ber Nachts bie Ammen nicht zu ihren Frauen holen.

254) Stadt-Rechenbuch, Sabb. ante Barthol. 1405: 2000 gulden kan wir ge-

gebim unferm Herren den kumige, als er mente, daz Wolff der Jude, Kauffmann von Butzbach und Snhfind, Gotſchalles von Crutzenach eiden, nefrenelt ſulden bau und Juden, bie in deB Richs achte weren geweſt, ge- meinfafft getan heitim und darumb mit libe und gude ſulden dem Riche virfettn fin, und bem Babe geichriben und geboben hatte, ires libes und gnbs ficher zu fin, nnd ber Hab bes nit tet und meyme, nach den brieffin und ſirbeleiden, als fie ben Juden getan beiten unb gegebin, das fie bes nit tem uiden, und web be3 wiliin, ben fie ben Juden tive brieffe nit ubrfiren ımb im muıfers berren des Tımiges gnaden Wliben mochten, fo f&sandten fie ime die vorg. fomme gelteb. Unter Decollat, Johannis 1405 werben dann 146 Gulden für «ine Geſandtſchaft verrechnet, welche man wegen biefer Sache am bei Konig ſchickte. Unter Sabb. poſt Luck 3405 endſich wird des oben erwähnten Gelbgeſchenkes der drei Juden gedacht mb babel noch einmal bemerkt, der Rath habe ben koniglichen Befehl, weil „daz dem Rabe und ſtad am gaabde nd friheld weſſe und auch bie ſtedekeid, als ber Rab berr Inden getan und gebin bette, warte”, unbefolgt gelaffen und den Hönig darch MoOo Gulben umzuſtimmen geſucht.

cs) Man erfemt fie mr an ben Vornamen und daran, daß fie im anderen

Schriften als jübtfhe Namen begeichmet find, als ſolche Namen. Die Bürger, welche 1388 aufgenenmen und babet in das Birgerbuch einge: jchtieben wurben, find folgende: Guda in der gazsin in Bebera; Cul- mermes Bkres suus; Hebemdus frater ses; Jacobus Stomen sun; Hans de Constantia; Henchen de Zulpohe ; Jaccbus frater sms; Suzekint de Zulpche; unus filius Heydorn de Dyepurd; Balmanr de Landin- berg; Vinelin de Konnigistein; Isaac de Colonia, congnatus Lyebmen de Citenia; Lewe de Dagine,; Kirsan de Barg; Symon de Westir- Yurg; SBamnel de Mintsenberg; Abraham frater suus; Jademan fikus suus; Heyger de Wesele; David de Rinheim; Israhel de

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Anmerkungen zu XV. 669

Dale; Anshelmus gener suus; Joseph filias saus; Vinis de Co- lonia; Boppelman de Monstre; Bertha relicta Heilmanni de Ksirsheim; Herburdus dictus Federe; Exckelo Bomgarter de Mintzenbeeg; Wort- winus dictas Bidirman de Birgele u. f. w. Die geſperrt gebrudten Namen find füdifche. Andere Beifpiele von ber Anfährmg jübifcher Namen obne ben Zufa „Jude“ ſind: Mennechin von Koferke, Lewin zum Storde, Sendirlin von Spire und Falle von Myntzenberg im Bürgerbud von 1849; ferner aus ben Stadt⸗Rechenbüchern: 1348 Salman Fyſchelin (f. oben S. 449 Anm.) und 1369, bei Gelegenheit einer Rück⸗ zahlung von Geld, Sofelin von Wirkeburg, anderer Beifpiele nicht zu gedenlen.

256) Im Stadt⸗Rechenbuch von 1877 iR folgende Einnahme verzeichnet: Sabb. poft Epiphan. dem. band und geentwort Salman und Jutte geſwiſterde, Salmand felgen finder von Oppinbeym, 47 Bfb. 2 Sell. von ſechs beben, bie fie virfeflen hatten”. Daß bie Genannten Juden wären, zeigt ber nur von ber Judenſteuer gebraucht werdende Ausbrud „verfeffene Beeden“.

257) Stadt⸗Rechenbuch, Domin. poft Pentecoſtes 1861: 7 mark hen Rubolffe von Saffinhufin von Juden, bie burger zu ber zyd waren, je von dem Juden 1 mar; Sabb. pof Viti 1988: Symon von Selginſtad, eyme Juden, unferm burger, unb Salmanne ſyme eyden von Menge 400 guldin, die fie der Rad geluhen hatten; Sabb. amte Converſ. Pauli 1872: 80 gulden Wintter vom Wafen alß von der vechtunge wegen, alfe wir myt yme ge- rechtit worben von Symons des Juden unbe ander Juden unſer burger wegen; Rubrit „Inneme von Juden zinfen” 1881: Sofelin von Marpurg bat gegebin 20 gulbin fur Lypmermen von Mentz, als be burger waz worden.

258) Sie iſt, neben anderen Bemerkungen, auf eines ber Eingangsblätter des zweiten Bügerbuches mit folgenden Worten gefchrieben: „Sare von Milten- berg, Laferan, Kouffman, Salman, ihre fone, und ir fwager Yſaechir genand Spire, Juden, unb ire wybe und ire Finde fint burger worbin zwey iare, bie angeingen uff ben binfldag vor St. Margarten bag, und ſollin je vome iare gebin 60 gulbin uff fant Mertins bag. Actum anno dom. MCCCLXXV°_ feria tertia post Margar. virginis.. Auf bem vorderen Dedel besfelben Bürgerbuches ift außerdem noch bemerkt, daß Moſes von Fritlar und feine Hausfrau 1879 auf vier ganze Sabre Bürger geworben feien.

259) In ben beiden erflen Bürgerbüchern (von 1812 bis 1410) kommt biefer Ausdruck ebenfo, wie in den Stadt:Redenbüühern von 1848 bis 1412, nur ein einzige Mal vor. Im Bürgerbuch beißt es nämlich 1866: „Gylbrecht Sagdreger 1366 feria quinta post Penthecostes, und ward daz ufgedragin uff dem Rathuß, daz wir den jelbin Gilbrechten fur des heilegin Riches und unfern ingefezfen burger haldin nach den gnabin, bie keiſer Ludewig felge, bem God grade, zu finen ziten bet und geton hat”. Die Stelle bes Rechenbuchs ift folgende: „Thomä 1381 Haid Gertrud, Dytwin Grofinhand

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Anhang.

dochter, 10 Pfd. und 4 Sch. uns in bie rechenunge geentwort, alß fie bude bes Michs unbe der fiebe burgerſche iſt worben”. Im Bürgerbuch beißt e8 von bdiefer Frau bloß: „iR burgirfchen worben und Bat ber ſtad gegebin 10 Pfd. 4 Sch. Hell” Außerdem kommt in einer Urkunde von 1808 (Böhmer, p. 849) bie Bemerkung vor, Herr Ulrih von Hanau fei „ein burger bei funegis und ber flat zu Frankindord“; und in einer anderen von 1827 (Böhmer, p. 488) wirb beglaubigt, baß ber Dekan und bas Kapitel einer Mainzer Kirche von Schultheiß, Schöffen und Rath zu Frankfurt felen aufgenommen worden „zu burgern in bed Ryches und ber ſtede fribe”.

260) Im bandfchriftlichen Geſetzbuch findet ſich Blatt 81 folgender Sa in einer

Rathöperorbnung von 1488: Mit namen follen fie (die Juden) ire rint- fleiſch, des fie fih durch das iare gebrucchen wollen mit irem gefinbe in irem bufe, in iglichem iare in ber maße, als fie bißher beflalt und gefaufft ban, keuffen unb beflellen zufchen fant Simonis und Jude und fant Natherinen tagen, und baruber vor unb nad) nit nıe, und mogen ine bie mebler bie zu Frandfort bad in ber felben zyt auch alfe verkeufien, unb ußwenbig ber egenanten zyt nit, und was fich in derfelben zyt trieff erfinde, bas mogen bie meßler in berfelben zyt under iren ſchirnen verfeuffen als biß ber, und fal fi die gemeynſchafft die zyt liden. Soft fo follen ſich bie egenanten Juden bie zyt an kelbern, hemeln und lemmern fleifch halden und behelffen durch das tare u. f. w.