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Freiligrath's Gedichte.

ITÄRUN RRARUUT

Gedichte

Terdinand Freiligratb. Vierte, vermehrte Auflage.

Mit dem Bildnife des Verfaſſers in Stahlſtich.

Stuttgart und Tübingen. Berliag 1841.

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Seinen Kreunden

F. Dingelftedt, C. Matzerath, Ph. Schifflin, F. Schücking

und

K. Simrock widmet dieſe vierte Auflage ſeiner Gedichte

der Verfaſſer.

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Inhalts-Perzeihniß.

Zagebuchblätter.

Seite Moos-Thee (1526.) \ 5 Heiligenfchrein, Vögel und re Grühling 1529.) 7 MWetterleuchten in der PBfingfinacht (1831.) . 9 Die Amphitrite Mai 1532.) 4 Die Auswanderer (Sommer 1832.) . nr 14 Der Schlittfchuh=laufende Neger Sanuar 1833.) 17 an. 44 20 Die Griechin auf der Meſſe (1833.) . ar

Bor einem Gemalde, deſſen friiche Farben mir beim 4 Ber trachten mein Bild zurückwarfen (1534 ) 25 Sandlieder 1 bis 6 (1833.). 27 Einem Ziehenden (1835.) N 32 „Bär ih im Bann von Mekka's —— " (1556.) 56 Reben des Negers (1836.) . 39 Nebel (1836.) 44 Roland Guli 1839.) 46

Balladen und Nomanzen.

Der Mobrenfürft 1. 2 54 Schwalbenmährhen . 58 Der Weder in der Wüſte 61 Der Blumen Rache 64

VI

Seite „Dein; Eugen, der edle Ritter” . ou. re [[ Der an in Walde » 4 0 mon en. et RE anoktenbearabniß »- : 2 0 seen [ Mealentomanze 4-2 + een een ae Fe 00T A Be Gnreinerseflllen » - + « «0. m 0 .0.d 0 0 [ Barbarofia’d erfied Erwachen. . > ee 2 eh ne 000. 90 er ee m AU re te ee ne VE Die keidne Schnur. A BiBE. 0 sen 0 ein a 0 ee % u Be Konded Zührerd - . » . ie wa e el. Be Wöllergeufe < + 2 ol dee ee Seuſenwachttt.. une 6 Me

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Alerandriner.

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Ein Flüchtling

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Für Schillers Album beftimmt

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Der Phönix (Zur Einleitung des jweiten SFabrgangd von ® "But ferd Phönix.) en .

Bannerfpruch Un E. Duller Zur Eineitung des dritten Jahr—

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VIII

Seite Ueberſetzungen aus dem Franzöſiſchen. Alfons de Sumartine. Der Genius in der Berborgenheit An Zean RebouD . . . . 531

Jeun Reboul. Antwort auf Lamartine's Gedicht: Der Genius in der UNO 334

Dre Engel:und dad Kind - -- 2 ur wenn sr AR Eu Be RE <> In. alarm a ee a a ee BE et re

Alfred de Muſſet.

Lieder und Tragmente.

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Marceline Desbordes - Dalmore.

Der Rufer an der Rhcne » + 7. a ER RS Die Nachtwache des Nesrd TERN IT Auguste Barbier.

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Ans dem Englifchen. Sumuel Taylor Coleridge. Der alte Matrofe (Ein Romanzencyfud) - 2 + 24387

Robert Southey.

Der Inchcap-Felſen Die Stechyalme

Churles Lamb. Die alten befannten Geſichter

John Keats.

Sonett Als er den Homer in Chapman's Ueberſetzung kennen lernte.)

Thomas Campbell. Der legte Menich . Roland der Held . Felicia Hemans. Das beilere Land - -. . 2.2.2. Walter Scott,

Der Pilger .

Jock von Hazeldean Pibroch of Donald Dhu Nora's Gelübde Donald Eaird iſt wieder da

Wiegenlied für den Sohn eines ERS Säuptüings

Das Madchen von Isla Der Einfall (The Foray) Das Mädchen von Xoro Der Zroubadour

Thomas Moore,

This world is all a lleeting show

Fallen is thy Throne h

Who is the maid (St. ie Geliebte» The bird, let loose . we Sound the loud timbrel Ririam' 8 Bier. ge Now le the warrior

Oh! soon return .

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There eomes a time ER Hark; the vesper hymn is stealing

Bei der Vorüberfahrt an der Todten-Inſel s * in

der St. renz Bad ‚un hai Bright be thy dreams Row gently here . When first that smile Peace to the slumberers See, the dawn from heaven When through the Piazzetta Take hence the bowl Farewell, Theresa! . . . How oft, when watching stars When the first summer bee . Light sounds the harp The song of war When ’midst the gay I meet Will you come to the bower? . Auf eine ſchöne Dftindierin .

Robert Burns.

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Moos-Thee. 1826.

Nonum prematur in annum.

Horaz.

Sechʒehn Jahr' und wie ein greiſer Alter ſitz' ich, matt und krank;

Sieh', da ſenden mir der Geiſer

Und der Hekla dieſen Trank.

Auf der Inſel, die von Schlacken Harter Lava und von Eiſe

Starrt, und den beſchneiten Nacken Zeigt des arkt'ſchen Poles Kreiſe;

Ueber unterird'ſchen Feuern,

In nordlichterhellten Nächten, Bei den Glut- und Waſſerſpeiern Wuchſen dieſe bittern Flechten.

4

Aus den dampfumroilten Kegeln, Aus der Berge fehwarzem Tiegel, Gleich blutrothen Sagenvögeln Flammenzungen ihre Flügel

Sah'n fie feurig auf zum fehwarzen Himmel mächt’ge Steine fprühen, Und ein Meer von heißen Harzen Durch das Schneegefilde ziehen.

Bon den Jökuln zu den Fiorden Durch das Dan’fche Infelland, Breit, ein riefger Dan’brogorden, Schlangelt fih das Flammenband.

Wolfen, Rauch und Afche wallen, Und am Strand die Nobben winfeln, Und die rothen Steine fallen

Nieder auf entfernten Inſeln;

Die zerriff’nen Berge zittern,

Und das Eismeer ſchäumt und braut Dorten wuchfen diefe bittern

Flechten, wuchs dies herbe Kraut.

[9]

Das die Franfe Bruft gefunde, Und fich freue neuer Kraft,

Bier’ ich traumerifh dem Munde Shren dunkelgrünen Saft.

Feuer zudt durch meine Nerven, Bor mir liegt das wüfte Land; Die weitoff'nen Krater werfen Himmelan den flüf’gen Brand.

Kühner fühl’ ih mich und ftärfer Bei dem Lodern diefer Glut, Und die Wildheit der Berferfer Tobt durch mein genefend Blut.

Lavafchein und Nordlicht rörhen Mein Gefiht; die Pulſe Ichlagen Schneller; Edda, laß mich treten Bor die Helden deiner Sagen!

Ha! wenn diefer Snfel Pflanzen Mir den Lebensbeher reichen, Mög’ ich dann in meinem ganzen Leben diefer Inſel gleichen !

Feuer lod’re, Feuer zude

Durch mich hin mit wilden Kochen, Selbft der Schnee, in deſſen Schmude Einſt mein Haupt prangt, fey durchbrochen

Bon der Flamme, die von innen Mich verzehrt; wie roth und heiß Hekla Steine von den Zinnen

Wirft nach der Faarder Eis;

Sp aus meinem Haupt, ihr Kerzen Wilder Lieder, fprüh’n und wallen Sollt ihr, und in fernen Herzen Siedend, zifchend niederfallen!

Heiligenfchrein, Vögel und Wandersmann.

Frühling 1829.

Hart am Pfad, in einer Blende, Steht die Mutter mit dem Kinde; Frommer Pilgerinnen Hande Haben Schrein und Holzgelände Schön bekränzt mit Laubgewinde.

Und ein Strauch der wilden Nofe, Leif? bewegt vom lauen Winde, Woͤlbt fih flüfternd, mit Gekoſe, Drüber, eine fchmerzenlofe Dornenfron’ dem heil’gen Kinde.

Sieh’! zwei Vöglein flieh’n, erfchroden Flatternd, aus dem Bufch gefchwinde; Tragen in den Schnäbeln Floden, Bauten fih ein Neftchen troden, Bei der Mutter und dem Kinde.

8

Bleibt doch! ihr mit gelben Brüften! immer pidt des Zweiges Ninde! Sorglos mag das Vöglein niften, Wo fich glaubig fromme Chriften Beugen vor dem holden Kinde.

Diefe Nofe wuchs aus Zahren; Hier find gottgeweihte Gründe! Bei der höchften Xieb’ Altaren Wird die Wöglein Keiner ftören! Kommt zurüd doch von der Linde!

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Wetterleuchten in der Pfingitnacht.

1831.

Wiu Er in lichten Flammenbränden Bon Seiner Himmelsburg herab

Aufs Neue feinen Geift uns fenden, Wie Er ihn Ehrifti Jüngern gab? Woher die Glut, die flücht’ge, grelle, Die jener Wolfe Schwarz umfliegt, ie fih ein Mantel, weiß und belle, Um eines Mohren Glieder fchmiegt?

Das find des Himmels off’ne Thüren; Das ift die Glut, die ihm entquillt! Sein Leuchten will die Erde zieren, Wie Glorienglanz ein Heil’genbild.

- Die Thäler all’, der Berge Spißen Will heut’ des Geiftes Flammenfpur, Die ganze Welt will fie umbligen, Wie einft das Haupt der Zwölfe nur!

10

Denn morgen foll die heil’ge Feier Des ausgegof’nen Geiftes fein! Und dazu weiht der hehre Weiher Die Welt mit feinen Flammen ein. Wie jener Wetter falbe Kerzen Am Horizonte lodernd fprüh’n,

So foll in allen Chriftenherzen

Ein heilig Geiftesfener glüh’n.

11

Die Ampbitrite.

Mai 1832.

Siehſt du vor Anker dort Die Amphitrite liegen? Feſtlich erglänzt der Bord,

Die rothen Wimpel fliegen.

Es bangen aufgehißt Die Segel an den Stangen; Der graue Meergott Füßt Schäumend der Gattin Wangen.

Sie ift zurüdgefehrt

Aus fernen Morgenlanden, . Hat fih im Sturm bewährt

Und Linienglut beftanden.

Der Schiffer ſteht am Maft, Die Lenden roth umgürtet: Er weiß nicht, welchen Gaft Sein räumig Schiff bewirthet.

12

Das ift der junge Mai, Der füdliche Geſelle;

Den trug das VPrachigebau Durch die tiefblaue Welle.

Er lag in India

Am and des fchattigen, dichten Banianenhains, und fah

Das Schiff die Anker lichten.

Da fprang er auf vom Sand, Zu fehnüren die Sandale,

Zu ordnen das Gewand,

Und die reichen, weichen Shawle.

Da flog er hin an's Meer, Und warf fich in dag graue, Und raftete nicht eh’r,

Bis an des Schiffes Taue.

Mit leichten Füßen, Fed, Vom Schiffsvolk ungefeben, Schwang er ſich auf das Deck, Und ließ den Landwind wehen.

Und nun die Brigg allhier

Sm Hafen angefommen,

‘ft er mit bunter Zier

Sofort an's Rand gefchwommen.

Es flattern vor ihm ber Die Störche ala Propheten; Ein Zaub’rer, ein Jongleur Hat er den Strand betreten.

Nackte Baume macht er grün, Und blumig Eahle Stätten ; Bunte Tulpen läßt er blüh’n, Hyacinthen und Tazetten.

Die Erde wunderbar

Schmüdt er mit farbigem Schimmer. Danf, rüftiger Laskar!

Willkommen, lodiger Schwimmer!

Siehſt du vor Anfer dort Die Amphitrite liegen ? Feftlich erglänzt der Bord, Die rothen Wimpel fliegen.

Die Auswanderer. Sommer 1832.

Ich kann den Blick nicht von euch wenden; Ich muß euch anſchau'n immerdar;

Wie reicht ihr mit geſchäft'gen Händen Dem Schiffer eure Habe dar!

Ihr Männer, die ihr von dem Nacken Die Körbe langt, mit Brod beſchwert, Das ihr, aus deutſchem Korn gebaden, Geröftet habt auf deutfchem Herd;

Und ihr, im Schmud der langen Zöpfe,

Ihr Schwarzwaldmadcen, braun und fchlanf, ie forgfam ftellt ihr Krüg’ und Töpfe

Auf der Schaluppe grüne Bank!

Das find diefelben Töpf' und Krüge, Dft an der Heimath Born gefüllt; Wenn am Miffouri Alles fehwiege, Sie malten euch der Heimath Bild.

15 Des Dorfes fteingefaste Quelle, Zu der ihr ſchoͤpfend euch gebüdt;

Des Herdes traute Feuerftelle, Das Wandgefims, das fie gefhmüdt.

Bald zieren fie im fernen Werften - Des leichten Bretterhaufes Wand; Bald reicht fie müden braunen Gäften, Bol friihen Trunfes, eure Hand.

Es trinft daraus der Ticherofefe, Ermattet, von der Jagd beftaubt; Nicht mehr von deutfcher Nebenlefe Tragt ihr fie heim, mit Grün belaubt.

O fpreht! warum zogt ihr von dannen? Das Nedarthal hat Wein und Korn;

Der Schwarzwald fteht voll finftrer Tannen, Im Speflart Elingt des Xelplers Horn.

Wie wird es in den fremden Wäldern Euch nad der Heimathberge Grün, Nach Deutichlands gelben Weizenfeldern, Nach feinen Nebenhügeln zieh'n!

16 Wie wird das Bild der alten Tage Durch eure Traume glänzend weh’n! Gleich einer ftillen, frommen Sage Wird es euch vor der Seele fteh’n.

Der Bootsmann winkt! Sieht hin in Frieden! Gott ſchütz' euch, Mann und Weib und Greig! Sei Freude eurer Bruft befchieden,

Und euren Feldern Neis und Mais!

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17

Der Schlittfchub:laufende Neger. Januar 1833. |

Du, von Geftalt athletiſch, Der oft am Gambia

Den wunderlihen Fetiſch Bon Golde blißen ſah;

Dft unter dem Aequator Des Panthers Blut vergoß, Und nah dem Alligator Mit gift’gem Pfeile ſchoß;

Dort, wo auf Pallaftpforten Gebleichte Schädel fteh’n, An jenen fremden Orten Mag ich dich gerne ſeh'n.

Wo aus geborfinen Bäumen Das gelbe Gummi quillt, Steht du in meinen Traumen, Ein ernftes, ſchwarzes Bild;

R Hreiligrath, Gedichte.

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18

Ein Water und ein Hüter, Mit Perl’ und Gold geziert, Der mittäglichen Güter, Die da dein Land gebiert.

Dort feh? ich gern dich treiben Das Nashorn in die Flucht; Doch fremd wirft du mir bleiben Auf diefer nord’fchen Bucht.

Was fliegft du auf dem Eife Und jprichit der Kalte Hohn, D du, der Wendekreife, Des Südens heißer Sohn?

Du, der, bis an den Nabel Entblößt, zu Roſſe fprang, Und in die Kettengabel

Den Hals des Sflaven zwang?

Aus diefem bunten Schwarme, Im rauhen Pelzgewand,

Ragſt du, verfchranft die Arme, Gleichwie ein Nefromant,

v 19

Der mit geweihtem Ninge Der Geifter Troß befiegt,

Und auf des Greifen Schwinge Durd die Sahara fliegt.

O fegle, wenn im Lenze

Kein Eis dein Schiff mehr halt, ach deines Landes Grenze, Zieh’ heim in dein Gezelt!

Golditaub auf deine Locke Streut dort das Land Dar Fur; Hier Ihmüdt fie Neif und Flode Mit Silberftaube nur!

20

Meerfabel. 5. Mai 1833.

Evbbetrocken auf dem Strande

Lag die unbeholf'ne Kof;

Schwärzlich hing am Maſt das Zugnetz, Das vom letzten Fange trof.

Taſtend prüfte ſeine Maſchen Ein barfüßiger Geſell;

Fiſche dorrten in der Sonne An dem hölzernen Geſtell.

Heiß und durftig fah die Düne Auf das Meer, ein Tantalus; Pie ein großer Silberhalbmond Blitzte der Oceanus.

Jede Welle, gran und ſalzig, Die fich an dem Ufer brach,

ie zum Gruße mit dem Haupte ſtickte brandend fie, und ſprach:

21

„Am Geftade raufch’ ich gerne, Lecke gern den harten Sand; Bunte Mufheln, Meeresiterne Schleud’re gern ich an das Land.

Gerne feh’ ich Heid’ und Ginfter Wucern um die Dünen ber. Hier vergeſſ' ich, wie fo finfter Draußen ift das hohe Meer,

Das die Falten Stürme peitfchen, Wo der Normann Fifche fängt, Wo das Eismeer mit des deutfchen Meer: Gewällern ſich vermengt.

Keine Tonn’ und feine Bafe Schwimmt und flammt dort auf der See, Und allnächtlich fteigt der Krake

Aus den Tiefen in die Höh'.

Eine Inſel, ftarr von Schuppen, Rudert dort das Ungetbüm. Aengftlih flüchten die Schaluppen, Und der Fiicher greift zum Riem.

Aehnlich einer großen ſchwarzen Fläche liegt er, Eampfbereit,

Und fein Rüden ift mit Warzen, Wie mit Hügeln überftreut.

Ruhig ſchwimmt er doch nicht lange! Auf dem Haupte grünes Moog, Zifhend zudt die Meeresichlange,

Die gewalt’ge, auf ihn log.

Henn fie blutend fich umflaftern, Wenn die rothen Kamme weh’n, Kann man feinen fabelhaftern Anblick auf dem Meere feh’n,

Einfam, ſchauerlich und finfter Iſt das ferne, hohe Meer! Gerne feh’ ich Heid’ und Ginfter Wuchern um die Dünen her.“

Die Griecbin auf der Meſſe. 1833.

Vor deinem Zelte laß mich ſteh'n, O Maͤdchen von der Inſel Zante! Des Deutſchen Stirne laß umweh'n Die Wohlgerüche der Levante!

In deine Gläſer ſind gebannt

Die Düfte von des Oſtens Lenzen; Du bieteſt feil am Nordſeeſtrand Natoliens Salben und Eſſenzen:

Des Roſenholzes flüchtig Oel,

Den edlen Weihrauch, runden Kornes; Von Bagdad trug ſie das Kameel Zum Maſtenwald des gold'nen Hornes.

Auf fernen Märkten haſt du ſie Erhandelt von des Südens Horden, Zu Stambul und Gaͤllipoli,

Und jest verkaufſt du fie im Norden.

24

Es funfelt dein beweglich Haus

Im Glanze der Eryftall’nen Becken; Bunt, wie der Federfchmud des Pfau’s, Glüh'n auf den Tifchen fremde Deden;

Und hinter ihnen wandelft du Heil widerfahre diefer Schwelle! Schlank, wie am Flufe Karaſu Des Taurus weidende Gazelle.

Dein Turban blau, und fhwarz dein Haar; Auf deiner Stirne ruhig Sinnen,

Siehft du im Geifte den Bazar

Smyrna’s und feine Käuferinnen?

O, traume fort! vorübergeh’n

Der Seele laß dein Zieh'n und Neifen! Frag’ nicht, was mein Begehr; dich feh’n Kur will ich, und dein Kacheln preifen.

Vor einem Gemälde,

deſſen frifhe Farben mir beim nahen Betradten mein Dild zurückwarfen.

1834.

Diefe Fluthen find das indiſche Meer, Diefe Inſeln die Sechellen.

Bom Sturme gefchleudert hin und her, Thürmen hoch fih Wellen auf Wellen. Das Schiff ergibt feinem Looſe jich, Seine Trümmer nur ſeh'n Madagasfar; In's Boot wirft der weiße Matrofe fich, Und der fchlanfe, farbige Laskar.

Der Bliß durchfchlängelt die fchwarze Luft, Die Wolfen triefen von Negen,

Und ein finft'res Antlig, verfchleiert von Duft, Schaut aus dem Gewölf mir entgegen.

Seine Augen glüh’n auf die fprißenden Gewäſſer herab, wie zweier

Durch Nebel und Strudel blißenden Leuchtthürme zitterndes Feuer.

26 Es fcheint eines zürnenden Geiftes Haupt; Des Geiftes, der dem Drfane Befiehlt, der dem Schiff feine Maften raubt, Und in Stüde zerreißt feine Fahne, Er fahrt auf dem Sturme das rollende Gewölk ift fein dDampfender Wagen; Das Weltmeer laßt er die grollende Windsbraut mit den Fittigen fchlagen.

Das Haupt bin ich felbft! aus den Wolfen hervor Zürn' ich felbft, ein riefiger Schatten!

Die Matrofen fchauen zitternd empor;

Mein Hauch zertrümmert Fregatten.

Umfonft das Fleh’n der Ertrinfenden!

Was dem Damon das Winfeln des Wurmes? Meine Wellen über die Sinfenden!

Sch bin der Gebieter des Sturmes!

Sandlieder.

1835.

Ich meine nicht den Wüftenfand, Den. Tummelplaß des wilden Hirfchen ; Die Körner mein’ ih, die am Strand Des Meeres unter mir erfnirfchen.

Denn jener ift ein weh’nder Fluch, Der Wüfte raftlos irrende Seele. Er legt, ein brennend Leichentuch, Sich über Reiter und Kameele.

Der Sand des Meers ift Eühl und frifch, Und feucht von Furchen und von Gleifen, Ein allezeit gededter Tifch,

Auf dem die Möven Fiſche fpeifen.

28

2.

Vom Meere fahrt heran der Wind; Die Körner weh'n, Meergrafer fchwanfen. Auf flüht’gem Meeresfande find

Unſtät und flüchtig die Gedanken.

Wie diefer Sand vor Wind und Fluth Sich jagt in wirbelnden Geftalten, Sp fährt und fehweift mein irrer Muth Und Feine Stätte kann ihn halten.

3.

O, welch’ ein wunderbarer Grund! Sch kann fein Treiben nicht verftehen: Er laffet Schiffe ſcheitern, und

Er läſſet fie vor Anfer gehen.

Dem Naben ift er ewig frifch,

Und dürr des Seegewürmes Zungen; Verſchmachten läffer er den Fiſch, Und akt die Möv' und ihre Jungen.

29

Auch hab’ ich einen Mann gefeh’n,

Der wandt’ ihm fatt und Ealt den Nüden; Sch aber blieb im Sande jteh’n,

Und baute Schiffe mir und Brüden.

Der Dünen fhwach begraster Wall Behindert landwärts meine Blide. Sleichviel! rundfpahend auf dem Schwall Der Waſſer, ſchau' ich nicht zurüde.

Sch weiß nicht, daß noch Land beiteht,

Die Wellen bier fprüh’n Schaum und Funfen! Doch Berg und Wald und Wiefe geht! Das Alles ift im Meer verfunfen.

Nur diefer fchmale, gelbe Streif

Iſt übrig von der Welt geblieben. Drauf irr' ich, wie ohn' Stab und Reif Ein König, welchen man vertrieben.

30

Ich kann es nicht begreifen, daß

Sch einft durch Wälder bin gefchritten, Daß ich auf Bergesgipfeln faß,

Und über Heiden bin geritten.

Sie ruh’n im Meer; im Meere ruht Meine Lieb’, mein Hoffen und mein Sehnen; Und wie heran jeßt ſchießt die Fluth,

Sp fchießen mir in’d Auge Thranen.

5.

Gleich' ich dem Strome, welcher, tief In einem Waldgebirg entſprungen, Durch Länder und durch Reiche lief, Und bis zum Meere vorgedrungen?

O, thät' ich's! Mann geworden jetzt, Begrüßt den Braus des Meers der ſeine, Und doch in ew'ger Jugend netzt

Sein Quell die Wurzeln heil'ger Haine.

Ob meinem Haupte zieh'n Drei Möven, fchwer und trag. Sch ſchaue nicht empor,

Doch kenn' ich ihren Wen. Denn auf den Körnern, die Sm Sonnenfcheine glüh’n, Fließt flügelausgefpannt

Ihr Ihwarzer Schatten hin.

Und eine Feder fällt Herab, daß diefen Tag

Sch Sand und Mövenflug Damit befchreiben mag.

32

Einem Ziebenden. 1835.

Die See geht hoch; tritt deine Wallfahrt an! Laß von den Raa'n

Die Segel fallen, laß die Wimpel weh’n!

Am Ufer fteh’n

Und meerwärts winfen will ich mit dem Hurt, Bis aus den Augen dich mir tragt die Fluth.

Du fteheft finnend auf des Schiffes Stern! Bald fenfft du fern

Sn fremden Kiesfand deines Anfers Wucht: Sei's! Feine Bucht,

Kein Meereseiland, Feine Küftenftatt,

Sp nicht für dich ein freundlich Grüßen hat.

Heil, wer, wie du, das weite Meer befährt! Du haft gehört

Bon den Entdedern, die da ohne Furcht Die See durchfurct,

Und deren Züge, Freuzend her und hin,

Ein geiftig Netz um das Gewäſſer zieh’n.

33

Du haft gehört von wüften Inſeln auch, Alwo, das Aug’

Auf's Meer geheftet ftarr und unverwandt, Sn fehn’ger Hand

Die hagre Wange, der Berfchlag’ne fißt, Indeß die Welle feinen Fuß befprißt.

Das find die Helden deiner Knabenzeit; Die Einfamfeit

Des Tannenwalds durchzogen fie mit dir, Bafallen fchier.

Du führteft fie, fchweißtriefend und beftaubr, Ein dreisehnjahrig Abenteurerhaupt.

Aus Buſch und Wolfe traten jie hervor:

Du fprangit empor

Vom moofgen Stamm; da fauf’ten fie vorbei, Ernft mit dem Blei

Die Tiefe meſſend, Flaggen ſchüttelnd; du Riefſt ihnen Grüße durch das Sprachrohr zu.

Kreiligrath, Gedichte 3

8 4

* *

34

Jetzt wird dir Alles wie ein Traum erfüllt, Auf's Neue quillt

Und fprudelt dir der alten Wunder Born; Ein reiches Horn

Bon Abenteuern gießt mit üpp’gem Guß Bor deine Füße feinen Ueberfluß.

Und Eins noch weiß ich, was dag wüfte Meer Dir werth und hehr

Und herrlich macht. O, rede: weht nicht auch Der Dichtung Hauch

Auf diefen Waſſern? fehimmern glüh’nd und friich Nicht Liederfronen auf der Fluth Geziſch?

Was nenn’ ich dir Jedweden von der Zeit Homers bis heut’,

Der da ein Blatt in diefe Kränze wob? Du fennft ihr Lob,

Aus jeder Welle, die am Schiff fich bricht, Erfteht ein Held dir, Flingt dir ein Gedicht.

Auch deutfhe Lieder! Die auf fchatt’ger Stell’ Sm Wald, am Quell

Und Strom erwuchs, die deutfche Poeite,

Sie weilt’ auch hie!

Sie fah die Waller, Noah’3 Taube gleich,

Und fehrte heim mit manchem grünen Zweig.

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Stand Lenau nicht noch jüngit an einem Steu’r, Und fah den Schlei'r Die Meerfrau’n lüften? aus der Tiefe drang Gruß und Geſang.

Und ſchwamm nicht in des Nurifs Wellenwieg’, Der auf den Fels Salas y Gomez ſtieg?

Die See geht hoch; tritt deine Wallfahrt an! Laß von den Raa'n - Die Segel fallen, laß die Wimpel weh'n! Am Ufer fteh’n Will ih! Leb’ wohl! wie ferne fchon, wie fern! - Du fteheft finnend auf des Echiffes Stern.

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„Wär' ich im Bann von Mekka's Thoren.‘ 1836.

Kir ih im Dann von Mekka's Thoren, War’ ich auf Yemen's glüh'ndem Sand, War’ ich am Sinai geboren,

Dann führt’ ein Schwert wohl diefe Hand;

Dann zöoͤg' ich wohl mit flüchl’gen Pferden Durch Jethro's flammendes Gebiet; Dann bielt ich wohl mit meinen Heerden Raſt bei dem Buche, der geglüht;

Dann Abends wohl vor meinem Stamme, In eines Zeltes luft'gem Haug,

Strömt ich der Dichtung inn’re Flamme Sn lodernden Gefängen aus;

Dann wohl an meinen Lippen hinge Ein ganzes Volf, ein ganzes Land; Gleichwie mit Salomonig Ninge Herrfcht’ ih, ein Zauberer, im Sand.

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37

Nomaden ſind ja meine Hörer,

Zu deren Geiſt die Wildniß ſpricht; Die vor dem Samum, dem Zerſtörer, Sich werfen auf das Angeſicht.

Die allzeit auf den Roſſen hängen, Abſitzend nur am Wüſtenbronn: Die mit verhängten Zügeln ſprengen Von Aden bis zum Libanon;

Die Nachts, als nimmermüde Späber, Bei ihrem Vieh ruh'n auf der Trift, Und, wie vor Zeiten die Chaldaer, Anſchau'n des Himmels gold’ne Schrift;

Die oft ein Murmeln noch vernehmen Bon Sina’ glutgeborftnen Höh’n: Die oft des Wüſtengeiſtes Schemen In Säulen Rauches wandeln feh’n;

Die durch den Riß oft des Gefteines

Erfhau’n das Flammen feiner Stirn Ha, Männer, denen glüh’nd, wie meines, Sn beißen Schädeln brennt das Hirn.

38

D Land der Zelte, der Gefchofle!

O Volk der Wüfte, Fühn und fchlicht! Beduin, du felbft auf deinem Noffe Bift ein phantaftifches Gedicht!

Sch irr' auf mitternächt’ger Küfte;

Der Norden, ach! iſt Falt und Elng.

Ich wollt’, ich fang’ im Sand der Wüfte, Gelehnt an eines Hengftes Bug.

Zeben des Negers. 1836.

Ein hölzern Bein, zwei Krüden, Du armer, fchwarzer Mann, Bon Hanfgarn Netze ſtricken, Und feil fie bieten dann:

Das ift dein Loos! Im Sande Führt deine Heimath Gold, Und, ach! im fremden Lande Erflehſt du Kupferfold.

Beim Himmel! von dem Knaben, Der Fed auf Straußen ritr, Zum Greife, der, daß Gaben Er ford’re, vor mid tritt;

40

Vom Netz, durch welches Floffen Des Nigers der erblidt,

Zum Neke, das, zerfchoffen, Der Snvalide ſtrickt:

Beim Himmel! mitten inne Neich mag das Leben fein! Du Krauskopf, nicht entrinne! Sei Saft mir, tritt herein!

Dein Garn mir und dein Reden! Mein Wein hier ift für dich! Von Sand: und Waſſeroͤden, Bon See: und Kandfchlacht Tprich !

Da! Palmenwälder dunfeln; Hyän' und Löwe drau’n;

Auf Königshauptern funfeln Gold, Perl’ und Edelftein!

Aus unerforfchten Quellen Rauſcht ftolz der Niger her; Mit hunderttaufend Wellen Brauft auf das heil’ge Meer.

41

Die Peitihe tönt, die Feilel: Noch einmal ſchau zurüd!

O brodemvoller Keifel!

DO Raum der Sflavenbrid!

Kohrfelder! Hütt' an Hütte! Gedräng am Mühlenthor!

Es fallt mit Eraft’gem Schnitte Der Mohr das Zuderrohr!

Wer den Plantagenhauer

Mit Macht zu führen weiß, Der tft auch wohl fein Schauer In rüſt'ger Fechter Kreis!

An Bord! Die Wimpel fliegen! Vom Mars hernieder fpah’! Jetzt gilt es, zu befriegen

Den Feind auf off’ner See!

Hut, wie das Segel reffen, Hut, wie das entern Fann! O grauſenvolles Treffen!

O Ringen Mann an Mann!

Zufchaut mit off'nem Nachen Der Hai, der ihre Gruft! Ein Blitzen und ein Krachen! Sie fliegen in die Luft!

O Thor! auf blut'ger Tonne Zu ſchwimmen in's Spital! Nun hinkt, daß er ſich ſonne, Der Greis um's Arſenal;

Von Allem losgeriſſen, Wofür ſein Herze ſchlug! Verkümmern ſo zu müſſen, Es iſt ein harter Fluch!

Da ſteht er, alte Wunder

Im Haupt! Daß Gott erbarm: Mit ſeinem Alltagsplunder Umſchnattert dich der Schwarm;

Geht kühl an dir vorüber! Was Nil und Niger hier? Und innen brennt's, wie Fieber, Und zuckt's, wie Wahnſinn, dir!

43

Die Hand gib, alter Krieger! Was gilts, wir dulden gleich. Stoß an! Cap Verd! der Niger! Und mein Gedankenreich!

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Nebel. 1836.

Der Nebel fenft ſich düfter auf das Land, Und düfter ſchreit' ich an der Seebucht Strand Durch das Gefild, das winterliche, Eahle, Sieh’, auf dem glatten Waſſerſpiegel ruht

Die untergeh’nde Sonne, roth wie Blut; Sp lag das Haupt des Täufers in der Schale!

Und diefes Haupt ift Alles, was Ich feh’; Sonft Nebel nur, und eine Hand breit See! Verborgen fteh? ich da vor allem Volke. Kein Auge, das durch diefen Schleier blidt! Mir ift, als hatte mich der Herr entrüdt Der Welt in einer finftern Wolfe!

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In einer Wolfe, fchwerer Wetter voll!

Mir ift, als zürn’ in ihr, wie das Geroll

Des Donners, meines Liedes Dräu'n; als fahre, Wie niederfährr der Bliß aus dunfler Luft,

Sp mein Gedanfe zudend durch den Duft,

Daß zündend er fich draußen offenbare!

D, laßt ihn brechen durch den grauen Flor!

O, Ichreibt dem glüh’nden Feine Wege vor!

Er ift ein Bliß! wohlan, fo laßt ihn blißen! Der Nebel fenft fich düfter auf das Land;

Sch aber will auf diefer Dün’ am Strand,

Aus einer Wolfe zu euch redend, fißen!

Roland. Juli 1839.

Es war im Holz; wir ſchritten durch die Gründe, Wo ſich verbirgt die angeſchoſſ'ne Hinde;

Wo nur durch Blatter miederblitzt dag Licht;

Wo mit dem Horne ſich das Beil beſpricht.

Rings tiefe Stille; nur die wilde Taube Hebt an ihr Girren über ung im Laube; Die Quelle nur bricht murmelnd durch's Gebüfch, Die alten Baume nur weh'n traumerifch.

Die Buche Elagt, es flüftert lei die Efche; Fernab das Pochen einer Eifenwäfche;

Dazu mein Stab, der rauh den Feld berührt Das ift die Sprache, die der Bergwald führt,

Sch horcht’ auf fie mit innerlichem Schauer;

In meine Waldluft ftahl fich füße Trauer;

Es ſchlug der Fels, es fehlugen Eich’ und Tann’ Die tiefften Saiten meiner Seele an.

47

Ich dacht' an Roland und die Pyrenäen; O, wär' auch ich zu ſolchem Loos erſehen: Ein kämpfend Leben, Saracenenflucht,

Und das Signalhorn in der Todesſchlucht!

Der Kampf iſt da: keck ſteh' ich bei der Fahne; Gezuͤckt ſeit Jahren ſchimmert Durindane;

Es draͤngt der Feind mein Lager ſpät und früh; Mein Hüfthorn ſchlummert: meine Poeſie!

Es träumt und ſchlummert ernſt an meiner Seite; Es ruht und ſinnt, indeß ich ſelber ſtreite.

Wild nur zu Zeiten, mit gebroch'nem Stoß

Den Kampf belebend, birſt ſein Schmettern los.

All meine Lieder nichts, traun, als Fanfaren, f Mich zu ermuth’gen und mich frifch zu wahren;

Blutrünft’ge Klänge, raube Melodien,

Die beim Verfchnaufen meiner Brujt entflieh’n!

Wie dürft’ ein Krieger Andres auch erfinnen?

Die Hand an's Schwert, willft du die Schlacht gewinnen! In deine Waffen athme deinen Zorn,

Am Gürtel feiern laß dein Silberhorn!

A8 Wer ſchon gefiegt, der fehmett’re Siegesweiſen: Du, we? den Schall des Eiſens auf dem Eifen! Fanfaren? Ser’! Ein fe und kurz Signal Sei dir vergönnt zu fehleudern durch das Thal!

Allein erft dann ein voll und mächtig Tönen, Wenn du erlegt den wilden Saracenen;

Wenn du den Stolzen, fammt des Panzers Laft, Hin auf den Boden nun gerungen haft!

In einer Schlucht, wie Nonceval und Ddiefe, Zu deinen Füßen todt dann liegt der Niefe; Allein du felbft auch bift zum Tode wund O dann dein Horn, dein Hüfthorn an den Mund!

Bei deines Blutes maligem VBerftrömen Ein legter Ruf an Karl, den großen Dehmen! Ein geller Schrei, der. Alles, Alles ſagt, Was du gewollt, gerungen und gewagt!

Der es verhaucht in rafchen Athemzügen, Was im Gefechte männlich du verfchwiegen! Ein leßtes Beichten und ein letztes Dräu'n Die Signatur zu deinem ganzen Sein!

Ha, welch’ ein Dröhnen! Nings die Felſen Elingen; An deinem Hals die blauen Adern fpringen;

Thalein vernimmt es jeder Streitgenoß, Bernimmt e3 zitternd, wendet kurz fein Roß.

Der Kaifer naht, e3 nah'n die Paladine f O Gott, dein Blut entriefelt jeder Schiene! 1 Sie ſteh'n im Kreife ftill um dich herum; Dein Auge bricht dein Silberhorn ift ftumm! j

Ein dumpfes Neden drauf durchrollt die Wiefe: „Des Lebens Drang es ift ein grimmer Niefe! Dem Ernten Ehre, der ihn treu beftand!

Legt ihn in’ Grab, fein Hüfthorn in der Hand!“

Ha, foldy’ ein Loos! Aufſchauert leis die Eiche; Fernab das Pochen einer Eiſenwäſche;

Vorüuͤber jagt Gewitterwolkenflucht,

Und ſchwarz und ſchwärzer wird die Felſenſchlucht.

Freeiligrath, Gedicte. 4

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Halladen und Romanzen.

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Der Mobhrenfürit. 1.

Sein Heer durchwogte das Palmenthal. Er wand um die Loden den Purpurfhanl; Er hing um die Schultern die Lowenhaut; Kriegeriſch klirrte der Becken Laut.

Wie Termiten wogte der wilde Schwarm. Den goldumreiften, den ſchwarzen Arm Schlang er um die Geliebte feſt: „Schmücke dich, Mädchen, zum Siegesfeſt!

Sieh’, glänzende Perlen bring’ ich dir dar! Sie fliht durch dein Fraufes, fchwarzes Haar! Wo Perſia's Meerflurh Korallen umziſcht, Da haben fie triefende Taucher gefiicht.

54

Sieh', Federn vom Strauße! laß ſie dich ſchmücken! Weiß auf dein Antlitz, das dunkle, nicken! Schmücke das Zelt! bereite das Mahl!

Fülle, befranze den Siegespofal!“

Aus dem fehimmernden, weißen Selte hervor Tritt der fchlachtgerüftete, fürftlihe Mohr; So tritt aus fhimmernder Wolfen Thor Der Mond, der verfinfterte, Dunkle, hervor.

Da grüßt ihn jubelnd der Seinen Ruf, Da grüßt ihn ftampfend der Roſſe Huf. Ihm rollt der Neger treues Blut, Und des Nigers räathfelhafte Fluch.

„Sp führ’ ung zum Stege, fo führ ung zur Schlacht!“ Sie ftritten vom Morgen bis tief in die Nacht.

Des Elephanten gehöhlter Zahn *

Feuerte fchmetternd die Kämpfer an,

Es fleucht der Leu, es flieh’n die Schlangen Bor dem Raſſeln der Trommel, mit Schadeln behangen. Hoch wehr die Fahne, verfündend Tod;

Das Gelb der Wüfte färbt fih roth. * Die Trompete der Neger.

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55

So tobt der Kampf im Palmenthal!

Sie aber bereitet daheim dag Mahl;

Sie füllt den Becher mit Palmenfaft, Umwinder mit Blumen der Zeltitäbe Schaft.

Mit Perlen, die Perſia's Fluth gebar, Durchflicht fie. das Fraufe, fchwarze Haar, Schmüdt die Stirne mit wallenden Federn, und Den Hals und die Arme mit Mufcheln bunt.

Sie feßt fi vor des Geliebten Zelt;

Sie laufcht, wie ferne das Kriegshorn gellt. Der Mittag brennt und die Sonne ftidht; Die Kränze welfen, fie achtet’s nicht.

Die Sonne finft, und der Abend fiegt; Der Nachtthau raufcht, und der Glühwurm fliegt. Aus dem lauen Strom blidt das Krofodill, Als ob e3 der Kühle genießen will.

E3 regt fich der Leu und brüllt nach Raub, Slephantenrudel durcraufchen dag Laub. Die Giraffe fucht des Lagers Ruh),

Augen und Blumen fchließen fich zu.

Ihr Bufen fhwillt vor Angft empor;

Da naht ein flüchtiger, blutender Mohr. „DBerloren die Hoffnung! verloren die Schlacht! Dein Buhle gefangen, gen Werten gebracht!

An's Meer! den blanfen Menfchen verkauft!“ Da ftürzt fie zur Erde, das Haar zerrauft,

Die Perlen zerdrüdt fie mit zitternder Hand, Birgt die glühende Wange im glühenden Sand.

Auf der Meſſe, da zieht es, da ſtürmt e3 hinan Zum Circus, zum glatten, geebneten Plan. Es fchmettern Trompeten, das Beden Klingt, Dumpf wirbelt die Trommel, Bajazzo Tpringt.

Herbei, herbei! das tobt und drangt; Die Neiter fliegen; die Bahn durchfprengt Der Türfenrapp’ und der Brittenfuchs; Die Weiber zeigen den üppigen Wuchs.

97

Und an der Reitbahn verfchleiertem Thor Steht ernft ein Frausgelodter Mohr; Die türfifhe Trommel fchlägt er, laut, Auf der Trommel liegt eine Zöwenhaut.

Er fieht nicht der Neiter zierlihen Schwung, Er fieht nicht der Noffe gewagten Sprung. Mit ftarrem, trod’nem Auge fchaut

Der Mohr auf die zottige Löwenhaut.

Er denft an den fernen, fernen Niger,

Und daß er gejagt den Löwen, den Tiger;

Und daß er geihwungen im Kampfe das Schwert, Und daß er nimmer zum Lager gefehrt;

Und das Sie Blumen für ihn gepflüdt,

Und daß Sie das Haar mit Perlen geſchmückt Sein Auge ward nad; mit dumpfem Klang Schlug er das Fell,’ daß es raflelnd zeriprang.

Schwalbenmährchen.

Auf dem ſtillen, ſchwülen Pfuhle Tanzt die dünne Waſſerſpinn'; Unten auf kryſtall'nem Stuhle Thront die Unkenkönigin.

Von den edelſten Metallen

Hält ein Reif ihr Haupt umzogen, Und wie Silberglocken ſchallen Unkenſtimmen durch die Wogen.

Denn der Lenz erſchien; die Schollen Sind zerfloſſen; Blüthen zittern; Dumpfe Frühlingsdonner rollen

Durch die Luft, ſchwarz'von Gewittern.

Wafferlilienfelche fließen

Auf des Teiches dunfelm Spiegel, Und die erften Schwalben fchteßen Drüber hin mit fchnellem Flügel.

539

Aus den zarten Schnäbeln leiſe Tönt Gezwitfcher in die Wellen: „Viele Grüße von der Reife

Haben wir dir zu bejtellen.

Lange waren wir in fremden Sandbededten beißen Ländern, Wo in weiten Kaftanhemden Träge Turbanträger fchlendern. -

Purpurfarb’ne Wunderpflanzen Dienten ung zu Meilenweifern; Gelbe Mauren fah’n wir tanzen Nackt vor ihren Leinwandhäufern.

Lechzend auf dem warmen Sattel Saß der Araber, der leichte, Wahrend Ziegenmilh und Dattel Ihm aufs Pferd die Gattin reichte.

Auf die Jagd der Antilopen, Kriegerifch, mit Spieß und Pfeile, Zogen fchlanfe Aethiopen;

Klagend tönte Memnons Säule.

60 Aus des Niles Fluth getrunken Haben wir, matt von der Neife; Gruß dir, Königin der Unfen, Bon dem füniglichen Greife.

Alles grüßt dich, Blumen, Blätter!

Doch zumeift der Grüße viele

Bringen wir von deinem Better, Bon dem Krokodil im Nile!“

Der Wecker in der Wüſte.

Am Nilſtrom in der Wüftenei

Da fteht ein Füniglicher Leu,

Gelb, wie der Sand, auf dem er fteht, Gelb, wie der Smum, der ihn umweht.

Ein Königsmantel, dicht und fchön, Ummwallt des Löwen Bruft die Mahn’; Eine Königskrone, wunderbar,

| Sträubt ſich der Stirne ftraffes Haar.

Er hebt das Haupt empor und brüllt, Sein Brüllen tönt fo hohl, fo wild;

Die Wüftenei durchrollt es dumpf,

Die Fluth vernimmt’s in Möris Sumpf.

Dem Panther ftarrt das Nofenfell, Erzitternd flüchtet die Gazell’;

Es laufht Kameel und Krofodill Des Königs zürnendem Gebrüll.

.

62

Es halt zurüd vom Nilesſtrand

Und von der Pyramiden Wand;

Die Königsmumie, braun und müde, Erwedt’s im Schooß der Pyramide,

Sie richtet fih im engen Schrein: „Danf, Löwe, für dein zornig Drawn! Manch lang Sahrtaufend fchlief ich fchon, Da weckt mich deiner Stimme Ton!

D, lange Zeit hab’ ich verträumt! Wo feid ihr, Sahre, glanzumfäumt, Als Siegesbanner mich umflogen, Als deine Ahnen, Leu, mich zogen?

Da ſaß ich hoch auf güld'nem Wagen ; Die Deichfel war mit Gold befchlagen; Bon Perlen glänzte Speich’ und Rad; Mein war die Hundertpfortenftadt.

Und diefe Sohle, fchlaff und dürr, Trat auf des Mohren Haargewirr, Trat auf die gelbe Stirn der Inder, Und auf den Naden der Wüftenfinder.

63

Und diefe Hand bezwang die Welt, Die jebt. der ftarre Byſſus halt. Mas jene HierogInphen Tagen, Hat diefe Bruft gezeugt, getragen.

Das Grabmal, fo mich jeßt befchirmt, Hab’ ich mit eig’ner Hand gethürmt: Sch ſaß auf fpeerbewachtem Thron ; Die Ziegelbrenner trieb der Krohn.

Mic fchaufelte auf fchnellem Kiel Mein Unterthan, der breite Nil. Der Nil, der fließt noch immer zu; Sch Liege längft in tiefer Ruh',

Und dunfel ifr’s um mich herum!“ Da wird der Löwe plöglich ſtumm,

Und trüb wird auch des Todten Blick; Er lehnt zum Schlummer fi zurüd.

64

Der Blumen Rache.

Auf des Lagers weichem Kiffen Ruht die Jungfrau, fchlafbefangen, Tiefgefenft die braune Wimper, Purpur auf den heiten Wangen.

Schimmernd auf dem Binfenftuhle Steht der Kelch, der reich geichmückte, Und im Kelche prangen Blumen, Duft’ge, bunte, frifchgepflüdte.

Brütend hat fih dumpfe Schwule Durch das Käammerlein ergofen, Denn der Sommer fcheucht die Kühle, Und die Fenfter find verfchloffen.

Stilfe rings und tiefes Schweigen! Plötzlich, horch! ein leifes Flüftern! Sn den Blumen, in den Zweigen Lifpelt es und rauſcht es’ lüftern.

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65

Aus den Blüthenkelchen fchweben Geiftergleihe Duftgebilde;

Shre Kleider zarte Nebel, Kronen tragen fie und Schilde.

Aus dem Purpurfchooß der Roſe Hebt fih eine fchlanfe Frau; Ihre Loden flattern lofe, Perlen blisen drin, wie Thau.

Aus dem Helm des Eifenhuteg Mit dem dunfelgrünen Laube Tritt ein Nitter feden Muthes; Schwert erglänzt und Pidelhaube.

Auf der Haube nidt die Feder

Bon dem filbergrauen Neiber.

Aus der Lilie fchwanft ein Mädchen; Dünn, wie Spinnweb’, ift ihr Schleier.

Aus dem Kelch des Türfenbundes Kommt ein Neger ftolz gezogen;

Licht auf feinem grünen Turban Glüht des Halbmonds gold’ner Bogen.

Feeiligrath, Gedichte. 5

66

Prangend aus der Kaiferkrone Schreitet Fühn ein Scepterträger; Aus der blauen Sris folgen Schwertbewaffnet feine Jäger.

Aus den Blättern der Narciſſe Schwebt ein Knab’ mit düftern Blicken, Tritt an’s Bett, um heiße Küffe

Auf des Mädchens Mund zu drüden.

Doh um's Lager dreh’n und ſchwingen Sich die andern wild im Kreife; Dreh’n und fehwingen fich, und fingen Der Entfchlafnen diefe Weiſe:

„Mädchen, Mädchen! von der Erde Haft du graufam uns geriffen, Daß wir in der bunten Scherbe Schmachten, welfen, fterben müffen!

D, wie ruhten wir fo felig

An der Erde Mutterbrüften,

Wo, durch grüne Wipfel brechend, Sonnenftrahlen heiß ung Füßten;

67

Wo ung Lenzeslüfte fühlten, Unfre fchwanfen Stengel beugend; Wo wir Nachts als Elfen fpielten, Unferm Blätterhaus entfteigend.

Hell umfloß ung Thau und Negen; Jetzt umfließt ung trübe Lade;

Wir verblüh’n, doch eh’ wir fterben, Mädchen, trifft dich unfre Nahe!“

Der Geſang verftummt; fie neigen Sich zu der Entichlaf’nen nieder. Mit dem alten dumpfen Schweigen Kehrt das leife Flüftern wieder.

Welch ein Raufchen, weldh ein Naunen! Wie des Mädchens Wangen glühen ! Wie die Geifter es anhauchen!

Wie die Düfte wallend ziehen!

Da begrüßt der Sonne Funfeln Das Gemach; die Schemen weichen. Auf des Lagers Kiffen ſchlummert Kalt die lieblichfte der Leichen.

68

Eine welfe Blume felber,

Noch die Wange fanft geröther,

Ruht fie bei den welfen Schweftern Blumenduft hat fie getödter!

| | 69

> „Prinz Eugen, der edle Ritter.“

Jette, Poiten, Werda-Rufer! Luſt'ge Naht am Donauufer! Pferde fteh’n im Kreis umher Angebunden’an den Pflöden; An den engen Sattelböden Hangen Karabiner fchwer.

Um das Feuer auf der Erde,

Bor den Hufen feiner Pferde

Liegt dag öftreich’fche Piket.

Auf dem Mantel liegt ein Seder; Von den Tſchacko's weht die Feder, Leutnant würfelt und Kornet.

Neben feinem müden Scheden Ruht auf einer woll’nen Deden Der Trompeter ganz allein:

„Laßt die Knöchel, laßt die Karten ! Kaiferlihe Feldftandarten

Wird ein Reiterlied erfreu’n!

70

Vor acht Tagen die Affaire

Hab’ ich, zu Nutz dem ganzen Heere, In gehör’gen Reim gebracht;

Gelber auch gefeßt die Noten; Drum, ihr Weißen und ihr Rothen, Merket auf und gebet Acht!“

Und er fingt die neue Weife

Einmal, zweimal, dreimal leiſe

Denen Neitersleuten vor; Und wie er zum legten Male 4 Endet, bricht mit einem Male

Los der volle, kräft'ge Chor:

„Prinz Eugen, der edle Ritter!“

Hei, das klang wie Ungewitter

Weit in's Türkenlager hin.

Der Trompeter thät den Schnurrbart ſtreichen, Und ſich auf die Seite ſchleichen

zu der Marketenderin.

71

3 Der Mann im Walde.

Der Krieg hat ihn vertrieben, Er mußte flieh’n und zieh’n. Im Grabe ruh’n die Lieben; Der Wald ift ihm geblieben, Der Wald, fo fühl und grün,

Den Wald hat er fchon lange zur Heimath ſich erwählt, Hat in des Uferd Hange

Ein Haus fich ausgehöhlt.

Das iſt ein Haus der Häufer, Geziert mit mander 3ier;

Es decken grüne Reiſer

Die graue Felſenthür.

Eine Streu von Blättern, gelber Als Gold, ruht im Gemad; Der ftolze Bergwald felber Belaftet es als Dad.

72

D, Freude! zu bewohnen

Ein Haug von folcher Art! Denn luſt'ge Tannenfronen Und Buchenbäume thronen Hoch drauf, und Moofe zart;

Und faufeln leis, und fchwanfen, Und ſchau'n in's Quellenthal, Und ihre Wurzelranfen Umſtricken das Portal.

Und fchön auch ift es drinnen; Da iſt's fo düfterhell;

Da ſchickt mit Elarem Rinnen Die Felswand einen Quell.

Da fteht von rohen Steinen Ein wärmender Kamin;

Da birgt der Mann in Schreinen, Was ihm der Wald verlieh'n.

Da find mit weißem Sinter

Die Wände tapesirt;

Da hauf’t der Mann im Winter, Wenn's draußen fchneit und friert;

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73

——

Und zehrt von Harm und Klagen, Das Herze troſtesleer,

Gleichwie bei Wintertagen

Vom eig'nen Fett der Bär.

Doch wenn vom Droſſelſchlage Zuerſt die Waldung klingt,

Und rings aus Baum und Hage Das Volk der Knospen dringt;

Wenn frifhen Saft dem Baſte Die Hand des Lenzes fchidt, Und von des Nußbaums Aſte Die ftaub’ge Blüthe nidt;

Wenn auf den nadten Zweigen Der Fink „Gut Frühjahr!“ ruft: Alsdann fieht man entfteigen Den Mat der Felienfluft.

Durch Bufh und über Klippe Wallt er und flieht das Haus, Und grabt mit feiner Schüppe Die jungen Bäume aus.

7A

Sammt ihren Wurzelfafern Bringt fie der Schaufel Stich; Seine Hand Flopft von den Zaſern Die Erde fauberlich.

Gr fügt zu einem Bunde

Der dünnen Stämmchen Zahl, Und geht mit fingendem Munde Durch's ſonnenhelle Thal.

Er ſingt: „Die Bäumchen bring' ich Dem Gärtner in der Stadt!

Dem jungen Lenze fing’ ich,

Der mich getröftet hat.

O feht! wie find die Büfche,

Die Enospenden, bethaut;

In welcher Wunderfrifche

Prangt Zweig und fehießend Kraur!

D, diefe Thauesperlen,

Dies Balfamnaf im März Auf Eichen und auf Erlen Iſt Balfam für dies Herz;

75 Weiß draus den Schmerz zu faugen, Lot fein Gefchwifterfind, Das Freudennaß der Augen; Das riefelt ſtill und Lind!

Wie ſingt's, wie klingt's im Weiler! Wie ſtrahlend rings, wie bunt! Wie dampft des Köhlers Meiler! Ihr milden Alfesheiler,

Lenz, Wald, macht mic geſund!“

So ſingt der Höhlenpförtner

Den ſchlichten Freudenreim,

Bringt, was er trägt, dem Gärtner, Und geht in Frieden heim.

Banditenbegrabniß.

Auf blut'ger Bahre raſtet

Ein Leichnam, blaß und kalt;

Den tragen, ſchwer belaftet,

Schs Männer durch den Wald. Sechs Männer, ſchwarz von Haare, Bewehrt mit Blei und Stahl, Geh’n fehweigend mit der. Bahre Durch's düftre Fichtenthal.

Die Bahr’ find zwei Gewehre Mit Läufen, rund und lang: Darüber find die Quere

Selegt drei Schwerter blanf. Auf Klingen ruht, der muthig Einft felber fhwang das Erz; Sein Haupt, entftellt und blutig, Hangt rüdlings erdenwärts.

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77

Weit klafft die rothe Wunde Am bleichen linken Schlaf, Wo ihn zur böfen Stunde

Die Todesfugel traf.

Es tröpfelt von den Locken Geronnen Blut und Hirn; Vom Weh’n der Berge troden, Umflebt es Hals und Stirn.

Das Aug’ ift blutumflofen, Der Wange Braun entfloh’n. Die Lippen, feſt geſchloſſen, Umzuckt ein bitt’rer Hohn.

Die Nechte, die im Kampfe Das Schwert mit Macht geführt, Hält’3 noch mit ſtarrem Krampfe, Daß fie es nicht verliert.

Es bligte Tod dem Sbirren; Er läßt es nimmer log.

Es fchleift mit leifem Klirren Durh Steingeröll und Moos.

Wie die, blut’ge Thranen, Rinnt riefelnd Blut daran:

Das Schwert, fo muß man wäahnen, Meint um den todten Mann.

Die Linfe, zugefniffen,

Hält ftarr den Gürtelihawl, Als hatt’ er ihn ergriffen

In letzter Todesqual.

Gelöft weh'n Schnur und Like Um fein zerhau’n Collet;

Am Gurt mit feharfer Spike Schwebt läſſig das Stile.

So liegt der bleiche Schläger, Der einft fo wild, fo kühn;

So tragen ihn die Trager

Im finftern Apennin;

Sp ruht er auf den Degen

Im tiefften tiefen Wald, Fernab von Straß’ und Wegen, Da ruft der Führer: „Halt!“

79

Da flirt die Bahre nieder,

Und muß nun Schaufel fein; Da graben ihm die Brüder

Ein Grab tief in den Nain. Kein Sarg macht ibm Befchwerde: 808, ledig, ſonder Drud,

Grüßt er fein Bett, die Erde, Im Blut: und Waffenſchmuck.

Die Feier ift vollendet,

Das Grab fteht fchwarz und baar. Mit finfterm Schweigen wendet Sich ab die Fleine Schaar.

Sie feh’n nah den Gewehren; Sie laden; da tönt fchrill

Ein Pfeifen! in die Köhren Stürzt Jeder! Alles fill!

80

Piratenromanze.

Auf dem Decke der Gabarre

Liegt der Scheik der Chriſtenhunde, Die erloſchene Cigarre

Von Havanna in dem Munde.

O, wohl mochte die Cigarre, Caſtilianer, dir verglimmen, Da du hörteſt zur Guitarre Die holdſeligſte der Stimmen.

Angethan mit welſcher Seide

Und mit Tüchern vom Hoangho, Tanzt Juana, deine Freude,

Mit dem Bootsmann den Fandango.

81

Auf der leichten Füße Spißen

Schwebt fie um die braunen Maſten; Ihres Gürteld Spangen bligen,

Die mit Perlen eingefaßten.

| Shre Wange gleicht der Roſe

| Sn den Gärten von Sevilla; Um die weißen Achfeln lofe 4 MWeht und flattert die Mantilla.

Ihre Loden hält ein grünes Netz; die beiden kleinen Mohren Denken nicht des Tambourines; Alles iſt in Schau'n verloren.

Auf den Naa’n, auf den Laffeten Sitzt die Mannfchaft, wie gebannt; Caftagnetten und Trompeten

Statt der Lunten in der Hand.

Die Guitarre nah dem Tanze Neiht in Demuth ihr ein Mohr. Glänzendes Auges die Romanze Bon dem Cid Campeador

Freiligrath, Gedichte. 6

82

Singt fie. Horb, von den Paläften An dem Guadalquivir

Singt fie; von den nächt'gen Feſten Zu des Tambourins Geklirr;

Bon der golfbefpülten Zone, Die das Fahrzeug bald erfteuert, Wo der träge Lazzarone

Einen ew’gen Sonntag feiert.

Horh, von Koma, von Milano Singt fie, wo Banditen ftreifen Gapitano, Gapitano!

Beſſer war's, dein Schwert zu fchleifen!

2.

Auf dem weiten Mittelmeere Gilt des Mufelmanns Gefes! Pfeilfchnell rudert die Galeere, Sklaven braucht der Markt von Fez!

83

Bei dem buhlerifhen Tanze

Denfen fie nicht an Abdallab. Furdtbar fhimmert Mahoms Lanze Dreht das Schiff! Allah il Allan!

Eine Salve durch die Laken! Rechte Hand am Säbelgriffe! Nud’rer, werft die Enterhafen! Bretter legt von Schiff zu Schiffe!

Stürzt hinein! der Säbel hade,

Bis fie die Gewehre ftreden! Sprißt auh Blut auf eure Jade Roth auf Roth macht Feine Fleden!

ce re F ue

Groß ift Allah! Starr, voll Wunden, Liegt der Hauptmann bei den Todten. Die Lebend’gen Fnien gebunden Auf dem Ded, dem blut'gen, rothen.

Wie fie Fnirfhen mit den Zähnen! Ha! und dort weint Juanina! Herrin, trodne deine Thranen

Mit dem bunten Tuch aus China!

84

Sn Marokko's fand’gem Thale, Hinter riefgem Palmenfächer, Sn der Sonne gelbem Strahle Schimmern des Seragliv’s Dächer.

Was tft diefer Dritthalbmafter ? Traun, vor dir die Segel fereicht er. Morgen um fünftaufend Piafter Iſt des Sultans Sedel leichter.

Der Falk.

Die Fürftin zog zu Walde

Mit Jägern und Marfchalf;

Da fah fie reiten balde

Ein junger Edelfalk.

Er ſprach: „Wie Flirrt dein Bügel; Wie glanzt Agraf’ und Treff’; Wie loder hängt dein Zügel, Holdfelige Prinzep!

Wie fißeft du zu Pferde

Sp Füniglih und fchlanf! Wie weht zur grünen Erde Dein Schleier weiß und lang! Wie niet dein Hutgefieder Vom flücht’gen, wilden Ritt! Wie zieret deine Glieder Das Enappe Sagdhabit!

86

D, Eönnt’ ich deiiien Neizen Allzeit ein Diener feyn!

Den Neiher wollt’ ich beizen, Herrin, für dich allein!

Sch wollte mit ihm ringen, Dein ftarfes Kederfpiel,

Bis er, mit blut’gen Schwingen, Zu deinen Füßen fie I”

Bezwungen von Verlangen, Dudt er in’s Heideland;

Er laßt fich willig fangen Von eines Pagen Hand.

Der bietet ihn der Holden Dar, mit gebog’nem Knie; Mit einem Ninge golden Schmüdt den Gefang’nen fie.

Kun muß er fie begleiten; Mit feiner krummen Klaw’ Muß er für fie beftreiten Den Neiher, filbergran.

87

Er tragt eine Lederfappe,

Sie nimmt ihn mit aufs Pferd, Burgberr und Edelfnappe

Halt ihn des Neides werth.

Die Schreinergefellen.

„Fürwahr, ein traurig, ein ſchaurig Thun! Eine Leiche ſoll zwiſchen den Brettern hier ruh'n!“

„„Du Weichherz, wie, deine Thräne rinnt? Was ſchiert dich fremder Leute Kind?““

„So ſei doch auch nur nicht gleich ſo arg, Bedenk', es iſt ja mein erſter Sarg!“

„„Sei's erfter, fel’s letzter! da, thu' mir Beſcheid! Und ſing' eins, und ſchaff' dir kein Herzeleid!

Zerſchneide die Bretter, und nimm den Stab, Und hoble die knirſchenden Spane ab!

Und füge zufammen wohl Brett an Brett, Und fchwärze fein fauber das enge Betr!

<<

89

Und leg’ in den firnifduftenden Schrein Die Späne, die abgefalnen, hinein!

Auf den Spänen muß ruh’n der verweglihe Staub, Das ift ein gemeiner Schreinerglaub’.

Und trage den Sarg in's Trauerhaus! Leich' hinein! Dedel zu! und dann iſt's aus!““

„Wohl zerichneid’ ich die Bretter, wohl nehm’ ich den Stab, Wohl mel ich hinauf, und wohl mel’ ich herab.

Wohl hobl’ ich die rauhen Bretter glatt, Doch mein Aug’ ift trüb, und mein Arm ift matt.

Wohl füg' ich die Bretter hin und her, Doch mein Herz ift voll, und mein Herz ift ichwer.

D, ein traurig Thun und ein fchaurig Thun! "Eine Leiche foll zwifchen den Brettern hier ruh'n!“

90

Barbaroffa’s erftes Erwachen.

1829.

Es lag die gold'ne Aue

Im blut'gen Frührothſchein, Als wär' mit blut'gem Thaue Beſprengt der gelbe Rain. Ernſt blickte der Kyffhäuſer Durch Nebel auf die Flur, Als der gebannte Kaiſer

Auf aus dem Schlummer fuhr.

Er ſchaute zornesmuthig

Die Schaar der Diener an. „Im tiefen Schlummer ruht' ich; Wer hat mir das gethan? Wer, trotzend meinem Grimme, Riß jach mich in die Höh',

Und rief mit dumpfer Stimme: Weh', Hohenſtaufe, Weh'!

9

Wer hat mit Schwertgeflimper Geraffelt hier zur Stund? Wer hielt mir vor die Wimper Die Leinwand, farbenbunt? Mer hat mir Truggeftalten Gezeigt im wirren Traum? Blutrothe Tücher wallten

Auf eines Marktes Naum.

Hoch ſaß ein Mann zu Throne, Det Auge bliete Lift,

Und fah mit finfterm Hohne Herab auf ein Gerüft;

Das ragte, ſchwarz behangen, Aus Lanzen und Volkeshauf'; Zwei Knaben, bleich von Wangen, Die ftanden obenauf.

Und zu der Knaben Seite, Auf des Gerüftes Höh’n,

Sah ich, ein graus Geleite, Den Henfer wartend fteh’n;

92

Er ftand in rother Müße, Sm ſcharlachrothen Rod; Sein Schwert war feine Stüße; Bor ihm der Todesblock.

Da fchmetterten die Zinfen Mir gellen Tönen: Mord! Seht ihr des Königs Winfen, Hört ihr fein herrfchend Wort? Schnell wirft der eine Nitter Den Handfhuh unter’s Volk; Das murrt, wie, vom Gewitter Erregt, ein Meereskolk.

Gr legt das Haupt, das bleiche, Feft auf den Eichenftumpf. Das Schwert, mit Einem Streiche, Trennt es vom fchlanfen Rumpf. Weit fprist des Blutes Quelle; Der König fieht’3 und winft, Und lächelt, als zur Stelle

Das Haupt des Zweiten finft.

93

Auf meine Wappenfcilder, Die geborft'nen, rollt ihr Haupt. Wer wies mir folche Bilder? Mem hab’ ich dag erlaubt? Wer, troßend meinem Grimme, Riß jah mich in die Höh',

Und rief mit dumpfer Stimme: Weh’, Hohenftaufe, Weh’!“

Die Zwerge fteh’n und zagen, Und neigen das Gelicht.

„Ber wollte foldhes wagen? Wir, Herre, fiber nicht!“ Zur felben Zeit fah Neapel Den jungen Konradin

Auf blutbefpristem Stapel Mit Schwabens Friedrich Enien.

Da fuhr der bärt’ge Kaifer Zuerft empor vom Pfühl; Sah traumend im Kyffhäuſer Des eignen Stammes Ziel.

94

Er ſchilt und ſtarrt verwundert, Und blinzt dann wieder ſtumm; Beinah' war ein Jahrhundert Vom langen Schlaf herum.

—û— EZ nn.

2

95

Meerfahrt.

Da ſchwimm' ich allein auf dem ſtillen Meer; Keine Welle rauſcht, es iſt eben und glatt. Auf dem fandigen Grunde practig und hebr Glänzt die alte verfunfene Stadt.

In alter verfchollener Mährchenzeit Verſtieß ein König fein Töchterlein; Da lebt’ es über den Bergen weit Sm Walde bei fieben Zwergen Elein.

Und als es jtarb durch des Giftes Kraft, Ihm eingeflößt von der Mutter arg,

Da legt’ es die Fleine Genoſſenſchaft

Sn einen Erpftallenen Sarg.

Da lag es in feinem weißen Kleid, Bekränzt mit Blumen, duftend und fchön; Da lag e3 in feiner Lieblichfeit,

Und fie fonnten es immer feh'n.

So liegft du in deinem Sarg von Kryſtall, Du gefhmüdte Leiche, verfunfnes Sulin! Der fpielenden Fluth durchfichtiger Schwall Zeigt deiner Palafte Slüh’n!

Die Thürme ragen düfter empor,

Und geben fehweigend ihr Trauern fund; Die Mauer durchbricht das gewölbte Thor, Es fchimmern die Kirchenfenfter bunt.

Doch in der fehauerlich ftillen Pracht

Keines Menfchen Tritt, Feine Luft, Fein Spiel; Auf Straßen und Märkten ungefchlacht Treibt fich der Fifche Gewühl.

Sie gloßen mit glafigen Augen dumm

Sm die Fenfter und in die Thüren hinein; Sie feh’n die Bewohner fchlafrig und ſtumm In ihren Häufern von Stein.

Sch will hinunter! ich will ernen’n

Die verfunfne Pracht, die ertrunf’ne Luft! Die Zauber des Todes will ich zerſtreu'n Mit dem Odem meiner lebendigen Bruſt!

-

97

Er fül’ aufs Neue zu Kampf und Kauf Die Säulenhallen, des Marftes Raum; Ihr Mädchen, ſchlaget die Augen auf, Und preifet den langen Traum!

Hinab! Nicht rudert er fürder! Schlaf Und reglos finfen ihm Arm und Fuß; Leber feinem Haupte fchließt fich das Haff; Er entbietet der Stadt feinen Gruß.

Er lebt in den Häufern der alten Zeit,

Wo die Mufchel blißt, wo der Bernftein glüht. Unten die alte Herrlichkeit,

Dben ein Fifcherlied.

Freifigrark, Gedichte

98

Der Bivouac.

Ein Feu'r im Würftenfande, Zwei Gräben, ein Verhad, Musgfetenpyramiden

Ein Franfenbivouac!

Das find die Grenadiere Bon Kleberd Vorderhut. Es fißt, daß er fie ſchüre, Der Feldherr an der Glut.

Auf müdem Knie die Karte, Ruh'nd in der Flamme Schein,

So ſchlummert Bonaparte

Gemach am Feuer ein.

Und mit ihm auf Laffete Und Mantel feine Schaar; Es nit an der Muskete Der Schilderer fogar.

ee |

99

Schlaft zu, ihr müden Fechter! Schlaft aus die legte Schlacht! Es halten ſtille Wächter Um eure Graben Wacht!

Laßt pläanfeln Murat's Neiter! Laßt Eommen Mann und Noß! Es wollen felt'ne Streiter Behüten euren Troß!

Es wacht für euch ein Meder, Der mit aus Theben ritt; Der in der Spur der Näder Bon Cyrus Sohne fchritt.

Ein hoher Macedone

Tritt eurer Brüftung nah’, Der Aleranderd Krone Beim Ammon funfeln fah.

Und ſehet; noch ein Schemen! Ein Kämpfer auf dem Nil, Ein Führer von Triremen, Der unter Cäſar fiel!

100

Die einft der Welt geboten Auf fand’gem MWürftenfeld, Sie ſchicken Ihre Todten Dem neuen Herrin der Welt.

Rebendig an's Geloder

Der Flamme tritt dag Grab; Sie fhütteln Sand und Moder Von ihren Panzern ab.

Es funfeln die uralten Gewaffen durch die Nacht;

Es weh'n der Chlamys Falten In alter, blut’ger Pracht.

Sie weh'n um eine Stirne, Sn der e3 kocht und gahrt. Der Held, als ob er zürne, Tief athmend fahrt an's Schwert.

Er träumt: in hundert Neichen Erhebt fih ihm ein Thron.

Er zieht mit gold’nen Speichen Einher, wie Ammon’s Sohn.

101

Es jauchzt ihm taufendfehlig Der glüh’nde Orient; Derweil die Flamme mälig Berglimmend niederbrennt.

Die feid’ne Schnur. 1. |

Im Harem weilt der Großweſſir; Mit Dolch und Flinte vor der Thür Steht Wache haltend der Arnaut; Auf eines Tigers bunter Haut

Liegt der Gebieter. Schleierlos, Kein Gurt umfängt den vollen Schoos, Aus Purpurfalten glänzt wie Schnee Ihr Fuß mit ringgeſchmückter Zeh',

Entfeſſelt rollt ihr Haupthaar hin Ruht ſchlummernd die Circaſſierin An ſeiner Bruſt; vom Kaukaſus Der Demant glänzt am Bosphorus.

Sein Auge glühtz fein Barthaar wallt Auf die wollüftige Geftalt.

Sie träumt; fie lächelt; der Email

Der Zähne glänzt; „Birgt dein Serail

103

Soliman, ſolch ein Weib?“ Er ſinkt Zu ihr hinab; brünftig umſchlingt

Er fie, berauſcht von ihrem Hauch, Von Mofhusduft und Ambraraud.

2.

„„Ein Neitertrupp! der Aga der Eunuchen, Juſſuf!““ „Bringt ihn her!” Sufuf, der Neger aus Dar Fur,

Reicht grinfend ihm die feid’ne Schnur.

3.

Wie die Dafe der Samum

Berfengt, gleichwie das Opium Betäubt, wie gift’gen Hauchs die Peft Hinwirft, und ihren Raub nicht laßt:

So treffen des Verſchnitt'nen Worte Den Großweflir der hoben Pforte.

Sein Mund wird blau, fein Antliß fahl; In Stüde reißt er feinen Shawl.

104

„Daß dich des Blitzes Glut verfehrt, D Maulbeerbaum, der du genährt

Den Wurm, der diefe Seide ſpann! Berdorren foll die Hand dem Mann,

Der Enechtifch diefe Schnur gedreht, Die von Roßſchweifen einft umweht! An Leila’3 meine Zeit ift um!

Das Schiefal will es! Opium!

Ha, daß mich Fein Rhodiſer Spieß

Sm Handgemenge jäh durchftieß!

Ha, daß mich nicht im gold’nen Mörfer Zerftampfte der ſiegtrunk'ne Perfer!

Sch ward verfchont! der Strang von Seide War mir beftimmt!“ er finntz der Scheide Nimmt er den Dolch; hin fliegt die Schnur

Auf des Gemaces Teppichflur.

Leila's Gelock, lang, wallenden Falls, Schlingt er fih um den fehn’gen Hals; Feft knüpft er es; fie fehläft; das Erz Stoßt er ihr abgewandt durch's Herz.

Be zuckt Baia entflieh'n; Die Haare fie erdroſſelt ihn!

Um feinen Mund fpielt gräßlich Lächeln, Dumpf durch's Gemach fallt Beider Röcheln.

106 |

Der Tod des Führers.

„Von den Segeln tropft der Nebel, Auf den Buchten zieht der Duft. Zündet die Latern' am Maſte!

Grau das Waſſer, grau die Luft. Todtenwetter! zieht die Hüte! Mit den Kindern kommt und Frau'n! Betet! denn in der Kajüte

Sollt ihr einen Todten ſchau'n!“

Und die deutſchen Ackersleute Schreiten dem aus Boſton nach, Treten mit geſenktem Haupte

In das nied're Schiffsgemach. Die nach einer neuen Heimath Ferne ſteuern über's Meer, Seh'n im Todtenhemd den Alten, Der ſie führte bis hierher;

107

Der aus leichten Tannenbrettern Zummerte den Hüttenfahn,

Der vom Nedar fie zum Rheine Trug, vom Rhein zum Dcean;

Der, ein Greis, fich fhweren Herzens Losriß vom ererbten Grund;

Der da fagte: „Laßt ung ziehen!

Laßt uns fchließen einen Bund!“

Der da ſprach: „Brecht auf nach Abend! Abendwärts glüht Morgenroth!

Dorten laßt uns Hütten bauen,

Wo die Freiheit halt das Loth!

Dort laßt unfern Schweiß ung ſäen, Wo Fein todtes Korn er liegt!

Dort lapt uns die Scholle wenden,

Wo die Garben holt, wer pflügt!

Laſſet unſern Herd ung tragen In die Walder tief hinein! Laſſet mich in den Savannen Euren Patriarchen fein!

108

Last ung leben, wie die Hirten Sn dem alten Teftament! Unfrres Weges Feuerfäule Sei das Licht, das ewig brennt!

Diefes Lichtes Schein vertrau’ ich, Seine Führung führt ung recht! Selig in den Enfeln ſchau' ich

Ein erftandened Geſchlecht!

Sie ac, diefen Gliedern gönnte Noch die Heimath wohl ein Grab! Um der Kinder willen greif’ ich Hoffend noch zu Gurt und Stab.

Auf darum, und folgt aus Gofen, Der Vorangegang’nen Spur!” Ach, er fchauete, gleich Mofe’n, Kanaan von ferne nur.

Auf dem Meer ift er geftorben, Er und feine Wünfche ruh'n;

Der Erfüllung und der Taufchung ‘ft er gleich enthoben nun!

Rathlos die verlaſſ'ne Schaar jetzt, Die den Greis beſtatten will. Scheu verbergen ſich die Kinder, Ihre Mütter weinen ſtill.

Und die Männer ſchau'n beklommen ach den fernen Uferhöh’n,

Wo fie fürder diefen Frommen Nicht mehr bei fih wandeln feh’n.

„Bon den Segeln tropft der Nebel, Auf den Buchten zieht der Duft! Betet! laßt die Seile fahren!

Gebt ihn feiner naffen Gruft!“ Thranen fließen, Wellen raufchen, Grellen Echrei’s die Möve fliegt; In der See ruht, der die Erde Fünfzig Jahre lang gepflügt.

110

Der Waſſergeuſe.

Die Nordſee hat den Todten An's Ufer ausgeſpie'n;

Der Fiſcher ſieht ihn liegen, Und ſchreitet von der Dün’.

Er drüdt aus feiner Schärye Das Waffer und das Blut; Er Lüftet ihm den Panzer, Und nimmt ihm ab den Hut;

Den Hut mit bunten Federn, Mit Halbmond und Agraff, Meerfand verklebt die Umfchrift, Das: „Lieber Türf, als Pfaff!“

Was Lüfteft du den Panzer, Und trägſt den Mann an's Land? Nie mehr zu Schwert und Steuer Greift dieſes Ritters Hand.

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111

Als er, fih nahzufhwingen, Des Spaniers Bord gepadt, Beim Entern hat ein Schiffsbeil Die Kauft ihm abgehadt.

Er ftürzte jäh zurüde;

Das Meer begrüßt’ ihn dumpf. Hier warf’s ihn aus; noch blutet Der unverdbund’ne Stumpf.

Nach Seelands Ufern ſchwemmt' es Den ritterlichen Leib.

An Frieslands Küfte findet

Die Hand ein blühend Weib.

Ein Anfer, ſchwarz und roftig, Dom Wellendunfte feucht, Steht aufrecht dort, ein Weiler, Wie weit die Meerfluth fteigt.

Auf den ſich lehnend, ſpäht fie, Ob nicht ein Segel fchwillt,

Ob nicht ein Wimpel flattert, Recht wie der Hoffnung Bild.

Da kommt die Hand geflogen, Als wär's zu Drud und Gruß. Die bleichen, ſtarren Finger Berühren ihren Fuß.

Und an der Finaer. Einem Glänzt dunkelroth ein Stein; In den fieht man gegraben Die Falken und den Leu’n.

ticht raufcht fortan den Seven Der Falken Flügelfchlag:

Dies ift die Hand des Löwen, Der ihr zu Füßen lag;

Für deflen Stirne fürder

©ie feine Kränze fliht.

Es fängt fhon an zu dammern; Sch feh? ihr Antlig nicht.

Sch fehe nicht, ob dunkel

Ihr Aug’ in Thranen fchwimmt ; Doch ſeh' ich, wie.fie zitternd Die Hand vom Boden nimmt,

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men meifen Shleier Die blut’gen Nefte hüllt, Und heim wanft durch die Dünen, SER mehr der Hoffnung Bild.

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eiligrath, Gedichte.

Eine Geufenwacht.

Es war bei einem Zapfer Im Weichbild Rotterdams, Da becherten fie tapfer

Sn Federhut und Wamms. Sie ritten nad Vliſſingen, Und wollten zieh'n vor Tag; Mit Trinken und mit Singen Hält man ſich leichtlich wach.

Die Maas iſt zugefroren, Von Eis glänzt jede Gracht. Den Mantel um die Ohren

Steht vor der Thür die Wacht.

Eiszapfen, Schneegeträufel Liebt auch kein Hell'bardier: „Die Zapfen hol' der Teufel! Den Zapfen lob' ich mir!“

ud

115

Doch drinnen, aufzuthauen

Den Frierer auf der Hut, Schallt’s: „Wilhelm von Naſſauen Bin ih, von deutfchem Blut. Ein Prinze von Dranien

Bin ich frei unverwehrt!

Den König von Hifpanien

Hab’ ich allzeit geehrt.”

Er ftellt fih vor die Scheiben Und fchaut in das Gemad:

Da ift ein wüftes Treiben,

Da fpricht man von der Sad’, Für die man zieh’n und fechten, Und Blut will laſſen gern.

Sie reden und fie rechten,

Die Enebelbärt’gen Herrn.

Gefcheuert an den Wänden Reih'n fich die Fäſſer blanf; Die Wirthin mit behenden Schenfmädchen übt den Schanf.

116

hr Haar ſchmückt ftatt des Bandes Ein Goldblech, Frieg’rifch ſchier, Der Frauen: diefes Landes Gewohnte Schläfenzier.

Das eilt fih an den Tifchen Wird oft der Krug geleert, Da fißen die Neiter, zwifchen Den Knien ihr gutes Schwert. Wohl ift des Hutes Feder Bon Pulverdampf vergilbt, Doch Feed hat ihn ein Feder Auf's blonde Haar geftülpt;

Und keck wird er gefchwungen,

Der Wein fprikt in die Höh’,

Bon fünfundzwanzig Zungen Vernimmt man; —— les Gueux!“ Und wenn die Krüge tröpfeln,

Wenn jeder Kelch geleert,

Dann werden mit den Klöpfeln

Die Gläfer umgekehrt.

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117

Dann gibr’3 ein helles Klingen, Dann werden Gloden draus, Dann läuten fie mit Singen König und Herzog aus.

Dann «greift ein jeder Reiter Bon felbft nach feinem Schwert, Dann fingt ein jeder Lauter, Daß man ed weithin hört:

„Raſch, fiebenzehn Provinzen, Stellt euh nun auf den Fuß! Empfanget nun den Prinzen Mit freundelihem Gruß! Stellt euch zu fein’n Panieren, Jeder als treuer Mann!

Thut helfen verlogiren

Duc d'Alve, den Tyrann!

Nicht um euch zu verderben, Kommt er, dies treulich glaubt! Er läßt euch wied’rum erben, Was man euch hat geraubt.

118

Zu gut dem König von Spanien Thut offenen Beiftand

Dem Prinzen von DOranien,

Als feinem Leutenant.

Sein’ Trommeln und Trompeten Bringen euch Fein Dangier!“

„Das klebt am Tifch, wie Kletten!” Spricht da der Helf’bardier,

Gr ruft; „Nun laßt ung jagen Zum Grafen von Lume!

Es fängt fhon an zu tagen,

Auch leuchtet und der Schnee!“

Sie hören auf zu fchellen:

„Ruft der uns fchon zu Hauf?“ Sie ziehen aus den Ställen

Die No’, und fißen auf.

Es geht im fcharfen Trotte

Durch die bereifte Früh’;

Gen Süden von der Notte

Zur Schelde traben fie.

Terzinen

Die iriſche Wittwe.

Ich leſe wenig jetzt in Zeitungsblättern, Und will mich gern, daß ich es laſſe, ſchamen. Zuweilen nur, um das Trompetenfchmettern Bon den Gefhwadern Mina’s zu vernehmen; Und am Pirdus Ludwigs Sohn zu fchauen, Wie er ihn füllt aufs Neue mit Triremen; Um ſtill erfreut zu fegnen Deutfchlands Frauen, Die da ihr Scherflein bringen allerorten, Daß ihrem Sänger man ein Mal kann bauen; Und mit dem Herold an des Klofters Pforten Für Kaifer Franzen Einlaß zu begehren, Gerührt zu laufchen feinen legten Worten, Und die Gebete feines Volks zu hören; Um an dem Tag, wo Er und zwei Genoflen Paris fich öffnen fahen ihren Heeren

122 zum Nihein zu geh’n, zum Platz, wo man erfchoffen Eilf Männer Schills; ein ehern Monument Wird heut enthüllt dort, wo ihr Blut gefloffen Um Das und And’res, was ihr jeßt fchon Fennt, Aus minder Tröftlihem herauszufifchen, Nehm' ich zuweilen, was man Zeitung nennt. Sp faß ich auch, zwei Monden find es, zwifchen Kaufherrn und Schiffern auf dem Kaffeehaufe, Und blätterte, das Herz mir zu erfrifchen, Um mich herum war Summen und Gebraufe, Und laut Geruf; fo grade lef’ ich gerne! Bier Sprachen hör’ ich nicht auf meiner Klaufe. Welſch, Danifh, Englifh das erft bringt die Ferne, Bon der ich lefe, meinem Geifte nah. So denn am Herd, vertrauend meinem Sterne, Land im Papiermeer fuchend, faß ich da. Nings auf den Tifchen Elapperten die Steine Des Domino; „à Point!” und drauf: „Voint a!“ Begann der Zahler drüben fein Gegreine. Nichts! Umgefchlagen! Ha, was ift dag? Gott! Es lauft mir falt durch Adern und Gebeine. Täuſcht mich ein Traum? bin ich des Schreibere Spott? Nein, es ift wahr! es hat fich zugetragen! Ahr Tage find es kaum! ich hör’ den Trott

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Der Neiter noch, die nach der Hütte jagen!

Hört: weil ein irifch Weib, in Wirtwennöthen, Den Zehenten nicht zeitig abgetragen,

Ließ ihr den einz’gen Sohn ein Priefter tödten! Fünf Pfund! ein Priefter! einer Wittwe Sohn! Die Kippe bebt mir, aber nicht zu beten,

Und die von felbit geballten Fäufte droh'n. Ohnmahtig Zürnen! nennt es nicht fo! ward Das Wort mir nicht, zu züchtigen den Frohn ?

Dies Blatt ift einzig für die Gegenwart,

Den Augenblid, fort weht es mit der Stunde; Doch um den Dichter drangen fich geichaart

Die Enfel noch, was er mit feinem Munde Gebrandmarft, bleibt es; mächtig dringt das Lied Sn Ohr und Herzen, forgend, daß die Kunde

Nicht untergeht. Don Zornesloh’ durchglüht, Wollt’ ich das Bild mit feinen Fleinften Zügen Da liegt der Sohn! ftarr! blutig jedes Glied!

Der Fnie'nden Mutter greife Haare fliegen!

Euch augenblicklich vor die Seele ftellen, Treu, Strich für Stridb, und Feiner follte lügen.

Es war fo leiht! es war Gedicht! doch Schellen Des Neims zu hängen an dies Witrwenkleid Sch mocht’ es nicht! So meines Zornes Wellen

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Dammt’ ich zurüd in meine Bruft bis heut’, Und habe nicht im Liede fie ergoflen. Set dene’ ich wieder an das Herzeleid

Der Zitternden, der man den Sohn erfchoffen. Zwei Monden find eg Eurze Zeit fürwahr! Und doch, in mir wie dammernd, wie zerfloffen

Das düſt're Bild, wie farblos ganz und gar! Sch fragte haftig nach dem alten Blatte: DBerflattert war es langft, und Keiner war,

Der da bewahrt in feinem Herzen hatte Die Schandthat des Entweihers feiner Weihen. Da fuhr ich auf, warf zürnend auf die Latte

Den Zeitungsſtoß; faſt wollt’ eg mich gereuen, Daß ich geſchwiegen, da noch friſch im Ohr Mir klang der Mutter herzzerreißend Schreien.

Es iſt geſcheh'n! doch red' ich jetzt; verlor Sich in mir auch des erſten Eindrucks Friſche, Doch-führ? ich das Entſetzliche euch vor,

Auf daß nicht ganz die Seit fein Bild verwifche. Wer wehrt eg mir, daß Schatten ich befchwöre? Wohl red’ ich nicht, wie am Gefchwornentifche

Die Wittwe fprach, berufen zum Verhöre;

Mit beffern Worten fprach fie, und mit fchlichtern. Doch vor der Hütte blißen die Gewehre!

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Hört eine That, wie fie noch nicht von Dichtern Befchrieben ward! hört eines Prieſters Schmach! So ſprach die Wittwe Ryan zu den Nichtern:

„Sch war auf’s Feld gegangen jenen Tag,

Unfern vom Dorf; e3 lag zu meinen Füßen. Und da mir Die gefagt: ich komme nad,

So harrt’ ich fein. Auf einmal hört’ ich fchießen, Und durch die Dacher fah den Dampf ich weh'n. Da kam des Nahbars Weib mit haft’gem Grüßen;

Die fragt’ ich zitternd: habt ihr Die gefeh’n?

Sie ſagte: nein! doch drin im Dorfe wüthet Der ſchwarze Bill, und vor den Hütten fteh’n Dragonerhaufen, denen er gebietet. Mit Schwert und Feuer will er zücht’gen Jeden, Der nicht alsbald den Zehnten ihm vergütet. Sch Feuchte heim, entſetzt ob ſolchem Neden; Sch felber ja noch fehuldete dem Harten. Denn ih bin arm! Mißwachs und Hagelichäden

Mein Gatte todt wohl müht in Feld und Garten

Mein Die fih ab! o Gott, er war fo gut, Und feine Freude war es, mein zu warten! Doch wollte fih nicht mehren unfer Gut, Und dünn und dürftig fielen unfre Garben, Der Mann im Chorrod drüdt ung. bis auf's Blut

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Um ihn zu fatt’gen, mußten wir oft darben.

Sch war ihm fchuldig grade jetzt fünf Pfund

Und achtzehn Schillinge; vor Chrifttag ftarben Zwei Kühe mir: dies des. Verzuges Grund,

Sch Fam in’s Dorf; da hielten die Soldaten,

Da, Zehnten fordernd, ritt der Mann, dep Mund Nicht uns! das Wort lehrt! Der und ſolche Thaten!

Zertrümmert war die Pforte meiner Hütte;

Sch war betäubt und wußte nicht zu rathen. Doch trat ich naher mit verzagtem Echritte,

Und fprach fußfällig ihn um Nachſicht an.

Er aber wies mich ab, und ſchwur, er ritte Nur mit dem Zehnten aus des Dorfes Bann;

Er doch mein Sohn? es fallt mir ſchwer auf's Herz!

Mas redet er nicht mit dem harten Mann? Mein Die! die Nachbarn deuten fcheunenwärts,

Wie ich den Namen meines Sohnes nenne.

Sch fchreit’ hinein ihr habt von Mutterfchmerz Wohl reden hören? fehet, auf der Tenne

Kalt, leblog liegt er, eine Sünglingsleiche,

Vom Tod entftellt, doch kenn' ich ihn! ich Fenne Mein eigen Blut! o Gott! ich Enie, ich ftreiche

Aus feiner Stirn das blonde, fehlichte Haar;

Sch nehm’ die Hand, die blafle, marmorgleiche;

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Die Arme fteif, dag braune Antlig war Bedeckt mit Faltem, Faltem ZTodesichweiße; Der Mund halb offen, doch des Odems baar,

Und von den Augen ſah ih nur das Weiße; Born aus der ade quoll das dunfle Blut. D Gott, mein Sohn, mein einz’ger Sohn! ich reiße

Das Hemd ihm auf, Einhalt zu thun der Fluth: Die Kugel war ihm recht durch's Herz gegangen. Beſchützen wollend feiner Mutter Gut,

Hatt’ auf des Priefters Winf er fie empfangen. Da lag er leblos auf den harten Steinen,

Und Todtenbläffe lag auf feinen Wangen.

Sch weinte nicht o Gott, ich kann nicht weinen! Sch fah ihn an, und fah ihn an fortiwenden Die glüh’nden Augen konnt' ich nicht von feinen

Erftarrten Zügen mag ich mit den Händen Sie auch bededen, mag ich feft fie fchließen,

Doch feh’ ich ihn! und ließet ihr mich blenden,

Sch fäh? ihn noch, wie er zu meinen Füßen Sm Blute lag! ich feh’ ihn Tag und Nacht, Doch Thränen, weh’ mir! Fann ich nicht vergießen.

Schlaf? feit dem Tage hab’ ich nur gewacht,

Und meine ftarren alten Augen glüh'n, Zu fpringen droh’nd; doch feine fchloß ich facht

128

Mit diefer Hand; die Krieger draußen fehrien. Alfo geſchah's, ich hab’ euch Nichts verhohlen!“ Sch bog mich fehürend vor in den Kamin,

Und eine Thräne ziſchte in die Kohlen.

129

Die Griebin. December 1834.

Der König fteigt von dem Gebirge nieder,

Bon Vallifaren Eriegerifh umgeben.

Sm Thal liegt Delphi. Schwärzlich von Gefieder Sieht einen Adler er voran fich fchweben.

D du, von Dem am Thron des Donn’rers ftammend,

Sei ihm ein Zeihen! Mehr und mehr erheben Die Schatten fich; im Abendrothe flammend

Die höchſten Zinfen nur auf dem Parnaffe,

Sonſt Nebelihichten rings fchon im umdammend! Sie find in Delphi; da, vorn in der Gaffe,

Stellt eine Greifin fih dem Fürften dar.

Lang auf ibm ruh’n laßt fie das thranennafle,

Freiligratk, Gebdidte. 9

130 A Fa

Berklarte Aug’; fchneeweiß wallt ihr das Haar! Ein Achtzigjähr’ger muß die Mutter fügen, Denn diefes ift ihr hundertzehntes Sahr. |

Und alfo fpricht fie: „Magſt du. lange fißen,

D König, auf dem neugebauten Throne! Mag lange Zeit auf deinen Locken bligen

Des auferftand’nen Griechenlandes Krone!

Von dir, wie würdig fie ein Fürft trägt, lerne Der Enfel noch von meines Enkels Sohne!

Dein Volk vermehre fich, gleichwie die Kerne Der Aepfel des Granatbaums, meiner Spende! Bon deinem Ruhm erſchalle weit die Ferne!”

Und Otto nimmt, was zitternd ihm die Hande Der Greifin reichen: da bricht log der Schwarm; Die Fadelträger fchwingen ihre Brande;

Mit Zweigen winfend, hebt fih mancher Arm;

. Die Mädchen bringen frifche Blumenfronen, Der Aermſte fpendet heut’ ift Keiner arm.

Die am Parnaß und am Kithäron wohnen,

Mir ihren Schwertern raffelnd ſteh'n fie de:

„Dem Erften Heil von Griechenlands Ottonen!” Sch hab’ es euch erzählt, wie es gefchah;

Ihr habt e3 in den Blättern felbft gelefen,

Ihr Eennt fie längft, die neue Pythia!

131

Doh mich hat Diefer Frau prophetiich Wefen,

Mich diefer Zug des Herrichers tief bewegt. Erwacht ift Hellas! Hellas iſt genefen!

Der lange blut’ge Traum ift aus es fchlägt Die Augen auf, und vor ihm fteht ein Netter, Der auf die Kettenmale Balfam legt.

Da regt Dodona’s Baum die heil’gen Blätter, Durch Tempe zieh’'n der Opfer Wohlgerüche, Vom Iſthmos dröhnt’s, wie Kampf und Horngefchmetter,

Und wieder tönen der Drafel Sprühe

Hat nicht der Mund der Pythia geredet? Und Er, der fie vernahm, der Jugendliche,

Durchzieht fein Land, vor Kurzem noch verödet, Herven gleih. Wie, mit dem Neftoriden,

Des Sthafers, der Troja mit befehdet,

Behelmter Sohn, als fie von Pylos fchieden, Erfcheint er mir. Er ruht auf Schlachtgefilden, Und Heldenfchatten wachen bei dem Müden.

Er hört das Klirren von Spartanerfchilden ;

Athen fein Haus! nach der Afropolis

Tönt aus der Ferne Ludwigs Lyra! Gülden Erhebt die Sonne fih; an dem Gebiß Sieht ungeduldig man die Nenner nagen;

Sie wiehern freudig, daß die Finfternif

132

Dem Morgen weicht; fie ftampfen und fie fchlagen Doch fieh’, die Geißel nimmt Veififtratos. Delphi erwacht; der Fürft befteigt den Wagen, Staub wirbelt auf Chaire, Telemachos!

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nirdnaral

Der Mlerandriner.

Spring an, mein Wüftenroß aus Alerandria!

Mein Wildling! ſolch ein Thier bewältiget Fein Schab, Kein Emir, und was fonft in jenen

Deftliben Ländern fih in Fürftenfätteln wiegt;

Wo donnert durch den Sand ein foldher Huf? wo fliegt Ein folher Schweif? wo folhe Mähnen?

Wie es gefchrieben fteht, fo ift dein Wiehern: Ha! Ausihlagend, das Gebiß verachtend, ftehft du da;

Mit deinem lofen Stirnhaar buhlet

Der Wind; dein Auge blist, und deine Flanke ſchäumt: Das ift der Nenner nicht, den Boileau gezäumt,

Und mit Franzofenwiß gefchulet!

136

Der trabt bedächtig durch die Bahn am Leitzaum nur; Ein Heerftraßgraben ift die leidige Cäſur

Für diefen feinen, ſaubern Alten.

Er weiß, daß eitler Muth ihm weder ziemt noch frommt: Sp fehnäufelt er, und hebt die Hüflein, fpringt, und kommt An's and’re Ufer wohlbehalten.

Doc dir, mein flammend Thier, ift fie ein Felfenriß Des Sinai; zerbrecht, Springriemen und Gebiß! Du jagft hinan da klafft die Nike!

Ein Wiehern und ein Sprung! dein Hufhaar blutet, du Schwebſt ob der Kluft; dem Fels entlodt dein Eifenfhuh Des Echo's Donner und des Kiefels Blitze!

Und wieder nun hinab, wühl’ auf den heißen Sand! Borwärts, laß tummeln dich von meiner fichern Hand, Sch bringe wieder dich zu Ehren,

Nicht achte du den Schweiß! fie’, wenn es dämmert, len?’ Sch langfam feitwarts dich, und ftreichle dich, und trank Dich laffig in den großen Meeren.

137

Vier Roßſchweife. Im Eilwagen am 15. Juli 1832, x

Drei Stutenfchweife weh’n, der gold’ne Halbmond blinft; Im Bügel hebt fi hoch, den Damascener fhwingt

Der ftolze Paiha von Aegypten.

Ein Hengitichweif, lang und ſchwarz, auf einem blanfen Spiep Weht flatternd vor dem Zelt des Dei’s von Tripolis, Beihüßt von feines Heers Gelübden.

Ein Mamelufentrupp, mit Waffen fehwer bepadt,

Im Gurt Piftel und Dolch, die krummen Säbel nadt, Bewacht die taufendhaar’ge Fahne.

Der Feldherr fißt im Zelt, fein Auge glüht vor Luft; Er lehnt fein bärtig Haupt an einer Sklavin Bruft Auf goldbefrangter Ottomane,

138

Mir fpannt man Fein Gezelt; an meine Wange fchmiegt Sich Fein Tſcherkeſſenkind! Fein Kanzenreiter wiegt

Für mich den Fuß im gold’nen Neife;

Kein Halbmond ward mein Kohn nach einer Perferfchlacht Doch vor mir, ſtaubumwölkt, auf Fliegenmord bedacht, Weh’n lang und dicht vier Nappenfchweife.

Mir raufcht der Bospor nicht, wie Stambuls Padiſchah; Mir bluter nicht, wie einft dem Herrn von Janina,

Der Feinde Haupt auf ſpitzen Öattern;

Kein Scheif der Wüfte bringt mir feines Landes Zoll Doch mir, wie jenen, fliegt vierfaches Schweifgerol! Glückauf! zur Heimath weht fein Flattern!

139

Afrikaniſche Huldigung.

eh lege meine Stirn auf deines Thrones Stufen;

Sch führe diefes Heer von hunderttaufend Hufen,

Sch führe diefen Raub und diefen Sklaventroß,

Sch führe diefe Schaar von Ningern und von Schüßen, Die mit dem Dolch gewandt den Bauch der Feinde ichlißen, Zurüd, o König, vor dein Schloß!

Gewonnen ift die Schlahr! Wir waren gute Schlachter! Der Feinde König fiel, ein fchlanfer, wilder Fechter; Sein langer Hals war nadt, mein Säbel fchnell und fcharf. Im Sande liegt fein Rumpf, der Tigerin zum Mahle. Erlaube, daß ich dir auf diefer gold’nen Scale

Sein triefend Haupt verehren darf.

140

Es trieft von Dele nicht, von Narden und von Salben: Es trieft von rothem Blut, Gebieter! deinethalben! | Doch dir zum Salböl wird dies dunkle Dfehaggasblut. | Sch ſalbe dich zum Herrn des Neiches, das ich raubte; Die volle Schale leer’ ich über deinem Haupte

Auf deiner gold’nen Krone Glut.

Und jene, die gezadt und blank mit gelbem Scheine Dies todte Haupt umblikt, jeßt ſchmücke fie das deine! Heil, daß ich ihren Glanz auf deiner Stirne feh’! Führt die Gefang’nen vor! fehwingt die gewicht’gen Keulen, Und durch Trompetenfhall und der Erfchlag’nen Heulen Jauchzt: Heil dir, Fürft von Dahomeh!

J

141

Florida of Boston.

28. Mür; 1833.

Das Weltmeer trug dich gern; du fchwimmft am Ziel der Reiſe.

Dies ift des Hafens Thor! nur noch durch diefe Schleufe,

Und deinen Kupferbauch umplätichert das Baſſin!

Wie fih auf dem Verdeck die rüft’gen Lootfen drangen!

Zur Arbeit fingen fies einfah, mit rauhen Klängen

Schallt über’s Waffer der Refrain!

Bugfprier und Maften Eahl; die Segel find mit Schnüren Zu Bündeln eingerefft; hier gilt es, zu bugfiren! Die Anferwinde Enarrt, das Schiff rüdt langfam vor. Raſch mit den Speichen dreht fich Weißer und Mulatte, Und majertätifch zieht die fchwanfende Fregatte

| Durch das weitoff’ne Schleufenthor.

142

Bon oben Eann ich jekt auf fie hinunterfchauen; Mit ihrem Takelwerf, mit ihren mächt’gen Tauen Grreich’ ich fie beinah’ mit ausgeftredter Hand,

Vor mir und unter mir der Schiffer gelbe Hüte; reufundlands Dogge heult am Eingang der Kajüte, Und blickt umher, und will an's Land.

Auf einer Tonne fißt der Steuermann am Steuer;

Hier liegt das lange Boot, dort flammt das Küchenfeuer; Der Schiffskoch, Mais im Korb, tritt an den Hühnerftall, Mit voller Hand laßt er die Frucht durch's Gitter raufchen; Die Hennen drangen fich, und piden und belaufchen

Der transatlant’fchen Körner Fall.

Und trogig über euch, ihr Meeranacoreten,

Ihr Klausner auf der See, die ihr zwar fchlecht zu beten, Doch gur zu fluchen, und im Sturm zu läftern wißt, Auf dem DBefaanmaft hoch feh’ ich der freien Staaten Kothftreif’ge Flagge weh’n, wie fie der Hanfeaten, Holländer, Danen Flaggen grüßt.

ee 143

Der weißen Sterne Schein glänzt in der blauen Feldung; Sie bringt der alten Welt von einer neuen Meldung,

An deren grünem Strand das Schiff vorüberzog.

Sie jab den Strom des Golfs; fie ichredte den Flamingo Den icbarlahfarbigen, al3 er von Sanct Domingo Gen Norden zum Obio flog.

Dort, und am Erie-See, bei fleiß’gen Colonijten

Und Bibern will er ſtill an dem Geſtade nijten,

Bis wieder ihn zurüdf gen Süden treibt das Eis. Dort ſchwebt in Zügen er um dunkler Berge Firnen; Wie Indier ſteh'n fie da: um ihre braunen Stirnen Wallt brennendrotb ein Federfreis.

Dort rudern ungejtört Canada's wilde Schwäne Auf dem Ontario, wo der Huronen Käbne

Am Ufer liegen. Halt! verftummt ift der Refrain! - Im Schiffe wird es till jeßt tritt es aus der Schleuie

Beipült das ſchirmende Baſſin.

Hervor ein Huſſaruf! und feine Planfen leiie

.

144

Der Schwertfeger von Damaseus.

Ein hoher Gaft trat heut? in meine nied’re Schmiede, Der Fürft der Gläubigen, der tapf’re Abbaffide!

Sn mein Gewölbe fehritt der bartige Kalif!

Sein glänzendes Gefolg fah man mein Haus umringen; Er aber wählte fich die feharffte meiner Klingen

Mit diamantbefegtem Griff.

Die Waffe ließ er fich an feinen Gürtel binden,

Und fprengte faufend dann die grünen Tamarinden,

Den Sonnenfohirm des Markts, entlang mit feiner Schaar. Der Staub des Weges flog, gefegt von Stutenbaucen; Der Neiter Ferfe faß in den befhäumten Weichen,

Und Staunen faßte den Bazar.

145

Ich kreuzte demuthvoll auf meiner Bruft die Arme, Und fah vor meiner Thür dem friegeriichen Schwarme Bis an die Pforte nach, die gen Aleppo führt:

„D mächtiger Prophet, befhüge deinen Enfel,

Und gib, daß lange.noch die Starke feiner Schenfel Sein Beduinenroß regiert!

Und du, mein frummer Stahl, leb’ wohl, aus meiner dunfeln

Werkſtatt ziehit du hinaus! In Schlachten on: du funfeln!

Bald Elirrft du, wo dein Blig ein Volk von Reitern lenkt!

Da ſchwärmen durch den Sand ſpießwerfende Geſchwader,

Den wilden Roſſen ſchwillt vor Kampfluſt jede Ader,

Und alle Zügel find verhängt.

Da ſiehſt du, zahllos wie der Sand, auf den fie treten, Des Feindes Heere nah’n den Kindern des Propheten. Durch unfre Reihen fliegt anordnend der Weflir.

Noch wartet der Kalif. Da fchmettern die Fanfaren, Und feine Linfe läßt den Zaum des Hengites fahren, Und feine Rechte fährt nach dir.

Freiligrath, Gedidte. 10

146

Dann fehwelaft in Blute du, geführt von der geballten Kalifenfauft, und dampfft, und züngelft aus den Falten Des Aermels, der die Hand des Mächtigen bededt, Wie in Arabien und auf den Öden, flachen Sandftreden Soriftang aus eines Schafald Rachen

Die biutgetränfte Zunge ledt.

Dann zudft du himmelan, wie eine rothe Flamme, Bei deren Lodern Nachts ein Dichter feinem Stamme Bon Genien und Feen erzählt am rothen Meer.

Und diefe Flamme, die den Orient entzündet,

Und bald im Dceident des Oftens Macht verfünder Ans meiner Eſe ſtammt ſie her!“

147

Der Scheif am Sinai im Spütjahr 1830.

Tragt mich vor's Zelt hinaus ſammt meiner Ottomane Sch will ihn ſelber ſeh'n! Heut’ kam die Karavane Aus Afrika, fagt ihr, und mit ihr das Gerücht?

Tragt mich vor’s Zelt hinaus! wie an den Waſſerbächen Sich die Gazelle legt, will ich an feinem Sprechen Mich legen, wenn er Wahrheit fpricht.“

Der Scheif faß vor dem Zelt, und alfo ſprach der Mohre: „„Auf Algiers Thürmen weht, o Greis! die Tricolore, Auf feinen Zinnen raufht die Seide von yon;

Durch feine Gaffen dröhnt früh Morgens die Neveille, Das Roß geht nah dem Takt des Liedes von Marfeille Die Franfen famen von Toulon.

148

Gen Süden rüdt das Heer in blißender Kolonne ;

Auf ihre Waffen flammt der Barbaresfen Sonne, Tunefer Sand umweht der Pferde Mahnenhaar.

Mit ihren Weibern flieh’n die Enirfchenden Kabylen; Der Atlas nimmt fie auf, und mit dem Fuß voll Schwielen Klimmt durch's Gebirg’ der Dromedar.

Die Mauren ftellen fich; vom Streit gleich einer Eſſe Glüht ſchwül das Defile, Dampf wirbelt durch die Päſſe; Der Leu verläßt den Neft des halbzerriff’nen Reh's.

Er muß fih für die Nacht ein ander Wild erjagen. Allah! Feu! En avant! Keck bis zum Gipfel fchlagen Sich durch die Aventuriers.

Der Berg trägt eine Kron’ von blanfen Bajonetten; Zu ihren Füßen liegt das Land mit feinen Städten Vom Atlas bis an's Meer, von Tunis bis nah Fe. Die Neiter fißen ab; ihr Arm ruht auf den Croupen; Ihr Auge fchweift umher; aus grünen Myrtengruppen Schau’n dünn und ſchlank die Minarets.

149

Die Mandel blüht im Thal; mit fpisen, dunfeln Blättern

Troßt auf dem Fahlen Fels die Aloe den Wettern;

Gefegnet ift das Land des Bey's von Tittery.

Dort glänzt das Meer; dorthin liegt Franfreih. Mit den bunten

Kriegsfahnen buhlt der Wind. Am Sündloh glüh'n die Lunten;

Die Salve kracht ſo grüßen ſie!““

„Sie ſind es!“ ruft der Scheik „ich focht an ihrer Seite!

O Pyramidenſchlacht! o, Tag des Ruhms, der Beute!

Roth, wie dein Turban, war im Nile jede Furt.

Allein ihr Sultan? ſprich!“ er faßt des Mohren Rechte;

„Sein Wuchs, ſein Gang, ſein Aug'? ſah'ſt du ihn im Gefechte?

Sein Kleid?“ Der Mohr greift in den Gurt.

„„Ihr Sultan blieb daheim in ſeinen Burggemächern; Ein Feldherr trotzt für ihn den Kugeln und den Köchern; Ein Aga ſprengt für ihn des Atlas Eiſenthür.

Doch ihres Sultans Haupt fieh’ft du auf diefem blanfen Goldſtück von zwanzig Francd. Ein Neiter von den Franfen Gab es beim Pferdehandel mir!”

150

Der Emir nimmt das Gold, und blickt auf das Gepräge,

Db dies der Sultan fei, dem er die Wüſtenwege

Bor langen Sahren wies; allein er feufzt und fpricht:

„Das ift fein Auge nicht, das ift nicht feine Stirne!

Den Mann hier Fenn’ ich nicht! fein Haupt gleicht einer Birne!

Der, den ich meine, tft es nicht!““

151

Um Kongo.

Sultanen, zaudert nicht! es gilt ein Feſt zu feiern! Berauſcht mit Palmwein euch aus halben Straußeneiern! Schmückt euch, wie jenen Tag, an dem des Harems Thor Sich vor euch öffnete! entfaltet eure beſten

Gewande! kleidet euch, wie ſonſt bei hoben Feſten!

Ein großes Glück ſteht euch bevor!

Die Menge draußen jauchzt, und die Batuken ſchallen, Vom vollen Nacken laßt den falt'gen Scharlach wallen! Hängt die Korallen um, aus denen Feuer ſprüht!

Die rothe Erde nehmt, die Wangen zu beſtreichen! Laßt euer Angeſicht dem Morgenhimmel gleichen, Wenn er in dunkler Röthe glüht!

152 Singt euer froh’ftes Lied! Tanzt durch die Palaftthüren Sn das Gewühl hinaus! zum Strome laßt euch führen, Wo um den König fich gelagert hat das Heer. Er ift zurücdgefehrt aus feinen Wüftenfchlachten, Ihr feufztet oft nach ihm; geftillt wird euer Schmachten! Fortan verläßt er euch nicht mehr!

Ihr feid beneidenswerth! zu allen Tageszeiten

Wird er jebt bei euch fein; er braucht nicht mehr zu ftreiten;

Das ganze Land ift fein, bis wo der Kongo quillt.

Kichts liegt ihm fürder ob, als unter euch zu weilen;

Für immer wird er jeßt mit euch das Lager theilen

Dort liegt er auf dem Kupferfchild!

Fahrt nicht zurüd! er ift’s, der Wildefte der Dſchaggas!

Wohl gleiht fein Mantel jekt dem ftreif’gen Fell des Duagga’s;

Blutftreifen zieren ihn! wohl ift fein Auge ftarr!

Wohl ift fein Arm gelähmt, der ung den Sieg erfochten!

Wohl fteh’n die Pulfe ftill, die einft fo feurig pochten

Bei Tamtamklang und Hufgefcharr!

153

Er bat den Sieg erfauft mit feinem eig’nen Blute; Kein Geriot, Fein Grisgri und feine Zauberruthe Erwedt ihn; durch dies Grab will er von binnen zieh’n In das glüdfel’ge Land, wo die Gejtorb’nen wohnen; Wo ftatt des Thaues Blut auf Gras und Blumenfronen Glänzt; Heil euch, ihr begleitet ihn!

Wohl zög’ er zürnend noch empor die finftern Brauen, Fänd’ er im Grabe nicht die dreimal fünfzig Frauen, Die lebend er umarmt! wir fenden euch ihm nad! Seht, wie fein Auge zudt! mit grünen Palmenzweigen Bedeckt den Harrenden! tanzt, und im wirrften Neigen Empfangt Schwertftreih und Keulenfchlag!

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154

Seipi».

Mate, du bift fehr reich! dein Saal ift voll von Pagen; Zweimal zehn Meilen zieh’n am Fluſſe die Plantagen Sich hin, wo man für dich die Baumwollftaude bau’t ; Wo man das Zuderrohr für dich mit Meffern fchneidet, Wo feine Kraft für dich der Kaffeebaum vergeudet,

Wo in den Raum des Schiffs man deine Ballen ftawt.

Maſſa, du bift fehr reich! wenn unter den Agaven

Der Vogt zufammenruft die Menge deiner Sklaven, So faßt fie faum der Plaß vor deinem Steinpalaft. Zwölf Pferde reiteft du; fünf Schiffe find dein eigen; Sie tragen deinen Ruhm in alle Welt; es zeigen

Den Namen, den du führft, die Flaggen hoch am Maſt.

155

Maſſa, du bift fehr reich! die Tochter des Greolen,

Leicht, wie am Mondgebirg der Zebraftute Fohlen,

Dient dir; o, welh ein Mund, o, welh ein Aug’! welh Haar!

Sie trägt ein Kleid von Flor, gefärbt mit Cochenille;

Erröthend reicht fie dir den braunen, mit Vanille

Gewürzten Frübetranf der Cacaobohne dar.

Maſſa, du bift fehr reich! dein Jagdhund beißt Diana;

Hat je ein Hund, wie der, die Wälder von Guyana

Durchrannt und ftöbernd das Tajaſſu aufgefpürt?

Weit trägt dein Doppellauf; dem hundertfarb’gen Fittig

Des Tukans ruft er: „Halt!“ Du fagft, er fen von Lüttich;

Mit einem Hirfchkopf ift der braune Schaft geziert.

Maſſa, du bift fehr reich! wenn drüdend heiß aus Werften Der ſchwüle Landwind weht, verichläfft du in Sieften Die Glut, der reihite Mann in Paramaribo.

Halbnadt liegft du auf der Vicunnawolle Quito’;

‘ch ftehe neben dir und fcheuche die Moskito's;

Ich bin dein Lieblingsfflav; du nennft mich Scipio.

156

Maſſa, du bift fehr reich! Dongola’s Fürften äßen

Die Speifen, die dein Koch in filbernen Gefäßen

Auf deine Tafel feßt, o Herr, zur Mittagszeit.

Dein Tiſch ift voll vom Gut des Landes und der Tiefen; Das würz’ge Schwalbenneft der fernen Lakediven

Und Selt’neres ift dir, Herr, Feine Seltenheit.

Maſſa, du bift fehr reich! wer zählte die Gerichte,

Womit man dich bedient, den Wein, die faft’gen Früchte?

Aus deiner Küche tönt den ganzen Tag Geräuſch.

Doch ein Gericht, v Herr, fehlt dir, dein Mahl zu krönen;

Kein and'res kommt ihm gleich an Wohlgeſchmack; die Sehnen

Stärkt es; o, zürne nicht! ich meine Menſchenfleiſch!

157

Un das Meer.

O Meer, verlieh'ſt du nicht den brennendrothen Saft, Den heil’gen Purpur, draus man Kön’gen Mäntel fchafft, Den Männern von Beryt und Tyrus?

D finft’res Meer, lag nicht in deiner grauen Fluth

Die dunfle Röthe, die mit königlicher Glut

Umfloß den Heldenleib de3 Cyrus?

O du, des fhwärzlihen Meergottes farb’ger Sohn,

Purpur, bededteft du nicht Aleranders Thron

Im Land der under und der Schthen?

D Meer, dein dunfler Schooß verbirgt ein Labyrinth

Bon Wundern; ift nicht auch die Perl’, o Meer, dein Kind?

Gebarft du nicht ſelbſt Aphrodite'n ?

158

‘a, du bift reich! ich fah bis auf den Grund dich, Meer! Wie dem von Sidon du die Mufchel gabit, daß er

Den Purpur auf die Wolle drüde:

Sp haft du meinem Blick dein Inn'res aufgethan,

Sp ließeft du im Geift mich deine Pracht empfah'n,

Auf daß fie meine Lieder ſchmücke.

Die alten Schäße, die auf deinem Boden ruh'n,

Die Horte, die man einft in dich verfenft, die Truh'n, Die durch das blaue Waſſer blißen;

Die Dracden, deren Mund blutrothe Flammen fpeit, Die, Scepter in den Klau’n, im Scharlachichuppenfkleid Das anvertraute Sur befchüßen;

Die Schlange, deren Leib, aleichwie ein Meridian,

Die halbe Welt umfpannt, die Keines Augen fah’n,

Als meine, die mit fieben Zungen

Das Eis des Nordpols leckt (— es ſchmilzt von ihrem Hauch,

Die Gleicherfonne fengt durch's Waſſer ihren Bauch,

Den Südpol halt ihr Schweif umfchlungen);

159

Die Städte, die dein Mund in feine Tiefe ri Als Wächter ſteh'n am Thor und fletichen das Gebiß Meermänner mit blutgier’gen Bliden —);

Den Seepolppen, der mit haar’gen Armen zudt, Den Leviathan, der den Mond dereinft verichludt, Wenn er vom Himmel fällt in Srüden;

Das Grab Neptuns in das, als er geftorben war, Als ihn Fein Steuermann mehr rief in der Gefahr, Als jeder fih an Heil’ge wandte,

An Fiichefänger auf dem See Gengzareth,

Und nicht an ihn mehr, dem der Aethiop das Fett Bon hundert Stieren einft verbrannte

Sein Grab, in welches ihn ertrunf’ne Nömer und Hellenen fie auch, die der rothaefärbte Sund

Bon Salamis verfchlang begruben,

Sich drüber legten, und o, weld ein Leichenftein! Aus ihrem eigenen verwitterten Gebein

Dem todten Gott ein Mal erhuben;

Die Flafchen, die der Ring des Salomo verfchloß, Die feit Sahrtaufenden dein Waſſer ſchon umfloß; Die Krüge, glafern oder irden,

In denen Geiſter find, entfeklich. von Geſtalt, Die losgelaffen dich, v Weltmeer, wie Asphalt Sn lichte Flammen feßen würden!

AP Hab’ ich es gefeh’n! du haft dich mir gezeigt, Auf dag mein Mund von dir und deinen Wundern zeugt, Uraltes Meer, vor meinem Sterben. '

Du reichft den Purpur mir: mein Lied ift dad Gewand, Auf dem er glühen fol, ich tauche mit der Hand

In deine Fluth, mein Lied zu färben.

Sieh’, wie es funfelt! fieh’, fchon glänzt es purpurroth,

Schon glüht es farb’ger, als die Flagge, die das Boot Aus China ſchmückt vor Surabaya!

Schon geht es, buntgefchuppt, in feiner Pracht einher; Dem Goldfifch ift es gleich, dem bligenden, wenn er Sich fonnt im Bufen von Biscaya.

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161

Schiffbruch.

Fragment.

Wohl wünſch' ich Vieles mir; doch, wär' ich ein Matroſe,

Dann wünfcht’ ich einen Sturm und eine Waſſerhoſe

Im fernften Südimeer mir; dann wünſcht' ich, daß mein Schiff

Der zürnenden Gewalt des Trombengeifts verfiele,

Daß, maft: und fegellos, es ſäße mit dem Kiele

Gefpießt auf ein blutrotb, thurmhoch Korallenriff.

Des Meeres Arme find die zadigen Korallen ;

Aus feiner Tiefe ftredt es fie, wie blut’ge Krallen, Nach den belafteten DOftindienfahrern aus;

Und hat es fie gefaßt, dann halt fie es den Schlägen Der Stürzfluth und dem Zorn des Tropenfturms entgegen,

Und reißt fie jauchzend in fein wunderbares Haus. Freiligrath, Gedichte 11

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162

Die Wände feines Saals Eisberge! glänzend ftehen An beiden Polen fie! bedeckt es mit Trophäen: Der Schiffe Flaggen und zerriff’ne Segel ſind's.

Ha! war’ ein Schiffer ich, dann wollt’ ich, fo verfänfe Mein Schiff, gefchleudert auf die ſcharlachrothen Bänke Des unbefannteften und fernften Labyrinths

Bon Südfeeinfeln, die, wie unbewegt das flache,

Saftgrüne Lotosblatt auf einem ftillen Bache

Schwimmt, auf dem Meere ruh’n; fie fhlummern auf der Fluth,

Schilfgürtel tragen fie und Kofospalmenfronen,

Die pracht’gen Vögel, die hoch auf den Kronen wohnen,

Sind das Geftein daran, goldgelb und roth, wie Blut.

Wie Kinder ruh’n fie an der Bruft des Oceanes,

Sie lächeln durch den Sturm, die Stimme des Drfanes Stört ihren Schlummer nicht ; des Meeres ſchäumend Naß, Das fie mit Untergang bedroht, macht fie nicht zittern:

Sp lächelnd fehlummerte, inmitten von Gewittern,

Der Sohn des Menfcen einft auf dem Tiberias.

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163

Anno Domini ........- ?

Hirt mich, Kleinglaubige! wie vormals im Gefilde Der Marne bei Chalons die Sünderin Brunhilde Durch Knechte binden ließ mit ihrem grauen Haar

An einen wilden Henaft, daß an dem dichten Schweife Er galoppirend fie durch's Franfenlager fchleife,

Der Sohn des Ehilperich, der andere Ehlotar;

Der Hengft riß wiehernd aus; die Hinterhufe ſchlugen Das nacgefchleppte Weib: verrenft in feinen Fugen Ward jedes Glied an ihr; um ihr entitellt Geficht log ihr gebleichtes Haar; die fpißen Steine tranfen Ihr Eöniglihes Blut, und fchaudernd ſah'n die Franken Shlotars, des Zürnenden, erichredlih Strafgericht;

164 Jetzt auf ihr Antliß, das blutrünft’ge, fiel der rothen Wachtfeuer Glut, die da vor jedem Zelte loh’ten; Jetzt wufch mit eifgem Guß den Staub von ihrer Stirn

Ein Arm des Marneftroms; weit vorgequollen ftierte Ihr Aug', und das Kameel, drauf man ſie Morgens führte

Durch's ganze Heer, ward jetzt beſpritzt von ihrem Hirn:

So wird dereinſt, hört mich, ihr Kalten und Verſtänd'gen, Der Herr ein feurig Roß, das flammend in unbänd'gen Courbetten ſchießt durch den Abgrund des Raumes hin, Den feurigſten von den Kometen wird er ſenden,

Und wird an deſſen Schweif mit ſeines Zornes Händen Die Erde feſſeln, die bejahrte Sünderin.

Aus ihrer Bahn, die fie ſklaviſch hat wandeln müſſen Vom Anbeginn, wird fie durch feine Kraft geriflen;

Sie muß ihm folgen als Trabant; tief in den Raum Schleift er fie mit fich fort; er fehnaubt, und Funfen

fprühen Durch's Al; fein Schweif durchweht es ſtolz; denn mit fich ziehen Die Erde darf er Gott verhängte feinen Zaum.

165

Wer halt den Raſenden? die Sonne tritt zurüde, Und fteht zuleßt fo fern, daß fie nicht Eines Blicke Mehr fihtbar ift; dann wird es Falt und finfter fein, Und jezumweilen nur, wenn fie den Grenzen neuer, Entfernter Sonnen nah'n, wird, wie des Lagers Feuer Dem Antliß der Brunhild, fo diefer Sonnen Schein

Dem zudendeg Geficht der Erde, der halbtodten,

Ein fladernd, gräßlich Licht zumwerfen; im blutrorben Gewande ſteht alsdann der Himmel; fiedend zifcht

Die See. Vorüber fchießt der Wilde, von der Hiße Gejagt. Nacht folgt aufs Neu dem momentanen Blike; Schwarz wird die Erde, gleich der Kohle, die erlifcht,

Und bebt vor Käkte; bis, wenn lange Zeit verronnen, Sie wieder deine Glur fühlt, mildefte der Sonnen, Einft ihre Mutter du! Bei deinem erften Strahl

Zudt fie vor Luft; das Eis zerfchmilzt, die Quellen rinnen Wie Freudentbränen; doc zum andern Mal von binnen Meipt fie das Flammenroß, und neu wird ihre Qual.

166

Doch endlich wird geleert fein deines Zornes Schale,

D Herr! du winfft! fie brennt! fie glüht zum | erften Male

In eig’nem Licht, doch ift e3 eines Dochtes Brand,

Der fih durch Glüh'n verzehrt. Die Schöpfung fieht mir

Staunen Das Sterben einer Welt; alsdann hört man Pofaunen, Und die Wagfchale fehwebt in des Weltrichters Hand.

\

Ein Flammengürtel blißt und wallt von Pol zu Pole;

Die Berge ftürzen fich mit Zifchen in die Soole

Des Meer3; bis an den Mond weht Lohe, Schaum und Rauch,

Und doch, dann will ich mich empor im Grabe richten,

Und will, wenn ich es kann, dies Lied zu Ende dichten

Sch zitt’re; mit der Hand beded ich Stirn’ und Aug’.

167

Henry.

Ein öd' und trüb' Gemach; der Abendſonne Schein Bricht durch's vergilbte Glas der Fenſter fahl herein; Matt durch die matten Scheiben bricht er.

Ein Feldbett und ein Tiſch; ein Seſſel auch; und hier Ein Sarg was zitterſt du? ſei ſtark, und folge mir! Laß ung betrachten zwei Gefichter.

Sieh’ auf dem Tiſch dies Bild! ein Mädchen! o wie hold!

Dies Auge! diefer Mund! und diefer Koden Gold!

D, diefer Liebreiz, diefe Milde!

Ein himmelblaues Band umfängt den fchlanfen Leib;

Die jungfräulihe Bruft...... Liebt mich einmal ein Weib,

D Gott, fo gleich’ es dieſem Bilde!

168

Nun aber wende dich! Sieh’ da den Todtenfchrein!

Ein Füngling ruht in ihm; aus weißen Laken drau'n Die ftarren, gramzerriff’nen Züge. | Ein tiefer, ftiler Schmerz umzudt den bleihen Mund; Doch gab den innern Sturm nie diefe Kippe fund

Er wollte, daß ſie ewig fchwiege.

Zurück das Leichentuh! Siehft du in feiner Hand

Den blut'gen Dolh? Sei Mann! entferne das Ge wand!

Sein Herz die Scheide diefes Dolches!

Einmal betrachte noch dies lachelnde Geſicht,

Und dann dies fchmerzliche! Nun fomm! doch frage nicht:

Um folch’ ein Angeficht, o Gott, warum ein folches?

Dermifchte Gedichte.

Im Walde.

Geh ich einſam durch den Wald, Durch den grünen, düſtern, Keines Menſchen Stimme ſchallt, Nur die Bäume flüſtern!

O, wie wird mein Herz ſo weit, Wie ſo hell mein Sinn! Maͤhrchen aus der Kinderzeit Treten vor mich bin.

Fa, ein Zauberwald it hier!

Was hier lebt und wacht,

Stein und Blume, Baum und Thier, Alles ift verbert.

Die auf dürren Laubes Gold Sich hier fonnt und finnt, Diefe Natter, Frausgerollt, Iſt ein Königskind.

172

Dort, in jenen dunfeln Teich, Der die Hindin tranft,

Iſt ihre Palaft, Hoch und reich, Tief hinabgefenft.

Den Herrn König, fein Gemahl, Und das Burggefinde, |

Und die Nitter allzumal

Halten jene Gründe;

Und der Habicht, der am Nand Des Gehölzes fehwebt,

Iſt der Zaub’rer, deffen Hand Diefen Zauber webt.

O, wüßt ich die Formel nun, Sp den Zauber löſ't:

Gleich in meinen Armen ruh'n Sollte fie erlöft,

Bon der Schlangenhülle frei, Mir der Krone blank,

In den Augen füße Scheu, Auf den Lippen Dank. '

173

Aus dem Teiche wunderlich Stiege das alte Schloß; An's Geftade drangte fich Ritterlicher Troß.

Und die alte Königin

Und der König, beide,

Unter ſamm'tnem Baldachin Säßen ſie; der Bäume Grün Zitterte vor Freude.

Und der Habicht, jetzt gewiegt Von Gewölk und Winden, Sollte machtlos und beſiegt Sich im Staube winden.

Waldesruhe, Waldesluſt, Bunte Mährchenträume,

D, wie labt ihr meine Bruſt, Lockt ihr meine Neime!

Die Tanne

(

1

Auf des Berges höchſter Spitze Steht die Tanne, ſchlank und grün; Durch der Felswand tiefſte Ritze Läßt ſie ihre Wurzeln zieh'n;

Nach den höchſten Wolkenbällen Läßt fie ihre Wipfel ſchweifen, Als ob ſie die vogelſchnellen

Mit den Armen wollte greifen.

Ja, der Wolken vielgeſtalt'ge Streifen, flatternd und zerriſſen, Sind der Edeltann gewalt’ge, Regenſchwang're Nadelkiſſen.

175

Tief in ihren Wurzelfnollen,

In den falerigen, braunen, Winzig Elein, und reich an tollen Launen, wohnen die Alraunen,

Die des Berges Grund befahren Dhne Eimer, ohne Leitern,

Und in feinen wunderbaren Schachten die Metalle lautern.

Wirr läßt fie hinunterhangen Ihre Wurzeln in’s Gewölbe; Diamanten fieht fie prangen, Und des Goldes Glut, die gelbe.

Aber oben mit den dunfeln

Herten fieht fie ichön’res Leben; Sieht durch Laub die Sonne funfeln, Und belaufcht des Geiftes Weben,

Der in diefen ftillen Bergen Regiment und Ordnung balt, Und mit feinen Elugen Zwergen Alles leitet und bejtellt,

Dft zur Zeit der Sonnenwenden Nächtlich ihr vorüberfauf't, Fine Wildfhur um die Lenden, Cine Kiefer in der Kauft.

Sie vernimmt mit leifen Ohren, ie die Vögel fich befprechen ; Keine Sylbe geht verloren

Des Gemurmels in den Bächen.

Dffen liegt vor ihr der ſtille Haushalt da der wilden Thiere. Welcher Friede, welche Fülle In dem ſchattigen Reviere!

Menſchen fern; nur Rothwildſtapfen Auf dem moosbewachſ'nen Boden! O, wohl magſt du deine Zapfen Freudig ſchütteln in die Loden!

O, wohl magſt du gelben Harzes Duft'ge Tropfen niederſprengen, Und dein ſtraffes, grünlichſchwarzes Haar mit Morgenthau behängen!

177

O, wohl magft du Llieblich wehen! O, wohl magft du troßig raufchen! Einfam auf des Berges Höhen Stark und immergrün zu ſtehen Tanne, könnt' ich mit dir taufchen!

Inmitten der Fregatte

Hebt fih der ftarfe Maft,

Mit Segel, Flagg' und Matte; Ihn beugt der Fahre Laft.

Der ihaumbededten Welle Klagt zürnend er fein Leid: „Was hilft mir num dies belle, Dies weiße Segelkleid?

- Was helfen mir die Fahnen, Die fhwanfen Leiterftride ? Ein ftarfes inn’res Mahnen Zieht mich zum Forft zurücke.

Kreiligrach, Gedichte 12

178

Sm meinen jungen Sahren Hat man mich umgehauen; Das Meer follt’ ich befahren, Und fremde Länder fchauen.

Sch habe die See befahren; Meerkfön’ge fah ich thronen;

Mir fehwarzen und blonden Haaren Sah ich die Nationen.

Isländiſch Moos im Norden Grüßt' ich auf Felfenfpalten; Mit Palmen auf füdlihen Borden Hab Zwieſprach ich gehalten.

Doch nach dem Heimatberge Zieht mich ein ftarfer Zug, Wo ich in's Neich der Zwerge Die haarigen Wurzeln fchlug.

O ftilleg Leben im Walde!

D grüne Einfamfeit!

O blumenreiche Halde!

Wie weit feid ihr, wie weit!”

179

Die Todten im Meere.

Tief unter grüner Meereswell', Auf Muſchelbank und Kies,

Da ſchlummert mancher Schiffsgeſell, Der friſch vom Lande ſtieß.

Die See riß ſein gebrechlich Boot Hinab auf ihren Grund; Im Sturme fand er frühen Tod, Und war doch ſo geſund.

Tief unter grüner Meereswog',

Auf Kies und Muſchelbank,

Da ſchlummert mancher And're noch, Der nicht im Sturm ertrank.

Er ward in enger Koje kalt,

Kam nie zurück zum Port.

Man hat ihn auf ein Brett gefchnallt, Und warf ihn über Bord.

180 a. a

Fin großes Grab ift Meeres Grund, Ein Kirchhof Meeres Spiegel;

Die Wellen, fehwellend all und rund, Das find die Grabeshügel.

O, könnte man dort unten fein, War’ Meeresflurh verronnen:

Man fah’ der Schlafer lange Neih’n, Säh' von Polypen ihr Gebein,

- Das bleiche, roth umfponnen.

Man fah’ ihr Kiffen: weiches Moos, Und Sand und Meereslinfen;

Man fäh’, wie fie mit Zähnen bloß In's Fifchgewimmel grinfen.

Man fah’, wie ihren Knochenarm Der Sägefifch polirt;

Wie fie der Meeresfrauen Schwarm Mit felt'nen Gaben ziert.

Die eine falbt, die andre flicht Ihr Haar, das lang begaffte, Und ſchminkt ihr beinern Angeficht Mit Purpurfchnedenfafte.

| % 181

Die eine fingt ein traurig Lied, Die fommt mit Mufchelfhnüren. Man fäh’ die todte Schaar umglüht Bon wunderbaren Zieren;

Sah’ Hand und Knöcel fchön umglänzt Von gelben Berniteinfchnallen;

Der nadte Schädel war’ befränzt

Mir frönenden Korallen.

Und theure Perlen, rein und weiß, Das wären ihre Augen.

Man fah’ der Tiefe bunt Geſchmeiß Ihr Beinmark gierig faugen.

Man fähe jeden fchlanfen Mait, Den einft die Fluth getragen, Den jeßt ein Meeresfels umfaßt, Einen Todten überragen;

Sab’ ihn, benagt von Fiih und Wurm, Gewurzelt feſt in Torfe; Der Schläfer meint, es ſei der Thurm

Von feinem Heimathdorfe.

182 * Ja, unter grüner Meereswell', Bei Perlen ſilberfarb, Da liegt manch rüſtiger Geſell, Der in den Wellen ſtarb.

Er ſchlummert fern von Haus und Hof; Keine Blume ziert ſein Grab,

Und feine Freundesthräne troff

Auf fein Geficht hinab.

Er ſchlummert ſüß; umdüftert auch Sein Grab fein Rosmarin, Umfänfelt’s auch Fein Nofenftrauch, Keiner Trauerweide Grün,

Was thut's? Und daß fein Angeficht Kein Thränenregen fchlug,

Den Todten im Meere kümmert's nicht! Er ift ja naß genug!

183

Geiſterſchau.

Gleichwie an des Ades Thor Wagend ſich Odyſſeus ſetzte, Die Geſtorbenen beſchwor, Und mit Widderblut ſie letzte;

Daß für das erſehnte Naß Jeder ſeinen Spruch ihm gebe, Daß zumal Teireſias

Ihm der Zukunft Schleier hebe:

Sp auch oft an dem Geſtad Meines Erebos, des Meeres, Sitz' ih, der Laertiad’

Eines luft’gen Todtenheeres.

Aber nicht durch Blut und Wein, Ird'ſchen Stoff, bin ich ihr Meifter. Kraft des Willens find fie mein: Nur der Geift beſchwört die Getfter!

184 TATEN Aus des Geiftes Tiefen quillt, Was das Aug’ als Geifter fchanet; Aus mir felber, fühn und wild, Steigt empor, davor mir grauet.

Siehe, roth vom eignen Blur, Kommen fie herangezogen, Seelen derer, fo die Fluth

In das Todtenreich gezogen;

Kön’ge, denen aus der Hand Sie das gold’ne Scepter fpülte; Madchen, denen fie entbrannt In den todten Neizen wühlte;

Schiffer, denen hundert Jahr Bellen ſchon den Schädel neßen ende dich, du düſt're Schaar, Denn es faſſet mich Entfeßen!

Beh’! was hab’ ich euch geftört, Schlumm’rer auf dem Grund der Meere! Weh’, wo ift des Griechen Schwert, Daß ich eurem Zürnen wehre!

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2 ee

Die Magier. (Im Dom zu Cöln.)

Wie wenn Phiolen, die der Meifter, Bannworte murmelnd, wohl verpicht, Mit Feder Hand ein junger, dreifter Lehrling der Zauberfunft zerbricht;

Urplöglich füllt das wunderliche Gemach ein leichter, blauer Rauch, arkotifch fteigen Wohlgerüche Aus der geborftinen Flaiche Bauch;

Und wie die Menge der zerftreuten Duftfloden fih zufammenballt,

Sp werden fie zu des befreiten Flementargeifts Kichtgeftalt;

Zum Dank, daß er zerbrach das Siegel,

Das feinen Kerfer lange Zeit Schloß, will erd Jenem feine Flügel Leih'n, und der Erde Herrlichkeit

186 a

Ihm zeigen: fo aus diefen Düften Des Weihrauchs, die der Kirche Chor Durchzieh’n, tritt riefig, um die Hüften Den Gurt, ein Genius hervor.

Sandalen trägt er an den Sohlen;

Es ift ein Geift der Wüſtenei.

Im Weihrauch fehlief er; diefer Kohlen Glut machte den Gebund’nen frei.

Aus langen Neihen ernfter Beter

Trägt dahin er mich durch die Luft,

Wo nicht Ein Haus, wo ganz der Xether Durhwallt wird von des Weihrauchs Duft.

Ihr heil’gen, königlichen Dreie, Grzeigt er diefe Gnade mir,

ie ließ’ er euch, einft Yemens treue Stammführer, in den Mauern hier ?

Er pocht an euer Grabgewölbe, Und weckt vom langen Schlaf euch auf, Salbt euer Haar, und drüdt die gelbe Pracht gold’ner Diademe drauf.

187

2

Ihr wandelt wieder durch die Lande, Die gläubig einftens ihr durchirrt; Die Roſſe harren noch im Sande, Gezäumt, gefattelt und gefchirrt.

Ihr bindet los fie von den Baumen, Und tretet in die Bügelihuh’,

Und führt an rotben Korduanzaumen Dem Abend die Kameele zu.

hr fammelt Weihrauch, Gold und Myrrben, Und häuft die Weihnacht ift nicht weit! In tiefen, funfelnden Gefchirren

Der Gabenfülle Koftbarfeit.

Ihr folgt dem Scheine des Kometen Auf's Neue nach Serufalem;

Die Prophezeiung des Propheten Seht ihr erfüllt zu Bethlehem.

188

ebo. 1830.

Auf Jordan's grünen Borden, Da weilte Jakob's Samen; Da feierten die Horden,

Die von Mizraim famen;

Da lagerten die Schaaren, Da hielt der Heerzug Raſt, Seit langen, langen Jahren Der ſandigen Wüſte Ggf.

Da legten ihre Steden

Die Wand’rer aus den Händen, Und fpreizten weiche Deden, Entgürtend ihre Lenden.

Und auf den Deden reinlich,

Da lagen, buntgefchaart,

Die Männer, fchlanf und braunlich, Mir ſchwarzgelocktem Bart.

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189

Da waren ihre Hütten

Bon Leinen aufgeitellt,

Und in der Zelte Mitten Hob ſich des Stiftes Zelt. Da ihüßten grüne Sträuche Sie vor der Glut der Sonnen; Da füllten fie die Schläuche Am fühlen Wailerbronnen.

Da falbten fie die Leiber, Die ftaubigen, mit Dele;

Da ftriegelten die Treiber Die dampfenden Rameele; Da rubte wiederfäuend

Im Grafe Heerd’ an Heerde; Da flogen wild und fcheuend Die langgeichweiften Pferde.

Da freuten fih die Müden Und boben fromm die Hände, Das ihnen bald beichieden Der langen Wallfahrt Ende;

190

Da fchärften fie die Schneide Des Schwerts mit Fräfr’ger Hand, Zu Fämpfen um grüne Weide

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In ihrer Vater Land,

Das ihrer fchien zu warten

Am andern Bord des Flufles,

Ein lachender Gottesgarten,

Ein Land des Weberfluffes.

Auf ihren Wüſtenzügen

Sah’n fie es oft im Geiſt

Jetzt ſeh'n ſie's vor ſich liegen,

Das Land, wo Milch und Honig fleußt.

Im Thal ruh'n die Nomaden Und jauchzen: Canaan! Ihr Haupt auf ſteilen Pfaden Klimmt das Gebirg hinan. | Schneeweiße Loden fließen

Yuf feine Schultern dicht; Zwei gold’ne Strahlen fchießen Aus Mofis Haupte licht.

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*

Und wie er nun die Höhe, Die fchauende, erreicht,

Und, daß er Alles febe,

Sich zitternd vorwärts beugt: Da glanzen ihm die Auen, Bon taufend Freuden voll, Die er nur fehnend fchauen, Doch nicht betreten Toll.

Da dehnen fih die Flächen, Wo Korn und Traube reift; Da ift mit weißen Bächen Das grüne Land geftreift; Da ſchwärmen Bienenförbe, Da wiehert Pfluggeipann ; Da funfelt Juda’s Erbe Bon Berfeba gen Dan.

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„Sch babe dich geſehen!

Sept ift der Tod mir recht! Säufelnd, mit leifem Wehen, Herr! hole deinen Knecht!”

Da naht auf lichter Wolfe Der Herr des Berges Rüden, Dem müden Pilgervolfe

Den Führer zu entrüden.

Auf einem Berge fterben,

Wohl muß das Föftlich- fein!

Wo fih die Wolfen färben

Im Morgenfonnenfchein.

Tief unten der Welt Gewimmel, Forft, Flur und Stromeglauf, Und oben thut der Himmel

Die gold’nen Pforten auf.

Die Bilderbibel.

Du Freund aus Kindertagen, Du brauner Foliant,

Dft für mich aufgefchlagen Bon meiner Lieben Hand; Du, deffen Bildergaben

Mich Schauenden ergößten, Den fpielvergefl’nen Knaben Nach Morgenland verfekten:

Du ſchobſt für mich die Niegel Bon ferner Zone Pforten,

Ein Eleiner, reiner Spiegel

Don dem, was funfelt dorten! Dir Danf! durch dich begrüßte Mein Aug’ eine fremde Welt, Sah Palm', Kameel und Wüſte, Und Hirt und Hirtenzelt.

Freiligratd, Gedichte. 13

194

Du bradteft fie mir näher,

Die Weifen und die Helden, Wovon begeifterte Seber

Sm Buch der Bücher melden; Die Mädchen, ſchön und brautlich, Sp ihre Worte fchildern,

Sch fah fie ale deutlich

In deinen feinen Bildern.

Der Patriarchen Leben,

Die Einfalt ihrer Sitte,

Wie Engel fie umfchweben

Auf jedem ihrer Schritte;

Ihr Zieh'n und NHeerdentränfen, Das hab’ ich oft gefeh’n, Konnt’ ich mit ftillem Denfen Bor deinen Blättern fteh’n.

Mir ift, als lägft du prangend Dort auf dem Stuhle wieder, Als beugt’ ich mich verlangend Zu deinen Bildern nieder;

195

Als ftände, was vor Sahren Mein Auge ftaunend ſah, In frifhen, wunderbaren, Erneuten Farben da;

Als äh’ ich in grotesfen, Berworrenen Geftalten

Auf's Neue die Moresfen, Die bunten, mannicfalten, Die jedes Bild umfaßten, Bald Blumen, bald Gezweig, Und zu dem Bilde paßten, An finniger Deutung reich;

Als trat’ ich, wie vor Zeiten, Zur Mutter bittend hin,

Daß fie mir follte deuten Sedweden Bildes Sinn.

Als lehrte zu jedem Bilde Sie Sprüche mid und Lieder, als ſchaute fanft und milde Der Vater auf ung nieder.

O Zeit, du bift vergangen!

Ein Mährchen fcheinft du mir! Der Bilderbibel Prangen,

Das gläub’ge Aug’ dafür,

Die theuren Eltern beide,

Der ftillfgufried’ne Sinn,

Der Kindheit Luft und Freude Alles dahin, dahin!

J

197

Landrinette.

1824.

Noch Knabe war ich, als Trompetenklang

Früh Morgens einſt zu meinen Ohren drang Hinaus, hinaus, das ſind Huſaren!

Kommt! Um die Ecke! Dort hat es geſchallt!

Fort auf den Markt! Da ſah'n wir freilich bald, Daß die Trompeter keine Krieger waren.

Beritt'ne zwar, phantaſtiſch angethan!

Zuerſt ein Neger mit geſtickter Fahn'!

Darnach ein Mädchen, ſteh'nd auf ſtolzem Pferde! Sechs, ſieben Jahr' alt! Mit der kleinen Hand Den Braunen zügelnd! Schimmernd im Gewand Der Amoretten! Lächelnd von Geberde!

198

Dann Frau'n und Männer, fißend hoch zu Noß! Weh'n feid’ner Mantel! Nitterlih Gefchoß! Horn, Trommel, Federn und Barette!

Und, o, der Nenner und Gefchirre Pracht! Doch dachten wir bei Tag und auch bei Wacht Zumeift nur an die Amorette.

Bereiter waren's! Andern Tags erhob Sich fchon ihr Zelt, und wälzte fich ihr Lob Bon Mund zu Munde dur) die Straßen. Mas Curtius! Was Verba gar auf Mi! Was Döyffee! Wir dachten nur an Gie, Bis endlich wir im Circus faßen!

Da fah’n wir denn, das wir bisher gekannt Aus Büchern nur, der Wunder altes Land! Bei'm Himmel, dieſer Rennbahn Räume Umfaßten es: Helmzierden, Hermelin,

Speerſchwinger, Türken, ſchwarzer Augen Glüh'n,

Wiehernde Rappen und verhängte Zäume!

2

——

199

Und über Allem fie, die Fleine Fee

Des über Nacht erftand’nen Mährchens! Seh’ Sch fie nicht heute noch, jeßt fächelnd

Ihr ſchnaubend Thier, jekt mit holdfel’gem Gruß Die Bahn durchſprengend, jeßt den Eleinen Fuß Der Kreide bietend, immer lächelnd!

Wir zahlten dreizehn, höchitens vierzehn Jahr'; Die Kleine fieben! Bei den Göttern, war E83 zu verwundern, wenn wir gerne

Das Aug’ erhoben zu der wilden Brut,

Mit Kennermiene fagten: „Die wird gut!“ Und fcheu fie grüßten aus der Ferne?

Du Meteor aus unfrer Knabenzeit,

Es war ung wahrlich fein geringes Leid, Als du nun fchiedeft, Kandrinettel Und, o, der Thränen erft, als alle Welt Bald d’rauf erzählte, daß in Bielefeld Das Halschen fie gebrochen hätte!

2.

1835.

Kennt ihr die Xeere, kennt den Efel ihr?

Verdroſſen durch die Gaffen gingen wir; Das Wort ließiich die Andern führen. Bei Gott, ed war ein wichtiges Geſpräch: Sie unterhielten fih den ganzen Weg Bon Dirnen und von Staatspapieren.

Auf einer Ede d'rauf ward Halt gemacht.

Es war noch früh. „Was treibt ihr diefe Naht?“ Gegähne durch die ganze Gruppe.

„Jun denn! Theater, Safe, Karouſſel?“

„„Pah, feh’n wir lieber noch die Kenebel!.

Baptift ift da mit feiner Truppe!”

201 So ging e3 denn zur Bude Loiffer’s; Wie fprudelte, ein übervoll Gefäß, Tom Schaum des Volks der luft’ge Kaften! Trompetentufh! Die Pforte rhut fich auf! Staub, Hufgeftampf, ein ganzer Neiterhauf! Entblößte Säbel, weh’nde Quaften!

Sechs Türken und fehs Amazonen! Ha, Sieh’ den Piqueur der Neiter! Genen da!

Den Schnurrbart mit den prallen Schenfeln! Das ift Baptiftel Sieh’, wie den Gaul er hept! Sieh’, mit den üpp’gen Neiterinnen jekt Beginnt er frifh ein luftig Plänkeln!

Und wer führt die? Doc nicht die Kenebel? „Die,“ fagt man, „hat ein lüfterner Gefell Beihwapt, daß fie mit ihm entrinne.

Sei's, bald von felber trifft fie wieder ein!” Wer aber mag die Amazone fein?

„Nun, wer denn anders, als die Hinne?“

202

Was, Hinne?.... Teufel, doch diefelbe nicht,

BIER ..,. Und wie Schuppen fiel’3 mir vom Geficht!

’S war Minna Hinne! Landrinette!

Zur pract’gen Roſ' erfchloß die Knospe fich; Das Kind ward Weib, und einer Venus glich Heut? jenes Tages Amorette!

O, feltfam Treffen nach fo langer Zeit! Damals ein Städtchen tief im Lande heut’ Die Weltftadt dicht am Meeresftrande !

Elf Fahre, Mädchen, find feitdem entfloh’n! Du ftrahlft und blühft ich aber ftehe fchon An meiner fpat’ften Jugend Rande!

Du haft feitdem geritten und geſchwärmt; Du Wilde, fprich, haft du dich auch geharmt 2 Haft du gelitten und gejammert?

O, fprich, floh diefes füße Kacheln nie?

Haft du, wie Mignon, eines Meifters Kniee, Stillweinend, niemals denn umflammert?

203

Sch? Einerleit Friſch, Mädchen, zieh’ dein Schwert! Borwärts! Las faufen durch die Bahn dein Pferd!

Laß fliegen feines Schaumes Floden!

Lab weh'n dein Kleid! Laß pochen deine Bruft!

Halt! Sp, nun ordne, deines Siegs bewußt,

Dir lähelnd deine ſchwarzen Loden!

Mich aber lab, o fehöne Neiterin,

Düfter und ernft, wie ich e3 meiftens bin, Berfhräanften Armes vor dir ftehen!

Elf Sabre flohen dir, mein Kind, wie mir! Komm’, laffe mich mit trübem Lächeln dir

In dein verzehrend Auge fehen!

204

Das Hufarenpferd.

Vor mir ſtand der muth'ge Rapp, Der zum Kampfe wohl geſchirrte; Nagte ſchier die Zügel ab,

Schlug das Pflaſter, daß es klirrte.

Funken flogen, und ich ſprach: „Dieſes Pflaſter, Rapp, iſt ſteinern; Aber kommen wird der Tag,

Wo dir eines droͤhnt, das beinern:

Auf dem Schlachtfeld Stirn an Stirn Derer, welche ſie erſchlugen!

dur gewiehert! Blut und Hirn Sind der Mörtel feiner Fugen!

Und als Funfenfaat entfprüh’n Ihm der Sterbenden Gedanken! Ihre legten! fengend glüh’n

Sie um Schenfel dir und Flanfen!

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UNE | Werden alle dich verklagen! 3... Viper kigwanbend wirſt du ſie E.V .

Mit dir fort im Hufhaar tragen!”

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206

Heinrich der Seefahrer. |

1833.

Prachtig, noch in Trümmern hehr, Mit Moskee und Marmorbade, Wie ein Maͤhrchenpalaſt der Sultanin Scheherezade,

Schriften über dem Portal, Steht die Mohrenburg Alhambra. In dem Kloſter Eskurial

Blitzt Demant und duftet Ambra.

Trotzig, wie ein Wüſtenleu,

Aus dem Meer, ein Felſenaltar,

In die gelbe Berberei

Wachſam ſchauend, ragt Gibraltar.

207

Was fie bauten, was fie bau'n

Sn den beiden Königreichen,

Die der Sierren Kämme fchau’n

Muß dem Thurm des Prinzen weichen.

Bei dem Vorgebirg Vincent

Steht ein Thurm mit Marmorfchigellen. Eine belle Fadel brennt

Dort, den Erdball zu erhellen.

Karten, Rollen mancherlei,

Sammt Boufolen und Quadranten, In der ftilen Bücherei

Liegen dort um den Sinfanten.

In den Hallen Belem’s tönt

Lied und Flüftern holder Damen; Doch der Sohn des Königs lehnt Ernit am hohen Fenfterrahmen.

Ueber das bewegte Meer Scweifen läßt er feine Blide, Und nach Ländern, die nur Er Schaut, den Völkern eine Brüde

Schlagen will er. Seine Hand Stredt er aus nach Negerkronen; Schiffe hat er ausgefandt,

Zu entdeden fremde Zonen.

An dem Lauf des Senegal, Zwifchen Berbern und Giraffen, Zeigen Krieger Portugals

Ihre Waffen und Agraffen.

Zu Lisboa prangt das Gut Neberwund’ner, reicher Mohren. Aus der Fühn durchfreuzten Fluth Tauchen fehimmernd die Azoren.

Milden Himmels, reih an Holz, Zeigt den Sciffern fih Madera; Heinrichs Wimpel flaitern ftolz Auf der Rhede von Terzera.

Nachtlich tritt an feinen Pfühl, Fremd gefchmüdt, die Aventure, Daß fie bunter Traume Spiel Seinem Geift vorüberführe.

209

Blumen, die in Indien blüh’n, Streut fie lächelnd auf den Schläfer; Leuchtend durch die Kammer zieh'n Laͤßt fie Senegambiens Käfer.

Südlich vom Drei: Spiken-Cap, Wo die Datteln und die Mandeln Wachſen, und der Baobab,

Laßt fie den Geliebten wandeln.

Elephanten vor ihm knie'n

Laßt fie, auf dem Nüden Thürme; Und vor Diaz führt fie ihn

Nah dem Vorgebirg der Stürme.

An des Verfermeeres Saum Ruht er aus auf Goa's Molo. Glich dein Reifen folhem Traum, Sohn Venetia’s, Marko Polo?

Freiligratk. Gedichte 14

210

Dies Gninen? dies das Cap? Indien dies, das Ziel der Neife? Auch um mich mit goldnem Stab Ziehft du deine Zauberkreife,

Aventure? fendeft mir

Deinen Greifen, breit von Schwinge, Daß im Traum das Fabelthier

Mich nach Maährchenländern bringe?

Keichft mir Kronen und Geftein Bon Kalifen und von Khanen? Dringft mit mir in Wälder ein Boll von ranfenden Lianen ?

Sorgft, daß man zur Tigerjagd Glephanten für mich fhirre?

Führſt mich lächelnd durch die Pracht Der Dafen in der Dürre?

211

Zeigft mit triefendem Gebiß

Mir den Panther unter Myrthen? Diefes ift der Felfenriß,

Ko zum Flug fih Geifter gürten?

Dies ift des Propheten Gruft? Hier im Fels, von Gactusblüthen Purpurn, ift die finſt're Kluft, Wo das Einhorn Zaub’rer hüten?

Diefe Knaben, wie der Lenz Blühbend, Kronen in den Händen, Sind des reichen Orients

Genien? 0, hör’ auf, zu blenden!

Laß auf And’re, nicht auf mich, Deines Hornes Fülle ftrrömen, Die, verftändiger, als ich, Wählend, deine Gaben nehmen!

Sieh’, der Schiffer kehrt mit Gold Aus des Südens heißen Zonen; Edle Würzen find der Sold,

Die den Fühnen Zug belohnen.

212 N

Thiere, die fein Aug? gefeh’n, | Bögel, die am Südmeer niften, | Pflanzen, die am Indus ſteh'n, Legt der Forſcher in die Kiften.

Und der Weife, zieht er aus In des Dftens glüh’nde Striche, Trägt als Beute fih nah Haus Fremder Lehre tiefe Sprüche.

Sch, aus Ländern, wo des Fichte Aufgang, aus den buntgeftidten Türfenzelten, bringe Nichts, Als die Bilder des Erblidten;

Die ich, friſch und farbenreich,

Mit des Liedes bunten Netzen Feſſ'le; doch kommt Solches gleich Sener Männer beffern Schäßen ?

Was find Lieder, deren Saum Fremde Neime wire umranfen, Wie an einem Tropenbaum

Lianenblumen üppig fchwanfen?

213

La vida es sueno.

N glaub’, ich bin der Perferfhan, Der, untertaudhend mit dem Haupte, Sefchichten, welche nie geihah’n,

Nun plöglic zu erleben glaubte.

Was ich mein Leben nenne, faum Glaub’ ich, daB es mein rechtes Leben; Ein wunderlicher Kufentraum

Iſt es, und ich bin Sultan eben.

Was mir begegnet, Gut und Bös,

Was fünnt’ es anders fein, als Traumen ? Wann taud’ ich auf aus dem Gefäß

In meines Marmorichlofes Naumen? Don Balfam dufter das Gemad;

Die Krieger harren an den Thüren;

Und lächelnd, daß ich wieder wach,

Meld’ ich mein Traumen den Wefliren.

214

Daß ſie nicht eher mich geweckt,

Sie ſollen es mir nicht entgelten;

Hat manches Bild mich auch geſchreckt, Doch würd' es unrecht ſein, zu ſchelten. Denn manches auch hat mich gelabt, Wie Sonnenlicht auf Wolkenſäumen, Und manchen Traum hab' ich gehabt, Den ich allzeit hätt' mögen träumen.

Und auch die andern weiß ich doch, Es iſt ja Träumen nur und Tauchen; Mir bleibet meine Krone noch,

Was ſollt' ich da zu zagen brauchen. So ſchreib' mit Kreide lächelnd ich Des Spaniers Wort auf meine Thüre, Und ſumm': o, wecke Keiner mich, Ihr Kämmerer und ihr Weſſire!

215

Ein Flüchtling.

In einem meiner Träume ſah Auf ſchweißbedecktem Roſſe

Einen Reiter ich, wie toll verfolgt Von ſeiner Feinde Troſſe.

An feinem Speer das Fahnlein war Zerriffen, voller Löcher;

Doch ftraff war feine Senne noch, Und voll noch war fein Köcher.

Und Fed im fchärfiten Tagen noch Rückwärts im Sattel wandt’ er

Und warf er fih, und manchen Pfeil In's Herz der Feinde fandt? er.

Da ftürste der aufs Mähnenhaar, Der fanf aufs Kreuz dem Pferde, Der andre mit dem Haupte gar Schlug nachgefchleift die Erde.

216

Wohl ritt der Neiter nun im Schritt, Zog aus die Stahlhandfchuhe,

Doch dacht’ er, als er weiter ritr: „Der Teufel hol’ die Ruhe!

Und fold ein Reiten, zahm und facht, Als wär’ mein Gaul ein blinder! Berfolger, die ich fhlug, erwacht!“ Sp er, und ich nicht minder:

„O Kieb’, v Grimm! o Schmerz, o Luft! Laßt braufen eure Wogen !’

Sch habe leider lange fchon

Die Handſchuh' ausgezogen.

217

Borgefübhl.

Min felber oft im Geift hab’ ich gefeh’n, Erträumtem Glüde raftlos jagend nad;

Unftet und düfter fchweift’ ich auf den Seen Sch weiß e3 nicht, was mir begegnen mag!

Doch allemal, wenn träumend fo zu fchau’n In Fünft’ge Zeiten ich mich unterfing, Erfaßte mich ein innerliches Grau'n,

Und meine Thranen floffen, wie ich ging.

Denn wo ich auch gelegt mein Fahrzeug an, ie rings ih auch, was Glück man nennt, gefhaut: Ich Fam zurüd, ein müder alter Mann,

Mein Bart verwildert und mein Haar ergraut. Wer grüßte mih? Wer nahm mir ab den Stab? Weh', nicht mehr fand ich, die ich einft verließ!

Wo feid ihr? kommt! ich Fehrte! Gott, ihr Grab War Alles, was ein nen Gefchlecht mir wies!

218

Dann ftarb ich ſelbſt; ich fah mich auf der Bahr), Doch ſchaut' ich Keinen, Elagend um mein Loos. Mein Sterbehemd war rein und weiß, doch war

Es nicht das Hemd der Waſchfrau Chamiſſo's.

219

Fieber.

Nur Waſſer! o, das kühlt! die Fraße Fallt nachgerade mir zur Laft!

Das Maul des Kerls, und feine Glaße

Sind mir bis in den Tod verhaßt!

Jetzt an den Puls, jekt eine Prife

Fort mit der Hand, armfel’ger Tropf!

‘a murre, Fafler! Krife, Krifel

Du Narr, das Glas dir an den Kopf!

Endlih! der Zaub’rer ift bezwungen!

Mein dreifter Wurf hat ihn gebannt. Dem Waͤchtervolk bin ich entfprungen! O, welh ein Schweben! welch ein Land! Der Wald von Duft durchzogen! golden Die Sonne badet fih der Strom!

Das Feld voll taufendfarb’ger Dolden!

Der Himmel ein fapphirner Dom!

220

Wie kühl iſt's unter diefen Baumen!

Ach, ich bin matt! wie naß mein Haar!

Zu trinken! Ha, Pokale fchaumen,

Und Mädchen reichen fie mir dar!

Ach! Laßt mich fchlummern! fie befränzen Die Stirne mir; der Schönften Arm

Umfängt mich; ift das Schwerterglängen? Zurück, ohnmächt'ger Söldnerfhwarm!

Wer will in meiner Luſt mich ſtören?

Ich grinſ' ihn an, ich ſprech' ihm Hohn. Und dieſe Klinge ſoll ihn lehren,

Wen er geweckt mit ſeinem Droh'n. Erſchallt, Trompeten! fliegt, Standarten! Helmſchweife, flattert! Mörſer, kracht!

Auf ihren Schadeln wetzt die Scharten

Der Schwerter aus! vorwärts! zur Schlacht!

O feht, wie riefelt aus den Wunden Das Blut! wie fprißt es himmelan! Die Streiter alle find verfchwunden, Ein Blutmeer überfhwenmt den Plan.

221

Wild brauft es! helft, das ich entrinne! Bor meinem Aug’ ſchwimmt's purpurroth. Die Fluth ergreift mich; mitten inne Auf einer Infel fteht der Tod.

Zu feinen Füßen fpeit die Welle

Mih aus; lab ab, laß ab! das Thor Des Himmels dort, hier das der Hölle! Aus jedem zudt ein Arm hervor.

Er wirft mich mit verruchtem Lachen

Den Armen zu fie paden mich!

Des Himmel3 Engel und die Drachen

Der Hölle ftreiten fihb um mid.

O Gott, o Gott! wie fie mich reden! Shr glaubt wohl, daß ihr Eifen dehnt! Hierhin und dorthin! Flammen leden, Und unter mir gefpenftifch gähnt

Das ew’ge Nichts! wohin entrinn’ ich? Sie laffen los, fie ftürzen jach

Mich in den Abgrund ha, wo bin ich? Ber euch? feid ihr es? o, bleibt wach.

222 O, geht nicht fort! da kommt er wieder! Seht ihr ihn nicht? es ift der Tod! Er beugt fich grinfend zu mir nieder; O, fteht mir bei in diefer Noth! Zurück! was legft du mir die Kohle Auf's Haupt? ein Loch zu brennen? fprich! Daß meine Seel’ der Teufel hole, Wenn fie hHinausfährt? wahre dich!“

Wahnfinnig fprang er auf vom Lager,

Pochend die Bruft, die Fauft ‚geballt,

Die Augen rolfend, fchlaff und hager

Die halbbefleidete Geſtalt.

Wirr um die bleichen Schläfen hingen

Die Haare; brennend, braunlich rot)

Das Antliß. „Tod, nun laß ung ringen!” Gr fanf zufammen er war todt!

223

Zwei Feldberrngraber. 1

Hier unter dieſem Steine Zur Seite des Portals, Verweſen die Gebeine Des tapfern Generals.

Er ift im Kampf gefallen, Zerſchoſſen und zerfeßt; Sn diefes Domes Hallen Hat man ihn beigefeßt.

Hier hat man ihm erhoben Ein prächtig Monument, Daß Jedermann die Proben Bon feinem Muthe Eennt.

224

Es ift ein eh’rner Leue,

Mit Eraufer Maähne, fahl; Der liegt und wacht mit Treue Auf dem Piedeftal.

Und unten ift zu lefen,

Gehauen in den Stein,

Wie groß der Mann gewefen, Den diefes Grab fchließt ein; Wie mehr, ald das Gekritzel Der Feder, galt fein Schwert; Die Schlachten und Scharmüßel, Wo er das Feld gefehrt;z

Wie fortlebt im Gefange, Was feine Fauft gethan. Das deutet auch die Schlange Am Fuß des Denfmals an. Sie liegt, zu einem Runde Gerollt, den glatten Schweif Hinangefrümmt zum Munde: Ein deutungsvoller Reif!

225

Wohl mag's dir nicht behagen Hier in der Kirch’, o Held!

Ein wurmzerfreßner Schragen Dein Feldbett und dein Zelt. Statt Predigt, Singen, Beten, Geläut und Glodenfchlag, Bernahmft du gern Trompeten? Wart' bis zum jüngften Tag!

Bei diefen Ichlanfen Bäumen, Im feuchten Pifangichatten, Magſt du anjeßo träumen,

O Kühnfter der Maratten! Im wilden Vorwärtstraben Biſt du vom Henaft geichoflen ; Hier haben dich begraben

Die flüchtigen Genoſſen.

Freitigeath, Gedichte 15

226

| Es ift an diefer Stelle | Einſam und fchauerlich; | Hier ringelr, bunt von Felle, Die Abgottsihlange fich. Sie wälzt fih auf dem Grunde, Und zifcht, den glatten Schweif Gefrummt zum gift’gen Munde:

Ein deutungsvoller Reif!

Ein Leu tritt aus den Büfchen Sm Schmud der gelben Mähne; Flieht nicht der Feindin Ziſchen Und ihre ſpitzen Zähne.

Auf's Grab legt ſich der Wilde; Starr liegt er auf den Sproſſen, Nicht ungleich einem Bilde, Aus braunem Erz gegoſſen.

Es nähern ſich vom Hügel Zwei Reiter, gelb von Haut; Sie richten ſich im Bügel, Der eine ſpricht halblaut:

Laß deinen Falben fliegen, Und knirſchend murmle: Race!”

4 * A HE

UOTE D) veydamı 1.

- MM er ech A PT7

228

Hudubon. 1833.

Mann der Walder, der Savannen ! Neben rother Indier Speer,

An des Miffifippi Tannen

Lehnteft du dein Jagdgewehr;

Keichteft Sndianergreifen Deine Pfeife, deinen Krug; Sahft der Wandertaube Neifen Und des Adlers ftillen Flug;

Lähmteſt ihren fchnellen Flügel

Mit der Kugel, mit dem Schrot;

Auf der großen Flüffe Spiegel

Durch die Wildnig ſchwamm dein Boot ;

229

Kühn durchflogft du der Savanna Gräfer, im geftredten Trab;

Beer’ und Wildpret war das Manna, So dir Gott zur Speife gab;

In den Wäldern, in der Dede, Die der Thoren Ruhm: Eultur, Noch nicht überzog mit Fehde, Freuteft du dich der Natur.

Du noch konnteſt es! die Stunde Kommt nicht fern mehr ıft die Zeit! Wo das Land von Baffin’s Sunde

Bis Cap Horn ein ander Kleid

Tragen wird! Sieh’ da; du reiche, MWaldige Columbia,

Liegſt du nicht gleich einer Eiche

Auf dem Planiglobe da?

Aus des Südens Falten Meeren Machst der mächt’ge Stamm hervor; Sclängelnd zieh’n die Eordilleren Epheu! fih an ihm empor.

230 Hoch im Norden in die Breite Seht er, wenig mehr belaubt; An den Vol rührt das befchneite, Eisbehang’ne, ftarre Haupt.

Hirfche ruh’n in feinem Schatten, An Geflügel ift er reich,

Und der Indier Hangematten Schweben nieder vom ©ezweig.

Grün und üppig prangt der Starke; Doch bald fteht er ohne Bier;

Denn an feiner Blätter Marfe Zehrt der Wanderranpe Gier.

Nadoweſſier, Tichippamaer,

Heult den Kriegsruf, werft den Speer! Schüttelt ab die Europäer! Schüttelt ab das Naupenheer!

Seit in eure Hirfchfellhütten Trar des Meeres Fluger Sohn, Iſt die Neinheit eurer Sitten, Iſt das Glück von euch gefloh’n.

231

Weh', dab ihr ihn nicht verfcheuchter, Da er Land von euch erfleht!

Weh’, daß ihr ihm arglos reichter Das geſchmückte Kalumer!

Nieder brennt er eure wilden Wälder, nimmt von euch Tribut, Spült von euren Lederichilden Der erichlag’nen Feinde Blut;

Sauſ't einher auf Eifenbahnen,

Wo getobt der Rothen Kampf;

Bunt von Wimpeln und von Fahnen, Theilt fein Schiff den Strom durd Dampf.

Kahl und nüchtern jede Stätte! Wo Manitto’s hehrer Hauch Durch des Urwalds Dickicht wehrte, Zieht der Hammerwerfe Raud.

Euer Wild wird ausgerotret, Sieh gemacht wird euer Leib, Euer großer Geift verfpottet, Und gefchänder euer Leib.

232

Bietet Troß, ihr Tättowirten, Eurer Feindin, der Eultur!

Knüpft die Stirnhaut von ffalpirten Weißen an des Gürteld Schnur!

Zürnend ihren Miffionairen

Aus den Händen fchlagt das Buch; Denn fie wollen euch befehren, Zahm, gefittet machen, Flug!

eh’, zu ſpät! was hilft euch Säbel, Tomahawk und Kanzenfchaft? Alles glatt und faſhionable!

Doch wo Tiefe, Frifche, Kraft?

YUmmonium.

„Fremdling, laß deine Stute graſen! O, zieh' nicht weiter dieſe Nacht!

Dies iſt die grünſte der Oaſen;

Im gelben Sandmeer glänzt ihr Raſen, Gleichwie inmitten von Topaſen

Ein grüner, funkelnder Smaragd!“

Er ſprach: „Gern will ich mich entgürten!“ Und nahm dem Pferde das Gebiß. Er jeßte fih zu feinen Wirthen; Des Würtengeiers Flügel fhwirrten An ihm vorüber nach den Sprten, Zu ruh'n in der Ventapolise.

234

Die Lieder und die Cymbeln Flangen ; Die Mappe lag auf feinen Knien. Die Roſſe mit den blanfen Stangen, Die finftern Neiter mit den langen Gewanden, und den bart’gen Wangen, Die Zelte fremd ergriff es ihn.

Mit farb’gen Stiften fchuf er glühend

Ein Bildniß diefer Wüftenraft.

Die Dromedare lagen Fnieend

Am Duell; des Wirthes Töchter, blühend Und fchlanf, bald nahend und bald fliehend, Umtanzten fingend ihren Gaſt.

„Fremdling, laß deine Stute grafen! O, zieh? nicht weiter diefe Wacht!

Dies ift die grünfte der Dafen;

Im gelben Sandmeer glanzt ihr Nafen, Gleichwie inmitten von Topafen

Ein grüner, funfelnder Smaragd!“

235

Die Steppe.

Fragment.

Sie dehnt fih aus von Meer zu Meere; Wer fie durchritten hat, den grauf't.

Sie liegt vor Gott in ihrer Leere,

Wie eine leere Bettlerfauft.

Die Ströme, die fie jach durchrinnen; Die ausgefahr’nen Gleiſe, drinnen

Des Coloniften Nad fih wand;

Die Spur, in der die Büffel traben: Das find, vom Himmel felbit gegraben, Die Furchen diefer Rieſenhand.

236

Meine Stoffe.

Ihr ſagt: „Was drückſt du wiederum Den Turban auf die ſchwarzen Haare? Was hängſt du wieder ernſt und ſtumm Im weid'nen Korb am Dromedare?

Du haſt ſo manchmal ſchon dein Zelt Sn Ammons Flächen aufgeſchlagen, Daß es uns länger nicht gefällt, Dir ſeine Pfähle nachzutragen.

Du wandelſt, wie ein Mann, der träumt! Sieh', weh'nder Sand füllt deinen Köcher; Der Taumelmohn des Oſtens ſchäumt

In deines Liedes gold'nem Becher!

O, geuß ihn aus! Dann aber fpah’ Und lechz' umher mit regen Sinnen, Db- feine Bronnen in der Nah’, Daraus du fchöpfen mögeft, rinnen!

237

Sei wach den Stimmen deiner Zeit! Horch auf in deines Volfes Grenzen! Die eig’ne Luft, das eig’ne Leid Wo ung in deinem Kelch Eredenzen!

Laß tönend deiner Zähren Naß

An die metall’'ne Wölbung Flopfen,

Und über ihr verbluten laß

Dein Herz fih bis zum leßten Tropfen!

Wovon dein Kelch auch ſchäumt, mit Gier Wol’n feine Gaben wir empfangen!

Mit durfi’gen Lippen wollen wir

An feinen blut’gen Näanden bangen!

Nur heute noch den Orient

Vertaufche mit des Abends Landen; Die Sonne ftiht, die Wüfte brennt! D, laffe nicht dein Lied verfanden!“

D, könnt’ ich folgen eurem Rath! Doch düfter durch verfengte Halme Wal ich der Wüfte dürren Pfad; Wächst in der Wüſte nicht die Palme?

238

Löwenritt.

Wandelt er nach der Lagune, in dem hohen Schilf zu liegen. Wo Gazellen und Giraffen trinken, kauert er im Rohre;

Sycomore.

Abends, wenn die hellen Feuer glüh'n im Hortentotten fraale, |

Wenn des jähen QTafelberges bunte, wechfelnde Signale

richt mehr glänzen, wenn der Kaffer einfam ſchweift durch die Karroo, |

Wenn im Bufch die Antilope ſchlummert, und am Strom das Gnu:

ee) -

239

Sieh’, dann fchreitet majeitätifh durch die Wüſte die Giraffe,

Daß mit der Lagune trüben Fluthen fie die heiße, fchlaffe

Zunge fühle; lechzend eilt fie durch der Wüfte nadte Streden,

Knieend fchlürft fie langen Halſes aus dem fchlammge- füllten Beden.

Plöglich regt e3 fih im Rohre; mit Gebrüll auf ihren Naden

Springt der Löwe; welch ein Neitpferd! ſah man reichere Schabraden

Sn den Marftalllammern einer Föniglichen Hofburg liegen,

Als das bunte Fell des Nenners, den der Thiere Fürft beftiegen ?

Sn die Muskeln des Genides fchlägt er gierig feine Zähne; Um den Bug des Niefenpferdes weht des Neiters gelbe Maähne. Mit dem dumpfen Schrei des Schmerzes fpringt es auf | und flieht gepeinigt; Sieh’, wie Schnelle des Kameeles e3 mit Vardelhaut

vereinigt.

240

Sieh’, die mondbeftrahlte Flache ſchlägt es mit den leichten Füßen! Starr aus ihrer Höhlung treten feine Augen; riefelnd fließen An dem braungeflecten Halfe nieder fchwarzen Blutes Tropfen, Und das Herz des flücht’gen Thieres hört die ftille Wüſte | flopfen.

Gleich der Wolfe, deren Leuchten Iſrael im Lande Yemen -

Führte, wie ein Geift der Wüfte, wie ein fahler, luft’ger I] Scemen,

Eine fandgeformte Trombe in der Wüfte fand’gem Meer,

MWirbelt eine gelbe Säule Sandes hinter ihnen ber.

Ihrem Zuge folgt der Geier; Erächzend fehwirrt er durch ! die Lüfte;

Shrer Spur folgt die Hyäne, die Entweiherin der Grüfte;

Folgt der Panther, der des Gaplands Hürden rauberifch verheette;

Blut und Schweiß bezeichnen ihres Königs graufenvolle Fährte.

241

Zagend auf lebend’gem Throne feh’n fie den Gebieter fißen,

Und mit ſcharfer Klaue feines Sißes bunte Polfter rigen.

Kaftlos, bis die Kraft ihr ſchwindet, muß ihn die Giraffe fragen;

Gegen einen foldhen Neiter hilft Fein Bäumen und Fein Schlagen.

Taumelnd an der Wüſte Saume ftürzt fie hin, und röchelt leife.

Todt, bededt mit Staub und Schaume, wird das Roß des Neiters Speife.

Ueber Madagaskar, fern im Oſten, fiehbt man Frühlicht glänzen;

So durchſprengt der Thiere König nächtlich feines Neiches Grenzen.

Freiligrarh, Gedichte. 16

242

Geficht des Neifenden.

Mitten in der Wüfte war es, wo wir Nachts am Boden ruhten;

Meine Beduinen ſchliefen bei den abgezäumten Stuten.

In der Ferne lag das Mondlicht auf der Nilgebirge Jochen;

Kings im Flugſand umgekomm'ner Dromedare weiß: Knochen.

Schlaflos lag ih; ſtatt des Pfühles diente mir mein | leichter Sattel,

Dem ich unterfchob den Beutel mit der dürren Frucht der Dattel.

Meinen Kaftan ausgebreitet hatt’ ich über Bruft und Süße;

Neben mir mein bloßer Säbel, mein Gewehr und meine Spieße.

243

Tiefe Stille; nur zuweilen Fniftert das geſunk'ne Feuer;

Kur zuweilen Ereifcht verfpatet ein vom Horjt verirrter Geier;

Nur zuweilen ftampft im Schlafe eins der angebund’nen Roſſe;

Nur zuweilen fährt ein Reiter träumend nach dem Wurf— geſchoſſe.

Da auf einmal bebt die Erde; auf den Mondſchein folgen trüber

Dämm'rung Schatten; Wüſtenthiere jagen aufgeſchreckt vorüber.

Schnaubend bäumen ſich die Pferde; unſer Führer greift zur Fahne;

Sie entſinkt ihm, und er murmelt: Herr, die Geiſter—

faravane!

Ja, ſie kommt! vor den Kameelen ſchweben die geſpenſt'— ſchen Treiber;

Ueppig in den hoben Sätteln lehnen ſchleierloſe Weiber;

Neben ihnen wandeln Mädchen, Krüge tragend, wie Rebekka

Einſt am Brunnen; Reiter folgen ſauſend ſprengen ſie nach Mekka.

244

Mehr noch! nimmt der Zug Fein Ende? immer mehr! wer Eann fie zahlen?

Weh', auch die zerfireuten Knochen werden wieder zu Kameelen,

Und der braune Sand, der wirbelnd fich erhebt in dun— keln Maſſen,

Wandelt ſich zu braunen Männern, die der Thiere Zügel 7 faffen. J

Denn dies iſt die Nacht, wo Alle, die das Sandmeer ſchon verſchlungen,

Deren ſturmverwehte Aſche heut’ vielleicht an unſern

| Zungen

Klebte, deren mürbe Schädel unfrer Nofe Huf zertreten,

Sich erheben und fich fhaaren, in der heil’gen Stadt zu 7 beten. |

Immer mehr! noch find die Letzten nicht an ung vor: beigezogen,

Und fchon kommen dort die Erften fchlaffen Zaums zurüd: geflogen. |

Von dem grünen Vorgebirge nach der Babelmandeb-Enge

Sauften fie, eh’ noch mein Neitpferd löfen Eonnte feine Stränge.

245

Haltet aus! die Roſſe ichlagen! jeder Mann zu feinem Pferde!

Zittert nicht, wie vor dem Löwen die verirrte Widderheerde!

Laßt fie immer euch berühren mit den wallenden Talaren!

Rufet: Allan! und vorüber zieh’n fie mit den Drome— daren.

Harret, bis im Morgenwinde eure Turbanfedern flattern!

Morgenwind und Morgenröthe werden ihnen zu Beſtattern.

Mit dem Tage wieder Aſche werden diefe näct’gen Zieher!

Seht, er dammert fchon! ermuth’gend grüßt ihn meines Thiers Gewieher.

246

Unter den Palmen.

Mahnen flattern durch die Büſche; tief im Walde tobt der Kampf.

Hörſt du aus dem Palmendickicht das Gebrüll und das Geſtampf?

Steige mit mir auf den Teekbaum! Leiſe! daß des Köchers Klingen

Sie nicht auffchredt! Sieh’ den Tiger mit dem Leoparden ringen!

Um den Leichnam eines Weißen, den der Tiger überfiel,

Als er fchlief auf dteſes Abhangs Icharlachfarb’gem Blu— menpfühl,

Um den Fremden, feit drei Monden unfrer Zelte ftillen Bürger,

Der nach Pflanzen ging und Kafern, ftreiten die gefched- ten Würger.

Beh’, Fein Pfeil mehr kann ihn retten! fchon gefchlofen ift fein Aug’!

Koth fein Schlaf, gleihwie die Blume auf dem Fadel- diſtelſtrauch!

Die Vertiefung auf dem Hügel, drin er liegt, gleicht einer Schale,

Bol von Blut, und feine Wange trägt des Tigers Klauen— male.

Wehe, wie wird deine Mutter um dich Flagen, weißer Mann!

Geifernd fliegt der Leoparde den gereizten Tiger an;

Aber deſſen linfe Tage ruht auf des Erwürgten Leibe,

Und die rechte hebt er drobend, daß den Gegner er ver: treibe.

Siehe, welch ein Sprung! der Springer hat des Todten Arm gefaßt;

Zerrend flieht er, doch der And’re läßt nicht von der blut’gen Laſt.

Ningend, ungeftüm fih padend, fteh'n fie auf den Hinter: pranfen,

Aufrecht zwifhen fih den ftarren, mit emporgerafften Blanfen.

248

Da o fieh’, was über ihnen fich herablaßt aus dem Baum,

Grünlich fchillernd, off’nen Nachens, an den Zähnen gift’: gen Schaum!

Kiefenfchlange, Feinen Einz’gen laffeft du den Naub zer: reißen!

Du umſtrickſt fie, du zermalmft fie Tiger, Leoparden, Weißen!

DT 2:52 März; 1836.

Sei gegrüßt, o ſüdlich Fahrzeug, ſei gegrüßt mir hoch im Norden!

Bärt'ge Männer, fremd gekleidet, ſteh'n auf deinen hohen Borden.

Und der Sprache, die ſie reden, goldgeſchrieb'ne Zeichen melden Ueber den Kajütenluken mir den Namen eines Helden;

Jenes Dulders, welchen lange Sturm und Götterzorn verſchlugen, Bis ihn im Faakenſchiffe heim zuletzt die Wogen trugen.

Bartge Männer, fchlanfe Nud’rer, feid denn ihr auch nicht Fäafen?

Holz von Corfu diefer Maftbaum! Lein von Scheria dies Laken!

250

Diefes Segel fah von ferne Neriton’s belaubte Gipfel; Naufchten, waldige Zakynthos, ihm nicht Fahrwind deine Wipfel?

Sahen es, gefchaart am Ufer, ſchimmern nicht die Loto— fagen ? Wer, an diefen Maft gebunden, hörte die Sirenen Elagen ?

Klar in meiner Seele wieder laßt, wag ich von jenem alten Srrenden Odyſſeus hörte, diefer neue fich geftalten.

Doch nicht will ih in Homeros reihe Welt mich jekt verfenfen,

licht des Dulders Fahrten folgen, oder etwa Dies be: |

denken:

Wie, da längſt der Griechen Schriftthum mir verſchließt ein dreifach Siegel,

Heut ein Griechiſch Wort ich wieder las auf eines Schiffes Spiegel;

u

251

Wie mir, ah! das Buch des Wiſſens dunfel blieb auf vielen Blättern,

Aber wie das Buch des Lebens vor mir liegt mit farb’gen Lettern;

Dies, und was daran ſich knüpfet, will ich jetzo nicht erwägen;

Denn die Brigg erfchallt von Liedern, und die Fluth von Ruderſchlägen,

Die mir ſagen: mache dieſen Inſelfürſten dir zum Boten! Wohl, Odyſſeus, ſei mein Bote! ſei geſandt an einen Todten!

Aber ſuch' ihn nicht, wie Jener, an des Schattenreiches Pforten! Schraͤgen Maſts vorüberſauſe jenen ſchauerlichen Orten!

Wo Trinakrias Geſtade ſich erheben aus der Welle, Dort, nicht fern von den Kyklopen, iſt am Ufer eine Stelle

252

Dort, von Blumen leis umflüftert und von immergrünen Zweigen,

Wird ein frifhes Grab, Odyſſeus, deinen Wimpeln bald fich zeigen!

Diefem hört es, ihr im Taumwerf, braune, troßige Sefihter!

Diefem gelten meine Grüße: in ihm ruht ein deutfcher Dichter!

Ruht ein Dichter, dem, wie Wen’gen, Dichterfeu’r im Herzen brannte. Wehe, daß mit feinem Volke hadernd, er fich von ihm wandte!

Weh' doch nein, in deinem Grabe fhlumm’re jeko du in Frieden! Seiner Mufe legte Boten, feid ibm Wächter, Abbaffiden!

Und in’s Klirren eurer Schwerter, Abbas Friegerifche Söhne, Laſſet Theofritos Hirten mifchen ihrer Flöten Töne!

253

Daß er füß und ruhig ſchlumm're, dem dies frühe Grab geworden!

Diefes ferne! Tief im Süden fchwieg, deß Lied erfüllt den Norden.

Laute Trauer bei der Botichaft hat das Deutiche Land durchzittert.

Einer Aeolsharfe glih es, die ein Windſtoß jäh er: ſchüttert.

Und wie ſonſt auch man gerichtet, Alles jetzt wich dieſem Einen:

Seinem Irren zu vergeben, ſein Verſtummen zu be— weinen.

Wüßt' er es! und, o vernahm' er über's Meer auch meine Klagen!

Fangt fie auf, ihr falt’gen Segel, gen Sicilien fie zu tragen !

Dort am Ufer laßt fie tönen; meldet euch mit leifem NRaufchen!

Der Verbannte dem Berbannten: gern wird euch der Todte lauſchen!

254

Bläht euch denn! mir aber meldet, wenn ihr fehrt, vom | Wert gefräufelt, Ob, als ew'ge Krom’, ein Lorbeer über diefem Grabe fäufelt!

Eil', Odyſſeus! Aufgewunden deine Anker! frifch von hinnen! Fliege, big du ſchimmern fieheft Syrafufa’s gold’ne Zinnen!

259

Drei Strophen.

-

Vernehmt ein wildes, kurzes Lied! im Raume vor der Sonne ſteht

Ein Cherub; ſchweigend ſtaunt er an das All; ſein Schweigen iſt Gebet.

Die ew'ge Sonn' iſt ſein Altar; ihr Glüh'n iſt Opfer— flammengold!

Die Sterne ſind der Roſenkranz, der durch die Hand des Engels rollt.

Wie aus der Hand des betenden Rechtgläub'gen die Koralle fällt,

So fällt aus dieſes Cherubs Hand in's Bodenloſe Welt auf Welt.

Sie rollen ſeit Jahrtauſenden auf ihrer diamant'nen Schnur:

Die fliegenden Korallen ſind's vom Uranus bis zum Merkur.

356

Wie fich der ew’gen Lampe Schein in Nofenfranzforallen bricht,

Sp ſtrahlt der Weltforallenfranz in des Altars, der Sonne, Kit;

Bis, Hütens und Gebetes fatt, der ernfte Cherub ſich empört:

Weit von fich fchleudert er den Kranz; der Sonnentempel ift zerjiört.

257

Leviatban.

Du zertrenneft das Meer durch deine Kraft, und zerbrichht die Köpfe der Drachen im Waſſer. Du zerfchlageft die Köpfe der Wallfifche, und gibit

fie zur Speife dem Volk in der Einöde. Pſalm 7A.

An einem Tag im frühen Herbſt ging ich entlang den Meeresitrand, Das Haupt entblößt, den Blick gefenft, die Lieder Davids | in der Hand. Die Eee ging hoch, die Brandung fchwoll, der frifche Wind aus Dften pfiff, Am Horizont nah Werten flog mit weißem Segelwerk ein

Schiff.

Und als ich in dem Liederbuch des Koͤnigs über Iſrael,

Bald um mich fchauend, blatternd bald, gefommen war bis an die Stel,

Die über diefem Lied ihr left, da naheten dem öden Strand

Die grauen Segel eingerefft, drei Fiicherboote, wohl- beinannt.

Freiligratk, Gedichte. 17

258

Und hinter ihnen, aus der Fluth, der weißen, tauchend fchwarzlichgrau,

Schwamm rieſengroß ein Ungethüm; ſie ſchleppten es an einem Tau.

Die Brandung grollt; laut kracht der Maſt, den Anker wirft der Harpunier

Am Ufer auf dem Trock'nen ruh'n die Fiſcherboote ſammt dem Thier!

Und jetzt in Zügen auf den Ruf der Gatten und der Brüder naht

Der Dede Volk, dad jubelnde, aus feinen Hütten am Geftad.

Sie feh’n den Sohn des Oceans, den Keib vom Eifen aufgeſchlitzt;

Zerſchmettert ſehen ſie das Haupt, das fortan keine Strahlen ſpritzt.

Vor wenig Jahren erſt gebar den Triefenden der kalte Pol;

Ein Neuling noch, verirrt' er ſich zu dieſer ſeichten Küſte wohl.

Untief' und Bank verſperrten ihm den Rückweg in das hohe Meer;

Des jungen Rieſen Kopf zerbrach der Herr durch eines Fiſchers Speer.

259

Und Gene tanzten jauchzend um den Blutenden; mir aber

war, 2 {

Als gloßt’ er halbgeſchloſſ'nen Aug’s verachtlih auf die rohe Schaar.

Mir war, als raufchte zürnend mir fein purpurroth ver- riefelnd Blut;

Als murrt’ er röchelnd in den Sturm: „DO miferable

Menfchenbrut!

D Zwerge, die den Niefen ihr beswungen habt durch fchnöde Lift!

O Zappler auf dem Trod’nen ihr, die mein Gebiet ihr meiden müßt!

Schwählinge, die das Meer ihre nur in hohlem Door befahren könnt,

Dem jämmerlichen Schaltbier gleich, das nie fich von der Mufchel trennt!

D kahler Strand, o nmüchterner! o kahl und müchtern Treiben drauf!

D nüchtern Volk! wie bebten fie, da fie vernahmen mein Gefchnauf!

260 Wie troftlos auf der Dün’ ihr Dorf mit feinen dumpfen Hütten fteht! Und bift du beffer denn, als fie, der du mich fterben fiehft, Poet?

Sch wollt, ich wäre, wo das Meer, und wo die Welt ein Ende nimmt;

Wo Frachend in der Finfterniß der Eispalaft des Winters fhwimmt.

Sch wollt, ein Schwertfifch werte dort am Eis fein Schwert, und ftieße mir

Das jäh gezuckte durch die Bruſt; fo ftürb’ ich wenigfteng nicht hier!“

Es war ein Tag im frühen Herbft; die See ging hoch, der Oſtwind pfiff,

Am Horizont nah Weften flog mit weißem Segelwerf ein Schiff.

ch aber wandte meinen Schritt; ich warf mich nieder auf die Dün'.

Der Herr zerbrach des Wallfiſchs Haupt, und gab dem Volk der Dede ihn.

Mirage.

Mein Auge muftert unruhvoll des Hafens wimpelreich Revier,

Doch deines richtet lächelnd ſich auf meines Hutes Feder— zier:

„Bon deinen Wüften hör’ ich gern in einer meerumrauſch— ten Jacht;

Ein Bild aus dem Gebiete drum, das diefen Schmud hervorgebracht!“

Wohlan! ich lege meine Stirn in’s Hohle meiner rechten Hand!

Die Wimper fällt, die Schläfe fliegt fieh’ da, der Dede glüh’nder Sand!

Die Lagerpläße grüßen dich des Volks, dem ich entfproffen bin;

In ihrer brand’gen Wittwentraht tritt die Sahara vor dich hin,

262

Wer trabte durch das Köwenland? von Klau'n und Hufen zeugt der Kies,

Tombuktu's Karavanenzug! am Horizonte blikt der Spieß!

Die Banner weh'n, im Staube fehwimmt des Emirs purpurn Ehrenfleid.

Und des Kameeles Haupt entragt dem Knäu'l mit ernfter Stattlichkeit.

Sie reiten im gedrangten Troß, wo fich vermengen Sand und Luft;

Sieh’ da, verfchlungen hat fie fehon der Ferne fehwefel- farb’ner Duft!

Allein verfolgen ohne Müh' Fannft du der Flücht’gen breite Spur:

Was fie verloren, Mal an Mal durchfchimmert e3 die Körnerflur.

Das erfte wie zum Meilenftein daliegt’s! ein todtes Dromedar!

Auf dem Geftürzten, federlos die Halfe, fikt ein Geier: paar;

263

Sie zieh'n das lang entbehrte Mahl dem pracht’gen Turban drüben vor, Den in des Nittes wilder Haft ein junger Araber verlor,

Und nun: Schabradenftoff umfliegt der Tamariske dorn’- gen Straud;

Daneben, ftaubig und geleert, ein jäh geborſt'ner Waſſer— ſchlauch;

Wer ift es, der den Klaffenden wahnfinn’gen Blicks mit Füßen tritt?

Es ift der dunfelhaar’ge Scheif des Landes Biledulgerid.

Die Nachhut fchließend, fiel fein Roß; er blieb zurüd, er ward verfprengt.

Verlechzend hat fein Lieblingsweib an feinen Gürtel fi gehängt.

Wie bligte jüngft ihr Auge noch, als er fie vor fich hob auf’s Pferd!

Nun fchleift er durch die Wüfte fie, wie man am Gurte fchleift ein Schwert.

Der heiße Sand, den Näctens nur der zottige Schweif des Löwen fchlägt, Er wird vom fluthenden Gelod der Regungslofen nun gefegt;

264.

Er fängt fih in der Haare Schwall, er fengt der Kippe würzgen hau;

Mit feinen Kiefeln röthet er die Knöchel der erfchöpften Fran.

Und auch der Emir wankt; das Blut in feinen Pulfen guillt und Focht,

Sein Auge ſtrotzt, und feiner Stirn: blau fchimmerndes Geäder pocht.

Mit einem letzten brennenden Kuß erweckt er die Fezza— nerin,

Und plötzlich dann mit wildem Fluch in's Unwirthbare ſtürzt er hin.

Sie aber ſieht ſich wundernd um. Ha, was iſt das? „Du ſchläfſt, Gemahl?

Der Himmel, der von Ekze ſchien ſieh' da, er kleidet ſich in Stahl!

Wo blieb der Wüſte lodernd Gelb? wohin ich fchaue,

blendend Licht!

Es ift ein Schimmern, wie des Meers, das ſich an A:

giers Küfte bricht!

265

Es bligt und brander, wie ein Strom; es ledt herüber feucht und kühl!

Ein riefger Spiegel funfelt es: wach’ auf, es ift viel: leicht der Nil!

Doch nein, wir zogen füdwärts ja; fo ift es wohl der Senegal?

Wie, oder wär’ es gar das Meer mit feiner Waifer ſprüh'ndem Schwall?

Gleichviel! 's ift Waller jal Wach’ auf! Am Boden fchon liegt mein Gewand,

Wach’ auf, o Herr, und laß ung zieh’n, und löfchen unfrer Leiber Brand!

Ein frifher Trunf, ein ftarkend Bad, und uns durchfiedet neue Kraft!

Die Veſte drüben, hochgethürmt, befchließe bald die Wan— derichaft!

Um ihre grauen Thore fliegt ſcharlach'ner Fahnen troßig Weh'n;

Von Lanzen ſtarrt ihr ſchart'ger Rand, und ihre Mitte von Moskeen;

266

Auf ihrer Ahede tummelt fich hochmaft’ger Schiffe ftolze | Reih', Und jene Pilger füllen ihr Bazar und Karavanſerai.

Geliebter, meine Zunge lechzt! wach’ auf, ſchon naht die Dammerung!”

Noch einmal hob er feinen Blick; dann fagt’ er dumpf: „die Spiegelung!

Ein Blendwerf, ärger als der Smum! bögart’ger Geifter Zeitvertreib”

Gr fchwieg dad Meteor verfehwand auf feine Leiche ſank das Weib!

Sm Hafen von Venedig fo von feiner Heimat fprach der Mohr;

Des Feldherrn Nede ftrömte füß in Desdemonens gierig Dhr.

Auf fuhr fie, als das Fahrzeug nun an's Ufer ftieß mit jähem Stoß

Er führte fehweigend zum Palaft das einz’ge Kind Bra- bantio's.

ve

Die Schiffe.

In der Lenznacht an dem Hafen bin ich auf und abge— gangen;

Träumend flüſterten die Segel an den ſchwarzen Segel— ſtangen.

Schlummernd lagen die Korvetten, ſchlummernd lagen die Fregatten;

Bugſpriet nur und Fockmaſt hoͤrt' ich ſich beſprechen noch im Schatten.

Und in ihre leiten Neden fcholl das Murmeln der Figuren.

Seht ihr fie? vorn auf den Schiffen! Thetis und die Dioskuren!

Robin Hood, und o der Paarung! läcelnd neben ihm Frau Venus!

Dort im Lotoskranz der Indus, und im Scilffranz bier der Rhenus!

268°

Götter waren's und Herven! fchlanfe Weiber! bärt’ge Greife!

(Jedes Schiff hat feinen Namen, und es ift der Schiffer Weiſe,

Daß das Bildniß des Erlauchten, der des Fahrzeugs Hort und Pathe,

Wohlgemeißelt, unterm Bugſpriet ſie befeſtigen zum Staate.)

Dies die Rufer, deren Stimmen jetzo, wo die Kiele ſchliefen,

Durch das Dämmerlicht der Mainacht leiſe ſich bei Na— men riefen; |

Raufchend fprang empor die Welle, fo der Murmler Fuß benebte,

Und auf eines Ankers Trümmer war’s, daß laufchend ich mich feßte.

Weptun.

Siehft du das Blut, o Rhein, Das meine Füße röthet?

Vom Opfer iſt's, das ein Aethiope mir getödter!

Es war in Afrifa;

Wir lagen vor der Brandung. Kein nordifh Auge fah

Den Ort vor unfrer Landung.

Es war beim Flieh’n der Nacht; Laut ward's in der Schebede. Der Morgenruf der Wacht Erſcholl auf dem Verdede.

Des Zebra’s bunte Zucht Erging fih am Geftade;

Das Quagga ſchritt zur Bucht, Daß es die Schenkel bade.

Da fam vom Bergeshang Ein Greis, ein Xethiope; Zu feiner Nechten fprang Die zahme Antilope.

Durhbohrt von feinem Speer Sah id alsbald fie fallen. Er fagte: „Laß, o Meer, Mein Opfer dir gefallen!“

270 Das Blut rann auf den Sand, Die Fluth hat es verfchlungen, Und ift zu meinem Stand Damit emporgefprungen.

Wie lang ich auch den Ort Seitdem verlaffen habe,

Doch fpülte fie nicht fort Des Schwarzen Scharlachgabe.

Den ganzen Winter ſchnob

Der Nord durch meine Stengen. Wann wird der Aethiop

Auf's Neue Blut mir fprengen?

Baffin.

Ein purpurn Opfer, bald ſchon wohl Wird rauchend über’n Sand es rollen, Wenn irgend eine Bucht am Pol Mich eineift mit gewalt’gen Schollen.

271

Ein rauh Gebiet! die See voll Eis! Gefror’ner Schnee das Kleid der Erde! Gefenft die Schaufeln des Geweih’s, Grabt fih ihr Mahl die Nennthierheerde.

Und fieh’! aus eines Nennthiers Haut Hat am Geſtade fich der Lappe

Ein fegelfürmig Haus gebaut,

Bedeckt mir weißer Flodenfappe.

Draus wandelt er mit feftem Schritt,

Und wählt ein Thier fich ohne Fehle.

Er läßt es knien; ein rafher Schnitt! Ein Blurjtrahl fieder aus der Kehle.

Er wühlt fih zifchend in den Schnee, Und bahnt fich dunfelrothe Gleiſe;

Doch nicht gelangt er bis zur See; Kalt weht der Nord er wird zu Eiſe.

272

Rhenus.

Nicht von Guinea bin ich kommen r

Nicht nach dem Eismeer fteht mein Sinn. Den deutfchen Strom herabgefhwommen Nur fomm’ ich, deffen Bild ich bin.

Nicht, wenn im Fluffe man fich fpiegeln Die Traube fieht, vom Herbft gebräunt: Es war die Zeit, wenn auf den Hügeln Der Rebſtock feine Zähren weint.

Der Lenz durchfchritt den weiten Garten, Den Gott gepflanzt am Nheinesftrand; Gr fhaute lächelnd von den Warten

Der grauen Burgen durch das Land.

Vorüber flogen Nömerpforte, Borüber Burg, Abtei und Dom; Verſunk'ne Waffen, gold’ne Horte Erglänzten funfelnd tief im Strom.

273

D, wel ein Fahren, welh ein Schwimmen! In's Flurhgebraus die Lurlei fang.

Am Ufer fcholl von freud’gen Stimmen

Ein Lied: „Es Elingt ein heller Klang!“

Mit meinen Neben, meinen Sagen,

In eurem bunten Kreife bier,

Dom Innern an das Meer getragen, Wie fremd, wie fremd erichein’ ich mir!

Che Arab.

Laß braufit deiner Sagen Quell; D, lab mic hören dein Gedicht! Hier ftört das heifre Nachtgebell Des Schafals den Erzähler nicht!

Komm, laß uns üben freud’gen Tauſch! Wenn deine Quelle mich gelekt,

Dann will ich, daß in glüh’nden Rauſch Scheherezade dich verfekt!

Breiligrarb, Gedichte. 15

274.

Sp taufhten, als das Abendland, Bordem in blanfer Waffen Schmud, Gen Morgen zog, beim Stilleftand Der Waffen, Nitter und Seldichuf.

Sie lagen an des Wachtfeu'rs Glut; Sm bunten Turban hier der Schedh, Der Nitter dort im Eifenhut

Und in des Panzers güld’nem Blech.

Der laue Wind der Wüfte fahrt Durch Beider fchwarz und gelb Gelod; Das Wüftenroß, des Niheines Pferd Steh’n friedlich an demfelben Pflod.

Und die noch geftern feindlih Bahn Sich hieben in des Kampfes Reih'n, Das Kreuzfchwert und der Ataghan, Sie liegen heut? auf Einem Stein.

Die Lanze lehnt fih an den Speer Sp Fürsten denen auf der Wacht Arabiih Mährchen, deutihe Mähr’ Die Eine kurze Friedensnact.

275

Des Deutfhen Sage war dem Licht Des Mondes diefer Mainacht gleich ; Des Emirs einem Truggeficht

Der Wüfte, blendend, ſchimmerreich.

Gladiator.

Und wem die meine? Diefes Schiff, Das zweite fchon, auf dem ich fahre. Im Südmeer ein Korallenriff

Ward vorig Jahr des erften Bahre.

Ein Fahrzeug von Archangels Werft Schwamm dort zur Seite mir, die Xena; Doch nur für mich fand ich gefchärft

. Den Klippendolh der Schanmarena.

Sie ließ er ziehen ihren Kauf,

Und eine Palmenbucht erreichen; Mir aber rip er meuchlings auf Des Bauchs metallbefhlag’ne Eichen.

276

Arg hauft im Tafelwerk der Sturm;

Das Steuer dröhnt, die Maften fchwanfen, Der Fechter krümmt fich wie ein Wurm Jäh berftend, löfen fich die Planfen.

Und untergeht in weißer Fur’,

Was geftern froh noch Flaggen hißte. Des Schiffes Bild nur fehlägt fich durch, Gefpült von feinem Schaugerüfte.

Frifch kämpf' ich mit der Wellen Schwarm Gern muß der Gladiator ringen!

Da plößlich einen weichen Arm

Fühl' ich erzitternd mich umfchlingen.

Bleich aus der Schwarze naffen Haars Schaut mich ein Antliß an mit Zagen. Des Schiffers holde Tochter war's; Halt? feft! fei ſtark! ich will dich tragen!

Und feft verframpft fih Hand in Hand; Drei Tage lang trag’ ich die Bleiche. Am vierten endlich feh’ ich Land,

Doch feh’ ich's nur für eine Leiche.

Die Brandung wirft ung an’s Geftad, Alwo, die Schweiter zu empfahen, Durch's Palmenholz auf blum’gem Pfad Des Eilands Ichlanfe Töchter nahen.

Leis raufcht das Meer, die Taube girrt; Sie haben weinend fie beftatter.

Von einem alten Brodbaum wird

Des fremden Mädchens Gruft befchattet.

Die Xena lag am Ufer fchon,

Ganz, nur ihr Bild des Sturmes Beute! Sch ziere jekt ihr Gallion,

Und fehne ruh'los mich in’s Weite!

Indianer.

Und ich im Waſſer fpiegle mein Geficht

Und meines Haares dunfelbraune Stränge, Zu fchau’n, ob Flammen meiner Stirne nicht Verfengt der Federn feuerroth Gepränge.

278.

Mandarin.

Und ich auch fpiegle tief mich in der Fluth,

In der fich fpiegeln Segel, Raa'n und Maften, Auf daß ich ſeh', ob unverfehrt von Glut

Mein gelb Gewand und meiner Mütze Quaften.

Andianer,

Denn als ich jüngft von deinem Hafen fchied,

D Stadt Newyork, da ftandeft du in Flammen:

Von Funfen ward die fhwarze Nacht durchfprüht, Ein Glutmeer war’s, in dem wir Schiffe fhwammen,

Mandarin.

Denn als ich jüngft, o Canton, dich verließ,

Da brannteft du, da fchnobft du Rauch und Funken, Erſchreckt von deinen glüh’nden Ufern ftieß

Die bunte Menge deiner taufend Junken.

——

279

Indianer.

Wohl ift ein Waldbrand grimm und fürchterlich, Wenn er fkalpirt der Berge laub’ge Stirnen; Nichts halt ihn auf; er wälzt durch Ströme fich, Berkohlt den Wald, verglaf’t der Felswand Firnen.

Mandarin.

Und, beim Gonfuz, ein Schaufpiel, groß und hehr, Gewährt dem Aug’ die Feier der Laternen.

Da wird die Stadt zu einem Strahlenmeer,

Die Straßen find Jantſekiangs von Sternen,

Indianer.

Doch mehr als Waldbrand war in jener Nacht Der Brand Newyorks, die höchften Dächer fchürzen Mit Flammen ſich, Gewölb’ und Giebel kracht, Die Häufer taumeln und die Thürme ftürzen.

280

Mandarin.

Und welch Laternenfeft an Glanze kam

Dem Brande gleich der dreizehn Handelshäufer? * Als er durch Boten das Gerücht vernahm, Zerriß zu Pefing fein Gewand der Kaifer.

Indianer.

Als meinen farb’gen Kedernfranz beftaubt Die weh’nde Afche, 309 ich fort in Trauer.

Mandarin.

Und Cantons Afche freuten auf ihr Haupt Die Wachter auf der großen Mauer.

An dem Hafen in der Mainacht bin ich auf und abge— gangen, Bis des Morgens frifcher Ddem Fühlte meine heißen Wangen.

* Das Europaifche Viertel Cantons.

Lied ſchallen, 1 übertm Waſſer ſcholl dag Lied * ⸗ectigallen.

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282

Der ausgewanderte Dichter. Bruchſtücke eines unvollendeten Cyklus.

Die Tanne fall? ich, drauf die Adler horften;

Sie Fracht zu Boden, Schnee vom Haupte fehüttelnd. Sch wohne fürder einfam in den Korften,

Die Menſchen fliehend und die Führen rüttelnd.

Sch habe nicht, da ich mein Haupt hinlege;

Bon Feinem Herde bin ich dort gefchieden.

Mein erfted Haus, mit Hammer und mit Säge, Bau’ ich mir felber bei den Atlantiden,

Kunftlos und rauh; vom Felfen reif’ ich Karren Und ander Kraut, daß ich die Fugen ftopfe;

Die moofge Rinde laß ich an den Sparren;

Dumpf durch die Schlucht dröhnt meiner Art Geflopfe.

283

Ein leifes Weh’n ſpielt mit den dürren Blättern Geift diefer Wälder, fei mit meiner Hütte,

Das fie Orkan und Bliße nicht zerfchmettern,

Daß fie der Schnee des Berges nicht verfchütte!

Daß ihr Gebälf fein feindlih Beil zerhaue, Daß lange Zeit die Sonn’ ihr Dach vergülde, Daß fie nicht gleich fei diefer Spur der Klaue Des Elennthieres auf dem Schneegefilde!

Sn einer ſolchen Werfftatt ift gut zimmern. Die Waldung funkelr in des Morgens Glanze, Die Büfche blißen und die Zweige ſchimmern, Und jede Tann? ift eine ftarre Lanze.

Mit rief’gen Naden an den Himmel ſtemmen

Die Berge ſich; ftill, doch belebt, die Auen.

Am Strome drüben, auf den fchnee'gen Dammen, Seh’ ich den Biber feine Hütten bauen.

284

Fern aus dem Didicht ragt's gleich Nenngeweihen, Der Bifon büdt fih, daß den Schnee er lede; Das Birfhuhn fehwirrt, und von der Hinde fcheuen Fußtritten knarrt des Bodens Flodendede.

Der bunte Luchs tritt dreift aus feiner Höhle,

Der Trab des Elenns donnert durch die Führen. Ein neues Lied geht auf in meiner Seele;

Sch dicht’ es hämmernd doch wer wird es hören?

Hinaus, hinaus! der Frühling ift gekommen. Der Schnee des Winters riefelt von den Kuppen Der Mligator ift an's Land geſchwommen,

Und fonnt am Ufer feine grünen Schuppen.

Die Fiſche Ipringen und die Vögel fchlagen; Die Knoſpen berften und die Kräuter fehießen; Die Wipfel al, auf denen Tauben Elagen, Streu’n ihre Blüthen flüfternd mir zu Füßen.

285

Die Hirfche wandeln thalwarts mit den Küben; Die Auerhähne fchütteln ihre Kämme;

Mir ihrem Hofftaat durch die Büfche ziehen Die Königinnen wilder Bienenftämme.

Wird mir auch Honig von den Baumen traufen ? Frifh in den Wald, umduftet mich, ihr Nanfen, Und leget mih! ein Weifel will ich fchweifen, Umfchwärmt von meinem Hofftaat, den Gedanken.

Dft wand!’ ich Abends auf die fteilften Höhen, Einfam mit meiner Lieb’ und meinem Grimme, Zu meinen Füßen die gewalt’gen Seen

Und dann erheb’ ich meine tiefe Stimme.

Die werthen Lieder aus den alten Tagen, Die ich mit Freunden hundertmal gefungen, In diefe Wälder hab’ ich fie getragen,

Drin nie zuvor ein deutiches Lied geflungen.

mn [nun

Wie zitterte, darauf ich lag, der Gipfel, Wie gab mir jener froh mein Singen wieder, Wie flüfterten der alten Baume Wipfel,

Als fie vernahmen Ludwig Uhlands Lieder!

Wie ftußeten und hoben ihre Hörner

Die Hirſch' im Thal, als auf den Bergen oben Sch Lieder drauf von Kerner und von Körner,

Bon Schwab und Arndt und Schenfendorf erhoben!

O, Ihmerzlich wohl Elang manches mir, dem Wand’rer! Hier Heimathlieder! Dennoch, als fie Elangen, Stand ich ein Orpheus mit den Liedern And’rer ! Zwar Steine nicht, doch tanzten wilde Schlangen.

Sch lag heut’ Nacht in füßen, ftillen Traumen, Bon meiner Heimath und von meinen Kieben. Sch wandelte bei meiner Kindheit Bäumen, Wo ich wohl wünfchte, daß fie mich begrüben.

287

Der Todten und der Lebenden Geftalten,

Sie traten vor mid. „D, daß Keiner zürne, Daß ich ihn ließ!” Da jah von einer Falten Hand fühlt’ ich leis berühret meine Stirne.

Sch fuhr empor; e3 war mein Sagdgefährte:

„Du fchliefft wohl tief, daß gar nichts du vernommen ! Komm! denn wir find den Bilons auf der Fährte, Und durch den Winipeg find fie geſchwommen.“

Im bleichen Oſten fing es an zu tagen;

Das Stromthal dampfte, eine Nebelfufe.

Wir ritten aus, das Elennthier zu jagen;

Die Waldung hol vom Dröhnen unfrer Hufe.

Bald auch gefunden hatten wir die Heerde; Sie barſt durch's Laub, von jäher Furcht ergriffen. Wir machten Halt, wir zügelten die Pferde, Wir legten an, und zwanzig Kugeln pfiffen.

288

Doc) Feines Hornes fhaufelförm’ge Krone

Berfanf, getroffen, in des Truppes Welle; Sie fehüttelte den Naden, wie zum Hohne, Und ftürmte fort, verdoppelnd ihre Schnelle.

Im Blattermeere war fie bald verſchwunden; Allein des Grafes blut’ger Thau bewährte, Daß Eine Kugel doch ihr Ziel gefunden, Drum ging es hikig weiter auf. der Fährte.

Wir folgten ihr auf off'nen Waldespfaden;

Dann aber plößlich theilte fich die friſche: nen Zum Strome, blutlog, ging der eine Faden,

Der and’re, blutig, fchlug ſich in die Büfche.

Ein einzig Thier nur war hier abgegangen.

Der Führer ſann und fagte drauf den Leuten: „Folgt ihr der Hauptfpur durch das Thal der Schlangen, | Sch will mit diefem auf der Blutfpur reiten.“

Und fo gefchah es; mit einander fpornen Die Roſſe wir feitabwäarts nach den Gründen ; Gefnidte Gräfer, blutgefärbte Dornen

Sind und genug, die rechte Bahn zu finden.

289

Er fprach indeß: „Empfängt das Elenn Wuhden, Und fühlt es nah’n den Tod in feiner Herbe, Dann flieht e3 fcheu die Heerde der Gefunden Und birgt im Forft fih, daß es einfam fterbe.

Sn abgeleg’nen, laubverhüllten Schluchten, Auf einer dunfeln, moosbewachſ'nen Stätte, Die Felienftüde jäh und wild umbuchten, Da ſucht es blutend fich ein Sterbebette.

Siehft du den Geier über jenen Tannen?

Auf unfer Wild bald ſenkt er das Gefieder; E3 lüfter ihn das Elenn der Savannen Dort, ſollſt du fehen, ſtürzt' es leblog nieder.“

Und wahr erwies fich, was er kaum gefprochen, Wir fanden’s3 liegen, Enochig, ftarfgelender, Die braunen Augen glanzlos und gebrochen Fern feinen Brüdern war es hier verendet.

In diefe Wildniß, die fein Beil gelichtet, Die nie durchzudt der Sonne mildes Lächeln, In diefe Wildniß hatt? es fich geflüchtet;

Sie nur vernahm des Elennthieres Nöcheln. Freiligrath, Gedichte. 19

290

Der Füßter jeko ließ zu dreien Malen

Durch die Gebüfche feinen Sagdruf tönen;

Ich dachte fehmerzlich meiner eig’nen Qualen:

Hier ftarb das Thier hier rinnen meine Thränen!

Sch bin nun lange drüben wohl vergeflen; Wer jetzt noch laufchte meinen erften Klängen? Sch wäge finnend meine Wehr, indeffen Gewappnet And’re in die Rennbahn fprengen.

Im Geift erbli® ich ihrer Roſſe Baumen

Und ihrer Helme Federbufchgezitter;

E3 raffelt mich aus meinen tiefften Traumen

Der Klang des Schwertes, das fie fchlagt zum Nitter.

Nehmt hin den Dank! ich hab’ ihn abgefchworen! Und doch beim Blitzen eurer Harnifchzierde

Und beim Erflirren eurer gold’nen Sporen

Erwacht in mir die alte Kampfbegierde.

291

Denn nicht verroften ließ ich meine Waffen;

Sch weiß fie rüft’ger, als vordem, zu fchwingen; Koh einmal möcht? ih mich zufammenraffen, Und auf dem alten Tummelplage ringen.

Mein Schwert geichliffen hab’ ich in der Dede; Bewehrt mit Liedern, ballt ſich meine Rechte;

‘ch bin bereit zu einer Geiftesfehde

Wie, wenn ein Schiffer mein Gartel euch brachte?

Wohlan! zum Wettftreit meine Lenden gürt’ ich! Shr, in den Schranfen, prüfet meine Wehre! Sprecht zu den Nittern: „er ift ebenbürtig; Sein Tomahawk ift würdig eurer Speere!“

Und als wir watend durch die Furt nun feßten, Voran den Führer, den vorficht’gen Schreiter, Da fpornte jenfeits einen fchaumbenesten, Sangmähn’gen Rappen ein Savannenreiter.

292

Gedrung’ne Formen, Glieder wie von Erze, Lichtblaues Jagdhemd mit fcharlach’ner Franze, Buntfarb’ges Tüchlein um des Haares Schwärze Sp Fam er näher mit gefällter Lanze.

Sm Flug nur, fchien es, wollt’ er ung betrachten; Umfonft hinüber ſandt' ich Auf und Zeichen.

Er fah mich winken, ohne drauf zu achten, Wandte fein Noß, und trat es in die Weichen;

Flog dann hinan des Ufers jähe Treppe,

Daß Kies und Mergel dran herunter Flirrten.

Es war ein Greef, ein Beduin der Steppe; Glück zu! noch heute wirft du dich entgürten!

Dann wird dein Weib dir deine Kinder bringen; Eie ftreicheln furchtlos deines Thieres Mähne; Die Buben fagen: „Vater, laß es fpringen!“ Und zieh’n ihm dreift den Knebel durch die Zähne.

Du aber wirft an deinen Herd dich feken, Und deine Gattin mit der Ferne Bildern Und mit den Wundern deiner Züge legen, Bieleiht die Jäger aud im Strome fhildern.

293

.

\

Die jekt erreichen triefend das Geftade: Sieh’ da die Grasbahn, die dein Noß gegangen! Wohl find ih Hütten, folg’ ich diefem Pfade Doch, ach! wie dich wird Feine mich empfangen!

Sch fonne mich im letzten Abendftrahle,

Und leife fäufelt über mir die Nüfter.

Du jest, mein Leben, wandelt wohl im Saale,

Der Teppich raufcht, und ftrahlend flammt der Luſtre.

Und Alles naht fich, feiernd dich zu grüßen, Und Alles huldigt deiner milden Schöne; Sie legen Alles, Herrin, dir zu Füßen, Yuf das dein Lacheln diefen Abend Fröne.

D, las e3 dringen auch in diefe Wildniß;

Send’ es herüber taufende von Meilen;

Nor meine Seele treten laß dein Bildniß;

Zudt auch mein Herz; e3 wird ja doch nicht heilen!

Sp in des Kreifes athemlofer Stille

Mit deiner Harfe faßeft du vor Zeiten!

Das ift dein Auge! deiner Loden Fülle Ergießt fi) dunfel auf die lichten Saiten!

Das iſt dein Singen! durch die prächt'gen Räume Glühend und innig fluthen meine Lieder!

Im Abendwinde fchütteln fich die Baume;

Schwarz auf den Urwald fenft die Nacht fich nieder.

Allein, allein! und fo will ich genefen ? Allein, allein! und das der Wildnif Segen? Allein, allein! o Gott, ein einzig Wefen, Um Ddiefes Haupt an feine Bruft zu legen!

Sn meinem Dünfel hab’ ich mich vermeffen: „Ich will fie meiden, die mein Treiben ſchelten. Mir felbft genug, will ich dies’ Volk vergeffen;

Fahr? Hin, o Welt im Herzen trag’ ich Welten!”

295

Ein einzig Fahr hat meinen Stolz gebrochen; Mein Herz ift einfam und mein Aug’ ift trübe. Es reuet mich, was frevelnd ich gefprochen; Dem Haß entfloh ich, aber auch'der Liebe.

Allein, allein! und fo will ich genefen? Allein, allein! und das der Wildnig Segen? Allein, allein! o Gott, ein einzig Wefen, Um diefes Haupt an feine Bruft zu legen!

Die Indianer fißen um die Flamme,

Und fchüren düfter fie, fchweigfame Schürer.

Da plötzlich wohl der Xeltefte vom Stamme Spricht zu den Andern alfo einer ihrer:

„In Frieden ruh' er, den wir heut” begruben Dort, wo den Urwald ſäumet die Savannah! Nie einem Weißen, diefem gleich, erhuben Ein Mal vom Lorenz wir zum Susquehannah!

Er war nicht, wie die Andern feiner Farbe; Drum zu den Nothen hat er fich gefchlagen. Sm unfern dunfeln Neih’n glich er der Garbe Des Maiskorns, die zu Tannen man getragen.

Was mocht’ ihm fein? mit feinen Tagdgeräthen Stand oft er finnend unter einem Baume,

Und hört’ er rufend in dag Holz ung treten,

Sp fuhr er auf, und folgt’ ung wie im Traume.

Auch fand er einfam wohl am Strome dorten; Dft durch die Büſche fah’n ihn die Genoſſen. Dann war es, daß in fremder Sprahe Worten Ihm lange Neden von den Lippen floffen.

Der Worte Feines haben wir verftanden,

Doch hörten gerne wir der Worte Schallen.

Es war ein Takt drin, wie wenn Kriegerbanden Mit gleihem Schritt auf hartem Schneefeld wallen.

Verſtanden haben wir der Worte Feines,

Doch hat ung ſtets ‘zu hören fie verlanger.

Es war ein Klang drin, gleich den Tönen eines Schilds, der im Wind den Aft fehlägt, dran er hanget.

297

Und um fih fchaut’ er, war er nun zu Ende, Und ſah erſt jekt, daß Keiner ihn vernommen. Dann drüdt’ er ftumm fein Antliß in die Hande, Und ift zum Wigwam ftill zurüdgefommen.

In Frieden ruh' er, den wir nicht mehr fehen!

Lab eine Hütt’ auf feinem Grab uns bauen.

Sein Haupt liegt weſtwärts, denn fein leßtes Flehen War: „Krieger, o, nach Morgen laßt mich fchauen!”

298

Der Neiter.

Er lenkte ſchweigend durch die Schlucht fein Roß; Bleich war fein Antliß, lang und lockig floß

Ihm Bart und Haar auf Bruft und Achfel nieder. Er ließ dem müden Thiere dag Gebif;

Er feufzte düfter durch die Finfterniß

Der Führen; „Gott, warum gabft du mir Lieder?

Sie fchliefen Jahre lang in meiner Bruft,

Wie Erz im Schacht; Ich habe nicht gewußt, Daß Lieder tief mir in der Seele ruhten,

eh mir, zu Öffnen ihr verborgen Thor!

Wie Fochend Herzblut' brechen fie hervor, Unhemmbar! ach, und ich ich muß verbluten!

Und Keiner weiß es! Alle ftellen fie 4

Sich vor mid hin, und fagen lahelnd: Sieh’! Das ift ein luftig und ein Fraftig Springen! Das ift ein frifher und ein tücht’ger Strahl! Ein mäß’ger Strom kann diefer Quell einmal, Sp Gott der Herr will, durch die Lande dringen.

Sie aber willen nicht, daß er fchon bald

Berfiegen muß, daß ebbend fchon er wallt;

Sie willen nicht, daß vor der Thür mein Sterben; Daß mit dem Blut nur, das bis jetzt mir quoll, Wenn in der Gruft ich einen tragen ſoll,

Ich meinen Liederpurpur mir muß färben.

Doch murr' ich nicht, ich ſage: ſehet da,

Ich bin ergeben, ich bin Seneca,

Als in die Wanne rauſchten ſeine Adern!

Die Dichtkunſt fagt zu meinem Leben: flieh! Mein Nero, weh’ mir! ift die Poefie

Doch will ich nicht mit meinem Schiefal badern.

300 O, hielten fie mich nur nicht am Gewand, Und brachten, diefe Balfam und Verband,

Und die, mein Blut zu fammeln, Kelch und Schale!

O, Eönnt’ ich ftill zu Tode bluten mic, Sleichwie, die Bruft von eines Fangers Stich Durchbohrt, ein Hirfch in einem dunfeln Thale.

O, gönnten fie dem Sterbenden die Ruh’!

O, drüdten fie nur graufam oft nicht zu

Die Wunde mir, am Herd und auf den Gaſſen; Und lehrten mich, daß den gewalt’gen Fluß Berfchließen, eher noch mich tödten muß,

Als ihn, bei pochenden Schlafen, riefeln laffen.

D, ließen geh’n mid meine Wege fie,

Und fragten nicht; Sprich, was ift Poefie? O Gott, wie oft vernahm ich fchon die Frage! D, lächelten und lachten fie nur nicht,

Wenn traumerifch, mit glühendem Geficht Und eine Thran’ im Aug’ ich ihnen fage:

301

Wenn man im Forft auf einen Eichbaum fteigt, Und fih zum Siße wählt fein weit verzweigt

Und raufhend Haupt mit herbe duftendem Laube, Und finnend dann, die Arme ftumm verfchranft, An die Geliebte, welche fern tft, denft,

Und in das Neft fchaut einer Turteltaube;

Wenn man am Meer, von feinem Schaum beuekt , Sich einem Fifcher auf die Schultern ſetzt,

Und fich hinein laßt tragen in die Wellen,

Die Odyſſee legt auf fein ftruppig Haar,

Und fingt und jubelt, daß er denkt: fürwahr,

Das heiß’ ich einen närrifchen Gefellen!

Und wenn auf muth’gen Nofen man zu Dritt Macht oder Vieren einen wilden Ritt

Sieh’ da! die lang geſtreckten Nenner fehnauben, ‘hr beugt euch fpornend vor, ohn' Unterlaß Weh'n euh die Mähnen in das Antliß! das Iſt Poefie, doch wollt ihr es nicht glauben.

Und wenn man Nachts auf langen Brüden fährt, Und dumpf ihr Holz vom Huffchlag murren hört, Bis das Geſpann urplößlich wieder feinen

Huf Elirrend auf das Pflafter fegt, daß glüh

Die Funfen fliegen, dann ift Poefie

Der erfte Ton des Eifens auf den Steinen.

Und Poefie auch if’3, wenn, wie ein Schwan, Man in der Dammerung in einem Kahn Langſam durchfurchet eines Hafens Mitte, Und es geftattet, daß der Kahn fich fehmiegt An irgend ein gewaltig Schiff; fo liegt Dft neben einem Palaft eine Hütte.

Und Poefte dann, wenn in Gummifchuh’n Man einen Neger fieht im Tauwerk ruh’n, Des Abends Kühle ſchwebend einzufaugen; Er fchaufelt läſſig fih und fingt ein Lied, Und fchaut ihr ihm in’s Angeficht, fo glüht Euch wie ein Stern das Weiße feiner Augen.

303

Und Poeſie auch würd’ es fein, wenn jeßt Dies ſchwarze Roß von Dänenzucht, entfeßt, Sich bäumete auf diefer düftern Stelle, Mich fchleuderte an diefes Felfenftüd,

Daß plöglih Nacht umflorte meinen Blick, Und meiner Stirne dunkel Blut entquölle.

Und wenn alsdann, wenn ich zum lekten Mal, Beichtenen von der Abendfonne Strahl,

Das matte Aug’, die müde Wimper höbe, Das treue Thier, als Flagt’ es um mein Weh’, Geſenkten Halfes auf mich niederfäh’,

Und warm in mein erfaltend Antlitz fchnöbe.“

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Gele gentliches.

Bei Grabbe’s Tod.

Damm'rung! Das Lager! Dumpf herüber ſchon Vom Zelt des Feldherrn donnerte der Ton

Der abendlichen Lärmkanonen;

Dann Zapfenſtreich, Querpfeifen, Trommelſchlag, Zuſammenfluthend die Muſik darnach

Von zweiundzwanzig Bataillonen.

Sie betete: „Nun danket alle Gott!“

Sie ließ nicht mehr zu Sturmſchritt und zu Trott Die Büchſe fallen und den Zaum verhängen;

Sie rief die Krieger bittend zum Gebet,

Bon den Gezelten kam fie hergeweht

Mit vollen, feierlihen Klängen.

308

Der Mond ging auf. Mild überlief fein Strahl Die Leinwand rings, der nadten Schwerter Stahl Und die Mugfetenpyramiden.

Ruf durch die Notten jeßo: „Tzako ab!“

Und nun fein Laut mehr! Stille, wie im Grab Es war im Krieg ein tiefer Frieden.

Doch anders ging es auf des Lagers Saum

Sm Weinfchanf her; da flog Shampagnerfchaum, Da hielt die Bowle dampfend ung gefangen;

Da um die Wette blißten Epaulett’

Und Friedrichsd’or; da ſcholl's am Knoͤchelbrett: „Ber halt ?” und Harfenmädchen fangen.

Zumweilen nur in diefes wüften Saals

Setöfe ftahl ein Ton fich des Chorals,

Mifchte der Mondfchein ſich dem Schein der Lichter.

Sch ſaß und fann „Nun danfer —“ „„Qui en veut ?*“ Geklirr der Würfel da auf einmal feh’

Aus meiner alten Heimath ich Gefichter.

309 „Bas, du?“ „„Wer ſonſt?““ Nun Fragen hin und ber. „Wie geht’3? von wannen? was denn jeßt treibt der?” Auf hundert Fragen mußt? ih Antwort haben. „Wie —” „„Nun, mach’ fchnell! ih muß zu Schwarz und Roth!““ „Sleih! nur ein Wort noh: Grabbe?“ „„Der ift todt; Gut’ Naht! Wir haben Freitag ihn begraben!““

Es riefelte mir Falt durh Mark und Bein! Sie fenften ihn vergang’nen Freitag ein;

Mit Lorbeern und mit Immortellen

Den Sarg des todten Dichters Ihmüdten fie Der du die hundert Tage fchufft, fo früh! Sch fühlte Frampfhaft mir die Bruft erfchwellen.

Sch trat hinaus, ich gab der Nacht mein Haar; Dann auf die Streu’, die mir bereitet war

In einem Kriegerzelt, warf ich mich nieder. Mein flatternd Obdach war der Winde Spiel; Doch darum nicht floh meinen Halmenpfühl

Der Schlaf nicht darum bebten meine Glieder.

310

Nein, um den Todten war's, daß ich gewacht: Sch ſah ihn neben mir die ganze Wacht Inmitten meiner Leinwandwande.

Erzitternd auf des Hohen pracht’ge Stirn Legt’ ich die Hand: „Du loderndes Gehirn, Sp find jekt Afche deine Brande?

Wachtfeuer fie, an deren- fprüh’nder Glut

Der Hohenftaufen Heeresvolf geruht,

Des Corſen Volk und des Garthagers;

Jetzt mild wie Mondfchein leuchtend durch die Wacht, Und jeßo wild zu greller Brunft entfaht

Den Kichtern ähnlich diefes Lagers!

Sp iſt's! wie Würfelklirren und Choral, Wie Kerzenfladern und wie Mondenftrahl Vorhin gefäampft um diefe Hütten,

Sp wohl in diefes mächt’gen Schädel Raum, Du jah Verftummter, wie ein wüfter Traum Hat fich Befeindetes beftritten,

311

Sei's! diefen Mantel werf’ ich drüber hin!

Du warft ein Dichter! Kennt ihr auch den Sinn Des Wortes, ihr, die Falt ihr richtet?

Dies Haus bewohnten Don Juan und Fauft;

Der Geift, der unter diefer Stirn gehauft, Zerbrah die Form laßt ihn! er hat gedichtet!

Der Dichtung Flamm’ ift allezeit ein Fluch! Wer, als ein Leuchter, durch die Welt fie trug, Wohl laßt fie hehr den durch die Zeiten brennen; Die Taufende, die unter'm Leinen hier

m Waffen ruh'n was find fie neben dir ? Wird ihrer Einen, fo wie dich, man nennen?

Doch fie verzehrt; ich ſprech' eg aug mit Grau’n! Sch habe dich gefannt als Süngling; braun

Und fraftig gingft dem Knaben du vorüber.

tah Jahren drauf erfchaut’ ich dih ale Mann;

Da warft du bleih, die hohe Stirne fann,

Und deine Schläfe pochten wie im Fieber.

312 Und Male brennt fie; durch die Mitwelt geht Einfam mit flammender Stirne der Poet; Das Mal der Dichtung ift ein Kainsſtempel! Es flieht und richtet nüchtern ihn die Welt!“ Und ich entfchlief zulekt; in einem Zelt Träumt' ich von einem eingeftürzten Tempel.

313

Für Schillers Album beftimmt geweſen.

Nun kommen ſie aus aller Welt, Die leichten Dichterboten.

Bon wannen flattert nicht ein Blatt In's Buch des großen Todten?

Und wer jegt durch die Sierren fchweift Und wählt fih zum Gefandten

Ein Lied, der hüllt es ein in Flor Dom Sarge des Infanten.

Und wer durch Franfreich zieht, der tritt Zu Dom Remy's Altare,

Und fendet einen Kranz vom Baum Des Mädchens der Loire.

Und wer in Welfchland jeko weilt, Schickt Lorbeern von Meffina, Und einen frifch gehau'nen Span Vom Haufe des Verrina.

314

Der Böhme meldet einen Gruß

Bon Friedlands Fühnen Notten.

Sn England fchrieb’ ich mir dem Blut Der Königin der Schotten;

Und in dem Land Helvetien Stieg’ ich zu Berg und fehriebe Vom Grütli es zum Todtenfeft, Wie ich den Todten liebe.

Sch bin nicht, wo der Rhein entfpringt, Sm hohen Land des Schächen;

Sch wohne tief, wo laffig er

Verrinnt in fand’gen Flächen.

Denn diefes find am Ocean Die abgefall’nen Lande; Seflattert hat die Aufruhrfahn’ Auf diefem Nebelftrande.

Und diefes ift der Pfeilebund, Und dies find die Provinzen; In diefen Städten fehaarten fich Die Geufen um den Prinzen.

315 Noch ſpricht aus Steinen jener Geift, Der da manch Herz zerfreilen;

Sch hab’ heut’ Nacht bei Sturmesweh'n Bor Alba's Thür geſeſſen.

Sch wandelte dur Thore, die

Dem Spanier fich verfchloffen ;

Ich ftand vor Thurm und Mauerwerk, Vom Herzog einft beichoflen.

Wie hier vordem ein Volk gefämpft, Und wie ein Fürft gefündigt,

Das hat in eh’rne Tafeln Er Gegraben und verfündigt.

Bon diefer Mauerringe Troß Zeugt Er mit mächt'gen Lauten; Sie wiflen es, fie danfen’s ihm, Dem Todten die Ergrauten.

Und jeder Stein aus Thorgemölb’, Aus Mauern und aus Stiegen, Ließ' freudig fich in’s Fundament Bon Schillers Male fügen.

Mein Lied will fie vertreten: nr Es ruh' im Mal, ein

Bon den abtrünn’gen Stätten!

317

An Schillers Album.

Teotzig iſt dieſes Land: der Nordſee trotzt' es den Boden, Dem im Evscurial trotzte die Freiheit es ab. Siehe, die Pfeile dies, die verbundenen! dies die Pro— vinzen! Dies der zottige Leu, der in der Klaue fie trägt! Dies die Sandbanf im Meere des duftverfchleierten Nordens, Drauf des Gebieters im Süd flaggende Barfe verging! Hier des Aufruhrs Herd! Hier hat die Flamme gelodert! Die, Gewalt’ger, durch dich länger und leuchtender ſtrahlt. Siehe, ich ſaß heut’ Naht auf Alba's blutiger Schwelle: Diefes Haus vordem Def von Toledo Quartier! Diefe alten Tavernen vernahmen die Schwüre der Geufen; Diefer Märkte Naum fah das behang'ne Schafot. Siehe, die Thore dies, die Philipps Völkern ſich fchlofen! Siehe, die Mauern dies, die fie vergeblich berannt!

318

Höre den Dank der Ergrauten! fie Eennen und lieben dich, | Schiller! Gerne zu deinem Mal fügte fich jeglicher Stein! Weit der Weg und feft der Mörtel! für die Ge: bund’nen, Sie zu vertreten, fliegt freudig gen Süden dies Blatt! Ruh' es, ein Stein von den Mauern der abgefallenen Städte, In den Quadern des Mals Def, der die Städte ver- klärt!

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319

Der Phönix.

Bur Einleitung des Zweiten Jahrgangs von E. Dullers Phönir.

Am Niger, wenn von den fünfhundert Vollendet wiederum ein Sahr,

Erhebt der Phönir fih verwundert, Und redt der Schwingen purpurn Paar. Er fhaut zu Thal von dem bemoof’ten MWeltgrate, drauf fein würz’ger Horft; Er ſchaut nah Welten und nah Dften Durch Wüftenland und Zimmetforft.

Welch ein Gewirr zu feinen Füßen; Da ballt der Sand fich wunderbar, Da raufchen Wälder, Ströme fließen, Da traben Strauß und Dromedar.

320

Da weht des Mohren Scharlachfahne, Da fchallt des Tigers dumpf Gefchrei, Da jagt der Sturm die Karavane, Da jagt den Hirfch der grimme Leu.

Da ſchaut im Süden er die Horden

Des Kaffernvolfs befchwichtigt Faum; Da, taufendzeltig, glänzt im Norden Die Lagerftatt am Feigenbaum.

Bunt tummeln fi) die Kriegsgefchwader, Die blut'gen Schwerter funfeln glüh; | Und weithin fchallt’s: „Hie Abdel Kader!“ „„Hie Drleand, und Frankreich hie!““

Er aber läffet fich nicht Eümmern

Der Heere Drang und der Partei'n;

Sein Trachten ift, daß fie fein Schimmern Mit ihrem Staube nicht entweih’n.

Still fammelt fort er in den Thalen Gewürze fich zu feinem Brand,

Und laffet feinen Firtig ftrahlen

Ruhig durch das empörte Land.

321

Dem VPhönir möge diefer gleichen!

Auch ihm vollender fih ein Jahr.

Er fchauer in des Geiftes Neichen

Sih um, und redt der Schwingen Paar. Er ſchaut nad Oſten und nah Weiten; Sieh’ da auch hier Empörung nur, Und NRütteln an den alten Velten,

Und Waffenflang, und Ruf, und Schwur!

Nicht ift ein Fremdling er dem Ringen

Und dem Erregtfein diefer Zeit.

Barg denn nicht Er auch mit den Schwingen Den Funfen, der erregt den Streit? Fortan ihr Schimmern will er wahren ; Sein Flug ift über den Partei’n,

Doch gilt fein Flügelfchlag den Schaaren Des Neinen und des Nechts allein

Breiligrach, Gedichte 21

322

Sedwede Zeit hat ihre Wehen;

Ein junges Deutfchland wird erfteh'n. Unhemmbar ift des Geiftes Wehen,

Und vorwärts Fann die Zeit nur geh’n. Allein der Schlamm nicht der Gemeinbeit Gebiert, was edel und was recht;

Nur aus der Wahrheit und der Neinheit Erfteht, was fördert ein Gefchlect.

Und Solchem einzig gilt fein Streben, Und gilt fein Trachten für und für; Sold neuem Lenz entgegenheben,

As ein fcharlachenes Vanter,

Mag er die Flügel, mag entgittern Auf's Neu’ die Schranken er: Hinein! Und müßt’ ihm auch aus Ranzenfplittern Gethürmt der Scheiterhaufen fein!

323

Bannerfpruc. An €. Duller. (Bur Einleitung des dritten Jahrgangs des Phonir.)

Das Horn erfholl, der Kenner fcharrte! So laß uns denn zu Felde zieh’n! Auf's Neue fchwing’ ich die Standarte, Die deine Farben laßt erglüh’n!

Und nenne Keiner mich verwegen,

Wer fo vor deiner Schaar mich fchaut: Es wird ja ftets dem jüngften Degen Des Banners Obhut anvertraut!

Ich laſſe meinen Ruf erklingen,

Gewappnet, Duller, wie ih bin! Ein Neich ja gilt es zu erringen Der Menfchheit, unf’rer Königin!

324

Ein Reich, um welches fie noch heute Bon Thranen und von Blute trieft; Doc deffen Throne nach dem Streite Ein inn’res Ahnen ihr verbrieft.

Ein Reich, von dem ich oft geftammelt, Und e3 gefehen auch im Traum.

Die Völker hatten fich verfammelt

Um einen einz’gen Lebensbaum.

Da war Fein Schelten und Fein Toben, Und Feiner eitlen Rede Brunft:

Sch fah ein Band, das war gewoben Aus Glaube, Freiheit, Wiffen, Kunft.

Sie brachten Alle, was fie hatten, Bol Eintraht Einem Weihaltar; Wie Brüder fah ich auf den Matten Gelagert diefe große Schaar.

Und wie die Taube über Lämmern Sich wiegt in Lüften, alfo febier Sah milde durch der Zeiten Dammern Die Lieb’ ich ſchweben über ihr.

325

Das ift das Reich, nah dem wir ftreben; Und ift auh unfer Häuflein ſchwach: Wir haben Kämpfer vor und neben,

Und immer neue wachen nad!

Die ganze Menichheit Eine Heerde O, nur gerungen und geglaubt!

Es frommt ihr-jede Hand breit Erde, Die der Gemeinheit wir geraubt !

Im Kampfe nur erblüh’n uns Kranze! Drum laß ung fein, wie der’ Kroat,

Der auf Illyriens Kriegergrenze

Dem Boden anvertraut die Saat;

Der, als ein Kriegesmann gerüftet,

Den Walzen in die Furche freut,

Und, wenn fein Schwert den Türfen lüfter, Sclagfertig daſteht allezeit!

Der, wenn er fehrt von feinen Zügen, Beherzt und freudig, wie er fchied, Der Scholle dunflem Schooß entftiegen Des jüngften Lenzes Ausfaat fiebt ;

326

Der friedlich jekt, fein Korn zu mähen, Die Senfe ftatt des Säbels fchwingt, Und zwifchen Ernten, Kampfen, Sien, Sein Leben ruhelos verbringt!

Ich fühl’s an meines Herzens Pocen: Auch uns wird reifen unfre Saat!

Es ift fein Traum, was ich gefprochen, Und jener Völfermorgen naht!

Sch feh’ ihn leuchten durch die Sabre; Sch glaube feſt an feine Pracht; Sntbrennen wird der wunderbare,

Und nimmer Fehren wird die Nacht!

Wir aber reiten ihm entgegen;

Wohl ift er werth noch manden Strauß.

Wirf aus die Körner, zieh’ den Degen; Sch breite froh das Banner aus!

Mit feften Handen will ich's halten; Es muß und wird im Kampf befteh'n;

Die Hoffnung raufcht in feinen Falten,

Und Hoffnung laßt nicht untergeh'n!

Meberfetzungen.

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Aus dem Franzöfifchen. |

Alfons de Samartine.

Der Genius in der VBerborgenbeit. An Jean Beboul.

Der Ddem, deffen Weh’n ertönen laßt die Seele, Und zu Gefängen fie entflammt,

Berihmähr die ſtolze Pracht der Schlöffer und der Sale: Das Purpur er und Gold zu feiner Wohnung wähle, Bedarf Er’s, der vom Himmel ftammt?

Den Hirten, der auf’s Feld hinaustreibt feine Heerde, Beichatter mit den Flügeln er;

Senft auf das Strohdach fich der Armen diefer Erde; Auf ſchlechtem Wiegenpfühl, mir lächelnder Geberde, Schirmt er ein berrlices Myſter.

332 Es ist das Kind Homer, das unter woll’nem Tuche Die Sklavin trägt durch das Gewühl; Es iſt ein junger Hirt, der unter'm Dach der Buche Hervortritt, daß er ſcheu verirrte Ziegen ſuche, Und der nach Jahren heißt Virgil.

Der Knabe Moſes iſt's, den Nileswogen ſchützen, Und den die Königstochter liebt;

Den unter Tauſenden heimſucht des Sina Blitzen, Indeß er Marmor hackt, und in des Ofens Hitzen Die ungebrannten Ziegel ſchiebt.

Noch immer that ſich auf die Pforte dieſes Schreines: Sp reifen zur Unfterblichkeit

Die Perl’ im Meeresfchooß, das Gold im Nik des Steines, Der Diamant im Schacht, dem Hüter feines Scheineg, Der Nuhm in der Verborgenheit!

Ein Phönix ift der Ruhm, ein aus fich felbft Gebor’ner, Der alle hundert Fahre nur

Sich niederlaßt aufs Haupt Geliebter und Erfor’ner, Mit feinen Zeichen ftirbt ein ewig dann Verlor’ner, Dep Wiege Keiner noch erfuhr!

333 Sp wund’re dich denn nicht, daß fich ein Sohn des Lichtes Dein Dunfel nahm zur Nubeftatt: Erinn’re Safobs dich, und feines Nachtgefichtes! Das Traumen des Genie’, gern eine Stirn umflicht eg, Die Steine nur zum Kiffen hat!

Sch felber, reich bedacht mit Dem, was DVieler Streben, Wie gerne diefes guld’ne Soc,

Mir auferlegt vom Glüd, wie gerne wollt’ ich's geben Für eine Stunde nur der Zeit, wo meine Neben

Und Feigen al mein Reichthum noch;

Für jener Traume Luft, die mir im Herzen fangen, Und die fein Gold mir neu befcheert,

Die fih in’3 Purpurmeer der Abendfonne fchwangen, Indeß mein Mütterchen mit gluthbeftrahblten Wangen Umwandelte den engen Herd;

Indeß auf ihren Wink zum büch'nen Tiſch wir traten, Den ihre Liebe treu gededt, Für unfer ländlih Mahl den Herrn um Segen baten! Einfache Früchte nur, wie heuer fie geratben,

Und Brod, wie es der Landmann bädt.

334

Jean Webont.

Antwort auf Lamartine’s Gedicht: Der Genius in der PVerborgenheit.

Den du genannt mit edelmüth’gem Feuer, Kühn troßt mein Name der Vergeflenheit; Denn alles Dunfle, das durch deine Leier Fuhr, hülft ſich in Unfterblichkeit.

D, wenn mein Singen jemals Herzen rührte, Wenn eine Bruft es flammend je durchglüht, Du, Sänger, war’ft es, dem der Danf gebührte! Mein Lied entftand aus deinem Lied!

Du bift es, du, der meine Seele gähren, Und edlen Ehrgeiz fie durchlodern ließ; Du bift es, du, der mich auf den Altären Der Zukunft täglich ‚opfern hieß!

335 Du bift für mich der Engel, der die Schritte Lenft von den Himmeln zu der Erde Thal, Der auf den Palaft und des Dörfners Hütte Sich niederlafet ohne Wahl.

Du nahtejt mir; der Sphären herrlich Klingen Und wunderbares Leuchten priefeft du;

Da ichüttelte, gleich dir, ich meine Schwingen, Und flog mit dir den Himmeln zu!

Und mich durchfloß ein ungefannt Entzüden !

Ein blendend Leuchten jtrahlte meinen Blicken,

Und Melodien umtönten mic!

Mein Geift erbub fich, ftrrablend, neu geboren;

Das AL duchichweifen wollt’ ih..... drin verloren Würd’ id mich haben ohne dich!

Du aber fagteft: „Siehe da die Grenzen! Berdunfeln wird fih unfrer Traume Glänzen, Hinab! Für und nicht folh ein Glüd!

Schnell geh’n vorüber diefe reinen Klaren Nicht will der Herr dem Staube ſchon gewähren Der Engel ftrablender Gefchid.

O, harren wir, bis fich die Zeit vollendet;

Bis einft der Tod dem durft’gen Geifte fpendet Des Duelle, der ew’ge Wonne beut;

Wenn wir den Herrn im Heiligthume preifen, Dann wird die Welt fich als der Traum erweifen, Der Himmel als die Wirklichkeit.”

Und als du mich zurüdgabft dem Gebiete Des Irdiſchen, da in den Adern glühte

Ein Fieber mir, das Wichts, ac! Eühlt; Wenn Feine Leier, die an's Herz ich drüde, Die ein beraufchend Bild zeigt meinem Blide Don Allem, was ich fehon gefühlt.

O Strahlen, die mein Aug’ ihr einft umaeben, Wie, euer Glänzen follt” ich nicht erheben In meinem neuen Dunfel hier?

Wie, mit dem fcehwachen Tönen meiner Lieder, Gab’ ich das eure demuthvoll nicht wieder, Des Himmels heil’ge Lieder ihr?

337

Der Engel und das Kind.

Ein Engel fand an einer Wiege; Sein Antlis war von Strahlen hell. Es war, als ob die eig’nen Züge Er fhimmern fah’ in einem Quell.

„Kind, das mir gleicht,“ fo fprach der Engel, „Fleuch auf mit mir zum ew’gen Licht!

Die Erde bietet dir nur Mängel;

Komm! deiner würdig ift fie nicht!

Auf ihr erblühft du nur zu Leide; Selbit ihre Wonne drüdt die Bruft; Wie Elagend, jauchzt auf ihr die Freude, Und Seufzer hat auf ihr die Luft.

Kein Feft auf ihr, das ohne Sorgen! Es gab noch feinen Sonnentag, J Der Bürge ward beim nächſten Morgen

Für Sturmesweh'n und Wetterſchlag! Greiligrach, Gedichte 22

338

Und follte je der Sram fich feßen Auf diefe reine, ftile Brau?

Und bleichte je mit bitter'm Aetzen Die Zahre dieſes Auges Blau?

Kein! folge mir, daß ich dich trage, Wo brennend Sonn’ um Sonne rollt! Der Himmel fchenft dir gern die Tage, Die du vertrauern hier gefollt!

Laß Feine Thrane fie vergießen, Die dich genannt ihr einzig Glück; Laß deinen legten fie begrüßen, Wie deinen erften Augenblick!

Laß ihre Stirn e8 nicht verfünden, Daß bier im Haus ein Auge brach! D fomm! Wer hingeht ohne Sünden Sein lester ift fein fchönfter Tag!“

Und, fhürtelnd feine weißen Schwingen, Auf zu der Gottheit ew’gem Thron Erhub er fih mit füßem Klingen..... Du arme Mutter!... Todt dein Sohn!

339.

Sie ift Frank.

Warum von Thraͤnen iſt dein Kiffen naß? Mein Engel, ah! wird deine Lippe blaß, Wird je dein füßes Auge trübe,

Nicht fürchte dann, du meines Lebens Luft, Daß Andre dich entfremden meiner Bruft..... 'S ift mit der Seele ja, daß ich dich liebe.

D meine Taube, wenn ich Armer je

Dein dudend Köpfchen überfchatten fah’ Den Tod mit fchwärzlihem Gefieder,

Nicht fäng’ ich von Balkon dann zu Balkon, Daß And’re lode meiner Lieder Ton;

Auf deinem Grabe feßt’ ich ſtill mich nieder,

340

Dort, naffe Augen hebend fternenwärts, Wollt’ ich erwecken dich mit deinem Schmerz; Und deines Geifterfluges Tönen,

Durch’s Haar der Weide zitternd in mein Ohr, Dem füßeften Geftändniß zög' ich's vor

Bon der Gepriefenften der Schönen!

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341

Erfbeinung.

Warum das Grau'n in meine Nächte ſtreuen? Warum dem Ernft des Sarges diefer Hohn? Sch ließ den Priefter eine Kerze weihen,

Und für dich lefen ließ ih Meilen fchon.

Sch ließ gefchehen, was für deine Ruhe Vorſchreibt der Kirche heilig Ritual;

Sch öffnete dem Armen meine Truhe,

Zu öffnen dir des Himmels gold’nen Saal.

Sch Elagt’ um dich! O fprich, was kann dich qualen, Da nie die Luft auf ihrem Pfad mich fand?

In deiner Schreine funfelnden Juwelen

Hat nie gewählt noch eines Erben Hand.

Noch fteht das Haus, dem dich der Tod entriffen, In düftrer Trauer ernft und fchweigend da; Noch in des Schleiers falt’gen Finfterniflen

Trägt Leid der Spiegel, der dich lächeln ſah.

342

Noch floß Fein Del auf deine Lampe wieder; Noch liegt dein Pfühl, wie jene Nacht er lag; koch auf’s Getäfel fenft der Staub fich nieder, Den es beftäuben ließ dein Todestag.

Und fieh’, den Sweig auch trug man nicht von binnen, Der dich befprengt, o du geliebtes Bıld,

Als in's Gewand der Garmeliterinnen

Wir deine Leiche weinend nun gehülft.

Und doch bei Nacht in meines Vorhangs Falten Hör’ ich ein Naufchen, das mein Schlafen ftört; Ein feuchter Hauch laßt meine Stirn erfalten; Es ift ein Hauch, wie Gräbern er entfährt.

Ein Arm alsdann mit einer bleichen Kerze Gießt auf mich aus ein trübe dammernd Licht; Ein banges Tönen fallt mir ſchwer auf’s Herze, Und Falter Schweiß bedeckt mein Angeficht.

Sch ſeh' dich weinen; meine Pulfe ſtocken;

Auf meine Bruft, die du, ja nur erfülfft,

Ergießen fchwer fich deine düftern Loden Fl 2, wenn du fo kommſt, fag’ mir, was du willft!

343

Denn heilig find mir deiner Gruft Befehle; Erfüllen gern ja will ich dein Gebot! Genug ja drüdt, o ruhelofe Seele,

Das Leben mich aud ohne deinen Tod!

D, diefes Schredbild, Wahrheit oder Lüge, Gib du, o Gott, daß meine Ruh' es flieh’! Und. meiner Traume nahtverhüllte Wiege,

Laß deinen Engel freundlich fchaufeln fie!

Der Kahn.

Sept ihr den Kahn dort in der Ferne? Bon Purpur blißt er und von Gold, Durch's Waſſer zieht er, gleich dem Sterne, Der durch das Blau des Himmels rollt.

Sefchaufelt von des Zephyrs Kofen,

| Von ihren Wonnezügen matt,

Ruht dort die Liebe wohl auf Roſen Und auf der Myrthe duft’gem Blatt.

Auf unfrer Inſel wolle landen!

Ihr Schatten ift fo füß und Fühl..... O feht, fie hat den Ruf verftanden, Und bald erreicht fchon ift das Ziel!

Nun ſchmückt die Stirne, windet Kränze, Hinunter an's Geftade zieht!

Weib oder Göttin laffet Tanze

Sie grüßen und ein Fifcherlied.

345

Eilr! fhon am Ufer fehet ichwanfen Den Nahen! ad, er ift zerfchellt! Und in ihm auf den leden Planfen Verblutet fih ein junger Held.

„Grabt mir ein Grab auf euren Borden; Zu meinem Sarge fällt das Holz! Schaut her! der Lohn ift mir geworden, Den Gott beftimmt hat für den Stolz!

Gelockt von meiner Flagge Schimmer, Flog gierig ein Pirat herbei;

Er ſchoß mein luftig Boot in Trümmer, Und meine Bruft durchfuhr fein Blei.

Sch fterbe;... fei’s! doch ihr Seid weife! Wenn ihr gefahrlos reifen wollt,

So denkt an mich auf eurer Neife:

Den Purpurwimpel nicht entrolft!“

346

Alfred de Alufet.

Sieder und Sragmente

Barcelona.

Mer, der auf Barcelona’3 Gaſſe Mein andalufifh Mädchen fah? Wer fah fie ſteh'n auf der Terraffe? 'S ift meine Löwin, meine blaſſe Markeſa d'Amaegui ja!

Für ſie hab' ich mich oft gehauen,

Für fie Sonette gar gemacht!

Wie oft, ein Haar nur ihrer Brauen Durch's Weh'n des Vorhangs zu erfchauen, Hielt ich vor ihren Fenftern Wacht!

347

Mein ift fie! mein ift diefer Wangen, Mein diefer Lippen lechzend Glüh’n! Mein diefes Auge, fchwarz verhangen Bon feid’nen Wimpern! mein die langen Haarwellen, fo ihr Hermelin!

Mein, mein ihr Hals, feh’n fie die Wände Des Schlafgemahs in üpp’ger Ruh’! Mein das Gewand um ihre Lende!

Mein ihre Fleinen weißen Hände,

Und mein ihr Fuß im fchwarzen Schuh!

D, wenn durch ihres Nekes Franzen Ihr Auge bligt mit wildem Brand, Bei allen Heiligen im ganzen Gaftilien, man brache Lanzen,

Zu rühren nur an ihr Gewand!

Beim Eid! man muß fie feh’n im weißen Nachtkleid, die prächtige Geftalt!

Man muß es feh'n, dies Schlagen, Beißen, Wenn unter Küffen, grimmigen, heißen, Sie wüthend fremde Worte lallt!

348

Und, o! wie toll ift ihre Freude,

Wenn fie am Morgen fingt und lacht! Wenn, da juft in des Strumpfes Seide Ihr Füßchen fchlüpft, ihr unterm Kleide Des Leibchens ftraffer Atlas Fracht!

Auf, Page, folge meinen Pfaden! Hinaus mit Tambouringeklirr! Heut’ Abend will ich ferenaden, Daß fluchen fÖllen die Alcaden Bis an den Guadalquivir!

349

Das Lever.

O Herrin, es wird helle! Dein Leibroß, Iſabelle, Begrüßt dich wiehernd; ſchau Auf der Piqueur' und Führer Grünfarb'gen Aermeln ihrer Stoßfalken ſchwarze Klau'!

Sieh', Pagen und Bereiter! Der flücht'gen Stuten Leiter, Ein unbewamster Troß,

Das Haupt vom Buſch umflogen, Sp fommen fie gezogen

Mit Armbruft und Gefchoß.

390

O, böre deiner ſchnellen Windfpiel’ und Doggen Bellen! Hoch, Pfiff und Gertenhieb! Zur Jagd! frifch in den Bügel Den Fuß! ergreif’ die Zügel! Viel Glück zur Jagd, mein Lieb!

Und nun zuerft verhülle

Des ſchönen Bufens Fülle

Mit des Habites Grün!

Laß, moorumfpannt, mit feinen Göttlichen Formen fcheinen

Ein füßes Räthſel ihn!

Mir weißer Hand zu kämmen Dein Haar, laß uͤberſchwemmen Das dunfelbraune dich!

Dein Haar, früh aufgebunden, Und in den Abendftunden Gelöft durch dich und mich!

351

Frifh auf denn, meine Wilde! MWeithin durch das Gefilde Tönt deines Thiers Gefcharr! Und wie den Speer ein Knappe, So fchwingt, in bunter Kappe, Den Sonnenfhirm dein Narr.

Und nun noch die gefticte Schärp' um die goldgefhmüdte Sagdrobe wirf! gefchwind!

Und in des Mantels Falten Wil tragen ich und halten Dich, wie ein fchlafend Kind!

352

Madrid, du Licht von Spaniens Thalen, In deinen tauſend Feldern ſtrahlen

Viel tauſend Augen, ſchwarz und blau. Du weiße Stadt der Serenaden,

Viel taufend Eleine Füße baden

Sich Nachts in deines Prado’s Than!

Madrid, und Fämpfen deine Stiere, Dann laffen taufend Händchen ihre Buntfarb’gen feid’nen Schärpen weh'n; Und in den fternerhellten, lauen Lenznächten fieht man deine Frauen Auf deinen blauen Treppen fteh’n.

393

Madrid, Moedrid, laß ſie ſich ſehnen!

Ich ſpotte deiner ſtolzen Schönen,

Die muthig tummeln Maul und Pferd! Denn unter Allen weiß ich Eine;

Lab Braun’ und Blonde kommen Keine Iſt ihre Fingerfpige werth!

Und mich nur, wenn die Sterne feinen, Läßt die Duenna diefer Einen

Dur ihr vergittert Fenfter! Wer Nah zorn’gen Bliden tragt Begehren, Der nah’ ihr nur beim Meffehören,

Sei Bifchof oder König er!

Denn, wiflet, meine wilde Kleine

Aus Andalufien ift es! meine

Wittib mit dunfelm Flammenblid! Sie ift ein Teufel und ein Engel! Braun, der Drange gleih am Stengel, Und wie ein Vogel flügg’ und quid!

Freiligeath, Gedichte 23

304

O, wenn wir zitternd Küffe en; Wenn um mein Haupt mit füßem Naufchen Entfeffelt ihre Loden weh’n,

Dann muß man fie mit glüh’nder Wange, Behend und fcehnell, wie eine Schlange,

Sn meinem Arm fih winden feh’n.

Und fragt ihr, welchem Preis die fchlanfe Erob’rung ich denn wohl verdanfe?

'S war meines Roſſes Mähnenpract; Das Loben ihrer Sammtmantille;

Nicht zu vergeffen: auch Vanille: Bonbons in einer Faſchingsnacht!

Die Frau Marfifin.

Ihr kennt ihr Aug' und ihre Züge, Ihr kennt die Andaluſierin!

Ihr wißt, daß ich im Arm ſie wiege Vom Abend bis zum Morgen hin!

O, ſeht ſie, wenn ihr Arm, wie eines Schwans weißer Hals, mich feſt umſchlingt; Wenn, dicht an ihrem Haupte meines,

Die Nacht uns ſüße Träume bringt!

O, kommt! ob unſerm Neſt begegnet

Und ſchnaͤbelt euch, ihr Voͤgelein!

Durd ihren Schlummer, den Gott fegnet, Strahl’ eurer Flügel Widerfchein!

Preis der Vergeflenheit gegeben,

Sei Alles, nur die Liebe nicht!

Die Wolluft ruft: vergeßt das Leben! Der Vorhang ruft: vergeßt das Licht!

396

D, laß ung ruhen, Mund auf se! Hauch’ deine Seel’ in mich hinein!

D, laß ung ruh’n fo bis zur Stunde, Wo man ung bringt den Todtenfchrein!

Und fürchte nicht des Sternes Schimmer, Der jetzt die Furcht der Weifen ift! * Vielleicht, fchlägt er die Welt in Trümmer, Daß unfern Winfel er vergißt!

Sn meiner Seele frifches Bluten Laß rinnen deinen lichten Geift, Wie fih in eines Gießbachs Fluthen Der Wiefe Blumengquell ergeußt!

Denn weißt du wohl, wie viele Schmerzen Sch litt, ah, um zu leben nur?

Siehft du in meinem wunden Herzen

Des Veberdruffes blut’ge Spur?

Gib einen Kuß mir, meine Kleine! Mit meiner Hand in deinem Haar, Laß mich erzählen dir beim Scheine Der Lampe, was mein Unglück war!

* Man redete damals viel von dem Kometen von 1832,

397

Kun ſieh', . gut ich bin, mein Leben! Daß geſtern du auf meiner Bruſt Entſchliefſt ich will es dir vergeben! Und war's auch, als ich ſchwatzte juſt.

Denn, auf des Königs Wort, ſobald es Wird dunkel in der Hauptſtadt fein, Zieht hier im Luſtrevier des Waldes In's Schloß die Frau Markiſin ein.

Mein Arm ſei der Geliebten Wiege Vom Abend bis zum Morgen hin.

Ihr kennt mein Lieb, ihr kennt die Züge Der braunen Andaluſierin! |

398

Fragment.

a & a : Ich habe dich geliebt; und wie? o Gott, mein Leben Hatt’ ich in jener Zeit für dich dahin gegeben !

Du aber haft mich felbft verfcheucht von deiner Bruft, Du felbft, zu lieben dich, benommen mir die Luft!

Du fängft mich jeßt nicht mehr in deines Lächelns Schlinge, Auch deine Thranen jekt find überffüf’ge Dinge!

Sp, wenn der alte Saal ein Kind mit Schreden füllt, Löſ't vom Getäfel es Helm, Harnifch oder Schild.

Mit der Trophäe dann, die zitternd es erftritten, Sucht es fein Kammerlein mit bangen, haft’gen Schritten;

Legt das Gemwaffen ab, und hüllt beim matten Schein Der Damm’rung furchtfam fich in feine Kiffen ein.

359

Doch, wenn der Morgen nun verfheucht der Nacht Ge: fpenfter, Dann funfelt das Phantom im Morgenroth am Fenfter.

Dann lacht es feiner Angft, und ruft: wie war ich blind! Wie war ich furhtfam doch! wie war ich doch ein Kind!

360.

An die Jungfrau.

O Jungfrau, wenn ein Mann, der deine ſteilſten Wände Erklettert hätte, nun auf deinem Gipfel ſtände:

Wohl ſchlüge ſtolz ſein Herz, wohl zitterte ſein Geiſt, Wenn er vom ew'gen Schnee ſich trunken nun erhübe, Wenn mächt’ge Kreiſe nun im Aether er beſchriebe,

| Dem jungen Adler gleich, der langfam ihn umkreiſ't.

Sungfrau, ich weiß ein Herz, gleich dir zum Himmel ragend,

Gleich dir ein fledenlos und ſchimmernd Feftkfleid tragend,

Dem Ew’gen naher noch, ald du dem Himmel; kühn

Und rein! Drum fiaune nicht, erhabenfte der Höhen,

Daß, da zum erftien Mal ich feine Firn gefehen,

Für einen Sterblihen der Ort zu hoch mir fchien.

361

An Ulrich ©.

Urich, kein Auge maß die Tiefe je der Meere,

Der älteſte Matros, der kühnſte Taucher nicht!

Auf ihrem Spiegel iſt's, daß, gleichwie feine Speere Sin überwund’ner Schüß, die Strahlen Phöbus bricht.

So auch durchdrang fein Aug’ den Abgrund deiner Schmerzen, Hefall'ner Engel, Mann der düftern, eifgen Ruh’!

Du tragt in deinem Haupt, du trägft in deinem Herzen wer Welten, fchreiteft trüb an meiner Seite du.

Doch laß mich wenigfteng in deine Seele fchauen,

Bie furchtſam fih ein Kind beugt über einen See;

Du: fo gereift, ein Haupt, daB bleich vom Kuß der Frauen; sch: faft ein Knabe noch, dich neidend um dein Weh!

362

Benedig.

Venedig, ſtolz von Blicken, Kein Roß auf deinen Brücken! Kein Fiſcher am Geſtad,

Kein Licht am Pfad!

Am Ufer nur voll Treue Hebt der gewalt'ge Leue Auf zu des Himmels Blau Die eh'rne Klau'.

Und um ihn her in Gruppen Fregatten und Schaluppen, Wie Reiher, ſchwarz und weiß, Kauernd im Kreis.

Sie ſchlummern, feucht bethauet, Das Waſſer dampft uud brauet; Matt ſchimmert durch die Nacht Der Wimpel Pracht.

363

Mit fternigem Gemölfe Bedeckt der Mond die welfe, Faltige Lichtftirn, eh’

Sein Grab die ©ee.

©» läßt in dem Gemäuer Bon Saint-Eroir den Schleier Des Klofters Oberin

Ihr Haupt umzieh’n.

Der alten Schlöfer Menge, Die ernften Säulengänge, Die weißen Treppen hie Der Nobili;

Und dort die bunten Schilder, Die ftarren Marmorbilder, Der Golf und die Lagun’ Schweigen und ruh'n.

Mit langen Hellebarden

Sieht man nur noch die Garden; Es blist der Schwerter Stahl Vor'm Arfenal.

364

D, jest wohl mehr als Eine Harrt ſtill im Mondenfceine ; Sie laufcht beforgt und bang Des Buhlen Gang.

Wohl mehr als Eine fchmüdt fich Zum Balle jeßo; blickt fich, Verführeriſch angethan,

Im Spiegel an.

Auf wolluftvollen Kiffen Dehnt ſich, indeß mit Küffen Sie den Geliebten letzt, Vanina jetzt.

Und bei Champagnerſchaume Würzt in der Gondel Raume Narciſſa bis zum Tag

Das Feſtgelag.

Und zählet Welſchlands Städte! Wer in Italien hatte

Sein Körnlein Thorheit nicht?

Wer liebte nit?

ae A ET ET SEEN

Zeetzt tön auf feinem Falten,

Langweil’gen Pfühl dem alten, Gähnenden Dogen nur

Der Schlag der Uhr.

⸗* *

Was kümmert uns die Stunde? Ich zähl' auf deinem Munde

Kur Küſſe, die du gibft...... Dder vergibfi? i

Ich zahl in nacht'ger Stille Nur deiner Reize Fülle; Die ſüßen Thränen ich, Ninnend um mid! |

366

Stanzen.

N); wie gern im Abendftrahle, Tief im Thale,

Seh’ ich, einem Todtenmale Aehnlich, Schwarzer Münfter Bau!

O, wie gern ich bei den finftern, Hohen Münftern

Auf der Ritter Schwel im Finftern Kreuz und Weihekeſſel ſchau'!

Helm’ ihr auf der Pyrenden Truß’gen Höhen,

Alte Kirhen, Maufoleen, Die Fein Wetter je zerbricht;

Mag’re Thürm’, entfleifchte Steine, Die ihr Feine

Zeit Fennt, feid ihr die Gebeine Staubgeword'ner Berge nicht ?

*

367

O, wie lieb' ich euch, ihr Thürme! Wie Gewürme

Winſeln um euch her die Stürme, Machtlos! ihr ſteht hoch und feſt.

O, wie lieb’ ih euch, ihr Gänge! Heil dir, enge

Stiege, deren Schooß die Klänge Heil’ger Hymnen tönen läßt!

D, Eommt der Orkan gefahren, Treibt zu Paaren

Wald und Feld, faßt bei den Haaren Das Gebirg mit Zorngefchrei:

Zwei granit'ne Bäume zwifchen Weh'nden Büſchen

Steh'n alsdann mit ihren Niſchen Die zwei Thürme der Abtei!

O, wie gern mit ihren Schilden Und Gebilden

Mag ich Abends ſich vergülden Dieſer Thore Roſen ſeh'n.

Diefe grauen ri ait Heil’gen, die, aus Stein gehauen, Leis für die Lebend’gen flehn!

369

Sponett.

Den eriten Froft des Winters hab’ ich gerne, Wenn unter'm Fuß des Sägers Fnarrt der Schnee, Wenn auf die Felder Frachzend zieht die Kräh', Und wenn der Dambirfh Neif tragt am Gehörne!

Jetzt nah Paris! Jüngſt ehrt’ ich aus der Ferne Sn feine Mauern! Ernft aus ihrer Höh’ Sah’n Saul’ und Louvre, Nebel zog am Quai,

Drin glommen röthlih Fadel und Laterne.

Wie liebt’ ich diefe graue Zeit! die Seine Begrüßt' ich jubelnd, die in ihrem Bette Wie eine Fürftin normandiewärts ſchwamm!

Du ja warft in Paris! Ho, eine Thrane?

Daß fih Ihr Herz fo bald geändert hätte, Wie fonnt’ ich es denn willen auch, Madame?

Kreiligrach, Gedichte 24

370

- Ballade an den Mond.

Den Mond durch Nebel feheinen Hoch über'm Thurme fieh),

ie einen

Punft über einem i!

Mond, welh ein Geift auf Pfaden Des Dunfels führet licht

Am Faden

Profil dir und Geficht ?

Nachtaug' mit dunfelm Scheine! Bon Cherub welch ein Duns Durch deine

Blechmasfe fchielt nach ung?

Bift du, mit deinem rothen Geſicht, ’ne dide Spinm, Die pfoten-

Und armlog rollt dahin,

en

371

Bift du, faſt möcht? ich's fagen, Die Uhr voll Noft und Ruß, Die fchlagen

Der HM die Stunden muß?

Frug eben jekt um Kunde Sie deine Stirn, wag Zeit Und Stunde

Sn ihrer Ewigfeit?

Frißt dich ein Wurm, wenn enger tun dein gefchwärzter Kreis Und länger

Sich ausdehnt filberweiß?

er neulich Abends hatte

Ein Auge dir geraubt?

Traf Latte,

Traf Baumaft dir das Haupt?

Durch meiner Scheiben Gitter Erfah ich deines Horns Gezitter,

Als wäreft du voll Zorns.

372

Geh, Mond! nicht langer ſchwebe, Dun Sterbender, einher! |

Ach, Phöbe,

Die Blonde, fiel in's Meer!

Soll ewig es fie halten? Du bift ihr Antliß nur; Bol Kalten,

Tragt es des Alters Spur.

Gib ung zurück die Meine, Die Säg’rin auf der Bürſch, Sm Haine

Berfolgend früh den Hirſch!

Ha! unter den Platanen Zu feh’n im Dieicht hier Dianen,

Die Hunde neben ihr!

Das fchwarze Neh, verftöret Die Felswand flieh'nd binan, Es höret,

Es hört fie zitternd nah'n.

373

Nach fest der flücht’gen Beute Durch Wald und Thalgrund heiß Die Meute,

Seführt vom feuchten Schweiß.

Ha! Phöbe’n, Phöbus’ Schweiter, Ertappt im Bad zu fchau’n, Mo Neiter

Die wilden Schwäne bau’n!

Sie, die bei Nacht auf Lieder Und Mund dem Schäfer finft, Wie nieder

Ein Vogel leicht fih ſchwingt!

O Luna! welchen Schimmer Und welcher Schönheit Zier Auf immer

Verleiht dein Lieben dir!

Froh bringt, wer dir begegnet, Dir feines Danfes Zoll,

Und fegnet

Dich, wachlend oder voll.

374 Dich liebt der Hirt, am Naine Ausruh’nd bei frifchen Quel’n, Weil feine Hund Angftlich dich anbell’n.

Dich liebet auf Kauffahrer Und Kriegsfchiff der Matrof, Lacht Elarer

Nachthimmel feinem Floß;

Die Dirne dich, die wählig Am Saum des Holzes zieht, Hellkehlig

Läßt ſchallen ſie ein Lied.

Und unter deinem blauen Aug' reget ſich das Meer; Zu ſchauen,

Wie an der Kett' ein Bär.

Und, regn' es oder ſchneie, Was jede Nacht komm' ich Auf's Neue,

Hieher zu ſetzen mich?

376

Mlarceline Desbordes- VBalmore.

Der Nufer an der Rhone.

Das Erntemädchen war gekrönt; von frifhen Kränzen 308 feftlich fih vom Dorf zur Stadt ein Blumenband. Die Kinder trugen heut’ ihr bunteftes Gewand, Sm Aug’ der Greife fah man Erntefreude glänzen. Auf einmal endigte die Luſt, Dem Srrlicht ahnlich, das, wie es entfteht, verglüht. Ein langer Schrei fuhr Ealt, wie Eis, durch jede Bruft, Berftummt war jedes Lied.

„Zurück, zurüd, das Kind, das fich verlief im Schwarme!

Die Mutter weint! das Kind! o, daß fi Gott erbarme!

Zu dumpfem Brüten ward ihr lautes, wildes Klagen; Für ihren bittern Schmerz hat fie nicht Worte mehr. Hört! daß Ihr es erfennt; es fagt euch nicht, wie fehr Es zu bejammern iſt; nur; Mutter! kann es fagen.

377

Noch Keiner, der: hier ift es! rief?

Hat e3 am Ufer denn Fein Einz’ger fpielen ſeh'n?

O Gott, die Ahone tft fo tief!

Ein fhwaches Kind! faum fonnt’ es geh’n! Zurück, zurüd, das Kind, das fich verlief im Schwarme! Die Mutter weint! das Kind! o, daß fich Gott

erbarme!

Sein Aug’ ift fhwarz und fanft, es hat erſt wenig Zähne, Selb, wie das reife Korn, ift meines Kindes Haar; Furchtſam und fchwanfend geht’s, und mit Kornblumen war Sein Kleid beſetzt; gewiß fteht eine helle Thräne Sn feinem Aug’; ihr kennt es, war’ Es nadt oft nahm ja fchon die Armuth ſchwachen Kleinen Ihr Kleid! ein Engel, ohne Wehr, Würd’ es in feiner Bloͤße weinen! Zurück, zurüd, das Kind, das fich verlief im Schwarme! Die Mutter weint! das Kind! o, daß fih Gott erbarme!“

Der alte Rufer fchweigt; ein: bier! nur aus dem Volfe Will er, lang wartet er; umfonft! die Mütter find Wortlos; und jede drüdt feſt an die Bruft ihr Kind;

Der Schreden legt ſich trüb auf’3 Feft, wie eine Wolfe

378

Man fagt, daß mit verftohl’nem Gang, In Lumpen eingehült, barfuß ein Bettler dorten Schlich; unter feinem Mantel Elang Ein leifes Wimmern zu den Worten: „zurück, zurüd, das Kind, das fich verlief im Schwarme! Die Mutter weint! das Kind! o, daß ſich Gott erbarme!“

379

Die Nachtwache des Negers.

Die Sonn’ der Nacht erhellt der Küfte nadte Höhen; > Herr, wie lange noch verziehen wir im Sand? Sanft will ich tragen dich; 0, reich’ mir deine Hand! Erwache, guter Herr! laß uns zu Menfchen gehen! Herr! feit drei Tagen fchon- find deine Augen zu: Schläfſt immer du?

Sieh’, der Platanenwald fiel nieder vor den Schritten

Des Sturms; das Schiff verfchwand zertrümmert in der Fluth.

Von deiner bleichen Stirn wuſch ich das rothe Blut;

O komm! gern öffnen ung die Schwarzen ihre Hütten.

Herr! feit drei Tagen fchon find deine Augen zu:

Schlafft immer du?

380

Was du wohl traumen magft? dein Sklav' errieth eg gerne. D, lang währt diefer Traum! weicht er, wenn es am Strand Hell wird? drüdft du erwacht des treuen Dienerd Hand? Fa, weden will ich dich, fobald nur flieh’n die Sterne. Herr! feit drei Tagen ſchon find deine Augen zu: Schlafft immer du?

Doc fehon befcheint das Licht des Morgens das Gefieder

Der Möve; lautlos trägt die See das Fifcherboot.

Komm! dein Geficht ift Ealt! bleich! fonft war es doch roth!

O fprachft du! meinen Muth gab’ mir dein Sprechen wieder!

Herr! feit drei Tagen fehon find deine Augen zu:

Schlafft immer du?

a >

381

Angufte Barbier.

Niſa.

Xagıevra utv yao ad. AUnafreon.

Dtolz ragt ein Fichtenbaum; und drunter, lau von Fluthen, Smpfängt den frifhen Quell ein Beden, das die Gluten des Sonnenftrahls nicht kennt. Dort, feit das Morgenroth der Fichte Stamm befchienen, ing ihre Tunifa nachläſſig auf im Grünen in Kind von Agrigent.

Sie ruht und wiegt fich dort, nadt wie fie trat in’s Leben! Das einz’ge Frühgewand, von dem ihr Leib umgeben, des Waſſers dünner Flor!

Sie ruht auf Mooſe dort und auf dem feinen Sande, Bie eine Nymphe fchier, die, ledig der Gewande, importaucht aus dem Rohr.

382

Warum auch flöhe fie, ein Kind von vierzehn Lenzen, Dem roth die Lippe fchwillt, dem blau die Augen glänzen, Und deffen Zähne Schmelz?

Nach ihrer Mutter Kuß, nach Tanz und Blumenpflüden, Was Fünnte Nifa wohl, die Kleine, mehr beglüden,

As Baden im Gehölz?

Sie fchaufelt üppig fich; der Wind des Morgens Fühlt fie; Sie denft an's Wafler nur, und mit dem Waſſer fpielt fie; Mit ihren Händchen fchlägt

Und faltelt fie die Fluth in taufendfacher Weife,

Wie Abends oft der Werft in ihrer Schweftern Kreife Ihr Kleid in Falten legt.

Bald mühr fie ſchäckernd fich, die Schwalben zu ergreifen, Die den Kryftall des Borns mit braunem Flügel ftreifen Und hurtig dann entflieh’n.

Bald laßt ein fchwimmendes Ameischen fie entrinnen, Läßt es den Raſenſaum des Quellbaffing gewinnen,

Und heißt es fürder zieh’n.

383

Jetzt einer Roſe Kelch entblattert fie mit Lachen;

Die Quelle wird ein Meer, das duft’ge Blätternachen

Befahren, Bord an Bord.

Da haucht ihr Münden Sturm; die Schiffe weh’n zur Küfte;

Nur wen’ge retten fih an ihre jungen Brüſte,

Gleihwie in einen Port.

Dann laufht fie jtill und ernit auf das melod’sche Fliegen Der Biene, die fich dreift auf ihren Honigzügen

An ihr vorüber ichwingt;

Und dann dem Krübgelang, dem lieblichen, der Grille, Der Kleinen, deren Lied durch des Gehölzes Stille

Wie Lied des Himmels klingt.

Dann endlich ichlaft fie ein! Auf ihren Armen liegend,

Ruht aus ihr lodig Haupt! Halb ihwimmend und halb fliegend,

Entrollt die blonde Fluth.

Dem Schwane gleicht fie fo, den, unterm Schilf verborgen,

Ein Mädchen ſchlummern fiebt, wenn er am frühen Morgen

In feinen Federn rubt.

384

Auf einmal fährt fie auf! Ein Nafcheln und ein Rau: |

ichen!

Iſt es ein Menfchenfuß? Sie laufcht mit bangem '

Lauſchen; Ihr Köpfchen ſinkt auf's Knie. Roth wird ſie, wie die Frucht des welſchen Maulbeer— baumes; Sie biegt zuſammen ſich, und in des Wellenſchaumes Gekräuſel zittert ſie.

Doch bald verſtummt der Lärm; und Niſa, noch erſchrocken, Wagt es, hervorzuſpäh'n aus ihren dichten Locken

Mit feuchtem Augenlied;

Da plötzlich lacht ſie auf: langbärtig aus den Zweigen

Schaut eines Geisbocks Haupt herab mit ernſtem Neigen,

Sieht an ſie und entflieht.

Aus dem Englifchen.

Greiligrarh, Gedichte

25

IE ven 2) Bargırinnd

Samnel Taylor Coleridge.

Der alte Matrofe.

Ein Romanzencyklus.

Facile credo, plures esse naturas inrisibiles quam visibiles in rerum universitäte. Sed horum omnium familiam quis nobis enar- rabit? et gradus et cognationes et discrimina et singulorum munera ? Quid agunt? quae loca habitant? Harum rerum notitiam semper ambiyit ingenium humanım , nungnam attigit. Juyat, interea, non diliteor, quandoque in animo, tanquam in tabula, majoris et me- lioris mundi imaginem contemplari: ne mens assuefacta hodiernae vitae minutiis se contrahat nimis, et tota subsidat in pusillas cogi- tationes. Sed veritati interea invigilandum est, modusque servandus ut certa ab incertis, diem a nocte, distinguamus.

a T. Burner. Archaeol. Phil. p- 68.

1,

Einen alten Seemann gibt’3; der halt Ein elter Eeunzn

begegnet dreien zu . eıner Dodzeit gelade- Bon Dreien Einen an. veren Miu

Deren Einen am Bas will dein glühend Aug’ von mir,

Sraubärt’ger alter Mann ? *

Macht Hochzeit doch der Bräutigam; Nah find verwandt wir beide!

Das Feſt beginnt; verfammelt find Die Säfte; ringsum Freude!

Er halt ihn mit der dürren Hand: War ftattlich einft und groß

Ein Schiff Laß los, du alter Narr ! Strads ließ die Hand er log.

air dur hal A Er hält ihn mit dem glühen Blick; des alten feefah

us Der Hochzeitgaft fteht ſtille, und gezwungen, feine

Gefhihte zu verneh Und horcht ihm, wie ein Fleines Kiud: So war's des Seemanns Wille.

Sept fich auf einen Stein der Saft; Er Fann nicht von der Stelle.

Und fo begann der alte Mann,

Der graue Schiffägefelle:

Die Anker hoch! die Barfe flog! Frifch ging es durch die Bai, Vorbei die Kirch’, vorbei den Berg, Den Feuerthurm vorbei.

Der Seemann cr Die Sonn’ erhob fich aus der See; zählt, wie das Schiff mit gutem Winde und

fhönem Wetter für. Zur Kinfen ging fie auf.

mwärts fegelte, bis es

die Linie erreihte: Und fie fehien heil, ſenkt' in die We Zur Rechten dann den Lauf,

389 Und höher, höher jeden Tag, Bis Mittags über'm Maft Da tönt von Ferne das Fagott; Vom Sik fährt auf der Gaſt.

Die Braut betritt den Hochzeitfaal ; Der Hoczeitgafl vernimmt die Feſt⸗ muſik; aber der See—

Der Roſe gleich glüht ſie; * I in feiner Und vor ihr geh’n mit nidendem Haupt Die Iuft’gen Muſici.

Der Hoczeitgaft fährt auf in Haft, Er fann nicht von der Stelle;

Und fo fprah dann der alte Mann, Der graue Sciffsgefelle:

Da fam der Sturmwind; der war ſtart, seit dus Und groß war feine Wuth, Und ſeine Schwingen trieben uns

Fern nach des Südens Fluth.

Das Bugſpriet tief, die Maſten ſchief Wie wer, verfolgt, mit raſchem Schritt

Noch feines Feindes Schatten tritt,

Mit vorgebeugtem Haupt:

Sp auf gut Glüd ftürmte die Brid

Südwärts, vom Nord umfchnaubt.

Und Schnee und Nebel famen jekt, Die haben’s Falt gemacht.

Und maftenhoc vorüberzog

Eis, grünlid, wie Smaragd.

a fi ; i \ 18 i —— Und trüben Schein durch's Eis herein

Töne, wo fein

vig Mefen zu ihanen Warf eine ſchnee'ge Spalte: > Nichts fahen wir, niht Menfch noch Thier Die Treibeismauer hallte.

Das Eis war hier, das Eis war dort, Das Eis war überall;

Es thürmte fih, und fürchterlid) Dröhnt’ über's Meer fein Schall.

Bis ein on Doch endlich ſchoß ein Albatros

vogel, Albatro

Keen, ur = Durch den Nebel und den Regen; mit großer Freud' un

er empfen. Als war's ne Shriftenfeel’, fo tönt J— Ihm unſer Gruß entgegen.

Der Vogel fraß aus unſerer Hand, Flog auf dem Deck umher;

Das Eis zerbrach mit dumpfem Krach: Wir ſind auf off'nem Meer!

Ban - >

391

Und ein guter Südwind thut fih auf; Hoch folgt ung durch die Luft

Der Vogel treu, und fchwebt herbei, Wenn der Matrofe ruft.

Auf Tau und Maft, da halt er Naft Der wolfgen Nächte neun;

Und alle Naht durch Nebel lacht Des Mondes weißer Schein.

Bor böfen Geiftern fchüß’ dich Gott,

Du alter Schiffsgenog!

Was ftierft du? mit der Armbruft mein Schoß ich den Albatrog!

Die Sonn’ erhob ih aus der See, Ging nun zur Necten auf.

Bon Nebeln noch verſchleiert, ſenkt Sie links in's Meer den Lauf.

Und fiebe! der Al. batros ermeifer ſich als einen Vogel von

uter Vorbedeutung und folgt dem Schiffe, da es durch Nebel und Treibeis mordwärts ehrt

Der alte Seemann todtet ungaftlih dem frommen Vogel von guter Vorbedentung.

Seine Genoffen er- heben fich gegen den alten Seemann, dar- um, daf er den a dringenden Vogel g todtet hat

Aber da der Nebel fich verzieht, rechtferti, gen fie denfelben, alfo feines Verbretens fin theilhaftig machend.

he - —*

Der Wind aber bleibt günſtig; das en teitt in den ftille

Dcean, und fegeft nordmwärts, allzeit bis e8 die Linie erreicht.

392

Und der gute Südwind blieb am Weh'n; Doch nicht folgt durch die Luft

Der Vogel treu, und fchwebt herbei, Wenn der Matrofe ruft.

Ich hatt? ein übel Ding gethan;

Das brachte nimmer Segen.

Sie fagten: Fühn erfchlugft du ihn, Der fih den Süd ließ regen!

Sie alle fprehen: welch ein Verbrechen, Der fih den Süd ließ regen!

Herrlih, wie Gottes eig’nes Haupt, Ging auf die Sonn’ und lachte! Sie fagten: Fühn erfchlugft du ihn, Der uns den Nebel brachte!

Den Bogel traf gerechte Straf, Der uns den Nebel brachte.

Der Wind bläſ't gut, weiß ſchäumt die Fluth; Wir furchen rafch die Wogen.

Wir waren fiher die erften Schiffer,

Die diefe See durchzogen.

4

i 393

Der Wind laßt nach; rings bangen fchlaff a Sn win Die Segel an den Raa'n; 1 Nur ſprechen Alle, daß Etwas ſchalle

Doch auf dem Ocean.

Am heißen Kupferfirmament,

Hoch über'm Maſte, thront

Die blut'ge Sonn' zur Mittagszeit, Nicht größer, als der Mond.

Wir lagen Tage, Tage lang; Kein Lüftchen rings umher!

Wie ein gemaltes Schiff, fo träg, Auf einem gemalten Meer.

Waſſer, Waſſer überall! —* der eat fängt an gerächt zu Doc jede Fuge klafft; werden.

®

Waſſer, Waller überall! Nur was zu trinken fchafft!

Die Tiefe felbft verfaulte. Gott m Himmel, gib ung Muth! Schlammthiere frabbeln zahllos rings Auf fhlamm’ger Moderfluth.

394

Und jede Nacht fah’n wirbelnd wir Die Todtenfeuer glüh’n;

Wie Herenöl, fo fladerte

Die Fluth blau, weiß und grün.

Eın Geift war ihnen gefolgt; einer von den unfihtbaren Bewoh— nern dieſes Planeten,

en Und Manchem fagt’ im Traum der Geift, find, und in Betreff

u he m Der und gefandt fol Weh:

der Konftantinopoli-

ee oniter Neun Faden tief verfolgt’ er und

Rath gefragt werden

fönnen. Cs ift ihrer Won jenes Landes Schnee. eine große Zahl, und feine Zone noch Ele- ment if ofne einen oder mehrere. Und jede Zunge war verdorrt, War troden bis zum Schlunde; Wir konnten Al’ nicht fpreden, grad’

Als war’ ung Ruß im Munde,

möchten ger

Die Senoffen in i- Und Alt und Jung mit finfterm Blick teganze 2 n Schuld anf den alten Kam auf mid augegangen; ee .

Hängen fe den todien Den Albatros, den ich erfchoß,

Seevogel um feinen

Hals. Hat man mir umgehangen.

Und lange Zeit verfloß. Verdorrt

War jeder Saum! Wie Glas

Die Augen! Lange, lange Zeit!

Die Augen all’, wie Glas!

Da bliet’ ich feitwärts ſchau! da fab Am Horizont ich 'was!

Zuerft war es ein Fleiner Fled; Der ward zum Nebel bald, Und regte und bewegte ſich, Und wurde zur Geftalt.

Ein Fleck, ein Nebel, dann Geftalt, Und näber kommt es ftets;

Als nedt’ eg einen Waſſergeiſt,

Sp ſchießt es und fo dreht’.

Mit trock'nem Gaum, die Lippen faum Noch roth, fteh’n wir; fein Laut

Erfhallt find ſtumm; bin ift der Muth!

Da biß den Arm ich, faugte Blut, Und rief: ein Segel! ſchaut!

Der alte Matrofe jlebet in weiter Ent- fernung ein Zeichen auf dem Waller.

Und als es naber und näher fommt, (deine e8 ibm ein Schiff zu fen; und um eine theure Loſung befreit er ſeine Sere⸗ de aus den Banden des Durftes.

396

Mit trod’nem Gaum, die Lippen Faum Noch roth, feh’n fie mein Winfen;

En Freudentliß Vor Freude weinte Groß und Klein, Und Alles 309 den Athem ein, Als ob fie wollten trinfen.

bonn tan dal an Seht! rief ich, feht! es dreht nicht mehr! Schiff fein, was ohne tuts herr Es naht ung, bringt ung Heil!

Und ohne Fluth und ohne Wind

Schwimmt’s auf ung zu in Eil.

Des Weftens Fluth war Eine Glut;

Der Tag war bald verronnen !

Und finfend ruht auf MWeftens Fluth

Das breite Rund der Sonnen ;

Und die Geftalt ftellt zwifchen ung Sich und das Rund der Sonnen.

Ve

aa Igeine itm nur Und ſchwarze Streifen treten ſtracks ——— Vor des Oceans gold'ne Braut; Und glüh'nd, wie durch ein Kerkerthor, Ihr brennend Antlitz ſchaut.

397

Ab, dacht’ ich, und mein Herz fchlug laut, Denn näher fam es immer;

Das feine Segel, bligend hell,

Wie Mettenfädenihimmer?

Das feine Rippen, fo die Sonn’ Durchſcheint fo feuerroth?

Und ift nur jenes Weib am Bord? fe das ein Tod? find zweie dort? Sft ihr Gemahl der Tod?

Roth ift ihr Mund; frei her fie fchaut; Ihr Haupthaar golden wallt;

Weis ift, wie Ausfaß, ihre Haut;

Die Nachtmahr iſt's, die Todtenbraut, Macht Menfhenblut fo Falt!

Der Schiffsrumpf fommt, legt Bord an Bord,

Da würfelten die Zwei; Der Würfel fiel! Gewonnen Spiel! Spricht fie, und pfeift dabei.

Die Sonne finft, die Sterne glüh’n, Die Naht fommt ftrads heran; Mit leifem Flüftern über’s Meer Scießt fort der Geifterfahn.

Und feine Rippen gleihen Gitterftäben vor dem Antlig der Sonne.

Das Gefpenftermeib und ibr Todtengeneß, und Niemand jonit am Bord des &felett- Schiffes. Wie das Schiff, fo die Mann-

i chaft

Tod und Nacht⸗ mabr würfeln um die Mannfhaft des Schiffes, und fie (dıe leg ewinnt den alte rofen.

77

“i \

Hein Zwielicht in den Döfen der Sonne.

398

qui Aufgepen- det Wir horchen, ſeh'n ihn feitwärts flieh’n; Die Furcht aug meinem Herzen fchten Das Lebensblut zu trinfen. Die Nacht dick, trüb der Sterne Kreis; Des Steurers Antlig feier und weiß Bei feiner Lamp’; e8 finfen Vom Segel Tropfen Thaues; fern Im Oſten fteht der Mond; ein Stern

Schimmernd zu feiner Linken.

Erer nach dem An- Und Alle, bei des Mondes Schein, Mit ftierem, gräßlihem Blick, Seh’n grinfend mich und Flagend an: Mir fluht ihr Schmerzensblick!

Bann feine Omen Viermal fünfzig Menfchen wohl, Sie finfen leblog nieder. Sie ftöhnen nicht, fie feufzen nicht; Auf fteh’n fie nimmer wieder.

Aber Todten. Die Seelen flieh’n der Leiber Haft;

braut beginnt ihr Mert an dem alten

Matrofen. Glück harrt auf fie und Graufen; Und jede mir vorüberfchwirrt, Wie meiner Armbruft Saufen.

Sch fürcht' dich, alter Schiffsgeſell! Fürcht' deine dürre Hand;

Und du bift lang, und fchlanf, und braun,

Wie des Meers gerippter Sand!

Sch fürcht' dich und dein glühes Aug’! Sch fürchte dich fo fehr!

Fürcht’ nicht, fürcht' nicht, du Hochzeitgaft!

‘ch ftarb nicht auf dem Meer!

Allein, allein, und ganz allein Auf weiter, weiter See! Nicht lindert meine Todesangft Ein Heil’ger in der Höh’!

So viele Menfchen, ſchön und ftarf! Und feiner rührte fich:

Und taufend Thier im Moderfchlamm, Sie lebten; und auch ich!

Sch blickte auf die faule See, Und wandte die Augen fort! Ich blidte auf das faule Dee: Die Todten lagen dort!

Der Hodzeitgaft fürchtet, dafein Gein ju ibm redet:

Aber der alte Ma- trofe verjichert ihn feı- nes Leibeslebens, und fährt fort, feine ſchreck⸗ fihe Buße zu erzählen.

Er verahtet die Sreaturen der Wind—

ftille *

Und iſt neidiſch, dap fie leben, und fo Viele liegen todt.

Aber der Fluch let fur ihn in den Augen der todten Männer.

400

Ich blick' empor, will beten dann; Doch meiner Lipp' mit Stocken Entfließt nur gottlos Flüſtern, macht Mein Herz wie Staub ſo trocken.

Ich ſchließ' das Aug'; gleich Pulſen pocht Des Auges Stern beim Schließen;

Des Himmels Höh', die blaue See Thun laſtend meinen Augen weh,

Und die Todten mir zu Füßen!

Auf ihren Gliedern kalter Schweiß; Nicht faul ward ihr Gebein.

Und immer ſah ihr Aug' mich an Mit geiſterhaftem Schein.

Zur Hölle ſchleppen kann der Fluch, Den eine Waiſe ſpricht;

Doch ſchreckenvoller iſt der Fluch Auf Todter Angeſicht;

Ich ſah ihn ſieben Tage lang, Doch ſterben konnt' ich nicht.

401

Und wiederum ging auf der Mond, —3 Zur Seit' ihm wen'ge Sterne; 1:6 sem menderaten Er fehwebte klar und mildiglich In nn Denn "is Durch die blaue Himmelsferne. sen it der Simmel

ihre beftimmte Ruhe- ſtatt, ihr Vaterland und ihre eigege natürlihe Heimatb, die fie ohne Meldung beziehen, gleichwie Herren, die man ficher erwartet, Und iſt doch eine geheime freude bei ihrer Anfunft.

Sein Strahl beſchien die fchwüle Fluth, Als ob fie Reif bededte;

Doch, wo des Schiffes Schatten lag, Da, vor wie nach, fo Nacht, wie Tag, Die rothe Flamme ledte.

Und in des Schiffes Schatten fah Mensen fehr en Pr te reaturen der Sch große Wailerfchlangen ; großen ·

Sie fhlangeln fih in weißer Spur; Wenn fie fih baumen, find fie nur Mit flodigem Feu’r umhangen.

Und in des Schiffes Schatten gern

Sah ih ihr blißend Fell;

Wie Sammet fchwarz, und blau, und grün; Sie ſchwimmen ber, fie fhwimmen bin, Die Spur, wie Gold fo hell.

Rreiligrath, Gedichte 26

402

sr Sganten un O, glücklich ihr! wie ſchön ihr feid, Sagt eine Zunge nie! Und Liebe quoll im Bufen mir,

B ne Und glücdlich pries ich fie;

Mein Heiliger erbarmte fich, Und glücklich pries ich fie.

Br eher fänst zur Stunde Fonnt’ ich beten dann!

We Bon meinem Halfe frei

4 Fiel da der Albatros, und ſank In's Meer, ſo ſchwer, wie Blei.

——

5; O Schlaf, du bift fo ſüß, fo füß! - Geliebte von Pol zu Pol!

Maria! Dir fei Preis und Dank, E

Daß Schlaf auf meine Wimpern fanf! '

Du gabft ihn mir ja wohl! J

een une Mir träumte: alle Eimer rings 1 |

mit Regen erfeiiht. Auf des Verdeckes Feld, Sie waren Fühlen Thaues voll. Wach werd’ ich! Negen fällt!

403

Die Lippen naß, der Gaumen naß, Die Kleider wahr ift’s doch! Sm Traume trank ich ficherlich, Und trinfe, trinfe noch.

Sch geh’ und fühl’ die Glieder kaum, Heb’ mich fo leicht empor!

Bin ih im Schlaf geftorben denn, Und in der Sel’gen Chor?

Und einen Wind drauf hört? ich weh’n, Doch ferne blieb fein Braufen;

Die Naa’n und Taue regen fich,

Die dürren Segel faufen.

Lebendig wird die obere Luft,

Und Feuerflaggen ziichen.

Sie zifchen auf und ab, voll Graus, Und aus und ein, und ein und aus; Die Sterne glüh’n dazwifchen.

Und näher drauf erbrauft der Wind; Wie Binfen feufzen welf

Die Segel; Negen ftrömt herab

Aus donnerndem Gewölf.

Er hört Tone und fiehr ſeltſame Gefichte und Vewegungen am Himmel und aufdem Waffer.

404

Geborſten klafft's mit weitem Spalt, Des Mondes finſt'rer Sitz;

Und wie ein Fluß in Thales Schooß Vom Felſen ſtürzt, fällt zackenlos Ein Glutſtrom, Blitz auf Blitz.

Die Leiber der Schif⸗ Nicht kommt der laute Wind an's Schiff;

re werden be⸗ ee har Doch vorwärts geht es immer;

Die todten Menfchen ſtöhnen dumpf Bei des Blitzes fahlem Schimmer.

Sie ftöhnen, regen, heben fich, Doch bliden, reden nicht!

Wie feltfam, Todte leben feh’n, Selbft wär's ein Traumgeficht!

Und weiter zieht dag Schiff, bewegt Bon Feines Windes Kraft;

Die Mannfchaft Elimmt im Tafelwerk, Treibt, was fie fonft gefchafft,

Sie regen, gleih Mafchinen, fi;

O, ſchrecklich, ſchauderhaft!

405

Der Leib von meines Bruders Sohn,

Knie an Knie, ftand neben mir dort; Wir zogen beid’ an Einem Geil, Doc fagt’ er mir fein Wort.

Sch fürcht' dich, alter Schiffsgeſell!

Saft, ruhig immerdar!

Denn nicht VBerdammter Seele nahm Den Körper wieder ein; nur fam Beglüdter Geifter Schaar!

Beim Morgengrau’n finft fchlaff ihr Arm;

Den Maft umringen fie; Und von der Todten Lippen füß Tönt Himmelsmelodie,

Die Töne zieh’'n zur Sonn’ empor, Die licht im Oſten flammt;

Dann kehren langfam fie zurüd, Bald einzeln, bald gefammt.

Bald war es mir, als zwitfcherte Die Lerhe auf dem Meer;

Dann glaubt’ ich, alle Nögelein, Die es nur gibt, fo groß, wie Flein, Sie fängen rings umher.

Aber nicht durch die Seelen der Men. fben, noch durh Dä- monen der Erde oder mittleren Luft, fonz dern durch eine felige Schaar englifher Gei- fter,berabgefandedurd dıe Anrufung des Schugbeiligen.

Gehorfam der En- gelfhaar, treibt der einfame Geift von Südpol das Schiff bis an die Linie, fordert aber doch noch Rache

406

Jetzt klingt es ſüß, wie Flötenlaut, Jetzt, wie Orcheſterrauſchen;

Jetzt iſt es eines Engels Lied, Dem ſelbſt die Himmel laufchen.

Es ſchweigt; doch tönt das Segelwerf

Bis Mittag faufelnd nad;

ie in dem laub’gen Sunimond

Ein grasverftedter Bad,

Der die ganze Nacht dem fchlafenden Wald Ein Lied fingt, felbft noch wach.

Und ruhig fegelte das Schiff Kein Lüftchen trieb’s im Lauf Bis Mittag; denn getrieben ward’s, Bewegt von unten auf.

veun Faden tief wohl unter’m Kiel

Bom Schnee: und Nebelland

Folgt uns der Geift, und treibt das Schiff Mit unfihtbarer Hand; .

Das Schiff ſteht ftill; bis Mittag nur Saufelt die Leinewand.

——

407

Die Sonne, lothrecht über'm Maſt, Schaut meerwärts ohne Negung; Doc plöglich rührt und regt fie fich Mit zitternder Bewegung;

Schießt vorwärts, rückwärts unruhvoll Mit zitternder Bewegung.

Dann plößlih, wie ein fcheuend Roß, Prallt fie zur Seite wieder!

Das Blut fchoß mir in's Angeſicht; Sn Ohnmacht fanfk ich nieder.

Sch weiß es nicht, wie lang ich dort Gelegen ohne Leben;

Doch, ald noch Dunfel mich umzog, Da hört’ ich in den Lüften hoc Zwei Stimmen fich erheben.

Sagt eines Sprich, bei Ehrifti Blut, ft dies der Schiffsgenoß? Harmlofen Vogels Herzblut tranf Sein graufam Pfeilgeichoß.

Die Mirdamonen des Geifted vom Süd. pol, die unfichtbaren Bewohner des@lemen- tes, nehmen Theil an feiner Krankung; und zwei von ihnen erjäß- len ſich, der Eine dem Anderen, daß eine lange und ſchwere Buße für den alten Matrofen dem Geifte vom Pol bewilligt ift, welcher füdwärts beimfebrt.

408

Der Geiſt im Schnee= und Nebelland War hold dem Albatros,

Und auch der Vogel liebte den,

Der graufam ihn erfchuß.

Die and’re Stimm’ ift fanft und füß; Wie Honigthau fo füß;

Sie fprihr: der Mann that Buße fehon, Und büßt noch mehr gewiß!

6.

Erfie Stimme.

Doch nun fprich weiter! rede fort, Daß deine Stimm’ ich hör’!

Wer treibt gen Norden jenes Schiff? Was macht das blaue Meer?

weite Stimme.

Noch wie ein Sklav' vor feinem Herrn Liegt ftill der Dcean;

Mit feinem großen Auge fieht Schweigend den Mond er an

409

Ob er auch wife, wohin er fließe;

Das Meer ja lenft er immer!

Sieh”, Bruder! fieh’ doch, wie dag Meer Sp milde grüßt fein. Schimmer!

Erſte Stimme.

Doch wie eilt ohne Fluth und Wind Das Schiff durch's blaue Meer?

Dweite Stimme.

Die Lüfte fchließen fich hinter ihm, Sind vor ihm nimmermehr!

Fleuh, Bruder! fommen fonft zu ipat! Fleuch! höher, höher, Lieber!

Nur träg zum Ziel ſchwimmt jener Kiel, Wenn des Seemanns Traum vorüber!

‘ch wurde wach; wir .fegelten ;

Nichts hemmte des Schiffes Lauf,

Die Naht war ftill, der Mond ftand hoc, Die Todten ftanden zubauf.

Der Matrofe ıft in eıne Verzüfung ent- rüft gemweien; denn die engliſche Macht laſſet dag Schiff fchnel- ler nordwarts treiben, als Menfhenleben er- teagen fonnte,

Der ubernatürliden Bewegung gefchieher Eınbalt; der Matroſe erwadht, und feine Buße beginnt von Neuen.

Der Fluch ift end» lich gefühnt.

410

Die lägen befler auch im Sarg, Umſteh'n mich allzumal,

Und ſeh'n mit glaf’gem Aug’ mich an; Drin blißt des Mondes Strahl.

Der Klub, mit dem fie ftarben, zudt och auf dem Angeficht;

Mein Auge fah das ihre an,

Doch beten konnt' ich nicht.

Und wieder ſchaut' ich hin aufs Meer, Auf feine Fluth, fo grün;

Und fpahete, doch fah Ich Nichts,

Als was ich fah vorhin.

Sch ftand, wie Einer, dem im Wald Auf dunklem Pfade graut;

Der immer, immer vorwärts eilt, Und nimmer rücdwarts fchaut;

Er weiß, ein Feind ift hinter ihm; Sein Herz fchlägt bang und laut.

Da rauſchte Windesweh'n mich an; Es wehte leife her;

Sch wußte nicht, woher es Fam, - Nicht Fraufelt e8 das Meer.

411

Es hob mein Haar; wie Lenzeshauch Umfpielt’ es meine Wangen.

Mir war fo bang; doch fühlt es mich, Als wollt’s mich froh empfangen.

Schnell wohl, fchnell wohl flog das Schiff, Und doch fo fanft, fo leicht!

Leiſe, leife blies der Wind

Nur mich fein Weh’n erreicht.

| y n lte Ma- D Freudentraum! ift dies fürwahr e —— mathland

Des Leuchtthurms graue Wand? Iſt dies die Kirch’, ift dies der Berg? ft dies mein Heimathland ?

Und fchluchzend fleht? ih, als wir nun Durchfegelten den Hafen:

O, laß mic bald erwachen, Gott! Sonft laß mich immer fchlafen!

Hell war, wie Glas, des Hafens Bucht, Und Flar die Fluth des glatten;

Und auf der Bucht lag Mondenichein, Und auch des Mondes Schatten.

Die englifchen Gei- fter verlaffen die tod» ten Leichname.

Und erideinen ın ihren eigenen Licht. ‚geftalten.

412

Der Fels fchien hell, die Kirche hell, Die fih auf ihm erhebt;

Der Mond befehien den MWetterhahn, Der auf der Kirche fchwebt.

Ein fchweigend Licht umfloß die Bucht; Da hoben fich ©eftalten:

Es waren Schatten allzumal;

Noth ihre Kleider wallten.

richt fern vom Gallione war's,

Wo ich die Schatten fab;

Da ſchaut' ich wieder auf's Verdeck O Gott, was ſah ich da!

Am Boden flach lag jeder Leib, Und, bei des Kreuzes Zeichen! Hellleuchtend ſtanden Seraphim Rings auf den blaſſen Leichen.

Sie winken mir wohl für und für, O, himmliſches Geſicht!

Sie leuchten weit auf's Ufer hin, Umſtrahlt von ſüßem Licht.

—ñ— -

413

Sie winfen mir wohl für und für; Sie fprehen nicht o Luft!

Ihr Schweigen finft wie Melodie Mir in die wunde Bruft.

Und bald vernehm’ ich Nuderfchlag ; Horh, des Piloten Gruß!

Bon felber wendet fih mein Haupt Ein Boot an Schiffes Fuß!

Der Lootſe und des Lootfen Sohn, Sie rühren fih im Boote;

Gott! welche Freude! großer Gott! Die ftören doch nicht Todte!

Ein Dritter noch: der Siedler iſt's! Horch, feine Stimme fchallt!

Laut fingt er feinen Lobgefang, Den er gemacht im Wald,

Des Vogels rothes Blut wäſcht er Bon meinen Händen bald.

414

a Siedler des Der Siedler lebt im grünen Wald, Sm Walde dort am Meer. Mit lauter Stimme lobt den Herrn Sein Mund; mit Sciffern fpricht er gern,

Die ferne kommen ber.

Auf hartem Kiffen Eniet er Nachts Am Mittag und am Morgen ; h

Das Kiffen ift ein Eichenftumpf, e Der ganz in Moos verborgen. J

Das Boot kommt nah; fie fprechen laut: 2 Beim Himmel, wunderbar! Wo ift der Feuerzeichen Glut, Die hell hier leuchtend war ?

ouätert, fd dem Der Siedler fagte: feltfam, traun! MINE, Nicht tönt mit frohem Schall Ihr Gruß zurüd; die Planfen dürr, Und dürr die Segel all; Sie fcheinen Laubgerippen gleich, Die an des Bergftroms Fall NRunzlih um meine Klaufe weh’,

415 .

Wenn der Sturm am Braufen ift;

Wenn unterm Schnee die Waldung ächzt, Wenn die Eul zu des Wolfes Heulen Fracdyt, Der der. Wölfin Junge frißt.

Der Lootſe fagte: wie das Schiff

So fchredlich uns anſieht!

Sch fürdhte mich! Frifh, rud’re zu! Sprach froh der Eremit.

Und näher, näher fam da3 Boot;

Still war ich, ſprach fein Wort.

Das Boot fam dicht an’s Schiff heran Da, welh ein Ton fchallt dort!

Unter dem Waſſer rollt es dumpf; a ge $- Donnernd durchzieht’s die Bat;

Es fommt an’s Schiff, es fpalter die Bucht;

Das Schiff geht unter, wie Blei.

Vom fürcterlihen Schall betaubt, Der, alte Waseofe Dem Erd’ und Himmel frachen, * EEE Trieb fhwimmend auf den Wellen ich,

Starr, zwifchen Schlaf und Waden;

Drauf, wie im Traume, fand ich mich

In des Piloten Nahen.

416

Und auf dem Strudel, wo das Schiff Verſank, Freif’t ungeftüm

Das Boot; verklungen ift der Ton; Der Berg nur fpricht von ihm.

Die Lippen rührt’ ich; der Pilot Schrie auf, und fanf zurüd; Der fromme Siedler betete, Und hub empor den Blie.

Sch ruderte; des Lootfen Sohn Koch wandelt er im Wahn

Des Irrſeins lachte, ſah mich ftier Mit wilden Augen an; Ha, ba! ſprach er, nun feh’ ich, wie Der Teufel rudern kann!

Und jebt in meinem Heimathland Berret’ ich Strandes Höh’n; Der Siedler aus dem Nachen fteigt, Kann kaum noch aufrecht fteh’n. ser jalte Nerrofe Entfünd’ge mich! entfünd’ge mich! (innen, une bie Trat ich den Siedler an; * Der ſchlug des Kreuzes Zeichen erſt; Was biſt du für ein Mann?

417

Da bebte Angft durch mein Gebein, Angſt, fürdterlih und groß;

Was mir begegnet, fagt’ ich ihm, Da ließ die Angſt mich los.

Und oft noch kehrt feit jener Zeit —— 8 zes künftges Leben Zurück die Angſt, der Schmerz; —5 ande zu reifen. Eh? ich das Gräßliche gefagt, ——

Brennt in der Bruſt mein Herz.

Und wie die finſtre ſchwarze Nacht Eil' ich landaus, landein;

Und am Geſicht kenn' ich den Mann, Der meine Mähr' vernehmen kann: Er muß mein Hörer fein.

Welch ein Tumult erhebt fih.dort? Die Gäfte find dort all’!

Und, horch! im Garten fingt die Braut Und ihre Mädchen all’!

Und, wieder horch! zum Beten ruft Der Abendglode Schall!

Kreiligratb, Gedichte. 27

Und durch fein or Beifpiel, Liebe und Ehrfurht gegen alle Dinge zu lehren, die u gemacht hat und

418

O Hochzeitgaft, ich war allein Auf weiter, weiter See!

Sp einfam war’s, ich fühlte Faum Des guten Gottes Näh'!

Und füßer, glaub’, als Hochzeit iſt's, Kann beffer mir gefallen,

Kann ich an guter Leute Hand

Zu Gottes Kirche wallen!

Kann ich zu Gottes Kirche geh’n

Zum brünftigen Gebet;

Wo Alles, Kind, und Mann, und Greig, Wo Jüngling, Mädchen, Ihm zum Preis, Zu Shm, dem Vater, fleht.

Leb' wohl, leb’ wohl, du Hochzeitgaft! Doch diefes fag’ ich dir:

Der betet gut, wer Liebe hegt

Für Vogel, Menfh und Thier!

Der betet gut, wer Liebe hegt

Für Alle, groß und klein;

Gott, der ung ſchuf, der liebt ung A, Will Allen Vater fein.

419

Der Seemann mit dem grauen Bart Und mit dem hellen Blick,

Er gebt; und auch der Hochzeitgait Kehrt ernft nah Haus zurüd,

Er ging, wie ein Betäubter gebt, Als drüdten fchwere Sorgen Sein Herz, und weifer, trauriger Erhob er fih am Morgen.

420

Robert Southey.

Der Iincheap: Felfen.

Die Luft und die Welle regungslog; Raſt hielten Fahrzeug und Matrose. Die Segel feines Lüftchens Spiel, Steif in den Waſſern lag der Kiel.

Der Inchcap-Felſen ohne Schaum ; Die See bededt’ ihn, hörbar Faum; So leis ihre Schwellung und ihr Fall, Sie weckte nicht der Glocke Schall.

Es war der Abt von Aberbrothof,

Der auf den Felfen ftellte die Glod’; Sie ſchwamm auf einer Tonne wohl, Und warnt’ im Sturme dumpf und hohl.

421

Und barg die Fluth des Felfen Kron’, Dann hörten die Schiffer den Warneton ; Sie wußten: der Fels ift, wo die Glod, Und priefen den Abt von Aberbrothof.

Die Sonne ſtrahlt' in Herrlichkeit, Und alles Ding war fröhlich heut’. Die Möve fchrie und nekte die Bruft, Und ihr Gefchrei war eitel Luft.

Bon fern des Felfen Tonne fchien

Ein ſchwärz'rer Fled im Meeresgrün;

Sir Ralph, der Räuber, beichritt fein Dee, Und warf fein Aug’ auf den fchwärzern Fled.

Er fühlte des Lenzes erheiternde Macht; Er pfiff, er fang ob al’ der Pracht;

Die Freude fpanut’ ihm dag Herze weit, Doch des Räubers Freude war Gottlofigkeit.

Die narb’ge Stirne zug er kraus:

„Ihr Burfche, feßt die Zölle aus,

Und rudert mich bis an die Glod’;

Ich ſpiel' nen Streih dem Aberbrothof.“

422

Und nieder fchwebte das Boot am Schiff; Sie ruderten bis an das Kiff.

Sir Ralph lehnt’ aus dem Boot fich frei, Und fchnitt die Glocke von der Boy.

Die Glocke fank mit gurgelndem Schall ;

Aufperlt und plast ein Blafenfchwall,

Sprah Sir Ralph: „Wer wieder vertraut der Glock', Nicht preift er den Abt von Aberbrothok!“

Sir Ralph, der Räuber, fegelte fort; Er ſchweifte durch's Meer von Port zu Port; Und reich durch Beute nun geworden, Wandt' er den Kiel nach Schottlands Borden.

Da braut ein Nebel trüb und dicht; Sie feh’n die Sonne felber nicht. Der Wind blies frifh den ganzen Tag; Am Abend legt? er fich gemach.

Der Räuber nimmt auf dem Ded feinen Stand; So finfter iſt's, fie feh’n Fein Land.

Spridt Sir Ralph: „Bald wird es helle fein; Der Mond geht auf, ihr feht den Schein.“

423

Spridr ein And’rer: „Hörft du der Brandung Ton? Mich dünft, wir find am Ufer fhon?”

„Wo wir find, ich kann es nicht befhwören,

Doch wollt’ ich, wir fünnten die Glode hören!“

Sie hören nichts; hoch geht das Meer;

Sie treiben ohne Wind einher,

Bis mit trümmerndem Stoß aufftößt das Schiff „D Gott, es ift das Inchcap-Riff!“

Um Sir Ralph, den Räuber, ſteht es Ihlimm; Er verflucht ſich ſelbſt in ſeinem Grimm;

Die Wellen ſtürzen herein mit Wuth,

Das Schiff geht unter in der Fluth.

Und als er mit dem Tode ringt,

Da hört er ein Tönen, das ſchrecklich klingt: Als würde vom Teufel unter den Wogen

Die Inchcap-Glocke für ihn gezogen.

Die Stechbpalme.

O Leſer, haſt du je betrachtet die Stechpalme? Sieh’.

Ihr glattes Laub, wie eine weiſe Hand Es zum Gewand

Dem Baume gab, ſo ſinnig, daß daran Des Atheiften Klugheit fcheitern Fann.

Denn unten, wie ein Zaun von Dornen, flarrt Es fcharf und hart;

Kein weidend Vieh durch diefen fpiken Saum Berlegt den Baum.

Doch oben, wo die Ninde nichts befahrt, Wird ftachellos dag Laub und unbewehrt.

425 Dies ift ein Ding, wie ich’S betrachten mag ; Gern dene ih nad Des Baumes Weisheit; feiner Blätter Zier Reicht willig mir Ein Sinnbild für ein Lied, das lange Zeit Nach mir vielleicht noch nußt und auch erfreut.

Sp, fhein’ ich draußen auch zuweilen rauh

Und herbe; fchau’

Sch finfter auch, wenn mich am ftillen: Herd

Ein Läſt'ger ftört,

Doc ftreb’ ich, daß ich Freunden, gut und treu, Sanft, wie da3 Laub hoch auf der Stechpalm? fei.

Und heg' ich jung, wie wohl die Jugend thut, Auch Uebermuth

Und Troß, doch ſchaff' ich, daß ich jeden Tag Sie mindern mag:

Bis ih im hohen Alter mild von Sinn, Gleich diefes Baumes hohen Blättern, bin.

426

Und wie, wenn alle Sommerbäume grün Dafteh’n und blüh’n,

Die Blätter diefes einz’gen Baumes nie Sp glüh’n, wie fie,

Doch fpat im öden Winter ung allein Mit ihrem dunfeln Immergrün erfreu’n:

Sp auch in meinen Jugendtagen will

Sch ernft und ftill

Im Kreis der Jugend fein, die unbedacht Des Ernftes lacht,

Auf daß mein Alter friſch und fleckenfrei,

Gleich dieſes Baumes grünem Winter, ſei.

a a

Charles Lamb.

Die alten befannten Gefichter.

Ich hatte Geſpielen, ich hatte Gefährten In den Tagen der Kindheit, in der fröhlichen Schulzeit All', all' ſind ſie fort, die alten bekannten Geſichter.

Ich habe gelacht, ich habe geſchwärmt, Spät getrunken, ſpät geſeſſen mit meinen Genoſſen; All', all' ſind ſie fort, die alten bekannten Geſichter.

Ich habe geliebt; wie war ſie ſchön! Ihre Thür’ iſt verſchloſſen; nie ſeh' ich fie wieder; Am, al find fie fort, die alten befannten Gefichter.

Einen Freund hatt’ ich; wer hatt?’ ihn beifer? Undanfbar verließ ich ihn plößlich; verließ ihn, Zu denfen der alten befannten Gelichter,

428

Wie ein Geift durchfchritt ich das Thal meiner Kindheit; Eine Wüfte fhien mir die Welt, die durchirren Sch mußte, zu fuchen die alten Gefichter.

Mein Freund, du mehr als Bruder, o, wärft du Geboren im Haus meines Vaters, fo Fünnten Mir reden von den alten befannten Gefichtern;

Wie einige ftarben, mich and’re verließen,

Wie man and’re mir nahm; ad, alle fchieden! Ar, a find fie fort, die alten befannten Gefichter!

——

John Beats.

Sponett.

Als er den Homer in Chapman’s Üeberfetzung kennen lernte.

In gold'nen Reichen ſchweift' ich viel; nach alten Ruchtbaren Königthumen ging mein Pfad. Manch weſtlich Eiland ſah ich, manchen Staat,

So dem Apollo Dichter treu verwalten.

Ein weit Gebiet drin ſollt' Homeros ſchalten, Der Brauige pries mir, wer es betrat; Doch war ich feiner Heit're nie genaht,

Als bis ih Chapman hörete, den Alten.

Da war gleichwie dem Schauer mir der Sterne, Der einen neuen plößlich fiehet fcheinen, Sieghaft und hell empor am Himmel fteigend;

Da wie dem Cortez, ala er fah von ferne Das ftille Meer; wild ftarreten die Seinen, Auf einem Bergesgipfel Dariens, ichweigend.

430

Thomas Campbell.

Der letzte Menſch.

Was iſt, vergeht in Dunkelheit, Die Sonne ſelbſt muß ſterben,

Bevor ſein Theil: Unſterblichkeit, Dies Sterbliche mag erben.

Es kam ein Traum auf mich herab, Der meinem Geiſte Flügel gab; Hinab trug mich ihr Weh'n

Die Zeit; ich ward zu dem entrückt, Der einſt der Schöpfung Tod erblickt, Wie Adam ihr Entſteh'n.

Bleich war und grau die Erde, wie Ein Greis; der Sonne Scheinen Siech; von Nationen lagen die Skelette um den Einen.

431

Die ftarben fechtend; roftverfehrt Hält ihre Beinhand noch das Schwert; Die fraßen Hunger, Seuchen;

Die Städte leer, wie ausgefegt;

Nach Ufern, wo fein Laut fich regt, Zieh’n Schiffe, voll von Leichen.

Doch Jener ftand, wie ein Prophet; Sein Wort, furdtlos und Falt,

Als Fam’ ein Sturm berangewebt, Entblätterte den Wald:

„Dein Lauf ift aus, dein Aug’ ift blind, Du ftolze Sonn’! im Tode find

Wir Zwillinge! Zu rollen

Hör’ auf! die Gnade ruft: big hie! Aeonen fahft du Thranen, die

Nicht länger fliefen follen.

Ob unter dir der Menfh auch Pracht, Und Stolz und Klugheit zeigte,

Und Künfte, denen fih die Macht Der Elemente beugte

432

Doch Flag? ich nicht um dich! Zieh’ hin, Entthronte Tagesfönigin!

Trophäen, ungezahlte

Triumphe, die da fah dein Strahl:

Ward auch durch fie nur eine Qual Geheilt, die Menfchen qualte?‘

Liſch aus, du bleiche Trauerferz’!

Laß Nacht das A verfchletern !

Und geh’ nicht wieder auf, den Schmerz Des Lebens zu erneuern! | Bring’ nicht’ zurüd fein elend Spiel! Wed’ nicht das Fleifch! hier ift dag Siel! Genug der Folter! laß

Es ruh’n, von Siehthum graus entftellt, Vom Schwert im Schlachtgewühl gefällt, Wie von der Sichel Gras!

Selbſt ich bin müde, länger dich

Und deiner Glut Vergeh’n

Zu fchauen. Qualen Zeugin, mic Sollſt du nicht fterben feh’n!

A33

Die Lippe, die dein Grablied fpricht, Ihr Beben, Zuden fiehft du nicht ! Siehſt blau nicht diefe Wangen!

Die Weltnaht ift mein Todtenkleid Die Majeftät der Dunfelheit

Soll meinen Geift empfangen.

Zu dem fehrt er zurüd, deß Hauch Sein himmliſch Glüh'n entzündet; Glaub’ nicht, er fterbe, weil dein Aug’, Du Sterbende, erblindet! Hein, er lebt fort in Seligfeit, Die du nicht Fennft, die der verleiht, Der uns zu löfen Fam,

Litt, ftarb, hinab zur Hölle ftieg, Ihr als ein Held entriß den Sieg, Dem Tod den Stachel nahm.

Stirb! auf der Schöpfung Trümmern fteb’ Sch ftolz! ich kann nicht finfen!

Den lebten, herbſten Kelch, den je

Ein Menfch trank, muß ich trinken!

Freiligratb, Gedichte. 28

434

Geh’! fag’ der Nacht, die dich begrabr, Du ſahſt den Lekten, der gelebt;

Dein Tod war ihm ein Spott!

Das AN zerfiel, todt war die Zeit Doch ihm blieb die Unfterblichkeit

Und fein Vertrau'n auf Gott!

435

Holand der Held.

Poland der Held! Noland der Held! Faliche Zeitung, daß er fiel im Feld, Schlug an des Nheines Strand;

Da erlag dein treues Herz in Pein,

O du Schönfte auf und ab am Rhein,

D du Schönfte rings im Land!

Und den Schleier nahm fie unverweilt, Wo am Werth der Strom vorübereilt; D, zu rafh! bald klirrt ein Sporn! Umfonft! der Schwur und die Kode fällt, Als am Dracenfels die Trompete gellt Ihres Nitters luftiges Horn!

136

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O, nun bricht ihr Herz, von Gram verzehrt; Und war’ er geftern heimgefehrt,

Sie hätt’ ihn glühend gefüft;

Und die Reize hätten ihn al’ beglüct,

Die er nimmer, nimmer an’d Herz num drüdt Wenn e3 nicht im Himmel ift!

Doch der Nitter treu und der Nitter Fühn,

Gr fißt ab, er kann nicht von dannen zieh'n, Es halt ihn mit Gewalt.

Er will athmen nur, wo ihr Athem weht, * Wo für ihn auch auffteigt ihr Gebet,

Wenn das Hallelujah fchallt!

* „For he loved to breathe the neighbouring air.“ Man wird

mir die Neminiscenz aus Schiller wohl verzeihen:

Sieht ein Schiff an Joppe's Strande, Das die Segel blaht, Schiffet heim zum theuren Lande,

Wo ihr Athem weht.

437

Noch ein Fenfter hebt fich, lanaft ergraut, Bon dem Schlofe, das er fich gebaut, Wo der Nhein am Werth fich bricht. Dort, zu Mettenklang und Orgelbraus, Sah er nieder auf der Liebiten Haus Denn fie felber fah er nicht.

Sie ftarb! Er ritt in's Schlachtgefild; Bor fein fterbend Hirn noch trat ihr Bild, Als er fiel des Tapfern Fall;

Ihren Namen mit der legten Kraft

Nief er aus, die Blume der Nitterfchaft, Noland zu Ronceval!

Selicin Hemans.

Das beffere Land.

Ein beffere3 Land nennft du entzüdt? Seine Kinder, ſagſt du, find reich und beglüdt? Mutter, wo mag fein Ufer fcheinen? j Laß es ung fuchen und nicht mehr weinen. Iſt's, wo im Myrthenhain raftet der Hirt, Wo die Fenerfliege das Laub durchſchwirrt?

Da nicht, da nicht, mein Kind!

Iſt es, wo fchlanf die Palme fteht, Das Haupt von gefiederten Büfcheln umweht? Auf Snfeln in ewig heitern Zonen, Wo duftende Wälder die Blüthenfronen Schütteln, wo Weihrauch die Staude fchwikt, Wo der Vogel des Paradiefes blikt?

Da nicht, da nicht, mein Kind!

439

Iſt es, wo über Gejchiebe von Gold

Braufend die Welle der Ströme rollt? Wo feurig im tiefen Dunkel der Minen

Diamanten funfeln und rothe Rubinen?

Wo die Verle glänzt am SKorallenftrand ? D Mutter, ift dort das beff’re Land? Da nicht, da nit, mein Kind!

Kein Auge fah es, mein Sohn! Fein Ohr Bernahm feiner Stimmen jauchzenden Chor.

Seine Pracht Fein Traumender ſah im Schlummer

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Solch Leuchten! fern bleiben ihm Tod und Kummer ! Nie zerftört die Zeit feinen Glanz, feinen Duft; Senfeits der Wolfen, jenfeits der Gruft

Da its, da iſt's, mein Kind!

440

Wolter Scott.

Der Pilger.

„Barmherzigkeit! Macht auf das Thor! Der Wind aus Norden brüllt!

Weithin von Flocken glänzt das Moor, Bahnlos iſt das Gefild!

Kein Frevler in des Königs Jagd Naht hauslos eurem Dad, Obgleich ſelbſt der in ſolcher Nacht Wohl Mitleid fordern mag!

Ein Pilger bin ich, matt und alt, Der Gott um Gnade fleht.

Um der Jungfrau willen, öffnet bald! Es lohnt's euch mein Gebet!

441

Vom Papſte bring’ ich Ablaß euch;

Vom heil’gen Land, fo weit,

Manch Heiligthum! ac, öffnet gleich! Thut's aus Barmherzigkeit!

Der Hirſch, vom trodnen Laub umhüllt, Schmiegt fih der Hindin an;

Ein alter Mann, vom Sturm umbrüllt, Kein Obdach finden kann!

Ihr bört des Ettricks Brauſen doch; Mit Eiſe wird er geh'n!

Muß heute über'n Ettrick noch, Erhört ihr nicht mein Fleh'n!

Verſchloſſen bleibt das Thor von Erz, Verfchloffen dicht und feit; Verſchloſſ'ner iſt des Mannes Herz, Der hier mich winfeln läßt.

Lebt wohl, lebt wohl denn! gebe Gott, Wenn alt und fchwach ihr feid,

Daß ihr nicht auch in folder Noth Umfonft nah Hülfe fchreit!”

2

Der Förfter lag im warmen Flaum, Und hörte Falt fein Fleh'n;

Oft fo ihm tönen noch im Traum Durch des Dezembers Weh'n!

Denn ſieh'! als blaß das Morgenroth Durch feuchte Nebel fah,

Da lag der Pilger, ftarr und todt,

Sm Erlenbufche dal.

443

Jock von Hazeldean.

„Sprich, Fräulein, warum härmſt du dich? Sprich, warum weinſt du laut?

Meinem jüngſten Sohn vermahl ich dich, Ihm geb’ ich dich zur Braut!

Mein jüngfter Sohn wird dein Gemahl, Und du, mein Kind, freift ihn!“

Doch ihre Thranen floffen, ach!

Um God von Hazeldean!

„Bald, Mädchen, ift dein Trotz entflob’n, Berfiegt der Thranen Quell!

Mein Frank ift Herr von Errington,

Iſt Lord von Langley = Dale!

Er ift der Erfte fern und nah;

Gern mag das Schwert er zieh'n!“ Doch ihre Thränen floſſen, ad!

Um God von Hazeldean !

444 „Ich gebe dir ein gold'nes Band Wohl in dein braunes Haar, Und einen Falken auf die Hand, Und einen Zelter gar! Als Jagerfürſtin ſollſt du dann Den Forſt mit uns durchzieh'n!“ Doch ihre Thränen floſſen, ach! Um Jock von Hazeldean!

Die Kirche prangt im Sonntagsſtaat Früh bei des Morgens Grau'n.

Der Prieſter wartet im Ornat,

Und edle Herrn und Frau'n.

Doch nirgendwo die Braut! man fucht Sie überall doch Fühn

Hat über die Granze fie entführt

Ihr Jock von Hazeldean.

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445

Pihroch of Donald Dhu.

Donuil Dhu's Kriegsgefang! Schlachtlied von Donuil! Töne mit wilden Klang, Wecke Clan Gonuil!

Kommt herbei, fommt herbei; Auf zum Gefechte!

Horht auf das Feldgefchrei, Herren und Knechte!

Meider die Schlucht, fo wild, Fellige Bahnen!

Hört, wie die Pfeife ſchrillt! Schaut auf die Fahnen! Hügel-Plaid, Hochlands-Schwert, Kommet hernieder!

Und wer fie tragt und ehrt, Muthig und bieder!

446

Laſſet die Braut, das Weib! Laſſet die Heerde!

Laſſet des Todten Leib Weber der Erde!

Laſſet die Sagd, den Teich, Barfen und Schlingen! Bringt euer Kriegeszeug, Tartfchen und Klingen!

Kommt, wie der Sturm fommt, wenn Wälder erzittern!

Kommt, wie die Brandung, wenn Flotten zerfplittern!

Schnell heran, fchnell herab, - Schneller kommt Alle,

Hauptling und Bub’ und Knapp’, Herr und Bafalle!

Seht, wie fie fommen! ſeht, Wie fie fich fchaaren! Haidfraut im Winde weht, Feder des Haren!

447

Weg den Plaid, zieht das Schwert! Vorwärts, ihr Leute!

Donuil Dhu's Kriegsgeſang

Töne zum Streite!

Nora's Gelübde.

Hirt, was Hochlands Nora fpricht: „Den Sohn des Early frei’ ich nicht! Und follten alle Menfchen fterben,

Und außer ihm und mir verderben! Für alle Schäße, alles Geld,

Für alle Länder in der Welt,

Um die man Fühn geftritten fchon, Freit' ich ihn nicht, des Garly Sohn!“

„Ein Mädchenſchwur,“ ſprach Callum alt, „Iſt bald geſagt, gebrochen bald!

Das Haidkraut auf des Berges Kranz Beginnt zu blüh'n im Purpurglanz!

Doch bald im Thal und auf den Höh'n, Derwelft e3 bei des Froftes Weh'n.

Doch eh? fein Schimmer ganz entfloh’n, Freit Nora gern des Early Sohn!”

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„Tauſcht,“ ſprach ſie, „auch den klaren See Der Schwan mit Adlers Felſenhöh'; Rauſcht brauſend rückwärts Aweſtroms Fall, Stürzt donnernd das Gebirg in's Thal; Erliſcht in des Gefechtes Glut

Der leichtgeſchürzten Clane Muth; Geſchehen all' die Wunder ſchon,

Doch frei’ ich nie des Early Sohn!”

Noch brütet an des Ufers Saum

Der Schwan in weichen Neftes Flaum; Noch fteht der Berg auf feiner Stelle, Und abwärts ftrömt de3 Aweftroms Welle: Noch nimmer, Feindes Hieb und Stich

Zu meiden, wandte’ ein Schotte fich;

Doch Nora gab den füßen Lohn:

Sie hat gefreit de3 Early Sohn!

Freiligratb, Gedichte. 29

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450

Donald Eaird ift wieder da. Chor,

Donald Caird ift wieder da! Donald Caird ift wieder da! Auf, erzählt es fern und nah, Donald Caird ift wieder da!

Donald Eaird kann Lieder fingen, Froh beim Hochlandgreigen fpringen; Trinken, bis die Männer finfen, Schmeicheln, bis die Weiber winfen; Eimer binden, Keffel fliden, Schädel fpalten auch in Stüden: Auf, erzählt es fern und nah, Donald Caird ift wieder da! Donald Caird ift wieder da! Donald Gaird ift wieder da! Auf, erzählt e8 fern und nah, Donald Saird ift wieder da!

451

Donald Caird kann Hafen ftriden, * Kennt des Rothwilds Lift und Tüden; Kann den Lachs im Bade fpießen; Vögel aus den Lüften fchiefen; Kann die Küftenwächter fchreden, Und aus tiefem Schlummer weden; Nicht für Kohn und Geldeswerth Laßt euch ein mit Donald Gaird! Donald Caird ift wieder da! Donald Gaird ift wieder da! Pfeifenklang Ihall fern und nah, Donald Eaird ift wieder da!

Donald Caird leert feine Kanne Schneller, als fie füllt die Hanne; Jeder Wirth, der Schnaps verfchenft, Weiß, wie er den Becher fchwenft; Zrunfen ift er fe und rege,

Gehet Niemand aus dem Wege; Hochlands Häuptling, Tieflands Laird Müſſen weichen Donald Gaird!

* (o wire a maukin, einen Hafen vermittelt einer Drathſchlinge fangen, in Weſtphalen: einen Hafen firiden. Technifher Wild» diebsidiotism!

PER TE

152

Donald Caird ift wieder da! Donald Caird ift wieder da! Auf, erzählt es fern und nah, Donald Caird ift wieder da!

Schließt den Schenftifch, ſchließt die Lade, Daß euch Donald Gaird nicht fehade! Donald Caird halt Alles feft, Was Allan Gregor übrig läßt; Käfe, Wolle, Hahn und Henne, Auch ein Schwein wohl von der Tenne, Lumpen D, vor Strang und Schwert Hüte wohl dich, Donald Caird! Donald Gaird ift wieder da! Donald Caird ift wieder da! Keiner fag’s dem Sherif ja, Donald Caird ift wieder da!

Donald Caird war Faum zu retten, Strang bedrohten ihn und Ketten; Doch Donald Saird, mit fehlauen Tüden, Wußt' den Galgen zu berüden;

Sieh’, e3 fiel von Fuß und Hand Seiner Feffeln ftählern Band!

453

Wahrt die Heerden fern und nah!

Donald Caird ift wieder da! Donald Gaird ift wieder da! Donald Caird ift wieder da! Keiner fag’s dem Richter ja, Donald Caird ift wieder da!

454

Wiegenlied

für den Sohn eines ſchottiſchen Häuptlings.

Sclaf, Söhnchen! dein Vater war eiſenumhüllt Ein Ritter! deine Mutter war lieblich und mild! Vom Thurme ſieh' nieder: des Waldes Revier,

Die Schluchten, die Berge, ſie prangen nur dir!

O, fürchte das Horn nicht, wie laut es auch droͤhnt; Den Wäachrern nur, die dich befchügen, es tünt;z

Sie fpannen den Bogen, ihr Schwert raucht von Blut, Eh? feindlich ein Bube dir Leides anthut.

Schlaf, Söhncen! die Zeit kommt, wo panzerbededt

Das Horn und die Trommel vom Schlummer dich wedt, Drum fchlafe, mein Liebling, noch darfft du's ja thun; Als Mann mußt du Fampfen, kannſt nimmermehr ruhn!

455

Das Mädchen von Asla.

Madchen von Isla, hoch vom Riff,

Das Sturmgewölk und Meer umnachten, Siehſt du nicht dort das kleine Schiff

Die Wuth der Wellen keck verachten?

Jetzt taucht es tief in Schaum und Dampf, Tanzt hoch jetzt auf der Wogen Rand; Sprich, warum wagt es ſolchen Kampf? Mädchen, es ſucht fein Heimathland!

Siehſt, Mädchen, du die Möve dort? Durch Nebel glänzt ihr weißer Flügel; Sie ſchwingt ſich durch den rauhen Nord, Und ſucht des Ufers ſich're Hügel. Warum durch Sturm und Wogenſchaum Sucht ſie der Inſel Felſenſtrand,

Warum des Ufers grünen Saum? Mädchen, es iſt ihr Heimathland!

Doch, wie des Schiffs der wilde Sturm, Lachſt du der Werbung, die ich bringe; Kalt, wie des Felfen fteiler Thurm,

Wo Möv’ und Taucher fenft die Schwinge. Sei noch fo hart, fei noch fo Kalt,

Doch, Mädchen, biet’ ich dir die Hand! Wenn nicht dein liebend Herz, dann bald Iſt Alan’s Grab fein Heimathland!

457

Der Einfall. (The Foray.)

| Der legte der Stiere war heut’ unfer Mahl; Kein Wein in der Burg mehr, als bier im Pokal! Wohlauf! mit dem Schwert euch umgürtet! von binnen ! Gefahr ift zu wagen, und Raub zu gewinnen!

Das Auge, das jüngft noch mit lächelndem Strahl Dem unfern begegnet, blickt trübe durch's Thal, Hernieder vom Thurm durch die Nacht zu erſpäh'n Das bäumende Roß und des Helmbuſches Weh'n.

Wie der Wind ſich erhebt, wie der Platzregen rauſcht! Der Mond hinter Wolken im Nebelduft lauſcht! So recht, ihr Genoſſen! des Thurmwarts Geſicht,

Von Dunkel befangen, eripäht uns dann nicht! r

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Wie ftampfen die Noffe! hört, das ift mein Sched! Sein Huffchlag Elingt markvoll, fein Wiehern Elingt Fee! Wie der Bliß des Gewitterd in Sturm, und in Dampf, Soll der Bliß feiner Mähne euch führen zum Kampf!

Die Brüde fiel nieder, fchon tönte dag Horn! Ein Glas noch; und dann gebt den Roſſen die Sporn! Ein ehrenvoll Grab dem Gefal’nen voll Muth, Und Heil dem, der heimfehrt zu Teviots Fluth!

Das Mädchen von Toro.

D, tief auf dem Toroſee ruhte verziehend

Die fcheidende Sonne mit purpurner Glut;

Leis raufchte der dunfelnde Wald; da lag kniend

Ein Mädchen am Ufer und weint’ in die Fluth.

„D, füßefte Jungfrau, und ihr, in den Höhen

Des Himmels, ihr Heil’gen, vernehmt meine Noth! Erhört meine Bitte, gewähret mein Flehen!

Gebt Heinrich mir wieder, fonft gebt mir den Tod!”

Es tönte herüber vom waldigen Hügel,

Bald ftärfer, bald fchwächer, des Kampfes Gewirr; Da plößlih, getragen vom ſchwellenden Flügel

Des Windes, fholl Schlahtruf und Waffengeklirr. Sie horchte, fie blickte zur Ferne, fie laufchte;

Es nahte ein Krieger; wie fhlug ihr das Herz!

Sein Schritt war fo langfam, fein Leben verraufcte; Sein Helm war gefpalten, fein Antlitz ſprach Schmer;.

460

„O, rette dich, Mädchen! gefchlagen die Heere! O, rette dich! todt dein Befchüger, dein Freund! Dein Heinrich liegt Falt auf zerbrochenem Speere, Und rafch durch die Waldungen naht fih der Feind!“ Kaum, ftammelnd, vollbracht? er fein ſchreckliches: „Nette!“ Verzweifelnd vernahm ihn das Mädchen. Den Lauf Verſenkte die Sonn' in des Toroſee's Bette,

Doch ging ſie den Beiden wohl nimmermehr auf!

Der Troubadour.

Par feiner Dame Feniter ftand

Ein Troubadour, ein Feind von Sorgen

Sang liebeglühend, ruhmentbrannt,

‘hr feinen legten guten Morgen: „Dem Vaterlande meinen Arm, Mein Herz weih’ ich der Liebften nur! Für Lieb’ und Ehre frifch in’s Feld, Sp ſchickt fih’s für den Troubadour!“

Und als er nun im eh’rnen Kleid

Hinauszog aus des Schloffes Pforte,

Da tönten, treu der holden Maid,

Noch feines Liedes lebte Worte: „Dem Vaterlande meinen Arm, Mein Herz weih’ ich der Liebften nur! Für Lieb’ und Ehre frifch in’s Feld Eil’ ich, ein tapfrer Troubadour!“

462

208 brach die Schlacht mit ihrem Dräu'n; Da fprengt’ er vor, und ritt und rang. Vom Noß hernieder durch die Reih'n Ertönte laut noch fein Geſang: „Mein Leben gern dem Vaterland, Mein Herz weih' ich der Liebſten nur! Für Lieb' und Ehre, Kampf und Tod, So ziemt es ſich dem Troubadour!“

Und, ach! er fiel! im Blutgefild

Erlag er ſeiner Feinde Degen;

Allein gelehnt auf ſeinen Schild,

Jauchzt' er dem Tode froh entgegen: „Mein Leben gern dem Vaterland, Mein Herz weih' ich der Liebſten nur! Für Lieb' und Ehr' den ſchönſten Tod Erkämpfte ſich der Troubadour!“

463

Thomas Moore.

This world is all a fleeting show.

Die Melt ift al’ ein flüchtig Scheinen ; Der Freude Lächeln, füß und klar,

Der ftillen Wehmuth bitt'res Weinen,

D falfhes Thun, o falihes Meinen tichts, nur der Himmel noch, ift wahr!

Der Ruhm mit feinen Sonnenbliden,

Sn Dunfel bald verfehrt er ſich;

Der Schönheit Glanz, der Lieb’ Entzüden Sind Blüthen, ach! das Grab zu Ihmüden Der Himmel nur glanzt ewiglich!

Und fo verfchlingt uns Well’ um Welle; Hin zieh’n wir ohne Bahn und Spur. Fällt oft ein Blitz auch feine Helle Beleuchtet eine düft’re Stelle;

Der Himmel bringt die Ruhe nur!

Fallen is thy Throne

Kun traur' in Schweigen, Sfrael! Gefallen ift dein Thron!

Auf deinen Zinnen lafter Staub, Auf deinen Kindern Hohn.

Kein Frühthau mehr befeuchter Dir Etham’s dürr Geftad,

Und Feine Wolf erleuchtet

Dir fürder deinen Pfad!

Du liebteft, Herr, Serufalem Dein eigen war es ganz;

zum Throne deiner Herrlichfeit Gereichte dir fein Glanz:

Bis, zorn’gen Strahls, das Wetter In deinen Delbaum fchlug;

Big Juda falſche Götter

In Salem’ Schreine trug.

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465

Da fanf dein Stern, o Solyma; Da floh dein Ruhm, wie Spreu; Wie Haide, die der Wirbelwind Führt durch die Wüftenet. Schweigend und wüft die Hallen, Wo geblißt der Mächt’gen Kleid! Die Thürm' in’s Thal gefallen, Die Baals Dienft entweiht !

„Run, Afur, würge!“ fprah der Herr: „Zeuch her, du Volk von fern! zu Boden ihre Mauern wirf, Denn fie find nicht des Herrn! Bis ein Gefchrei verfündet Der Tochter Zion Qual;

Bis jammernd fie fih windet In Hinnom’s Würgethal!“

Greiligratb, Gedichte 30

166

Who is the maid?

St. Hieronymus’ Geliebte.

Wer iſt ſie, die mein Herz begehrt, Was läfternd auch der Leumund ſpricht? Ward ihrer Wange Noth gewährt? Gralänzt ihr Aug? von ird'ſchem Licht? O nein, von mitternäht’gem Fleh'n Sind ihre Blicke trüb und hohl,

Und wird ein Licht oft drin gefeh’n,

So Fam fein Strahl von oben wohl!

Und nicht bei denen fuch’ ich fie,

Die eitel nah’n des Ew’gen Schrein!

Die vor ihm beugen nur dag Knie, Gefhmüdt mit Kränzen und Geftein! Nicht füllt die Bruſt der Himmel ganz, Die ſich mit Pracht umgeben mag;

Und fie, die, glüh’nd von ird’fhem Glanz, Ob ihrer Schwäche Elagt, bleibt ſchwach.

467

Nicht fo die trauernde Geftalt,

Die meine Luft, weil fie verblüht!

Ihr ganzer Neiz die Allgewalt

Des Heil’genfcheing, der fie umglüht! Nein, folch ein Leuchten, rein und Flar, Ward üpp’ger Schönheit nie gewährt! Nur Ihr, die, wie auf dem Altar

Die Lampe, zitternd ſich verzehrt!

The bird, let loose.

Die Taube, fern im Orient

Heimzieh’nd mit freud’ger Haft,

Sie fenft die Schwinge nicht, fie Fennt Kein Ruh'n und Feine Naft.

Durch Licht und Kuft, wie ftrebt fie Fühn Nach ihres Herren Herd,

Wo nichts des Ird'ſchen hemmt ihr Flieh’n, Wo fie Fein Schatten ftört!

So laß, o Gott, vorübergeh’n, Was bög und unrein, mir!

So durch der Tugend rein’re Höh’n Laß fteuern mich zu dir!

Bon Wolfen und von Sünde rein Sei meiner Seele Flug,

Auf ihrem Pfad dein Sonnenfchein, Und nur nach dir ihr Zug!

469

Sound the loud timhrel.

Miriam’s Sid.

Und Miriam, die Prophetin, Aaron's Schweſter, nahm eine Pauke in ihre Hand, und alle Weiber folgten ihr nach hinaus mit Paufen am Reigen.

Ervduß.

Wandelt mit Pauken das Schilfmeer entlang! Der Herr hat geſiegt unſ're Kette zerfprang. Singt, denn des Mächtigen Stolz ift gebrochen; Sein funfelnder Heerzug, fein Eriegrifcher Troß Wie eitel ihr Rühmen! der Herr hat gefprocen, Und unter im Schilfmeer ging Reiter und Roß. Wandelt mit Pauken das Schilfmeer entlang,

Der Herr hat gefiegt unfre Kette zeriprang.

Ehre dem Herrn! dem Eroberer Ehr’! Sein Hauch unser Schwert, und fein Wort unfer Speer!

470

Siehe, wer meldet dem harrenden Volke Den Fall feiner Tauſende? Keiner entrann! Der Herr fah hervor aus der feurigen Wolfe, Und warf in die Fluthen fie, Wagen und Mann! Wandelt mit Pauken das Schilfmeer entlang, Der Herr hat gefiegt, unf’re Kette zerfprang.

471

Now let the warrior.

Kun ſchmückt die Roſſe bunt zum Streit, Kun ftoßt in die Trompeten!

Denn des Dftens Volk ſoll bluten heut’, Und vom SKirieg die Sonn’ erröthen!

Der Helm der Chriften ift der Siß

Des Siegs; aus ihren Scheiden

Zudt das Schwert, aus Weſtgewölk ein Blitz, Verderben auf die Heiden.

O felig, wer im Kampfe fallt!

Im Himmel fortan fteht fein Zelt!

Run ſchmückt die Nofe bunt zum Streit, Kun ftoßt in die Trompeten!

Denn des Dftens Volk foll bluten heut’, » Und vom Krieg die Sonn’ errötben!

O!soon return.

Das Schiff zog eine Feuerfpur,

Das Segel fing den legten Blick

Der Sonne; ſie ſprach weinend nur: „O, tehre bald zurück!“

Wohl trieb mein Fahrzeug der Orkan Durch manches Meer, feitdem ich fchien; Bald fuhr der Nordwind durch die Raa'n, Und bald der laue Süd.

Doch wenn, wo ed auch immer lag, Das Meer beim lekten Sonnenblid Roth flammte, hört’ ich, wie fie fprach: „O, kehr' zurüd! kehr' bald zurück!“

Hab' je ich deiner nicht gedacht,

War jemals dir mein Geiſt nicht nah, Dann war es mitten in der Schlacht, Wenn der Tapfern Aug' mich ſah.

473

Doh wenn auch im Gewühl de3 Streits Der Liebe Macht mir ferne war:

Dem Ruhm verlieh nur fie den Reiz, Der füß macht die Gefahr!

Und bradte dann der Sieg die Ruh’, Und flammte ftolz des Kriegers Blick, Dann wieder war’s, als riefeft du:

„D, Fehr’ zurüd! Fehr bald zurück!“

474

2 saw the moon rise clear.

Der Mond ging Falt und hell

Ueber Schneegefilden auf;

Mein Nenntbier trabte fchnell;

Sch zeigt’ ihm nicht den Lauf. Leichtfüßig rannt? es grad’

Durch's Holz; wohl weiß mein Thier, Für mich ift nur Ein Pfad

Der Pfad, der führt zu dir.

Des Winters langer Nacht Vergißt das Herz fo gern, Hat der Sommer erft gebracht Den großen gold’nen Stern, Der niemals untergeht,

Sp ftieg meine Lieb’ für dich! Wie die Sommerfonne ftet, Leuchtet fie ewiglich.

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There comes a time.

Es kommt eine Zeit, eine trübe Zeit Für ihn, der manchen Tag Geſchwelgt in der Jugend Süßigkeit, Der alle Blumen brach.

Wenn ſein Herz zuerſt entſagen muß Seinen Träumen, bunt und hoch, Dann wäre jäher Tod Genuß,

Denn was bringt das Leben noch? Es kommt eine Zeit, eine trübe Zeit Für ihn, der manchen Tag Geſchwelgt in der Jugend Süßigkeit, Der alle Blumen brad.

Sinft die Sonn’ in Afrika, dann bricht Plöglih die Nacht berein;

Sp müßte, ftirbt der Liebe Licht, Auch vollbracht das Leben fein;

. 476

Nicht, ein nord’fcher Tag, durch die Damm'rung trlb Fortglimmen und verzieh'n, | Ein Feuer, von dem nur Afche blieb, Fin Schimmern, doch Fein Slüh’n! - Es fommt eine Zeit, eine trübe Zeit Für ihn, der manchen Tag Gefchwelgt in der Jugend Süßigfeit, Der alle Blumen brach!

Hark! the vesper hymn is stealing.

Horch! wie über's Waſſer hallend, Klar die Veſperhymne klingt! Naher jetzt und näher ſchallend, Subilate, Amen!

Ferner jest und ferner hallend, Bis fie fanft dem Ohr verflingt, Subilate, Amen!

Sept, wie Mondfcheinwellen, rollend An das Ufer ftirbt fie hin;

Seßt, wie zorn’ge Brandung, grollend Wahft die Fluth des Liedes Fühn. Subilate, Amen!

Wieder horch! wie Wellen, rollend

An das Ufer ftirbt fie bin;

Aubilate, Amen!

478

Bei der Vorüberfahrt an der Todten⸗ Inſel (Deadman’s Island) in der St. Lorenz:Bay.

Sept unter dem finftern Gewölk ihr dort Das dunkle Schiff? raſch gleitet es fort. Seine Segel find voll, doch der Wind ift ftille, Und Fein Lüftchen weht, das die Segel fülle.

D, was trägt das fchaurige Fahrzeug ? kann Das Grab fo ftill fein? Horch! dann und warın Kur Todtengelaut und Leichenvögel

Und das Klappen der nebelbehangenen Segel.

Auf dem Falten Strande von Labrador

Liegt ein Wrad, die Maften zerknickt wie Rohr. Dort, auf Bänfen von Eis, im Mondenfchein, N Wäſcht die See der ertrunfenen Schiffer Gebein.

=

479

Dort war das Schiff; eine Flamme, blau Und zitternd, fladert um Maft und Tau, Die ihr Licht auf fo fable Gefellen wirft,

Als je nur den Thau des Kirchhofs geihlürft.

Nah der Todteninfel fauft fein Kiel!

Nach der Todteninfel! dort ift fein Ziel! Sfelette reffen die Segel gewandt,

Nicht von diefer Welt ift am Steuer die Hand.

D, faufe vorüber! o, fegle fchnell,

Du fchredliches Schiff! bald wird es hell, Derbirg dich dem Morgen! fein Nofenfhimmer, Erblidt’ er dich noch, würde blaß für immer!

480

Eright be thy dreams.

Licht ſei dein Traum mag all dein Weinen Im Schlaf als Lächeln dir erſcheinen!

Die dir nahmen Tod und Zeit,

Die Geliebten und die Frommen,

Mögen alle lächelnd heut’ |

Sm Traume zu dir fommen!

Da mag dad Kind, das all’ dein Beten Nicht retten Fonnte, vor dich treten; Noch als lebt’ es ſchön und froh! Ganz daffelbe, frei von Sünden;

Dder, wenn verändert, fo,

Wie du es bei Gott wirft finden!

Ve u

481 |

Kow zsently here.

Leis rudern hier, mein Gondolier! die Fluth vom Ruder fprüh’n

Sp leife laß, daß fie ung nur vernimmt, zu der wir zieh'n!

O, könnte, wie er ſchauen kann, der Himmel reden traun,

Er fprähe Vieles wohl von dem, was Nachts die Sterne ihau’n!

Kun raften hier, mein Gondolier! In's Boot die Ruder! ſacht!

Auf zum Balkone ſchwing' ich mich, doch du hältſt unten Wacht.

O, wollten halb ſo eifrig nur dem Himmel wir uns weih'n,

Als ſchöner Weiber Dienſte traun, wir koͤnnten Engel ſein!

Breiligrath, Gedichte. 31

482

When first that smile.

Bei deines Lächelns erſtem Sonnenſchein Welch ein Geſicht hab' ich geſehen! Jahre der Liebe, Jahre, ſtill und rein,

Ließ dieſes Lächeln mir vorübergehen!

O Gott, kein Landmann wohl, der träumend Ernten ſah Und gold'ne Frucht mit ſüßerm Hoffen,

Als ich die Flamme dieſer Augen, da

Süß lächelnd mich ihr Strahl getroffen!

Wo nun die Stunden, die er mir verſprach?

Des Weibes Treue gleicht der Thräne,

Die bald verſiegt; fie dauert einen Tag;

Sie fchwindet, wie des Weibes Schöne!

Kurz, wie des Verfers Fleh’n, wenn er am Abend fleht, D Liebe! fei dein Flehen immer!

Schnell vor der Schönheit ftammle dein Gebet

Eh’ du’3 geftammelt, flieht ihr Schimmer!

483

Peace to the slumberers.

Friede den Schlummerern!

Sie liegen auf der blut'gen Flur, Sarglos und ohne Leinen!

Der Morgenthau, der Regen nur Sind es, die auf ſie weinen.

Weh', all ihr Muth umſonſt!

Wo ſich erhob der Eiche Kraft, Da liegen ihre Trümmer!

Doch Herzen, einmal uns entrafft, Sie ſchieden, ach, für immer!

Fluch euch, Eroberer!

Wir wollen liegen kalt, wie fie, Die ſchnöd' ihr ung entriffet, Eh’ unfer Herz der Nahe, die Sie ung vermadt, vergiffet!

See, the dawn from heaven.

Einer zu Bom am Chriftabend gefungenen Weife untergelegt.

Siey, wie durch die Wolfen lachend Damm’rung bricht! Die Erd’, aus Sind’ erwachend, grüßt ihr Licht! Engel aus der Höhe fehwingen lachelnd fih, o fieh, Niederwarts; auf fonn’ger Stirne bringen Edens Kränze fie!

Hörft du braufen ihrer Lieder mächt'ge Fluth?

Lieblich fchallt’8 hernieder, wer hier ruht!

Dort, in jener dunfeln Hütte, fchlaft der ein’ge Sohn, Er, der aus den Himmeln Fam, von Gottes Thron.

485

When throuzh the Piazzetta.

Wenn durch die Piazzetta Die Abendluft weht,

Dann weißt du, Ninetta, Wer wartend hier fteht.

Du weißt, wer troß Schleier Und Maske dich kennt,

Wie Amor die Tenus

Am Nahtfirmament.

Ein Schifferfleid trag’ ic Zur felbigen Zeit,

Und zitternd dir fag’ ich: „Das Boot liegt bereit! O, komm’ jekt, wo Lune’n Noch Wolfen umzieh’n, Laß durch die Lagunen, Mein Leben, ung flieh’'n!“

486

Take hence the howl.

Die Bowle fort! und fehaume Ste noch fo glänzend heut’!

Sie bringt mir nichts als Traume Bon längft gefchied’ner Seit! Sie maht mein Auge trübe, Sie maht mein Auge na,

Sie zeigt mir todte Liebe,

Wie eines Zaub'rers Glas!

Es laßt mic jeder Tropfen

Bor todten Freunden knie'n; Begrab'ne Herzen Flopfen,

Und bleiche Lippen glüh’n.

D, wenn mir fo die Sahre,

Die waren, fehmerzlich nahn, Dann fchaut mich ernft der Flare Kelch wie vol Thranen an!

187°

$ Farewell. Theresa! Leb' wohl, Thereſe! die Wolke drüben, Die finſter über den Mond ſich zieht,

Sie wird des Lächelnden Licht noch trüben, Wenn über's Meer ſchon dein Buhle flieht!

Wie dieſe Wolke, ſo hab' ich lange Beſchattet dein Herz, verdüſtert dein Thun! Ich fand dich lächelnd, mit friſcher Wange! Wie warſt du glücklich o Gott, und nun?

Doch hier befrei' ich dich, ſüßes Weſen!

Wie aus ſchweren Traumen erwachſt du wohl; Da! ſieh' auch den Mond ſeinen Zauber löſen! Die Wolke verzieht Thereſe, leb' wohl!

188 Eu |

How oft, when watching stars.

Wie manchmal, wenn des Mondes Strahl Die Berge zitternd küßt ringsum, J Zu lauſchen einer Flöt’ im Thal, | gehn’ ih am Erfer ftumm!

„O fomm, mein Lieb!” fagt leife flehend jeder Ton. „O komm, mein Lieb! die Wacht ift bald entfloh'n!“ Kein, Feiner Nede Kraft,

Wie warm, wie feurig auch,

Malt glühend fo die Leidenfchaft,

Wie diefer Töne Hauch!

Dann wahrlich, nicht von ungefähr!

Ergreif’ auch ich die Laute wohl

Iſt Andern fremd ihr Klang, doch Er

Kennt ihre Sprache wohl!

„Sch komme, Lieb!“ fagt leis verheißend jeder Ton; „Sch komme! Dein, dein, bid die Nacht entfloh’n!“

489

O, ſchwach das mäht’ge Wort,

Und matt der Farben Kicht

Bei dem, was zitternd mein Afkord Alsdann ihm malt und fpricht!

490

When the first summer hee.

Bald, wenn die Biene hier

Summt um die Roſe,

Dann, grad' wie die Loſe,

Komm’ ich zu dir!

Sie Blumen, ich Lippen, füß, duftend und glüh Welch’ Finden, wel’ Finden für mich und für fie!

Dann jedes Beetes Sier

Naht fie mit neuer

Begierde doch treuer

Bleib’ ich bei dir!

Sie fammelt bei Taufenden Süßigkeit fich, Doch Taufender Süße in Einer find’ ich.

491

Light sounds the harp.

Sir tönt die Harfe, wenn Helden und Klingen Ruh'n im Gezelt nach geichlagener Schlacht; Wenn Lorbeern des Liebenden Schläfe umfchlingen, Und Eros aus Helmbüfhen Flügel ſich macht. Doch wenn der Fremdling Fehrt,

Gleich blißt des Helden Schwert;

Einmal noch fchwingt er es hoch in der Fauft: Raſſelndes Roßgeſchirr,

Panzer- unh Schwertgeklirr

Sind die Muſik alsdann, die ehern ihn umbrauft. D, dann fommt die Harfe, wenn Helden und Klingen Ruh'n im Gezelt nach gefchlagener Schlacht;

Wenn Lorbeern des Liebenden Schläfe umfchlingen, Und Eros aus Helmbüfchen Flügel fich macht.

Süß Flang die Harp, als der Kriegsgott umfchlingen Vom fchwellenden Arme der Schönheit fich ließ,

Als Myrten den Goldhelm des Wilden umfingen, Als niftende Tauben fein Harnifch ihm wies.

492

Doch wenn die Schlacht begann,

Schaute der Fühne Mann

Finfter; der Göttin entwand ſich der Held. Huffhlag und Horn und Schwert

Iſt's, was fein Ohr begehrt,

Iſt die Mufif alsdann, die ehern dröhnt durch's Feld. h Doch dann Fam die Harfe; nah Sieg und Frohloden Beging er aufs New mit der Schönheit ein Feſt; Sein Lorbeer vermifchte fich goldenen Loden,

Und fiehe, fein Goldhelm ward Tauben ein Neft.

493

The song of war.

Das Lied des Kriegs fol durch die Berge gellen, Bis auch Fein Glied mehr übrig bleibt

Der Kette, die den Arm ung reibt;

Bis fein Despote mehr uns ftäupt,

Und Feindesmund trübt unfre Quellen.

Kein! nimmer, bis der Morgen glüht,

Sei Lufitania Ffampfesmüd,

Hör’ es, o Friede, weh'n dein Lied

Um feine Höh’n, die fonnigen, hellen!

Das Lied des Kriegs foll durch die Berge gellen, Bis froh der Sieg einft zu uns ſpricht:

„Durch eurer Feinde Wolfe bricht

Der Freiheit Strahl, mit neuem Licht

Zu fegnen Neben euh und Quellen!”

Nein! nimmer, bis der Morgen glübht,

Sei Lufitania fampfesmüd,

Hör’ es, o Friede, weh’n dein Lied

Um feine Höh’n, die fonnigen, hellen!

494

When ’midst the gay I meet.

Glanzt in der Froben Kreis

Mir deines Lachelng Schein,

Db ich's auch fründlich feh’ und weiß, Kaum mag ich’3 nennen mein!

Doch wenn an meiner Bruft

Dir Thran’ auf Thrane rinnt, Dann fühl?’ ich es mit glüh’nder Luft, Daß fie mein eigen find.

Drum al dein Lächeln gib

Der Frohen Faltem Heer.

Anlachle, die dir minder lieb:

Mir nur laß deine Fahr”!

Sn farb’gem Kacheln glüh’n Des Jura ſchnee'ge Höh’n, Und Kalte dennoch feffelt ihn, Wie wir ihn glüh’n auch feh’n.

495

Einzig erwärmen Fann

Ihn oft ein Sonnenfuß; Urplöglich fchmilzt das Lächeln dann Und wird zum Thranengufß, Drum all dein Lächeln gib

Der Frohen Faltem Heer; Anlächle, die dir minder lieb: Mir nur laß deine Zaͤhr'!

496

will you come to the bower?

Wir fommen zur Laube, fo fehattig und Fühl? Da dienen ung Nofen voll Thaues zum Pfühl. Willſt du, willft du, wilft du, willft du Kommen, mein Lieb?

Da ruhft du auf Nofen wohl unter dem Strauch, Erröthend die Wanglein, doch Lächeln im Aug’. Willſt du, wilft du, willft du, willft du

Lächeln, mein Lieb?

Doch röther als Nofen, mein Lieb, ift dein Mund, Und füßer als Thau ift dein Küffen zur Stund’. Willſt du, wilft du, willft du, willſt du

Küffen, mein Lieb?

Und, o, dann der Freuden, die füßer, fürwahr, Als Thau und als Nofen und Küffe fogar ! Willſt du, willft du, willft du, wilft du,

Willſt nicht, mein Lieb?

_

Huf eine ſchöne Dftindierin.

Wenn Jeder, die ein Sonnenkind, In Aug' und Buſen Feuer wohnt, Dann ſind, die ſo dich nennen, blind Dich ſandte nur der bleiche Mond!

Und dennoch, zündend bliebe kalt Dies Auge, feurig, ſüß und licht? Ihr Lippen, die ihr purpurn wallt, Euch ziemt Diana's Siegel nicht!

O, Einen Strahl der Sonne nur, Die deines Ganges Fluthen kocht, Zu wandeln dich, du Lichtnatur,

In Alles, was mein Herz erpocht!

Ha plöglich lodern dich zu ſeh'n In deiner ganzen glüh’nden Pracht, Und dann im DBrande zu vergeh’n, Den ich doch felber angefacht!

Freiligrath, Gedichte 32

498

Robert Burns.

Lieder.

Nun holt mir eine Kanne Wein,

Und laßt den Becher ſein von Golde; Denn einen Trunk noch will ich weih'n Vor meinem Abſchied dir, o Holde! Am Damme dorten ſchwankt das Boot, Der Fährmann ſchilt, daß ich verziehe; Am Baume drüben liegt das Schiff, Und ich muß laſſen dich, Marie!

Das Banner fliegt; in langer Reih' Sieht glänzen man die blanfen Speere;

499

Bon ferne tönt das Kampfgefchrei,

Und fchon begegnen fich die Heere.

'S ift nicht der Sturmwind, nicht die See, Daß ich am Ufer hier verziehe;

Auch nicht die laute Schlaht ’8 tft nur, Daß ich dich laſſen muß, Marie!

Die füße Dirn von Inverneß

Wird nun und nimmer wieder frob; Ihr einz’ger Gang ift in die Meg,

Sie weint und feufzt, und fagt nur: o! Drumofiie Moor, Drumoffie Tag,

O bitt’rer Tag, o blut’ges Moor!

Wo Falt und ftarr mein Vater lag,

Wo ich der Brüder drei verlor.

Ihr Lailach ift der blut’ge Klei,

Ihr Grab ift grün vom erften Kraut, Der ſchmuckſte Burfche liegt dabei, Den Mädchenaugen je geichaut.

900

Nun wehe dir, der du die Schlacht Gewannft, und farteft blut’ge Saat! Manch Herz haft du betrübt gemacht, ; Das dir doch nichts zu Keide that. F

3.

O, ſäh' ich auf der Haide dort

Sm Sturme dih, im Sturme dich, Mit meinem Mantel vor dem Sturm Beſchützt' ich dich, beſchützt' ich dich!

D, wär’ mit feinen Stürmen dir

Das Unglüd nah, das Unglüd nah, Dann wär? dies Herz dein Zufluchtsort; Gern theilt’ ich ja, gern theilt' ich ja!

D, war’ ich in der Wüfte, die

Sp braun und dürr, fo braun und dürr, zum Waradiefe würde fie,

Wärſt du bei mir, warft du bei mir! Und war’ ein König ich, und war’

Die Erde mein, die Erde mein,

Du wärft an meiner Krone doc

Der fchönfte Stein, der fehönfte Stein.

4.

Die finft’re Nacht bricht fchnell herein, Der Sturmwind heult; mit Regen drau’n Die trüben Wolfen; ſchwärzlich fteh’n

Sie über diefen nadten Höh’n.

Der Jaäger wandert heim vom Moor, Das Rebhuhn duckt fich unter's Nohr, Und ich, das Herz von Sorgen fchwer, Geh’ einfam hier entlang den Apr.

Der Herbft beweint fein reifend Korn,

So früh fchon von des Winters Zorn Zerftört; am Abendhimmel fieht

Den Sturm er, wie er murrend flieht. Kalt wird in meiner Bruft das Blut, Gedenk' ich der bewegten Fluth,

Und das ich zieh’'n muß über Meer, Weit, weit von deinen Ufern, Ayr!

'S ift nicht die Brandung, die dad Land Wild zürnend Schlägt; nicht diefer Strand, Mit Trümmern mandhes Wracks bededt; Der Falte Sturmwind niht was fchredt

502 Den Sohn des Elendg? aber trägt Mein wundes Herz nicht Feffeln? fchlägt

Es Frampfhaft nicht, und blutet fehr, Da e3 fie bricht, dich meidend, Ayr?

a er u 2 0

Lebt wohl, ihr Schluchten und ihr Seen, Ihr haidekrautbewachf'nen Höh’n!

Du grünes Thal, du ftiller Pfad,

Die meiner Liebe Schmerz ihr faht!

Freund! Feind! lebt wohl! ich ſegn' euch glei Meine Lieb’, mein Friede fei mit euch! D, diefer Thränenfturz fagt mehr,

As Worte! Lebe wohl, mein Ayr!

oO,

Einen fchlimmen Weg ging geftern ich, Einen Weg, dem ich nicht wieder trau’ ! Zwei füße Augen trafen mich,

Zwei füße Augen, lieb und blau.

Nicht war's ihr blond und wallend Haar, ſticht war's ihr Mund, die Roſ' im Thau, Auch nicht ihre weiße Bruft es war Ihr füßes Auge, lieb und blau,

303

Ihr Aug’ hat mir dag Herz bethört,

Ihr Auge, mit der dunfeln Brau;

O, tiefre Wunden als ein Schwert, Schlug mir dies Auge, lieb und blau! Geduld, mein Herz, Geduld, Geduld! Vielleicht doch, weh’ mir! weiſ't fie rauh Mich ab, an meinem Tode Schuld

Iſt dann ihr Auge, lieb und blan.

6.

Wenn über'm Berg den Abenditern

Die Melferin ſieht ichweben, DO!

Wenn aus der Furche fchwanft das Roß, Der Heimath zuzuftreben, O!

Am Bache dort, wo thaubenept Duftreiche Birfen beben, DO!

Da treff’ ih dich am Hügel,

Mein Lieb, mein Leben, O!

In dunkler Schluht, um Mitternacht, Hinzög’ ich ohne Beben, DO!

Umarmt’ ich dich am Ziele nur,

Mein Lieb, mein Xeben, O!

904

Und war’ die Nacht auch noch fo wild, Doch würd’ ich vorwärts fireben, O! Doch traf ich dich am Hügel,

Mein Lieb, mein Leben, O!

Der Jäger liebt die Morgenzeit, Der Sagd fich zu ergeben, OD!

Der Fifcher wahlt den Mittag gern, Sein mafhig Neb zu weben, D! Mir Eann die graue Damm’rung nur Das Herze freudig heben, DO!

Dann treff’ ich dich am Hügel, Mein Lieb, mein Xeben, DO!

7.

Kun fommt der Herbft, nun kommt die Jagd, Kun kommt des Waidwerks Freude;

Die Taube girrt, das Birkhuhn ſchwirrt,

Und röthlich prangt die Haide.

Nun ftrahlt die Flur von Garben nur,

Die lebten Früchte reifen;

Ich aber will im Felde ftill

Mit der Geliebten fchweifen. x

305

Das Nebhuhn folgt des Pflügers Bahn, Der Kibiß liebt den Weiber.

Die Waldſchlucht lodt den Auerbabn, Die Wolfe lockt den Reiher.

Sm Holze gern, von Menfchen fern, Austönt der Turtel Klagen;

Zur Haſel flieht de3 Hänflings Lied, Und flieht der Droſſel Schlagen.

Nah Neigung fo lebt jedes froh,

Und ichafft fih fein Vergnügen;

Sie zieh'n allein, fie zieh'n zu zwei'n, Sie zieh’n einher in Zügen.

Du flüht’ge Brut, nun färbt dein Blur Der Eiche dunkle Blatter;

Dein Flügel finft, dein Schrei verklingt In Schuß und Horngefchmetter.

Doh Mädchen, fomm! Der Welt verglomm! Vorüber huſcht die Schwalbe.

Der Himmel blau, die Flur im Thau!

O sieh’, wie glübt die falbe!

306

O komm, durch's Feld! fieh’ ruh’n die Welt, Die glückliche, die ftille! -

Und dort durch's Korn, o fieh’ den Dorn

In feiner Scharlachfülle! |

Ein füß Gefprach verkürzt den Weg; Und ftrahlt des Mondes Schimmer, Dann fa? ich dich, dann küſſ' ich dich, Dann fag’ ich: Dein auf immer! Kein Garbenjahr, Fein Herbft fürwahr Lohnt fo ded Landmanns Streben,

Als mich zur Stund dein füßer Mund, Mein Herz, mein einzig Leben!

Mein Kieb ift eine rothe Roy, Die frifh am Stode glüht;

Eine rothe, rothe Roſ'! mein Lieb ft wie ein ſüßes Lied!

307 Mein Lieb, fo ſchmuck und fchön du biſt, So fehr auch lieb’ ich dich; Bis daß die See verlaufen it, Süße Dirne, lieb’ ich dich!

Bis dag die See verlaufen ift,

Und der Fels zerfchmilzt, mein Kind, Und ftets, mein Lieb, fo lang mein Blut In meinen Adern rinnt!

2eb’ wohl, leb’ wohl, mein einzig Lieb! Leb' wohl auf furze Zeit! Xeb’ wohl! ich Fehr’, und wär’ ich auch Zehntaufend Meilen weit!

Mein Herz ift fchwer, Gott ſei's geklagt! Mein Herz ift fchwer für Einen;

O Gott, eine lange Winternacht

Könnt’ wachen ich für Einen.

908

O Leid, für Einen!

O Freud, für Einen!

Die ganze Welt koͤnnt' ich durchzieh'n Für Einen!

Ihr Mächte, reiner Liebe hold,

O, lachelt mild auf Einen!

Schüßt vor Gefahr ihn! bringt gefund Zurück mir meinen Einen!

O Leid, für Einen!

O Freud, für Einen!

Sch that? o Gott, was that? ich nicht Für Einen?

10.

Sohn Anderfon, mein Lieb, Sohn, Als ich zuerft dich ſah,

Wie dunfel war dein Haar, und

Wie glatt dein Antlitz da!

Doch jest ift Fahl dein Haupt, John, Schneeweiß dein Haar, und trüb Dein Aug’; doch Heil und Segen dir, Sohn Anderfon, mein Lieb!

5309

John Anderſon, mein Lieb, John, Bergauf ſtiegſt du mit mir; Und manchen luſt'gen Tag, John, Zuſammen hatten wir. | Kun geht’ den Berg hinab, Sohn, Doh Hand in Hand! komm, gib Sie mir, in einem Grab’ ruh’n wir, Sohn Anderfon, mein Lieb!

11.

Mein Herz ift im Hochland, mein Herz ift nicht bier! Mein Herz ift im Hochland, im wald’gen Revier!

Da jag’ ich das Rothwild, da folg’ ich dem Reh, Mein Herz ift im Hochland, wo immer ich geh’.

Mein Norden, mein Hochland, lebt wohl, ich muß zieh’n! Du Wiege von Allem, was ftarf und was kühn! Doch, wo ich auch wandre und wo ich auch bin, Nach den Hügeln des Hoclands fteht allzeit mein Sinn!

910 Lebt wohl, ihr Gebirge mit Häuptern voll Schnee, Ihr Schluchten, ihr Thaler, du ſchäumender See, Ihr Wälder, ihr Klippen, fo grau und bemoof't, Ihr Ströme, die zornig durch Kelfen ihr tof’r!

Mein Herz ift im Hochland, mein Herz ift nicht hier! Mein Herz ift im Hochland, im wald’gen Revier! Da jag’ ich das Nothwild, da folg’ ich dem Reh, Mein Herz ift im Hochland, wo immer ich geh’!

12.

D, wär’ mein Xieb’ die rothe Roſ', ® Die auf des Schloffes Mauer glüht ! : D, war’ ich felbft der Tropfen Thau, h Den man im Kelch der Roſe fieht!

An ihrer Bruft die ganze Nacht

Läg' ich, und ſchwelgt' in trunfner Luft; Bis Morgens, wo der Tag erwacht, Läg' ich an ihrer ſüßen Bruſt.

511

O, wär' mein Lieb ein Holderſtrauch, Wie der, voll Blumen jeder Aſt! O, wär’ ich ſelbſt ein Vogelein!

Auf ſeinen Zweigen hielt' ich Raſt.

Wie wollt' ich trauern, ſäh' ich ihn Entblättern des Novembers Weh'n; Wie ſingen, ſähe blüh'nd und grün Ich wieder ihn im Lenze ſteh'n!

13.

Nun, wer klopft an meine Thür? Ich, mein Schaß! ſprach Findlay. Geh’ nad Haus! was treibit du hier?

Gutes nur! fprah Findlay. Wie ein Näuber fchleihft du doch! Raub' auch gern! ſprach Findlan. Treibft vor Morgen Unfug noch; Allerdings! ſprach Findlay.

12

Ständ’ ich auf, und ließ dich ein, Laß mich ein! ſprach Findlay. Schlief ich wohl nicht wieder ein! Kann wohl fein! fprach Findlay.

Wärſt du bei mir im Gemach, Wär’ ich's erft! ſprach Findlay, Gingeft du wohl nicht vor Tag; Freilich nicht! ſprach Findlay.

Aber nimm, bleibft du die Nacht, Sa, ich bleib! ſprach Findlay; Auf dem Heimweg dich in Acht! Fürchte nichts! ſprach Findlay. Aber, was im Kammerlein Auch gefchieht, ſprach Findlay; Halt's geheim, verfchweig’ es fein! Ganz gewiß! fprach Findlay.

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