TE 250 rs 0 Gefangenleben der belten einheimilchen Singbögel. Vogelwirthen und Naturfreunden geſchildert von Adolf und Karl Müller. Mit einer lehrbegrifflichen Zuſammenſtellung und naturgeſchichtlichen Beſchreibung des Freilebens dieſer Vögel. vr nt Mar 0 5 D. / Zt 442.8. N BOLLECTION. 4 useuM, — — JJC Leipzig und Heidelberg. C. F. Winter'ſche Verlagshandlung. 1871. Inhalts-Verzeichniß. Ueberblick über das Geſammtleben einheimiſcher Stubenvögel I. Abtheilung. Vorkehrungen. Vom Anfatz der Mehlwürmer und dem Einſammeln der Ameiſenpuppen . Von den Vogelbauern und Hecken. II. Abtheilung. Leben in Einzelbauern. III. Die Nachtigall Der Sproſſer . Die Singdroſſel Die Steindroſſel . Die Schwarzamſel Der Pirol 8 85 Die ſchwarzköpfige Grasmücke oder der Mönch Die graue Grasmücke Das Rothkehlchen Das Blaukehlchen Der Zaunkönig 8 Die Baſtardnachtigall oder der gelbe Spötter Der Sumpfſchilfſänger . Dee rothrückige Würger Die Feld- oder Ackerlerche Die Baumlerche Die Haubenlerche Der Dompfaffe oder der Blutfink Der Staar 5 Der Edel- oder Buchfink Der Stieglitz oder Diſtelfink . Der Hänfling . Der Canarienvogel . Die Harzer Race. 5 a Die Pariſer oder Trompeter - Race : Die Holländer oder Brabanter Race Der Brüſſeler Vogel Färbung, Zeichnung und Benennung d des Canarienvogels 5 Abtheilung. Leben in Hecken. Die Canarienvögelzucht . Die Baſtardzüchtung (Allgemeines) . Ay Die Baſtardzucht zwiſchen Diſtelfink und Canarienvogel 7 153 und 95 101 107 109 116 120 125 128 130 132 137 138 138 139 142 161 156 . IV a Seite Die Baſtardzucht zwiſchen Hänfling und Canarien vogel .. 158 Die Baſtardzucht zwiſchen Girlitz und Diſtelfinn . 158 Die Baſtardzucht zwiſchen Zeiſig und Canarien vogel... . 159 Die Baſtardzucht zwiſchen Leinfink und Canarien vogel... 159 Die Baſtardzucht zwiſchen Grünling und Canarien vogel... 159 Die Baſtardzucht zwiſchen Blutfink und Canarienvogen . .. 159 Die Baſtardzucht zwiſchen Buchfink und Canarienvo gen.. 160 Die Baſtardzucht zwiſchen Hausſperling und Canarien vogel. . 160 Die Baſtardzucht zwiſchen Goldammer und Canarien vogel. . 160 Anhang. Lehrbegriffliche 8 Vorbemerkung „ 102 Allgemeine Merkmale der “ Ordnung Singvögel (one 7. RE 0 162 Die Familie der Droſſeln (Turduidae) ) en fs Die Singdroſſe! ln 1 e ee Or ee Die Schwarzamſell ũ f Be3. 16 Die Steindroſſel „„ 4 el ee, ORBEENaes Der Pirol oder die Goldamſellllinunntld Die Familie der Staare (Sturni dae) 2. 12 „ehr Herta Der gemeine Star „ ANDALE SRBATGD Die Familie der Buſchſänger ilrindae) Re Die Nadtigall 2 url. u a een ar EEE Der Spröoſſeee‚e‚éõꝙq ee eG Das Nothkehlchen , Er ee RE EIS Das -Blanfehlhen vw una a a ae ee me ] Krk eos Der Zaunkönig e e Die ſchwarzköpfige Grasmücke d e Die graue oder Gartengrasmücke . . bee e e ene Der Gartenlaubvogel oder die Baſtardnachtigall > AT eee ee Der Sumpfſchilfſänger. . ee e Die Familie der Würger ee „„ „„ ED EEE RER EZ Der rothrückige Würger oder Doruprefer .. .. „er an.mE Eu en ee Die Ordnung der ſperlingsartigen Vögel (Passerni) . . » ».2...13 Die Familie der Finken (Fringilla Der Gimpel, Dompfaffe oder Sy. e eee 1 A FRE RT Der Edellintn. . 0... a ee a Ve DELRDMEITINE.. 00 wesen ee ae ee leer SA RG Dr enfin gsss‚s‚s‚s‚s LEE ae Sr Der Kanarienvogell . . .. „ „„ „„ „„ RER Fee Die Familie der Lerchen n „„ „„ UN, #3 Main Die Feldlerchee a ger Re FURL SS Die Bayım= oder Haidelerche e e e e e eee Seel Die Hauben 8 | Ueberblick über das Geſammtleben einheimiſcher Stubenvögel. Die wandernden Sänger haben uns draußen Lebewohl geſagt. Sie verließen uns, die „Großthat ihres Zuges“ zu vollführen, mit dem mächtigen, dem Forſcher noch vielfach geheimnißvollen Trieb in der Bruſt. Daß Futtermangel und Unwirthlichkeit der Jahreszeit das Räthſel des Wander— triebes nicht löſen können, beweiſt einmal ſchon das frühe Wegziehen mancher Arten, welche ſonſt von der Gunſt der Witterung und dem Reichthum der Nahrung länger zurückgehalten werden würden, das beweiſt unwiderleglich die eigenthümliche und nur durch Annahme des Vorhandenſeins von einem zwingenden Naturtrieb zu erklärende Unruhe, welche ſich der Zugvögel im Gefangenleben während der Nacht in der Zeit bemächtigt, wo ihre Brüder und Schweſtern die Reiſe in die Fremde oder in die Heimath unternehmen. Hier, in der Beobachtung der Gefangenen zur Zugzeit, liegt ein Anlaß, die Liebhaberei in ernſte Erwägung zu ziehen, dieſe Freiheit gewohnten Naturkinder in den engen Raum des Kerkers zu bannen und ihr Daſein und Leben ſich dienſtbar zu machen. Der Vogel möchte die Schwingen lüften und rühren zu kräftigem Schlag, um der ſtürmiſch vorandrängenden Sehnſucht zum Wandern Ausdruck zu geben. Aber ſeine Fittige treffen anſtatt der weichen Luftwellen das harte Gitter des Käfigs. Sein Schnabel durchſchneidet nicht in kühnem Aufſchwung und Vordringen die wogenden Luftſchichten, ſondern prallt ab an der Käfigdecke, immer wieder von Neuem gegen dieſelbe anſtoßend, weil der Naturtrieb unbändig den Vogel beherrſcht und keine Beſinnung und Ueberlegung geſtattet. Dieſe Wanderwochen der Vögel ſind dem zartfühlenden Menſchen immer peinigend. Dieſes Toben, Flattern und Anrennen dringt tiefer, als in das äußere Ohr. Das Ge— wiſſen richtet ſich auf und vernimmt auch etwas davon. Es fängt an, ſich Müller, Gefangenleben einh. Singvögel. 1 2 gegen die Macht der Leidenſchaften zu empören. Vögel der Freiheit berau— ben, iſt grauſam und unverantwortlich — ſo urtheilen nicht Wenige. Ob ſich aber dieſes Urtheil auf gründliche Erfahrung und Beobachtung ſtützt, muß bezweifelt werden. Von dem in großem Maßſtabe betriebenen Vogel— fang mittelſt Vogelherden und Dohnenſteigen, Lerchengarnen und Meiſen— hütten reden wir nicht; denn über dieſe das Volk ſchändenden, von rohem Erwerbſinne erdachten und gegründeten Denkmäler beklagenswerther Ver— irrung, über dieſe lauernden Mördergruben ſind alle klaren Köpfe im Urtheil einig. Oder wer möchte das Handwerk der an vielen Orten unſeres deutſchen Vaterlandes hauſenden Vogelſteller in Schutz nehmen, welche die Gefangenen auf Märkten feil bieten und ſich ebenſo wenig ein Gewiſſen daraus machen, das Eigenthumsrecht zu verletzen und ganze Gegenden durch Wegfangen der edelſten Singvögel zu entvölkern, als Hunderte der letzteren durch rohe Vernachläſſigung in der Behandlung dem elenden Hinſterben preiszugeben? Wir haben es mit dem Leben dieſer Vögel unter dem Dache ſolcher Menſchen zu thun, bei welchen ihnen verſtändige und liebevolle Behandlung zu Theil wird. Hier iſt der Handwerker, dort der Kaufmann, der Gelehrte, der Actenbefliſſene, der Salonbewohner — ſie alle bedürfen des köſtlichen Stücks Natur, wodurch ihnen die befiederten Lieblinge in ſo anheimelnder Weiſe die Einförmigkeit der Stuben beleben und erheitern. Dieſes Leben der Vögel wollen wir betrachten und ohne Vorurtheil aus ihrem Verhalten ſchließen, ob ſie ſich nicht im Umgange mit den ſie gut behandelnden Pflegern glücklich fühlen. Der Verluſt oder die Entbehrung der Freiheit berührt den auf— gezogenen, draußen dem Neſte entnommenen oder gar den in der Stube gezüchteten Vogel natürlich wenig oder nicht, empfindlich aber je nach dem Charakter der Art und nach perſönlichem Naturell den Wildling. Es währt immer eine geraume Zeit, bis ſich der Gefangene an die neue, unbequeme Lage gewöhnt. Das ſcheue, wilde Weſen mancher Vögel erfordert darum von vornherein eine genaue Beobachtung der vorzüglichſten Eingewöhnungs— regeln, eine durchaus gewiſſenhafte und ſachgemäße Behandlung. Eine widerſinnige würde nur die Qual des nach Befreiung ſich ſehnenden Käfig— bewohners mehren oder gar ſeinen Tod verurſachen. Hunderte von edlen Sängern ſterben in den erſten Tagen ihres Gefangenlebens Hungers. Man ſetzt ihnen Futter vor, welches ſie nicht annehmen, und der um den Verluſt der Freiheit ohnedies trauernde Vogel wird ſtündlich elender. Im Dämmer des anfänglich mit grünem Tuch verhängten Käfigs, wo der Anblick des Himmels und der Bäume nicht den Sehnſuchtsdrang nach Freiheit ſteigert, an ſtillen Plätzen, wo keine gefürchteten Erſcheinungen ihn erſchrecken und aufregen, unter der anziehenden Wirkung des paſſendſten und beliebteſten Futters, welches nebſt dem Waſſer vermöge ſeiner wohl zu berückſichtigenden Stellung dem Vogel in die Augen fallen muß, wird der Eingekerkerte ſich am erſten beruhigen und in die Umſtände fügen. Wer im Frühjahre Sproſſer, Nachtigallen, Blaukehlchen, Baſtardnachtigallen oder andere zarte Inſectenfreſſer einfängt, der muß entweder mit einer großen Menge von Mehlwürmern verſehen ſein, von denen z. B. eine Nachtigall täglich un- gefähr 60 Stück verzehrt, und welche ſo lange fortgegeben werden müſſen, bis friſche Ameiſenpuppen in genügender Anzahl zu bekommen ſind, oder er muß letztere von vornherein beſitzen. Gedörrte Ameiſenpuppen, die durch den Ueberguß von heißer Milch erweicht und gequellt worden ſind, nimmt wohl eine oder die andere Nachtigall ſogleich an, aber man darf ſich beſonders Glück wünſchen, wenn ſich ein Wildling hierzu bequemt. Auch gehacktes hart geſottenes Hühnereiweiß leiſtet mitunter einmal guten Dienſt. Auf ſolch gewagtes Spiel läßt ſich aber der wahre Vogelfreund nicht ein, ſondern er ſieht ſich, wie weiter unten gezeigt werden wird, mit Mehlwürmern vor, und wenn der Fall eintritt, daß ein Wildling unter dem Mangel des ohnfehlbar ihn rettenden zuſagenden Futters zu trauern anfängt, ſo gibt er ihm ohne Weiteres die Freiheit wieder. Sehr bewährt fanden wir die von uns öfters angewandte Methode, den Wildling ſogleich in ein viereckiges Käſtchen von entſprechender Größe zu ſetzen, friſche Ameiſenpuppen oder Mehlwürmer auf den Boden zu ſtreuen und ein grünes Tuch über die Oeffnung zu ſpannen. Der Vogel hat auf dieſe Weiſe fortwährend das Futter vor Augen und langt eher zu. Hierdurch iſt es uns auch leichter, als anders gelungen, Wildfänge ſofort zur An— nahme von aufgequellten dürren Ameiſenpuppen, gehacktem Fleiſch und Eiweiß zu nöthigen. Nur darf man bei letzterem Futter das Waſſer nicht weglaſſen. Hart an der Grenze der ſtets zu vermeidenden Gewaltmaßregeln ſteht folgendes von Meyer empfohlene, übrigens auch von uns mehrfach erprobte Mittel, den futterverſchmähenden Wildling einem gezwungenen Bade mittelſt Eintauchens in laues Waſſer auszuſetzen, wodurch bei dem 1 * 4 mit Putzen der Federn Beſchäftigten auch bald die Luſt zum Freſſen er— weckt wird. Hat der Vogel einmal ſo viel Futter zu ſich genommen, als zu ſeiner augenblicklichen Sättigung gehört, ſo iſt das Spiel gewonnen, und es darf getroſt der Käfig gewählt werden, der jedoch immerhin einige Tage verdeckt werden muß. Die wilden, flatternden und an die Käfigdecke an— ſtoßenden Vögel werden mindeſtens mehrere Tage lang an den Schwingen gebunden, beſſer aber iſt es, dieſelben, ohne Beſorgniß, eine weſentliche Verminderung des Geſanges bei dem Vogel zu verurſachen, durch Be— ſchneidung im Gebrauch zu beeinträchtigen. Die Vorzüglichkeit dieſer Maß— regel können wir nicht gebührend genug anpreiſen, ſie iſt für den ge— fangenen Wildling geradezu eine Wohlthat, und ſeine Zähmung wird da— durch um Vieles erleichtert. Das Stopfen der widerſpenſtigen Gefangenen kann in manchen Fällen wohl den trauernden Vogel retten, allein wenn es irgendwie vermieden werden kann, ſo wähle man naturgemäßere Mittel. So lange friſche Ameiſenpuppen zu haben ſind, gebe man dieſe den In— ſectenfreſſern ohne alle Zuthat, es ſind dabei ſogar die Mehlwürmer ent— behrlich, welche von vielen Gefangenen, die bei anderer Fütterung gierig über ſie herfallen, im Sommer verſchmäht werden. Keine andere Koſt erſetzt die in der Freiheit beliebte in der Gefangenſchaft der Inſectenfreſſer mehr, als friſche Ameiſenpuppen. Der Geſang der Vögel wird durch ſie zur ſchönſten Blüthe geſteigert. Dies aber iſt das ſichere Zeichen von des Vogels Geſundheit und wiederkehrendem Behagen. Im Winter beſonders muß das Wohlbehagen der Pfleglinge am meiſten durch angemeſſenes künſtliches Futter geweckt und erhalten werden. Das Winterfutter beſteht für Nachtigallen, Sproſſer, Baſtardnachtigallen, Sumpfſchilfſänger u. a. m. aus erweichten gedörrten Ameiſenpuppen und einer wöchentlich einigemal gereichten Zugabe von zerhacktem abgekochtem Rindfleiſch und Eiweiß. Die graue Grasmücke, das Schwarzköpfchen, die Droſſel und Amſel erhalten dagegen nur geriebene, den ſtrengen Bei— geſchmack der gemeinen oder Rieſen-Möhren entbehrende Hanauer Gelbe— rüben mit Semmel vermiſcht, und letztere beiden Vögel mitunter auch eine Beigabe von Fleiſch oder Ameiſenpuppen. Kein anderes Futter iſt für dieſe Sänger ſo wohlthätig und billig. Möhren ſoll man Beeren wenig liebenden Sängern nicht geben, ſie vertragen dieſelben nicht gut und werfen ſie großentheils in Gevöllballen aus. Dagegen gibt der ausgepreßte Rüben— 8 ſaft den Ameiſenpuppen einen angenehmen Beigeſchmack. Der rothrückige Würger muß von dem bereits erwähnten Futter gänzlich verſchont werden. Ihm reicht man nur rohes Fleiſch und immer wieder rohes Fleiſch, Käfer und zerhackte kleine Vögel, wovon er das Hirn am meiſten liebt. Wir haben Verſuche gemacht, dieſen Würger mit Nachtigallenfutter zu erhalten, aber die Folge war, daß er an Entkräftung ſtarb. Das rohe Fleiſch übt auf dieſen Vogel keineswegs einen nachtheiligen Einfluß aus, wie z. B. auf die Nachtigall, wenn es ſehr häufig von ihr genoſſen wird. Dieſe bekommt nämlich vom Genuſſe deſſelben den Durchfall und unter Umſtänden ſogar die Auszehrung. Wöchentlich einmal in wurmartig geſchnittenen Scheibchen den Inſectenfreſſern gereicht, trägt jedoch das rohe Fleiſch zur Geſundheit und Kräftigung bei. Die Urſachen, warum der eine Sänger ſeine Stimme alsbald und oft erhebt, wenn er beim Beginn ſeiner Singzeit eingeſperrt wird, der andere ſich erſt ſpäter, ſeltener, leiſer und nur kurze Zeit hören läßt, liegen in individueller Eigenthümlichkeit verborgen. Lebhafte, im äußeren Betragen hitziges Temperament verrathende Männchen ſind nicht immer die geeignetſten und fleißigſten Sänger. Ein genauer Kenner der launenhaften und unter dem Einfluß der augenblicklich waltenden Umſtände leidenden oder heiter ge— ſtimmten Stubenvögel wird bei der Behandlung und Pflege ſcharf indivi— dualiſiren und hiernach die Mittel zur Hebung ihres unterdrückten Seelen— lebens anwenden. Die eine Nachtigall, Droſſel, Schwarzamſel, Baſtard— nachtigall u. ſ. w. liebt ein ſtilles Dämmerplätzchen unter Dach und Fach, die andere will hell oder gar in freier Luft vor dem Fenſter hängen, wie z. B. auch die Finken. Dieſe Neigungen müſſen beobachtet und ſtreng be— rückſichtigt werden. Unſere erſten, im April gefangenen Haidelerchen wollten durchaus weder in der Stube an der Wand, noch im freien Käfig vor dem Fenſter ſingen; da kamen wir auf den Gedanken, den Käfig innerhalb des Zimmers unmittelbar an dem Fenſter ſo anzubringen, daß das Gitter dem Lichte zugekehrt war, und herrlich erhoben die lieben Sänger ſchon nach einigen Tagen ihre Glockentöne. Im Allgemeinen haben wir jedoch erfahren, daß bei weitem die meiſten Wildlinge im erſten Sommer ihrer Gefangenſchaft an gedeckten Plätzen im Hauſe mehr, beſſer und lauter ſingen, als vor dem Fenſter, wo ſie in ihrem ſtets wach erhaltenen Drange nach Freiheit unruhig hin und her ſpringen. Im zweiten Sommer iſt das 6 Verſetzen an die friſche Luft für viele Wildlinge ein vortreffliches Mittel, ihre Geſundheit, ihre Färbung (wie bei den Finken) und ihre Vorträge zu heben. — Der vogelfreundliche Pfleger wird alle grauſamen und gewaltſamen Mittel der Zähmung verabſcheuen und durch ſanften, geduldigen Verkehr das Vertrauen in den mißtrauiſchen, mit Scharfblick Wohlthäter und Quäler unterſcheidenden Wildlingen wecken. Er wird die Verantwortlichkeit, die er als Wärter der Gefangenen übernommen hat, als Gewiſſensſache betrachten und jeglichen Schaden von ihnen fern zu halten ſuchen; er wird ſie nicht als ſeelenloſe Werkzeuge zur Befriedigung wuchernder Selbſtſucht anſehen, ſondern ſein Herz in warme Beziehung zu den Freuden und Leiden ihres Gefangenlebens ſetzen. Bei ſolcher Vorausſetzung dürfen wir den Gefangenen ein längeres, ja oft viel längeres Leben, als ihren Brüdern im Freien, in ſichere Ausſicht ſtellen, und bald werden ſie den Verluſt des Freilebens bis auf zeitweiſe wiederkehrende Anwandlung der Unruhe und Sehnſucht vergeſſen und, indem ſie ſich wohl und heimiſch fühlen, ihrer theilnehmenden Umgebung Freude bereiten. Wir ſagten, daß die ſcharfe Unterſcheidungsgabe der Vögel alsbald ihre Quäler, wie ihre Wohlthäter erkenne. Ihr Quäler aber iſt Derjenige, welcher ihnen keine Ruhe gönnt, in Ungeduld die Käfige bald da, bald dorthin verhängt, fortwährend auf neue Anſtalten ſinnt, mit ſcharf auf ſie gerichteten Blicken ſie beobachtet und erſchreckt. Ihr Freund wird ſehr ſchnell Derjenige werden, welcher ſich in ihrer Nähe beſchäftigt, ſeine Blicke von ihnen ablenkt und mehr der Zeit die Wirkung in Bezug auf die Zähmung überläßt, als ſchlau erſonnenen Mitteln. Das weibliche Perſonal befreundet ſich in der Regel am erſten mit den Stubenvögeln. Warum? Gewiß aus keinem anderen Grunde, als darum, weil dieſes die Mißtrauiſchen und Wilden eben gewähren läßt und, Anderes ſchaffend, ſie umgibt. Eine Erſcheinung, die ſelten ins Vogel— zimmer tritt und da ſich jedesmal mit dem befiederten Volke zu ſchaffen macht, wird am meiſten gefürchtet. Im erſten Jahre hält es auch gerade— dem Wärter der Wildfänge am ſchwerſten, ein wirkliches Freundſchafts— verhältniß zwiſchen ſich und ſeinen Pflegbefohlenen herzuſtellen und ſeine friedlichen Abſichten begreiflich zu machen. Die beſte Zeit zur Zähmung der Stubenvögel iſt der Winter, wo der Mehlwurm von den lüſternen Kerffreſſern mit Gier verſchlungen wird. 7 Verſetzen wir uns einmal mitten in das Schalten und Walten des treuen Freundes ſeiner befiederten Lieblinge, um eine Vorſtellung zu erhalten von der ſich nach und nach entwickelnden lebendigen Beziehung zwiſchen beiden. Die Käfige ſind womöglich in geräumiger, hoher Stube, welche im Winter am beſten durch einen gleichmäßige Wärme ausſtrahlenden Porzellanofen bis zu + 15° R. geheizt wird, je nach der Neigung der Inſaſſen ange— bracht. Die Nähe des Ofens, der Thüre und der Zimmerdecke iſt dabei ſorgfältig vermieden. Der Eintritt des Pflegers macht auf dieſe Stuben- und Käfigbewohner verſchiedene Eindrücke. Die völlig Zahmen, ſeit Jahren durch gewohnten Umgang mit Menſchen zutraulich Gewordenen ſind entweder freudig erregt oder bleiben in ihrer Ruhe, die weniger Zahmen blicken mit vorgebeugter Haltung durch das Gitter und ſpringen dann mit glattgelegtem Gefieder auf den Sprunghölzern ihrer Käfige hin und her. Die ſchwer zähmbaren Droſſeln und Amſeln ſind an ſolchen Orten untergebracht, wo ihnen die bekannten oder fremden ins Zimmer tretenden Perſönlichkeiten nicht zu nahe kommen. Ihnen gegenüber beobachtet ihr Beſitzer ein Ver— halten, welches ihnen vor anderen ihrer Stubengenoſſen Ruhe gewährt und den Schein der Gleichgiltigkeit und des Nichtbeachtens trägt. Eine Nachtigall oder ein Rothkehlchen, eine Lerche, eine Baſtardnachtigall verfolgt jetzt neugierigen Blickes, die ſtill beobachtende Steindroſſel mit ſchiefgehaltenem Kopfe unter dem charakteriſtiſchen Zittern ihres Rothſchwanzes die Be— wegungen des nach einer Ecke des Zimmers ſchreitenden Herrn. Dort ſteht der wohlbekannte Mehlwurmtopf. Unruhig verlangend ſpringt das lockende Rothkehlchen auf und ab, die Lerche kommt dicht an das Gitter und ſteckt auslugend ihr feines Köpfchen hindurch und piept, die Nachtigall tackt, das Blaukehlchen ſchnurrt, der Plattmönch gätzt, kurz, alle Vertrauten und in das Geheimniß Eingeweihten ſind in freudiger Aufregung. Jetzt tritt der freundliche Mann ſchmeichelnd an den Käfig der Nachtigall heran und hält ihr den zappelnden Mehlwurm vor. Laut krähend erfaßt ſie ihn und ver— ſchlingt ihn haſtig. Nicht ſo ihre Nachbarin, die vor dem dargebotenen Wurm zurückweicht und gegen die Rückwand des Käfigs ſich ſtemmt. Aber geduldig verweilen die Finger am Gitter, welche den Leckerbiſſen halten. Wir ſehen dieſen Kampf des Vogels mit ſich ſelbſt und erfahren, in welchen verſchiedenartigen Schattirungen ſeine Seele thätig iſt. Die Regung der Furcht, die überlegende Sorge für deckende Stellung, das zögernde Er— wägen des ſicherſten Angriffs auf die dargebotene Gabe, das verlangende Begehren, welches durch zeitweiſes ſichtbares Vorſchmecken ſeine über— windende Macht verräth — alle dieſe Zeichen der ſich beſtändig kreuzenden, raſch mit einander abwechſelnden oder auch zuſammenwirkenden inneren Vorgänge geben uns ein treu wahrhaftiges Bild geiſtiger Thätigkeit und nöthigen uns das Geſtändniß ab: wie ſind dieſe Thierchen doch ſo menſch— lich! Eine plötzliche, auffällige Bewegung der Hand, ein ſtörender Blick drängt das faſt zum Siege gelangte Begehren des Lüſternen zurück. End— lich ſiegt das Verlangen und mit raſch ausgeführtem Andrang bei immerhin gewahrter Vorſicht und im Augenblick des Erfaſſens der Beute geſchickt ausgeführter rückgängiger Flugbewegung nimmt die widerſpenſtige Nachtigall die Gabe aus der Hand des allmäligen Bändigers ihrer mißtrauenden Beſorgniß. Im weiteren Verlaufe des Rundganges, welchen der Wohl— thäter unter ſeinen Pfleglingen macht, lernen wir noch viele Unterſchiede des Naturells der Arten und Einzelweſen kennen. Die Lerchen zeigen in ihren auffallenden Bewegungen die oft und ſchnell wechſelnden Gemüths— ſtimmungen an. In den beweglichen, bald nur leiſe gelüfteten, bald zur Holle aufgerichteten, bald wieder glatt gelegten Kopffedern erkennt der Ver— traute des Seelenlebens dieſer Vögel die reizbare Empfindung, die ver— änderliche Laune, die leichterregbare Leidenſchaft. Die Vorenthaltung des einmal gezeigten Mehlwurms bringt die Lerche oft außer ſich. In raſchem Lauf eilt ſie im Käfige auf und ab, ſträubt hoch die Haube, hackt mit dem Schnabel zornig oder ungeduldig gegen das Gitter und macht wohl auch durch Geſchrei ihrer Empfindung Luft. Das Rothkehlchen macht Bücklinge, lockt, gluckſt und nimmt den Wurm zwar eifrig hin, trägt ihn aber gern noch eine Zeit lang im Käfig umher, um ihn dann am paſſendſten Plätzchen mit dem Schnabel zu tödten und in ſchlinggerechte Lage zu bringen. Die mit Haſt und Geſchrei die Gabe ergreifenden Vögel ſind vorzugsweiſe ältere Gefangene, hier und da kann jedoch dieſes Gebahren auch das Zeichen ſtarker Abmagerung ſein, in welchem erſt durch genaue Unterſuchung des Vogels beſtätigten Falle für reichlicheres und nahrhafteres Futter Sorge getragen wird. Uebrigens ſteckt gleichſam die eine Nachtigall durch das ihre Freßgier bekundende häßliche Geſchrei die andere an, und dies kann ſo läſtig werden, daß der Pfleger, ſobald er ſich in der Nähe der Käfige zeigt, unaufhörlich dieſe Töne hören muß. Welches verſchiedene Temperament 3 zeigt ſich nun aber ſelbſt unter gleichen Arten! Die eine Nachtigall bewegt ſich flink und lebhaft im Käfig, ſchnalzt und hebt oft den Schwanz im Affect, während die andere bedächtig ſpringt und in Haltung und Wendung von jener unverkennbar abweicht. Dieſer oder jener Plattmönch, eine graue Grasmücke, ein Blaukehlchen, ein Laubſänger, ein Canarienvogel oder ein Zeiſig hält ſich ſäuberlich und nett, während ein anderes Männ— chen dieſer Arten ſich beſchmutzt und die Kanten ſeiner Federn an Flügel und Schwanz zerſtößt, ungeachtet dieſe Erſcheinungen in keiner abweichenden Käfigeinrichtung und Behandlung urſächlich begründet ſind. Auch darauf nimmt der Vorſorgliche aufmerkſame Rückſicht und wählt hier reineren und öfters friſchen Flußſand, dort ſtatt des Sandes Löſchpapier; merkt wohl auf die tägliche Loſung (Koth) ſeiner Pfleglinge, um — wenn derſelbe dünn und wäſſerig abgeht — rechtzeitig dem eintretenden Durchfalle oder bei träger und harter Loſung der Verſtopfung vorzubeugen dadurch, daß er in dem erſteren Falle vor allen Dingen dem Vogel das Bad und ſogar das Trinkwaſſer entzieht (es ſei denn, daß er ihn vorher einigemal mit einem oder zwei Tropfen Opiumtinctur verſetztes Waſſer trinken laſſen will) auch in Baumöl getränkte Mehlwürmer vorſetzt; letzteren Falls dem Thiere Spinnen und einige Stücke geſalzenen Specks reicht und dem Trinkwaſſer etwas Glauberſalz oder einige Tropfen Rhabarbertinctur beimengt; des— gleichen den Körnerfreſſern erſteren Falls unter Anwendung obiger Mittel den Hanf entzieht und letzteren Falls Mohn und grünes Futter reicht. Hier verſetzt er erfahrungsmäßig die Sprunghölzer an geeignetere Stellen, dort verwahrt er die Stellen des Gitters, an welchen der unruhige Be— wohner häufig anfußt, mit verhüllenden Lappen und beſtreicht etwa be— ſchädigte Stellen der Füße ſogleich mit einer Miſchung von 3 Theilen Glycerin und 1 Theile eſſigſaurem Bleioxyd; dort wieder beſchneidet er dem zu nächtlichem Toben geneigten Vogel die Schwingen, um den Schaden abzuwenden; oder er gibt einem drehſüchtigen, den Kopf wendehalsartig zurückwerfenden, hin und wieder ſich überſchlagenden Vogel — mag dieſe unangenehme, nicht zu entfernende Eigenthümlichkeit nun durch Krankheit in der Gefangenſchaft entſtanden ſein oder gleich von vornherein den Wildling, wie nicht ſelten den Grasmücken und Nachtigallen, als Angewöhnung innewohnen — die Freiheit wieder. — Das Reinigen der Käfige bringt ſelbſt die völlig gezähmten Vögel in Aufregung. Vorſichtig zieht deßhalb ihr Pfleger den 10 Schieber zum Reinigen heraus, um die erbrechen Füße zu ſchonen, und ebenſo rückſichtsvoll fügt er ihn wieder ein. Veränderungen bewirkende Maßregeln liebt der gefangene Vogel überhaupt nicht; denn die Gewohn— heit beherrſcht ſein Leben in hohem Grade. Eine Verſetzung ſeines Käfigs bewirkt Unruhe und Unbehagen, oft völliges Verſtummen. Sobald aber der gewohnte Platz wieder eingenommen iſt, kehrt auch ſogleich Behagen und Singluſt wieder. Auffallende oder befremdende Auftritte können er— regbare Naturen zur Verzweiflung bringen, ſogar eine ungewöhnliche, in die Augen fallende Tracht ihres beſten Freundes verwirrt ihrer viele. Konnte mich (Karl Müller) doch meine aufgezogene Amſel, welche den Nachtigallenſchlag von einer Meiſterin gelernt hatte, in meinem Ornate nicht ſehen, ohne ſich über dieſe Tracht wie wahnſinnig zu geberden. Was that daher ihr rückſichtsvoller Gönner? Er zog das unliebſame Kleid in einer anderen Stube an und legte es auch dort wieder ab. Hunde und insbeſondere Katzen ängſtigen ſchon durch ihren Anblick die furchtſamen Thierchen, doch auch hierin thut die Gewohnheit Wunder, ſo daß aus dem erbittertſten Feinde nicht ſelten ein duldſamer oder gar warmer Freund wird. Das Rothkehlchen, welches wir als Stubengenoſſen eines Hundes und einer Katze kennen lernten, mit denen es Ruheſtätte und Mahl theilte, vergeſſen wir nie. Kein Zahn, keine Kralle richtete ſich gegen das harm— loſe Vögelchen, der Hund ſtöberte es ſogar unter dem Bett hervor, um es auf ſeine Anweſenheit und ſein Begehren aufmerkſam zu machen, ihm in der Vertilgung der quälenden Schmarotzer behülflich zu ſein. Der Eintritt fremder Hunde und Katzen ſcheuchte dagegen das Rothkehlchen unverzüglich an geſicherte Plätze. Eine noch merkwürdigere Anhänglichkeit bekundete ein Staar an einen Hühnerhund. Der Landwirth Ruth in Fronhauſen bei Gieſſen beſaß einen gezähmten Staar, welcher ein inniges Freundſchaftsverhältniß mit dem Hunde unterhielt, ſodaß der Vogel nicht allein auf dem ruhenden Freunde öfters ſaß, dieſem das Ungeziefer ablas und allerlei Kurzweil trieb, ſondern auf deſſen Rücken auch in der Stube herumritt. Eines Tages wurde die Wohnſtube im unteren Stockwerke des Hauſes, worin der Staar ſich herumtrieb, ausgebeſſert und in Folge deſſen der Vogel in eine Stube des oberen Stockes verſetzt. Ungeachtet der reichlich ihm vorgeſtellten Nahrung nahm er doch nichts zu ſich und zog ſich zuletzt trauernd in eine Ecke zurück. Sein Herr brachte eines Tages zufällig den Hund mit in die Stube zu dem Staare. Als dieſer den Hund ſah, flog er munter ihm entgegen, ſetzte ſich auf deſſen Rücken und war wie umgewandelt. Man ließ den Hund nun bei dem Vogel ſo lange in dem oberen Zimmer, bis das untere hergeſtellt war, und beide Thiere es wieder nach wie vor täg— lich theilten. Der Staar, von dem Augenblick des Wiederſehens geneſen, lebte noch mehrere Jahre in alter Eintracht mit ſeinem Freunde. Was endlich die Krankheiten der Vögel anlangt und die Mittel, ſie zu heilen, ſo lehrt die Erfahrung, daß das ganze Geheimniß in der Erzie— lung oder Erhaltung ihrer Geſundheit durch Verhütung ſchädlicher Einflüſſe, nicht aber in Anwendung von Heilmitteln — welche gewöhnlich auf Quack— ſalberei hinauslaufen — zu ſuchen iſt. Mögen immerhin Spinnen, Stückchen geſalzenen Specks, Süßmandelöltropfen, in letzteres getränkte Mehlwürmer und andere Mittel unter einigen Umſtänden nicht ohne günſtige Wirkung bleiben, gewöhnlich hat eine ernſtliche Krankheit des Vogels auch ſeinen Tod zur Folge. Krankheit zu verhüten, ihr vorzubeugen iſt die ganze ſozuſagen alleinige Kunſt des vernünftigen, liebevollen Vogelwirthes, deſſen Schalten und Walten wir in getreuen allgemeinen Zügen zur Genüge vor— geführt haben; weshalb wir es auch verſchmähen, in leicht aufzuzählenden Dutzenden von Krankheiten und deren Radicalmitteln uns das wohlfeile Scheinverdienſt von Wunderdoctoren zu geben. An Fußknollen und Fuß— geſchwüren leidende zarte Kerffreſſer, mißhandelte, der Darre oder Aus— zehrung oder Lähmung verfallene Unglückliche, Fett-, Dreh- oder Fallſüch— tige, am Krebs- und dem ominöſen Luftröhrenwurm Leidende u. A. m. übergeben wir gerne der Rumpelkammer und Wunderküche Derjenigen, deren Weisheit à la Dr. Eiſenbart nichts unerreichbar iſt. Waltet eine ſtets ſorgſame Wache über die Pfleglinge, dann tritt auch der Grundſatz der Krankheits-Verhütung ins Leben, und es wird dann ſelten zu einem anderen Tode bei den Stubenvögeln kommen, als zu dem aus Altersſchwäche, für die bekanntlich kein Kraut gewachſen iſt. Nicht Krankheit, Elend und Tod erzeugt der wahre Vogelwirth und Züchter unter ſeinen Pfleglingen, nein, er zaubert in die Stuben ein natur— gemäßes, munteres, anziehendes Sängerleben, ein Leben ſeelenbegabter Weſen, welche die ihnen zugewendete Liebe und Sorgfalt tauſendfach ver— gelten und dem forſchenden Menſchengeiſte reiche Nahrung bieten. Ja, unter der täglichen wachehabenden Beobachtung, welche der Beſitzer der Stubenvögel ſich zum Geſetz machen ſoll, bietet ſich des Intereſſanten im Bereiche der Erfahrungen gar Vieles dar, und das Erforſchen der mannig— faltigen Eigenthümlichkeiten iſt in Wahrheit ein pſfychologiſches Studium. Denn da ſitzen, wie in einer Schulſtube auf den Bänken die Knaben, hier in den Käfigen die Vögel, den Unterſchied ihrer Begabung, ihrer Neigungen, Gewohnheiten, Untugenden und Tugenden kundgebend. Da zeichnen ſich die Verſtändigen vor den Dummen, vor den Eigenſinnigen die Lenkſamen, vor den Zänkiſchen die Sanftmüthigen, vor den zum Erſchrecken Ge— neigten die Gleichmüthigen aus. Und wenn man glaubt, man könne ſie alle über einen Kamm ſcheeren, ſo begeht man denſelben Grundfehler, wie der Erzieher, welcher die Buben nach der Schablone behandelt. Wir ſagen nicht zu viel, wenn wir behaupten, daß die Behandlung der Stubenvögel neben der diätetiſchen auch eine pädagogiſche iſt, die aber nur Segen bringt, wenn ſie ſich naturgemäß auf der realen Grundlage der Anſchauung und Erfahrung aufbaut. In dieſer Wiſſenſchaft, die nicht ſtille ſteht, ſondern durch immer neue Beobachtungen und Erfahrungen erweitert, verbeſſert oder auch in ihren bereits vorhandenen Reſultaten beſtätigt und bekräftigt wird, liegt ſchon die Quelle eines hohen Genuſſes für den geiſtigen Menſchen. Dieſer Genuß wird natürlicherweiſe noch geſteigert durch das heitere Leben, welches dieſe Stubengenoſſen in die winterliche Einſamkeit bringen und wodurch ſie uns die „ der rauhen, abſchreckenden Natur draußen vergeſſen machen. Wenn die Sänger in den düſteren Winter— tagen leiſe zu ſingen anfangen, träumt ſich die Seele des Hörers ſchon hinüber in den fernen Frühling. Eine poetiſche Weihe kommt über ihn in den ſanften, wonnigen Rührungen und Schwingungen ſeines Gemüthes, die von den Tonſchwingungen des Vogelliedes bewirkt werden. Welch ein Zauber ſpricht aus den kaum vernehmbaren Strophen der Nachtigall zu uns! Die Erinne— rung mit ihren mannigfachen ſchönen Erlebniſſen taucht auf und bringt mit dieſen Tönen das junge, ſammetne, hellgrüne Buchenlaub, die ſchim— mernden Apfelblüthen oder den duftenden Jasmin in Verbindung. Das Gezwitſcher der Blau- und Rothkehlchen, der Grasmücken und Laubſänger verfehlt ſeine erheiternde Wirkung auch nicht. Die Haidelerche jodelt und lullt leiſe, als ob die Töne aus weiter Ferne herüber kämen. Das geiſtige Auge ſieht den Schnee der Haide im Strahle der Märzſonne ſchmelzen und den Lenz hinter den Bergen lauern. Der gedämpfte Ruf der Sing- \ 13 droſſel führt uns Licht und Schatten, Sturm und Stille des wechſelnden Aprilwetters, den rauſchenden, überſtrömenden Waldbach, den Kampf der milderen mit den rauheren Elementen in dem Naturleben vor die Seele. Das Lied der Feldlerche verſetzt uns in die junge, aufſtrebende Saat, das der Amſel in das düſtere Schattenreich der Nadelholzwaldungen — 0, jeder dieſer ſingenden Gefangenen weckt eine ſüße Rückerinnerung, ſchmeichelt unſerer Seele mit dem Anſchlag ſeiner Klänge an verborgene Saiten des Gemüths. Aus der undeutlichen Weiſe hebt ſich nach und nach klarer die Melodie des Liedes oder Strophe um Strophe des Schlags heraus. Mit dem Steigen der Tage geſtaltet ſich Form und Charakter des Vortrages. Dieſe allmälige Entwirrung, Entwickelung und Geſtaltung zu belauſchen, die täglichen Fortſchritte in der Einübung der nie in Vergeſſenheit gerathen— den Weiſe der Wildlinge zu verfolgen, iſt in hohem Grade feſſelnd und lohnend. Aber auch das Leben aufgezogener, gelehriger Stubenvögel bietet uns ſehr inter— eſſante Seiten zur Beſchauung dar. Die zu Kunſtfertigkeiten abgerichteten Stieglitze, Zeiſige, Hänflinge und Canarienvögel gelangen auch nach und nach erſt zur Meiſterſchaft. Die gelehrigen Dompfaffen und Amſeln üben erſt zwitſchernd das vorgepfiffene Lied oder die Letzteren auch den im vor— hergehenden Sommer gehörten Schlag der Nachtigall ein und bekunden in immer lauterer, abgerundeterer, das Ganze oder nur Theile umfaſſender Wiedergabe größere oder geringere Befähigung oder auch ſorgfältige oder mangelhaft empfangene Unterweiſung. Wie auch hierin wieder die einzelnen Exemplare auseinander gehen und von den Ausgezeichneten, welche den Ruhm ihrer Art aufrecht erhalten, bis zu den Unbedeutenden, die ihre Brüder gleichſam verläugnen, Abſtufungen zu erkennen ſind, entgeht keinem Erfahrenen. Oder ſollte Jemand noch zweifelhaft ſein über das Walten verſchiedenen Grades der Begabung dieſer Unterrichteten? Es giebt auf— merkſame Hörer, die im Blick und Aufhorchen Lernbegierde und Intelligenz an den Tag legen, aber auch ſolche, die zwar Hörer, jedoch, wie ſich ſpäter herausſtellt, nicht Thäter ſind. Andere berechtigen durch ihre äußere Un— ſcheinbarkeit und geringe körperliche Ausbildung zu ſehr mäßigen Erwar— tungen, aber ſiehe, eines Tages entpuppen ſich die Verkannten und Ver— nachläſſigten als Träger bewundernswürdiger Eigenſchaften. Wie anziehend und unterhaltend das Studium und Erforſchen des Seelenlebens der Vögel in ihrer Gefangenſchaft iſt, geht aus dem Wenigen, was wir auf dem engen Raum innerhalb der uns geſteckten Grenzen darzuſtellen vermochten, hervor. Das Ergründen dieſes Lebens iſt eine Wiſſenſchaft, die erſt begon— nen hat. Wer aber die Vögel kennen lernen will, muß in nahe Beziehung zu ihnen treten und den Verkehr mit ihnen unterhalten. Ihr Gefangen— leben erſchließt uns vielfach ihre inneren Vorgänge und wir können, wenn wir nicht hochmüthig und verächtlich, ſondern gerecht und vorurtheilslos ſein wollen, in der That tiefe Blicke thun in die geiſtige Werkſtätte unſerer beflügelten Sänger, die uns überzeugen, daß wir uns der Verwandtſchaft mit ihnen nicht zu ſchämen brauchen. Von dieſem Standpunkte aus be— trachtet, findet das Halten der für Stube und Käfig geeigneten Vögel ſeine Rechtfertigung, und die leeren, von oberflächlichem Anblick und Ver— kennung des eigentlichen Zwecks hervorgerufenen Redensarten und Vorwürfe gegen Vogelliebhaberei müſſen verſtummen. Das Geſetz ſoll ſtrenge Wache halten über die Vogelfänger, die Vereine zum Schutze der Singvögel ſollen rege Thätigkeit entfalten, die Männer der Wiſſenſchaft dem Volke und der | Regierung die Augen öffnen, damit die nützlichen und ſchädlichen Vögel erkannt und Mittel angewendet werden, erſtere zu hegen und letztere zu vermindern. Aber was wird denn hierin gethan? Was wendet der Staat, was die Gemeinde, was der Einzelne für Erhaltung und Vermehrung unſerer Sing— vögel an? Iſt nicht gerade das materielle Intereſſe, die Gewinnſucht der ackerbautreibenden Claſſe und die Gleichgiltigkeit roher Gemüther vielfach gegen die Bedingungen gerichtet, unter welchen ſich viele unſerer edleren Sänger bei uns anſiedeln? Sorget für buſch- und baumreiche Anlagen, bereitet der Neigung der Familien und Arten entſprechende Wohnſtätten, ihr Beſitzer von Grundeigenthum, ihr Verſchönerungsvereine, ihr Gemein— den, ihr Behörden, ihr Domänenverwalter, und ihr, Regierungen Deutſch— lands im Norden und Süden, ſchließet vor allen Dingen einen inter— nationalen Vertrag mit Italien ab, wonach dort unſere wan— dernden Sänger vor der Hinterliſt der Schlingen und der Rückſichtsloſig— keit der Vogelflinten in Zukunft bewahrt bleiben! Dann wird es bald um uns her jubeln und klingen in allen möglichen Vogelſprachen und man wird es der Menge nicht anſehen, wenn Einzelne, anſtatt in Garten, Feld oder Wald, in der Vogelſtube oder vor dem Fenſter derſelben ihren ent— zückenden Geſang erheben. J. Abtheilung. Vorkehrungen. Vom Anſatz der Mehlwürmer und dem Einſammeln der Ameiſenpuppen. Wer Stubenvögel eingewöhnen oder eingewöhnte bei Geſundheit und Kraft erhalten will, muß vor Allem hierfür die wichtigſte, unentbehrlichſte Vorkehrung treffen, nämlich ſich einen Anſatz oder eine Brutſtätte von Mehlwürmern bilden. Der wahre Vogelwirth unterzieht ſich dieſer in erſter Linie zu nennenden Mühewaltung, ſowie bei einigermaßen freier Zeit auch der zweitwichtigſten, dem Einſammeln von Ameiſenpuppen, mit Freuden immer ſelbſt. Bei der Eingewöhnung der meiſten Kerbthierfreſſer im Frühjahre, ſowie im Winter als Erſatz für die mangelnden friſchen Ameiſenpuppen ſind Mehlwürmer die hauptſächlichſten Leckerbiſſen, gleichſam das nahrhafteſte Deſſert. Wer dies bezweifelt oder dieſes Futter für ſeine Pfleglinge zu ent— behren glaubt, der mag ſich beſſer mit der Haltung der Stubenvögel gar nicht befaſſen. Ingleichen muß es dem ächten Naturfreunde, wenigſtens dem auf dem Lande wohnenden, ein wahrer Genuß, ein Bedürfniß ſein, im Frühjahr und Sommer ſtatt zahmer Spaziergänge eine rüſtige Suche in den duftenden Wald nach Ameiſenhaufen und deren Ausbeute zu unter— nehmen. Dieſe Selbſtgewinnung erzeugt in dem Vogelwirthe das ange— nehme Bewußtſein väterlicher Fürſorge, ſetzt ihn ſomit in unmittelbarere, wärmere Beziehung zu ſeinen Pfleglingen daheim, und gewiß erinnert er ſich beim Anblick ſeines Vorrathes Ameiſenpuppen unter dem munteren Se Gezwitſcher ſeiner Stubengenoſſen in trüber Winterzeit gar manchmal der ſchönen Sommertage, an denen er im Schweiße ſeines Angefichts den aromatiſchen Zehnten von den Ameiſenhaufen im heimiſchen Forſte holte. Zur Brutſtätte der Mehlwürmer wählt man einen irdenen Topf, der mit Kleie, kleinen Partieen Mehl und wollenen Lappen, welche von allfällig darin befindlichen Motteneiern vorher in Lauge rein gewaſchen ſind, ſowie einigen größeren von der Roßameiſe mit Gängen durchbiſſenen Stücken faulen Holzes einige Zoll hoch lagenweiſe bis über die Hälfte ange— füllt wird, worauf man dann mehrere hundert Mehlwürmer, welche in den Winkeln und Ritzen alter Bäcker- und Mehlhändler-Kammern, auf Frucht— böden oder in Mühlen zu finden ſind, in die Füllung ſetzt. Der Topf wird mit feindurchlöchertem Papier oder Leinwand verſchloſſen. Zwei Töpfe etwa von 0,35—0,4 Meter Höhe, 0,3 M. Durchmeſſer genügen bei reichlichem Einſatz und normaler Vermehrung der Würmer für die tägliche Gabe (etwa 6 Stück für eine eingewöhnte Nachtigall) an ein halbes Dutzend kleinere Inſectenfreſſer. Das Herauskriegen des Mehlwurmes wird dadurch verhindert, daß die Ausbauchung des Topfes nach oben zu ſtark iſt, und daß die Füllſtoffe nicht bis unmittelbar an die Bedeckung des Gefäßes ragen. Der Behälter wird Winters an einen gleichmäßig erwärmten Theil der Stube etwa in halber Mannshöhe in die Nähe des Ofens geſtellt und die Lappen werden zeitweilig mit Bier und Waſſer mäßig angefeuchtet, Auch kann man hin und wieder, beſonders beim Ausſchlüpfen vieler Mehlwurmkäfer, einen todten Vogel oder einen Mauscadaver in die Kleie ſtecken und von Zeit zu Zeit friſches Mehl und Kleie, angefeuchtetes Weiß— brod ꝛc. zuſetzen. Einen ſolchen Anſatz bildet man am beſten im Mai, reinigt aber die geſammelten Mehlwürmer vor ihrem Einſetzen in die Töpfe gehörig von aller Umgebung und dem Anhängſel, womit die Brut ſchädlicher Schma— rotzer in die Füllſtoffe übertragen werden könnte, und läßt nun die letzteren in der Zeit des Vorſommers, in welcher hauptſächlich die Verwandlung der Würmer in Maden ſtattfindet, ruhig ſtehen, nur von Zeit zu Zeit bei der Nachfüllung mit Mehl, Semmel und Kleie alle nur irgend einzu— fangenden Mehlkäfer in den Topf einbringend. Hiermit bezweckt man, daß zu verſchiedenen Zeiten durch die Käfer Eier abgeſetzt werden, aus denen ſich fortwährend neue Generationen Würmer mittelſt der Verwandlung 0 A entwickeln. Namentlich im Nachſommer entſtehen die meiſten Käfer, welche dann häufiger mit todten kleinen Thieren und dergleichen gefüttert werden. Die Mehlwürmerzucht erleidet nicht ſelten für die Züchter ärgerliche Störung durch Einniſten von Speckkäfern, Milben und Motten, welch letztere Stube und Haus durch ihre die Frauen mit Recht erſchreckende Brut bevölkern. Man unterſuche von Zeit zu Zeit den Inhalt der Töpfe gründlich, namentlich die wollenen Lappen, reinige ſie oder wende ſtatt ihrer leinene Lappen an. Bemerkt man Motten und Schmarotzer in den Töpfen, ſo verfüttere man ſchnell die Mehlwürmer und entferne den Füll— ſtoff aus den Töpfen, um eine ganz neue Würmercolonie zu gründen. Der Hochſommer iſt gekommen und in den Nadelwäldern hat die bekannte Waldameiſe (Formica rufa) ihre mehrere Fuß hohen Haufen aufgethürmt. Gewiſſermaßen erſtarrt verharrten die ſogenannten Arbeiter und Weibchen in den weiteren Stockwerken des Baues unter der Erde, das Frühjahr lockte ſie allmälig hervor, und die wärmende Sonne des Vorſommers hat das rege Volk der Colonie in die oberen Stockwerke des. Haufens gebracht, woſelbſt die Weibchen ihre ſehr kleinen Eier in Häufchen bereits fortwährend abgelegt, aus welchen ſich Larven und durch Häutung und Einſpinnen in einem weißlichen Gehäuſe die uns nun beſchäftigenden Puppen gebildet haben. Dieſe tragen die raſtloſen Wärter der Puppen, eben die Arbeiter, bei heißer, beſtändiger Witterung in die höheren Kammern der Wohnung. Dies iſt die beſte Zeit zur Ausbeute der Neſter, welche man übrigens auch ſchon viel zeitiger nach den erſten Puppen im Frühjahre in den tieferen Kammern zehnten kann. Die Ausbeutung gründet ſich auf die Eigenheit der Arbeiter, bei der geringſten Störung, beim Eindringen der Sonnenſtrahlen in das Lager die Puppen ſogleich mit ihren Zangen zu ergreifen und ins Dunkel der tieferen Stockwerke zu ſchleppen. Zu dem Ende erſieht man ſich in der Nähe eines erſpähten Ameiſen— haufens einen von Gras und Geſtrüpp gänzlich freien, ſonnigen Wald— weg, eine Blöße oder Kohlplatte aus, woſelbſt man je nach der Ge— winnung ein größeres oder kleineres Loch gräbt, zu welchem von allen Seiten Laufgräbchen führen. Das Loch bedeckt man mit belaubten Buchen— oder Eichenzweigen. Nun begibt man ſich, mit Schaufel und einem Sack Müller, Gefangenleben einh. Singvögel. 2 18° verſehen, an den Ameiſenhaufen, ſchöpft mit der Schaufel möglichſt raſch das ganze Geniſt ſammt den Ameiſen und Puppen in den Sack und ſchüttet deſſen Inhalt in dünner Lage um das Erdloch herum auf. Die ſorg— lichen Arbeiter beginnen ſogleich mit ihrem Geſchäft und tragen die Puppen aus den Strahlen der Sonne in das einladende Dunkel der Grube unter den Zweigen. Durch zeitweiliges Rühren in dem aufgeſchütteten Geniſte ruft man immer auf's Neue die Sorge der Arbeiter um die Puppen wach und hat ſo je nach der Größe der Puppengewinnung in einer oder einigen Stunden ſämmtliche Puppen, auf Haufen zuſammengetragen, in der Grube, woraus man ſie mit der Hand oder einem Löffel in ein Säckchen ſammelt. Man darf dies Einſammeln aber nicht zu lange anſtehen laſſen, ſonſt geſchieht es leicht, daß die Arbeiter, raſtlos und mißtrauiſch wie fie find, die Puppen wieder aus der Grube herauszutragen ſich anſchicken. Zu Hauſe ſetzt man auf Papierbögen oder Brettern einen Theil der Puppen, welchen man zur ſofortigen Friſchfütterung von einzugewöhnenden oder ſchon eingewöhnten Vögeln oder zur Atzung von Neſtlingen benutzen will, zur Verhütung alsbald eintretender Fäulniß der Sonne und der Luft aus, den andern Theil dörrt man ſofort auf einer Blechplatte in einem Backofen oder ſtark erhitzten Herde der Art, daß die Puppen vor ihrer Reife, worin ſie ſich blau verfärben und in welchem Zuſtande ſie die Vögel verſchmähen, nur getödtet, nicht aber geröſtet oder braun werden, ſondern ihre urſprüngliche, ſchmutzigweiße Farbe und die volle Eiform behalten. Solchergeſtalt getödtete und noch bis zur völligen Austrocknung an luftigem und zugleich warmem Ort ausgebreitete Puppen bilden den Vorrath für den Winter, der am beſten in Säckchen von Leinen an trockenen Orten auf— bewahrt und vor den bei dem Mehlwürmeranſatz erwähnten Milben und Speck— käfern gehütet wird, indem man ihn öfters nach Form, Inhalt und Geruch, welcher ſich gewürzig erhalten muß, prüft und tüchtig umſchüttelt. Von den Vogelbauern und Hecken. Früher herrſchte die verkehrte Anficht, den Käfig möglichſt eng und klein zu bilden, und glaubte man hierdurch den Geſang des Vogels heben zu können. Man bedachte dabei aber nicht, daß die Grundbedingung des Geſanges in Wohlbehagen und Angeregtſein beſteht, dieſe aber in einem freien, luftigen Raume, in dem der Vogel unbehindert ſich bewegen kann, viel eher geweckt werden, als in einem beſchränkten, Bewegung und Leben niederhaltenden Kerker. Von den Gebauern oder Käfigen gilt alſo im Allgemeinen der Grundſatz, ſie ſo geräumig einzurichten, daß Luft und Licht freien Einzug haben und die Vögel darin nicht bloß ſpringen, ſondern auch die Flügel gebrauchen können. Nur ſo bleiben fie geſund und kräftig, nur ſo bleiben ſie vor Beſchmutzung und Verletzung der Flügel- und Schwanz— federn bewahrt. Welch ein Bedürfniß den Inſaſſen Flügelbewegung iſt, beſtätigt ſich in den öfteren, halbe Minuten lang andauernden Flügel— ſchwingungen der Vögel auf den Sitzſtangen, oder in den zeitweilig erfolgenden ſtürmiſchen Flugtouren innerhalb des ganzen Käfigraumes. Die Größe des Käfigs richtet ſich nach der Größe des darin zu haltenden Vogels, die Länge oder die Höhe nach deſſen Neigung mehr geradeaus zu ſtreben, wie die Lerchen und das Blaukehlchen, oder auf hoch angebrachten Sprunghölzern zu fußen, wie Nachti— gallen, Sproſſer, Droſſeln, Amſeln, Finken u. a. es thun. Für Droſſeln und Amſeln gebe man dem Gebauer womöglich eine Höhe und Länge von 1 Meter, eine Breite bis zu 0,5 M. Der Nachtigallenkäfig ſei mindeſtens 0,5—0,6 M. hoch, 0,7 M. lang und 0,3 M. breit, die Käfige für die übrigen zarten Inſectenfreſſer können verhältnißmäßig von geringeren Dimen— ſionen ſein. Das Gebauer für die Lerchen bedarf nur einer Höhe von 0,35—0,4 M., aber einer Länge von mindeſtens 0,7 M., darf dabei nur mit möglichſt wenig Holz und Fugen des Ungeziefers wegen und mit keinen Sprunghölzern verſehen ſein. Der Sprungſtäbchen hingegen bedürfen alle anderen Sänger; für Nachtigallen, Sproſſer und Blaukehlchen müſſen ſie unbedingt mit rechtzeitig immer zu erneuerndem Tuch mittelſt Kleiſter oder Mehlpappe überzogen und von ſtarker Daumendicke ſein; Droſſelarten erhalten noch etwas dickere, nicht geglättete Stäbe von weichem Holze, wie Faulbeer, Hollunder, Haſel, oder auch von Rohr. An den Schmal— ſeiten aller dieſer Käfige werden beſondere Gehäuſe für Waſſer und Futter angebracht, und zwar ſo, daß die Vögel nicht mit den Füßen in den Futter napf ſteigen können, was durch die Bildung einer gerade zum bequemen Freſſen aus dem Napfe hinreichend großen Vorſitzöffnung bewirkt wird. Bei zur Freß- und Fettſucht geneigten, ſtets am Futternapfe verweilenden Indi— viduen, wie z. B. bei grauen Grasmücken, bringt man ein Fallgitter von Draht an der Vorſitzöffnung des Seitengehäuſes an, welches, zeitweilig niedergelaſſen, den Freſſer von dem Napfe trennt, wodurch erſterer unter 2 20 dem Drange feiner Gier in eine fünftliche Bewegung von Stange zu Stange verſetzt wird; oder man ſtülpt einfach zu ſolchem Bezwecken ein Drahtnetz über den Napf. Die Decke dieſer Käfige beſteht aus Leinwand oder Wachs— tuch, damit ſich der nach oben flatternde und anſtoßende Vogel nicht be— ſchädigt. Reiner, feinkörniger Flußſand, der friſch gegeben etwas ange— feuchtet und bei Zartbefußten, wie Nachtigallen, Sproſſern und Blaukehlchen, mit wenig Gartenerde gemengt wird, deckt den Bodenſchieber des Gebauers. Dieſer Schieber von Holz — nach Brehm, wie der Boden oder Sockel und das ganze Gehäuſe des Käfigs, von Blech und bezüglich Draht — muß ſich auf dem aus Holz oder beſſer einem Drahtgitter beſtehenden Boden des Gebauers leicht ein- und ausſchieben laſſen und mag in ſeiner Stirnfläche nur die halbe Höhe der Schieberöffnung erhalten, um ohne Vorrücken der Schublade ein Badenäpfchen einſchieben zu können. An den oberen Leiſten des Bodengeſtells iſt eine in Scharnieren gehende Klappe angebracht, welche den lichten Raum des Bodengeſtells für den Schieber nach deſſen Herausnahme vollkommen deckt und mittelſt des daran befind— lichen drehbaren Hakens an das in der Mitte des Bodens ſitzende Oehr befeſtigt werden kann. Den Finken und Canarienvögeln gibt man am beſten Käfige mit flachgewölbten lichten Decken; für Edelfinken ſind hingegen deren mit Leinwand vorzuziehen. An ſolchen Käfigen werden die Gefäße für Futter und Waſſer am praktiſchſten auf erkerartigen, in Stiften ſich drehenden Behältern (ſogenannten Drillern) angebracht, der Boden aber, wie bei den ſchon beſchriebenen Nachtigallen- und Droſſelkäfigen, mittelſt Schiebern hergerichtet. Beim Bau aller Vogelbehälter müſſen ſorgfältig alle vorſtehenden Erhabenheiten, ſcharfe Ecken und Kanten vermieden werden, an die ſich der Vogel ſtoßen möchte, auch ſoll das Drahtgitter einfach aus ſenkrecht, verhältnißmäßig der Größe des Inſaſſen enger oder weiter ſtehenden, jedenfalls aber feſten Stäben gefertigt ſein, ſonſt läuft der Bewohner Gefahr, mit den Nägeln der Zehen im Geflechte hängen zu bleiben und ſich die Füße zu verrenken oder zu zerbrechen. Am beſten für Inſectenfreſſer, wenn auch weniger zierlich, ſind Käfige mit Stäben von weichem, zartfaſerigem Holze, weil ſich der Vogel daran weder die Füße verletzt, noch auch die Federn zerſtößt. Die Thüren der Käfige endlich müſſen Hand und Arm bequem durchlaſſen und öffnen ſich am beſten fallthürartig von unten. 21 Die Trink- und Futtergeſchirre ſowohl, als die Gefäße zum Baden wählt man am liebſten entweder von Glas oder Porzellan oder gut ver— glaſtem Thon. Wir enthalten uns jeder weiteren Anführung der mancherlei andern im Gang befindlichen, hin und wieder angeprieſenen Gebauer, weil es unſer Grundſatz iſt, nur das Bewährteſte und Zweckmäßigſte in ſolchen Dingen den Leſern anzuempfehlen und es um Alles zu vermeiden, unter der Ausbeutung eines unnützen Wiſſenskrames, einer Neuerungs- und Er— findungsſucht den Rathſuchenden zu verwirren. Die oben beſchriebenen Käfige, in gleicher oder ähnlicher Form am meiſten gebräuchlich und von uns nun ſchon Jahrzehnte lang als voll— kommen zweckdienlich und für das Auge wohlgefällig befunden, können wir getroſt allen Vogelwirthen empfehlen. Sie erhalten, mögen ſie nun billig aus Holz oder aus jedenfalls bedeutend theurer kommendem Blech gefertigt ſein, in allen ihren Theilen, ausgenommen das Drahtgitter, welches man am beſten lackiren läßt, mehrmaligen Oelanſtrich und zwar die Innenwände einen zeitweis zu erneuernden von grauer oder brauner Farbe, während das Aeußere dunkelgrün ſein kann. Von Manchen wird das zeitweilige Be— ſtreichen und Tränken des Holzgerüſtes und der Rückwand, namentlich der Fugen mit Petroleum wegen ſeiner das Ungeziefer vertreibenden Eigen— ſchaft dem Oelanſtrich vorgezogen. Reinigen der Käfige iſt erſte Bedingung für die Geſundheit der Vögel und mindeſtens alle paar Tage nöthig. Bei dem Kehren und Stäuben der Vogelſtube verhängt man die Käfige, um bei den Pfleglingen das ver— derbliche unmittelbare Einathmen des Staubes zu verhüten. Im Freien vor dem Fenſter erhält der Käfig ein dicht geflochtenes Vorgitter zum Schutz gegen den Eingriff der Eulen und ein Regendach. Greller Sonnenſchein iſt bei der Wahl des Standortes für das Gebauer ebenſo zu vermeiden als Zug. Noch ſind die Hecken zur Züchtung der Canarienvögel und deren Baſtarde zu erwähnen. Man unterſcheidet Flughecken, d. h. größere, verſchiedenartig geformte, ganz oder theilweiſe mit Drahtgeflechte einge— friedigte Räume, worin mehrere oder viele Paare zum Zwecke der Nach— zucht während des Sommers eingeſetzt werden, ſowie kleine Hecken — wir 22 wollen fie Heckkäfige nennen — zur Fortpflanzung für nur ein Paar oder höchſtens einen Hahn mit mehreren Weibchen beſtimmt. Eines ſehr empfehlenswerthen Heckkäfigs bedient ſich Herr J. Gill in Frankfurt a. M., einer der vorzüglichſten Canarienvögel-Züchter Deutſchlands, mit beſtem Erfolg. Es iſt ein geräumiges, über ſeine Breitſeite flach ge— wölbtes, bis auf den Boden mit Schieber von Holz, ganz aus Draht erbautes Finkengebauer von 0,7 — 0,8 Meter Länge, 0,4 —0,5 M. Höhe und 0,3—0,35 M. Breite, an deſſen einer Breitſeite ein Driller zur Auf— nahme eines künſtlichen Neſtes angebracht iſt. Dies ſeither nur in Frankreich und Belgien angewandte künſtliche Neſt hat zuerſt Herr Gill mit Kennerblick und ſichtbarem Vortheile ſeit einem Jahre auch bei ſeinen Züchtungen in Gebrauch genommen. Es iſt tief ſchüſſelförmig, 6— 7 Cm. tief, am oberen Rande 1 Dm. im Durchmeſſer haltend und nach unten zu etwas verjüngt von Holz dicht gefertigt. Nur knapp auf dem oberen Rande ift ein gut gegerbtes Lämmerpelzſtück jo an- geleimt, daß daſſelbe eine in dem Neſtnapfe überall freie, gleichmäßig an— geſpannte, elaſtiſche Mulde bildet, welche von Schmutz und Ungeziefer durch Emporziehen und Schütteln befreit oder beſſer noch, nach dem Gill'ſchen Verfahren, durch ein neues ganz gleiches künſtliches Neſt jederzeit erſetzt werden kann. | Der Heckkäfig erhält mit Vortheil die oben beſchriebene ſeitliche Ein— richtung zur Aufnahme von Futter und Waſſer und kann, jenachdem man einem Hahne mehrere Weibchen zugeſellt, mit einer entſprechenden Anzahl Driller für künſtliche Neſter an den Langſeiten verſehen werden. Die eine Schmalſeite beſteht bei Herrn Gill, deſſen Heckkäfige keinen Anbau für Futter— und Trinkgeſchirre erhalten, aus einem Schiebgitter, welches die ganze Seitenhöhe hinaufgeſchoben werden kann. Dies bezweckt, daß man Behufs Reinigung des Käfigs, Verſetzens der Eier oder Jungen in ein anderes reineres Gebauer von ganz gleicher Größe und Einrichtung dieſes mit ſeiner entſprechenden, ebenfalls aufgeſchobenen Schmalſeite an die des andern Käfigs anlehnt und die Vögel ganz bequem in die neue Behauſung hinüberführt. Zu dieſem Behufe muß aber für jeden beſetzten Heckkäfig ein ganz gleich— gearbeiteter und mit derſelben Einrichtung verſehener zweiter vorräthig ſein. Auch muß bei Anwendung des Schiebgitters der für die Futter- und Trinknäpfe mit einer Scheidewand verſehene Anbau auf der Seite unter Wr dem Driller angebracht werden. Dieſe ſinnige Niſteinrichtung macht allen Bauſtoff entbehrlich und erſpart den Vögeln das durch die Untugend des Zerzauſens oft unterbrochene langwierige Bauen, indem ſie denſelben von vornherein eine höchſt zweckdienliche Niſtſtätte darbietet. Wir beſchränken uns Angeſichts dieſer vortrefflichen Vorrichtung auf die Beſchreibung dieſer einzigen; ſie empfiehlt ſich durch ſich ſelbſt in einem ſolchen Grade, daß ſie alle andern, bisjetzt gebräuchlichen wahrſcheinlich bald entbehrlich machen wird. Die beſchriebenen Heckkäfige find bei J. Riva & Sohn in Frankfurt a. M. vorräthig. Am förderlichſten in warmen Sommern und milden Gegenden für Ge— deihen und Kräftigung der Vögel iſt wohl ein an geſchütztem, etwas erhöhtem, trocknem Ort im Freien errichtetes Vogelhaus, welches weder den ſtörenden Einflüſſen unwirthlicher Witterung, noch auch der lähmenden und erſchlaffen— den Wirkung mittägiger Sonnenſtrahlen unmittelbar ausgeſetzt ſteht. Wir können uns nur auf Andeutungen und Angaben von Einrichtungen im großen Ganzen einlaſſen, jedem Denkenden die Ausführung der Einzelheiten mit Hülfe guter Handwerker anheimgebend. Zur Abhaltung von Ratten und andern Nagern empfiehlt ſich ſehr, den Grund, worauf die Flughecke ruhen ſoll, tüchtig um das am beſten von Steinen errichtete Fundament herum, ſowie ſelbſt den Grund inner— halb der Hecke in einer gewiſſen Tiefe unter der Auffüllung mit Schlacken von Hüttenwerken auszufüllen. Durch dieſe Schichte vermag nach unſerer langjährigen Erfahrung an ſo errichteten Wohnhäuſern kein Nager einzu— dringen. Sollte ſelbſt dieſe Einrichtung Manchem noch nicht hinreichend dünken, ſo könnte, wenn die Koſten nicht geſcheut würden, eine vollſtändige Abſcheidung der Flughecke vor Nagern folgendermaßen bewirkt werden. Das Geſtell des Vogelhauſes wird vollſtändig aus Eiſenguß verfertigt, daſſelbe mit Drahtgeflechte und einer Metallbedeckung verſehen, auf ein gutes Fundament gebracht und unter dem aufgefüllten Boden des Inneren eine an dem Sockel deſſelben befeſtigte Seihe von Zink oder Blech oder auch ein ſehr ſtarkes Drahtgitter hergeführt. Dieſe Verwahrung unter dem Boden müßte zeitweilig (etwa alle paar Jahre) zur rechtzeitigen Aus— beſſerung allfällig ſich durch Roſt bildender Schäden nachgeſehen werden. Die Formgebung des Vogelhauſes iſt Geſchmackſache. Die allſeitig mit Drahtgeflecht umgebenen ſind wohl zierlicher als die bloß in der Fronte ee vergitterten; die letzteren haben aber den Vortheil, daß die Vögel mehr geſchützt und allſeitigen Störungen nicht ſo ausgeſetzt ſind. Das Haus erhält ein weit vorſpringendes Dach von dauerhafter Zink- oder Schiefer- bekleidung, nicht aber eine bloße Holzbedeckung. Will man alle etwa von Mardern, Katzen, Eulen und andern Raubthieren erfolgende Angriffe auf das Gitter in ihren Wirkungen wenigſtens unſchädlich machen, ſo kann man am Dache ein in Rollen gehendes ſtarkes Garn (Netz) oder einen ſtarken Leinwandvorhang anbringen, welche an ihrem unteren Saume durch Blei— kugeln, bezüglich Holzſtäbe beſchwert etwa 20 — 30 Cm. vor dem Draht— geflechte Abends heruntergelaſſen werden. Ferner gebietet die Vorſicht, daß zwei Eingangsthüren mit einem Vorplätzchen angebracht werden, das groß genug iſt, dem Eintretenden hinter ſich das Verſchließen der erſten und hierauf das Oeffnen der zweiten zu ermöglichen. Rathſam erſcheint auch die Herrichtung eines Nebengemaches, in welches ſich die Vögel bei ſtür— miſchem Wetter flüchten und zuſammendrängen und das ſie theilweiſe gern zu ihrer Schlafſtätte erwählen. Das Drahtgeflecht, ſowie alle Vor— richtungen von Eiſen erhalten einen Ueberzug von Eiſenlack. — Vielfach noch gebräuchlich, auch bequem für den Züchter und geſchützt für die gegen öfteren Witterungswechſel im Freien, ſowie gegen weniger mildes Klima immerhin empfindlichen Canarienvögel ſind in Wohnhäuſern angebrachte Flughecken. Hierzu können geräumige helle Stuben oder beſſer Theile ſolcher mit warmer, womöglich gegen Südoſt gehender, geſchützter Lage in der Weiſe hergerichtet werden, daß man entweder vorhandene Fenſter oder eine beſonders hergerichtete größere Fronte mit einem Drahtgeflechte verſieht, das ſeine ganze Fläche der friſchen Luft zukehrt. In die Thüre kann ein Glas zum Beobachten der Inſaſſen von einem dunkleren, den Beobachter verbergenden Raume aus eingeſetzt werden. Die erwähnten künſtlichen Neſter dürfen des beſonderen Schutzes und einer zweckmäßigen Stellung nicht entbehren. Man befeſtigt ſie an nicht zu dunklen Stellen (gewöhnlich an den Wänden) der Hecke in einem quadrat— förmigen Käſtchen, deſſen Boden ein Loch zum Einſetzen des Neſtes erhält, wobei man vermeidet, ſie in Einer Linie übereinander oder zu nahe neben— einander anzubringen. Um das Klettern der Mäuſe an den Wänden hinauf, zu den Neſtern zu verhüten, werden etwa 1 Meter hoch von dem Boden horizontal an der ganzen Wandung hinlaufende Streifen von Blech oder Glas eingelegt. Gegen das Herabklettern der Mäuſe an den Wänden vom Dache her ſchützt ein glatter oben rings an den Wänden angebrachter Vorſprung von Blech. Ein mehrere Zoll über dem Neſte befeſtigtes Dach ſchützt das brütende Weibchen vor dem Andrang anderer Vögel, welche nunmehr fußen können, ohne daſſelbe zu ſtören. Vor oder an dem Niſtplatze muß ein Sitzſtäbchen befeſtigt ſein. Wo ſich etwa Mauerlöcher von genügender Größe in der Hecke vorfinden, benutzen die Vögel ſie ſehr gerne. Die Sitzſtangen werden am beſten in einer verhältnißmäßigen Anzahl von Längs- und Querſtäben von Kleinfingerdicke aus weichem Holz in entſprechenden Abſtänden über- und neben— einander angebracht, ſodaß die Vögel nicht allein bequem nach jeder Richtung hin fliegen, ſondern auch vielſeitig und hauptſächlich auf den Längsſtäben dem Lichte zu gekehrt fußen können. Da die Verunreinigung des Futters durch Mäuſe nachtheilige Folgen für die Vögel haben kann, ſo ſind abhaltende Vorkehrungen zu treffen und aus Beſorgniß, es könnte einer dieſer uner— müdlichen Nager trotz aller Wachſamkeit doch einmal eindringen, auf glatten, freiſtehenden Glasſäulen ruhende Futternäpfe anzubringen, die durch ein darüber befindliches Dach vor Kothbeſchmutzung von oben zu ſchützen find. Wo Mäuſe nicht zu fürchten find, bedient man ſich einer Tafel, worauf Futter-, Trink- und Badegeſchirre ihren verwahrten Platz finden. Der Boden der Hecke endlich wird durchaus mit einer Blechunterlage verſehen und dieſe mit feinem, reinem Flußſand überſchüttet. Viel empfehlenswerther und reinlicher, aber auch weit koſtſpieliger iſt das Anbringen einer Außenhecke vor einem bis zur Fußboden-Mauer herab vergrößerten Fenſterraume eines unteren Hausgeſchoſſes, wobei die innere Räumlichkeit zugleich als Ueberwinterungs-Aufenthalt für die Vögel benutzt und durch ein Fallgitter bezüglich Fenſter oder einen Glaseinſatz vom Außen— raume abgeſchloſſen werden kann. Die Ueberdachung des Außenwerkes kann theilweiſe mit Drahtgeflechte, des übrigen Theiles mit Zink oder Schiefer be— wirkt werden. Der Boden wird nöthigenfalls trocken gelegt, mittelſt Schlacken oder Metalliſolirung, wie oben angedeutet, vor Nagern geſchützt und das Außenwerk mit einem zweithürigen Eingangs-Vorbau verſehen. Wer die Koſten nicht ſcheut und die Gelegenheit dazu hat, eine Waſſerleitung mit der Flughecke in Verbindung zu bringen, der verſchafft ſeinen Pfleglingen eine große Behaglichkeit durch Anlegung eines flachen Bade- und Trink— beckens, worin durch eine Zu- und Abflußröhre ein ſtets gleiches Niveau friſchen Waſſers unterhalten werden kann. Ebenſo kann das Waſſer zum Reinigen des Bodenraumes der Flughecke benutzt werden. Der Boden muß alsdann aber entweder mit Sand- oder Backſteinen belegt werden und eine ſchiefe Neigung für den Abfluß des Schlemmwaſſers erhalten. Wir ziehen natürlichen, ſandigen Boden, welcher Loſung und Unreinlichkeiten vermöge ſeiner Poroſität einſaugt, künſtlich gedecktem bei weitem vor. Durch das Heranziehen von Reben, Epheu und andern Schlingpflanzen an dem Heckenraume läßt ſich ſowohl den Vögeln eine weitere Annehmlichkeit, als der Flughecke eine Verſchönerung geben. Die jeweilige Anwendbarkeit der Flughecken und Heckkäfige findet ihre Beſprechung in der III. Abtheilung. II. Abtheilung. Leben in Einzelbauern. Die Nachtigall. (Luscinia Philomela.) Schon beim Einfangen einer Nachtigall muß man ſorgfältig darauf bedacht ſein, daß man ihre dünnen, hohen Füße nicht durch den Bügel des Gärnchens oder durch den Druck des zu ſtraff angeſpannten Netzes verletzt. Die Peripherie der Bügel muß darum ſo groß ſein, daß der Vogel von dem zuſchlagenden Theil um viele Zoll überholt wird, auch wenn er flatternd und mißtrauiſch den Mehlwurm ergreift und in demſelben Augenblick ent— fliehen will. Das Netz muß ſackmäßig weit an die Bügel angeheftet werden, daß die gefangene Nachtigall Raum genug hat, ſich aufzurichten. Eben ſo fürſorglich hat man beim Transport des Vogels im Tuch oder Säckchen zu verfahren; es iſt nämlich durchaus erforderlich, daß der Stoff derſelben, leicht und luftig, dem Vogel das Athmen nicht erſchwert. Auch darf beim Tragen keinerlei Druck oder Stoß gegen das Säckchen ausgeübt werden, wodurch der Gefangene Schaden erleiden könnte. Ein allzulanges Ver— weilen im Dunkel und bei aller Fürſorge doch immer luftarmen Säckchen kann ihm ſehr nachtheilig werden, zumal da ſchon durch die Erſchütterung, welche der Gang des Vogelfängers bewirkt, eine gewiſſe Betäubung ein— tritt, welche allerdings dadurch gemildert werden kann, daß der Vogel unterwegs zuweilen herausgenommen und mit friſchem Waſſer getränkt wird. Der geeignetſte Transport geſchieht nach unſerer Erfahrung zu Fuß und zu Wagen in viereckigen Käſtchen, welche oben mit grünem Leinentuch überſpannt ſind, und auf deren Boden Mehlwürmer oder friſche Ameiſen— Be puppen ausgeſtreut find, welche für den Inſaſſen das Waſſer entbehrlich machen. Der friſch eingefangene Vogel, von dem vor ihm zappelnden Mehlwurm lüſtern gemacht, bequemt ſich ſchon auf dem Wege zum Freſſen und wird daheim im Käfige ohne langes Zögern dasſelbe fortſetzen. Hat man Mehlwürmer in Menge, ſo macht die Eingewöhnung der Nachtigall auch nicht die geringſte Schwierigkeit, ſobald man nur dafür Sorge trägt, daß das dargeſtellte Futter ihr in die Augen fallen muß. Von den Mehl— würmern, welche man nun dem Vogel zerſchnitten vorlegt, geht man nach und nach zu den friſchen Ameiſenpuppen über, welche unter dieſelben gemiſcht werden, bis wahrgenommen wird, daß ſie mit den Mehlwurmſtücken verſchluckt werden. Geſchieht Letzteres, ſo darf man ohne Bedenken Ameiſenpuppen allein vorſetzen. Viele Nachtigallen nehmen ſogleich friſche Ameiſenpuppen an, ja wir haben ſogar ſolche erhalten, welche eingeweichte gedörrte Ameiſenpuppen und klein gehacktes geſottenes Hühnereiweiß ſchon in den erſten Stunden ihrer Gefangenſchaft fraßen. Das gehört aber zu den Seltenheiten, und es gibt nicht wenige Nachtigallen, bei deren Gewöhnung ſchlechterdings der Mehlwurm nicht entbehrt werden kann. Von ganz vorzüglicher Wichtigkeit iſt es aber, daß man den friſch erhaltenen Vogel ſeiner Beobachtung nicht entzieht, ſondern von Zeit zu Zeit nachſieht, ob er das Futter nicht verſmäht. Dies verräth ſich untrüglich durch die friſchen Exeremente auf dem Boden des Käfigs, den man jetzt noch nicht mit Sand beſtreut, ſondern mit Löſchpapier belegt. Auch veranlaßt den Vogel die Angſt, ſich zu ent— leeren, und erſt dann, wenn man ſich durch ſolchen Thatbeſtand hinlänglich überzeugt hat, überläßt man den Gefangenen ſich ſelbſt. Beſitzt man keine Mehlwürmer oder friſche Ameiſenpuppen, ſo gebietet es die Nothwendigkeit, daß die Nachtigall unverzüglich frei gelaſſen wird. Das Stopfen iſt eine grauſame, wenn auch in manchen Fällen recht wirkſame Maßregel, und nach unſeren Kenntniſſen von der Sache wird es nur dann mit einer gewiſſen Sicherheit für die Erhaltung des Lebens angewandt, wenn es nicht zu lange fortgeſetzt zu werden braucht und der Beſitz von Mehlwürmern oder friſchen Ameiſenpuppen in nahe Ausſicht geſtellt iſt. Sobald der Pflegling einmal die Federn aufbläſt, die Augen ſchließt, ſich auf den Boden des Käfigs in eine dunkle Ecke traurig hinſetzt, und bei geöffnetem Schnabel auffallende Bläſſe zeigt, ſo rettet ihn die gewaltſame Nöthigung zur Ein— nahme von jederzeit ungeeignetem Futter ſicherlich nicht, und es kommt auf 29 die Witterungsverhältniſſe an, ob er noch Kraft und Umſicht genug hat, um freigelaſſen durchzukommen. Deshalb gebietet es humane Rückſicht, daß man es mit der friſchgefangenen Nachtigall nicht ſo weit kommen läßt und ſelbſtſüchtige Hoffnungen aufgibt. Auch das darf nicht außer Acht gelaſſen werden, daß ſehr viele ſpät im Mai gefangene, bereits zur Brut geſchrittene oder gar den Jungen entzogene Nachtigallen vom Genuß friſcher Ameiſenpuppen den Durchfall erhalten und in Folge deſſen oder aus Sehn— ſucht ſterben. Gleichem Schickſal ſind viele während der Mauſer einge— fangene unterworfen. ; Als Regel der Behandlung der eingefangenen Nachtigall im Frühjahr gilt die Auswahl eines geräumigen Käfigs mit dicken, tuchumwickelten Sitz— ſtangen und beſonderen, vom Boden-Schieber getrennten Abtheilungen für die Futter- und Waſſernäpfchen, in welche gut beleuchtendes Licht von oben hineinfällt. Hat man es jedoch mit einem hartnäckig die Annahme des Futters verweigernden Individuum bei Mangel an Mehlwürmern und friſchen Ameiſenpuppen zu thun, ſo erzielt der aufmerkſame und ſorgfältige Vogelfreund jedenfalls weit eher den gewünſchten Erfolg, wenn er den Vogel in ein mit Tuch überzogenes Käſtchen ſetzt, wo dieſer das vorge— ſtreute Futter fortwährend dicht vor Augen hat. Unerläßliche Bedingung iſt in allen Fällen das Binden der Flügel, welche erſt dann gelöſt werden dürfen, wenn ſich die Nachtigall angeſchickt hat, die vollſtändige Menge von Futter zu ſich zu nehmen, deren ſie zu ihrem Wohlſein bedarf. Es gibt indeſſen Nachtigallen, welche ſo ſtürmiſch ſich betragen und namentlich Nachts mit ſolcher Heftigkeit gegen die Leinwanddecke des Käfigs aurennen, daß entweder ungeſäumte Freilaſſung oder Beſchneidung eines Flügels ge— boten erſcheint. Bei gebundenen Flügeln wird ſie im Geſang geſtört, bei beſchnittenen aber nicht. Man wähne ja nicht, daß ein ſtürmiſcher Vogel an einem dunklen Orte ſich beruhigen laſſe. Ein grünes Tuch vor dem Käfig, ein einſames, heimliches Plätzchen, welches zwar nicht unmittelbar, aber doch nahe an einem Fenſter ſich befindet, ſagt der Neigung der Nachtigall am meiſten zu. Unbedingt aber halten wir das Hängen oder Stellen des Käfigs außen vor das Fenſter, nach vollzogener Gewöhnung des Vogels an das täglich für ihn beſtimmte Futter, in Bezug auf ſeine Ruhe und ſein Wohlbefinden für das geeignetſte Mittel. Da jedoch der Geſang des Vogels vor allem Andern beſtimmend für den Beſitzer iſt, ſo 30 muß ſich je nach der individuellen Neigung des Sängers gerichtet werden, denn der eine will hell, der andere dunkler, der eine in geſchloſſenem Raum, der andere in freier Luft hängen, wenn er fleißig ſingen ſoll. Wieder andere Exemplare laſſen ſich nur äußerſt ſelten einmal hören, manche gar nicht oder erſt nach Verlauf von Wochen einigemal. Es gibt Nachtigallen, welche unter dem Schlaggarn und in dem Säckchen des Fängers einzelne Strophen ihres Geſanges hören laſſen. Sie berechtigen hinſichtlich des fleißigen Singens in der Gefangenſchaft zu den beſten Erwartungen. Oft ſind ſie auch in anderer Beziehung vorzügliche Vögel. Sie ſind es gerade vor andern, die ſich leicht an die Gefangenſchaft gewöhnen; in den Käfig gebracht, erheben ſie ihre Locktour und ihren Schlag und betragen ſich, als wären ſie in demſelben daheim. Will der Eigenthümer ſie zum Schlagen veranlaſſen, jo braucht er nur ihren Lockton „Uit“ nachzuahmen. Mit dieſen annehmlichen Vorzügen iſt jedoch nicht immer die lange Dauer der Singzeit verbunden. Es kommt eben bei der Wahl einer Nachtigall ſo Vieles in Betracht, daß die Anſprüche des Kenners ſelten nach allen Richtungen hin befriedigt werden können. Fleiß und lang anhaltendes Singen im Laufe des Jahres ſind ſchätzenswerthe Eigenſchaften, aber ſie verlieren ihren Werth, ſobald der Reichthum der Touren, die unterhaltende Abwechslung, der bezaubernde Vortrag fehlt. Was übrigens den geringen Fleiß gewiſſer Sänger in dem Käfig während des erſten Sommers ihrer Gefangenſchaft anlangt, ſo lehrt die Erfahrung, daß mit der Zunahme des Alters oft die Singzeit des Vogels ſich verlängert und ſeine Geſangsluſt geſteigert wird, wie denn überhaupt viele altgefangene Nachtigallen erſt nach längeren Jahren ihre Singzeit ausdehnen und einzelne ſogar den größten Theil des Jahres oder gar beinahe das ganze Jahr hindurch den Geſang pflegen. Hat man alſo einen vorzüglich ſchön ſchlagenden Vogel, jo lafje . man ſich nicht irre machen, wenn er ſich vorerſt nur ſelten und niemals anhaltend hören läßt. Die Möglichkeit, wenn nicht die Wahrſcheinlichkeit, iſt vorhanden, daß mit der Zeit Wünſche in Erfüllung gehen, deren Ver— wirklichung man ſich nicht hätte träumen laſſen. Der Hang vieler Nachtigallenfreunde, öfters zu wechſeln, und die Ungeduld, mit welcher ſie ihre Anforderungen alsbald befriedigt ſehen wollen, hat ſie ſchon oft zur Weggabe eines vortrefflichen Schlägers bewogen. In unzähligen Fällen wird dabei der Einfluß der Behandlung überſehen. Wie manche Nachtigall, welche in dieſem Jahre im Haufe ihres Pflegers hinſichtlich des fleißigen Singens Vieles zu wünſchen übrig läßt, beglückt im darauf folgenden Sommer ihren neuen Pfleger durch unermüdlichen Vortrag. Iſt die Singzeit einer Nachtigall übrigens allzu kurz, ſo verdient der Vogel freilich nicht gehalten zu werden. Im Allgemeinen haben wir die Wahrnehmung gemacht, daß diejenigen Nachtigallen, welche Tag- und Nachtſchläger zugleich oder auch nur Nachtſchläger ſind, gewöhnlich zu den vorzüglichſten Sängern gerechnet werden dürfen. Unter ihnen findet man Beiſpiele der bewundernswürdigſten Mannigfaltigkeit und Virtuoſität. Es kommt aber auch vor, daß Nachtigallen, welche in der Freiheit Tag- und Nachtſchläger zugleich waren, in der Gefangenſchaft ſich Nachts nicht mehr hören laſſen. Erſt in ſpäteren Jahren erheben manche derſelben im Sommer wieder zur Nachtzeit ihre Stimmen. Grundbedingung des fleißigen Geſanges iſt natürlich Geſundheit und Wohlbehagen. Schon das menſchliche Gefühl wird jeden Beſitzer der Nachtigall bewegen, ihr die Erhaltung derſelben zu ſichern. Und das hat wahrlich keine großen Schwierigkeiten, wenn nur die große Verantwortlich— keit, welche der Pfleger ſolcher edlen Thierchen übernimmt, ihm immer klar bewußt bleibt, und ſeine Sinne aufmerkſam den Zuſtand derſelben beobachten. Obenan ſteht neben dem geräumigen Käfig Darreichung ge— eigneten Futters. Dieſes beſteht im Sommer bis zur Vollendung der Mauſer lediglich aus friſchen Ameiſenpuppen und einer täglichen Mahlzeit von einigen Mehlwürmern. Letztere ſind jedoch in dieſer Jahreszeit nicht unbedingt nothwendig, ja ſie werden da nicht ſelten von der Nachtigall geradezu verſchmäht. Im Spätſommer undHerbſt reicht man dem Vogel eine kleine Menge von rothen oder auch ſchwarzen Hollunderbeeren. Bei dem Uebergang von dem Sommer- zu dem Winterfutter thut wieder beſondere Achtſamkeit und Beobachtung des Vogels noth. Gewöhnlich macht man den Anfang mit einer Miſchung von ù friſcher Ameiſenpuppen und ½ geriebener junger Möhren. Es dauert aber immer einige Tage, ehe die Möhren mit ver— zehrt werden. Wer auf Sparſamkeit rückſichtlich der Ameiſenpuppen nicht zu ſehen hat, der laſſe die Möhren von dem Nachtigallenfutter ganz weg: denn ſie werden gerade von der Nachtigall am wenigſten verdaut und in dicken Klumpen theilweiſe als Gewöll wieder ausgeſtoßen. Das vorzüg— lichſte Futter beſteht für den Winter aus Ameiſenpuppen, welche durch heiße Milch angefeuchtet und aufgeweicht werden, gehacktem abgekochtem Rinder— 32 herz und einer zeitweiſen kleinen Beigabe von zerſtückeltem abgeſottenem Hühnereiweiß. Stückchen von rohem Rinderherz, auch zartem Schweinefleiſch, verabfolge man dem Vogel wöchentlich ein paar Mal. Sechs bis acht Mehlwürmer, denen am beſten der Kopf zuvor eingedrückt wird, werden Tag für Tag gereicht. Kann man Spinnen erhalten, ſo wende man dieſe als zeitweiſe Purgirmittel an, auch dürfte das Tränken der Mehlwürmer mit ſüßem Mandelöl zu gleichem Zweck zu ſeltener Anwendung zu em— pfehlen ſein, namentlich dann, wenn der Vogel ſich dick macht, nicht die gewohnte Menge von Futter verbraucht und den Kopf unter den Flügel ſteckt. Mindeſtens alle drei Tage muß der Schieber des Käfigs heraus— gezogen, der Koth ſorgfältig mit dem Löſchpapier und dem Sand entfernt und eine neue reine Unterlage bereitet werden. Der Stand des Käfigs ſei dem Angeſicht des aufrecht ſtehenden Pflegers der Höhe nach gleich. Das Waſſernäpfchen, welches jeden Morgen friſch gefüllt und möglichſt groß ſein muß, dient zum Trinken und Baden zugleich. Manche Nachtigallen baden ſich jedoch faſt nie; dennoch bleiben ſie geſund. Legt man es dar— auf an, die Nachtigall beſonders zahm und zutraulich zu machen, ſo hat man ſich ihr ſo zu nahen, daß ſie nicht überraſcht und erſchreckt wird. Der Mehlwurm iſt ein treffliches Mittel, um raſch an das Ziel zu kommen. Zuerſt wirft man ihn auf den Boden und tritt ein wenig zurück, bis der Vogel herabſpringt und den Schwanz in die Höhe ſchlagend und verlangend ſchnalzend den Wurm aufnimmt, dann geht man weiter und macht den zweiten Verſuch, indem man ſich weniger fern vom Käfig aufſtellt. Später nähert ſich der Pfleger immer mehr, hält die Hand an das Gitter, wäh— rend auf dem Boden des Käfigs der Mehlwurm zappelt, und ſchließlich nimmt ihn der täglich vertraulicher und argloſer werdende Vogel aus den Fingern ſeines Freundes. Das Mittel des Hungernlaſſens führt zwar ſchneller zum Ziel, aber dieſe Quälerei kann umgangen werden, will man nur die Geduld nicht verlieren. Die Unterſcheidungsgabe der Nachtigall und vieler anderer Stubenvögel iſt ſo gut, daß ſie den, der ſie ihrer Freiheit beraubt hat, genau kennen. Das ſcharfe Hinſehen nach dem ge— fangenen Vogel kann ihn allein ſchon in hohem Grade beunruhigen. Des— halb gewöhnt er ſich am leichteſten an die Nähe ſolcher Perſonen, welche ſich gar nicht um ihn bekümmern und namentlich ihre Augen nicht auf ihn richten. Spielende Kinder, ruhig ſitzende oder auch geſchäftig aus- und 33 eingehende Frauen ftören bald die Nachtigall nicht mehr, und oft iſt's gerade der ſie umgebende Tumult, welcher ſie zum Singen anregt. So lange die Singzeit dauert, bleibt der Käfig der friſch eingefangenen Nachtigall verhängt und ihr Standort ein dem menſchlichen Thun und Treiben ziem— lich fern gelegener. Sobald ſie aber ſchweigt, wird ſie an den Anblick von Menſchen und, wo nöthig, auch von Thieren gewöhnt. Hunde und insbeſondere Katzen ängſtigen durch ihre Anweſenheit, vorzüglich durch ihre Blicke, den armen Vogel ſo, daß er entweder ſcheu in eine Ecke des Käfigs zurückweicht oder ſtürmiſch zu flattern beginnt. Sehr bald aber weicht auch hierbei die Furcht der Gewohnheit. Jede fremde Erſcheinung aber erregt das Mißtrauen der Nachtigall von Neuem. Sie beugt ſich vor, als wollte ſie ſich wie ein Raubvogel zur Wehr ſetzen; in dieſer Stellung bleibt ſie eine Zeit lang unbeweglich, bis ſie daraus verjagt wird, oder die ver— dächtige Erſcheinung verſchwunden iſt. Wenn ſie recht zahm geworden iſt, und hierzu iſt die eine mehr, die andere weniger geneigt, bereitet ihr Weſen und Walten im Käfig ihrem Freunde genußreiche Unterhaltung. Die freudige Erregtheit, welche ſich beim Nahen ihres Pflegers in ihrem Be— tragen kund gibt, das häufige Aufſchnellen des gefächerten Schwanzes, das Aeugeln mit ſchiefgehaltenem Köpfchen, das begehrliche Schnalzen, endlich das gierige Ergreifen des dargereichten Mehlwurms, welches bisweilen von haſtigem, krähendem Geſchrei begleitet wird — alle dieſe Lebensäußerungen feſſeln die Theilnahme des Vogelfreundes ſehr. Und wenn an rauhen Wintertagen Stürme brauſen und Schnee und Hagel gegen die Fenſter— ſcheiben praſſeln, und es entſteigt heimlich der Kehle der Nachtigall zum erſten Mal das ſüße Lied, welches uns an Mai und Liebe gemahnt, welch ein köſtlicher Anhauch von Poeſie berührt da unſer winterlich ödes Leben! Erſt vernehmen wir in zwitſcherndem Vortrag nur undeutlich die bekannten Strophen, mehr und mehr aber hebt ſich mit dem Siege der Tage über die langen Nächte die Weiſe klarer heraus, und mit dem Einzug des Lenzes ſchlägt das volle Lied unſerer Königin an unſer Ohr. In Allegro und oft auch in Preſto folgen die Strophen in innigem Zuſammenhang auf- einander, immer lauter wird der Schlag, bis ſeine Stärke uns nöthigt, den Käfig vor das Fenſter zu hängen. Dies darf aber nur mit ſtrenger Rück— ſicht auf die Witterung geſchehen. In Gegenden, wo die Spätfröſte eine gewöhnliche Erſcheinung ſind, wartet der Pfleger den Mai ab, in milderen Miller, Gefangenleben einh. Singvögel. 3 Pe Klimaten unſeres deutſchen Vaterlandes erlaubt es ſchon die Mitte des April, der Nachtigall den Genuß der freien Luft zu bereiten. Am beſten iſt es, wenn der Käfig auch Nachts draußen bleibt und ſeinen Stand da behält, wo wenigſtens von neun Uhr Morgens an bis vier oder fünf Uhr Abends ihn die Sonnenſtrahlen nicht treffen. Ein Schutzgitter gegen den Angriff der Eulen iſt unerläßlich, desgleichen ein Regendach. Getöſe und Wagengeraſſel eifern ſie zum Schlagen an. In den Frühſtunden zerhacken viele Nachtigallen die Strophen und ſpringen im Käfig unruhig hin und her, erſt mit dem Steigen des Tages ſingen ſie zuſammenhängender. Andere ſchlagen gerade von Tagesanbruch an am herrlichſten. Die meiſten ſchlagen Morgens mehr als Mittags, es gibt aber auch raſtloſe Sänger, welche ſich den ganzen Tag hören laſſen und namentlich von Abends fünf Uhr an beſonders eifrig ſich zeigen. Mit einbrechender Dämmerung be— geben ſie ſich dann zur Ruhe. Sind ſie Nachtſchläger, ſo beginnen ſie von Neuem um neun oder elf Uhr. Repetirvögel laſſen von Zeit zu Zeit während der Nacht eine Strophe erſchallen, vorzugsweiſe dann, wenn ein Nachtſchläger in der Nähe ſich befindet oder der Lockton ſie reizt. Die— jenigen, welche im Winter gegen das Frühjahr hin bei Kerzenlicht ſich ver— nehmen ließen, ſchlagen im Mai gewöhnlich auch vor dem Fenſter zur Nachtzeit. Gegen das Ende der Geſangszeit erfolgen die Strophen in immer längeren Pauſen, und eines Tages verſtummt der Schlag ganz. Dies geſchieht in den meiſten Fällen Ende Juni's, wenn nicht ſchon viel früher. Wenige ſchlagen bis tief in den Juli hinein. Bei ſolchen, die lange Jahre in der Gefangenſchaft lebten, reicht die Singzeit zuweilen bis in den Oktober hinein. Dann tritt aber auch im Spätherbite erſt die Mauſer ein. In dieſen Fällen wird der Schlag ſonderbarer Weiſe und gegen alle Regel im Hochſommer und Herbſt am allerhitzigſten und ſchönſten. Die Witterung der Jahre, oder vielmehr der vorherrſchende Charakter der— ſelben, veranlaßt beſſere oder mangelhaftere Leiſtungen eines und desſelben Sängers. Zu heiße Sommer und andererſeits zu rauhe und windige Witterung benachtheiligen den Nachtigallengeſang. Manche Nachtigallen fangen nach vollendeter Mauſer wieder an zu ſingen und halten noch drei bis vier Wochen mit dem Geſange an. Derſelbe klingt aber lange nicht ſo rein, abgerundet und voll, als derjenige vor der Mauſer. Die Mauſer nun iſt eine Erſcheinung, welche einen bedeutenden Verbrauch von Säften 35 erfordert, und darum muß während derſelben die Nachtigall beſonders gut gefüttert und gepflegt werden. Mehlwürmer werden nur wenige gegeben, dagegen deſto mehr Ameiſenpuppen, da dieſe den Federwechſel vorzugsweiſe fördern. Anfeuchtungen und Anſpritzungen mittels laulichen Waſſers und Weins leiſten in Fällen, wo die Mauſer nicht raſch genug von Statten gehen will, gute Dienſte, allein der Vogel wird durch die Anwendung dieſes Mittels unangenehm berührt und erſchreckt, weshalb wir es nur ſelten vornahmen. Flügel- oder Schwanzfedern, welche nicht von ſelbſt ausfallen wollen, müſſen ſofort ausgezogen werden. Badet ſich der Vogel von ſelbſt, ſo iſt dies ſehr gut, nur darf er dabei dem Zug und der Kälte nicht ausgeſetzt ſein. Je ſpäter die Mauſer eintritt, deſto gefährlicher iſt ſie für den Vogel, ſie tritt als ſehr verſpätete Erſcheinung meiſtens als eine förmliche Krankheit auf, welche den Vogel ſehr angreift und kraftlos macht. Auch nach der Mauſer muß die Nachtigall noch beſonders gut ge— pflegt und ihrem ſtärkeren Appetit Rechnung getragen werden. Bei aufmerkſamer, ſorgfältiger Pflege kann die Nachtigall in der Ge— fangenſchaft ein Alter von 810, ja in einzelnen uns bekannten Fällen ſogar von 12—18 Jahren erreichen. In der Regel aber wird Altersſchwäche ſchon im ſiebenten oder achten Jahre ihrer Gefangenſchaft ſichtbar. Man kann freilich nicht beſtimmen, wie alt ſie zu der Zeit war, als ſie der Freiheit beraubt wurde. Vielleicht würden im Herbſt eingefangene junge Nachtigallen länger, als alte ausdauern, aber ihr Geſang iſt mangelhaft. Sie zwängen einzelne Strophen mit Gewalt heraus und führen weder die Touren meiſterhaft aus, noch iſt ihnen der Schmelz, die Zartheit und Feinheit des Tones und Vortrages der alten Sänger eigen. Es iſt darum immer eine gewagte Sache, eine im Herbſte gefangene Nachtigall zu nehmen, weil man in den meiſten Fällen junge erhält. Die jungen Männchen verrathen ſich übrigens ſehr bald in der Gefangenſchaft durch auffällig raſche Eingewöhnung und bald anhebendes Gezwitſcher. Einzelne dichten ſchon am dritten oder vierten Tage ihrer Gefangenſchaft. Die Nachtigall duldet Ihresgleichen ebenſo wenig, als andere Vögel, in ihrem Käfig. Erbitterte Kämpfe entſtehen ſogleich, wenn man zwei Männchen zuſammenbringt. Der Bewohner des Käfigs greift den Ein— dringling heftig an, und letzterer, der ſich im fremden Käfig nicht heimiſch fühlt, flieht und weicht den knappenden Schnabelbiſſen aus. Ihre Unver— 3 * 36 träglichkeit und neidiſchen Regungen gibt die Nachtigall auch gegen ihre Nachbarn in andern Käfigen durch ſchreiende Töne zu erkennen, welche den Zweck haben, die Sänger zum Schweigen zu bringen. Wir ſannen einſt vergeblich über die Urſache des Schweigens einer vortrefflichen Nachtigall nach, bis wir auf den Gedanken kamen, die nachbarliche Sängerin aus der Stube zu entfernen. Noch in derſelben Stunde erhob die von der gehaßten Gefährtin Befreite laut ihre Stimme. Der Sproſſer (Luscinia major.) Eingewöhnungs- und Behandlungsweiſe des Sproſſers iſt im Weſent— lichen dieſelbe wie diejenige der Nachtigall, nur muß erſterem noch ſorg— fältigere Aufmerkſamkeit gewidmet werden, weil er im Ganzen zärterer Natur iſt. Indeſſen lehrt die Erfahrung, daß der Sproſſer viel ſeltener in Rückſicht auf Annahme des Futters ſtörrig und widerſpenſtig ſich zeigt, als die Nachtigall. Auch fanden wir bei den Sproſſern, welche wir in Käfigen hielten, daß ſie Mancherlei außer dem gewöhnlichen Nachtigallenfutter fraßen, was von den Nachtigallen nur einzelnen willkommen war. Viele unſerer Nachtigallen zeigten ſich wähleriſcher in Bezug auf das Futter über— haupt, während es unbeſtreitbare Thatſache bleibt, daß ſie bei einfacher Nahrung eher ausdauern und fleißiger im Singen ſind, als die Sproſſer. Letztere verlangen auch eine größere Menge Futters, obgleich ja die Nachtigall an Stärke dem Sproſſer nur wenig nachſteht. Gewöhnlich rechnet man auf einen Sproſſer ein Viertel bis ein Drittel Futtergabe täglich mehr. Es kommt dabei natürlich auf die Güte der Nahrung an. Während unſere Nachtigallen bei Ameiſenpuppen, die mit heißer Milch, zuweilen auch mit Rübenſaft erweicht werden, und einer Zugabe von ſechs Mehlwürmern täglich per Stück vollkommen geſund und kräftig ſich während des ganzen Winters erhalten, verlangen die Sproſſer einen öfters wiederholten Zuſatz von klein gehacktem Hühnereiweiß und abgekochtem Rind- oder Schweine— fleiſch. Außerordentlich nahrhaft iſt klein gehacktes oder auch geriebenes gekochtes Rinderherz, welches mit lauer Milch befeuchtet wird. Wir wählen hierzu eine recht fette, rahmige Milch. Man befürchte keine Säure; denn das Futter bleibt den ganzen Tag über vollkommen frei davon. Wir gießen ſogar unter das Rübenfutter ſehr gerne Milch, zumal im Frühjahre, wo die Rüben nicht mehr ſaftig genug ſind, um 37 geriebene Semmel genügend zu befeuchten. Im Sommer muß das natürlich unterbleiben. Sehr gerne nimmt der Sproſſer im Winter Stückchen rohen Fleiſches, von welchem man ihm ebenſo häufig wie der Nachtigall reichen darf. An den beiden Tagen der Woche, wo unſern Sproſſern und Nach— tigallen rohes Fleiſch gereicht wird, erhalten ſie keine Mehlwürmer. Beeren bekommen die Sproſſer bei uns nicht; denn bei weitem die meiſten Exem— plare verſchmähen die rothen wie die ſchwarzen Hollunderbeeren, und wir haben uns auch durchaus nicht davon überzeugen können, daß ſolche Futter— beigabe andern Sängern als eigentlichen Beerenfreſſern geſundheitliche Dienſte leiſtet. Im Sommer gibt man dem Sproſſer nichts Anderes, als friſche Ameiſenpuppen und Mehlwürmer. Letzterer bedarf er zu dieſer Jahreszeit nur in geringer Anzahl, während im Winter die Regel gilt: je mehr, deſto beſſer. Es kommt wohl nicht vor, daß ein Sproſſer gleich einer Nachtigall als friſchen Ameiſenpuppen die Mehlwürmer verſchmäht. Da der Sproſſer erſt im Mai an ſeinem Brutorte ſich einſtellt, ſo fällt ſeine Eingewöhnung nicht ſchwer, weil friſche Ameiſenpuppen ſchon allent— halben zu beſchaffen ſind. Daher kommt es, daß weit weniger Sproſſer, als Nachtigallen Opfer der Eingewöhnungsverſuche werden. Auch unter ihnen gibt es indeſſen leicht- und ſchwerzähmbare Individuen, auch von ihnen gilt die goldne Regel: behandle jeden Vogel nach ſeiner eigenthüm— lichen Beſchaffenheit, nach Temperament und Neigung, nach ſeinen Tugen— den und Unarten. Der Sproſſer verträgt durchaus keine rauhe Behand— lung oder Vernachläſſigung. Er verlangt vermöge ſeiner empfindlichen Füße dicke Sitzſtangen, die mit feſtgeklebtem dünnem Zeuge überzogen ſind, er verlangt ferner eine weiche Käfigdecke, einen recht geräumigen Käfig und große Reinlichkeit. Solche, die Nachts viel toben und ſich das Gefieder zerſtoßen, müſſen ſtatt des Drahtgitters dünne Holzſtäbchen haben, andere, welche ſich gerne auf dem Boden des Käfigs aufhalten und dadurch die Füße beſchmutzen, jo daß ſich an den Zehen Knollen von Sand und Koth anſetzen, werden genöthigt, auf Sitzſtangen zu ſpringen, welche dicht über dem Boden angebracht werden, und zwar an denjenigen Stellen, wohin der Vogel ſeinen Sprung hernieder zu richten gewohnt iſt. Ein dunkler Stand des Käfigs taugt nicht. Licht gehört ebenſo wohl zum Gedeihen des Vogels, als reine Luft. Wohl aber rathen wir, für ein Plätzchen zu ſorgen, wo ſich der Sproſſer bald heimiſch fühlt, wo er Ruhe hat und 38 ſich ſeiner Sicherheit bewußt bleibt. Im Winter darf das Fenſter in ſeiner Nähe nicht geöffnet werden, weil Zug und Kälte Gift für ſeine Geſund— heit ſind. Gleichmäßige Wärme iſt Hauptbedingung ſeines Wohlbefindens. Im Sommer verſetzt man ſeinen Käfig vor das Fenſter, wo er vor herr— ſchenden Winden und grellem Sonnenlicht geſchützt iſt. Bevor die Nächte warm geworden ſind, darf man es nicht wagen, dieſen zarten Vogel der freien Luft auszuſetzen. Was das Weſen und Betragen des Sproſſers in der Gefangenſchaft anlangt, ſo erſcheint er in Allem ſchwerfälliger und plumper, als die Nachtigall, wiewohl dieſer Umſtand bei dem einen Individuum mehr wie bei dem andern hervortritt. Schon der Körperbau iſt derber. Meiſtens zeigt er ſich auch träger und ſtiller den Tag über. Nur zeitweiſe wird er wie von einem ihm plötzlich durch den Kopf fahrenden Gedanken auf— gerüttelt, und in ſtürzendem Geflatter ſpringt er auf den Sprunghölzern eiligſt hin und her, ſchnarrend und lockend. Dieſe Töne ſind weit rauher und ſchärfer, als das „Vitgaar“ und Tacken der Nachtigall. Uns erinnern dieſe Locktöne und nicht wenige Stellen aus dem Schlage des Sproſſers unwillkürlich an die Sumpf- und Schilfſänger. Es ſcheint, da der Sproſſer ſehr gerne auf Inſelchen der Flüſſe im Rohre ſeinen Aufenthalt wählt, als ob hierin der Grund von dem ſumpfigen Beigeſchmack ſeines Vortrages liege. Namentlich tritt dieſes charakteriſtiſche Merkmal zur Zeit hervor, wo der Sproſſer zu ſingen anfängt und ſich zwitſchernd vernehmen läßt. Die Nachtigall tritt anfangs ſchon viel klarer und kenntlicher mit ihrem Liede heraus, während bei dem Sproſſer ſich der Schlag erſt aus einem Chaos der Töne nach und nach zur Deutlichkeit geſtaltet. Da hat man nun in der That über manchen ſcharfen Ton und über unſchönes Gequak zu klagen Urſache. Doch tritt dieſer Mißſtand zurück, wenn der Schlag zu ſeiner Kraft und Gemeſſenheit ſich herausgewunden hat. Sprechender, recitativiſcher, würdevoller und impoſanter ſingt kein Vogel, als der Sproſſer. Hierdurch erinnert er nicht wenig an den Schlag der Droſſel, bei dem ja auch manche Strophen wie Worte klingen. Allein in Rückſicht auf dieſe unbeſtreitbaren Vorzüge dieſen Schlag über denjenigen der Nachtigall ſtellen, dünkt uns wahrhaft verwegen. Freilich wenn man eine ſchlechte Nachtigall neben einem vorzüglichen Sproſſer hört, ſo gibt man mit Recht letzterem unbedingt den Vorzug; aber vergleicht uns den beſten ungariſchen oder 39 ruſſiſchen Sproſſer mit unſerer herrlichen Nachtigall, die ihren Vortrag zur Maizeit innerhalb 50, ſage funfzig kürzerer oder längerer Touren aus— dehnt, und kein gerecht Urtheilender wird noch im Zweifel darüber ſein, daß an die Meiſterin Nachtigall ſelbſt der General-Sproſſer nicht hinan— reicht. Dem Sproſſer fehlt unter allen Umſtänden der Schmelz, die Weich— heit, das wunderbar wirkende Steigen und Sinken des Tons, ſowie die außerordentliche Abwechslung und der Reichthum der Touren, was Alles die gute Nachtigall ſo vortheilhaft auszeichnet. Indeſſen verfehlt das Markige, Volle, Runde, Raumbeherrſchende, Tiefe, ich möchte ſagen Männ— liche im Vortrag des Sproſſers ſeine einnehmende Wirkung gewiß nicht. Daß eine Mondnacht den Zauber des Schlages noch erhöht, verſteht ſich von ſelbſt. Wir möchten übrigens nur ganz vorzüglichen Sproſſern das Wort reden, entweder guten Ungarn oder tüchtigen Ruſſen, welche letztere in neuerer Zeit, ob mit Recht oder Unrecht, allen übrigen Sproſſern vor— gezogen werden. Weniger geſchätzt werden die pommerſchen Sproſſer, die unangenehmes Ziſchen und froſchartiges Quaken in ihren übrigens wogen— den Geſang einmiſchen. Am wenigſten werthvoll iſt der ſächſiſche Sproſſer, der durch ſeine Annäherung im Geſang an die Nachtigall an urſprünglicher Eigenartigkeit einbüßt und nur mäßigen Anſprüchen genügt. Uebrigens ſchließt dieſes allgemeine Urtheil nicht Ausnahmen von der Regel aus, die jedoch höchſt ſelten vorkommen mögen. Die Mehrzahl der Sproſſer ſteht an Fleiß im Singen den meiſten Nachtigallen nach, gewöhnlich iſt auch ihre Geſangszeit von kürzerer Dauer. Diejenigen, welche vor Neujahr beginnen, beenden ihren Geſang größten— theils ſchon zu Ende des April oder Anfangs Mai. Dieſe ſogenannten Wintervögel entwickeln auch ihren Schlag faſt nie zu ſolcher Fülle und Kraft, als die ſogenannten Sommervögel, die erſt im Februar oder Anfangs März beginnen und mit dem Geſang bis zu Johanni anhalten. Angeregt durch die Wirkungen der freien Luft, ſteigert der Sänger im Mai und Juni ſeinen Schlag zur ſchönſten Blüthe. Oefter als die Nachtigall leiſtet der Sproſſer zur Nachtzeit Vortreffliches. Ja, es gibt ſogar viele Sproſſer, die, obgleich in den erſten Jahren ihres Gefangenlebens nur Tagſchläger, in ſpäteren Jahren auch Nachtſchläger werden. Die Lebens— dauer des Sproſſers reicht nur in einzelnen Fällen an diejenige der 40 Nachtigall in der Gefangenſchaft. 8—10 Jahre find ſchon ein hohes Alter, das ein Sproſſer im Käfig erreicht. Wer ſich an Ort und Stelle, wo gute Sproſſer wild leben, nicht be— geben kann, um ſich einen beliebten Schläger auszuwählen, der ſoll nie ohne zuverläſſige Empfehlung oder ohne den Vogel ſchlagen gehört zu haben, zum Kauf ſchreiten. Unter den vielen Sproſſern, welche alljährlich die Händler im Mai in größere Städte, ſo auch nach Frankfurt a. M. einführen, befinden ſich ſo viele ſchlechte Sänger und auch mitunter Weibchen, daß man Gefahr läuft, gründlich angeführt zu werden. Getäuſcht kann man freilich auch werden, wenn man ſich ſelbſt einen herrlich ſchlagenden Vogel fängt; denn man kann nicht voraus beſtimmen, ob er in der Gefangenſchaft fleißig und lange Zeit das Jahr hindurch ſingt. Deshalb verdienen die bereits in der Gefangenſchaft als befriedigend nach allen Richtungen hin ſich be— währt habenden Sänger den größten Vorzug. Zum Schluß erwähnen wir noch die intereſſante Thatſache, daß ein ruſſiſcher Sproſſer, den wir im vorigen Frühjahre von unſerem Freunde Brehm aus dem Berliner Aquarium erhielten, bis heute, den 15. De— cember, noch nicht in die Mauſer gekommen iſt, obgleich er geſund und kräftig blieb. Die Singdroſſel. (Turdus musicus.) Da bei weitem die meiſten Pfleger der Droſſeln die Jungen aus dem Neſte nehmen und aufziehen, ſtatt Wildfänge zu halten, ſo beginnen wir mit der Behandlung der Neſtlinge. Es iſt nicht unbedingt nöthig, daß man die jungen Droſſeln ſchon zu der Zeit aus dem Neſte nimmt, wo die Kiele eben erſt ihre Fähnchen entfalten, da auch die flüggen das Sperren nicht lange hartnäckig verweigern, wiewohl es ſehr zu empfehlen iſt, ſie nicht allzu groß werden zu laſſen, ehe man ſie den Eltern raubt. Die Liebe der letzteren zu den Jungen wächſt von Tag zu Tag, und oft be— theiligt ſich das Männchen an einem regeren Zutragen von Nahrung erſt dann, wenn die Brut dem Neſte zu entwachſen beginnt. Es gibt ſogar Droſſelmännchen, welche nach wie vor ihrem Weibchen faſt alle Pflege der Jungen überlaſſen und es vorziehen, dem Neſte ferne zu bleiben, ihrer eigenen Ernährung und dem Geſange Zeit und Neigung zuzuwenden. Wird 41 das Männchen von einem Raubvogel ergriffen oder verunglückt es auf eine ſonſtige Weiſe zur Zeit, wo die Jungen bereits ausgebrütet ſind, ſo verläßt das Weibchen das Neſt nicht, ſondern füttert ſie allein auf. Die angebrüteten Eier aber werden unter ſolchen Umſtänden ſtets von ihm verlaſſen, und gewöhnlich verunglückte entweder das Männchen oder das Weibchen, wenn ein Neſt mit verlaſſenen bebrüteten Eiern angetroffen wird. Das Weibchen liebt zwar anfangs die Brut viel mehr als das Männchen, aber auch des letzteren Anhänglichkeit ſteigert ſich in dem Grade, als die Jungen an Größe und Befiederung zunehmen. Schon aus dieſem Grunde ſollte das Aus— nehmen der Jungen nicht zu ſpät geſchehen, wenn auch kein anderer erheb— licher Grund dafür ſpräche; denn es erheben ja ein jammervolles Geſchrei die Alten, wenn fie den Räuber ihrer flüggen Jungen dem Neſte ſich nahen ſehen. Verzweiflungsvoll umflattern ſie die Stätte und verwinden den Schmerz der Trennung erſt am nächſtfolgenden Tag, wo ſie endlich, des Suchens und Lockens müde, den Ort des Jammers verlaſſen. Das Neſt wird mit den Jungen ausgehoben und ſofort an den Ort ſeiner Beſtimmung getragen. Vor erheblichem Druck muß es in Rückſicht auf das Leben und die zarten Glieder der Vögelchen ſorgfältig beim Tragen bewahrt werden. Daheim ſetzt man das Neſt in eine große Schachtel oder ein geräumiges Käſtchen und unter— ſtützt es von allen Seiten, damit es darin feſt und aufrecht ſteht. Zur Beruhi— gung der jungen Vögel und zur Erhaltung einer ihnen wohlthuenden Wärme deckt man ſie je nach der herrſchenden Witterung mehr oder weniger mit einem wollenen Tuche zu, jedoch immer ſo, daß den Thierchen das Athmen nicht erſchwert wird. Das beſte Futter, welches ihnen mit einem hölzernen Stäbchen oder einem Federkiel, woran vorn eine löffelartige Rinne ausgeſchnitten iſt, gereicht wird, beſteht in friſchen Ameiſenpuppen. In Ermangelung ſolcher nimmt man Semmel, die vorher längere Zeit in kaltem Waſſer gelegen hat und ausgedrückt worden iſt, damit die Hefe entfernt werde, und die nun mit kühler Milch befeuchtet und mit friſchen Ameiſenpuppen vermengt wird. Hierbei iſt das klöſige Zuſammenballen des Futters zu vermeiden. Jedes Vögelchen erhält zwei bis drei Gaben, wobei behutſam verfahren werden muß, daß es ſich an den Kanten des Hölzchens oder Federkiels nicht verletzt. Die Fütterung erfolgt in Zwiſchenräumen von ungefähr einer halben Stunde; in den Morgenſtunden ſind die Kleinen futtergieriger, als in den Nachmittagsſtunden. Allemal entleeren ſie ſich, ſobald ſie gefüttert N werden, und wenn fie die Bürzel über den Neſtrand heben wollen, um dies zu thun, fo kann man ihnen, wo nöthig, zarte Hülfe mit dem unter- geſchobenen Finger oder Stäbchen leiſten. Sofort werden die zähen Brocken entfernt und das Neſt noch einmal genau unterſucht, um zu ſehen, ob nicht irgend welche Unreinlichkeit zurückgeblieben iſt. Auch darf beim Dar— reichen des Futters eigentlich nichts davon in das Neſt fallen, da es aber nicht ganz zu vermeiden iſt, ſo entfernt es der Pfleger wenigſtens ſogleich wieder; denn einestheils klebt es ſonſt an den Federchen der Vögel feſt und pappt dieſe zuſammen, anderntheils bereitet es einen feuchten, den Thierchen nach— theiligen Sitz auf dem Boden des Neſtes. Rein und trocken muß dieſes letztere unter allen Umſtänden gehalten werden. Am ſchwierigſten iſt das zu bewerkſtelligen, wenn eines der Jungen den Durchfall bekommt. Am beſten ſetzt man das kränkelnde Vögelchen ſo lange allein, bis ſeine Ver— dauung wieder hergeſtellt iſt. Sobald die Droſſeln nicht mehr im Neſte bleiben wollen und Neigung zeigen, ihre Flügel zu gebrauchen, iſt für ſie vorläufig noch eine ſehr umfangreiche Kiſte, in der dicht über dem Boden Stäbchen angebracht ſind, einem Käfig vorzuziehen, weil letzterer die Dar— reichung des Futters erſchwert. Erſt bei hinreichender Flugfähigkeit und Stärke verſetzt man ſie in den Käfig, und zwar, wenn nicht ſogleich, doch in den nächſten Tagen, wo ſie allein freſſen, von einander getrennt. Der auf dieſe Weiſe geſund und ſäuberlich gehaltene Vogel bewohnt nun einen Käfig von mindeſtens I Meter Länge, 1 Meter Höhe und 0,5 Meter Tiefe, in welchem er in weiten Sprüngen auch gehörig ſeine Flügel ausdehnen und gebrauchen kann. Das Futter, welches ihm vorge— ſetzt und täglich am Morgen früh erneuert wird, enthält jetzt weniger Feuchtigkeit, da auf der andern Seite des Käfigs ein Waſſernäpfchen zum Trinken und Baden angebracht iſt. Sobald friſche Möhren in Menge zu haben ſind, gewöhnt man den Vogel an dieſe, welche zu dem Zweck gerieben und mit ½ geriebener Semmel vermengt werden. Unterſcheidungsmerkmale in Farbe und Geſtalt untrüglicher Art ſind zwiſchen Männchen und Weib— chen nicht aufzufinden, wohl aber läßt ſich das junge Männchen ſehr bald, nachdem es allein freſſen gelernt hat, zwitſchernd vernehmen, und es kann den ſchweigenden Weibchen die Freiheit gegeben werden, indem man ſie zu ihrer größeren Sicherheit in den Wald trägt und dort fliegen läßt. Die Männchen üben in ihren Käfigen während des Winters fleißig ihren 43 Geſang ein, der bei einzelnen mannigfaltig, bei anderen einförmig, bei allen aber nie ſo ſchön, rein, voll und markig erſcheint, als der Geſang der guten Wildfänge. Mitunter läßt eine aufgezogene Droſſel allerdings recht kunſtvoll klingende Strophen vernehmen, und ihr Fleiß und Eifer, womit ſie den Geſang pflegt, macht den Vogel ſchätzenswerth, aber trotz alledem bleibt ſie weit hinter dem Wildfang zurück. Nur einen unleugbaren Vorzug hat die aufgezogene vor der wildgefangenen Droſſel, ſie wird ſehr zahm und zutraulich, während letztere trotz ausdauernder Bemühungen von Seiten ihres Pflegers nie ganz dazu gebracht werden kann. Sehr wenige, ſeltene Exemplare machen hiervon eine rühmliche Ausnahme. Der Beſitz eines wildgefangenen vorzüglichen Schlägers iſt nach unſerer Anſicht und Er— fahrung das Herrlichſte und Lohnendſte, was ein Freund des urwüchſigen Vogelgeſanges ſich nur wünſchen kann. Es fällt aber ſchwer eine alte Sing— droſſel zu fangen, weil ſie nicht leicht in das Schlaggarn geht trotz des zappelnden Mehlwurms. Im März, in welchen Monat ihre Rückkehr aus ſüdlichen Länderſtrichen fällt, wird der Fang durch eintretenden Schnee und Kälte leichter möglich gemacht. In Gegenden, wo Droſſelherde an— gelegt ſind, erhält man ſie von den Droſſelfängern, welche auf Beſtellung und das Verſprechen einer guten Belohnung hin, anſtatt der edlen Sängerin den Hals umzudrehen, ſie in ein Gebauer ſtecken. Leider werden alljähr— lich nicht wenige Singdroſſeln unter den ſogenannten Krammtsvögeln auf Herden gefangen. Beim Neſte läßt ſich wohl das Weibchen ohne beſondere Schwierigkeiten berücken, das Männchen jedoch umkreiſt zankend und warnend die in der Falle lockenden Jungen, und geht ungern, oft gar nicht in dieſelbe. Die im Herbſte gefangenen Droſſeln bieten durchaus keine Sicherheit, wenn ſie auch alsbald zwitſchernd ihr Geſchlecht verrathen, daß ſie alte ſind. Wie— wohl die im Herbſte gefangenen jungen Wildfänge bei weitem den auf— gezogenen Männchen vorzuziehen ſind, ſo kommen ſie doch den ein- oder mehrjährigen Wildfängen nicht gleich. Ihr Geſang iſt noch nicht vollſtändig entwickelt; dies geſchieht erſt im Laufe des Winters in ſüdlichen Klimaten, zur Ausbildung des urſprünglichen Geſanges aber gehört unbedingt die Freiheit. Die im Frühjahre gefangene alte Singdroſſel iſt ſchwer zu be— handeln. Im März und in der erſten Hälfte des April fehlen noch in normalen Jahrgängen die friſchen Ameiſenpuppen, Mehlwürmer aber ver— braucht der von den Entbehrungen in Folge der Reiſe und der rauhen H Witterung magere und hungrige Vogel täglich in jo großer Menge, daß eine ungeheuer bevölkerte Colonie dazu gehört, um ihn damit bis zur An— kunft der friſchen Ameiſenpuppen hinzuhalten. Man iſt deshalb genöthigt, anders zu verfahren. Der wilde Vogel wird in einen kleinen, mit einem Tuche verhängten Käfig geſetzt, wo ihm zunächſt Mehlwürmer in einem Schüſſelchen vorgeſtellt werden, die wegen deſſen geglätteter Innenſeite nicht bis zum Rande gelangen können. Desgleichen wird ihm ein Näpfchen voll Waſſer gereicht. Nicht lange, ſo ſind zwanzig bis dreißig Mehlwürmer verzehrt. Eine neue Anzahl getödteter und theilweiſe zerſchnittener geht ohne Anſtand denſelben Weg. Jetzt ſind wir an dem Punkte angelangt, wo gedörrte Ameiſenpuppen oder in Ermangelung ſolcher geſottenes gehacktes Rindfleiſch und Hühnerei mit zerſtückelten Mehlwürmern vermengt werden. Die Droſſel ſucht die Mehlwurmſtücke heraus und ſchleudert das im Wege liegende andere Futter zur Seite. Die Verſuche ſind zu erneuern, und bei wiederholten Weigerungen des Vogels, Fleiſch und Eier anzunehmen, läßt man es mehrere Stunden auf gut Glück ankommen. In vielen Fällen nimmt dann die Droſſel doch endlich die verſchmähten Biſſen an, und dann hat man gewonnenes Spiel. Haben wir es aber mit einem ſehr eigenſinnigen Vogel zu thun, ſo muß man ſich hüten, den Pflegling durch allzu langes Hungerleiden matt zu machen. Vielmehr ſättigt man ihn wieder vollkommen mit Mehlwurmſtücken, die man unter das übrige Futter miſcht, fängt Spinnen und Fliegen, die noch hinzugefügt werden, und kommt ſo ohne Zweifel, wenn auch erſt am zweiten oder dritten Tage, zum ge— wünſchten Ergebniß. Ohne jegliche längere Unterbrechung muß die Droſſel ſo lange im Auge behalten werden, bis genügende Bürgſchaft für die Er— haltung ihres Lebens vorhanden iſt. Gar manche Droſſel bedarf zu ihrer Eingewöhnung im Frühjahre nicht einmal der Mehlwürmer, aber jedenfalls leiſten letztere unter allen Umſtänden treffliche Dienſte. Im Sommer ſind gefangene alte Droſſeln noch viel ſchwerer einzugewöhnen; da dürfen Mehl— würmer und friſche Ameiſenpuppen durchaus nicht fehlen, und die unaus— geſetzteſte Aufmerkſamkeit bei gleichzeitiger Vermeidung der häufigen Beun— ruhigung iſt auf das Strengſte zu beobachten. Wir warnen bei der Be— ſprechung dieſer Angelegenheit auch gegen die Verbringung des Käfigs vor das Fenſter. Der Verluſt der Freiheit wird tiefer von dem Gefangenen empfunden, der Anblick des Himmels, der Bäume und ſonſtiger Gegen— 45 ſtände zerſtreut ihn und weckt feine wilde Scheu. Das Alles lenkt ihn allzu ſehr von dem Futter ab, und die ſchlimmſte Erfahrung ſteht dem Beſitzer des Wildfangs bevor, wenn er nicht zeitig genug die vorhin er— wähnten Maßregeln ergreift. So lange der Sommer währt, füttert man die Droſſel am beſten mit friſchen Ameiſenpuppen. Sie ſingt dabei un— gemein fleißig und feurig, wenn überhaupt, wie man zu ſagen pflegt, Feuer in ihr ſteckt. Semmel oder Gerſtenſchrot gebe man ihr nur als Beimengſel zu geriebenen Möhren, welche ein unerſetzliches Droſſelfutter abgeben. Im Herbſte erhält ſie öfters Beeren der verſchiedenſten Art, Zwetſchen, Pflaumen, Birnen und ſelbſt Aepfel, deren Genuß ihr recht zuträglich iſt. Die ſingende Droſſel wird bald für die Stube und ſogar den Hausgang zu laut. Daher bringt man vor dem Fenſter ein Geſtell an, auf welchem man den Käfig gut befeſtigt, damit der Sturm ihn nicht hinabwerfen kann. Die Einrichtung iſt ſo zu treffen, daß Futter und Waſſer gereicht werden können, ohne daß man von dem Einwohner geſehen wird. Auch ſo wird der Vogel ſtets ſcheu hin und her ſpringen und wohl auch flattern, wenn er die Näpfchen herausnehmen und wieder hineinſchieben ſieht, aber die Stö— rung hat keine weiteren Nachtheile für ihn, und ſein Geſang ertönt bald darauf wieder. Die Reinigung des Schiebers wird jetzt höchſtens alle acht Tage vorgenommen, weil das Hereinnehmen des Käfigs den Inſaſſen jedes— mal in große Aufregung bringt. Beim Aus- und Einſchieben des Schie— bers verfährt man ſehr behutſam, damit die Beine der Droſſel nicht ge— klemmt werden. Vor dem Käfig iſt ein Schutzgitter ebenſowohl, wie an den Käfigen anderer Vögel anzubringen; denn die Größe ſichert die Droſſel keineswegs vor dem Angriff der Eulen. Wir verloren herrliche Sänger, als wir in früheren Jahren ſolches Schutzmittel anzubringen verſäumten. Die Eule riß die verzweiflungsvoll klagende Droſſel zwiſchen den Drähten heraus, und eine andere tödtete, fie durch einen, mit den Krallen durch ein enggeſtricktes Netz und zwiſchen den Drähten hindurch in die Bruſt des Vogels geführten Schlag. Ein guter Wildfang ſchlägt zu jeder Tageszeit, vorzüglich eifrig Morgens und gegen Abend. Gerade Abends, bevor die Dämmerung eintritt, oder gar während derſelben, entwickelt die Droſſel den ganzen Reichthum ihrer Töne. Schnell und feurig folgt Ruf auf Ruf, Strophe auf Strophe, und dazwiſchen werden die ſonſt eingehaltenen Pauſen durch ein verbindendes 46 Zwitſchern und Balzen ausgefüllt, welches ſich durch ſeine reine, ſilberne Helle vor dem Gezwitſcher anderer Sänger ſo vortheilhaft auszeichnet. Es iſt, als wollte der Sänger noch alle ſeine Kunſt und Kraft aufbieten, um ſeinen Vortrag glanzvoll zu beſchließen. Dieſelbe Wahrnehmung macht man am Droſſelgeſange draußen im Walde, wo dieſe Königin des Waldes ihr Lied in der letzten Abendſtunde des Frühlingstages bis zur höchſten Stufe ihrer Begeiſterung emporträgt. Welch ein unbeſchreiblicher Abſtand in Schönheit, Mannigfaltigkeit und Kunſtfertigkeit des Vortrags beurkundet ſich aber unter dieſen Wildfängen! Von dem elendeſten Stümper, der neben einem einförmigen Gezwitſcher nichts weiter hören läßt, als ein paar grell hervorgeſtoßene laute Töne, durchläuft der Droſſelſchlag die Stufen der mittel- mäßigen und guten Leiſtungen bis zur bewunderungswürdigen, unübertreff— lichen Virtuoſität, kraft welcher die Droſſel ohne Zweifel mit der Nachtigall um Rang und Vorzug am erſten zu ſtreiten berufen iſt. Zur Vollkommen— heit ihres Schlages gehört aber eine ganze Reihe von Forderungen, die theilweiſe eine ſo feine Unterſcheidungsgabe des Kenners bedingen und wohl auch von dem Geſchmack des Hörers geſtellt werden, daß ſie unmög— lich alle zu nennen ſind. Vor Allem muß die Stimme den eigenthümlichen Silberton haben, welcher wohl zu unterſcheiden iſt von dem Schreiton und, obgleich weithin erſchallend, das Ohr doch nicht beleidigt. Ferner iſt ein bedeutender Umfang der Stimme erforderlich, damit die Töne in ihrer Lage die nöthige Abwechslung bieten. Hiermit ſteht in enger Beziehung der Reichthum der Touren oder Strophen und die anſprechende Bildung derſelben. Weiterhin iſt es von der größten Wichtigkeit, daß eine Strophe, ſo angenehm ſie an ſich auch klingen mag, nicht als bevorzugte Lieblings— ſtrophe jeden Augenblick wieder hervortritt, auf der andern Seite aber dürfen auch die ſchönſten und melodiſchſten Theile, die intereſſanteſten Wen— dungen und Uebergänge nicht zu ſelten wiederkehren. Je deutlicher, ich möchte ſagen, ſprechender die Rufe tönen, deſto unterhaltender und feſſeln— der wird der Droſſelſchlag. Das Volk hat in der That nicht Unrecht, wenn es dieſe Rufe in Worte überſetzt, nur iſt es dem nachahmenden Volks— munde dabei von jeher auf einen Zuſatz oder eine Entſtellung mehr oder weniger nicht angekommen. Daß der Fleiß und die Ausdauer im Geſange eben ſowohl als das Feuer des Vortrags in die Wagſchale fällt, wurde ſchon angedeutet. Aller ſicheren Wahrheit entbehrt die Behauptung, daß Be diejenigen Droſſeln die beſten Sänger ſeien, welche das Wort „Kuhdieb“ am deutlichſten riefen. i Hinſichtlich der Unterſchiede, welche zwiſchen den Sängern walten, haben wir Brüder ſehr intereſſante übereinſtimmende Beobachtungen gemacht. Der Geſang unterſcheidet ſich vor Allem nach den verſchiedenen Gegenden, in welchen die Droſſeln leben. Die Ebene hat ihre eigenthümlichen Rufe, wie das Gebirge. Innerhalb der Ebene, ja ſogar innerhalb der einzelnen Auen und Walddiſtricte nimmt man Abänderungen wahr. Dieſe Localunterſchiede zeigen ſich gleichfalls im Gebirge. Nie und nimmer geht dadurch auch nur im Entfernteſten der Grundcharakter des Droſſelgeſanges verloren. Man hört bei noch ſo großer Verſchiedenheit der Vorträge doch nirgends Anderes, als eben Droſſelſchlag. Aber jede Gegend, jeder Gebirgszug, jedes abge— ſchloſſene Thal hat wieder hierin ſein Charakteriſtiſches, das ſich oft auf das Feinſte zuſpitzt. Innerhalb dieſer Abtheilungen charakteriſtiſcher Sänger kommen aber auch Individuen vor, die durch ihre Geringfügigkeit und erbärmliche Leiſtung dem Schlage ihrer Nachbarn durchaus in jeder Beziehung nachſtehen und die Eigenthümlichkeit der Unterſcheidungsmerkmale verwiſchen. Andererſeits treten einzelne vortreffliche Sänger auf, die gleichſam außer— halb der Nation ſtehen, und, um ſogleich das Richtige zu treffen, ohnfehlbar eingewandert ſind. Das können nur verirrte oder auf dem Zuge aufge— haltene oder aber vom Wandertrieb weit über die Grenze ihrer urſprüng— lichen Heimath hinausgeworfene Droſſeln ſein. Außerordentlich intereſſant wird der Beſitz mehrerer Droſſeln aus verſchiedenen durch den Geſangs— charakter ausgeprägten Diſtricten. Man hängt ſie in angemeſſenen Abſtän— den an verſchiedenen Seiten des Hauſes auf und hat nun Vertreter jener bekannten, vielleicht durch theure Erinnerungen liebgewordenen Orte. Die Mauſer macht dem Geſange der Droſſel, welcher bei hervorragen— den Exemplaren bis in die Mitte oder an das Ende Juli's währt, ein Ende, und dauert im Ganzen gewöhnlich fünf bis ſechs Wochen. Die Witterung hat auf die Dauer und Energie des Federwechſels unverkenn— baren Einfluß. Feuchte Sommer fördern, ſehr heiße und trockene erſchweren denſelben. Im September beginnt man mit dem Winterfutter. Viele Droſſeln ſingen den Herbſt über leiſe. Im Januar oder Februar beginnen ſie von Neuem und werden von Zeit zu Zeit merklich lauter. Im März rufen ſie ſchon in den erſten Frühſtunden und auch ſpäter am Tage, wenn 48 Geräuſch fie anregt, laut. Zu Anfang des April bringt man den Käfig vor das Fenſter, und die Droſſel wird lauter und immer lauter ihre ſchöne Stimme erheben. Hier gewöhnt ſie ſich bald an das bunte Treiben unter ihr im Hof, Garten oder auf der Straße. Doch erfordert es ihre Wildheit, daß man ihr wenigſtens am zweiten Stockwerk einen Platz ein- räumt. Zähmungsverſuche künſtlicher Art haben wir ſtets verſchmäht. Die Droſſel ſcheut immer am wenigſten diejenigen Hausgenoſſen, welche ſich am ſeltenſten oder gar nicht mit ihr beſchäftigen; ſie will eben in Ruhe gelaſſen ſein, und wer glaubt, ihr vertrauter Freund werden zu können, wenn er ſie vor ihrem Käfig ſtarr anſieht oder ihr auch freundlich zuſchnalzt, der wird in ihr ein doppelt mißtrauiſches Thierchen begrüßen, welches unruhig hin- und herſpringt, flattert, mit dem Schwanze ſchnellt und den Flügeln zuckt und angſtvolle Töne wie beim Neſte der bedrohten Jungen ausſtößt. Mit den Jahren läßt übrigens auch bei anfänglich un— bändig ſcheuen Wildlingen das ungeberdige Weſen und Verhalten im Käfige nach. Die Gewohnheit zähmt mehr als die Kunſt. Nun wird die Droſſel erſt wahrhaft liebenswürdig, wiewohl in den meiſten Fällen nie im wahren Sinne des Wortes zahm. Insbeſondere zeigt ſie ſich bei Kerzenlicht nicht mehr ſo unruhig und ſtrebt nicht mehr flatternd nach der Decke. Rathſam iſt es, nebenbei geſagt, den Käfig der Droſſel, ſtatt ihn in die Stube zu nehmen, auf der Hausflur anzubringen. Die Kälte im Winter ſchadet ihr durchaus nicht, ſelbſt wenn Morgens das Waſſer in ihrem Napfe gefriert. Auf gut geſchloſſener Hausflur kommt dies übrigens auch ſelten vor. Mehrjährige Gefangene beſſern ſich weſentlich im Geſange von Jahr zu Jahr, daß heißt: ſie ſingen fleißiger, anhaltender und feuriger. Indeſſen gibt es Droſſeln, welche ſchon im erſten Frühling und Sommer ihrer Gefangen— ſchaft ſo ausnehmend thätig ſind, daß eine Steigerung ihrer Anſtrengungen im Lauf der Jahre gar nicht möglich iſt. Raſtlos ſingen ſie von Morgens bis Abends und gönnen ſich nur wenige Pauſen der Ruhe. Solche Vögel werden in Folge ihrer Anſtrengungen zuweilen von Heiſerkeit befallen, und dieſe kann einen ſo gefährlichen Charakter annehmen, daß der Tod nicht mehr abzuwenden iſt. Alle anzuwendenden Mittel, im Waſſer aufgelöſter Kandiszucker, ſüßes Mandelöl und dergleichen mehr, bleiben erfolglos. Rührend iſt es anzuhören, wenn der kranke Vogel in unnatürlich er— ſcheinendem Drange zum Singen die heiſeren Töne noch bis zu den letzten 49 Stunden ſeines Lebens mühſam herauspreßt. Die feurigen, unermüdlichen Sänger darf man in Rückſicht hierauf nicht zu gut füttern, um ihren Geſchlechtstrieb, der ja beim Geſange Hauptbeweggrund iſt, nicht zu über— reizen. Auch hier zeigt ſich wieder der Nachtheil der kleinen Käfige, in denen ſich die Vögel nicht frei genug bewegen können und weit eher Krank— heiten unterworfen ſind, als in geräumigen. Die Steindroſſel. (Turdus saxatilis.) Unvergeßlich bleibt uns eine Steindroſſel, welche unſer Onkel als Wildfang vom Rheine erhalten hatte, und die im Garten in einem wohl— verwahrten, von Buſchwerk gut gedeckten heckenartigen Käfige während des ganzen Sommers wohnte. Sie war als vieljähriger Gefangener längſt das Vorüberwandeln der Menſchen gewöhnt und erhob deshalb zur Freude und zum Entzücken ihrer Lauſcher zu jeder Zeit ihre Stimme Damals erkannten wir, daß hervorragenden Wildfängen unter den Steindroſſeln vor aufgezogenen Vögeln der Vorzug gegeben werden muß. Jene Stein— droſſel beſaß eine bewundernswürdige Nachahmungsgabe, und, was die Befähigung der Steindroſſel überhaupt charakteriſirt, ſie hatte im Gefangen— leben ſowohl von den vielen Vögeln, welche unſer Onkel hielt, als auch von den freilebenden im Garten noch manche Liedesſtrophe angenommen. Mehrere Nachtigallentouren trug fie ganz und täuſchend vor, die Schwarz— amſel, die Singdroſſel, den Edelfinken, die Feldlerche ahmte ſie großen— theils ebenfalls täuſchend nach, wir vernahmen den reinen Ueberſchlag des Mönchs, den Ruf der Wachtel, den Geſang der Sperbergrasmücke und andere Geſänge, die unſerem Gedächtniß entſchwunden find, und daneben blieb noch vieles Eigenthümliche, was ſanft flötend ſich in das Ohr ein— ſchmeichelte. Kurz, dieſe Steindroſſel war ein unvergleichlich liebenswürdiger Sänger, den der Onkel um ſchweres Geld erhandelt hatte, und um deſſen Beſitz ſein Pfleger von wahren Kennern wahrhaft beneidet wurde. Dieſer Wildfang befand ſich bei dem gewöhnlichen Nachtigallenfutter ſehr wohl, nur hielten wir die Gelberüben für überflüſſig, da ſie als Gewölle von der Steindroſſel ausgeworfen wurden. Rinderherz und gedörrte, durch heiße Milch erweichte Ameiſenpuppen halten wir für das allerzuträglichſte Futter auch für dieſen edlen Sänger. Ebenſo gute Dienſte leiſtet der Müller, Gefangenleben einh. Singvögel. 1 50 Gelberübenſaft, mit welchem Fleiſch und Ameiſenpuppen getränkt werden. Eine Beigabe von geriebener Semmel zur Erſparniß ſchadet keineswegs, nur darf dieſelbe nicht vorwiegen. Das Sommerfutter beſteht in den unvermeidlichen und unerſetzlichen friſchen Ameiſenpuppen. Mehlwürmer müſſen weniger im Sommer als im Winter täglich wenigſtens in geringer Anzahl gereicht werden. In den erſten Jahren geberdet ſich der Wildfang in der Gefangenſchaft ſehr ſtürmiſch. Darum hat man bei der Einge— wöhnung nicht nur, ſondern auch bei der Behandlung nach Vollzug der— ſelben ſorgfältig zu Werke zu gehen und dem Vogel die Neigungen abzu— lauſchen. Da dieſer Vogel faſt nur beim Neſte zu fangen iſt, ſo erhält man ihn zur Zeit, wo friſche Ameiſenpuppen vorhanden ſind, welche die Eingewöhnung erleichtern. Neben den bei der Nachtigall geſchilderten Vorkehrungen zur Einge— wöhnung wird man Rückſicht nehmen müſſen auf einen Standort des Käfigs, wo der Vogel möglichſt ungeſtört bleibt und Vertrauen gewinnt zu den ab- und zuwandelnden Perſonen. Wenn auch vorzüglich die auf— gezogenen Steindroſſeln es ſind, welche große Neigung zum Erſchrecken bekun— den, und davor ſtreng behütet werden müſſen, ſo verträgt doch auch der Wildfang jähe Störungen nicht, und ungewohnte Erſcheinungen können auch ihn in die größte Angſt verſetzen. Von Natur iſt die Steindroſſel äußerſt ſcheu und wild. Ihr abgeſondertes Leben auf den alten Burgen veranlaßte den Namen: „einſamer Spatz.“ Zeit und Bedachtſamkeit erfordert ihre Zähmung, und nur wer Geduld, Liebe und Sanftmuth in Wartung und Behandlung zeigt, bringt es in mehreren Jahren dahin, den Wildfang zu zähmen. Dann erſt erntet der Beſitzer die vollen Früchte ſeiner Bemühun— gen; denn nun ſingt die Steindroſſel fleißig und vertraut und erhält ihr ſchönes Kleid unverletzt. Werthvoll ſind auch viele aufgezogene Steindroſſeln, einmal dadurch, daß ſie außerordentlich zahm werden und wie durch ihr prangendes Ge— fieder, ſo durch ihr unterhaltendes Betragen den Vogelfreund ergötzen, dann aber auch in Folge ihres bedeutenden Talentes, Lieder pfeifen zu lernen. Ihre Flötenſtimme eignet ſich hierzu ſehr. Der Unterricht wird nicht anders ertheilt, als es bei der Schwarzamſel oder dem Dompfaffen geſchieht. Nur ſoll der Lehrer immer Bedacht nehmen auf den Eigenſinn, die Reizbarkeit und die Laune der Steindroſſel. Aergerniß verſetzt viele 51 aufgezogene Steindroſſeln ſofort in Krampfzuſtand. Sie müſſen deshalb ſehr ſchonend und ſanft behandelt und dürfen durch Lehren nicht ermüdet werden. Sobald ſich der Lehrer dem Käfig naht, muß er den Vogel durch Zuruf darauf vorbereiten, um ihn nicht zu erſchrecken. Dieſelbe Vorſichts— maßregel findet bei der Fütterung des Vogels oder beim Säubern des Käfigs ſtatt. Die Lehre hat nur Erfolg, jo lange ſich die Steindroſſel vollkommen geſund fühlt. Darum achte man auf ihr Befinden und ſtöre ſie nicht, wenn ſie ſich auch nur wenig unpäßlich fühlt. Eine gar ſonder— bare Erſcheinung iſt das plötzliche tolle Hin- und Herrennen der Stein— droſſeln, namentlich der Wildfänge, zur Zug- und Brutzeit, und unerklärlich erſcheint oft das Erſchrecken der aufgezogenen Steindroſſeln, wenn man keine Veranlaſſung hierzu entdecken kann. Manchmal mag die Urſache im Zimmer vermuthet werden, während ſie draußen zu ſuchen iſt, wo vielleicht durch das Fenſter vom Käfig ſichtbar ein Raubvogel ſich zeigte oder eine befremdende Erſcheinung anderer Art die Nerven des reizbaren Käfig— bewohners erſchütterte. Die gelehrte Steindroſſel trägt mit ſichtbarem Ver— gnügen ihrem Pfleger das erlernte Lied vor, und es ſcheint oft, als wolle ſie ſich durch ihren unermüdlichen Fleiß die beſondere Gunſt deſſelben erwerben. Sie erkennt ihn ſchon am Tritt, ehe er ihr ſichtbar wird; das verräth ſie durch ihre freudige Aufregung, durch ihr geſpanntes, erwartungs— volles Hin- und Herlaufen und durch den ſofortigen Vortrag des Liedes. Neben dieſem Liede läßt ſie aber auch den Wildlingsgeſang, freilich in un— vollendeter Form, vernehmen, auffallender Weiſe aber meiſtens nur dann, wenn ſie allein iſt und ſich unbeobachtet weiß. Auch ſie nimmt gleich dem Wildling Töne und Geſangstheile aus Liedern der ſie umgebenden Vögel mit Leichtigkeit an. Schon in den Sommermonaten des erſten Jahres beginnen die jungen aufgezogenen Steindroſſeln mit Gezwitſcher, welches ſehr bald in lauten Geſang übergeht, und zwar laſſen ſich neben den Männchen auch die Weibchen hören, letztere jedoch nur bis zum neuen Jahre, wo ſie mit einem Mal verſtummen. Nur wenige Weibchen ſingen auch in der Folge noch. Will man ſich zeitig vom Geſchlechte der jungen Steindroſſeln überzeugen, ſo zieht man ihnen einige Federn auf dem Unterrücken aus. Wenn da graue ſtatt weiße nachwachſen, ſo hat man unzweifelhaft ein Weibchen vor ſich. Unſerer Erfahrung nach, und wir werden in unſerer Anſicht von 4 * 52 trefflichen Kennern und Liebhabern der Steindroſſeln vollkommen unterſtützt, wählt man zum Aufziehen junger Steindroſſeln kein anderes Futter, als friſche Ameiſenpuppen, welche natürlich durchaus rein und weiß gehalten werden müſſen. Wir bezweifeln zwar nicht, daß es auch gelingt, ſie mit gemiſchtem Nachtigallenfutter geſund und kräftig zu erhalten, allein wir möchten rathen, dieſe Nahrung erſt von dem Zeitpunkt an zu reichen, wo die Steindroſſeln ſchon allein freſſen. Beſſer iſt es jedenfalls, wenn auch alsdann noch friſche Ameiſenpuppen bis zum Herbſte fortgegeben werden. Die Wintermauſer wird von den aufgezogenen Steindroſſeln ſehr leicht überſtanden. Sie erneuern vollſtändig ihr Kleid, während die Wildfänge in der Gefangenſchaft oft nur wenige Federn erneuern oder ſogar ganz im alten Kleide bleiben. Man braucht aber darum keine Beſorgniß zu hegen und zu keinerlei künſtlichen Mitteln zu ſchreiten, vielmehr läßt man der Natur freien Lauf, und die Folge wird lehren, daß das Ausbleiben des Feder— wechſels bei den Wildfängen ohne Nachtheil iſt. Der Eigenſinn des Vogels erfordert doch in gewiſſen Fällen ein künſtliches Einſchreiten von Seiten des Pflegers. Wie Graf von Gourey in Brehm's Werk über Stuben- vögel richtig bemerkt, nehmen Steindroſſeln zuweilen, wahrſcheinlich in Folge des Erſchrecktwerdens, viele Tage kein Futter zu ſich und würden unfehlbar dem Hungertode erliegen, wenn man ihnen nicht Nahrung einſtopfen wollte. Dies darf aber nur mit der größten Vorſicht geſchehen, indem man näm— lich beim Herausnehmen des Vogels aus dem Käfige haſtiges Zufahren vermeidet und die nöthige Ruhe und Sanftmuth behauptet, und beim Ein— ſtopfen jeder Verletzung vorbeugt, ſowie die Portionen in angemeſſener Weiſe wählt. Ehe man ſich jedoch zu ſolchem gewaltſamen Einſchreiten entſchließt, verſuche man, den trauernden Vogel durch Mehlwürmer und ſonſtige auserwählte Lieblingskoſt zum Freſſen zu bewegen. Und wenn auch acht, ja vierzehn Tage darüber hingehen, ehe er andere Nahrung, als Mehl— würmer, Spinnen und erreichbare Kerfe annimmt, ſo warte man nur in Geduld den Zeitpunkt ab, wo der Geneſende wieder in das alte Gewohn— heitsgeleiſe einlenkt. Eine ſolche naturgemäße Behandlung iſt jeder anderen weit vorzuziehen. Nur im äußerſten Nothfall möchten wir das Stopfen für zuläſſig erklären. Lieber gebe man dem das Futter verſchmähenden Vogel ein lauwarmes Bad, trockne ſein Gefieder einigermaßen oder faſt ganz in warmem Flanelllappen und ſetze ihm dann Lieblingsfutter vor. 53 Das Bad weckt und belebt den Appetit, ändert und hebt oft die Stimmung des Vogels außerordentlich raſch. Es ſcheint, als ob die Magen— nerven der Steindroſſel ganz beſonders empfindlich wären; dafür zeugen ſchon die Gewölle, die nichts als unverdaute Beſtandtheile ſind. Aus dieſem Grunde ſollte man außer Gelberüben auch ſonſtige ſchwerer zu ver— dauende Zugaben von dem Winterfutter weglaſſen. Mehlwürmer, in ſüßem Mandelöl getränkt, leiſten zur Herſtellung der Verdauung recht gute Dienſte. Iſt die Verſtimmung der Magennerven hartnäckig, ſo erſcheinen kleine Stückchen rohen, geſalzenen Speckes, die man allerdings gewaltſam eingeben muß, ſehr empfehlenswerth, weil ſie Oeffnung verſchaffen und die Verdauungsthätigkeit fördern. Bei ſorgfältiger, naturgemäßer Wartung und richtiger Behandlung dauert die Steindroſſel viele Jahre in der Gefangenſchaft aus. Die Schwarzamſel. (Merula vulgaris s. atra Mülleri.) Unter günſtigen Witterungseinflüſſen ſchreitet die Schwarzamſel ſchon ſo frühe zur Brut, daß man Ausgangs März Junge in ihrem Neſte findet. Die Erfahrung beweiſt, daß die Jungen der erſten Brut denen der zweiten vorzuziehen ſind, wenn es ſich darum handelt, die Männchen Lieder pfeifen zu lehren oder ſie zu ſchlagenden Nachtigallen zu hängen. Erſtlich ſind im Allgemeinen Vögel der erſten Brut kräftiger, und hiermit hängt gewöhn— lich auch eine vorzüglichere Begabung zuſammen, dann aber hören ſie die Weiſe, welche ſich ihrem Gedächtniß einprägen ſoll, bis zur eintretenden Mauſer länger, als die ſpäter geborenen, was von weſentlichem Einfluß iſt, oder, wenn die Aneignung des Nachtigallenſchlags beabſichtigt wird, ſo dürfte es von Vögeln der zweiten Brut kaum möglich ſein, ihnen im Laufe des Sommers noch hinreichende Gelegenheit zu geben, das zu Lernende in ſich aufzunehmen, da ſelten eine Nachtigall länger als bis zur zweiten Hälfte des Juli ſchlägt. Die jungen Amſeln werden am beſten halb flügge mit dem Neſte genommen, und auf gleiche Weiſe wie die jungen Sing— droſſeln behandelt. Von Natur rauhere und von mannigfaltigerer Nahrung, als die Droſſel lebende Vögel, ſind ſie auch leichter als dieſe aufzuziehen. Dennoch möchten wir kein anderes Futter für ſie empfehlen, als Semmel, Ameiſenpuppen und befeuchtende Milch, wenn man mit Ameiſenpuppen nicht allein füttern kann. Sobald die Kleinen in einem engeren Behälter nicht mehr bleiben mögen und, aufgedeckt, auf den Rand des Kaſtens ſpringen, die Flügel heben und im Wirbel ſchwingen, um einen Flug in die Stube hinein zu unternehmen, ſind ſie von einander zu trennen und durch künſtliche Erzeugung neuer Federn mittels Ausrupfens der alten an einigen Stellen des Halſes und der Bruſt ihrem Geſchlechte nach zu prüfen. Sehr oft zeichnen ſich die Männchen ſchon im Neſte durch ein viel dunkleres Gefieder vor den Weibchen aus, allein es gibt auch hellere Männchen, welche ſich durch nichts als ſolche herausfinden laſſen, dunklere Weibchen, die den voreilig Wählenden trügen, und darum iſt das erwähnte Mittel zur vollkommenen Sicherheit als unerläßliche Bedingung zu empfehlen. Nach zwei Wochen ſind bereits die neuen Fähnchen zum Theil ſo weit aus den Kielen hervorgewachſen, daß man an der helleren oder dunkleren Färbung derſelben das Geſchlecht des Vogels erkennen kann. Uebrigens färbt ſich die neue Feder erſt nach und nach entſchiedener, ſo daß es anzu— rathen iſt, die Wahl bis zu einem Zeitpunkt zu verſchieben, der über jeden Zweifel erhebt. Hat man nun mit völliger Sicherheit ein Männchen aus— gewählt, ſo weiſt man ihm an einem abgeſchiedenen Orte, wo weder Menſchen noch Thiere ſeine Aufmerkſamkeit zerſtreuen, ſeinen Platz an. Der Standpunkt darf nicht zu helle, alſo nicht zu nahe am Fenſter ſein. Förderlich iſt ein leichter Dämmer in der Stube. Wir wollen hiermit nicht ſagen, daß unter ſolchen Bedingungen allein die junge Amſel mit Erfolg gelehrt werden kann, ſondern wir geben dieſe Behandlung nur als die unſtreitig zweckentſprechendſte an. Der Beſitzer und Lehrer des Vogels pfeift ihm von vornherein das ganze Liedchen, das jedoch in einer nicht zu langen, einfachen Melodie beſtehen muß, von A bis Z vor, ohne innezuhalten, abzuſetzen und theilweiſe zu wiederholen. Mit dem Geſichte rückt er mög— lichſt nahe, ſo daß die Amſel durch ſeine Erſcheinung ganz und gar gefeſſelt iſt. Sechs, acht, auch zehn Mal wiederholt er das Lied aus voller Bruſt; fühlt er jedoch eine gewiſſe Trockenheit der Lippen, welche das Pfeifen erſchwert und den Ton benachtheiligt, ſo wartet er lieber eine günſtigere Stunde ab, als daß er unrein vorpfiffe. Zu jeder Tageszeit darf gelehrt werden, nur muß man ſich hüten, den Vogel zu ermüden. Je behaglicher und zum Anhören geneigter er ſich zeigt, deſto mehr faßt ſein Gedächniß auf. Für die Amſel iſt es nicht gut, wenn hinter dem 2 Liede drein noch ein Triller oder ein kurzer Nachpfiff ſonſtiger Art folgt; denn ihre Neigung läßt ſie ſolche abgebrochene, auffallend hervortretende Weiſen mit großem Eifer aufnehmen, und ihr geſpanntes Merken auf das Lied wendet ſich ab. Anders iſt es, wenn das Lied einmal bei ihr ganz feſt— ſitzt, dann läßt ſich noch ein An- oder Nachpfiff oder auch beides anbringen, und die Amſel iſt ſelbſt noch im zweiten Jahre fähig, Derartiges zu lernen. Da ſie aber nur zur theilweiſen Erlernung der vorgepfiffenen Melodie gerne hinneigt, ſo darf der Vortrag auf keine Weiſe überladen werden. Morgens und Abends, ſelbſt noch bei Licht und in der Nacht haben wir unſeren jungen Amſeln vorgepfiffen und dadurch guten Erfolg gehabt. In der erſten Zeit ſcheint es, als nähme die Amſel von dem Liede gar nichts in ſich auf. Sie beginnt mit dem bei allen jungen Männchen wahrzunehmenden Ge— zwitſcher, welches ſpäter durch einzelne laute Töne unterbrochen wird. Ohne Rückſicht hierauf pfeift man immer in der angegebenen Weiſe fort, und bald wird ſich herausſtellen, daß das leiſe Zwitſchern des Vogels mehr und mehr zu einer beſtimmteren Form ſich geſtaltet; man erkennt den Anfang des Liedes oder eine andere Strophe deſſelben, welche mitunter grell ausgeſtoßen und unmittelbar darauf mit einem wilden, wirren Durch— einander begleitet wird. Je mehr ſich die Nächte kürzen, deſto lauter wird der Vortrag, und deſto mehr rundet er ſich ab. Die Amſel ſingt die Hälfte, Zweidrittheile der Melodie, aber immer noch ſchwatzt ſie daneben Allerlei, was die jungen Wildlinge draußen auch hören laſſen. Endlich pfeift ſie die ganze Melodie, aber noch nicht vollkommen, das heißt: ſie pfeift die Strophen zerſtreut mitten im Zwitſchern alle. Unbeirrt pfeife der Lehrmeiſter fleißig die Melodie nie anders als ganz in einem Zug. Der Geſangstrieb, welcher im Frühling einen ſprechenderen Ausdruck verlangt, vereinfacht und kürzt das Gezwitſcher nach und nach ſo, daß das Lied ſich deutlicher, klarer, zuſammenhängender und lauter heraushebt. Noch kurze Zeit alsdann — und der Lehrer ſieht ſich am Ziele ſeiner Bemühungen: die Amſel pfeift mit voller Flötenſtimme das Lied in einem Zuge bis zu Ende. Wir reden hier jedoch nur von beſonders begabten Exemplaren; denn es gibt nicht wenige, welche faſt nichts lernen, viele ſogar, welche nur Theile eines Liedes lernen und daſſelbe noch verderben durch eigenthümliche Töne, welche durch keinerlei Vorkehrungen zu verhüten ſind. Hat man aber eine Amſel zum exacten, lauten und fleißigen Vortrag eines Liedes 56 gebracht, ſo iſt's ſtaunenswerth, mit welcher Fülle des Tones und welcher Treue der Wiedergabe ſie ihre Aufgabe löſt. Wohl nimmt ſie auch als älterer Vogel noch Rufe und ſonſtige Töne der ſie umgebenden Vögel an, aber ſie vergißt darüber die erlernte Weiſe nicht, obgleich während und nach der Mauſer dieſelbe ſtets von Neuem einzuſchärfen iſt. Sie iſt durch ihren Fleiß einer der dankbarſten Vögel, auch trägt ſie, natürlich je nach der Jahreszeit laut oder leiſe, ihr Liedchen faſt während des ganzen Jahres vor. Dazu kommt ihre außerordentliche Zutraulichkeit und Zähmbarkeit. Die aufgezogene Amſel nimmt Leckerbiſſen aus der Hand ihres Freundes, läßt ſich an das Aus- und Einfliegen innerhalb der Stube gewöhnen, zeigt viel Verſtändigkeit in Bezug auf gewiſſe Gewohnheiten ihres Herrn, ſpielt ſehr gerne mit der dargebotenen Hand, faucht, beißt, zerrt und ſchreit in neckendem Spiel, wobei ſie oft in leidenſchaftlichen Zorn ausbricht. Ueber— haupt iſt ſie zu Tändeleien vielfach aufgelegt. Sandbröckchen ſchleudert ſie im Käfig umher, bearbeitet Drähte, Steinchen und ſonſtige Gegenſtände mit Schnabelhieben, und während ſie alſo ſpielt, zwitſchert oder ſingt ſie leiſe vor ſich hin. Dann hebt ſie den klugen Kopf, äugelt durch das Gitter und wird durch eine Erſcheinung erregt. Hoch ſchnellt ſie den gefächerten Schwanz und ſchmettert ihre laute Zankſtrophe, die allen geläufig iſt und zuweilen ſehr oft und heftig ausgeſtoßen wird. Auffallende und befrem— dende Erſcheinungen können die Amſel ſogar in wahre Raſerei verſetzen. Sie ſtürmt angſtvoll im Käfig hin und her und geräth in Gefahr, ſich an den Drähten oder Käfigwänden zu verletzen. Selbſt ihr beſter Freund ver— mag ihr durch ſehr einfache Mittel großen Schrecken einzujagen. Wenn ich (K. M.) Sonntags mein Ornat anzog, um zu predigen, ſchien meine aufgezogene Amſel wie beſeſſen, ihr Toben und Rennen nahm erſt ein Ende, wenn ich aus der Stube gegangen war. Sie ſah mich nur dann gerne, wenn ich mich kleidete wie andere Leute. Sehr gerne neckte ſie andere Vögel. Wir hatten eine Hecke einſt durch eine Bretterwand in zwei gleiche Abtheilungen geſchieden; in der einen ſaß eine aufgezogene Droſſel, in der andern jene Amſel. Die Wand ſchloß ſich nicht ganz dicht an das Gitter an, und ſo war die Gelegenheit beiden Inſaſſen gegeben, ſich mit den Schnäbeln zu begegnen. Immer war es die Amſel, welche herausforderte und neckte, oft auch alles Ernſtes derb zuhieb. So ſchön auch die Amſel ein Lied vortragen mag, ſo iſt ſie doch nicht 57 zu vergleichen mit einer ſolchen, welche ſich den reinen Nachtigallenſchlag angeeignet hat. Wir haben uns hinlänglich von der Möglichkeit überzeugt, daß eine gelehrige junge Amſel im Stande iſt, einen großen Theil des Schlages einer Nachtigall ſich anzueignen und ihn herrlich vorzutragen. Aber freilich müſſen wir hierzu bemerken, daß die Lehrmeiſterin eine Nachtigall war, welche den ganzen Sommer und Herbſt hindurch ausnehmend fleißig ſang. Die Amſel, welche wir durch ſie heranbilden ließen, hörte ihren Vor— trag volle fünf Monate lang. Wir begingen damals den Fehler, ihr auch noch ein kleines Liedchen vorzupfeifen und daran einen langen melodiſchen Triller anzuhängen. Letzteren lernte ſie wunderſchön wiedergeben, von dem Liede dagegen behielt ſie nur eine Strophe, welche ſie gewöhnlich dem Vortrag mehrerer Nachtigallenſtrophen folgen ließ. Im Januar fing dieſe Amſel an, ſich auszubilden. Zuerſt war es jener Triller, den wir aus dem Gezwitſcher heraus vernahmen und verſtanden, bald traten auch einige Flötenpartien des Nachtigallengeſanges und gegen Ende Februars ſchon mindeſtens zehn Strophen deſſelben hervor. Von Woche zu Woche vervollkommnete ſich der gelehrige Vogel, und von Zeit zu Zeit geſellte ſich ein neuer Theil des im Gedächtniß aufbewahrten Schlages und dabei auch der Anfang des vor— gepfiffenen Liedchens hinzu. In raſcher Folge trug ſie ſtets ihre Strophen vor und, in der That! mit einer ſolchen Treue, daß ſelbſt unſer geübtes Ohr keinen Unterſchied zwiſchen Nachtigall und Amſel zu entdecken vermochte. Anfangs April fing die über der Amſel im Käfige ſich befind— liche Nachtigall wieder an zu ſchlagen, und nun war es uns ſtets zweifel— haft, ob wir den Meiſter oder den Schüler hörten. Eines Morgens ertönte der Schlag, der übrigens noch immer gedämpft gehalten wurde, ſo ent— zückend ſchön, daß wir uns durch ein raſches Vorbeugen hinter dem uns bergenden Möbel hervor mit einem Blick auf die Vögel überzeugen wollten, ob auch wirklich die Amſel und nicht die Nachtigall ſänge. Dadurch er— ſchreckten wir erſtere ſo ſehr, daß ſie augenblicklich von Krämpfen befallen wurde und eine geraume Zeit darin verharrte. Von dieſem Zeitpunkt an zwitſcherte ſie nur noch ganz leiſe und gerieth faſt täglich in Krampfzuſtand. Schon nach wenigen Wochen ſahen wir uns genöthigt, dem abzehrenden Vogel das Leben zu nehmen. Was würde aus ihm geworden ſein, wenn dieſer Uebelſtand nicht eingetreten wäre! Der Schlag war noch nicht zu ſeiner vollen Entwickelung gelangt, und doch klang er ſchon ſo rein, ſo herrlich. 58 Im Sommer hörten wir einmal in einer Straße Frankfurts a. M. eine Amſel, welche einige Strophen des Nachtigallenſchlages ſehr getreu und außerordentlich voll und laut vortrug. Sie belebte die ganze Umgebung und füllte einen weiten Raum mit ihren markigen Tönen aus. Wir glauben, daß hauptſächlich Nachtſchläger unter den Nachtigallen zu Lehrmeiſtern ſich eignen. Ausgezeichnete Eigenſchaften beſitzt auch die Schwarzamſel als Wild— fang in der Stube. Zu zähmen iſt ſie zwar nicht; denn ſtets wird ſie das ſcheue, mißtrauiſche Weſen, welches ſie in der Freiheit verräth, auch in dem Käfig größtentheils behalten, allein während z. B. die Singdroſſel (wir reden hier von Wildfängen) bei Annäherung eines Menſchen ſtürmiſch hin⸗ und hereilt, ſchreit und flattert, drückt ſich die Schwarzamſel ſtill und regungslos an ein Plätzchen nieder oder verharrt in vorgebeugter Stellung, in der ſie eben die Erſcheinung wahrgenommen, unverwandt, bis dieſelbe wieder verſchwunden iſt. Dann ſpringt ſie allerdings, wenn ſie ſich noch nicht lange Zeit im Käfig befindet, unruhig auf und ab und flattert auch gegen das Gitter, aber ſie ſitzt bald wieder ſtill und benimmt ſich in der Gefangenſchaft überhaupt beſonnener, als die Singdroſſel. Auch ſchont ſie ihr Gefieder mehr als dieſe und hält ihre Füße, obgleich ſie ſich auf dem Boden des Käfigs viel aufhält, ſehr rein. Die im Winter gefangene Amſel wird nicht ſogleich, am beſten gar nicht in das erwärmte Zimmer gebracht. Ohne weitere Vorkehrungen beſonderer Art ſteckt man ſie in einen Käfig, welcher in Form und Größe mit dem der Singdroſſel über— einſtimmt, ſtellt ihr vorläufig auf den Boden des Schiebers Futter und Waſſer und läßt ſie an düſterem Plätzchen ungeſtört allein. Beſitzt man gedörrte Ameiſenpuppen in Menge, ſo ſetzt man ihr dieſe mit untermiſchtem gekochtem Fleiſch vor, wozu zum Zwecke des Anlockens einige Mehlwürmer geſellt werden mögen. Uebrigens haben wir die Erfahrung gemacht, daß die Amſel die einmal angenommenen Ameiſenpuppen nicht mehr entbehren wollte und eigenſinnig jedes andere Futter eine Zeit lang verſchmähte, ſo daß wir wirklich unſere Laſt bekamen, die bereits Trauernde nach und nach an Semmel und Möhren zu gewöhnen. Mehrere Tage hatten wir immer wieder Ameiſenpuppen unter das Futter zu miſchen, um unſeren Zweck zu erreichen. Es dürfte ſich darum empfehlen, der im Winter gefangenen Amſel ſogleich Möhrenfutter, zerſchnittene Aepfel, Beeren und dergleichen 59 mehr vorzuſetzen. Sie nimmt gewöhnlich mit Allerlei vorlieb, und es be— kommt ihr dies auch recht gut, insbeſondere das Möhren- oder Gelberüben— futter, welches mit Ausnahme der Sommermonate ihre Hauptnahrung ſein muß. Fängt man im Sommer eine alte Amſel, ſo wird ſie mit friſchen Ameiſenpuppen bis zum Herbſte gefüttert und an einem einſamen Orte vor dem Fenſter draußen oder im Hauſe ungeſtört gelaſſen. Wir haben ge— funden, daß ſie vor dem Fenſter viel unruhiger als im Hauſe iſt und auch dort weit weniger ſingt. Im zweiten Jahre und ſpäter ſingt ſie jedoch auch an der friſchen Luft ſehr fleißig. Wie ſchon erwähnt, beträgt ſich die Amſel beſonnen und umſichtig. Starr ſitzt ſie vor dem ihrem Blick aus— geſetzten Beobachter eine Viertel-, ja eine halbe Stunde, bis das zuweilen gierig betrachtete Futter den Hunger ſiegen läßt über die große Scheu und Angſt. Sie ſchlägt den Schwanz in die Höhe, „tackt“ einigemal und naht ſich zögernd dem Freßnapf. Ueber dem Freſſen aber veranlaßt ſie eine auffallende Bewegung ihres beobachtenden Beſitzers plötzlich wieder regungs— los ſitzen zu bleiben, oft in wahrhaft unbequemer Stellung. Sobald ſie ſich geſättigt hat, und Niemand von ihr in der Stube geſehen wird, beginnt ihre Unruhe und ihr Bemühen, dem Käfig zu entrinnen. Nach Verlauf von acht bis vierzehn Tagen aber läßt ſie mehr und mehr von ſolchen Verſuchen ab, fängt bald an zu zwitſchern und erhebt im April ſchon laut ihre Flötenmelodie. Wie der Geſang der Droſſel wird auch das Amſel— lied gegen Abend und ſogar noch in der Dämmerung beſonders feurig und laut vorgetragen. Wir haben eine im Winter gefangene Amſel durch Nach— ahmung ihrer Melodie im April zu einem förmlichen Wettkampf veranlaßt, wenn ſie gegen Abend laut zu ſingen begonnen hatte. Unſere Amſeln er— hielten im erſten Jahre immer auf der Hausflur ihren Standort, in dem Zimmer waren ſie durch den Verkehr zu oft geſtört, und der Geruch ihres Käfigs war uns unangenehm. Zudem nimmt ſich ihr Lied aus geringer Entfernung beſſer aus, als in unmittelbarer Nähe. Sobald Jemand in das Haus ging oder aus demſelben hinaus an dem Käfig der Amſel vorbei, ſchwieg ſie, eine Minute darauf fing ſie aber wieder an. Nur ungeſehen und im Gefühle ihrer Abgeſchiedenheit ſingt die alte Amſel im erſten Jahre ihrer Gefangenſchaft, ſelbſt in ſpäteren Jahren hält ſie eine nie zu über— windende Schüchternheit zurück, nahe bei Menſchen laut und fleißig zu ſingen. Ausnahmen mag es wohl geben, ſicherlich aber nur ſeltene. 60 Beſonders ſcheue, unzähmbare Amſeln gibt es, die nie laut fingen. Nicht ſelten hilft es, wenn ſie an einen Ort verſetzt werden, wo ſie fortwährend von tumultuirenden Erſcheinungen umgeben ſind. Wir haben überhaupt manchen Vogel in der Werkſtätte des Schuſters, Schreiners, namentlich aber des Holzdrechslers zähmen laſſen. Die im Sommer gefangene Amſel ſingt in demſelben Jahre nicht mehr laut, wohl aber leiſe, und auch im Herbſte läßt ſie ſich kurz nach der Mauſer hören. Im Winter erfreut die Amſel in der Stube durch ihr Gezwitſcher, welches häufig theilweiſe aus droſſelartigen Tönen beſteht und an Rufe und Liedertheile anderer Vögel erinnert, ſowie durch ihr leiſes Flötenlied, welches mit der Zunahme der Tage immer klarer und lauter hervor- tritt. Manche Amſeln tragen die Melodie mit beſonderer Innigkeit und mit Variationen vor, und je geſchickter ſie hierin ſind, deſto höher ſtehen ſie. Dadurch wird dem Amſelliede das Eintönige und Ermüdende benommen. Im frühen Lenz, wann draußen vor dem Hauſe höchſtens ein Buchfink ſeinen Schlag einübt, ſingt manche Amſel ſchon trotz der rauhen Luft laut vor dem Fenſter ihres Pflegers. Sie verträgt während des ganzen Winters die Kälte der Hausflur und verdaut gerade da vortrefflich. Die Ausdauer einer Amſel iſt bei guter Behandlung außerordentlich. Je ſchwärzer das Gefieder des Wildfangs draußen erſcheint, deſto älter iſt ſie. Man findet oft ſehr bedeutende Unterſchiede der mehr oder weniger intenſiven Färbung des Gefieders bei vereinigten Amſelmännchen im Winter auf Sträuchern, die noch Beeren tragen. Der Pirol. (Oriolus galbula.) Wenn man junge Pirole aufziehen will, ſo nimmt man das Neſt ſammt der Zweiggabel, an der es hängt und befeſtigt iſt. Die Jungen dürfen noch nicht zu flügge ſein, ſonſt ſperren ſie nicht gerne und vertragen die veränderte Pflege nicht ſo gut, als wenn ſie halb flügge ſind. Das beſte Futter für ſie ſind und bleiben friſche Ameiſenpuppen, denen höchſtens nur eine kleine Beigabe von eingeweichter und ausgedrückter Semmel unter— miſcht werden darf. Die Brut muß fortwährend warm gehalten werden, weshalb ſie nach der Fütterung jedesmal zuzudecken iſt. Als gefräßige Vögel geben ſie natürlich auch eine große Menge von Unrath von ſich, der 61 immer ſorgfältig entfernt werden muß, wenn die Thierchen nicht naß, ſchmutzig und krank werden ſollen. Dieſe Vögel neigen ſo außerordentlich zur Her— bergung von Ungeziefer hin, daß gewöhnlich ſchon das Neſt von Schma— rotzern heimgeſucht wird. Um ſo mehr thut Reinhaltung der Vögel in jeder Hinſicht noth. Darum vertheilt man die Jungen auch, ſobald ſie einigermaßen flugfähig geworden ſind, in verſchiedene Käfige und unterſucht öfters ihren Körper. Sobald man Schmarotzer wahrnimmt, wird der Vogel gebadet, ſorgfältig abgetrocknet und warm gehalten. Der Käfig, von der Größe des Amſelkäfigs, muß durchaus rein gehalten und mit ange— feuchtetem Sand alle zwei bis drei Tage verſehen werden. Zur Zeit wo der junge männliche Pirol allein geſetzt wird, beginnt man mit dem Vorpfeifen eines kurzen, einfachen Liedchens. Es iſt nicht nöthig, daß er ſo achtſam wie die Amſel vor Zerſtreuung bewahrt bleibe, weil er viel trägerer Natur iſt und an den Außendingen keinen ſo regen Antheil nimmt. Dem Liedchen lauſcht er jedoch bald mit großer Aufmerkſamkeit. Mitten im eifrigen Freſſen aus dem Napfe, an welchem er oft und lange ſitzt, läßt er ſich ſogleich zum geſpannten Aufhorchen bewegen, ſobald die Melodie ertönt. Dieſe haftet in ſeinem Gedächtniß recht gut, und wenn die Zeit ſeines Einſtudirens kommt, ſo macht man die Erfahrung, daß er ſich weniger, als die Amſel mit wildem Gezwitſcher befaßt und directer auf den Vortrag des Liedes ſein Streben richtet. Nur wenige ſcharf heraus— geſtoßene Töne ſind dem aufgezogenen Pirol von Natur eigen. Die Amſel bringt auch viel längere Zeit mit Einübung der Melodie hin, als der Pirol. Dieſer trägt das Erlernte, ſei es auch erſt ein kleiner Theil der Melodie, alsbald deutlicher und abgerundeter vor. Seine Stimme eignet ſich in ihrer Fülle und flötenartigen Eigenſchaft ganz beſonders zu getragenen Melodien. Kurze, rührende Volksliedchen klingen namentlich in möglichſt tiefer Stimmlage aus der Kehle des Pirol ausnehmend ſchön. Es gibt übrigens nicht wenige Pirole, die ein noch ſo kurzes Liedchen nur zum Theil pfeifen lernen, ſolche ſogar, die allen Unterrichts ſpotten und durch ihre Trägheit und Freßgier höchſt unangenehm werden. Im März beginnt die ſchwer von Statten gehende Mauſer, welche bei dieſem Vogel durch Baden und Anſpritzungen mit Wein und Waſſer befördert werden darf, jedoch hat man ſich wohl zu hüten, daß der Gebadete ſich nicht erkältet. In der Nähe des warmen Ofens wird das mit Flanell ſchon zum Theil getrocknete Ge— 62 fieder ſehr bald ganz trocken. Der Schnabel des Pirol iſt unaufhörlich beſchäftigt, die dadurch in Unordnung gebrachten Federn zu ordnen und zu glätten. Wir haben übrigens, wie bei andern ſchwer mauſernden Vögeln, auch bei der Behandlung des Pirol das Ausziehen der feſtſitzenden Federn dem Baden vorgezogen und ſind mit den Erfolgen in den meiſten Fällen vollkommen zufrieden geweſen. Die Mauſer wird durch gute Wartung des Pirol mehr, als durch künſtliche Mittel befördert; darum füttere man den gefräßigen Vogel mit kraftgebender Nahrung. Fleiſch, Ameiſenpuppen, getrock— nete Beeren, die in Waſſer erweicht werden, und Obſt aller Art machen die— ſelbe aus. Von Jahr zu Jahr färbt ſich der aufgezogene Pirol, wie der Wildling draußen, ſchöner und reiner gelb, ſo daß er im dritten Jahre eine wahre Zierde für den Käfig iſt. In Bezug auf Benehmen bietet er keine anziehende Unterhaltung dar, wiewohl er außerordentlich zahm wird. Unter den Wildfängen gibt es wenige, welche ſich in der Gefangen— ſchaft vollkommen behaglich fühlen, es ſei denn jedesmal zur Zeit, wo ſie am Freßnapf verweilen, dem ſie ganz unbändig zuſprechen. Wir haben uns immer die beſten Pirole im Sommer unter vielen Männchen einer Gegend ausgeſucht und das Neſt zu erkunden uns beſtrebt. Die Liebe der Eltern zu den Jungen iſt ſo groß, daß es nicht gerade ſchwierig iſt, erſtere beim Neſte zu fangen. Naht man ſich demſelben, jo ſchreien und umflattern einem die Eltern voller Verzweiflung und folgen dem Räuber ihrer Brut noch eine weite Strecke. Mit größeren Schwierigkeiten verbunden iſt der Fang durch Leimruthen auf Kirſchbäumen, welche ſie der Frucht halber beſuchen. Schon die Eingewöhnung des Wildfangs macht in der Regel viel zu ſchaffen. Viele trauern um den Verluſt der Freiheit ſo tief und verweigern die Annahme der Mehlwürmer und friſchen Ameiſenpuppen ſo hartnäckig, daß große Umſicht und Erfahrung dazu gehört, ſie endlich zum Freſſen zu bringen. Kein Mittel führt eher zum Ziel, als dasjenige, welches überhaupt bei Vögeln anzuwenden iſt, welche das Futter verſchmähen, nämlich ſie in ein Käſtchen zu ſetzen, auf deſſen Boden das Futter ausgeſtreut liegt, und das mit grünem Tuch überſpannt iſt. Dem Vogel kommt ſo das Futter nicht aus den Augen. Wild und ſtürmiſch beträgt ſich der Pirol noch lange, nie wird er ganz zahm, und ſelten ſingt er laut und fleißig, wie in der Freiheit. Der beſte Standort ſeines Käfigs iſt ein ſehr heller, unmittel— bar an den Fenſterſcheiben in der Stube, wie ihn die Baumlerche auch 63 ſo ſehr liebt. Das herrliche Lied, mit flötender Stimme vorgetragen, zeichnet ſich durch ſeine Fülle, Reinheit und ſeinen ächten Waldcharakter aus. Ein guter Pirol läßt drei bis vier Variationen in ſeinen melodiſchen Weiſen vernehmen. Das häßliche Krähen und Katzengeſchrei, welches in der Freiheit häufig ertönt, wird in der Gefangenſchaft von ihm nur ſelten ausgeſtoßen. Die ſchwarzköpfige Grasmücke oder der Schwarzkopf, der Mönch. (Sylvia atricapilla.) Wer das zutrauliche Weſen des Schwarzkopfs ſeinem Geſange vorzieht, der wählt unſtreitig am beſten ein vor der Mauſer gefangenes junges Exemplar, oder er zieht ſich ein Neſt voll halb flügger Jungen groß. Das Letztere hat aber ſeine bedeutenden Schwierigkeiten, weil die meiſten ſehr bald erkranken und ſterben. Man kann von Glück reden, wenn ein völlig geſundes, ſchönes und munteres Männchen als das einzige unter den Brüdern erhalten bleibt. Kein Futter kommt den friſchen Ameiſenpuppen gleich, welche jedoch vor allem Moder- und Verweſungsgeruch ſtreng behütet werden müſſen. Semmel vertragen die Thierchen nicht gut, und eine Beigabe von befeuchtender Milch fördert den Durchfall, zu dem ſie ohne dies ſo ſehr hinneigen und wo— durch ſie entkräftet werden. Das Verfahren bei der Fütterung junger Droſſeln findet im Weſentlichen auch ſeine Anwendung auf dieſe Vögel. Sicherer geht man, wenn das alte Paar ſammt den Jungen in einen geräumigen Käfig gebracht wird, wobei letztere weit geſünder und kräftiger bleiben. Die alten Vögel füttern in ziemlich kleinen Portionen und öfter, als es durch menſchliche Hand geſchieht. Ihre Sorge und Pflege um die Jungen bewähren ſich durch rührende Treue. Das Männchen trägt zuweilen den Ueberſchlag laut vor und lockt mit leiſe ſchnurrendem Pfeifton. Zitternd hält es die Flügel etwas vom Leibe und liefert die Gabe an die Sperrenden ab. Seine Liebe zu ihnen kommt der des Weibchens in den meiſten Fällen gleich. Am wenigſten droht ihnen die Gefahr des Erkrankens, wenn ſie recht flügge aus dem Neſte genommen werden, weil ſie dann im Käfige auf den Sitzſtangen Platz nehmen und ſich reinlicher halten als die unbe— hülflichen, der Erwärmung noch bedürftigen jüngeren Neſtlinge. Da aber die jungen Schwarzköpfe frühzeitig das Neſt zu verlaſſen geneigt ſind, 64 ſobald nur irgend welche Störung an demſelben oder in deſſen unmittel— barer Nähe eintritt; ſo kann man die flüggen Jungen, welche in dem dünnen und engen Neſte nicht mehr Platz genug haben und ſich auf den Neſtrand und die an denſelben grenzenden Zweige drängen, nur durch Beobachtung großer Vorſicht und ſchnell ausgeführten ſicheren Handgriff decken. Die Alten gehen, durch das Locken der Jungen bewogen, ſehr gerne auf das Springholz des Schlaggarnes. Ausgeflogene und ſelbſt— ſtändig gewordene Junge laſſen ſich durch rothe und ſchwarze Hollunder— beeren gar leicht berücken. Wer aber auf den Geſang des Schwarzkopfs das gebührende Gewicht bei ſeiner Wahl legt, der wird ſich, hat er Er— fahrung oder will er unſerem Rathe folgen, nie entſchließen können, einen jungen Vogel zu nehmen, denn ein ſolcher ſteht dem alten Wildfang weit nach. Wohl trägt der nach der Mauſer oder ſelbſt während derſelben gefangene junge Schwarzkopf bisweilen den flötenden Ueberſchlag rein und ſchön vor, aber ſein Gezwitſcher bietet weder Abwechslung noch Schönheit dar. Lohnender iſt es daher für den Kenner, welcher den Urſchlag des Vogels oben an ſtellt, ein altes Männchen zu wählen; aber auch da kann er Erfahrungen machen, welche ihn ſehr unbefriedigt laſſen, wenn er nicht ſeine Wahl auf einen vorzüglichen Schläger lenkt. In Wäldern oder Park— anlagen, wo viele Paare nebeneinander niſten, überzeugt man ſich von dem verſchiedenen Werthe der Männchen. Wie bei der Nachtigall und Droſſel, ſo iſt es hinſichtlich der Geſangsunterſchiede auch bei der ſchwarzköpfigen Grasmücke, doch ſind die Abänderungen des Ueberſchlags nur nach Gegen— den, nicht nach Gemarkungen oder Diſtricten wahrzunehmen. Reiſt man aber ſtundenweit, um Beobachtungen hierüber anzuſtellen, ſo entdeckt man je nach den Gegenden eine ganz auffallende Abwechslung des Tonſatzes im Ueberſchlag. Was den übrigen Theil des Vortrags anlangt, ſo beſteht der— ſelbe außer einzelnen Zwitſcherſtellen, die wir überall wiederfinden, in einem Gemiſch von angeeigneten Rufen, gewöhnlich nur aus Strophen-Theilen, ſel— tener aus ganzen Strophen. Je lauter, deutlicher und getreuer dieſe Nach— ahmungen ſind und je mehr ſie durch Mannigfaltigkeit und melodiſchen Klang feſſeln, deſto werthvoller erſcheint der Vogel. Das Zauken und Wettern der Schwarzdroſſel, der Ruf des Pirols, der Singdroſſel und des Raubvogels, Töne des Finken, der Lerche und des Rothkehlchens — dieſe und andere er— borgte Weiſen hört man nicht ſelten von guten Sängern täuſchend vortragen. 65 Nach derartigen Kundgebungen und nach der vollſtändigen Ausführung und mehrmaligen Wiederholung des Ueberſchlags iſt der Schwarzkopf zu wählen. Ganze Gegenden aber ſind oft an ſolchen Sängern von vorzüglichen Eigen— ſchaften arm, und man hat ſie anderwärts zu ſuchen. Der Schwarzkopf iſt aber im Frühjahr und Sommer, bei den Jungen ausgenommen, nicht zu fangen, es ſei denn, daß die Verſuche alsbald nach ſeiner Ankunft an kalten Tagen gelingen, wo er gerne die niederen Büſche und den Boden beſucht und nicht ſelten den Mehlwurm angeht. Nur zur Zeit, wo die rothen Hollunderbeeren reif ſind, fällt der Fang nicht ſchwer, wenn eine Anpöſchung des Vogels vorher ſtattgefunden hat. Ein erfahrener Vogel— kenner merkt ſich den Standort des guten Schlägers genau, und kommt oft ſehr bald zu ſeinem Ziele, wenn nicht junge Rothkehlchen, junge Schwarz— köpfe und Baumrothſchwänzchen den Fang dadurch verderben, daß ſie im Angeſichte des alten Schwarzkopfs das Zuſchlagen des Netzes veranlaſſen und dadurch ihn ſcheu und mißtrauiſch machen. Im Frühjahre gewöhnt ſich der Schwarzkopf nicht ſo leicht ein, als im Sommer und Herbſt, wo neben den friſchen Ameiſenpuppen die Beeren ihm die Annahme des Futters erleichtern. Doch ſind niemals große Schwierigkeiten zu überwinden, wenn der Beſitzer des Vogels von dem Ver— fahren, welches bei Behandlung der Nachtigall und Droſſel nöthig iſt, nicht weſentlich abweicht. Im Herbſte braucht man nur das Möhrenfutter mit einigen Beeren und etwas gekochtem Rindfleiſch vorzuſtellen, der Gefangene wird ſchon in der erſten Stunde mit großem Appetit darüber herfallen. Haſtig verſchluckt er die Beeren und daneben einen ganzen Schnabel voll Möhren, Semmel und Fleiſch. Zwei oder mehrere Männchen in einem Käfig vertragen ſich ſehr wohl, regen ſich gegenſeitig zum Freſſen an und locken, als ob ſie ihre Jungen führten. Friedlich drücken ſie ſich auf den Sitzſtangen nebeneinander an und fühlen ſich ſo, wie es ſcheint, ſicherer und behaglicher. Sie find wahre Rüben, Obſt- und Beerenvögel, gierig verſchlucken ſie große Stücke und verdauen eben ſo raſch als gut. Kein Futter bekommt ihnen beſſer, als ſolches. Im Frühjahre und Sommer iſt es freilich anders. Erſtlich ſind da die Rüben oder Möhren nicht mehr zart und friſch, und dann bedarf auch der Vogel zur Aneiferung im Geſang einer kraftvolleren Nahrung. Darum ſetzt man ihm, ſobald man es un— ausgeſetzt durchführen kann, nur friſche Ameiſenpuppen vor. Mehlwürmer Müller, Gefangenleben einh. Singvögel. 5 66 läßt er bei ſolchem Futter gerne liegen, im Winter dagegen gibt man ihm womöglich täglich einige. Für ihn wählt man Sitzſtangen von der Dicke eines kleinen Fingers. Sehr gerne legt er ſich, um zu ruhen und zu ver— dauen, mit dem Leibe auf dieſelben nieder, beugt den Kopf herab und drückt den Schwanz dicht an die Stange an. Die Bauchfedern breitet er über die Füße, ſo daß dieſe gänzlich unſichtbar werden. So nimmt er ſich aus wie ein aufgeblaſener Federball. Eine Störung läßt ihn zunächſt den Kopf heben und wach um ſich blicken, allmälig legen ſich die Federn glatt an, nur die Füße bleiben noch bedeckt und der Leib liegt noch auf. Endlich erhebt er ſich und wird völlig munter. Steht er auf um zu freſſen oder zu trinken, ſo ſtreckt er öfters zuvor einen Flügel und Fuß nach dem andern nach hinten aus, zuckt dann im Vorgeſchmack des Futters freudig mit dem Schwanz und ſpringt ſchnell, wenn auch plump und mit vorgebeugter Bruſt auf den Napf zu. Fällt ihm eine befremdende Erſcheinung auf, ſo ſträubt er die ſchwarzen Scheitelfedern und fängt an zu gätzen und dreht ſich mit dem Hintertheil hin und her. Dabei ſieht er recht ſtolz und ſchlank aus. Bei niedrigem Standpunkt ſeines Käfigs und ruhiger, ſanfter Be— handlung wird er auch nach und nach zahm, am erſten wohl dann, wenn er ſich mitten im bewegten Treiben der Hausbewohner befindet. Bei Kerzenlicht ſind die meiſten Schwarzköpfe ziemlich oder ganz ruhig, ebenſo Nachts, zumal wenn ſie längere Jahre in der Gefangenſchaft gelebt haben. Zur Zugzeit quält ſie die Unruhe lange nicht in dem Maße wie die Nachtigallen. Uebrigens machen ſich auch unter den Schwarzköpfen individuelle Unterſchiede nach dieſer Richtung hin geltend. Es iſt nicht nöthig, daß das Zimmer, in welchem der Schwarzkopf überwintert, geheizt wird, aber ſeine Lage darf doch auch nicht zu kalt ſein. Will indeſſen ſein Beſitzer zu guter Zeit den Wintergeſang des immerhin im geheizten Zimmer ſich wohler fühlenden Vogels hören, ſo ſorgt er für Erhaltung der gewöhnlichen Stubenwärme. Das eben macht ja den Beſitz des befiederten Haus— genoſſen gerade in den rauhen Wintermonaten ſo empfehlend, daß auch da ſchon ſeine, wenn auch noch gedämpfte Stimme ſich erhebt. Die meiſten Schwarzköpfe fangen erſt nach Weihnachten, viele erſt im Februar an zu ſingen. Späterhin ertönt der Ueberſchlag deutlicher und bei Getöſe ſogar ſchon laut. Im April ſingen manche ſchon ſo laut, daß die Ueber— ſchlagtour für das Ohr des Hörers in der Stube kaum zu ertragen tft. 67 Eine Verſetzung des Käfigs in die Hausflur erſcheint dann rathſam. Ende Aprils geſtattet es auch die Witterung, den Käfig mit dem Sänger vor das Fenſter zu hängen. Hier aber muß ein Ort gewählt werden, wo der Wind den Vogel nicht ſo leicht treffen und die Ungunſt der Witterung ihn nicht zu empfindlich berühren kann. An ſtillgeborgenen Plätzchen läßt er zum Ergötzen der Vorüberwandelnden ſeinen friſchen, ächten Frühlingsgeſang er— ſchallen. Sehr viele Schwarzköpfe laſſen ſich aber zu fleißigerem Vortrag bewegen, wenn ſie unter Dach bleiben, und da iſt wegen ihrer ſchallen— den Töne die Hausflur immer der Stube vorzuziehen. Je größer und geräumiger dieſe nun iſt, deſto ſchöner nimmt ſich der Geſang aus. Die Dauer der Singzeit iſt auch bei dieſem Vogel von der individuellen Neigung und Anlage abhängig, nicht aber, wie Manche es hinſichtlich der Sänger überhaupt annehmen, von dem früheren oder ſpäteren Eintritt der Mauſer. Bei weitem die meiſten Schwarzköpfe ſchweigen wochenlang vor Beginn des Federwechſels, wenige nur halten bis zu dieſer Kataſtrophe an. Es kommt freilich vor, daß die Mauſer ungewöhnlich früh eintritt, und dann kürzt ſie allerdings als abnorme Erſcheinung den Geſang ab. Eine Nachtigall z. B., welche jahrelang erſt Ende Juli's zu ſchlagen aufhörte und bald darauf regelmäßig ihre Federn wechſelte, verlor in einem Jahre ſchon unerhörter Weiſe bei uns im April ihr altes Kleid und legte bis zum Ende des Mai ein vollſtändig neues an. Natürlich wurde dadurch ihr Schlag um Monate abgekürzt. Das ſind aber Ausnahmsfälle, welche nur bei ſolchen Vögeln vorkommen, die viele Jahre im Käfige gelebt und unter dem Einfluß der umwandelnden naturwidrigen Verhältniſſe mannigfacher Art geſtanden und gelitten haben. An ſchönen Herbſttagen zwitſchern die ausgemaußerten Schwarzköpfe zum Theil noch recht anmuthig und erheben den Ueberſchlag leiſe wie im Traume. Es gibt wenige Vögel, welche in der Gefangenſchaft ſo wenige Anſprüche hinſichtlich der Wartung machen und ſo lange geſund und kräftig ausdauern, als der Schwarzkopf, und eben ſo wenige ſind deren, welche ſo leidlich und liebenswürdig unter milden, ver— ſtändigen Zähmungsbemühungen ſich betragen. Der Herbſt und der eigent— liche Winter ſind zwar die Zeiten, wo der Vogel durch Trägheit und die Neigung, ſich unter ſorgfältiger Selbſtpflege ein Fettbäuchlein anzulegen, den Beſchauer ſeines Weſens gleichgültiger läßt, wiewohl er auch da zeitweiſe ergötzt, indem er plötzlich in ſtürzendem Geflatter herüber und hinüber eilt DR 68 und fich jo recht eigentlich aus ſeiner Faulheit herausrüttelt, und ſeine Er— regung durch Sträuben der Scheitelfedern und gätzende Töne zu erkennen gibt. Während der Singzeit aber wird er lebendiger und munterer, wie— wohl er auch da niemals das heitere Leben des Inſectenfreſſers führt, welches ihn im Frühling und Vorſommer in den Kronen der Bäume als raſtloſen Hin- und Herwandernden im Vergleich zu ſeinem Herbſtleben auszeichnet, ſondern zu den ruhigen und ſtillſitzenden Stubenvögeln gezählt werden muß. Die graue Grasmücke. (Sylvia hortensis.) Noch unbefriedigter, als der aufgezogene Schwarzkopf, läßt uns dieſe aufgezogene Grasmücke, die obendrein noch ſchwerer durchzubringen iſt, weil ſie viel zarter und empfindlicher ſich zeigt und namentlich während der erſten Mauſer ſtirbt, wenn ſie auch die ihr gefährlich werdenden Spät— herbſttage glücklich überſtanden hat. Was iſt der Geſang eines ſolchen Vogels anders, als ein ganz unbedeutendes Gezwitſcher, welches durch ſeine Einförmigkeit und, wir möchten ſagen, Charakterloſigkeit wahrlich des Anhörens nicht werth iſt. Viele ſolcher Vögel zwitſchern nicht einmal, ſondern piepen nur, auch iſt ihnen die Gabe der Nachahmung verſagt, ſonſt wäre nach dieſer Seite hin vielleicht noch Erſatz zu erwarten. Warum alſo ſich der großen Mühewaltung unterziehen und das Leben eines Vogels auf das Spiel ſetzen, der nur in der Freiheit zum ächten Sänger ſich heranzubilden vermag? Bietet er doch als äußerſt träger Bewohner des Käfigs und ſtarker Freſſer auch nichts Anziehendes und Verlockendes. Selbſt die im Herbſte gefangenen ſelbſtſtändig gewordenen Jungen, welche Beeren verſchlingend und Raupen leſend Büſche, Bäume, Kraut- und Rübenländer mit den alten Grasmücken und vielfach in Begleitung des Mönchs, des Weiß— kehlchens und der Klappergrasmücke durchwandern, und die ſich mitunter ſchon im Strahle der Herbſtſonne zwitſchernd vernehmen laſſen, taugen als Sänger nun und nimmermehr. Vergeblich wartet der Beſitzer dieſer Vögel auf Beſſerung des kaum nennenswerthen Geſanges, der keine Spur von der urſprünglichen Begabung des Stimmorganes verräth. Der Winter vergeht, der Mai kommt heran, der Sommer zieht ein, und immer waltet noch die alte Armuth, Langweiligkeit und Schwäche der Töne. Nur die 69 alte graue Grasmücke iſt als Stubenvogel zu empfehlen. Ihr eilendes Gezwitſcher, ihre dahinrollenden vollen Töne, ihre flötenden Geſangspartien, welche zuweilen auffallend und täuſchend an den Ueberſchlag des Mönchs oder an einen Theil des Amſelliedes erinnern, ſind bedeutend genug, um ſie zu einem beliebten Stubenvogel zu erheben. Dazu kommt ihre Zähm— barkeit und Ausdauer im Käfige, wenn ſie einmal den erſten Winter über— ſtanden hat und die Bedingungen einer richtigen Behandlung und Pflege erfüllt werden. Aber wir müſſen geſtehen, daß der Geſang dieſer Gras— mücke nach und nach ſeiner geringen Abwechslung wegen, die ſelbſt bei vorzüglichen Sängern dieſer Art ſich geltend macht, ermüdet, um ſo mehr, da viele derſelben einen ganz außerordentlichen Fleiß bewähren und bis in den ſpäten Sommer hinein im Geſange anhalten. Ausgeſöhnt wird man freilich wieder dadurch, daß ſie es iſt, welche uns noch unterhält, während ihre Stubengefährten längſt verſtummt ſind. Auch leiſtet ſie als anregen— der Sänger der ſie umgebenden Vogelwelt treffliche Dienſte. Dennoch möchten wir ſie der Stube entlaſſen und dem Wald oder Garten über— geben wiſſen, weil ihr Geſang erſt draußen von durchgreifender Wirkung iſt. Kann man einen guten Sänger vor das Fenſter nach einem Garten hin anbringen, ſo iſt dies angenehmer, als das ewige Einerlei der in einem fortgehenden Weiſe in geſchloſſenem Raume hören zu müſſen. Um eine alte graue Grasmücke zu erhalten, muß man entweder naßkalte Tage nach ihrer Ankunft im Mai benutzen, um ſie mittels des Schlaggarns, an deſſen Zunge ein Mehlwurm befeſtigt iſt, zu fangen, oder man muß zu dem grauſamen Mittel greifen, das Männchen beim Neſte ſich anzueignen, während das Weibchen dem allerdings treulich fortgeſetzten Geſchäfte der Auffütterung ſeiner Jungen allein überlaſſen bleibt. Sicher geht der Kenner auch im Nachſommer, wenn er rothe Hollunderbeeren anwendet, um das eine oder andere noch ſingende Männchen zu berücken. Die gefräßige Grasmücke nimmt das dargereichte Futter im Käfige alsbald an, zumal wenn ihr Mehlwürmer oder friſche Ameiſenpuppen geboten werden. Aber auch gekochtes Fleiſch und untereinandergemengtes Möhren- und Semmelfutter läßt ſie nicht ſtehen. Beide Eltern füttern ihre Jungen ſehr ſorgſam im Käfig, ja das Weibchen iſt oft ſo fütterungsluſtig, daß es in ſeinen Käfig geſetzte andere junge Grasmücken ſogleich mit hungerſtillenden Gaben zu befriedigen ſucht. Sehr bald nach ſeiner Gefangennehmung läßt ſich das 70 alte Männchen Morgens in der Frühe bei unruhigem Hin- und Herhüpfen ſtrophenweiſe und zwar laut und abgebrochen vernehmen, in ſpäteren Tages— ſtunden bei ruhigem Sitzen anfangs leiſe, von Tag zu Tag aber lauter. Zu völlig lautem Vortrag wie in der Freiheit ſchicken ſich jedoch nur wenige Männchen an. Ihr Feuer wird unterhalten und angefacht durch den Genuß friſcher Ameiſenpuppen, welche ihnen im Sommer ausſchließlich ohne jede Zuthat vorgeſetzt werden. Im Herbſt reicht man ihnen rothe Hollunder— beeren und allerlei Obſt, ſelten ſchwarzen Hollunder und ſonſt nichts, als geriebene Möhren und darunter gemengte Semmel in geringer Quantität. Dieſes Futter allein gibt ſichere Bürgſchaft für die lange Erhaltung ihres Lebens und ihrer Geſundheit. Kein Vogel, ſelbſt den Schwarzkopf nicht ausgenommen, kann ſo wenig die Möhren in ſeiner Gefangenſchaft entbehren, als dieſer. Gedörrte Ameiſenpuppen, die ein den Inſectenfreſſern im Allge— meinen während des Winters unerſetzliches Futter abgeben, taugen für die graue Grasmücke nicht, eben ſo wenig darf ihr Semmel und Milch ge— reicht werden, weil ſie nur ſelten dabei ausdauert. Ihrer Gefräßigkeit wegen hat der Pfleger ihren Käfig öfter als diejenigen vieler anderer Stubenvögel zu reinigen. Sie neigt ſtark zu Fettanſatz, insbeſondere im Herbſt und Winter, weshalb ihr um ſo mehr Gelegenheit zur Bewegung in geräumigem Käfig gegeben und eine zeitweiſe Gabe zerhackter Vogel— und Eibiſchbeeren dem Futter beigegeben werden möge. Da ihre Mauſer in den Februar fällt, ſo verſteht es ſich von ſelbſt, daß ſie um dieſe Zeit, vorzugsweiſe während der Nacht warm gehalten wird. Mit ihr nimmt man künſtliche Mittel zur Beförderung des Federwechſels nicht vor, viel— mehr beſchränkt ſich der Pfleger am beſten auf gute Wartung und Erkältung verhütenden Schutz. Das Rothkehlchen. (Sylvia rubecula.) Dies allerliebſte Thierchen hat ſich mit Recht in unſerem Vaterlande den volksthümlichſten Ruf vor allen Stubenvögeln erworben. Denn nicht unter der Zuckerpflege des Salons im glänzenden, unbequemen Staatskäfige erblickt man es; nein! da, wo es ſich von jeher am liebſten eingewöhnt, in der Stube des Bauers, des Handwerkers und Taglöhners, mit welchen es in gleicher Genügſamkeit das tägliche Brod, die Kartoffeln und Käſematte 71 verzehrt, denen es gar oft mit ſeinem traulich-ſanften Gezwitſcher und feierlichen Liede die harte Arbeit verkürzt. Das Halten des Thierchens von Seiten Solcher, die vielfältig in die Stube gebannt ſind, hat eine Berechtigung. Kein Vogel gewöhnt ſich leichter an das Stuben- und Käfigleben, wie unſer zutrauliches, ſchön ge— färbtes, anmuthiges, äußerſt genügſames und ſo anſtelliges Rothkehlchen. Da iſt bei deſſen Eingewöhnung von einem ſtürmiſchen, tobenden Weſen ſelten die Rede. In die Stube oder den Nachtigallenkäfig geſetzt, betragen ſich die meiſten gleich ſo, als wären ſie ſchon Monate lang an gewohnten Plätzen. Sein anſtelliges Weſen läßt ein Widerrennen an die Fenſterſcheiben, wie es ſo viele andere Wildfänge thun, gar nicht zu. Hier in der länd— lichen Hütte ſind die Trockenleiſten über dem Ofen oder deſſen Rohr, dort die Stange des altväterlichen Bettvorhanges, da wieder Schrank, Tiſch und Stuhl, worauf das eingeſetzte Vögelchen ſogleich leicht und gewandt fußt. Mag es ſich auch eine Zeit lang, wie manchmal alte Wildfänge thun, in eine dunkle Ecke drücken und befremdet dem Treiben in der Stube zuſehen, auch anfangs nur ſchüchtern in dem Gezweige voll Pfaffenhütchen und Hollunder— beeren über dem Spiegel oder hinter dem Schranke den Zehnten nehmen oder das Trinkwaſſer in der Taſſe auf dem Schranke heimlich beſuchen; — es währt nicht lange, ſo knappt es eine nahe vorbeiſchwärmende Fliege, welcher That alsbald ein immer weiter gehender Ausflug nach Mücken an Decke und Wänden erfolgt. In kurzer Zeit hat der Vogel den oberen Theil des Zimmers vom Geziefer befreit und äugt nun, vertrauter geworden, mit ſchiefgehaltenem Köpfchen nach den Fliegen auf dem Tiſche und an den Fenſtern. Der Jagdeifer bringt das Thierchen unter Bücklingen und Wippen des Schwanzes immer weiter in die Stube herunter, bis es, auch da zu— traulicher, den Boden beſucht. Hier lieſt es die Brotkrümchen und andere Ab— fälle des Tiſches auf, entdeckt wohl auch mit den großen, aufmerkſamen Augen unvermeidliche Schmarotzer und vertilgt ſie mit Emſigkeit. So ſcheuert der niedliche Gaſt flugs Decke, Wände und Boden von den Plaggeiſtern des Sommers, zu welchem alleinigen Zwecke ihn nicht ſelten Sommers mancher Großbauer vom Handwerker oder Taglöhner fangen läßt, um ihn im Herbſte dann wieder fliegen zu laſſen. Bald ladet der Eßtiſch das Vögelchen ein, näher zu den Stubengenoſſen zu rücken, deren Haupt es der ganzen Familie als ein kleines Heiligthum anempfiehlt und durch freundliche Behandlung — 72 und Ködern von Leckerbiſſen zu dem kleinen verzogenen Liebling im Hauſe heranleitet, dem Alles dient und zu Gefallen lebt. Von nun an kommt es regelmäßig zur Eſſenszeit an den Tiſch heran, um ſich von dem Käppchen und der Haube des Elternpaares auf Köpfe und Schultern der Kinder des Hauſes zu ſchwingen und immer dreiſter ſich den Antheil von Tiſch und Schüſſel zu langen. Der kluge, aufmerkſame Pommer hat es ſchon ſeinem Herrn abgeſehen, wer das Gelittenſte im Hauſe iſt, und läßt das kecke rothe Bürſchchen unbehelligt auf ſeinem zottigen Rücken fußen, woſelbſt es ihm zum Danke für ſeine Duldung die Schmarotzer wegfängt; ſelbſt die Katze nimmt ſich ein Beiſpiel an den Andern, verleugnet ihre Räubernatur und ſchließt Freundſchaft mit dem Vogel, ja überläßt mit dem Pommer dem verwöhnten Gäſtchen die Vorkoſt aus dem Freßtroge am Ofen. Iſt es ein Wunder, wenn das Thierchen, das ſich bei allen Hausbewohnern in ein ſo lebendiges Freundſchaftsverhältniß geſetzt hat, eines Tages das freigeöffnete Fenſter zum Entwiſchen verſchmäht, wie es bisweilen ſchon geſchehen? Jeder erfahrene Vogelkenner weiß dies; man weiß eben ſo gut und jeder Vogelwirth kann es bei angemeſſener Behandlung an einem und dem andern Pfleglinge ſelbſt erfahren, daß ihm der freigelaſſene, wie dies im Vogelsberge vorgekommen iſt, zur Winterzeit an das Fenſter zurückkehrt, um Einlaß zu begehren, oder daß ein beſonders zahm und zutraulich gewordener Liebling durch's offene Fenſter frei aus- und einfliegt. Das Alles kennzeichnet unſer Thierchen nicht allein als einen der erſten Stubenvögel, ſondern es liefert auch einen ſchlagenden Beweis von ſeinem Wohlbehagen in der Gefangenſchaft. Das Leben und Verhalten des Rothkehlchens im Käfig iſt nur ſozu— ſagen ein Miniaturbild des in der Stube geſchilderten. Man gibt ihm den Nachtigallenkäfig oder ein Finkenbauer inne und reicht ihm das beſchriebene Möhrenfutter, dem man zur Abwechslung manchmal aufgequellte getrocknete oder friſche ſchwarze Hollunder- oder Vogelbeeren beimengt, läßt aber bei ſeiner Zähmung den von ihm außerordentlich beliebten Mehlwurm eine hervorragende Rolle ſpielen. Nur in ſeltenen Fällen kommt es vor, daß das Thierchen ſich nicht allſogleich in ſeine Lage ſchicken will. Gewöhnlich nimmt es bald nach dem Einſetzen in den Käfig das Univerſalfutter an, dem man zum unfehlbaren Erfolg der alsbaldigen Eingewöhnung in den erſten Tagen Mehlwürmer oder Ameiſenpuppen beimiſchen kann. Oefteres, 73 ja zeitweiſe tägliches Baden iſt ihm Bedürfniß, weshalb ihm der Badenapf eigentlich ſelten oder gar nicht entzogen werden darf. Sehr munter und geſund hält es ſich in einem geräumigen Käfige in der Stube, der durch einen Gang in der Wand oder durch einen Schieber im Fenſter mit einem Außenkäfig in Verbindung geſetzt werden kann, beſonders wenn der letztere mit Wein oder Epheu umrankt iſt, wie wir dies bei einem Freunde in der Wetterau geſehen haben. Auf den Ton, der mittels eines über einer Nuß— ſchale ausgeſpannten feinen Holzſtäbchens dem „Pit“ des Rothkehlchens täuſchend nachgeahmt wurde, kam das zutrauliche Thierchen aus ſeinem beliebten Weinlaubverſteck draußen in den Käfig der Stube herein und nahm die dargebotenen Mehlwürmer aus der Hand. Die Farbe an dem ſchon mehrere Jahre gehaltenen Vogel war ſehr friſch und ſeine Haltung, wie die eines Wildfanges, nett und hoch aufgeſchürzt. Dem Mehlwurme vor dem Sprenkel kann ſelbſt das älteſte Rothkehlchen ſelten widerſtehen, obgleich es das erfahrene an dem Kunſtgriffe nicht fehlen läßt, den Sprenkel mittels Flatterns vor dem Mehlwurme zuzuſchlagen und dann den Köder von dem Stocke zu ſchnappen. Dennoch gelang es uns einſtmals, zwei alte Exemplare, die den Mehlwurm auf dieſe Art öfters weggeſchnappt hatten, das eine am Flügel, das andere an der Zehe dadurch zu fangen, daß wir zwei Sprenkel mit den Stell— hölzern ſchief gegenüber ſtellten und den Köderſtock dazwiſchen ſteckten. Wählt man den Sprenkel als den von jedem einigermaßen Kundigen ſelbſt zu fertigenden Fangapparat, ſo muß ſtatt eines Holzes vorn am Doppelfaden ein Stück ſteifen Zunders und zum Faden ſtatt ſchneidenden Zwirnes mit Wachs beſtrichenes Baumwollengarn ge— nommen werden, damit der zartbefußte Vogel beim Fange keinen Schaden nimmt. Sicherer und ſchneller fördernd iſt hingegen das Nachtigallengarn. Im Nachſommer fangen ſich häufig ausgemauſerte junge Exemplare, beim Zuge im Herbſte erlangt man ſchon eher ältere. Das beiderſeits der roth— gelben Kehle hinziehende Blaugrau der jungen Männchen iſt bei den älteren lebhafter und mehr in's Olivengrüne ſpielend, deren Rücken und Mantel ebenfalls mehr dieſen Farbenanflug trägt. Das entſchiedenſte Merkmal für die Männchen ſind aber die dunkleren Füße. Der gewöhnliche Lockton des Rothkehlchens iſt ein feines „Pſt“, welches es Morgens und Abends beſonders häufig und mehrmals raſch hintereinander hören läßt. Bei einer 74 überraſchenden Erſcheinung und im Schreck ſtößt es ein hohes „Zieh“ aus; beim Anblick des Mehlwurmes gluckſt es behaglich und macht Bücklinge. Sein Gezwitſcher, das es, außer der Mauſer, faſt das ganze Jahr über in der Stube hören läßt, klingt gar wohlthuend träumeriſch, und die zitternde Strophe hebt ſich ſchon im Winter mit den tieferen Lauten aus dem leiſen Geſchwätze deutlich hervor. Gegen den Februar hin verſtärkt ſich das Lied, um im März theilweiſe ſchon voll und klar hervorzutreten, bis es im April in ſeiner ganzen Eigenthümlichkeit und Kraft erklingt. Gute Sänger ſetzen an das Tremulo noch eine tiefe glockenförmige Schlußtour; auch bemerkt man in dem Geſange mancher von anderen Vögeln Entlehntes. Der Charakter des Liedes iſt ein äußerſt wohlthuend friedlicher und feierlicher zu nennen. Das Rothkehlchen iſt einer derjenigen Tagſänger, deſſen Lied in der Freiheit am ſpäteſten noch in der Abenddämmerung erſchallt. Wenn Droſſel und Amſel ſchon eine Weile verſtummt ſind, ertönt die anheimelnde Weiſe des lieben Waldvögelchens noch aus den Büſchen und von den Bäumen der Heegen. Merkwürdigerweiſe verträgt ſich das im Ganzen ſo ſanft und zutrau— lich erſcheinende Rothkehlchen nicht ſonderlich mit Seinesgleichen und anderen Arten. Man hängt es deswegen womöglich gerne allein oder ſo, daß es ſeine Stubengenoſſen nicht ſieht. Zwei benachbarte Männchen feuern ſich zum fleißigſten, ausgiebigſten Geſange gegenſeitig an, der an Eindruck ſehr gewinnt, wenn mehrere Paare abwechſelnd ihn erheben. Auch bei Kerzen— licht ſingen manche ſowohl frei in der Stube als im Käfig gehaltene Männchen ausnehmend lieblich für das Gehör und unſere Einbildungskraft. Es iſt dann bisweilen, als tönten von ferne Silberglöckchen. Das Aufziehen der jungen Rothkehlchen im Mai mit friſchen Ameiſen— puppen unterliegt keinen beſonderen Schwierigkeiten. Der Pfleger erzieht auf dieſe Art einerſeits wohl die zahmſten, artigſten Stubenvögel, welche er alle an das Ausfliegen in's Freie, ſogar an ſeine Begleitung auf Aus— gängen gewöhnen kann; auf der andern Seite erhält er aber nur mittel— mäßige oder ſtümperhafte Sänger. Die Eingewöhnung der Wildlinge ver— dient jedenfalls um ſo mehr den Vorzug, als die Zähmung des Vogels in der Regel ja jo außerordentlich erfreuliche Reſultate liefert, wie das getreue Bild, das wir von ſeinem Leben in der ländlichen Hütte entworfen haben, ſprechend gezeigt haben wird. a So wollen wir denn dieſen volksthümlichſten heimathlichen Sänger allen Naturfreunden und angehenden Vogelwirthen zu liebevoller Pflege auf's Wärmſte empfohlen haben. Das Blaukehlchen. (Sylvia cyanecula.) In den letzten Tagen des März und Anfangs April erſcheinen die Blaukehlchen bei uns auf dem Zuge, und es unterliegt keiner Schwierigkeit, fie mit dem Schlaggarn zu fangen, an welchem Mehl- oder Regen- würmer befeſtigt ſind. Letztere ſichern mehr noch als erſtere den Erfolg, denn es gibt Blaukehlchen, welche mit Gleichgültigkeit den Mehlwurm be— trachten und in der Nähe des Garns Inſecten fangen oder Regenwürmer aus der Erde ziehen. Es kommt beim Fang mittels Mehlwürmern ſehr auf die Witterung an; bei vorhandenem Futtermangel wird ihnen kein Blaukehlchen widerſtehen. Man trifft die liebenswürdigen Vögel an Bach— ufern im Gebüſch, an Teichen, ſumpfigen Gräben und Wieſen, in Feld— hecken, welche an Wieſen angrenzen, und in Vorhölzern der Wälder, die ſumpfig gelegen ſind, an. Sie laſſen ſich auf das Schlaggarn zutreiben, und wenn ſie anbeißen wollen, ſo laſſen ſie ſich eine Strecke vom Garn entfernt nieder und laufen dann auf den zappelnden Wurm los. Am leichteſten fängt man ſie an einzeln ſtehenden, ſchmalen Hecken, wo ſie nicht ſeitwärts ausweichen können, wenn man ſie vor ſich hertreibt. Das gefangene Blaukehlchen benimmt ſich im Käfig artiger, als irgend ein anderer Vogel, es verlangt keinen beſonderen heimlichen Standort, braucht nicht an den Flügeln gebunden zu werden und bedarf keines ver— hüllenden Tuchs am Gitter des Käfigs. Dieſer letztere muß mindeſtens 0,75 Meter lang fein, die Napfgehäuſe nicht mitgerechnet, weil das Blau— kehlchen auf dem Boden des Käfigs gerne eine größere Strecke geradeaus läuft, auch müſſen die Springhölzer in gleicher Höhe neben einander liegen, damit ſolcher Neigung auch bezüglich dieſer Einrichtung vollſtändig ent— ſprochen wird. Der Sand des Käfigs darf nicht rauh und ungleich ſein und muß ſehr oft erneuert werden, weil die Füße des Vogels zart und empfindlich ſind und in Folge von Anſtößen und Schmutzanſätzen zu ſtarken Entzündungen und Geſchwüren neigen. Ein großer Waſſernapf in abge— ſondertem Gehäuſe wird dem Blaukehlchen täglich mit friſchem Waſſer 1 zum Baden hingeſtellt. Dadurch reinigt es ſeine Füße ſelbſt m was bejjer iſt, als wenn dies durch menſchliche Hand geſchieht. Demohnerachtet kommt es vor, daß man in die Nothwendigkeit verſetzt wird, die ſich löſenden Schuppen vorſichtig mit lauem Waſſer zu entfernen. Da zur Zeit des Zugs der Blaukehlchen noch keine friſchen Ameiſenpuppen zu haben ſind, ſo muß man mit einem großen Vorrath von Mehlwürmern verſehen ſein, will man die gefangenen Thierchen für die Stube erhalten. Das ſogenannte Univerſalfutter wird von ihnen hartnäckig verſchmäht, und in den ſeltenen Fällen, wo es angenommen wird, bekommt es ihnen gewöhnlich auch noch ſchlecht, ſo daß ſie nicht eher ganz kräftig und munter werden, bis friſche Ameiſenpuppen gegeben werden. Hunderte und Tauſende von Blaukehlchen ſtarben elend dahin, weil ihre Beſitzer es nicht verſtanden, ſie einzugewöhnen. Sie ſtellten ihnen ganze und zerſchnittene Regenwürmer vor, die ſie wohl ſogleich gierig verſchlingen, aber deren Genuß ſie auch ſicher innerhalb weniger Tage tödtet. Nichts kommt der ausgezeichneten und einzig ſicheren Behandlungsweiſe gleich, ihnen bis zum Erſcheinen der friſchen Ameiſen— puppen nur Mehlwürmer zu reichen. Man hat dann den ſchönen Lohn, ſchon nach kurzer Zeit das gefangene Blaukehlchen ſingen zu hören, denn wenige Vögel werden ſo ſchnell zahm, als das Blaukehlchen. In den erſten Tagen läuft oder ſpringt es wohl bei Annäherung des Menſchen unruhig hin und her, aber bald gewöhnt es ſich an den Anblick der Vorüberwandelnden, ſieht ſie neugierig an und läßt ſich nur dann aus ſeiner Behaglichkeit und Ruhe ſtören, wenn ihm das menſchliche Angeſicht zu nahe kommt. Den Mehlwurm nimmt es ſchon nach wenigen Wochen, wenn er nicht mehr ſeine ausſchließliche Nahrung iſt, aus der Hand ſeines Pflegers. In den Morgenſtunden hört man ſeinen eigenthümlich ſchnurrenden, aus Rufen und Strophen anderer Sänger gebildeten Geſang vorzugsweiſe. Einige ſingen auch, beſonders dann, wenn der Käfig draußen vor dem Fenſter hängt, zu jeder Stunde des Nachts. Die mondhellen Nächte regen haupt— ſächlich das Blaukehlchen zum Singen an. Die meiſten Sänger ſind aber im erſten Sommer ihres Gefangenlebens lange nicht ſo fleißig, als in ſpäteren Jahren. Zur Mauſerzeit, welche im Juli und Auguſt binnen 5 bis 6 Wochen gewöhnlich leicht von Statten geht, ſchweigen ſie ganz, nach derſelben hört man jedoch zuweilen wieder leiſes Gezwitſcher. Der Uebergang von friſchen zu dürren Ameiſenpuppen iſt keineswegs gefährlich, 77 das Blaukehlchen langt gierig zu und frißt nun auch gerne gekochtes Rind-, Kalb⸗ und zartes Schweinefleiſch. Täglich müſſen ihm aber dennoch ſechs bis acht Mehlwürmer gereicht werden. Im Herbſte und Winter iſt es ſorgfältig vor Zug, Kälte und Rauch zu behüten. Sein Käfig erhält in der Nähe des Fenſters ſeinen Standort, womöglich ſo, daß in den Früh— ſtunden einige Sonnenſtrahlen hineinfallen können; denn das Vögelchen wird durch dieſelben ungemein erheitert und belebt. Es ſchlägt das Schwänzchen ziemlich gefächert über die Flügelſpitzen empor, „tackt“ und ſpringt dann in eilendem Spiele hin und her, wippt, ruhiger geworden, mit dem Schwanze wie die Bachſtelze, an welche es auch laufend erinnert, ſteckt den Kopf durch das Gitter und blickt nach dem goldenen Morgen— himmel, dann ſetzt es ſich auf ſein Lieblingsplätzchen und maultrommelt ſeine Weiſe, ein kleiner Savoyarde. Schnurrend und pfeifend beginnt es in der Regel mit dem charakteriſtiſchen urſprünglichen Geſangestheil aller Blaukehlchen. Hieran ſchließt ſich in buntem Durcheinander, was es aus der Tonwelt anderer Vögel zufällig aufgefangen und im Gedächtniß auf— bewahrt hat. In den Sümpfen hat es den Kibitz, die Beccaſſine, den Froſch, die Ralle belauſcht, in den Wäldern die Singdroſſel und Amſel, im Felde die Lerche, im Garten die Nachtigall und Grasmücke, die Meiſe, Schwalbe und andere Sänger und Schreier. Selbſt Stimmen aus dem Hofe des Federviehs ſind manchmal einge— miſcht in das Allerlei ſeines Vortrags. Seine Stimmwerkzeuge ſind nicht bedeutend, daher vermag es volle und klangvolle Rufe und Strophen nur ſchwach und unvollkommen wiederzugeben, dagegen haben ſeine ſchwatzenden und kreiſchenden Tonpartien oft täuſchende Aehnlichkeit mit den Vorträgen der belauſchten Urheber derſelben. Unfähig iſt das Blaukehlchen, das ganze Lied eines Vogels oder größere Strophen von Geſängen vollendet vorzu— tragen. Nur kleine Stellen vermag es wiederzugeben. Immerhin aber bietet der Geſang eines Meiſters viel Unterhaltendes. Häufiger, als gute Sänger, findet man jedoch unter den Blaukehlchen mittelmäßige und ſchlechte, die nur ihres lieblichen Weſens wegen gehalten zu werden verdienen. In der That aber empfiehlt ſich das Betragen und die Schönheit des Thierchens in hohem Grade. Es gibt ſolche, welche gar keinen Stern im blauen Felde der Kehle und Bruſt tragen, andere haben einen weißen, wieder andere einen zimmtrothen. Dieſe Veränderlichkeiten laſſen weniger 78 auf das Beſtehen verſchiedener Arten, als auf Ergebniſſe äußerlich ein— wirkender Einflüſſe ſchließen. Klima und ſonſtige Gegendbeſchaffenheit, ſo— wie das Alter der Vögel mögen die Haupturſachen abweichender Erſchei— nungen in Färbung, Größe, Schnabel- und Kopfbildung ſein. Alle Blaukehlchen ſind ſchöne, flinke, zarte und ſanft ausſehende Vögel. Zutraulichkeit iſt ein Hauptzug in ihrem Charakter. Sie lernen ihren Herrn kennen und lieben, ſie begrüßen ihn mit Geſang und lebhaften Bewegungen. Schade nur iſt es, daß von Jahr zu Jahr das ſchöne Blau der Bruſt mehr und mehr verſchwindet und in Bläulichgrau übergeht. Das Pran— gende deſſelben geht ſchon durch die erſte Mauſer im Käfig verloren. Mit den Jahren wird auch das Blaukehlchen zur Kränklichkeit geneigt. Es entſtehen an den Füßen leichter Entzündungen und unten an und zwiſchen den Zehen bilden ſich Anſchwellungen, Buckel, welche gewöhnlich den Tod nach ſich ziehen. Oft hinken die armen Thierchen noch lange umher, legen ſich auf den Leib, um die ſchmerzhaften Stellen nicht zu reizen, bald aber zehren ſie ab und geben zu erkennen, daß das Uebel mit innerem Leiden in Verbindung ſteht. Dieſem Uebelſtande möglichſt vorzubeugen, haben wir unſeren Blaukehlchen immer die daumendicken Springhölzer mit Tuch umwickelt, und zwar ſo, daß wir den Tuchſtreifen mit Kleiſter oder Mehlpappe beſtrichen und nun in engem Anſchluß um das Holz legten. Durch dieſes Verfahren verhütet man den Zwiſchenraum zwiſchen Holz und Tuch, der eine Her— berge des Ungeziefers ſein würde. Im Herbſte oder Spätſommer, wo ſich die Blaukehlchen auf dem Rückzuge befinden, iſt um deswillen der Fang derſelben nicht zu empfehlen, weil man da ſelten zu einem alten Männchen gelangt. Ueberall entdeckt man nur junge, welche ſich untrüg— lich durch die gelben Flecken an den hinterſten Schwungfedern verrathen. Die alten halten ſich auf dem Herbſtzuge heimlicher, als die jungen, und laſſen ſich auch nicht ſo allerwege nieder, wie dieſe. Es hat dies ſeinen Hauptgrund in dem Reichthum von Nahrung, der geboten iſt. Im Früh— jahre muß ſchon der dürftigeren Nahrung wegen manches Plätzchen gegen die angeborene Neigung beſucht werden. Junge, im Auguſt auf dem Zuge gefangene Blaukehlchen leiſten im Geſange nur Unbedeutendes. Sie nehmen wohl das Eine und Andere der Töne in ihrer Umgebung an, aber ſind und bleiben Stümper. Die alten Blaukehlchen ſind auch in 2) ſpäteren Jahren noch fähig, Weniges zu ihrer bereits geläufigen Weiſe hinzuzulernen. Dies beſchränkt ſich aber nur auf Rufe und Locktöne. Der Zaunkönig. (Troglodytes punctatus.) Der Zaunkönig nimmt durch ſeine niedliche Geſtalt, ſein ewig heiteres Weſen und ſeinen ſchönen, für den kleinſten der europäiſchen Vögel wahr— haft bedeutenden Geſang den Freund der Vogelwelt ſo ſehr ein, daß der Wunſch, ihn in der Stube als ſtändigen unterhaltenden Gaſt zu beſitzen, natürlich erſcheint. Unſtreitig wäre er einer der beliebteſten Stubenvögel, wenn er ſich nur für die Gefaͤngenſchaft eignete und den mühevollſten Verſuchen, ihn einzugewöhnen, nicht in den meiſten Fällen mit unüber— windlichem Eigenſinn Trotz böte. Aeußerſt ſelten und faſt nur mit friſchen Ameiſenpuppen und Mehlwürmern, die ſich noch obendrein friſch gehäutelt haben müſſen, vermag der verſtändige Pfleger ihn für den Käfig zu ge— winnen. Und dieſer Käfig muß ganz beſonders hergerichtet ſein, ſonſt klemmt ſich der Kleine entweder mit dem Kopf zwiſchen den Drähten ein, oder er zwängt den ganzen Körper unter hartnäckiger Anſtrengung durch und fliegt dann gegen die Fenſterſcheiben. Eine angeborene Unruhe, welche durch das Bewußtſein, eingeſperrt zu ſein, durch das ihn beherrſchende Gefühl der Beengung noch geſteigert wird, treibt den eben Eingefangenen im Käfig unabläſſig hin und her, auf und ab. Wo ein Lichtſtreifchen durch eine Fuge fällt, probirt er mit dem pfriemenförmigen Schnabel, an dem Drahtgitter klettert er umher und macht Entrinnungsverſuche bald hier, bald da, verletzt ſich die Stirne und die Umgebung der Schnabelwurzel nach und nach ſo, daß die Federchen abgeſtoßen werden und Blut aus den Verwundungen tritt, und durch das ungeſtüme Anrennen gegen das Gitter und die Wände des Käfigs tritt ſogar Bluterguß in das Gehirn auf, wovon man ſich bei Secirung eines auf dieſe Weiſe geſtorbenen Zaunkönigs überzeugen kann. Es muß alſo ein beſonderer Käfig für ihn angefertigt werden, welcher ringsum aus Linnenwänden beſteht und nur an den Ecken haltgebende Säulen von Holz hat, von denen aus Springhölzer durch den Raum des Käfigs laufen. Drahtgitter taugt durchaus nicht, ſelbſt wenn man es mit Tuch umſpannt, weil der Vogel ungeachtet deſſen geneigt iſt, ſeinen Kopf zwiſchen die Drähte zu ſtecken. Wenn man den alſo hergerich— 80 teten Käfig jo ſtellt, daß das beobachtende Auge aus dem Hintergrund der Stube nach dem Fenſter gerichtet wird, ſo kann der Gefangene recht gut geſehen werden, ohne daß er ſelbſt ſeinen Beobachter wahrnimmt. Futter und Waſſer werden vorläufig auf den Boden des Käfigs in Näpfchen niedergeſtellt, damit Beides dem Vogel beſtändig vor Augen ſteht. Die zappelnden Mehlwürmer, welche am erſten Tage das einzige Futter aus— machen, werden einen unwiderſtehlichen Reiz auf den lüſternen Zaun— könig ausüben. Haſtig verſchlingt der Vogelzwerg ſelbſt die großen, nach— dem er ihnen einige Schnabelhiebe verſetzt und ſie in die mundgerechte Lage gebracht hat. Einen Augenblick bleibt er dann wohl ſtille ſitzen, aber in der That nur einen Augenblick, dann aber ſetzt er eifrig die Wanderung im ganzen Raume ſeines Gefängniſſes fort. Zuweilen ordnet er auch ſein verwirrtes Gefieder, doch ſchnell unterbricht die innere Unruhe, die ihn umhertreibt, auch dieſe Beſchäftigung wieder. Bald hängt er ſich oben an der Decke, bald neben an der Wand an, klettert, hüpft und fliegt ab— wechſelnd nach allen Seiten hin. Zuweilen läßt er auch einmal ſein „Zrrr . . .“ vernehmen und macht auf einem Springholz ſeine beliebten Bücklinge, indem er dabei das aufrecht ſtehende Schwänzchen noch ſtraffer anſpannt. Am zweiten Tage werden ihm ſtatt der ganzen zerſchnittene Mehlwürmer vorgeſetzt, die er ohne Zögern annimmt. Noch an demſelben Tage miſcht man ihm friſche Ameiſenpuppen unter dieſelben. Dieſe wird er jedoch anfänglich liegen laſſen oder wegſchleudern. Hat man eben aus einem Ameiſenhaufen genommene, mit einigen lebenden Ameiſen vermiſchte zur Hand, ſo entzieht man ihm die Mehlwürmer ganz und reicht ihm die Puppen. Die ſich und einzelne Puppen bewegenden Ameiſen locken den Zaunkönig an, und es erleichtert dieſes Verfahren die Annahme des noch verſchmähten Futters. Jetzt darf um keinen Preis der Vogel unbeobachtet bleiben. Will er nicht freſſen und fängt er an auffallend unruhiger zu werden, oder bläſt er gar die Federn auf und fängt an zu trauern, ſo müſſen ſofort wieder zerſchnittene Mehlwürmer in ſättigender Menge in den Käfig gebracht werden. Es dauert oft viele Tage, bis der Zaunkönig die Ameiſenpuppen annimmt, und muß das oben angeführte Verfahren unter fortwährender Beobachtung des Vogels ſo lange beibehalten werden, als die Annahme verweigert wird. Nach Erreichung des Zweckes müſſen aber täglich noch ſieben bis acht Mehlwürmer geopfert werden. Viele 81 Zaunkönige ſterben indeſſen, trotzdem ſie das Futter nicht verſchmähen. Sie ſind eben gar zu zart, können die veränderte Lebensweiſe nicht ver— tragen, leiden unter ſtürmiſchem Sehnſuchtsdrang nach der verlorenen Freiheit und reiben durch ihre Unruhe ihre Kräfte auf. Wenn im Sommer ſchon die Eingewöhnung dieſer Vögel ſo ſchwierig und mühſam iſt, wie viel häufiger muß erſt im Herbſt, Winter und Frühjahre, wo keine friſchen Ameiſenpuppen zu haben ſind, die mit aufopfernder Beſorgniß geübte Behandlung fehlſchlagen. Wer nicht große Töpfe voll Mehlwürmer beſitzt und wochenlang ſich die Mühe nicht verdrießen läßt, ſie dem kaum an die gedörrten, in lauer Milch erweichten Ameiſenpuppen zu gewöhnenden Vogel vorzuſetzen, der ſoll nie einen Verſuch machen, ihn zu fangen und in den Käfig einzukerkern. Geneigter zeigt ſich der Zaunkönig, Ameiſen— puppen ſogleich nach ſeiner Gefangennehmung zu freſſen, wenn er vorher in der Freiheit damit gefüttert worden iſt. In aufgeſtellten Meiſenkaſten kann dies tage-, ja wochenlang geſchehen. Der kleine Gaſt ſtattet ſeine regelmäßigen Beſuche ab, und läßt ſich die Gaben, die ihm draußen vor— trefflich bekommen, recht gut ſchmecken. Aber iſt nun auch wirklich die pflegende Hand, die ſorgſamſte Wartung zu dem erwünſchten Ziele gelangt, hat ſich der Zaunkönig an das ſogenannte Univerſalfutter, beſtehend in erweichten Ameiſeneiern, gehacktem Rinderherz und Hühnerei, ſowie in gequetſchtem Hanf, vollkommen gewöhnt, iſt er ſehr bald zahm geworden, ſo daß er jetzt in einen Gitterkäfig mit überall engem Verſchluß gebracht werden kann, ſo drohen ihm neue Gefahren. Viele befällt die Auszehrung gegen welche alle Mittel und noch ſo reiche und auserwählte Futtergaben erfolglos bleiben. Andere verletzen ſich am Fuße oder ſchwächen und er— müden durch Toben ihre Füße derart, daß in der Folge Beulen zum Vor— ſchein kommen, welche unausbleiblich den Tod bewirken. Wenige, äußerſt wenige nur dauern zwei, im höchſten Fall drei Jahre aus, und unter ſolchen Umſtänden erlebt man an den allerliebſten Thierchen wirklich große Freude. Zu ihrem Wohlbehagen und ihrer Neigung gemäß, ſich in dunklen Winkeln zu verkriechen, um darin Nachtruhe zu halten, baut man ihnen Doppelkäfige, welche durch runde Schlupflöcher in der Scheidewand ver— bunden ſind, und deren einer Theil die düſter gehaltene Schlafſtätte bildet. Mit der größten Genauigkeit hält der Zaunkönig ſein Schlafplätzchen inne, das er übrigens nach unſerer Erfahrung lieber im Hauptkäfig auf einer Müller, Gefangenleben einh. Singvögel. 6 82 Sitzſtange wählt. Diejenigen Zaunkönige, welche lieber in dem Hinterhauſe ſchlafen, ſind zum größten Theile aufgezogene. Sehr unterhaltend iſt aber der Zaunkönig, wenn er die ihm beſonders erbaute Schlafkammer benutzt. Der hieſige (Alsfelder) Bahnhofinſpector, Herr Hofmann, hat ſeinen Zaun— königen in große, heckenartige Käfige Felſenpartien von ſteifem Papier mit allerlei Schlupfwinkeln erbaut und das Material mit Sand überklebt, ſo daß die Thierchen bei ihren Klettertouren einen guten Halt bekamen. Wenn man Raum für derartige Anlagen hat, ſo ſind ſicherlich dem Zaunkönig Reiſigbündel und moosreiches Geſtein ſehr angenehm. Gewöhnlich wird der Zaunkönig mit Annäherung des Abends beſonders unruhig und ſpringt erregt im Tagkäfig auf und ab, ſchnellt lebhaft mit dem Schwanze, ſträubt ein wenig die Scheitelfedern, ſchüttelt das ganze Gefieder, lockt, namentlich wenn Witterungswechſel bevorſteht, oft anhaltend: „zrrrr . . . .“ und ſingt, wenn er einmal längere Zeit ſeinen Geſang gepflegt hat, ſein Abendliedchen. Dann begibt er ſich lange vor Eintritt der Dämmerung durch das Schlupf— loch auf das gewohnte Plätzchen, wo er zur Sommerzeit zuweilen noch in Abſätzen ſein Lied leiſe wiederholt, was wahrhaft rührend iſt, und ſteckt endlich das niedliche Köpfchen unter den Flügel. Es geſchieht auch, daß er ſich zu frühe zur Ruhe begibt und dann noch einmal hervorkommt, um zu trinken oder zu freſſen. Auch begibt er ſich während des Tages manch— mal in den heimiſchen Schlupfwinkel. Neugierig ſieht er aus, wenn er aus einem Schlupfloch herauslugt oder etwas, das ihm in dem Zimmer auffällig erſcheint, aufmerkſam mit Blicken verfolgt. Er kommt dicht an das Gitter, um ſich das Ding genauer zu betrachten. Einen auf dem Tiſche oder Stubenboden laufenden Mehlwurm möchte er durchaus haben. Poſſirlich iſt er da in ſeiner Erregung, die ihn allerlei Verſuche machen läßt, um die Schranken zu überſchreiten. Endlich wird ſein Wunſch erfüllt, der Leckerbiſſen wird ihm hingehalten, und pfeilſchnell bemächtigt er ſich ſeiner. Das Waſſernäpfchen dient dem Zaunkönig auch zum Baden, er thut dies oft und purrt ſehr gerne im Sande, weshalb ihm dieſer niemals fehlen darf und recht oft friſch gereicht werden muß. Einzelne Zaunkönige fangen ſchon im November, die meiſten aber erſt im Februar an zu ſingen. Zuerſt laſſen ſie ſich nur in den Frühſtunden, ſpäter bis zum Mittag, ſelten auch Nachmittags, und erſt im Sommer theilweiſe Nachmittags und Abends hören. Ihr Vortrag iſt im Käfige meiſtens ebenſo laut wie draußen 83 zu vernehmen, den Winter ausgenommen. Der Geſang hat einige Aehulichkeit im Charakter mit dem des Canarienvogels, nur klingt er ſanfter und fein— ſtimmiger. Flötende und ſchmetternde Töne bilden den kurzen, aber doch wirk— ſamen Vortrag. In der Mitte iſt ein Triller angebracht, der von guten Männchen ſich am Ende wiederholt und ſo den Schluß bildet. Erſt im Nachſommer ſchweigen die guten Sänger, und in dieſe Zeit fällt der Federwechſel. Die Baſtardnachtigall oder der gelbe Spötter. (Sylvia hippolais.) Die Baſtardnachtigall iſt ein ſo zarter, gegen rauhe Witterungs— einflüſſe ſo ſehr empfindlicher Vogel, daß es uns nicht wundern darf, wenn er in der Gefangenſchaft die aller ſorgfältigſte und aufmerkſamſte Pflege erfordert. Seine ſpäte Ankunft deutet ſchon auf dieſe Eigenſchaften hin, und wenn im Mai nach ſeinem Eintreffen kalte Nächte eintreten, ſo macht das Vögelchen am Morgen, wo ihm die Ernährung durch Inſecten ſchwer fällt, den Eindruck einer geknickten Blume. Kein Wunder auch, daß die jungen Baſtardnachtigallen äußerſt ſchwierig aufzuziehen ſind. Wendet man auch einzig und allein, was das Beſte iſt, friſche Ameiſenpuppen an, um ſie geſund und kräftig zu erhalten, dennoch bringt man ſelten das eine oder andere Junge eines Neſtes durch die mancherlei Stadien der ihnen drohenden Gefahr. Mit ſtrenger Gewiſſenhaftigkeit müſſen die Thierchen warm und trocken gehalten werden. Aber ſie ſind unruhige, gefräßige Pfleglinge, welche unangenehm ſchreien und das Neſt zu verlaſſen ſtreben. Auch neigen ſie ſehr zum Durchfall hin, den ſie bei der geringſten Erkältung ſowohl, als auch in Folge ſäuerlichen Futters oder einer Zugabe von Milch und Semmel bekommen. Täglich und ſtündlich werden ſie dann ſchwächer, elender und hinfälliger, und eine krankhafte Freßgier läßt ſie heißhungrig das Futter verſchlingen und in den Federkiel beißen. Eine förmliche Lähmung der Füße tritt ein, ſo daß die armen Vögelchen nicht mehr aufſtehen können, und dadurch Verunreinigung ihrer Federn erfolgt. Eins nach dem andern ſtirbt hin, während man vergeblich auf Mittel der Herſtellung ſinnt, deren es keine gibt. Außerordentlich zahm werden die jungen Baſtardnachtigallen, wenn man ſie glücklich großgezogen hat, und ihr Gefieder nimmt eine recht ſchöne und ſogar entſchiedenere Färbung an, als dies in der Freiheit der Fall iſt. Einen weiteren Vortheil aber wird 1 65 84 noch Niemand erzielt haben, denn keine Baſtardnachtigall, die jung aus dem Neſte genommen wurde, hat jemals das Ohr ihres Beſitzers entzückt. Um der Gefahr willen, in welcher die kleinen Geſchöpfe ſchweben, und in Rückſicht auf den unbedeutenden Geſang aufgezogener Baſtardnachtigallen hält ſich der Kenner lediglich an die Wildfänge. Leichter ſind die Jungen im Käfige groß zu ziehen, wenn man das alte Paar, das eine große Liebe zu ihnen offenbart, dieſen beigeſellt. „Deteroi“ und „Deterä“ lauten die ?od- und Warnetöne der Alten, welche fie auch in der Gefangenſchaft bei den Jungen oft hören laſſen. Gelingt es, eine ſolche Familie möglichſt früh zu erhalten, ſo kann man auch noch den Geſang des Männchens in der erſten Zeit ſeiner Betheiligung am Fütterungsgeſchäft hören. Aber auch dieſer Unternehmung können wir keineswegs das Wort reden, weil nicht allein das Leben der jungen Baſtardnachtigallen ſelbſt unter der Pflege der Eltern immer noch ſehr gefährdet iſt, ſondern auch in Bezug auf künftige Geſangesleiſtungen die Ausſichten nicht verbeſſert werden. Einen Wildfang zu erhalten, gelingt ohne beſondere Schwierigkeit nur zur Zeit der Brut. Der Fangverſuch hat in der Regel ſchon Erfolg, wenn das Paar ſein Neſt baut oder das Weibchen brütet und von dem Männchen gefüttert wird. Abgeſehen von dem Fang mit Leimruthen, gibt es noch ein anderes Mittel, beider habhaft zu werden. In der Nähe des Neſtes befeſtigt man Mehlwürmer an Zweigen, welche alsbald von den Baſtard— nachtigallen entdeckt und verzehrt werden. Allmälig gewöhnt man ſie bis zur Erde, nachdem die Mehlwürmer immer tiefer angebracht wurden. Endlich entſcheidet das Schlaggarn. Zu den Jungen haben beide Eltern ungefähr gleich große Liebe, in vielen Fällen iſt jedoch das Weibchen, in ebenſo vielen das Männchen aufopfernder und hingebender. Sonderbarer Weiſe gibt es Weibchen, welche ihre Jungen bei längerer Störung und bei Fangverſuchen verlaſſen, während dies von dem Männchen nicht zu er— warten iſt. Mit Erfolg wendet man im Mai kurz nach der Ankunft der Baſtardnachtigall auch die Leimruthen an, welche auf dem Käfige eines ſingenden und lockenden Wildfangs an ihrem Standorte angebracht werden. Hierdurch wird der Vortheil erzielt, daß der um dieſe Zeit gefangene Sänger ſich während des Mai's und Juni's in der Stube, oft ſogar recht fleißig, vernehmen läßt, vorausgeſetzt, daß man ihm fortwährend friſche Ameiſenpuppen und Mehlwürmer reicht. Dieſes Futter nimmt die Baſtard— 85 nachtigall ohne längeres Zögern im Käfige an, wie fie denn überhaupt fich zum Freſſen ſehr geneigt zeigt. Während der erſten acht oder vierzehn Tage beträgt ſie ſich noch wild und flattert ſcheu im Käfige umher. Der Beſitzer muß ſelbſt beurtheilen können, in welchen Fällen er dem Vogel zu ſeiner Erleichterung und ſchnelleren Eingewöhnung die Flügel zu binden hat. Im Allgemeinen iſt dieſes Mittel bei der Baſtardnachtigall über— flüſſig. Bald gewöhnt ſie ſich an die fremde Umgebung und neue Lebens— weiſe. Sie erwählt ſich irgend ein Springholz zum Lieblingsſitz, wo ſie ſingt oder der Verdauung in Ruhe und Behagen ſich hingibt, und wenn Jemand ihrem Käfige, ſie aufſcheuchend, nahe kommt, fliegt ſie, ein flinkes, gewandtes Vögelchen, einige Mal ſchwebend im Käfige umher, ehe ſie zum Auf- und Abſpringen Fuß faßt. Vor Ermüdung oder gar Erſchöpfung muß jetzt und ſpäter der zarte Vogel behütet werden. Beſonders nach— theilig wird ihm dieſelbe, wenn er einmal von bedeutenderem Fettpolſter umgeben iſt, zu deſſen Anlage der ſtarke Freſſer ſehr neigt, und weshalb wir auch geſtoßenen Hanf in ſeinem Winterfutter nicht empfehlen mögen. Wenn es dahin kommt, daß die geängſtete Baſtardnachtigall den Schnabel öffnet und in ſchnellen, den Leib erſchütternden Athemzügen ihre Erſchöpfung zu erkennen gibt, ſo iſt ſie mehr, als faſt alle anderen Sänger der Gefahr ausgeſetzt, krank zu werden oder plötzlich zu ſterben. Die Zähmungsverſuche ſind von ſchnellem Erfolg begleitet, und es iſt recht ergötzlich, zu ſehen, mit welcher Gier das liebliche Thierchen nach dem hingehaltenen Mehlwurm blickt, nach demſelben ſchnappt und in Eifer und Unruhe geräth, wenn er ihm eine Zeit lang vorenthalten wird. Wer beſonderes Gewicht darauf legt, den im Mai gefangenen Sänger fortwährend vor Augen zu haben und in den nächſten Wochen ihn ſchon als zahmen Vogel vor ſich zu ſehen, der kann getroſt ſogleich mit ſeinen Zähmungsunternehmungen beginnen, ohne Gefahr zu laufen, den Vogel zum Schweigen zu bringen. Daß der Geſang fleißiger und anhaltender ertönt, wenn ein ſtilles Plätzchen zum Standort des Käfigs erwählt wird, liegt in der Natur der Sache, und vorzuziehen iſt es darum, mit der vollſtändigen Zähmung bis zur Zeit des Schweigens zu warten. Am ungeſtörteſten erhebt der Vogel den Geſang, wenn ein leichtes Tuch vor den Käfig geſpannt wird, letzterer jedoch einen recht hellen Standort einnimmt. Während des Sommers wird die Baſtard— nachtigall beim Genuß des bereits erwähnten Futters geſund und munter N bleiben. Auch wird der Uebergang von dem Sommer- zu dem Winter— futter keine Schwierigkeit verurſachen, wenn nur die Möhren weggelaſſen und gedörrte Ameiſenpuppen, gehacktes Rinderherz und Hühnerei nicht ge— ſpart werden. Dagegen wird der Spätherbſt immer eine gefahrdrohende Zeit ſein, und wer nicht genau beobachtend zu Werke geht und leichtſinnig ſeinen Vogel der Erkältung ausſetzt, der verliert ihn ſicherlich. Die Nebel— ſchauer, welche Morgens durch das geöffnete Fenſter in die Stube ein— dringen, die kalte Luft, die vom Hausgang durch die Thüre weht und unmittelbar den empfindlichen Vogel berührt, ſie ſind ihm nachtheilig. Sehr wohl thut ihm dagegen die Herbſtſonne, die ihre Strahlen zur gewiſſen Tageszeit in den Käfig wirft. Deſſen freut ſich der Ermun— terte und wohlthätig Erwärmte, ſchnellt mit dem Schwänzchen, ſträubt wohl auch ein klein wenig die Scheitelfedern und erinnert dabei an ſeinen feinen, liebenswürdigen Verwandten, den großen Weidenzeiſig oder Fitis. Fliegen, welche um das Futternäpfchen ſchwärmen oder in den Käfig ſich verirren, werden von dem ächten Inſectenfreſſerſchnabel mit lautem Knappen gefangen. Doch iſt hierbei die Neigung des Sängers zu einer gewiſſen Trägheit, welche das Gefangenleben nach ſich zieht, nicht zu ver— kennen. Eine kühne Flugbewegung, um die Fliege zu erhaſchen, mag er nicht vornehmen, ſitzend ſchnappt er lieber nach der Vorbeiſchwirrenden oder der ihn Umtanzenden. Im Eifer beugt er ſich jedoch nicht ſelten ſo weit vor, daß ſeine Füße der Sitzſtange entgleiten und er genöthigt wird, die Schwingen zu gebrauchen, um möglichſt ſanft zu Boden zu kommen. Wenn das Fettpolſter nicht zu dick wird, ſo ſchadet es dem Vogel nicht, es gibt vielmehr einen Beweis für den guten Stand der Ernährung und ſein Gedeihen. Während des ganzen Winters gehört der Käfig der Baſtard— nachtigall an einen warmen Ort. Die allzu große Nähe des Ofens ſowohl wie der Zimmerdecke muß gemieden, eine gleichmäßige Wärme unterhalten werden. Rauch und Dunſt ſchaden ihr und dem Sumpfſchilfſänger unge— mein. Sind die Nächte ſehr kalt, ſo iſt ein Verhängen des Käfigs mit Tuch oder ſein Verſetzen in die Nähe des Ofens, namentlich des Porzellan— ofens, der die Wärme lange anhält und gleichmäßig abgibt, anzurathen. Eine täglich zu wiederholende reiche Gabe von Mehlwürmern darf nicht verſäumt werden. Sehr große ſind in Stücke zu zerſchneiden, damit die Anſtrengung des mühſamen Würgens verhütet werde. Die Zeit der Mauſer 87 verpflichtet zwar zu doppelter Beobachtung und Pflege, aber die Gefahr ift weit größer geſchildert worden, als ſie die Erfahrung lehrt. Hat ſich die Baſtardnachtigall unter den gewiſſenhaften Anordnungen ihres vernünftigen und theilnehmenden Freundes wohlgenährt durch den kalten Winter geſchafft und tritt während des im März ſtattfindenden Federwechſels keine Erkältung ein, wird überhaupt kein Fehler in der Wartung und Pflege gemacht, dann bleibt ſie gewöhnlich geſund und kräftig genug, um dieſe Kataſtrophe zu überſtehen, ja ſogar während derſelben ihren Geſang zu beginnen oder fortzuſetzen. Wollen einzelne oder ganze Gruppen von Federn an den Schwingen oder dem Steiß nicht ausfallen, ſo kann man ſie unbedenklich alle nach einander vorſichtig und ruckweiſe ausziehen. Da aber das Er— greifen den Vogel immer in Furcht und Schrecken verſetzt, ſo ſucht man dies Verfahren erſt anzuwenden, wenn zu erwarten ſteht, daß der Feder— wechſel an den genannten Theilen nicht von ſelbſt erfolgt. Anſpritzungen mit Wein und Waſſer können unter Umſtänden vorgenommen werden, wiewohl dieſelben hauptſächlich nur auf den Wechſel der kleineren Federn weſentlichen Einfluß haben. Von größerem Werthe zur Erhaltung der Geſundheit der Vögel überhaupt und namentlich zur Beförderung der Mauſer, als Viele glauben mögen, iſt die Anfeuchtung der Zimmerluft durch verdunſtendes Waſſer. Der Geſang beginnt entweder kurz vor oder während der Mauſer. Zuerſt vernimmt das Ohr eines Morgens leiſe ausgeſtoßene, abgebrochene Töne, nach und nach erkennt es Theile bekannter Strophen, gewiſſe Rufe, Gezwitſcher und dergleichen mehr, was alles von Tag zu Tag in größeren Zuſammenhang gebracht wird. Erſt gegen Ende Aprils oder Anfangs Mai treten die Strophen und Rufe laut und abgerundet hervor. Aber auch da noch beſchränkt ſich hauptſächlich der Geſang auf den Morgen und die erſten Nachmittagsſtunden. Sehr wenige Sänger ſind vor Ende Mai fleißig, noch wenigere laſſen ſich auch Nachts hören. Der Nachtgeſang der Baſtardnachtigall in der Gefangenſchaft gleicht dem Vortrag des Repetir— vogels unter den Nachtigallen. Nur dann läßt ſie ſich einigermaßen zuſammenhängend vernehmen, wenn man im Mai den Käfig vor das Fenſter hängt und eine milde, ſtille Mondnacht ſie anregt. Die Singzeit währt höchſtens bis zu Ende Juni. Viele Baſtardnachtigallen hören aber ſchon zu Anfang oder in der Mitte dieſes Monats auf zu fingen. Viele 88 ſind auch ihrer geringen Begabung wegen des Futters nicht werth. Es gibt ſchlechte, mittelmäßige und vorzügliche Sänger. Letztere erlangen eine höchſt ſtaunenswerthe Fertigkeit in der Nachahmung und der geſchickten Ver— bindung und Verarbeitung des Angeeigneten mit Eigenthümlichem, Urſprüng— lichem. Der Vortrag ſprudelt wahrhaft, in kurzer Zeit führt uns der intereſſante Sänger eine ganze Reihe der verſchiedenartigſten Erinnerungen an bekannte Vogelſtimmen vor. Rufe der Naubvögel, des Feldhuhns, gewiſſer Waſſervögel, der Dohle, der Schlag der Wachtel, Strophen aus dem Geſang der Grasmücken, der Droſſeln, der Schwalben, der Finken und anderer Sänger vernehmen wir zwiſchen und neben eigenthümlichen, flöten— den Tönen, die etwas Beſonderes, Charakteriſtiſches haben und durch An— muth und Schönheit den Eindruck kreiſchender und wahrhaft gemein klingen— der Geſangstheile wieder abſchwächen. Es läßt ſich ſchwerlich eine Baſtard— nachtigall ausfindig machen, die nicht hier und da ſcharfe, rauhe und gerade für die Stube ſo ſehr ungeeignete, die Gehörnerven angreifende und den feineren Geſchmack des Hörers verletzende Töne vortrüge. Dieſer Umſtand und die aufmerkſame Behandlung, welche die Baſtardnachtigall erfordert, ſowie ihre kurze Lebensdauer in der Gefangenſchaft trotz aller Pflege der beſten Art empfehlen ſie wenig als Stubenvogel. Der Sumpfſchilfſünger. (Sylvia palustris.) Ueber die Behandlung des Sumpfſchilfſängers brauchen wir nur wenig zu ſagen, da ſie mit derjenigen der Baſtardnachtigall übereinſtimmend iſt. Nur läßt ſich im Allgemeinen behaupten, daß er von noch zarterer Natur, weit ſchwieriger mehrere Jahre am Leben zu erhalten iſt, als dieſe. Haupt— ſächlich gefährlich für ſein Leben erſcheint die Zeit der Mauſer, die eben— falls in den Ausgang des Winters fällt. Wir wüßten auch durchaus kein Mittel, das die ſchwer von Statten gehende Federung weſentlich erleichtern könnte. Kommt der Vogel durch, ſo iſt dies als ein Ausnahmefall zu betrachten. Die meiſten Gefangenen ſterben, wenn nicht ſchon im Spät— herbſte oder Vorwinter, im Februar oder März. Alles, was der Beſitzer zur Erhaltung des Lebens eines Sumpfſchilfſängers thun kann, beſteht in der Beobachtung der Maßregeln, welche für die Baſtardnachtigall angegeben worden ſind. Viel beſſer iſt es aber für denjenigen Beſitzer dieſes Vogels, 89 der jedes Jahr in Beſitz neuer Exemplare geſetzt werden kann, wenn er ihm nach Ablauf der Singzeit wieder die Freiheit ſchenkt. In Gegenden, wo er nicht niſtet, ſondern nur im Mai auf dem Zuge, und zwar ſpärlich, vorkommt, hat der Vogelſteller wohl acht zu geben, daß er die wenigen Tage, wo er ſich zeigt oder hören läßt, nicht verſäumt. Im Haſel- oder Erlengebüſch läßt er ſich, obgleich noch ſchwieriger, als die Baſtardnachtigall, mit dem Schlaggarn durch Mehlwürmer berücken. Da er aber Lieblings— ſitze zum Singen ſich auserſieht, ſo wird der Vogelleim mit ſichererem Erfolge angewendet. Nicht mühſamer als die Eingewöhnung der Baſtardnachtigall iſt diejenige des Sumpfſchilfſängers. Gierig verſchlingt er die Mehlwürmer und friſchen Ameiſenpuppen. Seine Geſtalt iſt noch ſchlanker, ſeine Be— wegungen ſind geſchmeidiger und zierlicher, als bei dem vorhergehenden Sänger, und ſchneller noch fühlt er ſich im Käfig heimiſch. Davon zeugt ſein Geſang, den er bald nach ſeiner Gefangennehmung nicht blos am Tage, ſondern auch Nachts anhaltend ertönen läßt. Es gibt Sumpfſchilfſänger, die in milden Sommernächten mehr und ſchöner als am Tage ſingen. Vor das Fenſter gebracht, entzückt er den Hörer in ſtiller Nacht wahrhaft durch ſeinen Reichthum von Tönen. Was will gegen ihn die Baſtard— nachtigall ſagen? Sie ſchwatzt im Vergleich zu dieſem großen Dichter albernes Zeug und reicht nur in ihren ausgezeichnetſten Vertretern bis zu ſeiner Höhe hinan. Die vorzüglichſten Sumpfſchilfſänger werden aber nie von der Baſtardnachtigall nur annähernd im Geſange erreicht. Nicht Theile aus dem Reiche der Geſänge anderer Vögel nur trägt er vor, nein, auch ganze herrliche Geſänge, und zwar oft fertiger noch als die Meiſter, denen er dieſelben abgelauſcht hat. Wir haben Sumpfſchilfſänger gehört, welche in einem Athemzuge, wie man zu ſagen pflegt, fünfzehn, zwanzig und noch mehr Geſangstheile und ganze Geſänge und Schläge vortrugen. Mit außerordentlicher Schnelligkeit reiht ſich Theil an Theil; wie ein ſtürzendes Waldbächlein unaufhörlich murmelt in raſtloſer Eile, ſo tönt wunderbar raſch dieſes Vogels Geſang an unſerem Ohre vorüber. Wo wäre ein Sänger der bekannteren einheimiſchen Arten, welcher nicht wenigſtens durch einen Lockton uns vorgeführt würde? Und dieſe Reinheit des Tones, dieſer Silberklang, dieſe unbeſchreibliche Gewandtheit und Ge— ſchmeidigkeit im Vortrag, dieſes immer Neue und doch Bekannte, welche Zaubermittel für den feinen Hörer! Aber dennoch anders klingt die tiefende, 90 ſchmetternde oder lullende Strophe der Nachtigall aus ihrer Kehle, als aus der ſeinigen, anders der Schlag des Edelfinken von dieſem ſelbſt, anders und doch dieſelbe Melodie ſingt die Amſel. Es iſt merkwürdig, daß die Nachahmung ſich auf das Aeußerliche hauptſächlich beſchränkt. Die Em— pfindung, welche im Nachtigallenſchlag ſich ausprägt, die Frühlingsfriſche, die dem Edelfinkenſchlag eigen iſt, den elegiſchen Charakter des Amſelliedes vermag der kleine Tauſendkünſtler bei allen ſeinen trügeriſchen Fertigkeiten nicht wiederzugeben. Im Uebrigen ſtellen wir keinen Sänger der Welt ihm in Anſehung der Reproductionsbefähigung zur Seite, vorausgeſetzt, daß hier die ausgezeichnetſten Vertreter des Sumpfſchilfſängers in's Auge gefaßt werden. Denn es gibt allerdings auch ſehr mittelmäßige Sänger dieſer Gattung, welche ſich nicht blos innerhalb eng gezogener Grenzen bewegen, ſondern auch in der Ausbildung des Tones und Vortrags ſich mit ihren hochbegabten Brüdern nicht meſſen können. Seltener jedoch ſind ſolche Unvollkommene, als die Stümper unter andern Sängern. Der Sumpfſchilfſänger liebt es ſehr, wenn ſein Käfig mit gazeartigem Tuch an der Vorderſeite bedeckt iſt, und darum läßt man ihn während der Sing— zeit beſtändig verhüllt vor dem Fenſter ſtehen, wo er geſund und kräftig bleibt, ſo daß nichts zu befürchten ſteht, wenn er Anfangs Juli wieder in den Bereich der Haſelſtöcke, Erlen, Binſen und ſonſtigen Waſſerpflanzen rückſichtsvoll von ſeinem Pfleger entlaſſen wird. Der rothrückige Würger. (Lanius collurio.) Wenn irgend ein Stubenvogel den Kenner der Vogelwelt in hohem Grade befriedigt und niemals durch ſeinen Geſang ermüdet, ſo iſt es der rothrückige Würger, vorausgeſetzt, daß unter den verſchiedenen Sängern ein hervorragender ausgewählt wurde. An den aufgezogenen oder in der Jugend gefangenen Würgern erlebt man, ob ſie gleich ſehr zahm werden und allerlei Töne aus ihrer Umgebung ſich aneignen, wenig Freude. Nur der Wildfang iſt Meiſter, und zwar unvergleichlicher Meiſter. Um mit Sicherheit eine vorzügliche Wahl zu treffen, begibt ſich der Kenner ſogleich nach der Ankunft des Würgers, welche in die erſte Hälfte des Mai's fällt, an Ort und Stelle. Gewöhnlich haben mehrere Männchen neben einander in Gärten, an Rainen oder in Waldungen, vorzüglich in Vorwäldern, ihre 91 Standorte, und bald machen ſie ſich dem Auge und Ohre des Forſchenden bemerkbar, dem Ohre freilich auf verſchiedene Weiſe, indem einige nichts als Kreiſchtöne und im Zickzackfluge ein ſcharfes Gezwitſcher nach Art der erregten Rauchſchwalbe hören laſſen, andere dagegen ihren Geſang eifrig pflegen. Iſt die Gegend an guten Sängern reich — und die Erfahrung lehrt, daß es Gegenden gibt, wo faſt alle rothrückigen Würger herrlich ſingen, während andere meiſt ſchlechte aufweiſen — ſo braucht man nicht lange Beobachtungen anzuſtellen, um ſeine Wahl zu treffen. Am beſten iſt es übrigens, wenn ein ſchöner Morgen hierzu auserſehen wird. Der Fang geht in der Regel gut von Statten, wenn an der Zunge des Schlaggarns Käfer ſo angebracht werden, daß ſie ſich auffallend genug bewegen können, und dasſelbe da aufgeſtellt wird, wo der Würger ſich vorzugsweiſe gerne niederſetzt, um ſich nach Beute umzuſehen oder zu ſingen. Oft iſt auch mit einem zappelnden Mehlwurm der Zweck zu erreichen. Der Würger betrachtet einen Augenblick geſpannt die Lockſpeiſe und fliegt dann auf die Erde ganz in die Nähe des Garns, blickt von Neuem ſcharf nach dem Käfer oder Mehlwurm und rückt nun in plumpem Sprunge dicht heran, um anzubeißen. Im nächſten Augenblick deckt ihn das Garn. Wird er durch einen mißlungenen Verſuch des Vogelſtellers mißtrauiſch gemacht, ſo fängt er mitunter an zu gätzen und durch Emporſchnellen und charakteriſtiſche ſeitliche Stellung des Schwanzes ſeine Stimmung auszudrücken. An naßkalten Tagen, die den Würger empfindlich berühren und an denen er ſich ſtets niedrig an den Rändern der Gebüſche und Hecken hält, fängt man ihn am leichteſten. Sehr verſchieden iſt das Betragen der gefangenen Wildfänge im Käfig. Es gibt ſtürmiſche Vögel, welche unaufhörlich flattern und gegen das Drahtgitter anrennen, ſie müſſen durchaus in den beruhigenden Dämmer eines den Käfig verhüllenden Tuches geſetzt werden. Die erſte Speiſe, die ihnen vor— zuſetzen iſt, beſteht in Mehlwürmern und Käfern, die frei in einem Schüſſelchen ſich bewegen. Nach und nach reicht man ihm getödtete, ſpäter zerſchnittene und ſchließlich auch unter Stückchen rohen Fleiſches gemengte. Der Be— obachtung darf der Vogel in den erſten Tagen nicht entzogen werden. Hat er ſich einmal angeſchickt, gehörige Portionen Mehlwürmer und Käfer den Tag über zu verſchlucken, ſo nimmt er auch die Fleiſchbrocken an, und dann hat der Beſitzer gewonnenes Spiel. In Ermangelung von Käfern genügen Mehlwürmer; gar manche Exemplare laſſen ſich auch ſogleich an rohes 92 Fleiſch gewöhnen, von dem fie oft mehrere kleinere Brocken auf einmal hinab— würgen. Hat man es mit einem Würger zu thun, der ſich in den erſten Tagen ſchon artig beträgt und heimiſch fühlt, ſo regt ihn ein Standort in der Nähe des Fenſters, wo das Licht unmittelbar in ſeinen Käfig fällt und zu gewiſſer Tagesſtunde ſelbſt einige Sonnenſtrahlen ihn beleuchten, ſehr an, ſo daß er ſeinen Geſang leiſe vernehmen läßt. Wir haben Würger erhalten, die ſchon am dritten Tage ihres Gefangenlebens ein wenig ſangen. Andere fingen erſt nach Verlauf von 8 — 14 Tagen an. Sehr angenehm iſt es dem Fremdling in der Stube, wenn unmittelbar vor ſeinem Käfig ein Blumentiſchchen mit Pflanzen ſteht. Der gutartige Gefangene wird ſehr bald den ruhig ſitzenden Menſchen in dem Zimmer nicht mehr ſcheuen und nur durch Geräuſch und auffallende Bewegung ſich ſtören laſſen. Zur Ver— dauung und zum Singen wählt ſich der Würger ſchon in der nächſten Zeit ein beliebtes Plätzchen auf einer Sitzſtange. Während des Geſanges wechſelt er öfters auf dieſem Plätzchen ſeine Stellung, indem er ſich bald zur Rechten, bald zur Linken des Käfigs auf dem Holze durch einen Sprung wendet, bis er endlich zum bequemen Sitz gekommen iſt. In der Regel ſingt er einen Theil ſeiner erborgten Weiſen in einem Zuge in raſcher Folge. Zur Zeit, wo er arglos und eifrig ſich dem Vortrag hingibt, kramt er aber ſeinen ganzen Vorrath aus und beſchäftigt das Ohr des Beobachters durch unermüdlichen Fleiß. Staunenswerth iſt zunächſt die täuſchende Nachahmungsgabe, welche der rothrückige Würger durch hervor— ragende Repräſentanten bekundet. Er geſtaltet nicht etwa, wie die Baſtard— nachtigall, die Rufe und Geſänge anderer Vögel ſo um, daß man meinen ſollte, ſie bildeten den eignen urſprünglichen Geſang des Vogels, er ver— webt das alles nicht zu einem kauderwelſchen Liede, ſondern treu gibt er wieder, was er gehört, und ordnungsmäßig läßt er Eines nach dem Andern folgen. Eines iſt freilich nicht ſo täuſchend als das Andere, oder vielmehr nicht ſo vollendet. Hier trägt er einen kurzen Vogelgeſang präcis und fertig vor, dort nimmt er nur den Anfang oder eine Strophe aus der Mitte eines längeren Liedes, hier deutet er charakteriſtiſch nur an, da malt er förmlich aus und gibt Licht und Schatten, ſchafft vor unſerer Seele ein ganzes lebensvolles Bild. Kein Spötter vermag die Empfindung, welche ſich im Liede ausſpricht, ſo treffend wiederzugeben, als der Würger. Wohl ſteht ihm an Kraft, Reinheit und Fülle des Tones der Sumpfſchilf— 93 ſänger und auch die Baſtardnachtigall weit voran, aber ungeachtet der rauhen Begleitung, einer gewiſſen Heiſerkeit der Stimme, legt er am meiſten Seele in ſeinen Geſang. Nie haben wir z. B. das Lied des auf- und niederſchwebenden Baumpiepers in Anbetracht des hinſterbenden Diminuendo's wahrhaft reizender ſingen hören, als von einem Würger. Zur Wieder— gabe ſchmetternder Nachtigallenſtrophen oder des melodiſch flötenden Amſel— liedes reicht ſeine Stimme nicht aus, auch die Rufe der Singdroſſel ent— behren, von ſeiner Kehle gebildet, des Markigen, der Raum beherrſchenden Metallfülle; aber es weht uns doch wie aus weiter Ferne der Waldeinſam— keit der Zauber dieſer Frühlingsboten an, über die Berge kommen Lied und Ruf ſehnſuchterweckend zu uns herüber, der leiſe Ton iſt der Klang der Erinnerung, die im Dämmer und in der Ferne ihre poetiſche Weihe findet. Ja, der Würger iſt unter den Spöttern der einzig gemüthliche, wahrhaft ſinnige Sänger. Mag der Sumpfſchilfſänger immerhin noch mehr Kunſt beſitzen, in Staunen zu verſetzen, man kann ſich an ſeinem Vortrag nicht ſo behaglich erwärmen, als an den Leiſtungen ſeines Rivalen. Sehr ſtörend ſind leider gewiſſe Schreitöne, ſcharfe, rauh klingende Stellen, welche die rothrückigen Würger ohne Ausnahme mehr oder weniger in ihren Vortrag einfügen oder demſelben anhängen. Man möchte dieſe üble Eigenſchaft der Würgernatur mit Stumpf und Stiel ausrotten, und ein gewiſſer Aerger bemächtigt ſich des Hörers unwillkürlich, wenn er ſich plötzlich mitten in ſeinem andächtigen, hingebenden Lauſchen von einer wahrhaft frivol klingen— den Strophe ernüchtert fühlt. Doch nimmt man gern oder ungern dieſen Mangel mit in Kauf, wenn man ſich im Beſitz eines vorzüglichen Sängers weiß. Wahrlich, ein ſolcher Vogel ladet den Hörer und ächten Vogelkenner zu einem großen Rundgang ein. Er führt ihn im Geiſte hinauf in das Gebirge, auf die Haide, und läßt über dem Märzſchnee das Silberglöckchen der Baumlerche läuten, er ſtellt ihn in den Forſt, wo unter den Schauern des einziehenden Lenzes Amſel und Droſſel die Einſamkeit beleben. Jetzt läßt er ihn das „Trüb trüb“ des Buchfinken hören, als ob der Himmel ſich umwölkt habe und die feuchte Luft ſchon erfriſchend ihm entgegenwehe, dann wird es nach einem Strichregen wieder ſonnig, denn der helle Finken— ſchlag dringt ihm zu Ohr. Nun wieder verſetzt ihn der Rohrſänger an den Bach und den Teich, und der Kibitz in den Bereich der Wieſen; die Nachtigall lockt, ſchnalzt, knarrt, tieft und trillert im Blüthenmeere der 94 Apfelbäume, der Pieper ſteigt vor ihm in die Höhe und läßt ſich leiſe ver— hallend auf dürrem Aſte der Buche oder Eiche am Waldrande nieder; vom blühenden Dornſtrauch eines Raines im wogenden Kornfelde hebt ſich im Zickzackfluge die Dorngrasmücke mit ſommerlichem Allegrogeſang empor und kehrt endend in das Geſträuch zurück; aus dem Sommer führt der Künſtler ihn mit einemmal in den Spätherbſt, und eine Schaar ziehender Meiſen und Goldhähnchen führt er an ihm vorüber, „zihihihihi“ ruft die Blaumeiſe auf der Spitze des Birn- oder Apfelbaumes, „zivü“ und „pink“, tiefer gehend die Kohlmeiſe, es ſchnurren und klatſchen die tanzenden und gaukelnden Schwanzmeiſen, es zankt die Sumpfmeiſe, und hinten drein locken die Goldhähnchen „ſiſiſi“. Wir haben die theuren, trauten Orte der Erinnerung nicht alle genannt, an die uns der beſte Würger, den wir je beſaßen, durch feine Zaubermittel zu führen vermochte. Wenn wir ſagen, daß es nahezu 30 verſchiedene Vögel waren, denen er theils das Lied, theils Strophen, theils Rufe, theils Locktöne abgelauſcht hatte, und die er täuſchend nachahmte, ſo kann ſich der Leſer einen Begriff machen von dem Reichthum dieſer Würgerkünſte. Wir gaben ihm ſtarke Aeſte des Schwarz- und Weißdorns in ſeinen Käfig, wodurch wir nicht nur ihm ſelbſt Vergnügen bereiteten, ſondern auch ſeinen beobachtenden Zuſchauern eine angenehme Unterhaltung verſchafften. Er ſpießte oft eine ganze Reihe von Fleiſchbrocken an den Dornen an, und wann dies geſchehen war, ſo nahm er lieber von dieſen wieder einen der Biſſen weg, um ſeine Freßluſt zu ſtillen, als ſich an den Napf zu begeben. Um größere Brocken zu verſpeiſen, ſpießte er ſie an und riß kleine Stückchen ab. Dazu nahm er gerne einen Fuß zu Hülfe, wenn er merkte, daß der Brocken loszureißen drohte. Verzehrte er auf der Sitzſtange ein dickes Stückchen Fleiſch, ſo nahm er es ſtets unter die Zehen eines Fußes und bekundete dadurch ſeine Raubvogelnatur. Dornen laſſen ſich aber nur dann in An— wendung bringen, wenn der Würger längere Zeit im Käfig zugebracht hat und zahm geworden iſt, ſonſt kommt es vor, daß er ſich an denſelben die Haut verletzt oder die Füße ſchindet. Kein anderes Futter darf ihm ge— geben werden, als Käfer, Mehlwürmer, dann und wann friſche Ameiſen— puppen und als ſtändiges tägliches Hauptmahl rohes Fleiſch. Letzteres muß ihm ſtets friſch gereicht werden. Gerupfte und klein geſchnittene Vögel frißt er ſehr gerne, mit beſonderer Vorliebe das Gehirn. Nachtigallenfutter taugt Ti gar nicht für ihn, jämmerlich läßt ſich wohl unter ſolcher Wartung ſein Leben wochen- und monatelang friſten, ſicherlich aber ſtirbt er im Laufe des erſten Winters ſchon an Entkräftung. Hinſichtlich des Schutzes vor Erkältung paßt auf ihn, was bei der Baſtardnachtigall geſagt wurde, denn er iſt ein ſehr empfindlicher Vogel, der auch bei der beſten Pflege nur 2— 3 Jahre ausdauert. Sollte einmal ein Würgek in der Gefangenſchaft länger leben, ſo bildet das eine Ausnahme. Während der Mauſer, welche im Januar und Februar eintritt, iſt beſonders gute Pflege uöthig, weil viele Würger ſie nur ſchwer überſtehen und ſelbſt die geſündeſten zuweilen während derſelben ſterben. Gegen Ende der Mauſer beginnt gewöhnlich leiſe und abgebrochen der Geſang. Nächſt der Ruhe, die dem Würger fort— während gelaſſen werden muß, iſt ihm Reinlichkeit ein Erforderniß. Die Fleiſchnahrung bedingt ein tägliches oder doch zweitägliches Säubern des Schiebers und friſchen Sand, der aber nicht zu feucht ſein darf, weil der Würger Feuchtigkeit durchaus nicht liebt und verträgt. Die Feld- oder Ackerlerche. (Alauda arvensis.) Wer den Geſang dieſer Lerche im Käfig ſchon im erſten Frühjahre und Sommer ihrer Gefangenſchaft fleißig und anhaltend hören will, der muß, um ſicher zu gehen, ſchon Ende Februars oder Anfangs März auf den Fang ſich begeben. Zu dieſer rauhen Jahreszeit bemerkt man unter den Ankömmlingen noch wenige Weibchen, die übrigens der Kenner unfehl— bar an ihrer geringeren Größe, an den Sporen und dem Betragen von den Männchen unterſcheidet. Es fällt durchaus nicht ſchwer, an Plätzen, wo die Lerchen vorzugsweiſe gerne einfallen, ſie mit Leimruthen zu fangen. Gewöhnlich wird der Fang durch Schneefall oder Froſt erleichtert, wo die Thierchen die offenen Quellen aufſuchen und da ſich in großer Anzahl ſammeln. Leicht, wie der Fang, iſt die Eingewöhnung der Lerche. Wäre ſie ein bloßer Inſectenfreſſer, ſo würde man zu dieſer Jahreszeit dabei auf Schwierigkeiten ſtoßen, da ſie ſich aber auch von allerlei Sämereien und Fruchtkörnern nährt, ſo genügt es, ihr dieſe vorzuſetzen, wiewohl ihre Vor— liebe für gedörrte Ameiſenpuppen und Mehlwürmer nicht zu verkennen iſt. Es iſt indeſſen nicht zu befürchten, daß eine anfänglich mit letzterem Futter genährte Lerche bei plötzlicher Entziehung dasſelbe ſehr vermiſſen und das vorgeſtellte Samen-, Körner- oder Semmelfutter verſchmähen werde. Der ächte Vogelwirth wird jedoch die beſte Regel befolgen, indem er die Lerche ſogleich an das Nachtigallenfutter gewöhnt, dem geriebene Möhren beizu— miſchen ſind, da dieſe Wartung die Geſundheit des Vogels fördert und erhält. Gleich nach ihrer Gefangennehmung ſetzt man die Feldlerche in einen für ſie beſonders bereiteten Käfig, deſſen Einrichtung mit der des Baumlerchenkäfigs übereinſtimmt und eine recht weite Bewegung des Vogels zur Rechten und Linken geſtattet. Viele Feldlerchen ſind ſehr ſcheu und ſtürmiſch in ihrem Be— tragen und ſchlagen erſchreckt heftig an die Leinwanddecken des Käfigs an. Ihnen muß ohne Weiteres ein Flügel beſchnitten werden, was ihren Geſang nicht be— einträchtigt, wohl aber ſie vor Verwundungen an den Schwingen und vor nachtheiligen Erſchütterungen des anſtoßenden Kopfes ſchützt. Dieſelbe Rein— lichkeit iſt bei ihr zu handhaben, wie bei der Baumlerche. Friſcher ange— feuchteter und doch lockerer Sand muß ihr alle paar Tage gegeben, Waſſer in ziemlich großem Gefäße in abgeſondertem Napfgehäuſe zum Trinken und Baden täglich friſch gereicht werden. Die Sporen ſind von Zeit zu Zeit an den Nägeln zu beſchneiden, weil dieſe zu einer Länge anwachſen, welche eine Beſchädigung der Füße durch Verwickelung oder Hängenbleiben ver— urſachen kann. Wird der Käfig vor dem Fenſter angebracht, ſo geſchehe dies ſo, daß der Schieber von hinten herausgezogen werden kann, damit der Käfig nicht von dem Platze genommen zu werden braucht. Im Uebrigen iſt große Ruhe zu empfehlen und ein Standpunkt für den Käfig, der ſich durch ſeine Höhe und einen natürlichen oder auch künſtlich anzubringenden Schutz den mancherlei Störungen, welche die ſcheue, die Freiheit ſehr ver— miſſende Lerche empfindlich berühren könnten, hinreichend entzieht. Manche Lerchen laſſen gleich den Wildfängen anderer Vogelarten nicht lange auf ihren Geſang warten, andere ſind eigenſinniger und laſſen viele Wochen vergehen, ehe ſie leiſe beginnen, wieder andere ſchweigen mit unüberwind— licher Hartnäckigkeit. Werden mehrere Lerchen zugleich in einen Nothkäfig geſetzt, ſo kommt es vor, daß ein hitziges Männchen, von den Locktönen der mitgefangenen Brüder angeregt, einen Theil ſeines Liedes ſchon in den erſten Tagen ziemlich laut vorträgt. Sehr verſchieden zeigt ſich da auch das Verhalten der Männchen unter ſich. Oft ſind alle einig bis auf einen unverträglichen Hahn, der ſofort aus der Geſellſchaft zu entfernen iſt. Der Regel nach ſingen diejenigen Lerchen bald laut, welche frühe beginnen, N während die ſpät anfangenden den ganzen Sommer hindurch gedämpft ſingen. Erſtere haben den unbeſtreitbaren Vorzug, daß der Beſitzer ſich in kurzer Zeit von dem größeren oder geringeren Werthe des Sängers über— zeugt. Denn auch unter den Feldlerchen ſtufen ſich die Leiſtungen in gar mancherlei Vorzügen oder nachtheiligen Eigenſchaften des Geſanges auf das Feinſte ab, wiewohl gerade dieſen Sängern gegenüber eine feinere Unter— ſcheidungsgabe des Hörers erforderlich iſt. Der Lerchengeſang hat ſchon an und für ſich etwas Einförmiges, was ihn charakteriſirt, und wenn man nun ſo wenig glücklich geweſen iſt, ein Männchen ſich ausgeſucht zu haben, welches eines Tages dem Lauſchenden verkündigt, daß ſein Lied nichts Anderes iſt, als ein ewig fortgehendes lang— weiliges Schwirren, das nur dann und wann von einigen flötenden Tönen unterbrochen wird, ſo bedauert man ärgerlich die ſchlechte Wahl. Und wie täuſchen ſich ſo oft die unerfahrenen Lerchenliebhaber, wenn ſie unter 10 und 20 Lerchenmännchen das beſte auszuwählen meinen, beſtochen von der Größe, der Haltung, der Länge der Sporen und ſonſtigen vermeintlichen untrüglichen Anzeichen! Ein verachtetes, nach ihren Grundſätzen allem Anſcheine nach werthloſes Exemplar wird dem erſten beſten Nachbarn gegeben, vor deſſen Fenſter der verkannte Vogel durch ſein herrliches Lied vielleicht ſchon nach 814 Tagen ſeiner Verächter ſpottet. Aber welche Unterſchiede walten denn im Lerchengeſang? wird der Laie befremdet fragen. Viele und große, antworten wir, wovon ſich jeder überzeugen kann, der es verſteht, einem Vogel mit Hingebung zuzuhören. Im Allgemeinen gilt der Satz, daß die größte Mannigfaltigkeit und ſchönſte Modulation in Gebirgsgegenden gefunden wird; denn da nähert ſich der Geſang der Feldlerche demjenigen der Baum⸗ lerche. Da hört man oft ganze Strophen, die ſo lebhaft an die Baum— lerche erinnern, daß man für den Augenblick zweifeln möchte, eine Feld— lerche über ſich zu hören. Es ſoll damit den Sängern der Ebene durchaus keine Mannigfaltig— keit und Schönheit des Vortrags abgeſprochen werden, denn auch ſie hat ihre Virtuoſen und Meiſter. Aber der Vogel iſt vielfach das Kind feiner Umgebung, im Gebirgslied ſpiegelt ſich wieder ſo viel von dem ganzen Charakter der Gebirgsſänger überhaupt ab, und umgekehrt im Lied der Ebene der Grundton der Felder, Wieſen und kleinen Remiſen, daß ein Müller, Gefangenleben einh. Singvögel. 7 98 Unterſchied für das feine Ohr nicht zu verkennen iſt. Der Leſer darf hier natürlich den Unterſchied nur im großen Ganzen nehmen. Thut er dies, ſo wird er zugeben müſſen, vorausgeſetzt, daß er die Charakteriſtik unſerer Sänger überhaupt genau kennt, in der Ebene walte im Lerchengeſang als Grundton das Schwirren bei weitem mehr vor, als im Gebirge, wo Flöten— und Glockentönes denſelben verſchönern. Je reicher nun die Lerche mit klangvollen Partien ihr Lied ausſchmückt, je geſchickter fie gewiſſe Reminis— cenzen mit demſelben verwebt, je intereſſanter ihre Wendungen und ihre Formenbildungen ſind, deſto höher ſteht ihr Werth. Sie tritt in einzelnen Vertretern als ein ſo hervorragender Sänger auf, daß von einer Monotonie, die gewöhnlich dem Lerchengeſang zum Vorwurf gemacht wird, nicht mehr die Rede ſein kann. Hunderte von Lerchen hört man übrigens, ehe man einen Meiſter der Art entdeckt. Auswahl iſt alſo hier mehr, denn ſonſt, geboten. Dieſe kann aber nur geſchehen, wenn das Ohr ſtunden-, ja tage— lang prüft. Zur Zeit aber, wo die Lerche ihre volle Stimme gebraucht und den ganzen Werth ihres Vortrags offenbart, fällt der Fang nicht leicht. Ein mit Leimruthen an den Flügeln verſehenes Männchen iſt oft das einzige Mittel, den gewünſchten Sänger zum Kampf herauszufordern und ihn zu berücken. Leichter zum Ziel kommt der Vogelſteller beim Neſte mit Jungen durch das Schlaggarn oder durch Pferdehaare, welche in die im Gras oder Getreide ſichtbaren Gänge der alten Vögel gelegt werden. Von ſo ſpät gefangenen Lerchen hat man übrigens in demſelben Jahre keinen Geſang mehr zu erwarten, es ſei denn ein leiſes Gezwitſcher nach der Mauſer an ſonnigen Herbſttagen. Die meiſten Wildfänge bleiben lange Zeit ſcheu. Erſt in den Winter— monaten werden ſie vertraulicher, wenn ihr Pfleger es verſteht, mit Geduld und Ruhe ſie an ſeinen Anblick zu gewöhnen und durch Mehlwürmer an ſich zu locken. Fremde, beſonders auffallende Erſcheinungen können eine große Beſtürzung, ängſtliches Hin- und Herrennen, Emporflattern und Anſchlagen des Vogels an das Gitter oder die Säulen des Käfigs veran— laſſen. Hunde und Katzen bringen manche Lerche in wahre Verzweifelung. Der Schreck ſchnellt ſie jäh empor, dann drückt ſie ſich, wie draußen hinter eine Scholle, am Boden des Käfigs an, hart und ſchnell klopft ihr Herz, und im Blick verräth ſich unbeſchreibliche Angſt. Da, wo ſie dieſe Thiere oft oder gar täglich ſieht, werden ſie ihr gleichgültig, kommt aber ein fremder 99 Hund herein, jo lugt fie am Drahtgitter neugierig und wohl auch für ihre Sicherheit beſorgt, ſträubt die Holle, geht hoch aufgerichtet im Käfig auf und ab und verräth ihre Erregung durch ihr ganzes Betragen. Eben ſo erregt erſcheint ſie, wenn ihr Pfleger den Mehlwurm von ferne ihr zeigt: da kann ſie wahrhaft außer ſich kommen. Ueberhaupt iſt dieſe Lerche voller Leidenſchaft. Die aufgezogene, recht zahme kräht und ſchreit ihrem Pfleger häßlich entgegen, beißt heftig den dargebotenen Finger oder kühlt ihre Leidenſchaft durch Hämmern mit dem Schnabel und Zerren an dem Gitter. Außerordentlich beweglich iſt die Holle, ihre Stellung verräth den Grad der Bewegung ihres Gemüthes. Bald lüftet ſie dieſelbe nur kaum merklich, bald etwas höher, bald zur hochaufgerichteten Haube. Im Zorn ſtehen auch die Federn am übrigen Körper, wie ein aufgeblaſener Bolzen. Im Sande purrt und badet ſie ſich gerne. Ein behagliches Gefühl iſt es namentlich den Wildfängen, die Körner über den Rücken und durch die Federn rieſeln zu laſſen. Je mehr die Lerche hierzu neigt, deſto beſſer iſt es für ihre Reinhaltung. An den Füßen darf kein Schmutz geduldet werden. Zum Er— barmen ſehen dieſe oft an ſolchen Lerchen aus, die in der Stube umherlaufen. An den langen Sporen bleibt Wolle, Garn, Haare und allerlei Gewebe hängen und wickelt ſich als hemmender Knäuel um die Füße, daß dieſe krank werden oder ſich verrenken. Ob die Stube auch noch ſo reinlich gehalten werden mag, die Lerche darf nicht in ihr umherlaufen, ſie muß im Käfig bleiben. Sehr liebt die Feldlerche einen beharrlichen Standort ihres Käfigs, des— halb wechſele man denſelben nicht, mit Ausnahme des Frühjahres, wo er vor das Fenſter verſetzt wird. Weſentlichen Vortheil bringt die Ruhe. Anmuthige Scenen gibt es dann im Käfig der immer zutraulicher werden— den Lerche. Im Gefühle ihres Wohlbehagens ſpielt ſie zuweilen mit ſich ſelbſt, wie ein glückliches Kind, das vor ſich hinplaudert, eilt wie beſeſſen auf und ab, ſchwingt die Flügel, öffnet den Schnabel und lockt und piept. Lange liegt ſie aber auch im Sande und ſingt leiſe. Leiſe hebt ihr Lied mit dem beginnenden Jahre an oder auch erſt im April, und es kommt ein eigenthümlich ſommerliches Gefühl über den gemüthvollen Hörer mitten im Winterſtübchen, wenn dieſe Töne an den blauen Himmel und die wogende Saat ihn erinnern. Später wird der Geſang für die Nähe dadurch un— angenehm, daß der Tonanſatz etwas rauhe Begleitung hat, die nur durch die Ferne ſchwindet. Bei manchen Lerchen iſt es ein förmliches Schrillen, 7 * ‘ 100 welches dem Ohre wehe thut. Die frühe beginnenden Lerchen beenden ihren Geſang meiſt ſchon im Nachſommer, während die ſpäter anfangenden gewöhnlich bis tief in den September hinein ſingen und dann in die Mauſer kommen. Veränderungen treten durch Einfluß der Witterung, vorzüglich aber auch durch das Alter des Vogels ein. Auch hier zeigt ſich wieder, wie die lange Jahre in der Gefangenſchaft lebenden Singvögel ihre Sing— zeit ſowohl auszudehnen, als auch ihren Fleiß im Vortrag zu mehren geneigt ſind — ein Beweis, daß ein Heimiſch- und Glücklichfühlen des Vogels einen ſtarken Beweggrund zum Geſange bildet. Außerordentlich dankbar iſt mitunter das Aufziehen junger Lerchen oder auch das Einfangen flügger, dem Neſte entlaufener, die bereis allein freſſen. Halbflügge Junge werden unſchwer mit Semmel und Milch und einer Beigabe von friſchen Ameiſenpuppen durchgebracht, vorausgeſetzt, daß die Regeln ſtreng befolgt werden, welche beim Aufziehen junger Vögel überhaupt gelten. Die auf- gezogene oder in ihrer Jugend gefangene Lerche beſitzt die Gabe der Nach— ahmung in hohem Grade. Von faſt allen ſie umgebenden Stubenvögeln eignet ſie ſich das Eine oder Andere an. Uebrigens iſt hierzu die eine Lerche mehr als die andere befähigt. Staunenswerthe Leiſtungen haben wir an zwei Exemplaren erlebt. Vor vielen Jahren ſtehen wir Morgens in einem Städtchen, das wir auf einer Reiſe berührten, am Fenſter und finden Gelegen— heit, den Reichthum der Sänger des in der Nähe gelegenen parkähnlichen Gartens zu bewundern. Es war Anfangs Juli, und wir freuten uns, noch einzelne Strophen der Nachtigall zu hören. Wir nahmen den lauten Ueber- ſchlag des Schwarzkopfs wahr, den vollendeten Geſang des Zaunkönigs, das Rollen der Grasmücke; der Stieglitz, der Bluthänfling und der Edel— fink ſangen einen Theil ihres Liedes, es zankten und lockten die Meiſen, es zirpten die Sperlinge, und der Wendehals rief, als ob es eben erſt Frühling werden wollte. Unſere Bewunderung für den Urheber der Geſänge war, als wir erfuhren, daß in der Nähe eine Lerche im Käfig ſinge, ſo groß, daß wir dem Beſitzer keine Ruhe ließen, bis er ſie uns verkaufte. Wir brachten fie unſerem Vater als rara avis mit, gaben ihr einen geräumigen Käfig, daſſelbe Futter, welches ſie bisher erhalten hatte, und warteten acht volle Tage auf ihren Geſang. Vergeblich! Die Lerche ſchwieg, ſchwieg den ganzen Winter hindurch, ſchwieg ſogar im Frühjahre und ſtarb. Offenbar that ihr die Veränderung wehe, ob ſie gleich vorher in einem kleinen, elenden, 101 von Schmutz angehäuften Käfig ſteckte. Was thut nicht alles die liebe Gewohnheit! Eine zweite aufgezogene Lerche, die Vorzügliches leiſtete, erhielten wir von einem Dorfe. Sie trug nicht nur viele Vogelgeſänge vor, ſondern ahmte auch Töne der Hühner, Enten und ſelbſt vierfüßiger Thiere nach. Auch die Wildfänge nehmen nicht ſelten Fremdartiges in der Gefangen— ſchaft an und vermengen es mit ihrem urſprünglichen Geſange. Dies geſchieht aber mehr in den ſpäteren, als in früheren Jahren ihres Gefangenlebens. Am ſchönſten ſingen immer reinerhaltene Wildfänge, die mit Sorgfalt aus— gewählt werden. Die Baumlerche. (Alauda arborea.) Es war im April des Jahres 1865, als durch hohen Schneefall die Baumlerchen in der Gegend Alsfeld's in eine ſehr beklagenswerthe Lage verſetzt wurden. Ueberall, auf den Wegen nach den umliegenden Ortſchaften, in dieſen ſelbſt und ſogar auf den Straßen der Stadt hörten wir über uns die lieblichen Locktöne umherirrender Trüppchen dieſer edlen Sänger. Sie ſahen ſich in hoher Luft nach entblößten Stellen um, und da dieſe nur auf Miſtſtätten der Ortſchaften zu entdecken waren, ſo ließen ſich manche geradezu innerhalb des bewegten Treibens nieder. Viele wurden bald ſo elend, daß zu befürchten war, ſie würden alle nach einander ſterben müſſen, und es werde unſere an Lerchen ſo reiche Gebirgsgegend an dieſen liebens— würdigen Bewohnern nun gänzlich verarmen. Fütterungsplätze wurden zwar von manchem mitleidigen Freunde der Vögel eingerichtet, aber theils ſtreute man für die Baumlerchen nicht geeignetes Futter aus, theils zeigte man ſich in der Anlage ſolcher Plätze höchſt unpraktiſch. Da fanden auf der außerhalb der Stadt liegenden Beſitzung eines Bierbrauers die hungernden Thierchen genügende Nahrung. Eine Wieſe, welche rings von Hecken ein— gefriedigt war, wurde großentheils vom Schnee entblöſt, und was von Malzabfällen nur entbehrt werden konnte, ſtreute die rettende Hand aus. Maſſenweiſe ließen ſich Sperlinge, Goldammern, Finken, Feldlerchen und auch Baumlerchen auf dem Futterplatz nieder. Letztere kamen in kleinen Trüppchen an und ſtiegen oft aus bedeutender Höhe in bogenförmigen Ab— 9 ſätzen herab, ſich gegenſeitig durch den öfters wiederholten Lockton führend und lenkend. Die auf dem Boden ſitzenden und laufenden Lerchen lockten und antworteten den in der Luft vorüberziehenden, und ſo ward bald den Baumlerchen weit und breit die Wieſe an der Brauerei das Ziel ihrer täglichen Wanderungen. Doch traten mancherlei Uebelſtände auf. Es fiel neuer Schnee, der das Futter begrub und neue Bemühungen nöthig machte, es kamen die auf dem Zuge befindlichen Raubvögel und ſtießen auf die bunte Vogelſchaar, faſt niemals ohne Beute davon fliegend. Wir ſahen uns alſo veranlaßt, möglichſt viele Baumlerchen zu fangen, um fie bei ein- tretendem mildem Wetter wieder fliegen zu laſſen. Eine große Menge er— hielten wir denn auch nach und nach mittels Leimruthen und gaben die edlen Sänger ſpäter der Haide und den Wäldern wieder. Einige muntere recht kräftig gebaute Männchen wurden zurückbehalten. Allen banden wir ſorgfältig die Flügel, mit Ausnahme der wenigen, die wir in Käfigen unter— bringen konnten, und ließen ſie im Zimmer umherlaufen. Sobald ſie darin losgelaſſen waren, ſträubten ſie ihre Scheitelfedern, liefen ſtolz aufgerichtet einher und begleiteten eine gewiſſe kokett ausſehende Schwenkung des Hinter— theils mit dem melodiſch klingenden Lockton. Sie nahmen allerlei Säme— reien, geſchälten Hafer, Semmelkrumen, vorzüglich gern aber gedörrte Ameiſenpuppen an. So fütterten wir 20 bis 30 Stück, ergötzten uns an ihrem liebenswürdigen Benehmen und ſtellten unſere Beobachtungen an ihnen an. Wenn durch ein offenſtehendes Fenſter der Lockton vorüber— ziehender Brüder hereindrang, ſo konnte man die plötzliche Erregung der lebhafteren Männchen in der Stube wahrnehmen, und der antwortenden Lockſtrophe wurde dann gewöhnlich noch eine aus haſtig ausgeſtoßenen wenigen Tönen beſtehende zweite Strophe angehängt. Die wenigen Weibchen, welche ſich unter ihnen befanden, hielten ſich ſtill, und erinnerten durch ihre krummrückige Haltung während der Aufnahme des Futters nicht wenig an unſere Wachtel, während die Haltung der Männchen edler, geſtreckter und aufrechter erſchien. Sie zeichneten ſich auch mit Ausnahme einiger ſogenannten verkommener Exemplare durch ihre hervorragende Größe vor den Weibchen aus. Verträglich lebten ſämmtliche Baumlerchen in der Stube ſowohl wie in den Käfigen, und alle befanden ſich unter der gegen— wärtigen Pflege und Wartung bis zu ihrer ſchon nach 8 Tagen erfolgen— den Freilaſſung ſehr wohl. Die Folge unſeres Verfahrens war die, daß 103 unſere Berge den Sommer über trotz der vielen den ſtrengen Witterungs— einflüſſen draußen erlegenen Baumlerchen vom Liede dieſer Sänger herrlich belebt wurden. Wir behielten für uns drei auserleſene Männchen, von denen wir das Beſte erwarten zu dürfen glaubten. Eines derſelben, ein ſehr gedrungen geſtaltetes mit auffallend dickem Kopf und breiter Schnabelwurzel und von ent— ſchieden dunklerer Färbung, als die anderen, gaben wir auf dringende Bitten jedoch wieder weg. Unſere beiden Männchen erhielten 0,75 Meter lange Käfige mit daran grenzenden Häuschen für die Näpfe, ohne Sitzſtangen und Bretterwand. Den einen Käfig brachten wir an einem ſicheren Orte vor dem Fenſter, den andern nahe am Fenſter im Zimmer an. Das Futter, welches wir ihnen reichten und das ihnen vollkommen gut bekam, war das für die Nachtigall beſchriebene, bekannte Winterfutter. Am frühen Morgen lockten die Thierchen immer ſehr viel, vorzüglich dann, wenn die Strahlen der Sonne in den Käfig fielen. Sie liefen dicht am Gitter her, blickten gerne nach dem ſonnigen Himmel und ſetzten ſich ſchließlich in den Sonnen— ſchein, purrten im Sande oder ſonnten ſich in behaglicher Ruhe. Sie hielten ihre Lieblingsplätzchen mit großer Vorliebe inne. Es vergingen mehrere Wochen, ohne daß wir etwas von ihrem Geſang gehört hatten. Da ward uns gemeldet, daß die verſchenkte Baumlerche bisher von ihrem Be— ſitzer ſehr nachläſſig behandelt worden ſei. Wir überzeugten uns ſofort ſelbſt von dem Thatbeſtand und fanden ſie in einem kleinen Käfig im Hofe ihres Beſitzers als Genoſſin einer Ackerlerche furchtbar verwahrloſt. Haufen von Schmutz, ungeeignetes Futter, naſſer Boden, ſchwere Klumpen von erhärtetem Koth und Sand an den Zehen — das waren die untrüglichen Zeugen einer barbariſchen Verpflegung. Schon eine Viertelſtunde darauf lief das Thierchen, von allen Hinderniſſen und nachtheiligen Umſtänden erlöſt, bei uns in einem andern Käfige munter auf und nieder. Es war uns erzählt worden, daß ungeachtet der Mißhandlung dieſe Baumlerche faſt den ganzen Tag über geſungen habe. Schon am nächſten Morgen fanden wir die Wahr— heit der Ausſage beſtätigt; denn der Vogel ſang, wenn auch leiſe, doch herrlich und ziemlich anhaltend. Wir hatten den Käfig vor das Fenſter in die Nähe der anderen in unſerem Beſitz befindlichen Baumlerchen gehängt. Der Mai brachte friſche Ameiſenpuppen in Menge. Nur mit dieſen und ſelten hingeſtreutem Samen fütterten wir nun unſere drei Baumlerchen. Nicht lange, jo ſangen auch die ſeither ſtumm geweſenen leiſe, vorzugsweiſe aber nur Morgens früh und Nachmittags von vier Uhr an. Keine der beiden hatte aber auch nur annähernd ſolchen Klang der Töne, ſolchen Ausdruck im Vortrag, ſolche Abwechslung und intereſſante Wendungen und Stellen, ſolche Erinnerungen an andere Vogelgeſänge, die jedoch vollſtändig im Un— klaren ließen, ob ſie wirkliche Nachahmungen oder Eigenthümlichkeiten des Baumlerchengeſanges wären, als die neu hinzugekommene. Wir überzeugten uns aber bald, daß der beſte Stand des Käfigs in der Stube unmittelbar vor den Fenſterſcheiben war. Wir kehrten alſo das vordere Gitter den Scheiben zu und öffneten nur den einen oberen Fenſter— flügel. Von dem Tage an, wo dies geſchah, ſang die vortreffliche Lerche zu gewiſſer Zeit, wo ſie durch etwas Lärm ermuntert war, herrlich laut, während die beiden andern bei demſelben Verfahren, obgleich fleißiger als vorher, doch niemals laut ſich hören ließen. Weniger durch dieſen Umſtand veranlaßt, als vielmehr wegen ihres wenig feſſelnden, einförmigen Vortrags ließen wir ſie fliegen. Unſer trefflicher Meiſter aber unterhielt uns gar manche Stunde des Tags. Nachts hörten wir ſie niemals, was mit der Erfahrung im Allgemeinen übereinſtimmt, daß die Baumlerche erſt im zweiten Sommer ihres Gefangenlebens zum Nachtſchläger wird. So oft wir den Käfig an einem Platz anbrachten, von dem aus das Himmelslicht nicht in denſelben unmittelbar hereinleuchtete, ſchwieg die Lerche hartnäckig und zeigte viel Unruhe. Kaum aber hatten wir ſie nach mehrtägiger Probe an der Wand im Innern der Stube an das Fenſter zurückverſetzt, ſo ver— nahmen wir wieder ihre ſüße Stimme. Freudig rannte das neubelebte Vögelchen hin und her, hielt inne, blickte mit ſchief gehaltenen Köpfchen nach dem Himmel, lockte, rannte wieder hin und her und trieb ſo das kindiſch ausſehende Spiel eine Zeit lang fort. Im Nachſommer überſtand ſie die Mauſer ſehr leicht, erhielt ein ſehr volles, geſundes Gefieder, fing nach derſelben oder vielmehr noch während derſelben wieder leiſe an zu ſingen und — wurde zu unſerem Leidweſen von einer fremden Katze, die ſich eingeſchlichen hatte, geraubt. Es dauert ziemlich lange, bis die Baumlerche ganz zahm wird. An das täglich ſich wiederholende Treiben unter ihrem Käfig gewöhnt ſie ſich zwar bald und läßt ſich dadurch auch wenig im Singen ſtören, aber den dicht an ſie herantretenden Menſchen fürchtet ſie noch lange Zeit. Hart flattert ſie an die Leinwanddecke ihres Käfigs an und ſtürzt wild und ſcheu 105 von einer Ecke zur andern oder verkriecht ſich im Napfgehäuſe. Die ſchwer zähmbaren Gefangenen müſſen aus dieſem Grunde an einem der Flügel beſchnitten werden. Auch ſind Vorkehrungen an den Napfgehäuſen derart zu treffen, daß die Lerche nicht auf das Futter treten kann, weil ſonſt der Fuß beſchmutzt und der Freßnapf verunreinigt wird. Eine Oeffnung, durch welche die Lerche bis an die Bruſt bequem eindringen und ſo mit Leichtig— keit an das Futter gelangen kann, genügt. Dadurch erhält man ſie gar nett und ſäuberlich, zumal wenn ihr während der Woche mindeſtens zwei bis dreimal friſcher, etwas angefeuchteter Sand gegeben wird. Reinlichkeit iſt eine Grundbedingung ihrer Geſundheit und ihres Wohlbehagens, wovon ja auch das fleißige Singen abhängt. Sollte ſich an einer Zehe ein Knöllchen Schmutz anſetzen, ſo muß es ſofort in lauem Waſſer gelöſt werden. Streng zu be— wachen ſind alle Fugen und Ritzen des Käfigs, um keine Läuſe aufkommen zu laſſen, nicht weniger der Vogel ſelbſt. Ungeziefer iſt überhaupt mehr zu verhüten, als durch beſondere künſtliche Mittel zu entfernen. Da, wo dieſes überhand nimmt, hat man Nachläſſigkeit in der Pflege oder falſche Behandlung, in vielen Fällen auch als Urſache Kränkeln des Vogels zu vermuthen, wiewohl letzteres auch Folge der Schmarotzerplage ſein kann. Während der Mauſer, die im erſten Jahre von der Baumlerche oft ſchwer überſtanden wird, iſt doppelt gute Pflege erforderlich. Friſche Ameiſenpuppen ſind auch für ſie das förderndſte Mittel. Diejenigen, welche in der Stube einzelne große Federn der Flügel und des Schwanzes nicht verlieren wollen, werden zuweilen in friſcher Luft vor dem Fenſter dazu gebracht, wo nicht, ſind ſie der Operation des gewaltſamen, aber vorſichtigen Ausziehens der zu feſtſitzenden alten Federn zu unterwerfen. Nach vollendetem Federwechſel gewährt man zur Beluſtigung und zur Stärkung ihrer Geſundheit dieſer Lerche jeden Tag den Genuß der friſchen Luft und der Herbſtſonnenſtrahlen, in denen ſie ſich außerordentlich gerne förmlich badet. Im Winter bedarf ſie keiner beſonderen Wärme, aber ein greller Wechſel der Temperatur iſt ihr wie den Stubenvögeln im Allgemeinen nicht zuträglich. Im er— wärmten Zimmer iſt es ihr immer am behaglichſten. Hier wird ſie in der Geſellſchaft von Menſchen auch nach und nach recht zahm, ſo daß ſie den hingehaltenen Mehlwurm abnimmt und neugierig ihren Pfleger betrachtet, wenn er ſich dem Mehlwurmtopfe nähert, um ihr einen zweiten Leckerbiſſen zu holen. Ihre anmuthigen Bewegungen, ihre 106 zierlichen Schritte, ihr lebhaftes Gebahren, ſobald irgend ein Umſtand ſie erregt, dies alles macht ſie, abgeſehen von ihrer Bedeutung als Sängerin, außerordentlich beliebt. Im erſten Winter beginnen die meiſten Baum— lerchen gegen Ende des Kalenderjahres oder im erſten Monat des neuen, alſo im Januar, mit dem Geſang. Im Februar werden von guten Sängern zuweilen ſchon einzelne Töne ziemlich laut vorgetragen. Immer utehr ſteigt der Geſang zum ausgeprägteren Liede, und wenn Ende April oder Anfangs Mai der Käfig Tags und Nachts vor oder drinnen in der Stube unmittelbar an dem Fenſter hängt, ſo tönt die ſilberreine Stimme des Vogels ſchlagartig und lange in einem fort. Viele ſingen dann auch Nachts, ob— gleich weniger, als in den ſpäteren Jahren ihrer Gefangenſchaft. Auch wird der Geſang nicht von der Mauſer unterbrochen, ſondern währt, freilich ge— dämpft und auch ſonſt in gewiſſer Beziehung beeinträchtigt, bis in den October, während er in den folgenden Jahren ſchon im Auguſt oder Ende Juli's verſtummt und im Februar oder März erſt beginnt. Alljährlich verſchönert die Baumlerche durch lauteren Vortrag und ihre größere Neigung, Nachts zu ſingen, ihr Lied. Eine wahre Wonne iſt es dann, ihr in ſtiller, mondheller Nacht zuzuhören. Man glaubt ſich hinauf in die Einſamkeit der Bergeshalde oder auf die Haide verſetzt. Gute Sänger be— kunden neben dem Silberklang ihrer Stimme einen zauberhaften Schmelz, ein wunderbares Anſchwellen- und wieder Sinkenlaſſen der Töne und eine im Vergleich zu mittelmäßigen Exemplaren reiche Abwechslung der Strophen. Was den Geſang dieſer Lerche aber überhaupt vor vielen gerühmten andern Vogelgeſängen auszeichnet, das iſt das Klangreiche und doch Sanfte, das weithin Flötende und doch in der Nähe immer Erträgliche und Angenehme, das iſt die Fülle, Reihnheit und Weichheit in einſchmeichelnder Harmonie. Sehr dankbar iſt es, die Baumlerche als Neſtling zu nehmen und aufzuziehen. Dies geſchieht entweder mit friſchen Ameiſenpuppen allein oder mit dieſen und einer geringen Beimiſchung von Semmel und Milch. Sie beſitzt die Eigenſchaft des Nachahmens in hohem Grade. Nicht blos, daß ſie Stückchen nachzupfeifen fähig wäre, eignet ſie ſich auch ganze Strophen und Geſänge der ſie umgebenden Vögel an. Namentlich ſind es die flöten— artigen Weiſen, welche ſie herrlich wiedergibt, z. B. das Lied der Amſel, die tiefenden Strophen der Nachtigall, den Ueberſchlag des Mönchs. Streng ab— geſchieden mit einer guten und fleißigen Nachtigall, wird die junge Baumlerche 107 unter günſtigen Umſtänden eine ſtaunenswerthe Meiſterin. Da ſie aber auch in ſpäteren Jahren noch zur Nachahmung hinneigt, ſo muß man ſie, um ihren Schlag rein zu erhalten, fortwährend von den übrigen Stuben— vögeln fern halten. Die Haubenlerche. (Alauda cristata.) Dieſer Sänger iſt mit einem ganz vortrefflichen Gedächtniß begabt, welches ihn in den Stand ſetzt, einen wahrhaft reichen Schatz der Gelehr— ſamkeit während der Lehrzeit ſich anzueignen. Einzelne Exemplare lernen gleichſam ſpielend mehrere Melodien pfeifen, wenn dieſelben nicht zu um— fangreich und complicirt ſind. Jedoch iſt es nöthig, daß ihnen dieſe Liedchen ſtets in derſelben Reihenfolge vorgepfiffen werden. Die ſanft flötende Stimme der Haubenlerche begünſtigt fie im Vortrag des Erlernten unge— mein. Doch darf nicht außer Acht gelaſſen werden, daß die Begabung unter den aufgezogenen Haubenlerchen eine eben ſo verſchiedene iſt, wie unter den Wildfängen. Im Allgemeinen macht ſich die Neigung geltend, einzelne Liederpartien oder Liederſtellen zu überſpringen und in dem Bereich des Gehörten nach Belieben umherzuirren. So ſetzt ſich allmälig die Gewohn— heit feſt, an gewiſſen Stellen innezuhalten und eine andere Strophe zu beginnen. Es kann dieſer Mangel Folge fehlerhafter Unterrichtung ſein, wie dies bei der Behandlung der Schwarzamſel und des Dompfaffen zu leſen iſt, allein der beſte und conſequenteſte Lehrer bringt es nicht dahin, die ſolche entſchiedene Neigung zeigenden Haubenlerchen zum regelrechten Durchpfeifen der Lieder zu gewöhnen. Deshalb hüte man ſich bei Ent— deckung derartiger Mängel vor Ueberfüllung des Gedächtniſſes ſeiner Schüler. Ueberhaupt halte man das unter allen Umſtänden als Regel feſt, lieber ein Lied vollkommen fehlerfrei den Vogel zu lehren, als durch ein zweites die künftige Meiſterſchaft in Frage zu ſtellen. Man begnüge ſich bei zweifelhafter Befähigung des Vogels mit einem Liede ein— für allemal. Hat man jedoch eine ſehr talentvolle Haubenlerche im Audi— torium, ſo pfeife man nur getroſt mehrere Lieder hinter einander her; ſie werden mit Andacht gleichſam verſchlungen und prägen ſich tief in das Gedächtniß ein, welches nur durch die Mauſer allezeit etwas beeinträchtigt wird und darum durch Wiederholung des Lehrcurſes aufgefriſcht werden muß. Mehr als Staar und Amſel ſind die Haubenlerchen geneigt und 108 befähigt, noch in ſpäterer Zeit neue Weiſen zu lernen. Darum kann bei ihnen in der Lehre mehr ſucceſſive verfahren werden, wie bei jenen, auf welche das Sprüchwort in höherem Grade Anwendung findet: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.“ Dagegen iſt kein anderer Vogel während der Lehre ſo ſtreng zu iſoliren, wie die Haubenlerche; denn ehe man es vermuthet, ahmt ſie die Töne der ſie umgebenden Vögel nach, ja ſie neigt ſogar in hohem Grade hin, auch auffallende Laute vierfüßiger Haus- und Hofgenoſſen wiederzugeben. Durch derartige Aneignungen werden natürlich die ernſteren Studien empfindlich benachtheiligt. Will man die Haubenlerche zu einem wahren Spottvogel heranbilden, ſo verſetze man ſie unter die Menge der ſingenden und ſchlagenden Vogel— arten, jedoch immer in ſolcher Entfernung von ihnen, daß die Anſteckung durch Ungeziefer, welches dieſe Lerche trotz der reinhaltenden Sorgfalt ihres Pflegers gewöhnlich plagt, nicht ſtattfinden kann. Wir empfehlen zu dieſem Zweck Haubenlerchen, welche im Spätſommer gefangen wurden, als ſie ſchon allein freſſen konnten. Sie ſind es vorzugsweiſe, welche vieles Fremdartige in ihren wilden Geſang aufnehmen und dadurch unge— mein unterhalten. Dieſelbe Beobachtung haben wir an gefangenen aus— geflogenen Feldlerchen in der Folge gemacht. Liebenswürdig und eine werthvolle Sängerin iſt aber auch die Haubenlerche als Wildfang im Käfig. Nur ſchade, daß ſie von Ungeziefer allzu ſehr bedroht wird. Große Rein— lichkeit muß für ihren Verſorger die ſtrengſte Regel ſein. Eine treffliche Vorkehrung fanden wir ſtets durch ſehr geräumigen, luftigen Käfig und hellen Standort deſſelben. Wir möchten überhaupt für die Lerchen Käfige von bedeutender Länge und Breite empfehlen. Namentlich bedarf die Hauben— lerche des weiten Raumes, weil ſie während des Geſanges die Flügel aus— breitet und förmlich tanzt. Täglich oder zweitäglich reinige man den Schieber und gebe man friſchen, etwas befeuchteten Sand. Etwaige Knollenanſätze an den Zehen werden mit lauem Waſſer erweicht und vorſichtig mit der Hand entfernt. Das Futter iſt das der Haidelerche. Auch ihr bekommt neben Ameiſenpuppen eine zeitweiſe Gabe von Hirſe ſehr gut. Sehr bald wird auch der Wildfang zahm, lernt ſeinen Pfleger kennen, belohnt ihn mit fleißigem Singen und überraſcht ihn von Zeit zu Zeit mit neuen Rufen und Strophen, die er anderen Vögeln abgelauſcht hat. Der wilde, urſprüngliche Geſang ſteht dem der Haidelerche näher, als dem Feldlerchengeſang, wiewohl die 109 Eigenartigkeit doch wieder wohl unterſchieden iſt. Gute Sänger haben in ihrem Liede eine reiche Abwechslung. Gerade das ſanft Flötende macht dem Vogel zum wohlgelittenen Stubengenoſſen; denn niemals wird ſein Geſang für das Zimmer zu laut. Wir möchten dieſe Lerche zu den ſinnigen Sängern rechnen. Gewöhnlich beginnt der Geſang im Januar und endet mit dem Juli, worauf ſehr bald die 5— 6 Wochen dauernde Mauſer eintritt. Der Fang fällt nicht ſchwer. Außer bei den Jungen, berückt man ſie mit Leimruthen auf Wegen, wo Pferdemiſt oder verſchüttetes Getreide liegt. Im Winter laufen ſie auf den Straßen und Chauſſeen umher, und wenn Schnee liegt, kann man ſie an ihren Lieblingsplätzen ſehr leicht ködern. Die Männchen unterſcheiden ſich untrüglich von den Weibchen durch ihre bedeutendere Größe. Der Dompfaffe oder Blutfink. (Pyrrhula vulgaris.) Mit großem Unrecht hat man den ſo gelehrigen und liebenswürdigen Vogel „Gimpel“ getauft. Er iſt auch in der Freiheit nicht ſonderlich ſcheu, ja zu mancher Zeit zutraulich, aber dumm gewiß nicht. Das beweiſt ſo manches Dompfaffenpaar in der Brutzeit nur zu deutlich, wenn der nach dem erſehnten Geheck in voreiligem Eifer Buſch für Buſch durchſuchende lüſterne Blutfinkenzüchter, getäuſcht in ſeiner Hoffnung, für Stunden ab— ziehen und ſich auf vorſichtigeres Beobachten der Alten legen muß, um das oft über Mannshöhe in Büſchen und ſogar auf Bäumen am Stamme oder überhängenden Aeſten verborgen angebrachte Neſt zu entdecken. In der Regel deckt es ein Fichten-, Tannen- oder Wachholderbuſch und verräth ſich, wenn die Büſche einzeln auf einer Wüſtung oder einem jungen Holz— ſchlage ſtehen, geübten Blicken leicht; in jungen gleichmäßigen Buchen- heegen findet man es ſchon ſchwieriger und gewöhnlich hoch in Mannshöhe und darüber gebaut. Dieſen Neſtern wird in manchen Gebirgsgegenden unſeres Vaterlandes, ſo z. B. im Vogelsberge, in einer wahrhaft hand— werksmäßigen Weiſe nachgeſtellt. In dieſem Gebirge haben ſich viele Hand— werker und Landleute mit aller Leidenſchaft, die nur je Vogelfang und Vogelzucht auf das Gemüth des Volkes auszuüben pflegen, der Erziehung und Lehre des Dompfaffen zugewendet. Von dem Züchter kauft ſie der Unterhändler auf und dieſer liefert ſie an den Haupthändler ab, der ſie in die Städte unſeres Vaterlandes, gewöhnlich aber nach England auf den Markt bringt. Am Platze koſtet ein gut gelehrter Vogel 3 bis 5 Thaler, in England mindeſtens das Dreifache. Auf dieſe Weiſe wandert eine beträchtliche Anzahl dieſer Vögel alljährlich in die Fremde, beſonders den Canal hinüber. Man muß, wie wir, Jahre lang mitten unter dieſem Gebirgsvolke gelebt haben, um beurtheilen zu können, wie bedeutungsvoll die Blutfinfen- Erziehung in das Leben eines Vogelsberger Handwerkers oder Kleinbauers eingreift. Da ſchleicht Ende Aprils oder Anfangs Mai der Gebirgs— bewohner zum Walde, ahmt den wehmüthig klingenden Lockton ſeines Waldvogels nach, um ſich durch die aus Büſchen und Bäumen ertönende Antwort von deſſen Anweſenheit zu überzeugen. Ein neues Leben zuckt durch ſeine Glieder, ſobald er den Ruf des Vogels vernimmt, und wie ein Kobold fährt er zur Erde in's deckende Geſträuch. Da hockt der Wald— bruder im Verſteck an einer jungen Nadelholz- oder Buchendickung und ſpäht und horcht mit den Indianerſinnen nach allen Seiten hin, beobachtet genau die Flugrichtung der Paare, bis er zum Ziele gelangt. Hier hat er endlich das vorſichtige dunkle Weibchen, begleitet von dem rothglühenden Männchen, entdeckt, wie jenes mit Reiſern im Schnabel auf drei und mehr Büſchen vorerſt fußt, ehe es in den auserkorenen ſchlüpft, deſſen Dunkel es die Grundlage ſeiner Familienwohnung anvertraut. In ſolchem Falle ſchleicht der Entdecker heimlich und unbemerkt von den Paarvögeln, wie er gekommen, fort. Kein Zeichen am Gezweige, wie es der Laie thut, verräth dem Concurrenten die aufgefundene Niſtſtätte. Auch wenn dieſe in noch ſo gleichmäßigem Dickichte verborgen, der ſichere Compaß der Sinne des Waldbewohners weiß ſie wieder zu finden. Dort wieder erſpäht er mit Geduld und ſtundenlanger Aufmerkſamkeit das zum legenden oder brüten— den Weibchen heimlich ſchlüpfende Männchen, und hat mit lüſternem Auge endlich das Neſt mit dem Gelege entdeckt. Ein erſehnter Fund; aber mit der Freude über ihn kreuzt ſich zugleich auch die Sorge um die Erſpähung des Neſtes von anderer Seite: denn gleich dem Finder ſchleicht ein Dutzend anderer Blutfinkenzüchter in den Gehegen umher; vielleicht iſt er ſchon über ſeinem Funde von einem dieſer entdeckt und ſieht die Früchte ſeiner heutigen Bemühung gefährdet. Vorſichtig nimmt er unter ſolchem Ver— dachte das Gelege aus dem Neſte. Mit Vorſorglichkeit hat er an abge— 111 legenen Orten, oft weit von der gegenwärtigen Fundſtelle einige Hänflings- oder andere Finkenneſter aufgeſucht, in welchen er das Blutfinken-Gelege zur Ausbrütung vertheilt. Und dennoch iſt er auch hierdurch nicht immer ſicher ſeiner Ernte; denn zuweilen erſpäht ein Rivale ein und das andere jener Neſter und findet mit Kennerblick unter den Neſtgelegen die wohlbekann— ten unterſchobenen Dompfaffeneier heraus, die nun eine zweite Wanderung in andere Neſter antreten. Oder er weiß nicht den Grad der vorgeſchrittenen Reife der Neſtgelege, denen er die Dompfaffeneier zugeſellt, und dieſe bleiben dann oft unausgebrütet. Wir ſelbſt mußten im Vogelsberge einige— mal zu künſtlichen Mitteln greifen, um zu erſten Bruten, um die es ſich hauptſächlich handelt, zu gelangen. Mit Erfolg wandten wir die Liſt an, das Neſt mit den eben erſt ausgeſchlüpften Jungen an eine verborgene tiefe Stelle im Gebüſch der Nachbarſchaft zu verſetzen und täuſchten ſo glücklich die um die Brut mit uns Concurrirenden. Es läßt ſich denken, daß bei ſolch ausgeklügelter Jagd auf die Blutfinkenneſter die entdeckten oder unter— ſchobenen Gelege, beſonders zur Zeit ihrer Zeitigung, von Seiten ihrer Finder einer beſtändigen Controle unterworfen werden, und daß oft die noch nackten Jungen zur Pflege in die Hütte des Züchters wandern. In der Familie deſſelben begegnen wir einer wahrhaften Organiſation in Bezug auf die Erziehung der Pflegebefohlenen. Vom Vater und der Mutter bis zum achtjährigen Sohne herunter hat Alles nur Augen und Ohren für die jungen Vögelchen. Der Ofen wird erwärmt für die bloßen Thierchen und dieſe werden mit dem bedeckten Neſte in einem Käſtchen der Wärme übergeben. Zu einer dem Kropffutter der Alten ähnlichen Aetzung wird Sommerrübſamen klein gekaut und damit werden die Pfleglinge emſig gefüttert. Nichts wird bei dieſen von den Hüttenbewohnern verſäumt, und wenn der Vater ſich auf Tage entfernen mag, die Erziehung der theuren Blutfinken geht ihren geregelten Gang. Die nächſten Walddiſtricte des Vogelsbergs ſind manchen leidenſchaft— lichen und habgierigen Vogelzüchtern ſchon längſt nicht mehr ſicher und ergiebig genug; ſie dehnen ihre Streifzüge aus dem hohen Gebirge in deſſen Vorhölzer herunter aus; ja uns ſind Züchter aus Grebenhain und Um— gegend, ſowie aus dem Orte Hermanſtein bekannt geworden, welche zu— letzt die Wälder der Wetterau aufſuchten, um dort Tage lang nach Dom— pfaffenbruten umherzuſchweifen und mit guter Ausbeute nach Hauſe zu kehren. 112 Der junge Dompfaffe wird zur künſtlichen Aufzucht am beiten aus dem Neſte genommen, wenn er anfängt die Kiele zu ſtoßen. Die erſte Brut im Mai iſt die vortheilhafteſte für die Lehre, weil ſie erſtens durch— ſchnittlich mehr Männchen als ſpätere liefert, zum Andern auch erfahrungs— mäßig die kräftigſten, begabteſten Lehrlinge enthält, denen überdies die zu erlernende Weiſe länger vorgepfiffen werden kann. Selbſtverſtändlich bedarf es zur Zeit der erſten Brut noch bedeutender, ſorgſamer Nachhülfe bei den Kleinen. Wie wir geſehen, muß die fehlende Mutterwärme anfänglich eine gleichmäßige, gelinde Ofenwärme erſetzen. In lauwarmem Waſſer mehrere Stunden eingeweichter Sommerrübſamen (bei kahlen Jungen in der erſten Woche auch Ameiſenpuppen) iſt das beſte und ausſchließliche Futter, das den Pfleglingen bis zu ihrer Selbſtſtändigkeit in Federkielen, deren mulden— förmige Spitze von ſcharfen Kanten befreit wird, oder auf löffelförmig geſchnitzten Hölzchen anfänglich in Zwiſchenräumen von einer Viertelſtunde, ſpäter bei der Befiederung jede halbe oder ganze Stunde gereicht wird. Sorgfältiges Reinhalten des Neſtes der Jungen von deren Loſung und Futterabfällen muß Regel ſein. Zerfällt das Neſt vorzeitig, ſo erſetzt man es mit einem anderen Finkenneſte, damit die Thierchen immer warm ſitzen. Die Männchen unterſcheiden ſich von den Weibchen für den Geübten un— trüglich von dem Zeitpunkte an, wo ihnen die Schwungfedern herauszu— wachſen beginnen und die unterſte Deckfedernreihe der Flügel ſich berändert. Dieſe Ränder zeigen bei den Männchen weiße Spitzen, während die der Weibchen einen trüb rothgelben Anflug beſitzen. Wer ſich auf dies Zeichen nicht verlaſſen will, der kann ſich eines auch für den Ungeübteſten empfehlens— werthen Mittels bedienen, den Pfleglingen bald nach ihrem Flüggewerden an einigen Stellen der Bruſt Federn auszurupfen, um bei den in einigen Wochen nachfolgenden neuen Kielen das Geſchlecht unterſcheiden zu können, indem bei den Männchen rothe, bei den Weibchen dunkelgraue Fähnchen erſcheinen. Da bei Bruten aber auch zuweilen ganz ſchwarze Individuen vorkommen, ſo erkennt man die Männchen dieſer Abart vor den Weibchen an den nachſtoßenden dunkleren, ſchwarzen Fähnchen. Man pflegt nur Männchen der Lehre zu unterziehen, weil die Weibchen erfahrungsmäßig nichts lernen oder Stümper bleiben. Viele Dompfaffenzüchter pfeifen ſchon während der Aetzungszeit den Jungen das erwählte Lied vor. Ein Schullehrer im Vogelsberg that dies grundſätzlich, und wir müſſen geſtehen, 113 daß bisweilen ſchon frühzeitig im Sommer eine Anzahl vollkommen fertiger Vögel aus ſeiner Dompfaffenſchule hervorgingen; — vielleicht deren mehr, als tüchtige Knaben aus ſeiner Kinderſchule. Wir ließen unſere Zöglinge erſt ſo weit heranwachſen, bis ſie allein freſſen konnten, und begannen dann erſt mit dem Unterricht, weil wir wahrnahmen, daß der Vogel, ſo lange er noch geätzt wird, der Ernährung ſeine ganze Aufmerkſamkeit zuwendet, der ſelbſtſtändig gewordene Vogel aber verſtändig und theilnehmend auf— horcht. Sobald alſo dieſer Zeitpunkt gekommen iſt, entfernt man den Zög— ling von ſeinen Geſchwiſtern, gibt ihm einen Finkenkäfig inne und bringt dieſen an einen dämmerigen Ort in einer abgeſchiedenen Kammer, in welcher der Vogel weder von Außenerſcheinungen, noch von beſonderem Lärm und Tönen geſtört und zerſtreut werden kann. Man wählt nun zum Einlernen eine kurze, leichtfaßliche Weiſe, gewöhnlich ein volksthümliches Lied, deſſen Tonlage weder zu tief noch zu hoch geht. Stets mit dem beſten Erfolge haben wir uns zu dieſem Zwecke der kleineren Lieder unſeres Vaters, Peter Müller, aus ſeiner „Anleitung zum Geſangunterricht für Lehrer an Volks— ſchulen“ bedient, und wie fortwährend bei der Jugend und dem Volke, jo lebten zu Zeiten auch in den kleinen Kehlen unſerer Zöglinge jene beliebten, weit verbreiteten Weiſen fort. Die beſte Vortragsweiſe bleibt immer das Vorpfeifen, weil dies un— mittelbar vom Lehrmeiſter ſelbſt ausgeht und darum vom Vogel am liebſten und leichteſten aufgenommen wird. Die Art und Weiſe des Vorpfeifens iſt ſchon bei der Lehre der Amſel näher erörtert worden. Es ſind hier nur noch einige Fingerzeige für den Unterricht des Dompfaffen nöthig. Empfehlenswerth iſt, wenn man dem muſikaliſchen Vortrage immer eine anregende Vorbereitung, eine Aufmunterung in Worten und Geberden vor— angehen läßt. Es iſt dies der einzige Weg, den Vogel an den Vortrag nach Commando zu gewöhnen. Man laſſe, wie überhaupt bei der Abrichtung von Thieren, ſo auch hier den Grundſatz herrſchen, den wir in die Worte faſſen möchten: belehre durch Belebung. Der Lehrer naht ſich zu dem Ende gemach dem Käfige etwa unter den Worten: „Hübſch, mein Männchen! Acht, ſchön Hanschen!“ neigt ſich vor ihm in Bücklingen, die ein begabter Zögling ſpäter ſehr artig ablernt, auch unter einem anregen— den Zungenſchnalzen und etwa zwei zarten Pfeiftönen, deren erſter in einer hohen Lage, der darauf folgende eine Octave tiefer erklingt. Dem ſo er— Müller, Gefangenleben einh. Singvögel. 8 2 munterten Vogel wird nun in reinen Noten das gewählte Lied, zur Ver— meidung des Anprallens der Töne an die Drahtſtäbe etwa zwei Fuß vom Käfige entfernt, in der bereits bei der Amſel erwähnten Weiſe vorgepfiffen. Vorauszuſetzen iſt hierbei, daß der Lehrer rein und ausdrucksvoll zu pfeifen verſteht und, wenn er die Tonart des Liedes nicht zu treffen vermag, zuvor ſich des Anſchlags auf einem Klavier oder einer Stimmgabel zur muſika⸗ liſchen Orientirung bedient. Die Gabe des Dompfaffen beſchränkt ſich im Allgemeinen auf die getreue Wiedergabe des ihm Vorgetragenen, und der Schüler nimmt meiſt Fehler wie Vorzüge des Vortrages ſeines Lehrers in ſeine Nachahmung auf. So bemerkte der eine von uns (A. M.) bei ſeinem erſten Blutfinken-Unterrichte bald, daß ſein Pfeifen durch die Haare des über die Oberlippe reichenden Schnurrbartes beeinträchtigt wurde und half er dieſem Mißſtande durch ein Beſchneiden des Bartes ab. Auch bei trocknen Lippen laſſe man das Vorpfeifen; es pfeift ſich eben zu jeder Zeit nicht gleich rein, und dem Vortrage des Vogels kann ungleichmäßiges Vor— pfeifen ſchaden. Wer aber des Pfeifens nicht kundig iſt, der muß, wenn er aus ſeinen Lehrlingen Etwas machen will, die Orgel oder die Flöte zu Hülfe nehmen. Anfangs wählt man beſonders die Abendſtunden, wenn der Zögling noch nicht ſchläft, aber bereits auf ſeinem Schlafplatze ruhig zu ſitzen pflegt; dann lehrt man zu verſchiedenen Stunden und öfters des Tages, doch immer nur dann, wenn man den Vogel zum Lernen auf— gelegt findet. Nach unſeren langjährigen Erfahrungen erzielt man eine beſondere Wirkung nach zwei Richtungen hin dadurch, daß man zuweilen leiſe an die Stube, worin der Vogel hängt, heranſchleicht und vom Gange oder einem Nebengemache aus dem Lehrlinge vorpfeift. Hierdurch wird einestheils eine geſteigerte Aufmerkſamkeit bei demſelben erweckt, andern— theils bewirkt, daß der Vortrag aus der Entfernung ſich reiner und voll— kommener anhört. Man vermeide aber in ſolchen Momenten oder über— haupt unverhofft hereinzutreten, wodurch man das Thier erſchrecken kann. Schreck und jähe Ueberraſchung müſſen beim Dompfaffen ebenſo ſtrenge, als Aergerniß durch Neckereien und dergl. vermieden werden; denn der Vogel hat eine ſehr empfindliche, reizbare Natur, ſo daß durch Nichtbe— achtung dieſer Regeln leicht Fallſucht entſteht. Man glaubt gar nicht, wie oft und ſchnell durch ſanftes, liebevolles Betragen das erwünſchte Ziel erreicht wird. Doch machen ſich unter den Dompfaffen bedeutende Unter— 115 ſchiede in der Auffaſſungsgabe bemerkbar. Begabte Vögel, die unſcheinbar von Geſtalt und Haltung ſein können, nehmen ſtaunenswerth raſch die vor— gepfiffenen Weiſen auf; andere, ſogar ganze Bruten, ja ganze Jahrgänge bleiben bei ſonſt gleichmäßiger Lehre Stümper oder ſtumme Nichtslerner. Uns iſt der Fall vorgekommen, daß ein von Natur äußerlich vernachläſſigter und darum irrthümlich von uns wenig beachteter Vogel eines Tages uns durch die untadelhafte Wiedergabe zweier Lieder überraſchte, welche wir täglich einem beſonders ſchönen und geſunden Exemplare vortrugen. Aus der Ferne hatte der verkannte kleinere Vogel den beiden Weiſen gelauſcht, ſie in ſeinem geweckten Kopfe aufgenommen, unvermerkt im Stillen ein— ſtudirt und ſchon im Vorſommer überraſchend ſchön wiedergegeben, während ſein bevorzugter Bruder erſt viel ſpäter und bei weitem nicht ſo vollendet aus der Lehre trat. Die Erziehung des Dompfaffen iſt ferner auch häufig von den erfreulichſten Beweiſen der Anhänglichkeit an ſeinen Pfleger be— gleitet, die Zeugniß ablegt von des Thierchens bildungsfähigem Seelen— leben. Wir erzogen einſt einen talentvollen Vogel, der uns an den Tritten auf der Treppe erkannte und ſeiner Freude darüber jedesmal in der Wieder— gabe ſeiner beiden erlernten Lieder Ausdruck verlieh. Einen andern von uns gelehrten Blutfinken übergaben wir unſerem Vater. Nach einem ganzen Jahre, in welchem uns das Thierchen nicht geſehen hatte und ſchon lange Zeit verſtummt war, erkannte uns daſſelbe in ſeinem Käfige im Kabinete an unſerer Stimme wieder, als wir in die anſtoßende Stube traten, und fing in dem Augenblicke ſein Trompeterſtückchen und das bekannte Lied unſeres Vaters: „Hier auf dieſen frohen Höhen“ zu pfeifen an. Gewiß eine ſprechende Thatſache von feinem, rührendem Verſtändniß eines Thierchens! Während der Mauſer ſchweigt der Vogel und vergißt nicht ſelten Theile ſeines Erlernten. In dieſer Zeit muß das Vorpfeifen ganz in der vorigen Weiſe und mit denſelben Stücken wieder beginnen, damit das Erlernte dem Vogel lebhaft in's Gedächtniß gerufen wird. In der Charakteriſtik des eigenſinnigen, launiſchen Thieres liegt es, daß es manche Menſchen nicht leiden mag und nach ihnen den Schnabel zum Beißen öffnet, ſie mögen liebkoſen und ſchön thun, wie ſie wollen. Ebenſo ergeht es Fremden und den Händlern mit Vielen ihres angekauften Vorrathes, wenn ſie dieſelben zum Vortrag auf Commando bringen wollen. Wird der abgerichtete Vogel früh an fremde Perſonen gewöhnt, dann verliert er viel von dieſen Eigenheiten, die ſich 8 * Bun) vorzugsweiſe ausprägen in der Abgeſchiedenheit und der ausſchließlichen Be— ſchäftigung mit ſeinem Züchter. Zuweilen hilft bei ſolchen launiſchen Vögeln das Mittel der Täuſchung, wie es einſt in der Nähe von Schlitz von einer Müllerstochter bei einem eigenſinnigen Dompfaffen angewandt wurde. Der Vater des Mädchens hatte ſtets in ſeiner weißen Müllerstracht den Vogel gelehrt, und er pfiff keinem Andern, als dem Müller. Die Tochter wollte den Trotz des Vogels brechen, es gelang ihr aber lange nicht, bis ſie eines Tages in Anweſenheit von Gäſten auf den Einfall kam, die weiße Kappe ihres Vaters aufzuſetzen und ſich damit vor den Käfig des Vogels zu ſtellen, worauf derſelbe ſchönſtens zu pfeifen begann, ſogleich aber aufhörte und böſe wurde, ſobald das Mädchen die Kappe abthat. Die Nahrung für den gezähmten Dompfaffen iſt eine höchſt einfache. Vielfältig beſteht ſie blos aus Sommerreps, dem man aber ohne Bedenken auch etwas Mohn und geſchälten Hafer beimiſchen kann. Tägliches Dar— reichen von friſchem Waſſer zum Trinken und Baden iſt ſelbſtverſtändlich. In der Mauſer kann man auch zerquetſchten Hanf beigeben. Alle Lecker— biſſen, wie Zucker, Obſt, Kartoffeln, Gemüſe u. ſ. w., wie ſie ihm hier und da verderblicher Weiſe in Menge gereicht werden, find dem zur Fett- und Fall— ſucht geneigten Vogel nicht zuträglich. Bei der oben angegebenen einfachen Ernährungsweiſe und ruhiger, freundlicher Behandlung bleibt das Thier geſund und erlebt nicht ſelten ein Alter von 9—12 und mehr Jahren. So werthvoll und liebenswürdig der aufgezogene gelehrte Dompfaffe ſich erweiſt, als ein ſo völlig werthloſer Sänger erſcheint hingegen der Wild— fang, der als Stubenvogel außer ſeinem ſehr ſchönen Kleide nichts Em— pfehlenswerthes bietet, indem ſeine Haltung und Manieren im Käfige etwas unbeholfen erſcheinen. Der Staar. (Sturnus vulgaris.) Dieſen allbekannten Vogel nimmt man — wie ſchon bei der Schwarz— amſel hervorgehoben wurde — zum Aufziehen in der Stube halbflügge von einem erſten Geheck (Ende Aprils), welches man der größeren Wahr— scheinlichkeit halber, mehrere Männchen zu erziehen, am beſten ganz aushebt. Fütterung und Behandlung ſind, dem derben Naturell und der ähnlichen Nahrung des Staares gemäß, dieſelben wie bei der Amſel, nur muß man a dem anfänglich mehr Wärme verlangenden Höhlenbrüter bei rauher Witte— rung die nöthige Ofenwärme nicht verſagen. Sind die Federn da, dann hat es keine Noth mehr; denn der äußerſt aufmerkſame, anſtellige und pfiffige Vogel lernt ſchnell allein freſſen. Nun iſt es gerathen, ihn von ſeinen alle mögliche Kurzweil treibenden und ſich gegenſeitig ſtörenden Geſchwiſtern durch Einzelhaft zu trennen und in regelmäßigen Unterricht zu nehmen. Bei dieſem iſt mehr, wie bei demjenigen der Amſel und des Dompfaffen, Stille und Abgeſchiedenheit, namentlich in der erſten Zeit, vonnöthen: denn der Vogel iſt ſtets zur Zerſtreuung und Unterhaltung aufgelegt, ein natür— licher Allerleikünſtler, der ſeinen Vortrag aus einem vielfarbigen, beſonders auffallenden und ſtörenden Gemengſel zu ſammeln nur allzu bereit iſt. Beabſichtigt man alſo, ihn zu einem Sprech- und Liederkünſtler heranzu— bilden, dann muß er frühe aus jeder lebendigen und ſtörenden Umgebung entfernt werden. Wählt man ein Lied, dann ſei es ein heiteres, ein komiſches, es paßt zu der ganzen poſſierlichen Eigenart des Vogels am meiſten, und verfahre man mit deſſen Vorpfeifen, wie bei der Amſel und dem Dompfaffen gezeigt wurde. Da die Neugierde eine hervortretende Eigenthümlichkeit unſeres Thieres iſt, ſo empfiehlt ſich das zeitweilige Vorpfeifen des ſich herbei— ſchleichenden, unſichtbar haltenden Lehrmeiſters aus einer Nebenſtube oder vom benachbarten Gange her als ein Hauptmittel des anregenden, die Aufmerkſamkeit des Schülers ſteigernden Unterrichtes. Die Lehre vom Vorſprechen, wie vom Vorpfeifen fußt auf einem und demſelben Grund— ſatze. Wie das vorzupfeifende Lied ſich durch Kürze, Einfachheit und Faß— lichkeit auszeichnen ſoll, ſo geht die Wahl der zu lernenden Sprechweiſen auf kurze, abgebrochene, vocalreiche Sätze, meiſt auf Namen und Aus— rufungen. Der Erfindungsgabe und dem Geſchmacke jedes einzelnen Lehr— meiſters bleibt natürlich das Nähere bei der Ausführung überlaſſen; es möchte aber für den Anfänger in ſolchem Lehramte nicht unwillkommen ſein, wenn wir ihm aus der Erfahrung heraus ein lebendiges Beiſpiel von einem gelehrten Staare vorführen. Unſer Großvater mütterlicher Seits kaufte einſt von einem Schuſter in Mainz einen Staar, welcher folgende erheiternde Touren ſprach: „Halt! — Wer da! — Haha! — Du Spitzbub! — Jakob, hol' die Wacht! — Lottchen, küſſ' mich!“ (Nun entſtanden ergötzliche Laute vernehmbaren, 115 etwas ſchmatzenden Küſſens.) — „Marie' koch' den Kaffee! Gretchen, mach' die Thür' zu! Babette, ſteh' auf!“ (Hierauf folgte die Antwort in höherer Lage) „Ja! — Liſel! Röschen! Julchen! Schön' Staarchen!“ Außerdem pfiff der Künſtler die Melodie eines gefälligen heiteren Liedes und ſetzte in Pauſen eine muntere Pfeiftour ein, auch ahmte er täuſchend das pfeifende Geräuſch einer auf- und niedergehenden Thürrolle nach. Manchmal ließ er aber auch nach Beendigung ſeines erlernten Vortrags die grellen Laute ſeiner freien Brüder hören, die wie eine Unart des Naturkindes übrigens komiſch von dem in der Stube Erlernten abjtachen. Nach dieſem Muſtervortrage — zu deſſen ganzer Wiedergabe übrigens ein beſonders begabter Schüler gehört — kann man ſich gewiß in der Wahl des einem Staare Vorzuſprechenden richten. Das letztere wird nun deutlich articulirt und in einer angemeſſenen, ſtets ſich gleichbleibenden Reihenfolge bewirkt, niemals alſo die Worte und Sätze verſetzt. Von be— ſonderer Wirkung iſt es, wenn der Lehrer der Ausſprache etwas Komiſches, Auffallendes zu geben vermag. Der Lehrer des oben erwähnten ſprach— kundigen Staares hatte den Stockſchnupfen, und ſeine Ausſprache klang deshalb näſelnd und heiſer. Gerade ſo ſprach der Staar, nur vermöge ſeiner kleinen Vogelgeſtalt mit einer dünnen Knabenſtimme, was einen außerordentlich komiſchen Eindruck auf den Hörer ausübte. Vorſprechende Knaben er— reichen deshalb nach unſerer Erfahrung eine unmittelbarere Nachahmung ihrer Stimmen bei den Lehrlingen. Auch die Beibringung eines gefälligen komiſchen Dialekts verfehlt bei der Wiedergabe ihre erheiternde Wirkung nicht. Hat der Lehrling das Lied oder die Sprechweiſe förmlich inne, ſo kann er ohne Anſtand in lebhaftere Umgebung verſetzt werden. Er nimmt dann unbeſchadet ſeines ſchon Erlernten noch manches Andere vermöge ſeines geweckten Staarenkopfes auf, ſo z. B. das Krähen und den Lockton des Haus— hahns, Töne und Weiſen von anderen Vögeln, ſowie auch hin und wieder einige Worte und auffallendes ſchrilles Geräuſch. Seine Behandlung im Käfig iſt derjenigen der Amſel oder beſſer der Droſſel entſprechend; er erhält aber, ſeiner Gewohnheit angemeſſen, gerne auf dem Boden zu laufen, einen verhältnißmäßig längeren, oben mit Leinwand verſehenen Käfig; auch iſt ſein Bedürfniß zum Bade viel größer, als das der Droſſel und Amſel. Mindeſtens einen über den andern Tag, im Sommer jeden Tag, muß ihm der Badenapf durch den Schieber vorgeſetzt werden. Seine Liebe zum 119 Bade ift jo groß, daß er in ſtarke Aufregung geräth, wenn man ihm das einmal dargebotene Badegefäß wieder entzieht. Wir konnten uns des lauten Lachens nicht erwehren, wenn der beſchriebene Meiſterſtaar zum Baden angeregt und das dargereichte Schüſſelchen mit Waſſer alsdann mit der Hand bedeckt wurde. „Wüthend“ — ſo ſchildern wir in unſeren „Charakterzeichnungen der Singvögel“ des Vogels Betragen — „hackte er mit dem Schnabel auf die Hand und warf die erlernten Worte in Haſt mit auffallend verändertem Ton poſſierlich durcheinander. Die Rolle, die Gretchen zugetheilt war, mußte Babette, diejenige Lottchens Marie u. ſ. w. übernehmen. Abends, wenn er ſchlief, berührten wir ihn zuweilen mit dem Federkiel, und, ohne den Kopf unter dem Flügel hervorzuheben, ſtieß er in ſchläfrigem, bittendem Tone einige ſeiner Worte aus, gleich als wollte er ſagen: ach, laßt mich doch gehen und ſchlafen!“ Seinem lebhaften, geſchäftigen Weſen gemäß gibt ſich der Vogel gerne jedweder Kurzweile hin. Ueberall hat er den platten Pfriemenſchnabel bald bohrend, pickend und zerrend, bald wie einen Zirkel ausſpannend zwiſchen Drähten und Fugen. Man bringt den Käfig deswegen aus dem Bereiche aller Gegen— ſtände, an welchen der unruhige Geſelle ſeinen zerſtörenden Muthwillen auslaſſen könnte; auch befeſtigt man das oberſte Sprungholz ſeines Käfigs ſo weit von der leinenen oder Wachstuch-Decke, daß er von der Sitzſtange aus wenigſtens mit ſeinem Schnabel nicht daran kommen kann. Gilt bei Behandlung von Droſſeln, Amſeln u. a. die Regel, dieſelben durch raſche Bewegungen, auffallende Erſcheinungen u. dergl. m. nicht zu erſchrecken, ſo iſt dies noch in erhöhtem Grade beim Staare zu empfehlen. Er iſt, wie der Dompfaffe eine überaus reizbare Natur und bekommt in Folge von Schreck, öfterem Aerger oder ſonſtiger Erregung Krämpfe und die Fallſucht. Dieſelbe Erſcheinung bemerkt der aufmerkſame Beobachter an den Staaren im Freien. Namentlich zur Zeit der Fortpflanzung ver— fallen die hitzigen Männchen gegenüber dem Gegenſtand ihrer Neigung bei ihnen entgegenſtehenden Hinderniſſen oder eintretenden Störungen in wahre Liebeswuth, welche nicht ſelten in epileptiſche Anfälle übergeht. Noch voriges Jahr wurde von uns auf einer Dachfirſte ein Staarenmännchen beobachtet, auf deſſen Rücken plötzlich das Weibchen flog. Dadurch gerieht das überraſchte Männchen dermaßen in Aufregung, daß es unter Geſchrei bei Verfolgung des in die Luft entweichenden Weibchens plötzlich bis auf den Boden nahe 120 vor uns herunterwirbelte und einige Secunden lang in einen wahren Krampftanz verfiel. Gute Nahrung und ſchonende, freundliche Behandlung — bei welcher übrigens auch die von uns früher unſachgemäß gehandhabten, oben erwähnten Neckereien unterlaſſen werden müſſen — iſt deshalb vor— zugsweiſe bei dieſem Vogel zu beobachten, der bei ſolcher Pflege dann aber ſehr lange ausdauert. Wildfänge ſind anfangs oft ſtörriſch oder ſtürmiſch. Sie verlangen längere Zeit einen zugehängten Käfig und ſpäter auch noch einen ſtillen, heimlichen Platz, der ihnen keinen Blick in's Freie gewährt. Im erſten Jahre läßt man ſie daſelbſt ruhig hängen, gibt ihnen abwechſelnd Nachti— gallen- oder Droſſelfutter, Kirſchen und anderes Obſt. Im zweiten Sommer können ſie vor das Fenſter gebracht werden. — Den aufgezogenen Staar können wir als einen der gelehrigſten, geweck— teſten und kurzweiligſten Stubenvögel auf's Beſte empfehlen, nicht ſo den Wildfang. Wofür auch dieſen im Haushalte der Natur ſo äußerſt nütz— lichen Kerffreſſer mit ſeinem lebhaften, ungeſtümen Weſen in die Stube bannen, ſo wir ihn doch, wie den Hausſperling, mit leichter Mühe zu einem leidlichen Bewohner an unſerem Hauſe, ja an unſerem Fenſter bilden können. Ein Staarenkaſten unter dem Fenſtergeſimſe, am Dache oder an dem nahen Baume vor dem Hauſe ausgehängt, lockt gar bald den in der Freiheit zur Sommerzeit ſo zutraulichen Geſellen zur Siedelung an die menſchliche Wohnſtätte heran, und unverſehens bringt das in der Frühſonne hochzeitſchimmernde Männchen die Braut im beſcheidneren Kleide an das Fenſter, auf das Dach oder den Baum zum erwählten Brutkaſten, den lieben langen Tag ſeiner Huldin und uns ſeine Bauchrednereien, Schnurren und die von ſeinen befiederten Brüdern abgeborgten Strophen und Rufe zum Beſten gebend. Was bedarf es da der Einkerkerung des Vogels, der als freiwilliger nächſter Nachbar und Genoſſe ſeine mannig— faltigen muſikaliſchen Künſte und ſein reges Leben viel ungebundener, glück— licher und intereſſanter darbietet. Freiheit deshalb unſerem lieben heimath— lichen Staare! Der Edel- oder Buchfink. (Fringilla coelebs vel nobilis Br.) Dieſer ſchon durch ſeinen Namen gekennzeichnete Meiſterſänger hat einſt in der Blüthe der Vogelſtellerei die Gemüther der Gebirgsbewohner 121 mächtig bewegt. Es hatten ſich in Thüringen, im Harz und in Ober— öſterreich wahrhafte Finkenſchulen gebildet. Man gründete auf Erforſchung und Unterſcheidung der einzelnen Schläge, namentlich deren Schlußtouren, ein wahres Studium, und die Benennungen von Dutzenden ſolcher Geſanges— eigenthümlichkeiten, welche ſich bis in die Gegenwart vererbt haben, geben lebendiges Zeugniß von der außerordentlich leidenſchaftlich betriebenen Haltung und Züchtung der Edelfinken. Die Nüchternheit unſeres Zeitalters hat den poetiſchen Zauber, welcher einſt um den Edelfinken und deſſen Meiſter— ſchaft geſtrahlt, entfernt und es bleibt dem ſo zwar in feinem Ruhme ge- ſchmälerten, aber an feinem koſtbaren Freileben deſto unbehinderteren Sänger unbenommen, für die Schallwellen ſeines ſchmetternden Schlages das em— pfängliche Ohr und Gemüth zu treffen. Und in der That! der edle Sänger erreicht ſie noch heute; er findet des ſinnigen Naturfreundes Seele beim Erheben ſeines Auferſtehungsliedes im Frühlinge offen und empfänglich, daß die zwar kurze, aber aus voller Bruſt ſtrömende melodiſch-klare Weiſe „mit urkräftigem Behagen den Hörer zwingt“, immer und immer wieder dem neu erwachten Klange zu lauſchen. Ja, an lebendiger Unmittelbarkeit wetteifert der Schlag des Edelfinken mit jedem anderen Vogelgeſange. Er iſt ein wahrer Frühlingsgeſang und beim Erwachen der Natur geradezu hinreißend ſchön; bei vorgerückter Jahreszeit übt er lange nicht die Wirkung auf das Gemüth aus, wie bei den erſten grünen Keimen des Vorjahres. Anders iſt im Mai unſer Gehör geſtimmt, und um die Blüthenfülle der Büſche und Bäume haucht dann die Nachtigall das hohe Lied der Liebe mit all ſeinem feſſelnden Zauber aus. Der Edelfinkenſchlag beherrſcht die Jahreszeit, die ihn geboren, entſchieden und mächtig, aber ſeine Herrſchaft iſt kurz, wie er ſelbſt in ſeiner Weiſe kurz, klar und ſprechend iſt. Darum mag es kommen, daß der Vogel jetzt faſt durchgängig nicht bei Vogelwirthen auf dem Lande, ſondern beſonders nur in Städten gehalten wird. Der Stadtbewohner, in deſſen Behauſung nicht der unmittelbare Zug der Natur dringt, hält ſich den Edelfinken mit Recht, denn deſſen Schlag zaubert ihm mit einemmale den ganzen Reiz der erwachenden Natur da draußen außerhalb der Mauern in die enge Stube. Hier iſt der Finke an ſeinem Orte, hier übt ſein Schlag doppelte Wirkung auf den Hörer. Des Edelfinken habhaft zu werden, hat im Winter, wo uns bekannt— lich manche Hahnen nicht verlaſſen und nördlichere beſuchen, keine beſonderen 122 Schwierigkeiten. Man fängt fie auf dem Hof an Pferdehaarſchleifen (Schlingen), ſogar in Spatzenfallen. Lohnender in jeder Beziehung iſt der Fang, welchen man das „Stechen“ nennt. Hierzu gehört aber ein ſchon gefangener Finke. Es gründet ſich auf die mächtige Eiferſucht des Hahnes, der ſich zur Paarungszeit mit Ungeſtüm auf jeden vermeintlichen Neben— buhler raufſüchtig wirft. An einem Finkenmännchen, welches man, mit auf dem Rücken befeſtigten Leimruthen verſehen, in die Nähe des Standortes eines guten Schlägers bringt, fängt ſich alsbald der letztere. Auch in einem Fangkorbe, wie er beim Diſtelfinken Erwähnung finden wird, gelingt ſein Fang leicht, indem man ein Männchen in den vergitterten hinteren Raum bringt und den Korb auf dem Baume „fängiſch (zum Fange) ſtellt“, wo— rauf der auserſehene Schläger gewöhnlich ſteht. Der Eingewöhnung des gefangenen Vogels ſtellen ſich in der Regel keine beſonderen Hinderniſſe entgegen; doch bleiben die Wildfänge mehr oder weniger längere Zeit ſcheu und ſtürmiſch. Ein Finkenkäfig, welcher Anfangs zugehängt wird und den am beſten ein Wachstuch als Decke über— ſpannt, nimmt den Einzugewöhnenden auf. Im Winter gefangene Vögel dürfen nicht in erwärmte Stuben gebracht, ſondern müſſen anfangs in ungeheizten Zimmern oder auf dem Gange gehalten werden. Selbſt den eingewöhnten Finken läßt man am beſten in niederer Temperatur, oder bringt ihn höchſtens in eine Stubenwärme von 10 — 120 R. Man ſtellt dem Friſchgefangenen Sämereien, wie zerquetſchten Hanf, Mohn, Sommerrübſamen und geſchälten Hafer vor, welche er bald annimmt. Das Möhrenfutter, dem man abwechſelnd Ameiſenpuppen, gekochtes Rind— fleiſch und Ei, auch zuweilen vom Finken ſehr begehrte Mehlwürmer und Hanfſamen beimiſchen kann, iſt ſehr empfehlenswerth. Der Vogel iſt vor allen Finken ein Allesfreſſer; die ſchon im Freien von ihm beliebte viel— ſeitige Nahrung belehrt uns, daß wir dem Vogel, wollen wir ihn allzeit friſch und munter erhalten, auch in der Gefangenſchaft ein möglichſt ab— wechſelndes Futter zu reichen haben. Seine verhältnißmäßig derbe Natur enthebt den Pfleger zwar einer umſtändlichen und ängſtlichen Wahl von Futter— ſtoffen; doch muß er auch hier, wie bei allen ſeinen Pflegebefohlenen, zu individualiſiren wiſſen. Der eine Finke verlangt mehr Sämereien und man reicht ihm deshalb vorzugsweiſe Mohn, Sommerrübſamen und geſchälten Hafer, ſeltner und in geringer Menge Hanf, ja er nimmt in vielen Gegen— 123 den blos mit Sommerrübſamen vorlieb; ein anderer neigt mehr zu Weich— futter, ein Wink, dann das obige Möhrenfutter mit Zuthaten zu bieten. Obgleich die Neigung zum Bade beim Finken nicht ſo ſtark hervortritt, als beim Stieglitz und Hänfling, ſo muß man ihm dieſe Erfriſchung doch öfters bieten. In oder vor das Fenſter gehängt, erhebt der Vogel im zweiten Jahre ſchon Ende Februars ſeinen Schlag, der daſelbſt auch angenehmer anzuhören iſt, als im Zimmer, woſelbſt er ſchon Ende März zu ſtark wird. Welchem Sänger nun der Vorzug gebührt, darüber entſcheidet der Geſchmack ſehr verſchieden. So viele der Schläge es auch geben mag, immer be— kundet ſich doch derjenige als ein guter, in welchem alle Touren rund, melodiſch und im Zuſammenhange vorgetragen werden. Jeder Schlag beginnt mit einer Reihe raſcher, hoher Triller oder ziſchender Noten, welche gewöhn— lich einige Secunden in einer Tonlage anhalten oder auch bisweilen etwas abwärts, ſeltener aufwärts ſteigen, und nun in einen klar ausgeſprochenen, ſchmetternden Schlußſatz übergehen, der je nach der Betonung einzelner Endnoten ſeine eigenthümliche muſikaliſche Ausprägung erhält. Das Volk hat dieſe Schlußſtrophen hin und wieder verſtändlich in Worten ausgedrückt, auch die Schläge nach dieſen Endſylben zuweilen glücklich benannt, wie z. B. der „Bräutigam“, der „Reiterzug“ oder „Reitherzu“, weil man ziemlich deutlich dieſe Worte aus dem articulirten Schluſſe des Geſanges heraushören kann; weniger glücklich hat man verſucht, die Schläge mit Sylben wiederzugeben. Ohne Verbindung mit Noten bleibt dies immer unverſtändlich. Ueberhaupt iſt die Unterſcheidung der Schläge nach den unbedeutendſten Abänderungen, Beugungen und Accen— tuirungen der Schlußſylben und noch mehr alle die darauf hingehenden Benennungen eitel Spielerei, welche nur unter dem Walten einer ſo blinden, faſt beiſpielloſen Leidenſchaft, in welche die Finkenliebhaberei in manchen Gegenden des Thüringer Waldes, des Harzes ꝛc., ausartete, entſtehen konnte. So viel auch der trillernde, ſprudelnde Vorſchlag und die Schlußſtrophe in Tempo, kleineren Wendungen und Accentuirungen abändern: — es herrſcht eben immer der Charakter des Finkenſchlags, wie er oben in ſeiner nor— malen Entwicklung geſchildert worden. Manche Schläger bringen es nie zum Vortragen reiner Triller, ſie miſchen entweder unklare Töne ein, oder verwirren die Ebenmäßigkeit und das Zeitmaß derſelben. Namentlich ſind es die jungen Hahnen, welche bei der Einübung ſolche Verſtöße machen, auch den Schlußſatz verwirren oder abbrechen. Auch alte Männchen haben jedes Frühjahr mit dem Flüſſigwerden und der Abrundung einzelner Stellen im Geſange zu thun. Es iſt für den Naturfreund intereſſant, die Schläge in ihren verſchiedenen Tonbeugungen während der Paarungszeit zu be— lauſchen, ihre vorwiegende Ausprägung in der einen Gegend mit der in einer andern zu vergleichen und ſo gleichſam die verſchiedenen Finkendialekte kennen zu lernen. Dieſe Erſcheinung wird man aber auch bei den Geſängen anderer Vögel von einigermaßen Bedeutung gewahren. Sehr überraſchend und anziehend hört ſich der nicht mit Unrecht ſo benannte Doppelſchlag an. Er beſteht nämlich aus zwei etwas verſchiedenen Schlägen, welche kurz nach einander erſchallen. Einen höchſt merkwürdigen Doppelſchlag hörten wir einſt bei einem Dorfe des heſſiſchen Hinterland-Gebirges. In unſeren „Charakterzeichnungen“ ſchildern wir denſelben folgendermaßen: „Der gewaltige Schläger wiederholte zuweilen in inbrünſtigem Erguſſe nach einer Reihe ſchmetternder Triller den ſchönen, ſprechenden, oft abwechſeln— den Schlußſatz ſeines Geſanges drei-, auch viermal hintereinander in vollem Crescendo.“ Niemals haben wir wieder einen ſolchen Schlag gehört, und er muß eine höchſt ſeltene Eigenthümlichkeit des Vogels geweſen ſein, da kein Schriftſteller von dieſer Art eines Doppelſchlags ſpricht, der in der öfteren Wiederholung der Schlußſtrophe, nicht aber in der des ganzen Ge— ſanges ſeine merkwürdige Ausprägung erwies. Die Angabe Naumann's, daß es zu den Ausnahmen gehöre, wenn Edelfinken ihre ausgehobenen, in Käfige gebrachten Jungen großfütterten, fanden wir durch unſere vielfältigen Erfahrungen nicht beſtätigt. Gar manche vor Wohnhäuſern ausgehängte Bruten haben wir bis zur Selbſt— ſtändigkeit von den Alten emſig ätzen ſehen. Der künſtlich aufgezogene Finke bleibt immer unbeholfen im Geſange, er läutert ihn nur wenig, ſo viel er auch Meiſter ſeiner Art im Freien und in der Stube um ſich hören mag. Wir können von dieſer Aufzucht nur abrathen, und thun dies um deswillen ſchon lebhaft, weil wir einge— denk ſind der unverlöſchlichen Eindrücke, welche Finkenpaare durch ihr Jammergeſchrei beim Ausheben ihrer Neſter und ihr ſtandhaftes Verfolgen des Räubers ihrer Brut auf unſer Gemüth übten. Laſſet darum, ihr Vogelfreunde, unſerem prächtigen Frühlingsſänger mit der tiefen Elternliebe in der Bruſt ſeine Brut, deren Schlag die allgewaltige Natur weit beſſer ausbildet, als alle Pflege und Anleitung des beſchränkten Stubenlebens. Mit jedem dem Neſte entnommenen jungen Finken raubt ihr unnöthiger Weiſe der Natur einen Schläger, vielleicht einen Meiſter, der euch, als Wildfang erobert, weit höheren Genuß verſchafft hätte, als ſeine durch Afterpflege verkommene Geſangesgabe es jemals vermag! Der Stieglitz oder Diſtelfink. (Fringilla carduelis s. Carduelis elegans Br.) Dieſer elegante, ſchönſte europäiſche Vogel verdient mit Recht von allen Vogelwirthen, namentlich aber von den Züchtern und Liebhabern der Baſtarde von ihm und dem Canarienvogel wegen hochgehalten zu werden. Er iſt ein gewandter, rühriger und geſelliger Vogel und gewöhnt ſich, nicht zu alt eingefangen, vielfach und ziemlich raſch an den Käfig; obgleich er in einzelnen Exemplaren nie ganz ſeine Unruhe und Wildheit verliert. Seinem ſchönen Gefieder und munteren Weſen angemeſen iſt ſein an— geborener Wildgeſang, der etwas Feuriges, Kriegeriſches hat. Mit ſeinem galoppartigen Anſatze, dem trompetenartigen Geſchmetter und den lebhaft rhythmiſchen Touren hört er ſich wie ein friſches Reiterlied an. Schon in der Freiheit findet man größere, lebhaft gefärbtere Stieglitze mit vorzugsweiſe ausgeprägtem, ſchmetterndem Schlage, gegen deſſen Schluß die Sylbe „Fink“ oder „Pink“ gewöhnlich dreimal hintereinander erklingt, gegenüber kleineren, minder ſchön gezeichneten Exemplaren mit gewöhnlich ſchwächerem, unvollkommnerem Geſange. Dieſe Verſchiedenheit in Größe, Färbung und Geſangsvermögen haben wir an Jungen eines und deſſelben Neſtes entdeckt. Es liegt alſo dieſer Unterſchied, wie bei ſo vielen Vögeln, in individueller Entwicklung. Der Fang des Diſtelfinken geſchieht gewöhnlich mittelſt der Pferde— haarſchleife, der Leimruthe oder des Sprenkels auf der Salat- oder Diſtel— ſtaude, auch bei den Jungen im Fangkorbe, nichts Anderes, als ein Meiſen— kaſten, deſſen hintere, nach außen undurchſichtige, nach innen vergitterte Hälfte die Jungen aufnimmt, und der dann vermittelſt einer Holzgabel vor dem Gitter fängiſch geſtellt wird. Man hat bei dieſer Fangart eine ſichere Gewährſchaft für den Geſang des Hahnes, da man ſich über deſſen Gehalt zu Anfang der Niſtzeit vollauf überzeugen kann. Am ergiebigſten aber fällt der Fang mit dem Zuggarn auf der Tränke aus. 126 Die neu eingefangenen Stieglitze werden am beſten jeder einzeln in einen Finkenkäfig gethan und an einen ſtillen, abgeſchiedenen Ort der Stube gehängt. Selbſt ein Verhängen des Käfigs mit dünnem Tuche ſo lange, bis er ohne Scheu das Futter annimmt, iſt von Nutzen. In's Freie hänge man den Wildfang im erſten Sommer nicht, weil er da im Käfig zu unruhig wird; wohl aber kann man den einmal Eingewöhnten in einem belebten Gange oder einer bewohnten Stube einen Platz anweiſen, damit er ſich an den Anblick und die Bewegungen der Menſchen gewöhnt. Uebrigens bringt eine ruhige, nachhaltige Umgebung ſeines Pflegers den Vogel bald zur Beſinnung und Ruhe, die durch das Beiſpiel ſchon ein— gewöhnter Nachbarn nur befördert werden kann. Das Einſperren mehrerer oder vieler Wildfänge in einen Käfig taugt nichts, indem ein beſonders wilder die andern immer aufregt und deren Zähmung erſchwert. In der Zeit, wenn die Kiele zu ſtoßen beginnen, Ende Mai von der erſten Brut genommen, läßt ſich der Stieglitz leicht mit in Waſſer ein— geweichtem Mohn und Semmel aufziehen; nicht ſo ſpäter, wo man ihn nicht mehr zum Sperren bringt; es ſei denn, daß man Canarien— vögel oder andere Stubenvögel beſitzt, die ſich, wie es oft vorkommt, junger Waiſen annehmen und ſie groß füttern. Die Männchen unterſcheidet der Geübte ſchon im Neſte von den Weibchen; ſie zeichnet eine hellere, in's Bräunlichgelbe gehende Färbung vor den Weibchen aus, deren Punktirung auf der Bruſt auch häufiger und dunkelgrauer als die der Männchen iſt. Der aufgezogene Stieglitz wird ſehr zahm und lernt den Canarien— vogelſchlag ſehr ſchön wiedergeben. Zu dem Schnickſchnack der Kunſtſtücke wird er oft abgerichtet; wir vermeiden es grundſätzlich, dieſe das Thier oft quälenden Albernheiten vor einem denkenden Leſerkreiſe näher zu berühren. Das Beſtreben des Züchters und Pflegers der Stubenvögel muß dahin gehen, das Leben ſeiner Pflegebefohlenen möglichſt naturgemäß zu erhalten und⸗hauptſächlich ſich an den Aeußerungen und Bethätigungen ihrer an— geborenen Eigenartigkeiten zu erfreuen, nicht aber ihnen Dinge und Hand— lungen aufzunöthigen, welche ihrer Natur zuwider ſind, oder deren Aneignung nur oberflächliche Gemüther anziehen kann. Im Ganzen verdient der Stieglitz-Wildfang bedeutend den Vorzug vor dem aufgezogenen Vogel; denn er erfreut wegen ſeines originellen, munteren Geſanges und ſeiner viel ſchöneren Färbung ungleich mehr Ohr und Auge, als die Zöglinge * 127 der Stube. Zwar verfärbt ſich der Wildfang nach der Mauſer im Auguſt und September in der Stube immer etwas zu ſeinem Nachtheile, nament— lich weicht das glänzende, reine Karminroth des Vorderkopfes nach und nach einem helleren oder gar gelblicheren Roth, ſo wie die ſchöne gleichmäßig hellbraune Färbung auf Rücken und einem Theil der Bruſt in unreineres Dunkelbraun übergeht. Der Genuß von Sonnenlicht und freier Luft hingegen trägt dazu bei, das Prachtkleid des Vogels auch im Käfige noch lebhaft zu erhalten. In der Flughecke oder im Gebauer, deſſen Gitter oder Anbau in's Freie geht, fanden wir ſchon in ſehr friſchen Farben erhaltene Diſtelfinkenhahnen. Auch die Fütterung hat erwieſener— maßen auf die Färbung Einfluß. Die beſte Nahrung iſt ein Gemiſch von Mohn mit etwas Canarienſamen und geſchältem Hafer. Den die Vögel trübe und glanzlos verfärbenden Hanf laſſe man ganz weg oder biete ihn nur höchſt ſelten. Sehr erfreulich wirkt öfteres Abwechſeln mit Wegerich-, Diſtel-, Kletten- und Salatſamen; ſelbſt zeitweilig Grünes, Obſt und Vogelbeeren nimmt der Abwechslung liebende Vogel an. Doch reiche man das Fettbildende Obſt nicht oft, beſonders dann nicht, wenn der Vogel zur Paarung in der Hecke verwendet werden ſoll. Man gebe ihm aber reichlich Gelegenheit zum Bade. Der Diſtelfink iſt einer derjenigen Vögel, welche ſich am reinſten und netteſten halten. Wenn er nicht ſingt oder frißt, putzt und ordnet er ſein Gefieder gewiß in vielen Fällen; nach einem Bade will das Toilettenmachen aber gar kein Ende nehmen. Gerade ſo beobachtet man ihn im Freien. Es iſt ein anziehender Anblick, dieſe flinke Geſchäftigkeit des eleganten Vogels; man iſt zuweilen beinahe verſucht, dieſe behagliche Putzſucht vermenſchlichend einer gewiſſen Selbſtgefälligkeit oder Eitelkeit des cavaliermäßigen Burſchen zuzuſchreiben. Der unruhige Vogel ſucht gerne Zeitvertreib, Kurzweil, namentlich iſt er leicht mit ſeinem ſpitzen harten Schnabel aufgelegt, an Kordeln, Fäden, Papier, Tapeten, ſogar an hervorſtehendem oder losgegangenem Drahtge— flechte zu beißen oder zu zerren, welche Spielerei ſo zur Gewohnheit werden kann, daß der Vogel am eifrigen Singen nachläßt. In ſolchem Falle entfernt man die Gegenſtände der Spielerei, klemmt die aufgewun- denen oder abſtehenden Enden des Drahtgeflechtes mit einer Zange wieder an und vermeidet es, den Käfig mit einer Tapete in Berührung zu bringen. Für den Vogel ſehr angenehm und zugleich unterhaltend für das Auge iſt 125 es, wenn man von Zeit zu Zeit beſtielte Diſtel- und Mohnköpfe in den Käfig ſteckt, an welchen ſich dann der gewandte, pfiffige Inſaſſe meiſen— artig hängt, um den Inhalt der erſteren tief aus der Wolle herauszu— ſtochern, den Mohn aber mit dem unermüdlichen weißen Schnabel von unten anzubohren. Dem großen Licht- und Bewegungsbedürfniſſe des Vogels gemäß gibt man demſelben einen luftigen, geräumigen, am beſten ganz aus Draht erbauten Finkenkäfig ein und ſetzt ihn im zweiten Jahre ſchon vor das Fenſter, woſelbſt lebhafteres Ausſehen und anhaltender Geſang des Pfleg— lings bald die Luſt des Beſitzers erhöhen werden. Der Geſang des ge— fangenen Stieglitzes erſchallt ſozuſagen das ganze Jahr über; ſelbſt die Mauſer vermag nur kurze Pauſe in das ſtets bewegte Lied des munteren Hahnes zu bringen. Hierin reiht der Vogel ſich dem Canarienvogel in erſter Linie an, und durch ſeine vielen hervorragenden Eigenſchaften hat er ſich die Gunſt der Vogelwirthe in demſelben Grade erworben, wie ſein eben— bürtiger Vetter: Der Hänfling. (Cannabina linota.) - Originell und feſſelnd, wie das Stieglitzlied, iſt der Geſang des all— beliebten Hänflings, wegen der blutrothen Zeichnung auf Bruſt und Stirne des älteren Hahnes auch Bluthänfling genannt. Dieſen Schlag zeichnet ein angenehmes Ziehen melodiſcher Töne, ein heiteres Krähen und Jodeln, ſowie ein feuriges Schmettern aus, deſſen Wirkung ſich noch erhöht, wenn ihn der Vogel im Freien, gleich dem Stieglitze, hoch in der Luft erſchallen läßt, aus der er ſich in kühnem Bogenſchwunge auf Baum und Strauch herniederläßt. Aber dieſen Geſang hört man nicht oft, in manchen Gegenden ſelten, in andern gar nicht zuſammenhängend vortragen. Die ſeltene Meiſterſchaft eines Hänflings bewährt ſich vorzugsweiſe in dieſer Fertigkeit. Im Gebirge fanden wir ſie am meiſten und lernten erſt da den erquickenden Eindruck würdigen, den dieſe zuſammenhängenden, jetzt tiefflötenden, nun wohlthuend jodelnden und mit im Feuer gleichſam überſchnappendem Krähen vermiſchten, dann wieder in ſchwunghaftem Allegro und Preſto ſchmetternden Partien auf jedes aufmerkſame Gehör hervorzu— bringen vermögen. In den Beſitz ſolcher Hahnen ſetzt ſich freilich nur 129 Derjenige, der ihren Schlag zur Minnezeit belauſcht und genau den Standort und die erwählte Brutſtätte derſelben auskundſchaftet, um dann einen oder den andern ſolcher koſtbaren Vögel beim Füttern der Jungen unter dem Schlaggarn oder im Fangkorbe zu fangen, was bei dem ge— wöhnlich zurückhaltenden und mißtrauiſchen Männchen oft keine leichte Mühe koſtet. — Zu dieſer erfriſchenden freien Mitgift der Natur geſellt ſich auch noch die Gabe der Gelehrigkeit und zu dieſen beiden inneren Vorzügen noch ein ſchönes Aeußere. Die ſchmucke Färbung — die allerdings bei dem in die Stube verſetzten Wildfange meiſt nach der erſten Mauſerung ſchon in ihrer Lebhaftigkeit faſt ganz verſchwindet — ſowie die zierliche Geſtalt und gefällige Haltung kennzeichnen das nette Thierchen, das ver— möge aller dieſer guten Eigenſchaften einer der beliebteſten Stubenvögel geworden iſt. Steht er auch, was täuſchende und anmuthige Wiedergabe eines erlernten Liedes anbelangt, dem Dompfaffen an Auffaſſungsgabe nach, ſo bietet doch wieder ſein natürlicher Geſang vollen Erſatz für das, worin er von ſeinem Nebenbuhler übertroffen wird, und hebt ihn in An— betracht ſeines Werthes mindeſtens auf gleiche Linie mit dem an Geſanges— talent von der Natur ſehr ſtiefmütterlich bedachten Dompfaffen. Je nachdem man den Hänfling zum Vortrage einer vorzupfeifenden Weiſe einlernen oder aber ihn als Wildfang in der Stube halten will, wählt man die künſtliche Aufzucht, beziehungsweiſe den Fang, wie er beim Diſtelfinken angedeutet wurde, oder die Eingewöhnung eines durch Kauf erworbenen Wildfanges. Im erſteren Falle iſt die Aufzucht und Lehre ganz gleich derjenigen des Dompfaffen und des Stieglitzes; im zweiten Wartung und Behandlung im Käfige ganz ebenmäßig der des letzteren. Wir verweiſen alſo zur Vermeidung von Wiederholungen über ganz Aehn— liches oder Uebereinſtimmendes auf die Schilderung der erwähnten Vögel und haben nur noch Weniges erläuternd zuzuſetzen. Der Hänfling iſt zwar eine lebhafte, heitere Natur, doch bei Weitem weder bei der Fort— pflanzung in Hecken ſo raufſüchtig, noch bei der Fütterung daſelbſt ſo neidiſch und zänkiſch, als der Stieglitz. Auch gewöhnt er ſich, vermöge ſeines gleichmäßigeren Naturells, im Allgemeinen leichter ein als der Stieglitz, liebt aber als Wildfang, wie dieſer, einen hellen, geräumigen Käfig, ſowie Sonne und friſche Luft und eine gleichmäßige, nicht zu hohe Stubenwärme (höchſtens 11-12 R.) im Winter. Noch mehr wie der Stieglitz liebt Müller, Gefangenleben einh. Singvögel. 9 EUR. er den Hanfſamen, von dem er ſeinen Namen hat; allein jo belebend und günſtig auf Ausſehen und Geſang der reichliche Genuß des Hanfs beim freilebenden auch ſein mag, ſo ſchädlich wirkt ein beſtändiger oder auch nur öfterer bei dem gefangenen Vogel. Er wird dann leicht fett und träge unter dieſem ſeinem Lieblingsfutter, und dieſe beiden ſich gegenſeitig be— dingenden Erſcheinungen, Fett und Trägheit, ſind die ſtets zu vermeidenden Urſachen abnehmender oder geſtörter Geſundheit, zufolge deren der Geſang nachläßt. Ebenſo leicht wie der Stieglitz — wenn nicht ſchöner und voll— tönender wegen ſeiner tieferen flötenden Tonlage — ahmt der Hänfling den Schlag des Canarienvogels nach, und haben wir bei einem Bäcker in unſerer Vaterſtadt Friedberg einſt einen Hänfling gehört, welcher aus— nehmend wohlklingend und ſanft die flötenden und rollenden Touren des Harzer Canariengeſanges wiedergab. Im Allgemeinen wird der Hänfling noch zutraulicher und zahmer als der Stieglitz, ſo daß er wie dieſer nicht allein das alle Hänflinge leicht durch Hungern und nachherige Kirrung anmuthende Ein- und Ausfliegen in der Stube erlernt, ſondern auch ſeinen Pfleger nicht ſelten auf Spaziergängen in's Freie begleitet. Der Canarienvogel. (Fringilla s. Dryospiza canaria.) Unter allen Singvögeln, welche man ihrer Freiheit beraubt und in den beengenden Raum der Gefangenſchaft verſetzt hat, iſt keiner, der ſo weithin verbreitet und mit ſo großem Erfolge gezüchtet worden wäre, als der Canarienvogel. Und dennoch können wir ihn gerade in der Race mit der vorzüglichſten muſikaliſchen Begabung einen einheimiſchen Vogel nennen: denn unſer Vaterland hat das gelbe Wunderthierchen des Harzes erzeugt, das mit ſeinem prächtigen Geſange der Nachtigall den Preis ſtreitig macht. In den Häuſern der Hohen und Niedern, der Reichen und Armen, der gewerbtreibenden, vielbewegten Städte, wie der kleinſten Dörfer in einſamer Gebirgsgegend hat man den ſchönen, munteren Vogel zum vertrauten Geſellſchafter erwählt. Als Handelsartifel durchreiſt er mit den Züchtern und Händlern viele Gegenden unſeres Vaterlandes, kehrt in den Gaſt— häuſern der Städte ein, wandert nach Rußland, ſegelt über den Canal hinüber nach England oder gar über den Ocean in die neue Welt. Ueberall wird dieſer Sänger gerne geſehen und gehört, ſein Weſen, ſeine Farbe 151 und ſeine Stimme erobern ihm die Zuneigung des Menſchen, und beſonders in der Frauenwelt hat er warme Verehrer. Von ihnen wird er aber vorzugsweiſe verhätſchelt, von ihnen empfängt er die zähmenden, verwöhnenden und ihm verderblichen Leckerbiſſen. Die Heimath des Canarienvogels find die fünf Waldinſeln der cana- riſchen Gruppe: Gran Canaria, Teneriffa, Gomera, Palma und Ferro. Dort lebt er von der Meeresküſte bis zu 5000 — 6000 Fuß Höhe in großer Anzahl überall, wo das Vorhandenſein dichtwachſender Bäume und Sträucher, ſowie hinlängliche Waſſermenge ſeinen Neigungen entſpricht; denn er baut ſein Neſt in das Gezweige, bald nur etwa acht Fuß hoch, bald in die Kronen großer Bäume, von denen er ſich mit Vorliebe den Birn- und Granatbaum ausſucht, auch ein öfters wiederholtes, fein Ge— fieder durchnäſſendes Bad ihm dringendes Bedürfniß zu ſein ſcheint. In den Weinbergen und in unmittelbarer Nähe der menſchlichen Wohnungen hört man ſeinen Geſang ſo häufig, wie bei uns den Schlag des Edelfinken oder des Hänflings, mit welchem er die Art des Flugs gemein hat. Leuch— tendes Gelbgrün herrſcht in der Färbung des männlichen Vogels ent— ſchieden vor und wechſelt in der Zeichnung des Gefieders einzelner Körper— theile in hellerer oder dunklerer Schattirung, während das Weibchen ein weniger lebhaft gefärbtes Kleid trägt. In der Wahl der Nahrung wird der wilde Canarienvogel von beſonderen Eigenheiten nicht beherrſcht; denn neben mancherlei Samen geht er auch andere Pflanzenſtoffe, wie zartes Grün und Früchte, vorzüglich Feigen, an. Als neſtbauender Künſtler ſcheint er mit unſerem Stieglitz auf ziemlich gleicher Stufe zu ſtehen. Sein Neſt iſt ſchön geformt und regelmäßig ausgeführt. Nur mit dem Boden auf den Aeſten ruhend, nicht alſo mit den Wänden, wie das Stieglitz- und Finkenneſt, an Zweige hier und da mittelſt Fäden und Spinnenwebe angeheftet, erſcheint es in ſeinem unteren Theile breit, im oberen dagegen ſehr eng und von zierlicher Rundung. Auch ſein Stoff bietet einen ſchönen Anblick dar; denn er beſteht aus ſchneeweißer, glänzender Pflanzenwolle, welcher nur wenige dürre Halme und dann und wann ein Raſenſtückchen beigemengt ſind. Gewöhnlich in der zweiten Hälfte des März finden Paarung und Neſtbau ſtatt. Der Standort des Baues iſt meiſt ein gut gedeckter, der jedoch durch das auffällige Ab- und Zufliegen des Paares dem Beobachter leicht verrathen wird. Dauer und Brütezeit, 9 * Form, Farbe und Zeichnung der Eier ſtimmen mit denjenigen des zahmen Canarienvogels überein. Zähmung und Verpflanzung des Vogels in andere Klimate, ſeit mehr als 300 Jahren, haben alſo in dieſer Beziehung keine Veränderung bewirkt. Wohl aber iſt es umgekehrt in Rückſicht auf den Geſang, wenn auch deſſen Grundcharakter derſelbe geblieben iſt. Der wilde Geſang zeichnet ſich vorzugsweiſe durch Nachtigallentöne oder ſogenannte Rollen, jene zur Seele dringenden tiefen Bruſttöne, aus. Auf den Canarien lebt unſer Vogel auch in der Gefangenſchaft, doch dadurch, daß die gezüchteten Geſchlechter immer wieder von Zeit zu Zeit mit wilden Männchen gekreuzt werden, erhält man dort den Geſang mehr in ſeiner urſprünglichen Reinheit. Uebrigens eignen ſich zu dieſer Kreuzung nur die männlichen, nicht die weiblichen Wildfänge. — Daß dieſer Vogel unter der fortwährenden Pflege und Zucht in ſeinem Gefangenleben aller Klimate merklichen Veränderungen unterworfen und in Folge deſſen in Geſtalt, Farbe, Zeichnung, Befiederung, Geſang und Betragen vielfach umgebildet wurde, iſt natürlich. Es ſind alſo Racen entſtanden, deren beſtimmte, charak— teriſtiſche Ausprägung und Begrenzung eine mehr oder weniger ſtrenge gehandhabte Reinzüchtung bewahrt und noch vervollkommnet hat. Wir wollen zur Belehrung des Anfängers die bis jetzt in Deutſchland und den Nachbar- ſtaaten unterſchiedenen hauptſächlichſten Racen nach einander kennzeichnen, jo wie wir ſie durch eigene Anſchauung bei guten Vogelzüchtern und theilweiſe Selbſtzucht kennen gelernt haben. Daran mag ſich ein Verſuch reihen, die Hauptunterſcheidungen der ſich geltend machenden Färbungen und Zeich— nungen der Canarienvögel aufzuführen. Die Harzer Race. Dieſe iſt die kleinſte, etwa 13 Ctm. lang. Der Vogel iſt ſtufig und aller- ſeits kräftig gebaut, hat kurze Gliedmaßen und einen dem Hänfling ähnlichen Kopf. Er iſt der naturwüchſigſte, geſündeſte aller zahmen Canarienvögel. Seine gewöhnliche Färbung iſt ein ſanftes (blaſſes) Gelb. Hoch- oder Pirol- gelb, ſowie Graugrün wird von ſtrengen Kennern und Züchtern als nicht der Race eigenthümlich bezeichnet, weniger ſchon das Auftreten von Flecken und der Haube (Kuppe). Das Temperament des Vogels iſt lebhaft, ſein Betragen und ganzes Weſen viel anſtelliger und rühriger, als das der andern Racen. 153 In Folge ihrer Lebhaftigkeit erſcheinen die Hahnen oft zänkiſch, obgleich das Betragen gegen die Weibchen zärtlich und aufmerkſam iſt. Gegenüber den nachfolgenden Racen iſt das Fortpflanzungsvermögen des Harzer Vogels in jeder Hinſicht viel bedeutender. Ganz ſeinem feurigen Temperamente gemäß beſitzt er den bedeutendſten Geſang von allen Canarienvögeln. Seine Züchter haben — ganz entgegen denjenigen der größeren Racen — von jeher dieſer hervorragendſten Eigenſchaft ihre ganze Aufmerkſamkeit und Kunſt gewidmet. Und in der That, ſie erzielten einen Vogel, der in vielen Exemplaren in Hinſicht des Geſanges ſeines Gleichen ſucht. Der Harz, vorzugsweiſe der Ort Andreasberg daſelbſt, hat das Verdienſt, es in dieſer Zucht am weiteſten gebracht zu haben. Das Beſtreben der dortigen Pfleger geht dahin, den Geſang ihrer Vögel rein und edel zu erhalten. Sobald die aufgezogenen jungen Vögel einer Brut allein freſſen“ entfernt man ſie aus der Hecke und ſondert zur Zeit, wo die Hahnen durch zuſammenhängende Geſangesübungen ihr Geſchlecht verrathen, die Weibchen ab. Rein erhaltene alte Sänger werden ihre Lehrmeiſter, und ſchon in der Hecke darf kein ſchlechter Schläger bei den horchenden kurzſchwänzigen Jungen durch unliebſame Töne den Grund zu künftiger Mangelhaftigkeit legen. Jeder einzelne junge Hahn wird, um ihn im Geſange rein zu erhalten, für eine beſtimmt ausgeprägte Geſangart ausgebildet. Die Züchter des Harzes unterſcheiden z. B. Nachtigallen-, Lerchen- und anders bezeichnete Schläger, d. h. ſolche, welche Töne und Touren von Nachtigallen, Lerchen und andern Vögeln angenommen und in ihr Lied vererbt haben. Es werden immer diejenigen, welche am fleißigſten, reinſten und zarteſten ſingen, als Lehrmeiſter zurückbehalten, und iſt es Grundſatz, dieſe das ganze Jahr über in Einzelbauern zu halten und nicht zur Paarung zu benutzen. Seit undenklichen Zeiten vererben ſich ſo verſchiedenartige, charakteriſtiſch benannte Canarienvogelgeſänge von Geſchlecht zu Geſchlecht, und es wird der größte Werth auf Reinerhaltung derſelben gelegt. Wie dieſe verſchiedenen ausgezeichneten Geſänge ſich gebildet haben, erklärt ſich nur durch die Annahme, daß beſonders begabte Individuen durch An— eignung und originelle Verarbeitung der Schläge und Lieder anderer Vögel den Canariengeſang veredelt und zur ſtaunenswerthen Schönheit, Zartheit und Abwechslung erhoben haben. Einen Canarienhahn erſten Ranges aus Andreasberg zu hören, iſt wahrer Hochgenuß. Nur beim Anhören Be: eines ſolchen find wir einſt ſchwankend geweſen, ob wir dieſem wunderbaren Vogelgeſang oder dem Schlage der Nachtigall den Vorzug geben ſollten. Da war kein Ton zu vernehmen, der nicht voll und zart, metalliſch und wohlthuend für das Ohr mit unwiderſtehlichem Reize ſich einſchmeichelte. Ein gewöhnlicher Schreicanarienvogel verhält ſich zu einem derartigen Edlen, wie der Rabe mit ſeinem Krächzen zu der Wachtel mit ihrem wohl— klingenden Schlag. Wer bei der Züchtung der Harzer Race nur den ſchönen, reinen Geſang derſelben zu erhalten und fortzupflanzen ſtrebt und ihre Farbe gleichgültiger betrachtet, der wird leicht ſeinen Zweck erreichen, wenn er ſtreng grundſätzlich mittelmäßige Lehrmeiſter fern hält und auch die Paarung der Hähne mit Weibchen von zweifelhafter Abkunft nicht zuläßt. Im Allgemeinen gilt die Regel, daß grüne oder ſtark grün gefleckte Vögel zwar beſonders kräftig, aber auch eben darum zum Schreigeſang geneigt ſind, ferner daß ganz gelbbräunliche (iſabellfarbene) und ganz dunkelgelbe oft weichlich und wenig fruchtbar, rothäugige als Schwächlinge ſich erweiſen. Die namentlich in Andreasberg beliebteſten und zur Züchtung in Rückſicht auf den Geſang vorzüglichſten ſind und bleiben immer die einfarbig blaß— gelben Vögel ohne Hauben. Um nun die jungen Canarienhähne heranbilden zu laſſen, geſellt man ihnen vorzügliche alte Sänger an ſtillem Orte bei, wo ſie durchaus keine Gelegenheit haben, andere Stimmen aus der Vogelwelt ſich anzueignen. Der lernende, ſeinen Geſang einübende Vogel darf nicht mit ablenkenden und zerſtreuenden Erſcheinungen in Berührung gebracht werden; je verein— ſamter Lehrer und Schüler bleiben, deſto tiefer und getreuer nimmt letzterer den Vortrag des erſteren auf. Viele Züchter ſetzen zu dem Ende die jungen Hahnen in einzelne kleinere Käfige, ſtellen ſie in ein Gefach neben und unter einander und verhängen das Ganze mit einem Vorhange, ſo daß nur Reflexions- oder Seitenlicht in die Käfige fällt. So ſind die Schüler nur auf das Hören des Geſanges des in ihrer Nähe hängenden alten Meiſters beſchränkt und nehmen deſſen Schlag je nach dem Grade ihrer individuellen Anlage und der geſunden körperlichen Entwicklung mehr oder weniger vollkommen an. Selbſt noch als fertiger Meiſter nimmt der Vogel gern Fremdartiges in ſeinen Schlag auf; wie viel mehr thut er dies, ſo lange ſeine Lehrzeit dauert. Und ſein Vermögen hierzu iſt nicht gering, wenigſtens haben uns das junge Vögel bewieſen, welche von ihren Züchtern im Pfeifen 135 eines Liedchens unterrichtet wurden oder von Hänflingen und Stieglitzen den Geſang lernten. Wir ſtrebten einſt vergeblich nach dem Beſitz eines Harzer Canarienvogels, der vor dem Fenſter eines armen Schuſters den ganzen Geſang des Stieglitzes meiſterhaft vortrug. Er war von einem vortrefflich ſingenden Stieglitzhahn unterrichtet worden und hatte den großen Vorzug, daß er das ganze Lied ſtets ohne Unterbrechung vortrug und nicht wie die Stümper durch Pauſen zwiſchen den einzelnen Abtheilungen zerhackte. Abrichtungen des Vogels zu Kunſtſtücken, wie es hin und wieder üblich, ſind läppiſch und können keinen Naturfreund und Züchter dieſer edlen Sängerrace erfreuen, weil der Unterricht hierzu an ſich ſchon quälend iſt, und die Vorſtellung auf Commando um ſo läſtiger für den kleinen Schau— ſpieler wird, je öfter man ſie fordert, und dieſelbe mit Ueberwindung des Unbehagens und Nichtaufgelegtſeins von ihm gegeben wird. Zu großen Seltenheiten, keineswegs aber zu den Unmöglichkeiten gehört das Sprech— talent gerade dieſer Race. Natürlich ſind hierin dem Vogel ſehr enge Grenzen gezogen, und wenn auch der Unterricht mit dem Erfolg der deutlichen Wiedergabe eines Sätzchens gekrönt wird (das nicht gerade ein „einfach nacktes“ zu ſein braucht, ſondern auch eine kleine Erweiterung haben darf), ſo klingt doch die Stimme gar winzig und hat das täuſchend Menſchliche mit dem Staarengeplauder nicht gemein. — Die Harzer Race bedarf, als die kernigſte und geſündeſte, verhältnißmäßig weniger ängſtliche Pflege als die nachfolgend beſchriebenen, viel mehr verzärtelten und em— pfindlichen. Dennoch beachte man ſtets, daß wir es mit Stubenvögeln im eigentlichſten Sinne des Wortes zu thun hoben, welche ſeit lange „die Cultur beleckt“ und ihnen mit ihren Vorzügen auch eine Menge Gebrechen verliehen hat. Die mittlere Temperatur des Zimmers braucht, der hitzigen Natur des Vogels gemäß, nicht über + 14 — 15 R. gehalten zu werden, bei zur Hecke beſtimmten Vögeln erreicht fie im Spätherbſte und Winter nur + 8— 10 R. Das Futter beſteht aus einem Gemiſch von Sommer- rübſamen und ¼ Canarienſamen, auch Lenz oder Glanz genannt, dem Samen des Canarienglanzgraſes, der wahrſcheinlich mit dem Vogel ur— ſprünglich nach Europa gebracht worden iſt. Beſonders jungen, der Hecke noch nicht lange entwachſenen Vögeln reicht man zuweilen auch in Waſſer eingeweichten und von der Hefe durch Ausdrücken in einem leinenen Lappen befreite Semmel, ſowie geſottenes Ei. Alle Canarienvögel greift jedweder 136 Rauch- und Dunſtqualm, auch Staub mit der Zeit ſichtlich an. Man ſchütze den Vogel vor dieſen Giften ſeiner Geſundheit und wende beim Stubenreinigen die Eingangs dieſes Buches anempfohlene Vorſicht an, die Käfige mit einem Tuche zu verhüllen, bis ſich der Staub verzogen. Noch mehr bewahre man die Vögel vor Zug, durch den mit einemmale die beſte Sängerkehle von Heiſerkeit zeitlebens befallen werden kann. Mauſert dieſe Race auch im Ganzen leichter, als die zärtlicheren, ſo müſſen doch die Vögel während dieſer Zeit ſorgfältig beobachtet werden. Denn wenn der Wildfang in dieſer Periode ſchon matt und angegriffen iſt, ſo bedarf um ſo mehr der Vogel der Cultur einer beſonderen Pflege. Kräftige Nahrung darf dann nicht fehlen. Verliert der Vogel während dieſer Kataſtrophe ſeine Federn zu ſchnell, ſo daß der Verluſt derſelben mit der Bildung neuer nicht in normalem Verhältniß ſteht, ſo thut größere gleichmäßige Wärme noth; wollen die Schwung- und Steuerfedern nicht ausfallen, und nimmt der Federwechſel nicht den erforderlichen entſchiedenen Verlauf, ſo zieht man die zu feſt ſitzenden Federn vorſichtig nach einander mit jähem Ruck in der Richtung der Kiele aus. Vor Näſſe des Käfigs hüte man die Pfleglinge, es entſteht dadurch Schwäche in den Beinen. Die lang gewachſenen Nägel beſchneide man bei Zeiten, damit der Vogel am Draht— geflechte nicht hängen bleibt und nicht der Gefahr ausgeſetzt iſt, ſich das Bein zu verrenken oder es zu brechen. Die gegen das Licht gehaltenen durchſcheinenden Nägel laſſen am Ende des rothen (Blut-) Strahls deutlich die Grenze ſehen, über welche hinaus man ſie nicht beſchneiden darf. Der Beinbruch kommt hier viel häufiger vor, als bei andern Stubenvögeln. Das gebrochene Bein kann durch Schienen geheilt werden, doch muß dies Anſchienen verſtanden ſein, ſonſt überläßt man beſſer der Natur des Vogels die Heilung, die oft wunderbar vor ſich geht. So ſahen wir bei Herrn Gill mehrere Vögel, bei welchen bedeutende Beinbrüche ſich ſo außerordentlich gut ausheilten, daß man keine Spur davon weder in der Bewegung noch in der Form des Beines bemerken konnte. Nur einer einzigen Vorrichtung bedarf es in ſolchen Fällen, nämlich ſogleich nach dem Unfalle, nach welchem bekanntlich der Kranke den Boden des Käfigs auf— ſucht, den Schieber mit weichem Papier oder beſſer Linnentuch zu bedecken. Uebrigens entfernt man zur Verhütung ſolcher Unfälle Fugen am Draht— geflechte, wodurch Verrenkungen und Beinbrüche verurſacht werden, indem 137 darin die Vögel leicht hängen bleiben. Aehnlich wie der Diſtelfink beißt, zupft und zauſt der Canarienvogel gerne an Cordel, Papier, Tapete, Vor— hängen und aufgewundenem Drahtgeflechte und wird dies ihm fo zur Gewohnheit, daß hierdurch ſeinem fleißigen Singen bedeutend Abbruch geſchieht. Man entfernt aus dem Bereiche des Käfigs alle dergleichen Gegenſtände. Was hier von der Pflege und Behandlung dieſer Race geſagt iſt, gilt in noch erhöhtem Grade bei den nachfolgenden; wir brauchen alſo das Geſagte dort nicht zu wiederholen und beſchränken uns nur auf die Zeichnung des Charakteriſtiſchen dieſer Racen. Die Pariſer oder Trompeter-Race. Sie enthält die größten, eigenthümlich geſtalteten und gefiederten Exemplare. Der hochbeinige bis zu 16 — 17 Ctm. lange Vogel iſt von ſchlankem Körperbau und hat einen verhältnißmäßig kleinen Kopf. Die ſchlanke Figur wird aber gewiſſermaßen verdeckt durch die eigenthümliche Bildung und Stellung langer, bauſchiger Federn des Mantels (Ober— rückens) — der Scheitel oder die Epauletten genannt — und der Bruſt, welche den ſogenannten Chapeau bilden. Dieſe krauſe Federſtellung, verbunden mit dem Umſtande, daß die Vögel die langen Beine vermöge der ſchlaffen Bändermuſkeln der Ferſengelenke faſt in eine gerade Linie ſtrecken können, dabei gewöhnlich die Oberarme der Flügel in die Höhe ziehen und Kopf und Hals beinahe wagrecht halten, verleiht der Race etwas ganz Auffallendes. Von den Epauletten auf dem Mantel rührt der Name „Trompeter“ her, auch tauft man die Race mitunter mit dem Ausdruck Lord-Mayor. Ihre gewöhnliche Farbe iſt gelb, bis in's Hochgelbe gehend, auch grün, grau und geſcheckt. Als hochgeſchätzte Seltenheiten werden die iſabellfarbenen angeſehen. Die Race zeichnet ſich, wie in etwas minderem Grade auch die nachfolgende, durch Phlegma und daneben durch große Sterblichkeit der Jungen aus. Von hundert derſelben kommen bei der Züchtung im Mittel kaum vierzig durch. Offenbar ſind die Vögel die verzärteltſten, die wenigſte Naturwüchſigkeit beſitzenden unter ihren Stammes— genoſſen. Die Jungen führen meiſt im Ei ſchon einen Krankheitsſtoff in ſich. Gewöhnlich ſterben ſie zwiſchen dem 5. und 8. Tag nach dem Aus— ſchlüpfen, indem rothe Querſtreifen über dem Unterleibe erſcheinen und fich ſchwarze Pünktchen und Flecken im Rachen zeigen. Sobald ſie aber einmal ihr Gefieder bekommen haben, ſind ſie der Gefahr entronnen. Ihr Geſang ſteht weit unter dem der Harzer Vögel. Er hat zwar mindeſtens deſſen Stärke, iſt aber rauher, beſitzt nicht die Flötentöne und entbehrt der ge— ſchickten Verſchmelzung und Abwechslung der Touren. Am meiſten wird bei dieſen Vögeln auf die Herausbildung der äußeren Raceeigenthümlichkeiten geſehen; beſonders geſucht und geſchätzt ſind die rein hochgelben Exemplare. Herr Gill beſitzt ein ſolches Paar von beſonderer Reinheit, und wurde ihm dafür und für ein iſabellfarbiges auf der 1870er Ausſtellung von Canarien— vögeln in Cöln der erſte, ſowie für ein grünes Paar der zweite Preis zuerkannt. Außerdem erlangte der genannte Züchter noch Preiſe für graue und geſcheckte Vögel dieſer Race auf anderen Ausſtellungen. Solche rein gehaltene Vögel haben einen für den Nichtkenner unglaublichen Preis, der bis zu 200 Francs pr. Stück geht. — Der Pariſer am nächſten ſteht die Holländer oder Brabanter Race. Sie iſt wenig kleiner als die erſtere, nicht ganz ſo hochbeinig und beſitzt einen etwas dickeren Kopf. In Farbe und Haltung gleicht der Brabanter Vogel dem Pariſer, doch treten ſeine Schienbeine nicht ganz ſo frei und gerade vom Leibe heraus und krümmt er auch weniger auffallend den Rücken, als der Pariſer. Die Race beſitzt einen etwas unvollkommeneren Chapeau, als die vorerwähnte, entbehrt auch ganz des Scheitels. Die Vögel ſind zwar vorwiegend gleichmüthig, doch nähern ſie ſich hinſichtlich ihres Temperamentes ſchon mehr der Harzer Race, und kann man im Durchſchnitt einem Hahne zwei Weibchen zugeſellen. Die Sterblichkeit der Jungen iſt auch bei Weitem geringer, als bei denjenigen der Pariſer Race, indem durchſchnittlich 75% davon in den Hecken am Leben bleiben. Der Brüſſeler Vogel endlich iſt der zierlichſte und verhältnißmäßig ſchlankſte aller Canarienvögel. Sein ſchmales, kleines Köpfchen hält er gewöhnlich mit dem Halſe unter der wagrechten Linie, ſo daß er in dieſer Stellung einen noch auffallenderen 139 Eindruck als der Trompeter macht; denn er zieht ebenfalls wie dieſer meiſt die Oberarme hoch zum Rücken hinauf, ſtellt aber in Folge der äußerſt ſchlaffen Bändermuſkeln das Innere des Ferſengelenkes öfters ſo, daß es nach vorn gebogen erſcheint, was dem hochbeinigen Vogel eine merkwürdige Figur verleiht. Derjenige reiner Abkunft zeigt etwas Chapeau, höchſt ſelten und dann nur blos angedeutet einen Scheitelrücken, iſt von hoch- oder blaßgelber Farbe, höchſtens auf Kopf oder Rücken ſpärlich gefleckt. Brüſſeler Züchter behaupten, daß bei der reinen Race ein graugrüner, iſabellfarbener oder ſcheckiger Vogel niemals gezüchtet werden könne. Gill hat ſieben Jahre hintereinander verſucht, durch fortgeſetzte Kreuzung zwiſchen dunklen andern Racen und immer reinen Brüffelern beiderlei Geſchlechts derartige dunkle Vögel zu bilden; allein bis jetzt ohne den gewünſchten Erfolg. Es ſteht jedoch dahin, ob nicht beharrliche Weiterkreuzung („Durch- zucht“) dennoch die Farbe hervorbringen könnte. Der Brüſſeler Vogel ſteht hinſichtlich ſeiner Größe, ſeines Temperamentes, Betragens und ſeiner Fortpflanzungsfähigkeit zwiſchen dem Pariſer und Brabanter. Er bringt in ſeinem Heckenleben durchſchnittlich 50% Junge auf. Noch mehr als die äußere Geſtaltung in der Racebildung iſt die Färbung und Zeichnung des nun ſchon ſo lange künſtlicher Nachzucht unter— worfenen Vogels Veränderungen unterworfen geweſen. Es gründen ſich hierauf eine Menge Unterſcheidungen und Bezeichnungen, von welchen wir die hauptſächlichſten aufzählen wollen. Die der Färbung des urſprünglichen wilden Canarienvogels am ähnlichſten gebliebene iſt die graugrüne oder grünlichgelbe. Sie ändert nach den angedeuteten beiden Farbenausprägungen ab, es gibt aber aus beiden in gewiſſen Generationen immer wieder „Rückſchläger“ (d. i. den urſprünglichen Stammeltern Aehnliche) von einer in die andere Färbung. Beim Uebergang in Grau erſcheint der Rücken hänflingsartig, die Unter— ſeite blaßgelb. Die Jungen ſehen dann wie junge Hänflinge aus. Herrſcht hingegen die grüne Färbung vor, ſo iſt die Oberſeite zeiſiggrün, die Unter— ſeite hochgelb, und die Jungen tragen weniger lebhaft ebenfalls dieſes Kleid. Unter den beiden erwähnten Färbungen befinden ſich in der Regel die dauerhafteſten, fruchtbarſten Vögel. 140 Die hoch-, gold- oder pirolgelben Vögel find die ſchönſten, am meiſten von den Züchtern erſtrebten, aber auch empfindlicher und zärtlicher als die vorigen. Dieſen am nächſten ſtehen die Strohgelben mit einer etwas matteren gelben Färbung. Sie ſind dauerhafter als die Hochgelben. Die Hellgelben oder ſogenannten Weißen ſind nicht minder aus— dauernd und beſonders für die Baſtardzucht mit dem Stieglitze geſucht. Artet dieſe helle Färbung jedoch in reines Weiß aus, ſo entſtehen Roth— äugige oder Kakerlaken, weichliche, zur Nachzucht untaugliche Exemplare. Die Iſabellfarbenen ſind oben gelblichbraun oder gelbröthlichbraun, unten hochgelb. Die mit röthlichem Anfluge und pirolgelber Bruſt ſind, wie erwähnt, die geſuchteſten, aber auch ſeltenſten; ſie erreichen ihren Gipfelpunkt in den ſogenannten Iſabellſchwalben, d. h. ſolchen Vögeln, deren Köpfe, Flügel und Schwänze ſchön röthlichbraungelb, der übrige Körper hochgelb erſcheint. Man findet dieſe Färbung am erſten vertreten bei den Trompetern; ſie erſcheint bisweilen in Verbindung mit rothen Augen. Zwiſchen dieſen Hauptfarben ſtehen nun viele Zwiſchen- oder Miſch— färbungen und die ſogenannten Schecken, welche eigentlich erſt Werth gewinnen, wenn die Zeichnung eine regelmäßige iſt. Tritt das Scheckige gepunktet auf, ſo erſcheinen Tiger oder Getigerte; beſchränkt es ſich auf nur einen Flügel, jo entſtehen Halbſchwalben; erſtreckt es ſich hin— gegen regelmäßig auf einzelne Theile und Gliedmaßen, ſo iſt dies ein geſchätzter Vorzug, und man unterſcheidet dann verſchiedene Schwalben, wie z. B. Grün-, Schwarz-, Grauſchwalben, jenachdem die Vögel grüne, ſchwärzliche oder blauſchwarze oder graue Köpfe, Flügel und Schwänze beſitzen und dabei der übrige Körper einfarbig iſt. Unter dieſer Sorte unterſcheidet man wieder Kuppen- oder gekrönte und glatte Schwal— ben, d. h. auf erwähnte Art gezeichnete Exemplare mit oder ohne Hauben. Die Hauben ſind am geſchätzteſten, wenn ſie recht dicht befiedert ſind, ſich regelmäßig aufrichten und ſcharf abgrenzen. Erſtreckt ſich die dunklere Farbe blos auf den ungekrönten Kopf, ſo erſcheinen ſogenannte Plättchen, wie z. B. Grünplättchen u. ſ. w. 141 Bis jetzt iſt bei der Züchtung der drei größeren Racen hauptſächlich nur Gewicht auf die Reinhaltung ihrer äußeren Geſtaltung und Farbe gelegt worden. Herr Gill iſt auf dem Wege, nunmehr auch der Geſanges— ausbildung dieſer Vögel ſeine Sorgfalt zu widmen. Wir haben ihn in dieſem löblichen Vorſatze nur beſtärken können, und ſollen zu deſſen Aus— führung gute Harzer Schläger die allmälige Vervollkommnung der jungen Hahnen bewirken. Aber auch in der Hecke ſoll ſchon der Grund für dieſe Umwandlung des Geſanges gelegt werden, indem Eier der größeren Racen Harzer Brutweibchen übergeben werden und dieſen die Jungenpflege den Sommer hindurch überlaſſen wird. Es läßt ſich erwarten, daß bei den nicht mangelhaften Stimmwerkzeugen der großen Racen allmälig ſich auf dieſem Wege Vervollkommnung des Geſanges erzielen läßt. Gewiß ſchneller und viel ausgiebiger würde das Ziel aber durch Hinzunahme der Kreuzung zwiſchen Harzer und den andern Racen erreicht. III. Abtheilung. Leben in Hecken. Die Canarienvögelzucht. Die mit dem Eintritt ihrer Selbſtſtändigkeit aus der Hecke entfernten Canarienvögel, welche zur nächſtjährigen Paarung beſtimmt ſind, werden bei mäßiger Wärme (gute Züchter wenden nur höchſtens + 10 — 11“ R. an), am zweckmäßigſten getrennt nach Geſchlechtern, in geräumigen Einzel— bauern oder in von den Niſtapparaten geräumten Heckkäfigen überwintert. Manche laſſen die Geſchlechter der großen Racen über Winter in den geräumten Flughecken und Heckkäfigen zuſammen. Es läßt ſich dieſe Ein— richtung inſofern rechtfertigen, als fie ſich nur auf das Zuſammenſein von ſchon gepaarten Vögeln bezieht, welche die geſchloſſene Ehe treulich zu halten pflegen. Wenn irgend möglich, ſoll man die Trennung der Geſchlechter eintreten laſſen. Denn es ſoll die Ueberwinterung eine eigentliche Ruhe— periode ſein, in welcher ſich die Vögel kräftigen können zur nächſtjährigen Paarung, die dann bei der Wiedervereinigung der Geſchlechter im Frühjahre eine um ſo innigere wird. Der Ruheperiode gemäß erſcheint eine gelinde Temperatur geboten. Gegen das Frühjahr hin ſteigert man zur allmäligen Erweckung des Ge— ſchlechtstriebes die Stubenwärme nach und nach bis zu — 15° R., ſorgt auch beſtändig nachher noch dafür, daß dieſe Wärmegrade gleichmäßig er— halten bleiben und hilft mit Heizung nach, ſobald die mittlere Tageswärme unter das angegebene Medium herabſinken ſollte. Anfangs März bringt man die getrennt geweſenen Paare zuſammen. Vor Allem iſt hierbei der Grundſatz zu wahren, keine Inzucht zu treiben, d. h. keine nahe ver— wandten Vögel zur Paarung unter ſich zuzulaſſen. 143 Die Erhaltung und Bildung der Färbung bei der Züchtung iſt Ge— ſchmackſache. Man kann durch Paarung verſchiedenartig gefärbter und gezeichneter Vögel gewiſſen Anſichten und Neigungen huldigen, wie ſogleich angedeutet werden ſoll; nur wahre man die Regel, nicht zu ungleich— alterige Vögel und ſolche mit Kuppen zuſammen zu paaren, weil hierdurch im erſteren Falle oft Schwächlinge, im zweiten leicht Kahl— köpfe und mit Kopfgeſchwüren behaftete Exemplare hervorzugehen pflegen. Der Züchter hat es innerhalb gewiſſer Grenzen in ſeiner Gewalt, die einfarbigen, ſowie die erwähnten graugrünen oder grüngelben Vögel in ihrer Reinheit zu erhalten; weniger zuverläſſig gelingt ihm dies bei den Miſchfärbungen. Es ſollen hier nur einige durch Beiſpiele erläuterte Grundſätzlichkeiten zur Verhütung von Mißgriffen bei Anfängern erwähnt, Andeutungen ge— geben werden, an welche der Denkende und Thätige weitere Folgerungen und Verſuche knüpfen mag, um zu neuen Ergebniſſen zu gelangen, und dieſes noch lange nicht geſchloſſene Capitel der Erfahrung zu erweitern. Erſtrebt man Reinhaltung einer der angegebenen Hauptfarben, ſo iſt der Grundſatz zu befolgen, nur kräftige Paare von der gewünſchten Einfarbigkeit zum „Einwurf“ (Paarung) zu wählen, allfällige Rückſchläger aber jedesmal auszuſcheiden oder anderweitig zu benutzen. Nur durch ſolche immer fortgeſetzte „Durchzucht“ erzielt man Vögel von beliebter Färbung, vorausgeſetzt, daß hierbei Inzucht ſtrenge ausgeſchloſſen und zur untrüglichen Controle der Heckkäfig mit „einfachem Einwurf“ (d. h. Einſatz von nur einem Paare) gewählt wird. Der Hahn nun beſtimmt zur Bildung einer Zuchtcolonie, namentlich anfänglich, die Grund— färbung, d. h. er muß z. B. zur Herausbildung von einfarbig hochgelben Vögeln rein hochgelb ſein, während das Weibchen nur einfarbig gelb zu ſein braucht, einerlei ob hoch-, ſtroh- oder weißgelb. Alle ſpäteren Paarungen werden aber ſtrenge nur unter „durchgezogenen“ ganz Gleich— farbigen vorgenommen. Zur Erläuterung des Geſagten diene folgendes Beiſpiel. Von einem Einwurf eines goldgelben Hahnes und eines weiß— gelben Weibchens ſei in zweiter Brut ein goldgelber Hahn entſtanden. Von einem anderen ähnlichen Einwurf ſei ein goldgelbes Weibchen erzogen. Dieſe beiden goldgelben Vögel benutzt man zur weiteren Zucht, indem immer nur gleichfarbige aus verſchiedenen Bruten anderer Paare zuſammen⸗ 144 gebracht werden und bei jolcher conſequenten Fortſetzung endlich eine conſtante (durchgezogene) Colonie von der erſtrebten Färbung erzielt wird. Anders iſt's bei der Züchtung ſchön und ſelten gezeichneter Vögel, wie Schwalben, Plättchen und gekrönt Gezeichnete. Hier waltet ebenfalls die Regel, daß der Hahn immer die Zeichnung, das Weibchen nur die Grundfärbung beſtimme. Bei dieſer ſchwierigen, jedenfalls der Sicherheit wegen in Heckkäfigen zu bewirkenden Züchtung muß ebenfalls eine Colonie durchgezogen werden. Hier wird der ſogenannte „Ausſtich“ aus den Bruten zum jedesmaligen Einwurf beſtimmt, indem man nur beſonders erwünſcht gezeichnete Vögel nimmt, um mit dieſen durch das oft ſehr veränderliche Spiel des Zufalls hindurch an das erſtrebte Ziel zu kommen. Hat man auf dieſe Art z. B. einen gelben Hahn mit blauſchwarzer Holle oder mit Schwalbenzeichnung als ſeltenen Ausſtich erhalten, ſo be— ſtimmt man ſolchen zum Einwurf mit einem ebenfalls ſtrenge durchgezogenen (conſtanten) gelben Weibchen. Es muß nun abgewartet werden, bis unter den meiſt nach beiden Farben der Eltern einſeitig ausfallenden Bruten ein zum Ausſtich geeigneter Vogel entſteht, welcher das Bild endlicher Miſchung der elterlichen Färbung mit der erſtrebten Zeichnung, alſo eine blauſchwarze Kuppe oder eine Schwalbenzeichnung auf gelber Grundfarbe trägt. Mit ſolchem Ausſtich wird nun nach der vorgetragenen Regel fortgezüchtet. In der Regel gilt bei den kaltblütigen und faulen größeren Racen der weitere Grundſatz, jedem Hahne nur ein Weibchen zu geben; doch kann man zu den Brabanter Männchen im Allgemeinen zwei Weibchen zulaſſen. Den Harzern hingegen geſellt man deren drei zu: denn dieſelben zeigen am meiſten Aufmerkſamkeit und Zärtlichkeit gegen ihre Genoſſinnen und die Brut, verlangen kraft ihres feurigen Temperamentes Beſchäftigung und Abwechslung und werden durch letztere verhindert, einem einzigen Weibchen durch übertriebene Hitze und Jagen zu ſchaden. Weiter iſt die Frage zu erörtern, in welcher Art Hecken man die verſchiedenen Racen am vortheilhafteſten züchten wird. Bei dieſer Frage entſcheidet in erſter Linie der Zweck der Züchtung. Geht dieſer darauf hin, möglichſt viele Vögel zu erziehen, ſo iſt die größere Flughecke ſelbſt— redend an ihrem Platze. Wird hingegen veredelnde Zucht beabſichtigt, gehe ſie nun auf möglichſte Reinhaltung der Race nach Geſtalt und Färbung, oder erziele ſie beſonderen, ausgeprägten Geſang: ſo empfiehlt ſich der — 145 Heckkäfig. Auch die Gemüthsſtimmung der Racen entſcheidet im großen Ganzen ſchon über die Wahl für die Zucht in Flughecken oder Heckkäfigen. Die läſſigen Racen bedürfen ſchon mehr des anregenden maſſenhaften Zu— ſammenlebens, als die an ſich ſchon animirten Harzer Vögel. Die letzteren eignen ſich einmal ihres hitzigen, zänkiſchen Weſens, zum andern der bei ihnen vorzugsweiſe zur Geltung kommenden Ausbildung ihrer Geſanges— eigenthümlichkeit wegen aber gerade weniger für die Zucht in Flughecken. Hiernach ſcheiden ſich alſo im Ganzen die Wege der Züchtung nach zweierlei Richtungen hin: für die Pariſer, Brabanter und Brüſſeler Racen wählt man am vortheilhafteſten die Flughecke, für die Harzer Vögel hingegen den Heckkäfig. Dieſer letztere gewährt entſchiedene und überwiegende Vortheile vor der Flughecke. Es geht erſtlich die Begattung, wie das ganze Niſtgeſchäft mit Ruhe und Gleichmäßigkeit vor ſich, da hier ein ſtörendes Treiben der Hahnen aus Eiferſucht wie in der Flughecke nicht vorkommt; er läßt zweitens eine genaue Controle der Abſtammung bei den Bruten zu, drittens ermög— licht er eine leichte, ununterbrochene Aufſicht über den Fortgang des Niſt— geſchäftes der Paare, ſowie endlich durch ihn eine eingehende Regelung des Futters je nach der Eigenthümlichkeit der Paare und dem jeweiligen Be— dürfniſſe der Inſaſſen zu bezwecken iſt. Auch das Reinhalten des Heckkäfigs iſt nicht von der ſtörenden Nachwirkung und mit viel weniger Umſtänden verbunden, als das der Flughecke, in welcher durch dies Geſchäft immer die ganze Colonie in Aufregung geräth. Die Flughecke hat hingegen, ſtrenge genommen, neben der Annehmlichkeit freierer Bewegung für die Vögel nur den relativen Vortheil vor dem Heckkäfige, daß bei ihr ein ſummariſches Verfahren angewandt werden kann, und den allfällig noch hinzutretenden der gegenſeitigen Hülfeleiſtung einzelner Paare bei der Jungen— pflege, der übrigens von dem Nachtheile gegenſeitiger Störungen der ver— ſchiedenen Paare bei der Begattung und dem ganzen Brutgeſchäfte wieder aufgehoben wird. Dieſe Vortheile und Nachtheile werden bei der nach— folgenden Beſprechung des Niſtens in den Hecken klarer in die Augen ſpringen. Bei der Zugeſellung mehrerer Weibchen zu einem Hahne (einem ſogenannten „doppelten Einwurf“ im Gegenſatze zu dem oben erwähnten einfachen) kann man je nach der Anzahl der „eingeworfenen“ Weibchen Müller, Gefangenleben einh. Singvögel. 10 146 zwei oder mehrere Gill'ſche Heckkäfige mit ihren Schiebgitterſeiten dicht an einander bringen, ſo daß jederzeit einerſeits die Trennung der Weibchen von einander, andererſeits des Hahnes von einem oder dem anderen Weibchen nach Belieben bewirkt werden kann. Sind z. B. die Weibchen unverträglich oder eiferſüchtig, ſo daß gegenſeitige Störungen bei der Brut zu befürchten ſtehen, ſo ſperrt man ſie von einander durch Herunterziehen des Schieb— gitters je in einen Heckkäfig ab. Der Hahn wird nun zuerſt zu ſeinem ſchon angepaarten Weibchen gelaſſen, bis dies auf ſeinem vollſtändigen Gelege feſt brütet. Hierauf führt man das Männchen durch Aufziehen des Schiebgitters in den anſtoßenden Heckkäfig zum zweiten Weibchen über und verfährt ſo weiter. In vielen Fällen iſt dieſe Abſperrung der Weibchen unter ſich nicht nöthig, und räumt man dem Hahne ſammt ſeinen Weibchen nur einen Heckkäfig ein. Vor dem Einwurf in die Flughecke werden die für einander auser— ſehenen Vögel durch vorheriges Zuſammenbringen in einem Käfige angepaart. Die Paarung oder „Annahme“ erfolgt meiſt in 14 Tagen, nur ausnahms— weiſe in längerem Zeitraume und bekundet ſich dadurch, daß das Paar ſich plappernd mit den Schnäbeln berührt, der Hahn das Weibchen atzt und das letztere die piependen Begattungsrufe hören läßt. Es kommt ausnahmsweiſe vor, daß zwei Vögel ſich nicht an einander gewöhnen wollen. Konnte man die Paarung derſelben durch wiederholtes engeres Zuſammenbringen in einem Käfige nicht bewirken, ſo verſucht man die Nichtwilligen an etwa vorhandene überzählige Vögel zu feſſeln. Einzelne Hahnen ſind bisweilen zu hitzig und treiben die Weibchen übergebührlich umher, andere ſind zänkiſch und raufſüchtig. Man thut in beiden Fällen wohl, ſolche Individuen abzuſcheiden, höchſtens es mit ihnen in Heckkäfigen auf die angedeutete Art zu verſuchen. Iſt einmal die Ehe geſchloſſen, ſo dauert ſie, wie erwähnt, für das Leben des Paares. Sind in der Hecke die erwähnten fertigen künſtlichen Neſter nicht vorhanden, ſo muß man allerdings einen zeitweilig reichlich zu erneuernden Vorrath von Charpie, trocknen Halmen, Thierwolle, trocknem Mooſe u. dgl. m. in die Hecke ſtreuen, worauf das Bauen der Weibchen an den von den Hahnen ausgeſuchten Niſtplätzen ſchon einige Tage nach dem Zuſammen— bringen der Vögel erfolgt. Zuvor aber werden Niſtkäſtchen an paſſenden 147 Orten angebracht, welche mindeſtens 10 — 11 Ctm. im Quadrat und ebenſo tief ſein müſſen und auf deren Boden — wie nach Lenz im Harze geſchieht — eine dünne Lage Holzaſche, hierüber ebenſoviel durchſiebter Sand und als dritte Lage etwas feines trocknes Moos, welches bis zur Hälfte der inneren Wände des Käſtchens reicht, gebracht wird. Die übrigen Vorrichtungen an den Käſtchen werden auf die in den „Vorkehrungen“ beſchriebene Weiſe für das Anbringen der künſtlichen Neſter bewirkt. Man kann in der Regel für je ein Weibchen der Hecke zwei künſtliche Neſter oder Niſtkäſtchen anbringen. — Vom 8. oder 10. Tage nach dem Einſetzen der Paare an entſteht das erſte Ei, welchem gewöhnlich zwiſchen 5 und 6 Uhr Morgens andere folgen, bis das zwiſchen 2 — 6 Stück ſchwankende Gelege vollzählig it. In der Regel fängt das Weibchen ſchon nach dem Ablegen des zweiten Eies zu brüten an, und es zählt von da ab die Dauer der Brütezeit und die Zeit des Ausſchlüpfens des erſten Jungen, welcher Zeitraum 13 bis ſelbſt 17 Tage währt. Bevor wir weiter ſchreiten, wollen wir in allgemeinen Zügen das Verfahren und Betragen des Pflegers den Heckvögeln gegenüber andeuten. Man behütet die Inſaſſen des Vogelhauſes nach Möglichkeit vor Schrecken und Aufregung ſtrenge. Fremde Erſcheinungen können Verwirrung in der befiederten Geſellſchaft hervorrufen. Der Eintritt des Pflegers ſei nie überraſchend. Der hörbare, den älteren Vögeln wohlbekannte Tritt, der Zuruf von außen oder ſonſt ein freundliches Zeichen der Ankunft — ſolche Vorbereitungen ſichern einen ruhigeren Empfang. Aber auch die Bewegungen in der Hecke ſelbſt ſoll man mäßigen und namentlich mit den Armen nicht raſch und hoch ausfahren. Durch ſanftes Auftreten, langſames Hin- und Herſchreiten und das Vermeiden allzu gewaltſamer Eingriffe gewinnt man ſicher das Vertrauen der Pfleglinge. Man laſſe den Grundſatz walten, nie unnöthige Handlungen, Nachſehen und Unterſuchen der Neſter aus bloſer Neugierde, oder gar wiederholte auffällige Störungen vorzunehmen. Wohl hat das Auge über die Wohnungen der Thierchen fortgeſetzte beſonnene Rundſchau zu halten und das Benehmen der Gatten unter ſich ſowohl, wie gegen ihre Eier und Jungen und gegen ihre Nachbarfamilien zu be— wachen, aber die zu Hülfe kommende oder abwehrende und verhütende Hand werde nie zum Werkzeug raffinirter Probeſtücke und allzu ausgeſpitzter 10 * 148 Künſteleien. Auf der andern Seite ſei man aber auch nicht allzu ängſtlich und greife mit raſcher Verhütung und Hülfe da ein, wo verhütet und geholfen werden muß. Das Herausfangen von jungen und alten Vögeln aus den Flughecken wird am ſchnellſten und ungefährlichſten durch ein leichtes Schmetterlingsgarn von 2 Dem. Umfang und 4 Dem. Tiefe bewirkt, das mit ſicherem aber vorſichtigem, nicht ſchlagendem Zuge zu führen iſt. In Nachſtehendem ſollen die hauptſächlichſten Fälle Erwähnung finden, in welchen eine Nachhülfe oder ein Eingreifen bei der Brut vonnöthen, auch mag die Art und Weiſe hervorgehoben werden, wie die Thätigkeit des Züchters wirkſam ſein ſoll. Um ein müöglichſt gleichzeitiges Reifwerden der Gelege bei der Be— brütung zu erzielen, nimmt man erfahrungsmäßig gut brütenden, die Jungen treulich verſorgenden Weibchen nach und nach alle Eier bis auf das letzt— gelegte, indem man ſie vorſichtig auf eine Lage trocknen feinen Flußſandes in einem Käſtchen ſammelt, um ſie nach Entſtehung des letzten Eies alsbald wieder zu dieſem in das Neſt zu bringen. Etwa hierbei befindliche un— fruchtbare Eier (ſogenannte „Windeier“) werden entfernt. Dieſe ſehen, gegen das Licht gehalten, immer gleichmäßig helle aus; befruchtete erkennt hingegen der Kenner ſchon den 3., gewiß aber den 5.— 6. Tag an dem Dunkelwerden des Keimflecks und dem ſich bildenden Geäder. Auf einen Umſtand muß hier aufmerkſam gemacht werden. Es tritt vorzugsweiſe in der Flughecke bisweilen der Fall ein, daß die Frucht— barkeit eines Paares erſt beim zweiten Gelege erſcheint. Man breche alſo nicht gleich den Stab über ſolche gewöhnlich junge Vögel und laſſe ſie, Ausdauer und Langmuth übend, gewähren, beſonders wenn es ſich um die Fortpflanzung eines beſonders werthvollen Paares handelt. Ausdauernde Züchter haben ſogar nach zweijährigen Fehlverſuchen endlich im dritten Jahre noch ſchöne, vollkommene Brut erzogen. Eine andere vortheilhafte Nachhülfe des Züchters iſt die, daß er die Eier von wahrſcheinlich oder thatſächlich ſchlecht brütenden oder bei der Jungenpflege ſäumigen Weibchen anderen Zuchtvögeln unterſchiebt. Bei dieſen und allen nachfolgend erwähnten Handlungen iſt aber von Seiten des Pflegers genaue Kenntniß der einzelnen Vögel nöthig, und dieſe Kenntniß verſchafft er ſich durch ein Notizenbuch, in welches er nicht allein das ganze Gebahren der Paare während der Niſtzeit, 149 jondern auch die Tagesgeſchichte jedes einzelnen Geleges bis zum Flügge— werden der Jungen verzeichnet, und dieſe letzteren endlich durch Einſchnitte an den Schwungfedernfähnchen dermaßen kennzeichnet, daß jeder einzelne Vogel durch die Anzahl Einſchnitte eine Nummer erhält. Sind der Jungen ſehr viele, ſo trennt man die verſchiedenen Gehecke nach Einſchnitten am rechten und linken Flügel und läßt für jede Seite eine beſondere Nummer— folge durchlaufen. Bei regelmäßigem Gange des Niſtgeſchäftes, bei gut brütenden und die Brut emſig ernährenden Gatten hat der Züchter keine beſondere Mühe und Aufmerkſamkeit zu verwenden. Dieſe muß er vielmehr den mit Eigen— heiten, Unarten und Fehlern behafteten Paarvögeln beinahe ausſchließlich zuwenden. Zu den nachtheiligen Eigenheiten gehört z. B. die, daß Weibchen die Jungen in den erſten Tagen ganz unverſorgt laſſen, während ſie dieſelben oft ſpäter gut verpflegen. In ſolchen Fällen iſt es rathſam, die Eier nicht, wie oben erwähnt, anfänglich bis auf das letzte zu nehmen, um deren Ausbrütung zu Einer Zeit zu bewirken, ſondern dem Vogel das ganze Gelege zu belaſſen, damit die einzelnen Eier nach und nach zur Reife gelangen. Das erſte und zweite Junge übergibt man dann entweder einer anderen gleichalterigen Brut pfleglicher Eltern, oder man füttert ſolche Erſtlinge ſo lange ſelber, bis das Weibchen oder der Hahn, der mit der Verſorgung der Jungen gewöhnlich den 4. oder 5. Tag beginnt und dann der Haupternährer der Familie bleibt, ſich der Jungenpflege unterzieht. In den erſten 8 bis 10 Tagen erwärmt das Weibchen die einige Tage mit verſchloſſenen Augen verſehenen Jungen regelmäßig und anhaltend, alsdann in immer größeren Zwiſchenräumen, dieſelben bei Tage im Neſte ſich ſelbſt überlaſſend. Anfangs der 3. Woche, höchſtens zu Ende derſelben pflegen ſie auszufliegen und üben ſich ſogleich darauf im Alleinfreſſen. Innerhalb 4 Wochen haben ſie ihre Selbſtſtändigkeit erreicht, und nimmt man ſie dann in der Regel aus der Hecke, um ſie ſpäter, wenn die Hähnchen zu „dichten“ (zwitſchern) anfangen, nach Geſchlechtern zu trennen. Gut brütende Paare ſchreiten in der 3. Woche nach dem Ausſchlüpfen der vor— hergehenden Brut wieder zu einer neuen. Entſteht in den Hecken die Vogelmilbe, ſo ſei man ſchnell zur Hand, dieſe Plage der jungen und alten Vögel zu entfernen. Das Vorhandenſein dieſer Schmarotzer entdeckt man an den öfters aus den Neſtern hüpfenden 150 und ſich emfig laufenden und ſchüttelnden Weibchen. Man unterſuche gründlich die Neſter, ſtreue perſiſches Inſectenpulver in neu zu erſetzende fertige künſtliche Neſter, ſowie in das Gefieder der befallenen jungen und alten Vögel, reinige die Hecke von allem Geniſte u. dgl. m. und ſtreue in dieſelbe tüchtige Portionen des Pulvers aus. Bei planmäßigem, unausgeſetztem Reinhalten der Hecken, ganz be— ſonders aber beim Gebrauch und öfteren Wechſel der mehrerwähnten künſtlichen Neſter wird dieſe Plage bei den Heckvögeln nie oder höchſt ſelten einreißen, kann aber eintretenden Falls in der angegebenen Weiſe ſchnell und ſicher beſeitigt werden. — Das Futter für die unbekielten Jungen beſteht aus geſottenem Eigelb und aufgeweichter von der Hefe durch Ausdrücken befreiter Semmel, welche Stoffe etwa zu gleichen Theilen untereinander geknetet und dann wieder mit Waſſer zu einem Brei verdünnt werden. Den 10. oder 11. Tag reicht man den Pfleglingen eine Miſchung von einige Stunden vorher in Waſſer einge— weichtem Mohn- und Sommerrübſamen. Das in die Hecken zu verwendende Futter beſteht in getrennt gehaltenen Partieen Sommerrübſamen und in Canarienſamen, ſowie auf etwa 15 — 18 Vögel täglich in einem abgeſottenen Ei, deſſen Dotter und Weißes klein unter einander zerrieben wird, und altbackener, eingeweichter, von der Hefe befreiter Semmel. Außerdem reicht man zur Erzielung feſterer Schale an den Eiern zerſtoßene Hühner— eiſchalen, dergleichen Tintenfiſchknochen (ossa sepiae), ſowie ein Gemiſch von angefeuchtetem Lehm und Salz, welches zu einem Teige verarbeitet und am beſten in ein kleines Holzrähmchen eingeknetet wird. Man füttert mit friſchen Stoffen täglich mehrmals, nöthigenfalls dreimal. Die Fütterung bleibt ſich in der Hecke im Allgemeinen gleich; nur bewährt ſich zur Er— weckung größerer Lebensthätigkeit (hauptſächlich der großen Racen) bei niederer Temperatur eine mäßige Gabe von Hanfſamen. Reichliches, bei heißem Wetter oder bei Trübung der Gefäße täglich mehrmals zu erneuern— des friſches, reines Brunnenwaſſer zum Trinken und Baden darf nie fehlen. Bis zu eintretender Selbſtſtändigkeit iſt die junge Brut mancherlei Gefahren und Unbilden von Seiten der Paare ausgeſetzt. Kaum iſt das erſte Ei vorhanden, ſo findet es ſchon in dem zuweilen ſogar am Neſte des brütenden Weibchens lauernden Vater, nicht ſelten auch an einem anderen Hahne einen Vertilger oder Verzehrer. Solche Vögel richten 151 beſonders in Flughecken großen Schaden an, deſſen weiterem Umſichgreifen man nur durch ſofortige Entfernung der Miſſethäter begegnen, in den Heckkäfigen hingegen mit folgendem Mittel vorbeugen kann. Man fängt oder ſeparirt während der Legzeit den Hahn jeden Abend und läßt ihn erſt, nachdem das Ei am andern Morgen gelegt und vom Züchter abgeſondert iſt, wieder in den Heckkäfig ein und verfährt ſo weiter, bis das Gelege vollſtändig iſt und das Brüten begonnen hat, von welchem Zeitpunkte an das Unweſen des Hahnes aufhört. Aehnliches kommt bei eiferſüchtigen Weibchen vor, welche ſich auch, wie einzelne Hahnen, die neu erbauten Neſter gegen— ſeitig zerzauſen. Der letzteren Untugend wird ein- für allemal gründlich durch allgemeine Anwendung der erwähnten fertigen künſtlichen Neſter ab— geholfen. Bei den Weibchen tritt ferner die ſtörende Gewohnheit auf, daß mehrere ihre Eier in Ein Neſt ablegen und nun darauf auch gemein— ſchaftlich brüten. Hierdurch entſtehen erfahrungsmäßig meiſt Fehlbruten. Man kann dieſen Unregelmäßigkeiten in der Flughecke durch Vertheilung ſolcher Eier unter andere Gelege nur dann mit Vortheil begegnen, wenn ſich mehrere gleichalterige Gelege gerade vorfinden, oder durch das immer mit Aufregung verbundene und darum womöglich zu vermeidende Mittel, daß man die concurrirenden Weibchen bis auf eines, dem man einen Theil des Geleges läßt, aus der Flughecke entfernt. Von vornherein beugt das Einſetzen ſolcher Weibchen in Heckkäfige dieſem Unfuge vor. Zwei Hauptfehler bei Hahnen müſſen wir noch erwähnen, nämlich das Federausrupfen, ſowie das Zerbeißen der Schnäbel und Füße an eignen und fremden Jungen. Die letztere böſe Angewöhnung kommt meiſt bei den Bruten zu Ende der Heckzeit vor, und kann derſelben nur durch Entfernung der unnatürlichen Vögel Einhalt gethan werden. Das mißliche Federausziehen bewirken einzelne Hahnen ſchon von der Zeit der Entſtehung der Federn an den Jungen bis zu deren Flüggewerden und ſelbſt noch über dieſen Zeitpunkt hinaus. Es erſtreckt ſich hauptſächlich auf die Schwanz-, zuweilen auch auf die Rückenfedern und geſchieht vielfach ſo ungeſtüm und nachhaltig, daß die Kleinen an den verletzten Stellen bluten. Setzt ſich dieſes Ausrupfen zwei- oder gar dreimal auf wieder neu entſtehende Federn fort, dann tritt keine Neubildung von Kielen mehr ein und die Jungen behalten nackte Stellen oder bleiben ohne Schwänze. SER In der Flughecke hat der Züchter kein anderes Abwehrungsmittel, als ſolche übel behelligte junge Thierchen in ſeine Pflege zu nehmen; er müßte denn zu der jedenfalls mißlichen Maßregel greifen, die betreffenden Hahnen, als die Haupternährer der ganzen Familien, zu entfernen. Iſt das Uebel übrigens bei den alten Vögeln ein eingeriſſenes, ſo taugen dieſelben zur Zucht nicht und werden durch beſſere Hahnen erſetzt. In den Heckkäfigen kann man ſich durch Abſondern der Jungen in einem kleineren, in einer Ecke des Heckraumes anzubringenden Käfige helfen, ſobald die Jungen nur erſt ſo weit vorgeſchritten ſind, daß ſie das ihnen durch das Gitter ihres Abſperrungsraumes von den Alten gereichte Futter entgegennehmen und ohne Mutterwärme beſtehen können. Sobald die Selbſtſtändigkeit eines Ausflugs von Jungen in den Hecken erfolgt iſt, muß ihre Entfernung aus den letzteren erfolgen; man müßte denn die allerdings beſonders in der Flughecke förderliche, gerade nicht ſeltene Eigenſchaft an den Vögelchen bemerken, daß ſie die Mitfütterung der zweiten Brut beſorgen helfen. Gewöhnlich wirkt das längere Belaſſen der Ausflüge in den Hecken nur ſtörend auf den Fortgang des Brutge— ſchäftes der Paare, indem ſie bei der Atzung der zweiten Brut herbeifliegen, den Alten das Futter für ihre Nachgeſchwiſter nehmen und namentlich in den Heckkäfigen häufig die neu brütende Mutter dadurch behelligen, daß ſie ſich Abends und Nachts zu ihr auf das Neſt drücken. Die abgeſonderten Jungen erhalten zeitweilig immer noch etwas Weichfutter in Form eingeweichter, hefefreier Semmel, auch hin und wieder etwas Ei, bis fie allmälig zu dem ſchon erwähnten Futter in der Ruhezeit oder dem Einzelbauer übergeführt werden. Zu mehr als drei Bruten in einem Sommer läßt man ein Paar nicht kommen, erſtlich um die Vögel nicht zu ſehr zu ſchwächen, zum andern weil nach der Selbſtſtändigkeit der regelmäßigen dritten Brut auch die eigentliche Niſtzeit, der Vorſommer, vorüber iſt. Mit Ende Juni tritt alſo der Schluß der Hecke ein. Alsdann wird dieſelbe von den Brut— vorrichtungen geräumt und kann für alte und junge Vögel der großen Racen nach der Mauſer von Mitte September an wieder bevölkert werden, ſobald dieſelbe in einer heizbaren Räumlichkeit beſteht. Bei den Harzer Vögeln hingegen werden die Paare ſowohl als die Jungen von einander getrennt, und es beginnt die bereits geſchilderte Behandlung, die Lehrzeit 153 und Ausbildung des Geſanges bei den jungen Hahnen, ſowie die Zeit der Ruhe und körperlichen Ausbildung für die Andern. Die Hahnen erkennt man nach Lenz ſchon in ihrer Neſtfedernbildung an der hochgelberen Farbe um Augen und Schnabel vor den Weibchen. Dies gälte aber doch nur für gelbe Vögel, nicht aber für dunkelgefärbte. Ein allgemeines Merkmal, freilich nur für den geübten Blick, ſind die kräftigeren, breiteren Unterkiefern, wodurch ſich die Hahnen vor den Weibchen auszeichnen. Aus dem Vorerwähnten ſpringt nun unleugbar der überwiegende Vortheil der Heckkäfige vor den Flughecken im Allgemeinen und Beſonderen in die Augen, und können wir es nunmehr dem Urtheile jedes Denkenden überlaſſen, unter welchen Verhältniſſen er die eine oder andere Art der beſchriebenen Hecken ſeinen Pfleglingen einräumen ſoll. Die Vaſtardzüchtung. Es ſoll uns hier ſelbſtredend nur die Paarung (Kreuzung) zwiſchen Canarienvogel und den ihm nahe verwandten Finkenvögeln beſchäftigen. Wir faſſen dabei, unſerer Aufgabe gemäß, beſonders die Züchtung mit ſolchen Arten in's Auge, aus welchen neben ſchön gefärbten und gezeichneten Exemplaren gute Sänger hervorzugehen pflegen. Man hat auch die Paarung des Canarienvogels mit ihm entfernter ſtehenden Vogelarten verſucht, und iſt hin und wieder dieſelbe geglückt. Immer aber hat der Einwurf von ſtammverwandten Arten entſchiedenen Vorzug. Die Baſtardzüchtung erheiſcht eine große, Geduld und Ausdauer erfordernde Mühewaltung, der ſich nicht Jeder unterziehen kann und mag. Herr Philipp Schaeffner in Frankfurt a. M., ein uns von achtbaren Seiten ſehr empfohlener Gewährsmann in der Canarienbaſtard-Züchtung, welcher er 20 Jahre unausgeſetzt obgelegen und vermöge welcher er ſeltene Exemplare züchtete, mit denen er auf der 1867er Frankfurter Ausſtellung den erſten Preis errang, — ſchreibt uns über dieſelbe Folgendes: „Wer dieſe Züchtung betreiben will, muß Zeit, eine große Geduld und Ausdauer haben und darf auch keine Koſten ſcheuen; denn es gibt Jahre, in welchen man 8 bis 10 Heckkäfige verſchiedener Zuſammenſtellung unterhält, ohne nur eine Feder davon zu bringen.“ Die Baſtardzucht iſt vielfach noch nicht abgeſchloſſen, und ſo manche Fragen bedürfen noch einer befriedigen— den Beantwortung durch Verſuche und Forſchungen an der Hand der Erfahrung. Dasſelbe beſtätigt ein Brief des Herrn Rudolf Riemann in Breslau, eines uns von Freund Franz Schlegel in Breslau empfohlenen Züchters, wenn u. a. darin Folgendes geſagt iſt: „Habe ich auch gewiſſe Fundamentalſätze der Züchtung ſelbſt in dieſer Baſtardzucht erkannt, ſo bedürfen die wichtigeren neueren doch noch weiterer Verſuche, die ich vor dem Ablauf mehrerer Jahre nicht vollenden kann. Früher möchte ich darüber Nichts verlauten laſſen, indem durch Unfertiges nur Wirrwar geſtiftet wird.“ Manche Autoren und praktiſche Züchter behaupten, daß die Baſtarde fruchtbar ſeien; vielen zuverläſſigen neueren Verſuchen nach ſollen ſolche Behauptungen auf Irrthum und Verwechslungen beruhen, und man hält jetzt faſt allgemein die Unfruchtbarkeit der Baſtarde für ziemlich feſt beſtätigt. Es mag dies Capitel der Unterſuchung und des Verſuchs im Hinblick auf die Reſultate bei andern Vogelarten und bei Säugethieren jedoch der Fortſetzung gewiß noch werth erſcheinen. Da uns in dieſer Züchtung nur aus früherer Zeit mangelhafte Er— fahrungen zu Gebote ſtehen, welche von neueren Verſuchen weit überholt ſind, ſo beſchränken wir uns auf die exacten Mittheilungen des lange und gewiſſenhaft Erprobten über dieſen Gegenſtand von unſerem oben angeführten Gewährsmanne um ſo freudiger, als deſſen Mittheilungen für's erſte im Weſentlichen mit den Gill' ſchen und unſeren Anſichten über die Canarien— vögelzucht übereinſtimmen, zum andern es unſer Grundſatz iſt, lieber einen oder wenige erprobte gute Züchter zu hören, als uns aus dem Chaos von Widerſprüchen und Weisheitskram vieler oft unzuverläſſiger und mittel— mäßiger Beobachter zurecht finden zu müſſen. Vor Allem verdient die Art der Herrichtung von künſtlichen Neſtern Erwähnung, wie ſie Schaeffner bei der Zucht von Canarienbaſtarden bewirkt. Sie weichen in Form und Stoff etwas von den Gill'ſchen ab, ſtimmen aber in der Hauptſache mit denſelben überein. Den gedrehten Holznapf erſetzt hier ein wohlfeileres, von Weiden geflochtenes Körbchen, in deſſen Mulde zur beſſeren Erwärmung des Innern ſtarkes Papier ein— gepaßt und worauf perſiſches Inſectenpulver zur Abhaltung von Ungeziefer geſtreut wird. Die innere Bekleidung der Mulde beſteht nicht in Lämmer— 155 pelz, ſondern aus einem Stück Filz oder Wollenzeug, das an dem Neſtrande feſtgenäht iſt. Die Fälle, in welchen dieſe fertigen Neſter angewandt werden, finden nachfolgend am betreffenden Orte Erwähnung. Die zum Einwurf mit Canarienvögeln zu verwendenden Vögel werden am beſten als Neſtlinge aufgezogen, oder doch als junge Thiere gefangen und bis zum Winter unter naturgemäßer Wartung in Einzel— käfigen gehalten, um ſodann die Hahnen unter ihnen mit Canarienweibchen, die weiblichen Exemplare dagegen mit Canarienhähnen in großen Käfigen in ungeheiztem oder doch nur mäßig erwärmtem Zimmer zu überwintern, jenachdem man nämlich zur Züchtung Hecken im Freien oder aber in Stuben benutzen will. Im Februar beginnt die Trennung der Paare in kleinere Käfige, um ſodann Mitte Aprils den Einwurf paſſender Paare in die Heckkäfige zu bewirken. Zur Baſtardzüchtung wählt man nach Schaeffner's Erfahrungen am erfolgreichſten Canarienvögel von den großen Racen, beſonders die Holländer, weil dieſe ſich am leichteſten mit fremden Vögeln paaren. Die Schaeffner'ſchen Heckkäfige befanden ſich immer im Freien, jedoch an vor Näſſe und Wind geſchützten Orten. Hier verblieb der Ein— wurf bis zum Eintritt des Froſtes, und es begann alsdann die angedeutete Ueberwinterung in ungeheizten Zimmern. Die Winterfütterung, welche Schaeffner bei der Baſtardzüchtung anwandte, ſtimmt mit der oben bei der Canarienvögelzucht angegebenen weſentlich überein. Er gab nur zeitweilig und mäßig zerquetſchten Hanf, gegen Februar, alſo in der Ueberführung zur Heckzeit, davon häufiger und etwas mehr; reichte den zum Einwurf in die Heckkäfige beſtimmten Vögeln die Woche einigemal in Waſſer ein— geweichtes und wieder ausgedrücktes Weißbrod, beſtimmte aber immer zum Hauptfutter Sämereien. In der Hecke wurde jeder Art das paſſende Geſäme gegeben und geſchälter Hafer mäßig beigemiſcht. Acht Tage nach dem Erſcheinen des vollſtändigen Geleges ſetzte unſer Gewährsmann Semmelfutter und ſobald wie möglich friſche Ameiſenpuppen, den Edelfinken zeitweilig Mehlwürmer, auch allen Heckvögeln zur Abwechslung etwas Kopfſalat oder anderes Grünfutter vor. Wir können der Fütterung mit friſchen Ameiſenpuppen nur auf's wärmſte das Wort reden; ſie erſetzen nicht nur Hühnerei vollkommen, ſondern bilden ſogar ein naturgemäßeres und nahrhafteres Atzungsmittel für die Jungen. Wo man alſo Ameiſenpuppen erlangen kann, verdienen dieſe den Vorzug vor allen anderen Atzungsſtoffen. Sommerrübſamen und Mohn werden als Atzungsfutter nicht eingeweicht, es ſei denn, daß man Junge unter Selbſtpflege nehmen müſſe, in welchem Falle, wie ſchon bei der Canarienzucht erwähnt wurde, ein mehrſtündiges Einweichen des Geſämes in Waſſer einigermaßen die Vorbereitung der Atzung im Kropfe der Alten erſetzen ſoll. Die Fütterung der ſelbſtſtändig gewordenen jungen Baſtarde iſt die nämliche, wie die der jungen flugbaren Canarienvögel. Wir theilen die Grundſätze von Gill und Schaeffner vollkommen, nach vollzogener Vorbereitung der Paare im Februar und März den ſchließlichen Einwurf der Paare in die Hecken nicht vor Mitte Aprils zu bewirken. Es iſt dies die natürlichſte Heckzeit, in welcher die geſündeſten und kräftigſten Jungen gezogen und die alten Paare nicht entkräftet werden. Der ſpätere Eintritt der Paarung hat auch eine ſpätere Mauſerung bei: den Heckvögeln zur Folge, und kann unter dieſem Umſtande z. B. die Fortpflanzung mit dem Diſtelfinken noch bis in den September dauern. Die Baſtardzucht mit dem Diſtelfinken. Dieſe iſt unſeres Erachtens die lohnendſte nicht allein in Hinſicht der vorzüglich ſchönen Färbungen und Zeichnungen, welche man hierdurch bis— weilen erzielt, ſondern auch in Rückſicht des dem Canarienvogelſchlage zwar nachſtehenden, aber im Ganzen ſich doch gut vererbenden Geſanges der Baſtarde. Der Diſtelfink paart ſich in der Gefangenſchaft mit Canarien— weibchen lieber, als mit Seinesgleichen; es gibt aber auch viele Stieglitze, beſonders unter den Wildfängen, welche durchaus kein Canarienweibchen annehmen. Die beſten Zucht vögel find in der Regel die Stieglitzweibchen, weil dieſe die Jungen oft blos mit Sämereien großfüttern; obſchon ein guter Canarienhahn hierbei immer behülflich ſein wird und die Atzung zuletzt auch allein beſorgen ſoll. Aber die Paarung mit dem Stieglitzweibchen gelingt ſeltener, als die mit dem Diſtelfinkhahne und Canarienweibchen. In letzterem Falle tritt der Stieglitz nur in ſeltenen Fällen als Ernährer der Jungen auf; die Atzung muß meiſtens das Weibchen allein beſorgen. Hier muß man den Stieglitz, ſobald die Jungen Kiele ſtoßen, aus der Hecke entfernen; denn er tödtet meiſt die Jungen, ſobald ſie das Neſt verlaſſen, 157 durch Schnabelhiebe auf die Köpfe. Das Heranziehen der Jungen beſorgt nach der Entfernung des Hahnes aber in der Regel jedes gute Weibchen; weshalb man bei dieſer Baſtardzüchtung ſtets darauf Bedacht nehmen muß, gut erprobte Canarienmütter zum Einwurf zu wählen. Sobald die ſo erzogenen Jungen ſelbſtſtändig geworden ſind, werden ſie aus dem Heckkäfig entfernt, und der Hahn wird wieder zur weiteren Brut dem Weibchen beigegeben. Was nun Färbung und Zeichnung der Baſtarde betrifft, ſo fand Schaeffner keine Unterſchiede darin, ob der Stieglitz-Zuchtvogel männlichen oder weiblichen Geſchlechts geweſen ſei. Die meiſten Baſtarde fallen in der Hauptfärbung grau und bräunlich, überhaupt mehr nach Geſtalt und Zeichnung des Finken aus, wohl aus dem Grunde, weil ſich bei der Ver— miſchung die Eigenartigkeit des naturkräftigeren Vogels vor der des ver— zärtelten Thieres der Cultur als eine viel vorwiegendere bethätigt. Die Färbung und Zeichnung der Baſtarde fällt indeſſen bisweilen ſehr ſchön aus, wenn der Brutvogel ein Canarienweibchen iſt. Man wählt hierzu am beſten ein durchgezogenes, einfarbiges blaß- oder weißgelbes Exemplar und gewinnt hierdurch am erſten die geſchätzten ſchwalbenartig gezeichneten Baſtarde mit orangefarbenen oder röthlichen Vorderköpfen und Kehlen, dunklen Flügeln und Schwänzen, oder die Plättchen mit gelbrothen Scheiteln und Kehlen bei gelber Grundfärbung. Dieſe Zeichnungen heben ſich noch be— ſonders in der Färbung durch Einwurf eines durchgezogenen hoch- oder goldgelben Canarienweibchens, wie ſie nach Bericht Schaeffner's einſt der auch uns bekannt geweſene verſtorbene Fendt zu Schotten im Vogels— berg von der Brut eines Paares gezogen, welches jedoch aus allen ſpäteren Bruten nur dunkle unanſehnliche Jungen hervorbrachte. Vor zwei Jahren erhielt nach weiterer Mittheilung Schaeffner's ein Züchter aus Gießen für 5 merkwürdige Diſtelfinkbaſtarde bei der Frankfurter Vogelausſtellung den erſten Preis. Dieſe Vögel waren von mehr oder weniger ſchwarzer Grundfärbung und trugen theils größere, theils kleinere gelbe Flügelbinden; ſie verfärbten aber alle nach der Mauſer in ſchlechtes Grau. Umgekehrt färben ſich aber die anfänglich trüben graubraunen Vögel mit Diſtelfink— zeichnung bei ſpäteren Mauſerungen oft lebhafter. Paaren, wobei der Stieglitz das Männchen, gibt man in die Heckkäfige die erwähnten Schaeffner'ſchen fertigen Neſter mit Filz oder Wollentuch— 158 bekleidung, um dem Diſtelfinken zu ſeiner Unart, die Neſter zu zerzauſen, keine Veranlaſſung zu geben. Es gründet ſich dieſe Methode Schaeffner's ſehr ſachgemäß nicht allein auf die erwähnte üble Gewohnheit des Stieg— litzhahnes, ſondern auch auf die Thatſache, daß die Hahnen dieſer Finkenart weder in der Freiheit noch im Gefangenleben ſich am Baugeſchäfte be— theiligen. Sobald aber der Brutvogel ein weiblicher Stieglitz iſt, verwendet Schaeffner Baumaterial in den Heckkäfig. Am beſten beſteht dies aus den Stoffen, deren ſich der Stieglitz im Freien zum Bau ſeines Neſtes hauptſächlich bedient, alſo aus Pflanzen- und Thierwolle, Würzelchen, Moos, Halmen, Pferdehaaren u. dgl. Das Stieglitzweibchen fertigt ſich daraus ein ſchönes künſtliches Neſt, das es zur Brut bis zum Herbſte benutzt. Die Baſtardzucht mit dem Hänfling iſt die ergiebigſte, weil ſich dieſer Vogel am leichteſten mit dem ihm naheverwandten Canarienvogel paart und nicht die Fehler und Unarten des Diſtelfinks und Grünlings in der Niſtzeit offenbart. „Bei dieſer Zucht“ — theilt uns Schaeffner mit — „iſt die Behandlung, wie die der Canarienvögel überhaupt. Die Baſtarde mit dem Hänfling ſind ge— wöhnlich unanſehnlich braungrau, zuweilen auch weiß oder gelb geſcheckt, oder oben grau, unten gelb, aber gute Sänger.“ Der Anfänger kann alſo nach den unter dem Abſchnitt der Canarien— vögelzucht gegebenen Regeln dieſe Züchtung mit dem Hänfling leiten. Mit der Abhandlung vorſtehender beider Züchtungen wäre eigentlich dem Zwecke gegenwärtigen Werkes Genüge geſchehen. Da uns aber einige Andeutungen Schaeffner's über Baſtardzüchtung des Canarienvogels mit heimiſchen Sängern niederen Ranges zu Gebote ſtehen, ſo wollen wir die Worte des tüchtigen Züchters den Liebhabern der Baſtardzucht nicht vor— enthalten. „In einem großen Käfige hatte ich berſchiedene überzählige Vögel. Es fand ſich ein Girlitzmännchen, welches ſich mit einem Diſtelfink— weibchen paarte. Sie zeugten und erzogen drei Baſtarde, wovon ich noch ein Exemplar ausgeſtopft beſitze, welches ich Herrn Dr. Noll dahier zeigte. In der Färbung gleichen dieſelben den gewöhnlichen Stieglitzbaſtarden, nur iſt die Geſtalt des Girlitz vorherrſchend. m ’ re äb23— — — — — — ———————— 159 „Der Zeiſig iſt ſehr hitzig und paart fich leicht mit dem Canarienvogel, iſt auch ſeinen Jungen ein zärtlicher, die Ernährung fleißig betreibender Vater. Die Jungen ſind gewöhnlich ſchmutzig grün und erben meiſt Figur und Weſen des Zeiſigs, und zog ich von einem Zeiſigmännchen und einem erbſenfarbenen Holländer Weibchen einſt vier ſchöne hellgrüne Baſtarde, die von ſchlanker Geſtalt und hochbeinig waren; das Schönſte wohl was in ſolchem Falle vorkommen kann. „Da man den im hohen Norden niſtenden Leinfinken hier nicht jung haben kann, ſo muß man mit Wildfängen vorlieb nehmen, die aber leicht zahm werden und ſich gerne paaren. Von dieſen habe ich nur unanſehnliche graue Baſtarde mit ſchlechtem Geſang erhalten. „Von einem Grünling und einem blaſſen Holländer Weibchen habe ich ſchöne große hellgrüne Vögel gezogen, wovon einige weiße Federn im Schwanze hatten. Hiervon beſitze ich noch mehrere. Dieſe ſind dauerhafte, harte Vögel von ſtarkem Schlage, der gerade nicht ſchlecht, aber einförmig zu nennen iſt. Die Grünlinge haben meiſtens den Fehler, die Eier zu zerbeißen; man muß deshalb ſehr auf der Hut ſein, um letztere zeitig aus dem Neſte zu entfernen und bis zur Brütung etwa durch hölzerne zu erſetzen. Man wählt zum Einwurfe beſſer Grünlingshahnen, weil die Weibchen dieſer Art nur ſchlechte Zuchtvögel zu ſein pflegen. „Dieſe Vögel werden ſehr alt. Einer in meinem Beſitze war nach— weisbar 18 Jahr alt und zeugte noch fünf Junge. „Auch mit Blutfinken habe ich die Probe gemacht, aber ſtets ohne Glück. Dieſe Zucht iſt eine ſehr mißliche. Ich bemerke nur, daß, wenn der Hahn Blutfinke iſt, man ein künſtliches Neſt in den Heckkäfig gibt, wenn hingegen das Weibchen ein Gimpel iſt — in welchem Falle die Paarung mit einem hitzigen Canarienhahne leichter glückt — man den Neſtbau dem Brutvogel überlaſſen muß. Man bringt dann in dem Heck— käfige etwa ein Geflecht von Fichtenzweigen an und gibt Bauſtoffe, am beſten die Beſtandtheile eines Blutfinkenneſtes. Ich hatte einen Blutfinken, der ſein Canarienweibchen fütterte, ſich aber nicht begattete, und erlebte wieder andere Fälle, wo das Weibchen zu ſtörrig war. In den Fällen, in welchen das Canarienweibchen den Blutfinkenhahn nicht annehmen will, ſoll mit Erfolg die nachfolgende Methode anzuwenden ſein. Man ul einen Heckkäfig, der durch eine Gitterwand in zwei Theile getrennt iſt, 160 deren einen der Blutfinke, in deren anderen das Canarienweibchen kommt. Der Heckkäfig wird in einem Zimmer abgeſchieden, damit das Paar keine anderen Vögel ſieht und hört. In glücklichem Falle werden die Vögel bald zur Paarung ſchreiten und der Gimpel das Weibchen durch das Gitter atzen. Sobald ſich das Paar feſt angenommen, wird die Gitterwand durch eine hölzerne, mit einem verſchließbaren Thürchen verſehene Scheidewand erſetzt, ſo daß ſich die Vögel nicht ſehen können. Dieſe werden ſich nun fortwährend locken; man füttert ſie ſodann einige Tage mit ſehr hitzigem Futter, läßt ſie aber noch getrennt, um ihr Verlangen zu ſteigern. Hat dies einen hohen Grad erreicht, dann wird der Blutfinke durch das Thürchen in der Scheidewand zum Weibchen gelaſſen, das er zur Begattung zu zwingen ſuchen wird. Auf dieſe Art könnte man befruchtete Eier erhalten, um dieſe durch andere Heckvögel bebrüten zu laſſen. „Buchfinken hielt ich Jahre lang, von Canarienvögeln aufgezogene Neſtlinge ſowohl als Wildlinge. Die Baſtardzüchtung mit denſelben und den Canarienvögeln iſt mir nie geglückt. Sie haben ſich zwar gepaart und die Paare eine Zeit lang friedlich mit einander gelebt; allein zur Be— gattung zwiſchen denſelben kam es nicht. Ein Finkenhahn biß ſogar endlich ſein Weibchen todt, weil es ſich, wie es gewöhnlich bei dieſem Einwurf vorkommt, nicht zur Begattung bequemen wollte und in Folge deſſen von dem hitzigen Hahne verfolgt und zu Grunde gerichtet wurde. „Aehnlich erging es mir mit dem Hausſperling. So ſcheinbar zahm dieſer Vogel im Freien, ſo wild, ſtörriſch und verſchlagen iſt er eingeſperrt, wenn auch jung aufgezogen. Man muß ihm ein Neſt mit Schlupfloch geben, d. i. ein hölzernes Käſtchen in Form eines Küchenſalzbehälters, welches groß genug iſt, um ein künſtliches Neſt hineinſtellen zu können, und deſſen obere oder vordere Seite geöffnet werden kann. Das Canarienweibchen bequemt ſich ſchon hineinzugehen. Mit dieſem verſchlagenen Burſchen habe ich den Einwurf mit einem Canarienweibchen nur einmal probirt, weil er mich zu viel durch ſeine Argliſt ärgerte. Näherte ich mich dem Käfige, ſo ſchlüpfte er durch's Loch in's Neſt und hielt ſich lange Zeit darin verborgen. Dieſen mißtrauiſchen Charakter muß der Sperling durch die vielen Nachſtellungen und Verfolgungen des Menſchen angenommen haben. „Zweimal verſuchte ich die Baſtardzucht mit Goldammern, ſogar mit ganz jung ausgehobenen und von Canarienvögeln aufgezogenen. Einer r A 161 davon paarte ſich, aber ohne Erfolg. Vor ungefähr 10 Jahren habe ich indeſſen bei einem Wachtmeiſter in der Chevauxlegers-Caſerne zu Darmſtadt fünf junge Baſtarde von einem Goldammer und Canarienweibchen der kleinen Race geſehen, die er zufällig züchtete. Es waren graugrüne Vögel, etwas ſtärker, als die Canarienvögel, und ſangen dieſelben ziemlich gut. „Was nun die weitere Zucht von Baſtarden mit Canarien- und anderen ſtammverwandten Vögeln betrifft, ſo halte ich dieſelbe für möglich, aber in unſerem Klima für unwahrſcheinlich oder doch höchſt ſelten glückend. Ich habe hierin keine Proben angeſtellt, überſende Ihnen aber einliegend zwei Briefe von einem Pfarrer Koch aus dem Vogelsberg vom Jahre 1867. Man könnte dieſen Mittheilungen ja Glauben ſchenken, wenn entſchieden hier keine Täuſchungen obgewaltet hätten, wie es immer der Fall war, wenn ich aufgefordert worden, eine ſolche Hecke in Augenſchein zu nehmen. Es ſtellte ſich ſtets heraus, daß der vermeintliche Baſtard ein ächter, nur außergewöhnlich gezeichneter Canarienvogel war.“ Die Mittheilungen des Pfarrers Koch anlangend, ſo verdient von den— ſelben nur ein einziger Fall Erwähnung, in welchem ein Schüler des Pfar— rers Namens Ludwig Becht, Gemeinderathsmitglied zu Gonterskirchen im Vogelsberge, von einem einjährigen Stieglitzbaſtard und einem gleichfalls einjährigen hochgelben Canarienweibchen mit Holle drei junge Vögel erzogen habe, die der Baſtard aber aus dem Neſte geworfen, wodurch ſie zu Grunde gegangen ſeien. — Von ähnlichen Vorfällen berichten mehrere Schriftſteller, u. A. auch Friderich in ſeiner „Naturgeſchichte der deutſchen Zimmer-, Haus- und Jagdvögel“. Der Genannte iſt aber jo ehrlich und gewiſſenhaft, einen derartigen von ihm ſelbſt beobachteten Fall als Täuſchung zu bezeichnen. In der neueſten Auflage der Bechſtein'ſchen „Naturgeſchichte der Hof— und Stubenvögel“ wird hingegen kurzweg und apodiktiſch ausgeſprochen, daß die Canarienbaſtarde überhaupt wieder unter einander Junge zeugten und daß dies insbeſondere vom Stieglitz und Zeiſig gewiß ſei. Dieſer Gewißheit fehlt bisjetzt die Grundlage unumſtößlicher That— ſachen, der Erfahrungs-Beweis zuverläſſiger Züchter, die ſich zugleich als Forſcher bewährt haben. So lange ſolche Beweiſe nicht vorliegen, muß die Frage über die Fortpflanzungsfähigkeit der Canarienbaſtarde noch als eine offene, ſchwebende betrachtet werden. Müller, Gefangenleben einh. Singvögel. 11 Anhang. Lehrbegriffliche Zuſammenſtellung der vorſtehend beſchriebenen Vogelarten. Die meiſten der geſchilderten Arten gehören im eigentlichſten Sinne des Wortes in die Ordnung der Singvögel (Oseines): denn fie haben bei ſonſt ähnlichen oder übereinſtimmenden Merkmalen das Jedem auffallende Geſangsvermögen. Zu ihnen zählen alle aufgeführten Kerbthier- und Beerenfreſſer von den Droſſeln bis zu den kleineren Sängern, den Sylvien. Den Staar und Pirol, welche in Weſen und Lebensweiſe theilweiſe den Raben ſich nähern, könnte man mit ebenſo vielem Rechte in die Ordnung der Rabenartigen verweiſen, als ſie ihres Geſanges und mehrerer äußeren Merkmale wegen ein paſſendes Uebergangsglied von den Droſſeln zu den Raben bilden und deshalb noch den Singvögeln zuzuzählen wären. — Die Körnerfreſſer mögen — wenn man ſie ihrer Geſtalt, Schnabel— bildung und Lebensweiſe nach betrachtet und ihre allerdings ſehr hervor— tretenden Stimmorgane außer Acht läßt — unter der älteren Ordnung der Sperlingsartigen (Passerini) aufgeführt werden. Es fehlt bis hierher noch an einem einigermaßen allgemein gültigen Syſteme für die Claſſe der Vögel, und haben wir deshalb dieſe kurze Vor— bemerkung niederlegen zu müſſen geglaubt. Singvögel, Oscines. Allgemeine Merkmale. Fuß ein „Wandelfuß“ (pes ambulatorius), d. 1. drei Zehen, die mittlere und äußere, am Grunde verwachſen, nach vorn, die innere nach 163 hinten ſtehend. Läufe meiſt vorn großgetäfelt, ſeitlich mit nach hinten umfaſſender Schiene („geſtiefelt“) oder auch vollſtändig geſtiefelt, d. h. vorn und ſeitlich mit zu ungetheilten Schienen verwachſenen Tafeln verſehen. Gang hüpfend. Meiſt 10 Handſchwingen, ebenſo viele am Unterarm; gewöhnlich 12 Steuerfedern. Große Deckfedern kurz. Flug meiſt gut und leicht, mehr flatternd geradeaus, zur Wanderung befähigend. Schnabel— bildung je nach der Nahrung verſchieden: weit geſpalten bei den Inſecten— freſſern, mit ſeichtem Ausſchnitte vor der Oberſchnabelſpitze bei den Beeren— freſſern, hakig übergebogen bei den zu den Raubvögeln neigenden Würgern. Allen eigenthümlich: der Singmuskelapparat, d. i. der untere Kehlkopf („Trommel“) mit 5 Muskelpaaren, durch welche der Geſang hervorgebracht wird. Die Jungen find Neſthocker (insessores), d. h. nach dem Aus— ſchlüpfen aus dem Ei nackte, unbehülfliche, der Atzung von den Eltern noch längere Zeit bedürftige Vögel. Die Familie der Droſſeln (Turduidae). Allgemeine Kennzeichen. Mit etwas bogigem, mäßig langem, zuſammengedrücktem, tiefſpaltigem Schnabel, vor deſſen Oberkieferſpitze ein ſeichter Einſchnitt oder Zahn. Läufe vollſtändig geſtiefelt. Man hat unnöthigerweiſe die Schwarzamſel von der Singdroſſel ſippenweis geſchieden, indem man die letztere mit ihren einheimiſchen Ver— wandten, wie der Miſtel-, Wachholder-, Roth- und Singdroſſel unter die „Walddroſſeln“ (Turdi) verſetzte und die Schwarzdroſſel die Sippe „Amſel“ (Merula) vertreten läßt; auch u. a. mancherſeits (ſchon mit mehr Recht) eine weitere Sippe der Steindroſſeln (Petrocinclae) gründete, welche letztere den Uebergang von den Droſſeln zu den Steinſchmätzern bilden. Die Singdroſſel (Turdus musicus). 21 Etm. lang, oben olivengrau mit roſtgelben Deckfedernſpitzen, Bauch weiß, ſpärlich eiförmig braun punctirt, Bruſt gelblich weiß mit verkehrt herzförmigen ſchwarzbraunen Flecken, Unterſeite der Flügel blaßroſtgelb. — Meiſt Waldvogel, mehr in Laub- als Nadelholz des größten Theils 11* BB von Europa. Scheu. Im Frühling und Herbſt in mäßigen Flügen, von Regenwürmern, Schnecken und Kerbthieren, ſowie Beeren lebend. Flug ruckweiſe, flachbogig mit hochgehendem Flügelſchlage. Lockt „Tack“ und „Zipp“, daher ihr Name „Zippe“; ſetzt im Schreck auch eine amſelartige Lärmſtrophe ein. Baut im März ein kunſtvolles Neſt mit dünner Innen— wandung von Lehm, faulem Holze und ausgelaugtem Kuh- und Pferdemiſt, außen von Moos, Flechten und dünnem Reiſig in's Gebüſch oder mannshoch auf kleinere Stämme, zuweilen in Reiſighaufen. Anfangs April erſcheinen 5 — 6 bläulich grüne, ſchwarzbraun punctirte Eier, Ende April die Jungen. Zweite Brut im Vorſommer. Das Weibchen brütet, ausgenommen die Mittagsſtunden, wo das Männchen ablöſt, allein. Ende September oder Mitte October erfolgt der Zug nach Süden, im März der Rückzug. Die Schwarzamſel (Turdus ater s. Merula atra M.). 24 — 25 Ctm. lang, wovon 11 Ctm. auf den abgerundeten Schwanz kommen. Jähriges Männchen ganz ſchwarz bis auf den hochgelben Schnabel und Augenring, Weibchen oben ſchwarzbraun, unten ſchwarzgrau, heller gerändert, Bruſt und Kehle auf grauſchwarzem Grunde weißlich und braun— röthlich gefleckt; Schnabel ſchwarzbraun. Wald- und Standvogel. Ueber ganz Europa und Rußland verbreitet. Hauptſächlich im Gebirge, das Nadel— holz liebend. Sehr ſcheu und mißtrauiſch, gewöhnlich im Dickicht ſich bergend. Lebt vereinzelter, als die Singdroſſel, nur in ſtrengen Wintern truppweiſe in die Hecken und Raine an die Dörfer rückend. Flug gerade, wegen der kurzen Flügel flatternd, meiſt niedrig von Gebüſch zu Gebüſch gehend. Lockt „Tack“, im Affect „Bick“ oder „Bix“; läßt außer ihrem Lärmſtrophe vernehmen, wobei ſie gewöhnlich aus den Büſchen fliegt. Ein ähnliches Geſchrei erheben die überraſchten aufgeſtöberten Jungen. Niſtzeit ſchon Anfangs März. Das Neſt beſteht aus drei Lagen: die äußere von Reiſerchen, Wurzeln, Moos und dürren Blättern umgibt eine nicht ganz an den Rand gebaute bis 1 Ctm. dicke Lehmſchicht, die innen mit feinerem Moos, Halmen und Würzelchen ausgelegt wird. Standort des Neſtes wie bei der Droſſel, vorzugsweiſe in Nadelholzdickichten. Das Gelege beſteht aus 4— 5 graugrünen, zimmtroth über und über bepunfteten Eiern, 165 die abwechſelnd von dem Paare — vom Männchen gewöhnlich in den Mittagsſtunden — in 14 — 16 Tagen ausgebrütet werden. Zweite Brut im Mai. Die Steindroſſel (Turdus s. Petrocincla saxatilis). Etwas kleiner, als die Singdroſſel. Kopf, Hals und Bürzel blaugrau, Schultern und Schwingen dunkler ſchieferfarbig, Oberrücken beim Männchen braun, Unterrücken weißlich, Bauch roſtgelb, während das Weibchen oben ſchmutzigbraun mit weißlichen Rändern, unten hellroſtroth mit weiß gewelltem Halſe. Die mittleren Federn des Schwanzes graubraun, die äußeren roſtroth. Fuß röthlich grau, Schnabel ſchwärzlich. Lebt einſam im Gebirge auf Felſen und Steinöden des ſüdlichen Europa und in den Alpen, auch vereinzelt am Rheine auf Burgen. Scheu, lebhaft, auf dem Boden und über Felſen gewandt laufend, in flinkem Fluge Inſecten haſchend, wie die Steinſchmätzer. Lockt wie die Droſſeln „Tack“ und ruft im Schreck „Uit“. Frißt neben Kerbthieren auch Beeren. Zugvogel. Kommt Ende Aprils an ſeinen Standort, zieht im Sep— tember nach Afrika. Niſtet in Felſen, Steingeröllen und in Löchern alter Burgen. Das Gelege beſteht im Mai aus 5—6 blaugrünen Eiern. Die Jungen ſind gefleckt. Der Pirol oder die Goldamſel (Oriolus galbula). Kann als Uebergangsglied von der Familie der Droſſeln zu derjenigen der Rabenartigen (Corvini) betrachtet werden. Oken zählt ihn zu den „Sammtdroſſeln“. Manche ſehen ihn als Vertreter einer eigenen Familie der „Pirole“ oder „Widewale“ an. Er hat aber noch ſo viel Ueberein— ſtimmendes mit den Droſſeln, daß eine Zuſammenſtellung mit denſelben gerechtfertigt erſcheint. Charakteriſtiſches: Vorn zuſammengedrückter, hinten zwiſchen den kahlen Naſenlöchern ſehr verbreiterter Schnabel, größer als derjenige der Droſſeln; Füße hingegen kürzer, Flügel länger. Kleid: beim Männchen hochgelb mit ſammtſchwarzen Flügeln, Mittel— federn des Schwanzes und einem gleichfarbigen Strich durch das Auge; die Spitzen der Schwanzfedern, ſowie die Wurzeln der Schwungfedern hochgelb; beim Weibchen, dem einjährigen Männchen und den Jungen oben grünlich mit grauſchwarz geſtrichelter weißlicher Unterſeite und aſch— grauem Halſe. Auge carmoiſinroth, der Schnabel ſchmutzigroth, bei Weibchen und Jungen grauſchwarz. Zugvogel, der erſt im Mai (um Pfingſten, daher „Pfingſtvogel“) ankommt und im Auguſt ſchon fortzieht. Höchſt ſcheu, im Laube ſich gedeckt haltend. Weſen zänkiſch und ungeſellig. Flug gewandt, eilend und hochgehend. Verbreitung in faſt ganz Europa. Waldvogel, lebt vereinzelt, beſonders in Laubholzwäldern. Frißt neben Inſecten Beeren und Früchte, beſonders Kirſchen. Baut ein kunſtvolles Neſt mit Schafwolle und Baſt hängend in eine Aſtgabel, dasſelbe innen mit Grashalmen ausfütternd. Die 4—5 auf weißem Grunde am ſtumpfen Ende ſpärlich ſchwarzbraun gefleckten Eier werden in 15 Tagen abwechſelnd vom Paare gezeitigt. Der Staar (Sturnus vulgaris) ſteht zwiſchen den Droſſeln und Raben, nach Vielen eine beſondere Familie Staare oder Stärlinge (Sturnidae) bildend, die man mit demſelben Rechte der Ordnung der Rabenvögel wie der Singvögel zuweiſen kann. Allgemeine Kennzeichen. Kegelförmiger, gerader, etwas niedergedrückter Schnabel mit meſſer— förmig flacher Spitze. Harte, ſpitzige Zunge. Das oberſte Gelenk der zwei äußeren Zehen verwachſen. Erſte Schwinge ſehr kurz. Gang ſchreitend. Iſt etwas größer, als die Singdroſſel. Kleid je nach der Jahreszeit verſchieden; im Frühling auf ſchwarzem oder grauſchwarzem Grunde grün— und purpurſchillernd mit graugelblichen Federſpitzen auf dem Rücken; Weibchen bläſſer; Junge braungrau mit weißlicher Kehle. Das Herbſtkleid iſt auf Kopf, Nacken, Mantel und Bruſt an den Federſpitzen weißlich, der Schnabel dunkler gefärbt. Ueberall in der alten Welt häufig. Bald in Laubwäldern lebend, bald in Gärten und an menſchlichen Wohnungen ſich anſiedelnd. Beſucht Wieſen und Felder in großen Flügen, oft ſich Raben zugeſellend, in flinkem Einherſchreiten Kerbthiere ſuchend, im Sommer und Herbſte neben dieſer Nahrung auch weidlich Obſt und Beeren nachſtellend. Höhlenbrüter, 5 — 6 blaßgrünliche Eier in 14 Tagen ausbrütend und die flüggen Jungen Na mit großem Geſchrei im Sommer ausführend. Beſucht vor der Wanderung im Spätherbſte nochmals die alten Niſtſtätten. Man hat die kleineren Singvögel neuerdings, einem Hang zum Trennen und Zerſplittern folgend, in zu viele Familien geſchieden und hierdurch den Ueberblick ſehr erſchwert. Wir können die frühere Gruppe der Sylvien getroſt beſtehen laſſen und alle kleineren eigentlichen Sänger in eine weitere Familie Buſchſänger (Sylviadae) vereinigen. Allgemeine Kennzeichen. Zarte, höchſtens ſperlingsgroße Vögel mit ſchwachen Läufen, zartem, geradem, vorn zuſammengedrücktem Schnabel, lockerem, meiſt düſterem bräunlich grauem oder olivenfarbigem Gefieder. Die Nachtigall (Sylvia luscinia S. Luscinia philomela). 15— 16 Ctm. lang. Oben röthlich graubraun, unten hellgrau mit weiß— licher Kehle; Schwanz rothbraun, Füße geſtreckt und bräunlich fleiſchfarben. Zugvogel. In ganz Europa und dem gemäßigten Aſien in Vorhölzern und Gartenanlagen daheim, wo kleine Gewäſſer nicht mangeln. Kommt im April an und zieht, ſchon im Auguſt von Gebüſch zu Gebüſch wandernd, Anfangs September fort. Fliegt flatternd, geradeaus und niedrig von Gebüſch zu Gebüſch, ſelten hochauf, in der Regel am Boden ſich haltend. Vorwiegend Kerbthierfreſſer. Lockt „Viitkarrr“ und „Karrr“, im Behagen „tackt“ ſie leiſe, im Affect ſchreit ſie „Gräh“. Niſtet im Mai höchſtens einige Fuß hoch, gewöhnlich dicht am Boden im Gebüſch und Geſtrüppe, ein tief napfförmiges großes Neſt von Laub, Halmen und Haaren bauend. 5 — 6 braungrünlichgraue Eier zeitigen innerhalb 14 Tagen, abwechſelnd vom Paare bebrütet. Die Jungen ſind an Hals und Kehle roſtgelb gefleckt und verlaſſen frühzeitig das Neſt. Der Sproſſer (Sylvia philomela S. Luseinia major). Iſt etwas größer und derber, als die Nachtigall; der Kopf dicker. Kleid: oben graubraun, Bruſt hellgrau, dunkler gewölkt, Kehle weißlich, beiderſeits grau eingefaßt, Schwanz roſtbraun. 168 Zugvogel. Findet ſich im öſtlichen Europa, in Rußland, Polen, Ungarn, Oeſterreich, Böhmen, Schleſien, Pommern, Sachſen, in Franken, wahrſcheinlich auch in der Türkei. Kommt etwas ſpäter als die Nachtigall vom Zuge. Lebensweiſe und Weſen der Nachtigall ſehr ähnlich; liebt mehr die wäſſerigen Niederungen, iſt in allen ſeinen Bewegungen gemeſſener, ja plumper. Lockt „Glock-arrr“. Neſt ähnlich dem der Nachtigall, nur ſtärker bewandet und ausgepolſtert; Stand desſelben tief an oder über dem Boden. Gelege, Brutzeit und ſonſtige Niſtweiſe gleich denen der vorigen Art. Das Rothkehlchen (S. rubecula Ss. Rubecula sylvestris). Länge zwiſchen 13 — 14 Ctm. Kleid oben ſchmutzig olivengrün, unten graulich, auf dem Bauch weiß, Stirn, Kehle und Oberbruſt gelblich- roth (orange). Zugvogel. Erſcheint Anfangs März und zieht im September allgemach ſüdlich. Nur in Europa in Wäldern, auch in Gärten und Vorhölzern häufig. Treibt ſich anmuthig und flink im niederen Gebüſch umher, nur beim Geſange auf Raideln und niederen Bäumen fußend. Flug hüpfend und ſchwankend. Kerbthier- und Beerenfreſſer. Lockt „Pſt“, beim Zuge und wenn es ſich mit Andern jagt, durchdringend „Sikriſi“ oder „Siſri“, und warnt mit einem gezogenen „Sieh“. Baut ein oben offenes Neſt meiſt niedrig an oder auf die Erde, auch an alte Köhlerhütten, legt 6 bis 7 gelblichweiß grundirte, röthlichgelb geſtrichelte und getüpfelte Eier. Brutzeit 13 — 14 Tage. Kleid der Jungen: oben auf olivenfarbenem Grunde roſtgelb gefleckt, unten roſtgelb mit grauen Schaftflecken und Federrändern. Das Blaukehlchen (8. cyanecula). Von der Größe des Rothkehlchens. Iſt ebenfalls ein „Schildbrüſtchen“, oben graulichbraun, mit gleichfarbigen Schwingen und Schwanzfedern, deren Wurzeln, mit Ausnahme der mittleren, zur Hälfte hellroſtroth; über dem Auge ein röthlich weißlicher Streifen, Zügel ſchwarz; unten weißlich, ſeitlich bräunlich mit laſurblauer, nach hinten mit ſchwärzlichem und darauffolgen— dem roſtrothem Bande begrenzter Bruſt, in deren blauem Felde zuweilen ein zimmtrother, wie bei dem ſchwediſchen (S. suecica), oder ein weißer 169 Stern, wie bei dem ſogenannten weißſternigen (S. leueoeyana), erſcheint. Man hat mancherſeits nach dieſen Abzeichen und dem Nichtvorhandenſein derſelben drei Arten oder Unterarten gebildet. Das junge Weibchen hat an den Seiten der Kehle nur einen Anflug von Blau, das alte zwei lange bläuliche Streifen an der Halsſeite, ſtatt des Schildes und der Bruſtbinde der Männchen hingegen nur eine gelblichweiße Oberkehle mit zwei ſchwarzen Längsſtrichen. Zugvogel. Erſcheint Anfangs April, zieht im September weg. Heimath: der Norden der alten Welt. Aufenthalt in Deutſchland hauptſächlich buſch— reiche Flußniederungen, im Norden mehr die ſeenreichen Gebirge. Weſen äußerſt anmuthig und behende, namentlich die Bewegungen auf dem beſtändig beſuchten Boden ſtetig dahingleitend unter hochaufgeſchürztem Oberbau und Wippen des Schwanzes. Flug flatternd, ſtoßweiſe, niedrig und kurzſtreckig. Hält ſich gedeckt im Gebüſch und Geſtrüppe, ſelten frei. Baut ſehr ver— borgen an Bachufern, Gräben und unter Rainen nach Art des Rothkehlchens. Gelege: 6 — 7 hell blaugrün grundirte, rothbraun punktirte und gewölkte Eier, deren Zeitigung vom Paare abwechſelnd in 14 Tagen bewirkt wird. Die Jungen verlaſſen halbflügge das Neſt und folgen in flinkem Laufe den Alten durchs Geſtrüppe. Der Zaunkönig (. troglodytes s. Troglodytes parvulus). Nur 9, 5 — 10 Ctm. lang. Schnabel geſtreckt, dünn, an der Spitze etwas gebogen, ſeitlich ſchwach eingedrückt. Oberſeite ſchmutzig roſtbraun mit dunklen Querſtreifen, Unterſeite blaßroſtgrau grundirt und dunkelbraun gewellt; die Flügel und der Schwanz lebhafter roſtbraun und dunkler quergeſtreift, auf den mittleren Flügeldeckfedern perlartige kleine weißliche, nach hinten ſchwarz begrenzte Punkte; ein roſtbrauner Streifen läuft durch, ein gelblichweißer über das Auge hin. Weibchen bläſſer und ſchmutziger braun. Standvogel. In ganz Europa, auch in einigen Theilen Afrika's und Kleinaſien's zu Hauſe. Faſt überall heimiſch; am liebſten in Vorhölzern, an bebuſchten Rainen und terraſſenartigen Gehängen, auch gern in Gärten und Höfen der Dörfer und Städte. Fliegt vermöge ſeiner kurzen runden Flügel flatternd geradeaus, nie hoch und weit; hält ſich, behend und rührig durch Gezweig und Löcher ſchlüpfend, in jeder Deckung und erſcheint durch 170 die eigenthümliche über dem Steiß aufgerichtete Stellung der Kiele feines kurzen Keilſchwänzchens wie ein kleines Federbällchen. Immer rüſtig und munter, trotzt er großer Kälte, iſt keck und zutraulich an vertrauten Orten, ſcheu und vorſichtig bei Nachſtellungen. Lockt „Zerrr“ oder „Zeck“. Ent— ſchiedener Kerbthierfreſſer, beſonders deren Larven in Winkeln und Ritzen nachſtrebend. Baut an allerlei Oertlichkeiten ſein kunſtvolles Neſt; im Walde viel in Wachholder- und andere Nadelholzbüſche, unter Wurzeln an Raine und Halden; in Dörfern an Strohdächer und Mauerniſchen. Außen von Blättern, Geniſte und Moos, innen von zärteren Mooſen, Halmen und Federn bekleidet, nimmt es verhältnißmäßig bedeutenden Umfang ein, wird mit einem ſeitlichen Eingang verſehen und ſitzt gewöhnlich auf natürlicher Unterlage, hängt zuweilen aber auch ſchwalbenneſtartig an Gegenſtänden. Niſtet gewöhnlich zweimal, im April und Hochſommer, und legt 6 — 10 rundliche, weißlich grundirte Eier mit rothbraunen und rothen Flecken am ſtumpfen Ende, deren Zeitigung in 13 Tagen erfolgt. Die Jungen hocken oft ſolange im Neſte, daß ſie die Alten herauszerren. Die ſchwarzköpfige Grasmücke oder der Mönch (S. s. Curruca atricapilla). 14 Ctm. lang. Oberkörper dunkelgrau, Unterſeite hellgrau, an deu Seiten mit gelblichem olivenfarbenem Schimmer; Kehle weißgrau, Scheitel beim Männchen kohlſchwarz, beim Weibchen und den Jungen rothbraun. Fuß bleifarben. Zugvogel. Kommt im April, zieht Ende September weg. Durch ganz Mitteleuropa in Laubwäldern und Gärten ziemlich häufig. Läßt ſich den ganzen Tag über, ausgenommen die heißen Mittagsſtunden, in Sträuchern und Bäumen ſingend und zwitſchernd hören. Seine Haltung der kurzen eingezogenen Füße halber gewöhnlich vorgebeugt, wagrecht, ſeine Bewegungen hüpfend, Flug ſchnell, geradeaus, ſelten weit, nur bei beſonderer Veran— laſſung hochgehend. Meidet den Boden. Liebt ebenſo Kerbthier-, als Beerennahrung, letztere beſonders im Herbſt. Gätzt hell „Tack“ oder „Täck“, lockt vertraut wie ein Schnurrpfeifchen, warnt mit einem tiefen „Döh“. Baut gewöhnlich nicht hoch in Weißdorn, Jasmin, Hollunder und anderes Gebüſch, wie alle Grasmücken, ein leichtes Neſt aus Halmen, m - worin im Mai 5 mattfleiſchfarbene, braunroth punktirte und marmorirte Eier in 14 Tagen abwechſelnd von beiden Gatten ausgebrütet werden. Die Jungen huſchen bei Störung halbflügge aus dem Neſt. Feinde lenken die Alten, ſich flügellahm ſtellend, von demſelben ab. Zweite Brut im Juli. Die graue oder Gartengrasmücke (8. S. Curruca hortensis). 15 Ctm. lang. Oberſeite olivengrau, Unterſeite hellgrau; Kehle und Bauch ſchmutzig weiß; Schnabel und Fuß bleigrau. Zugvogel. Erſcheint Ende April oder Anfangs Mai, zieht Ende September fort. Verbreitungskreis: Mitteleuropa. Aufenthalt: Laubholz wälder, namentlich Mittel- und Niederwald; ferner Gartenanlagen mit dichtem Buſchwerk und Baumgruppen. Entſchiedener Baumvogel. Im Sommer raſtlos ſingend von Baum zu Baum, von Gebüſch zu Gebüſch möglichſt verdeckt wechſelnd; im Herbſt das Gegentheil: ein fauler, Beeren zehntender Freſſer. Im Ganzen vorſichtig und ſcheu. Lockt anhaltend grell „Täck“, warnt mit krächzendem, leiſem Laute, gluckſt vertraut und im Wohlbehagen „Bri — Briweweiwi“. Baut in dichtes, niedriges Gebüſch ein noch dünnwandigeres Halmenneſt, wie der Mönch, worin im Mai 5 — 6 ſehr veränderlich gefärbte, meiſt auf gelbröthlichem Grunde aſchgrau und hellbraun gefleckte und marmorirte Eier in 14 Tagen vom Paare gezeitigt werden. Die Jungen huſchen beim Herannahen von Feinden halbflügge aus dem Neſte und rufen „Utik“. Der Gartenlaubvogel oder die Baſtardnachtigall (S. hypolais). 13,5 Ctm. lang. Oben grünlichaſchgrau, unten hellgelb, Flügel ſchwärzlichbraun, grünlich und gelblichweiß geſäumt, Steuer etwas matter gefärbt. Von dem Schnabel bis zu den Augen ein hellgelber Strich; Schnabel außen graubraun, an der Wurzel röthlichgelb, innen orangefarben. Zärtlicher Zugvogel, erſt Ende April oder Anfangs Mai ankommend, ſchon im Auguſt fortziehend. Verbreitung: Mitteleuropa. Liebt Vorhölzer, beſonders Gartenanlagen. Sehr beweglich, von munterem Temperament, das ihn bald zu den höchſten Baumkronen, bald in's Gebüſch treibt. Lockt „Deck“ und „Deteroi“, das Weibchen „Deterä“, im Zorn und Kampf „Deckdetet“, dabei die Kopffedern ſträubend. Betragen ſcheu, aber neugierig und zänkiſch. Flug Schnell und gewandt. Filzt ein nettes, tief napfförmiges Neſt in Haſel-, Hollunder-, Flieder- und Jasmin-Gebüſch, auch in junge Buchen- und Nadelholzdickungen; daſſelbe beſteht außen aus Moos, Blättern, Halmen, Federn, Birkenrinde, Papierſchnitzeln und Spinnengewebe, innen aus zarten Halmen, Federn und Pferdehaaren. Die hohe Wandung deckt den brütenden Vogel ganz. Gelege: 5 — 6 roſen- oder gelbröthliche, längliche Eier, dunkel- und rothbraun punktirt und geädert. Ausbrütung erfolgt von beiden Gatten in 13 Tagen. Junge ſehr zärtlich. Locken „Däh“. Der Sumpfſchilfſänger (8. palustris). Etwas ſchlanker als der Vorige, aber in Geſtalt und Gefieder demſelben ſehr ähnlich. Letzteres von matterem olivengrünlichem Anfluge, Schnabel kürzer und ſchwächer, Fuß hingegen derber und mit ſtärkeren Nägeln verſehen. Zugvogel. Noch zärtlicher als die Baſtardnachtigall. Erſcheint im Mai und zieht im Auguſt. Verbreitung und Vorkommen wie beim Vorigen, nur ſeltener, vereinzelter. Aufenthalt: Weidengebüſch in feuchten Niederungen, Rohr an Ufern der Gewäſſer. Sehr ſcheu und mißtrauiſch, ſelten im Freien, meiſt gedeckt im Rohr und Weiderich. Unruhig wie der Garten— laubvogel, doch weniger gierig nach Nahrung, die hauptſächlich in kleineren Waſſerinſecten und Larven beſteht. Im Flug ebenſo geſchickt, als im Schlüpfen und Kriechen durch Geſtrüpp und Röhricht. Baut tief in dieſe Verſtecke ein napfförmiges Neſt, äußerlich von Gräſern, inwendig vor— herrſchend von Pferdehaaren, worin 4— 5 mattbläuliche, grau und braun gefleckte, längliche Eier in 13 Tagen bebrütet werden. Neben dem brütenden Weibchen erhebt das Männchen oft lange anhaltend und auch Nachts ſeinen Geſang. Der rothrückige Würger oder Dorndreher (Lanius collurio) iſt ein Uebergangsglied von den Singvögeln zu den Raubvögeln. Er bildet mit ſeinen Verwandten in der Ordnung der Singvögel die Familie der Würger (Laniadae), deren charakteriſtiſches Hauptmerkmal ein kräftiger, etwas zuſammengedrückter Schnabel mit einem Zahne vor der hakig übergebogenen Spitze des Ober— kiefers iſt, wodurch die Raubvogelnatur angedeutet wird. Der Dorndreher hat eine Länge von 17,5 Ctm. Kleid des Männchens: Kopf, Hinterhals bis zum Mantel hellaſchgrau, Mantel braunroth, Steiß weiß; Flügel an den Hand- und unteren Armſchwingen dunkelbräunlich— ſchwarz mit hellbraunen Rändern, an den Oberarmſchwingen gelbbraun; mittlere Steuerfedern ſchwarzbraun, die daranſtoßenden an der Wurzel, die äußerſten bis beinahe zur Spitze weiß. Kehle weiß, Bruſt und Flanken ſanft roſenroth, Bauch weißlich. Um die Schnabelwurzel zieht ſich eine ſchwarze Binde, die ſich als Zügel durch das Auge bis zum Ohre fortſetzt. Das Weibchen iſt oben roſtgrau, auf dem Mantel und den Flügeldeckfedern undeutlich weiß gewäſſert, unten weißlich, ſeitlich gelblichweiß mit braunen Wellenlinien. Die Jungen ähneln der Mutter, nur ſind ſie oben hell gefleckt. Zugvogel. Kommt Anfangs Mai, zieht im Auguſt. Verbreitung: faſt ganz Europa bis Sibirien. Aufenthalt: beſonders an Dornrainen, in Vorhölzern, an Hagen und Viehtriften. Hält regelmäßig ſeinen Standort, ſitzt gewöhnlich hoch und frei auf Buſch und Baum, ſich, aufgeſtöbert, von da herabſtürzend und in ruckweiſem Fluge tief an der Erde bis zu einem anderen Baume oder Gebüſche ſtreichend. Lockt unter Wippen des Schwanzes „Gäckgäckgäck“, ſtößt auch unangenehme Schreitöne aus. Nährt ſich von Käfern, Kerfen, kleineren Eidechſen, Fröſchen, Mäuſen und jungen Vögeln, die er an Dornen ſpießt, woher ſein Name Dorndreher oder Neuntödter. Baut gewöhnlich in's Dorngebüſch niedrig ein großes, dichtes Neſt, äußerlich aus Moos, Raſenſtücken, Laub, Halmen und Wurzeln verflochten, innen mit feineren Wurzeln und Halmen ausgelegt. 5 — 6 ſehr veränderliche, gelblich oder fleiſchfarben oder grau- und grüngelb grundirte, mit voth- brauner, rother oder auch aſchgrauer Zeichnung mehr oder weniger verſehene Eier bilden das Gelege, das vom Weibchen allein in 14 Tagen ausgebrütet wird. Die ausgeflogenen Jungen bedürfen noch langer Eltern— führung und ſchreien unaufhörlich kläglich. Sperlingsartige Vögel (Passerini). Brehm hat mit Recht den alten weitgehenden und nichtsſagenden Begriff dieſer Ordnung enger begrenzt und ſachlich feſtgeſtellt. Er verſteht unter „Sperlingsvögel“ nichts anderes, als den Sperling und ſeine Ver— wandten, alſo alle Finken im weiteren Sinne, Webervögel, Wittwen, a. Ammern und Lerchen. Mit Ausnahme der Meiſen und Tauben iſt dieſe Ordnung demnach die Oken'ſche Zunft der „Kegelſchnäbler“. Allgemeine Merkmale. Schnabel kegelförmig, ſtark und ohne Zahn, kaum halb ſo lang als der Kopf; bei den Lerchen etwas verlängert. Fuß ein Wandelfuß; kurz, derb, mit Ausnahme desjenigen der Lerchen, vorn getäfelt, hinten geſtiefelt, mit drei getrennten Vorderzehen und einer mittellangen Hinterzehe. Die Vertreter ſind meiſt klein, höchſtens mittelgroß und gedrungen von Geſtalt, haben einen dicken Kopf, 9— 10 mittellange Schwung- und 12 Steuerfedern. Das Kleingefieder iſt dicht, knapp anliegend, groß und weich, gewöhnlich nicht beſonders lebhaft oder doch nicht glänzend metalliſch gefärbt. Von den Singvögeln weicht ihr innerer Bau nicht weſentlich ab; fie beſitzen ſogar den vollſtändigen Singmuskelapparat, und enthält dieſe Ordnung ſehr gute Sänger. Bei den ausſchließlich auf Geſäme hinge— wieſenen Vertretern buchtet ſich die Speiſeröhre zu einem Kropfe aus, in welchem das Futter für die Jungen eingeweicht und woraus dasſelbe bei der Atzung ausgewürgt wird. Alle beſitzen einen drüſigen Vormagen und ſtarkwandigen Muskelmagen; die Zunge iſt hornig, an der Spitze geſpalten und ſeitlich borſtig oder gezähnelt. Ihre Verbreitung iſt groß, ſie ſind „Weltbürger“, geiſtig begabt, feinfühlig und gelehrig, leben geſellig, vielfach und zeitweis in großen Flügen. Ihr Flug iſt raſch, ihre Bewegungen ſind in der Regel anſtellig und flink. Die Meiſten wandern nicht. Die Familie der Finken (Fringillidae). Allgemeine Merkmale. Der Schnabel iſt nur halb ſo lang als der Kopf, kegelförmig, mit gerader oder nur etwas gebogener und gewölbter Firſte. Freſſen Geſäme, einige beim Niſten auch Inſecten zur Atzung ihrer Brut. Das Neſt iſt ein kunſtvolles Filzwerk. — Man kann den Gimpel, wie die Kreuzſchnäbel, Kernbeißer und andere Sperlingsvögel in beſondere Familien verweiſen; zur Vereinfachung wollen wir aber für die Finken eine größere Gruppirung vorziehen. 175 Der Gimpel oder Dompfaffe, auch Blutfinf (Fringilla s. Pyrrhula vulgaris). Zwiſchen 16 und 17 Ctm. lang. Kleid beim Männchen: Oberſeite aſchgrau mit weißem Bürzel, Unterſeite bis auf den weißen Bauch ſchön hellroth; Oberkopf bis an die Kehle, ſowie Flügel und Schwanz glänzend ſchwarz, die großen Deckfedern mit zwei röthlich weißen Streifen, die äußerſte Fahne der hinterſten Schwungfedern dunkelrotkh. Das Weibchen überall da, wo das Männchen roth iſt, nur matt röthlichgrau, auf dem Rücken bräunlich aſchgrau. Schnabel ſchwarz, dick, kurz und krummfirſtig. Es kommen ganz ſchwarze, rauchſchwarze, weiße und ſcheckige Abarten vor. Meiſt Stand-, höchſtens Strichvogel. Verbreitung: ganz Europa, den Süden ausgenommen. Liebt Dickungen gebirgiger Laub- und Nadelholz— waldungen, auch ausgehauene Schläge und Wachholderwüſtungen. Lebt meiſt von allerlei Baum- und Staudenſamen, Knoſpen, auch Beeren, von denen er aber nur die Samen frißt. Selten auf dem Boden, hüpft er ungeſchickt. Sein Flug iſt gewandt, etwas geräuſchvoll und bogig. Seine Lockſtimme klingt melancholiſch wie „Jü“ oder „Lüi“. Weſen zutraulich, keineswegs dumm. Baut ein kunſtvolles, auswendig aus Reiſern, Wurzeln und Flechten, innen aus Thierhaaren und Wolle verfertigtes Neſt ſelten über Mannshöhe in einen Buſch oder auf einen Seitenaſt dicht am Stamme eines Baumes; es enthält im April 5 violetten und dunkelbraunen Schnörkeln und Punkten, welche vom Weibchen in 14 Tagen ausgebrütet ſind. Die Jungen gleichen dem Weibchen, haben aber keinen ſchwarzen Kopf. Sie werden anfänglich mit Kerbthieren, ſpäter mit Geſäme aus dem Kropf geatzt. Zweite Brut öfters im Juli. 6 blaßbläulichgrüne Eier mit Der Edel- oder Buchfink (Fr. coelebs S. nobilis). Von der Größe des Hausſperlings, nur ſchlanker. Kleid des Männchens: Rücken braun, Unterrücken und Bürzel zeiſiggrün; Schnabel im Sommer bläulich, im Winter weißlich, Stirne ſchwarzbindig, Kopf und Nacken ſchieferblau, Flügel und Schwanz ſchwarz, grünlich gerändert, auf erſteren die großen Deckfedern weißkantig, den oberen Spiegel, die kleinen Deckfedern ganz weiß, den unteren Spiegel bildend. Kleid des Weibchens: auf Kopf, Hals und Mantel graubraun, die Unterſeite trübweiß, auf der Bruſt mit röthlichgrauem Anfluge. Die Jungen ähneln der Mutter. 176 Gewöhnlich, beſonders Weibchen und Junge, Zugvögel; einzelne Männ— chen Standvögel. Ueber faſt ganz Europa verbreitet. Ueberall häufig in Wäldern und Gärten; beſonders in Buchenhochwaldungen und Obſtbaum— Reihungen. Jedes Paar behauptet zänkiſch und eiferſüchtig feinen Stand, wes— halb die hitzigen Hahnen oft heftige Kämpfe in der Luft aufführen. Lockt „Fink“ oder „Pink“ und im Fluge „Ju“; bei bevorſtehendem Regen „Trüb“ oder „Rü“, in Gefahr und Angſt „Rü pink“. Im Herbſt ſchaart er ſich in großen Flügen, mit Bergfinken die Bucheln auf Sommerhängen der Schläge zehntend; auch mit Goldammern und Feldſperlingen durchſtreicht er Baumſtücke und Vorhölzer. Das Neſt ſteht auf dicken Aeſten der Buchen und Obſtbäume, ſeltner auf Nadelholzſtämmen, ein Meiſterwerk der Baukunſt des Weibchens. Die Form geht weit über die halbkugelige hinaus, ſodaß die obere Oeffnung klein erſcheint. Die Außenwandung iſt aus Moos und Flechten, Halmen und Zaſerwurzeln mit Spinnenweben dicht und glatt verfilzt und dem Standorte oft täuſchend ähnlich angepaßt, das tief napfförmige Innere mit Thier- und Pflanzenwolle, Pferdehaaren und Federn ſchön und nett aus— gepolſtert. Gelege: 5—6 rundliche, blaßgrün grundirte, mit veränderlicher ſchwachröthlicher und dunkelbrauner Punktirung und Linienzeichnung ver— ſehene Eier, die hauptſächlich vom Weibchen in 14 Tagen ausgebrütet ſind. Die flüggen Jungen locken „Tſchötſchö“ und bedürfen der Elternführung noch längere Zeit. Der Diſtelfink oder Stieglitz (Fr. carduelis S. Carduelis elegans). Bis 13 Ctm. lang, ſchlank, elegant. Färbung: Oberſeite hellbraun, am Bürzel mit Grauweiß gemiſcht, Unterſeite weißlich, beiderſeits der Bruſt zwei nierenförmige gelbbraune Flecken, Hals, Bruſt und Wangen weiß. Vorderkopf carminroth, um den Schnabel und die Augen ſchwarz geſäumt, Scheitel mit einem hinter die Wangen ſich fortſetzenden Bogenſtreif, ſowie Flügel und Schwanz ſammtſchwarz mit trübweißen Spitzen, Genick weißlich. Die hinteren großen Deckfedern mit eitronengelben Spitzen, den oberen Theil, die Mitte der großen Schwungfedern mit einem breiten gleichfarbigen Streifen, den unteren Theil des Spiegels bildend. Schnabel matt fleiſch— farbenweiß, mit ſchmalem ſchwarzem Streif an der oberen Spitze. Weibchen kleiner und minder lebhaft gefärbt. ek Stand- und Strichvogel. In ganz Europa, auf Madera, den cana— riſchen Inſeln und in einem Theile Aſien's und Afrika's. Mehr Garten— als Waldvogel, ſelten in zuſammenhängenden Wäldern, häufig aber in Vorhölzern und Baumgruppen der Felder und Auen. Aeußerſt gewandt, munter und lichtbedürftig, fußt er hoch auf Baumkronen, ſchwingt ſich in ſcharfen Bögen durch die Luft und wendet ſchnell zur Erde oder in eine Baumgruppe. Seine Lockſtimme beſteht aus Pfeiftönen, die wie „Füfi“ und „Stigelit“ oder „Stifelit“, beim Hahne außerdem wie „Pickelwick ki klüi“, beim Weibchen wie „Wähk, Pickelwick ki kleia“ lauten. Der Warnungsruf iſt ein tiefes, leiſes, für die Jungen wohlverſtändliches „Wai“. Das Weibchen baut das Neſt gern auf ſchwanke Zweige der Kronen oder Seitenäſte, der Winde Spiel. Es iſt viel kleiner als das des Edelfinken, aber ähnlich gefilzt, innen mehr mit Pflanzenwolle ausgepolſtert und gut im Laub verborgen; enthält im Mai 5 —6 grünlichweiße, hellroth gefleckte Eier, die in 14 Tagen vom Weibchen ausgebrütet werden. Die auf gelb— braunem Oberkörper und weißlicher Unterſeite grau und braun gefleckten Jungen werden nach dem Ausfliegen unter unaufhörlichem Rufen „Zibit“ und „Zibet“ von den Alten längere Zeit noch aus dem Kropfe gefüttert und angeführt. Im Herbſte und Winter ſchlagen ſich die Familien zu größeren oder kleineren Flügen, Raine und Diſtelſteppen, ſowie Salat- und Schwarzwurzelbeete und Mohnäcker zehntend. Der Hänfling (Fr. cannabina s. Cannabina linota). Von der Größe des Diſtelfinken, nicht ganz ſo ſchlank. Die Färbung des dreijährigen Hahnes iſt im Frühling auf Stirn und den Seiten der Bruſt blutroth, an Hals und Kehle friſch gelbweiß, auf Kopf und Nacken röthlich aſchgrau, Flügel und der ausgeſchnittene Schwanz ſchwarz, weiß berändert; bei jungen Männchen iſt das Roth und Aſchgrau des Scheitels und Nackens nur angedeutet, den Weibchen und Männchen nach der erſten Mauſer mangelt alles Roth und tritt dafür bei denſelben auf den Seiten der Bruſt ein helles Braungelb mit dunkleren Flecken auf; Kopf und Hals erſcheinen bräunlich aſchgrau, der Oberrücken roſtbraun mit helleren Feder— kanten und dunklen Schaftflecken. Die Jungen gleichen der Mutter. Mürler, Gefangenleben einh. Singvögel. 12 18 Strichvogel. Vaterland ganz Europa und ein Theil Aſiens. In jungen Heegen nicht zu ausgedehnter Laub- und Nadelwälder heimiſch. Ein munterer, flüchtiger Vogel, der ſich wie der Stieglitz in großen, ſcharfen Bögen emporſchwingt und ebenfalls gern hoch und frei fußt. Seine Stimme klingt wie „Gäck“ oder „Gäckre“, dem oft ein munteres Krähen, bei Furcht oder Mißtrauen ein „Lö“ zugeſetzt wird. Die Jungen ſchreien „Schill“. Lebt von allerlei öligen Sämereien und füttert die Brut aus dem Kropfe. Viele Paare niſten unweit von einander in den jungen Dickichten oder auf Wachholderwüſtungen und an bebuſchten Rainen. Neſt gut verborgen in niederem Gebüſch, enthält im April 4 — 5 bläulichweiße Eier mit helleren und dunkleren röthlichen Strichen und Punkten, welche das Weibchen in 14 Tagen ausbrütet. Die Wohnung zierlich, äußerlich von Wurzeln, Reiſern, Moos und Halmen, innen in zärteren Lagen von Halmen, Pflanzen- und Thierwolle und meist auch mit Pferdehaaren belegt. Zwei bis drei Bruten jährlich. Sammeln ſich im Herbſte zu großen Flügen und ſchlagen ſich Winters zu Berg- und Edelfinken, Ammern und Feldſperlingen. Der Canarienvogel (Fr. s. Dryospiza canaria). Deſſen Freileben fand bereits im Eingange des Abſchnittes über die Schilderung der verſchiedenen Racen dieſer Vogelart Erwähnung. (Siehe Seite 130 — 132.) Die Familie der Lerchen (Alaudidae). Allgemeine Kennzeichen. Füße vorn und hinten getäfelt, die hintere Zehe mit einem langen, nur ſanft gebogenen Nagel verſehen („geſpornt“). Bewegung auf dem Boden, ihrem Charakter als Erdvögel gemäß, ſchreitend. Färbung un— ſcheinbar, gewöhnlich heller und dunkler bräunlich getäfelt und punktirt. Nahrung Geſäme und Kerbthiere. Die hier in Betracht kommenden Lerchen hat man unnöthigerweiſe in verſchiedene Sippen geſtellt; wir betrachten die unleugbar Nahverwandten in Einer Sippe. Die Feldlerche (Alauda arvensis). 17 Ctm. lang, ſchlank, oben hell ſperlingsbraun, unten weiß, an den Flanken mit dunkelbraunen länglichen Flecken; die äußeren beiden Schwanz— federn größtentheils, die Außenfahnen der nächſten weiß. Zugvogel. Einer der häufigſten Sänger in ganz Europa, Aſien bis Kamtſchatka und einem Theile von Afrika. Kommt ſchon im Februar zurück, ſtreicht Ende September und im October von Feldern zu Feldern und zieht im November fort. Erhebt ſich in Spirallinien ſingend in be— deutende Höhe, um ſich oft geraume Zeit nachher pfeilartig wieder zur Erde zu ſtürzen. Flug weitgreifend, ſtoßweiſe und behende. Ruft „Brit“ und „Tii“, auch „Gerret“, im Kampf und beim Jagen unter Ihresgleichen ſchnarrend „Gerrerrer“ oder „Scherrerrer“. Lebt und niſtet nur auf der Erde, höchſt ſelten ſich auf einen Strauch ſetzend. Neſt: eine mit wenigem Geniſte, Wurzeln und Haaren ausgefüllte Vertiefung des Bodens im Getraide und ſonſtiger Felderescenz, enthält im März 5 —6 graugelbweiße, braun- und graugetüpfelte Eier, welche beide Gatten in 14 Tagen ausbrüten. Häufig zwei bis drei Bruten. Die helleren Jungen entlaufen halbflügge dem Neſte. Die Baum- oder Haidelerche (A. arborea). 2,5 Ctm. kürzer als die vorige, oben mehr dunkel graubraun, unten weißlich, an den Seiten ſchwärzliche Längsſtreifen. Von der Schnabelwurzel durch die Augen um den Hinterkopf herum ein weißlicher Kranz, die mäßige dunkle Holle umfaſſend; weiße Spitzen an den äußerſten Schwanzfedern und an den Flügelrändern. Zugvogel. Verbreitung: das gemäßigte Europa und Mittelaſien. Aufenthalt: hauptſächlich Haiden, Wüſtungen und öde Holzſchläge auf Gebirgen. Erſcheint früh Ausgangs Februar und zieht familienweiſe Ende October. Lebt meiſt auf der Erde, zeitweiſe auch auf Bäumen fußend; ſchläft und niſtet ſtets auf dem Boden, woſelbſt ſie zeitig im April ein tief napfförmiges, zierliches Neſt aus Grashalmen und Faſerwürzelchen bereitet, in welchem 4— 5 weiße, ſtark graubraun punktirte Eier vom Weibchen allein innerhalb 14 Tagen gezeitigt werden. Brütet gewöhnlich 12 ** 180 zweimal. Flug leicht und ſchwebend, im Geſange fledermausartig flatternd, dabei in großen Bögen hoch in der Luft kreiſend. Locktöne ein melodiſches „Lulu“, „Lili“ und „Ludelu“, die ſie mit dem Geſang auch Nachts hören läßt. Die Haubenlerche (A. eristata). Von der Größe der Feldlerche, nur etwas gedrungener. Färbung gewöhnlich oberhalb dunkel lerchenfarben, unten trübgelblich, überall, aus— genommen die Kehle, der Bauch und ein Streif über den Augen, mit dunklen Längs- oder Schaftflecken. Haube ſehr ſpitz auslaufend. Fuß derb, fleiſchfarben mit geradem, mittellangem Sporn. Strichvogel. Verbreitung: ganz Europa, doch mehr der Süden als der Norden, Mittel- und Südaſien, ſowie Nordafrika. In Gärten der Dörfer und Städte, an Heerſtraßen, ſowie in einſamen Ebenen und Ge— birgen. Weſen ähnlich dem der Vorigen, namentlich der Haidelerche. Ihren Flug kennzeichnet ein leichtes Hin- und Herſchwanken. Ruft „Hoid Wut‘, Allesfreſſer, vorzugsweiſe Sämereien, Grünes und Inſecten, mit denen ſie auch anfänglich die Jungen füttert. Niſtet zweimal auf der Erde ähnlich wie die Feldlerche, legt 4 — 5 gelblichweiße Eier mit grauen und braunen Punkten überſät, die abwechſelnd vom Paare in 14 Tagen gezeitigt werden. Gedruckt bei E. Polz in Leipzig. | Il Il | SMITHSONIAN INSTITUTION LIBRARIES — — — 5 8 5 5 ——— — 2 e 2 2 8 2 — 2 5 2 5 25 I 5 2 2 8 f 5 wa SL : - Fe ee 8 . — 5 SR 2