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Ruth Freifrau v. Bagern-Rosptb

Der Roman einer Bofdame | Feiler Band

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Eine Auswahl der beften modernen Romane aller Völker | Alle 14 Tage erſcheint ein Sand

Preis jedes Bandes SO Pf. Elegant in Leinwand geb. 75 Pf. 7 (26 Bände jährlich, Geſamtpreis broſchiert 13 Mark, gebunden 19 Mark 30 pf.)

ber „engelhorns Allgemeine Romandbiblisthek' ſchreibt der „Ham⸗

burgiſche Correſpondent“: Das iſt ein Unternehmen, das in jeder Weiſe gefördert zu werden verdient! Als vor nun mehr denn ſiebenund zwanzig Jahren die erſten roten Bände erſchienen, mag mancher Rurzſichtige und Engherzige den Kopf geſchüttelt Haben über das tolle Wagſtück, wirklich gute und wertvolle geiftige Koft zu fo billigen Preifen zu verabreichen. Wenn man heute auf die lange Reihe von Jahren zurückblickt, wie viel iſt da nicht ſchon erreicht! Kaft kein Haus, keine Familie, wo die foliden Bände nicht ihren Einzug gehalten hätten; faft keine, noch fo klein angelegte Privatbibliothek möchte die ſich fo freundlich präfentierenden roten Freunde aus ihrer Mitte miſſen. Und doch, noch gibt es viel zu tun! noch gibt es Häuſer, in denen die vermorſchten und verrotteten Binterteeppenromane lieber gelefen werden. hier wäre es pflicht jedes nächſt⸗ ſtehenden, die giftige Saat zu verdrängen und an ihre Stelle die gefunde und durchweg gute Koft der „Engelhornſchen Allgemeinen Romanbibliothek zu legen. Der glücklich Seheilte wird, wenn er erſt klar fleht, dem freundlichen Helfer ſicher dank wiſſen. ...... eg en ee em een een

Sämtliche in unſrer Sammlung bisher erſchienenen Romane können fortwährend durch jede Buchhandlung zum Preife von 50 Pf. für den broſchierten und 75 Pf. für den gebundenen Band bezogen werden. 9999999999999 9999999999999 9999 9999909999999 999

Wegen Raummangels können hier nur die nachſtehend auf⸗ geführten Romane angezeigt werden; ein vollſtändiges ver⸗ zeichnis ſteht jederzeit gratis und franko zu Dienſten.

Fünfundzwanzigſter Jahrgang ein Echo. Von Ida BoysCd. 2 Bände.] Dornröschen. Von Georg Wasner. ein Dieb in der nacht. Von E. W. | der Mann auf dem Sock. Von Harold Hornung. Aus dem Engliſchen. Mae Srath. Aus dem Engliſchen. Lebens frühe. verloren! Land. Zwei | Erlachhof. Von Oſſip Schubin. 2 Bde. Erzählungen von Margarete von | Aus Sturm und not. Von Jérome und Oertzen au Tharaud. Aus d. Franzöſiſch.

Das ſpani de halsband 5 Von henry de vere tel. us dem Eng us 85 5 Engliſchen.

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Das Paradies der Erde.

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Der Emigrant. Von paul Bourget. Aus dem Franzöſiſchen. 2 Bände.

Der Sibelhaſe. Von Ernſt von Wol⸗ zogen.

Die Herberge zum Silbernen Mond.

Von Hermann Knickerbocker Viele. Aus dem Engliſchen.

die hoermanns. Von Carl Buffe. 2 Bände.

Die Leuchter des Kaifers. Von Baronefj Orezy. Aus dem Engliſchen. (In Oſterreich verboten.) und handwerk. Von paul Sourget.

1 em Franzöſiſchen. ns

Carlotta. Von William J. Locke. Aus dem Engliſchen. 2 Bände.

Prinzgemahl. Von paul Oskar Höcker.

Jenſeits der Wirbel. Von Elinor Glyn. Aus dem Engliſchen.

vater. Von Georg Wasner. 2 Bände.

Sechsundzwanzigſter Jahrgang

Der rote Kurs. Von Georges Ohnet. Aus dem Franzöſiſchen. 2 Bände.

Der alte Timm und feine Nachbarn. Von Marie Diers.

Hugo. Von Arnold Sennett. Aus dem Engliſchen.

Armer henner Von Richard eat, 2 Bände.

Der unreine Geiſt. Von Semene emlak. Aus dem Franzöſiſchen.

Naturgewalten. Von helene Raff.

Die Kangfte Miß mowbray. Von 8. m. Erofer. Aus dem Engl. 2 Bünde.

Ziebe mädchen. Von Käthe Sturmfels. Drei Novellen.

Meeresgold. Von George Bronſon⸗ howard. Aus dem Engliſchen.

Eva, wo biſt du: Von Fedor von 30: beltitz. 2 Bünde. # 5

Was ſich in dem Saſthaus begab. Von Kate douglas Wiggin u. a. Aus dem Engliſchen.

das 8 Schiff. Von paul Oskar Höcker.

Daphne. Die Geſchichte einer modernen

he. Von Mes. humphry Ward. Aus dem Engliſchen. 2 Bände,

Gräfin Polly. Von Palle Roſenkrantz.

us dem Däniſchen.

Romeo und Julia im Albanergebirge, Von Richard voß.

Eine Energiekur. Von Daniel Leſueur. Aus dem Franzöſiſchen. 2 Bände.

Das Hohelied des Lebens. Von A. von Klinckowſtroem.

Montana. Von Wm. Wallace Cook. Aus dem Engliſchen.

Lena Küppers. Von Carl Suſſe. 2 Bde.

Siebenundzwanzigfter Jahrgang

Von Rudolph Bände.

Rudolph Stratz, unter den modernen deutſchen 1 755 der beſten einer, hat in dieſem Roman ein Meiſterſtück dei affen. Aus dem Abgrund der

eelen, aus dem Dunkel Berlins ringt ſich ein ſchwarzer Gedanke empor, wird Tat und Schuld und bleibt ein blutiges Geheimnis, bis der Schluß den Schleier löſt. Kein Kriminalroman, jondern mehr:; die Unterordnung ſpannender dandlung unter die Herrſchaft eines

arakters, in dem höchſte Kraft und tiefſte Schlechtigkeit bis zur Sühne ſich die Wage halten.

die Sad ri Riefen.

Von Ada von

Die n des ſo berühmt ge⸗ wordenen omans „Ein ſchlechter Menſch“ betritt mit ihrer jüngſten Sia ung abermals das Gebiet des Offiziersromans, wozu fie vermöge

Gersdorff.

ihrer gründlichen Vertrautheit mit den einſchlägigen Verhältniſſen vor anderen berufen iſt. Leidenſchaftlich bewegte Handlung, ſowie wahrheitsgetreue und intereſſante Bilder aus dem militäri⸗ ſchen Milieu verleihen dieſem hervor⸗ ragenden Roman einen ganz eigen⸗ artigen hohen Reiz.

Onkel William. Von Jennette Lee. Aus dem Engliſchen.

Eine Geſchichte voll Gemüt und in⸗ niger Empfindung, bei der einem warm ums Herz wird. Der alte Onkel William iſt eine Seele von einem Menſchen, der wie ſeinerzeit „Der kleine Lord“ fung und alt für ſich einnehmen wird.

der Rampf um den mann. Von Carry Brachvogel. 2 Bände.

Die feſſelnde Schilderung verſchie⸗ dener Wege, auf denen moderne Frauen Glück ſuchen, finden oder verlieren. Generationen, Weltanſchauungen tre⸗

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ten einander gegenüber, ringen ver⸗ zweifelt miteinander, bis nach Erſchüt⸗ terungen und Entſagungen aller Art Stärke und geduldige Liebe zugleich den Sieg davontragen. Den Hinter⸗ . des reichbewegten Romans bil⸗ en farbige Bilder aus dem Münchner Atelier⸗ und Geſellſchaftsleben, das die Verfaſſerin aus langjähriger Beobach⸗ tung gründlich kennt.

Der meergrüne Wandfhiem. Von Eds gar Franklin. Aus dem Englifchen.

Das packend erzählte Abenteuer eines jungen amerikaniſchen Millionärs, der ſeinem Hang zum Außergewöhnllichen und Exzentriſchen folgt. Die reichbe⸗ wegte Handlung vor einem modernen Hintergrund hält den Leſer bis zum letzten Augenblick in Spannung und macht die Lektüre zu einer außer⸗ ordentlich unterhaltenden.

vor den großen Mauern. Von Natha⸗ rina Zitelmann.

Die hochintereſſante Schilderung der unüberbrückbaren Kluft zwiſchen gelber und weißer Raſſe und die packende Darſtellung von Epiſoden aus den Boreraufftänden geben dem Buche eis nen hohen Wert. Der Leſer wird durch die vortreffliche Zeichnung des ſeit kur⸗ def cht wieder unſere Auſmerkſamkeit

eſchäftigenden Milieus, das die Ver⸗ fafferin auf H dal, e. Reiſen nach

ina ſtudiert hat, ebenſo in Atem

ehalten wie durch bie dramatiſche Zu⸗

ſpitzung der Ereigniſſe bis zum Ein⸗ tritt der Rataſtrophe.

Entgleiſt. Von 8. M. Croker. em Engliſchen. 2 Bände.

Der ganze geheimnisvolle Zauber des Landes der Wunder liegt über dieſem ſpannenden Roman ausgegoſſen, in dem die gefeierte Erzählerin uns die wechſel⸗ vollen Schickſale eines entgleiſten jungen Mannes miterleben läßt, der ſein Brot als Angeſtellter einer indiſchen Eiſen⸗ bahngeſellſchaft verdienen muß.

die Kleine. Von André Lichtenberger. Aus dem Jranzöſiſchen.

Der köſtliche Humor und n . mit dem hier die welterſchütternden Leiden und Freuden eines Backfiſchleins ausge⸗ plaudert werden, dürften dem liebens⸗ würdigen Büchlein aller Herzen ge⸗ winnen. paul Bes Gefangennahme. Von m.

Me donnell Bodkin. Aus dem Engl.

Der Detektiv Paul Beck iſt zu einem Typus geworden, der Sherlock Holmes in nichts nachſteht. uch in dieſer glängend geſchriebenen Erzählung, wo

er Held nach hitzigem beruflichem Wettſtreit von der den Leſern der

Aus

Romanbibliothek längſt bekannten Ge» heimpoliziſtin Dora Myrl ſchließlich „eingefangen“ wird, läßt der bekannte Verſaſſer alle Regiſter feiner Er⸗ findungsgabe ſpielen und weiß den Leſer aufs trefflichſte zu unterhalten.

Schweigen im Walde. Von Richard Skowronnek. 2 Bände.

Aus einem Erbfolgeſtreit zweier Linien eines oſtpreußiſchen Geſchlechts entwickelt der rühmlichſt bekannte Ver⸗ faſſer eine Reihe reizvoller Bilder, in deren Mittelpunkt eine prächtige Liebes⸗ geſchichte ſteht. Das Ganze iſt durch⸗ tränkt von einem wahrhaft goldenen Humor.

das Seſpenſt. Von Arnold Sennett. Aus dem Engliſchen.

Der bekannte Schriftſteller erzählt hier eine ric Geiſtergeſchichte, die eine Fülle amüſanter Erlebniſſe und aufregender Abenteuer enthält. Der Roman iſt ein dramatiſches Phantaſie⸗ gemälde; er will nichts weiter als und das tut er in höchſtem

rade.

Lichterfelde Nr. 1.

Eine übermütige Berliner Zigeuner⸗, eine Bohemegeſchichte, die viel Selbſt⸗ 1 und Selbſterlebtes enthält.

ber Hanns von Zobeltitz ſchildert in ihr nicht die Berliner Boheme von Jene aim: die hohlwangigen Üftheten

es Café rößenwahn. Seine luſtigen Geſtalten 12 vollſaftiger und warm⸗

Von Hanns

raiger, e kommen aus einer ge- ünderen Zeit, aus dem glorreichen Jahre 1870, deſſen Ereigniſſe wirkungs⸗ voll in den Gang der Erzählung ver⸗ flochten find.

Die primadonna. Von F. Marion Craw⸗ ford. Aus dem Engliſchen. 2 Bde.

Einen tiefen Einblick in die in jedem Sinn dramatiſche Laufbahn eines ge⸗ feierten Opernſternes gewährt uns dieſer Roman des Bertiömten ameri⸗ kaniſchen Schriftſtellers. Die ſpannende Handlung, das intereſſante Milieu und die geiſtreiche Schreibweiſe feſſeln den Leſer in höchſtem Grade.

| Augft und Emma und andere Geſchich⸗

ten. Bon Georg hirſchfeld.

Zwei Gruppen bilden dieſe Novellen des ſo raſch berühmt gewordenen Ver⸗ len Bon Liebenden erzählt die eine,

ann und Weib im Kampf und Jubel der erſten Frühlingsneigung; die andere zeigt eine Reihe von menſchlichen Tragikomödien Einzelerſcheinungen, die uns wie gute Bekannte entgegen⸗ kommen.

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Der Roman einer Hofdame

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Engelhorns Allgemeine Roman-⸗ Bibliothek

Eine Auswahl der beſten modernen Romane aller Völker

Band 22 Achtundzwanzigſter Jahrgang

Der Roman einer Hofdame

Von

Ruth Freifrau v. Gagern⸗ n Zweiter Band

Stuttgart 1912 Verlag von J. Engelhorns Nachf.

Alle Rechte, namentlich das überſetzungsrecht, vorbehalten Copyright 1912 by J. Engelhorns Nachf.

Memorial Library University of Wisconsin - Madison 728 State Street | Madison, WI 53706-1494 |

Druck der Union Deutſche Verlagsgeſellſchaft in Stuttgart

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77 er : 4,2. Das Schickſal ſprach . * Erſtes Kapitel

Mae ſtand am Coupseéfenſter und ſtarrte hinaus.

Langſam verſchwanden die Dächer der Favo⸗ rite, hin und wieder huſchte zwiſchen den Büſchen eine alte ſteinerne Figur vorbei, dann war der Park zu Ende. Die erſten Felder kamen. Starr ſtand ſie, keine Muskel rührte ſich. Es war ihr, als ſei alles Denken und Fühlen in ihr gelähmt. Vorbei, alles

vorbei. Ode ſchien ihr die Zukunft, troſtlos⸗grau.

Keinen klaren Gedanken konnte ſie faſſen; nie wieder, glaubte ſie, ſcharf nachdenken können: Es war ja nun

| alles vorbei.

| Endlich kam ihr zu Bewußtſein, daß noch ein 1 Men ch

in demſelben Abteil ſaß. Mechaniſch ließ ſie ſich auf ihren Platz nieder und betrachtete gedankenlos den Mitreiſenden. Ein ſehr großer, magerer Mann, brünett, glatt raſiert. Er las und ſah ſie nicht an. Dadurch, daß er ſie nicht betrachtete, keinerlei Intereſſe für ſie zeigte, wurde in ihr der Begriff erweckt: Ein Eng⸗ länder. So brauchte ſie ſich nicht zu verſtellen. Und ſtarr ſah ſie vor ſich hin, die Hände in dem Schoß gefaltet. Sie las das Bahnreglement, ohne ſich deſſen bewußt zu werden, ſuchte mit den Augen nach der Notbremſe, bloß weil ihr Gehirn nicht mehr arbeiten

konnte. Sie fühlte, daß die ſeeliſchen nn der XXVIII. 21122

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letzten Zeit über ihr Faſſungsvermögen gingen, daß es unmöglich ſei, Stunde für Stunde ſo intenſiv zu denken und zu leiden.

Bleiern lief die Zeit. Langſam wurde die Gegend hügelig, Dörfer und Gehöfte raſten vorüber; Marie ſah es nicht. Nicht einmal wandte der junge Mann den Kopf nach ihr herum; er nahm keinerlei Notiz von ihr.

Bei einer Station wurden Zeitungen ausgerufen. Marie beugte ſich hinaus und kaufte eine Zeitſchrift. Inſtinktiv wehrte ſich ihr Gehirn gegen den qualvollen Kreislauf der Gedanken: vorbei alles vorbei. Liebe und Glück und Jugend ... ‚Unmöglich.“ Und dieſes Wort, ‚unmöglich‘ gab ihr ein Gefühl ohnmächtiger Wut und Verzweiflung: .. . ‚Nie wieder.“ Schon einmal hatte ſie ähnlich empfunden damals, als ihre Mutter für immer die Augen geſchloſſen hatte: „Nie wieder wirſt du lachen, Mutter, nie wieder mit deinen gütigen Augen dein Bebe betrachten . .. vorbei!“ Aber jetzt lebten ſie beide, zwei junge geſunde Menſchen, die nacheinander in brennender Sehnſucht verlangten, und unerbittlich ſchrieb auch hier das Schickſal: ‚Nie wieder.“ Meilen und Meilen trennten ſie. Sie empfand die Qual ſo phyſiſch, daß ſie am liebſten laut geſtöhnt, Tränen vergoſſen hätte.

Sie blätterte in dem Heft, verſuchte zu leſen, viel⸗ leicht würden ihre Gedanken abgelenkt. Aber mit leeren Augen betrachtete ſie die Bilder. Sie ſah alles, aber begriff es nicht; las, und wußte nicht, was die

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Worte bedeuteten. Unter einer Geſchichte ſtand ein kleiner Vers:

„Das Schickſal ſprach: Auf ewig ſei verwehrt

Erfüllung dir, wonach du ſehnend bangſt,

Du biſt ein Feuer, das ſich ſelbſt verzehrt,

Und nie wird dein, wonach du heiß verlangſt.

Die Liebe ſprach: Die Bürde, die ich trug,

Ich trage weiter ſie voll ſtolzer Pein,

Daß ich nur lieben darf, iſt mir genug.

Stark iſt das Schickſal ich will ſtärker ſein.“

Die Worte nahmen ſie in ihren Bann. Einen Augenblick richtete ſie ſich auf. Kampfbereit, heraus⸗ fordernd, mit aufeinandergepreßten Zähnen ſtarrte ſie vor ſich hin. Sie ſah nicht das rote Plüſchſofa vor ſich, nicht den eilenden Zug, ſie ſah ſich ihrem Feind gegen⸗ über, ihrem Todfeind: dem Schickſal. Mit ihm hielt ſie Zwieſprache: „Du glaubſt, du kannſt mich beugen, mich werfen, mir die Liebe aus dem Herzen reißen? Du glaubſt, die Zeit wird das Gefühl abſchwächen. Ja? Nun, dann ſage ich dir: du haſt dich verrechnet, du haſt es mit Marie Veldt zu tun. Stark iſt das Schickſal ich will ſtärker fein!‘

Langſam ſtreifte ſie den Handſchuh ab und ritzte mit dem Nagel das Papier, ſchnitt den kleinen Vers heraus und ſteckte ihn in die Seitentaſche ihres Porte⸗ monnaies.

Dann ſah ſie hinaus. Grün und lieblich leuchtete der Odenwald. Marie erkannte die Gegend, bald kam ihre Station. Sie ſuchte ihr Gepäck zuſammen. Plötz⸗ lich tauchte der heimiſche Kirchturm auf, und die weiß⸗

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rote Fahne des Schloſſes flatterte über den Wald. Sie ſprang auf und drückte die Hand vor den Mund, um nicht zu ſchreien oder zu weinen. Die Heimat! die geliebte Heimat! Veldt! die rote Erde, der kleine Fluß —, und das Heidekraut blühte! Das Heidekraut, durch das ſie oft wie im Rauſch galoppiert war Die Heimat! All die Gedanken der öden Verzweiflung wichen dem wunderbaren Heimatsgefühl. Dort war ſie zu Haus, dort öffneten ſich für ſie die Arme von all denen, die ſie innig liebten, dort an der Mutter Grab würde ſie weinen, freier atmen können, ohne an der Qual der letzten Tage und Wochen erſticken zu müſſen. Dort würde ſie ſich wiederfinden.

Der Zug hielt in dem kleinen Bahnhof. Der Kutſcher hielt zwei unruhige Jucker, und eine ſchlanke Geſtalt im Strohhut und Schilfleinenkleid ſtand am Perron. Marie riß das Fenſter herunter und rief gellend, alles um ſich herum vergeſſend, ein über das andere Mal: „Ceſſy, Ceſſy, Ceſſy!“ Ob ein paar Bauern ſie hörten, war ihr ganz gleichgültig. Sie klinkte die Tür haſtig auf und ſtürzte der kleinen Blon⸗ dine entgegen. Mit einem ſchluchzenden Laut fiel ſie ihr in die Arme. Ihr ganzer Körper bebte. Wie eine Erlöſung empfand ſie die Tränen, ſie preßte ihren Kopf feſt gegen die Schulter der Schweſter.

Ceſſy ſah ſich hilflos um.

„Gepäckträger, dort die Sachen aus der cen Klaſſe! Wo haſt du deinen Schein?“

ne reichte ihn ihr, ohne die Stellung zu ver⸗

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ändern. Der junge Mann W dem Träger die Sachen heraus.

„Bébé, nimm dich zuſammen.“ Ceſſy klopfte ihr auf den Rücken. Haſtig ließ Marie ſie los und, ſich der roten Augen ſchämend, lief ſie ſchnell durch die Sperre und ſchwang ſich auf den Selbſtkutſchierer.

„Willſt du fahren, Bébé?“ Sie ſchüttelte nur den Kopf, und Ceſſy ergriff die Zügel. Mit einer Langade zogen die Jucker an. Mit nervigen, feſten Händen parierte Ceſſy die Pferde zum Trabe. Der Zug ſetzte ſich in Bewegung.

Die weißrote Fahne leuchtete über dem Wald.

Der große Herr ſtand im Fenſter und ſah den Schweſtern nach. An der nächſten Station rief er den Zeitungshändler und kaufte ſich dieſelbe Zeitſchrift. Er ſuchte nach einer Stelle. Dann nahm er ſein Taſchen⸗ meſſer, ſchnitt fein ſäuberlich den Vers heraus und barg ihn im Geldbeutel.

Marie beruhigte ſich nach und nach. Ceſſy ſprach nicht, ſie wartete, bis Marie etwas fragen würde.

„Iſt Rainer da?“ | | „Nein,“ ſagte Ceſſy. „Er hatte noch keinen Ur⸗

laub, er kommt erſt morgen mittag.“ Ein heller Glanz flog über ihr Geſicht.

Plötzlich wußte Marie nicht mehr, was ſie ſprechen ſollte. Ceſſy erzählen? Nein. Nie! Nie! Ceſſy, die alles mit klarem Verſtand beurteilte, die ſolch frohes, ſicheres Lächeln des Glückes hatte, die ſo reſigniert die ſechs Jahre hatte warten wollen, von denen das Schick⸗

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ſal ihr nun vier erlaſſen hatte, Ceſſy von all den offenen Wunden, aus denen ihr Herzblut floß, erzählen? Nein. Unmöglich. Da empfand ſie, daß zwiſchen ihr und ihrer Schweſter ſich eine Mauer aufbaute. Ceſſy aber dachte: ‚Nun bin ich in vier Wochen Frau. Jetzt als Braut treten ſchon hundert Hausſtandsſorgen an mich heran, die von keinem Intereſſe für Bébé ſein können; ach, das verwöhnte Bebe paßt nicht in eine Leutnants⸗ menage wie ih!‘ Und kühler und höher wuchs die Wand zwiſchen ihnen.

Vor der Rampe ſtand Ria. Es lag etwas angſtvoll Fragendes, faſt Zärtliches in ihrem Blick, als ſie die junge Schweſter innig in die Arme ſchloß. „Marie, Marie!“ flüſterte ſie. |

Es fiel Marie auf, daß fie nicht „Bébé“ genannt wurde; es war, als hätte Ria ſie unwillkürlich aus der Liſte der Kindheit geſtrichen, und da fühlte ſie: Ria wußte, verſtand alles; und die große, ihr durch Alter und Stellung ſo weit überlegene Schweſter würde ihr nun die Mutter erſetzen, die Mutter, nach der ſie ſo brennend verlangte ...

Der Graf hatte in ſeinem Arbeitszimmer den Wagen rollen hören und trat heraus. Marie erſchrak. Er war furchtbar gealtert, eingefallen. Das Strahlende, Faſzi⸗ nierende, das dieſem Mann ein Übergewicht andern gegenüber verliehen hatte, war verſchwunden. Der ſonſt ſo Aufrechte hielt ſich gebückt, und ſeine Stimme zitterte. „Nun, mein Sonnenkind, biſt du wieder da? Dein alter Vater braucht dein Lachen, deine Fröhlichkeit!“

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Marie ſah: hier mußte fie jetzt die Gebende jein.

Nach dem Eſſen ging ſie mit Ria in den Garten. „Was iſt es mit Papa, er iſt grenzenlos verändert?“

Ria zuckte die Achſeln. „Ich weiß nicht genau, aber ich bin in großer Sorge. Kind, lach mit ihm, ſei heiter, zeig ihm nichts, und wenn es dir noch ſo ſchwer fällt, deine erſte Pflicht iſt jetzt dein Vater, alles andere tritt davor zurück. Ich habe das Gefühl, daß er keinen zweiten Chok mehr vertragen könnte.“

„Wie lange bleibſt du?“

Ria wandte den Kopf zur Seite; da fragte Marie nicht weiter. Sie war eine Veldt. Sie hatte dieſelbe Bewegung, wenn etwas ſie quälte und ſie es zu ver⸗ bergen ſuchte.

Ria merkte, daß ſie verſtanden wurde. Mit dem⸗ ſelben plötzlichen Impuls, den ſie mit Marie gemein hatte, wandte ſie ihr Geſicht wieder herum. Es war in dem Augenblick bleich und alt. „Marie, es weiß niemand hier, warum ich kam, ich will es nur dir ſagen.“ Sie holte tief Atem. „Ich konnte das Leben, das ich zu führen gezwungen bin, nicht mehr ertragen, und kam zu Vater, um mit ihm meine Scheidung zu beſprechen, aber es iſt mir nicht möglich, Papa jetzt die Aufregung und den Schmerz anzu⸗ tun

Entgeiſtert blieb Marie ſtehen. „Du, Ria ſchei⸗ den? Dich haben wir alle immer für ſtrahlend glück⸗ lich gehalten, du haſt doch Karl Anton aus reinſter Liebe geheiratet und er dich auch! Du ſiehſt immer

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ſchön und ſtrahlend aus und machſt alle Fürſtinnen in Osterreich tot, und Karl Anton iſt dein Sklave Ria, du haſt ihn ſo geliebt, iſt das vorbei?“

Rias Ausdruck war grenzenlos bitter, ſie wollte nicht weich werden, darum zuckte ſie nur die Achſeln. „Tout lasse, tout passe, tout casse.“

Seltſam, wie Ria jetzt der Mutter glich. „Aber, Ria, wie iſt es möglich, daß die Liebe aufhört?“

„Kind,“ ſagte Ria ernſt, „die Liebe wird durch einen Mann hervorgerufen, ſie iſt da, heiß und lodernd und ſtark; und niemand kann ſie dir aus dem Herzen reißen, niemand. Kein Fremder, keine Gewalt, keine Zeit, kein Schickſal, nur einer: der, der die Liebe in dir erweckt hat. Und der ſie heraufbeſchwor, kann ſie auch wieder vernichten. Langſam, durch Enttäuſchung, mit vielen kleinen Nadelſtichen oder mit einem einzigen Keulenſchlag. Und Karl Anton hat meine Liebe mit Stumpf und Stiel ausgerottet, es iſt nicht einmal mehr das Mitleid geblieben. —“

„Und womit? Wie kam das alles?“

„Frag nicht, Kind,“ gab Ria gequält zurück.

„Aber Ria, wenn du ihn auch nicht mehr liebſt, er muß dich doch anbeten!“

Da zuckte es hart in ihrem Geſicht. „Er iſt viel⸗ leicht noch ſtolz auf mich, aber nicht mehr als auf ſeinen Derbyſieger, auf ein Pferd, einen Hund. Ich gehöre zum ganzen Train, er braucht mich als Repräſentantin, er weiß, daß ich die Buben gut erziehe, aber ſonſt haßt er mich.“

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„Wie iſt das möglich?“

„Kind, du biſt zu jung dafür. Siehſt du, ich bin ſein Mitwiſſer, ich bin gewiſſermaßen ſein Richter, und dann, Marie,“ ſie lächelte, „dann bin ich ſtolz wie wir alle. Ich bin eiſern korrekt meinen Weg gegangen, er kann mir nichts vorwerfen, und da kommt er ſich klein und niedrig vor mir vor. Und ich kann es nicht ändern: jeder meiner Blicke ſagt ihm, wie ich ihn verachte, und

dafür haßt er mich..“ | „Und all deine Schönheit, Ria?“

Rias Geſicht drückte Widerwillen aus. „Ach, laß das ... Nun kam ich wegen der Scheidung her, aber wenn ich auch glatt in Ungarn geſchieden würde, ſo hat Karl Anton ebenſoviel Beſitz in Oſterreich, er braucht die Buben nur als Oſterreicher naturaliſieren zu laſſen, die Kinder ſind auch katholiſch, dort würden wir nie geſchieden, und dann müßte ich mich von meinen Söhnen trennen. Es wäre ein raſend aufreibender, verwickelter Prozeß. Noch habe ich die Kräfte zum Kampf, noch bin ich nicht mürbe, darum kam ich her, um mir bei Vater Rat zu holen und finde einen Schwerkranken. Er hält mich für genau ſo glücklich, wie ihr alle, weil ich all die Jahre zu ſtolz war, um euch zu ſagen, daß all mein Verſtand und meine Schönheit mir nichts nützten, um den eigenen Mann zu fejleln.... Und das Grauſame iſt: er lacht, er fühlt ſich meiner ſo ſicher, weil ich nie eine Handbreit vom Wege gewichen bin. Und nun bleibe ich hier und warte, bis es Vater beſſer geht, ich warte geduldig, weil ich nichts mehr für mich

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zu hoffen habe, ich warte, ob ſich das Schickſal ein- miſcht oder nicht.“

Sie ſchwiegen beide eine Weile.

Vor ihnen war das Grab der Mutter.

„Siehſt du, Marie, ſie iſt zur rechten Zeit geſtorben. Sie ließ uns alle im Glück zurück, da war noch nicht Papas Ruin, da warſt nicht du, nicht ich.“

Das eigene Leid verblich vor Marie. Sie trug eine tiefe Wunde, aber wie mit einem Schwert geſchlagen, eine Wunde, deren Narbe zurückbleiben würde. Bei Ria war es eine eiternde Stelle, unheilbar; da lag das Glück in Scherben, im Schmutz, es war nicht mehr zu flicken, nie mehr. Sie lehnten am Gitter des Grabes. Keine ſagte der andern ein Wort des Mitgefühls, es war unnötig, das Blut in ihnen verſtand ſich auch ohne Worte, in ihrem Schweigen fühlten ſie die ſtarke Sym⸗ pathie der nahen Verwandtſchaft, die unerklärliche Zu⸗ ſammengehörigkeit der Blutsbande. Von weitem ſahen ſie Ceſy kommen. Unverabredet wandten ſich beide mit heiteren Geſichtern um. Die Braut ſollte von all dem nichts wiſſen. Marie ſagte raſch: „Wieviel hat denn nun Ceſſy zu leben?“

„Wir erben jede ſo, daß wir achttauſend Mark jähr⸗ lich haben, es wäre noch immer wenig für Ceſſy, aber Adda gibt fünfzehn Jahre lang ihre Zinſen auch noch.“

Marie ſah zu Boden. Adda hatte einen ziemlich unbemittelten Prinzen Bärenſtein geheiratet, der ſehr einfach auf ſeinem Beſitz lebte, ſie hatte auch drei Söhne. Freudenlohe war ſteinreich. Das Palais in

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Wien hatte allein an Kunſtſchätzen Millionen Wert, und ſeine ungariſchen Güter waren Quadratmeilen groß. |

Ria erriet ihre Gedanken: „Warum Adda auf die Zinſen verzichtet und nicht ich, meinſt du?“ Ihre Zähne nagten an der Unterlippe. Ganz leiſe kam es: „Marie, man rührt das Geld des Mannes, den man verachtet, nicht gern an; ich wäre ſonſt gezwungen, es zu tun. Die Abhängigkeit wäre unerträglich für mich.“

Da wußte Marie, was der Veldtſche Stolz unter dem Geld des Freudenlohe gelitten haben mußte.

Ceſſy hatte ſie erreicht; Ria entſchuldigte ſich, und die beiden jüngſten Schweſtern ſchritten langſam weiter.

„In weniger als vier Wochen iſt nun ſchon deine Hochzeit,“ ſagte Marie träumeriſch.

„Ja, Rainer wollte nicht länger warten; und die Ausſteuer iſt fertig. Papa gibt mir etwas mehr Bar⸗ geld, dafür nehme ich meine alte Schlafſtubeneinrich⸗ tung mit und Mamas Boudoir als Salon. Für mich noch immer prachtvoll.“

Und dann meinte ſie fröhlich: „So war der armen Tante Tod für mich von großem Wert. Gewiſſermaßen bin ich jetzt eine gute Partie, und wenn ich mir früher ausgerechnet, wie wir auskommen wollten, ſo reichte es gerade knapp zum Leben. Wovon ich mich bekleiden ſollte, blieb mir ein Rätſel. Ich hatte die Wahl zwiſchen ſelbſtverfertigten Mullkleidern oder den abgelegten Kleidern der Schweſtern. Und der Gedanke, Rias Prachttoiletten, wenn die Mode vorüber wäre, zu

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tragen, war einfach ſchauderhaft! Die fanierten Sachen der Fürſtin⸗Schweſter!“

Da war er wieder, der Veldtſche Stolz. Sie fühlte ſich als Frau des armen Offiziers, der aus uradligem Geſchlecht ſtammte, keinen Zoll weniger als die Fürſtin Freudenlohe.

„Aber nun heiratet ihr ſo ſchnell. Wenn Tante nicht ſtarb, hättet ihr vier weitere Jahre warten müſſen!“

Ceſſy lächelte überlegen, als wolle ſie e „Was verſtehſt du davon.“

„Jetzt mag Rainer eben nicht länger warten. “Aber höchſt erſtaunt fuhr ihr Kopf herum, als Marie vor ſich hinſinnend ſagte: „Glaubſt du, daß er dir die ganze Zeit treu geblieben iſt?“

Ceſſy wurde rot, dann ſagte ſie energiſch: „Jeden⸗ falls werde ich ihn nie danach fragen.“

„Warum?“ meinte Marie naiv.

Ceſſy machte ein abweiſendes Geſicht.

„Weil ich mich unter jeder Bedingung blamieren würde. Es gibt drei Antworten auf dieſe Frage. Ent⸗ weder er lügt, dann habe ich nichts gewonnen, außer dem Mißtrauen an ſeine Offenheit, oder er ſagt die Wahrheit, dann ſtehe ich ganz albern da, denn was ſoll ich dann ſagen? Oder er iſt unſchuldig und ſieht mich entſetzt an, daß ich ihm nicht vertraute, findet es unzart und taktlos, und ich bin wieder der Herein⸗ gefallene.“

Marie ſah Ceſſy mit bewunderndem Staunen an.

„Wie überlegt du biſt, ſo weit hätte ich nie gedacht;

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käme mir der Gedanke, ſofort würde ich * aus⸗ ſprechen.“

„Und hätteſt dich rettungslos blamiert.“

„Ja, aber ich wüßte es doch denn wenigſtens.“

„Was hätteſt du davon? Nach dem Vorleben eines jungen Herrn hat ſich keine Dame zu erkundigen, er iſt niemandem vor ſeiner Ehe Rechenſchaft ſchuldig.“

Marie erhitzte ſich. „Und eine Frau? Die wird verdammt und vernichtet, ins Irrenhaus geſperrt, und

wenn auch kein Fleckchen Sünde daran war ...“ | Ceſſy ſtreifte Marie mit-intereffiertem Geſicht. Was war nur mit der Kleinen geſchehen? „Du vergißt, daß ich Braut bin,“ ſagte ſie, das Thema abſchneidend.

Marie ſtutzte. Ceſſy wollte ſich alſo aufſpielen! Sie ſpielte ſich auf die Braut, wollte mit der Schweſter, mit welcher ſie alle ihre Mädchengedanken ausgetauſcht hatte, nicht mehr etwas Natürliches beſprechen, weil eine Braut von ſolchen Dingen nicht reden könne. ‚Albern,‘ dachte Marie. ‚Albern!‘

Sie hatte nicht gemerkt, daß in der kurzen Zeit bei Hof ihr Sehkreis ſich ſehr erweitert hatte, ſie das Leben kennen gelernt, wie es war, ſo daß ihre Begriffe ſich gänzlich geändert hatten. Sie fand bei Ceſſy kein Verſtändnis mehr; dafür konnte ſie bei Ria jetzt darauf rechnen.

Im Gartenſaal fanden ſie einen großen Stoß Tele⸗ gramme auf dem runden Mitteltiſch.

„Alles Gratulationen,“ ſeufzte Ceſſy gelangweilt, „du kannſt ſie mir vorleſen, Bébé.“

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Marie öffnete fie und las den Inhalt laut vor. Bei einem Telegramm ſtutzte fie: ‚Nagy-Appony. Komme morgen mit Elfuhrzug, bitte Ria und Papa nichts ſagen. Karl Anton.‘

Die Depeſche war Baroneſſe Veldt adreſſiert, wo⸗ mit wohl Ceſſy gemeint war. Aber Marie unterſchlug ſie. Es mußte Ria angenehmer ſein, wenn Ceſſy den Inhalt nicht erfuhr. Aber die Nachricht beunruhigte ſie: Was wollte Karl Anton? Und nun gerade morgen zum Verlobungsfeſt, wo auch Maggie und Adda kamen! ;

Arme Ria, was ſtand ihr bevor?

Das Leid der Schweſter half ihr über das eigene hinweg.

Marie bewunderte im ſtillen Ceſſy. Was war ſie in dem Trauerjahr für eine Hausfrau geworden! Früher, als der große Train noch geherrſcht hatte, hatte ſich niemand recht um den Haushalt gekümmert. Haus⸗ hofmeiſter, Kammerdiener, Haushälterin, Koch, alle waren perfekt geweſen, es war alles tadellos gegangen, und niemand hatte gefragt, was alles koſtete. Im Stall und Park war es dasſelbe geweſen. Jetzt war die Dienerſchaft auf ein Drittel beſchränkt worden. Aber Ceſſy hielt alles unter ihrem Blick. Man merkte kaum einen Unterſchied gegen früher. Sie leitete den Haushalt ſo tadellos, daß der Vater niemals die ver⸗ änderten Verhältniſſe ſchmerzlich empfand. Marie machte ihr ein Kompliment darüber.

„Es war mir ſehr geſund, ſchon jetzt rechnen zu

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lernen,“ erwiderte Ceſſy, „denn ich werde doch immer rechnen müſſen.“

„Aber nun habt ihr doch anſtändig zu leben.“

„Ja, und Rainer hat ſich in eine kleine Garniſon verſetzen laſſen; du weißt ja, wie ich denke: ‚Lieber der erſte in Gallien, als der zweite in Rom.“ In einer kleinen Garniſon ſind wir dann womöglich die Kröſuſſe.“

„Nimmſt du dein Pferd mit?“

„Nein, es iſt für Rainer zu klein, um vor dem Zuge zu gehen.“

„Aber für dich doch nicht!“

Ceſſys Augen wichen aus. Marie begriff. Die traditionellen drei Söhne, die die Veldtſchen Töchter in den erſten drei Jahren bekamen, fielen ihr ein.

„Ceſſy, ich werde niemals ſolche Hausfrau wie du werden,“ ſeufzte ſie kleinlaut.

„Dann verlieb dich ja nicht in einen armen Leut⸗ nant!”

Marie ſenkte die Augen. Davor war ſie nun ſicher.

Der Diener brachte ein Telegramm. Dete ſagte ſich mit Konſtantin aus Kurland zum Geburtstag des Vaters an. Dete. Sie war den Schweſtern fremd geworden. Seit ihrer Heirat hatten ſie ſie nur tage⸗ weiſe wiedergeſehen. Kaiſerlings waren von Stockholm nach Tokio verſetzt worden, und dieſen Sommer ver⸗ lebten ſie wieder in Kurland. Er war ihnen immer ein Fremder geblieben, der ſchwarze Botſchaftsrat mit dem ſchnarrenden R, der keinen Sinn für das Land⸗ leben hatte, der die Lieblichkeit des Odenwaldes nicht

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ſah, die Dienerſchaft wie Leibeigene behandelte, immer lächelte, immer a quatre épingles, nie ohne Kammer- diener reiſte. Er war ſtets höflich und liebenswürdig, aber trotzdem wurden die Schweſtern bei ihm das Ge⸗ fühl nicht los: er verbirgt hinter der diplomatiſchen Larve eine Raubtiernatur. Doch Dete hatte nie ge⸗ klagt ... Sie hatte ihn ja auch aus Ehrgeiz genommen, aus kühler Berechnung. Das wußten ſie alle. Sie half ihm glänzend in der Karriere, ſie war ſicher, daß er einen Botſchafterpoſten bekam. Klagen nein, klagen würde Dete nie. Niemals würde ſie zeigen, daß ſie ſich zu ihren Ungunſten verrechnet hatte. Ceſſy überſchlug in Gedanken ihr Menü. Nun, Kaiſerling ſollte den Niedergang des Hauſes nicht merken, denn alle waren überzeugt, daß Dete ihrem Gatten nie ein Wort davon mitgeteilt hatte. Er war zu ſeiner Hochzeit vor ſechs Jahren das letzte Mal in Veldt geweſen, es waren acht ruſſiſche Verwandte ge⸗ kommen, mit Diademen und rieſengroßen Steinen. Sie wollten der kleinen Baroneſſe imponieren, die die Ehre hatte, in ihre Familie zu heiraten, zwiſchen die Uruſoffs, Woronzows, Medjierskys und wie fie alle hießen. Aber die Haltung der Gräfin und ihre ſechs Reihen Perlen hatten ſie beſcheidener werden laſſen, und als Ria mit dem Freudenloheſchen Schmuck in ihrer ſieg⸗ haften Schönheit erſchien, war der ganze Hochmut ver⸗ flogen. Die Braut trug das Diadem, das ſie als Morgengabe erhalten hatte, mit ſolch ſelbſtverſtändlicher Sicherheit, als könne es gar nicht anders ſein.

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Eine der Ruſſinnen meinte: ‚grande Dame fein lernt fich nicht, das muß angeboren fein‘; und ſtillſchweigend wieſen die Uruſoffs, Woronzows, Medjierskys der deut⸗ ſchen Baroneſſe einen Platz unter den Ihren an. Auf der ganzen Linie hatte Dete geſiegt ... Ceſſy dachte an die eigene Hochzeit, die ſie nun allein arrangierte, ohne den Vater mit Fragen zu beläſtigen. Wie ſie die Weine ſortierte, den Speiſezettel zuſammenſetzte, die Züge aufſchrieb, mit denen die Verwandten kamen nicht im Salonwagen, wie die Ruſſen, ſondern be⸗ ſcheiden zweiter Klaſſe; ſelbſt die Fahrten zur Station mußten überlegt eingeteilt werden, jetzt, wo nur noch zwei Kutſcher auf dem Hofe waren.

Bei Detes Hochzeit hatten die Viererzüge am Bahn⸗ hof geſtanden, die Livreen der Diener man hatte damals neun neu eingekleidet waren noch vorhanden, und den einfachen Märkern würden die Augen über die Veldtſche Herrlichkeit übergehen.

Niemand hatte bei Detes eleganter Hochzeit geahnt, daß der Graf ſchon in ſein Vermögen eine große Breſche geriſſen hatte, um den Ruſſen zu imponieren. Ein kleines Vermögen hatte ihn die Eitelkeit gekoſtet ..

Zweites Kapitel

m nächſten Morgen ging Marie in den Stall. Vier⸗ zehn leere Boxen ſtarrten ihr entgegen. Es waren

nur noch zwei Paar Wagenpferde da und en kleine XXVIII. 21122

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Vollblutſtute. Sie ließ die Schimmeljuder vor den leichten Sandſchneider ſpannen und fuhr ohne Kutſcher zur Bahn, um ihren Schwager abzuholen. Mit klopfen⸗ dem Herzen ſtand ſie am Bahnſteig. Ein Gefühl von Haß und Groll ſtieg in ihr auf, als Freudenlohe ihr in nonchalanter und ein wenig krummer Haltung ent⸗ gegenkam. Er war gealtert und kahl geworden; hübſch war er nie geweſen, aber immer mit dem Cachet des vornehmen Mannes, das ſich nicht nachahmen ließ, das ſchon in der Wiege lag: die alte Raſſe, die kein ameri⸗ kaniſcher Milliardär kaufen konnte, ebenſowenig wie ein Parvenü den Gang, die Haltung des Freudenlohe nachzuahmen imſtande war, die natürliche Läſſigkeit des Ariſtokraten, die bei ihm lächerlich wirken würde. Karl Anton war nach der neueſten Wiener Mode ge⸗ kleidet. Seine Augen ſchienen wie immer verſchlafen, ſchwere Lider bedeckten ſie. Aber als er auf Marie zukam mit dem gewinnenden, ein wenig müden Lächeln, war er wieder der Mann, der immer noch einen un⸗ deſinierbaren Charme für Frauenherzen hatte. Und als er ſagte: „O, o, meine kleine Schwägerin holt mich ab, ſchau, ich wußte nicht, daß la dame d'honneur de son Altesse anweſend wäre,“ hatte ſie all ihren Groll vergeſſen. Karl Anton war einer von denen, die in Geſellſchaft ungezogen ſein konnten, manierlos, frech, die die gewagteſten Sachen ſagen konnten und denen jedermann es gern verzieh.

Marie aber ſah hinter dem Lächeln eine nervöſe Unruhe, eine gewiſſe Angſt. Krumm ſaß er neben ihr

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auf dem Bock, unter den er die Handtaſche hatte.

„Iſt 2 dein ganzes Gepäck?“

„Ja,“ ſagte er unſicher, „ich bleibe nicht lange.“

„Haſt du einen Frack mit?“

„Frack? Bewahre. Wozu denn?“

„Es iſt heute Ceſſys Verlobungsdiner, und die ganze Nachbarſchaft kommt.“

Er wäre ihr vor Schreck beinahe in die Zügel ge⸗ fallen. N Marie parierte zum Schritt durch. „Karl Anton,“ begann ſie leiſe, „es weiß außer mir niemand, daß du kommſt, weder Ceſſy, noch Papa, noch Ria ... Ich allein weiß auch, warum du kommſt

Er ſah alt aus, fahl und verlebt, und doch war etwas in ſeinem Ausdruck, das Marie jammerte. „Und dein Vater?“ fragte er.

„Papa iſt krank, da Ria ihm nichts ſagen wanen und Ceſſy iſt Braut

Er faßte ihre Hand. „Danke, Bébé!“

Es klang ſeltſam tief und warm aus dieſem Munde, der immer zu einem zyniſchen Witz bereit war. „Ich möchte Ria dann lieber allein ſprechen.“ |

„Ich werde dich in die Faſanerie fahren und dir Ria ſchicken.“

Er nickte dankbar. a du mich dann wieder zur Bahn fahren?“

„Ich werde ſehen. Um ein Uhr tommt Reiner, % hätteſt du eine knappe Stunde für Ria Be,

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In ſeinem Geſicht zuckte es: Eine knappe Stunde. Marie dachte: „Was ſagte Ria? Ich warte, ob das Schickſal eingreift.‘ War dies die Stunde des Schick⸗ ſals?

Sie hielt, er ſtieg aus, ſie reichte ihm wortlos die Taſche. Im ſchlanken Trabe fuhr ſie direkt zum Stall zurück. Sie befahl, die Pferde trocken zu fahren und angeſpannt zu laſſen. Dann ſuchte ſie Ria auf. „Kommſt du mit in die Faſanerie?“

Langſam ſchritten die Schweſtern ... Maries Pulſe flogen. Sollte ſie Ria etwas ſagen? Sie brachte es nicht über die Lippen, eine inſtinktive Scheu verhinderte ſie zu ſprechen. In der Faſanerie war ein altes Denk⸗ mal, geſtiftet von drei Majoratsfrauen, die zu gleicher Zeit gelebt hatten. Der Platz hieß der Dreifrauenſtein. Dort wartete Karl Anton. Ria entdeckte ihn plötzlich. Sie griff nach Maries Arm.

„Warum haſt du mir das nicht geſagt? O, ich wollte ihn doch nicht ſehen.“

Da kam Karl Anton auf ſie zu, ſehr, ſehr langſam, die Blicke ein wenig angſtvoll auf ſeine Frau geheftet.

Die war weiß bis in die Lippen.

„Ria, ich möchte dich ſprechen.“

Sie krampfte ſich an der Schweſter feſt. „Bleib bei mir.“ Marie erſchrak tödlich. In Rias Blick war Angſt, namenloſe Angſt. In dem Blick der ſtolzen, furchtloſen Ria. Wovor? Sie verſtand es nicht, und das verſchärfte ihr Entſetzen. Er ſah ſeine Frau an: „Ich möchte dich allein ſprechen, Ria!“

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Seine Stimme Hang bittend und doch eindringlich. Da machte ſich Marie frei und lief fort. Ihre Kniee zitterten. Ria hatte Angſt! Angſt! Durch ihr Hirn raſte es: ‚Das iſt nicht ohne Grund, denn ich kenne Ria, die u nichts, weder Tod 2 Krankheit, noch Gefahr . | ® S 8

Ceſſy begegnete ihr auf dem Wege zum Stall. Vom Schloßturm her klang die Mittagsſtunde herüber.

„Marie, ich wollte dich bitten, Rainer abzuholen. Ich habe noch ſo viel zu tun, er kommt ein Uhr zehn Minuten. Wir eſſen um dreiviertel zwei.“ Wie ruhig Ceſſy den Bräutigam empfing, ja ſie ſchickte ihre Schweſter zur Bahn, ihn abzuholen. Mit bebenden Händen nahm Marie Peitſche und Zügel und fuhr zum Ausgangstor der Faſanerie. Ihr fiel ein, daß die beiden an der Mordeiche vorbeikommen mußten, die ihren Namen daher erhalten hatte, daß ein Mann einſt ſeine Frau darunter erſchlagen hatte. Sie ſah den Weg entlang, die Angſt ſchnürte ihr die Kehle zu⸗ ſammen. Faſt hätte ſie vor Erleichterung aufgeſchrieen, als ſie die beiden kommen ſah.

Karl Anton in ſeiner nachläſſigen Haltung erſchien viel kleiner als Ria. Sie ſuchte der Schweſter Blick. Es war, als hingen Rias Arme ſeltſam müde herunter, als habe ſie keinen Mut, aufzuſehen. Aber Karl Anton hatte ſein gewinnendes, ſelbſtſicheres Lächeln wieder. Er nahm Rias Hand, zog ſie hoch bis zum Mund herauf, ohne ſich zu verbeugen, und ſah ihr in die Augen.

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„A rivederci, ma chére, bleib, ſolange du willſt, bei deinem Vater

Ria antwortete nicht, ſie ſah geſchlagen aus, hilflos; der königliche Stolz war gebrochen, die Augen hatten etwas troſtlos Leeres im Ausdruck.

Er beſtieg den Wagen. „Vorwärts, Bébé, es iſt Zeit.“

Sie ſprachen nicht, jeder war zu ſehr mit ſeinen Gedanken beſchäftigt. Kurz vor dem Bahnhof wandte er ſich an Marie: „Willſt du heuer die Jagden bei uns reiten in Ungarn?“

Sie ſah ihn ſprachlos erſtaunt an.

„Ja, bei uns, Bébé,“ wiederholte er, das ‚ung‘ betonend.

„Gern,“ erwiderte ſie verwirrt. Schweigend fuhren ſie bis zur Station.

„Dein Zug geht erſt ſpäter, Karl Anton. Bitte, verſtecke dich, damit Rainer dich nicht ſieht.“

„Ich hatte noch nicht die Ehre, den neuen Herrn Schwager kennen zu lernen,“ kam es läſſig heraus.

Das Blut kochte in ihr auf. Sie wandte ſich ihm mit blitzenden Augen zu. „Rainer iſt ein ſehr anſtändiger Mann aus guter Familie, dafür, daß er nicht ſo reich iſt wie du, kann er nichts. Wir alle ſind ſtolz, daß er Ceſſy heiratet, und überzeugt, daß er ſie glücklich machen wird.“

N Freudenlohe blinzelte amüſiert bei ihrer feurigen Verteidigung. „Du meinteſt damit: tout comme chez nous, nicht wahr? Danke ſehr, liebe Schwägerin.“

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Er nahm ihre Hand, drehte fie herum und küßte das Loch, das der dicke Fahrhandſchuh freiließ: „Au revoir, ma belle.“ Da braufte der Zug heran.

Aus der zweiten Klaſſe ſprang ein kleiner, blonder Herr, feſt, drahtig, geſund, verbrannt. Er trug die Helmſchachtel ſelbſt, war in einen leichten, dunkelblauen Bummelanzug gekleidet. Mit einem offenen, frohen Geſicht kam er Marie entgegen. Sie ſtreckte ihm die Hand vom Bock herunter: „Ich muß um Verzeihung bitten, daß nur ich dich abhole, aber Ceſſy hatte noch zu tun. Ich bin ſo froh, hier zu ſein, um euch endlich glücklich zu ſehen. Du kannſt dir nicht denken, wie mich die Nachricht freute.“

Ganz von ſelbſt war ihr das ‚Du‘ gekommen. Ein froher Strahl in ſeinen Augen dankte ihr dafür, und als er neben ihr ſaß, fühlte ſie: ‚Hier iſt mein Bruder.‘ Ein gutes, warmes Gefühl, wie ſie es noch keinem Manne gegenüber empfunden hatte. Ihre andern Schwäger, die waren für ſie nur die Männer ihrer Schweſtern. So dunkel verbrannt war Rainer, ſo blond und kernig, und die Augen ſo klar und blau, daß man ihnen unbedingt trauen mußte.

Die alte, zähe Raſſe ſprach aus dem Geſicht. Was bei Freudenlohe degeneriert war, war hier zum Guten gereift. Beide hatten ihre zweiunddreißig Ahnen, aber dieſe Ahnen waren verſchieden. Bei Freudenlohe waren es Magnaten aus dem öſterreichiſchen Hochadel, klin⸗ gende Namen aus Habsburgs Geſchichte, große Herren, die ſeit Jahrhunderten üppiger lebten als deutſche

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Souveräne. Sie hatten es nicht nötig, zu arbeiten und zu dienen, ſie konnten ſich jeden Luxus leiſten, jeder Paſſion die Zügel ſchießen laſſen, denn ſie hatten Geld, zuviel Geld. Das hatte die einſtige Kraft ge⸗ brochen, es gab in ihrem Leben nicht das harte Muß, das die Männer ſtählt. Sie ritten wohl im Kriege eine glänzende Attacke, weil das ritterliche Gefühl noch in ihnen war, aber ſie nahmen dazu einen leichten Sitz an, als wollten fie jagen: ‚auch ein Sport ... Aber zu Rekrutenoffizieren waren ſie ebenſowenig tauglich wie zu Landwirten. Wozu die Mühe? Sie hatten es gar nicht nötig. Dabei blieb ihnen aber die gewinnende Selbſtſicherheit, das elegante Auftreten, das chevalereske Benehmen; das machte ihnen höchſtens der alte fran⸗ zöſiſche Adel nach ... Rahnſtedts Ahnen hatten zäh auf ſandiger Scholle ſeit Hunderten von Jahren ge⸗ ſeſſen, ſchlicht und konſervativ, wie ihre Bauern, mit denen ſie gute und böſe Jahre teilten, hatten ſtrenge Urteile über Junker⸗, Frauen⸗ und Offiziersehre. Treu ſtanden ſie zu ihrem König, und ihre Söhne waren das Rückgrat ſeiner Armee. Sie dienten nicht ums Geld, ſie dienten ihrem Herrn, weil ſie es nicht anders kannten; pflichttreu im Krieg wie im Frieden. Reich⸗ tum erwarb ihnen der märkiſche Sand nicht, mit dem ſie wie Adam rangen: im Schweiße ihres Angeſichts. Aber ſie ließen ihre Söhne nie eine einkömmlichere Laufbahn einſchlagen, das gab es nicht. Der Beſitz dem Alteſten, die andern Offiziere. Sie ſaßen auch auf zur Attacke, aber die ſchwere, märkiſche Fauſt lag

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am Sattelknopf, mit zuſammengebiſſenen Zähnen und klaren Augen ging es in den Feind: ‚Mit Gott für König und Vaterland ... Die, die da ſagten, daß der Adel heutigentags eine überlebte Sache ſei, die vergaßen der großen Kriege unſrer Zeit. Und wenn er zwanzig Jahre alt war, der Junker da vorn, auf ſeinem kleinen, krummen Vollblutſchinder, er ging ſeinem Zuge mit gutem Beiſpiel voran, er ſetzte ſein Letztes ein für feines Königs Ehre ... Und wenn ſie auch gerade keine Gelehrten waren, ſo beſaßen ſie doch rechtliches Denken und Mut, weil es die Begriffe waren, die von Jugend an eingeimpft wurden, die ſich vererbten vom Vater auf den Sohn, vom Sohn auf den Enkel. Es war kein großer Unterſchied zwiſchen den jungen Leuten, aber die Maſſe tat es. Gleiches Denken auf jeder Scholle.

Marie empfand es, als ſie ſich des Unterſchiedes der Schwäger klar wurde, und darum liebte ſie den neuen wie ihren Bruder. Nein, den würde ſie auch nicht fragen, ob er die Jahre treu geblieben. Sie verſtand Ceſſys vertrauende Liebe. Ja, es erwartete die Schweſter ein ruhiges Glück. Sie hatte ſich darüber gewundert, daß es Ceſſy ſo gar nicht ſchwer fiel, aus all der Grandeur Veldts in eine kleine Leutnantswohnung zu ziehen; nun begriff ſie. Ceſſy hatte einen tiefen Einblick getan in den finanziellen Zuſammenbruch des Vaters, in die Unordnung der Bücher. Ihr war das beſcheidene, ſichere Los lieber, als das glänzende Theater in Veldt, wo die Kuliſſen morſch geworden.

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Das Schloß tauchte auf. Es war ein altes Kaſtell, das ein breiter Wallgraben umgab, mit vielen verſchiedenen Dächern, Giebeln, Fronten. Verwittert, bewachſen. Stolz und ſchroff lag es auf einem Plateau, hoch über dem Dorf, nur die Kirche ſtand noch höher. Auf der andern Seite war der Park mit ſeinen breiten Wegen und großen Wieſenflächen. Nichts war kleinlich in Veldt.

Die Zugbrücke donnerte.

„Wir ſind nun zu Hauſe,“ ſagte Marie.

Das tat ihm unbewußt wohl, denn ſie ſagte es, als wäre es von jetzt ab auch ſeine Heimat. Er dachte der andern Freier: zwei Grafen, ein Prinz, ein Fürſt hatten um die Töchter des Hauſes geworben, und nun kam er: der beſcheidene, arme Leutnant. Sein Stolz bäumte ſich dagegen auf, daß man ihn über die Schulter an⸗ ſehen würde, er hatte ſich vor dem heutigen Tage ge⸗ fürchtet, denn ſelbſt Ceſſys Liebe konnte ihm nicht über den Veldtſchen Hochmut hinweghelfen. Als er hörte, daß heute kein Schwager käme, atmete er auf; der Fürſt, der Prinz, der Geſandte, der Gardedukorps hatten wie ein Alp auf ihm gelaſtet. Nur die Schweſtern kamen, der Gedanke an die ſchöne Fürſtin war ihm ſchon peinlich genug. Aber die Kleine hatte gejagt ‚zu Haufe‘. Da wurde ihm leicht.

Ceſſy erwartete den Wagen im alten ſteinernen Portal zwiſchen den zwei Löwen. Ein freudiges Rot flog über ihre Wangen, ſchlank und zierlich mit dem feinen Blondhaar ſtand ſie im weißen Mullkleid mit Roſen am Gürtel.

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Mit einem Satz war er herunter, und ungeachtet der Dienerſchaft und der Fürſtin riß er ſie in ſeine Arme. Marie wurde blaß, ſie ſah Ria an. Die war fahl. Der Schweſtern Blicke kreuzten ſich, und ſie lächelten wehmütig über ſoviel Liebe. Ria ſchritt auf den Bräutigam zu. „Willkommen im alten Veldt,“ ſagte ſie herzlich, „ich empfange dich an Papas Stelle. Er iſt leidend und darf ſein Zimmer nicht verlaſſen. Biſt du das erſte Mal in Veldt?“

Seine Antwort war ein wenig verwirrt. ‚Dies alſo war die berühmte, hochmütige Fürſtin, dieſe bleiche Frau mit den ſanften, verſchleierten Augen?“

Marie warf die Zügel dem Diener hin. „Komm, Ria, ich bitte dich.“ Und als ſie mit ihr allein war: „Sage mir, ſage mir, warum hatteſt du Angſt? Ich ſah es in deinem Blick ... und habe eine Stunde ſinn⸗ loſer Furcht durchgemacht. Ria ... ſag mir, wovor fürchteſt du dich?“

Es war, als würde Ria zu Stein. Sie hielt die Hand flach auf das Geſicht; ihre Bruſt hob und ſenkte

ſich. „Ria, tut er dir etwas?“ ſtammelte Marie.

Da wandte Ria den Kopf voll unſäglichem Stolz zu ihr. „Er mir? Du glaubſt, ich hätte Angſt vor ihm?“

„Vor wem denn ſonſt?“

Die Zähne gruben ſich ſo tief in ihre Unterlippe, daß ſie weiß wurde. „Nein, ich fürcht' mich nur vor einem Menſchen, und der heißt: Ria Veldt vor Ria Veldts Schwäche.“

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„Du, Ria, ſchwach? Ich kenne niemand, der ſich jo beherrſchen kann, wie du dich ... Ria, du biſt für mich der Inbegriff von ſtark ...“

„Und bin doch jammervoll ſchwach.“ Die Arme fielen herunter, als wäre ihre Laſt zu ſchwer. „Elend ſchwach. Siehſt du, ich bin vor ihm hierher geflohen, um die Scheidung zu erkämpfen, um ihn nicht zu ſehen, weil ich wußte ... weil ich wußte ...“ Sie ſchien nicht weiter ſprechen zu können.

Marie ſaß zuſammengekauert da mit verzerrtem Geſicht ... „Was denn, was?“ drängte ſie.

„Ich wußte, daß ich ſchwach werden muß, wenn er bitten würde, ſo, wie er bitten kann, daß er den alten Zauber wieder auf mich ausüben würde, daß er die trügeriſche Hoffnung neu entfachen würde, daß alles noch in Ordnung kommen könne. Ich mußte ſchwach werden, wie immer wieder. Und ſo kam es auch. Ich hab' ihm geſagt, daß ich bei ihm bliebe, der Kinder wegen, des Skandals und Vaters wegen, und nun muß ich die Feſſel weiter ſchleppen. Die unwürdige Kette ... und weiß, daß er es nicht wert iſt, daß ich daran zugrunde gehe, daß es mein langſamer ſeeliſcher Tod iſt ... Und meine Buben? Werde ich die halten können? Iſt das Blut des Vaters nicht ſtärker, der furchtbare, der gewiſſenloſe Leichtſinn? Sie haben alle drei feinen Charme ... muß ich alt werden, um an meinen Kindern zu erleben, daß ſie werden wie ihr Vater? ... Ohne Stolz, ohne Gelbitachtung .. . Geh, Kind, geh!“

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Da ließ Marie die Schweſter allein, fie war ſchuld⸗ bewußt. Hatte ſie ein Recht gehabt, in Rias Schickſal einzugreifen? ® ® ®

Der Gong ertönte, fie mußte zum Eſſen hinunter. Als ſie in den großen Salon trat, ſtand Ria ſchon dort, in königlicher Haltung, ſprechend, lächelnd, als habe nie ein trauriger Gedanke hinter dieſer ſchönen, klaren Stirn geſtanden. Wie ſie der Mutter mehr und mehr glich. |

Dieſe Bemerkung machte Marie nach dem Eſſen zu dem Brautpaar, als Ria zum Vater gegangen war, um Rainer anzumelden.

„Ria iſt ein vollkommener Menſch, ſie iſt ſchön, ohne Fehler, klug und gut von Charakter, ſie iſt wie Mama.“

„Nein,“ widerſprach Ceſſy, „es iſt ein Unterſchied. Ria hat über alles ein Urteil, aber auch über das, wofür Mama nur ein vergebendes Lächeln hatte. Sie fühlt ſich von ihrer untadeligen Höhe herab ſo ſicher, daß ſie auch über alles urteilen kann.“

„Sprich nur, ſprich, dachte Marie, du haft die Angſt in ihren Augen nicht geſehen .. ® ® ®

Der alte Graf lag auf einem Sofa, als er Rainer empfing. Er war weich, viel weicher als früher. „Mein Lieber, du holſt mir das beſte Pferd aus dem Stall, ſei gut zu meiner braven, kleinen Ceſſy. Es iſt ein alter und kranker Mann, der dich darum bittet ...“ Das alſo war der hochmütige Graf, der Mann, deſſen

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herablaſſendes Lächeln ihn bei feinen Standesgenoſſen verhaßt gemacht hatte, weil ſie ſeine Überlegenheit empfanden, der Grandſeigneur, der über ſeine Ver⸗ hältniſſe gelebt hatte, der galante Kavalier, deſſen Stück⸗ chen als Korpsſtudent noch heute in Bonn erzählt wurden?

„So urteilt die Welt, dachte der blonde, einfache Junker, der mit ſeinem Maß Menſchen und Dinge beurteilte, und dem Komödie ſo wenig wie Diplomatie einleuchteten, der nur mit klaren, geraden Augen ſah. Dann würde er auch noch den Schwägern und Schwe⸗ ſtern ſtandhalten wenn an allen weiter nichts wäre!.

Drittes Kapitel

arie kam nicht dazu, den eigenen ſchweren Ge⸗

danken nachzuhängen. Das Familienleben riß ſie mit fort, der leichte Gedankenaustauſch, das natür⸗ liche Sichverſtehen.

Ja, mit ehrlich jubelndem Hurra empfingen die Schweſtern, auf den beiden ſteinernen Löwen ſtehend, den Wagen, der Maggie und Adda brachte. Endlich waren ſie einmal wieder im alten, lieben Veldt ver⸗ ſammelt, alle ſechs!

Die beiden ſtiegen aus, beide groß und hellbraun, und doch ſo verſchieden. Adda glich Marie am meiſten, Maggie hatte ihr eigenes Geſicht.

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„Adda, du bit dick geworden,“ war der fröhliche Empfang.

„Ach, Kinder, laßt mich,“ ſagte dieſe gemütlich. „Ich bin nun dreißig und habe drei Söhne. Karl legt auch aus, da werde ich es mir doch auch erlauben können. Außerdem iſt es ja nicht ſo arg.“

Nein, das war es auch nicht, jedenfalls ſah ſie blühend aus, das Geſicht blutjung und friſch, und die Geſtalt, trotz einiger Fülle, in geſundem Ebenmaß. Die berühmte Veldtſche Figur blieb. Nur neben Maggie fiel es auf, denn die war mager, blaß und passee, trotzdem ſie nur ein Jahr älter war. „Die Schweſter mit den fünf Buben, wurde ſie dem verwirrten Bräu⸗ tigam vorgeſtellt, dem die Lebhaftigkeit, die nun zum Durchbruch kam, die Sinne benahm. Das war ein Necken, ein Spaßen, ein Stimmengewirr und ein Durcheinander.

In Rias Augen war ein warmer Glanz. Nun waren ſie alle wieder in Veldt vereint, und wenn es auch nur eine Gnadenfriſt war, ſie wollten es noch genießen.

Sie ſaßen um den Teetiſch und plauderten. Am Abend kamen die Nachbarn, dann war es nicht mehr gemütlich.

Ein wenig bedrückt ſaß der Bräutigam zwiſchen ihnen. Er war gar nicht Hauptperſon, ſondern ganz Nebenſache. Die Schweſtern ſprachen von den eigenen Intereſſen; ſie fragten nach Gatten und Kindern, gra⸗ tulierten Ria zum Derbyſieger, erkundigten ſich bei Adda nach den neuen Zuchtverſuchen Bärenſteins; es

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ſchwirrten Rainer die Namen des hohen Adels um die Ohren, und Ceſſy war ganz anders wie gewöhnlich. Er kam ſich recht überflüſſig vor.

® Ä ® ®

Der Graf erwartete mit feinen Töchtern die Gäſte. Jetzt wechſelten die Rollen. Das Brautpaar wurde vorgeſchoben.

„Kinder, ihr ſeid jetzt die Hauptperſonen, wir wiſſen es noch genau wie es war, als die Gegend kam, unſern Bräutigam zu muſtern.“

„Und,“ warf Adda lachend dazwiſchen, „wie Karl Anton unbeſchreiblich frech war.“

Rias Antlitz zuckte nicht, ſie lachte ſogar bei der Bemerkung der Schweſter, nur Marie ſah, daß es ge⸗ lerntes Lachen war. |

Die Wagen rollten. Es war ein hübſches Bild, der alte Graf, der ſich ſteif aufrichtete, um den Gäſten nicht die Genugtuung zu geben, ihn zu bemitleiden; um ihn herum die großen, ſchönen Töchter, und vorn die blonde, zierliche Braut und der ſchmucke Ulanen⸗ offizier. Die Dienerſchaft in Eskarpins und Treſſen riß die Türen auf.

Seit dem Begräbnis der Gräfin war die Nachbar⸗ ſchaft nicht mehr in Veldt geweſen, aber der Klatſch war eifrig gewandert, man ſprach von Brotſuppe und einem Diener. Und nun ſtanden hier fünf galonierte Lakaien: es war ihnen ja nicht aufs Geſicht geſchrieben, daß ſie für gewöhnlich nur Gärtner und Kutſcher waren. Und Veldt wirkte wieder einſchüchternd. Rias Schmuck

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blendete, und ebenſo Addas Toilette, und Marie, die das bewußte Ballkleid von Worth trug. Sie ſahen den Neid und die Neugierde auf den Geſichtern, die Enttäuſchung, daß alles ſo geblieben war wie früher.

Der Graf nahm alle Kraft zuſammen, um der glän⸗

zende, liebenswürdige Wirt zu ſein. Er hieß in einer Rede auf den Bräutigam Rainer dieſen ſo herzlich in der Familie willkommen, daß dieſer gerührt war. Er hatte die früheren Reden nicht gehört, in denen der Graf durchblicken ließ, daß ſeine Töchter faſt zu gut geweſen für die Freier, die es ſich zur Ehre anrechnen konnten, ſie zu erhalten. Heute aber wollte er nicht hochmütig erſcheinen, ſondern verſöhnen. Seine Abſicht gelang nicht vollkommen. Die Nach⸗ barſchaft ſagte beim Heimfahren: „Er ſpielt jetzt billig, habt ihr gehört, wie er dem Leutnant ſchön tat, glück⸗ ſelig noch einen gefangen zu haben nach dem Bankrott, und ſaht ihr die Jüngſte? Die glaubte in Berlin noch, es nicht unter einem Prinzen zu tun, dann wäre ein Graf ſchon recht geweſen, und ſchließlich iſt's gar keiner. Selbſt als Hofdame hat ſie keinen Adjutanten gekriegt. Große Roſinen und keinen gebogenen Heller! Blaß war ſie auch, und ein Kleid na der Erbe kann ſich auf die Schulden freuen!“

Es war eine allgemeine müde Ernüchterung ein⸗ getreten, nachdem die Gäſte fort waren. Der Graf ſank in ſich zuſammen, Ria ſah abgeſpannt aus, Marie heuchelte Kopfweh, um ſich nicht mehr an der . XXVIII. 21122

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haltung beteiligen zu brauchen. Nur das Brautpaar war friſch. Adda gähnte ſchon die ganze Zeit.

„Kinder, noch eine Zigarette, ich fall’ ſonſt tot um.“

„Du haſt den ganzen Abend wie ein Schornſtein geraucht,“ ſagte Maggie.

„Ach, laß mich doch, es tut ja nichts.“

„Emil ſagt, man ruiniert ſich damit total die Nerven und den Magen

„Gehen wir ſchlafen,“ ſagte Marie ſchnell. Sie wußte, daß nun endloſe Tiraden über Emil kommen würden, dieſen ſemmelblonden, namenlos langweiligen Schwager, der immer nur allbekannte Sachen ſagte. Ihr Blick traf Rias Augen: ‚Welch gräßlicher Abend wir waren ihnen allen nur Theater, ich habe kein warmes Mitempfinden an Ceſſys Glück geſehen .

Nun kamen wundervolle Tage. Der Spätſommer war unbeſchreiblich ſchön, und die Schweſtern genoſſen die Herrlichkeit und den Frieden in Veldt. Es war, als wären ſie alle wieder junge Mädchen, wie vor vielen Jahren, ſorglos und heiter in der ſchönen Heimat. Die eigenartige Luft, welche in Veldt wehte, umgab ſie wieder. Da gab es keinen Klatſch, keine kleinlichen Geſpräche, Geld und materielle Sachen wurden nicht erwähnt. Leben und leben laſſen war des Hauſes Deviſe.

Abends ſaßen ſie alle handarbeitend in des Grafen Wohnzimmer um den runden Tiſch mit der großen Lampe. Adda allein ſaß untätig im bequemſten Stuhl und rauchte.

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„Soll ich dir eine Stickerei bringen?“ fragte Ceſſy.

„Ach, laß mich doch, ich bin ganz glüdlich fo."

Maggie ereiferte ſich: „Natürlich, davon wirſt du dick, du tuſt ja den ganzen Tag nichts. Emil meint..“

Ceſſy ſah auf. „Weißt du, Maggie, es iſt uns ſchließlich egal, was Emil meint. Es iſt ja ganz ſchön, daß du ſo viel davon hältſt, aber wir brauchen nicht nach Emils Anſichten zu leben.“

Maggie wollte ſich rechtfertigen. ö „Ihr habt eben alle komiſche Anſichten. Ich ſehe in Potsdam recht, wie falſch die ſind. Emil meint, ihr wäret alle ſo erzogen, als gäbe es nur euch auf

der Welt.“

„Danke,“ rief der ganze Chor lachend.

„Aber wie iſt man denn in Potsdam erzogen?“

Marie ſprang auf. „Das will ich euch ſchildern, denn Maggie ſagt doch nur, was Emil meint. Da iſt einer wie der andre. Will mal einer ein andres Geſicht haben, gleich heißt es: ‚Halt, das ſchickt ſich nicht! Alles iſt gleichmäßig. Alle Kleider der Damen ſind vom ſelben Typ.“

„Halt,“ rief Adda lachend, „alle ſo wie Maggies Kleid momentan?“

Ja,“ rief Marie, Maggie die Hand vor den Mund haltend.

„Haſt du noch viele ſolche, von der Jungfer ge⸗ machte?“

Maggie fuhr auf: „Woher willſt du denn wiſſen, daß ſie von der Jungfer gemacht ſind?“

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„Sieht man, fieht man,“ rief es im teile ... Marie kam wieder zu Wort: „Alſo, alle Kleider ſind egal, alle Wagen, ja ſelbſt alle Kinderwagen. Das Regiment vermehrt ſich jährlich um zwei bis ſiebzehn Kinder. Der Doktor iſt für alle derſelbe, der Schlächter iſt derſelbe, der Bäcker iſt derſelbe. Wagt eine Dame zu ſagen: der Fleiſcher iſt ſchlecht, heißt es:, Man nimmt von ihm, dann gibt es keinen Ausweg. Alles iſt gleichmäßig, ſelbſt die Diners. Niemand ſagt etwas Falſches, etwas Unkorrektes, etwas Neues. Hoch lebe die Inſel der Korrekten!“

Maggie war wütend. „Das iſt eine tolle Über⸗ treibung, wir ſind eben keine Parvenüs!“

Ria wollte beſänftigen: „Maggie, ärgere dich nicht, | du ſiehſt doch, daß Marie abſichtlich übertreibt, wir wiſſen doch alle, daß es nicht wahr iſt.“ |

Aber Maggie war nun einmal aufgebracht und ver- teidigte ihr Regiment wie eine Löwin ihr Junges. „Es iſt ein ſtrenger Korpsgeiſt, und der bewirkt, jagt Emil —“

Da wurde ſie übertönt: „Und was AIR du, Maggie, ſprich doch mal aus, was du dent.

„Ich denke nur, ſagt Emil.

Da war ein ſchallendes Gelächter am Tiſch: „Du denkſt nur noch Emil, wir wiſſen es ja ſchon!“

Beleidigt ſchwieg Maggie. Wieder war Ria die Einlenkende. Sie fragte Maggie nach ihrem kleinſten Sohn, und Maggies Geſicht ſtrahlte, als ſie zu berichten begann: „Als Diether⸗Denies ſeine erſten Zähne bekam, war er auch elend, bei Johann⸗Albrecht traten gleich⸗

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zeitig rote Flecken auf, bei eee merkte ich es gar nicht.“

„Und bei Hug⸗ Dietrich? fragte Marie und der Schalk lachte ihr aus den Augen.

„Meinſt du Wolf⸗Dietrich ?

„Na weißt du, wie deine Jungens heißen, kann ſich kein Menſch merken. Es iſt ein Segen, daß nicht noch Nummer ſechs und ſieben erſchienen ſind, dann hättet ihr ſie Wulfibald und Adelpetz getauft. Warum

kürzt ihr die Kindernamen nicht einfach ab, zum Bei⸗

ſpiel: D. D., F. E., J. A., W. D. und ſo weiter! Bei uns aber ſage bloß Nummer eins, Nummer zwei und ſo fort. Wie ſeid ihr nur auf die verteufelten Namen verfallen?“

Maggie weinte faſt. „Emil ſagte mir, er hätte unter ſeinem häßlichen Vornamen gelitten und ſich geſchworen, wenn er Kinder hätte, denen nicht das gleiche anzutun.“

„Na, den Schwur hat er gehalten!“ rief Adda, „und du haſt ihm ja auch alle Gelegenheit dazu gegeben.“

Arme Maggie! Emils Anſichten, mit denen ſie gemeint, jeden Feind aus dem Feld zu ſchlagen, wirkten nicht in Veldt. Sie erhob ſich entrüſtet.

„Ihr ſeid albern!“ |

„Meint Emil!“ riefen ihr die andern lachend nach.

Die Schweſtern blickten ſich ein wenig ſchuld⸗ bewußt an.

„Ihr hättet ſie nicht fo ſehr reizen ſollen,“ ſagte Ria.

„Doch, es iſt ganz gut. Seit Tagen ödet ſie uns mit dieſem Emil und mit Hug⸗Dieter⸗Geſchichten an.

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Sie muß endlich einmal ſehen, daß ſie jämmerlich ein⸗ ſeitig geworden iſt.“

„Laßt ſie. Sie iſt glücklich. Emil iſt ihr A und O, und ihre Jungen gehen ihr über alles. Ihr Leben iſt vollkommen ausgefüllt, ſie iſt ganz zufrieden, einige kleine Sorgen, wie Kinderkrankheiten, ausgenommen. Bringt ſie nicht auf den Gedanken, daß es etwas andres auf der Welt geben kann. Laßt ſie in ihrem Kreis, der ſie beglückt. Glaubt mir: Maggie iſt die Glück⸗ lichſte.“

„Aber das wäre furchtbar!“ warf Ceſſy ein. „Können nur unbedeutende Frauen glücklich ſein, die ein fehler⸗ loſes Ideal in ihrem Manne ſehen? Nein, ich bin überzeugt, mit Rainer glücklich zu werden, ohne ſo furchtbar zu verſimpeln.“

„Na, na, Ceſſy, wenn ſich dein Leben immer zwiſchen Demmin, Brandenburg, Paſewall, Militzſch und Züllichau abſpielt ob du dann am Ende nicht auch nur noch von Erdbeereneinkochen und Strümpfe⸗ anſtricken ſprichſt?“

Ceſſy fühlte ſich ein wenig getroffen. „Nein, ſchon um Rainers willen nicht.“

Adda lachte. „Na, ſiehſt du: Rainer ſagt, Rainer wünſcht, à la Emil.“

Nun wurde Ceſſy böſe. „Ich bin durchaus nicht ſo wie Maggie, ich ſagte bloß ...“

Da jubelten alle: „Seht, die Kleine wird bös! Nun geh und hole Maggie, ſie ſoll uns verzeihen, jetzt käme Adda aufs Mokierſtühlchen ...“

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„Ach laßt mich,“ ſagte Adda, „ich bin kein Objekt dafür.“ | |

„Was, du kein Objekt? Es gibt keinen Menſchen, der ſich ſo zur Mohammedanerin eignete wie du!“ rief Maggie, die wieder eingetreten war.

„Beſonders ſeit du dick wirſt,“ warf Ceſſy ein. Und Maggie, die empfand, daß Rache ſüß ſei, ſagte: „Na und dann! Rauchen und faul ſein, und alles dem Schickſal überlaſſen! Ihr hättet ſie nur mal im Coupé ſehen ſollen: nichts hatte ſie; weder Gepäckſchein, noch Billett, noch ihr Handgepäck, und wenn ich ſie danach fragte, ſagte fie nur: ‚Ach, laß mich doch.“ Ä

Adda blieb ſeelenruhig; ihr war es nicht gegeben, ſich zu erhitzen: „Na, war nicht ſchließlich alles da? Schein, Billett und Gepäck. Mein Wahlſpruch iſt: „Immer mit die Ruhe.“ Damit erreicht man alles. Karls ſchlechte Laune iſt an meiner Ruhe geſcheitert, jetzt hat er es aufgegeben und wird auch gemütlich und dick. Bei uns regt ſich niemand auf, und alles geht herrlich... „Immer mit die Ruhe.“

Ihre Gemütlichkeit hatte etwas Überzeugendes. „Gebt mir noch eine Zigarette,“ bat ſie.

„Nein, Haremsdame, du kriegſt keine mehr,“ rief Ceſſy lachend; „bedenke: gleich ſagt Emil dazu etwas.“

Es war ein verſöhnendes Lachen, das ihre Worte begleitete. Die alte Heimat wirkte, es war ganz wie früher. Die Diele knarrte, die Köpfe drehten ſich herum, einen Augenblick war tiefe Stille, dann flüſterte Marie: „Ich dachte, Mama käme.“

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Die Schweſtern nickten leiſe, und Ria ſagte: we iſt auch mitten unter uns.“

Sie ſtand auf und öffnete den Flügel. „Kommt, wir wollen ſingen.“ Die Schweſtern folgten. Es waren alte Chorgeſänge, meiſt Lieder des Vaters. Ria und Adda hatten prachtvolle Stimmen, die andern nur reine, friſche, ungeſchulte. Ria machte eine Pauſe. „Wir wollen Papa zur Überraſchung zu ſeinem Geburtstag ſeine alte Fuge ſingen, die er in ſeiner Jugend kom⸗ ponierte ..“ Man ſuchte nach dem Text und fand ihn auf altem vergilbten Papier: er hatte lateiniſche Worte und war eine Hymne auf die Erhabenheit.

Viertes Kapitel

Eine Tage ſpäter kam Dete mit ihrem Mann. Die fünf Schweſtern ſtanden auf der Rampe, ein donnerndes Hoch ſcholl ihr entgegen. Aber Dete erhob ſich langſam, gemeſſen aus dem Wagen und ſchritt ruhig die Stufen herauf. Adda flog ihr mit einem Jauchzer entgegen. Sie waren früher die Inſeparables genannt worden und ſtanden ſich am nächſten. Aber Dete blieb förmlich und ſteif. Es war, als hielte der Blick ihres Mannes ſie in Schranken. Wie ein kühler Hauch flog es über die Schweſtern. | „Schnell, Dete, du mußt unfer Lied mit lernen, das wir morgen Papa ſingen.“ Man zog ſie zum Klavier. Graf Kaiſerling ging ſich umziehen.

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Da Stand Dete nun im großen Salon und ſah ſich um. Es war alles wie immer, nur die Mutter fehlte. Sie hatte von Tokio aus nicht zur Beerdigung der Gräfin kommen können und ſah heute nach Jahren das Elternhaus zum erſtenmal wieder. Langſam kroch eine ungewollte Weichheit in ihr Herz. Sie kämpfte mit aller Macht dagegen an, es half nichts. Blut von ihrem Blut: das war ſtärker als der ganze äußerliche Schein, den fie angenommen. Die Geſandtſchaft ver⸗ ſank, all der Pomp des Daſeins, alle äußerlichen Ehren, ſie war wieder die vierte Tochter aus Veldt, nichts mehr, nichts weniger. Sie kannte ſich nicht wieder; langſam wurde die Kehle eng, die Tränen quollen her⸗ auf. Sie kämpfte einen harten Kampf.

Da begann Ria die Fuge des Vaters mit derſelben metalliſchen Altſtimme, mit der ſie einſt die Mutter geſungen hatte. Wie ein Stöhnen quoll es Dete aus der Bruſt, und die Tränen ſchoſſen hervor. Adda be⸗ merkte es und ſtellte ſich vor ſie, damit die andern es nicht ſehen ſollten, aber plötzlich brach Ria ab: „Dete, ich höre dich nicht.“ Da ſahen ſie ihr ins Geſicht, das von Empfindungen zerwühlt war. All die Kälte, die ſich nach dem Empfang in ihnen gegen Dete ge⸗ ſammelt hatte, war mit einem Schlage verflogen, ſie fühlten, Dete war wieder die Ihre. Jede empfand mit ihr, was ſie in dieſem Raume, an dieſem Klavier denken mußte, aber die Schweſtern berührten mit N Wort die wunde Stelle.

Kaiſerling ſtörte. Es war, als wäge Dete jedes

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Wort in feiner Gegenwart ab, als warte fie auf feine Zuſtimmung bei allem, was ſie tat.

Marie äußerte ſich Ria gegenüber erſtaunt. Dieſe lächelte fein: „Schau nur genau auf ihn. Hinter den feinen Diplomatenmanieren ſitzt die ruſſiſche Knute la böte humaine. Allen Menſchen gegenüber mag ſich ein Mann zuſammennehmen und verſtellen, nur vor ſeiner Frau nicht. Nicht lange währt es, bis dieſe weiß, was ſie geheiratet hat.“

Marie wurde rot. „Glaubſt du, daß ich ...“ Sie wandte den Kopf fort. |

Ria erriet den Gedanken. „Ja, Kind, ich weiß: Ein Jahr Seligkeit, und dann beginnt die Miſere des Lebens das Elend des Sterbens der Liebe.“

In Marie brach die große Leidenſchaft durch. „Für ein Jahr Seligkeit lohnt es ſich aber gelebt zu haben. Und wenn dann alles tot und grau wäre, ſo hätte man doch einmal genoſſen, doch einmal gelebt. Mir wär' es egal —!“

Ria ſeufzte. „Denk an Tante Berta. Da war dann alles tot und grau. Ich gebe dir in einigem recht. Ich würde mir auch noch einmal ein Jahr Seligkeit wün⸗ ſchen, aber dann den Tod. Auf der Höhe ſterben, nicht nachdem alle Illuſion, alle Herrlichkeit in Scherben vor mir läge, nicht langſam vertropfen ſehen, was als ſchäumender Becher des Glückes vor mir geſtanden.“

Sie verſtanden einander. Die Alteſte und die Jüngſte: die reife Schönheit und die liebliche Knoſpe, Duft und Jugend und vollerblühte Blume.

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Müde und ſchwach ſaß der alte Graf an ſeinem Geburtstag im Salon und betrachtete ſinnend das große Porträt ſeiner Gattin mit den ſechs Töchtern. Da kamen ſie herein, dem Alter nach, in weißen Kleidern, ſchlank und ſchön. Ria ſetzte ſich an den Flügel, die andern ſtanden um ſie herum. Rahnſtedt und Kaiſer⸗ ling lehnten in einer Ecke.

Groß und ſchwer fielen die erſten Akkorde. Leiſe erklangen dreiſtimmig die Stimmen und ſchwollen lang⸗ ſam zu mächtiger Stärke; von den Wänden hallte der Ton zurück, jauchzend: die Hymne an die Erhabenheit. Langſam klang ſie in Moll über. Ernſt, erſchütternd war das Ende. Es war, als empfände der Komponiſt, daß alles Irdiſche unzulänglich, daß die Erhabenheit auf der Erde in jedes Menſchen Leben nur einen win⸗ zigen Bruchteil ausmache, als käme ſie nur einmal flüchtig, um dann auf immer zu verſchwinden. Hin⸗ geriſſen erhob ſich der Greis, ſeine Hände zitterten. In ſeiner Jugendkraft hatte er dies empfunden, reich, in hoher Stellung, als er die Frau gewonnen, die er geliebt. Der Anfang war ſein Jugendwerk, mächtige Akkorde, himmelhoch jauchzend. Den Schluß hatte er ſpäter geſchrieben. Der war ein Meiſterwerk von Har⸗ monieen, und doch entbehrte er der Kraft des Anfangs. Er fühlte es: was ſeine Begeiſterung geſchaffen, konnte keine Kunſt überbieten. Das eine war die Überzeugung der Jugend, des Glückes, das andre das reife Erkennen des Mannes, dem die Nichtigkeit aller Dinge ſchon vorgeſchwebt hatte.

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Die Tränen rollten über die hageren Wangen.

Rahnſtedt ſtand wie eine Bildſäule. Hier ging etwas vor, was er nicht begriff. In des einfachen Landjunkers Leben hatte niemals das Genie eingegriffen, waren nie die Wellen hohen Geiſtes und gottbegnadeten Talents geſchlagen, ſie kamen von einem Ufer, das er nicht kannte. Er fühlte ſich klein, winzig, verſchwindend. Er, der von ſeiner Tüchtigkeit ſehr überzeugt war, empfand unwillig etwas Großes, das ihn überragte, übermannte. Er fühlte wohl: dies war ſchön aber ſeine Ceſſy war ihm fremd, dort zwiſchen den andern. Das war nicht ſeine klare, praktiſche Ceſſy, die für alle Dinge das rechte Wort fand; die Ceſſy, die dort am Flügel lehnte, deren Blick weit über ihn hinweg⸗ ging, in deren Augen eine Innigkeit lag, die nicht für einen Menſchen leuchtete, ſondern für ein Etwas, das er nicht begriff, war eine andre, nicht ſeine Braut, ſondern die Tochter aus Veldt, eine der ſechs Schweſtern. Alle ſchienen desſelben Geiſtes zu ſein, wie eine Mauer wirkten ſie. Es umgab ſie ein Etwas, das kein Fremder durchdringen konnte, an dem kein andrer Anteil haben durfte. Nur Veldtſches Blut und Veldtſches Genie.

Der Vater verſtand ſie, ſie und den Geſang, und eine große Rührung ergriff ihn.

Auch Kaiſerling ſtarrte. Er, der muſikaliſch Ge⸗ bildete, ſagte ſich: Das iſt ein Meiſterwerk, und meiſter⸗ haft vorgetragen, denn es iſt die Seele, die mitſingt, und nicht nur die Seele. Der ganze Organismus empfindet die Töne, die der Vater einſt geſchrieben,

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fühlt in ihnen, was auch er einſt gefühlt, was er hatte ausdrücken wollen.“ Die ganze Liebe zum Vater lag in den Tönen. Kaiſerling ſah ſeine Frau an und ward ſich klar: „Die eiſerne Hand, die ich auf ſie halte, um den Veldtſchen Willen zu unterdrücken, iſt nicht ſtark genug. Das Blut wird ſich immer wieder durchdrängen, wird nie ins Joch gehen.‘ Ja er ſah: Dete war am ſtärkſten in ihrem Willen. Er hatte geglaubt, ſie zu meiſtern. Aber wie ſie mit blitzenden Augen ſo jubelnd die Töne des Kampfes und Sieges ſang, da wußte er, daß die ſich die Freiheit ſang, und daß ſie die Stärkere war. Sie beugte ſich nur aus Berechnung, in dem Augenblick aber, wo er zum Kampf übergehen würde, würde ihm all ſeine Brutalität nichts helfen ... Krieg bis aufs Meſſer ... Da machte Kaiſerling ein ſtilles Gelübde. „Dazu ſoll es nie kommen

® ® ®

Nun war es wieder ftill in Veldt. Nur Ria, Ceſſy und Marie waren zurückgeblieben, alle eifrig mit Vor⸗ bereitungen zur Hochzeit beſchäftigt, die im engſten Familienkreiſe gefeiert werden ſollte. Marie mußte noch einmal zum herzoglichen Hof, um ihre Sachen aus der Reſidenz abzuholen. Für dieſen Tag hatte ſich der Vetter Veldt⸗Badenhauſen, der Agnat, an⸗ geſagt, um Majoratsangelegenheiten zu beſprechen. Es war der Schritt zur allgemeinen Verſöhnung. So würde Marie ihn nicht ſehen. Er war ihr auch ganz gleichgültig.

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Die Blätter fielen, ſie wußte, nun war Hirſchbrunft im Gebirge. Sie ſah einen tiefen grünen See und eine Hütte vor ſich. Von den Bergen hallte der Schrei der Hirſche in vielfachem Echo zurück. In mächtigen, erhabenen Tönen rief der König des Waldes ſeine Liebe ins Tal. Einmal war ſie einem ſchreienden Hirſch ganz nahe geweſen, nur dichtes Geſtrüpp hatte ſie auf Schritte von ihm getrennt, und bis in die tiefſte Seele war ſie erſtaunt vor der Gewalt dieſer Töne. Nur ein Ge⸗ fühl konnte das ſtille, ſcheue Tier veranlaſſen, aus tiefſter Bruſt dieſen ſinnverwirrenden Ruf auszuſtoßen: Die Liebe. Den hörte jetzt der, der aus tiefſter Seele nach ihr rief ... Ihr Körper bebte vor Qual: Einmal nur, einmal nur ihn noch ſehen ... Aber die Räder des Zuges raſſelten: Nie wieder, nie wieder!

An einer Station hielt ihr Zug wartend. Der ent⸗ gegengeſetzte Zug fuhr ein. Aus einem Fenſter ſah das glattraſierte Antlitz eines jungen Mannes. „Den kenn' ich doch, dachte ſie zweifelnd. Da ſah er ſie auch und griff nach ſeinem Hut, ſtutzte einen Augenblick, um dann doch zu grüßen. Ganz leicht nickte Marie zurück. Ja, ſie kannte ihn doch wohl, nur wußte ſie nicht mehr woher.

Der Zug ſetzte ſich in Bewegung. Die beiden ſahen ſich in die Augen. Wer war es nur? Sein Geſicht war markant, hart, ariſtokratiſch. „C'est quelqu'un,“ ſagte ſie ſich, aber ſie grübelte doch noch eine Weile über die Erſcheinung nach. ® ® ®

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In derſelben Stunde ſtand ein jchlanfer, junger Mann in ledernen Kniehoſen, den Gamsbart am Hute, in einer Hütte, die ſich im See ſpiegelte, und ſuchte an der Tür. Er zog den Bleiſtift heraus; dicht unter das Wort Marie ſchrieb er Egon und zog ein feines Herz um beide Namen. Dann nahm er das Kruzifix von der Wand. Mit rührender Inbrunſt beſah er den Heilandsleib, und ein trauriger Ernſt legte ſich auf ſeine Züge. Egons Freund und Gaſtgeber trat ein, der das eine Bein ein wenig ſchleifte. Blutrot wurde der Prinz.

„Liegt dir etwas an dem Kreuz, ich hätte es ſo gern.“

Der andre war erſtaunt: „Bitte, nimm es dir, es iſt durchaus kein Kunſtwerk.“

Prinz Egon murmelte ein paar Worte des Dankes und verwahrte das Kreuz ſorgſam wie ein Heiligtum. Über dem Junggeſellenbett in der kleinen Garniſon aber wurden alle Bilder herabgeholt, und einfach und einſam hing von da ab nur noch ein ſchlecht geſchnitztes Kruzifix.

Es war der Tag vor Ceſſys Hochzeit. Die Gäſte ſollten eintreffen, der Graf fühlte ſich angegriffen und konnte nicht aufſtehen. Ria übernahm die Pflichten der Repräſentantin.

Ceſſy war ganz abgearbeitet. Marie nahm ſie bei⸗ ſeite und legte ſie auf die Chaiſelongue in ihrem Mäd⸗ chenſalon. Da ſaßen ſie nun zum letztenmal zuſammen, in dem Raum, wo ihre Schreibtiſche ſtanden, behangen mit Kotillonerinnerungen. Beide waren wehmütig ge⸗

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ſtimmt. Sinnend ſaß Marie neben der Braut. Morgen würde Ceſſy nun verheiratet ſein, ihr ganzes Leben mit einem Schlage verändert werden, und die Ir ſchien fröhlich, ruhig wie immer.

„Freuſt du dich auf morgen?“ forſchte Marie.

„Aber natürlich,“ erwiderte ſie ruhig. „Es iſt auch alles gut eingefädelt, ich hoffe, daß es tadellos funktio⸗ nieren wird, und hoffentlich redet der Paſtor nicht ſo lange wie bei Addas Trauung.“

„Das meine ich nicht,“ ſagte Marie verwirrt, und das Blut ſchoß ihr zu Kopf.

„Was denn ſonſt, Bébé?“ N

Marie wandte ſich beſchämt ab. „Ach, ich meine, dann ſpäter ..“

Ceſſy hob die Augenbrauen: „Gott, Bébé, darüber zerbreche ich mir nicht den Kopf. Freuen? Nein. Wieſo kann man ſich freuen auf etwas, von dem man keine Ahnung hat.“

Marie war ſtill. Wie ſeltſam das war. Ceſſy würde heiraten und konnte an all die Außerlichkeiten denken, an die Sorgen um den Haushalt, an das Diner, die Wagen, die Gäſte. Sie ſelbſt ſchien erſt in zweiter Linie zu kommen, ſie ſelbſt und Rainer. Marie dachte an ihre Liebe, vor der alles zurückgetreten war, ſogar ihr Stolz, der harte, unbeugſame Stolz der Veldts.

Der Gedanke an den Prinzen ließ ſie auch am nächſten Tage nicht los. In ihr Denken ſchlugen wie mit Hammerſchlägen die Worte hinein: ‚Nie mehr nie wieder!‘ Sie brach faſt zuſammen unter der Lait....

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Sie ſah die ganze Hochzeit wie im Traum. Die norddeutſchen Verwandten, die Mutter im Schwarz⸗ ſeidenen mit einer Straußenfeder im geſcheitelten Haar, die eckigen kleinen Schweſtern in blauſeidenen Kleidern, die Brüder, die genau wie der Bräutigam ausſahen, der dicke Vater, der dicke Onkel und die magere Tante, die waren alle ſehr nett, aber ſo unendlich anders als die Ihren. Sie ſah die elegante, ſchlanke Ceſſy an und dachte: „Ob ſie werden wird wie ſie alle?“

Sie ſah ihren Schwager, den ſie liebhatte wie einen Bruder, aber der Gedanke, daß er ſie küſſen könnte, daß überhaupt ein Mann ſie wieder küſſen könnte, war ihr unerträglich. Nein. In ihr war eine Saite, die einmal geklungen hatte und die dann zerſprungen war. Nie wieder würde ſie klingen nie wieder. Ceſſy heiratete nun, und doch ſie tat Marie faſt leid. Es fehlte ihr etwas: die große Leidenſchaft.

Ria fuhr drei Tage nach der Hochzeit nach Wien zurück, verſprach aber, nach einigen Tagen wieder zu kommen. Sie ſah den ſchnellen Verfall des Vaters deutlicher als die Schweſtern. ® ® ®

Nun war Marie allein mit ihm. Die Poſt brachte ihr ein Wertpaket aus Wien. Sollte Ria ihr etwas ſchicken? Als die letzte Hülle von dem rätſelhaften Gegenſtande fiel, wich alles Blut aus ihrem Herzen ſie hielt eine Art Aſchenbecher aus Kriſtall in Händen, innen lag eine wundervoll geſchnitzte Nixe aus Elfen⸗

bein mit Smaragdaugen, der e aus ZXVHT. 21ʃ22

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Emaille gearbeitet: ein Kunſtwerk. Die Hand war wie vom Waſſer nach oben getrieben und ſtieß an den Kriſtalldeckel an, der in Wellenlinien geſchliffen war. Innen lag ein Zettel: „Ich habe die Nixe im Elfenſee geſehen, zum Andenken habe ich mir ein Kruzifix be⸗ halten. Egon.“ |

Sie verzehrte das alles mit Blicken. Aber jo ſchön das Geſchenk war, die wenigen Worte waren ihr lieber. Sie fühlte die Gewalt, die er ſich angetan hatte, nicht mehr zu ſagen.

Das Perſönliche der Schrift zauberte ihn ihr vor. Sie ſah, wie ſeine Hand über das Papier glitt, zitternd in dem Gedanken an die letzten Zeilen, die er ihr da⸗ mals in der Favorite geſchrieben hatte.

Wie ein Heiligtum verwahrte ſie den Aſchenbecher in ihrem Schreibtiſch.

Es litt ſie nicht länger im Zimmer. Sie ſchritt in den Park. Die goldigen Blätter fielen raſtlos. In den Glanz der ſinkenden Sonne wanderte ſie hinein, dem Lichte entgegen, aber der Schein machte ſie fröſteln. Im blauen Dunſt ſtand der Odenwald. Unfern hörte man Dreſchflegel. Ihr Rhythmus brachte Marie eine Melodie ins Ohr, deren Worte ihr Herz formte: „Ich ſah im Elfenſee den Nix ...“

Es war, als hätten die Buchſtaben eine lichterlohe Flamme entzündet. Das Wort ‚Egon‘ war wie ein Feuer in ihr Herz gefahren, es tat ſo wundervoll wohl zu wiſſen: auf der Welt iſt ein Herz, das unentwegt deiner denkt, immerfort, immerfort. f

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Die Turmuhr ſchlug ſechs langſame Schläge. Sonſt tiefer Friede um ſie herum. Die Welt verſank. Sie empfand nur ein Wort: ‚Egon‘.

Vom Schloß her kamen haſtige, rennende Schritte.

„Baroneſſe, Baroneſſe.“

Sie fuhr auf. „Ja, hier bin ich.“

„Der Herr Graf, ſein ganzes Geſicht war verzerrt.“

Marie fragte nicht. Wie gehetzt flog ſie die Treppe hinauf in des Vaters Schlafzimmer. Dort ſtanden einige Bedienſtete, mit Eisbeuteln, heißem Waſſer, Eſſig, Kaffee. Sie ſprachen alle durcheinander, verſtummten aber erſchreckt, als Marie eintrat. Mit fliegendem Atem ſtand ſie am Bett. Der Kopf des Vaters lag hinten⸗ über. Die Augen waren geſchloſſen.

„Was iſt geſchehen?“

„Als ich dem Herrn Grafen die Abendpoſt bringen wollte, fand ich ihn ſo.“

„Telephonieren Sie dem Arzt und dann ...“ Sie machte nur eine Handbewegung.

Die Diener gingen.

Sie ſtand allein vor dem Vater. Sie hob die Hand, ſchlaff fiel ſie zurück. Vom Toilettentiſch holte ſie einen Spiegel, den ſie ihm dicht vor den Mund hielt. Würde ſich ein Hauch zeigen? Wie ein Gebet kam es aus ihrer Seele: „Atme, atme, um Gottes willen atme, nur jetzt nicht ſcheiden für immer, nur jetzt nicht der furchtbare Tod.‘ |

Ein ſchweres Schuldbewußtſein packte ihr Gewiſſen. Den kranken Vater hatte ſie allein gelaſſen, um durch

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den Park zu laufen, zu jubeln im Herzen wegen der kurzen Zeilen: „Ich ſah im Elfenſee den Nix.“ Sie hörte die Dreſchflegel bis hier herauf ins Sterbezimmer.

War das Glas beſchlagen? Sie richtete den Kopf auf, hielt den Spiegel dicht, dicht ... Nichts kein Hauch. Sie fühlte körperlich, wie ihre letzte Hoffnung verſank, wie alles Blut aus dem Kopf zum Herzen eilte. Ihre Hände zitterten. Langſam, vorſichtig taſtete ſie nach dem Auge. Sie zauderte vor der entſetzlichen Entſcheidung. „Herr Gott im Himmel ...“ kam es flehend, angſterfüllt von ihren Lippen. Dann hob ſie das Lid: das Auge war gebrochen. Bewußtlos brach Marie über des Vaters Leiche zuſammen.

Eintönig klangen die Dreſchflegel herauf: tar⸗dem, tar⸗dem, tar⸗dem, tar-dem ... ® ® ®

Marie ging herum wie eine Nachtwandlerin. Der alte Diener machte alles, ſchrieb Telegramme, ordnete an, beſorgte den Sarg. Sie ſaß vor dem Toten. Er war allein geſtorben, während ſie im Park jubelte.

Meine Schuld meine Schuld!

Der Arzt meinte: „Gehirnſchlag“, und ſprach von rechtzeitiger Erlöſung, Erſparen langen Siechtums, aber Marie hörte wie zum Hohn auch im Glockengeläut die Worte: „Ich ſah im Elfenſee den Nix ..“

Ria kam als Erſte. Sie war totenbleich und nahm Marie in die Arme.

„Mein armes, armes Kind! Haſt du alle benach⸗ richtigt?“ f ö

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Marie ſchüttelte den Kopf.

„Nun, ich dachte es und depeſchierte gleich auch an den künftigen Beſitzer.“

Da begriff Marie erſt. Veldt war Majorat, mit dem Vater erloſch die Linie Veldt⸗Veldt, und der Vetter Veldt⸗Badenhauſen war der Erbe. Sie hatte keine Heimat mehr. Es war, als glitte der Boden unter ihren Füßen fort.

Am andern Tage kam der neue Herr an. Ria empfing ihn. Er nahm ihre Hand, küßte ſie nicht, ſondern behielt ſie in der ſeinen.

„Ich danke Ihnen, Couſine, daß Sie mich riefen. Heut herzukommen war für mich doppelt ſchwer. Ich fühle mich Ihnen allen gegenüber als Eindringling, und mein Anblick muß Ihnen Schmerz bereiten. Ich danke aber Gott, daß noch eine Ausſöhnung zuſtande gekommen iſt. Ich hoffe, Ihnen etliches hier abnehmen zu können. Meine Teilnahme für Sie, die Töchter alle, iſt grenzenlos.“

Langſam fielen die Worte, als würden ſie mühſam aus einem tiefen Brunnen geſchöpft, als brächte er ſie nur mit ſchwerſter Anſtrengung über die Lippen, aber man empfand ihre Wahrheit, als hätte er ſie beeidet.

Apathiſch ſtand Marie zur Seite. Ria, die noch immer des Vetters Hand hielt, wandte ſich zu ihr: „Marie, dies iſt Graf Veldt.“

Er zuckte einen Moment. Es war das erſtemal, daß er ſeinen neuen Namen hörte. Am Majorat hing der Grafentitel. Er war, wie alle andern, bisher Frei⸗

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herr geweſen. Auch Marie berührte es ſeltſam. Ihr Vater war der Graf Veldt, der einzige ſeines Namens, und nun hieß ein andrer ſo, ein Wildfremder.

Er nahm ihre Hand und ſagte: „Ich glaube, wir kennen uns.“ |

Marie ſtarrte ihn an. Ja, fie hatte das Geſicht ſchon geſehen.

„Ich hatte einmal die Ehre, in demſelben Coupé mit Ihnen zu fahren.“

Da wußte ſie es. Sie ſah die Dächer der Favorite vor ſich liegen. Eine brennende Röte ſchoß ihr ins Antlitz, raſch entzog ſie ihm ihre Hand.

Ehe die andern kamen, gingen die beiden Schweſtern zum Begräbnisplatz. Sie waren ſich in den letzten Wochen ſeltſam nahe gerückt. Die Macht des gemein⸗ ſamen Geheimniſſes hatte leicht die Kluft der Jahre überbrückt, die ihr Denken und Empfinden bis dahin getrennt hatte. Jetzt waren ſie ſich mehr als Schweſtern waren Freundinnen geworden. In Maries Seele paarte ſich mit der Liebe noch ein Gefühl der Ehr⸗ furcht vor der Älteren, die der Mutter jo glich. Sie wußte, daß ſie Ria unbedingt vertrauen konnte, und daß ſie ihr deshalb auch alles anvertrauen würde, was ihr Herz bedrückte.

Hand in Hand ſchritten ſie dahin, die beiden großen, ſchlanken Geſtalten in den faltenloſen, dunklen Trauer⸗ gewändern. Mit dem Vater erloſch das Elternhaus, die Jugenderinnerungen, die Heimat. Für Marie war alles vernichtet, und auch Ria verlor viel, denn ſie

——— .

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hatte dieſen Zufluchtsort gebraucht, wenn das Leben ihr dort unten in Wien oder auf den Freudenloheſchen Beſitzungen unerträglich wurde. Nun ging Veldt in eines Fremden Hand über.

Marie ſtöhnte auf: „Wo ſoll ich hin, Ria? Wo ſoll ich hin? Nicht einmal zur Hofdame tauge ich!“

Ria ſah ſie bekümmert an. „Kind, für mein Leben gern nähme ich dich zu mir, aber dieſen Winter gehen wir zu Hof und ... du weißt, es geht nicht.“ Ihre Stimme ſenkte ſich zum Flüſterton. „Er iſt nach Wien kommandiert worden, zur Gardeeskadron.“

Marie beſchleunigte ihre Schritte ein wenig. Es war ihr unmöglich zu ſprechen, ihr Herz kämpfte. Sie

ſchwankte einige Augenblicke; in ihr ſchrie es:, Geh nach

Wien, dort kannſt du ihn wiederſehen.“ Dann aber dachte ſie der ſchweren Stunden nach dem Tode des Vaters, den ſie in ſeiner letzten Stunde allein gelaſſen hatte, um an Egon zu denken. Sie überwand ſich ſelbſt. „Nein,“ ſagte ſie feſt, „dann kann ich nicht zu euch kommen! Aber wohin, Ria? Ich muß ja von hier fort, fort von der Eltern Grab, aus der Heimat in die Fremde. Ich kann es nicht. Ria, ich kann es nicht.“ Sie fiel der Schweſter um den Hals. Das Schluchzen erſchütterte ihren Körper. Sanft richtete Ria ſie auf. „Es wird ſich ſchon etwas für dich finden, Kind. Die Welt iſt ſo groß. Du haſt doch deine Schweſtern. Du kannſt zu Adda gehen oder zu Maggie!“ „Ich will nicht von hier fort, ich will nicht!“ Wie ein großes Kind, das ſich nicht tröſten laſſen

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will, weinte Marie, und Ria ließ ihre Tränen fließen. Sie ſah ein, daß hier zur Stunde keine Hilfe möglich ſei. Die Erregungen hatten Maries Nerven bis aufs äußerſte angeſpannt, nun wirkten die Tränen wie ein gütiger, kühlender Gewitterregen.

Als die Schweſtern zum Schloſſe zurückſchritten, kam ihnen Graf Veldt durch den Park entgegen. Ihre Herzen waren noch voll von der Trauer, die am Grabe der Mutter, an dem ſchlichten Platz, wo ihr Vater nun für immer ruhen ſollte, tief in ihnen von neuem er⸗ weckt war. Deshalb empfanden ſie ſein Erſcheinen wie ein Eindringen in ihr ureigenſtes Recht. Steif ſtanden ſie r beide da, ein wenig unnahbar. Aber ſeine verlegene Haltung ließ ihre Kälte ſchwinden. Sie ſahen, daß ihm ſeine Anweſenheit ſelbſt peinlich war; er war jetzt der Herr hier und wollte es nicht ſcheinen.

„Es iſt mir lieb,“ ſagte er, „Sie beide noch einen Augenblick ſprechen zu können, ehe die andern An⸗ gehörigen kommen, denn ich habe eine große Bitte.“

Ria nickte ſchweigend. Marie ſtand teilnahmlos abſeits. Ihr wandte er ſich zu: „Sie verlieren am meiſten mit dem Tod Ihres Vaters,“ ſagte er leiſe, „und ich muß beſonders Ihnen als Eindringling hier ericheinen.”

Sie machte eine abwehrende Bewegung.

„Doch, doch,“ fuhr er fort, „ich weiß es. Ich habe nun eine große Bitte an Sie. Wollen Sie mir ruhig zuhören?“

Marie nickte. Sie gingen zu einer Bank und ließen

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ſich nieder. Eine ganze Weile blickte er zu Boden. Man ſah, es fiel ihm ſchwer, zu ſprechen. Ohne den Kopf zu heben, begann er: „Ich ſtehe vor meinem Aſſeſſorexamen und kann es vor nächſtem Frühjahr nicht machen, möchte aber meine Karriere nicht mittendrin abſchneiden. Ich kann deshalb keinesfalls vor nächſtem Juni Veldt beziehen. Bei meinem Beſuch hier, vor vier Wochen, war mein Vetter ſo gut, mir Einſicht in die Majoratsbeſtimmungen zu geben. Es iſt ſehr kompli⸗ ziert, das Allod vom Majorat zu ſcheiden, und es wird ſehr lange dauern, bis ich einen Überblick über die Erb⸗ ſchaft und die Allodſumme haben werde. Daher wäre es mir ſehr lieb, wenn ein Mitglied der Familie, dem die andern vielleicht Vollmacht geben würden, hier wohnen bliebe, bis alles, auch das Inventar des Schloſſes, geregelt iſt. Ich bitte deshalb, daß Sie, Couſine, bis nächſten Sommer hier wohnen bleiben. Im Trauerjahr wird es Ihnen hier in Veldt doch ſicher am wohlſten ſein und mir wäre es eine große Hilfe.“

Er hatte langſam geſprochen. Jedes Wort ſchien überlegt, abgewogen, und doch klang aus allem eine tiefe Wärme.

Marie ſtand zaudernd. Sie empfand nur: er hat Mitleid mit dir; deshalb konnte ſie keinen Entſchluß faſſen, nicht verneinen, nicht zuſagen. Da entſchied Ria für ſie. Sie reichte dem Vetter die Hand, und mit dem unvergleichlichen Charme, den ſie in Stimme und Haltung hatte, wenn ſie herzlich wurde, ſagte ſie: „Ich

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danke Ihnen für dieſes Anerbieten. Es iſt in dieſem Augenblick das beſte für alle Teile.“

Sie bat die Schweſter mit den Augen, auch einige Worte an den Vetter zu richten. Aber Marie zögerte wieder. Es empörte ſie, daß ſie um ihr Urteil, um ihr Wünſchen nicht befragt worden war. Sie wollte nie⸗ mandem Dank ſchulden, ſie ärgerte ſich über den Vetter, der in dieſem Augenblick der Gebende war, ſie mochte nicht nehmen, fie wollte nicht verpflichtet ſein ... Es lag ihr auf der Zunge, das Angebot auszuſchlagen. Da traf ſie Rias Blick: ernſt, traurig und feſt. Ihr kam die Erinnerung an Rheinfelden, an ſein „Zu Befehl“. Sie ſah, hier war das Schickſal, dem ſie gehorchen mußte. Aber. ihre Selbſtſicherheit hatte ſie verloren. Linkiſch reichte ſie dem Grafen Veldt die Hand: „Danke.“ ® ® * G Ganz unwillkürlich nahm Veldt zur Beerdigung ſeines verſtorbenen Herrn noch einmal die alte, pomp⸗ hafte Größe an.

Ceſſy kam von ihrer Hochzeitsreiſe und, wenn auch gebeugt vom Leid, ſagte ſie ſich doch, daß einer jetzt denken und handeln müſſe. Sie ſuchte die Trauer⸗ livreen heraus, die von der Mutter Tod herſtammten, ließ den Saal ſchwarz ausſchlagen, ordnete an, arbeitete, ſchaffte |

So wurde für den Verſtorbenen der Trauerprunk entfaltet, den er für ſeine Gattin angeſchafft hatte. Ceſſy fühlte: er hatte die Farce des ſchwerreichen Grandſeigneurs jahrelang aufrechterhalten, an jeiner .

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Beerdigung follte er nicht zum armen Mann geſtempelt werden. Sie hatte ihn heiß geliebt und ſeine Schwächen am beſten gekannt; ſie wußte, wie die Sachen ſtanden: ‚apres moi le deluge‘, ein Seufzer hob ihre Bruſt. Gut, daß Mutter es nicht geahnt hatte. Sie war in der Annahme geſtorben, einen reichen Mann und gut dotierte Töchter zu hinterlaſſen, und Ceſſy wußte nur zu genau, wie ſchlimm es um Veldt ſtand.

Aber keiner der Schwiegerſöhne hatte eine Ahnung von dem Ruin, als der Wagen mit den ſechs Rappen vorfuhr, um den letzten Veldt⸗Veldt zur ewigen Ruhe zu geleiten. |

Der ganze Adel des Landes war gekommen. Teils weil es ſich gehörte, dem Grafen die letzte Ehre zu erweiſen, teils aus Mitleid für die Töchter, aber haupt⸗ ſächlich, um den neuen Grafen zu ſehen, den keiner kannte. |

Der ſtand beſcheiden abjeit3 und überließ es Ria, des Hauſes Ehre zu verwalten.

Dicht umdrängten ſie den Katafalk, dem zu Häupten die ſechs Töchter und die Schwiegerſöhne ſtanden, in glänzenden Uniformen, ordenbeſät. Nur der kleine Ulan ſah einfach aus, wie er zwiſchen dem ungariſchen Magnaten, dem Diplomaten mit dem Rieſenkrachat, dem Gardeducorps ſtand! Bärenſtein als Garde⸗ küraſſier, mit einem Stern auf der Bruſt, überragte ihn um Kopfeslänge. Ja, die Nachbarn mochten mit Mitleidsgedanken gekommen ſein, aber ſie mußten ſie fallen laſſen. Hier waren ſie nicht am Platz.

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Keine Tochter weinte. Blaß und groß ftanden fie - da in der abweiſenden, kalten Haltung, die kein Mitleid wünſcht, die der Maſſe gegenüber kein Gefühl zeigen mag. Und denen, die heimliche Schadenfreude emp⸗ funden hatten, verging ſie bald, denn die Kinder wirkten nicht wie arme, vertriebene Töchter, denen das Heim genommen, ſtanden ſie doch faſt alle in geſicherter, hoch⸗ angeſehener Stellung. N

Der Geiſtliche ſchwieg. Es entſtand eine Pauſe, die Träger näherten ſich dem Sarge. Da ſchritt Ria

in einem plötzlichen Impuls zum Harmonium. Sie

zog die Regiſter und winkte den Schweſtern. Schwer und voll fielen die Akkorde: Die Hymne an die Erhaben⸗ heit. Es war keinem je eingefallen, das Klavierſtück auf das Harmonium zu überſetzen, aber Ria ſpielte es ihrer Empfindung nach im Rhythmus eines Trauer⸗ marſches.

Die fünf Schweſtern umſtanden ſie, leiſe ſetzten die Stimmen ein. Es waren nicht acht Wochen ſeit dem Tage vergangen, an dem ſie die Fuge dem Vater zu ſeinem letzten Geburtstag geſungen hatten, nun wollten ſie ihm den Geſang als letzten Gruß mitgeben, hinüber in die Ewigkeit. Die Menſchen um ſie her verſanken, ſie ſuchten die ſchönſten Töne, nur gedämpfter, ge⸗ tragener. Die lateiniſchen Worte klangen mächtig und voll in dem gewaltigen Rhythmus. Tief wurden ſie ſelbſt ergriffen. Sie ſangen dem Toten noch einmal ſeine ganze Größe, den Höhepunkt ſeines Lebens, ſeine Erhabenheit.

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Die Umſtehenden fühlten den mächtigen Schwung des Geiſtes, der den Komponiſten beſeelt hatte, der ihn ausgezeichnet und erhoben hatte über ſeine Standes⸗ genoſſen, ſie fühlten, wie mit dem Verſtorbenen ein Großer unter ihnen von dieſer Erde geſchieden war. Des Liedes zweiter Teil verklang mit einem ſeltſamen Ausdruck von Enttäuſchung und Entſagung. Es war, als hätten die Singenden die letzten Töne nur noch gehaucht, als habe das Harmonium irgendwo in weiter Ferne geſtanden. Vom Erblandmarſchall bis herab zum Junker ſtand der ganze Adel des Landes da, und in die alten wie die jungen Augen traten Tränen, die ſie nicht für den Grafen Veldt geſammelt hatten, als ſie zur Beerdigung gefahren waren. Ungewollt kamen ſie ihnen, aber ſie vergoſſen ſie in aufrichtigem Mitemp⸗ finden, in ehrlicher Trauer. Der eigene Zauber, der dieſes Haus umweht hatte, ſo ſehr er von kleinen Geiſtern gerügt und beklatſcht worden war, beſiegte ſie alle in dieſem Augenblick.

Ria nahm den Arm des Gatten, der Sarg wurde hinausgetragen. Voran ſchritt mit einem mächtigen Kranz Graf Kapſtedt, der Flügeladjutant des Kaiſers, ihm zur Seite Rheinfelden, beide als Vertreter ihrer Herren. Die Schweſtern folgten am Arm ihrer Gatten. Einen Augenblick ſtand Marie allein, da trat Heinrich Veldt zu ihr und reichte ihr den Arm. Sie nahm ihn dankbar.

Polternd fiel die Erde auf den Sarg. Der Land⸗ marſchall trat vor, zwei Rechtsritter des Johanniter⸗

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ordens hielten ihm ein ſteinernes Wappen hin. Mit einem ſcharfen Schlage ſchlug er es mit dem Hammer in zwei Teile. Seine ſonore Stimme klang weithin über die Verſammlung. ö „Veldt⸗Veldt bis heute, von nun an nimmermehr.“ Sie legten ihm die beiden ſilbernen Roſen ins Grab, die in der Fülle ihrer Blüte gebrochen waren. Von nun an ſtand das Wappen des Veldt⸗Badenhauſen über dem Tor, die ſilberne Roſe und der goldene Stern.

Fünftes Kapitel

1 Tage folgten. Der tiefe und reine Schmerz um den Toten wurde durch Erbſchaftauseinander⸗ ſetzungen verbittert. Die Schwäger konnten ihre Ent⸗ täuſchung nicht ganz verbergen, es fiel in den Becher der Trauer manch Galletropfen für die Töchter. Alles war ſehr verworren und bedurfte wochenlanger Aus⸗ einanderſetzungen. Da machte Ria den Vorſchlag: Marie bleibt in Veldt und nimmt das Hausinventar auf, den Schweſtern ſchickt ſie einen Proſpekt, wonach dieſe ſich ausſuchen können, was ſie wünſchen. Die Geldangelegenheiten würde der Vetter ordnen.

Da doch faſt alles verloren war, willigten die Schwä⸗ ger ein, aber ein leichter Mißklang blieb, als fie ſchieden. Marie erinnerte ſich des japaniſchen Sprichwortes: ‚Die Liebe beweiſt ſich bei der Erbſchaft.“ Der kleinliche Egoismus, ja ſogar hin und wieder ein Schein von

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Habſucht waren zutage getreten. Dete hatte noch beim Fortfahren geſagt: „Dem fremden Mann wollen wir nichts da laſſen.“ Marie war rot geworden, weil ſie ſich der Schweſter ſchämte; ſie gedachte der Zartheit, mit der der Vetter ihr das Angebot zum Bleiben ge⸗ macht hatte. |

Unterdeſſen hatte fie ſich nach einer Geſellſchafterin umgeſehen. Schon in einigen Tagen ſollte Johannas Schweſter Franziska Kirchberg kommen.

Unſagbar ſchwer wurde ihr der Abſchied von Ria. Die Fürſtin Freudenlohe mußte nach Wien zurück. Sorgenvoll klopfte ſie der Jüngeren die Wange: „Merk dir etwas, Bébé. Einen kleinen Wahlſpruch, den wir Veldts alle brauchen können: „In der Familie hüte dein Temperament, in der Geſellſchaft deine Zunge und in der Einſamkeit deine Gedanken!“

Marie blickte erſtaunt auf. „Ich habe weder Fa⸗ milie, noch Geſelligkeit .“

Ria ſah ſie prüfend an: „Aber deſto mehr Einſam⸗ keit, Bébé!“ ® ® ®

Franziska Kirchberg war ein altes, vertrocknetes Mädchen, von des Lebens Härte gedörrt, von ſchweren Schickſalen mürde und hoffnungslos gemacht. Sie war immer gleichbleibend ſtill. Es war gleichgültig, ob ſie ſich im Zimmer befand oder nicht. So erſchien es Marie, als ob ſie immer allein ſei.

Sie regiſtrierten zuſammen: Möbel, Bilder, Kunſt⸗ werke. Aber bald hatte Marie keine Freude mehr an

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der Arbeit. Jeder Gegenſtand weckte ſchmerzliche Er- innerungen in ihr. Sie überließ alles Franziska. Stundenlang ging ſie ziellos ſpazieren durch den Park, durch die Felder und tief hinein in die uralten Wälder. Wieder und wieder kehrten die Gedanken zu den Tagen in der Favorite zurück. Sie ſprach in Ge⸗ danken mit dem Prinzen, ſetzte ſich ihm gegenüber, lächelte ihn an, nickte, plauderte ... Nur nicht ver⸗ geſſen: . . . „ſtark iſt das Schickſal, ich will ſtärker ſein.“ Alles, was um ſie herum vorging, verlor an Inter⸗ eſſe. Veldt? Ja, das liebe, alte Schloß aber wozu? Es war ihr ja hier nur eine Gnadenfriſt geſetzt, nach einem halben Jahr war es unrettbar für ſie verloren. Tot vorbei. Wie die Eltern, wie Egon. Der lebte auch und war doch tot für ſie. Auch das Schloß würde ſtehen bleiben, aber ein Fremder würde darin wohnen, und ihm war es nicht das liebe Elternhaus. Alle Möbel und Andenken gingen in die vier Winde... So blieben ihr nur die Gedanken an ihre hoffnungslose Liebe. Des Abends nahm ſie den Spiegel, ſetzte ſich davor. Sie ſah nicht ſich ſelbſt, ſie ſah ihn. Sie redete zu ihm, ſagte ihm die tauſend Dinge, die ihr Herz erfüllten. Einen Satz wiederholte ſie immerfort, be⸗ wußt und unbewußt: „Ich habe dich ſo unfaßlich lieb.“ Franziska glaubte, daß Marie ſtill und träumeriſch

ſei. Sie wagte nicht in den Schmerz um den Ver⸗

ſtorbenen einzugreifen. Aber für Marie wuchſen in der Einſamkeit alle Dinge über das gewöhnliche Maß hin⸗ aus und nahmen phantaſtiſche Formen an. Allmählich

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wuchs ſich der Prinz zu einer Idealgeſtalt aus, die ihre Gedanken Tag und Nacht umſpielten. Sie lebte nur für ihn, hatte für ihr Denken kein andres Thema mehr. Nur er er. Wie einen Schatz trug ſie ihre Liebe in ſich und verſchloß ſie ängſtlich. So wurde ſie menſchen⸗ ſcheu.

Wochen vergingen. Sie wußte ſelbſt nicht, wie die Zeit verſtrich, bis eines Tages die Lebenskraft in ihr ſiegte, und ein Hunger nach einer Tätigkeit in ihr war, ſie mußte irgendeinen Endzweck, ein Ziel vor ſich haben. Ihr war, als verlöre ſie ſich im Nebel. Da traf ein Telegramm ein, das Heinrich Veldts Ankunft meldete. „Zimmer für zwei Perſonen herrichten,“ depeſchierte er. Er ſchien ſich jetzt als Herr auf Veldt zu fühlen, da er es für überflüſſig hielt, mitzuteilen, wer der andre wäre. Maries Phantaſie beſchäftigte ſich mit dem geheimnisvollen Zweiten. Es war doch immerhin eine Abwechſlung; die ſchweren Gedanken hatten ſie faſt erdrückt.

Neugierig ſtand ſie hinter der Gardine, als der Wagen vorfuhr. Neben dem großen, hageren Vetter ſaß ein dicker, bebrillter Mann. Marie fühlte eine bittere Enttäuſchung. Er ſtellte ihr ſeinen Begleiter vor: Rech⸗ nungsreviſor Arndt. Dann erkundigte er ſich, um wie⸗ viel Uhr man zu Abend äße, und entſchuldigte ſich: Er müßte bis dahin im Rentamt arbeiten.

In Marie blieb ein Gefühl des Argers zurück. Sie hatte gehofft, der Vetter würde ihr mancherlei erzählen,

kam er doch aus der Welt in ihre Einſamkeit. ne er XXVillI. 21022

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ſchien nicht zum Plaudern aufgelegt zu ſein. Beim Abendeſſen ſah er blaß und abgeſpannt aus, und die Unterhaltung ſchlich langſam dahin. Der Reviſor emp⸗ fahl einen tüchtigen Inſpektor. Marie horchte auf.

„Geht Brand fort?“ fragte ſie, und ſofort ſchoß ihr

das Blut zu Kopf. e, erwiderte er kurz.

Marie konnte nicht erkennen, u er ihr abfichtlich feine nähere Erflärung gab, oder ob ihn das Eintreten des Dieners am Weiterfprechen verhinderte. Sie biß ſich auf die Lippen; Brand war ſeit vierzehn Jahren da, jetzt ſetzte ihn der neue Herr an die Luft. So behandelte er ihres Vaters treue Diener, und hielt es dazu noch für überflüffig, ihr etwas darüber mitzuteilen. Ihr Temperament bäumte ſich, und eine wilde Wut 5 ſich ihrer. Trotzig ſchwieg ſie.

Sowie ſie ſich allein mit ihrem Vetter ſah, ſtieß fe hervor: „Warum entlaffen Sie Brand? ... Oder e wenigſtens, ſagten Sie es mir nicht?“ 7

Ein kühler, flüchtiger Blick ſtreifte ſie, dann ſah er wie vorher wieder unerſchütterlich ruhig in die Lampe.

„Verzeihen Sie, bitte, daß ich es Ihnen nicht gleich mitteilte. Aber den endgültigen Entſchluß faßte ich erſt Beute; und vorher konnte ich a darüber . =

„Wann geht er?“ =

„Morgen!“ 1 |

Faſt wäre Marie aufgeſprungen; nur mit Mühe beherrſchte fie ſich, aber in ihrem Geſicht arbeitete die Erregung. Er bemerkte alles. Ruhig ſah er be an.

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„Liebe Couſine, ich muß Ihnen mitteilen, daß ich leider die Entdeckung machte, daß Brand in den vier⸗ zehn Jahren ſeiner hieſigen Tätigkeit Ihren Vater um mehr als hunderttauſend Mark betrogen hat. Ich könnte ihn vor den Staatsanwalt bringen. Ich habe das auch erwogen, da aber das Geld, auf das Sie und Ihre Schweſtern ein Recht haben, verbraucht iſt, und der feine Herr obendrein noch viele Schulden hat, käme dabei nichts heraus. Im Gegenteil, Ihnen allen würden nur große Unannehmlichkeiten bereitet werden. Das Schlimme iſt, daß ich jetzt in der Eile keinen Inſpektor bekommen kann und gezwungen ſein werde, mit Arndt etliche Wochen hier zuzubringen. Es wird mein Be⸗ ſtreben ſein, Ihnen nicht zur Laſt zu fallen; außerdem habe ich ein ſo großes Feld der Tätigkeit vor mir, daß ich Sie höchſtens bei den Mahlzeiten ſtören werde.“

Marie war wie vor den Kopf geſchlagen. Brand, auf den ihr Vater ſo große Stücke gehalten, war als Betrüger entlarvt. Sie konnte das Unglaubliche noch nicht faſſen. Aber Heinrich hatte ſo ruhig und über⸗ zeugend geſprochen, daß ſie glauben mußte. Sein Ton war höflich, aber ſo ſachlich und kalt geweſen, daß er faſt beleidigend wirkte. Sie kam ſich wie ein geſchul⸗ meiſtertes Kind vor. Aber ehe ſie etwas erwidern konnte, erhob er ſich und ſagte ihr Gutnacht mit der Entſchuldigung, ſehr müde zu ſein. Sie ſah ihm in die Augen, und das Mitleid ſiegte in . Er ſah wur lich ſehr angegriffen aus. 2 on ® SD :

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Die Anweſenheit des Vetters machte Marie nervös. Sie hatte geglaubt, nun weniger allein zu ſein, je⸗ manden zum Sprechen zu haben, aber ſie hatte ſich darin geirrt. Er arbeitete von früh bis ſpät, fuhr um ſechs Uhr morgens auf die Felder und rechnete im Rentamt mit Arndt bis zum Abendbrot. Nur zu | den Mahlzeiten erſchienen die beiden, und dann fühlte Marie, daß er zu abgearbeitet war, um noch Kon⸗ verſation machen zu können. Sein Benehmen änderte er nicht. Er war höflich und rückſichtsvoll, aber nie ſah er ſie an. |

Abends lag fie ſchlaflos auf ihrem Bett und grübelte. Die Gedanken kamen und gingen, nutzlos und zwecklos. Bis ihr plötzlich klar wurde: es iſt ein Menſch hier im Haus, der arbeitet Stunde um Stunde, und ich tue nichts! Da ſchämte fie ſich vor ihm. „Was muß er von mir denken? fragte ſie ſich. ‚Bin ich nicht ein überflüſſiger Broteſſer, muß er mich nicht verachten?“ Sie warf ſich hin und her. Wozu ſollte ſie etwas ſchaffen? Es hatte doch keinen Zweck. Es war ihr alles gleich⸗ gültig. Aber der Vetter irritierte ſie. Warum über⸗ ſah er ſie, warum wendete er ſich an Franziska, wenn er etwas im Hauſe wiſſen wollte? Warum ſah er ſie nie an? Schon im Coups hatte er ſie mit keinem Blick betrachtet, ſie, die ſchöne Marie Veldt. Fand er ſie nicht anſehenswert? Ihre berühmt ſchmale Hand, ihre kleinen Füße, ihr braunes, welliges Haar? Aber die tiefen Augen in ſeinem hartgeſchnittenen Geſicht, in dem jede Linie eiſerne Energie ausdrückte, ſahen nie

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zu ihr herüber. Seine Sprechweiſe war immer De lich, unperſönlich und gehalten. g

Eines Tages bat er ſie um eine Ausſprache. Sie folgte ihm in ſein Zimmer wie ein Kind dem Lehrer. Er begann vor ihr mit Zahlen und Statiſtiken die Summen zu entrollen, die der Park und der Stall gekoſtet, und fragte darauf, ob es ihr unangenehm wäre, wenn er Anderungen vornähme. Sie fiel ihm ſchnell ins Wort: „Ich bitte Sie, alles zu beſtimmen, wie es Ihnen recht iſt. Sie ſind der Herr hier, ich habe ja eigentlich hier nichts mehr zu ſuchen.“

Es hatte gleichgültig klingen ſollen, aber ihre große Hilfloſigkeit klang ihm aus ihren Worten entgegen. Da ſah er ſie gütig an.

„O nein,“ ſagte er halblaut, „dies iſt Ihr Vater⸗ haus, und als das ſollen Sie es immer betrachten. Sie wiſſen ja gar nicht, wie angenehm es für mich iſt, hier ſo wohnlich und gut zu leben. Was ſollte ich ohne Möbel und Wirtſchafterin hier machen? Ich müßte mir alles extra halten und würde es doch nie ſo gut haben wie jetzt, wo alles von der fürſorglichen Hand einer Hausfrau geleitet wird.“

Marie wurde rot. „Das macht Fräulein von Kirch⸗ berg, ich tue nichts.“

Es lag viel Mitleid in ſeinem Blick, als er ant⸗ wortete; aber ſie hatte den Kopf gewandt und ſah es nicht.

„Vielleicht gebe ich Ihnen bald eine Arbeit, . ſagte er halb ſcherzend. „Ich muß die Allod⸗ und Majorat⸗

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ſtücke durchgehen, und es wäre mir lieb, wenn Sie als Erbin mit mir verhandelten.“

„Ich will es gern tun.“

Und dieſe Beſchäftigung machte ihr aufrichtige Freude. Sie gingen zuſammen durch die weiten Zimmer und ordneten die Möbel. Auf Gegenſtände, deren Urſprung zweifelhaft war, drückte Heinrich immer ſchnell das Veldt⸗Veldtſche Wappen und ſprach ſie, ohne zu fragen, dem Erbteil der Schweſtern zu. Oft fiel Marie Detes Satz ein: „Wir wollen dem fremden Mann ja nichts da laſſen.“ Dann beteuerte ſie, daß die Stücke zum Majorat gehörten, ſein Eigentum wären.

Einmal lächelte er; ihre Haſt hatte ſie verraten.

„Wollen Sie mir etwas ſchenken?“

Marie ſchlug die Augen nieder. Sie konnte ihn nicht anſehen, aber ſie fühlte, daß das Harte von ihm wich, daß ſein Lächeln ſein Geſicht ſeltſam verſchönte. Seine Züge bekamen einen feinen Charme.

Durch Franziska erfuhr Marie, daß alle Bücher und geſchäftlichen Sachen in furchtbarer Unordnung waren. Arndt hatte es der Hausdame mitgeteilt. Sie erzählte, daß es eine grenzenloſe Arbeit wäre, den Wuſt zu entwirren. Graf Veldt fände ſehr ſchlechte Beſtände vor. Er müſſe neue Ställe bauen, die Bewirtſchaftung ſei ganz altmodiſch, der Waldbeſtand wäre faſt ver⸗ nichtet, kurz, es gehöre Geld und Arbeit dazu, aus Veldt wieder ein ertragfähiges Gut zu machen. Der Graf werde viel Geld aufnehmen müſſen, ſelber mE lang in ſchlechter Lage fein.

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Marie ſchämte ſich, ſchämte ſich für ihren Vater. Nie fiel ein Wort über ihn, nie erwähnte der Vetter, welche Vernachläſſigungen er vorgefunden, und Marie hätte ihren Vater ſo gern verteidigt. Von ſeiner geiſtigen Größe, ſeinem Genie, ſeinen Begabungen hätte ſie geſprochen, aber ſie fühlte, daß ſie nicht davon anfangen konnte. Die Zahlen, die Rechnungen über den Auf⸗ wand, den der faſt bankerotte Mann jahrelang ge⸗ trieben, ſprachen gegen ihn und ſchloſſen ihr den Mund.

Sie ſtöhnte, ſie fühlte ſich als des untüchtigen Mannes untüchtige Tochter.

Sie dachte an Ceſſy: wie hatte die hier geherrſcht, praktiſch und tüchtig; das wäre eine Frau für Heinrich Veldt geweſen, die hätte er angeſehen. Auf Schön⸗ heit ſchien er nichts zu geben. Er verlangte Können. Und ſie war ſelbſt zur Hofdame untauglich geweſen.

Die Veränderungen im Haushalt ſetzten ſie in Er⸗ ſtaunen. Es wurde faſt bürgerlich einfach. Sie dachte des glänzenden Vaters und ſah den neuen Grafen Veldt. Er arbeitete mehr als ein Inſpektor und rechnete wie ſein eigener Buchhalter. Wie onen die Leute über ihn denken?

Sie lehnte an der Parkmauer. Die Pflüger kehrten heim. Hin und wieder ſang einer der Männer. Frauen und Kinder mit Kartoffelkörben gingen durch den leuch⸗ tenden Abend. Da kam der neue Graf angeritten. Die Leute zogen die Mütze.

„Grüß Gott, Herr Graf.“

Er beugte ſich zu einer Frau herab.

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„Nun, Meyerin, Ihr geht ja wieder in die Arbeit, wie geht's denn zu Haus? Der Kleine wohl?“ | Die junge Mutter ſtrahlte über das ganze Geſicht. „Das will i meine, i dank au ſchön für die gute Milch.“ Marie ſtand ungeſehen und hörte den kurzen Wort⸗ wechſel. Es ſtieg etwas wie Neid in ihr auf. Alſo er kannte die Leute ſchon mit Namen, hatte der Wöchnerin Milch geſchickt. An ihn hatte ſie ſich gewendet und nicht an ſie. Warum nicht an ſie? Hatten die Arbeiter das Vertrauen zur alten Herrſchaft ſchon verloren? Fühlten ſie die Tüchtigkeit des neuen Herrn? Die Entfremdung der Leute ſchmerzte ſie, und trotzdem freute ſie ſich, daß ſich Heinrich ſo ſchnell eingelebt und eingearbeitet hatte. Es rang ihr eine aufrichtige Hochachtung ab. Varum ſah er fie nicht an? Nur weil fie nutzlos war? | Er war der erite Mann, mit dem ſie in nähere Be⸗ rührung gekommen war und der ſie nicht betrachtete, der ihren Verſtand, ihre Lebhaftigkeit, ihre Schönheit nicht ſah. Sie fühlte ſich ihm gegenüber hilf⸗ und machtlos, ſie wagte ſich in ſeiner Gegenwart nicht zu geben, wie ſie war. Das kühle Vorbeiſehen bannte allen Impuls. Aber ſie ehrte ſeine Energie, ſein zielbewußtes Arbeiten, ſeine Art mit den Untergebenen. Es war ein merkwürdiges Gefühl: war ſie in ſeiner Nähe, kam kein Gedanke an den Prinzen in ihr auf, ging ſie zum Eſſen hinunter, ſo hatte ſie gewiß noch auf der Treppe: „Ich habe dich ſo unfaßlich lieb“ gemurmelt, und im Augenblick, wo ſie vor Heinrich Veldt ſtand, nahm er

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all ihr Denken in Anſpruch. Was fühlte dieſer Mann, was dachte, was litt er? Unergründlich glitten die tiefen Augen an ihr vorüber. Er verkehrte mit Arndt wie mit ſeinesgleichen, zwar gemeſſen, zurückhaltend, aber ohne einen Unterſchied zu machen. Sie fragte ihn einmal nach Arndt. Er erwiderte: „Es iſt ein rechtlicher, zu⸗ verläſſiger Mann, Sohn ſehr e Eltern.“ Das alſo genügte ihm.

Zum Entenfall hatte er einen Freund sten einen älteren Herrn, der ſchon erwachſene Kinder hatte. Zu Maries Erſtaunen nannten ſich die Freunde „Sie“, und der Baron Dachſtein hatte Heinrich gegenüber eine beſcheidene Zuvorkommenheit. |

Einmal war fie mit dem Gaſt allein.

„Woher kennen Sie meinen Vetter?“ fragte ſie.

Dachſtein ſah ſie an. „Das ſieht Veldt ähnlich, es nicht erzählt zu haben. Er hat mir einmal das Leben gerettet. Ich habe ihm aber ſonſt noch viel Koſtbares zu danken.“

„Warum nennen Sie ſich denn ‚Sie“?“ forſchte ſie erſtaunt weiter. |

Der andre lächelte. „Ich bin zwar weitaus der Altere und hätte nach Ihrer Anſicht wohl das Recht, Heinrich Veldt das „Du“ anzutragen, aber ich fühlte, daß es von ihm ausgehen müßte. Er iſt vielleicht zu beſcheiden, es mir anzubieten, und wir werden wohl bis ans Lebensende die engſten Freunde bleiben und ‚Sie‘ zueinander ſagen. Wenn ein Mann, wie Heinrich, mir die Hand auf die Schulter legt, ſo iſt das mehr

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Freundſchaftsbeweis als alle Geſchenke der Welt, denn karger in ſeinen Gefühlsäußerungen kann ich mir keinen denken; deſto koſtbarer aber ſind ſie. Ich rechne es mir zur Ehre, Heinrich Veldts Freund zu fein.”

Marie hatte jedes Wort in ſich aufgenommen. Ob fie je fo ein koſtbares Wort zu hören bekommen würde?

Eine Nachbarin kam, um ihr noch einen Kondolenz⸗ beſuch zu machen, da ſie zur Beerdigung des Vaters nicht hatte kommen können. Es war eine gute, aber

taktloſe Perſon. Sie erwähnte mit Augenzwinkern den Vetter und ließ eine Anſpielung fallen, daß Marie ſich auf ihren kommenden Stand in Veldt vorbereite. Marie antwortete eiſig, und die gute Seele war beſtürzt pe gefahren.

Alſo das redeten die Nachbarn. Natürlich: ein junges Mädchen im Hauſe des Vetters. Seine An⸗ weſenheit war ja nur durch den Ausfall des Inſpektors bedingt. Sie biß die Zähne zuſammen. Wenn die Leute ahnten, wie ſie mit ihm ſtände, daß er ſie kaum beachtete, daß ſie, Marie, die Siegerin, am Wege ſtand, von einem Mann kühlherzig überſehen. Und wieder kam ihr das Bild, wie damals beim Prinzen: er fährt vorbei, und du ſtehſt an der Straße, vergeſſen; aber nein, Egon hatte um ihre Liebe geworben, er vergaß ſie nicht und ſie nicht ihn. Immer, immer würde ſie ihn lieben. e

Franziska ſtörte ſie in ihren Gedanken. „Es iſt ein Unglück mit einem Arbeiter an der Häckſelmaſchine ge⸗ ſchehen. Ich ſoll Lyſol und Verbandſtoff bringen.“

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Marie raffte das Nötige zuſammen und lief ſchnell zum Stall. Dort ſtaute ſich die Menge vor einer Kammertür. Sie machten ihr Platz. Auf einer Ma⸗ tratze lag ein Knecht ausgeſtreckt, Heinrich Veldt und der Vogt waren über ihn gebeugt.

„Couſine, dies iſt ſchrecklich anzuſehen, ich e Sie werden es nicht ertragen.“

Ihr Stolz bäumte ſich. Für ſie gab es kein ich kann nicht“, wenn ſie wollte; ruhig trat ſie heran: der Anblick war grauenhaft. Der Arm des Mannes war fortgeriſſen, vom Ellbogen ab fehlte er ganz, bis zur Schulter waren noch die furchtbarſten Schnittwunden. Sie erblaßte, aber ſie kniete ruhig nieder und reichte dem Vetter das Verbandzeug. Mit großem Geſchick ſuchte er die Arterien und band ſie ab. Der Mann ſtöhnte, war aber bewußtlos. Blut und Schmutz be⸗ ſudelten den Körper. Marie biß die Zähne zuſammen. Sie wuſch mit Watte das Geſicht des Verwundeten ab, bettete ihm ruhig, wie eine erfahrene Schweſter, den Kopf auf ein Bündel und ſchob etwas unter die verletzte Schulter. Da hörte man den Doktorwagen. Heinrich Veldt erhob ſich. Sein Blick fiel auf das Fenſterbrett, auf dem die verkrampfte Hand des Ver⸗ letzten lag. Schnell warf er eine Jacke darüber, um Marie den widerlichen Anblick zu erſparen.

Der Arzt mußte die Amputation des Stumpfes ſofort vornehmen. Er betrachtete den Arm.

„Wer hat die Arterien unterbunden?“ fragte er erſtaunt.

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„Ich,“ ſagte Veldt einfach.

„Herr Graf, Sie haben dem Manne das Leben gerettet. Er wäre unweigerlich verblutet. Ich brauche aber mindeſtens zwei Perſonen zur Hilfe. Iſt hier keine Krankenſchweſter?“

„Nein,“ ſagte Marie, „aber Sie können ſich auf mich verlaſſen.“

Der Arzt machte Einwendungen, aber Heinrich Veldt ſagte: „Meine Couſine wird Ihnen helfen.“ Da gab es keine Widerrede.

Marie wurde rot. Das war ein Zeichen von An⸗ erkennung, und ſicherlich hatte Dachſtein recht, als er ſagte, aus Heinrichs Munde ſei ſo etwas koſtbarer als aus dem Munde eines andern.

Marie hatte noch einen ſchweren Kampf zu beſtehen, denn die Amputation war grauſig. Als alles vorüber war, ſahen ſich die beiden an.

Ihre Kleider waren blutbefleckt, ihre Geſichter kalk⸗ weiß. Sie waren tief erſchüttert und gingen ſchweigend zum Schloß. Oben in ihrem Zimmer wuſch Marie Geſicht und Hände und kleidete ſich um, aber immer blieb der Lyſolgeruch an ihren Händen haften, ſie mochte reiben, ſoviel ſie wollte.

Sie hörte die Worte: „Meine Couſine wird Ihnen helfen,“ und ſie wurde ſtolz. Alſo er hatte nicht an ihr gezweifelt, ſie nicht unterſchätzt. Ihr Gang war wieder elaſtiſch, als ſie hinabſchritt, ſie war aus der Lethargie der letzten Zeit aufgerüttelt worden.

Es war ſelbſtverſtändlich, daß ſie die Pflege des

245 Knechtes übernahm. Alle zwei Tage kam der Doktor, und es gelang, den Verwundeten am Leben zu er⸗ halten. |

Der Arzt fagte ihr nach einiger Zeit: „Baroneſſe haben ein fabelhaftes Talent zur Krankenpflege, wenn ich immer ſo geſchickte Hände vorfände, wäre ich froh.“

Der einfache Mann ahnte nicht, wie er Maries wundem Herzen wohltat. Einer, der ſie anerkannte, der ihr ſagte, ſie ſei nicht ganz überflüſſig, der ihr einen neuen Gedanken gab: „Krankenpflegerin“.

Von dem Tage an ließ ſie ſich Proſpekte von Kran⸗ kenhäuſern ſchicken und befaßte ſich eingehend mit Arztebüchern.

Es waren acht Tage ſeit des Knechtes Unfall ver⸗ gangen, als Heinrich Veldt erklärte, er reiſe morgen endgültig ab. Die Ernte ſei ſo gut wie fertig, das übrige könne der Vogt leiten. Seine Anweſenheit wäre nicht mehr erforderlich. Es gab Marie einen Stich. Nun würde es wieder ganz ſtill werden in Veldt. Ende Oktober war es, und bis Juni mußte ſie nun ausharren, allein und einſam. Aber ſie wollte es tun, ſchon damit ihre Gedanken den Prinzen nicht freiließen. |

Scchſtes Kapitel

De Aufträge der Schweſtern kamen. Ria bat nur um den Schreibtiſch der Mutter mit allen Uten⸗ ſilien und um ihr Porträt. Dete wollte, daß ihr

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Anteil verauftioniert würde oder daß Heinrich ihr eine Pauſchalſumme zahle.

Marie ärgerte ſich. Sie hatte den Schweſtern die Liſten geſchickt, und dieſe hatten unterſtrichen, was ſie haben wollten, für ſie ſelbſt waren nur ſchwere Truhen, Herrenmöbel und geſchmackloſes Zeug übriggeblieben. Da ſtrich ſie Maggie einen Wunſch durch. Wenn ſie ſchon nur den Schund bekam, ſo wollte ſie wenigſtens ein ſchönes Stück behalten: das große Gemälde der Mutter, umgeben von ihren ſechs Töchtern; Ria war auf dem Bild ſchon erwachſen, in reizender Lieblichkeit, und ſie ſelbſt ſaß als Kleinſte auf der Mutter Schoß mit kecken, braunen Augen, in der Hand den Strumpf, den ſie vom roſa Füßchen gezogen. Sie hatte es aus Übermut beim Malen getan, und der Künſtler war ſo entzückt von der Bewegung geweſen, daß er ſie im Bilde feſtgehalten hatte. Ceſſy lachte darüber, und das gab dem Gruppenbilde eine reizende Zwangloſigkeit. Marie betrachtete das Gemälde. Nein, Maggie ſollte es nicht in ihre Leutnantswohnung zwängen. Einen Augenblick dachte ſie: und wohin ſoll ich damit? Da kam ihr der Entſchluß: das Bild bleibt hier in Veldt, hier, wo es hingehört, wo wir alle gelebt, und wenn tauſend andre hier wohnen ſollten. Aber der Gedanke barg doch einen Stachel: eine fremde Frau würde mit kalten Augen das Bild kritiſieren, das ſie alle immer mit Liebe und Innigkeit betrachtet hatten. Die Wünſche der Schweſtern wurden erfüllt, und Veldt ſah allmählich geplündert aus. Es war Marie

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jedesmal, als würde ihr ein Stück Fleiſch aus dem Leibe geriſſen, wenn die Packer ein Stück nach dem andern holen kamen. Schließlich ging ſie mit ſchleppen⸗ den Schritten durch alle Stuben. Die Wände waren kahl, nur die Ahnenbilder ſahen auf die halbleeren Zimmer nieder. Jeder Tritt hallte in den großen Räumen.

Bisher waren es ſchöne, elegante Zimmer geweſen, nun ſahen ſie verwahrloſt und verſchmutzt aus. Die Tapeten waren fleckig; man ſah, wo die Bilder gehangen hatten, die Damaſte waren gebleicht und verſchliſſen, und nur wertloſes Zeug ſtand noch hier und da herum. Einige ſchöne Kommoden und Schränke, etliches Por⸗ zellan, das zum Majorat gehörte, war der traurige Reſt einſtiger Herrlichkeit in verſchiedenen Zimmern. Oben in den Gaſtzimmern war es nicht beſſer. Nur Detes Anteil, den ſie verkaufen wollte, war noch komplett.

Marie fiel die Aufgabe zu, dies dem Vetter mit⸗ zuteilen. Sie ſaß über dem Brief und ſchämte ſich für ihre Schweſter. Immer wieder zerriß ſie den Bogen. Schließlich ſchickte ſie das Schreiben in folgendem Wort⸗ laut ab:

„Lieber Vetter! Meine Schweſter Kaiſerling chreibt mir aus Kurland, ſie könne ſich unmöglich die Sachen, die ihr zufallen, dorthin kommen laſſen, und bittet mich, ſie verauftionieren zu laſſen oder Ihnen zum Kaufe anzubieten. Bitte, antworten Sie mir, wie Sie dar⸗ über e Mit zn Gruß 5

Marie Veldt. u

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Umgehend kam die telegraphiſche Antwort: „Werde Freitag mit Taxator um ein Uhr eintreffen.“ |

Marie ſah Franziska beſorgt an.

„In welchem Zimmer ſoll er ſchreiben? Es iſt ja alles verwüſtet?“

Es war ihr ſchrecklich, dem Erben Veldt in dieſer Verfaſſung zu zeigen. Es überkam ſie eine fieberhafte Tätigkeit. Sie räumte in den Stuben, trug alle brauch⸗ baren Möbel in ihres Vaters Zimmer, hing die Bilder an und richtete es ſchließlich wohnlich und hübſch her.

Aber alle andern Räume waren nun ganz kahl. Sie fürchtete ſich vor dem Vetter, denn nun ſah er nicht nur alle inneren Wunden von Veldt, ſondern er erblickte es auch aller äußeren Herrlichkeit entkleidet. Es nutzte nichts, daß Marie allen Schmutz entfernen ließ, daß die Parketts und die Fenſter blitzten, das ausgeraubte Veldt ſah ſchrecklich aus.

Draußen lag tiefer Schnee, der dem Park ein zauberhaftes Ausſehen verlieh. Die alte Burg mit den Giebeln, Flügeln und Dächern lag poetiſch da wie im ſchönſten Sommerflor; rot leuchtete die Sonne und verklärte alles in ihrem Glanz.

Die Glocken des Schlittens läuteten von fern, Marie ſtand klopfenden Herzens am Portal. Sie war wie mit Blut übergoſſen, als Heinrich Veldt ſie begrüßte. Die Halle war leer, der italieniſche Schrank, in dem früher ſein Mantel gehangen hatte, fehlte. Er mußte den Pelz über einen Stuhl legen. Marie war es grenzenlos peinlich, ſie errötete noch tiefer.

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Das Eſſen verlief in gedrückter Stimmung. Wenig- ſtens war der Gobelinſaal unverändert geblieben, aber gleich nach Tiſch öffnete der Diener die Flügeltüren zum Muſikzimmer. Veldt ſchien nichts zu ſehen, aber Marie ſchritt deprimiert neben ihm her. Als einziges Möbel ſtand das Billard im nächſten Raum. Dann kam das Herrenzimmer.

„Aber nein, wie hübſch es hier iſt,“ ſagte er ſich umſehend, „wer wohnt denn jetzt hier?“

„Ich habe es für Sie herrichten laſſen!“

„Ich danke Ihnen vielmals,“ ſagte er freundlich, „ſo luxuriös habe ich noch nie gewohnt, mein Salon beſtand immer nur aus einem Tiſch, zwei Stühlen, einem Sofa und einem Schrank, und die waren alle nicht ſchön.“ Und wieder kam das Lächeln, das das hartgeſchnittene Geſicht ſo ſeltſam verſchönte.

Nach einer Weile bat er, Detes Möbel beſichtigen zu dürfen. Franziska ging den Taxator holen. Marie und Heinrich ſchritten durch die Räume, ſie waren leer, unfreundlich und eiſig kalt. Ihr war beklommen zu⸗ mute, und auch er war gedrückt. Sie ſprachen kein Wort, fühlten eine tiefe Befangenheit in der veränderten Umgebung. |

Der leere Salon wirkte am troſtloſeſten. Das große Familienbild hing einſam an der Wand. Er blieb ſtehen und ſtieß einen Laut des Erſtaunens aus.

„Ich habe es mir behalten,“ ſagte Marie verzwei⸗ felt, „ich wollte nicht, daß es fortkäme, weil wir alle hier gelebt haben, und wenn ich fortgehe, dann .

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bitte ... und da war ein Ton in ihrer Stimme, wie der einer geſprungenen Saite, „nicht wahr, Sie werden es hier hängen laſſen und es in Ehren halten .. Ich wollte in Veldt etwas behalten, etwas Perſönliches, was ich ſehr liebe, außer den Gräbern.“

Es war vorbei mit Maries Faſſung. Sie merkte, ſie würde weinen, ſie könnte die Tränen nicht mehr zurückhalten, denn alles kam zuſammen: die Zerknir⸗ ſchung über das leere, verwohnte Haus, die Demütigung, daß ſie alles zeigen müſſe, und die Bitte einem Fremden gegenüber, das Bild ihrer ſchönen Mutter und der ſchönen, ſtolzen Schweſtern zu ehren. Sie ſchlug die Hände vors Geſicht und ſchluchzte haltlos.

Heinrich Veldt war dunkelrot geworden. Sein Ge⸗ ſicht war geſpannt, jede Muskel zeigte ſich unter der Haut, als nähme er alle Kraft zuſammen, um ſeine Worte zurückzuhalten. Er rührte ſich nicht. Unbeweg⸗ lich ſtand er wie aus Stein.

Marie ballte das Taſchentuch vor den Mund, um das Schluchzen zu unterdrücken, dann machte ſie eine Handbewegung: „Ich kann nicht mehr, laſſen Sie mich allein.‘

Und Heinrich Veldt ſchritt leiſe hinaus.

Da warf ſich Marie aufs Fenſterbrett und drückte den Kopf gegen die Scheiben. Allein, ſo allein! Kein Menſch, der ihr ein gutes Wort ſagte in ihrer Ein⸗ ſamkeit! Kein Menſch, zu dem ſie gehörte! Sie wollte ſich an den Gedanken an Egon anklammern, aber es kam ihr zum Bewußtſein, daß ſie jetzt arm und heimat⸗

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los war, daß fie in ſchlichtem ſchwarzen Kleid in leeren Zimmern ſaß. Nein, dahin konnte ſie den lebensfrohen, verwöhnten Prinzen nicht rufen, in ihre klägliche Lage, armſelig, hilfeheiſchend, womöglich zum Möbelverkauf!

Der Taxator fiel ihr ein, man brauchte ſie. Sie ſtrich das Haar glatt, hauchte auf das Taſchentuch, um die roten Augen zu kühlen, und lief haſtig zu den Fremdenzimmern.

Vor der Tür blieb ſie ſtehen. Sie zog ſchnell eine Zigarette aus dem Etui und ſetzte ſie in Brand. Nur nichts vor dem Händler anmerken laſſen; der brauchte nicht zu wiſſen, daß Marie Veldt geweint hatte.

Drinnen hörte ſie: „Ganz ſchlechter Tiſch, nur als gebrauchtes Möbel zu bewerten, Wert etwa fünfzehn Mark. Sofa, gebrauchter Überzug, ganz ſtillos, fünf⸗ undzwanzig Mark, ein Stuhl, ſchon beinahe Gerüm⸗ pel ...“

Da trat ſie ein. Wie Ohrfeigen empfand ſie des Fremden abfällige Schätzungen. Veldt ſah angſtvoll zu ihr hinüber, er hätte es ihr gern erſpart. Aber ſie war mit einem Male da, und der Taxator fuhr fort, den Stuhl geringſchätzig zwiſchen zwei Fingern haltend: „Dafür gibt bei einer Auktion keiner mehr wie fünf Mark.“

Graf Veldt hielt ein Notizbuch in der Hand und ſchrieb die Möbel und einzelnen Zahlen auf. Marie ſah zufällig, wie er den Bleiſtift führte, als der Taxator fünf Mark ſagte, und ſie bemerkte, daß er eine zwei⸗ ſtellige Zahl ſchrieb. Sie wurde rot: er ſchrieb alſo

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mehr auf, als wie die Sachen wert waren, er würde Dete über den Preis zahlen. Sie hörte nicht mehr, was der Mann ſagte, ſie achtete nur genau auf den Preis und die Zahl, die der Vetter ſchrieb, faſt jedes⸗ mal war es eine höhere.

Der Tag verblich, als endlich das letzte Stück ab⸗ geſchätzt war. Der Taxator erhob ſich: „Herr Graf, eigentlich iſt es nicht mein Geſchäft, ſo altes Zeug zu taxieren, das jeder Laie beurteilen kann. Ich hatte geglaubt Kunſtwerke ..“

Da traf ihn ſolch eiſiger Blick aus den kalten Augen, daß er beſtürzt ſchloß.

„Liebe Couſine, Sie ſind ja ſchon ganz erfroren, ich glaube, wir gehen nun wieder in ein geheiztes Zimmer.“

Sie ſchritten ſchnell zum Herrenzimmer und eden ſich die Hände vor dem praſſelnden Kaminfeuer.

„In vier Wochen iſt nun Weihnachten,“ begann er möglichſt herzlich, um den Eindruck der Taxation ver⸗ geſſen zu machen, „ich möchte gern, daß es in Veldt mit Weihnachtsfeſt und Geſchenken gehalten wird wie früher. Ich habe mir Rechnungen zeigen laſſen und möchte Sie nun bitten, Couſine, alles genau in dem Sinn Ihrer Eltern fortzuführen und die Beſcherung an die Armen und Beamten wie immer zu machen. Ich laſſe Ihnen das Geld dazu überweiſen, da ich leider ſelbſt nicht kommen kann.“

Es flog ein Schatten über ſeine Züge.

„Wo verleben Sie das Feſt?“ fragte ſie ihn.

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Einen Augenblick zauderte er, dann ſchöpfte er Atem, und es war wieder, als hole er die Worte aus der tiefſten Tiefe heraus.

„Ich gehe zu meiner Mutter.“

Marie wußte, daß ſie zur katholiſchen Kirche über⸗ getreten war und in einem franzöſiſchen Kloſter als Dame en chambre lebte. Sie war, wie alle Konver⸗ titen, fanatiſch und bigott geworden. Sie kam nie mehr nach Deutſchland, aber ihr Sohn, ihr einziges Kind, reiſte jährlich um Weihnachten zu ihr.

Sie ſchwieg.

Nach einem kurzen inneren Kampf begann er, aber ſeine Stimme war heiſer und die ſonſt ſo gewählte, glatte Redeweiſe ſtockend: „Meine Mutter lebt in einem Kloſter, und um nicht ganz die Fühlung mit ihr zu verlieren, gehe ich zu dem Feſt zu ihr, das in unſern Religionen das gleiche iſt, und ſie dankt es mir.“

Wieder eine Pauſe, in der Marie den eigenen Herz⸗ ſchlag hörte. Sie wußte, was er empfand. Er, der Proteſtant aus alt⸗evangeliſchem Stamm, ſchien der Couſine gegenüber die Mutter verteidigen zu müſſen für den ihnen beiden ſo unbegreiflichen Schritt. Er fuhr mit ſchwerer Stimme fort: „Meine Mutter hat kein frohes, ſie befriedigendes Leben gehabt, ſie mußte viel leiden und hat dort erſt Troſt und Frieden ge⸗ funden. Darum freut es mich für ſie, denn es kommt ja ſchließlich nicht darauf an, was man ans jondern daß man n glaubt.“ |

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Seine Verteidigung Hang gezwungen, und Marie ſah, wie ſchwer dieſer Mann gelitten haben mußte. Sie antwortete ihm ſo einfach herzlich, daß die Span⸗ nung in ſeinem Geſicht ſich löſte.

„Wie lange iſt ſie ſchon fort?“

„Acht Jahre.“ N

„Ihr Vater ſtarb erſt voriges Jahr?“

„Ja, er ſtarb allein, meine Eltern lebten ſeit zehn Jahren getrennt.“

Nun war es wieder, als müſſe er den Vater ver⸗ teidigen.

„Mein Vater war ein einfacher, rechtlicher Mann, aber feſt und hart, und hatte kein Verſtändnis für eine ſo ideal angelegte und ſchwärmeriſche Natur wie die meiner Mutter.“

Marie ſah, wie ſchwer ihm auch dieſe Außerung wurde, darum fragte ſie ſchnell: „Nicht wahr, in Baden⸗ hauſen lebt noch ein Großonkel?“

Er warf ihr einen Blick zu. „Ja, er iſt ſiebzig Jahre alt und noch ſehr rüſtig. Seine Frau iſt vor ein paar Jahren geſtorben. Er iſt ein armer Sonder⸗ ling, ein ſehr bedauernswerter Mann. Ich verehre ihn ſehr, obgleich er, ſelbſt wenn ich ſtundenlang bei ihm war, oft kein Wort mit mir ſprach.“

Jetzt ſah ſie das Leben Heinrich Veldts vor ſich: Die Eltern, die ſich nicht verſtanden, und der Onkel, der wochenlang nicht mit ihm geſprochen. Das war ſeine Jugend geweſen; und nun verſtand ſie, daß er in Arbeit und Pflichttreue Erſatz geſucht hatte, um die

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vielen Heinen Quälereien des Lebens zu ertragen und zu überwinden.

„Nicht wahr, Sie erben auch Badenhauſen?“

Wieder traf ſie der forſchende Blick.

„Ja, ich bin ja der letzte Veldt.“

Der letzte Veldt. Dieſer Letzte war ein ganzer Mann. Er war kein degenerierter Zweig am alten Stamm.

Zum Abendzuge wartete ſchon der Schlitten vor dem Portal. Er reichte ihr die Hand.

„Ich wünſche Ihnen kein zu trauriges Feſt in dem einſamen, alten Veldt. Es liegt viel Troſt darin, ſeine Verſtorbenen geliebt und geachtet zu haben und ſie im Tode glücklich vereint zu wiſſen.“

Marie traten die Tränen in die Augen, aber ihr Mund lächelte. Er hätte die Mutter wohl auch lieber an der Seite des Vaters geſehen, im Frieden mit ihm begraben, als dort im Kloſter, den Ihren entfremdet, für ſeine verlorene Seele in der Verdammnis Meſſen leſen laſſend ... und heiß kam ihr der Wunſch: ich möchte dem Armen, Sen ein wenig Wärme geben

Er wandte noch einmal den Kopf und nahm den Hut winkend ab. Das war eine Handbewegung, die bei Heinrich Veldt ſehr ſelten vorgekommen war, und freudig empfand Marie die Auszeichnung.

0 ® ®

Nun war es öde in Veldt, grenzenlos öde und ein- ſam. Und Weihnachten war der ödeſte, leerſte, troſt⸗ loſeſte Tag. Tauwetter, Schmutz und Regen, Feuchtig⸗

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keit in allen Räumen. Auf den großen Fluren war es eiſig, denn Marie heizte nur ihre und Franziskas Zimmer. Sie aßen in einem kleinen Vorraum.

Die Einſamkeit legte ſich bleiern auf ſie. Sie ſehnte ſich nach etwas andrem, und doch hatte ſie der Schweſtern Bitten, mit ihnen Weihnachten zu feiern, abgeſchlagen. Den Jubel der Kinder ſcheute ſie, die Freude der Eltern, die Veldt gewiſſermaßen ſchon vergeſſen hatten, würde ſie tief verletzen. Und der Gedanke, Kleider und Hüte zu probieren, ſich für Geſellſchaften elegante ſchwarze Sachen anzuſchaffen, war ihr ſchrecklich. Das einfache dunkle Kreppkleid war ihr wie eine wohltuende Beruhigung. Es war ja ganz gleichgültig, wie ſie aus⸗ ſah. Es ſah ſie niemand, ſie brauchte nicht an ſich zu denken.

Blickte fie in den Spiegel, jo dachte ſie: ‚Wie ſchnell werde ich alt! Das iſt doch unmöglich die blühende, lachende, ſtrahlende Marie Veldt. Blaß war fie und glanzlos.

Im Januar, als der Schnee metertief lag, hatten ihre Briefe an Ria wohl ſehr melancholiſch geklungen, denn eines Tages ſagte ſich dieſe an. In einen wun⸗ dervollen Sealſkinmantel gehüllt, ſprang ſie aus dem Schlitten, mit roten Backen und blitzenden Augen, ſtrahlender denn je. Neben ihrer Schönheit verblich Marie ganz.

Ria beſchwor ihre Schweſter fortzugehen, aber dieſe ſchüttelte den Kopf.

„Ria, ſiehſt du, ich habe alles verloren, die Eltern

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und ... und Egon ... Nun habe ich nur noch ein paar Monate Veldt, es iſt mein letztes, und darum will ich nicht fort. Und dann,“ ſie errötete tief, „hier in der Einſamkeit habe ich Zeit, an ihn zu denken. Hier ſtört mich niemand, hier ſehe ich ihn immer vor mir, wie er mit mir ſprach, hier antwortet er mir, hier weiß ich: es iſt jemand auf der Welt, der immer an mich denkt, der mich unbeſchreiblich lieb hat.“

Ria war in den Schatten getreten.

„Bébé, beſinnſt du dich nicht, daß ich dir zum Abſchied ſagte: In der Einſamkeit hüte deine Ge⸗ danken?“ : |

Da fuhr Marie auf. „Aber Ria, das tue ich ja gerade. Die Liebe iſt unſer Beſtes auf der Welt, denn ohne ſie iſt alles flach und kahl, und ich will ſie nie verlieren; ich verliere ſie auch nicht. Ich will und werde ihn lieben bis zum letzten Atemzug!“ Sie ſtand mit blitzenden Augen vor Ria. „Bis zum letzten Bluts⸗ tropfen, mag kommen, was da wolle. Stark iſt das Schickſal, ich will ſtärker ſein. Wenn die Liebe ertötet werden ſoll durch Zerſtreuungen und Vergnügungen, ſo denke an den Vers:

Die Wunde, die ſich blutend ſchloß, Schrie laut nach Luſt in ihrer Not, Und warf ſich in den Staub der Welt, Der ſchöne Gott in ihm war tot.“

Ria ſah, hier in der Einſamkeit hatte Marie ſich in den Gedanken eingebohrt, ſie war fanatiſch in ihrer Liebe geworden. Aus ihrem Herzen hatte ſie eine

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koſtbare Schale gemacht, die barg einen Edelſtein: feine Liebe. ö

Ria ſchien mit Worten zu kämpfen. Langſam, zögernd begann ſie: „Kind, das iſt alles ſehr ſchön, was du da ſagſt, und du haſt in der Theorie recht, aber in der Praxis? Glaubſt du, daß ein junger Mann, der mitten in der Welt lebt, nicht leichter vergißt? Daß er dir immer eine Treue hält, die keinen Zweck und kein Ziel hat?“

„Ria, ich flehe dich an, zerſtör' mir nicht alles, ich bitte dich, laß mich an einen Menſchen glauben, nimm mir nicht das letzte Schöne, was ich beſitze, nimm mir nicht den Glauben an ſeine Liebe!“

Ria rang mit ſich. Sie ſtand am Fenſter und blickte auf die verſchneiten Gartenwege nieder, denn ſie wagte nicht, ihrer Schweſter in die Augen zu ſehen. Einem ſo leidenſchaftlichen Menſchen konnte ſie den großen Schmerz nicht antun. Wer weiß, was Marie dann beginnen würde.

Sie brach das Thema ab und fragte nach den Möbeln, dem Vetter.

Marie fühlte ſich nicht verſtanden, und glaubte zu viel von ihrer Seele gezeigt zu haben.

Sie ſchilderte des Vetters Wirken. Klar und ein⸗ fach zeichnete ſie ſeinen Charakter. Ria horchte ge⸗ ſpannt, dann begann ſie viele kleine Züge von ihm zu erzählen. f

„Woher weißt du das alles?“ fragte die Schweſter erſtaunt.

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„Ich habe mich nach ihm erkundigt und hörte überall ſagen: der junge Veldt iſt der kommende Mann.“

Marie ſchüttelte den Kopf.

„Der kommende Mann? Nein, das glaube ich nicht. Dazu fehlt ihm der Schwung eines ſtarken Impulſes, der die Maſſen hinreißt. Er wägt alles ab, aber er zaudert. Bei ihm iſt alles klug durchdacht. Er iſt ein eiſerner Arbeiter und wird es dadurch weit bringen, aber das Feuer eines Bismarck fehlt ihm, der Mut des großen Entſchluſſes, des Schlages, der ſich im Notfall ſelbſt für ſeine Sache opfert. Ihm fehlt der Überblick des Genies, der ein Ziel da klar vor ſich ſieht, wo der Durchſchnittsmenſch überhaupt nicht hinzublicken wagt.“ |

Ria widerſprach: „Er wird ſicher in den Reichstag gewählt werden, denn die Herrenhausrede in dieſem Winter, wo er Papas Stelle als erbliches Mitglied eingenommen, war direkt eine Senſation. Er iſt eben dreißig Jahr geworden und hat durch ſeine Redner⸗ gabe, durch ſeinen praktiſchen Verſtand und ſeine Logik verblüfft. Lieſt du denn nie eine Zeitung? Das Herrenhaus tagt gerade, und er wird gewiß wieder reden, da ſein Vorſchlag viel Staub aufge⸗ wirbelt hat.“

„Worüber ſprach er denn?“

„Über die Wahlreformen, jetzt gerade eine Zeit⸗ und Streitfrage. Man ſagt, er wolle ſich für die kon⸗ ſervative Partei im Reichstag aufſtellen laſſen, um ſeine Anſichten auch dort durchzuſetzen. Und was er will,

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erreicht er. Er bittet nicht, wenn er nimmt. Er wägt lange, aber dann hält er feſt, wonach er greift.“

„Seltſam, daß er erſt mit dreißig Jahren den Aſſeſſor macht!“ warf Marie dazwiſchen.

„Weil er drei Jahre bei berühmten Arzten in Kli⸗ niken arbeitete.“

Nun begriff Marie ſein geſchicktes Zufaſſen bei dem verwundeten Knecht, aber es ſchmerzte ſie, daß er ihr kein Wort von ſeinen Studien geſagt hatte.

Ria war klug. Sie hatte der Schweſter größtes Intereſſe wachgerufen. Es war kaum eine Stunde her, da hatte Marie der ſchillernden Vorzüge des Prinzen gedacht, nun ſtaunte ſie über die poſitiven Fähigkeiten des ſchweigſamen, korrekten Vetters.

Zufrieden über den Samen, den fie geſät, reiſte Ria ab. Wo die Ideale der Liebe nutzlos waren, hatte ſie Mißtrauen erweckt, und hier hatte ſie ein Intereſſe wachgerüttelt für einen, der es wert war.

Maries Diakoniſſenidee begann wieder aufzuleben. Trotzdem ihr all die dunkeln Proſpekte mißfielen, lebte ſie ſich in die Idee ein, ſah ſich Kranken Linderung bringen, Troſtworte ſpenden.

Und über all dem ſchmolz der Schnee.

Von Ria trafen immer Kreuzzeitungsausſchnitte ein, die Reden des Vetters enthielten. Marie verſchlang jedes Wort, ſie wollte orientiert ſein, wenn er einmal davon ſprach.

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Siebentes Kapitel

ie erſten Kätzchen blühten an den Weiden, der

Pflug zog tiefe Furchen durch den Acker. Der

Frühling kam. Marie fürchtete ſich vor ihm, denn es war ihr letzter Frühling in Veldt.

Der Vetter hatte ſich angeſagt.

Ob er von Weihnachten erzählen würde? Von ſeiner Mutter? Sie brannte vor Neugierde, etwas davon zu hören. Ob er von ſeinen Reden ſprechen würde oder wieder mit gleichgültigen Augen an ihr vorbeiſehen? Nein! Er ſollte es nicht. Sie würde ihm beweiſen, daß ſie als Krankenpflegerin etwas leiſten würde, er ſollte ſie als Frau nicht gering achten. Sie fühlte ſich wieder jung, friſch und taten⸗ durſtig. Die Jugend forderte ihr Recht. Einer Natur wie Marie war es unmöglich, ewig an Verlorenem zu zehren.

Der Vetter lobte die friſche Farbe auf ihren Wangen, und Marie erzählte, wie dankbar ihm die Leute ge⸗ weſen, daß ſie ihr Weihnachten durch ſeine Güte hätten feiern können.

Es war etwas in ſeiner Art, das ſie erfreute und gleichzeitig feſſelte. Man wußte nie, was er ſagen würde, wie ſein Urteil lauten könnte. Heute wollte ſie ihm imponieren. Sie ſetzte ſich zurecht. „Wäre es Ihnen unangenehm, wenn ich im Sommer meine

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Möbel hier noch ſtehen ließe, weil ich nicht recht weiß, wohin ich damit ſoll, wenn ich fortgehe?“

Er hob den Kopf ein wenig erſtaunt. „Aber bitte ſehr, das Schloß iſt ja groß genug, ich brauche die Räume nicht.“

Marie ärgerte ſich, daß er nicht einmal fragte, wo ſie hinzugehen gedachte. Aber ſie wollte den Schlag führen, der ihn in Bewunderung verſetzen ſollte. „Ich will nämlich Krankenpflegerin werden,“ ſagte ſie oſtentativ.

Er ſah ſie nur flüchtig von der Seite an und ant⸗ wortete nichts. Alſo ſchien er es nicht zu glauben, er traute es ihr nicht zu. Sie ſprach ſcharf und klar wie bei einer Rede. |

„Der Arzt hat mir gejagt, ich hätte Talent zu dieſem Beruf, und er intereſſiert mich ſehr. Ich habe mich daher eingehend mit ihm beſchäftigt und mich ent⸗ ſchloſſen, nach England zu gehen.“ Sie hatte alles ſehr ſelbſtbewußt, ſehr ſicher vorgebracht und ſah ihn nun herausfordernd an.

Er ſpielte mit einem Federmeſſer, nun legte er es fort und hob die Augen. „Ich für meinen Teil würde meine Dienſte immer nur meinem Vaterlande an⸗ bieten.“

Marie ſaß ganz ſtill. Ihr war, als hätte ſie etwas ſehr Schönes, Koſtbares in Händen gehalten, das er nun mit einer Keule in Scherben zerſchlug. Sie kam ſich ganz klein und beſcheiden vor, von allem Nimbus der aufopfernden Schweſter entkleidet. Sie hatte ſich

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ſchon in Whitechapel mit dem geladenen Revolver in der Taſche geſehen, furchtlos Kranken helfend, nachts Betrunkene und Unglückliche von der Straße aufleſend, ermunternd, tröſtend. Wie eine Heldin war ſie ſich vorgekommen, und nun hatte er nur einen abfälligen Satz über ihren Entſchluß. Es ſchien ihm alſo ganz ſelbſtverſtändlich, daß ſie, die ſchöne verwöhnte Baroneſſe Veldt, der alle Welt zu Füßen gelegen, ſich für ihre Mitmenſchen opferte.

Und doch, der Satz hatte ſie getroffen. Sie dachte an ihre Hofdamenzeit, wie jeder kleine Tadel ſie zur Wut gereizt hatte, wie ſie nie hatte gehorchen können, und nun ſollte ſie als arme Diakoniſſin ein Leben des unbedingten Gehorſams führen können?

Sie fühlte ihre unternehmende Jugendkraft, aber auch ihren Hochmut, ihre Eitelkeit, die nicht ſo leicht zu dämpfen waren, ſie empfand ihre Untüchtigkeit.

Ja, im großen Moment groß ſein, zufaſſen, wo es Mut, Energie und Entſchloſſenheit verlangte, da war ſie die erſte, aber die kleinen Nadelſtiche, die häßliche Alltäglichkeit eines ſchmuckloſen Krankenhauſes, das ſcharfe Lyſol, dejfen Geruch ewig an den Händen haften blieb, das Herumgeſtoßen⸗ und Kommandiertwerden konnte ſie nicht ertragen. Das wurde ihr jetzt klar. Ihr war, als ſtände ſie vor einer großen, leeren Tiefe; ſie wußte nicht mehr, welchen Inhalt ſie nun noch ihrem Leben geben konnte. In ihr ſtiegen die Tränen empor. Da ſtand ſie auf und ging in ihr Zimmer.

Er ſah ihr nach, etwas in ihrer Haltung war be⸗

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klagenswert, hilflos. Wo war der königlich ſtolze Gang geblieben? Auch ſie empfand es. Sie war nicht mehr die Stolze, die Selbſtſichere, die Siegerin. Und ſchluch⸗ zend warf ſie ſich auf ihr Bett.

Zum Abend ließ ſie ſich durch Franziska mit Kopf⸗ weh entſchuldigen und blieb in ihrem Zimmer. Sie fühlte ſich furchtbar einſam und verlaſſen. Heinrich ließ ihr gute Beſſerung wünſchen, er hoffte ſie morgen früh wieder hergeſtellt zu ſehen, er müſſe leider ſchon um ein halb zwölf Uhr fort.

Franziska richtete es aus und wünſchte ihr Gute⸗ nacht. Und Marie ſchluchzte, ſchluchzte. So vergeſſen war ſie von allen, ſo nebenſächlich. Niemand, der ſie liebte und mit ihr ſprach. ® | ® ®

Am nächſten Morgen ſah ſie blaß und verſchwollen aus; die Augenlider waren noch ganz dick. Sie wollte dem Vetter ſo ſpät wie möglich begegnen, damit er es nicht merke.

Um elf Uhr ging ſie hinunter. Es war ein herrlicher, warmer Sonnentag. Sie ſchritt durch die leeren Zim⸗ mer und öffnete alle Fenſter, um die abgeſtandene, feuchtkalte Luft zu vertreiben. Ein Fenſter im großen Salon war verquollen. Sie riß mit aller Gewalt daran. Da öffnete ſich ein Spalt der Tür des Herrenzimmers; Heinrich wollte ſehen, wer dort ſolchen Lärm mache. Schnell kam er ihr zu Hilfe und e das Fenſter mit einem Ruck.

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Marie ſprang vom Fenſterbrett herunter, ihr Rock blieb hängen, es gab einen breiten Riß, und ein langer, ſchwarzſeidener Volant des Futters hing zu Boden.

„O weh!“ ſagte er, „war ich daran ſchuld?“

„Nein, nein, es macht auch nichts, es iſt nur ge⸗ trennt.“ Sie nahm die endloſe Schlange über den Arm.

Nun ſagten ſie ſich erſt Gutenmorgen.

„Iſt Ihnen beſſer?“ fragte er freundlich.

Marie wurde dunkelrot.

„Ich danke Ihnen, ja.“

Das helle Sonnenlicht war unerträglich, der Vetter mußte die verſchwollenen Augen ſehen. Sie drehte krampfhaft den Kopf zur Seite.

„Ich fahre heut nach Berlin,“ ſagte er, „und werde wohl lange nicht nach Veldt kommen. Darf ich fragen, wann Sie nach England gehen, damit ich nicht auf einmal hier ein leeres Haus vorfinde?“

Marie wurde blaß nach der Röte vorher. Sie ſchlug die Augen nieder. Er erſparte ihr auch nichts, aber ſie haßte alle Feigheit, phyſiſche und moraliſche. Sie hob plötzlich den Kopf und ſah ihn voll an.

„Ich habe den Plan ganz aufgegeben, weil ich mich doch nicht dazu eigne. Ich bin auch zur Pflegerin unfähig.“ 5

Sie ſagte es mit Nachdruck. Wenn er ſie verachtete, gut, dann wollte ſie ihm diesmal zuvorkommen.

„Ich habe nichts Vernünftiges gelernt, ich bin im Luxus erzogen, ich kann nichts gründlich. Ich habe nie gehorchen können, ich habe immer meinem eigenen

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Willen leben dürfen, und daher bin ich nun ganz un- fähig zu einer ernſten und ſchweren Tätigkeit.“

Es war, als ſchleudere ſie jedes Wort ſich ſelbſt vor die Füße, ihren Stolz, ihre Eitelkeit, ihr Selbſtbewußt⸗ ſein. Sie kam ſich all deſſen entblößt vor, wie dies Zimmer von ſeinen Möbeln, mit ſeinen zerſchliſſenen Damaſten und verblichenen Stellen. Nun war ihr alles gleichgültig. Sie lehnte ſich erſchöpft an die Wand und fuhr müde fort: „Nun iſt ja auch Veldt ſo öde und leer. Was werden Sie mit all den häßlichen, ver⸗ wohnten Zimmern machen, wo wir alle Möbel fort⸗ geholt haben?“ Der Schmerz um die ſchöne Heimat, die ſie ſelber ſo verwüſtet hatte, machte ihre Stimme zittern. Da ſah er ihr feſt in die Augen.

„Hier wird es werden, wie es war, dort mein Zimmer, hier der Salon meiner Frau.“

Entſetzt ſtarrte ſie ihn an.

„Ihrer Frau?“

Nun wurde auch er rot.

„Ja, meiner Frau; meinten Sie, ich würde allein in Veldt leben?“

Ihr Blick glitt verzweifelt zum großen Familien⸗ porträt. Ihr war, als müſſe ſie es herunterreißen; eine Fremde ſollte es nicht behalten. Es lag etwas verzweifelt Entſchloſſenes in ihrem Geſicht. Das Schlimmſte war gekommen: eine Fremde in Veldt, und ſie eine Heimatloſe.

„Wer iſt ſie denn?“ ſtieß ſie heraus.

Da ſah er ihr feſt in die Augen.

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„Du, Marie!“

In dem Augenblick donnerte unten die ſteinerne Brücke; ſein Wagen zur Bahn fuhr vor. Sie öffnete die Augen, als hätte ſie nicht recht gehört. Ihre Hand taſtete nach einem Stützpunkt. Seine Bruſt hob und ſenkte ſich, der Atem ging ſtoßweiſe. Seine Augen hingen in höchſter Spannung an ihren Zügen. Da ſchlug die Turmuhr ein halb zwölf. Er nahm ihre willenloſe Hand und drückte ſie ernſt und feſt. Aber die ſeeliſche Erregung ging über ſeine Kraft. Schnell wandte er ſich um und verließ wortlos das Zimmer.

Und Marie ſtand allein. Sie lehnte ſich an die Wand, ihr ganzer Körper bebte und zitterte.

Draußen rollten die Räder, ſie hörte Getrappel der Pferde und wandte mechaniſch den Kopf. Da ſah ſie, wie der Wagen über die Brücke fuhr.

Heinrich Veldt blickte ſich nicht um.

Sie verſuchte ihre Gedanken zu ſammeln. Hatte er nun um ihre Hand angehalten? Er hatte nicht ge⸗ fragt: liebſt du mich, er hatte überhaupt nicht gefragt, und ſie hatte gar nicht die Zeit gehabt, um zu ant⸗ worten. Ihre Gedanken verwirrten ſich. Da merkte ſie, daß ſie immer noch den abgeriſſenen ſchwarzen Volant über dem Arm trug, und dachte: „Ich muß ihn annähen. Sie ſchritt über den langen Flur zu ihrem Zimmer, aber als ſie den Faden in der Hand hielt, wußte ſie nicht mehr, was ſie hatte tun wollen.

‚Habe ich all das nur geträumt?“ Sie fühlte ſich ganz hilflos.

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Sie lief an den Schreibtiſch und ſchrieb ein Tele⸗ gramm.

„Fürſtin Freudenlohe, Wien. Heugaſſe.

Bitte komme ſofort. Marie.“

Nun brauchte ſie nicht mehr zu denken, Ria kam, die wußte ſicher Rat.

Zwei Stunden darauf war die Antwort da.

„Wenn Anſchluß an Orient⸗Expreß erreiche, bin ich morgen mittag dort.“

Ria ließ ſie nicht im Stich, ſie würde ihr helfen, ſich zurechtfinden. Denn was ſollte ſie beginnen? Sie liebte doch den Prinzen, all ihre Gedanken galten ihm. Sie mochte ja Heinrich Veldt gern, ſehr gern, ſie ver⸗ traute ihm, ſie achtete ihn. Aber ihn heiraten? Wieder kamen ihr Baron Dachſteins Worte in den Sinn: „Ich bin ſtolz, Heinrich Veldts Freund zu ſein.“ Alſo ſie konnte ſtolz ſein, ſeine Frau zu werden.

Was ſagte Ria? „Er fragt nicht, wenn er nimmt.“ Auch ſie hatte er nicht gefragt; es ſchien ihm alſo ſelbſtverſtändlich, daß ſie einwilligte, ſeine Frau zu werden. Womöglich ſollte ſie noch hocherfreut über die Ehre ſein.

Der Gedanke reizte fie. ‚Er hatte eben die Ge⸗ legenheit ausgebeutet, wo ich hilf⸗ und heimatlos war, ſagte fie ſich, ‚aber ich brauche mich ja nicht beugen, ich kann immer noch Diakoniſſin werden. Der Prinz und ihre Liebe zu ihm kamen ihr wieder in den Sinn. „Ich kann Heinrich nicht nehmen, ich muß, ich will Egon die Treue bewahren.

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‚Wenn nur Ria erſt hier wäre!“

Gegen Mittag kam Ria an. Sie umarmte Marie erregt. „Na, was iſt los, Bébé?“

Da fing die jüngſte Veldt an zu ſchluchzen. „Ach furchtbar, Ria, furchtbar! Heinrich hat um mich an⸗ gehalten.“

Ria machte ſich von ihr los. Angſtvolle Spannung ſtand in ihren Zügen.

„Und du? Was haſt du geantwortet?“

Marie ſchlug die Hände vor das Geſicht. „Er hat gar keine Antwort abgewartet, ich hatte überhaupt keine Zeit zu ſprechen.“

„Gott ſei Dank!“ Ria atmete erleichtert auf. „Nun erzähl mir einmal.“

Da berichtete Marie. Ria hörte aufmerkſam zu, ab und zu ging ein amüſiertes Lächeln über ihr Geſicht.

„Nun, Bébé, was denkſt du jetzt zu tun?“

„Ich weiß nicht,“ kam es verzweifelt zurück, „ich habe dir ja telegraphiert.“ |

Da lachte Ria. „Du haft das Geſcheiteſte getan, was du tun konnteſt. Mir ahnte ſo etwas, drum fuhr ich Hals über Kopf fort. Ich werde dir helfen, Bébé.“

„Ria, du weißt, daß ich einen andern liebe.“

„Ja, Marie, ich weiß es, aber du liebſt eine Märchen⸗ geſtalt. Du liebſt einen, den du nur wenig kennſt, der dir als Ideal vorſchwebt und doch keines iſt. Wenn du die zwei Männer zuſammen kennen gelernt hätteſt, wer weiß, welchem du den Vorzug gegeben hätteſt? Heinrich Veldt hatte Unglück: er kam als zweiter.“

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Marie unterbrach fie. „Ria, hier iſt kein Vergleich möglich, die beiden ſind ſo verſchieden wie Feuer und Waſſer.“

„Du haſt recht, Bébé, Feuer und Waſſer. Der eine verſengt, verbrennt und verzehrt, und der andre hat die ruhige Stabilität des Waſſers. Aber wenn der Sturm kommt, kann auch deſſen Seele in großen Wellen gehen, aber Wellen, die nicht herunterziehen, die tragen. Mit ihm läuft man keine Gefahr. Und jene ſtarken Wellen tragen in einen ſicheren Hafen.“

„O, Ria, du verſtehſt das nicht. Siehſt du, ich er⸗ kenne ihn an, ich achte ihn, aber ich liebe ihn nicht. Mich von ihm küſſen laſſen! Nein, nein! Das wäre furchtbar!“ |

Ria ſah zu Boden und entgegnete leiſe: „Es gibt Furchtbareres auf der Welt als das.“

Da ſchwieg Marie entwaffnet.

Marie dachte nach. Nein, er hatte nicht einmal ihre Hand geküßt; er verlangte nicht danach und nicht nach ihr, der ſchönen Marie Veldt. Ihr fiel die ſterbende Urſula ein, die keine hohe Meinung von der Liebe ge⸗ habt hatte; vielleicht war die Achtung, die ſie ihm entgegenbrachte, das Rechte. Aber ſie quälte ſich.

„Er weiß, daß ich ihn nicht liebe, er muß es wiſſen, und er hat die Situation ausgenutzt.“ |

„Sehr Hug von ihm, ſagte Ria kühl, „in einem andern Augenblick hätteſt du ‚nein‘ gejagt.”

„Und muß ich jetzt ‚ja‘ jagen?" kam es matt und zögernd von ihren Lippen.

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„Allerdings! Den Grafen Veldt ſchlägt man nicht aus.“

„Aber Ria, ich liebe ihn nicht,“ klang es noch matter und zögernder.

„Und warum?“

„Aber du weißt es, ich liebe den andern.“

Ria ſah ihr feſt in die Augen. „Marie,“ begann ſie mit feſter Betonung, „es iſt alles ſehr ſchön und ſehr treu von dir, aber bedenke, wenn er a nun nicht mehr liebt?“

Da warf Marie den Kopf zurück und ſtraffte das Genick. Ihre Züge wurden maßlos ſtolz.

„Ria, er kann mich nicht vergeſſen haben, das fühle ich. Ich habe die Wiener Komteſſen und Erzherzoginnen geſehen: halte mich für eingebildet, aber ſage mir eine, die mich ausſticht. Weißt du eine? Du willſt mir jetzt einreden, daß er mich vergeſſen hat, damit ich Heinrich Veldt heirate. Du biſt ſehr klug; aber ich falle nicht darauf herein. Wenn du mir eine nennſt, die er liebt, heiß und zärtlich liebt, die er küßt und über alles hochhält, dann will ich es glauben, ſonſt nicht.“

Ria zögerte. Man merkte, daß ſie etwas ſagen wollte, aber ſie ſchwieg.

„Nun, ſiehſt du, alles war Erfindung, um mich zu verblüffen.“ |

„Marie, du mußt dir klarmachen, was du tuft, wenn du Veldt ausſchlägſt. Du verwundeſt einen bedeutenden Mann, der dich von Herzen liebt. Du zerſtörſt vielleicht eines Menſchen Leben, ohne irgend etwas dafür ein⸗

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zutauſchen. Du könnteſt geben, glücklich machen und biſt geizig damit, und Glücklichmachen, Geben iſt das Schönſte für eine Frau. Sei vernünftig, Bébé, wie ſtehſt du vor dir da, wenn du in einem Jahr die Ver⸗ lobung des Prinzen lieſt? Und kennſt du ſeine Ge⸗ danken? Glaubſt du, daß er will, daß du ſeinetwegen dein ganzes Leben vertrauerſt? Er war gerade bei uns, als dein Telegramm kam, und erſchrak, als ich den Inhalt vorlas. Ich ſagte ihm meine Vermutung, er meinte: ‚Wenn ich nur nicht im Wege ſtehe, es iſt viel⸗ leicht ihr Lebensglück. Er erzählte mir, daß du ihm einmal eine Zeile zu leſen gegeben hätteſt: „It lies not in our power to love or hate, for love in us is overruled by fate!“ Das Schickſal iſt da, Marie. Er fühlte es auch, darum bat er mich: ‚Sagen Sie ihr, ich wünſchte ihr alles Glück für ihr neues Leben!“

Marie ſaß da. Zerknirſcht, ernüchtert. Sie hätte alles für Erfindung gehalten, aber den Vers konnte Ria ſich nicht ausgedacht haben. Er bürgte für die Wahrheit ihrer Worte.

„Na, denn meinetwegen,“ ſtieß ſie erbittert heraus, „meinetwegen!“

„Allerdings: deinetwegen,“ ſagte Ria ruhig. „Was willſt du nun tun? Du mußt ihm antworten.“

Marie zog die Stirne kraus. „Er ſchien ja ſeiner Sache ſo ſicher zu ſein, er wartet gar nicht auf eine Antwort.“

„Nun, weißt du, ich beneide Heinrich Veldt nicht. Er bietet dir den Platz an ſeinem Herzen an, er bittet dich, Herrin von Veldt zu werden, und du haſt kein

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Wort für ihn. Jetzt ift er ſeit vierundzwanzig Stunden in Berlin, denkt unentwegt deiner, wartet angſtvoll und erhält keine Antwort. Weißt du ihm nichts zu ſchreiben? Hältſt du die Liebe Heinrich Veldts ſo gering?“

Bei Marie ſchlug plötzlich die Stimmung um, ſie fühlte, daß Heinrichs Liebe nicht gering ſein konnte, daß ſie ſtolz auf ſie ſein mußte. Stürmiſch umhalſte ſie Ria. „Du Gute, laß mich allein, ich werde ſchon ein paar Worte finden.“

Aber der Brief wurde ihr doch unſagbar ſchwer. Der weiße Bogen grinſte ſie höhniſch an. Hier ſollte ſie ihr Leben entſcheiden. Das Schickſal ſiegte, nicht ſie. Wieder und wieder tauchte ſie die Feder ein. Was ſollte ſie ſchreiben, wie ihn anreden? Sie wußte es nicht; ſo machte ſie quer über den Bogen einen Strich und ſetzte mit großen, ein wenig krauſen Buchſtaben darunter:

„Ich erwarte Dich. Deine Braut.“

Am nächſten Mittag kam ſein Telegramm: „Bin Sonntag ſieben Uhr früh in Veldt.“

Marie ſah Ria an. „Jetzt iſt nichts mehr daran zu ändern! Ria, um ſieben Uhr in der Früh! Und mir iſt Frühaufſtehen ſchon an und für ſich gräßlich, ich fühle mich dann ſo flau, Ria, laß mich keine Se⸗ kunde allein, damit er mich nicht küßt.“

Eine ſchreckliche Nacht kam. Schluchzend lag ſie in den Kiſſen und nahm Abſchied von Egon. Sie ſah ihn vor ſich, ſtrahlend mit dem Siegerblick, wie er „Mädele⸗ ſagte, wie er mit den Augen bat ... Und fie war Heinrich Veldts Braut!

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Um ſechs Uhr früh ftand fie blaß und gefaßt auf. Sie wurde hart. Mochte jetzt kommen, was da wollte.

Im Herrenzimmer traf ſie Ria. „Mir iſt ganz übel zumute, als revoltierte mein Magen. Ich kann nicht ſchlucken vor Nervoſität.“

Ria ſah ſie traurig an. „Kind, Heinrich Veldt tut mir mehr leid als du. Er kommt zu ſeiner Braut, und die iſt verkatert.“

„Ich kann nichts dafür. Ich mag ihn ſo gern als meinen Vetter, aber mehr, mehr Siehſt du, Ria, ich weiß, wie ſehr ich lieben kann, und ſchäme mich, ihm nur Achtung und ein winzig bißchen Liebe ent⸗ gegen zu bringen. Sag mir, wenn er fragt, muß ich ihm alles ſagen? Es wird ihn furchtbar verwunden.“

Ria ſtrich ihr beruhigend über das braune, wirre Haar, aber ihr Blick war angſtvoll. „Sag nichts, wenn er dich nicht fragt.“

„Wie du meinſt; nur komme ich mir dann ſo un⸗ ehrlich vor. Ich bleibe in meinem Zimmer, ſchicke ihn mir, Ria.“ ® ® ®

Die Ültefte empfing den Grafen Veldt mit inniger Herzlichkeit, ja beinahe weich.

„Ich werde mich erſt umziehen und waſchen,“ ſagte er haſtig, „dann gehe ich zu ihr.“

„Wollen Sie nicht frühſtücken?“

Da lächelte er nur, und Ria ſah, daß der große Mann zitterte. Er tat ihr unſäglich leid. Wenn nur die Kleine nicht ſo kalt ſein wollte!

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Marie fieberte. Er war nun eine halbe Stunde im Haus und kam nicht herauf, wie lange ſollte die Spannung noch dauern. Ihr war elend zumute. Da knarrten Schritte über den Flur, er klopfte an.

„Herein,“ brachte ſie mühſam hervor.

Er ging auf ſie zu, faßte ihre Hand und ſah ſie dankbar lächelnd an. Seine Stimme klang verſchleiert: „Ich danke dir für deinen Brief.“

Dann ſetzte er ſich in einen großen Lehnſtuhl; der große, ſtarke Mann konnte nicht mehr ſtehen. Zwei Tage hatte er in Berlin zu arbeiten gehabt, die Nächte war er in Unraſt und Angſt auf und ab und auf und ab gegangen. Bis ihr Brief gekommen. Und nun war er in Veldt. Da verließen ihn die Kräfte; er ſaß völlig erſchöpft da und ſah ſie nur an.

„Das waren zwei böſe Tage, Kleine,“ ſagte er, und mit einem Male reute ſie die Kürze ihres Briefes.

„Du ſiehſt auch blaß aus, haſt wohl nicht viel ſchlafen können?“

Seine Stimme war ganz ſchwach, ſein Geſicht leichenblaß. Er ſah ſich ſuchend um. „Haſt du hier etwas Waſſer?“ murmelte er.

Marie kannte den Blick. Mit einem Satz war ſie im Schlafzimmer und kam mit Eau de Cologne wieder, goß es in die hohle Hand und wiſchte ihm über Stirn und Schläfe.

„Mach die Augen zu, daß es dir nicht hineinläuft.“

Er gehorchte. Sie ließ ihn riechen. Er öffnete wieder die Augen und blickte ſie unentwegt an.

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„Iſt dir beſſer?“ fragte fie und beugte fich über ihn.

Er nickte nur, das Blut kam wieder in ſein Geſicht zurück.

„Du weißt nicht, wie die letzten Tage waren, bis dein Brief kam,“ flüſterte er. „Wenn man wartet, wartet und kaum zu hoffen wagt. ... Ich hatte dich erſchreckt, Kleine, ich weiß, ich wollte es ja noch lange nicht ſagen, aber da war es ſo ſelbſtverſtändlich, als du fragteſt: ‚Wer iſt fie?‘ Mich ſteifen, alten Jungen, der dir eigentlich nie den Hof gemacht hat, ſollteſt du neh⸗ men, ſollteſt du mögen! ... Mich langen Dürrländer mit der großen Naſe!“

Er lachte leiſe, wie jemand, der aus großer Gefahr errettet iſt.

„Du weißt nicht, was für Tage das waren, wo ich mir am liebſten die Zunge herausgeriſſen hätte, dafür, daß ich es ſchon geſagt hatte; daß ich mir womöglich mein Glück verſcherzt hatte, weil ich den Mund nicht halten konnte. Und du warſt ſo erſchreckt, Kleine. Brauchſt aber keine Angſt vor mir zu haben, ich bin nicht ſo gräßlich, wie ich ausſehe.“

Marie war tief beſchämt; leiſe ſetzte ſie ſich auf die Stuhllehne und reichte ihm ihre Hände. Er drückte fie leiſe, ohne den glücklichen Blick von ihr zu wenden.

„Nun ſiehſt du, jetzt fängt der Samariterkurſus ſchon an,“ neckte er, ganz wenig lächelnd. „Weiß Gott, ich bin in meinem Leben nicht ohnmächtig geworden, aber heute war ich's um ein Haar.“

Zart und zaghaft ſtrich ſie ihm über das Haupt.

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Sie ſah, wie ihm aus Freude darüber das Blut ins Geſicht ſchoß, und ſie wäre keine Frau geweſen, wenn dies ſie nicht entzückt hätte. Geben, geben können, nicht die Nehmende ſein! Es war eine lange, heim⸗ liche Pauſe zwiſchen ihnen, ihre Herzen waren zu voll zum Sprechen. Endlich fragte er: „Sag, Kleine, ſeit wann iſt Ria hier?“

„Seit vorgeſtern,“ kam es matt heraus.

Er ließ ihre Hand los. „Kam ſie zufällig?“

Marie ſchlug die Augen nieder. „Ich telegraphierte ihr.“

Mit einem Ruck ſtand er auf und ging an das Fenſter. „Bin ich Ria mein Glück ſchuldig?“ fragte er faſt unhörbar.

Marie fühlte ſich klein und ſchuldbewußt; wie weh hatte fie ihm getan! ‚Sei lieb zu ihm, hörte ſie die innere Stimme, ‚denn er hat dich ſehr lieb!“

„Heinrich!“ ſagte ſie ſanft.

Ihm tat das Wort aus ihrem Munde unſagbar wohl, er machte eine Bewegung auf ſie zu.

„Heinrich, verzeih mir, wenn ich nicht ſofort ant⸗ wortete, ich mußte mir erſt über mich ſelbſt klar werden und ... nun erſt weiß ich in dieſem Augenblick, daß ich froh und ſtolz bin, deine Braut zu fein... ." Sie ſah in die unergründlichen Augen .. „Nur ich fürchte eins, Heinrich: ich bin deiner nicht wert, und ich werde dich enttäuſchen; es iſt nichts an mir dran.“

Heinrich Veldt atmete auf. „Marie, fürchteſt du dich auch nicht mehr vor mir?“

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Ein ſtolzes Leuchten flog über ihr Geficht, ganz dicht trat ſie an ihn heran und legte die Hände auf ſeine Schultern. „Nein, jetzt fühle ich mich wohl und ſicher geborgen bei dir . .. Heinrich, ich bitte dich: habe nur Geduld mit mir, ich bin ein ſchreckliches Geſchöpf und bin deiner fo unwert

Leiſe legte er den Arm um ihren Hals und blickte ſie tief und innig an.

„Du kannſt dich auf mich verlaſſen.“

Da lehnte ſie den Kopf an ſeine Schulter, ſie fühlte, daß er zitterte. Er tat ihr leid. Sie wollte um jeden Preis die Verzögerung des Briefes gutmachen, und hob die Augen zu ihm auf.

In ſeinen Augen ſtanden Tränen.

„Ich bin ſo glücklich,“ murmelte er. Da hob ſie ihr Antlitz und hielt ihm ihren Mund hin. Ein Glänzen kam über ſein Geſicht.

„Darf ich, Marie?“

Sie nickte ſtrahlend: geben, geben können. Und Heinrich Veldt küßte ſeine Braut auf die Lippen. ® 80 ®

Hand in Hand gingen fie zum Frühſtück in den Eßſaal. Ria erwartete ſie dort. Sie ſah ſehr angegriffen aus. Nervös erhob ſie den Kopf; da ſprang Marie lachend auf ſie zu: „Sieh nicht ſo traurig aus, heut it ein Freudentag!“ |

Ria ſah den Bräutigam, und langſam fielen zwei große Tränen aus ihren Augen.

„Gott ſegne euch, Kinder, Gott ſegne euch.“

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Dann fetten ſich die drei vor den Kamin im Herren⸗ zimmer. Marie ſteckte ihm ein Kiſſen in den Rücken und ſchob ihm ſeine Fußbank hin.

„Du ſollſt es bequem haben, Heinrich!“

Er wollte ſich ſträuben, aber Ria drückte ihn ſanft in den Stuhl. „Laß fie nur, ſagten ihre klugen Augen.

Ganz ſtill ſitzt er zwiſchen den Schweſtern. Ria erzählt aus der Kinderzeit. Das flackernde Feuer läßt Geſtalten von einſtmals vor ihr erſtehen: Die Mutter, den Vater und die ſechs Mädels, die durch Haus und Park tollen. Veldt, Veldt von einſt! Ihre ſchöne Jugendzeit lebt in ihren Worten auf. Es iſt, als ſpreche ſie im Traum. Sie hat eine ſanfte Art zu ſprechen, die ihrem Geſicht einen wunderbar innigen Reiz gibt, erhaben über alle Kleinigkeiten und doch voll Einzel⸗ heiten, lieben, kleinen Zügen der Menſchen. So zeich⸗ nete ſie das Bild ihrer Heimat.

Heinrich Veldt wurde warm ums Herz. So hatte es alſo hier ausgeſehen, ſo ſollte es wieder werden. Und als Marie ihre kühle Hand in die ſeine legte, empfand er, daß auch ſie an die Zukunft dachte. Es ſoll werden wie einſt! Er bewegte kaum die Lippen, als er flüſterte: „Marie!“ Doch im Klang ſeiner Stimme lag ein tauſendfacher Dank.

Nach dem Eſſen befahl Marie, daß er ſich auf die Chaiſelongue legte. „Aber das geht doch nicht,“ meinte er.

Sie ſah ihn voll an. „Warum nicht, du wirſt doch keine Rückſicht auf mich nehmen wie auf eine Fremde.“

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Da gehorchte er, feine Braut holte eine Decke, um ſie über ihn auszubreiten. Plötzlich lachte ſie auf: „Heinrich, biſt du lang! Deine Füße hängen ja drüber 'raus.“

Schnell ſchob ſie einen Stuhl an das Sofaende, wickelte ſeine Kniee ein und klopfte ihm auf die Backe: „Langer! Lieber Langer!“

Sein Widerſtand war nur noch matt. Marie machte alles mit ſolch frauenhafter Selbſtverſtändlichkeit, daß er es mit ſüßem Behagen über ſich ergehen ließ.

„Mach die Augen zu,“ befahl ſie. Wieder gehorchte er. Und verſchönend blieb das Lächeln auf ſeinen harten Zügen ſtehen. Seine Hand ſuchte und fand die ihre; ſo blieben ſie ſtill eine ganze Weile. Das Lächeln des Glücks blieb auf ſeinen Zügen.

‚Wie ein kleines Kind, das ſich nachts fürchtet, dachte Marie. Wie oft hatte ſie ſo Hand in Hand neben der Mutter gelegen, wenn die Nacht für ihr furchtſames Kindergemüt zu dunkel war. Wunderbar ſtrömte es ihr ins Herz; das Bewußtſein wohlzutun machte ſie unbeſchreiblich glücklich. Sie ſah den Schla⸗ fenden an. Er war groß und ſah vornehm aus. Das harte Geſicht mit der Adlernaſe ſprach von alter Raſſe. Sie mochte ſeine großen Füße und langen, mageren Hände, die ſo feſt anzupacken wußten. Ganz objektiv urteilte ſie. Ein Mann, der für Frauen anziehend und intereſſant war, vor deſſen ſtarkem Willen man ſich beugen mußte. Sie würde ſeine Frau werden, ſich geborgen fühlen, ihm dankbar ſein, nur, nur ... es wäre ihr ebenſo lieb, wenn er ihr Bruder wäre.

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Ria ſah lächelnd auf die beiden, auf das ſchöne Bild ſtillen Glückes, aber ihre Augen waren ſehr traurig.

®

Vor dem Abſchied ſtand das Brautpaar in Maries hübſchem Salon. Er nahm ihre Hand.

„Lebe wohl, Kleine, wir ſehen uns lange nicht, ich fürchte ſonſt durchs Examen zu fallen, wenn ich weiter ſo verwöhnt werde wie heute, und das will ich nicht. Fürchteſt du dich noch vor mir langem Kerl?“

Er ſchien keinen Kuß zu beanſpruchen, er bat auch nicht mit den Augen. Sie aber ſtellte ſich auf die Fuß⸗ ſpitzen, legte die Hände auf ſeine Schultern und hob das Geſicht ihm entgegen. Eine Blutwelle ſchoß ihm ins Antlitz: „Nicht aus Mitleid, Marie, mach mich nicht ſchwach mach mich nicht ſchwach, daß ich dein Mit⸗ leid annehme. Ich will lieber warten, als mich dafür verachtet wiſſen.“

Sie ſah, daß er zitterte und erblaßte. Das war der Veldtſche Stolz, der kein Mitleid vertragen konnte.

Sehr ernſt ſah ſie ihn an. „Es iſt nicht Mitleid, Heinrich,“ ſagte ſie faſt unhörbar.

„Ich danke dir, Marie, ich danke dir,“ ſagte er, und wieder klangen die Worte aus der Tiefe ſeiner Seele heraus, „aber ich will nicht ein klein Wenig, keine Broſamen. ... Ich habe in meinem Leben warten gelernt. Lebe wohl, Kleine, lebe wohl. Bleib hier, komm nicht herunter, mach mich nicht ſchwach ..“

Er küßte ihre Hand mit zarter Dankbarkeit und eilte

dann ſchnell die Treppen hinab. XXVIII. 2122 19

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Als er ſich über Rias Hand beugte, nahm ſie ſeinen Kopf in beide Hände und küßte ihn auf die Stirn. Ihre Stimme brach, als ſie ein „Gott ſegne dich“ flüſterte. | ®

Kurze Zeit ſpäter reiſte Marie zu Bärenſteins. Dort war alles heiter, gemütlich und zufrieden. Ihr Schwager neckte ſie, die Neffen vergötterten die Tante. Es war unmöglich, in dem heiteren, geſunden Familienkreiſe unglücklichen Ideen nachzuhängen.

Alle betrachteten die Heirat als großes Glück für Marie und beurteilten den Vetter als netten, guten Mann. Sie fühlte, daß ſie alle nur eins freudig emp⸗ fanden: Jetzt iſt unſer Bebé auch verſorgt. In Ceſſys Glückwunſchbrief war vielleicht noch ein Unterton da: und Veldt bleibt uns erhalten.

Täglich trafen von Heinrich kurze, oft ganz ſchel⸗ miſche Briefe ein. Er ſprach zu Marie ernſt von ſeiner Tätigkeit und von ihrer Zukunft, von Veldt. Nie ſchrieb er von ſeiner Liebe, nur hin und wieder fand ſie ein warm und innig gewähltes Wort, das ſie dann hoch erfreute.

Zweimal kam er während der Brautzeit zu Bären⸗ ſteins, müde und abgearbeitet, aber er ließ ſich nicht verwöhnen. Marie wagte nicht recht, ihm eine Zärt⸗ lichkeit anzutun, und er bat um keinen Kuß. Nur ſeine Augen ſuchten die ihren, und es lag eine ſtumme Frage darin. Hand in Hand gingen ſie ſpazieren, und immer wieder, wenn ihre Hand in der ſeinen lag, fühlte ſie die große Ruhe und Sicherheit, die von ihm ausging.

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An dem letzten Tage, den er bei Bärenſteins ver: lebte, kam ein Telegramm aus Züllichau: ‚Eine ge⸗ ſunde Tochter, Mutter und Kind wohl.“ Da ſchrieen Marie und Adda wie aus einem Munde: „Ein Mädel! Das iſt unerhört! Ceſſy ſollte ſich ſchämen. Die Tra⸗ dition iſt gebrochen! Wie konnte ſie nur!“ Die beiden Herren lachten. Die en der e war 0 komiſch. ö ® = ®

Nachdem Heinrich das Examen beſtanden hatte, wurde der Hochzeitstag auf den 30. Auguſt feſtgeſetzt. Karl Anton bot ihnen an, ob ſie in den Donauauen eines ſeiner Jagdhäuſer beziehen wollten; gleichzeitig gab er dem Schwager und Vetter Schußerlaubnis bis zu ſieben Hirſchen. Marie jubelte; das war wirklich reizend von Freudenlohe. Sie wußte nicht, daß Ria ihren Mann gebeten hatte, daß jede dieſer Bitten ſie einen ſchweren, inneren Kampf gekoſtet hatte. Aber die Brunft begann nicht vor dem 14. September, fo lange wollte das junge Paar nach Veldt gehen. Dort räumte Ria. Sie hatte unbeſchränkte Machtbefugnis erhalten. Das junge Paar überließ alles dem be⸗ rühmten Geſchmack der Fürſtin Freudenlohe.

Die Hochzeit wurde im engſten Familienkreiſe ge feiert. Selbſt Ceſſy und Dete fehlten. Heinrich überreichte Marie am Hochzeitsmorgen die Veldtſchen Majoratsdiamanten, die ihre Mutter fünf⸗ unddreißig Jahre getragen hatte. Die Schweſtern ſtanden um ſie herum, und es ward ihnen wehmütig⸗

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feierlich zumute. „Mutters Bébé würde die Steine nun wieder tragen, „Mutters Jüngſte“.

Nach dem Diner ſollte das Brautpaar mit dem Automobil nach Veldt fahren, das in vier Stunden zu erreichen war. Da war kein heimliches Abſchied⸗ nehmen. Alle Schweſtern umarmten gerührt Marie, die Schwäger ſchüttelten ihr die Hand. Alle waren überzeugt, daß die Jüngſte ihrem Glück entgegenfuhr.

Nur Ria ſah ihr angſtvoll nach. Marie hatte ihnen zugelächelt, als ſie in den Wagen ſtieg, aber Ria war zugegen geweſen, als ſie ihr Brautkleid mit dem Reiſe⸗ kleid vertauſchte. Da hatte die junge Frau verzweifelt geſchluchzt: „Ria, es iſt mir unmöglich geweſen, ihn zu vergeſſen ... mir graut, mir graut.“

Und nun ſaß ſie neben ihrem Mann. Er hatte ſie nie wieder geküßt, ſeit dem einen Male er wartete. Jetzt brauchte er weder zu fragen noch zu bitten; jetzt konnte er nehmen. Marie drückte ſich tief in die Ecke des Autos hinein. Er ſah die Felder an und machte eine Bemerkung über die Beſtellung, überlegt und ſachlich, als ob er mit ſeinem Inſpektor über die Fluren von Veldt ritte.

Marie war enttäuſcht. Nicht einmal ſah er ſie an, es war faſt, als reiſten ſie wie zwei Freunde zuſammen. Ihr fiel ein, daß er ſie noch nicht gefragt hatte: ‚Haft du mich lieb?“ Der Gedanke ſchmerzte fie nun tief. Und wenn er fragte, was ſollte ſie ihm antworten? Belügen konnte fie ihn nicht, fie konnte nicht ‚ja‘ ſagen. Und Heinrich Veldt mit einem „Ich habe dich ſehr gern! abſpeiſen?

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Plötzlich wandte er ſich zu ihr. „Wir kommen an Badenhauſen vorüber, Marie. Würde es dir unan⸗ genehm ſein, Onkel heute zu ſehen?“

Sie ſchüttelte den Kopf. „Nein, gar nicht, Heinrich.“

Er nahm das Sprachrohr und gab dem Chauffeur eine kurze Weiſung. Dann war es wieder ſtill zwiſchen ihnen, und die Stille machte Marie nervös. Die Straßen waren faſt leer, ab und zu überholte das Auto einen Bauernwagen, der auf den langen Ruf der Huppe zur Seite gefahren war und nun, wie angſterfüllt, an die Chauſſeebäume gedrückt ſtand. Die Pferde bäumten ſich, wenn ſie an ihnen vorüberraſten.

Maries Gedanken gingen immer noch in demſelben Kreislauf: ‚Was ſollſt du antworten, wenn er dich fragt: Haſt du mich lieb?“ Schließlich klammerte fie ſich an den Hoffnungsanker feſt: er wird nicht fragen.

Sein Schweigen ſchmerzte ſie; ſie ſah, daß auch er grübelte, indem er auf die Acker hinausſtarrte. Da raffte ſie ſich zuſammen; nur ſprechen, gleichgültig was.

„Sag mir, Heinrich,“ begann ſie, „Onkel iſt doch dein einziger naher Verwandter. Warum kam er nicht zu unſrer Hochzeit?“

Heinrich Veldt nahm ihre Hand: „Es iſt mir lieb, | Marie, daß du davon anfängſt. Ich hätte es dir doch erzählen müſſen, und jetzt, wo du meine Frau biſt, ſollſt du es wiſſen. Du kennſt ja den alten Familien⸗ zwiſt, Marie. Onkel hat einſt die Schweſter deines Vaters geliebt. Als man es merkte, verlangte man von ihm, daß er eine Reiſe um die Welt machte; er

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‚wurde von der Familie dazu gezwungen in ber Zeit wurde deine Tante in ein Irrenhaus gebracht.“

Marie nickte. * Bertas ea fenne ich, ſagte ſie leiſe.

„Als er zurückkam, erfuhr er es, und da hat es ſchlimme Worte zwiſchen ihm und deinem Vater ge⸗ geben, ſo ſchlimme, daß keine Verſöhnung mehr mög⸗ lich war, ein unüberbrückbarer Riß. Und von dem Tage an war er ein gebrochener Mann. Er hat Badenhauſen nie mehr verlaſſen und iſt dort allmählich ein Sonder⸗ ling geworden. Aber ich liebe und verehre ihn doch.“

Marie nahm die Hand ihres Gatten, als ſuche ſie Schutz. Ihr war eigen zumute. Heute ſollte ſie nun den Mann kennen lernen, von dem Tante Berta das Glück erhofft hatte und durch den ſie ins Unglück ge⸗ ſtürzt worden war, in die harte Verbannung des Irren⸗ hauſes, in dem ſie dann ihr trauriges Ende fand. Sie mußte an das kleine Bild der Tante denken, das in der Favorite auf ihrem Schreibtiſch geſtanden hatte und das ſich Egon ſo intereſſiert angeſehen hatte. Nun wanderten ihre Gedanken zu dem Prinzen zurück. Sie ſpielte mit der Frage, was wohl aus ihnen hätte werden können. Sie vergaß einige Augenblicke ganz, daß ſie neben Heinrich Veldt fuhr, dem ſie heute angetraut war. Bis ſie plötzlich erwachte, wie aus einem Traum. Und da ſchämte ſich Marie.

Das Auto bog durch das Badenhauſener Tor. Sie ſtiegen aus. Heinrich und der Diener gingen, den alten Herrn zu ſuchen.

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Marie nahm die Mütze ab und ſchlang den lichten Schleier loſe über ihren Kopf. Auf einer altmodiſchen Bank ſetzte ſie ſich nieder und beſah das Herrenhaus mit dem breiten Giebel, an dem das Wappen mit dem gelben Stern in der Abendſonne leuchtete. Dies alſo würde Heinrich auch erben. Da hörte ſie Schritte. Ein alter Herr kam langſam den dichten Buchengang herauf auf ſie zu. Sie erhob ſich ein wenig befangen. Nun würde ſie ſich dem Onkel ſelbſt vorſtellen müſſen. Er ſah zur Erde und ſchien den Beſuch noch nicht be— merkt zu haben. Plötzlich erblickte er ſie und blieb wie angewurzelt ſtehen. Beide Hände warf er in faſſungs⸗ loſem Schreck in die Luft: „Berta, Berta!“

Marie ſah, wie er wankte, wie die Überraſchung ihn überwältigte; eilend lief ſie zu ihm und legte ihre Arme um ſeine Schultern, um ihn zu ſtützen. „Lieber Onkel,“ rief ſie, „erſchrecken Sie nicht. Ich bin Marie Veldt.“ | |

Da kam auch Heinrich ſchon gegangen. In mäd)- tigen Sätzen ſprang er zu den beiden.

„Onkel, Onkel, ich bin es, das iſt ja meine Frau.“

Aber der alte Herr ſchien ganz aus der Faſſung gebracht zu ſein. Er betrachtete Marie entſetzt und murmelte unzuſammenhängende Worte. Da winkte ihr Heinrich, fortzugehen, und führte den Alten ins Haus.

Nach einer Weile kam er, ſie zu holen.

„Komm jetzt, er hat ſich beruhigt. Warum ſagteſt du mir nicht, daß du ihr ſo ähnlich ſiehſt?“

„Ich dachte nicht daran, Heinrich!“

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Der Onkel ftredte ihr die Hände entgegen: „Mein liebes Kind, verzeih einem alten Einſiedler den Schreck, ein weibliches Weſen in ſeiner Klauſe zu ſehen! Komm her und laß dich anſchauen.“

Und rührend war es zu ſehen, wie er Marie be⸗ trachtete. Mit liebevollen, zärtlichen Blicken beſah er das Haar, die Geſtalt, die Hände. Sie merkten wohl, es war nicht Marie, die er ſah, es war ſeine alte Liebe in neuer Geſtalt. Er konnte ſich gar nicht von ihrem Geſicht losreißen.

Heinrich erhob ſich endlich. „Nun, Onkel, wirſt du uns in Veldt beſuchen! Ich lade dich als meinen erſten Gaſt ein.“ |

„Ich komme, ja, ich komme, mein lieber, lieber Junge,“ und dann zu Marie: „Darf ich dich küſſen, Marie? Du erlaubſt es wohl, Heinrich? Gib von deinem Überfluß dem alten Onkel etwas ab.“

Er nahm Maries Kopf in ſeine Hände und küßte ſie ſanft auf die Stirn. Lange ſtand er und ſah ihnen nach.

In beiden zitterte das rührende Ereignis nach. Aber Marie hörte nur ein Wort: „Überfluß“. Nein, Heinrich war arm, er bat nicht, er nahm auch nicht. Da ſchmiegte ſie ſich leiſe an ihren Gatten an.

„Soll Onkel der einzige ſein, der mich an meinem Hochzeitstage küßt?“

Und Heinrich Veldt war auch nur ein Menſch.

G ®

Sie wanderten zuſammen durch die erleuchteten Zimmer. Über Heinrichs Geſicht lag das Lächeln, das

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feine Züge fo ſeltſam verſchönte. „Jetzt ſind wir zu Hauſe, Marie!“

„Ja, Heinrich, in Veldt.“

„Dein Veldt, Marie, du haſt es mir geſchenkt. Durch dich wird es erſt mein.“

Dankbar ſah ſie ihn an, denn im Ton ſeiner Stimme lag ſo unendlich viel Liebe. Wie am Verlobungstage ſtellte ſie ſich vor ihn, legte ihre Arme um ſeinen Nacken, hob den Kopf und bot ihm ihre Lippen.

Und Heinrich Veldt küßte ſie lange und liebevoll. Sie ſtanden unter dem großen Familienbild.

„Weißt du, daß es uns zuſammengeführt hat?“

fragte ſie. „Und nun ſieht Mutter auf uns herab, auf ihre letzte Tochter, ihr Bébé, das in Veldt bleibt, an ihrer Stelle.“ Marie räumte gleich am nächſten Tag die Gegen⸗ ſtände ihres Mädchenſchreibtiſches in den Salon um. Heinrich kam dazu. Da ſtand der kriſtallene Aſchen⸗ becher des Prinzen. Er nahm ihn in die Hand, be⸗ trachtete das koſtbare Kunſtwerk und fragte: „Was iſt denn das?

„Eine gewonnene Wette,“ ſagte Marie haſtig.

„Von wem haſt du das hübſche Ding denn?“

Blitzſchnell ſchoß es ihr durch den Kopf: heut ſind wir einen Tag verheiratet, ſoll ich ihm alles erzählen? Soll ich ihm beichten? Aber ſie konnte ſich nicht über⸗ winden.

„Von Karl Anton,“ ſagte ſie, gleichmütig in ihren Sachen räumend.

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Er hielt den Aſchenbecher noch einen Augenblick in der Hand, ſtellte ihn dann auf den Tiſch und verließ das Zimmer. Marie war blutrot. Sie hatte gelogen, aber nur aus Schonung für ihn. Ob er ihre Unehr⸗ lichkeit fühlte? Nein, unmöglich.

Aber ſeltſam. Beim Eſſen war er einſilbig, ging dann auf die Felder, ohne ſie aufzufordern, mitzu⸗ kommen. Sie ſah ihn den ganzen langen Nachmittag nicht. Abends ſaß er müde da, erklärte, daß er Kopf⸗ weh habe, und ging mit einem freundlichen „Gutenacht“ in ſein Zimmer.

Auch die nächſten Tage blieb er kühl. Es wurde genau wie früher. Er arbeitete tagsüber, des Abends ſaßen ſie zuſammen und plauderten, er war wieder ihr Vetter. Nur daß ſein Benehmen Marie jetzt beſchämte. Sie hatte es ſich ja ſo gewünſcht, ſie hatte ihn ja nicht gern geheiratet, aber nun war ſie doch ſeine Frau. Von Tag zu Tag verblaßte das Bild des Prinzen mehr vor ihrer Seele. Heinrich war jetzt das Licht, das ihr Inneres erleuchtete. Und dieſes Licht entzog ſich ihr. Sie lebte wie im Schatten. Der Stolz und Trotz der Veldts regten ſich in ihr. Sie fing an, ſich über das Benehmen ihres Gatten zu ärgern. Es nahm ihr die natürliche Lebhaftigkeit. Sie ſprach gezwungen mit ihm. Schließlich ſteigerte ſich ihre Enttäuſchung zur Wut.

Es war ihr wie eine Erlöſung, als Ria ſchrieb, daß die Hirſchbrunft begonnen und daß ſie nun das Häus⸗ chen im Donautale beziehen könnten. Sie hoffte, daß Heinrichs Weſen ſich fern von Veldt ändern würde,

291 daß er in der arbeitsloſen Zeit in der u fie wiederfinden würde.

Heinrich war ſofort bereit, zu en Am fpäten Nachmittag kamen fie in Wien an. Seine Stimmung hatte jich etwas gehoben, und als fie ſich im Hotel⸗ zimmer ſäuberten, fragte er, ob ſie noch Luſt hätte, in die Oper zu gehen.

„Du haſt deine geliebte Muſik ſo lange entbehren müſſen, Marie, aber wird es dich nicht zu ſehr an⸗ greifen? Wir müſſen morgen wieder früh 'raus, kurz nach ſieben geht unſer Zug.“

„Laß uns ruhig fahren, es zerſtreut uns beide nach der Einſamkeit in Veldt.“

Er ſah ſie eine Weile bedeutungsvoll und e an. „Ja, Kleine, es war ſehr einſam!“

Da erblaßte Marie.

Man gab Puccinis ‚Boheme‘, und bie prickelnde Muſik lockte ſie. Er bekam noch Logenplätze, einen Vorder⸗ und einen Rückſitz neben der Loge des Jockei⸗ klubs. Ein andres Ehepaar ſaß dicht neben ihnen.

In der Mitte des erſten Aktes öffnete ſich die Neben⸗ tür. Marie ſah ſich um. Alles Blut wich aus ihrem Geſicht: dicht, auf Armeslänge, ſtand Egon vor ihr. Er ſetzte ſich auf einen Rückplatz, nur eine dünne Wand trennte ihn von Heinrich Veldt.

Keinen Blick ließ er von Marie. Sie ſah ihn ver⸗ zweifelt traurig an, aber ihr Mann durfte nichts merken, ſo ſah ſie nach der Bühne. Dort bewegten ſie ſich und ſangen. . .. Aber fie fühlte hinter ſich zwei Augen, die

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fie verzehrten .. der zwingende Blick er zwang ſie auch jetzt wieder. Sie wollte ſich Heinrich zuwenden, bei ihm Schutz und Hilfe ſuchen, aber ihr fehlte der Mut; ſeine Kälte hatte ihr jedes Zutrauen geraubt. Die große Sehnſucht nach Liebe zitterte in ihr. ‚Egon, Egon!!“

Der Vorhang fiel, es wurde Licht. Heinrich erhob ſich. „Willſt du mit ins Foyer kommen?“

Sie ſchüttelte nur den Kopf. So ging er allein.

Da wandte Marie dem Prinzen ihr Geſicht zu. In ihrem Blick lag ihr ganzes Sehnen.

„Marie,“ flüſterte er.

Sie antwortete nicht, ſie ſah ihn nur an. Die kurzen Tage voller Liebe, Glück und Schmerz, die ſie in der Favorite verlebt, zogen blitzartig an ihr vorüber. Ihre Seele rief: „Egon, Egon!“, aber der Mund konnte nicht ſprechen.

Heinrich trat wieder ein und blieb die ganze Zeit über bei ihr. Die Oper wurde wunderbar gegeben, aber Marie ſah nichts von den Vorgängen auf der Bühne. Sie fühlte nur die Blicke des Prinzen, hörte ſeinen Atem.

Der Prinz hatte ſich Schon vor dem Schluß erhoben und war hinausgegangen.

Als ſie im Fiaker ſaßen, ſah Marie einen weißen Mantel die Straße kreuzen; da hätte ſie faſt laut auf⸗ geſchrieen. Sie fuhren zum Hotel. Heinrich war wieder wortkarg. Mit dem üblichen liebevollen ‚Gutenacht‘ küßte er ihr zum Abſchied die Hand. Dann war Marie

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allein in ihrem Zimmer. Sie fieberte, ihre Stirn glühte. Sie rieb ſich die Schläfen mit Eau de Cologne. Dann ſetzte ſie ſich auf den Bettrand und ſtützte den Kopf ſchwer in ihre Hände.

War es denn möglich, ſie hatte Egon geſehen, neben ihm geſeſſen, ſo dicht, daß ſie ihn mit den Händen hätte greifen können. Sie hatte in ſeine lieben, bitten⸗ den Augen geblickt, die noch ebenſo hell glänzten, wie damals in der Favorite, wo ihre Lippen aufeinander geruht hatten. Ihre Seele kämpfte. Nein, ſie durfte nicht die Frau des Mannes bleiben, den ſie nicht liebte, es wäre eine gräßliche Lüge geweſen. Er machte ſich ja auch nichts aus ihr. Wirr kamen und gingen die Gedanken. Sie faßte Pläne über Scheidung und Trennung, ſie wollte fliehen, Heinrich alles beichten. Aber ſie konnte keinen klaren Entſchluß faſſen. Gegen Morgen ſchlief ſie erſchöpft ein. Um ſechs Uhr wurde geklopft. Sie fuhr erſchrocken empor: „Was iſt's?“

„Zeit aufzuſtehen, Kleine. Der Zug geht um ſieben⸗ einhalb Uhr.“

Als ſie ſeine Stimme hörte, war ihre Willenskraft gebrochen. Heinrich Veldt war nicht der Mann, der mit ſich ſpielen ließ. Sie zog ſich mechaniſch an, ſaß mechaniſch in der Bahn. Sie empfand wieder: Jeder Kilometer trägt mich von ihm fort. Sie ſprach kein Wort, ſie hätte am liebſten geſchrieen, aber ſie fühlte die ſtarke Hand des Schickſals, das ſie beſiegt hatte.

Nach einer Stunde mußten ſie ausſteigen. Sie ſah alles wie im Traum. Eine Strecke ging es im Wagen

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über Land. Dann ſah ſie ſich plötzlich in der Jagd⸗ hütte, untätig, von ihren Gedanken gepeinigt.

Sie ſprach kaum mit ihrem Mann, aber ſie merkte, daß er ſie forſchend betrachtete. Da empfand ſie ihn als Feind. Aber was ſollte ſie tun? Sie dachte daran, Ria zu Hilfe zu rufen, aber ſie verwarf den Plan wieder und faßte irgendeinen andern, um ihn wieder zu ver⸗ werfen. So wurde ihr das Leben zur Qual.

Eines Tages erklärte er, erſt gegen Abend heim⸗ kehren zu können. Sie nickte ſtumm mit dem Kopfe. An der Tür blieb er ſtehen, unſchlüſſig, als ob er etwas ſagen ſollte.

Marie ſah, daß er mit ſich kämpfte, daß er ſie bitten wollte, mitzugehen. Aber ſie war hart geworden. Abweiſend ſaß fie da, und ihr kam der Gedanke: ‚Dein Entſchluß entſcheidet dein Schickſal. Sprichſt du mit mir, bitteſt du mich um Entſchuldigung für dein ſelt⸗ ſames Benehmen als Ehemann, dann ſoll es gut ſein, ich bleibe bei dir; aber wenn du zögerſt, ſo haſt du mich jetzt zum letztenmal gejehen.‘ Da wandte er ſich um und ſchritt hinaus.

Sie warf ein paar Worte auf ein Blatt Papier: „Ich fahre nach Wien zu Ria; wann ich wiederkomme, weiß ich noch nicht. Haſtig zog fie ſich an und ging die dreiviertel Stunde zur Station. Mit jedem Schritt wurde ihr Blut toller aufgepeitſcht: „Fort, fort,‘ rief es. in ihr. r

Ria! Ria! Wie gut, daß ſie die kluge, ruhige Schweſter hatte. Zu ihr wollte ſie gehen. Irgend⸗

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eine leiſe Stimme in ihr warnte, mahnte. Sie wollte die Mahnerin nicht hören, und doch ſagte die Stimme deutlich: „Du tuſt unrecht, du darfſt nicht, du kommſt auch nicht los.“

Die Fahrt verging ihr wie im Fluge. In ihr wurde eines lauter und lauter, übertönte ſchließlich alles: „Du wirſt Egon heute noch ſehen!“

Der Fiaker hielt vor dem Palais. Der Portier öffnete.

„Durchlaucht ſollen ausgegangen Bi ſagte mir die Kammerfrau.“ |

„Dann warte ich!“

Sie ſchritt raſtlos in dem großen Salon auf und ab. Alles war darin ſchön, koſtbar und geſchmackvoll. Sie ſah es wohl, aber ihre Gedanken weilten wo anders.

Wien! Vielleicht, wenn ſie zum Fenſter hinaus⸗ ſähe, würde ſie den weißen Mantel mit dem roten Kragen ſehen und darüber einen hellblonden Kopf. Und heiß und wild kam ihr die Erinnerung an die Oper, wie er die Lippen zu dem einzigen Wort „Marie“ geformt hatte. Es war wie ein trauriges Lächeln auf ihnen gelegen, wie eine ſanfte, entſagende Zärtlichkeit, ein andrer Ausdruck wie früher, wo es ein heißes Be⸗ gehren geweſen. Sie ſtarrte auf die Straße, bei jedem Wagen zitternd, bei jedem Paſſanten hoffend: It er es? Iſt er es?

Heinrich Veldt war vergeſſen, alles andre war ver⸗ geſſen, nur leuchtend any vor ihren Augen ein Ge⸗ danke: Egon.

Aber wie das ſiebernde Sehnen foft unerträglich

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wurde, da ſagte jie ſich: das hält mein Verſtand nicht aus, ich werde verrückt.... Und gewaltſam riß fie ſich von dem Fenſter los. Sie ging auf und ab. Plötzlich ſah ſie ſich um. Wo hing der Mutter Bild? Ach, wahr⸗ ſcheinlich in Rias Schreibzimmer. Sie öffnete die Tür und betrat ein kleines Boudoir. Richtig, dort hing es über ihrem Schreibtiſch. Der Mutter Bild. Wie ernſt ſie die Tochter anſah mit den wunderſchönen Augen.

Da hörte ſie Ria nebenan ſprechen. Da war eine Tapetentür, zu einem Zimmer, deſſen Exiſtenz ſie nicht geahnt hatte. Sie ſchritt darauf zu. Aber ihr Herz⸗ ſchlag ſetzte aus, denn da war eine Stimme, die ſie kannte ſeine Stimme

Ihr Herz ſagte: Er weiß, daß ich komme, er fühlte die Gedankenübertragung, er iſt zu Ria gekommen, um

nach mir zu fragen ... fie hatte ſchon die Hand auf

der Klinke, aber da war ein Ton in Rias Stimme, aus der die Unruhe, die Qual herausklang.

„Wo ſoll ich die Kraft dazu hernehmen?“

Marie zögerte inſtinktiv, aber alles Blut wich von ihrem Herzen, denn ſeine Stimme antwortete: „Ria aus Liebe zu mir. Ich weiß, es iſt ein furchtbarer Schritt, deine ganze unglückliche Ehe ans Licht zu zerren, all die ſchrecklichen Beweiſe ſeiner Untreue vorbringen zu müſſen, aber dann kommt Erlöſung und Glück. Ria, wenn du mich liebſt, wie ich dich, ſo kannſt du nicht zaudern, dies unwürdige Band zu zerreißen.“

Rias Stimme klang müde. „Aber du? Wirſt du es nicht bereuen? Ich bin älter ..“

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„O Ria, du wunderbar Schöne, ich verzehre mich vor Sehnſucht nach dir, du Stolze

Marie horchte, ohne ſich deſſen bewußt zu ſein. Mit dem unvergleichlichen Charme in der Stimme, wenn ſie weich war, antwortete Ria: „Mein armer Bub, du wirſt noch lange warten müſſen, eine Scheidung dauert ſehr lange ..“

„Ria, du biſt ſehr grauſam!“

„Nein, Bub, nur ſehr ſtolz, ich kann nicht anders.“

Ganz langſam ging Marie in den Salon, ſetzte ihren Hut auf, zog Mantel und Handſchuhe an, und ging leiſe hinunter. Sie drückte dem Portier einen Gulden in die Hand.

„Ich habe der Fürſtin geſchrieben; es iſt nicht nötig, daß Sie ſagen, ich ſei dageweſen.“

Sie fuhr zum Nordbahnhof. Der Zug ginge in zwei Stunden, wurde ihr geſagt.

Im Wartezimmer ſaß ſie und ſtarrte das Bild der ſchönen Kaiſerin an, welches ihr gegenüber hing. Sie war wie betäubt: Ria alſo Ria.

Sie ſtöhnte vor Scham auf. Noch einige Augen⸗ blicke vorher hatte ſie mit irrſinniger Sehnſucht auf die Straße geſchaut, hatte gehofft, ihn zu ſehen, ge⸗ wußt, wenn er das Zimmer beträte, würde ſie nur die Arme öffnen: Liebſter, hier bin ich.

Und hätte dies einem Manne geſagt, der eine andre liebte! Sie war nach Wien gefahren, um Ria zu bitten, ſie von Heinrich zu trennen! Da ſchoß ihr der Gedanke

an ihren Mann heiß und ſtürmiſch ins Herz, Eine XXVII. 21123

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brennende Reue überkam ſie. Zu ihm gehörte fie, nur zu ihm! Sie konnte es vor Sehnſucht kaum mehr ertragen, ihn zu ſehen. Es war ihr qualvoll, ſo endlos auf den Zug warten zu müſſen. In heißem Impuls bat ihr Herz ihn tauſendmal um Verzeihung.

Endlich fuhr der Zug ab. Eine wilde Angſt war in ihr.

„Wenn er nur noch nicht zurückgekehrt iſt und den Zettel gefunden hat!“ Sie konnte um ſieben Uhr zurück ſein, vielleicht war er noch nicht heimgekehrt. Der Zug hielt alle paar Minuten, es herrſchte die größte Ge⸗ mütlichkeit auf allen Stationen. Jedermann ſchien Zeit zu haben. Es lag eine breite Behaglichkeit auf allen Geſichtern. Maries Pulſe flogen. Nur ſchnell, ſchnell zurück zu ihm! Um ſechs Uhr traf der Zug mit Ver⸗ ſpätung ein. Es war ſchon finſter, ein Wagen war nicht mehr zu haben. Erſtaunt ſah der Schaffner der Dame nach, welche ſo haſtig davonlief. Sie kannte den Weg durch den Wald und ſchritt ſo eilig wie mög⸗ lich. Ihr langes Kleid, ihr eleganter großer Hut ſtörten ſie. Sie raffte den Rock. Die Angſt trieb ſie vorwärts. Sie lief immer haſtiger, immer toller. Es begann leiſe zu regnen. Der Mantel wurde ihr zu heiß, ſie nahm ihn über den Arm und rannte atemlos weiter. Schließ⸗ lich blieb ſie erſchöpft ſtehen. Hut und Mantel wurden ihr unerträglich. Sie ſtopfte beide in eine hohle Eiche am Wege und nahm ihren Lauf mit erneuter Energie auf. Endlich ſah ſie das Jagdhaus. Ihr Mann war ſchon zurück. Im Zimmer war Licht, und vor der Tür ſah ſie die Silhouette des Jägers, der die Büchſe reinigte.

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Vorwärts! Mit letzter Kraft ſtieß fie die Tür auf. Heinrich ſaß am Tiſch, den Hut noch auf dem Kopf, Schmutz und Schlamm an den Stiefeln. Die Arme hingen ihm ſchlaff herab. Mit bleichem Geſicht ſtarrte er auf den Zettel.

Sie ſtolperte in wirrer Haſt auf ihn zu, erhitzt, mit verwildertem Haar warf ſie ſich leidenſchaftlich neben ihm nieder: „Da bin ich, da bin ich ...“

Und der Mann, der erſt tödlich erſchrocken war, begriff. Sie war ſeinetwillen fortgelaufen, um zu ihm zurückzukehren. Jäh, feſt an ihm hängend, als fürchte ſie, er könne ſich von ihr befreien, ſtieß ſie ruckweiſe hervor: „Verzeih mir, verzeih mir, ich war ſo töricht, ſo furchtbar töricht, und nun iſt alles gut. Sei mir nicht böſe, bitte, bitte, verzeih. Nun bin ich bei dir. Jetzt erſt wirklich ... Frag mich nicht, warum Glaube es mir auch fo ... ich ſchäme mich fo ... Bitte, bitte, hab' Geduld ... Jetzt, jetzt haft du, was du wollteſt ... Alles, alles, alles gehört dir ...“

Sanft richtete Heinrich Veldt ſie auf und hielt ſie feſt, als ſolle er ſie nie wieder loslaſſen, dann bog er ihren Kopf zurück und küßte fie mit tiefer Innigkeit .

Sie ſprachen wenig an dem Abend; ſaßen einander am Holztiſch gegenüber und ſahen ſich an. Worte hätten das große Gefühl von Befreiung und Glück verkleinert. Beiden war heilig zumute, beide ſchwiegen. Ein ein⸗ ziges Mal ſagte Marie: „Jetzt bin ich deine Frau!“

Plötzlich nahm ſie ihr Portemonnaie, zog aus der Seitentaſche einen kleinen gelblichen Zettel heraus,

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faltete ihn auseinander und hielt ihn mit ernitem Geſicht über das Licht. Er flammte auf und zerfiel dann in ſchwarze, verkrümmte Faſern. Sie ſchrak zu⸗ ſammen, als Heinrich Veldt mit ſeiner tiefen Stimme ſagte: „Stark iſt das Schickſal; ich will ſtärker ſein.“

Sie ſtarrte ihn betroffen an: „Heinrich, woher weißt du das?“

Da ſah er ſie ſanft an. „Kind, ich habe alles ge⸗ wußt, durch dich ſelbſt. Dieſer kleine Vers hat mir von dir erzählt. Der Hofklatſch ergänzte es mir. Da habe ich mir geſagt, daß ich warten müßte, endlos warten und langſam vorgehen mit unendlicher Geduld, aber damals konnte ich nicht anders, als dir antworten: „Du, Marie! Und ich glaubte dich ſchon gewonnen zu haben, aber als du mich belogſt, als ich nach dem Aſchenbecher fragte, war ich furchtbar enttäuſcht. Ich hoffte, daß du ſo viel Vertrauen zu mir gewonnen hätteſt, um ehrlich zu ſein. Da habe ich von neuem begonnen mit Warten .. . und ſchwer genug iſt es mir geworden, Marie. Aber nun iſt mir leicht und frei.“ G S ®

Sie reiſten bald darauf nach Veldt zurück, vier ſtarke Geweihe als Trophäen mitbringend. Es folgten wun⸗ dervolle Tage. Was Heinrich Veldt im ſtillen gehofft hatte, erfüllte ſich tauſendmal reicher und ſchöner. Marie ſagte: „Es iſt ſchlimm, daß du ſo viel zu tun haſt, ich möchte dich immer um mich haben.“

Und tags darauf ging ihr Wunſch in Erfüllung, nur, daß ſie es ſich in andrer Form gewünſcht hatte. Er

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hatte ein Paar durchgehende Pferde halten wollen, war zu Boden geriſſen worden, und der ſchwere Kar⸗ toffelkaſten war ihm über den Oberſchenkel gegangen. Nur der Zufall, daß es im weichen Ackerboden geſchehen war, hatte ein ſchweres Unglück verhütet. Marie pflegte ihn mit aller Liebe und Sorgfalt, und der Liegende meinte neckend: „Ich glaube, jetzt iſt erſt unſre ſchönſte Brautzeit .. Sie errötete und beugte ſich über ihn.

Heinrich erholte ſich verhältnismäßig raſch wieder. Marie wich kaum von ſeinem Lager, ſie nahm ſelbſt die Mahlzeit im Krankenzimmer.

„Iſt es dir nicht unangenehm?“ fragte er ſie.

Da ſchüttelte ſie den Kopf: „Nein, Heinrich, ich tue es ja ſo gern.“

Er legte ſich in die Kiſſen zurück und ſah zur Decke. Marie blickte ihn an. Sie kannte jetzt jeden Zug ſeines Geſichtes und fühlte, daß eine Frage auf ſeinen Lippen lag, die ihn ſchon lange bedrückte.

„Was willſt du, Heinrich?“ fragte ſie.

Er war erſtaunt. „Kleine, woher weißt du, daß ich etwas will?“

„Ich kenne dich jetzt!“

Es war wieder ſtill zwiſchen ihnen, eine ganze Weile. Marie konnte ſich nicht entſchließen, von neuem in ihn zu dringen, ihm die Frage zu entlocken. Bis ſich endlich ihre Augen begegneten, ihr Blick bat: „Frage mich doch.“

„Kleine,“ ſagte er und faßte ihre Hand, „es wird mir ſchwer.“

„Heinrich!“

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„Sag mir, Kleine, haſt du mich nun lieb?“

„Ja, Heinrich, ſehr, ſehr lieb!“

Sie beugte ſich über ihn und küßte ihn lange und innig. Wie hatte ſie noch vor kurzem dieſe Frage ge⸗ fürchtet? Heute konnte fie leicht und ehrlich ‚Sa‘ ant- worten, und ihr Herz wurde ſehr froh. ® G ®

Eines Tages Heinrich hatte das Bett ſchon mit der Chaiſelongue ſeines Arbeitszimmers vertauſcht hatte ſie ihn für eine halbe Stunde allein gelaſſen, um im Park Luft zu ſchöpfen. Da ließ er ſie durch einen Diener rufen. |

Als fie bei ihm eintrat, erſchreckte fie fein ernſter Ausdruck.

„Was iſt geſchehen, Heinrich?“

„Du mußt reiſen, Marie, Karl Anton hat depe⸗ ſchiert ...“

„Wo iſt das Telegramm?“ Alles Blut ſchoß ihr ins Herz. Sie dachte der Szene zwiſchen dem Prinzen und der Schweſter. Eine namenloſe Angſt packte ſie, ohne daß ſie wußte, was ſie befürchtete.

In ihren Händen zitterte das Papier: „Ria ſchwer geſtürzt. Sie verlangt nach Marie, bitte ſofort kom⸗ men

Die ſchreckliche Nachricht war Marie faſt eine Erleich⸗ terung. Alſo nicht wegen Egon. Dem Himmel ſei Dank.

Mit dem nächſten Zug reiſte ſie nach Pardubitz. Die Fahrt war qualvoll. Die Angſt um die geliebte Schweſter wuchs mit jeder Stunde. „Schwer geſtürzt,

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ſie verlangt nach Marie, ſtand in der Depeſche. ‚Sie verlangt nach mir, das heißt, es geht zu Ende,‘ ſagte ſie ſich. Es war furchtbar. Ria ſollte ſterben.

Karl Anton kam ihr an der Station entgegen. Er ſah gebeugt aus und hatte kein begrüßendes Lächeln.

„Wie ſteht es?“ fragte Marie ſtatt aller Begrüßung angſtvoll. Die Antwort kam nicht gleich.

„Es iſt das Rückgrat, ſie leidet gar nicht, ihr Körper iſt ganz empfindungslos, fie iſt vollſtändig klar, aber..“

„Was ſagen die Arzte?“

Er ſchüttelte nur müde den Kopf.

„Aber das iſt unmöglich, Karl Anton, unmöglich!“ rief ſie verzweifelt.

Er deutete auf den Kutſcher. „Sei ruhig, Bébé.“

Marie lief wie im Fieber durch die langen Gänge. Eine Nonne wies ihr die Tür. Sie trat ein und ſtellte ſich gegen das Licht, damit Ria nicht die Verzerrung ihrer Züge merken ſollte. Die wandte die großen Augen herum.

„Endlich, Bébé, endlich ... ich hatte jo Angſt, du kämſt nicht mehr zurecht.“

Da brach Marie in die Kniee. „Gott, o Gott, Ria, du darfſt nicht gehen, du darfſt nicht.“

„Marie,“ ſagte die Kranke, „ich muß dich ſprechen, gerade dich. Gott gab mir die Gnade, nicht gleich tot zu ſein, wohl um deinetwillen.“

Marie ergriff die ſchlaffe Hand, welche ſich allein nicht bewegen konnte.

„Ich weiß alles, Ria,“ ſagte ſie leiſe.

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Rias Augen wurden groß. „Woher?“

Da ſtammelte Marie ihr Erlebnis in Wien.

Ria holte tief Atem. „Alſo du weißt es; ja, ich wollte mich ſcheiden laſſen. In einigen Tagen ſollte es Karl Anton erfahren, und wenn Egon vom Manöver heimkehrte, wollte er es ſeiner Familie mitteilen. Es hat nicht ſein ſollen. Aber bedaure mich nicht. In den Stunden, die ich hier bewegungslos gelegen, ſind mir die Augen ſehr klarſehend geworden; nun bin ich's zufrieden. Es iſt am beſten für alle. Er hätte ſpäter doch darunter gelitten, alles für mich geopfert zu haben. Ich wäre alt geworden, und eine glühende Liebe ver⸗ blaßt mit der Zeit man kann nicht ewig auf der Höhe leben ... und dann, Marie: ich hätte es nicht ertragen, wenn dieſer verlebte Adel hier mit Fingern auf mich gezeigt hätte, denn ſie hätten doch nicht an meine Reinheit geglaubt dem Unreinen iſt nichts rein.... Ich habe ihnen Achtung abgezwungen, darum haben ſie mich nie gemocht, die eigene Minderwertig⸗ keit kam ihnen zu ſcharf zum Bewußtſein. Ich bin immer die Preußin und die Proteſtantin für ſie ge⸗ blieben ja vielleicht war es das Bewußtſein, daß ich mein Land und meine Religion vor ihnen vertreten mußte, was mich gegen alle Verſuchung ſchützte. So beerdigen ſie Ria Veldt und haben kein niedriges Wort. . .. Ich vertrüge es nicht, daß ein Fleck auf meinen Namen fiele ...“

Da wußte Marie, daß ſie mit dem Namen nicht Freudenlohe meinte.

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„Es iſt beſſer ſo vielleicht wäre ich doch ſchwach geworden wir haben alle zu viel von Tante Berta im Blut. Und um meiner Söhne willen freut es mich. Sie haben nie etwas von dem Unglück unſrer Ehe gemerkt; ſo wird kein Schatten auf meine Erinnerung fallen und mein Beiſpiel wird ſie halten. Sie werden mich als Heilige verehren. Glaube mir: auch die Toten können ſiegen. Ich denke nun: es wäre vielleicht nur ein Jahr Glückſeligkeit geweſen und die Enttäuſchung dann, Marie, die hätte ich ein zweites Mal nicht über⸗ wunden. Denn er war doch eigentlich nur ein ſehr, ſehr lieber Bub. Glaube mir: du haſt an Heinrich einen guten und rechtſchaffenen Mann. Du lebſt in Veldt, wo du hingehörſt, und wenn du deinen erſten Sohn über die Taufe hältſt, wird alles gut fein.... Mein Teſtament hab' ich geſtern der Franzel diktiert, nimm die treue Seele wieder mit, wie alles, was aus Veldt ſtammt: Mamas Perlen, ihr Bild, ihren Schreib⸗ tiſch. Und dann habe ich noch etwas für deinen Buben beſtimmt.“

„Aber Ria,“ warf Marie ein.

„Jawohl, ich weiß es, es iſt ein Bub und es freut mich: wieder ein Sohn in Veldt, Gott ſegne ihn..“

Marie barg ihren Kopf in die Hände. Ria ſprach wie immer, es war ja unmöglich, daß ſie ſterben ſollte.

Plötzlich fuhr ſie auf. „Willſt du ihn ſehen?“

Ria ſchloß die Augen, ihre Stimme war feſt. „Nein, um meiner Söhne willen nicht, und dann: du weißt es. Ich fürchte mich nur vor einem Menſchen, und

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das iſt Ria Veldt, vor Ria Veldts Schwäche ... es würde mir das Sterben erjchweren..... Aber nimm einen Bogen, ich will dir diktieren.“

Marie ſchrieb, dicke Tränen fielen auf das Blatt, ſie faltete den Brief und ſteckte ihn in den Umſchlag.

„Schicke ihn erſt dann ab,“ ſagte Ria. Dieſes ‚dann‘ war der Tod.

Ria war erſchöpft, ſie ſprach nur noch leiſe. „Ich fühle keinen Schmerz. Du könnteſt mich ſtechen, ich empfinde nichts mehr, aber es ebbt langſam und ſicher ab. Die Nacht wacht die Franzel, nein, nicht du, Bébé, es iſt nichts für deinen Zuſtand.“

Ria ſprach mit der alten Beſtimmtheit, die keinen Widerſpruch duldete. Marie ſaß ſtill am Bett, die matte Hand haltend. Rias Geſicht glich merkwürdig der Mutter. Sie öffnete die Augen und fragte nach der Zeit. „Es iſt acht Uhr,“ ſagte Marie leiſe, und wußte Rias Gedanken. Sie rechnete, wie lange ihres Lebens Uhr noch gleiten würde.

„Nun will ich ſchlafen, ich bin müde. Gute Nacht, Bébé,“ murmelte ſie.

Marie küßte erſchüttert die Lippen. Lange ſaß ſie mit Karl Anton. Hin und wieder fiel ein Wort. Schwer wie Blei. Sie ſah, die Reue zerfraß ihn, er merkte, daß ſein Beſtes ihm verloren ging, ohne daß er es ge⸗ würdigt hatte. Die alte Franzel kam jagen: „Durch⸗ laucht ſchliefen ſehr ſchön ... aber am nächſten Morgen ſchliefen Durchlaucht noch, um nicht wieder zu erwachen. ® ® S

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Marie kam nach Veldt zurück und nahm ihres Mannes Hand. In ihren Augen war etwas, das Heinrich Veldt nicht verſtand, der Ausdruck, den die Schweſtern alle gehabt, als ſie dem Vater die Hymne an die Erhabenheit fangen; ihr Blick ging in weite Ferne ohne Trauer. Aber Heinrich Veldt erfuhr nie, warum Marie nicht verzweifelter war.

Sie ſah ihm voll ins Geſicht. „Ria hat unſerm Kind noch ihren Segen mitgegeben,“ ſagte ſie ernſt.

Heinrich Veldt holte tief Atem, das Glück trieb ihm eine heiße Blutwelle in die Stirn.

„Marie,“ ſtammelte er nur und zog ehrfürchtig ihre Hand an die Lippen.

Sie aber ſah den eilenden Wolken nach. Ihr Herz ſprach: wenn ich meinen Sohn über die Taufe halte, dann iſt alles vorüber; denn ihre Gedanken weilten bei einem, der nun wohl erſt das Furchtbare erfuhr: ohne Troſt, allein, mutterſeelenallein, trotz der Fürſten⸗ krone ein Einſamer. Sie wußte: nun reiſt der Brief in das Manöver nach, und abends nach anſtrengender Übung liegt er auf dem Tiſch, und der junge, beſtaubte Offizier ſieht die Schrift und erſtaunt ſich: Von Marie? Und reißt haſtig auf und lieſt:

„Mein lieber Bub, lebe wohl. Es iſt einer ge⸗ kommen, welcher zwiſchen uns getreten iſt, an den wir nicht gedacht hatten: der Tod. Ich gehe; aber ſei nicht traurig, ich fühle, daß es ſo am beſten iſt, vielleicht iſt der Tod mein beſter Freund. Darum beuge Dich demütig unter Gottes Hand. Ich danke Dir für Deine

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Liebe, fie hat das letzte Jahr meines Lebens zum ſchönſten gemacht. Verzweifle nicht. Dein Leben ge⸗ hört den Lebenden, genieße es, ohne Deine Pflichten zu vergeſſen. Vergiß meiner Söhne nicht. Ich hoffe, daß Du Deinen Untertanen ein guter Herr ſein wirſt, damit ich einſt, wenn Dein Lebensbuch verleſen wird, mich nicht ſchämen brauche, Dich geliebt zu haben. Lebe wohl und Gott ſegne Dich!

8 Ria.“ Und unten darunter ſtand: „Sie iſt ganz ſanft eingeſchlafen und war ſo bereit

zu ſterben. Ich bete für Sie: Möge Gott Ihnen helfen.

Marie.“ Heinrich Veldt ſah ein ſüßes, trauriges Lächeln in

Maries Antlitz, welches er noch nie geſehen hatte. Es

klang noch einmal die Saite des Herzens, die nur der

zu ſpielen verſteht, welcher zum erſtenmal das Herz klingen macht, die Saite, die Heinrich Veldt nicht kannte und nie finden würde.

Ende

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r urch ihre originellen Viotive und außerordentlich ſpannende Durchfüh⸗ zung auszeichnen. Eine amüſantere und anregendere Lektüre läßt ſich kaum

Lebende Bilder. Von paul Oskar hocker. 2 Bände. Unter dem äußeren Glanz der Ber⸗ liner Hoffeſtlichkeiten ſpielt no das ktragiſche Schickſal einer jungen Ariſto⸗ kratin in packenden „Lebenden Bildern“ ab, deren Farbenreichtum und drama⸗ Aiſche Steigerung die reiſe Künſtlerſchaft Höckers verrät. Fotme. Von Börge Janſſen. Aus dem 1 Däniſchen. Dieſer in Bosnien ſpielende Roman it eine an ſpannenden Momenten reiche Schöpfung, die das Intereſſe des Leſers durch die vortreffliche Schilderung des . eigenartigen Milieus ebenſo erregt,

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bardy von Rrnbergs Leidens gang. Von I 5 Fon es, 2 Bünde.

Die 5 Erzählerin hat wieder mit glücklicher Hand einen Griff ins Volle getan. Den Dornenpfad eines

zarten, jungen Mädchens aus ver⸗

8 armtem Adel, das aus Not den auf⸗ en 5 Sera! en ae ergriffen hat un mit heldenhaſter

N Tapferkeit durch das Schick⸗ je! getäufchter Liebe zu Glück und Frie⸗ en hindurchkämpft: dieſen ergreifen⸗ den Stoff hat Ada Boy- Ed mit all ihrem gu an Beobachtung, Geiſt und

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Kunſt zu einem Lebens bilde von ſeſſeln⸗ der Wirkung ausgeſtaltet.

9 Der Fall von miubank. Von G. d.

6 ridge. Aus dem Engliſchen.

In überaus packender Weiſe geht MA bieje Erzählung der Aufklärung eines 1 eheimnisvollen Verbrechens nach. enge Bertiefung und ver» ſeinerte Schreibweiſe erheben den Ro⸗ man weit über das Niveau der ge⸗ D wöhnlichen Kriminalgeſchichte.

D Kismet. Von Severin Lieblein. Aus dem Norwegiſchen. Vertreter der drei größten Nationen N Euro as werden in dieſem ebenſo ori⸗ ) ber en wie unterhaltſamen Roman, der in Marokko ſpielt, in treffender ghumortiſtiſcher Weiſe einander gegen⸗ D übergeſtellt. Die ausgezeichnete Schil⸗ derung des feit Jahren im Vordergrund des Intereſſes ſtehenden Landes verrät

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denhire. Aus dem Engliſchen. eiftvolle Detektivgeſchichten, die fi

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Die Seſchichte einer wandernden Li Von Marie Diers. Jene Die Hauptvorzüge der feinfinnigen Dichterin tieſe Geelentennins und eine biegſame, farbenreiche Sprache treten uns in dieſem an entzückenden Epiſoden überreichen Roman auf Schritt und Tritt entgegen. Die zahlreichen Freunde von Marie Diers werden dleſe außerordentlich e Schöpfung mit Freuden begrüßen. mein Freund der Chauffeur. Von C. 5 und A. m. Wiuſamſon. Aus dem Engliſchen. 2 Bände. Eine außerordentlich amüſante Lie⸗ bes⸗ und Automobilgeſchichte, die uns von der Riviera über die talienifchen Seen bis nach Dalmatien und Montes negro führt. Farbenprächtige Natur⸗ ſchilderungen und ein unwiderſtehlicher Humor vereinigen ſich zu einem Ganzen von wohltuender Friſche.

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Achtund zwanzigſter Jahrgang

den ſcharfen Beobachter und fefjelt das Intereſſe des Leſers in hohem Grade.

die ſchöne Meluſine. Von Victor v. Kohlenegg. 2 Bände. Dieſer hochbedeutſame Roman iſt ein hinreißendes Werk der Menſchenſchil⸗ derung vor dem Hintergrunde des meiſterhaft . erlin vom Jahre 1890. Mit innerſtem ſeeliſchem und geiſtigem Geſpanntſein wird der Leſer die Lebensgänge aller dieſer

feinen, klugen, leidenſchaftlichen und 4

bumorigen Menſchen verjolgen. Die an uhr Von L. J. Dance. Aus dem Engltſchen.

Die Leltüre dieſes brillant n benen Abenteuerromans, der ſich durch eine atemlos ſpannende, von prächtigen Naturſchilderungen umſpielte Hand⸗ lung auszeichnet, wird jedem einige

unterhaltende und erfriſchende Stun⸗

den bereiten. Die phantaſievolle Er⸗ zählung Al an ben Ufern des Golſes von Mexiko. KRomödianten. Von Carry Brachvogel. „Wir alle brauchen ein wenig Komö⸗ diantentum, ein bißchen Spiel vor uns und mit uns, um die Nüchternheiten des Daſeins zu ertragen und die Erlebniſſe pr Begebnis zu fteigern.” Dieſer Ge: ante iſt das Leitmotiv des vorliegen» den Bandes, in dem die Verfaſſerin ihrer überlegenen Menſchenkenntnis und Beobachtungsgabe in einer über⸗ aus ſeſſelnden, durch köſtliche Satire be⸗ lebten Darſtellung Ausdruck verleiht.

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( die ſtolze Katharina. Von 8. m. Croker.

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feinen Zügen ſchildert.

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Aus dem Engliſchen. 2 Bände. Beſonders die Nebenfiguren find es, die in dieſem ſchickſalſchweren Roman eines jungen Mädchens durch ihre über⸗ raſchend lebenswahre Zeichnung von neuem die unerſchöpfliche Fülle von Mrs. Crokers Erfindung, ihre tiefe Kenntnis von Land und Leuten und ihren echt anglikaniſchen Humor in

ſtrahlendem Licht erſcheinen laſſen.

die verſchwundene Frau. Von max Dürr.

Eine originelle Erzählung voll drol⸗ A Verwicklungen, bei aller Harm⸗ loſigkeit von Anfang bis zu Ende ſpan⸗ nend geſchrieben und außerordentlich unterhaltend. Mit gutmütiger Satire wird die geſtrenge Obrigkeit eines kleinen Städtchens verſpottet, die ſich in der Entdeckung und Verſolgung eines vermeintlichen Mords einen köſt⸗ lichen Schwabenſtreich leiſtet.

das gaſtliche haus. Von 7. w. Tomp⸗ kins. Aus dem Engliſchen.

Der Widerſpenſtigen Zähmung fo könnte man das Thema dieſes aller⸗ liebſten Romans nennen, der ſich in dem Hauſe eines Nervenarztes abſpielt und durch einen unerſchöpflichen, von warmer Menſchenliebe durch leuchteten Humor auszeichnet.

der gemordete Wald. Von Fedor von Zobeltitz. 2 Bände.

Ein ungewöhnlich ſpannender Bauernroman aus der Mark, der die knorrige Eigenart jenes vielverkannten Menſchenſchlags mit ſtarker Geſtal⸗ tungskraft und einem Reichtum an Züg | Fedor von Zobeltitz gibt hier wahre Heimatkunſt der Roman beſitzt dauernden kultur⸗ geſchichtlichen Wert.

Ein Semeindekind. Von T. Combe. Aus dem Franzöſiſchen.

Voll lebhafter Anteilnahme und Spannung leben wir die erſchütternde Jugend dieſes Gemeindekindes mit und genießen dabei in vollen Zügen die tiefe Seelentenntnis, warme Men⸗ ſchenliebe und krafterfüllte Sprache des Autors.

paſtings duve. Von marianne mewis.

Humor und Ernſt kommen in dieſem

überaus ſeſſelnden Liebes- und

milienroman, deſie in

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ewandt verwertete mecklenburgiſche erfafſungskonflikt bildet, in gleichem Maße zu ihrem Recht, und der nicht ganz gerade, aber ſtets ſichere Flug des „Paſtorstäubchens“ zu ſeinem heiß erſehnten Ziele iſt zum Ergötzen gut der Natur abgelauſcht. Raffles als Richter. Von E. W. hornung. Aus dem Engliſchen. 2 Bände. Die großartigen Abenteuer des fas moſen Gentleman⸗Gauners, den unſere Leſer ſchon in „Die ſchwarze Maske“ und „Ein Einbrecher aus Paſſion“ kennen gelernt haben, nehmen hier ihren Fortgang, wobei ſich zeigt, daß die nder ee Seele des Helden bei aller Verruchtheit dennoch einige tröſtliche Lichtpunkte aufweift, die nur dazu angetan ſein werden die große Zahl ſeiner unbedingten Verehrer zu vermehren.

Cenzl von der Blauen Benziane. Von ard voß.

Brauſend, klar und hart weht die Seſchichte durch dieſe erſchütternde Geſchichte einer alles vernichtenden Leidenſchaft und eines ſie überwinden⸗ den Liebesiods, in vollen Akkorden, wie nur Voß ſie zu greiſen verſteht.

Leslie und ihre Verehrer. Von Anne Warner. Aus dem Engliſchen.

Mit ganz köſtlichem Humor und Witz ſind hier die Erlebniſſe einer jungen amerikaniſchen Witwe in engliſcher, amerikaniſcher und deutſcher Geſell⸗ chaft geſchildert, und das bunte Völklein er internationalen de Leslies wie der Gegenſtand ihrer Huldigungen werden ſicher viel Heiterkeit erregen.

Der Roman einer hofdame. Von Ruth Freifrau von Sagern⸗Rospoth (Ruth Sräfin Sau). 2 Bände.

Dieſer anmutig indiskrete Roman der ebenſo gewandten wie klugen und ſachverſtändigen Verfaſſerin gibt ein treues Spiegelbild jener undurchſich⸗ tigen Berhältuiffe, die dem Unein⸗ geweihten eine ununterbrochene Reihe von Glück und Rauſch zu ſein ſcheinen, in Wahrheit aber ein Gewebe intimſter

Tragödien find. In der zweiten Hälfte

des atemlos ſpannenden Buches wech⸗

ſelt die Szene: an Stelle des blanken

Hofparketts tritt die alte Erbſcholle, das

Vaterhaus, das zum n eines

tieſergreiſenden läuternden eelen⸗

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Die Liebhaber- Ausgabe

Engelhorns

KRoman⸗Gibliothek

bringt eine Ausleſe der beſten Romane unſrer Sammlung, auf befonders feines Papier gedruckt und in ſchmiegſames Kalbleder mit künſtleriſcher Rückenzeich⸗ nung gebunden. Erſchienen und durch jede Buchhandlung zu beziehen ſind:

v. Gagern⸗Rospoth, Der Ro⸗

man einer hofbame M. 3.50 Straß, Die Fauſt des Rieſen 3.50 Boy⸗Eò, Hardy von Arnbergs

Leidensgang 3.50 v. Rohlenegg, Die ſchöne Me⸗

luſinre 3.59 Böhlau, Ratsmädel- und Alt⸗

weimariſche Geſchichten 2.50 Harraden, Schiffe, die nachts

ſich begegnen 2.0

+ Entzüdender Geſch

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