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2 Friedrich Schleiermacher's

ſaͤmmtliche Werke.

Dritte Abtheilung.

Zur Philofophie.

Zweiter Band.

I Berlin, gedruckt und verlegt bei G. Reimer. 1838.

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Dr. Friedrich Schleiermacher's

philoſophiſche |

und

vermiſchte Schriften.

Zweiter Band.

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1853986.

inhalt

Hevakleitoß ber dunkle, von Epheſos, dargeftellt aus den Trümmern feines Werkes und den Zeugnäffen der Altın. » . Seite 1 Abhandlungen gelefen in ber Königlichen Akademie ber Wiffenfchaften.

1. Ueber Diogenes von Apolni. » 0.0 149 II. Ueber Anaximandros.. . . . 11 ı M. Ueber die verfchiedenen Methoben bes uͤcherſczens. . v7 IV. Ueber die Begriffe der verſchiedenen Staatsformen. 246 V. Ueber den Werth bed Sokrates ald Philofophen. . W7

VI. ueber die griechiſchen Scholien zur nikomachiſchen Ethik des Ariſtoteles.. ea . 30 VI. uUeber die Yuswanberungverbote ee 87

VIII. Ueber die wiflenfchaftliche Behandlung des Tugendbegriffes. 350 IX. Verſuch über die wifienfchaftliche Behandlung des Pflichte

| begriff. . 0 0 0 0 v 37 9 X. Ueber den Unterſchied zwiſchen Haturgefep und Sittengeſez. 397 XI. Ueber den Begriff des Erlaubten. ..— 2418

XII. Ueber den Begriff des höchften Gutes. (Erſte Abhandlung) 446 XIII. Ueber den Begriff des hoͤchſten Gutes. (Zweite Abhandlung.) 469

Herakleitos der dunkle, von Epheſos, dargeſtellt aus den Truͤmmern ſeines Werkes

und den Zeugniſſen der Alten.

Aus dem erſten Bande des Muſeums der Alterthumswiſſenſchaft von Wolf und Buttmann)

u . 1808.

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Mann gleich ſchon mehrere verfucht haben die Weisheit dies sıs ſes Mannes, auf welche allein auch wir uns befchränfen‘ wel: Ien, und die unzuverläffigen Erzählungen von feinem Leben, -fs nen äußern Verhältniffen und feiner Todesart an ihren Ort ge flellt fein Laffen, ihrem Wefen und Umfange nach darzuftellen, ' fo daß ed im einzelnen an Vorgängern und zum Theil fehr Id: benöwerthen nicht fehlt: fo muß Doch auch dieſes neue Unterneh: men damit anfangen, feine Anfprüche auf Nachficht geltend zu machen, für den Fall dag noch nicht über alles ein befriedigen des Licht folte ‚verbreitet werden. Auch liegen die Schwierigkei⸗ ten deſſelben als folche zu Tage, daß ſchon ein: Verfahren zu entwerfen, Regeln auszumitteln und ſich zu entfchließen wo Han zunächft feften Fuß faffen fol, eine Arbeit ift. -

Denn zuerft iſt ded vorhandenen jo wenig, berhaltnißmaͤßig nämlich gegen bie durch die wuͤrdigſten und größten. unter den Aten erregte fo große Vorſtellung von dem Manne, daß die sıc rühmliche Begierde mehr zu entdekken ald wir über ihn wiſſen nur zu leicht ausartet in eine gefährliche Kühnheit der Muth maßungen und Berfnüpfungen; fo daß der Forſcher, auch wenn er den erften Einfchritt mit der größten Behutfamfeit gemacht hat, fich doch immerfort gebunden erhalten muß mit den fefteften Ketten an dad unmittelbar gegebene, auch dieſes feinem verfchies denen Weche nach vorfichtig abwaͤgend.

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Da und nun nichts irgend zufammenhangenbed noch weni: ger ganzes übrig ge eben ift von den Werken ded Mannes, den Briefen aber, welche unter feinem Namen gehen, niemand einigen Glauben beimefjen wird, fo wenig den in fpäterem Dia- left geichriebenen, ald dem einen und deflo unbedeutenderen ioni= fhen: fo ift dies vorhandene nur zwiefach, zuerft eine mäßige Anzahl ſaͤmmtlich Kleiner Bruchſtuͤkke, welche als aus feinen Werken an verfchiedenen Orten beigebracht werden; und dann bie Berichterftattungen und Erwähnungen der Alten von feiner Denkart und Lehre.

. 7. Bab alfo die erften betrifft: fo verdanken wir fie größten. theils Tpateren Schriftfiellern, unter welchen vorzüglich hervorra⸗ gen fowol an Anfehn ald an Menge ded aufbehaltenen Plutars chos, Sertus der Empiriter und Clemens von Alerandria. Bon 317 bem lezteren nun ift leider nicht zu laͤugnen, daß er auch fonft - ‚nicht felten pflegte hintergangen zu fein durch untergefchobene Schriften und Stellen. Bon Sertus ferner ifl zwar gewiß, daß er dad Werd des Herakleitod von der Natur muß in Händen gehabt haben, da er nicht nur Stellen, welche, ſchon von Ari: ſtoteles mitgetheilt, Acht fein müffen, (adv. Matb. VII, 132) fon- dern auch ben Zufammenhang, in welchem fie vorkommen, an: geführt hat; aber auf der andern Seite erklärt er fich (adr. Math. VII, 5-—7. IX, 360. X, 233) über wichtige Xheile fei- ned Inhaltes fo ſchwankend und nur bie Meinungen anderer zufammenftellend, daß man. ihm unmöglich eigened und genaues Studium des Werkes zufchreiben kann, und alfo immer beforgt bleiben muß, ob er nicht zum Theil wenigftend die von ihman- . ‚geführten Worte auch nur aud Anführungen® anderer entlehnt, wie es dem Herakleitos befonderd häufig ergangen zu fein fcheint. Plutarchos giebt und dagegen allerdings zu viele Kleinigkeiten, als daß er fie nicht in feinen berafleitifchen Büchern felbft folte gelefen haben; ob aber dieſe Bücher immer Achte geweſen, bar: über muß man zweifelhaft werben, wenn man (ade Colot, II.

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p. 1115) lieſt, daß er eine Schrift des Herakleitos Zoroaſtres uͤberſchrieben anfuͤhrt. Nun will man zwar vertheidigend ſagen (. Fabr. Bibl. Graec. Ed. Harl. Vol, II. p. 626), bier ſei ein sus jüngerer Herakleitos, ein Peripatetiler gemeint; allein es bleibt wenig mahrfcheinlich, daß Plutarchos, der den Ephefier fo oft und faft immer, auch noch Fur; nach diefer Stelle, ohne Beina⸗ men anführt, einen jüngeren wenig befannten und fonft. unferes Wiſſens gar nicht von ihm erwähnten auf diefelbe Art und ohne ihn isgend zu unterfcheiden follte genannt haben. Daher man vielmehr fürchten muß, Plutarchod habe einer untergefchobenen Schrift geglaubt; wodurch denn wieder unficher wird, ob nicht : auch manche von ihm angeführte Stellen nur ſolchen angehören. Sonach würden ale Darftelungen und Folgerungen, die nur auf den Bruchſtuͤkken ruhten, nicht frei von Verdacht und nicht hinreichend begründet fein, als nur infofern fie unmittelbar von den wenigen Stellen gehalten werben, bie fchon Platon und Aris ftoteled und überliefert haben.

Darum ift nun freilich vortrefflich, daß, zu den Bruchſtuͤk⸗ ken noch hinzukommen vielfaͤltige Zeugniſſe und Berichterſtattun⸗ gen der Alten. Nur iſt leider auch hier ein weſentlicher Unter— fhied zu machen zwifchen. den früheren und fpäteren Zeugen. Denn bekanntlich ift die floifhe Schule dem Herakleitos in vie: lem gefolgt, und beide werden zu haufig als uͤbereinſtimmend genannt, ald dag es hiezu einzelner Anführungen bebürfte; fo 313 daß auch die meiften, welche Diog. Laert. (IX, 15) ald Ausle: ger des Heralleitod namhaft macht, Stoiker geweſen, wie ich denn auch noch immer geneigt bin, auch den an die Spize ber: felben geftelten Antifihenes troz der Stelle VI, 19 für den Sy: nifer zu halten. Keinesweges aber darf man glauben daß die Stoiker die herakleitiiche Lehre rein aufgenommen hatten, fon» dern umbildend; und fo mag denn von den Auslegern mand)es ähnliche aber doch nicht gleiche am leichteften fein verfälicht und bald mehr bald minder bewußt zur Angemeffenbeit mit ver übe

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6 teren Schule umgedeutet worden, zumal ber Schriftfteller durch feine Dunkelheit quälte und reiste. Nun iſt offenbar, daß die fpäteren Sammler alle, der Verf. des Buches de plac. phil., Theodoretod und Stobäos, denn ihre Sprache verräth fie, ihre Nachrichten mehr von Auslegern und Commentatoren entnehmen ald aus dem Werke felbft, und daher alled bei ihnen zum mins beften doch durch den Einfluß der fpätern Sprache entftelt er ſcheint. Vor den Zeiten der Stoa aber und der andern auch wol mehr allegorifirenden als rein hiftorifchen und grammatifchen Ausleger des Herakleitos haben wir faft nur Platon und Ariftos teles zu nennen, ald Zeugen und Gewaͤhrsmaͤnner für die Lehre 320 deffelben, und auch dieſe beiden find wiederum nicht leicht zu gebrauchen. Denn was den Platon betrifft, fo find feiner aus⸗ drüfflichen Beugniffe vom Herakleitos nur wenige, und wo ihm fonft die Lehre de3 Mannes offenbar vorzüglich vorgefchwebt hat, im Theaͤtetos und Kratylos, da muß man fich fehr hüten, im erften nicht auf den Herakleitos zu ziehen wad nur vom Protas goras gemeint ift, und im lezterem nicht den Meifter zu verwech: ſeln mit den Anhängern, die, wie es fcheint (Diog. IX, 6 am Ende), nicht aus mündlichen Unterricht, fondern nur aus ber Schrift des Mannes gefchöpft haben, und daher vielleicht auch übertrieben und mißverftanden. Won Ariftoteled aber iſt fehr leicht zu fehen daß er Fein fleißiger Leſer des Herakleitos gewer ſen, da er ſich ungleich und nicht felten widerfprechend über def» fen Anfichten ausdruͤkkt, da er ihn häufig nicht erwähnt, wo man es doch erwarten muß und grade am neugierigften wäre den Mann zu vernehmen, und da er zweifelhaft fpricht, wo ein genaued Studium ihn gründlich mußte belehrt haben, welches alles die Folge nachweifen wird. Daher Ariftoteled anzuſehen üft, nicht nur ald deren Vorgänger, welche dem Manne nicht be: harrliche Anftrengung genug widmen wollten, um ſich den Lob⸗ namen belifcher Schwimmer (Diog. Laert. 11, 22) an feinem 221 Werke zu verdienen; fondern auch, indem er die Lehren des Ephe—

7 ) ferd in feine eigene Sprache überträgt, hat er unräbmlich zw foäteren Mißdeutungen den Weg gezeigt.

Demohnerachtet nun bilden die Anführungen und bie Zeugs ville des Platon und Ariftoteled die einzige fichere Grundlage, werauf eine Darſtellung herakleitiſcher Lehre beruhen kann, und das richtige Werfahren fcheint zu fein, dag man, lediglich von dieſen ausgehend, die übrigen Bruchſtuͤkke, welche ſchon ganz volls fändig gefammelt zu haben wir uns nicht anmaßen wollen, fon, dern gewiß noch manche Nachlefe übrig laffen für ‚einen fpäteren Bearbeiter *), in dem Maag für Acht anerkenne und benuze, als fie mit jenen zufammenhangen oder wenigftend übereinftimmen,

- und eben fo wiederum den fpäteren Zeugniffen nicht mehr Ges wicht beitege, als fie natürliche Werbindung zeigen mit den fo anerfannten Bruchſtuͤkken. Wer auf diefe Weile aus beiden, Zeugnifien und Bruchſtuͤkken, einen Kranz geſchikkt und bedeuts fam zu flechten wüßte, ohne eine hinein gehörige Blume liegen zu laffen, von dem würden wir glauben müffen, daß er und wahres lehre, und alles wahre, was wir noch willen koͤnnen 22a über die Weisheit des Epheſiers.

II. Nur erregt bei der Ausführung, eined folchen Entwur⸗ fes wieder neue Bedenken die beruͤhmte Dunkelheit des Mannes, die ihm jedoch erſt in fpäteren Zeiten und dad Buch de mundo z.B. möchte ic) ſchon deshalb dem Arift. abfprechen, weil ed den Herakleitos (cap. V. p.374 E. Ed. Casaub.) oxoreıyog nennt den eben erwähnten Beinamen erwarb, welchen auch wir ihm nicht entziehen, fondern ihn lieber als einen trefflich abwehrenden Schild und vorhalten wollten. Denn djefe Dunkelheit muß uns nicht nur mißtrauifcher machen gegen jede Auslegung; fondern je weniger und noch der Zujammenhang vor Augen liegt ber vorhandenen Bruchſtuͤkke mit dem übrigen, um deſto mehr muͤſ⸗

*) Als ſolchen hat ſich ſchon angekündigt Creuzer, und es ift keinesweges unſere Meinung, feine Arbeit zuruͤkkdraͤngen ober entbehrlich machen zu wolles, ſondern vielmehr fe hervoczulokken.

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fen wie auch zweifeln, ob wir den Sinn berfelben recht getrof- fen, oder nicht vielmehr falfch gegriffen haben in biefer Dunkel: heit. Darum muß und vorzüglich daran gelegen fein, zu wiffen von welcher Art ſie eigentlich geweſen; und es iſt fuͤr keinen ge⸗ ringen Vortheil zu achten, daß ſie ſelbſt wenigſtens uns hell ge⸗ nug iſt, und wir ziemlich ſicher entſcheiden koͤnnen, was fuͤr eine Bewandtniß es damit eigentlich gehabt habe, daß ſie naͤmlich nur eine grammatiſche geweſen ſei, im erſten Anfang der philo⸗ 323 ſophiſchen Proſa hoͤchſt natürlich und verzeihlich. Neuerlich frei⸗ lich ſcheinen auch Männer welche ſich vorzüglich mit dieſen Ge genſtaͤnden beſchaͤftiget haben, vielmehr zu der Meinung derjeni⸗ gen ſpaͤteren unter den Alten ſich zu neigen, welche den Hera⸗ kleitos befchuldigen, er habe abjichtlich fo fehr als möglich feine Lehre zu verhüllen geſucht. Nur verehren jene unfrigen ben Mann zu fehr, um dies der Eitelkeit oder dem Eigenfinn zuzu⸗ fehreiben, fondern fuchen ed in anderen heiligeren Bewegungs: gründen, weshalb fie aber auch freilich ihre Anficht auf eine ei- gene und neue Weiſe zu rechtfertigen haben, Wir wenigſtens haben bei den Alten nur jenes gefunden. So befchuldiget ein Tatianus (Orat. ad Graeo. Ed. Oxon. p. 11) ihn bed eitlen Hoͤchmuthes, und „will ihn nicht loben, daß er-fein Gedicht ge: „heimnißvoll in dem Tempel der Artemis verborgen, damit es „ſpaͤter von dort aus .erfchiene. Faſt ald ob Herafleitos es an: gelegt hätte auf die fchlechte Kabel, welche Tatianus hernach er- zahlt, dag nämlich Euripides das ganze Werk in dem Artemis: tempel allmählig auswendig gelernt und fo nach Athen gebracht babe. Wer weiß nun, wen der Mann anerkannt hat. al& folche oig uelav Est nepl TOvTwv, und wer biefe Fabel auögefponnen bat aus der früheren Erzählung, die wir bei Diog. Laert. I, 22 und IX, 11 finden, oder aus welchem- Berunglimpfer er, wie er felbft verunglimpfen wollte, jene Beichuldigung genommen haben mag! Eben fo denken einige freilich nicht genannte bei Digg. IX, 6 „er babe abfichtlich dunkler gefchrieben, damit nur

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‚ne ſtaͤrkeren Geifter fih dem Buche nahen möchten, und es micht allverbreitet und deshalb gering gefchäzt würde.” Als ob damals auch das verftändlichfte philofophifche Werk fo leicht in alle Hände gekommen wäre, und ein Schriftfteller der fich aus⸗ zähnen wollte, hätte zur Dunkelheit und Schwerfälligkeit fliehen gemußt. Wer erkennt bier nicht die Mißdeutung einer fpäteren Zit, in welcher die früheren feltenen Bücher einen großen Werth hatten, in Vergleich mit den fpäteren zumal in gemeine Leſerei 5 übergegangenen "Probuctionen ber fofratifhen Schulen. Und | Kuft es nicht ebenfalls auf eine Beſchuldigung ber Eitelkeit hin⸗ | mb, was Plotin fagt, (Enn. IV, 8, 1) Herakleitos habe ver nachläffiget feine Rede beflimmt genug vorzutragen, weil er viels leicht gewollt, man folle ſich mit ihm mühen, wie er fich felbfl gemüht habe um die Lehre zu, finden? Anders, recht wie im Mißmuth, und ald wäre er durch übelgelungene Bemühungen abittert, fagt Cicero (de fin. II, 5. de nat. deor. 1, 26. beſon⸗ ders aber eben dafelbft I, 14) dem Herakleitos auf den Kopf zu, er fei zu dunkel und abfichtlicy dunkel, und habe nur nicht sas gewollt verflanden fein; eben wie wir ed oft einem, dem. wir Talent genug zufrauen, ald Eigenfinn ſich nicht herabſtimmen zu wollen auölegen, wenn ed ihm nicht gelingt ſich und ver- flandlih zu machen. Das fei nun dem vornehmen Römer vers ziehen feiner Bequemlichkeit wegen, da er ſich nicht gem verres den wollte über das Verhaͤltniß der herakleitifchen Meinung vom geuer zu der foifchen. Clemend (Strom. VI. p. 676) erwähnt ber Dunkelheit des Herakleitos freilich in Verbindung mit meh: seren Schriftftelern, von denen manche wol abfichtlich dunkel oder wenigftend verſtekkt gefchrieben haben. Aber fein Zwekk, die allegorifirenden Auslegungen der beiligen Schriftfteller durch eine ähnliche abfichtliche Dunkelheit berfelben, die er vorausſezen will, zu rechtfertigen, macht ihn verbäcdhtig, für eine ſchwache Sache, wie es zu gefchehen pflegt, auch unpaffende Beifpiele zus ſammengerafft zu haben. Deutlich aber fagt ſchon er nirgends,

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die Dunkelheit des Herakleitos fei abſichtlich geweſen. Sertus (adv. Maib. 1, 301) führt fie auf eine folche Weife an, daß das Beifpiel für feinen Zwekk nur dann recht brauchbar wird, wenn die Dunkelheit nicht eine abfichtlich veranflaltete ift, fontern ih» ren Grund bat in ber Natur der Sache oder in dem Zuftande s2asder Sprache. Auf leztered nun weifet, ohne irgend eined ande: ven Grundes auch nur zu erwähnen, er ber folche beiläufige Er: _ wähnungen nicht fcheut, Ariftoteled ganz deutlich hin, indem er (Rhet. IH, 5) die Schreibart des Herakleitos ald auf eine ei: gene. Art fehlerhaft anführt, weil nämlich ſchwer fei zu inter

pungiren, indem man gar oft nicht wife, ob ein Wort zum vos tigen zu ziehen fei oder zum folgenden, wozu er bald vom Ans fange des Werkes her ein Beifpiel beibringt. Grade fo urtheilt Demetriod (de elocat. $. 192. p. 78) daß Herakleitos größten: theil3. dunkel werde durch den Mangel an Verbindung, fo daß man nicht wiffe, wo jeber Saz anfange und endige. So wie nun der Verfaſſer diefer Schrift offenbar ald einer urtheilt der es felbft verfucht hat, fo können auch wir noch jezt nicht nur auf diefe Zeugniffe geftüzt, fondern auch aus eigener Erfahrung behaupten daß die Dunkelheit ded Herakleitos wirklich größten: theils hierin ihren Grund hat. Denn das Zeugniß dieſer beiden Männer wird ganz augenſcheinlich beſtaͤtiget durch die Beſchaf⸗ fenheit der meiſten noch vorhandenen Bruchſtuͤkke, indem nicht nur viele derſelben uns aͤhnliche Schwierigkeiten darbieten, ſon⸗ dern auch in ſolchen, wo offenbar von den Hauptlehren des He⸗ rakleitos die Rede iſt, kein Unbefangener ein Beſtreben bemerken 337 kann dieſe verhuͤllen zu wollen; ſondern unumwunden, was er angeſchaut hat, giebt er uns wieder. Auch kann man von dem⸗ jenigen welcher geſagt „den Unverſtand ſei es beſſer zu verber⸗ gen“ wol vielleicht bezeugen muͤſſen, es ſei ihm ſchwer geworden die Weisheit ans Licht zu bringen, nicht aber darf man von ihm vernuͤnftigerweiſe glauben, er habe es in ber That für bef⸗

11 + fer angefehen, auch fie zu verhuͤllen. Und darum ſtehe diefes werft bier unter allen feinen Bruchftüften.

1. "Auadinv yap ausıYyoy, ag pnoi Hoaxksırog, xountesv. &oyov ÖR Ev Aveosı xal nag oivov. (Plut. Sym- pee III. Ed, Freof. T. I, p. 644) Die lezten Worte nämlich, wiewol fie ähnlich aus einer andern Schrift bed Plutarchos (de erad. mulier.) Stobäo8 anführt auadiav, ws grow Hooxisıros, zul allg xgUntew Eoyov Esiv, Ev oliv dA zelenwteopv (Serm. XVII. Ed. Lugd. p. 165) halte ich nicht für herakleitiſch, fondern für eine Wendung, welche Plus tarcho8 dem Spruche giebt feinem Zwekke gemäß, wie er ihn anderwärtö (de andit. T. I. p. 43. Taya uEv yap ovöd auadiav xounteıw &usıvov, wg grow "Hoaxlsırog, ih eis uE00v TiFEvaı xar Heganevev) nur anführt, um ihm, in einem weiteren Sinne vielleicht, zu widerfprechen. Und zwar ift diefe Anführung vollfländiger, wenn man anders, wieich 325 wol möchte, dem Stobaͤos trauen darf, der an einer Stelle, wo mehr herakleitifches zufammen fteht, Serm. III, p. 48 den Spruch auch ionifcher fo anführt Kovzreıy auadinv x08000% N Es TO uE0oy pEosıv. „Unverſtand iſt beſſer zu ver⸗ „bergen als zur Mittheilung zu bringen.“ Ganz ohne Zus faz hat noch einmal Plutarchos daffelbe (quod virt. doc. poss. p. 439) "Auasiev yio Hodxlsırög Pas zpunzeıw Aust. vov. Allein den Vorzug, wörtlicher angeführt zu haben, muß man bod wol dem fpäteren Sammler zugeftehen, der grade hier aus einer guten Quelle fcheint gefchöpft zu haben,

Eben fo wenig fchiften fih ja zu einer abfichtlichen Dunkelheit feine häufigen Klagen über die Unfähigkeit zu verſtehen, welche fi) bei den meiften Menfchen finde, wenn er doch felbft geſon⸗ nen war, feine £efer nach Wermögen in ben Fall des Nichtver- Rehens zu ſezen; nicht viel beffer die Aufmunterungen fid ans zuftrengen, und auch um Eleinen Gewinns willen große Mühe zu übernehmen am allempmigfiemogberhkie Drohungen gegen UNION THEOLOGICAL SEMINNE. -. New York -—

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IN.

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Diejenigen welche faliched in Umlauf fezen. Und fo mögen dieſe gleich zu feiner Nechtfertigung hier mit einander folgen. Go Hagt Herakleitos, dag die Menfchen mit fehenden Augen nicht ſehen.

2. OU yao Yypovaovos Toıgüra noAko:, 0%0006 EYKAVEOEVOVOLV, 0VÖL uadovrsgs YıvWoxovoıv, iavroioı ÖE JoxEovos, xara Tov yevvaiov Hoaxkeı-

rov. Clem. Strom. I, 2. p. 432. Nach 0x0006 ift entweder wor audgefallen, oder man muß mit Gataker oͤxbooig, dann aber aud) » Eyxvoosvwaor fchreiben. An diefer fonft nicht vorfommenden Form aber wage ich ohne Autorität nicht zu rühren. Das raavra auf einen eben dargeftellten wefentlichen Punkt feiner Lehre bezogen, wäre dann dad Ganze fo zu faffen. „Solches aber ift nicht „die Gefinnung oder Einfiht der meiften, wie viele mir auf „ſtoßen“ oder „auf wie vielerlei Dinge fie auch floßen; noch „auch erkennen fie 6, wenn man es ihnen vortraͤgt, ſondern „duͤnken es ſich nur.” Und Clemens redet hier gerade davon, daß man den Unreinen nicht das Heilige vorwerfen muͤſſez wenn nun dieſe Worte bei Herakleitos eben ſo waͤren gemeint geweſen, und Clemens haͤtte alſo bei ihm nicht nur die Gruͤnde fuͤr ſeine Regel gefunden, ſondern auch die Regel ſelbſt, „warum ſollte er fie nicht mit an- geführt haben? Ferner

3. "Alla yag reyvwg olums &guoTTE Toig Öuoiwg nie avrıltyovaıv, aneo Hocxksıros 6 Eyp£oiog eionxev, A xv- VvSTos dXAUVGAaVTES zWYoig Eoixacı“ garız av- Toios naprvgsi nagpEovrag ansiyai. Theodoret. Vol. IV, p. 712 Ed, Hal. aus welchem Glemend zu verbef- fern, der Strom. V, 14. p. 718 daffelbe hat, nur daß er ganz unverfländlich flatt azgivar lieſt anızvas „„Unverfländig hoͤ⸗ „rende, gleichen tauben: von ihnen giebt Zeugnig der Spruch, „Daß auch Anwefende abweiend find,’

Die gewöhnlichen Eleinen. Jonismen fehlen bier an beiden Orten;

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ob diefe aber da find oder nicht, iſt fchlechthin unbedeutend, da

fie eben fo leicht Eonnten verloren gehn als erfezt werden.

4. ”Anisoug tag eivas Erısöpav "Hocxasırös yo 0xoVvoaı 00x Enıgausvor oVÖ eineiv, wpeindeisg Innovdev apa Zaloumvrog. (Clem. Strom. II, 5. p. 442) „Richt wiffend zu hören noch zu reden.

Bährfcheinlich gehört auch irgendwie hieher

5. Kuveg yao xal Bavbovaıv ÖV @V un Piıvwo- xu0s xa® Hocxısırov. „Denn die Hunde bellen auch an

; „wen fie nicht kennen.“ Plut. an seni sit ger. resp. T. 1, p. 787, wo, man mag das yagxas dem Herakleitod geben oder ald Ans führungöformel dem Plutarchos, von nichts anderem Tann bie Rede gewefen fein, ald in Bezug auf das neue Lehrgebaͤude 331 von dem Neid und Wiberwillen, ber dad fremde anficht.

Und wie unbarmherzig wären bei fo böfem Willen die Aufforde⸗

rungen, die und Glemend und Theodoretos aufbehalten haben. 6. Toüro zul Hoaxisırog 6 "Eyeoiog To Aöyıov nämlich wieder ein altteffamentifche, Ehv un nugevonre, un ovvnte ‚nagapodoag eionxev ’Ecv un dinnren, aveinısov 00x PEevonosı avebegsvvntrov 0Vxal

&r0g0V. Clem. Strom. II, 4. p. 437. Daffelbe fchreibt Theo- doret, Vol. IV, p. 716 ’Eav un äiniönte, aveinıcov 00x EVonosTs avefevonrtov Eöv xal ärogov, fo dag man lefen.möchte &Annode und EEevonoere. „Wenn ihr „micht hofft, werdet ihr das ungehoffte nicht finden, da es „unfindbar ift und unzugänglich.” Und

7. Xogvoov yag oi Örönuevos, gmolv ‘Hogaxksırog, ynvy noAAnv 6gVOCOvVOL,xal EVOLOXOVOLY Öliyov.

Ciem. Strom. IV, 2. p. 565, und Theodoret. a. a. DO. „Denn „Die Soldfuchenden, fagt Herakleitos, graben viel Erde auf „und finden weniges.“

Aber weldyed- Urtheil ſpricht er ſich ſelbſt mittelbar weihes.

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falls er durch gefuchte Dunkelheit zum Mißverſtand verleitete, in folgenden Worten. (Clem. Strom. VI, 1. p. 649.)

39 8. doxseövrwv yag 0 ÖoxıuWrarog yıvaaza gvhasosıy' zal nevros zal Öixn xzarainwyerai . yEevöWy TEexToVag xal wegrvpag, 0 ’EyEosös anow. | Die erften möchte ich nicht mit dem Weberfezer des Clemens erflären probatornm probalissimus vovit servare; noch wüßte ich fie. gelinder zu heilen als fo doxeovze yag . . . YımW- one gviaooeı. „Das fcheinbare vermeidet der trefflichfte „im Erkennen, und Strafe wird ergreifen, welche falfches en „finden und bezeugen.’

Wie wenige Stellen giebt. es dagegen welche fcheinen eine ab⸗ fichtlihe Dunkelheit vertheidigen zu follen! Denn gleich bie (Plut. de Pyth. orac. Vol. II, p. 397) "

9. Zißviio ÖE naıvousvo souarsxad Hoazksı- tovayskagaxar axakAunısaxaianvgisagpder- youevn yıllwv Erwv EEıxveitus N Gwvn dia ròν Deov, „Die Sibylle aber mit wahnfinnigem Munde nach Herakleitos „unbelachtes, ungefchmüfftes, ungefalbted vedend reicht über taus „ſend Jahre mit ihrer Stimme des Gotted wegen‘ bei wel - cher die Zeitbeflimmung doch offenbar mehr dem Plutarchos als dem Herakleitos angehört wiewol das dıa Tov Heov wieder- Herakleitifch zu fein fcheint nach Clemens, ber fich offenbar auf unſere felbige Stelle bezieht Strom. I, 15. p. 358 HodxAci-

333 Tocç yap oüx avdownivwg proiv, alla oVv Yew unddoy Zrßorimv (fo muß man Iefen mit Sylb. flatt Zußvlin) ne- pardas die ganze Stelle aber, wie Freret thut, dem fos genannten Heralleitos zuzuſchreiben, nach welchem das Buͤch⸗ lein regt aniswv genannt wird, verraͤth wenig Aufmerkſam⸗ keit auf die Schreibart ſowol als auf die ganz entgegengeſezte =

Tendenz jener Schrift:

fol, wenn fich ja Herakleitos als ein Uneongavos mit der Se - berin verglichen hat, doch nur Die ungeſchmuͤkkte Schreibart recht⸗ =

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fertigen, nicht die unverflänbliche; und was wahrſcheinlich dieſe Stelle im Sinne habend Jamblichos e myst. Sect. III. rap. VII fagt xab Aöyovg u29 nooieufvn, uera Öumvolag Ö2 zoy Aeyöviwv, all uaswousvo Yaoı sönars ift entweder nur eine ſchlechte Umſchreibung von jenem, und heißt „nicht aber mit ‚der Kunft der Redner,” oder wenn man gewaltfam Aeyausvwr iefen wollte, fo könnte doch da3 gar nicht erweislich zu dem Lobe gehören, welches der Ephefier ihr beigelegt hat. Mehr nodyr führt man zu dieſem Behuf an, was Plutorchos in derſelben Schrift p. 404 aufbehalten hat,

10. Oiuas ö2 yırwazxeıy TO ag Hpanssizo leyönevov gs wvaf oU TO uayrsiov Ess To 29 Ashgois oürs Aöysı ovVre xountes alla onnaives. „Der König, se „deß das Drakel ift bei den Delphiern, erklärt nicht, noch ver. „birgt er, fondern deutet an.”

Aber wer darf wol bei onuaivew an abfichtliche Verhullung denken? denn was wäre dann wol zpvrzew? und führt nicht der Bufammenhang beim Plutarch vielmehr felbft dahin, daß von folgen Dingen die Rebe geweſen, welche mit düren Worten ausgeiprochen werden nicht Fünnen, aber verhehlt doch auch nicht fein wollen? Es ift und noch eine, weil fie jo ganz abgeriffen bafieht, ziemlich unverfländliche Stelle diefer Art im Gedaͤchtniß.

11. Oida Eyo xai IMdrowa nooauegrvpoüvra "Hoc- xAeiro yoayovıs “EV v6 00909 nouvvoy Alysodas oux EHEleı zai EFsicı, Znvög Övoua (Clem-Sirom, V, 14. p. 718), was ich fo verfiche, „Das Eine Weife allein „will auögefprochen nicht werben unb Doc auch werden, „Der Name des Zeuss” nicht wie ber Ueberfeger bed Gles mens, Quod unum sapiras est solum tamen dici oon vu, idemque Jovis oömen Amat.

Iſt hier micht, wie man auch übrigend erfiäre, das was nicht ausgefprochen fein will, der Name des Zeus, alfo gewiß dad hoͤchſte? Kurz, wer nicht etwa, bie Anficht des Theoyhroſtos ira

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Sinne habend, der und bei Diog. Laert. IX, 6 verfihert „He „rakleitos habe aus unmuthigem Truͤbſinn manches nur halb 335 „vollendet gelaffen, manches an verfchiedenen Orten verfchieden „dargeſtellt,“ folche Stellen ald Entſchuldigungen darüber anfehn will, daß er nicht genug ins einzelne hineingeht, worüber auch zwei andere Autoritäten bei Diogenes (IX, 8 und 11) Elagen, was aber doch das weniger richtige zu fein fcheint, dem leuchtet gewiß eim, Herakleitos habe fich ſolche Sprüche für diejenigen Stellen feines Werkes aufgefpart, wo er mit feiner Weisheit an . die Grenzen des didaktiſch audzufprechenden gefommen war, um flatt der eigentlichen Mythen, bie ihm abgingen, mit folchen ges heimnigvollen Sprüchen wie mit goldenen Nägeln feine Philos fophie am Himmel zu befefligen. Aerger freilich als das bishe⸗ rige in diefer Art fcheint eine Stelle zu fein, welche und eben fand Clemens aufbewahrt hat (Strom. V, 13. p. 699) und wel che man vielleicht gern für eine untergefchobene Stelle halten würde, wenn fie nicht grabe fo viel von der Dunkelheit an fich hätte, derentwegen Herakleitos angeklagt wird. Sie lautet aber ſo: 12. "AAla va uEv ing yvaoswg fayın KOUNTED anıgin ayadın xa0 Hoaxlsrov- anısin yao ÖLa- puyyavsı un yıvmoxsodan. Bieldeutig ift hier alled. Man fehe nur wie vielerlei Sinn uns ſchon die Ausleger des Glemend bringen, ohnerachtet fie alle 336 arısin nur durch incredulitas überfezen. Wenn man ed nun aber hineinfpielen Fünnte in den Sinn von Undeutlichkeit; dann hätten wir e3 ja, daß ed eine vortreffliche Unbeutlichkeit wäre oder daß die Undeutlichkeit vortrefflich dazu wäre bie Ziefen der Einficht zu verbergen; denn durch die Undeutlichkeit anıı- | sin wird man doch wol lefen müffen entgingen fie dem, daß 4 fie nicht erkannt würden. Nur daß ic dann dem Manne zurus fen möchte,. nod) beffer aber doch du Guter, wenn fie fo unbes . dingt nicht erfannt zu werben wünichen, gefchieht dad Durch \ Schweigen, welches du alfo uns angerühmt und felbft ausgeübt j

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—*

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haben ſollteſt. Darum kann ich keinen andern Sinn finden fuͤr dieſes Bruchſtuͤkk, als daß es ſich anſchließt an ſeinen Tadel fruͤ⸗ herer Weiſen und Dichter, von denen er anderwaͤrts ohnedies ſagt „Keiner von allen auf deren Reden er getroffen, habe noch „was richtig eingeſehen,“ und daß er in gleichem Sinne auch dies gefagt habe „ſolche Unzuverläffigkeit nämlich, Die dem Scheine „folgend einiged zwar richtig vorbringt, anderes aber falfch, fei ‚mur gut um die Tiefe der Wahrheit zu verbergen. Denn bei „solcher Unzuverläffigkeit müffe fie nothwendig immer entfchlüps „sen, dag fie nicht erfannt werde.’ . Wenn wir nur nicht zu nachgiebig den Herauögebern des Glemend gefolgt find, indem

. wir die Worte Ada... ayadın ſchon ald Worte des Hera= 337

kleitos bezeichnet haben. Denn fie Eönnen gar wol bem Clemens angehören, ja dem Zufammenhange nach muß man fogar fchlie> fen, daß er nur feine Erklärung und Anwendung der Worte ſelbſt des Herakleitos voranfchifftz und der Ausdrukk yrwoswg Pedn hat wol auch einen verbächtigen chriftlichen Klang. Blei: ben nun die Worte anuısin . . . ywwoxsadeı dem Herakleitoß: fo möchte ich zwar ebenfalls anısin lefen, die Stelle aber ges hört dann mehr zu denen, welche über das Nichtverftehen Ela: gen und die Urfachen deſſelben aufdekken, und ift fo ohngefähr m faſſen, „Durch feine Unglaublichfeit entſchluͤpft“ das Wahre naͤmlich „dem Erkanntwerden.”

I. Wil man dennoch ein abfichtliches Verhüllen anneh> men: fo Tann man, da die Auöflucht ganz wegfällt, Herakleitos

‚I habe vielleicht nur undeutlich geredet, weil er feiner Sache nicht

techt ſicher geweſen, wol kaum anders als glauben, daß er nicht ſowol ſelbſtentdekktes und angeſchautes vorgetragen habe, als vielmehr in heiligen Myſterien offenbartes, und auch das ganze Buch mehr im Tempel verborgen als nur niedergelegt, welches glaubhaft und gründlich ausgeführt zu ſehen und wol verlangte *).

2) Dee gelehete Greuzer wolle dies ja nicht als eine feindſelige Auskor⸗ Schleierm. W. III. 2, B

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333 Denn alle Zeugniffe fcheinen übereinzuflimmen, ihn ald Erfinder anzufeher. Philo in der Schrift quis res. div. baer. an einer Stelle auf die wir noch einmal zuruͤkkkommen, ficht es als be fannt an und auch unter den Hellenen allgemein angenommen, daß Herafleitos, was er an die Spize feiner Philofophie flelt, . auch felbft erfunden habe Darum fchreiben ihm auch fpäter . feinen Lehrer zu, außer auf eine offenbar falfche Weife, wie etwa . Ammonius (in Arist. Categ. p. 1) den Pyrrhon, und Unge | nannte beim Sotion (Diog. IX, 5) den Zenophaned, was fih . durch die That widerlegt; oder auf eine höchft verbächtige, wie |

. bei Suidad (v. Hoaxisırog) den Pythagoreer Hippafod, was offenbar von folchen herrührt, die gern alles auf den Pythagoras zurüffführen wollten. Arifloteled nennt freilich öfterd den Hera⸗ Fleitod in Verbindung mit Hippaſos, wad wol bad einzige bie

- florifche Fundament jener Sage fein möchte; aber er thut es

330 ohne auch nur einmal dad Woͤrtchen Eraigog hinzuzufügen, wo⸗ durch er fonft, dergleichen Werhältniffe leicht andeutet; fondern eben wie er unfern Weifen auch mit Empedokles und Anarago rad zufammenftellt, wegen Uebereinftimmung in Meinungen, bie doch oft nur eine fcheinbare if. Nun wäre etwa noch Elemend übrig, der Strom. VI, 2, p. 746 fagt, aus den Orphifchen Verſen

"Esıw VÖwo yıyn Yavaros, bdareocı 6’ duo

’EE Üdarog yain‘ ro Ö2 dx yains nah ÜOwg,

"Ex roũ Ö2 wuyn usyav aldton allacoovon, habe Herakleitos feine Verwandlungslehre genommen. Aber dieſe Berfe, die fonft nirgends vorkommen, werben gewiß jedem ver:

derung anfehn, fondern nur wie e8 gemeint ift, ald den Wunſch, daß er doch ja recht deutlich beftimmen möge, in wie fern er glaubt daß die Philofophie des Herakleitos fich mehe aus den Symbolen des Ars temisdienftes als durch die unmittelbare Anfchauung der Natur ents wikkelt habe, und ihm für dieſe wie uns fcheint Elarere und für ſich beftehende Anfchauungen der Sinn erſt aufgegangen fei durch jene dunkleren Symbole.

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dichtig fein, ob fle nicht aus einer ganz fpäten und verwerflichen Werkſtaͤtte gekommen find. Und wenn nun Clemend bald dar⸗ auf p. 752 fagt, wo er eben Entwendbungen zu befchulbigen begriffen ift, Herakleitos habe fehr vieled vom Orpheus genoms men: haben wir wol Urfadhe etwas anderes zu glauben ald daß er .nur aus diefer Stelle weiter fortfchließt, oder dag er hoͤch⸗ find etwa noch ein paar ähnliche vor fich gehabt hat? Und ift es recht, deshalb gleich im allgemeinen zu fagen, Serableitos werde ein Schüler der Orphiker genannt? Ein ältered Zeugniß für die Eigenthümlichkeit feiner Lehre tft zwar nicht gradezu bes weifend, aber doch nicht minder gewichtig, daß nämlich Ariftotes wo . led wo er den Herakleitos anführt ald Beiſpiel felfenfefter Weber: zeugung auch in Sachen ber bloßen Meinung (Etb. Nic. VII, 5 und wiederholt Magn, Mor. II, 6) eigentlich nur einen folchen als Beifpiel brauchen konnte, der fich feine Meinungen felbft ge⸗ ; macht, wie er denn auch irgend eines fremden Urfprunges, we . der didaktifchen noch myfteridfen, mit Feinem Worte erwähnt. Diefe Ausdruͤkke des Ariftoteles, daß „Einige wie Heraklei⸗ „t08 eben fo feſt auf dad trauen was fie meinen, ald andere auf „dad was fie wiffen,’ werfen nun Licht auf andere Nachrichten " in benen dies beflimmter auögefprochen wird, und verfchaffen ei⸗ nigen Bruchſtuͤkken Glauben, in denen Herakleitos fich uns felbft fo zeigt. Hieher ift zu rechnen die Befchreibung die Diog. Laert. gleich anfangs giebt (IX, 1) er fei „über die Maßen hochfinnig iJ geweien, und ein Werächter der übrigen.” So nennt ihn auch Tatianus einen hochmüthigen (Or. ad Gr. p. 11). : Hätte er nun erraubteö irgend woher umgebildet: fo follte, wenn auch er felbft nirgend feinen Vorbildern und Quellen bie Ehre wollte ges geben haben, uns auch nicht einmal eine Spur erhalten worden “| fein, daß jemand ed darauf angelegt den hochmüthigen zu bes „[fhämen, auch nicht aus jenen Zeiten, welche ordentlich Jagd 3u machten auf die Abkunft der Meinungen? Diogenes verbindet mit jener Beſchreibung des Mannes eine Anführung aus \Kmem / 2

ma a -

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‚Werk, welche zu oft vorfommt um nicht ächt zu fein, und gleich bier ihren Pla; finden mag.

43. HoAvua#in v009 oV Ödıdaoxeı. Klemens (Strom. I, 19. p.373) hat 3jöes yap, olues, ds apa Hd noAv- nad voov Eyes“ O didaoxeı za" “Hoazkeırov, was fchon die Heraudgeber fo verbeffert, ws &ow 7ön noAyuadın v00V &ysıy od Srödaoxeı. Eben fo Athenäos (XI. p. 610 Casaub.) no- : Avuadın voov Eysıy ov Öıdaoxeıv. Allein an beiden Orten muß man, wie audy Schweighäufer fhon im Athen. gethan,

mit Gataker (ad Anton, p. 10) aus unferer Stelle verbeffern : noAvuadın. Das Eyeıv ift vieleicht auch nur Einfchub es « ned Älteren Anführerd oder Auslegerd, dem die Rebensart : vovv Ördaoxeıv, mit Recht von feinem Sprachgebraud aus, nicht gefallen wollte. Doch vielleicht ift auch die Anführung im Diogened nicht ganz Acht, fondern Proclus hat uns bie : urſpruͤnglichen Worte erhalten, bei welchem (Coment. in Tim. : p. 31) vorlommt ri yap Havuasov; 7 TWV YEYOVOTW .

yvoaıg noAvuadein v00V 0ov pVes, ynoiv 6 yevvaios Hoc- xAsıtog, wo man nur dad Fragezeichen von Favumsov weg : se hinter yrwoug verfezen muß. „Vielwiſſerei bildet nicht Ver ; nunft.” Denn da3 gves in diefem Sinn wird nicht leicht . ein fpäterer gemacht haben. Dagegen kann das dıdaoxes fehr .

' gut flatt feiner aus dem folgenden genommen fein. Naͤmlich | Diogenes fährt fort Hoiodov yap av Edidakexai IIv- Faybonv,addig re Zevopavsa re xal'Exaraiov, . Eivas yao Ev To oopörx. r. 4. „Sonft hätte fie auch „ben Hefiodos belehrt und den Pythagoras, und wieberum den ‚„.kenophanes und Hekataͤos.“ Denn die lezten Worte auf welche wir Doch noch einmal zurüffommen, Eönnen wir hier übergehen, theils weil fie offenbar verborben und ſchwer wiederherzuftellen find, indem der Text hier aus ber wörtlichen Anführung übers geht in bie indirekte Rede, theils weil ſie, wie man eben hier⸗ aus ſieht, nicht unmittelbar hieher gehoͤren, ſondern nur um

‘r

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. den Gegenfaz gegen die Vielwiſſerei mit aufzuftellen, von dem welchen Diogened hier unmittelbar ausfchreibt and einer ſpaͤ⸗ teren Stelle find herbeigezogen worden.

Den Pythagorad aber hat auch Clemens (Strom. I, 21. #396) in des Herakleitod Werk erwähnt gefunden. Hocxaeirocç yap nerayeveseoog WV Ilvdayopov usuynras adrou &v zo ovyyoauuars. Daher möchten fich an jene Worte vielleicht un: as mittelbar die anfchließen, welche Diogened anberwärts (VII, 6) gar pomphaft anführt

14. Hocxısıros 6 pvaızög uovovoyyi vingays x05 nat,

IlvFayoons Mvnodoyov soßinv qoxnoer AU Hownwv ualıza Nnavrmv, nal dxiekdusvog Tavtag Tüg avyyoapas, EnNoımoaTo Eavroü TOoPINVv noAvun- HFinv xaxorsyvinv. „Pythagorad, Mneſarchos Sohn, hat „Wiſſenſchaft geübt am meiften unter allen Menfchen, und er hat „sich eine Weisheit gebildet, Wielwifferei und fchlechte Kunſt.“ Was nun Diogenes oder vielleicht fchon fein audgefchriebener mit diefer Stelle wollen, nämlich des Pythagoras Schriftſtellerthum beweifen, das wird nicht dadurch ausgerichtet. Denn die Worte find offenbar aus des Herakleitod Werd urfprünglich von eis nem andern zu einem andern Zwekk angeführt, um nämlich zu zeigen wie Herakleitos den Pythagorad behandle. Diefer nun faßte, was zwifchen dem erfien und lezten Saze fland und nicht zu feinem Zwekke gehörte, in den Worten xai... ovy- yoapag zufammen, bie wir nun nicht mehr entziffern Tönnen, und die Diogenes oder wer bier redet mißverftand, an denen aber wel Fein Fundiger den fremben Charakter verfennen und fie etwa für herakleitifche halten wird. Und bier wäre wol auch der vechte Ort die Frage zu entfcheis su4 kn, wenn ed jemand Eönnte, ob ein anderes Fragment ohne Kamen beim Stobäo8 (Serm. XXXIV. Ed. Lgd. p. 216) etwa an berakteitiiches fein mag. Gataker bat hierüber (ad Anton. 10) vielleicht zuerfi einen Wink gegeben. Wir fezen es hie

2 ' \ | ber, jeboch_ weniger um, zu entfcheiden ald nur um die Sache | aufs neue zur Sprache zu bringen.

Ioivuadin xapora ulv wpelks, xaora Ö2 Pku-

res TOV Exovra wopelts: uEv ToV Öski0v üy- \

Joa, Ahlanteı Ö2 ToV Önidiwg Pwvevvra na

‚£nog xal Ev navıl önuw Xon Öd! xasgoü uerga |

eldEevas‘ 00@PIng yao oVrog Ooog, oi dd Eko xar

G0U 6MOLV movasınv nenvvusvag GElowasvy, od ı - nagadeyovras Evapyin Yywunv,aireivö Eyova ı

nwoias. Statt oi d2 muß man lefen os Ö2 und ſtatt aizeiv |

wahrfcheinlich aizinv; aber auch die Worte 0U nagaösgovras u .

soyin yvaunv verfiehen wir nicht, wenn wir nicht etwa Ile:

fen wollen Zvsoyein yvaunv. Manchen berakteitifchen Klang : bat diefe Stelle allerdingd; aber auch manches fremde, und | weshalb man fie Fönnte für gemacht halten, wie denn avno - Öe&uög und doping Ögog und verdächtig Tlingen. . WIN man nun diefe Rede unferm Ephefier zufchreiben: fo iſt ihr allerdings ihr Plaz auch hier anzuweilen, theild ald Erklaͤ— rung, wie ihm Bielwifferei koͤnne eine xaxozeyvin fein denn gewiß ganz verkehrt fcheint Aldobr. flatt deffen xaloreyvin leſen zu wollen wiewol auc fo die Beziehung auf den Pythago- rad nicht recht einleuchtet, theild al3 eine nur fcheindar für, in der That aber wider abfichtliche Dunkelheit fprechende Stelle.

" An das biöherige den felbfigelehrten und Erfinder bezeich: nende reihen fich mehrere Urtheile bes Herakleitos über andere Weiſen und Dichter, zuerſt Uber den Homeros, vornämlich weil er den Streit hinweggewünfcht man fehe Arist. Eib. Eudem. vn, 1. Plut. de Isid. Vol. IJ, p. 370 und Schol Venet, ad Iliad. XVIII, 107, die fich einer flattlichen Widerlegung befleißigen, ‚Db aber daffelbe gemeint fei in einer Stelle des Diogenes (IX, 1) „daß Homeros verdiene aus ben Spielen herausgeworfen und „geichlagen zu werden,’ bleibt zweifelhaft wegen des mit ihm in Verbindung gefezten Archilochos. Beſſer verfteht man was bie

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eben angeführten Scholien ad Il. XVII, 251 fagen, Herakleitos

habe den Homeros, ficher auch tadelnd, einen Sterndeuter ges

nannt *), aus einem ähnlichen Tadel des Hefiodos bei Plutar- zus chos (Camill. Vol. I, p. 137.138) er habe nämlich nicht gewußt, daß „ale Tage nur eine und diefelbe Natur haben,” wo bie

Borte gvasy nusoas anaong uiav ſich fehr einer wörtlichen

Anführung zu nähern fcheinen. So fcheint er auch von den be:

rühmten Sieben mehrere befonderö beurtheilt zu haben, wenn ſich Diogenes mit Recht auf ihn beruft in Beziehung auf den Tha⸗ led (I, 20) und auf den Pittalos (I, 76). Auf ben Bias aber führt ex ein freigebiges Lob woͤrtlich an (I, 88).

15. Kai 6 Övoagesog Hioaxisıros ualıza aurov enn- veoe yoayas Ev Hoınvn Eysvero Biagö Tevrausw, "od nAsiov Aoyos n my ahimv. „Sn Priene war Bias,

„ner Sohn des Teutamed, der höher zu rechnen ift als bie

„ubrigen.” Unter welchen übrigen wol kaum fchon die be ſtimmte Zahl der Sieben gemeint ifl. .

Schwerlich läßt fi) denken, wie und weshalb dem Herakleitos Urtheile wie diefe follten untergefchoben fein; und fo bleibt un: läugbar, daß er ber erfte geweſen ift, der indem er felbft hervor: bringend fich als Weiſen darfiellte, zugleich auch Kritik über an: sa dere gelibt hat. Und vieleicht follen den flrengen Charakter der: ſelben rechtfertigen die Worte bei Diogened (IX, 2)

ößorv zon oßsvyVeıy uaAlov 7 nvoxeinv,

„Webermuth thut mehr Noth zu Löfchen als Feuersbrunſt,“ de:

nen ich lieber dieſe Bebeutung als eine politifche beilegen möchte.

2) Daffelbe fagt auch Euſtath. gu diefer Stelle. Nun will man freilich fagen, auch bier fei der Grammatiker Heralleitos gemeint, Dies if aber gewiß falfh, da Euſtath. fonft wo er einen ſpaͤtern Herakleitos anfuͤhrt, dies ausdruͤkklich ſagt, einmal "Hounksrgs ovgi 0 oxorevog, und ein anderes Mal eis 6 xal zıs 'Hoaxleıros Enovıjoaro. Beide Stellen führt Fabricius ſelbſt anderwärts an und flellt doch jene Be⸗

hauptung auf.

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In ein allgemeines zufammengefaßt fcheinen feine Urtheile vor und zu liegen theild in einer erft fpäter zu betrachtenden Stelle bei Sertus, theild in einem durch Stobaͤos aufbehaltenen Bruch: ſtuͤkke, welches zwar gewiß ächt ift, aber auch unverftändlich genug, 17. Oxoowv Aoyovs nxovoa oVdelgs ayırvairtas eg TOUTO WE yıvmazxeıı n yag ÜHeog 7 Inoiov- örı 090% Esı navrwy xeXwoscuEvov. Stob. Serm.Il, p. 48.. So fcheint Faum möglich einen Sinn aufzufaffen, ſondern man muß wenigflend das zu Gute machen, dag in einigen Hands ſchriften der lezte Saz örı vopöv. u. ſ. w. unmittelbar nad) dem öse yıvooresı folgt, die Worte aber 7 yip Heös 7) Imoiov nur am Rande fiehen. Danniverfteht man doch fo viel „So vieler Rez „ben er auch gehört, Feiner fei doch dahin gediehen, daß er einfehe ss „wie dad Weile von allem abgefondert iſt,“ namlich das wahre Erkennen etwas durchaus andered ald’die noAvuadin, dad Wiſſen um vielerlei. einzelnes als ſolches. Ob nun aber den Sinn der Worte 7 yap. Heög n Iroiov, die doch ſchwerlich ganz falfch fein können, dad folgende ganz mit fortgeriffen, oder ob Herakleitos ohngefähr gemeint, fondern auf dem ge: . wöhnlichen Wege müfje man entweder ein Gott fein, der al: lein in allem einzelnen fein Tönne, oder man fei ein Thier, in jedes einzelne als ſolches für fich. hingegeben, diefes müffen wir wol unentfchieden laffen.

IV. Aber auch dieſe Urtheile uͤber andere, da ſie ſich doch mehr oder weniger auf die von ihnen aufgeſtellte Anſicht der Natur bezogen, koͤnnen ſehr wol in des Herakleitos Buch von der Natur enthälten geweſen ſein; und da das naͤmliche von als len irgend Achte Farbe haltenden Bruchftüften gilt, auch außer jenem .offenbar falfchen Zoroaftred nirgend ein anderes Wert namhaft gemacht wird als dad über die Natur, vielmehr Dioge⸗ nes, ſonſt ein fleißiger Aufzähler von Büchern, (IX, 5 und 11) nur. von Einem Werke bed Herakleitos redet, auch Clemens daf: felbige beweifet, indem er in zwei bereitd angeführten Stellen in

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der einen (Strom. V, 8. p. 676) das Werk unter der Ueberfchrift eo neol PVoewg anführt, in der andern aber (Strom. I, 21. p. 396) geradezu nur fagt 29 To ovyyoaunars: fo wollen wir über: haupt nur diefed Eine Werk als herakleitifch annehmen, wenn auch Diogenes (Provem. sgm. 16) unfern Ephefier nicht naments fi unter denen aufführt, welche ihre Weisheit in einer einigen Schrift niebergelegt haben. Auch fol und nicht irre machen bie Stelle im Suidas (v. "Algaxisıros) zul Syoaıye nolla nom- zuwg, da fie offenbar aus Mißdeutung irgend einer Stelle ent⸗ flanden ift, in welcher nur gefagt wurde daß Herakleitos größs tentheild in poetiſchem Stil gefchrieben habe. Schreibt doch ber: felbe (v. avaoıd nos) dem Herakleitos auch ein auf ihm gedich- tetes Epigramm zu, eben fo fälfchlid) ald ihm Stob. Ecl, Phys, I, p. 282. Ed. Heer. der fein follende Vers beigelegt wird "Zx NVEOG yE TE navra xl Eis nig nova TeAevrt, welder of fenbar von einem der den Gegenfaz recht in der Kürze aufftellen wollte, jenem renophanifchen (ebend. ©. 294) &x yains re 7a NavTa xol eig YNV NavTa teksvrg nachgebildet ifl,

Leider nur find auch über diefed eine Werk wunberliche Mei⸗ nungen genug zu berühren. Hieher ift wol zuerft zu rechnen die von Diogenes (IX, 5) ohne Quelle, aber doch deshalb wol nicht, als allgemein bekannt und angenommen, erwähnte Eintheilung sso deffelben in drei Aoyovs, in die Rebe vom Ganzen, in die polis tifche und in die theologifche. Eine foldhe Eintheilung fcheint gar nicht im Geifte der damaligen Zeit, und noch weniger im Geiſte diefer Philofophie, welche, ganz vom Sneinanderfliegen al: ler Dinge ergriffen und faft beraufcht, am wenigſten muß im Stande gewefen fein, dasjenige fo flreng zu fondern was für fie am meiften in einander fließen mußte, wie nicht nur leicht ges zeigt werden kann und und anberwärtd von felbft fich ergeben wird, dag die Abhandlung vom Ganzen und bie theologifche mußten in einander geflofien fein, fondern auch aus einem merk:

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r würdigen Bruchſtuͤkk erhellt, wie dem Herakleitos auch das polie tifche und theologifche verfloß. | - 418. Ziv vow Alyovrag toyvoilsodas yon To Evvo navımv, Öxwonse Youw nolıg xal öl (man muß wol lefen noAvV) igyvporzsguws. To&gor- Taı yao navres ol AvFEWnıvos vouos Unö Evög Tov Yeiov. Kocrsi yao TOo0oVToV .0x0009 E#E- Ads, xal 100 Kal negsyivsran „Die „mit Vernunft reden müffen beharren auf dem gemeinfchaftlis „hen aller, wie eine Stadt auf dem Gefez und noch weit fe „fer. Denn.alle menfchlichen Gefeze werden genährt von dem „einen göttlichen. Denn dieſes herrfcht fo weit es will, und „genuͤget allem und überwindet alled.” Stob. Serm. IV, p. 48. Man könnte vielleicht Verdacht auf diefes Fragment wer: fen, weil. Diogened (IX, 2) ganz ähnliches mit ganz andern Morten anführt. 19. Maysodaı zon- 50% Bine» UNE vönov Öx@g Uno TEeiyeog, | aber fie find wol verfchieden genug um neben einander befte- ben zu Tönnen. Und wer kennt die Manier des Herakleitos genau genug, um zu wiffen ob nicht diefe Stelle zwifchen dem erfien und lezten Saz des ſtobaiſchen Bruchſtuͤkkes geſtan⸗ den hat.

Hiezu kommt noch daß unter allen aufbehaltenen Truͤmmern ſich

auch keine Spur von ausgebildeter Theologie zeigt, ſondern nur wenige Andeutungen von der allgemeinſten Art. Und ſollte die⸗ fer ganze Theil fo ganz untergegangen fein? Muͤßte nicht der

. Berfaffer der homeriſchen Allegorien, bei dem doch Anführungen.

aus Heralleitos vorkommen, taufend erwünfchte Gelegenheiten gefunden haben, fi) aus diefem Theile zu bereichern? und follte nicht die eigenthümliche Anficht des Manned noch vielerlei dar: geboten haben für dad Verlangen des Skeptikers Sextus, Wider:

ſpruͤche aufzuſtellen in der Lehre von den Göttern, fo daß er fich

m

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gewiß biefen Theil ganz befonberd würde zu eigen gemacht has ss2 ben? aber in dem ganzen Abfchnitt feines Werkes (adv. Math, IX, cap. ID der von ben Göttern handelt, gebenft er des He: rakleitos auch nicht ein einiges Mal. Daß aber dad Werk über

die Natur eine eigene Abhandlung vom Staat fol enthalten has

ben, fheint damit zufammenzufallen, daß einige den Herakleitos überhaupt nicht für einen bloßen Phyfiologen gehalten haben, fondern auch, oder gar mehr, für einen Sitten und Staatsleh⸗ ver. Diefes lehrt und Sertus, der zwar (adv. Math. VII, 5—7) felbft den Herakleitos unter denjenigen nennt, welche nur den naturwiffenfchaftlichen heil der Philofophie dargeftellt haben, dabei aber hinzufügt, dies fei nicht allgemeine Meinung, fondern es fei Die Frage aufgeworfen worden, ob nicht Herakleitos kei⸗

nesweges big ein phyſiſcher, fondern auch ein ethifcher Philo⸗

foph gemwefen. Sehr zu wünfchen wäre freilich gewefen, daß er, dem das Werk vor Augen lag, ein beurtheilended Wort über diefe Anficht gefagt hatte. Soviel aber fcheint doch aus feinem Stillſchweigen bei dieſer Gelegenheit zu erhellen, daß er von Die fer dreifachen Eintheilung nichts gewußt hat. Woher fie aber flammen mag, dies ift fchwer zu errathen. Man Eönnte fie für eine ganz fpate Conjectur halten von folchen, welche, überzeugt Herakleitos habe nur Ein Werk verfaßt, eben jene einzelnen An: 353 deutungen nicht unmittelbar phyſiſchen Snhaltes und jene Aeuße⸗ tungen über ihn, daß er auch ein Sittenlehrer gewefen, und vielleicht jene andere (Heracl. alleg. hom, Gal. p. 442) „baß er „die natürlichen Dinge, die nur dunkle Andeutungen geben koͤn⸗ ‚men, theologiſire“ mißverſtehend, oder vieleicht gar eines juͤnge⸗ son Herakleitos Lob der zwölf Götter (Diog. IX, 17) mit dem älteren Werke fchmählich werwechfelnd, welche fage ich dieſes als les in Uebereinſtimmung bringen wollten mit bed Werkes befanns _ ter Weberfchrift Bon der Natur, und daraus fchloffen, dieſes müffe ganz auöweichende Xheile enthalten haben. Doch das möchte wol eine zu Fühne Muthmaßung, und eher zu glauben fein, bie

28

Eintheilung rühre her von ben Audlegern und Commentatoren des Herakleitos befonderd aus der ſtoiſchen Schule, welche da: durch die verfchiedenen, in dem Werke felbft aber keinesweges getrennten Maffen haben zu bezeichnen gefucht. Denn daß vie. les was fpäterhin, ald die philofophifchen Disciplinen fich trenn⸗ ten, dem ethifchen: Theil würde zugeordnet worden fein, in dem Werke befindlich war, ift unläugbar, und daß für den Ausleger | wol Veranlaffung gewefen, dad was Herakleitos von der Gott heit lehrte zu trennen von feiner Lehre von ber Melt, ließe fich 354 vielleicht auch deutlich genug machen. Was aber jene Meinung felbft betrifft, welche den Herakleitos feinem Weſen nach mehr für einen Ethiker halten will als für einen Phyſiker: fo wider: fpricht fie zu deutlich den älteflen und ficherften Zeugniffen. Denn Ariftoteled führt ihn nicht nur immer mit unter Yen Phyſikern auf, fondern er oder einer der doch gewiß aus feinem Munde ges rebet hat, koͤnnte unmöglich, wenn er irgend den Geift des Wer tes fo aufgefaßt hätte, die ethifche Philofophie fo beftimmt auf Pythagoras und Sofrated zurüffgeführt haben, wie Magn. mor. ‘61, 1 und Metaph. XI, 4 gefchieht, wobei von feinem übrig ge: bliebenen Commentator etwa durch eine Hinweifung auf den He: rakleitos nachgeholfen wird. Ein folcher gänzlicher Mißverftand aber von Seiten des XAriftoteles waͤre wirklich nur in dent un: denkbaren Falle denkbar, wenn Herakleitos über die fittlichen Gegenftände durchaus nur in jenen von ber Natur hergenomme: nen Allegorien geredet hätte, welche Diodotos einer von feinen Auslegern überall finden will, wie Diogenes (IX, 15) von ihm berichtet, er’ habe behauptet alled naturmwiffenfchaftliche fei nur beifpielöweife vorgebracht und dad Buch handle vom Staat. Dies iſt unftreitig, wenn nicht ein ungeheurer hier Doch nicht zu vermuthender Mißverfiand von Seiten ded Diogenes die Sache 35 fehr verfchlimmert hat, einer von ben flärkften nach einer unge- wohnten Geite hin fich verbreitenden parafitifchen Auswuͤchſen ber Sucht des Allegorifirend, und ſchon durch eine aufmerkfame

29 Betrachtung des wenigen uͤbriggebliebenen muß das umgekehrte erhellen, daß naͤmlich das ethiſche nur beiſpielsweiſe und gele⸗ gentlich koͤnne vorgekommen fein, das Buch aber von ber Natur gehandelt habe. Auf jene Anficht bezieht fich auch der Ruhm den derjelbe Dann über dad herakleitifche Merk in einem Sena⸗ nu ausgefprochen hat, welchen Diogenes (IX, 12) fonderbar genug für eine Ueberfchrift ausgiebt, axgıdds oiaxıoua nrgög scadunv (wofür Buttmann mit Recht erinnert saduov zu le fen) fiov. Und gewiß eben fo wenig. war auch yvwun ndwv eine Ueberfchrift, fondern nur ein ähnliches Lob des ethifitenden Inhalted. Was nun gar die dritte an der Stelle angeführte Ueberfchrift Movoas betrifft, fo denke man ja nicht daß fie dies fem Werke angehört habe, oder wolle vielleicht ein andered neun: fach getheilted aus ihr erweifen, fondern erinnere fih nur der Stelle (Soph. p. 242 e) wo Platon den Herakleitos Movoas "leöeg nennt, woraus fie höchft ungefchikfterweife entſtanden ift.

Es bleibt aljo dabei, daß wir alle Bruchſtuͤkke, fofern fie ächt fein follen, darauf anfehn müffen, dag fie einen Pla; ein- genommen haben in diefem einen Werke, welches wefentlich eine ssr Darftellung der Natur enthielt, und daß wir trachten müffen zu ertennen, wie alled auch dad mannigfaltigſte darunter als in ei⸗ nem und demjelben Werke vorgetragen auch in Einem Sinne gedacht und wie aus Einem Guffe gleichattig und einklingend ſein muß.

I. Womit nun koͤnnten wir diefe Darfielung ficherer an: fangen, als mit dem wad Platon der ältefte und ficherfte Zeuge überall ald dad Weſen der herakleitifchen Weisheit aufftelt, daß „alles fi) wie Ströme bewege’. (Theaet. 160. d), dag „alle „Dinge gehen und nichts feft bleibe‘ (Cratyl. 401. d. 402. a), daß er alles feiende einem firömenden Fluß vergleiche, und daß alfo niemald irgend etwas eigentlich fei, fondern alled immer nur

s

357

358°

30

werbe (Theaet, 162 e). Diefed alles geht ganz beflimmt den Herakleitos an aus beiden Gefprächen; weiter gehend aber bite man fich ja, daß man nicht eine Holztaube greife flatt der zah: men, ben Protagorad etwa oder den Kratylos mit andern unſi— cher herumfahrenden und gar nicht zu behandelnden Herafleiteern (Theaet. 179 d. e) anftatt des Herakleitos felbfl. ‘Eben fo be zeichnet die ariftotelifche Meta phyſik (I, 6) die herakfeitifchen Meinungen fo, „daß alles wahrnehmbare immer fliege,” und der Ausleger Alexandros (in Arist. Top. p. 43 Ed. Ald.) und offen» bar aus diefem Suidad (v. Yeaıs) daß nach Herakleitos alles unaufhörlich fliege und immer werde, nichts aber niemals fei, ganz genau dem Platon einflimmig, wie auch Ammonius (in Arist. de interpr. Ven, 1551 p. 8) und Herakleides (Alleg. hom. p. 465) dneıön 6vosı rıvi xal aevvaw xıvnosı TO N&V 0IX0- vousitaı, wo, ohne jedoch den Herakleitos zu nennen, vieles be:

vakleitifirt; und viele andere Eönnten noch angeführt werden ganz

auf diefelbige Weile. Diefen gültigften Zeugniffen folgend nehs men wir nun aud an was Plutarchos (Zi ap, Delph. II. p. 392, Host. cap. XVII. Vol. IX, p. 239) fagt J 20. IIorauo yag oüx Esı dig Eußnvar To av- to xa0 “Hodxisırov, ovre Hynıng oVoiag Ölg Ayaodaı xara Ekıy alla Okurntı xal tayeı ng ueraßoing oxid- vnoı xal nalıv avvayess, uahlov Ö2 oVö2 nalın ovöl Üsegov AAN Aue avvigsaraı xal anoleineı xal moöasıcı zal änsıar: dev oVö“ eig TO eivas regal. ver TO Yiyvöusvov avrig vw umdenore Amysıy und’ Nr- raodaı nv yEveoıw. „Denn man vermag nicht zweimal in „denſelben Fluß zu fleigen nach Herakleitos, noch ſterbliches

„Weſen zweimal beruͤhrend zu treffen,” nämlich dieſes xara

&sv fol darauf deuten, dag die Erinnerung wol auch nad Herakleitod rein wiederholen fann was die Wahrnehmung ges habt hat, und gehören eben deshalb dem Plutarchos, „ſondern

- -

„in der Veränderung Schnelligkeit .und Heftigkeit zerflveut ed

31 ‚und fammlet fich wieber, ober vielmehr nicht wieder noch „hernach, fondern zugleich geht ed zufammen und läßt wie „Der los, firömt zu und firömt ab, fo dag auch dad werdende „deſſelben nie zum Sein gelangt, weil nie aufhört noch zu „überwinden ift die Erzeugung.” Hier erkennen wir wenig: ſtens im dem audgezeichneten Worten axidvnaı ovvayeı md ovvisaras arısıos mit ziemlicher Gewißheit eigne he⸗ vokleitifche;, denn die Worte urAlov . . . aua welche mit Recht nebft den mit ihnen verloren gegangenen avvisaras xad anoksines aus Eufeb. hergeftellt find, find offenbar ein wegen des uaAsv eingefchobener Zufaz des Plutarchos, um den He rakleitos auch in der Sprache confequent zu machen, wie denn dad ganze Kapitel diefe Lehre auf die Spize zu ſtellen ſucht. In den folgenden fcheint mehr Plutarchos zu reden; jene fur: zen an einander gebrängten Gegenfäze aber fcheinen ganz in Herakleitos Stil zu fein, und find vieleicht nicht ungluͤkklich nachgeahmt in einer Stelle gegen das Ende ded erſten Brie ftö (Steph. PoeS. phil. p. 147). Offenbar mehr mit feinen eigenen al& mit des Herakleitos Mor: 359 ten fagt daſſelbe Plutarchos (de sera num. viad. Il, p. 559). „Dder follen wir unvermerkt in den herakleitiichen Flug ale „Dinge hineinwerfen, in welchen er nicht zugiebt zweimal hits „enzufteigen, weil alles bewege und. verändere die ummandelnde. „Ratur. In einer andern Stelle hingegen (quaest. nat. 11, p. 912) welche ähnlich lautet „In denfelbigen Flug zweimal kannſt „du nicht hineinfteigen, wie Herafleitos fagt, denn andere Waͤſ „fer firömen zu,” feheinen wenigftend diefe legten Worte Ereoa yap Enıdoei dVdarı heralteitifch zu fein, wie und Eufebios lehrt, welcher (Praep. evang. XIV, 20) auch erft mittelbar vom Rleanthed beibringt, diefer habe, als er die Lehren des Zenon mit denen anderer Phyſiker verglichen, gefagt „Zenon erkläre bie „Seele wie Herakleitos, welcher um beutlich zu machen daß bie „Seelen jedesmal nur durch Einathmen vernehmend werden (Orr

360

32

„ab yuyal avadvumwusvaı vorgal asl yivovras) fie den Zlüfs „fen vergleicht“ (welches freilich entweder eine unrichtige Ausles gung ift, oder eine unflatthafte den Sinn verbunfelnde Zuſam⸗ mendrängung des Berichterflatterd, wenn man nicht flatt eixaoev avrag Toig norauoig lefen will eixaoev eurdg 'Toig 9 Tois norawois, was Doch nur noch ungeſchikkt wäre und nicht mehr untichtig) alfo fprechend,

21. Horauaioı roioıv avroicıy Zußaivovaıv itsga xal Erega Vöara Enıdöei. „Den in denſel⸗ „ben Fluß hineingeftiegenen flrömt immer andered und ande: „res Wafler zu”

wp die wörtliche Anführung zu deutlich angegeben ift durch daß Ayav ovrwg und zu ficher, da wir annehmen müffen daß wir fie nur aus der zweiten Hand haben feit dem Kleanthed. Und fo müffen wir denn auch als richtig annehmen was fpätere Zeus gen wiederholen in demfelben Sinne, Sertus z. 3. (Pyrrh. Hy- pot. 111, 115), Herakleitos vergleiche ber heftigen Strömung eis ned Fluſſes die leichte Beweglichkeit unferer Materie; wo wir zwar nicht gradezu behaupten wollen ögei® 6Vo1g fei der eigene

Ausdrukk des Herakleitod, aber doch aufmerffam machen auf die

361

darin liegende Nebenbedeutung, durch welche auch der Bewegung felbft, daß ich fo fage, ausbrüfklich die Ruhe genommen wird, zumal auch in der angezogenen plutarchifchen Stelle O&vrng und Tayvıng neben einander flehen. Eben fo auch verfichern Plac. Phil. I, 23 und Stob. Ecl. Phys. I, p. 396 im wefentlichen ein- flimmig

Hoaxksırog ngeulav ulv xal saoıw Ex Tav OAWYv Avngel

(wo man faft glauben möchte, beide hätten Einer Quelle for

gend, eine falfche Lesart vor ſich gehabt, und follten eigentlich

gefchrieben haben &x zwv Ovrwv, was einen weit reinern Sinn’

giebt, er habe Ruhe und Bewegung gleihfam aus dem. Ber zeichniß bed ſeienden ausgeſtrichen. Allein nicht nur Dioges ned (IX, 8) fagt ebenfalld zei geiv ra HAa norauov Öixnv,

33

ſondern auch Hermias (Irris. gent. Ed. Oxon. p. 303) läßt den Herakleitos fagen aayn twv ÖAav To nvo, und Lucian in einer offenbar nachahmenden Stelle (Vit. anct.) fagt Acya Ö2 Tag dunvpwWorag xal TV Tod ÖAov Ovugoonv, wo er vieleicht genauer gelagt hätte zwv öAwv, fo daß man faft glauben möchte, biefer fonft ungewöhnliche Ausdrukk za oda als Bezeichnung der Gefammtheit ber erfcheinenden Dinge fei eigenthümlich herakleitifch. Und in demſelben Sinne Simplicius (in Phys. Arist, fol. 17 a), dee aber wiederum die Sache etwas verwirren würde, indem er , fagt die unmittelbare alles verändernde Strömung habe Hera- Heitoö angedeutet du Tod sig TOV adrov norauov Öls um av Zußüvas, wenn er nicht um eigene Worte des Herafleitos zu geben mehr gejagt hätte ald zur Sache gehört, in welchem Sinne ea fih auch in den folgenden Worten berichtigend erflärt. In⸗ deffen kann man doch daraus, daß er hier wo er zum eriten Mal über diefen Gegenftand fpricht nichtd ausführliches beibringt, faft fiber ven Schluß machen daß er dad Merk ded Herakleitos nicht a62 mehr vor fich gehabt, wad auch andere Stellen beftätigen. Wundern aber muß man fich, wie Ariftoteled (Phys. VIII, 3. p. 254 Ed. Cas.) fagen kann „die behauptenden dag nicht „nur einiges, anderes aber nicht, fondern daß alles und immer „ſich bewege, died aber unferer Wahrnehmung entgehe, beftimm- . „ten zwar nicht genau welcherlei Bewegung fie meinten oder ob „ale Arten u. ſ. w.“ Vielleicht hat auch Aler. Aphrod., weil ihm doch vorkam ald ob Herakleitod diefen Vorwurf nicht ver: diene, lieber geglaubt, wie Simplicius (ad Arist. Phys. f. 776 a) uns berichtet, Ariftoteles meine hier nicht den Herakleitos, fons dern die Atomiftifer. Denn daß Herakleitos felbft ein Atomifti- fer gewefen, iſt gewiß dem Alexandros nicht in den Sinn ges kommen; und auch wir wollen hier gleich bei ber erflen ſich dar: bietenden Gelegenheit erklären dag wir nicht das geringfte Ges - wicht legen auf die nirgend und durch nichts unterflünte Auslae echiierm. 3, IL 2. | & |

34

bei Stob. Ecl. Phys, I, p. 350 Hloaxisırog go roũ ivög do- xei Trio yıyuara xaraksıneıv und Plac. Pbil. I, 13 Hod- xAsıtog ynyuarıa tıva ZAayıza xal Guson eiodyeı. Die bei Stobäos hald folgenden Worte Hoaxisiöng Honvouara fcheis nen bei diefer Lage der Sache hinreichend, um zu glauben daß 03 urfprünglich diefen Ausſagen nur eined früheren Sammlerd Ber: mwechlelung der Namen Herakleitod und Herakleides, welche be kanntlich öfter vorlommt, zum Grunde gelegen. Und ganz auf bie pfeudoplutarchifche fcheint fi) auch die pfeudogalenifche zu beziehn Toy Teooapwv goıysiwv noayuarae (lied Goav- suare) Aoayirara 0lov goryeia and goryeiov 7 ynyuara vouslovoıw sivai Tives To Asyöusvov Eiayısa. “Hocaxksırog eiocyeı TRÜTa vonoss W0Vov Annte. Phil. hist. Ed. Bas, IV, p. 427. Doch um zu ber ariftotelifchen. Stelle zurüffzufehren, ſo möchten wir vereinigend glauben, er habe, wie er oft ungleich artiged auf bloßen Schein zufammenftellt, urfprünglich beide im Sinne gehabt, zulezt aber allerdingd mehr an ben Demokritos gedacht. Denn biefed daß die Wahrnehmung fid) täufche über Ruhe und Bewegung kann fich allerdings auch Herafleitos ans eignen, und wir glauben damit nicht dem Platon zu widerfpre chen, welcher deffelben Behauptung gleich fezt mit jener, daß bie Wahrnehmung die Erkenntniß fei, und welcher auch wol nur von ben Nachfolgern des Herakleitos fagen wollte daß fie auch in ihrer Seele überall nichts feſtes und bleibendes leiden möchten. Denn Sertuß fagt (adv. Math. VII, 126) auf eine Art welche , offenbar beweifet daß er aus dem herakleitifchen Werke Bericht sch erflattet „Herakleitos habe, ähnlich den früher erwähnten Natur „forfehern, die Wahrnehmung für unzuverläffig gehalten zur Ev " „kenntniß der Wahrheit, und die Vernunft ald Unterfcheidungs „mittel aufgeſtellt;“ welches freilich Fein treuer Bericht if, fons dern ber Ausleger verallgemeinert zu fehr die Meinung des als sen Weiſen und greift in deſſen dichterifch fchwebenden Vortrag ' anfanft genug ein mit feiner fpäteren Kunſtſprache und dialekti⸗

J 2

re * ſchen Beſtimmtheit. Richtig iſt aber gewiß dad unmittelbar fol⸗ gende, und deutlich ſagt Sertus daß er und die eigenen Worte des! Herakleitos wiedergiebt, 22, alla nv ulv aiodnaıv Eikyyeı Mywv xara Adkıy, x0x0L uaptTvpss avdgwnoıcıy Opydaluoi xal J dre Baoßapovg wuyag Eyovrav. „Schlechte Zeugen find den Menfchen die Augen und Ohren der mit rohen ) „Seelen begabten.” Ganz anders ift freilich Sertus Umſchrei⸗ bung, „dies wolle fagen, es zieme nur rohen Seelen den ver: | „nunftloſen Sinneseindrüffen zu glauben,” faft ald hätte er fatt &yovewv gelefen Eyovaıı. Allein Stobaͤos wiederholt dafjelbe (Serm. IV, p. 55) xaxo3 yivovraı opdaluol xal uT® Eıpaovwv avdounwv 'Buoßaoovg yvyag. &yövrov, wo man nur megprvpes einfezen muß und das bloß erflärende appovuv hinauswerfen, welches vielleicht, unſchaͤdlich dem Sinne, avdawnwv ſtatt dvdgwnoroıv nad) ſich gezogen hat, 365. fo daß man leicht die buchfläbliche Uebereinftimmung wieder auffindet. Unter eben folcher Einfchränfung ift denn auch zu verſtehen der Ausſpruch bei Diogenes (IX, 5) xal ınv Ogacıw wevdsoden, SI nmaͤmlich nur da wo es gegen die allgemeine Anfchauung des EI Zluffes aller Dinge mit dem Scheine einer Beharrlichkeit und enes Beſtehens des einzelnen taͤuſcht. Sn einem anderen Zu: I iemmenhang, wo wahrfcheinlich nicht mehr von der Wahrneh: mung überhaupt die Rede war, muß alfo gefagt gewefen fein was und Polybios (L. XI) aufbewahrt hat 23. aAndvwrepag 0’ oVvang OU uixgw ng 0000EW5 ad "Hodxkeırov' öydaluoi yap ruv wrwv axgıfese- g08 waorvpeg, welches leztere leicht eigne Worte unſers Epheſiers ſein moͤgen. Vieleicht gehören hieher noch ein paar andere Stellen. (Plut. de fae. Jan. Vol. II, p. 943) „Und richtig fagt Herakleitos daß im „Hades die Seelen riechen” ai xulwg Hoaxksırog einev Or G2

j . ' )

36 _

ai wuyai bouwvras za Gdnv, wovon ich jedoch nicht weiß wieviel wirklich und buchfläbli dem Herakleitos zugehört. Es ift aber hiemit zu vergleichen Aristot. de: sensu et seneili c. 5, p. 412 Ed. Cas. „weshalb denn” weil nämlich der Gerud entfiehe durch eine rauchartige trockne Ausbünftung, von ber un: 60 fen mehr „auch Herakleitos fo ſich ausgedruͤkkt hat 24. „daß wenn alles ſeiende Rauch wuͤrde, die Naſe doch „es unterſcheiden würde. wg &i navre Ta Ovra xasvog yEvoıro, 6iveg @v Ösayvoisv. Gewiß nicht durchaus mit herakleitifchen Worten, aber doch einen Saz deffelben ganz - getreu wiebergebend und in ben lezten Worten nicht ohne Spuren feiner eigenthümlichen dunklen Art. ler. Aphrod. erklaͤrt, die Naſe wuͤrde alsdann alles wahrnehmen, weil der rauchartige Dunſt ihr eigenthuͤmlicher Gegenſtand iſt. Man. koͤnnte aber auch glauben es habe mehr Nachdrukk in dem Ösayvoisv gelegen, und der Sinn ſei geweſen, die Naſe würde alddann doch noch alles unterfcheiden, indeß für alle andere alled nur Ein verworrened wäre. So, koͤnnte man meinen, habe Herakleitos in einer durchgefuͤhr⸗ ten Zufammenftellung dem Geruch einen Vorzug eingeräumt vor allen übrigen Sinnen, eben weil er nicht ein befichendes als folched, fondern nur die Ausdünftung, das Uebergehen aus einem ‚gebundenen Zuflande in einen andern, alfo am ausſchließendſten und unmittelbarften das Werben felbft wahrnehme, und habe deshalb auch den Seelen im Zuftande der möglichften Abgelöfts heit vom Leibe, im Hades, noch diefe Art der Wahmehmung 367 beigelegt. Vielleicht aber auch bezieht fich dies auf feinen Won zug, ſondern 'er hat nur die Unzuverlaͤſſigkeit der Sinne aud , daraus nachgewiefen, weil jeder nur fein beſtimmtes Gebiet habe . und alfo für fich felbft ganz unzureichend fei *). Denn ſchwer⸗ i

N

*) So mödjte ich Plac. Phil. IV, 8, p. 899 "Eunedoxinjs, "Hoaxislöng , rog& cüs avunirglag vor nögwy vag ara uigos aiodmasıg ylrscdas

37

lich möchte Plutarchos jene Worte richtig und genau angewen⸗ bet haben, deren Meinung nach dem Zufammenhang feiner Rede diefe müßte gewefen-fein, dag im Hades bie Seelen durch den

Geruch ſich naͤhren würden anftatt durch Speiſe. Doch es ifl

um fo vergeblicher hierüber etwas entfcheiden zu wollen, da Theo⸗ yhraftos am Anfang feines Buches de sensibus auch) ‚ven Hera⸗ Atos unter diejenigen zahlt welche in Erklärung der einzelnen Sinne ganz zurüffbleiben, und hernach von ihm auch nichts wieder anführt. Indeß eben das allgemeine ift für und bier merfwürbig genug, was nämlich Theophraſtos unferm Ephefier und dem Anaragorad gemeinfchaftlich zufchreibt, offenbar aber in einer Formel welche mehr dem erften ald dem Iezten angehört, fie hätten fich vorgeftelt 77V alodmosv Ev alkoımaes yivsodas „die Wahrnehmung werde und in dem Uebergange 368 „wer Dinge aud einer Form in die andere,” ein Gefichtöpunft, von welchem aus ganz vorzüglich gefagt werden Eonnte, das Er: fanntwerben fei ein Leiden, und der mit der Anficht von dem Flug aller Dinge genau zufammengehört. |

Daß demzufolge Herakleitos die Sinne fofern fie ein Beſte— ben des einzelnen zu verfündigen fcheinen tabeln mußte, iſt Mar; wie aber Ariftoteled ihm den Vorwurf kann gemacht haben, daß er nicht beftimme mit welcherlei Bewegung alles ſich bewege, dies ift nicht zu begreifen, da nicht mur in mehreren Bruchſtuͤl⸗ fen und fpäteren Zeugniffen diefe Bewegung ausführlich beſchrie⸗ ben wird, fondern auch Ariftoteled eigene Meinung dahin geht, daß jedem verfchiedenen, dem Herakleitos in ber allgemeinen Verwandlung entflehenden, zugleich eine eigenthümliche örtliche

Bewegung zukomme, und Simplicus ganz in feinem Sinne

wenn auch genau genommen nicht ganz richtig vebet, wenn er fagt (in Arist. Pbys. f. 310. a) „auch die welche nur Ein Ele

roũ oluelov zur alodmuv Inäsy agnoLovrog flatt Hoanleläns im merhin Tefen Hocixdeiroc.

38

/

„ment und Ein Prinzip annehmen, unter welche aud; Heraklei⸗ „tos gehöre, fezen die Drtöbewegung ald die erſte. Denn die „Verdichtung und die Verdünnung zeigten auch eine örtliche Bes „mwegung an.’ Cs läßt fi) alfo nicht denken daß Ariftoteles

- 0 ſchon den allbefannten Ausdrukk des Herafleitos Odog vw xal

37U

xcero unrichtig oder unvollftändig follte verffanden haben. Ja wenn er kann geglaubt haben, SHerakleitos habe fich über jene Bewegung nicht genauer erklärt: fo haben wir grade heraus zu fagen fein einziges. wahrhaft herakleitiſches Wort mehr übrig; und es ift gar nicht abzufehen was doch in feinem Werke über die Natur geftanden babe, wenn e3 nicht durch und durch eine nähere Entwikkelung jener Grundanfchauung gewefen iſt. Oder man müßte annehmen Ariſtoteles habe den Herakleitos noch weit weniger gelefen ald wir irgend zu fürchten wagten.

1. Auf welche Weiſe nun digle Verwandlung der Dinge in dem Werke des Herakleitos dargeftelt worden, darüber find im mefentlichften alle einig; fo wie aber nach dem einzelnen ge: fragt wird, weichen fie von einander ab. Zuerſt nämlich ſtim⸗ men alle darin zufammen, daß nach ihm dad Feuer der Anfang aller Dinge fei, und aus ihm alles andere durch Verdichtung und Verdünnung entftehe, wie auch wieder in Feuer aufgehe und endige. So Simplicius (ad Arist. Phys, fol. 6. a.) „Hippaſos aber der Metapontiner und Herakleitos der Ephe⸗

„ſier fegen auch die Welt ald Ein bemegted und begienztes. „aber fie machen das Feuer zum Anfang, und aus Feuer „machen fie die Dinge durch Verdichtung und Verdünnung, ‚und löfen fie auch wieder auf in Feuer, fo daß dies die ein: ‚ige zum Grund liegende Natur wäre: Denn alled, fagen „fie, fei nur verwechfeltes gegen Feuer“ nvoögs zuoı nv. Wo wir nun nicht dafür haften wollen daß Hippaſos wirklich den Herakleitos durch diefe ganze Anficht begleitet habe, fons dern vielmehr glauben, feine Art das Feuer als die Grund» urfache aller Dinge anzufehn möge eine ganz andere gewefen

4

39

| fein als die herakleitifche. Wie denn, wo von dem beftändis

| gen Fluß unmittelbar die Rede ift, Ariſtoteles nirgend unferes

Willens den Hippafos ausdrüfflich dem Herakleitos beigefellt, und fich auch in den fpätern Sammlern feine Spuren zeigen, daß fie biefes bei den Alten gefunden. |

Eben fo Diogenes (IX, 8)

i IIvg TO SoyeElov, xai rvgög auoıßnv Ta navra, Gpam-

| 0 xal nuxvWceı yıvousva. So verbeflert Roffius (Com- ment. Laert. p. 1721, Wiewol man auch Denn eine Hand⸗

| fhrift beweifet hier wenig da hier überall dad Verbum fehlt, jeden Saz vereinzeln und denn auch fliehen laſſen könnte

| GORWOEL xal NUXvWoEs Ta yıvousva nämlich yiveodıas.

| Und nur nicht überall findet ſich daſſelbe. Daß man freilich

| niht auf gleiche Weile wie aud dem Waſſer ſagen kann bie sm

| Dinge entftehen aus dem Feuer durch Verdichtung und Verduͤn⸗

; nung, indem dem Waſſer zwar beides, dem Feuer aber. nur das

eine begegnen Tann, leuchtet ein, und vielleicht hat auch deshalb

Ariſtoteles (Phys. I. c. 6. p. 201) in der Stelle „und alle ge

„Kalten dieſes Eine durch Gegenfüze, wie durch Dichtigkeit und

„Dünnheit und durch mehr und weniger‘ zu jener Formel nv-

xvornTs x uavornrı noch bie andere xui rw udllov xalb

nrrov hinzugefügt. Allein überall liegt in den Worten, daß daB

Feuer aoyn fe, eine durchaus fpätere Anficht zum Grunde, wie

denn auch Feine Spur zu_ finden ift daß Herakleitos fich diefed

Ausdrukkes bedient habe, vielmehr leicht wäre zu zeigen Daß ders

felbe ihm nicht geziemen konnte. Und munderliche Dinge find

denen begegnet die hievon angefangen haben, wie Simplicus

(in Arist, Pbys. f. 310. a) meint „die welche nur Eine aoyy

„ennähmen wie auch Herakleitos, bewürkten das Entſtehen und

„Vergehen durch Verdünnung und Verdichtung, was benn eis

„gentlich daffelbe wäre wie Mifchung und Scheidung ovyaxososs

‚as Ösaxgıog, nur daß es von jenen fchikklicher fo genannt

„wuͤrde,“ woburch die weſentlichſten Verfchtebenheiten der älteften

N

*

'

0 Syſteme aufgehoben würden. Oder Hermias (Iris. Ed. Oxon.

72 p. 223) fagt don Twv OAmv To nun" Ho 2 aürov nad,

/

n

GEMIOTNE Xul nuxvörng, N u2V noloüoe, 7 02 naoyovoe, N . nV ovyagivovon, n 02 Öiaxpivovoa, worin alle möglichen Verwirrungen unter einander gewälzt find. Daher möchte es gerathenen fein nicht von dieſem Anfange anzufangen, fondern abs fehend von ihm zuerft nur die Verwandlungsweiſe der Dinge unter fi) zu betrachten. Diefe nun wird unter der allgemeirten

Vorausſezung, dag durch theilmeife Verlöfhung des Feuers bie.

Gefammtheit der Dinge entſtehe bald fo befchrieben (Plac. Phil, J, 3. Vol. I, p. 877. Vgl. Stob. Ecl. pbys. I, p. 304) „daß zuerft „das Dikktheilige im fich ſelbſt fich zufammenziehend Erde werde, „dann dieſe Erde vom Feuer wieberum aufgeloffert barftelle was „feiner Natur nach Wafler fei, verdunftend aber Luft werde.” Alſo eine plözliche Erflarrung und Verdichtung, aus dieſer aber eine flufenweife Verdünnung und Verflüchtigung. Bald wieder: um ald eine ftufenweife Verdichtung ded Feuers, aus dieſer aber als eine plözliche Verflüchtigung des flarren, der Erde, in Feuer. So folgende Darftelung des Mar. Tyr. (Diss, XLI. Ed. Markl, p. 489) Zn nũo ròov yng ÜHavarov xul ano In Tov vgüg j Havarov' Üdwg In Tov algog Favarov, yn vov Vbaros. Wo offenbar das im Tode der Erde lebende Feuer den unmittelbaren

373 Uebergang aus erflerer in lezteres andeutet. Und daß hier Zeh:

ren des Serakleitos mit deutlicher Beziehung auf Stellen aus feinem Werke und biefe nachbildend angeführt werden leidet kei⸗ nen Zweifel. Eben fo Simplicius (in Epiet. Enchir. Ed. Venet. 1528 f. 72) „Denn aus dem Feuer wird Luft und aus der Luft „Waſſer, und aus dem Waffer Erde und wiederum Feuer; und ‚nach dem Frühling Sommer und Herbſt und Winter und wies „derum Fruͤhling;“ wiewol er kurz zuvor eine gegenfeitige Ber:

: wandlung von Luft und Waffer in einander aufgeftellt hatte. Wiewol nun hier Herakleitos nicht einmal genannt wird, und

man alfo eher an Stoiker denken könnte: fo ift doch diefer Theil

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der Phyftologie bei ihnen fo ganz hanbkleitiſch, daß man ohne

„J beſondere Anzeigen Feine bedeutende Abweichung anzunehmen Ur⸗

ſahe hat. Anderwaͤrts endlich finden wir beſchrieben (Diog. IX, 9)

ık Dlvxvovusvov 208 To nvo Ekvyoaiveodaı, Ovvisausvov Te

| yiveadaı Vöwg" sunyvöusvov dd TO Vdmp eig yıv Toene-

Has, zar ravınv 6dv Ent TO xurw eivas' nahıv TE aü-

vv nv ynv yeiodaı, 2E is TO Üdwo yivsodas, und bann,

4 heißt es weiter, werde dad meiſte auf die Ausdünftung aus N

; dem Meere zuruͤkkgefuͤhrt aürn dE ds 7 Ent TO ävm Öddg.

Alſo offenbar gleichmäßig abgefluft Verduͤnnung und Verdichtung. In diefem Zwieſpalt der fpäteren Zeugen und Ermangelung ber ara früheren ift es nun um fo erfreulicher, daß wir zu einem eigenen Bruchſtuͤkke ded Herakleitos unfere Zuflucht nehmen koͤnnen, wels ches wiewol nur wenige Züge, gleichfam bie erften Grundftriche bed gefammten Naturgemäldes enthaltend, doch hinreicht ben aufs gedekkten Streit zu fchlichten. Wir verdanken es dem Clemens (Strom. V, 14. p. 711) und fezen es hieher, ohne und für jezt bei dem Zwekke aufzuhalten, zu welchem er e8 anführtt.

25. Köouov röv auröv andvrmvy oöre Tıg Pewvy odre ayFounwy Enoinosv: GAk NV del xal Esaı, NnVp dEllw0V, ANTONEVoy nerga Kal ano- oßBevvvuevov werge, welche Lefeart, wie fie Clemens : giebt, wol eben fo gut iſt, als was Steph. (Poes. phil p. 131) aus Eufebius corrigirt ergga Uebrigens haben wir dieſen erften Abfaz des Bruchſtuͤkkes nur deshalb auch hiehergefezt um ben wahrfcheinlich nahen Zufammenhang mit dem folgens den nicht aus den Augen zu rüffen. Clemens fährt aber fort, „Daß er aber zugleich auch gelehrt, die Welt fei entſtanden „und vergänglich, zeiget deutlich daS folgende, ZZvoog Too- Tab NEOWTOV Hdlacoe, Yahaoong Ö2 To u2v

Nusovyn To Ö2 nuıov nonsne.

Hier muß nun jedem auffallen bie merkwürdige Abweichung bes * Werkes ſelbſt von den ſpaͤteren Beſchreibungen der herakleitiſchen

ev im «

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Lehre, Daß jened von dem hernach allgemein gewordenen Kaı der vier Elemente nicht3 weiß, und Feine: folche vierfache Ab fung fennt von Feuer in Luft, von Luft in Waffer und ' Waſſer in Erde, fondern nur Feuer, Meer und aus dieſem, z Theil wenigflend, Erde. Sehr natünlich aber ift dag Herakle diefe vier Formen fo feft nicht halten Eonnte fondern fie ' deſto mehr in einander floffen je mehr ein Uebergang aus e in die andere wahrzunehmen war. Daher ift es auch unndı und falſch, wenn in ber eben angeführten Stelle des Dioge Gesner (Commentar. soc. Gott. Vol. I.) die Luft einfchiebend fen will 70 nvo 2&vyoaiveodnı al apa yiveodaı, GvVi usvov Ö2 ago yivsodaı VIwp x. T. A. So iſt ihm Haraı nicht nur dad Meer mit allem ihm zugehörigen Gemäffer, ben auch die immer feuchtes aufnehmende und herablaffende dere Atmofphäre, die dem lebendigen Beobachter der Natur

tauſendfaͤltig nicht nur mechanifch gemifcht und dem Auge

\

vermifchend fondern auch lebendig Eins erfcheinen muß mit | unteren Meere. Daffelbige wird auch angedeutet in der vo:

316 mitgetheilten Stelle des Stobaͤos (Eel. Phys. I, p. 304) di

die fonft ſchwer verftändlichen Worte „aneıra vv ynv...6G oc Vdwo anorekiodar.“ Daß in diefer Bedeutung 7

"kacce zu nehmen ift, geht nicht nur von felbft hervor aus |

gänzlichen Stillſchweigen von ber Luft in Diefer Darftellung, ' dern auch aus der Erklärung des Clemens, der fie gern hin bringen möchte, fchimmert es durch „das Feuer wandle fich di „Luft in das feuchte, welches, gleichfam den Saamen der ; ‚nen Weltbildung, er Halacoa nennt; aus dieſem aber w „wieder Erde und Himmel. und das darin enthaltene.” D auch kaum zu glauben iſt daß wir eine wörtlich angeführte S des Herakleitos beſizen in den Worten des Plutarchos (de &1 Delph. II. p. 392) &

wg Hooxksızog Eisye, srupög Sdverog GER yiveaıg

GE00g Favarog

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fondern nur diefer Gebrauch von Yavaros und yereaıg ift ges wiß dem Herakleitos entnommen, aber als die Gegenftände an welchen dieſer Gegenfaz aufgezeigt worden fchoben fi) dem Plus tarchos wahrfcheinlich feine befannte vier Elemente unter. Und ſchwer ift zu glauben, wenn die Stelle worauf wir uns gründen nur die erſte Anlage war, daß in einer ausführlichen Beſchrei⸗ bung dieſes Prozeſſes Herakleitos auch das verſchiedene in ber Velacca zuſammengefaßte auf empedokleiſche Weile vereinzelt habe. Jene Erklärung von Yalaooe hatte Clemens von Achten 377 < und verftändigen Auslegern des Herakleitos, aber er verftand . . nicht, daß diefed feuchte beides Waſſer und Luft folte unter ſich befaffen, und das „ÖL aEgog reineras eig vyoov“ iſt wol fein eigen oder einer fchlechteren Quelle entfchöpft. Doch es iſt bef- ſe fuͤr den Lefer, feine erflärenden und verbindenden Worte, wie _ k fe auf die mitgetheilten herakleitifchen folgen,- hier beizufügen. | 4wvausı yap Atyaı“ Orı nvo Uno Tod Öwoıxoüvrog Aoyov

ui Heov TE Olunavıe Öl &Eoog Toemeras &ig Üyoov, TO &G ontgua rijç diexooumoswg, oO xalei Valaocav, &x Ö8 toirou audıg yivsraı y7 xal oVgavög xal TE dunegisyo- peve. Es ift ſchwer hier nicht helfen zu wollen, aber au zu helfen ift fchwer, und wer weiß ob Greuzer (Philos. vett. loci de provid. Heidelb. 1806) wirklich geholfen hat. Denn wer. weiß ob die Worfe zus Feov nicht von dem Rande hinein: gewandert find? Oder wer weiß auch ob nicht za avunavra, das fämmtliche urfprüngliche Feuer, das fein fol was verwan: delt wird, und die Worte oͤr- np zu dem vorigen gehören ? Denn mit dem dvvausı yap Asyaı ſteht es doch auf jeden Dal fo, daß es ſich nur auf dad vorftehende herakfeitifche bes ‚ziehen Bann, nicht auf den Saz Orı v6 Toeneran. eig Üygov; Ä denn verwandelt wird dad Feuer wirklich, Evspyeia. Nun 3 kann Clemens entweder zu den Worten Faiuoang 'd2 To udv Nov yñ x. 5. 4. ſich gedacht haben &ss, und deshalb hinzu⸗ . gefügt Auvapısı. zag Akysı „er meint nämlid dem Vermögen

-

| 4 J ‚mach iſt das halbe Meer Erde,” und dann finge erſt die Gr: klaͤrung des Ganzen an bei dem oͤr⸗ nög „weil nämlich das Seuer u. f. w.“ Er kann aber auch gleich in Bezug auf das Ganze und auf feine eigenen vorhergehenden Worte gefagt ha⸗ ben, Avvansı yap Akycı örı no nämlich) 6 #6onos; und dann müßte man nad) vg interpungiren, und leſen Uno de roũ x. T. A. Doc) vieleicht waͤre dieſe Anmerkung unnoͤthig geworden, wenn Creuzer eine woͤrtliche Ugberfegung nad) ſei⸗ nem Sinne beigefügt hätte. Von diefem Meere nun fagt Herakleitod „des Feuers Verwands lungen find zuerft Meer, des Meered aber zur Hälfte Erde zur Hälfte monsno.” Daß des Iezteren Wortes Bedeutung bier nicht auf eine fo beflimmte einzelne atmofphärifche Erfcheinung zu befchränfen iſt wie bei Ariſtoteles (Meteorol. II, 1. p. 353 : Ed. Cas.) wo e8 den entzündeten und gefärbten Wirbelwind bes deutet, Aber den die Naturforfcher mehr wiffen mögen, Dies leuch⸗ tet ein. Vielmehr ift offenbar, da des herakleitifchen Meeres 9 Verwandlung halb in Erde gefchieht und halb in diefen norz- &n0, daß wie die Erde die Verdichtung iſt oder der Niederfchlag aus dem wäflrigen Theile des Meeres, fo. nonsne die Verduͤn⸗ nung oder Verflüchtigung feines luftigen Theiles, dad Gebiet ab Ver trocknen und feurigen atmofpärifchen Erfcheinungen, genau zu reden dad erfcheinende Feuer felbft, wie es fich in der Atmofphäre bildet. Denn fo fagt und Soh. Philop. (ad Ärist, de anim, 1,2) wieder von Herakleitod und viopeſes was wir nur auf den er⸗ ſten beziehen wollen Ile d2 00 nv yloya Yyaciv' avın yao Uneopoin mv- oög (diefed nur möchte ſchwerlich Acht herakleitifch fein)" AAr«, iv Enoav avadvuuiacıy, 17V xab 0E&0u0Vg molelv, nal avk- novg, zei Ta Galle Öca xıvnTiwWtare Nriuoaro Ev Tolg nerewgoig Agısoräins. Ganz unferer aufgeftellten Bedeu⸗ tung von onsno gemäß. Ob aber Herafleitod außerdem noch eine einzelne feurige Lufterſcheinung zrensno genannt |

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habe, wie Stobaͤos (Ecl, Phys. L. I, cp. 30. p. 594) erzählt, . oder ob hier ‚wieder eine Webertragung bes floifchen auf Heras Heitod vor fich gegangen, da Plac. Phil. II, 3 hier ganz von Herakleitos fchweigt, wagen wir nicht zu entfcheiben. , Gewiß aber wird niemand eine folhe Stelle ald Zeugen auftreten - Waffen wollen gegen unfer Bruchſtuͤkk. Dieſe Worte des Herakleitos zeigen uns alfo ganz beftimmt bie |! Aufmmeife Verwandlung nach der Seite des flarren, zugleich 300 ; aber auch auf der mittleren Stufe dad Zufammenfein beider Ver: . wandlungen, auf der einen, Seite die Fortichreitung in das flarre - und kalte, auf der andern den Rüffgang ind warme und flüchs ige, Wie un bei einer folchen Zheilung nach beiden Seiten 1J biefe.mittlere Stufe fich befindet, das lemen wir aus einer ans Äh dem Stelle, die Clemens noch in berfelben fortlaufenden Rebe anfuͤhrt 26. Ocaiacoa Öraykeraı xal werokerau eig ToV auröv Aöyov, Öxolog noöodev nv n yeviodas m. „Das Meer wird audgegoffen und gemeffen nach dem» „jelben Verhältnig, welches zuvor Statt hatte ehe ed Erbe war.’

lang, fondern immer gleichförmig wieder hergeftelt wird. Cle⸗ mens leitet dieſe Worte ein durch den unmittelbar an feine Er⸗ Alrung des vorigen Bruchftüftes ſich anfnüpfenden Saz onug HE nahıy avalaußaveraı xal Exntvpovrei, nämlich wol Erde und Himmel und das darin enthaltene, vagwg dia zovewv Ömloi „Oaiaooe x. 5.1. . Hieraus folte man fchließen dieſe Worte wären aud einer Stelle gnopimen, in welcher der Ruͤkkgang, ber Weg nach oben, zu: naͤchſt befchrieben wurde, und vielleicht für die mittlere Stufe zsı dad frühere zugleich- wiederholt, und gezeigt, wie dennoch das Meer theild durch Ausdünftung aus der Erde fich herftellend, theils durch die erfle Verwandlung aud Wem Feuer entfichend immer daffelbige zuerft angegebene Verhältniß zeige. Wenigftens

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u 2

das uerokeras Es Töv avrov Aoyov kann wol nur ald dad Res fultat. beider vereinigten Prozeffe für dieſe mittlere Stufe ange feben werden, weil e3 fich fonft verdoppeln, nicht aber gleich bleiben würde. Eben daſſelbige nur allgemeiner und wahrfcein:

lich mit eigenen Worten des Herakleitod befagt eine Stelle des

Platon (Sopbist. p. 242 e) 27. dıapegöuevov yap dei Eunpeostau „denn „ſich trennend einigt e8 fich immer,“ -

- Nämlich auseinander gehend nach beiden Seiten, gehe ed auch von beiden immer wieder zufammen in biefelbige Geftalt.

Weil aber die Belchreibung des Ruͤkkganges nach oben, wie fie den bier dargeftellten Stellen entfpricht, uns fehlt, und manche Spuren auf eine wiederholte Darftellung deuten: ſo muß uns doch ungewiß bleiben, ob, was außer der ſtufenweiſen Verwand⸗ lung ſpaͤtere Berichte erzaͤhlen von einer ploͤzlichen Umbildung des Feuers in Erde und der Erde wieder in Feuer, nur Mißver⸗ ſtand ift, oder abgefürzte Beſchreibung deſſelben Prozeſſes, oder |

382 0b nicht Herakleitod außer jenem außer Zweifel gefezten allmä-

ligen Uebergang auch noch einen unmittelbaren der am meiften entgegengefezten Geftaltungen in einander angenommen hat, und vielleicht auch. hierauf fich bezieht, wad Theophraftos gefagt ha⸗ ben fol, daß er manches an verfchiebenen Orten verjchieden er» zähle. Wenn man erwägt wie ganz deutlich diefer Darftelung die einfache Anſchauung der allgemeinften atmofphärifchen ſowol als auf der Oberfläche der Erde vor fich gehenden Naturwirkun: gen zum Grunde liegt, und wie ed auh an Erſcheinungen da= von nicht fehlt, daß auch aus dem ftarrften unmittelbar dad Feuer hervorbricht als Wärme oder ald Flamme in mancherlei Selbfterhizungen und. Selbftentzundungen: fo wird dies in der That nicht unmwahrfcheinlich. Nur möchte ed fchwer werden, Er: feheinungen nachzumeifen in welchen auch aus dem bloßen Feuer

ploͤzlich das’ flarre, die Erde, hervorgeht; wenigftend fehlt es un. ſers Wifjend an allen Spuren, daß irgend Herakleitos ſich auf

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meteoriſche Steine berufen, was und doch von Anaxagoras aufs bewahrt worden, oder daß er beobachtet wie aus dem Rauch uns

| nittelbax- fefte Körperchen ſich abſezen. Und eine völlige Gleich: förmigkeit in beiden Prozeffen müffen wir feiner Darſtellung ſchlechthin zufchreiben, genöthiget durch eine Stelle, welche Ter⸗ tülianuö (adv, Marc. II, c. 28) wahrfcheinlich nicht mehr aus 383 der erften Hand anführt und wunderlich anwendet „Si iguoravit „Deus meus esse alium super se, eliam tnus omnino non seivit „esse alium infra se. Quod enim ait Heraclitus ille tenebrosas ‚„eadem via sursum et deorsum.“ Die wunderlich auch von andern andere einzelne Säze, fobald fie irgend ſprichwoͤrtlich ! werden fonnten,- mögen aus ihrem Kreife herauögeriffen worden ſein, zeigt auch ein ſolches Beiſpiel zur Genuͤge. Dieſelbige Stelle aber iſt uns in der Urſprache und wahrſcheinlich woͤrtlich aufbewahrt worden in den Werken des Hippofrateö (de alimentis Ed, Chart. VI, p. 297) |

28. Oööc vo xarw uin. Der Sinn, in welchem der Verfaſſer diefen Sprud gebraucht hat, ift aus dem Zuſam⸗ menhang in dem allzuaphoriftifchen Büchlein nicht zu entneh⸗ men. Der GCommentar des Galenod erwähnt freilich auch - nicht, Daß hier etwas herakleitifches fei. Allein offenbar find berafleitifireride Gedanken und Ausdruͤkke viele in dem Buͤch⸗ lein, wie 5. B. Evugwva xai Ösaymva öfter vorkommt, und andered Vereinigen von Gegenfäzen, und die Webereinflimmung mit der Stelle bed Zertullianus ift zu auffallend.

Denn daß Odög vw für den Gang feuerwärtd und Ödög xarw sah für den Gang erdwärts eigner Sprachgebrauch des Heralleitos geweſen ift, kann wol bei fo vielfältigen und fo übereinflimmens dm Anführungen der- Alten niemand in Zweifel ziehen. Und was fünnen jene Worte anderd fagen follen, ald daß beide Wege einander durchaus gleich und entfprechend wären? wenn fie nicht gar jemand brauchen wollte um den fehnellen und kurzen Weg

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neben bem langſamen ganz zu laͤugnen, buchſtaͤblich uͤberſezend „denn es giebt nur Einen Weg nach oben und nach unten.“

1. Dieſe ſtreitige und gewiß, weil eine genauere Vorſtel⸗ lung von dem Fluß aller Dinge nur durch fie beftimmt werben ann, gar nicht unwichtige Frage, ob Herakleitos auch einen um: mittelbaren Webergang aus Erde in Feuer und fomit auch aud Feuer in Erde angenommen, welche vielleicht ein kleines Bruch⸗ ſtuͤkk von wenigen Zeilen ähnlich unferm 36ften würde aufgelöft haben, Eünnten wir doch auch ohne das entfcheiden, wenn und nur ſtatt der verbächtigen zulezt angeführten Stelle des Stobäoß, bie ohnedies nur fehr dürftiges von Donner und Bliz enthält, mehrere irgend fichere Zeugniffe aufbewahrt worden wären von des Herakleitos meteorologifchen Erklärungen. Denn hier mif fen ja wol alle verfchiebenen Verwandlungen vorgefommen fein.

356 Und ed laßt fih gar nicht denken dag nicht Herakleitos hier mit feinen Erklärungen ſollte ind einzelne gegangen fein. Schon bie Worte des Diogened 2x Ö2 Tovrov va Aoına ayeÖon navra Ent nv ävadyniaoıy Avayav nv dnd Tig Yalarıng laffen auf eine große Mannigfaltigkeit von Thatfachen ſchließen, welche unter diefer Darftelung find begriffen geweſen. Es liegt aber auch in der Natur der Sache. Das Werden der Erde aus dem Waſſer, wie Herakleitod wol alle Niederfchläge und Abfäze. ans fehen mußte, geht auf eine ganz allmälige und unfcheinhare Weiſe vor ſich; aber der Prozeß ruffwärts zum Feuer, und bed Feuers Herablaffung zu den. niederen Regionen des Waſſers und der Erde umfaßt alle Erfcheinungen, welche von je her am meis ften die Aufmerkfamkeit der Menfchen auf ſich gezogen haben, und denjenigen ganz vorzüglich feffeln mußten, der grade auf bie Verwandlungen ber Dinge, auf das Uebergehen aus einen Zuftand in den andern allen Werth fezte. Nun aber wiſſen wir von alle dem fo gut. ald gar nichts. Denn ein Wink den und Nikandros (Alexipharm. v. 171 sqq.) giebt mit oder vielmehr

49 N

durch ſeinen Sqoliaſten, ohne den wol hier ſchwerlich jemand den Herakleitos gewittert haͤtte,

Kai re or ayısdanv Ponyaıs loevro Hddnooey,

Hyıe xal arusveıw aveuoıg nopEV "Evvooiyaıog

Ziv vol‘ xal yap Ön nvoeig ovvöauveras Eydonig 386

Dig udv asilwov, xal ayuverov Eroeoev Vöwg

"doyesag xai 6 7% ulv dx00uNE00@ giAopyig

deonobes vmav re xal Eupdopeow aikıwv

"Yin &ydousvoro nvgög xarı Heauov axoveı.

Schol. öts Ö2 dovieveı 7 Yahaoca xal To nüp aveuoıg zara Deiov vouov Önkovörı, tovro de xal Hoaxksırog xal t Mevexgaung eionxe. Und hernach &xridesda oVv ovls-

‚70, Öle TOVTWV xal "Hocxisıros, öTı navıa Evavtia Eciv

alamkoıc xaT avrov' 11 yap Yalaoon ÜNOHEIVTas

70 nAoie“ Tw ÖL vgl E vn. Dieſe Stelle kann anftatt zu befriedigen nur Neugierde erregen, ob hier wirklich auf herakleitifche Phyſik Rükkficht genommen ift, und in welcher Beziehung wol unfer Ephefier gefagt habe, daß da8 Feuer den Winden diene. Auf jeden Sal fcheint dad Bei: wort aeiöwov hier ganz unrichtig angebracht.

Mer ift nun aber über diefen Mangel welcher und druͤkkt harter anzuklagen als Ariſtoteles, der, da es ihm fonft fo viel Freude gewährt die abmweichenden Meinungen ber alten Phyſiker ‚muführen, in feinen meteorologifchen Büchern des Herakleitos Il gut ald gar nicht gedenft? In der That läßt er und nur - J lie Wahl, entweder zu glauben, daß es ihm zu viel Mühe ge⸗ nacht fi) in’ die Naturbefchreibungen des Herakleitos hineinzus 387 kfen, oder daß er ſich allerdings gar flarf hineingelefen, daß 1 ihm aber beffer gefallen habe zu verfchweigen als aufzus Iielten, woher er das meiſte vielleicht in dieſem Theile ſei⸗ ner Lehre genommen. Denn bie Lehre zum Beifpiel von ber doppelten Ausbünflung (Meteorol. I, 3), der feuchten welche er | reis, und der trodnen welche er dva$unieoıg nennt, von je- Ghkierm. 8, UI. 2. AN

50 | 5 ft

ner fagend, fie fei dvvanzs orov Ding, von diefer, fie fei Juve u 0lov mög, muß nothwendig fein herakleitiſch geweſen ihren Weſen nach. .Denn. dad Uebergehen des Meere und zwar zu nächft feines flüchtigen Theils in jenes Gebiet der höheren glän zenden Erfcheinungen Tann ja wol nichts anders fein ald ei Trokkenwerden befjelben, fo wie umgekehrt die Ausgießung dei Meeres aus dem Heuer und befchrieben wird ald ein Feuchtwei ben des lezteren; umd ber Uebergang bed Luftmeeres in Feue! wird alfo nothwendig eine trokkene Verflüchtigung, fo wie dal Aufgelöftwerden der Erde in Waffer ein feuchte Emporfleige iſt. Dies nun flimmt freilich nicht genau mit Ariftoteles über ein, ber beide Dünfte aus der Erbe ableiter. Allein wenn mi annehmen daß Herakleitos außer der allmäligen Berwandlun: sss auch noch eine fchnellere gelehrt, und alfo beides bei ihm vorgt fommen, ein Wafjerwerden der Erde und ein Feuerwerden bei felben: fo hätte er auch von der Erde fagen gekonnt, ihre Ba wandlung fer theils Waſſer theild Feuer, und würde aus Di Erde felbft zweierlei Erhebungen oder Dünfte gehabt haben, e nen feuchten durch welchen fie in Wafler, und einen troffne durch welchen fie in Feuer verwandelt wird. Und dieſes nu fimmt ganz genau mit dem überein was Ariſtoteles vorträgl je man kann fogar hieraus am beften eine Verwirrung in di Terminologie erklären, welche ihn fonft im Vortrag feiner .eig nen Meinungen nicht leicht befchleicht. Denn da er zuerft offer bar dad Wort aruig für das feiner Natur nad) warme un feuchte beftimmt hatte, was Övvaneı, nicht gerade dem Urfprung nach, olov Üdwp ift, und dagegen dad Wort avedvuiaoız fi dad feiner Natur nach warme und troffene dvvans. ola zvo: fo kann er fich doch hernach nicht entfchließen die aus di Erde hervorgehenden, ihr Waflerwerden darſtellenden Dünfte ebi fo zu benennen wie die aus dem Waſſer auffteigenden, weld freifich für den Herakleitos in feiner eigenthümlichen Sprad immer noch YaAcooa waren, fondern braucht nun offenbar au eradyniaoıs für etwas was üyo6V xai Feouor ift. Doch d

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Sache wird offenbar deutlicher werden wenn wir die beiden Stellen des Ariſtoteles hieher fezen, zuerft Meteor. I, 3. (Ed. Cas. p. 327. F.) alla dei vonoaı Tov Asyousvov xai xalovudvov Up numv 38 aEpog TO udv nepi TV ymv 0lov Üyoov Hal Heguov eivas die TO aruilsıv TE xal avadvuiaoıy Eysıy yıg, TO 6 Uno roũro Heguov 707 xal Enoov" Esı xal aruldog uEV güosg iypöY za Fepuov, avadvuıaoeus 62 Heguov zul EnooV. zul iv arulg udv Övvausı olov Vöwp, avadvuiacıg Ö2 dvvausı oiov nvo Und hiemit zu vergleichen Meteorol, I, 4, . ‚338. D. Heouamwvouevng yao tig yag ind Toü nliov nV . Geduniaoıv avayxaiov ziveodaı un animv,@g Tives O0l0V- as, alla dınanv, mv uEvV Gruıöwdegegev, mv Ö2 nvevun- : Twdegkomv" Tiv u Tod Ev Ti yi zaL Eni Ti y üygod dı- E wöa (oder wie ich gern um den MWiderfpruch qu lindern leſen 4 möchte aruudwön), nv avrng ng yıs, ovong Enoüs xa- won. Man fehe nur wie hier gegen die Weile des Ariftote- les ale Erklärungen einen ſtarken Geſchmakk haben nad) dem herakleitiſchen Fließen, und wie er fich möglichft hütet eine be: fimmte gücıg zu cenflituiren; man vergleiche noch die folgenden Borte owzov udv yap Uno iv Eyauxkıov Yopav Es TO 4 deauoy xai Enoov 6 Aeyouev ng avavuuov yag (weil er Mmlih sronsno wol nicht mehr fo gebrauchen konnte) zo xos- Fl wv int naong THE xanyWdovg Öiexgioewg mit dem oben aus Ih. Philop. beigebrachten; und man wird wol fehwerlich anftes Then können hier ein möglichft treued Abbild herafleitifcher Natur: 390 J aſchauung zu finden. Dann aber folgt auch dag Herakleitos 1 umittelbaren Uebergang der Erde in das erfcheinende Feuer ans genommen, welched zwar auf feinem Wege hinaufwartd durch u das Gebiet ded oberen Meeres hindurchgehen muß, aber ohne and nur ein fcheinbared Stehenbleiben auf diefer Stufe darzu⸗ Bellen; und ed fehlte und nur noch daß wir nicht auch noch für | das von ſpaͤteren Zeugen ebenfalls berichtete unmittelbare Her⸗ ud anbtreten der Erde aus dem Feuer beflimmte Erfkheinungen nadıe D2

In EEE T So ci ze

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zuweifen haben. Nur möchten, wir keinesweges fo verftanben fein, als habe Ariftoteled auch die Zerminologie von dem Ephe⸗ ſier heruͤbergenommen; vielmehr. find wir überzeugt dag avadv- niaoıg Fein herakleitifcheds Wort iſt, fondern in die fpäteren Be fchreibungen feiner Lehre erft aus dem Stagiriten und den ſtoi⸗ firenden Auslegern des Herakleitos hinübergenommen. _ Wollte aber jemand eben hierauf , wie denn Died ein jeber wol mitfühlt, fich berufend, dieſer Spur nicht trauen, fondern erzwingen wollen, die Aehnlichkeit entflände nicht au8 dem Ent lehnen des Ariftoteles, fondern nur aus dem Beftreben der fp& teren, den Herakleitos aus dem Ariftoteled zu erflären: fo hätten. wir die Abgunft des Stagiriten um fo mehr zu "beklagen, und 391 wären mit unferer Frage dann lediglich an das gewiefen was Herakleitos von den Geſtirnen gelehrt. hat. Denn diefe hielt ee bekanntlich nicht jedes für einen befonderen Weltkoͤrper, in wel. chem fich die ganze Reihe der Verwandlungen wiederholte, ſon⸗ bern nur für feurige Erfcheinungen alle in dieſelbe Ordnung x00uog gehörig, von welcher unfere Erde die Gegend des harten. und flarren bildet, dad Außerfle umgebende aber die Gegend des Feuers in welche auch die Geftirne gehören. Und dies iſt bei - läufig gefagt gewiß bie einzige Veranlaffung aus welcher fo viele fpätere Zeugniffe denn Ariſtoteles Phys. VII, 4. wo er uns terfcheidet welche viele Welten und welche nur Eine annehmen, : nennt wenigftend unferen nicht ausdruͤkklich behaupten, Heras kleitos lehre es gebe nur Eine Welt; fo wie eine Stelle des Aris “: floteled (Phys. III, 5), worin er fagt, Tein Phyſiker habe das Eine und Unendliche „zo Ev xat areıpov“ ald Heuer oder als Erde angegeben, gewiß die Veranlaffung ift weshalb biefelbigen auch ausfagen die Welt des Herakleitos fei eine begrenzte gewe⸗ fen, welcheö beides gewöhnlich mit einander verbunden wird, von Herakleitos felbft aber, der von entgegengefezten Meinungen im Beziehung auf welche er fich müßte- erklärt baden wol nichts wußte, ſchwerlich fo ift ausgefprochen worden. Man fehe Diog.

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IX, 8. wenepaodas ze To navy xal Eva eivas x00uov, eben sa Heſychios und Theodoret. (graec. afl. cur. disp. IV.) Tancoog d2 0 Meranovrivog xal Hoaxisıros 6 Bivowvos 6 'Eg&osog &u eivaı TO nV xal axivnrov xal nenepaauevov. Jene . Beinung aber bed Herakleitod von den Geflimen, welche fie zu meteorifchen Erfcheinungen herabfezt, iſt und überliefert Durch die Ateſten Zeugniffe des Platon und des Ariftoteled. Beide zwar RB berihten zunächfi nur von ber Sonne, jener indem er diefe Lehre ‚vr nur zu einem Vergleich braucht Rep. IV, p. 498 b, daß nach Herakleitos die Sonne verlöfche und fich wieder entzünde, denn anderd kann niemand: Die Worte verftehen roog Ö2 TO yaoas' icroęs dn Tıvav Öliywv anooßevvurras noAv uallov Toü Hoaaksıreiov nAlov, 0009 avdıs oüx Ekantovıes Xrifto> teles aber (Meteorol, II, 2) genauer, daß nach Herakleitos die - Sonne alle Zage neu werde. Denn daß hier nicht etwa nur ; die Rede iſt von einer Anwendung jener allgemeinen Eehre von dem Fliegen aller Dinge, vermöge deren alled immer neu wird, jondern daß Herakleitos ausbrüfklich eben das fcheinbare Beſte⸗ | ben, deffen andere Dinge fich länger erfreuen, der Sonne nur einen Tag gegönnt hat, zeigen die Worte des Ariftoteled deutlich, “welche ohne dies, da fie den SHerakleitos buchfläblich anführen, bieher gehören. Ariſtoteles nämlich flreitet gegen die auf keinen z0s beſtimmten Uxheber zurüffgeführte Lehre, daß die Sonne fich von dem feuchten naͤhre, und ſagt unter andern 29, negi ÖL To» NAov Gövvarov Tovro ovußaivev' Enei rgegou£vov YE 509 aUTOV Toonov wie die Flamme nàmlich woneg Exsivai gacı, dmAov Or xal 6 MAuog was naͤmlich Ariſtoteles vorher von der Flamme gezeigt hatte uovav xadeneo 6 Hocxäitos pnos, vcosç ip nuEon Esiv, aAh el VEog Ouvexwg' was ganz ges nau in Uebereinflimmung mit jener platonifchen Stelle, die er offenbar in Gedanken hat, Aler. Aphrod. erklaͤrt (in Meteorol. bl, 93 a.) od uovov, ws Hoaxkeırog yyoıy, VEog Ep Nus-

34

on öv nv, as Exasnv nuigav. &Alog ESanrousvog Tom nowrov Ev ri) Övosı oßevvuuivov, AAN aiei Te xal avve— ug vEog Te al GlAoTE &alog Eyivero, WONEp xal ai Pd yes Ev TO yivsadaı To eivar Eywv. Proklos aber hat, wie mehreres, auch dieſes ſchlechthin mißver⸗ ſtanden wenn er ſagt (Comment. in Tim. p 334) dıa dn Tovro nämlich weil er nur zur zweiten Önuiovoyia gehört xai 10V “Hhov veov Yeov ewdaoıv anoxakeiv, xal veog Ep’ nusgr nAuos, pnoiv Hoaxisırog. Und hat Herakleitos die Sonne nur ald cine foldye täglich wiederfommende. Erfcheinung angefe 9 hen: fo koͤnnen wir und auch ‚gefallen laffen zu glauben was Tcheodoretod fagt (graee. afl. cur. disp. 1) er habe der Sonne nur einen Durchmeffer von Einem Fuß zugefchrieben, was Plac, Pbil. I, 21. leider wieder herametrifch angegeben wird "Hlga- xAsırog eVgog nodög Krdgmneiov. Auf dieſe Meinung von der Sonne bezieht fich auch gewiß jened merfwürdige Bruch⸗ ſtuͤkk welches Plutarchos und zwiefach aufbewahrt hat.

30. Hrıog oüx Unsoßnostas uerga, pnoν 6 “Hoaxksırog" eu Ö2 un, (denn bier wird wol niemand an der Interpunction ändern und lefen wollen ei de, un) ’Egw- vveg nıv Aiung Enixovoos Efevoncavaoıy, So de exil. (Vol. 1, p. 604). Etwas abweichend, aber weil in der

' indirecten Rede vorgetragen auch unzuverläffiger, de Isid. et Osir. 9.270 alfo: Hov ö3 un insgfnossdaı toüg poa- uxovrag Öögavs' ei Ö2 un, yAmrzag uw Aixns Ensxavpovg ESevonosıv, wo ich freilich keinesweges verfiehe wie aus bem Erinnyen yAwrras geworben find, aber doc) gegen jede vo wizige Aenderung' mich verwahrend dabei bleiben will, da beide nur eine und bie namliche Stelle fein kann *).

Buttmann erinnert an bie Avooa in Eurip. Here, fur. , die bort o⸗

bentlih als Grinnys erfcheint und deren Name lelcht in jenes pie fremde Wort übergehen konnte.

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ı jemand aber vorzüglid neugierig zu wiflen, wer bie Erinnyen s0s bier find und wozu bie Gehülfen der Aixn, ber fehe zu wies ‚viel ächt herakleitifched wol fein mag bei Platon (Cratyl, p. 412), wo doch die Auffiht nur gehen kann auf den richtigen Gang der Dinge, wenn doc) alled immer geht, und dad Auf: fiht führende nur dad Feuer zu fein fcheint, . Denn eine folche Ordnung zu erklären, wie fie obwaltet ſowol in jnem abendlichen Verlöjchen ald audy in dem täglichen und jaͤhrlichen Umlauf, mußte allerdings derjerige am meiften in Ver: legenheit fein, welchem ſich die Sonne nicht merklich unterfchied von folhen Naturerfcheinungen bei welchen Feine regelmäßige Wiederkehr zu bemerken ift. Daher man fich einer fo gewaltfa: men Erklärung nicht wundern darf, fondern fie vielmehr als ſymboliſch anſehen muß, und auf jede beftimmte Drönung in dem Keben der Dinge anwendbar, welche nothwendig ſchwierig fein muß zu bezeichnen, wenn man die feititehenden Formen fo tief unterordnet jener Grundanſicht von dem allgemeinen Fluß. Hiemit ſtimmt nun fehr wohl zufammen die fchon oben bemerkte und nachgewielene Abneigung gegen Sterndeuterei und Unter: ſcheidung der Tage; und wenn aud) Herakleitos noch mehr aſtro⸗ nomiſche Betrachtungen gemacht hat, wie die welche Strabo an⸗ führt (1, p. 7.)

31. Beitiav 6’ "Hoazisıros xai Qungsmurepog Ömoiwg yo6 Av TOUV GpxTiXod Tnv agxtov Ovonatwv. „Hoügs yao zas Eonipag TEEUUTa N GEXTOg, xal avTiov rhg aoxtov oVgog aidgiov Arog „de Morgend und „Abends Scheidung ift der Bär; und dem Bären gegenüber „die Grenze ded hellen Zeus,“ welches doch hoͤchſt wahrſchein⸗ lich herakleitiiche Worte find, obgleich befremdlich jede Anfüp: tungsformel fehlt. Strabo will hieraus beweifen «@gxrog heiße dem Herakleitos der arktifche Kreis. Man könnte aber eben lo gut fagen joucg xal Eaneonz teouara heiße der arktiſche Kreis, je nachdem die Abficht des Herakleitos war, entweder

56 \ j den Nord: und Suͤdpunkt des Horizonts zu bezeichnen, ober

-- mehr die Gigenfchaften der Sterne, in wiefern fie auf: und untergehn oder nicht,

fo hatten fie doch gewiß Feinen aftrologifchen Zwekk, fondern nur ‚ben ber geographifchen Ortsbeſtimmung. Daß ihm aber jem Negelmäßigkeit etwas fehr bedeutended gewefen, fieht man dat aus, was zwar nur eine fpätere Nachricht fagt (Siob. Ecl. Phys, I, p. 264), daß Herakleitos ein großed Jahr und zwar aus ad: zehntaufend Sonnenjahren zufammengefezt, die ſich aber doch durch die hinzugefügte beglaubigt, daß ein Stoiker Diogenes fein

sr, großed Jahr nach dem herakleitifchen beftimmt und jenes große zur Zagedeinheit nehmend das ſeinige 4 aus 365 folchen con ſtruirt habe *),

Niemand aber wird wol erſt Beweis dafür verlangen, daß, was von der Sonne, auch von allen andern Geſtirnen gegolten habe, und Herakleitos fie nicht ald ungleichartig fchildern wollte, indem er fagte was Plutarchos und zwiefach zu Iefen gieht _

32. Kai Wong YAlov un üvrog Ävexa TWV Äh

Awv äsow» süpoövynv &v Jyouev, ug gnoıw Hod- xAestog (de fortuna p. 98), und noch einmal wahrfcheinlich mehr mit herakleitiſchen Morten (aqnae et ignis comp. p. 957) Heaxätıros u8v obv, ei un Ahvog, gnolv, yV, süpoo»n &v nv „Wäre die Sonne nicht, fo wäre Nacht.”

Auch befagen died ausdruͤkklich andere fpätere Zeugniffe, wie Plac, _Pbil. I, 28. Hlodxisırog TO avro nenovdevaı Tov IAıov xab sog zv oeAnvynv, und Theodoret (Ed. Hal. Vol. IV, p. 798) daß

* Das bedeuten offenbar die Worte "guxisıros 2x uvpluv Oxraxsayı- Alay dvuuvrav nlıaxay KHioyeıns 6 Ziwinög du nevre zul Eijworses xal sgıunoaley dviavrwv Tooovzay, 0005 7j9 6 na Hoaxksırov dsıav- sos* und unbegreiflich ift es fie fo auszulegen als habe Diogenes feirm großes Jahr nur aus 365 Sonnenjahren beftehend angenommen.

°

57

auch nach Herakleitos der Mond aus bloßem Feuer beſtehe 9— und Diogenes, welcher (IX, 9) ſagt daß alle Geſtirne zwar Flam⸗

men waͤren, welche ſich aus den glaͤnzenden Duͤnſten ſammeln,

die Sonne aber die glaͤnzendſte und waͤrmſte; denn die uͤbrigen Sterne wären weiter von ber Erde, weshalb fie weniger glaͤnz⸗ ten fowol als wärmten, der Mond aber zwar ber Erbe näher, dafür aber durch eine minder reine Gegend ſich bemegend. Da uun dad nächtliche Verloͤſchen, gleich dem Uebergang aus bem flammenden Zuftand in den allmälig verglimmenden, kein Ver⸗ fhwinden ber Größe nach ift, fondera-die gunze Geftalt wiewol verdunkelt fich hinabfenkt: fo gewinnt der Bericht des Diogenes das Anfehn größerer Genauigkeit, wenn er namlich fagt daß in dem neoreyov nachenfoͤrmige Behälter ſich finden, ober vieleicht lieber Hölungen, in welchen ſich die glänzenden Auddünftungen ſammeln. Dagegen Stobäo8 und Plac. Philos. zwar beide auch

Sterne wären nulnuara nvoos, hernach aber von der Sonne kurzweg fagen (Stob. Eel. Phys. I, 26. p. 524) Hodxnerrogç : zul "Erotaiog kvauua voegöov TO Er Saharıng eivar Tov

Bücher de plac, Philos. II, 22, giebt zwar der Sonne diefelbe nachenförmig gefrummte Geftalt, dad erfte aber daß fie ein „aus dem Meere entzündeted vernünftiges” fei fchreibt er gewiß mit

ch Ecl. Phys. I, 27. p. 554 der Mond nach dem Chryſippos „I Wan voepov Ekauue, und bei Diog. VI, 145 die Sonne,

ziszos yüv Opıyln mepssiimnuerny muß man offenbar leſen “puxlet- u önv; jo ſtimmt fie mit ber analogen des Stobäos (Ecl, Phys, I, 27) “Hoaxisldns xal "Ntxellog yiv ouyAn Regıeyouevnv und mit Plac. Phil, II, 13. vgl. Stob. Ecl. Plys I, 23, p. 514 ‘Hoaxlelöns xul 08 INubayögewoı Ixagov vör üsgos xoouoy Umugzew yyr weguigoria ddom

ze) aldıiga Wo ve anılgp alddgı. \

g ben Herakleitos gleih dem Parmenided behaupten laffen, die sw.

Mu, oxagosön sivar Unoxvorov. Der Verfaffer der’

mehrerem Rechte nur den Stoifern zu, wie auch bei Stobäos .

*) In der Stelle von dem Wefen bes Mondes Plac. Phil. II, 28 “ed

1

58

Schwerlich iſt bei Herakleitos dad voroav fo beſtimmt ausgeſpi hen geweſen; ben Stoikern aber ſtatt deſſen vorsoov unterfch ben zu wollen (f. Heynii Opnse. I, p. 104) verräth ſonderli Unkunde in dieſer Sache.

Wie nun and jener Geſtalt, in welche die Geflirne gefa werden, wenn man fie beweglich annimmt, die Phafen und ti Finfterniffe {charffinnig genug erklärt werden, dies fehe der Lei bei Diogenes, Stobäo8 und dem falfchen Plutarchos felbit nad und iſt nur angelegen die Ausfage zu vergleichen in Abſicht a die Herkunft und Nahrung der Geftime. Was nämlich jen

0 Verloͤſchen der Sonne betrifft, fo dürfen wir es wol nicht ande verfiehen nad) der Analogie der ganzen Anficht, ald daß daB | bildende Feuer den Weg herabwärts antıitt. In dieſem bi ganzen Tag fortwährenden Audftrömen nun wird die Son nach dem zulezt beigebrachten Fragment die Urache der Erleuc tung, und fo auch die Duelle alles Wachsthums und aller Hi vorbringung auf der Erde, wenn anderd Plutarchos (Quao Plat. p. 1007) nur irgend etwas herakleitifches jagt von di Grenzen und Abfchnitten der Zeit

wv 6 MAlog Enuisarng Wv xal 0oxonög, öpitsv za Ag Peveıv xal avadsırvuvar zal: dvapaivanr ueraßokag zu Ggag, ai navra peoovoı xad” “Hoaxisırov, 0VöR pa: Auv 0VÖL uixgwv, GAR TWV uEyisWv xaL KURIWTATWV 7 NyEuovs zul NQWT@ Few yiveras OUVEpyog. Was aber ausftrömend dieſes alles verrichtet geht auch babur über in die Natur der Heiaoou, und weil die Sonne je me ber Tag fich neigt der Nahrung ermangelt, muß fie de Aben! verlöfchen. Woher aber biefe jeglichen Morgen erneuerte Na ung ihr komme, darüber find ebenfalld die Berichte im allg

meinſten einig, im genauern aber verſchieden. Daß nämlich d Geftirne ſich von Dünften nähren, berichten alle, ja dieſe Erkl rung, vorgetragen in der ariftotelifchen Terminologie, wird au

au den Meinungen anderer angepaßt, wie nach Stobäo8 (Ecl. Phy

59 | 1%. p. 522) die Meinung des Xenophanes, daß die Sonne aud entzünbeten Wolken beftehe, von Theophraſtos fo fcheint ers Hirt worden zu fein, fie beftehe aus Feuertheilchen welche gefams met würden auß ber feuchten Auödünftung „2x Tg Yyoüs ave- drmaceng“ und ſich fammelten in der Sonne, oder nad) Gas Ins Bericht (Hist. phil. ec. XIV) &x zwV Enpwv arumv nvei- da zıva ovvegyeodaı, welche in einen Körper zufammentretend (vergl. Plac. Phil. II, 20) die Sonne bilden. Die Berichte aber welche den Herakleitos unmittelbar angehn fcheinen ſich bald zu theilen. Einige, wie Piac. Phil. 1, 17, fagen, nad Herakleitos und ben Stoikern naͤhren ſich die Sterne &s ring Enıysiov ava- " Imuwoews; jo auch Stobäos (Ecl, Phys. 1, p. 510), nach Hes rakleitos und Parmenides nähren ſich die Sterne &x rg ano yis avadrumıaceng, was und offenbar an die troffnen Aus⸗ ſtioͤmungen aus ber Erde denken läßt, wenn wir es für ſich nehmen. Dagegen fagt eine andere Stelle bei Stobäo8 (Ecl. Phys. 1, 26. p. 524) und mehrere flimmen damit überein „nad Herakleitod und Hekataͤos fei Die Sonne ein vosgov avaunıa Kr „Ialarıns“ Nun Fönnte man freilich fagen, dad Iniyewog und ano yrs in jenen Stellen fei in weiterem Sinne zu nehmen, von der. Erde ald dem ganzen Weltlörper, zu dem

alſo das Meer auch gehöre, und nur dad naffe fei doch das au2 auẽduͤnſtende und nährende, ber Gegenfaz fei aber bier nur ges Bommen gegen diejenigen Meinungen, welde bie Geftirne fich aus dem Aether oder aud dem umgebenden leeren ernähren lafs ke. Und dies ließe fich wol hören, wenn man fich nur hütet Dem Herakleitos den Gedanken unterzufchieben, ald ob bie Ges Kime ihre Nahrung ald feuchte befämen, und fie durch irgend thieriſche Lebenöverrichtungen erſt felbft in ihre, die feurige, Nas tur verwandelten; denn davon iſt nirgend eine Spur, und feiner ganzen Denkart fcheint Died vielmehr entgegen. Nährt fich alfo auch die Sonne von bem Meere, fo find doch ihre Nahrung ges wiß nicht etwa bie Ausbünftungen, die auch als folche ihrer Na:

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tur nach naffes find und nur die obere Schicht des herakleiti⸗ [hen Meeres bilden; fondern es find eben die Ausbünftungen diefer oberen Schicht, die roonel Garlasons welche nonsne werden. Wenn man nun Died doc, annehmen muß, warum fol man nicht auch bemerfen, daß in den einen Stellen von’ den Sternen, in den andern aber von der Sonne bie Rebe iſt, und bag alfo nach Herakleitos beide zwar fich von ben troffnen Düns fin nähren, nur die Sterne vielleicht von bem was aus ber Erde, die Sonne hingegen von dem was aus dem Waffer über aoz geht in Feuer? Grade diefe Meinung wird den Stoifern zuge fchrieben von Porphyriod (de Antr. Nymph. Ed. Holsten. p. 257) Tolg Ö° ano tig goäag heavy u2v Topstar Ex Tg dns ns Yalaoons avadvuınoewg Eloxsı, VEANvnV Ö” &x TwV nnyaiwv xal noreuiwv Vbarwv, TOoVg Ö agegug EE ava- Hvuaosws ng ano ıng is wo doch wol niemand diefe verfchiedenen evadvuınasıg ald ih rer Natur, fondern nur als ihrem Urfprung nach verfchieden, und alfo jede wie anders modificitt, fo auch für andere Geſtirne tauglich anfehn wird. In den unmittelbar vorhergehenden Wors ten mag übrigens wol Porphyrios den Herakleitos meinen, und ihn alfo von den Stoikern unterjcheiden wollen, wenn er fagt dıinßefawürraı Ö& Tiveg xul 1& &v GEQL x OVERVE ETuoig ToEpECdeL, &% Vauarav xel noteuwv zul tuv Alm. vasvusacewv. Merkwürdig ift hier die Nichtachtung aris ftotelifcher Terminologie in der Zufammenftellung von aruög und avaedvuiaos., fo dag man glauben Fönnte hier lägen ältere Worte zum Grunde. Nur druois 2E avadvnızasax "dürfte Doch mol niemand gefagt haben, und man follte. viel leicht Iefen za zwv aAlmv avadvuıaoiumv. | Wein die Stelle iſt wol überhaupt zu ungenau um etwas dar a aus beſtimmt zu folgern; ſonſt muͤßte man ſagen die Geſtirne wären nie 7@ &v.a8os genannt worden und hierunter koͤnnten nur andere atmofphärifche Erſcheinungen zu verftehen fein, welche

+‘

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ſch mit den Geſtirnen zu theilen haͤtten in die Duͤnſte aus den Gewaͤſſern und die andern; ob aber dieſe nur die aus dem Meere oder auch die aus der Erde waͤren, bliebe immer ungewiß. Wie dem aber auch ſei, wenigſtens in der ſtoiſchen Erklaͤrung treten offenbar trokkene Ausdünftungen aus ber Erde neben die aus _ den Meer ald Nahrung der Geftirne; unb da fchon mehrere Spuren darauf führten dem Herakleitos ein folched unmittelbas res Uebergehen der Erde in Feuer zuzufchreiben, warum wollten , mir nicht dies im mefentlichen für herakleitifh halten, wenn auch die Stoiker in deu Vertheilung dieſer Dinfte als Nahruffg im änzelnen von ihm abgewichen fein follten? Und nun erfl möchte es Zeit fein den entfcheidenden Stein hinein zu werfen, nämlich eine Stelle des Diogenes (IX, 9 11) alfo lautend yiveodas 62 avadvucosız (was hier offenbar nicht in dem engen ariftotelifchen Sinne zu nehmen ift, fondern allgemein) ano Te yis zal'Oaharrıg, üs uEv (alfo beiderlei aus bei: den, da er ja nicht fagt eng uEv) Anungag xai xadapag, ü5 dE oxorewas' wvssadhas dd TO uiv nũo zuv Aau-

i

acuv, To Ö2 VYE0V Und TWV ETEOWV. Die glänzenden und reinen Dünfte alfo aus dem Meer und der 405 Erde find das Feuerwerden berfelben, fo wie die dunkeln theild das uͤbergehende ſind aus der unteren tropfbaren Schicht des

agag 89 To negiiyovrı (oben ©. 398) demonſtrirt, ſagt er dag in dieſen bie glänzenden Ausdünftungen ſich fammelnd die Sterne bildeten; und aus dem wechlelnden Ueberhandnehmen beider ber glänzenden und dunkeln erklärt er fo Tag und Nacht als Sommer und Winter,. fo daß fhon in diefer frühen Natur: Funde beides auf benfelben Berhältniffen beruht hat, je nachdem fie ſich mehr im großen geftalten oder im Eleinen. Denn fo lehrt dieſelbige Quelle ded Diogenes weiter, daB „bie glänzende Aus: „duͤnſtung welche im Kreiſe der Sonne zur Flamme wird den

62

„Day Bilde, daß Ueberhanbnehmen ber entgegengefezten aber bie „Nacht herdorbringe; und die durch bie glänzenden vermehrte „Waͤrme den Sommer bilde, das durch die dunkeln aber über „voiegend gewordene feuchte den Winter verurfache.” MWenm nur nicht der Sommer in den folgenden Worten axoAovdwg 58 zovroig xal eg Twv GAlov airıokoyei plözlich alles, was fonft noch in dee Region der feurigen Erfcheinungen vorgeht,

205 unferer Wißbegierde entzogen, und fo auch die Entfcheidung ber Frage unmöglich gemacht hätte, von welchen troffnen Ausbüns . fiungen welche Sterne, oder ob alle nur von der Zrziysıog, von ber aus dem Meere aber die übrigen Erfcheinungen erzeugt wuͤr⸗ den, in Uebereinflimmung mit den alten Worten zgonei Fa- Anoong ijuiovu NENSNO.

Schwerlic aber wird, wer dies alles in Erwägung zieht und die zerftreuten Spuren verbindet, noch laͤnger bezweifeln koͤn⸗ nen daß nach Herakleitos auch die Erde unmittelbar fi in Feuer aufgelöft habe, und alfo gewiß auch auf irgend eine und unbefannte Weife dad Feuer zu Erde geronnen fei, und daß von

naͤmlich aus den atmofphärifchen Veränderungen und dem allge meinen Leben der Natur er ſich jenen immerwährenden Fluß zus fammengefchaut, in welchem von jedem Punkt aus alles fich in alled verwandelt und weder Feuer noch Meer noch Erbe irgend ein auch nur fcheinbar beftehendes Sein hätten, wenn nicht eben jeder Verwandlung eine andere entfpräche und zwei entgegenge fezte immer auf demfelben Punkt zufammenträfen. Denn dab aus der Erde gedunftete Meer würde nicht bleiben, fondern eben : fo ſchnell weiter fort fi) mwanbeln in Feuer, wenn nicht vermöge : der entgegengefezten Bewegung auch das Feuer fi immer feuch 07 tete und audgöffe in Meer, und fo im Zufammentreffen beider Bewegungen die Geftalt ded Meered feft gehalten würde; noch

ı auch würde dad aud Erde und Meer gewordene Feuer irgend bleiben, fondern gleich wieder zurüfffallen in Meer und Erde,

63 l wenn nicht auch diefe ununterbrochen: ihre Bewegung aufwaͤrts wiederholten und das Feuer herftellten. | IN. So ift e8 alfo gewiß eine Darftelung des Naturlau: fes ganz im Sinne des Herakleitos, welche und Maximus Tyr. giebt (Ed, Davis. Dies. XLI. p. 489)

OVoas oiv ra nadn, & ulv xalsig pÜopav Texuar- puEvog TN TWV arıovıav Odw, Erw dd OWrnolev Texuat- pauszvog zn Öadoyn wv uellövsuw. MeraßoiAnv Ogas TOHLTmy xar yEveoewg, aAlayıV ÖÖWV VW XUTW KAT söv Hoaxisıtov’ atdıs av lwvra udv ToV Exsivay Dom varov, anodvnoxovra Ö8 nv Exsivov Lumv.

a man muß auch jenen ſtaͤrkſten Ausdrukk deſſen fi) Platon dient, wo er doch wol nur Schüler de3 Herakleitos vorzüglich inm Auge hat, @s To nav xivnoug nv, zei GAlo nap& TOUro odiy (Theaet. p. 156. a) der Anficht des Meifters felbft nicht uangemeffen finden. Denn nur in dem Auseinandergehn des Seins nach diefen beiden Seiten, und feinem Zufammentreten von beiden Seiten ber, wird und befteht und vergeht alles; fo daß die Geſammtheit aller Dinge offenbar ihr Sein nur hat in ‚I dem Zufammentreffen der entgegengefezten Bewegungen, und nur «os "Tfo.lange beide auf demfelben Punkte einander gleichlam hemmen oder theilweife aufheben, irgend etwas in feſter Geftalt zu befte: ben fcheint. Denn wo etwa die hinabwärtd gehende Bewegung des Feuers der langfam hinaufwärtd gehenden der Erde nicht in ben Weg tritt, da bleibt auch Fein Waffer, fondern ed geht weis ter hinauf in Feuer. Und diefed eben, nicht irgend ein Streit zwiſchen Stoffen, materiellen Principien ald folchen, fondern ber Streit der entgegengefezten Bewegungen, ift jener Krieg, aus velchem, wie alle Zeugniffe einftimmig behaupten, nach der Lehre des Herakleitos alle Dinge hervorgehn. So Plutarchod (de Isid. ei Osir. IE, p. 370) | Uoaxieırog 12V yap ävrızoug n6AEuov Övouales na- Teou xai Paoilen xui xUpI0v hdyrwv, nei ròov uw

wuiygwu a

64

ODunoov ebyousvov "Ex ve Demv Eoıy Ex 7 avdoasm anortsodas AuvFaveıv P108 Ti, MAVTV yEVEoEs XETOQ- uEvov, &x uayııs xal Avrınadeiag nv yEveoıv dyovrmv. wo nur zu bedauern iſt, daß er die Lehre des Eyhefierd fo ganz in feine Rede eingeflochten hat. Indeß deutet doch die drzınd Vera ganz ausdruͤkklich auf jene zwei entgegengefezten adn, bad Hinauf» und Hinabfleigen: oder die Erflarrung und Ver’ fluͤchtigung. Eben fo wenig wörtlich hat und Simplicius einm 00 Zufaz zu diefer Stelle aufbehalten (iu Arist. Praedie. f. 104.b), wo er den Anhängern bed Herakleitos, wie andern welche „za- vavrio Gpyas.Edevro, die Behauptung zufchreibt, daß wenn bon den entgegengefezten eined auöbliebe, alödann alle Dinge ver ſchwinden wuͤrden, und dann auf biefelbe Stelle des Herakleitos anfpielenb hinzufügt dıö xal ueugyeras To (unow Hoazasıros einovrs Sg Epıg &4 Te denv Ex T avdgWnwv anoAoıro‘ 0lyYoscdas - 760 no NAVTE, Daffelbige wollen alfo aud die Worte bei Diogenes fagen yine- oda navra zod Evavrıöınra (IX, 8), nur daß freilich einen fo abftracten Ausdruff niemand dem Herakleitos felbft- beilegen wird, wol aber in dem „nolsuog nano navrwv“ etwas wört: liches erkennen, was eben fo noch vorfommt bei Proklos (Com- ment. in Tim. p. 54) xcet ei 0 yevvaiog Hoaxksırog eig tavınv (au die allge meine dvavriwoıg) anıdav Eheye nölsupg nano nde- Twv, „der Krieg ift aller Dinge Vater” ody oürwg arönag &lsyev’ wo die Structur beftimmt anzeigt daß er wenigſtens geglaubt hat den Herakleitos wörtlich anzuführen. | Hierauf wird auch angefpielt Schol. Veo. Il. IV, 4. angeneg paoıv Ei Teones Toig Yeovg noltumv. Den. aAı OUxX Ange- . more’ TE yüp yevvala Eoya Tepner klug Te molsuor xalb nayaı nulv deıwa Öoxei, ta ÖL dew oVÖL raüra desva ovvrsleiyap Enavra 0 FEög NO0Og apuoviav ray"

65

&iluy 7 zul 509 0ixovounv Ta ovupegovre, Önco xa) 'Hoaxisırog Asyeı, ws TW uEv den vor ner Fenv Cod, Lip.) xala navıo za ölxaıe, avdgwnos uiv adıza Imulpanı, & 68 dixaıe. Die Anführung bes Herakleitos fon mr auf das ihr voranftehende ſehen; aber wörtlich eignes ift ge:

viß auch dort nicht zu fuchen. So fagt Ariftoteles

33. Kal “Hoaxleıros To avrifovy GvupEoov, xai

ix ToV ÖLaypegöovrav xahlignv Gouoviav, xal noyra xar &pıw yiveodaı (Eth. Nicom VII, 2); denn fo ift wol diefe Stelle anzufehn, daß die erften beiden Säze faft buchſtaͤblich Redensarten des Herakleitos find, der lezte mehr allgemein zufammenfaffende aber dem Arifloteled eigner angehört. Das entgegenftrebende nämlich iſt das einige heilfame zur Ers

haltung der Dinge, und jedes befichende, jede Zufammenfügung

R nur möglich aus dem verfchiedenen der Bewegung. Und

daſſelbige ift gewiß auch der wahre Sinn ber Stelle welche Pla⸗ ton, und zwar in fo fern er die Ausdruͤkke tadeln laßt gewiß

|

buchſtaͤblich, anführt (Conviv. p. 187. a)

1

worso (nämlich dag auch die Tonkunſt vorzüglich darauf bes au ruhe feindfeliges einander zu befreunden) Zowg xal "Higaxkeı- zog Bovieras Atyeıv» Enel Tois yE 6muaoıy 0U xalmg M- ver TO yao Ev ynos ÖLapsgouEVov avro avıy Evu- pigeadaı Wonee @guoviav Tofkov xai Avpag. Denn ob fich Herakleitos des Ausdrukks co Ev bedient habe, lann bezweifelt werben, da er dem Platon zwar fehr geläufig if, und fich alfo Leicht kann eingefchlichen haben, in den Bruch: ſtuͤkken des Ephefierd aber fich fonft keine Spur davon findef. Es müßte denn eine folche verborgen fein in einer Stelle bei Diogened (IX, 12) und bei Suidas (v. Anduog xoAvußmeng), weihe auch ald Ueberfchrift des herakleitifchen Werkes anfuͤh⸗ in, jener T0r0Vv x00uov Evög Twv Euunavsav, dieſer x00- aov zoom Evög Tav Evunavrwv, wo wenn man nicht fehr

sk derwegen mit Kuͤſter emendiren will x0ouov Tgonwv: Evo

bqleierm. 8. II. 2. &

66 avıı Evunavıov, man wol mit mir lefen wird x00u09 TOO“ sv Evög 7 Evunavrov, „die Anordnung der Verwandlun⸗ gen bed Einen oder aller Dinge;“ nur daß man ed auf feinen Fall ald eine Weberfchrift annehmen muß. Gewiß aber ift das Örapegousvov - £ungegeodeaı ganz dem Herakleitos aͤhnlich. Man vergleiche auch No. 27. 2 Dog nun Eryrimachos hier feinen Schuftſeler mißverſteht, ob mit oder ohne Platons Wiſſen bleibe uns unentſchieden, iſt wol ſehr deutlich; denn man ſieht ja daß die Lyra nur als Beiſpiel angefuͤhrt wird, und zwar neben dem Bogen, weshalb ſchon von der Tonkunſt nicht die Rede fein kann, und aguovix nicht kann .. in dem mufifalifchen Sinne flehn. Sondern Herakleitos redet: - auf jeden Fall irgendwie von dem Lauf der Natur und braucht von ihr das Ösuampeoousvov Evugeosodaı, daß nämlich das feiende auseinandergehend nach den beiden entgegengefezten We: gen zugleich doch. zufammentrete um die VBerfchiedenheit der Dinge in der Welt zu bilden, ganz in der genaueſten Uebereinftimmung mit dem fo eben aus Ariſtoteles angeführten. Und eben weil dies fchon an fich fo wahrfcheinlich ift, Eönnen wir uns um fo zuverfichtlicher auf eine plutarchifche Anführung oder zwei beru fen, an bie fi jene Stelle Durch ihre lezten Worte anfchließt, und in denen baffelbige grabezu von der Welt, der Ordnung ber gefommten Dinge gefagt wird, fo daß fich beide gegenfeitig aufs vollfommenfte ergänzen und erläutern.

34. Haiivrovog yag apuovin x0cuov, 0%00- neg Avong xui tobov xad” "Hocxisırov (de Isid, et Osir. II, p. 369), und in indireter Rede als Beſchraͤnkung

‘as von dem Leben bed Ganzen in dem Sinne des Herakleitos

. nur mit Veränderung eines einzigen Wortes (de auim. procr. U, p. 1026) "Aloaxisırog dE nakivroonov apuoviay x00u0v Öxwonse Avons xal Tofov.

Hier wird nun mit demfelbigen, der Zufammenfügung ber Leier

und bed Bogens, verglichen die Zufammenfügung der Welt, und.

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fe naAivrovog apuovin xbouov muß alfo auch dem Weſen ach dafjelbige fein wie jened duapegouevov Euvupsosodas, es anın Das Subject dazu auch die Welt gewelen, ober bad Eine, kimbe, oder jegliched aus der Gefammtheit der einzelnen Dinge; dm das bald Audeinandergehen und Gefpanntwerden nach irs ab einer Seite, bald wieder Zurüfftreten in den vorigen Stand wb Nachgelaffen werden, muß, wie bie ganze Thätigkeit der Spa und des Bogens, fo auch das ganze Leben der Welt auds Allein man koͤnnte einwenden, in der erften Stelle des Plus ürchod fcheine Die Sache gar nicht von biefer Seite genommen, mdern vielmehr die Rede zu fein. von dem wechfelnden Zufams infein des guten und des böfen, wie nicht nur die ganze Ges ankenfolge im allgemeinen zeige, ſondern auch noch beflimmter e unmittelbar nach den Worten des Herakleitod offenbar zum jeweiſe deſſelbigen Sazed, wie aus ber. Anführungdformel xul se? Evosniönv erhellt, beigebrachten Verſe des Euripides Ovx vyevoıza zwpig Zodia xal xaxı, AAN Ess Tig OVYRQADIG a6 g &yav xalmg- und daß Herakleitod die Worte wirklich in jeſem Sinne gefchrieben, beftätige auch Simplicius, der eben iht feine Weisheit aus Plutarch zu fchöpfen pflege, und dem e Stelle ganz bei berfelben Gelegenheit einfalle wo er fagt (in kys. Arist. f. 11.a) @g "Hoaxisırog TO ayadov xal To x0- 09 &ig Tavröv Atymv ovvivar Öiany Tofov xal Avoag. Im nun Diefe. freilich nicht abzuläugnende Verbindung, in wels ber jene Worte vorgekommen find, und fomit erft den eigentlich kn tiefften Sinn der Formel felbft zu verftehen, Die gleichſam ie Angel der ganzen herakleitiſchen Lehre ift, müffen wir uns Mauben, etwas weiter auszuholen, und vorgreifend manches fer aufzuftellen, was erfi durch alles folgende allmälig kann riwielen werben. Wenn nämlich alle Dinge gleichermaßen au von Zufammentreffen der entgegengefezten fich unter einander wihaltenden und hemmenden Bewegungen entſtehen, und al 4 2

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gar nicht durch fich felbfl find, fondern nur von außen in jedem Augenblikk aufs neue werden: fo haben fie alle gleiches Recht und gleichen Antheil an dem Sein und Wefen des Ganzen; und wenn von diefen vergänglichen Formen Eine gewählt werben fol “sum gleichfam zum Schema des Seins und der Einheit, ihr Uebergang in bie andern aber zum Schema bed Werbend und der Vielheit zu dienen: fo fcheint jede dazu gleich gut zu fein. Denn man kann eben ſowol fagen, die Welt -fei eine immer flüffig werdende und fchmelzende aber auch immer wieder fich niederfchlagende und erflarrende Erbe, oder ein immer in euer verhauchended und Erde abfezended aber auch aus beiden fi immer wiederherſtellendes Meer, ald Herakleitos, wie wir wii: fen, (f. oben S. 374) gefagt hat, fie fei ein theilmeife immer ver: Yöfchendes und fich wieder entzündendes Feuer. Daß er aber dennoch nur dieſes gefagt hat und nicht jened, hat feinen Grund darin, daß ihm eben nur die Bewegung dad reelle und lebendige | war, die Ruhe und der Stillſtand aber dad nichtige und todte, Alſo onnte ihm auch nur das bewegliche, alled durchdringende und in Bewegung fezende zum: Schema dienen für dad wahre | Sein. Nun aber find von feinen drei Srundformen, Feuer, Meer und Erde, offenbar Meer der mittlere Punkt, Feuer und ‚Erde hingegen die Endpunkte, von denen nur die Erde und al: les ſtarre am meiften in ber Natur die Ruhe darftelt und bad Bleiben in bemfelben Zuftande, und eben fo dad Feuer am mei: flen die Bewegung, weshalb er denn dieſes auch allein zum Bilde ded wahren Seind wählen konnte. Das Meer aber, wie «16 und fchon Clemend gelehrt hat, war ihm bad Bild des endlichen Seind, des Werdend „To wg oroue ne Öaxoounoews“ und Dagegen die Erde das Bild des Todes. Womit denn auf Dad genauefte zufammenhängt, daß nur die Bewegung nach oben, deren natürliched Ziel dad Feuerwerden ift, ihm vermochte Das Gute zu fein, nämlich dad zum Leben führende und dad Leben in ſich enthaltende, voie auch der Stoiker Chryfippos gefagt hat in .

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(inem erften Buche von ber Vorſehung (Plut. de Stoie, repugu. p. 1053) „daß im Feuerwerden auch das feelenlofe in der Welt „sich in befeelted wandele;“ und gleich wie dieſer fortfahrend . fagt, daß „in des Feuers Verlöfchung auch das befeelte fid) um⸗ „wende zum Eürperartigen:” fo mußte bie Bewegung nach unten, welche ihr Ende findet im Erflarren und Erdewerden der Dinge, auch dem Herakleitos dad Böfe fein. Da er nun wie wir ge fehen haben von den größten Bewegungen der Natur einige er- Iannte ald folche in Denen das Feuerwerden die Oberhand hat, andere aber als folche in welchen das Berlöfchen und Erdewer⸗ ben hervortritt: fo konnte er grade in Beziehung auf dieſe fagen, daß die zwifchen Spannung und Erſchlaffung ſchwankende Zu- fommenfügung ber Welt ein Wechfel fei zwifchen dem Ueberge⸗ wicht des guten und bed böfen, wiefern nämlich der Tag und der Sommer und die Wärme und alles auf diefe Seite tretende 417 ein Uebergewicht des guten ift, Nacht aber und Kälte und Wins . te und alles ähnliche des böfen, und der Zufland der Welt im⸗ mer wechfelt: zwifchen diefen. Und daß er wirklich, als er das Bild brauchte von dem Bogen und ber Zeier, gutes und böfes in biefem Sinne genommen habe, beweifet nicht nur biefelbe Stelle des Simplicius, welcher nach ben oben angeführten Wor⸗ tm alſo fortfährt „os xal Edoxsı Hess“ was aber eine Feaıs heiße, erinnere fich jeder aus Ariftoteled (Top. I, 9) „Agyeıv dia TO ovrwg @dıopiswg yavar, Evsdeinvvro Ö2 nv Ev ın yeviocı Evag- ‚uoyıov nik av Bvavrriov‘ Herakleitod habe gefchienen ei: nen Blendeſaz vortragen zu wollen an diefer Stelle, weil er fi fo unbeflimmt ausgedruͤkkt, er habe aber angedeutet die zur Zufammenfügung gedeihliche Mifchung des entgegengefez- ten in bem Gebiete des Werdens; findern es wird auch beftätiget Durch eine Stelle des Porphyriog, weicher wo er von den Gegenfäzen in ber Natur überhaupt re: dt, (de antr. Nymph, p. 268 Ed, Cantabr.) fobald er auf eben

70 ü

r

diefe gekommen iſt „zo uEv avaroAımov To 68 Övrıxov, zas Ta ulv agıgega va 02 debian,‘ auch durch Himmelöpunfte bes

«us flimmt von einigen buch Nord und Süd, von andern durch

Oft und Welt, „vv& re za nusoe,“ ſich auch gleich unferer Stelle erinnert und binzufügt .

xat da ToVTo nalivzovog 7 Gpuovie, xal Tokov, Ei did zwy Evevriwv. Denn niemand wird hoffentlich zweifeln fo durch einen einzigen Strich. nicht nur der Unübertragbarkeit fondern auch der Unfinnigfeit diefer Stelle ein Ende zu mn chen. Oder hat wol jemand fchon ;verflanden was es heißen koͤnne, wenn bier flände xal To&sveı dia TWv. Evavriort Und wenn man liefl «7 Tofedes, wie die Ausgabe ‚von van Goens, die ich nicht bei dev Hand, habe, zu leſen fcheint, fo würde ich died eben fo bequem verwandeln in 7 zosov.

Und hieraus erklärt fich auch am. beflen, wie unmittelbar hinter jene plutarchifhe Stelle vom Kriege ald dem allgemeinen Vater aller Dinge, die oben unter N. 30 (S. 394) ‚angeführten hera⸗ Heitifchen Worte gekommen find. Denn da das. Gute und dad. Boͤſe, beide entgegengefezte Bewegungen, nach unaufgehaltenem Fortſchreiten ſtreben: fo iſt eben der Krieg. zugleich dasjenige was Recht fchafft und. jede in ihrem Maaß zuruffpält, oder fie, wenn fie daS Uebergewicht gewonnen hat, wieder ftraft, „Wohin auch ein kurzer Saz zu gehören fcheint, den und Origenes aus Celſus

. aufbehalten hat, von dem er (adv. Cels. VI, p. 663) fagt

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35. &49° döng Tovroig ..... gmol Yeiov Tıva noAeuoV aiviıseodaı Tobg nahaols, " Hogaxksırov ulv Atyovra wöe'

: Ei ö2 yon vcovV noAeuoY Eoyra EvvoV zar ÖixnV

EgEIV' al yıvousva navra xarT &g4V xal ygE- wuerven. Mo nur freilich vieles verdorben iſt; denn ägeiv kann nicht recht fein, und. zoswmeve iſt nicht. zu verſtehen, wenn man nicht mit dem älteften Ueberfeger erklären will „ge⸗ mweiffagt gleichfam, im voraus erfannt‘ werde alles fchon ver⸗

.. möge des Streited. Auch befremdet das. Anführen eined blo⸗

1 *

Gen Vorderſazes auf diefe Art. Doch fcheint ed zu kühn, wenn man um ben Saz herakleitiſcher herzuftellen, das ei dd xon ift es gewiß nicht, leſen wollte eidevaı yon xal dixnv, Eoıv „Man muß willen, daß der Krieg bas gemeinſame iſt, „und das Recht der Streit.“ Fuͤr das folgende aber weiß ih um fo weniger Rath, da dad xuL vielleicht ſchon eine zweite Stelle anfängt. | Sprach nun Herakleitod von dem Kriege in dieſem Sinne, und ſtrafte bei dieſer Gelegenheit den Homeros: ſo konnte er ſehr leicht, da ja auch der Weg nach oben des Krieges und des Ge⸗ gengewichtes bedarf, wenn nicht alle Dinge dahinfahren ſollen, in demſelben Zuſammenhange, und ſo daß vielleicht nur weniges, dazwiſchen fehlt, auch dieſes von der Sonne dem Erzeugniß des ꝛ0 Weges nach oben fagen, daß ſogar fie wenn fie ihr Maag wollte überfchreiten von den Gehülfen der Aixn müffe gefunden wers. den, weil wechfelnd. um die Welt in ihrer Zufammenfügung zu erhalten auf ein Webergewicht deö Guten auch wieder Folgen müffe ein Vorwalten des Böfen. | Wie nun die Gefammtheit aller Dinge eine ſolche Zuſam⸗ menfügung aus dem entgegengefezten iſt, fo auch jedes einzelne, und auch jede befondere Form des Seins befteht nur darin, dag die beiden Wege fich vielfältig, kreuzen, und dadurch verſchiedene Verwandlungsſtufen, bei jeder in einem eigenthuͤmlichen Verhaͤlt⸗ niß zuſammengehalten werden. Aber nur bei den Elementen oder Grundformen iſt dieſes einfach und leicht zu ſehen, bei den im engeren Sinne lebendigen mehr ausgebildeten Geſtalten aber zu⸗ ſammengeſezter und ſchwieriger. Daß dies Herakleitos geſehen, und den lezteren deshalb einen Vorzug vor den erſteren zugeſtan⸗ den bat, lehrt und ein wol nur in dieſem Zuſammenhang vers fiandliche8 Fragment bei Plutärchod (de anim. procr. p. 1026) 36. "Aguovin yap EPavns Pavsong xX0ETTWV, za “Hocxieırov Ev 7 offenbar bezieht fich dies auf apa- vije zurüft rag Sapopas xab Ereporntag 6 yıyviwv Heös

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Exovys xab xaredvoes. Denn das Iezte kann man ſchwer⸗ au lich noch als buchftäblich anfehn, da durch dad usyrinv eine fremde Anficht durchleuchtet, wiewol dad eve zul xare- Ivoev eine fehr ächte Beſchreibung des agavns ift. Daher mag dies wol aus einem floifchen Außleger fein, der gern Prunk trieb mit zierlichen platonifirenden Redensarten. Ob aber. Herakleitos auf genauere Befchreibung und Erklärung ber verfchiedenen Geftalten des Lebens fich eingelaffen, ober ob ber Zadel gegründet ift, bag er nicht ind einzelne gehe, dies find wir nicht mehr im Stande zu entfcheiden. Denn für uns fliehen ganz einzeln in diefer Art die beiden Nachrichten, „Er habe da3 "„volftandige Sein ded Menfchen anfangen laſſen mit dem vier: „zehnten Zahr, weil von da an die Samenfeuchtigkeit abgefon- „dert werbe, und auch die Vorflelung des guten und böfen und „Die Feftigkeit der Belehrung darüber ſich einftele” (Plac. Phil. V, 23. Galen. phil. bist. Ed. Venet. p. 34 b) und „Er habe bie „Länge einer Generation beftimmt auf dreißig Iahre, weil bin „nen dieſer Zeit von der Erzeugung: bed Erzeugerd ar gerechnet „da erzeugte ſich auch ſchon wieder ald erzeugend darſtelle“ (Plut. de Orac. def. II, p. 415); was grade folche Bemerkungen find, die Teicht Fonnten gelegentlich angebracht werden und nicht «22 nothwendig großen phufiologifchen Reichthum vorausſezen. Daf: felbe gilt von der Eleinen Notiz .. 37. navy yap Eoneröv TnVv nV vEueras @g pnow Hoaxieırog (de Mundo c. 6) welches wahrfcheinlich doc) fagen fol „Alles Gewuͤrm nähre ſich „von ber Erbe” vielleicht um zu zeigen daß dieſes eine niedri⸗ gere Stufe des Lebend einnehme; wenn nicht corserov auch hier noch die weitere homerifche Bedeutung hat. Und eben fo im all: gemeinen halt fich auch jened zur Bezeichnung der verfchiebenen Formen des Lebens, was Platon erwähnt (Hipp. mai. p. 289) 38... . örs 16 rov "Hoazisirov ev ya Ws üoa Ar Inxwv ö zallıgog aloygos avdownivo (wie ich

J

27

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mt Heindorf leſe ſtatt EAAo) yEyes ovußakeivy, und dann weiter unten 7 0U xal “Hoaxisırog Tavröv roũro Atya 09 ou dnayn örı avdgWnwv Ö TopWTarog oög HEöv nidnxog paveiras „Der ſchoͤnſte Affe iſt haͤßlich mit „dem menfchlichen Gefchlecyt verglichen.” Unb wiewol dies leztere vielleicht nicht fo buchftäblich ift „der weiſeſte Menſch ‚ft gegen Gott nur ein Affe.” Ja will man Vermuthungen wagen, fo fcheint die Art wie er fih im allgemeinen über die Bedingungen ausdrüfft, unter wel: ben die einzelnen Dinge entfliehen und beftehen, eben nicht auf eine ſehr klare Einficht in das einzelne zu deuten. Denn eds fheint er habe die Gefeze, nach welchen auf verfchiedene Weife bie entgegengefezten Bewegungen einander bald hemmen bald wieder frei laffen und Dadurch die einzelnen Dinge erzeugen und zerftören, unter dem alten Dichterifchen Namen „Ziucoueyn“ bargeftellt, der immet vorzüglich der dunkeln unbegriffenen: Noth⸗ wendigfeit gegeben ward. Died erhellet aus verfchievenen mit einander zu vergleichenden Erklärungen barüber was Herakleitos unter eiuagusvn gemeint habe. Zuerft jagt Stobaͤos (Ecl. Phys. I, p. 58) Hoczısıros —, einapuevnv 62 Adyov Ex Ts ivavrıodgo- piag Önusovgyöv zuv örrav. ’Die Beſtimmung, dad Ge Schiff, oder wie man wolle, fei nach Herakleitos dad aus dem Gegenlauf alle Dinge bildende Verhaͤltniß. Denn biefer Er: Plärung von Aoyog müffen wir wol, wenn nicht fehr dringend dad Gegentheil geboten wird, vorläufig treu bleiben, da wir oben in eigenen Worten bed Herakleitod Aoyos in bemfelben Sinne gehabt haben. Nur fo kann auch ohne Zabel Dioges ned, der doc aus ähnlichen Quellen fchöpfte, nur fchlechthin fagen (IX, 7) navre Te yiveodas xaF einagusvnv, xab die rg Evavrıoryonng neuoodaı Ta navre. „Alles ges „ſchaͤhe nach ber Beſtimmung und durch bie Gegenwand⸗ „lung würden alle Dinge zufammengefügt.” Wos alter run aa

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: yavrsodgoulo und biefe lvavrıoroonn ‚bedeuten follen Mi

klar, naͤmlich den Gegenfaz in ben beiden Bewegungen und in den Berwandlungdflufen des Seins, und genau’fo bezieht fich jened auf den einen herakleitiihen Ausdrukk Odos, Diefes

auf den anbern zgony. Und offenbar find wol biefe Mörter

von den floifchen Auölegern des Ephefierd gebildet um feinen Gedanken nach ihrer Weife darzuftelen. Denn er felbft hat in folder Form Erklärungen wol nicht gegeben, und ſiſchet Gepraͤge tragen ſie ſtark.

Anderwaͤrts ſagt derſelbige (Ecl. Phys. I, p. 178, womit, aus⸗ genommen daß dad lezte auögelaffen iſt, faſt wörtlich überein- ſtimmt Plac, phil. I, 28)

425

HoaxAsıros oboiav einapusvng anspeivero Aöyov tov dia oVcieg toõũ navrög Öinxovra. Aürn Est TO aidegion Our, ANEQUR TNS TOU NaVEOg YEvEoswg, Xu EQLOdOV uſroov Terayuevns. Auch. hier ift keine Noth Aoyog anders

zu erklären, als daß bie einaguevm.ift „das des Ganzen Sein durchdringende Verhaͤltniß“ namlich) des Gegenfazed in allen ‚feinen mannigfaltigen Abflufungen; fo daß beide Erklärungen

offenbar daffelbe befagen. Das avrn aber möchte ih auf odoie ou navsög beziehen und die Worte aürn . . . yen-

‚oswg als einen Einfhub anfehn, weil ber Sammler die Ge

legenheit noch eine Definition anzubringen nicht wollte vor:

beigehen laſſen. Denn diefe beiden Erklärungen ſchikken ſich

weit beſſer für die odoin Tov navrög, welche doch in Ver: gleich mit dem fie burchdringenden Acoyog das materielle iſt. Vom grammatifchen welches ohnehin diefe Beziehung gebietet rede ich nicht, da freilich fehr leicht wäre anzunehmen daß 7 aven, geftanden habe, wenn der Sinn oder andere Autoritä- ten ed verlangten. Wie aber die Worte bier ſtehn, iſt es feine levis mutatio daß in der galenifchen phil. hist, flieht 77 d2

; eiuapusvn Esiv aidegiov x. 7. A. Jedoch möchte wol biefe

ſehr jhlehte Sammlung niemand ald Autorität annehmen.

Zu 75 ,

Sn den lezten Worten, welche Stob&o8 allein hat, möchte man, wenn fie nach obiger. Voraudfezung auf die erfie Erklärung der einogneun follen bezogen werben, flatt xal lieber leſen XOTO, Aus diefen Erklärungen folte nun wol: jeder ſchließen, Gehalte t08 habe fich des Ausdrukks eiumpuevn bedient, um die be- fimmte Weltordnung zu bezeichnen. Nun aber will eine Stelle des Plutarchos, aus der wir fchon mehrere Worte des Heraklei- tos angeführt haben, behaupten, dieſer Ausdrukk wäre dem Ephe⸗ fer fremd. Sie lautet (de anim. procr. p. 1026) ſoviel wir da⸗ 426 ' von hier bedürfen fo: ovAlußodo« Öä To ravıov.. . ..Lwn Te TV navrog Esiv Euppwv zei üguovie zus Aöyog Ayo gtet- do ueusyuevnv anayanv, nv Einapusvnv ob noAlol xalov- om, "Eunedoxing Ö2 gıliav Ouov xai veixog, Hoaxisırog 62 anhiyzgonov x. Fu... Nun mag man bad 7v auf avayın zehn, oder was mir richtiger fcheint annehnten daß es flatt 0 Behend den ganzen Saz wieder aufnehme, fo fteht Fiuagusvn ar als ein trivialer Ausdrukk da, welcher hernach überfezt wird in bie verfchiedenen Anfichten ber Philoſophen von jenen Lebens: geſezen des Ganzen ‚und der daraus hervorgehenden Beflimmt: beit des einzelnen. Allein bier iſt wol viel darauf zu rechnen, . 5 Plutarchos alle diefe Anfichten. neben einander ftellen wollte, und nicht eben daran dachte, wo vielleicht auch Eiuaguevn ein . thnifcher Ausdrukk wäre. Und was die Sache außer Zweifel 9 fegen ſcheint, ift was de plac. phil. I, 27 gefagt wird, Hoe- alsıros navza za sinagusvnv, TnVv öt aurny xl avayınv. Dies kann nur ein floifcher: Ausleger gefagt haben im Gegenfaz gegen die Erklärungen feiner Schule, welche einen Unterfchied achte zwilchen Riucouéyn und avayan, und er Eonnte kaum wf eine ſolche Darftelung gefommen fein, wenn fih nicht He nakleitos jenes Ausdrukks in der That bedient hätte. Denfelben Irfprung haben offenbar auch die Worte des Theodoretos (Vol, 42 N, m 851) xaı 6 "Hlgaxisırog d8 nova xud einapuiu

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etonte yiyveodaı. "Avayıny Ö2 iv elunpuevnv ra ov- zog wvöuaece. Nur daß er nicht recht Mar fah worauf es eigentlich anläme. Doch fei der Ausdrukk gewefen welcher er wolle, fo, hat gewiß wenigftend Herakleitos den Gedanken an Allgemeine feflftehende Naturgefeze in den Werwandlungen der Dinge auf das beflimmtefte aufgefaßt, wie auch noch aus einer Stelle des Simplicius erhellt (in Phys. f. 6. a) wo er den Hip: pafos und Herakleitos zufammenftellend als ſolche welche alles aus dem Feuer entftehen und in daſſelbe wieder auflöfen Taffen, üg Tavıng mas OVong Pioewg vg Unoxeuevng, hinzufügt grvpög Yao &uosßnV eivai gaoıv. “Hoaxkeıros Ö2 navre rosi xat Tabıy TIVa al 00909 ogLousvov TS roũ x0- ouov uerafoAng xaere Tiva eluaguevnv Gvayımv. Wo man gewiß eine durch Auslaſſung entflandene Umftellung an- nehmen und leſen muß svpog- yap auoıßijv navra eivai _ gaoiv, “Hoanisırog Ö2 no xal rakıv n.f.w. Wenn man nicht dem Simplicius von dem Unrecht helfen will dag - er dem Hippafos ebenfalls jenes zufchreibt von der auoıfr mv- 0ös, und deshalb vorzieht zu Iefen nupdg yap auoıßmv eivai grow "Houxksırog Ta navsa" ori 62 zur u. f. w. es Go war bem SHerafleitos auf der einen Seite das Beſtehen ober vielmehr das immer wieder Erzeugtwerden der Dinge duch das gleichmäßige Zufammentreffen der entgegengefezten Bewegun⸗ gen allerdings ein Schikffal, und nur aus einer vorherbeſtimm⸗ ten fi) immer gleich bleibenden Nothwendigkeit zu erklären, fo daß ed ein ganz herakleitifcher Ausdruff ift was Platon (Theaet, 160 b) fagt 7 avayın nv ovciav ovvösi, und dag wenn He rakleitos von hier aus, wie wol zu erwarten, eine ethifche Aus: ‚weichung machte zu Löfung ber Frage, wie fich nun ber Menfch gegen ben derfelben Nothwendigkeit unterworfenen Wechfel der "Dinge zu verhalten habe, ihm nichts übrig bleiben konnte als jerted : Wohlgefallen, wofür Theodoretos und den eigenthümlichen Ausdrukk des Herakleitod aufbehalten haben will (Vol, IV, p. 984 Ed. Hal)

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„Kat "Hoczieıros H8 6 ’Ey£oug Tv ud nooonyopiar „peteßahe,“ die Rede nämlich war von der ndovn bed Epi⸗ kuros und der eüdvuia des Demokritod, „av: dd dıavomav - "moaraltloınev‘ Ave yap Tng Ndovng EVRQESMNOEV TE- „Vesxev“ wenn nicht etwa eben ſtoiſche Ausleger den Theo⸗ doretos uͤber das Wort getaͤuſcht haben; und welches ihm durchaus natuͤrlich ſein mußte, da ja nur in derſelben Nothwendigkeit auch das Daſein des Menſchen. ſelbſt «0 gegruͤndet iſt. Auf der andern Seite aber, in wiefern alle eins ielnen fcheinbar beftehenden Dinge nur gleichfam nebenbei her⸗ vorgebracht werden, indem bie univerfellen Kräfte ihren Gang gehen, und alfo von den lezteren aus angefehen die mehr indie viduelle Formen des Dafeind ‚nur zufällige Ergebniffe find, Fonnte gar wol Herakleitos die Welt, die Gefammtheit der Dinge, auch) ald nur ein Spiel der eigentlich wirkenden Kräfte betrachten. Died erzählt und Clemens, aber merkwuͤrdig ben alten Weifen mißverſtehend oder verbrehend (Paedag. I, 5. p. 111) "Ayakkıcrar nveüua wv Ev Xoiso nasdiuv Ev üno- uovn nolstevousvov* xal vurn n Yeia nasdıc. Torev- any wa nailsıv naudıav Tov Eavrov Ai "Hloaxkeırog Atyes. „Und diefed,” wie nämlich der Geift der Kindlein in Chriſto fröhlich ift wenn fie in Geduld wandeln, „ift das goͤtt⸗ „sche Spiel. Und ein folches Spiel, meint auch wol Heras „Meitos, fpiele fein Zeus.” und wer eine fo verfchrobene Anführung nicht für ficher genug halten folte, um irgend etwas daraus zu nehmen, dem fagt es deutlicher Proklos (Comment. in Tim. p. 101) ; "Allos öôè xaL ToV Önuiovoyöv Ev To x0ouovpyeiv nailsıy eionxaos, xudarneo "Hoaxksırog. Daß alfo eben in dem Weltbilden Zeus fpielt. . Aehnliches hatte «50 auch Lucian vernommen, ber den Herakleitos nach den Worten & ı7 Tov aiwvos naudın fragt Ti yap 6 iv ds; und ihn antworten laͤßt reis mallar, necastwv, Ösayegöptvag, age

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\ _ liches und uneigentliches durch einander werfend. Wurde nun diefe Anficht ftärfer hervorgehoben oder mehr einzeln auseinans dergelegt, fo Fann daraus gar leicht eine folche Rede zum Nach⸗ theil des Ephefierd .entftanden fein, wie fie und Nemefios aufbe⸗ wahrt hat „daß Demokritos, Herakleitos und Epikuros weder „für daS allgemeine noch für das einzelne eine Vorfehung zuge: „ben wollten” (de nat. hom. Ed. Ox. p. 310), Auch Philo ſpricht ahnlich (Alleg. leg. II, p. 62) 6 d2 yovogsuns (nämlich 2öyog) dx xoouor navra xl Eis X00U0V Avaywv, Und FeoU ö2 und2v olöusvog yeyovevas, “"Howxksıreiov ÖöEng Ereigog, xöpov xaL yonouoovvnv, xal Ev TO nüV, xal navım Guoußf eioayav* und fo koͤnnte ganz unfchuldig auch in diefer Hinficht der Mann mit denen zufammengeftellt worden fein, welchen er am meiften entgegengefezt iſt. Ja wenn es nicht zu kuͤhn wäre, über ein einzelned abgeriffenes Wort eine Vermuthung zu wa gen: fo möchten wir vielmehr mit diefer zwiefachen. Anficht von Nothwendigkeit und Spiel in Verbindung bringen, was. Jam blichos 'erzählt, daß Herakleitos die Opfer „axex Heilungen ge: ssı nannt habe, fo nämlich daß er geglaubt, wenn z. B., augenom⸗ men ein beflimmted Gleichgewicht zwifchen Leben und Tod, frei- willig etwad auf der Seite des Todes zugelegt würde, man ba: durch etwas auf der Seite bed Lebens in Gefahr. fhwebendes erhalten und retten koͤnne, gewiß nicht ohne eine mgovose, wenn anders auf dieſe Weiſe Ein einzelned auf ein anderes beftinmtes wirken fol. Mag man auc, urtheilen dies fei ein. fuperftitiöfer Auswuchs, fo fcheint Doch dieſe Erflärung der ganzen Gebans Fenreihe ded Mannes angemefjener zu: fein, ald die welche Sam: blichos .felbft giebt (de myster. Sect..I, c. XI) „xui ds® Tovro „eixotws ala „uxea“ Hoaxisırog npooeinev wg 2Euxeao- „ueva Ta ÖEIVE ol Tag ıpwyag.Ebavreıs ünsoyalousve Toy „Ev TM YEvEces Ovupopwv.“ Denn hierin fieht jedermann zu deutlich den Platoniker. Und auch das ſuperſtitioͤſe wuͤrde ſehr gemildert, wenn man mit rechtem Vertrauen fußen koͤnnte auf

79 eine Stelle bei Elias Cretenſ. ad Greg. Nazianz, (Orat. XXIII,

p. 836) „Quos gnidem, nämlich die turpiora sacrificia darbrins

„genden, irridens Heraclitus „,‚Pargantar,‘ ingoit „„eum croore

„„polluunter, non secus ac si quis in lutum ingressus luto se

;„ablaat,‘‘ * Herakleitiſche Manier leuchtet wol genug hervor

auch aus der Ueberſezung. Doch dieſes hier nur beilaͤufig.

Weil nun nach Herakleitos dad Entſtehen und Vergehen a2 \ der Dinge in derſelben Nothwendigkeit gegruͤndet ift, und nad) feinen zulezt angeführten Worten die vollfommenften Dinge Dies jenigen find, welche alle Gegenfäze aufs vielfältigfte gebunden

enthalten: fo Eonnte er fagen, die Dinge wären auf eine folche

Weiſe zufammengefügt, daß auch das in die Verfnüpfung auf genommen wäre, was zu ihrem Dafein nicht flimmt fondern es wieder auseinanderdrängt. Und dies feheint der Sinn der Worte zu fein welche in dem ariftotelifchen Buche de mundo (c. V. p. : 179) aufbewahrt find, und unter der Form einer Bereitungdvor: | ſchrift von dem Weſen der einzelnen Dinge reden.

37. Tavro ö2 Tovro, nämlich die Verbindungen ber Ge: genfäze, 7V xat TO nagk Ta oxoreivo Asyousvov "Hoaxkei- zw» ovvayesıag odÄe xal oiyl oVie, ovugpsoo- nevov [xab] Ödıapsgouevor, avv&dov [xet] dıa- boy. xal Ex navrwuvy Ev Kal EEE ivöocnavreo. Die eingeflammerten xal verbienen wol -gelöfcht zu werben wie fie auch bei Stobaͤos (Eel. Pbys. I, p. 690) fehlen; nicht fo aber ‚bie Iezten beiden. Denn ein nicht abzumweifended Gefühl be: bauptet, die Worte &c— navre enthalten eine andere hera⸗ Heitifche Stelle, oder vielleicht auch nur. eine von fpäteren, um 433 feine ganze Denkart zufammenzufaffen, aufgeftellte Formel, welche unfer unbekannter Autor hier mit beifügt, weil fie ganz allgemein das Verknuͤpftſein des entgegengefezten ausdruͤkkt. Was aber hier-odde xai oüyi ovAm heißen folle, hleibt zwei: felhaft. Woran man zunächft denkt, ganzes und unganzes giebt Feinen veinen Sinn; wie unſer Autor & 1 viheen

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ſcheint durch 0009 xui negıpepis, will nicht ſtimmen zu dem nie mathematifch auftretenden Herakleitos, und fo will kaum etwad andered übrig bleiben, ald, wogegen fich auch noch manched einwenden läßt, zu uͤberſezen „Verknuͤpfe verberbliches „und nicht verberbliches, zufammentretendes und auseinander: „gehendes, zufammenflimmended und mißflimmiged.” Und „Aus allem Eind, und aus Einem alles.” Und weil auch alle entgegengefezten Zuftände ber Dinge eben fo wie dad Entftehen und Vergehen felbft nur gegründet find in dem fchwanfenden Uebergewicht derfelben immer vorhandenen Ges genfäze, denen auch dieſes Schwanken wefentlich ift: fo Eonnte Herakleitos auch die entgegengefezten Zuflände dem Weſen nach als baffelbige anfehn, wie dies auch gefchieht in einem Bruch⸗ ſtuͤkk bei Plutarchos (Consol. ad Apoll. p. 106)

4 38. Kain gmow Hoaxksırog „eavro T vs (bis auf befferen Rath Est) Gwv xal TeÜvnxog xalb TO Eyor- y000g xal TO xaFEeVboV xul vEoV xal Yngaov“ Tas. yap ustantöovra Exsiva Esı, Kaxeiva naAıv ueTane oovra ravre. „Und wie Herakleitos fagt, daffelbige ift das „lebende und das todte, dad wachende und dad fehlafende, dad „junge und alte.” Denn die noch folgenden Worte mögen wol ſchon zu der Erklärung des Plutarchos gehören, der, wie er ed befonderd mit Leben und Tod zu thun hat und hernad) ausführt dag die Natur aus demfelben Stoff nad) dem Tode ded Einen wieber einen andern bereite, Dad vE0v xal Yrgmıov, wozu bie Erklärung fich nicht fonderlich ſchikken will, überfah.

Eben fo natürlich ift ferner die Behauptung und allem biöheris

gen volllommen angemeffen, daß überall die Gegenfäze nothwen- dig zufammen gehören, ja vielleicht daß Fein Erzeugniß der Na: tur ohne einen ihm. eigenthümlichen Gegenfaz beſtehen Tönne, Hierauf nämlich ſcheint ſtark zu deuten eine Stelle in ben ari⸗ ftotelifchen Werken (Eudem. VII, 1)

Koi 'Hoaxisırog Enıriuz Ta nomoavsı Sg Epig Ex Te

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Hewv za Evdownuv Enbloıro' 0 yap dv eivas apuo- viav un Övrog öftog xal Aagkos, ovdE Ta wa üvev üß- bevog xal ImAeos, Evavriov Ovrwv. Gie führt uns, wies '- man fieht, auf früheres zuruͤkk, und wenn ſie woͤrtlicher und nicht in indirecter Rede da ſtaͤnde, koͤnnten wir ſie an den Zuſaz des Simplicius zu jenem Tadel „weil naͤmlich ſonſt „ohne Krieg alle Dinge dahinfahren wuͤrden,“ anknuͤpfen als Fortſezung „denn es gaͤbe keine Harmonie ohne hohes und „tiefes, und keine Thiere ohne maͤnnliches und weibliches, „welches auch Gegenſaͤze ſind.“

m. Und wenn er hier irgend ins ethiſche hinuͤberſchweifte: fo war

4, ſeht leicht zur Befeſtigung in jener edegesmoıs bie nicht minder

b nihtige Folgerung zu ziehen, daß alfo die Menfchen mit Unrecht

fh fo oft über die Eine Seite ded Gegenfazed ald über ein - Uebel befchweren, weil ohne fie auch bie andere dad nicht fein würde was fie iſt. Durch viele Beifpiele Tonnte er fuchen die ſes gemeinverftändlich zu machen, und von diefer Seite ift wahr: | ſcheinlich auch anzuſehen ein Bruchſtuͤkk, welches und Stobaͤos*

| (Serm. Tit. III, p. 48) aufbehalten hat.

39. -Avdownoıs yivsodaı, 0x00@ FEklovoıy, oVx &usıvov. Novoog vVyeiav Enoinosv ndvxeal ayadov, Aunög x%0g0V, zauaTos Kvanavaıy“ Sp weit nämlih Tann man füglih alles ald Eine Stelle anfehn, Da es ja genau genug zufammenhängt, und hat nicht ass nöthig, wie in den Audgaben bed Stobaͤos gefchieht, bei aueı- vov abzufezen; fondern das erfte „Daß den Menfchen werde „was fie begehren, wäre um nichts befjer” ift als Einleitung anzufehn zu dem folgenden „Krankheit macht erſt die Gefund> „heit angenehm und gut,” wiewol ich nicht dafür einflehen möchte dag biefed 7dU zur ayadov buchftäblich fo vom He

rakleitos herrühre „Hunger die Sättigung, Ermübung die Ruhe.” Eben hieher, um nämlich die nothwendige Vereinigung der Ge: genſaͤze anfchaulich zu machen, möchte ich. auch jene Iymbalikhe Schleierm. 8, II. 2 °

82 '

Gefchichte bringen, Weiche Plutarchos und erzählt (de garrıl, p. 511) aber ſelbſt mißverfianden zu haben fcheint; nämlich Her Heitod von feinen Mitbürgern gebeten ihnen einen Lehrprug über die Eintracht vorzutragen fei auf die Bühne geftiegen, habe einen Becher Falten Waflerd genommen, Mehl hineingeftreut, & mit dem Poleiftengel umgerührt, und ausgetrunken, und fei dam davon gegangen. Denn eine yon über die Eintracht wird diefe Geſchichte fogleich, wenn Herakleitos zeigen wollte daß nur das _entgegengefezte im Staate, wie hier Mehl und Waſſer, troff; nes und naffed durch dad Umrühren, recht gertau muͤſſe verbun ben werben, um gebeihliched und fchmaffhaftes daraus zu bei

#37 ten. Unverftändlich und fchlecht aber fcheint die Gefchichte zu werden, wenn man mit Plutarcho8 erflärt, der Weile habe an deuten gewollt, Friede und Eintracht würben ihnen nicht fehlen, fobald fie nur einfacher und weniger Dinge bebürften. In dem

- Polei aber möchte ich am wenigften irgend etwas fuchen. Die war ein gemeined Gewürzkraut, und wie man einen Wein da mit bereitete, fo brauchte ihn gewiß auch dad gemeine Volk um dem Mehltrank einigen Geſchmakk zu geben.

Diefed nun zufammengenommen Tann man dem Philo nicht Unrecht geben, wenn er (quis rer. div. haer.) fagt „Der große „und vielgepriefene. Herakleitod habe feiner ganzen Philofophie „dieſes ald den Hauptſaz vorangeftelt und fich defien als feiner „Erfindung gerühmt, daß nämlich dad Eine fel Dad aus beiden „Segenfäzen beftehende, durch deſſen Zertheilung erft die Gegen: „ſaͤze erkannt würden.” Nur muß man das Boranftellen kei— nesweges ganz buchſtaͤblich verſtehen, und ſo auch in den Wor ten „ev yap TO EE augoiv av Evavrimv, od TundEvtog y-

„oma Ta Evavria“ nicht eigene des Herakleitos fuchen, ſondern eher an einen fpäteren Ausleger denken, der alles möglichft de Schulſprache annähern will. \

Ueber alled Diefed nun iſt Herakleitos von Ariftoteled auf

bad bitterfte getadelt worden, ald ob er alles Denken und alles

*

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Reben aufböbe, weil er anmähme alles fei und fei auch nicht, ae alles fei wahr und alles fei falfch, "und von jeglihem Dinge inne man mit Recht das entgegengefezte behaupten. Zuerſt ift das dritte Buch der Metaphyſik vol diefer Beſchuldigungen von Anfang bis zu Ende. Denn wenn er auch Anfangs c. III ſagt „& kann niemand fi vorftelen dag dafjelbige fei und auch „nicht fei, wie einige vom Herakleitos meinten,” fo ift diefe Recht: fetigung nur bed Arifloteled eignem Grundfaz zu Liebe da, weil ia fonft, wad von feinem Dinge gelten fol, wenigflend von die: fen Herakleitos gelten müßte, daß ihm wiberfprechended zugleich, _ widerfprechende Meinungen nämlich, zukaͤme. Behandelt aber wird er durchgehends fo, ald wäre dieſes wirklich ſeine Meinung in demſelben Sinne in welchem es der Logik des Ariſtoteles und dem Saze des Widerſpruches zuwiderlaͤuft. So wird als eine Rede des Herakleitos angegeben c. VII, daß alles ſei und auch nicht fei, und gefagt Daß dieſem Saz zufolge alles wahr fei. Hiedurch wird auf der einen Seite ein Gegenfaz aufgeftellt zwi- fhen Herakleitod und Anaragorad, welchem lezteren Ariſtoteles nicht nur dad Opov navre zonnera vorrüfft, fonbern auch eine durch Tradition erhaltene mündliche Rede, daß er zu feinen Freun⸗ den gefagt, die Dinge wären ihnen ſolche wie fie fich vorſtell⸗ ten, und. wegen biejed beiden wird von ihm gejagt, nach feiner ao Lehre fei alles falfch, weil er ein mittlereö” annähme zwilhen - ben wiberfprechenden Behauptungen; was im Eingange feines Commentars zu diefem Buche Alerandros fehr unbeforgt auf den Herakleitos überträgt. Späterhin aber wirft auch Ariftoteled auf dee andern Seite wieder beide zufammen ald folche die beides behaupten, alle fei wahr und alles fei falſch. Auch anderes in diefem Buche, wobei Herafleitod nicht genannt wirb, beutet der Commentator Alerandros wie der Zufammenhang lehrt, ganz rihtig auf ihn, wie die Stelle c. IV. Eioi Ö2 rıveg, xa- Hansp Einousv, alroi ve Evöiyeodai Ypacı TO aurd eivas 0) un eivas, zul inolaufavew oirwg. ygwvras Ö2 Tu Adya 52

nn 54

zourw noAAol xal Twy neo) gvoeng. Nur e. V, wo inditekt die Meinung widerlegt wird, als ob über benfelben Gegenfland derfelbe Sinn zur felben Zeit wibderfprechendes ausfagen Eönne, denkt Ariftoteles offenbar nur an Protagorad und an Sophiften, was aber Alerandros auch auf den Epheſter deutet. Weberhaupt muß aus diefem Buch einleuchten, daß jener berühmte Commen⸗ tator dad Werk des Herakleitos nicht in Händen gehabt hat, a müßte es denn zwar gehabt aber überall nicht hineingefehen ba ben; fo nachläffig geht er zu Werke, nicht eine einzige Stelle an

«0 führend, nicht eine eigene Bemerkung hinzufügend über den Sinn

der herakleitifchen Säze, fondern immer nur ven Ariftoteled aus ſich ſelbſt wederholend. Im zehnten Buch wird auch c.’ V. ge

- zeigt, was dabei heraus komme, wenn ein Menfch dem Saze

-

ded Widerfpruchd widerfpreche, und Ariftoteled meint „auch He⸗ „rakleitos felbft, wenn man ihn fo auöfrage, werde wol am Ende „eingeftehen muͤſſen undenore Tag ayrızeınevag paosız Övva- „06V eivas xara Tuv alrwv dAmFeveodar viv Ö’ od ov- vıeis Eavrov Ti note Atyes Tavınv Elaße ınv okay.’ Und eben fo vornehm im folgenden Gapitel Ovre In za” Howxleı- rov Evösyera AEyovra aAndFevsv, ovre xar Avakayogev' si Ö2 un, ovußmostas Tavavıia TOV aÜToV XaTnyogeiv. Sollte aber jemand unbillig finden, was in der Metaphyſik ſteht alles auf ben Ariſtoteles zu waͤlzen, der findet dem Weſen nach ganz daffelbe auch Top. VIII, 3. olov, dyadov za xuxov ei- var ravıov, zadeoneo 'Houzkeırog Ypnow, und Phys. I, 2 "Alla unv ei ro Aoym Ev ra övra navra rov "Hoaxkei- tov Aöoyov ovußaivs Aeysıv avToig TaVTov yap Egas Kuh eyaya xal xuxo zul un dyado eivar za üyado, Bei welcher Gelegenheit und Themiſtios (fol. 16. b) alle die fchönen Sachen aud der Metaphyſik wiederbringt „zavrov yap &6as avroig xara Toy A0yov Tg OVoias PvrOV avdEWNOog, NTN-

41 v0%, TO AYadov xal xaxov, anloc ÖL Tavavrız" auvaly-

Heveı Ö2 YUTw xab 7 avripaan. .: .

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Den Ungrund dieſer Beichuldigungen des Arifloteles aufzu⸗ kken, und zu zeigen. wie, er.babei dem Herakleitos überall ein: sein und ein Zugleich leiht von welchen jener nichts weiß und rad ſonſt noch für Verwirrungen darin liegen, dies gehört nicht ieher; wol aber ift daran gelegen,.. daß jeber ſich überzeuge, ed jehen in ber That dieſe Beſchuldigungen des Ariftoteled auf nichts indered, ald auf die bisher angeführten und ähnliche Darfteluns zen. : Died iſt aber fehr Leicht zu fehen. ‚Denn offenbar geben -- fie auf etwas allgemein befanntes von herakleitifcher Lehre, weil, wenn fie nur Folgerungen wären aus einzelnen dunkeln unbe tannten Stellen, alsdann Ariſtoteles nicht unterlaffen haben würbe dieſe anzuführen. Folgerungen aber. enthalten. fie offenbar nur; denn daß Herakleitos logiſches diefer Art als ſolches vorgetragen, het keiner von denen behauptet, welche ſein Werk kannten, und eb kann auch keinen fo beduͤnken, der. irgend verſteht aus abge riſſenen heilen fich dad Bild eines Ganzen zufammenzufezen und der an dieſes Gefchäft geht mit einiger: Kenntniß von dem Zeitalter des Herakleitos. Nun ift aber eben jene Lehre unter den befannten und von allen Seiten beflätigten diejenige welche on leichteften auf folche Befchuldigungen führen konnte, und fo Neibt nichts anders übrig als fie nur hierauf zuruͤkkzufuͤhren. «ae Ich kommt uns zu Hülfe der vortreffliche Simplicius, welcher a der ſchon sben angeführten Stelle (ie: Phys. f. 11. a) ſtill⸗ Ihveigenb ben Stagiriten zurechtweifet, Herakleitos habe in der ‚Sat keine ſolche Fecıs vorgetragen, ſondern es ſcheine nur fo, ſines Ausdrukks wegen, dem aber die ſchulmaͤßige Beſtimmtheit He. Und offenbar durch den Stagiriten und feine Commenta: wen bat fich auch Sextus verführen laffen, ähnliches von He Mleitos zu fagen; wiewol nicht recht zuverfichtlich, wie es fcheint, ud nirgend dad gefagte durch rechte Anführungen belegend, fo ex fchon deshalb den oben wider ihn auögefprochenen Zabel mbient, aber doch einen Theil davon auf feine Weberlieferer zu⸗ ikkwerfen kann. So ift ziemlich verworren: die Stelle Prrrh.

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Hyp. 11, 59. Fréu uEv dam Ibeyiov dmwom, ad nv gnos unddv sivas, Erepu Ö2 9 "Hoaxksizov, x 17V pros score elvas; denn das ariftoteliithe navra elvas xal en. eivas hat einen anden Sinn, und nur wenn man daran denkt wie Gorgiad dies Nichtfein erwies, findet - man den Vergleihungd punkt. : Ganz ariftotelifivend ift eine andere Stelle ebendaf. 8.63 Ö iv Annoxgirög. äipn- pyte yAvxü uvro, nämlich To weis, 3 eyes. ante suxoov: 6 02 "Hoaxısırog ampörspe. ben fo verführt war auch ſchon fein Vorgänger Aeneflvemos, welcher nach Pyrrb. I, 210 gefagt haben fol, die fleptifche- Philoſophie fei der Weg zur herakleitifchen, weil die Skeptiker wol fagen von bemfelben Dinge fcheine uns widerſprechendes, die Herakleiter aber. hievon wieder übergehn Dazu daß es fich auch daran befinde, V. Sehr merfwürdig aber iſt was Ariſtoteles in Werfolg der angeführten Stelle Phys. 5 2 fagt. Nämilidy nad) dem obls gen, daß nämlich wenn die Dinge der Erklärung nad) Eines wären wie Rokk und Kleid, alsdann jener Saz des Herakleitos müffe zugegeben werben, daß auch gut ſein und nicht gut fein daſſelbe wäre, fezt: er noch hinzu 2a 6) sup) To dv eivar ra Öövra 6 Aöyog &sas, Alld- aeg) Tod undiv, zei Tö- tomöl eivaı od To rooꝙòot ræv- z0v. Wo man wol entweder leſen muß xal zo ommöl eivas zo Teaovö) Tavıdv ober xal vo Toiovöt eivaı xal T6 To- covöl ravrov- „Und nicht davon dag die Dinge Eins find „wird die Rede fein, fondern davon daß fie nichtd find; und „ſo beichaffen fein wird daffelbe fein wie fo groß fein.” -- So fehr nun auch dad erfte mit dem Nichtd eine wunderliche Folgerung ift: fo liegt in dem Iezten doch ein fo richtiger und aa tiefer BIER wie ihn Ariftoteled in diefer Art felten bat, fo daß ich auch vermuthen möchte, Herakleitos felbft muͤſſe dieſes ziem⸗ lich deutlich ausgefprochen haben, daß allerdings die verfchiebegen Qualitäten, wodurch bie einzelnen Dinge fi von einander uns terfcheiden, nur Quantitäten wären von dem Einen; und alfe

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wie Simplicius zu der Stelle fagt, eu oüzwg Ev vo 09... nic: 1) solvuevunia yevjostas c& navea (ie Phys. f: 18. a). -"Unb. s; dies führt und zuruͤkk auf Die vorher fchon im allgemeinen ers: * mähnfe Lehre vom Feuer, an welche unfkreitig auch Ariftoteles 5; an unferer Stelle dent. Nämlich eine folche Einerleiheit aller - Ü Dinge behaupten nad) ihm alle diejenigen, welche nur Ein Prins ) zip, Aicey Gpynv, Eine allen Dingen zum Grunde liegende Na: tur, „ulov ürroxeuukvnv Yvosv“ annehmen, und aus diefer, es : fi nun durch Verdichtung und Verdünnung ober durdy „mehr und „weniger“ das Viele entftehen laſſen. Diefen nun zählt Arifloteles überall auch den Herafleitos bei bald namentlich bald ſtillſchwei⸗ gend, aber doch fo deutlich daß feine Gommentatoren ein überfläf: figes thun indem fie und den Namen: ergänzen. Und dies ift eben unfere Klage, daß Ariftoteles fo ohne Unterfchied was Herakleitos vom Feuer gelehrt hat neben die Lehre des Thales vom Wafler ſtellt und des Anarimened von der Luft, ohne zu beventen, daß biefe beiden wol nicht von der allgemeinen Anſchauung bed Flie⸗ 215 gend und Verfließens aller Dinge ausgegangen find, und es ih⸗ nen alfo eine ganz andere Bedeutung haben muß, wenn fie ein. Element als bie @oyn von allem anfehn. Ja man kann faft fügen wider befleres Wiſſen thue Ariftoteles dieſes; Denn ander: ı wärtö (Phys. III, 5) fagt er ausbrüfflich „es habe Fein Natur: „orſcher das Eine und unendliche ald Feuer oder Erde beftimmt, „ſondern nur als Wafler oder Luft oder das mittlere zwiſchen „beiden;“ und der Grund den er hiezu anführt, „weil nämlich „euer und Erde nur nad) einer Seite hin beweglich find, Waſ⸗ ı ‚fer und Luft aber nad) beiden,” zeigt eben dag das Feuer gleichviel auch ob ed aneıpav ift oder neneonausvo» nicht Tönne iR demſelben Sinne Goyn fein “wie Luft oder Waſſer. Daher auch vorzüglich immer etwas fchiefes in der Darftelung liegt, | 100 von dem Begriff doyn ausgegangen wirb, wie Metaph. XI, 1. | wo es beißt, die Damaligen, weil fie mehr Aoyıxws zu Werke f gingen, festen r& xadorov als ovale; und dexas, die alten

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‚aber ra za Euaca, 0lov nüp xal yıjv, was einen ganz fal= ſchen Schein giebt; denn dad Feuer wie ed wahrnehmbar vor= fommt, iſt dem Herafleited eben: fo wenig eine @oyn und eine wahre oudic, wie jedes andere erfcheinende Ding. Eben fo Me- us taph. I, 7. u2v zao &v Ödksis goiyeswöisetov eivas &v- twov EE 00 Yiyvaraı Ovyxploe B roroõũrov Ö2 TO ut- vgonegesarov xal AENTOTATOv av Ein Tmy OOuaTWV —R 000: vo agyiv TuFeaos pihıge Önokoyavuzvug To Aöya TOUTW. AEYOLEU und Metaph. II, 4, &reoos- Ö2 Up paoıy eival Öv roũro kat To &v EE 00 Ta Dvra eivai Ts zul YEYOVE- var. . Denn beide Stellen fünnen gar leicht den Gedanken erre— gen, als habe Herakleitos an eine elementarifche Grundgeftalt dei Feuerd gedacht, was vielleicht: non dem Pythagoreer Hippafos gelten ann, der freilich auch hier (Metaph. 1,3) mit Herakleitos zufammenfteht, von diefem felbft aber .niemald; wie ‚denn überall ber Begriff eines Soszeiov den. man wol aus Empebofled und

. Anaragorad auffaffen kann gar nicht in feiner Gedankenreihe vor: fommt. Schon Aler. Aphrod. zu Metaph. II, 4 druͤkkt fich über das Verhaͤltniß ded Feuers richtiger aus „Ali vero natorales „auctores ignem uni et enti substernebant, ut Heraclitas,‘* (Ges leitet ift freilich Der Commentator hier durch andere Stellen des Ariftoteles felbft, der anderwarts nach richtigern Ausdruͤkken fucht, wie Phys. I, 6. wo er diefe Naturforfcher befchreibt als gta» TAG play eivaı Akyovtss TO av, und wo er waß fie fo ans fehn als gleihfam die Grundform des Ganzen TO Unoxeiuevav nennt, Allein auch in folchen Stellen begeht er, ohnerachtet des «7 von ihm felbft anerkannten Unterfchiedes zwifchen Feuer auf ds ner und Waſſer und Luft auf der andern Seite baffelbe Unrecht; und fcheint Deshalb auch anberwärtd wieder dem Thale und Anarimened die Anficht bed Herakleitod von dem Fliegen aller Dinge unterzufchieben. So de Coel, 1II,1. Oi ö2 7a u2v all navra yiveodai TE Yacı zul 6eiv, eivaı ÖF nayiwg add, Ev dE Te uovoy Unouövew, 2E 00 TRUra NEvIa. ueraoyN-

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nerilsodns sueguxev, öneg Eoixaoı PoviAsodhas Akysıy aAdos ıe scoAAol za Hoczisırog:ö ’Eyeoos, wo man freilih nicht weiß wer biefe vielen andern find, wenn nicht die übrigen alten .: Phnfiologen, wie auch Simplicius (f. 138. 139) erklärt, bemers Ib dabei, wie er denn immer wenigftend auf richtigem Wege Hiſt, „biefed Eine fei dann zwar ein ungeworbened, aber doch nicht „ein unbewegtes, wenn doch aus feiner Verwandlung die andern „Dinge entftehen follen,’ und auch noch von dem Herakleitos ? fh fagend, „‚er habe fein xoıw0v Unoxeiusvov ald das einige * angeworbene angefehen.” Warum tft aber der treffliche Mann nicht einen Schritt. weiter gegangen, und hat bemerkt daß dem Heralleitos das Feuer doch ‚auch muͤſſe ein gewordenes fein, weil es immer werde aus der Zuruͤkkwandlung aller Dinge? Dann würde er geſehen haben daß es beides iſt im verſchiedener Hin⸗ ſicht, ein gewordenes und ‚ein ungewordenes, fo naͤmlich daß us Herakleitos, ausgehend davon daß nichts beſtimmt wahrzunehmen iR als werdendes und fließendes, genoͤthiget geweſen für dad wahrhafte Sein, von welchem alles werdende nur verſchiedene Geſtalten find, fich ein darſtelleudes Bild zu borgen von dem werdenden, und bazu eben das Feuer gewählt habe. Und dieſe Einficht lag dem Simplicius befto näher, da er fi an Einer -Gtelle wenigftend über den Grund dieſer Wahl des Herakleitos ganz richtig erklärt, wenn er fagt (in Phys, f. 8.) „Herakleitos “habe dabei geſehen auf die Lebenerzeugende und bildende Kraft ned Feuers;“ denn eben weil ed Leben und Bewegung hervor: ! kingt war ed ihm zunächft dad Bild des zum Grunde liegen den Seins, welches die Quelle alled Werdens iſt. . Eben fo er: Meint e8 auch in der ftoifchen Theorie, nach Gicero (de nat, Deor. AI, 44) der! zwar nicht beflimmen will ob es beim Hera« ' Beitos eben fo gewefen „Omnia vestri, Balbe, solent ad igneam „vim referre, Heraclitom, ut opinor, gequentes, Vos autem „#a dicitis, omnem vim eese ignem ... id vivere, id vigere quod „ealeat.‘“ Ueberdies Tannte wenigſtens Simplicius die Haupt:

9%

ſtelle, in welcher Herakleitos am allgemeinften, und vielleicht aude zuerſt in feineni Werke, fich über Die Bedeutung und den Wert

ad des Feuerd in diefer Hinficht ausläßt; denn er führt das weient-

liche daraus an (in libr. de coel. f. 68. b) : 89 oig pnot „ergo avanıwy, za Hera aßevvig.“ Dem

niemand wird wol zweifeln, daß bied aus berjelben Stelle ge nommen fei, welche wir fchon oben (N. 25) angeführt, damals

aber diefen Theil derfelben übergangen haben. Dort freilich,

‚bei Clemens ſteht anrouevov uston xal ünooßervöuevov

"nerga, und da Simplicius flatt deſſen nicht nur das active ſezt, ſondern auch die maͤnnliche Endung, die weder auf etwas in ſeiner Rede gehn kann noch ſich auf nvp beziehen laͤßt; ſo Tönnte man glauben, er habe eine ähnliche zwar aber Doch andete Stelle im Sinne. Allein da gerade über diefen Xheil : der herakleitifihen Lehre foviel von allen: geredet worden ifl, und ſich nirgend eine Angabe findet, woburch jene männliche

Endung koͤnnte gerechtfertiget werden: fo muß man entweder

eine Gorruption vermuthen, oder, da ohnedies höchft unwahr⸗ ſcheinlich iſt daß Simplicius dad Werk des Herakleitos felbft beſeſſen habe, muß man glauben troz des dv oig gras, daß er nur aus einer mittelbaren Quelle gefchöpft habe.

Denn fchon aus jener Stelle (N. 25.) geht ganz offenbar hervor, dag dem Herakleitos das Feuer in einem ganz andern Sinne

ss Princip der Dinge war ald den andern beiden Luft ober Waſſer,

%

daß er nicht audging von ber Vorſtellung eines gemeinfamen Elementes aus welchem alles‘ muͤſſe entſtanden fein, oder wovon, als von einem verwandten zwar, doch aber verſchiedenen, die Dinge, ſich nähren: denn weder von Thales noch Anaximenes weiß man, daf fie gefagt hätten, die Welt fei nichts anderes als ein bald fo bald anders fich zeigended Waſſer ober eur: wie Herakleitos bort ſagt

„die Welt, dieſelbige aller, hat weder der Goͤtter noch der

„Menſchen einer gemacht, ſondern fie war immer: und iſt und

- gt: xwird fen immerlebenbes Feuer, mit Maßen ſich entzuͤndendes, „mit Magen fich verloͤſchendes.“ Was bie Worte 709. adzön andvrom bedeuten ift allerdings zweifelhaft: Plutarchos führt ben Anfang berfelben Stellt (de asim. procr.’ p. 101%) ohne biefe Worte an xoonov vövde, .qmolv "Hodeksırog, o ũr e rıs Heavy ott FIETPLTT 230427089. . Allein er kann bier leicht abgekürzt. haben, weit jene Worte zu feiner Abficht gar nicht gehörten: Beobachtet man fie‘ aber fhr:fich, fo koͤn nen fie einen: zwiefachen Sinn haben. . Sie können, anarran als Nentrum angenömmen, eben jened ausdruͤkken follen, was fo viele fpätere Beugniffe dem Herakleitos zufchreiben,: ex habe nur. Eine: Welt angenomnien, nicht mehrere. Die’ Welt, Dieti „@ine und felbige aus. allen Dingen“Allein hiezu müßte man vorausſezen, nicht mar daß Herakleitos fich felbft in Op⸗ pofition. gegen Diejenigen geſezt, die. iehrere: Weltipflenie. anz nahmen, ſondern auch daß er in feinen Werke ſchon che er die Lehre vom Feuer abhandelts jenen Wiberſpruch ausgeſpro⸗ chen babe, was kaum denkbar iſt, du er nur auf ſeiner Mei⸗ nung. vom den Geſtirnen beruht. Sie koͤnnen aber auch, arrav- Toy als Masculinuns, heißen „‚die Welt, dieſelbige für alle, „Menſchen,“ und fo auf den Saz gehen, daß die Welt dar" ſchlafenden eine andere Melt if: als die der warhenden. Ber mir nicht glauben: will daß diefer Sag jener Hauptlehre vom: Fdeuer Yorangegangen, dem bleibt: wol: nichts übrig als anzu⸗ nehmen, daß auch Clemens bien nicht aus dem Werke des He⸗ rakiritos unmitteldar geſchoͤpft habe, ſondern aus einem Com⸗ mentator ber in Bezug auf fein eigenes vorhergegangenes jene Worte eingeſchaltet. Das aröusvor ron Aal anoofevvinevov uerea flirt er.. gewiß jeder: der. üunfere Stelle für ſich betrachtet von den muntexbrochen nach: verfchiebenen Maag vor ſich gehenden Vers Konblungen, indem nad) einem andern Maaß dad Feuer fich: eatzuͤndet, wo Erbe unmittelbar in Feuer übergeht, nad, cinema

92:

andern. wo Mrde in. Meer, denn: auch das -ifl-- ja, fchen ein par⸗ tielles Entzuͤnden, oder wo Meer, in Feuer; umb fo auch umge— Tehrt vom ‚Werlöfchen.. - Auch kann nur in biefem Sinne Die Melt gleich geſezt werden. dem ſo nach ewigen Geſezen wechſeln⸗ ben Feuer. : In fo fern nun das Feuer frei erfcheint, ald Flamme vorzüglih.. ober als Toncvuo, fl. es eben fo ein geworbenes ver: gehendes Ding: wie jebed ‚andere, Daher auch. manche fleißig und mit Mecht erinnern ,- bad Feuer in dem höhern Sinne fei nicht die. Flamme, fondern..nie ‚Fegum .oügie ober. die Loves ovaic. ‚Daher auch bei: Gicero- die - vorfichtigen Ausdruͤkke, bie er: doch wahrſcheinlich aus: Stoikern uͤberſezt, iguea vis, und id "uirere:'quöd ‚osileat. „Denn: yuy«in. jo fern es gebunden aber doc jenem: ahnlich als Wärme abe Empfänglichkeit für Wärme al: Ien Dingen einwohnt ald- ihre bewegende belebende Kraft und fie ‘alle durchdringt, mar es ihm, das Schema von. dem: Reben und: Sein her. Welt, Die Stundform aller Dinge; Weil ed nun fo ald die bewegende alles .belebende und durchhringenbe: Kraft gedacht. wurde: jo Tonnten ſpaͤtere vorzüglich chriſtliche Bericht⸗ erftatter gar wol: fagen, Herakleitus fehe daß Feuer als Gott an, wie. Clemens thut (Cohort. V, 55) Zlegueviöng dd... Hearg 153 ganyfoazo ug xab yiv: Goregoy- ÖL aüralv 10Vov To nüg Heöv üneıimparoy “Inneoos Ta 6 Meranovrivog xai “Hon- »heıras a" Egpeoıog. Menn: er aber, hernach hinzufügt roͤ ya zig Tovro, welches nämlich HlogazAeıros ala &ox&yovos verehrte, ärepov "Eipaısov urönasav, fo überfieht er, ven Unterſchied zwifchen dem zum Geunde liegenden Feuer und Dem erſcheinen⸗ den; denn, nur lezteres haben die Dichter vom Homeros an He phäftos genannt. Man fehe Heracl. Alleg. Hom. p. 446: du« roũro av ökvrarnm plöya,ovveyag "lıöv re za: ie srona- eyogever To Ei yug nvo "Hgassov, Eroiuwmg anröus- vov Ts xal oßsvvunevor, welche Stelle noch überdies einen he⸗ rakleitifchen Geſchmakk hat. Gewiß wenigftens. hat Herakleitos ſelbſt das Feuer in jenem höheren Sinne und das in ben höhe

v.

N

93 | sen Räumen fich entwikkelnde Licht als deſſen reinſte Erſcheinung Zeus genannt.’ Darum nennt er jene Himmeldgegehd -(&. oben | 9.30. &. 396) die Grenze des aidolov sog, und wo er die | | |

—:

Anordnung ber Welt und die Folge der Dinge ald ein Spiel 1 de3 Feuers betrachtet, da ift es Zeus welcher fpielt.i So iſt ges wiß auch viel herakleitifches enthalten in einer nur in Bẽezug ! auf die Ableitung des Ölxasov und auf die Uneinigkeit der Ans : Vinger des Herakleitos fcherzhaften Stelle des Pläten: (Cratyl. p. 412) „daß es in dem befländigen Wandel ein durch alles „andere bindurchgehendes gebe, welches auch "was ſchnellſte und ssa „feinſte ſei; denn es Fönnte nicht durch alles feiende gehen, „wenn es nicht jo fein wäre, daß nichtd es faffen könne, und „jo ſchnell, dag in Vergleich mit Ihm alled andere ruhe.” Man ſieht hieraus wie jene zu materielle Darſtellung (Arist. Metaph. 1, 7) entftanden ift, daß dad Feuer feine Stelle erhalte ald das soyemögsatov xal uixgouspdgerov owuarwv. Auch gewiß auf diefe platonifche Stelle ſich gründend berichtiget Simplicius bie andere oben angeführte bes Ariſtoteles (de Coel. III, 1) welche dad Feuer als dad unter allen Umwandlungen bleibende, Uno- nEvov, barftellen wollte, daß ed keinesweges ein ruhendes fei, fondern vielmehr das eigentlich fich bewegende und umwandelnde. Auch ſieht man wol nirgend fo deutlich als hier,‘ wie die Vor⸗ ſtellung des Herakleitos vom Feuer zufammenhängt mit feiner Hauptanfchauung von der allgemeinen Bewegung. "Auch jener Unterfchied zroifchen dem ewigen immerlebenden Neuer und dem eriheinenden kommt im Berfolg bei Platon ausdruͤkklich vor, wo gefagt wird nicht die Sonne fei dad gefuchte, fondern wUrö zo nüp oder vielmehr aurd Heguöv Ev ra nuoL Evov. Derſelbe findet fich ebenfalls leiſe angedeutet in einem herakfeiti- hen Fragment bei Clemens J 40. H, ws gmow “Hocxasırog, TO un ÖUVov aWg as ı @v reg Aados; (Paed, II. 10. p. 229) wo Tis Aados vers | dorben if, und zb, wie Gatafer (ad Ant, p. 2): wi, vuht

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ſprachmaͤßig; richtiger wäre zıva „‚da8 nicht untergehende wie „toͤnnte das jemand verborgen fein?” wenn man nicht auß Clemens porhergehenden Worten Anosras —Tıg, auch hier le ſen will zig Aadorro mit wenig verfchiedenem Sinn. Denn, indem. er. dad Seuer in biefem Sinne da3 nie unterge hende nennt, fezt er ed gewiß der Sonne entgegen ald dem uns tergehenden. Auch die vorhergehenden Worte des Clemens felöfl beflätigen Died Anceras udv yap lowg TO alodnToV gug Tis' 02 vontov advvarov Esıv (wenn man nicht lefen muß @dv- 7ov in dem Sinne, nicht untergehen).

Weil nun aber diefes Feuer, welches Clemens bier ganz in den Sinne der fpäteren Philofopken ein Ywg oder nUg vonzov nennt, wie anderwärtd ein Övvanusı vo, fich nicht trennen läßt pon der unmittelbaren Wahrnehmung des Feuers, in welcher jene ovcie Tov navrög mit ber mindeften Beimifhung von Verloͤ⸗ fung erfcheint: fo ift nicht unrecht jene im Stobaͤos aufbehal- tene den Worten ‚nach ariftotelifirende Erklärung, dag die quoid vov navrög fei ein audegıov owpe, und in Bezug, auf die

456 Gefamtheit der Verwandlungen ein ondoue tig TWv navıay zeveoews. In bemfelben Sinne befchreibt auch Herakleitos ſelbſt has Verhaͤltniß ded Feuerd zu den Dingen fo:

41. Ovoög avrausißeras navra, gnolv 6 ‘Hpa-

gherag, Kal NÜE ANAYTmV, WONEE XOVOOV z10n- - para xab yonmarwmv zovoog. „Segen Feuer wird „alles umgefezt,” fagt Herakleitos, „und Feuer gegen alles, „wie gegen Gold alle Dinge, und gegen alle Dinge Gold.” (Plot. de. EI ap. Delpb. p. 388.) Daffelbe kommt auch in einer kürzeren Formel vor: nvgög yap ön xara Tov Yvaıxöv “Hocxksırov auosPn Ta Advrœ yiveroı. Heracl. alleg. bom. p. 468. wie wir ſchon oben aus Simplicius hatten upög yap duoßiv eivai ga- . ow, und wie auch bei Eufebius ſteht „o d2 Eloaxkssros

Goyiv 109 navrav &pn eivas TO nUp, CE 0U Ta navyıa |

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yivsras xal eig 6 dvakderar duos iv yap eivas ta navra, wo adrov zu ergangen ift (Praep. XIV, 3.) Und gewiß war eigentlich eben fo gemeint was Ariftoteled viel- leicht auch nicht ohne Mißverſtand Phys. II, 5 fagt | ddiverov TO nav xuv 7 nenspaousvov 1 eivar 7 yivs- o>as Ev avıwyv, von den Elementen nämlich ift die Nebe, wong Hoaxisırög pyow Enavıa yivaodainorenüg. und was Simplicius zu dieſer Stelle in bie Formel auflöfet 457 us "Hoaxksırog sig nüg ieyav xab.&x MUpOg TE navra. Schr gut namlich konnte unfer Ephefier der gewöhnlichen An- fht, welche alles materieller auffagt, fich anfchmiegend fagen daß’ jegliches Quantum Materie die Reihe der Verwandlungen durch: laufend fich auc einmal als Feuer darftelle, und in diefem Sinne ‚Alles einmal Feuer werde.’ Ariftoteles aber fcheint die Sache fo verflanden zu haben, als follte irgendwann die Gefamtheit ber Dinge zugleich in euer aufgehn. So fcheint der Zufammen- bang es faſt nothwendig zu ergeben; auch erklärt Themiſtius Paraphr. Phys. 33. b) eben fo woneo “HoaxAsırog TO np oleras uovov sorgeion, za} &% TOVTOV yEyovevar To nav- Evreidev yap nuüas xal Ödedir- Teras, Ovumpisynosodei Note TO nv aneılwv, änsıön Öte- kvdnosıns eig TOVTo EE 0V xal yeyove. Bollte man einwenben, ber Paraphraft fage hier mehr ald fein ' Autor: fo fcheinen andere ariftotelifche Stellen daffelbige nur noch kfimmter auszuſprechen. Von den Stoikern laͤßt ſich kaum bezweifeln, daß fie ſolche abwechſelnde Weltbildungen aus Feuer und Weltaufloͤſungen in Feuer angenommen haben. Zeugniſſe hiervon anzuführen ift eigentlich nicht dieſes Drted. Doch fei und eines vergönnt, weil es ja fehr an herakleitifchen Urfprung ass mahnt, aus Eufebios (Praep. XV, 18.) 'Aogoxsı Ö2 Toig ıpe- ofvraross rov ànò EIG rEgLOÖoUg Tivag Tag ueyigag eig nüg aldegwmdeg dva- Ivouevan Aavtwv . , . Gpkaxes zip Toig Irwixoig pilodo-

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org nv OAny oVoiav eig nup ueraßellsıy, olov eig ando- ua, xaı nahlıv dx Tovrov avınv anoteltiodaı TV Ötaxo- ounow dia zo noöregov nv. Eben fo fhreibt Simplicus (in Arist. Phys. V, f. 207. b) den Stoikern mehrere auf einander folgende xoouonovieg zu, fo daß chriſtliche Mißverſtaͤndniſſe um fo weniger zu beforgen find ald die Chriften ſich am meiften über dieſe Weltenfolge fpöttelnd auslaffen. Man fehe nur Ta tianus (Orat. p. 12, 23.) Sa Plutarchos (de EI ap. Delpb. II, p. 389) beflimmt gar da3 Zeitverhältnig der duaxoaunasg, be fiehenden Weltorbnung, zu der dxrvowars, dem Aufgelöftfein des Ganzen in Feuer, da nämlich jene zu biefer fich verhalte wie drei zu eins, und führt zur Bezeichnung beider eine Zerminolo- gie als floifch an, daß nämlich die dsaxooumous von ihnen x0- 005 genannt werde, die dxmvpworg aber Zonouooven, Worte die auch Philo (f. oben S. 430) al& der herakleitifchen Meinung befreundeten angehörig anführt, und die offenbar fehr alt und

#9 wahrhaft herakleitifch Elingen. Und kurz vorher in berfelben

Schrift braucht er die oben N. 41. angeführten Worte ald eben diefe Meinung darftellend, daß die dad Ganze bildende Urſach bald aus fich felbft die Welt, bald wieder aus der Welt ſich felbft herſtelle. Ja alle fpäteren' einftinnmig fehreiben diefe Lehre von periodifchen Weltzerflörungen durch Feuer dem Herakleitos zu, und auch wo fie als floifch vorfommt wird fie auf ihn zuruͤkk⸗ geführt. So meint es gewiß Aler. Aphrod. (io Meteorol. 1.f. 90) Nyovvras yap OmWeloıs TOVTOIg yowusvos EXTTVOWOIV yive- o9aı Tod 6Aov, wc “Hoazksırog ulv ng6 avrov xab ol ng &xeivov Ööeng, ol Öd and Tns So uer avrov. Denn wie wol er vorher die Exnvowarg etwad ſchwankend ald uer«ßoin

77 pop befchreibt: fo erhellt doch feine Meinung fehr deut⸗

lich aus einer Stelle von ihm’ welhe Simplicius (io Arist. de coel, f. 68. b) anführt, wo er verkehrt genug, wie auch Clemens wahrfcheinlich ihm folgend thut, dem Herakleitos Die Meinung von zwei Welten, einem xoouog voovuevos und einem x00p0g

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vnrög xal Paprös zuſchreibend fagt, ungeworden nenne He Heitoß nur ra aniws Ovra xal Tv Tovrwav rakıy, za 7% T auporega Ev ufosı 7 Tod x00uov ueraßoin öre udv Enl vo ôre Ö’ En) ToIVrov x0ouov, wo &v ueoss-wie überal me heigen kann abmwechfelnd der Zeit nach, nicht theilweife zu⸗ eich. Eben fo beflimmt erklärt ſich Simplicius felbft an der: 100 elben Stelle aut 0 "Hoczisıros Ö2 nord udv Ekanteodai pnos cv x00uov, nord O2 &% TUOÖg avdıc owicaoder œuròov, ærq TIvag tepLlodovg zoovwv,. mit dem Zuſaz Tavrng tig do- Im Üsegov 2yEvovro oi Zrwixoi‘ und anderwärtd in Phys. f. 27. b. wo feine Ausdrüffe aber nicht ganz fo beſtimmt find, fügt er Hinzu xab Ügegov oi ano Tag soäg; und den Unters ſchied zwiſchen diefer Meinung und der „Hriftlichen von der Melt zeſfoͤrung fezt er in beiden Stellen nur fo feſt &yısaveıv 58 wiros dfoueı, örTı oVöeig Twv nalawv Aysras tiv gIo- pay TOU x00u0V ToIavınv eineiv, Onolav ol vUv Yacıy, wg Wapkvra unxerı abdıg Enavnzeıv, und yiveodaı ÖL xal WeipsoFas TöV Eva x00u0V @g unxerı eivas x00u0V, oVvde- " ıwv guowiöyuv touev Atyovra. Es lohnt kaum noch uch diefen auch. den Diogenes noch anzuführen (IX, 8) yeyva- "ai Te aurov &x nvoög zul nalıv Exrıvpovodaı Kara Ti- ug epsodovs Wvarlck Tov ovunavro aiwve, und ähnliches eplae. phil, I, 3. Hieher ift auch noch zu rechnen eine Stelle 8 Lucianus, welche mit diefen Zerflörungen die fpät erfonnene Schwermuth ded Mannes in Verbindung bringt, und ihm ben usdrukk Eumögworg ſelbſt gewiß mit Unrecht in den Mund gt, Hlyeouas yoo, w &eve, rq avdgainıver nonyuara Öilvod 2 daxgmiden, xar ovöEv aurEav Ö,ts um Enıxngiov: To y oixteiow TE Ogykug xal Odvpouas: xal Ta UV NapEOVTa 495 doxiw ueyala, Tu üseom z009w doöusva ndunav vwinpa- Atyo d2 Tag EAUAWCHEG KaL TNV TOU ÖAov Ovupo- fo. (Vit. auct.) Und bei Eufebios (Praep. XIV, 3) wo auch E Beitbeftimmung auf ihn zurüffgeführt wirb 6 dd Zlgaxkeı- Schltierm. B. IU,2 SS

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708... d4n.. 200909 Te wolodes Tis Tv advran eig Töne ivahloeug za) rig &% Tovrow yevioenug. Was Wunder alſo wenn auf fo viele und fo deutliche Zeugniſſe geſtuͤzt alle &s fchichtfchreiben der Philofophie dem Herakleitos dieſe periodiſch wiederkehrenden gänzlichen Auflöfungen der Welt in Feuer zw fchreiben? Dennoch fcheint die Sache noch neuer Erwägung ſehr werth und großen Zweifeln unterworfen zu fein. Denn da, wie vote fahen, in feinem Syſtem ganz nothwendig liegt ein immer fortgehendeö mit dem entgegengefezten Prozeß zugleich geſeztes Uebergehen aller fcheinbar beftehenden Dinge in Feuer: wie follte er doch neben dieſem allmähligen und theilweifen rioch ein zweis. tes allgemeined angenommen haben? Died muß jeder höchft unwahrfcheinlich finden, der dabei bedenkt Daß Durch dieſes Aufs gelöftfein der Welt in Feuer, wenn ed nun gar nach den Stois kern den vierten Theil der gefammten Zeit einnehmen foll, ber ewige Fluß der Dinge, die Hauptanfchauung bed Herakleitos, um eben ſo viel gehemmt wird, und daß eben ſo lange auch 2 das Zuſammenſein beider Wege nach oben und nach unten, und alfo auch die Vereinigung der Gegenfäze, ebenfalls ein Haupt⸗ punkt herakleitifcher Philofophie, aufgehoben if. Man bedenke, dag wenn neben jenem unläugbaren immerfortgehenden Webers gang der Dinge in Feuer auch diefer periodifche. in dem Werke des Herakleitos irgend. deutlich wäre befchrieben worden, man fi) wundern müßte daß fich Feine Stelle erhalten bie ſich nur von biefem periodifchen erklaͤren liege, bder die irgend den Un⸗ terfchieb zwifchen beiden beträfe, fondern dag, wie fchon erwähnt, Plutarchos den periodifchen Uebergang aus der Stelle N. 4 beweifet, welche offenbar nur von dem immerfortgehenden Wech⸗ fel redet; eben fo Simplicius (io Arist, de coelo f. 68. b) nur aus den Worten „uergu avanınv xab uerow oßevvig.“ Bent nun gar der Mißverſtand fo nahe liegt, aus dem die Auslegung kann entftanden fein! Denn. wie leicht konnte eben jenes uEren, daas auf den Grad und ben räumlichen Umfang des Verloͤſchen

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ıd Entzündend ging, fälfchlich von der Zeit verflanden werben! nd wenn Serakleitos fagte, alle Körper würden einmal Zeuer, ne leicht war es flatt deffen zu verfichen, die ganze Welt würde inmal Feuer werden, zumal in feiner Dunkeln ungenauen Sprache! Sehen wir doch noch, recht wie es ſchwankende Ausleger zu mas ıu ben pflegen, beibes neben einander ſtehen plac. phil. I, 3 nadım N TOV x00u0V xXal navra Ta ‚OWuare Uno nVpög Avalve- das Ev ci Exnvgwoe. Ja diefer Ausdrud ſelbſt, EXTTURWOLG mb ixnvoovaodeı, der gar nicht herakteitifch ift, fonderm ariftos if, und ganz allgemein eben wie EEvyoniveodar und Ekv- reavaıg vorkommt, aljo bei den erften Commentatoren des He⸗ ralleitos wielleicht nur den Weg nach oben bezeichnen follte, wie

er mit dem nach unten zugleich befteht, ift erſt fpäter zu einem techniſchen Ausdrukk für dieſe periodifche Verwandlung umgedeu⸗ kt worden, und wird als ſolcher allgemein den Stoikern zuge⸗ qhrieben. So Clemens nachdem er den Herakleitos angeführt hatte Strom. V, 1 oids yag xal odrog dx Tg Bapfapov vo- Has uadwv nv dia nupög zadapoıw Tmv xaxug: Peßsm- WTWY, iu UGE009 dxnipgworv Exaitoev oi Irwixoi. Chen fo dimplicius (de Phys. f. 111. b) ziev ö’ &v xal ol Zrwixol | aurng Tng ÖoEng* 7 yap Exrnvgwoig TOIOVTOV Ti aivirteran. uch finden fich noch Spuren, daß diefe Vorſtellung nicht al» mein für. berakleitifch gegolten. So befchliegt Marimus Ty⸗ us die oben (S.407) angeführte Stelle mit den Worten dıe- 077% öpas Piov zus ueraßoinv OwucTwv, xaıvovgyiav Tov lov, fo daß diefer Schriftfteller Feine andere Erneuerung aner: nt hat ald eben die theilmeife erfolgende. Noch Imerfwürdi: 64 w ift eine Stelle bei Antoninus, der freilich anderwärts (II, 3) sch fagt Hlpazisırog nıeoi Ing ToV x00u0V dxnugwoswg To- Buse gvowioynoas, hier aber (V, 32) in den Worten wore 3 ravsa availnpdnvas eig röv Tov ÖAov A6yoy, Eite xara 1910809 dxnupovusvov, eite aidioss auoıfaig avaveovusvov wg deutlich der floifchen Lehre von der periodifchen Zxrrvgwaus

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eine anbere gegenüberftellt von einer nur durch immermwährenben Wechſel erfolgenden Erneuerug. Auf wen aber fol man biefe zurüffführen als auf den Ephefter, da fich fonft nirgends eine ähnliche Anficht findet? und muß man nicht hieraus faft auf

“eine zwieſache Auslegung dieſes Theiles feiner Lehre fchließen?

Waͤren ed nun nur die Stoiker welche die periodifche gänzliche dxnvowois bem Herakleitos beilegten, fo wäre ed um fo leichter fie lediglich als ein Mißverſtaͤndniß anzufehn, da diefe Schule niemald ein Talent der Naturforfchurg befeffen hat, und alſo leicht das ohnehin dunkel gefchriebene Werd eines ſolchen unrich⸗ tig auslegen konnte, deſſen Naturlehre fie nur andermeitiger Ueber einflimmung wegen in ihrem Syſtem ermeuern wollten: Auch fcheinen fie nicht nur des Entlehnens , fondern auch des Miß⸗ brauch& befchuldigt zu werden von Plutarhos: ’Axovw Taür,

ws dm, noAluv, x 000 TIP OTWIXNV ERipwaıw.Wworep Ta

Hoaxisitov xal ra "Vopeug Enıveuousvnv Enn olrw xal 1a Hoiödov, xal avvefanerworvx.r. A. (de def. orac. II, p. 415). Allein diefe Auslegung rührt ſchwerlich von den Stoikern her, fondern fie find nur auf dem Wege fortgegangen, den fchon Arts ſtoteles eingefchlagen hatte, und es fcheint härter diefen eines fols chen Mißverfländniffes zu zeihen. Daher ift es nothwendig bie beiden Stellen, auf welche es außer den fchon angeführten Wor⸗ ten vornemlich ankommt, näher zu beleuchten. Zuerſt Meteorol, 1, 14. wo die Rebe ift von dem Abnehmen des Wafferd in meh⸗ zern Gegenden ber Erbe, fagt er ol niv ovv Alenovses ind 11x0609 airiav oloyras TWY TOWUTWV NaINUATWwy Eivas vw roũ Ölov nesaßolnv, wg yıyvoussov ToU oVgavou'. dio xal ev Öalarıav ilarıw yiyvesdai Yacıy ws Enoaswvousvne, Alerandrod in ber hieher gehörigen vorher ſchon angeführten Stelle feined Commentars bezieht nun dieſes auf die herakleitifche und ftoifche xvpwars, fo daß Ariftoteled hier jenes Keuerwerden des Ganzen auf feine Art bezeichnete, wie auch die Wendung felbfi au vewathen fcheint we yuyvonsvouv roü vüpavov.. Naͤmlich

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n iſt ovoawös Me übermondliche Region. wo die fünfte Sub my berrfcht, und die gänzliche Umwandlung aller Dinge in ein vo aidegwwdeg Tonnte er allerdings bezeichnen als ein Werben ine® Himmels. Auch die Art.:wie er bie angeführte Meinung 16 iberlegt beftätigt diefed. Er ſagt nämlich, jene Menovrec Ednl ux009 würden, wenn fie fich weiter umfähen, finden daß zur elbigen Zeit an andern Orten bad Meer zunähme: dAAs rov- tou TV aitiay OU Tv ToU x00uov Jeveaıy oleoFas zer. Naͤmlich im Gegenfaz von odgavos Tonnte er bad Syſftem ber wandelbaren Elemente xöomog nennen: und wenn alfofeine. Wi⸗ derlegung darin heftcht, daß in diefem Sinne nicht beides zu⸗ glei flatt finden Fönne, Werden des Himmels und Werben ber Erbe: fo hatte er nicht ein folched Feuerwerden im Sinne, wel⸗ ches eben beshalb ununterbrochen fortgehen kann weil es mit dem entgegengefezten Prozeß zugleich befteht, fondern jenes wo⸗ durch ber entgegengefegte Prozeß mit allen feinen Reſultaten aufs gehoben wird, fo dag er erft in einer neuen Zeit aufs neue ber gianen muß. Daß aber hier obgleich ungenannt gegen ſonſtige Gewohnheit Fein anderer ald Herafleitos gemeint war wußte wol Umandrod aus einer Achten Tradition; auch ift keine andere wigliche Beziehung aufzufinden in allem wad wir von borarie ſeteliſcher Naturmwifjenfchaft wiffen. Schon diefe Stelle alfo ex Inbt Teinen Zweifel barüber, daß Ariftoteled dem Herakleitos nicklich diefe Lehre zugefchrieben. Die andere Stelle de Coele. \ 10 lautet fo: yevöusvov ud adv, nämlich Tor od0avon, sr Bayıss zivai gaoıv, üllz yeröusvov ol uiw didıoy: ol 8 Wapröv wong örwVv GAlo TuV giası awvıorausvoy, ol V bvallaf Öre udv ovrwg, Öte dd &ilmg Eye gisıgöus- ny*), al roũto dei Ösareleiv oürwg, woneo 'Eunedo- Mac 6 Axgayayrivog wat Hoaxieıros 6’ Eyeasos. Die fehr

9 Simplieins lieſt f: 53. wo er dieſe Stelle wahrſcheinlich aber nur aut dem Sedaͤchtnih anfühet gHugıor flatt gdegonssar.

Pr

Ä 102 undeutlichen Worte ol 8" Zyaiick... piipöuevor erflärt Simplicius gleich fo fol. 78. b: dunääig d2 roüro (nämlich, Gdagröv gavaı)’ ol ulv yap oira gpüaprov eig örioir

. ́aao TaV OvveotWrwv dToumv, WON Zwxparn, PIaprör

Snkovörs Kal ovxerı Enavnxovrae, ol ö° auosladov yive- oFai Te xal pieigesdas Tov aüröv zul audız pisipeadei (was wol heißen muß xal audıg yiveodhas ober xal avd yiveadaı xal gp9eiosodai) Yacıv, xal dldıov eivas T19 vomürnv Hundoynv. So ſehr nun auch der erfle Theil biefer Erktaͤrung bezweifelt werden kann, weil Simplidus ſelbſt um⸗ ten fol. 69 laͤugnet, irgend ein Alter habe eine folche Yoga ber Welt angenommen -wg. PIagkvra unxerı aldıs Inavıjzay, und:fich. vorher fehr quaͤlt dieſes PPœoròov woneo Örıouv aklo auf den Demokritos zu beziehen: fo richtig iſt unflreitig der lezte

008 Theil: berfelben, und wirb beflätiget durch den Ausdrukk deſſen

ſich Ariſtoteles felbft weiter unten bedient, wo er die angeführten Meinungen würdiget 20.0’ &vadiaf ovvisavas xal Ösakveıy, ovölv dlAosöregov nosiv..dsıv, 7 TO xaraozeudium alröv aidıov udv, ueraßaklovra Ö8 TV uoopnv. Wiefern es nun richtig ift zu behaupten, bei einem folchen Wechfel von Weltbils dung und Weltäuflöfung ſei doch nicht ſowol eine Weltzerflörung gefezt ald nur eine Weltverwandlung, eben wenn man von bem Begriff ausgeht, die Welt fei 647 7 UAn sidonsnomusfn xal

xerarerayuevn (Bimpl..f. 71. b) und wie beide, Ariſtoteles

und fein Commentator zu diefem Behuf ein folches Nichtbeifpiek anführen konnten, wie folgende worseo El tig dx naudög = dpa yıröusvov zul EE Gvögös naida üre uV pieigeades örs Ö’ eivas 'oloıco, da fehe jeber felbft zu: foviel aber iſt ges wiß, Daß wenn auch das reine Feuer noch Belt fein fol, alde dann mit Unrecht auch von Herafleitos gefagt wird, daß er bie

Melt für geworben audgegeben *), und es muß der ganze Um⸗

) 3u beklagen ift es, daß wir nicht beſtimmen koͤnnen was Simplicius hierüber geſagt hat, indem grade hier (fe 68. b. 1. 36.) eine Lüfte I

403

lang ſeiner Lehre dem Arifloteled hier wenigſtens night recht glo genwärtig gewefen fein. Denn bas immerlebende Feuer, das Eine feiende, war auch wie wir gefehen haben immer, und kei⸗ ner der Götter hat es gemacht. Auch zeigt bad ganze folgende, am beutlichften aber wol die Ausdrüffe eis KAlnie Twy c0- xeitw Ovviovrwv und Ei TO 0409 owua ovveyi; 69, daß Arie fioteled überhaupt mehr an ben Agrigentiner denkt ald an ben Epheſier. Dffenbar aber ift freilich dag er dieſem benfelben pe. tiodiſchen Wechfel von Zufammenfezung und Aufläfung der Welt belegt wie jenem. Mit welchem Recht nun, darauf kommt es eben an. Und wie fol man anders glauben, als bag feine uns philofophifche Methode, die einzelnen aus dem Zufammenhang baauögerifienen Lehren verfchiedener Weifen unter feinen eigenen | Kubriten vergleichend zufammenzuftelen, ihn auch bier irre gen führt habe? Denn grade in welcher Hinficht er den Herakleitos und Empedokles zufammenftelt, in berfelben unterfcheidet fie Platon auf das beſtimmteſte. Wo er nämlich von dem Einen und Vielen rebet (Sopb. p..242, e) fagt er 'Iades da zal Lı- wlxei TiVeg Ügegov uovoas Evverönoav ürs ovunkexeiv dspaltsarov. aurörsgu xal Atyeıy wg To 09 nolla Ta xal Hi, doc 62 xal Yılla ovvezeran ÖsapsgöneVoy gap asi Evupegeras, pacly ai OUVIOWTERAL TWV MOV- 410: -- av‘ al Ödumlaxuitegn TO ulv del Tavra DUrwg Ezeıy Iychacav, 29 uioss ÖL Tore ulv Ev eivai paaı To nav ... vor dd noAla. Ausſchließlich alfo wird hier dem Empes hokles zugefchrieben daß er das feiende laſſe abwechſelnd Eines kin und Vieles, dem Herakleitos aber recht nachdruͤkklich beige⸗ gt daß es bei ihm immer beides zugleich ſei; und Platon koͤnnte

feinem Sommentar tft, zwiſchen den Worten ds zür dumaray avrod dldssusas und benen 5 yüg dxiiva Adyar, von weldyen bie erfteren of⸗ fenbar noch auf den Empedokles zu beziehen find, in ben lezteren aber Dis Srörterung über den Herakleitos ſchon im vollen Gange fein muß.

\ j 102 nnmöglic ſo geredet haben, wenn er im SriaHeitos gefunden hätte ein zwiefached ovumisxeıy diefer Gegenfäze, deren’ eines ausgedruͤkkt wuͤrde durch die oben ſchon angeführten Worte dın- Yeoousvov yap aei Euupeoeres, bad andere aber bem empedos Heifchen ganz gleich ware. Wie nun der Zufammenhang ergiebt, dag er allerdings bei Empedokles user dem Vieles fein verfteht die Welt der Zwietracht, unter dem Eines fein aber den ogyai- eos: fo geht auch beim Herakleitod das Eined fein offenbar _ darauf dag in einer Hinficht alles Feuer iſt, das Vieles fein aber auf die Mannigfaltigkeit ber Erfcheinungen; und wenn beis des immer flattfindet, fo kann auc nie diefe Wielheit zerftört und zumweilen alles lediglich Feuer fein. Gewiß alfo bat Platon von folchen periodischen Weltzerflörungen nichtd gewußt; und da nur er auf der einen Seite der aͤlteſte und ficherfie Gewähr wu mann iſt, und auf der andern fich fchon ergeben hat wie leicht jener Mißverftand entfliehen konnte: fo werben wir wol am bes ſten berathen fein, wenn wir ihm folgen, und dieſe Behauptung auöftreichen aus dem Verzeichniß herakleitifcher Lehren. Was aber aus der ariftotelifchen Stelle Meteorol. I, 14 hervorgeht, und fehr wol mit allem übereinflimmt was wir bis jezt als wahrhaft herakleitifch erkannt haben, ift, daß wie im Beinen Tag und Nacht, Sommer und Winter, ein wechſelndes Uebergewicht barftellen einmal bed Weged nad) oben und einmal bed Weges nach unten, fo Herakleitod auch in großen Perioden einen ähns lichen Wechfel, ohme jedoch daß je einer von beiden Prozeffen ganz unterbrüfft würde, angenommen hat, einige in benen fich alles in der Natur mehr auf bie Seite des Feuers neigt, für welche ihm dann Austroffnen feuchter Gegenden und Zuruͤkktre⸗ ten des Meeres beweifende Phänomene waren, andere wieder in welchen der Weg nach unten und das Waffer die Oberhand hat. Diefe waren ed wol, welche er durch die Worte xogog und zon- suoavon bezeichnete, und auf fie bezog fich auch wol bad große Jahr welches er angenommen. | |

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VI. Wie run das Sein nur in ber Bewegung iſt, und 08 Feuer ald das beweglichfte und bewegende gleichfam bie po» fitive Seite des Seind und das Gute darftelt: fo ift auf der andern Seite die Ruhe ber Zod, und das Starre ald das zu: «2 hendfte und unbeweglichfte flelt die negative Seite dar, daB ſchlechte und verwerflihe., So wird Plac. phil, I, 23 (f. oben 6. 360) Hinzugefügt ars yap vovro, Ruhe und Stillſtand nimlih, Twv- verawv. So wird die Ruhe bargeftellt als Qual (Stob. Ecl. phys. I, p. 906) .. 70 udv dv Toig avıoig imusveıw xduarov eivas, TO d2 neraßdalsıv geosıy Wa- nevos. Und Samblichos in einem Fragment bei Stobaͤos (Ecl. pays. 1, p. 894), wo er diejenigen anführt welche bad ungeords nee, dad Boͤſe, zuerft daſein laſſen und die ordnende Kraft ihm ak fpäter zubringen, fügt diefen auch ben Herakleitos bei, als ; Mihm das Boͤſe geweſen 7 dv zw usrußalleodnı dvanavin, bie Hemmung des Verwandeltwerdens; welches freilich eine wuns herliche Zufammenftellung ift, aber fonft doch richtig, dag nur heſeß dem Herakleitos dad negative und das Uebel fein Eonnte. In demfelben Sinne ift auch zu verfichen was und Clemens als ögne Worte des Herakleitod aufbewahrt hat. 2. Odvarög Esıv Öxdom Eyepdivrag.öodoner, 6x00@ O eddovreg, ünvog. (Strom. I, 3:p. 520) „Tod „iſt was wir wachend fehen, was aber fchlafend, Traum.” Namlich weil wir alles nur fehen in wie fern es ein beharrliches WM, denn von ben feften Seftalten war Bier gewiß die Rede, fo «ars iR eben was wir fehen der Tod, und eben darum wird er auch gelagt haben „zniv ögaaıy yevdsoder“ (Diog. IX, 5. Hesych. de vitis'v, Hodxa.) Und nicht hat er wie Clemens meint bie yeveoıy gewollt Hararog nennen, fondern das nicht mehr wer⸗ bende, erflarrte. Hat nun dad Starre nicht Leben in fich felbft, fo iſt es auch an ſich felbft verächtlih. Daher auch ber Leib als entſeelter ihm über die Maßen verächtlich erfchien, wie und Pius Iaschos aufbehalten hat »

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43, Niaves yag xonelwv IxPinrorspgos zad Hoaxkeırov‘ xgiag Öd av vergov xal vexrgov uEgog (Sym- posiac. IV, p. 669) „Leichname muß man mehr noch ald Um „flat fortichaffen.” Die lezten Worte naͤmlich gehören dem Plutarchos, bei dem die Rede bavon ift, daß Fleiſch nichts taugt, als Speife, ohne Salz, und aljo halb fcherzhaft die Worte des Herakleitos angeführt find. Map fieht aber nur

um fo ficherer daß fie von Leichnamen handeln, und daß ganz umgebeutet ift was fpäfere Daraus gemacht haben, wie Sui⸗ das (v. Hodzxl.) Hodzisırog Epn Ölıywgeiv navın Toü Ouurtog xal vouikv avro xaL xonpiwv ExßAnrorsgor' ex T0V 6Q50V ÖL adrw Tag Hegansiag anoninpovv, Ewg av 6 Üsög ware Öpyayo rw owmuarı yonodas Ensrarsn, «6 und faſt mit denfelben Worten Cedren, bist. p. 157. Aud Celſus machte einen fremden Gebrauch davon gegen bie chrifts liche Auferſtehungslehre in einer Stelle die und Origenes aufs behalten (contra Cels. V, p. 588) ei wuyns Ev aiwvıov . Bwınv Öivaıs av napaoyeiv‘ vexveg Ö2, pnoiv’ Hgaxksı- ros, xongiwv. EnfAntorepos" odpxa 67 . » . aiWYI0V Ano- yrvas... ovre Povimaeras 6 Deög, oVre Övvigeras. Die Redensart xongimv Exfintoregag führt auch pollur (Ouom. V, 163) als herakleitiſch an. Und hieher ſind ohne Zweifel auch jene Nachrichten zu ziehen, Herakleitos habe den Menſchen fuͤr von Natur unvernuͤnftig ge⸗ halten, wie Sextus (adv. Math, VIII, 286) as unv imrws 0 Hoaxasırög gnos TO un eivar Aoyızay ToV Kvdowmnov, nö- 20vV Ö” Unapyeıv ppevnpes TO meguiyon, und Philofiratod (Ep. . 18) Hocxisırog 6 Yvoıxög Aloyov Eivas xara pics ägpnat 209 &ydownov. Denn der Zufammenhang beider Stellen zeigt deutlich wie fie zu verftehen find, Im dem Leibe nämlich für ſich betrachtet herrſcht das ſtarre und waͤſſrige, alfo glaubte er daß dad Leben dieſem nicht eigen gehöre; und was der Menſch xara vos if, darunter iſt zu verſtehen, wad er fo ift wie er

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au im Schlaf und im Tode erfcheint. Die Wärme aber und die Selbfibewegung feitete Herakleitoa erſt ab aus ber Verbin⸗ bung bed Leibes mit ber übrigen Welt und vorzüglich mit dem⸗ os jenigen worin fih am reinften dad Weſen bed Feuers darſtellt. Und dieſes ift eben bie äußere höhere vom erſtarrten entferntefte Region, von allen Berichterflattern über umiern Weiſen, ungewiß jedoch ob mit feinem eigenen Ausdrukk, nreguszoy genannt. Selbfibewegung aber und Bewußtſein, Erkennen famt allem das bin gehörigen, waren den Alten insgeſamt weſentlich verbunden, und wo nur Lebenskraft, Seele, yuzn, genannt wird, ba iſt im» mer bie Einheit diefer beiden Thaͤtigkeiten gemeint. Auch He⸗ rakleitos vermochte nicht beides zu trennen; wenn alſo alle le⸗ bendige Bewegung von dem negseyov ausging, fo ging auch von ihm aus alles Erkennen. SInfofern demnach dad reinfte er ſcheinende mindeft verlofchene Zeuer gleich geſezt werben kann dem ewiglebenbigen, ift es auch die allgemeine Seele, von wels cher aus erſt Lebendkraft und Bewußtſein alles übrige was fich deren erfreuen ſoll durchdringen muß. So Sextus (adv. Maib. VI, 126) ageoxeı yap To pvaszos Ta negsiyoy nuüg Aayızaa 09 zaL poernees. Daher. ift auch das Erkennen in fofern & wahr. ift in allen eined und baffelbige, ein gemeinfchaftliches. nu bier glei) mag ed erlaubt ſein die Vermuthung aufzuftels Im, daß ber Sprachgebrauch durch das Wort Aoyog auch die Bemunft zu bezeichnen, der ſich aus Seiner andern Denkungsart «ro ſo natürlich erklären läßt, von Herakleitos wol zuerfi audgegans gen ift, und abgeleitet von Asyeıv fammeln, sufammenftellen, wos von auch bie mit jener Bebeutung von Aöyog zufammenhangens ben Aoyilzodas und Aoysauog. Denn ihm ift ja das Weſen bee Dinge nichts anderd ald bad jebesmalige Maaß und Ver⸗ haͤltniß, bald ueroov bald Aoyog von ihm felbft genannt, nad welchem jened Feuer ſich entzündet und verlöfcht und bie vers ſchiedenen Aeußerungen nad) beiden Seiten fidy unter einander hemmen. Alſo hat auch das Erkennen Beinen andern Gegenftanb

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als den Inbegriff diefer Verhältniffe; und da «8 urfpränglich mus demifelben Weſen einwohnt aus. welchem jene Verhaͤltniſſe fich

entwikleln: fo ift e8 auch nur bie Art wie daes Grunbwefen bie Geſeze aller Entwilllungen in fich. trägt. In diefe Bebeutung werigftend fpielt Aoyog hinüber in-jener bekannten Stelle bei - Sertu8 (adv. Math: VII, 132) welche.wir bald in.ihrem ganzen Bufammenhange ‚aufführen werben, bier aber nur aufmerkſam batauf machen wollen, daß man wenigflend in den Worten rov Aöyov Ö2 Zövros kuvov, (wovorv ol moAlot wg lölav Eyovres gecvnosw mit Feiner. andern Bedeutung von Aoyag audreicht, und daß hier .garız offenbar die Quelle ift von dem floifchen

u7 Ausbrukt x0s0ög..A6yog, ber wieberum in feinem Zuſammenhange mit den Aoyoıs ansouarsxoig noch deutliche Spuren davon trägt, daß die Bedeutung herüber genömmen.ift von ben Verhaltniffen burch welche die wiederkehrenden Formen der. Dinge ba; find. Man vergleiche nur .Atbenagor. legat Ed. Ox. p. 28. Ei yap 6 uv Deög nVo Teyvıxöov üdm BadiLov Ei yeykakız xücor, Eunepisiiygog Gnarzag Tolg ONEQURTILDUG Aüyovs f wa vUs ixasa za" elumpusunv yiyveras.

Doc diefes nur beiläufig.. Die Sache. felbft Beireffenb aber muß nun fchon jedem einleuchten, bag in der menfchlichen Seele bem Herakleitos nur dasjenige dad wahre Wiſſen fein wird, wa sein aus jenem allgemeinen Siz bed Erkennens abgelditet und einerlei ift mit dem höchften Geſez des Werdens ber Dinge. Unb hieher gehört nun. zunaͤchſt ber Verfolg des ſchon oben R 13, ©. 341 342 angeführten. Bruchſtuͤkkes

44. Eivas yao &v 76 ν Enigaodas ννÜ

ira 05 öyavßepvnosı nayea dıa nayzoy. Bean - gleich, mie fehon oben bemerkt, ber Uebergang zur inbirectn Rede kaum anderd zu. erklären iſt als durch eine unterbrochen Eitation: fo find doch Died gewiß ebenfalls eigene Worte de Herakleitos, und im Zufammenhange mit jenen, um ben Gs genfaz zu geigen zwiſchen dem was wahrhaft weiſe iſt unb -

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der noAvuadin. Nur find die Worte Are ol derderbt und rs weber die Leſearten öre 7) und Ir⸗ ol, noch was die Heraus geber, ded Diogenes und Meric. Caſaubonus (ad Antaoin. V, p 403) beibringen, fcheint zu befriedigen. Eben fo wenig Creuzers zwiefacher Vorfchlag 7 Öfes oder 7 wÜtes Ev Xußeo- moss denn was heißt Ödsıv 29 xußeovnoss, und wdeiy ara dia navıwv? Bis auf befferes möchte ich leſen ra om xußeovnosi navyra de nowswv. „Denn Eine nur ſei „weiſe zu verſtehen die .Einficht welche allein jeglichen geleiten „ann durch alles; wo aber auch, wie man fchon aus Zrti- saodas fieht, Die yywun nicht zu benfen ift ohne ihren In⸗ ht, dad allgemeine Geſez. zrywun aber geradezu durch Gott überfegen, ober auch nur beſtimmt ald Weltfeele zu verfiehen, k fm und felbft die Vergleihung mit N. 11, ©. 334 nicht geneigt machen. mer die auch ſchon oben in anderer Hinficht angeführten Worte fuvbvy Esı nacs ro pooveiv: UV 900 Akyovrag ioyvoiteodas yon ro Evvo navırwv, ÖRWONER x. 5. A. (ſ. N. 18) welche fo beftimmt darauf dringen, daß wie aur in dem allen gemeinfamen Geſeze bed Staates dad Wohl, fo audy nur in dem allen gemeinfamen Erkennen die Wahrs beit fei. „Das Erkennen ift allen gemein. Die mit Ver: am ‚munft veben wollen müffen ſich durchaus halten an das als „len gemeinfame, eben fo wie u. f. w.“ Die vorhergehenden Worte aber „owpooveiv apern ueyion' xal gopin alndia Akyzsıy xal noseiv xara pyvcıy Enalov- vac“ will ich nicht behaupten bag man für wahrhaft heras '-Beitifche zu nehmen habe. Sie fcheinen eher einer fpäter ges ; machten Sentenz zu gleichen, welche einen heralleitiichen Ges "danken ausdruͤkken wollte und das rechte nicht treffen konnte. Die Nachbarichaft Achter Stellen thut diefem Verdacht, ber freilich auf dem bloßen Gefühl beruht und ſich ohne Stuͤze helbſt durchhelfen muß, feinen Eintrag, Denn niemand wor

| Und in einem folchen Zufammenhang laßt ſich in der That auch

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doch glauben, daß Stobaͤos das Werk des Herakleitos ſelbſt in Haͤnden gehabt, ſondern er ſchreibt nur zuſammen aus fruͤ⸗ heren Epitomatoren oder aus zerſtreuten Anfuͤhrungen. Und ſolches ioniſche wie dieſes, konnte wol Jeder zuſammenbringen. Aus dieſer gemeinſamen Quelle wurden nun allerdings auch die Geſeze, als ein gemeinſam von den Menſchen fuͤr gut erkanntes, vorzüglich abgeleitet, und die Nothwendigkeit ihnen zu. folgen

wiederholt eingefchärft. Daher mit der zulezt angeführten Achten

Stelle allerdings dem Sinne nad) in genauer Verbindung flehn

bie in der Sammlung ded Stobaͤos folgenden Worte rgePor-

ras yao x. r. A., aber ſich wol-nicht unmittelbar an jene an fhliegen, fondern eben diefe Ableitung lag doch wahrfcheinlich zwifchen ihnen. Vielleicht hat auch auf Aeußerungen biefer Art, die nicht beflimmt genug abgefaßt waren, und nicht. bloß auf pros tagoreifches, Platon Rüfkficht genommen im Theaͤtetos p. 177. e. Der Tadel aber, daß nicht alles was feflgefezt ift bloß. deshalb auch gut fein koͤnne, trifft wol den Herakleitos nicht. Denn diefer hat gewiß, hierin Platond Vorgänger, auch gefolgert, bie

Geſeze müßten von denen ausgehen, welche von jenem gemeinfa>

men Erkennen dad meifte in fich hätten. So verfiehe ich einen kurzen von Clemens (Strom. V, 14, p. 718) aufbehaltenen Sy 45. Nouos xas PovAn, denn fo muß man leſen, nidt PovAn, neiFeo das Evog. „Es ift auch Geſez, dem Rath „eines einigen zu folgen.”

benten, wiewol ed immer ein durch ben Eifer der Freundſchaft bervorgebrachter Auswuchs bliebe, daß auch die bekannte Stelle über den Hermodorod in dem großen Werke des Herakleitos ge . flanden habe 46. Kadanreras ÖL xal Twv Fpeoiow, ini roõ roͤ⸗ fraigov Eußuheiv “Eguoöwgov, Ev ols now Atuoν "Eyegioıg nßndov anoFaveiv nücı, xab Toig aynßosg vn» nolıy xaralıneiv, osrives Ep

|

A ne

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nodwgpov Ewurav Öyniorovw EEdAaRoy Alyovreg „Hutwv undöR eig Oynigog &gw* ei di Tıg Tosoü- og, alln re xal ver allmy“ „8 gebührte den „Epheſiern, wie fie- erwachfen find allen zu flerben und den „unmündigen bie Stadt zu verlaffen, weil fie den Hermodo⸗ „ros, den trefflichflen unter ihnen, vertrieben haben, fagend, „Unter und foll Feiner. der trefflichfte fein; ift einer ein folcher, „ſo ſei ee es anderwaͤrts und bei andern.“ So Diogenes (IX, 2.) Und genau fo Cicero (Tauso. V, 36), nur daß er dad nAndov "und toig avnpoıg . . » Karakıneiv nicht mit - ausbrüfft. Aber wunderlich verdreht führt daffelbe Jamblichos an (de vit. Pyib. s: 173) od yao xauddneo "HodzAsırog Evpeoioię yoayeıv Ep Toig vouovs, anaykacdaı Toüg noAitag nmdöv xelsvoas. Die Verwirrung Fann vielleicht durch Diogenes veranlagt fein, der unmittelbar nach diefer Ers Yhlung von einer dem Herakleitos \angemutheten Gefezgebung für Ephefos redet. . Das anaykacdaı hat auch Strabo (XIV, p. 950) und hernach liefl er pavreg flatt Asyovres, - und ei Ö2 un ftatt es de Tıg Tosoürog; dunkler iſt jenes, aber auch attifcher, und überhaupt wol nichts zu entſcheiden über die Leſeart einer Stelle, die wegen des Ruhmes, den «2 Hermodoros in Italien erlangte, in gar vieler Rund kom⸗ men mußte. Am allgemeinſten aber und vollſtaͤndigſten handelt von dem aus⸗ (liegenden Werthe dieſes gemeinſamen Erkennens jenes Bruch⸗ ſtuͤkk, welches zuerſt von Ariſtoteles (Rhet. III, 5) und nach ihm von mehreren, am vollſtaͤndigſten aber von Sextus (adv. Math, VI, 139 aufbehalten worden iſt, welcher auch ſagt, daß Hera⸗ kleitos, nachdem er dad nrepızyo» erläutert habe, alſo fortfahre 47. Aoyov rovde Eövrog aiel akuUvstos Yivov- Tas avdgwnoı xai ngoadEV haxoVdasxaldxov- gayres TO NEWFOV" yıvouEvwy yao xara roy A0o.-

yoy vönde BR enge rer inioy UNION THECLOGICAL SEMINAET

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aa) £pyay Tosotrar öxoimn Eyu dınyevua: xard pVosv draıplmv Exagoy xal yoatwr Öxag &ysı- Toig Ö2 üAkovg aygoWunovg Aavdaves 0x0 oc Eyegd#ivres noLovcıv öxwognse 6x00a EVÖOR seg Enıkavdavovrar. Klemens (Strom. V, 14. p. 716) und Euſebios (Praep. XIII) Iefen rov dgovrog; allein für die Lefeart des Sertus enticheibet, dag nicht nur Ariftoteled eben fo lieft, fondern daß auch -fein ganzer Zweifel, zu wels Pr chem Zeitwort wie gehört, nicht ftattfinden koͤnnte wenn de- ovrog geftanden hätte. Das aier felbft aber fehlt bei Sertus, und ift aus Arifloteled und Glemend aufgenommen worden. Wohin ed aber gehöre darf und nicht zugemuthet werben beſ⸗ fer zu wiſſen als Ariſtoteles, und es mag nur willkuͤhrlich fein, daß wir zum folgenden ed ziehend fo uͤberſezen, „Von „dieſem beftehenden Verhältnig finden fich die Menfchen im⸗ „mer ohne Einficht, fowol ehe fie davon hören ald nachdem ‚sie zuexrft davon gehört. Denn bed nach diefem Verhaͤltniß „erfolgenden unkundig fcheinen fie zu verfuchen folche Reden „und Werke, dergleichen ich durchfuͤhre, der Natur gemaͤß jeg⸗ „liches auseinanderlegend und beſtimmend wie es ſich verhält „Den übrigen Menſchen aber bleibt unbewußt was ſie wa „hend thun, eben wie fie was fie fchlafend gethan vergeſſen.“ Doch es war nicht ſowol die Klage uͤber das dem gemeinſamen Erkennen ungemaͤße Verfahren der meiſten Menſchen was wir anführen wollten, wiewol auch fie wichtig genug iſt, weil erſ von dieſer Begründung aus alle die einzelnen früheren Beſchwer⸗ den dieſer Art zu verftehen find, und unter andern hier Die er⸗ Härende Parallele ift zu dem N. 2 angeführten Saz, und weil man fieht wie Ariftoteled in ‚der -Xhat nicht weiter ald bis hie: ass her gelefen zu haben brauchte, um ben. Heralleitoß ald ein Bei⸗ ſpiel anzufuͤhren der fefteften Ueberzeugung von etwas was für den Stagiriten nur eine paraboye Meinung war; fondern «8 war und vornemlich zu thun um die folgende mit biefer Klage

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cbundene Anweifung. Nachdem nemlich Sertus eingefchoben ne Erklärung, dag in dieſen Worten offenbar gefagt fein folle,. r thäten alled und erfennten alles durch Zheilnahme an ber ttlichen Vernunft, fagt er, Und kurz darauf ſchließt Heraklei z alſo weiter

48. ö1ö dei inzodaı co Evvo” rToV 1öyov ö28 Eoyrog EvvoV Lwovoıw ol noAkol wg Ldiav Eyov-. TEes PoOvVnoıvy“ Esiv oüx GAlo zu n dbnynois Tod TEONOV Tg TOV nNavrög dioimhosws* dio xadorı iv ab- roũ TS HYNUng xowwmvnowusv, aAmdevoum- & 08 av idscowuev, wevöousde. „Darum muß man bem gemeim ‚Nomen folgen: ohmerachtet aber dad Geſez“ (de Denkens nämlich, einerlei Mit dem Geſez des Seins) „ein gemeinfas „mes ift, leben doch die meiflen als eine eigenthuͤmliche Ein- „ſicht befizend.” Das folgende aber, wenn gleich e3 ganz des ſtimmt Acht: herakleitiſche Gedanken ausdruͤkkt, können wir uns dech unmöglich entfchließen mit Stephanus und Fabricius - md Greuzer noch für eigene Worte des Herafleitoß zu halten, "wäre auch, was wol fein Tann, wenn er etwa, einen Coms sss mentator vor fich "hatte der nicht beftimmt genug feine Erklaͤ⸗ nungen von der Srundfchrift unterſchied, Sextus felbft diefer Neinung gemwefen. Denn viel zu fhulmäßig und nach fiois ſcher Form zugefchnitten ift zumal die Erflärung 7 dd—dıoı- zjoswg; aber auch das folgende trifft wol derfelbe Vorwurf. bar wird hier die Einficht welche jeder einzelne anderd für hat als ierig verworfen, und nur der reine Ausdruf des meinſamen Gefezed ald Wahrheit gepriefen. Warum nun aber biel Urfach ift über den Mangel diefed gemeinfamen Princips & Bahrheit in den Vorſtellungen der Menfchen zu klagen, und uher diefer Mangel rührt, das verfteht jich aus des Ephefiers ſit allem bisherigen genau zufammenhangenden Gedanken von RB Gere, welche wir hier vortragen müffen.

. Die See, als dasjenige wodurch allein Selbiheweruag ea 2, III. 2. | H

114 und Bewußtſein möglich wird, muß im Gegenfaz gegen das für fich betrachtet flarre und todte des Leibed dasjenige Weſen fein, welches die höchite Stufe darftelt von dem Wege nach oben, und dies ift nichtö anders als der fehon vorher erwähnte troßs Tene Dunft der auch die Geftirne bildet und die höheren meteo rifchen Ericheinungen hervorbringt. SHierüber redet auch Ariſto⸗

ss teles ganz deutlich (de auima I, 2) Kal 'Hoaxisırog Ö2 zm agan? eival nos TV wuyiv, einso T7V avaduniacıy, & 56 Tale ovvisnoı xal yap Rouuarov Ön xal 60V as x z. A. Was er bier von der oyn fagt, dies wollen wir ihm als ein verfehltes Beſtreben den Herakleitos in ariftotelifched zu uͤberſe⸗ gen, gern erlaſſen; denn es zeigt nur wie wenig er ihn verſtan⸗ den. Wenn namlich auch das Feuer ald das ewiglebende die Quelle beides aller Bewegung und alles Erkennens ift, und in fo fern allerdings, wiewol wir nicht wiffen ob Herakleitos fih diefed Ausdrukks bedient. habe, die Seele ded Ganzen genannt werden kann, befien Leib alddann aber ſaͤmmtliche vergaͤngliche Erfcheinungen fein müßten, welche die Welt bilden: fo ifk doch eben in wie fern fie Engd dvasyniaoıg ift die Seele ſelbſt eine ſolche Erjcheinung, und damit fie Seele werde, muß ja ſchon ein Leib, aud niederen Entwidelungsftufen gebildet, da fein, dem fe nach Herakleitod von außen fommt, nicht aber dad Princip fe ner Entflehung tft. Kann man alfo etwas nach Herakleitod Seele ded Ganzen nennen, fo wird died denn auch aoyn fan, . aber keinesweges Enod dvadyniaoıs; fo wie die Seele in wie” fern fie dies leztere ift nie Seele ded Ganzen und aoyı fen kann. Auch hat Arifloteled mit dieſer Aeußerung feine Commen ası tatoren in fichtbare Werlegenheit gefezt. Denn ber eine Sohanneb Philoponos fagt um ihm zu helfen, das Feuer welches Hera⸗ kleitos als aoya feze fei nicht die Flamme, ſondern die Enge avadvuiacıs, was eben fo wenig richtig iſt und was er auch felbft aufhebt wenn er fagt duapegss ö2, nämlich Herakleites vom Demokritos, ors dxsivog avvsyds own älsya zo Up,

|

115 | \ roũro Önzp xal nueig pauev, 0:68 Anuoxostos x. T. A. und der andere Themiſtios, ebenfalls um die aoyn und die wuyn gleich fezen zu Eönnen, ſagt, unter der avadvuieoıs, aus wels her er alles andere entftehen laſſe, fei nicht3 anderes zu verftes den als Feuer, und dies fei allerdings das unförperlichfte und immer fließende. Etwas richtiger druͤkkt er fich weiter unten and, wo er weniger durch Ariftoteles gebunden redet, wg d’ ödo⸗ yE EV TWV goryeiovy TV wuynv Edevro, namlich dieſen Ge bauch von soryeiov wollen wir nicht für richtig halten wenig» fend in Bezug auf Herakleitos, fondern nur das folgende zuV &eivov tolDTnTa uovnv ngotidEroı xaL Tn wurn, ol u supög tv Hepuörnte, xadarneo Ilgaxisırog. Simplicius aber (fol. 8) ber wol etwas unficheres merkte am ber Rede des Ariſtoteles deutet diefe Unficherheit falich, seeos d2 Hlgaxlsırov svAloyslousvw EOIXEV, 0UX wg Gaypwg AEyoVTog nũo N ava- Oyniacıv Engav Tv yuynv" all WG ToV NUVgög p0g To denzouspei xal TO EUXIvNToV &y0VTog, xal TO KiVeliodat Ti z98 ülle xıvoüvrog, xal did TaUT& Te Tn Wuyn ME00NXOVTog, es dıa@ navrös: Tov Ämvzog Iovon Owuarog x. T. A. Denn weber ift Herakleitos zweifelhaft oder auch nur unklar geweſen über diefen Punkt, noch ift das eineo des Ariftoteles unficher, fondern ganz beſtimmt zu verftehen.

Diele Deutung des Simplicius hat ihren Grunb wahr fheinlich darin, daß neben ber richtigen fi eine Meinung ver breitet hatte, die Seele wäre nach Herakleitos Luft. Died er. Ahlt Tertullianus (de anim. c. IX) non ut aer sit ipsa sub- sianlia ejus, eisi hoc Aenesidemo visum est et Anaximeni, puto seeandum quosdam et Heraclito; ift aber felbft eines beffern übers zeugt ibid. c. V. nec illos dico solos, qui eam de manifestis cor- poralibus efingunt, ut Hippasus (fo lieft ſchon Fabricius flatt Hippareus) et Heraclitus ex igoi. Gertus führt dieſe Meinung in einem noch allgemeineren Sinne auf den Skeptiker Aenefides mod zuruͤkk zo,ze 09 sure voy "lgaxieırov ang dor, wc

92

116

omow 6 Aiyncidnuog (adv. Math, X, 233); anderwärts fleit er fie auch ald von mehreren angenommen bar xar dZviow "Hoaxisırog apa (moi zwy navrwv apyıyv) . . Innaoog ö2 xal xas Evioug Hoaxkeırog nüo. Es gereiht nun zwar wie ſchon gefagt dem Sertus, dem die Quellen herakleitifcher

ao Weisheit noch fo reichlich flofjen, nicht zum Ruhme, über dieſe Veicht zu entfcheidende Frage, wie es fcheint, zweifelhaft geblichen zu fein, auf ber andern Seite aber iſt ihm am wenigften zu verbenten, daß er irre gemacht worden durch bad Anſehn des Aeneſidemos. Wie übrigens diefer, und gewiß erſt nach ihm andere, gegen bie deutlichiten Auöfprüche des Herakleitos felbft, auf die Meinung kommen Eonnten, die &oyn fei nach Herakleitos Luft, dies iſt nur zu erflären aus dem ariflotelifchen Kanon, daß die Alten baffelbe. was fie ald og festen auch als dad Welen ber Seele inöbefondere anfahen, verbunden mit jener Meinung daß die Seele Luft wäre nach ihm. Denn nach einer andern | Stelle des Sertuß (adv. Math. VII, 349) folgte Agnefidemo : dem Herakleitos auch darin, daß die Vernunft ihren Siz außen ; halb des Leibes habe, alfo auch gewiß darin, daß fie, wie wir : fehen werden, durch das Einathmen hineinfommt: was aber ein geathmet wird ift nach ber gewöhnlichen Vorſtellung die uf, Und diefe gewöhnliche Vorſtellung ſchob man dem Herakleitob unter. Diefe Spur läßt ſich genau nachweifen. Tertullianus (de auim. c. XIV) Non longe hoc exemplum est a Stratone « Aenesidemo et Heraelito; nam et ipsi unitatem animae tuentar, quae in totum corpus defusa et ubique ipsa velut flatas is

ao calamo per onvernas, ita per sensualia variis modis emicet, noa tam concisa quam dispensata. Ja ed haben wie es fcheint eigne herakleitiiche Worte DVeranlaffung dazu gegeben. Diee führt und Clemens an, welcher da wo er den Herakleitos be Ihuldigt fi aus Orpheus bereichert zu haben, nachdem er jene orphiſchen Verſe angeführt hat, alfo fortfährt

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49. Hodrketog & roVso7 avvssdusrog Tobz Aoyow BE aus yocpeı, yuynas Bavarog Vdng Fevdadas, Vdarı dd Favaros yi7Y yerdodas dx yücg O8 ‚Uöwg yiveraı, dk Übarog dd yuyn. „Den Seden „iſt Tod Waffer zu werben, dem Waſſer Tod Erde zu werden; .- „aus Erde aber wird Waffer, und aus Waſſer Seele.” (Strom. VI, 2.) Die lezten Worte de yñe yuyn beöwegen bem He raffeitod abzufprechen, weil Philon baffelbige nur, fo anfuͤhrt «u xui 6 Hoaxisırog, Ev olg ynoa wuynos Odrarog yöv yevEodes (quod mund. sit incorr. p. 958) wie Heyne thut (Opusc. III, p. 106) finde ich feinen Grund. Es ficht . bahin ob ganz in demſelben Sinn gemeint ift, was Proklos

anführt (ia Tim. p. 36) . . xal @AAog ovrog yvywy rwy "voeoWy Favarag vVyoljas yeväodası gnoiv "Hoc- zAssrog. Meberhaupt aber bilden diefe Worte zu fehr einen Herameter, al5 dag man fie wie jie hier flehen dem Hera» ws Heitod beilegen Tönnte, fondern fie follten wol nur. einen hera⸗ Heitifchen Saz dem Gedaͤchtniß einprägen, wie wir oben Thon einen ähnlichen Fall gehabt haben.

Aus diefen Morten nun fchloß man alfo fehr natürlih, Wenn im abfleigender Bewegung auf die Seele das Wafler folgt, fo muß die Seele Luft fein. Daher fügt auch Philon. hinzu wv- yiv yap oiöusvog Eivas TO nvevVum, ı7V piv digog Teisv- nv ylveoıw bdaros, mv Vdarog zig nad yEvecıw ai- Yirzeras. Nur daß hiebei immer die empedokleifche Phyſik der vier Elemente zum Grunde liegt, welche ber größten Wahrſchein⸗ lichkeit nach Herakleitos nicht anerkannte, fondern nur drei Ent: wikklungsſtufen darftellte, zvo, Falco, welches ex hier auch Wong nennt, eben ſowol die elaftifche Zlüffigkeit mit darunter begteifend, und 77. Wer nun biefe drei Formen auf jene vier Elemente zurüßfführen will wird freilich bie Luft bilden muͤſſen theild aus der Yalaaoa des Herakleitos, theild aus feinem vg, in wiefern e3 nämlich eim erfcheinendes iſt unter der Form ber

n

Ä 118

dvadvniaor. So wird denn freilich von jener Anficht „aus jeden um fo mehr ald er fih unter Feuer auch ‚Flamme benf Herakleitos fagen die Seele fei Luft: ganz unrecht aber. wird biei auch auf die doyn ausgedehnt. Man fehe wad Galenos vor

wden Stoifern fagt Aveüua yap ri nv wuyv eivas Poukov.

Tas xadunso zaL nv ploıv, @Al Üygoregov uEv xab yu- zoöregov Tig YVoewg, Emootepov Öd xul Üepuoregov ts wuyns. ‚Ed. Chart. T. V, p. 449. Ihm felbft aber dem Herakleitod ift e8 nur dad Feuer, welches - erlöfchend zunächfl Waſſer wird, und in diefem Sinne Waffer werden ber Tod ber Seele, und ed ift nur das erfcheinende Feuer, die Emox avalv- wiaoıg welche aus dem Waſſer entfteht, und an welche er bie erfcheinende Bewegkraft und Erkenntnig bindet. Deshalb nun, weil biejenige Form des Dafeind, mit welcher Herakleitos wes fentlih dad Leben als befondere Erfcheinung verbindet, fich vor:

- züglich aus dem Waſſer entwikfelt, und der unmittelbare Uebergang

des ſtarren in diefe Form von den meiften überfehen wurbe, nannte Clemens oben, wahrfcheinlich älteren Gommentatoren nachſprechend, die heraffeitifche Yalaoca dad wg antpumr naang yevEoswn. Wo demnach diefer troffne Dunft zufammenhangend in Maffe und ungebunden fich befindet, da ift der allgemeine Sij ber Seele, das meoityov ift bad poevnoss, und was ſonſt it

ber Welt Erkenntniß bat und Selbſtbewegung, muß ſie aus

403

dieſen haben. So Plutarchos

* 02 won xal Plenovoa xaL xivnoeos doynv 8 eig

&yovaa zal yvaoıv oixeiav za EAhorgiwv pics KAHN ganıuxev Anagbonv zul oloo⸗ Ex TOõ PEOVOUVTOg, önwg xußsoväras ro,re guUunav ad” "Hocxksıror (de Isid. et Osir. p. 382.) Ich habe unbedenklich aAAadEv in ben Text gefezt ſtatt des aAAwg Te unferer Ausgaben, ober was, wie Wyttenb, erinnert, Zylander geleſen haben muß alas re. Buchſtaͤblich herakleitiſches möchte ich hoͤchſtens im bem ſezten Worten anerkennen, wiewol auch nicht mit Sicherheit,

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In biefen will Markt. Iefen öras flatt Sms; gewiß nicht mit Unrecht, wenn bie Worte plutarchifch find; als herakleitiſch aber könnte man mol ppovoüvrog önmg xußsovaras verbins den „aus dem in welchem die Erkenntniß iſt wie das Ganze „tegiert wird.“ Eben fo Sextus in ber vorhin ſchon angezogenen Stelle (adr. Math. VII, 126 6q.) roũrov ôn Tov Heiov Aoyov za" “Hoa- xisırov dr’ Avanvons onaoavres voepol zuvausde. Durch dieſes Eingefogenwerden wird nun die Seele eined einzelnen, ins dem die allgemeine Enoa avadvuieoıg fich dereiniget mit dem in einem jeden. aud den Seuchtigfeiten feines Leibes fich bilden⸗ den trokknen Dunft. Dies ift wenigftend dad wahre an einem n Berichte de3 Nemefios (de nat. hom. c. II, Ed. Ox. p. 38) Hod- "zlerog ÖE TmV uEV ToV navrög yuynV Gvavuiacıv Ex 709 | iyewv, tHu ÖL EV Tois lwoıg‘ ano Te ıng Exrög Kal vis &9 airoig Avaduuıaoewg . öuoyevg nepvrevar. Daſſelbe faft «os wörtlich de plac. phil. IV, 3. Diefe Verbindung nun ift für den Leib zwar, oder, wenn man bie in einem jeden felbft ſich erzeus gende avadvuiacıs auch für ſich wenigſtens als bie niebere Seele will gelten laffen, für das einzelne lebendige zwar eine Erhöhung, und erft die Quelle ded Lebens in vollerem Sinne, für das pgevnges felbft aber ift fie natuͤrlich eine Erniebrigung und ein Tod. Der Leib wird belebt durch feine Verbindung mit dem Princip des Bemußtfeind und der Selbftbewegung, diefes aber ſtirbt, weil es gebunden ift und in Ruhe bleiben muß. So erflärt Sextus gewiß mit Necht Die Worte des Herakleitos welche er anfuͤhrt 50. O ö&'Hoaxisıröos pnow, öri xal civ xal so anodaveiv xal'Ev ro Env nuag Esı, xal iv ro sedvavyas. „Und Herakleitod fagt, ſowol das Leben als „das Sterben ift beides in unferm Leben und in unferm Tode.” - (Pyrrb. III, 230.) \ Denn der Tod wird dann bie Ereitung, die Wiederbelebung

nn 120 der Seele. ' Daher iſt auch gewiß herakleitiſches in jenem Wort⸗ ſpiel welches Platon anfuͤhrt daß die Koͤrper die Graͤber der Seele find, worauf auch Philon deutet (Alleg. leg. I, fin.) o-

vovou xal 6 Hoaxisırag, xara rovro Muwürewg axoAovär- ‚005 To Öoyueri pnoı, lwuev TöV Exeivev Üavarov, TedN-

ass xausv ÖL ròv Exsivav Piov- ds vüv udv öre Evlpuev tedyr-

\

xbios Tas wuyns xal dig Av &v bnuarı tw owuerı dvrerum Pevuevns. Auch muß man fchliegen Herakleitos Habe fich meh rere Arten gedacht, wie das befeelende Princip mit den niederen Entwikkelungsſtufen Tönne verbunden fein, und zwar nicht nur folche die geringer find als das menschliche Leber, fondern aud folche die etwas höheres darſtellen; und dieſe fcheint er gemeint zu haben fo oft FeoL und datuoves bei ihm in der Mehrzahl vorfommen und alfo gewiß ald. einzelne Wefen. So mag tr gemeint haben, wenn er «3 in ber That gelagt hat, wad wie

| bei Diogenes (IX, 7) leſen

navre vvyuv eivar xar daıuövov niyon, und auc, jenen Spruch, ben Ariſtoteles aufbewahrt hat (de part. anim. I. 5) |

Exehevoe . EiaLEvar Yadboüvrag, zivas ydp xal &r-

Tavda Geoüg wiewol an ber Aechtheit von beiden zu zweifeln wäre, wenn ed be1 Mühe lohnte. Wil man nun etwas feine Theologie nennen, fe Tönnte das im firengfien Sinne nur gewefen fein was er voB dem sregueyov poevngeg felbft gefagt hat in wiefern es ald all gemeine Vernunft die Quelle alles wahren Bewußtſeins iſt; deni dies allein war fein Allerheiligfteö, jener Name des -Zeus, de

I)

—E geſprochen ſein will und auch nicht. Und ſo laͤßt ſich wol den

ken, daß die Gegend ſeines Werkes in welcher er hiervon ſprach dies mar aber, wenn wir anders den Sextus (adv. Math. VI 132) recht verftehen, der Anfang, von fpätern als feine Veodo yia ift angeführt worben, nicht aber dag er felbft fie als eine

befondern. Theil mit einem eigenen Namen aufgeftellt habe. Wa

121

aber über die mannigfaltigen Werbindbungen der allgememen Jernunft mit ben verfchiedenen Formen ded Seins gejagt, wäre me feine Dämonologie zu nennen, und. ift hoffentlid auch nur ihr in der Kürze abgefaßt gewefen. Und hier müßte dann ald Polemik gegen die Wolföreligion und die dichterifche Götterlehre ihten Siz gehabt haben eine unter dem Namen des Herakleitoß aufbehaltene Stelle, die ich aber ihres alterthuͤmlichen Anſehens ohnerachtet doch nicht wage als eine aͤchte zu bezeichnen. Sie fnbet ic | zuerft bei Clemens (Cobort, e. IV, p. 44) .. zov ye od 20v00v giRogögov ToV ’Eyeoiov Hocxisitov. 179 avaı- cöúnoicav Övsıdiiovrog Toig ayakuaoıy „Kai ayakuacas Tovr£osasv suyovras 0%010V Ei Tıg Öonosaı ik oynvevoıro. Dann noch aus Eeljus bei Drigened (contra Cels. VII, p. 738) mit einem Zuſaʒ xal unv zei Igaxieı- 105 WE wg Ednoyaiveras xal Toig ayalyacı rov- TEOI0ıV EVYovYras, 0%0809 El 'Tıg Toios bouoıaı 4 AEOYNVEUOSTO, OVTEYIYYWORWV HEoUg oUTE jowag ‚oitiveg &las. „Und zu diefen Bildern beten fie als wenn „emand mit ben Häufern rebete, nicht einmal wiffend wer „Bötter und Dämonen find.” Denn daß er bad lezte auch für herakleitiſch giebt, fieht man aus feiner Erklärung 6 uEv re nah Gnogöntwg Unognueiver nAld0v To Toig dyak- haow zuyeodaı Eav un yıyyaorn Tis Veovg xal Nomag oitiveg eicıw. Öoxoiss ſtatt Öouosos iſt nur eine fiuns reiche Vermuthung, und die doch wenig beffert, und von der Stelle den Verdacht jübifchen Urfprungs nicht abwälzt. Und Celſus mußte freilich die alexandriniſchen Juden auch leſen und konnte ſich von ihnen und mit ihnen täufchen laſſen. Doch um zuruͤktzukehren: fo mag ſich Herakleitos die menfchliche Seele betreffend gedacht haben, daß fie von ſolchen Damonen und Göttern herrühre und nad) dem Tode auch wieder in folche verwandelt werbe, wic aus folgendem Bruchſtuͤkk zu erhellen ſcheint

. Eva zal Myeras 6odwg Und Hoaxielrov, örı Co pev | 10V Ixsivav Favarov, redvizauey 82 Toy dxei- u vov Piov. Hierocles in carm. aur. p.186. Es Fann aber |

. hier nur von den Göttern die Rebe fein, und von einem Le⸗ | ss_ ben außerhalb der niedern Welt, wie die vorhergehenden Worte | des Hierocles „dio zal Enaugoreoite (6 avfownos) Teig oy&osoıy, ÖTe ulv Exei (mv TV vosodv eüluiav, Öre 2 | evraüde nV elodntınv Zunadeıav noooleusavov ge : nugfam zu erfennen geben. Man findet aber jene Worte von andern auch anders gebraucht. Marimus Tyrius (Diss. XLI. p. 489 Davis.) verflicht fie im die ſchon angezogene Schilde rung von den Verwandlungen ber Dinge überhaupt (f. oben S. 407). Man vergleiche auch Philon a. a. D. Und_ wahr fcheinlich iſt es diefelbe Stelle melde Numenios bei Porphy: rios (de antro p. 256 Ed. Cantabr.) auf den Gegenfaz zwis fhen Seele und Leib bezieht xat allayod ÖR yavaı Cyw nuüs Tov Exeivwv (der Seelen) Havarov, za 67% ExXeivag ToV jueTeoov Favarov. Und mit einer folhen Verwandlung der Menfchen und Götter in einander ſtimmt auch gar fehr zuſammen was Herakleides in Verbindung mit dem’ vorigen anführt 51. 6 yovv oxoreıvög “Hloaxksırog Goapn xal dic au PoAwv eizalsodaı Övvaueru GeoAoyei T& pvoıxa di W j pnot, Hedi Bynroi T üivdoonnoı ayavaroı tür TES TOV ERELVOV FAVaTov Fvnoxovreg nv exe + vo’ Lonv. (alleg. Hom. p. 442. 443 Gale) Die ef +

0 Worte führt abermals Marimus auh an Ixansı za u E Hoaxısırov- Heob Hvnrat (fo lieft Schon Heinfins ſtat aFavaroı), EvFownos EUavaroı (Diss. X, p. 107) Nimmt man nun hinzu, was Clemens anführt "Oodus ae _ einev Hocxdeiros Avgownor Deal, Hear Ävdon- zo: (Paedäg. IN, 1. p. 251) wo aber Stephanus (poes- phil. p. 135) ganz faͤlſchlich die folgenden Worte Aoyog gap |

123.

adrös noch für Herakfeitifche hält und deshalb auch wurog ſchreibt und was den größten Verdacht hat unfere näms liche Stelle zu fein: fo wirb hoffentlich niemand zweifeln die ganze Stelle fo herzuftellen wie auch faft ſchon Fabricius (ſ. Sextus p. 185, nof. e) gethan hat "Avdownoı Feol Uvr- 70; eos T EAvdogwnoı auavaroı, Swvres ToV Izeivav Foavartov, Fvnoxovregs nV Exeivwovbonv. „Die Menfchen find fterbliche Götter, und die Götter unfterb> „lche Deenfchen, lebend jener Tod und flerbend jener Leben,” J welches leztere dann gegenfeitig zu verfichen if. Doch würde vielleicht der Sinn noch fchärfer ausgedrüfft, wenn man mit wmachläffigter Genauigkeit des Gegenſazes laͤſe Yunoxorrsc Kınv x. T. A. Daß uͤbrigens Hierokles den lezten Saz nur aufgeloͤſt hat und die Participien das aͤchte find, erhellt aus Herakleides ganz offenbar. “Ha diefe Verwandlung ließe fich ähnlich den Verwandlungen deö soo“ Ganzen anfehn ald die auf» und abfleigende Bewegung der Sees len in ihrer befondern Sphäre, und fo befäme einen beſtimmten Einn jener Bericht Stob. Ekl. I, p. 906 “Hoasksırog u2v yag .. . 0d0v TE dvm xal xETw Tag Wvyüg Ölanopeveodau Unei- Ange. Oder mag auch SHerakleitod nur im allgemeinen an bie RKuͤkkehr aud der Gefangenfchaft des Leibes in die Freiheit des negıiyovy goevnpes gebacht haben, wie Theodoretos fagt 62 “Hoaxksıros. as anallorrousvag ToV Gwuatog (Wvyüs) eig TIV-ToU navrög Avaywoeiv yuyhv Epnoev, olu on Öuoyevn Te 0V0av xal öuoovowv. (Ts IV, p. 822), ſo hatte er immer Urſache den Tod zu preiſen und hoͤher zu achten als das Leben. ‚Und hievon iſt und noch mehreres aufbehalten geblieben. Zus 'nichft fagt Clemens indem er von Vergeltungen aller Art in Iimem Leben vebet 52. ovvgdew toviw xai 6 Howxasitog Yaiveraı, Öb duv gnas negi twv Avdgwnwv Ötaheyouevog "AvdpW- xovg ueveı anodavovras 00a oüx EiAnovras

| 124 odö} Boxdovass (Sram, IV, 1) „Die Menſchen erwan „tet wenn fie todt find mas fie nicht Hoffen noch glauben.” Saft eben fo Theodoretos (Ed. Hal. Vol, IV, p. 913) dxsivo 62 tod “Hoaxisirov uale Gayualo, örı nEeves Toig wm ovöHogWnovs anodFvnoxovras 60a x. T. 4, Cle⸗ mens felbft deutet anderwaͤrts (Cobort. II, p. 18) gewiß gegen die Meinung bed Herakleitos den Saz unvollftändig angeführt nur auf Beflrafungen. Der erften Auslegung aber flimmt bei ein Fragment bei Stobaͤos, welches Wottenbach dem Plu⸗ tarchos vindicirt hat Ener 77V ya neiodeioav. do@ νοον- ntovg negiueves Televrnoavrag ad" “Hoaxısırov ovöly &v xuraoyoı. Nur für wörtlicher ald jene darf man biefe Anführung nicht halten (weshalb ich auch das beidemal beibe haltene &ooe des Clemens dem öoa des Theodoretos und diefed Fragmentes vorziehe); und ob der Verfafjer dad oväiy &y zaraoyoı, namlich die Seele in ber Berbindung mit dem Leibe, auch als heraffeitifh will angeführt haben, läßt fich in der That eben mern es Plutarchos ift am wenigften entfcheiben. Dann mag uch. wol Herakleitod gefucht haben zu zeigen wie eben hiermit auch manches in der herrichenden Denkungsart üben. einftimme. Zwei verfchiedene Stellen der Art führt Theodoretos an 53. O0 öe ye ‘Hoaxleırog xal Toüg Ev Toig moAsuok Gvaıgedevrag nraons &klovg Unokanfavei tung. "Agni YAaTovs Yan pnalv, 05 Heol rıuwor xai Arsen 2106... %al nal un. : 54. Mägoı yao u: ikoveg' ueibovag noLoag Aay- xavavoım. „Denn bie im Krieg getöbteten, ‚fagt.er, eh⸗ „ren Götter und Menfchen. Und wiederum: Denn der ber „bere Tod erlangt auch den größern Lohn.” Die legte Stelle führt auch Clemens an, ionijirender Moooı yag uEso- ves uELovag woigag Auyyavovos za Heeno. (Strom. IV, 7.) Denn wollte man auch von dem erſten Saze glauben, er ſei aus

125

einer politifchen Stelle, wo er das Feſthalten am Geſez, alſo auch das Streiten fuͤr das Geſez und fuͤr das Vaterland empfohlen: ſo kann doch dies von der zweiten nicht gelten. Ganz aͤhnlich iſt noch eine Stelle bei Clemens (Strom. III, 3.)

55. Hodxhcito'ę yovv xaxilwv Yaivera TV yEvsaıy Ersıdav, gnol, yevöusvoı Sweiv EHEkovar, ub- povG T Eysıy, nahlov Öt avanavecodaı xal air dag xaraheinovos uogoys yevsodaı,. Statt Enei- dan welches im folgenden nichts entfprechendes findet ‘muß man aber wol eneiza Iefen. Die Worte u@Alov d2 ave- neveodes will ich aber nicht als herakleitifch vertheidigen, fie ſehen faft aus wie zwifchengefchobene mildernde Worte bes Clemens ſelbſt; am Ende zu uopovs yeveodaı muß man evroig hinzubenken. „Wenn fie .geboren find wollen fie dann „Leben und auch Tod haben, und hinterlaffen Kinder daß des sus „men auch der Tod werde.”

Benigftend Fann man ihr nicht leicht einen andern Zwekk beiler gen, als zu zeigen, wie auch die gewoͤhnlichen Menſchen den Tod für kein Uebel halten. Und da wir wahrſcheinlich bei Heraklei⸗ tod und feinen naͤchſten Anhängern zuerſt philoſophirende Spiele mit Worten zu fuchen haben: fo gehört auch hieher gewiß ein folches, welches in dem Eiymologicon ı magnum (v. Biog) aufbe: halten worden ift .

56. Eoıxe 62 Und TWV Gpyalmv Oumvvung Atysadaı fig röfov xaı n kun. “Hoaxasırog 00V 6 axoteivög, 009 Toto dvona fiög, Epyov öd Iavarog. „Bebeutet doch des Bogend Name Leben, fein Gefchäft aber iſt Tod.” Offenbar wollte Herakleilos bier mit Vernachlaͤſſi⸗ gung bed Tons die Sprache auf feine Seite ziehen, daß der Tod ſelbſt Leben fein muͤſſe ).

7 Yier nun war es nicht ſchwer der Epur auch eines einzelnen Wortes nachzugehn; wohin aber gehoͤre, was Suidas anführt (v. Aupıoßarer\

u. —8

126

Wenn nun das megıiyov poevnoes uͤberall daſſelbe, die menſch liche Seele aber zwar fofern fie vernünftig ift jenem gleich, dod

sos.aber nicht ohne eine Beimifchung des befonderen zu denken ifl

fo wird nun in dieſem der Grund aller Verſchiedenheit unte

* den Menſchen liegen. Denn wie überhaupt zwifchen ben ven

ſchiedenen Entwikklungsſtufen in dem Gebiet der Erfcheinung mehr ein allmähliger Uebergang fattfindet als ein fchroffer Uns terſchied: fo gilt dies vorzliglich auch von ber aus den Feuchtigs feiten des Deenfchen eben erft fich entwikkelnden auadvuinex. Sich fetbft gleich) aber wird auch diefe immer fein, weil fie ims mer aud bdemfelben Verhältniß hervorgeht, welches der Zufams menfügung und dem Beſtehen grade dieſes einzelnen zum Grunde liegt; daher ift nun ihre Beichaffenheit in dem engeren Sinne die einnpuevn des Menfchen. 57. Kara Ö2 ToV avrov ToonoV xal End Tg wur EDEOL TIS EV NaO& TV YVoıxyv Xataoxevnv Ösapogow yıvousvag Eiaso Tag TE ngowIpEGEIG Xal Tas niowkeis vol roðſe Plovug: nFoc yao Evdownw daiuwv xara Tin “Hooxksırov, Tovresı gvoıs. Alex. Aphrod. de fato 56, „Des Menfhen Gemüth ift fein Geſchikk.“ Smimev bedeutet bier ohne Zweifel daſſelbe was ſonſt eiurgusvn. Derſelbe Spruch auch bei Stobaͤos (Serm. CH, p. 559) und bei Mu⸗ tarcho8 (quaest. plat. p. 939) der ihn in Berbindung bringt mit dem menanbrifchen Verſe 0 voũg yao numv © üeos.

sos Sol aber: beftimmter ein Maaßſtab gegeben: werben um zu beur⸗

theilen, welche Seele die beffere fer und welche die fchlechtere: fo war gewiß.zuerft zu fagen, daß jede um defto beffer fer je feu⸗ tiger. Vielleicht gehören auch hieher die Stellen worin Hera⸗ Pleitod den vnög lobt, weil ja unter diefen Begriff alle bie Handlungen fallen, in welchen fich die feurige Natur, die ſchnelle

Pr zım dt TO Augıoßmrev. "Iuvas Id nal ayyıparsv, zul ννν-— Auolyv "Hoaxlıros) das mag wol Micmand auffinden koͤnnen.

u 49

häftige Beweglichkeit der Seele offenbart. Hierüber iſt und Ein vielfach angeführter und gewendeter Spruch übrig, ber gleich fo bier ftehen mag, wie er wahrfsheinlich zu fehreiben iſt 58. Xadanov Fvuo uazeodar ö,r4 Yag dv yon- In yirysadaı, wuyns wweetau , „Schwer ift gegen ‚ren Muth.fireiten; denn was er will daß.gefchehe, kauft er „für das Leben.” Zuerſt führt ihn Ariftoteled an xadaneg zul “Hoaxisırog eine yalnov paozwv eivar Fvuo ud- E0Fas° yuyig yao wWveiodes (Polit. V, 11. Vergl. Etbic. Nicom. II, 2) und faft eben fo.Eudem: H, 7 zaisııovy yaa gn0, Fvuo uayeodas" wurns yao wveires. Dann Plutars chos öfterd Coriolan. p. 224. uegrvgiav anelıne Ti EINOVTE Huuo ugyeodaı yakenıv- 6 yag &v Fein, wuyis: Wvei- as. Vergl. de ira p. 457 und Amat. p. 755. que rag ud- yeodas yaheıöv, od Fuuo, zu “Hocxäsırov' ri YO 506 av deinen, xai Vuxũs wveiras ai zonuaTwVv zul Ö6- Eng, wo ber Iezte Zufaz offenbar ‚eigne Arbeit if. Endlich auch Jamblichos uagrug roig Asydeicıw“ Hgaxisıroz Hyuo yap gmoı uayeodaı yakeııv- ö,rı yag &v yontn yi- yveodus, wuyng wyeeres (Protrept. p. 140). Gewig aber find hieher zu ziehen die fo berühmt gewordenen Auöfprüche von den troffnen Seelen, welche genau mit der phys fihen Theorie des Herakleitos zufammenhangen, und aus dem disher dargeftellten gar Teicht zu verftehen find. Denn je mehr die in dem Menfchen felbft ſich entwiffeinde avadtvulaoıg dies fen Namen verdiente, nicht mehr in das Gebiet der Halcooa gehörig, alfo fchwerfälig und dem flarren verwandt, fondern leicht war und troffen und zur höheren Region diefer Eigenfchaft wes gen binaufitrebend, um defto mehr Eonnte fie fich der von außen einwandernden vernünftigen Seele verähnlichen; je mehr aber jene noch verfchiedener und untergeorbneter Natur war, im befto weniger Eonnte diefe ihr Recht in dem Menſchen ausübend feine Borfiellungen ben gemeinfamen Erkennen und fein Leben dem

128

gemeinſamen Gefez gemäß bilden, fondern ber Schein ber tr befonderen‘ feinen Siz hat und die Wilkühr mußten die :

607 band behalten. Eine troffne Seele ift alfo eine folche in cher unbefiegt von ben niederen Stufen des Seins die gei fame Bernunft waltet. Diefed nun, daß die troffne Seel befte fei und die weifefte, wird von fo vielen und auf fo fältige Art angeführt aus dem Werke des Herakleitos, kann auch von ihm in fo mannigfaltigen Verbindungen fein v bracht worden, daß ſchwer ift zu entfcheiden welches mehr weniger feine eigenen Worte fein mögen, gewiß aber vie kuͤhn alles auf einen einzigen Ausdrukk zurüffführen zu "Soviel nur fieht jeder der fi) in den Zufammenhang ber zen Theorie flelen kann, daß die Stelle welche Weffeling (( ıbisc, Vol. V, p. II.) zur Hauptftele machen will

59. Avuno Öx0rav uedvodnN Äyeraı Uno öög avnfov oparköwevog, oUx Enatwmv öxn f ve, ÜYONV TV YUXnV E4WV* aun yuyn, eine al

Leſeart alyı Enon ift am Rande bemerft, vogwrarn Goign. Stobäod Serm. V, p. 74. „Ein Mann wen „trunken ift, wird geführt von einem unmündigen Kinde, „‚tretend nicht wiffend wohin er geht, weil er eine nafje „hat.“

nichts anders ſein kann als eine faßliche Beſtaͤtigung des in einem andern Zuſammenhang vorgetragenen Sazes, um sog einem Beiſpiel, wo die Urſache der Verſchlimmerung, daß ı lich feuchte Dünfte Die Oberhand gewonnen haben, leicht kennen ift, den Unterfchied beider Zuflände zu zeigen. D find auch die lezten Worte «Un dien, wiewol ganz gewiß vafleitifch nicht mit audgezeichnet worden, weil nämlich ı wahrfcheinlich ift dag Herakleitos nach einem folchen Beifpie deömal ben Hauptfaz follte wiederholt haben, fondern der here Epitomator, den Stobäos ausfchreibt, hat ihm hieher

129

tellt, um an bie eigentliche Abficht jener Beſchreibung deſto bes fimmter zu erinnern. Es hat aber wahrſcheinlich Herakleitos um ſeine Lehre zu eroͤrtern nicht nur ſolche Beiſpiele gebraucht die das Verdienſt der Popularitaͤt haben, ſondern auch ſolche die mehr ins große gehend des Naturforſchers wuͤrdiger ſind. Er konnte ſchon anfangen in dieſer Hinſicht zu vergleichen Land»

thiere und Seethiere, und dann fortfahren verſchiedene Voͤlker zu⸗

ſammenzuſtellen nach ihrem Klima. Von dem lezteren hat ſich eine ganz deutliche Spur erhalten in einer Stelle des Philon welche Eufebios gerettet hat

60.. yayn yao 7 Erhds drpsvöng dvdownoyovei .. To ö’ aitıov, Aentörntı 0005 7 Ölavora uegvxsv dxoväodas“ di0 zur "Hlgaxkeıros 00x ano 0xXonoV yo’ y7 Er-

07 yvyn vopwrarn xab Ggisn. (Praep. Evaug. VII, . 14) Gewiß hat Stephanus nur diefe Stelle im Sinne, wenn soo

et (Poes. phil. p. 139) fagt, scio aliogni afferri ex eodem phi- Iosopho 6x0v yn Enon wugn Copwrdrn. Man fieht offen- bar dag bier ‚die ganze Verbindung der angeführten Stelle mit dem behaupteten Saz verloren geht, wenn man nicht die Worte läßt wie fie find und uͤberſezt, Darum fagt auch Heralleitos nicht unpafiend, „wo das Land trokken iſt, ift auch die Seele bie weiſeſte und beſte.“ Dennoch wollen Weſſeling (a. a. O. p. 46. 47) und Heyne (Opusc, II, p. %) der jenem durch⸗ aus nur nachſpricht, auch bier leſen aum vvxn 00pWwTaTn x. a. Doc) die Sache redet wol für ſich ſelbſt, und es iſt kaum noͤthig etwas gegen ben gelehrten Mann zu ſagen, . der hier nicht ganz auf feinem Felde war. Denn wenn er bie techte Leſeart durch ſolche Gruͤnde widerlegen will, weil; ja dann herakleitos behauptet hätte, in den afrikaniſchen Wuͤſten muͤß⸗ tm bie vortrefflichſten Menſchen erzeugt werben: fo dürfen wir ihm ja nur entgegnen bag Herafleitod, wenn er anders arabi⸗ ſche und libyſche Wuͤſten kannte, wol auch hieruͤber etwas naͤ⸗ Gm Bi" 8

6 15 ..

130 ,

“her beftimmenbes gefagt haben wird, was und aber ver

gegangen ift, und bag dem Philon in feinem Zufamment wol nichts näher lag ald die Vergleichung zwiſchen $ und dem fchlammigen verwäfferten Aegypten. .

sıo Der Hauptfaz felbft aber ift wahrfcheinlich am ächteften a

611

halten in ber angezogenen Stelle des Stobaͤos, aus welche ihn, ‚weil er fi) doch an die dortigen Worte ſchwerlich unn bar anſchließen kann, beſonders hieher ſezen

61. et wog 00PWTarnxalapign. „Die tr

„Seele ift die weifefle und beſte. "Eine andere Formel |

fi) bei Porphyrios (de ante. c. XI, p. 207. Ed. Canı Avrös dE pnoıw Hoaxksırog, Enen wuyn vopwrarn.

noch etwas verändert bei einem ganz ſpaͤten Schriftfteller kas (Annal, p. 74) yuyn Enporeon oopwreon und nur geſtellt p. 116 Sngoteon yuyn oopwregn. Von dieſen nun freilich wahrſcheinlich nur Eine Acht fein und buchfki bem Herakleitos angehörig, und deshalb verdient aller! dad alte Wort «Um den Vorzug. Demohnerachtet aber ij nicht noͤthig alle Stellen, in denen ber herakleitiſche Sa; irgenb eine Weife angeführt wird, in biefe Sormel zu zwi So Plut. de orac. def. p. 432. wo es heißt ana ö2 &i 0x ARoyws zul Engörnre pain usta tms Yeguoı

Eyywonzvnv Aentüvew TO nvelua xul mosiv aidegı al zuge, fteht unmittelbar darauf höchft ungezwi

und richtig Adın yao Eno& wurn ad” "Hoaxisırov, : eben eine folche ift die troffne Seele des Herakleitos;

ohne, Grund wollen Weffeling und Heyne ändern «Un 7

[w. Eben fo bei bemfelben Romul, P- 35, 36 .

vnrus NAVTENaOL Xal &0apxoV. x —X

ya Jun Enon apisn za” Hodaksitov, „Denn „dies iſt die trokkne Seele welche die beſte iſt nach Her „tos.“ Jene aber wollen auch hier knon als Gloſſem zu

N

131

anfehn, als ob avog ein fo ganz ungeläufiges Wort wäre, und meinen, nachdem jenes in ben Xert gefommen, „fi vn in aürn verwandelt worben.

Bon biefem allgemeinen Ausdrukk aber ift gewiß noch ein andes ver zu unterfcheiden, dag nämlich Heralleitos bie Seele auch, und zwar bie weilefte am meiften, einen troffnen Strahl oder Glanz aöyn genannt habe. Died erhellt zunäcft aus einer Stelle des Galenos

62. AR ei xal knedene un Evyywonoas Evavriay ei-, vos avvioewg, ei ye un Üp "Hoaxkeitov‘ xal yap oVrog ourwg eitev, aüyn Enon yvyn 0opwrarn, nv Enoo- na nalıy akimv eivas ovveoeng airiav- TO yap ig av- vu Ovoua vour Evöcixvuras. (Quod anim. mor, Ed, Chart. TV, p. 450.)

Denn wenn gleich biefe ganze Stelle ſehr im Argen liegt, indem das Zvavriav feinen Sinn giebt, ſondern aitiev darin ſtekken

muß, und bad ei ye unv gar nicht zu verftehen iſt: fo erhellt sı2

doch unwiderſprechlich daß Galenos auyn geleſen hat. Nun „Bnnte man zwar fagen, er habe dafür Enom nicht gele'en, weil "e fonft den Beweis, daß Herakleitos bie Trokkenheit für bie ürfache des Verſtandes gehalten, nicht aus dem Worte aüyn würde geführt haben, und alfo Liege auch hier bloß adr und Ne fpätere Danebenftelung von Enom zum Grunde Allein es B zu bemerken daß flatt der Worte ai yo oürog oürwg bie eren Ausgaben beide Iefen xt yap oörog oüy ovtwg u. ſ. w. Ber Tann affo bei einem fo verborbenen Texte wiffen, ob nicht ſlenos Hätte fagen gewollt, ohnerachtet Herakleitos die Seele rn Enon nenne, habe er doch die Urfache des Verſtandes mes Ai je in dem Eno6v gefucht ald in dem aüyosıdes? Daß aber 108 auch Engn gelefen, wird gar fehr beflätiget burch bie Momden Worte Zvvonoavras zul Toig &gepag adyossdeig re 32

132

au xat Enpovs Övrag, Axoœv ouveouv Eye. Hiezu kommt ein Fragment bei Stobaͤos (Serm. XVIII, p. 160)) nuög o Önowrarnv vavın nooOYEpEOFEs TOOpNV Gy e

ei vv Koupordunn xl vedagordenv stoogpegoiusde* od. 3 70 Ö° av xai env vræn NUWV onmcoxei vg ze za) Enoav, Onoie oVoa apisn ul vopwrarn eig NOV, Kudür reg "Hoazksirg doxel Atyoyrı oörwg ad yny Enon (ander aber aöyn &nen) YyurN 00pwrarn Kal Seien. Waͤre nun weder hier noch ſonſt wo eine Spur von auyf,. fo würde ich dem Verfaffer eine Gombination zutrauen zwb ſchen trokkner Nahrung und troffnem Lande, und auch bie lefen od yñ Enon. Die Herauögeber ded Clemens (zu Par- dag. II, 2. p. 184) berichten freilich, in einer englifchen H Schrift fei corrigirt av puyn, aber wer weiß wie ſpit di vorwizige Verbeſſerung iſt. Nun ſchlaͤgt ſich auf dieſelbe Seite noch eben jene Stelle dej Clemens, mo zwar Herakleitos nicht genannt, aber auf mehr als ‚eine berakleitifche Stelle Ruͤkkſicht genommen ift. ovTw ‚Ö’ @v xal N wuyn npwv Unapkes —8 xd Engk xol gwrosöng" Avyn öÖ& wuyn Enod oopararn xal ügl- gn* ravın ÖL zu Enontinn; x. T. A. wo bad puroadi faſt die Richtigkeit von auyn verbuͤrgt, und wo man wol am beſten uͤberſezt „denn ein trokkner Strahl iſt die befte Seele‘ Endlich noch eine Stelle des Plutarchod (de esu ara. p. 995). an Enen yuyn vopwrecm ara Tov ' Hoaxisırov V- sa wo zwar das zur Verbindung vorangeftellte zus Jap mit anzunehmen, fonft aber in den Worten felbft nichts zu & ift „benn einem troffnen Glanze gleicht Die weiſeſte Seele Herakleitos.“ |

) Deffen Verf. Heyne (Opusc. DT, p. 96) gewiß ſehr richtig au telt hat. Denn fo pflegen anoummuoreuiuard arzuheben, wie hier —ACIECLEC

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Und dieſer durch fo viele Stellen beflätigte Ausdrukk iſt au an fih felbft fo. wahricheinlih. Denn wenn auch Herakleitos das Bort avadvuiaoıg felbft gebraucht hat, was ich doch nicht bes baupten möchte, gewiß zu willen, jo bat er es doch wol nicht genau unterfchieden von &zuig oder azuög, und ed konnte ihm, eben fo gut dad Dunfiförmige in dem Gebiet feiner Iaracva bezeichnen. Welches Wort kann ihm nun bei feiner Theorie von. ben Sternen näher gelegen haben um ben nicht mehr wäffrigen. Dunft zu bezeichnen ald eben adyn? Go Eann er die Seele im allgemeinen einen troffnen Strahl. genannt haben, fo daß bie urfprünglicyen Morte zu diefen Stellen wären auyn Enen wv- 2m "und das andere nur aus Vermiſchung beider Formeln ent. fanden; oder. er kann auch gefagt haben, die weifere Seele fei noch der troffnere Strahl. Darauf führt auch ſchon die nicht undeutlihe Spur daß er die leichte Beweglichkeit der befferen Seele und zugleich ihre Bereitwilligkeit den Leib wieder zu ver: laſſen bildlich fo dargeftelt, dagıfie ihn wie ein Bliz durchzukke. Diefe Spur findet ſich in einer ſchon angeführten Stelle des ‚Plutarchos und zwar fo daß fie faſt die Worte des Gerakitos s15 ;‚elbft zu enthalten: fcheint.

h 63, aöım yo wuyn Einen dpien wa 'Hodkasırov "done ÄsganN vEpovg ÖbLantauEvyn ToV omuc-

#08. j 7

mb eben darauf deutet 'auch in der zulezt angegogenen Stelle Clemens (Paed. II, 2) der Zufaz

‚ddE Zgas ædvuyoos rœĩg &x% roũ .olvov —RBR ve. ‚peins ÖLXNV AWWMATONOLOvuEVvN.

iht nur aber einen folchen perſoͤnlichen Unterfchieb in Abſicht uf Die Kraft der Seele, welcher den Menſchen abhängig von Kima und Nahrung als fein Geſchikk durch das ganze Leben egleitete, hat Herakleitos feſtgeſezt; fondern er bat auch, noch

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auf eine andere Weiſe als wir oben fchom gefehen, aufme gemacht auf den Unterfchied in ben Werrichtungen der Seel bei jedem Menfchen eintritt nach Maaßgabe verſchiedener 3 und auch hierin begleitete ihn feine allgemeine Anfchauung einem Wechſel des Uebemewichtes bald ber ‚ginen bald tei den Seite, Was die großen Perioden betrifft des mit er terter Beweglichkeit aller Dinge bervortretenden Feuers unt todeögleich hervortretenden Erftarrung: fo dürfen wir nın

sıs Analogie nach vermuthen daß er zu jener auch gerechnet

vermehrte und kraͤftige Weisheit, und zu dieſer ein groͤßeres ſinken der Maſſe in Thorheit und Bewußtloſigkeit. Vor kleineren Perioden aber, in denen regelmaͤßig Anzuͤnden Verloͤſchen des Feuers ihr Uebergewicht mit einander vertauf wiffen wir-auf das beflimmtefle daß er dieſes dargethan an damit verbundenen Erfcheinungen des Wacend und Schla Unvolfländig wäre daher für ſich allein, aber doch auf das tige bindeutend der fchon ermähgte Bericht des Sertus (

Maib. VII, 126 2q.) zovrov ön:tüv Heiov Aayov u ‘1

xheıton .öy GVvanvong anaoavreg YOsgol YIvousdr, x%0 uèv Unvors Andeioı, xara Ö2 Eyspaıv nakıv Enppoveg. 3 fofern nur Durch dad Athmen die göttliche Vernunft eingel wird läßt, fih ein ſolcher Unterſchied nicht erklaͤren, da ja Athmen gleichmaͤßig fortdauert im Schlaf wie im Wachen. lein nicht nur durch das Athmen geſchieht jenes, fondern 1 alle Shore, welche dem Leibe eine Gemeinfchaft eröffnen mit nequixov, und ein ſolches iſt jeder Sinn, unter welchen derum, wie wir ſchon geſehen haben und ſich hier erklaͤrt, Herakleitos die vorzuͤglichſten geweſen zu fein ſcheinen Das 2 weichen das Licht einzuſaugenwergoͤnnt ift, und die Nafe, w

sıı den fich eben entwikkelnden Duft, einen troffnen raucher

gewiß nach feiner Vorftelung, verfchluftt. Das Zurüftt des Gehoͤrs und alfo auch der Tonkunſt bezeichnet ſtark den

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. genfaz de6 Mannes gegen bie Pythagoreer ; dab Gefühl aber hatte es ihm offenbar mit dem flarren zu thun, und ber Ge ſchmakk nebft der eigenthümlichen Empfindung bed Etzeugungs⸗ geichäftes waren ihm in das niebere Gebiet der Flüffigfeit vers ſenkt. Leztered kommt mehremale ausdruͤkklich vor, zwar bei Neuplatonitern, aber wo fie den Herakleitos anführen, und fo dag man glauben muß fie haben es hei ihm gelefen. So Pros 08 (in Tim. p. 36) aus Porphyrios . . . öre dıdu pumiixöv Und Tg yeveoıovoyov xaraxAvlouzvov VYEOTNTOR Exvevoiistas zu Pantileres.Tois Tg VAng 6evuaos, ab Eikog oVrog YuyWv TWv vorgwv Üavaros üygfos : yevd- :: oFas, now "Hoaxisırog, wo bie Citation doch nicht blog auf die lezten verbächtigen Worte gehn kann, fondern an dem GiRos oVrog wenigftens hängt, fo dag man cher glauben Tann, die ganze Gedankenreihe werde als herafleitifch bezeichnet, und dad allgemeine nur Fürzer ausgedruͤkkt durch ben Gedaͤcht⸗ nißverd. Eben fo Porphyrios felbft wiederum, wie es ſcheint aus Numenios, Oder xal "Hoczisıros wuyjoı, Pavaı, riet vw un Idvarov Vyanoı yeveodı‘ Tegwıv O8 avtals eivai im Es 'yEvssıy wow" xal ühlayov ÖE yavas'%. T. M (f. oben unter N. 50, ©. 498) worauf noch folgt reg 6 zei sıa Öepoug Toug.2V Jevigsı xaheiv TOV Nomtnv Toug. Öswyoovg Tag yuyas &yovrag. (de antro. p.'257. Ed. Cantabr.). Nun Mingt es freilich als ob Herakleitos "gefagt hätte’ biefed Feuchte werben fei. ben "Seelen eine Luſt und nicht ihr Tod; allein theils iſt die Wendung zu fehr benen ‚ähnlich welche. wir fchon bei Ariftoteles und Plutarch (f. oben N. 58) gefunden haben und noch dazu am Anfang der Stelle die Schrift fehlerhaft, ſo daß leicht der eigentlihe Sinn gewelen fein Tann, Heraklei⸗ tes ſollte gefagt haben, ed wäre Luft und nicht Tod; theild iR doch beides nicht flreitig, fonderm er mag es befchriebeh ha, ben als die Luſt der niederen Seele durch welche bie Gemein,

16

Schaft mit dem neoudyov geſchwächt und das wahre Erkennen gehem mt wird.

Je Mehr nun jene, edleren Sinne geöffnet waren, defto mehr, bei gleich ‚guter und feuriger Befchaffenheit der Seele, iſt Wahre | Heit in den Vorſtellungen des Menfchen; je mehr saber die Gs meinfchaft: mit dem negseyov aufgehoben ift,. Defto ‚mehr nimmt |; Schein und Irrthum überhand.. Und fo berichtet auch im al 1 gemeinen Sertud im Berfolg der angeführten Stelle, von. der nur dad. zufammenfaffendfte hier feinen Plaz finden möge weg : DVv TEOnoV ol Gvdgaxeg ninsıdoavres To vgl xarT' hole

819 049 ÖLanvoos yivovras, ywoiodevres ÖL oßsvvuvra” ovru xar 7 enıteivwdeioe Toig NUETegoig .OWuaoıv ano TOU ni- g1:ZoVrog noige xara uEv TOV Zugıouov 048009. &Aoyog yi- vera, xura Ö2 Tv dia TwV .NAElgwV NOOWV HUUPVOEV Önoe- Öng tw A xedioreraı, wo man nur ja. ben Ausdrukk ganz dem Berichterflatter zufchreiben. muß. : Nur konnte die Spur ber Wahrheit nie ganz verloren gehen, fo lange noch die Gemeinfchaft mit dem’ szeoıeyov auch. nur in ber allgemeinften Form bed Athens holens befand. Wol aber mußte bei. verſchloſſenen Sinnen bie in dem Leibe felbft--fich entwikkelnde noch nicht gereinigte.fondern

ganz mit,.dem .feuchten behaftete avasuuiacıg ein großes Ueber: gewicht gewinnen. ‚Daher. auch der Zuſtand des ˖Bewußtſeins im Schlaf ihm aus zwei Elementen befland, wovon das eine, die Achnlichkeit namlich mit den Borftellungen des Wachens und bie hierin-fchon Tiegende nie ganz zu vertilgende Geſezmaͤßigkeit, in der fortdauernben .Gemeinfchaft mit dem rreosyav gegründet war, bad. andere. aber, nämlich: Das in fich ſelbſt haltungsloſe, den Dingen nicht entſprechende, das willkuͤhrliche der Verknuͤp⸗ fung, war, gegründet in ber hervortretenden Beſonderheit jedes einzelnen. Died bedeutet das Ev Unvaug Aydaiog, zer EyEp- aw:da —2 eupgoves. Dies auch was Plutarchos de super- soo süit. p. 166 berichtet © Hloaxkeızog‘ pnot Toig Eyonyopaaw

. 137

va:zal wöivov xöcuov eivas, un Öl zosumulren bxasov ek; 16109 onaorgipeodas. Was Antoninud fagt waorseg Kal Toüg zudsböonreg, olnas, 6 Hodxisırag &pyarag elvaı Akyer xal Ovvegyoüg zuv &v To x00uY yıvousvav (VI, 42) kann dem⸗ shnerachtet: richtig „fein; denn je. flärker jener Ausdrukk von der eigenen Welt.der Schlafenden war, um befto nothiwendiger wurde es einzufchärfen ‚daß die Einheit und ber allgemeine Zufammens hang der, Welt nicht folle aufgehoben werden... Außer biefen Zeugniffeg gehört. auch noch, hieher ein eigned bei Clemens vors. kommendes Bruchſtuͤkk des Herakleitos 64. "000 6’ «u negi-Hnvov Atyovoı, 5% aürk yon xab neo. Yavarov Ehaxnovew“ Exaregog yap Önhol Tiv Ond- oraom THs yuyüs, 6 uEv uallov O6 Ö2 nrrov‘ öneg dort zur nei (naga?) Hoaxieirov Aafeim.”Avdgwnog 2V EÜBEOYR Paog antes dEavra' anoFavuy ano- aßeoHeis. Luv :öR ünteras TEeFVEHTog EVÖwy anoaßeadstg Owyeis Eyonyapus anteran £V00V- . 70g.-(Strom. IV, 22.) Nachdem Splburg &v eüpoovn wies berhergeftellt hatte au 2v suppnpovam. und. Potter die ganz verkehrte Interpunttion verbeſſert, war kaum noch etwas zu thun als zu ſchreiben änres &avıo ſtatt anteras nvro, wel⸗ ches wol ſogar bei unſerm Schriftſteller in ber naͤmlichen Be: szı beutung - müßte genommen, werben wie ‚unten, wodurch eben Dottersauf ganz unnöthige: Veränderungen. gerathen iſt. Wir überfezen nun fo „Der Menfch- zündet fich ſelbſt ein Licht an „im der Nacht. Nur der todte ift ganz ausgeloͤſcht, der les . „benbe.aber: fchlafend grenzt an den tobten; und, deſſen Ges „ñicht verlöfcht ift, grenzt auch wachend an:den ſchlafenden.“ Der erfie Saz läßt vermutben, daß ber Zufammenhang gewe⸗ fen, zu. zeigen, in welchem-Maaß und in welchem nicht auch der Menſch jenem täglichen Wechſel von Licht und Finſterniß unterworfen üft.

Daher auch vergleicht, nie wir. oben geſehen, Herakleitos bieje nigen bie mit ihrem Erkennen nicht in Uebereinflimmung mit der

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Natur find, fondern ſich der Wilführ überlaffen, den ſchlafen⸗ den. Daher kann er den Wahn, dad Meinen aus perfönliche

Willkuͤhr, eine Krankheit genannt haben, wie Diogenes (1X, 29 und Heſychios (de vitis v. Homuxx.) ſagen

622

65. oöros tiv olmoıv leg&v vOcov —R Und noch deutlicher erkennt gewiß jeder herakleitiſche Art und’ Weiſe in

® einem andern Ausdrukk deffelben Gedanken Philostr. Opp. p.

391. ‘Hocxisırog 6 Yuoıxög &Aoyov £Eivas Xard Yiow Epnos TV Üudogwnnov" ei ÖL Tovro aAndes, wonee al- dis dorıv, Eyxalunteög Exaorog Ö naralwg &

Öo&n yEevouevog „verhuͤlle. ſich jeder der eitler Weiſe im J

„Wahn ſich befindet.“

Nur nachgebildet aber von einem ſtoiſchen Commentator kann fein was wir S. Max. Serm. Ed. Combef;: T. IL, p. 624 leſen

Hoaxısıros 6 gyoixog.:olmaıw Üeyev EFxonmP TREOXONNG.

Und ganz unaͤcht find gewiß, weil wir .einmal bei dieſem Sammler fiehen, zwei andere auf Herafleites Namen. geichrie bene Säge 7 sÜxaınog zapız Asuo zadanse Tpoym Agnor- TOVOR TV ung. puyng Evdeasav later. p. 557. vielleicht auch ftoifch, wenigftens findet fi) evxaipnum als ein ſtoiſcher Aude drußf .bei Stobaͤos (Eel. Eth, I, c. VI.) Noch: gemeiner und

von allem zigenthümlichen entblögt iſt der andere ouyronu— .

Tarnv ööor Ö würög Eiayev es eudobien zo 0 yeveada ya vòov. P. 646. . 3.3

So tadelt er diejenigen, denen es nicht o an —S wol aber on Geſezmaͤßigkeit fehlt in ihren Worftellungen. Vielleicht ge⸗ hört hieher auch ber eine von zwer Ausfprüchen : weiche Celſus angeführt hat, bei. Origenes (contra Cels. VI, p. 698.)

66. zul Evriderai ye Hooxkeitov Adler, ulav u

N ynow nBog yag Gväguneiov ulv aux Eyes yyo-

a

| |

139 \ mag, Osiov, 88 Ir „Menfchliched Gemüt bat nicht „Einficht, göttliches aber hat fie.” .

Naͤmlich je mehr das ganze 7Fos nur menfchlich if, in ber ei 52 genen Seele gegründet, und fich nicht immer durch die Gemeins fhaft mit dem xowog. Aoyos erneuert, um deſto weniger kann es wahre Einſicht haben. Anders tadelt er die, welche auch, weil ſelbſt die eigene Seele feuchter iſt als bei jenen, an Schwer⸗ faͤlligkeit leiden und nichts ſelbſt hervorbringen. Dahin gehoͤrt wol der zweite von den a. a. O. angefuͤhrten Ausſpruͤchen 67. Ereoav dd, Evo vnnıog Nrovoe Aoög daino- vos, öxwonsg neig noög avdoog. „Ein thörichter ‚„Mam vernimmt nicht mehr vom Schikkſal als ein Kind von „einem Man.’ und der bei Plutarch zweimal vorfommenbe 68. BAGE &vdownog Uno navrog Aöyov intoj- das glei, „Ein flumpfer Menſch von jeglicher Rede fich hinreißen zu laſſen.“ (de and. poet. II, p. 28 und “de audition. II, p. 41.) = Zr So dag auch wegen dieſes nur zu weit verbreiteten Verſenktſeins in dad niedere nach feiner Meinung dad Gute fich geflalten mußte ald eine äußere Macht; wenn anders Clemens nicht zu ſeht von der urfprünglichen Beziehung der Worte abgemwichen ift, die er Strom. IV, 3, p. 568. anfuͤhrt

69. Aixciq yag ob xeiras Yauog, ı yoapn Yow* x0- ‚Weg obv Hoaxisırog Aiang Övoua, pol, 00x @v jjde- sn oav, ei savra (nämlich von Außerem Geſez, Furcht und Strafe war bei Clemens bie Rede geweſen) un nv. Sch ziehe fdrsay der andern Lefeart ädsıoav vor, Wunderbar aber wäre e3 wenn Glemend auch dad raure fo wie ex es braucht, im Herakleitos gefunden hätte; daher kann man hier für wes niges buchſtaͤblich einſtehen. „Denn auch den Namen bes

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"Rechtes, fagt er, würden fie nicht wifjen, wenn jenes nicht „waͤre.“

Und zu derſelben Verwerfung ber feuchten Natur gehärt auch folgende Stelle

70. Ei wn yao dıwovoow nounnY ETOSOUYTO za) |

«u 35 3 2 UuVEoV Lou alÖ0l0s0ıVy Avanüiotarm Elpyo- oraı, gnoiw Hooxlsıros, wurög 62 'Aiöns xal dio

VVGOSG ÖTEw naivoyraı xal Anvaikovasy. (Clemens

Cobort. c. IE, p. 30.) Die lezten Worte wvrog .... Anvak

Covoıv werden auch angeführt von Plutarchos xai uzvıo I “Hoaxssirov ToV gvoıxov Atyovrog “Asdng zur Aovvox 1:

r ca y OVToOg OTE 0VV yalvovras xal Anoaivdvaıw, % Te M. (di

Isid. et Osir. p. 362.) Nur ift nicht zu begreifen warum Wyt tenbach des biefe Stele aus. jener clementifchen fo perbefier, | “Aiöng xat. dıovvoog Würög, ÖTED naivovras xai Angai-

. vovos nicht auch dab Anvailovar aufgenommen bat. Daß dieſes Clemens wirklich gelefen hat fcheint auch aus einer an

625

%

dern Stelle hervorzugehen, wo et einen fchon angeführten be rakleitiſchen Spruch unrichtig beutend, fich offenbar genug auf biefe bezieht. Sie lautet ſo ... mög ÖE wv &Alay "EL

Anvav oögrivag ueveı TELEUTNORVTaG ö &00a oböR nova

rios On uavreveras Hoaxısırög 6 Eyeauog; Nvxsındlon,

yayoıg, Paxyoıs, Anais, uldraig‘ rovrog aneılei Ta werd |

Vavarov, Tovroig uavreveras To up. Auch von ber Aus legung des Plutarchos, die fich darauf zuruͤkkbezieht, daß ſo wie Apollon die Einheit, fo Dionyſos den Reichthum und di

zo uedboVong Ev aurw, yAloxowg Ghlmyogovoıv verwerfen will. Nämlich nicht der Leib im allgemeinen: ift, hier wenige

ftend, Hades, fonbern die Neigung zu dem Gebiete des feuch⸗

u

|

Fuͤlle der Natur bedeuten foll, müffen wit abweichen, und und ber nähern. welche er in den Worten oi yao akwüvreg "Ar ‚Inv Aysodaı own, Tig yuyis 0l0ov Napamppovovans

141

ten, dunkeln. Uebrigens tritt auch hier wieder ber Fall ein daß man nicht gleich weiß, fol das avadiorara zu Uuveov gezogen werben oder zu eloyaoras, für welches leztere man bis auf weiteres lieber Iefen follte ioyaor' &v. Dann würde ich die Stelle ald eine Schilderung folcher feuchten Seelen fo

. überfezen. „Und begingen fie nicht dem Dignyfod ein Feſt “und befängen die Schamglieder, ſchamlos wäre ja das von 526 „ihnen, fagt Herakleitos. „ES iſt aber derſelbe wie Hades „der Dionyfos dem fie toll find und Zefle feiern.” So daß dieſes „‚berfelbe wie Hades“ allerdings Tadel ‚And Drohung fein foll. |

In einer nun von dieſen verfchiedbenen Bedeutungen glaubte

er wie es fcheint, daß es den meiften Menſchen an der richtigen

Beichaffenheit der Seele fehle, wie wir ſchon oben an mehreren

Stellen gefehn haben, und noch ein Zeugniß davon und aufbe⸗

wahrt hat Proclus in dem ungebrufften Commenter zum Al:

tibiades > - 71. 0odws 00V zul 6 yevvalog Hoazkeırog anooxopıeter TO nAndog Ws &vovv zal dlöyıorov‘ Tig yo alrwr, gnoiv, voog 7 Ponv; örı ol noAlol xuxol, Öliyos Ö2 ayadoi. vavre udv Hoaxleırog. Denn ich möchte nicht aus den Iesten Worten fchließen daß auch bie vorhergehenden 076 . . ayadoi herakleitifch fein follen |

und fo fchließt fich hieran, wovon wir anfänglicy auögingen, fein

mannigfaltiger Tadel auch der weiferen, um beöwillen er fo be:

hüchtiget worden ift, dag Proclus (ia Tim. p. 106) von ihm

hit... @AX "Hoaxisırog u8v Eavröv navıo sideven Akynv

mayrag Toüs @Alovg avenıornuovag nor. Vielleicht aber ift

- & was den Selbftruhm betrifft *) in feiner dunkeln Sprache nur 527

————— !

*) Man Lönnte dieſer Befchuldigung auch entgegenfezen wollen einen Sat den Diogenes (IX, 73) offenbar als herakteitifch anführt un dx; weg:

/

142

mißverftanden worden, ber Forberung wegen, melde er an die beffere Seele machte, und der Art wegen wie er fi über das Erkennen ausdruͤkkte. Da nämlich eigentlich nichts iſt, als die Eine in entgegengefezten Richtungen nach ewigen Gefezen ſich bewegende Kraft, dad up aeitwov, fo giebt ed auch Fein ande, red Erkennen ald dad Erkennen dieſer Kraft und ihres Gefezes, fo daß wer etwas weiß, nothwendig auch alled weiß, wenn gleich nur auf allgemeine Art; die wahrnehmbaren Dinge aber, deren für fich Beſtehen nur ein Schein iſt, werden nur erkannt, in wie fern fie als immer vergehend, ald im beftländigen Fluß begriffen erfannt werden; und dies ift der Sinn in welchem XAriftoteled allein Recht haben Tann wenn er behauptet { Metaph. I, 6) es s28 gebe nach Herakleitos von ben wahrnehmbaren Dingen fein Er fennen. Genauer aber ſtellt Platon diefe Vollkommenheit der Seele dar, wenn er fagt (Cratyl. p. 412 a.) fie müfle „die fi „bewegenden Dinge begleiten,‘ in ihrem, wenn. irgend etwas einzelnes feſt gehalten werden fol, freilich unerreichbaren Fluß. Dies ift es was auch Ariftoteled anführt ald Grund, weshalb dem Herakleitos die Seele müffe feuriger Natur fein, weil das immer bewegte nur könne durch ein fi) immer bewegende ers kannt werden (de anima 1, 2) und wie Simplidus (ad h. |.) es näher erklärt &v ustafoin; ovveyei 1a Övra Ünorıdeusenog 6 "Hocxisı- _ Tog xas TO YVWcousvov GUTE en enapn YIVWOKOV GUVE- neoHaı 2Poviero‘ | Diefe Foderung iſt ed die Kratylos aufs höchfte treibend zugleich

wöb usyloraov ovußalunede, allein diefer bat auch nicht bie mindefte Spur von herakleitiſcher Manier an fi. Go auch bes Aenes ſidemos Urtheil, der ihn zum Vater ber Skepſis madıtz allein der Miß⸗ verſtaͤndniſſe dieſes Mannes baben wie mehrere unberührt gelaffen, weil fie ſich durch den Zuſammenhang des Ganzen von felbft aufheben, und : nur in einer Darſtellung bes Aeneſidemos ſelbſt bemerkenswerth fein könnten.

143

ihre Unmöglichkeit darſtellte, wie uns Ariſtoteles erzählt, er habe zulezt gemeint ‚man. bürfe gar nichts” audfagen, fondern er habe nur den Finger bewegt und den Herakleitos getabelt, welcher geſagt es ſei nicht möglich zweimal in denfelben Fluß hineinzus Reigen, denn es felbft meinte Auch ‚nicht Einmal (Metaph. III, 5.) And biefer Webertreibung erhellt faſt daß Kratylos jened Eine nelches die Seele fefthalten und welches fie auch barftellen foll, Mmlich bie ewige Kraft und ben Ausdrukk ihres Gefezed in dem . Dingen, nicht mit ergriffen hat... Und dieſes neben jenem bildet den jene zwiefache Beziehung in welcher Herakleitos, der wie 52 den Wechfel der Dinge mit einem Strome fo dad Wahrnehmen dieſes Wechſels mit dem Hineinſteigen in den Strom verglich, ſagen konnte | 72. norauois Tois avroig Eußaivousv Te xal oUx dußaivouev, eiusv TE xab 00x eiufv. „An „biefelbigen Ströme fleigen wir hinein und feigen auch nicht „hinein, find und find auch nicht.” Heracl. Aleg: bom. p. 443, Vergleiht man aber die eben angeführte ariflotelifche Stelle “und das plutarchiſche morauo Jap ovx Eorı Ölg Eußnvaı To avrw, fo Tann man fehr verfucht fein nach avroig einzu⸗ ſchieben dig, was fo leicht Bann ausgefallen fein. Merkwuͤrdig find hier die lezten Worte. Ober wer’ Tann bei herakleitiſcher Dunkelheit wiſſen, ob fie noch anf noreuoig roig evroig zu beziehen find, ober für fich allein ftehn und im allge meinen fagen follen, daß eben in jener zwiefächen Beziehung auch von und gilt, daß wir find und daß wir nicht find? «Denn wes der iſt ein folcher Ueberfluß, wie fie in jenem Falle wären, dem heſier fremd, noch) iſt dies leztere feiner Denkart zuwider. Das simlich wäre kaum eine richtige Vorftellung, wenn man glaus ben wollte, eine dnögöbıe eine moipe des nepreyov wäre in dem Leibe fefigebunden ; fondern die Seele ihrerfeits iſt wie jede se eit eines einzelnen Weſens auch nur das immer erneuerte

144 BE

Erzeugniß der. Hemmung entgegengefezter Bewegungen, vernänfe tig aber find oder vielmehr werben wir nur jeben Augenblikk auch aufd neue durch Die gleichlam in jedem Athemzug verge bende und wiederkehrende Gemeinfchaft mit dem negieyov, und fo allerdings find wir, und find auch nicht. Anders auch ver ftehe ich nicht, was die meiften freilich anderd verftanden haben, auch die Aufbewahrer felbft, wie Plutarchos ed im allgemeinen von Erforfhung der menfchlichen Natur verfteht | 73. 0 02 Hodxasırog üg u&yae TI xal 08uvöv Ölen noayusvog Edsönoaunv, pnoiv, Euewürov, „Sch habe mich felbft gefucht.”” (adv. Colot.’ p. 1118. Eben fo auf Suidad (v. Ilosoduog) oVxovv aneıxög' 7V . . Aöyov Akyen Exsivov, Övneo ovv ‘HodzAsırog ‚sine negl aüroü "Euwi- zöv 2dıbnoaunv. Und: hieraus iſt wahrfcheinlich, der bei Stobäod (Serm. V, p. 74) unter Serafleitos Namen vor: kommende Saz gemaht "Avdownoıcı nacı nErTeots YIVWOKELV ERVToig xzal OwWpoEovVeiv. Anderd mißver ftanden hat ihn offenbar Diogenes (IX, 5) Hrovas d2 ovöe- "vos, all avrov Eyn Öuknaaodas, | | Auf die Fortfezung biefer Rede führt und wahrſcheinlich ein an⸗ derer Saz MHoqxlderroç vEog Wv ndvrav YEyove VOgWrenog Br - Eavrov undv övre, woraus ‘vieleicht wieder verfälicht iſt was bei Stobaͤos, (Serm. XXI, p. 176) als aus Ariflonymob vorfommt “Hodzxasırog . .. 0ogwregog, Örs Ajdes davrov % und eidöre und wol auch das ähnliche Diog. IX, 5 ... “nad F VEOS WV EPRCOZE UMöLV. ebd, TEAEIOS UEVTOL YEVÖREVOS NAVTa EYVWXEVAE,

Nämlich Herakleitos mag wol eigentlich gefagt haben, er babe in dieſem ewigen Fluß fich felbft gefucht, und auch fich nicht.ge funden ald feiend, beharrend, eben daraus aber fei ihm alle Er

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famtnig erſt aufgegangen. Wie ſich denn alles bishet audein⸗ andergefezte fehr leicht: hieran reihet, fo daß in der That ber. Keim feiner ganzen Weisheit eben dieſes fich ſelbſt Verlieren und nur in ber gemeinfamen Vernunft Finden: kann geweien fein. Denn fo ift dies ber hellſte und bezeichnendfte Punkt für feine eigens thuͤmlichſte Anficht, welche überall dem allgemeinen den Vorzug einräumt, das befondere aber als abgeleitet und in fich nicht be: fiehend fchlechthin unterordnet; und indem er dieſe durch das ganze Gebiet ded damaligen Wiſſens durchfuͤhrte, hat ex die eine Seite der alten tonifchen Naturweisheit vollendet, die andere aber dem Anaragoras und Empedokles überlaffen.

Dieſes fcheint dad Weſen der Lehre des Herakleitos, wie ed ss2 _ fh aus der aufmerffamen Betrachtung deſſen was bie Alten von ihm aufbehalten ergiebt; und es iſt nicht zu glauben, daß, wenn fich auch, wie zu wünfchen ift, noch mehrere Bruchftüßfe

fines Werkes aufftelen laffen, fie zu irgend bedeutenden Aende⸗ ; Tungen in Diefer Darftelung Anlaß geben follten. Aber bedeu⸗ - tmde und anziehende Unterfuchungen find noch übrig, nämlich auf der einen Seite, ob irgend perſiſche Weisheit einigen Eins Muß auf die Bildung der Lehre des Epheſiers gehabt, auf ber audern aber, welchen Einfluß diefe Lehre felbft ausgeuͤbt zunächft auf Platon und feine Schule, und fpäterhin auf bie Stoiker, I Welche wahrfcheinlich weil fie eben fo im fittlichen das allge meine vorzogen wie Herakleitos im natürlichen, und alles befons _ dere gering achteten und vernachläßigten, um nur ben x0wös Ao- 705 geltend zu machen, ;burch diefe Webereinflimmung darauf ges leitet wurden, feine Naturlehre der empedokleifchen und pytha⸗ goreifchen vorzuziehn. Endlich aber wäre auch um noch genauer bie geretteten Bruchftüßfe zu berichtigen nothwendig fo gründlich als irgend möglich zu erforfchen, wie lange wol und wo das Säniem, W. III. 2. K

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urfprüngliche Werk des Herakleitos ſich erhalten, und wer wol | aus diefem felbft, wer aber nur aus den Commentarien über s33 dad Werk ober aus noch. jüngeren und noch mehr abgeleiteten Quellen gefchöpft habe; eine mit vielen andern ähnlichen zufam- menhangende Unterfuchung, welche bier allerdings nur fo eben konnte angeregt und eingeleitet werden.

Abhandlungen

gelefen

in der Königlichen Afademie der Wiffenfhaften.

K 2

Lo Leder Eu Er Diogenes von Avoltonia,

Voreleſen am 29. Januar Bi u

Vrdem ich zum. erftenmal meinen Beitrag zu ben Arbeiten ber-o Iodemie. liefernd meine Tünftige Laufbahn in berfelben uͤber⸗ baue, kann ich nicht umhin, über das nachtheilige Verhaͤltniß, welchem die Klaſſe der ich angehöre, wenn. man fie mit dem gen vergleicht, zu dem Ganzen ſteht, zu Hagen. Denn mite. R unter philologifchen, biftorifchen, yaturwiffenfchaftlichen und. hematifchen. Arbeiten ſolcher Gelehrten bie ihre Wiſſenſchaft 1; zu durchdringen fireben, und alfo eben fo zu ben. höchften incipien berfelben hinauffleigen, wie -fie genau das einzelne forſchen, und dies ift doch deu Begriff des Akademikers, was un mitten unter folchen Arbeiten den Mitgliedern der philoſo⸗ ſchen Kloffe noch eigenes übrig bleiben, ald nur bad Gebiet. 3 böchften und allgemeinften transcendentalen und metaphyfis * Speculaͤtion? Dieſe aber iſt ein Geſchaͤft, welches von ei⸗ 2 ſolchen Verbindung wie dieſe wenig Nuzen ziehen Tann, mn worauf ift es bei einer Akademie abgefehen, ald daß ent: _

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weber gemeinſchaftliche Werke unternommen werben, ober daß wenigftend durch Rath, Urtheil, Beitrag der andern, jeder fein eignes beſſer vollende, dad mangelnde ergänzend, daB trrige be richtigend? Jene Speculation aber ift ein ganz einfames Ge fchäft, welches jeder im Innern feined Geiftes vollenden muß, und wobei dem ber nicht mehr ganz ein Anfänger ifl, Rath und . Unterflügung eben fo wenig fruchten Tann, ald einem Dichter mitten in feinem Werke auch kaum der vertrautefle Freund Rath zu geben vermöchte, wie ex ed hinaudführen oder wie er Died und jenes hineinbringen könnte, ohne ihn zu verirren. Aud wird der Philofoph inmitten feiner tieffinnigen Betrachtung folde Hülfe eben fo wenig fuchen, als der Dichter in feiner Begeiſte⸗ sorung; und hat er feine Betrachtung vollendet, fo würden wir auch faft nur gering von ihm denten, wenn er durch Zabel und Zureben anderer vermocht werben Eönnte etwas an dem Werke zu ändern; denn es muß viel zu fehr der Abdrukk feines innen fien Geiftes fein, ald daß er das dürfte. Wer freilich mit etwas vollendetem in dieſer Art zuerſt unter und auftritt, bee wird, dad- kann nicht fehlen, Die andern ergözen, unterrichten, orientiven, und vielleicht ihren Arbeiten eine neue Richtung ober einen hoͤhern Schwung geben; aber er wird doch immer nur in berfelben Ar : auf fie wirken, wie er auch auf andere aus dem gelehrien Par blikum wirft, oder wie auc ein anberer Philofoph außer da Akademie auf fie wirken koͤnnte. Wer aber gar einer hoͤhen Bollendung, einer durchgeführten Individualität bee Sperulatim | ſich nicht bewußt iſt, der bleibe mit feinen fpeculativen Hebungm beffer für fich, und errege nicht den Hörern entweder untheilmß mende Stille, oder einen Streit, bei dem Feine freundliche Ge meinfchaft mehr flatt findet, weil er fogleich um den Boden ſelbſ - geführt wird, auf dem jeder ſteht; denn ein drittes giebt & ſchwerlich. Wollen hingegen wir armen andere Unterfuchungen, wobei wir aus jenem hoͤchſten Gebiet Her allgemeinen Spetula⸗ tion auch nur um etwas berabgeftiegen find, hier mittheifen, um

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fie weiter zu fördern: fo find wir gewiß irgendwie in bad Ei- genthum ber Naturwiſſenſchaften oder der geſchichtlichen verirrt, und in Gefahr von den andern Klaſſen ausgepfaͤndet zu werden. Unſer eigenthuͤmliches Gebiet gleicht einem ſchmalen Grenzrain zwiſchen zwei großen Feldern, auf dem man ſich, geſchweige bei ſchluͤpfrigem Boden, nicht halten kann, ohne bald auf. Die eine bald auf bie andere Seite audzugleiten; und je forgfältiger bie anliegenden Felder angebaut find, um deſto leichter werben, wenn fie darauf auch nichtd zertveten haben, bie verbotenen Fußtapfen entdekkt. Deshalb bitte ich wenigftens .für jest ſowohl ald für die Zukunft, daß man mir vergönne mich mehr auf dem mir zunaͤchſt liegenden gefchichtlichen Gebiet anzufiebeln, auf die Bes dingung freilich, daß ich auch, fo viel an mir iſt, müzliches an⸗ baue, unb nur zertrete was ich für Unkraut erkenne. So kann - ih dann geduldig erwarten, ob, wie es fonft. wohl zu gefchehen c ‚lest, die Grenznachbarn den Rain umpflügen und mir jenen os Mhwierigeren Boden unter ben Füßen wegnehmen werben.

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* Unter die mancherlei Raͤthſel, die mir wenigſtens in ber Ge: Ihichte der alten ionifchen Philofophie noch ungelöft find, gehört x auch das was den Diogenes von Apollonia betrifft. Nicht ſo⸗ wol wegen ber Frage, ob er nach Menagius *) einerlei iſt mit J jenem Diogenes Smyrnaͤus, deſſen Glemens **) und auch Laer⸗ 0 itius +), lezter aber unter dem Namen Diomenes, als Lehrers des Anaxarchos gedenken; ſondern wegen ſeiner Phifofopheme und I feiner Schriften. | Es findet ſich nämlich) eine Stelle über ihn bei Simpficus, in diefed unfchäzbaren Schriftſtellers Commentar zu den Phyſicis des Ariftoteles **"*). Diogenes von Apollonia, fagt er, faſt der jüngfte von denen welche fich mit diefen Dingen befchäftiget

=) Bu Diog. Laert. IX. *) Strom. I. we) IX, 58, ”), Fol.6a . or

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haben, bat das meifte nur zufammengerafft (ovansepopnussag), einiges nach dem Anaragorad, andered nach dem Leukipges vorgetragen. Das Weſen (Vo) bed Ganzen, fagt auche, fei die unendliche und ewige Luft, aus deren Verdichtung, Ber bünnung und wechfelnden Zufländen bie Geftalten der übrigen Dinge hervorgehen. Solches nämlid und jeder wirb wol dies nur auf ben zulezt angegebenen Inhalt, nicht auf das zuerſt aufgeftellte- Urtheil beziehen berichtet Theophraſtos von. dem Diogenes, und auch fein: auf mich gefommened von der Natur überfchriebened Merk fagt deutlich, bie Luft fei ed, aus ber al led andere entſtehe. Nikolaos jedoch berichtet, er ſeze den Urs ſtoff mitten zwifchen Luft und Feuer Diefem Nikolaos Tamm man auch ben Porpbyrios *) beifügen. Und fo behaupten benn einige, Diogenes baue die Welt aus LXuft,. andere, aus bem Mittelding zwilchen Luft und Feuer. Die erfieren würben. ihn zu einem reinen Schüler bed Anarimened machen, bie lezteren ihn nach der einen Anficht vom Anarimandrod biefem. anfügen, nach ber andern wahrfcheinlich richtigern aber ihn als Erfinder einer eignen aufſtellen. Simplicius, wiewol den Theo⸗ phraſtos fuͤr und den Ariſtoteles vor ſich, iſt ſo entfernt ben Ni kolaos und Porphyriod zu verachten, daß er nicht nur meint, F ihre Anficht koͤnne ſich auf verlome Schriften des Mannes grim Ä den, fondern auch, offenbar nur durch ihr Anfehn bewogen, felht , ſchwankt und bald dieſes bald das, andere von ihm behauptet.

2 Allein wie kann von dem, welcher es fei nun bie Luft ober je ned Mittelding als Grundftoff annahm, gefagt werben daß a bad meifte dem Anaxagoras und Leukippos nachgefchrieben? Was wenigftens irgend mit jener Behauptung zufammenhängt, kam er ihnen nicht nachfchreiben, da jener ganz anders, und fo daß er offenbar die Luft als eine Miſchung anfieht, aus den Hr möomerien, biefer wieberum ganz anderd aus ben Atomen die Melt baut.

9) Simpl, ibid. fol. 32 b.

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So beicheiden auch Simplicius ſich über die Meinung des kolaos und Porphyrios aͤußert: fo fucht ex doch bie feinige aus ihm bekannten Schrift des Diogenes zu vertheidigen, inbem

mehrere Bruchſtuͤkke aus berfelben anführt, in einer Stelle Ines obgebachten Commentard, von ber ich nur was der Sache leid) ben Ausſchlag giebt vorweg nehmen, und ba ed mir hier me auf den Sinn antommt, in einer Ueberſezung in Erinne ung bringen will. Er fagt, Denn unmittelbar darauf, wo Diogenes zeigen will dag in dem von ihm angenommenen Grunds doff viel Verſtand (vonass) fei, indem er Tpricht, „Denn ohne Berftand koͤnnte er nicht fo vertheilt fein, daß er dad Maag von Allem enthielte, von Sommer und Winter, Nacht und Tag, Nes gen, Wind und Himmelöheitere, und auch dad übrige, wenn eis pe es betrachten will, wirb er auf ‘bad fchönfte, wie ed nur möglich iſt, angeorbnet finden,” da fügt er noch hinzu, daß auch ber Menſch fammt ben übrigen Thieren Durch diefen Grunds Peft, welcher nämlich die Luft ifl, lebe und Seele und Bewußt⸗ fein habe, mit .diefen Worten: ‚Außerdem aber find auch biefes noch große Zeichen. Der Menfch nämlich und die übrigen Thiere leben durch dad Athemholen aus der Luft, und eben bies ift Fügen Seele und Bewußtfein, wie bier in dieſer Schrift ganz lic) gezeigt wird, und wenn biefes genommen wird, fo ſter⸗ fie, und das Bewußtſein hat ein Ende.” Kurz darauf, fo

Bewußtfein enthaltende das zu fein was die Menfchen Luft md von bdiefer alles regiert zu werben, und fie über zu berrfchen.” Das folgende aber wage ich nicht zu übers , da es eine Corruption enthält, die ich nicht zu heilen weiß *).

9) Die Worte lauten PP, ano yüp gos vovzou doxei Ldog eivas xal Ind wär agirdar zul narıa dbiarıdlvar zal dv navıd dveivar Man müßte Aberfezen, Denn von ihr Scheint mie alles KHoc auszugehn, ſich über alles gu erſtrekken, alles anzuorbnen und in allem gu fein. Allein von 3906 in irgend einem fittlichen Sinne kann hier ſchwerliq; die Make

het Simplicius fort, fagt er deutlich heraus, „Und mir fcheint

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ss vaſſen wir ihn alfo auf jeben Fall jieber zu wenig fagen als zu viel, fo. wirb er alſo fortfahren: „Denn von biefer: fcheint mir alles Bewußtſein auszugehn, und fich auf alles zu erſtrek⸗ fen, alles zu ordnen, in Allem zu ſeinz und nichts giebt «& was nicht am ihr Antheil hätte, aber auc nicht eined hat bie fen Antheil ganz gleichmäßig mit einem andern, fondern vide Weiſen (roono⸗ ) giebt es der Luft und ber onoug. Dem vielfach verfchieben ift fie, wärmer, Bälter, trokkner, feuchter, rus higer und in fchnellerer Bewegung, und viele andere Verſchie benheiten finden fich noch, auch an Gefühl und Farbe unzaͤh⸗ lige. Und aller Thiere Seele iſt daffelbige, Luft, wärmere als die aͤußere in der wir find, weit Eältere aber ald bie um bie Sonne her. Ganz gleich aber ift dieſes warme nicht bei. & nem Thiere und dem andern, ja auch nicht einmal bei ben Menfchen unter ſich, fondern verfchieden, freilich nicht gemaltig, fondern jo daß fie einander fehr nahe kommen, bag aber bach Feines dem andern völlig gleich if, und Feines von biefen ver - fchieden gebildeten kann doch von dem andern verfchieben fein, ehe fie bafjelbe geweien find. Da aber die Abweichung (Fre

BAR. 0 se_.n.

fein, da bie alten Phyfiologen auf das fittliche überhaupt To gut db - gar Feine Ruͤkkſicht nehmen, da diefe unmittelbare Ableitung ber Site aus ber Luft rein aus ber Luft gegriffen wäre und niemand koͤnnlt eingeleuchtet haben, und da ſich weber Veranlaſſung gu dieſem gefähe lichen Seitenfprung noch ein Ruͤkkweg von demfelben angebeutet finbe, Wollte man 2806, was ich jedoch nicht verteidigen möchte, von be - oben angebeuteten Naturorbnungen verftchen: fo wäre auch dieſes hier zu fpeciell, und e8 würden biefelben Bedenken eintreten. Nimmt mon nun das folgende hinzu: xud Zorı unde iv 6 un uerdges vavsov’ me tiysı O8 00ör Er Suolas so Fregov vw irkon, Kll& nollo) soones mal avsod Tov afgos xal wg vonaos elow, fo fieht man aus biefee Mab | Ganze abrundenden Zufammenftellüng von aye und vonoss, daß in dem fireitigen Saz bei a6 zovrov zu verftehen iſt asoos, und bei äui zur - apirdas die sono; und etwas, wodurch biefes ausgedruͤkkt wird, ſcheint man untweber aus Ho; allein ober aus Los zivus bilden 16 . müflen. |

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eoiworg) fo vielfältig ift, fo find auch die Thiere vielfältigund vwerſchieden, und weber an Geflalt einander gleich, noch an Les bensweife, noch an Sinn, wegen der Menge ber Berfchiebenheis tm. Dennoch aber ift es immer baffelbe, wodurch fie alle les ben, fehen, hören, und ihr übrige Bewußtſein haben.” Aus biefen Stellen kann wol kein Zweifel übrig ıbleiben, daß nicht Diogenes wirklich bie Luft ald die allgemeine Baſis - ler Dinge angefehen habe. Und daß es fi) etwa anberwärts ſollte untreu geworben fein, auch das läßt ſich nicht nur bezweise feln, fonbern geradehin abläugnen. Denn Simplicus fagt nits gends daß Nikolaos und Porphyrios fi) auf andere Schriften bed Manned berufen; fondern er felbft fchliegt nur aus einer Stelle in dem Buch über die Natur, daß ed noc andere gege . bm. Beine Worte lauten fo. Da die Berichte der meiſten verſichern, Diogenes babe gleich dem Anarimenes bie Luft als & Urfioff gefezt, Nikolaos aber in feinem Werk über die Götter ers , = ht, er habe als Grundſtoff aufgeftelt etwas zwiſchen Feuer x und Luft, und dem Nikolaos auch Porphyriod gefolgt if: fo * muß man willen daß Diefer Diogenes mehrere Bücher gefchries ; ben, wie er felbft in dem Buch von ber Natur erwähnt, indem er fagt, er habe gegen die Phyfiologen, bie auch er Sophiften uennt, gefchrieben, und auch eine Meteorologie verfaßt, in wel: der er verfichert ebenfalls vom Grundfloff und von ber Natur des Menfchen gehandelt‘ zu haben. Diefe gegen die Sophiften gerichtete Schrift und diefe Meteorologie müßten alfo früher da geweien fein, und follte er in ihnen jenes Mittelding aufgeftellt haben, fo müßte er hier in dem Buche uͤber die Natur fich ſelbſt wiberlegen. Aber wo follte man diefe Palinodie anderd erwar: ten, als gleich bei ber erſten Zeftftellung des neuen Princips? und ed zeigt fich Davon auch nicht die leifefle Spur. Fragt man nun, was jene Behauptung fo ehrenwerther Männer mag veranlaßt haben: fo ſcheint die Sache dieſe zu fein. Ariftoteled führt mehrmals die Meinung von einem (vlhen Mi

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telding als der Gozn alles Dinge an, ohne itgend jemand be ſtimmt als deren Urheber zu bezeichnen, und zwar redet ex bis weilen von einem Mittelding zwilchen Waſſer und Luft, wie Coel, II, 5 und Phys. III, 4, bisweilen zwifchen Feuer und Luft, wie Phys. I, 4 und anderwärtd. Simplicus fagt in ums ferer Stelle, Alex. Aphrod. fchreibe dieſes Mittelding dem Ana ximandros zu, widerlegt aber fehr richtig, daß dies des Ariflote led Meinung nicht Fönne geweien fein, weil nach ihm Anaxi⸗ mandros nicht durch Verdünnung und Verdichtung bie Dinge aud ber @oyn erzeuge, ſondern durch Ausſcheidung ber Gegen füge. Darum nun fagt Porphyrios gewiß mit Recht, dem Ans zimandros koͤnne Ariftoteled nur ein unbeflinmtes unendliche beigelegt haben, wad auch Simplicius annimmt und fein üne- g0v für ein adıoosorov erklärt, im Gegenfaz gegen ein eidone onusvov. Nun fehlte ed alfo für jenes Mitteling an einem | Mann, und daher wurde ed auf Rechnung des Diogenes ge fohrieben, von dem man wenig wußte, und den man in ber iv ss niſchen Reihe fand. Schlechtere Schriftftelles fchreiben ihm um. | bedacht beide Mitteldinge zu, Simplicius, Johannes Grammat, Nikolaos und Porphyrios nur das zwifchen Feuer und Luft, wahrfcheinlich veranlagt dadurch, dag in ber oben angezogenen Stelle eine gewiffe Märme dem Diogened die Bedingung de Lebens iſt, und ihm deshalb ald die urfprüngliche Form, wenig: ſtens ald dad nothwendig erfte adog der Luft erfcheinen mußte. Ueber diefen Punkt alfo if, glaube ich, nicht nöthig etwas weitered zu fagenz; jene Bemerkung aber, Daß Diogenes, wem er früher eine andere agyn hätte angenommen gehabt, gerade bier fich felbft müßte widerlegt haben, leidet noch eine meitar Anwendung. Nämlich, wenn er wirklich einer der jüngften Phy⸗ fiologen war, wenn er mancherlei einzelned, was ed auch gewe j fen fei, dem Anaragoras nachgefchrieben, und alfo feine Buͤcher vor Augen gehabt hat: burfte er denn wol fo gradezu feſtſezen, daß urjprünglich der Luft, und mittelft ihrer allen Dingen bie

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voͤnoig einwohne, ohne Ruͤkkſicht darauf zu nehmen, daß Anaxa⸗ goras ben vous für ein beſonderes Prinzip ı=.d bie Luft für ein uiyuo ber primitiven Stoffe gehalten habe? Man Eönnte fa gen, eben dieſe Darlegung , daß Seele und Geift überall mit eis ner individualifirten Lebendigkeit der Luft komme und gehe, fei die ben bamaligen Zeiten angemefftne Widerlegung des Anayas gorad, fo wie die Darlegung der unendlichen Mobificabilität der Luft die Widerlegung des Thales ift. Allein Died gälte nur von des einen Behauptung des Anaragorad, nicht von ber andern, und Diogened mußte vor allem dieſes retten, baß bie Luft ein eignes Etwas, ein einfached und urfprüngliches fei. Wollte man Tagen, die Polemik möge wol weiterhin ihren Plaz genommen baben: fo fcheint auch dieſes allem, was ſich aus der angezoges nen und einigen anderen Stellen über ben weiteren Fortgang der Schrift des Diogened muthmaßen läßt, ganz entgegen zu fein. Ich gehe Diefen Spuren nach, und damit jeder über die Gleich. artigkeit und Zeitgemäßheit bed gefundenen urtheilen koͤnne, theile ich es im der Urfprache mit.

Bon dem sreooiuıov der Schrift hat und Diog. Laert., ber IX, 57 fehr unzureichend von unferm Manne handelt, den erften Anfang aufbehalten, Aoyov nuvrög agyousvov Öoxei Hol zoswV eiyas TV Goyiv Gvaupsoßnentov nageyeodas, vv Ö8 dp- pnveiav anıiv xaL aeuynv. Wo aeyn unftreitig nicht in dem philofophifchen Sinne zu nehmen ift, wiewol fchon dem frühern Anaximandros zugefchrieben wird dad Wort zuerft fo gebraucht es ju haben; fondern es heißt dad wovon ‚die Rede ausgeht, ber erſte Hauptfaz, den wir fogleih aus Simpliciud kennen lernen. Diefer nämlich berichtet, Diogenes fchreibe gleich nach dem Eins gange fo: Euot Ö2 Öoxei To u2v Elunav eineiv navyıa r& Ovra and Tov airov Erspoiwvcdes xal To adro eivam. xui rouro &VönAov* ei yap ra &v rüde ro xdoum dövra vüv, yi 2 vwg zai rälle 60a Yaiveras Ev ode To xooum Lövra, & touzov re nv vo (vieleiht 70) Eregov roũ irdgau Eregnv

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dv ri idiq pioe, xal un To wurd 20V nerönunte nollapic ae Nrepowüro, obdaun oVö2 nioyzodas aAAmAoıg NöUVere, püre eigeinaıg To Erigw olre AA (hier ſcheint etwas zu fehlen) 000’ @v oUre puròv &x rijç yüs pivas ode iv oũüre @Alo yeveodas 0VÖRV, ei un OUTw Ovvisaro Wse Tavro elvœs dAla ndvra tavra &x ToU abrov Ereposwdueva &llore alloie yiveraı, xal eig To avro avaywpsi*). Died ift offen bar eine wörtliche Anfuͤhrung; merkwürdig durch den Ausdrukk, der mehr als irgend ein Bruchſtuͤkk eines der fruͤhern Philoſe⸗ phen die erften rohen Züge bed platonifchen enthält. Eine am dere als diefe Stelle hat auch Ariftoteled gewiß nicht vor Augen gehabt, wo er fagt xal zovro Ögdwg Akysı Auoyeyng, örı d

x y % - I un nv dE Evös ünavre, 00x &v nv noLsiv xal sunoyen

in allnauv, olov TO Feguov wiyeodaı xai Tovro Heppai-

veodaı nahıy“ 0V yüp n Üepuorng ueraßakleı za 7 Wu-

xoorno eig Gllnkla, alla Ömhov örı To Ünoxeiusvov **). Denn

die beflimmteren Wendungen und abftracteren Ausdruͤkke, welde

wir bier finden, dürfen wir dem Diogenes ſelbſt nicht zufchre: t7) | P

*) Mir aber fheint, um es mit eins zu fagen, alles was ifl, von bems

felden her abgeändert, und alfo daſſelbe zu fein. Und das iſt leicht zu fehen. Denn wenn das in biefee Welt fich jezt findende, Erbe und

Waſſer und was fonft in dieſer Welt zu fehen ift, wenn bievon eines von dem andern verfchieden wäre durch feine eigene Natur, und nicht

vielmehr alles daſſelbe feiend nur mannigfaltig umgewandt und abgeaͤn⸗ dert wäre: fo Eönnten fie fich ja weber mit einander vermifchen, no Ruzen oder Schaden für das andere... Auch koͤnnte weder ein Ge⸗ waͤchs aus der Erde wachſen, noch ein Thier ober fonft etwas erzeugt werben, wenn es fich nicht fo verhielte daß es baffelbige wäre s fonbern alles diefes wirb nur aus bemfelbigen her abgeändert, bald dieſes, jenes, und geht wieder in baffelbige zuruͤkk.

”*) Und darin hat Diogenes Recht, daß wenn nicht alles von einem her :wäre, fo fände ein Wirken und Leiden von und auf einander nicht ftatt, wie daß das warme kalt wirb und biefes wieberum warm. Denn die Wärme und die Kälte gehen nicht in einander über, ſondern das sum Brund liegende, De gen. et corr. 1, 6.

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ben. Simplidus fährt fort, Als ich bie zuerſt fand, glaubte s ich auch, er rede von einem gemeinfamen Grunbfloff, ber von den vier Elementen verfchieden fei, indem er fagt, dieſe würden fi nicht vermifchen noch verwandeln, wenn eined von ihnen bie Goyn wäre und nicht allen bad gleiche zum Grunde läge, von dem fie alle abgeändert find. Allein bier wird ed nun nothwen⸗ dig, bie Stelle des Simpliciud im Zufammenhange zu betrach⸗ ten, und ich fcheue es nicht, auch die früher fchon überfegte Stelle noch einmal wörtlich hier anzuführen. Simplicius alfo fährt nach ben jezt eben mitgetheilten Worten folgendergeftalt fort. Eyeng 68 deißeg Or Zoriv &v Tn apyij Tavın yonoıg. nolln, 0 ya Ev, ynow, olrw Ösdaodes olovre nV &vev vonauog, Nore NAVEWV Ergo &yeıv ZEIuwvog TE xab Hepovg xal vum tig xml Nuepag zul verwv xar dviumv xal eddwv" xal Ta Ma al rg Poiksraı Ewosiodes, eüpioxos &v odrw Öwxei- nevœæ WG AYyvorov xallıora, EnajEb örı xal VIEWROS xal Ta aM ma Ex ng apyns Tavıns Ars doriv ap nor {ni zul yuyiy Eyes xal vonoswv, Aeymv ovrwg. Hier müffen wir bemerken, daß die unter pnotv fiehenden Worte 00 yoo av bis zallsore offenbar eigene Worte bed Diogenes find. Nach Zna- yes aber, welches fich an das Zyeing d2 deikug örs anfchließt, redet Simplicius wieder, indem er den Inhalt des folgenden an⸗ ticipirt, und die entſcheidend klingenden Worte Ars Lorlv ang gehören ihm an, und nicht unferm Diogenes, der erft nach ben Worten Atywv oUrwg wieber redend eingeführt wird, und zwar fo, Ers dd npög rovrom zei Trade ueyals onueia. &yüpwrog yüp za ra &lla Ina avanveoyra (wer Tu asp, xal ToUro (nämlid) TO avanveeıy ohne Zweifel) avroig xal wuyn dor xat Yonoıs, wg ÖsönAwras Ev THde TN Ovyygapii Zuypavug, u day vovro ünallaydi anodvnoxss; al 1 vonox dno- keiner, eira er Öliyov vayag Zenyaye, fagt nun Sim pliduß weiter, und das folgende ift alfo eine neue Stelle etwas weiterhin in der Schrift, vor welcher, wie man aus dem aaquc

\ 160 | | ſchließen kann, Diogenes noch nicht dad Wort grabe heraußge fprochen hatte, daß fein Urftoff die Luft fei, fondern nur im af | gemeinen gezeigt, daß es Ein Subſtrat geben, daß biefes die vonos in fi haben, und die Quelle des Lebens fein muͤſſe; was es aber fein möge, barauf hatte er vorhin nur: hingebeutel, und Anflanzen angeführt, woraus ed hervorgehen follte. Die. Stelle felbft nun lautet von jenen Worten an fo: xci nos do- ‚el TO nv vonow &y0v eivas 6 UNE xaAoyusvog dno zur WIWNWV, xal Uno Toitov navreg xal xußeoväoder za) Navrav xgareiv. Und Yap us Tovrov Öoxei EFog eivan,

_ ss worüber ſchon oben geredet ifl, zus Ent nav ayiydas xal navıa Ösarıdevaı, zul Ev navıl Eveivar xal Eors nöd Eu Ö un neröyes Tovzov, ueryes 62 00d2 Vi Önoing Eregon to £TEop, Gala nollol Toon0 xuL aurov ToV d&£pog xab rijß vonawös Eiaıv- Eotı Yag noAvroönog xal Üeguörtepog za} ıyuygötegos al Enpötspog xal Öyporsgog xaL araos- | zegog xal Öfvreony xivnow Eywv, xal allcı older Erepoiie;k

"og etot Kal NÖoyng xal 005 üneıpoı. Kal navrenv PN Iwv Ön n wuyn To euro Eorıv, ano Heguorepog EV Tod: | Eko Ev & dousv, TOD uevros napd To Main moAAov apuypb- - re00g. Öuoıov Ö2 Tovro TO Heguov oDdevög Twv wmv dar: nei oVöE Twy avdowWnwv Alimkoıg‘ aAlz Ösaplpss were‘ uèv od, BAh Wore nagenimosm eivar, ob uEv vos aromdu] re Öuosöv- ye Öv. 0VÖEV Ö” olov Te yeviodns TÜV Erepomm-.; uevav öregov Eriow neiv TO euro yerncas Diefer Igtm: Saz ift zwar ſchon an fich ſchwer zu verftehen, Feined von den. abgeänderten Dingen könne ein von den andern verfchiebene fein, ehe es daſſelbe geweſen. Ich denke aber, daffelbe geht auf den Urſtoff; nur als von ihm abgeänderte, alfo, vorher er ſeibſt gewefene, find bie Dinge von einander verfchieben. Daffelbe Liegt .in der oben angeführten früheren Stelle, wo biefed allgemeine ‚auch unbequem genug bei Erzeugung ber Pflanzen und Thiere vorkommt, nur” bag eine offenbare ich weiß nicht wie große

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ſkke dies weniger bemerklich werben lie. Chen fo tl auch hier sch weniger ‘zu begreifen, wie e8 an biefe Stelle Tommt. Man | annehmen, baß biefes vorher ſchon aufgeftellte allgemeine zeſez jezt, nachdem ber Grundſtoff materiell ald Luft beftimmt K, noch einmal wiederholt werde, und daß alfo ber Saz ſich veniger auf das unmittelbar vorhergehende bezieht, ald vielmehr Ne ganze Inductionsreihe abfchließt. Und dieſe Wiederholung War um fo nothwendiger, da er nun noch wegen ber Thiere wehr ind Einzelne gehen wollte; wie nun anfchliegend an bie Igten Worte alfo gefchieht. &re ovv moAvroonov &vovang tig Momosog noAvrgone za Ta Ina xal noAld, xal orte Zoıxdre AAAmoıc olrs Ölaırav oüre vonoıw Und Tod vg zWv Eregoswaiwv. Öuwg Ö2 navre Tu avra xal {Mi

0p& zo Gxoveı xal Tnv Ally vonow Eyes Und ToV aü- bi navre. Bis hieher ift offenbar von den Worten xai nos i an alles eine zufammenhängende und woͤrtlich angeführte aus der Schrift ded Diogened. Bon dem folgenden aber t und Simplicius wieder nur den Inhalt. Aber gewiß doch km unmittelbar folgenden; denn da er auch eira, änsıza ner iyov fagt, fo kann man das Zypekng nicht ander als eigents b verfichen. Er fährt nämlich fo fort: xal Zyeing deixvuos so k xal TO onioua rwv wmv nvevuatWöeg EoTi, Xal von- bo yivovızı zou d£oog oiw alucr. to öAov one 2 Maußdvovros dic rwv pießuv, Ev olg zul Gvarounv üxgt- | zay pleßov rapadidworv *). Nach dieſer Stelle, auf Nie wir fogleich zuruͤkkommen wollen, fährt Simplicus fort > dn Tovros oayus gyaiveras Ayav örı Öv vdpunos iv aioa, roũrò dorıv agyn. Yavuaorov Öd Örı xara

Unmittelbar barauf zeigt er daß auch ber Saame ber Zhiere etwas hauchartiges fei, und daß Empfindungen, Wahrnehmungen entftchen, ‚indem bie Luft mit dem Blute ben ganzen Körper "burchbringt vers mittelſt der Adern, bei welcher Gelegenheit er eine genaue Beſchrei⸗ bung ber Adern mittbeilt,

Sqhlelerm. W.UL2 L

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irepoinow Tv an. adrov Alywv va Alla yiveodas, ai Öumg aito gnoı, Atyav „xal avro u2V ToUro xal di xal ddavarov cune, uv ÖL Ta uEv yiveraı ta Ö° anı sei.“ zur Ev @Ahoıg „AA Tovrö uos ÖmAov Öoxei givaı, zo ueya xal ioyvpev xaL didıv Te zul Güavarov noAld eidog Earı“ *). Von den beiden hier wörtlich ange! ten Stellen nun haben wir, meine ich, Feine Art von Gewiß daß fie auf das früher angeführte folgen; denn fie find aus dem Zufammenhange heraus. Und wenn ich meine ‘| nung fagen fol, fo fcheinen mir diefe Behauptungen als formale .Beftimmungen des zu fuchenden allgemeinen Subf vorangeftellt geweſen, und bie Stellen aus jener erſten Ge der Schrift zu fein, wo der Grundftoff noch nicht als Lufl fiimmt war. Denn fehr gut fchließt fich an dieſe lezten U jene von und zuerſt angeführte Stelle, welche anfängt, I ohne Verſtand Tonnte er nicht fo vertheilt fein u. f. w. Sehr übereinfiimmend mit dem was im vorhergehe über die Entflehung der Empfindung und Wahrnehmung kommt, berichtet der falfche Plutaschos **) über den Schlaf, nämlich biefer nach, dem Diogenes entftehe, wenn bad Blut überall perbreitend die Adern erfülle, und die in ihnen eu so ſchloſſene Luft in die Bruft und Lufthöle treibes Wenn « alles Luftartige aus ben Adern verfchwinde, fo erfolge ber 2 Wenn aber Simplicius fagt, daß eben da wo Diogenes der Entftehung des Bewußtſeins handle, er eine genaue Beld

*) An allen biefen Stellen fagt er body offenbar ganz beftimmt, was man Luft nennt, der Urftoff ſei. Wunderbar aber ift, daß, ee gleich fagt, alles andere entftche durch Abänderung aus ihr, e dennoch ewig nennt, wo er fügt, Und eben biefes iſt das ewige

unſterbliche Wefen, von allem andern wirb einiges, anderes very Und an einem andern Orte, Aber biefes fcheint mir ganz offe groß zu fein und mächtig, und ewig und unfterblich und vieles if

"9 De plae. phil. V, 24.

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bung ber Adern gebe: fo hat und offenbar eben diefe Beſchrei⸗ bung Ariſtoteles aufbewahrt (Arist. Anim. IH, 2) aber, ohnerach⸗ tet er anfängt: 4. de 6 A. vade Akyes, doch fchwerlich woͤrt⸗ lich, da jede Spur des Jonismus fehlt; auch wäre Died gegen bie Allegations⸗Principien des Ariſtoteles. Ich enthalte mich dieſe Stelle mitzutheilen, und verweiſe auſ Sprengels Bericht”), ber freilich unvollſtaͤndig iſt, und deſſen Treue ich nicht verbuͤr⸗ gen will. Daß aber die von Ariftoteles aufbewahrte Stelle dies felbe ift, welche Simplicius vor Augen hatte, erhellt unwider⸗ fpreihlich daraus, daß auch in der ariftotelifchen baffelbe von der Batur des thieriſchen Samens vorkommt; denn nachdem bie ; ern bid im die Zeugungätheile herabgeführt worden, fchliegt ‚de Stelle damit, ber dichtere Theil ded Blutes werde von den Ffeifchigen heilen eingefogen; was aber in jene, bie Zeugumgös theile, eindringe, fei fein, warm und ſchaumig. Da nun gleich hier Diogenes fo fehr ind einzelne ging, denn die Befchreibung {A eine fo volftändige Gefäßlehre, als fie damals nut fein konnte: fo glaube ich daß auch was Genforinus von ihm anführt (cap. 6,6 und 9), dag nämlich die Frucht aus dem männlichen Sa: men allein entſtehe, daß das Fleifch fich zuerft bilde, und nach dieſem erſt Knochen und Sehnen, ebenfalls aus diefer Schrift Soon ber Natur genommen fei und hicher gehöre; denn ed bezieht (ih auch darauf, die Entſtehung aus dem zarteften und hauch— tigen und den erft-allmähligen Webergang in das fefle und Barre darzuthun. Da nun bie fpeciellfte Naturbefchreibung und Vkblaͤrung ſich in der Schrift des Diogenes fo nahe am bie erſte Rittheilung ſeiner Grundanſchauung anſchließt, und dieſe Schleuſe mal geoͤffnet war, wie koͤnnen wir ſie wieder ſchließen, und as dürfen wir vermuthen, ald daß alles fpecielle diefer Art, uns von Diogened anderwärtd überliefert iſt, dieſem —*3 das allgemeine durch das beſondere zu bewaͤhren in

”) Geſch. d. Arz. I, 468. re 2

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* derjenigen Ordnung gefolgt fel, welche darin llegt, daß er, wie der Zufammenhang der von Simpliaud angeführten Stellen: ba» thut, wo es ind befondere einging, von dem Menfchen. anfing, alfo in der abfleigenden Richtung. von dem vollfommenften 2e. ben zu dem .unvollfommnen hinunter fich bewegte. Daher mußte.

or er zunächft den Anfang der Seelenthätigkeiten und des Athens als gleichzeitig fezen, wie man aus einem freilich etwas verwor renen Bericht fehliegen muß *), Eben fo genau hängt damit zufammen, daß er fich erklären mußte, ob auch den Thieren, fr. fern fie ja athmen, vonoıs zulomme. Er vergleicht wegen be ſchraͤnkten Wahrnehmen und Denkens ihren Verfland mit dem Wahnſinn *). Auch mußte ſich zubrängen und dicht an bie anfchliegen die Rechtfertigung jened in der erfien Darlegung de Anfiht aufgeftelten Sazed, daß alle Thiere atmen, und bien von hat und auch Ariftoteled etwas aufbewahrt. Nämlich in ber Schrift über das Athmen fagt er (cap. UI), Anaxagoras unf Diogenes, welche beide behaupten, alles athme, befchrieben die Weife, wie die Zifche und bie Schalthiere athmeten, un zwar Diogened fo, Indem fie dad Waſſer durch bie Kiemi herausließen, zögen fie vermittelft der im Munde entflchenbaf Leere aus dem den Mund umgebenden Waffer die Luft in ſich wie er denn Luft im Waffer annehme. Zu welcher Stelle ii Erklaͤrer erinnert, Diogenes allein nehme, abweichend barin Anaragorad, an, da im Waſſer immer Luft vorhanden fei; au

*) de plac. phil. V, 15 yeorüodar lv va Boden pura, bo j dd° 69:9 wo Fupvrov Geguov duddug ngoxudlreog kob Pgdpeus. zo nrevuova Öpllxesun

**) ibid. V, 20. Aioyerne hergeir gr abıc (sc. vu Kloya taa) © vonroũ nad üegos, deck BI vo zu us numvorme vu dR nlsornonn vygaolas uva diavosiodar fimee alodaveodas, Kpoopepgue di u diaxzsiodns vols mauNY00s Rupenrasxorog vob 1yeuorızod. SR dyoaola und was dahin gehört wahrfcheinlich ein eigner Ausdrukk des Diogenes, aber nyaporıxor ſchwerlich.

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Das von bes &ere im Munde nicht Buchftäblich zu nehmen, n Diogenes nehme Fein wahrhaft leeres an, fondern nur leer ı Maffer, meine er, fei ber Mund. Damit hängt zufammen, 8 Ariftoteled im naͤchſten Abfchnitt berichtet, aber einfältig amt, daß nämlich Diogenes daB Sterben der Zifche in der Luft saud erklärt, daß fie zuviel Luft, einfügen, aus bem Waſſer er nicht mehr als ihnen angemeſſen fe. Weiter hinab: aͤrts finden wir, baß auch jener Schein ded Lebens in den eußerungen ber magnetifchen Kraft bie Aufmerkſamkeit DE Dio⸗ ned auf fich gezogen. Wenigſtens erwähnt Aler. Aphrod. *). I, wo er von Magneten redet, einer Meinung des Diogenes, 5 alle Metalle (navra ra are) Dünfte von ſich gäben, d auch von außen einfügen, einige mehr andere weniger, am üiften aber Kupfer und Eifen, aud welcher Hypothefe er her⸗ o2 ch auch das Roſten erfläre; und dies nun mag bie lezte Grenze fien fein, wobei ed auf die Identitaͤt der Luft und ber vor- s ankam. u So ohngefaͤhr mag in der Schrift des Diogened von ber derjenige Theil der Darfielung, der dad lebendige um⸗ und offenbar der erfle war, abgefaßt und angeordnet ges" fein, aus welchem auch, gewiß ziemlich zu Anfang, ent: en ift was Ariftoteled **) berichtet, Diogenes behaupte, die fei Luft, und zwar fei dieſe Deshalb erkennend, weil fie ef fei, und alled andere aus ihr, bewegend aber deshalb, il fie dad feintheiligfte fei. “Denn jenes beftimmtere und aus terer Hand überlieferte ***), das regierende der Seele fei In ‚arteriellen. Herzfammer, welche mit Luft angefuͤllt fei, mag, tal Diogened doch auch Luft im Kopf annahm, wol nicht zohne Mißverftand fein. Auf diefe Darftellung mag nun andere gefolgt fein, in welcher gezeigt ward, wie bie leblo» ı Quaest. nat. II, 23. fol. XVIH. *) de anima I, 2, er, de plac, phil. IV, 5 md 16.

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166 fen. Eörperlichen Dinge aus ber Luft durch Werdünnung unb | Verdichtung entfländen. Aber wie auch biefe, von der wir frei lich wenig wiffen, mag georbnet gewefen fein, und wie man in fie vermeifen will was und von feiner Erd» und Himmelskunde theild derfelbe Alerandros ‚berichtet *), theild in vielen einzelnen Stellen zerfireut vorkommt in den Büchern de plac. philos. **) und was ich nicht dieſes Orts halte alled aufzuzählen: müßte, falls Diogenes den Anaragoras gekannt und ihm anderes nachge fchrieben hat, müßte nicht in feiner Schrift, wenn irgend eine Spur von einer Haltung und Ordnung darin foll geweſen fein, auch ſchon dem erfien Anfang des fpeciellen, den und Simplicius ges nau angiebt, die Widerlegung jenes anaragor. Sazes, daß bie Luft ein giyue fei, vorangegangen fein, und da Simplicius bis hieher wenigftend aufmerffam gelefen hat; follte er eine folche Merkwi⸗ digkeit wol uͤberſehen oder verſchwiegen haben? Beweiſe aus dem, was jemand nicht fagt, find freilich im mer etwa mißlich; und da noch Die Ausflucht übrig bleibt, Die a3 gened könne den Anaragorad in jenen andern von Simplids angeführten Schriften, der Meteorologie oder der gegen Die Sophiſten widerlegt haben: fo erlaube man mir das Verhaͤltniß zwifchen die fen beiden Naturforfchern noch von einer andern Seite zu beleuchten In der früheren Reihe der ionifchen Philofophen Thale; Anarimandros, Anarimenes, hatte ber Geift fich felbft als Gegem fland der Speculation noch gar nicht gefunden, die Erklärung: des intelectuellen wurde vernachläßigt oder ganz mythiſch b6 handelt. Was tft nun wahrfceinlicher, daß der Geift ſich zw erft fand in jener ftrengen Form des Gegenfazed, den Anaragee ras aufſtellt, oder in jener untergeordneten der erfcheinenden Ein; heit mit der Materie, wie wir bei Diogenes finden? Iſt nid: von Diogenes zu Anaragorad ein Fortfchritt, umgekehrt ein Ruͤll⸗

u *) ad Arist. Meteorol. II. fol. 91 und 93. "*) II, 1. 8. 13 2%

32 und II, 2. So auf) Stob. Floril. Ed. Plant, p. 44, 47. 52. He 59. 64. 93.

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itt? Trift und mit Anaragorad, wenn wir ihn unnzittelber Anarimenes Enüpfen, ganz unbiftorifch, wie ein deus ex ma- 1a entgegen, ald habe er den Geift, und noch Dazu ganz fere und rein gewafchen von aller Materie, gleichfam erfunden ? xicht fich nicht in dem ganzen Ton der erfien Säze bed Dio⸗ es aus, er bringe dieſes ald etwas ganz neues auf bie Bahn, ; man bei Beflimmung der aͤorn auch die Erklärung ber 105 fi zur Aufgabe machen müffe, und daß er eben hiers ch über feinen Vorgänger Anarimened hinausgehe? Nicht x, als ob er zum Anaragorad fagen wolle, ich brauche beinen mbern vous nicht, ich habe ihn fchon in meiner @eyn drin? ner, da die anaragoreifche Lehre -von ben Homdomerien, wie a fie, wahrſcheinlich ihm gar nicht zu Danke, genannt hat, nbar auf der Anfchauung bed Aſſimilationsprozeſſes der or iſchen Körper beruht, iſt dies nicht auch eine fpätere und Rlichere Betrachtungdweife, ald wir fie bei Diogenes finden? 13, alles tritt zufammen, um und dahin zu beflimmen, bag den Diogenes, wenn nicht ganz beutliche und fichere Zeugs : dagegen auftreten, unmittelbar an ben Anarimenes anzus pfen haben, ganz unabhängig von Anaxagoras, und fo daß ücht einmal etwas von ihm gewußt hat. Solche Zeugniffe e ich aber bis jezt nirgend gefunden, außer jenes eine bei nplicius, daß er ber jüngfte unter den Phnfiologen ſei, und . Anaragorad und Leucippus nachgefchrieben habe, Won ben

nöumftänden des Mannes wiffen wir nichts, außer was Laer⸗

aus dem Demetrius Phal. berichtet, daß auch er des Neis

wegen in Athen in großer Gefahr geſchwebt habe; fonft fagt | |

*

dieſer nur, Diogenes treffe der Zeit nach xara Avakayo- 9a

, und e3 wird fehr ungewiß, ob die Ausſage des Simplicius,

er der jüngfte fei, auf einer wirklichen Zradition ruht oder Vermuthung if. Sn den einzelnen Berichten wird er uns fig oft mit dem Anarimened zufammengeftelt, und es find : einige neuere, die ihn ohne alle Autorität zu einem Schi:

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> fen odes gan Nachfolges des Anaragorad machen wollen. eng Ausfpruch bei Simplichus aber beweiſet dann immer nur, be ber von bem er herrührt, viel übereinftimmendes gefunden in ben Aeußerungen des Anaragorad und bed Diogened. Da berfelbs aber eben das auch findet zwifchen Diogenes und Leucippus: fo erfennen wir in ihm einen folchen ber vorzüglich auf die eim zelnen Hypotheſen zur Erflärung ber Lufterfcheinungen gefehn bat, wobei für wiffenfchaftlihe Anfhauung und Gombinatien noch wenig vorbereitet war, dergleichen aber in jenen pſeudoga⸗ Senifchen und pfeuboplutarchifhen Schriften von allen alten Ph Lofophen in großer Anzahl angeführt werben, und fo bag aud Ki die in den Principien am meiften verfchiebenen in einzelnen &n ka klaͤrungen diefer Art oft zufammentreffen. KWielleicht iſt nm, wenn Simplicius jened Urtheil nicht anders woher entlehnt hat, je hiebei befonderd Rüfkficht zu nehmen auf bie Lehre von bem fogenannten Wechfel der vergänglichen Welten, in welcher Ana zagorad, Leucippud und Diogened vom Stobaͤus übereinzuflims men gemeldet werden. Auf biefe war Simplicius beſonders aufs merffam wegen feined Streited gegen das chriflliche Dogma vom Meltende und beffen Werfechter Johannes Philoponus. Hat a nun ähnliche Zufammenftellungen, wie jene Bücher de plac. pbil. enthalten, vor fich gehabt: fo hat er Leicht mehr von dieſer Uebereinftimmung geglaubt ald er fah, immer in Bezug auf

: jene anderen Schriften des Diogenes, bie er annahm, bie aber nicht mehr auf ihn gekommen waren, und hat fich fo dieſes Us theil anderwaͤrts abftrahirt, und e& nur nicht allzugeſchikkt hie angebracht, wo er von ben eigentlichen Principien bed Diogened - redet. Aber auch mit dieſer Annahme, daß es mehrere Schriften des Diogenes gegeben, fcheint ed mißlich zu fliehen. Simpliind ? flüzt fi) auf weiter nichts anders, als auf jene bereits oben überfezt angeführte Stelle aus bed Diogenes Schrift von be Natur, Freilich giebt er und diefe Stelle nicht woͤrtlich, ſondem in indirecter Rebe und im Auszuge. Seine Worte aber lauten

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koréovy ds zeygarreon mielova td Aloydvas xoöryg gu tupore, eg avTog &v vw reg) pvaswg duvnodn, zul tgög 00AOYoVg Avreigmxevar A£Y09, OUs xalel xal autos 00-

JTag, xal uErewgoAoyiag yergaykvas, Ev 71 xal Adyes step) os

> doyig elomeivas, xab uEvros zul siepl AvdEWnoV p-

Ss. Freilich Elingt bad wol, ald habe Diogened von einer -

mderen Schrift gegen die Phyfiologen geredet, und als er hne er ‚einer befonderen Meteorologie. Allein ganz entichies ı geht ed boch nicht hervor, und man wird eher geneigt zu uben, Simplicius habe die bezogene Aeußerung bed Diogened zverſtanden, da feine Auslegung berfelben fo durchaus nicht befcheinlich if. Denn was konnte die Schrift gegen bie Phys ogen anders enthalten haben, ald Widerlegung anderer Hypo⸗ fen über bie @oyn? Unb dieſe follte er von der Ausführung tee eigenen ganz getrennt und in einer eigenen Schrift vorges gen haben, in ber er doch überall, wenn man fich nicht eine 3 dialektiſche Widerlegung denken will, bie damals wol nicht glich war, wieder auf feine Grundfäze zurüffommen mußte? wig wird für jene Zeit jedermann natürlich finden, daß er in a biefer Schrift über die Natur, welche in einem, wie man 3 allem fchliegen muß, fehr mäßigen Umfang. eine nach Art d Maag jener Zeit durchgeführte Darfielung auch vieles eins zen enthielt, zugleich was ihm von andern feiner Anficht wis forechenden Syſtemen befannt worben, kürzlich wird wider» t haben. Eben fo mit der Meteorologie. Haben nicht die fofratifchen Naturforfcher alle in ihren Büchern von der Nas : auch dieſe Gegenftände abgehandelt? War nicht nach bem enen Bericht des Simplicius auch in eben diefer Schrift des ogened viel zoologifched einzelnes angeführt? und ficht man bt in den angeführten Stellen deutlich genug auch das meteos ogifche angelegt, fo daß ed nach Belieben ins einzelne konnte Sgeiponnen werben? Und dennoch follte ex noch eine beſon⸗

bere Meteorologie *) geichrieben haben, da er doch ‘über dieſe Dinge, alle Nachrichten zuſammen genommen, gewiß nicht ſoviel gewußt, ald über die Adern, denen er ja auch Feine eigne Schrift gewidmet, fondern den ganzen Reichthum in dieſe von der Nas tur audgegoffen hat? Und in jener Meteorologie follte er auch wieder von dem Grundweſen gehandelt haben, welches in bieler Schrift abgehandelt ift, und von, der menfchlihen Natur, von der ebenfalls nicht wenig in dieſer Schrift fteht, fo daß beide, die polemifche und die meteorologifche, doch nur Wiederholungen geweſen wären von ber über die Natur? Dies ift hoͤchſt um wahrfcheinlich in einer Zeit, wo die Philofophen noch fo wenig 06 fchreibfelig waren, daß felten einer mehr ald eine Schrift hinter lieg. Wenn man nun dazu nimmt, daß fich von mehrere Schriften ded Diogened nirgend fonft eine Spur findet: muß man nicht glauben, daß Simplicius die angezogene Stelle miß- verflanden? Das Wie tft freilich ſchwer nachzuweifen: und doch, wenn es erlaubt iſt Vermuthungen über eine aus Luft gebaute Schrift mit einer vieleicht aud nur aus der Luft. genommenen | Vermuthung zu fchliegen, fo möchte ich glauben, bie angezogene | Stelle fei der Epilog unferer Schrift gewefen, in welchem Die gene, nach dem zuverfichtlichen Zone jener Zeit, fich deffen was er in eben dieſem Werke mannigfaltiges geleiſtet, mit Wohlge⸗ fallen geruͤhmt hat. Freilich wuͤrde dies dem Simplicius nicht

haben entgehen koͤnnen, wenn er bie ganze Schrift mit gleichem Fleiß gelefen hätte; allein dieſes fcheint er öfters nicht gethan | zu haben. | Ä *) Werbächtig macht ber Ausdrukk uersngpoloylac, wozu wieder bad dr }

nicht recht ſtimmt, unſern Text wol nicht, ſondern man ſchreibe nur ——— |

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| IE t Ueber Anarimandros.

Vorgeleſen am. 11. Rovember 1811. |

f . Sa geraumer Zeit fchon hat bie hiſtoriſche Kritik mit flei: m gendem Erfolge ſich mit den Philofophemen der Alten befchäftis get. Man hat befjer ald es fonft der Fall war gelernt die Nach» richten zu claffificiven und jedem Zeugen feinen beflimmten Grab und fein befondered Gebiet von Glaubwürdigkeit anzumeifen; man bat untergefchobene Bücher und Stellen von ächten zu uns terfcheiden fich geübt, hat die chronologifchen Schwierigkeiten auf: gefaßt und zum Theil glüfflich befeitiget, und hat den entflels lenden Einfluß fpäterer Anfichten und Begriffe auf bie Darſtel⸗ lung des früheren abzulenken gefucht. Viele Unterfuchungen von Meinerd, Tiedemann und Tennemann und einzelne Arbeiten von Sturz und Füleborn find davon erfreuliche Beweiſe. Eine Menge Nebel find vertrieben, und es muß nun weit leichter fein die Gegenflände auch ber älteften Zeit in ihrer wahren Geftalt zu ſehen. Uber freilich dieſes Sehen felbft und die Darſtellung

n

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W 472 des gefehenen ſcheint noch nicht bie gleichen Fortſchritte gen zu baben wie die Fritifche Sonderung, die freilich auch ve gehen muß, WIN man fich von der Denkart eined alten P fophen einen zufammenhängenden Abrig bilden, worin bie 9 tung feiner Forfchungen beutlich zu erkennen ift, Die Hauptpu berfelben in einer natürlichen und nothwendigen Verbindung geftelt und die Grenzen abgeftefft find, innerhalb deren. alle | - auch. die und minder bekannten Unterfuchungen fich müffen wegt haben: fo wird man auch bie vorzüglichften unter ben neı Darſtellungen noch fehr unbefriedigt aus der Hand legen. meiften verderben ſich dad Gefchäft theild dadurch daß fie w se ger die Anſicht eined Alten für ſich darſtellen wollen, fondern in Bergleihungen einlaffen mit den fpätern oder gar mit noch unter und geltenden Anfichten und dem eignen Syſtem barftellenden, und daß fie auch hie älteflen nach ben Forden gen beustheilen, bie wir an einen Philofophen zu machen wohnt find; theild dadurch Daß, wenn fich eine Einheit in nen Behauptungen nicht auf den erften Anblikk von felbft « dringt, fie lieber annehmen, es fei keine Da gemwefen, und haupt ald das Philofophiren noch jung und unvollfommen, ı . bie eigentliche philofophifche Kunft, Die Dialektif, noch nicht funden war, hätten die weifen Männer nicht gemerkt, wo in ‚sen Meinungen einer dem andern widerfprochen. Allein t möchte weit eher von ben fpäteren Zeiten einer verwikkelte Speculation gelten Eönnen, als von jenen Einvlichen Verſuc ber früheften Schulen, wenn man fie ja fa nennen barf, be Dpilofophiren eigentlich nur auf vorzüglicher Slarheit eines | fer fhauenden Sinned beruhte, und wo das wenige, was ei als Philofophem der gemeinen Erfahrung gegenüber flellte, ı um fo nothwendiger unter fi zufammenflimmen mußte, vw alles nur von Einem Punkt ausging. . Die gegenwärtige Abhandlung hat keinen andern Zwekk, einige Schwierigkeiten vielleicht weniger zu befeitigen als ı

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darzulegen, welche ſich mis bei dem Beſtreben in den Weg ges ſtellt haben, mir ein ſolches anfchauliched Bild zu entwerfen von einem ber aͤlteſten unter denen welchen man ben Namen Philos fophen beilegt, von dem Milefier Anarimandrod, ben man ges wöhnlich als den unmittelbaren Schüler des Thales anfieht, ja der bei Diogened ganz eigentlich die Reihe der ionifchen Philos ſophen exöffnek, indem Thales unter die Sieben, alſo gleichfam in die vorgefchichtliche Zeit der Philofophie zuruͤkkgewieſen wird. Die erfle und wichtigfte Frage iſt mum bie, welches eigent⸗ Mh des Mannes Princip um mich der Kürze wegen biefer gmohnten und ben Kundigen verflänblichen Webertragung bed giechifchen @oyn zu bedienen, ohnerachtet hier der Ausdrukk Ure hoff mehr Genüge leiften würde geweſen fe. Es find bier } über zwei verfchiebene Meinungen im Umlauf. Daß er ein un endliches arreı0oy als Princip aufgeftellt, darüber find alle einig; aber weiter fagen einige, er habe dies feiner Qualität nach gar nicht näher beſtimmt, andere hingegen, er habe es näher beftimmt, md zwar ald ein Mittelding zwilchen Waſſer und Luft. Mit dieſen entgegengefezten Angaben nun befinden fich unfere neuern Geſchichtſchreiber in großer Werlegenheit, und die meiſten zero hauen den Knoten. Bruder hält es blos mit der. erfien, und J ſeht die leztere an. als Erklärung fpäterer, welche den unbeſtimm⸗ ] fm Aeußerungen des alten Weifen haben nachhelfen gewollt; ofs fenbar aber berüfffichtigt er zu wenig den Werth der Quellen, woraus bie andere Angabe herfließt, und wirft fie unbilligerweiſe ganz in eined mit pöllig ungereimten und leicht: zu widerlegen. den, wie bag Anaximandros Atomen angenommen habe. Buhle nimmt eben fo geradkzu das andere an, fein Princip fei das Nittelding zwifchen Luft und Waſſer gewefen, und läßt ſich gar uicht merken daß irgend ein Zweifel Dagegen obwalte. Tiede⸗ mann geht denfelben Weg, doch verfchweigt er die Bedenklichkei⸗ ten nicht ganz, überläßt aber dem Lefer fich. felbft aus der Sache zu ziehen. Tennemann macht einen Verſuch breites ya warn

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‚gen, ber aber: wie natürlich fehr fonderbar ausfällt. Da lich in den Nachrichten der Alten auch die Rede ift von Mittelding zwilchen Luft und Feuer, welches irgendwo als

cip aufgetreten fei, fo meint er, Anarimandros habe fich feinem Unendlichen die rein unbeflimmte Materie an ſich gel deshalb eben habe er fein Princip nur durch Bergleichunge fchreiben Eönnen, und ba er es bald als das eine bald ale andere Mittelding bezeichnet: fo habe er es beflimmt und nicht beſtimmt, und baher hätten einige das eine berichten nen, und andere bad andere. Eben fo vereinigt er noch ı

andern Widerſpruch, auf den wir bald Eommen werben.

Wenn. man davon ausgeht, daß Anarimandıod de T Schüler geweſen: fo hat es viel für fi anzunehmen, fein enbliches fei der Qualität nach jened Mittelding zwifchen umd Waſſer geweien. Hat er nämlich bei dem Prozeß von bünnung und Verdichtung, durch den aus dem Waffer des led die anderen Körper entſtehen follen, auf die vier empebdı fchen Elemente, verfieht fich nicht ald auf folche aber als au ſich von felbit darbietenden Hauptflufen jenes Prozeſſes, 9 ſicht genommen: fo war natuͤrlich dad Waffer Fein wahrer : telpunkt, denn es bietet zwei Stufen oberwärtd dar, und eine untere; und follte die @oyn ald das gleich bewegliche . zeigen nach oben und unten: fo mußte fie in die Mitte ge werben zwifchen Wafler und Luft. Nur wäre es wunder wie Anarimened, ber wieder für einen Schüler des Anarin dros gehalten wird, von ihm die Unendlichkeit des Princips ; folte angenommen, dieſe fchöne Mitte aber wieder verlaffen 100 ben. und. auf bie Luft verfallen fein, weiche in biefer Hin diefelben Unbequemlichkeiten darbietet, wie dad Waffe. 4 Died mag leicht ganz anders fein, wie denn Combinationen fer Art grade das verführerifchfte find, wenn man die mangel ten Nachrichten der Alten ergänzen will; und ed kommt zu

derſt barauf an, wie die Sache bei ben Alten ſelbſt Liegt.

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Zeugniſſe find offenbar fehr.verfehieden. Einige fagen auödrüff: \ih aus, die zoyn des Anaximandros fei bad Mittelding gemwes fen zwifchen Waffer und Luft. So Simplicius hie und da im Eommentar zu den Phnficis und zu ben Büchern de coelo *), Johann. Philopon. **), Themiſtios ***) und nad) dem- Beugniß des Simplicius ****) auch Alerand. Aphrodif. ‚Andere fagen ausdruͤkklich, Anarimandros habe die Natur feines Arresgov nicht näher beftimmt ; fo Diogenes Laertius *****), ber Pfeudoplus - tach +), und nach dem ausdruͤkklichen Zeugniß des Simplicius in der zulezt angeführten Stelle auch Porphyriod. Eben daſſelbe ſagt endlich auch Simplicius ſelbſt ganz beſtimmt Tr), da wo " die Meinungen der Phyſiologen über ihre eine bewegliche &e- : m eintheilt, fie koͤnne entweder eine endliche begrenzte erzeoao- . um fein, wie das Waſſer des Thales oder das Feuer des He⸗ tofleitoß, oder eine unbegrenzte, und biefe dann entweder unbe ' fimmt, aogıorog, wie die PVoıg üreıgog bed Anarimandros, We beflimmt, wie die Luft des Anarimenes und bed Diogenes Apolloniates; fo der falfche Drigened +++) und eben fo Eufes bios +++) aus den orawuare des Plutarchos. Auffallen mug bier jedem ganz vorzüglich, daß die Ausleger des Ariftoteles nicht alle auf- einer Seite ſtehen, ja daß die Audfagen des Simplicius gar unter fich im Widerfpruch fiehen. Dieſes wäre freilich bes gaiflicher, wenn, wie die Neuern behaupten, Ariftoteled felbft in Üfcht auf den Anarimandros fich widerfprochen hätte; benn warum ſollte es doch dem Schüler beſſer ergehen ald dem Meis fr? Allein die Wahrheit iſt, dag niemand eine Stelle nachges tiefen, und auch mir ift Beine vorgefommen, wo Ariſtoteles jes 18 Mittelding ausdrüfktich dem Anarimandrod zufchriebe; fon» 101

®) Simpl. ad. Phys, fol. 105 a., fol. 107 a. b. de Coelo fol. 151 a.

M ad Arist. de gen. et corr. fol. 3. *®*,) in Arist. Phys. fol. 36. "er, ad Phys. fol 322. #6. 7) deplac. phil. I, 13. #) ed Phys. fol. 6 a, + Philosoph. cap. VI.

Trrt) Praep. evang. I, 8.

4176 dern wo es davon redet, daß dieſes Mittelding zwiſchen Luft und Waffer, ober auch unbeftimmt eine Natur napa sa orosyela, als Urftoff angenommen worben *), ba nennt er nirgends einen Urheber, und nach einer Stelle des Simplicius **) fcheint Ale Aphrod. zuerfi und vorzuͤglich biefe Stellen auf den Anaximan⸗ dros bezogen zu haben. Es mag alſo wol dieſe Autoritaͤt ſein, ber hernach die andern Commentatoren und bie und ba Sim plicius felbft gefolgt find. Mit welchem Recht, dieſes zu ent⸗ ſcheiden haben wir wol fchwerlich einen andern Weg, als went wir audzumitteln fuchen, ſoviel wir Tönnen, welches wol be Ariftoteled Meinung von bed Anarimandros Princip gewefen fe Daß Ariſtoteles nirgend, wo er von jenem Mitteldinge vo bet, des Anarimandrod erwähnt, da er ben Mann doch ſon nicht verläugnet, koͤnnte freilich fchon an fich unwahrſcheinlich machen daß er ihm die Erfindung zngefchrieben, allein auf de andern Seite fagt er auch nirgend das andere, bag Anarimam ' dros fein Unendliches gar nicht näher beflimmt habe; alfo muͤſ fen wir der Sache auf andere Weife näher zu treten fuchen Daß Ariftoteles überzeugt gewefen, Anarimandros habe nicht daB Unendliche als folches zum Princip gefezt, fondern ein beftimmte | aber ald unendlich unbegrenzt gedachte Weſen, wirb mehr ald : wahrfcheinlich aus folgendem. Es ift nämlich offenbar daß er ; unfern Mann, wie auch in der Sache liegt, zu denen rechnet, bie ee gvosoAoyovg nennt. Won diefen aber, denn dem Zufams 4 menhange nach kann es nur auf ſie gehen, fagt er ausbräfß " lich ***), Feiner unter ihnen habe das Unendliche als ein Weſen an fich gefezt, fondern nur fo daß die Unendlichkeit als Eigen * fchaft einem andern zufomme, und tadelt nur, fie ſollten deshalb nicht dad Unendliche ald Princip fezen, fondern jenes dem ur

*) Phys. I, 4. III, 4. 5. de Coelo III, 5. ”) ad Phys, fol. 32.

""*) Phys. III, 5. sara ovußsßnxös üpu ümapye wo Arugor* BAR d ovrwg slgmens ors 0oUn Iwöigeras auro dpxie. Adyav;, all dxivor ayupeßyxe, Tov GEORG Tr A. x

4 j

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Unenblichteit beilegen. Sa man koͤnnte fagen, biefer Zabel treffe vorzüglich den Anarimandros, ben ex vorher *) an bie Spize be ' _ tee geftellt hatte, welche behaupteten, dad Unendliche müffe Prins 102 ip fein. An demfelben Ort **) fagt er, einige fezen ben unends , lichen Urſtoff, aud dem fie alled andere erzeugten, als ein von den Elementen verfchiedened, aus dem Grunde weshalb er uͤber⸗ baupt nichts in der Wahrnehmung felbft vorfommendes fein dürfe, weil nämlich fonft das gleichartige entgegengefezte, wenn alſo das Waſſer Urftoff wäre und unendlich, dann dad Feuer, von dem Unendlichen müßte verzehrt werden und alfo gar nicht koͤnnte vorhanden fein. Hier aber erwähnt er nicht einmal das Mittelding zwiſchen Waſſer und Luft ausdruͤkklich, noch weniger Den Anaximandros; dennoch bezieht Simplicius ***) auch dieſe Stelle auf unſern Mann, welches man um ſo mehr bewundern moͤchte, da ſein beſtaͤndiges Stichblatt Johannes Philoponos faſt daſſelbe gethan. Nämlich an einer andern Stelle ****) fagt Ari⸗ ſtoteles, einige nähmen einen gemeinfamen von ben vier Ele menten verfchiedenen Grundfloff (ÜAnv) an, der aber doch auch Zörperlich fein ſolle und für fich darftelbar (ywguornv), und ta: belt dieſes, weil ein folcher ja doch auch nicht könne ohne Ges genfaz fein; dieſes nun bezieht Johannes Philoponos Auf den Anarimandros, und dringt ausdrüfflich, vermöge feiner Chriſtlich⸗ fie darauf, dieſer Tadel gehe nur auf die Körperlichkeit einer folhen unendlichen aoyn. Dem fei nun wie ihm wolle, hätte Kriftoteles geglaubt, das Princip des Anarimandros fei ein un kirperliches: fo wäre es hier fehr an ber Stelle gewefen, beffel: ben ald Ausnahme zu erwähnen. Daß Ariftoteled das Princip

e des Anarimandros ebenfalls für ein Förperliched, alfo für einen "Srundfloff angefehen, beflätigt ſich auch durch eine andere Zus

, ') Phys. II, 4 Ed. Casaub. 214 A. wo fogar eine woͤrtliche Anfuͤh⸗

rung bes Anaximandros ſteht, nur daß fie leider in indirecter Rede vdls Bg aufgeldfet iſt. **) Phys. III, 5. pag. 2I5 A.

0) ad’ Phys. fol. III a. b. “r*) de gen. et cort. II, 1.

> dein. W II. > M. }.

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Tammenftellung, die auch Xennemann®) ſchon gemacht hat. Nam lich Phyſ. M, 5 führt Ariftoteles fünf Gründe an, weshall überhaupt ein Unenbliched angenommen werbe. Unter biefen fi auch der, daß fo allein Erzeugung und Untergang nicht aus⸗ gehe *). Kurz darauf ***) wiederholt er diefe Gründe noch ein⸗ mul widerlegend, und ſagt beſonders, auch aus dieſem Grunbe ſei kein unendlicher wahrnehmbarer Körper nothwendig. Nun ſtimmen mehrere Zeugniſſe überein, daß grade dieſes der Grund 103 geweſen, weshalb Anaximandros feinem Princip bie Unendlichke beigelegt habe ****), und zwar fo daß man glauben muß, #) liege in ben Morten bed Ariſtoteles felbft eine Anfpielung af eigne Worte bed Anarimandrod. Es wird daher fehe wahrfhes lich, daß Ariftoteles dad Unendliche des Anaximandros als ein wahrnehmbaren Koͤrper barftellen will; und ba offenbar nid als eines von feinen vier Elementen, fo folgt als ein jenfeit 1 felben zu fuchended nep& v& orosyein. Körperlic alfo web, nach Arifloteles die Koyn des Anarimandrod gewiß, ein Grund“ ſtoff, aus welchem fich alles andere entwikkelt hat, nicht ein Pıib; cip in bem Sinne wie etwa $reunbfchaft ober Feindſchaft $i-

Geſch. der Phil. J, 66.

") ovra uovas un Unolıneiv ylyıcıy Rab PIogär.

* ibid. cap. 8. oöre yao Tva q ylveoıs uy dnıllun avayzaior —* arıgov evas owua alodnzor.

. Cic. quaest. IV, 37. Themist. in Arist. Phys. fol. 37, Si de coel. fol. 151 a. anııgovr di ngwros imideo, WW Ey ngos zac yardasız üdsalelnus. Vorzuglich aber de plac. phil L,%° ya odr Isa vl üneıgov dor; Ira under Mlalan q yiracız q üpe' oraudrn. Wenn man biefe beiden Stellen vergleicht (mit ber leztern ftimmt woͤrtlich Stob. Ecl. phys. I, p. 292 überein): fo Tann mite nicht zweifeln, daß bie Werfafler die Worte des Anaximandros bieräbet: noch aus andern Quellen als der ariftotelifchen Stelle gekannt haben

+) Dan muß bie entgegengefezte Anficht nicht hineincorrigiren in cine: verborbene Stelle des Simplicius ad Phys, foL 32 b. Zvovoile yap- sag dvaysıoıyras dv ı@ unoxunien anılgp örri Guapazı Inzplveeduh yyaw "Avakiuavdgos Richt konuarw barf man ſchreiben, fonbern

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Daß aber eben fo gewiß Ariſtoteles dieſen Grundſtoff anſetes Danned weder für eines der vier Elemente gehalten, noch für jenes Mittelding, das läßt fich aus der eben angeführten Stelle auf das deutlichſte darthun. Er theilt nämlich ein und fagt, Minige nämlich der Phyſiker fezen das Seiende al Eins, näme 4 einen zum Grunde liegenden Körper, entweder von den brei Wlmenten einen benn daß die Erde feiner zum Urſtoff ans Nasen, ihrer Unbeweglichteit wegen, hatte er fchon bemerkt Ber einen andern, der bichter ift als Zeuer, dünner aber als Paft, und erzeugen das übrige, indem fie durch Verdichtung und Berbünnung bad Viele entftehen laſſen.“ Diefes bichtere al feuer und bünnere als Luft ift num freilich nicht das von ans ke dem Anarimandros gewöhnlich zugefchriebene, und von Aris oleles auch anderwaͤrts angefuͤhrte Mittelding, ſondern dieſes on Rbt eine Stufe tiefer zwifchen Luft und Waſſer. Simplicius igt in der hieher gehoͤrigen Stelle des Commentars nur anz einfach hinzu, Oder wie er anderwaͤrts ſagt, dichter als sıft und duͤnner als Waſſer; und in der That, für die Sache nicht es Feinen Unterfchied. Das zweite hieher gehörige Glied un lautet fo **)s Andere aber, Phyſiker nämlich, fcheiden us ihrem Einen, welches bier leider wieder unbeflimmt gelafe m wirb, tie darin befindlichen Gegenfäze aus, wie Anarimans Bo8 fagt, und erzeugen alfo auf diefe Art bad übrige Viele aus Einen zum Grunde liegenden Urſtoff. Wenn alſo nach Ari⸗ * vermittelſt des Mitteldinges, und hier muß wirklich ganz

nur oauarı, wenn gleich dies leztere uͤberfluͤſſig ſcheint; denn nicht viel - anders ſteht es in der hierzu gehörigen Stelle des Ariftoteles Phys. 1, ;, &, ot 23V Üv nomoarteg vo 09 oma vb Vroxeluvor 7 Tor Tewy Tb 9 allo Ö dorıv nugöc ‚uRv munvöregov, fgog ÖR Aemtörepov, Talld ‚garvaoıy nuxvöinss zu) navöınes nollı moioürres, wenn nicht auch ker ſtehen ſoll supi vi Trox: was im Bufammenhange mit dem Enbe es vorigen Kapitels beffee ſcheint. *) fol. 32,

2 Phys. I, 4. oi di ix roũ Evos drovoag Tas Brdbriorgras —E&

127 Arakipardgss pnos

M2

180

gleichgültig fein ob dieſes zwifchen Luft und Waſſer liegt ode zwiſchen Luft und Feuer, eben wie vermittelt eined der Elemente als Urftoff nur auf dem Wege dei Verdünnung und Verdichtung E von den alten Phufitern erzeugt wird; Anarimandrod aber aub brüfflich nicht fo, fondern Durch Auöfcheidung der Gegenfäze au J feinem Einen erzeugt haben fol: fo kann Ariftoteles ihm jene Mitzelding nicht ald Urſtoff zufchreiben. Tennemann fagt zwar”), Ariſtoteles fehreibe dem Anarimandros beide Erzeugungsarten zu; allein in ber einen Stelle ift er eben nicht genannt,’ und ſie it nur durch eine unrichtige Combination auf ihn bezogen. Es if daher ein ganz vergeblicher Verſuch, beide Erzengungsarten, bie Ariſtoteles ausdruͤkklich einander entgegenfezt, mit einander vers nigen zu wollen, wie er benn auch fehr unbefriedigend auögefak _ len iſt. Simplicius hat auch hier ganz recht gefehen, und be merkt ausdruͤkklich *), man fehe aus den Worten des Arifiste les felbft, der ja dem Urheber des Mitteldings unter bie danh Verdichtung erzeugenben fege, den Anarimandros aber auf eine andere Weife erzeugen laffe, daß nad) ihm jenes Zwiſchenweſen dem Anarimandros nicht zugehören Eönne, und widerlegt hier ben Alerand. Aphrod. So dag man fich wundern muß, wie er an andern Orten diefer feiner umfländlichen und fo klar erwieſenen Ausſage wieder abtrünnig werden und dem Alerandrod nachſpre⸗ hen kann. Wie diefed zugehe, und welches der Schlüffel fei zu diefen Widerfprüchen des Simplicius, darüber iſt meine Meinung : 105 dieſe. Diefer unfchazbare gelehrte und geiſtvolle Schriftfteller verfährt fehr befonnen und wahrhaft Fritifch überall am Anfangez aber an Ausdauer fehlt es ihm gaͤnzlich. Je weiter hin, deſto mehr uͤberwaͤltigt ihn die Maſſe. Dieſe Behauptung laͤßt fi auf das vollſtaͤndigſte dyechführen. Jeden Gegenſtand behandelt er gruͤndlich, muͤhſam und mit: Liebe, wo er. ihm zuerft aufftößt, weiterhin gleichgültig, trokken, oberflaͤchlich. Und eben ſo gilt

Be NL

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rei, Selle Mn... nee nn at. -_

”) Geſch. d. Phil. I, S. 69. *#) Comment. in Plys. fol. 32.

181

daſſelbe aud) von feinen Merken überhaupt. Das: erfte Buch feined Commentard über die Phyſica Aft unſchaͤzbar, ſowol als Auellenfammlung, ald wegen des Reichthums gefunder Anfichten und Urtheile; weiterhin finden fi weit ſparſamer Anführungen befien was ihm von den Schriften der älteren noch vorlag oder fonft befannt war, fonbern er hat neben feinem Grundtert nur, wie man deutlich fieht, die bedeutendſten ber früheren Ausleger vor fich. liegen, an welche er fich mehr oder weniger- vergleichend; prüfend, widerlegend anfchließt. Auch hier-bleibt er immer ſchaͤz⸗ bar, weil grammatifche Kritit und Interpretation mehr heraude treten; nur für den philofophifchen Gefchichtöforfcher ift er bei weiten unbebeutender. Daher findet ſich in dem Gommentar zum erflen Buch von ber Natur bie ganz. richtige Anficht von dem unendlichen Princip des Anarimandrod, fowol da wo er weft von ihm xebet *), als auch an ber zulezt angezogenen Stelle. An biefer bemerkt er zugleich, wie troz ber von ihm an⸗ geführten und anerkannten Gründe dennoch Alex. Aphrod. dem Anarimandros jened Mittelding zufchreibe, und tabelt ihn des⸗ feld. Späterhin aber im Commentar zu Phys. III, 4 und 5 **) fhreibt er dem Alerandros unbebacht aber auch, wie man nicht üderfehen darf, nur beiläufig ben früher widerlegten Irrthum nah. Daffelbe gefchieht auch in dem Epmmentar zu ben Buͤ⸗ dern vom Himmel, in welchem er ed naͤchſt dem Johannes Phi- leponos zumal weiterhin, wo auch foldhe Stellen am meiften vorkommen, vorzüglich mit dem Alerand. Aphrod. zu thun hat. Aljo diefer asiftotelifchen Stelle, Die fo deutlich ſpricht und den Anarimandroß gradezu nennt, und dem diefe Stelle würdig keachtenden Simpliciud, wollen wir trauen und beide zum Grunde legend für gewiß annehmen, Ariftoteles habe jenes Zwifchenwefen

) ſol. G a.

”) fol. 107. zosoüres yüp ’Avatlnavdgos 10 usatv nupec sul depog

ürupor apxır Kildeı, m. v, A

: 182

206 nicht für bie doyn des Anatimandros gehalten; nicht aber

len wir uns von dem ſchon nachläffig gewordenen und Alerandros Gerführten Simplicius felbft wieder verführen I dog ‚wir vom Ariſtoteles gegen "feine eigne deutliche Erkl— glauben folten, er meine ben Anaximandros, wenn er vi nem Mittefdirige ade. Wir dürfen aber auch nich! ſchweigen, was wol diejenigen am meiften für fich haben bennoch behaupten wollen, Ariſtoteles habe das eine eben ıf ſtimmt ausgefagt als das andere, Mir feheint es dieſes zi Phyſ. 41, 14 ſagt er, mit Recht ſezen die Phyſiker dad endliche als -Koyn. Denn es Tönne weder umſonſt fein, Tönne ihm irgend ein anderes Vermoͤgen einwohnen, als

princip. Denn alles: ſei entweder Princip oder von’ dem

cip her; für das Unendliche-aber -Finne es Tein Princip Denn ſonſt hätte es auch eine Grenze. Ferner Segen fie e unergeugt und ungerflörbar, eben weil es Princip fei. Den gewordene. nehme nothwendig auch ein Ende, und ein

gebe es auch für jede Zerflörung. Darum **) wie gefagt, f

. e8 für dieſes nicht wieber ein Princip zu geben, ſondern

das Princip alled übrigen zu fein, und alles zu umgeber

alles zu fleuern, wie alle fagen die neben dem Unendlichen

noch andere Urſachen: annehmen, wie den Verſtand ode Freundſchaft, und ſelbſt das göttliche zu fein, wie es den! fterblich fer und unvergaͤnglich, wie Anarimandros fagt ur meiften Phyſiologen. Wenn nun die Worte aIavarın hier, wie man aus dem ꝙnaoꝛ ſieht ***), Wor

.°%) Ed. Casaub. 214 A.

”) dio, zadanep .yonar, ou zung de, —8 ab zwy all doxei, xab meguizuis erayıa, xal nürın xußepvgr, ac Pac Ö 0000, nag& To ansıpov allg alılas, olov vous fi yıllay“ zai sivar ro Hioy’ z&g za) Ayalsdoos, worsg pyale ı Stuavögog xal ol nAriora, voy Puasolöyur.

"*) GSimplicius fol. 107. lieft zwar bier gaolv, aber gewiß falſo se ſchreibt Die Worte ſebſt dem Unorimandros zu.

183

Anarimanbros find, mer wird ſich wol welgern, auch die frühes un aus bem ariftotelifchen Stile ganz heraus gehenden za ne- eiéxeiv ünavıa, xal navıe xußeovav für Worte des Anaxi⸗ mandros anzuerkennen? Vergleicht man nun hiermit eine an⸗ dere Stelle wo Ariſtoteles von jenem Zwiſchenweſen alſo redet”), Denn einige legen nur Ein Element zum Grunde, und unter 107 biefen einige dad Waſſer, andere die Luft, andere bad Feuer, ans dere ein duͤnneres ald Waſſer und Dichtered ald Luft, welches, wie fie fagen, alle Himmel umgiebt: fo kommt nun hier jenes nepiiyeıv Gnavıa wieder; und da er unmittelbar fortfährt, Die aum unter diefen ald jened Eine dad Waſſer fezen oder bie Luft oder bad zartere als Waſſer und dichtere ald Luft, und dann hieraus durch Verbünnung und Werbichtung das andere erzeu- gen, biefe merken nur nicht: daß fie etwad anderes vor dem Element annehmen: fo fcheint auch hier Anaximandros ange fpielt, und ihm alfo fowol jened Zwiſchenweſen ald auch die Er zeugungsart durch Verdünnung und Verdichtung beigelegt zu fein. Allein dies heißt offenbar zuviel aud dem bloßen nreoie- ze ſchließen. Ia wenn noch der wenigftend etwas indivibuel> Iere Ausdrukk xußeovav es begleitete, ober fonft noch eine Erins nerung aufzuzeigen wäre an bie anarimandrifchen Worte der obi⸗ gen Stelle! Aber jener Ausdrukk szeoseyeım allein kommt gar zu häufig’ wieder in allen alten kosmogonifchen Vorftelungen, und kann jedem eben fo gut zugehören, ald dem Anarimanbroß, Darum kann man aus diefer Stelle nichts erweilen, und jener Ausdruff kann nicht eben diefed auch nur im mindeflen aufwies gen, daß Ariftoteles hier ganz beflimmt jened Zwifchenwefen mit der Berbünnung und Verdichtung zufammenftelt, dem Anaris mandrod aber diefe Erzeugungdart anberwärtd betimmt abge ſprochen hat hat. ) de 0) de Col. IT, 5. Eros yüg En növov Gnoridirres, nal vousor ob nie ũdoo, 05 di adga, ob di nüp, ob di üdares lv Assöregor, afgog di zumöregon, 8 wagıfizun guol marsas veüs obgayovc ümagev ör.

ur 184 Die Frage, wem denn wol, wenn nicht dem Anaximandrot Ariftoteled jened Mittelding, zu bem er den Urheber niemaig nennt, möge zugefchrieben haben, kann und hier nur beiläufig beichäftigen. Jene alte Theorie, die nur Ein Princip zum Grunde Legt, iſt gefchichtlich auf einen fo beftimmten und leicht zu durch laufenden Raum beichränkt, daß man glauben muß, es koͤnt nicht ſchwer zu entdekken fein, wen er gemeint habe. Da mal offenbar mit feinen Vermuthungen in der tonifchen Schule Hk ben muß: fo weiß ich nichts anders aufzuftellen, als Diefes. S habe zwar anderwaͤrts *) gezeigt, dag auch dem Diogene vg Apollonia jenes Zwiſchenweſen nicht Tonne als fein Urfloff bey legt werben, weil er mit dem Anarimenes der Luft dieſen M anwies; dennoch ift es Leicht möglich, daß Ariftoteled wo er DE 108 ſes Zwiſchenweſen anführt, Feinen andern gemeint hat. Dei | wir haben gefehen, daß Diogenes fehr bald in feinem Werk m dad einzelne überging, und fich mit biefem am meiften fhäftiget Hat. Nun aber ift aus einigen Spuren, wahrſcheinlich daß er als ſpeclelles Princip bed organifchen Dafeind eine warf Luft annahm, ‘wie fie beim Athmen, welches ihm bie urfprängg: liche Lebenderfeheinung war, vorkommt, als Princip des unorgl nifchen Dafeins aber die Üxuag, eine feuchte nicht lebenswam | Luft, in welcher die natürlichen chemifchen Prozeffe am beften vg flatten gehn. Wenn er nun von ber Luft am fih nur im ik gange wenigeö, welt mehr aber von biefen beiden befonbend Principien gefagt, die er leicht jeded an feiner Stelle von du gemeinen Luft kann unterfchieden haben: fo Fann-Teicht fen k Ariftoteled geſchwankt und ihm bald die Luft, bald dieſe bei Mitteldinge beigelegt hat, wie er denn auch faft abwechſe und unter fehr gleichen Umftänden beide anführt, wie fie fich.dd Diogened in der unmittelbaren Anordnung aus dem Einen- bi o ferenzüirten,, bier dad zwifchen Luft und euer, Dort jened zw

y

*) In ber oben ſtehenden Abhandlung uͤber den -Diogenes von: Apollonio.

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(hen Luft und Waffer. Doch dieſes fei nur angenommen, bis femand etwas beſſeres mittheilt.

Näher aber liegt und die Frage, wenn das Unenbliche bes Anarimandros eine Eörperlihe on war, aber weder ein Ele ; ment noch ein Mittelding zwilchen zwei Elementen: was war es dem? Ariftoteles tadelt *) biejenigen, die einen’ von ben vier : Elementen verfchiedenen, doch aber körperlichen und für fich dar: Relbaren Grundſtoff annehmen, weil ein folcher als wahrnehms bar nothwendig unter dem Gegenfaz flehen müffe. Nun aber gefieht Ariftoteles dem Anarimandros felbft zu **), bag er aus feinem Urftoff durch Ausfcheidung ber Gegenfäze die andern Dinge ereuge, Tann ſich alſo auch ber unmittelbaren Kolgerung fchwer: Ich entziehen, daß biefer Urftoff, als fammtliche Gegenfäze in fich befaſſend, nicht felbft wieder einen Gegenfaz außer fich haben Time. Hat er nun den Anarimandros bier nicht mit widerlegen gewollt, fo daß befien Urfloff nach ihm zwar als Förperlich, viel leicht auch als für fich beſtehend, zwororov, gewiß aber nicht als in die Wahrnehmung fallend, aisdnrov, müffe angefehen wer: 109 ben? Oder will er ihn hiermit widerlegt haben: fo muß er ihm dad lezte andichten. Denn in ber Sache liegt das Gegentheil; ' denn was alle Gegenfäze in fich befaßt und aus fich auöfcheidet, das kann zwar in gewiffem Sinne ald Birperlich und als für fih beftehend,, in Zeinem Sinne aber als ſinnlich wahrnehmbar gedacht werden oder gar aufgezeigt in der Erfahrung, weil nur auögeichiedened und unter dem Gegenfaz begriffenes kann wahr: genommen werden. An einer andern Stelle ***) widerlegt Ari« ° foteled den unendlichen Grundfloff, der felbft eines von den Ele; wenten fein fol, dadurch, dag diefer die drei andern ihm entge⸗

*) de gen. et corr. II, I. ürlü 05 uls noourseg ular Ulnv napa elgnulva, wuvıyr ÖL awuarızyy zal ywpıorie, Guupruvovam. adlva- cov ya aveu Ivarsınams slvaı To owua zoiso aloduröv Or.

”) In.ber oben angtzodenen Gtelle, Phys. I, 4

ver) Phys. III, 5.

/

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gengefezten, aber nur endlichen durch fein Nebergewicht aufrelbe müßte; fo daß fie neben ihm gar nicht Tünnten gefunden wc: den. Den von den Elementen verfchiebenen unendlihen Grund ftoff aber läßt er deshalb nicht gelten, weil es feinen einfache Stoff gebe außer den vier Elementen; denn woraus bie Ding! entftänden, barin müßten fie auch wieder aufgelöflt werben; d werde aber ein folcher Körper nicht wahrgenommen ald Reſultat der Auflöfung der Dinge. Hiedurch nun müßte Anarimandres, beffen Grundſtoff von den vier Elementen gewiß verfchieben wat, offenbar mit widerlegt werben, wenn er einen wahrnehmbark Grundſtoff gefezt hätte. Nun aber hat und Simplicius ein Frap ment bed Anarimandrod aufbewahrt, das einzige, foviel mir kp wußt ifl, abgerechnet die wenigen Brokken, welche man aus je nen Stellen des Ariftoteled doch nur unficher berftellen kann, ie welchem aber unfer Mann benfelben Grundſaz auöfpricht, zu bem ſich Ariftoteled hier bekennt; ob Simplicus ed aus eigner Aw ficht feines Buches habe oder nur vermittelft des Xheophraftee, mag unentfchieden bleiben. Es lautet aber *) fo, „Woher dab, was ift, feinen Urfprung babe, in daffelbe habe auch feinen Untergang nach der Billigkeit. Denn fo gebe es felne Buße und Strafe für die Ungerechtigkeit nach der Orbnung ber Zeit" Mas Simplicus binzufügt, oınzızwreposg 6yonacıy ara Aeyav, giebt deutlic) genug zu verflehen, daß er ſelbſt dieſes alb Worte des Anaximandros nimmt und giebt, und gewiß wird nie mand fie für untergefchoben halten, denn fie tragen zu deutlich 110 dad Gepräge altionifcher Art und Stils, dad nur zum Taf unter Simplicius Hand durch Auflöfung in die indirecte Rebe verſchwunden if. Wenn nun in biefem Grundfaz Anarimandıd : mit Arifloteled übereinflimmt, und wenn fein Unenendliches auf

*) Simpl. in Phys. fol. 6 a. 2& dr d2 4 yeraols darı wors ovas nei e47 PIoguv eis vavıa ylreodas xara xoewr. dıdovas yüg ausa sk ow zab dlxyr vis adınlar uaeu ziv sol yodvou va.

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der einen Seite weber ein rein unkoͤrperliches war, noch auf der onderh eines von den vier Elementen, bie Ariſtoteles als wahrs nehmbare einfache Stoffe anficht: worauf führt und die natürs fh? Daß das wahrnehmbare nicht ohne Gegenfaz koͤnne ge dat werben, iſt zu leicht und einfach, und liegt offenbar dem m nabe, der grade bie Erzeugung aller endlichen Dinge ald Ents ſtehung von Gegenfäzen anfieht, ald daß er ed koͤnnte überfehen haben. Was bleibt übrig, als daB Anarimandrod dem Ariffotes les, wenn er fich mit ihm hätte unterreben koͤnnen, gwar würbe zugegeben haben, fein Urftoff fei ein koͤrperliches, weil ex ihn nauilich, um mit des ſpaͤteren Mannes Worten zu reden, mehr wie die materielle Urſach aller Dinge beſchrieb, als wie die for⸗ male, und keine fremde formale zu Huͤlfe nahm, wiewol er ſich fein Unendliched auch gewiß in feinem Hervorbringen nicht abge> fondert Bachte von deſſen ewiger Bewegung , die ihm doch die formale Arfache der Dinge war, wie Simplicus ausdruͤkklich ſagt daß des unendlichen Weſens ewige Bewegung ihm die Ur⸗ ſache ſei der Entſtehung der Dinge *); daß er ihm ferner viel licht auch eingeräumt hätte, fein Urftoff fei für fich beftehend, werorn, in fo fern er nämlich nicht in irgend einem ber und vorliegenden Dinge fo enthalten fei wie etwa nach Ariftoteled das allgemeine in dem befonderen und einzelnen enthalten ift, wer dieſen aber nirgend anzutreffen, wiewol er fi) wol auch bier würde vorbehalten haben die Nichts Trennbarkeit des Urs ſtoffz von der Bewegung, die ja eben beöhalb eine ewige war, imb alfo gefagt haben würde, in fo fern fei der Urfloff nicht für fh darſtellbar; daß er fich aber dem Ariſtoteles auf Feine Weiſe wärde dazu verftanden haben, ihm feinen Urſtoff in der Auflös ‚fing und Serflörung ber Dinge finnlich nachzumeifen, wie ſich

9 Comment. in Plys.fol. 9 b. Erugör zıua YVoıw allyy OVcay Toy #40-

ocgwy aroıyelar ügzn Edsro, Ya ııpy * xienow olslav sivas vr yar övrwy yerdoews Heye

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das Feuer finnlich barftellt aus anderem in ber Verbrennm und dad Waſſer in der Verdunſtung. Sondern er würde gi dehin und unbefchränft geläugnet haben, feine aoyı fei Fein fin lich wahrnehmbares, «iodnToV, wie jene fogenannten Element bie jebed an dem andern fchon feinen Gegenfaz außer fich hab

su wie fie denn Ariftoteles felbft nur durch folche Gegenfäze, I | fchreibt. Vielmehr, fo Eönnten wir vielleicht in feinem Name fortfahren, gehören eben beshalb jene Elemente mir ſchon zum erzeugten und endlichen, und zwar ald eim zweites wenigfiml und ich behaupte, bag die lezte Zerflörung eben ſowol als de erfie Urfprung der Dinge fih unferer Wahrnehmung entzieh und bag was in diefer das erſte iſt und lezte, nicht ber Wr ſelbſt ift, fondern ein theils noch weiter zerftörbares, theils ſcho wieder geworbened. Auch lobt Ariftoteled an einer andern: Stelle * eben desfalls vor denen die eind ber Elemente ald Urfloff a nehmen, diejenigen bie ein Zwifchenwefen annehmen, weil nam lich die Elemente fchon in Gegenfäzen verflochten wären; naͤch ihnen aber am meiften die welche die Luft annehmen, weil bie noch die wenigften wahrnehmbaren Verfchiedenheiten zeige. Muͤß er nicht nach bemfelben Grundfaz noch mehr die Vorſtellung de Anarimandros rühmen? Auf diefe Weife nun Löfet fich all und wir erhalten eine Anfchauung nicht unmwerth für den erſte Anfang der fpeculativen Naturwiffenfchaft zu gelten, grabe fo b flimmt wie fie auf diefem Gebiet zu jener Zeit fein Fonnte, un grade unbeflimmt genug daß fpätere zumal auf einem empir ſchen Standpunkt mit Recht Flagen durften, er habe die Nat

9 Phys. I, 6. woneg gaalv ol ulav zw& puoıw evas Alyoyras ro ı0 oloy ũdoo [Nja Acou biefe beiden Worte muß man offenbar einfchiebe HU 7 To nerafv vovsen, doxes dd v6 uerukl püllos" zug po on (xal yi löfche ih) xad uyo xal Übung mer dvarrıorıan Ovas aieyubsu ori. dio oux aloywg HoDoıw 05 To Umoxslusvon Erept sovroy mosoürses (wenn nicht bei biefem weiteren Ausdrukl Ariſtot les grade ben Anaximandros im Gedanken hat), zur 3’ aliur ob akı za; yap ovros ara Ixeı zur üllur dinpopus aladıysas.

189 ſeines Unenblichen nicht genau beftimmt. Was konnte er auch weiter fagen, nachdem er gefagt hatte, es fei dad Eine, aus wel chem ſich alle Gegenfäze ausfcheiden? daß alfo dad Weſen aller Materie darin enthalten fei, hatte er Feine Veranlaſſung noc) befonderö zu fagen; Died war dad was fich damals am meiften von felbft verftand. Und fonft konnte er ja nur, wenn er es mit den in der Erfahrung gegebenen Dingen und fo auch mit jenen vier Elementen verglich, die Verneinung aufftellen, es fei weder dies noch das, eine Werneinung, die nur infofern nicht inhaltleer war, als fie aus dem Gebiet der Gegenfäze heraus: führte. In diefem Sinne nun war fein Urfloff ein wahrhaft unbeftimmtes und unbeſtimmbares, weil alles finnlich beflimmte ef aus ihm entfiand. Sa bier fol und auch Alexandros von 1 Aphrod. willfommen fein, wenn feine Ausſage über dad Princip 8 Anarimandıod nicht ganz und gar leere Bermuthung war, fondern ihr wenigſtens Diefed zum Grunde lag, daß er wußte, e8 fei beim Anarimandro von jenen beiden Zwifchenmwefen zwi⸗ ſchen Luft und Feuer und zwifchen Luft und Waffer die Rebe geweſen. Denn da Simplicius *) als bie oberften ausgeſchiede⸗ tm Gegenfäze die de warmen und Falten, bed troffnen und ftuchten namhaft macht, auf denen befanntlich auch die vier Ele⸗ mente nach einer gewiß nicht dem Ariſtoteles eignen fondern im gemeinen Leben ſehr alten. Anficht beruhen: was liegt eigentlich näher ald daß Anarimandros, um fo mehr als ihm natürlich war, zu behaupten, Die erfie Erzeugung liege noch jenfeit der Wahrnehmung, die vier Elemente nicht werde als das erfte aus . dem Unendlichen hervorgehende angefehen haben, fonbern gefagt, Über ihnen ſtehe natürlich eine Ausfcheidung des Gegenfazes von varm und Falt, ehe noch der Gegenfaz von trokken und feucht | auch ausgeſchieden fei, nur daß nicht jene erſte fondern erſt biefe

‘) Comment. in Phys. fol. 32 b. Zvayısdsmes dd als, Gugndr yuzoör 'ing69 Dygöv zul al alla

| 190

zweite Erzeugung wahrnehmbar fei. Das warme aber, in we chem noch ungefchieden liegt der Gegenſaz von troffen und feucht, was iſt es anderd ald bad Mittelding zwifchen Luft und euer, aus welchem, wenn nun ber zweite Gegenfaz ſich audfcheidet, das getroffnete Feuer wird, und dad feuchtgewordene Luft? Nur freilich daß er diefem müßte ein anderes gegenüber geſtellt da ben, als kaltes, nämlich in ber Gleichgültigkeit des troffnen um feuchten ein Mittelding zwifchen Waſſer und Erde, von welchem niemand etwas meldet, fondern nur im allgemeinen kommt vo Daß ex ben Ausſcheidungsprozeß bed zweiten Gegenſazes erwähnt und das Meer für den Ueberreft ver einen Seite deffelben ange fehen habe *). Darum möge dieſes dahin geftellt fein, und d ſtehe nur hier ald eine Andeutung, wie Anarimandros fein Un 113 endliched könne gegen die Elemente geſtelt haben. Die Haupt’ fache aber, daß fein Urftoff der Inbegriff aller Dinge war, ab nicht als ob fie in ihm ſchon wirklich wären enthalten geweſen, fondern fo daß fie daraus durch Ausfcheidung werden, dieſe wird fehr beflätiget durch eine Stelle des Theophraſtos, welche und Simplicius **) aufbehalten hat, worin Anaragorad und Anayis mandros verglichen werden, und jener gewiffermaßen auf Dielen

*) Plac. phil. III, 116. "Avafluardgos vis Galaoodr grow las vr wosens üygaolas Aslıyavor, is wo ur nAstor ulgos üvelnpava so zün «0 62 Aupslr dıa ayy Inxavaı uerBaler. Ob Uygaota fein eigned Wort ſei, tft wol nicht gewiß, aber ſehr wahrfcheinlich, und eben fo we Ixxavoıs, entweber für die primitive Ausſcheidung des warmen ober für das zweite gleichſam Ergriffenwerden des trokknen und feuchten von der Waͤrme. |

**) Comment. in Phys. fol. 6b. zal odrw ur, pyar, Auußasörier d- Euıv üv 0 Avalayogas sag ulv Vlıxas dpyas anelgous zoseie, uns A viᷓe xivijotocg xal vis yerkoems alılav ular, vor voiv. al dd zn ul zür anarıer imolupos la alvaı Yuow üögıosor zul new Ab dos ul xura ueyedos, ovußalves dvo was ügyüs avroy Adyur, mp roũ üneloov gYuoıw zal 709 vous, Wore palvaras T& Ommarıza drol xela naganinolag noriv Arakıuardgp:.

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wuräkfgeführt *). Nachdem er nämlich gefagt, Anaragoras lehre, in jedem fei etwas von allem, jedeö aber fei und werde dad am deutlichften, wovon am mieiften darin fei, fahrt er fort, Wenn man ed nun fo nehme, fo fcheine freilich Anaragorad der mates rialen Principien unendlich viele zu fezen, und nur für die Bes wegung und Entflehung Eine Urfache, den Verſtand. Wenn man aber jene Miſchung aller Dinge ald ein einzigeö fowol der Art als der Größe nach unbeftimmtes Weſen anfähe:- fo würde er dann nur zwei Principien fezen, jenes unendliche Weſen und ben Verſtand, fo daß er offenbar in der Vorſtellung von den Birperlichen Elementen dem Anarimandrod fehr nahe komme. Diefed „nur fehr nahe” bezieht ſich nun eben Darauf, daß das enszufcheidende bei Anaragoras ſchon in dem Unendlichen ift, bei Anarimandros aber erſt in und mit der Ausfcheidung wird; wels den Unterfchied auch Theophraſtos ausdrüfft **). ine andere Annäherung beider findet jich in ber ariftotelifchen Metaphyſik ***), wo im Gegentheil dem Anaximandros eine Miſchung beigelegt wird; allein bie Stelle ift ohnftreitig mehrfach verdorben. Zwar zeugen auch andere Nachrichten von einer Mifchung, die in feis wer Darſtellung vorkomme ****); allein fie iſt Feinesweged das seiprüngliche, fondern fie entfteht fchon aus den ausgefchiebenen u⸗ Gegenfäzen, und vieleicht ließ er aus ihrer urfprünglich unors dentlichen und chaotifchen Mifchung, damit auch dieſer alten my» thiſchen Worftellung ihr Recht wiberführe, fich erft allmählig die

*) Genau fo fagt Simplicius anberwärts in Phys. fol. 33. zul Os- geuorog di Töv ’Avakayopav als zör Avakluardgov ausngar x. v. A. ”) ibid. we ou ywoubor GAR Imapyövrov moöregon, , ”) XI, 2. xai rourò 2orı vo Avakayopov &r aArlo⸗ yüg NP Ouov naven; sa) "Eunedoxltous zo ulyua za "Avaksuardgov. ”*) Stob. Ecl, phys. p. 500. "4vakiuardgog vor olgavos pyoır slvar dr Beguov zu) yuygoü ulyuaros. conf. Fuseb. Praep. I, 8. gn02 di vo dx vov aidlov yorluov Heguöv xai wurgös xara ev ylracw zoude Tov noouov anangıöNVan

ı. I -.

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Melt bilden, Weil nun das Princip felbft nie erſcheinen Pan muß es in ewiger Bewegung fein, um die Gegenfäze auszuſch den, und fo die Welt und in ihr dann ben untergeorbneten Krei lauf des Entſtehens und Vergehens hervortreten zu laffen. Br fo fchwebt dad Unendliche des Anarimandro in feiner Unh ſtimmtheit faft ſelbſt zwiſchen dem Eörperlichen und unkörperlice in ewiger Bewegung, felbft Eins und unverändert, aber alle fein man weiß nicht, fol man fagen Theile ober Werke in imme währender Weränderting barftellend *), und mas aud ber ewige Einheit heraustritt in die kurze Freude des für fich beſtehende Lebens durch den Untergang wieder flrafend, jedes zu feiner Zeil nach den Ordnungen eined ewigen Rechts. Wenn man nun da Thales mit feinem Grundweſen, dem Waffer, und feiner Em gungdart durch Verdünnung und Verdichtung an biefe Idee be Anarimandros hält: fo ift nicht zu fehen, wie diefe ungleich ſpe culativere aus jener habe entſtehen koͤnnen, oder wie gar im gentlichen Sinne Anaximandros des Thales Schüler udn ober wol Nachfolger duwdoyos Eönne genannt werden **). Sn beffen muß ed neben biefer noch eine andere Sage gegeben ha ben, welche ihn dem Thales mehr gleich geſtellt hat. Denn ein ſolche liegt offenbar einer Erzählung beim Jamblichos ***) zum Grunde, daß Pythagoras nach einander zum Thales und Anari mandros gereift fei, und mit jedem befonderd philofophirt ha Zeitgenoffen waren fie allen Nachrichten zufolge und an eine Drte lebend, nur Anarimandros jünger, woraus bie fpätere Zeil

*) Diog. Laert. II, 1. xud v& dv neon neraßalleıy, vo Öl när üıma Bimov van

") &o nennt ihn Simpl. in Phys. fol. 6 a., anderwärts Coel. fol. 151 ollıns xai Eraipos. Suidas weiß noch mehr, und fezt auyyerns hin zu. Auch Sertus bisweilen behutfamer im ſolchen Dingen, nennt ih:

Gxovoryy zou Onlew.

”*) de vita Pyth. segm. 11 und 12.

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bie den Begriff der Schule überall hineintrug, nicht verfehlte ein fo beflimmtes Verhältnig zu bilden.

, + Wenn aber doch aud des Anarimandros Urweſen. durch ei⸗ nen innern Prozeß alle wahrnehmbare Materie entfleht, es alfo feiner Natur nach ein materieles Princip iſt, und jene ewige Be⸗ wegung, durch welche die Weltbildung bedingt iſt, dem Princip urfprünglich und nothwendig einwohnt, nicht wie des Anarago: 115 ww Verſtand ein von außen gleichfam fpäter hinzukommendes ift; zu welchen fol man ihn nun zählen, zu denen die mit Gott shilofophirt haben, oder Die ohne Gott? Einige laͤugnen grade⸗ hin daß er einen Gott angenommen, weil ſich nirgend bei ihm eine Spur zeige von einer bemußten Macht an ber Spize aller Dinge. Andere bejahen es großmüthig, wegen jener oben ange führten Worte, das Princip fei goͤttlich, weil es. unſterblich ſei und unvergaͤngüch. Dieſe koͤnnten noch dazu genommen haben, was Simplicius zu der Stelle des Ariſtoteles, in der jene Worte vorkommen, bemerkt *), Es ſei kein Wunber, daß Anaximan⸗ droß fein Unendliched göttlich nenne, fondern ganz. natürlich; denn er wolle dadurch anzeigen dag Gott noch über demfelben ſtehe, indem ja goͤttlich etwas ſei dadurch daß es Antheil habe an Gott.“ Gewiß aber iſt aus dieſer Stelle nicht zu ſchließen dag in fol» em Sinne etwas über die Gottheit in der Schrift des Anaris mandros vorgekommen ſei. Simplicius raiſonnirt nur aus dem Vorte Feiov, und hat hier im dritten Buche ſchon gar nicht mehr jenen Sinn der Genauigkeit, die eignen Worte ded Anaris mandros audzufcheiden und wenn. er konnte weiter zu verfolgen, ſendern ſchon oberflaͤchlicher haͤlt er ſich nur an das was ihm een aufſtoͤßt. Was aber die Sache betrifft, fo möchte ich fagen, wenn Anaximandros unter den Gegenfäzen, die er. aufflellte, auch

gung

) Simpl. ad. Phys. fol. 107. xal ovölv aronos, el Yeiov Zucker, nüh- koy d} avayaaior, ds Tovrov yag 2delnvuso Tov Geo» Umio auro elvan, Hkos yap TO Tov Heoü ufr0x09 dorım.

Sqhltierm. W. II. 2. N

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"den anfgeftellt hätte zwifchen Geiſt und Materie, und hätte noch ein flreng materielled Princip allein walten laſſen, unt ſem den Geift voͤllig untergeordnet al ein einzelned und fpi Erzeugnig, dann dürfte man ihn wol einen adeog nennen, dann Iäugnen daß er ein Philofoph geweſen; benn fein w Philoſoph war jemals ohne Gott. Weber aber kannte Anari dros jenen Gegenſaz; denn den Aelteſten war dad Leben bie Seele eben ſowol dad erkennende ald dad organiſch gende, und alfo Seele und Leib, leztered im eigentlichen | genommen, ungeſchieden; noch auch darf man von ihm c gen, ed offenbare fi in ihm eine Neigung, vermöge dere wenn er jenen Gegenfaz gekannt hätte, der Materie einen ang würde beigelegt haben über den Geift. KWielmehr, ihm plözlich die Kenntniß jenes Gegenfazed aufgegangen wie würde dies auf feine Philoſophie gewuͤrkt haben? $

110 fein Unendlihes die Möglichkeit aller Gegenfäze in fich b und fie ſich alle aus ihm auöfchieden: fo ſchied fich dann in feiner Orbnung ber des Bewußten und Unbewußten aus fein Urwefen war eben ſowol die Gleichgültigfeit Diefer E entgegengefejten wie aller übrigen. Denn daß dad Bewuf wie es und in ber Erfahrung gegeben ift, nothwendig untı Form des Gegenfazed ſteht, und es fo nur in biefem G das bewußtlofe gegen ſich über habend vorkommen Tann, leuchtet wol jedem ein. Darum fcheint es vichtiger, dem % mandrod und andern ähnlichen den Vorwurf bed Atheismus zu machen, weil wir ihn mit bemfelben Recht wieber bekor koͤnnten aus ihrem Standpunkt, wenn fie und befchuldigten auch wir die eine Seite des Gegenfazed über die Einheit ben. Doc dies fol nur ald ein Warnungszeichen auch aufgeftelt fein. Denn was nach mehreren Nachrichten *)

*) Cie. de nat. Deor. I, 10. Anaximandri autem opinio est n; esse deos longis intervallis orientes occidentesque,, eosque inn

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andros in einem andern Sinne von ben Göttern gelehrt hat, % ihnen nämlich komme Entfichen zu und Untergang, nur ch langen Zwifchenräumen, fie wären nämlich die Geſtirne oder, : unendlichen Himmel, oder die unzähligen Welten; biefes, wie auf ber einen Seite vollkommen feinem Grunbfage gemäß ift, 6 alles aus den Gegenfäzen beftehende die Freude feined Das mb wieber durch Untergang bezahlen müffe, würbe ihn auf ber nbern Seite bei und ber Gotteslaͤugnung nicht verbäcdhtig mar ven; vielmehr würben wir ed natürlich finden, daß er die vie m Götter eben dahin flellt, wo alle& viele fich finden muß, und Me wuͤrden darin nur das Beſtreben erkennen, welches fich durch nen großen Theil der hellenifchen Philofophie hindurchzieht, und i deſſen Stelle erſt fehr fpät ein entgegengefezted tritt, nämlich volksmaͤßigen mythiſchen Worftellungen von Göttern an eine Dem wirklichen Inhalt angemefjene untergeoronete Stelle: zu und ganz. zu trennen von bem, daß ich mich fo aus⸗ noch unbeflimmten Entwurf der Idee eines höchflen We⸗ welchen auszuführen und wirklich zu denken das lezte Ziel Philoſophie if. Doch in jenen Beugniffen find bie Aus⸗ zu verſchieden und zu wenig im älteften Stil, als dag beſtimmt ausmitteln Bönnte, wie Anarimandros biefed gemeint. Allein bie Sache grenzt ganz nahe an eine Frage, welche un ‚wen anderd die über fein Prindp ald abgemacht kann an hen werben, zunäcft aufbringt, nämlich, ob er wirklich uns e Welten angenommen, welche entfiehen und vergehen. bier tritt der Fall ein, daß Arifloteled an einzelnen Stel: 9 zwar einen Unterfchteb feftftellt zwifchen folchen die nur

rabiles esse mundos, Stob. Ecl. phys. I, p. 56. "Avafluavögos ünspiraso vous ünslgous ougavoug Geovs. Plac. Phil. 1, 7. "Ara- | Bnanöges vous Gordgas ougarlous Heovc.

) Phys. VII, 1. Man muß hier unter ünelgous »oanovs unzählige verftehen, weit es nur dem fra xoonov gegenüberficht, wie es auch Cimplicius durch analgous so nAydas erilärt,

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Cine Welt angenommen, und folchen die unzählige entflehende und wieder vergehende, daß er aber auch hiebei wie oben bei.bm Zwifchenwefen den Anarimandros meines Wiſſens nirgends m mentlich anführt, die fpäteren hingegen ihm diefe Annahme is ſtimmt beilegen. So Eicero in ber oben angezogenen Stelle, Simplicus *), fo. Eufebius **) aus dem Plutarch, auch da falfche Plutarch ***). Und auch hier fehlt es nicht an Ausbräb ten, jedoch minder gewichtigen,; die das Gegentheil.zu fagen ſche⸗ nen, auch bei bemfelben Schriftfleller. Und hier kann die Be hauptung nicht, wie im jenem Fall, ihren Grund gehabt habe in ber Berlegenheit, auf wen jene Worte bed Ariftoteles: zu be ziehen wären; denn Empedokles wenigfiend und Herakleitos we ven gleich bei der Hand. Sondern allerdingd müffen Aeuferum gen des Anarimandros biefer Nachricht zum Grunde Liegen, r und leider nicht urfprünglich und zufammenhangend zugelommen find, deren eigentlichem Gehalt wir aber doch müffen auf die Spur zu fommen fuchen. Der Ausdrukk von mehreren Welten, welche entftehen und vergehen, kann aber auf mehrerlei Arte - verfianden werben. Einmal fo, daß durch Zeitpunkte gänzliche Zerſtoͤrung unterbrochen, verfchiebene Weltordnungen auf einander folgen, was aber jedesmal zugleich vorhanden iſt, nur Eine We bildet. Dann fo, daß das aus dem unendlichen Princip. audges uus ſchiedene urfprünglich in mehrere Melten vertheilt iſt, die offa feine Gemeinfchaft gegenfeitigen Wirkend mit einander haben

%) in Phys. fol. 6. 2& ne anavzag yivscdas vous ovpavove zul ul dv alsoig xoonevg. fol, 257 b. os ulv yap unelgove wa zigiR coðce KO0LOUG Ünos4usvos, os ob magi "Avatluavöger, yıvondvovg de vous al phsıgousvous vnddeyro in ansıpor, allor uw aeb ywapk vor allur di Pdspousver.

»9) Praep. I, 8. 2E o0V dy4 gyas vous we ovpavoug inougene xad6lov sols anunzes ämelgous Örrag x0onous.

”") de plac. phil. I, 3. dio xai yaryacdas unslgovs xoanoug —* Balgsodaı ale vo HE yirıraz.

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; abee in dieſer Befchiebenheit ſaͤmmtlich immer fortbauern. ablich fo, dag mehrere gefchiebene Welten gleichzeitig vorhanden id, entweder aber in gemiflen Zeitpunkten alle auf einmal zer det werben und dann wieder entfiehen, ober daß dieſes Schikk⸗ il fie einzeln trifft, die eine früher, bie andere fpäter. Das le, daß jebedmal nur Eine Welt vorhanden ift, dieſe aber bis; veilen zerftört wird und neu wieder entflcht, fcheint zwar bie vlderfprechenden Audfagen leicht zu vereinigen, benn fo Fönnte w in dem einen Sinn von Einer Welt geredet haben, in bem nbern von vielen; allein es fleht im Widerfpruch mit zwei nach ven wichtigſten Zeugniffen höchft wichtigen Punkten in ber Theo⸗ ie des Anarimandros. Denn wenn er zuerft fein Princip des⸗ wegen unenblid angenommen, Damit die Erzeugung nirgend und giemald dürfe gehemmt werden, wie kann er eine Zeit angenom⸗ wen haben, wo jie wirklich gehemmt war, vom Anfang einer Beltzerftörung an bis zur Entſtehung einer neuen? und wenn pr als Urfache aller Erzeugung geſezt eine ewige Bewegung feis unendlichen Princips, wie alle einflimmig bezeugen, wie bad Princip in Bewegung gewefen fein auch in jenen Zwis räumen? oder wie kann die ewige Bewegung bed Unendli: n je gelitten haben eine gänzlich vollendete Zerflörung? Das ite aber follte mich auch fehr wundern, wenn fich namlich rimandros eine gleichzeitige Mehrheit gänzlich gefchiebener en gebacht hätte. Dies nämlich fcheint nur möglich zu fein, Ban man anfängt, ber Erde eine untergeordnete Stelle anwei⸗

, die Geſtirne als für fich beſtehende Weltkoͤrper anzufehen. wenn dieſe nicht die mehreren Welten fein follen: fo müßte folhe Mehrheit angenommen werden, ohne bie mindefte Ges Nhrleiftung der Sinne für ben Gedanken, welches wol ſchwer⸗

jenem 3eitalter kann für angemeffen gehalten werden. Und hiches Bebuͤrfniß des Verſtandes ſollte grade denjenigen auf eſen Gedanken gebracht Haben, deſſen ganze Forſchung fo ent: ieben auf die Seite der Einheit und der Unterorbuung aller

»

198 2

Gegenfäge gerichtet iſt? Man follte vielmehr denken, gefegt auch er hätte eine Wertheilung des endlichen Seins in mehrere Bel örper angenommen: fo müßte er boch diefen, wenn auch au als entgegengefezten und irgendwie im Gleichgewicht flehenben, & eine Zufammengehörigkeit und gegenfeitige Abhängigkeit, alfo ein höhere Einheit zugefchrieben haben. Allein auch bag in biefem 119 untergeorbneten Sinn Anarimandros eine Mehrheit von Web: ten angenommen und die Geflime als folche angefehen habe, if fehe unmahrfcheinlih. Man koͤnnte es freilich leicht fchließen, wenn ber eine fagt, feine vergänglichen Götter feien die unzaͤhl⸗ gen Welten, und der andere die Geſtirne feien feine Götter aber näher betrachtet fcheint man es zurüßfnehmen zu müflen, wenn man folgended bedentt. Alle flimmen überein, daß er der Erde den mittleren Plaz eingeräumt, wo fie durch nichts gehal⸗ ten, vermöge ihred gleichen Abſtandes von allem anderen im: Gleichgewicht ſchwebe. So Diogenes *), Pfeuboorigenes *), Simplicius ***) und Ariftoteles felbft ****). Eine etwas abwen chende Audfage führt Menagiud an vom Theon von Smymat), ' bie Erbe ſchwebe und bewege fih um bie Mitte der Welt. Allein ich möchte biefer Worte wegen, die ich weiter zu verfol. gen außer Stande bin, nicht gern einen Mittelpunkt der Welt

H I, 1. ptors vu sie yo mıiodan zirsgov edhır iacrouosv olvas opampouıdy.

) Philos, eap. VI. rij dt yo elvas nerdupor im oudtwrög agareunk vny ulvovaay dia vr Öyolav Narınv änoozacı.

“*) Comment. in libr. de Coel, fol. 126.

"##).de Coel. II, 13. «lol BE zıves of dia vis Snbened Qua al Kirew waonıp Tüv Goxaler Avasiuandgos.

1) ad.Diog. Laert. II, 1. rs dorir 9 zn nerlopos zal nıreiras mg ei |0 zbU xoguov uicor. Die Worte finden fich nicht in’ dem von Bultiale | dus herausgegebenen Theile bes Theon, und Menagius muß fie wahes |, ſcheinlich in dem noch ungedrukkten Abſchnitt non ber r Aſtronemie hand ſchriftlich gelgſen Haben,

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mferhalb der Erbe armehmen, fondern wenn man ihnen übers mupt einen Werth beilegen will, wie es der Zeuge ja wol ver: ent, möchte ich glauben, Anarimandros habe der Erbe eine lchſendrehung oder eine ſchwankende Bewegung um ihren Mits elpunkt zugefchrieben, ber zugleich der Mittelpunkt der Welt fei; en nur fo läßt füch biefed Zeugniß mit allen andern vereini: en. Die Seflime aber waren ihm, wenn wir bie zerflüßfelten _ Rachrichten irgendwie in eind zufammenfaffen wollen *), große ım vieled, wieviel aber ſtimmt nicht allen überein, Die Erde übers 120 seffende Mafien von Luft zufammengefilzt, Heuer in ſich enthal⸗ end, bad aus der Nabe, welche bie uns fichtbare Scheibe bils et, audftröme, entflanden aus einer um bie bie Erbe umgebende haft gebildeten und hernach geplazten Feuerrinde, georbnet zu berſt die Sonne, bei ihr der Mond, und zu unterfi die übrigen Seftirne **). Hier iſt alfo zuerſt alles durchaus Ein Syſtem md nirgend eine völlige Gefchiebenheit des Dafeind; denn was hieße oben und unten, wenn nicht eine Beziehung auf ein und

) Theodoret. graec. cur. IV, P. 797. ovosyuara drra voy adgos g0- - yosidag nenılmulva nugös Hunden. Orig. Philos. VI. za. d2 äsga ylveodar xun.o9 RUupog Anoxgsdera TOU Kara Tor K00UOY TUpog, Me- gilnpstria uno afgos. Fuseb. Praep. I, 8. xul zıra @lo- yog Opaipay negıpuvas To ng} 79 yijv ülgı ws 78 Hdrdgge gYlouör, 25 vıvos anogpayslons zal el; zıvas anoxlssodslans auxlous, Unoora- var zov 3jlıor ad 779 oelyvnv zul vous aorepac. Plao. phil. II, . - 20. xUxlor Eivas ontwxussınoonlaolore Ts yis üpnaralov TpByou "zyr aylda naganinolav Yyovsa xoAyr nÄngn MUVpos, je nard negoc dxpamovens vo Rüp dia Osoulov wong dia nonermgos arlov, nal sous elvas Toy ylıov. Theodoret. graec. cur. I, P. 718. inıu- ns dlxoos niaolovu wis ynjç 309 940m Plac. phil. II, 25. 19» osAnynv xunlov eivaı dvvsaxudexanlaolova ng yılc song zoy nlıov -#ÄNon vos. Stob. Ed. Phys. P. 510. zıAnuara üdeng Tg0xos- ön svpos Kunlıa, ara 7 udgos ano oronlur dunvlorıa ployas.

“*) Stob. ibid. xai ürwrarw ulv narsav von Ylıov verdydas, par au- sdr di zv aelıunv, und di uvrouc va anlari] vv dasgay nad voug siururac. Gben fo de plac, philos. II, 15.

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daſſelbe britte flatt fände? Aber bemnächlt find auch die Ge flime durch ihre Bildung felbft an die Erde gefnüpft, und Feh nes berfelben enthält für fich ein volfländiged Ganze ber Gegen füze, welhe doch allein im eigentlichen Sinne eine Welt fein kann. Denn an Luft und Feuer: haben fie wol den Gegenfa des trokknen und feuchten, aber nur auf der Seite des warmen, das kalte aber, Etde nämlich und Waſſer, fehlt ihnen ganz Alfo kann weder jedes für fich, noch koͤnnen alle verbunden, en vollftändiges Syſtem des Dafeins, eine Welt bilden, fonbern nur mit der Erde zufammen koͤnnen ſie das. Denn offenbar iſt die Sonderung von Erde und Waſſer als Kern, und die von Luſt und Feuer als Rinde, die urſpruͤngliche Ausſcheidung des Gegen⸗ ſazes von ſchwer und leicht. Wenn alſo die Geſtirne mit de Erde zufammen nur Eine Welt bilden, was bleibt übrig, ald entweder der Ausdrukk von einer Mehrheit der Welten ift über haupt nicht eigentlich zu nehmen, oder Anarimandrod muß fih zu dieſer aus unferer Erde und ihren Geſtirnen beftehenden Welt noch mehrere gedacht haben. Aber warum? und welche Betrade tung folte ihn bewogen haben, durch Annahme einer folden Mehrheit fich die fchöne Einheit in der meltbildenden Bewegung feines Unendlichen gleichfam zu zerſtoͤren? Denn wenn wir bie Zeugniffe für hinreichend halten, und wörtlich auffaffen, fo bleibt uns nur übrig, das Factum anzunehmen und die Gründe aufe 121 zufuchen. Sch-fann mir nur Eined denken. Nach jenem Haupt« grundfaz des Anarimandros findet auch eine Aufreibung ber Dinge flatt, wodurch nämlich jedes feine Strafe giebt. So lange nun diefe im Gleichgewicht bleibt mit der Erzeugung, läuft auch das wechfelnde Dafein der Welt nach feinen Gefezen unverruͤkkt ab. Tritt aber ein Uebergewicht des Zerflörungsprogeffes ein: fo würdt dann, wenn ed nur Ein Syſtem gäbe, eben jene gänzliche Auf löfung begründet fein, die Anaximandros nicht Tann eintreten laſſen. Nun find allerdings Spuren, daß er fi) ein wechfeln des Webergewicht der Prozeffe gedacht habe; darauf deuten die

L

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usdrukke dyoaoia und Exxavoıs, und ba8 Meer, als nur der eberreft des Feuchtungsprozeſſes nach wieder überhanbgenommes em WWerbrennungdprozeß, deutet allerdingd auf eine weit über 38 Gleichgewicht hinausgehende Ausdehnung dieſes Prozeſſes. Ind gewiß ift es auf alle Weile, was hier nicht weiter kann ausgeführt werden, natürlicher im Gebiet bed Wechfeld überhaupt uch ein folches wechſelndes Webergewicht. anzunehmen, ald ein mmer unverruͤkkt bleibendes Gleichgewicht. Hat er ſich nun Le ben und Tod, beides im weiteſten Sinn als Erzeugung und Une lergang des mannigfaltig geflalteten die Gegenfäze beweglich in ſich vereinigenden, auch als entgegengefezte Progeffe gedacht: fo mußte er auch hier ein wechſelndes Webergewicht annehmen. So finden fich auch Nachrichten von allmähliger Zunahme des Or⸗ ganiſationsprozeſſes, der zuerft, wahrfcheinlich nachden ber Wafs ſerbildungsprozeß feine größte Höhe erreicht hatte und abzunehs men anfing, im naflen fich in rohen und abentheuerlichen Ges Ralten gezeigt, die auf dem troffnen nur ein kurzes Leben gefris fet, allmaͤhlig aber fei der organifche Bildungsprozeß vollkommen geworden, und nachdem andere Thiere ſchon beftändiges Leben und Erneuerung aus fich felbft gewonnen an der Stelle der urs prünglichen Erzeugung aus dem feuchten, fei auch der Menſch entſtanden, zuerft aber auch ohne Selbftftändigfeit, von andern, Thieren wahrfcheinlich auch nur für ein kurzes kindiſches Leben mährt, bis endlich auch er zur Emährungs: und Zeugungsfaͤ⸗ higleit allmählig herangereift fei *). Wenn nun dem auch wies er gegenüber ftehn muß ein zurüfftretender Belebungs⸗ und

*) Dies ift gewiß die eigentliche Vorſtellung des Anarimandros, wie man fie ſich aus dem Bericht bed Plutarchos bei Euseb.. Praep. I, 8 ers gänzend zufammenfezen Tann. Denn was im Plut. Symp. VII, 8 fleht, daB grade der Fiſch der gemeinfame Vater der Menſchen fei, iſt gewiß aus jenen beiden Sägen vom urſpruͤnglichen Hervorgehen aller Zhiere aus dem feuchten und von der anfaͤnglichen unbehuͤlflichkeit des Menſchen ſpottend zuſammengebildet.

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122 hervosfretender Zerſtoͤrungsprozeß: fo kann beides freilich auf ein ander folgen und in gemilbertem Sinne ber leztere ald Weltza ſtoͤrung bargeftellt werben, und der aufs neue wieder hervor tende Belebungsprozeß ald neue Weltbildung, denn Welt iſt deh nur wo ein Spfiem bed Lebens dem bloß elementarifchen Daſch

gegenüberfteht, und bie wären benn bie im uneigentlichen Gimp auf einander folgenden Welten, Allein wenn bei Anarimankıd der Gedanke vielleicht ſtark bervorgetreten, bag wenn\in ein. langen Zeitraum in ber einen Welt nur der Belcbungäpref: überwiege, alddann auch während biefer Zeit bie Gerechtigink nicht vollfommen fei, ſondern erſt nachkomme, ‚hat ex, fage ich auf biefen Gedanken einen großen Werth gelegt: fo kann eswc fein, daß er feinem Grundſaz zu Liebe, und damit bie Ga tigkeit des Urweſens auch als gleichfam die innere und geiſtig Natur deſſelben ewig und fich immer gleich fei, mehrere Zelte bat neben einander: beftehen laſſen, damit während in ber cin bie Belebung vorberrfche, in ber andern Tod und *

walten koͤnne, und fo zw jeder Zeit Gerechtigkeit geuͤbt werk und dies wären benn bie im eigentlichen Sinn neben ei

beftehenden Welten. Ob nun diefe ethifche Betrachtung fo vie. Gewicht gehabt, und welche von beiden Auslegungen alſo bie richtige fei, wage ich nicht zu enticheiden, da diejenigen, welcht biefer anarimanbdrifchen Mehrheit der Welten erwähnen, von ife sem Verhältnig gegen einander, und von ihrer Gleichheit oder Verſchiedenheit gar nicht berichten, wir auch gar nicht entſcheiden fönnen, ob und wie Anarimandros fich der beiden Wörter

cœvòog und xdonog, bie hier vockommen, bedient habe,

: bekannt ift ja bie große Sorglofigkeit, womit alle Späteren der Beichreibung alter Meinungen junge Ausdruͤkke, zumal ftotelifche, gebraucht, ja nicht felten den eigenen Worten ber ten eingemifcht haben. Und was von ben Wörtern felbft gil, dad gilt auch von ihren Bedeutungen und Gebrauchöweifen, von

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ihrer Verwechſelung und Unterfcheidung. Wie leicht ſich Anaxi⸗ mandbros des Wortes vögavög in ber Mehrzahl kann bedient ha⸗ ben, ohne daß von einer Mehrheit des Welten bie Rede fein bürfe, leuchtet ein. Denn er theilte, wie wir oben gefehen, die Geſtirne in ‚zwei Sphären, und biefe konnte er odgmvög nennen. Sa dies ift fogar überwiegend wahrfcheinlich; denn von dieſen Tomte volllommen gefagt werben, was Stobäus*) berichtet, ber Himmel ſei aus der Mifchung bed warmen und Falten entflan den, namlich, inbem fich das Falte, feuchtes und trokknes zuſam⸗ wen, zur innern Sphäre gebildet als Wafler und Erde, bilbete ı25 ſich auch das warme, feuchtes und trokknes zufammt, zur aͤuße⸗ sen aus Feuer und Luft beftehenden Himmelöfphäre, in welcher dan bie Geſtirne entflanden. Und fo kann er auch xoouos, wenn das Wort ihm angehoͤrt, vielleicht in engerem Sinne ge⸗ Braucht haben, eben von dem Gebiete bed eigentlichen Lebens, welches die ausgeſchiedenen Gegenfäze wieder in fich vereint, und in der Mehrzahl von den verfchievenen Syſtemen bed Lebens, wie fie nach dazwifchen getretener partieler Zerflörung auf eins ander folgen, oder von ben verfchiebenen Perioden ber unvollkom⸗ menen und volllommenen organischen Bildung. So bag dieſes wol ganz im ungewiflen bleiben muß, und nur aus Dem unges seiten, bad ihm auf ben erften Anblikk anklebt, kann errettet werben.

‚And hieran ſchließe fi nun ba8 lezte, worüber die Alten wiberfprechend berichten, nämlich, wie ſich eigentlich Anaximan⸗ dros die Geſtalt der Erde gedacht habe. Denn Diogenes fagt beflimmt, die Erde habe nach ihm Kugelgeflaltz und man Eönnte denken, dafür flimme auch die Ausfage ded Simplicius **), bie Erde ruhe vermöge ber Gleichfoͤrmigkeit und bed Gleichgewichts.

*) Ecl. phys. P..600, Ä ) in Hibr. de Coel. fdl, 126. xasa eye ouosbrysa zul va laoggomor.

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Allein theils ſtellt Hier Simplidus den Anarimandros mit ‚dem Platon zufammen, und hat offenbat ſolche Ausdruͤkke gemähl, % welche auch diefem genügen, denn Ariftoteled fagt bier nur xayg \ Tv Öuosornro, theild kann man am Ende, wenn man einmal eine Art von Schwimmen zugiebt, beide fezen, aud von einm nicht fugelförmigen Körper, wenn er nur einen fommelrifhen Mittelpunft hat. Und fo fcheint dad Zeugniß des Diogenes al lein nicht Stand zu halten gegen jene& weit beflimmtere, welches Eufebiud *) aus Plutarch mittheilt, Die Erde nämlich fei nach. Ans ximandros walzenförmig, jo daß die Höhe den britten Theil be trage von dem Durchmeffer. Denn fo beflimmte Angaben yfe gen felten erbichtet zu fein, und dieſe finden wir hier mitten un ter andern unbezweifelt dem Anarimandrod angehörigen Meinum gen, daß fie auch nicht leicht anderwaͤrts "her kann übertragen fein. Zudem ſtimmt fie gar fehr mit der radfoͤrmigen Gefalt, die er nach alten Zeugniffen den Geftirnen gegeben. So daß id an der Sache nicht zweifeln möchte; wie aber Anarimandros auf diefe Beflimmung gefommen, bad möchte wol fchwerlich auszu⸗ finden fein. Nicht leicht wol würde Anarimandros, wenn Ihe led, der wol vorzüglich im mathematifchen und aſtronomiſchen fein Vorgänger und Lehrer mag gewefen fein, fchon die Kugeb geftalt ber Erde behauptet hätte, wie einige ihm zufchreiben, diefe Meinung wieder verlaffen haben. Won der alten ſcheiben⸗ oder fchildfürmigen Geftalt der Erde aber kann er wol zu bie fer gefommen fein, wenn er annahm, oder nach irgend einer Analogie berechnete, denn eine Rechnung ſcheint doch zum Grunde 124 zu liegen, dag und wie tief der ſchwimmende Körper in feinem Medium müfle untergetaucht fein. ‚Und man Tönnte fagen, bie Angabe eines beftimmten Verhaͤltniſſes der Ziefe zur Höhe weile mehr auf die fchildfürmige Geftalt zuruͤkk in ber ein folches Ver⸗

) Praep. I, 8. vnaggew dd gyas Typ wir oynnarı uw yür wulsrdgo- dä, Ixur d vooovsor PaYos, Sao» av ein eglsor ngös so nlasoc.

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haliniß ſchon fiege, unb alfo auch auf- einen oben ald Kugelab⸗ fhaitt abgerundeten Eylinder, der bann um fo leichter den Ueber» gangr:gebifdet haben kann zur Kugelgeflalt. Die Ausſage bed Diogened hat noch dieſes gegen fidh, daß fie gar zu leicht nur auf einem anderen Ausdrukk beruhen kann, deſſen er fich auch kedimt, oyaipev xarsoxzvaoe, ber ſich gar leicht fo verſtehen läßt, er habe einen Globus verfertigt.. Eben daraus iſt vielleicht and die Angabe bei Suibas *) entflanden, die ihm eine Schrift unter dem Titel ogaipe zufchreibt. Wenn aber jene Auslegung gegründet wäre, fo würde dies Eratofihened wol gewußt und Strabo **) ed und gewiß eben fo gut aus ihm berichtet haben, als er berichtet, Anarimandros habe die erſte geograpbifche Tafel verfertiget. Und wenn Anarimandrod ein befondered Buch Ye segiodos oder ein Bud) opaipe, bad nicht die Himmels» ſon⸗ dem die Erbfugel zum Gegenftand gehabt, gefchrieben hätte: fo würde Strabo nicht fo deutlich fagen, Anarimandros habe die erſte Tafel, Hekatäod aber die erſte geographifche Schrift geltes fat. Alles dies ift offenbar genug durch Mißverftand aus jener Lafel entftanden. Und auch wenn Anarimandros fchon ein eig⸗ 28 aflronomifched Werk ausgegeben hätte, würden beflimmtere . Rodprichten darüber vorhanden fein. Ob aber jene Tafel ein \ für fich beſtehendes Kunſtwerk oder nur eine erläuternbe Bugabe zu feiner Schrift geweſen, ift wol nicht zu beflimmen. Gemiß hat es nur Eine und zwar kurz zufammengedrängte Schrift von Ihm gegeben, eine xepyalawäng Exeoıg TWy abri dpeoxov- . Tv, wie fie Laertiud nennt. Denn anbers ift ed von dem nicht zu erwarten, welchem es Themiſtius ***) zum Verdienſt rechnet, id weiß nicht, ob. den Pherecydes bezweifelnd oder uͤberſehend, ) Iypaya repl puasws, yat sıglodor, zug) vür anlarur nal ayalguv za) alla zıra. im erſten Buche, 9 ont. XX.

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oder unfern früher ſtellend, daß er ber erſte unter den Hell die Bahn gebrochen, in umgebundbener Rebe über dieſe G flände öffentlich zu fchreiben, was vorher ungewöhnlich gen und vielleicht für fehimpflich gehalten worden. Was ihm ben von Schriften beigelegt wird, ift entweber mißverfia oder erdichtet. Won ben mathematifchen auch flreitigen Ver fin und Entdekkungen bed Mannes zu reden, war nicht d Ortes,

| IH. | j | F u. ber die verfhiedenen Methoden. des Ueberſezens.

[U U]

Vorgeleſen ben 24. Junius 1813

. \ Thatſache, daß eine Rede aus einer Sprache in bie. an⸗ 143 ibertragen wird, kommt und unter ben mannigfaltigflen’ ten überall entgegen. Wenn auf der einen Seite dadurch ben in Berührung kommen Türmen, welche urfprünglich ht um den Durchmefler ber Erde von einander entfernt wenn in eine Sprache aufgenommen werden Tönnem bie miſſe einer andern fchon feit vielen Jahrhunderten erſtor⸗ : fo dürfen wir auf der andern Seite nicht einmal Aber jebiet Einer- Sprache hinaudgehen, um biefelbe Erſcheinung effen. Denn nicht nur daß die Mundarten verfchiebener me eined Volkes und bie verfchiebenen Entwikkelungen der⸗ Sprache .oder Mundart in verfchievenen Sahrhunderten in einem engeren Sinne verfchievene Sprachen find, und. elten einer vollftändigen Dolmetſchung unter einander bes ; ſelbſt Zeitgenoffen, nicht durch bie Mundart getrennte, nur erfchiedenen Volksklaſſen, welche durch ben Umgang awia

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verbunden in ihrer Bildung weit auseinander gehen, koͤnnen fih öfterd nur durch eine ähnliche Vermittlung verſtehen. Ja find "wir nicht häufig genöthiget, und die Rede eined andern, ber gang unfere8 gleichen ift aber von anderer Sinned> und Gemüthsart, erſt zu überfegen? wenn wir nämlich fühlen daß diefelben Worte in unferm Munde einen ganz anderen Sinn ober wenigftend bier einen flärkeren dort einen fchwächeren Gehalt haben würben 14 als in dem feinigen, und daß, wenn wir dafjelbe was er meint ausdruͤkken wollten, wir nach unferer Art und ganz anderer Woͤr⸗ ter und’ Wendungen bedienen würden: fo fcheint, indem wir und dies Gefühl näher beftimmen, und es und zum Gedanken wir, dag wir überfegen. Ja unfere eigene Reben müffen wir biswei⸗ len nach einiger Zeit überfegen, wenn wir fie und vecht wieder aneignen wollen. Und nicht nur dazu wirb dieſe Fertigkeit geübt, um was eine Sprache im Gebiet der Wiffenichaften und der redenden Künfte hervorgebracht hat, in fremden Boden zu verpflanzen und dadurch den Wirkungskreis diefer Erzeugniſſe bed Geifted zu vergrößern; fondern fie wird auch geiibt im Ge | werböverkehr zwilchen einzelnen verfchiedener Völker, und im bb plomatifchen Verkehr unabhängiger Regierungen mit einanbe, beren jebe nur im ihrer eigenen Sprache zur andern zu reden F pflegt, wenn fie, ohne fich einer todten Sprache zu bedienen, fireng auf Gleichheit halten wollen. Allein natürlich, nicht alles was in diefem weiten Umbre liegt, wollen wir in unfere jezige Betrachtung hineinziehen. Jene Nothwendigkeit auch innerhalb der eignen Sprache und Mund⸗ art zu uͤberſezen, mehr oder minder ein augenbliffliches Beduͤſ niß des Gemüthes, ift eben auch in ihrer Wirkung zu ſehr auf ben Augenblikk befchränkt, um anderer Leitung ald der des Gb fühls zu bedürfen; und wenn Regeln darüber folten gegeb@ werben, Tönnten e8 nur jene fein, durch deren Befolgung de Menfch ſich eine rein fittlihe Stimmung erhält, damit der Sim auch für dad minder verwandte geöffnet bleibe. Sondern wis

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nun biefes ab, und bleiben ftehen zunächft bei dem Webertragen aus einer fremden Sprache in die unfrige: fo werden wir auch hier zwei verfchiebene Gebiete freilich nicht ganz beftimmt, wie denn das felten gelingt, fondern nur mit verwafchenen Grens zen, aber doch wenn man auf die Endpunkte fieht deutlich ges nug unterfcheiden Finnen. Der Dolmetfcher. nämlich verwal⸗ tet fein Amt in dem Gebiete des Geſchaͤftslebens, der eigentliche Ueberfeger vornämlich in dem Gebiete ber Wiffenfchaft und Kunſt. Denn man diefe Wortbefiimmung willkuͤhrlich findet, da man gewöhnlich unter dem Dolmetfchen mehr das mündliche, unter dem Ueberſezen das fchriftliche verficht, fo verzejhe man fie ber Bequemlichkeit für das gegenwärtige. Beduͤrfniß um fo mehr, ald boch beide Beflimmungen nicht gar weit entfernt find. Dem Gebiete der Kunft und der Wiffenfchaft eignet die Schrift, durch welche allein ihre Werke beharrlich werden; und wifjenfchaftlihe - oder kuͤnſtleriſche Erzeugniffe von Mund zu Mund zu dolmet— 14 fhen, wäre eben fo unnuͤz, als es unmöglich zu fein fcheint. Den Geſchaͤften dagegen ift die Schrift nur mechanifched Mittel; dad mündliche Verhandeln iſt darin dad urfprüngliche, und jebe fhriftliche Dolmetfchung ift eigentlich nur ald Aufzeichnung einer mündlichen anzufehen.

Sehr nahe dem Geiſt und ber Art nach fchliegen ſich dies Tem Gebiete zwei andere an, bie jedoch bei der großen Mannigs faltigkeit der dahin gehörigen Gegenflände ſchon einen Uebergang bilden zum Gebiet der Kunſt das eine, das andere zu bem der Wiſſenſchaft. Nämlich jede Verhandlung, bei welcher dad Dols metfchen vorkommt, ift auf der einen Seite eine Thatſache, des ven Hergang in zwei verfchiebenen Sprachen aufgefaßt wird. Aber auch die Ueberfezung von Schriften rein erzählender ober beichreibender Art, welche alfo nur den ſchon befchriebenen Here gang einer Thatfache in eine andere Sprache überträgt, kann noch fehr viel von dem Geſchaͤft des Dolmeticherd an fich haben, Se weniger in der Urfchrift der Verfaſſer felbft heraustrat, je

Schleierm. W. ID. 2. d

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mehr er lediglich als auffaffendes Organ bed Gegenſtandes han delte unb ber Ordnung des Raumes und der Zeit nachging, um befto mehr fommt ed bei der Uebertragung auf ein bloßes Del: metfchen an. So fchließt fich der Ueberfezer von Zeitungsartikeln und gewöhnlichen Reifebeichreibungen zunächft an ben Domes ſcher an, und es kann lächerlich werden wenn feine Arbeit groͤ⸗ Bere Anfprüche macht und er dafür angefehen fein will als Kuͤnſt⸗ ler verfahren zu haben. Se mehr hingegen des Verfaſſers eigen thümliche Art zu fehen und zu verbinden in ber Darftellung vor: gewaltet hat, je mehr er irgend einer frei gewählten ober durch den Eindrukk beftimmten Ordnung gefolgt ift, deſto mehr ſpielt fchon feine Arbeit in dad höhere Gebiet der Kunft hinüber, und auch der Ueberfezer muß dann fchon andere Kräfte und Gefchifl | lichkeiten zu feiner Arbeit bringen und in einem anderen Sinne mit feinem Schriftftellee und deflen Sprache befannt fein ald der Dolmeticher. Auf der andern Seite ift in ber Regel jebe Ber handlung, bei welcher gebolmetfcht wird, eine Feſtſezung eines | befonderen Falles nach beflimmten Rechtöverhältniffen; die Webers tragung gefchieht nur für die Theilnehmer, denen dieſe Werhälb niffe hinreichend befannt find, und bie Ausdruͤkke derſelben in beiden Sprachen find entweder gefezlich oder durch Gebrauch um gegenfeitige Erklärungen beftimmt. Aber ein anderes ift es mi Verhandlungen, wiewol fie fehr oft ber Form nach jenen gam 146 ähnlich find, durch welcye neue Rechtöverhältniffe beſtimmt wer ben. Je weniger biefe felbft wieder als ein befonderes unter & nem hinreichend befannten allgemeinen koͤnnen betrachtet werben, defto mehr wifjenfchaftliche Kenntnig und Umficht erfordert fchen die. Abfaffung, und defto mehr wiffenfchaftliche Sach: und Sprach kenntniß wird auch der Weberfezer zu feinem Gefchäft bebürfe. | | Auf diefer zwiefachen Stufenleiter alfo erhebt ſich der Ueberſezer immer mehr über den Dolmetfcher, bis zu feinem eigenthuͤmlich⸗ ſten Gebiet, nämlich jenen geiftigen Erzeugniffen der Kunft und Wiſſenſchaft, in denen dad freie eigenthümliche combinatorifche

211 Vermögen des Werfafferd auf der einen, der Geift der Sprache mit dem in ihr niebergelegten Syſtem ber Anfchauungen und Abfchattung der Gemüthöftimmungen auf der andern Seite alles find, der Gegenftand auf keine Weile mehr hertſcht, ſondern von dem Gedanken und Gemüth beherrfht wird, ja oft erſt Durch die Rebe geworben und nur mit ihr zugleich da if.

Worin aber gründet ſich nun diefer bedeutende Unterfchied, den jeber fchon auf den Grenzgegenden inne wird, ber aber an den Außerften Enden am flärkften in die Augen leuchtet? Im Geſchaͤftsleben hat man es größtentheild mit vor Augen liegen: den, wenigſtens mit möglichft genau beſtimmten Gegenfländen zu thunz alle Verhandlungen haben gewiffermaßen einen arithmeti⸗ fchen oder geometrifchen Charakter, Zahl und Maag kommen überall zu Hülfey und felbft bei denen Begriffen, welche, nach dem Ausdrukk der Alten, dad Mehr und Minder in fich aufnebs men und durch eine Stufenfolge von Wörtern bezeichnet werben,

‚die im gemeinen Leben in unbeſtimmtem Gehalt auf» und ab:

wogen, entfteht bald durch Geſez und Gewohnheit ein fefter Ges brauch der einzelnen Wörter. Wenn alfo der redende nicht ab» fihtich um zu hintergehen verſtekkte Unbeflimmtheiten erkünftelt, ober aus Unbebachtfamkeit fehlt: fo ift ex jedem der Sache und der Sprache Eundigen fchlechthin verftändlich, und es finden für keden Fall nur unbedeutende Verfchiedenheiten ftatt im Gebrauch der Sprache. Eben fo, welcher Ausdrukk in der einen Sprache jedem in der andern entipreche, darüber kann ſelten ein Zweifel

ſtatt finden, der nicht unmittelbar gehoben werben koͤnnte. Des:

halb ift dad Uebertragen auf diefem Gebiet faft nur ein mechani- ſches Gefchäft, welches bei mäßiger Kenntnig beider Sprachen jeder verrichten Tann, und wobei, wenn nur bad offenbar falfche vermieden wird, wenig Unterfchieb bed befferen und fchlechteren katt findet. Bei den Erzeugniffen der Kunft und Wiffenfchaft

aber, wenn fie aud einer Sprache in die andere verpflanzt mer: 147 den follen, kommt zweierlei in Betracht, woburh 60% Kehle DO 2

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ganz geändert -wirb. Wenn nämlich in zwei Sprachen jeben |

Worte ber einen ein Wort ber andern genau entſpraͤche, benfes

ben Begriff in demfelben Umfang ausdrüffend; wenn ihre Bar } gungen biefelben Verhaͤltniſſe darftellten, und ihre Verbindunge: 7

weifen in einander aufgingen, fo daß die Sprachen in ber That nur für dad Ohr verfchieben wären: fo würde bann auch auf bem Gebiete der Kunft und Wiffenfchaft alles Weberfezen, ſofern dadurch nur bie Kenntnig ded Inhalts einer Rede oder Schrift ‚mitgetheilt werben fol, eben fo rein mechanifch fein, wie auf bem bed Gefchäftötebend; und man würde, mit Ausnahme ber

Wirkungen welche Zon und Xonfall bervorbringen, von jede .

VUeberfezung fagen koͤnnen, bag ber ausländifche Lefer dadurch zu dem Verfaſſer und feinem Werk in baffelbe Verhaͤltniß gefezt ‚werde, wie der einheimifche. Nun aber verhält es ſich ‚mit allen Sprachen, die nicht fo nahe verwandt find daß fie faft nur ald verfchiedene Munbdarten koͤnnen angefehen werben, gerabe umge kehrt, und je weiter fie ber Abflammung und der Zeit nach von einander entfernt find, um beflo mehr fo, baß keinem einzigen Wort in einer Sprache eind in einer andern genau entipridt, Feine Beugungdweife der einen genau biefelbe Mannigfaltigket von Verhaͤltnißfaͤllen zufammenfaßt, wie irgend eine in einer aw

bern. Indem diefe SIrrationalität, daß ich mich fo ausprüf, E

durch alle Elemente zweier Sprachen hindurchgeht, muß: fie fib lich auch jenes Gebiet ded bürgerlichen Verkehrs treffen. Allen es ift offenbar, daß -fie hier weit weniger druͤkkt, und fo gut a keinen Einfluß hat. Alle Wörter, welche Gegenflände und Ihe tigfeiten ausbrüffen, auf die ed anfommen kann, find gleichfem genicht, und wenn ja leere übervorfichtige Spizfindigkeit fich ned gegen eine mögliche ungleiche Geltung ber Worte verwahren wollte, fo gleicht die Sache felbit alled unmittelbar aus. Ga anderd auf jenem ber: Kunft und Wiffenfchaft zugehörigen Ge

biet, und überall wo mehr der Gedanke herrſcht, der mit ber '

Rede Eins ift, nicht die Sache, als deren willkuͤhrliches vielleicht

|

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aber feſt beſtimmtes Zeichen das Wort nur daſteht. Denn wie unendlich ſchwer und verwikkelt wird hier bad Gefchäft! welche genaue Kenntnig und welche Beherrſchung beiber Sprachen fezt es voraus! und wie oft, bei der gemeinfchaftlichen Ueberzeugung, daß ein gleichgeltendber Ausdrukk gar nicht zu finden fei, ges ben die fachkunbigften und fprachgelehrteften bedeutend auseinans der, wenn fie angeben wollen, welches denn nun ber am nächs ss fin kommende fei. Dies gilt eben fo fehr von den lebendigen malerifchen Ausdruͤkken dichterifcher Werke, ald von ben abgezos genſten, das innerfle und allgemeinfte bes Dinge bezeichnenden bes hoͤchſten Wiſſenſchaft. Das zweite aber, wodurch das eigentliche Ueberſezen ein ganz anderes Geſchaͤft wird als das bloße Dolmetſchen, iſt die⸗ ſes. Ueberall, wo die Rebe nicht ganz durch vor Augen liegende Gegenftände oder außere Thatſachen gebunden ift, welche fie nur - auöfprechen fol, wo alſo der redende mehr oder minder felbfl- tätig denkt, alfo fich auöfprechen will, ſteht ber redende in eis nem zwiefachen Verhältnig zur Sprache, und feine Rebe wird ſchon nur richtig verftanden, in wiefern dieſes Verhältnig richtig aufgefaßt wird. Jeder Menfch ift auf der einen Seite in ber Gewalt der Sprache, die ex redet; er und fein ganzes Denken if ein Erzeugniß derfelben. Er kann nichtö mit völliger Be Himmtheit denken, was außerhalb der Grenzen berfelben läge; die Seftalt feiner Begriffe, die Art und die Grenzen ihrer Ver knuͤpfbarkeit ift ihm vorgezeichnet durch die Sprache, in ber er geboren und erzogen iſt; Verfiand und Fantafie find durch fie gebunden. Auf der andern Seite aber bildet jeder freidenkende geiſtig felbfithätige Menfch auch feinerfeitd die Sprache. Denn wie anderd ald durch diefe Einwirkungen wäre fie geworden und gewachſen von ihrem erfien rohen Zuflande zu der volllommneren Ausbildung in Wifjenfchaft und Kunft? In diefem Sinne alfo iſt es bie lebendige Kraft ded einzelnen, welche in dem bildſamen Stoff bee Sprache neue Formen hervorbringt, urfprünglih nur

21%

für den augenblikklichen Zwekk ein vorübergehende Beronßticn mitzutheilen, von denen aber bald mehr bald minder im ber Sprache zurüffbleibt und von andern aufgenommen weiter bil bend um ſich greift. Ja man kann fagen, nur in dem Maaß einer fo auf die Sprache wirkt, verdient er weiter ald in feinem jebeömaligen unmittelbaren Bereich vernommen zu werben... Iebe | Rede verhallt nothwendig bald, welche durch tauſend Organe ine fi mer wieder eben fo kann heroorgebracht werben; nur bie kann und barf Länger bleiben, welcde einen neuen Moment im Leben ber Sprache felbft bildet. Daher nun will -jebe freie und höher Rede auf zwiefache Weife gefaßt fein, theild aus dem Geiſt de Sprache, aus beren Elementen fie zufammengefezt ifi, als eine durch dieſen Geift gebundene und bebingte, aus ihm in bem 1 benden lebendig erzeugte Darſtellung; fie will auf der anbem 109 Seite gefaßt fein aus dem Gemüth des rebenben als feine That, als nur aus feinem Weſen gerade fo hervorgegangen und erflän bar. a, jegliche Rede dieſer Art ift nur verfianden im höheren Sinne ded MWorted, wenn biefe beiden Beziehungen bderfelben zw fammen und in ihrem wahren Verhältniß gegen einander aufge " faßt find, fo dag man weiß, welche von beiden im Ganzen ode in einzelnen Theilen vorherrſcht. Man verfteht Die Rebe auch als Handlung des rebenden nur, wenn man zugleich fühlt, we und wie die Gewalt der Sprache ihn ergriffen hat, wo an ihre Leitung die Blize der Gedanken fich hingefchlängelt haben, we und wie in ihren Formen bie umherfchweifende Fantaſie ift feſt⸗ gehalten worden. Man verfleht bie Rebe auch ald Erzeugnif der Sprache und ald Aeußerung ihres Geiſtes nur, wenn, indem man 3. B. fühlt, fo Fonnte nur ein Helene denken und veben, fo konnte nur dieſe Sprache in einem menfchlichen: Geift wirken, man zugleich fühlt, fo Fonnte nur diefer Mann hellenifch denken und veben, fo konnte nur er die Sprache ergreifen und geftalten, fo offenbart fi nus fein lebendiger Befiz des Sprachreichthumß, nur fein seger Sinn für Maaß und Wohllaut, nur fein denken⸗

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; and. bildende Vermögen. Wenn nun dad Verſtehen lauf ſem Gebiet felbft in der gleichen Sprache fchon ſchwierig ifl, d ein genaues und tiefed Eindringen in den Geifl ber. Sprache d in die Eigenthümlichkeit des Schriftfielers in ſich fchliegt: e vielmehr nicht wird ed eine hohe Kunft fein, wenn von bes yeugniffen einer fremden und fernen Sprache die Rebe if! er denn freilich Diefe Kunft des Verſtehens fich angeeignet hat, ich die eifrigften Bemühungen um die Sprache, und burdy ges ne Kenntniß von dem ganzen gefchichtlichen Leben bed Volks, d durch bie lebendigfle Vergegenwärtigung einzelner Werke und er Urheber, den freilich, aber auch nur den, kann ed gelüften 3 den Meifterwerken ber Kunſt und Wiſſenſchaft dad gleiche tfländnig auch feinen Volks- und Zeitgenoſſen zu eröffnen, er die Bedenklichkeiten müflen fich haufen, wenn ex fich bie fgabe näher rüfft, wenn er feine Zwekke genauer beflinmen % und feine Mittel überfchlägt. Sol er fich vorfezen, zwei enfchen, die fo ganz von einander getrennt find wie fein ber wache des Schriftftellerd unkundiger Sprachgenoffe und der briftfteller felbft, diefe in ein fo unmittelbare Verhaͤltniß zu ngen, wie das eined Schriftſtellers und feines urfprünglichen ers iſt? Oder wenn er auch feinen Lefern nur bafielbe Ber: adniß eröffnen will und denfelben Genuß, deſſen er fich erfreut, _ n nämlich die Spuren ber Mühe aufgedruͤkkt find und das ıso fühl des fremden beigemifcht bleibt: wie kann er dieſes fchon, chweige benn jened, erreichen mit feinen Mitteln? Wenn feine er verfiehen follen, fo muͤſſen fie den Geift der Sprache auf: fen, die dem Schriftfteller einheimifch war, fie muͤſſen deſſen enthümliche Dentweife und Sinnedart anfchauen können; und dies beides zu bewirken, kann er ihnen nicht darbieten als e eigene Sprache, die mit jener nirgends recht uͤbereinſtimmt, » als fich felbft, wie er feinen Schriftfieller bald mehr bald ter heil erkannt hat, und bald mehr bald minder ihn be nbert: und billigt. Erſcheint nicht bad Ueberſezen, fo hetrach⸗

N

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tet, als ein thörichted Unternehmen? Daher bat man - tn der Verzweiflung biefes Biel zu erreichen, ober, wenn man licher will, ehe man dazu kommen Tonnte, fich daffelbe deutlich zu dem Ten, nicht für den eigentlichen Kunſt⸗ und Spracfinn, ſondern für dad geiftige Beduͤrfniß auf ber einen, für die geiftige Kunſt auf der andern Seite, zwei andere Arten erfunden, Bekanntſchaft mit den Werfen fremder Sprachen zu fliften, wobei man von jenen Schwierigkeiten einige gewaltiam binwegräumt, andere kluͤglich umgeht, aber die hier aufgeftellte Idee dee Ueberfezung gänzlich aufgiebt; dies find bie Paraphrafe und die Nachbilbung. Die Paraphrafe will die Irrationalität der Sprachen bezwingen, aber nur auf mechanifche Weife. Sie meint, finde ich auch nicht ein Wort in meiner Sprache, welches jenem in der Urfpracg entfpricht, fo will ich doch deffen Werth durch Hinzufügung be | fchränfender und erweiternder Beflimmungen möglichft zu errei⸗ chen fuchen. So arbeitet fie fich zwifchen laͤſtigem zu viel und quälendem zu wenig fchwerfällig durch eine Anhaͤufung lofe Einzelheiten hindurch. Sie kann auf diefe Weife den Inhalt vieleit,t mit einer beſchraͤnkten Genauigkeit wiedergeben, aber auf ben Eindrukk leiftet fie gänzlich Verzicht; denn die lebendige Rede iſt unwiederbringlich getoͤdtet, indem jeder fühlt daß fie fo nich koͤnne urfprünglic aus dem Gemüth eined Menfchen gefommm | fein. Der Paraphraft verfährt mit den Elementen beider Spw ! chen, als ob fie mathematifche Zeichen wären, die ſich durch We : mehrung und Werminderung auf gleichen Werth zuruͤkkfuͤhren i ließen, und weber der verwandelten Sprache noch ber Urfprahe ' Geiſt kann in diefem Verfahren erfcheinen. Wenn noch außen bem bie Paraphrafe pfychologifch die Spuren der ‚Verbindung i ber Gedanken, wo fie umbeutlich find und ſich verlieren wollen, - durch Zwifchenfäze, welche fie als Merkpfähle einfchlägt, zu ber ı . ası zeichnen ſucht: fo flrebt fie zugleich bei fchwierigen Compofitionen bie Stelle eined Commentard zu vertreten, und will noch werk ger auf den Begriff der Ueberfezung zuruͤkkgefuͤhrt fein, Di

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dung dagegen beugt fich unter der Irrationalität bee Spra⸗ ie gefleht, man Tünne von einem Kunſtwerk der Rebe Fein. in einer andern Sprache hervorbringen, das in feinen eins Theilen den einzelnen Theilen des Urbilded genau ent fondern es bleibe bei der Verſchiedenheit dee Sprachen, elcher fo viele andere Verſchiedenheiten wefentlich zuſam⸗ ngen, nichts anderd übrig, ald ein Nachbild audzuarbeiten, anzed, aus merklich von ben Theilen bed Urbilded verſchie⸗ Theilen zufammengefezt, welche bennoch in feiner Wir enem Ganzen fo nahe Fomme, ald die Verſchiedenheit des ial8 nur immer geftatte. Ein folched Nachbild ift nun nicht iened Werk felbft, ed fol darin auch Feinedweges der Geift ſprache dargeftellt werden und wirkfam fein, vielmehr wirb em fremdartigen, was biefer hervorgebracht hat, manches untergelegt; fondern ed fol nur ein Werk dieſer Art, mit kſichtigung der BVerfchiedenheit der Sprache, ber Sitten, - ildungsweiſe, für feine Xefer ſoviel möglich daſſelbe fein, a8 Urbild feinen urfprünglichen Leſern leiſtete; indem bie eiheit des Eindrukks gerettet werden fol, giebt man bie tät ded Werkes auf. Der Nachhbildner will alfo die beis ben Schriftfteler und den Lefer des Nachbildes, gar nicht menbringen, weil er kein unmittelbared Verhältnig unter möglich hält, fondern er will nur dem lezten einen Ahnlis Findruff machen, wie bed Urbilde8 Sprach» und Beitgenofs m diefem -empfingen. Die Paraphrafe wird mehr anges t auf dem Gebiet der Wiffenfchaften, die Nachbildung mehr m ber fchönen Kunſt; und wie jedermann geſteht daß ein werd durch Paraphrafiren feinen Ton, feinen Glanz, feinen ı Kunftgehalt verliert, fo hat wol noch niemand die Thor⸗ nternommen, von einem wiffenfchaftlichen Meiſterwerk eine nhalt frei behandelnde Nachbildung geben zu wollen. Beide yeungsdarten aber Fönnen demjenigen nicht genügen, wel⸗ on dem Werth eines fremden Meiſterwerkes ducchbrungen,

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den Wirkungskreis deſſelben über feine Sprachgenoffen verbreiten will, und welchem ber firengere Begriff der Ueberſezung vor fchwebt. Beide können daher auch megen ihrer Abweichung von biefem Begriff bier nicht näher beurtheilt werben; nur ald Greng zeichen für das Gebiet, mit welchem wir es eigentlich zu thun haben, ftehen fie bier. |

152 Aber nun ber eigentliche Weberfezer, ber biefe beiden ganz getrennten Perfonen, feinen Schriftfteller und feinen Leer, wirk lich einander zuführen, und dem lezten, ohne ihm jedoch aus bem Kreife feiner Mutterſprache heraus zu nöthigen, zu einem moͤg⸗

lichſt richtigen und vollſtuͤndigen Verfländnig und Genuß bed er

fien verhelfen will, was für Wege kann er hiezu einfchlagen?

Meines Erachtend giebt ed deren nur zwei. Entweder der Ueber⸗

ſezer läßt den Schriftftellee möglichfi in Ruhe, und bewegt ben Lefer ihm entgegen; oder er läßt den Leſer möglichft in Ruhe und bewegt ben Schriftfieller ihm entgegen. Beide find fo gan lich von einander verfchieden, daß durchaus einer von beiben fs

fireng ald möglich muß verfolgt werden, aus jeder Vermifchung

aber ein hoͤchſt unzuverläffiges Reſultat nothwendig hervorgeht, und zu beforgen iſt dag Schriftfieler und Leſer fich gänzlich verfehlen. Der Unterfchied zwiichen beiden Methoden, und daß dieſes ihr Werhältnig gegen einander fei, muß unmittelbar ein leuchten. Im erften Kalle nämlich ift der Ueberſezer bemüht, durch feine Arbeit dem Lefer das Verſtehen der Urfprache, bad ihm fehlt, zu erfegen. Das nämliche Bild, den- nämlichen Ein

drukk, welchen er felbft durch die SKenntnig ber Urfprache von dem Werke, wie ed iſt, gewonnen, fucht er den Lefern mitzuthe⸗

Ien, und fie alfo an feine ihnen eigentlich fremde Stelle hinzu bewegen. Wenn aber die Ueberfezung ihren römifchen Autor zum Beiſpiel reden lafjen will wie er als Deutfchee zu Deutfchen wuͤrde geredet und gefchrieben haben: fo bewegt fie den Auter nicht etwa nur eben fo bi8 an die Stelle des Ueberfegerd, demn auch dem redet ex nicht beutich, fondern roͤmiſch, vielmehr ruͤklt

E

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fie ihn unmittelbar In die Melt ber deutichen Leſer hinein, und verwandelt ihn in ihres gleichen; und biefes eben iſt Der andere Jall. Die erſte Ueberſezung wird vollkommen fein in ihrer Art, wenn man fagen Tann, hätte ber Autor eben fo gut deutſch ges lernt, wie der Ueberſezer römilch, fo würde er fein urfprünglich zömifch abgefaßtes Werk nicht anders überfezt haben, ald der Ucherfeger wirklich gethan. Die andere aber, indem fie den Ver⸗ faffer nicht zeigt, wie er felbft würde überfezt, fondern wie er ur frünglicy als Deutfcher beutfch wuͤrde gefchrieben haben, hat wel fchwerlich einen andern Maaßſtab der Vollendung, als nem man verfichern koͤnnte, wenn bie beutichen Lefer insge⸗ femmt fich in Kenner und Zeitgenoffen des Verfaſſers verwan⸗ dein ließen, fo würde ihnen bad Werk felbft ganz bafjelbe ges werden fein, was ihnen jetzt, da ber Verfaſſer fich in einen Deut: ſchen verwandelt hat, die Ueberfezung iſt. Diefe Methode haben ıs3 dffenbar alle diejenigen im Auge, welche fich der Formel bedie⸗ ren, man folle einen Autor fo uͤberſezen, wie er felbft würbe Yentfch geichrieben Haben. Aus dieſer Gegeneinanderftellung er: dellt wol unmittelbar, wie verſchieden dad Verfahren im einzel: nen überall fein muß, und wie, wenn man in berfelben Arbeit mit den Methoden wechfeln wollte, alles unverflänbfich und uns nebeihlich gerathen würde. Allein ich möchte auch weiter behaups ten, daß es außer diefen beiden Methoden Feine dritte geben könne, ber ein beflimmtes Ziel vorfchwebe. Es find nämlich nicht mehr Verfahrungdarten möglich. Die beiden getrennten Partheien müflen entweber an einem mittleren Punkt zufammens teffen, und das wirb immer ber bed Ueberfezerd fein, oder die eine muß fich ganz zur andern verfügen, und hiervon fält nur die eine Art in das Gebiet der Ueberſezung, die andere würbe Sintreten, wenn in unferm Fall die deutſchen Leſer fich ganz ber tömifchen Sprache, oder vielmehr dieſe ſich ihrer ganz und bis zu Ummandlung bemächtigte. Was man alfo fonft noch fagt bon Ueberfezungen nach dem Buchflaben und nach dem Sin,

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von treuen und freien, und was für Ausdruͤkke -fich auferdem mögen geltend gemacht haben, wenn auch Died verfchievene Me thoden fein follen, müffen fie fich auf jene beiden zuruͤkkfuͤhren laſſen; follen aber Fehler und Zugenden dadurch bezeichnet wer: . ben, fo wird dad treue und das finnige, oder dad zu buch ftäbliche und zu freie der einen Methode ein anbered fein als dad der andern. Meine Abficht ift daher, mit Beifeitiegung aller einzelnen über dieſen Gegenfland unter ben Kunſtver fländigen ſchon verhandelten Fragen, nur die allgemeinften Züge jener beiden Methoden zu betrachten, um bie Einficht vor zubereiten, worin die eigenthümlichen Vorzüge und Schwierigkei⸗ ten einer jeden beftehen, von welcher Seite daher jede am mes fien den Zwekk des Ueberfezend erreicht, und welches die Grenzen der Anwendbarkeit einer jeben find. Won einer folhen allgemeis nen Ueberficht aus bliebe dann zweierlei zu thun, wozu bie Abhandlung nur die Einleitung if. Man koͤnnte für jede de. beiden Methoden, mit Bezugnahme‘ auf die verfchiebenen Gab tungen ber Rede, eine Anmweifung entwerfen, und man Fünnt Die auögezeichnetften Verfuche, welche nach beiden Anfichten ge macht worben find, vergleichen, beurtheifen, und dadurch die Sache noch mehr erläutern. Beide muß ich anderen ober we nigftend einer anderen Gelegenheit überlaffen. Dieenige Methode, welche danach firebt, dem Leſer burh asa die Ueberſezung den Eindrukk zu geben, den er als Deutfcher aus ber Lefung des Werkes in der Urfprache empfangen würte, muß freilich erft beftimmen, was für ein Verſtehen der Urſprache ſee gleichſam nachahmen will. Denn es giebt eines, welches ſie nicht nachahmen darf, und eines welches fie nicht nachahmen kann. Jenes iſt ein ſchuͤlerhaftes Verſtehen, Das ſich noch muͤhſam und | faſt ekelhaft durch das einzelne hindurchſtuͤmpert, und deshalb noch nirgend zu einem klaren Ueberſchauen des Ganzen, zu einem lo bendigen Seflhalten des Zufammenhanges gedeiht. So lange ber gebilbete Theil eines Volkes im Gangen noch Feine Erfahrung

a. u an en ee LETTER.

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st von einem innigeren Eindringen in fremde Sprachen: fomds en auch diejenigen, bie weiter gefommen find, durch ihren gus en Genius bewahrt bleiben, nicht Weberfezungen dieſer Art zu miternehmen. Denn wollten fie ihr eigenes Berftchen zum Maaßs kab nehmen, fo würden fie felbft wenig verflanden werben und wenig ausrichten; follte aber ihre Weberfezung Das gewöhnliche BVerfichen darſtellen, fo. Eönnte das holperige Werk nicht zeitig genug von ber Bühne heruntergepocht werben. In einem fol en Zeitraume mögen alfo erſt freie Nachbildungen die Luſt am Wremben wekken und fchärfen, und Paraphrafen ein allgemeines ig Verſtehen vorbereiten, um fo Zünftigen Ueberfezungen Bahn bs machen *). Gin andered Verſtehen aber giebt ed, welches Weberfeger nachzubilden vermag. Denken wir und nämlich Maͤnner, wie ſie die Natur bisweilen hervor⸗ gen pflegt, gleichſam um zu zeigen daß ſie auch die Schran⸗ der Volksthuͤmlichkeit in einzelnen Faͤllen vernichten kann, die ſolche eigenthuͤmliche Verwandtſchaft fuͤhlen zu ei⸗ km fremden Daſein, daß fie ſich im eine fremde Sprache und

eren Erzeugniffe ganz hinein. leben und denken, und inbem fie ıss

*) Dies war im Banzen noch ber Buftand ber Deutichen in jener Beit, von weldier Goͤthe (X. m. Leben IH. ©. 111.) redend meint, profaifche Weberfezungen auch von Dichterwerken, und folche werben immer mehr ober weniger Paraphrafen fein müffen, feien förberlicher für die Zus

gendbildung, und in fo fern kann ich ihm völlig beiftimmenz denn in ſolcher Beit kann von fremder Dichtkunſt nur bie Erfindung verftänds Ud gemacht werben, für ihren metrifchen und muſikaliſchen Werth aber Tann ed noch kein Anerkenntniß geben, Das aber Tann ich nicht glauben, daß auch jezt der Voffifche Homer und der Schlegelfche Shates fprare nur folten zur Unterhaltung der Gelehrten unter ſich dienenz und eben fo wenig, daß auch jegt noch eine profaifche Ueberſezung des

Homer zu wahrer Geſchmakks⸗ und Kunftbildung follte förderlich fein Lönnenz fondern für bie Kinder eine Bearbeitung wie bie Beckerſche, und für die Erwachfenen jung und alt eine metrifche Ueberfezung, wie

Wwir fie freilich vielleicht noch nicht befizenz zwiſchen dieſe beiden wüßte

cch jest nichts förberliches miche gu ſezen.

222 fi) ganz mit einer ausländifchen Welt befchäftigen, fich bie hei milche Welt und heimifche Sprache ganz fremd werben laſſen; ober auch folche Männer, die gleichſam das Vermögen der Sprache in feinem ganzen Umfang darzuftellen beflimmt find, und ben alle Sprachen, die fie irgend erreichen koͤnnen, völlig gleich gel⸗ ten, und fie wie angegoffen Beiden: diefe flehen.auf einem Punkt, wo der Werth des Weberfegend Null wird; denn ba bei ihrem Auffaflen fremder Werke auch nicht ber mindefle Einfluß ber Mutterfprache mehr flatt findet, und fie fich .ihres Verſtehens auf Leine Weife in der Mutterfpräche, fondern gang beimifch in ber Urfprache felbft unmittelbar bewußt werden, auch gar Feine Ins commenfurabilität fühlen zwifchen ihrem Denken und ber Sprache worin fie lefen: fo kann auch Feine Ueberſezung ihr Verſtehen en reichen ober darftellen. Und wie ed hieße Wafler ins Meer gie fen oder gar in den Wein, wenn man für fie überfegen wollte: fo pflegen auch fie von ihrer Höhe herab nicht mit Unrecht gar mitleidig zu lächeln über die Verſuche, die auf biefem Gebiet ge f macht werben. Denn freilich, werm das Publitum, für welche überfezt wird, ihnen gleich wäre, fo bebürfte es dieſer Mühe nick. Das Ueberfezen bezieht fi) alfo auf einen Zufland, der zwiſchen biefen beiden mitten inne liegt, und ber Ueberſezer muß alfo fih zum Biel ſtekken, feinem Lefer ein folched Bild und einen folden Genuß zu verfchaffen, wie das Leſen des Werkes in der Urſprache dem fo gebildeten Manne gewährt, den wir im befferen Siume bed Worts ben Liebhaber und Kenner zu nennen pflegen, dem. die fremde Sprache geläufig ift, aber boch immer frembe bleibt, der nicht mehr wie die Schüler fich erft dad einzelne wieder in ber Mutterfprache denken muß, che er dad Ganze faflen Tann, der aber doch auch da wo er am ungeftörteften fi) der Schön heiten eines Werkes erfreut, fich immer ber Verfchiedenheit der Sprache von feiner Mutterſprache bewußt bleibt. Allerdings bleibt und der Wirkungskreis und die Beflimmung diefer Art zu überfezen auch nach der Feſtſtellung dieſer Punkte noch fchwan |

1 . X m.

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genug. Nur das fehen wir, daß, wie die Neigung zum ſezen erſt entſtehen Tann, wenn eine gewifle Faͤhigkeit zum hr mit fremden Sprachen unter dem gebildeten Volkstheile eitet if, To auch die Kunſt erft wachlen und dad Ziel ims hoͤher geſtekkt werden wirb, je mehr Liebhaberei und Ken» ft fremder Geifteswerke unter denen im Wolke fich verbreis nd erhöht, welche ihr Ohr gelibt und gebildet haben, ohne ıs6 Sprachkunde zu ihrem eigentlichen Geſchaͤft zu machen. das können wir und zugleich nicht verhehlen, baß, je em⸗ jlichere Leſer da find für folche Ueberſezungen, um befto hös uch die Schwierigkeiten des Unternehmens fich thürmen, zus wenn man auf die eigenthümlichften Erzeugnifie der Kunfl Wiſſenſchaft eined Volkes fieht, welche boch die wichtigften nftände für den Ueberſezer find. Nämlich, wie die Sprache efchichtliches Ding iſt, ſo giebt ed auch feinen rechten Sinn ie, ohne Sinn für ihre Gefchichte. Sprachen werben nicht den, und auch alled rein willführliche Arbeiten an ihnen in ihnen iſt Thorheit; aber fie werden allmählig entdekkt, Wiffenfchaft und Kunft find die Kräfte, durch welche biefe ekkung gefördert und vollendet wird. Jeder ausgezeichnete ‚in welchem ſich unter einer von beiden Kormen ein Theil ben Anfchauungen bed Volks eigenthümlich geftaltet, arbeitet wirkt hiezu in ber Sprache, und feine Werke müffen alfo einen Theil ihrer Gefchichte enthalten. Dieſes verurfacht Ueberfezer wiffenichaftlicher Werke große ja oft unüberwind: Schwierigkeiten; denn wer mit hinreichenden Kenntniffen erüftet ein audgezeichneted Werk dieſer Art in der Urfprache bem wird ber Einfluß deſſelben auf die Sprache nicht leicht hen. Er merkt welche Wörter welche Verbindungen ihm’ noch in dem erften Glanz der Neuheit erfcheinenz; er fieht fie durch dad befondere Bebürfniß dieſes Geiſtes und durch bezeichnende Kraft fich in Die Sprache einfchleichen; und dieſe erkung beftimmt fehr weſentlich den Eindrukk, den x uw.

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pfaͤngt. Es liegt alſo in der Aufgabe ber Ueberfegung, eben die ſes auch auf ihren Lefer fortzupflanzenz fonft geht ihm ein oft fehr bedeutender heil defien, was ihm zugebacht if, verloren, Aber wie ift dieſes zu erreichen? Schon im einzelnen, wie oft wird einem neuen Worte der Urfchrift gerade ein altes und ver brauchted in unferer Sprache am beften entfprechen, fo daß ber Veberfezer, wenn er auch da das fprachbildende bed Werks zer gen wollte, einen fremden Inhalt an die Stelle fezen und alſo in da8 Gebiet der Nachbildung ausweichen müßte! Wie oft, wenn er auch neued durch neues wiedergeben Tann, wird Doch das ber | Bufammenfezung und Abflammung nach aͤhnlichſte Wort nicht den Sinn am treuften wiedergeben, und er alfo doch andere Ans Hänge aufregen müfjen, wenn er ben unmittelbaren Zufanımen bang nicht verlegen will! Er wird ſich damit tröften müflen, 157 bag er an andern Stellen, wo der Verfaſſer alte und bekannt Wörter gebraucht hat, das verfaumte nachholen Tann, und all im Ganzen Doch erreicht, was er nicht in jedem einzelnen Falle zu erreichen vermag. Sieht man aber auf die Wortbildung & ned Meifterd in ihrem ganzen Zufammenhang, auf feinen Ge brauch verwandter Woͤrter und Wortſtaͤmme in ganzen Maſſen ſich auf einander beziehender Schriften: wie will der Ueberſezer ſich hier gluͤkklich durchfinden, da das Syſtem der Begriffe und ihrer Zeichen in feiner Sprache ein ganz anderes ift, als in be Uriprache, und die Wortſtaͤmme, anflatt fich gleichlaufend zu dekken, vielmehr einander in den wunberlichften Richtungen burde ' ſchneiden. Unmöglich kann daher der Sprachgebrauch des Weber fezerd überall eben fo zufammenhangen, wie ber feines Schifb * ſtellers. Hier alſo wird er zufrieden fein muͤſſen, im einzelnen 3. zu erreichen, wad er im ganzen nicht erreichen kann. Er wid t

fich bei feinen Lefern bedingen, daß ſie nicht eben fo ſtreng wie die urfprünglichen bei einer Schrift an die andern benfen, for dern jebe mehr für fich betrachten, ja Daß fie ihn noch loben fob * len, wenn ex innerhalb einzelner Schriften, ja oft auch nur ein

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zelnen Theile berfelben, eine folche Gleichförmigkeit in Abficht der wichtigeren Gegenflände zu erhalten weiß, bag nicht Ein Wort eme Menge ganz verfchiedener Stellvertreter befommt, oder in dee Ueberfezung eine bunte Verfchiedenheit herrfcht, wo in der Urfprache-eine fefte Verwandtſchaft des Ausdrukks durchgeht. Diefe Schwierigkeiten zeigen ſich am meiſten auf dem Gebiet der Wiſ⸗ fenfchaftz andere giebt ed, und nicht geringere, auf dem Gebiet der Doefie und auch der Tunftreicheren Profa, für welche eben: falls das muſikaliſche Element der Sprache, das fich in Rhyth⸗ mus und Tonwechſel offenbart, eine ausgezeichnete und höhere Bedeutung hat. Jeder fühlt ed, daß der feinfte Geift, der höchfte Zauber. der Kunft in ihren vollendetften Erzeugniffen verloren geht, wenn diefes unbeachtet bleibt. oder zerflört wird, Was alfo bem finnigen Lefer der Urfchrift in dieſer Hinficht auffällt als eigenthuͤmlich als abſichtlich als wirkfam auf Ton and Stim⸗ mung des Gemuͤthes, als entſcheidend fuͤr die mimiſche oder mu⸗ ſikaliſche Begleitung der Rebe, bad ſoll auch unſer Ueberſezer mit übertragen. Aber wie oft, ja es iſt ſchon faſt ein Wunder, wenn mon nicht fagen muß immer, werben nicht die rhythmifche und melodiſche Treue und die dialektifche und grammatifche in unver: fühnlichem Streit gegen einander liegen! Wie fchwer, dag nicht im Hins und Herſchwanken welches hier welches. dort folle auf⸗ ‘geopfert werben, oft gerade dad unrechte herauskomme! Mie ıss ſchwer ſelbſt daß der Ueberſezer unparteiifch, was er jebem hier hat entziehen müffen, ihm, wo die Gelegenheit es mit ſich bringt, auch wirklich erfeze, und nicht, wenn gleich unmiffentlich, in eine beharrliche Einfeitigkeit gerathe, weil feine Neigung dem einen Kunftelement vor dem andern gewidmet iſt! Denn liebt er in den Kunſtwerken mehr. den ethifhen Stoff und feine Behand» lung: fo wird er minder merken, wo er Dem metrifchen und mu: Halifchen der Form unrecht getban, und fich, flatt auf Erfaz zu denken, mit einer immer mehr ind leichte und gleichlam para: Yhraftifche hineinfpielenden Uebertragung derfelben begnügen, Rift Schltierm. 8, II. 2 M

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es fich aber, daß dep Ueberfezer ein Muſiker ift oder Metriker, fo wird er dad logifche Element hintanfegen, um ſich nur des mu fitalifchen ganz zu bemächtigen; und indem er ſich in diefer Ein k feitigkeit immer tiefer verſtrikkt, wird er je länger je unerfreulb ki her arbeiten, und wenn man feine Uebertragung im großen mil bee Urfchrift vergleicht, wird man finden, daß er, ohne es zu be merken, jener fchülerhaften Dürftigkeit immer näher Tomait, be über dem einzelnen bad ganze verloren geht; denn wenn be | . materiellen Aehnlichkeit bed Tons und des Rhythmus zu Lich, was in ber einen Sprache Leicht iſt und natürlich wiedergegeben wird, durch fchwere und anftögige Ausdruͤkke in ber andern: fo muß im ganzen ein völlig verfchiedener Eindrukk entfichen. Noch andere Schwierigkeiten zeigen ſich, wenn ber leben ſezer auf fein Verhältniß zu ber Sprache fieht, in ber ex fchreikt, und auf dad KBerhältniß feiner Ueberfezung zu feinen andem Werken. Wenn wir jene wunderbaren Meifter auönehnien, be nen mehrere Sprachen gleich find, oder gar Eine erlernte über bie Mutterfprache hinaus natürlich, für welche, wie gefagt, durch⸗ aus nicht überfezt werden kann; alle andere Menfchen, wie ge 3 läufig fie eine fremde Sprache auch Iefen, behalten doch immer dabei das Gefühl des fremden. Wie fol nun der Ueberſezer es machen, um eben dieſes Gefühl, daß fie ausländifche vor ' fih haben, auch auf feine Lefer fortzupflanzen, benen er die £ Ueberfezung in ihrer Mutterfprache vorlegt? Man wirb frei - fagen, bas Wort diefes Raͤthſels fei längft gefunden, und es fd | bei und häufig vieleicht mehr ald zu gut gelöfet worden; bem je genauer fich bie Ueberfezung an die Wendungen ber Urfchrift anfchließe, um deſto fremder werde fie fchon den Lefer gemiahnen. Freilich wol, und ed iſt leicht genug über Diefed Verfahren Im allgemeinen zu lächeln. Allein wenn man fich.diefe Freube nicht u - so wolfeil machen will, wenn man nicht bad meifterhaftefte mit beie ſchuͤlerhafteſten und fchlechteften in einem Bade ausfchütten will: fo muß man zugeben, ein unerlaßliched Erforderniß diefer Me’

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thode bed Ueberſezens ift eine Haltung der Sprache, bie nicht nur nicht alltäglich: ift, fondern die auch ahnden laßt daß fie nicht ganz frei gewachfen, vielmehr zu einer fremden Aehnlichkeit binübergebogen fei; und man muß geftehen, diefes mit Kunſt und Maaß zu thun, ohne eigenen Nachtheil und ohne Nachtheil der Sprache, dies ift vielleicht die größte Schwierigkeit die unfer Weberfezer zu überwinden hat. Das Unternehmen erfcheint ald der wunberbarfle Stand der Erniedrigung, in ben ſich ein nicht ſchlechter Schriftfteller verfegen Tann. Wer möchte nicht feine Mutterfprache überall in der volkögemäßeften Schönheit auflres ten laſſen, deren jede Gattung nur fähig iſt? Mer möchte nicht lieber Kinder erzeugen, die bad väterliche Gefchlecht rein darſtel⸗ In, ald Blendlinge? Mer wird fich gern auflegen, in minder leichten und anmuthigen Bewegungen fich zu zeigen als er wol konnte, und biöweilen wenigfiens ſchroff und fleif zu erfcheinen, um dem Lefer fo anftößig zu werben als nöthig ift damit er das Sewußtſein der Sache nicht verliere! Wer wird ſich gern ges fallen laſſen, dag er für unbeholfen gehalten werde, indem er fich befleißiget ber fremden Sprache fo nahe zu bleiben als die eis gene ed nur erlaubt, und dag man ihn, wie Eltern, die ihre Kinder den Kunflfpringern übergeben, tadelt, daß er feine Mut- terſprache, anftatt fie in ihrer heimifchen Turnkunſt gewandt zu Aüben, an ausländifche und unnatürliche Verrenkungen gewoͤhne! Ber mag endlich gern gerade von ben größten Kennern unb Veiſtern am mitleidigften belächelt werben, daß fie fein mühfas mes und voreiliged Deutfch nicht verfichen würden, wenn fie acht ihr hellenifched und vömifches dazu nahmen! Dies find die Entfagungen bie jener Ueberſezer nothwendig übernehmen muß, dies die Gefahren denen er fich auöfezt, wern er in bem Beſtreben den Ton ber Sprache fremd zu halten ‚nicht Die feinſte Linie beobachtet, und denen er auch fo auf keinen Fall Ä ganz entgeht, weil jeder fich dieſe Kinie etwas anderd zieht. | Denkt er nun noch an ben unvermeidlichen Einfluß ber. Gemäß: , P 2

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nung: fo Tann ihm ‚bange werden, daß auch in feine freien und urſpruͤnglichen Erzeugniffe vom Ueberfezen her manched minder gehörige und rauhe fich einfchleiche, und ihm der zarte Sinn für dad heimifche Wohlbefinden der Sprache ſich etwas abflumpfe. Und denkt er gar an dad große Heer der Nachahmer, und an 10 die in dem ſchriftſtellerifchen Publitum herrſchende Traͤgheit und Mittelmaͤßigkeit: fo muß er ſich erſchrekken, wieviel lokkeres ge ſezwidriges Weſen, wieviel wahre Unbeholfenheit und Härte, wie - vie! Sprachverberben aller Art er vielleicht mit zu verantworten r pefommt; denn faft nur die beften und die fchlechteften werden nicht fireben einen falfchen Vortheil aus feinen Bemühungen zu ' ziehen. Diefe Klagen, daß ein ſolches Ueberfegen nothwendig de Reinheit der Sprache und ihrer ruhigen Fortentwikkelung voan innen heraus nachtheilig werben müffe, find häufig gehört wor den. Wollen wir fie nun auch vor der Hand bei Seite ſtellen mit der Vertröftung, daß wol auch Vortheile werben diefen Nach⸗ theilen gegenüberfichen, und daß, wie alled gute mit üblem ven .. fezt fei, die Weisheit eben darin beflehe, indem man von dem erften fo viel ald möglich erlangt, von dem andern fo wenig alb. möglich mitzunehmen: ſoviel geht aud diefer fchwierigen Aufgabe, dag man in der Mutterfprache dad fremde darftelen folle, auf jeden Kal hervor. Zuerſt, daß diefe Methode des Ueberfegns - nicht in allen Sprachen gleich gut gedeihen Tann, fondern mar in folchen die nicht in zu engen Banden eined klaſſilchen Aus drukks gefangen liegen, außerhalb deſſen alles verwerflich iſt Solche gebundene Sprachen mögen die Erweiterung ihres Ss bietes dadurch fuchen, daß fie fich fprechen machen von Ausläns , dern, bie mehr als ihre Mutterfprache bebürfen; hiezu werben fe fich wol vorzüglich eignen; fie mögen fich fremde Werke andge . nen durch Nachbildungen oder vielleicht durch Weberfezungen der andern Art: dieſe Art aber müfjen fie den freieren Sprachen’ überlaffen, in benen Abweichungen und Neuerungen mehr gebub. det werben, und fo daß aus ihrer Anhaufung unter gewiſſen

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Umftänden ein beftimmter Charakter entfteben kann. Ferner folgt deutlich genug, daß biefe Art zu überfezen gar keinen Werth bat, wenn fie in einer Sprache nur einzeln und zufällig betrieben wird: Denn der Zwekk ift ja offenbar damit nicht erreicht, daß ein überhaupt fremder Geift den Leſer anweht; fondern wenn er eine Ahndung bekommen fol, fei es audy nur eine entfernte, von der Urfprache und von dem was bad Werk Diefer verdankt, und ihm fo einigermaßen erjegt werden foll daß er fie nicht verſteht: fo muß er nicht nur die ganz unbeflimmte Empfindung bekom⸗ men, daß was er lieft nicht ganz einheimifch klingt; fondern es muß ihm nach etwad beflimmten anberm Bingen; bad aber iſt zur möglich, wenn er Vergleichungen in Maffe anftellen- kann. Hat er einiges gelefen, wovon er weiß daß es aus andern neuen and anderes aus alten Sprachen überfezt iſt, und ed ift im die⸗ 101 ſem Sinn überfezt: fo wirb fi ihm wol ein Gehör anbilden, um dad ‚alte und neuere zu unterfcheiden. Aber weit mehr ſchon muß er gelefen haben, wenn er hellenifchen von roͤmiſchem Ur: fprung, oder italiänifchen von ſpaniſchem unterfcheiden fol. Und bach iſt auch dieſes noch kaum der höchfte Zwekk; fondern ber Leſer der Ueberfezung wird dem befferen Lefer des Werks in ber Ufprache erſt dann gleich kommen, wann er neben.bem, Geift dee Sprache auch den eigenthümlichen Geift des Verfaſſers in dem Wert zu ahnden und allmählig beflimmt aufzufaffen ver mag, wozu freilich das Zalent der individuellen Anfhauung das Anige Organ, aber eben für diefes eine noch weit größere Maffe son Bergleihungen unentbehrlich iſt. Diefe find nicht vorhan: ‚des, wenn in einer Sprache nur hie und ba einzelne Werke ber Meifter in einzelnen Gattungen übertragen werden. Auf diefem ;Bege koͤnnen auch die gebildetften Lefer nur eine hoͤchſt unvoll⸗ Immene Kenntnig des fremden durch Ueberfegung erlangen; und RG fie fich zu einem eigentlichen Urtheil, es fei über die Ueber Mng oder über dad Original, follten erheben können, baran ifl Hr nicht zu denken. Daher erfordert biefe Art au überlegen \

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durchaus ein Verfahren im großen, ein Verpflanzen ganzer Lit teraturen in eine Sprache, und hat alfo auch nur Sinn mb Werth unter einem Wolf welches entſchiedene Neigung bat fid .F das fremde anzueignen. Einzelne Arbeiten diefer Art haben nu einen Werth ald Vorläufer einer fih allgemeiner -entwilleinden | und ausbildenden Luſt an dieſem Verfahren. ‚Regen fie bie nicht auf, fo haben fie auch im Geift ber Sprache und bed Zei | alterd etwas gegen: ſich; fie Finnen alsdann nur als verfehlte Verſuche erſcheinen, und auch für ſich wenig oder feinen Grfolg haben. Allein auch wenn die Sache uͤberhand nimmt, iſt nicht leicht zu erwarten, dag eine Arbeit diefer Art, wie vortrefflich ſte auch fei, fich allgemeinen Beifall erwerben werde, ‚Be den vis fen. Rüfffichten, welche zu nehmen, und Schwierigkeiten, bie u f überwinden find, müffen ſich verfchiedene Anfichten darüber ent wikkeln, welche Theile der Aufgabe hervorzuheben und welche vielmehr unterzuordnen find. So werden gewiflermaßen verſchie dene Schulen unter den Meiftern und verfchiedene Partheien im Publikum fi bilden als Anhänger von jenen; und wiewol bie felbe Methode uͤberall zum Grunde liegt, werben doch von bem ; felben Werk verfchiedene Weberfezungen neben einander beflchen Finnen, aus verichiedenen Geſichtspunkten gefaßt, von benen mar -: 162 nicht eben fagen Tönnte, daß eine im ganzen vollkommmer fh : oder zurüßffiche, fondern nur einzelne Theile werben in ber ek " nen beffer gelungen fein, und andere in anderen, und erſt alle ; zufammengeftellt und auf einander bezogen, wie bie eine auf dide bie andere auf jene Annäherung an die Urfprache ober Schonung: der eigenen einen befonberen Werth legt, werden fie die Aufgabe: ganz erfchöpfen, jebe aber für fich immer nur einen telativen um fubjectiven Werth haben.

Dies find die Schwierigkeiten welche Biefer Methode bi Ueberfegend eftgegenftehen, und die Unvollkommenheiten die wejentlih anhängen, Aber biefe eingeftanden muß man doch Mb Unternehmen felbft anerfennen, und kann ihm fein Verdienſt ni

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abfprechen. Es beruht auf zwei Bedingungen, daß das Werft ' ben auslänbifcher Werke ein bekannter und gewünfchter Zuflend fe, und daß ber heimiſchen Sprache felbft eine gewiſſe Biegſam⸗ keit zugeflanden werde. Wo disfe gegeben find, da wird ein fol ches Ueberfezen eine natürliche Erfcheinung, greift ein in die ge ſammte Seiftesentwiltelung, und wie es einen beflimmten Werth erhält, giebt-ed auch einen fihern Genuß. - Wie fleht es nun aber mit der entgegengefesten Methode, welche, ihrem Leſer gar keine Mühe und Anſtrengung zumuthend, ihm ben fremden Verfaſſer in feine unmittelbare Gegenwart bins zaubern, und dad Werk fo zeigen will, wie es fein würbe, wenn der Berfafler felbft ed urfprüngli in des Leferd Sprache ges fhrieben hätte? Diefe Forderung ift nicht felten ausgeſprochen worden ald diejenige die man an einen wahren Weberfezer zu machen hätte, und als weit höher und volllommener in Vergleich mit jener; es find auch Werfuche gemacht worden im einzelnen, oder vielleicht Meifterflüle, die offenbar genug fich dieſes Ziel vorgeſtekkt haben. Laßt und nun fehen wie ed hiermit flcht, und ob ed nicht vielleicht gut wäre, wenn dieſes bis jezt unſtrei⸗ tig feltnere Verfahren häufiger würde, und jened bedenkliche und in vielen Stüffen ungenügende verbrängte.

Soviel fehen wir gleich, daß die Sprache des Ueberſezers von dieſer Methode nicht dad mindefte zu befürchten hat. Seine exſte Regel muß fein, fidy wegen des Werhältnifies, In bem feine

. Arbeit zu einer fremden Sprache fleht, nichts zu erlauben was nicht auch jeder urfprünglichen Schrift gleicher Gattung in. ber heimiſchen Sprache erlaubt wird. Ja er hat fo fehr als irgend Feiner die Pflicht, wenigftens diefelbe Sorgfalt für die Reinigkeit "md Vollendung der Sprache zu beobachten, derſelben Leichtig⸗ keit und Natürlichkeit des Stils nachzufireben, die feinen Schrift: 10s ‘Seller in der Urfprache nachzurühmen if. Auch das iſt gewiß, wenn wir unfern Landsleuten recht anfchaulih machen wollen was ein Schriftfieller für feine Sprache geweſen ifl, bag wir Leine

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beffere Formel aufftellen koͤnnen, als ihn fo redend einzufuͤhren, wie wir uns denken müffen daß er in der unfrigen würde gu redet haben, zumal went bie Entwilfelungäftufe, worauf er feine Sprache fand, eine Achnlichkeit- Hat mit der worauf bie unfrige eben ſteht. Wir können und in einem gewiffen Sinne denken, wie Tacitus würde geredet haben, wenn er ein Deutfcher gewo fen wäre, das heißt, genauer genommen, wie ein Deutſcher veben würde, der unferer Sprache dad wäre was Tacitus ber feinis gen; unb wohl dem, ber es fich fo lebendig denkt, daß er ihn wirklich kann reden laſſen! Aber ob dies nun geſchehen koͤnnte, indem er ihn dieſelbigen Sachen fagen läßt, die der roͤmiſche To eitus in Iateinifcher Sprache geredet, bad ift eine andere um nicht Teicht zu bejahende Frage. Denn ein ganz anderes ift, ben . Einfluß, den ein Mann auf feine Sprache ausgeuͤbt bat, richtig auffaffen und irgend wie darſtellen, und wieder ein ganz ande res, wiffen wollen, wie feine Gedanken und ihr Ausdrukk fih würden gewendet haben, wenn er gewohnt geweſen wäre w fpränglich in einer andern Sprache zu denken und ſich aude brüffen! Mer überzeugt ift dag mwefentlich und innerlich Gebank und Ausdruff ganz daſſelbe find, und auf diefer Ueberzeugung . beruht doch die ganze Kunft alles Verſtehens der Rebe, und all auch alles Ueberſezens, kann der einen Menfchen von feiner ange bornen Sprache trennen wollen, unb meinen, es koͤnne ein Menſch, oder auch nur eine Gebankenreihe eines Menſchen, eine und bie, felbe werben In zwei Sprachen? oder wenn fie denn auch auf gewiffe Weife verfchieden if, Tann er fi) anmaaßen die Rede bis in ihr innerſtes aufzulöfen, den Antheil der Sprache ba auszuſcheiden, und durch einen neuen gleichfam chemifchen Pre | zeß ſich das innerfte derfelben verbinden zu laffen mit dem We⸗ fen und der Kraft einer andern Sprache? Denn offenbar muͤßle man, um dieſe Aufgabe zu Iöfen, alles, was an dem fchriftlicher Werk eines Mannes auch alıf die entferntefle Weife Einwirkmg irgend deſſen tft, was er von Kindheit an in feiner Mutter

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ſprache geredet hat und gehört, rein ausſcheiden, und nun gleich⸗ fam ber nakkten eigenthümlichen in ihrer Richtung auf einen gewiffen Gegenftand begriffenen Denkweiſe defjelben zuführen als les dasjenige, was Einwirkung geweſen fein würde alles deſſen was er vom Anfang feined Lebens ober von feiner erflen Bes 164 kanntſchaft mit der fremden Sprache an in ihr geredet und ges hört hätte, bis er zu ber Fertigkeit gefommen wäre in ihre urs fprünglich zu denken und niederzufchreiben? Died wird nicht eher möglich fin, ald bis es gelungen iſt Durch einen kuͤnſtlichen hemifchen Prozeß organifche Produkte zufammenzufezen. Ja man kann fagen, bad Ziel, fo zu überfezen wie ber Verfaſſer in der Sprache ber Ueberfezung felbit würde urfprünglich gefchrieben has ben, ift nicht nur unerreichbar, fondern ed iſt auch in fidy nice fig und leer; denn wer die bildende Kraft der Sprache, wie fie and ift mit der Eigenthümlicyfeit des Volkes, anerkennt, ber muß auch geftehen daß jedem auögezeichnetflen am meilten fein ganzes Wiffen, und auch die Möglichkeit es barzuftellen, mit der Sprache und durch fie angebildet ift, und dag alfo niemanden fine Sprache nur mechaniſch und Außerlich gleichfam in Riemen enhängt, und wie man leicht ein Sefpann löfet und ein anderes vorlegt, fo ſich jemand auch nach Belieben im Denfen eine an dere Sprache vorlegen Fünne, daß vielmehr jeder nur in feiner Qutterfprache urfprünglic) probucire, und man alfo gar bie drage nicht aufwerfen kann, wie er feine Werke in einer andern Gprache würde gefchrieben Haben. Hiegegen” wirb freilich jeder zwei Falle anführen, die häufig genug vorfommen. Zuerft hat es doch offenbar font, nicht nur in einzelnen Ausnahmen, denn fo kommt es noch vor, fondern auch im großen eine Fertigkeit gegeben, in andern Sprachen als ber angebomen urfprünglich zu Khreiben, ja zu philofophiren und zu dichten. Warum foll man fo nicht, um ein deſto fichrered Maaß zu befommen, biefe Fer: tigkeit in Gedanken auf jeden Schriftfleller übertragen, welchen man überfezen will? Darum nicht, weil es mit biefer Fertigkeit

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dir Bewandtnig hat, daß fie nur In folchen Fällen vorkommt, wo daffelbe entweder überhaupt ober wenigſtens von demſelben nicht Eönnte in ber angebornen Sprache gefagt werben. Wen wir in die Zeiten zurülfgehn, wo bie romanifchen Sprachen au “fingen fich zu bilden, wer kann fagen, welche Sprache damals I ben dortigen Menfchen fei angeboren geweien? und wer wir läugnen wollen, daß denen, welche eine wiſſenſchaftliche Beſtre bung ergriffen, das Iateinifche mehr Mutterfprache gewefen als das. volgare? Died geht aber für einzelne Beduͤrfniſſe und The | tigkeiten des Geifted noch viel weiter herab. So lange die Mut Kerfprache für dieſe noch nicht gebildet ift, bleibt diejenige Sprache die partielle Deutterfprache, aus welcher jene Richtungen bed Ge 165 fted fich einem werdenden Wolke mitgetheilt haben. Grotius und Leibnig konnten nicht, wenigftend nicht ohne ganz andere Mes fen zu fein, deutſch und hollaͤndiſch philofophiren. Ja auch wenn jene Wurzel ſchon ganz vertroffnet und ber Genfer von dent alten Stamme völlig losgeriffen ift, muß doch, wer nicht ſelbſt zugleich ein fprachbildendes und ein umwaͤlzendes Wein iſt, ſich noch vielfältig einer fremden Sprache willkuͤhrlich ode : burch untergeordnete Gründe beflimmt anfchließen. Unferm gro en König waren alle feineren und höheren Gedanken. durch ein | fremde Sprache gefommen, und biefe hatte er fich für dieſes de diet auf dad innigfle angeeignet. Was er franzöfiich philoſe⸗ phirte und dichtete, war er unfähig beutfch zu philoſophiren und zu dichten. Wir müflen ed bebauern, daß die große Vorliebe für England, die einen Theil der Familie beherrfchte, nicht bie Richtung nehmen Tonnte, ihm von Kindheit an bie engliſche Sprache, deren leztes goldene Zeitalter damals blühte,, und De ber beutfchen um fo vieles näher if, anzueignen. Aber wirbie & fen hoffen, dag wenn er eine ſtreng gelehrte Erziehung genoſſen hätte, er lieber würde lateinifch philofophirt und gebdichtet haben als franzöfifih. Indem alfo dieſes Kefondern Bedingungen um terliegt, indem nicht im gleichoiel welcher fremden Sprache, fer

235 dern nur in einer beflimmten, jeder und nur das herborbringt, was von ihm in feiner Mutterfprache nicht Eonnte hervorgebracht werben: fo beweifet es nichtö für eine Methode bed Ueberſezens, welche zeigen will, wie einer bad, was er wirklich in feiner Mut⸗ terſprache gefchrieben hat, in einer andern würde gefchrieben has ben. Der zweite Fall aber, eines urfprünglichen Leſens und Schreibens in fremden Sprachen, fcheint günftiger für diefe Mes thobe. Denn wer wird es unſern Welt: und Hofleuten abfpre chen, Daß was fie liebensmürdiged in fremden Bungen über ihre Lippen bringen, fie auch ‚gleich in berfelben Sprache gebacht und nicht etwa aus dem armen Deutich erſt innerlich überfezt haben? und wie ed ihr Ruhm ift, diefe Süßigkeiten und Bein, beiten in vielen Sprachen gleich gut fagen zu koͤnnen, fo denken fie fie auch gewiß in allen mit gleicher Leichtigkeit, und jeber wird auch vom andern recht gut wiflen, wie er eben bad was er jet auf franzöfiich gefagt hat auf italiaͤniſch würde gefagt has ben, Allein diefe Reden find auch freilich nicht aus bem Gebiet, wo die Gedanken Fräftig aus der tiefen Wurzel einer eigenthuͤm⸗ lichen Sprache hervortreiben, fondern wie die Kreffe, die ein Tinftlicher Dann ohne alle Erbe auf dem weißen Zuche wachfen macht, Diefe Reden find weder ber heilige Ernſt der Sprache, noch das fchöne wohlgemefjene Spiel derfelben; fondern wie bie ıs Voͤlker durcheinander laufen in biefer Zeit, auf eine Weiſe bie man fonft weniger kannte, fo ift überall Markt, und dieſes ſind "Ne Marktgeſpraͤche, mögen fie nun politifch fein oder litterarifch, der gefellig, und fie gehören wahrlid nicht in das Gebiet bes leberſezers, fondern nur des Dolmetiherd etwa. Wenn num Vergleichen, wie es wol bisweilen gefchieht, in ein größeres Ganze fh zufammenfilzen und Schrift werden: fo mag eine folche Schrift, die ganz in bem leichten und anmuthigen Leben fpielt ohne irgend eine Ziefe des Dafeind aufzufchliegen ober eine Eis genthuͤmlichkeit des Volkes zu bewahren, nad) biefer Regel übers ſezt werden; aber auch nur fie, weil nur fie eben fo aut audı

J | 236 arfpränglich Eonnte in einer andern Sprache gefaßt fein. Und weiter mag biefe Regel ſich nicht erſtrekten, als vielleicht noch auf die Eingänge und Vorhoͤfe tieferer und herrlicher Merke,-bis auch oft ganz 'in dem Gebiet bes leichten gefelligen Lebens er: baut find. Nämlich, je mehr den einzelnen Gedanken, eines Wer kes und ihrer Verknüpfung die Volkseigenthuͤmlichkeit anhaftet, und vielleicht gar noch außerdem das Gepräge einer. längfl abge laufenen. Zeit, um beflo mehr verliert die Regel "überhaupt. ihre Bedeutung. Denn fo wahr dad auch bleibt in mancher Hin fiht, daß erft durch. dad Verſtaͤndniß mehrerer Spracen be Menſch in gewiffen Sinne gebildet wird, und ein Weltbuͤrger: fo müfjen wir doch geftehen, ſo wie wir bie Weltbürgerfihaft nicht für die Achte halten, die in wichtigen Momenten die Ro terlandsliebe unterbrüfft, fo ift auch in Bezug auf die Sprachen eine folche allgemeine Liebe nicht die rechte und wahrhaft bik bende, welche für den lebendigen und höheren Gebrauch irgend eine Sprache, gleichviel ob alte oder neue, ber vaterländifchen

gleich ftellen will. Wie Einem Lande, fo auch Einer: Sprade | ober der andern, muß: ber: Menfch fich entfchliegen anzugehoͤren,

oder er fchwebt haltungslos in unerfreulicher Mitte. Es iſt recht, bag noch jezt unter und lateiniſch gefchrieben wird von Amtöwe gen, um dad Bewußtſein lebendig zu erhalten, daß dies unſerer Vorfahren wiffenfchaftliche und heilige Mutterfprache geweſen if; es ift heilfam, daß es auch fonft. gefchehe.im Gebiet dee gemein: famen europaͤiſchen Wiffenfchaft, des leichteren Verkehrs wegen; aber gelingen wird es auch in biefem Fall nur in dem Maaß, als für eine ſolche Darftelung der Gegenftand alles ift, und bie eigene Anficht und Verknüpfung wenig. Daffelbe ift ber Fall mit dem romanifchen. . Wer gezwungen und von Amtöwegen s67 eine ſolche Sprache fchreibt, der wird fich doch wol bewußt fein, daß feine Gedanken im erfien Entflehen deutfch find, und bag er nur fehr früh während der Embryo ſich noch geftaltet ſchon an fängt fie zu uͤberſezen; und wer fich einer Miffenfchaft wegen

m.

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aqzu aufopfert, ber wird fi auch nur da leicht ungezwungen mb ohne geheimes Ueberſezen finden, wo er fich ganz in der Yewalt des Gegenftandes fühlt. Es giebt freilich auch aufers dem eine freie Liebhaberei am Lateinifch ober romanifch fchreiben, md wenn ed mit diefer wirklich darauf abgelehen wäre in einer femben Sprache gleich gut: wie in ber eigenen und gleich ur⸗ Irimglich zu probuciren: fo würde ich fie unbedenklich für eine frmelhafte und magifche Kunft erklären, wie dad Doppeltgehen, womit ber Menfch nicht nur der Gefeze der Natur zu fpotten, | fondern auch andere zu verwirren gebächte. So ift ed aber wol nicht, ſondern dieſe Liebhaberei ift nur ein feines mimifches Spiel, womit man fich höchftens in den Vorhöfen ber Wiffenfchaft und Runft die Zeit anmuthig vertreibt. Die Production in der frems den Sprache ift Feine urfprüngliche; fondern Erinnerungen an einen beftimmten Schriftftellee oder auch an die Weife eined ges wiſſen Zeitalterd, das gleichfam eine allgemeine Perfon vorftellt, ſchweben der Seele faſt wie ein lebendiges aͤußeres Bild vor,‘ und die Nachahmung deffelben leitet und beſtimmt die Producs tim. Daher auch felten auf dieſem Wege etwas entftcht, was außer ber mimifchen Genauigkeit einen wahren Werth hätte; und man Tann fich des beliebten Kunſtſtuͤkkes um fo barmlofer erfreuen, als man bie gefpielte Perfon überall beutlich genug durchblikkt. Iſt aber jemand gegen Natur und Sitte förmlich ein Weberläufer geworden von ber Butterfprache, und hat fich einer andern ergeben: fo ift es nicht etwa gezierter und angedich⸗ teter Hohn, wenn er verfichert, er Eönne fih in jener nun gar nicht mehr bewegen; fonbern es ift nur eine Rechtfertigung, bie er fich felbft fchuldig ift, dag feine Natur wirklich ein Naturs wunder iſt gegen alle Ordnung und Regel, und eine Beruhi⸗ gang für die andern, daß er wenigftend nicht doppelt geht wie tin Gefpenft. j

Doch nur zu lange haben wir und bei frembartigem aufs Khalten, und das Anfehn gehabt vom Schreiben im Iterahen

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Sprachen zu reden, anflatt vom Ueberſezen aus fremben Spra⸗ hen. Die Sache. liegt aber fo. Wenn ed nicht möglich iſt es was der Ueberfezung, fofern fie Kunft iſt, wuͤrdiges und zugleich bebürftiged urfprünglich in einer fremden Sprache zu fchreiben, oder. wenn dies wenigflend eine feltene und wunderbare Ausnahme 108 iſt: fo kann man auch die Megel nicht aufſtellen für die Uchen, fezung, jie folle denken wie ber Verfaſſer felbft eben dieſes in der Sprache des Ueberfezerd würde gefchrieben haben; benn es giebt Feine Fülle von Beiſpielen zweilprachiger Schreiber, von bene eine Analogie herzuleiten wäre, welcher der Ueberfeger folgen Zönnte, fondern er wird nach dem obigen bei allen Werken, die nicht ber leichten Unterhaltung gleichen, oder bem Gefchäftäßll, faft nur feiner Einbildung überlaffen fein. Ia was will mas einwenden, wenn ein Ueberfezer dem Lefer fagt, Hier bringe ich dir dad Buch, wie der Mann ed würde gefchrieben haben, wenz er es beutfch gefchrieben hätte; und ber Xefer ihm amtworte, | Ich bin dir eben fo verbunden, ald ob du mir bed Mannes Bil gebracht hättefl, wie er ausfehen würbe, wenn feine Mutter iha mit einem andern Water erzeugt hätte! Denn wenn von Ber ten, die in einem höheren Sinne der Wiffenfhaft und Kl E angehören, ber eigenthümliche Geift des Verfaſſers die Mutia iſt: fo iſt feine vaterländifche Sprache der Water dazu. Dei ie eine Kunftftüßflein wie das andere macht Anſpruch auf geheim nißvolle Einfidhten, die niemand hat, und nur als Spiel kam man bad eine eben fo unbefangen genießen wie das anbere. Wie fehr die Anwendbarkeit diefer Methode befchränkt, je auf dem Gebiet des Ueberfezend faft gleich Null ift, das beſtaͤtigt ſich am beflen, wenn man fieht, in was für unuͤberwindliche Schwierigkeiten fie ſich in einzelnen Zweigen der Wiffenfchaft ud Kunſt verwillelt. Wenn man fagen muß, bag fchon im Ge brauch des gemeinen Lebens ed nur wenig Wörter in eins Sprache giebt, denen eined in irgend einer andern vollkommen “entipräche, fo bag dieſes in allen Faͤllen gebraucht werden koͤnne

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worin jened, unb daß e3 in derfelben Verbindung wie jened auch allemal biefelbe Wirkung hervorbringen würde: fo gilt dieſes noch mehr von allen Begriffen, je mehr ihnen ein pbilofophifcher Ge balt beigemifcht iſt, und alfo am meiflen von ber eigentlichen Philoſophie. Hier mehr ald irgendwo enthält jebe Sprache, troy der verfchiebenen gleichzeitigen und auf einander folgenden Ans fihten, doch Ein Syſtem von Begriffen in fich, Die eben das durch daß fie fich in berfelben Sprache berühren, verbinden, er ganzen, Ein Ganzes find, defien einzelnen Theilen aber Feine aus dem Syſtem anderer Sprachen entiprechen, kaum Gott unb Sein, dad Urhauptwort und das Urzeitwort abgerschnet. Denn auch das fchlechthin allgemeine, wiewol außerhalb des Gebletes der Eigenthümlichkeit liegend, ift boch von ihr beleuchtet und ges 100 ſubt. In diefem Syſtem der Sprache muß die MWeishelt eined jcden aufgehn. Jeder fchöpft aus dem vorhandenen, jeber hilft Bad nicht vorhandene aber vorgebilbete and Licht bringen. Nur ſo iſt die Weisheit des einzelnen lebendig, und kann fein Dafeln nirklich beherrfchen, welches er ja ganz in biefer Sprache zuſam⸗ wenfaßt. Will alfo der Ueberſezer eines philoſophiſchen Schrift: ſiellers fich nicht entichließen die Sprache der Ueberſezung, ſovlel ſich thun laͤßt, nach der Urſprache zu beugen, um das in dieſer ausgebildete Begriffsſyſtem moͤglichſt ahnden zu laſſen; will er wielmehr feinen Schriftſteller fo reden laſſen als hätte er Gedan⸗ ken und Rebe urſpruͤnglich in einer andern Sprache gebilbet: was bleibt ihm übrig, bei ber Unähnlichleit ber Elemente in beiben Spradyen, als entweber zu paraphrafiren wobei er aber fd» Wen Zwekk nicht erreidyt; denn eine Paraphraſe wird unb kann wie auöfche wie etwos in berfelben Eprache urfpränglich hervor gebradteb ober er muß bie ganze Weibheit und Eiſſenlchafi feines Bannes umbilden in bas Begriffblyßem Des andern Spra⸗ de, umb fo alle einzelnen Theile verwandeln, wobei miss abzuſe⸗ ben wie der wilbefen Villlühr Eomusen Grenzen geieg wess dm. Se man muß fagen, ver mus Die mindeße Uduug ak

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für philofophifche Weflrebungen und Entwiltelungen, Tann fid auf-ein fo loſes Spiel gar nicht einlaffen. Platon mag es vn ' antworten wenn ich von dem Philofophen auf den Komödien fehreiber komme. Diefe Kunfigattung liegt, was die Sprache betrifft, dem Gebiet des gefelligen Geſpraͤchs am nächften.. Die ganze Darftelung lebt in den Sitten der Zeit und bes Vollet, bie fich wiederum vorzüglich in der Sprache lebendig fpiegeln. Leichtigkeit und Natürlichkeit in der Anmuth find ihre erfte Tu gend; und eben deshalb find hier die Schwierigkeiten der Ueber fegung nach ber eben betrachteten Methode ganz ungemein. Dem ; jede Annäherung an eine fremde Sprache thut jenen Tugenden bes Vortraged Schaden. Will nun aber gar bie Ueberfezung ei⸗ nen Schaufpieldichter reden laſſen, als hätte er urſpruͤnglich im ihrer Sprache gedichtet: fo Tann fie ihn ja vieled gar nicht vom - bringen laffen, weil e8 in diefem Volk nicht einheimilch iſt und alfo auch, in der Sprache Fein Zeichen hat. Der Ueberfezer muß alfo hier entweder ganz wegfchneiden, und fo die Kraft und bie Form ded Ganzen zerflören, oder er muß anderes an bie Stelle fezen. Mpf diefem Gebiet alfo führt die Formel volftändig be " folgt offenbar auf bloße Nachbildung oder auf ein noch widerls cher auffallendes und verwirrendes Gemifch von Ueberfezung und 170 Nachbildung, welches den Lefer wie einen Ball zwifchen feiner. und der fremden Welt, zwiichen des Verfaſſers und des ‚Ueber ſezers Erfindung und Wiz, unbarmberzig hin und ber wirft, wor |. von er feinen reinen Genuß haben Tann, zulezt aber Schwindel und Ermattung gewiß genug davon trägt. Der Ueberfeger nad. ber andern Methode hingegen hat gar keine Aufforderung zu fob |, chen eigenmächtigen Veränderungen, weil fein Lefer immer ga |, genmwärtig behalten fol, daß der Verfaffer in einer andern We; gelebt und in einer andern Sprache gefchrieben hat. Er ifl mr, ‚an die freilich ſchwere Kunft gewielen die Kenntniß biefer frame! ben Welt auf die kuͤrzeſte zwekkmaͤßigſte Weife zu fuppliren, un 1, überall die größere Leichtigkeit und Natürlichfeit bed Original:

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uschleuchten zu lafien. Dieſe beiden SBeifpiele von ben äußer- ten Enden der Wiſſenſchaft und ber Kunft hergenommen zeigen yeutlich, wie wenig ber eigentliche Zwekk alled Weberfegend, mög» lichſt unverfälfchter Genuß fremder. Werke, durch eine Methode reicht. werben Tann, welche dem überfezten Werke ganz und gar ben Geiſt einer ihm fremden Sprache einhauchen will. Hiezu konnnt noch, daß jede Sprache: ihy eigenthuͤmliches hat auch in den Rhythmen für. bie Profa ſowol als die Poeſie, und bag, wenn einmal bie Fiction gemacht werben fol, ber Verfaſſer Bunte auch in der Sprache bed Ueberſezers gefchrieben haben, man ihn dann auch in den Rhythmen bdiefer Sprache müßte aufs treten laffen, wodurch fein Werk noch mehr entflellt, und bie Kenntniß feiner Eigenthümlichkeit, ‚welche bie Weberfezung ge— waͤhrt, noch weit mehr beſchraͤnkt wird,

Auch geht in der That dieſe Fiction, auf der doch die jezt betrachtete Theorie des Ueberſezers allein beruht, uͤber den Zwekk dieſes Geſchaͤfts weit hinaus. Das Ueberſezen aus dem erſten Geſichtspunkt iſt eine Sache des Beduͤrfniſſes für ein Volk, von dem nur ein kleiner Theil ſich eine hinreichende Kenntniß frem⸗ be Sprachen verſchaffen kann, ein größerer aber Sinn ‚hat für den. Genuß fremder Werke. Könnte biefer Theil ganz in jenen Übergehen: fo wäre denn jenes. Ueberſezen unnuͤz, und fchwerlich würbe jemand die undankbare Mühe übernehmen. Nicht fo ift es mit diefer lezten Art. Diefe hat mit der Noth nichts zu khaffen, vielmehr iſt fie dad Werk ber Luͤſternheit und des Uebers uuthed. Die fremden Sprachen Fönnten fo meit verbreitet fein MB nur irgend möglich, und jedem fähigen ber Zugang zu ib: ſen ebelften Werken ganz offen ſtehn; und es bliebe doch ein nerkwuͤrdiges Unternehmen, dad nur um fo mehre und ges Panntere Zuhörer um fich verfammeln würde, wenn jemand vers Praͤche und ein Werk des Cicero oder Platon fo darzuſtellen, Die diefe Männer felbft es unmittelbar deutſch jezt würden ges Eprieben haben. Und wenn einer uns. fo weit brüchte, tiek&

Odieierm. @. IIL 2 Q

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nicht nur in der eignen Mutterfprache zu thun, ſonbern garn in einer andern fremden, der wäre und dann offenbar der grl Meifter in der ſchwierigen und faft unmöglichen‘ Kunſt die ſter der Sprachen in einander aufzulöfen. Nut fieht man, -t würbe fireng genommen Fein Weberfezen fein; - und der In wäre auch nicht ber möglichtt genaue Genuß der Werks fell ſondern es würbe immer mehr eine Nachbildung werben, ı 171 recht genießen Tönnte ein folched Kunſtwerk oder Kunſtſtuͤkk der, der jene Schriftfteller ſchon fonfther unmittelbar Eennte. 1 ber eigentliche Zwekk könnte nur fein, im einzelnen bad glei Verhaͤltniß mandyer Ausdruͤkke und Combinationen -In- verfchie nen Sprachen zu einem beflimmten Charakter zur Anſchaur zu bringen, und im ganzen die Sprache mit Dem eigenthin chen Geift eined fremden Meifterd, aber diefen ganz von. fei Sprache getrennt und: gelöft, zu beleuchten. Wie num jenes n ein Eunftreiched und zierliches Spiel ift, und dieſes auf einer unmöglich durchzuführenden Fiction beruht: fo: begreift man. x dieſe Art des Ueberſezens nur in fehr fparfamen Verſuchen gei wird, die auch felbft deutlich genug zeigen bag im großen nicht verfahren werden Fariı. Man erklärt fi) auch, Daß gen nur ausgezeichnete Meifler, die fich wunderbares: zutrauen d fen, nach diefer Methode arbeiten koͤnnen; und mit Recht ı folche, bie ihre eigentlichen Pflichten gegen: bie Melt fchon erfi haben, und fich deshalb: cher einem- reigenden und etwas gefü Vichen Spiel überlaffen können. Man begreift aber auch. um leichter; Daß die Meifter, welche fih im Stande fühlen fo em zu verfuchen,- auf das Geſchaͤft jener andern Ueberfezer zieml mitleidig herabfchauen. Denn fie meinen, fie felbft trieben eige ich nur allein die ſchoͤne und freie Kunſt, jene aber erfchein ihnen weit näher dem Dolmetfcher zu flehen, indem fie Doch a bem Beduͤrfniß, wenn gleich einem etwas höheren, dienen. U bedauernswürbig fcheinen fie ihnen, daß ſie weit mehr Kunflu Mühe ald’Hilig auf Kin vntergeordnetes und undankbares @

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yaft verwenden. Daher fie auch fehr bereit find mit bem Rath, an möge boch flatt folcher Weberfegungen fich lieber fo gut man ante mit der Paraphrafe helfen, wie die Dolmetfcher in ſchwie⸗ gen und fireitigen Fällen es auch thun.

Wie nun? Sollen wir diefe Anficht theilen und biefem tath folgen? Die Alten haben offenbar wenig in jenem ei⸗ entlichſten Sinn überfezt, und auch bie meiften neueren Voͤlker, bgeſchrekkt durch. die Schwierigkeiten der eigentlichen Ueber: zung, begnügen fich mit ber Nachbildung und der Paraphrafe, Ber. wollte behaupten, e3 fei jemals etwas weber aus ben als ns Sprachen noch aus ben germanifchen in bie franzöfifche über: a6 worben! Aber wir Deutfche möchten noch fo fehr. biefem tathe Gehör geben, folgen würden wir ihm doch nicht. Eine mere Nothwendigkeit, in ber fich ein eigenthümlicher Beruf un: web Volkes deutlich genug ausfpricht, hat und auf dad Meber- zen in Maſſe getrieben; wir Tönnen nicht zusüff und müffen uch. Wie vielleicht erſt durch vielfältiges Hineinverpflanzen remder Gewächfe unfer Boden felbft reicher und fruchtbarer ges vorben ift, und unfer Klima anmuthiger und milder: fo fühlen vie auch, daß unfere Sprache, weil wir fie ber nordiſchen Traͤg⸗ git wegen weniger felbft bewegen, nur durch die vielfeitigfle Be⸗ Ahrung mit dem fremden recht frifch gebeihen und ihre eigne Rraft vollkommen entwilleln Tann. Und damit fcheint zufams uenzutreffen, daß wegen feiner Achtung für das fremde und feis m vermittelnden Natur unfer Volk befiimmt fein mag, alle hhaͤze fremder Wiſſenſchaft und Kunft mit feinen eignen zu: Vic) in feiner Sprache gleichfam zu einem großen gefchichtlichen 172 Benzen zu vereinigen, bad im Mittelpunkt und Herzen von Eu⸗ WR verwahrt werde, damit nun durch Hülfe unferer Sprache, Web die verichiebenfien Zeiten ſchoͤnes gebracht haben, jeder fo Ba und volllommen genießen koͤnne, als ed dem Fremdling nur Weich if. Dies fcheint in ber That der wahre geſchichtliche Dicht des Ueberſezens im großen, wie es bei und nun dnhnke

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244 miſch iſt. Für dieſes aber iſt nur die Eine Methode anwenbbar, die wir zuerſt betrachtet haben. Die Schwierigkeiten betfelben, die wir nicht verhehlt haben, muß die Kunft ſoviel möglich be fiegen lernen. Ein guter Anfang ift gemacht, aber dad meife iſt noch übrig. Viele Verfuche und Uebungen möüffen auch hie F porangehen, ehe einige ausgezeichnete Werke zu Stande kommen; und manches glänzt anfangs, was hernach von beffereim überbe: ten wird. Wie fehr ſchon einzelne Kuͤnſtler die Schwierigkeiten theils befiegt, theils fich gluͤkklich zwifchen ihnen durchgewunden haben, legt in mannigfaltigen Beifpielen vor Augen. Und wen auch minderfundige auf dieſem Felde arbeiten: fo wollen wit- von ihren Bemühungen nicht furchtfamermeife großen Schaden für unfere Sprache beforgen. Denn zuerſt muß feſtſtehen, daß in einer Sprache, in welcher dad Weberfezen fo ſehr im, gras gen getrieben wird, auch ein eigned Sprachgebiet giebt für bie « Ueberfezungen, und ihnen manches erlaubt fein muß, was fih annderwaͤrts nicht darf blikken laſſen. Wer dennoch unbefugt .

folche Neuerungen weiter verpflanzt, wird ſchon wenig Nachfol⸗ ger finden‘ ober Feine, und wenn wir die Rechnung nur nicht für einen zu kurzen Zeitraum abfchliegen wollen, fo koͤnnen wir‘ und ſchon auf den affimilirenden Prozeß der Sprache verlaffer daß fie alles wieder auöflogen wird, was nur eined voruͤberge benden Bebürfniffes wegen angenommen war, und ihrer Rat nicht eigentlich zufagt. Dagegen dürfen wir nicht verkennen, da} viel fchöned und Fräftiges in der Sprache ſich erſt durch WI Ueberſezen theils entwikkelt hat, theild aus der Vergeſſenheit | bervorgezogen worden. Wir reden zu wenig und plaudern mM hältnigmäßig zu viel; und ed ift nicht zu laͤugnen, daß ſeit g raumer Zeit auch die Schreibart nur zu fehr diefe Richtung nommen hatte, und baß bad Ueberfegen nicht wenig beig einen firengeren Stil wieder geltend zu mahen. Wenn eine Zeit kommt, wo wir ein Öffentliches Leben haben, aus web

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fih. auf der einen Seite eine gehaltvollere und fprachges ze Gefelligkeit entwilfeln muß, auf ber anderen freierer n gewonnen wird für dad Talent bed Rebnerd, dann wers wir vielleicht für die Fortbildung der Sprache weniger bed fezens bedürfen. Und möchte nur jene Zeit kommen, ehe den ganzen Kreis ber Ueberfegermühen würbig durchlaufen ı!

IV.

Ueber die Begriffe der verfchiedenen Staatsformen.

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-Vorgelefen den 24. März 1814.

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17 Ten höhere Verfland, aus dem fich die Keime aller Wiſſen fchaften almählig entwikkeln, äußerte fich fehe zeitig in dem Be fireben die unendliche Mannigfaltigkeit der natürlichen unverruͤllt im feften Geftalten fich erneuernden Dinge erft in große Maſſen zu ordnen, dann nach ihren geringeren Berfchiedenheiten fie in Gattungen und Arten zu theilen. In der Bildung und Ense terung ber gemeinen Sprache entfaltete fich dies Beſtreben ur ſpruͤnglich auf eine rein natürliche Weiſe; feitder der Verſtand mit Befonnenheit darauf zuruͤkkkam, und es kuͤnſtlich geflaftele, fehen wir die wiffenfchaftliche Naturbefchreibung in mannigfälle gen jezt fo dann anders gebildeten Verfuchen einen großen Keiche thum bed. wiffenfchaftlichen Lebens offenbaren... Wie oft hat mar bei näherer Belanntfchaft mit den Dingen einzelne Beflimmm gen widerrufen, Arten abgetrennt, ganze Gattungen anfgeft ‘und ander wieder vereiniget. Und wenn auch die großen Zügt auf denen die Haupteintheilungen ruhen, fefter fanden, un

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nanche felbft dann nicht wanften, als man deutlicher einſah, wie ie Natur ſich darin gefällt, gucd: dad, was ber Verſtand am chaͤrfſften zu ſondern pflegt, ſanfter und Fünftlerifcher durch alla naͤhlige Uebergänge zu verbinden, fo mußten..doch die Gründe iefer Eintbeilungen oft neuen Pnafungen unterworfen werben. Dem dad erſte was fich dem betrachteaden aufdraͤngt iſt bie mgere Erſcheinung; erſt fpäter. kann ſich der Verſtand das Spiel ıs er innern Zhätigkeiten zum Gegenfland vorlegen; und wenn ex wohmimmt, daß er fich noch neu in feinem Geſchaͤft und ginter ve Gewalt des Sinnes ſtehend im Trennen und Verbinden pe er allein habe leiten laſſen: fo tft ‚ex. unverdraſſen entweder ein Berk wieder zu. zerflören ober; nachzufpüren. wie jene großen herſchiedenheiten der "äußeren: Erfcheinung,. deren Anſpruͤche ex üht zuruͤkkweiſen kann, mit den Verſchiedenheiten der innern Ihätigkeiten der bildenden Natur‘ zufammenpängen, .. Noch im: ir werden aus. dieſem Gefichtöpunft neue Prüfungen und Um; Haltungen des Syſtems her Natur in einzeinen Theilen we: igftend unternommen; und baburch. wol am meiſten unterſchei⸗ m ſich die Natinkundigen von aͤcht wiſſenſchaftlicher Geſinnung, e wol allein #erdienen mit dem beſcheidneren Namen Natur⸗ riher genannt zu werben, von denen, welche fich keine höhere ufgabe fielen, als ein Regiſter anzufertigen, in bem man bie egenflänbe auffinben und i ber Spentität ber. oo Areitioen Haben koͤnne. F Faſt eben fo bald old bie. Natpebgfcreibung entfiand, fand ; ber wifienfchaftliche Verſtand auch angeregt jene großen gei- gen Geſtaltungen zu betrachten, in. denen, wiewol fie felbft ein er in bewußtloſer Nothwendigkeit gebildetes Werk ded Men: en. find, auch. der Menſch felbft, dies höchfte Werk der Natur, eder ald Beſtandtheil verfchwindet.. Die wiffenfchaftliche Be reibung. ber. Staaten, das Bellreben die auch ſehr munnigfal- en unter biefen Begriff gehörigen Erfcheinungen in wenige oße Formen zufammenzufaffen, .eben fo altald bie erfien Ver⸗

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fuche in der Naturbefchreibung, eben fo ſchon in der Sprache des gemeinen Lebens vorgebildet, hat doch eine ganz andere Ge |: ſchichte als diefe. Eines ift hiebei vorzüglich von Einfluß gemw fen. Daß unter den Erzeugniffen der Natur einige vollfommne find ald andere, in benen Nämlich das Welen des Lebens ſich unvollfiändiger ausfpricht und bürftiger entfaltet, dies wurde zwar bald bemerkt, aber ed konnte ben ordnenden Forſcher von R feinem natürlichen Gange nicht ablenken. Der Staat’ aber, be I. ee ein Gebilde des Menfchen felbft ift, fo wähnte .man ‚von ‚be Betrachtung aus nach "einem: vorfchwebenden Muſterbilde bei vollkommneren ſelbſt fchaffen zu koͤnnen. Fuͤr einen Wahn mih fen wir Dies ohne -weitered erklären; denn es iſt eine grobe Ver wechfelung: deffen was durch "die menfchliche Natur wird, mit dem was der Menſch macht. Noch nie ift ein Staat, auch de 19 unvolldommenfte nicht, gemacht worben; und ale Kunft kank, auf dem Gebiet des bemwußtlofen Wirkens, ber ‚geifligen Nater | nicht minder ald der Förperlichen nur einzeln und untergeorime zu Hülfe fommen. Diefer Wahn aber verurfachte: daß man bald die Staaten viel zu wenig als: geſchichtliche Naturgebilde betrachtete, fondern immer nur als Gegenſtande worauf ee Menſch kuͤnſtleriſch zu wirken Habe; wodurch dann ihre Vollkom menheit und Unvollkommenheit der Hauptgeſichtspunkt warb, und man Man ſaͤgen far die ganze wiſſenſchaftliche Behandlunz ber Sache ſich in das Beſtreben aufloͤſte, vor den Augen. ber Staͤatskuͤnſtler ein alleiniges:aligemeingeltended' Muſterbild bed Staates‘ aufzufteßen, zu weichen Sich alle frühere: Erfcheinungen nur als verungluͤkkte Verſuche verhielten, fo daß, wenn jenes ef zur Wirklichkeit. gediehen -wärd,: dann die ganze biöherige ‚Ge dichte nur jener Urzeit oder Unzeit gleichen. würbe, waͤhrend der, wie man gefabelt hat, auch die Natur ſichin abenteusiih hen Geflaltungen erfchöpfte, die weder beſtehen noch: fich.. wich | erzeugen -Fonnten ; indem ſie nur einzelne zerftreute Züge an fh | trugen von. dem wa8 leben kann und darfz die Fünftige Ge

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bte aber .würbe bann einem. mehr reichen als eben anmuthi⸗ Kornfelde gleichen,.. auf welchem. .die Saaten bis ‚zur lezten te aller menfchlihen: Dinge in. ewigem Frieden ‚neben einan: flänben, jeber fi). von dem andern durch wenig mehr unters hend ald durch bie. Stelle bie ex einnimmt. Je mehr nun 8. Beflreben ſich verbreitete, um deſto mehr. verlor die Ratur- zreibung bee Staaten alle Bedeutung: Denn ob fhlihe vor ige Nothſtaaten, ein Ausdrukk der den hoͤchſten Triumph r Anficht barftellt; ob. dieſe alt und neu unter beflimmte Be fe geftelt werben, und. wie biejed gelingt, das kann ‚völlig Hpültig.fein, wenn. doch in.einer. einzigen. Form bed Staates andern irgend einmal. zufammenfallen follen. Außer bies ſich ſo ſtark vorbsängenden Frage nady dem vollkommenſten at hat aber auch eine entgegengeſezte Anſicht wicht wenig bei⸗ agen dieſen Theil der Philoſophie zuruͤkkzuhalten. Wie naͤm⸗ die wiſſenſchaftliche Beſchaͤftigung mit den Erzeugniſſen der me immer iſt aufgemuntert und in Thaͤtigkeit erhalten wor⸗ durch die Anſpruͤche welche die vielen mit der Natur fi haftigenden Künfte und Gewerbe ſtets an fie gemacht, und h ‚bie Achtung welche auch von biefer- Seite. jenem wiſſen⸗ ftlichen Beſtreben immer iſt gezollt worden: fo. mußte natuͤr⸗ die wiſſenſchaftliche Beſchaͤftigung mit jenen. Etzeugniſſen Vernunft einer gleichen. Aufmunterung in demſelben Maag ehren, als ſich, wie ſeit geraumer Zeit geſchehen, unter ben 20 zatsbürgern unb Staatsmaͤnnern der Grundſaz immer. weiter breitete, alle Formen des Staates feien gleich gut wem: fie : gut verwaltet würden. Diefe Anficht leitet natuͤrlich alles terefie dev Betrachtung von dem höheren urfprünglichen Pro: ber Bildung und Entwikkelung der Staaten ab, und nur „jenen verhältnigmäßig Heinen Antheil Hin, den menfchliche nf an ber Sache hat, nämlich auf dad Geſchikk der Verwal⸗ 8. Denn wenn die Berfchiedenheiten in der Form ber Staa: gleichgültig find, was für ein Interefie kann man nnd, are

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an haben zu wiſſen wie dieſe Unterſchiede entftanben find: und worauf fie beruben® So ift hier fonderbar genug durch ein löb» liche Beſtreben, dad volllommene bervorzubringen, ein: anbertd eben ſo loͤbliches, nämlich das wirklich. vorhandene in feinen na 4ürlichen -Aehnlichleiten und. Verfchiebenheiten aufzufaflen,. immer gehemmt worben. Und dies find bie Urfachen, weöhalb die wiſ⸗ Fenfchaftliche Staatenbefchreibung in einer. weit duͤrftigeren Ge flalt auftritt ald die Naturbefchreibung, ſo daß. man -fich kaum wundern bürfte, wenn fie noch ganz am äußern haftend in dab innere ihres Gegenflandes noch gar nicht eingedrungen: waͤre. Die laͤngſte Zeit nun. hat man ſich bei der Verachtung ‚der Staaten an eine Eintheilung gehalten, bie.man füglich bie heb leniſche nennen kann, welche nämlich drei Hauptgattunges as nimmt: unter welche alle Staatäformen gebracht werden koͤnnen bie Demokratie, bie Ariſtokratie und die Monarchie, je nachden ‘die ganze Maſſe des Volks ober eine. befliminte Klafje, beöweges | die vornehmere, an ber Regierung theilnimmt, oder dieſe ſich w |, den Händen eines einzelnen befindet. Erſt vor. nicht langem it man inne geworden, daß bie .in ber neueren Zeit entflanbenm mantigfaltigen Verfaſſungen fich. unter. jene; Eintheilung nicht ſchmiegen wollen, und erſt ſeitdem hat fich die Meinung: geib bet, dies gerade ſei eine. Mebenfache ob die Megierung in den Haͤnden Einer oder mehrerer phyſiſchen Perſonen ſei, vielmeht ſeien in der Einheit der Regierung drei Thaͤtigkeiten zu unter ſcheiden, die geſezgebende, vollziehende und: richterliche, und die 4 «bei der Betrachtung des Staates zum Grunde zu legen, ſo daeß ob alle diefe Gewalten in Einer moralifchen: Perfon vereinigt ober unter mehrere vertheilt wären ben Haupteintheilungägrum ausmache. Diefe beiden Maffen von Grundbegriffen, die ein aus ber alten, die andere aus der neuen Zeit, find:es welche ich bier einer näheren Prüfung zu unterwerfen gefonnen bin, je | doch Lediglich in der Beziehung, ob jene helleniſchen Formen 2, wirklich. ald verichiedene Arten ber Staatöverbindung feſtſtehen

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ober nicht, und ob diefer Gegenfaz von ber Vereinigung ober Bertheilung der Gewalten fi dazu eigne Seflimmte Begriffe verſchiedener feft von einanber au fonbernber Staatöformen daraus zu, bilben,

Jene drei antiken gomen zuerſt erfcheinen bei näherer Be trachtung auf alle Weiſe fchwantend, fo daß fie burchgängig in einander übergehen und niit einander verwechjelt werben koͤnnen. Dder wie ließe fih wol eine Volksgemeinde denken, ohne daß einige, fei es durch ihre Kenntnig ber. Sache und durch die ı Gewalt der Rede, fei es auch durch ihren Privateinfluß auf ei» nen großen Theil der Bürger, die Wortführer. wären, bie übris gen aber einen geringeren mehr leibentlichen Antheil an den Ges fchäften nähmen? Wenn nun biejenigen, bie ſchon zeitig eine Ausficht haben auf einen folchen leitenden Einfluß, ‚die Schüler jener Wortfuͤhrer werben, ſich die Gewalt ber Rebe erwerben und bie verfchiedenen gangbaren Anfichten fi) aneignen, fo daß ſich eine gleichſam erbliche Weberlieferung bildet, und. bie Volksleiter ihnen ähnliche Nachfolger haben: fo wird ja bie Demokratie ſtets von einer Heimen Zahl reicher angefehener gebilbeter,: das heißt: ber That. nach ariftofratifch verwaltet, und wird..auch je mehr bie Maſſe fich bei ihrer Paffivität beruhigt um: fo mehr im Begriff fcheinen auch ber Form nad in Ariftokratie uͤberzu⸗ gehen, bis irgend ein Sturm vielleicht den: urfprünglichen. Zus fland herſtellt, da denn diefelbe Annäherung von: vorm. anfängt. Auf der andern Seite, wenn bie bemofratifchen Wortführer un⸗ ter fich zerfallen, und einer von:ihnen mit feinen Anhange durch eine meiſtens ziemlich gelinde Gewalt über die andern. fiegt. und fich der Regierung anmaßt: fo iſt genau genommen Fein weſeni⸗ Ticher Unterfchieb zwifchen biefem Siege auf längere Zeit, ber. ei- nen fcheinbar monarchifchen Zuftand berbeiführt, und jenen Sie gen bie fonft bei einzelnen Unternehmungen ein Partheibaupt, auch nicht felten durch unruhige Volksbewegungen, unb indem die loſe Freiheit der demokratiſchen Form nahe an den Rumult

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und die Anarchie flreifte, über die andern davongetragen hat. Serner, wenn nun ber fo entitandene Oberherr ober Tyrann bie Saiten zu Icharf anzieht, und Verſchwoͤrungen fich bilden, und dad Volk feine alten Rechte herſtellt: müffen wir dann ‚nicht fa gen ber Staat fei Die ganze Zeit über berfelbe geblieben, unb die Monardie fei nur fein Krankheitszuſtand geweien, wie auh die Ariftofratie die auf der Paſſivitaͤt der Maſſe beruhte nur ein 22 Krankheitäzuftand war? Kann aber ein Zufland, der ald Krank: heit vorkommt und vorübergeht, doch ald eine eigne Art des Da; fein ‚angefehen werden? Sezen wir hingegen ben Kal, bes Volk erlange feine Rechte nicht wieder, fondern die Haͤupter ber Berſchwoͤrung theilen. ſich in die ugrechtmägige Erbfchaft: fo wer: den fie, fo lange dies dauert, eine Ariftokratie darſtellen; aber wirb man bann fagen, es hätten in dieſem Lande unb unter bie fem Volke drei Staaten nach einander beflanden, ein bemokcats | feher, ein monarchifcher und. ein ariftofratifcher, ober wird nicht | jeder--fagen, .berfelbe Staat habe nach einander dieſe brei Veraͤn⸗ derungen erlitten? Sie find alſo Zuſtaͤnde, welche. ein und da 5, ſelbe Individuum nach einander annehmen kann; Tein einzelne Ding aber kann nach einander zu verfchiebenen Arten gehören. Ehen dieſen Kreid nun. Tann. bie, Ariftofratie durchlaufen; bemm die herrſchende Kaſte Tann ber. die andern Glieder bed State fo: weit. hervorragen, daß dieſe neben ihr kaum für Bürger zu haften ſind, und unter. ſich ganz demokratiſch conflituirt fein, und 1 alſo auch ihre Wortführer haben benen bad gleiche begegum Tann; und wem aus Folge einer. Partheiung Einer Her ge worben, Tan burch Gegenpartheiung das alte hergeftellt werte % ‚Ober wenn gutmuͤthige Ariſtokraten der Zahl nach fchwad ge s Horben fich mit dem Volk. allmählig verichwägern, und aus den Volk unter ſich aufnehmen; wenn auf ber andern Seite vernünß tige Demokraten zu zahlreich werben, und deshalb das Recht zur Vollögemeinde und zu ben Aemtern zwekkmaͤßig befchränten: ſo iſt beibes keine Staatöverwanblung, und hoch wird jene Arifie

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ratie biefer Demokratie fo ähnlich geworben fein, bag man fie richt anders .unterfcheiden Tann ald indem man die vorige Zeit u Hülfe nimmt.

Aber nicht bad nur, baß diefe verfchiedenen Formen nach inanber Zuflände befjelben Staatskoͤrpers fein koͤnnen; fonbern nich. in demfelben Augenblift kann berfelbe Staat daB eine fein wenn man amf ben Buchflaben, ein andered aber wenn man auf bad wahre Weſen ficht, wie auf gewiſſe Weife fchon im obigen liegt, auf andere aber noch mehr erhellt auß folgendem. In eis ner Demokratie haben doch die Knechte nie dad Recht ber Ges meinde, benn es ift wider bie Natur. Wenn nun von den Knechten viele: freigelaffen werben und eigenes Hausweſen bil den, und ſich vielleicht über bie Zahl ber Bürger mit vollem Rechte vermehren, ihre Nachlommen aber, weil durch bie Abs ſammung Tenntlich, eben fo wenig dad gemeine Necht erlangen us die Vaͤter: würden dann nicht im Staate zwei Kaften fein wie in Ariftofratien zu fein pflegen, und wie foll der Staat ges: 23 Kannt werben, fo ober fo? Oder wenn in einem Staat bie Ges femmtheit des Adels dad Megiment führt, es giebt aber außer dem Adel nichts als kleine Leute die ihm eigen find, wie wollt ihr den Staat nennen? Denn wenn wir biefe, Die Bauern und Handwerker, ihres Gewerbed wegen ald Wolf anfehn: fo iſt ja gewiß der Staat eine Ariſtokratie. Wenn wir aber bedenken, daß. jeder Adeliche mit feinen Eigenen nur Ein wenn ‚gleich ſehr erweitertes und vielleicht über viele Ortfchaften verbreitetes Haus⸗ weien ausmacht: fo werben wir geftehen müflen, dad Regiment ſei bei der Geſammtheit der Hausväter und alfo demokratiſch.

So ſteht ed demnach mit diefer Eintheilung, daß feftgefons berte Arten des Staats dadurch nicht fcheinen bezeichnet zu fein. Und dies hat fich nicht etwa ergeben, weil wir bie bei und oft gemißbrauchten Ausbrüffe auch mißverfianden haͤtten; fondern von ben eignen Erklärungen ber Hellenen, bei denen fie einheis milch waren, iſt alled ausgegangeg,. Dennoch aber küinnen Wr

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Begriffe, bemofratifch ariftofratifh und monarchiſch, nicht ler fein; denn fie find nicht erfunden oder gemacht, gleichen alfa. ki: neöweges jenen fünftlichen Klaſſen und Orbnungen in ber Ne turbefchreibung, denen kein lebendiger Typus ded ganzen Dafeind zum Grunde liegt, fondern im Gegenfaz mit jenen gleichen fie vielmehr den natürlichen Familien und Gefchlechtern. Denn biefe Ausdruͤkke find in der heilenifchen Sprache lebendig gewachfen und als leitende Begriffe darin firirt, und muͤſſen alfo auch eis nen felten Inhalt haben. Nur ift nicht zu laͤugnen baß man die neueren großen Verfaffungen faft gar nicht unter fie bringen kann, indem ſich in denfelben nicht nur Elemente die man be mokratiſch und folche Die man ariftofratifch nennen muß, unter fi und mit monardifchen häufig ‚vereint finden, ja daß man oft, wenn man fie mit jenen Begriffen vergleicht, nicht weiß ob man Einen Staat oder mehrere vor fich hatz fondern auch wenk |: wir auf bie Monarchie allein fehen, fo- bieten die einzelnen Staa ten die unter dieſen Begriff fallen größere und auf bad game | haͤusliche und öffentliche Leben einflußreichere Unterfchiebe bar, als wodurch jene Gattungen fi) von einander unterſcheiden, went wir auf das hellenifche Leben fehen zu der Zeit wo jene Verſaß fungen in ihrer hoͤchſten Blüthe fanden. Und dieſe Vergleihung E vorzüglich, nicht dad was wir bis jezt fehwieriged an jenen ab ten Begriffen auseinandergefezt haben, iſt Veranlaffung gemor ben, daß bie neueren jene alte Eintheilung als für die feften Un as terfchiede der Staaten unzulänglich verworfen, und bafür den Gegenfaz von ber Trennung und Vereinigung ber verfchiebenen Sewalten aufgeftellt haben, ben ich nun eben fo betrachten will. Wenn die Regierungsthätigkeit wirklich aus drei beſtimmt zu unterfcheidenden Verrichtungen, ber geſezgebenden, vollziehe den und richterlichen befteht: fo koͤnnen dieſe freilich. auf verſchie⸗ dene Weife vereinigt und getrennt fein. Aber ohne mich darauf zu berufen, daß noch niemand weder nachgewielen bat, bie na tuͤrliche Staatöbildung ſei jemals diefem Schematismus gefolgt,

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efchichtlich gezeigt, die am meiſten von einanber abweichen: taaten unterfchieben fich wirklich. hauptſaͤchlich in Gemäß» eſer Trennungen und Verbindungen, will ich zunächft nur ftehen bleiben, daß bie ganze. Vorausſezung näher betrach⸗ bt flatt findet. Denn die richterliche Gewalt beſteht aus defentlich ganz ;verfchiedenen Zweigen, ber bürgerlichen Ges arkeit und der Strafgerichtsbarkeit. Die erfte hat es nur rethümern zu thun oder mit verfchiebenen Anfichten welche den Tonnen über die Anwendung der gefchriebenen ober hriebenen Gefeze auf einen vorliegenden Kal. Dem wenn wifientlich dem andern fein. Recht vorenthält: fo fällt jerfahren fireng genommen als intendirter Betrug fchon ber jerichtöbarkeit anheim. Iſt aber nicht das Audgleichen fols älle eine bloße Ergänzung entweber des Bewußtſeins über le Erwerbung des Eigenthums mit dem Staat zugleich or ihm, und dann rein gefchichtliche Auslegung, ober ber benden Thätigkelt bie jene Erwerbung beftätigt hat ober cirt, und bann ihr angehörig, wie denn die Verhandlun⸗ nd Refultate der Rechtöpflege überall die Grundlage geben läuterungen und Verbeflerungen ded Coder? Und müflen bie Perfonen als ein Beſtandtheil der gefeggebenden Gewalt ben werben, bie ihe fo vorarbeiten und fie ergänzen? Was ne Strafgerichtöbarkeit betrifft: fo ift fie als Kriegführung den -inneren Feind eben fo weientlich ein Theil ber volls ben Gewalt wie die Kriegführung gegen ben äußeren Feind. alt die Dreiheit in dieſer Eintheilung fchon weg, und es nur die einfache Zweiheit übrig, welche in Bezug auf Ver⸗ ng und Trennung betrachtet und in Vergleich mit den obis utiten Begriffen folgende Fälle ergiebt. Gefeggebung und ehung vereinigt, welches, fei nun beides in Einem ober in n oder in allen, nach dieſer Theorie der despotiſche Staat aum ein Staat iſt; Gefeggebung und Vollziehung getrennt, ber beibe in vielen, welches eine Republit wäre, ober hieikn

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in Einem und jene in vielen, welches eine verfaffungägäßige Monarchie wäre; denn bag Einer koͤnne der Gefezgeber fein. und viele die Vollzieher, wird niemand für möglich halten, wiewol aus ben Begriffen felbfi keinesweges erhellt, warum nicht. Die wenigen Rubriken, bei benen nun boc die alten - Begriffe zu Hülfe müflen genommen werben um fie zu Stande zu. bringen, wollen aber auch. Feine Hilfe leiften um bie vorhandenen ver⸗ ſchiedenen Staatsformen zu ordnen. Denn betrachtet man die, in denen ſich getrennte Gewalten zeigen, ſo wird man uͤberall finden, daß entweder das Organ welches die geſezgebende Gewalt repraͤſentirt etwas von der vollziehenden, oder umgekehrt das die vollziehende Gewalt repraͤſentirende etwas von der geſezgebenden am ſich gezogen hat, daß ed auch bier auf jeden Fall noch anderer Erklärungen bebarf und ein anderer Geſichtspunkt muß aufgefucht werden. Aber noch find wir nicht einmal fo weit; denn ich muß noch weiter fragen, wer. kann feſte Grenzen ziehen zwilchen ber geſezgebenden Xhätigkeit und ber vollziehenbent Nicht etwa deshalb nur, weil unter einem gewaltthätigen Regan | ten immerfort die vollziehende Gewalt in bad Gebiet ber. gel gebenden eingreift, fogar ohne dag. man ihr nachweilen Bann, fe | babe den Buchſtaben der Form verlegt; fondern ganz allgemein möchte ich behaupten, daß wenn man anderd. die vollziehende Zhätigkeit fo faflen will, daß fie eine eigenthümliche und. gleh |, unmittelbare Aeußerung ber Staatögewalt fei wie bie gelezge bende, man beflimmt im Begriff feine Entgegenſezung zwiſchen | beiden fefthalten inne, wodurch fie völlig und allgemein guͤllig gefchieben würden. Denn wenn man bavon auögeht, die Gele |. ‚gebung babe ed mit der Einheit ded allgemeinen zu thun, die Bollziehung aber mit der Vielheit bed befonberen in allen unter jened allgemeine gehörigen Fällen: fo iſt dieſer Gegenfaz zwikhen 4: dem allgemeinen und befonderen doch nur ein fließender; deu . jedes allgemeine kann auch ald ein befondered angejehen werben, A. weil es zu jebem ein voch allgemeineres giebt und umgebehkt,

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nd wie wenig entfpricht es dieſem Gintheilungdgrunde, wenn in Privilegium oder ein Monopol zu ertheilen, das boch nur venige trifft, ein Act der Gefezgebung ift, den Krieg und Fries vnöftand aber zu beflimmen, wobei das allgemeine Wohl aller weit mehr betheiligt ifl, von der vollziehenden Gewalt abhängt. Seht man hingegen davon aus, die Geſezgebung müfje ihrer Natur nach überall das erfte fein, und die Vollziehung das zweite: {6 wird auch jener erſte Act, wenn die Gefezgebung nicht im unfihtbasen verfchwinden fol, aus mehreren Theilen beftehen, 20 und manches davon eben fo gut Finnen zum zweiten Act gerechs net werben. Nur ein Beifpiel flatt aller möge die Sache erläus tm. Es gehört in vielen Staaten zum Gebiet der Gefezgebung de laufenden Abgaben zu beſtimmen; die Art und Weife der Ehebung, die Beſtellung des dazu nöthigen Perfonals fat ſchon als zweiter durch jenen bedingter Act dem vollziehenden Organ mheim. Aber diefe Zheilung ift an und für fich ganz willkuͤhr⸗ th. Denn man tönnte eben fo gut fagen, fchon jener erſte Act erfalle in zweie, nämlich in Feſtſtellung der aufzubringenden Summe, und in die Bellimmung der Objecte und Handlungen, on denen fie folle genommen werden, und nur jener eigentlich fe gehöre für die Gefezgebung, der zweite beziehe fich fchon ehr auf bie Art und Weiſe der Herbeifchaffung, und werde da⸗ er billig der vollziehenden Gewalt überlaffen, die, wenn fie weife L, gewiß eben fo richtig verfahren werbe, wie eine weife Gefez- ebung es nur koͤnne. Oder eben fo Tönnte man umgekehrt fas en, beflimme die Gefezggebung einmal die Abgabe, was fchon se Art und Weife der Erhebung ber Summe gehöre, und habe fo ihre Schranken durchbrochen; fo Eönne fie eben fo gut nun uch alles übrige feflfegen. Und fo wird ed immer aus Mangel n fihern Grenzen entgegengefezte Anfichten geben, deren eine iefe die andere jene Gewalt ausdehnt und ihr Gegentbeil bes hraͤnkt, bis die eine faſt alles geworden iſt im Staat und bie nbere faft nichts. Denkt man nun aber gar e gie um Te Eqdleſctm. ®. II.2. R

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ı Grenzen beider Gewalten und ihre Geflaltung: zu beflimmen eine Gonftitution: fo verfehwindet für den Begriff der Gegenfaz bei ber Gewalten noch mehr. Denn wenn eine Conflitution nicht bloß formell ift, und eine folche hat in der Wirklichkeit noch nie beftanden: fo muß fie wenigftens in gewiſſen Hauptpunkten dab eigenthümliche Weſen des Staatd ausdrüffen, aud welchem # dad gefezgebende Organ nicht herauögehen darf, und wird all dieſes befchreiben; ja man kann fagen, je vollfommner bie Con ; flitution ift, um deſto mehr läßt fich die gefammte laufende Ge feggebung nur als Vollziehung anfehn; denn fie hat nichts m | thun, ald fortwährend bie Gonflitution auf die vorkommenden | Umftände anzuwenden und in ihnen zu realifiren, fo daß fie nut bem Grade nach von ber eigentlichen Vollziehung verſchieden if, Hat aber der Staat Feine Art von Conſtitution, fo fcheint & faft als könnten auch die beiden Gewalten nur getvennt fein in der Form verfchiedener Behörden; dann aber wirb alles willkuͤhr 27 ih und fließend, und nichts kann auf allgemeine Weife im Be griff feftgehalten werden. Wenn aljo bie vichterliche Function ganz in ben andern beiden verfchwindet, und dieſe begriffemäßig nicht koͤnnen ſtreng gegen einander abgegränzt werben: fo koͤnnen fie freilich auf gar verfchiebene Weife hie und bort geflaltet fein, aber nur ein felled Princip um die große Mannigfaltigkeit der Staatsformen danach zu ordnen gewährt dann dieſe ganze Ber trachtung nicht; ſondern es kommt vielmehr darauf hinaus, daß in jedes einzelnen Staates Verfaſſung oder Obſervanz bad Ge biet der einen von dem der andern zwar beſtimmt kann getrennt fein, daß aber diefe Grenzbeflimmung in jedem Staate ber nicht blindlings einem andern nachahmt, fondern fie unabhängig aus. feinem Bebürfnig und feiner Natur gemäß ordnet, eine anben fein wird, fo daß wir auch von hier aus allmählige Uebergänge die Menge finden, aber Beine feſte Klaffen und Abtheilungen Dennoch können auch dieſe modernen Begriffe eben fo wenig lee; fein alss jene antiken; denn wenn fie auch von Anfang an vie },

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cht etwas mehr Bezug auf die bloße Theorie gehabt haben als we, fo find fie doch zu leicht und allgemein in die Sprache der Witifch gebildeten Völker unferes Welttheils übergegangen, als 5 fie nicht etwas mit der verfchiedenen Geftaltung der Staa: n auf. dad genauefte zufammenhängendes enthalten folten. Es nn daher nur an der Art ber Unterfuchung liegen, wenn wir . beiderlei Begriffen weber gefunden haben was wir fuchten, ch auch den Grund entdefft warum fie dad nicht enthalten anen; und 'ed wird und vieleicht beffer gelingen, wenn wir nen andern Weg einfchlagen und den Inhalt diefer Begriffe cht ald gegeben behandeln, fondern vielmehr genetifch aufzus ſſen fuchen.

Denn die allgemeine Zrage, welches find die verfchiedenen xten des Staates? muß ſich auf diefe andere zuruͤkkfuͤhren laſ⸗ n, auf wie verſchiedenerlei Weiſe kann ein Staat entſtehen? yenn jeder entſteht ja gleich nicht als ein Staat im allgemei: en, ſondern als ein folcher und folcher fonft nämlich gäbe 3 überhaupt nur verfchiedene Zuflände, nicht verfchiedene Arten & Staates die Form aber, die ein Ding in feinem Entſte⸗ en zeigt, iſt auch die unter der ed fortbefteht, wenn es nämlich affelbe Ding bleibt und die Form bed vollendeten Entſtehens ichtig aufgefaßt worden. Wir muͤſſen alfo zunächft überhaupt ragen, wie und wodurch entfteht ein Staat, naͤmlich aus feinem Begentheil dem Nichtflaat, und müffen dabei Achtung geben auf 8 was hiebei immer baffelbe fein muß, und was Davon aud) verfchieben fein kann, namlich nicht fowol auf unbeflimmte Weife 28 verfchieben, denn dieſes koͤnnen wir nicht brauchen um Arten ber Etaatöform feftzuftellen, fondern was auf beflimmte Weiſe ver: Wieden ift. Indem ich mich aber auf die Frage zuruͤkk⸗ Serfe, woburd der Staat entftehe, fo bin ich keinesweges ge: Ammen den alten Streit darüber zu erneuern, ob der Staat auf Uriche Weiſe entſtehe oder auf menfchliche, und im legten Fall 6 durch, Ufurpation oder durch Vertrag. Sonden ih man &

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' ® .

nur fo, Indem fi) ein Staat bildet, was entſteht das vorher | noch nicht da gewefen? Diefed aber fcheint nicht ſchwer zu de antworten. Dad immer fchon vorher da geweſene, ber Stoff gleihfam des Staates, ift ein Volk, eine naturgemäß zuſammen gehörige und zufammen lebende Maffe, ohne Bolt kein Star Wenn wir und Menſchen von allerwärtd ber zufammen gekis ben oder geweht denken, und biefe koͤnnten auch unter Ger gebracht werden, wie bie Sage bad alte Rom barflellt: fo wer ben wir biefe Doch fchwerlich eher einen Staat nennen, bis wir auch die Mafle ein Volk nennen können, nämlich bis Boden um Menichen von einander Befiz genommen haben, bis wenigſtens ein zweites Gefchlecht Eingeborner da ift, welches durch Anhänglichtet an ben gemeinfamen Boden und an die gleichen-Lebensbedingum. den auch auf eine natürliche Weife verbunden if. Der Start aber ift die Form bed Wolfed, dad Volk ift nur völlig audgebib bet, wenn fich dieſe Form rein und vollendet in ihm darſtellt. Aber dad Volk ift eher ald diefe Form an ihm fichtbar wird feine erften Zuflände find nur Annäherungen zu berfelben; * wenn wir gleich keinen Staat mit geſchichtlicher Gewißheit auf feinen erſten Anfang verfolgen koͤnnen, fo giebt es doch m unferm Bereich Völker die auch jezt fireng genommen noch nicht im bürgerlichen Verein fondern nur in den Annäherungen bag leben, fo daß wir beide Zuftände wol mit einander vergleiche koͤnnen. Ruͤkken wir nun die Punkte fo nahe ald möglich ze fammen; ein fchon vorgefchrittened Bolt, dem gleichfam nur no bad rechte Wort fehlt um bie Form des Staates zu finden, ii einen gleichfam friſch und möglichft leicht aus jenem Zuflankfl bervorgegangenen Staat: fo wird in diefem faſt ganz bafief: fein wie in jenem. Die Gefchäfte die die Nachbarn in Horde trieben, werden die Bürger im Staate forttreiben, ein mweiternder Einfluß deſſelben auf ihre naturbildende kann nur allmählig eintreten. Was im Staat als Recht wir Pflicht feſtſteht, wird ziemlich baffelhe fein, was vorher SUR

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md Gewohnheit war; und wenn bie Bürger im Staat durch ab. Gefez zuſammen gehalten werden, fo hielten auch die Nach: 20 zarn in der Horde zufammen, und ganz von felbft hätte Feiner ich von den andern getrennt. Nur bied erfcheint als der ſchnei⸗ ende Unterfchied, vorher wenn fie bafjelbe trieben war ed bee wußtlofer Inſtinkt, fortgepflanzte Gewohnheit, jezt iſt es eine mit Bezug auf bie Bebürfniffe ded Ganzen unternommene und ver kheilte Arbeit; : wenn vorher einer Rache übte, handelte der von ben andern ſtillſchweigend gebilligte und getheilte Affekt, jezt tritt an feine Stelle die vom Geſez beflimmte Strafe; und vorher wenn fie zufammenblieben war ed eine wahrhaft. mechanifche Cos haͤſion des gleichartigen, jezt ift ed Waterlandötreue, die zwar an. ſich Teinen höheren Grad und feinen weitern Umfang hat als jene, aber bie ſich ald das erkennt was fie ifl. Kurz, inbem. ber Staat wurde, ift nur bie fonft fchon vorhandene Gefinnung und. Thaͤtigkeit im Gefez zufammengefaßt und bargelegt worden; was da war ift nun auch auögefprochen, die bewußtlofe Einheit und Bleichheit der Maffe hat fich in eine bewußte verwandelt, und dieſe Entfichung des Bewußtſeins der Zufammengehörigkeit iſt das Weſen des Staates. Allein wie ed kein Bewußtſein giebt ab nur mit dem Gegenſaz zugleich: fo beſteht auch im Volk das Benußtfein feiner Zufammengehörigkeit nur im Gegeufaz . mit Ben Bewußtfein des Fuͤrſichbeſtehens jedes einzelnen. Daraus det fich der Gegenfaz von herrfchenden und beherrfchten, von Wegierung und Unterthan; dieſer ‚irgendwie gebilbete Gegenfaz M das mefentliche Schema des Staates, und dad Beſtreben die kn Gegenfaz umd mit ihm dad Bewußtſein von bem Werhältniß les einzelnen zu einem beflimmten Naturganzen hervorzurufen, em ganzen Leben einzuprägen und felbfithätig zu erhalten, iſt & was ich im engeren Sinne den politifchen Trieb nenne. Ehe Nefer nämlich erwacht ift, giebt es Feinen Unterfchieb zwifchen dem Bein und Thun des einzelnen und dem Sein und. Meflchen WB Ganzen; das dunkle Gefühl des gefelligen Menſchen vor dem

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bürgerlichen Verein, ähnlich jenem unvollkommnen kindiſchecc⸗ wußtſein, welched fich und den Gegenftand noch nicht recht einander zu halten weiß, unterfcheibet fi) als einzelne nicht beſtimmt, und ſtellt eben fo wenig fich beſtimmt das SS gegenüber, fo daß ale Handlungen innerhalb des Ganzen ns ſer Hinfiht nur Eine gleichartige Maffe bilder. So vie = uns aber den Staat denken auch fhon in feinen erften Au gen, fo ift mit dem Bewußtfein ded Ganzen auch dad bei- terſchiedes zwifchen dem einzelnen und dem Ganzen erwacht, / Selbftbewugtfein und fomit auch ber Selbfterhaltungätrieb za zo FAN in zwei vorher ungefchiebene Momente, nämlich bad Primt intereffe und ben Semeingeift, und wenn auch nicht beflinmt zwei Klaſſen von Menfchen, doch zwei fich beflimmt auf einen ber beziehende Maffen von Handlungen treten aus einanber. Di Handlungen ber Unterthanen als folcher oder das ganze Gebiel der Gefchäftigkeit im weiteſten Sinne find biejenigen Handlun gen, welche. dad Bewußtſein der Einheit bed Ganzen und be Gleichheit aller Theile mit dem Ganzen nicht unmittelbar in fd tragen, Diejenigen welche die einzelnen zunaͤchſt nur auf ſich al einzelne beziehen, aber die eben deshalb auch, wenn anders Di einzelnen wirklich Bürger find, ſich abhängig erklären von de anderen Reihe. Dieſe, die Handlungen der Obrigkeit, ober ia weiteften Sinne Recht und Gefez, find diejenigen Handlungen welche nur jenes Bemußtfein ausdrüffen, welche unmittelbar mu dem Ganzen, nicht auch. dem einzelnen, der fie gleichfam zumal . verrichtet, beigelegt werben, welche Reihe aber eben deshalb and firebt fich überall jener andern Reihe einzubilden. Denn nur i der Vermittlung biefed Gegenfazes ift das wirkliche bewußte We ben des Staates. Geſez und Gefchäft beftehen in ihm mu in Beziehung auf einander; ift das Gefchäft nicht dem Geſez gemlt tig, wirft das Gefez nicht auf das Gewerbe ein, fo ift fein Stud vorhanden. | Fragt man aber, Wie fol denn aus jenem Unbewußtſen

vaB Mewußtfein, aus dem Nichtflant der Staat entſtehen: fo wei äch freilich mit Reiner Erfahrung zu antworten, bie wie ges (ost miemals fo weit hinaufgeht, fondern nur mit einer voraus: geletzten und fehr unbeftimmten Geſchichte; denn Erdichtung will N fie auch nicht nennen, da fie wirklich die allgemeine Geſchichte aller Staaten enthalten muß, ich meine die unbeflimmten Grunds & wage deſſen, was uͤberall den Zwiſchenraum zwiſchen beiden Ge⸗ va Men, dem Zuſtande ben wir vor dem Staate kennen und ben ae, Mften Zuftänden des Staates, bie wir ſchon gefchichtlich kennen, sche Bier fo dort etwas anders wirklich auögefült hat. as 3 Zum Bewußtiein muß der Menſch überall gewekkt werben; SE ie fehr feine eigenthuͤmliche Kraft auch von innen treibe und "# beite, fie bebarf doch immer auch eined Stoßed um wirklich ©: beraußzufchlagen; fo jeder Moment der Geburt und ber Offen: ® Barung, aber auch die Erfindung und die Begeiſterung bedürfen E eines wenn gleich oft ganz verborgen bleibenden Anlaſſes. We⸗ ° ber jene innere Arbeit ber geifligen Kraft, die bier in allen Faͤllen >20. ;biefelbe fein wird, noch diefen Außeren Anlaß, der ohne dies fehr SE 'verfchieden fein Tann, vermögen wir aus bem Dunkel hervorzus ss si‘ sieben. Das aber leuchtet ein, Woher auch wenn bie innere = -Borbereitung erfolgt iſt und ein äußerer Anlaß alfo wirkfam wer: ve; dm kann, woher auch dann biefer Anſtoß zum politiichen Er- un wachen kommen möge; in jedem Falle werden wir uns benfen ws Ünmen, baß er die ganze zum Staatwerden reife Maſſe einer ; Rölkerichaft entweber gleichförmig berührt ober ungleichfoͤrmig. Im erften Falle wird auch jener Gegenfaz fich gleichförmig in allen entwilkeln, in jedem wirb Recht und Gefez fich bilden und das Gefchäft fich davon fondern, und dem Weſen nach in jedem gleich rein und Eräftig. Alfo werden auch nicht einige fich aus⸗ ſchließend ald Herrfcher erheben, und andere ſich ausſchließend als Unterthanen beugen; fondern der Gegenfaz von Obrigkeit und Unterthan wird in jedem Bürger ganz fein. Alle werden in ges wiſſen Momenten fich vereinigen müffen um die Obrigkeit bar:

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zuftellen, und in anderen wiederum fih ttennen um fi) als Um terthanen zu zeigen; und dies iſt die Demokratie, ber durch gleichförmiges Uebergehen einer in fich gleichartigen Volksmaſt in das politifche Bewußtſein entflandene und diefe Gleichförmip' keit darftellende Staat. Weil aber in diefem Staat Gemeingaf und Privatintereffe fich in jeded einzelnen Bewußtfein unmittd bar und immer berühren, wird ber Gegenfaz zwiſchen beiben u ſchwach aus einander treten, eben deshalb aber auch beibes fi nieht innig genug durchdringen; vielmehr das fich haufig durch Ereuzende Privatintereffe wird auch den Gemeingeift trüben mb. „ben, öffentlichen Willen ungleichförmig machen. Der Bürger is ber Volksgemeinde vergißt nicht feine Werkftatt, und bezieht fe berathende Stimme mit auf fein Geſchaͤft; der Bürger in Werkſtatt vergißt Die Gemeinde nicht, und bezieht fein Gef mit auf feine politifche Würde. So unmittelbar und tumu riſch einander begegnend flößt dann beides oft hart an-ei wenn einer im andern bad Privatinterefie da findet, wo Gemeingeiſt fein. follte, die Bewegungen find unruhig, das ſez ſchwankend, das Geſchaͤft unficher, und fomit ber ganze S ſchwach. Im andern Fall, wenn eine in fich gleichartige im Ganzen zum Staatwerben gleich reife Maffe von dem flat bildenden Anſtoß dennoch ungleichfoͤrmig beruͤhrt wird, kann di Ein einzelner fein den er vorzüglich trifft oder mehrere. das politifche Bewußtſein ſich nur in Einem aus einer ſolche Maſſe entwikkle, iſt freilich kaum anders zu denken als in ein Moment, wo gerade fein Geſchaͤft und Talent ihm einen uk 32 gezeichneten Einfluß giebt, und die Menge das Bedürfniß eſ ben fuͤhlt, oder es müßte denn ein fremder in dem es von H & her ſchon entwikkelt ift unter eine ungebildete aber doch 7 Staatwerben einigermaßen reife Maffe verfchlagen.. werden, man denn von vielen Staaten glaubt daß fie durch Einwan ver zuerſt gebildet worden. Daß es ſich in mehreren zuglt entwikkle iſt aber noch ſchwerer zu denken. Denn der auch m

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um ein weniges früher auöbrechende wirb fchon immer den Vor: sang vor ben andern haben, benen nur übrig bleibt fich ihm als die erften.. anzufchliegen. Oder wenn wirklich mehrere zugleich anfangen .en Staat bilden zu wollen: fo wird entweder ein Kampf entftehn in welchem Einer fiegt und die andern in bie Maſſe zurüfktreten, oder ein MWetteifer während beffen fich ber golitifche Trieb befto leichter ber ganzen Maſſe mittheilt. Blei⸗ ben wir jedoch dabei, die politifche Entwikklung beginne in Ei: nem: fo wird freilich ein folcher dad in ihm erwachte Bewußt⸗ fein den andern, fofern fie dazu reif find, mitzutheilen im Stande fein, und fie ihrerfeitö werden ‚ed, weil ber natürliche Keim dazu in ihnen nicht minder ſchon liegt, gewiß auch aufnehmen; aber indem es fich nicht urfprünglich in ihnen entwilfelt hat, und fie es alfo auch nicht von dem gegebenen Anlaß aus felbfifländig fortbilden tönnen, werben fie dadurch nur geneigt gemacht wers den von jenem abzuhangen und fich von ihm leiten zu laffen, und dies ift die urfprünglichfte und einfachfie Monarchie. Kann aber wol aus einer fonft gleichartigen Maſſe Einer in feiner pos litiſchen Entwikklung den andern allen fo vorausgehn, dag nicht, wenn einmal durch ihn gewekkt und in dad Ganze immer mehr bineingelebt, die andern ihm wenigſtens allmählig nachlämen, früher. freilich wenn er ein einheimifcher und fpäter wenn er ein fremder war? und wird dann nicht diefe Monarchie fich wieder neigen zur Demokratie und früher oder fpäter auch wol wirklich in fie übergehen? und wenn flufenweife, gefchieht es dann nicht Durch eine Art von Ariſtokratie? Auf der andern Seite aber wenn im ber urfprünglichen Demokratie ein zufammengefezteres zegered Leben eingetreten iſt durch den Staat, wie er denn. ims mer allmählig dad ganze Daſein erweitert: Tann dann wol die Gleichheit des politiichen Lebens fo fortbeftchen, daß nicht einige nur, oft auch Einer ein entfchiedened bald formlofes bald beftäs tigtes Uebergewicht übt, und werben dann nicht, wenn auch vors übergehend, ariftofratifche und monarchiſche Zuflände entweder

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ſich einfchleichen oder gewaltfam feftgeftellt werden? So kommt |

‚uns demnach von allen Seiten das alte Spiel bed Wechſels der 33 Drei Formen wieder; aber zuerfi fehen wir es gefonberter un begreifen beffer, wie in einigen folchen Staaten die Demokratie das herrfchende bleibt, weil fie das urfprüngliche war, und in bem Ganzen die Annäherung zur Gleichheit vorberrfcht, bie fih da ber, wenn fie auf eine Zeitlang verrüßtt worden ift, wieder ber: zuſtellen ſucht, und wie in andern biefelbe monarchifche Form, - die in jenen nur vorübergehend vorkommt, das herrfchende bleibt, weil fie das urfprüngliche war, und weil dad Ganze ſich mehr zu einer Entwikkelung ber Ungleichheit feiner Glieder hinneigt. Bor allen Dingen aber erfcheint und dieſes ganze Verhaͤltniß der drei Kormen befchränkt durch die urfprüngliche Vorausſezung, und nur aus ihr begreiflih. Denn was wir angenommen ha—⸗ ben, jened leichte ruhige Entflehen des Staates, jener- geringe Unterfchied zwifchen dem Zuflande im Staat und dem vor bem Staat, jene Sleichheit und gleiche Zufammengehörigkeit ber ſich zum Staat verbindenden Maffe, died alles kann, wie gewiß je ber leicht zugiebt, nur flattfinden in dem engen Gebiet einer eim seinen Wöllerfchaft oder Horde, welches wir auch damals gleich auöfchliegend ind Auge gefaßt haben. Nur von einer folchen Demokratie begreifen wir warum fie mit monarchifchen Zuflän den wechfelt, und nur von einem folchen Königlein, deſſen eigner politifcher Sinn nicht über feine Horde hinausgeht, und deſſen Reich fih auch in "diefen Grenzen hält, nur von einem foldyen wiflen wir daß unb warum feine Monarchie in einer natürlichen Hinneigung iſt zur Demokratie. Vermoͤge diefer Vorausſezung aber find alle folhe Staaten, welche Form auch in ihnen dab Uebergewicht haben möge, fich unter einander mehr ähnlich, und Dagegen von benen, bie einen größeren Umfang einfchließen, viel weiter abweichend ald nad Maaßgabe des Unterfchiebed der Form. Diefes nun führt und ganz natürlich darauf, ob es nicht einen weit bedeutenderen Unterfchieb giebt, ald den jene drei Be

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‚geiffe, fo wie wir fie bis jet abgehandelt haben, bezeichnen, und ob man nicht vielmehr biefen recht ins Licht fezen follte, um nach ihm zunächft die Staaten zu Blaffificiren, nämlich nach der Kraft, womit das flnatbildende Prinzip fich feined Gegenflandes bemaͤch⸗ tiget, ob es nur eine einzelne Horde oder Stamm eines großen Volkes geftaltet, oder ob es fchon Eräftiger eine unbeflimmte Mehr: heit von diefen umfaßt, ober ob es unbebingt auf Die Gefammt- heit eines Volkes gerichtet ift und alle feine Stämme bindet. Denn in folchen Staaten, die ein ganzes aus vielen Horben und BSolkerſchaften beftchenbes Volk zu einem Ganzen verbinden, wird fi) vieleicht alles was zum Staat gehört anders geflalten müfs » fen, als in folchen die nur eine einzelne Voͤlkerſchaft oder einige umfaflen. Der Menfch iſt zwar gewiß von Natur gefellig, aber wie feine gefammte Natur, fo entwikkelt ſich auch feine Geſellig⸗ Feit nur allmählig. Jene erfte formlofe Aeußerung berfelben, das Zufammenleben in einer Horde, hat wie jede Cohaͤſion ihre bes fimmten Grenzen; fie iſt durch die unmittelbare Gegenwart bes dingt, und trägt die Worausfezung eined wenn gleich entfernten Familienzuſammenhanges, einer allen fühlbaren Bruͤderlichkeit in ſich. Verſchiedene Horben, wenn fie auch noch fo nahe verwandt find und ihre Wohnfize nur wenig entfernt, fühlen fich doch im ‘jenem Zuſtande fchon getrennt, und befehden ſich gelegentlid, ein: ander. Jene Heinen Staaten nun, bie nur Eine Horbe ober Bölkerichaft umfaffen, find au nur eine eben fo unvollkommene Entwilfiung der gefeligen Kraft, und gleichen baher mit Recht den unvolllommmen lebendigen Erzeugniffen im Gebiet ber Nas tue, wo auch die Arten nicht recht feft fiehen wollen, fondern in Vebergängen alles in einander fließt. Und offenbar fallen bie Begriffe Demokratie, Arifiokratie und Monarchie, fo wie fie fammtlich bei den Hellenen felbft vorkommen, überwiegend in dieſes Gebiet. Die Hellenen hatten unter fih nur Kleine poli⸗ tifche Gebilde, auf welche fie ihre Betrachtung richten. konnten’; ſchon die großen orientalifchen Formen blieben ihnen eigentlich

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fremd. Und wenn fie philofophirend ein hohes Ideal eines KH niges ;in großem Styl aufftellen: fo war der weder ein Keine. hi bellenifcher König noch auch irgend im wefentlichen dem yerfs , | fchen Großkoͤnig nachgebildetz; fondern Died Ideal war nur der J natürliche Ausdrukk ihres Gefuͤhls von der Unvollkommenheit ber kleinen Verfaſſungen durch eine Ahnung größerer, die allein na her beflimmt wurde durch die Einficht, daß dasjenige, worin bie Menge unmittelbar herrſcht, immer nur etwas geringfügiges fein koͤnne. Und höher ald zu einer folchen Ahnung war biefem geif: reichen Volke nicht beftimmt ſich emporzufäpwingen, wahrfcein lich weil in den damaligen Weltverhältniffen die Nothwendigkeit, dag auch die Intelligenz in großen Maffen und Formen eriftiren müffe, noch nicht gegeben war. Die einzelnen griechifchen Staa⸗ ‚ten vergingen alle ald Märtyrer für dieſe Eleinliche Form be politifchen Dafeind, bei der ein loſes füderatives Band fie nicht zu. fihügen vermochte. In dieſen Staaten alfo von geringem Um: fange ſtehen jene Formen nicht feſt; Demokratie, Ariſtokratie und ‚Monarchie find nur wechfelnde Zuftände, welche auf einander fol: 35 gen, ohne bag dad Individuum ein andered wird. Dabei aber it Grund genug dieſer ganzen niedern Stufe die demokratiſche Form überwiegend zuzueignen, und die andern nur ald unten» geordnet anzufehn; denn bie geringe Spannung des politifchen Gegenfazed und dad daraus entflehende tumultuarifche Weſen it auch der Charakter der Ariftofratien und Monarchien, die wir auf dieſem Gebiete erblikken. Nun entficht uns aber bie Fragt, Wird daſſelbe Verhaͤltniß diefee Formen auch flattfinden in ben Staaten höherer Ordnung? In etwas vereinfacht ſich uns dieſe Frage gleich durch die Betrachtung, bag die Demokratie als oberfte Form eines Staates ber eine große Nation umfaßt, nicht möglich ifl, weil ein Zufammentreten aller Bürger in Einer Ben fammlung um die Obrigkeit darzuftelen nicht flattfindet. Den wollte man auch die äußere Beſtimmung dahin erweitern, «& ſolle noch für Demokratie gelten, wenn die vom Volk gewählten

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Repräfentanten ober beren Afterrepräfentanten. am Ende in Eine Berfammlung zufammengebrängt würden: fo Tönnte doch babei aud) dad Weſen der Sache nicht beftehen; denn ſolche Repraͤſen⸗ tanten für die ganze Zeit ihred Zufammenfeind ganz von ihrem Privatleben abgetrennt unb auf ihre politifche Funktion beſchraͤnkt, koͤnnen jened freilich verwirrende aber auch leichte und fich bald wieder fröhlich entwirrende Spiel. zwifchen Privatintereffe und Gemeingeift, welches ber wahre Charakter ber Demokratie ift, nicht entwikkeln; wie man denn auch bie repräfentativen Vers fafjungen von den Demokratien immer getrennt hat. Es bleibt alfo von der Frage nur fo viel übrig, ob auch in ben Staaten von großem Umfang Monarchie und Ariſtokratie nur ald wech feinde Zuflände vorkommen, ober ob biefe Formen bier fefter fiepen. Ä Ehe ich aber diefe Frage beantworten kann, muß ich eine andere voranſchikken, wie nämlich wol folche ein ganzes Wolf umfafjende Staaten höherer Ordnung entfichen, ob fchon urs ſpruͤnglich aus dem vorbürgerlichen ‚Zuftande? oder wenigftens unmittelbar aus jenen Tleineren Staaten durch Bufammenfchmels zung? oder ob zwifchen beiden noch ein Bildungspunkt liegt, auf dem fich eine Mittelgattung geftaltet? Das erfte wird wol nicht leich£ jemand annehmen, Denn nur durch ein Wunder Eönnte der politifche Trieb im ber ganzen Maffe eines in viele Horden und Voͤlkerſchaften zertheilten Volkes gleichzeitig und gleichmäßig erwachen; und eben auch nur durch ein Wunder Eönnte ein eins zeiner aus Einer Voͤlkerſchaft, in dem jenes Bewußtſeyn erwacht iſt, gleichzeitig und gleichmaͤßig einen bildenden und unterwerfen⸗ den Einfluß auf alle getrennten Horden und Voͤlkerſchaften aus: 36 üben. Alſo nicht urfprünglich entfteht der große Staat, fondern der Eleine muß vorangegangen feyn. Das aber können wir uns fehr leicht und völlig in ber Analogie mit dem urfprünglichen Entfichen des kleinen Staates denken, dag wenn unter’ einem aus mehreren BVölkerfchaften, alle noch ohne bürgerlichen Wereit,

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beftehenden Volk die Staatöform in einer berfelben entflanben if, gleichviel ob demokratiſch oder monarchiſch, dann ber junge Staat fehr leicht, wenn anders Die Horden einander feindlich oder freund⸗ lich genugfam berühren. und fonft günflige Umſtaͤnde eintreten, auf eine ober die anbere noch formlofe Horde einen Ähnlichen Einfluß ausüben wirb, wie ber einzelne, in welchem fich zuerk das politifche Bewußtſein entwilkelt, auf feine Horde ausübt, indem er ihr König wird. Auch diefer Einfluß kann fich freund» licher oder gewaltfamer geftalten; wie bem auch fei, fo wird durch biefelbe Naturgewalt ein ähnliches Ganzes entſtehen wie bort; die eine Wölkerfchaft wird regieren, wie dort Ein einzelnes König ift, und die andern werden regiert werben wie bort bie andern einzelnen. Jene hat dad politiihe Bewußtſein biefen mitgetheilt; aber weil es eine felbfifländige Entwikklung in ih⸗ nen ift, fo werben fie nur Dazu geneigt ober darin beflätigt bie Dbergewalt jener anzuerkennen, vielleicht nicht felten eben fo leicht und freiwillig wie bie meiften Menſchen für ben erſten Ans fang Schüler desjenigen werben, der ihnen zuerfi das wiſſen⸗

fchäftliche Bewußtſein mitgetheilt bat. Die Mitglieder der ve |

gierenden Voͤlkerſchaft „bleiben aber dabei unter ſich durch ihr vos

riged beſonderes Band vereinigt, ja dieſes Verhaͤltniß befeflige

fi) noch mehr durch das was fie gemeinfchaftlich ausgerichtet haben. In diefem Verhaͤltniß nun find fie nach wie vor demo kratiſche Bürger; indem fie jene regieren behalten fie unter ſich denfelben Charakter, baß jeder in feiner Perfon die regierambe Thaͤ⸗ tigkeit, die ſich auf dad Ganze bezicht, mit der auf das Privab interefje gerichteten, bie dem einzelnen einwohnt, verbindet. Die ſes nun ift eine Mittelform; ihr äußerer Charakrer ift das poli⸗ tifche Sneinanderfein eines regierenden und eined oder mehrere segierten Stämme, wobei ganz zufällig ift ob dieſes Ineinander fein auf dem Wege friedlicher Einfiebelung und Ueberredung ent fanden ift oder durch Krieg und Unterjochung, zufällig auch ab fo nur wenige Stämme eines Volkes vereinigt find ober alk.

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Bahrfcheiniich aber ift das lezte nicht; denn ein junger Staat er niederen Stufe wird eine fo große Gewalt nicht bald aus: ben koͤnnen. Welches aber wird ber innere Charakter und bie othmwendige Gefchichte diefer Staatöform fein? Indem das ges seinfame Beſtreben aller aus dem regierenden Stamm auf das usfchließlich Kortregieren deſſelben gerichtet ift, die Unterworfes en aber, je mehr fie von dem politifchen Bewußtfein durchdrun⸗ en werben, das Beilpiel einer Vereinigung beider Thaͤtigkeiten vor fich fehend und immer beffer begreifend, allmählig auch Luft um Antheil an ber Regierung bezeigen: fo werden die Herr⸗ enden mißtrauifch gegen die Untergebenen, und um ihnen nicht Blöge zu geben hüten fie fich zu fehr auf demokratifche Weife zu umultuiren, und bringen ein ſtrenges Maaß in ihre Verbands ungen. Jener äußere Charakter und dieſer innere, das zwiefache Berhältnig in welchem die vegierende Maſſe unter fich fieht und u der regierten, bie ernfle und gemeflene Gravität der Herrſcher nd ihr mit der politifchen Ausbildung ber regierten zunehmen⸗ es Mißtrauen gegen biefe, beide Charaktere in ihrem nothwen⸗ igen Zufammengehören, bilden bad Weſen der eigentlichen Ari: ofratie. Und fo wird unfer nun gefundene Mittelftaat eben fo vefentlich ariftofratifch fein, ald der Staat der nieberen Drdnung vefentlich demokratiſch war; aber auch ausweichen wird ex koͤn⸗ en in ber Außern Form. Nämlich demokratiſch kann ſich ein Aches Ganzes nicht. mehr geflalten. Denn wenn bie regierten Stämme fich fo besanbilden, dag aller Unterfchied zwilchen ihnen nd dem regierenden innerlich fo ganz verfchwindet, dag Außer ich ihn noch feflzuhalten nur frevelhaft wäre: dann iſt doch fchon es Umfanged wegen die Demokratie nicht mehr moͤglich. Wol iber kann der weſentlich ariſtokratiſche Mittelſtaat Außerlich in ne monarchiſche Form hinüberfchweifen. Denn wie die einfache Demokratie ohne ihr Weſen zu verändern in jene Bleinliche Mo: tarchie übergehen Tann: fo können auch hier die regierenden, die inter ſich demokratiſch verbunden find, fi unter ein Derganınt

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aus ihrer Mitte flelen, und werden es, wenn dad Mißtrauen wächft, leicht thun, fo oft fie nur glauben ihre Kräfte auf bie P Art am beften vereint zu halten; oder auch auf andere Weiſe F kann eine folhe Veränderung eingeleitet werben. Der Staat hat dann Außerlich angefehen eine monarchifche Form; aber fein ie nered Wefen bat er dadurch nicht im mindeſten verändert, dab Verhältniß der regierten Stämme zu dem regierenden bleibt dafs felbe, und der König fühlt fi nur diefem innig angehörig gay | in fein Intereffe verflochten und ihm weit näher verwandt ald J jenen. Diefe monarchifche Form des ariftofratifchen Staates wird defto häufiger eintreten, da fie auch von dem Falle aus natün ss lich entfteht, wenn die politifirte Wölkerfchaft, die fich eine. oder mehrere noch formlofe untermarf, urfprünglich eine monarchiſche Form hatte. Denn der König beffen Reich fich fo erweitert, und ber bie politifche Kraft ein folched Ganzes zu erhalten und zu bewegen nur in feiner ihm urfprünglich angehörigen Voͤlkerſchaft findet, muß diefer, nach Maaßgabe wie fich jeder ſchon vorher politifch ausgezeichnet hat, von feiner Gewalt und regierenden Thätigkeit abgeben und die alten Unterthanen weit über bie neuen erhöhend gleichlam zu feines gleichen machen. Worzüglich aber wird diefe Form eintreten, wenn eine flaatgeworbene Voͤlkerſchaft auf dem gewaltfamen Wege ihr politifches Leben erweiternd uns cioilifirte Voͤlker oder zerfallende Staaten unterjocht. Der Krieg, in welchem nothwendig Einer herrfchen muß, drüfft dann dem ganzen Staat feine Form auf. Die untergeorbneten Anführer fiehen dem höchften am nächften, und herrfchen am meiften mit ihm; und je mehr der ruhige Zuſtand fich feflfezt, in welchem bie Obergewalt entbehrlich erfcheint und Dagegen der unmittelbare Einfluß der untergeordneten Anführer auf die Maſſe ſich in feis ner ganzen Wichtigkeit entwikkeln kann, um deſto mehr erheben fi) diefe, und der König wird nur ber erſte unter Gleichen, it deß fich häufig bie immer nur angeführte und beherrſchte Maffe der erobernden Voͤlkerſchaft mit der der unterjochten bedeutung®

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88 vermifcht. Dies ift der Zall der und in den politifchen (Ges baltungen des Mittelalterd häufig genug vorlommt. Gin folcher alſo ift der arifiofratifche König, der bald mehr bald weniger wächtig, bald gewählt bald erblich, immer zwar mehr ift als der kleinere bemofratifche; aber indem ex feine Würde nur darin andfprechen kann, daß er ber erſte Edelmann feines. Reiches if, eben dadurch fich weit geringer zeigt ald der wahre monarchiſche Monarch. So ift demnach ihrem Weſen und ihren wechfelnden Jormen nach diefe zweite Ordnung der Staaten beichaffen, welche ſich vonder erſten dadurch unterfcheibet, daß fie nicht Eine fon» ben eine Mehrheit von Horden oder Voͤlkerſchaften umfaßt, daß fie auf einer in diefer ganzen Maffe nicht gleichförmigen ſondern ungleichförmigen Entwikklung des politifchen Triebe beruht, in welcher ein Theil bes Ganzen fich überwiegend thätig ber andere überwiegend leidend verhält, daß eben deöhalb der politifche Ges genfaz bier ſtaͤrker geſpannt ift, nicht mehr alle zugleich Unters thanen und Gefezgeber jind, fondern nur einige zugleich regieren und vegiert werben, andere aber fich als reine Unterthanen ihnen gegenüber ftellen, und daß endlich diefe zweite DOrbnung von ber demofratifchen Form ganz audgefchloffen nur zwifchen der ariftos so Tratifchen und der monarchifchen fich bewegen kann. Betrachten wir nun biefes und fehen hinauf zu dem Staate der höchften Drdnung der bie Gefammtheit eined Volkes umfaßt, oder viel leicht fonderbar genug gar nach einem noc größeren Umfang frebt: fo wird freilich ſchon die Analogie und reizen und treiben im voraus anzunehmen, baß ein folcher Staat nun in ber mos narchiſchen Form allein feftftehen müffe, und was daraus weiter Plgt. Doch wir wollen uns hiervon nicht beſtechen laſſen, fons km auf bem bisherigen Wege fehen wie es fich verhalte, und »Ähren daher zunächfl zu der Frage zuruͤkk, wie ein folcher die ; Sefammtheit eined Volkes umfaffender Staat wol entftehen koͤnne. Denn wir haben zwar unterdeſſen gefehen, daß fich zwiſchen die: ſem und den urfprünglichen kleinen Staaten eine Mittelftufe ein- Schleierm. ®. II. 2: &

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ſchiebe: daß aber dieſe durchaus vorangehen muͤſſe, iſt uns nicht zugleich erfchienen; vielmehr bleibt die Krage übrig, wenn vs folder Staat nicht urfprüngli aus dem Nichtflaat hervorgeha kann, ob er nur unmittelbar aus ben Heinen einfachen Staais ober nur zunächft aus dem mittleren zufammengefezten Staeh ober eben fo gut aus dem einen entfichen koͤnne als aus den ‚andern? 3: Ba

Um nun hierüber zu entſcheiden müflen wir zunächft dieſd Ja erwägen. Soll ed einen Staat geben, ber bie Einheit eim nu: ganzen Volkes als eine wahre und nothwendige Natureinheit i Bewußtfein auffaßt und in den Formen bed Lebend ausfpridk fo ift in der Mehrheit Fleiner Staaten oder auch in dem zuſan mengefezten Staat der eine Mehrheit von Horden umfaßt Feind weges fchon ein diefem Staate gleiches nur unbewußtes Dafes gegeben, .wie wir fehen daß zu dem urfprünglichen Fleinen Stud das. unbewußte fchon in dem jedem Staat vorangehenden - 3

und aud in bem zufammengefezten Staat liegt Feine natürliche lie1 Anziehungskraft bie nothwendig auf alle noch übrigen Stämme Ind deſſelben Volkes wirkte. Sondern nur fehr leife Worandentun: \ig, gen finden fich hiezu; fo Daß man fireng genommen fagen muf, us das Erwachen des Bewußtfeind von der Einheit und bem Zus |iy: fammengehören eines ganzen Volkes ift eine völig neue Evolu⸗4 tion und eine fchlechthin höhere Stufe des politifchen Bewußt⸗ feind und Triebes, die jeden der daran Theil hat, wegen bed “großen Spiel, worin die Thaͤtigkeit eines jeben verflochten if, bs über Die Bürger aller Staaten kleinerer Drbnung ja über die Regenten von dieſen weit mehr erhebt ald der Athener fich Aber . ben Peparethier fühlte. ine ſolche Verfchiedenheit politiſcher "Würde kann man dem zufammengefezten Mittelftaat im Ber gleih mit dem einfachen Beinen Staat fchwerlich zuſchreiben. ad

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urch bloße Erweiterung kann diefer Staat weber aus ben : Staaten noch aud dem Mittelftante entfliehen, weil durch Erweiterung Fein neued Princip feine höhere Stufe bes 8 fich bilden kann. Die allmählige Vergroͤßerung einzel taaten ber unterfien Stufe hat in ihrer demokratiſchen Na re beflimmten Grenzen, und Tann nie ben Umfang. eines Volkes erreichen. Bei dem ariſtokratiſchen Staat iſt eine Erweiterung, daß die herrſchende Maſſe ſtatt einiger all⸗ j alle noch minder politiſirten Stämme des Volkes ſich ‚ürfe, vieleicht denkbar; aber ber herrſchende Stamm hörte b nicht auf nad feinem Privatintereffe zu regieren, und . id kann fagen daß dann die Einheit des ganzen Volkes bensprincip des Staated wäre. Alfo da, wenn biefer Punkt t werben fol, auf jeden Sall:eine neue Entwikklung beb ßtſeins vorgehn muß, fo flellen wir billig die Frage eben ie wir die urfprüngliche geftellt haben. Wir werben ber gie nach fagen müffen, bad Bewußtfein bes rein nationa⸗ inheit, wie ed zugleich ald politifcher Trieb thätig aus⸗ Eönne fich entweder in Einem zuerſt entwikkeln, ober in zugleih. Die vielen innen wol offenbar nicht fein die vorfenen bes ariftokratifchen Staated. Vielleicht zwar kann t ihnen nach mancherlei Schifffalen nady großen Fortſchrit⸗ ı ber Bildung der Gebanfe. einer Nationaleinheit entwikkeln, theild wird darin zu fehr das Element vorwalten, daß fie em herrfchenden Stanıme gleich machen wollen, unb wirb zedanken verunreinigen, theild kann er doch nur frommer ch bleiben, der fich in mancherlei balb mehr bald minder en Theorien entwißfelt, ben zu realifiren es ihnen aber an Mitteln fehlt, außer in dem ungluͤkklichen Fall, wenn bie rung entweder irgend fonft wie in fich felbft zerfällt, oder unfelige demokratiſche Revolution hervorruft, welche indeß n in fich fchwaches Princip die große Umbildung nicht biei- bewirken kann; und auch nicht darf. Denn wo bliebe bie S2

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Nemefis, wenn fie auch diejenigen nicht treffen follte, welde gu Fi flören wollen um zu bauen? Indeß iſt nicht zu verkennen, we Ri eben biefe politifche Lage, daß der Staat das ganze Voll: mb Fr a Sprachgebiet zu Einem Ganzen vereinigt hatte, bie Aber de ii Volkseinheit erreicht war, die Verfaffung aber immer noch af fe dem bebenklichen und nicht mehr haltbaren Punkt der arifche We tifchen Monarchie flehen blieb, eine von den Natururfacen de ii franzöfifchen Revolution war. Die vielen alfo, in denen Mi diefer höhere politifche Trieb entwikkeln Eönnte, müßten offene die einzelnen innerhalb eines Volkes fchon beftehenden Gtoate theils ber niederen theils der mittleren Ordnung fein. Dies Tann allenfalls auch im ruhigen Nebeneinanderleben allmaͤhlt das Gefühl von ihrer höheren gemeinfamen Einheit aufgehn und von ihrer Beſtimmung endlich in Einen Staat höherer Orbnumg zufammenzumwachfen. Aber auch fie werden bad Wort dazu nid: finden, wenn nicht irgend ein äußerer Anlaß, fei es eine gemein ſchaftliche Gefahr oder was fonft, hinzu fommt. Das erfte, und wol bad einzige was auf ruhigem Wege erfolgen kann, wir dann wol fein, daß die Einheit des Volkes nur dargeſtellt wire in einer repräfentativen Verſammlung von Abgeorbneten der eine zelnen Staaten, und fo entficht ber föberative Staat, ober d Republik der höheren Ordnung. Allein in einer folchen Be fammlung ſfind doch die mehreften überwiegend befeelt von de Privatintereffe ihrer Particularflaaten die fie als felbfiftändig ame zufehen gewohnt find: diefed Privatinterefie ſteht mit dem E meinfinn für die Einheit bed Ganzen in einem der urfprüngliche Demokratie ähnlichen nur fehwerfälligeren Kampf, das hoͤhe Princip hat nirgend ein reined Organ; dad Ganze ſchwankt, | es Ein Staat fein fol aus ungleich gebildeten und in gewiſſe Grenzen noch felbfiftändigen Theilen, ober ſtatt des Bunbeöfluef tes nur ein Staatenbund, nur eine unbeflimmte Vereinigung me rerer Staaten auf fo lange ald ihre Anfichten nicht zu weit au einandergehen; und dieſer ſchwankende durch oft wieberkehren

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niß, daß alles fich Idfen werde, ſtets zerrüttete Zufland, | er anderd aufhören, ald wenn das höhere politifche Prin⸗ reined Organ gewinnt in einem monarchifchen Element, Kraft hat dad Provinzials und Gantonalintereffe. in fefte ; zurüffzuweifen, und ed der Einheit des Ganzen unters ı. So daß au) bei diefer Entftehungsart der Staat der Ordnung nicht eher ganz und wirklich da iſt, ald mit archiſchen Form zugleich. Sol aber das höhere Prin⸗ wahren Volkseinheit in einem einzelnen urfprünglich fich In: fo koͤnnte wol unter günftigen Umfländen in einem n kleinen Königen einer einzelnen Wölkerfchaft diefe Idee 1; allein wie wollte er bei fo geringer Macht fie dar: « Denn wenn ed ihm auch gelingt feine eigene Wölfers mit zu befeelen: fo wird doch nur zu leicht hieraus bie riftofratifche Form entftehen, in der die Einheit bed Gans» als Princip durchbricht; und eben beöhalb wird ent- e Anftrengung erichöpft fein, ehe ber ganze Umfang er⸗ oder das ruhige Beſtehen ded Ganzen immer unters werden durch den Kampf einzelner Bölkerfchaften um die t ded Ganzen, welches die Gefchichte der drei alten weft: ? Monarchien gewelen if. Es fcheint alfo, wenn die n der Einheit eines großen Volkes auf bleibende Art bh Eine Evolution politifched Princip werben und einen efer höchflen Ordnung bilden fol: fo muß fie erwachen ariftofratifchen Staat, der fchon einen bedeutenden Theil es ausmacht; aber nur unter folgenden Bedingungen ies am gluͤkklichſten gefchehen zu koͤnnen. Nämlich die fenen Stämme müffen fchon .fo weit durch Die Länge politifirt fein und ihre Bildung bee des herrichenden fo gewicht halten, daß längere Fortdauer der politifchen eit unnatürlich ſcheint. Der Staat ferner muß eine iche Form haben, die feftfieht und Vertrauen einflößt der ariftofratifchen wird das Mißtrauen nie fo weit zu

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überwinden fein, daß alle Kräfte ſich in dem großen Werke vr einigten und ben ariftofratifchen König muß biefe Idee va züglich befeelen. Diefer ift dann ohnflreitig ganz vorruͤglich gi eignet einen Staat der hoͤchſten Ordnung zu gründen. Cr fu ſich unter diefen Umftänden über das Privatintereffe bes hei feyenden Stammes genugfam erheben um die Idee aufzufafld und er ift mit Macht genugfam ausgerüftet um file zu realifired je näher er dem unumfchränkten fteht, defto Leichter; je mehr nd in dad Intereffe des herrfchenden Stammes durch eine Art ol Abhängigkeit verflochten, um deſto fchwerer freilich. Und of fcheint das wahre an dem Worte, daß ein König unumfchräd fein mug um feinem Volk die Freiheit zu geben; denn die ga beit aller ift nur in ber feiten Einheit des Ganzen. Lebt al und handelt erſt der Theil des Volks den ein ſolcher König mittelbar beherrfcht mit ihm und durch ihn ganz in bem G ber großen Volkseinheit, dann wirb auch die Kraft nicht die noch vereinzelten Theile plözlich oder nach unb nach mit in welchem bie Idee fchon lebt zu verbinden, und ber Staat a3 höchften Ordnung ift im Werden, bis zulezt das ganze Voll ter Ein großes und vollkommones Band zufammengefaßt ifl. fo der ariftofratifche König das große Werk wozu er beruf audgeführt: fo ift er denn auch äußerlich, was er innerlich als er es anfing muß gewefen fein, nämlich der wahrhaft narchifche Monarch im höchften Sinne ded Wortes, Wie und alſo auch ber Staat ber. höchften Ordnung wefentlid beichaffen fein, das iſt und noch übrig zu fehen. Zuerft erhellt aus dem gefagten die Nichtigkeit des M geahndeten. Wie nämlich der urfprüngliche Heine Staat dreierlei Formen werben Tonnte, und alfo auch gleich gut allen dreien beftehen, der mittlere nur unter zweien werden eben fo beftehen: fo Tann diefer dritte und höchfte, wie er Einer Form ganz und volftändig werben Eonnte, fo aud unter ber einen feit und her beftehen, nämlich unter der

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und ächt monarchifchen. Kerner wie in dem niebrigften Staat der politifche Gegenfa, am fchwächften war, indem jeber gleich gut war ober fein konnte Obrigkeit wie Unterthan, in dem zwei⸗ ten Staate- aber ſtaͤrker gefpannt, indem nur einige beides ver: einigten, andere aber nicht: fo wird dieſer Gegenfaz in dem höchften Staat am flärkften geipannt fein, und auch nur in die fer Spannung eine fo große Maſſe zufammenhalten können, und alfo det König allein regieren, nur in ihm bie Thätigkeit fein welche Recht und Gefez bildet, in ihm aber auch Feine andere; bie Selammtheit der Bürger hingegen werben ald reine Unter: thanen ihm gegenüberfiehn. Darum muß aber auch, wenn das Ganze nad) dem Princip der Einheit ded Volkes fol regiert wer: ben, ber Regent. durchaus frei fein von jedem SPrivatintereffe. In die Gewerbthätigkeit der regierten darf er daher gar nicht verflodhten fein; fonft wird Er, der zum ganzen Volt im gleis hen Verhaͤltniß ftehen fol, in einen befondern Gegenfaz mit eis nem Xheile deffelben verwißfelt, und Ihm, der überall gleich ges genwärtig fein fol, wird eine Localität näher and Herz gelegt. als die andere. Nur dem ariftokratifchen Könige ziemt ed Ges werbe zu treiben; und fo lange die herrfchende Kaſte ihn in dies fer Nothwendigkeit zu erhalten weiß, wird die Umbildung des Staates zur höheren Stufe unendlich erfchwert. Daher Tann auch der Regent, und das unterfcheibet ihn beflimmt von allen feinen Unterthänen, kein perfönliched Eigentyum haben, welches auch hindern würde daß er die Quelle alled Eigenthums wäre,

wie er doch fein muß weil alles nur infofern es von ihm ab: «

hängt und auögeht in das Syſtem ber Einheit ded Ganzen auf: genommen und den zerflörenden Einflüffen der Gegenfäze kann entrifien fein. Und auch fchon darum Tann die Eine moralifche

Perſon des Negenten auch nur Eine phufifche fein; denn viele

fünnen nicht durch die Gewerbthätigkeit der andern! beftehen, ohne daß fich doch zwifchen ihnen felbft ein Privateigenthum bil» det. Darum wäre es auch unvollkommen und ſchwerlich dauernd

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in diefem Staat, wenn der König ein Wahltönig wäre Dem ein folcher müßte forgen für das Beſtehen feiner hernach wieder fi ind Volk zurüßftretenden Familie. Sondern nur ein Erxrblöng ift der rechte, deſſen Nachfolger jedesmal wieder dad Haupt bes Fi feiben über alle Gewerbthätigkeit und alle Sorge hinausgehobt— nen Familie wird. Auf ber andern Seite das Volk muß, wenn ein ſolcher Staat beftehen fol, die Idee. der Wolkdeinheit ſoweit wenigftend in fi) aufgenommen haben, daß es in dem Gefühl derfelben lebt, und daß dieſes fein erfled Lebensprindg if. Wenn ed daher die ihm ausfchließlich und gleichmäßig ein wohnende Gemerbthätigfeit zuerft zum Beſtehen der Regierung verwendet, ohne die jene Einheit nicht beftehen könnte: fo thut es diefed kraft feines Selbfterhaltungätriebed, und muß fich dabei auch feiner Zreiheit bewußt fein; daher ein folder Staat gerade bei der höheren Kraft, der Regierung am wenigſten ohne Ein willigung in die Abgaben beflehen kann. Aber wenn das Voll in dem Gefühl der Einheit des Ganzen lebt: jo hat es doch ur: fprünglich Feinen Antheil an der das Bewußtſein ber Einheit bes Ganzen ausdrüffenden Zhätigteit. Am wenigften kann ed einen ariftofratifchen einem beflimmten Theil des Volles angeborenen oder angeerbten Antheil an der Regierung. geben, und eben fo wenig dad Recht des Königes zu herrſchen von dem Volle ab: | geleitet fein; vielmehr ift Er, durch welden der Staat allein realifirt worden ift, und durch welchen allein er auch fortbefichen kann (indem von ber Perfönlichfeit eines einzelnen hier nicht die Rede ift, fondern nur von dem König der nicht flerben darf), die einzige Quelle aller politifchen Freiheiten und Rechte, und jeder Antheil ded Volks an der regierenden Thaͤtigkeit kann ihm nur von dem Könige mitgetheilt fein, und muß in jeveömaliger Aus⸗ übung auf einem Herrfcheralt des Koͤniges beruhen*). Wem

*) Des verfänglichen Ausdrukks Gouverain und Souverainitat habe ich mich hierhei nicht ſowol abſichtlich enthalten, als nur der Gang de

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m saber in biefem größten und umfaſſendſten Staat ber Gegen ss 5 :zwifchen Regent" und Unterthan .fo ‚weit auseinander gelegt : fo giebt es auch einen deſto größeren Spielraum für bie. viels tigften und lebendigften Einwirfimgen des einen Theils auf a andern, beren auc, dad Beftehen des ganzen durchaus bes irf. Sonach wird ed auch in ihm eine neue Geflaltung beiber rundthaͤtigkeiten geben, und dies fuͤhrt uns auf die eigentliche jedeutung jener beiden Begriffe einer geſezgebenden und einer Alziehenden Function,

Jedes lebendige Daſein das Bund die Form des Gegen azes dingt iſt kann nur in einer zwiefachen Reihe von Thaͤtigkeiten griffen werden, deren eine in dem Gliede des Gegenſazes an⸗ ngt und in dem. andern endet, die andere aber umgekehrt. yenn ohne dieſe gegenfeitigen Einwirkungen würden bie‘ Glieber 3 Gegenfazed auseinander fallen und bie Einheit des Dafeind ıfhören; wie denn unfer eigned Leben in dem Gegenfaz von üb und Seele gedacht in fich fehließt eine Reihe von Thätigs iten, bie im Leibe anfangend in der Seele enden, wie die mas riellen Elemente ber Wahmehmung und bed Gefühld. in der seele endend Gebanke werden und Empfindung, und eine ans ve. Reihe folcher die in der Seele anfangend am Leibe enden, ie bie geiftigen Elemente des Wollens und des Gefühls erft m Leibe endend That werden und Ausdrukk; „und wie jebes nzelne Leben im Gegenfaz gegen das allgemeine gedacht aus ner Reihe von Thätigkeiten beſteht, welche in ihm anfangend ach außen enden und ein. Leiden irgend. eined andern burch das

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Auseinanderſezung mich nicht darauf bringen konnte. Wichtig aber waͤre es dieſem Ausdrukk in ſeinem Urſprung nachzuſpuͤren, was mei⸗ nes Wiſſens noch nicht genügend geſchehen iſt. Denn nichts verdirbt die wiſſenſchaftlichen Unterſuchungen mehr, als der Gebrauch ſolcher Ausdruͤkke, die weder wiſſenſchaftlich entſtanden noch auch wenigſtens wiſſenſchaftlich geſtempelt ſind, welcher Act doch eigentlich immer auf einer durchgeführten hiſtoriſchen Forſchung beruhen muß.

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einzelne barftellen, und aus eines andern welche von außen an fängt und ein Leiden des einzelnen wirb, wobei ed. nur wirfer.d ift, nicht urſpruͤnglich. Wenden wir nun dies auf de Staat ans fo wird aud fein Leben in zwei verfchiedenen Atte. von Thaͤtigkeiten zu begreifen fein, einer die in der Peripherie am Leibe dad heißt bei den Unterthanen anfängt und im Rs genten endigt, und einer andern bie im Regenten dem Geift und Mittelpunkt anfängt und im Umfreife bei den Unterthanen an as det. Es iſt nicht fchwer zu fehen, daß die erfte unfere gefegge bende Funktion ift, die andere aber unfere.vollziehende. Da de ganze Prozeß des Staates in ber urfprünglichen Demokratie ohne doch formlos zu fein der. kuͤrzeſte iſt: fo wird ſich die Sack, wenn wir zu .diefer zurüßfehren, am leichteiten darſtellen laſſen. Aled was man im Staate Gefez nennt, geht bier durch drei Momente, den Vorfchläg, die Berathung und den Beichluß. Oft gefchieht ſchon der erfle nur in der Volksgemeinde, aber er kommt dann doch von den einzelnen als folchen aus. ihrem Privat interefje oder ihrer Privatanficht. Oft giebt ed eine befonder Berfammlung zur Vorberathung, diefe hat noch nicht die ganze Würde der Volksgemeinde, fie fördert. nur den Verlauf der Sache und bringt ihn ihr näher; fertig gemacht aber wird dad Gele |: und fomit ein Willensakt des Staates conflituirt nur in der Ge ! meinde, in wiefern fie einen Beſchluß faffend als Eine erfdheint und alfo. den Regenten vorfielt. Das Ausfprechen des Geſezes ift aber weſentlich auch der Anfang der Vollziehung, weil die es angeht darin zugleich :beauftragt, alfo in Bewegung geſezt wer: den. Sedo nur der Anfang; fortgefezt wird die Wolziehung von den Beamten, die zwar von der Gemeinde eingefezt, aber nicht mit deren ganzen Majeflät bekleidet find; das Ende ber Vollziehung endlich find erft die dem auögefprochenen Gefez ent . Sprechenden Handlungen aller einzelnen Bürger; und fo ſteigt dad Geſez von ben einzelnen zum Regenten hinauf, die Voll:

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Ketung aber fängt von dem Megenten an unk enbet in den Un: Ierthanen. Und micht anders if e3 and) in bem Staat der doch⸗ Arengfien Deipotie anfangen. Denn fo lange nur im Regenten

Einheit des Boll das leitende Bewußtfen if, wie

wahre König fidh vom Despoten unterſcheiden? Der Form nach dadurch, daß er feinen Unterthanen das Recht der Petition zu⸗ geſteht; und man kamn fagen in allen Fällen wo fie ihre Wuͤnſche vor ihn bringen, mag er num gewähren oder verweigern, wenn et fie nur berüfffichtiget, haben doch die Unterthanen angefangen dad Geſez zu machen. Dem Weſen nad) aber untericheibet er ſich dadurch, daß er im Geiſte ganz Eine mit feinem -Bolk nur ſolche Willensakte ausfpricht, welche die Unterthanen hernach, wenn fich das höhere Staatöprincip in ihnen entwikkelt, billigen « werden, und daß fein ganzes Beſtreben darauf gerichtet iſt dieſe Entwilfiung zu befördern. In dem Maaß ald fie nun wirklich eintritt, erweitert ber Regent bad Recht ber Petitionen um fo lieber, als ihm felbft die Verwikklungen der verfchiebenen Zweige der Volksgeſchaͤftigkeit urfprüänglich fremd find, und alfo die Un: tertbanen zufanmmentretend und fich einigend wahre Geſezesan⸗ fänge fehen werben, die er nicht fehen Tann, bis biefes allmählig fortfchreitend reift zu einer Organifation gefezgebender Verſamm⸗ lungen, welche ja nichtd anders find als die ausgebehntefte und förmlichfte Eonftitution diefed Rechtes in einer regelmäßigen feſt⸗ flehenden Communication der Unterthanen mit bem Regenten, in der ale Gefezesanfänge nunmehr liegen müffen:: Denn fol auch das Ende des Gefezed in dieſen Verfammlungen liegen-und nicht im Regenten: fo iſt die Anarchie fertig. Daher nun natürlich feine wohlgeordnete gefezgebende Verſammlung die gefeggebende

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Thätigkeit ganz in ſich trägt; fondern in dem Könige, ber ven Fehrter Weiſe oft nur ald die vollziehende Gewalt ift angefehen worden, liegt weſentlich dad Ende auch der gefezgebenden. Hat nun der König dad Gefez ausgefprochen: fo iſt damit nothwen Dig zugleich auch der Anfang der Vollziehung geſezt; denn eine gleichfam. leere Zeit zwifchen beiden läßt ſich nicht denken und wäre eine Ohnmacht ded Staates. Diefem Anfange wird fih die Thätigkeit ber mit der Verwaltung beauftragten Beamten anfchliegen, deren Syſtem unftreitig die Organifation ber voll ziehenden Gewalt ift, aber vollendet ift die Vollziehung auch bier nur in der die Gefammtheit der Gefeze unb nichts anderes dar fiellenden Gefammtthätigkeit der Bürger. Daher auch häufig und gewiß zum großen Vortheil ded Ganzen die Vollziehung ſich zulezt in den Händen ber fich von unten herauf organifirenden und die Thätigfeit der Bürger zunächft beflimmenden Commus nalbehörben befindet. Es erhellet hieraus Deutlich, daß beide Syſteme in jedem Staat auf diefelbe Weiſe müffen gebunden fein, Ende der Gefeggebung und Anfang der Vollziehung als ein und derfelbe Moment der Xhätigkeit des Regenten; dagegen Ende der Vollziehung und Anfang der Gefezgebung ald zwei verfihies dene Momente in den Unterthanen, denen die Wünfche und Vor⸗ fchläge in Bezug auf neue Gefeze vornehmlich aus dem Erfolg entftehen, den die Vollziehung der beftehenden theild in ihrer Ger as werbthätigfeit, theild in ihren häuslichen und geiftigen Verhaͤlt⸗ niffen, theild, in ihrem flaatöbürgerlichen Gefühl offenbart, Alſo kann audy unmöglich die verfchiebene Art der Trennung und Vereinigung beider Gewalten verfchiedene Staatsformen beflim- men; denn ed giebt nur Eine Art wie beide nereinigt find und getrennt... Iſt aber irgendwo einsd von beiden Spflemen nod nicht beflimmt herauögetreten und zwiſchen feinem Anfangs: und Endpunkt noc nicht gehörig entfaltet: fo iſt bies Feine eigne ' Art des Staates, fondern nur ein unvolllommner Zuftend, auf

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lchen, ba er nur ein Durchgangspunkt fein kann, ein befferer zen muß. Will man aber die Organifation beider Gewalten hr im einzelnen betrachten, in denen freilich auf fehr. vers ebene Weiſe die Analogien mit dem bemokratifchen und aris ratiſchen einzeln oder auch ugrbunden vorkommen können; will n bie Verflechtung beider Syfleme ind einzelne verfolgen, wie h auf Mittelftufen einzelne Organe beiden Syftemen angehoͤ⸗ - Binnen, oder anderwärtd wieder zwifchen dern Endpunkten es rein gefondert ifl: fo kann man taufend BVerfchiebenheiten ftelen; oder vielmehr in dieſer Hinficht wird jeder ohne Küns ei gefchichtlich gewordene Stadt von jedem andern verfchies ? fein, und wird dieſes gleichfam zum yerfönlichen Charakter e Staaten gehören.

Und diefed wäre alfo dad Reſultat der angeftellten Betrach⸗ ng. Die ſogenannten beiden Gewalten denn die dritte hat b nicht felbftftändig gezeigt muͤſſen im wefentlichen in allen taaten auf die gleiche Weife getrennt und vereinigt fein; fonft der Staat felbft noch nicht voͤllig audgewachfen, fondern erſt . Werben*). In wiefern indeß Verſchiedenheit flattfindet, ift auch fo vielfältig und unbeflimmt, dag man beflimmte Arten d Gattungen von Staaten danach nicht unterfcheiden Tann. ie drei Formen aber haben außer ihrer hellenifchen Bedeutung, welcher fie eigentlich nur wechfelnde Zuflände anzeigen, noch te weit größere weltgefchichtliche, im der fie aber auch eins « der nicht beigeordnet find fondern untergeorbnet, und alfo

) Will man nun, verfteht ſich ohne die thörichte Worausfegung daß alle volllommene Staaten einander gleich fein müßten, jeden folchen noch unvolllommnen Zuftanb eines Staates, wenn er länger dauert als zu wünfchen Wäre, und beſonders wenn bie Werbefferungen der Form mit der innern Entwilllung des politifchen Triebes nicht gleichen Schritt halten wollen, einen Nothſtaat nennen: fo ift in biefem inne gegen den Ausdrukk nichts einzumenden,

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auch nicht Arten und Gattungen von Staaten anzeigen, bern die verfchiedenen Entwikkelungsſtufen ber politifchen | indem die niebrigfle Stufe eben fo wefentlich demokratiſch if die hoͤchſte monarchiſch. Ob es nun befier fei hiebei fich bleiben ober lieber noch andere, Gründe zur Eintheilung Staaten aufzufuchen, und wo biefe möchten zu finden fein, und andere auß dem gefagten ſich entwikkelnde Kragen Kolgerungen liegen jenfeitö der Abficht der gegenwärtigen U fuchung.

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v. leber den Werth des Sokrates als Philoſophen. |

Vorgelefen den 27. Julius 1815.

* über bedeutende und eigenthuͤmliche Geiſter von verſchie⸗ 50 nen Menſchen und im Sinne verſchiedener Zeiten auch ſehr rſchiedene ja ganz entgegengeſezte Urtheile gefaͤllt werden, und in ſich ſpaͤt oder nie über ihren Werth einigt, dieß iſt eine taͤgliche Erſcheinung. Aber daß uͤber einen ſolchen zu einer d derſelben Zeit ein Urtheil allgemein geltend wird, welches t ſich ſelbſt in auffallendem Widerſpruch ſteht, dies ſcheint inder natuͤrlich, ja faſt ſonderbar. Dem Sokrates jedoch be: gnet es wirklich, wenn ich mich anders nicht darin ganz irre, ß die Zeichnung welche man von dieſem merkwuͤrdigen Manne entwerfen pflegt, und die geſchichtliche Bedeutung welche man m foft einſtimmig beilegt, gar nicht zuſammenſtimmen wollen. dan laͤßt naͤmlich in der Geſchichte der helleniſchen Philoſophie it dem Sokrates eine neue Periode beginnen, was doch offen⸗ Ir vorausſezt daß er den unter dieſem Namen zuſammengefaß⸗ n Beftrebungen jened Volkes einen neuen Geift und Charakter ngehaucht, fo daß fie eine neue Geftalt unter feinen Händen

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gewonnen, ober daß er fie, wenn auch das nicht, wenigftens be 1 deutend erweitert. Fragt man aber, wie nun biefelben Schrift fteller den Sokrates an und für fich darftelen: fo findet man 1 nichtö, worin ein folcher Einfluß Eönnte begründet geweſen fein. - Man erfährt, er habe ſich mit den Forfchungen über die Natur, welche einen großen Theil der Philofophie ſchon Bei ben Helle nen ausmachten, gar nicht befchäftiget, ja auch andere bavon zu rüßfgehalten, und auch das Sitliche, womit er fi) am tiefflen eingelaffen, habe er keinesweges in eine wiffenfchaftliche Geftalt bringen gevollt, habe auch für dieſes eben fo wenig als für is gend einen andern Zweig menfchlicher Erkenntniß ein fefles Prin⸗ cip aufgeftelt. Sein geifliger Gehalt fei überhaupt mehr reli⸗ gioͤs geweſen als tieffinnig, feine Beſtrebungen mehr bie eines guten Bürgers auf die Verbeſſerung des Volks und vornehmlich der Jugend gerichtet ald die eines Weltweiſen; kurz er wird dar geftelt als ein Birtuofe des gefunden Menfchenverflanbes und der in jedem unverborbenen Gemüth mit diefem verbundenen ſtrengen Rechtlichleit und milden Menfchenfreundlichkeit, dies als les jedoch verfezt mit einem leifen Anhauch von Schwärmend, Dies find fchöne Eigenfchaften, mit denen jedoch ein Dann nod keinesweges gemacht ift in ber Gefchichte zu glänzen, vielmehr, . wenn nicht befondere Umftände dazwiſchen treten, ein beneidens⸗ werthes ſtilles geben führen wird, fo daß auch ſchon der allges meine Ruhm des Sokrates und die faft fpecifiiche Verehrung, die fo viele Sefchlechter ihm gezollt haben, weniger ihm felbft als folchen befondern Umftänden müßte zugefchrieben werden. Am wenigften aber find dies Eigenfchaften, von denen auf bie philb⸗ ſophiſchen Beftrebungen eines ſchon fehr gebildeten Volkes aus gezeichnete und bleibende Wirkungen koͤnnten ausgegangen fein. Und dies beftätigt fich auch, wenn man betrachtet, was für Lehe zen und Meinungen demgemäß dem Sofrated beigelegt werben. Denn welche Bemühung man auch anwendet fie etwas philofer phifch zuzuftuzen, es ift doch nicht möglich ihnen nur einige wi

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ſenſchaftliche Haltung zu geben; vielmehr bleibt es dabei, es find Gedanken fehr geeignet Die Herzen ber Dienfchen für das Gute zu erwärmen, aber folche auf.bie jeder gefunde Verſtand, der zum Nachdenken vollfommen erwacht ift, von felbft verfallen

muß’). Was Eönnen biefe alfo gewirkt haben auf die Zortbils .

dung ober Umgeftaltung ber Philofophie? Wolen wir und an dad bekannte halten, daß Sokrates bie Philofophie vom Himmel berabgerufen auf Die Erde, auf die Märkte nämlich und in die Häufer der Menſchen, das heißt dag er an ber Stelle der Nas

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tur das fittliche Leben als Gegenfland der Forſchung aufgeftellt: 52

fo ift diefer Einfluß ohnehin eben Fein vortheilhafter, denn nicht

in der einfeifigen Behandlung des fittlichen ober des natürlichen ,

iſt die Philofophie fonden im Zufammenfein und Sneinanders greifen beider Forfchungen, diefer Einfluß ift aber auch Feines: weges ein gefchichtlicher geworden. Die Ethik war fchon vor Sokrates angelegt in den Lehren der Pythagoreer, und fo hat fie auch nach Sokrates in den philofophifchen Syſtemen der Hel: lenen ihren Play behalten nur neben der Phyſik. Bei Platon bei Ariftoteled bei den Stoifern, dad heißt in allen bedeutenden ächt ſokratiſchen Schulen, finden fich die Forfchungen über bie Natur wieder, und das einfeitige ethifche Wefen hat fich nur bei denjenigen Sofratifern gebildet, welche ſelbſt unbedeutend geblies ben find in der Philofophie. Und betrachtet man die Richtung jener genannten Schulen im ganzen, und burcfliegt in Gebans ten die Sefammtheit ihrer eigentlichen Philofopheme: fo ift nichts nachzuweifen was von einem fo beichaffenen und gefinnten So⸗ krates koͤnnte audgegangen fein, es müßte das fein, was fchon ald gemeinfagliche Anwendung aufs Leben erfcheint. Ja felbft was bie früheren Sokratiker betrifft, fo findet man fich mehr bes friedigt wenn man das eigentlich philofophirende in ihnen von irgend anderen Punkten ber ableitet als von biefem Sokrates;

°) Tennemanns Geſch. d. Philoſ. Th. I, 6.64. Cquierm. D. TIL 2. on IR J

2%

nicht nur den Ariftippos, der feinem Lehrer auch ber Gefinnung nach unähnlich war, vom Protagorad -mit dem er fo vieles ge

mein hat, fondern auch den Euklides mit feiner bialektifchen Ride I

tung lieber von den Eleatifern. Und man muß am Enbe fagen, auf dem Stamme des Sokrates, wie er und jezt befchrieben wird, ann nichts anderes gewachſen fein als der Cynismus, und zwar nicht der des Antifihenes, in dem auch noch manches hängt, wat man bann lieber auf ben Gorgiad feinen früheren Lehrer zurüd führen möchte, fondern jener ganz reine nur eine eigenthümlick Lebensweiſe, kaum eine Lehre gefchweige denn eine Wiffenfchaft darflellende bed Diogenes, jenes ‚rafenden Sokrates,“ den man aber zur Steuer der Wahrheit höchftend den karikirten Sokrates

nennen folte. Denn in biefem Abbilde finden wir nichts ald

Büge jenes Urbilbes, dab Annähern an bie göttliche Selbſtgenuͤg⸗ famkeit durch Verringerung der Bebürfniffe, das Enthalten vom bloßen Wiſſen, das anfpruchlofe Umhergehen im Dienfte be} Gottes um die Thorheiten der Menfchen aufzubeden. Wie we nig aber dies alles auf dem Gebiet der Philofophie liegt, und wie wenig bort damit auszurichten ift, liegt am Tage.

Bernünftigerweife fcheint alfo nichts anderes übrig, ald von

biefen wiberfprechenden Annahmen die eine aufzugeben. Entwe⸗

ber man flelle den Sokrates nach wie vor an bie Spize ber

athenifchen Philofophie, aber dann entſteht die Aufgabe einen ans deren Begriff von ihm geltend zu machen ald den nun feit lan ger Zeit herrfchend gewordenen; oder man halte das Bild fefl

von dem gefälligen menfchlichen Weifen, der gar nichts für die

Schule war fondern alles für die Welt; aber dann verweife man ihn aus der Gefchichte der Philofophie in die der allgemeinm athenifchen Bildung, wenn er bort einen Plaz für fich zu be haupten weiß. inigermaßen angenähert hat ſich Diefer Iezten Auskunft Herr Krug*). Denn indem er den Sokrates an de

*) Geſch. d. Philoſ. alter Zeit.

1.

Enbe ber einen Periode ftellt, wnb nicht an den Anfang. der ans bern: fo. erfcheint diefer nicht als Keim einer neuen Zeit, ſon⸗ dern ald Erzeugniß und Nachwuchs einer frühereny er tritt als einzelne Erſcheinung in eine Reihe zuruͤkk mit den Sophiften und andern Spätlingen, und verliert einen großen Theil feiner philofophifchen Bedeutung. Nur: ift dies eine halbe Maafregel; Daß ber Sefchichtfchreiber feine neue Periode mit den unmittelbar ren Schülern ded Sokrates ald foldhen anfängt, indem er bie treuen Sokratiker, wie man fl& wol zu nennen pflegt, und ben Xenophon vor allen, an die Spize ftellt, von denen: er doch ſelbſt fagt, fie hätten Fein anderes Verdienſt als fokratifche Lehren fort: gepflanzt und verbreitet zu haben, fofratifche Lehren aber fchienen ihm ja eben nicht der Mühe werth um eine neue Periode damit zu beginnen. Umgekehrt auf gewiffe -Weife hatte früher Herr Aſt ) dafjelbige gethan. Ihm iſt Platon die Bluͤthe derjenigen Entwikklung der Philofophie, welche er die athenifche nennt; und wie fein Gewaͤchs mit der Blüthe anfängt, fo fühlt er ſich zwar genöthigt den Sokrates an die Spize biefer Philofophie zu ſtel⸗ Ien, aber doch nicht ald eigentlichen Pbilofophen. Er fagt naͤm⸗ ih, das Handeln der Philofophie fei in Sokrates rein menſch⸗ lich gewefen und tugendhaft, das heißt feine eigentliche Philofos shie; fein Weſen beſteht ihm aus Enthufiasmus und JIronie. Den nun fo auögeftatteten, fühlt er wohl, koͤnne er nicht allein an bie Spize einer neuen Zeit ftellen, und ftellt deshalb die So: phiften neben ihn, nicht ohne Widerfpruch gwar, denn auch er erkennt fie für das verkehrte, was durch den Geiſt der neuen Zeit befaämpft werden mußte; aber doch will er lieber dieſes, als daß er ald Keim einer neuen Entwifflung den Sofrated allein - aner- kennen folte, deſſen höchften philofophifchen Werth er in fein Maͤrtyrthum fezt, welches doch auf dem woiffenfchaftlichen Gebiet Teinesweges eben fo wie auf dem religidfen und politifchen in

*) Grundriß einer Geſch. d. Philof. . j & 2

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Anfchlag kommen darf. Der Form nach entgegengefezt iſt died Aftifche Verfahren feinem Weſen nach daffelbe wie bad Krugiſche; es führt nämlich auch darauf eine neue Periode der Philofophie erſt mit dem Platon anzufangen. Denn in dem Kampf be Sokrates gegen die Sophiften erkennt Hr. Aft nichtö neues ober eigenthümliched, fonbern nur die Tugend und ben Trieb nah Wahrheit, der ja auch bie früheren Philofophen alle befeeit hatte; als das charakteriftifche in der athenifchen Philofophie aber giebt er bie Vereinigung ber vorher getrennt und entgegengefezt gewe fenen Elemente an; und ba er: biefe im Sokrates: felbft nicht |} wirklich nachweifet, in feinen unmittelbaren Schülern aber bie Zrennung beflimmt anerkennt, fo . bleibt ihm eigentlich doch für jene Bereinigung Platon der erfie Punkt. | Will man aber nun wirklich den Platon als den eigentlichen Anfänger einer neuen Zeit anfehn, fo kommt man nicht zu vechnen dag er für einen erflen Anfang viel zu vollendet iſt I: in eine zwiefache Verlegenheit. Einmal mit feinem Berhältniß |: zum Arifloteled. In allem nämlich, wad dem Platon das eigen thuͤmlichſte iſt, erſcheint Arifloteles ihm fo fehr ald möglich nt |. gegengefezt; aber die Haupteintheilung der Miffenfchaften hat er ohnerachtet der verichiebenften Behandlung und haben eben fo bie Stoiter mit Platon gemein; beiden‘. fchließt fie gleich dicht an und kleidet fie gleich natürlich, fo daß man kaum anders glaus ben Tann, als diefe fei von früher her von einem Punkt, in dem Platon eben fo fehr als jene fpäteren auch ſchon eingewurzelt ifl. Die zweite Verlegenheit aber ift die mit Platond Verhaͤltniß zum Sofrateö, wie ed benn eigentlich geweien, wenn Sokrates auf Feine Weile fein Lehrer war in der Philofophie: Wollte man annehmen, das WBeifpiel des Sokrates habe den Charakter des Platon gebildet, und die Ehrfurcht vor Tugend und Wahr heitöliebe habe ihn gefeflelt, fo will ein ſolches bloß fittliches Ber bältnig nicht hinreichen. Vielmehr muß die Art wie Platon den ss Sokrates auch in folchen Werken aufführt, welche tieffianige ph

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kofophifche Unterfuchungen enthalten, für die tollſte Willkuͤhr ge halten.werben, und häfte allen Zeitgenoffen nur lächerlich und verkehrt erfcheinen müffen, wenn er ihm nicht auf irgenb eine Weite fein philofophifches Leben verdantt. Sonach muß es body. babei bleiben, daß wenn man einen Saupteinfchnitt machen will ia der helleniſchen Philofophie, ber bie früheren zerſtreuten Phi⸗ lofopheme von den fpäteren Syſtemen trenne, man biefen noth⸗ wendig beim Sokrates machen muß; dann aber muß man auch mehr eigentlich philofophifches als gewöhnlich gefchieht dem Ser krates zufchreiben, wenn es gleich eben ald Anfang nicht nöthig bat fehr ausgebildet zu fein. Einen folchen Einfchnitt zu machen wird fich aber niemand enthalten koͤnnen; jene frühere Philoſo⸗ phie, die wir durch die Namen Pythagoras, Parmenides, He: rakleitos, Anaragoras, Empedokles bezeichnen, hat unverkennbar einen gemeinfamen Typus, und bie fpätere, in welcher die Na⸗ men Platon, Ariftoteled, Zenon glänzen, bat ebenfalls ben ihri⸗ gen ſehr verfchiedenen, nichts zwiſchen beiden verlorenes Tann eis nen allmähligen Uebergang gebildet haben, viel weniger noch, läßt eine von. den fpateren Geflalten fich fo an eine ber früheren an« fchließen, daB man beide. für «in fortlaufenbes Ganze halten koͤnnte. Iſt num dieſes, fo bleibt nichts übrig, ald daß man bie Sache des Sokrates einer neuen Durchficht unterwerfe, um zu fehen ob er etwa an ber Nachwelt eben fo ungerechte Richter gefunden hat, die ihm feinen eigentlich philoſophiſchen Werth und fein Verdienſt um die Sache der Philofophie abfprechen, wie jene in ber Mitwelt ihm feinen bürgerlichen Werth abfprachen und ibm Verbrechen gegen bad gemeine Weſen andichteten. Aber man müßte bann auch. irgend etwas beflimmtes ausmitteln, worin fein philoſophiſches Verdienſt beftehe.

Dieſe neue Unterſuchung aber fuͤhrt natuͤrlich zunaͤchſt auf die alte Frage zuruͤkk, ob man, was Sokrates geweſen, dem Pla⸗ ton ober dem Xenophon glauben ſoll; eine Frage die aber uͤber⸗ haupt nur. aufgeworfen zu werben verdient, fofern biefe beiden

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wirklich. mit einander im Widerfpruch flehen, und ‘die man ale

auch nur verftänbig beantworten kann, wenn man zuvor ent fchieden bat, ob ein. folcher Widerſpruch flattfinde, und wo er feinen Siz habe. Mlaton giebt. firh nirgends für einen Geſchicht⸗ fehreiber des Sokrates aus, mit Ausnahme etwa der Apologie ss und einzelner Stellen, wie .etwa der Rede des Alfibiades im Gafs mal. Denn ed wäre allerdings abgeſchmakkt, wenn Platon hier, wo er Zeitgenoffen des Sofrated vor ihm über ihn reden laͤßt, ihn auf eine Weiſe dargeſtellt hätte, bie nicht im wefentlichen treu wäre, wenn gleich auch gesade-hier manches -einzelne als fcherzhafte Webertreibung flehen Tann. Dagegen berechtigt Platon felbft niemanden, alles was er in feinen Geſpraͤchen den Sokra⸗ tes vortragen läßt, für eben fo von dieſem wirBlich gedacht und vorgetragen zu halten; und man würde ihm einen fchlechten Dienft erweifen, wen man ‚auch fein Verdienſt darauf beſchraͤnken wollte, dag er dem Sokrates gut und kunſtreich nachgeſprochen habe. Vielmehr will er wol gewiß. feine -Philofophie für ‚die feinige und nicht für die des Sokrates angefehen wiffen. : Und fo über zeugt ſich auch wol jeber verfländige von felbft, daß in eimm folchen Gewande nur ſelbſthervorgebrachte Gedanken erſcheinen tin: nen, jedes nur erzaͤhlende Werk aber und ſolche waͤren doch

dieſe Geſpraͤche, wenn der ganze Inhalt dem Sokrates gehoͤrte— nothwendig einen bleicheren Farbenton haben muͤſſe, wie denn

auch die Geſpraͤche des Xenophon einen ſolchen wirklich haben, Allein ſo wie es einerſeits zu viel ſein wuͤrde zu behaupten, So⸗ krates habe alles wirklich gedacht und gewußt was ihn Platon fagen läßt: fo iſt es auf der andern Seite gewiß zu wenig, wenn man behaupten will, Sokrates fei nichtd mehr geweſen ald was und Zenophon von ihm darftellt. Denn diefer giebt fich in fer nen Denkwuͤrdigkeiten freilich für einen Erzähler; aber theild fann ein verfländiger nur das erzählen was er verfteht, unb ein Sokratiker am meiſter, der ja wol fein Nichtwiſſen muß fen nen gelernt haben, kann nur nach diefer Regel handeln. Das

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aber wiffen wir, und man kann es zugeben ohne e& auf eine harte Weiſe geltend zu machen, daß Xenophon ein Staatsmann war aber fein Philofoph, und dag neben jener Reinheit des Cha⸗ rakters und Verſtaͤndigkeit der politiihen Grundſaͤze, neben jener herrlichen Erregung des Geiftes und Abſchrekkung des Dünkels, welche Zenophon am Sokrated liebte und ehrte, noch manches auch wirkiich philofophifche in bdiefem kann gewelen fein, was Xenophon nicht vermochte ſich anzueignen, und was er ruhig an fich vorbeigehen ließ, am wenigſten aber verfucht fein konnte es barftellen zu wollen, um nicht Blößen zu geben ähnlich denen die fein Sokrates aufzubelfen pflegte. Anderntheild. war Xeno» phon ein vertheidigender Erzähler, und hatte gewiß dieſe Form ausdruͤkklich gewählt, damit man ihm nicht zumuthen Tünne ben ganzen Sokrates darzuftellen, ſondern nur was auf dem Gebiet bed Gemüthed und des gefelligen Lebens Liegend ſich auf jene Anklagen beziehen läßt; alles uͤbrige aber fchließt er aus, und begnügt fih nur zu zeigen, auch bas könne nicht von ber. ges fährlichen Art geweſen fein, welche dem Sokrates war Schuld gegeben worden. Und nicht nur kann Sokrates, fondern er muß auch mehr, und mehr muß hinter feinen Reben fein, als Zenophon uns. wiebergiebt. :Denn wenn bie Zeitgenoffen nur dergleichen von Sofrates gehört hätten, welchen Schaden hätte Platon dem Eindrukk feiner Werke bei feinem unmittelbaren Publikum gethan, welches das Weſen ded Sokrates noch keines⸗ weges vergeffen hatte, wenn die Rolle, welche Sokrates bort fpielt, mit dem Bilde, welches fie aus dem Leben ber von ihm im Sinne hatten, in gerabem Widerſpruch fland? Und ‚wenn man dem Zenophon glaubt, und diefed muß man wol dem gleidy geitigen Apologeten glauben, . daß Sokrates feine ganze Zeit an Öffentlichen Orten zugebracht, und man will annehmen, er habe . fieh immer mit Reden, feiert fie auch fchöner gemwefen,. bunter und blendender, ‘aber immer mit Reden von diefem Gehalte fich be: fhäftiget, und bie nur in der Sphäre fich bewegten, über welche

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die Denkwuͤrdigkeiten nicht -hinausgehen: fo begreift man nicht, ||

wie Sokrates in fo vielen Jahren nicht ben Markt und bie

Werkſtaͤtten, die Spaziergänge und die Gymnaſien entodlket

durch die Furcht feiner Gegenwart, und wie fich in ber naiven niederländifchen Manier des Zenophon die Ermübung ber Unter vebner nicht noch ſtaͤrker audfpricht, als hie und da wirklich ge: ſchieht. Und noch weniger koͤnnte man begreifen, warum geiſt⸗ reiche Männer wie Kritiad und Alkibiades, und von Natur fpe eulatioe wie Platon und Eukleides auf diefen Umgang einen ſo großen Merth gelegt, und fo lange Zeit ihre Befriedigung darin gefunden haben. Und auch das kann man nicht annehmen, daß etwa Sokrates Öffentlich fo gerebet wie Xenophon ihn zeigt, an derwaͤrts aber: insgeheim andere Dinge vorgetragen; denn bie dürfte Zenophon bei der apologetifchen Form feined Buches, an die er ſich fehr firenge Halt, nicht mit Stillſchweigen ühbergangen haben. Sondern in bemfelben Lebenskreife, von bem uns Zenophon Proben giebt; muß Sokrates auch das. philofophifche feines Weſens offenbart haben. Und ift nicht eben dies recht der Eindrukk, den bie yenophontifchen Sefptäche machen, als ob fie wären philoſophi⸗ ss ſches in den unphilofophifchen Styl des gemeinen Verſtandes über tragen, wobet denn ber philofophifche Gehalt verloren geht, eben wie einige Kritiker gleichlam als Feuerprobe auch für ;bie Er zeugniffe ber hoͤchſten Poeſie vorgefchlagen haben fie ‚in: Profa anfzulöfen uhd ihnen den Schwung auszuziehen, wo benn auch un? eine höchft nüchterne Schönheit übrig. bleiben Tann. Und wie an einem folchen Verſuch auch ber größte Dichter nicht leicht tm Stande fein ‚möchte die Poefle gerabehin wieder herzuftellen, Dagegen auch ein mäßig begabter Leſer boch bald merkt was ge ſchehen ift, und es auch an einzelnen Stellen nachweifen Tann, wo: der Auszieher ermübet ift: fo. ift ed bort mit dem philoſophi⸗ (chen Gehalt. Man findet einige Parallelen mit. bem : Platon, anderes verräth, Sich fonft wie; und. baraus, dag man nur we aiged recht ausmitteln Tann, folgt nur, theild dag Xenophon fein

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Geſchaͤft verftanden hat, theils möchte einer vielleicht fagen, wie Ariftoteles Vormittags fol feine philofophifchen Vorträge gehals ten-haben, Nachmittags aber die eroterifchen *), fo habe umge kehrt Sokrates des Morgens auf dem Markt folche Geſpraͤche gehalten mit den Handwerkern und ſolchen fremderen, bei denen es Zenophon leichter gehabt fie des philofophifchen zu entkleiden; Abends aber auf den Spaziergangen und in ben Gymnafien jene feineren tiefer greifenden und wizigeren Gefpräche mit den Schönen, welche verfchönernd und erweiternd nachzuahmen und feine eignen Unterfuchungen baran zu knuͤpfen dem Platon vorbehalten blieb. Und fo wirb man, um bie: Lüffe auszufüllen, bie offenbar Zenophon gelaffen hat, immer auf den platonifhen Sokrates zus rüffgetrieben, und fäme am Fürzeflen weg, wenn man sine Res gel fände, nach der man beflinmen fünnte, was nun im Platon Bild und Eigenthum des Sokrates iſt, und was eigne Erfin: bung und Zuthat. Nur. freilih kann die Aufgabe nicht gelöfet werden durch .ein folches Verfahren wie Hr. Meinerd **) anwen bet, für deffen kritiſches Talent diefer Gegenftand überhaupt wol weniger gerignet war. Denn wenn wir unter allem platonis fhen nur das audfuchen, wad am wenigften tiefjinnig. am we nigften tünfllih am wenigften dichteriih, mithin auch fo Gott will am wenigften fchwärmerifch ift: fo behalten wir freilich im: so mer noch viel Stoff zu folchen feineren und gehaltreicheren Ges fprächen um damit die renophontifche Langeweile zu würzen, aber einen eigentlich philofophiichen Gehalt des Sokrates koͤnnen wir auf diefem Mege nicht finden. Denn wenn wir das tiefs finnige ausfchliegen, fo bleiben nur Folgerungen übrig, zu denen die Gründe und die methodifchen Principien fehlen, und bie alfo auch nur inftinktartig, dad heißt unphilofophifh, dem Sokrates tönnten eingewohnt haben. Der einzige fihere Weg fcheint viel- mehr. der zu fein, dag man frage, Was Tann Sokrates noch

°) Gellius N. A. XX, 5. ) Seſch. d. Wiſſenſch. II, ©. 420.

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gewefen fein neben dem, wad Zenophon vom ihm ‚meldet, ohne jedoch den Charafterzügen und Lebensmarimen zu widerfprecen, welche Xendphon beflimmt als ſokratiſch aufftellt, und waBımnf er gewelen fein. um dem Platon BVeranlaffung und Recht gegen ben zu haben ihn fo wie er thut in feinen Gelprächen auf führen. Das leztere aber führt und unvermeidlich auf den 96

un er

nn -..

| ſchichtlichen Standpunkt zurüfk, von bem wir auögegangen “find, ! dag nämlich Sokrates eben in fo fern einen’ im firengen Sim

shilofophifchen Gehalt muß gehabt haben, ald Platon ihn burd die That für den Urheber ſeines philoſophiſchen Lebens. anerkennt,

und er alfo als die erſte Lebensäußerung der ausgeblibeteren

hellenifchen. Philoſophie anzuſehen ift, und daß er diefen Pla; nur einnehmen Tann vermöge eined eigentlich philofophifchen aber der : früheren. Periode nicht mehr angehoͤrigen Gehaltes. Hier aber muß man zunaͤchſt dabei flehen Bleiben, was ber nachſokra⸗ tiſchen Philofophie von Platon an .eigenthümlich und feit biefer Zeit allen eigentlich: ſokratiſchen Schulen gemein iſt, das fei bad Zufammetfein und Sneinandergreifen biefer drei Diöciplinen, Dialektik Phyſik Ethik. Diefer- Unterfchieb trennt die Zeiten fehr Heftimmt.. Denn vor dem Sokrates waren diefe Disciplinen theild ganz geftennt vorhanden, theild ohne gehörige Sonderung und ohne beſtimmtes Verhaͤltniß ihr Inhalt unter einander gemifcht; fo Ethik und Phyſik unter einander bei den Pythagoreern, Phyſik und Dialektik bei den Cleatifern, nur den ganz phufifchen Ben denzen der Sonier war beiderlei dialektiſches und ethifches, jeboch nur in einzelnen Anflügen, aufgeſetzt. Daß aber einige bad Sondern und Zufammenfaffen diefer Wiffenfchaften auch dem

Mlaton noch abfprechen und erſt dem Xenokrates zufchreiben, und

wieinen, Ariftoteled fchon fei wieder davon abgewichen, dies be ruht nach meiner Meinung auf einem Mißverfland, den jedoch nachzuweiſen bier zu weit führen würde. Nun kann man fies eo lich nicht behaupten, Sokrates fei der erſte in Einer Perfon Phy⸗ fifee Gthifer und Dialetiler geweien, zumal Platon und RXeno⸗

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phon ſich vereinigen ihm daB phyſiſche abzufprechen;. noch laͤßt fich geradezu ſagen, Sokrates habe wenigſtend dieſe Eintheilung alles Wiſſens erfunden, ohnerachtet fie ſich allerdings aus den xenophontiſchen Denkwuͤrdigkeiten ſchon entwikkeln laͤßt. Wol aber Tann man fragen, ob: nicht dieſer Erſcheinung noch etwas einfacheres mehr innerliches zum Grunde liegt, und ob nicht die⸗ ſes in Sokrates geweſen. Ich wenigſtens denke, folgendes wird nicht viel Widerſpruch finden. Se leichter noch die forſchenden unvermerkt von ‚einem: Gebiet des Erkennens .auf ein anderes überfpringen, beflo. mehr hängt noch der ganze Verlauf ber ins tellectuellen Thaͤtigkeiten von Außeren Umfländen ab; benm nur von rinet: durthgreifenden @intheilung kann eine planmäßige und zufammenhängende Ausbildung beginnen... Eben fo, je mehr bie einzelnen Miffenfchaften "vereinzelt betrieben -merben, und. die Ber ehrer beufelben- ſich in diefer Berainzelung befriedigt fühlen, une deſto mehr ift bei dem ganzen Beſtreben ber fpecififche Inftinkt für den Gegenftand jeder Wiffenichäft vorwaltend. Wenn‘. aber dad Beduͤrfniß des Zufammenhanges und Zufanmenwacfend:ah ler Zweige des Wiſſens ſo beſtimmt hervorgetreten iſt, daß es ſich in der: Form ihrer Behandlung und Darſtellung auf eine nicht mehr ;verlierbure Weiſe ausſpricht: ſo find in ſo fen nicht mehr bie einzelnen Talente und Inſtinkte herrfchend, foabern das allgemeine "wifjenfchaftliche Talent der Speculation. . In dem er fen Falle muß. man geſtehen, daß die Idee des Wiſſens an ſich noch nicht ausgebildet iſt, vielleicht nicht einmal zum Bewußt⸗ fein gekommen; denn das Wiſſen an ſich kann eben fo nur als Ein Ganzes gedacht werden, in dem jede Trennung bloß unter⸗ geordnet iſt, wie das Sein, dem es entſprechen ſoll. In dem lez⸗ ten Fall hingegen iſt dieſe Idee zum Bewußtſein gekommen; denn: nur. durdrihre Kraft haben jene beſonderen Neigungen, die jeden an einem gewiflen Gegenflande feflhalten und das Wiſſen vereinzeln, überwunden werden können. Und biefed ift unftreitig ein einfachered Merkmal, welches die ‚beiden Zeiten ber helleni⸗

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fchen Philoſophie unterfcheidet. In der früheren nämlich wer |; bie Idee. des Wiſſens an fich nicht bie leitende ja nicht einmal h recht zum Bewußtſein gelommen, welches eben für uns di ' Quelle der Dunkelheit aller philofophifchen Probuctionen jene | or Zeit ift, wegen bed Scheind ber Willkuͤhr ber aus der Bewußt lofigkeit entfteht, und wegen ded Mangels bed wifjenfchaftlichen ' Voͤrtrages ber ſich erſt almählig aus dem bichterifchen und hi ftorifchen herausarbeitet. In ber zweiten dagegen ift biefe Io bes Wiſſens zum Bewußtſein gekommen; baher Die Hauptfade überall die ift, die Erkenntnig von der Meinung zu unterſchei⸗ ben, daher bie beflimmte Form des willenfchaftlichen Vortiages, daher das befondere Heraudtreten ber Dialektik, die keinen an bern Gegenftand hat als die Idee bed Wiſſens, welches alles felbft von den Eleatikern keinesweges auf diefelbe Weiſe wie von ben Sokratikern aufsefaßt. ift, indem jene noch überall mehr von der Idee des Seins ald des Erkennens audgehn. 000. Dieſes Erwachen nun der Idee des Wiſſens und bie erſten Zeußerungen berfelben, dad muß zunachfi der philofophifche Ge halt des Sokrates geweſen fein; und beöhalb wird er mit. Recht immer angefehen ald der Urheber jener fpäteren bellenifchen Phi⸗ loſophie, deren ganze wefentliche Form mit allen einzelnen Ber: ſchiedenheiten durch eben dieſe Idee beſtimmt iſt. Deutlich genug geht ‚Died hervor aus dem was geſchichtlich if im Platon, und ed ift auch in den renophontifchen Gefprächen bad was mar |; fich erft wieder hineindenten muß um fie bed Sokrates unb ben Sokrates der feinigen würdig zu finden. Denn wenn biefer im |; Dienfte des Gotted umberging um das bekannte Orakel zu recht⸗ fertigen, fo war doch hiebei das lezte unmöglich, daß er mur |. wußte, er wiffe nichts: ſondern es lag nothwendig babinter, baf er wiffe was Wiffen fei. Denn woher anders konnte ex auch, was andere zu wiſſen glaubten, für ein Nichtwiffen erklären, ald nur vermöge einer vichtigeren Vorſtellung vom Wiffen und ver möge eined darauf beruhenden richtigeren Verfahrens ? Und über

|

es

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A wo er daB Nichtwiffen darlegt, fieht man, er geht von bie en beiden Merkmalen aus, zuerft bag das Wiffen in allen. wah⸗ en Gedanken baffelbe fei, alfo auch jeder folche Gedanke die eie yenthümliche. Form defielben an fich tragen müffe, und dann DaB illes Wiſſen Ein Ganzes bilde. Denn feine Beweiſe beruhen \ immer -barauf, daß man. von Einem wahren Gedanken aus nicht könne in Widerfpruch verwikkelt werden mit einem andern, und daß auch ein. von Einem Sunkte aus abgeleitete: durch richtige Verknüpfung gefundened Wiſſen nicht dürfe widerfpre hen einem von: einem andern ‚Punkte auf gleiche Weiſe gefuns denen; und indem er an ben.gangbaren Vorſtellungen der Men: 2 ſchen folche Widerfprüche aufdekkte, fuchte er in allen, bie ihn irgend verfiehen oder auch nur ahnen konnten, jene Grundgebane ten aufzuregen. Das meifle was und Zenophon aufbehalten bat, läßt fich hierauf zurüffführen, und deutlich genug ift eben dieſes Beftreben angedeutet in bem mad Sokrates von fich felbft fagt in der platonifchen Apologie, und was Altibiades von ihm fagt im feiner Lobrede. So dag, wenn man fich dieſes als den Mittelpunkt des fohratiichen Weſens denkt, man fowol den Pla: ton und Zenophon einigen ald auch die gefchichtlihe Stellung des Sokrates verfiehen Tann.

Wenn Zenophon fagt *), fo oft Sokrates nicht bloß bie Irrthuͤmer anderer widerlegt habe, fondern_felbft etwas audge: führt, fei ev. durch die am allgemeinften eingeflandenen Säze ge: gangen: fo begreift fich dieſes Verfahren ganz vollkommen aus jenem Beſtreben; er wollte fo wenig ald möglich) Hinderniſſe und Ablentungen untermweges finden, um fein Verfahren Mar und einfach zu Stande zu bringen; und das mußte ihm am willkommenſten fein, was wo möglich alle für gewiß hielten, um daran zu zeigen daß es doch Fein Willen fei, weil nur um fo lebendiger die Nothwendigkeit gefühlt werden mußte dem Wiſ⸗

*), Mem. IV, 6, 12.

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fen auf ben Grund zu kommen und von biefem aus allen menſqh lüichen Dingen eine andere Geſtalt zu geben. Daraus erklaͤt fich auch der Überwiegend bürgerliche und oͤkonomiſche Inhalt ber meiften jener Gefprähe. Denn auf diefem Gebiet Tagen bie am meiften eingeflandenen Worftellungen und Säze, an deren Schilb fal alle ohne Ausnahme theilnahmen. Aber nicht erklären läßt fich jened Verfahren, wenn man annimmt, ed fei biebei dem Sofrated auf ben Inhalt angekommen, fondern diefer muß ihm nur bie Nebenfache gewefen fein. Denn wenn ed barauf abge fehen ift einen Gegenftand aufs reine zu bringen, muß man aud die minder befannten und angezweifelteren Vorſtellungen beruͤkk fitigen; und wie dürftig in dieſer Ginficht die meiften jener | Diatriben im Xenophon find, liegt zu Tage: Aus bemfelben Geſichtspunkt muß man auch den Streit des Sokrates mit ben Soppiften betrachten. Als gegen ihre Marimen’ gerichtet gehört er nicht hieher, fondern iſt die Oppofition des guten Buͤrgers gegen bie Regimentd s und Sugendverberber. Aber auch von der ; sein theoretifchen Seite angefehen wäre es ein leerer Gedanke os diefen Gegenfaz ald Keim einer neuen Periode der Philoſophie barzuftellen, wenn Sokrates nur Meinungen bekaͤmpft, welde die Ausartungen früherer Philofopheme waren, ohne andere Re fultate dagegen aufgeflelt zu haben, wad ihm doch niemand zu fehreibt. Aber zu jenem Zwekk die wahre Idee des Wiſſens aufı zuregen mußten ihm bie Sophiften am willfommenften fein, die ihren Meinungen bie vollfommenfte Form gegeben - hatten, und beöhalb ſowol fich felbft viel Damit wußten, ald auch von andem vorzüglich bewundert wurden. Wurden diefe alfo im ihrer Bloͤße dargeftellt, jo mußte dadurch auc der Werth feined mit folchem Gluͤkk angewendeten Princips am meiften zur Anfchauung ges bracht werben. Um aber an ber gangbaren Vorftelung ſowol der fophifi: . fhen Xheorien ald auch deö gemeinen Lebens bad ungenügende | ‚nachzumeilen, dazu bedurfte ed, wenn der Auögang nicht dem |

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Zufall follte anheimgeſtellt "bleiben, einer fichern Methode: Denn Me mußten zum Behuf biefed Verfahrens Mittelbegriffe aufge: bellt, und dieſt alfo, wenn nicht hintennach alles nur als eine chlechte Ueberraſchung erfcheinen follte, mußten zur Zufriedenheit eider heile beſtimmt werben; und das Auffinden des Miders pruchs zwifchen dem vorliegenden Saz und einem andern einges kassbenen berubte auch‘ darauf, mit was für Begriffen fich ein jegebener verknüpfen laſſe und mit was für welchen nicht.. Diefe Deethode nun ift aufgeftellt in den beiden. Aufgaben, welche Plas on im Phaidros ald die beiden Hauptfäze ber dialektiſchen Kunfl giebt, naͤmlich zu wifjen, wie man richtig vieles zur Einheit afanımenfaffe und eine große Einheit auch wieder. ihrer Natur zemäß in mannigfaltiges theile, und dann zu wiffen welche Ber griffe ſich mit welchen verfnüpfen laſſen und welche nicht. Hier busch nun iſt Sokrates der eigentliche Urheber der Dialektik ge— worden, welche die Seele qller fpäteren großen Gebäude hellenis feher Philofophie blieb, und durch deren beflimmted Hervortreten fi) am meiften die fpätere Periode von der frühern unterfcheis bet, fo daß man ben gefchichtlichen Inſtinkt nur billigen kann, der ben Mann immer fo hoch geftellt hat. Dabei ſoll nicht ges läugnet werben, daß Eukleides und Platon auch biefe Wiſſen⸗ fchaft erft weiter ausgebildet haben, aber in ihren erſten Grumbs zügen bat Sokrates fie offenbar auf eine befonnene Weife als Wiſſenſchaft befefien und ald Kunft ausgeübt. Denn die Cotts fruction aller fokratifchen Gefpräche, fowol der zweifelhaften plas tonifchen und der andern urfprünglichen Sokratikern mit einigem c+ echt beigelegten als auch ber in ben renophontifchen Denkwuͤr⸗ digkeiten mitgetheilten, berubet ohne Ausnahme hierauf. Dafs felbe geht auch hervor aus dem ariftotelifchen Zeugniffe *), was man dem Sokrates mit Recht zufchreiben Eönne, fei dag er bie Induction und die allgemeinen Erklärungen eingeführt, ein Zeug:

*) Metaph. 1, 6. XII, 4.

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niß welche ‚alle Merkmale der Partheitöfigleit- und der Vah heit in ſich trägt. Es iſt daher auch gar fein Grund, zu zwe fein, Sokrates habe dieſe Kunſt richtiger BVegriffsbildung um Begrifföverfnüpfung gelehrt. Nur bag, eben weil ed eine Kum ift, dad troffne Lehren nicht genügte, und deshalb auch gm vom Sokrates nicht abgefondert betrieben wurde; ſondern dig Kunſt wollte in den mannigfaltigften Anwendungen angefchen und felbft geübt fein; und wer barin noch nicht feft war, un die Schule zu zeitig verließ, dem verging fie wieder, und u ihe alles faſt was vom Sokrates zu lernen war, wie Died « in Platonifhen Gefprächen bemerkt wird. Daß nun biefe | und Darftelung der Hauptzwekk ber folratifchen Geſpraͤche ul über ‘allgemeine fittliche Gegenflände war, gefteht Renophon fehl ganz ausdruftlich, indem er unter der Auffchrift, was Sof gethan um feine Freunde dialeftifcher zu machen, gar fehr folcher ethifcher Reden und Unterfuchungen aufführt, und fo wg gleihem Schnitt mit den andern, daß alle eben fo gut in I felbe Reihe Fonnten geftellt werben. R Ufo damit fie diefer Kunft Meifter würden und babı die Idee. der Erkenntnig immer fefter hielten, dazu umgaben gl volle- und tieffinnige Männer den Sokrates fo lange ed i nun vergönnt war, und die ed konnten bid an feinen Xob, verzichteten indeſſen lieber der Weiſe des Meifterd treu biei auf zufammenhangende Anwendung berfelben in ben verſchi nen Gebieten des Wiffend und auf vollfiändigere Ausbilk aller Wiffenfchaften durch dieſelbe. Als aber die ausgezeich fien unter ihnen nad) feinem Tode zuerft in Megara ‘ein eig liches wifjenfchaftliches Leben anfingen, und fo allmaͤhlig Philoſophie in der Geſtalt ausgebildet warb, die fie hernach ter den SHellenen mit geringen Ausweichungen immer be es hat: fo geichah daran gewiß, zwar was Sokrates felbft nik than und vielleicht nicht gekonnt hatte, aber body gewiß zu Wille. Man könnte hiegegen freilich einwenben, Zenophon

= 306 mubhräffiich *), Sokrates habe nicht nur felbft im veiferen Jahren hebe Beſchaͤftigung mit der Naturwiſſenſchaft aufgegeben, ſondern auch alle anderen davon zuruͤkkzuhalten geſucht, und ſie auf Be⸗ trachtung der menſchlichen Angelegenheiten verwieſen; daher auch mehrere nur diejenigen für aͤchte Sokratiker halten wollen, welche die Phyſik nicht mit in ihr Syſtem aufgenommen haben. Allein dies ift offenbar viel weniger allgemein zu nehmen und in einem ganz anderen Sinne aufzufaflen als gewöhnlich geſchieht. Die Gründe des Sokrates zeigen Died ganz deutlich. Denn wie Tönnte ex, ſo allgemein gefagt haben, man bürfe mit der Unterfuchung nicht ehe an biefe von Gott abhängigen Dinge gehen, bis man bie vom Menfchen abhängigen in Ordnung gebracht, da nicht aur diefe fo vielfältig mit jenen zufammenhängen, fondern ed auch unter den menfchlichen Dingen felbft wichtigere geben muß und minder wichtige, nähere und entferntere, und ber Saz dahin führen würde dag man ehe das eine ganzlich vollendet fei nicht einmal die Unterfuchung eined zweiten beginnen dürfte. Nicht übel Fönnte dies ein Sophift gegen den Sokrates felbft gewendet haben, wenn er einen zweiten entfernt fcheinenden Begriff herbei- ſchleppt um einen vorliegenden zu erläutern; und gewiß wäre biefer Saz, allgemein verftanden, nicht nur ber Führung bed Les bens gefährlich, fondern zerftörte auch gänzlich jene fokratifche Sdee des Wiſſens, daß jebed nur mit dem andern zugleich und mit feinem Verhaͤltniß zu allem Tann gelwoußt werden, Sondern die Sache iſt nur dieſe. Daß Sokrates kein beſonderes Talent zu einer einzelnen Wiſſenſchaft hatte, und am wenigſten zur Phy⸗ ſik, das liegt zu Tage. Nun kann freilich auch ein bloß meta⸗ phyſiſcher Kopf ſich zu allen Wiſſenſchaften hingezogen fuͤhlen wie dies bei Kant der Fall war, allein unter andern Umſtaͤnden ge⸗ ſchieht dies und bei einer andern Eigenthuͤmlichkeit als der des Sokrates. Dieſer vielmehr entfernte ſich nicht von ſeinem Mit⸗

”) Mem. I. 1, 11 sqg. Schleierm. W. III. 2. W

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telpunkt in die Weite, ſondern er widmete fein ganzed Leben ber möglichft verbreiteten und lebendigen Erregung feiner Hauptibee; fein ganzer Wunſch ging dahin, wie ſich immer auch die ge # ſchichtlichen Wuͤnſche und Hoffnungen bed Menfchen nach feine Eigenthümlichkeit geftalten, bag, ehe man in bie Weite ginge, Ib es diefer Grund erſt recht feſt werben möchte. Bis dahin aber, das war fein Rath, möge man neue Mafjen von Meinungen nidt zufammenhäufen; fondern die wollte er feines Theils nur ge flatten, fo weit die Bebürfniffe des thätigen Lebens es erforder ten, und deshalb eben Fonnte er fagen, wenn diejenigen, tele den meteorifchen Erfcheinungen nachforfchten, die Hoffnung hätten fie nach Belieben hervorbringen zu koͤnnen, fo wollte er eher ih: sen Forſchungen Raum laſſen, welches ja in jedem andern Sinne als in dieſem thöricht wäre. Hieraus alfo Tann man nicht be weifen dag Sofrated die Ausbildung der Phyſik nicht gewollt, eben fo wenig ald man annehmen darf, er habe fich eingebilbet bie Ethik koͤnne als Wiffenfchaft werden, wenn man nur jene abgebrochenen Unterfuchungen recht vervielfältigte, wozu ihn bie | gemeinen Vorfiellungen veranlaßten. Jenes Fortſchreitungsgeſe; ift aber unwillkuͤhrlich auch das feiner Schule geblieben. Dem wiewot in alle Wiffenfchaften hineingehend legt es doch auch Dlaton noch überwiegend auf bie Befefligung ber Principien an, und verbreitet fic in dad einzelne nur nach Maaßgabe ber Roth: | wenbigfeit, und um fo weniger ald es von außen muß gegeben werben; und erſt der fpätere Arifloteles vertieft fi fich wieder mit Luft in deſſen Fülle. | Dies iſt ed was mir fcheint über den philofophifchen Werth bed Sokrates mit Gewißheit gefagt werben zu können. Will man aber nun weiter fragen, wie weit er die Idee der ‚Dialektik in feinen Belehrungen durchgeführt, oder wieviel er außer biefem Gebiet durch feine Polemik und feine verfuchende Dialektik res les Wiffen zu Tage gefördert: fo möchte darüber wenig zu fagen fein, und am wenigften wüßte ich aus den Werken des Platon

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an und für fich etwas zu dieſem Behuf audzufcheiben. Denn wie da überall in dem platonifchen das fofratifche ift, fo auch überall in dem fofratifchen das platonifche. Nur wer eigene Lehren des Sofrated aufzeichnen will, der fuche nicht, wie fie es in‘ ben Sefchiehten der Philofophie machen um doch einigen Raum mit bem Sokrates auszufüllen, einzelne moralifche Säze zufammen, die nur aus jenen gelegentlichen Unterfuchungen entflanden auf Feine Weife ein Ganzed ausmachen, und was andere Gegenftänbe betrifft halte er fich an die oben angeführte Stelle des Ariftote: les, welcher die philofophifchen Beichäftigungen des Sokrates Ies diglich auf die Principien befchränkt. Zunächft wäre baher zu jehen, ob nicht einiged tief fpeculative urfprünglich fofratifch. fein möchte, was die meiften am wenigften dafür halten, wie der im 7 Platon platonifcher audgeführte aber felbft vom Zenophon *) im Keim bdargeftellte mit der dialektiihen Hauptfrage von Ueberein⸗ fimmung des Denkens mit dem Sein fo genau zufammenhans gende Gedanke von einem allgemeinen Werbreitetfein der Intellis gen; im Ganzen der Natur. Hieran koͤnnte man knuͤpfen was Ariftokles **) audgefagt hat, daß Sokrates auch den Anfang ges macht habe mit Entwilllung ber Lehre von den Ideen. Doch dieſes fpäten Peripatetiterd Zeugniß ift verdächtig, und ed Liegt demfelben vielleicht nichtd zum Grunde als die Aeußerungen bed Sokrates in dem platoniſchen Parmenides.

Doch babe nun von diefem und anderem viel ober wenig dem Sokrates felbft angehört, fo muß ſchon jened allgemeine auch eine richtigere Worftelung davon erwekken, in welchem Sinne Platon in feinen Werken den Meifter aufführt, und in welchem Sinne man feinen Sofrated einen wahren nennen muß oder eis . nen erdichteten. Nämlich erdichtet ift er eigentlich meined Erach⸗ tend garnicht, und’ die Wahrheit iſt auch nicht bloß die mimi⸗ fche, und Sokrates ſteht nicht in jenen Werken nur als eine be U ”) Mem. I, 4, 8. **) Kuseb, Praep. XI, 3.

V2

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queme viel mimifche Kunft und viel heitern Scherz aufnehmende Perfon um den tieffinnigen Unterfuchungen diefe anmuthige Zu: that beizumifchen. Sondern weil überall der Geift und die Me thode des Sofrated walten, und es nicht nur etwas untergeord neted für den Platon ift wenn er fokratifirt, fondern auf ber an bern Seite eben fo fehr fein hoͤchſtes Ziel: fo hat Platon Fan Bedenken getragen ihm auch dasjenige in den Mund zu legen, was nach feiner Meberzeugung nur Folgerung war aud ben Srunbideen des Sokrates. Hievon könnte man naͤchſt manchem ‚einzelnen, womit ed aber diefelbe Bewandtniß hat wie mit den Anachronidmen, nur in fpäteren Werken wie der Staatömann und die Republik wefentliche Ausnahmen finden; ich meine pla tonifche Philofopheme die den wirklichen Anfichten des Sokrates fremd find und ihnen vielleicht eher auf mittelbare Weiſe wider fprechen, dem Sokrates dennoch in den Mund gelegt. Hieruͤber mag fih dann Platon auf dad Recht berufen was die Gewohns os heit giebt. Im ganzen aber mug man fagen daß Platon den |!

fterblih gemacht hat, ſchoͤner nicht nur fondern auch in Wahr heit gerechter ald durch eine buchſtäbliche Erzählung würde ge ſchehen fein. _

VI.

leber die griechiſchen Scholien zur nikoma⸗ chiſchen Ethik des Ariſtoteles.

Vorgeleſen den 16. Mai 1816.

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N ber Daraphraje bed angeblihen Andronicus Rho⸗ 28 ius, von welcher: bier nicht bie Rede ift, giebt es bekanntlich ne Sammlung Scholien zu jenem Werke, die, wenn nicht noch nigeö verborgen liegt, das einzige iſt was barüber aus dem Itertbum übrig geblieben. Sie ift unter dem Titel Zücgariov ui &llmy rumav donumv Ünouynuara tig T& Öfxer ete. er» bienen. Bon biefer Sammlung fcheint die Kenntnig noch ziem⸗ ch mangelhaft zu ſein, und es iſt meine Abſicht durch eine ge⸗ auere Beſchreibung etwas naͤher die Entſcheidung der ſtreitigen dunkte herbeizuführen, was nämlich davon dem Euſtratius und va8 den AAdoıg rot gehöre, und wer biefe wol fein mögen.

die Sammlung ift meines Wiffend nur einmal von Paulus

Ranutius im aldinifchen Drukk herausgegeben ohne alle Nach⸗ icht, wie gewöhnlich, über die dabei gebrauchten Handſchriften.

lußerdem giebt ed eine lateinifche Ueberfezung ber Ethit cum ommeutariis Eustratii et aliorum von Joannes Bernardus

'elicianus zuerft in Venedig 1541, bann in Paris 1543,

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wieder in Benebig 1589, und zulezt in Helmfläbt 1662 gebrufft. Dies Werk wird allgemein für eine Ueberfezung ber Scholien ge halten, welche Manutius in der Urfprache heraudgegeben. Buhle $ 04 p. 299 bemerkt nur, daß in Angabe der Verfaffer der erflerm A Bücher diefer Scholien beide Herausgeber nicht ganz übereinfiw F men; und Fabricius bemerkt, aber fafl nur als eine Bes F thung, daß Felicianus heine hie und da noch andere Ha fhriften gebraucht zu haben. Jene Verfchiebenheit in Angabe ie Verfaſſer bewog mich zuerft dad Verhaͤltniß beider Sammluna F etwas näher zu unterfuchen. Fabricius befchreibt jene Abk dung fo, dag Manutius nur dad erfle und 6te und 9te u 10te Buch dem Euftratius zufchreibe gemeinfchaftlich mit Je cianus, eben fo das Ste dem Michael Ephefius, dad 7te und Me dem Alpafius; dad 2te, Ste und Ate aber nur Felicianus de Euftratins zufchreibe, Manutius aber das Ite einem unbelnmii ten, dad Ate auch dem Aspaſius, und bad 2te ungewiß einem; unbelannten ober dem Aspaſius. Dies ift nicht ganz ridt4 Felicianus fagt in feiner Vorrede ausdruͤkklich, er fei auf: Commentarien geftoßen, welche Euftratius über das erfle und 0 Buch der Ethik gefchrieben, und habe fi vorgenommen t nur bdiefe, fondern auch die Commentarien anderer, wer fie au möchten gemefen fein zu den übrigen Büchern, ins lateiniſche überfezgen.: In der Ueberfchrift hingegen fchreibt er freilich ar dad 2te, Ste und Ate dem Euſtratius zu, fagt aber daneben bein zweiten, daß einige ed dem Adpafius andere einem ungeriffl Verfaffer zufchrieben, beim dritten bemerkt er das leztere ebenf und fo auch beim vierten, wobei er aber bed Aspafius, dem griechifche Eremplar hier allein nennt, gar nicht erwähnt, fo Ik; er nur in biefem Iezten Punkte beftimmt vom griechifchen ME weicht. Auch betrachtet er in einer andern Stelle feiner Bor bie fammtlichen Commentarien zu dieſen 3 Büchern als auctoris. Beim Hten Buch nennen beide allein den Euflrefi beim 7ten und &ten beide allein den Aspafius, beim Yten

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10ten das griechiſche allein den Euflratius, das Iateinifche neben ihm auch den Michael Ephefius. Die Verfchiedenheit in der Ans gabe iſt alfo eigentlich nicht fo groß ald Fabricius fie darſtellt. Beim Iten und 10ten Buch wird bie abweichende Angabe bed Feli-⸗ Ganus beftätigt durch bed Montfaucon Beichreibung des Cod. 161. olim 304 Coislinianus, der ebenfalls diefe Scholien wie bie zum 5ten Buch dem Michael Ephefius zuſchreibt. Buhle flimmt dies fer Angabe gegen unfer griechifche® Exemplar bei, als ob er die Sache wirklich unterfucht hätte, woran jedoch ſehr zu zweifeln iſt. Mit der Angabe unfered griechifchen über das 2te, 3te und Ate Buch flimmt nun nach Buhle auch der parififche Cober 2060 26 überein; dem von Montfaucon beſchriebenen Codexr fehlen zu die⸗ fen Büchern die Scholien.

Freilich müßte die Wergleichung der Handfchriften felbft erſt entfcheiben, worauf die Werfchiebenheit der Angaben beruhe, und ob auch daS verfchieden überfchriebene daffelbe fei, oder eb viel⸗ leicht zu dieſen verfchiedenen Weberfchriften auch verſchiedene Gommentare wenigftend urfprünglich gehört haben, wenn auch die Weberfchriften hemad zum Theil ſind falſch uͤbertragen worden.

Da nun vor der Hand an eine ſolche Vergleichung nicht zu denken war: ſo beſchloß ich zu ſehen, wie weit ich durch Ver⸗ gleichung der in den beiden Exemplaren gleichen und verſchiede⸗ nen Verfaſſern zugeſchriebenen Scholien uͤber die Wahrheit der Angabe entſcheiden koͤnnte. Ich dachte, es muͤßte ſo ſchwer nicht ſein, da die angegebenen ſo weit der Zeit nach aus einander lie⸗ gen. Aspaſius der Lehrer des Lehrers von Galen im erſten, Eu: firatius im 12ten Sahrhundert. Der Michael Ephefiud freilich ift eine ganz unbekannte Perfon. Denn wiewol ihm Buhle das 1ite Sahrhundert anmeifet, fo feheint Doch Died mehr nach Gut» bünfen geſchehen zu fein, ald irgend einen ſichern Grund zu ha: ben; und um hinter die Sache zu kommen müßten wol, erfl die vielen Schelien zu andern Werken, die unter diefem Namen Ep

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in parififhen Handfchriften finden, gedrukkt oder wenigflend em cerpirt fein.

Indem ich nun zunächft bie beiden von beiden Audgaben und bem oben erwähnten Cober übereinftimmenb und ausſchließ⸗ lich dem Euſtratius zugefchriebenen Bücher durchlief: fo blieb mi Tein Zweifel, dag fowol der Cod. Coislin. ald der ded Felidamıd baffelbe enthalten was und Manutius gegeben. Denn die im Montf. Gatal. angegebenen Anfänge flimmen überein und aud dad Tateinifche mit dem griechifchen im 6ten Buche ganz, nur daß wo zumal homerifche auch andere poetifche Stellen aus noch vorhandenen Büchern angeführt werden, Felicianus immer mehr giebt. Doch dieſes fchreibt er in der Vorrede ausdruͤkklich ſich felbft zu, und befchreibt überhaupt feine Verfahrungsart fo daß Pleinere Abweichungen daraus leicht zu erflären find. In bem Commentar zum erflen Buche weicht freilich das Iateinifche mehr - ab, allein dies rührt lediglich von der verfchiebenen Abtheilung ded Terted her. Sie ift bei Zelicianus verfländiger, aber dieſe

266 Verbeſſerung hat ihn bisweilen genöthigt ben Anfang ber ginzel: nen Abfäze des Commentard zu ändern.

Die Commentare zu diefen beiden Büchern find einander im vielen Stüffen fehr ähnlich. Sie find beide, wie fie auch im ‚griechifchen überfchrieben find, eigentliche Gregefen, d. h. fie neh⸗ men bald größere bald kleinere Stellen des Textes, beſtimmen davon den Sinn, bringen fie in Zufammenhang mit andern Stel: len, erläutern fie aus den allgemeinen Anfichten und Ideen des ‚Schriftftelerd, und heben Bedenklichkeiten die Dagegen entſtehen Fönnten. Auch das gilt von beiden, weshalb auch Felicianus den Euſtratius ruͤhmt, daß auf dad Verhältnig der ariftotelifchen und platonifchen Lehren Rükffiht genommen iſt. Chriſtlich be weifen fich ebenfalls beide vielfältig, -und befunden ein ſpaͤtes Zeitalter durch ihre Sprache. Wörter wie OAodeng, Ovrorng has ‘ben fie gemein. Beide haben einen Eingang, der das Worhaben ausdrüfflich auf Died einzelne Buch befchräntt, und enden dennoch

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belde ohne irgend eine Art von Schluß. Dieſen Uebereinſtim⸗

mungen ſtehen aber doch auch bedeutende Verſchiedenheiten gegen⸗ über. Der Commentator des Gten Buches hat einen weit groͤ⸗ Fern Reichthum ber Sprache, wendet auch mehr Fleiß auf den Periodenbau, wenn gleich fein Geſchmakk in beider Hinficht nicht ber befte if. Er zeigt fich von einem gewiſſen Platonismus in« nerlich durchbrungen, oft unabfichtlich ja unbewußt, weiß aber. auch in platonifchen Büchern Beſcheid und verweifet auf dieſe. Der Eommentar bed erften Buches zeigt zwar auch in einigen Hauptfachen Kenntniß platonifcher Lehren, 3. €. richtige Unter⸗ fcheibung ber Ideen im platonifchen Sinn und der allgemeinen Begriffe im ariftotelifchen; er ereifert fich auch für den Platon bis zu Befchuldigungen und komiſchen Apoſtrophen des Ariſtoteles. Aber in ben platonifchen Büchern weiß er nicht fo Beſcheid, ex merkt nicht immer wo vom Platon die Rebe iſt und führt bie Bücher gar nicht an. Auch fonft, wenn gleich feine Gelehrfams keit nicht bloß chriſtlich iſt und uns den aeyag Asovvosog hers Bringt, fondern auch auf feine eigne Hand ben Phocylides Euris pides Galenus, ja den Heraclitus und Parmenides, aber freilich nur fo wie er auch aus fehr abgeleiteten Waſſern kann geichöpft haben: fo iſt boch feine Kenntniß des Alterthums bürftig, und er zeigt fich vielfältig Linkifch, wenn von litterarifchen Gegenſtaͤnden die Rede if. Vom Speuſippos fagt er, er fei ein WeoAoyog sap “"EAinow, über den Euborus giebt er und Feine Art von Notiz Von den olympifchen Spielen fagt er, fie wären bem Zeus. zu Ehren in; Arkadien gegeben worden; und Delos erzählt so7 er audführlich fei eine Infel mit einem Tempel und Orakel des Apollo. Gar linkiſch erklärt er den Ausdrukk za pwiza erſt aus bem Vorzug ded Homerd, und dann vielleicht weil der Ges genfland Heroen wären, fo nämlich hätten bie Alten zoig nag "Eklmow sbyeveig ayadoüg genannt, und noch närrifcher den Ausdrukk &v Toig Eyxuxkiog über ben wir fo gern aus dem Alterthum etwas orbentliched gehört hätten. Dergleichen ift dem

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Commentar bes 6ten Buches fremd. Wenn man fich' gleich wundert von Phidiad zu Iefen er habe auch Pflanzen und Thiere mit großer Genauigkeit abgebildet: fo iſt doch hier Arifloteles felbft einigermaßen Schuld, ber den Phidias Auovpyog' nennt den Polycletus aber avdosevronosog. Sonft bringt ex vice aus dem Altertbum bei, aus Thucydides, Demofthenes, Iſocra⸗ teö, beruft fi) auf Archilochus Gratinus Callimachus, und auf eine ſolche Art daß man nicht merkt Died fei geradehin aus ans dern Scholien aufgenommen. Doc, ed giebt zwei Umftänbe, welche ganz beflimmt bafür entfcheiden, daß der Berfafler des Commentard zum. erfien und zum 6ten Buch nicht berfelbe if. Der erfle iſt die ganz verfchiedene Erklärung, welche von dem Ausdruft EEwregsxoig Acyoıs im erften und im 6ten Buch gege: ben wird. Nach dem erflern giebt es zweierlei ariftotelifche Schrif: tn, dxpomuarızd, Enel NIQÖS TOUG KOlWmg GxpOmmEVOUg Ti; avrov Öidaoxaliag Exötdorer, die andere Ziwrepixe, welche 8Ew TG X0INS axgOROEwGg 820509 1005 Tiva Imendavre yi- yoasıcas. Diefe durch gar Feine Beifpiele belegte auf keine Au- torität geflügte Erklärung, die offenbar.nur nach Andeutung des Namens gemacht ift, contraftirt fehr auffallend mit der im 6ten Buch, wo ber in einem ganz ähnlichen Zufammenhang vorlom- mende Ausdrukk gar nicht won ariftotelifchen Schriften erklaͤrt wird; fondern gefagt wird, Ariftoteles nenne fo Aoyovg 0% &w ung Aoyızng napadoaewg xowiüg Ta nAndn paciv. Daß dieſe ganz verfchiebene Erklärung in gar Feine Beziehung mit jener frühern gefezt wird, weder ald eine andere Anficht noch als auf einem andern Gebraucd, des Ausdrukks beruhend und alfo mit jener verträglich, died läßt fchwerlich zu an eine Identitaͤt beiber Verfaſſer zu glauben. Nur wenn diefe Commentare Scholien- fammlungen wären, koͤnnte man ſich ein folched gebankenlofes Aufnehmen entgegengefezter Erklärungen an verfchiedenen Stellen denken. Daß auch fonft überhaupt Feine Berufung im 6ten Buch auf den Commentar zum erften vorkommt, führe ich nicht beſon⸗

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derd an. Der andere Umfland welcher die Verſchiedenheit der Verfaſſer beweifet it der. Im Eingang zum Commentar bed 6ten Buches, der eine Paaulig Feoaefls; pirokoye etc. anrebet, 208 von ber ich auch nicht entſcheiden will, ob fie Königin von Kys prod geweſen ober bie, Gemahlin bed Conſtantinus Ducad oder - was fonft für eine, erwähnt der Verfaſſer, daß fie ihm vor einis ger Zeit eine Erflärung bed erſten Buches abgefordert, und er geglaubt fie werde hieraus feine Schwäche hinreichend erkannt haben, nun aber fordere fie dennoch auch eine zum Gten. Died beftätiget nun geradezu daß bad erfle Buch auch, und zwar nur dieſes, nicht die dazwiſchen liegenden (denn auch die Ueberficht , ber übergangenen Bücher erwähnt Feiner eignen Arbeit darüber) von demfelben Verfaſſer commentirt worden; und vielleicht iſt dies die Veranlaſſung geweien, wenn man’ gewußt unfer Coms mentar zum 6ten Buch fer von Euſtratius, dieſelbe Ueberfchrift auch auf unſern vielleicht urfprünglich namenlofen Commentar zum erſten Buch überzutragen. Aber mit Unrecht. Denn daß ber Commentar zum erflen Bud), ben wir noch haben, nicht ber von diefer Königin geforderte if, bemeifet deſſen Einleitung. Denn biefe fagt, einer zwv ualısa adiwv Aoyov habe den Verfaſſer aufgeregt zu dem Werke, und er habe es nicht abfchlagen koͤnnen da To EV noAloig aurovV Avayxaloız evpeiv ev nnög &oya- oonevov. So konnte Euftratiud die Königin, wenn fie auch nicht hätte genannt fein wollen, wol fchwerlich bezeichnen; wes nigftend nicht ohne hernach, als er fie beim Gten Buche doch ‚nannte, fich zu entichuldigen, daß er fie früher nur auf eine fo entfernte Weife erwähnt habe. So ift demnach gewiß wenigftens nur eined diefer Bücher dem Euſtratius zuzufchreiben. Welches getraue ich mich nicht zu enticheiden, auch nicht aus Wergleichung mit dem und unter bemfelben Namen noch übrigen Commentar zu bem lezten Buch der Refolutorien. Eine ganz entichiedene Aehnlichkeit mit diefem zeigt Feines von beiden, eine allgemeine theilen beide. Aber jenes kann auch an der Verfchiebenheit beö

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Gegenſtandes liegen, der allerbingd dem ſtiliſirenden Beſtreben ſtaͤrker entgegentritt und auch das chriſtliche mehr zuruͤckhaͤlt, wie⸗ wol dieſes uͤberall Gelegenheit findet ſich zu zeigen in Beiſpielen von chriſtlichen Namen hergenommen und in Anrufungen goͤtt⸗ licher Huͤlfe. An und für ſich wuͤrde ich lieber das 6Gte Buch dem Euſtratius zuſprechen, theils wegen bed geiſtlichen Zons und Gehaltes, theils auch weil es bei weitem das vorzuͤglichere iſt, eingedenk des Zeugniſſes welches Anna von dem Euſtratius ablegt. Soviel iſt gewiß aus dem obigen, wenn das 6te Buch dem Euftratiud gehört: fo hat Felician gewiß Unrecht ihm das 2te, 260 3te und Ate Buch zuzufchreiben, er müßte denn fpäter über biefe gearbeitet haben, da er fich doch fchon im Eingang zum 6fen einen 7900 xal vOool; xaraxauntousvov nennt. Wäre aber dad erfte vom Euflratius, dann koͤnnten in fo fern vielleicht auch die folgenden von ihm fein. Und fomit sing ih nun zu einer näheren Anficht von diefen.

Die Arbeiten über dad 2te, Ste und Ate Buch unterfcheiden fi) von denen über bad erfte und 6te auffallend. Erſtlich find fie feine Eregefen, fondern, wie fie auch im griechiſchen über: fchrieben find, Scholien. Sie faſſen nicht fowol ganze Stellen ihrem Inhalte nach zufammen, als fie ſich an einzelne Saͤze ans ſchließen; aljo haben fie es auch weit weniger mit dem Zufams menhang im großen zu thun, und find eben deshalb in ſich min: der zufammenhängend, fondern in weit kleinere Maffen ganz zers fchnitten. Dies gilt von den Gommentaren zu biefen brei Bü: chern ohne Unterfchieb, und eben fo findet fi auch in allen breien Feine Spur von Ghriftlichkeit. Beides zufammengenoms men reicht nach meiner Ueberzeugung volltommen hin biefe Arbei⸗ ten jenen beiden Verfaſſern abzufprechen. Denn der Scholien: fammier ift ein anderer Mann ald der Ereget; und wer ſich in Arbeiten über dad Altertbum aller Einmifchung bed chriftlichen enthält, ift, wenn auch vielleicht felbft ein Chriſt, boch ein an⸗

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derer als der es überall herbei zieht. Eigentlich nun ſollten beide Bemerkungen ein guͤnſtiges Vorurtheil für dieſe Scholien erre⸗ gen; denn eben weil ſie ſich mehr an das einzelne halten, koͤnnte es mehr daraus zu lernen geben, und weil ſie keine Chriſtlichkeit verrathen, koͤnnten ſie aͤlter ſein als jene. Allein dieſe Vermu⸗ thungen beſtaͤtigen ſich nur ſehr ungleich. | / Die Arbeit über bad 2te Buch ift zwar der Form nach mehr ſcholiaſtiſch; aber da fie doch dem Inhalt nach ganz exegetiſch ift: fo ift fie in dieſer Gattung nur deſto dürftiger. Die Sprache verräth nicht gerade eine fpäte Zeit, aber die peripatetifche Dürre und Abgebiffenbeit, die aus geifllofer Nachahmung des Ariftotes les nothwendig entftehen mußte. Was der Verfaſſer von frühe "zer Philoſophie beibringt iſt fehr ſparſam und dürftig, fo daß wol nicht leicht jemand bier einen Peripatetiker des erſten Jahr⸗ hunderts nach Chriſto, und aus einer folhen Schule daß Gales nus ber Mühe werth hielt einen Schüler beffelben als feinen Lehrer zu nennen, einen folhen Mann meine ich wie Aspaſius wird man wol nicht leicht hier fuchen. Sollte aber diefe Arbeit dennoch von ihm fein, dann hätten wir an ben übrigen Shi ten bed Manned gewiß wenig verloren. | Ganz anders wieber verhält ed fich mit ber Arbeit über das 270 dritte Buch. Diefe ift offenbar, wiewol ich dies nirgend bemalt finde, nicht eine Arbeit Einer Hand, ſondern eine Sammlung von Scholien. Mehrere über biefelben Worte folgen nicht felten auf einander, durch 7 za oder dad befannte @AAmg gefonbert. Dft folgen die Scholien’ über einen Abfaz aus Einer Quelle hins ter‘ einander fort, und dann erft werden aus andern Quellen wie es ſcheint einzelne Bemerkungen zu früheren Stellen beffelben Ab: ſchnittes nachgetragen. Kurz dieſe Beſchaffenheit ift bei näherer Anficht nicht zu verkennen, ja fie kommt dem aufmerkfamen Les fer ſchon auf dem erften Blatt entgegen. Die eregetifchen Schos lien ſind denen zum vorigen Buch fo ähnlich, daß ich Feine Wer: fchiedenheit anzugeben wüßte Es giebt aber auch. einige kriti⸗

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ſche, und andere fo hiftorifche Notizen enthalten, und Fragmente befonderd von Hefiodus Euripides Epicharmus, von denen ih bis jezt noch nicht verglichen babe ob fie ſchon anderwaͤrts her aus älteren Schriftftellern bekannt find. Diefe Scholien, die oft zugleich eine grammatiiche Abfiht haben, find offenbar aus ber befferen gelehrten Zeit, und auch die Sammlung, wie wir fie bier haben, kann nicht fehr jung fein, da fie gar nichts aufge: nommen hat was ſich ald chriftlich verräth.

Mit den Scholien zum vierten Buch bat ed bdiefelbe Be wandtnig. Seltener kommen freilich mehrere von einander abs weichende Scholien über diefelbe Stelle vor, und nur ein Paar: mal fieht man auch hieran beflimmt dag man eine Sammlung vor fich bat. Aber wenn auch nur Einmal eine Eregefe mit 7 ov roũro Asyeı @AA angehängt wird, die zwar anders laute, aber dem Sinne nach ganz mit ber frühen übereinflimmt: fo giebt fchon dies ein Recht überall, wo ähnliche Formeln ſtehn, nicht nach der Art der patriftifchen Eregeten einen unentſchloſſe⸗ nen Erflärer zu ahnen, fondern einen ziemlich unbeforgten Samms - ler zu ſehen, ober wenigftend emen der feine Hauptquelle gele gentlich aus andern ergänzt. Die Sache erhellt aber noch aus einem andern Umfland; nämlich. an einer Stelle ift eine Beru⸗ fung auf Scholien zum dritten Buch, an ein paar andern aber ift etwas herbeigezogen, eine Aufzählung von fpeciellen Benens nungen für die verfchiebenen Arten der axoAacie, was weit na türlicher zum dritten Buch wäre beigebracht worden. Jene Er: klaͤrung alfo rührt offenbar von einem ber, ber gewiß auch zum dritten Buch commentirt hat; diefe von einem, der hoͤchſtwahr⸗ fcheinlich zum dritten nicht commentirt hat. Für diefe beiden Arbeiten Tann man alfo nach einem Verfaſſer eigentlich nicht fragen.

an Felicianus fagt in der Vorrede an den Cardinal Zarnefe, leider ebenfalls ohne irgend genauere Nachricht über feine Hands föriften zu geben, ex babe zu dieſen brei Büchern doppelte Com⸗

319 mentare gefunden, die zum heil daffelbe zum heil verfchiebes ned enthielten, wiewol verflümmelt und abgerifien; er habe alfo die Mühe übernehmen müffen fie zufammenzuarbeiten, welches um fo weniger dürfe gemißbilligt werden, da doch beide unvoll fländig gewefen und ungewiffen Urheberd. Dies nun hat er auf eine ſolche Weife gethan, daß ber abgebrochene Scholiencharakter ganz verwifcht und alle in größere mehr zufammenhängende Maſſen gearbeitet iſt, wodurch denn diefe Gommentare in feiner Ueberſezung den Eregefen zum erften und fechöten Buch Ahnlis cher geworden find. Er hat babei zugleich wol bie Abficht ges habt die Arbeit dem Lefer angenehmer zu machen, und in dem Sinne gleichförmiger daß fich alled mehr den Commentaren bed Euftratiud annähere, bie ihm die Hauptfache waren. Uns wäre ed num lieber gewefen und für Gefchichte und Kritik beffer ges ' forgt, wenn er die Commentare gefonbert gelaffen und uns die . Vergleichung mit den griechiſch herausgegebenen erleichtert hätte. Allein diefen Sinn hatte der elegante Mann nicht. Jezt ift bie Ausmittelung was eigentlich in den andern geflanden bei dem Verſahren ded Felicianus höchft fchwierig, und ich konnte mich um fo weniger daran wagen, ald die hiefige Bibliothek mir nur den parifer Drukk von 1543, nicht den urfprünglichen venetianis ' fhen von 1541 darbot. In jenem nämlich hat leider wieder ein ungenannter vir eruditas hineincorrigirt aus einem lateinifchen parifee Codex, um unum quasi corpus ex graeco atque latino co- ‚dice zufammen zu drehen. Kür jest vermögen wir wol nicht zu beurtheilen wie viel oder wenig Felicianus hiebei gethan. Aber ohnerachtet manches in feiner Ueberſezung ausgelaffen ifl, was in unferer griechifhen Ausgabe flieht: fo fcheint mir doch ausge⸗ macht, daß er neben feinen befonberen auch unfere griechifch ges . drukkten Commentare gerade fo vor fi gehabt, und nur aus Bequemlichkeit oder Raumerfparung bie und da auögelaffen. Höchftens könnte man feinem Ausdrukk zu Liebe glauben, daß er eine an einzelnen Stellen mangelhafte Handfchrift unferer

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Scholien befeffen, und daß die andern Commentarien die ee

neben gehabt rein eregetifch gewefen. Doch müflen fie entwehe auch Sammlungen älterer Scholien fein, wie unfere gebrußßte zum dritten und vierten Buch, weil er nämlich fagt, diefe Com: mentare enthielten zum Xheil daflelbe wie die andern, oder um fere müßten felbft aus jenen geichöpft haben. Welches von beis ar ben auch der Fall wäre, fo würden wir vieleicht manche Auf fchlüffe erhalten wenn die Handfchriften bed Felicianus gefunden würden. |

Die dem Michael Ephefius zugefchriebene Arbeit über bat Ste Buch ift eine Eregefe, mit einem fehr Pleinen prooemiem an fangend, ohne beſondern Schluß endend, nicht unverfländig aber hoͤchſt Iangweilig und ohne alle Ausbeute für den ber den Ar floteles felbft verfiehen kann. Bon chriftlichem enthält fie Feine Spur. Felicianus fiimmt hier fo genau überein wie im erflen Bud, nur daß er ein aus drei Abfchnitten beflehendes Eyime

tron hinzufügt, worüber er in feiner Vorrede Feine Rechenſchaft

giebt. Der Rand der parifer Audgabe fagt zwar, sequeatia ad- dita sunt ab interprete latino, allein das ift wol theils nicht bud» fläblich zu nehmen, theild wäre ed nur die Stimme jened wie . eruditus und gewiß hat Zelicianus auch dieſes griechiſch gefunden.

Die Arbeit zum ten Buch in beiden Ausgaben dem Aspa⸗ fius zugefchrieben (bei dem Gober des Montfaucon muß bie Ve berfchrift fehlen, und den Anfang führt er auch nicht an) heißt

Scholien, ift aber doch mehr eine Eregefe, an Dürftigkeit alles |

übertreffend und wegen Dißverfiand ganz bekannter Dinge, z €. des Gogyısızög Aöyog evdousvog, wegen ganz abgeſchmakkter Erklärungen, wie von ber Aanie, wegen ſchlechter Gräcdtät .B. seufr. plar. immer mit dem Pluralid conftruirt, des Aspaſius ganz beflimmt unwuͤrdig. Endlich) ald unfer Mann dadıev xaoßwvos fchreibt, veißt auch dem Spanheim *) die Geduld,

) Deffen mit Randſchrift verlehenes Eremplar bie Koͤnigl. Bibliothek ber

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und er ereifert fi, dag man dieſes Machwerk habe können dem Aspaſius zufchreiben. So dag der Name des Aspafius aus die fer Sammlung wol ganz wird verſchwinden muͤſſen. Ein Arzt ſcheint übrigend der Mann geweſen zu fein; denn er prunkt mit Beifpielen aus diefem Gebiete, wo er nur Tann.

Der Commentar zum achten Bud, ift zwar eben fo von Lspaſius Überfchrieben, allein er hat nicht den Charakter ‚des vor⸗ vorhergehenden, ſondern ſtimmt in ſeiner ganzen Art und Weiſe mehr mit dem zum zweiten Buch uͤberein. Sonderbar iſt hier Eines. Bald Anfang fol. 136. a. wo ſich Ariſtoteles flüchtig auf etwas fruͤheres beruft, ſo daß unſerm Commentator nicht gleich klar geworden ſein mag was gemeint iſt, erklaͤrt er das ariſtoteliſche signras 8’ Uno avıwv Eungoodev durch EOLXE oe 273 eigodas Ev Toig Exnentwxöos twv Nixonayeiov. Al ob «8 eine bekannte und angenommene Sache wäre, daß aus der niko⸗ machiſchen Ethik einige Buͤcher verloten gegangen.

Da der Commentar mit den Worten ſchließt, xc neo) usv roiro⸗ zade nos eionrei,. fo folte man’ vermuthen. daß ſich hieran ein Commentar zum neunten Buch anſchließen wuͤrde; denn dies iſt eine gewoͤhnliche Uebergangsformel am Ende eines Buches zum Anfang des andern, Und es iſt auch an ſich wahr⸗ ſcheinlich, da beide Buͤcher ganz denſelben Gegenſtand behandeln, dag wer zum achten commentirt- hat, den Gegenſtand nicht in ber Mitte wird fallen laffen. "Nur dag. der Commentar zum neunten Buch, der in unferer Sammlung folgt, nicht die Fort: ſezung des vorigen if. Denn flatt fi) dem Schluffe defjelben mit einem leichten oͤe anzufchließen, hat er eine befondere Einlei: tung welche den Inhalt ded achten Buches in kurzem wiederholt. So daß man deutlich fieht der Werfaffer dieſes Commentars hat

fizt. Er fagt, xapßwvas Istine, quos Graeci ündgaxas, vocat; quo uno indicio intelligi potest, Aspasium non esse auctorem horum

scholiorum. _ A 3

Schleierm. W. III. 2. * et

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nicht auch über das achte Buch commentirt. Auch haben beide wenig oder nichts mit einander gemein. Der Commentar zum neunten Buch fommt und gleich als chriſtlich entgegen durch Anr führung des ueyag Baoileıog und des YeoAoyog, und burch Ausdrüffe wie 6 naußeßniog Eowusvog und 7 aoefesarn pi- Eis. Ihn aber dem Euftratius zuzufchreiben möchte ich Beben: fen tragen, weil ihm alles das fehlt was der Commentar zum erften und zum fechöten Buche mit einander gemein haben, for wol die ganz fpäte Sprache ald dad Platonifiren. Auch ift ber Stil weit frenger peripatetifch gehalten. Wenn nun Felicianus fagt, andere fehrieben diefen Commentar dem Michael Epheſius zu: fo koͤnnte auch das nur richtig fein, ‚wenn ber über das fünfte Buch diefem Manne nicht angehört, Schon deshalb meil der eine fich hriftlich zeigt und der andere gar nicht. Auch bei Eennt unferer fich nirgends fo dazu aus andern Quellen zu ſchoͤ pfen, wie jener fol. 72 fagt Ener &v 1a reirw Pıßkio vis napblong neeyuareiog negl dxovaiov xal Exovoiov elonxer, 0V xon Nuüs nalıy Evravda uveiny nowvuevov ToU ’Apıso- tehovg noveiv, GAR Ex mV Exeioe yeypanuevuv tolg dnn- taig oyokiwv Erı OWLouEVwv TA Eig GAPIVELRV TWY TIOXE- pEvov ovvieivovra uereveyxed. So daß auch biefe beiden Commentare nicht demfelben Verfaſſer angehören. Der. Schluß Döde u2v oVv neningwras To iwra twv YIımv Nixonayeiuy, xal ai eig aörò oyoAaf gehört fihtbar nur dem Schreiber, und auch bier fehlt alfo felbft die Eleinfte Schlußformel. Ob man nun fagen darf, dag wo Commentare nur auf einzelne Bücher 274 gingen, bie Abſchreiber, welche das ganze Werk mit Commenta⸗ ren zuſammenſchrieben, die gewoͤhnlich kuͤrzeren und leichter zu ſondernden Schlußformeln zwar weggelaſſen haben, die Eingaͤnge aber ſich nicht getrauten auszuſchneiden, das ſtehe dahin. Der Commentar zum zehnten Buch hat manches eigenthuͤm⸗ liche. Zuerſt nimmt er im Eingang und am Schluß auf die Bezeichnung der Bücher duch Buchſtaben Ruͤkkſicht, und zwar

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iS ob bieß eine eigenthuͤmlich peripatetiſche Sitte waͤre. Ein anderer“ Anſtoß ziemlich am Anfang iſt leicht hinwegzuraͤumen. Es iſt nämlich fol: 164 b zu der Stelle ol ulv yap Tayadöov ndovnv Aeyovss ganz daſſelbe nur kürzer über Die Formen. Ta- yarov, tavroayadov u. a. gejagt, was fol. 165 zu der Stelle Eüdo&og Ey 00V Tayadoy inv ndaynv Gero eivaı audführ: icher vorgetragen wird, fo daß man fürchtet eine fchlecht gemachte Sompilation vor fich zu haben. "Allein da fich diefer Werbacht tirgends beftätigt: fo trage ich Fein Bedenken fol. 164 b die hnedies den Zufammenhang ſtoͤrenden Worte wg oi zas lölag i8 av xalov für eingefhobeh von einer fpäteren Hand zu rklaͤren. Der Commentar ift übrigen? eine ganz verfländige rein yeripatetifche Eregefe, mit fleißigen Berufungen auf andere aris totelifche Werke; nur wenn man fi durch die gleich entgegen: kommende Anführung des Plotinus verleiten läßt viel Anfühs rungen anderer Schriftfieller zu erwarten, findet man fich ges täufcht. Won chriſtlichem trägt er Feine Spur. Denn das chrift: lihe am Schluß gehört offenbar dem Schreiber des Codex, und ift nur durch einen Zehler in die Werke des Commentators ver⸗ webt, welches aber auch Felicianus uͤberſehen hat. Es gehört nämlich zufammen ei d2 Tıg Eyes xgeirtove xui xalliova As- yeıv, Ta lv Zua Eswoav “Hyeisw Toopn, t& Exeivov Eoaei yujais yıhoxaloıg xaı Veosidesaros. Daß der Ver: faffer auch über frühere Buͤcher commentirt hat fieht man aus den. unmittelbar vorhergehenden Worten wds uEv TEA0g Eyovaı xat al eig To xarnna oyohei. Schwerlich aber haben wir in unferer Sammlung noch etwad von feinen Arbeiten, ed müßte denn ber Commentar zum fünften Buch fein, der aber weit hin ter dieſem zurüffbleibt.

Uebrigens fieht man wenigſtens eine Weranlaffung dieſen Kommentar zum zehnten Buch, wie Felicianus gefunden daß einige thun, dem Michael Ephefiud beizulegen in ber Stelle lol. 175 a ‘Hogaxisirov zoü Epediou xal &uod nokltau,

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Soviel nur ergiebt fi) aus der unmittelbaren Anficht die . fer. Sammlungen wie fie jezt vor und liegen. Genaueres wir 275 fih wol erfi ausmitteln, wenn man die Handichriften, welde dieſe Scholien enthalten, genauer vergleicht.

E⸗ freut mich daß ich jezt, indem ich dieſen Aufſaz zum Drukk beförbere, ſchon don einigen auf diefem Wege gewonnenen Auf, klaͤrungen .eine vorläufige Kenntniß geben kann. Here Profeffor Brandis hat fchon als Königl. Gefandtfchaftd-Sekretar in Rom ſich mit Vergleihung ariftotelifcher Handichriften befchäftigt, und fejt gegenwärtig in Gemeinfchaft mit Hrn. Prof. Bekker dieſe Beihäftigung fort zum Behuf einer kritiſchen Ausgabe ded Ar: ftoteled, welche die Akademie beabfichtigt, deren Aufträgen in bie fer Hinficht die genannten beiden Gelehrten ſich mit großer Be veifwilligfeit unterzogen haben. Ich will aus einem Briefe bei Hm. Brandis, ohne feine Auszüge abzufchreiben, die ſich beſ⸗ ſer an einem andern Ort werden geben laſſen, nur dad unmittel bar hieher gehoͤrige mittheilen.

„Außer dem’ gedrukkten Commentar zum erſten Buche in mir ein anonymer vorgekommen, der nicht aus unſerm Euſtra⸗ tĩus geſchoͤpft ſein Tann. Er findet ſich in zwei roͤmiſchen und zwei florentiner Handfcheiften ren Der Commentar mag an Umfang nicht ganz dem fechöten Theil ded Euftratius glei kommen.“ |

„Die Commentare welche Felicianus außer den in der grie hifchen Ausgabe abgedruftten zum zweiten dritten und vierten Bud) der Ethik benuzt hat, finden fi, wie. die Wergleichung folgender Stellen mit ber Ueberfezung offenbar zeigt in zwei Rorentinifhen Handſchriften und zwei roͤmiſchen wieder. Feli⸗

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anus fcheint hie und da andere Leöarten vor ſich gehabt, mei- mtheild aber fehr frei überfezt zu haben. . . . Der Commentar m dritten Buch ift überfchrieben Zi 76 roiroy uy da Quororelon. Der zum vierten’ donaoiov Tov yıloaopow Töuynua eig TO 4 zuy 3dmmy -Apsororelous. (So hat ıch eine von- diefen vier Handſchriften, aber von einer ſpaͤteren and die Ueberfchrift "Aonaomov eis "Hama ’Aoıorortlowg zvra Ta eüploxöusve, und eine ähnliche Ueberfchrift "Aona- ov vmouvnun eig I Aıfhia 109 ° Apssoreleue NIıwr iſt f den Dekkel eined anderen geklebt. Die beiden übrigen Hands riften ermangeln aller Ueberfchrift.) Zelicianus hat Anfang d Schluß diefed ungedrufften Commentard zum Aten Buch in Ueberſezung des in der griechifchen Ausgabe abgedrukkten Com:

mtard verwebt. Beim zweiten und dritten Buch fcheint er 276

Anfang und Schluß und in mehreren andern Stellen den uns drufften vorgezogen zu haben. Wie er dazu gefommen bie ımmentare zu allen drei Büchern dem Euſtratius beizulegen be: eife ic) nicht. Sämmtliche vier Handfchriften führen die uns drukkten Commentare zum 2ten und Iten Buch anonym auf, ıd bezeichnen als Verfaffer des Commentard zum Aten den Aspa⸗ 6. Der ungebruffte Commentar zum zweiten Buch möchte vas beffer fein als der gedruffte; der zum Iten und beſonders m 4ten bei weitem ſchlechter.“

Der Anhang, den die Ueberfezung des Felicianud zum Com:

entar über das fünfte Buch giebt, findet fi in der einen flos

stinifchen Handſchrift.

„Saͤmmtliche vier Handfchriften enthalten außerdem einen gedrukkten vom Felician nicht benuzten Commentar zum lezten yeil des fiebenten Buches. Er beginnt in allen bei demſelben ‚ort mitten in einem Saz, und fie legen ihn einflimmig dem ipafius bei, donaoiov eig n rwv ’Agısorelovg nIınwv on. OU xar apyas, aA ano ToU uEoov, ano ToV (nTov d ovrwai Öiskiövrog Örı ulv 019 axgaoia x. . ut

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len die im Volk verbreitet find, wenn fie nicht ganz verfchwen 25 bet fein follen, Feine andere Laufbahn angemiefen zu fein als bee große Wettlauf um die Stellen in der Verwaltung. Diefe Stes len werden, je mehr Einfiht und guter Wille zunehmen, um defto mehr müffen vervielfältigt werden, damit nichts gutes un benuzt bleibe; und kaum werben jene Kräfte außer der Verwal⸗ tung nöch irgendwo bleiben wollen, ald etwa in denen Gemwer ben, welche unmittelbar mit ihrer Thaͤtigkeit, wie die Gelbhänd ler, der Verwaltung dienen koͤnnen. Aber wie iſt ed, wenn fid Volk und. Regierung än-jene beiden Anfichten theiln? Will de Regierung bevormunden, dad Wolf aber frei fein, fo muͤſſen be ſtaͤndige Reibungen entftehen; und der beſte Zuftand einer mäßl gen Ruhe und Gluͤkkſeligkelt möchte dann ber fein, wenn beide Theile einander mit Höflichkeit zuvorfämen, die Regierung, als ihr höchfted Ziel anfehend das Volk ganz frei zu laſſen, nidt = eher eingriffe ald wo fie gebeten würde, dad Wolf hingegen, fih gluͤkklich fühlend in der Wormundichaft einer weilen Regierung, jede freie Thaͤtigkeit für einen Raub .hielte, wenn fie ihr nict von der Regierung als ein Gefez auferlegt würde...

- Schon hieraus geht wol deutlich genug: hervor, Daß beide Marimen eine gefährliche Einfeitigkeit in fich tragen, und deshalb feine von beiden eine allgemeine Geltung haben kann. Ja id möchte fagen, fo gewiß beide nur eine relative Wahrheit haben, und gewiſſe Gegenflände unter gewiffen Umftänden die Anwen: dung der einen, andere aber und unter andern die Anwendung Der andern erfordern: fo gewiß wird man in ber richtigen Auf loͤſung irgend einer fehwierigen Aufgabe der innern Staatskunſt fhon bedeutend vorgerüßtt fein, wenn man darüber auf dem nis nen ift, unter welchen Umftänden bie Regierung eingreifen muß, unter welchen.aber fie den Gegenftand feinem natürlichen Ber lauf überlaffen darf.

Ein zu gewiflen Zeiten befonderd bedeutender an fich aber immer intereffanter Punkt, und fehr geeignet bad gefagte als

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ſchaulich zu machen, ift die Srage von ber Auswanberungsfreis

beit, bei welcher: es ‚genau betrachtet immer auf. das Dafein des ' Staats unnfittelbar ankommt, indem er. burch jede Auswande⸗ sung doch einen integrirenden Beſtandtheil verliert. Stellen wir

in Bezug auf jene entgengefezten Anfichten die allgemeine Frage,

Soll die Regierung diefe Luft bevormunden oder ihr freien Lauf

Laffen? fo finden wir und immer in einer übeln Lage. Denn wenn ich die Frage ftelle, Ift das noch ein Staat, der aus nicht ?7 freiwillig zufammenlebenden Menfchen befteht? fo muß ich ant⸗ worten, das innerfle Wefen des Staated werde freilich gefähr:

- bet, fo oft eine Regierung die Auswanderungöfreiheit irgend bes

ſchraͤnkt. Frage ich hingegen, Iſt dad noch ein Staat, wenn |

eine Maſſe anftatt lebendig und frifch zufammenzuhalten im Aus- einanberlaufen begriffen ift?. fo muß ich dann leider antworten,‘ Daß eben fo bie äußere Eriftenz eined Staated Preis gegeben ift, wenn bie Regierung unbedingt und zu allen Zeiten die Tren⸗ nung einzelner Glieder vom Ganzen geffattet. Daß noch Fein Staat auf dieſe Weife wuͤrklich auseinandergegangen, ober nur wie durch ein zu ſtarkes Blutlaffen bedeutend und gefährlich ges ſchwaͤcht worden ift, und daß, auch wo die Auswanderung nicht

verboten ift, doch die ungemeffene Mehrzahl freiwillig bleibt, mag

beided wahr fein; aber Feines von beiden Tann berüfffichtigt wer: ben, wo es auf eine flrenge Theorie anfommt: fondern diefe wird fagen, weil doch beides möglich fei, fo ſei auch nur eine bedingte Antwort möglich, und man müffe daher unterfuchen, unter wel; chen Umfländen das Bleiben im Staat oder dad Auswandern der Sreiheit- des einzelnen anheim zu ftellen fet, und unter welchen Umftänden hingegen die Regierung hinzutreten müffe, um jenes zu gebieten und dieſes zu verhindern. Denken wir freilich daran, wie Platon, oder mag es auch ein anderer Sokratiker gewefen fein, im SKriton bie Gefege eins

- führt die flrenge Forderung auöfprechend, daß der einzelne ſchul⸗

dig fei auch dem ungerechteſten Richterfpruch fein Leben, wenn

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er +5 auch durch bie leichteſte Flucht retten Eönnte, zum Köpfe gu bringen: fo fcheint und freilich natürlich, dag Staaten, melde | die Auswanderungsfreiheit beſchraͤnken, fo firenge Forberungen | nicht machen dürfen, und daß eine foldye Hingebung nur ver ' langt werben kann, wenn wirklich, wie auch dort die Geſeze von ſich rühmen, jedem einzelnen frei flieht ohne allen Verluſt ſich den Geſezen und Verfahrungsweiſen im Staat, wenn fie ihm nicht länger gefallen, durch Entfernung aus feinem Gebiet zu | entziehen; und Daß alfo, je frenger der Charakter eined Staates fei, um deſto ungehemmter auch die Audmanderung fein müfle. Allein wenn und auf der andern Seite eben dort die Gefeze vor rechnen, welche Sorgfalt fie auf jeden Bürger von feiner Kind: beit an verwendet haben, welchen oft, und noch mehr gilt das zs in unfern neueren Polizeiftaaten, höchft mühlamen Schuz fie ihm angebeihen lafjen, und wie jeder alles, was er erworben bat und zu erhalten im Stande ift, nur ihnen verdankt: fo müffen wir wieder fagen, daß folche Sorgfalt auf einen fo ungewiſſen Befiz, wie ein erſt heranmachfender Staatöbürger auch nach allen Schuy pokken immer noch ift, unausgefezt zu verwenden vom Staate nur verlangt werben darf, fofern er ficher fein Tann, dag wenn e feine Schüzlinge durch die. Gefahren der Kindheit und der Zus gend gluͤkklich Durchgebracht bat, er auch ungefährdet die Früchte ihres veiferen Lebens wirklich genießen werde. Und fo möchten wir enticheiden, daß ohne alle Ruͤkkſicht auf firengen ober mil ben Charakter jeder Staat um fo größeres Recht habe alle Aus: wanberung zu verbieten, je mehr und forgfältiger in ihm regiert wird. Allein iſt es irgend zu erwarten, daß hierüber Untertha⸗ nen und Regierung übereinftimmig fein werden? Wird nicht fl überall wo die Regierung auf ihre fchon aufgewendete Thätigkeit hinweiſend den Einfpruch gegen die Auswanderung einlegen will, der einzelne über den ftrengen Charakter der’ Regierung Elagend die Freiheit der Auswanderung in Anfpruch nehmen? Iſt ed nun unmoͤglich durch eine folche Entfcheidung die nachtheiligen Reis

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bungen zu vermeiden; gerathen unvermeidlich beide Theile in Zwieſpalt: fo muͤſſen wir mol darauf zuruͤkkommen, jened als das wimſchenswuͤrdigſte zu finden, wenn jebe Regierung großs muͤthig jedem einzelnen, ohnerachtet deſſen was er ihr ſchon ſchuldig geworden, die Freiheit anboͤte, und dafuͤr jeder einzelne dankbhar von ſelbſt das Geluͤbde einer ewigen Clauſur thaͤte. Nur unerreichbar werben wir dieſes wuͤnſchenswuͤrdige finden, und nicht minder wunderli würde und dieſes Verhaͤltniß er fcheinen als der Zuftand unter dem Fantifchen Sittengeſez, wo niemand zwar für feine eigne Glüfffeligfeit forgen darf, jeder aber deſto firenger verpflichtet ift die des andern zu befösdern.

Daß wir nun auf diefem Wege nicht weit gekommen find, wird und um fo weniger Wunder nehmen, wenn wir bedenken Daß wir von alterthümlichen und auf unfere Verhältniffe kaum ernfihaft anwendbaren Ideen ausgegangen find. Haben wir aber wenigſtens einen Blikk in die Schwierigkeit gethan auf. biefem Standpunkt eine Ausgleichung zu finden: fo wird der Gedanke befto natürlicher fein fie höher hinaufwaͤrts zu verfuchen, und ber Weg ſcheint in der That leicht und geebnet zu fein. Niemand verbietet ja auch dad ſchlimmſte nicht, wenn fich nirgends eine 20 Luft zeigt es zu. unternehmen. So fchiene demnach die Aufgabe eigentlich die zu fein, dafür zu forgen, daß in den Unterthanen nirgend "und nie die Luft entfiche auszumandern,‘ und eben des⸗ balb auch die Regierung nirgenb und nie bi zu dem Bebürfnig kommen koͤnne die Auswanderung zu verbieten. Wem fällt frei⸗ lich hiebei nicht der greoßmüthige Gedanke jened Alten ein, Fein Gefez geben zu wollen’ gegen den Vatermord! Denn wenn ed doch nicht leicht eine Gefellichaft giebt, wo nicht diefer Fall eins träte, und bisweilen auch das heiligfte Band der Natur Nachließe: fo werben wir noch weniger erwarten dürfen, daß ed eine gebe, in welcher nicht das, wie groß wir auch davon denken mögen, doc) immer allgemeinere und lofere Band, welches den einzelnen an bie bürgerliche Gefellfehaft bindet, fo weit nachließe, daß ir:

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gend eine natürliche ober unnatürliche Luft oder Unluſt ben Ent ſchluß hervorbrächte bie Heimath mit einem andern Staat zu vertaufchen. Wol! laffen wir derm ein wenige nad) von unfe ver Forderung, und begnügen und ba für das glüßffelige und. befriedigende zu halten, .wenn ber Staat jebes Auswanderung: gelüft nur ald ein unnatürliched anfehen inne, und alfo jeden, der davon hingeriffen wird, als einen im Grunde feines Lebens erkrankten und verborbenen, an dem doch die frühere Sorge ver | . fchwendet und von ihm Fein lebendiger und für die Erhaltung - und Fortbildung bes Ganzen folgenreicher Gehorfam zu erwarten fei. Denn um folcher willen ein eignes Verbot zu erlaſſen moͤchte eben ſo wenig der Muͤhe werth ſein, als wir es loben, wenn die Freiheit der einzelnen in den gewoͤhnlichſten Dingen des tägli chen Lebens auf eine beichwerliche Weife gehemmt wird, um der entfernten Möglichkeit eines feltenen Ungluͤkks vorzubeugen. ‚Die ſes Ziel fcheint erreichbar, und wir wollen fehen unter welchen Umftänden und Bebingungen wir bahin gelangen koͤnnen. Zuerft welche Vollkommenheit eines gemeinen Wefend ge: hört dazu, wenn es fol fagen fönnen, wer ihm urfprünglich an⸗ gehoͤre, der muͤſſe ſich in einem kranken widernatuͤrlichen Zuſtande befinden, wenn ihn die Luſt anwandele auszuwandern. Jeder, ſo muß dann die Regierung ſagen koͤnnen, der in meinem Ge⸗ biet geboren und erzogen iſt, findet auch in meinen Einrichtun⸗ gen auf den verſchiedenen Standpunkten, die er ſich waͤhlen kann, fo ſehr feine volle Genuͤge, er iſt eines hinreichenden Spiels 30 raums für alle feine Kräfte fo ficher, das gemeinfame Leben dient fo reichlich feinem einzelnen um ed emporzuheben, und fein ein⸗ . zelnes tft durch alles dieſes fo feft in dad gemeinfame eingewach⸗ ſen, daß fo lange er fich felbft gleich bleibt, und nicht durch ir gend einen wunderbaren Zauber verwandelt wird, er nichts grös fered wollen und fich nichtö liebered denken kann, ald dag er fih nur immer in und mit diefem Ganzen fortbewegen wolk. Unter folchen Umftänden freilich kann eine Regierung dad Auß

wandern nur ald ein feltfames Geluͤſt anfehn, was fie ruhig. kann gewähren laſſen; denn weit. entfernt die Fülle und den Zus fammenhang eines folchen Ganzen zu flören wird der fich los⸗ reißende Eigenfinn früher oder fpäter fich felbft firafen. Allein wir dürfen und nicht bergen, dies ift ein Zufland von Vollkom⸗ menheit, den die meiften Staaten vielleicht gar nicht erreichen, und auf dem fich felten einer lange erhalten kann. Eine voll» kommne Regierung fol allerdings Feine andern Geſeze geben, als welche den innern Verhältniffen des Volks gemäß und aus ge: meinfam gefühlten Bebürfniffen entfprungen find, und ſoll diefe Geſeze nicht anderd als auf die volksmaͤßigſte die Freiheit jedes einzelnen fo wenig al3 möglich hemmende Art verwalten. Aber wie fehr müffen ſchon alle Spuren gewaltfaner Entftehung oder Umbildung der Gefelfchaft verfchwunden, wie genau bie verfchie- denen Stände niit einander verbunden und wie reif über ihr wahres Intereffe verftändigt fein, wenn eine folche Vollkommen⸗ heit der Regierung möglich fein fol! Und ift fie auch erreicht, fo entſtehen nur allzuleiht in einem fo vielfeitig bewegten Leben, wie unfer gegenwärtiged ift, Aenderungen der Verhältniffe, und ed entwideln fich neue Bebürfniffe, ehe bie Negierung, bie in dem gefchäftigen Volksleben nicht unmittelbar begriffen ift, fie "wahrnehmen kann; und dann wird es auch gewiß nicht leicht an ungeduldigen für fremden Reiz beſonders empfänglichen fehs len, bie von den gerade eingetretenen Unvollfommenpeiten am ftärkiten getroffen die Neigung fühlen werden ihr Wohl anders wärtd befjer zu begründen. Der gewöhnliche Zuftand alfo wird ein folcher fein, wo man weder bie Auswanderungsluſt fchlecht- bin für unnatürlich ertlären, noch auch behaupten kann, fie könne fein ſolches Maaß erreichen, in welchem fie für den Staat bes beutend genug wäre um die Gefezgebung auf fie zu richten, Allein wir koͤnnen hiebei ehe wir weiter gehen eine ganz andere gewiſſermaßen entgegengefezte Betrachtung nicht umgehn. - Raͤmlich wenn auf der einen Geite nur in einer ganz ungen

334 Kerne der Punkt liegt, wo die Auswanderung unnatütli if und alfo gar Fein Gegenftand der Aufmerkfamkeit zu fein braucht: fo ſehen wir auf ber andern Seite ſehr deutlich und beſtimm einen Punkt, wo dad Auswandern nothwendig war, wenn wi nur einen etwas weiteren Gefichtöfreid nehmen und die Bebirk niffe des menfchlichen Gefchlechts im allgemeinen ind Auge kbf fen wollen. Denn wie verfhieden man auch über den Urfprung defjelben denkt: fo hat doch noch niemand angenommen, def ie der einzelne Flekk der Erde Autochthonen erzeugt habe, und alfi urfprünglich aus fich felbft fei bevölfert worden; fondern in ga viele Gegenden müffen die Menfchen aus anderen früher bewohn ten eingewandert fein, aber gewiß nur felten fo daß ganze Vil Eerfchaften die alten Wohnſize verödet gelaffen hätten, fondeni‘ einzelne Familien und Sippfchaften find auögewandert und he ben fih von dem größten Theil ihrer Genoffen getrennt. CH Prozeß alfo. ohne welchen der Menfch fich nicht auf der Er verbreiten, ohne welchen ex feine Beflimmung fie zu beberrfchel nicht erfüllen Eonnte, Tann unmöglih an und für fi unrecht fein; diefe heilfame nothwendige Verbreitung darf nicht das Wert des Verbrechend und der Treulofigkeit gewefen fein müffen. Son dern was für das Ganze nothwendig war, dad muß auch WT: wo es fich erzeugte, nicht nur natürlich, vielmehr auch erlauf und rechtmäßig geweſen fein. Wir müffen alſo wol zunaͤchſt J ben, worin diefer natürliche Auswanderungsprozeß begründet iſ

Bor dem bürgerlichen Zuftand leben die Menfchen unter ba}: einfachſten Verhaͤltniſſen in mäßigen Geſellſchaften inftinktartig bei einander vermöge einer innern Zufammengehörigkeit und Br J wandtichaft ohne ein beflimmted Bewußtfein ihrer gemeinſamen Sefchichte oder ihrer befonderen Verhaͤltniſſe. Allein fo einfach auch größtentheild biefer Zuftand ift, und fo wenig Beduͤrfriſſ die Menfchen in demfelben Tennen: fo find fie doch oft auch dieſe nicht zu befriedigen im Stande, fondern werden von wahrer Ro bedrängt, weil fie nicht gelernt haben die Kräfte der Natur iM

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e fichere Beziehung mit ihren Bebürfnifien zu bringen. Tre⸗ nun ſolche unguͤnſtige Umſtaͤnde ein, denen fie nicht gewach⸗ 3 find: fo kernen fie entbehren, und ſich noch mehr beſchraͤnken, enn der Trieb des Zufammenlebend und die Anhänglichfeit an m heimifchen Ort in allen gleich ſtark iſt; fie dienen der Noth entweder die Umftände fich ändern, oder bis fie durch bie doth felbft fo weit zufammenichmelzen, dag eben dadurch das Steichgerwicht zwiſchen ihren Bedürfniffen und ben ihnen zu Ges jete ſtehenden Naturkräften wieder hergeftellt if. Aber der Eos Mfiondtrieb, denn anderd möchte ich ihn in diefem Zuftande kaum kunen, muß offenbar fehr ftark fein um diefe Prüfungen immer pättiich zu beftehen. Iſt er minder ſtark in einigen: fo trennen KH diefe von den übrigen, und fuchen, um nicht mit ihnen un« Bigugehen, auf neuen Wohnpläzen die Befriedigung ihrer Be» Mufniffe. Dies ift die urfprüngliche Auswanderung. Allein dieſe Miflärung ift näher betrachtet nicht hinreichend. Denn ift in ben einen Theil der Cohäfionstrieb fchwächer: fo heißt ja das Baht anders, ald daß auch die Liebe zu dem übrigen in ihnen Meächer ift: warum wird alfo diefe verminderte Liebe nicht ganz —2 Selbſterhaltungstrieb uͤberwogen? warum werfen ſich nicht keſe wilderen und unbaͤndigeren auf jene milderen, um fie aus⸗ trotten ober audzutreiben, und fo den angeerbten Raum, der fe alle nicht mehr hinreicht, für fih allein zu behalten? Dann bielten wir ftatt einer urfprünglichen Auswanderung, wie fie EB zuerſt freiwillig erfchien, eine urfprüngliche Vertreibung. ffenbar genug geſchah auch dies biöweilen, und nicht wenige Fprüngliche Einwanderungen haben in der That diefen gewalts men Urfprung. Aber wenn er doch nicht ganz allgemein iſt, gun es Doch auch freiwillige Auswanderungen gegeben hat: fo üffen wir für diefe doch noch einen andern Grund auffuchen, + und erBläre, wie die bedenkliche Lage auch einen folchen Aus⸗ mg habe nehmen können, ohne daß ein feindfeliger Zufland vors gegangen ſei. Und hier liegt e8 und wol nahe genug die Be

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hauptung aufzuftelen, es gebe in der menfchlihen Naiur neben

jenem Cohaͤſions⸗ und heimatlichen Zriebe auch einen andern ihm ganz entgegengefegten zerfireuenden Entdekkungs⸗ und Wande

rungstrieb. Wermöge des erften gehört der Menfch der Stelle, .

an welcher er in die Welt angetrieben Fam, vermöge bed anden

gehört er der ganzen Erbe und die ganze Erbe ihm. Beide Zriebe find in ihm wefentlich vereint und einander wechſelſeitig untergeordnet. In den verſchiedenen Dimenſionen ſind beide im⸗ mer vorhanden, und beſchraͤnken ſich uͤberall; und ohne dieſe zwie fache widerſtreitende und ſich beſchraͤnkende, in der Beſchraͤnkung 33 aber auch beſtimmende, Richtung wäre es vergeblich die einfach⸗ ſten und gewoͤhnlichſten wie die größten und bedeutendſten Er fcheinungen des Lebens verftchen zu wollen. Schon das unver meidlichfle und urfprünglichfte Berlangen, welches den Menſchen aus feiner Höhle oder Hütte heraus und in biefelbe wieber gu rüfftreibt, Fönnen wir und, wenn wir es menfchlich und leben; dig anfchauen wollen, nur als die einfachfte Pulfation jener bei

den Triebe denken. Das Losreißen aus dem väterlichen Haulı

und die Begründung eines eigenen ift als freie That und Le— benöregung nur aus bem lebendigen Spiel diefer beiden Zriebe zu erklären; und was iſt die Vaterlandöliebe anders ald eine Erweiterung des einen durch den andern und eine Befchränkung jenes durch diefen? und daß einige Menfchen nach einem großen Vaterlande fireben, andere fich mit einem Eleinen und bejchränk: ten begnügen, was bedeutet ed anders, ald daß dieſe beiden Triebe in ihnen in verfchiedenem Verhältnig ſtehen? Gewoͤhnlich nun ruht der Trieb nach der Ferne in den früheren minder ers regten Lebenszuftänden; wird er aber durch die Noth frei, fo

nimmt er natürlich einen deſto flärkeren Anſaz, je länger er zu J

ruͤkkgedraͤngt geweſen iſt. Und wie es in den vorbuͤrgerlichen Verhaͤltniſſen kein Geſez giebt, welches die Menſchen zuſammen⸗ haͤlt: ſo kann es auch kein Verbot geben, welches dieſen Trieb, wenn die Noth ihn frei gemacht hat, binden koͤnnte. Die Aus

...

. 7 337 wanderung iſt alſo alsdann eben ſo rechtmaͤßig als ſie natuͤrlich iſt. Sie wird eine Wohlthat für die welche zuruͤkkbleiben, indem fle ihnen ihr Wohlbefinden wiebergiebt; fie wird eine Wohlthat für die weiche gehn, indem fie eine angeftrengtere Thätigkeit in ihnen anregt, und eine Wohlthat für das Ganze, indem fie bie

Hertichaft des Menfchen weiter über die Erde verbreitet. | So wenig wir und nun in jenem ibealifchen Zuftande be finden, in welchem jede Auswanderung unnatürlic” wäre, eben fo ‚wenig find wir noch in diefem urfprünglichen, in welchem jie nothwendig if. Wir liegen offenbar zwifchen beiden; aber es fommt darauf an zu wifjen auf welchem Punkt der Linie die ſich zwiſchen ihnen ziehen laͤßt. Denn denken wir und zwei Staaten welche gleich richtig, fei ed einem gefunden Inſtinkt oder einer reinen Anficht, folgen, fie werden offenbar fehr verfchieden handeln müfjen, wenn fie fih an fehr entfernten Punkten diefer Linie befinden.

Zuerft wer möchte wol glauben dag die Nothwendigkeit 3 und Heilfamkeit des Auswandernd nur in jener Zeit flattfände, ehe die bürgerliche Geſellſchaft errichtet if? Wielmehr find jene urfprüngliche Auswanderungen folder Menfchen, welche Beftand: theile noch ungebildeter Horden find, nur gleichfam der. erfte Sa: turationspunkt jenes Triebes, und die Auswanderung beruht auch lange nachher noch auf der ungleihen Vertheilung ſowol ber Bevölkerung überhaupt, ald auch der geprüften. und förderlichen Lebensformen, der nüzlichen Fertigkeiten, der edlen Künfte, der erhabenen MWiffenfchaften, und noch mehr jener höchften und be: feligenden Kräfte welche in der entwikkelten und geläuterten Res ligion liegen. So lange noch hierin bedeutende Vorzüge einiger

Völker vor andern flattfinden, ift jener die Ferne fuchende Zrieb ein heilfames Gut, und wirft freilich zu verfchiedenen Zeiten mit fehr verfchiedener Mächtigkeit, immer aber nach jenem Naturge: fez, dem zufolge-die zufammengedrängten elaſtiſchen Fluͤſſigkei⸗ ten den relativ leeren Raum fuchen um fid) ind Gleichgewicht

Schleierm. W. III. 2. 9

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zu fegen. Die neue Welt würbe nicht fo ſchnelle Fortſchritte ge |

macht haben in ihrer Ausbildung, und wir alfo auch aller wohl thätigen Ruͤkkwirkungen, die daraus entflanden find und no‘ entftehen werben, noch auf lange Zahrhunderte entbehren, wenn nicht noch immer die alte Welt fortführe für bie große Maſſe von Naturkräften, welche dort zu bezwingen und zu benuzen find, neue Anfiedler hinüber zu fenden. Iener merkwürdig aufkei⸗ mende Staat von Schwarzen, welche ben Verſuch machen wol len die biöherigen Schranken ihrer Race niederzureißen und ſich zur Freiheit und Ausbildung des Geifted zu entwikkeln, würd die anfchwellenden Segel bald einziehen und um neue Knecht: ſchaft entweder felbft bitten müffen, oder ihr bald wider Willen anheim fallen, wenn nit Europäer von heimiſcher Noth ge quält oder von höherem Triebe befeelt fich herabliegen eine ge flige Miffion unter ihnen zu errichten, und die Lehrer ihrer Lehe ver zu werben. Aber auch auf diefen Punkt würben fie nick gekommen fein, wenn nicht früher fromme Menfhen um fih dem Dienft eines fo vernachläffigten Theile unferer Gattung zu widmen ausgewandert wären, um ihnen im Zuftande ber Knecht fchaft ſelbſt den tröftenden aber auch den weiter firevenden aus⸗ fühnenden Geift des Chriftentyums mitzutheilen. Doch wir bür fen nicht über die Meere ſchauen; auch die flavifchen Völker uns 35 fered eigenen Welttheiles bebürfen noch immer daß wir germa nifchen ihnen Colonien fenden von unfern Meiftern in Künften und Wiffenfchaften wie in bürgerlichen Dingen, und wiewol ſchon feit einem Sahrhundert aufgenommen in das Syſtem europäb (cher Bildung, vermögen fie doch noch nicht ihre Hochſchulen und ihre Thronen mit Eingebornen zu befezen, fondern begehrten noch immer wie Lehrer fo auch bald Zürften bald Mütter ihr Fürften von und. Und dies führt und auch darauf zuruͤkk, wie von ben früheften Zeiten an bis jezt die heilſamſten Folgen ber aus entflanden find, dag Menfchen, die ſchon im Staate leben,

ausgewandert ſind unter ſolche, die den bũrgerlichen Buflan nech

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wicht gefunden hatten, um ihnen Geſez und Drbnung ‚mitzubrin- gen und dad flaatbildende Princip unter ihnen zu entwilfeln; und eben fo wenn Menfchen aus gebildeten Staaten ſich anjie delten unter noch rohen und ungebildeten Verfaffungen, und fo ihren Saflfreunden ven Weg nicht felten um mehrere Sahrhuns derte abfürzten. Selbft die reicheftbegabten menfchlichen Naturen find erfi auf dieſem Wege befruchtet worben; denn wie vieles ſich aud im einzelnen bezweifeln und abläugnen laffe, ganz wird man doch nie beftreiten Fönnen daß auch die Hellenen gar vie les von ihrer Bildung nur auf diefem Wege erlangt haben.

So ift demnach für dad Intereſſe des menfchlichen Ges fchlechteö noch immer die Auswanderung nöthig und heilfam; aber ein Staat ift kein Fosmopolitifches Weſen, und die Regies rung befielben kann es nicht für ihre Pflicht halten das Wohl des menſchlichen Geſchlechts zu fördern, fondern bat billig bei ihrem Einfluß auf die vorhandenen Kräfte nur das Wohl des ihre anvertrauten Ganzen in feinem Zufammenfein mit den übri- gen im Auge. Wir dürfen alfo nicht fchliegen, weil hie Aus: wanberung noch immer heilfam ift, fo fei auch jede Regieruug verbunden dem Zriebe dazu, wo er fich immer entwilfele, freien Lauf zu laffen, und alles bleibe alfo hier bilig dem freien Wil len jebed einzelnen anheimgeftelt. Sondern wir müffen fehen, unter welchen Bedingungen denn auch im bürgerlichen Zuftande jener Trieb fich entwilfele, und ob es folche find, daß allen Re gierungen ohne Unterfchied die Veranlaſſung fehlt gerechten Ein⸗ ſpruch einzulegen.

Was nun zuerſt die Auswanderungen der Gelehrten und Miſſionarien betrifft: ſo iſt es von jeher eine allgemeine Sitte aller gebildeten Staaten geweſen, dieſen ihren freien Lauf zus - lafien, und das Gegentheil iſt immer allgemein getadelt worden. Und welche Bewegungdgründe könnte auch eine Regierung, bes. ben ‚hier hemmend einzuwirten? Daß micht alle.

feſt an der buͤrgerlichen Geſellſchaft t Dog ee 59

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fie vereinigt hat, ift offenbar und der Natur"felbft gemäß: Aha wie die Staatögewalt auf biejenigen‘, ‚die nur ein befchränkg perfönliches Wohlpefinden anzuftreben fähig find, lehrend um entwikkelnd einzuwirken fucht um ihnen eblere Gefinnungen ein zuflößen, aus demfelben Grunde, feheint ed, muß fie dem höhe Beruf derjenigen ehren, welcde fühlen daß fie mehr bem menſh lichen Gefchlecht angehören ald ihren nächften Umgebungen, ml welche tem Beruf folgen wollen, von dem Licht, welches in ih rer Nähe ſchon freudig glänzt, die erften Strahlen in eine fon Finfterniß zw tragen. Der Bewegungdgrund fei welcher er welk ft er der edelfte und reinfte: fo’ fol boch die Regierung end Staated zu großmüthig. und zu flol; fein, um auch auf bg trefflichften einzelnen einen ſolchen Werth zu legen, baß fie I nicht in Zrieben ziehen- ließe; fie fol, eben weil er ihrem Bat emporgemwachfen iſt, vertrauen, daß derfelbe Boben, wird e = fortwährend auf diefelbe Weiſe ‚gepflegt, auch wieder eben ſchoͤne Blüthen hervorbringen werde. Iſt der Beweggrund mi ber edel, fucht der Gelehrte nur in der Ferne bei geringerer firengung eine behaglichere Lage: fo darf die Regierung um’ weniger in Sorge fein, daß fie hinter ben: Kindern, welche if Gelehrten an fich ziehn, zurüffbleiben werde, weil das was * begierig aufnehmen bei ihr im geringeren Preife fteht, und.ia fehr ficher fein, daß das Gleichgewicht weit eher fich hergeſt haben wird, ald fie einen Verluſt gemacht haben kann, dert lebendigen Umtrieb und der Fräftigen Fortpflanzung der Diff haften und Künfte in ihrem Gebiet nachtheilig werben koͤn Nur ſoviel iſt auf ber andern Seite gewiß, läßt eine Regieng die wiflenfchaftlichen Männer leicht gehen ohne unangenehme pfindung und ohne einen Verſuch den Reiz der Heimath fi zu. erhöhen: fo iſt dad minder fchmeichelhaft; denn es if. Zeichen entweder einer Gleichgültigkeit im allgemeinen, v ſchwerlich entſtehen koͤnnte, wenn die Wiffenfchaft auf. die a ‚meine Bildung kraͤftig genug einwirkte, ober eines beſont

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Irtheild über die auswandernden, als ob nicht ein reines Ueber: zewicht ihres Berufstriebes zum Grunde liege, fondern zugleich in Mangel.an heimathlichem Triebe und an Vaterlandsliebe. Doch dieſes fei nur vorangefchift um zuerft das einzelne 37 und im Verhaͤltniß zum Mutterfiaat geringere abzumachen. Denn gegen. den Bortheil, welchen andern Gegenden die Einwanderung auch nur weniger. eifrig frommer und gelehrter Männer bringt, iſt der Nachtheil für gar nichts zu rechnen, den ihre Auswande : img ihrem Vaterlande zufügen koͤnnte. Aber ganz anders ift 8 mit ben XAuswanderungen ber afferbauenden und gewerbtrets enden Klaffe, von der man fich wenigſtens ald möglich denken nuß, fie koͤnne fich bis zu einer nachtheiligen Erfhöpfung we: tigftens ‚einzelner Theile des Staates anhaͤufen; und es ift alſo a unterfuchen unter welchen Bedingungen dies zu -beforgen ſei. Dergleichen fehe ich nur zweie, druͤkkende Noth und politifche Un: imfriebenheit.: Sollte ohne eine von diefen- Veranlaffungen jemal in: einem Staate die Audwanderungsluft fich unter irgend einer Seftalt fo bedeutend entwikkeln, bag die Erfcheinung bedenklich mwürbe: fo müßte Dies ein ficheres Zeichen. fein einer im großen erftorbenen Waterlandsliebe, und einer herannahenden gänzlichen politifchen Auflöfung. Könnte aber ein Staat fi) ruͤhmen daß er jeder Noth zu fleuern wüßte und jede Unzufriedenheit zu be- feitigen, ehe dadurch der Auswanderungdtrieb erwacht, der wäre uͤbergluͤkklich; aber es möchte wol nur" derjenige Staat gar keine Ruͤkkſicht biefer Art zu nehmen haben, deffen Bewohner noch in einer dumpfen Barbarei verfunfen find, für die e5 weder Noth noch Mißvergnügen giebt. Was nun zuerft die. Noth betrifft: fo fol fie allerdings im bürgerlichen Zuftande je länger je mehr abnehmen. In ihm entwilfelt ſich allmählig jene vielfeitigere regelmäßiger vertheilte und wohlthätiger Verbundene menfchliche Ihätigkeit, welche immer mehr bie feindliche Gewalt der Natur: Eräfte bricht, und dem Menfchen ein felbfiflänbigeres Daſein ſichert. Die Roth alfo, follte man denken, werde nicht mehr de

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nen in die Weite flrebenden Trieb frei machen, fonbern ex werde mehr und mehr gebunden werben, und dagegen bie. Freude an ber gefleigerten Vereinigung bed Volkes immer mehr ben hei mathlichen Trieb befefligen. Allein die fortfchreitende Bildung findet auch Hülfe gegen die ſonſt öfter eingetretenen außerorbenb lichen Zerfiörungen des menfchlichen Lebens, und aus bem forh | fchreitenden Wohlleben entwikkelt ſich eine regere Zortpflanzung, fo daß in dem buͤrgerlichen Zuſtande mehr als vorher eine zu fi nehmende Bevölkerung. entſteht. Bleibt num biefe nicht imme |v im Gleichgewicht mit der zunehmenden Menge ber. Erzeugniſſt: ss fo fann aud der Ueberoölferung wieber ber alte Mangel entie ben, oder vielmehr Noth und Uebervoͤlkerung ſind nur verſche bene Anfichten: einer und derfelben Sache, "Unter folchen Im fländen werben. alfo diefelden Erfcheinungen ſich wiederholen, die wir am vorbürgerlichen Zuſtande gefehenz eine: aufb Außerfte ge | friebene Entfagung bei Unbeholfenheit und blinder Ginfeitigket | bed heimathlichen Zriebed; Unruhen. und Gewaltthätigkeiten de ärmeren gegen die reichen, wo die Kiebe geftört und die Stasi gewalt ſchwach iſt; endlich Auswanderungdluft, wo Durch bie fie; ‚gende Noth jener ind weite hinaudgehende Trieb frei gemacht wird. Sol nun die Audmanderung das einzige fein was bie Negierung dem Wolfe ganz anheimftellt, da fie doch gewiß nick nur die Unruhen zu flilen fuchen wird, fondern auch alle wad irgend in ihren Kräften fleht verfuchen um die Entfagungen zu mäßigen ober möglichft auözugleihen? Soll dem Uebel gründ: lich geholfen werden, fo mijß man bie Benuzung ber Natur Fräfte nach. Maaßgabe der Bevölkerung fleigern; aber dies wird | nur um fo beffer gelingen, je mehr menfchliche Kräfte hiezu ver: wendet werden. Geflattet alfo die Regierung jedesmal bie Aus wanderung, fo: erlaubt fie ein Palliativ anzınvenden, welches auf | der. einen Seite bie gründliche Heilung unmöglich macht, und auf der andern den. Staat. in feinen wehrhaften Händen allmdh fig fo ſchwaͤchen Tann, da er nicht länger im Stande if fein

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Selbſtſtaͤndigkeit zu behaupten. Allgemein alſo kann dieſe Pafs ſipitaͤt fehon nicht gebilligt werben; wenn aber genauer nach ber Grenze gefragt wird: fo fcheint fie durch folgende Punkte bes zeichnet werden zu koͤnnen. Wenn ein Land eine große Frucht: barkeit an Menichen befizt, und durch feine Lage nicht geeignet ik in demfelben Verhältnig feine Naturerzeugniffe ober feinen Sewerbfleiß zu fleigern: fo find ihm periodifche Auswanderungen faft unentbehrlich ; wie es denn beutfche Gauen giebt, welde auf diefe Weile ganz vorzüglich, und ohne einigen Nachtheil füs Die Sort fortbeftehende bürgerliche Geſellſchaft, theild die neue Welt bevölkert, theils unfre flavifchen Länder colonifirt haben. Die Megierung fcheint in diefem Falle nichtö thun zu koͤnnen, als bie Auswanderung fo zu leiten, daß die auswandernden Angehöris gen ihren Zwekk möglichfl erreichen. Wenn aber ein Land feinen ganzen Betrieb noch bedeutend erhöhen kann: fo muß hiernach allerdings geflrebt werden unabhängig von einer wirklichen Noth, und ehe dieſe eintritt. Tritt aber diefe dennoch ein, indem bie Hülfe auf diefem Wege noch fern iſt: fo wird die Lage nicht

fehr von der erften verfchieden fein; und nur in bem Zall, wenn a

durch die worbereitenden Maaßregeln die Hülfe fo nahe if, daß bei ein wenig mehr Ausdauer, wie eine größere Anhänglichkeit an den vaterländiichen Boden fie von felbft würde hervorgebracht haben, die Krifis gluͤkklich könnte überflanden und für alle ein fichrerer Zuftand begründet werden, nur in dieſem Zalle fcheint

es natürlich,. daß die Regierung, jene größere Anhänglichkeit

gleichfam fupplirend, mit einem Verbot bazwifchentrete, damit nicht unnöthigerweife der Staat noch einmal bedeutend geſchwaͤcht werde. Wüßte nun freilich das Wolf, was die Regierung eins geleitet hat, und hätte das hinreichende Vertrauen zu ihren Magß⸗ regeln: fo würde auch in diefem Fall das Verbot unnöthig fein; denn alle würben fich gegenfeitig zur nöthigen Beharrlichkeit er» muntern und fie ſich auf alle Weiſe erleichtern. Ganz bafjelbe

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iſt noch ber Kal, wenn durch dußere Gonjuncturen ein Gib. au

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Gewerbe in eine ſolche Lage kommt, daß feine Theilnehmer von Zeit zu Zeit in eine ihnen eigenthümliche Noth gerathen. Wo hingegen nur einzelne zerftreut durch den Zufall fo weit aus ber Sicherheit ihrer Subfiftenz heraus getrieben werben, daß fie lie

ber ein neues Gluͤkk im Auslande verfuchen wollen: da ſcheint

mol durchaus Fein Grund zu einem die Freiheit immer druͤkken

ben Verbot vorhanden zu fein. Was nun zweitens die Unze friedenheit betrifft, die in einem Staate, bis er fich jenem iden liſchen Zuftande nähert, immer möglich bleibt, und immer nur abwechfelnd zufammengedrängter oder audgebreiteter vorhanden fein wird, fo wirkt diefe auf Diefelbe Weife mie die Noth. Dum pfer bis zum Blödfinn leidender Gehorfam, ohnerachtet der Un; zufriedenheit, befteht nur da, wo ber natürliche Cohaͤſionstrieb bie Undberwindlichfeit eines blinden Inſtinkts hat; gemaltfame Reactionen bis zu bürgerlichen Kriegen werben da entftehen, wo bie Liebe geftört ift, und wegen zu großer Ungleichheit der vers fhiedenen Theile, welche hindert daß der eine fich nicht in bie Stelle des andern fezen kann, jeder in dem andern ben Cohaͤ⸗ fionstrieb für erftorben hält; und eben fo werden in den anal gen Fallen Auswanderungen entftehn, wo irgend fremdes einen befonderen Reiz barbietet. Woraus denn auch diefelben Abftufun: gen von Manfregeln hervorgehen. Wo nur einzelne zerflreut aus ganz fubjectiven Gründen fo weit von Unzufriedenheit er griffen werben, daß fie glauben, gerade für fie werde ein Leben unter andern Gefezen günftiger fein, da wäre ed um fo mehr unter der Würde der Negierung dieſes fporadifche Auswandern su zu verbieten, als ein einzelner, in dem ſich ein Widerwille gegen die Geſeze und Werwaltungsregeln des Staates feftgefezt hat, doch fo gut als gar Fein Befiz für den Staat if. Wird aber die Unzufriedenheit epidemifch: fo ift dies allerdings ein Zeichen, daß die Regierung fich nicht in der Annäherung an jenen ide liſchen Zuftand fondern vielmehr in einer ganz abweichenden Hichtung befindet, und fie muß hier durch Verbefferung ber. Ge

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fege und Einrichtungen zu Hülfe kommen. Wenn nun aber auch diefe Hülfe noch fern ift: fo wird ed doch in diefem Falle wenis ger hart fcheinen, ald es uns bei draͤngender Lebendnoth hart ſchien, wenn die Regierung die Auswanderung hemmt. Denn jede bürgerliche Einrichtung bietet immer noch viel gutes bar, und wo die Regierung dad gute Gewiffen bat, bag fie im. Vers befiern des mangelhaften und druͤkkenden begriffen ift, da mag fie immerhin den unzufriedenen zur Pflicht machen, daß fie durch treues Aushalten zur nöthigen Werbefferung der Staatseinrich> tungen mitwirken, damit fie fich hernach in Eintracht mit ihren- Brüdern bed beſſeren Zuflandes freuen Finnen. Allein ed wird auch Falle geben, zumal wenn die unzufriebenen eine zufammens haͤngende Parthei bilden, wo ed gewagt‘ fcheinen Tann, wenn Auswanderungdluft die Mißvergnügten ergriffen bat, fie hemmen zu wollen; daher auch in Zeiten der Gährung die freiwillige Audwanbderung ber einen Parthei von ber andern, die bie für einen hinreichenden Sieg hält, begünftigt zu werben pflegt, und nur wo ber Zwielpalt aufs Außerfte gefommen ift, und eine neue Gewalt übermüthig auftritt, wie der dritte Stand im Anfang ber franzöfifchen Revolution, finden wir eine entgegengefezte Handlungsweife. Wenn aber gar die Hülfe, welche aus einer Verbeſſerung politifcher Einrichtungen bervorgehn fol, nahe ge: nug ift: kann man dann ber Regierung zumuthen, fie folle die Mißvergnügten ruhig ziehn laſſen, die doch immer dadurch einen nicht unbedeutenden Theil ihrer Berhältniffe verderben, und bes nen es hernach leid thun wird nicht ‚geblieben zu fein? Nur freilich tritt auch bier der Kal ein, daß wenn das Volk Kennt; nig hat von dem Gang ber Öffentlichen Angelegenheiten, und. alfo weiß was bevorfteht, alsdann das Auswanderungdverbot übers flüffig wird. Wir können daher in Bezug auf .die beiden Haupts quellen einer mehr ald fporadifchen Auswanberungsluft dieſes

allgemeine feftfezen, daß eine Regierung, welche durchaut Dh Charakter der Deffentlichkeit hat, ber Auf se

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überall wird überhoben fein können; eine folche aber, welche noch

“1 gegen dad Volk verſchloſſen iſt, wird das Recht und bisweilen ſogar die Pflicht haben denen das Auswandern zu verbieten, welche, wenn ſie wuͤßten was zu ihrer Befriedigung geſchehen iſt und geſchehen ſoll, ſchon von ſelbſt die Luſt auszuwandem verlieren wuͤrden. Wenn daher Staaten, welche ſich einer eigen lichen Verfaſſung erfreuen, faſt ohne Ausnahme bie unbedingte Freiheit der Auswanderung zu ihren Grundgefezen zählen: fo if dies theild darin gegründet, daß bie Deffentlichkeit der Regierung, deren Schritte faft ohne Ausnahme zu Tage liegen und von je bem beobachtet und abgefchäzt werden Finnen, jeve Bevormun⸗ bung bed einzelnen überflüffig macht, theils barin, daß ein fol- her Staat am meiften ſtolz genug fein kann fih auf die Stärke des heimathlichen Triebes zu verlaffen, um in dieſem Vertrauen keinen halten zu wollen, bem, aus weichem Grunde es auch ſei, die Geſeze nicht mehr gefallen.

Das leztere aber fuͤhrt uns auf noch eine andere Betraq⸗ tung. Es giebt naͤmlich ein zwiefaches Verhaͤltniß des einzelnen zum Staat: er iſt auf der einen Seite lebendiger Beſtandtheil, auf der andern Seite Mittel und Werkzeug deſſelben; und es iſt nicht der kleinſte Unterſchied unter den Staaten, welches von bie ſen Verhaͤltniſſen als das erſte und bedeutendſte angeſehen wird. Je mehr nun ein Staat alle feine Bürger vorzüglich als feine integrirenden Theile anfieht, um befto weniger kann er diejeni⸗ gen halten wollen, welche geneigt find auszuwandern; denn als integrirender Beſtandtheil des Staates hat jeder nur einen Werth durch feinen Gemeingeift und feine Liebe. Am meiſten aber herricht dieſes Verhaͤltniß in ſolchen Staaten, wo bie Geſeze durch die Mitwirtung der Bürger gemacht und ausgeführt wer: den. GEntfteht nun eine Auswanderungdluft aus Noth: fo hat in ber Regel ein folder Staat mehr Mittel der Noth abzuhel⸗ fen. Jeder Umlauf ift fchneller und lebendiger, die Zuneigung

derer, welche von der Noth nicht getroffen werden, zu bem bürf:

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tigen iſt je thätiger fie an bemfelben Gemeinweſen theilnehmen um beflo inniger und organifirter. Was aber bie Unzufrieden beit betrifft: ſo wird dieſe weit cher eine Fräftige und ordnungs⸗ mäßige Reaction auf bie Geſezgebung hervorbringen, als eine irgend allgemeine Auswanderungsluſt entſtehn koͤnnte, und bie Auswanderung wird immer, außer wo fie eine Naturnothwen⸗ digkeit iſt, nur eine ſporadiſche Krankheit. bleiben, gegen welche man keine öffentliche Vorkehrungen zu treffen, ſondern fie der Privatpraxis zu uͤberlaſſen pflegt. Steht aber ein Staat noch auf..ber Stufe, den größten Theil feiner Einwohner mehr als

- Werkzeuge und Mittel zu den fogenannten Staatszwekken anfe ben zu müflen: dann tritt auf das flärkfie jene Betrachtung der Tritonifchen Geſeze ein, wie viel jeder einzelne ben: Staat fchon ge koſtet habe um ihn bis zu ‚einem gerwiffen Grade der Brauchen keit auszubilden. Und weil von biefer Seite angefehen jeder für ben Staat einen Werth bat, ber mehr ober weniger von: feiner Gefinnung unabhängig nur auf: feinen Zalenten und Fertigkei- ten ruht, fo kann die Regierung wol nicht geneigt fein ſich in ihren Mitteln und Werkzeugen fchwächen zu laflen, und wird alfo die Auswanderung fo beichränten, wie es ihren hauptfächs lichften Zweiten gemäß ifl. Diefe find aber auf der einen Seite die Priegeriichen der Wertheidigung und bed Angriff; und von biefer Seite hängt dann bad Auswanderungdverbot an der nicht erloihenen Wehrpflichtigkeit bed Bürgers. Auf der andern Seite beſtehen die friedlichen Zwekke eines folchen Staates größtentheils in der Herbeifchaffung der nöthigen Kräfte und Mittel um re: gieren und um vorkommenden Falls fich vertheibigen und an: greifen zu koͤnnen. Hiezu nun find freilih die gänzlich. herun: tergefommenen unb ihrer Mittel beraubten einzelnen felbft nur unfichere und geringe Mittel; und diefe wird daher auch ein fols her Staat in Zeiten der Noth um fo lieber gehen laflen, als er die Uebervölferung ald eine wiederkehrende anfteht, und noch feine Ausfiht hat der Noth bald genug ein Ende zu machen. Was

348 aber bie befieren betrifft, fo voirb er fich um fo .mehr auf bie Seite des Verbots meigen, ald .er Hoffnung bat die Umfkände zu befiegen, und bi8 dahin duch Reiz: oder Zwangsmittel einen heil des Ueberfluffes von den wohlhabenden auf bie. Dürftigen abzuleiten. Wenn man aber in mehreren Staaten eine in ber Mitte zwifchen Freiheit und Verbot liegende Maaßregel antrifft, nämlich die Beſchazung ber auswandernden: fo. läßt fich: dieſt auf eine zwiefache Weiſe erklären. Entweder beruht fie auf der Betrachtung, daß jeber. Dienft, welchen ein einzelner unabhängig von feiner Gefinnung. dem Staate leiſten kann, ba. wo einmal Theilung ber Arbeit und Umlauf der Dinge ‚organifirt iſt, auch von andern kann übernommen werben, wenn man ihnen nur : dad.:allgemein. geltende Zaufchmittel anzubieten weiß, : Bon bie fem alfo behält man zu dieſem Behuf eine angemefiene Menge «3 von dem Wermögen bed abziehenden zuruͤkk, der fich alfo dadurch auf bie rechtlichfte Weife von den Pflichten,. die er ald Werkzeug bed Staats gegen. denfelben hatte, laskauft. Ober man kann aud die Beichazung geradezu ald einen Impoſt anfehen, woburd man, wie bie Eins und Ausfuhr anderer, fo hier der menfchlis chen Waare, verhindern will. In beiden Fällen wäre es grau: fam die Beſchazung gegen diejenigen anwenden zu wollen, welche aus Noth auswandern; aber in beiderlei Sinne Tann fie ange wendet werden theild gegen dad Auswandern ber Mißvergnüg ten, theild gegen das fporadifche derer die launenhaft oder aus perfönlichen Gründen mit Aufopferung ihres Volfögefühls an: derwärtd. etwas befferes erwarten. .

Ze mehr endlich ein Staat feine Einwohner ald Werkzeuge und Mittel betrachtet, um deſto weniger kann es ihm: gleichgil: tig fein, wenn fie wandern, wohin es gefchieht. Denn fie fon- nen einem fünftigen. Feinde zuwachfen, und hierauf bezieht fi gegenüber dem Verbot ſowol ald der Beſchazung die Zreizügig: keit, welche Die Freiheit der Uuswanderung ausnahmsweiſe zwi: ſchen einzelnen Staaten gegenfeitig geftattet, welche eben dadurch

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erkennen geben wollen, daß fie ſich zu einander gutes verfe: 1, oder fich gar für fo verwandt halten, baß fie durch einen zenfeitigen Austaufch von Individuen nichts verlieren koͤnnen. enn wir in diefer Hinficht befonderd auf unfere deutfchen An⸗ egenheiten fehn, auf die Einheit de Volkes in Sprache Ge: nung und Sitte, und auf die Verfchiebenheit der willkührlich ht einmal nad den natürlichen Unterabtheilungen des Volkes er Bodens begrenzten Staaten: fo follte man ſich wundern, ß auch hier zwilchen ben einzelnen Staaten die Freizügigkeit ſonders bedungen wird, und nicht durch ein. allgemeines Bun sgeſez die unbebingte Freiheit der Auswanderung innerhalb der venzen des gemeinfamen Volksvaterlandes feftfteht, oder wenn ımal jenes fein fol, erfcheint- es noch wunderbarer, daß auf eſelbe Weife wie zwifchen beutfchen Staaten unter ſich auch eizügigfeitöverträge zwifchen deutfchen Regierungen und frem: n geichloffen werden, als ob jemals dieſe Verhältniffe gleich n koͤnnten, und ald ob nicht durch eine folche Gleichftelung 8 natürliche Bewußtſein müßte Irre gemacht werden. Die ich Abtretungen oder Ländertaufchen gewöhnliche auf eine bes mmte Zeit ausbebungene Freiheit der Auswanderung hingegen 44 utet darauf, daß man dad friedliche Verhältniß zwifchen beiden - cht für dauernd halte, weshalb denn in einer fichern Frift jeder üffe entfchloffen- fein, wen von beiden er angehören wolle; und efe Maaßregel ift unftreitig, da hier größtentheild an eine Aus⸗ anderung im großen gedacht wird, um deſto richfiger, je groͤ⸗ er die Verſchiedenheit beider Völker und ihrer Verfaſſungen ift,

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vIn. Ueber die wiſſenſchaftliche Behandlung des Tugendbegriffes.

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Borgelefen ben 4. März 1819.

3 J. meinen Grundzuͤgen einer Kritik der bisherigen Sittenlehre babe ich durch eine vergleichende Zufammenftelung zu zeigen verfucht, wie wenig bis dahin noch die Sittenlehre ald Willen ſchaft fortgefchritten geweien. ine Fortſezung folder Kritik in Beziehung auf dad, was feit jener Zeit auf dem Gebiete ber Sittenlehre erfchienen ift, würbe ich, auch wenn deſſen mehr wäre und lohnenderes, wenigſtens für jezt nicht beabfichtigen. Viel⸗ mehr hatte ich darauf gerechnet, ſchon früher der befannten Auf forberung nach Vermögen Folge zu leiften, daß wer zerftöre auf wieder aufbauen müffe, obgleich ich fie aus dem auch auf dem wiffenfchaftlichen Gebiete ganz zweltmäßigen Grundſaz der Thei⸗ lung der Arbeit zurüßfweifen koͤnnte. Allein wiewol ich ſchon feit langer Zeit in ber Ausarbeitung eined eignen Entwurfs ber Sittenlehre begriffen bin, bei welchem ed dann darauf ankom men müßte, ob und mit welchem Erfolg ich an ihm ſelbſt eine ähnliche Kritit geübt, wie bort an meinen Vorgaͤngern: fo ver

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zögert fich doch bie Vollendung biefer Arbeit fo fehr über bie Gebühr, daß es mir wenigſtens angemeffen ſcheint, endlich eine mal, wenn auch nur fo weit es ſich in einer Abhandlung von diefem Umfange thun läßt, an einem einzelnen Punkte eine Probe mitzutheilen von dem Berfahren, welches ich einzufchlagen ges dene, ob ed wol geeignet fein mag, dem mannigfaltigen Zadel audzumeichen, den jene Kritik über die bisherigen Syſteme aus; gefprochen hat. Es iſt der Begriff ber Zugend, welchen ich biezu gewählt habe.

Das unerfreuliche Ergebniß jener Unterfuchung war näms Pa lich, daß in der biöherigen Behandlung der Sittenlehre die Begriffe weder gehörig von einander gefondert noch gehoͤrig unter einan⸗ der verbunden waͤren. Wollen wir nun von diefer Ueberzeugung aus eine neue Darftellung verfuchen: fo ift wol die erſte vor laͤufige Maaßregel die, daß wir und von der vergleichenden Be trachtung der Begriffe ſelbſt zur Beurtheilung des Verfahrens wenden, welches bei Bearbeitung des Gegenflandes ift beobachtet worden, und daß wir und bie Frage vorlegen, welche Zehler die Sittenlehrer wol begangen haben mögen, aus benen jener uns günftige Zuftand der Wiffenfchaft hervorgegangen iſt. Diele Frage iſt natürlich fehr fchwierig, und, weil der Abweichungen vom echten Wege fo viele fein können, kaum durch Eine Antwort im ganzen zu erledigen. Was fich aber darüber in Bezug auf den jezt vorliegenden Theil ded Ganzen im allgemeinen fagen läßt, fcheint mir folgended zu fein. Zwei Umflände haben zus fammengewirkt um die Darfielung bes fittlichen unter dem Ber griffe der Tugend zu verwirren. Der eine ift eine allgemeine auch in andern Theilen biefer und verwandter Wiffenfchaften fichtbare Einfeitigkeit der Betrachtungsweiſe. Ueberall nämlich, wo um einen Gegenfland zur Anfchauung zu bringen ein Sy ſtem von Begriffen aufgeflellt wird, ift der Gegenſaz von Eins beit und Vielheit Die herrſchende Form, fei ed nun dag das Bers fahren mehr fo erfcheine daß die. Vielheit unter eine Einheit

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gebracht, ober fo daß bie Einheit in; eine Vielheit zerfpalten wird. Iſt ein Gegenfland nur ald Einer vorgelegt: fo ift unter der Form ded Begriffes nichts von ihm zu fagen, ald daß feine Erklärung aufgeftellt wird; wie fehr aber, und auf welche Weiſe dad unter die Erklärung gehörige unter fich verfchieden, alle vieles, fein Tann, dad wird nicht audgemittelt.' Sieht man da gegen nur die Vielheit, fo kann man zwar mit ben Einzelheiten, aus welchen fie befteht, dafjelbe thun wie dort; aber wie diee unter ſich zufammen gehören, und von andern getrennt, alfo Gi: ned, find, dad kann nicht erhellen.- Die wiffenfchaftliche Dar ſtellung unter diefer Form beruht alfo ganz auf der Gabe, Eins heit und Vielheit zufammen zu fchauen und in einander zu ver wandeln. Es giebt aber im Gegenfaz zu diefer Richtung zwei Einfeitigkeiten der Betrachtung, die eine, welche nur Einheit überall fieht und die Vielheit für bloßen Schein erklärt oder für verworrened und der Betrachtung unwerthes; bie andere, welche nur Vielheit fieht, und die Einheit für Schein erflärt ober für willkuͤhrliches Zuſammenwerfen. Beide finden wir fchon im A: tertbume, oder genauer zu reden nur im Alterthume im jener

s volftändigen Ausbildung, wegen ber man bie eine die panthei⸗

ſtiſche, die andere die atomiftifche nennen Tann. Im einzelnen

aber finden wir fie häufig auch in ſolchen philofophifchen Dar:

. ftelungen, welche ohnerachtet einer vielleicht unleugbaren Ver:

wandtichaft der Grundanficht dennoch mit feinem von jenen bei: ben Namen belegt zu werben pflegen. Und fo haben fich beide Einfeitigkeiten auch zu allen Zeiten auf unfern Gegenftand ge

worfen. Die Frage, welche im Altertbume fchon fo oft behan

beit wurde, ob die Tugend Eine fei oder viele, iſt nichts an dered ald das natürliche Ergebniß aud dem Streite jener unvol; fländigen Betrachtungsmweifen. Denn bie natürliche Vorausſezung für jeden, der den Tugendbegriff zu einer wiflenfchaftlichen Dar ftelung brauchen wollte, Bönnte doch nur bie fein, Die Tugend müffe Eines und vieles fein in verfchiedener Hinficht. Aber hat

353 der eine vermöge ber einen Ginfeitigkeit gefagt, die Tugend iſt nur Eine, und folglich ift fie überall entweder ganz ober gar Nicht; ber andere vermöge der anderen, bie verfchtedenen Tugen⸗ den haben gar nichtd mit einander zu fchaffen, fondern der eine "befißt diefe von ihnen ber andere jene, jeder nur vermöge feiner

befonderen Einrichtung, und die höchfte Kumft befteht nur darin,

die Menfchen fo zufammenmirken zu Laffen,. Daß ihre verſchiedenen

Tugenden einander ergänzen: dann entfteht freilich zunächft bie

"Frage, welcher von beiden Recht: habe, und ift ein neues Zeichen,

Daß die beiderlei Anfichten. vereinigende Gabe dad viele in feiner natürlichen Zuſammengehoͤrigkeit und dad Eine in feiner natuͤrli⸗ hen Setheiltheit zu fehen, in der Unterfuchung nicht walte. Eine geringere Wirkung berfelben Einfeitigfeiten ift diefe, wenn zwar zufammengehöriged verknüpft, und das in verfchiebene Geftalten verfchiebbare getheilt wird, aber auf eine folhe Art, daß die Er: Märungen der größeren Einheit und der untergeorbneten Einzel: beiten nicht fo mit einander zufammenflimmen, daß eines aus dem andern verflanden, und alfo in unferm Sale. begriffen wer: den koͤnne, wie bie aufgeflellten einzelnen Zugenden ben allge: meinen Begriff der Tugend erfchöpfen, und wie ber aufgeftellte allgemeine Begriff dasjenige auddrüffe, was die einzelnen Tugen⸗ den gemeinfamed haben. Und biefed eben wird man weder beim Ariftoteles, noch bei den Stoifern, noch bei einem von den neues ren, fo viele deren noch mit dem Zugendbegriffe verfehrt haben, auf eine befriedigende Weife finden. Wer alfo eine neue Dar: ftelung verfuchen will, der muß zuerft dieſe Einfeitigkeit zu ver meiden ſuchen, und nicht den allgemeinen Begriff der Tugend für fi und die Erklärungen der einzelnen Tugenden wieder für ſich zu Stande bringen, fondern beide nur in Beziehung auf eins

ander, fo daß er mit feinem allgemeinen Begriff der Tugend zu. 6

frieden iſt, es ſei denn ein folcher, in welchem er fchon die Theis

lungsgruͤnde erblikkt, nach denen fich bie einzelnen Tugenden ab-

leiten und ordnen laſſen, und fo auch mit Feiner Erklärung einer Schleierm. W. III. 2. a

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einzelnen Tugend, es fei bein daß er darin dasjenige nachweiien koͤnne, was nur von einer beichränkenden Beftimmtheit befreit

werden darf, um in dem allgemeinen Begriffe der’ Tugend ges funden zu werben. ,

Der andere Umſtand aber, welcher der Behandlung des Tu: gendbegriffes nachtheilig geworben, ‚fcheint diefer zu fein. Es fin den fich in der Sprache eine große Menge Bezeichnungen lobend: würbiger oder beliebter menfchlicher Eigenfchaften, in Bezug auf welche es ſcheint als Eönne der Sittenlehrer zu einem von beis ben angehalten werden, entweder ihnen fämmtlich einen Plaz an zumweifen in dem Syſtem von.Zugenden, welches er aufftellt, ‚oder feine Gründe anzugeben, warum er einige ausſchließt. Je mehr nun in jenen Bezeichnungen das öffentliche Urtheil fich aus⸗ fpricht, und. gerade am meiften in Beziehung auf das Öffentliche und gefellige Leben die Sittenlehre bearbeitet wurde; oder, wenn wir auf. die neueren Zeiten fehen, je mehr man bie unbebingte Richtigkeit des fittlichen Gefühld vorausſezte, und je mehr bie philofophifche Behandlung der Sittenlehre nichts anderes fein zu diufen glaubte, ald nur eine genauere Berftändigung uͤber bads jenige was im fittlichen Gefühle enthalten fei: um deſto wenis ger wagte man ed von ben geltenden Begriffen löblicher Eigen: fchaften einige aus dem Verzeichniß der Tugenden auszufchließen, fondern hielt fich ſtreng verpflichtet einem jeden feinen Pla; ans zuweilen. Daher. Denn die ungeorbneten Haufen von Tugenden ſchon beim XAriftoteled, und die ganz willkuͤhrlich gebildeten Stel: len berfelben bei den Stoikern, und eben fo bei den neueren. Denn wenn 5. B. Ariftoteled und die Stoiker nicht ganz diefel: ben Zugenden aufftellen, ohngrachtet beide demfelben Volk ange hören, und die ältere ſtoiſche Schule auch im. wefentlichen noch demſelben Zeitalter: fo muß man dieſes mehr. grammatiſch an⸗ fepen, daß nämlich, wie denn ‚die im gemeinen Leben erzeugten Auddrüde immer fchwanfend find, die. eine Schule eine andere Spnpnymie angenommen ald bie andere. Nun ift aber offenbar,

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dag gerade im. öffentlichen Sehen die. Eigenfchaften der handeln: den Perſonen nah ganz anderen Gefichtöpunften aufgefaßt wer: den als nach dem auf welchen die wiffenfchaftliche Sittenlehre ſich ſtellen muß; und eben ſo liegt zu Tage daß das fittliche Ge⸗ fuͤhl nicht immer und uͤberall ſich auf dieſelbe Weiſe aͤußert, ſo wie daß auch im geſelligen Leben uͤber die ſich dert "Bildenden 7 Urtheile oͤfters Zweifel entftehen fönnen, ob es auch' das fittliche‘ Gefuͤhl geweſen, welches fich ‚geäußert, oder ein anderes. i Alle. Begriffe aber über einen Gegenſtand, die von einem andern In⸗ terefie aus, als dem, daß ex rein and volftändig.:fol; erkannt· werden, find gebildet worden, haben feinen Anſpruch ˖ darauf in‘ eine wiffenfchaftliche Darftelung aufgenommen zu werden. Sie gehören einer-andern Reihe an, in-melcher:fie wahr und richtig‘ fin moͤgen, aber auf dem wiffenichaftlichen Gebiet miuß ihre Ein⸗ mifchung nothwendig Verwirrung anrichten. Daher ich auch in’ Bezug auf jene Begriffe nicht einmal 'die' zweite Forderung‘ gel⸗ ten laffen Tann, daß der Sittenlehtet verpflichtet fei einzeln nach⸗ ztiwelfen, warum er biefe im gemeinen Leben gültigen Begriffe in dad Syftem der feinigen nicht aufnehme. Vielmehr iſt ja of⸗ fenbäkſolche Begriffe zu würdigen erfl-ein weit fpätered -Gefchäft, und’ kann nur gelingen, nachdem bie wiffenfchaftlich‘ begründeten" Begriffe aufgeftelt find; denn. jenes iſt zugleich bie Würdigung: bes fittlicheh Zuſtandes desjenigen Volkes und Zeitalters,- in wels chem folche Begriffe ihre Geltung erlatigt. haben; und hiezu müfe”, \ fen eben die voiffenfchaftlichen Behriffe den Maaßſtab enthatten;: Wer aber beide. Gefchäfte nicht trennt, fondern ſoinen allgemein aufgeftellten Zugendbegriff durch Anwendung auf alle jene oft politifche oft öfonomifche oder fonft lebenskuͤnſtleriſche Begrifft rechtfertigen will, der wird ſich fein Gefchäft ohnfehlbat verder⸗ ben; ja was er irgend an- ſich hat von einer jener beider Ein⸗ feitigfeiten, dad wird dadurch beguͤnſtigt. Iſt er geneigt nur die: - Einheit genau und richtig: zu ſehen, fo. wird er durch jenes vers" worrene Gemelige nur um fo ficherer"überredet, es gebe außer‘

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der Einheit Peine beftimmte Vielheit, fondern nur die unbeflimmt in einander fich verlaufende Unendlichkeit der einzelnen Erſchei⸗ nungen, und eben fo umgekehrt. Deshalb aber iſt keinesweges meine Meinung, daß die Begriffe einzelner Zugenden, welche ber Sittenlehrer unabhängig von jenen im gemeinen Leben üblichen -auf feinem eigenen Wege findet, müßten mit neuen. und uner hörten Namen bezeichnet werben, welched allerdings auf feine Tu: ‚genden den Verdacht werfen würde, ald wären fie. ganz und gar erfonnen. Sondern dieſes nur meine ic), daß allerdingd, wenn, er feine Begriffe gebildet hat, er die Zeichen dazu, auffuchen fol in.dem vorhandenen Schaz der Sprache, und fich fragen, ob er, nicht eben dieſes, was er jest gebacht, oft fo und fo. genannt habe; und wie fonft der platonifche Sofrates gethan, fol er auch andere, entweber unmittelbar oder indem er. an ihren Reben unb s Schriften anklopft, fragen, ab fie. nicht auch etwas fo nennen, und ob ed nicht daſſelbe ſei, was auch er fonft fo genannt; und wie dann. er felbft und andere ‚dad gefundene am. meiften und. fiherften genannt haben anderwärts, ſo ſoll er nun daſſelbe au in feinem Syſtem nennen, und das Wort zum Zeichen dieſes Begriffs ſtempeln; wodurch er zugleich zu erkennen giebt, daß es noch andere Gebrauchöweifen des Wortes geben koͤnne, mag nun dabei daſſelbe gedacht aber falfch angewendet worden, ober aud wol ganz andred gedacht und nur einer falfchen Aehnlichkeit zu Liebe daffelbe Zeichen gebraucht worben- fein, und daß er Diele fammt und fonderd gar nicht zu vertreten gefonnen fei. Hält er nun aber mit feiner Begriffäbildung inne, und es bleiben ihm bann ‚auch noch fo viele Wörter übrig, deren er ſich zwar erin⸗ ‚nern muß, wenn er ſich fragt: was für vortreffliche Tugenden unter den Menfchen feiner Zeit und feines Volkes im Umlauf ſeien, die er aber boch in feinem Umkreiſe von Wegriffsbildung ‚nicht anzubringen weiß: fo fol er fih um biefe weber fo vie: kuͤmmern, daß er deshalb Furcht beläme, er hätte wol bie rechte Zugend nicht gefunden, noch auch fo wenig, baß er fie gehen

\ 357 Iteße wohin fie wollten; fondern er fol ihnen auflauern, um zu fehen ob fie etwa Bei einer noch weiteren Vereinzelung der Be⸗ griffe, die er noch nicht unternommen hat, ihren Plaz finden wollen, oder ob ſie einem andern Theil der ſittlichen Darſtellung angehören, oder wol gar einem ganz andern Gebiete. Hate fie nun lange genug beobachtet, fo wird ihm dieſes gewiß nicht entgehen, und er wird fein zweites Geichäft an ihnen vollbringen innen, nämlich die Reinigung und Sichtung ber Sprache, wel: ches allerdings feinem erſten nicht wenig zu Huͤlfe kommt. Bon der Anwendung diefer beiden Regeln nun will ich verfuchen dad Beilpiel zu geben, fo gut es ſich außerhalb des gefchloffenen Bufammenhanges, dad heißt, ohne flreng genommen von vorm ‚anzufangen, thun läßt, und natürlich indem ih, um nicht bie Grenzen einer Abhandlung zu überfchreiten,. nur bei ber erſten Abſtufung der Begriffe ſtehen bleib | Diefed nun muß ich mir, weil ich nicht von vorn anfan» gen Tann, gleich vorausnehmen, und kann mich nur darauf be» rufen, daß. es theils aus dem angefuͤhrten Buche ſo deutlich her⸗ vorgeht als ich es irgend darzuſtellen im Stande bin, theils auch jeder fuͤr ſich es finden und alſo leicht ohne weiteres zu⸗ geben wird, daß naͤmlich die drei gepaarten Begriffe, Gutes und Uebel, Tugend und Laſter, pflichtmaͤßiges und pflichtwidriges Han⸗ deln, ſich ſo gegen einander verhalten, daß jedes Paar fuͤr ſich allein in ſeiner Vollſtaͤndigkeit gedacht das fittliche ganz ſezt und ganz aufhebt, fo daß auch die übrigen Paare nothwendig mit s gefezt find; auf die Weiſe daß, find alle Güter geſezt, die im ‚fittlihem Sinne fo fünnen genannt werden, dann nothwendig, fo wie alle Uebel in demfelben Sinne -ausgefchloffen find, fo hin gegen alle Tugenden ald vorhanden gedacht werben müffen, und ale pflichtmäßigen Handlungen; Laſter aber-und pflichtwibrige Handlungen gar nicht, oder fonft koͤnnten auch die Güter nicht da fein, fondern ed müßten Hebel entfiehen. Eben fo wenn man zuerfi ale Zugenden in allen denkt, oder nichts als pflichtmaͤßige

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Handlungen auf allen Punkten und in allen Augenblilfen, alb⸗ dann eben fo wie oben das übrige alled mit gefept, Das Gegen . theil aber audgefchloffen fein muß. Denn dad wird wol nie mand glauben, dag wenn alle Tugenden in allen Menfchen wirt fam wären, daraus Uebel in der Welt entfiehen Fönnten oder pflichtwidrige Handlungen, noch diefed, Daß dad Gute eben forpl aud pflichtwidrigen Handlungen entftehen und dabei beftehen koͤnne ald aus und bei pflihtmäßigen, und was nun meiter folgt. Dad zweite muß ich mir eben fo geben lafien, dag nämlich dem ohnerachtet Gut, Tugend und Pflicht nicht an und für fich dab felbe fei, fondern jeder, wenn er das eine nennt, etwas anderes meine, ald wenn bad andere. Woraus von ſelbſt folgt, daß aud nicht eine einzelne Zugend einzelne beflimmte pflihtmäßige Hand: lungen oder Güter nothwendig bedinge; fondern das obige, daß wenn alle Zugenden in allen gefezt find, auch alle und lauter . pflihtmäßige Handlungen gefezt fein müffen, entſteht vielmehr Daher, weil in jeder pflichtmäßigen Handlung alle Zugenden des bandelnden find, und jede Zugend aud an allen pflicytmäßigen Handlungen ihred Beſizers Antheil hat, und eben fo mit den Gütern. Wenn nun ‚hieraus hervorgeht, daß weil jeder” diefer Begriffe das fittliche ganz darftellt und bennoch etwas anderes bedeutet, jeder es in einer andern Beziehung darftellen muß: fa iſt nun die,nächfle Frage die, in welcher Beziehung denn ber Tugendbegriff das fittliche darftelle. Und auch bier nehme ich mir, weil ich nicht von vorm anfangend zeigen kann, ob und warum diefe drei Begriffe und nur diefe von gleicher Geltung beftehen, ganz unbeforgt diefed zum voraus, dag im Tugend⸗ begriff das fittliche dargeftellt werde ald Kraft, welche in dem einzelnen Leben ihren, Siz hat. Denn fo reden wir alle von der Tugend ald von etwas im Menfhen, und zwar woraus feine Handlungen hervorgehen nicht nur, fondern auch woraus Hand: lungen gewiffer Art nothwendig hervorgehen muͤſſen, indem eine anthätige Tugend niemand denken kann; und möchte wol nie⸗

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nand piel eiswenden, wenn wir die Erklaͤrung bed Benon von nos, ed fei die Quelle .ded Lebens, woraus die einzelnen Hand» ungen bervorgehn, auf den allgemeinften Begriff der Tugenb-w nmwendeten, denn dieſe ift eben die fittliche Lebensquelle*). ‚Res en wir aber auch von Zugenden eines Volkes, fo betrachten wir dann gewiß dieſes ebenfalls ald ein einzelnes Leben, aus befs m Kraft ſowol die eingelnen Menfchen folche werben, als bie emeinfamen Handlungen hervorgehen, welche das Gepraͤge jener bugenden tragen.

Diefed nun vorausgefezt entfteht und bie Aufgabe. Wenn ie Zugend im allgemeinen überall und in allen diefelbe, und lſo nur eine iſt; fol aber das fittliche in feiner ganzen Fülle us ber. Vollſtaͤndigkeit aller Zugenden befchrieben werden, zus leich ein mannigfaltiged fein muß, und zwar nicht nur dem Irte nach, fofern dieſelbe Zugend in verfchiedene Menſchen tft, mdern auch in jedem einzelnen, in eine Mannigfaltigkeit ges yeilt: fo muß beſtimmt werden, wie fie dann getheilt werben Yu, um zugleich eines und vieled zu fein. Die Löfung diefer ufgabe muß angefangen werden mit einem Saz, wovon ich richt hier, da ich ihm nicht, ohne noch viel weiter zuruͤkkzugehen, us der. Quelle ableiten fann, nur auf die allgemeine Zuſammen⸗ immung berufen muß, daß nämlich alle, welche überhaupt von ‚ugend reden, ed nur thun in Vorausfezung eined zwiefältigen n Menfchen, eines höheren und niederen, vernünftigen und uns ernünftigen, geifligen und finnlichen, oder himmlifchen und irdis

*) Stob. II. cp. VII. ol d2 xara Zivura vgonıxwug" 105 dorı nnyg Blov &p 5 al xara uegos ngateıs geovos. Man Tönnte freilich fas gen, das Wirt q0060 entipreche mehr unferm Wort Gefinnung, und diefes bedeute mehr die individuelle Art die Pflicht zu conſtruiren: als lein diefes gilt nur fofern das Wort als ein mannigfaltiges, gebraucht wird, fofern man von einer Gefinnung redet, oder gar von einer güs ten und fchlechten. Die fittlihe Gefinnung aber gang im allgemeinen und die Tugend ganz im allgemeinen Tönnen hier sinanber unbebenklid) ſud ſtituirt werden.

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ſchen, oder wie andere ed anders benennenb boch immer im we fentlichen daffelbe dabei meinen. Wer aber eine folche Zwiefaͤl⸗ tigkeit im Menfchen nicht annähme, der könnte zwar wol, wenn er einen Menfchen mit dem andern oder einen Augenblid mit

dem andern vergleicht, Stärke und Schwäche unterfheiben, ober |

Vollkommenheit und Unvolltommenheit, oder ſonſt wie beffered und geringered; von Tugend und Untugenb aber im Ginn ur feree Sprache und Sitte Fönnte er eigentlich nicht reden. Eben fo auch, wer beides zwar unterfchiede im Gedanken, meinte aba daß beides ſchon von Natur immer und zwar entweder in allen auf gleiche Weife vorhanden und vereinigt wäre, oder wenigftend daß die Verfchiedenheit des Werhältniffed nur von dußeren Um ftänden abhinge und gar nichts innerliches fei, auch der Tönnte nicht von Zugend reden. Sondern der Begriff der Tugend feit ıı nothwendig voraus, nicht zwar bag ein Menſch fein könne weder durch das höhere allein ohne das niedere, noch Durch das niebere allein ohne das höhere, aber doch daß großer Raum fei für Bes fihiedenheit in dem Zufammenfein beider. Und nur dasjenige Zus fammenfein beider ift die Tugend, morin das höhere gebietet und das niedere gehorcht, dad umgekehrte aber ift dad Gegentheil. IR nun diefed, fo müffen wir jedes Zufammenfein beider anfehen al zufammengefezt einmal aus ihrer Zufammengehörigfeit ‚und au ihrer Verfchiedenheit,, welche in Bezug auf dad Gebieten der dis nen und Gehorchen ber andern ald ein Widerfländ aufgefaßt wer den muß. Dieſes nun giebt uns den einen Theilungdgrund, und bie Zugend wird und zuvoͤrderſt eine zwiefältige, in wiefern ſich in der Herrfchaft des höheren uͤber das niedere ausdruͤkkt die Zus fammengehörigkeit, und in wiefern fi) darin ausdrüfft der Wis derfiand. Ich möchte bie erfle nennen die belebende Tugend, welche ohne dieſe nicht gefezt wäre, die andere ‘aber die bekaͤm— pfende Tugend, indem burch diefe ber Widerfland bezwungen wird, weil fonft ja Feine Herrfchaft des höheren über das niebere fi zeigen koͤnnte im Widerflande bes lezteren. Niemand wird

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diefe Verſchiedenheit leugnen Binnen; denn es iſt eine andere Thaͤ⸗ tigkeit ‘wodurch unmittelbar die Zufammengehörigkeit, ſich offens Bart, wenn gleich auch mittelbar dadurch ber Widerſtand gebämpft wird, und eine andere woburd unmittelbar der Widerſtand ficy verringert, wenn gleich auch in ihr fich mittelbar die Zuſammen⸗ gehörigkeit offenbart. / Aber die Einheit wird nicht aufgehoben durch dieſe Werfchiedenheit, denn in beiden ift bad Herrfchen des höheren, und auch in einem und demfelben einzelnen Leben wer: den beide nicht können getrennt fein, indem die belebende Tugend nicht and Licht fommen könnte ohne die befämpfende zu üben, und dieſe wiederum nicht geübt werden ohne die belebende ans Licht zu bringen. Denn fezen wir dad höhere im Menfchen thätig, fo muß, wenn der Widerfland überwunden ift, die Anger börigkeit deö niederen in der Erfcheinung frei, werden, fonft wäre nicht nur dad Element des Widerſtandes im niederen, fondern das niebere felbft vernichtet. Doch diefed Fann erft zur Anfchau: lichkeit gebracht werden, wenn wir noch ben andern Theilungs⸗ grund der Tugend hinzunehmen. Nämlich wenn wir davon außs gehen daß fie die fittliche Kraft fei im einzelnen Leben: fo muͤſ⸗ ſen wir auch fehen was das einzelne Leben iſt. Diefes nun fteht, indem es immer nur beziehungöweife vereinzelt ift, und nie volls Tommen, mit dem Ganzen in einem beziehungsweiſen Gegenfaz, der fich in einer ſtets erneuerten Wechſelwirkung offenbart, in ı2 welcher einmal auf das einzelne eingewirkt wirb von außen und . es alfo leidend ift, aber als lebendes nicht ohne Gegenwirkung, was wir die Empfänglichfeit nennen, dad anderemal dad einzelne von innen etwas nach außen wirkt, was wir die Selbſtthaͤtig⸗ keit nennen, aber weil befchränkt und einzeln auch nicht ohne Ge: genwirkung zu erfahren, welche dann baffelke Spiel wieder von neuem beginnt. Sn dem Menfchen nun, wie auch fchon das niedere in ihm das Gepräge an fich trägt, iſt das einzelne Leben ald ein bewußtes und fich bewußt werdendes gegeben und er: fcheint dem zu Folge wefentlich in zwei Geſtilten; die eine ift

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das bewußte Inficheinbilden, worin die Empfänglichkeit, die un dere das bewußte aus fich heraus in die Welt: Hinüberbilden, worin die Selbfithätigfeit vorherrfcht. Das erfte von beiden nen⸗ nen wir auch das Erkennen oder Vorſtellen, denn auf die Unter ſchiede dieſer Ausdruͤcke kommt es hier nicht an, das andere aber das Handeln, ſei es nun mehr wirkſam oder darſtellend. Iſt nun

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dieſe Zwiefaͤltigkeit die allgemeine Form aller Lebensthaͤtigkeit: ſo

| folgt daß auch das geiſtige und vernünftige im Menfchen nicht kann bad niedere beherrfchen als nur in eben diefer Form. Und biefed giebt daher eine zweite Eintheilung ber Tugend, naͤmlich

in eine vorftelende und barftellende Die Verſchiedenheit beider wird niemand leugnen fünnen, jeder aber auch zugeben daß bie Einheit dadurch nicht aufgehoben wird; denn die Herrfchoft de Höheren über das Niedere ift in beiden, jedoch eine andere in jedem. Und. auch in demfelben einzelnen Xeben werden beibe nies mals getrennt fein. Denn die vorftelende oder erfennende Tu: gend wäre nichtd als ein traͤumeriſches ſich im fich verzehrendes Grübeln, wenn fie nicht in Darftellung überginge; und die dav ftelende wäre nichts menfchliched, gefchweige fittliched, wenn fie nicht auf dem Erkennen beruhte. Jedoch können in jedenr ein zelnen beide in einem andern Verhältnig ſtehen, fo daß weil ein größtes im Erkennen verbunden fein kann mit einem kleinſten im Handeln und umgekehrt, nicht jede auh an und für fich das Maaß der anderen if. Wollte aber jemand die Verſchiedenheit ganz leugnen, und fagen z. B. Denken könne nicht fein ohne Re den, aber dieſes fei ſchon ein Ausfichherausbilden, und Fein Hans deln fünne, am menigften fittlich, gedacht werden, welches nicht beftändig auch felbft im Denken oder Empfinden fein müßte: fo werde ich auch das noch annehmen koͤnnen, und nur erwiedern, daß doch in umgekehrter Drdnung in dem einen erfüllten Augen bli@ diefed und in dem andern dad andere Geichäft das Haupt: werk fei und die Zugabe; welche zugugeben niemanden zu viel 3 bunten wird, mi: aber genug iſt. Denn nun koͤnnen wir dad

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Nez’ zuziehen und fagen daß dirſe beiden Theilungsgrünbe ſich kreuzen, und daß bie belebende Tugend, fofern fie vorzüglich er⸗ kennend ift, die Weisheit heiße, fofern aber aus fich herausbil- dend heiße fie. die Liebe, die befämpfende Zugend hingegen im Inſichhineinbilden fei die Befonnenheit, im Handeln aber die Ber barrlichkeit. Außer dieſem Nez von Zugendeg, wollen wir. jagen, fei Feine weiter gelegt, fondern jede andere müffe bei einer weites sen Theilung in einer unter dieſen ihren Ort finden. Ueber biefe vier aber und bie ihnen zugetheilten Benennungen will ic, In Bezug auf das obige, noch einige Bemerkungen hinzufügen. Zuerft alfo von ber belebenden erfennenden Zugend, welche ich die Weisheit genannt. Der gewöhnliche Begriff den wir mit diefem Worte verbinden ift der, daß es fei die Richtigkeit in der - Beftimmung der Zwede. Diefe Erklärung findet ſtch freilich größtentheild in Beziehung gefezt mit einer verwandten Erkläs rung der Klugheit, daß diefe nämlich fei die Richtigkeit in ber Beflimmung der Mittel, und fofern fie gemacht ift nur um die Unterfheidung dieſes Begriffs von einem anderen durch einen Gegenfaz zu befefligen, koͤnnte fie fchwerlich auf große Beruͤckſich⸗ tigung Anfpru machen. Indeß iſt fie fehr verwandt mit den Erklärungen, welche in dem ſtoiſchen Syftem der Tugenden vor⸗ kommen, Foövnasg Enıoenun Wv namtgov xal xal oVde- zegwv, befonderd wenn man noch dazu nimmt nV u2v Yoovn- ow neol Ta xadmxovre yiyveodar*). Eben dahin führen an⸗ dere Erklärungen, welche geradezu fagen bie Pgownasg fei bie Wiſſenſchaft des Guten. So daß der Frage doch nicht auszu⸗ weichen ift, wie fich doch der Begriff, den wir durch das Wort bezeichnen wollen, zu dem gewöhnlichen Gebrauch deffelben ver: halte? Offenbar erfcheint der gewöhnliche weit befchränkter, ins dem man Zwedbegriffe nur auf im engeren Sinne fogenannte Handlungen zu beziehen pflegt, in unferm Begriff aber alles lies \ *) Stob. Lib. II. ecp. VII. p. 102 und 104 Ed. Har.

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gen muß, woburd ſich im Bewußtſein das Belebtfein deB nie |, deren Vermögens im Menfchen durch dad höhere beweifet. Bet gleichen wir zum Beifpiel denjenigen Zuftand des erfuͤllten menfh; || lichen -Bewußtfeins in welchem ed dem thierifchen am nädften |: kommt, wie wir ihn nicht etwa nur bei noch unentwidelten On || ganen in ber Kindheit, fondern auch bei rohen Menfchen im Zu: fland der organifchen Reife finden, mit demjenigen in welchem, mehr ober weniger entwikkelt, die Anlage zur Wiſſenſchaft ſich offenbart: ſo werden wir ſagen muͤſſen, dieſes ſei aus der bele benden Thaͤtigkeit des hoͤheren entſtanden und jenes aus deſſen Unthaͤtigkeit; kurz wo und in welchem Maaß wir in der vor: ſtellenden Thaͤtigkeit den Wernunftgehalt finden, da fagen wir malte dad was wir Gewißheit nennen, wogegen jene Erflärun gen vorzüglich vorfommen in Verbindung mit einer Unterfchei: dung zwifchen fogenannten Verflandeötugenden und eigentlich) fitt: lichen, fo Daß wenigſtens der Umfang ded Begriffes ein ganz an derer zu fein fcheint. Allein wenn wir die vorftellende Thaͤtig⸗ keit nicht al3 einen bloß leidentlichen Zufland denken wollen, was fie doch gewiß, wenigftens überall wo Forſchung und Unterfuchung ift, nicht fein kann, fo müffen wir doch geflehen, dag im bielen eritgenannten Fällen wenigftens, ihr wie ein Wollen fo aud ein Zwekt zum Grunde liegt: und daß, zumal auch Zorfchen und Unterfuchen muß als Pflicht eingefehen werben, und auch fein anderer ſittlicher Zwekk ohne Forfchen und Unterfuchung richtig Bann beflimmt werden, Bein Grund abzufehen iſt, warum bie Be ſtimmung diefer Zwekke nicht im Gebiet derfelbigen Weisheit lie gen follez und es liegt alfo unferer Bezeichnung in ber That auch derfelbe Sprachgebrauch zum Grunde, nur allerdings in es nem weiteren Umfange, bei welchem aber auch allein ſowol eine volfländigere Zulammenftelung ald auch eine gefundere Thei⸗ lung möglich wird. Diefer Umfang unfered Begriffs fcheint fih aber noch mehr zu ermeitern wenn wir bedenken, daß erftlih was der Wiffenfchaft recht iſt auch der Kunft billig fein muß,

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und alfd auch das Entwerfen: aller ‚wahren und Achten Kunfls werte eben fo gut als dad der eigentlichen Handlungen in das Sebiet der Weisheit faͤllt; zweitens -aber auch dad Gefühlövers mögen dem Bewußtſein angehört, und auch’ bier jene zmiefachen, Erfcheinungen flatt ‚finden, welche die Belebung des nieberen durch das Höhere ausfprechen und welche fie verbergen, „und fo. würbe auch bier auf Seiten bed. Gefühls eben ſo wie auf, Seis. ten bed Verflandes die Weisheit walten. Auch dieſes leugne: ieh: nicht ab, dag ſich die Weisheit auch hieher erſtrekken muͤſſe; nur. fiheint mix, auch dies, ebenfalls. ben ‚gewöhnlichen. Sprachgebraudy,; wenn ex ſich ſelbſt recht perfieht, vollfommen. angemeflen. Denn wer. fagt. nicht, e8 fet.gerabe der weile Mann, dem es nicht ge⸗ zieme fich von. einem finnlichen Schmerz überwältigen zu laſſen. Died iſt ja die gemeine Rede aller von dem aͤlteſten Philofophen an bis zu dem neueſten Weltmanne ſo Gott will. Wenn ich, ſinnliche Gefuͤhl 9 gervaltig werben Jäßt, und ed dann maͤßigt? fo wird wel auch die allgemeine Antwort fein, daß, wiefern ein. folcher zu loben fei, er ‘wol: wegen einer andern Tugend, etwa der Mäßigung, gelobt: werden möge, ber weife aber fei er nicht. as Und ſo wird wol ber weife nur der fein Eönnen, in weldem. das Gefühl von Anfang herein ‚nicht etwa gemaͤßigt ericheigt,; fondern ganz anders conftruirt ift, ſo naͤmlich daß dad finnliche., gleich in feinem Entftehen von einem höheren belebt ein. ſittliches werde, und was ſich im Leben ald ein voller Moment, als die Einheit des giftigen Yulsſchloges abfondern ‚läßt, niemals durch ein ſinnliches allein erfuͤllt ſei. Wie num die Abweichung bed. gewöhnlichen. Sprachgebrauch darin gegründet ift, daß er das fittliche. Gebiet überhaupt zu eng auffaßt, dies wird fich am bes fin von felbft zeigen, wenn wir ähnliched auch in den andern- Tugenden finden. Wie aber. die Theilung bed fo erweiterten Be⸗ griffs anzugeben fei, um die verfchiedenen Unterarten ober Ges floftungen der Weisheit zufammenpängend und volftändig dar⸗

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zuſtellen, dies Liegt jenſeits der Grenzen unferer Unterfuchung. Ich wende daher um, in ber Abficht, nachdem fo der Umfang des Begriffs der Weisheit, ſoweit es fich durch Hervorhebung weni ger Punkte thun Sieg, ind Licht gefezt ift, auch das Verhaͤlmiß deffelben zu dem verwandten Gebiet der Beſonnenheit zu beflim men. Hier aber muß ic, zuerft einem Mißverſtaͤndniſſe, web ched leicht entftehen koͤnnte, votbeugen.!“ Man mag nämlich auf die‘ Art fehen, wie die Weisheit fich in dem eigentlich ſogenann ten ſittlichen Handeln äußert, oder auf ihre Aeußerung im Ge fühl oder im Vorſtellen: fo erfcheint fie nach dem obigen ſowol im einzelnen Menſchen, als in den größeren Theilen des menſch⸗ lichen .Gefchlechte8 , ald ein wachfended und allmahlig ſich am bildendes; und es koͤnnte alfo leicht einer fagen, in dieſem Ward: fen muß fie einen Widerftand überwunden haben, fonft würde fie ja urſpruͤnglich oder plözlich gewefen' fein was fie erft gewor⸗ den ift und noch wird‘, und alfo erfcheint fie ſelbſt überall, wo fie ift, al3 eine befämpfende Tugend, und der aufgeftellte Unter: ſchied zwiſchen diefer und ber belebenden, alfo ber Weisheit und Befonnenheit, iſt nichtig: Allein hierauf erwiedere ich, daß ic das Wort: gern ſchenken will, wenn jemand behauptet, alles Werden und Wachſen, wenn man «3 auf eine Kraft zuruͤkkfuͤhrt, ſeze eine Hemmung derſelben und alſo einen Widerſtand vor aus; denn der Streit, der hierüber zu führen wäre, liegt wenig ſtens nicht: auf“ urtferkn Gebiet, ſondern einem weit-höeren.- Abe diefer Widerſtand, welcher die Form alles: MWerbend :tft-. wenn er ſo heißen ſoll, ift wenigſtens nicht. derſelbe, auf. welchen ſich bie befämpfende Tugend in ihrem Gegenfaz gegen: die beiebende ber zieht. Denn nicht nur das niebere Vermögen“ des Menſchen if ein werbendes und wachfended, fondern der ganze Menfch, umd {6 auch das ganze Volk, und was man fonft will, entwikkelt fih aus der Bermußtlofigkeit, als gleichlam dem relativen Nichts, im das Bewußtſein, und dad Zunehinen- der Weisheit- beruht nur auf diefer Entwikklung der höheren belebenden, Kraft / ſelbſt, nicht

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aber auf einem überwundenen Widerftande der fchon entwikkelten nieberen. Wie denn auch im ber Umgeſtaltung aller. fittlichen Berhältniffe durch vollfommmere Zwekkbegriffe das fpätere weis fere fich zu dem früheren nicht ſowol ald Zerftörung deſſelben ver hält, ald-vielmehr ald. Entfaltung, Entdeffung der vorher‘ ver- kannten oder verborgenen tiefen Bedeutung. Und fo bleibt von dieſer Seite die Weisheit in ihrer Trennung von der Befonnens beit wol unangefochten ſtehen. Allein. von einer andern Seite ericheint es fchwieriger beide ‚getrennt zu erhalten. Wenn wir nämlich) davon ausgehen, daß in ‘allem: was Einbilden in dad Bewußtſein iſt, die Entwerfung der Zwekkbegriffe, oder wo ſich dieſes Wort nicht in. feinem eigentlichen Sinne brauchen läßt; die Tippen des Handelns der Weisheit zufommen: fo Tann auf demſelben Gebiet die Beſonnenheit nirgend anders fein als im der Ausführung, und man könnte auch beide unterfcheiden ald die entwerfende Tugend und die ausführende, und es ift auch ganz natürlich, daß der Kampf, durch welchen die andere Tu⸗ gend bezeichnet iſt, auf dieſem Gebiete uͤberall ſein muͤſſe in der Ausfuͤhrung, in welcher ſich theils andere: Worftellungen zwiſchen eindringen koͤnnen, theils die Traͤgheit und Unbeholfenheit des vorſtellenden Organs kann zu bekämpfen. fein. Aber um Ents wurf und Ausfuͤhrung zu ſcheiden, komme alles darauf an, wie man bie Einheit der Handlung beſtimme, was man als Xheif und was ald Ganzes. anfehe, welches. auf die verfchiedenfte Weiſe gefchehen könne, fo bag dadurch die aufgeftellte Unterfcheidung der belebenden und befämpfenden Tugend! unmöglich wird. Diefe Schwierigkeit ift nicht abzuleugnen; aber fie trifft: eben ſo gut. den gewöhnlichen Unterfchied zwifchen- Weisheit und Klugheit, wie er ſich auf Zweif und Mittel bezieht, und ift überhaupt wol überall, wo Zugenden getrennt werben. follen, erft- zu uͤberwin⸗ ben. Wenn z. B. auch. alle übereinflimmen ; daß es bie Weis⸗ heit fei, welche den Entwurf zu einem Feldzuge bervorbringt; es trist aber hernach irgend. ein Umftand ein, ‚der eine Bewegung _

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erfordert, welche in ber urfprünglichen Idee nicht lag, und der .

Feldherr hat num ober hat nicht die Geifleögegenwart biefe Be wegung zu erfinden, gehört dieſes zur Weisheit oder zu eine

andern Tugend, mag man nun fagen zur Klugheit, wenn man |

die Bewegung ald Mittel anfieht jenen Umftand unſchaͤdlich zu

17 machen, ‚oder zur Befonnenheit, wenn man fie alö’einen Thal’ der. Ausführung anficht. Offenbar kann man das lezte fagen,

aber eben ſo auch das erfie, und dieſe Geiſtesgegenwart der Weiß beit zufchreiben, wie auch bie Alten. ihre ayxivos® unter ihn gYoovnos ftelten, wenn man nämlich diefe Bewegung ald. eine eigene im Zuſammenhang mit dem Sanzen entworfene Handlung

anfieht, deren Begriff ja wieder von ihrer Ausführung verfchie | ben ift, und, vor derfelben hergeht. Aber eben fo. könnte man -

quch ruͤkkwaͤrts gehend ſagen, die Entwerfung bes Feldzuges ſelbſt ſei ſchon zur Ausfuͤhrung gehoͤrig, und die Weisheit ſei hier nur in dem Herrſcher, „der, den Krieg im Zuſammenhange mit einer

veinen und richtigen Sdee von dem Wohl ded Ganzen befchlieft. -

Ja noch mehr, auch ſchon den Beſchluß des Krieges, ‚wie er denn wirklich beſonnener oder unbeſonnener auch ſchon dem ge

meinen Sprachgebrauch nach kann gefaßt werben, Zönnte man .

nur zur Ausführung rechnen, und nur die beflimmte und. alle beherrfchende Vorftellung von der Stufe der. Selbftftändigkeit, welche der Staat unter feines gleichen einnehmen muß, als das Werl ber größeren ober geringern Weisheit anfehen. Und eben dab felbe ließe fich mit leichter Mühe auch auf jedem andern Gebiet nachweilen. So weit nun hat dieſes feine Richtigkeit, daß jede biehergehörige Handlung ber Weisheit ſowol zugefchrieber wer: den, kann ald der Befonnenheit, diefer fofern noch eine größer Handlung über der bezeichneten ift, ald deren Theil fie angefehen werden Tann, jenes fofern noch Bleinere unter ihr ſtehen. Aber eben fo gewiß ift auch, daß nicht dielelbe Anficht der Sache zum Grunde liegt, wenn man da3 eine und wenn man bad andere thut. Denn die eine läuft darauf hinaus, daß durch eine einzige

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That, in welcher fich gleichſam das höhere erkenmende Vermoͤgen ſeines niederen Organs bemächtiget, auch dad ganze Bewußtſein des Menfchen von feiner Stellung in der Welt, mithin fein gan» zes Leben, in ber Idee völlig beftimmt fei, und’ ed nur noch auf diejenige Thätigkeit anfomme, welche wir der Fämpfenden Zu: gend beigelegt haben. Die andere Anficht geht darauf hinaus, Daß es Feine Unterordnung von Theilen in den fittlichen Thaͤtig⸗ feiten gebe, fondern jeder einzelne Moment auf einem gleih ur fprünglichen Impuls des höheren Wermögend berufe. Wer nun „behauptet Weisheit und Beſonnenheit fei nicht zweierlei ſondern eind, der fagt eigentlich daß Liefe beiden Anfichten gleiche Wahr⸗ heit hätten, und man eine der andern fubftituiren koͤnne. Allein dieſes möchte wol nur wahr fein, wenn wir und den Weifen nach Art ber Alten denken, der ed eigentlich auch nicht geworben fein Tann, fondern immer geweſen fein muß; von dieſem möchte Fein Grund fein mehr das eine zu behaupten ald das andere, ıs fonbern wir möchten eben fo gut fagen koͤnnen fein ganzes Leben fei aus dem Einen Guß Einer tranfcendenten That, und auch es fei die in jedem Moment ſich erneuende urfprüngliche Durchdrin⸗ gung, vermöge deren nichtd in dem geifligen Organismus erſchei⸗ nendes genauer unter ſich zufammenhänge, al3 jebed von einem befondern Impuld abhängt. Dem ericheinenden Menfchen aber ift nur gegeben fich diefer Formel anzunäherh, und alfo muß auch in der Zugend unterfchieden werden was wir die Weisheit und was wir die Befonnenheit genannt haben, nur daß von jes der einzelnen Thatſache fireng genommen Fein anderer ald der, deſſen innerem Bewußtfein fie vorliegt, entfcheiden kann, ob fie aus der Idee der Weisheit oder der Belonnenheit zu beurtheilen fei. Niemand wird zum Beiſpiel Iäugnen, daß dad Wiffenwollen ein Erzeugnig der Weisheit ſei; wenn wir aber nun in einzel nen auf diefe Richtung Bezug habenden Handlungen eined Mens fhen eine Verworrenheit bemerken, die in dem Streben nad) Wil: fen nicht aufgeht, fo wird nur dad eigene Gewifien des han- Schleierm. W. III. 2. ‘sa

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delnden, wenn er über feiner einzelnen Handlung fteht, enticheis den tönnen, ob er zwar die Idee feines Verfahrens unrichtig. aufgefaßt, diefe aber heinach mit aller Befonnenheit und Beharr⸗ lichkeit verwirklicht habe, ober ob er vielmehr nach einem richti gen Begriffe zwar verfahren fei, aber hernach in der Ausführung nicht die gehörige Gewalt gehabt habe über zerflreuende Vor⸗ ſtellungen. | Unter der Beſonnenheit alfo verflehen wir die den Wid ſtand des niebern Vermögens überwindende Verwirklichung und [| vollkommene Einbildung alle deffen in das Bemwußtfein, wozu | ber lebendige Keim in der belebenden Thaͤtigkeit des höheren Tag. Ih Auch durch diefe Erflärung wird dem Worte ein weiteres Ge |, biet beigelegt als der helenifchen awpgoovvn, welche ich jebod | felbft immer durch Befonnenheit übertragen habe. Allein die Man |; nigfaltigkeit der helenifchen Erklärungen, und wenn man in ben |; ftoifchen Syftem die der owppoovun untergeorbneten Tugenden f betrachtet, wie die erſte evrafio noch zur Weisheit zu gehörm fi fcheint, und die legte &yxgareıe Taum mehr von den zur Tapfe feit gehörigen unterfchieben werben ann, wenn man nämlid mehr auf die Erklärung ald auf den Namen fieht, ja ſchon die Verlegenheit in der man fich befindet, wenn man eine dssorgun algeröv xal yevztwv von einer dnuorzun Wv momreov zab 0U auf der einen Seite unterfcheiden, und auf der andern eine issornun zwv Öeivay xab ou nicht darunter fubfumiren fol, dies zufommen zeigt beutlich genug daß diefer Begriff zu denn gehört, welche dort am wenigften find beſtimmt worden. Blei⸗ 19 den wir aber bei bem gewöhnlichen Gebrauch unferes Wortes ftehen: fo wird der Beſonnenheit am meiften entgegengefezt die Zerflreuung auf der einen Seite und die Uebereilung auf der andern, woraud man wol fieht, es fol alles abgehalten werden, wad den zur Ausführung einer Handlung nöthigen Zuſammen bang bed Bewußtfeind flört; und in wiefern fich fremdes diefen Zufammenhang flörendes Godedngra will, tt dies allerdings bie

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kaͤmpfende Tugend im Bewußtſein. Aber auch dem fchreiben wir einen Mangel an Befonnenheit zu, welchem das zur Vollbrin⸗ gung einer Handlung nöthige nicht einfällt, dann mann e3 ihm einfallen ſollte. Oder wenigftend wird wol jeder zugeben daß die Geifteögegenwart nach unferm Sprachgebrauch der Befonnens heit gar fehr verwandt fei, und bag, werin man fie in das Sy: ſtem der Tugenden einfchalten fol, und der Begriff der Befon- nenheit fchon gegeben ift, man ihr weber neben dieſer einen be⸗ fonderen Pla; würbe anmweifen, noch weniger aber fie einer ans bern Zugend unterorbnen wollen. Sollen wir nun auch die Geiftesgegenwart unter den Begriff der Fämpfenden Tugend brins gen, fo werben wir fagen müffen, fie ſei der Sieg über die Traͤg⸗ heit und Ungeübtheit des Organismus der Vorſtellungen, und wir find ja ſchon überall gewohnt auch die Traͤgheit ald Wider: ' fland anzufehen. Andem wir aber der Befonnenheit auch die Ueberetlung entgegenfezen, die Doch größtentheild aus einem über: . firömenden Gefühle entfpringt: fo fehen wir wie leicht fich der Sprachgebraud dem ganzen Umfange hergiebt, in welchem wir den Begriff nehmen müffen, indem ja allerdingd jede Erregung des Gefuͤhls auch ein Snfihhineinbilden tft, wie die Eonftruction , bed Gedanken, und wie alfo auch bie Befonnenheit auf ihre Weife zugleich über daB Gefühl gebieten muß, wie bie Weisheit auf die ihrige. Aber je mehr und der Begriff auf diefe Weife feſt geworden fcheint, um fo fehmwieriger will es auch und werben ihn von dem verwandten ber Beharrlichkeit zu trennen, ſchon gleich) wenn wir mit der Bemerkung anfangen, daß ja doch die Furcht, welche am meiften die Beharrlichkeit zu hindern pflegt, auch ein Gefühl fei, und alfo deffen Beſiegung der Befonnenheit anheim falle; und es will mit den beiden Gliedern ber Fämpfen: ben Tugend eben fo gehen wie mit denen der erfennenden. Denn auch hier kann einer fagen, dad MWefen eurer Tämpfenden Tu: gend ift doch immer nur die Stärke des Willens; was ihr aber darin unterfcheiden wollt, ob fie fich zeige in dem Autichkinein-. %ar

_ 372 | | bilden durch das Bewußtſein oder in dem Ausfichherausbilden durch die That und das MWerf, fo daß wenn das erfte ohne Stoͤ⸗ rung vollendet ift, ihr died der Befonenheit, wenn aber das lezte, ihr es ber Beharrlichkeit zufchreiben wollt, das ift Fein Unter fchied in der Sache. Sondern alles in dem Menfchen, jede %e bensäußerung, auch was in feinem Bewußtfein vorgeht, ift dog immer hat, ift Heraustreten feines inneren verborgenen Lebend in dad Gebiet der Erfcheinung und der gemeinfamen Welt, un fi eben ſo ift alled Ausfichherausbilden in Wort und That dog nichts anders ald Bewußtfein, Snfichhineinbilden der aͤußerlich dargeſtellten Idee ſelbſt. Denn jeder Zwekkbegriff ift an fich noch F: unbeflimmt und dunkel, und die zur Ausführung begeiſternde Kraft defjelben ift nichtd anders ald das Streben jene Unbeftimmt beit und Dunkelheit zur Klarheit und Vollendung zu bringen. Aber auch hier werben wir diefelbe Antwort haben wie oben, daß dem vollfommenen Weifen zwar alles immer gleich ‚geraten werbe, und e3 eben wegen der überall gleichmäßigen Vollkom menheit einen Unterfchied made, ob man alles ald Beharrlid: keit oder alles als Befonnenheit anfehe, abeg nie deshalb weil diefer vollfommene Weife eben gegen Feine von beiden je fehlen wird, jeder andere - aber wiffe gar wol daß feine Beſonnenheit nicht dad Maag feiner Beharrlichkeit fei u ufasbehrt, und daß daher auch beide nicht daffelbe fein Eönnten. Denn, um es da zu betrachten, wo es, weil auf bafjelbe ſich peschend, am beften verglichen werden Tann, ed kann mancher ſtark daun ſein jeden Gedanken eines Werkes oder einer That dur Beſonnenheit wohl auszutragen in ſeiner Seele und zu naͤhren, aber ſchwach darin daß er das Werk im Stich laͤßt, wenn es nicht unange⸗ fochten und ungehindert zu Ende gehen will, ud umgekehrt. Und fo unterfcheidet auch jeder, dem ſich fein Bewußtfein ver wirrt in der Entwilflung, ob diefes geſchieht aus vorbilben- der Furcht oder erflerbender Theilnahme an dem Gegenſtande, "und was fonft der Beharliägteit feinh it, ober ob es geſchieht |

W x. \

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aus Unvermögen oder Ungehorfam ber vorfiellenden Verrich⸗ | tung felbft.

Nach diefem nun glaube ich wird nicht nöthig fein von ber Beharrlichkeit, fofern fie ald das andere Glied der Fämpfenden Zugend mit der Befonnenheit zufammenhängt, noch befonberd zu handeln. Denn ed wird vor felbft deutlich fein, wie fie die grie chiſche avdoie in fich ſchließt, und auch hier bei den vielem fehr finnverwandten Wörtern, deren wir in unfrer Sprache und be: Bienen, wirb fich von felbft rechtfertigen daß gerade dieſes Wort, Beharrlichkeit lieber als Zapferfeit, zur allgemeinen wiffenfchaft: lichen Bezeichnung gebraucht wird. Nur über die kaͤmpfende Tu: gend überhaupt möchten wir die alte Frage nicht ganz vorbeis gehen können, ob bie Befonmenheit und Beharrlichkeit der Boͤſen denn auch Fünne Zugenb genannt werden. Auf diefe alte Frage Tann aber immer nur die alte Antwort miederholt werden, daß kein Böfer als folcher weder tapfer noch befonnen fein noch ir gend eine andere einzelne Tugend haben könne. Sondern Bes fonnenheit und Beharrlichkeit find nur, was fie find, tm ihrem Zuſammenhange mit der Weisheit und mit der Liebe; und wird ein Boͤſer gut, ſo braͤchte er keinesweges das was man faͤlſchlich ſeine Beſonnenheit oder Beharrlichkeit nannte, in den Dienſt der Liebe und Weisheit mit, ſondern dieſe Geſchikklichkeiten und Fer⸗ tigkeiten die er im Boͤſen gehabt, wuͤrden ihn ſogleich im Stich laſſen, und er müßte auf dem Gebiete des Guten als ein Neu ling und alfo al3 ein leicht verwirrbarer und ſchwachmuͤthiger von vorm anfangen, und ſich unſere Beſonnenheit und Beharr⸗ lichkeit erſt erwerben.

Wie aber die Beharrlichkeit, als das täeigfede Glied der bildenden Tugend, ſich verhalte zu der Liebe, als dem belebenden Gliede derſelben, das wird am beſten erhellen, wenn wir nur erſt Deutlich machen weshalb wir dein die ganze bildende Seite der Belebenden Tugend am beften glauben Liebe zu nennen. Hiebei anag wol dad eıfte, was jedem auffällt, dieſes fein, dag umlere: zum

374 andern drei Glieder ziemlich fchienen mit den andern drei helle nifchen Haupttugenden zufammen zu treffen, bier aber an bie Stelle der Öuxasoovvn etwas ganz anderes tritt, bie Gerechtig⸗

: Peit dagegen ganz zu verfchwinden fcheint. NWerfchwinden nun fol fie nicht, fondern was wir Gerechtigkeit nennen, dad folin | dem Umfange der Liebe eine untergeorbnete Stelle einnehmen, als diejenige befondere Aeußerung der Liebe, welche ein fchon be ſtehendes Bildungsgeſez in jedem vorfommenden Fall im einge nen darſtellt. Iſt nun dieſes die. richtige Erklärung unfered Wor tes, wie es gewöhnlich bei und gebraucht wird: fo fieht man, e8 kann, wird nur auf einen höheren Geſichtspunkt zurüffgegan gen, alle Gerechtigkeit auch unter die Beharrlichkeit gebracht wer den. Die Öuxaoovvn ber Griechen ift aber mehr ald was wir Gerechtigkeit zu nennen befugt find, weil fie diejenige Tugend if, durch welche das Bildungsgeſez felbft, welches hier das Recht heißt, feftgeftellt wird. Wenn wir aber und fragen, wie nenne denn wir die Kraft welche überall das Recht hervorbringt: fo werben wir nicht fagen dürfen die Gerechtigkeit, weil alles ef gerecht wird unter Vorausſezung eined Rechtes, fondern wir wen ' ben fagen müfjen daß überall die Liebe dad Recht hervorbringt, fo wie überall, wo die Liebe aufhört, auch dad Recht verloren geht, und in demjelben Maag ein Zufland der Rechtlofigkeit ein tritt. Dabei aber will ich nicht fagen, daß, was ich Liebe nenne,

22 bafjelbe fei mit der dsxaoovvn der Hellenen. Der Unterfchied beruht aber darauf, daß bei den Hellenen das bürgerliche Leben alled war. Auch das häusliche Leben wurde audfchliegend in Beziehung auf daffelbe ‚gedacht und behandelt, und die bürgers liche Liebe ift freilich nichtd anderd als die wohlverflandene dr xovogvvn ber Hellenen, Bei und aber tft der Staat nicht mehr dad alles in fich begreifende, und kann und nicht.eben fo wie ihnen der Typus aller Gemeinfchaft auf fo ausſchließende Weiſe fein, daß wir, wie fie es thun, felbft Die Ehrfurcht gegen das höchfte Wefen die Gerechtigkeit gegen daſſelbe nennen moͤchten.

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Eine allgemeinere Bezeichnung aber haben wir nicht für das Bes fireben Gemeinfhaft bervorzubringen ald Liebe. Alle Gemein» ſchaft aber, welche von dem höheren geifligen Vermögen des Men: ſchen ausgeht, ift Darftelung und Bildung, und beöhalb ift Liebe die vechte Bezeichnung für alle darfiellende und bildende Tugend, fofern nicht vorzüglich dad meßbare derfelben in der Ausübung, welches eben die Beharrlichkeit ift, fondern vielmehr ihr inneres Weſen ausgedruͤkkt werben: fol. Denn das höhere geiftige des Menfchen kann nur in Gemeinfchaft treten entweder erfllich mit ſich felbft in andern welched aber nur möglich ift Durch Selbſt⸗ Darftelung und Offenbarung, fo wie diefe feinen andern Zwei haben kann, ald jene Gemeinfchaft ober zweitend mit dem nies deren menfchlichen Vermögen in fich ſelbſt und andern; aber dieſe Gemeinſchaft kann nichts anders fein ald Anbildung, und dies ift eben bie erziehende Liebe; ober endlich drittens kann auch das höhere und geiflige Vermögen bed Menſchen mittelft des niederen in Gemeinfchaft treten mit der äußeren Welt; und dieſes ift eben« falls beides ſowol Offenbarung des Geiſtes in der Geflaltung der Welt, ald auch Erziehung der Welt zur Einheit bed Dafeind mit, dem Menfchen. Und biefed reicht für ben. gegenwärtigen Zwekk bin zu zeigen, bag ohne die Gleichheit des Eintheilungdgrundes zu verlegen, biefe Stelle anders ald bei den Hellenen mußte aus⸗ gefült werden, und Daß dieſes durch den Ausdrukk Liebe ſowol der Sache am würdigften ald auch am übereinflimmendften mit dem wohlverfiandenen Gebrauch unferer Sprache gefchehe, wenn doch auch ihr die Liebe yulio nur iſt die Gemeinfchaft bed gu⸗ ten mit fich felbft oder mit dem weder gut noch böfen, um es gut zu machen. So wie auch bie Hellenen nad) ihrer Anficht Recht hatten diefe Stelle der dsxusoovvn einzuräumen, welche ihnen höher erfcheinen mußte als die yuliz, indem fie war bie Gemeinſchaft der Guten unter fih, um burch Gemeinfchaft mit bem weder gut noch böfen diefed gut zu machen. Das Gute felbft aber ift nichts anders ald das Sein und Leben jened höher -

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ven, mögen wie ed num Geiſt nennen ober Vernunft ober wie

immer, in allem andern. Wie nun bie Liebe fich zur Behan: . lichkeit eben fo verhalten muß wie die Weisheit zur Beſonnen⸗

heit, dad erhellt von felbftz auch wie diefelben fcheinbaren Schwie

rigkeiten entftehen, daß Beharrlichkeit Treue if, und Treue und

Liece eins, und dag man alles müffe auf die Liebe zuruͤkkfuͤhren

Tonnen und auf die Beharrlichkeit, und wie dieſe Schwierigkeiten

fich hier eben fo loͤſen wie dort, fcheint Feiner ausdruͤkklichen Wie erholung zu bedürfen, fondern kann der Kürze aufgeopfert wer:

den. Nur dad ift nicht gleichermaßen zu übergehen ‚bag auch

Liebe und Weisheit fcheinen Fönnen in einander überzugehen, wenn

doch die Weisheit vorzüglich die Zwefkbegriffe hervorbringt. Denn

was koͤnnen diefe anders fein als die Keime und Urbilder ber

Liebe im Bewußtfein; und alle Thaten und Werke der bildenden

Liebe, was koͤnnen fie anders fein, ald was die Weisheit auch

iſt, nämlich der Geift der fich felbft offenbarend dad belebt was

nicht er felbft ifl. Was iſt die Liebe ald das fchöpferifche Wollen

der Weisheit? und was die Weisheit als das flile Sinnen und

Safichfelbftfein der Liebe? Und diefes Hinüberfchilern beider in

einander entfteht ganz natürlich daraus, weil der Menfch weber

ganz getrennt ift von der übrigen Welt, noch ganz eins in fih

felbfi. Denn wenn wir und jemals denken die Welt ganz durch⸗

gebildet durch ben Menfchen, und den Menfchen ganz eind ge

worden in fih, dann ift auch in der That jede Lebendäußerung

eben fo fehr ein Snfichhinein» ald ein Ausfichherausbilden.. Aber

die Tugend felbft ift nicht in diefer vollen Einheit, fondern nur

in der Annäherung zu ihr, und darum find auch Weisheit und

Liebe nicht daffelbe, indem ber eine Liebe genug haben kann um

andere damit zu übertragen, feine Weisheit aber felbft ergängen

laſſen muß von andern, und umgekehrt. | Natürlich aber erinnert eben dieſes, dag die Liebe die Stelle

ber Gerechtigkeit einnimmt, wie überhaupt an den Unterfchieb ber

alten Welt und der neuen, \o vudy helanters an Die chrifllice

377

Trias der Tugenden, mit welcher die hier aufgeftellte Gintheis kung ein einzelnes Glied gemein hat und Fein anderes. Und e8 ,

feheint ſchwierig dieſes Raͤthſel zu loͤſen, wenn man nicht annehs

men will, auch die Gemeinfchaft dieſes einen Glieded fer nur‘ fcheinbar, welches Doch niemand und ich am wenigſten behaupten

möchte. Wenn man aber bedenkt, wie der Glaube doch dad in» nerfte des Bewußtfeins ift, und die lebendige Quelle der guten Werke: fo kann man wol nicht zweifeln, daß ber Glaube der res

Iigidfe Ausdrukk ift für dafjelbe was wir in der Wiffenfchaft, mit2*

unferm guten Recht zwar, mit einem Ausdrukke jedoch welcher Der religiöfen Sprache zu anmaßend ift, Weisheit nennen; und

dann bleibt nur zu fagen, daß ber Unterfchieb zwifchen der Bes

fonnenheit und Weisheit von diefer Anficht aus nicht konnte aufs

gefaßt werben, die Beharrlithfeit aber ald Hoffnung bezeichnet ifl,

als das im Auge behalten bed Erfolges und der Vollendung. Und diefes führt mich auf noch eine ähnliche lezte Betrach⸗ tung. Wie nämlich nicht nur der chriſtlichen Sittenlehre Grund:

ſaz ift Achnlichkeit mit Gott, fondern auch die Alten ſchon ges

fagt, das Ziel des Menfchen fei Werähnlihung mit Gott nad) Vermögen: fo muß, wenn unfere aufgeftellten Tugenden der Ins begriff der menfchlichen Vollkommenheit find, jener Saz fi) auch

dadurch bewähren, daß in biefer die Achnlichkeit mit Gott muß .

dargeftellt fein. Und dies findet fi) auch, wenn man nur das nach Vermögen nicht verfäumt, vollkommen. Denn Weisheit und Liebe werben überall als die wefentlichften Eigenfchaften Got: tes aufgeftellt, ja die Liebe al3 der Ausdruff feines ganzen We⸗ fend, welches auch in fofern vollfommen richtig ift, ald ein Un: terſchied zwiſchen Weisheit und Liebe in Gott nicht kann gedacht werden, indem der Gedanke felbft unmittelbar das hervorbringende if. Nun koͤnnte freilich, diefes vorausgefezt, eben fo gut gefagt ‚werden, Gott ift die Weisheit ald Gott ift die Liebe; aber jeber

wird auch einfehen, daß jened mehr der philofophiiche Ausdrukk

wäre, dieſes aber der religiöfe fein muß. Nur freilich von Be:

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fonnenheit und Beharrlichkeit kann nicht die Rede fein, wo kein Widerſtand Tann gebacht werden; fondern um ihre Stelle zu be zeichnen fezen wir die abfolute Macht, welche aber wiederum nicht etwas beionderes für fich ift, fondern nur Die Unendlichkeit jener Sdentität von Weisheit und Liebe. In und aber ift auch Be fonnenheit und Beharrlichkeit die Macht ded in Weisheit und Liebe, Infichhinein» und Ausfichherauögehen, geipaltenen Geiſtes. Sp daß in dem Ineinanderſein diefer Tugenden allerdings die Verähnlichung mit Gott nach Vermögen ift, und fich zugleich zeigt daß dad Beſtreben eine Worftelung des höchflen Wefens nach Vermögen zu bilden das hoͤchſte Erzeugniß ift unſers Be ‚, wußtfeind von. unferem eigenen Biel.

IX.

Verſuch über die wiſſenſchaftliche Behand- lung des Pflihtbegriffe.

Zn

Selefen am 12. Auguft 1824.

ST dem ich damit .anfange, zu erklären bag diefe Abhandlung a ald ein Gegenſtuͤkk zu betrachten iſt zu der früher vorgelefenen über die Behandlung des Zugenbbegriffö: fo gilt nun was dort vorgeredet ift gemeinfam für diefen Auffag eben fo gut wie für jenen; und ich kann ohne weiteres zur Sache fchreitend auch hier wie dort die Behauptung zum Grunde legen, baß die drei Be griffe, Gut, Zugend und Pflicht jeder für ſich in feiner Ganz heit auch das ganze fittliche Gebiet darftellen, jeder aber dieſes thut auf eine eigenthümliche Weife, ohne daß, was durch dem einen gefagt wird, in ber Wirklichkeit jemals koͤnnte getrennt fein von dem durch den andern gefagten. Wenn daher in dem ganzen menfchlichen Geſchlecht, von welchem hier nur die Rebe ift, alle Güter vorhanden find, fo müfjen auch alle Tugenden in allen wirkfam fein; und umgekehrt, fofern ale Zugenden in allen find, müfjen audy alle Güter vorhanden fein, indem dieſe auf Feine andere Weife weber durch Zufall noch ald ein göftliches Geſchenk fondern nur als die Thaͤtigkeit aus ber nothwendig zu:

380

fammenflimmenden Wirkſamkeit aller Tugenden entſtehen können. Eben fo nun, denn Pflicht ift der dritte zu jenen gehörige Be: griff, können nicht jene beiden irgendwo gefunden werden, ohne dag eben da auch alle Pflichten wären erfüllt worden, fo wie unmöglich alle Pflichten von allen koͤnnen erfüllt werden, als nur fofern auch alle Tugenden in ihnen gefezt find, und nicht ohne daß zugleich Dadurch auch der menfchlichen Gefellfchaft alle 2 Güter müßten erworben werden. Die VBerfchiedenheit dieſer Be - griffe aber zeigt fih darin, daß Fein einzelnes Gut ‚etwa entficht durch Erfüllung einer und derfelben fondern verfchiedener ja ge nau genommen aller Pflichten, und daß feine Pflicht erfüllt wer: den Tann durd) die Thätigkeit einer fondern nur aller Tugenden, wie auch jede Pflichterfüllung, fofern die Tugend als Fertigkeit ein werdendes ift, nicht zum Wachsthum nur einer Tugend fon- dern aller als Uebung beiträgt, und nicht nur auf die Entfle bung und Erhaltung eined Guted hinwirft, fondern aller. Hieraus nun geht auch ſchon hervor, auf welche Weife der Nflichtbegriff das fittliche darflelt. Denn wenn ed in dem Zus genbbegriff dargeftellt wird als die eine fich aber mannigfaltig. verzweigende dem Menfchen ald handelndem einwohnende Kraft, in dem Begriff des Guted aber ald dasjenige was durch Die ges fammte Wirkfamkeit jener Kraft wird und werden muß:.fo kann ed in dem Pflichtbegriff nur dargeftellt fein ald dad was zwis fhen jenen beiden liegt, d. h. als die fittliche Handlung felbfl. Die Entwikklung des Pflichtbegriffs muß alfo ein Syſtem von Handlungsweifen enthalten, welche nur aus ber fittlichen Kraft und der Richtung auf die gefammte fittliche Aufgabe begriffen werden, Finnen; eine Entwikklung dieſes Begriffs Tann ed aber wiederum nur geben, fofern in den fittlichen Handlungen bie Bo ziehung auf die Gefammtheit der fittlichen Aufgabe und auf das Begründetfein in der Gefammtheit der Tugenden fich als eine verfehiedene zeigt. Indem nun eine jede Pflicht eine folche Be ftimmtheit der Handlungdweie It: (o kann ie nicht anders aus:

381 gebrüfft werben, ald durch das was Kant eine Maxime nennt, welches Wort wir aber, weil es in dem allgemeinen Sprach⸗ gebrauch zu deutlich den Stempel ber Subjectivität an fich trägt, mit dem Worte Formel vertaufchen wollen.

Ehe ich aber dazu fchreite ein genügendes Princip zur Ents wifflung der Pflicht Formeln wo möglich aufzuftellen, muß ich noch einige Bemerkungen .voranfchiffen. Zuerft, wenn ber Be griff einer Pflicht die vollkommne fittliche Richtigkeit einer Hands - lung auödrüdt: fo kommt hier ber Unterfchied, den man biswei⸗ len zwifchen der Gefezlichfeit und Sittlichfeit einer Handlung ge- macht hat, in gar feinen Betracht, weder fo ald ob die Pflicht« mäßigfeit die bloße Gefezlichkeit fei, die Sittlichkeit alfo etwas höheres als die Pflicht, noch auch fo ald ob die Pflichtmäßig: 3 keit zwar die Sittlichkeit fei, diefe aber auch wol ungefezlich fein Tonne. Denn dad Gefez felbft ift, da ja in Diefem Zufammens hang nur von einem äußeren Geſez die Rede fein kann, felbft nur durch nienfchliche und ihrer Natur nach fittliche Handlungen geworben, und Eönnte alfo, ob es richtig das heißt Durch pflichte mäßige Handlungen zu Stande gekommen ift oder nicht, nies ' mals beurtheilt werben, hätte aljo gar Feine erkennbare Sittlichs keit, wenn Pflichtmäßigkeit felbft immer nur Gefezmäßigfeit waͤre, und alſo der Pflicht allemal ein Geſez ſchon vorausgehen müßte, Eben fo .aber ift auch dad Gefez ald ein ſittlich gewordnes und felbft wieder auf dem fittlichen Gebiete wirkſames, nothwendig ein Gut; und wenn jede pflichtmäßige Handlung auf die ges fammte fittliche Aufgabe alfo auf alle Güter Bezug nehmen muß: ſo muß auch jede auf dad Gefez Bezug nehmen, und feine kann demnach ungefezlich fein *). Zweitens, wenn der Pflichtbegriff

*) Aud) für das Gebiet der bürgerlichen Gefellfchaft, für welches er eis gentlich gemacht iſt, hat diefer Unterfchied weit weniger Bedeutung als man gewoͤhnlich glaubt. Denn auch dem Geſezgeber kann an der blos Pen Gefezlichkeit wenig gelegen ſeinz indem, wenn das Sefez nicht in - ben n Bürgern lebendig und eiſe je länger je mehr ihre eigene Stiche

382

auf die angegebene Art feine Stellung hat zwifchen dem Tugend. begriff und dem Begriff der Güter: fo follte man denken, bie allgemeine Pflichtformel fei ſchon gegeben in dem Ausdrukt, Handle in jedem Augenblikk fo daß alle Tugenden in bir this tig find in Bezug auf alle Güter. Allein einestheils iſt dieſe Formel an und für fich zur unmittelbaren Anwendung nicht ge ſchikkt, weder um für irgend einen Augenblikk ein beſtimmtes Han deln zu entwerfen, noch um ein fchon entworfenes danach zu prüfen. Lezteres weil dad Verhältnig einer Handlung zu biefer Formel nicht unmittelbar erkannt werden kann. Denn wenn ein entworfened Handeln noch fo Ear vor Augen liegt: fo Tann we der beftimmt behauptet werben daß ed alle Güter fördern müfle, noch auch mit rechtem Grunde geläugnet daß ed dieſes nicht lei⸗ « fien könne. Und eben fo mit den Tugenden. Wielmehr wenn mir bie Vorftellung einer beftimmten Handlung vorliegt, bie fih nicht ſchon gleich als unfittlich zu erkennen giebt: fo kann ed mir nur als ein zufälliged erfcheinen, ob fie in beiden Stüffen unfe ver Aufgabe entfprechen wird oder nicht. Noch weniger Tann durch Diefe Formel allein ein Handeln beflimmt werden; fondern ed laſſen fich von derſelben Vorausſezung gar mancherlet Hand lungen entwerfen, benen mit gleichem Rechte die Möglichkeit zw fäme ihr zu entiprechen. Es ift aber ganz vorzüglich die An wendbarkeit in bem Leben felbft, fomol wo die Eonftruction der Zwekkbegriffe ſchwankt oder ſtokkt ald auch für die Beurtheilung des gefchehenen, welche ber Pflichtenlchre, dieſer den Alten fol unbelannten Behandlung der Ethik, in der neueren Zeit eine fo ganz vorzügliche Gumft gefchafft hat. Anderntheild wenn man

keit wird, es audy in jedem Kalle wo es mit etwas in ihnen Lebenbigem in Streit fommt, immer wird übertreten werben, fo daß es feinen Zweit nicht erreichen Tann. Nur für ben Richter tft der Unterfchieb ein Ka⸗ non, daß nämlich bie Function ber vergeltenden Gerechtigkeit nur da beginnt, wo das Geſez ift verlegt worden, indem Belohnung und Ber firafung mit ber Gittliägteit in gar teinee Weriehung ſtehn.

383

‚auch diefe allgemeine Formel weiter entwikkeln wollte um ein: Syſtem der einzelnen Formeln baraus zu bilden: fo fcheint fich unmittelbar Fein anderer Eintheilungdgrund in berfelben barzubies ten, als entweber nach den Tugenden welche thätig find, ober ' nach ben Gütern welche angeftrebt werben; dann aber wäre biefe Behandlung Feine felbftändige Darffelung der Sittlichkeit, fon dern ganz abhängig von ber Lehre vom hoͤchſten Gut und von der Zugendlehre, und fomit verldre die Pflichtenlehre alled was fie der MWiffenfchaft empfehlen kann. Denn für diefe bleibt im» mer die objectiofte Darftellung, alfo bie aus dem Begriff der Guͤ⸗ ter, die erfte und für fich hinreichende; die beiden andern dienen jener nur gleichfam ald Rechnungsprobe, welches fie aber nur in dem Maaß leiften können, ald fie nicht unmittelbar aus ihr ent lehnen. Wie wir alfo die Tugendlehre gefucht haben zu geftalten ohne von einer der beiden andern Formen unmittelbaren Gebrauch dafür zu machen: fo darf auch für bie Geftaltung der Pflichten Iehre von ben anderweitig feilgeflellten Begriffen von Tugenden und Gütern Fein Gebrauch gemacht werben.

Demohnerachtet Finnen wir nicht läugnen, jener Ausdrukk, Handle in jedem Augenbliff mit der ganzen zufammengefaßten fittlichen Kraft und die ganze ungetheilte fittliche Aufgabe ans firebend, ftelt den einen das ganze fittliche Leben bedingenben Entfehluß dar, unter welchen alle einzelne pflichtmäßige Hands lungen ſchon fo begriffen find, daß Fein neuer Entfchluß gefaßt zu werden braucht, wenn immer das rechte gefchehen fol, daß s aber durch jede pflichtwidrige Handlung biefer gewiß gebrochen wird. Daher bleiben wir doch an biefen Ausdruff gewiefen, und ed kommt nur darauf an, daß wir ihn anderdwie ald nad) Ans leitung der Begriffe von Tugenden und Gütern fpaltend auf das einzelne anzuwenden wiffen.

Bon diefem allgemeinen Entfchluffe aus läßt fi) aber das ganze fittliche Leben betrachten nach ber Analogie zufammengefez: ter Handlungen, welche auf Einem Entfchluß ruhend dennoch au&

384

einer Reihe von Momenten beftehen, fo daß für biefe auch noch | untergeordnete Entfchlüffe aber freilich in ſehr verfchiedenem Ber hältnig zu dem zum Grunde liegenden allgemeinen Entſchluß ge

faßt werden. Wer fich niederfezt zum Schreiben, wenn fein Ents ſchluß nur nicht etwa noch ein unbeflimmter iſt, fondern er fon feine volle Beftimmtheit hat, deffen Handlung befteht zwar aus einer Reihe von Momenten, aber ohne daß eine neue Berathung | ober Wahl entſtaͤnde; beim Feder eintauchen, beim Blatt um Ä

wenden jind wir und kaum einer Volition bewußt, fondern alles

geht aus dem einen Entichluß hervor, der allein dad Bewußt⸗

fein beherrſcht. Hier aljo verfchwinden die untergeordneten Ent fchlüffe faft ganz fowol ihrer Form nad) ind bewußtlofe ald auch

ihrem Inhalte nach, indem fie fich nur auf die unbedeutendſten

Kleinigkeiten beziehen. Wer fich hingegen zu einer beflimmten

Lebensweiſe entfchließt ,; für den entfteht aus diefem allgemeinen

Entichluß auch eine Reihe von Handlungen, welche zuſammen⸗

genommen die Ausführung deffelben bilden und alfo eines find;

aber wiewol Eines gehört doch hier zu jeder einzelnen noch ein

befonderer Entfchluß; die einzelne Wollung tritt ſtark hervor, fo

daß der allgemeine Entfchluß wiewol die fortwirkende Urfache die

fer einzelnen doch in den Hintergrund zurüfßftritt, und alfo. hie

das umgekehrte Verhaͤltniß eintritt wie dort. Der Künftler ends

lich, welcher das Urbild feines Gemaͤldes volllommen in fid

trägt, gleicht im ganzen während der Ausführung jenem fchreis

benden; allein bei welchem Theile er anfängt und im welcher

Ordnung und Folge er fortarbeitet, das ift in dem allgemeinen

Entſchluß nicht mit gefezt, und fofern diefe Ordnung auch durch

die technifchen Regeln auf welche wir hier ohnedies nicht Ruͤkk⸗

ficht nehmen dürfen nicht vollfländig und nicht für alle auf

s gleiche Weife beflimmt ift, fo geht ber Fortſchreitung allerdings

jedesmal eine einzelne Wollung voraus, die aber nicht eigentlich

einen Gegenftand beftimmt, fondern. nur die Priorität eined ſchon

beſtimmten Gegenftandes, deren Werth alfo vorzüglich darauf bes

385

ruht, daß fie ohne Werbunfelung wie ohne fremde Einmifchung ald die vollkommenſte Kortwirfung des erfien Entichluffes er fcheint. Aus der Zufammenftellung dieſer drei Faͤlle, welche gleidy fam als Typen dienen Eönnen, erhellt demnach, daß die Vereins _ zelung der Momente, aus denen eine zufammengefezte Handlung befteht, etwas durchaus relatived iſt, und ed ift leicht zu fchlies fen, daß eine einfache und allgemein gültige Negel für die Rich⸗ tigfeit der Handlung nur in dem Maag gegeben werben könne, als der einzelne Moment mit Nothwendigkeit aus dem urfprüngs lichen Entichluß hervorgeht, das heißt ald man einer beſonderen Kegel nicht bedarf. Sofern wir alfo dad ganze fittliche Leben anfehen koͤnnen als die Ausführung Eines allgemeinen Entfchlufs ſes, alfo ald Eine wenn gleich zufammengefezte That: fo wird Daffelbe auch hier gelten, und es fcheint daß wir mit dem Ges fländnig anfangen müffen, dag Pflichtformeln nur da -recht voll Tommen und befriedigend fein koͤnnen, wo der handelnde felbft ihrer nicht bedarf, und dag demnach der Nuzen der vollkommen⸗ fen fich am meiften auf die bloße Beurtheilung befchräntt. Wenn bier alfo eine vorzügliche Sicherheit allen denen Momenten beis gelegt wird, in welchen ber befondere Entfchluß am meiften ſchon mit dem allgemeinen gegeben ift: fo ſchadet dies wenigftend ber Freiheit, welche wir für bie fittlichen Handlungen poftuliren, kei⸗ nesweges; denn dieſe beſteht am wenigften in einer vor ber | Entſcheidung hergehenden und mehr ober weniger willführlich dad heißt Durch fubjectiven Zufall abgebrochenen Unenticiedens heit, fondern nur in ber Selbftthätigkeit welche dem Entſchluß in feinem erfien Hervortreten ſowol ald in feiner Zortwirkung einwohnt.

Um nun zu befiimmen, wie weit wir e8 mit der Behand» lung des Pflichtbegriffes bringen koͤnnen, und wie wir fie dem gemäß einzuleiten haben, muß unfere naͤchſte Frage die fein, wer cher von den drei aufgeftellten Fällen und die genauefle Analos gie barbietet mit dem fittlichen Leben als einer wahren aber in

Schleierm. W. II. 2.

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386 | eine Reihe von fid relativ ausfondernden Momenten zerfällten Einheit. Es wird unſchaͤdlich fein die Beantwortung diefer Frage | 7 mit einer Fiction anzufangen. Wenn wir und einen einzelnen Menſchen denken für fich allein die gefammte fittliche Aufgabe des ganzen Menfchengefchlechted auf ihn gelegt ober wenigftend ein kleineres vollkommen abgefchloffened Gebier ihm bingegeben, innerhalb deſſen er fie löfen fol: fo würde dieſer fich unfkreitig in dem mittleren Zalle des Künftierd befinden. Nämlich neues entflände ihm nichts, was nicht in feinem urfprünglichen Ent ſchluß, welchen wir und die ganze füttliche Aufgabe umfaffend zu benfen haben, fchon liegt, wie auch die ganze Ausführung ſchon in dem Urbilde des Künftlerd liegt; aber er könnte in jedem Mo - ment nur einen Theil feiner Aufgabe löfen, ohne daß jedoch bie ° Ordnung, in welcher er zu verfahren hat, ihm mit aufgegeben wäre. Denn denken wir und dad. Ganze in verfchiebene Regio nen. getheilt fo wird ed an fich gleichgültig fein, und dies wäre doch der ftärffte Gegenfaz der fich darbietet, ob er erft eine Ro gion ganz zur Wollendung bringt, und dann zu einer andem übergeht, ober ob er nach einander alle zu bearbeiten beginnt, und fie nach und nach eben fo weiter fördert; fofern ex nur in dem lezten Falle ſtark genug iſt, daß er nicht etwa über be gleichmäßigen Steigerung den urfprünglich mitgebachten Grad ber Vollkommenheit, gleichend der Stärke der Färbung in dem Ur bilde des Künftlerd, vergißt, und in dem erflen dag ihm nicht über der beharrlichen Beſchaͤftigung mit dem einen Theile das Bild der übrigen Theile allmählich erlifcht und fich hernach ans ders reprobucirt. Sind nun dieſe beiben Methoden an fich gleich gut: fo wird auch unter benfelben Bedingungen jeder Wechſel zwifchen beiden, wie er nur immer gedacht werden Tann, gleich gut fein; und aljo wird, fobald irgend eine Handlung, die, mit welchem Rechte darf und hier nicht kuͤmmern, als ein discreter Theil ded Ganzen geſezt war, vollendet ift, und ein neuer Mo⸗ ment beginnen fol, auch eine Wahl eintreten, wenn gleich nur

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über Ordnung und Folge. Wenn nun dieſe Durch den urfprüngs lichen Entſchluß nicht beftimmt find, wodurch koͤnnen fie jedes⸗ mal beftimmt werden? Offenbar nur entweder durch eine übers - wiegenbe aber für ben urfprünglichen Entfchluß gleichgültige Hins neigung bed handelnden zu einem Theile bir Aufgabe vor dem andern, ober durch eine dußere Mahnung und Aufforderung welche von einem Theile aus flärker an den handelnden ergeht als von ben übrigen. Und jede biefer, Beflimmungsweifen für . fich abgefehen von der andern ift untadelhaft. Denn jene innere 8 Hinneigung iſt zwar für ben fittlichen Willen zufällig; aber wäre fie auch das allerzufaͤlligſte innere, wad wir Laune nennen, : da fie einen Theil der Aufgabe realifirt in einem Moment, wo fonft aus Mangel eines anderen Beflimmungsgrundes Feiner wäre rea⸗ liſirt worden, fo tft fie eine richtige Beſtimmung, und wir künns ten hierüber folgende Formel aufftellen, Thue in jedem Augen- blikk dasjenige fittliche Gute, wozu du dich lebendig aufgeregt fühlft. Und da die Hinneigung dem fittlichen Willen doch fremd ift:. fo kann es auch gleich gelten, ob fie eine urfprünglich ein: fache ift, oder ob zwei verfchiedene innere Aufregungen vorhanden . waren, aus deren Streite nur ein Weberfchuß der einen über bie andere zurüßfgeblieben if. Denn die Beflimmung Tann doc erft eintreten, nachdem diefer Streit, für den in bem urfprünglis chen fittlichen Entſchluß Fein Entfcheidungsgrund liegt, irgend anderswie entfchieden und die Collifion ber Neigungen gefchlichs tet if. Eben fo und aus demfelben Grunde ift die äußere Aufs forderung an und für fich ein richtiger Beflimmungdgrund, und es wäre die Formel aufzuftellen, Thue jedesmal dad, wozu bu dich beflimmt von außen aufgefordert findefl. Nur dag hier nicht gleich gilt ob bie Aufforderung eine einfache iſt oder nicht. Denn die äußeren Aufforderungen reduciren ſich nicht wie die inneren Erregungen von felbft auf einen Ueberſchuß; fondern ein Streit zwifchen ihnen koͤnnte nur durch ein Urtheil des handelnden ge⸗ ſchlichtet werden, welches anderweitig erſt mit anf,

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allgemeinen Entſchluß muͤßte begruͤndet, und demnach eine andere Formel um die Dringlichkeit der Aufforderungen zu meſſen ges fucht werden. Beide Formeln aber find nur wahre Entfcheidun gen, die eine wenn Feine auf einen andern Theil der Geſammt⸗ aufgabe gerichtete aͤußere Aufforderung fich einer innern Hinnei⸗ gung entgegenftellt, und die andere umgekehrt. Sobald aber beis ded gleichzeitig differirt, entſteht auch dem fo allein handelnden. ein Zwieſpalt, den wir eine Collifion nennen, die aber nun keine Eolifion der Neigungen mehr ift, fondern eine Eolliifion der Mas ximen. Sn folhem alle heben fich beide Formeln auf, und & muß das Verlangen entflehen nach einem dritten, welches bie Entfcheibung bewirke. Da nun die Möglichkeit dieſes Streites zwifchen ber innern Neigung und der dußeren Aufforderung, wenn beide nicht daffelbe fittliche Handeln fördern wollen, immer gegeben ift: fo find auch eigentlich bie beiden aufgeftellten For⸗ meln niemal3 wahre Pflichtformeln, fondern nur diejenigen find folche, welche die Löfung dieſes Streites in fich enthalten. Dem Pflichtformeln ſelbſt dürfen nicht mit einander im Streite fein. Doch wird der einzelne die Löfung in fich felbft finden,. und immer fagen Eönnen er habe pflichtmäßig gehandelt, wenn er ‚weder die Neigung der Aufforderung noch umgekehrt aufopfet, ſondern fie in dem beiden gemeinfchaftlichen verbindet. Denn ber Neigung fol mm folgen, weil das am beften geräth was mit Luft gefchieht; und ber Aufforderung, weil dad am beften geräth

was im günftigen Augenblikk gefchieht. Vergleicht er alfo beide

nur in dieſer Hinficht: fo hat er nad) einem Kanon gehandelt, der über jenen beiden ſtehend fo lautet, Thue unter allem filts lichguten jedesmal dad, was fich in der gleichen Zeit burch bi am meiften fördern läßt. Nur giebt es hier Feine objective all: gemeingültige Entfcheibung, fonbern nur die fubjective der unge theilten Zuſtimmung. Bei diefer werden wir und aljo auch bes gnügen müffen in dem gegenwärtigen Zuftand für dasjenige Hans dein bed einzelnen, und ywar gleichuiel ob von einer natürlichen

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ober einer moraliſchen Perfon bie Rede tft, welches ebenfalls fo weit menfchliche Einficht reicht, ald ein ihm ganz eigned abge fchloffenes Gebiet erfcheint. Nicht alfo, ald ob ed auf dieſem Gebiet, wie ed häufig nicht nur im Leben fondern auch wiffens fchaftlich angenommen wird, gar Feine Pflicht und nichts pflicht⸗ maͤßiges fondern nur erlaubtes. gäbe; fondern nur dag die Pflichts maͤßigkeit einzig auf des handelnden fubjectiver Ueberzeugung von der größten Zuträglichkeit ber Handlung für das ganze fttiche Gebiet beruht. |

Allein der größte Theil bes fittlichen Lebens wird biefer Mes gel entzogen und muß unter eine andere geflellt werden, deshalb weil es nur eine Fiction ift daß der einzelne Menſch allein die ganze fittliche Aufgabe oder auch nur einen Theil derfelben wirt: lich abgefchloffen für fich allein vor fich habe. Vielmehr ift die Aufgabe eine gemeinfchaftlihe des menfchlihen Geſchlechts. Je⸗ der einzelne findet fih, fobald die Möglichkeit eines fittlichen Handelns in ihm entficht, ja immer ſchon viel früher naͤmlich am Anfange feined Lebens in diefer Gemeinfchaft, und wird von derſelben fo feftgehalten, daß Feiner in Bezug auf irgend einen Theil feines fittlichen Handelns ſich fo vollkommen ifoliren kann, 10 daß er nicht immer durch diefe Gemeinfchaft mit beflimmt wäre. Hierdurch nun wird das fittliche Handeln der Botmäßigkeit der- ‚bisher zum Grunde gelegten für ſich felbft nicht weiter theilbaren Formel entzogen, und ed entfleht eine andere Nothwendigkeit als nur bie biöher bemerkte, welche war innere Neigung und äußere Aufforderung gegen einander audzugleichen, nämlich die einer ge⸗ genfeitigen Werfländigung über die Theilung der Aufgabe und das Zufammenwirben zu ihrer Loͤſung. Da nun aber außer die fer keine andere dem fittlihen Handeln des einzelnen voranges hende und ed fchon zum voraus beflimmende Naturvoraudfezung vorhanden if: fo müflen außer jener dem einzelnen Menfchen für fi zum Grunde liegenden alle andern Pflichtformeln fih auf diefe Vorausſezung beziehen, und die Rothwendigkeit ein Syfleg

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derfelben aufzuftellen kann nur in biefem Gemeinſchaftszuſtand

gegründet fein, wie benn auch auß jener erſten Formel Feine genthümliche Theilung hervorgehen will. Auf der andern Seite aber da wir jeden einzelnen fittlichen Willensact nur anſehen koͤnnen als einen Ausflug aus jenem allgemeinen, der das ganz fittliche Leben conftituirt und auf eine wahre Zotalität ausgeht: fo muß zugleich eben dieſes, daß jeder einzelne ben Gemeinſchafts⸗ zuftand fittlich anerkennt, auf jene urfprüngliche Pflichtformel zu rüffgeführt und als ein Act abfoluter Identität der innern Nele gung und der Außeren Aufforderung gefezt werden; welches auch ſchlechthin poftulirt werden kann, und nichts anderes ausfagt als bie Ethifirung der gefelligen Natur bed Menfchen. Hierdurch if ‚aber zugleich bevorwortet, daß, da ber einzelne, fofern er durch ‚einen freien Willensact den Gemeinfchaftszuftand anerkennt, auch wieder über demfelben fteht, und daher auch. bie urfprünglice Hflichtformel nur modificirt durch dieſe Anerkennung überall guͤl⸗ tig bleibt, nun jebe einzelne aus dem Gemeinfchaftszuftand fih ergebende Pflichtformel auch immer jene urfprüngliche, nad eig ner Ueberzeugung jebeömal das fi lic größte zu thun, in fih fchliegen muß.

Zu allererft alfo, und ehe wir weiter gehen, muͤſſen wis unterfuchen, ob nicht etwa auch dieſes beides in Widerfpruch mit einander kommen kann, und alfo beide Formeln ſich auch ald Pflichtformeln aufheben und eine dritte nöthig machen. Es ww ledigt fich aber diefed Bedenken ſchon dadurch daß die Anerken⸗ ‚nung bed Gemeinfchaftözuftandes felbft nur ald eine pflichtmäßige Handlung zu Stande fommen kann, und ba fie alfo nur mög lich iſt unter der Form der fubjectiven Weberzeugung, die Aner⸗ kennung des fittlichen Gemeinfchaftszuftandes mit allem was nur die zeitliche Entwikklung berfelben ift, ſei ein für allemal das fittlich größte was der einzelne Menſch thun kann, und er würde alfo dur) alles was mit diefer Anerkennung im Widerſpruch fiehen würde, allemal vorigtens das füttlich kleinere thun und

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alſo pflichtwidrig handeln. Daß nun im wirklichen Leben biefe Ueberzeugung immer vorherrfcht, und bad Gegentheil nur ald ein ' portieller Wahnfinn zu Tage kommt oder ald eine verkehrte und irethüimliche Form der Regeneration bed Gemeinfchaftszuftandes, dies bedarf hier nur angedeutet zu werden. Eben fo aber auch auf der andern Seite, wenn wir und benlen bie Gemeinfchaft ſchon beftehend, und nun den einzelnen, ſobald dieſer fie aner« kennt, zugleich in fich aufnehmend: fo. kann fie.ihn nur fo aufs nehmen wie er fie anerkennt, alfo mit feinem urfprünglichen der Anerkennung felbft zum Grunde liegenden fittlichen Willen. Wie nun aber das Eintreten des einzelnen in bie Gemeinfchaft ein zeitliches ift, alfo ein Werden: fo ift auch die Identität ber Ue⸗ berzeugung aller über die fucceffive Löfung ber fittlichen Aufgabe mit der eined jeden ein Werben; und daß fie, fofern fie noch nicht ift, immer im Werden bleibe, und zwar ald eine Wechſel⸗ wirkung zwifchen allen und jedem, iſt die Grundbedingung alles fittlichen Gemeinlebend, indem nur auf diefe Weile almählig ein Zufammenftimmen in der Anwendung der Pflichtformeln ent ftehen wird. |

Nachdem dieſes vorausgeſchikkt ift, werden wir nun vers fuchen koͤnnen die allgemeine Pflichtformel, Jeder einzelne bewirfe jedesmal mit feiner ganzen fittlichen Kraft dad möglich. größte zur Löfung der fittlichen Ges fammtaufgabe in ber Gemeinfhaft mit allen, zu einem dad ganze fittliche Gebiet erfchöpfenden Syitem von un: tergeorbneten Formeln zu entwikkeln. Es iſt jedoch gegenwärtig meine Abfiht nur diejenigen, Die ber allgemeinen am nächften fiehen, zu verzeichnen, wodurch ſchon eine Weberficht des Ganzen gewonnen wirb, weitere Erörterungen aber und größere Vereins zelung auf eine zweite Abhandlung zu verfparen. Sch bemerke nur, bag wenn wir- gleich von einem MWechfelverhältniß zwifchen 12 der Gemeinfchaft und dem einzelnen auögehen, wie demnoch in. ber Conftruction der Pflichtenlehre nur den einzelnen als handel .;

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des Subject, welches bie Pflichtformeln in Anwendung bringen fol, betrachten. Dieſes rechtfertigt fich einerſeits dadurch, da die abfolute Gemeinſchaft aller in einem beflimmten Wechſelver⸗ haͤltniß mit jedem einzelnen in jedem Kalle noch nicht beſteht, ſondern immer nur wird, und alſo auch nicht als wirklich ſchon einzeln handelndes Subject aufgeführt werden kann, ſondern nur als das weldes werben fol und auf beffen Werden gehandelt wird. Andrerfeitd rechtfertigt es fich Dadurch, bag untergeordne⸗ ter und wirklich fchon beftehender Geſellſchaften fittliches Hans deln Doch immer nur aus dem pflichtmäßigen Handeln aller eins zelnen hervorgehn Tann, alſo eigner Pflichtformeln nicht bedarf; fofern aber folche Gemeinfchaften andern gegenüber felbft ald einzelne ericheinen, muß auch für fie gelten was von den .natürs „lichen Perfonen gift. Hierzu gehört freilich auf der andern Seite als Gegenſtuͤkk auch noch dieſes, bag wenn. der einzelne ange fehen wird als im die ſchon beftehende Gemeinfchaft eintretend, fein fittliched Handeln überall nur erfcheint ald ein Anknuͤpfen an dad fchon beftehende, mithin mehr durch bie Gemeinfchaft be ſtimmt ald durch ihn, fo daß da8 Gegentheil des eben gefagten rathſamer fcheint, nämlich die Gemeinfchaft ald das urfprünglid handelnde Subject in der Pflichtenlehre zum Grunde zu legen. Allein die Gemeinfchaft befleht nur durch das fortwährende Han dein der einzelnen in ihr, und ift alfo felbft nur ald deren That anzufehen, fo daß jedes anfnüpfende Handeln eigentlich doch ein die Geſellſchaft fliftended und in jebem Augenblikk wieder erzeu. gende ift,

Aus diefen Betrachtungen nun gehen zwei Eintheilungd« gründe hervor für das ganze Gebiet bed pflichtmäßigen Hans beind. Der erfle nämlich ift dieſer. Eine Gemeinfchaft Tönnte nicht beftehen, wenn nicht die fittliche Kraft in allen einzelnen . Diefelbe und bie fittliche Aufgabe für alle Diefelbe wäre, und das durch alfo ift bedingt ein in allen gleichzufezendes Handeln. Als

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fein ſofern des ſittliche Wille jedem einzelnen einwohnet in feis ner Perſon, und jeder als ein ſchon irgendwie gewordener die Ausfuͤhrung dieſes Willens beginnt auf den Grund ſeiner Ueber⸗ zeugung, welche der Ausdrukk iſt ſeiner von allen andern unter⸗ ſchiedenen fittlichen Perſon, und jeder nur fo in bie Gemein: 13 ſchaft aufgenommen wird: fo bedingt eben biefes ein für jeden eigenthümliched von allen aber anzuertennended Handeln. "Wir nennen vorläufig jened das univerfelle und dieſes das individuelle Gebiet. In der allgemeinen Pflichtformel find beide ineinander gelezt, mithin iſt jedes nur eim fittliched, wenn ed zugleich auf das andere bezogen wird, und ed entflehn und für biefe beiden Handlungsweifen aus ber urfprünglichen allgemeinen Pflichtfors mel zwei befondere und abgeleitete. Die erfte, Handle jedes⸗ mal gemäß deiner Identität mit andern nur fo daß du zugleich auf Die dir angemeffene eigenthümlicdhe Weife handelfl. Die Nothwendigkeit dieſer Zormel, wenn ein vollkommen fittliched Handeln zu Stande kommen foll, wird ſchon jedem daraus einleuchten, daß ein in Bezug auf bie andern vollkommen richtiges Handeln doch als ein relativ leeres alfo uuvollkommnes erfcheint,. wenn ihm bad Gepräge des eigenthüms lichen ganz abgeht, indem durch Die Korberung auf Uebereinſtim⸗ mung, welche die andern machen Eönnen, die Art und Weile der Handlung doch nie vollkommen beflimmt wird. Will aber die Geſammtheit ihre Anforderungen bid zu einer gänzlichen Unters drüffung des eigenthümlichen ſteigern: fo wirb der einzelne nur unvollfommen anerkannt, die Pflichtmäßigkeit ift von ber Ga fammtheit verlegt, und dad Mefultat iſt eine Mechanifirung des. ganzen Gefammtlebens, wozu dad Chinefiiche eine bedeutende An⸗ näherung darftellte. Die andre Formel lautet fo, Handle nie - als ein von ben andern unterfchiedbener, ohne Daß deine Uebereinfimmung mit ihnen in dbemfelben Handeln mitgefezt ſeiz denn ohne biefe Bedingung wäre

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aus dem eigenthämlichen Handeln alle Anerkennung des Gemein ſchaft vertilgt, und das Refultat würde fein die Verwandlung bes fittlichen in ein völlig licenziöfes Leben. .

Der zweite Eintheilungsgrund ift diefer. Der urſpruͤngliche fittliche Wille des einzelnen für fich betrachtet ſchließt in ſich die Aneignung ber ganzen fittlichen Aufgabe. Indem aber ber ein zelne die Gefammtheit ber handelnden Subjecte, mit denen er fih in Verbindung findet, anerkennt: fo fliftet er mit ihnen bie Gemeinſchaft. Diefes beides nun, Aneignen und Gemeinfchaft fliften, ift in der urfprünglichen Pflichtformel als Eines geſezt. a4 Alfo ift auch jedes für fich nur fittlich in Beziehung auf das andere, und es entftehen daher durch bie beiden Momente bed urfprünglichen fittlihen Willend aus ber allgemeinen Pflicht formel zwei befondere einander ergänzende Formeln. Die erfe, Eigne nie anderd an, als indem bu zugleich in Ge meinfchaft trittfl. Diele fchließgt alled egoiftifche aus von bem fittlichen Handeln, und fchließt ben einzelnen fo ganz in die Gemeinfchaft ein, daß er nie einen Theil ‚der fittlichen Aufs gabe ausſchließend für fich nehmen noch auch irgend etwas von dem durch fittliche8 Handeln und zwar gleichviel ob durch fein eignes oder durch fremdes gebildeten in Beziehung auf fich allein haben und behalten darf, fondern immer nur in Bezug auf bie Gemeinfchaft und für fie. Die andere, Tritt immer in Ge: meinfchaft, indem du dir auch aneigneft. Diele fiher dem einzelnen in der Gemeinfchaft feine fittliche Selbfländigkeit, damit er zwar immer in der Gemeinfchaft, in ihr aber auch wirk lich fo handle. Denn es giebt fein andered Aneignen ald nur des wenn ich fo fagen darf fittlichen Stoffes, um ihn zum Gut aber immer wieder zum Gemeingut zu bilden.

Wie nun in biefen vier Formeln das Ganze erfchönft fei, fo daß ed außer ihnen Feine weiter giebt, fonbern nur wie fie ſelbſt aus der allgemeinen als ihr untergeorbnete Entwilfiungen

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dadurch entſtanden ſind daß die allgemeine Naturvorausſezung des ſittlichen Handelns mit in Betrachtung gezogen wurde, eben ſo auch alle anderen nur untergeordnete Entwikklungen von ih⸗ nen ſein koͤnnen entſtehend aus einer naͤhern Betrachtung der fittlichen Geſammtaufgabe und ihrer Beziehung auf jene Bors ausfezung; bied kann vorläufig bis auf nähere Eroͤrterung eini⸗ germaßen geprüft werden, theild wenn wir auf unfere anfängs liche Fiction zurüßfgehen, und unfere Formeln mit ihr vergleis chend finden daß fie nichts andered find ald die Vertheilung ders felben Momente auf die Gefammtheit der einzelnen, von denen bei dem Einen die vollfommene Löfung ber fittlichen Aufgabe abhing. Theils wird auch dafjelbe erhellen, wenn man betrach» tet, wie bie beiden Eintheilungdgründe einander fchneiden, fo daß ed giebt ein univerfeled Gemeinfchaftbilden und ein eben ſolches

Aneignen, fo wie auch ein eigenthümliched Aneignen und ein

eben ſolches Gemeinfchaftbilden. Die beiden Semeinfchaftögebiete

find die des Rechtes und der Liebe, die beiden Aneignungs: 15 gebiete find die de3 Berufs und des Gewifjend; lezteres auf be fondere Weife fo genannt, weil in der Aneignung in Bezug auf die Eigenthümlichkeit dad urfprüngliche Verhaͤltniß bed einzels nen zur Gefammtheit der fittlichen Aufgabe wieberkehrt, und alfo über die Pflichtmäßigfeit im einzelnen dieſes Gebietes nichts an« deres entfcheiden kann als biefelbe fubjective Ueberzeugung. Diefe Gebiete bedingen einander gegenfeitig;' und die Bezugnahme auf alle übrigen, indem man vorzüglich für eines von ihnen handelt, muß die Sicherheit geben dag Feine Colliſionen entftehen koͤnnen. Wir wollen baher fagen, ber Ausdrukk, Begieb dich unter Fein Recht ohne bir einen Beruf fiber zu fiellen und ohne dir das Gebiet des Gewiſſens vorzubehalten, fei Die allgemeine collifiondfreie Formel ber Nechtöpflichtz bie gleiche aber für die Liebeöpflicht laute fo, Gehe Feine Ge- meinfchaft der Liebe ein, als aur indem du bir das

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Gebiet des Gewiſſens frei behältfi und in Zufam; menflimmung mit Deinem Beruf. Und ähnliches wir von ben beiden andern gegenüberfichenden Punkten zu conftruiren fein, fo daß alle fich gegenfeitig mehr oder weniger unmittelbar bedingen. Alles aber wobei irgend Pflichtformeln in Anwendung kommen Tönnen, wirb in einem von biefen Gebieten, wenn bie Ausdrüffe in dem angegebenen Sinne genommen werben, auch

gewiß enthalten fein. |

X.

Ueber den Unterichied zwiſchen Naturgeſez und Sittengeſez.

Heleſen am 6. Januar 1825.

E;. vereinzelte Unterfuchung, wie bie hier angefünbigte, welche ıs bamit beginnt, zwei Begriffe aus ihrem natürlichen Ort herauss zureißen, ben hier ber eine in der Naturwifienfchaft hat, der ans dere in ber Sittenlehre, um fie vergleichend neben einander zu fielen, ifl immer fchon wegen ded Scheine von Willkuͤhr miß⸗ lich; und fol überhaupt etwas dadurch erreicht werben, fo if es nothwendig Daß glei von vorne herein die Abficht bed Verfah⸗ rens beftimmt dargelegt werde. In dem gegenwärtigen Kalle find nur zwei Abfichten denkbar. Entweder, da beide Begriffe unter bem höheren des Gefezed ald Arten ober Anwendungen zufams mengefaßt find, kann die Unterfuchung .auf dieſes höhere, auf die Beſtimmung feined Umfanged und die Eintheilung beffelben ges richtet fein, welches aber hier nicht der Fall iſt; oder fie muß dad Verhältnig der untergeordneten Begriffe zu den wiſſenſchaft⸗ lichen Gebieten, denen fie angehören, feſtſtellen wollen. Won dies fen aber habe ich ed, wie ich denn überhaupt mit meinen Stus . dien der Naturwiffenfchaft weniger angehöre, eigentlich nur mit -

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ber Sittenlehre zu thun, und möchte etwas beitragen, um durch Vergleihung mit dem entfprechenden naturwiflenfchaftlichen Auß drukk Naturgefez die Bedeutung bed Begriffes Sittengefez für | bie Sittenlehre genauer zu beflimmen. - Ä Es ift eine alte wifienichaftliche Form, Naturwiffenfchaft und Sittenlehre einander zu coorbiniren und alſo entgegenzuftellen; fie ift fo alt ald die Eintheilung aller Wiffenfchaft in Logik, ober nad dem Altern Sprachgebrauch Dialektil *), Phyſik und Ethik, Denn in biefer ift offenbar, daß die beiden lezteren fich zur em fleren verhalten follen, eine wie die andere, nicht aber etwa aud Logik und Phyſik zur Ethik eine wie die andere, oder umgekehrt Logik und Ethik zur Phyſik. In der hellenifchen Philoſophie aber war in Peiner von beiden MWiffenfchaften eigentlich von Ge fezen die Rede; theild aber wurden übrigend beide in gleicher Form behandelt, theild auch nicht. Namentlich, um bei den ber den Weltweifen fliehen zu bleiben, welche auf bie fpäteren Fon mationen ben bebeutendften Einfluß ausgeübt haben, gilt die von Platon und Ariftoteled. So behandelte Platon beide Wiffen _ fehaften ‘auf gleiche Weife, denn fie waren ihm beide Conftructies | nen aud der verfchieden gewendeten Idee des Guten; Ariftoteles aber behandelte fie ungleich, in fo fern wenigſtens als er and . der Naturwiffenfchaft die Idee des Guten verbannte, im feine Ethit aber diefe noch ihre Stelle fand ald Maaß, um unter bem in der menfchlichen Seele und den menfchlichen Lebensthätigkeiten vorfommenden und auf die bezogenen das beffere als Ziel und Gegenftand ded Beſtrebens von dem fchlechteren zu unterfcheis den. Wil man nun fagen, bier habe doch ſchon der Begriff. bed Geſezes latitirt, fo will ich freigebig fein und dieſes in gewiſſem Sinne zugeben; nur geflehe man, zum rechten Bewußtſein und

*) Vielleicht ließe ſich nachweiſen, daß biefe Aenberung bes Sprachge⸗ brauche auf nichts weiter als auf dem Aufhören ber bialogifchen Mes thode beruht; wenigftens if ein Unterfchieb in Abficht auf den Gehalt. beiber Ausbrütte in diefer.Aekt huxdzaus wicht vorhanden,

399 | , fomit zu einem eigenen beflimmten Einfluß auf die Behandlung ber Wiffenfchaft ift diefer Begriff damals nicht gelommen, und zwar in ber Naturwiſſenſchaft eben fo wenig ald in der Ethik, fondern bied blieb der neueren Zeit vorbehalten. Denn wenn gleich bei den Stoifern ber Begriff der Pfliht fo fern «8 überhaupt richtig ift ihr xarogdwmue und xadnxov unter biefem Ausdrukk zufammenzufaffen eine größere Rolle fpielte: fo war ed doch wieder nur die Idee ded Guten, woraus bie Pflichten abgeleitet wurden, und nicht eigentlich ber Begriff des Gefezed, In ber neueren Zeit hingegen finden wir biefen Begriff in beis ben Wifjenfchaften in einem ganz andern Sinne vorherrichend und die Form berfelben beftimmend, indem beide, Ethik und Phys ſik, nach nichts anderem zu ſtreben fcheinen ald nach einem Sys Rem von Gefezen. Aber fobald dies recht zum Bewußtfein ges kommen war, wurde auch feftgeftelt, daß der Begriff Geſez inn dem Ausdrukk Naturgefez etwas andered bedeute, alſo nicht der⸗ felbe fei, ald in dem Ausdrukk Sittengefez; und der Einfluß, den dieſes ſeit Kant und Fichte auf die ganze Geftaltung der Sitten« lehre gehabt hat, hat mich vornehmlich zu der gegenwärtigen Uns terfuchung angeregt. Nun kann man freilich fagen, die hier bes zeichneten Formen ber Philofophie, die Kantifche und Fichtiſche, feien fchon lange antiquirt, und alfo fei auch weder die eine noch die andere von beiden Sittenlehren als bie einzige oder auch nur vorzüglich geltende anzufehn; neuere Seftaltungen aber wuͤr⸗ den ſchon von ſelbſt den Begriff des Geſezes wieder mehr zu- ruͤkktreten laſſen, und ſomit auch jenem Gegenſaz zwiſchen Natur⸗ geſez und Sittengeſez keine ſo große Bedeutung einraͤumen. Moͤ— gen dieſe neuen Formen der Ethik auf das trefflichſte gerathen; meine Meinung iſt weder ihnen vorgreifend zum Vortheil der einen Methode und zum Nachtheil einer andern zu entſcheiden, noch uͤberhaupt zur beſſern Geſtaltung dieſer Wiſſenſchaft ſelbſt durch die gegenwaͤrtige Unterſuchung etwas eignes beizutragen. Meine Unterſuchung iſt vielmehr nur ruͤkkwaͤrts gewendet, und ich will

' 400 nur kritiſch und gefchichtlich jene Formen bes Sittenlehre wuͤrdi⸗ gen helfen, welche, daß ich fo fage, auf ber Centralitat des De griffes Sittengeſez beruhen.

Die Ausdruͤkke Naturgeſez und Sittengeſez ſcheinen freilich ſchon durch ihre ſprachliche Zuſammenſezung ſich einer genauen Beziehung auf einander verweigern zu wollen: denn was bilden wol Natur und Sitte fuͤr einen Gegenſaz? Allein eine ſolche Kritik halten wol wenig wiſſenſchaftliche Terminologien aus; und um dieſe beiden Ausdruͤkke gleichmaͤßiger zu machen, duͤrfen wir ja nur, da beides ſo oft als gleich bedeutend gebraucht worden iſt, Sittengeſez verwandeln in Vernunftgeſez, wobei nur zu be⸗ vorworten iſt daß hier lediglich von dem was man praktiſche Vernunft genannt hat vorläufig die Rede fein kann; Vernunfb gefez alfo, mit Ausſchluß ber logiſchen ober anderweitig theoreis fhen Vernunftgefeze, zu verftehen if. Dann find unfere Aus⸗ brüffe auf ben Gegenfaz Natur und Vernunft zurüffgeführt, ber noch immer häufig genug gebraucht wird, um hier Feiner befom beren Feftftelung zu bedürfen. Nun follen aber beide Ausdruͤlle

noch auf eine andere Weife verfchieden fein, ald fchon durch je .

nen Gegenfaz bezeichnet wird. Das Sittengefez fol nicht etwa

auf diefelbe Weife ein Gefez fein wie bad Naturgefeg, fo daß

diefed auf dem Gebiet der Natur eben fo viel gölte ald jene ıs auf dem Gebiet der praßtifchen Vernunft; fondern das Natur gefez fol eine allgemeine Ausfage enthalten von etwas was in der Natur und durch fie wirklich erfolgt, dad Sittengefez aber nicht eben fo, fondern nur eine Ausfage über etwad was im Gebiet der Vernunft und durch fie erfolgen foll. So bag in dem einen Fall Gefez eine Audfage wäre über ein Sein, ohne

dag im eigentlichen Sinne ein Sollen daran hinge, in dem am.

bern eine Audfage über ein Sollen, ohne daß demfelben fofort ein Sein enfpräce. Daß alfo das Wort Gefez, fo verftanden, in ber einen Zufammenfezung eine andere Bedeutung bat als in ber andern, das it für ih Lax. Die Frage, die ich hier zuerſt

—M

aufwerfen moͤchte, welche von dieſen beiden Bedeutungen wol die richtigere oder wenigſtens urſpruͤnglichere ſei, erſcheint zwar ganz grammatiſch; wir koͤnnen ſie aber doch nicht umgehen, weil ſie mit einem Hauptpunkt unſerer Unterſuchung zuſammenhaͤngt, naͤmlich mit jenem Sollen, welches auf dem Gebiet der rationa⸗ len Sittenlehre, wie ſehr wir auch ſchon daran gewoͤhnt ſind, doch immer etwas geheimnißvolles und unerklaͤrliches an ſich hat. Das Sollen naͤmlich geht urſpruͤnglich immer auf eine An⸗ rede zuruͤkk; es ſezt einen gebietenden voraus und einen gehors chenden, und ſpricht eine Anmuthung des erſten an den lezten aus. Denn der gehorchende ſagt, Ich ſoll, wenn der Gebietende ihm etwas angemuthet hat, und er ſagt dieſes ohne Ruͤkkſicht darauf ob er ſelbſt das angemuthete zu thun gedenkt oder nicht, niemals aber ohne die genaueſte Beziehung auf ein dem anmu⸗ thenden beiwohnendes beſtimmtes Recht. Wer ſoll nun aber in dieſem ſittlichen Sollen der anredende ſein, und wer der ange⸗ redete? Mancherlei zu dieſem Behuf gebrauchte Gegenſaͤze treten uns hier vor Augen, aber keiner will ſich recht angemeſſen zei⸗ gen. Die praktiſche Vernunft oder das obere Begehrungsvermoͤ⸗ gen redet an; dann aber muß angeredet werden das untere Be⸗ gehrungsvermoͤgen oder die Sinnlichkeit, aber dann auch ihr nichts zugemuthet, was ſie nicht wirklich vollziehen kann. Kann aber wol die Sinnlichkeit darauf angeredet werden zu vollziehen was z. B. in dem kantiſchen kategoriſchen Imperativ enthalten iſt? Unmoͤglich. Denn in ihr liegt kein Trieb auf allgemein geſez⸗ maͤßiges, ja auch nicht einmal ein Urtheil daruͤber, ob etwas, was ſie wirklich vollziehen kann, dem geſezmaͤßigen widerſpreche oder nicht. Ja ſie vernimmt uͤberhaupt ſchon nicht das bloße Wort, ſondern es giebt mit ihr keine andere Sprache als die der Empfindung oder des Reizes ſei es in der unmittelbaren Gegen⸗ wart. oder in Furcht und Hoffnung. Eben fo iſt es mit dem 10 fichteſchen Princip der Sittlichkeit, fowol dem formalen Ausdrukk befjelben, fich die abjolute Selbftändigkeit zum Gefez zu machen, Schleierm. ®. 111. 2. St

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als auch bem realen, die Dinge gemäß ihrer Beflimmung zu be

handeln. Denn bie Sinnlichkeit befteht nur in der Wechſelwir

tung, und hat überall Feine Selbfländigkfeit, noch auch kennt ſie

eine andere Beflimmung der Dinge ald deren Beziehung auf fir felbft. Oder fol die Vernumft anreden, und dad obere Begeh— rungövermögen angeredet werben? Denn man hat beide aud in gendwie unterfchieden, und wir wollen gern zufrieden fein, wenn wir unferm Sollen zu Liebe auch nur einen halb eingebildeten Unterfchieb herausbringen. Wil man aber beide unterfcheiden: fo muß doch die praftifche Vernunft nicht begehren, fofern fie nicht fol dad Begehrungdvermögen fein. Im Außdfprechen be Sollend aber begehrt fie, denn das Anmuthen ift doch ein Be gehren; und man Tann nicht fagen daß fie als nichtbegehrend “von fich felbft als begehrendes etwas begehrte. Oder iſt es die Vernunft überhaupt und an fich, welche anmuthet der Vernunft des einzelnen? wenn anders dies nicht fchon ein Unterfchieb gar nicht mehr ift, fondern nur fcheint. Aber wenn ed auch eine

iſt: fo ſpricht doch der einzelne die Pflicht aus im ſich fehl für fich felbft, und dad Begehren, felbft etwas zu thun, ift mu .

ein Wollen, ein Sollen, fo wie dad Anerkennen bed Begehrnd

ſich felbft etwas anzumuthen nur ein Selbftanerkennen ift, nicht ein Anerkennen eined andern; fo daß auf beiden Seiten ba} - Sollen ganz feine Bedeutung verliert.

| Doch es ift noch eine andere Anficht der Sache möglid. Nämlich indem die Vernunft in der Conftruction der Sittenlehr oder des Syflemd der richtigen menfchlichen Handlungen- begriffen iſt, befindet fie fich in einer wiffenfchaftlichen Thaͤtigkeit, in web cher alles im Zufammenhange in großer Klarheit erfcheint. Im Leben kommt die Anwendung davon nur vereinzelt vor und zer

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ſtreut; die Vernunft aber im wiſſenſchaftlichen Zuſtande muthet

ſich ſelbſt als im: Leben handelnder zu, dann doch immer aus bie ſem klar gedachten Zuſammenhange heraus zu handeln und um ter ihn zu fublumien. Hiee wäre allo eine Zweiheit, wenn

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gleich nur verfchiebener Momente, ber wiffenfchaftliche wäre der gebietenbe und der handelnde ber gehorchende, und dad Sollen fpräche eigentlicd, aus, daß, wenn in einem thätigen Augenblikk ber Willendact der Vernunft nicht dieſem Zufammenhange ent: ſpraͤche, er falfch fein würde. Hiegegen ift nur einzuwenden, daß das fittliche Verhältniß derer, die auf einen wiffenfchaftlichen 20 Bufammenhang zurüffgehn, durchaus nicht unterfchieden wird von dem fittlichen Verhaͤltniß derer, welche von. einem folchen gar- nichts wiſſen. Ja auch diejenigen, . denen diefer Zufammenhang zugänglich ift, gehn doch im Augenblikk des Entfchluffes und der That nicht auf ihn zurüff, fondern das Sol, was fie in fih vernehmen, bezieht den jedeömaligen einzelnen Fall auf ein mehr | ‚oder minder allgemeined ober befondered, immer aber ald einzeln gedachtes Gebot, ohne dieſes ald Glied eines allgemeinen Zuſam⸗ menhanges vorzuftellen. Alfo kann auch dies die Bedeutung dies ſes fittlichen Solls nicht fein. 0 Diele gar nicht leicht zu überwindenden Schwierigkeiten füh: ren ganz natürlich darauf, zu fragen, woher doch eigentlich Diefes Sol und entftanden ift mit dem Gefez zufammen in ber Gitten- Ichre. Zuerft Eennen wir dad Sollen in dem Gebiet des haͤus⸗ lichen und bürgerlichen Lebens; es iſt der Ausdruff, durch wels . chen einer in dem andern einen Willen hervorruft, welcher vor - dem Sol gar nicht voraudgefezt wird: ber gehorchende erkennt aber an dem Sol den Willen bed gebietenden, und was alfo allerdings voraudgefezt wird in dem angerebeten, das iſt fein all» gemeiner Wille zu gehorchen. Mit dem Gefez ald dem Willen bed gebietenden hängt alfo hier allerdings dad Sol zufammen, keinesweges aber etwa mit ber Strafe. Vielmehr wenn man Zu- flucht zur Strafe nehmen muß: fo verliert dad Sol feine Kraft, und man fagt dann richtiger, Du mußt dieſes thun, fonft. wird bir jened begegnen. Man kann fich auch denken in einem Ge: meinwefen alle einzelnen fo bereitwillig dem allgemeinen Wil⸗

ten nachzukommen, daß Feine Androhung von Sttafen ‚ußtpie it. Sr? |

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ben Geſezen hinzuzufügen, aber doch wird ihnen das Sol an hängen als Zeichen des willenbeflimmenden Anſehns. Es läßt fi) allerdings noch eine höhere Stufe denken, auf welcher, weil der Wille nicht erft beflimmt zu werben braucht, auch dad Sol, aber dann mit dem Sol zugleich auch dad Geſez verfchwinde, wenn nämlich zu ber allgemeinen Bereitwilligeit noch eine eben fo allgemeine richtige Einficht in dad allgemeine Wohl hin kommt, fo daß nur bie vorhandenen Umftände dargelegt zu wer den brauchen, um einen gleichmäßigen Beſchluß aller einzelnen hervorzurufen. Was alfo hier dad Sol bedeutet auf bem Ge biet pofitiver Willensbeſtimmungen, das ift Har. Sn ber jübis ſchen Gefezgebung aber war ber theofratiichen Verfaſſung gemäß 21 das allgemein menfchliche mit dem befonderen bürgerlichen und religiöfen gemifcht, wie ed auch nothwendig war für ein Volt, welches fo lange in einem Zuſtande gänzlicher Unterdrüffung de Gefuͤhls für das allgemein menfchliche gelebt hatte, bag ed nur zu geneigt fein konnte alles für erlaubt zu halten. Der gött liche Wille wird hier gedacht wie ber oberherrliche, einen Willen hervorrufend vermittelft des allgemeinen Willens ihm zu gehor⸗ chen. Als nun unter eben diefer Form jene Feftfezungen de fittlihen auch in den chriftlichen Unterricht aufgenommen wur den: fo entfland die Gewöhnung, mit ber fittlichen Erkenntniß dad Soll zu verbinden, und diefe erhielt fich hernach auch, feits bem man angefangen hatte, bie fittliche Erkenntniß in eine als gemeine Geftalt zu bringen, wobei auf einen Außerlich befannt gemachten göttlichen Willen nicht mehr gefehen, fonbern bie menfchliche Vernunft felbft ald gefezgebend gebacht wurde. Wie viel nun aber von ber urfprünglichen Bedeutung bed Sol bei diefer Webertragung übrig bleibt? Mol nur dieſes. Das Sol, des bürgerlichen Gebotes ergeht an alle bie unter berfelben an, muthenden Autorität flehn. Sofern ich alſo etwas will, und mir dabei bewußt bin dag dieſer Wille ein allgemeiner Act ber menfchlichen Vernunft it, unter beren anmuthendem Anfehen ale

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fteben, fo brüßke ich ihn durch Soll aus, weil alle andere mir daſſelbe anmuthen Finnen, fo gut als ich ihnen. Dieſes anges nommen, wird man nun wol fagen Tönnen, dag auf dem fittlis chen Gebiet Geſez und Sollen genau mit einander verbunden find, indem auch dad Soll nichtd anderd ausſagt ald die Allge⸗ meinheit der fittlichen Beflimmung. Ob nun aber alles fittliche unter dieſer Form auögefprochen werben kann, bad wäre eine andere Frage. Denn jeder Entichluß, der ald ein rein individuel⸗ ler entfteht, kommt nicht mit Diefem Sol zum Bewußtſein, fon: bern ald ein eigenthümlicher aber vernunftmäßiger Wille, und nur bie zweite Srage, in wiefern einem folchen ohne Sol auf: tretenden auf ein fogenannted erlaubted gehenden Willen gefölgt werden darf, läßt fich wieder auf ein Gefez zurüffführen. Und died wäre dann freilich ein Unterfchied zwiſchen Naturgefez und praftifchen Wernunftgefez, daß alles natürliche, wie es gefchieht, fi auf Geſeze zurüffführen läßt, vermöge beren es gefchieht, nicht aber im Gebiet der praktifchen Vernunft alles auf folche Gefeze, vermöge deren ed gefchehen fol; nur ganz ein anderer Unterfchied ift dies, ald der gewöhnlich angenommene.

Ehe wir aber diefen näher betrachten, entfteht und noch die 2 Frage, wie ed damit flieht, daß bie fittlichen Formeln, um fie von andern auch mit dem Sol behafteten auf demfelben Gebiet aufs tretenden Gefezen. oder Smperativen zu unterfcheiden, Eategorifche genannt werben, bie andern aber hypothetiſche. Zunächft würde man num nach der Fantifchen Zafel verfucht zu beiden noch einen dritten aufzufuchen, deſſen er aber nirgends erwähnt, nämlich den disjunctiven, welcher lauten müßte Du foUft entweder: dieſes thun oder jenes. Die hypothetiſchen Imperative aber theilt Kant wieber in folche die ald praktiſche Principien affertoriich, und in folche die nur problematiich find, wogegen ber Tategorifche Im⸗ perativ apodiktiſch iſt. Doch gefteht er felbft zu, baß beibe zus - fammenfallen würden, wenn die Klugheit auf einen richtigen Be .. griff leicht zu bringen wäre. Wenn aber nun ale kekuimuiiie

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geln hypothetiſche Imperative find, weil unentfcieben bleibt, od die Abficht, zu welcher fie gebraucht werben, gut iſt: fo muß ber Tategorifche Imperativ ebenfalls hypothetiſch bleiben, wenn man nicht darauf zurüffgehn will, daß ber Begriff ded Guten vor Aufſtellung der fittlichen Gefeze beftimmt fein mug. Denn fonf ift noch nicht entfchieven, ob vernunftmäßig handeln wollen gut iſt; und dad Gebot dazu kann demnach nie anders, lauten als fo, Wenn du vernünftig fein wilft, fo handle fo. Nehmen wir aber an, daß natürlich alle verfchiedenen Methoden und Style einer Kunft in ihren Verhältniffen zu einander einer Conftruction fähig fein müfjen, und in diefer angefchaut ein Ganzes bilden, fo daß jeder, der etwas tüchtiged hervorbringen will, nach eine von diefen verfahren muß: fo wird offenbar in dieſem Fall der technifche Imperativ ein disjunctiver, und dieſe Luͤkke wäre dem nach audgefült. Vergleichen wir nun hier mit dem inbivibuck len fittlichen Handeln das einzelne, und denken und, wie faum anders möglich, wenn wir die menſchliche Natur ald Gattung be trachten, die verfchiedenen Geftaltungen ber Intelligenz innerhalb derfelben auch als einen Cyclus: fo ergiebt fi von felbft das gleiche, daß nämlich der urfprünglich Tategorifche Imperativ an die Gefammtheit der einzelnen gerichtet als Ausdrukk des allge meinen fitilichen Willens ebenfalls in der Anwendung ber Fon mel auf die einzelnen disjunctiv werben muß. Der allgemeine Wille vernünftig zu fein muß ſich am bem einzelnen entweder fo geftalten oder fo. Ja noch auf andere Weife Tann man fagen, wenn man auf die Gefammtheit der fittlichen Handlungen fieht, 23 dag, wenn in dem Vernunftweſen der allgemeine fittliche Wille geſezt ift, alle befondern Formeln, welche fi auf einzelne Klaf fen von Handlungen beziehn, wie died mit den Pflichtformeln der Fall ift, nichtd anders find, ald technifche Smperative, um je nen allgemeinen Willen, deſſen Ausdrukk allein ber kategoriſche ift, zu realiſiren. Man nehme noch hinzu, daß die ifolirte Be frachtung des kategoriſchen Imperatios am wenigſten geeignet if

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eine wiffenfchaftliche Bafld zu werden, weil fie nichts barbietet zwiſchen ber Einheit bed Princips und ber Unendlichkeit einzelner Falle der Anwendung, alfo die Vielheit gar nicht geftalten kann; und nur das Diöjunctive ift auch bei Kant das Princip aller wiffenfchaftlichen Zufammenftelung der Vielheit. Der Tategorifche Imperativ kommt alfo erſt zur Stlarheit des Bewußtſeins, wenn. er bypothetifch wird. Nur indem das Dilemma aufgeftellt wird, Entweder vernünftig fein und fo-handeln, oder nicht fo und uns vernünftig, wird dad Sittengefez nach Kants Ausdrukk pragma⸗ tifch, welcher Ausdrukk in der That weit mehr fagen will als jener, wenn gleich Kant ihn nur für den untergeorbneten confus Iativen Imperativ ber Klugheit aufbewahrt. Denn das Soll,

fobald es fich nicht mehr auf eine Außere Autorität gründet, kann

nur wie ein Zauber erfcheinen, wenn ed nicht jenen afjertorifchen

Character annimmt, Weil du vernünftig fein willſt, fo handle

alſo. Der Eategorifche Imperativ ift dem gemäß nur die bewußt:

Iofe unentwiffelte Form des Sittengefezed, und befommt erſt eine

praftifche Realität und eine wiffenfchaftliche Tractabilität, wenn

er ſich in den bypothetifchen und disjunctiven entwikkelt.

Doc diefes war nur beiläufig; aber wie fleht es nun um den durch ein entgegengefeztes Verhaͤltniß beider zum Sein be: gründeten Gegenfaz zwiſchen Sittengeſez und Naturgefeg? Be: ſteht denn darauf laufen die Eantifchen und fichtiichen Er: klaͤrungen hinaus befteht die abfolute Gültigkeit des Sitten: gefeged darin, baß es immer gelten würde, wenn auch niemals geichähe was es gebietet, weil ja doch das Sol deſſelben be: fleht, auch wenn ihm ein Sein gar nicht anhängt, die abfolute Gültigkeit des Naturgeſezes hingegen darin, daß immer gefchehen muß was darin audgefagt ift? Mas das erfte betrifft, fo ift allerdings wahr dag die Gültigkeit des Geſezes nicht abhängt von der Volftändigkeit feiner Ausführung; ja es iſt der richtige Ausdrukk für unfere Annahme des Gefezes, daß, ohnerachtet wir feine einzige menfchlihe Handlung für ſchlechthin vollkommen

. 408 | alſo ganz dem Geſez entfprechend erfennen, die Guͤltigkeit des 20 Gefezed dadurch dennoch gar nicht leidet. -Allein auf der andern Seite muß doch immer etwas vermöge bed Geſezes gefchehen, fonft wäre ed auch Fein Gef. Denn wenn wir auf den Ira totyp des Sollend, nämlich das bürgerliche Geſez zurüffgehn: würbe wol jemand fagen, das fei wirklich ein Gefez, was zwar auögefprochen fei als folches, aber niemand mache auch nur die geringfie Anftalt dem Gefez zu gehorchen? Gewiß würden wir verneinen, aber dann auch hinzufügen, der Gefezgeber ſei auch keine Obrigkeit mehr, weil feine Ausfprüche nicht anerkannt wer ben, und das ganze Verhältnig nur im Anerkennen beſtehe. Wen den wir nun nicht auf diefelbe Art auch vom Sittengefez fagen müffen, Wenn in feinem Menfchen die geringften Anftalten: ge macht würben bemfelben zu gehorchen, und das, was Kant die Achtung für dad Gefez nennt, gar nicht vorhanden wäre; denn biefe ift doch immer fchon ein wenn gleich unendlich Eleiner An fang des Gehorchens: fo wäre auch dad Sittengeſez Fein Ge, fondern nur ein theoretifcher Saz, von welchem man fagen Eünnte, er würde ein Gefez fein, wenn ed ein Anerkenntniß beffelben gabe? Aber die Vernunft wäre dann auch gar nicht praktiſch, . fo wenig ald jener Gefezgeber, den niemand im mindeflen ge: horchte, eine Obrigkeit waͤre. Jene Achtung für das Gefez, ein gewiß unter den gegebenen Umftänden fehr wohlgewählter Aus⸗ drukk, conflituirt alfo eigentlich erft Dad Geſez und ift die Wirk: lichkeit des Geſezes. Denn das einzige, wad man an dem Au drukk tadeln koͤnnte, iſt nur diefes, daß er zu trennen fcheint was unmöglich getrennt werden kann. Denn nicht exiſtirt das Sit⸗ tengeſez zuerſt als Gedanke, und hernach bringt die Vernunft die Achtung dafuͤr hervor; ſondern es iſt nur ein und daſſelbe oder ein und derſelbe tranſcendentale Act, wodurch die Vernunft prak⸗ tiſch wird, das heißt als Impuls .befteht, und wodurch ed ein. Sittengefez giebt. Kann man alfo wol fagen, das Sittengefg würde gelten, wenn auch nie etwas demſelben gemäß gefchähet

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En

Wol nur, wenn man bei der Außern Vollbringung ber Hanbluns gen ftehen bleibt; biefe aber find auf ber einen Seite gar nicht Producte des Geſezes oder bed Willend allein, auf ber andern Seite ift aber doch immer, wenn nur irgend dad Gefez dabei mit eingetreten ift, auch etwas in ihnen, was rein dem Gefez ges mäß geichieht. Denn wirb überhaupt nur auf das Geſez bezo⸗ gen: fo wird auch entweder dem Gefez gemäß gewollt, oder das Segentheil wird nur unter der Form bed Unrechted gewollt; und auch das geichieht dann dem Geſez gemäß. Wird aber dem Ges ſez gemäß gewollt: fo ift nothwendig auch in der erfcheinenden 25 * Handlung etwas, wodurch das Gefez repräfentirt wird. Eben. biefes aber ift ja ein Sein, es ift die innerfle Beſtimmtheit bes Sch, und aus unferm Geſichtspunkt weit mehr ein Sein als die Außere That und was aus berfelben hervorgeht; denn bie “bes fimmende Kraft der Gefinnung iſt das eigentliche und urfprüngs. liche fittliche Sein, wodurch allein jede erfcheinende That, fie fei nun vollflommner oder unvollflommner, an ber Sittlichfeit Theil nimmt. Ja wenn man auc) bei dem ohnflreitig dürftigern Aus⸗ drukke der fich felbft fezenden Selbfithätigkeit oder der Geſezmaͤ⸗ ßigkeit um des Gefezed willen ftehen bleibt, was freilich in einer Hinfiht etwas leeres ift, weil daraus niemald eine beflimmte Handlung hervorgehen Tann, fo tft doc auch dann die Gefins nung in der That das Sein beflimmend, weil fie den Verlauf jeder Thätigkeit hemmt, welche der Gefezmäßigfeit und ber Selbſt⸗ thätigfeit fchlechthin etwa zuwider wäre. Das Gefez iſt alfo nur Geſez, infofern es auch ein Sein beflimmt, und nicht als ein blos ßes Sollen, wie denn auch ein folches fireng genommen gar nicht nachgemwiefen werden Tann. | Können wir alfo bier auf dem Gebiet deö Bernunftgefees dad Sollen nicht trennen von ber Beflimmung bed Seins; ifl bie Vernunft nur praftifch, fofern fie zugleich lebendige Kraft ift: wie wird es nun auf ber Seite des Naturgefezes ſtehn? Werden wir bort biejed, daf dad Gefez wirklich dad Sein beflimmt, gang,

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trennen Binnen davon, daß dem Gefez auch ein Sollen anhängt? Sreilih, wenn man allein dabei flehen bleibt, daß dad Sollen eine Anmuthung an den Willen enthält: fo kann hier von kei⸗ nem Sol die Rede fein, weil in ber Natur kein Wille geſezt fl. Alsdann iſt aber Durch ben Unterfchied, von, welchem wir handeln, auch Feine Verfchiebenheit zwifchen Raturgefez und Ber: nunftgefez ausgebrüßft, fondern nur zwifchen Natur und Vernunft, Es liegt aber allerdings in dem Sollen, außerbem daß es eine Anmuthung an ben Willen ausbrüfft, auch noch dieſes, daß. bei berfelben zweifelhaft bleibt, ob der Anmuthung wird Folge ge Veiftet werben oder nicht. Wenn wir nun nachweifen, daß N turgefeze auch eine Anmuthung enthalten, wenn gleich freilich an ein willenlofed Sein, aber boch eine folche Anmuthung ebenfalls, bei welcher zweifelhaft bleibt, ob fie wird in Erfüllung gehen oder nicht: dann wäre dad Verhältnig zwifchen Sollen und Sein: beſtimmung in beiderlei Gefegen fo ſehr daffelbe, als es bei der Verſchiedenheit von Natur und Vernunft nur möglich ifl. Die 26 Gefeze num, welche fich auf die Bewegungen der Weltförper be ziehen, und welche die WVerhältniffe der elementarifchen Natur kraͤfte und Urſtoffe audfagen, wollen wir in dieſer Hinficht übers gehen. Denn wenn die einzelnen Faͤlle hier nicht mit dem Ge fez zufammenftimmen, fo behaupten wir entweber, Daß in bem einzelnen Falle noch etwas anderd thätig geweſen ald dasjenige wovon das Gefez redet; oder wir erkennen unfern Ausdrukk nicht mehr für das wahre Naturgefez, fondern modificiren ihn, und hoffen fo es immer beffer zu treffen, laſſen aber nicht von ber Boraudfezung, daß wenn wir erft daS richtige gefunden haben, alsdann auch alles, worauf dad Geſez anwendbar ift, demfelben völlig entfprechen werde. Eben fo mit den Formeln für die Be wegungen. Wenn biefe nicht genau zufreffen: fo fieht das freis lich aus, als hätten wir dem Weltlörper etwas zugemuthet, was er nicht geleiflet habe; allein flatt und dabei zu begnügen, neh: men wir an, daß noch andere bewegende Kräfte müßten einge

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wirft haben. Aber wir Binnen diefed zugeben, ohne bem Ein« frag zu thun, was wir hier über das Naturgefeg behaupten moͤch⸗ ten. Denn eine Formel für die Bewegung allein als das bloße _ Maffenverhältniß ift doch nur eine abflracte mathematilche For - mel. Erf wenn wir aus der Genefi3 dee Sonne und der Plas neten bie Maffen und Raumverhältniffe ſelbſt begreifen koͤnnten, fo daß auch alle Veränderungen in den Maffenverhältniffen der Weltlörper und in ihrem Verhalten zu ihren Bahnen mit barin begriffen wären, erft dann würden wir ein wahres Naturgefez haben auch für die Bewegungen. Aber würde denn biefed rein zutreffen? Wol nicht leicht; ſondern wenn wir auf diefe Art ein . Bewegungdgefez für dad Sonnenſyſtem an fich gefunden hätten: fo würde ed doch irgendwie wenn auch auf eine für und gänze lich unmerkliche Weife durch den allgemeinen Zufammenhang afs ficirt werben; und wir werden mit Recht fagen Eönnen, ed folle fich fo bewegen, erleide aber bisweilen Perturbationen, und ein Gefez, dad ein vollkommener Ausdrukk ded Seins wäre, würden wir erft gefunden haben, wenn wir das ganze Univerfum auf eine Formel bringen könnten. Daffelbe gilt von den Urftoffen und den elementarifchen Kräften. In welchem Umfange wir fie ald ein Ganzes begreifen koͤnnten, wenn es nicht dad abfolute Ganze wäre, fo würden wir immer nur ein Gefez haben, nach welchem das Sein ſich nicht vollkommen richtete, und bie Abs weichung würbe und über jenen Umfang hinaus weifen; wo wir aber eine ganz zufreffende Formel haben, die wird fich nur auf . fehr bedingte Factoren beziehen, deren Erfcheinen unter diefen Bes 77 bdingungen wir wieder nur ald ein zufällige begreifen, fo daß kein Sein durch die Formel beſtimmt wird.

Doch hierbei laͤnger ſtehen bleiben, daß hieße nur die Frage ind unendliche hinausſchieben, bis wir etwa zu Naturgeſezen ges langen, bie dem Begriff beffer entfprechen. Allein wir haben der . gleichen fchon auf einem andern und näher Tiegenden Gebiet, und bie und nur um fo mehr ald wahre Naturgeleze erfcheinen wers

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den, wenn wir fie mit jenen vergleichen. Nämlich alle Gattungs begriffe der verfchiedenen Formen des individuellen Lebens find wahre Naturgefeze. Denn bie lebendigen Welen, bie Vegetation mit eingerechnet, entftehen aus Thätigfeiten und befiehen in Thaͤ⸗ tigfeiten, welche fich immer auf biefelbe Weife entwißfeln; wahre Gattungsbegriffe nun follen ber volfländige Ausdrukk fein für alles was eine beflimmte Lebensform conflituirt an fich und in Ährer Differenz von andern verwandten, und zwar fo daß fie in ihrem Zufammenhange, ben wir auf beflem Wege find immer vollfommner zu begreifen, das Naturgefez des individuellen Le⸗ bend auf unferm ganzen Weltkörper ausdruͤkken. Weiter hinab» zufleigen bis 3. B. auch auf die Formen der Kryfiallifation, de ren allerdings jede auch nur begriffen werben kann als eine Ent fiehung. der Geftalt aus der Bewegung, werden wir dadurch ver hindert, theild, daß hier Die Gattungsbegriffe überall auf das dem Erpftallifirten analoge derbe zurüffweifen und die bloße Regel der Kryſtalliſation Doch nur eine abftracte Kormel fein würde dab Naturgefez aber fich auf die Entflehung und Geftaltung des flar ven überhaupt erfireffen müßte, theild auch dadurch dag und bier der Prozeß felbit nicht gegeben ift, fondern nur dad Reſul⸗ tat deſſelben. Die Vegetation aber und Animalifation zeigen und in jeder ihrer verfchiedenen Formen ein abgefchloßned Ganze, deſſen Begriff dad Geſez ift für ein Syflem von Functionen in

ihrer zeitlichen Entwikklung. Werden wir nun gefragt, If jede

folche Gefez, gleichviel ob es der untergeorbnete Begriff einer Art ift oder der höhere einer Gattung ober der noch höhere einer na türlichen Familie, ift jedes ſolche Gefez beftimmend ein. Sein? fo werden wir offenbar bejahen müfjen; denn bie fämmtlichen Im - dividuen dieſer Art oder Gattung entflehen nach dieſem Geſez, und ihr ganzed Dafein in feiner allmähligen Entwilllung, Cul⸗ mination und Entkräftigung verläuft nach demfelben. Wenn wir aber nun auf der andern Seite gefragt werben, Haͤngt biefem

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Geſez auch ein Sollen an? fo werben wir fo viel ebenfalls bes jahen müffen, daß wir dad Geſez aufftellen für dad Gebiet, ohne 28 daß in der Aufftelung zugleich mit gedacht werde dag alles rein und volltommen nach dem Gefez verlaufe. Denn das Vorkom⸗ men von Mißgeburten ald Abweichungen bed Bilbungdprozefed, "und das Vorkommen von Krankheiten ald Abweichungen in dem Verlauf irgend einer Lebensfunction nehmen wir nicht auf in das Sefez felbft, und diefe Zuflände verhalten fich zu dem Naturs geſez, in deſſen Gebiet fie vorfommen, gerade wie das unfittliche ‚und gefezwidrige fich verhält zu dem Sittengefez.

Noch eine Betrachtung, mit welcher wir fchliegen wollen, ' wird bie Identität des Verhaltens beider Begriffe zur vollen Ans fhauung bringen. Legen wir die elementarifchen Kräfte und Drozeffe und den Erdkörper in feiner durch die Scheidung des florren und flüffigen bebingten Ruhe zum Grunde; und Eins nen wir dann mit Recht fagen, bypothetifch wenigftend und mehr {ft Hier nicht nöthig, mit der Vegetation trete ein neues Princip, nämlich die fpecifiihe Belebung, in das Leben der Erde, ein Princip welches in einer Mannigfaltigkeit von Formen und Ab» ſtufungen erfcheinend fich in feinem Umfange den chemifchen Pro⸗ zeß ſowol als die mit der Bildung ber Erbe gegebene Geſtal⸗ tung unterorbnet und beides auf eine individuelle Weile firirt; und fragen wir dann weiter, worin benn dad gegründet fei, was auf dieſem Gebiet als Mißgeburt oder Krankheit angeſehen wer⸗ den muß, was hier freilich faſt immer ſehr einfach auf Mangel oder Ueberfluß, das heißt auf ein quantitatives Mißverhaͤltniß zuruͤckgefuͤhrt werden kann: ſo werden wir doch nur antworten koͤnnen, Nicht in dem neuen Princip an und fuͤr ſich; denn fuͤr deſſen reine Wirkſamkeit ſei der Begriff der Vegetation der reine und vollſtaͤndige Ausdruck; ſondern in einem Mangel der Ge⸗ walt des neuen Princips uͤber den chemiſchen Prozeß und die mechaniſche Geſtaltung. An dieſem Mangel aber ſcheine zugleich

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die zeitliche Beſchraͤnktheit der vegetativen Einzelweſen zu bat gen; wenn alfo diefe vergänglich fein follten, fo mußte auch jene Mangel mit feinen andermweitigen Folgen fein. Weiter gehend werden wir dann fagen müffen, mit der Animalifation trete abermal ein neued Princip nämlich der fpecififchen Beſeelung ein, welde ſich in feiner ganzen Erſtrekkung, wenn gleich nicht überall in gleichen Maaße, fowol den vegetativen Prozeß ald aud dad all gemeine Leben unterorbnet, und ebenfalld in einer Mannigfaltig⸗ feit von Formen und Abflufungen erfcheint, welche nun auf bie © felbe Weiſe Gefeze find für die Natur. Und wird nun weile gefragt, worin denn die auf diefem Gebiet vorkommenden ſchon weit complicirteren Abweichungen gegründet fein: fp werden mit wol auch antworten müflen, Nicht in dem Princip ſelbſt; denn für diefed ift der Begriff ded thierifchen Lebens in der Mannig faltigkeit feiner Zormen der reinfte Ausdrukk; fondern in einem

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relativen Mangel an Gewalt dieſes Princips über dem vegetati⸗

ven Prozeß fowol ald über dad allgemeine Leben, und natürlih wären alfo die Abweichungen auf diefem Gebiet auch complide ter und nicht in fo leichte Formeln zu faffen. Und Finnen mit nun wol noch umhin der Steigerung die Krone aufzufezen, in dem wir fagen, mit bem intellectuellen Prozeß trete nun aber

mald ein nened,. benn wir brauchen nicht zu behaupten. dad lezte,

Princip in das Leben der Erde, welches jedoch nicht in einer Mannigfaltigkeit von Gattungen und Arten, ſondern nur in einer Mannigfaltigkeit von Einzelweſen einer Gattung erſcheine, ſo daß eine Mannigfaltigkeit der Gattungen nicht gedacht werden kann, als nur in Verbindung mit der Mehrheit der Weltkoͤrper. Wie aber der Geiſt nun hier erſcheine in der Einen Menſchengattung: fo werde er ſich auch in feinem Umfange nicht nur den Prozeß ber eigenthümlichen Befeelung und Belebung, fondern auch dab allgemeine Leben unterorbnen und aneignen. In dieſem geiftigen Lebensgebiet wiederholten fih nun auf die feiner Natur gemäßt

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Weiſe die Abweichungen, bie innerhalb des Gebietes der Animas Yfation und ber Vegetation vorkommen; aber es entflänben zus gleich neue, weldhe dem obigen zufolge ihren Grund nicht Haben in der Intelligenz felbft, denn für dad Weſen und die Wirkfams keit diefer fei das Gefez, welches hier aufgeftellt werden müffe, ebenfalls der reine und volfommene Ausdrukk, fondern wie oben darin daß der Geift eintretend in dad irbifche Dafein ein Quan⸗ tum werben muß, und ald ſolches in einem oſcillirenden Leben im einzelnen unzureichend erfheint gegen bie untergeorbneten Functionen. Und wenn gleich dieſes eben fo hypothetiſch gefezt iſt, wie das woraus es folgt: fo ift doch dies gerade biefelbe Hypotheſe, von der auch diejenigen auögehen, welche dad Gittens geſez als ein reines Sollen befchreibenz denn fie fagen es fei ein ſolches, weil mit ber Vernunft und bem Vernunftgefez zugleich eine Inſufficienz gefezt fei. Was alfo folgt, das folgt vermöge eben jener Hypothefe. Und bad Gefez, welches hier neu aufge flelt werben muß, fo daß es die ganze Wirkſamkeit der Intelli⸗ genz vollftändig verzeichnet, wirb dad wol etwas anderes fein als dad Sittengefez? und bie neuen Abweichungen, in welchen die Begeiftung unzureichend erfcheint gegen bie Beſeelung, wer: so den fie etwad anderes fein ald dad was wir böfe nennen und unfittlich? Schwerli wird jemand vereinen wollen; es müßte denn einer fragen, wo denn nun ber Unterfchieb bleibe zwifchen der theoretifchen und. praftifchen Wernunft, und woher benn ent ſchieden worden daß das hier aufzuftellende Gefez allein das ber praktifchen Vernunft und nicht beider fei, oder daß nicht viel leicht ausfchliegend das der theoretifchen hierher gehöre. Oder ed möchte mir jemand dad Schrekkbild des Wahnſinns vorhalten, und fagen, biefer und alled was eine Annäherung dazu bildet, . fei die hier neu aufzuftelende Abweichung, bad einen andern Ort haben. Dem erften wuͤrde bier nur die Rebe fei von einem neuen Princi

| 416 von Thäfigkeiten: fo koͤnne auch die Vernunft bier nur betrach⸗ "tet werben ald praktifch, das heißt als thätig, und der ganze , theoretifche Vernunftgebrauch gehe doch als Handlung immer vom Willen aus. Dem andern aber würde ich aus bemfelben Grunde fagen, daß von unferm Standpunkt aus der Wahnfinn und dad böfe nicht zwei verfchiedene Derter haben koͤnne, ſondern jedes fei auf das andere zurüffzuführen, und jeder Wahnfinn entfiche nur dadurch, daß die Intelligenz ald Wille zu ohnmaͤchtig fei, um den Angriff einer untergeordneten Potenz auf ihren unmittel⸗ baren Organismus abzuweifen. Bleibt es alfo bei der Bejahung beider Fragen: fo ſtimmt auch dad hier gefagte vollkommen zu: fammen mit dem oben gefagten über die Art, wie das Sitten: ggeſez ſowol feinbeftimmend ift, als auch ihm ein Sollen ans haͤngt. Hier aber entwilfelt es fich und durch eine Steigerung als das höchfte individuelle Naturgeſez aus den niederen. Die Seinöbeftimmung in bemfelben ift alfo von bderfelben Art, und das Sollen ift auch von bderfelben Art, nur mit dem einzigen Unterfchiede, daß erft mit dem Eintreten der Begeiftung dad Einzelmwefen ein freied wird, und nur das begeiftete Leben ein wollendes ift, alfo auch nur auf diefem Gebiet dad Sollen fih an den Willen richtet. Im allgemeinen aber ift es überall die Forderung der Gewalt des individuellen Seins über das elemen: tarifche und allgemeine, als des höheren über das niedere, und dad Naturgefez liegt nicht auf der entgegengefezten Seite mie das Sittengefez, fondern beide auf derfelben. Alſo werben auch, was wenigftens das Werhältnig ded Gegenftanded zum Ge feg betrifft, Naturwiffenfchaft und Sittenlehre keinesweges zwei verfchiedene Formen haben müffen, fondern fie werden fich füglid hineinbilden laſſen in eine gemeinfchaftliche, fobald nämlich. die Sittenlehre fich befreit hat von ber Analogie mit dem politifchen, und die Einficht hervorgetreten ift, daß, ba das politifche ſelbſt nur durch die Sittenlehre conftruirt werben Fann, bie Form bes

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ſelben unmöglich al8 bie Urform angefehen werben barf, nad welcher die Sittenlehre gebildet werden muß. Sondern bie Form ber Sittenlehre wird die befte fein, in welcher Die Intelligenz bargeftellt wird als aneignend und bildend und fich fo in einer eigenen in fich abgefchlofienen Schöpfung offenbarend; ein Typus, welcher nirgend fo deutlich ald bei der platonifchen Conflruction zum Grunde Liegt, aber nicht zu feiner volfommenen Entfaltung gediehen iſt.

Schleierm. x. II 2. Dd

Ueber den Begriff des Erlaubten.

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Geleſen am 29. Zunius 18%.

1 N. Zufammenhang dieſes Begriffs mit dem früher von mit behandelten Begriff der Pflicht ift fo genau, daß diefe Abhandı lung nur ald eine Erläuterung zu jener angefehen werden Fan. |

Denn überall ftelt fich das erlaubte in die Mitte zwoifchen dad pflichtmäßige und pflichtwidrige, als ein dritte zu beiden welche feined von beiden fein will. Es will überall mit dem pflicht⸗ mäßigen bad eine gemein haben, daß ed nicht gemwehrt werden kann; mit dem pflichtwidrigen aber dad andere, daß ed nicht ge fordert werden darf. Eine Darftelung der Pflichtenfehre ift allo erft völlig verftanden, das heißt, man überfieht erft ihr Verhaͤlt niß zur Gefammtheit des geiftigen Lebens, wenn auch beutlid geworben ift, in wie fern fie diefem Begriff eine Wahrheit zw gefteht, und was für einen Umfang fie ihm" anmeifet. Diele allein ift daher auch der Gegenftand der gegenwärtigen Abhand: lung , ohne daß fie fofern fih nicht auch dieſes ſchon durch jene Unterfuchung von felbft erledigt ausdruͤkklich beabfichtigte zu beflimmen, welche Handlungen ober Handlungsweiſen in ein⸗ zelnen Gebieten für erlaut zu halten find ober nicht; ſondem fie bat ed nur mit dem KR WWh un num Werhältniß zu

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den andern fittlichen Begriffen zu thun. Denn fteht er gleich im unmittelbarften Verhältnig mit dem Pflichtbegriff, fo muß er doch eben deshalb auch ein Verhältniß haben zu bem Begriff der Zus gend und dem ded Guten.

Wenn nun meine vor einiger Zeit mitgetheilte Abhandlung über den Pflichtbegriff *) das Ergebniß aufgeſtellt hat, daß pflicht⸗ mäßig jede folche Handlung fei, welche, indem der Antrieb dazu von dem Intereffe an einem beflimmten fittlichen Gebiet ausgeht, doch zugleich auch dad Intereſſe an der Zotalität der fittlichen Aufgabe befriedigt, pflichtwibrig aber dem gemäß nicht nur das⸗ jenige was der fittlichen Zotalität oder. einer einzelnen fittlichen Richtung widerftreitet ohne im lezten Fall von einer anderen fol: hen ausgegangen zu fein, weil nämlich der Antrieb bloß finnlich iſt, fondern auch welche. Handlung wirklich von einer einzelnen fittlichen Richtung ausgeht, aber fo daß fich die Forderung einer andern fittlihen Richtung in dem gegebenen Moment gegen fie erhebt, fo daß fie in Beziehung auf dieſe zur Unzeit gefchähe oder im Unmaaß: fo fragt fich zunächft, was für Handlungen Tönnten wol zwifchen diefen beiden liegend folche erlaubte fein?

Zweierlei fcheinen fich deren zu ergeben. Denn wenn zu einer Handlung zwar ber Antrieb ein finnlicher wäre, aber es erhöbe fich gegen fie Feine Klage von irgend einem fittlichen Ge: biete aus: fo wäre eine folche weber pflihtmäßig; weil der fitt- liche Antrieb, noch pflichtwidrig, weil ber fittliche Einfpruch fehlt.

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Eben fo auch zweitens, wenn ed möglich wäre daß der Impuld

zu einer Handlung audginge von dem Intereſſe an der geſam⸗ ten fittlichen Aufgabe, aber ein einzelnes fittliched Gebiet erhöbe fich dagegen: fo läge eine folche auf eine andere Weife zwar zwi: fehen beiden, würbe aber doch auch erlaubt zu nennen fein, wenns gleih nur ald eine Sache der. Noty. Der Einfpruch nämlich fehlt Hier nicht, aber er wird, weil der vollfommene Antrieb da

*) S. den Sahrgang 1824. vbiloſoph. Klaſſe. (oben ©. 379.) Dd2

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ift, überhört. Nur‘ dag dann auch dad entgegengefezte erlaubt fein muß, naͤmlich dem Einſpruch ald dringend zu folgen und bie angeftrebte Handlung zu unterlaffen, den Antrieb aber auf einen fpäteren Moment zu vertröften. Die Noth aber ift eben dies Daß. vorausgefezt wird Daß das fittlich einzelne und bie fitk lihe Xotalität fich einander wenn auch nur momentan aufheben. Hieher gehören nun faft alle die fo oft angeführten und beleuch⸗ teten Faͤlle von Selbfthülfe in der Noth auf Gefahr eines andern zuzufügenden Unrechtes, fofern nämlich dabei immer vorausgeſezt wird, man duͤrfe ben Trieb der Selbſterhaltung und die Rid- tung des Individuums auf die Zotalität der fittlichen Aufgabe als eines und daſſelbe anfehen. Allein die ganze Gegend bleibt, auch dieſes zugegeben, immer verdächtig, indem ja doch ein Bi: derfpruch in dem Gebiete des rein fittlichen voraudgefezt wir, der eigentlich auf Feine Meife angenommen werben kann, wenig 3 fiend nicht aus dem Standpunkte der angezogenen und hier zum Grunde liegenden Abhandlungen, ald welche eine weientliche Zu ' fammengehörigkeit alles befien, was mit Recht fittlich fol ge nannt werden koͤnnen, überall vorausſezen. Denn es hört all Corftruction des pflichtmäßigen auf, mithin iſt es auch um alle wiſſenſchaftlichen Principien zur Beurtheilung der einzelnen ſitt⸗ lichen Handlungen geſchehen, ſobald ein Widerſpruch ſtatt finden kann zwiſchen dem was das Ganze fordert und dem worauf ein Theil Anſpruch macht. Der Unterſchied zwiſchen dem pflicht⸗ widrigen und pflichtmaͤßigen wird ſofort nur ein zufaͤlliger, und der Charakter des Pflichtbegriffs iſt aufgehoben. Es moͤchte aber | auch niemald nachzuweifen fein daß überhaupt eine einzelne Hands lung als von der Richtung ded Willens auf Die ganze fittliche Aufgabe ausgehend angefehen werden Tann, weil Durch biefe allein nichts einzelned beflimmt wird. Am wenigften aber möchte man eine Aeußerung des Selbfterhaltungdtriebeds fo nennen koͤnnen Denn wenngleich ber einzelne ſich erhalten fol um fittlich zu leben, fo ift doch ein jeher Ui der Schterhaltung nur bedingt

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Durch die ihm eben vorliegenderr fittlichen Aufgaben, damit biefe nicht geftört werden und fonach durch wenngleich mannigfaches doch immer einzelnes fittliched Intereſſe, gegen welches alfo auch ein anderes auftreten Tann. | Genau betrachtet alfo würde auch das zweite was fich uns ergeben hätte, nur eine leere Stelle fein, und die fcheinbar dahin gehörigen Faͤlle wären bei dem erflen unterzubringen, wie denn alle finnlichen Motive mehr oder weniger auf die Gelbfterhals tung zurüßfgehn, Die ja auch oft genug als Die allgemeine For⸗ mel für alle ift angefehen worden. Sonach bliebe und nur das erfte übrig. Erlaubt nämlich wären folche Handlungen, bei be nen zwar ein finnlicher Smpuld zum Grunde liegt, aber ein fol cher, gegen den von Feiner Seite der fittlichen Aufgabe aus pros teflirt wird. Da nun diefe Proteflation eben das iſt was einer Handlung dad Gepräge der Schuld aufdrüßft: fo wäre dad ers Taubte, wie, ed fcheint, dad unfchuldige, und dann auch umges kehrt. Nämlich was erlaubt ift, dad wäre unfchuldig, weil es als nicht von dem fittlichen Intereffe ausgehend auch nicht ver- dienftlich fein Tann, und weil nicht im Widerfpruch mit der ſitt⸗ lichen Aufgabe, auch nicht verwerflich; und das unfchuldige wie: berum müßte immer erlaubt fein, weil ed zwar nicht: pflicht> mäßig ift feinem Urfprunge nach, aber auch nicht pflichtwibrig feiner Befchaffenheit nah, Wir haben nun hiedurch zwar ein neues Merkmal gewonnen, aber keinesweges etwa eine Entfcheis dung. Denn wenn man freilich auf der einen Seite fagen möchte, daß ed eine große Menge unfchuldiger menfchliher Handlungen gebe, Eönne doch niemand bezweifeln: fo tft auf der andern Geite wieder nicht zu läugnen daß dieſe wefentlich der Kindheit anges hören, welcher das fittlihe Auge noch nicht geöffnet ift, und andern ähnlichen Zufländen. Es fragt ſich alfo immer noch, ob und auf welche Weiſe ed folche Handlungen geben koͤnne, welche zwar von einem finnlichen Antriebe auögehen, aber boch Leinen

Widerſpruch von dem ſittlichen Iutereſſe erfahren.

422:

Wenn nun nach dem früher gefagten aus der Totalitaͤt al

ler pflichtmäßigen Handlungen auch alle Güter hervorgehn: fo koͤnnten alfo alle bloß erlaubte Handlungen an der Hervorbrin⸗ gung irgend eines Guted feinen Antheil haben, und wären bem nach unfruchtbar für das höchfle Gut. Man follte daher dem fen, e3 Eönne fich gegen biefelben nur in fo fern kein Widerſpruch von dem fittlichen SIntereffe aus erheben, als feſtſtaͤnde daß zu derfelben Zeit daffelbe Subject nichts thun Tönne um dad höchfle Gut zu fördern. Eben fo wenn jede Tugend nichts anderes if als die Fräftige Wirkſamkeit eines fittlichen Antriebe, und mib hin alle Tugenden in der Gefammtheit ber von, fittlichen Antrie ben audgehenden Handlungen vollkommen aufgehen: fo hätte

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alſo an allen blog erlaubten Handlungen, fo fern fie ja von

einem finnlichen Antriebe ausgehn, Feine Tugend irgend einen Antheils und auch fo betrachtet folte man denken, die fittlice Lebenskraft des Individuums müffe fich allemal gegen folche Hand: lungen auflehnen und die finnlichen Antriebe auch mit diefen An fprüchen abweifen, es müßte denn fein daß zu berfelben Zeit gat - Feine Tugend ſich wirkſam beweifen koͤnne. So zeigt fich dem nah auf alle Weife, daß bloß erlaubte Handlungen in einem fittlicher Leben nur in ſo fern vorkommen koͤnnen, als fie in eine als natürlich und nothwendig nachzuweifende Paufe des fittlichen

Lebens hineinfallen, fo wie der Schlaf eine Paufe des Selm .

lebens ift. Und wie das Leben fich in diefer- Beziehung in Schlaf und Wachen theilt, fo müßte ed fich in jener Beziehung theilen in dad Pflicht: und Berufsleben, oder, fo koͤnnen wir ed wol nennen, den Ernſt, welcher das eigentliche fittliche Wachen wätt, und in dieſes andere, welches aus dem fittlichen. Standpunkt be trachtet, weil Feine Tugenden dabei wirkſam find, eben wie der Schlaf nur als ein unthätiger Zuftand zu denken wäre, und auch wie jener außer der Ernährung und Stärkung der finnlichen le s Diglich dienfibaren Kräfte nur den Gehalt eines Traumes haben Fönnte. Wollen wir nun dieken Theil dad Erholungsleben ober

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dad Spiel nennen im Gegenfaz gegen den Ernſt oder das He suföleben: fo werden wir nicht weit fehlen; vielmehr fieht jeder “leicht, daß alled, was wie mit folchen Namen zu bezeichnen pfle⸗ gen, ‚von denen Die ed vertheidigen immer nur als erlaubt im Schuz genommen wird, und daß, wo eines ober dag andere Dies fer Art angefochten wird, die Mechtfertigung. bed erlaubten immer darauf beruht daß ed unfchuldig fei.

So ſcheint denn dieſer Begriff ein überall in irgend einem Maag anerkanntes, in den fchönften und edelſten Geſtaltungen des menfchlichen Dafeind aber fo .gar weit umfaffendes und, überall zugleich gewiffermagen unter fich zufammenhängended Ge biet in unferm Leben einzunehmen. Se flrenger und herber bie ganze Form des Lebens, deſto feltnere und Fürzere Pauſen von fittficher Anſtrengung und. Mühe, und umgekehrt, wo ſich daB Leben in größerer Fülle und Anmuth entfaltet; überall aber fo. oft. der Ernſt des Lebens nachläßt, und. unfer Beruf (das Wort. in feinem weitelten Umfange genommen) feiert,. fo oft wir im Spiel irgend einer Art begriffen find, im freien und fröhlichen gefelligen Verkehr, im Genuß irgend einer Kunft und Schönpeit: fo treiben wir erlaubtes. Im Berufsleben ſoll die volle Zuſtim⸗ mung, das beifällige Bewußtfein, dag wir pflichtmaͤßiges treiben: und für das höchfte Gut arbeiten, uns beftändig begleiten, wie im wachen Zuftande dad befonnene Selbftbewußtfein im allge⸗ meinen Sinne bed Wortes in jedem Augenblikk jede Thätigkeit begleitet; wenn wir aber in dieſem Zwifchenraume des Spiels: und der Erholung und befinden, dann fchläft jened- höhere Bes wußtfein; aber es erwacht gleich wieder und ordnet das Leben, fobald wir wieder in den Zufland des Ernſtes und. der ‚Pflicht erfüllung zuruͤkktreten. Ja auch das verfteht fich fchon. auß.:bies fer Analogie, dag wir doc) dieſes Gebiet des erlaubten, wenns gleich wir dabei nicht von fittlichen Antrieben auögehen, keines⸗ weges aller fittlichen Beurtheilung entziehen. Denn wit ed einen erquikklichen Schlaf: giebt und einen krankhaften, und. 9

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anmuthige Traͤume und büftere und erfchreffenbe, und wir gem wachend etwas thun würden, wenn wir nur wüßten wad, um dieſen lezten zuvorzulommen und den Schlaf in feinen gefunden Typus hinein zu befchwören: fo unterfcheiden wir auch in er laubten Handlungen ein..mehr und minder zufrägliched und dem eigentlichen fittlichen Leben verwandted, und möchten und gern immer einen fittlichen Einfluß bewahren auf den MPulsſchlag in diefem Schlaf, und auf die Elemente, aus denen biefe räume fi zufammenfezen; und fo fcheibet fi denn, um auf: eine alte Terminologie zuruͤkkzukommen, ein vorgezogene und ein abge rathenes.

Eine ſolche Analogie wie die hier aufgeſtellte iſt freilich kein

Beweis, und es waͤre ohnſtreitig zu kuͤhn, aus dem bisherigen

folgern zu wollen, Spiel und Erholung waͤren aus dem Grunde erlaubt, und das erlaubte ſicher geſtellt, weil es dieſelbe Be⸗ wandtniß damit habe wie mit dem Schlaf. Indeſſen, wenn ſie ſich ſonſt nur halten läßt, wäre immer.mit der Subſumtion uns ter ein fo Mares Verhältnig nicht wenig gewonnen, und wir hät ten daran eine gute Vorarbeit für bie beftimmtere wiffenfchaftliche Begrenzung. ded Begriffs. Aber läßt fie ſich halten? und fcheint nicht vielmehr. Die ganze Aehnlichkeit bei näherer Betrach⸗ tung wieder zu verfchwinden, weil fie allzubedenflich wird, wenn wir auf Anfang und Ende eines folchen Zuftandes zuruͤkkſehen? Denn der Ruͤkkgang aud dem freien Spiel: mit erlaubten Hands lungen in das eigentliche ſittliche Leben gleicht doc dann dem

‚Erwachen; und wie follen wir eigentlich denken bag und bad

fistliche Leben immer wieder entfteht aus jenem feiner Abſtam⸗ mung ‚und feinem unmittelbaren Gehalt nach nicht fittlichen? Wenn wir doch in einer folchen Reihe von Momenten nicht von fittlichen Antrieben bewegt werden, fondern von finnlichen, fol ber Mebergang von hier zum pflihtmäßigen Leben als ber lezte Moment jener Reihe auch von finnlichen Motiven abhängen, und nicht von fittlichen? Denn würde alled, was fich an dieſen Mos

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ment des Erwachens anfchließt, auch auf baffelde Motiv zuruͤkk⸗ . geführt werben koͤnnen, das fittliche kaͤme nur vermöge ‚bed nichtfittlichen zur Wirklichkeit, und das Beruföleben wäre mehr bem Schein ald der Wahrheit nach. von dem Erholungdleben ges fchieden, und jeder neue Abfchnitt von jenem, da doch fein erſtes Motiv in diefem läge, wäre nur gleichlam eine Epiſode von dies fem. Eine Anficht, auf welche ſich freilich manche ethiiche Theo» zie von denen, die man ald eubämoniftifche bezeichnet hat, zuruͤkk⸗ führen läßt, mit welcher aber Pflicht und Zugend als beftimmte Begriffe für fi) überhaupt nicht, am wenigften aber fo wie wir fie beflimmt haben, zu vereinigen find. Ein anderes wäre es, wenn fich auch von diefem Erwachen fagen ließe, es fei Feine Handlung im eigentlichen Sinne bed Wortes, wie Died von dem täglichen Erwachen aus dem Schlafe gilt. Denn alddann wäre

ein Motiv dazu gar nicht zu fuchen, und es koͤnnte alfo auh die Frage nicht entftehen, ob dieſes ein fittliched wäre oder ein finnliched. Wir müßten diefed aufgreifend etwa fagen, das Ers wachen zum Ermft bed Lebend erfolge von felbft, fobald wieder Stoff gegeben fei zu pflichtmäßigen Handlungen, fobald fich wie: ber eine Wirkfamkeit aufthue für..die einmohnenden ‚Tugenden. Allein hiedurch wuͤrden wir, wie mir fcheint, nur eine Verlegen: heit mit einer andern vertaufchen. - Denn zwifchen dem bloßen Borhandenfein folchen Stoffes und dem Anfang einer neuen Reihe von Handlungen ift kein unmittelbarer Zufammenhang einzufehen, Der Stoff muß doch erfi aus einem Außeren ein innered ges worden, er muß ald Wahrnehmung oder wenigftend ald Ahn⸗ Dung aufgenommen fein. Dann aber ift auch dad Erwachen jelbft ein fittlicher Moment; ed geht aus von bem Sntereffe an ber Geſammtheit der fittlichen Aufgabe, und niemand wird läugs - nen Fönnen, daß bei gleichem Worhandenfein ded Stoffes ders jenige am fruͤheſten erwachen wird, in dem daB fittliche Intereſſe am Iebendigften iſt. Aber fo wie wir hier angelommen find, ſcheint auch der Begriff, den wir beflimmen wollten, wieder ganz

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in Dunft zu zerfliegen. Denn was wollen wir entgegnen, wenn

‚einer fagt daß bei dem hoͤchſten Grade des fittlichen Intereffe ges

wiß niemand überhaupt erft einfchlafen koͤnne. Es werde ja wol

immer ein Eleinftes von fittlichem Stoff vorhanden fein, beftände

ed auch nur in Vorbereitungen und Uebungen. Ja wenn auch gar nicht3 wahrzunehmen fei, fo werde jenes lebendigſte Intereſſe doch dad Suchen nach fittlihem Stoff nicht aufgeben koͤnnen. Dieſes aber gehöre offenbar dem Wachen an, und nicht dem Schlaf; und fo werde denn eine ſolche Paufe, welche von den bloß erlaubten Handlungen ausgefuͤllt werden dürfe, gar nicht eintreten. Diefe feien alfo immer nur eine Folge fittlicher Un vollfommenheit, ein Mangel an Tugend, mithin pflichtwidrig,

weil zu bderfelben Zeit flatt finden koͤnne jened offenbar pflicht⸗

mäßige Suchen. Doch unfere Vergleichung bietet und noch einen andern Ausweg dar. Es koͤnnte nämlich, jemand fagen,

. wie bad Erwachen aud dem Schlaf auch in manchen Faͤllen

wahrhaft eine Handlung fei, wenn wir und nämlich von de Nothwendigkeit des Gefchäftes oder von einem ſtarken Entſchluß gemahnt, Thon ald wir und dem Schlafe hingaben,; vorgefut haben zu einer beflimmten Zeit zu erwachen, und dies dann auch leiften: fo fei es nun hier immer. Die Unterbrechung des pflicht⸗ mäßigen Handelns durch die Erholung fei nun größer oder Has ner, immer werde fie nur eingewilligt als in eine Unterbrechung, mithin für eine beflimmte Zeit. So fei demnach dad Berufß leben keinesweges eine Epiſode, fondern das einzige ganz in fih zufammenhängende, und das Spiel fei die Epifode im eigentlich: fien Sinne, indem auch die Ruͤkkehr von demfelben zum Pflicht leben nicht aus der Erholung felbft ald eine Wirkung berfelben bervorgehe, fondern fie gehe vielmehr auf den Anfang bderfelben zuruͤkk, und fei fchon vollkommen begründet und beſtimmt gewollt in demfelben Zeitraum pflichtmäßiger Tchätigkeit, auf welchen bie Erholung gefolgt ift, fo wie ja in jenem Falle das Erwachen auch noch dem wachenden Auftande vor dem Einſchlafen ange

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hört. Auch dieſe Darftellung der Sache: aber erflärt das Ende eined folchen Zuſtandes nur indem ed die Schwierigkeit auf dem Anfang zurüffwirft. Denn freilich, wenn eine Paufe im Berufs⸗ Leben befchloffen wird als eine folche, fo wird ihr Ende ſchon mit⸗ beſchloſſen, und daß fie dann beendigt wird, ift dem gemäß eine vollfommen fittlihe Handlung. Aber wenn es wahr iſt daß immer entweber Aufforderung zu pflichtmäßigen Handlungen vors handen ift, oder Gelegenheit dazu gefucht werben kann: wie mag benn ein Beichluß, diefe Bahn auch nur auf eine kurze Zeit ganz zu verlaffen, jemald ohne Pflichtwidrigkeit zu Stande fommen? Und bier eben fcheint uns die Aehnlichkeit mit jenem andern Ges biete. ganz zu verlaffen. Das natürliche Erwachen freilich ift nicht nur dann, wenn ed für einen beflimmten Zeitpunkt gewollt wors den ift, wirkliche That, fondern es muß auch in jedem Sale, wenn dad thätige Leben wieder beginnen fol, erft durch Beſin⸗ nung auf den Gefammtzuftand That geworben fein. Ganz ein anderes aber iſt es mit dem Einfchlafen. Died ift- niemald freie Handlung, fondern immer nur eine Natumothwendigkeit, alfo für dad geiflige Lebensgebiet nicht eine That, fondern nur eine Be gebenheit. Wir wehren und dagegen oft, fo lange wir nur ir⸗ gend Eönnen, und bezeugen eben badurch, daß fo lange wir noch

im Stande find zu wollen, wir auch die fittliche Thaͤtigkeit fort⸗ fezen wollen und nichts anderes; und eben fo ift es mit der Zeit,

bie wir der Ernährung widmen. Denn wenn wir und vielleicht \ in der Regel gegen Hunger und Schlaf nicht bis auf den lezten Augenblif wehren, und fomit auch das Einfchlafen freiwillig zu fein fcheint: fo kommt Died theild daher, weil, wenn wir ben

Kampf zu lange fortfegen wollten, der Preis beffelben immer ſchon

früher verloren gehn würde, indem bei zu großer Anfpannung

der Kräfte nichtd mehr gefördert wird; theild verbindet fich mit

biefer Erfahrung die andere, wie viel heilfamer es iſt, wenn auch

biefe unabmweisbaren Forderungen der Natur in eine beflimmte . Ordnung gebracht werden. Was alfo hierbei als freiwillig er- o

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ſcheint, das ruht doch ganz auf der Naturnothwendigkeit, und iſt nur eine Mobdification derfelben. Das Uebergehen aus bem Pflichtleben in bie Erholung hingegen iſt immer und urfprüng- lich freiwillig. Es giebt dafür gar Feine Naturnothwendigkeit, und man kann niemals fagen, daß die Erholung fo beflimmt al Beduͤrfniß indicirt fei, wie ber Schlaf und die Ernährung & find. Zumal einige firenge aber erfahrene Leute kommen und fagen, daß fchon die Abwechslung in pflichtmäßigen Handlungen ein hinreichendes Mittel fei zur Wiederherftellung der pfpchifchen Naturkräfte. Freiwillig alfo, und ohne dag eine hemmende Ras turnothwendigkeit einträte, müffen wir die pflichtmäßige Thaͤtig⸗ Feit, fei es auch nur für eine Zeit lang, aufgeben; und es fragt fih, ob Died auf eine pflichtmäßige Weife gefchehen, ob ein folcher Entſchluß aus dem fittlichen Intereſſe felbft hervorgehen koͤnne. Es fei mir erlaubt, hier zu bemerken, daß meine neulich in der Akademie vorgelefene Abhandlung *) Ueber Platond Anficht von der richtigen Ausübung der Heilkunſt, denfelben Gegenftand im Auge hat, und genau genommen, wiewol e& nicht auögefprochen wird, nichts anderes ift ald von einem einzelnen Falle ausgehend eine cäfuiftifche Behandlung Diefer Frage. Die Krankheit, welche einen beflimmten Verlauf hat, ift dem Schlaf zu vergleichen ober dem Hunger. Die Naturnothwendigkeit das pflichtmäßige Han bein einzuftellen würde eintreten, follte es auch größtentheild um etwas fpäter geichehen, als der Arzt den Kranken in feine Bes handlung nimmt; und fobald die Möglichkeit des Berufslebens wiedergegeben ift, hört auch die Unterbrechung auf. Wer hingen gen auch die Kränklichkeit auf folche Weife behandeln laͤßt, baß er fein Berufsleben unterbricht, nicht um einer fichern Heilung ‚willen, die in beſtimmter Zeit erfolgen müßte, fondem nur um einer immer wieder zu erneuernden Linderung willen, ber macht

*) Die Akademie hat dem Verfaſſer in Bezug auf diefe Abhandlung ben Wunfc gewährt, fie nicht im ihre Denkſchriften aufzunehmen.

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‚einen eben folchen Anfpruch auf Erholung denn was ift Lin- derung anders? der nie Tann fittlich gerechtfertigt werben; und Platons Meinung geht dahin, dag man nicht folle die pflicht> mäßige Thätigkeit als die eigentliche Lebensbeſtimmung jenem Anfpruch aufopfern, und nie eined bloß erlaubten willen dad Gebiet des pflichtmäßigen in immer engeren Grenzen einfchliegen, - fo lange e8 noch möglich ift ed in weiterem Umfange zu erfüls 10 len. Denn daß ein folgyer Gehorſam gegen ben Arzt, wie ſehr diefer auch fonft dad Necht habe über die Franken zu herrichen, Doch immer nur etwas erlaubtes fei, dad wirb jedem einleuchten, Man Tann die platonifche Widerfezlichkeit rauh finden und eigens finnig, aber pflichtwidrig wird fie Doch niemand nennen wollen, es müßte denn einer gar feine andere Pflicht gelten laſſen wollen als die der Selbfterhaltung, und dieſe in dem weiteften Sinne. Iſt nun aber: der Ungehorfam nicht. pflichtwidrig: fo Tann auch der Gehorfam nicht pflichtmäßig fein, fondern nur etwas zwifchen beiden. ‚Und der dortige Eifer gegen die Weichlichkeit, mit wels cher wir in folche Erholungdfuren eingehen, geht zugleich auf alle Weichlichkeit, mit, welcher wir dem erlaubten einen freien Spielraum vergönnenz; und den Aerzten find in jener Beziehung alle Diejenigen zuzugefellen, welche der Erholung dienen, und ſich und einander abwechfelnd zuzufchieben fuchen, jeder mit dem- Ans ſpruch, daß wir nun auch um feinetwillen unferm Berufsleben einige Zeit entziehen möchten, deren Verwendung in bad was er und Darbietet, und fchon. irgendwie zu Gute kommen werbe in ber Zukunft. Wenn man nun bedenkt, wie ed in unferm heuti⸗ gen Leben eine große keinesweges zu uͤberſehende Klaſſe giebt, ‚für welche fi in immer nicht unbebeutender Zeit des Jahres dad, was feinem Gehalte nach nur Erholung fein kann, fo zus fammendrängt, daß zwifchen Vorbereitung und Genuß und neue Vorbereitung faum ein weniged von folcher Thaͤtigkeit, die wirt: lich von fitilichen Impulfen ausgeht, gleichfam ald Erholung von Erholungen eingefchoben werben kann: fo wird auch jener Eifer

430 _ minder barokk und unphilofophifch erfcheinen ,- weil er gegen eine Marime gerichtet ift, welche, indem fie allen Ernft des Lebens bedroht, zugleich auch wenn fie Erfolg hätte, aller Philofophie ein Ende machen würbe. Darum lobe ich mir für Diefen Gegen ftand einen berühmten Ethiker, wenn ich auch über anderweitige Anwendungen feiner Formel nicht überall mit ihm einig werden dürfte, welcher mancherlei Anfprüdhe, die in fein Syſtem von Pflichten nicht hinein gehen, damit abweifet, ed fei alles derglei⸗ chen, wozu man Feine Zeit haben müffe; eine Formel, die auch ſchon in jener platonifchen Diatribe vorkommt. | Und in der That, ohne mich auf die Frage einlaffen zu wollen, ob alled nicht an fich pflichtmägige auf dieſe Weiſe ab gewiefen werden kann, fcheint es nicht fchwer bie Formel fp zu u entwiffeln und zu begründen, daß dadurch wenigſtens auf mitte: bare Weife die ganze Zeit, welche unfer Begriff fich angemaft hatte, wieder für die Pflicht und den Beruf gewonnen wir. Denn wenn wir aud zugeben, ed müßten aus irgend einem Grunde Paufen in dem Berufsleben eintreten, auch außer denen welche durch bie Nothwendigkeit des Schlafed und der Ernaͤh⸗ sung erzwungen werden: muß Deshalb die Zeit durch irgend ds was auögefüllt werden, was mit dem fittlichen Intereffe in gar feiner Verbindung fteht? Mas ich eben beiläufig ald einen ziem⸗ lich unbeflimmten und eben deshalb auch unfichern Ausſpruch ber Erfahrung angeführt habe, daß fchon Abwechfelung mit verichie denartigen pflichtmäßigen Handlungen eine Erholung gewaͤhre, das läßt fich allgemeiner auf einen größern Gegenjaz zuruͤkkfuͤh⸗ ren, nämlich auf den zwifchen der Betrachtung und der Außen Thätigkeit, fo nämlich, daß denen, welche aus“ der Betrachtung ihr eigentliches Gefchäft machen, fchon jede nach außen gehende Thaͤtigkeit, auch folche, Die Berufdarbeit ift für andere, Erholung gewähre, und eben fo diejenigen, welche durch ihren Beruf an eine äußere Thaͤtigkeit gewiefen find, ſich ſchon in ber Betrach⸗ fung erholen. Jene alle vürkten wur in beftinimten: Bwifchen

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räumen bie Vertreter von biefen werben, um einer andern außer halb des fittlihen Gebietes liegenden Erholung nicht weiter zu bedürfen, Für die lezteren aber giebt es ein Gebiet der Betrachs tung, auf welchem fie jich ergehen Tönnen, ohne den Zufammens bang mit ber pflichtmäßigen Tchätigkeit aufzugeben. Wenn ich aus der Abhantlung über den Pflichtbegriff zurüffrufe, wie jede

einzelne fittliche Willensbeſtimmung ein Product ift von der alle

gemeinen fittlichen Richtung bed Willens in eine beflimmte dus Bere Aufforderung, wird nicht daraus folgen dag alle Unvoll⸗ fommenheit in der Pflichterfillung theild auf einer ſchwachen Wirkſamkeit des fittlichen Impulſes beruhe, theild auf einem Mans

gel an, Fertigkeit die einzelnen Aufforderungen wahrzunehmen? -

Nun aber giebt e8 Betrachtungen welche den fittlichen Antrieben

einen neuen Zufluß zuführen, und auch ſolche welche die Auf⸗ merkfamkeit auf den fittlichen Gehalt und die fittlichen Beduͤrf⸗

niffe unfered Lebenskreiſes zu fchärfen geeignet find. Wer alfo

mit folchen die geforderte Paufe ausfüllt, der wird keines Ueber⸗

ganges zu folchen Handlungen bedürfen, zu welchen fich Feine

fittlichen Motive nachweiſen laffen; denn zur Theilnahme an’ fol hen Betrachtungen findet jeder dad Motiv in dem Bewußtfein der Unvolfommenheit feiner Pflichterfülung. Ja man Eönnte

fagen, fole es überhaupt einen hinreichenben Grund geben zu 1

ſolchen Paufen: fo koͤnne es nur der fein, daß in einem länge:

ren. oder Türzeren Zeitverlauf dieſes Bewußtſein fo mächtig würde,

daß die Aufforderung, fich zu fittlich flärkenden und belehrenden

Betrachtungen: hinzumwenden, alle anderen Aufforderungen übers

wiegt. Sei nun aber diefe befriedigt: fo trete auch unmittelbar der gewöhnliche Verlauf der Berufsthätigkeit wieder ein. Hier find wir alfo bei einer rigoriftifchen Theorie angekommen, welche

für alle ſolche Zwifchenräume Feinen andern Inhalt geftattet ald

die fittliche Betrachtung, und deshalb alled was fi) unter dem Vorwande ber Erholung ald erlaubtes eingefchlichen hatte, wenn auch die Form nicht gleich zerfchlagen werben kann, bad in einen

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folhen Inhalt umlenkt. Und da nun bie aus der Betrachtung bervorgehende fittliche Belebung und Reinigung unläugbar eine Vervollkommnung und aljo ein heil der fittlichen Aufgabe if: fo kann jedem, der im Begriff wäre fich dem fogenannten eu laubten hinzugeben, gezeigt werden daß es in dieſem Augenblikk auch für ihm noch einen heil der fittlichen Aufgabe zu realifiren gäbe, und jeder wäre ohne alle Entſchuldigung, wenn er nicht umlenkte. Auch bat wol jeder diefen Anzeiger immer in fich ſelbſt. Denn wer müßte nicht, fo oft ihm die Aufforderungen zu pflichts mäßigen Handlungen nicht mehr in Fülle zuffrömen, fich felbfl einer fichtbaren Abflumpfung zeihen, welche ihm eine neue Be lebung nothwendig macht. Mithin giebt ed Feinen anderen Wed; fel ald diefen, und die Formel, daß wir zu nichts Zeit haben follen, was nicht pflichtmäßig fondern nur erlaubt, nicht fittlic

. nothwendig fondern nur fittlich möglich fein will, dafür aber auch nur von finnlichen oder wie man auch gelagt bat pathole giſchen Motiven audgeht, erfcheint vollkommen gerechtfertigt. Vor ausgeſezt alfo, das fei die richtige Worftelung von erlaubten Handlungen, von der wir gleich anfänglid) audgegangen find: fo würde unfere Unterfuchung dahin enden, dag man immerhin zugeben koͤnne, diefe Handlungen feien ihrem Inhalte nach nicht

pflichtwidrig, und in fofern alfo an fich betrachtet fittlich mögs lich, voie ja auch das erlaubte gewöhnlich erklärt wird; aber dies fei eine Möglichkeit von jener untergeordneten Art, welche nie realifirt werden Tann. Denn folche Handlungen vollziehen wollen fei immer pflichtwidrig, weil ein beflimmter Wille in einem Augenblikk anders ald aus fittlichen Motiven zu handeln nothwendig voran gehen muß.

13 Menn nun auf ber einen Seite gegen bie At, wie und dieſes Ergebnig entflanden ift, ſchwerlich viel einzumenden fein möchte: fo wird auf der andern Seite doch auch nicht leicht je mand das flarre und verfteinernde darin verfennen, wodurch fih überall bie fittlichen Geftaltungen ousgichnen, bie von dem iſo⸗

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lirten Pflichtbegriff aus gebildet find. Nun hängt aber die ganze biöherige Auseinanderfezung von unferer früheren Behandlung des Hflichtbegriffes ab, und zugleich beruht fie auf dem ftrengen Une ?erfchiebe zwifchen rein fittlichen Motiven und finnlichen oder pa- thologifchen; ed kaͤme alfo zunachit auf einen Verfuch an, ob nicht, wo dieſer nicht auf diefelbe Weile anerkannt und jener Bes griff anders gefaßt wird, ein mildered und anfprechenderes Er: gebniß hervortritt; und man Fünnte die Frage aufmwerfen, ob es nicht, flatt den Begriff des erlaubten aufzugeben, richtiger fein möchte, jenen Unterfchied etwas minder fcharf zu faffen und ven Begriff der Pflicht irgendwie auf einen engeren Raum zu be fchränten. Der Verſuch wird wol nicht anders ausfallen als fo. Wenn wir jene Unterfcheidung bei Seite flellen, auf welcher der firengere Pflichtbegriff beruht, und vorzüglich) zugeben, auch was wir nur von finnlihen Bewegungen aus erfireben, gehöre mit zur Volftändigkeit des Lebens: fo wird doch auch auf diefem Standpunct jeder der nur überhaupt der Idee der Sittlichkeit eine Wahrheit beilegt, doch damit einverflanden fein, daß der Zu: ftand der vollfommenften fittlichen Selbfibejahung auch das höchfte Bewußtiein und der höchfte Lebenszuftand fei. Soll nun zugleich noch ein Unterfchied zwifchen innerlich gebotenem und lediglich erlaubten beftehen: fo folgt auch nothwendig, daß jener höchfte Zuftand nur durch die erfte Tchätigkeit herbeigeführt wird, durch die andere aber nicht. Wie fol fich einer aber freiwillig dazu verftehen, und nicht fich felbft Unrecht thun, wenn er ed thäte aus jenem höchften Zuſtand in einen niebrigeren überzugehen? zumal und dad niedrigere doch fchon von der Natur aufgedrun: gen wird, und dann unfere erfte Sorge ift, ed fo viel möglich zu veredeln! Wenn fich alfo nun diefe, bie mehr den Stand: punkt der Lebensweisheit fefthalten, mit jenen flvengeren bloß ra- tionellen Sittenlehrem vereinigen, und nun noch eine dritte Klaffe hinzukommt und baffelbige fagt, nämlich die firengeren Anhänger einer fupernaturaliftiihen aſcetiſchen Froͤmmigkeit, als welche ſich Schleierm. W. III. 2. Er

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auch nur durch die Naturnothwendigkeit überwältigt auf dem Gebiet der Natur bewegen wollen, fonft aber, um mich ihres 1s Ausdrukks zu bedienen, nur dad für unfündlich erkennen, nicht etwa was der Gottandächtigfeit nur nicht wiberforicht, fonbern nur dad wad ihr unmittelbar angehört und von ihr ausgeht: welch ein gefährliches Buͤndniß gegen unfern Begriff von mehre ren, welche font felten Eind find! und doch wie natürlich muß

e8 und erfcheinen, wenn wir nur noch Eine Betrachtung bazu |

nehmen. Denn jene rein rationellen Moraliften, denen bie Pflicht allein das fchlechthin heilige iſt, unterfcheiden fi) zwar von ben andern beiden wefentlich dadurch daß fie fich niemals in bem einer? Augenbliff durch die Beziehung auf den andern beftim men; dafür aber haben fie an dem fich immer gleich bleibenden Gebot einen Beziehungspuntt, von dem fie fich niemals koͤnnen entfernen wollen, fo lange fie nicht dad Gebot etwa in ein Ber bot verwandeln. Die andern beiden, bie es weniger fcheuen auf einen Fünftigen Moment Rüfkficht zu nehmen, werden jeder auf feine Weife fagen ich will ed aber nur in einer Sprachweiſe

- auöbrüffen Wenn wir auch über den kritiſchen Augenblikk

einer freiwilligen vorübergehenden Entfagung auf das hoͤchſte

binweggehen,, fo treten doc immer hernach Momente des hoͤch⸗

ſten rein ſittlichen Bewußtſeins ein, wo dieſes ſich im feiner rich⸗

tenden Form auf bie ganze Vergangenheit wendet, mit einge

ſchloſſen diefe Zuflände der Unterbrechung des fittlichen Lebens. Ein folches wieberaufnehmended Bewußſein wirb aber in allen zweifelhaften Fällen die Ergänzung oder Berichtigung des un- mittelbaren. Wird nun alddann die Vergangenheit um jener Un terbrechungen willen gemißbilligt, weil ſich, nun ein größerer Zus fammenhang vorliegt, das fittliche zeigt, was in jener Stelle hätte gefchehen follen: fo war es auch damals nur ein unvol: fländiged Bewußtſein, vermöge deſſen fie und ald erlaubt erſchie⸗ ‚nen, fondern fie follten und als pflichtwidrig erfchienen fein. Ber ringert fich aber die Billigung auch alddann nicht, erfcheinen viel

435

mehr jene damald nur ald erlaubt unternommene Handlungen als wirffam in dem fittlichen Zufammenhange des Lebens: fo war doch das frühere Bewußtſein ebenfalls unvolfländig; benn wir follten fie nicht nur für erlaubt, fondern für pflichtmäßig ers kannt haben. Sonach würde alfo, fobalb wir nicht eine unbes flimmte Allgemeinheit im Auge haben, fondern von einer bes flimmten Handlung die Rebe ift, die in beftimmter Zeit vollzogen werben fol ober unterbleiben, das dritte zwifchen dem pflichtmä- igen und pflichtwidrigen, welches unfer Beweis aufftellen will, auf jeden Fall auögefchloffen.

Und wie geftaltet fi) die Sache, wenn wir auf dad Ver: 15 haͤltniß unfered problematifchen Begriffes zu dem andern für und außer allem Zweifel geftellten, nämlich zu dem Begriff der Zus gend fehen wollen. Schon bei der Tugend im allgemeinen, noch mehr aber wenn wir und die Tugenden vereinzeln wollen, müfs fen wir auf zweierlei achten, auf bie Stärke und Tuͤchtigkeit der beflimmten Zhätigkeisform, und auf die Unfehlbarkeit und Aus⸗ fchlieglichkeit ihres Zufammenhanges mit einem fittlichen Antriebe, Mag immerhin der Begriff feiner materiellen Seite nach einer unendlichen Theilbarkeit fähig fein; alle Fertigkeiten find doch nur in fofern Tugenden, als fie nur durch einen fittlichen Ans trieb in Bewegung gelegt werden. Wenn nun bie erlaubten Handlungen nur durch ſolche Thätigkeitsformen verrichtet würs den, welche unfähig find dem fittlichen Antriebe zu folgen: fo wäre es nicht möglich, dag fie nicht follten dem fittlichen Ins tereffe widerftreiten, und alfo pflichtwidrig fein. Wenn nun aber Thätigkeitöformen, die ihrer Natur nach dem fittlichen Antriebe dienen koͤnnen, und alfo auch häufig für ihn in Anfpruch genom⸗ men werden, in den erlaubten Handlungen einem finnlichen Im⸗ pulfe dienen: wie follte es möglich fein, daß dadurch nicht ber Zufammenhang diefer Zertigkeiten mit dem fittlichen Antriebe, mithin auch ihr Zugendgehalt geſchwaͤcht würbe? Betrachten wir nun von bier aus ben ganzen Umfang des fogenannten Erho⸗

Er?

4.36

Iungslebens : fo finden wir darin eine große Mannigfaltigkeit an: muthiger und gierlicher Sertigkeiten gefhäftig, die wir nicht ge abe Tugenden nennen, aber nahe verwandt finden wir fie ben Tugenden, und müffen faft von ihnen allen rühmen, daß durch fie auch die pflichtmägigen Handlungen, in denen fich Die eigent lichen Tugenden zeigen, erft ihre hoͤchſte Vollkommenheit erlan⸗ gen. Iſt nun biefes nicht zu läugnen, wenn wir an die Meifter fhaft in der Sprache, an die Anmuth in den Bewegungen, an das fchöne Maag in allen Aeußerungen und an fo vieled andere denken: fo werben wir doch auch geftehen müffen, dag diefe Eis genfchaften, wenn fie ſich an ben pflichtmäßigen Handlungen fin den, dann auch Zugenden find, wenn auch nur untergeordnefe, weil fie bier nur durch ben fittlichen Antrieb in Bewegung geſezt

werben, welcher der Haupthandlung zum Grunde liegt. Kom |

men fie aber vor in dem freien Spiel des gefelligen Verkehr: dann freilich find fie Feine Zugenden, weil der Zufammenhang mit dem fittlichen Antriebe fehlt. Wie foll aber das beides neben einander bergehen, ohne baß eines bem andern fehadet? Je we 16 niger der Lauf des Berufslebend unterbrochen worden, um beflo fchwieriger wird ed dann werben, in biefen feltenen Fällen jene Fertigkeiten, die ganz in den Ernſt des Lebens hineingezogen find, für die wenn auch unfchuldigen finnlichen Antriebe in Gang zu bringen. Se mehr Raum dad Erholungsleben einnimmt, um deſto mehr muß ber Zufammenhang folcher Fertigkeiten mit den fittli: chen Antrieben gefchwächt. werden, und alfo hier die Tugend all: mählich verloren gehen. Daher ift auch hier das Enbdergebniß baffelbige. Wir dürfen e8 nie billigen, dag unfere wohlerworbe nen Fertigkeiten bald. einem fittlichen Antriebe ‚dienen und bald einem finnlichen. Wie unfchuldig auch ber leztere fein möge, das finnlich begonnene kann doc nur fittenverberblic) wirken; wenn alfo alled was zur Tugend gehört, in wahrem Fortſchrei⸗ ten bleiben fol: fo muͤſſen die Handlungen, die wir geneigt find als erlaubte zu dulden, aanı aus bem Leben verbannt werben,

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437 .

ed müßte denn fein dag auch fie in der That von fittlichen An. trieben ausgehen.

Sonach iſt nur noch uͤbrig, daß wir dieſe Handlungen in Beziehung ſezen mit dem dritten Begriff, naͤmlich dem der Guͤter und Uebel. Hier aber koͤnnen wir nicht mehr ganz ſo verfahren wie bisher; denn wir haben es nicht mit den einzelnen Handlun⸗ gen ſelbſt zu thun, ſondern mit dem was aus der Geſammtheit gleichartiger Handlungen hervorgeht. Und hier muß ſich alſo zeigen, ob, wenn wir auf dieſe Weiſe jede Art von erlaubten Handlungen fuͤr ſich betrachten, man ſagen kann, daß ſie, im allgemeinen und nur ihrem Inhalte nach angeſehen, in der Mitte ſtehen zwiſchen dem ſittlichen und unſittlichen. So wird es ſich naͤmlich verhalten, wenn dasjenige, was ſich aus ihnen als ein Ganzes geſtaltet, weder ein Gut iſt noch ein Uebel. Sollte aber dieſes nothwendig entweder ein Gut ſein oder ein Uebel: dann gewiß find auch die Handlungen, woraus dieſes hervorgeht, in dem einen Zalle fittlih, in dem andern unfittlih. Nun ift ges wiß, daß ohne die Gewohnheit des Spazierengehens: Feine fchöne Sartenkunft vorhanden wäre, daß ohne die Neigung Muſik in Maſſe zu hören, unfere großen Gattungen tomkünftlerifcher Pros duction nicht beftänden, und eben fo wenig die Dramatifche Kunft, wenn ſich niemand an ihren Darftelungen ergözte*). Könnten ı7 wir nun wohl diefe und andere ähnliche fo große gemeinfchaftliche

*) Sollte jemand einwenben, man Tönne body eigentlich nicht fagen, daß diefe Künfte aus den angegebenen Handlungen, im ganzen betrachtet, entftünden: fo bemerkte ich dagegen, daß doch offenbar Muſik hervors bringen und Mufit aufnehmen und fo auch das übrige beides zufams mengehört, ja weſentlich daffelbige ift, und fi) nur verhält wie Spon⸗

taneitaͤt und Receptivität, und dag daher alle feftlichen Verſammlungen diefer Art angefehen werben koͤnnen als ein aus Einem Impuls hervor⸗ gehendes Ganze, das nur aus in bem angegebenen Verhaͤltniß ungleich- artigen heilen befteht, in welchem einigen ihrer Befchaffenheit gemäß obliegt probuctiv heevorzutreten, ben anderen das bargebotene aufzus faffen und im fich lebendig zu erhalten.

438

Werke ganz aus dem fittlichen Gebiete verweifen und für ſittlich gleichgültig erklären wollen? ober werben wir nicht immer fagen müffen, entweder es fei eine Unvollfommenheit wenn fie in einem Volke ganz fehlen, und dann find fie ein Gut, oder es fei ein Verderben wenn fie in einem Volke auch nur irgenbwie vorhan⸗ den find, und dann find fie ein Uebel, Sonach muß aber aud in dem einen Falle fittlih, und alfo irgendwann pflichtmäßig fein, fie machen zu helfen, und in dem andern unfittlich und auf alle Weiſe pflichtwidrig, fie nicht nad) allen Kräften zu bins dern und zu flören. Oder um noch ein anderes Beilpiel ans zuführen es könnte jemand fagen, die Thaͤtigkeit der Gedan⸗ Tenerzeugung fei nur rein fittlich, wenn fie abſichtlich auf etwas beſtimmtes gerichtet entweder dad gefchäftige Leben begleitet und dieſem angehört, ober fich auf dem Gebiet der Wiffenfchaft an der Leitung einer firengen Methode entwikkelt; aber Einfälle nicht fowol zu haben, denn das könnte als unwillkuͤhrlich nicht ganz hieher gehören, aber doch fie auszubilden und mitzutheilen, diefed koͤnne doch nicht jenem gleichgeftellt werben, ſondern höd- fiend als etwas erlaubte durchgehen. Ich aber entgegne, baf wie durch jenes das Geſchaͤftsleben und bie Wiffenfchaft gemacht wird, fo durch dieſes das freie gefellige Gefpräch in feinen ver fchiedenen reizenden Formen; und ich koͤnnte nicht abfehen, warum dieſes weniger ald jene follte entweder ein Gut fein ober ein Uebel. Ich trage daher Fein Bedenken, hierauf geftüzt den Aus: fpruch zu thun, dag fo große und bedeutende Gebiete ber menſch⸗ lichen Gefammthätigfeit keinesweges dürfen der fittlichen Beurtheis lung entzogen werden; und ich glaube, es wird fehwer fein, ir gend eine Thätigkeitöform, bie man gern als erlaubt möchte gel: ten laſſen, aufzufinden, welche im großen betrachtet nicht einem folchen gemeinfamen Werke angehörte, Wie wir alfo auf ber einen Seite fagen müflen, jede freie Handlung eines fittlichen Weſens muß entweder pflichtmäßig fein oder pflichtwidrig, und alle Fertigfeiten, welche in pflichtmäßigen Handlungen verwendet

439

werben koͤnnen, dürfen niemals einem wenn auch noch fo uns Mr fhuldigen doch bloß finnlichen Antriebe folgen: fo auch alles, was aud freien Handlungen gleicher Art zuſammenwaͤchſt, muß entweber ein Gut fein oder ein Uebel. Sonach würde der Be⸗ griff des erlaubten aufgehoben, und fein Inhalt müßte wie, bad lafjen wir dahin geflellt fein unter die beiden Glieber bed Gegenfazes, zwifchen denen ed fonach Fein Dritte gäbe, ver theilt werben.

Nachdem fi) nun von allen Seiten her gleichmäßig baffelbe ergeben hat, kann wol bie oft wiederholte Klage, das ſei eben die Krankheit der Theorie, ihren Gegenfland fo auf die Spize zu fielen, daß fie fich felbft dadurch alles Einfluſſes auf die Aus⸗ übung beraube, nicht weiter gehört werden; benn hier möchte fchwerlich eine Wahl fein. Wenn wir eim fittlich gleichgültiges zwäfchen einfchieben zwiſchen Gebot und Verbot, und alfo durch) bie Theorie felbft der Willkuͤhr und dem einzelnen ja augenblift- lichen Gutbünten einen Spielraum geftatten, was ber Theorie mehr als alles anbere entgegen ifl: fo geht diefer Einfluß eben: falls verloren; aber es möchten überbieß von der eigentlich fitt: lichen Theorie Faum noch unzufammenhängende Bruchſtuͤkke übrig: bleiben, und fehr bald alles, was Pflicht auch im fittlichen Sinne fein fol, auf dad Gebiet des äußern Geſezes befchränkt werben.

Nur das find wir freilich fchuldig zu erflären, wie doch bie: fer Begriff, wenn er fo ganz unftatthaft ift, entftanden fei und fich fo weit verbreitet habe. Dies hat aber auch Feine Schwie: rigkeit, vielmehr führt fchon das eben gefagte unmittelbar darauf. Das ift nämlich wol Bar, dag der urfprüngliche Siz diefed Be griffes nicht dad Gebiet der Sittlichteit fein Fann, auf welchem er eben gar nicht flatthaft iſt. Er-gehört aber in dad Gebiet des pofitiven Rechtes und Gefezed; und im bürgerlichen Leben giebt ed urfprünglich in eben diefem Sinne ein erlaubtes, daß es nämlich in ber Mitte ſteht zwifchen dem gefezlichen und dem gefegwidrigen, ald basjenige offenbar, was dad Gefez gar nicht .

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zu feinem Gegenftande gemacht hat. Denn in dem vorbürges lichen Zuftand, wo es fein äußerlich gebotened und verbotene: giebt, giebt es eigentlich auch Fein erlaubtes, und nur wir von dem gefezlichen Zuflande aus werfen die Frage auf, ob dort alles erlaubt fei. Aber ed giebt eben deshalb auch auf jener Stufe wenig individuelle Entwilfiung des Willens, fonden nur eine gleichförmige Art und Weile. Mit dem Anfang des bürgerlichen Buftandes fezt das Gefez fich ſelbſt ald Gebot und Verbot, und zugleich. erwacht im Gegenfaz der indivipuelle Wille; beides von 10 einem Bleinften beginnend in fortfchreitender Entwikklung. In demjelben Maag aber entwikkelt fi) auch dem Gefez gegenüber der Wille des einzelnen und bemächtigt fich des freigelaffenen Zhätigkeitöftoffes, und das ift dad Gebiet bed erlaubten. Zwar unterfcheidet fchon der Autor ad Herenn. *) erlaubende Gefge von nöthigenden Gefezen, und auch bei Gicero **) kommt bafjelbe vor, und hernach eben fo bei ſpaͤteren zömifchen NRechtölehrern ***); und wahrfcheinlich ift die Quelle diefer Vorftelung fchon grie chiſch; allein es ift wol nicht zu bezweifeln, daß Erlaubnißgefee im römifchen Staate fich immer nur auf frühere Verbote bezogen als Aufhebung oder als theilweife Begrenzung derfelben, und dies gilt auch von denen Erlaubnißgefezen, welche Kant verfucht hat geltend zu machen. in bürgerliche Erlaubnißgefez ohne eine folche frühere Beziehung läßt fi) nur denken in dem Falle, wenn fich für die Bürger eine biöher noch gar nicht vorgekom⸗ mene Thaͤtigkeit aufthäte. Aber auch dann wäre eine von der böchften Gewalt auögehende Erlaubnig doch immer ein Beweis, daß fie an diefer Thaͤtigkeit Intereffe nimmt, und wäre für eine Aufforderung oder Auctorifation zu achten. Man kann daher ge

”) 1,10. utrum leges ita dissentiant, ut altera cogat.altera per- mittat.

“) De Invent. I, 49. utra lex iubeat aliquid,_utra permittat.

***) Legis virtus est imperare, vetare, ‚pormittere, punire. Modestin, L. 7 D, de legib. I, 3.

441 nau genommen Feineöweges fagen, baß in einem Staate ba& Ges fez eigentlich eine erlaubende Macht, folglich in demfelben nichts erlaubt fei, als was vermöge eines Geſezes erlaubt iſt. Vielmehr werben in dem gemöhnlichen Leben des Staate bie Gefezhüter nie in ben Fall kommen zu fragen, wer bat bir das erlaubt? audgenommen ba wo ein Verbot befteht, unter welches die Hands lungen hätten fubfumirt werben follen, fo daß bie befländige Be ziehung bed erlaubten. auf das verbotene wol nicht bezweifelt werden kann. Nur Barbeyrac*) geht von einer andern allge meinen Vorausfezung aus, ald ob der Gefezgeber genau genom⸗ men über alle Handlungen feiner angehörigen zu biöponiren habe, und alfo in der That nichts anders erlaubt fei als durch ihn. Allein dies ift nur für einen folchen Zuſtand richtig, in welchem die Obrigkeit im eigentlichiten Sinne eine väterliche Gewalt aus⸗ übt, und alfo eine gänzliche Unmünbdigfeit ber Unterthanen vors ausgeſezt wird. Wie aber in einem folchen Zuftande allerdings 20 der Gegenſaz zwilchen dem erlaubten auf der einen Seite und dem gebotenen und verbotenen auf ber ‘andern faft verfchwindet: fo auch jener andere, daß der freie Mille des einzelnen fich fort entwikkelnd einzelne vollbringt, das Gefez hingegen in allgemei- nen Acten die Stabilität vepräfentirt, d. h. es ift ein Zuſtand ber als gefezlicher erft ein Fleinfter if. Wo aber dad bürgerliche Leben ſchon auf einer höheren Stufe flieht, da nimmt der freie Mille der einzelnen immer mehr Material ald erlaubt in Beſiz und ruft es auch hervor, und aus biefem erſt beflimmt dann, wenn die gemeine Sache es erfordert, dad Gefez wiederum einis ges als gefezmäßig und geboten, und andered ald verboten und gefezwidrig. Und fo iſt es natürlich immer ein fehr gutes Zei⸗ chen für einen Staat, wenn fich in demfelben eine recht große Mannigfaltigkeit von erlaubten Handlungen, ald die Hauptmaffe der gemeinfamen Thaͤtigkeit, geflaltet. Es iſt dad Zeichen von

v% In ber Ueberfegung bed Grotius 8. 1, S. 49, Note 5.

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einer erfolgreichen Regſamkeit, und zugleich von einer dem Ge meinwohl fo zufagenden Richtung berfelben, daß Die Gefezgebung nicht nöthig findet die Aeußerungen des freien Willens der ein zelnen durch Werbote zu hemmen oder ihnen durch Gebote ein Gegengewicht zu geben. Hier alfo iſt der eigentliche Siz bed er⸗ laubten, und jede Handlung wird fo genannt, welche, wenn fie aus dem freien Willen der einzelnen entipringt, aus dem Geſez nicht kann angefochten werben. Auf dieſem Verhältnig alfo, daß ein handelnder Wille da fei und ein Geſez außer dem Willen, ruht der Begriff weſentlich; und je mehr dem freien Willen ber einzelnen in dieſem Verhaͤltniß überlaffer ift, um beflo lieber und Träftiger unterftüzen fie auch wieder bad Geſez. In die fem vom bürgerlichen Gefez frei gelaflenen Gebiete aber geflaltet fich früher oder fpäter ohnfehlbar wieder ein anderes feſtſtehendes, nämli dad Gebiet der Sitte und der, Öffentlihen Meinung. Hier finden wir alſo wieber beflimmte übereinftimmende Billigung und Mißbilligung, welche wir ausfprechen, wenn wir nach Maaf: gabe der Wichtigkeit und der Befchaffenheit des Gegenſtandes das eine anfländig ober fchifklih nennen, und dad andere mit den entgegengefezten Namen bezeichnen. Nicht ift biefe dem Gebot und Verbot ded Gefezed zu vergleichen; denn die Sitte gebietet nicht, weil fonft unterbleiben würde was fie verbietet, und um: gekehrt verbietet fie auch nicht gleich dem Gele; was fonft ge fchehen würde; fie ift nicht3 außer dem Willen der einzelnen, fons dern fie ift Die Uebereinftimmung diefer einzelnen Willen. Darum freuen wir und auch hier nicht daran, ald wäre ed eine Folge fhöner und freier Entwikklung, fondern wir achten-ed als ein Zeichen herannahenden Verfalls der Gefellichaft, wenn ed fehr viele Handlungsweiſen giebt, welche die Sitte gleichgültig über: ſieht, und über welche ſich die öffentliche Meinung nicht aus fpricht. Und fo erfcheint ed denn, weil das erlaubte dem Rechts⸗ begriff angehört, und nicht dem Pflichtbegriff, auch ganz natuͤr⸗ lich, daß wir ſchon auf dem Gebiet ber Sitte, welches auch ſchon

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außer dem bed Mechtöbegriffes liegt, keinen Wohlgefallen haben an einem folchen mitten zwifchen dem löblichen und tabelndwers then inne liegenden. Viel weniger alſo noch auf dem Gebiete des eigentlichen fittlichen Pflichtbegriffö, wo jebe Beſtimmung nichts anderes iſt als ber fich felbft fezende vollſtaͤndige Wille des einzelnen ſelbſt. Denn eher noch kann jene freie Uebereinſtim⸗ mung der einzelnen Willen unſicher erſcheinen, ſo daß wir nicht wiſſen ob wir etwas ſollen anſtaͤndig nennen oder unſchikklich, als daß dem einzelnen Willen fuͤr ſich aͤhnliches begegnen koͤnnte.

Es ſcheint daher nothwendig zu folgen, bag wenn man das fittliche Handeln fo anfieht wie bier überall voraudgefezt wird, dag nämlich die Vernunft nicht bloß abichlägt ober genehmigt, fondern urfprünglich die Handlungen bildet, alddann das erlaubte von biefem Gebiet verwiefen werben muß, fo daß Fein fittlich handelndes Subject eine Handlung zu Stande bringt unter ‘dem Titel einer erlaubten, fondern das erlaubte gehört nur dem Rechts gebiet an, aber das bort erlaubte thut der fittlich handelnde in jedem einzelnen Fall nur als die Pflicht des Augenblikks, ober unterläßt es, weil er eine andere zu thbun hat. Und nur wenn die Vernunft im fittlihen Handeln befchränkt wird auf Gewähs rung ober Verſagung bed anberwärtd her geforderten, wie dies allerdings der Fall ifl, wenn fie nur ein Gefez aufftelt, wonach fie die Tauglichkeit der Maximen beurtheilt, felbft alfo nichts thut ald Hecht fprechen; in einer folchen Sittenlehre muß bed erlaubs ten viel aufgeftelt werden. So daß die Zulaffung dieſes Bes griffes auf dem fittlichen Gebiet ein charakteriftiihes Merkmal derjenigen ethifchen Syſteme ift, welche ich die negativen genannt babe. Wer aber verlangt, es folle fich im fittlihen Menfchen alles nur ald Organ zur Intelligenz verhalten, der Tann jenen Begriff nicht zulaffen, fondern muß auch fordern, daß jede Hands lung ber Idee der Sittlichkeit widerfpreche, zu welcher der Ims puld nicht von der Intelligenz audgegangen iſt.

Dhne nun hiervon das mindeſte nachzulaffen, kann ich doch 22

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den Sprachgebrauch nicht verbammen wollen, welcher dieſen Auß

drukk nicht rein auf da8 Gebiet bed bürgerlichen Geſezes befchrän; fen will; und es iſt mir nur noch übrig, die Erweiterungen zu bezeichnen, welche ihm in Webereinftimmung mit bem biöherigen geftattet werben. Finnen. Denn zuerft können wir ja unfer gan zed Sein und Leben im Staat fo anfehen, daß wir durch eine freie Willensbeſtimmung bineintreten. Wenn diefe nicht in alten Staaten auf eine fo bezeichnende und feierliche Weiſe zur Ans fhauung gebracht wird, wie in einigen: fo ift das eher ein Feh⸗ ler zu nennen, aber die Sache ift überall diefelbe. Was nun von dieſer Willensbeflimmung gilt, daß nämlich durch diefelbe eine große Menge von Tünftigen Handlungen fhon im voraus beſtimmt find, diejenigen aber, von benen biefed nicht gefagt wer: ben Tann, eben die erlaubten find, die wir ſchlechthin fo nennen fie find es aber eigentlich nur in Bezug auf jene Willendbe: fimmung —: eben dad muß gelten von allen Willensbeflimmun gen, durch welche ein dauerndes Verhältnig angeknuͤpft wird, daß alle nicht durch fie ſchon im voraus beflimmten Handlungen in Beziehung auf fie erlaubt find, jede von ihnen iſt aber jebeömal, wenn fie vollzogen wird, bennocd für den Thaͤter nur entweder pflichtmäßig oder pflichtwidrig. Ob fie nun aber das eine ober das andere ifl, ob, nachdem der einzelne fittliche Impuld gegeben war, ber Gedanke der Handlung au an die Zotalität der ſitt⸗ lichen Aufgabe gehalten worden ift, und fich Fein Wiberfireben gefunden hat, oder ob es fich entgegengefezt verhält, das wird in den meiften Fallen nur der Thaͤter felbft wiffen, und wem er es offenbaren will. Jeder andere Tann von jeder Handlung eined anderen, welche nicht fchon durch ein ihm befanntes Verhaͤltniß des Thaͤters irgendwie müßte im voraus beflimmt worden fein, auch nur fagen daß fie von feinetwegen und für feine Kennts niß eine erlaubte ſei. Wodurch aber auch der beurtheilende, wenn er anders fich felbft recht verficht, den Thaͤter keinesweges davon frei fprechen will, daß er bei der Handlung felbft fich in

Zu 445

einem Zuſtande vollfommner fittlicher Zuſtimmung müffe befun den haben.

Und was diefem Gebrauch des Wortes den weiteflen Spiels raum eröffnet, das find die engen Grenzen, in welche dad Sich offenbaren wollen felbft eingefchloffen ift. Wir koͤnnen den Zuftand der feflen Ueberzeugung und gänzlichen Zuftimmung zu unfern Handlungen faſt nur dann in Worte faffen und mittheilen, wenn wir felbft genöthigt gewefen find mit Worten zu rechnen, wenn 23 und diefe vollkommne Sicherheit entſtanden ift durch überwundene Bebenklichkeiten, durch aufgelöfte Zweifel, durch eine wohl ab» wägende Wahl zwifchen verfchiebenen Anſpruͤchen; und dies ift vieleicht bei den meiften unferer freien Handlungen der Fall, aber diefe find dann nicht die begeiſtertſten, nicht die reinſten. Die vollkommenſte Sittlichkeit iſt nur da, wo unſere volle Ueberzeu⸗

gung ſich gleich, und ohne daß etwas anderes dazwiſchen tritt, der Handlung zuwendet und fi e geſtaltet, und ſolche ‚Handlungen find es, auf welche wir auch Tange hernach noch mit derſelben Befriedigung ſehen. Bon ſolchen Augenblikken abet, die nicht auch innerlich durch Worte vermittelt waren, durch Worte Res chenſchaft zu geben ift ung nicht verliehen; und fo muͤſſen wir oft zufrieden fein, wenn das Urtheil anderer uns dad als etwas wol erlaubtes durchgehen läßt, worin wir felbft uns der fittlichen Kraft unferes eigenthuͤmlichen Lebens auf das beſtimmteſte bewußt geworden ſind.

XII. Ueber den Begriff des hoͤchſten Gutes.

Erſte Abhandlung.

XXLXX

Geleſen am 17. Mai 1827. *)

1 E—⸗ iſt, glaube ich, keine gewagte Behauptung, daß die Sitten⸗ lehre als Wiſſenſchaft ſich in einem unerfreulichen Zuſtande be findet. Die Productivitaͤt auf dieſem Gebiet iſt aͤußerſt gering, und auch das wenige wird weniger als alles andere beachtet. Demohnerachtet kann man nicht ſagen daß fie etwa als eine dl tere MWiffenfchaft fchon fo völlig ausgebaut fei, dag aus biefem Grunde der größte Theil des wiffenfchaftlichen Beſtrebens fih anderen Regionen zuwende. Denn dann müßte fie lange Zeit hindurch auf eine gleichmäßige Weife fein "bearbeitet worden, wel ches doch keinesweges der Fall iſt. Vielmehr fcheinen die vielen und auch in der neueren Zeit fchnell auf einander folgenden Ber: änderungen zu bemweifen daß keiner von den früheren Verſuchen eine feſte Weberzeugung begründet habe; und es wäre nicht über eilt, den Schluß zu ziehen, dag wahrfcheinlich der rechte Weg noch nicht eingefchlagen fei. Die kantſche Grundlegung zur Metaphyfi der Sitten mit ihrem kategoriſchen Imperativ machte freilich ein glänzendes Gluͤkk; aber ſchon die Ausführung auf

*) Gedrukkt unter den Abhandlungen aus bem Jahre 1830.

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biefem Grunde, welche in ber Nechtölchre und Zugendlehre als die wirkliche Metaphufit der Sitten auftrat, vermochte nicht ben erften Erfolg zu unterflügen. Fichtes Syſtem der Sittenlehre ift unter allen Werken diefed audgezeichneten Denker vielleicht dad der Form nach vollendetfte; die Wirkung aber, die ed hers vorgebracht hat, ift verhältnigmäßig wol die geringfte. Laͤßt ſich nun doch keinesweges annehmen daß es im allgemeinen an In⸗ tereſſe fuͤr den Gegenſtand dieſer Wiſſenſchaft fehle; duͤrfen wir uns vielmehr wol das Zeugniß geben, daß auch in den verwor⸗ renſten Zeiten Sittlichkeit und ſittliche Gewißheit nie aufgehoͤrt haben als zu unſern wichtigſten Angelegenheiten gehoͤrig auch den Forſchungen derer empfohlen zu ſein, welche berufen ſind uͤberall auf die lezten Gruͤnde zuruͤkkzugehen: ſo kann die Schuld eines ſolchen Mißlingens nur in der wiſſenſchaftlichen Behandlung des Gegenſtandes geſucht werden; und am naͤchſten liegt dann immer die Vermuthung, daß jede Sittenlehre, welche nur in der Form von Pflichtenlehre oder Tugendlehre auftritt, ſei es in einer von beiden allein oder auch daß man beide verbindet, nur eine ge⸗ ringe Befriedigung gewaͤhren koͤnne. Wenn auch wirklich ein Syſtem von Pflichtformeln das ganze Leben umfaßt, ſo daß der Beſizer deſſelben ſich niemals rathlos finden kann oder auch nur unaufgeregt: ſo findet es doch ſeine Anwendung immer nur in ben einzelnen Faͤllen, und hält bie Aufmerkſamkeit an dieſen feſt; ein lebendiger Zufammenhang alles deſſen aber, was von bem vernünftigen Willen oder von der Gefezgebung der Vernunft aus: geht, Tommt hiebei nirgend zum Worfchein. Auch diejenige Pflich: tenlehre, wozu ich die erfien Grundlinien in einer früheren Ab: handlung aufgezeichnet habe, konnte dad was fie allerdings vor: audfezte ald die Abzwekkung aller fittlichen Handlungen, nämlich die fittliche Aufgabe in ihrem ganzen Umfang zu Iöfen, in dieſer Form nicht fo zur Darftellung bringen, daß biefer ganze Umfang ausgefuͤllt vor Augen träte; denn bie Natur jenes Begriffes lei: det ed nicht. Stellt nun gar eine Pflichtenlehre folche Formeln u

»

+‘

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auf, welche noch Colliſionen zulafien: fo erfheint die Totalitaͤt bed Lebend ganz verworren, jo daß klare fittliche Beflimmungen nur als einzelne zerſtreute Lichtpunkte auftreten, ohne auch, nur den Anfpruch) machen zu wollen, daß jened verworrene völlig koͤnne geordnet und die Verwirrung burch ein beflimmtes und umfaffended erfahren gelöft werben... Denn ed findet fich in folhen Behandlungen nirgend audgefprochen, daß wenn nur dad pflichtmäßige Handeln einmal durchgeführt wäre, alle folche Col: liſionen unmöglich geworden fein müßten. Nicht anders iſt & auch in beider Hinfiht mit der Tugendlehre. Die Tugend iſt die fittliche Vollkommenheit ded handelnden einzelnen, und wir immer nur in biefem gefunden. Der einzelne aber ift, wenn

“man von ber leeren Dichtung eines völlig ifolirten Zuſtandes

w

abftrahirt, theild nur in einem fehr engen Gebiet allein und ab: gefchloffen zu ergreifen, theild aber auch Tann man ihn inner halb dieſes Raumes doch nicht volftändig verſtehen. Fragen wir wo die Tugend fich zeigt: -fo finden wir und urfprünglich auf das Entſtehen eined Entfchluffes, auf den Moment einer Willens⸗ beſtimmung bingewiefeh. In biefer liegt zunächft alles Toben‘ würbige und verdienſtliche; verfteht fih daß ich unter Willens: beftimmung nicht nur das innere Wort verftehe, fondern daß ich bie wirkliche Bewegung, den Impuls, der fi) von da an durd den ganzen feelifchen und Teiblichen Organismus fortpflanzt, als mit darin enthalten denke. In wiefern aber nun durch dieſe Thätigfeit das in der Willensbeflimmung vorgebilbete wirklich ind Leben tritt, das fat durchaus nicht mehr in das Gebiet des handelnden, und das fittliche Merk kommt alfo in einer ſolchen Darftellung nicht and Licht. Denn die Tugend ift nicht größer,

wenn bie That vollkommen gelingt, und nicht kleiner in dem

andern Fall; indem dieſes mehr ober weniger überall von ber Mitwirkung oder Gegenwirkung anderer abhängt: Es lohnt kaum bie Einwenbung hiegegen zu widerlegen, daß doch Geduld, Be barrlichkeit u. dgl. Tugenden nicht eine neue Willensheſtimmung

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449 | ' bhervorbringen, fondern fich nur in dem Verlauf einer fchon ges faßten offenbaren. Denn es find bier nur zwei Anfichten mög» lich. Denken wir und eine Hemmung der verlaufenden Thaͤtig⸗ keit eingetreten oder vorgebildet: fo ift auch eine neue Willens« befiimmung in Beziehung auf diefelbe zu faffen, und dann erklaͤ⸗ ven fich auch diefe Tugenden auf die obige Weile, fie find bie Duelle der richtigen Willensbeftimmungen in Bezug auf eintres tende Hemmungen der fchon beftehenden fittlichen Thaͤtigkeit. Faſſen wir aber die Sache anderd, und fagen, dieſe Tugenden verhinderten eben daß. Hemmungen gar nicht einträten: fo find fie dann auch nichtd befonderes für fich, fondern nur die Stärke der jebeömaligen urfprünglichen und ‚unterbrochen fortwirkenden Willensbeflimmung. Ueber diefe alfo hinaus zum Ergebnig ber That, zum Werk, kommen wir mit der Tugend niemald. Sit aber nun diefed enge Gebiet aus fich felbft vollkommen zu vers fiehen, fo daß der handelnde einzelne volftändig verſtanden ift als folcher, wenn fein Zugendzuftand gegeben wird? Auch dies ift wol kaum zu bejahen. Denn die Willendbeflimmung Fönnte doch nie die fein welche fie if, wenn die Auffafjung der Ele mente, welche den durch eine Willendbeflimmung audzufüllenden Moment conflituiren, eine andere gewefen wäre... Diefe Auffaf- fung hängt freilich zum Theil auch von eigner Willensbeſtim⸗ mung ab, und infofern faͤllt fie auch, wiewol dies häufig nicht einmal anerkannt wird, in das Gebiet der Tugend. Eben fo fehr aber ift fie abhängig von dem Gefammtzuftand, welcher nicht ohne Mitwirkung anderer entflanden if. Und fo ift dad unter dieſer Form darftelbare fittliche ebenfalls nach beiden Seiten hin abgebrochen und vereinzelt. Wenn nun aber noch die Größe der Tugend abhängt von dem Widerftand, welchen fie überwins det; und wenn dieſer keinesweges allein oder auch nur vorzüg: lich von ten aͤußeren Dingen audgeht, fondern bei weitem größs tentheild von entgegenftrebenden menfchlichen Handlungen: fo muß alfo auch hier, fol anders bie Tugend fich herauöheben und bes .

GSchleierm. W. UL 2. xt

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merklich werben, bie große Maſſe des Lebens eben fo verworren erfcheinen al3 bort. Schon diefed erflärt mir wenigftend hinreichend jene her: ſchende Sleichgüftigkeit gegen die wiffenfchaftliche Sittenlehre. Wie kann man ſich für eine Darftellung des fittlichen intereffiren, die nur fragmentarifche Einzelnheiten aufzuflellen vermag und worin das fittliche immerfort durch die Fortdauer des unfittlichen be: dingt erfcheint? Wie anderd ift ed doch mit der Naturwiffenfchaft in ihrem ganzen Umfange betrachtet, wie weit fie auch noch von ihrem Ziele entfernt fein mag! Denn wenn auch jemand fagen wollte, das höchfte Biel, was fie fich geſtekkt haben koͤnne, fei doch nur, unfern Weltkörper und die in ihm waltenden Kräfte im Zufammenhange mit ben noch 'beftehenden und den fchon aus gelebten Pörperlichen Dingen für die Erkenntniß vollftändig auf: zufchließen, und dann diefed als einen Typus zu gebrauchen, um. die allgemeine Vorſtellung auch von den andern Weltkoͤrpern mehr zu beleben und näher zu beflimmen; dieſe insgeſamt aber feien ja auch nur einzelnes-und abgeriffened, von dem und noch völlig verfchloffenen allgemeinen Raum umgeben und auseinandergehal: ten, alfo auch durch ihn beftimmt: fo wäre doch dadurch eine}: weged ein Ähnliches Werhältnig aufgeftelt wie auf dem Gebiet ber Sittenlehre. Denn einestheild hängt die Erkenntniß des Welt: Eörperd gar nicht davon ab, daß jener allgemeine Raum als Na tur unerfannt bleibe, vielmehr muß jeder fhon im voraus über: zeugt fein, daß unfere Naturerkenntnig der Weltlörper nur um fo vollfommner werden würde, wenn jener Raum und audy er: kennbare Natur geworben wäre: anderntheild aber find doch zu: nächft die in dem-Weltförper thätigen Kräfte und deren Erzeug: niffe der eigentliche Gegenftand der Naturwifienfchaftz und biefe fucht fie keinesweges als einzelnes und fragmentarifches zu ver: ftehen ;" fondern immer tiefer in ihren Bufammenhang einzubrin: gen, und bie Kräfte mit den’ Geſezen ihred Verhaltens als Ein 5 ünzertterinlicheß Gange; durch welches zugleich auch das ganze

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Syſtem der lebendigen Förperlichen Dinge gegeben ift, aufzufaffen und barzuftelen. Auf dem ethifchen Gebiet aber. ift grade jene ſchon erwähnte und überall wo nichts ald. Pflichtenlchre oder Zugendlehre aufgeftelt wird unvermeidliche an fich aber höchft unnatürlihe Trennung der Handlungsweife und Thaͤtigkeit von dem daraus hervorgehenden Werke dad wodurch am meiften alles Sntereffe an derfelben aufgehoben wird. Kommt doch das meifte - von dem was in der menfchlichen Welt gefchieht, und auch unſer Leben bedingt und beflimmt, nicht durch unfere und anderer eins zelner fittlihe Willensbeſtimmungen und pflichtmäßiged Handeln zu Stande, fondern auf eine andere Weife: fo. kann man den Vorſaz, ſich aller Verfuche die Regeln des fittlichen Handelns wiffenfchaftlich zu begründen und zufammenzuftelen lieber ganz zu enthalten, nicht füglich ungünftiger beurtheilen, als jenes aͤhn⸗ liche, daß nicht wenige Seefahrer die Kunſt zu: ſchwimmen vers nachläffigen und gering achten, weil fie ihnen nämlich, wenn ein Ungluͤkk ihnen auf offner See zuflößt, nur Urfache wird zu ver: längerter Qual, ohne fie doch retten und zum Ziele führen zu koͤnnen; und fie fei nur gut, fprechen fie, für diejenigen welche auf dem Feftlande lebend nur zum Scherz und anfländiger Leis besübung wegen ins Waſſer tauchen, nicht aber für diejenigen die auf demfelben ihr Leben führen. Denn wirklich eben fo ift es auch mit der Sittenlehre in einer ſolchen Geflalt, ohne daß ihre Ausübung zu dem hinführt was doch in den Wünfchen liegt, oder in der Gefammtheit der Zwekkbegriffe will ich Lieber fagen, damit mir nicht auch die Sprache in dad Gebiet des zufälligen hinabgezogen werde, in folcher Geftalt, fage ich, leiſtet fie denen gar nicht, die Dad Meer eined wahrhaft felbftthätigen Lebens zu durchichiffen haben; fondern nur, wenn es folche giebt, die in: eine fo fefte und flarre Ordnung, geftelt find, in weicher ſich fchon das meifte für jeden von felbit verfteht, und nur felten in einzelnen Augenbliften einer zu einer wahrhaft freien Thaͤtigkeit aufgefordert wird, ‚wobei ed aber nicht darauf ankommt etwas ' Ff2 PP

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zu bewirken, fordern nur fi) fo oder fo felbft darzuftellen, denen kann fie die Regel ihrer Bewegungen angeben. Darum habe ich mich auch in alle diefe herrlichen Lobpreifungen niemals fin- den Eönnen, wie wohl und vol fie auch klingen, von einer Pflihtmäßigkeit des Handelns, welche gar nicht daran denke, was dabei herausfommt oder nicht, und von einer Tugend, wels © cher gar nichtd darauf ankommt, ob das auch gelingt und wohl geräth woran fie fich fezt, oder nicht, fondern diefes, wie es nun eben jeder meint, dem Zufall oder der göttlichen Vorſehung ans beimftelt, Geht eine Handlung von einem Zwekkbegriff aus: fo kann fie auch nur darnach gefchäzt werben, wie viel oder wenig jener Begriff durch fie feinen Gegenftand erhalt. Will ich aber nichtd bewirken, warum handle ich? Gefchieht ed auch nur um mich andern als einen ſolchen und fo gejinnten zu zeigen: fo will ich ja doch etwas in diefen bewirken. Es bliebe alfo nur übrig, dag jeder nur handelt um fo zu fein und zu bleiben wie er ifl. Aber dazu brauchen wir nie etwas beflimmte zu thun, ober aus zweien und mehrerem, was vorhanden ift,. lieber eines als dad andere zu wählen; fondern nur irgend etwas zu thun. Denn wird nur dad Leben durch Thätigkeit erhalten: fo bleibt jeber auch dadurch was er ifl. Haben demohnerachtet diefe Darftellun gen der Sittlichfeit durch die heilfame Strenge, welche fich darin audfpricht, einen großen und vielleicht auch vortheilhaften Eins fluß gehabt auf die durch eine Iuftige fchmieichlerifche Skepſis von der tieferen Strenge religidfer Bufprache entwöhnte Menge: fo kann eine Wirkung, die bei vielen gewiß nur auf ber magilchen Kraft der Formeln beruhte, für ihren wiffenfchaftlichen Werth um fo weniger beweifen, ald auch jener Einfluß in denen Krei» fen, wo die Tongeber geiftiger gebildet find und fchärfer prüfen, fih niemald bedeutend erwiefen bat. Denn bdiefen konnte es nicht entgehn, wie nicht nur auch hier, was die Anwendbarkeit ber Lehre im Leben betrifft, mit ber Lehre zugleich auch ein neued Selb für Taͤuſchungen fich eröffnete, und je innerlicher der Maaß⸗

488 Br ftab war, um deſto weniger Sicherheit, ob fich nicht ſinnliches doch unter das geiflige gemifcht und die Sittlichkeit verunreinigt babe, fondern auch, und das iſt das wichtigfte, wie wenig biefe Vorſchriften geeignet waren, alles das was doch unläugbar auß _ den freien Willensbeflimmungen der Menfchen hervorgeht, zu ums» faffen, und es nicht bloß fcheinbar fondern wahrhaft als ein ſitt⸗ liches zu beflimmen. Wenn 3. B. die Frage fleptifch aufgewor⸗ fen wird, ob, wenn es den Staat nicht ſchon gäbe, es eines Menfchen Pflicht fein koͤnnte ihn zu errichten: fo ift offenbar der Staat, der doch nothmwendig ein aus freien Willensbeflimmungen entſtandenes ift, gar nicht fittlich beftimmt, fondern er ift ur ' fprünglich entweder ein unfittlicheö oder ein fittliches zwar, aber auf ganz unbekannte Weife. Wenn Verbefferungen in den Grund⸗ verhältnifen der verfchiedenen Klaffen von Staatöbürgern davon abhängig gemacht werden, daß eine große Mehrheit fie in Ans 7 fpruch nehme, diefes in Anfpruch nehmen aber nicht feinen bes fimmten Ort bat unter ben fittlichen Handlungen oder Pflich⸗ ten: fo find auch jene Verbefferungen, weil nicht Handlungen, deffen ber fie vollzieht, ſondern derer welche ſie in Anſpruch nehmen, keinesweges ſittlich beſtimmt, ſondern fie find bloße Nas turereigniſſe. Wenn die ſchoͤnen Kuͤnſte als eine Vorbereitung zur Sittlichkeit deducirt werden, der Gebrauch derſelben aber nur als mit in den Inbegriff der geiſtigen Erhaltungsmittel gehoͤrig ver⸗ ordnet wird: ſo kann man wol nicht ſagen daß dieſes große Ge⸗ biet freier Thaͤtigkeit fittlich beftimmt ſei, da doch beides, was weſentlich zuſammengehoͤrt, nicht zuſammentrifft. Wenn einer ein Kuͤnſtler werden ſoll, nicht aus willkuͤhrlichem Vorſaz, ſondern nur aus Antrieb der Natur, im allgemeinen aber jeder ſeinen be⸗ ſondern Beruf waͤhlen ſoll nicht ſowol aus Antrieb der Natur als um der Ueberzeugung willen dadurch den Vernunftzwekk am beſten befoͤrdern zu koͤnnen, nirgend aber beſtimmt iſt wie der Antrieb der Natur vom eigenwilligen Vorſaz zu unterſcheiden, und eben ſo wenig hier dieſe Ueberzeugung als ein fittlich gewor⸗

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bened erfcheint: fo ift auch diefe wichtige Angelegenheit mehr fcheinbar als in der That fittlich beſtimmt, fondern auch bier zus lezt alled auf Naturereigniffe, auf etwad was ſich von felbfl ver: ftehn fol, geftelt. Und doch ift Fichtes Syflem der Sittens lehre das vortrefflichite in dieſer Gattung. Es iſt demnach ein ganz allgemeined Ergebniß diefer Darftelungsweife, daß dabei große Gebiete menfchlichen Handelns von unftreitig fittlichem Ge: halt in der Sittenlehre doc) nicht abgeleitet und in ihrer Noth⸗ wendigfeit begreiflicy gemacht, fondern nur ald ein zuläffiges oder

erlaubtes durchgelaffen werden, und daß ein keinesweges durch ſchauter und wiſſenſchaftlich gebilbeter, fondern verworrener, aber

‚in diefer Verworrenheit tief eingreifender Unterfchted entſteht zwis

fhen dem, was der Menfch nicht von. der Vernunft getrieben fondern nur feiner Natur nach, aber doch eben fo unvermeidlicher als unvermerflicher Weiſe thut, und dem was er feiner Vernunft nach thun fol. Eine Darftelung diefer Art fplegeit dann auch nur eine fehr unvollkommne Entwilflung des fittlichen Bewußt: feind ab. Denn diefes kann, fo wie es die von der Vernunft gebotenen Handlungen begleitet oder ihnen: vorangeht, bei den von der Natur ausgehenden nicht vorhanden fein. Der urfprüng: liche Impuls ift alfo auch auf dem lezten Gebiet derfelbe in fols chen Fällen, wo, wenn bie Handlung vorgebildet ift, ein negati: ve3 oder -limitatived Vernunftgebot eintritt, und in foldhen, wo . die Vernunft durch nichts dergleichen den Uebergang von der Vors bildung zur Ausführung hemmt. |

Zwei früher vorgelefene Abhandlungen, von denen die eine

- eben dieſe Vorftelung von einen fittlich erlaubten einer Kritik

unterwirft und ihren wiffenfchaftlichen Gehalt beleuchtet, die ans

\ dere aber den angenommenen Gegenfaz zwifchen Naturgefez und

Sittengefez in Anſpruch nimmt, haben die Abzwekkung, auf diefe Unvolltommenheiten aufmerffam zu machen und der Abhülfe vor: zuarbeiten. Denn wenn Naturgefez und Sittengefez auf dem Gebiet der menſchlichen Fregeit po yulommenfollen, daß aus ber

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menfchlihen Natur gefund und volllommen entwikkelt alles ber: ‚vorgeht was der Menſch feiner Vernunft gemäß thun fol, und nichts anderes: nun fo muß auch die Vernunft in ihren: fittli» pen Forderungen alles bad vorbilden was. die gefunde Natur wirklich and Licht bringt; und: wenn der Begriff. des erlaubten auf unferm Gebiet Feine andere. Geltung. hat ald bie. ihm. dert beigelegt wird: fo entflcht die Aufgabe, alles was unter denfelben jubfumirt worden ift, zu fichten und in theils won. der Ver nunft wirklich gefordertes theild der. Natur wirklich zuwiderlau⸗ fendes aufzulöfen.- Die gegenwärtige will den Verſuch empfeh⸗ fen, ob nicht den aufgezeigten Mängeln der Sittenlehre abgehols fen und fie in einen richtiger und gerader auf das Biel hinfüh> renden Entwikklungsgang geleitet werben koͤnnte ‚Durch Wieder aufnahme einer früher fchon angewendeten, aber nicht zu ihrer rechten Ausbildung gelangten Methode, nämlich die Tonftruction des höchften Gutes. Daß diefed in der hellenifchen Philoſophie nach Sofrated eine Hauptaufgabe der Ethik war, und ein ſtrei⸗ tiger Drt, indem in der Behandlung berfelben der Charakter der verſchiedenen Schulen fich beflimmt ausſprach und der unter ihnen flattfindende Gegenfaz ind Licht trat, feze ich ald befannt voraus, enthalte mich aber bier aller gefchichtlichen Auseinander⸗ fezung, und will nur fuchen anzugeben, was ich für die eigent: liche Zendenz diefed Ausdruffes halte, und was mir durch ben Gebrauch beffelben für die Sittenlehre erreicht werden zu koͤn⸗ nen fcheint. Ä oo.

Zuerſt will ich nur bevorworten, daß ich dabei nicht an ben adjectivifchen Gebrauch. des Wortes anzufnüpfen denke. Denn gutes und böfes oder uͤbles beziehen wir entweder auf Außere Verhältniffe, und. dies ift das zu etwas oder in Beziehung auf ein andered gute ober üble, welches wir auch das nüzliche oder förderliche und fein Gegentheil nennen. Hiervon kann hier un: mittelbar gar nicht die Rede fein; wenn gleich, beiläufig gefagt, "nicht zu laͤugnen iſt, es gehöre ebenfalls zum böchften Gute, daß

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alles förberliche da fei, ja fogar alled wad zum höchften Gut 96 bört muͤſſe auch ein förberliches fein, und ſchaͤdliches koͤnne in dem Inbegriff deſſelben nirgend vorkommen. Außerdem brauchen wir nur gut und böfe von menfchlichen Handlungen oder Ge müthözuftänden, entweder auch in dem obigen Sinne, infofen fie zu etwas, und aljo um eined andern willen gefezt und ge: billigt werben, und dann gilt dad eben gefagte; oder fo daß wir fie an und für fich als folche bezeichnen. Aber dann wird bie gute Handlung offenbar zurüffzuführen fein auf ein pflichtmäßts ged, ber gute Gemuͤthszuſtand aber wird feinen Drt in dem Ges biet ber Tugend finden; und wollten wir auch unter dem hoͤch⸗ fien guten nicht ein einzelnes folches verftchen, fondern den Ins begriff von allen, fo kaͤmen wir doch nicht aus Pflicht und Zus gend heraus, und würden mit der Anwendung ber Formel nicht3 wefentliched gewinnen. Subflantivifch kennen wir außer der ei gentlich ethifchen felbft noch zwei Gebrauchsweiſen, zwifchen denen aber gar Fein Zufammenhang flatt zu finden fcheint. Die eine iſt politiſch und oͤkonomiſch, indem wir die einzelnen Oerter des Nationalreichthums, Grundſtuͤkke, Bergwerke, zum Erwerb bes ſtimmte Gebaͤude, Güter nennen; die andere religioͤs und fpecus lativ, indem Gott nicht felten das höchfte Gut genannt. wird. ‚In dem lezteren ift Feine Analogie mit dem erſten. Denn ift bie Meinung, daß Gott dad höchfte Gut für den Manfchen fei: fo wäre died ein uneigentlicher Ausdrukk, und beffer würde ge fagt, die Liebe zu Gott oder die Erfenntnig von Gott oder bie Leitung und Zürforge oder die Gnade. Gottes, wie man «8 eben nennen wollte, oder um auch Died myſtiſche hinzuzufügen, bes. "Genuß Gottes fei dies höchfte Gut. Wird aber Gott fo ges nannt in dbemfelben Sinne, in welchem man ihn auch das voll kommenſte Weſen nennt, weil nämlich) alles gute und nichtd als gutes in ihm gefezt fein kann: fo geht diefer Gebrauch offenbar auf das adjectivifche zuruͤkk, und kann alfo hier nicht in Betracht fommen. Der ölonomifche Gebrauch hingegen hat mit dem ethifchen

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die größte Analogie, und kann demfelben füglich zur Erläuterung

dienen, Sene Güter nämlich find Immer etwas aus der menſch⸗ lichen Thaͤtigkeit hervorgegangenes, abet zugleich diefelbe in fich ſchließendes und fortpflanzended. Wermögen fie dad lezte nicht mehr, wie etwa eine abgebaute Grube oder ein ganz audgefogener und 10 deshalb verlaffener Akker: fo hören fie auch auf ein Gut zu fein. Daffelbe habe ich von dem: früheren ethifchen Gebrauch in meiner Kriti der Sittenlehre zu zeigen gefucht, dad alle alten Schulen, welche diefen Begriff verarbeitet haben, wie verfchieden auch ih⸗ sen Anfichten gemäß die Anwendungen bed Begriffs waren, boch insgefammt dadurch das durch die fittliche Thaͤtigkeit hervorge⸗ brachte, in fo fern ed Diefelbe auch noch in ſich fchloß und fort entwikkelte, bezeichnen wollten. Der Ausdrukk höchftes Gut aber ift- ebenfo überall nicht in dem Sinne comparafiv, in welchem ein höchfter Grad zwar jeden niederen gewifiermaßen in fid) ſchließt, zugleich aber auch fo ausfchließt, daß doch von ihm für ſich nicht weiter bie Rebe fein kann; fondern in dem Sinne, in welchem jedes Ganze größer ift und vollkommner ald feine ein. zelnen Theile, aber doch nicht erfannt und dargeftellt werben Tann, als in fo fern diefen daffelbe auch widerfährt. Wenn z. B. auch der Reichthum und die Gefundheit Güter genannt werden: fo geſchieht es, weil beide eine Menge von freien Handlungen vors ausſezen, ohne welche fie nicht zu Stande kommen; aber ed ge fchieht auch nur in fo fern als diefe für fittlich gehalten werden. Zur Gefundheit rechnet man wefentlich mit die vollkommne Ents wikklung aller leiblichen Kräfte, und diefe erfolgt nur durch eine Menge freier auf die Selbfterhaltung gerichteter Handlungen. Mer die Gefundheit für ein Gut achtete, der achtete auch dieſe Handlungen für fittliche, vielleicht nicht jeder in fo fern fie Ues bungen waren, aber doch gewiß in fo fern fie ein Bewußtfein ded werdenden Wohlbefindens und alfo einen Genuß im fich ſchloſ⸗

fen. Und eben fo halten vielleicht viele zwar den Reichthum für

ein Gut, die Arbeit aber nur für eine Sache ber Roth; ve

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aber auch gewiß den Reichthum, der nur durch angeftrengte Ar: beit und Entbehrung bei kleinem herbeigefchafft wird, noch lange für kein Gut, fondern cher für einen Mangel, bie leitenden und gebietenden Thätigkeiten hingegen, aus denen er bei großem en waͤchſt, deflo g:wiffer für fittliche. Beide aber, Gelundheit und | Reichthum, find auf der andern Seite nur Güter, weil und fo fern e3 ihnen wefentlich ift, und nicht etwa nur ein zufällige, dag fich fittliche Tchätigkeiten und Zuftände in ihnen erzeugen. Eine verfchlafene Gefundheit wäre kein Gutz.aber Schlaf außer halb des naturgemäßen Wechſels zwifchen Wachen und Schlaf ifl auch ſchon eine Störung der Gefundheit. Aehnliches ließe fich u auch vom Reichtum fagen; es ift aber minder einfach, weil ber eine ihn in diefer, der andere in jener Betrachtung für ein -Gut halt. Wenn wir ein Werk der fchönen Kunſt für ein Gut anfe: ben, fo thun wir ed freilich. nur in fo fern die Thätigkeit, woraus ed hervorging, uns eine fittliche iftz aber gewiß auch nur fofen

und nur für die, im welchen ed durch fein Dafein fittliche Thaͤ⸗

tigkeiten und Zuftände wefentlich erwetft. Eben fo nun iſt es mit dem höchften Gut, und der Ausdrukk ſchließt fonach die Auf: gabe in jich, den Inbegriff aller wahren Güter, die es nämlich in dem biöher erläuterten Sinne find, fo aufzuftellen, daß ihre we: fentliche Bufammengehörigfeit und die volftändige Loͤſung be fittlichen Aufgabe durch ihr Miteinander und Fuͤreinanderſein, eben weil ſich in ihnen alle ſittlichen Thaͤtigkeiten immer wieder erzeugen, zum klaren Bewußtſein komme. Wollten wir dieſes lezte bei Seite ſtellen: ſo wuͤrde auch der vollſtaͤndigſte Inbegriff alles durch die Vernunft bewirkten und hervorgebrachten nur ein leeres Schattenbild fein. Iſt in dieſer Geſammtheit des hervor: gebrachten das hervorbringende ſelbſt, das pflichtmaͤßige Handeln, durch welches ſich in jedem Moment ein kleinſtes anſezt zur Ev neuerung jened Organismus, und die Tugend ald das Fräftige Leben der Vernunft in den einzelnen, nicht mit gefezt: fo find dann beide entweder überhaugt nicht, ober getrennt von jenem.

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In dem lezten Kalle habt ihr dann zwei verfchiedene Welten, aber nur in der, wo biefe find, noch ein wahres Leben, in welchem ihr aber auch gewiß, wären ed auch der Außeren Erfcheinung nady erft leife Anfänge, das weientliche jenes Inbegriffs, den wir das hoͤchſte Gut nennen, immer finden werdet; die andere aber, bie einzige, welche euch im erſten Falle übrig bleibt, wäre nur ein Schattenleben, wie ein erflorbener Weltkoͤrper, deſſen Maflen von vergangenen Leben zeugen, auf dem fich aber nichtd mehr regt; ein folcher erflarrter und immer mehr erfiarrender Nachgenuß und Nachbewußtſein der vorigen Thaͤtigkeit. Truͤmmern, wie übel auch zugerichtet, Finnen noch zu den Gütern des Lebens gehören für den, dem fie Gedanken erregen, die zur lebendigen That wers den; ein thatenlofer Zufland, wie unendlich auch ausgeſtattet, ift keines. |

Soll aber die Wiedereinführung. diefed Begriffs der Abſicht entfprechen: fo muß freilich der Zehler vermieden werben, in ben bie älteren Schulen verfielen, und um deſſentwillen wahrfcheinlich er zu feiner vollen Ausbildung nicht gelangen konnte; nämlich dag wir nicht auch diefen Begriff nur auf den einzelnen Men: chen beziehen, und nach dem höchflen Gute des einzelnen fragen, ı2 worin es beftehe. Denn fragen wir, warum eigentlich in ber Pflichtenlehre und Tugendlehre, wenn man irgend fireng und genau verfahren will, ed fo nothwendig ift, Gefinnung und Hands lungsweiſe von dem Wer? und dem Erfolg gänzlich zu trennen: fo iſt die Urfacher eben die, dag die Wirkiamkeit ded einzelnen fih nicht audmitteln läßt, indem fie in die der andern ganz un: zertrennlich verflochten nicht nur, fondern wahrhaft verwachſen iſt. Wird num alfo doch nach dem hoͤchſten Gute des einzelnen gefragt: fo bleibt natärlich nichts anderes übrig ald etwas ganz innerliches aufzuftellen, und die Tugend das höchfte Gut zu nen» nen ober die Glüfffeligkeit, eine Verwirrung die ich in der Kris tif der Sittenlehre nachgewiefen und gerügt habe. Allerdings ift auch die Tugend des einzelnen ein Gut, und zwar ganz in dem

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eben angegebenen Sinne, und recht verflanden tft auch feine Stu: | feligkeit ein ſolches, nur nicht fein Gut befonders, fondern ein Gemeingut, in bem fittlichen Kreife, dem er angehört, hervorge⸗ bracht und auch hervorbringend; und nicht iſt feine Tugend ein andered und feine Gluͤkkſeligkeit ein anderes, fonbern beide in ihrer Wechfelbeziehung, eigentlich alfo der einzelne felbft feinem geiftigen Gehalte nach ift ein Gemeingut. Nur vom höchften Gut Tann auf diefe Weile gar nicht die Rede fein. Vielmehr läßt fich des einzelnen intelligente Production fo wenig ifoliren, daß felbft dasjenige, wad man am meilten glauben follte ala dad feinige herausheben zu dürfen, doch nur durch eine gewoͤhn⸗ liche Taͤuſchung dafür gehalten wird; denn ber Wahrheit nad kann nur in Form eined willführlichen und zwar auf einem unfittlichen Grunde beruhenden Zaufches einer verlangen, dies und jenes, fei ed nun ein wiflenfchaftliches Werk oder ein Kunſt⸗ werk oder ein politifcher Effect oder was irgend fonft, folle für fein eigned gehalten werben, weil er fich nämlich Dagegen auch alled Antheild an dem begeben wolle, was ein anderer auf gleiche Weile fich anzueignen begehre. Daher nun kann nur wad aus einer Gefammtthätigkeit hervorgeht, beflimmt aufgezeigt werben und ald ein befonbered hingefteltz; und wenn alfo von bem Inbegriff der Güter die Rede fein fol, fo kann nur auf bie Gefammtwirktung der Vernunft zurüffgegangen werben. Diele, daß ich mich fo ausbrüffe, ald einen Organismus aufzuftellen, in welchem jeder verwirrende Gegenfaz von Mittel und Zweit aufgehoben, jedes Audeinander auch ein Ineinander, jeder Theil auch dad Ganze ift, nichtd aber mit aufgenommen wird, was nicht aus dem Leben der Vernunft im menfchlichen Gefchlecht ss entiprungen ift und daſſelbe auch fortpflanzt und erneuert, dad ift ed was ich mir unter einer Darftelung des höchften Gutes denke. In diefem find dann, wie ich es in ben früheren Ab» bandlungen über den Zugendbegriff und Pflichtbegriff mehr po: flulirt als wirklich dargelegt habe, alle menſchlichen Tugenden

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mitgefegt. Denn irgend etwas in den Erfcheinungen ber Menfche heit dem Begriff des höchften Gutes angehöriged kann nur durch das Zufammenwirken aller menfhlichen Tugenden entfliehen und beftehen; und was für einen organifchen Theil der Geſammt⸗ wirkſamkeit der Vernunft koͤnnte man fich wol denken, aus dem fi nicht alle menfchlihen Tugenden nährten und in dem Wech⸗ fel der Individuen reproducirten? fonft müßte ja in dem Ge fammtorganismus etwas fehlen oder etwas falfched mit gefezt fein. Eben fo koͤnnen auch die Elemente diefer Wirkſamkeit nichts anderes fein, ald die von allen Orten her ineinander greifenden, einander aufnehmenden und. ergänzenden pflichfmäßigen Handluns gen. Vornehmlich aber muß fich ergeben, daß alles wahrhaft menfchliche, und nicht nur einiges, in dieſer Darſtellung aufzus finden fein muß; jede Eigenfchaft des einzelnen, woburd etwas hieher gehöriged wahrhaft wird und fortbefteht, muß in der Glorie der Zugend erfcheinen, und jede Handlung, die irgend wohin innerhalb diefes Umfanges wirklich gehört und ihren beflimmten Drt hat, muß auch als pflichtmäßig gepriefen werben. Diefe Aufftelung daher beſchraͤnkt fi nicht in den Stleinlichleiten des einzelnen Lebend und vermworrener perfönlicher Relationen, fie ift der Maaßſtab fuͤr alle gefchichtlichen Erfcheinungen und der Schlüß fel zu ihrem Verftändnig; und wie wir ale in biefen mit ver: ſchlungen find, fo ift fie zugleich auch die Verklärung des pers fönlihen Bewußtfeind. Wenn nun hernach Pflichtenlehre und Zugendlehre, die ed mit diefem lezten allein zu thun haben, auf eine folche umfafjende Darftelung zurüffgeführt werden: fo wird ed zwar dabei bleiben müffen, daß fie nur für das einzelne Leben conftruirt werben, aber jene namhaft gemachten Mängel werben fie ablegen koͤnnen, und bei einer verfländigen Behandlung wird fi immer auch in ihren einzelnen Pofitionen dieſes Ganze abs fpiegeln. |

Es ift in diefer Abhandlung, wie.auch ſchon der Umfang einer folcyen verbietet, nicht meine Abficht,. den Begriff des hoͤch⸗

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fien Gutes in feiner Vertheilung auch nur fo weit auszuführen, daß die ganze Behandlung befjelben wenigftend angelegt wäre, indem fchon biefed die Grenzen einer Vorlefung nach unferer ss Weiſe überfchreiten würde; indeffen muß ich doch, ohne Anſpruch auf ſtrenge Spflematifirung zu machen, einiged zur Bellätigung ded gefagten herausnehmen. Stellen wir und auf den in einer früheren Abhandlung *) angegebenen Punkt, und. denken uns das Leben auf der Erde zur Animalifation hinauf entwikkelt ob plözlich oder almählig, und im lezten Falle ob ſtufenweiſe oder nach manchen einander partiell wieder aufhebenden Actionen und Reactionen, dad liegt außer dem Gebiet unferer jezigen nicht nur fondern jeder ethiichen Unterfuhung. Nun aber fol die höyere

Stufe, dad geiftige Leben, hinzukommen, fo nämlid, wie ed dem

Menfchen eignet und ſich in ihm und von ihm aus auf der Erde regt und wirkt. Wir bezeichnen dad eigenthümliche Princiy dei: felben am liebften mit dem Namen Vernunft, weil hiedurch wol am wenigften ſchon im voraus Migverftändniffe ausgeſaͤet wer: den; in diefer alfo, der Vernunft, ift unfere ganze Aufgabe ab gefchloffen. Denn wie die bloße Gravitation nebft dem Miſchungs⸗ und Entmifhungsprozeß von der Begetation aufgenommen wurde,

und die Animalifation beides unter ſich zufammenfaßte: fo fol _ wiederum die Humanifation aus dieſer fich hervorheben und fie | in fich fchliegen. Wie denn auf der einen Seite fchon das ältefle _ fittliche Bewußtfein der Menfchen fich auögefprochen hat in dem -

Beruf die Erde zu beherrfchen, auf der andern ‚Seite aber fchon ein zwar ziemlich entwikkeltes Bewußtſein von der Beherrfchung untergeordneter Kräfte, das aber doch den Umfang derfelben noch lange nicht ausgemeſſen hatte, die richtige Grenze nach diefer Seite zu finden wußte in dem befannten. dog .noV orw xal yy7v x v70w. Ale aljo, was der Menſch in diefem Sinn auf der Erde thut, gehört in unfere Aufgabe; und wir wollen von nichts

*) Ueber das Werhättuiß zwiſchen Nalurgeſez upd Sittengeſez.

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diefer Art fagen, fo wie wir e8 an und für fich betrachten, baß er es nur feiner Natur nach ohne die Vernunft beginne, und dieſe es etwa nur geftatte und. limitire. Sondern finden wir in menfchlihen Zhätigkeiten, welche fich auf die Entwilllung unfe- res Lebend und auf unfere Serrfchaft über die Erde beziehen, etwas das limitirt werden muß: fo ift ed auch etwas nicht bleis bendes, alfo nicht wahres, und muß mit ber weiteren Entwikk⸗ tung deö wahren verfchwinden. Sol aber dad Princip der Ber geiftung irdiſch werden und in der Menfchengeflalt erfcheinen: fo muß es auch den Typus des irdifchen an fich tragen, und kann fi) nur in einem durch die Kreisbewegungen und die Ofcillatios nen ber Erde mitbeftimmten Geſchlechtsleben offenbaren, welches ıs feine Fülle nur in auf einander folgenden Lagerungen vergäng» licher Individuen entwikkelt. Ift.nun gleich jeder von biefen ein Ort, in welchem und von welchem. aus die Vernunft wirkt: fo war doc) dad nur eine willlommne Fiction, was ich als foldhe auch nur zu einem beflimmten Behuf an einem andern Drte*)- eingefchoben: habe, daß es einen einzelnen geben könne, welchem die ganze fittliche Aufgabe zu loͤſen obliege; fondern die phyſiſche Vorbedingung, auf welcher auch ſchon ber erfle Anfang diefer Löfung ruht, ift die, daß die Befchlechter zufammen beflehen, und nicht der einzelne als folcher ift ein felbfländiger Ort für bie Mirkfamkeit der Vernunft, fondern nur die Verbindung der Ge- fchlechter zur Erneuerung der Individuen,‘ d. h. die Familie das Wort natürlich nur in feinem wefentlichen Inhalt genoms men ohne mähere Beſtimmung der Form; und der einzelne ifl ein folcher Ort nur innerhalb ihrer, oder wenigftend fie Vorauss gefezt. Diefe ift mithin der Ort nicht nur der Erneuerung jened urfprünglichen Attes bes Eintretend der Bernunft in das irbifche Leben, welcher fih nun durch Erzeugung und Geburt wiebers holt, und .alfo der Zradition des Lebens felbit, fondern auch des

..*) Ueber ben Pflichtbegriff.

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von ber früheren Generation ſchon fittlich bemirkten und gewon nenen. Hier alfo ift das erſte vollſtaͤndige und für fich beſtehende Gut, da8 erfte wahrhaft organiiche fittliche Element im nein ander des hervorgebrachten und hervorbringenden, ein Abbild des großen unb ganzen. Auch bier gilt daher baffelbe, dag wir in einem folchen Zebenscomplerus Natur und Vernunft nicht tren. nen koͤnnen. Nur was in diefem Sinne gefchieht, ift dad menſch⸗ lich natürliche; aber dies ift auch alles anzufehen ald durch bie Vernunft bewirkt, und vermöge ihred Geſezes. Waltet wirklich darin der Inſtinct vor, ohne zum vernünftigen Triebe umgeflal: tet zu fein, fondern fo wie er dad bewußtloſere Gebiet ber nie dern Animalifation bezeichnet: fo ift Died nicht etwas was die ' Vernunft irgend wie limitiren fol, fondern es verſchwindet durd fie; und wer jenes behaupten wollte, könnte eben jo auch im all gemeinen fagen, bie Menfchheit fei nur eine Limitation des thie riſchen Lebens.

Dies führt und von felbft auf zwei Punkte, welche und bei nahe dad Ganze vollenden werden. Der erſte iſt dieſer. So wie ſchon von den niederen Stufen des Dafeind an zugleich mit dem

16 höheren Hinauffteigen auch die Gattungen beflimmter werden, nämlich das Sein eined gemeinfamen in vielen, und dad Bewußt fein vieler durch ein und bafjelbige, wie fich beides in auseinans ber entipringenden Generationen wiederholt: fo gebührt nun aud dem mit dem Eintreten des Princips der Begeiftung entftchens den menfchlichen Gefchleht die vollkommenſte Gattung zu fein, d. h. dad Eine in allen, nämlich jened Princip felbft muß auf bad vollfommenfte in allen daſſelbe und aus allem andern auf das volfommenfte ausgeſchloſſen, dann aber auch jedes Einzelmelen von allen andern auf das beſtimmteſte gefchieden und verfchie den, und alfo das Eine felbige in jedem einzelnen ein eigenthuͤm⸗ licheö geworben fein. Diefes ift, wie es beides auch in ber Mens ſchengeſtalt am vollkommenſten erfcheint, fo auch die allgemeinfte Srundporausfezung, welde unfer Bewußtfein conflituirt, und von

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welcher wir bei allem Handeln ausgehn. Dennoch wäre da8 bes geiftete Leben ein fehr untergeorbnetes, wenn die Unendlichkeit des mannigfaltigen unmittelbar und verworren auf das Eine in als len follte zurüffgeführt werden. Darum finden wir ſchon immer, und wir mögen ed gleich fehr naturgemwordene Vernunft nennen und Vernunft gewordene Natur, daß die Menfchen durch eine beflimmtere Gemeinſamkeit ded eigenfhümlichen in größeren Maf- fen, die wir Völker nennen, vereint find, und unter diefen alfo die Selbigfeit des Einen Principd nach beftimmter Weife ber vortritt. Wie ſich nun dieſes volksthuͤmliche Gepräge in allen weientlichen Aeußerungen der Begeiftung firirt, und in der Folge der Generationen erneuert: ſo haben wir hier einen größeren eben folhen Ort, in welchem die Familie ald ein organifches Element nicht etwa verfchwindet, fondern ihre Beziehung zur ganzen Menſchheit unmittelbar firirt. Auch hier gilt alfo daffelbe, daß ed rein fittliche Handlungen find, durch welche ein Volk als fol ches fortbefteht, und dag dad Volksleben in feiner rein vernuͤnf⸗ tigen Entwikklung ein organifcher Theil ift des höchften Gutes. Der zweite Punkt tft diefer. So wie aud den niederen Stufen des Daſeins fich die Animalifation hervorhebt: fo entwifkelt ſich im_ Hinaufſteigen derſelben zu volkommneren Geſtaltungen ein immer Eenntlicheres Analogon ded Bewußtieind. Nur im Bes mußtfein kann das geiflige Leben wohnen, und darum ift e& dafs felbe, daß die Vernunft auf der Erde erfcheint, und daß in ber Menfchengeftalt das vollfommene Bewußtfein ſich regt, fich felbft fefthaltend, und alles durch Entgegenfezung und Einigung in ſich aufnehmend. Und fo find es zwei Richtungen, in welchen bie Vernunft an allen jenen Orten wirkt, und in welchen dad geiz ı7 flige Leben der Wölfer begriffen ift, dag alles Sein ind Bewußt—⸗ fein aufgenommen werde auf das vollfommenite, und daß, indem alles dem Menfchen unterworfen wird, auch das innerſte Weſen des Geiftes jeglichem Sein und Erfcheinen nach Maafgabe feiner Empfänglichkeit eingebildef werde auf das vollfommenfte. Wie Schleierm. W. III. 2.

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aber bie Berfplitterung in das perfänliche einzelne Leben nur dem Irdiſchwerden der Vernunft angehört: fo gehört es zur Vergei⸗ fligung. der irdifchen Erfcheinung, daß die Vernunft die Schran fen der Perfönlichkeit durchbreche, und daß ſoviel möglich, es ift aber freilich nur in den mannigfaltigften Abftufungen möglid, das geiflige Leben im jedem einzelnen zugleich für alle fei, und doch in jedem ein anderes, je nachdem in einzelnen Aeußerungen die Selbigkeit des Einen Princips vorherrfcht, oder in andern die Eigenthümlichkeit der Geftaltung fich geltend macht. So duͤr⸗ fen demnach auch die Völker nicht für fich fein; und rein ftelt fih die Vernunft in ihrem Leben erſt dar, wenn auch biefe fid jeded der Gemeinfchaft aller öffnen. „Aber ſowol in der Thätig: Feit welche dad Bemußtfein bildet und wie wir eben gefehen haben mittheilt, ald in der welche die Dinge dem Menfchen an: bildet, und zwar auf beide Meifen, mag die Einerleiheit vorberr: fchen in dem verfchiebenen oder die Eigenthümlichfeit im gleichen, wird doch die MWirkfamkeit der Vernunft erft ihre Selbfloffenbe: rung, wenn der Geift feine überirdifche Heimath darin Fund giebt, vermöge beren er dad ewige und einfache, das fchlechthin feiende, auf eine geheimnißvolle Weife in fich trägt. Alles dieſes ift Ein, und Feines ohne dad anderes; aber je nachdem wir ben einen Standpunkt nehmen oder den andern, erfcheint das höchfte Gut bald ald das goldene Zeitalter in der ungetrübten und allgenüs genden Mittheilung des eigenthümlichen Lebens, bald als ver ewige Friede in der wohlvertheilten Herrfchaft der Voͤlker über die Erbe, oder ald die Vollſtaͤndigkeit und Unveränberlichkeit des Wiffens in der Gemeinfchaft der Sprachen, und als dad Him- melreich in ber freien Gemeinfchaft des frommen Glaubens, jebeö von diefen in feiner Belonderheit dann die anderen in fich ſchlie⸗ gend und das Ganze darflellend. .

Aus diefen wenigen aber doch das weientliche enthaltenden Andeutungen muß, denke ich, hervorgehen, daß ein ſolches Ganze auch fchulgereht und Tunftgemiß kann aufgeſtellt werden, und

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Daß, wenn fich dann folche Behandlungen der Pflichtenlehre und ber Tugendlehre nach ber Weiſe der angelegten daran ſchließen, eine ſolche Zufammengehörigkeit fich. ergeben wird, und auch Diefe is - Begriffe fo fehr an Reichthum ber Beziehungen gewinnen wer den, bag ſich von felbft ermeifet, wie biefe allgemeine Darftellung des geifligen Lebens in feiner reinen Vernuͤnftigkeit aufgefaßt we: fentlich unferer Wiſſenſchaft angehöre, ja wie nur hierin die Ethik thre Vollendung finden koͤnne. Nur zweierlei, ‚mas mehr außer ihrem unmittelbaren Gebiete liegt, will ich noch hinzufügen. Zuerſt nämlich, daß nur auf dieſem Wege der Zuſammenhang anderer wiſſenſchaftlichen Disciplinen mit der Ethik und ihre Ab: haͤngigkeit von berfelben wieberhergeftellt wird, welche bei den Alten, fo wenig diefe auch den Begriff des hoͤchſten Gutes durch⸗ gebildet hatten, doch immer auf dieſer Seite ſtanden, bei uns aber meiſtentheils in der Luft ſchweben; ich nenne nur die all⸗ gemeine Theorie der Erziehung, fo wie bie Theorie der Staats⸗ verfafjungen und die allgemeinen Grundſaͤze ber Staatöperwals tung. Eben fo aber müffen fich ihr von andern Seiten auch die Theorie von den verfchiedenen Organifationen der Bertheilung und Mittheilung des Wiffens und die allgemeine Kunſtlehre an- ſchließen. Dad zweite iſt dieſes. Die allgemeinen Erſcheinun⸗ gen des Lebens beruhen auf der einen Seite in ihrer, Mannig- faltigkeit auf beſtimmten Beſchaffenheiten und Verhaͤltniſſen der irdiſchen Natur, welches ich auch oben, wiewol ‚nur. ‚durch eine kurze Formel, angedeutet habe; fie find in ihrem Verlauf. ber Gegenftand der Geſchichtskunde. Soll aber diefe immer mehr ein verflandenes werben: fo muß fie zuerft ihrer Baſis nad) auf bie entfprechenden Zweige der Naturkunde nämlich auf die phyſi⸗ fche Erdkunde und auf die geograppifche ſowol als Phyſiologiſche Ethnographie zurüffgeführt, dann aber in den großen Zuͤgen ihres Berlaufs ethifch gefchäzt werden, damit nicht die fcheinbare Ver: wirrung eine Beranlafjung gebe den Gang bed menfhlichen Ge: ſchlechtes auch im großen als ein Spiel des Zufalls anzuſehen, &q 2

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als wodurch alle Wiffenfchaft des Geiſtes zerflört wird. Dieſe bedeutungsvollen eingreifenden Beftrebungen, in denen ber menſch⸗ liche Geiſt fich felbft am lebendigſten und anfchaulichften erfaßt, und aus deren Gebiet die neuere Zeit eine Menge von geiftrei- chen Verſuchen aufzuzeigen hat, haben doch nur in dieſer rein etbifchen Darftelung ihren wiſſenſchaftlichen Stuͤzpunkt; und nur wenn biefe fich recht geftaltet hat, werben auch fie erft ihre voll fommne Durchbildung erreichen können. Daffelbe gilt natürlich auch von der Fritifchen Betrachtung alles deffen was in jenen größeren Erfcheinungen nicht der reinen Vernuͤnftigkeit entfpricht, 9 ſondern durch Mißverftändniffe oder andere Krankheitszuſtaͤnde afficirt iſt. Daß dieſes nur ethiſch gerichtet werden kann, verfteht ſich; aber es iſt bekannt, wie ſchwer es iſt, den Maaßſtab der Tugend, wo es auf eine differente Zuſammenwirkung vieler an: tommt, richtig anzulegen, und wie mannigfaltig auf der andern Seite, fo oft die Verhältniffe complicirt find und der Ausfchlag bedeutend, gegen eine Zurüffführung auf den Pflichtbegriff pro: teflirt wird. Die Frage aber, ob dieſe und jene Geftaltung der Dinge ein Element des hoͤchſten Gutes fein koͤnne, wird immer leicht zu entfcheiden fein, und niemand Tann fie abweifen. Alſo auch für den Zufammenhang der Wiffenfchaften und für den kri⸗ tifchen Gebrauch der Ethik im Leben überhaupt, am meiften aber in feinen größten VBerhältniffen, iſt e8 wichtig, dieſe Behandlungs: | weife derfelben in der Schule wieder geltend zu machen und wo möglich der Vollkommenheit näher zu bringen. |

XII. Ueber den Begriff des höchften Gutes,

Zweite Abhandlung.

GSelefeh am 24. Juni 1830.

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Ba der erſten Abhandlung über dieſen Gegenſtand, welche ich u bereits im Jahre 4827 die Ehre hatte der Akademie vorzuleſen, kam es mir vornehmlich darauf an, den Ort dieſes Begriffs moͤg⸗ lichſt feſtzuſtellen, das ſchwankende in feiner Anwendung zu befei⸗ tigen, und auf den Vortheil, welchen die Ethik aus einem er⸗ neuerten Gebrauch deſſelben ziehen koͤnnte, aufmerkſam zu machen; hingegen mich uͤber den Inhalt ſelbſt zu verbreiten, war nicht meine Abſicht. Je weniger ich indeß vorausſah daß ich bald zu dem Gegenſtande wuͤrde zuruͤkkehren koͤnnen: um deſto weniger konnte ich mich enthalten mindeſtens einige Andeutungen uͤber denſelben einzuſtreuen. Dieſe konnten aber ihrer ganzen Stellung wegen nicht ſo ausgeſtattet werden, daß jeder Leſer ſchon ſelbſt alle Einwendungen, die ſich ihm darboten, mußte zuruͤkkweiſen koͤnnen, oder daß es auch einem wohlwollenden koͤnnte leicht ge⸗ worden ſein ſich aus dem geſagten auch nur die erſten Umriſſe eines beſtimmten Bildes zu geſtalten. Daher mußte ich den Ent⸗ ſchluß faſſen, dieſem Mangel ſpaͤterhin auf irgend eine Weiſe ab⸗

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zubelfen, und mir zugleich bie Erlaubniß erbitten, jene Abhand: lung lieber bis dahin von der Öffentlichen Bekanntmachung zu: rüffzuhalten. Eine genügende ins einzelne ausgeführte Darftel: lung aber würde ein Werk fein von nicht unbebeutendem Umfang; und da es auch von firengerem foftematifchen Charakter fein müßte, als die Form einzelner Abhandlungen geftattet: fo halte ich es auch nicht für angemeffen, ed auf eine Reihe von akademiſchen Abhandlungen anzulegen, in ber fi) dad Ganze erfchöpfen ließe.

22 Denn es fcheint mir gegen bie Natur unferer Arbeiten und der Art wie wir fie dem Publikum mittheilen, wenn wir, gleich einer immer wieber abgebrochenen Erzählung, die durch eine Reihe von Tageblättern hindurchgeht, ein größered Ganze durch mehrere Jahrgaͤnge zerſtuͤkkeln wollten. Daher kann ich auch nur die erſten Grundzüge hier aufftellen, To wie fich mir die Veranläffung dazu aud der erſten Abhandlung ergiebtz und kann mir höchftens nur die Auöficht offen laffen, in der Folge vielleicht einzelne Theile, zwar in Beziehung auf dieſe Grundzüge, aber doch fo zu bear: beiten, daß jeder von den andern unabhängig und für fich allein - verfländlich ſei. ,

Diefes num nehme ich zuerſt als abgemacht aus jener Abhand- Iung herüber, Daß ed immer ein Mißverfländnig gewefen ift, ein fehr altes freilich und ſehr weit verbreitetes denn es kommt faft in allen griechiſchen Schulen vor wenn man gefragt hat, was das höchfte Gut für den einzelnen Menfchen fei. Vielmehr würde immer richtiger gefagt werden, der einzelne Menfch habe Theil an ben verfchiedenen Theilen ded höchften Gutes, ohne da irgend einer von diefen mehr ald der andere bad hoͤchſte Gut für ihn -fein Eönne, weder berfelbe Theil für alle, noch für einige diefer, für andere jener. Oder wenn man doch fagen wollte, weil der einzelne an allen Theilen defielben Theil habe, fo trage er auch dad Ganze, wenn auch nicht außfchließend, fondern mit alı len gemeinfchaftlich in fich: fo würde hiervon noch in weit höhe: rem Grade daffelbe gelten, wos her ylatoniſche Sokrates von: der

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| 471 Gerechtigkeit behauptet, daß ihre Erfcheinung in dem einzelnen ein unendlich Eleined Abbild fei, und daß wir Daher, um ed ge nau zu erkennen, das geiftige Auge, damit es nicht durch bie Anftrengung geblendet werde, einem andern Gegenfland zuwen⸗ den müffen, wo daffelbe im großen anzufchauen ift. Diefer hel⸗ lere Ort aber ift nicht eine eben fo befchränfte menfchliche Ge meinſchaft wie der platonifche Staat, fondern vollftändig geichaut kann das höchfte Gut nur werben in ber Gefammtheit des menfchs lichen Geſchlechts, mithin iſt auch dieſes nur der wahre und ei: gentliche Ort beffelben. Ja ich möchte gleich hinzufügen, auch diefes nicht etwa fo wie man es ſich denken koͤnnte getrennt oder trennbar von der Erde, fondern in feiner Zufammengehörigkeit mit diefer. Denn da wir ed bier mit dem fchlechthin realen zu

thun haben: fo würden von einer folchen abftracten Borausfezung aus auf jede Frage nur fantaftifche Antworten fönnen gegeben werden. Wir haben hier dad menfchliche Gefchlecht nicht zu be 2 trachten als eine Gefammtheit vernünftiger Wefen überhaupt, fon:

dern ald die in diefer Organifation und unter den Bedingungen

dieſes Weltkörperd lebende Vernunft; und was fonft auch, von

Gott gejagt worden ift, er fei deshalb vollkommen, weil er fo ganz fei, daß alles in ihm ift, das gilt in diefem Sinne von dem hoͤchſten Gut; ed ift vollfommen, weil ed fo dad Ganze ift, daß alles in ihm if. Die Gefammtwirtung der Intelligenz auf diefer Erde vermittelft der menfchlichen Organifation ift ed, die wir und auseinanderzulegen haben, als wäre fie fo vollendet, daß fie ſich mit denfelben Zügen nur immer wieder zu erneuern

brauchte. Diefe ift dad höchfte Gut, ein vollkommen abgefchloffe:.

ned Ganze, wie unfer Weltförper ein im Raum abgefchloffenes ift, fo Daß auch alle menfchliche Thaͤtigkeit über den Umfang befjelben hinaus nicht reichen kann; und ein vollfommen erfüll: - ter Raum iſt ed, Daß ich mich fo ausdruͤkke, ohne gleichfam leere Zwifchenraume und ohne einander auf nichtd bringende Gegen: | füge, wenn alle Vernunftthatigkeit mit ihrer Wirkung gegeben it.

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Wobei allerdings diefed vworausgefezt wird, daß alle Vernunft: thätigkeit, auch die verfchiedenften und einander relativ entgegen» ſtehenden nicht ausgefchloffen, unter ſich compoffibel; jede Thaͤtig⸗ feit aber, welche die Abzwekkung hätte, Bernunftthätigkeiten oder deren Wirkungen aufzuheben, feine Vernunftthaͤtigkeit fei. Diele, allerdings die ethiſche Grundvorausfezung, iſt aber auch nichts andered als die und allen urfprünglich einmohnende UWeberzeu: gung von der Identität der Vernunft in allen. Wenn wir nun, wie in jener Abhandlung gezeigt ift, bier nicht die Vernunft: thätigfeit ald bloß inneren Impuls oder al3 Willensbefiimmung ifolirt, fondern mit ihrer Wirkung ald eins zu betrachten haben, wie dieſe überwiegend bald als That bald ald Werk erfcheint: fo müffen wir auch, weil und die Intelligenz nur als dem menſch⸗ lichen Gefchlechtöteben anhaftend gegeben ift, vermöge berfelben Grundvorausfezung das ganze Syſtem von Vernunftthättgkeiten als fich immer erneuernd und von jeder Generation flätig auf genommen benten. Demnach hat jede Generation in. diefer Hin: ficht drei auf einander folgende aber auch mit einander beftehende Verrichtungen; zuerft entwikkelt fich ihre Intelligenz an der des früheren Gefchlechtes, dann ift fie felbft fortbildend wirkſam in dem gegebenen Raum, und zulezt überliefert fie anregend ihre Thätigkeit an die in der Entwikklung noch begriffene Generation. In diefem ganzen Vernunftleben ift nun freilich jede: fittliche 23 Handlungsweife, ja jeder fittliche Moment ein Beftandtheil; aber nicht jedes folches Element werden wir mit dem Namen des Ganzen ein Gut benennen, fondern nur folche Beftandtheile, welche auch dem Ganzen ähnlich, ebenfald einen wenn auch nur beziehungsweiſe abgefchloffenen Inbegriff von verfchiebe: nen auch beziehungsweife entgegengefezten Thaͤtigkeiten bilden, welche fich in demfelben Umfang flätig erneuern. Denn nur bes ziehungsweiſe wird jedes von diefen Gütern ein ſolcher Inbegriff ſein duͤrfen, naͤmlich ſo daß jedes als fuͤr ſich unvollſtaͤndig einer Ergaͤnzung bedarf, wenn bad dad vollſtaͤndige, nämlich das

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hoͤchſte Gut, nicht eine Zufammenftelung von ihnen ald gleichen, fondern ein Inbegriff von ihnen ald ungleichen fein fol. So iſt ja auch in jedem Leibe jedes Glied eine Ergänzung der übrigen, fo in jedem Staat ein jeder Stand eine Ergänzung der andern, fo in jeder Familie jedes Einzelwefen eine Ergänzung ber Ubri: gen, indem jedes fich erft ganz entwilfelt und ganz erkannt wer den kann in feinen Relationen zu allen andern. Und aus eben dem Grunde, wenn fich ein folcher partieler Inbegriff von Wer nunftthätigkeit feiner Wirkung nach beſchraͤnkt auf einen beſtimm⸗ ten Raum, während andere gleicher Art andere Räume einneh⸗ men, wie das mit den Familien der Fall ift im: Fleinen und mit ben Völkern im großen, darf auch diefe Beſchraͤnkung nicht eine ſchlechthinige, fondern muß theilweife wenigftens aufgehoben fein. Denn wie ein Volk nur befteht nicht aus den Familien einzeln, fondern nur durch die Gemeinfchaft der Familien: fo befteht auch die Menfchheit und hat ihr wahres Dafein nicht durch die Voͤl⸗ fer einzeln, ſondern erſt in ihrer möglichft innigen Gemeinfchaft. Sol nun dad höchfle Gut auf diefe Weife befchrieben wer; den können: fo muß einerfeitd nachzumeifen fein, wie Die Vers nunftthätigfeit fich differenttirt und auseinandergelegt, auf ber anderen Seite aber auch, wie das durch die Vernunftthaͤtigkeit anzufüllende Gefammtgebiet fich in Beziehung auf diefelbe gleich» fall jondert oder zufammenfaßt. Ehe wir aber den hierüber in der früheren Abhandlung gegebenen Andeutungen weiter nachge: ben, muß ich) noch einmal auch auf ben ‚dortigen Anfangspunkt zurüffommen, daß nämlich das Eingetretenfein der Intelligenz in bie Lebensentwikklung der Erde oder die Vernuͤnftigkeit der menſch⸗ lichen Gattung, und zwar als die einzige hiefige Art zu fein der Vernunft, vorauögefezt wird. Hiermit fol Feinedweged irgend eine kosmologiſche oder metaphyſiſche Praͤmiſſe über dad Verhält: niß des fittlichen zu dem lediglich natürlidyen, oder bed geifligen 25 zu dem lediglich leiblichen erfchlichen werden; vielmehr wollen wir unjer Gebiet in diefer Hinficht nur möglichft vollſtaͤndig ifo:

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liren. Sollte auf der einen Seite behauptet werben, die Ber: nunft fei überall nur das Refultat von der Entwikklung de organifchen leiblichen LZebens: fo werben wir nur fagen, wie die Bernunft geworben ſei wenn diefer Ausdrukk, fei ed auch nur bier, erlaubt ift das gelte und gleich; dad Gewordenfein ber: felben aber fei der Wendepunkt in der Gefchichte der Erde, mit welchem das fittliche erft beginne, und von welchem an auch erft von einem Gut die Rede fein koͤnne. Wollte im Gegentheil be bauptet werden, die Sntelligenz ſei ſchon von vorne herein und von unten auf das den Stoff geflaltende und namentlich auch das die organtichen Zuftände hervorrufende geweſen, und finde . nur fich felbft nicht eher ald'auf diefem Punkt dem menfchlicyen Drganidmus: fo werden wir nur fagen, jene früheren Wirkſam⸗ feiten wären nur nicht fittliche, fondern anderer Art, und nur das Sich felbft gefunden haben der Intelligenz fei ed, wovon bie fittliche Wirkſamkeit auögehe. Und fo bleibt auch jezt das er neuernde Entſtehen der menſchlichen Organifation an und für fi betrachtet von unferm Gebiet auögefchloffen. Denn die Geſchlechts⸗ vermiſchung zum.Behuf der Erzeugung ift freilich ein fittliches Element, die Erzeugung aber ald unabhängig vom Willen ift feines. Und daß die Anordnung der Gefchlechtöverhältnijfe eine fittliche Aufgabe ifl, und Abnormitäten in ber Bildung eines neuen Gefchlechted Folgen fein koͤnnen von Mängeln an irgend einem fittlichen Ort, verfteht fich von felbft. Aber an und für fih betrachtet Liegt das Entſtehen neuer Organifationen außer: halb unfered Bereichs. Mag fich die geiflige Kraft bei der Ent: wikklung der Organilation im embryonifchen Zuftande verhalten wie ed auch ſei: dad gewordene intelligente Einzelwefen tritt in unfer Gebiet erſt ein, wenn ed and Licht tritt, und fo wie es dann ſchon, und unbewußt, geworden iſt. Eine ähnliche Be: wandtnig bat ed noch mit einer andern dort aufgeftellten Behaup: tung, daß nämlich dem Menfchen gebühre, in dem volllommen: fien Sinne ded Wortes Gattung zu fein, fo namlid), Daß jeber

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einzelne nicht nur burch feine Stellung in Raum und Beit von allen anbern verfchieden ift, ſondern auch auf rein geiſtige Weiſe als eine eigenthuͤmliche Modification der wenngleich in allen fels bigen Intelligenz. Denn man. fönnte denken, alle Säze, auf welche diefe Boraudfezung Einfluß hat und diefer erſtrekkt fich, wie wir fehen werben, durch dad Ganze hindurch wären für diejenigen verloren, welche geneigt find eine anfängliche Gleich 26 heit unter allen Menfchen anzunehmen und alle Berfchiedenheiten nur aus ben Außeren VBerhältniffen zu erflären. Wir koͤnnen auch dieſes ftreitig laffen; denn dad wird nicht geläugnet werben dürfen, daß die Hauptzüge ded eigenthümlichen Dafeind fchon feftgeftelt find, eben fo gut ald ob fie angeboren wären, ehe der einzelne feinen eigenen Ort in der fittlichen Welt einnimmt, fo dag wir ihn auffordern ſich diefen Ort nah Maaßgabe jener zu fuchen und zu beflimmen. Wie innen daher beides zufammen: fafien in eine und dieſelbe Vorausſezung, daß immer fchon die Vernunft in ber menfchlichen Organifation gegeben fein muß, wenn das höchfte Gut werben fol, und daß immer fchon eigen: thuͤmliche Natur gegeben ift, durch welche ed werben muß.

Um aber den Inhalt unfered Begriffs näher zu ermitteln, ift, ſoweit died einerfeitd von einer Zertheilung der Vernunft: thätigkeit ausgehen muß, bort nichtd weiter angedeutet, ald daß fie in zweierlei zerfalle, daß alles Sein in Bewußtſein aufgenom: men, und dag allem Sein dad Weſen des Geifled eingebildet werde. Wenn hiedurdy auf der einen Seite in fofern etwas voll: fländiged gegeben ift, ald Sein und Bewußtfein dann in einan: der aufgehen: fo fcheint es doch, ald ob in der erſten Thaͤtigkeit, Durch welche nämlich das. Sein in Bewußtſein aufgenommen wird, doch nur bad befchauliche Leben, oder vielleicht auch das genießende, von der britten griechifchen Lebensweife aber, der thaͤ⸗ tigen, in der andern Vernunftthätigkeit, welche dem Sein das Weſen des Geiftes einbildet, nur der eine Theil, nämlich das eigentlich Tünftlerifche Leben ausgefprochen wäre, das praßtifche

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aber gaͤnzlich vernachläffigt. Indeß wird diefer Schein ber Un: volftändigkeit vielleicht verfchwinden, wenn wir jene Formeln durch ein paar andere erläutern, in welchen umgelehrt bad bort vernachläffigte vornamlich hervorgehoben wird, und deren Identi⸗ tät mit jenen fich doch leicht nachweifen laͤßt.

Sit nun dad lebendige Sein ber Vernunft in ber Organifa: tion der ſchon immer voraudgefezte Punkt, die Sefammtwirkfam: teit der Vernunft aber in allem irdifhen Sein ber angeftrebte: fo ift auch alles, was von jenem erften aus zu diefem lezten hin: geht, dad Werden des höchften Gutes. Ein ſolches Hinübergehen ift aber nur möglich unter der Vorausſezung lebendiger Bezie bungen zwifchen der urfprünglic mit der Vernunft geeinigten

27 Organifation und der übrigen Natur, ald welches die phyſiſche Grundvorausſezung für unfern Begriff iſt; und dad Werden def- felben ift nicht anderd anzufchauen ald durch diefe Beziehungen. Wie nämlidy anfangs der menfchliche Leib auöfchließlich mit der Vernunft geeinigt if, alled andere aber nicht: fo tritt dann all: mäbhlig died und jened von biefem lezten, mittelſt jener Beziehuns gen an ben Leib fich anfchliegend, in diefelbe Verbindung mit ber Vernunft, die hierauf mit biefem gleichermaßen auf das übrige wirft u. ſ. f. Indem nun die jebeömal fchon geeinigte Äußere

- Natur fi) zu der noch nicht geeinigten verhält wie bie urfprüng-: lich geeinigte Organifation zu der Gefammtheit des irbifchen Seins, für weldhe die Einigung mit der Vernunft angeffrebt wird: fo ift alfo jene Durch ihre erfolgte Vereinigung auch für die Vernunft organifirt; und die Thaͤtigkeit, welche dieſes be: wirkt, läßt fich nicht beffer bezeichnen, als durch den Ausdrukk, bie organifirende. In diefer Thaͤtigkeit, wie fie von dem Borhergeeinigtfein ber Vernunft und der Organifation ausgeht, ift die Vernunft eben ſo das bewegende Princip, ald wenn fie ed auch ſchon bei der urſpruͤnglichen Bildung der Organifation felbft geweien wäre; und die jedesmal ſchon angebildete Natur verhält fich gemeinſchaftlich mit der urfprünglichen Drganifation

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477 in biefer Thätigkeit fo ald Organ der Vernunft, ald wäre auch die urfprüngliche Organifation eine folche durch die Vernunft ald bewegendes Princip ihr angebildete Natur. Daher ift dad Ende diefer Wirkſamkeit, mithin die hieher gehörige Seite des höchften Gutes, nichts anderes, ald dad möglichfle Organifirtfein der ges fammten irdifchen Natur für die geiftigen Functionen des Mens fhen. Wie aber die Vernunft nur in der Organifation gegeben ift, fo ift fie auch in dem Gegenfaz der Gefchlechter und in der _ Sefammtheit der Einzelmefen auf einander folgender Generatio: nen gegeben; mithin ift ein Geſammtwirken der Vernunft nur möglich, infofern die in der einen Organifation eingefchloffene Bernunftthätigkeit auch vermag die in andern Organifationen eins gefchloffenen,, und zwar ald handelnde, mit ihren Wirkungen zu erkennen und anzuerkennen. Die Möglichkeit, jene Seite des hoͤch⸗ fien Gutes auch nur als werdendes zu realifiren, d. h. die Mögs lichkeit der organifirenden Aufgabe überhaupt, beruht aljo darauf, daß ed Vernunftthätigkeiten gebe, wodurch die Vernunft fich felbft erkennbar macht; fie kann dad aber nur in einem andern, mits hin auch nur in dem irdifchen Sein, in welches fie ald menſch⸗ liche Seele gefezt if. Nun ift aber ein gewöhnlicher Ausdrukk für dadjenige worin ein andered, zumal für das leibliche, worin 28 ein geiſtiges erkannt werden Tann, der, daß jened ein Symbol für dieſes ſe. Wir werden daher unfere zweite Vernunftthätigs keit füglich durch den Namen der fymbolifirenden bezeichnen fönnen. Nun ift auch ſchon dad Gattungsleben ald folches nicht denkbar, wenn nicht die Vernunft der Eltern in Geflalt und Bes wegung ber Kinder fich felbft erkennt; und fo auch Fein Verhälte niß gleichzeitiger, wenn fie fich nicht unter einander erkennen. Diefed alfo ift der Anfang des Werdens für dieſe Seite des hoͤch⸗ flen Gutes; und dad Ende wäre biefed, wenn die gefammte Ver: nunft fich manifeflirte in der gefammten Natur, fo daß alle Vers. nunft erfannt würde und alle irdifche Natur in diefe Kundma⸗ dung einginge. Nehmen wir nun aber beide Thaͤtigkeiten zus

478 fammen: fo tönnen wir nicht dabei ftehen bleiben, daß die orga- nifirende nur bedingt fei durch die fombolifirende. Vielmehr if nicht nur eben fo die fombolifirende bedingt durch die organijirende; denn die Vernunft muß fich erft in der urfprünglichen Organifa: tion thätig zeigen, das heißt fie ſich felbfithätig aneignen, ehe fie in ihr auch nur im mindeften erfannt wird; fondern fie organi: ſirt auch nur zum Behuf diefer volftändigen Anerkennung ihrer felbft in allem ihr vorliegenden Sein. Daher, wenn wir bie Frage aufwerfen wollten, ob ed außer diefen beiden noch andere Bernunftthätigkeiten gebe, Durch welche dem höcften Gut Ele mente zugeführt werden können oder nicht; und wir befannen und nun darauf, was wol noch zu verrichten übrig wäre, ober was derjenige noch wünfchen Eönnte, der ganz im Intereſſe ber Vernunft lebt, wenn died beides vollbracht wäre, daß bie gang Bernunft fich überall manifeftirte, und daß alles ihr erreichbare ihr auch zum Organ diente: fo mürde, glaube ich, nichts gefun⸗ den werden koͤnnen. Denn nehmen wir z. B. die hoͤchſte Ent: wikklung des Denkens in der Wiffenfchaft, fo ift diefe Dach durch bie Sprache vermittelt, und ift nur die höchfte Manifeftation der Vernunft in diefer, und die Hinwegräumung alles vernunftwibri- gen aus derfelben. Ja alles, was wir nach dieſer Seite hin als größere Entwikklung anfehen, ift eigentlich doch immer nur Ent: wikklung ber Manifeflation der Vernunft in diefem Organ; und it um fo mehr nur fo zu betrachten, als wir dad Wiffen an und für ſich als überall Eined und fich felbft gleich vorausſezen. Und nun wird fih und auch die Ausgleichung zwifchen die: fen beiden Formeln und den zuerft aufgeftellten bald ergeben. 29 Dadjenige nämlich, um hiermit anzufangen, was in den erſten beiden Formeln am meiften vernachläffigt zu fein fchien, iſt bier vorzüglich wohl bedacht; denn alle Gewerbsthaͤtigkeit im Volks⸗ leben fo wie alle Staatöverwaltung geht doch nur darauf aus, bie Natur auf das vollkommenſte ald Werkzeug für den Men: [hen auözubilden, und alles überhaupt wird hieher zu rechnen

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fein, worauf bie thätige Lebensweiſe es am meiften anlegt. So wie auf ber anderen Seite alles, was wir am meiften Kunft nens nen, auf eine folche Belebung der Natur hinwirkt, durch welche am vollfommenften die Intelligenz in ihrem eigenthümlichen Bes fen erfannt wird. _ Haben wir alfo, was fich leicht noch weiter ausführen ließe, nichts aufzumeifen was zum höchften Gut ge Hörig außerhalb diefer beiden Formeln läge: fo müffen auch jene > beiden früheren, das Sein ind Bewußtſein aufnehmen und das Bewußtſein dem Sein einbilden, wenigftens in diefen beiden ent: halten fein. Aber es ergiebt fich auch leicht daB fie ganz in ihnen aufgehen und fie auch ganz auöfüllen. Denn auf ber einen Seite muß dad Bemwußtfein allem eingebildet fein, woran die Vernunft handelnd fol erkannt werden, und alles, defien ſich die Inteligenz ald Organ bedient, Tann auch nur daran, daß ihm Bewußtſein eingebildet ift, von dem mit der Intelligenz noch nicht verbundenen Sein unterfchieden werden; auf der ans deren Seite kann überhaupt die Vernunft fih nur irgendwie an etwas manifefliren, fofern fie Sein ind Bewußtſein aufgenom⸗ men; und alles, was fie fi als Organ angeeignet hat, muß auch, indirect wenigftens, in ihre Selbſtbewußtſein auf diefelbe Weife aufgenommen fein, wie bie urſprungliche Leiblichkeit darin aufgenommen iſt.

Um aber zu uͤberſehen, wie der Geſammtzuſtand der menſch⸗ lichen Dinge, ſofern darin das hoͤchſte Gut wird, auf dieſe Thaͤ⸗ tigkeiten zuruͤkkzufuͤhren iſt, muͤſſen wir noch zweierlei auch ſchon erwaͤhntes mit dem bisherigen in naͤhere Verbindung bringen. Das erſte iſt dieſes. Gehoͤrt es naͤmlich zur Vollkommenheit der menſchlichen Gattung als ſolcher, daß jedes organiſche Einzelweſen auch qualitativ durch ſeine Miſchungs- und Geſtaltungsverhaͤlt⸗ niſſe von den andern verſchieden ſein muͤſſe: ſo iſt auch die Ver⸗ nunft in jedem ſchon vor aller ſittlichen Thaͤtigkeit mit dieſem eigenthuͤmlichen geeinigt; mithin muß auch die nachfolgende Thaͤ⸗ tigkeit das Gepraͤge dieſer Eigenthuͤmlichkeit an ſich tragen. Dem⸗

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obnerachtet aber bleibt die Vernunft ſelbſt in allen eine und Dies felbige, und auch. diefe Selbigfeit muß fih in allen Thätigkeiten so offenbaren. Beides ift num freilich entgegengefezt; aber es darf nur beziehungsweife, nicht eined dad andere aufhebend fondern fi) mit einander verbindend, entgegengefezt fein. Hierbei bleibt natürlich die größte Mannigfaltigkeit des Verhaͤltniſſes vorbehal: ten, fo daß dad eine mit dem andern im Gleichgewicht fein Tann, oder auch das eigenthümliche an dem identifchen ald Minimum und umgekehrt. Sonach wird auch die organifirende und ſym⸗ bolifirende Thaͤtigkeit in allen ihren verfchiedenen Beziehungen eine andere fein, wenn überwiegend den einen oder den anderen Charakter an fi) tragend. Jede eigenthümliche aber ift als folche auch von den gleichartigen urfprünglich gefchieden, die identifche hingegen auch mit den andern einzelnen urfprünglich eines; mit: bin kann ed eine Gefammtwirtung der Vernunft al3 einen In⸗ begriff aller Zhätigfeiten nur geben unter der Form einer Ge meinfchaft der auf jene Art verfchiedenen und einer Sonderung ber, auf diefe Art identifchen. Das andere tft dieſes. Geht alle Bernunftthätigkeit aud von der urfprünglichen jedesmal vor aller eigenen fittlihen Thaͤtigkeit ſchon gegebenen Einigung der Ins telligenz mit der einzelnen Organifation; und ift fie in dem Be griff des höchften Gutes ein auch Außerlich vollſtaͤndiges, fofern abgefchloffen auf dem Umfang unferes Weltkörpers: fo muß es auch, weil äußerlich jedes Einzelwefen von dem anderen gejchies den ift, eine urfprüngliche Gemeinfchaft des gefchiedenen, und weil an und für fih dad Verhältnig dee menfchlichen Organifation zur Erde nur eined und baffelbe ift, eine urfprüngliche Scheis dung diefed ibentifchen geben. Sene erfolgt vermittelft der Art, wie dad Einzelwefen wird duch Erzeugung; denn bie Gleichheit ber Abſtammung ift eine urfprüngliche Gemeinfchaft der als Ein. zelwefen urfprünglich gefchiedenen. Die urfprüngliche Scheidung des identtifchen iſt gegeben in der Elimatifchen Differenz der ver: fchiebenen Regionen des Weltkoͤrpers, vermöge welcher auch die

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menfchliche Organifation fich differentiirt in allen den verfchiedes nen Functionen, durch welche die Bernunftthätigkeit hindurchgeht. Diefed zufammengenommen ift alfo die fchon gegebene Naturs bedingung,, vermittelft welcher dad hoͤchſte Gut ald Gefammt- wirkung der Vernunft unter der Form von Sonderung und Ge: meinfchaft innerhalb diefed Naturganzen unferes Weltkoͤrpers mög: ich ift; fo daß dad Marimum ded Verhältniffes der menfchlichen Drganifation zu dem Weltkörper felbft dad Maaß deffelben ifl. Wird nun das höchfte Gut in dem Inbegriff von einzelnen Gü: tern, welche nur ald Abbilder von jenem an diefem Namen theil: nehmen: fo wird auch das höchfte Gut nicht nur die Nebenein: 31 anderftellung, fondern auch die Gemeinſchaft von diefen fein müf- fen, jeded einzelne alfo auch ald Abbild des Ganzen zwar ein abgefchloffenes, aber ald die Gemeinfchaft mit den gleichartigen ſich vorbehaltend nur ein beziehungsweife abgefchloffenes. Jedes beziehungsweife für fich beftehende Naturganze aber, in melchem, als einem beflimmten und gemefjenen, die fich felbft gleiche und überall felbige Vernunft zu einer Befonderheit des Dafeind wird, als zugleih Mittelpunkt einer eigenen Sphäre von Vernunft: thätigkeiten und deren Wirkungen, zugleih aber auch Gemein: ſchaft antnüpfend, nennen wir eine Perfonz und jeder die Gegen: fäze in ſich vereinigende Inbegriff von Thätigkeiten ift nur ein Gut und ein Drt innerhalb des höchften Gutes, infofern ihm in diefem Sinn eine Perfönlichkeit zukommt.

Es wird in dem Umfang diefer Abhandlung nur noch mög: lich fein, in Beziehung auf dad eben gefagte den Inhalt der bei: den weſentlichen Vernunftthätigkeiten ihren erſten Grundzügen nach darzulegen. Died Tann freilich manchen Säzen den Schein geben, ald Tnüpften fie nicht genau an, und wären alfo auch nicht hinreichend begründet; allein diefer würde bei einer genaue: ven Audführung, die aber ein jeder leicht felbft ergänzen Tann, unfehlbar verfchwinden. Betrachten wir zuerft die organifirende oder anbildende Thätigkeit, und zwar überwiegend unter dem

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Charakter, wie jie überall und in allen diefelbige ift: fo kommt auch fchon die Ausbildung der Leiblichfeit eined einzelnen für die Bernunft nur in ber Gemeinfchaft dee Generationen, wodurch fi alfo die Familie ald der urfprüngliche Ort biefer Thaͤtigkeit bewährt, zu Stande, und zwar ald zufammengefezt aus angeerb- tem oder mitgeborenem und eingeübtem. Handelt dann ber ein» zelne in ber Familie oder die aus folchen einzelnen beftehende Familie auf die noch nicht angebildete Natur: fo wird jede folche Handlung etwas zu dem Organismus der Intelligenz hinzufügen; aber nur foweit wird bied Ein und berfelbe Bildungsprozeß ſein, als die bildende geiſtige Natur dieſelbe iſt, und auch allen die⸗ felbe zu bildende leibliche Natur zugewendet. Soll aber diefes Gebiet ein Gut fein: fo dürfen nicht nur bie einzelnen gleich mäßig neben einander bilden, fondern ihre bildenden Thaͤtigkeiten müffen fich auf einander beziehen, mithin der Prozeß ein gemein- fchaftlicher fein. Nun ift jede naturbildende Thätigkeit, fofern fie an die Perfönlichkeit anreiht, Erwerbung, und das Reful: 2 tat Beſiz; theilweife Aufhebung des Beſizes für die Geniein: ſchaftlichkeit des Bildungsprozeſſes ift Verkehr, und gegenfeitige Bedingtheit beider, der Erwerbung und der Gemeinfchaft durch . einander, ift der Rechtszuftand. Sn der Einheit des hoͤchſten Gutes ift alfo nothwendig zu fezen ein über die ganze Erbe ver: breiteter Rechtözuftand. Wäre jedoch diefer nur ein gleichmäßiges Verhaͤltniß jeded einzelnen zu allen oder jeder Familie zu allen, nur in feiner Fruchtbarkeit verfchieden nach Maaßgabe ihrer Ent: fernung von einander: fo wäre nirgend beflimmte Sonderung, indem ed alödann Fein anderes für fich beſtehendes Naturganze gäbe, ald die Familie; diefe aber muß auf den Gefammtumfang ber Vernunftthätigkeit bezogen ald “ein unendlich kleines vers ſchwinden, fo daß dad Ganze nur ald ein Aggregat aus unend⸗ lich kleinen verfchiedenen Elementen mithin chaotiſch erfchiene. Gehen wir aber den fehon gegebenen Naturdiffesenzen nach: ſo finden wir von der klimatiſchen Verfchiebenheit aus in jeder Volks⸗

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thuͤmlichkeit ein durch Identitaͤt der Abſtammung und durch Zu⸗ ſammengehoͤrigkeit des eigenthuͤmlichen relativ abgeſchloſſenes Bil⸗ dungsgebiet, mithin auch fuͤr das verwandtere einen beſtimmt ge⸗ bundenen und von dem fremden beſtimmt geſonderten Rechtszu⸗ ſtand, gleichviel ob unter der loſeren Form einſtimmig anerkann⸗ ter Sitten und Gebraͤuche oder unter der feſteren des Geſezes und der buͤrgerlichen Ordnung. Innerhalb dieſes Ganzen nun finden wir daß in der Familie der Gegenſaz von Beſiz und Gemein⸗ ſchaft ſich fuͤr ihre einzelnen Glieder verliert, außerhalb der Volks⸗ begrenzung aber erſcheint ein die Gemeinſchaft der Voͤlker repraͤ⸗ ſentirendes, eben deshalb aber, verglichen mit jenem, auch nur vereinzeltes und zerſtreutes Verkehr, ſei es nun unter der loſeren Form der ungeſicherten Zulaſſung oder unter der feſteren des Vertrages. | | Gehen wir nun zuruͤkk und faffen dieſelbe Thaͤtigkeit ins Auge, fo wie jedes menfchliche Einzelmefen ein eigenthümliches von allen andern verfchiedenes ift: fo ift auch jebed in feiner ans bildenden Tchätigkeit urfprünglich von allen andern geichieben und mit den Wirkungen derfelben in fich felbft abgefchloffen. Diefe Abgefchlofjenheit begründet die Unübertragbarkeit des fo angeeig» neten. Das fchlechthin und urfprünglich unübertragbare mit dem Einzelfein des geifligen unzertrennlicy verbundene ift daher ber Leib. Diefe urfprüngliche leibliche Geſchiedenheit der Einzelmes fen ift aber in der Samilie fchon zu einer möglichen Gemeins fchaftlichkeit vermittelt durch die Spentität des Abftammung, in bem bie Leiblichkeit der Gefchwifter abgeleitet iſt von der Leib⸗ lichkeit derfelben Eltern. So wie fich Diele fehon in der Orga: nifation an und für ſich zu erkennen giebt durch die Familien⸗ ähnlichkeit: fo giebt ed auch in der Familie eine eigenthümliche Gemeinfchaft der anbildenden Thaͤtigkeit, und die Erzeugniffe der: felben möchte ich im Gegenfaz gegen bad was wir nur Be fiz genannt haben, worin aber, was im gewöhnlichen rechtlichen Sinn Eigenthbum beißt, mit eingefchloffen iſt in einem praͤg⸗ Q62

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nanteren Sinne des Wortes Eigenthum nennen, badjenige darunter verftchend, was beinahe eben fo wenig als der Leib felbft ein Gegenftand ded Verkehrs fein darf, weil es nicht übers, tragen werden kann ohne von feinem fittlihen Werth zu verlies ren. Wäre nun jede Bamilie mit dieſem, wir wollen fagen zus ruͤkkgeſezten, das heißt außerhalb bed Verkehrs geftellten, Eigens thum gänzlich ifolirt: fo wären biefe Ergebniffe der eigenthuͤm⸗ lichen Thätigkeit in dem Gelammtumfang des höchften Gutes nur in einem leeren Nebeneinanderfein gegeben, fo daß jedes für fonft niemand da wäre; und dad will fall fagen, diefer Zweig ber Vernunftthätigfeit wäre aus der Einheit des hoͤchſten Gutes ausgefchloffen. Nun aber giebt es auch hier ein größeres Natur: ganze ald dad der Familie urfprünglich fchon in der Volksthuͤm⸗ lichfeit der Organifation, welche, wenn wir fie im großen bes trachten, klimatiſch bedingt ift durch die Belchaffenheit des Bo⸗ bend den ein Volk einnimmt. Daher auch abgefehen von gro: gen gefchichtlichen Entwikklungsknoten, welde in ein ethifches Verftändnig aufzulöfen nicht diefed Ortes fein kann, ein Volk fi nicht trennt von feinem Wohnſiz. Diefer ift daher der all» gemeinfte Gegenftand der volksthümlichen bildenden Thaͤtigkeit, aus welchem fich die übrigen allmählig entwißfeln, und daher auch mehr oder weniger mit ihren Werken untrennbar in bem Boden wurzeln, oder ſich der Perfünlichkeit und dem häuslichen Leben ald gemeinfam charakterifirend anfchliegen. Allein auch diefed Iöft für fich noch nicht unfere Aufgabe, indem auch diefe größeren Gebiete, fo lange fie ſtreng abgefchloffen find, auch nur neben einander beftehen und nicht für einander, mithin das eigens thümliche noch ganz ber Gemeinfchaft entbehrt. Aber die allge - meine Selbigfeit der Vernunft, welche durch die Verſchiedenheit des eigenthümlichen niemals kann aufgehoben werden, behauptet auch hier ihr Recht; und was nicht auf biefelbe Weile, wie es geworden ift, nämlich ald Organ im Verkehr von einem zum andern hinüber wandern kann, das fol ſich wenigftend der frem⸗

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den Intelligenz Öffnen, um von ihr, fo weit ed angeht, ind Bes »+ wußtfein aufgenommen zu werden. Das ift die Bedeutung zus, nächft der freien auf Gefchäft und Verkehr nicht bezüglichen Verhältniffe der Gefelligkeit, deren Mittelpunkt die Familien find, fofern fie vorzüglich die Darftelung des eigenthümlichen, und zwar urfprünglich des eigenthümlichen der anbildenden Thaͤtig⸗ Feit, wie ed überall in dem Innern des Haudwefend zu Lage Jiegt, für die gemeinfame Vernunft beabfichtigen, eben fo aber auch der Gaftfreiheit, fowol der häuslichen gegen einzelne, welche nicht dem volksthuͤmlichen Kreife der gemeinfamen Eigen: , thümlichkeit angehören, als auch nicht minder derjenigen, welche Voͤlker ausüben gegen einzelne, die ald Repräfentgnten anderer unter ihnen erfcheinen. Und eben fo erklärt fich hieraus das Ver: langen, welched von jeher einzelne mit befonderem gefchichtlichen Sinn begabte in die Fremde verlofft hat, nicht um ded Gewinns und deö Verkehrs willen, fondern um die abweichenden Geflal tungen des menfchlichen Lebens kennen zu leınen, und durch diefe Kunde dad gemeinfame Leben, dem fie angehören, zu bereichern. Auch auf diefer Seite alfo haben wir an der Familie und dem Volk zwei in verfchiedenem Maaß für fich beftehende Naturganze, in welchen Abgefchloffenheit und Geſelligkeit fich gegenfeitig bes dingen. Snnerhalb der Familie ift dad eigenthümliche der hil- denden Thätigkeit immer fchon von felbft verflanden, und ein Volk öffnet feine eigenthümliche Abgefchloffenheit andern in dem Maaf, als es ſchon zu der Vorauöfezung entwikkelt ift, dag bie in allen felbige Vernunft den Schlüffel zum Verſtaͤndniß jeder eigenthümlichen Geflaltung in fich trägt, während die Zamilien innerhalb des Volks einen unbeftrittenen, aber doch durch den Umfang ber gemeinfamen Eigenthümlichkeit bedingten Anfpruch haben an die Anfchauung aller befondern Geftaltungen der bil denden Thätigkeit, die der gemeinfamen Eigenthümlichkeit unters geordnet find. Und hierin wäre nun die Beſchreibung der anbils denden Thaͤtigkeit vollendet; ja wir können fagen daß wir fchon

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über fie hinauögegangen find, benn bie lezten hier aufgezeigten Grabe fcheinen fchon mehr zur Manifeftation ber Vernunft zu gehören. Allein dies iſt wegen ber gegenleitigen Bedingtheit beis ber geifligen Functionen durcheinander weber zu vermeiden noch zu verwunbern. Andrerſeits aber, wenn wir biefe Gemeinfchaft ber Voͤlker zum Beilpiel genauer betrachten: fo entfleht jie Doch nicht durch diejenigen die darin nur paffiv find, indem fie ſich nicht verfchließen, fondern durch die activen, bie mit jenen ans

ss fnüpfen; und nur von derjenigen Gemeinfchaft ift hier die Rebe, welche dad Refultat einer im Intereffe der bildenden Thaͤtigkeit erfolgten Antnüpfung if, wodurch diefe immer wieder neue Im⸗ pulfe und einen vergrößerten Umlauf erhält.

Ehe wir aber eben fo dad Gebiet der fpmbolifirenden Thaͤ⸗ tigkeit durchlaufen, muß zuvor bemerkt werden, daß dieſe Thaͤtig⸗ keit ihre Beziehung nicht nur hat auf dad räumliche Zertheilts fein der Vernunft, fofern fie in den zugleichfeienden Einzelmefen eingefchloffen iſt ald deren Seele, fondern auch auf die zeitliche Bertheilung berfelben. Denn das zeitliche Leben ift auch feinem geiftigen Gehalt nach ein Aggregat von Momenten, die jeder für ſich fein würden, wie der geiftige Gehalt jedes Tages für ſich if, durch die Dazmifchen tretende Nacht realiter getrennt von Dem vorigen und folgenden, wenn nicht jeber vorige immer wieber aufgenommen würde im folgenden. Diefed Zeitlichwerden und ſich ald zeitlich finden und wieder aufnehmen der Vernunft ifl nun ihre Dafein ald Bemwußtfein. Das Bewußtfein daher in fei- ner ihm wefentlichen Zeitlichkeit ift das urfprünglide Symbol der an fich unzeitlichen Vernunft; und die urfprüngliche Aufgabe für unfere Thaͤtigkeit ift alfo die, dag die ganze Vernunft Be: wußtfein werde, eine Aufgabe, die fich, wie in jedem Einzelmeien, fo auch in dem Ganzen des menfchlichen Geſchlechtes nur als mählig realifirt, indem, wenn auch jeder bemußte Moment in ben folgenden wieder mit aufgenommen wird, doch der eigent: liche Grund niemals zu erfchöpfen ifl. Diele Seite der ſymbo⸗

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liſirenden Thaͤtigkeit ift aber von der anderen, bie fich der räum- lichen Zertheilung zuwendet, nicht zu, trennen; was bort dad Be wußtfein ift, das ift hier der durch die Leiblichkeit vermittelte Auddruff des innern oder die Mittheilung ‚bed Bewußtſeins. Aber nicht einmal fommt diefe ald ein zweites zu dem Bewußt⸗ fein felbft ald einem. erften hinzu, fondern urfprünglich ſchon ift beided eins; denn ed giebt Feine Form des Bewußtſeins, die ans berd als mit ihrer Leiblichfeit zugleich hervortreten koͤnnte. Der Gedanke wird erſt ald Sprechen, wenn auch nur ald inneres und eben fo innerlich vernommenes, wirklich, vorher ift er noch nicht Bewußtfein; und eben fo ift mit jeder Empfindung ſchon dad Differential einer mimifchen, und mit jedem Affect dad einer tranfitiven Bewegung verbunden. Hieraus erhellt zugleich von vorne herein, wie jeder Moment organifirender Thaͤtigkeit zus gleih ein Moment der fombolifirenden wird. Denn jede That ift an fich felbft fchon Ausdrukk der ihre zum Grunde liegenden Willensbeſtimmung, mithin eines Bewußtſeins. Aber eben fo 5 wird auch jeder Moment der fombolifirenden Zhätigkeit eine or: ganifirende; denn jebed wirklich gewordene Bewußtſein ift auch, infofern ed immer wieder aufgenommen werben Tann, ein Organ der Vernunft. Sind nun alfo gleich beide immer in einander: fo betrachten wir doch mit Recht alle diejenigen Thaͤtigkeiten als fombolifirende, die urfprüngli und hauptſaͤchlich als fich ents wikkelndes Bewußtſein geworden find. Dad Bewußtſein ents wikkelt fich aber immer nur in der Gemeinfchaft der Einzelmefen, indem ein ſich von vorne herein einfam entwißfelndes und nicht gegeben ift, und auch nicht von uns angefchaut werden kann. Auch für diefe Thätigkeit alſo ift die Familie der urfprängliche Ort; und fowol in diefer ald auch hernach von ihr aus weiter entwikkelt fih dad Bewußtfein ald ein genteinfchaftlich durch Heiz und freien Trieb beflimmted. Unter dem lezten nämlich ver fiehen wir dad Beflimmtfein der Vernunft durch fich felbft zum Beitlichwerden, unter dem erfleren den Einfluß den die Gemein:

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[haft im weiteften Sinne, alfo auch nicht nur dad Wiederauf⸗ genommenfein der eignen früheren Momente fondern nicht mins der auch das Sefeztiein in die ale Gemeinfchaft der menfchlichen Individuen vermittelnde Natur, auf Diefed Zeitlichwerden in je: bem Moment ausübt. Betrachten wir nun dieſes Werden und Hervortreten ded Bewußtfeind unter den beiden entgegengefezten Charakteren, dem eihen, vermöge befjen ſich darin die in allen Einzelweien ‚felbige, und dem anderen, vermöge deſſen fich darin bie in jedem zur befonderen Seele gewordene Vernunft manife: flirt: fo finden wir beide freilich in keinem einzelnen Erzeugniß gänzlich getrennt, fondern in jedem Product bed einen ift auch der entgegengefezte, wenn auch nur auf untergeordnete Weiſe, mitgefezt. Denn alles Denken im weiteflen Sinne ded Wortes, nicht nur den Begriff fondern auch die Vorftelung, ja fogar dad Bild d. h. die Infichaufnahme des einzelnen Gegenftanded darun⸗ ter begriffen, ift allerdings dad Merk der in allen felbigen Ber: nunft, und eben dieſes die Grundvorausfezung aller geifligen Ges meinfchaft. Demohnerachtet aber ift kein einziger Gedanke oder Bild in dem einen ganz baffelbe wie in dem andern, weil das Merden derfelben in jedem zugleich vermittelt ift durch feine Be: fonderheit, und auch diefe mit audzufprechen hat. Eben fo auf ber anderen Seite ift das zeitliche Selbſtbewußtſein jedes einzel: nen das was ihn ausfchließlich conftituirt, und deshalb an und für ſich ſchlechthin unübertragbar. Dennoch aber, fofern es na: 37 turgemäß auch in der organifchen Erfcheinung der einzelnen her> auötritt, giebt ed auch ein Verſtaͤndniß deſſelben. Nehmen wir nun auch diefed aus dem vorher gefagten hier herüber, daß wenn dieſes Werden des Bewußtſeins in den einzelnen au im Sinn ber Gefammtvernunft ein Gut fein foll, die einzelnen nicht nur jeder für fich fich nebeneinander ald bewußte entwikkeln dürfen, fondern nur in einem wahren Zuſammenwirken und Aufeinander: wirken: fo ſezen wir für die eine Thaͤtigkeit eine Gemeinfchaft des Denkens und Syrechens, worin jedoch die Differenz des Pro⸗

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ductes, und alfo auch die Hemmung ber Gemeinfchaft, ind un⸗ beflimmte zunehmen kann. Auf dem anderen Gebiet hingegen iſt die Form der Gemeinfchaft die, daß nur bie Abgefchloffenheit ded einzelnen in feinem befonderen Dafein durch die Manifeflation ftufenweife aufgehoben wird. Sind alfo auch hier Productivität und Gemeinfchaft durch einander bedingt, indem nur fo die Ver- nunft fich als Einheit herſtellt aus der Zeripaltung in die Eins zelmefen: fo fordern wir auch hier' eine über die ganze Erde ſich verbreitende MWechfelerregung und Mittheilung des Wiffend, und eben fo eine überall verfuchte mechfelfeitige Offenbarung und Er: regung ber zeitlichen Selbftbewußtfeindzuftände, des Gefühl fos wol, daS heißt der mehr palliven, ald auch der freien Verfnüs pfung, das heißt der mehr activen. Auch für dieſe wie für bie erfte Thaͤtigkeit iſt zwar die Familie der urfprüngliche Ort; aber auch hier wie dort fallen wir in das chaotifche zuruͤkk, wenn bie Gemeinſchaft nur befleht in dem unendlichen Aggregat ber für dad Verftändnig mannigfaltig aber unbeflimmt gegen einander abgeftuften Familien. Die Richtung auf ein beflimmted Verei⸗ nigen und Abfondern in größeren Maſſen findet nun auf der einen Seite, nämlich der des objectiven Bewußtſeins, ihre Bes friedigung in derfelben urfprünglichen Naturbegrenzung , wie die organifirende Thaͤtigkeit. Denn die BVerfchiedenheit der Spra⸗ chen, durch welche doch allein dad Denken fich mittheilt, hängt ohnſtreitig zuſammen mit der Elimatifchen und volksthümlichen Berfchiebenheit der Organifation. Und wie der menfchliche Geiſt fih als Bewußtfein nur manifeflirt in der Geſammtheit der Sprachen: fo ift für die Gefammtheit der einzelnen diefe Manis feftation nur vollendet in der Gemeinfchaft aller Sprachen. Ie : volftändiger alfo jede alles Sein in ihrem Bezeichnungsſyſtem ausdruͤkkt; und je genauer fi) alle andern Sprachen in jeder einzelnen abfpiegeln: um deſto vollfommner iſt von diefer Seite bie Vernunft in ihrer Einheit hergeftellt aus der Gefchiedenheit

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3 ber Vereinzelung, und bied ift bie hieher gehörige Seite des höchften Gutes, Meit fchwieriger aber iſt ed, die Manifeftation des befonbe: ren in feiner Eigenthümlichfeit eben fo zufammenzufaflen. Doc) müffen wir verfuchen auch dem Hervortreten des Bewußtſeins, fofern fich darin die eigenthümliche Beſonderheit ausdruͤkkt, feinen Gehalt anzumeifen. Im zeitlichwerbenden unmittelbaren Gelbft: bewußtfein nämlich fezt das geiftige Einzelmefen ſich felbft als vers eigenthümlichend dad gemeinfame, oder als verallgemeinernd das befondere, indem es befondere Seele in jedem Moment nur als Vernunft wird, und ald in ber fombolifirenden Thaͤtigkeit bes griffen zugleich die Einheit ded Seins und Bewußtfeind oder bad abfolute fchlechthinige in ſich trägt, das heißt, es „prägt fih aus als fittliche und frommes Bewußtfein. Und wie zeit: liches nicht ohne Ungleichheit iſt, auch hierin alfo Ungleichheit fein muß: fo bezeichnet es fich Telbft als in diefer Function mehr ober minder gefördert ober gehemmt. Aber wie biefes höhere Les ben fich in jedem Einzelmefen erft aus den ‚mehr animalifchen Zuftänden entwikkelt: fo wird es auch nur zugleich, indem es diefe ergreift und beherrſcht; und dieſe felbft geben die unmittels barſte Kunde von ihm. Daher ift ed ein und daffelbe Gebiet,

in welchem die finnlicheren und die geifligeren Lebenszuſtaͤnde der einzelnen als mehr ober weniger eins für einander mitempfind: bar und erregend find; und die Kunft, welche hier ihren eigent- lichen Ort hat, vermittelt in ihren verfchiedenen Verzweigungen die Gemeinfchaft des Dafeind für diefed ganze Gebiet. Denn nur in dem, wad wir ein Kunftwerf nennen, verallgemeint das einzelne Leben feine Befonderheit volfommen, oder vereigenthuͤm⸗ licht die in allen felbe Geiftigkeit auf das beflimmtelle. Aber wie biefe fittliche Function ganz auf ber Beſonderheit ruht: ſo macht fich in ihr auch diefe vorzüglich geltend; bie Naturbegren: zungen treten hier mehr zuruͤkk, und überall tritt zunächft die Form bed wahloerwandtichaftlichen Anſchließens an Einzelwefen

401 hervor, die auf eine ausgezeichnete Weiſe in dad Geheimniß einer dieſer Symbolifirungen eingedrungen find. Diefe Concretionen find es, die wir Schulen nennen; fie find urfprünglich einhei⸗ mifch in der Kunft, aber auch in der Wiffenfchaft repräfentiren fie den untergeordneten Einfluß des individuellen. Und hier wie dort theilen fie auch die Vergaͤnglichkeit des individuellen Lebens; denn ihr Zufammenhang kann nur noch eine Zeit lang fort: dauern, wenn derjenige nicht mehr einwirkt, der urfprünglich mit 30 feiner anbildenden Kraft in die Mafje einſchlug. Diefe Dauer erweitert fich nach dem Maaß der Kraft des centralen Indivi⸗ duums; aber nicht in dem Gebiet des Ausdruffs und der Dar ftelung, alfo nicht in irgend einem einzelnen Kunſtzweig, fon: dern nur für die innere Seite der Aufgabe, alle Zuflände des Einzellebens mit dem fchlechthin höchften Bewußtfein zu durchs dringen, läßt ſich denken vorauögefezt, die Vernunft koͤnne als abfolut in einem Einzelweſen leben daß ein folcher auch einen zulezt das ganze Gefchlecht dominirenden Lebenstypus her: vorrufen koͤnne, und durch diefen wahlverwandtfchaftlichen Zuſam⸗ menhang alle Sonderung für dieſes Gebiet aufheben, fo daß durch denfelben jeder mit jedem vermittelt ifl. Auf der andern Seite bleibt allerdings der Ausdrukk, ohne den auch das geiſtigſte Selbſtbewußtſein nicht kann aus fich heraus wirken und mitge- theilt werden, fei es nun ber am meiften finnliche und un: mittelbare durch die bewegte Peiblichkeit in Ton und Gebehrbe, oder der durch BZufammenftellung von Bilden und durch Fols gen von Gedanfen immer abhängig von ber Verwandtſchaft der Organifation und der Sprache; und fo bleibt, wenn bie Kunfl in allen ihren Zweigen wefentlich volksthuͤmlich ift, auch bie Religion, bie fich nur durch die Kunft ausdruͤkkt und mits theilt, mehr oder weniger hiedurch bedingt. Aber es liegt in ber Natur der Sache, daß ſich dennoch diefer Theil des hoͤchſten Gutes durch ein ganz andered Verhältnig von Sonderung und Gemeinschaft unterfcheidet von den übrigen. Denn auf der Seite

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ber organifirenden Thätigkeit tritt der Staat durchaus herrſchend hervor. In der Volksthuͤmlichkeit der Anbildung und bed Rechtö zuflandes ift die fittliche Befriedigung urfprünglich gegeben; und alles Streben über diefed Gebiet hinaus, fowol das mehr mates rielle des Verkehrs, ald auch dad nach einem dem Rechtszuftand wenigftend ähnlichen: Werhältnig der Völker, welches das formas lere Streben tft, bleibt immer bedingt durch ben Staat, und nie Tönnte die Aufgabe geflellt werben, die Staaten aufzulöfen, um | eine unbegrenzte Gemeinfchaft des Verkehrs zu errichten. Aehnlich verhält es ſich mit dem objectiven Bemwußtfein. Hier ift freilich bie Identität des gedachten, fo oft daffelbe vernommen wird, die Grundvoraudfezung, und ale Mittheilung, mithin auch alle Ent: wikklung des Denkens, ruht auf diefem Glauben: aber er ver: fpottet nur fich felbft, wenn er über die Grenze der Sprache hin: ausfchreitet; und bald wird eingefehen dag ſich das Wiffen in #0 jeder Sprache ald ein befondered entwilfelt. Zu dem wefentlichen Erkennen verhält fich jedes von dieſen nur wie der gebrochen: Strahl zu dem Licht an ſich; aber das zeitlofe wefentliche Erfen: nen erfcheint nur wirklich in diefer Manigfaltigkeit des gebroche: nen. Darum ift und bleibt dad wejentliche in diefer Seite des höchften Gutes die möglichft vollftändige Entwikklung des Wif: fend in jeder Sprache, Zugleich aber entfpricht dem über Die Grenzen des Staated hinaudgehenden Verkehr hier die Wielfpras chigkeit der einzelnen und die daraus entflehende immer nur ap: prorimative Aneignung des in anderen Sprachen gedachten. Den Beftrebungen aber, ein Völkerrecht zu gewinnen, entfpricht bie Richtung auf eine allgemeine Sprachlehre,- welche zugleich alle ; befonderen aus fich entwikkelte, und dadurch jede für alle auf: fchlöffe, fo dag auch hier die auf die innere Einheit zuruͤkkwei⸗ fende gemefjene Mannigfaltigkeit ald das höchfte gefezt iſt. Se: ben wir nun noch einmal auf die individuelle Seite der organi: firenden Zhätigkeit zuruͤkk: fo ift auch dort eine unbegrenzte Ge: ! meinfchaft der Anſchauung nur als eine leere Möglichkeit gefezt.

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Die Familie fchon erfchliegt andern ihr Eigenthum gaftfreunblid, nur unter der Vorausfezung, daß ihre Eigenthuͤmlichkeit verſtaͤnd⸗ lich werde aus ber gemeinfamen localen oder volksthuͤmlichen. Bon wo aus aber die Gemeinfhaft am meiſten gefördert wird auf diefem Gebiete, ob von der öffentlichen Gaftfreundfchaft aus oder von ber der einzelnen, das hängt vorzüglich davon ab, ob in einer Gefammtheit dad Privatleben vorherrfchend ift oder das Öffentliche. In allen diefen drei Gebieten alfo ift eine Mehrheit beftimmter Gemeinſchaftskreiſe das feftorganifirte, welchen, um eine Seite des höchften Gutes zu realifiren, nur noch bie Rich: tung fich gegen einander auch zu vermitteln einwohnen muß, wenn auch in der Wirklichkeit dieler Zufammenhang nur frag⸗ mentarifch zu Stande kommt. Hingegen bie Offenbarung ber Zuftände des höheren Selbfibemußtfeind, wenn fie einmal den patriarchalifchen Kreis der Familie überfchritten hat, firebt fie auch gleich die Sefammtheit an. Gottheiten verfchiedenen Ur fprungs fließen zufammen, Mythologien bewegen ſich, und viele Pleinere Kreife werden innerhalb Eined großen vereinigt. Blei: ben hingegen Religionen und Culte mit dem ihnen angehörigen Kunftgebiet in den Grenzen eined Volks und einer Sprache: fo ſcheint das eine Andeutung, daß dad perfönliche Selbftbewußtfein auch erft von dieſer höheren Einheit burchdrungen ift, aber Die höchfte, die des Seins fchlechthin, noch nicht in fich aufgenommen bat. Und fo fcheint, genauer betrachtet, auch dieled beides in der «ı That zufammenzugehören, daß das Einzelmefen fich dieſes fchlechts hinigen in fich bewußt wird, und daß ed auch allen ohne Unter: ſchied zumuthet durch die Offenbarung des Zeitlichwerdens biefes fhlechthinigen in ihm mit aufgeregt zu werben. Daher, wenn wir dad Verbundenſein verfchiedener Völker in Einen Staat nur ald einen Durchgangszuſtand anfehen koͤnnen, jedes Beſtreben aber, einen Univerſalſtaat aufzurichten, fuͤr Unſinn erklaͤren; wenn wir eben ſo auch den Gedanken, ein einiges Syſtem des Wiſſens troz der Diverſitaͤt der Sprache geltend zu machen, als eine falſche

Schleierm. W. III. 2. | W

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Tendenz bald wieber aufgeben: fo finden wir es bennoch natürs lich, daß jede Religion, die auf einem Eräftigen Bewußtfein ruht, auch darauf ausgeht ſich allgemein zu verbreiten. Ia wir fehen bier die Vollendung nur darin daß wirklich eine derfelben in der Weltgeſchichte biefen Preid erreiche, wenn fie ſich dann auch, was ihre Darftellungsmittel betrifft, wieder auf mancherlei Weife thei- len muß; fo daß hier offenbar ein umgekehrtes Verhältnig wie bort flott findet, indem hier nur bie Zufammenfafjung von allem unter einem als das feftftehende gelten kann, und dieſer alle Theilung definitiv nur untergeordnet fein darf. Und alles bier beflimmter dargelegte iſt auch der Inhalt der weniger frengen Ausdrüfle, mit welchen bie erfte Abhandlung ſchloß. Denn dad Himmelreich ift nur ald Eine alle einzels nen gleichſam in einander auflöfende Gemeinfchaft des tiefiten ‚u Selbftbewußtfeind mittelft geiftiger Selbftdarftellung in emften Kunſtwerken geſezt; aber die Vollſtaͤndigkeit und bezugöweife dann auch Unveränderlichfeit bed Wiſſens getrauten wir uns nicht eben fo als Einheit fondern nur in der Wechfelwirkung einer neben einander. fortbeftehenden Mehrheit zu denken. Unter dem golbnen Zeitalter, wie ed mythiſch der Herrichaft de Men: ſchen über die Natur vorangeht, wird allerdingd nur eine Zu: länglichkeit berfelben für die unentwißfelten Zuftände ded Men: fhen gedacht. Wir haben aber den Ausdrukk genommen, wie er eben fo auch die Beendigung ded Kampfes mit der Natur um bie Herrichaft bebeuten kann; und es foll darin gedacht wer: den, daß überwiegend bie geflaltende Thaͤtigkeit nur für den ge: meinfamen Genuß bed fich eigenthümlich differentiirenden geifli- gen Seind in Kunfl und Spiel verwendet, alles aber, fofern es dem Bebürfnig dienen fol, nur dur die von dem Wink des Wenſchen abhängig gewordenen Naturkräfte verrichtet wird. Der

ar ewige Friede fezt eine Mehrheit politifcher Vereine voraus, aber unter ihnen Zufammenflimmung und freie Gemeinfchaft, um die Herrfchaft über die Natur zu vervolfländigen und fletig zu er:

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neuern. Daß aber in biefen Refultaten von der Mirkfamkeit ber. Bernunft in der menfchlichen Leiblichkeit nicht ſollte das höchfte Gut des Menfchen auf biefer fich ihn immer wieder zum Herrn gebährenden Erde auögefprochen, oder in benfelben nicht alles enthalten fein, was zu dem aus fich herausgehenden und in ſich zurüffehrenden Leben des Geifted in biefee Form gehören Tann, diefed auch nur zweifelhaft zu machen dürfte ſchwerlich gelingen, außer in fo fern die Vernunft felbft und ihre Thaͤtigkeit irgend⸗ wie gelaͤugnet wuͤrde.

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