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UNIVERSITY OF TORONTO

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ANNETTE

FREIIN VON DROSTE- HÜLSHOFF

Gedichte"

HERAUSGEGEBEN UND EINGELEITET VON

JULIA VIRGINIA

BERLIN UND LEIPZIG HERMANN SEEMANN NACHFOLGER.

j)ie3C3-jBuq(^

6.— 10. Auflage.

yc^ößx:

Annette Droste! Du größte deutsche Dichterin, von der tcir ivissen, Ja du größte uuhl der Weltliteratur, neben deine?n Genius verblassen das mythenha/te Bild einer Sappho. die neuzeitliche Erscheinung der tendenziösen Ada Negri. geschweige denn all die jüngst emporgeschossenen Wildlinge im deutschen Dichtenvald, du knorrige Eiche, ragend in einsame Höhen!

Man hat das gebrechliche, icestfälisclie Freifräulein lange als eine Art „Überfrau" ]iinstdle7i wollen, der Menschliches, Allzu- menschliches fremd geblieben icäre oder aucli als ein Natrirspiel. bei dein männlicher Geist sich in ueiblidie Hülle verirrt habe eine schlechte Psychologie deiner tiefen, heißen Weihesseele, o große Annette.' Bei welchem männlichen Lyriker treten denn spezifisch iceibliche Eigenschaften tcie die der Hin- gabe, des Einfühlens in die Natur in solchem Maße zu Tage, wie sie uns die Dichterin cdlein in ihren herrlichen ,,Heide- lildern'' geoff'tubarf hat? Oder man blüttre

nur in ihren Briefen an den Jungen Freund, an Levin Schücking:

,,Hör, Kind! Ich gelte Jeden Tag den Weg nach Haltenau,, setze mich auf die erste Treppe, tvo ich Dich zu erivarten pflegte, und sehe, ohne Lorgnette, nach dem Wege bei Vogels Garten hinüber. Kömmt dann Je- mand, was Jedeti Tag ein xx^armal passiert, so kann ich mir, bei meiner Blindheit, lange einbilden. Du wärst es, und Du glaubst nicht, tcie viel mir das ist Auch Dein Zimmer habe ich hier, xco ich mich stundenlang in Deinen Sessel setzen kann, ohne daß mich Jemand stört und den Weg zum Turm, den ich so oft abends gegangen bin, ^md mein eigenes Zimmer mit dem Kanapee und Stuhl am Ofen ach Gott, überall! kurz, es wird m.ir sehr schtver, von hier zu gehen, obendrein noch ziveihundert Stunden weiter als wir Jetzt schon getrennt sind. Solltest Du es wohl recht wissen, icie lieb ich Dich habe? Ich glaube kaum."

An anderer Stelle:

,. Schreib mir nur oft, mein Talent steigt und stirbt mit Deiner Liebe; uas ich icerde, werde ich durch Dich und um, Deinet- u'illen; sonst wäre es mir viel lieber und bequemer, mir innerlich allein was vorzu-

dichten. Mich dünkt, könnte ich

Dich alle Tage nur zicei Minuten sehen, 0 Gott, nur einen Augenblick: dann würde

ich jetzt singen, daß die Lachse ans dem Bodensee sprängen, und die Möven sich mir auf die Schulter setzten.'-'

Findet ein Manhtceih solche -Töyie? Sind dies nicht Empfindungen einer Frau, die lieht, liebt trotz ihrer vierundvierzig Jahre mit der ganzen Inbrunst unverbrauchter Jugendglut '? Bei sokhen Stellen tiefster Innigkeit und nur mühsam verhaltener Leidenschaft hat man ufi willkürlich den freudig-schmerzlichen Gedanken, velchtvun- derherrliche Liebeslieder dieser Frauenmund

hätte singeyi kö7inen oder .sollte er

sie gesxmgen haben ? und sie sind nie zu den Ohren des Einen gelangt, geschweige demi zu den unsrigen sie ruJten vielleicht eingesargt in Familienarchiven, ängstlich vor Augen und Ohren der Menge gehütet, niemandem, zur Freude, dem Büchericurm zum Opfer. 0 möge dann ein gütiges Ge- schick über ihnen wachen, mögen sie dann späteren Geschlechtern erhalten bleiben zur frohen ÜberraschuTig in vorurteilsloseren Zeiten.

Ich habe mich redlich bemüht in den Besitz neuer, unveröffentlichter Gedichte der Jhroste zu gelangen leider mit geringem Erfolg nur eine einzige, bisher noch in keiner Sammlung vertretene Dichtung : Des Arztes Tod (vermutlich a7i den Vater An- nettens gerichtet) ko)inte ich diesem Werke

beifügen. Aber ich habe mich bestrebt aus der köstlichen Hinterlassenschaft vornehm- lich solche Gedichte auszuwählen . die das eigenste Wesen der Dichterin, ihr tief-gütiges, echt- weibliches Herz am schönsten wieder- zugeben vermögen.

Und so reihe ich dieses Buch all den anderen Schriften zur Droste-Literatur an; möge auch es dazu beitragen, neue Freund': zu den alten zu werben, auf daß diepropht- tischen Worte unserer Dichterin mehr und mehr in Erfüllung gehen tverden : Meine Lieder iierden leben, Wenn ich längst entschicand: Mancher icird vor ihnen beben, Der gleich nvir empfand.

Frankfurt a. .¥, im Juni MCMVII.

Julia Virginia.

ERSTER TEIL

HEIDEBILDER

Die Lerche.

örst du der Nacht gesporn- ten Wächter nicht? Sein Schrei verzitteit mit

dem Dämmerlicht, Und schlummertrunken

hebt aus Purpurdecken Ihr Haupt die Sonne ; in

das Aetherbecken Taucht sie die Stirn ; man sieht es nicht genau, Ob Licht sie zünde oder trink' im

Blau. Glührote Pfeile zucken auf und nieder Und wecken Taues Blitze, wenn im

Flug Sie streifen durch der Heide braunen

Zug. Da schüttelt auch die Lerche ihr Ge- fieder, Des Tages Herold seine Liverei ; Ihr Köpfchen streckt sie aus dem Ginster scheu.

Blinzt nun mit diesem, nun mit jenem

Aug'; Dann leise schwankt, es spaltet sich

der Strauch, Und wirbelnd des Mandates erste

Note Schießt in das feuchte Blau des Tages

Bote.

„Auf ! auf ! die junge Fürstin ist er- wacht !

Schlaftrunkne Kämm'rer, habt des Amtes acht ;

Du mit dem Saphirbecken Genziane,

Zwergweide du mit deiner Seiden- fahne,

Das Amt, das Amt, ihr Blumen all- zumal,

Die Fürstin wacht, bald tritt sie in den Saal!''

Da regen tausend Wimpern sich zu- gleich,

Maßliebchen hält das klare Auge offen,

Die Wasserlilie sieht ein wenig bleich,

Erschrocken, daß im Bade sie betrof- fen ;

Wie steht der Zitterhalm verschämt und zage !

Die kleine Weide pudert sich ge- schwind

Und reicht dem West ihr Seiden- tüchlein lind,

Daß zu der Hoheit Händen er es trage.

r.hrfürchtig beut den tauigen Pokal

Das Genzian, und nieder langt der Strahl ;

Prinz von Geblüte hat die erste Stätte

Er, immer dienend an der Fürstin Bette.

Der Purpur lischt gemach im Rosen- licht.

Am Horizont ein zuckend Leuchten bricht

Des Vorhangs Falten, und aufs neue singt

Die Lerche, daß es durch den Äther klingt :

„Die Fürstin kommt, die Fürstin steht am Tor !

Frischauf, ihr Musikanten in den Hal- len.

Laßt euer zartes Saitenspiel erschallen. Und. florbeflügelt Volk, heb an den

Chor. Die Fürstin kommt, die Fürstin steht

am Tor !''

Da krimmelt, wimmelt es im Heidge- zweige.

Die Grille dreht geschwind das Bein- chen um,

Streicht an des Taues Kolophonium

Und spielt so schäferlich die Liebes- geige.

Ein tüchtiger Hornist, f^.er Käfer, schnurrt.

Die Mücke schleift behend die Silber- schwingen,

Daß heiler der Triangel möge klingen ;

Diskant und auch Tenor die Fliege surrt ;

Und, immer mehrend ihren werten Gurt,

Die reiche Katze um des Leibes Mitten,

Ist als Bassist die Biene eingeschritten ;

Schwerfällig hockend in der Blüte rummeln

Das Kontraviolon die trägen Hum- meln. —

f.o tausendarmig ward noch nie ge- baut

Des Münsters Halle, wie im Heide- kraut

Gewölbe an Gewölben sich erschließen,

Gleich Labyrinthen ineinander schie- ßen.

So tausendstimmig stieg noch nie ein Chor,

Wie's musiziert aus grünem Heid her- vor.

Jetzt sitzt die Königin auf ihrem Throne,

Die Silberwolke Teppich ihrem Fuß,

Am Haupte flammt und o.uillt die Strahlenkrone,

Und lauter, lauter schallt des Herolds Gruß:

„Bergleute auf ! heraus aus eurem Schacht

Bringt eure Schätze, und du, Fabri- kant,

Ereit' vor der Fürstin des Gewandes Pracht,

Kaufherrn, enthüllt den Saphir, den Demant!"

Schau, wie es wimmelt aus der Erde Schoß,

Wie sich die schwarzen Knappen drängen, streifen,

Und mühsam stemmend aus den Stol- len schleifen

Gewalt'ge Stufen, wie der Träger groß;

Ameisenvolk, du machst es dir zu schwer !

Dein roh Gestein lockt keiner Fürstin Gnaden.

Doch sieh die Spinne, rutschend hin und her :

Schon zieht sie des Gewebes letzten Faden,

Wie Perlen klar, ein duftig Elfen- kleid ;

Viel edle Funken sind darin entglom- men ;

16

Da kommt der Wind und häkelt es vom Heid,

Es steigt, es flattert, und es ist ver- schwommen. —

Die Wolke dehnte sich, scharf strich

der Hauch, Die Lerche schwieg und sank zum

Ginsterstrauch.

Die Jagd.

Die Luft hat schlafen sich gelegt, Behaglich in das Moos gestreckt ; Kein Rispeln, das die Kräuter regt, Kein Seufzer, der die Halme weckt. Nur eine Wolke träumt mitunter Am blassen Horizont hinunter, Dort, wo das Tannicht überm Wall Die dunkeln Kandelaber streckt. Da horch, ein Ruf, ein ferner Schall : „Hallo ! hoho 1" so lang gezogen, Man meint, die Klänge schlagen

Wogen Im Ginsterfeld und wieder dort : „Hallo! hoho!" am Dickicht fort Ein zögernd Echo. alles still ! Man hört der Fliege Angstgeschrill

Im Mettennetz, den Fall der Beere, ^ Man hört im Kraut des Käfers Gang, l^: Und dann wie zieh'nder Kranich- ,X^ beere

;';' Kling, klang! von ihrer luftigen Fährte, , ' Wie ferner Unkenruf : Kling klang ! i^j Ein Läuten das Gewäld' entlang ':;:' Hui schlüpft der Fuchs den Wall '; hinab,

Er gleitet durch die Binsenspeere, Und zuckelt fürder seinen Trab: Und aus dem Dickicht, weiß wie Flocken, j/ Nach stäuben die lebend'gen Glocken, : Radschlagend an des Dammes Hang ; Wie Aale schnellen sie vom Grund, Und weiter, weiter, Fuchs und Hund.

Der schwankende Wacholder flüstert,

Die Binse rauscht, die Heide knistert.

Und stäubt Phalänen um die Meute.

Vi Sie jappen, klaffen nach der Beute,

J Schaumflocken sprühn aus Nas' und

Mund.

Noch hat der Fuchs die rechte Weite,

Gelassen trabt er, schleppt den

Schweif, Zieht in dem Taue dunklen Streif

18

Und zeigt verächtlich seine Socken. Doch bald hebt er die Lunte frisch, ^ Und, wie im Weiher schnellt der

Fisch, Fort setzt er über Kraut und Schmeh-

len, Wirft mit den Läufen Kies und

Staub ; Die Meute mit geschwollnen Kehlen ^

Ihm nach, wie rasselnd Winterlaub. Man höret ihre Kiefern knacken, In weitem Kreise so zum Tann, Wenn fletschend in die Luft sie v

hacken ; .'■'>

Und wieder aus dem Dickicht dann i; Ertönt das Glockenspiel der Bracken. -^ Was bricht dort im Gestrüppe am \^^'

Revier ? "•

Im holprichten Galopp stampft es den

Grund ; Ha, brüllend Herdenvieh ! voran der ;j''

Stier, Und ihnen nach klafft ein verspreng- ter Hund. Schwerfällig poltern sie das Feld /^

entlang, */i'

Das Hörn gesenkt, wagrecht des

Schweifes Strang,

<^^^^^ 19

Und taumeln noch ein paarmal in die Runde,

Eh Posto wird gefaßt im Heidegrunde.

Nun endlich stehn sie, murren noch zurück,

Das Dickicht messend mit verglastem Blick,

Dann sinkt das Haupt, und unter ihrem Zahne

Ein leises Rupfen knirrt im Thy- miane ;

Unwillig schnauben sie den gelben Rauch,

Das Euter streifend am Wacholder- strauch,

Und peitschen mit dem Schweife in die Wolke

Von summendem Gewürm und Flie- genvolke.

So, langsam schüttelnd den gefüllten Bauch

Fort grasen sie bis zu dem Heids- kolke.

Ein Schuß: ..Hallo!" ein zweiter

Schuß: „Hoho!" Die Herde stutzt, des Kolkes Spiegel

kraust

20

IhrBlasen, dann die Hälse streckend, so

Wie in des Dammes Mönch der Stru- del saust,

Ziehn sie das Wasser in den Schlund, sie prusten,

Die kranke Sterke schaukelt trag her- bei,

Sie schaudert, schüttelt sich in hohlem Husten,

Und dann ein Schuß, und dann ein Jubelschrei !

Das grüne Käppchen auf dem Ohr, Den halben Mond am Lederband. Trabt aus der Lichtung rasch hervor Bis mitten in das Heideland Ein Weidmann ohne Tasch' und

Büchse ; Er schwenkt das Hörn, er ballt die

Hand, Dann setzt er an, und tausend Füchse Sind nicht so kräftig totgeblasen. Als heut es schmettert übern Rasen.

Der Schelm ist tot, der Schelm ist tot ! Laßt uns den Schelm begraben ! Kriegen ihn die Hunde nicht. Dann fressen ihn die Raben. „Hoho, hallo !"

Da stürmt von allen Seiten es heran,

:> Die Bracken brechen aus Genist und

Tann ;

A"-^ Durch das Gelände sieht in wüsten

^) Reifen

'^j^ Man johlend sie um den Hornisten

,'^f's schweifen.

Sie ziehen ihr Geheul so hohl und

,>'■ lang,

ll Daß es verdunkelt der Fanfare Klang,

jl Doch lauter, lauter schallt die Gloria,

V; Braust durch den Ginster die Vikto-

;^, ria:

\^ „Hängt den Schelm ! hängt den 'i^: Schelm !

^ Hängt ihn an die Weide, , Mir den Balg und dir den Talg,

Dann lachen wir alle beide ;

Hängt ihn ! Hängt ihn ! -; Den Schelm, den Schelm!

Aus dem Gedichtzyklus :

Die Vogelhütte.

Es verrieselt, es verrauscht, Mählich aus der Wolke taucht Neu hervor der Sonnenadel, In den feinen Dunst die Fichte

^^:.

:^^P^ 22

"1

Ihre grünen Dornen streckt,

Wie ein schönes Weib die Nadel

In den Spitzenschleier steckt ;

Und die Heide steht im Lichte

Zahllos blanker Tropfen, die

Am Wachholder zittern, wie

Glasgehänge an dem Lüster.

Überm Grund geht ein Geflüster,

Jedes Kräutchen reckt sich auf,

Und in langgestrecktem Lauf,

Durch den Sand des Pfades eilend,

Blitzt das goldne Panzerhemd

Des Kuriers*) ; am Halme weilend

Streicht die Grille sich das Naß

Von der Flügel grünem Glas.

Grashalm glänzt wie eine Klinge,

Und die kleinen Schmetterlinge,

Blau, orange, gelb und weiß,

Jagen tummelnd sich im Kreis.

Alles Schimmer, alles Licht ; ^

Bergwald mag und Welle nicht <M

Solche Farbentöne hegen.

Wie die Heide nach dem Regen.

*) Buprestis, ein in allen Farben schim- mernder Prachtkäfer, der sich im Heidekraut aufhält.

If

^t=x=x;^^^^^ 23

Die Mergelgrube.

Stoß deinen Scheit drei Spannen in den Sand,

Gesteine siehst du aus dem Schnitte ragen,

Blau, gelb, zinnoberrot, als ob zur Gant

Natur die Trödelbude aufgeschlagen.

Kein Pardelfell war je so bunt ge- fleckt,

Kein Rebhuhn, keine Wachtel so ge- scheckt,

Als das Gerolle, gleißend wie vom Schliff,

Sich aus der Scholle bröckelt bei dem Griff

Der Hand, dem Scharren mit des Fußes Spitze.

Wie zürnend sturt dich an der schwarze Gneis,

Spatkugeln kollern nieder, milchig weiß.

Und um den Glimmer fahren Silber- blitze ;

Gesprenkelte Porphyre, groß und klein,

Die Ockerdruse tmd der Feuerstein

24

Nur wenige hat dieser Grund gezeugt, Der sah den Strand, und der des

Berges Kuppe ; Die zorn'ge Welle hat sie herge- scheucht, Leviathan mit seiner Riesenschuppe, Als schäumend übern Sinai er fuhr. Des Himmels Schleusen dreißig Tage

offen, Gebirge schmolzen ein wie Zucker- kand, Als dann am Ararat die Arche stand. Und eine fremde, üppige Xatur, Ein neues Leben quoll aus neuen Stof- fen. —

Findlinge nennt man sie, weil von der Brust,

Der mütterlichen, sie gerissen sind,

In fremde Wiege, schlummernd un- bewußt.

Die fremde Hand sie legt' wie's Fin- delkind.

O welch' ein Waisenhaus ist diese Heide,

Die Mohren, Blaßgesicht und rote Haut

25

^ Gleichförmig hüllet mit dem braunen ^; Kleide !

i^ Wie endlos ihre Zellenreihn gebaut ! ^ Tief ins Gebröckel, in die Mergel- grube

War ich gestiegen, denn der Wind zog scharf ;

Dort saß ich seitwärts in der Höhlen- stube

Und horchte träumend auf der Luft Geharf.

Es waren Klänge, wie wenn Geister- hall

Melodisch schwinde im zerstörten All;

Und dann ein Zischen, wie von Moores Klaffen ;

In sich zusammen brodelnd einge- sunken,

Mir überm Haupt ein Rispeln und ein Schaffen,

Als scharre in der Asche man den Funken.

Findlinge zog ich Stück auf Stück hervor

Und lauschte, lauschte mit berausch- tem Ohr.

26

•^

[Vor mir, um mich der graue Mergel nur;

Was drüber, sah ich nicht ; doch die Natur

Schien mir verödet, und ein Bild er- stand

Von einer Erde, mürbe, ausgebrannt ;

Ich selber schien ein Funken mir, der doch

Erzittert in der toten Asche noch,

Ein Findling im zerfallnen Welten- bau.

Die Wolke teilte sich, der \\'ind ward lau;

Mein Haupt nicht wagt' ich aus dem Hohl zu strecken.

Um nicht zu schauen der Verödung Schrecken,

Wie Neues quoll und Altes sich zer- setzte —

War ich der erste Mensch oder der letzte?

Ha, auf der Schieferplatte hier Me- dusen —

Noch schienen ihre Strahlen sie zu zücken.

27

Als sie geschleudert von des Meeres Busen

Und das Gebirge sank, sie zu zer- drücken.

Es ist gewiß, die alte Welt ist hin,

Ich Petrefakt, ein Mammutsknochen drin !

Und müde, müde sank ich an den Rand

Der staub'gen Gruft; da rieselte der Grand

Auf Haar und Kleider mir, ich ward so grau

Wie eine Leich' im Katakomben-Bau,

Und mir zu Füßen hört' ich leises Knirren,

Ein Rütteln, ein Gebröckel und ein Schwirren.

Es war der Totenkäfer, der im Sarg

Soeben eine frische Leiche barg;

Ihr Fuß, ihr Flügelchen empor ge- stellt

Zeigt eine Wespe mir von dieser Welt.

Und anders ward mein Träumen nun gewandet,

Zu einer Mumie ward ich versandet,

Mein Linnen Staub, fahlgrau mein Angesicht,

Und auch der Skarabäus fehlte nicht.

28

Wie, Leichen über mir? so eben gar

Rollt mir ein Byssusknäuel in den Schoß ;

Nein, das ist Wolle, ehrlich Lämmer- haar —

L'nd plötzlich ließen mich die Träume los.

Ich gähnte, dehnte mich, fuhr aus dem Hohl,

Am Himmel stand der rote Sonne- ball,

Getrübt von Dunst, ein glüher Kar- neol,

Und Schafe weideten am Heide- wall.

Dicht über mir sah ich den Hirten sitzen.

Er schlingt den Faden, und die Na- deln blitzen,

Wie er bedächtig seinen Socken strickt.

Zu mir hinunter hat er nicht ge- blickt.

,,Ave Maria" hebt er an zu pfeifen,

So sacht und schläfrig, wie die Lüfte streifen.

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Er schaut so seelengleich die Herde an,

Daß man nicht weiß, ob Schaf er oder Mann.

Ein Räuspern

dann, und lang- sam aus der Kehle

Schiebt den Ge- sang er in das Garngesträhle :

„Es stehet ein Fischlein in einem tie- fen See,

Danach tu ich wohl schauen, ob es kommt in die Höh' ;

Wandl' ich über Grunheide bis an den kühlen Rhein,

Alle meine Gedanken bei meinem Feinsliebchen sein.

30

Gleich wie der Mond ins Wasser

schaut hinein, Und gleich wie die Sonne im Wald

gibt güldenen Schein, Also sich verborgen bei mir die Liebe

find't Alle meine Gedanken, sie sind bei

dir, mein Kind.

Wer da hat gesagt, ich wollte wan- dern fort,

Der hat sein Feinsliebchen an einem andern Ort;

Trau nicht den falschen Zungen, was sie dir blasen ein,

Alle meine Gedanken, sie sind bei dir allein.'*

Ich war hinaufgeklommen, stand am

Bord, Dicht vor dem. Schäfer, reichte ihm

den Knäuel ; Er steckt' ihn an den Hut und strickte ^^^^

fort, "^J,

Sein weißer Kittel zuckte wie ein ':^'

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Heiß, heiß der Sorr

Drückt vom Zer r.

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Am Horizont die in ; Mich dünkt, man müBl es hören.

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Da zieht's in \\ Wie eine Wettr Kreist um die Und fällt am : Und wieder stc' Es flattert und Und immer nal Das Galgen vnlL

Im Moose lag ein Buch : ich hob es- auf

,,Bertuchs Naturgeschichte ; lest Ihr das?''

Da zog ein Lächeln seine Lippen auf :

,,Der lügt mal, Herr ! Doch das ist just der Spaß !

Von Schlangen, Bären, die in Stein verwandelt.

Als, wie Genesis sagt, die Schleusen ofifen ;

Wär's nicht zur Kurzweil, war' es schlecht gehandelt ;

Man weiß ja doch, daß alles Vieh ver- soffen."

Ich reichte ihm die Schieferplatte : ,, Schau,

Das war ein Tier." Da zwinkert' er die Brau

Und hat mir lange pfiffig nachge- lacht —

Daß i c h verrückt sei, hätt' er nicht gedacht !

-^-^^Säc^

Die Krähen.

Heiß, heiß der Sonnenbrand Drückt vom Zenit herunter, Weit, weit der gelbe Sand Zieht sein Gestäube drunter ; Nur wie ein grüner Strich Am Horizont die Föhren ; Mich dünkt, man müßt' es hören, Wenn nur ein Kanker schlich.

Der blasse Äther siecht, Ein Ruhen rings, ein Schweigen, Dem matt das Ohr erliegt; Nur an der Düne steigen Zwei Fichten dürr, ergraut, Wie Trauernde am Grabe, Wo einsam sich ein Rabe Die rupp'gen Federn kraut.

Da zieht's in Westen schwer Wie eine Wetterwolke, Kreist um die Föhren her Und fällt am Heidekolke ; Und wieder steigt es dann, Es flattert und es ächzet. Und immer näher krächzet Das Galgenvolk heran.

33

L

Recht, wo der Sand sich dämmt,

Da lagert es am Hügel ;

Es badet sich und schwemmt,

Stäubt Asche durch die Flügel,

Bis jede Feder grau;

Dann rasten sie im Bade

Und horchen der Suade

Der alten Krähen frau,

Die sich im Sande reckt, Das Bein lang ausgeschossen. Ihr eines Aug' gefleckt, Das andre ist geschlossen ; Zweihundert Jahr und mehr Gehetzt mit allen Hunden, Schnarrt sie nun ihre Kunden Dem jungen Volke her:

„Ja, ritterlich und kühn all sein Ge- bar !

Wenn er so herstolzierte vor der Schar

Und ließ sein bäumend Roß so drehn und schwenken,

Da mußt' ich immer an Sankt Görgen denken,

Den Wettermann, der als am Schlot ich saß

34

Und ließ die Sonne mir den Rücken

brennen Vom Wind getrillt mich schlug so

hart, daß baß Ich es dem alten Raben möchte

gönnen, Der dort von seiner Hopfenstange

schaut, Als sei ein Baum er und wir andern

Kraut!

„Kühn war der Halberstadt, das ist

gewiß ! Wenn er die Braue zog. die Lippe

biß, Dann standen seine Landsknecht' auf

den Füßen Wie Speere, solche Blicke könnt' er

schießen. Einst brach sein Schwert ; er riß die

Kuppel los. Stieß mit der Scheide einen Mann

vom Pferde. Ich war nur immer froh, daß flügel- los. Ganz sonder Witz der Mensch geboren

werde :

35

A^enn nie hab* ich gesehn. daß aus der

Schlacht Er eine Leber nur bei Seit' gebracht.

„An einem Sommertag, heut sind es grad

Zweihundert fünfzehn Jahr, es lief die Schnat

Am Damme drüben damals bei den Föhren

Ba konnte man ein frisch Drommeten hören.

Ein Schwerterklirren und ein Feld- geschrei,

Radschlagen sah man Reiter von den Rossen,

Und die Kanone fuhr ihr Hirn zu Brei;

Entlang die Gleise ist das Blut ge- flossen,

Granat' und Wachtel liefen kunterbunt

Wie junge Kibitze am sand'gen GrunJ.

,,Ich saß auf einem Galgen, wo das

Bruch Alan überschauen konnte recht mit

Fug;

^^^^ 36 -----

Dort an der Schnat hat Halberstadt gestanden,

Mit seinem Sehrohr streifend durch die Banden,

Hat seinen Stab geschwungen so und so :

Und wie er schwenkte, zogen die Sol- daten —

Da plötzlich aus den Mörsern fuhr die Loh',

Es knallte, daß ich bin zu Fall ge- raten,

Und als kopfüber ich vom Galgen schoß,

Da pfiff der Halberstadt davon zu Roß.

„Mir stieg der Rauch in Ohr und Kehl', ich schwang

Mich auf, und nach der Qualm in Strömen drang ;

Entlang die Heide fuhr ich mit Ge- krächze.

Die Rosse wälzten sich und zappelten,

Todwunde zuckten auf, Landsknecht' und Reiter

Knirschten den Sand, da näher trap- pelten

Schwadronen, manche krochen win- selnd weiter.

L

l/nd mancher hat noch einen Stich

versucht, Als über ihn der Bayer weggeflucht.

,,Noch lange haben sie getobt, ge- knallt,

Ich hatte mich geflüchtet in den Wald ;

Doch als die Sonne färbt' der Föh- ren Spalten,

Ha, welch ein köstlich Mahl wird da gehalten !

Kein Geier, schmaust', kein Weihe je so reich !

In achtzehn Schwärmen fuhren wir herunter.

Das gab ein Hacken, Picken, Leich' auf Leich'

Allein der Halberstadt war nicht dar- unter :

Nicht kam er heut, noch sonst mir zu Gesicht,

Wer i h n gefressen hat, ich weiß es nicht."

Sie zuckt die Klaue, kraut den Schopf Und streckt behaglich sich im Bade ; Da streckt ein grauer Herr den Kopf, Weit älter, als die Scheh'razade,

„Ha", krächzt er, ,,das war wüste

Zeit, Da gab's nicht Frauen, wie vor Jahren, Als Ritter mit dem Kreuz gefahren Und man die Münster hat geweiht!" Er hustet, speit ein wenig Sand und

Ton Dann hebt er an, ein grauer Seladon :

.,Und wenn er kühn, so war sie schön, Die heil'ge Frau im Ordenskleide ! Ihr mocht' der Weihel süßer stehn Als andern Güldenstück und Seide. Kaum war sie holder an dem Tag, Da ihr jungfräulich Haar man fällte, Als ich ans Kirchenfenster schnellte Und schier Tobias' Hündlein brach.

„Da stand die alte Gräfin, stand Der alte Graf, geduldig harrend; Er aufs Barettlein in der Hand, Sie fest aufs Paternoster starrend ; Ehrbar, wie bronzen sein Gesicht Und aus der Mutter Wimpern glitten Zwei Tränen aus der Schaube Mitten, Doch ihre Lippe zuckte nicht.

3^j

;,Und sie in ihrem Sammetkleid, Von Perlen und Juwel umfunkelt, Bleich war sie, aber nicht von Leid, Ihr Blick, doch nicht von Gram, ura-

dunkelt. So mild hat sie das Haupt gebeugt, Als woir auf den Altar sie legen Des Haares königlichen Segen, Vom Antlitz ging ein süß Geleucht.

„Doch als nun, wie am Blutgerüst, Ein Mann die Seidenstränge packte. Da faßte mich ein wild Gelüst, Ich schlug die Scheiben, daß es

knackte, Und flattert' fort, als ob der Stahl Nach meinem Nacken wolle zücken Ja, wahrlich, über Kopf und Rücken Fühlt' ich den ganzen Tag mich kahl !

„Und später sah ich manche Stund' Sie betend durch den Kreuzgang

schreiten, Ihr süßes Auge übern Grund Entlang die Totenlager gleiten ; Ins Quadrum flog ich dann hinab. Spazierte auf dem Leichensteine, Sang, oder suchte auch zum Scheine Nach einem Regenwurm am Grab.

40

„Wie sie gestorben, weiß ich nicht; Die Fenster hatte man verhangen, Ich sah am Vorhang nur das Licht Und hörte, wie die Schwestern

sangen ; Auch hat man keinen Stein geschafft Ins Quadrum, doch ich hörte sagen. Daß manchem Kranken Heil getragen Der sel'gen Frauen Wunderkraft.

;,Ein Loch gibt es am Kirchenend', Da kann man ins Gewölbe schauen, Wo matt die ew'ge Lampe brennt, Steinsärge ragen, fein gehauen ; Da streck' ich oft im Dämmergrau Den Kopf durchs Gitter, klage, klage Die Schlafende im Sarkophage, So hold, wie keine Krähenfrau 1"

Er schließt die Augen, stößt ein lang „Krahah !"

Gestreckt die Zunge und den Schna- bel offen ;

Matt, flügelhängend, ein zertrümmert Hoffen,

Ein Bild gebrochnen Herzens sitzt if da.

Da schnarrt es über ihm : ..Thr Narren

all !" Und nieder von der Fichte piumpt der

Rabe: „Ist einer hier, der hörte von Walhall, Von Teut und Tor und von dem Hü-

nengrabe ? Saht ihr den Opferstein" da mit

Gekrächz Hebt sich die Schar und klatscht ent- lang den Hügel. Der Rabe blinzt, er stößt ein kurz

Geächz, Die Federn sträubend wie ein zorn'ger

Igel; Dann duckt er nieder, kraut das kahle

Ohr, Noch immer schnarrend fort von Teut

und Thor.

42

Das Hirtenfeuer.

Dunkel, Dunkel im Moor, Über der Heide Nacht, Nur das rieselnde Rohr Neben der Mühle wacht. Und an des Rades Speichen Schwellende Tropfen schleichen.

Unke kauert im Sumpf,

Igel im Grase duckt.

In dem modernden Stumpf

Schlafend die Kröte zuckt,

Und am sandigen Hange

Rollt sich fester die Schlange.

Was glimmt dort hinterm Ginster Und bildet lichte Scheiben ? Nun wirft es Funkenflinster, Die löschend niederstäuben ; Nun wieder alles dunkel Ich hör' des Stahles Picken, Ein Knistern, ein Gefunkel, Und auf die Flammen zücken.

Und Hirtenbuben hocken Tm Kreis' umher, sie strecken Die Hände, Torfes Blocken Seh' ich die Lohe lecken ;

Da bricht ein starker Knabe Aus des Gestrüppes Windel Und schleifet nach im Trabe Ein wüst Wacholderbündel.

Er läßt's am Feuer kippen Hei, wie die Buben johlen, Und mit den Fingern schnippen Die Funken-Girandolen ! Wie ihre Zipfelmützen Am Ohre lustig flattern, Und wie die Nadeln spritzen, Und wie die Äste knattern 1

Die Flamme sinkt, sie hocken Aufs neu' umher im Kreise, Und wieder fliegen Brocken, Und wieder schwehlt es leise ; Glührote Lichter streichen An Haarbusch und Gesichte, Und schier Dämonen gleichen Die kleinen Heidewichte.

Der da, der unbeschuhte, Was streckt er in das Dunkel Den Arm wie eine Rute? Im Kreise welch Gemunkel?

^^..

44

Sie spähn wie junge Geier Von ihrer Ginsterschütte : Ha, noch ein Hirtenfeuer, Recht an des Dammes Glitte l

Man sieht es eben steigen Und seine Schimmer breiten, Den wirren Funkenreigen Übern Wacholder gleiten ; Die Buben flüstern leise, Sie räuspern ihre Kehlen, Und alte Heidew-eise Verzittert durch die Schmehlen.

„Helo, heloe !

Helo, heloe !

Komm du auf unsre Heide,

Wo ich mein Schäflein weide,

Komm, o komm in unser Bruch,

Da gibt's der Blümelein genug !

Helo, heloe!"

Die Knaben schweigen, lauschen nach

dem Tann, Und leise durch den Ginster zieht's

heran :

„Helo, heloe!

Ich sitze auf dem Walle,

Meine Schäflein schlafen alle.

Komm, o komm in unsern Kamp,

Da wächst das Gras wie Brahm so

lang! Helo, heloe ! Heloe, loe!''

Der Heidemann.

„Geht, Kinder, nicht zu weit ins

Bruch, Die Sonne sinkt, schon surrt den

Flug Die Biene matter, schlafgehemmt, Am Grunde schwimmt ein blasses

Tuch, Der Heidemann kömmt!"

Die Knaben spielen fort am Raine, Sie rupfen Gräser, schnellen Steine.. Sie plätschern in des Teiches Rinne, Erhaschen die Phalän' am Ried Und freun sich, wenn die Wasser- spinne Langbeinig in die Binsen flieht.

46

„Ihr Kinder, legt euch nicht ins Gras! Seht, wo noch grad' die Biene saß, Wie weißer Rauch die Glocken füllt. Scheu aus dem Busche glotzt der Has, Der Heidemann schwillt!"

Kaum hebt ihr schweres Haupt die

Schmehle Noch aus dem Dunst, in seine Höhle Schiebt sich der Käfer, und am Halme Die träge Motte höher kreucht. Sich flüchtend vor dem feuchten

Qualme, Der unter ihre Flügel steigt.

„Ihr Kinder, haltet euch bei Haus ! Lauft ja nicht in das Bruch hinaus ; Seht, wie bereits der Dorn ergraut, Die Drossel ächzt zum Nest hinaus. Der Heidemann braut!"

Man sieht des Hirten Pfeife glimmen, Und vor ihm her die Herde schwim- men, Wie Proteus seine Robbenscharen Heimschwemmt im grauen Ozean. Am Dach die Schwalben zwitschernd

fahren. Und melancholisch kräht der Hahn.

„Ihr Kinder, bleibt am Hofe dicht! Seht, wie die feuchte Nebelschicht Schon an des Pförtchens Klinke reicht ; Am Grunde schwimmt ein falsches Lichte Der Heidemann steigt!"

Nun strecken nur der Föhren Wipfel Noch aus dem Dunste grüne Gipfel, Wie übern Schnee Wacholderbüsche ; Ein leises Brodeln quillt im Moor, Ein schwaches Schrillen, ein Gezische Dringt aus der Niederung hervor.

„Ihr Kinder kommt, kommt schnell

herein, Das Irrlicht zündet seinen Schein, Die Kröte schwillt, die Schlang' im Ried ; Jetzt ist's unheimlich draußen sein, Der Heidemann zieht!"

Nun sinkt die letzte Nadel, rauchend Zergeht die Fichte, langsam tauchend Steigt Nebelschemen aus dem Moore, Mit Hünenschritten gleitet's fort ; Ein irres Leuchten zuckt im Rohre, Der Krötenchor beginnt am Bord.

Und plötzlich scheint ein schwaches

Glühen Des Hünen Glieder zu durchziehen;

48

Es siedet auf, es färbt die Wellen, Der Nord, der Nord entzündet sich Glutpfeile, Feuerspeere schnellen, Der Horizont ein Lavastrich !

„Gott gnad' uns ! wie es zuckt und

dräut, Wie's schwehlet an der Dünenscheid' I Ihr Kinder, faltet eure Hand', Das bringt uns Pest und teure Zeit Der Heidemann brennt!**

Das Haus in der Heide.

AVie lauscht, vom Abendschein um- zuckt, Die strohgedeckte Hütte, Recht wie im Nest der Vogel duckt. Aus dunkler Föhren Mitte.

49

Am Fensterloche streckt das Haupt Die weißgestirnte Sterke, Bläst in den Abendduft und schnaubt Und stößt ans Holzgewerke.

Seitab ein Gärtchen, dornumhegt, Mit reinlichem Gelände, Wo matt ihr Haupt die Glocke trägt, Aufrecht die Sonnenwende.

Und drinnen kniet ein stilles Kind, Das scheint den Grund zu jäten. Nun pflückt sie eine Lilie lind Und wandelt längs den Beeten.

Am Horizonte Hirten, die Im Heidekraut sich strecken Und mit des Aves Melodie Träumende Lüfte wecken.

Und von der Tenne ab und an Schallt es wie Hammerschläge, Der Hobel rauscht, es fällt der Span, Und langsam knarrt die Säge.

Da hebt der Abendstern gemach Sich aus den Föhrenzweigen, Und grade ob der Hütte Dach Scheint er sich mild zu neigen.

50

Es ist ein Bild, wie still und heiß Es alte Meister hegten, Kunstvolle Mönche, und mit Fleiß Es auf den Goldgrund legten.

Der Zimmermann die Hirten gleich Mit ihrem frommen Liede, Die Jungfrau mit dem Lilienzweig, Und rings der Gottesfriede.

Des Sternes wunderlich Geleucht Aus zarten Wolkenfloren Ist etwa hier im Stall vielleicht Christkindlein heut geboren ?

Der Knabe im Moor.

O, schaurig ist's, übers Moor zu gehn. Wenn es wimmelt vom Heiderauche, Sich wie Phantome die Dünste drehn Und die Ranke häkelt am Strauche, Unter jedem Tritte ein Quellchen

springt. Wenn aus der Spalte es zischt und

singt, O, schaurig ist's, übers Moor zu gehn, Wenn das Röhricht knistert im

Hauche!

/;:?.: -^., _ i Fibel das ziitemde Kind Und reimt, als ob man es jag«; HoM über die Fläciie saiiset <fer

Wvad Was raschelt drüben am Hage? Das ist der gespenstische Gräber^

knecht. Der dem Meister die besten Torfe

▼erzecht; Ho, hu. es bricht wie ein irres Rind! Hindticket das Knäblein zage.

Vom Ufer starret Gestnmpf konror. Unheimlich nicket die Föhre, Der Knabe rennt, gespannt das Ohr. Durch Riesenhalme wie Speere : Und wie es rieselt nnd knittert drin ! Das ist die unselige Spinnerin, Das ist die gebannte Spinnlenor', Die dea Haspel dreht im Geröhre!

Voran, voran I nur immer im T.anf, Voran, als woll" es ihn holen! Vor seinem Fuße brodelt es auf. Es pfeift ihm unter den Sohlen Wie eine gespenstige Melodei : Das ist der Geigenmann ungetreu. Das ist der diebische Fiedler Knauf, Der den Hochzeitheller gestohlai!

52

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Fest hält die Fibel das zitternde Kind

Und rennt, als ob man es jage;

Hohl über die Fläche sauset der Wind

Was raschelt drüben am Hage?

Das ist der gespenstische Gräber- knecht,

Der dem Meister die besten Torfe verzecht ;

Hu, hu, es bricht wie ein irres Rind !

Hinducket das Knäblein zage.

Vom Ufer starret Gestumpf hervor. Unheimlich nicket die Föhre, Der Knabe rennt, gespannt das Ohr, Durch Riesenhalme wie Speere ; Und wie es rieselt und knittert drin ! Das ist die unselige Spinnerin, Das ist die gebannte Spinnlenor', Die den Haspel dreht im Geröhre !

Voran, voran ! nur immer im Lauf, Voran, als woU' es ihn holen ! Vor seinem Fuße brodelt es auf, Es pfeift ihm unter den Sohlen Wie eine gespenstige Melodei ; Das ist der Geigenmann ungetreu. Das ist der diebische Fiedler Knauf, Der den Hochzeitheller gestohlen !

52

Da birst das Moor, ein Seufzer geht Hervor aus der klaffenden Höhle ; Weh, weh, da ruft die verdammte

Margret : „Ho, ho, meine arme Seele!" Der Knabe springt wie ein wundes

Reh; A'är' nicht Schutzengel in seiner Näh'. >eine bleichenden Knöchelchen fände

spät Ein Gräber im Moorgeschwehle.

Da mählich gründet der Boden sich, Und drüben, neben der Weide, Die Lampe flimmert so heimatlich, Der Knabe steht an der Scheide. Tief atmet er auf, zum Moore zurück Noch immer wirft er den scheuen

Blick : Ja, im Geröhre war's fürchterlich, O, schaurig war's in der Heide !

WM

53

ZWEITER TEIL

FELS, WALD UND SEE

Ich steh' auf hohemBalkone am Turm,

Umstrichen vom schreien- den Stare, Undlass'gleich einer Mänade den Sturm Mir wühlen im flatternden Haare ; O wilder Geselle, o toller Fant, Ich möchte dich kräftig umschlingen, Und, Sehne an Sehne, zwei Schritte

vom Rand Auf Tod und Leben dann ringen !

Und drunten seh' ich am Strand, so

frisch Wie spielende Doggen, die Wellen

b

57

Sich tummeln rings mit Geklaff und

Gezisch Und glänzende Flocken schnellen. O, springen möcht' ich hinein alsbald. Recht in die tobende Meute, Und jagen durch den korallenen Wald Das Walroß, die lustige Beute !

Und drüben seh' ich ein Wimpel wehn

So keck wie eine Standarte,

Seh' auf und nieder den Kiel sich

drehn Von meiner luftigen Warte ; O, sitzen möcht' ich im kämpfenden

Schiff, Das Steuerruder ergreifen Und zischend über das brandende Riff Wie eine Seemöwe streifen.

War' ich ein Jäger auf freier Flur, Ein Stück nur von einem Soldaten, War' ich ein Mann doch mindestens

nur. So würde der Himmel mir raten ; Nun muß ich sitzen so fein und klar. Gleich einem artigen Kinde, Und darf nur heimlich lösen mein Haar Und lassen es flattern im Winde !

58

Im Moose.

Als jüngst die Nacht dem sonnen- müden Land Der Dämmrung leise Boten hat ge- sandt. Da lag ich einsam noch in Waldes

Moose. Die dunklen Zweige nickten so vertraut, An meiner Wange flüsterte das Kraut, Unsichtbar duftete die Heiderose.

Und flimmern sah ich durch der Linde Raum

Ein mattes Licht, das im Gezweig der Baum

Gleich einem mächt'gen Glühwurm schien zu tragen,

Es sah so dämmernd wie ein Traum- gesicht,

Doch wußte ich, es war der Heimat Licht,

In meiner eignen Kammer ange- schlagen.

Ringsum so still, daß ich vernahm im

Laub Der Raupe Nagen, und wie grüner

Staub

59

Mich leise wirbelnd Blätterflöckchen trafen.

Ich lag und dachte, ach, so manchem nach,

Ich hörte meines eignen Herzens Schlag,

Fast war es mir, als sei ich schon ent- schlafen.

Gedanken tauchten aus Gedanken auf,

Das Kinderspiel, der frischen Jahre Lauf,

Gesichter, die mir lange fremd ge- worden ;

Vergeßne Töne summten um mein Ohr,

Und endlich trat die Gegenwart hervor.

Da stand die Welle, wie an Ufers Borden.

Dann, gleich dem Bronnen, der ver- rinnt im Schlund

Und drüben wieder sprudelt aus dem Grund,

So stand ich plötzlich in der Zu- kunft Lande ;

60

Ich sah mich selber, gar gebückt und

klein, Geschwächten Auges, am ererbten

Schrein Sorgfältig ordnen staub'ge Liebes-

pfande.

Die Bilder meiner Lieben sah ich klar, In einer Tracht, die jetzt veraltet war, Mich sorgsam lösen aus verblichnen

Hüllen, Löckchen, vermorscht, zu Staub zer- fallen schier, Sah über die gefurchte Wange mir Langsam herab die karge Träne quil- len.

Und wieder an des Friedhofs Monu- ment,

Dran Namen standen, die mein Lieben kennt,

Da lag ich betend, mit gebrochnen Knieen,

Und horch, die Wachtel schlug ! Kühl strich der Hauch

Und noch zuletzt sah ich, gleich einem Rauch,

Mich leise in der Erde Poren ziehen.

61

Ich fuhr empor und schüttelte mich

dann, Wie einer, der dem Scheintod erst

entrann, Und taumelte entlang die dunklen

Hage, Noch immer zweifelnd, ob der Stern

am Rain Sei wirklich meiner Schlummerlampe

Schein Oder das ew'sre Licht am Sarkophage.

Das alte Schloß.

Auf der Burg haus*

ich am Berge, Unter mir der blaue

See, Höre nächtlich Ko- boldzwerge, Täglich Adler aus

der Höh', Und die grauen Ahnenbilder Sind mir Stubenkameraden, Wappentruh' und Eisenschilder Sofa mir vmd Kleiderladen.

62

Schreit' ich über die Terrasse Wie ein Geist am Runenstein, Sehe unter mir die blasse Alte Stadt im Mondenschein, Und am Walle pfeift es weidlich, Sind es Käuze oder Knaben? Ist mir selber oft nicht deutlich, Ob ich lebend, ob begraben !

Mir genüber gähnt die Halle, Grauen Tores, hohl und lang, Drin mit wunderlichem Schalle Langsam dröhnt ein schwerer Gang, Mir zur Seite Riegel züge. Ha, ich öffne, laß die Lampe Scheinen auf der Wendelstiege Lose modergrüne Rampe,

Die mich lockt wie ein Verhängnis Zu dem unbekannten Grund ; Ob ein Brunnen? ob Gefängnis? Keinem Lebenden ist's kund ; Denn zerfallen sind die Stufen, Und der Steinwurf hat nicht Bahn, Doch als ich hinab gerufen, Donnert's fort wie ein Orkan.

63

Ja, wird mir nicht baldigst fade Dieses Schlosses Romantik, In den Trümmern ohne Gnade Brech' ich Glieder und Genick; Denn, wie trotzig sich die Düne Mag am flachen Strande heben, Führ ich stark mich wie ein Hüne, Von Zerfallendem umgeben.

Fragment.

Savoyen, Land beschneiter Höhn, Wer hat dein kräftig Bild gesehn. Wer trat in deiner Wälder Nacht, Sah auf zu deiner Wipfel Pracht, Wer stand an deinem Wasserfall, Wer lauschte deiner Ströme Hall Und nannte dich nicht schön ? Du Land des Volks, dem Reiche

weihen Ruhmvoll den Namen des getreuen, Bist herrlich, wenn der Frühlings- sturm Die Berggewässer schäumend führt. Und deiner Fichte schlanker Turm Sich mit der jungen Nadel ziert;

64

Bist reizend, wenn die Somraerglut Erzittert um den Mandelbaum ; Doch in des Herbstes goldner Flut Du ruhst gleich dunkeln Auges Traum. Dann treibt der Wind kein rasselnd

Laub Durch brauner Heiden Wirbelstaub; Wie halb bezwungne Seufzer wallen. Nur leis' die zarten Nadeln fallen, Als wagten sie zu flüstern kaum.

Der Tag bricht an ; noch einsam steigt

Das Sonnenrund am Firmament ;

Am Strahl, der auf und nieder streicht,

Gemach der Erdbeerbaum entbrennt ;

Noch will das Genzian nicht wagen

Die dunklen Wimpern aufzuschlagen;

Noch schläft die Luft im Nebeldicht.

Welch' greller Schrei die Stille bricht?

Der Auerhahn begrüßt das Licht ;

Er schaukelt, wiegt sich, macht sich breit.

Er putzt sein stattlich Federkleid,

Und langsam streckt ihr stumpf Ge- sicht

Marmotte aus hohlen Baumes Nacht :

Das Leben, Leben ist erwacht ;

65

Die Geier pfeifen, Birkhahn ruft, Schneehühner flattern aus der Kluft; Die Fichten selbst, daß keiner säume, Erzählen flüsternd sich die Träume. Und durch Remy geht überall Ein dumpf Gemurr von Stall zu Stall.

66

DRITTER TEIL

GEDICHTE VERMISCHTEN INHALTS

67

Mein Beruf.

..Was meinem Kreise mich enttrieb, Der Kammer friedlichem Gelasse?" Das fragt ihr mich, als sei, ein Dieb, Ich eingebrochen am Parnasse. So hört denn, hört, weil ihr gefragt : Bei der Geburt bin ich geladen, Ivlein Recht, so weit der Himmel tagt, Und meine Macht von Gottes Gnaden,

Jetzt, wo hervor der tote Schein Sich drängt am modervollen Stumpfe, Wo sich der schönste Blumenrain Wiegt über dem erstorbnen Sumpfe, Der Geist, ein blutlos Meteor, Entflammt und lischt im Moorge- schwehle.

Jetzt ruft die Stunde . „Tritt tiervor. Mann oder Weib, lebend' ge Seelei*

„Tritt zu dein Träumer, den aIIi Rano Entschläfert der Datuid Odem, Der, langsam gleitend von der Wana, Noch zucket gen den Zauberbrodem. Und wo ein Mund zu lächeln weiß Im Traum, ein Auge noch zu weinen. Da schmettre laut, da flüstre leis, Trompetenstoß und West in Hainen !

„Tritt näher, wo die Sinnenlust Als Liebe gibt ihr wüstes Ringen, Und durch der eignen Mutter Brust Den Pfeil zum Ziele möchte bringen, Wo selbst die Schande flattert auf. Ein lustiges Panier zum Siege, Da rüttle hart : „Wach auf, wach auf, Unsel'ger, denk an deine Wiege !"

„Denk an das Aug', das überwacht Noch eine Freude dir bereitet. Denk an die Hand, die manche Nacht Dein Schmerzenslager dir gebreitet, Des Herzens denk, das einzig wund Und einzig selig deinetwegen. Und dann knie nieder auf den Grund Und fleh um deiner Mutter Segen 1'*

„Und wo sich träumen wie in Haft Zwei einst so glüh ersehnte Wesen, Als hab* ein Priesterwort die Kraft, Der Banne seligsten zu lösen, Da flüstre leise : „Wacht, o wacht ! Schaut in das Auge euch, das trübe, Wo dämmernd sich Erinnrung facht, Und dann : wach auf, o heil'ge Liebe !"

„Und wo im Schlafe zitternd noch Vom Opiat die Pulse klopfen, Das Auge dürr, und gäbe doch Sein Sonnenlicht um einen Tropfen O, rüttle sanft : „Verarmter, senk Die Blicke in des Äthers Schöne, Kos' einem blonden Kind und denk An der Begeistrung erste Träne."

So rief die Zeit, so ward mein Amt Von Gottes Gnaden mir gegeben, So mein Beruf mir angestammt, Im frischen Mut, im warmen Leben ; Ich frage nicht, ob ihr mich nennt. Nicht fröhnen mag ich kurzem

Ruhme, Doch wißt : wo die Sahara brennt. Im Wüstensand, steht eine Blume.

rarbios und Duftes bar, nichts weiß Sie, als den frommen Tau zu hüten Und dem Verschmachtenden ihn leis In ihrem Kelche anzubieten. Vorüber schlüpft die Schlange scheu, Und Pfeile ihre Blicke regnen, Vorüber rauscht der stolze Leu, Allein der Pilger wird sie segnen.

Katharina Schücking.*)

Du hast es nie geahnet, nie gewußt,

Wie groß mein Lieben ist zu dir ge- wesen.

Nie hat dein klares Aug' in meiner Brust

Die scheu verhüllte Runenschrift ge- lesen.

Wenn du mir freundlichst reichtest deine Hand,

Und wir zusammen durch die Grüne wallten.

Nicht wußtest du, daß wie ein Götter- pfand

Ich, wie ein köstlich Kleinod sie ge- halten.

*) An die Mutter von Levin Schücking.

Du sahst mich nicht, als ich, ein hef- tig Kind,

Vom ersten Kuß der jungen Muse trunken

Im Garten kniete, wo die Quelle rinnt,

Und weinend in die Gräser bin gesun- ken ;

Als zitternd ich gedreht der Türe Schloß,

Da ich zum ersten Mal dich sollte schauen,

Westfalens Dichterin, und wie da floß

Durch mein bewegtes Herz ein selig Grauen.

Sehr jung war ich und sehr an Liebe reich,

Begeisterung der Hauch, von dem ich lebte ;

Ach ! manches ist zerstäubt, der Asche gleich.

Was einst als Flamme durch die Adern bebte ;

Mein Blick war klar und mein Er- kennen stark.

Von seinem Throne mußte manches steigen.

73

Und was ich einst genannt des Leben?

Mark, Das fühlt' ich jetzt mit frischem Stolz

mein eigen.

So scheut' ich es, als fromme Schülerin,

Dir wieder in das dunkle Aug' zu sehen.

Ich wollte nicht vor meiner Meisterin

Hochmütig, mit bedecktem Haupte, stehen.

Auch war ich krank, mein Sinnen sehr verwirrt,

Und keinen Namen mocht' ich seh- nend nennen ;

Doch hat dies deine Liebe nicht geirrt,

Du drangst zu mir nach langer Jahre Trennen.

Und als du vor mich tratest, fest vmd

klar. Und blicktest tief mir in der Seele

Gründe, Da ward ich meiner Schwäche wohl

gewahr. Was ich gedacht, das schien mis

schwere Sünde.

Dein Bild, du Starke in der Läutrung Brand,

Stieg wie ein Phönix aus der Asche wieder.

Und tief im Herzen hab' ich es er- kannt,

Wie zehnfach größer du als deine Lieder.

Du sahst, Bescheidne, nicht, daß da- mals hier

Aus deinem Blick Genesung ich ge- trunken.

Und deines Mundes Laute damals mir

Wie Naphta in die Seele sind ge- sunken.

Ein jedes Wort, durchsichtig wie Kristall

Und kräftig gleich dem edelsten der Weine,

Schien mir zu rufen: ,,Auf! der Lau- nen Ball,

Steh auf! erhebe dich, du Schwach' und Kleine!"

Nun bist du hin! von Gottes reinstem

Bild Ist nur ein grüner Hügel uns geblieben. Den heut' umziehn die Winterstürme wild F'nd die Gedanken derer, die sich lieben,

Auch hört' ich, daß man einen Kranz gelegt

Von Lorbeer in des Grabes dunkle Moose,

Doch ich, Kathinka, widme dir be- wegt

Den Efeu und die dornenvollste Rose.

Junge Liebe.

über dem

Brünnlein

nicket der

Zweig,

Waldvögel zwitschern und

flöten, Wild Anemon' und Schleh- dorn bleich Im Abendstrahle sich röten. Und ein Mädchen mit blondem Haar Beugt über der glitzernden Welle, Schlankes IMädchen, kaum fünfzehn

Jahr, Mit dem Auge der scheuen Gazelle

Ringelblumen blättert sie ab : „Liebt er?" „liebt er mich nim- mer?" Und wenn „liebt" das Orakel gab, Um ihr Antlitz gleitet ein Schimmer : „Liebt er nicht" o Grimm und

Graus ! Daß der Himmel den Blüten gnade ! Gras und Blumen, den ganzen Strauß Wirft sie zürnend in die Kaskade.

Gleitet dann in die Kräuter lind, Ihr Auge wird ernst und sinnend ; Frommer Eltern heftiges Kind, Nur Minne nehmend und minnend, Kannte sie nie ein anderes Band Als des Blutes, die schüchterne Hinde ; Und nun einer, der nicht verwandt Ist das nicht eine schwere Sünde?

Mutlos seufzet sie niederwärts, In argem Schämen und Grämen, Will zuletzt ihr verstocktes Herz Recht ernstlich in Frage nehmen. Abenteuer sinnet sie aus : Wenn das Haus nun stände in Flam- men, Und um Hilfe riefen heraus Der Karl und die Mutter zusammen ?

77

Plötzlich ein Perlenregen dicht Stürzt ihr glänzend aus beiden

Augen, In die Kräuter gedrückt ihr Gesicht, Wie das Blut der Erde zu saugen, Ruft sie schluchzend: „Ja, ja, ja!" Ihre kleinen Hände sich ringen, ,, Retten, retten würd' ich Mama Und zum Karl in die Flamme

springen !"

Das vierzehnjährige Herz.

Er ist so schön sein lichtes Haar

Das möcht' ich mit keinem vertau- schen,

Wie seidene Fäden so weich und klar,

Wenn üarte Löckchen sich bauschen ;

Oft streich!' ich es, dann lacht er traun,

Nennt mich „seine alberne Barbe" ;

Es ist nicht schwarz, nicht blond, nicht braun.

Nun ratet, wie nennt sich die Farbe?

Und seine Geberde ist königlich, Geht majestätisch zu Herzen,

78

Zuckt er die Eratie, dann furcht' ich mich

Und möchte auch weinen vor Schmer- zen ;

Und wieder, seh' ich sein Lächeln blühn,

So klar wie das reine Gewissen,

Da möchte ich gleich auf den Schemel knien

Und die guten Hände ihm küssen.

Heut' bin ich in aller Frühe erwacht, Beim ersten Glitzern der Sonnen, Und habe mich gleich auf die Sohlen

gemacht Zum Hügel drüben am Bronnen ; Erdbeeren fand ich, glüh wie Rubin, Schau, wie im Korbe sie lachen ! Die stell' ich ihm nun an das Lager

hin. Da sieht er sie gleich beim Erwachen.

Ich weiß, er denkt mit dem ersten

Blick : „Das tat meine alberne Barbe !" Und freundlich streicht er das Haar

zurück Von seiner rühmlichen Narbe,

Ruft mich bei Namen und zieht mich

nah, Daß Tränen die Augen mir trüben ; Ach, er ist mein herrlicher Vater ja, Soll ich ihn denn nicht lieben, nicht

lieben ?

Kinderspiel.

Wie sind meine Finger so grün,

Blumen hab' ich zerrissen ;

Sie wollten für mich blühn

Und haben sterben müssen.

Sie neigten sich in mein Angesicht

Wie fromme schüchterne Lider,

Ich war in Gedanken, ich achtet's

nicht Und bog sie zu mir nieder. Zerriß die lieben Glieder In sorgenlosem Mut. Da floß ihr grünes Blut Um meine Finger nieder; Sie klagten nicht, sie weinten nicht, Sie starben ohne Laut, Nur dunkel ward ihr Angesicht, Wie wenn der Himmel graut.

^

Sie konnten's mir nicht ersparen. Sonst hatten sie es getan ; Wo bin ich hingefahren In trübem Sinneswahn?

O töricht Kinderspiel, O schuldlos Blutvergießen ! Gleicht's auch dem Leben viel, Laßt mich die Augen schließen, Denn was geschehn ist, ist geschehn. Und wer kann für die Zukunft stehn ?

Brennende Liebe.*)

Und willst du wissen, warum So sinnend ich manche Zeit, Mitunter so töricht und

dumm, So unverzeih- lich zerstreut. Willst wissen auch ohne Gnade, Was denn so Liebes enthält Die heimlich verschlossene Lade. An die ich mich öfters gestellt?

*) Crataegus pyrncantha, auch tonst -icr „brennende Buscli" o'ennnnt.

Zwei Augen hab' ich geselin,

Wie der Strahl im Gewässer sieb

bricht, Und wo zwei Augen nur stehn, Da denke ich an ihr Licht. Ja, als du neulich entwandtest Die Blume vom blühenden Rain Und „Oculus Christi" sie nanntest, Da fielen d i e Augen mir ein.

Auch gibt's einer Stimme Ton, Tief, zitternd, wie Hornes Hall,

0; Die tut's mir völlig zum Hohn,

ik^, Sie folget mir überall.

^' Als jüngst im flimmernden Saale Mich quälte der Geigen Gegell, Da hört' ich mit einemmale D i e Stimme im Violoncell.

Auch weiß ich eine Gestalt, So leicht und kräftig zugleich. Die schreitet vor mir im Wald Und gleitet über den Teich ; Ja, als ich eben in Sinnen Sah über des Mondes Aug' Einen Wolkenstreifen zerrinnen. Das war ihre Form, wie ein Rauch,

82

Und höre, höre zuletzt,

Dort liegt, da drinnen im Schrein,

Ein Tuch mit Blute genetzt,

Das legte ich heimlich hinein.

Er ritzte sich nur an der Schneide,

Als Beeren vom Strauch er mir hieb,

Nun hab' ich sie alle beide.

Sein Blut und meine brennende Lieb*.

Instinkt.

Bin ich allein, verhallt des Tages Rauschen,

Im frischen Wald, im braunen Heide- land,

Um mein Gesicht die Gräser nickend bauschen,

Ein Vogel flattert an des Nestes Rand,

Und mir zu Füßen liegt mein treuer Hund,

Gleich Feuerwürmern seine Augen glimmen

Dann kommen mir Gedanken, ob ge- sund,

Ob krank, das mag ich selber nicht bestimmen.

Ergründen möcht' ich, ob das Blut,

das grüne, Kein Lebenspuls durch jene Kräuter

trägt, Ob Dionaea*) um die kühne Biene Bewußtlos ihre rauhen Netze schlägt, Was in dem weißen Sterne**) zuckt

und greift. Wenn er, die Fäden streckend, leise

schauert, Und ob, vom Duft der Menschenhand

gestreift, Gefühllos ganz die Sensitive trauert?

Und wieder muß ich auf den Vogel

sehen. Der dort so zürnend seine Federn

sträubt, Mit kriegerischem Schrei mich aus

den Nähen Der nackten Brut nach allen Kräften

treibt. Was ist Instinkt? tiefsten Gefühles

Herd;

*) Dionaea muscipula, auch die ,,I''liegea- falle" genannt.

**) Sparrainannia.

Instinkt trieb auch die Mutter zu dem Kinde,

Als jene Fürstin, von der Glut ver- zehrt*),

Als Heirge ward posaunt in alle Winde.

Und du, mein zott'ger Tremm, der

schlafestrunken Noch ob der Herrin wacht und durch

das Grün Läßt blinzelnd streifen seiner Blicke

Funken, Sag' an, was deine klugen Augen

glühn ? Ich bin es nicht, die deine Schale

füllt, Nicht gab der Nahrung Trieb dich

mir zu eigen. Und mit der Sklavenpeitsche kann

mein Bild Noch minder dir im dumpfen Hirne

steigen.

*) Bei einem Feste des Fürsten Schwarzen- ber^ in Paris zur Feier der Vermählung Na- polcins mit Marie Louise am i. Juli 1810 fand die Fürstin ihren Tod in den Flammen.

85

Wer Tcann mir sagen, ob des Hundes

Seele Hinaufwärts, oder ob nach unten

steigt ? Und müde, müde drück ich in die

Schmehle Mein Haupt, wo siedend der Gedanke

steigt. Was ist es, das ein hungermattes Tier, Mit dem gestohlnen Brote für das

bleiche Blutrünst'ge Antlitz, in das Wald- revier Läßt flüchten und verschmachten bei

der Leiche?

Das sind Gedanken, die uns könnten töten.

Den Geist betäuben, rauben jedes Glück,

Mit tausendfachem Mord die Hände röten,

Und leise schaudernd wend' ich mei- nen Blick.

O schlimme Zeit, die solche Gäste rief

In meines Sinnes harmlos lichte Bläue?

O schlechte Welt, die mich so lang' und tief

Ließ grübeln über eines Pudels Treue i

86

Die rechte Stunde.

Im heitern Saal beim Kerzenlicht, Wenn alle Lippen sprühen Funken ; Und gar, vom Sonnenscheine trunken, Wenn jeder Finger Blumen bricht; Und vollends an geliebtem Munde, Wenn die Natur in Flammen

schwimmt, Das ist sie nicht, die rechte Stunde, Die dir der Genius bestimmt.

Doch wenn so Tag als Lust versank, Dann wirst du schon ein Plätzchen

wissen, Vielleicht in deines Sofas Kissen, Vielleicht auf einer Gartenbank : Dann klingt's wie halb verstandne

Weise, Wie halb verwischter Farben Guß Verrinnt's um dich, und leise, leise Berührt dich dann dein Genius.

Not.

W^as redet ihr soviel von Angst und Not In eurem tadellosen Treiben? Ihr frommen Leute schlagt die Sorge tot. Sie will ja doch nicht bei euch bleiben !

Doch wo die Not, um die das Mit- leid weint,

Nur wie der Tropfen an des Trinkers Hand,

Indes die dunkle Flut, die keiner meint,

Verborgen steht bis an der Seele Rand

Ihr frommen Leute wollt die Sorge kennen.

Und habt doch nie die Schuld gesehn !

Doch sie, sie dürfen schon das Leben nennen

Und seine grauenvollen Höhn !

Hinauf schallt's wie Gesang und

Loben, Und tim die Blumen spielt der Strahl, Die Menschen wohnen still im Tal, Die dunklen Geier horsten droben.

Locke und Lied.

Meine Lieder sandte ich dir. Meines Herzens strömende Quellen, Deine Locke sandtest du mir. Deines Hauptes ringelnde Wellen ;

I

Hauptes Welle und Herzens Flut. Sie zogen einander vorüber ; Haben sie nicht im Kusse geruht? Schoß nicht ein Leuchten darüber?

Und du klagtest : verblichen sei Die Farbe der wandernden Zeichen ; Scheiden tut weh, mein Liebchen, ei. Die Scheidenden dürfen erbleichen ; Warst du blaß nicht, zitternd und kalt. Als ich von dir mich gerissen ? Elicke sie an, du Milde, und bald. Bald werden den Herrn sie nicht

Auch deine Locke hat sich gestreckt, Verdrossen, gleich schlafendem Kinde, Doch ich hab' sie mit Küssen geweckt. Hab' sie gestreichelt so linde, Ihr geflüstert von unserer Treu', Sie geschlungen um deine Kränze, Und nun ringelt sie sich aufs neu' Wie eine Rebe im Lenze.

Wenig Wochen, dann grünet der

Stamm, Hat Sonnenschein sich ergossen. Und wir sitzen am rieselnden Damm,

^ Die Hand' ineinander geschlossen,

89

Schaun in die Welle und schaun in

das Aug' Uns wieder und wieder und lachen, Und Bekanntschaft mögen dann auch Die Lock' und der Liederstrom

machen.

I

An Levin Schücking.

,ij> Kein Wort, und war' es scharf wie > Stahles Klinge,

Soll trennen, was in tausend Fäden

eins, So mächtig kein Gedanke, daß er

dringe Vergällend in den Becher reinen Weins ;

90

Das Leben ist so kurz, das Glück so

selten. So großes Kleinod, einmal sein statt

gelten ! Hat das Geschick uns, wie in frevlem

Witze, Auf feindlich starre Pole gleich er- höht, So wisse, dort, dort auf der Scheidung

Spitze Herrscht, König über alle, der Magnet, Nicht fragt er, ob ihm Fels und Strom

gefährde, Ein Strahl fährt mitten er durchs

Herz der Erde.

Blick' in mein Auge, ist es nicht das deine,

Ist nicht mein Zürnen selber deinem gleich ?

Du lächelst und dein Lächeln ist das meine.

An gleicher Lust und gleichem Sin- nen reich ;

Worüber alle Lippen freundlich scherzen.

Wir fühlen heil'ger es im eigne» Herzen.

Pollux und Kastor, wechselnd Glühn

und Bleichen, Des einen Licht geraubt dem andern

nur. Und doch der allerfrömmsten Treue

Zeichen. So reiche mir die Hand, mein Dios-

kur! Und mag erneuern sich die holde

Mythe, Wo überm Helm die Zwillingsflamme

glühte.

An denselben.

Zum zweiten Male will ein Wort Sich zwischen unsre Herzen drängen. Den felsbewachten Erzeshort Will eines Knaben Mine sprengen. Sieh' mir ins Auge, wende nicht Das deine nach des Fensters Borden, Ist denn so fremd dir mein Gesicht, Denn meine Sprache dir geworden?

Sieh freundlich mir ins Auge, schuf Natur es gleich im Eigensinne Nach harter Form, muß ihrem Ruf Antworten ich mit scharfer Stimme ;

92

Der Vogel singt, wie sie gebeut, Libelle zieht die farb'gen Ringe, Und keine Seele hat bis heut' Sie noch gezürnt zum Schmetterlinge.

Still ließ an meiner Jahre Rand Die Parze ihre Spindel schlüpfen, Zu strecken meint' ich nur die Hand, Um alte Fäden anzuknüpfen, Da fand den deinen ich so reich, Fand ihn so vielbewegt verschlungen. Darf es dich wundern, wenn nicht

gleich So Ungewohntes mir gelungen?

Daß manches schroff in mir und steil. Wer könnte, ach, wie ich es wissen ? Es ward, zu meiner Seele Heil, Mein zweites zarteres Gewissen, Es hat den Übermut gedämpft, Der mich Giganten gleich bezwungen,. Hat glühend, wie die Reue kämpft. Mit dem Dämone oft gerungen.

Doch du, das tief versenkte Blut, In meinem Herzen, durftest denken. So wolle ich mein eignes Gut, So meine eigne Krone kränken?

=^~—^iis.r:^-Cz^ ^ zr^

O, sorglos floß mein Wort und bunt. Im Glauben, daß es dich ergötze, Daß nicht geschaffen dieser Mund ;^^ Zu einem Hauch, der dich verletze.

Du zweiflest an der Sympathie Zu einem Wesen dir zu eigen? So sag' ich nur, du konntest nie Zum Gletscher ernster Treue steigen, Sonst wüßtest du, daß auf den Höhn Das schnöde Unkraut schrumpft zu- sammen Und daß wir dort den Phönix sehn, Wo unsre liebsten Zedern flammen.

Sieh her, nicht eine Hand dir nur. Ich reiche beide dir entgegen,

* Zum Leiten auf verlorne Spur, Zum Liebespenden und zum Segen, Nur ehre ihn, der angefacht Das Lebenslicht an meiner Wiege, Nimm' mich, wie Gott mich hat ge-

vV macht,

' Und leih' mir keine fremden Züge!

04 ^-^5^^^=--^^^

Die junge Mutter.

Im grün verhangnen duftigen Ge- mach,

Auf weißen Kissen liegt die junge Mutter ;

Wie brennt die Stirn ! sie hebt das Auge schwach

Zum Bauer, wo die Nachtigall das Futter

Den nackten Jungen reicht : ,,Mein armes Tier",

So flüstert sie, „und bist du auch ge- fangen

Gleich mir, wenn draußen Lenz und Sonne prangen,

So hast du deine Kleinen doch bei dir."

9.=.

Den Vorhang hebt die graue Wärterii.

Und legt den Finger mahnend auf die Lippen ;

Die Kranke dreht das schwere Auge hin.

Gefällig will sie von dem Tranke nippen ;

Er mundet schon, und ihre bleiche Hand

Faßt fester den Kristall o milde Labe!

„Elisabeth, was macht mein kleiner Knabe?"

„Er schläft," versetzt die Alte ab- gewandt.

„Wie mag er zierlich liegen ! Klei- nes Ding !"

Und selig lächelnd sinkt sie in die Kissen ;

Ob man den Schleier um die Wiege hing,

Den Schleier, der am Erntefest zer- rissen ?

Man sieht es kaum, sie flickte ihn so nett,

Daß alle Frauen höchlich es gepriesen,

Und eine Ranke ließ sie drüber sprießen.

,,Was läutet man im Dom, Elisabeth?"

„Madame, wir haben heut' Mariatag." So hoch im Mond ? sie kann sich nicht

besinnen. Wie war es nur? doch ihr Gehirn

ist schwach. Und leise suchend zieht sie aus den

Linnen Ein Häubchen, in dem Strahle Icüm- ^ merlich

Läßt sie den Faden in die Nadel

gleiten ; So ganz verborgen will sie es bereiten, ji Und leise, leise zieht sie Stich um ■^ Stich.

Da öffnet knarrend sich die Kammer- tür,

Vorsicht'ge Schritte übern Teppich schleichen.

„Ich schlafe nicht, Rainer, komm her, komm hier !

Wann wird man endlich mir den Knaben reichen?"

Der Gatte blickt verstohlen himmel- wärts,

Küßt wie ein Hauch die kleinen heißen Hände :

97

„Geduld, Geduld, mein Liebchen, bis

zum Ende ! Du bist noch gar zu leidend, liebes

Herz." „Du duftest Weihrauch, Mann."

„Ich war im Dom ; Schlaf, Kind !" und wieder gleitet er

von dannen. Sie aber näht, und liebliches Phan- tom Spielt um ihr Aug' von Auen, Blumen,

Tannen. Ach, wenn du wieder siehst die grüne

Au, Siehst über einem kleinen Hügel

schwanken Den Tannenzweig und Blumen drüber

ranken, Dann tröste Gott dich, arme junge

Frau !

Meine Sträuße.

So oft mir ward eine liebe Stund* Unterm blauen Himmel im Freien, Da habe ich, zu des Gedenkens Bund. Das Zeichen geflochten mit Treuen :

98

Einen sch'.icliten Kranz, einen wilden

Strauß, Ließ drüber die Seele wallen ; Nun stehe ich einsam im stillen Haus Und sehe die Blätter zerfallen.

Vergißmeinnicht mit dem Rosaband

Da waren dämmrige Tage,

Als euch entwandte der Freundin

Hand Dem Weiher drüben am Hage ; Wir schwärmten in wirrer Gefühle

Flut, In sechzehnjährigen Schmerzen ; Nun schläft sie lange. Sie war

doch gut. Ich lieble sie recht von Herzen !

Gar weite Wege hast du gemacht, Kamelia, staubige Schöne, In deinem Kelche die Flöte wacht, Trompeten und Zimbelgetöne ; \\'ie zitterten durch das grüne Revier Buntfarbige Lampen und Schleier ! Da brach der zierliche Gärtner mir Den Strauß beim bengalischen Feuer.

'99

Dies Alpenroschen nährte mit Schnee

Ein eisgrau starrender Riese ;

Und diese Tange entfischt' ich der

See Aus Muschelgescherbe und Kiese ; Es war ein volles, gesegnetes Jahr, Die Trauben hingen gleich Pfunden, Als aus der Rebe flatterndem Haar Ich diesen Kranz mir gewunden.

Und ihr, meine Sträuße vom wilden

Heid, Mit lockerem Halme geschlungen, O süße Sonne, o Einsamkeit, Die uns redet mit heimischen Zungen ! Ich hab' sie gepflückt an Tagen so

lind. Wenn die goldenen Käferchen spielen, Dann fühlte ich mich meines Landes

Kind, Und die fremden Schlacken zerfielen.

Und wenn ich grüble an meinem

Teich, Im duftigen Moose gestrecket, Wenn aus dem Spiegel mein Antlitz

bleich Mit rieselndem Schauer mich necket.

100

Dann lang' ich sachte, sachte hinab

Und fische die träufelnden Schmeh- len;

Dort hängen sie, drüben am Fenster- stab,

Wie arme vertrocknete Seelen.

So mochte ich still und heimlich mir

Eine Zauberhalle bereiten,

Wenn es dämmert, dort, und drüben,

und hier Von den Wänden seh' ich es gleiten : Eine Fei entschleicht der Kamelia » sich,

Liebesseufzer stöhnet die Rose, Und wie Blutes Adern umschlingen

mich Meine Wasserfäden und Moose.

Die Taxuswand.

Ich stehe gern vor dir.

Du Fläche schwarz und rauh,

Du schartiges Visier

Vor meines Liebsten Brau',

Gern mag ich vor dir stehen,

Wie vor grundiertem Tuch,

Und drüber gleiten sehen

Den bleichen Krönungszug ;

101

Als mein die Krone hier, Von Händen, die nun kalt; Als man gesungen mir In Weisen, die nun alt ; Mein Paradiesestor, Vorhang am Heiligtume, Dahinter alles Blume, Und alles Dorn davor I

Denn jenseits weiß ich sie. Die grüne Gartenbank, Wo ich das Leben früh Mit glühen Lippen trank, Als mich mein Haar umwallte Noch golden wie ein Strahl, Als noch mein Ruf erschallte, Ein Hornstoß, durch das Tal.

102

Das zarte Efeureis, So Liebe pflegte dort, Sechs Schritte und ich weiß, Ich weiß dann, daß es fort. So will ich immer schleichen Nur an dein dunkles Tuch Und achtzehn Jahre streichen Aus meinem Lebensbuch.

Du starrtest damals schon

So düster treu wie heut,

Du, unsrer Liebe Thron

Und Wächter manche Zeit ;

Man sagt, daß Schlaf, ein schlimmer,

Dir aus den Nadeln raucht

Ach, wacher war ich nimmer,

Als rings von dir umhaucht !

Nun aber bin ich matt

Und möcht' an deinem Saum

Vergleiten, wie ein Blatt,

Geweht vom nächsten Baum ;

Du lockst mich wie ein Hafen,

Wo alle Stürme stumm :

O, schlafen möcht' ich, schlafen,

Bis meine Zeit herum !

103

Der kranke Aar.

Am dürren Baum, im fetten Wiesen- gras

Ein Stier behaglich wiederkäut' den Fraß;

Auf niederm Ast ein Adler saß,

Ein kranker Adler mit gebrochnen Schwingen.

„Steig auf, mein Vogel, in die blaue

Luft, Ich schau' dir nach aus meinem

Kräuterduft." „Weh, weh, umsonst die Sonne ruft Den kranken Adler mit gebrochnen

Schwingen !"

„O, Vogel, warst du stolz und fre- ventlich

Und keine Fessel wolltest ewiglich!"—

„Weh, weh, zu viele über mich.

Und Adler all, sie brachen mir die Schwingen !"

„So flattre in dein Nest, vom Aste

fort. Dein Ächzen schier die Kräuter mir

verdorrt."

104

„Weh, weh, kein Nest hab' ich hin- fort,

Verbannter Adler mit gebrochnen Schwingen !"

,,0 Vogel, wärst du eine Henne doch, Dein Nestchen hättest du im Ofen- loch." — ,,Weh, weh, viel lieber Adler noch, Viel lieber Adler mit gebrochnen Schwingen !"

Die Unbesungenen.

*S gibt Gräber, wo die Klage schweigt Und nur das Herz von innen blutet, Kein Tropfen in die Wimper steigt Und doch die Lava drinnen flutet ; 's gibt Gräber, die wie Wetternacht An unserm Horizonte stehn Und alles Leben niederhalten, Und doch, wenn Abendrot erwacht, Mit ihren goldnen Flügeln wehn Wie milde Seraphimgestalten.

Zu heilig sind sie für das Lied, Und mächt'ge Redner doch vor allen, Sie nennen dir, was immer schied, Was nie und nimmer kann zerfallen ;

105

O, wenn dich Zweifel drückt herab, Und möchtest atmen Ätherluft, Und möchtest schauen Seraphsflügel, Dann tritt an deines Vaters Grab ! Dann tritt an deines Bruders Gruft ! Dann tritt an deines Kindes Hüffcl !

Abschied von der Jugend.

Wie der zitternde Verbannte Steht an seiner Heimat Grenzen, Rückwärts er das Auge wendet, Rückwärts seine Augen glänzen. Winde, die hinüber streichen, Vögel in der Luft beneidet, Schaudernd vor der kleinen Scholle, Die das Land vom Lande scheidet ;

Wie die Gräber seiner Toten, Seine Lebenden, die süßen, Alle stehn am Horizonte, Und er muß sie weinend grüßen ; Alle kleinen Liebesschätze, Unerkannt und unempfunden, Alle ihn wie Sünden brennen Und wie ewig offne Wunden :

106

So an seiner Jugend Scheide, Steht ein Herz voll stolzer Träume, Blickt in ihre Paradiese Und der Zukunft öde Räume, Seine Neigungen, verkümmert Seine Hoffnungen, begraben. Alle stehn am Horizonte, Wollen ihre Träne haben. ,

Und die Jahre, die sich langsam, Tückisch reihten aus Minuten, Alle brechen auf im Herzen, Alle nun wie Wunden bluten ; Mit der armen kargen Habe, Aus dem reichen Schacht erbeutet. Mutlos, ein gebrochner Wandrer, In das fremde Land er schreitet.

Und doch ist des Sommers Garbe Nicht geringer als die Blüten, Und nur in der feuchten Scholle Kann der frische Keim sich hüten ; Über Fels und öde Flächen Muß der Strom, daß er sich breite. Und es segnet Gottes Rechte Cbermorgen so wie heute.

107

VIERTER TEIL

DES ARZTES TOD

1832.

109

Des Arztes Tod

1832.

Im linden Luftzug schwimmt mit irrem Schein Des Nachtlichts Fieberflamme, und kein Laut Verbirgt des Rö- cheins leises Nah'n dem Ohr, Das angstvoll ob dem bleichen Ant- litz lauscht. Still liegt der alte Berthold, tief ge- senkt Die heiße Wimper, und ein wirrer

Schlummer Hält ihm die halb erlosch'nen Sinne

fest. Doch nun ein tiefer Atemzug ; er wälzt

Das trock'ne Aug' empor : „Bist du's, mein Sohn?"

Und zitternd reicht der Jüngling ihm die Hand.

Ein wenig wendet mühsam noch, der Greis

Das matte Haupt, dem schon die ersten Zeichen

Der kalten Perlen die Natur gesandt.

„Ist's denn so schwül ?" haucht's durch den Vorhang auf.

Und dann : „Das ist die Todesangst, mein Sohn !"

Gebroch'nen Herzens hebt der Jüng- ling sich.

Und bei der Lampe ungewissem Licht

Gießt tröpfelnd er ach, jeder Tropfen fällt

Versengend Feuer in die eig'ne Brust!

Das Letzte, was der kämpfenden Na- tur

Furchtbar erfinderisch die Kunst er- zeugte,

Von Todesangst der Todesangst ge- weiht,

Ein giftig Leben, ein belebend Gift,

Ein grausig Opfer, schaudernd dar- gebracht

112

Der schönsten aller Pflichten, so da

heißt : ,,Du sollst den Docht beleben, weil er

glimmt !" „O Vater," spricht er bebend, „was

da lebt, Pas mag gesunden ! Gottes Macht ist

groß! Wo Odem, da ist Hoffnung!'* Lang- sam schlürft Der Greis die Tropfen, tand ein

Lächeln will Sich bilden um den krampf bewegten

Mund: Du reichst mir Naphtha und sprichst

Hoffnung aus? ^lein Kind, der Schmerz hat dein Ge- müt verwirrt. Du hast vergessen, was dein Vater

war. Wer fünfzig Jahr' den Pulsschlag hat

belauscht, Wer fünfzig Jahr' hindurch den Tod

gesehen, In tausendfachen Bildern dennoch

immer Sein unverkennbar Siegel führend. . . .

Sprich,

113

Schläft denn dein Bruder? Wo ist Theobald?"

Und stumm aus des Gemaches tief- sten Schatten

Schleicht, heißen Jammer im gesenk- ten Blick,

Dem langsam rollend sich die Trän' entwindet,

Ein bleicher Knabe, nah' dem Jüng- ling schon,

Und hingesunken an des Lagers Rand,

In glühender Verzweiflung jeden Laut,

Den Todeslaut der Brust tief in sich saugend.

Sucht er vergebens in den teu'ren Mienen

Den langgewohnten lieben Ausdruck auf.

Doch mählich den erstorb'nen Glie- dern kehrt

Ein fieberhaftes Sein ; gefesselt liegt

Die Todesmacht, der Atmosphäre gleich,

Wenn hoch in ihr sich der Orkan erzeugt ;

Der halbentfloh'ne Geist schaut noch einmal

114

Ein helles rotes Flämmchen durch der

Augen Gebroch'ne Nacht, und durch das Ant- litz zieht Zum langen, langen Abschied einmal

noch Des Lebens zarter Schein. Tief saugt

der Greis Der Luft unschätzbar teu'res Kleinod

ein, Und also spricht er, immer heller'n

Lautes, Wie ihm des Odems süße Wohltat

kehrt :

,,Thr Kinder, laßt mich reden, und ge- denke

Nicht deiner Kunst, mein Sohn! Du weißt es nicht.

Und keiner, dem nicht also ist ge- scheh'n.

Wie furchtbar in dem schwirrenden

Gehirn Jer schwindenden Besinnung letzte Kraft

~^ich abquält um des Worts Erleichte- rung,

115

Wie siedend der Gedanken wirrer Schwärm

Bald, nur in dumpfer Ahnung, Na- menloses

Der kämpfenden Erinnerung ver- sagend,

Bald sonst Unwicht'ges immer riesen- hafter

Und immer schwerer in die Seele sen- kend.

Vergebens die entfloh'ne Stunde sucht.

Was wähnt' ich nicht versäumt ! Wo ist €S nun?

Mein Karl, dein Weg ist offen. Geh mit Gott!

Ich sorge nicht um dich, mein Sohn ; sei treu

Ob deinem Bruder ! Theobald ! Mein Kind!

Komm näher mir, mein Kind ! Du bist noch jung,

Und alle Macht, so Gott in meine Hand

Gelegt ob dich, ich übertrage sie .,

An deinen Bruder ; wie du folgsam J

bist,

So hast du mich geliebt. Ihr Kinder, seid

116

Ja zart und treu mit dem Gewissen.

hütet Es vor der Zei,t versteinernder Ge- walt! Was leicht verharscht das Leben,

reißt der Tod Als fressend unheilbare Wunde auf. Ein Engel mag ob Eu'ren Schritten

walten ! Die letzte Stund', ist schwerer, als

Ihr denkt. O betet, betet. Kinder! Hin ist hin! Und meine Kraft ist hin ! 's ist

schrecklich ! Ewig ! 's ist schrecklich! Ewig, ewig! Betet,

Kinder ! ^ch kann nicht . . . weiß nicht . . .

helft mir sinnen . . . Karl, hreib' das Rezept"

Die letzten Wort stößt

Der Greis nur mühsam aus der Brust ;

dann folgt Ein dumpfes Murmeln, unaufhaltsam schnell, 'och unverständlich. Seine dürren Arme hlingt er in Windungen ums bleiche Haupt.

117

Sein starrer Blick zeigt kein Bewußt- sein des,

Was ihn umgibt. An seinem Lager sitzt

Sein Erstgebor'ner, auf den Sterben- den

Den trüben Blick geheftet : keine Muskel

Zeigt zuckend seinen Schmerz, die Träne nicht,

Doch weiß ist sein Gesicht wie Schnee, die Hand

Wie die des Kranken starr und kalt. Nicht fern,

Inmitten des Gemachs am Boden liegt

Der Knabe ; unaufhaltsam strömt sein Weh

In glüh'nden Zähren ; krampfhaft Schluchzen schüttelt

Die junge Brust; er windet sich, er stöhnt,

Dann springt er auf ; ein fromm er- zog'nes Kind,

Kniet er im Winkel, und sein wim- mernd Fleh'n

Steigt Lavaströmen gleich empor, doch halb

Ist's Wahnsinn, halb ein kindlich treu Gebet.

118

Den Himmel möcht' er stürmen; alles

will Er, alles opfern : jede Jugendlust, Vv'ill Jahre kranken, selbst das junge

Dasein Ist nichts um diesen Preis. O, hätt'

er Macht, Er wagt' es, Gott zu diesem Tausch

zu zwingen ! So schwindet Stund' auf Stunde,

Stern auf Stern Schließt matt die Wimper, nur der

Hesperus Schaut nach der Dämm'rung mit dem

gold'nen Auge \'erlangend aus. Da fährt ein scheuer

Streif Am Horizont empor, und höher

steigt's Und wirft die zarten Lichter ins Gemach Des Jammers. Still ist's um des Kran- ken Bett: Kein Röcheln, kein Geächz dringt

durch v.-e Spalten Des weißen Vorhangs ; und, das

dunkle Haupt Fest eingedrückt den beiden Händen,

scheint

Von tiefem Schlaf der Jüngling über- mannt.

Aus jenem Winkel nur bricht oft ein Ton

Die stumme Luft : noch unermüdet kämpft

Der Knabe um sein Liebstes im Ge- bet.

Doch wie das Morgenlicht die Stirn ihm küßt,

Da wird's ihm leichter; hat er doch gerungen

Mit jenem Glauben, der die Berge hebt,

Nicht sind die Arme ihm ermattet, nicht

Gewankt hat sein Vertrauen. So muß der Himmel

Sich ja erbarmen. Stillen Schrittes schleicht

Er durchs Gemach : ,.Mein Bruder ! Schläfst du, Karl?"

„Du schläfst?" So flüstert er. Da hebt das Haupt

Der Jüngling, schaut aus den ver- störten Zügen

Ihn eisig an. Entsetzen faßt das Kind,

120

s Zum Lager fliegt er. reißt den Vor- hang auf, Des Vaters Hand ergreift er, dann ein Schrei, ff Ein mattes Taumeln, und zu Boden, ~^ schwer

Wie eine Säule, stürzt er. Weh.

weh ! Wer seinen Vater hat, der bete still ' Ach, einen Vater kann man einmal nur verlieren !

121

FÜNFTER TEIL

SCHERZ UND ERNST

123

Dichters Naturgefühl.

s war an einem jenei Tage, Wo Lenz und Wintei

sind im Streit, Wo naß das Veilchen

klebt am Hage, Kurz, um die erst«

Maienzeit ; Ich suchte keuchend

mir den Weg Durch sumpf'ge Wie- sen, dürre Raine, Wo matt die Kröte hockt am Steine, Die Eidechs schlüpfte übern Steg. Durch hundert kleine Wassertruhen, Die wie verkühlter Spülicht stehn, Zu stelzen mit den Gummischuhen, Bei Gott, heißt das Spazierengehn ? Natur, wer auf dem Haberrohr In Jamben, Stanzen, süßen Phrasen So manches Loblied dir geblasen, Dem stell dich auch manierlich vor !

125

Da ließ zurück den Schleier wehen

Die eitle vielbesungne Frau,

Als fürchte sie des Dichters

Schmähen ; Im Sonnenlichte stand die Au, Und bei dem ersten linden Strahl Stieg eine Lerche aus den Schollen Und ließ ihr Tirilirum rollen Recht wacker durch den Äthersaal.

Die Quellchen, glitzernd wie kristal- len, — Die Zweige glänzend emailliert Das kann dem Kenner schon gefallen, Ich nickte lächelnd: „Es passiert!" Und stapfte fort in eine Schluft, Es war ein still und sonnig Fleckchen, Wo tausend Anemonenglöckchen Umgaukelten des Veilchens Duft.

Das üpp'ge Moos der Lerchen Lie- der —

Der Blumen Flor des Krautes Keim

Auf meinen Mantel saß ich nieder

Und sann auf einen Frühlingsreim.

126

Da alle Musen, welch ein Ton ! Da kam den Rain entlang gesungen So eine Art von dummen Jungen, Der Friedrich, meines Schreibers Sohn.

Den Efeukranz im flächsnen Haare, In seiner Hand den Veilchenstrauß, So trug er seine achtzehn Jahre Romantisch in den Lenz hinaus. Xun schlüpft er durch des Hageus

Loch, Xun hing er an den Dornenzwecken Wie Abrams Widder in den Hecken, Und in den Dornen pfiff er noch.

Bald hatt' er beugend, gleitend,

springend, Den Blumenanger abgegrast Und rief nun, seine Mähnen schwin- gend: ..Viktoria, Trompeten, blast !" Dann flüstert er mit süßem Hall : .,0, wären es die schwed'schen Hör- ner!" Und dann begann ein Lied von

Körner ; Fürwahr, du bist 'ne Nachtigall !

127

Ich sah ihn, wie er an dem Walle Im feuchten Moose niedersaß Und nun die Veilchen, Glöckchen alle Mit sel'gem Blick zu Sträußen las, Auf seiner Stirn den Sonnenstrahl ; Mich faßt' ein heimlich Unbehagen, Warum ? ich weiß es nicht zu sagen. Der fade Bursch war mir fatal.

Noch war ich von dem blinden Hessen Auf meinem Mantel nicht gesehn. Und so begann ich zu ermessen, Wie übel ihm von Gott geschehn : O Himmel, welch ein traurig Los, Das Schicksal eines dummen Jungen, Der zum Kopisten sich geschwungen Und auf den Schreiber steuert los !

Der in den kargen Feierstunden Romane von der Zofe borgt, Beklagt des Löwenritters Wunden Und seufzend um den Posa sorgt, Der seine Zelle, kalt und klein. Schmückt mit Aladdins Zaubergabe Und an dem Quell, wie Schillers

Knabe, Violen schlingt in Kränzelein I

128

l^n dessen wirbelndem Gehirne Das Leben spukt, gleich einer Fei, Der hastig fuhr ich an die Stirne : „Wie, eine Mücke schon im Mai ?" Und trabte zu der Schlucht hinaus, Hohl hustend, mit beklemmter Lunge, Und drinnen blieb der dumme Junge Und pfiff zu seinem Veilchenstrauß l

Die beschränkte Frau.

Ein Krämer hatte eine Frau,

Die war ihm schier zu sanft und

milde, Ihr Haar zu licht ihr Aug' zu blau.. Zu gleich ihr Blick dem Monden- schilde ; Wenn er sie sah so still und sacht Im Hause gleiten wie ein Schemen, Dann iaßt' es ihn wie böse Macht, Er mußte sich zusammennehmen.

Vor allem macht ihm Überfluß Ein Wort, das sie an alles knüpfte. Das freilich in der Rede Fluß Gedankenlos dem Mund entschlüpfte:

r

129

W

„In Gottes Namen," sprach sie dann,

Wenn schwere Prüfungsstunden ka- men,

Und wenn zu Weine ging ihr Mann.

Dann sprach sie auch : „In Gottes Namen."

Das schien ihm lächerlich und dumm, Mitunter frevelhaft vermessen ; Oft schalt er und sie weinte drum Und hat es immer doch vergessen, Gewöhnung war es früher Zeit Und klösterlich verlebter Jugend ! So war es keine Sündlichkeit Und war auch eben keine Tugend.

Ein Sprichwort sagt : Wem gar nichts

fehlt, Den ärgert an der Wand die Fliege ; So hat dies Wort ihn mehr gequält, Als andre Hinterlist und Lüge. Und sprach sie sanft : „Es paßte

schlecht!" Durch Demut seinen Groll zu zähmen, So schwur er, übel oder recht, Werd' es ihn ärgern und beschämen.

130

Ein Blütenhag war seine Lust.

Einst sah die Frau ihn sinnend stehn

Und ganz versunken, unbewußt,

So Zweig an Zweig vom Strauche

drehen ; „In Gottes Namen !" rief sie, „Mann, Du ruinierst den ganzen Hagen !" Der Gatte sah sie grimmig an, Fürwahr fast hätt' er sie geschlagen.

Doch wer da Unglück sucht und Reu', Dem werden sie entgegeneilen ; Der Handel ist ein zart Gebäu, Und ruht gar sehr auf fremden Säu- len. Ein Freund falliert, ein Schuldner

flieht, Ein Gläub'ger will sich nicht gedul- den. Und eh ein halbes Jahr verzieht, Weiß unser Krämer sich in Schulden.

Die Gattin hat ihn oft gesehn Gedankenvoll im Sande waten. Am Kontobuche seufzend stehn, Und hat ihn endlich auch erraten

131

Sie öffnet heimlich ihren Schrein, Langt aus verborgner Fächer Grube, Dann, leise wie der Mondenschein, Schlüpft sie in ihres Mannes Stube.

Der saß, die schwere Stirn gestützt. Und rauchte fort am kalten Rohre : „Karl !" drang ein scheues Flüstern

itzt, Und wieder „Karl 1" zu seinem Ohre ; Sie stand vor ihm, wie Blut so rot. Als galt' es eine Schuld gestehen. ,„Karl," sprach sie, „wenn uns Unheil

droht. Ist's denn unmöglich, ihm entgehen ?"

Drauf reicht sie aus der Schürze dar Ein Säckchen, stramm und schwer zu

tragen, Drin alles, was sie achtzehn Jahr Erspart am eigenen Behagen. Er sah sie an mit raschem Blick Und zählte, zählte nun aufs neue, Dann sprach er seufzend : „Mein Ge- schick Ist zu verwirrt dies langt wie Spreue !'*

132

Sie bot ein Blatt und wandt' sich

um, Rrzitternd, glüh' gleich der Granate : ils war ihr kleines Eigentum, IJas Erbteil einer frommen Pate. ..Nein." sprach der Mann, „das soll

nicht sein!" Und klopfte freundlich ihre Wangen. Dann warf er einen Blick hinein Und sagte dumpf: „Schier möcht"

es langen."

Nun nahm sie aus der Schürze Grund All ihre armen Herrlichkeiten, Teelöffelchen, Dukaten rund, Was ihr geschenkt von Kindeszeiten. Sie gab es mit so freud'gem Zug! Doch war's, als ob ihr Mund sich

regte, Als sie zuletzt aufs Kontobuch Der sel'gen Mutter Trauring legte.

„Fast langt es," sprach gerührt der

Mann, „Und dennoch kann es schmählich

enden ;

i

Willst du dein Leben dann fortan. Geplündert, fristen mit den Händen?" Sie sah ihn an, nur Liebe weiß An liebem Blicke so zu hangen ,,In Gottes Namen!**' sprach sie leis. Und weinend hielt er sie umfangen.

Die Schmiede.

Wie kann der alte Apfelbaum

So lockre Früchte tragen,

Wo Mistelbüsch' und Mooses Flaun:

Aus jeder Ritze ragen?

Halb tot, halb lebend, wie ein l'riiiz In einem Ammenmärchen, Die eine Seite voll Gespins, Wurmfraß und Flockenhärchen,

Langt mit der andern, üppig rot, Er in die Funkenreigen, Die knatternd aus der Schmiede Schlot Wie Sternraketen steigen ;

134

Ein zweiter Scävola hält Jahr Auf Jahr er seine Rechte Der Glut entgegen, die kein Haar Zu sengen sich erfrechte.

Und drunten geht es Pink und Pank, Man hört die Flamme pfeifen, Es keucht der Balg aus hohler Flank' Und bildet Aschenstreifen ;

Die Kohle knallt, und drüber dicht, Mit Augen wie Pyropen, Beugt sich das grimmige Gesicht Des rußigen Cyklopen.

Er hält das Eisen in die Glut Wie eine arme Seele, Es knackt und spritzet Funkenblut Und dunstet blaue Schwele.

Dann auf dem Amboß, Schlag an

Schlag, Läßt es sein Weh erklingen, Bis nun gekrümmt in Zorn und

Schmach Es kreucht zu Hufes Ringen.

135

' W* »" 5

Des alten Pfarrers Woche

Sonntag. Das ist nun so ein schlimmer Tag, Wie der April ihn bringen mag Mit Schlacken, Schnee und Regen. Zum dritten Mal in das Gebraus Streckt Jungfer Anne vor dem Haus Ihr kupfern Blendlaternchen aus Und späht längs allen Wegen.

„Wo nur der Pfarrer bleiben kann? Ach, sicher ist dem guten Mann Was übern Weg gefahren ! Ein Pfleger wohl, der Rechnung macht

136

\us war der Gottesdienst um acht : -oll man so streifen in der Nacht 'ei Gicht und grauen Haaren!"

Sie schließt die Türe, schüttelt baß

Ihr Haupt und wischt am Brillen- glas ;

So gut dünkt ihr die Stube ;

Im Ofen kracht's, der Lampenschein

.lellt überm Tisch den Sonntags- wein,

Und lockend lädt der Sessel ein

Mit seiner Kissengrube.

PantoflFeln Schlafrock alles

recht ! Sie horcht aufs neu ; doch hört sie

schlecht, Es schwirrt ihr vor den Ohren. „Wie? hat's geklingelt? ei der Daus, Zum zweiten Male! schnell hinaus!'' Da tritt der Pfarrer schon ins Haus. Ganz blau und steif gefroren.

Die Jungfrau blickt ein wenig quer, Begütigend der Pfarrer her, Wie's recht in diesem Orden.

Dann hustet er: „Nicht Mond noch

Stern ! Der lahme Friedrich hört doch gern Ein christlich Wort am Tag des

Herrn, Es ist mir spät geworden !"

Nun sinkt er in die Kissen fest, Wirft ab die Kleider ganz durchnäßt Und schlürft der Traube Segen. Ach Gott! nur wer jahraus, jahrein In andrer Dienste lebt allein. Weiß, was es heißt, beim Sonntags- wein Sich auch ein wenig pflegen.

Montag.

,,Wenn ich Montags früh erwache. Wird mir's ganz behaglich gleich ; Montag hat so eigne Sache In dem kleinen Wochenreich. Denn die Predigt liegt noch ferne. Alle Sorgen scheinen leicht ; Keiner kommt am Montag gerne, Sei's zur Trauung, sei's zur Beicht'.

138

,,Und man darf mir's nicht verdenken. Will ich in des Amtes Frist Dem ein freies Stündchen schenken. Was doch auch zu loben ist. So erwacht denn, ihr Gesellen Meiner fleiß'gen Jugendzeit ! Wollt in Reih' und Glied euch stellen. Alte Bilder, eingeschneit !

,,Ilion will ich bekriegen, Mit Horaz auf Reisen gehn. Will mit Alexander siegen Und an Memnons Säule stehn. Oder auch vergnügt ergründen, Was das Vaterland gebracht, Mich mit Kant und Wolf verbünden, Ziehn mit Laudon in die Schlacht/'

Auf der Bücherleiter traben Sieh den Pfarrer, lustentbrannt, Sich verschanzen, sich vergraben Unter Heft und Foliant. Blättern sieh ihn nicken spü- ren — Ganz versunken sitzen dann, Daß mit einer Linie rühren Du das Buch magst und den Mann.

139

Doch was kann ihn so bewege;: ; Aufgeregt scheint sein Gehirn I Und das Käppchen ganz verwegen Drückt er hastig in die Stirn. Nun beginnt er gar zu pfeifen, Horch! das Lied vom Prinz Eugen Seinen weißen Busenstreifen Seh' ich auf und niedergehn.

Ha, nun ist der Türk' geschlagen ! Und der Pfarrer springt empor. Höher seine Brauen ragen, Senkrecht steht sein Pfeifenrohr. Im Triumph muß er sich denken Mit dem Kaiser und dem Staat, Sieht sich selbst den Säbel schwenken, Fühlt sich selber als Soldat.

Aber draußen klappern Tritte. Nach dem Pfarrer fragt es hell. Der, aus des Gefechtes Mitte. Huscht in seinen Sessel schnell. „Ei! das wären saubre Kunden! Beichtkind und Kommunikant ! Hättet ihr den Pfarr' gefunden Mit dem Säbel in der Hand!''

140

Dienstag.

Auf der breiten Tenne drehn Paar an Paar so nett Vo die Musikanten stehn, 3eig' und Klarinett Auch der Brummbaß rumpelt drein Sieht man noch den Bräut'gams-

schrein Und das Hochzeitsbett.

Etwas eigen, etwas schlau

Und ein wenig bleich,

Sittsam sieht die junge Frau,

Würdevoll zugleich ;

Denn sie ist des Hauses Sproß,

Denn sie führt den Ehgenoß

In ihr Erb' und Reich.

Sippschaft ist ein weites Band,

jeht gar viel hinein ;

Hundert Kappen goldentbrannt,

Kreuze funkeln drein ;

Wie das drängt, und wie das schiebt ;

'vVas sich kennt und was sich liebte

Will beisammen sein.

Kun ein schallend Vivat bricht In dem Schwärme aus, Wo sogar die Tiere nicht Weigern den Applaus. Ja, wie an der Krippe, fein Brüllen Ochs und Eselein Übern Trog hinaus.

Ganz verdutzt der junge Mann

Kaum die Flasche hält.

Spaße hageln drauf und dran.

Keiner neben fällt ;

Doch er lacht und reicht die Hand.

Nun, er ist für seinen Stand

Schon ein Mann von Welt.

Alte Frauen, schweißbedeckt, Junge Mägd' im Lauf Spenden, was der Korb verdeckt, Reihen ab und auf. Sieben Tische kann man sehn. Sieben Kaffeekessel stehn Breit und glänzend drauf.

Aber freundlich, wie er kam, Sucht der Pfarrer gut Drüben unter tausend Kram Seinen Stab und Hut ;

Dankt noch schön der Frau vom

Haus ; In die Dämmerung hinaus Trabt er wohlgemut ;

Wandelt durch die Abendruh', -innend allerlei: , Ei, dort ging es löblich zu, Munter, und nicht frei, Aber aber aber doch '' Und ein langes Aber noch Fügt er seufzend bei.

,,Wie das flimmert! wie das lacht!

Kanten, Händebreit!"

Ach, die schnöde Kleiderpracht

Macht ihm tausend Leid.

'Jnd nun gar er war nicht blind

Eines armes Mannes Kind ;

Xein, das ging zu weit.

Kurz, er nimmt sich's ernstlich vor.

Fleut und hier am Steg,

Ja, an der Gemeinde Ohr,

Wächter treu und reg.

Will er's tragen ungescheut ;

O, er findet schon die Zeit

Und den rechten Weg.

143

Mittzvoch.

Begleitest du sie gern, Des Pfarrers Lust und Plagen : Sich gleich an allen Tagen Triffst du den frommen Herrn, Der gute Seelenhirt! Tritt über seine Schwelle ; Da ist er schon zur Stelle Als des Kollegen Wirt.

In wohlgemeinten Sorgen, Wie er geschäftig tut ! Doch dämmert kaum der Morgen, Dies eben dünkt ihm gut. Am Abend kam der Freund, Erschöpft nach Art der Gäste ; Nun saubre man aufs beste, Daß alles nett erscheint.

Schon strahlt die große Kanne, Die Teller blitzen auf ; Noch scheuert Jungfer Anne Und horcht mitunter auf ; Ach, sollte sie der Gast Im alten Jäckchen finden, Sie müßte ganz verschwinden Vor dieser Schande Last.

Und was zur Hand tut stehen. Das reizt den Pfarrer sehr. Die Jungfer wird's nicht sehen. Er macht sich drüber her ; Die Schlaguhr greift er an Mit ungeschickten Händen Und sucht sie sacht zu wenden Der übermütsre Mann !

Schleppt Foliantenbürde, Putzt Fensterglas und Tisch ; Fürwahr, mit vieler Würde Führt er den Flederwisch. Am Paradiesesbaum Die Blätter, zart aus Knochen, Eins hat er schon zerbrochen, Jedoch man sieht es kaum.

Und als er just in Schatten Die alte Klingel stellt Es kommt ihm wohl zustatten Da rauscht es draußen, gelt! Fidel schlägt an in Hast, Die Jungfer ist geflüchtet. Und, statt'ich aufgerichtet, EegrüCt der Pfarr' den Gast.

' 145

10

Wie dem so wohl gefallen Die Aussicht und das Haus Wie der entzüclit von allen, Nicht, Worte drücken's aus ! Ich sag' es ungeniert, Sie kamen aus den Gleisen, Sich Ehre zu erweisen. Der Gast und auch der Wirt.

Und bei dem Mittagessen, Das man vortrefflich fand. Da ward auch nicht vergessen Der Lehr- und Ehrenstand. Ich habe viel gehört, Doch nichts davon getragen. Nur dieses mag ich sagen : Sie sprachen sehr gelehrt.

Und sieh nur ! drüben schreitet Der gute Pfarrer just. Er hat den Gast geleitet Und spricht aus voller Brust : „Es ist doch wahr ! mein Haus, So nett und blank da droben, Ich muß es selber loben, Es nimmt sich einzig aus."

146

Donnerstag.

Winde rauschen, Flocken tanzen, Jede Schwalbe sucht das Haus, Nur der Pfarrer unerschrocken Segelt in den Sturm hinaus. Nicht zum besten sind die Pfade, Aber leidlich würd' es sein, Trüg' er unter seinem Mantel Nicht die Äpfel und den Wein.

Ach, ihm ist so wohl zu Mute, Daß dem kranken Zimmermann Er die längst gegönnte Gabe Endlich einmal bieten kann. Immer muß er heimlich lachen. Wie die Anne Äpfel las, Und wie er den Wein stibitzte, V.'ährend sie im Keller saß.

Längs des Teiches sieh ihn flattern, Wie er rudert, wie er streicht. Kann den Mantel nimmer zwingen Mit den Fingern, starr und feucht, öfters aus dem trüben Auge Eine kalte Zähre bricht, Wehn ihm seine grauen Haare Spinnenwebig ums Gesicht.

10*

Doch, Gottlob! da ist die Hütte, Und nun öffnet sich das Haus, Und nun keuchend auf der Tenne Schüttet er die Federn aus. Ach, wie freut der gute Pfarrer Sich am blanken Feuerschein ! Wie geschäftig schenkt dem Kranken Er das erste Gläschen ein.

Setzt sich an des Lagers Ende, Stärkt ihm bestens die Geduld, Und von seinen frommen Lippen Einfach fließt das Wort der Huld. W'enn die abgezehrten Hände Er so fest in seine schließt, Anders fühlt sich dann der Kranke Meint, daß gar nichts ihn verdrießt.

Mit der Einfalt, mit der Liebe, Schmeichelt er die Seele wach. Kann an jedes Herz sich legen. Sei es kraftvoll oder schwach. Aber draußen will es dunkeln, Draußen tröpfelt es vom Dach ; Lange sehn ihm nach die Kinder, Und der Kranke seufzt ihm nach.

14S

Freitag.

Zu denken in gestandnen Tagen Der Sorge, die so treulich sann, Der Liebe, die ihn einst getragen. Wohl ziemt es jedem Ehrenmann. Am Lehrer alt, am Schüler mild, Magst du nicht selten es gewahren ; Und sind sie beide grau von Haaren, Um desto werter ist das Bild.

Zumeist dem Priester wird beschieden Für seine Treue dieser Lohn ; Nicht einsam ist des Alters Frieden, Der Zögling bleibt sein lieber Sohn. Ja, was erstarrt im Lauf der Zeit Und wehrt dem Neuen einzudringen, Des Herzens steife Flechten schlingen Sich fester um Vergangenheit.

So läßt ein wenig Putz gefallen Sich heut der gute Pfarrer gern, Das span'sche Rohr, die Silberschnal- len, Denn beute geht's zum jungen Herrn. Der mag in reifern Jahren stehn, Da ihn erwachsne Kinder ehren, Allein das kann den Pfarr' nicht stören, Der ihn vor Zeiten klein gesehn.

149

Still wandelnd durch des Parkes Liu

den, In deren Schutz das Veilchen blühi Der Alte muß es freundlich finden, Daß man so gern ihn Freitags sieht ; Er weiß, dem Junker sind noch frisch Die lieben längst entschwundnen Zei- ten Und seines Lehrers schwache Seiten : Ein Gläschen Wein, ein guter Fisch.

Schon tritt er in des Tores Halle ; Da, wie aus reifem Erbsenbeet Der Spatzen Schar, so hinterm Walle Hervor es flattert, lacht und kräht. Der kleinen Junker wilde Schar, Die still gelauscht im Mauerbogen Und nun den Pfarrer so betrogen, So überrumpelt ganz und gar.

Das stürmt auf ihn von allen Seiten, Das klammert überall sich an ; Fürwahr, mühselig muß er schreiten, Der müde und geduld'ge Mann. Jedoch er hat sie allzugern, Die ihn so unbarmherzig plagen. Und fast zu viel läßt er sie wagen. Die junge Brut des jungen Herrn.

150

Wie dann des Hauses Wirt sich freute, Der Mann mit früh ergrautem Haar, Nicht wich von seines Lehrers Seite Und rückwärts ging um dreißig Jahr ; Wie er in alter Zeiten Bann Nur flüsternd sprach, nach Schüler

Weise, Man sieht es an und lächelt leise, Doch mit Vergnügen sieht man's an.

Und später beim Spazierengehen Die beiden hemmen oft den Schritt, Nach jeder Blume muß man sehen, Und manche Pflanze wandert mit. Der eine ist des Amtes bar, Nichts hat der andre zu regieren ; Sie gehn aufs neu' botanisieren. Der Theolog und sein Scholar.

Doch mit dem Abend naht das Schei- den, Man schiebt es auf, doch kommt's

heran, Die Kinder wollen's gar nicht leiden, Am Fenster steht der Edelmann Und spinnt noch lange, lange aus Vielfarb'ger Bilder bunt Gezwirne ; Dann fährt er über seine Stirne Und atmet auf und ist zu Haus.

Samstag. Wie funkeln hell die Sterne, Wie dunkel scheint der Grund, Und aus des Teiches Spiegel Steigt dort der Mond am Hügel Grad um die elfte Stund'.

Da hebt vom Predigthefte Der müde Pfarrer sich ; Wohl war er unverdrossen, Und endlich ist's geschlossen Mit langem Federstrich.

Nun öffnet er das Fenster.

Er trinkt den milden Duft,

Und spricht: „Wer sollt' es sagen,

Noch Schnee vor wenig Tagen.

Und dies ist Maienluft."

Die strahlende Rotunde Sein ernster Blick durchspäht. Schon will der Himmelswagen Die Deichsel abwärts tragen : „Ja, ja, es ist schon spät !'*

Und als dies Wort gesprochen. Es fällt dem Pfarrer auf, Als müss' er eben deuten Auf sich der ganz zerstreuten. Arglosen Rede Lauf.

152

Nie schien er sich so hager, Nie fühlt' er sich so alt, Als seit er heut begraben Den langen Moritz Raben, Den Förster dort vom Wald.

Am gleichen Tag geboren, Cietauft am gleichen Tag ! Das ist ein seltsam Wesen Und läßt uns deutlich lesen, Was wohl die Zeit vermag !

Der Nacht geheimes Funkeln, Und daß sich eben muß. Wie Mondesstrahlen steigen. Der frische Hügel zeigen, Das Kreuz an seinem Fuß :

Das macht ihn ganz beklommen. Den sehr betagten Mann, Er sieht den Flieder schwanken, Und längs des Hügels wanken Die Schatten ab und an.

Wie oft sprach nicht der Tote Nach seiner Weise kühn : ,.Herr Pfarr', wir alten Knaben, Wir müssen sachte traben, Die Kirchhofsbluraen blühn.'"

153

„So mögen sie denn blühen!"' Spricht sanft der fromme Mann, Er hat sich aufgerichtet, Sein Auge, mild umlichtet, Schaut fest den Äther an.

„Hast du gesandt ein Zeichen Durch me'nen eignen Mund Und willst mich gnädig mahnen An unser aller Ahnen Uralten ew'gen Bund ;

Nicht lässig sollst du finden Den, der dein Siegel trägt. Doch nach dem letzten Sturme" Da eben summt's vom Turme, Und zwölf die Glocke schlägt

„Ja, wenn ich bin entladen Der Woche Last und Pein, Dann führe, Gott der Milde, Das Werk nach deinem Bilde In deinen Sonntag ein."

154

Das Eselein.

Auf einem Wiesengrund ging ein- mal Ein muntres Rößlein weiden, Ein Schimmelchen war's, doch etwas

fahl, Sein Äußeres nenn' ich bescheiden, Das schlechteste und auch das beste

nicht, Wir wollen nicht drüber zanken. Doch hatt' es ein klares Augenlicht Und starke geschmeidige Flanken.

Im selben Grunde schritt oft und

viel Ein edler Jüngling spazieren, Hinter jedem Ohre ein Federkiel, Das tat ihn wunderbar zieren !

155

Am Rücken ein Gänseflügelpaar, Die täten rauschen und wedeln, Und wißt, seine göttliche Gabe war, Die schlechte Natur zu veredeln.

Den Tropfen, der seiner Stirne ent- rann. Den soll wie Perle man fassen. Ach, ohne ihn hätte die Sonne man So simpelhin scheinen lassen, Und ohne ihn wäre der Wiesengrund Ein nüchterner Anger geblieben. Ein Quellchen blank, ein Hügelchen

rund Und eine Handvoll Maßlieben !

Er aber fing in Spiegel den Strahl Und ließ ihn zucken wie Flammen, Die ruppigen Gräser strich er zumal Und flocht sie sauber zusammen. An Steinen schleppt' er sich krank

und matt. Für ein Ruinchen am Hügel, Dem Hasen kämmt' er die Wolle

glatt Und frisiert den Mücken die Flügel.

156

So hat er mit saurem Schweiß und

Müh' Das ganze Gemeine verbessert, Und klareres Wasser fand man nie. Als wo er schaufelt' und wässert', Und wie nun aller Edlen Manier, Sich mild und nobel zu zeigen, So, sei's Gestein, Mensch oder Tier, Er gab ihm von seinem Eigen.

Einst saß er mit seinem Werkgerät.

Mit Schere, Pinsel und Flasche,

In der eine schwärzliche Lymphe steht,

Mit Spiegel, Feder und Tasche ;

Er saß und lauschte, wie in der Näh'

Mein Schimmelchen galoppieret ;

Auf dem Finger pfiff er : „Pst, Pferd- chen, hei"

Und wacker kam es trottieret.

Dann sprach der Edle: „Du wärst

schon gut, 'Ne passable Rosinante, Nahm' ich dich ernstlich in meine

Hut, Daß ich den Koller dir bannte ;

157

Ein leiser Traber ein schmuckes

Tier Ein unermüdeter Wandrer ! Kurz, wenig wüßt' ich zu rügen an

dir, Wärst du nur völlig ein andrer.

„Drum sei verständig, trab heran Und laß mich ruhig gewähren, Und sollt's dich kneipen, nicht zuck'

mir dann. Du weißt, oft zwicken die Scheren." Mein Schimmelchen stutzt, es setzt

seitab, Ein paarmal rennt es in Kreisen, Dann sachte trabt es den Anger

hinab. Dann stand es still vor dem Weisen.

Der sprach : „Dein Ohr ein armer

Stumpf ! Armselig bist du geboren ! Kommandowort und der Siegstriumph, Das geht dir alles verloren." Drauf rüstig setzt' er die Zangen an Und zerrt' und dehnte an beiden ; Mein Schimmelchen ächzt' und dachte

dann : „0 weh, Hoffart muß leiden !"

158

„Auch deine Farbe erbärmlich

schlecht ! Nicht blank und dennoch zu lichte, Nicht für die romantische Dämmrung

recht Und nicht für die klare Geschichte." Drauf emsig langt' er den Pinsel hef Und mischte Schwarz zu dem

Weißen ; Mein Schimmelchen zuckt, es juckt

ihn sehr, Doch dacht' es : „Wie werd' ich

gleißen !"

..Und gar dein Schweif unseliges

Vieh! Der flattert und schlenkert wie Segel, Ich wette, du meinst dich ein Kraft- genie, Und scheinst doch andern ein Flegel." Drauf mit der Schere, Gang an Gang, Beginnt er hurtig zu zwicken, Hinauf, hinunter die Wurzel entlang. Von der Kuppe bis an den Rücken.

Dann spricht er freudig : „Mein

schmuckes Tier, Mein Zelter, edel wie keiner !"

159

1

Und eilends langt er den Spiegel

herfür : „Nun sieh und freue dich deiner! Nun bist ein Paraderöß'ein, baß. Wie eins von Münster bis Wesel." Der Schimmel blinzt und schaut ins

Glas O Himmel, da war er ein Esel !

tiVr

160

r

SECHSTER TEIL

BALLADEN

UND

ERZÄHLENDE GEDICHTE

161

Das war der Graf von Thai,

So ritt an der Fel- senwand :

Das war sein ehlich Gemahl,

Die hinter dem Steine stand.

Sie schaut' im Sonnenstrahl Hinunter den linden Hang, ..Wo bleibt der Graf von Thal? Ich hört' ihn doch reiten entlang!

' ^b das ein Huf schlag ist?

'ielleicht ein Hufschlag fern?

ch weiß doch wohl ohne List, Ich hab' gehört meinen Herrn!"

163

11*

Sie bog zurück den Zweig. »Ei- blind ick oder auch, tatib?*'* Sie blinzelt in dzs Gesträucii U-i bcrdif auf ds^ ra.asci.eti: La'a.b-

Öd' war's im HoHweg leer,

F.:"-ns?.n im rispelnden Wald Dcci. überm Weiber, am "t.

Da fand sie den Grafen '_il:

In seinen Schatten sie trat. Er und seine Gesellen, Die nnstem mid halten Rat, Viel lanter rieseln <^ Wellen.

:ie starrten über das Land.

Senais sie spähten, genau, :ahn :=-ies Zweigiein am Strand, Jcch nicht am Wehre die FratL

Z-ur Erde blickte der Graf. Sc sprach der Graf von TiLaI : „Seit dreizehn Jahren den Schlaf

Raciilcse Schmach, mir stahL"*

164

^"»"ir 13.= ein Seufzer lind'!' l Geselleru -wer kai's geiiiört?"

S-zr2.ch Kurt : ^Es ist imir dser Wiiwi, Der -öiber ^^s^ Sciiilflaialt faicrL*

_So sciiTTÖr' ick berm luöcfestea GiiBt, Und •«^"s mem ^ilicii Weüa, Und •wir" 5 TTiifTPes BmAers BItüiL, Vid TTTiTTTVf^iPT •i!Tn<t=TTi elgmsT LiCÜb :

Xicirtä soll mir "«reiafdiea cien. Sosiml DäS ick die Rache rhrm spar' ; Der Freche soll -werdem vrm', TrPfs. tra.g'en anci dreixeiEi Jair'.

-" Gcti 1 das "wsT ein Gestölm '" Sie sci'ossem die EBcke in Hasi. Spradi Krnrt: ,.7.5 ist der Fötn, "Der maciit senxrem dem T-

„Und ist sein Ang' aTv4i TalÜEid, Uiad i^ sein Saar aoch. grau,

»Und m.am Wdlb seimer SdinFestsT Kind * Eier tat ränen ScIitq (Ec Ptsil

"■» Wie Wetta^aimien scfhnaeH Die Dree wendetem scik. JZisTbcii, z^Aiäck. meim GeseH! Dieses Weibes Ricirtier tsa i-ri.

Sie bog zurück den Zweig. „Bin blind ich oder auch taub?" Sie blinzelt' in das Gesträuch Und horcht' auf das rauschende Laub.

Öd' war's im Hohlweg leer, Einsam im rispelnden Wald ; Doch überm Weiher, am Wehr, Da fand sie den Grafen bald.

In seinen Schatten sie trat. Er und seine Gesellen, Die flüstern und halten Rat, Viel lauter rieseln die Wellen.

Sie starrten über das Land, Genau sie spähten, genau, Sahn jedes Zweiglein am Strand, Doch nicht am Wehre die Frau.

Zur Erde blickte der Graf. So sprach der Graf von Thal : „Seit dreizehn Jahren den Schlaf Rachlose Schmach mir stahl."

164

„War das ein Seufzer lind? Gesellen, wer hat's gehört?" Sprach Kurt : „Es ist nur der Wind, Der über das Schilfblatt fährt."

„So schwör' ich beim höchsten Gut, Und wär's mein ehlich Weib, Und wär's meines Bruders Blut, Viel minder mein eigner Leib :

Nichts soll mir wenden den Sinn, Daß ich die Rache ihm spar' ; Der Freche soll werden inn', Zins tragen auch dreizehn Jahr'.

Bei Gott ! das war ein Gestöhn !" ~^ie schössen die Blicke in Hast, sprach Kurt : „Es ist der Föhn, Der macht seufzen den Tannenast."

.Und ist sein Aug' auch blind,

nd ist sein Haar auch grau, Jnd mein Weib seiner Schwester

Kind " Hier tat einen Schrei die Frau,

Wie Wetterfahnen schnell Die Dreie wendeten sich. ..Zurück, zurück, mein Gesell ! Dieses Weibes Richter bin i.'h.

165

Hast du gelauscht, Allgund? Du schweigst, du blickst zur Erd' ? Das bringt dir bittre Stund' ! Allgund, was hast du gehört?"

„Ich lausch' deines Rosses Klang, Ich späh' deiner Augen Schein, So kam ich hinab den Hang. Nun tue, was Not mag sein.'' '*

„O Frau!" sprach Jakob Port, „Da habt Ihr schlimmes Spiel ! Grad' sprach der Herr ein Wort, Das sich vermaß gar viel."

Sprach Kurt : „Ich sag' es rund, Viel lieber den Wolf im Stall, Als eines Weibes Mund Zum Hüter in solchem Fall."

Da sah der Graf sie an.

Zu Einem und zu Zwein ;

Drauf sprach zur Fraue der Mann :

„Wohl weiß ich, du bist mein.

Als du gefangen lagst Um mich ein ganzes Jahr Und keine Silbe sprachst : Da ward deine Treu' mir klar.

166

So schwöre mir denn sogleich : Sei's wenig oder auch viel, Was du vernahmst am Teich. Dir sei's wie Rauch und Spiel.

Als seie nichts geschehn, So muß ich völlig meinen ; Darf dich nicht weinen sehn, Darfst mir nicht bleich erscheinen.

Denk' nach, denk' nach, Allgund ! Was zu verheißen Not. Oie Wahrheit spricht dein Mund, Ich weiß, und brächt' es Tod."

Und konnte sie sich besinnen, Verheißen hätte sie's nie ; So war sie halb von Sinnen, Sie schwur, und wußte nicht wie.

IL

Und als das Morgengrau In die Kemnate sich stahl, Da hatte die werte Frau Geseufzt schon manches Mal ;

Manchmal gerungen die Hand, Ganz heimlich wie ein Dieb : Rot "vvar ihrer Augen Rand, Todblaß ihr Antlitz lieb.

Drei Tage kredenzt' sie den Wein Und saß beim Mahle drei Tag', Drei Nächte in steter Pein In der Waldkapelle sie lag.

Wenn er die Wacht besorgt. Der Torwart sieht sie gehn, Im Walde steht und horcht Der Wilddieb dem Gestöhn'.

Am vierten Abend sie saß An ihres Herren Seit', Sie dreht' die Spindel, er las, Dann sahn sie auf, alle beid'.

„Allgund, bleich ist dein Mund !" „Herr, 's macht der Lampe Schein." ** „Deine Augen sind rot, Allgund!'* „'s drang Rauch vom. Herde hin- ein.

Auch macht mir's schlimmen Mut. Daß heut vor fünfzehn Jahren Ich sah meines Vaters Blut ; Gott mag die Seele wahren !

168

Lang ruht die Mutter im Dom Sind wen'ge mir verwandt, Ein' Muhm* noch und ein Ohm Sonst ist mir keins bekannt.'* "■

Starr sah der Graf sie an : „Es steht dem Weibe fest. Daß um den ehlichen Mann Sie Ohm und Vater läßt.*'

„Ja, Herr ! so muß es sein. ; Ich gab' um Euch die zwei Und mich noch obendrein, Wenn's sein müßt', ohne Reu'.

Doch daß nun dieser Tag Nicht gleich den andern sei. Lest, wenn ich bitten masj. Ein Sprüchlein oder zwei.' "

Und als die Fraue klar Darauf das heil'ge Buch Bot ihrem Gatten dar, Es auf von selber schlug.

Mit einem Blicke er maß Der nächsten Sprüche einen ; ,,Mein ist die Räch'", er las ; Das will ihm seltsam scheinen.

169

Doch wie so fest der Mann Auf Frau und Bibel blickt, Die saß so still und spann, Dort war kein Blatt geknickt.

Um ihren schönen Leib Den Arm er düster schlang: „So nimm die Laute, Weib V - Sing' mir einen lust'gen Sang

„O Herr ! mag's Euch behagen, Ich sing* ein Liedlein wert, Das erst vor wenig Tagen Mich ein Minstrel gelehrt.

Der kam so matt und bleich, Wollt* nur ein wenig ruhn Und sprach : im oberen Reich Sing' man nichts anderes nun.

Diauf, wie ein Schrei verhallt, Ss durch die Kammer klingt, Als ihre Finc^er kalt Sie an 'Jie Saiten bringt:

170

„Johann ! Johann ! was dachtest du An jenem Tag,

Als du erschlugst deine eigne Ruh' Mit einem Schlag? \'erderbtest auch mit dir zugleich Deine drei Gesellen; }, sieh nun ihre Glieder bleich Am Monde schwellen !

Weh dir, was dachtest du, Johann Zu jener Stund'?

Nun läuft von dir verlornem Mann Hurchs Reich die Kund' !

'b dich verbergen mag der Wald, Dich werd's ereilen ; Horch nur, die Vögel singen's bald, Die Wolf es heulen!

171

O weh ! aas hast du nicht gedacht, Johann ! Johann !

Als du die Rache wahr gemacht Am alten Mann.

Und wehe ! nimmer wird der Fluch Mit dir begraben,

Dir, der den Ohm und Herrn er- schlug, Johann von Schwaben !"

Aufrecht die Fraue bleich Vor ihrem Gatten stand. Der nimmt die Laute gleich. Er schlägt sie an die Wand.

Und als der Schall verklang. Da hört man noch zuletzt, Wie er die Hall' entlang Den zorn'gen Fußtritt setzt.

HI.

Von heut' am siebenten Tag' Das war eine schwere Stund' Als am Balkone lag Auf ihren Knien Allgund.

172

Laut waren des Herzens Schläge : „O Herr ! erbarme dich mein, Und bracht' ich Böses zuwege, Mein sei die Büß' allein."

Dann beugt sie tief hinab,

Sie horcht und horcht und lauscht

Vom Wehre tost es herab,

Vom Forste drunten es rauscht.

War das ein Fußtritt? nein! Der Hirsch setzt über die Kluft. Sollt' ein Signal das sein ? Doch nein, der Auerhahn ruft.

„O mein Erlöser, mein Hort ! Ich bin mit Sünde beschwert, Sei gnädig und nimm mich fort. Eh' heim mein Gatte gekehrt !

Ach, wen der Böse umgarnt, Dem alle Kraft er bricht! Doch hab' ich ja nur gewarnt. Verraten, verraten ja nicht !

Weh ! das sind Rossestritte." Sie sah sie fliegen durchs Ta. Mit wildem grimmigen Ritte Sie sah auch ihren Gemahl.

173

Sie sah ihn dräuen, genau,

Sie sah ihn ballen die Hand ;

Da sanken die Knie der Frau,

Da rollte sie über den Rand.

Und als, zum Schlimmen entschlossen, Der Graf sprengt' in das Tor, Kam Blut entgegen geflossen. Drang unterm Gitter hervor.

Und als er die Hände sah falten Sein Weib in letzter Not, Da könnt' er den Zorn nicht halten. Bleich ward sein Gesicht so rot.

„Weib, das den Tod sich erkor !" „'s war nicht mein Wille" ", sie

sprach, Noch eben bracht' sie's hervor. „Weib, das seine Schwüre brach !"

Wie Abendlüfte verwehen, Noch einmal haucht' sie ihn an : ,, „Es mußt' eine Sünde geschehen Ich hab' sie für dich getan !" "

174

Das Fräulein von Rodenschild.

Sind denn so schwül die Nacht' im

April? Oder ist so siedend jungfräulich Blut? Sie schließt die Wimper, sie liegt so

still Und horcht des Herzens pochender

Flut. „O, will es denn nimmer und nimmer

tagen ? O, will denn nicht endlich die Stunde

schlagen? Vh wache, und selbst der Zeiger

ruht!

Doch horch ! es summt, eins, zwei

und drei Noch immer fort? sechs, sieben

und acht, Af, zwölf o Himmel, war das ein

Schrei ? Doch nein, Gesang steigt über der

Wacht, Nun wird mir's klar, mit frommem

Munde Begrüßt das Hausgesinde die Stunde, Anbrach die hochselige Osternacht/*

175

Seitab das Fräulein die Kissen stößt Und wie eine Hinde vom Lager setzt, Sie hat des Mieders Schleifen gelöst Ins Häubchen drängt sie die Locken

jetzt, Dann leise das Fenster öflfnend, leise, Horcht sie der mählich schwellenden

Weise, Vom wimmernden Schrei der Eule

durchsetzt.

O dunkel die Nacht ! und schaurig der

Wind ! Die Fahnen wirbeln am knarrenden

Tor Da tritt aus der Halle das Haus-

gesind' Mit Blendlaternen und einzeln vor. Der Pförtner dehnet sich, halb schon

träumend, Am Dochte zupfet der Jäger säumend, Und wie ein Oger gähnet der Mohr.

Was ist? wie das auseinander

schnellt ! j

In Reihen ordnen die Männer sich, ' Und eine Wacht vor die Dirnen stellt Die graue Zofe sich ehrbahrlich.

176

„Ward ich gesehn an des Vorhangs

Lücke ? Doch nein, zum Balkone starren die

Blicke, Nun langsam wenden die Häupter sich,

„O weh meine Augen ! bin ich ver- rückt ?

Was gleitet ent'ang dasTreppengeländ?

Hab' ich nicht so aus dem Spiegel geblickt?

Das sind meine Glieder welch ein Geblend' !

Nun hebt es die Hände, wie Zwirnes Flocken,

Das ist mein Strich über Stirn und Locken !

\Veh' bin ich toll, oder nahet mein End' ?"

Das Fräulein erbleicht und wieder er- glüht, Das Fräulein wendet die Blicke nicht, Und leise rührend die Stufen zieht Am Steingelände das Nebelgesicht, In seiner Rechten trügt es die Lampe, Ihr Flämmchen zittert über der Rampe, Verdämmernd, blau, wie ein Elfen- licht.

177

Nun schwebt es unter dem Sternen- dom,

Nachtwandlern gleich in Traumes Ge- leit,

Nun durch die Reihen zieht das Phan- tom,

Und jeder tritt einen Schritt zur Seit'.

Nun lautlos gleitet's über die Schwelle -

^un wieder drinnen erscheint die

Helle Hinauf sich windend die Stiegen

breit.

178

. Das Fräulein hört das Gemurmel nicht,

Sieht nicht die Blicke, stier und ver- scheucht,

Fest folgt ihr Auge dem bläulichen Licht,

Wie dunstig über die Scheiben es streicht.

Nun ist's im Saale, nun im Ar- chive —

Kun steht es still an der Nische Tiefe

Nun matter, matter ha ! es er- bleicht !

K „Du solltst mir stehen ! ich will dich

fahn !" Und wie ein Aal die beherzte Maid Durch Nacht und Krümmen schlüpft

ihre Bahn, Hier droht ein Stoß, dort häkelt das

Kleid, Leis tritt sie, leise, o Geistersinne } Sind scharf ! daß nicht das Gesicht

entrinne ! Ja, mutig ist sie, bei meinem Eid !

Ein dunkler Rahmen, Archives Tor,

Ha, Schloß und Rieg-el ! sie steht gebannt,

Sacht, sacht das Auge und dann das Ohr

Drückt zögernd sie an der Spalte Rand,

Tiefdunkel drinnen doch einem Rauschen

Der Pergamente glaubt sie zu lau- schen

Und einem Streichen entlang der Wand.

So niederkämpfend des Herzens

Schlag, Hält sie den Odem, sie lauscht, sie

neigt Was dämmert ihr zur Seite gemach? Ein Glühwurmleuchten, es schwillt,

es steigt. Und Arm an Arme, auf Schrittes

Weite, Lehnt das Gespenst an der Pforte

Breite, Gleich ihr zur Nachbarspalte gebeugt.

180

Sie fährt zurück das Gebilde auch

Dann tritt sie näher so die Ge- stalt —

N'un stehen die beiden, Auge in Aug',

L'nd bohren sich an mit Vampyres Gewalt.

Das gleiche Häubchen decket die Locken,

r^as gleiche Linnen, wie Schnees Flocken,

bleich ordnungslos um die Glieder %'allt.

Langsam das Fräulein die Rechte streckt.

Und langsam, wie aus der Spiegel- wand,

^ich Linie um Linie entgegen reckt

Mit gleichem Rubine die gleiche Hand;

Nun rührt sich's die Lebendige spüret,

Als ob ein Luftzug schneidend sie rühret.

Der Schemen dämmert zerrinnt entschwand.

i&l

Und wo im Saale der Reihen fliegt,

Da siehst ein Mädchen du, schön und wild,

Vor Jahren hat's eine Weile ge- siecht —

Das stets in den Handschuh die Rechte hüllt.

Man sagt, kalt sei sie wie Eises Flim- mer,

Doch lustig die Maid, sie hieß ja immer :

„Das tolle Fräulein von Rodenschild."

Der Geierpfiff.

„Nun still ! Du an den Dohncn-

schlag ! Du links an den gespaltnen Baum ! Und hier der faule Fetzer mag Sich lagern an der Klippe Saum : Da seht fein offen übers Land Die Kutsche ihr heranspazieren ; Und Rieder dort, der Höllenbrand, Mag in den Steinbruch sich postieren !

Dann aufgepaßt mit Aug' und Ohr, Und bei dem ersten Räderhall Den Eulenschrei ! und tritt hervor Die Fracht, dann wiederholt den Schall.

182

Doch, naht Gefahr Patrouillen

gehn, Seht ihr die Landdragoner streifen, Dann dreimal, wie von Riffeshöhn, Laßt ihr den Lämmergeier

pfeifen.

Nun, Rieder, noch ein Wort zu dir :

Mit Recht heißt du der Höllenbrand;

Kein Stückchen ich verbitt' es

mir Wie neulich mit der kalten Hand !"

Der Hauptmann spricht es ; durch den Kreis

Ein Rauschen geht und feines Schwir- ren,

Als sie die Büchsen schultern leis.

Und in den Gurt die Messer klirren.

Seltsamer Troß ! hier Riesenbau Und hiebgespaltnes Angesicht, Und dort ein Bübchen wie 'ne Frau, Ein zierliches Spelunkenlicht ; Der drüben an dem Scheitelhaar So sachte streift den blanken Fänger, Schaut aus den blauen Augen gar Wie ein verarmter Minnesänger.

183

's ist lichter Tag ! die Bande scheut Vor keiner Stunde alles gleich ; Es ist die rote Bande, weit Verschrien, gefürchtet in dem Reich ; Das Knäbchen kauert unterm Stier Und betet, raschelt es im Walde. Und manches Weib verschließt die Tür, Schreit nur ein Kuckuck an der Halde.

Die Posten haben sich zerstreut, Und in die Hütte schlüpft der Troß Wildhüters Obdach zu der Zeit, Als jene Trümmer war ein Schloß: Wie Ritter vor der Ahnengruft, Fühlt sich der Räuber stolz gehoben Am Schutte, dran ein gleicher Schuft Vor Jahren einst den Brand ge- schoben.

Und als der letzte Schritt verhallt, Der letzte Zweig zurück gerauscht, Da wird es einsam in dem Wald, Wo überm Ast die Sonne lauscht ; Und als es drinnen noch geklirrt Und noch ein Weilchen sich ge- schoben. Da still es in der Hütte wird. Vom wilden Weingerank umwoben.

184

Der scheue Vogel setzt sich kühn Aufs Dach und wiegt sein glänzend

Haupt, Und summend durch der Reben Grün Die wilde Biene Honig raubt; Nur leise wie der Hauch im Tann, Wie Weste durch die Halme streifen, Hört drinnen leise, leise man Vorsichtig an den Messern schlei- fen. —

Ja, lieblich ist des Berges Maid In ihrer festen Glieder Pracht, In ihrer blanken Fröhlichkeit Und ihrer Zöpfe Rabennacht; Siehst du sie brechen durchs Genist Der Brombeerranken, frisch, ge- drungen. Du denkst, die Zentifolie ist Vor Übermut vom Stiel gesprungen.

Nun steht sie still und schaut sich

um Allüberall nur Baum an Baum ; Ja, irre zieht im Walde um Des Berges Maid und glaubt es kaum ;

185

Noch zwei Minuten, wo sie sann, Pulsieren ließ die heißen Glieder Behende wie ein Marder dann Schlüpft keck sie in den Steinbruch nieder.

Am Eingang steht ein Felsenblock, Wo das Geschiebe überhängt ; Der Efeu schüttelt sein Gelock, Zur grünen Laube vorgedrängt, Da unterm Dache lagert sie. Behaglich lehnend an dem Steine, Und denkt : ich sitze wahrlich wie Ein Heil'genbildchen in dem Schreine!

Ihr ist so warm, der Zöpfe Paar Sie löset mit der runden Hand, Und nieder rauscht ihr schwarzes

Haar Wie Rabenfittiches Gewand. Ei ! denkt sie, bin ich doch allein ! Auf springt das Spangenpaar am Mie- der ; Doch unbeweglich gleich dem Stein Steht hinterm Block der wilde Rieder :

186

Er sieht sie nicht, nur ihren Fuß, Der tändelnd schaukelt wie ein

Schiff, Zuweilen treibt des Windes Gruß Auch eine Locke um das Riff, Doch ihres heißen Odems Zug, Samumes Hauch, glaubt er zu füh- len; Verlorne Laute, wie im Flug Lockvögel, um das Ohr ihm spielen.

So weich die Luft und badewarm. Sie lehnt sich, dehnt sich, ihren

Arm, Berauschend Thymianes Duft, Den vollen, streckt sie aus der Kluft, Schließt dann ihr glänzend Augen- paar — Nicht schlafen, ruhn nur eine

Stunde So dämmert sie, und die Gefahr Wächst von Sekunde zu Sekunde.

Nun alles still sie h a t gewacht Doch hinterm Steine wird's belebt, Und seine. Büchse sachte, sacht Der Rieder von der Schulter hebt,

187

Lehnt an die Klippe ihren Lauf, Dann lockert er der Messer Klingen, Hebt nun den Fuß was hält ihn

auf? Ein Schrei scheint aus der Luft zu

dringen !

Ha, das Signal ! er ballt die

Faust Und wiederum des Geiers Pfiff Ihm schrillend in die Ohren saust Noch zögert knirschend er am Riff Zum dritten Mal und sein Gewehr Hat er gefaßt hinan die Klippe ! Daß bröckelnd Kies und Sand umher Nachkollern von dem Steingerippe.

Und auch das Mädchen fährt empor : „Ei, ist so locker das Gestein?" Und langsam, gähnend tritt hervor Sie aus dem falschen Heil'gen-

schrein, Hebt ihrer Augen feuchtes Glühn, Will nach dem Sonnenstande schauen. Da sieht sie einen Geier ziehn Mit einem Lamm in seinen Klauen.

188

Und schnell gefaßt, der Wildnis Kind» Tritt sie entgegen seinem Flug: Der kam daher, wo Menschen sind. Das ist der Bergesmaid genug. Doch still ! war das nicht Stimmen- ton Und Räderknarren ? stiM ! sie lauscht Und wirklich, durch die Nadeln schon Die schwere Kutsche ächzt und rauscht.

,,He, Mädchen !" ruft es aus dem

Schlag, Mit feinem Knix tritt sie heran : ,.Zeig uns zum Dorf die Wege nach,. Vv'ir fuhren irre in dem Tann !" „Herr," spricht sie lachend, „nehmt

mich auf, Auch ich bin irr* und führ' Euch

doch." „Nun wohl, du schmuckes Kind, steig

auf. Nur frisch hinauf, du zögerst noch?"

„Herr, was ich weiß, ist nur gering. Doch führt es Euch zu Menschen hin, Und das ist schon ein köstlich Ding Im Wald, mit Räuberhorden drin :

189

Seht, einen Weih am Bergeskamm Sah steigen ich aus jenen Gründen, Der in den Fängen trug ein Lamm; Dort muß sich eine Herde finden."

Am Abend steht des Forstes Held Und flucht die Steine warm und kalt ; Der Wechsler freut sich, daß sein

Geld Er klug gesteuert durch den Wald : Und nur die gute, franke Maid Nicht ahnet in der Träume Walten, Daß über sie so gnädig heut Der Himmel seinen Schild gehalten.

190

Die Schlacht im Loener Bruch.

Anno 1623.

Erster Gesang. 'S ist Abend, und des Himmels

Schein Spielt um Westfalens Eichenhain, Gibt jeder Blume Abschiedskuß Und auch dem Weiher linden Gruß, Der ihm mit seinen blanken Wellen Will tausendfach entgegen schwellen, Am Ufer Wasserlilien stehn, Und durch das Schilf Gesäusel gehn, Wie Kinder, wenn sie, eingewiegt. Verfallen halb des Schlafes Macht, Noch einmal flüstern : „Gute Nacht !'* Es ist so still ; die Ebne liegt So fromm, in Abendluft gehüllt. Der Witwe gleich in Trauer mild.

191

Die um sich zieht den Schleier fein, So doch nicht birgt der Tränen

Schein. Am Horizont das Wolkenbild, Ganz, wie ihr Sinnen, zuckend Licht, Das bald sich birgt, bald aufwärts

bricht, Phantastisch, fremd, ein Traumge- sicht. Seh' ich dich so, mein kleines Land, In deinem Abendfestgewand : Ich meine, auch der Fremdling muß Dir traulich bieten Freundesgruß. Du bist nicht mächtig, bist nicht wild, Bist deines stillen Kindes Bild, Das, ach, mit allen seinen Trieben Gelernt vor allem dich zu lieben ! So daß auch keines Menschen Hohn, Der an des Herzens Fäden reißt, Und keine Pracht, wie sie auch gleißt, Dir mag entfremden deinen Sohn. Wenn neben ihm der Gletscher glüht. Des Berges Aar sein Haupt umzieht, Was grübelt er? Er schaut nach

Norden ! Und wo ein Schiff die Segel bläht An würzereichen Meeresborden ; Er träumerisch am Ufer steht.

192

Ich meine, was so heiß geliebt. Es darf des Stolzes sich erkühnen. Ich liebe dich, ich sag' es laut! Mein Kleinod ist dein Name traut. Und oft mein Auge ward getrübt. Sah ich in Südens reichen Zonen, Erdrückt von tausend Blumenkronen, Ein schüchtern Heidekräutchen grü- nen. Es war' mir eine werte Saat, Blieb ich so treu der guten Tat, Als ich mit allen tiefsten Trieben, Mein kleines Land, dir treu ge- blieben ! So sei dir alles zugewandt, M'ein Geist, mein Sinnen, meine Hand, Zu brechen die- Vergessenheit, Der rechtlos dein Geschick geweiht. Wacht auf, ihr Geister früher Zeit, Und mögt an jenen Himmelsstreifen ^hr Schatten gleich vorüber schwei- fen! Wacht auf, wacht auf, der Sänger ruft!

Und sieh, es steigt am Wolkensaum Noch scheu und neblig wie ein Traum,

193

13

Es sctwillt und wirbelt in der Luft. Und nun wie Bienenschwarm ge- scheucht Es stäubend auseinander fleucht : Ich sehe Arme, Speeres Wucht, Ich sehe Nahen, sehe Flucht, Und gleich entfernten Donners Grollen Hör ich es leise zitternd rollen. Ihr seid's, ihr bracht den langen

Schlaf ! Der tolle Herzog l^ Anholts Graf !2 *j

Es war im Erntemond, ein Tag Gleich diesem auf der Landschaft lag. Wo Windes Odem, süß und reg'. Hielt mit den Zweigen Zwiegespräch,— Der letzte einer langen Reihe Voll Glaubenswut und Todesweihe, Da, ach ! um Lehren, liebereich, Gefochten ward den Wölfen gleich. 'S war eine tränenschwere Zeit Voll bittrer Lust und stolzem Leid, Wo schwach es schien den Toten

klagen, Wo so verwirrt Gesetz und Recht, So ganz verwechselt Herr und Knecht, Daß selbst in diesen milden Tagen, *) Anmerkungen siehe S. 324 u. flgd.

Da klar und friedlich jeder Blick, Nicht einer ist, so möchte sagen : Der ward allein um Schuld ge- schlagen. Und der allein durch Mißgeschick. Das Recht, es stand bei jedem Häuf, nd schweres Unrecht auch vollauf, Vie sie sich wild entgegen ziehn, ier für den alten Glauben kühn, nd dort für Luther und Calvin.

ast dreißig Jahre sind entschwun- den, nd noch kein Ende ist gefunden: Es rollt der Rhein die dunklen Wogen Durch brandgeschwärzter Trümmer Graus ; )a ist kein Schloß, kein niedres Haus, Das nicht, vom Wetter schwer um- zogen, on Freund und Feinde gleich ge- plagt. Dem Wurf der nächsten Stunde zagt. O Tilly,3 deine blut'ge Hand Hat guter Sache Schmach gespendet ! Wohin dein buschig Aug' sich wendet, Ein Kirchhof wird das weite Land.

195

Stand' nicht so mild in deiner Näh', Ein Pharus an ergrimmter See, Der fromme Anholt, dessen Wort So gern den Irren ruft zum Port Und mag den Strandenden geleiten, Du wärst ein Fluch für alle Zeiten ! Doch wo der tolle Braunschweig

sengt, Da ist die Gnade gar verdrängt. Wenn, des Korsaren Flagge gleich. Sein Banner weht im Flammenreich, Sein Banner, roten Blutes helle. Mit „Tout pour Dieu et tout pour

Elle!^' Die Kirchen ihres Schmuckes bar, Die Priester am Altar erschlagen, Sie können ohne Worte sagen, Daß hier der tolle Herzog war.

So diese stille Gegend auch In ihrem Abendfriedenshauch ; Sie ruht, doch wie in Schreck erstarrt, Und todbereit des Schlages harrt. Noch hat die Flur kein Feind be- treten, Noch zittert nur die fromme Luft Vom Klang der Glocke, welche ruft Die Klosterfrauen zu Gebeten,

196

Wo dort aus dichter Buchen Kranz Sich Meteln^ hebt im Abendglanz. \ch, mancher Seufzer quillt hinauf! nd stöhnend manche Stimme bricht >er schonungslosen Hora Pflicht, ei jeder Pause horcht man auf: nd dann die Melodie sich hebt, 0 angstvoll wie die Taube bebt, >'enn über ihr der Falke schwebt. lin Landm.ann, heimgekehrt vom

Pfluge, Tat alle Sinne aufgestört ; jir glaubte in des Windes Zuge Zu horchen wüster Stimmen Schall, Und war es Furcht, was ihn betört, ^och hatte jedes Ohr gehört Jes donnernden Geschützes Hall. Es ist gewiß, sie sind bedroht, Die Hilfe fern und groß die Not. nd hier an diesem Weiher klar -aß damals kleiner Mädchen Schar; Nichts wußten die von Furcht und

Scheu Und spielten an dem Borde frei. Sie warfen flacher Steinchen Schei- ben, 'ie tanzend blanke Tropfen sprühn ; 'ann pflückten Blumen sie und Grün

197

Und sahn sie rnit den Wellen treiben Und schauten in den Spiegel ein Und ordneten die Mützchen fein ; Denn sei ein Mädchen noch so klein, Es mag sich gerne zierlich wähnen. Auch haschten sie nach den Phalänen, Die summend kreisen übern Teich. Es war ein holdes Friedensreich, Der grüne Bord, die leisen Wellen Und diese tändelnden Gesellen. Doch still ! die Mädchen schauern

auf Was steigt dort hinterm Dickicht auf ? Es stampft und knackt, es schnaubt

und klirrt, Dazwischen es wie Sensen schwirrt. Schau, in das Ufer dichtumbuscht Ist schnell die kleine Schar gehuscht. Und immer näher trabt es an, Und immer heller schwirrt's heran. Nun sind sie da, ein starker Troß, In Eisen starrend Mann und Roß ; Die Rüstung wohl des Glanzes bar Und manche Klinge schartig war, Bevor sie kamen hier zur Stell'. Sie sprengen an den Weiher schnell, Dann mühsam beugend übern Rand Das Wasser schöpfen mit der Hand.

198

Und tief die heißen Nüstern tauchen Die Rosse, Gras und Binsen rauchen, Man hört des Odems schweren Drang, Und Worte fallen sonder Klang, Als wollten sie in heisren Tönen. Hervor die müde Seele stöhnen. Dort einer klirrt den Rain entlang. Zur Seite abgewendet schier, Ein andrer hält sein schnaubend Tier, An seinem Hut ein Handschuh steckt, V^om Reiherbusche halb verdeckt ; Die Federn hangen drüber her, Geknickt, von roten Tropfen schwer. N.un barhaupt einen Augenblick, Die Locken schiebt er wild zurück : Nie sah man in so jungen Zügen So tiefen Grolles Spuren liegen ; Ja, als er ob der Welle beugt. Wo ihm sein Bild entgegen steigt. Man meinte, diese Zweie gleich, Sie müßten fassen sich am Teich. Lang schlürft er, gierig, tief geneigt. Nun faßt den Zaum die Eisenfaust, Und nun voran ! Die Heide saust, Das Laub von dem Gezweige stäubt, Wie sich der Zug vorüber treibt. Und aufgejagten Sandes Wellen Sich lagern erst an fernen Stellen.

Sie sind dahin des Hufes Spur Blieb am zerstampften Weiher nur. Doch in der Heide Nebelweiten Wie Vogelschwärme sieht man's glei- ten; Es wimmelt längs der Wolkenbahn. Und wie die Eisenmänner nahn, Ein summend Jauchzen, hörbar kaum, Verzittert in der Ebne Raum. Und nun verschwimmt's im Nebeltau, Und wieder ist der Himmel blau. Und wieder friedlich liegt das Land. Doch schon an Horizontes Rand Steigt hier und dort ein wallend Rot : O wehe ! das Panier der Not ! O wehe ! wehe ! Mord und Brand ! Und durch die Ebne halb wie Zagen Und halb wie Jauchzen, geht ein Schrei : „Der tolle Braunschweig ist ge- schlagen ! Der tolle Herzog floh vorbei !"

Wohl ist er toll, wohl ist er schlimm, Ein Tigertier in seinem Grimm ; Und doch so mancher edle Keim War einst in dieser Brust daheim, Als noch an Vaters Hof den Knaben Sein heimlich Sinnen durfte laben.

200

Wenn er, dem Zwange schlau ent- zogen, In seinem Mark die junge Glut, Von der Gefährten Schar umflogen '"•ie höchsten Zweige klimmend bog, Jes Sturmes Odem gierig sog, L'nd dann ertappt, o schnöde Pein ! Die Strafe willig trug allein. Für einen Freund gab' er sein Blut ! 13 war ein stolzer, frischer Stamm, Der siechte in des Hofes Schlamm ; Denn damals man wie heute tat Und zog nicht die Natur zur Rat ; Man heischte von der Zeder Wein. Fest stand der Schluß, und schon

genannt Das Bistum ward, das zuerkannt Dem Knaben, wenn der Jahre Lauf Die reife Stunde trüg' herauf, ^o könnt' es wohl nicht anders sein. Die edlen Säfte mußten gären, Zum Mark die Träne siedend kehren, Und keinem trauend, keinem hold, Der junge Prinz des Herzens Gold Zu schnöden Schlacken ließ verglim- men. T^och weiß die Sitte er zu stimmen, . .'ie es gebeut des Hofes Ton,

201

Und keiner sah den bittern Hohn ! Die Mutter lobt den klugen Sohn, Ob von der Wespe Stiche gleich Galläpfel trägt der bunte Zweig. Was will man mehr? So wächst er

auf. Und nach dem wohlbeschloßnen Lauf, Fürwahr ! die Inful nimmt er auch. Und keiner sah sein blitzend Aug' Und sah, wie krampfhaft seine Hand Des Hirtenamts Symbol umspannt'. Gemacht zum Priester, meinte man, Hab' ihn nicht eben die Natur, Doch Tugend setze Alter an Dem Geist, wie Rost dem blanken

Stahl : Kurz, jeder war vergnügt der Wahl. Und Vaters Augen bald nachher In Frieden auch geschlossen sind, Sein letzter Seufzer war nicht schwer, Er klagte kein verlornes Kind Sind ewig denn die Fürsten blind?

Indessen dringt das Kriegsgeschrei, Und immer näher dringt's herbei ; Wie, schlummert noch der junge Leu? Träumt er die edlen Stunden hin ? O Böhmens schöne Königin l^

202

Aus deinen Augen fällt ein Strahl, Da zucken seine Brau'n zumal. Er springt empor, die Mähne schüt- telnd, \n seiner Kette grimmig rüttelnd ; Sie bricht, und aus der langen Haft Verdoppelt stürmt die wilde Kraft. O Frau ! betört von Stolzes Trug,* Der nicht ein Fürstenhut genug, Du hast geweckt den schlimmsten

Leun, Der Himmel mag es dir verzeihn ! Sie sah so sanft, man sollte wähnen, Dies Auge, um des Tieres Not Vergießen müss' es fromme Tränen, Vnd ihrer lichten Wangen Rot Schien so verschämt, als könne sie Dem Manne sehn ins Auge nie. '.Vohl öfters wie ein Blitz es zog Durch ihr Gesicht, dann war sie hoch Snd aller Frauen Kaiserin : Doch nichts verriet den harten Sinn, Der sich durch tausend Leichenhaufen Ein schnödes Zepter will erkaufen. Doch war es so ; seit den Gemahl \'on Böhmens Ständen traf die Wahl, Tat sie sich heimlich diesen Schwur, Als Königin zu sterben nur ;

Und keiner in der Zeiten Drang Gleich ihr des Aufruhrs Fahne schwang. Sie fand die tief versteckte Spur, Die Herzens Beben mochte künden, Das, ach ! an ihrem Odem hing. Sie war gemacht, es zu ergründen, Und nie umsonst sah sie ein Ding. Daß sie ihn liebte, sag* ich nicht, Sie wahrte treu der Gattin Pflicht. Zwar dürft' er ihren Handschuh tragen, Das war nicht viel in jenen Tagen, Ein Spiel, nicht von Bedeutung gar. Doch edel war er, das ist wahr ! Und jung und, da er liebte, auch Verklärt von süßer Flamme Hauch. Sein Gang war adelig, gewandt, Vor allem zierlich Fuß und Hand ; Vom Antlitz wich der bittre Hohn, Jetzt träumerischer Schwermut Thron ; Und zuckt unheimlich es zusammen, Sie wußte ja, es war um sie; Wird eine Frau ihn drum verdam-

men

Ich weiß es nicht, und glaub' es nie. Kurzum, er wirft die Inful fort Und greift zum Schwert ; ein Pan- zer hüllt Die Brust, von trüber Glut erfül't.

204

So harrend auf der Herrin Wort ; Denn dienen kann ein Fürstensohn Nur Frauen, keinem sonst um Lohn.

Was soll von diesem Zug' ich kün- den? Das Schiff nur segelt mit den Win- den, Und ohne Nahrung stirbt die Glut, Nichts ohne Glück vermag der Mut. Das war für ihn ein schwerer Tag, Als nieder Böhmens Banner lag ! Er gab es nicht, es ward entwandt Der noch zum Kampf bereiten Hand, Durch jener Wort, die ihn gesendet; Sie schrieb : „Fahrt wohl ! Wir

müssen fliehn, Als Heimatlose fürder ziehn. Legt hin das Schwert ! Es war zu

kühn, Das Königsspiel, es ist geendet." Ja, Böhmens Banner ist verloren, Doch nicht sein Schwert! Er hat

geschworen. Nicht rasten will er Nacht und Tag, Bis es die Schmach der Herrin brach. Soll reuig an die Brust er schlagen? Soll wieder seine Inful tragen?

205

Noch weiß er, weiß noch einen Mann, Den auch Geschick nicht beugen

kann, Obwohl er tief und grimmig fühlt. Für einen Abenteurer hielt Er ihn bis jetzt; doch mag es sein! Auch ihn verließ der Sonne Schein. Ein Fürst, ein Feldherr war er schon, Und jetzt? Fortunens kecker Sohn! So geh' es denn auf eigne Hand 1 Und bald um seinen Führer stand Ein Heer, vom Reiche ausgestoßen, Landstreicher, flüchtige Matrosen, Manch Räuber auch, entflohn dem

Rad, Und wen geächtet sonst der Staat „So recht ! so recht !" der Braun- schweig lacht, Denn ihn auch traf des Reiches Acht. Und vor dem Mansfeld''' tritt er auf, Die Hand ihm bietend : „Nun wohl- auf! Gesell, wir müssen uns vereinen So mag die Sonne wieder scheinen. Mein Heer, ein wenig bunt und klein, Allein geächtet : also mein." Und schallend schlug der Mansfeld ein.

206

Seit diesem Tage war es ganz, Als lösche jener trübe Glanz, Der zwischen Braunschweigs hohen

Brauen Ließ seiner Brust Geheimnis schauen, Der Liebe nicht, nein, jene Schrift, Die Mischung kündend, draus bestand Sein seltsam Wesen : Frost und Brand, cilkräftig Gold, Oxydes Gift. is war nun hin, dafür entstand in zuckend Fältchen an der Stelle,

1::chwach im Gefechte, tief beim Brand, Wie eingeätzt, wenn Mönches Zelle In schwarzen Wolken qualmt empor. Schlimm w^ar er, dennoch^ schwer zu sagen. Wie viel von seiner Taten Last ■'uß argen Heeres Willkür tragen; r hatte sich so tief gefaßt . Stolz und Schlauheit, daß es schien ein Hähnchen falle ohne ihn. j meint gehorsam sich der Knecht, enn, was geschehn, zumeist ist

recht ; nd anders nicht zu lenken war in Heer wie dieses, das ist klar.

207

Nicht soll man zweifeln, daß zu Zei- i

ten Es schlimmer ward, als er gedacht, ■' Daß öfters die verschwiegne Nacht Manch schweren Seufzer sah ent- gleiten. Wenn zuckend hellt der Lampe Strahl Auf seiner Stirn das Runenmal, Obschon es ihm wie Labsal war, Sah er aus einem Kloster klar Die Funken wie Raketen ziehen. Und „Gottes Freund, der PfalTcn

Feind !"8

Von Herzen war der Spruch gemeint. ^ Auf seinen Münzen liest man dies. ' Ja, seine Brust war ein Verließ, ^

Drin tief wie ein Gefangner lag Der Groll um längst vergangnen Tc^. ? Und ach ! das wüste Leben brach )

Zuletzt auch jeder Tugend Blühen, Daß nur die Treue blieb allein Wie weinenden Gestirnes Schein, V\^ie Palmeninseln in der Wüste, Korallenglanz an öder Küste. Und nicht die Amnestie er nahm, So ihm von Kaisers Hulden kam, Zu Regensburg am Fürstentag Doch seinem Heere ließ die Schmach :

208

t

Laut war das „Xein", so er da

sprach : Und um die Seinen ist es nur, Daß sich die fürstliche Natur Zu neuem Dienste kann bequemen Und Sachsens Fahne wieder nehmen ; iel lieber würd' er fallen kühn, ein blutig Banner über ihn ; Doch Treue läßt ihm keine Wahl. Und so, des Bundes General, Sah ihn der Rhein, sah ihn West- falen >rit scharfer Münze klingend zahlen, -uf seinem Weg* die Flamme prah- len. Der Platow, seine rechte Hand, Brandmeister ward im Heer genannt,^ Er selbst der tolle Herzog nur. Ihm war es recht, er sagt' es offen, '^er Titel schien ihm wohl getroffen, .'ild war er, wenn Fortuna lacht, Ihr Zürnen ihn zum Tollen macht ; Der Himmel mag sich des erbarmen, Den heut er trifft ! Wir sahn ihn fliehn, Und schwarz ihm nach wie Flüche

ziehn Rauchsäulen aus dem Dach des Annen.

209

L

In einem Schloß, vom Wald geschützt, Man scherzt und kost beim heitern

Mahl. Stieg denn das Wetter auf ? Es

blitzt, Entlang die Zweige zuckt der Strahl, Und alle Fenster klirren auf. Ha ! dort und dorten steigt es auf ! Und alle trifft des Wortes Wucht: Der tolle Herzog auf der Flucht!'* So stürmt er fort, ein Meteor Mit Flammenspur am Himmelstor, Bis nun auf Ahaus'io Heidegrund Sein Heer sich lagert wirr und bunt. Ach, armes kleines Städtchen du, Wie steht's um deine nacht' ge Ruh ! All deine Bürger blieben wach Und zittern vor dem jungen Tag, Wie jener, dem der Sonne Licht Nur leuchten soll zum Hochgericht. Man hat gehemmt der Glocke Schlag. Kein Lämpchen in der Kammer

glimmt ; Der Blendlaterne trüber Schein Nur wohlverdeckt im Keller schwimmt, Wo zitternd birgt, so gut er kann. Sein bißchen Hab' der ärmste Mann ; Auch in den Kammern manche sind,

210

Die betend an den Fenstern stehn Und sehen gleich Dämonen gehn Die Wachen längs der Feuer Schein. Im Bett der Kranke bleibt allein. Und langsam in des Mondes Glanz Regt klappernd sich der Rosenkranz : Daß Gott der einst in seiner Huld , Für Israel, bedeckt mit Schuld,

Die Sonne ließ am Himmel weilen, Ach, heute nur, dies eine Mal, Den Sternen Dauer mög' erteilen ! Umsonst ! die Stunde rollt heran. Im Lager drüben Roß und Mann J O, ein Geräusch, den Tod zu bringen y Vom Lager hört man klirrend springen. Doch zögert noch der Morgenstrahl.

Dort, wo gelehnt am Lanzenstab, Ein dunkler Fleck, die Wache steht. In seinem Zelte auf und ab Der Christian von Braunschweig geht. Er ist alleine ; was er denkt, Sein Auge kündet tief gesenkt, Das nur zum Grund die Blicke führt. Zuweilen seine Rechte rührt Des Hutes Rand, wo blutbefleckt Am Reiherbusch der Handschuh steckt,

211

Als zweifle er, ob nicht dies Zeichen Mit seinem Glücke müsse weichen. Und soll sein Antlitz ich vergleichen : Des Griechen Feuer müßt' es sein. Das heimlich frißt mit kaltem Schein. Ja! wessen Auge jetzt ihn trifft, Der läse schnell die Runenschrift : „Ein Held ! ein Schwärmer ! ein Sol- dat. Und seines Glaubens Renegat!" Schau, ein Papier am Boden dort ! Er schleudert's mit dem Fuße fort. Der Mansfeld hat ihm aufgesagt ;ii- „Ein Narr, der es mit Schelmen

wagt !" Im Lager bleibt es immer still Noch schlummert rauchend der Vulkan, Was hemmte seiner Lava Bahn? Die Vorsicht, so nicht gönnen will. Der Beute Lust sich zu ergeben. Wo Schwerter überm Haupte schwe- ben. Nur Rosses Wiehern, Wächters Gang, Vom Hammerschlag ein ferner Klang Durch des Gezeltes Spalten drang. Sie öffnen sich, und langsam tritt Vor seinen Feldherrn Obrist Spar.12 Ein Mann, so aller Milde bar.

Daß ihn der Herzog oft verglich Der Roßkastanie, deren Stich ( Nur trotzig zu verbergen sucht, { Daß ungenießbar ist die Frucht. Im Zelt sie wandeln Schritt bei Schritt, i Was sie gesprochen, war nicht lang ; y Doch weiß man, in den Herzog drang I Er wiederholt : nach solchem Streite Zumeist dem Krieger zieme Beute, Daß eine Lust noch rüttle wach , Den Mut, der im Gefechte brach. O stolzer Feldherr, gib nicht nach !

- Wie endlos ist der Kirche Bogen, ^ Wie geisterhaft der Ampel Strahl, ^ Wenn Furcht und Seelenglut zumal In Stößen treiben Blutes Wogen. Die Decke schwimmt, der Leichen- stein Scheint aus den Fugen sich zu heben, 'nd ein unheimlich, blutlos Leben egt flimmernd sich im Heil'gen-

schrein. .uf leerer Kanzel knackt ein Tritt, Wie Nachtwind an den Fenstern

wühlt ; Von unsichtbarer Hand gespielt

213

Die Orgel summend scheint zu beben, Sein Schwert Sankt Michael zu heben Und Zugluft, die dem Spalt entglitt, Regt nun und dann des Greises Haar, Der dort am Hochaltare liegt, So regungslos in sich geschmiegt, Als sei er schon des Lebens bar. Und wie es flatternd ihn umfliegt, Er meint, es sei des Vorfahrs Odem, Ins Ohr ihm flüsternd immer neu : Halt aus ! halt aus ! auf schwankem

Boden Bleib deinem Heiligtume treu ! Nicht rühme sich die blut'ge Schar, Verlassen traf sie den Altar ! Was war das? Stimmen, und ganz

dicht ! „Jesus Maria, steh uns bei !" Nun ist es still. Und nun aufs neu ! „O heil'ge Jungfrau, laß mich nicht. Wenn nun mein Stündlein kommt

herbei !" Es klopft und drängt, es dreht am

Schloß, Die Flügel schwanken. Ha ! da bricht Es splitternd mit gewalt'gem Stoß : Sturmhaube, Federbusch und Hut, Von Lanzenspitzen eine Flut;

214

Mit gelben Kollern angefüllt, Die Kirche dröhnt von Flüchen wild. Und, o mein armer Sakristan ! Zum Hochaltar die grade Bahn Treibt wie ein Strom der Troß hinan. „Wo blieb der Kelch? wo die Mon- stranz ? Das beste Paar im ganzen Tanz ! Der graue Schelm hat sie versteckt \" Und zwanzig Fäuste krallen an Den Greis, der gen der Waffen Glanz Die unbewehrten Hände streckt. „Bekenne, Hund!" und hochgepflanzt Die Partisane zuckend tanzt : So hängt der Boa Haupt vom Ast Und züngelt, eh' den Raub sie faßt. „Bekenne, Hund!" Kein Sterbens- wort, Der Greis die Wimper hat geschlos- sen. Nun flüstert er. Da kniet sofort Ein grauer Leitbock der Genossen ; Er bückt sich, lauscht, dann springt

er auf. Und grimmig seine Lache schallt. ..Ave Maria, Jesu mein!" Ist zitternd in sein Ohr gehallt. Rasch steigt die Partisane auf.

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Noch einmal kreisend mit Gewalt, Dann krachend in der Rippen Spalt. Ein Zucken längs den Gliedern,

dann Es ist vorbei ! das Blut entrann. „Mein Jesu !" _war sein letztes Wort. Und „Hussa Braunschweig ! nun

voran !" <

Ach, soll ich künden, wie entehrt Ward meines Glaubens teurer Herd I Wie man die Heiligtümer fand, Und kirchenschänderische Hand Mit Branntwein füllt bis oben an Den Kelch, so faßte Christi Blut! Wie man Gewänder, gottgeweiht, Sah wehn um Kriegerschultern breit ! Was schonte jemals Schwärmerwut? Was mehr noch ein Verbrecher, der Soldat nur ist von ungefähr? Die Fenster klirren, vom Gestell Apostel schmettern, schwankend zischt Die ew'ge Lampe und erlischt. Vom Lanzenstich der Märtyrer Zum zweitenmal wird todeswund. Reliquien bestreun den Grund, Von Hammerschlägen, Speeres Stoß Reißt der Altar sich krachend los,

216 c^^^5..

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Und „Hussa Braunschweig !" bricht

es ein. Zierraten splittern auf den Stein, Und heulend muß die Glocke gellen, Jetzt ein Signal den Raubgesellen. Schau, dort ein bärtiger Bandit Selb einem andern stampft und

glüht. „Ha, dort ein Kruzifixchen noch Im Winkel! Silber muß es sein!'' Er schiebt sich hin, so schlau und

scheu, \"ermeidend des Gefährten Blick. Xun faßt er es ein lauter Schrei ! Und wie ein Block er stürzt zurück ; War nicht schon nah sein Kamerad, Leicht kam es, daß man ihn zertrat. Doch nun, im Winkel hingestreckt, Die Stirn er mit den Händen deckt, Nur leise ächzend nun und dann : „Der Teufel Teufel sah mich

an

!'•'

Dann auf sich rafft er, taumelt weg, Wie Blinde wanken übern Steg. Sein Kamerad vergaß ihn schon. Das Kruzifix nimmt er zum Lohn, ,.Ha, Spiegelglas!'* und klirrend bricht Es an der Jungfrau Angesicht.

217

Von Ulmenschatten halb versteckt, Ein Häuschen liegt mit Stroh ge- deckt, Wohin nur schwach der wilde Klang Gleich Kranichheeres Schrillen drang, Da dem Soldaten nicht vergönnt Zu streifen längs der Mauer Kreis : Die Kirche gab der Herzog preis, Kein Hälmchen sonst ; nach einer

Stunde Macht er im Lager selbst die Runde, Ob alles in der Ordnung sei, Vollzählig jedes Regiment. Und diese Hütte liegt allein. Was Icauert dort im Mondenschein, Undeutlich wie ein Klumpen grau. Und ächzt gleich Sterbenden genau? Gertrude lauscht am Fensterrand : Sacht, sachte schiebt sie mit der Hand Den Riegel auf, wohl schaudert ihr ; Sie ist so fromm, das junge Blut. O, nenne nicht gering den Mut Von diesem schlichten Waisenkind ! Der Koller Speer sie ist nicht

blind. Doch war' es nur ein armes Tier ! Und, geh, es ist ein Mensch in Not ! Da steht sie zitternd, feuerrot.

218

Und wenn er, wie ein wirrer Geist, Die Kräuter aus dem Rasen reißt, Ein wenig rückwärts tritt sie dann ; Doch wenn er seine Hände ringt, Aus tiefem Auge Jammer dringt, Sie näher, näher rückt heran. Und: „Armer Mann, Ihr armer Mann!" Ob er es nicht vernahm ? Er schweigt. Da zögernd sie die Hand ihm reicht, Er hebt sich auf, er folgt, so lind, So ganz unmündig wie ein Kind. Und nun ihr jungfräuliches Bett Bereitet sie geschwind und nett ; Und Labung auch vom Besten reicht, Und steht so sorgenvoll gebeugt, Verwundert, daß sich nirgends Blut Und nirgends eine Wunde zeigt. Nun schlummert er, das ist wohl gut ; Er sieht doch gar entsetzlich grimm. Man sollte denken, er sei schlimm. Und fort sie huscht wie Wirbelwind, Dreht auch den Schlüssel um ge- schwind. Kaum ist sie fort : vom Lager hebt Der Gast sich, seine Wimper bebt. Er grübelt, an den Fingern dreht Und murmelt, was man nicht ver- steht.

219

Nun heller: ,Ja, ich hab's gesehn. Ich sah den Teufel vor mir stehn, Ich sah ihn seine Krallen strecken. Johannes May, verruchter Hund!i3 Mit Blute mußtest dich beflecken Von jenen, die der Taufe Bund Mit dir geweiht am gleichen Becken ! Die Kirche, die dir Tröstung gab, Die einschließt deiner Eltern Grab, Die dich gelabt mit Christi Leib, Dir am Altare gab dein Weib, Wo deine Kinder alle drei Stehn im Register nach der Reih' ; O wehe, wehe! Mord und Brand!"' Und wieder schlägt er seine Hand An das Gesicht , man meint, zer- sprengen Die Adern muß des Blutes Drängen, Und nun im Ton der Leidenschaft: „Genugtun will ich, wie nur kann Ein einzelner und niedrer Mann ; Doch meine Reu' sei meine Kraft ! Vergoß so oft ich Freundes Blut Mein Arm ist fest, die Büchse gut." Nach einer kleinen Pause dann : „Herzog, du bist ein toter Mann !" Nun steht er rüttelnd an der Schwelle, Nun durch das Fenster huscht er schnelle.

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Nun schreitet er den Rain .entlang. O arme Taube, mild und bang ! Wie ward dir, da du dies gehört? Das Blut sich ihr im Herzen kehrt, Und Mord und Brand, und Brand

und Mord, Im Ohre hallt es immerfort; Wie fühlt sich ihr Gemüt beschwert ! Stellt sie die Sache Gott anheim? Läßt sprießen des Verbrechens Keim? Sucht sie zu hindern, wie's vermag Ein machtlos Weib von ihrem Schlag? So fallen, reulos, vmbewehrt, Von seines Untergebenen Hand ! Und schaudernd sie am Herde stand, So jammervoll in ihrer Schöne, Wie unterm Kreuze Magdalene. Vielleicht gibt ihr die Kirche ein. Was mag des Himmel Wille sein. Schon weicht dem Morgenrot die Nacht, Laut wird das Vogelnest am Ast; Sie kann schon gehn, der Bürger

wacht ; Und ach ! ihr dünkt, mit dieser Last, Wie Kain gemarkt von Gottes Hand, Sie könne wandern durch das Land. Fremd scheint es ihr, daß alles stumm, Gesperrt die Läden rings herum.

221

Gott Lob, die Kirche! Aber wie? Weit auf die Pforten ! schon so früh ' Und ist sie blind? der Ampel

Licht, Der Hochaltar sie sieht ihn nicht ! Es ist zu viel : ihr Auge schattet. Und auf ein Grab sinkt sie ermattet. Da über ihr Gezisch, Geknarr, Die Uhr im Turme mit Geschnarr Setzt aus, und dröhnend Schlag auf

Schlag, Wie Wetterkrachen donnert's nach ; Sie meint, es sei der jüngste Tag. Gespenster schaun aus Fensterluken, Im Turm beginnt ein wildes Spuken, Hinab die Stiegen mit Gescharr. Nein, wehe ! das ist Menschenhand. Die jetzt sie zerrt am Gürtelband. O, schlimmer als Gespenster weit, Soldaten sind's in Trunkenheit ! Sie schreit nicht, wehrt sich nicht,

nur sacht Sie wimmert wie ein Vogel klein, Dem man das schwache Hirn drückt

ein; Vor ihren Augen wird es Nacht. Da rückwärts taumelt der Geselle, „Der Herzog !" ruft's, und plötzlich nah

222

Ein dritter stand, unbärtig noch, Doch über Manneslänge hoch. Ja, wie ein Schatten stand er da, Kalt, tödlich bohrt sein Blick sich ein ; Die beiden Männer sind wie Stein. Und als den Strahl er tiefer trug, Blaß ihr Gesicht ward wie ein Tuch, Er winkt, sie weichen auf der Stelle. ) Auch sie noch schaut er seitwärts an, Sich, seltsam lächelnd, wendet dann. Und geht, ist fort. O Jesus Christ ! Ihr Retter selbst der Herzog ist Und dieser liegt im Kirchenbann !

o freundlich war das Himmelblau, ^0 klar im Grase lag der Tau;

Man dachte, nur zu Lust und Frieden Ein solcher ^Morgen sei beschieden. Im Sonnenlichte stand das Heer, THanzwelien brachen sich am Speer,

nd leise wallend an den Stäben iJie Fahnen hob der Lüfte Weben. Ein leerer Kreis, ein Haufen Sand, Und seitwärts an der Lanzenwand Zwei Krieger, ihrer Wehr, beraubt, Tief auf die Brust das bleiche Haupt. Die sahen nicht nach Sonnenlicht, Sie hörten Rosses Wiehern nicht ;

223

Vor ihrem Ohre summt es nur. Ein Spinngewebe schien die Flur. O anders, frischen Tod erwerben. Als schmählich vor dem Standrecht

sterben ! Zur Seite, mit den Offizieren, Die flüsternd rasche Rede führen, Der General verdüstert stand. Kopfschüttelnd redet Obrist Spar, Der Styrum nickt und lächelt gar, Und der Sergeant und Reiter auch Sich wahren ihrer Rechte Brauch : Es ist vorbei, das Stäbchen brach, Den beiden stieg der letzte Tag.

Wer diese bleichen Sünder sah, War er kein Stein, es ging ihm nah. Sie hatten lustig fortgelebt. Vertrauend auf ihr gutes Schwert, Das manche Wunde abgewehrt ; So manche Kugel pfiff vorbei, Und nun am Sande stehn die zwei ; Und eh das Tuch die Augen deckt. Noch sehn sie, wie der Arm sich

streckt, Sehn zwölf der bravsten Kameraden Maschinen gleich die Büchsen laden. Ade. o Strahl ! nun ist es Nacht.

224

Geblendet schon, der Lunte Rauch, Zu ihnen trägt des Windes Hauch. Stieg himmelan ein Seufzer auch ? Ich weiß es nicht ; es blitzt, es kracht !

beendet ist das Kriegsgericht, erlöscht des Himmels Gnadenlicht. Zwei liegen dort im kalten Grund, In ihrer Brust ein Stückchen Blei ; Die feuchte Scholle deckt den Mund : Daß Gott der Seele gnädig sei ! ' ie Schützen putzen ihr Gewehr, :n Wald von Lanzen steht das Heer, ie Züge starr, den Blick gesenkt, ^an kann nicht sehn, was einer denkt, jeschlagen sind sie, dennoch kühn, Und ganz verhaßt die Disziplin. Entlang der Herzog geht die Reihn, Und manchen schaut er an mit Fleiß ; Ward einem bang ? Es mag wohl sein ; och vielen ward es siedend heiß. v'ar nicht sein Schlangenauge da, Man kann nicht wissen, was geschah. Xun. stauend wie ein Mühlenbach, Zum Lager schiebt es drängend nach, Es ist ein fürchterlicher Troß, '. 'em Führer ein unbändig Roß.

225

15

Ungern der Herzog drum, wie heut, Zum Fehlen gibt Gelegenheit. Als in den Zelten sie zumal, Am Sande weilt der General ; Er bohrt den Degen sinnend ein, Stößt mit dem Fuß des Weges Stein ; Und neben ihm der Obrist Brand, Graf Styrum auch, sein Adjutant, Ein kühnes Blut und lockrer Fant Die Zunge läuft mit ihm davon. Und halb Gedachtes gibt sie schon. So jetzt, zum Christen gewandt: „Die Pferde knirschen ins Gebiß, Des Tilly Silber hat gewiß Noch, als sein Eisen, schärfern Zahn. Was meint Ihr? Ist der alte Hahn Ein Basiliskenei zu legen Nicht eben recht? Ich sage dies. Und ferner noch : Herr Herzog, nehmt Nicht allzu leicht, was heut beim

Tagen Das schmucke Ding euch vorgetragen, Das sich so bürgerlich geschämt. Man sah, von Herzen ward's ihr

schwer. Drum glaub' ich es um desto mehr. Vielleicht Was trabt denn dort

heran ?

226

Ein Weihauast? Was, zum letzten

Segen ? Und steckt doch seinen kahlen Kopf Grad' in die Fall', armsel'ger Tropf!" Gelassen tritt der Mönch heran. Man spricht vom Klerus jener Zeit Und seiner Ausgelassenheit ; Dies war ein still gelehrter Mann Und einzig seiner Bücher froh Im Gotteshause zu Burloh.i* \'on seinem Obern ausgesandt, Und kehrend heut durch Ahaus' Tor. Des Glaubens Feinde er davor .'nd jammervoll die Bürger fand. laß nicht der Kelch, nicht die Mon- stranz ^o wie der Leuchter Silberglanz "u retten, scheint ihm selber doch : Allein die Kreuzreliquie noch, 0 nur in schlechtes Holz gefaßt Jrum gönnt er sich denn keine Rast Und tritt den Herzog mutig an. Er bittet um geneigtes Ohr, Trägt ruhig sein Gesuch ihm vor ; Hat nun geredet, blickt empor, Doch hastig wieder auf den Grund : - 'ies Muskelspiel um Wang' und Mund,

lö*

Und dieser Augen tote Glut Fürwahr, die Sache steht nicht gut! „Herr!" fährt er fort, „was nützt es

Euch ? Wir werden arm, und Ihr nicht reich. Zum erstenmal im Leben ich Schau' einen Fürsten, sicherlich ; Und Ihr seht ganz so adelig, Wie Fürsten sollen." O Geduld ! Fast blendet ihn das Muskelspiel. „Gebt mir dies Zeichen Eurer Huld, Was Euch so wenig, mir so viel. Gedenkt, wie Cyrus alter Zeit Hat den Zorobabel erfreut, Dem er die Heiligtümer gab Zu beten an der Väter Grab ; Wie Julian der Apostat ..." Spricht Styrum lachend : „Schmucke

Wahl, Mit Apostaten uns zumal, Mit Juden deine Schar vergleichen : Mein Alter, das sind schlimme Zeichen ! War Julian ein Apostat ..." Du scheinst mir halber Renegat." Was nun den Herzog hat gerührt. War es das Wort, so schlicht geführt. War es das Zutraun unverdeckt, Ein Zug, der ihm Erinnrung weckt :

228

Genug, er winkt, er spricht ein Wort, Und lachend wandert Styrum fort. Wie war doch unser Mönch so froh. Als er die Kreuzreliquie sah ; Er faßt sie an dem Rande, so, Dem heil'gen Splitter nicht zu nah ; Und vor dem Herzog bückt er sich, Und abermals und wiederum, Er meint, es sei noch nicht genug ; Der steht und lächelt wunderlich : „Ihr spracht ja eben wie ein Buch. Und seid mit einem Male stumm. So sagt uns denn gleich klar und

schön, Was Ihr auf Eurer Fahrt gesehn." Der Mönch den Seufzer drängt zu- rück, F-r zögert einen Augenblick : Zuerst traf ich am Küchenherd Den Mann mit Frau und Kindern wert. Die nahmen ihr geringes Mahl. Demnächst ich sie im Felde fand. Nach Abend schauend unverwandt, Sie trieben seufzend und mit Müh' Dem Dickicht zu der Rinder Zahl ; Dann eine Hütte unbewacht. Und dann nicht finster war die Nacht,

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Die Flamme ..." O welch' dunk- les Rot

Von Braunschweigs hoher Stirne droht !

„Ich frage nicht nach Mann und Weib!

Saht Ihr die Bayern?" „O bei Leib !

Des war nicht meine Furcht gering ;

Der Bayer bleibt auch nur Soldat.

Doch sagt man, daß der Tilly naht.

Herr ! seht Euch vor, das ist mein Rat."

Zeit war es, daß der Pater ging.

'S ist schaurig, wenn im Felsental Die Kuppen bleicht des Mondes

Strahl, Wenn Windeszug entlang der Kluft Mit Seufzern füllt die graue Luft, Und Uhus Auge auf der Wacht Vom Riffe leuchtet : doch bei

Nacht Wohl standest du am Meere je Und hörtest, wie der Wellenschlag Sich wühlend am Gestade brach ? Ein wüstes Untier ist die See, Wenn schwärzer als die Dunkelheit

Hascht Wog' auf Woge nach dem

Strand : Doch schauriger die Heide weit, Wo Lichter flattern übers Moor, Die Kröte unterm Rasen schrillt, Bei jedem Tritt es schwankt und

quillt, Und dampfend aus dem Grund

empor -^ich Nebelchaos wirbelnd streckt, \'ie Geisterhüllen halb geweckt, Als wollten die Atome ringen Sich los aus Gras und Krautes

Schlingen, ^)ie vor der grauen Sündflut Zeit Lebend'gen Odems sich gefreut. Auf Gräbern glaubst du nur zu schrei- ten. Durch halbgeformten Leib zu gleiten ; 7Ae Märchen deiner Kinderzeiten -ich unabwendbar drängen an: ast glaubst du an den Heidemann. s ist kein Trug, dort rückt er an! .\'ein ! Menschenstimmen , männlich

eine, '^>ie andre Vöglein gleich an Feine. Gertrude, war das wohlgetan? ^'as ließest du dem Himmel nicht

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Sein freies Walten und Gericht?"' Und nun die klare Stimme spriclit : „So war es nicht des Himmels Wille, Daß ich vernahm, was jederzeit Wohl hätte Menschenohr gescheut? Wenn es nicht Gottes Finger tat, Was führte dann den Reiter grad' An meine ganz entleg'ne Tür? O Eberhard ! sei stille, stille, So Hartes rede nicht zu mir, Bei Gott! ich bin genug gequält!''

„Nun wohl ! noch hast du nicht er-

zählt . . . Doch horch, Gemurmel ! 's ist der

Wind, Und das Gewitter steigt geschwind/*

„Ich wählte einen Blumenstrauß Und meine blankste Schüssel aus ; So ging ich langsam aus dem Haus, Gewiß ! es war ein saurer Gang ! Ich betete den Weg entlang

Zu den Nothelfern allesamt, Antonius, dem Schutzpatron ; Und sieh ! da stand der Herzog schon ! War das nicht seltsam?** „Stil:,

was flammt Dort auf ?" „Dusiehst ja, daß es blitzt ; Wir müssen eilen. Als ich itzt

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So vor ihm stand ganz nah am Tor : Kein einzig Wort bracht' ich hervor, Ich hielt ihm nur die Schüssel hin Und weinte wie 'ne Sünderin ; Die bei ihm standen, lachten helle. Zu sterben meint' ich auf der Stelle, Und bracht' es endlich doch heraus, Wie jener kam zu meinem Haus. Ganz wirrig, schaudernd und betört, Und wie ich sagen ihn gehört, Was ich bei Gott beschwören kann : Herzog, du bist ein toter Mann ! Mußt' ich das nicht? Dann fragt'

er mich, Ob ich ihn kenne ; sicherlich ! Ich sagte nein ; recht war es nicht. Ich sah wohl deutlich sein Gesicht." Was trug er?'' Wie ein Landes- knecht Den Koller, Lederstrümpfe schlecht. „Schon gut ! und Dank für den

Bericht-' Und denk', er bot mir Geld und

Wein Doch wie ein Has lief ich feldein. Gott gab mir eine schwere Last, Nun Kummer mir das Herze bricht, Daß ich verraten meinen Gast.

233

Vielleicht fürwahr I da karrt es

gleich Doch nein ! der Fisch sprang auf im

Teich. Die Nacht ist schwül." ,,Gertrude

komm ! Du bist ein töricht Ding, zu fromm. Kam jene Kunde in mein Ohr, Dem Ofen sagt' ich's lieber vor, Könnt' ich nicht schweigen. Komm

geschwind, Schau, wie das Wetter treibt der

Wind, Wir haben weit bis Ottenstein,i5 Ich weiß, der Oheim wartet dein. Und wahrlich ! das ist Waffenklang, Gewiß, den Liesner^^ ganz entlang Fort! fort!" Wie Schatten schwin- den sie.

Und Zug auf Zug, aus Waldeshagen Sieht man die schwarzen Säulen

ragen, Sich endlos die Kolonne zeigt. Wie drüben Wetterwolke steigt, .■\ls wollten Heere jener Welt Sich nächtlich treffen überm Feld, Das ihre Gräber mußte tragen.

Nun breitet sich's, wie Stromes Fall. Nim windet sich's, ein wüster Ball ; Im Hui schlägt die Flamme auf, Und dort und drüben, wie im Lauf, Steifstiefeln, Koller rings umher : Es ist der Tilly und sein Heer ; Ganz deutlich wie am Tage schier Sieht man des Rautenschilds Panier. Die Ritter von den Rossen steigen, Den Hals die Tiere dampfend neigen ; Und Wiehern, Hämmern, Stimmen- schall ^ erschwimmen in des Donners Knall, . grade über Mann und Zelt ch das Gewitter hat gestellt. :t rötlich zuckend, hellt ein Strahl 'e ganze Masse auf einmal, hon zischen Tropfen in der Glut, un schwenkt schon der Soldat den Hut, n Federbusche flirrt es fein : nd nun mit grenzenloser Wut e Elemente brechen ein, nd niederstürzend eine Flut V/ie übers Wrack sich schäumend legt. Der Donner schwieg, doch Sturmes Macht :-d Hagelschlag die Heide fegt :: sehe nichts mehr, es ist Nacht !

235

Ziveiter Gesang.

Wie tief berauschend ist dein Odem, O Phantasie ! Was kommt ihm gleich, "Wenn über Mauerzinnen bleich Du gleiten läßt den Grabesbrodem ! An einem Tage muß es sein, Wo bläulich steigt der Höhenrauch, Vielleicht auch, wenn der Dämmer- hauch Mit grauem Staube füllt die Luft, Des Meteores falber Schein, Ein fallend Sternlein, teilt den Duft. Wes Seele würde nicht bewegt, Gedenkt er dann der warmen Hand, Die diesen kalten Stein gelegt, Des Geistes, der die Formen fand. Die, Greise selber, gliedermatt, Wie von dem Baume Blatt um Blatt, Langsam nachrollen in die Gruft ! Am Turme lieb' ich dann zu stehn, Zu lauschen Wetterhahjnes Drehn ; Mag wandeln um des Städtchens

Kreis, Und aus der Mauerscharte weiß Des Grases Finger winken sehn, Die alten Gräben, halb verschüttet, Die Warte bröckelnd, grau, zerrüttet.

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Und überm Tor das Fensterlein, ]3raus öfters trat der Fackel Schein, llevor das Gitter steigend klang. Mich dünkt, ich höre Geistersang : Wie kurz, o Leben, Zeit wie lang !

Siehst drüben du den stolzen Bau?i" Bald wird an jenes Schlosses Pforte, Das kein Jahrhundert noch gesehn, An meiner Statt ein andrer stehn, Entziffernd halb verlöschte Worte, Wird Bischofsstab und Mitra nur Erraten aus entstellter Spur. Dann wird er Ahaus' Bürger fragen. Und dieser weiß nur dunkle Sagen, Daß in verjährter Zeiten Grau Ein Bayerfürst geführt den Bau. Xoch kurze Zeit, so sinkt er ein. Wie heute schon kein Mauerstein Verkündet, wo die Feste lag. Darin des Tilly starrer Mut Sich barg vor Elementes Wut, Ingrimmig harrend auf den Tag. Und nur der Dichter kennt allein Den Fleck, wo einst die Halle stand, Gebilde schauten von der Wand, W^o des Kamins geschweiften Bogen Hinauf die Funken knisternd zogen.

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Und manche kühn' und blut'ge Hand Sich friedlich streckte übern Brand.

Am Herde, abwärts von der Glut, Der Feldherr steht und streicht d:\\

Bart; Das war nun einmal seine Art, Gekannt von allen, keinem gut ; Gewaltsam aufgeregtes Blut So will er dämpfen : diesen Strich Sieht der Soldat und richtet sich. Sein Auge klar, doch grau wie Blei, So durch die Welle blitzt der

Hai Gespannt auf der Tapete ruht, Wo schaumbedeckt, mit Todesmühen. Ins Dickicht scheint der Hirsch zu

fliehen. Auf T i 1 1 y s Stirn die Ader steigt, Denkt seines Wildes er vielleicht? Und meint, schier sei der Forst er- reicht, Da Hollands Grenze schützen kann Vorm Schlage den verfehmten Mann ? O alle Teufel, welch ein Streich ! Zunächst ihm, lust'gem Strauche

gleich, Der übern Krater streckt den Zweig,

238

Der junge Albrecht Tilly kniet, Dreht auch am Zwickelbärtchen fein Und um das Feuer ist bemüht ; Sein Antlitz blüht im Widerschein. War' nicht dies x\uge, stolz und kühn, Man dächte, nicht so frisches Grün Kann sprossen aus verbranntem Stein. Dann Schönberg, wie ein Rei- tersknecht, Im Lederkoller schlicht und recht, Die Glatze kahl, behaart die Hand, Und Holsteins Herzog,

schlau, gewandt, Manierlich wie ein Wiesenbach : Die beiden zogen schweigend Schach. Graf Fürstenberg, bedacht und

kalt. ^, r w i 1 1 e s hagere Gestalt Jnd Obrist L i n d 1 e r noch dabei. Am Tische standen diese drei Und sahen mit gespannten Blicken Der Karte längs die Feder rücken. Die, flüchtig deutend Moor und Wall. Graf Anholt führt, der Feldmarschall. Im Saale war es still genug; Man hörte, wie der Regen schlug, Wie Ströme von den Dächern rinnen, Die Fahnen kreischen auf den Zinnen,

239

Und „Schach dem König !" A la

Reine ! Spricht Tilly plötzlich : „Wenn er doch Entwischt ! Fürwahr, es kann ge-

schehn ! Allein bis Prag bleibt immer noch Ein Stückchen Weg, und Gaboris mag Sein harren bis zum jüngsten Tag." Nach einer kleinen Pause schnell: „Verdammt hartnäckiger Gesell !" Drauf Albrecht : „Daß er heute gar Vor seiner abgehetzten Schar Das Feldspiel ließ so lustig rühren. Als galt' es, sie zum Tanz zu führen : Ein furchtlos übermüt'ger Gast, Und mir gefallen könnt' er fast. Bei Höchst,i9 in einem Kahne floh, Und an der Brücke groß und klein Wie Lachse zappelten im Rhein, Ich sag' es frei : wir waren froh. Fast übel ward es unsern Leuten, So gegen einen Mann zu streiten. Der die Kanonenkugeln mehr Nicht achtet als ein Nudelheer." Er blickt umher : „Ihr Herren, seid Nicht ungehalten; jederzeit Hab' ich gehört, mehr als der Freund Den Braven ziert ein tapfrer Feind."

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Des Tilly Auge gleitet, schier Mit Huld, auf seinen jungen Geier, Doch immer unwirsch, doppelt heuer : ,,Ein Renegat, ein räud'ger Hund!'' Er murmelt, fährt hinab den Mund Und tritt in die Tapetentür, Wo tiefgebückt beim Lampenschein Man emsig sieht das Schreiberlein; Der Riegel klingt. „Mein junger

Graf V Erwitte spricht : „Ich bin kein Schaf, Mag gern an keckem Feind mich

üben ; Doch Sprech' ich frei mich, ihn zu

liebe n." Er schweigt, bewußt, daß Wittichs20

Au Ihm Braunschweigs Rücken gab zur

Schau, Vv'o er den Erben ließ im Feld, Seitdem auf Sühne nur gestellt, Und mehr nun Rächer, minder Held, f 'm Albrechts Lippe zuckt es auf, is Zwickelbärtchen steigt hinauf, ch Anholt spricht : „Ihr Kamera- den, ollt nicht so scharf die Zunge

laden :

241

16

So leicht entglitten ist ein Hauch. So schwer gesühnt. Doch mein' ich

auch, Frei anerkennen Feindes Mut Steht immer dem Soldaten gut Und zeigt zum Grolle keine Spur.*' Drauf Fürstenberg: „Das ist gewiß, Mein General ! doch sag' ich dies : Wer so die menschliche Natur Im eignen Bruder kann zerstören, Daß der, mit Knittel, Sens' und Beil Den Bauern waffnend, schmählich

Teil! Sich gen das eigne Blut muß keh- ren ;2i Um den in hundert Kirchen heut Beängstet fleht die Christenheit : jErlös' uns, Herr! vom Halbci- Stadt! '22

Gewiß, der ist im Marke matt ; Und mehr noch jener, schlangenglatt, Der Winterkönig,23 den man noch Bei Zabern24 sah, nachdem er doch Die Fürsten bat mit frommen Mie- nen, Des Kaisers Majestät zu sühnen, Der so viel Märtyrer in Prag, Als gleich der Pest er drüber lag,

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Ließ bluten, daß so edle Spur

Es trägt als Köln, der Christen

Ruhm, Und seine Öfen heizte nur Mit Kruzifix und Heiligtum -.-^ Fürwahr, ein Stern der Braunschweig

ist, Sofern man ihn mit jenem mißt ; Der kommt doch seinem Worte nach. Ein treuer Diener schlechtem Herrn." Hier murmelt Schönberg überm

Schach ; „Heißt Lucifer nicht auch ein

Stern ?'' ,^Au roi !" versetzt der Holstein drauf. Das Spiel ist aus, sie stehen auf. Doch Schönberg noch bedächtig sprach : „Ihr Herrn, es naht der jüngste Tag!"

Auf Schemel, Polster, wie sich's traf. Die Führer hatten sich gestreckt ; So leicht und wachsam war ihr Schlaf. TÄn Rispeln hätte sie geweckt.

ch hielt Graf Fürstenberg das Schwert, Die Flasche Lindler fest genug, Und Holstein zierlich lag am Herd. Um seine Stirn ein seidnes Tuch.

243

16'

I

An Beten dachte keiner heut ; Sie ritten scharf und ritten weit Durch Regenguß und Sonnenglut : Ein Kreuz sie schlugen, damit gut. Nur Anholt mochte nie sich legen Ohn' Rosenkranz und Abendsegen ; So eine Weile kniet er jetzt; Und wie das Wort auch war gesetzt. Die Seele, die hinein er trug, Tat ihrem Schöpfer wohl genug. Nicht viele gab's zu jener Zeit, So mochten ohne Bitterkeit In ihr Gebet die Feinde schließen, Die Formel müßte sie verdrießen. Doch als ein wahrhaft frommer

Mann Der Anholt stets sie zweimal sprach Und einen Vers um Frieden dann Aufricht'gen Herzens sandte nach. Dann „Amen", und sein Augenlid Sich schloß. Doch Albrecht Tilly mied Den Schlaf, er mochte viel vertragen An Stürmen, Traben, Tanz und Jagen. Wenn todesmatt, nach heißen Tagen, Auf seine Streu der Reiter fiel, Trieb er noch Neckerei und Spiel. Klar ist die Nacht, von Sturmesbraus Die Sterne ruhen friedlich aus

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Im Äther, wolkenlos und rein. Und also fällt ihm eben ein, Rekognoszieren möcht' er reiten ! Was ihm gestellt Fortunens Hand. Das Ziel, beschaun von allen Seiten. Und sieh, dort trabt er über Land I

Vom Glockenturme dröhnte just Die Mitternacht, und jede Lust, So Schauer nur gewähren mag. Schwerhauchend auf der Landschaft lag. Die Sterne standen kalt und klar. Kein Lüftchen hob des Mooses Haar, Das Taugeperl' am Flechtenring Wie Feilstaub' am Magneten hing. Weit, weit das Feld, ein graues Tuch. Johanniswürmchen hier und dort, Das matte Silberfunken trug. Wie Schlangenauge überm Hort ; Ein Knistern durch die Heide fort, Ein leises Brodeln unterm Moos, Ein Quitschern in der Kräuter Schoß : Mit Hügelchen der Grund belegt, Wo's drunter gärt und Dämpfe regt, Wie Elfenkirchhof, Geisterherd ; Und drüber her das schwarze Pferä Mit grauem Reiter, dessen Schritt Treibt Brodem auf bei jedem Tritt :

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--^-JJt^-^

So durch die Heide

zieht der Tod. Doch Albrecht dachte

nicht daran, Er schien sich wie ein andrer Mann ; Ihm war die Stunde

ganz genehm, Da noch so fern das

Morgenrot,

Das Dunkel recht,

der Weg bequem

Und nicht im kleinsten schauerlich.

So vorwärts längs der Heide Strich

Durch manche Lache sprengt' er

frisch, Daß drin das Sternenlicht erlosch, Behend zum Grunde fuhr der Fisch, Und plätschernd der erschreckte Frosch Kopfüber in den Ginster schnellt'. Ein wenig fluchte unser Held, Da immer länger schien das Feld ;

246

Und endlich zeigte doch ein Pfad Des Waldes rechten Eingang grad.

Als in den LiesnerS« kam der Graf, Die Zügel zog er straffer an. Ringsum die Äste wie im Schlaf Streckt schwarz und wüst der weite

Tann, Ein Riesenheer in Zaubermacht Für tausend Jahr und eine Nacht. Schwer war ihr Traum, da überall, Wie Schweiß sich aus den Poren stiehlt, Man rauschen hört der Tropfen Fall, Wenn nur ein Lüftchen, kaum gefühlt, l'm die beladnen Nadeln spielt. Stickdunkel rings ; war nicht so breit Der Weg, mein Fant kam nimmer weit. Doch nun er lustig trabt voran ; Zuweilen einer Lichtung Rund Die kargen Schimmer läßt heran \'om goldbestreuten Himmelsgrund. Ein Stamm auch, nadellos und hohl, Durchblitzen läßt ein Sternlein wohl. Viel nutzt es nicht, und manchen Streich Vorlieb muß unser Ritter nehmen Von manchem derben Tannenzweig Und brauchte des sich nicht zu schä- men ;

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Die Ehre blieb, nur Wasser flo3, Daß es entlang den Koller goß ; Und ohne manchen guten Fluch, Der €cht und kräftig mußte sein, Mein Tilly kam nicht aus dem Hain, Er war erhitzt und grimm genug. Denn sah er einmal einen Schein, So war es wohl der Funke bloß, Der öfters ihm vom Auge schoß. Wenn drein die Fichtennadel schlu;,. Doch auch die schlimmste Stunde

rennt, Und lange Schnur hat auch ein End'. Als sich des Waldes Ausgang zeigt, Von seinem Rosse Albrecht steigt, Zieht es ins Dickicht und in Hast Die Zügel schlingt am Tannenast : Dann leise, wie die Welle schreitet, So zu dem Liebchen los' und

leicht Ein lockrer Vogelsteller schleicht, Er über Moos und Nadeln gleitet. Tritt aus dem Forst und stutzt bei- nah, Als auf Kartaunenweite nah Vor ihm sich Feindes Lager breitet. Er faßt sein Sehrohr, tritt zurück Und lauscht nun mit gespanntem Blick,

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Wie übern Ast der Falke neigt, Bevor, ein Pfeil, er pfeifend steigt. So viele Feuer sind gezündet, Da Tau dem Regenguß verbündet, Daß sich dem Lauscher ganz genau Die volle Masse gibt zur Schau. Nicht manches Zelt war aufgespannt, Zumeist der Reiter bei dem Roß Im Mantel ruhte, Schwert zur Hand, Wo Funken sprüht der Fichtenschoß. Tief tiefer Schlaf die Krieger deckt, Am Boden rücksichtlos gestreckt. Man meint, es sei ein Feld von

Leichen ; Und wie sie hin und wieder geht. Die Wache, noch Nachzügler spät Auf Beute lauernd, scheint zu schlei- chen. So deutlich alles zeigt das Rohr, Daß, wenn ein Schläfer rückt das

Haupt, Ein Roß, die Mähne schüttelnd,

schnaubt, A.m Glase steigt es dicht empor. Und sehr vermindert war die Zahl Der Männer seit dem letzten Tag ; r^Ian sah, daß in des Dunkels Hag Feldein sich mancher Reiter stahl ;

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Die Fahnen trennt nur schwacher

Raum, Allein zur Rechten, wo der Leu Ergrimmt am sturmgebeugten Baum, ,,Ventus Altissimi !", sich frei Von Zeichen eine Fläche zeigt, Mit tausend Mann und mehr viel- leicht ; Wilhelm von Weimar führt

die Schar. Im Felde streng und kraus von Haar.

Sein Rohr der Albrecht schiebt zu- rück, Wirft noch umher den Falkenblick ; Dann leise, leise schleicht er fort. Bald tief gebückt und bald gestreckt, Wie sich die Fläche breitet dort. Und hier ein Baum den Lauscher

deckt. So nah und frei oft, daß ein Schuß Ihn unvermeidlich treffen muß. Wenn Schwerteskuppel Blitzen nur Dem Wächter gab die kleinste Spur. Doch keine Kugel ward gesandt, Kein Wacheruf den Späher schreckt ; Oft rückt das Schwert in seiner Hand, Wenn der Soldat sich gähnend streckt ;

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Wenn Funken sprühend knackt der

Brand, Der Graf wie eine Säule stand, Dann leise, leise fürder schreitet So um den Teich der Weihe gleitet, So Wölfe um der Hürde Reif, Ein Dunstgebild, ein I^ebelstreif ! Dort, wo nicht fern im Heidegrund Der Linden Dunkel sich verzweigt. Dort, meint er, gebe Lagers Rund Die rechte Schau. Sie sind erreicht, Und Albrecht steht und atmet leicht. Was war das ? Räuspern, und so nah ? Husch, duckt der Lauscher in das

Kraut, Wie eine Boa lag er da. Xun Husten naher Stimmen Laut ! Und weh ! vom Baum nicht

Spannen lang Ein Posten just beginnt den Gang. Unglaublich, daß er ihn nicht sah ! Sein Tritt, so nah an Albrechts Ohr, Lockt Schweißestropfen kalt hervor. Geschieden durch die Stämme bloß. Der Landsknecht schreitet übers

Moos, Nach schwerem Tage feuchte Nacht Blutsauer ihm das Stehen macht.

Nun, tauchend aus der Zweige Schoß. Des Hutes Feder schwankt hinauf Am Karabiner blitzt es auf, Er hebt ihn auf, er legt ihn an Nein, eine Lunte steckt er an. Dann wieder wandelnd auf und ab, Gesang versüßt den sauren Trab :

,, Unser Feldherr das vernahm. Der Grave von Mansfelde, Sprach zu dem Kriegsvolk lobesam : Ihr lieben Auserwählte ! Nun seid ganz frisch und wohlge- mut, Ritterlich wolln wir fechten, Gewinnen wolln wir Ehr' und Gut, Gott wird helfen dem Rechten."

Ein wenig beugend um das Rund, Dicht der Soldat am Tilly stund, Gleichlinig mit der Linde Stamm ; Doch schauend nach der Zelte Kamm, Zieht Brot, ein Würstchen er hervor. Gar streng verboten auf der Wacht. Doch niemand sieht ihn, es ist Nacht So kecklich speisend unterm Tor. Ein Bröselchen den Tilly traf : O, wie so ruhig lag der Graf '

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Kr fühlt', wie über sein Gesicht Die Schnecke zog den zähen

Schlamm, Still lag er, wie ein Heidedamm, Und fürchtete sich wahrlich nicht. Doch war zum Äußersten gefaßt. Da vorwärts tritt der Linde Gast, Und neu erfrischt den Rain entlang Mit hellerm Laut der Landsknecht

sang:

..Die Reiter, die seind lobenswert.

Ob sie die besten wären.

Der Graf von Mansfeld wird geehrt,.

Sein Lob, das tut sich mehren ;

Im Felde er der Beste war.

Adelig tat sich stellen,

Die Landesknecht auch ganz und gar

Ihre Spieß' taten fällen."

Was hält ihn auf? Er hebt die Hand Ans Auge, starrend über Land, Dann wieder längs der Blätterwand.

..Und der gesungen dieses Lied Wohl auf der grünen Heide, Dabei ist er gewesen mit ; In dem Kampf und Streite

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Ward ihm geschlagen manche Wund' ; y

Der Püffe tat er warten, u<

Als er uff der Mauern stund ^

Hinter der Münche Garten." ^

I

,,Wer da?" Und Totenstille drauf. ^ „Wer da?" Am Zweige steigt der '^ Lauf. ^jf)

Noch einmal „Werda?" und es knallt, ^T Tiefdröhnend Antwort gibt der Waid. j Ha, Wächterruf! Und den Soldaten j Gedehnten Halses Tilly sieht ).

Hinstarren in das Heideblüt ; Dann ruhig die Muskete laden Und langsam wieder schreiten an. Der Rauch verfliegt, im Heidekraut Man formlos eine Masse schaut.

Bald standen Krieger um den Wu:i- ,1. den ; '

Die Fackel, tiefgesenkt zur Schau, Sich flimmernd brach im blut'gen

Tau. Was nicht gesucht, das ward' ge- funden. Denn deutlich sah man nun, es war Ein Mann vom Regimente Spar,

254

«^

Der zuckend lag im gelben Sand, Die Lederflasche in der Hand. „Wer kennt ihn?" eine Stimme

sprach. Die Antwort drauf : „Ich sah ihn oft Im Kugelregen, wenn es galt Die Schanze nehmen mit Gewalt. Und wie ein Sturmblock drängt' er

nach. Hm, Zufall! seltsam, unverhofft!'' Ein dritter dann : „Bei meiner Treu I Soldatenherz vom echten Schrot, Das nach dem Teufel nichts gefragt. Doch öfters trunken, wie man sagt ; Sein Name war Johannes May.''

255

Allein der Landsknecht war nicht tot. Ob nahe an der Scheidewand Des Jenseits, furchtbar, ungekannt. Den Arm beginnt er matt zu regen, Das stiere Auge zu bewegen, Ein Atemzug, gehemmt im Lauf, ,,Wo ist der Herzog?" röchelt's auf, ,,Hier, Kamerad !** Und tief geneigt Sich Reiherbusch und Handschuh zeigt. Ein Wort heißt die Begleiter gehn, Und wie der Mond das klare Rad Läßt steigen überm Liesner grad*, Den tollen Herzog kann man sehn Im Moose knien, wahrlich, nie Tat er so fromm, als nur vielleicht. Den Sporn zu schnallen morgens

früh; Um seinen Arm der Mantel bauscht. So ruhig wie ein Felsenriff, An dem sich ächzend reibt das Schiff, Dem Wort des Sterbenden er lauscht. Matt war der Hauch, die Stimme wund, Verschwiegen blieb der Lüfte Mund, Was €r vernahm, es ward nicht kund. Nur einmal, als die kalte Hand Der Wunde hob, des Mondes Schein Drang durch die blassen Finger ein. Es heller ächzt : „An Grabes Rand

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Icli warne dich, o Halberstadt I Laß ab, laß ab ! auch Petrus hat Dreimal verleugnet seinen Herrn, Bevor der Hahn gekräht . . ." Und

fern So lang und klagend durch die Nacht Hebt just den hellen Schrei der

Hahn; Der Wunde zuckt ; dann : „Christian \'on Halberstadt ! gedenk' der Stunde, \\'enn so du liegen wirst am Grunde, Dann denken nicht an Sieg und

Feind, Ein Fetzen dir die Fahne scheint, Doch deine Eltern aus der Gruft, Zerhaune Rümpfe ohne Haupt, Und hier und dort ..." er

schnappt nach Luft, Dann still „Wer hätte das ge- glaubt !" Die Worte sprach der Herzog bloß. Als er sich langsam hob vom Moos.

Xicht mehr am Baume Tilly lag Bevor der Pulverdampf verflog, Feldein er wie ein Reiher zog, Geborgen von des Qualmes Hag.

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Doch öfter? noch mußt' er sich

stellen. Wenn grad' der Mond die klaren

Wellen Zog über eine Fläche nah ; Und dicht am Herzog stand er da, Auf dreißig Schritte sah er ihn So schußgerecht und ruhig knien. Sah ganz genau die Liebeslocke^" Sich streichen an der Binsenflocke. Brav war der AJbrecht, aber wild, Schier Blut ihm aus den Augen

quillt ; Und war ihm ein Pistol zur Hand. Ich furcht', er hätt' es abgebrannt. Obwohl es ewig ihn gereut. Doch nun die Strecke war zu weit, Das Schwert zu kurz ; er duckt am

Strauch : Und wenn ein wandernd Wölkchen

leicht Sich über Himmelsauge streicht. Er fürder gleitet wie ein Hauch. Und war der Herzog in Gefahr, Weit mehr noch Tilly, offenbar ; Daß keiner ihn der Späher sah, Fast wie ein Wunder steht er. da. Doch in den Liesner glitt er schon

258 *«<i^^

So leicht und freudig, als sein Roß

Ihn wiehernd grüßt vom Fichtenschoß, ] Als sei er dem Schaffott entflohn. 1^ Das Dunkel wich, des Mondes Schein

Drang flimmernd durch die Zweige ein, 's Und, eine weiße Schlange, sich

Im Walde zog des Weges Strich.

„Frisch auf, Alerte, tummle dich !''

Und durch den Liesner flog der Graf.

Die Vögel zirpten auf im Schlaf ;

So reiten dreiundzwanzig Jahr. m seine Finger strich der Wind, r meint, es sei des Rosses Haar, ie flog ein Reiter so geschwind, is der sich selber Urlaub nahm. nd als er an die Feste kam, :n wenig schwül ward ihm zu Mut. och alles still in rechter Hut; ur leise knisternd im Kamin le Scheite noch zerfallend glühn. -ück auf, mein ritterliches Blut! em Kühnen ist Fortuna gut.

^ nd Braunschweigs Herzog? Chris- tian? Ei nun, der schlief in seinem Zc't. hege nicht den frommen Wahn, ihm Minuten nur vergällt,

259

L

Der drüben starr im Moose lag! Nicht einen Deut gab er darum, Was irgend eine Lippe sprach. Und sahst du ihn, gespannt und

stumm, Sein Ohr dem trüben Warner leihn, So sog es andre Kunde ein, Als die des Herzens Rinde bricht; Ihm ward ein ungenügend Licht. „Armsel'ger Narr 1 verrückter

Wicht !" Das war die ganze Litanei, Das Requiem für Johannes May. Und auf sein Feldbett streckte sich Der Braunschweig so gelassen schier. Als ging es morgen zum Turnier ; Nur einmal seine Rechte strich Die Locken aufwärts, dies allein Mocht' Zeichen tiefrer Regung sein. Und dann die Wimpern schlössen

sich. So groß war seine Willenskraft, Daß sie dem Schlummer selbst ge- bot, Die Sinne hielt in steter Haft; Er konnte, wie es eben not, Die Ruhe scheuchen Wochen lang Und schlafen unter Schwertes Hang.

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Jetzt, -.vo Geschick die Würfel hält Zum letzten Satz um Land und Ehr', Sähst du ihn schlummern unterm

Zelt : Du dächtest, nur von Sehnen schwer Verträum' ein achtzehnjährig Kind In süßem Wahn die Nächte lind. Wie edel seine Formen sind ! Die Stirne, hochgewölbt und rein. Die Farbe klar, die Lippe fein ; Ja, ja! so war er, eh der Wurm Am Märke nagte, eh der Sturm Die Blätter schüttelte vom Ast, Ein zärtlich stolzer Page fast :

? So hätt' er seiner Königin

Gedient, schien Anmut ihr Gewinn. Und drum nicht minder ruhmeswert

j Gezückt sein tadelfreies Schwert. Ich sag' es noch : ein edler Stamm Versiechte in des Hofes Schlamm ; An eine Zeder Frauenhand Zerstörend hat gelegt den Brand, Die, wehe! jetzt in Traumes Hag, Nur Sodomsäpfel treiben mag ! Um sein Gesicht ein Lächeln flog, So sonnig als am Tage nie. Und nach ihm glühe Röte zog ; Vielleicht im Traume sah er sie

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Die Laute rühren, und vielleicht Ein Wort ihr von den Lippen fleugt, Wie arglos schwimmend in den Tö- nen, Dem jeder Herzschlag mußte fröhnen. So ward es ihm zum letztenmal, Es war ein Maientag in Prag, Als flimmernd stieg der Wasserstrahl, Die Nachtigall den süßen Schlag Ertönen ließ aus Busch und Hag, Und achtlos hingesummte Weise, Oft unterbrochen, klagend, leise, Wie Echo von den Lippen flog, Indes der Schwan die Kreise zog, Und mancher Silbertropfen traf Der Herrin Blütenstirn und Schlaf . . . Träumt ihm so Süßes ? Nun, es mag ! Nur Herbes bietet ihm der Tag. Und in demselben Zelte lag Der junge Schlick und S t y r u m

auch. So war des Herzogs steter Brauch ; Bei Tag und Nacht der Adjutant Sei immer fertig und zur Hand. Drum nahe an der Leinenwand Das brüderliche Feldbett stand. Und Styrum mochte fester schlafen, Als alle deutschen Herrn und Grafen ;

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T^och also nicht der finstre Schlick, Den seltsam paarte das Geschick Mit jenem, der so leicht und klar. Als schwer und trübe Otto war. 'jraf Otto Schlick horch, wie er

stöhnt ! Schau, wie er ruhelos sich dehnt ! Nicht Luft und Lampe sollen wissen. Was heut er hat erleben müssen ; Drum hält er seine Hand so fest An die geschwollne Stirn gepreßt Und weiß nicht, daß an Fingerspitzen \'erräterische Tropfen blitzen. In dieser Nacht, vor einem Jahr Es war ein ehrenwertes Haupt, Ein teures Haupt mit grauem Haar Und jetzt wer hätte das geglaubt f Es ist ein Sohn, dem grimmig wacht Der Wunde Qual in dieser Nacht ; Es ist ein Sohn, des Phantasien Um augenlose Schädel ziehen. Um tapfre Rechten, fleischesbar. Und wahrlich, wer in diesem Jahr Die Moldaubrücke ging entlang, Wenn einsam nur die Welle klang. Der Mond durch Regenwolken drang. Der sagte : schaurig sei, zu sehen >.n feuchten Wind der Barte Wehen.

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An Ottos Brust wie ein Vampir Die Rache lag so grimm und gier. Und keinem andern war so lieb In Feindes Leib der blanke Hieb. O, könnt' er deine Türme, Prag. Zerschmettern nur mit e i n e ir

Schlag : Gleich war' es, ob der Hammer

brach ! Vom Lager sprang der junge Schlick, Trat vor das Zelt und sah hinauf, Wo in das Dämmergrau zurück Verrauchend wich des Mondes Lauf. Nur einsam ließ die Schimmer fallen Der Morgenstern aus Domes Hallen. „O Sonnenbote, Hesperus ! Führ' ihn herauf, den heißen Tag. Der manche Scharte zahlen magl" Die Lüfte kalt wie Sterbekuß Erseufzten, als er dieses sprach. Es war am siebenten August, Als so die Sonne ward ersehnt ; 's war eine kühne treue Brust. Um die der Morgenwind gestöhnt. Hell schmetterte Trompetenton ; Frisch auf zu Roß, der Feind ist wach ! Entlang den Liesner hörten schon Die Posten dumpfen Trommelschlag.

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Und wimmelnd überm Ileidegrunde Das Heer sich ordnete zur Stunde ; Die Ordonnanzen flogen, laut Signale dröhnten übers Kraut ; Ein langer Skolopender, zog Des Fußvolks Linie, Speere hoch ; Und klare Schlangenblitze flohn. Wenn stäubend schwenkte die Schwa- dron. Es war ein heiß und klarer Tag, Wie der August ihn bringen mag ; Vom Himmelsbogen glüh und steil Die Sonne schoß den goldnen Pfeil, Die Lüfte kochten. Mann und Roß Im Dampfe standen, das Geschoß Ward heiß dem Schützen in der

Hand. Von Käfern wimmelte der Sand. Wenn langsam knarrend überm Pfad Sich wälzte der Kanone Rad. Trompeten schweigen ; Schar an

Schar, Ein Säulenwall die Linie steht. Vor seinem Regimente Spar Mit langen Schritten musternd geht. Geprüfte Krieger, Feder weht Vom Eisenhute, Gürtel blitzt. Der Lederkoller aufgeschlitzt.

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Und Lederstrümpfe, derbe Schuh,

Pumphosen, Taschen noch dazu :

Ein Troß, vor allen kühn und

schlecht ; Die Partisane und das Schwert Sind seine Waffen, oft bewährt Beim Marodieren und Gefecht. Dicht hinter ihm der Obrist

S c h n i c k e n Ließ seine Karabiner rücken, Daß kräuselnd schwacher Windes- hauch Trieb durch die Barte blauen Rauch. Zur Linken Herzog Friederic li Von A 1 1 e n b u r g , dünn wie ein

Strich, Mit rotem Haare, scharfen Zügen, Gewandt in Schwert- und Feder- kriegen, Hat seine Reiter aufgestellt. Ihm T h u r n und Tolle sind ge- sellt ; Graf Bernhard Thurn, ein schmucker

Held, Ein Sprosse jenes, dessen Witz So schlecht behagt dem Martinitz. Und diese Truppen allzumal Geworben sind mit srößrer Wahl :

L'ie Sitte nahm man nicht genau, War nur der Bursche keck und

schlau. Filzhüte, Mäntel trugen sie, Stulpstiefel, steigend übers Knie ; Der Mantel war ein seltsam Ding, Dem flügelgleich der Ärmel hing, Und dieses eine mocht' allein Die Engelspur am Träger sein. Beim Schwerte sie Pistolen führten. Und trafen, wenn sie galoppierten. Sie plünderten mit Höflichkeit Und kamen drum nicht minder weit. ^\'' i 1 h e 1 m von Weimar hatte

sich Gepflanzt zur Rechten ritterlich. Kraushaarig, stark, ein zorn'ger

Mann ; . lie Eisenmänner führt' er an. L'nd seine Reiter schmolzen fast In ihrer heißen Kerkerlast. Der tolle Herzog nannte nie Sie anders als den ,,Turm iin Schach". Wie Felsenblöcke saßen sie Und gaben grad' so wenig nach, Wenn, ungelenk wie Elefanten, Sie über Stock und Steine rannten. Auf Rossen von der schwersten Art ;

r.rabants Gestüte gab die Zucht, Hochbeinig, knochig, langbehaart, Und selber eine wüste Wucht. Dennoch die Disziplin traf man Allein bei diesem Haufen an. Das heißt, was damals so genannt, Doch nicht verwehrte Raub und Brand ; Und ganz allein auch diese Schar Vollzählig noch seit gestern war. Auch Hakenschützen sah man stehn An ihren Gabeln, grad' wie Rohr ; Aus Linienlücken grollend sehn Kartaunenschlünde schwarz hervor. Und Grenadiere, starke Leute, Die schweren Beutel an der Seite, Der starke Arm, der feste Fuß Den Grenadier bezeichnen muß, Sah man mit Zündstrick und mit

Beilen Längs^ den Plotonen sich verteilen. Dann alles still, es stand das Heer So ruhig wie ein schlafend Meer, Die Blicke nach dem Forst gewandt, Man sah auch rucken keine Hand. Nur sacht der Fahne Welle rauscht. Ein jeder horcht, ein jeder lauscht. Und leiser als des Odems Fallen, Viel leiser als der Fahne Wallen,

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Zog von des Feindes Feldmusik

Heran ein ungewisser Hall ;

War's Windeshauch ? War es ein

Schall ? Und in demselben Augenblick Ein Rabenschwarm, so schwarz und dicht, Daß er gehemmt der Sonne Licht, Stieg krächzend aus dem Liesner auf ; Dann langsam streichend übers Heer, Die Flügelschläge klatschten schwer. Und tausend Augen hoben sich. Ward einem schauerlich zu Mut? Ich weiß es nicht, zu jener Zeit \'iel anders fühlte man als heut, Wo kalt der Glaube, matt das Blut. Nun wieder mit des Windes Strich Der Bayern Marsch ganz deutlich

schon Und um den Liesner, Zug auf Zug, Der Rautenschildes Fahne trug, -^ich schwenkte Fußvolk und Schwa- dron. \'un sind sie da, auf Schusses Weit', Is wimmelt, ordnet, dehnt sich breit: Die Heere stehn zum Schlag bereit.

Wer kann viel tausend Menschen sehn In ihrer Vollkraft mutig stehn,

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Und denken nun, wie mancher fan 1 Den jähen Tod, eh Sonne schwand, Daß ihn dann Schauer nicht be-

schlich ! So glänzend unterm Sonnenstrich Die Waffe prahlt ; der Loencr

Bruch,29 Mit Hirtenbuben nur bekannt, Barfüßig lagernd in dem Sand, Noch nie so Blank- und Schönes

trug. Schau ! brechend aus der Linie Zug. Ein leichter Trupp stolzierend sprengt : Er teilt sich, fliegt, den Zaum ver- hängt ; Auf steigt der Arm, es knattert frisch. Lichtblaue Wölkchen ; im Gemisch Sieht, lustig plänkelnd übers Grim. Man Bayer, Sachs gewandt und kühn Abblitzen und wie Pfeile fliehn. Man dächt', es sei ein zierlich Spiel. Sah' man nicht schwanken dort unJ

hier Den Reiter, das verletzte Tier Im Felde schnauben herrenlos. Kommandowort Trompetenstoß Und Holsteins leichte Reiterei Trabt wie ein Sturmgewölk herbei.

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Standarte hoch : da hui ! ins Knie, Den Speer gefällt, die Infanterie Lag wie ein Wall, und drüber her Es knatterte wie Wetterschlag ; Der nahen Eiche Wipfel brach. Dann Pulverdämpfe schwarz und

schwer Verhüllen alles, einmal noch Den Qualm durchflog ein matter

Schein, Als nun die Reiter hieben ein.

Heiß ward gekämpft an diesem Tag ; In beiden Heeren keiner war, Der weichen mochte um ein Haar. nd nicht am Weißen Berge mag i wilder Strauß gefochten sein, o es um eine Krone galt, 'it den Centauren Weimar brach 'ie Linie ohne Widerhalt; ohl mancher stürzte wie ein Stein : schwerer Tod ! zerbrochen sein, erschmettert von des Panzers Last I as übrig blieb, drang frisch voran ; nd auch vom Regimente Spar, >dL kein Pardon zu hoffen war ; iJa Ächter jeder einzle Mann, Üie Landsknecht' taten Wunder fast ;

An Witticli dachten sie mit Mut, Beim Himmel ! sie bezahlten gut. Und heut E r w i 1 1 e ward gewahr, Daß Glück und Mut nicht stets ein

Paar; Obgleich vorauf an seiner Schar Der Obrist wie ein Fleischer hieb, Mehr mußt' er räumen, als ihm lieb. S c h m i d und M o n t a g n i taten

brav. Scharf der Kroaten Klinge traf, Des Holstein zierlich Rößchen flog Und tanzte wie ein Elfentier, So fest den Hahn der Reiter zog. Gelassen, kalt wie im Revier. Und wer ihn zielen sah vom Roß, Denkt, daß er nach der Scheibe schoß. Kühn waren S t y r u m auch und

Reck; Doch keiner wie der junge Schlick, Im Auge Basiliskenblick, Hieb zweimal stets auf einen Fleck. Doch tapfer waren all' zumal, NTicht einer, der sich mochte schonen. Sechs Stunden brüllten die Kanonen, Sechs Stunden lang der helle Stahl Auf Pickelhaub' und Harnisch klang, Und übern Grund sechs Stunden lang

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Sah man wie Hühnerschwärm* in

Haufen Granat' und Wachtel pfeifend laufen, Daß noch die Wage um kein Haar Zu eines Heil gesunken war. Beim Braunschweig stand die Min- derzahl, Doch alles Männer hart wie Stahl, Den Tod nicht scheuend im Gefecht ; Sie schlugen drein wie Henkers- knecht'. So glühend wurde ihr Geschütz, Daß drüber fuhr der Funken Blitz. Und mancher Kanonier die Hand An diesem Tage hat verbrannt. Viel spricht man von der Alten Tat : Doch kühner nicht Leonidas Focht zu Thermopylä am Paß, Als heut der tolle Halberstadt. Die Kugeln schienen ihn zu meiden. Das Schwert zu stumpfen seine

Schneiden, Die brennende Granate lief Um Rosses Huf und schnurrte fort. Man sah ihn hier, man sah ihn dort : Wo das Gewühl am meisten tief, Da flog der Reiherbusch umher. Fürwahr, den Bayern ward es schwer

r

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Im dichten Staub und Pulverrau'.i. Wo glüh und aschig jeder Hauch, Da Windes Odem, umgestellt. Zu ihren Feinden ward gesellt Und öfters nicht gesehn die Hand, Bevor gefühlt der Wunde Brand. Es fuhr der Speer wie eine Schlange, Die Erde dröhnt' vom Trommelklange, Gespenst'ge Waffen schienen sich Zu kreuzen wild und mörderlich. Doch, ob es keinen Zollbreit wich. Allmählich schmolz des Herzogs Heer, Wie Schneeball unterm Sonnenstich ; Viel Tausend lagen kalt umher. Und als für Augenblicke sich Der Dampf zerteilte, sah man klar, Wie schwer bedrängt der Haufen war. Ein Tropfen hing an jedem Haar, Aus den zerfetzten Kollern rann Das warme Blut den Grund hinan, Und mancher mit der linken Hand Hat die Muskete abgebrannt. Noch standen sie wie eine Wand ; Doch bald dem Bayer es gelang. Daß er ein wenig fürder drang ; Und langsam weichend. Schritt für

Schritt, Die matten Landsknecht' drängten mit.

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Dem Moore zu. das binsenreich Sich dehnte wie ein grüner Teich.

O Christian ! was frommt dein Mut, Dein fester Arm, dein fürstlich Blut ! Als seine Krieger mußten weichen, Ha, welch ein Wüten sondergleichen ! Hätt' er den Hut des Fortunat, Sie sollten büßen auf der Tat ! Doch die Besinnung kehrte schnell, Man sah ihn wenden auf der Stell' Und durch das Heer nach allen Sei- ten Mit abgezognem Hute reiten; Man sah ihn winken mit der Hand, Inständig flehend: „Haltet stand!" Xicht einer war, der ihn verstand. So todesmüde der Soldat, So stumpf an Sinnen, ohne Rat, Kaum hörte des Signales Klang; nd schwer dem Herzog es gelang, it wenig Treuen für Minuten ,1 hemmen noch den letzten Schlag. e taten, was ein Mensch vermag, :>m Rosse sinkend, im Verbluten, ie Finger, steif in Todesnahn, Xoch suchten des Pistoles Hahn, Sie stießen mit der Partisan',

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Am Grund auf blut'gen Stümpfen

liegend Und wimmernd sich im Moose

schmiegend, Des Schwertes Spitze suchten sie Zu bohren in der Rosse Knie. Da plötzlich wie ein Ebertroß, Der knirschend vor dem Jäger rennt, Heran der Spar sehe Landsknecht

schoß ; Und hinterdrein auf flücht'gem Roß Das Herberstorfsche Regiment,30 Die Säbel hoch im Sonnenblitze, Den Albrecht Tilly an der Spitze. Und ein Gemetzel nun begann, So trieb es nie ein braver Mann Gen Feinde unbewehrt und wund ; Man sah sie knien auf den Grur.J, Die Hände faltend um Pardon : Ein Klingenhieb, geschärft durch

Hohn, Die Antwort drauf und Kolbcn-

schlag Half Partisan' und Schwerte nach. Kroatenmesser, scharf gewetzt. Auch hielten ihre Ernte jetzt ; Wie Reisebündel, Kopf an Kopf Sah schwanken man vom Sattelknopf

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An Lederriemen oder Strick ; Und glücklich, wen der Tod beschlich. Eh übern Hals die Schneide strich. Wohl einigen die Flucht gelang ; Doch seitwärts nach dem Moore drang Des Feindes Nahn ; und wem das

Glück Die feste Stelle gab im Moor, Der kam am Ende wohl hervor. Ein hilflos Wrack für Lebenstag, Das betteln oder stehlen mag. Doch mancher an des Schlundes Rand Noch hat zum Kampfe sich gewandt Und zog mit letzter Kraftgewalt ) Den blut'gen Feind vom sichern Halt ; Dann wütig kämpfend in dem Schlamm, Sie rangen wie zwei Wasserschlangen, Die sich in grimmer Lieb' umfangen. Zuletzt nur noch des Helmes Kamm Sah aus den Binsen, und der Schlund Schloß zuckend seinen schwarzen

Mund.

icht Albrecht Tilly ist der

Mann, ;n solch ein Schauspiel freuen kann; ') noch so heiß sein Blut gewallt, I3 er geflucht im Hinterhalt

277

Ou ihm der erste Säbelhieb, Die erste Kugel, so er schoß, Sogar die erste Wunde lieb, Gleich fürstlichem Araberroß, Das, wenn zu wild das Feuer kreist, Sich auf die heißen Adern beißt : Doch sah man überall im Troß Ihn steuern, wie es möglich war ; Zurück er manchen riß am Haar ; Vor Partisan' und Kolbenschlag Er schützte viel' an diesem Tag. Und selbst der wilde Obrist Spar, Dem des Kroaten blanker Schnitt Schon prüfend um die Gurgel glitt, Muß ihm Erhaltung danken. Doch Ist Leben eine Gabe noch, Gefangen, wund, in Schmaches Joch? Und Christian? O bittrer Hohn! Er mußte fliehn, er ist entflohn ! Kein kluger Rückzug, wie zuvor : Nein, scharf gehetzt durch Ruhmes

Tor, Das krachend hinter ihm sich schloß. Als er die Sporen gab dem Roß, Sein Antlitz war so weiß wie Schnee, Und, schwärzlich steigend in die Höh', Auf seiner Stirn das Runenmal Schien wie geätzt vom Wetterstrahl.

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Auch zuckt er, und die Sage scholl,

Es traf ihn eine Kugel dort ;

Doch sagt er nichts und sprengte

fort, Vielleicht nur zuckte inn'rer Groll. Vier Kompagnien, zerfetzt genug, Das war der ganze Heereszug Des Christian vom Loener Bruch. Auf Wiesenfluren, nett und fein, Zeigt sich der Flecken O t t e n -

s t e i n :3i Recht wie ein Fräulein, das sich jetzt Zur Blumenlese hat gesetzt, Wenn Bürger, stattlich, Mann und

Frau, Lustwandeln durch die grüne Au. Am Schattenbaum die heitre Bank, Manch Wiesenquellchen, klar und

schlank, Den müden Wandrer weiß zu locken, Und gerne mag der Fuß hier stocken. Doch damals eine Feste lag. Wo jetzt des Gärtchens Blumenhag. Und überm Tore, schwarz und hoch, Das zwitschernd Schwalbenbrut um- flog, Auf hohem Stuhl der Wächter saß. Bedächtig in der Chronik las.

279

Nur wenig achtend auf das Paar, Das in der Fensterbrüstung stand, So leise flüsternd immerdar, Daß er die Hälfte nicht verstand. Gertrude ist's und Eberhard, Scheu vor des Ohmes Gegenwart, Ein Brautpaar seit der letzten Stunde, Mit allem Himmelsglück im Bunde. Was ward gesprochen ? Allerlei, Was immer reden solche Zwei, Vom ersten Strahle überglänzt ; Ist einer, dem es nicht ergänzt Nicht Gegenwart, Erinnerung : Gar arm ist er! wo nicht, gar jung! Sie hörten des Geschützes Schall ; Doch brach es sich wie Widerhall An ihres Glückes heil'gem Dom. Und immer fürder las der Ohm. Von Wecliselbälgen, Wunderzeichen, Von Helden, mächtig ohnegleichen ; Es dünkt ihn seltsam, daß ein Mann So viele Tausend zwingen kann. War er doch auch zu seiner Zeit Kein schlechter Kamp' im ernsten

Streit, Der manche gute Lanze brach, Und weiß wohl, was ein Mann ver- mag.

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Ständ's nicht mit klarer Schrift ge- druckt. Er zweifelte ; unwillig zuckt Die Braue, daß er, mit Verdruß, Sich so gering erscheinen muß. Zuweilen fährt ein halber Blick Auf seine Rüstung, Stück vor Stück, Wo an den Eisenpanzer just Gertrude hat die Stirn gelegt, Wie Balsam saugend in die Brust Des Liebsten Worte, tiefbewegt. Du ahnest Liebeständelei ? Ach, nichts von diesem war dabei ! Ein Gärtchen vor dem Tor hinaus. Ein kleines, wohlbestelltes Haus Am Moore, wo man Feurung gräbt : Aus diesem Stoff ward es gewebt ; Doch war es ihre Häuslichkeit, Ein Paradies zukünft'ger Zeit, Und um die Worte wiegten sich Viel tausend Engel minniglich. Und immer fürder las der Ohm Vom Papste, vom Konzil zu Rom, Von Fasten, Skapulier und Sack, Das war nicht eben sein Geschmack. Allmählich tiefer sinkt das Haupt, Die Lettern tanzen, sinnberaubt, Gleich einer Lampe im Verglimmen,

r

281

Schon fühlt er die Gedanken schwim- men. Ein heller Ruf ! Er fährt empor. Ha ! Reiterscharen dicht am Tor ! Sie fliegen, daß der Anger pfeift. Von Mann und Tiere tröpfelnd läuft Das klare Blut, und Flockenschaum Fährt flatternd an Gesträuch und

Baum. Wie ward der Torwart grimm und

wach ! Wie griff er nach der Partisan' ! Rief laut: „Der tolle Christian!" Und war der Herzog nicht so jach, Er sandt' ihm seine Waffe nach. Doch durch die Wiesen langgestreckt Das Roß die wunden Hufe reckt Nun noch an Horizontes Grund Nun sind sie fort. Des Wächters

Mund Gab ihnen manchen guten Fluch, Daß, wen er trifft, der hat genug. So triumphierend schaut er nach, Wie Simson der Philister Schmach. Und wieder durch den grünen Raum Vereinzelt trabt ein armer Troß, Todmüde Reiter ohne Roß, Die steife Ferse trägt sie kaum ;

282

\\'ie Hirsche, "keuchend vor dem

Hunde, Nicht achtend Blutverlust und

Wunde, Sie stolpern längs dem weichen

Grunde ; Der eine fällt und rafft sich auf, Der andre reckt den Arm hinauf. Und gichtisch Zucken deutet an. Daß nun der Todeskampf begann. Dort hinkend ein erschöpfter Mann Steht an der Linde Stamm gelehnt, Man glaubt zu hören, wie er stöhnt : Das Haupt er zweimal beugt zurück, Man glaubt zu sehn den stieren Blick. Dann stemmend an der Linde Zwei- gen, Die schattig übern Anger neigen, Er müht sich mit der letzten Kraft, Zu klimmen an des Baumes Schaft. Dreimal fiel er zurück ins Gras Und schmerzbetäubt am Grunde saß, Und wieder dreimal setzt er an, Bis er den ersten Ast gewann, Dann schwindend in der Blätter Dach. Wo ihn der Himmel schützen mag. Und schon der Bayern Feldgeschrei Wie Rabenkrächzen dringt herbei,

283

Schon Staubeswollcen dicht und

schwer, Vom Horizonte rollen her : Da durch den Anger matt heran Trabt einzeln noch ein wunder

Mann ; Die Haltung edel, ob gebeugt, Von stolzem Blut genugsam zeugt. Man kann nicht wissen, ob er floh, Krank war die Haltung, furchtsam

nicht ; Er wandte öfters sein Gesicht, Und eine Weile hielt er so. Dann langsam steigend von dem Tier Er schleppt sich mühsam für und für. Am Erlenstamme sah man ihn Im blutgetränkten Grase knien ; Zum Fliehen fühlt' er keine Lust, Die Kugel lag in seiner Brust ; Doch sterben unter Feindes Spott ! Kroatenmesser ! großer Gott ! Zum Himmel blickt' er fest hinauf. Dann löst er sacht den Koller auf. Und lang sich streckend übers Grün, Noch einmal zucken sah man ihn. Mein junger Held, mein Otto

Schlick ! War dein der jammervolle Blick?

28 i

Ob ungelcannt dein stilles Grab, Das morgens dir der Bauer gab, Nicht Marmorträne drüber weint, Doch ewig bleiben wird dein Recht : Ein treuer Sohn, ein tapfrer Feind, Und heut der letzte im Gefecht.

Wie übern Förster, der durchwacht Auf Frevlers Spur die Sommernacht, Wenn halb die Wimpern sanken

schwer, In Ästen braust das wüt'ge Heer, Fuhr nun heran die wilde Jagd. Sie sprengten über Tot' und Wunde, Die hilflos wimmerten am Grunde, Und im Vorüberfliegen bloß Schoß einzeln wohl ein Lanzenstoß. Als einer längs der Linde strich. Ein Blutestropfen fiel herab. Da rasch im Fluge wandt' er sich Und brannte die Muskete ab, Nur Blätter wirbelten herab. Und weiter, weiter, nur voran, Sie sausten durch den Wiesenplan Dem tollen Herzog stets im Nacken, Wie Rüden nach dem Wilde packen. Sie sah ihn streifen übern Raum, Oft nur auf Schusses Weite kaum.

r

285

Und jener moosbedeckte Stein Fürwahr ! muß Hollands Grenze sein : O, hurtig! setzt die Sporen ein! Es ist umsonst, der letzte Mann Grad' überm Scheidestrich entrann. Dort mag, von Schaum und Dam; i

umhüllt, Verschnaufen das gehetzte Wild. Und grimmig schmetternd übern Ra- sen Zum Rückzug die Trompeten blasen.

Zweihundert Jahre sind dahin. Und alle, die der Sang umfaßt, Sie gingen längst zur tiefen Rast. Der Tillly schläft so fest und schwer. Als gab' es keinen Lorbeer mehr ; Und Christians verstörter Sinn Ging endlich wohl in Klarheit auf. Wie trübt die Zeit der Kunde Laiif! An seiner Brüder moos'gem Grab Beugt weidend sich das Rind herab, Und schreiend fliegt der Kibitz auf. Willst du nach diesen Hügeln fragen : Nichts weiß der Landmann dir zu

sagen ; „Multhäufe" nennt er sie und meint. Stets sei Wacholderbusch ihr Freund.

286

Am Moore nur trifft wohl einmal Der Gräber noch auf rost'gen Stahl, Auf einen Schädel ; und mit Graus Ihn seitwärts rollend, ruft er aus : „Ein Heidenknochen ! Schau, hier

schlug „Der Türke sich im Loener Bruch !"32

%:s)

287

SIEBENTER TEIL

LETZTE GABEN

289

19

Carpe diem!

i .cke die Stunde, war*

sie noch so blaß, Ein falbes Moos, vom

Dunst des Moores naß. Ein farblos Blümchen,

flatternd auf der Heide ; Ach, einst von allem

träumt die Seele süß, Von allem, was, ihr eigen,

sie verließ. Und mancher Seufzer gilt

entflohnem Leide.

In alles senkt sie Blutestropfen ein, Legt Perlen aus dem heiligtiefsten

Schrein Bewußtlos selbst in grauverhängte

Stunden ; Steigt oft ein unklar Sehnen dir empor, Du schaust vielleicht wie durch Ge- wölkes Flor Nach Tagen, längst vergessen, doch empfunden.

291

19*

Wer, der an seine KinderzeJt gedenkt,

Als die Vokabeln ihn in Not ver- senkt,

Wer möc.ht' nicht wieder Kind sein und sich grauen ?

Ja, der Gefangene der die Wand be- schrieb,

Fühlt er nach Jahren Glückes nicht den Trieb,

Die alten Sprüche einmal noch zu schauen ?

Wohl gibt es Stunden, wie so ganz verhaßt,

Daß, dem Gedächtnis eine Zentner- last,

Wir ihren Schatten abzuwälzen sorgen ;

Doch selten schickt sie uns des Himmels Zorn,

Und meistens ist darin ein gift'ger Dorn,

Der IModerwurm geheimer Schuld, verborgen.

Drum, wer noch eines Blicks nach oben wert.

Der nehme, was an Lieben ihm be- schert,

292

Die stolze, wie die Stund' im schlich- ten Kleide ;

Der schlürfe jeden stillen Tropfen Tau,

Und spiegelt drin sich nicht des Äthers Blau,

So lispelt drüber wohl die fromme Weide.

Freu dich an deines Säuglings Lächeln, freu

Dich an des Jauchzens ungewissem Schrei,

Mit dem er streckt die lustbewegten Glieder :

War' zehnmal stolzer auch, was dich durchweht,

Wenn er vor dir dereinst, ein Jüng- ling, steht.

Dein lächelnd Kindlein gibt er dir nicht wieder.

Freu dich des Freundes, eh zum Greis er reift,

Erfahrung ihm die kühne Stirn ge- streift,

293

l

Von seinem Scheitel Grabesblumen wehen ;

Freu dich des Greises, schau ihm lange nach,

In kurzem gäbst vielleicht du man- chen Tag,

Um einmal noch dies graue Haupt zu sehen.

O, wer nur ernst und fest die Stund'

ergreift, Den Kranz ihr auch von bleichen

Locken streift, Dem spendet willig sie die reichste

Beute ; Doch wir, wir Toren, drängen sie

zurück, Vor uns die Hoffnung, hinter uns

das Glück, Und unsre Morgen morden unsre

Heute.

Durchwachte Nacht.

Wie sank die Sonne glüh und schwer, Und aus versengter Welle dann Wie wirbelte der Nebel Heer-

Die Sternenlose Nacht hernn Ich höre ferne Schritte gehn Die Uhr schlägt Zehn.

Noch ist nicht alles Leben einge- nickt.

Der Schlafgemächer letzte Türen knarren ;

Vorsichtig in der Rinne Bauch ge- drückt.

Schlüpft noch der Iltis an des Gie- bels Sparren,

Die schlummertrunkne Färse mur- rend nickt,

Und fern im Stalle dröhnt des Rosses Scharren,

Sein müdes Schnauben, bis, vom Mohn getränkt,

Es schlaff die regungslose Flanke senkt.

Betäubend gleitet Fliederhauch

Durch meines Fensters offnen Spalt,

Und an der Scheibe grauem Rauch

Der Zweige wimmelnd Neigen wallt.

Matt bin ich, matt wie die Natur !

E 1 f schlägt die Uhr.

295

O wunderliches Schlummerwachen, bist

Der zartren Nerve Fluch dy oder Segen ?

's ist eine Nacht, vom Taue wach ge- küßt,

Das Dunkel fühl' ich kühl wie feinen Regen

An meine Wange gleiten, das Gerüst

Des Vorhangs scheint sich schau- kelnd zu bewegen,

Und dort das Wappen an der Decke Gips

Schwimmt sachte mit dem Schlängeln des Polyps.

Wie mir das Blut im Hirne zuckt ! Am Söller geht Geknister um. Im Pulte raschelt es und ruckt, Als drehe sich der Schlüssel um. Und horch ! der Seiger hat ge- wacht ! 's ist Mitternacht.

War das ein Geisterlaut? So schwach und leicht

Wie kaum berührten Glases schwir- rend Klingen,

296

Und wieder wie verhaltnes Weinen

steigt Ein langer Klageton aus den Sy-

ringen, Gedämpfter, süßer nun, wie tränen- feucht Und selig kämpft verschämter Liebe

Ringen ; O Nachtigall, das ist kein wacher

Sang, Ist nur im Traum gelöster Seele

Drang. Da kollert's nieder vom Gestein ! Des Turmes morsche Trümmer fällt, Das Käuzlein knackt und hustet

drein :

297

Ein jäher Windesodem schwellt Gezweig und Kronenschmuck des

Hains ; Die Uhr schlägt Eins.

Und drunten das Gewölke rollt und klimmt ;

Gleich einer Lampe aus dem Hünen- male

Hervor des Mondes Silbergondel schwimmt,

Verzitternd auf der Gasse blauem Stahle ;

An jedem Fliederblatt ein Fünkchen glimmt,

Und hell gezeichnet von dem blassen Strahle

Legt auf mein Lager sich des Fen- sters Bild,

Vom schwanken Laubgewimmel über- hüllt.

Jetzt möcht' ich schlafen, schlafen gleich,

Entschlafen unterm Mondeshauch,

Umspielt vom flüsternden Gezweig,

Im Blute Funken, Funk' im Strauch

Und mir im Ohre Melodei;

Die Uhr schlägt Zwei.

298

Und immer heller wird der süße

Klang, Das liebe Lachen ; es beginnt zu

ziehen Gleich Bildern von Daguerre die

Deck' entlang, Die aufwärts steigen mit des Pfeiles

Fliehen ; Mir ist, als seh' ich lichter Locken

Hang, Gleich Feuerwürmern seh' ich Augen

glühen. Dann werden feucht sie, werden blau

und lind, Und mir zu Füßen sitzt ein schönes

Kind.

Es zieht empor, so froh gespannt, Die Seele strömend aus dem Blick ; Nun hebt es gaukelnd seine Hand, Nun zieht es lachend sie zurück ; Und horch! des Hahnes erster

Schrei ! Die Uhr schlägt Drei.

Wie bin ich aufgeschreckt. o süßes

Bild, Du bist dahin, zerflossen mit dera

Dunkel !

299

Die unerfreulich graue Dämmrung quillt,

Verloschen ist des Flieders Tauge- funkel,

Verrostet steht des Mondes Silber- schild,

Im Walde gleitet ängstliches Ge- munkel,

Und meine Schwalbe an des Frieses Saum

Zirpt leise, leise auf im schweren Traum.

Der Tauben Schwärme kreisen scheu, Wie trunken, in des Hofes Rund, Und wieder gellt des Hahnes Schrei, Auf seiner Streue rückt der Hund, Und langsam knarrt des Stalles Tür Die Uhr schlägt Vier.

Da flammt's im Osten auf, o Morgenglut !

Sie steigt, sie steigt, und mit dem ersten Strahle

Strömt Wald und Heide vor Gesanges- flut.

300

Des Leben quillt aus schäumendem Pokale,

Hs klirrt die Sense, flattert Falken- brut,

Im nahen Forste schmettern Jagd- signale,

'/nd wie ein Gletscher sinkt der Träume Land

Zerrinnend in des Horizontes Erand.

Mondesaufgang.

An des Balkones Gitter lehnte ich

Und wartete, du mildes Licht, auf dich.

Hoch über mir, gleich trübem Eis- kristalle,

Zerschmolzen schwamm des Firma- mentes Halle ;

Der See verschimmerte mit leisem Dehnen

Zerfloßne Perlen oder Wolkentränen ?

Es rieselte, es dämmerte um mich,

Ich wartete, du mildes Licht, auf dich.

3 '1

Hoch stand ich, neben

mir der Linden Kamm, Tief unter mirGezweige,

Ast und Stamm ; Im Laube summte der

Phalänen Reigen, Die Feuerfliege sah ich

glimmend steigen, Und Blüten taumelten

wie halb entschlafen ; treibe hier ein Herz

Mir war, als

zum Hafen, Ein Herz, das

und Leid Und Bildern seliger Vergangenheit.

übervoll von Glück

Das Dunkel stieg, die Schatten

drangen ein Wo weilst du, weilst du denn, mein

milder Schein?

302

Sie drangen ein, wie sündige Ge-

danlcen, Des Firmamentes Woge schien zu

schwanken, Verzittert war der Feuerfliege Funken, Längst die Phaläne an den Grund

gesunken, ' Nur Bergeshäupter standen hart und

nah. Ein düstrer Richterkreis, im Düster da.

Und Zweige zischelten an meinem Fuß, Wie Warnungsflüstern oder Todes- gruß; Ein Summen stieg im weiten Was- sertale, Wie Volksgemurmel vor dem Tribu- nale ; Mir war, als müßte etwas Rechnung

geben. Als stehe zagend ein verlornes Leben, Als stehe ein verkümmert Herz allein. Einsam mit seiner Schuld und seiner Pein.

Da auf die Wellen sank ein Sil- berflor,

Und langsam stiegst du, frommes Licht, empor ;

303

Der Alpen finstre Stirnen strichst du leise,

Und aus den Richtern wurden sanfte Greise ;

Der Wellen Zucken ward ein lächelnd Winken,

An jedem Zweige sah ich Tropfen blinken,

Und jeder Tropfen schien ein Käm- merlein,

Drin flimmerte der Heimatlampe Schein.

O, Mond, du bist mir wie ein später Freund,

Der seine Jugend dem Verarmten eint,

Um seine sterbenden Erinnerungen

Des Lebens zarten Widerschein ge- schlungen

Bist keine Sonne, die entzückt und blendet,

In Feuerströmen lebt, im Blute endet

Bist, was dem kranken Sänger sein Gedicht,

Ein fremdes, aber o ! ein milde? T.icht.

304

Im Grase.

Süße Ruh', süßer Taumel im Gras,. Von des Krautes Arom umhaucht, Tiefe Flut tief, tieftrunkne Flut, Wenn die Wölk' am Azure verraucht, Wenn aufs müde, schwimmende Haupt Süßes Lachen gaukelt herab, Liebe Stimme säuselt und träuft Wie die Lindenblüt' auf ein Grab.. Wenn im Busen die Toten dann. Jede Leiche sich streckt und regt, Leise, leise den Odem zieht. Die geschloßne Wimper bewegt Tote Lieb', tote Lust, tote Zeit, All die Schätze, im Schutt verwühlt,. Sich berühren mit schüchternem Klang Gleich den Glöckchen, vom Winde- umspielt.

303

20

Stunden, flüchtiger ihr als der Kuß Eines Strahls auf den trauernden See, Als des ziehenden Vogels Lied, Das mir niederperlt aus der Höh', Als des schillernden Käfers Blitz, Wenn den Sonnenpfad er durcheilt. Als der flücht'ge Druck einer Hand, Die zum letzten Male verweilt.

Dennoch, Himmel, immer mir nur Dieses eine : nur für das Lied Jedes freien Vogels im Blau Eine Seele, die mit ihm zieht. Nur für jeden kärglichen Strahl Meinen farbigschillernden Saum, Jeder warmen Hand meinen Druck, Und für jedes Glück einen Traum.

Spätes Erwachen.

Wie war mein Dasein abgeschlossen. Als ich im grünumhegten Haus Durch Lerchenschlag und Fichten- sprossen Noch träumt' in den Azur hinaus !

306

Als keinen Blick ich noch erkannte, / Als den des Strahles durchs Gezweig. Die Felsen meine Brüder nannte, Schwester mein Spiegelbild im Teich I

Nicht rede ich von jenen Jahren, Die dämmernd uns die Kindheit beut Nein, so verdämmert und zerfahren War meine ganze Jugendzeit !

Wohl sah ich freundliche Gestalten Am Horizont vorüberfliehn ; Ich konnte heiße Hände halten Und heiße Lippen an mich ziehn ;

Ich hörte ihres Grußes Pochen, Ihr leises Wispern um mein Haus Und sandte schwimmend, halbge- brochen, Nur einen Seufzer halb hinaus.

Ich fühle ihres Hauches Fächeln, Und war doch keine Blume süß ; Ich sah der Liebe Engel lächeln, Und hatte doch kein Paradies.

!Mir war, als habe in den Noten Sich jeder Ton an mich verwirrt. Sich jede Hand, die mir geboten, Im Dunkel wunderlich verirrt.

307

r

Verschlossen blieb ich, eingeschlos- sen In meiner Träume Zauberturm, Die Blitze waren mir Genossen Und Liebesstimme mir der Sturm.

Dem Wald ließ ich ein Lied erschal- len, Wie nie vor einem Menschenohr, Und meine Träne ließ ich fallen, Die heiße, in den Blumenflor.

Und alle Pfade mußt' ich fragen : Kennt Vögel ihr und Strahlen auch ? Doch keinen : wohin magst du tragen, Von welchem Odem schwillt dein Hauch?

Wie ist das anders nun geworden. Seit ich ins Auge d i r geblickt ; Wie ist nun jeder Welle Borden Ein Menschenbildnis eingedrückt !

Wie führ ich allen warmen Händen Nun ihre leisen Pulse nach. Und jedem Blick sein scheues Wen- den, Und jeder schweren Brust ihr Ach 1

308

r

TT

Und alle Pfade möcht' ich fragen : Wo zieht ihr hin, wo ist das Hau In dem lebend'ge Herzen schlagen, Lebend'ger Odem schwillt hinaus?

Entzünden möcht' ich alle Kerzen Und rufen jedem müden Sein : Auf ist mein Paradies im Herzen, Zieht alle, alle nun hinein !

Stille Größe.

Ich klage nicht den Mann, der fällt Ein Markstein dem erkämpften Land, Der seines Schicksals Becher hält. Ihn mischend mit entschloßner Hand, Ihn, der entgegentritt dem Sturm Und weiß, daß er die Eiche bricht ; Wer war so reich wie Götz im Turm, Wie Morus vor dem Blutgericht?

Ich klage nicht den Mann, der stirbt, Von Welt und eigner Glut verzehrt, Ihn, dem des Halmes Frucht verdirbt Und den des Himmels Manna nährt; Correggio nicht, der siech und falb Die Kupferheller heimgebracht, Cervantes, der verhungert halb Ob seines Pansa noch gelacht.

^-^^^^

309

Sie sind des Unglücks Fürsten, sind Die mächtigen im weiten Blau, Sie fühlen, daß ihr Odem rinnt Entzündend um der Erde Bau, Daß nur aus dunkler Scholle gern Und freudig schießt der Ernte Kraft» Und daß zerfallen muß der Kern, Soll strecken sich der Palme Schaft.

Ihn klag' ich, dessen Liebe groß Und dessen Gabe arm und klein, Den, wie die Glut das dürre Moos, Sengt jener Strahlen Widerschein ; Ihn, der des Funkens Irren fühlt Verzehrend in der Adern Bau, Und den die Welle dann verspült. Ein Aschenhäuflein, karg und grau.

O, eure Zahl ist Legion !

Ihr Halbgesegneten, wo scheu

Ins Herz der Genius geflohn,

Und öde ließ die Phantasei ;

Ihr, die ihr möchtet flügellos

Euch schwingen mit des Sehnens

Hauch, Und nieder an der Erde Schoß Sinkt, wie ein kranker Nebelrauch,

310

Nicht klag' ich euch, weil ihr gering. Nicht weil ihr ärmlich und versiegt ; Ich weiß es, daß der Zauberring Euch unbewußt am Finger liegt ; O, ihr seid reich und wißt es nicht. Denn reich ist nur der Träume Land ; O, ihr seid stark und wißt es nicht. Denn stark ist nur der Liebe Band.

Wenn ihr am leeren Pult euch neigt L'nd an der öden Staffelei, Um euch des Himmels Odem steigt Und in euch der Beklemmung Schrei ;. Wenn zitternd nach dem Ideal Ihr eure heißen Arme streckt, Und kaum fürs nächste Kummermahl Den Halm die nächste Furche reckt

Dann seid ihr mehr als der Poet, Der seines Herzens Blut verkauft, Mehr als der Künstler, der so spät Zur Heil'gen die Hetäre tauft ; Was ihr verschweigt, ist lieblicher. Als je des Dichter Stirn gekrönt. Was ihr begrabt, ist heiliger, Als Färb' und Pinsel je verschönt.

311

f

Mir gab Natur ein kühnes Herz, Ich senke nicht so leicht den Blick ; Mich drückt nicht Größe niederwärts. Drängt keine fremde Hand zurück ; Nie hat des Ruhmes Strahlenkranz An fremder Stirne mich gegrämt ; Doch vor so stillen Blickes Glanz Hab' ich mich hundertmal geschämt.

Weinende Quellen, wo sich rollt Das Sonnenbild im Wellenbann, Glühende Stufen, wo das Gold Nicht aus der Schlacke brechen kann, Ich klag' um euch, weil ihr betrübt. Weil euch das Herz von Tränen

schwillt, Unwissend Sel'ge, weil ihr liebt Und zweifelt an der Gottheit Büa.

3t2

Behütet euren stülen Schrtz, Laßt uns das sonnenöde Land ! Laßt uns den freien Bühnenplatz L^nd sterbt im Winkel unbekannt ; Einst wißt ihr, was in euch gelebt, Und was in dem, der euch gehöhnt ; Einst, wenn der Strahlengott sich hebt Und wenn die Memnonssäule tönt.

Die tote Lerche.

Ich stand an deines Landes Grenzen, Auf deinem grünen Saatenwald, Und auf des ersten Strahles Glänzen Ist dein Gesang herabgewallt. Der Sonne schwirrtest du entgegen, Wie eine Mücke nach dem Licht, Dein Lied war wie ein Blütenregen, Dein Flügelschlag wie ein Gedicht.

Da war es mir, als müsse ringen Ich selber nach dem jungen Tag, Als horch' ich meinem eignen Singen Und meinem eignen Flügelschlag; Die Sonne sprühte glühe Funken, In Flammen brannte mein Gesicht, Ich selber taumelte wie trunken. Wie eine Mücke nach dem Licht.

313

Da plötzlich sank und sank es nieder Gleich toter Kohle in die Saat, Noch zucken sah ich kleine Glieder Und bin erschrocken dann genaht ; Dein letztes Lied, es war verklungen, Du lagst, ein armer kalter Rest, Am Strahl verflattert und versungen Bei deinem halbgebauten Nest.

Ich möchte Tränen um dich weinen. Wie sie das Weh vom Herzen drängt. Denn auch mein Leben wird ver-

scheinen. Ich fühl's, versungen und versengt ; Dann du, mein Leib, ihr armen Reste ! Dann nur ein Grab auf grüner Flur, Und nah nur, nah bei meinem Neste, In meiner stillen Heimat nur !

Der Dichter.

Ihr, die beim frohen Mahle lacht, Euch eure Blumen zieht in Scherben Und, was an Gut euch zugedacht, Euch wohlbehaglich laßt vererben,

314

Ihr starrt dem Dichter ins Gesicht. Verwundert, daß er Rosen bricht Von Disteln, aus dem Quell der

Augen Korair und Perle weiß zu saugen ;

Daß er den Blitz herniederlangt, Um seine Lampe zu entzünden. Im Wettertoben, wenn euch bangt. Den rechten Odem weiß zu finden : Ihr starrt ihn an mit halbem Neid. Den Geistes-Krösus seiner Zeit, Und wißt es nicht, mit welchen

Qualen Er seine Schätze muß bezahlen.

Vißt nicht, daß ihn, Verdammten

gleich, Nur reines Feuer kann ernähren, Kur der durchstürmten Wolke Reich Den Lebensodem kann gewähren ; Daß, wo das Haupt ihm sinnend

hängt, Sich blutig ihm die Träne drängt. Nur in des schärfsten Dornes Spalten Sich seine Blume kann entfalten.

315

Meint ihr. das Wetter zünde nicht? Meint ihr, der Sturm erschüttre nicht? Meint ihr, die Träne brenne nicht? Meint ihr, die Dornen stechen nicht? Ja, eine Lamp' hat er entfacht, Die nur das Mark ihm sieden macht ; Ja, Perlen fischt er und Juwele, Die kosten nichts als seine Seele.

Der sterbende General.

Er lag im dichtverhängten Saal, Wo grau der Sonnenstrahl sich brach Auf seinem Schmerzensbette lag Der alte kranke General.

--^^^ 316

Genüber ihm am Spiegel hing Echarpe, Orden, Feldherrnstab. Still war die Luft, am Fenster ging Langsam die Schildwach auf und ab.

Wie der verwitterte Soldat

So stumm die letzte Fehde kämpft ?

Zwölf Stunden, seit zuletzt gedämpft

Um „Wasser" er, um „Wasser" bat.

An seinem Kissen beugten zwei,

Des einen Auge rotgeweint.

Des andern düster, fest und treu,

Ein Diener und ein alter Freund.

..Tritt seitwärts.'" sprach der eine,

„laß Ihn seines Standes Ehren sehn ! Den Vorhang weg, daß flatternd wehn Die Bänder an dem Spiegelglas !" Der Kranke schlug die Augen auf, Man sah wohl, daß er ihn verstand, Ein Blick, ein leuchtender, und drauf Hat er sich düster abgewandt.

,. Denkst du, mein alter Kamerad, Der jubelnden Viktoria? Wie flogen unsre Banner da Durch der gemähten Feinde Saat !

'-^^^^^(^^•r

Denkst du an unsers Prinzen Wort : ,Man sieht es gleich, hier stand der

Wart !' Schnell, Kamerad, nehmt die Decke

fort. Sein Odem wird so kurz und hart!"

Der Obrist lauscht, er murmelt sacht : „Verkümmert wie ein welkes Blatt ! Das Dutzend Friedensjahre hat Zum Kapuziner ihn gemacht. Wart ! Wart ! du hast so frisch und

licht, So oft dem Tode dich gestellt. Die Furcht, ich weiß es, kennst du

nicht, So stirb auch freudig wie ein Held!

„Stirb, wie ein Leue, adelig, In seiner Brust das Bleigeschoß, O stirb nicht, wie ein zahnlos Roß, Das zappelt vor des Henkers Stich ! Ha, seinem Auge kehrt der

Strahl! Stirb, alter Freund, stirb wie ein

Mann!" Der Kranke zuckt, zuckt noch einma\ Und „Wasser, Wasser" stöhnt er

dann.

318

Leer ist die Flasche. „Wache dort, He, Wache, du bist abgelöst ! Schau, wo ans Haus das Gitter stößt, Lauf, Wache, lauf zum Borne fort ! 's ist auch ein grauer Knasterbart Und strauchelt wie ein Dromedar Nur schnell, die Sohlen nicht ge- spart ! Was, alter Bursche, Tränen gar?''

,,Mein Kommandant," spricht der

Ulan, Grimmig verschämt, „ich dachte nach. Wie ich blessiert am Strauche lag. Der General mir nebenan, l'nd wie er mir die Flasche bot, Selbst dürstend in dem Sonnenbrand,

319

0'

Und sprach : ,Du hast die schlimmste

Not.' Dran dacht' ich nur, mein Komman- dant !" Der Kranke horcht, durch sein Ge- sicht Zieht ein verwittert Lächeln, dann Schaut fest den Veteran er an. Die Seele, der Viktorie nicht. Nicht Fürstenwort gelöst den Flug, Auf einem Tropfen Menschlichkeit Schwimmt mit dem letzten Atemzug Sie lächelnd in die Ewigkeit.

An meine Mutter.

So gern hätt' ich ein schönes Lied

gemacht

Von deiner Liebe, deiner treuen i;, Weise,

vy^ Die Gabe, die für andre immer wacht, * Hätt' ich so gern geweckt zu deinem Preise.

fDoch wie ich auch gesonnen mehi* ^ und mehr,

Und wie ich auch die Reime mochte stellen,

[

■^^====-^^^^^^^^- 320 ^^^^-=^

Des Herzens Fluten wallten drüber

her, Zerstörten mir des Liedes zarte

Wellen.

So nimm die einfach schlichte Gabe

hin, Von einfach ungeschmücktem Wort

getragen, Und meine ganze Seele nimm darin ; Wo man am meisten fühlt, weiß man

nicht viel zu sagen.

Lebt wohl.*)

Lebt wohl, es kann nicht anders sein ! Spannt flatternd eure Segel aus, Laßt mich in meinem Schloß allein. Im öden geisterhaften Haus.

Lebt wohl und nehmt mein Herz mit

euch Und meinen letzten Sonnenstrahl ; Er scheide, scheide nur sogleich, Denn scheiden muß er doch einmal.

•) An Levin Schtickina: und seine Frau bei ihrem Abschied von der Meersburg, Mai 1844.

321

21

Laßt mich an meines Sees Bord, Mich schaukelnd mit der Wellen Strich, Allein mit meinem Zauberwort, Dem Alpengeist und meinem Ich.

Verlassen, aber einsam nicht. Erschüttert, aber nicht zerdrückt, Solange noch das heil'ge Licht Auf mich mit Liebesaugen blickt.

Solange mir der frische Wald Aus jedem Blatt Gesänge rauscht, Aus jeder Klippe, jedem Spalt Befreundet mir der Elfe lauscht.

Solange noch der Arm sich frei Und waltend mir zum Äther streckt, Und jedes wilden Geiers Schrei In mir die wilde Muse weckt.

322

Letzte Worte.

Geliebte, wenn mein Geist geschieden, So weint mir keine Träne nach ; Denn, wo ich weile, dort ist Frieden, Dort leuchtet mir ein ew'ger Tag I

\Vo aller Erdengram verschwunden, Soll euer Bild mir nicht vergehn, Und Linderung für eure Wunden. Für euern Schmerz will ich erflehn.

Weht nächtlich seine Seraphsflügel

Der Friede übers Weltenreich,

So denkt nicht mehr an meinen

Hügel, Denn von den Sternen grüß' ich euch !

323

ANHANG.

Anmerkungen zu dem Gedicht: Schlacht am Loener Bruch.

1 Christian, Herzog von Braun- schweig, gewöhnlich der tolle Herzog, der tolle Braunschweig, auch Halber- stadt genannt, als ernannter Bischof von Halberstadt, ging in den ersten Jahren des Dreißigjährigen Krieges zur protestantischen Religion über und trat als General in die Dienste des Pfalzgrafen Friedrich des Fünf- ten, den die aufrührerischen Böhmen sich aus eigner Macht zum König gesetzt hatten, auch des Winterkönigs, wie man ihn auch nannte, nach der kurzen Dauer seiner Herrschaft. Christian, noch sehr jung, wurde zu diesem Schritte nicht sowohl durch Überzeugung geleitet, als durch sei- nen glühenden Haß gegen den Stand, den man ihm so ganz gegen seine Wünsche und die natürliche Neigung seines kriegerischen Geistes gegeben

325

hatte, zugleich durch ein tiefes leiden- schaftliches Interesse für die Gemah- lin des Winterkönigs, Elisabeth, Toch- ter Jakobs des Ersten von England, eine der schönsten und vielleicht die ehrgeizigste Frau ihrer Zeit. Nach dem Verfall ihrer kurzen Herrscher- macht konnte Christian sich nicht zur Ruhe geben. Ohne eigene Mittel den- noch ein bedeutendes Heer, meistens von Ratlosen und Geächteten, von denen es damals wimmelte, zusam- menbringend und sich mit einem küh- nen Abenteurer, dem Grafen Ernst von Mansfeld, verbindend, wagte er es, den Krieg auf eigne Hand fortzu- setzen. Dann von der protestanti- schen Union in Dienste genommen, unternahm er, mit abwechselndem Glück, die kühnsten Wagstücke, jedoch an der Übermacht sich nach und nach verblutend. Seit Monaten bereits vom Feldmarschall der katholischen Ligue, Johann Tscherklas, Grafen von Tilly, hart gedrängt, erhielt seine Macht am sieberiten (vielmehr : sechs- ten) August 1623 bei dem Städtchen Stadtlohn im Bistum Münster den

326

letzten Schlag, von dem er sich nicht wieder erholte. Nur mit wenigen ge- lang es ihm, die holländische Grenze zu erreichen, und als er bald nachher sowohl vor Kummer als an den Fol- gen seiner Wunden starb, ward sein Tod kaum bemerkt. Er war ein ge- waltiger Krieger, die Geißel der Rheinlande und Westfalens. Da im Verlauf der Erzählung selbst sowohl der Charakter als das Schicksal des Christian von Braunschweig sich ge- nugsam und durchaus geschichtlich treu entwickelt, so mag es mit diesen Andeutungen genügen. Er starb mit 25 Jahren.

2 Graf von Anholt, General der katholischen Ligue, hat dem Braun- schweig überall die meisten Nieder- lagen bereitet. Bei der Schlacht im Loener Bruch (eine weite Heide un- weit Stadtloen) wird der Sieg zum größten Teile ihm zugeschrieben. Die Geschichte schildert ihn als einen wahrhaft frommen und milden Mann.

3 Johann Tscherklas, Graf von Tilly, Oberbefehlshaber der katholi- schen Ligue, doch unter dem Kur-

327

fürsten Maximilian von Bayern, der aber in den letzten Kriegsjahren nicht mehr persönlich bei der Armee war. Sein kühner, grausamer Charakter ist hinlänglich bekannt, -

* Ein adeliges Frauenstift auf dem Wege von Steinfurt nach Ahaus.

5 Eben jene Pfalzgräfin Elisabeth, siehe Anm. i.

6 Als ihr Gemahl, der Pfalzgraf Friedrich, Bedenken trug, sich in eine so gefährliche Sache, als die Annahme der böhmischen Krone, einzulassen, machte sie ihm die heftigsten Vor- würfe : „Wie ? Ihr habt es gewagt, eine Königstochter zu ehelichen, und habt nicht den Mut, nach einer Euch dargebotenen Krone zu greifen ? Lie- ber will ich trocknes Brot an Eurem königlichen Tische essen, als Lecker- bissen am pfalzgräflichen."

7 Ernst Graf von Mansfeld, ge- wöhnlich ,,der Bastard" genannt, um ihn von seinem Vater Ernst von Mansfeld zu unterscheiden, der ihn in nicht ebenbürtiger Ehe zeugte, war einer der schlausten und zugleich kühnsten Abenteurer. Nachdem er

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vorher unter dem Erzherzoge Leopold gegen die Protestanten gefochten, ging er späterhin zu ihnen über und rich- tete überall, bald im Dienste irgend eines -protestantischen Fürsten, bald auf eigne Hand mordend und rau- bend, alles zu Grunde, was ihm in den Weg kam. Sein Ende war traurig. Keinem recht treu, hatte er sich auch niemandes Liebe und Beistand er- worben. Als die allmähliche Annähe- rung beider Parteien zum Frieden kriegerischen Freibeutern seiner Art keinen Spielraum mehr vergönnte, verlassen von denen, die ihn früher benutzt, zwang die Not ihn, sein Heer in Böhmen zu entlassen, und nach so vielen Räubereien arm wie ein Bettler, brachte er durch den über- eilten Verkauf seines Kriegsgerätes eine kleine Summe zusammen, womit er zuerst nach Venedig .und, ging es fehl, weiter zu pilgern gedachte, bis er ein Unterkommen gefunden. Bei Zara übereilte ihn der Tod.

8 Wahlspruch des Christian, den er sowohl in seinen Fahnen, als auch auf den Münzen anbrachte, die sämt-

329

lieh oder doch größtenteils aus ge- raubtem Kirchensiiber geschlagen sind. Beim ersten Schlage bekam der Stempel einen Riß, den man deut- lich auf den Münzen sieht. Als man den Braunschweig aufmerksam machte, daß dieses als ein übles Omen könne gedeutet werden, ließ er einen neuen Stempel mit gleichem Spruche verfertigen. Alle Münzen von ihm sind selten, die mit dem Stempelriß vor allen andern. Er führte übrigens in den Fahnen außer dem genannten Spruche noch mancherlei Sinnbilder und Devisen, z. B. tout pour Dieu et pour eile, dann einen Löwen an einem vom Sturm bewegten Baume mit: Ventus Altissimi, auch zwei Löwen, die nach der kaiserlichen Krone grei- fen, mit : Leo septentrionalis etc.

9 Der Leutnant Platow hieß nicht nur, sondern war wirklich bestellter Brandmeister im Heere.

10 Ahaus, eine kleine Stadt, fast am Eingange eines bedeutenden Fich- tenwaldes, des L i e s n e r , der sich bis an das SchlacTitfeld, Loener Bruch, eine starke Stunde weit erstreckt. Sie

war früher befestigt, doch zu jener Zeit waren die Werke bereits zerfal- len ; nur stand noch eine Feste in der Stadt, die ihrem Namen aber wenig entsprach.

11 In den letzten Tagen vor der entscheidenden Schlacht erhielt Braun- schweig drei Briefe vom Mansf eld ; der erste : „er werde ihm unfehlbar zu Hilfe kommen'' ; der zweite schon in zweifelnden und ausweichenden Ausdrücken ; endlich am Abend vor dem Treffen : „er möge sich durch- helfen, , so gut es gehe, und auf ihn nicht ferner rechnen."

12 Spar, Obrist eines Regiments Landsknechte. Die übrigen bedeuten- den Anführer in Christians Heere waren : Herzog Friedrich von Sach- sen-Altenburg, Herzog Wilhelm von Sachsen- Weimar, Obrist Schnicken, die Obristen Tolle, Thurn und noch einige andre, die in der Schlacht eine weniger bedeutende Rolle spielten.

13 Johannes May, eine fingierte Per- son und nicht zu verwechseln mit dem Obristen May, einem der unbedeuten- deren Anführer Christians. Die Sage,

331

daß in der letzten Zeit sich mancherlei Anschläge und Verschwörungen gegen den Braunschweig angesponnen, die aber alle, mitunter durch die seltsam- sten Zufälle, gescheitert, hat mich ver- anlaßt, zur Erhöhung des Interesses diese Episode einzuschieben.

1* Groß Burloh, ein Zisterzienser- Kloster, etwa eine Meile von Ahaus gelegen.

15 Ottenstein, ein hübscher, da- mals befestigter Flecken in einer an- mutigen Wiesengegend, etwa eine Meile von Stadtlohn, und der hollän- dischen Grenze nah.

16 Liesner, Name jenes Fichten- waldes, wovon Anm. lo die Rede ist.

1'^ „Siehst drüben du den stolzen Bau?" Einer der letzten gefürsteten Bischöfe von Münster, Clemens Au- gust von Bayern, baute ein schönes und .großes. Lustschloß in der Stadt Ahaus, vor etwa achtzig Jahren. Es ist noch wohl erhalten, jetzt ein Be- sitztum der Herzoge von Arenberg und wird, wie ich gehört zu haben glaube, zu einer Fabrikanstalt benutzt.

18 Bethlem Gabor, Fürst von Sie-

332

benbürgen, versuchte zugleich mit Friedrich von der Pfalz seinen Fürstenhut mit einer Königskrone zu vertauschen und mit Hilfe der Pforte das Scepter von Ungarn an sich zu reißen. Die Geschichte dieses Unter- nehmens ist lang, allgemein bekannt und gehört nicht hierher. Jetzt war er geschlagen und hatte sich nach Prag gewendet, doch noch mit einer bedeutenden Macht und großen Hoff- nungen im Vertrauen auf den Bei- stand der Pforte. Christians Plan war, sich womöglich mit ihm zu ver- einigen,

Christian ward bei Höchst von dem vereinten Heere der Ligue ge- schlagen, eigentlich nur durch einen Mißverstand, da er, seine Position un- vorteilhaft findend, sich über die Mainbrücke zurückzuziehen versuchte, was sein Heer als den Beginn der Flucht ansah. Das Gedränge auf der Brücke war so groß, daß viele in den Main stürzten und darin umkamen. Christian suchte Ordnung zu halten, so lange es möglich war ; endlich daran verzweifelnd, ließ er sich im

333

Kahne übersetzen, seinen Leuten zu- rufend : „Sauve qui peut !" Er hielt sich übrigens auch dieses Mal un- begreiflich lange gegen die Über- macht.

20 Erwitte hatte das Glück, dem Christian beim Flecken Wittich eine kleine Schlappe anzuhängen, und er- innerte sich dessen zuweilen wohl et- was zu übermütig. Er sowohl, wie die übrigen Hauptführer im Heere des Tilly, sind im Verlaufe des Gedichts genugsam charakterisiert, und es be- darf keiner weiteren Erläuterungen.

21 Geschichtlich.

22 Geschichtlich.

23 Friedrich von der Pfalz.

2* Es wird dem Friedrich zur Last gelegt, daß er noch heimlich bei der Belagerung des erwähnten Platzes zu- gegen gewesen sei, während die Fürsten für ihn beim Kaiser unterhan- delten, und er selbst sich zu den de- mütigsten Bitten herabließ.

25 Geschichtlich.

26 Siehe Anm. lo,

2T Liebeslocke wurde eine lange Locke genannt, die am linken Ohre

334

bis auf die Schulter herabhing, wäh- rend das übrige Haar bedeutend kürzer gehalten wurde. Christian von Braunschweig erscheint auf allen Bil- dern mit dieser damals sehr beliebten Zierde.

28 Johann Andreas, Graf von Schlick, ward von den böhmischen Edlen abgesandt, den Winterkönig an der Grenze zu empfangen ; späterhin ward er nebst elf anderen der vor- nehmsten Rädelsführer enthauptet, und von jedem der Kopf und die rechte Hand an der Moldaubrücke zu Prag aufgesteckt, sechs anf jeder Seite ; die gleichzeitigen Schriftsteller erwähnen mit Grausen, wie schaurig es an trüben Abenden gewesen sei, das Wehen der greisen Barte im Winde zu sehen. Johann Andreas starb sehr gefaßt ; als man ihm stark zusetzte, seinen Glauben zu verlassen, antwortete er : „Laßt mich zufrieden, ich gehe zum Tode." Auf dem Scha- fotte zog er noch seinen Siegelring vom Finger und übergab ihn seiner Tochter mit dem Auftrage, ihn bald- möglichst seinem abwesenden Sohne

335

zukommen zu lassen. Ob es nun gleich nicht geschichtlich feststeht, daß dieser Sohn derselbe mit dem Schlick in Christians Heere sei, der bei Stadtlohn so mutig kämpfte und tödlich verwundet wird, in der Ge- schichte immer der junge Schlick, genannt, so steht doch dieser Vor- aussetzung auch nichts entgegen.

29 Loener Bruch : Name des Schlachtfeldes, einer weiten Heide zwischen Stadtlohn und Ahaus, an der einen Seite vom Liesner begrenzt. Nicht fern, nach der Seite von Hol- land zu, liegt ein Moor; jetzt ist das Feld geteilt und beackert.

30 Das Huberstorfsche Kaval- lerie-Regiment ward an diesem Tage, in Abwesenheit seines Obristen, vom jungen Tilly kommandiert.

31 Ottenstein, siehe i»,

32 „Der Türke'' unter dem Landvolk finden sich nur noch schwache Spuren einer Sage vom 30 jährigen Kriege, unter dem Namen des Türkenkrieges.

.^36

gedichte und worte

dem andenken der

annette von droste

gewid:met.

337

22

Daß du so einsam warst, treibt mich

zu dir ! So ganz allein trotz reichster

Liebe Wehn ! So ganz allein und so unendlich arm Am höchsten Gut, am weitesten Ver-

stehn. So reich wie keine an demütger Lieb, An Opfersinn so an Verständnis

reich Für all die Deinen, so der Güte voll, Unendlich trostvoll und unendlich

weich, Und doch verlassen ! Doch zu hoch

und fern, Verhüllt und schweigsam wie ein Göt- terbild,

339

Ein Götterbild, das sich in Gnaden neigt

Und ewig einsam fremde Klagen stillt.

Du wußtest alles ! Doch, o Gott, von dir

Hat keiner je auch noch soviel ge- wußt,

Daß er mit Freuden all sein Leben bot

Dir ganz allein ! Du schliefst an keiner Brust

und starbst allein. Durch manche Sommernacht

Standst du am See. Zur Ferne ging dein Blick

Im todesernsten. sehnsuchtsvollen Weh

Nach Menschen Güte ! Bis du dein Geschick

An Gott verschenktest rein und kör- perlos,

Wie Heilige tun. Da ward dein gan- zes Sein

Wie Glockenläuten, voll und klar und groß.

Doch warst du einsam und du starbst allein.

M. Herbert.

340

- ' nette von Droste-Hülshoff.

IliB Herz, bi- stark dai> Scbvenüc tso

verwinden. So i^-arm. um leicht in Pfamimen auJ-

zugeim. So tief, uro ahnend Tiefstes xu v«r-

Btehu. So weich. UT! * * 5t«ritb<;it Hab

zu fcndt::

Ein Geist, geschaffen, Geister zu tn

gxiinden. Stolz, um Gemeines gro£ zu über-

sehn, Demiitig. wenn ein Leben&werk ge-

schehn Und seine Spur verweht scheint von

den "VA'inden ;

Einsam erwachsen auf der Heimat-

fiur. Einsam, trotz innig emirtcm X.iebes-

sehnen, Im Stillen sammelnd ewigen Gewinn ;

Allein an Gott dich klammernd und

Xatur,

Ein Götterbild, das sich in Gnaden neigt

Und ewig einsam fremde Klagen stillt.

Du wußtest alles ! Doch, o Gott, von dir

Hat keiner je auch noch soviel ge- wußt,

Daß er mit Freuden all sein Leben bot

Dir ganz allein ! Du schliefst an keiner Brust

Und starbst allein. Durch manche Sommernacht

Standst du am See. Zur Ferne ging dein Blick

Im todesernsten, sehnsuchtsvollen Weh

Nach Menschen Güte ! Bis du dein Geschick

An Gott verschenktest rein und kör- perlos.

Wie Heilige tun. Da ward dein gan- zes Sein

Wie Glockenläuten, voll und klar und groß.

Doch warst du einsam und du starbst allein.

M. Herbert.

340

Annette von Droste-HülshofF.

Ein Herz, so stark das Schwerste zu

verwinden, So warm, um leicht in Flammen auf-

zugehn, So tief, um ahnend Tiefstes zu ver-

stehn, So weich, um nur in Starrheit Halt

zu finden ;

Ein Geist, geschaffen, Geister zu er- gründen, * Stolz, um Gemeines groß zu über- ^ sehn,

Demütig, wenn ein Lebenswerk ge-

schehn Und seine Spur verweht scheint von den Winden ;

E Einsam erwachsen auf der Heimat- f flur,

Einsam, trotz innig ernstem Liebes- sehnen,

Im Stillen sammelnd ewigen Gewinn;

Allein an Gott dich klammernd und Natur,

u

341

Zu Perlen reiften dir all deine

Tränen : So wardst du Deutschlands größte

Dichterin.

Paul Heyse.

.... Annette von Droste. O du mächtiges, lebensstarkes Frauenzim- mer ; ständest du vor mir, fiel ich aufs Knie und küßte, überströmend, dir die Hände und dankte dir für dein großes, gütiges liebeschweres, edles geheimnisvolles Herz.

Detlev von Liliencron.

Annette von Droste -HülshoO in Meersburg am BQ4ensee.

Als man für das 1897 in Meersburg am Bodensee enthüllte Denkmal der Dichterin sammelte, wurde dies Ge- dicht den Aufforderungen zu Spenden beigelegt.

342

Zu Meersburg, wo die Alpen schauen Herüber nach dem alten Schloß, Dort in den weiten schwäb'schen

Gauen Der Dichtung Quell dir reichlich floß. Mit frischer Kraft hast du gesungen. Was still dir ruhte im Gemüt, Und herrlich war ins Land erklungen, Du edle Sängerin, dein Lied.

Das war ein Lenz nach stillen Tagen I Dein Genius war wieder frei ! Die Nachtigallen wollten schlagen In deiner Brust im warmen Mai. Der Samen vom westfäl'schen Kampe Ging auf im Frühschein und bei

Nacht. Wenn dort dir auf des Schlosses

Rampe Der Wind der Heimat Gruß gebracht.

Oft trat in deine Turmeszelle Der Alpengeist mit leisem Schritt ; Dir sang des Meers bewegte Welle \'on allem, was sie trug und litt ; Der Wurzelstock am Berggesenke, Der Star, der von dem Neste schied, Am grünen Hang die kleine Schenke, Es wurde alles dir zum Lied.

343

Was je in dir geliebt, gerungen, Erhob sich neu, mit Riesenkraft ; Im Reim ist deiner Brust entsprungen Manch kühner Wunsch aus enger Haft. Die Äolsharfe in dem Innern Klang hell und voller mehr und mehr, Und oftmals strich ein still Erinnern Mit Geisterflügeln drüber her.

Hier lebtest du, hier gabst du Leben Im Liede manchem edlen Keim ; Hier zwischen Ranken, zwischen Reben Fandst du das selbst erworbne Heim ! Hier schloß sich deines Lebens Kette, Als dich geschmückt der Lorbeer kaum. Hier träumt im engen Erdenbette Dein großes Herz den letzten Traum !

Doch ! welcher Deutsche weiß noch

heute. Daß hier ein Bergmann ging zur Ruh, Der unsrer Sprache reiche Beute Aus tiefen Stollen führte zu? „Vergiß sie nicht, die Geistesahnen, Mein Vaterland, in Glück und Weh ! Laß an Annette bald uns mahnen Ein Denkmal nah beim Bodensee !" Elisabeth Mentzel.

344

Annette von Droste-Hülshoff.

gestorben 1848.

Auch du dahin ! wie lichtet sich der

Kreis Verehrter und befreundeter Gestalten ! Auch du dahin ! O, Gott allein nur

weiß, Was du mir galtst, wie hoch ich dich

gehalten. Wir standen uns im Leben fremd und

fern, Allein im wundersamen Reich der

Dichtung War mir dein Wort der ewig klare

Stern, Der mir das Ziel bestimmte und die

Richtung.

Dies Wort, so tief, so wahrhaft und so schlicht,

Die edle Frucht von sonn'gem Geistes- hage,

Das eitle Spielzeug meiner Jugend nicht,

Der Segen war es meiner soätern Tage.

345

Lang war mir's nicht gegönnt, dein

mächtig Herz Und deine große Seele zu begreifen. Erst mußte Jahr um Jahr und Schmerz

um Schmerz Mich zum Verständnis deiner Hoheit

reifen.

Doch als des Lebens ernste, feste Hand

Vom innern Auge mir die Binde löste,

In meiner offnen Wunden Schmerzen- brand

Erkenntnis ihren frischen Balsam flößte,

Als ich empfand, daß sie, die mich verzehrt.

Die Leidenschaft, doch nur der Schwäche Stempel,

Da faßt' ich deinen ganzen, vollen Wert,

Du reine Priesterin in reinem Tem- pel!

Und als ich mit dem deinen nun verglich

Den eignen Geist, den stürmisch un- ruhvollen,

346

O wie so dürftig, wie so kümmerlich Erschien mir da mein Streben und

mein Wollen ! Errötend sah ich, wie voll freud'ger

Kraft Dein großer Sinn dem Ganzen sich

vermählte, Indes ich nur. in niedrer Selbstsucht

Haft, Die welken Blüten meines Baumes

zählte!

Ich sah dich treten an das weite

Grab, Wo die Geschlechter ein zur Ruhe

gehen ; Der eignen Macht bewußt, stiegst du

hinab Und zwangst die Toten Rede dir zu

stehen. \"ersunk'ner Tage Kampf und

Schmerz und Lust, Ihr wildstes Ringen und ihr mildstes

Streben Fand treuen Widerhall in deiner

Brust, In deinem Liede ein verklärtes Leben !

347

In der Natur geheimnisvolle Zier

Wie liebtest du dich träumend zu ver- tiefen !

O wer verstand und deutete gleich dir

Der hehren Isis dunkle Hieroglyphen?

Wer hat mit treuerm und mit festerm Sinn,

Mit tiefrer Seele sich an sie geschlos- sen?

Wem schien, wie dir, ein köstlicher Gewinn

Das ärmste Moos, dem Heidegrund entsprossen ?

Du liebtest sie in ihrer Herrlichkeit

Auf fernen Südens zaubervollem Throne,

Und minder nicht in jenem schlichten Kleid,

Das sie umwallt in unsrer trüben Zone.

Treu bliebst du ihrer Allheit zuge- wandt,

Du fan-lest nichts zu mäkeln und zu wählen ;

Verkehrtheit schien dir's aus dem Kronenband

Herauszubrechen einzelne Juwelen !

348

Und wie in der Natur dein Scherblick

Sich stets an die Gesamtheit nur ge- halten,

So sahst du in des Einzelnen Geschick

Das ewige Gesetz des Ganzen walten.

Wie viel der Strahlen, eines ist das Licht !

E i n ' s ist das Meer, wie viel der Wogen schwellen !

So ist, in der des Himmels Strahl sich bricht,

Die Menschheit e i n ' s , ob zahllos ihre Wellen !

Wer dieses ahnt, dem tagt des Mor- gens Schein ;

Wer dieses weiß, des Tag hat schon begonnen.

Er lebt fortan der Millionen Sein,

^^'as einem wird, das hat er selbst gewonnen !

Dein Geist, wie streift er, frei und königlich,

\'om echten Wesen der Erscheinung Külle,

Eintauschend für das engbegrenzte Ich

Die Welt mit ihres Reichtums ganzer Fülle!

349

O tiefe Sehnsucht, die ich oft

empfand, Nur einmal dir ins klare Aug' zu

blicken, Mit liebevoller Ehrfurcht deine Hand An meine Lippen, an mein Herz zu

drücken ! Ich hofft' es lang, ich hofft' es still

getrost, Ein lichtes Ziel stand's noch vor mei- nem Geiste, Als schaurig, wie des eignen Sterbens

Frost, Die Nachricht deines Todes mich

durcheiste !

Doch jetzt, da vor der Wehmut Abendrot

Der wilde Sturm des ersten Leids verschwunden,

Jetzt fühle ich, du Teure, daß der Tod

Mich dir nur fester, inniger verbun- den.

Die letzte ird'sche Trübung nahm er fort,

Die letzte Weihe gab er unserm Bunde,

350

Seit, wie aus ferner Ewigkeit dein

Wort Herüber tönet, eine Geisterkunde !

Und jene Liebe, die in meiner Brust Für dich erglüht, für dich tuid deine

Lieder, Du kennst sie jetzt, sie ist dir jetzt

bewußt, Mit ernstem Lächeln blickst du auf

sie nieder ! Sich selbst bringt sie dir opfernd

zum Geschenk, Um dir zu danken, nicht um dich

zu lohnen ; O sei nun deines Wortes eingedenk : ,.Mehr gilt ein Segen als zehntausend

Kronen !"

Betty Paoli.

Annette von Droste.

Auf grünem Sofa ruhest du,

Mit grauem ^Slantel zugedeckt ;

Der Sonne schaust du fremd und

forschend zu, Die Strahlennadeln hin in deinen

Vorhang steckt ;

351

Dein Auge sieht die Fliege, den

Sonnenstern, Der in breitem Staubstrahl steht und

schwebt, Und leuchtend sich vom dunklen Vor- hang hebt. Dein Ohr, das allen Lauten lauscht, Hört . . . wie von fern . . ., Daß dicht der See tief unten rauscht.

Da wird dein Auge verträumt und groß

Und sieht nicht mehr die Sonne nie- derrollen

Am Himmelsrand, sieht schwinden nicht in dunklem Schoß

Fenster und Vorhang. Und der Wel- len Grollen,

Das ruhelos noch steigt empor,

Kommt fern und ferner an dein Ohr.

Was zerrt die Decke die heiße Hand

Gehst du durch Wüsten im Sonnen- brand ?

352

f Du zuckst zusammen. Scheitert dein Schiff, Hörst du der Räuber Geierpfiff ? f Die Traumhand streicht aus der Stirn i dein Haar,

! Kniest du ringend am Hochaltar? Wilhelm von Scholz.

353

23

Inhalt.

Seite

Vorwort 5

Erster Teil.

Die Lerche ii

Die Jagd .... 17

Aus dem Gedicht/ykltic :

Die Vogelhütte 23

Die Mergelgrube . . 24

Die Krähen 33

Das Hirtenfeuer 43

' 'er Heidemaon 46

as Haus in der Heide 49

Der Knabe im Moor 51

Zweiter Teil

Am Turme . 57

Im Moose .... 59

Das alte Schloß 62

Fragment 64

Dritter Teil (Lieder gemi<:chten Inhalts),

Mein Beruf 69

Katharina Schücking 72

Junge Liebe 76

Das vierzehnjährige Herz 78

Kinderspiel 80

Brennende Liebe 81

Instinkt 83

Die rechte Stunde 87

355

23

Sietc

Not 87

Locke und Lied 88

An Levin Schücking 90

An denselben 92

Die junge Mutter 95

Meine Sträuße 98

Die Taxuswand loi

Der kranke Aar 104

Die Unbesungenen ........ 103

Abschied von der Jugend 106

Vierter Teil

Des Arztes Tod iii

Fünfter Teil (Scherz und Ernst).

Dichters Naturgefühl 125

Die beschränkte Frau ....... 129

Die Schmiede 134

Des alten Pfarrers Woche

Sonntag 136

ivlontag 138

Dienstag 141

Mittwoch 144

Donnerstag 147

Freitag 149

Samstag 152

Das Eselein 155

Sechster Teil (Balladen und erzählende Gedichte),

Der Graf von Thal 163

Das Fräulein von Rodenschild .... 17S

Der Geierpfiff 182

356

Seite Die Schlacht im Loener Pruch ....

Erster Gesang 191

Zweiter Gesang 236

Siebenter Teil (Letzte Gaben).

Carpe diem »91

Durchwachte Nacht 294

Mondesaufgang 301

Im Grase 305

Spätes Erwachen 306

Stille Größe 309

Die tote Lerche 313

Der Dichter 314

Der sterbende General 316

An meine Mutter 320

Lebt wohl . 321

Letzte Worte 323

Anhang. Anmerkungen zur Schlacht am Loener

Bruch 325

Gedichte und W^orte dem Andenken der Annette von Droste gewidmet.

An Annette Droste von ^L Herbert . . 339 Annette von Droste -HülshofF von Paul

Heyse 341

Annette von Droste von Detlev vonLilien-

cron 342

Annette vonDroste-Hülshoff in Meersburg

am Bodensce von Elisabeth Mentzel . 342 Annette von Droste-HülshofT, gest. 1848

von Betty Paoli 345

Annette von Droste von Wilhelm von

Scholz 351

357

Von Julia Virginia ist ferner erschienen : frimitien, Gedichte. Berlin 1903. Sttirm tmd Stern, Gedichte. Berlin 1905. Tagebuehblätter von M. BashkiHseff und Brieficechsel mit Guy de Maupassant. 5. Aufl. Berlin 1906. Frauenlyrik unserer Zeit, Anthologie 2. Aufl. Berlin 1907.

358

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Lieder.

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4. HanH: Die Bettlerin

vom Pont des Arts.

5. Goethe: Hermann

und Dorothea.

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1. Goethe: Faust L

2. Goethe: Faust IL

3. Uhland: Gedichte.

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Schiller und Lotte.

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3. Ladwig: Aus dem I Regen in die Traufe. ! 4. Peaqne: Undine.

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Geb. M. 1.50.

6. Leonore Frei: Wegwende. Rom. Geb. M. 3.—,

7. Margarete Pochhammer: Die Geschichte der Eltern. Geb. M. 1.50.

8. M. Heinz : Leibeigen. Eine Erzählung aus dem

modernen Eheleben. Geb. Mk, 1.50.

9. Karin Michaelis : Liebe. Erzählung. Geb. M. 3.—

10. La Volbehr : Die Bäaerin von Vorbacb. Roman.

Geb. M. 3.50.

11. Max Grad und Franziska Mann: Fraaen-Er-

zäblangen. Geb. M. 1.75.

12. Marie Tyrol : Fran Antonie. Roman. Geb. M. 3. .

13. Marg. T. Oerizen: Doppel-Liebe. Roman. Geb.

M. 3.—.

14. Franziska Mann: Alte Mädchen. Geb. M. 1.75.

15. J. von Keyserlingk: Reine Toren. Roman aus

Bayreuth. Geb. M. 3.50.

16. Elsa Lindberg: Ann-Lis. E-'n Buch von Men-

schenkindern. Geb. M. 3.50.

17. Nis Coilet Vogt: Harriet Blich. Roman. Geb.

M. 3.50.

18. Leonore Frei: Und sie bewegt sich doch. Er-

zählung. Geb. M. 1.50.

19. Dr. Ella Mensch: Aaf Vorposten. Roman.

Geb. M. 3.—.

20. Carmen Teja: Bettler des Lebens. Roman.

Geb. M. 3.—.

Wo der Bezug auf Schwierigkeiten stößt, wende man sich an den Verlag d. „Frauen-Ruad- Mchau" Berlia NW., Eyke v. Repkowplatx 5.

KuItursTräger

QemeiiiTerstfiBdliche Darstellungen bedentendtr

Menschen von beute and einst. •^— Herausgegeben tou Dr. V. Schweizer.

Bis jetzt sind folgende Bände erschienen:

1. Buddha und der Buddhismus v. Dr. J. Reiner.

2. Confucins. der Weise von Lu v. Dr. J. Reiner.

3. Zarathnstra von Dr. J. Reiner.

4. Moses und sein Werk von Dr. Joh. Riehl.

5. Jesus im Wandel der Zeiten von Dr. J. Reiner.

6. Muhammed und der Islam von Dr. J. Reiner.

7. Qiordano Bruno und seine Weltanschauung

von Dr. J. Reiner.

8. Piaton, Leben und Werke von Dr. J. Reiner.

9. Jean Jacques Rousseau, der Philosoph des

Naturrechts von Dr. E. Mensch.

10. Charles Darwin und seine Lehre v. Dr. J. Reiner.

11. Kant und seine Philosophie von Dr. Joh. RiehL

12. Friedrich Nietzsche, Leben und Wirken von Dr.

J. Reiner.

13. Leo Tolstoi von Dr. Ernst Lübben.

14. Friedrich d. Grosse als Mensch und Philosoph

von Dr. E. Normann.

15. Königin Luise von Dr. E. Mensch.

16. William Shakespeare von Dr. Anselm Ruest.

17. Henrik Ibsen in seinen Gedanken u. Gestalten

von Dr. E. Normann.

18. Maeterlinck als Philosoph und Dichter von Dr.

Ludwig Sehring

19. Copernikus u. d. neue Weltsystem v. Dr. L Stahl.

20. Ullrich von Hütten, ein Vorläufer unserer Zeit

von Prof. Dr. R. F. Jordan.

21. Napoleon I. von Dr. A. Ruest.

22. Königin Victoria von Dr. E. Mensch.

23. Spinoza, sein Leben und seine Philosophie von

Dr. L. Sehring.

24. Galilei und das Universum von Dr. L. StahL

25. Hegel, sein Leben u. Wirken v. Dr. L. Sehring.

26. Voltaire u. seine Zeit v. Dr. E. de la Poudroie. Preis pro Band brosch. M. 1. , geb. M. 2. .

Jeder Band enthält das Porträt des Titelhelden. Prospekte gratis und franko.

Verlag von Hermann Seemann Nachfolger Berlin NW. 81. Wullenweberstr. 8.

;: Champion -Romane z;

Bis jetzt sind folgende Bände erschienen : Bd. 1. Der Goldtrusi.

Internationaler Finanzrom. V. Oskar Hoffmann. S.Aufl.

„Ein außerordentlich spannender Roman . . .** Berliner Morgenzeitung.

„Eine Erzählung im Stile Jules Vemes, welche die Entdeckung der Herstellung künstlichen Goldes auf chemisch-physikalischem Wege zum Gegen- stand hat und die fieberhafte Jagd aller Nationen, diesem Geheimnis auf die Spur und dessen Ent- decker in die Hand zu bekommen. Die Handlung ist geschickt aufgebaut und endet in spannender Weise mit dem Tode des Erfinders, den dieser mittels Luftballon, aus dem Lande der Yankees flüchtend, im Ozean erleidet "

Bayr. Börsen- und Handelsbl.

Bd. 2 Die Eroberung der Luft

Kulturroman v. Jahre 1940 v. Oskar Hoffmann. S.Aufl, Aus dem Inhalt: Die neue Ära. Das Fest- mahl der Aerodynamiker. Ein Streifzug im Luft- meer. — Die Entdeckung des Nordpols. Ein Bombardement aus der Vogelperspektive. Sil- vester 1940. Amerikanischer Aero-Imperialismus.

Um die Weltherrschaft im Luftozean. Friedens- störer. — Reichstagsdebatten. Die Ouvertüre zum Weltkrieg Völkerringen in hohen Regionen,

... Friede anf Erden.

Bd. 3 Bezwinger der Natur.

Phantasieroman von Oskar Hoffmann. 3. Auflage. Aus dem Inhalt : Das Dokument aus altindischer Zeit. Die Quelle des neuen Lebens. Feuer- zauber. — Zersetztes Wasser. Der trockene Ozean.

Flüssige Luft. Die Todesstunde der Bazillen.

Segnungen neuer Kulturzustände. Der irdische Schöpfer. Fiasko am Ziele.

Bd. 4. Die vierte Dimension. M. i.so

Psychologisch-spiritist. Roman v. Oskar Hoffmann.

Bezug durch alle Buchhandlungen. Wo nicht vorrätig, wende man sich an den Verlag Hermann Seemann Nachfolger, Berlin NW. 87, WuUenweberstraße 8.

im Verlag von Hermann Seemann Nachfolger, Berlin NW. 87, Wullen- Weberstraße 8, ist in 5. Auflage er- schienen:

Maria Bashkirtseff

Tagebuchblätter und Briefwechsel

mit

:: Guy de Maupassant ::

Einzig autorisierte deutsche Ausgabe. Aus dem

Französischen von )ulia Virginia. Mit zahlreichen

Porträts, Faksimile's und Textbildem. Preis

brosch. M. 2.—, geb. M. 3.—.

Die Tagebuchblätter der genialen hochintellek- tuellcn Russin , die durch ein tragisches Schick- sal schon in frühester Jugend dahingerafft wurde, sind des Interesses weitester Kreise, insbesondere des Interesses des gebildeten Frauenpublikums von vornherein sicher. Maria Bashkirtseffs Lebens- bekenntnis, das in diesen Blättern niedergelegt ist, dieser seltsame „Lebensschrei d'outre tombe" wird weithin gehört werden und wird einen Wider- hall finden in tausend und abertausenden von Herzen.

Menschlich und künstlerisch ebenso ergreifend wie eigenartig ist der hier erstmalig und selbst- verständlich auch vollständig wiedergegebene Briefwechsel zwischen Maria Bashkirtseff und Guy de Maupassant.

Daß die Uebertragung eine kongeniale ist, dafür bürgt der Name der bekannten Dichter- Malerin Julia Virginia. Der Preis für das apart ausgestattete Buch ist mit M. 2. außerordent- lich niedrig angesetzt.

Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslands.

Bücher für junge Mütter und Kinderfreunde.

Pariser Kinder nnd Mütter von Madame A 1 p h o n s e Daudet. Preis brosch. M. 3.— . Geb. M. 4.—.

Der Philosoph im Steckkissen von E 1 s a d'E s t e r r e- K e e 1 i n g. Preis brosch. M. 3.—. Geb. M. 4.—.

Erstes Semester. Ein Kinderbuch für Mütter von Manuel Schnitzer. Preis brosch. M. 3.—. Geb. M. 4.—.

Seine Majestät das Kind. Von Ottokar Tann B e r g 1 e r. Preis brosch. M 3.—. Geb. M. 4.—.

Durch jede Buchhandlung zu beziehen.

Soeben erschien in 2. Auflage:

Dietrich Theden =

Um deutsche Art.

Der dem deutschen Volke durch seine Kriminalgeschichten wohlbekannte Autor führt in diesem seinem neuesten Werke nach Nordschles- wig, wo, wenn auch unter der Asche, der Kamp." zwischen Deutsch und Dänisch noch immer tobt Markante schneidige Charaktere treten uns ent- gegen. Spannende Handlung u. fesselnde Schreib- weise werden das Buch bald ebenso zu einem Gemeingut aller Deutschen machen, wie Prensseof Jörn ühl, der ja auch in der gleichen Gegend spielt, Preis M. 3.—, in elegantem Einband M. 4. .

Verlag v. Hermann Seemann Nach/., Berlin NW. 87