» . is E72 Pe} BERNER RT ErnıEr 27 1 27 FAR ET Ere72 Cr #7 Zah a FOR THE PEOPLE FOR EDVCATION FOR SCIENCE LIBRARY 0 F THE AMERICAN MUSEUM OF NATURAL HISTORY 2 D n k ib: I RVG Kor A BEA PR Bu N ZA iM 14T ® u ( 7 ‘A 5 i f BRAUN RR | " Bir ru 1% j i f a Ar Ip en A! [ ) h ä j Ye | 14 N fr Hi H uf D IE GEGENBAURS MORPHOLOGISCHES JAHRBUCH. — EINE ZEITSCHRIFT - ANATOMIE UND ENTWICKLUNGSGESCHICHTE, HERAUSGEGEBEN VON GEORG RUGE PROFESSOR IN ZÜRICH. DREIUNDDREISSIGSTER BAND. ® MIT 10 TAFELN UND 160 FIGUREN IM TEXT. LEIPZIG VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 1905. ne = “ .d via Er £ % P 5 ’ > 4 E ö = “ ” - n. ' = I er 5) PS iu Ir? ‚ EAN Dur N Al 7 ii U ER ER LENERREESETS a e LANDEN : ne “ p j MAETAG VE HATEIERNN EUTREAL I LAREEALEN nr [Pan . m Efijrtl 11 x Aller; “r A Onae.N a „a His BIBIAE ti } ' A Uno Br her we Du 2 v Br. FA - r Inhalt des dreiunddreissigsten Bandes. Erstes Heft. Ausgegeben am 3. Februar 1905. Das Kopfskelett der Amnioten. en Studien. (2. Fortsetzung.) one AR TEIRohnanTaee REN E ee V. Das Munddach der Saurier. "Non RER man (Mit TE Lena DE eg 1 Nee 8 ee ER EEE Über die Variationen des Brustkorbes und der Wirbelsäule des Menschen. Nor Hermann Adolphi. "Mit. 2. Fie; im Text) .. 2.2.2. Some Observations on the Chromosome Vesicles in the Maturation of Nudi- branchs. Von W. M. Smallwood. (With Plate IL) ....... Zweites und drittes Heft. Ausgegeben am 12. Mai 1905. Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe (Larus ridibundus). Von H. Rex. (Mit Taf. III—IX u. 60 Figuren im Text) ..... Zusammenhang des M. sternalis mit der Pars abdominalis des M. pectoralis major und mittels dieser mit dem Achselbogen. Von Georg Ruge. (Mit 4 Fig. In est) RT Beobachtung eines Restes des Fanteun pero Bann Menncheh, Ba 0 racalis lateralis desselben. Von Paula Bascho. (Mit1 Fig. im Text.) Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere. — Der M. sternalis und der Achsel- bogen des Mensehen. Von Georg Ruge. . :.... .. 2... Bemerkungen zu: A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. Morpho- genetische Studien. 2. Fortsetzung. Von E. Göppert. ...... Viertes Heft. { Ausgegeben am 1. August 1905. Über Rückbildung und Ersatz der Arteria brachialis bei Eehidna. Beitrag zur Kenntnis der Arterien der Vordergliedmaße bei den Säugetieren. Von E. Göppert.. (Mit 3 Fig. im Text.) . .. . .. Zur Frage der segmentalen Gefäßversorgung der Haut Ba Mendchen BEER LER BEE IND BEL re ee le Bemerkungen über einen abnormen Verlauf der Vena azygos in einer den Oberlappen der rechten Lunge durchsetzenden Pleurafalte. Von ut bliız 2 (Miit in. Bin; im Tesh)o ee Das Hautleistensystem der Primatenplanta unter Mitberücksichtigung der Palma. Von Otto Schlaginhaufen. (I. Teil. Mit 76 Fig. im Text.) Seite 39 87 107 535 152575) 562 577 N Das Kopfskelett der Amnioten. Morphogenetische Studien. (2. Fortsetzung.) Von Dr. A. Fleischmann, Professor der Zoologie und vergl. Anatomie in Erlangen. Seit dem Beginne meiner Studien über die Stilistik der Nasen- höhle habe ich die Form und Lage der Choane am Munddache und die Art der Gaumenbildung oft bedacht und ich konnte bereits durch A. BEECKER die homologen Charaktere der Amniotenchoane in großen Umrissen schildern lassen. Da damals interessante Details unbe- rücksichtigt blieben, hielt ich weitere Studien für notwendig, zumal mir bei der Lektüre der Literatur auffiel, wie unsicher eigentlich unsre Kenntnisse und wie unklar die zur anatomischen Beschreibung benutzten Begriffe sind, deren schwankende Definition es heute im- mer noch gestattet, daß die Ausdrücke »Choane«, »Gaumenfalte«, »Gaumen« zur Bezeichnung verschiedenwertiger morphologischer Stücke dienen. Manchmal sogar gewann ich den Eindruck, als hätten einzelne Autoren sich mehr nach theoretischer Überlegung ein sub- jektives Gedankenbild der von ihnen erörterten Verhältnisse gemacht und dessen Richtigkeit zu wenig nach den reellen Tatsachen be- messen. Andre Irrtümer schienen mir dadurch entstanden, daß man einseitig entweder bloß die Nasenhöhle oder bloß die Mundhöhle an- gesehen hatte, während ich von der topographischen Betrachtung der ganzen Nasenregion neuen Vorteil erwartete. Aus diesen Erwägungen veranlaßte ich meine beiden Schüler, OÖ. Hormann und W. SıreL die Morphologie der Choanengegend Morpholog. Jahrbuch. 33. 1 2 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. auf breiter Grundlage zu bearbeiten und die bisher erschienenen Ab- handlungen von neuem zu kontrollieren. Das Ergebnis lege ich jetzt vor. Die zuerst erscheinende Studie ist mehr kritischer Art, sie baut auf der von A. BEECKER geschaffenen Grundlage weiter und schildert die Morphologie des Munddaches verschiedener Saurier. Die für das endgültige Urteil notwendigen Beobachtungen bei Vögeln und Säuge- tieren sollen bald folgen; dann werden auch die Knochen des Gau- mens und die Stilmerkmale der verschiedenen Klassen eingehend be- ‚sprochen werden. V. Das Munddach der Saurier. Von Dr. Ottmar Hofmann aus Nürnberg. Mit Tafel I und 9 Figuren im Text. Erneute Untersuchungen über die Mundhöhle der Reptilien dürften manchen überflüssig dünken, da in den letzten Jahren K. Busch und E. GörpErRT die übereinstimmende Ansicht vertreten haben, daB unter den Sauriern die Anfangsstufen der morphologischen Differen- zierung zu treffen seien, welche im Gaumendache der Säugetiere gipfelt. Trotzdem glaube ich, der gegenteiligen Meinung das Wort reden zu dürfen und den Nachweis zu versuchen, daß den Eidechsen ein wahrer Gaumen fehlt. Meine Überzeugung gründet sich auf das eingehende Studium vieler Querschnittserien durch die entkalkten Köpfe erwachsener und embryonaler Eidechsen. Den Vorzug, selt- nere Arten zu untersuchen, erhielt ich durch das gütige Entgegen- kommen der Herren Prof. Dr. Mögıus in Berlin, Hofrat Dr. A. B. MEYER in Dresden, Prof. Dr. RÖMER in Frankfurt a. M., Prof. Dr. LAMPERT in Stuttgart, denen ich an dieser Stelle aufrichtigen Dank abstatte. Zugleich ist es mir eine angenehme Pflicht, meinem ver- ehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. A. FLEISCHMANN in Erlangen für die gütige Unterstützung und Förderung meiner Studien aufrichtigst zu danken, ebenso Herrn Privatdozenten Dr. ZANDER, der mir in liebens- würdiger Weise technische Schwierigkeiten überwinden half. Bevor ich das Resultat meiner Arbeit erörtere, will ich den Zusammenhang mit den Vorarbeiten durch ein kurzes historisches Resümee her- stellen. 4 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. A. Historische Übersicht. Vor 6 Jahren hat Busch die Frage nach der phylogene- tischen Entstehung des Gaumens aufgeworfen und durch die Unter- suchung der Munddecke von 40 Saurierarten die Überzeugung ge- wonnen, daß man bei den recenten Lacertiliern eine allmählich fort- schreitende Vervollkommnung derselben nachweisen, sowie die Arten in eine aufsteigende Reihe ordnen könne, deren oberste Glieder als die Vorstufen zur Gaumenbildung von Schildkröten, Krokodilen und Säugetieren zu betrachten seien. Freilich sei, wie er entschul- digend bemerkt, die wirklich beobachtete Reihe noch sehr lückenhaft, allein daran trage vornehmlich der Umstand schuld, daß die Prüfung geeigneter Repräsentanten von allen Familien versagt war. Über- dies könne man einen vollkommen lückenlosen Zusammenhang kaum erwarten, weil Zwischenglieder in den ausgestorbenen Arten verloren gegangen sein dürften. BuscH gründete seine Gedanken auf folgende theoretische Vor- stellung: Bei den Amphibien ist das Geruchsorgan, die »primitive Nasenhöhle« im wesentlichen nichts andres als ein einfacher » Nasen- gang«, der kurz hinter dem Prämaxillare die Decke der ektoder- malen primären Mundhöhle (Stomodäum) durchbricht. Bei den Säugetieren aber schiebt sich der Gaumen als eine horizontale Scheidewand in die primäre Mundhöhle und teilt sie in zwei über- einanderliegende Etagen; die untere ist die »ssekundäre Mund- höhle« oder »Phagodäum«. Die obere steht durch die »Nasen- gänge« mit der Außenwelt in Verbindung und bildet mit diesen einen zusammenhängenden Hohlraum, der herkömmlicher Weise »Nasen- höhle« genannt wird, obwohl man präziser »ssekundäre Nasen- höhle« oder »Rhinodäum« sagen sollte. Der hintere, ungeteilte Abschnitt der primären Mundhöhle bei den Säugetieren bildet be- kanntlich den »Pharynx«, in den die Nasenhöhle durch das Ostium pharyngo-nasale mündet!. 1 Diese der embryologischen Erfahrung direkt widersprechende Vorstel- lung scheint auf der Autorität GEGENBAURs zu fußen, der im Grundriß der vergleichenden Anatomie (2. Aufl., 1878, S. 570—571) ausführt: »Eine neue Eigen- thümlichkeit der Amnioten ist eine Differenzirung der primitiven Mundhöhle durch horizontale Leisten oder Fortsätze, die vom Oberkieferfortsatze des ersten Bogens ausgehen und allmählich eine die primitive Mundhöhle (oder, wie er an andrer Stelle auch sagt, die »primitive Vorkammer« des Darmrohres [S. 573] oder den »respiratorischen Kopfdarm« [S. 564]) in zwei Etagen theilende Platte, den V. Ottmar Hofmann, Das Munddach der Saurier. 5 Busch glaubte nun, einige Stadien der phylogenetischen Ent- wicklung, welche das Stomodäum in ein Rhinodäum und Phago- däum sonderte, unter den gegenwärtig lebenden Eidechsenformen erkannt zu haben. Nach seiner Meinung tritt der Gaumen bei den Reptilien und besonders bei den Eidechsen zuerst in Gestalt eines Paares horizontaler Falten (Ganmenblätter) zu beiden Seiten des Stomodäums auf, die allmählich an Breite zunehmen, bis sie schließ- lich einander median treffen und verwachsen. Für die spezielle Beschreibung unterscheidet er zwei Hauptab- schnitte des Munddaches: die mediane Partie als »eigentliche Munddecke« und die einen hufeisenförmigen Rahmen darum schließenden »Seitenteile«. Letztere bestehen aus der »Außen- lippe« des Mundrandes, der »Zahnreihe« und dem »inneren Lippenwulste«, welcher wieder in zwei Teile geschieden ist, die drüsige »eigentliche Innenlippe« längs der Zahnreihe bzw. der Maxille ziehend und eine medianwärts durchweg stark entwickelte, drüsenfreie Falte derselben, die »Lippenfalte«. Die eigentliche Decke zeigt folgende Formeigentümlichkeiten: Von einer kleinen, knopfartigen Verdiekung der eigentlichen Innenlippe im Bereiche des Zwischenkiefers läuft eine mediane schmale Falte, die »Vomer- leiste« zu einem medianen, auf dem Vomer ruhenden Felde, dem »Vomerpolster«; hinter diesem folgt das große »Palatoptery- soidfeld«, das die hinteren Teile der Lippenfalte trägt und von einer bald engeren, bald breiteren medianen Furche durchzogen wird, in welche von hinten die »Sphenoidbucht« einschneidet; den hin- teren Abschluß bilden die kräftigen Kaumuskelwülste. Zu beiden Seiten des Vomerpolsters liegen zwei weite Öffnungen, die, mit dem Epithel der Mundschleimhaut ausgekleidet, nach oben in den Riech- zellen tragenden Abschnitt des Nasenganges hinleiten. BuscH nannte sie »innere Vorhöhlen«, weil sie die Einmündung des Nasen- ganges in die Mundhöhle vermitteln und sich zum Nasengang ähn- lich verhalten, wie dessen mit Epidermis ausgekleidete »äußere Vorhöhlen (Born)«. Meistens bleiben die inneren Vorhöhlen nicht in ihrer ganzen Breite sichtbar, sondern werden von den »Gaumen- blättern«, d. h. zwei klappenartigen Schleimhautfalten überdeckt, die aus der Innenlippe median vorwachsen und sich vom Palatoptery- Gaumen, entstehen lassen. Sie führt zur Bildung der sekundären Nasenhöhle und der sekundären Mundhöhle. Der dahinter gelegene, nicht in diesen Vor- gang mit eingezogene Rest der primitiven Mundhöhle stellt den Pharynx vor.« 6 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. goidfeld längs der Basis der Innenlippe gegen den Zwischenkiefer erstrecken, so daß »eine Trennung der Mund- und Nasenhöhle herbei- geführt und beiderseits am Vomerpolster von der weiten Öffnung der inneren Vorhöhle jeden Nasenganges nur je eine schmale Spalte, die ‚Nasengaumenspalte‘ übrig bleibt«, die gewöhnlich oral eng und caudal breit ist. Da die Gaumenfalten von der Seite her über die inneren Nasen- öffnungen vorgeschoben werden und diese gegen die Mundhöhle ab- schließen, so müssen sie schon auf einer sehr unvollkommenen Ent- wicklungsstufe eine zweckmäßige Einrichtung darstellen, indem sie das Eindringen von Nahrungsteilen in die Nasenhöhle verhindern. Das sei auch der Grund ihrer Ausbildung bei höheren Formen. »Die Entstehung der Gaumenfalten selbst soll von der Besetzung der Munddecke mit Drüsen ihren ersten Anfang genommen haben«; denn in den Gaumenblättern der Lacertilier mit einfacher Munddecke finde sich ein mehr oder weniger mächtiges Drüsenlager. Je stärker sich die Gaumenblätter entfalten, um so mehr träten die Drüsen in ihnen zurück, um zuletzt ganz zu schwinden. Am niedrigsten hinsichtlich der Gaumenbildung steht Sphenodon mit relativ schmalen Gaumenblättern und breitem Vomerpolster, so- dann folgen unter kaum merklicher Abstufung innerhalb der einzel- nen Familien die Agamidae, Iguanidae, Tejidae, Anguidae, Lacer- tidae, Zonuridae, endlich die Seineidae. Die Agamidae besitzen schwache, die Iguanidae mäßig breite Gaumenblätter. Bei den Tejidae sind die vorderen Abschnitte der Gaumenblätter mit dem Vomer- polster verwachsen; die Nasengaumenspalten verlaufen nicht mehr senkrecht, sondern schräg nach oben. Bei den Anguidae sind die vordern Partien der Gaumenblätter mit dem Vomerpolster verwachsen und die Scheidung zwischen Mund- und Nasenhöhle vollkommener. Bei den Lacertidae rücken die inneren Nasenöffnungen aus dem Niveau des Gaumens hinaus; daher ist nur ihr vorderes Ende sicht- bar, der hintere Abschnitt und die inneren Vorhöhlen des Nasen- ganges ziehen seitlich davon, oberhalb der Gaumenblätter, so daß es in den Weichteilen schon zur Herstellung einer sekundären Mundhöhle kommt, die sich teilweise über die primäre hinzieht und »uns über das Zustandekommen der Trennung von Mund- und Nasen- höhle durch einen Gaumen nicht mehr im Zweifel läßt«. Die stärker 1 Ich folge hier meist wörtlich der von Busch $. 488—495 gegebenen Zu- sammenfassung. V. Ottmar Hofmann, Das Munddach der Saurier. 7 entfalteten Gaumenblätter der Zonuridae legen sich auf das Vomer- polster und bedingen eine noch vollkommenere Gaumenbildung, indem sie die inneren Vorhöhlen des Nasenganges nach unten hin bedeutend mehr abschließen. In der Familie der Seineidae trifft man die vollendetste Form der überhaupt unter den Eidechsen vor- kommenden Gaumenbildung; denn bei Zgernia, Mabuwia, Tiliqua ist der weiche Gaumen stark entwickelt. Breite Gaumenblätter, die sich beinahe berühren (Egernia) oder eine weite Strecke übereinander ge- schoben sind (Tiligua), bewirken die markante Scheidung des Stomodäums in Rhinodäum und Phagodäum, ferner die Bil- dung eines Pharynx sowie eines Ostium pharyngo-nasale. Zugleich mit der fortschreitenden Ausbildung des weichen Gaumens wird ein wirklich knöcherner Gaumen von den Horizontallamellen der Maxillaria, dem paarigen Vomer und den horizontalen Gaumenfort- sätzen der Palatina gebildet. Mehr oder weniger abseits von dieser Reihe stehen die Varanidae, Geckonidae, Chamaeleontidae und Am- phisbaenidae. Fast gleichzeitig hatte VIKTOR von MIHALKOVIcS gelegentlich seiner Studien über Nasenhöhle und Jacogsonsches Organ das Mund- dach der Saurier, freilich nur ganz beiläufig erwähnt: »Eigentümlich sind bei den Sauriern die Verhältnisse der hin- teren Nasenöffnung (Choane). Diese mündet nicht frei an der Decke der Mundhöhle, sondern in den seitlichen Teil des Gaumenspaltes hinein. Schon bei Amphibien war ein sekundärer Gaumenfortsatz vorhanden, der mit der Decke der Mundhöhle eine Rinne bildet. Bei Reptilien wird der sekundäre Gaumenfortsatz mächtiger und er- streckt sich unter dem Boden der Nasenhöhle im Querschnitt ge- sehen als dreieckiger Keil medianwärts; der Keil nimmt von vorn nach hinten an Breite zu, weil der ganze Vorderkopf nach hinten breiter wird, und umfaßt mit dem Boden der Nasenhöhle den seit- lichen Teil der Gaumenspalte, die vorn neben der Gaumenpapille unter dem JAacogsoxschen Organ als kleine Einbuchtung beginnt, weiter nach hinten zu unter dem ganzen Boden der Nasenhöhle sich erstreckt und an der oberen Wand die Choane aufnimmt. Embryologisch ist die ganze Formation aus dem Vorwachsen der sekundären Gaumenleiste unter dem Boden der primären Nasenhöhle zu erklären. Es ist aber der Boden der Nasenhöhle bei Reptilien nicht dasselbe Gebilde wie bei den Säugetieren; denn bei letz- teren besteht der Boden der Nasenhöhle bez. die Decke der Mund- höhle caudalwärts von dem Prämaxillare aus dem sekundären 8 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. Gaumen des Oberkieferfortsatzes, während bei Reptilien der Boden der Nasenhöhle bis an die Choane vom primären prämaxillaren Gaumen selbst gebildet wird. Unter diesen primären prämaxillaren Gaumen wächst von hinten und lateral der sekundäre Gaumen me- dianwärts vor und ist von ersterem durch den seitlichen Teil der Gaumenspalte (Fissura palatina lateralis) getrennt. Der Unterschied besteht darin, daß bei den Säugetieren der sekundäre Gaumen nur caudalwärts von der primären Choane (dem späteren STENsSonschen Gang) entsteht, während bei den Reptilien der sekundäre maxillare Gaumen sich unter der primären Choane auch rostralwärts fortsetzt, aber bis an die Gaumenpapille mit dem prämaxillaren Gaumen (Boden der Nasenhöhle) nicht verwächst, sondern mit demselben die seitlichen Ränder der Gaumenspalte umfaßt.« E. GÖPPERT erörterte in zwei Abhandlungen (1901 und 1903) die Frage nach der Entstehung des sekundären Gaumens mehr nach physiologischen als nach morphologischen Gesichtspunkten. Da die Vorarbeit von BuscH die phylogenetische Geschichte des Mund- daches nach seinem Urteil aufgehellt hat, nahm er deren Resul- tate fast ungeprüft herüber und suchte sie durch das Studium des Mundbodens zu vertiefen. Vornehmlich interessierte ihn die. Frage, wie die Beziehungen zwischen Kehlkopf und Nasenhöhle, speziell der Anschluß des Aditus laryngis an die Choanen entstanden, welche den Luftweg gegen Aspiration von Nahrungsbestandteilen schützen, das Kauen des Futters ohne Unterbrechung der Atmung ermöglichen und auch bei geöffnetem Mund die Nasenhöhle als Luftweg zu ver- wenden gestatten. Er glaubte, einen Fortschritt unsrer Erkenntnis durch den Gedanken anzubahnen, daß die Zunge eine sehr wesent- liche Rolle für die Nasen-Kehlkopfbahn spiele, weil sie bei Sauro- psiden zum Abschlusse des Pharynx gegen die Mundhöhle verwendet werde. In der Absicht, die Stufenfolge der Gaumenbildung voll- ständig darzulegen, rekapituliert er eingangs die Zustände bei den Amphibien nach G. Borns und O. SEYDELS Autorität: Die Salaman- drinen und die Anuren zeigen die ersten Anfänge eines sekundären Gaumens; denn nach der Metamorphose zieht sich die vorher einfach rundliche Öffnung der Nasenhöhle am Munddache, die Apertura na- salis interna, lateralwärts in eine Rinne, die »Gaumenrinne« aus. Sodann macht er aufmerksam, daß bei den Reptilien das Relief des Munddaches durch die Konfiguration des Mundbodens ergänzt werde, und sucht damit die Auffassung von Busch, welche er, abgesehen von geringfügigen Korrekturen, für richtig hält, zu vertiefen; z. B. V. Ottmar Hofmann, Das Munddach der Saurier. 9 bei Sphenodon wird ein Teil der langgestreckten, breiten Apertura nasalis interna von den horizontal in die Mundhöhle einspringenden Gaumenfortsätzen dachartig überlagert. Wenn die Mundspalte ge- schlossen wird, so schmiegt sich der vordere Teil der Zunge den Gaumenfortsätzen an und überbrückt den die letzteren trennenden Zwischenraum. Auf diese Weise ergänzt der Zungenrücken die verhältnismäßig unbedeutenden Gaumenfortsätze; er grenzt mit ihnen zusammen einen die inneren Nasenöff- nungen aufnehmenden Teil der primitiven Mundhöhle ab, der bei vollkommener Ausbildung des sekundären Gaumens Fig. 2. D.nas.-ph Conch e h se II N =.) - Cav.mas Mand \ H Ling Fig. 1. Querschnitt durch den Kopf von 'Lacerta viridis. 2/1. Nach E. GöPpErr. Cav.nas Nasen- höhle; Conch Muschel; @.F Gaumenfortsatz; @.M Vomerpolster; @G.R. Gaumenrinne; H Hyoid; Ling Zunge; Mand Unterkiefer; $.F Lippenfalte (Busca). Fig. 2. Querschnitt durch den Kopf von Bronchocele jubata, ein Stück hinter den Choanen nach E. GörrErT. Von der Zunge (Zing) und den Palatopterygoidkanten (P.pt.k) wird der Ductus nasopharyn- geus (D.nas.-ph) abgegrenzt. H Hyoid; ZL.F Lippenfalte (Busch). den Ductus nasopharyngeus vorstellen würde. Dieser Satz enthält den Leitgedanken GÖPPERTs, der nun an verschiedenen Bei- spielen zu erhärten sucht, daß die Zunge ein sehr wesentliches Mo- ment der Gaumenbildung gewesen sei. Besonderes Interesse boten ihm die Lacertilier, weil bei ihnen alle Stadien der Gaumenbildung vom ersten Anfange bis zur Voll- endung vertreten seien. Auf der Beschreibung von Busch fußend, wiederholt er kurz die wesentlichen Eigentümlichkeiten der Mund- decke. Bei der Mehrzahl der Arten bildet die Apertura nasalis in- terna einen langgestreckten Spalt am Mundhöhlendache, die »Nasen- 10 A. Fleischmann, Das Kopfskelett.der Amnioten. gaumenspalte«. Längs ihrer ganzen Ausdehnung ist die Nasen- höhle in ein oberes und unteres Stockwerk zerlegt, welche bloß über dem caudalen Ende der Nasengaumenspalte durch die sog. innere Choane kommunizieren. Das obere Stockwerk (Cav.nas) be- herbergt die Riechschleimhaut, das untere ist die Gaumenrinne (G.R); sie nimmt vorn das JAcoBsonsche Organ und den Tränennasengang auf und führt durch die langgestreckte Nasengaumenspalte in die Mundhöhle (Textfig. 1). Die Nasengaumenspalten grenzen medial an das »Mittelfeld des Gaumens« (G.M) (= Vomerpolster Busch), ihre laterale Wand wird durch die horizontal gestellten »Gaumenfortsätze« oder »Gaumenblätter« (G@.F) gestützt. Hinter dem Vomerpolster be- ginnt eine Rinne (Textfig. 2 D.nas.ph) am Munddache, welche bald eine Erweiterung, die seitlich von den Palotopterygoidkanten (P.pt.A)1 umsäumte Sphenoidbucht bildet. »Es besteht also am Mund- dache eine vorn gabelig das Vomerpolster umfassende, hinten unpaare tiefe Furche.« GÖPPERT nennt sie den Sulcus nasopharyngeus. Bezüglich der Entstehung des sekundären Gaumens folgt er direkt der Ansicht von BuscH: »Indem die Gaumen- fortsätze gegen das Vomerpolster verbreitert werden und die Palato- pterygoidkanten medianwärts in horizontaler Stellung auswachsen, vorn das Gaumenmittelfeld erreichen, caudal von ihm zu gegen- seitiger Berührung vordringen, kommt ein sekundärer Gaumen zu- stande, ein vollkommener Abschluß des Suleus nasopharyngeus zu einem Ductus nasopharyngeus, freilich nicht ganz vollkommen, weil die Verschmelzung der paarigen Falten unterbleibt. Man würde aber den Vorgang nicht durchaus verstehen, wenn man nicht zu- gleich den Mundhöhlenboden, besonders die Zunge ins Auge faßte und sich klar machte, daß die Zunge in funktioneller Beziehung zu den Bestandteilen des Mundhöhlendaches steht. Sie ergänzt den un- vollkommenen Anfang einer Gaumenbildung und grenzt den Raum einer sekundären Nasenhöhle oder Ductus nasopharyngeus ab, indem sie seinen Boden bildet. Die ersten Anfänge des sekundären Gaumens bei den Reptilien sind auf die Ergänzung durch die Zunge an- gewiesen und werden dadurch für den Luftweg bedeutungsvoll; denn, indem sich der Zungenrücken den Leisten und Kanten des Mund- daches anlegt, wird ein kanalartiger Raum, ein Ductus nasopharyn- 1 Den Ausdruck: »Palatopterygoidkanten« hat GÖPPERT neu eingeführt, BuschH hatte diese Gebilde als »Leisten des Palatopterygoidfeldes« oder »Gau- menleisten« bezeichnet. N SE V. Ottmar Hofmann, Das Munddach der Saurier. 11 geus für den Luftweg abgegrenzt und die primitive Nasenhöhle nach hinten gegen den Kehlkopfeingang fortgesetzt; dann wird die Luft nicht mehr durch den Mund, sondern die Nase geleitet und dort kontrolliert. GÖPPERT legt diese Ansicht an verschiedenen Beispielen klar, zuerst an Platydactylus guttatus, der einen gut entwickelten Gaumen- fortsatz zeigt (Textfig. 3a, 5b). »Die gemeinsame Betrachtung von Mundhöhlendach und Boden ergibt ohne weiteres, daß der größere Vorderteil der Zunge (Ling) wie ein Deckel in den Raum zwischen die Gaumenfortsätze (G.F) hineinpaßt. Wie Querschnitte zeigen, liegen die Zungenränder in den etwas gehöhlten und zum Teil dor- salwärts umgeklappten Teilen des Gaumenblattes. Vorn schmiegt sich der Zungenrücken dem Gaumenmittelfeld (G.M) innig an. So Fig. 3 a. Cav.nas insen Conch „6.F N er ns GL 8 DIN 6.F aa a N ee Mand FE Ei ei Mand Ling 6G.M a eg nn Querschnitte durch den Kopf von Platydactylus nach E. GöPrErT. Cav.nas Nasenhöhle; Conch Mu- schel; D.nas.-ph Ductus naso-pharyngeus; @.F Gaumenfortsatz; @.M Vomerpolster; @.R Gaumenrinne; H Hyoid; Ling Zunge; Mand Unterkiefer. werden zunächst die Gaumenrinnen (G.R) zwischen letzterem und den Gaumenfortsätzen zu Kanälen abgeschlossen, die von der Mün- dung des JacoBsonschen Organs an caudalwärts führen und in einen unpaaren Raum (D.nas.ph) überleiten, der links und rechts die hinteren Teile der Nasengaumenrinne, samt der inneren Choane auf- nimmt und dessen Boden lateral von den Gaumenfortsätzen (G.F), in den mittleren Teilen von der Zunge (Zing) gebildet wird. So be- steht durch die Ergänzung der Gaumenbildung seitens der Zunge ein Ductus nasopharyngeus, der noch eine Strecke über die Choane hinaus caudalwärts führt bis dicht vor die Stelle, wo die Palato- pterygoidkanten zur Begrenzung der Sphenoidbucht auseinander- weichen. Hier verlassen die Gaumenfalten den Zungenrand und legen sich dem Mundboden seitlich von der Zunge an. Wir sehen also, daß im Bereich der Mündung der Nasenhöhle und ein Stück 12 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. weit über dieselbe hinaus gegen den Kehlkopf hin durch Zusammen- wirken von Zunge und Gaumenfortsätzen ein scharf abgegrenzter Luftweg zustande kommt.« Das Mundhöhlendach der Lacertiden sieht fast wie ein Abdruck der Zunge aus, die dem Vomerpolster, den Gaumenforisätzen, ja sogar den caudalen Teilen. der Palatopterygoidkanten anliegt und noch die Lippenfalten erreicht. Die Zunge (Textfig. 1) ergänzt nicht bloß die noch schmalen Gaumenfortsätze (G.F) im Bereiche der Apertura nasalis interna und schließt die Gaumenrinnen (G.R) zu paarigen Kanälen ab, sondern auch den caudal von den inneren Nasenöffnungen liegenden, rinnenartigen, von den Gaumenfortsätzen und Palatopterygoidkanten eingefaßten, medianen Teil des Mund- daches zu einem Kanal, einem wahren Ductus nasopharyngeus. Um Mißverständnissen vorzubeugen, wiederholt GÖPPERT seine An- sicht an späterer Stelle: »Den oft so geringfügigen Gaumenfortsätzen liegen die Seitenränder der Zunge an. Zunge und Gaumenanfänge schneiden dann aus dem Raum der primitiven Mundhöhle einen dor- salen Teil, den Ductus nasopharyngeus, heraus und bilden den Boden eines Kanals, in dem die Atemluft zum Larynx strömt. Zunge und Gaumenfortsätze leisten also das gleiche, was in höheren Zuständen der sekundäre Gaumen allein zuwege bringt. Wenn die Gaumen- fortsätze auf den vorderen Mundhöhlenbereich beschränkt sind, wie bei Cnemidophorus, paßt der Zungenrücken in den Zwiielienkänm zwischen den Lippenfalten ganz genau hinein und ersetzt einen sekundären Gaumen. Seine Darstellung soll also zeigen, daß durch Kine der Zunge in das Relief des Mundhöhlendaches der Weg für die In- und Exspirationsluft auf das genaueste bestimmt und von der übrigen Mundhöhle völlig abgegrenzt ist. Bei den Varanidae funktioniert die Zunge ausnahmsweise nicht als Gaumenabschluß, sondern der Luftweg wird innerhalb der Mundhöhle durch den Zusammenschluß der gut entwickelten Lippenfalten mit seitlich die Zunge begleiten- den Wulstbildungen des Mundhöhlenbodens gesichert. »Die Zunge verliert einen Teil ihrer Bedeutung für den Luftweg mit der Vervollständigung des sekundären Gaumens, wie sie bei ge- wissen Scineiden eingetreten ist.«c Mit Hinweis auf die Darstellung von Busca bildet GÖPPERT den Gaumen und die Zunge von Euprepis sebae ab, um zu zeigen, daß hier ein vollkommener Gaumen besteht, der den Ductus nasopharyngeus ventral abgrenzt. Die bei den vorher besprochenen Arten als Gaumenanfänge funktionierenden u. se ei TEE er ee a es se u. u as es V. Ottmar Hofmann, Das Munddach der Saurier. 13 Gaumenfortsätze und Palatopterygoidkanten haben eine erhebliche Verbreiterung erfahren und schließen die Bahn der Respirationsluft sehr fest ab, trotzdem sie nicht median verschmelzen. »In der völligen Sicherung des Ductus nasopharyngeus besteht der wichtige Fortschritt, der durch den medianen Zusammenschluß der seitlichen und medianen Komponenten des sekundären Gaumens erreicht wird. Aber auch hier wird die Zunge noch nicht völlig entbehrlich. Sie liegt bei geschlossenem Maul dem Gaumen an, dessen hinterem Rande genau der hintere Zungenrand entspricht, während den seit- lichen Rändern der Choane die beiden hinteren Zungenzipfel folgen und bis an den in die Sphenoidbucht eingelassenen Kehlkopf reichen, so daß der Kehlkopfeingang fast der Choane angeschlossen ist. Selbst bei weit geöffnetem Maul wird durch eine ganz unbedeutende Hebung der Zunge ihr caudaler Teil dem freien, hinteren Rande des sekundären Gaumens anliegen und den Abschluß des den Kehlkopf beherbergenden Pharynx gegen die Mundhöhle garantieren. Zur entgegengesetzten Ansicht gelangte OTTO SEYDEL, welcher 1899 im Anschlusse an Untersuchungen über Nasen- und Mundhöhle von Echidna die Morphologie des Gaumens der Wirbeltiere behandelte. Er hält dafür, daß die Ausgestaltung des Mundhöhlendaches und die Bildung des Nasenhöhlenbodens bei den Amphibien, Cheloniern, Sauriern, Ophidiern und Mammaliern in divergenten Bahnen sich bewege, ging aber auf die Frage nach den Ausgangspunkten der divergenten Reihen nicht ein, weil sie nur mit Vermutungen beantwortet werden könnte. Da die Arbeit von Busch ihm un- bekannt geblieben war, konnte er keine Stellung zu ihr einnehmen. Seine Erwägungen zielten auch nach einer andern Richtung; denn ‘er suchte die Befunde bei den Sauriern weniger mit den Säugern, als mit den Verhältnissen bei Urodelen und Cheloniern zu homolo- gisieren. Im Vergleich zu den Amphibien habe sich bei den Asca- laboten und den übrigen Sauriern die Region der inneren Nasen- öffnung oder primitiven Choane (er schreibt Apertura nasalis interna) sehr erheblich in die Länge gestreckt, so daß sie den Hauptanteil des Mundhöhlendaches ausmacht, während bei den Amphibien gerade der vor der Choane liegende Abschnitt des Munddaches dessen wesentlichsten Teil darstellt. Der Streckung der Apertura nasalis interna entspricht natürlich eine Längsentfaltung der über ihr liegen- den Region der Nasenhöhle, der vordere Teil der letzteren aber, welcher dem primitiven Boden entspricht, wird reduziert. Mit den inneren Nasenöffnungen hat sich auch der zwischen beiden ein- 14 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. geschlossene mediane Teil des primitiven Mundhöhlendaches in die Länge gestreckt: Dazu kommt weiter, daß »das Mundrachendach der Saurier durch eine Senkung des vorderen Abschnittes auf ein tieferes Niveau in das Mundhöhlendach oder Gaumen und in das Rachendach geschieden werde«. Die verlängerte Apertura nasalis interna wird dadurch schräg von hinten oben nach vorn unten ein- gestellt; sie bleibe mit ihrem hinteren Ende im Niveau des Rachens, während ihr vorderes Ende im Mundhöhlendache liege und sich mit diesem abwärts senke. Entsprechend der Senkung des Gaumens habe sich der große mediane Abschnitt des primären Munddaches (— orale Fläche des Septums narium oder Gaumenmittelfeld) scharf nach hinten abgegrenzt. Endlich seien die Gaumenfortsätze ver- längert, sowie weiter medianwärts vorgeschoben worden und hätten die Apertura interna von unten her verdeckt. Der Gaumenfortsatz tritt nach SEYDELS Ansicht schon bei Salamanderlarven während der Metamorphose an der vorderen und seitlichen Umrandung der Apertura nasalis interna als eine kleine, nach hinten und lateral streichende Falte auf. Er verdeckt dort zum Teil die eigentliche Apertura nasalis interna und bildet zugleich den Boden der seitlichen Nasenrinne, welche, ursprünglich nur auf das Cavum nasale beschränkt, aus der Nasenhöhle durch die Apertura nasalis interna auf das Dach der Mundhöhle übergreift. Die Lichtung dieses Abschnittes stelle einen Teil des Cavum oris dar, der erst sekundär in engere Beziehungen zum Cavum nasale trete. Nach SEYDELS Ansicht handelt es sich hier um die ersten Schritte zur Bildung eines sekundären Gaumens; folgerichtig nennt er die vom Gaumenfortsatze teilweise verdeckte und seitlich verlängerte Apertura nasalis interna die sekundäre Choane. Die Verhältnisse bei den Sauriern (Textfig. 1) entsprechen denen der Amphibien: der Gaumenfortsatz (G.F) ist ein sekundärer Bestandteil des Mund- höhlendaches und bildet den Boden für die Gaumenrinne (G.R), deren mediale Wand aus einem lateralen, schräg aufsteigenden Streifen des ursprünglichen Munddaches zu beiden Seiten des Gaumenmittel- feldes (G.M) besteht. Die Gaumenfortsätze haben bei Sauriern und Ophidiern keine Beziehung zur Begrenzung der eigentlichen Nasen- höhle, sie sind von der Bildung des sekundären Nasenbodens aus- geschlossen. Der ganze Spalt, welcher von der Mundhöhle aus in die Lichtung der Gaumenrinne führt, ist der sekundären Choane der höheren Amphibien morphologisch gleichwertig. Über der Gaumen- rinne erst liege der sekundäre Boden der Nasenhöhle. Er ent- V. Ottmar Hofmann, Das Munddach der Saurier. 15 stehe unabhängig vom Gaumenfortsatze im Anschlusse an die Aus- gestaltung des Jacogsonschen Organs und liege im allgemeinen oberhalb der Apertura nasalis interna, so daß ein Teil des primären Cavum nasale von der definitiven Nasenhöhle abgeschlossen und samt der Mündung des Tränenkanals und der Öffnung des Jacogsonschen Organs in die Gaumenrinne, d.h. einen Teil des definitiven Cavum oris einbezogen werde. Der sekundäre Boden der Nasenhöhle bilde das Dach der Gaumenrinne und dort liege auch die »innere Choane«. Der Unterschied zwischen den Sauriern und Säugern liegt nach SEYDELS Urteil darin, daß die Gaumenfortsätze von der Bildung des sekundären Nasenbodens oberhalb der Apertura nasalis interna ausgeschlossen sind, während die Gaumenfortsätze der Säuger durch ihre Verschmelzung den sekundären Nasenboden, d. h. den Gaumen bilden. — B. Eigne Beobachtungen. 1. Platydactylus guttatus. Da alle Forscher das Munddach von Platydactylus guttatus be- handelt, GÖPPERT und SEYDEL dasselbe sogar als Basis ihrer in allen wesentlichen Angaben einhelligen Schilderung gewählt haben, so will auch ich von dem viel erörterten Beispiele ausgehen, indem ich zu- erst den Wortlaut der fremden Darstellung wiedergebe. Sehr ausführlich hat BuscHu das Munddach von Platydactylus beschrieben. Er sagt: »Im Gegensatz zu der äußerst dünnen, aber sonst normalen Außenlippe weicht die mit einem kleinen Zwischen- kieferknopf versehene Innenlippe erheblich von der gewöhnlichen Form dadurch ab, daß sie in ihren maxillaren Teilen nicht aus einem, sondern aus zwei nebeneinander herziehenden Längswülsten besteht und daß die größte Breite der Lippenfalte statt an dem hinteren Ende ungetähr in ihrer Mitte liegt. Hervorgerufen wird letzteres .durch die Gaumenblätter, die mit der Innenlippe der- art verwachsen, daß zwischen beiden Gebilden keine genaue Trennungslinie festzustellen ist. Dem äußeren Anschein nach son- dert sich jedes Gaumenblatt in einen lateralen Wulst und eine mediane Hautfalte, welche fast steil nach oben umgeschlagen er- scheint. Ihr hinteres Ende verstreicht allmählich in einem flachen Bogen gegen die Lippenfalte und überragt den hinteren Rand des Vomerpolsters beträchtlich. Dieses ist annähernd oval und hinten mit 16 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. einem schmalen, dünnen Hautsaum versehen. Eine Vomerleiste fehlt gänzlich. Die Nasengaumenspalten sind kurz und lassen gegen ihr hinteres Ende einen Teil der inneren Vorhöhlen des Nasenganges erkennen. Ihr schmaler, vorderer Abschnitt zerfällt, wie BoRN bei den von ihm untersuchten Ascalaboten erwähnt, in zwei ungleich lange Äste, die ein kleines zungenförmiges Läppchen zwischen sich fassen. Der mediale Ast ist kurz und biegt schräg nach innen um, der laterale hingegen ist anfangs sichelföürmig nach außen gebogen, verläuft dann eine kurze Strecke weit in sagittaler Richtung und verliert sich schließlich in zwei äußerst kurzen Spalten, von denen der eine quer nach innen, der andre schräg nach außen gebogen ist. Der Spalt lateral von dem zungenförmigen Läppchen dient dem JAcoBsonschen Organ, der mediale dem Tränennasenkanal zur Aus- mündung in die Mundhöhle; das breite Palatopterygoidfeld wird durchschnitten von einer gewaltigen Sphenoidbucht, an deren Wan- dung jederseits die hintere Begrenzung der Augenhöhlen in Gestalt einer kugeligen Auftreibung hervortritt. Es zerfällt in zwei durch ihre verschiedene Höhenlage scharf voneinander abgesetzte Teile, eine große hintere und eine kleine vordere Partie. Jene trägt die hinteren Enden der Lippenfalten, während diese mit ihrem medianen Abschnitt das Vomerpolster von hinten begrenzt und sich lateralwärts zu den inneren Vorhöhlen des Nasenganges emporwölbt.« GÖPPERT hob nur hervor, was für seine speziellen Zwecke wichtig war: »Die Nasengaumenspalten werden in ihrem vorderen Bereich durch ein breites Gaumenmittelfeld (Vomerpolster) getrennt und seitlich von je einem gut entwickelten Gaumenfortsatz be- srenzt. Letzterer zieht ein ganzes Stück noch über die Gegend der inneren Choane hinaus caudalwärts. Die Ränder beider Gaumen- fortsätze laufen dabei parallel zueinander und sind dorsalwärts um- geschlagen. Etwas caudal von der Mitte zwischen Mundspitze und Mundwinkel biegen die Gaumenfortsätze lateralwärts ab, nähern sich dem Mundrand, laufen ihm eine Strecke parallel, um unter einer medianwärts gerichteten Krümmung dicht vor dem Kaumuskelwulst auszulaufen. Die Palatopterygoidkanten sind stark entwickelt und begrenzen eine hinten zu einer mächtigen Sphenoidbucht erweiterte Rinne. In der Mitte ihres Verlaufs geht in sie eine stumpfe Kante über, die unter dem Gaumenfortsatz jeder Seite in der Gegend seines lateralen Abbiegens zum Vorschein kommt und dem Palatinum ihren Ursprung verdankt.« SEYDEL gab folgende Darstellung: »Das Mundhöhlendach der V. Ottmar Hofmann, Das Munddach der Saurier. 17 Saurier ist durch die paarige Gaumenrinne ausgezeichnet, welche in der Nähe des vorderen Endes desselben beginnt und sich über seine ganze Länge nach hinten ausdehnt. Die Rinne enthält die Mündung des Tränenkanals und auch die Öffnung des Jacogsoxschen Organs. Was nun Platydactylus speziell anlangt, so fällt an dem Mund- höhlendache das Mittelfeld auf, welches sich nach hinten mit leicht gewulstetem Rande scharf gegen das Rachendach absetzt. Das Mittel- feld wird jederseits begrenzt durch den Zugang zur Gaumenrinne. Diese beginnt in geringem Abstande vom Kieferrande und wird lateralwärts vom Gaumenfortsatz begrenzt. Der freie Rand des letzteren verläuft zunächst gerade nach hinten, biegt dann rückwärts vom hinteren Ende des Mittelfeldes im Winkel lateralwärts um, um schließlich an der Innenseite des Kieferrandes auszulaufen. Hinter dem Mittelfelde bildet das Rachendach die obere Begrenzung des Zuganges zur Gaumenrinne. Die von Born als ‚innere Choane‘ be- zeichnete Öffnung, durch welche die Nasenhöhle mit der Lichtung der Gaumenrinne und durch Vermittlung der letzteren auch mit dem Cavum oris zusammenhängt, wird vom Gaumenfortsatz völlig verdeckt. Das vordere Ende der Apertura nasalis interna wird auch bei den Ascalaboten durch das vordere Ende des Gaumenfortsatzes am Mund- höhlendache markiert; dagegen ist das hintere Ende derselben in der unter dem Gaumenfortsatz versteckten, inneren Choane enthalten. Letztere liegt bei Platydactylus lateral von dem Mittelfelde und hinter dessen hinterem Rande. Den Boden und die seitliche Wand der Gaumenrinne bildet der Gaumenfortsatz und hierin kommt die Einheitlichkeit der Rinnenbildung zum Ausdruck. Nach dem Ver- halten des Daches lassen sich an der Rinne drei hintereinander- liegende Teile unterscheiden. Der mittelste enthält die innere Choane. Der hintere Abschnitt bietet keine Besonderheiten und geht unter allmählicher Vertiefung der Rinne in den mittleren Abschnitt über. Hier empfängt der Gaumenfortsatz eine Stütze einmal durch eine Fortsatzbildung des Os maxillare, ferner durch einen Knorpelstreifen ; beide Skelettbestandteile sind nach vorn weiter verfolgbar. Die innere Choane (Born) bildet ein scharf umrandetes, ovales Loch im Dache der Rinne. Verfolgt man nun die Gaumenrinne über die innere Choane hinaus nach vorn, so verliert sie allmählich an Tiefe und ihr Lumen, das dicht vor der inneren Choane schräg lateralwärts aufsteigt, nimmt eine steilere Stellung an, so daß sich eine mediale und laterale Wand unterscheiden läßt. Das vorderste Ende der Rinne zeigt bei Ascala- boten Besonderheiten. In der Tiefe der Rinne und an ihrer media- Morpholog. Jahrbuch. 33, 2 18 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. len Wand findet sich die weite Öffnung des JacoBsonschen Organs, dessen Sinnesepithel sich deutlich gegen das indifferente Epithel der Wandung der Rinne absetzt (primitive Öffnung des Jacogsonschen Organs). Man kann sagen, das JAcoBsonsche Organ der Ascala- boten Dildet einen ziemlich umfänglichen, medianwärts entfalteten Recessus des vorderen Endes der Gaumenrinne.« a) Die Beziehungen zwischen Mundhöhle und Nasen- höhle. Die eben angeführten Zitate bezeugen, daß alle drei Autoren jenem dreieckigen Teile des Munddaches, welcher lateral von den Nasengaumenspalten neben dem Vomerpolster liegt (Textfig. 4 As), eine wichtige Bedeutung beigemessen haben, indem sie ihn als »Gaumenfalte«, »Gaumenblatt« oder »Gaumenfortsatz« bezeich- neten. BuscH und GÖPPERT erblickten darinnen eine Vorstufe des wirklichen Gaumens (im Sinne der Säugetiere) und sprachen mit SEYDEL die beiden Nasengaumenspalten als Eingang in einen der Mundhöhle zugehörigen dorsalen Nebenraum an, welcher der inneren Öffnung der Nasenhöhle (innere Choane [Borx], Apertura nasalis in- terna [SEYDEL]) angeschlossen worden sei, weil seitliche Falten des Munddaches, eben die Gaumenblätter, gegen die Medianebene vorge- wachsen wären. Nach ihrer Ansicht stellt also die Gaumenrinne einen Raum dar, der ursprünglich zur Mundhöhle gehörte, aber durch die Ausbildung der Gaumenfalten abgetrennt und zur Nasenhöhle summiert wurde. Überzeugt von der Richtigkeit des Gedankens unterließen alle die kritische Prüfung, ob nicht die sogenannte Gaumenrinne ein Teil der Nasenhöhle selbst und die spaltförmige Öffnung zwischen dem sogenannten Gaumenblatt und dem Vomer- polster die eigentliche Choane sei, wie man früher allgemein ange- nommen hatte. Dieses Übersehen ist um so auffallender, als es keinem Zweifel unterliegen dürfte, daß in allen Fragen über die Stilistik _ und die Genese des Gsumens nicht bloß die Mundhöhle, sondern auch der Nasenraum gleichmäßig in Betracht zu ziehen ist. Auf den Rat meines verehrten Lehrers, Herrn Professor Dr. FLEISCHMANN, habe ich es unternommen, das Versäumnis auszugleichen und die Beziehungen der dorsal und ventral an das Munddach stoßenden Hohlräume eingehend zu verfolgen. Die vor Jahresfrist im hiesigen Institute abgeschlossene Untersuchung von A. BEECKER bot mir dafür einen sicheren Auknüpfungspunkt. Daher will ich die einschlägigen Resultate derselben kurz rekapitulieren. b) Der Nasenschlanch von Platydactylus guttatus zerfällt in den Vorhof und die Muschelzone. Von dem dicht über dem Mund- V. Ottmar Hofmann, Das Munddach der Saurier. 19 rande liegenden, äußeren Nasenloch führt der kurze Vorhof mit me- dianwärts konvexer Krümmung rasch in die schmallichtige Muschel- zone, an der wir drei Teile auseinander halten können, den ven- tralen Choanengang, der im Choanenspalt am Munddache mündet, den mittleren Stammteil und den dorsalen Sakter. Das caudale Blindende der Muschelzone bildet einen einheitlichen Raum, den Antorbitalraum. Für unsre Frage verdient der Choanengang beson- dere Beachtung. Er steigt zu dem Choanenspalt seitlich neben dem Vomerpolster herab und vermittelt den Zusammenhang des Nasenschlauches mit der Mundhöhle. Wie BEECKERS Modell (Morph. Jahrb. XXXI. Bd. Taf. 32 Fig. 1 a, d, c) zeigt, beginnt er gleich an der hinteren Grenze des Nasenvorhofes und zieht wie eine breite, dorso- ventral komprimierte Flachnische fast horizontal nach hinten, eine lange Strecke ohne Beziehung zur Mundhöhle. Erst am Ende der Muschelzone sendet er einen ventral absteigenden Schenkel, dessen laterale Wand eine kleine, schräg dorsal gerichtete Winkeltasche besitzt, zum Choanenspalt. Die Natur des ventralen Choanen- schenkels wurde bisher arg verkannt; MimALKkovics und SEYDEL haben ihn als Fissura palatina lateralis oder Gaumenrinne be- schrieben, obwohl derselbe ein schmaler, aber ganz deutlich ausge- prägter, kanalartiger Abschnitt des eigentlichen Nasenschlauches ist, dessen Zugehörigkeit aus seiner komprimierten Gestalt und Ent- wicklungsgeschichte erhellt. Die Existenz zweier Hälften des Cho- anenganges, eines horizontal verlaufenden, langgestreckten und eines kurzen, ventral absteigenden Schenkels, die winklige Knickung der beiden, sowie die auffallende laterale Entfaltung des horizontalen Schenkels hat BEECKER als wichtige Stilcharaktere bei Platydactylus, Lacerta und Angus festgestellt. Der absteigende Choanenschenkel hat bloß die sonderbare Eigenschaft, daß er vom Nasenschlauche als verhältnismäßig schmaler und enger Gang ventral abzweigt, um sich enorm sagittal zu dehnen und mit einer länglichen Spaltöffnung, der Choane, in die Mundhöhle zu münden. Der vordere Teil der Choane ist sehr schmal und der über ihr liegende Choanengang ist sehr niedrig. Daher erscheint er auf Querschnitten wie eine unbe- deutende, nebensächliche Furche der Mundschleimhaut und ist bisher nicht als Choane erkannt worden. BEECKERS Rekonstruktionsmodelle haben endlich klargestellt, daß die seichte Rinne des Querschnitt- bildes ein wichtiger Bestandteil des absteigenden Choanenschen- kels ist. ec) Die Nasenregion. Dieser kurzen Rekapitulation schließt sich I%* 20 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. zweckmäßig eine generelle Übersicht über die Zusammensetzung der Nasenregion des Kopfes von Platydactylus an, weil die älteren Be- schreibungen sich ausschließlich an das makroskopische Bild ge- bunden haben. Gestützt auf die Querschnittszeichnungen (Taf. I Fig. 1—6) kann man wohl behaupten, daß der vorderste Abschnitt des Kopfes hauptsächlich aus zwei morphologischen Elementen auf- gebaut ist, nämlich den paarigen Nasenschläuchen und den Knorpel- massen bzw. Deckknochen der Ethmoidalregion des Craniums. Das Mesoderm schlingt darum eine gürtelartige Hülle, welche teils die Epidermis, teils das Epithel des Munddaches samt den Zahnleisten trägt. Die Seitentaschen der Nasenschläuche, Sakter, die beiden Schenkel des Choanenganges, das JacoBsoxsche Organ sowie ihr Knorpelmantel erfüllen die Nasengegend auf verschiedene Weise. Nahe dem vorderen Mundrande (Taf. I Fig. 1, 2) beschränkt die Ausdehnung des Jacogsonschen Organs den eigentlichen Nasen- schlauch; dessen Vorhofsteil zieht als enger, zylindrischer Kanal über dem Jacogsoxschen Organe rückwärts, dem dorsalen Nasenknorpel innig angeschmiegt. Das Jacogsonsche Organ wird durch das kapsel- artige Vorderende des Paraseptalknorpels gestützt. Unter diesem liegen die dünnen, ziemlich breiten Knochenplatten des paarigen Vomer im Bindegewebe des Munddaches und lateral davon die Platte des Maxillare im Bindegewebe des Mundrandes. Caudal vom Vorhof und vom JacoBsonschen Organ wird der Nasenschlauch ganz enorm entfaltet (Taf. I Fig. 3—5). Die Bildung der dorsalen Saktertasche und die Knickung des lateral gebogenen Choanenganges in einen horizontalen und absteigenden Schenkel vergrößert seine Wand bzw. die Innenfläche seiner engen Lichtung so sehr, daß die Muschelzone samt ihrer Knorpelhülle allein den ganzen Raum der Ethmoidalregion beansprucht. Hinter der Muschelzone, in der Orbitalregion ändert sieh das Bild, weil die großen Augen den Platz behaupten und das Primordialeranium samt dem Vorderhirn mehr auf die Medianzone des Kopfes beschränken (Taf. I Fig. 6). d) Das Relief des Munddaches. Am Munddache (Textfig. 4) lassen sich zwei entsprechende Abschnitte unterscheiden: unterhalb der Nasenschläuche liegt das Nasenfeld, charakterisiert durch die spaltförmigen Eingangsöffnungen (Cs) in die Nasenhöhle, unterhalb der Augengegend das muldenförmig eingesenkte Orbitalfeld; dann folgt die Tubenzone des Vorderdarmes oder Rachens mit den halb- mondförmigen Öffnungen (T«) der Paukenhöhle. Was zunächst das tn Auf Br V. Ottmar Hofmann, Das Munddach der Saurier. 211 Nasalfeld anlangt, so zeigen Querschnitte (Taf. I Fig. 1—4), daß das Mundepithel nicht absolut eben unter dem mesodermalen Nasen- boden hinzieht, sondern daß eine mediane Partie, das Vomerpolster (Yp), mehr dorsal liegt als die lateralen Zonen des Munddaches. Mit andern Worten, dem vorderen Teilder Munddeckeisteine mediane, bei Platydactylus ziemlich breite, aber seichte Mulde eingegraben, welche von der Innen- und Außenlippe (Busch) gleich einem ventral gegen die Zunge vorspringenden Rahmen umwallt ist und un- gefähr die Ausdehnung der Nasenregion an- zeigt. Bei makroskopischer Betrachtung fällt die Tatsache sofort in die Augen; alle frühe- ren Beobachter haben das höherliegende, mediane Feld (Fig. 4Y»), das die Decke der eben genannten Mulde bildet, als Mittel- platte (Bors), Gaumenfeld (REICHEL), Vomer- knopf (Vogr und Jung), Vomerpolster (Busch) unterschieden; den vom Maxillare bzw. Prä- maxillare gestützten Rahmen der Mulde (Taf. I Fig. 1—6 Sp und Textfig. 4 Sp) will Fig. 4. Horizontalprojektion des Decken- ich künftighin kurzweg »Kieferspange« nennen, um die komplizierte Bezeichnung von BuscH zu vereinfachen, der sie wieder in »Außenlippe«, Zahnreihe, »Innenlippe« und zwar »eigentliche Innenlippe« und »Lippen- falte« (= Grenzleiste des Choanengebietes, GÖPPERT) zerlegte. Die vom Vomerpolster und der N-förmigen Kieferspange umschlos- sene Vertiefung könnte man vielleicht die »Vomermulde« heißen. Sie ist, wie Gör- PERT nachdrücklich betont und wie die Textfiguren 1 und 3a bezeugen, von der reliefs der Mundhöhle von Pla- tydactylus guttatus. As Anstieg der Kieferspange; Cs Choanenspalte; Km Kaumus- kelwulst; 0% orbitale Randkehle; Om Orbitalmulde; Pk Palato- pterygoidkante; Sp Kieferspange; Tu Tubeneingang; Vp Vomer- polster. Fig. 4a. Äs % 0% Om Übersicht der Schraffierung. Zunge erfüllt, deren Rand dem medialen Rand der Kieferspange ein- paßt. So seicht die Vomermulde auch ist, so wichtig erscheint mir ihr Vorkommen. Ich verweise auf die Tafelfiguren 1—6, welche sämtlich zeigen, daß das Mundepithel vom inneren Rande der Kiefer- spange sanft gegen das Vomerpolster emporsteigt. Die Strecke ist zwar sehr schmal, aber Beobachtungen an andern Arten veran- lassen mich, ihr den Namen » Anstieg« (As) beizulegen. Die Gestalt des Anstieges, wie sie bei der Flächenansicht erscheint, ist in den y., A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. Vorarbeiten richtig als ein dreiseitiges Feld (Textfig. 4 As) beschrieben worden. Busch faßte dasselbe als die verwachsene Lippenfalte = Grenzleiste) und Gaumenfalte auf, SevpEL als Gaumenfortsatz, während nach meiner Ansicht der Anstieg nichts weiter als die me- diale Fläche der über das Vomerpolster ventral vor- springenden Kieferspange ist. Die Choanenmündungen, d. h. die sogenannten Nasengaumenspalten ziehen eine scharfe Grenze zwischen dem Anstieg der Kieferspange und dem Vomerpolster. Nur vorn am prämaxillaren Rande fließen die beiden eben genannten Teile des Nasalfeldes unmerklich zusammen, aber von der Mündung des JACoBsonschen Organs an sind sie durch die schrägen Choanen- spalten geschieden. Hinter dem Nasalfelde (Textfig. 4) zieht der An- stieg (As) in seichtem Bogen lateral gegen die großen Kaumuskel- wülste (Am) und umrahmt gemeinsam mit diesen eine zweite Region des Munddaches, das » Orbitalfeld« (= Palatopterygoidfeld, Busch), das durch die scharf vorspringenden Palatopterygeidkanten (7%) in drei Bezirke geteilt wird. Da die Palatopterygoidkanten tiefer in die Mund- höhle einragen als das Niveau der Kieferspange selbst liegt, so senkt sich das Munddach von der Kieferspange gleich einer schrägen Kehl- rinne gegen die Kanten herab; ich will diesen Abschnitt »orbitale Randkehle« (OA) nennen. Medial, d. h. innerhalb der beiden Kanten wölbt es sich dagegen wieder dorsal und treibt gegen das Interorbi- talseptum eine schmale, dorsale Gratrinne, »die Interorbital- rinne«. An diesen stark gekrümmten Teil des Munddaches werde ich künftig durch die Bezeichnung »orbitale Mulde« (Om) er- innern. Hinter der Kieferspange verdrängen die median vorspringen- den Kaumuskelwülste (Xm) die orbitale Randkehle (0%); die Orbital- mulde (Om) allein zieht verhältnismäßig breit gegen den oralen Rand der Tubenöffnung. BuscH hat den hinteren Teil der orbitalen Mulde »Sphenoidbucht« genannt. An einem Medianschnitte durch den Kopf von Platydactylus liest man ferner ab, daß die beiden Felder des Munddaches in verschiedenem Niveau liegen (das Vomer- polster liegt mehr ventral als die Orbitalmulde) und etwas schräg gegeneinander geneigt sind. Die Tubenzone endlich bietet keine für unsre Betrachtung wichtige Eigenschaft. Im Kontrast zu den Vögeln und Säugetieren fällt nur der weite Eingang in die Paukenhöhle auf. Die Grenze der Mundhöhle, welche von den früheren Forschern nicht scharf gezogen wurde, liegt am vorderen Rande der Tubenzone. Sie ist unzweifelhaft durch die ektodermale Ausstülpung der Hypo- physe markiert und diese findet sich ungefähr in der Gegend der ae A u A... V. Ottmar Hofmann, Das Munddach der Saurier. 33 Processus pterygoidei des Basisphenoids, welche durch die Schleim- haut der Munddecke deutlich hindurchschimmern. Daher sind Nasal- feld und Orbitalfeld Teile des bei den Sauriern verhältnismäßig sehr großen Munddaches. e) Gaumenrinne und Gaumenfalte. Wir wollen zunächst beim Nasalfelde verweilen; drei Forscher haben die Schlitze (C's) neben dem Vomerpolster einmütig als Nasengaumenspalten bzw. Eingang in die Gaumenrinne aufgefaßt, während ich mit A. BEECKER sie als Choanenspalten jedes Nasenschlauches, bzw. langgezogene Choanen- randrinne (BEECKER) reklamiere. Der Beweis, daß die enge Lichtung der Nasengaumenspalte (Busch) bzw. Gaumenrinne (SEYDEL) ein Teil der Mundhöhle sei, ist bisher nicht erbracht. Ich sehe auch nicht ein, wie er geführt werden könnte; denn die Rinnen sind paariger Art, sie liegen weit entfernt von der Medianebene im Mesoderm des Munddaches und hängen mit typischen Bestandteilen des Nasen- schlauches, nämlich dem absteigenden Choanenschenkel, dem Aus- führgang des JacoBsonschen Organs und dem Tränennasengang zu- sammen. Wollte man sie als Nebenräume der Mundhöhle erklären, so müßte man annehmen, die beiden letztgenannten Gänge hätten ihre Verbindung mit der Nasenhöhle aufgegeben und neue Mündungs- stellen am Munddache selbst gewonnen. Doch ist für diese Möglich- keit kein Anhaltspunkt bekannt geworden. Busch beschränkte sich auf die makroskopische Beschreibung der Leisten und Falten des Munddaches; GÖPPERT ist ohne weiteres der Ansicht von Busch bei- getreten und hat nur insofern etwas Neues gebracht, als er die Nasen- gaumenspalten den paarigen Anfang eines Sulcus nasopharyngeus nannte; SEYDEL erklärte einen Teil der Gaumenrinne als abge- gliederten Abschnitt der Nasenhöhle, einen andern als Derivat der Mundhöhle. Dagegen bestimmt mich das Studium mehrerer Quer- schnittserien durch Köpfe von Platydactylus, die fragliche Rinne zur Nasenhöhle zu rechnen, weil sie ununterbrochen mit dem Nasen- schlauche zusammenhängt. Wenn man eine Serie in umgekehrter Reihenfolge der Fig. 1—6 (Taf. I), also von hinten nach vorn mehrfach durch das Gesichtsfeld des Mikroskops schiebt, sieht man den absteigenden Schenkel (as) des Choanenganges allmählich in die Choanenrandrinne (cr) (BEECKER) übergehen und bemerkt, daß die Winkeltasche (wt) (BEECKER), welche den absteigenden Schenkel aus- zeichnet, fast in der ganzen Ausdehnung der Randrinne erhalten bleibt. Auf den meisten Schnitten (Taf. I Fig. 3) erscheint das äußerst schmale, schräg lateral gerichtete Lumen der Choanenrand- 24 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. rinne durch eine kurze dorsale Mesodermfalte gabelig in zwei kleine Äste gespalten. Der laterale Ast führt in der Querschnittsfolge direkt zur Winkeltasche (wi), während der mediale Ast in den ab- steigenden Schenkel (as) übergeht. Die Winkeltasche ist längs des ganzen Ühoanenganges als seitliche Bucht nachzuweisen. Wenn man noch weiter caudal schiebt, findet man die Lichtung der Choanen- randrinne weiter werden und direkt unter dem absteigenden Schenkel des Choanenganges ohne Grenzrand am Munddach auseinanderweichen (Taf. I Fig. 5, 6), so daß hier eine große Öffnung besteht, durch die man in den Antorbitalraum sondieren kann. Das ist auch am Flächenbild (Textfig. 4) unzweifelhaft klar. Busch und SEYDEL werden freilich einwenden, die Winkeltasche gehöre gar nicht zum Nasenschlauche, sondern sei ein Teil der Mundhöhle selbst und werden sich auf Born berufen, der die rundliche Falte (Taf. I Fig. 4 f) über der Winkeltasche als Steile der »inneren Choane« aufgefaßt hat. Dagegen spricht jedoch die enge Lichtung des fraglichen Ge- bildes, während die Mundhöhle eine ansehnliche Weite besitzt. Würde von der Mundhöhle ein Teil abgeschnürt werden, so müßte man nach den Beobachtungen von Hıs bei Säugetieren erwarten, daß eine Rinne mit deutlichem Lumen entstünde. Das ist nun durch- aus nicht der Fall: die Winkeltasche und der bis zur Vomermulde ziehende Abschnitt des absteigenden Choanenschenkels treten als solide Epithelanlagen auf. Ferner liegt bei kleinen Embryonen von Lacerta (vgl. Morph. Jahrb., 32. Bd., Taf. XXII Fig. 13, 14, 15) die sehr frühzeitig differenzierte Anlage der Winkeltasche hoch über dem Mundepithel, gerade in gleichem Niveau wie das JAcoBsoxsche Organ. Wenn dieses aller Welt als Produkt des Nasenschlauches gilt, so muß dasselbe auch für das laterale Nachbarorgan zutreffen. Um die Frage für Platydactylus zu entscheiden, habe ich ein paar kleine Embryonen in Querschnitte zerlegt und zu meiner Freude die Verhältnisse genau so gefunden, wie sie BEECKER bei Lacerta und Angus konstatiert hatte. Auf Fig. 7 und 8 (Taf. I) sieht man die Anlage der Winkeltasche (wt) lateral vom JacoBsoNschen Organ aus der Wand des Nasenschlauches herauswachsen und über ihr (Fig. 8) eine geringfügige seitliche Auskrümmung des Epithels, die Anlage der lateralen Tasche des horizontalen Choanenschenkels. Nach diesen Bildern kann es gar nicht zweifelhaft sein, daß sowohl die Winkeltasche wie die schnabelartige bis zum JAcoBsonschen Organ reichende Verlängerung des absteigenden Choanenschenkels Bestandteile des Nasenschlauches sind, die später durch Wachstum Mn V. Ottmar Hofmann, Das Munddach der Saurier. 35 der embryonalen Anlage lang ausgezogen werden. Der unpaare Ductus nasopharyngeus der Säuger darf daher nicht auf die paarige Gaumenrinne oder Nasengaumenspalte bezogen werden. Damit fällt die weitere Behauptung von BuscH, SEYDEL und GÖPPERT, daß der Boden und die seitliche Wand der Gaumenrinne erst durch das Vor- wachsen des Gaumenfortsatzes bzw. Gaumenblattes der Innenlippe entstehe, ohne weiteres als irrtümlich fort; denn diese hätte nur Sinn, wenn wirklich bewiesen wäre, daß die Lichtung der Gaumen- rinne der Mundhöhle ursprünglich angehört hat. Da sie aber ein Teil der Nasenhöhle ist, so hat man kein Recht, den darunter liegen- den und den lateralen Choanenrand umsäumenden Teil der Kiefer- spange (Sp) als Anfang eines Gaumens oder Gaumenblatt zu deuten. Hier handelt es sich gar nicht um eine Gaumenfalte, son- dern um das solide Munddach selbst, das unterhalb des lateral ge- knickten Choanenganges liegt und diesen Teil des Nasenschlauches trägt. Da die Entfernung der Nasenhöhle von der Mundhöhle bei allen Amnioten sehr gering ist und der absteigende Choanenschenkel lateral zieht, so hat es bei unzureichender Beobachtung der Quer- schnitte (Taf. I Fig. 3, 4) den Anschein, als ob der Anstieg der Kieferspange eine Gaumenfalte wäre. Aber nachdem BEECKER und ich die sog. Gaumenrinne als integrierenden Bestandteil des embryo- nalen Nasenschlauches nachgewiesen haben, wird niemand mehr - glauben, daß die von drei tüchtigen Forschern verfochtene Lehre rn ee aufrecht erhalten werden kann. Die sog. Gaumenrinne der Saurier (Busch) darf der embryonalen Gaumenrinne der Säuger in keiner Richtung verglichen werden, weil sie paariger Natur ist und weil ihre Lichtung nicht der Mundhöhle entstammt. f)} Die Untersuchungen von Born. Wenn die bisherigen Ausführungen nicht von der Richtigkeit meiner Auffassung überzeugt haben sollten, so will ich noch zu bedenken geben, daß Born durch sehr exakte embryologische Studien, deren Lektüre freilich wegen der umständlichen und auf viele nebensächliche Kleinigkeiten ein- gehenden Schreibweise wenig Genuß bietet, schon im Jahre 1879 klar begründet hat, warum das Munddach der Eidechsen nicht als eine phylogenetische Vorstufe des Säugergaumens gelten darf. Wie Born ausführlich schildert, öffnet sich bei den jüngsten Embryonen von Lacerta die Nasenhöhle in eine verhältnismäßig lange und weite Spalte, die von der Vorderfläche des Gesichts auf die Gaumepfläche übergreift. Etwas später verlängern und verschmälern sich die Nasenspalten; dann verschmilzt die winkelig vorspringende Mitte des 26 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. äußeren Nasenfortsatzes mit dem medialen Rand der Nasenspalte. Dadurch zerfällt diese in zwei Öffnungen, die Apertura nasalis externa am Gesicht und die »primitive Choane« am Gaumen oder »primitive Gaumenspalte«. Während die Vereinigungsstelle des äußeren und inneren Nasenfortsatzes breiter wird, wächst aus der Innenfläche des Oberkieferfortsatzes ein Wulst medianwärts!, schiebt sich als eine dünne Platte von unten her über die länger gewordene primitive Choane und verengt sie zu einer schmalen Furche. Zugleich ent- steht eine Rinne an der Seitenwand der Nasenhöhle?2. Mit der zu- nehmenden Verbreiterung der Gaumenplatte des Oberkiefers gewinnt die seitliche Rinne (= Winkeltasche BEECKER) an Tiefe; gleichzeitig steigt die von der Choane nach aufwärts in die Nasenhöhle führende Spalte? (= absteigender Choanenschenkel) noch schräger an. Im folgenden Stadium wird die Choane allmählich von vorn nach hinten verschlossen*, indem am vordersten Teil der Choanenspalte, wo das JacoBsonsche Organ einmündet, die mediane Fläche des Nasen- schlauches und die Epithelfläche des Oberkieferfortsatzes sich an- einanderschmiegen und verschmelzen. Die Verlegung der primitiven Choane schreitet nach hinten weiter fort, so daß nur der Teil des Choanenschlitzes offen bleibt, welcher zur Spalte am Boden des JacoBsoNschen Organs führt. Davor, darüber, dahinter ist die Ver- schmelzung bis zum oberen Rand des JAacoBsonschen Organs und an der Seitenwand bis zur oberen Wand der Rinne, also bis zum unteren Rand des Muschelwulstes vollständig. Die verengte Choanen- spalte hinter dem Jacogsonschen Organ nimmt sich wie eine Epithelleiste aus und wächst stark in die Länge. Doch wird nicht die ganze primitive Choane verschlossen, ein Teil am hinteren Ende 1 Das bedeutet, die embryonale Kieferspange wird breiter und die primi- tiven Choanen rücken dadurch mehr median. 2 Damit ist die Winkeltasche gemeint (vgl. Taf. I Fig. 7, 8). 3 Der Ausdruck »Spalte« kann bei Lesern, welche die Querschnittserien durch solche Embryonalstadien nicht gesehen haben, Mißverständnis erzeugen. BORN meint mit dem Wort Spalte den schräg gerichteten Choanenschenkel. 4 Der Ausdruck »verschlossen« ist nicht gut gewählt; denn es erfolgt bloß ein enges Aneinanderlegen der Wände des Choanenganges und der Ränder seiner Choanenmündung für einige Embryonalzeit, so daß statt der auf früheren Stadien beobachteten Öffnung des Nasenschlauches eine solide Epithelmauer besteht, welche jedoch aus zwei dicht zusammenstoßenden, einen potentiellen Hohlraum enthaltenden Schichten entstanden ist. BORN korrigiert übrigens in den folgenden Sätzen den Fehler der sprachlichen Darstellung, wenn er be- merkt, daß das hintere Ende der primitiven Choane und ein großer Teil der schräg aufsteigenden Choanenspalte rinnenartig offen bleibt. V. Ottmar Hofmann, Das Munddach der Saurier. 37 der Nasenhöhle bleibt offen, ferner bleibt ein großer Teil der schräg aufsteigenden Choanenspalte (= absteigender Choanenschenkel) vom Hinterrand des JacoBsonschen Organs unter der ganzen eigentlichen Nasenhöhle gegen die Mundhöhle rinnenartig (= Choanenrandrinne BEECKER) offen. BorRN drückte die richtig beobachteten Tatsachen mit den Worten aus: Ein Teil der Nasenhöhle, d. i. die schräg auf- steigende Choanenspalte, wird von der Nasenhöhle abgeschnürt und zur Rachenhöhle geschlagen. Daher stellt er den am Dache der Mundhöhle sichtbaren Spalt, welcher in die schräge, zwischen Vomer (bzw. Palatinum) und dem Gaumenast des Maxillare superius lateral aufsteigenden Rinne führt, als äußere Choane in Gegensatz zur inneren Choane!, d. i. die Öffnung der eigentlichen Nasenhöhle an der Oberseite dieser Rinne. An einer späteren Stelle (2, S. 426) faßt er seine Ansicht nochmals zusammen: »Bei Zacerta wird die vordere Hälfte der von der eigentlichen Nasenhöhle zur Mundhöhle führenden Spalte teils ganz verlegt, teils von der Nasenhöhle ab- getrennt und zur Mundhöhle geschlagen, während die bintere Hälfte der Choane sich späterhin in eine Furche am Dache der Mundhöhle (= Orbitalmulde siehe oben S. 22) öffnet, die übrigens auch durch Verbreiterung der Gaumenplatte bis zur Mittellinie in eine Art Nasen- rachenraum (Lygosoma) umgestaltet werden kann. Die Eigenart dieser Entwicklung hat BoRN besser als BuscH und GÖPPERT durch- schaut. Er sagt (2, S. 131) ausdrücklich: »Der Entwicklungsgang der Säugetiere schlägt von einer Stufe aus, auf welcher die primitive Gaumen (— Choanen)spalte in großer Länge offen steht, einen ganz anderen Weg ein, indem gerade umgekehrt ein Teil der primitiven Mundhöhle durch die unter dem Vomer zum Schlusse kommenden Gaumenplatten des Oberkiefers abgetrennt und zur Nasenhöhle be- zogen wird.« g) Choane und Vomermulde. Bisher habe ich das Mund- dach hauptsächlich in Hinsicht auf die dorsal angrenzenden Teile behandelt und es erübrigt noch, die Choanen selbst zu charakteri- sieren. Auffallend ist die Länge der an den Seitenkanten der Vomer- mulde liegenden Spaltöffnungen, welche von dem Anstieg der Kiefer- spange gleich einer einfachen Hohlkehle getragen werden. Das breite } i Die Bezeichnung: >innere Choane« ist durchaus falsch, weil allein die Öffnung des Nasenschlauches am Munddache Choane zu nennen ist. Die >innere Choane« Borns aber ist nur eine verengte Stelle, eine Art Isthmus der Nasen- höhle, wo der abst&igende Schenkel des Choanenganges vom horizontalen Schenkel abzweigt (vgl. Taf. I Fig. 4 f). 38 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. Vomerpolster ist zwischen beiden eingeschoben und drängt nicht bloß die Choanen nach der Seite, sondern zwingt auch durch seinen etwas dorsal aufgekrümmten Rand, die absteigenden Choanenschenkel la- teral auszuweichen, so daß ihr unterster Teil (as) schräg medial, der obere Teil (As) horizontal gerichtet wird. Das Vomerpolster beeinflußt ferner die Weite der Choane; denn längs des Polsters (Fig. 1—5) ist die Choane ein enger Spalt (Choanenrinne), aber hinter dem Polster (Fig. 6) wird sie eine rundliche Öffnung, welche, von dem ausgeschnit- tenen Rand des Anstieges unvollkommen verdeckt, direkt in den Antor- bitalraum bzw. zum hinteren Ende des Muschelwulstes führt. Man darf wohl annehmen, daß der weite Choanenteil vornehmlich als Weg des Atemstromes benutzt wird, während die Choanenrinne eine unter- geordnete Rolle für die Respiration spielt und bloß morphologisch wichtig ist, insofern sie den genetischen Zusammenhang des JAcoB- soxschen Organs mit seinem Mutterboden zeitlebens aufrecht erhält. Die beiden Abschnitte der Choane stehen etwas schräg (Taf. I Fig. 3—6), besonders der hintere, weite Teil, der einen stumpfen Winkel mit dem Vomerpolster bildet. Endlich betone ich mit allem Nachdruck, daß die beiden Choanen direkt in die Mundhöhle schauen und zwar in einen dorsalen, sehr flachen Abschnitt derselben, den ich oben als Vomermulde bezeichnet habe. Man kann die Liehtung der Vomer- mulde einfach durch den Anstieg messen (Taf. I Fig. 1—6), weil das Vomerpolster ziemlich eben ist. Beim lebenden Tiere füllt die Zunge die Vomermulde aus, ihre dorsale Fläche liegt am Vomerpolster und verdeckt die Choanenrinne, ihre Seitenwand schmiegt sich dem An- stiege an. GÖPPERT hat der Tatsache zu wenig Wert beigemessen und nur den Umstand urgiert, daß der Zungenrücken die Choanen- rinnen verschließt, die er mit Unrecht als paarige Sulei nasopharyngei deutete. 9. Das Mundhöhlendach andrer Saurierarten. Obgleich meine Darstellung sich auf eine einzige Art, Platy- dactylus guttatus gründet, ist es doch erlaubt, den Fall als typisches Beispiel aufzufassen; denn die Konfiguration des Munddaches ist bei vielen Sauriern sehr ähnlich. BuscH hat ja dasselbe Resultat ge- funden, als er bloß das Faltenrelief verfolgte. Man kann innerhalb der Kieferspange meist die Gliederung in drei Regionen: Nasalfeld, Orbitalfeld und Tubenzone konstatieren, ebenso sicher auch die gegen die medianen Bezirke des Vomerpolsters bzw. der Qrbitalmulde empor- strebende Fläche des Anstieges und der orbitalen Randkehle. ee a En u m Horizontalprojektion des Deckenreliefs der Mund- höhle von Calotes jubata. (D.B.) V. Ottmar Hofmann, Das Munddach der Saurier, 29 Profil der Munddecke in der Ge- gend des Vomerpolsters (vorderer Pfeil zwischen (Cs und As). Profil der Munddecke in der Ge- gend der Orbitalmulde (zweiter Pfeil zwischen Pk und Ok). As Anstieg der Kieferspange; (Cs Choanenspalte; Am Kaumuskelwulst; Ok orbitale Randkehle; Om Orbitalmulde; Pk Palatopterygoidkante; Sp Kieferspange; 7% Tubeneingang ; Vp Vomerpolster. Horizontalprojektion des Deckenreliefs der Mund- höhle von Tejus spec. ut eis ie re en. rn A an Mei elite EEE Fig. 6.a. Fig. 62. 46 Profil der Munddecke in der Gegend des Vo- merpolsters (vorderer Pfeil vor As). Profil in der Gegend der Orbitalmulde (zwei- ter Pfeil zwischen Cs und Pk). As Anstieg der Kieferspange; Cs Choanenspalte; Km Kaumuskelwulst; Ok orbitale Randkehle; Om Orbitalmulde; PR Palatopterygoidkante; Sp Kie- ferspange; 7u Tubeneingang; Tp Vomerpolster. >> ZZ x 70 Horizontalprojektion des Munddeckenreliefs von Pseudopus Pallasii Cuv. Fig. 7a. Profil der Munddecke in der Ge- gend der Orbitalmulde (Pfeil zwi- schen Ok und Pk). As Anstieg der Kieferspange; Cs Choanenspalte; Km Kaumuskelwulst; Ok orbitale Randkehle; Om Orbitalmulde; Pk Palatopterygoidkante; Sp Kie- ferspange; Tu Tubeneingang; Yp Vomerpolster. 30 ‚A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. Freilich erreicht die Höhe und Wölbung der lateralen Gesimsfläche einen ganz verschiedenen Grad. Besonders schön ist das Munddach bei Calotes jJubatus (D.B.) (Texttig. 5, 5a, 55) gewölbt. Der Anstieg (As) der Kieferspange im Nasalfelde geht steil gegen das breite Vomerpolster (Vp) (Fig. 5a). Wegen seiner fast vertikalen Neigung erscheint er auf der Horizontal- projektion (Fig. 5) etwas unansehnlich. Die breiten orbitalen Rand- kehlen (0%) sind etwas weniger schräg gestellt (Fig. 55), immerhin führen sie ebenfalls steil gegen die höher liegenden Palatopterygoid- kanten! (PA), welche im allgemeinen einander nahe und parallel verlaufen, nur gegen das Vomerpolster etwas divergieren. Sie um- fassen eine schmale Orbitalmulde (Om). Bei den meisten Sauriern fehlt aber dem Munddache die aus- gesprochene Wölbung. So liegt z. B. bei Teyus (Textfig. 6, 6a u. b) das lange Vomerpolster (Yp) nicht so hoch und der Anstieg (As) der Kieferspange (Sp) ist weniger steil; kräftiger dagegen ist das Orbital- feld gewölbt. Breite Randkehlen (0%) steigen gegen die einander nahegeschobenen Palatopterygoidkanten (P%) und die schmale Orbital- mulde (Om) wölbt sich viel höher als das Vomerpolster liegt. Auf- fällig ist eine deutliche Grenze dort, wo die Kanten (7%) lateral gegen die Kaumuskelwülste (An) ausweichen. Bei Pseudopus Pallasü (Cuv.) (Textfig. 7, 7a) setzt sich die Kieferspange (Sp) durch eine scharfe Kante gegen den Anstieg (As) des Nasalfeldes und. die breite gutgewölbte Randkehle (OA) ab; die Palatopterygoidkanten (7%), welche von den Choanen gegen die Kau- muskelwülste (Km) etwas divergieren, umrahmen die hochgewölbte, vorn enge und hinten weite Orbitalmulde (Om). Die Abknickung des Nasal- und Orbitalfeldes wird dadurch besonders deutlich, daß die Randkehlen (0%) schräg gegen den hinteren Rand der Choane geneigt sind. C. Die Seineidae. Es ist überflüssig, noch mehr Beispiele anzuführen. Nach den bisher erläuterten Gesichtspunkten kann jeder einen beliebigen Fall deuten. Meine Ausführungen enden mit der Behauptung, daß bei den Sauriern, zunächst bei den Familien der Agamidae, Iguanidae, Tejidae, Varanidae, Anguidae, Lacertidae, Geckonidae die Vorstufen ı BuscH nennt sie »breite Leisten des Palatopterygoidfeldese und be- zeichnet sie auf der Abbildung als »Gaumenleisten«. V. Ottmar Hofmann, Das Munddach der Saurier. 31 eines Gaumens, in dem Sinn, wie Busch und GÖPPERT gedacht haben, nicht gegeben sind. Ich gehe jedoch auf Grund meiner anatomischen Studien noch weiter und erkläre es für verfehlt, den Seineidae, insbesondere Zuprepis, Egernia, Mabuia und Tiligua einen stark entwickelten weichen, sowie einen wirklich knöchernen Gaumen zuzuschreiben. Zur Widerlegung der falschen Ansicht wird es außer den vorher erörterten Gründen hinreichen, wenn ich eine Art der Sceineidae nach Querschnittserien genau bespreche. Ich wähle zu dem Zwecke die Gattung Mabuia, deren Species Mabuia multifasciata (Kuhl) ich durch die Güte des Herrn Prof. RÖMER in Frankfurt untersuchen konnte. BuscH hat die gegenteilige Ansicht mit sehr kategorischen Worten vertreten: »Das Vomerpolster von Mabuwia ist langgestreckt, vorn verhältnismäßig breit, hinten spitz. Es trägt in seiner ganzen Länge die von einer flachen Medianfurche durchzogene Vomerleiste und grenzt vorn direkt an den scharf ausgeprägten Zwischenkiefer- knopf, der einen sich bogenförmig nach hinten erstreckenden nie- drigen Wulst trägt. In diesen schneiden die vorderen, weit vonein- ander abstehenden Enden der äußerst schmalen Nasengaumenspalten scharf ein; die sehr breiten Gaumenblätter liegen rechts und links neben dem verhältnismäßig kurzen Vomerpolster und verdecken voll- ständig die inneren Vorhöhlen des Nasenganges. Sie reichen weit rückwärts auf das Palatopterygoidfeld und wachsen kräftig gegen die Mittellinie vor. Hinter dem Vomerpolster stoßen sie längs einer großen Strecke aneinander und bewirken eine gänzliche Scheidung des Stomodäums in ein Rhinodäum und Phagodäum. Dadurch kommt es zur Bildung eines Pharynx und eines Ostium pharyngonasale. Dieses Ausdruckes, der bekanntlich in der Anatomie allgemein für die hinter dem weichen Gaumen der Säuger gelegene Kommunikation zwischen Nasen- und Mundhöhle gebraucht wird, glaube ich mich auch für die entsprechende Bildung bei den Eidechsen bedienen zu können, wenngleich jene Öffnung hier bedeutend weiter vorm liegt als dort. Ebenso werde ich den hinter jenem Ostium verbleibenden Rest der primären Mundhöhle auch bei den Seineiden als Pharynx bezeichnen. Der Gaumen ist jedoch nicht vollständig geschlossen, denn zu beiden Seiten des Vomerpolsters ziehen die äußerst schmalen Nasengaumenspalten und hinter dem Vomerpolster sind die Gaumen- blätter durch eine ganz enge Gaumenspalte immer getrennt.« Die eben referierte Auffassung BuscHs scheint mir nicht stich- haltig zu sein. Ich will daher die Beschaffenheit der Nasengegend 32 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. nach einer Querschnittserie klarlegen, deren wichtigste Schnitte (Taf. I Fig. 9—17) abgebildet sind. Der Vorderkopf von Mabuwia multifasciata (Kuhl) zeigt den typischen Aufbau, den wir schon bei Platydactylus kennen lernten. Der ganze Schnauzenteil (Fig. 9—15) ist von’ den beiden Nasenschläuchen ausgefüllt. Sie liegen dem Septum an, werden vom Ethmoidalknorpel umhüllt und sind in die beiden Abschnitte, Vorhof und Muschelzone, gegliedert. Der kurze Vorhofsschlauch (Fig. 9) mit mäßig weiter Lichtung zieht von der äußeren Nasenöffnung caudal. Unter ihm liegt das JAcoBsonsche Organ den Paraseptalknorpeln auf, die ventral vom paarigen Vomer überdeckt sind. Am Beginn der Muschelzone (Fig. 10) wird das Lumen des Nasenschlauches » -förmig gekrümmt. Bald (Fig. 11) buchtet er sich noch mehr, dann ist der Stammteil, der horizontale Schenkel (As) des Choanenganges, Sakter (Sa) und Muschelwulst (Co) zu sehen. Der absteigende Choanenschenkel (Fig. 11—13 as) ist stark winkelig gegen den horizontalen Schenkel abgeknickt. Er reicht wieder, wie die Schnittserie (Fig. 10 as) deutlich zeigt, weit oral und erscheint besonders lateral entfaltet, weil er eine sehr große Winkeltasche (wt) be- sitzt. In die letztere mündet der Tränen- nasengang (fr), jedoch nicht so weit vorn prämaxillar wie bei Platydactylus, sondern mehr caudal in der Nähe des Muschelendes. Hinter der Muschel bildet der Nasenschlauch (Fig. 14) den Antorbitalraum (4o). Am Munddache (vgl. dazu Textfig. 8, das Bild der Munddecke von Trligua gigas Schneid.) ist die Abgrenzung des bei Platydactylus deut- lich ausgesprochenen Nasalfeldes und des an- stoßenden Orbitalfeldes etwas schwieriger. Immer aber ist das Vomerpolster (Taf. I Fig. 9 Horizontalprojektion des Mund- deckenreliefs von Tiligua gigas (Schneid.). As Anstieg der Kieferspange; Cs Choanenspalte; Am Kau- muskelwulst; Okorbitale Rand- kehle; Om Orbitalmulde; Pk Palatopterygoidkante; Sp Kie- ferspange; Tu Tubeneingang; Vp Vomerpolster. die Choanenspalten der Medianebene dieht genähert, —13) deutlich, beiderseits flankiert von der langgestreekten Choanenöffnung (Cs) des ab- steigenden Choanenschenkels (as). Lateral liegt der sanft gekrümmte Anstieg (As) der huf- förmigen Kieferspange. Da das Vomerpolster (Fig. 11—13) verhältnismäßig schmal ist, sind Am Anstiege (As) kann man zwei Teile unterscheiden, eine schmale, vom me- dialen Rand der Kieferspange (Sp) senkrecht aufstrebende Wand und V. Ottmar Hofmann, Das Munddach der Saurier. 33 eine breitere, bis zur Choane reichende horizontale Fläche. Darum wird das Dach der Vomermulde (Fig. 11—14), welches bei Platy- dactylus ausschließlich das Vomerpolster selbst ist, teils von dem schmalen Vomerpolster, teils von der horizontalen Fläche des An- stieges gebildet, die um so breiter wird, je weiter man die Schnitt- serie caudal verfolgt. Unterhalb des Antorbitalraumes (Fig. 14, 15) der Nasenhöhle ist das Vomerpolster so schmal, daß die horizon- talen Flächen des Anstieges median beinahe zusammenstoßen. BuscH hat die horizontale Fläche des Anstieges kurzweg als Gaumenfalte betrachtet und ihr eine wichtige Rolle für die Abtrennung des Rhino- däums zugeschrieben. Diese Deutung erscheint mir durchaus falsch; denn wenn man die Querschnitte durch den Kopf von Platydactylus und Mabuia (Taf. I Fig. 1—6, 9—15) betrachtet, dann erkennt man die große Übereinstimmung im Aufbau der Nasenregion beider Arten. Ich würde bloß die oben gegebenen Ausführungen (S. 23—25) wieder- holen müssen, wollte ich genauer darauf eingehen. Längs des Vo- merpolsters bestehen sicher keine Gaumenfalten bei Mabwa. Was Busch dafür angesprochen hat, ist nichts weiter als ein Teil des soliden Munddaches oder des Anstieges der Kieferspange, welchem der absteigende Schenkel (as) des Choanenganges so nahe liegt, daß auf Querschnitten die solide Munddecke wie eine schmale, lateral vorspringende Falte aussieht (Taf. I Fig. 10—14). Trotzdem ist sie kein Gaumenblatt, das im Sinne der Definition von BuscH die pri- märe Mundhöhle in zwei übereinander liegende Etagen teilen muß; denn oberhalb der horizontalen Anstiegfläche liegt nicht ein Ab- schnitt der primären Mundhöhle, sondern wahre Nasenhöhle. Auch hat niemand beobachtet, daß die horizontalen Teile des Anstieges aus ein »paar horizontalen Falten zu beiden Seiten des Stomodäums« entstanden seien. Darum behaupte ich mit voller Entschiedenheit, im Nasalfelde der Seineiden gibt es gar keine Gaumen- blätter. Die Struktur des Nasalfeldes ist sowohl für Platydactylus als für Mabwia die gleiche. Untergeordnete Verschiedenheit besteht nur insofern, als das breite Vomerpolster die Choanen von Platy- dactylus lateral drängt, während das schmale Vomerpolster von Ma- bwia sie näher der Mittellinie liegen und den Anstieg breiter wer- den läßt. Im Orbitalfelde (Fig. 16, 17) begegnen wir ganz veränderten Einrichtungen. Der breite horizontale Teil des Anstieges der Kiefer- spange setzt sich nämlich ohne Grenze in diese Region fort; es ist nicht mehr möglich, den Anstieg von der ungefähr in dem gleichen Morpholog. Jahrbuch. 33. 6) 34 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. Niveau, jedoch ziemlich flach streichenden orbitalen Randkehle zu unterscheiden. Die Orbitalmulde (Om) ist sehr eng und durch die beiden horizontalen Lamellen, welche median zusammenstoßen, fast vollkommen verdeckt. Nur ihr hinterer Abschnitt vor dem Tuben- eingang (Textfig. 8) liegt offen da, weil die horizontalen Lamellen (O%) eine nicht sehr lange Strecke aneinanderstoßen und gegen die Kau- muskelwülste (An) hin wieder lateral zurückgenommen werden. Das spitz auslaufende Vomerpolster ragt eine geringe Strecke in die Or- bitalmulde (Fig. 15). Die durchaus eigenartigen Befunde bereiten der Beschreibung und Benennung neue Schwierigkeiten. BuscH hat den orbitalen Randkehlenabschnitt des Munddaches, welcher sich nicht mehr von der horizontalen Fläche des Anstieges abgrenzen läßt, einfach als verlängerte Gaumenblätter bezeichnet. Darum konnte er fortfahren: die Gaumenblätter stoßen längs einer großen Strecke aneinander und vervollständigen dadurch um ein weiteres die Scheidung des Rhinodäums und Phagodäums. Mit dieser Ausdrucksweise hat er jedoch die Tatsache nicht gebührend berücksichtigt, daß die breiten Lamellen ganz andre morphologische Differenzierungen sind als der Anstieg des Nasalfeldes. Hier haben wir wirkliche Falten vor uns, welche zum Orbitalfelde gehören. Sie sind mit den Palatoptery- goidkanten andrer Arten (Textfig. 4—7) zu vergleichen, die median verbreitert wurden, so daß sie die bei den meisten Sauriern offen liegende Orbitalmulde in einen unvollständig geschlossenen Orbital- kanal verwandeln, welcher hinter den Choanen liegt. Ferner hat BuscH ohne rechten Grund den hinteren offenen Teil der Orbitalmulde als Ostium pharyngo-nasale bezeichnet. GÖöPPERT dachte viel rich- tiger; denn er sagte, die Palatopterygoidkanten werden bei den Sein- ciden erheblich verbreitert und schließen die Bahn der Respirations- luft sehr fest ab, trotzdem sie nicht median verschmelzen. Wenn Busch endlich angibt, bei Mabwia und Trligua vereinigen sich die beiden Nasengaumenspalten zu einer schmalen Gaumenspalte zwi- schen den breiten Gaumenblättern, so faßt er drei Spalten des Mund- daches unter einen gemeinsamen Begriff, die morphogenetisch nicht verwandt sind; denn die beiden Choanenspalten zur Seite des Vo- merpolsters gehören dem Nasalfelde an und sind die ventralen Öff- nungen des Nasenschlauches, die unpaare Spalte zwischen den ge- näherten Palatopterygoidkanten (PX) liegt im Orbitalfelde (Om). Ganz ähnliche Verhältnisse habe ich an Schnittserien durch den Kopf von Chalcides ocellatus (Forsk), Ablepharus butomi (Desj.), V. Ottmar Hotmann, Das Munddach der Saurier. 35 Mabuia gravenhorsti (D.B.) festgestellt. Aus Rücksicht auf den ver- fügbaren Raum der Tafel unterlasse ich es aber die entsprechenden Schnitte abzubilden und eine Beschreibung zu geben, welche doch nur in untergeordneten Punkten von der obigen Darstellung abwei- chen würde. Wenn man die Querschnitte durch Platydactylus und Mabuwia (Taf. I Fig. 1—6, 9—17), sowie die Horizontalprojektion des Deckenreliefs (Textfig. 4 und 8) vergleicht, so fällt die große Über- einstimmung im Bau des Munddaches, überhaupt des ganzen Vorder- kopfes auf. Die langen Choanenspalten münden direkt in die Mund- höhle zu beiden Seiten des langen Vomerpolsters im Nasalfelde, bloß die Ausdehnung der einzelnen Abschnitte ist verschieden. Bei Platy- daetylus ist das Vomerpolster (VYp) sehr breit und die Anstiegfläche (As) der Kieferspange (Sp) klein; bei Mabuwia ist umgekehrt das Vo- merpolster (Vp) schmal, während die Kieferspange verbreitert ist und neben der vertikalen Wand noch eine horizontale Fläche des Anstieges (As) besitzt. Wesentliche Unterschiede finden sich erst im Orbitalfelde, dessen mediale Orbitalmulde (Om) sehr breit bei Platydactylus liegt, bei Mabwia hingegen ist die Orbitalmulde eng und schmal gleich dem anstoßenden Vomerpolster; ihre Ränder haben sich median zu- sammengeschoben durch kräftige Verbreiterung der Palatina selbst, die je eine horizontale, bei Platydactylus fehlende Platte bilden. Ein Vergleich mit der einfacher gebauten Munddecke eines andern Seineiden, Eumeces algeriensis Pts. (Textfig. 9) beweist, daß die eben vorgetragene Auffassung berechtigt ist; denn hier liegt die gut gekrümmte Orbitalmulde (Om) hinter dem langgestreckten Vomer- polster (Vp) noch frei. Der Anstieg (As) der Kieferspange (Sp) und die orbitale Randkehle (OA) sind aber nicht gegeneinander abgesetzt!. Tiligua unterscheidet sich von Eumeces bloß dadurch, daß die bei- den Zonen der orbitalen Randkehle median verbreitert sind und die Orbitalmulde zum Teil verdecken. Bei kritischer Erwägung der am Munddeckenrelief der Saurier (Textfig. 4—9) beobachteten Eigen- schaften muß man zwar die großartige Mannigfaltigkeit der spezifi- schen Formen bewundern, jedoch den Gedanken an eine stufenartige Vervollkommnung direkt ablehnen. Die wesentlichen Verschieden- heiten sind durch die abweichende Ausbildung der von mir als An- stieg (As) und orbitale Randkehle (0%) bezeichneten Zonen der 1 Ihre Unterscheidung durch die Schraffierung ist an der Horizontalpro- jektion von Eumeces und Tiliqua (Fig. 8, 9) lediglich zu dem Zwecke getroffen worden, um meine Deutung dem Leser klar zu machen. 3%* 36 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten, Kieferspange bedingt, welche zur Einengung, ja sogar zum partiellen Abschlusse der Orbitalmulde führen. Unter keinen Umständen aber kann die verengte und verdeckte Orbitalmulde als die Vorstufe eines Gaumenkanals oder Duetus nasopha- ryngeus der Säugetiere betrachtet werden. Denn das wesentliche Moment des Säuge- tiergaumens ist doch darin zu sehen, daß die primitiven Choanenspalten samt einem Teil der Mundhöhle durch die Gaumenfalten vom übrigen Mundraum abgetrennt werden. Bei den Sauriern findet das niemals statt. Bei all ihren Arten (Textfig. 4—9) schauen die Choanen (C's) direkt in die Mundhöhle und das Vomerpolster bildet einen integrie- renden Bestandteil der Munddecke, während ee bei den Säugern auch das Vomerpolster dor- riensis Pts. sal über dem Gaumendach steht. Seitliche Falten des Munddaches kommen im Nasal- felde überhaupt nicht vor, erst im Orbital- felde von Mabuia und Tiligua werden die Kanten (7%) lamellenartig ausgezogen. Bevor Profil der Munddecke in der Ge- gend des Vomerpolsters. (Pfeil Also das von Busch aufgeworfene Problem ii ge En gelöst werden kann, bedarf es neuer Unter- ' suchungen, welche die morphogenetischen Cs Choanenspalte; Am Kaumus- kelwulst; Ok orbitale Randkehle; Vorgänge bei den Säugetieren erhellen und Om Orbitalmulde; Pk Palatopte- 2 % : rygoidkante; Sp Kieferspange; KANZ besonders die Frage klären, ob die a: ek "» Vomer- Orbitalmulde angelegt und in den Ductus nasopharyngeus verwandelt wird. Leider geboten mir äußere Verhältnisse, meine Studien hier ab- zubrechen. Mein Freund W. SırpEL aber setzt sie im hiesigen In- stitut fort und wird bald darüber berichten. Erlangen, 1. Juli 1904. Zusammenfassung. 1) Die am Munddache der Saurier zu beiden Seiten des Vomer- polsters liegenden langen Spalten sind die wahren (primitiven) Cho- anen des Nasenschlauches. 2) Die Gaumenrinne oder Fissura palatina lateralis (MIHALKOVICS) V. Ottmar Hofmann, Das Munddach der Saurier, 37 ist ein Teil des Nasenschlauches selbst, nämlich der absteigende Schenkel des Choanenganges samt der Winkeltasche. 3) Die von Busch eingeführten Begriffe: »Nasengaumenspalte« und »innere Vorhöhle des Nasenganges« sind aufzugeben, ebenso der Ausdruck »innere Choane« (Born). 4) Die sog. Gaumenblätter, Gaumenfortsätze, sind nicht seitliche Falten, sondern Abschnitte der soliden Munddecke (Kieferspange). 5) Die Choanen schauen bei allen Saurierarten direkt in die Mundhöhle, nie in einen besonderen von ihr abgegliederten Seiten- raum. 6) Der sog. Duetus nasopharyngeus der Seineiden ist ein vor- derer Teil der Orbitalmulde, welcher von den median verbreiterten Palatopterygoidkanten verdeckt wird. Seine Homeciogie mit dem gleichnamigen Kanal der Säugetiere ist nicht erwiesen. Literaturverzeichnis. 1) A. BEECKER, Vergleichende Stilistik der Nasenregion bei den Sauriern, Vö- geln und Säugetieren in A. FLEISCHMANN: Das Kopfskelett der Am- nioten. Morphol. Jahrbuch. Bd. XXXI. 1903. 2) G. Born, Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbel- thiere. Morphol. Jahrbuch. Bd. V. 1879. 3) K. Busch, Beitrag zur Kenntnis der Gaumenbildung bei den Reptilien. Zoolog. Jahrbücher. Abtheil. für Anatomie und Ontogenie. Bd. XI. 1898. (4. Heft. 20. Sept. 1898.) 4) E. GÖPPERT, Die Bedeutung der Zunge für den sekundären Gaumen und den Ductus nasopharyngeus. Morphol. Jahrbuch. Bd. XXXI. 1903. 5) V. v. MIHALKoOVIcs, Nasenhöhle und JAcoBson’sches Organ. Anat. Hefte. Bd. XI. 1899. (Heft 34/35. Sept. 1898.) 6) O0. SEYDEL, Über Entwicklungsvorgänge an der Nasenhöhle und am Mund- höhlendache von Echidna, nebst Beiträgen zur Morphologie des peri- pheren Geruchsorgans und des Gaumens der Wirbeltiere. In R. SEMON, Zoologische Forschungsreisen in Australien und dem Malayischen Archipel. Bd. III. 3. Lieferung. 1899. Erklärung der Abbildungen. Tafel I. In allen Figuren ist das Epithel der Nasenhöhle, Mundhöhle und die Epi- dermis durch grauen Ton, der Knorpel durch violetten Ton, die Knochen durch gelben Ton, das Mesoderm durch Punktierung bezeichnet. Das Lumen des Sakters trägt blauen, das Lumen des Choanenganges samt Aulax roten Ton. Der Stammteil des Nasenschlauches und der Antorbitalraum ist weiß gelassen. 38 A. Fleischmann, Kopfskel. d. Amnioten. V. 0. Hofmann, Kopfskel. d. Saurier. Gemeinsame Buchstabenbezeichnung. 4o Antorbitalraum, As Anstieg, as absteigender Schenkel des Choanen- ganges, Au Aulax, Cg Choanengang, Co Muschel, Cs Choanenspalte, f Falte der inneren Choane, Fr Frontale, H Gehirn, hs horizontaler Schenkel des Choanen- ganges, JO Jacopsonsches Organ, Km Kaumuskelwulst, lt laterale Tasche, N Nasale, O Auge, Ok orbitale Randkehle, Om Orbitalmulde, P Palatinum, Pk Palatopterygoidkante, S Septum, Sa Sakter, Sp Kieferspange, tr Tränennasengang, Tu Tube, V Vomer, Vh Vorhof, Vp Vomerpolster, wt Winkeltasche, Z.L Zahnleiste. M Maxille, Fig. 1—6. Querschnitte durch die Nasenregion des Kopfes von Platydactylus guttatus. Vergr. 12:1. Fig. 1. Querschnitt durch die Gegend des JAacoBsonschen Organs und des vorderen Choanenendes, 0,675 mm hinter dem Nasenloch. Fig. 2. Querschnitt 0,9 mm hinter dem Nasenloch. Fig. 3. z 1,56 - - . B Fig. 4. 5 2,0 - - - - Fig. 5. - 2,18 - - - - Fig.‘ 6. - 2,58 - - - - Fig. 7. Querschnitt durch den Nasenschlauch eines Embryos von Platydactylus guttatus. Vergr. 26:1. Fig. 8. Querschnitt durch den Nasenschlauch eines andern Embryos von Pla- tydactylus guttatus. Vergr. 26:1. Fig. 9—17. Querschnitte durch die Nasenregion des Kopfes von Mabuia multi- fasciata Kuhl. 9. Querschnitt Vergr. 16:1. durch die Gegend des JAcoBSonschen Organs, 0,96 mm hinter dem Nasenloch. . 10. Querschnitt El: - 12: - Gala - 14, . 15. - 2316, - 5 1kr - 1,28 mm hinter dem Nasenloch. FR - - 1,88 - 5 = - Dr. - - - Be -. - EB rt - - DIbr > = - - ZN, ne = 2 Über die Variationen des Brustkorbes und der Wirbelsäule des Menschen. Von Dr. med. Hermann Adolphi, Prosektor am anatomischen Institut der Universität Jurjew-Dorpat. Mit 2 Figuren im Text. Im Jahre 1876 hat E. RosENBERG! auf Grund vergleichend- anatomischer und entwicklungsgeschichtlicher Tatsachen sich dahin ausgesprochen, daß am distalen Abschnitt der Brustregion und an allen folgenden Regionen der menschlichen Wirbelsäule ein proxi- malwärts fortschreitender Umformungsprozeß stattfinde. In der Sit- zung der Dorpater Naturforschergesellschaft vom 17. Februar 1883 hat ROSENBERG ? diese seine Theorie dahin erweitert, daß am distalen Abschnitt der Halswirbelsäule sich ein distalwärts fortschreitender Umformungsprozeß geltend mache. Die embryologischen Tatsachen, die ROSENBERG über den Brust- korb eruierte und die seitdem auch von andern Forschern bestätigt wurden, sind kurz folgende: in gewissen Embryonalstadien findet man an den Wirbeln 20 und 7 freie Rippen, bisweilen hat auch Wirbel 6 Rippenrudimente.e Da nun Wirbel 6 beim erwachsenen Menschen nie und Wirbel 7 und 20 in der Regel keine freien Rippen tragen, so findet ontogenetisch zweifellos eine Reduktion dieser Rip- pen statt, der menschliche Brustkorb erleidet somit ontogenetisch am oberen wie auch am unteren Ende eine Reduktion. Für den distalen Teil der Wirbelsäule hat ROSENBERG? gezeigt, wie beim Embryo zunächst Wirbel 26—31 sich durch Bildung der Partes laterales zu einem Sacrum vereinigen, während Wirbel 25 %1876,,9,83172; 2 1884, $. 505. 3 1876, 8. 108. 40 Hermann Adolphi noch freier Lumbalwirbel ist, der zum Ileum keinerlei Beziehungen hat. Später werden dann Wirbel 31 und 30 an das Steißbein ent- lassen, wäbrend Wirbel 25 zum Sacrum hinzugezogen wird. Onto- genetisch findet also eine Umformung des Sacrum und ein Wandern desselben nach dem Kopf zu statt. Diese ontogenetisch zu beobachtenden Umformungen sind nach ROSENBERG die Wiederholung gleichgerichteter Vorgänge, die hier im Laufe der Phylogenie stattgefunden haben. Vergleichend-anatomische Tatsachen, die sich als Stütze für diese Auffassung anführen lassen, bieten in bezug auf die untere Thoraxhälfte und das distal davon gelegene Gebiet die Halbaffen und die Affen. Unter den Halbaffen ist die Zahl der Präsacralwirbel bei Loris gracihis, tardigradus und Javanicus je 301, bei Perodieticus calabarensis 29, bei Perodicticus potto, Indris brevicaudatus und Avahrs laniger 28, bei C'hirogaleus furcifer und pusillus 27, bei Lemur va- rius und mongoz, Galago crassicaudatus und allenı, Tarsius spectrum und Chiromys madagascarensis 26, bei Hapalemur griseus 25. Unter den Affen der Neuen Welt ist die Zahl der Präsacral- wirbel bei Nyetipithecus vociferans 29, bei Chrysothriz sciurea und einem Exemplare von Cebus capucinus? 27, bei zwei Exemplaren von Cebus capueinus, Pithecia monachus, Midas oedipus und Hapale jacchus 26, bei Ateles geofroyi, Lagothrie humboldtii und Mycetes sentculus 25. Unter den eynomorphen Affen der Alten Welt sind 26 Präsacral- wirbel der herrschende Zustand; bei Nasalıs larvatus und einem von zwei Exemplaren von Macacus cynomolgus wurden nur 25 Präsacral- wirbel gefunden. Unter den Anthropoiden hatte Aylobates lar 25 Präsacralwirbel, Hylobates syndactylus?, Troglodytes niger und Gorilla savagıi kom- men mit 24 Präsacralwirbeln dem gewöhnlichen Zustande des Men- schen gleich. Simia satyrus hat nur 23 Präsacralwirbel. Gleich der Lumbosacralgrenze schwankt auch die untere Thorax- grenze bei den Halbaffen sehr bedeutend. Bei Loris Javanicus ist 1 Nachstehende Zahlen sind alle dem Werke von W. H. FLOWER, An in- troduction to the osteology of the mammalia entnommen. 1885, S. 78 und 79. 2 Die von FLOWER angegebenen Zahlen beziehen sich auf konkrete Ske- lette, darunter finden sich auch individuelle Variationen, die von dem gewöhn- lichen Verhalten abweichen. 3 Dieses ist eine individuelle Variation. Für gewöhnlich hat Zylobates syndactylus 25 Präsacralwirbel. Siehe ROSENBERG, 1876, Formeln zu $. 160/161. ET 0ER EEE en re ee a ee ee u u Über Variationen des Brustkorbes u. der Wirbelsäule des Menschen. 41 Wirbel 24 der letzte rippentragende, bei I/ndris brevicaudatus, Hapa- lemur griseus und Lemur mongoz Wirbel 19. Unter den Affen der Neuen Welt ist bei Nyetipithecus vociferans Wirbel 22 der letzte rippentragende. Bei den übrigen ist es Wirbel 21 und Wirbel 20. Bei den eynomorphen Affen der Alten Welt sind Wirbel 20 und Wirbel 19 die letzten rippentragenden. Unter den anthropoiden Affen ist bei Troglodytes niger, Gorilla savagü, Hylobates syndactylus und lar Wirbel 20 der letzte rippen- tragende, bei Simia satyrus trägt — entsprechend dem gewöhnlichen Verhalten des Menschen — Wirbel 19 das letzte Rippenpaar. Im allgemeinen läßt sich also sagen, daß bei Halbaffen und Affen Sacrum! und untere Thoraxgrenze um so weiter distal stehen, je niedriger die Stellung ist, die dem Tiere wegen seiner Gesamt- organisation in der Systematik angewiesen wird. Daher kann sehr wohl daran gedacht werden, es habe im Laufe der Phylogenie eine metamere Umbildung stattgefunden, die das Sacrum und die untere Thoraxgrenze dem Kopfe näherten. Daß sich innerhalb der soeben besprochenen Säugetiergruppe die Grenze zwischen dem Gebiete der sternalen und der asternalen Rippen im Laufe der Phylogenie gleichfalls nach dem Kopfe zu ver- schoben hat, läßt sich den Arbeiten Ruses? entnehmen. Bei Nyeti- cebus tardigradus können die Rippen des Wirbel 19 das Sternum erreichen, bei den Hundsaffen gehören die letzten Sternalrippen Wirbel 15 an, bei den Anthropoiden gehören diese Rippen — wie beim Menschen — meist Wirbel 14, bisweilen Wirbel 15 an. Für die Beurteilung der Phylogenie des Halsabschnittes der Wirbelsäule und der oberen Thoraxgrenze bieten die Halbaffen und Affen wenig Anhaltspunkte, denn bekanntlich ist bei ihnen, wie auch bei den allermeisten übrigen Säugetieren, für gewöhnlich Wirbel 8 der erste, welcher freie Rippen trägt, und diese Rippen pflegen das Sternum zu erreichen — ganz wie beim Menschen. Man wird also annehmen müssen, daß bei den gemeinsamen Vorfahren der Halb- affen, der Affen und des Menschen dieser Zustand bereits der herr- schende war. 1 Ich habe nur die Zahl der Präsacralwirbel genannt, da aber bei Halbaffen und Affen sich meist drei Sacralwirbel finden, ganz unabhängig davon, ob der erste Sacralwirbel der 31., 30., 29., 28., 27. oder 26. Wirbel ist, so ist es klar, daß obere und untere Saeralgrenze sich in der gleichen Richtung verschieben. 2 1892. 42 Hermann Adolphi Unzweifelhaft primitivere Zustände! des proximalen Teils der Wirbelsäule trifft man bei den Reptilien und Amphibien. Unter den Sauriern sind nach einer Zusammenstellung, die BuessıG? gibt und der sowohl eigne als auch fremde Beobachtungen, besonders solche von IHERING und PARKER zugrunde liegen, bei Chamaeleo verrucosus, africanus, scutatus und bilepis Wirbel 1—3 rippenlos, Wirbel 4 und 5 tragen asternale Rippen, Wirbel 6 die ersten Sternalrippen. Bei Lacerta agilis, viridis und vivipara, Platydactylus murorum und guttatus, Hemidactylus triedrus und Qualensıs, Ameiva, Zonurus, Lygosoma smaragdinum, Seps chaleidis, Agama atra, Doryphorus azureus, Hatteria, Cyclodus nigroluteus, Trachysaurus rugosus und asper waren Wirbel 1—3 rippenlos, Wirbel 4—8 trugen asternale Rippen, Wirbel 9 die ersten Sternalrippen. Bei Laemanctus longipes, Galeotes eristatellus, Polychrus marmo- ratus, Iguana tuberculata, Phrynosoma orbiculare, Stellio cordylinus und Uromastixz spinipes waren Wirbel 1—4 rippenlos, Wirbel 5—8 trugen asternale Rippen, Wirbel 9 die ersten Sternalrippen. Bei Draco lineatus und Varanus bivittatus waren Wirbel 1—5 rippenlos, Wirbel 6—8 trugen asternale Rippen, Wirbel 9 die ersten Sternalrippen. Bei Monitor Dracaena waren Wirbel 1—6 rippenlos, Wirbel 7 und 8 trugen asternale Rippen, Wirbel 9 die ersten Sternalrippen. Bei einem Exemplare von Varanus bivittatus fand BLessıe Wirbel 1—6 rippenlos, während Wirbel 7—9 asternale und Wirbel 10 die ersten sternalen Rippen trug. Bei den urodelen Amphibien tragen in der Regel alle Rumpf- wirbel — mit Ausnahme des ersten — freie Rippen. Dabei ist in Betracht zu ziehen, daß der erste Wirbel der Amphibien nicht dem Atlas der Amnioten entspricht, sondern einem Teile ihres Hinterhauptes. 1 Als primitive Zustände unter den Säugetieren sind das Verhalten der Manati und der zweizehigen Faultiere bezeichnet worden (vgl. SOLGER, 1876, S. 201). Dem gegenüber möchte ich eher der Ansicht GEGENBAURS (1898, S. 261) zustimmen, sowohl Bradypus (mit 8—9 Halswirbeln) als auch Choloepus (mit 6 Halswirbeln) stamme von Formen ab, deren Cervicothorakalgrenze etwa dort lag, wo sie auch jetzt noch bei den übrigen Säugetieren liegt. GEGENBAUR sieht demnach die hohe Lage der Cervicothorakalgrenze beim zweizehigen Faultiere nicht für einen primitiven, sondern für einen sekundären Zustand an. Auch für Manatus hebt GEGENBAUR hervor, die ausgestorbenen Verwandten hätten 7 Halswirbel gehabt. 2 1885, 8.11. Über Variationen des Brustkorbes u. der Wirbelsäule des Menschen. 43 Nach PETER! ist erst der dritte Wirbel der Amphibien oder ein noch weiter distal liegender dem Atlas der Amnioten homolog. Dieses Verhalten bei den Amphibien und Reptilien weist darauf hin, daß im proximalen Abschnitte der Wirbelsäule im Laufe der Phylogenie eine distal fortschreitende Reduktion der Berippung statt- gefunden habe, die zur Bildung eines immer länger werdenden Hals- abschnittes der Wirbelsäule führte. Einen weiteren Beweis für die Richtigkeit seiner Theorie hat ROSENBERG direkt den Variationen der menschlichen Wirbelsäule zu entnehmen gesucht. Die Variationsbreite der Wirbelsäule und ihrer einzelnen Re- gionen ist beim Menschen folgende?: Der Atlas kann, ohne daß pathologische Prozesse im Spiele sind, kongenital mit dem Oceipitale verschmolzen sein und so einen Teil des Schädels bilden. Der Epi- stropheus wahrt aber in solchen Fällen seinen Charakter und nimmt nicht etwa die Form des Atlas an; wenigstens sind bisher keine Übergangsformen beschrieben, die darauf hindeuten, daß der Epi- stropheus zum Atlas und der dritte Wirbel zum Epistropheus umge- formt werden könnte. Wirbel 7 kann ein- oder doppelseitig freie Rippen besitzen. In einem von L. Botk® beschriebenen Falle erreichten beide Rippen des Wirbel 7 ganz selbständig das Sternum und kommen so dem gewöhnlichen Verhalten der Rippen des Wirbel 8 gleich. Geringere Grade der Entwicklung sind sehr viel häufiger. Die Rippe des Wirbel 7 kann der ganzen Länge nach angelegt, aber in einer ge- wissen mittleren Strecke in ein Band verwandelt sein, wodurch sie in einen sternalen und einen vertebralen Teil zerfällt. Der sternale Teil sitzt dem Seitenrande des Sternum als ein kurzes, kegelförmiges Skelettstück an. Der vertebrale Teil, der bedeutend größer zu sein pflegt, kann mit einem Vorsprunge der folgenden Rippe gelenkig oder synostotisch verbunden sein. Wieder in andern Fällen ist die Rippe des Wirbel 7 mehr oder weniger stark verkürzt, wobei das vordere Ende mit dem Knorpel oder dem kuöchernen Körper der folgenden Rippe verschmolzen ist, daraus resultiert dann die »zwei- köpfige Rippe« der Engländer. Das vordere Ende der Rippe des 1 1895, 8. 573. ? Siehe auch die von mir gegebene Darstellung des Kapitels »Variationen der Wirbelsäule und des Brustkorbes« in: A. RAUBER, Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 6. Aufl. 1902. S.240—245. Mit 25 Figuren im Text. 3 1900, 8. 84. 44 Hermann Adolphi Wirbel 7 kann aber auch gelenkig oder durch ein Band mit der folgenden Rippe verbunden sein, oder es endet ganz frei. Letztere Form haben die allerkleinsten freien Rippen des Wirbel 7, die dann aus einem kleinen Köpfchen, einem sehr schlanken Halse, einem starken Höcker und einem ganz kurzen, kegelförmigen Körper be- stehen. Die Rippen des Wirbel 8, die für gewöhnlich als erste das Ster- num erreichen, können reduziert sein, wobei dieselben Formen auf- treten, die soeben für die rudimentären Rippen des Wirbel 7 ge- schildert wurden. Ein einwandfreier Fall von gänzlichem Fehlen freier Rippen am Wirbel 8 ist bisher nicht beobachtet worden. An einer von VARAGLIA! beschriebenen Wirbelsäule folgte nach RosEnx- BERG? auf den dritten Halswirbel eine rechte Wirbelhälfte und dann vier weitere Halswirbel. Zählt man den Halbwirbel mit, so ist hier der letzte unberippte Wirbel der achte der Reihe. Das letzte Paar freier Rippen kann dem Wirbel 18, 19, 20 oder 21 angehören. In der Stellung eines letzten Lumbalwirbels finden sich die Wirbel 23, 24, 25 oder 26. In zwei von VARAGLIA® beschriebenen Fällen ist nach ROsSENBERG* der letzte Lumbalwirbel der 27. der Reihe, doch nur falls man jedesmal je zwei Halbwirbel mitzählt. Der eine Fall ist der soeben erwähnte mit einem rechts- seitigen Halbwirbel im Halsteile, hier folgt auf den ersten Brust- wirbel eine linke Wirbelhälfte, weiter folgen 11 Brustwirbel und 6 Lendenwirbel.e In dem andern Falle ist Wirbel 20 der letzte Brustwirbel, es folgt eine linke Wirbelhälfte, zwei ganze Lumbal- wirbel, eine weitere linke Wirbelhälfte und dann noch drei ganze Lumbalwirbel. Erster Saeralwirbel kann Wirbel 24, 25, 26 oder 27 sein. In den beiden Fällen von Varacııa läßt sich der erste Sacralwirbel als Wirbel 28 zählen. ROSENBERG faßt nun diese Variationen als den direkten Aus- druck einer zurzeit stattfindenden Umformung von Wirbelsäule und Brustkorb auf. Die extremen Formen seien einesteils Formen der Vergangenheit, andernteils Formen der Zukunft. Die in der Mitte liegenden Formen, welche am allerhäufigsten angetroffen werden, sind die heute herrschenden. Die Richtung der Umformung werde aus der vergleichenden Anatomie und Entwicklungsgeschichte erkannt. 1 1885, 8.702. 21899, 8. 101. 3 1885, $. 700 und 702. *1899, 8.100 und 101. Über Variationen des Brustkorbes u. der Wirbelsäule des Menschen. 45 Freie Rippen an den Wirbeln 21, 20 und 7 seien primitiv, ebenso ein Kreuzbein, das mit Wirbel 27 oder 26 beginnt. Fehlen der Rippen des Wirbel 19 und Reduktion der Rippen des Wirbel 8 seien Zukunftsbildungen, ebenso sei ein Kreuzbein, das mit Wirbel 24 be- ginnt, eine Zukunftsform. Dieser Ansicht ROSENBERGS ist WELCKER! schon 1878 entgegen- getreten mit dem Hinweise darauf, daß die obere und die untere Grenze des Thorax nebst den Grenzen des Sacrum die Tendenz hätten, in der gleichen Richtung von der Norm abzuweichen. Neuer- dings haben TscahuGunow2, DwieHT3 und ich* uns gleichfalls gegen die RosSENBERGsche Theorie von der Umtformung der Wirbelsäule ausgesprochen, und zwar auf Grund ähnlicher wie sie WELCKER gemacht hatte. Heute beurteile ich die Dinge anders wie vor zwei Jahren. Zweck vorliegender Arbeit ist zunächst, an einem größeren Materiale überzeugend darzutun, daß zwischen den Variationen der verschie- denen Regionen der Wirbelsäule ein Abhängigkeitsverhältnis tat- sächlich besteht, und zwar in dem von WELCKER angedeuteten Sinne, dann aber auch zu zeigen, daß zwischen der Beobachtung WELCKERS und der Umformungstheorie ROSENBERGS kein solcher Gegensatz be- steht, wie es den Anschein hat. Im Winter 1896/97 habe ich im Obuchowhospital in St. Peters- burg eine größere Anzahl von Leichen untersucht. Ursprünglich war es meine Absicht, nicht nur die ganze Wirbelsäule zu untersuchen, sondern auch die Zusammensetzung der Nervenplexus, die für die Extremitäten bestimmt sind. Da mir aber jede einzelne Leiche nur eine relativ kurze Zeit nach der Sektion zur Verfügung stand, mußte ich mein Programm bedeutend einschränken. So beschränkte ich mich auf folgende acht Fragen, die sich in der gegebenen Zeit mit Sicherheit beantworten ließen. 1) Hatte Wirbel 7 freie Rippen oder nicht? 2) Erreichten die Rippen des Wirbel 8 das Sternum oder nicht? 3) Welehem Wirbel gehörten die letzten Sternalrippen an? 4) Welchem Wirbel gehörten die ersten fluktuierenden Rippen an? 5) Welchem Wirbel gehörten die letzten Rippen an? 6) Wie lang waren die Rippen des Wirbel 19, und, wenn vor- handen, die des Wirbel 20? 1 1878, 8.292. 21896, 8. 136. 3 1901, 8.344. _ * 1902, 8.7. 46 Hermann Adolphi 7) Weleher Wirbel war der erste Sacralwirbel und wie war die Kreuzbeinkrümmung beschaffen ? 8) Gibt der zehnte Spinalnerv eine Wurzel zum Plexus brachialis ab oder nicht? Im ganzen habe ich im Obuchowhospital 83 Leichen untersucht. Es waren lauter Erwachsene, 48 Männer und 35 Frauen. Die beiden ersten Fragen erledigten sich in der Weise, daß Wirbel 7 nie freie Rippen trug und daß die Rippen des Wirbel 8 allemal das Sternum erreichten. Die obere Thoraxgrenze war also in allen Fällen eine sogenannte normale. Frage 3. Welchem Wirbel gehörten die letzten Sternalrippen an? Bei den 35 untersuchten Frauen erreichten das Sternum zwei- mal beiderseits 8 Rippen, zweimal einerseits 8 — anderseits 7 Rip- pen, 30mal beiderseits 7 Rippen, einmal einerseits 7 — anderseits 6 Rippen. Bei den 48 Antersuchten Männern erreichten das Sternum ein- mal beiderseits 8 Rippen, viermal einerseits 8 — anderseits 7 Rip- pen und 43mal beiderseits 7 Rippen. Im ganzen erreichten 12mal 8 Rippen, 153mal 7 Rippen und einmal 6 Rippen das Sternum. Da die erste Sternalrippe allemal Wirbel 8 angehörte, gehörte also die letzte Sternalrippe 12mal dem Wirbel 15 (7,2°/,), 153mal dem Wirbel 14 (92,2°/,) und einmal dem Wirbel 13 an (0,6 %,). Frage 4. Welchem Wirbel gehörten die ersten fluktuierenden Rippen an? Bei den 35 Frauen war neunmal beiderseits Rippe 11 die erste fluktuierende, dreimal einerseits Rippe 11 — anderseits Rippe 10, 23 mal war beiderseits Rippe 10 die erste fluktuierende. Bei den 48 Männern war 14mal Rippe 11 beiderseits die erste fluktuierende, zweimal einerseits Rippe 11 — anderseits Rippe 10, 32mal war beiderseits Rippe 10 die erste fluktuierende. Im ganzen war die dem 18. Wirbel angehörige 11. Rippe 51 mal De erste fluktuierende (30,7 °/,), die dem 17. Wirbel angehörige 10. Rippe 115mal (69,3 /,). Unter den 115 Fällen, in denen die 10. Rippe den Rippenbogen nicht erreichte, gab es sowohl solche, bei denen der Rippenknorpel in seinem Verlauf nach oben abbog, als auch solche, bei denen der Knorpel lediglich die Verlaufsrichtung der knöchernen Rippe fortsetzte. Leider habe ich es unterlassen, diese Fälle ge- trennt zu notieren, so daß ich über ihre relative Häufigkeit keine Angaben machen kann. Die Lehrbücher der Anatomie pflegen im Über Variationen des Brustkorbes u. der Wirbelsäule des Menschen. 47 Texte auf das häufige Fluktuieren der 10. Rippe keinerlei Rücksicht zu nehmen, wohl aber in ihren Abbildungen. So bildet GEGENBAUR! eine rechte Thoraxhälfte ab, an welcher die 10. Rippe genau in derselben Art endet wie die 11. Rippe. Frage 5. Welchem Wirbel gehörten die letzten Rippen an? Bei den 35 Frauen trug zweimal Wirbel 20 ein Paar freie Rip- pen, 33mal war Wirbel 19 der letzte mit Rippen versehene. Bei den 48 Männern trug fünfmal Wirbel 20 ein Paar freie Rip- pen, 43 mal war Wirbel 19 der letzte mit Rippen versehene. Einen Fall, in dem irgendein Wirbel nur einseitig mit einer Rippe versehen war, habe ich nicht gefunden. Im ganzen gehörte die letzte Rippe 14mal dem 20. Wirbel an (S,4°/,) und 152mal dem 19. Wirbel (91,6%). Demnach hatte jede 12. Leiche ein 13. Rippen- paar. Es ist bekannt, daß bei normaler oberer Thoraxgrenze auch Wirbel 18 letzter Brustwirbel sein kann. Dieser Zustand ist aber außerordentlich selten, man kann nicht erwarten, ihn unter 83 Lei- chen einmal zu finden, und ich habe ihn im Obuchowhospital tat- sächlich nicht gefunden. Frage 6. Wie lang waren die Rippen des Wirbel 19 und, wenn vorhanden, die des Wirbel 20? Unter Rippenlänge verstehe ich die Länge des knöchernen so- wohl als auch des knorpeligen Teils der Rippe gemessen mit dem Bandmaß an der konkaven Fläche, wobei zu bemerken, daß die ganz kurzen Rippen bis an das distale Ende zu verknöchern pflegen, so daß ein Rippenknorpel nicht existiert. Bei den 35 Frauen schwankte die Länge der 12., dem Wirbel 19 angehörigen Rippe von 153 mm bis 27 mm. ÖOrdnete man diese 70 Rippen alle ihrer Länge nach, so ergab sich, daß ein -Viertel kürzer war als 89 mm, ein Viertel länger als 134 mm und daß die Hälfte der Rippen eine Länge zwischen 89 und 134 mm hatte. Dem- nach kann man 89—134 mm oder, wenn man die Zahlen ein wenig abrundet, 9—131/, enf als die mittlere Länge der Rippe des Wirbel 19 bei der Frau bezeichnen. Bei den 48 Männern schwankte die Länge der 12., dem Wirbel 19 angehörigen Rippe von 189 mm bis 33 mm. Ein Viertel der Rippen war kürzer als 114 mm, ein Viertel war länger als 156 mm, und die Hälfte der Rippen hatte eine Länge zwischen 114 und 156 mm. 1 1895, S. 189. 48 Hermann Adolphi Demnach kann man 114—156 mm oder, wenn man die Zahlen ein wenig abrundet, 111/,—15'/, em als die mittlere Länge der Rippe des Wirbel 19 beim Manne bezeichnen. Eine 13., dem Wirbel 20 angehörige Rippe gab es — wie ge- sagt — bei den Frauen viermal, sie hatte die Länge von 44, 25, 19 und 14 mm. } Eine 13., dem Wirbel 20 angehörige Rippe gab es bei den Männern zehnmal, sie hatte die Länge von 56, 54, 43, 31, 23, 23, 21, 11, 8 und 6 mm. Frage 7. Welcher Wirbel war der erste Sacralwirbel und wie war die Kreuzbeinkrümmung beschaffen ? Bei den 35 Frauen war einmal Wirbel 26 erster Sacralwirbel, die Krümmung des Kreuzbeines war wie gewöhnlich einfach. Ein- mal hatte Wirbel 25 auf der einen Seite einen Querfortsatz von lumbalem Charakter, auf der andern dagegen einen von sacralem Charakter, der mit dem Ileum artikulierte. Wirbel 25 war mit dem übrigen Kreuzbein nicht synostotisch verbunden; das Promontorium lag zwischen Wirbel 25 und 26. Einmal war Wirbel 25 erster Sa- cralwirbel bei doppeltem Promontorium. 32mal war Wirbel 25 erster Sacralwirbel bei einfacher Sacralkrümmung. Bei den 48 Männern war zweimal Wirbel 26 erster Sacralwirbel bei einfacher Sacralkrümmung. Fünfmal war Wirbel 25 erster Sacral- wirbel bei doppeltem Promontorium. 38mal war Wirbel 25 erster Sacralwirbel bei einfacher Sacralkrümmung. Einmal beteiligte sich Wirbel 24 einseitig an der Bildung der Pars lateralis des Kreuz- beines und hatte an der andern Seite einen Querfortsatz von lum- balem Charakter. Das Promontorium lag zwischen Wirbel 24 und 25., Zweimal war Wirbel 24 erster Sacralwirbel bei doppeltem Promon- torium. Im ganzen war der letzte reine Lumbalwirbel dreimal Wirbel 25 (3,6 %,), 77mal Wirbel 24 (92,8°/,) und dreimal Wirbel 23 (3,6%), wobei in der zweiten und dritten Gruppe je ein Fall vorkam, in dem der nächstfolgende Wirbel einseitig einen Querfortsatz von lum- balem Charakter trug. Betrachtet man die Körperhälften getrennt, so ließen sich fol- gende vier Zustände unterscheiden: a. Wirbel 26 ist erster Sacralwirbel, die Kreuzbeinkrümmung ist einfach. Siebenmal angetroffen (4,2 %,). b. Wirbel 25 ist erster Sacralwirbel, es besteht ein doppeltes Promontorium. 13mal angetroffen (7,8 %/,). en 17 Über Variationen des Brustkorbes u. der Wirbelsäule des Menschen. 49 c. Wirbel 25 ist erster Sacralwirbel, die Kreuzbeinkrümmung ist einfach. 141mal angetroffen (84,9 /,). d. Wirbel 24 ist erster Sacralwirbel, es besteht ein doppeltes Promontorium. Fünfmal angetroffen (3,0 %,). Frage 8. Gibt der 10. Spinalnerv eine Wurzel zum Plexus brachialis ab oder nicht? Bei den 35 Frauen gab der 10. Spinalnerv, der hier wie auch bei den Männern allemal zugleich der zweite Thorakalnerv war, dreimal doppelseitig und fünfmal einseitig ein Ästchen ab, das sich, die Innenfläche der zweiten Rippe überkreuzend, schräg nach außen und oben begab, um sich mit der aus dem ersten Thorakalnerven stammenden Plexuswurzel spitzwinkelig zu vereinigen. Bei den 48 Männern fand sich eine solche vom 10. Spinalnerven abgegebene Plexuswurzel fünfmal doppelseitig und sechsmal einseitig. Im ganzen wurde die unterste Plexuswurzel 27mal vom 10. Spi- nalnerven abgegeben (16,3°,) und 139mal vom 9. Spinalnerven (83,7 %/,). Demnach gab der 10. Spinalnerv nur zu jedem sechsten Plexus brachialis eine Wurzel ab. CunNInGHAM! gibt in seiner bekannten Notiz über einen Ver- bindungszweig zwischen den vorderen Ästen des ersten und zweiten Dorsalnerven an, einen solchen Zweig bei 37 untersuchten Fällen 27mal gefunden zu haben, ob ein- oder doppelseitig, sagt er nicht. Nun hat CunsınGHAMm freilich auch alle die Fälle mitgezählt, in welchen der Nervus thoracalis 2 ein Ästchen nur zum intercostalen Aste des Nervus thoracalis 1 abschickte. Derartige Fälle habe ich zwar auch gesehen, aber nicht notiert, da ein solches Ästehen nicht zum Plexus brachialis gehört. Meine Zahlen mußten dadurch kleiner ausfallen als die CUNNINGHAMs, sie sind aber so sehr viel kleiner, daß die Verschiedenheit der Zählung zur Erklärung des Unterschie- des nicht ausreicht. Es muß vielmehr an einen anthropologischen Unterschied gedacht werden. Die von CuNnNIınGHAM in Edinburgh untersuchten Leichen waren wohl größtenteils Schotten und Eng- länder. Die von mir in St. Petersburg untersuchten Leichen waren größtenteils Russen, es waren nur wenige Polen und Juden und ein Deutscher darunter. Die Vermutung CUNNINGHAMs, daß die vom Nervus thoracalis 2 zum Plexus brachialis abgegebene Wurzel in einem alternierenden 1 1877, S. 540. Morpholog. Jahrbuch, 33. 4 50 Hermann Adolphi Verhältnisse zum intercosto-brachialen Aste dieses Nerven stünde, habe ich! schon früher als irrtümlich nachgewiesen. In den nachstehenden zehn Tabellen ist dieses Material derart geordnet, daß sich die Korrelationen feststellen lassen, die zwischen den verschiedenen Zuständen bestehen. Beide Körperhälften sind als einzelne Fälle gerechnet worden, so daß im ganzen 166 Fälle vorliegen. Angegeben ist allemal die Anzahl der beobachteten Fälle; die prozentische Verteilung der Fälle innerhalb jeder Horizontal- reihe ist in Klammern nebenbeigesetzt. Tabelle 1 ergibt: je näher die Lumbosaeralgrenze dem Kopfe zu Tabelle 1. Die letzte Rippe findet sich am Wirbel: Der erste Sacralwirbel ist Wirbel: 20 (13. Rippe) 19 (12. Rippe) | Anzahl \ Anzahl |Summe | der % | der I: 20/0 A] oder | || Beob | Beob || Beob. 26 bei einfacher Sacralkrümmung 6 (85,7) 1 (14,3) 7 25 bei doppeltem Promontorium | 4 (30,8) 9 (69,2) 13 25 bei einfacher Sacralkrümmung | 4 (2,8)| 137 (97,2)|| 141 24 bei doppeltem Promontorium a 5 (100,0) 5 Summe der Beobachtungen 14 (91,6) | 166 Tabelle 2. Die erste fluktuierende Rippe gehört Wirbel: Der erste Sacralwirbel ist Wirbel: 18 (11. Rippe) 17 (10. Rippe) Anzahl | Anzahl 0% 26 bei einfacher Sacralkrümmung ( —) 25 bei doppeltem Promontorium 5 (46,2)| 13 25 bei einfacher Saeralkrümmung (73,8)|| 141 24 bei doppeltem Promontorium (100,0) 5 Summe der Beobachtungen | (69,3) 166 1 1898, S. 101. Über Variationen des Brustkorbes u. der Wirbelsäule des Menschen. 51 Tabelle 3. . Die letzte Sternalrippe gehört Wirbel: Der erste Sacralwirbel ist: |15 (8. Rippe) 14 (7. Rippe) 13 (6. Rippe) Summe Anzahl | Anzahl Anzahl | der 0%, der %o der % |. der Beob. | Beob. Beob. | Beob. | | 26 bei einfacher Sacral- | krümmung ar, 3 (42,9)| — (—) 7 25 bei doppeltem Promon- torium 4 (30,8) 9. ‚(eBay il nd 13 25 bei einfacher Sacral- | krümmung 4 (2,8)| 136 (96,5) 1 24 bei doppeltem Promon- torium en 5 (100,0)| — Summe der Beobachtungen | 12 (7,2)| 153 (02,2) | 1 Tabelle 4. Die letzte Wurzel des Plexus brachialis wird abgegeben vom Nerven: Der erste Sacralwirbel ist Wirbel: [10(N.thorac.2) 9 (N.thorae. !) Anzahl Anzahl Summe der 0% der % || der Beob. Beob, Beob 26 bei einheitlicher Sacralkrümmung 3 (42,9) | 4 25 bei doppeltem Promontorium ı 4 (30,8) | 9 25 bei einheitlicher Saeralkrümmung | 20 (14,2) | 121 24 bei doppeltem Promontorium | — (—) | 5 Summe der Beobachtungen | Tabelle 5. Die erste fluktuierende Rippe Die letzte Rippe ar gehört Wirbel: findet sich am Wirbel: 18 (11.Rippe) 17 (10. Rippe) Anzahl Anzahl Summe der 0% dere | % || der Beob. Beot. | \ Beob. 20 (13 Rippen) 12 (85,7) 2 (43) 14 19 (12 Rippen) 39° (257)| 113 (74,3)|| 152 Summe der Beob.| 51 (30,7)| 115 (69,3)| 166 52 liegt, um so seltener trägt Wirbel 20 freie Rippen. Dementsprechend Hermann Adolphi tritt Wirbel 19 um so häufiger als letzter Brustwirbel auf. Wenn Wirbel 26 erster Sacralwirbel war, fand sich in 85,7% der Fälle eine Rippe am Wirbel 20. Da Wirbel 8, wie oben er- wähnt, immer die erste Rippe trug, so war dieses die 13. Rippe. Die letzte Rippe findet sich am Wirbel: Tabelle 6. 15 (8. Rippe) 14 (7. Rippe) 13 (6. Rippe) Die letzte Sternalrippe gehört Wirbel: der Beob. Anzahl Men der Beob. Anzahl der Beob. %o %/o 9% Summe der Beob. 20 (13 Rippen) 6 19 (12 Rippen) 6 Summe der Beob. | 12 Die letzte Rippe findet sich am Wirbel: 20 (13 Rippen) 19 (12 Rippen) Summe der Beob. Die erste fluktuierende Rippe gehört Wirbel: (42,9)| 8 (3,9)| 145 (7,2)| 153 Tabelle’ Nerven: Anzahl Anzahl —) (0,7) 14 152 (0,6) | 166 Die letzte Wurzel des Plexus brachialis wird abgegeben vom 10 (N.thorae.2) 9(N.thorae.1) T Summe der ıı Beob. Tabelle 8. Die letzte Sternalrippe gehört Wirbel: 15 (8. Rippe) 14 (7. Rippe) 13 (6. Rippe) 14 152 166 Anzahl ı Anzahl Anzahl Summe der 0/9 der %/o der 0% der || Beob. Beob. Beob. Beob. 18 (11. Rippe) | 10 (96)| 4 849] — 51 17 (10. Rippe) | 2 1,7) | 29977 (0,9) || 115 Summe der Beob. | 2 («2| 153 (92,2) | 1.106) | 166 WE Zu ni Über Variationen des Brustkorbes u. der Wirbelsäule des Menschen. 53 Tabelle 9. | Die letzte Wurzel des Plexus brachialis wird abgegeben vom Nerven: Die erste fluktuierende | Rippe gehört Wirbel: |10(N.thorac.2) 9(N.thorae. 1) Anzahl Anzahl | Summe der 0/o der % der Beob. Beob. Beob, 18 (11. Rippe) 16 (31,4) 35 (68,6) 51 17 (10. Rippe) 11 (9,6) | 104 (90,4)|| 115 Summe der Beob. | 27 (16,3) | 139 (83,7)| 166 Tabelle 10. Die letzte Wurzel des Plexus else Btomal: brachialis wird abgegeben vom s n Nerven: rippe gehört Wirbel: 10(N.thorae.2) 9 (N.thorae.1) Anzahl Anzahl Summe | der 0% der d/ der Beob. Beob. Beob. 15 (8. Rippe) aa N alone s 14 (7. Rippe) 23 (15,0) | 130 (85,0)|| 153 13 (6. Rippe) een 1 (100,01 1 Summe der Beob.|| 27 (16,3) | 139 (83,7) 166 Wenn Wirbel 25 erster Saeralwirbel war, fand sich bei doppeltem Promontorium eine 13. Rippe in 30,8°/, der Fälle, bei einfacher Saeralkrümmung nur in 4 unter 141 Fällen, das ist in 2,8°%,. In den Fällen, wo Wirbel 24 erster Sacralwirbel war, habe ich eine 13. Rippe keinmal angetroffen; ich kann hinzufügen, daß dann auch die 12. Rippe allemal kurz war: 88, 50, 48, 47 und 33 mm bei lauter Männern. Tabelle 2 ergibt: je näher die Lumbosacralgrenze dem Kopfe zu liegt, um so häufiger ist die Rippe des Wirbel 17 (10. Rippe) vom Rippenbogen losgelöst. Wenn Wirbel 26 erster Saeralwirbei war, so war die 11. Rippe allemal die erste fluktuierende. Wenn Wirbel 25 erster Sacralwirbel war, hatte sich bei doppeltem Promontorium in etwa der Hälfte der 54 Hermann Adolphi Fälle auch die 10. Rippe aus dem Verbande des Rippenbogens ge- löst (46,2°/,), bei einfacher Sacralkrümmung war dieses in etwa 3/) der Fälle (73,8°%,) geschehen. Wenn Wirbel 24 erster Sacral- wirbel war, so fluktuierte die 10. Rippe allemal. Tabelle 3 ergibt: je näher die Lumbosacralgrenze dem Kopfe zu liegt, um so seltener erreicht die Rippe des Wirbel 15 (8. Rippe) das Sternum. Wenn Wirbel 26 erster Sacralwirbel war, so war die 8. Rippe in etwa der Hälfte der Fälle (57,1 °/,) mit dem Sternum verbunden. Wenn Wirbel 25 erster Sacralwirbel war, so war bei doppeltem Promontorium die 8. Rippe noch in 30,8°/, der Fälle mit dem Ster- num verbunden, bei einfacher Sacralkrümmung dagegen nur in 2,8), der Fälle. In einem Falle hatte auch die 7. Rippe die Verbindung mit dem Sternum aufgegeben, so daß die 6. Rippe als letzte das Sternum erreichte (0,7 °,). In den Fällen, wo Wirbel 24 erster Sa- cralwirbel war, war die 7. Rippe allemal die letzte mit dem Sternum verbundene. Tabelle 4 ergibt: je näher die Lumbosacralgrenze dem Kopfe zu liegt, um so seltener gibt der 10. Spinalnerv (der 2. Thorakalnerv) eine Wurzel zum Plexus brachialis ab. Die prozentische Häufigkeit der Fälle, in denen der 10. Spinalnerv jene Plexuswurzel abgibt, sinkt von 42,9 auf 30,8, dann auf 14,2 und schließlich auf 0,0. Tabelle 5 ergibt: je näher die untere Thoraxgrenze dem Kopfe zu liegt, um so häufiger ist die Rippe des Wirbel 17 (10. Rippe) vom Rippenbogen losgelöst. Trug Wirbel 20 Rippen, so flyktuierte die Rippe des Wirbel 17 relativ selten (14,3°,). War dagegen Wirbel 19 der letzte Brust- wirbel, so fluktuierte die Rippe des Wirbel 17 außerordentlich häufig (74,3%). Tabelle 6 ergibt: je näher die untere Thoraxgrenze dem Kopfe zu liegt, um so seltener erreicht die Rippe des Wirbel 15 (8. Rippe) das Sternum. Trug Wirbel 20 Rippen, so war die Rippe des Wirbel 15 sehr häufig mit dem Sternum verbunden (42,9 /,). War dagegen Wirbel 19 der letzte Brustwirbel, so erreichte diese Rippe nur selten das Ster- num (3,9 °/,). In einem Falle hatte sich auch die Rippe des Wirbel 14 vom Sternum gelöst, so daß die Rippe des Wirbel 13 (6. Rippe) als letzte das Sternum erreichte. Tabelle 7 ergibt: je näher die untere Thoraxgrenze dem Kopfe Über Variationen des Brustkorbes u. der Wirbelsäule des Menschen. 55 zu liegt, um so seltener gibt der 10. Spinalnerv (der 2. Thorakal- nerv) eine Wurzel zum Plexus brachialis ab. Trug Wirbel 20 Rippen, so gab der 10. Spinalnerv in der Hälfte der Fälle (50,0°/,) eine Plexuswurzel ab. War dagegen Wirbel 19 der letzte Brustwirbel, so fand sich jene Plexuswurzel nur sehr viel seltener (13,2 %/,). Tabelle 8 ergibt: je näher die Grenze zwischen den fluktuieren- den und den nichtfluktuirenden Rippen dem Kopfe zu liegt, um so seltener erreicht die Rippe des Wirbel 15 (8. Rippe) das Sternum. War die Rippe des Wirbel 18 die erste fluktuierende, so ver- band sich die Rippe des Wirbel 15 relativ häufig mit dem Sternum (19,6°%/,)., War dagegen auch die Rippe des Wirbel 17 aus dem Rippenbogen losgelöst, so verband sich die Rippe des Wirbel 15 äußerst selten mit dem Sternum (1,7°/,). Ja in einem Falle hatte sich auch die Rippe des Wirbel 14 vom Sternum gelöst, so daß die Rippe des Wirbel 13 (6. Rippe) als letzte das, Sternum erreichte. Tabelle 9 ergibt: je näher die Grenze zwischen den fluktuieren- den und den nichtfluktuierenden Rippen»dem Kopfe zu liegt, um so seltener gibt der 10. Spinalnerv (der zweite Thorakalnerv) eine Wurzel zum Plexus brachialis ab. War die Rippe des Wirbel 18 die erste fluktuierende, so gab der 10. Spinalnerv ziemlich häufig eine Plexuswurzel ab (31,4 %/,). Fluktuierte aber auch die Rippe des Wirbel 17, so fand sich jene Plexuswurzel sehr viel seltener (9,6 %/,). Tabelle 10 ergibt: je näher die Grenze zwischen asternalen und sternalen Rippen dem Kopfe zu liegt, um so seltener gibt der 10. Spi- nalnerv (der zweite Thorakalnerv) eine Wurzel zum Plexus brachi- alis ab. Gehörte die letzte Sternalrippe Wirbel 15 an, so gab der 10. Spi- nalnerv ziemlich häufig eine Plexuswurzel ab (33,3 %/,), erreichte aber die Rippe des Wirbel 14 als letzte das Sternum, so fand sich jene Plexuswurzel viel seltener (15,0°%,). In dem einen Falle, in dem die Rippe des Wirbel 13 als letzte das Sternum erreichte, fehlte jene Wurzel. In Summa geht aus allen diesen Tabellen hervor: die Lumbo- sacralgrenze, die Thoracolumbalgrenze, die Grenzen zwi- schen den fluktuierenden und den nichtfluktuierenden Rip- pen, zwischen den asternalen und den sternalen Rippen und auch die distale Grenze des Plexus brachialis — alle diese Grenzen haben die Tendenz, in der gleichen Richtung 56 Hermann Adolphi zu variieren. Liegt eine dieser Grenzen dem Kopfe näher, so liegen auch alle andern Grenzen verhältnismäßig häufig dem Kopfe näher; liegt eine dieser Grenzen dem Kopfe ferner, so liegen auch alle andern Grenzen verhältnismäßig häufig dem Kopfe ferner. Für die hier genannten Teile der Wirbelsäule und des Brust- korbes stimmt diese Korrelation mit ROSENBERGS Theorie von der Umformung der Wirbelsäule gut überein, dahingegen ist das Ver- halten des zweiten Thorakalnerven, wie es sich in den Tabellen 4, 7, 9 und 10 zeigt, nicht ohne weiteres mit dieser Theorie in Ein- klang zu bringen. Denn es besteht gar kein Zweifel, daß die Varia- tionen der unteren Grenze des Plexus brachialis nur Teilerscheinung gleichgerichteter Variationen des ganzen Plexus sind. Da aber die Lage des Plexus brachialis an die Grenze zwischen Hals und Brust gebunden ist, so legt das Verhalten des Nervus thoracalis 2 die Vermutung nahe, daßedie obere Thoraxgrenze die Tendenz habe, in der gleichen Richtung zu variieren wie die untere T'horaxgrenze, worauf WELCKER, wie erwähnt, schon 1878 hingewiesen hat. Im nachstehenden habe ich versucht, durch Beibringung eines möglichst großen Materials zunächst die rein anatomische Frage zweifellos zu beantworten, ob eine Korrelation zwischen den Varia- tionen der oberen Thoraxgrenze und der übrigen Abschnitte der Wirbelsäule vorhanden sei, und zwar welche. Ich habe aus der Literatur und der eignen Beobachtung alle die Fälle zusammengestellt, in denen entweder Wirbel 7 freie Rip- pen trug oder die Rippen des Wirbel 8 derart reduziert waren, daß sie das Sternum nicht erreichten und sich zugleich Angaben über die distalen Teile des Brustkorbes und der Wirbelsäule fanden. Ich bemerke ausdrücklich, daß ich keinen einzigen derartigen Fall, den ich in der Literatur! gefunden — etwa als »ungeeignet« — weg- gelassen habe. Beschreibungen sogenannter »Halsrippen«, bei denen Angaben über die distalen Teile des Brustkorbes und der Wirbel- säule fehlten, habe ich nicht berücksichtigt, da sie für die vorliegende ı Mir steht hier durchaus nicht die anatomische Literatur der ganzen Welt zur Verfügung. Es ist auch nicht undenkbar, daß ich in der mir zu- gänglichen Literatur den einen oder andern Fall übersehen haben könnte. Wie dem auch sei, die Zahl der von mir benutzten Fälle genügt, um die Korrelation im Verhalten der oberen Thoraxgrenze zur unteren Thoraxgrenze, wie auch zur Lumbosacralgrenze deutlich zu erkennen. Es ist keineswegs zu erwarten, daß eine weitere Vermehrung des Untersuchungsmaterials imstande sein wird, den Sinn der von mir erlangten Resultate umzukehren. ee Über Variationen des Brustkorbes u. der Wirbelsäule des Menschen. 57 Untersuchung wertlos sind. Einige andre Fälle habe ich weglassen müssen, weil es unklar blieb, ob die »Halsrippen« Wirbel 7 oder 8 angehörten. Mein Material umfaßt 92 Fälle, von denen sieben von mir selbst beobachtet sind. In 68 Fällen trug Wirbel 7 ein- oder doppelseitig freie Rippen, in 24 Fällen waren eine oder beide Rippen des Wirbel 8 rudimentär. Innerhalb dieser beiden Gruppen habe ich das Material wiederum nach dem Verhalten der unteren Thoraxgrenze und der Lumbosacralgrenze geordnet. Eine Teilung nach dem Grade der Entwicklung der Rippen des Wirbel 7 und der Reduktion der Rip- pen des Wirbel S war ebensowenig möglich wie eine getrennte Be- handlung der beiden Körperhälften, da die Beschreibungen, beson- ders der älteren Autoren, vielfach zu ungenau sind. Diese 92 Fälle gruppieren sich folgendermaßen: A. Wirbel 7 trägt ein- oder doppelseitig freie! Rippen. Gruppe 1. Die untere Thoraxgrenze und die Lumbosacralgrenze stehen tiefer als normal, 3 Fälle (1—3). In einem weiteren hierher gestellten Falle steht die Lumbosacralgrenze gleichfalls tiefer als normal, während Angaben über die distale Thoraxgrenze fehlen (4). Gruppe 2. Die untere Thoraxgrenze und die Lumbosacralgrenze sind als normal angegeben, 32 Fälle (5—36). Hierher sind noch 8 Fälle gestellt, in denen die untere Thoraxgrenze normal ist, wäh- rend Angaben über die Lumbosacralgrenze fehlen (37—44). Gruppe 3. Die untere Thoraxgrenze ist normal, die Lumbo- sacralgrenze liegt höher als normal, 5 Fälle (45—49). Gruppe 4. Die untere Thoraxgrenze steht höher als gewöhn- lich, die Lumbosacralgrenze ist normal, 5 Fälle (50—54). Hierher ist noch ein Fall gestellt, in dem die untere Thoraxgrenze gleich- falls höher steht als gewöhnlich, während Angaben über die Lumbo- sacralgrenze fehlen (55). Gruppe 5. Die untere Thoraxgrenze und die Lumbosacralgrenze liegen beide höher als gewöhnlich, 13 Fälle (56—68). B. Eine oder beide Rippen des Wirbel S sind rudimentär, so daß sie das Sternum nicht erreichen?. i Fälle, in denen ein Rippenrudiment zwar über den Querfortsatz des Wirbel 7 hinausragt, mit demselben aber synostotisch verbunden ist, habe ich nicht berücksichtigt. Derartige Rudimente, die auch als »Halsrippen« be- schrieben werden, sind meist sehr klein und stellen dann nur eine sehr geringe Abweichung vom gewöhnlichen Verhalten des Wirbel 7 dar. 2 In der Literatur sind mehrfach Fälle verzeichnet, in denen die vorderen 58 Hermann Adolphi Gruppe 6. Die untere Thoraxgrenze und die Lumbosacralgrenze sind normal, 7 Fälle (69—75). Hierher gestellt sind noch zwei Fälle, in denen die untere Thoraxgrenze normal ist, während Angaben über die Lumbosacralgrenze fehlen (76 und 77). - Gruppe 7. Die untere Thoraxgrenze ist normal, die Lumbo- sacralgrenze steht tiefer als gewöhnlich, 2 Fälle (78 und 79). Gruppe 8. Die untere Thoraxgrenze steht tiefer als gewöhn- lich, die Lumbosacralgrenze ist normal, 1 Fall (80). Hierher ge- stellt ist noch ein Fall, in dem die untere Thoraxgrenze auch tiefer steht als gewöhnlich, sichere Angaben über die Lumbosacralgrenze aber fehlen (81). Gruppe 9. Die untere Thoraxgrenze und die Lumbosacralgrenze stehen tiefer als gewöhnlich, 11 Fälle (82—92). Kasuistik. A. Wirbel 7 trägt ein- oder doppelseitig freie Rippen. Gruppe 1. Die untere Thoraxgrenze und die Lumbosacralgrenze stehen tiefer als normal, 3 Fälle (1—3). In einem weiteren hierher gestellten Falle steht die Lumbosacralgrenze gleichfalls tiefer als nor- mal, während Angaben über die distale Thoraxgrenze fehlen (4). Fall 1. RosEenger@i. Dem Leidener anatomischen Institut ge- hörige Wirbelsäule eines erwachsenen Mannes. Wirbel 7—21 trugen freie Rippen. Wirbel 22—26 sind Lumbalwirbel. Das Sacrum be- steht aus den Wirbeln 27—31. Wirbel 32 ist mit dem Sacrum am Körper und an den beiderseitigen Gelenkfortsätzen synostotisch ver- bunden, desgleichen Wirbel 33 mit dem vorhergehenden durch den Körper und den rechtsseitigen Gelenkfortsatz. ' Fall 2. Beschrieben von VArAGLIA?2 erwähnt bei ROSENBERG °. Wirbel 7 trägt eine bewegliche Rippe, Wirbel 8—20 je ein Rippen- paar. Im Lendenteile finden sich auf der linken Seite zwei Halb- wirbel. Falls man dieselben mitzählt, ist der letzte Lumbalwirbel Wirbel 27. »Fünf Sacralwirbel und vier Caudalwirbel sind vor- handen.« Enden der Rippen der Wirbel 8 und 9 zwar verwachsen sind, die Rippen des Wirbel 8 aber in ihrer ganzen Ausdehnung ihre gewöhnliche Breite bewahren. Solche Fälle habe ich hier nicht angeführt, denn das Unselbständigwerden der Rippe leitet zwar die Reduktion ein, ist aber noch keine Reduktion. Einen sehr schönen hierher gehörigen Fall hat PATERSON 1893 an einem Neger be- obaehtet. Das Sternum war entsprechend dem Ansatze der Rippen des Wirbel 10 in Manubrium und Corpus gegliedert. 1 1897, $.125 und 1899, $. 15. 2 1885, $. 700. 3 1899, $. 100. e N Über Variationen des Brustkorbes u. der Wirbelsäule des Menschen. 59 Fall 3. PATERSON und LOvEGROVE!. Skelett eines Neugeborenen. Links tragen Wirbel 7—19 Rippen, rechts Wirbel S—20. Wirbel 26 ist der letzte Lendenwirbel. Die letzten das Sternum erreichenden Rippen gehören Wirbel 14 an. Fall 4. LeBoucQ?2. Rachitisches Kind. Wirbel 7 trägt ein Paar freie Rippen. Die letzten Rippen sind verloren und es ist nicht gesagt, an welchem Wirbel sie saßen. Wirbel 25 ist der letzte Lumbalwirbel. Wirbel 26—30 bilden das Sacrum. Die letzten Sternalrippen gehören beiderseits Wirbel 14 an. Das Sternum ist in Manubrium und Corpus geteilt, entsprechend der Ansatzstelle der Rippen des Wirbel 9. Gruppe 2. Die untere Thoraxgrenze und die Lumbosacralgrenze sind als normal angegeben, 32 Fälle (5—36). Hierher sind noch 8 Fälle gestellt, in denen die untere Thoraxgrenze normal ist, wäh- rend Angaben über die Lumbosacralgrenze fehlen (37—44). Fall 5. LuscHhKA°. Erwachsener Mann. Wirbel 7 hat einseitig eine freie Rippe. »Eine nachträglich speziell auf die Verhältnisse der übrigen Rippen sowie auf die Wirbel gerichtete Untersuchung hat von dem normalmäßigen Bestande derselben nach Zahl, Größe und Gestalt überzeugt. « Fall 6. Srtıepa®t. Erwachsene Frau. Wirbel 7 hat einseitig eine freie Rippe. »Die Zahl der Brustwirbel und der daran be- festigten Brustrippen war die normale, ebenso die Zahl der Lenden- wirbel.« Fall 7. GRUBER>. Weibliches Skelett. Wirbel 7—19 tragen je ein Paar freier Rippen. »Die Zahl der Wirbel ist die gewöhnliche. « Fall 8. Beschrieben von ROSENMÜLLER®, erwähnt bei GRUBER”. Sechsmonatlicher Embryo. Wirbel 7 trägt ein Paar freier Rippen. »Normalzahl der Wirbel, 13 Rippenpaare.« Fall 9. Musee VroLık® Weibliches Skelett. Wirbel 7 trägt einseitig eine freie Rippe. HALBERSTMA? hat dieses Skelett auch beschrieben, wonach GRUBER !" berichtet: »Es sind 12 Paar gut aus- gebildeter Brustrippen, die normale Anzahl Hals-, Brust- und Lenden- wirbel zugegen.« Fall 10. Musee Vrouık1!. Junge Frau. Wirbel 7 trägt (wahr- 1 1899, S. III und IV. 2 1896, 8.6. Troisieme cas. 3 1859, S. 10 und 11. 4 1866. 8. 425. 5 1869, S. 25. 6 1804. 7 1869, 8. 3. 8 1865, 8. 456, Nr. 509. 9 1858. 10 1869, S. 4. 11 1865, 8. 456, Nr. 511. 60 Hermann Adolphi scheinlich nur einseitig) eine freie Rippe. GRUBER! fügt nach dem Handbuche VROoLIKs? hinzu: »Gewöhnliche Wirbelzahl.« Fall 11. LeBoUCQ®. Erwachsene Frau. Wirbel 7—19 tragen je ein Paar freier Rippen. Wirbel 24 ist der letzte Lumbalwirbel. Die letzten Sternalrippen gehören Wirbel 14 an. Fall 12. LeBoucQ* 61/amonätlicher Embryo. Wirbel 7—19 tragen je ein Paar freier Rippen. Wirbel 24 ist der letzte Lumbal- wirbel. Fall 13. LeBoucg°. Alte Frau. Wirbel 7 trägt einseitig eine freie Rippe. Die letzten Rippen gehören Wirbel 19 an. Wirbel 24 ist der letzte Lendenwirbel. Das Sternum ist nicht in Manubrium und Corpus geteilt. Die letzten Sternalrippen gehören Wirbel 14 an. Fall 14. STRUTHERS®. Jugendliche Wirbelsäule. Wirbel 7 trägt ein Paar freier Rippen. »All the other vertebrae and ribs normal.« Fall 15. PıLuına?. Erwachsene Frau. Wirbel 7 trägt einseitig eine freie Rippe »bei sonst normaler Wirbelformel«. Fall 16. Beschrieben von SHEPHERD®, erwähnt bei PıLLıng®. Alte Frau. Wirbel 7 trägt einseitig eine freie Rippe. »Die Wirbel- formel entspricht der Norm.« Fall 17. Beschrieben von SHEPHERD!®, erwähnt bei PıLLınq!!. Männliches Skelett. Wirbel 7 trägt ein Paar freier Rippen. »Die Wirbelformel entspricht der Norm.« Fall 18. Beschrieben von ARBUTHNOT LAnEl2, erwähnt bei Pıruına 13. Wirbel 7 trägt einseitig eine freie Rippe. »Die Wirbel- formel ist normal.« Fall 19. Beschrieben von BRODIER!4, erwähnt bei PILLIn@®, Skelett einer etwa 50jährigen Frau. Wirbel 7—19 tragen je ein Rippenpaar. Wirbel 24 ist der letzte Lumbalwirbel. Fall 20. Skelett eines erwachsenen Mannes aus St. Petersburg, dem hiesigen anatomischen Institute gehörig. Wirbel 7 hat auf der rechten Seite eine freie Rippe besessen, die bei der Maceration ver- loren ist. Am Körper des Wirbel 7 findet sich rechts ein kleiner Höcker, der auf seiner Oberfläche eine Fovea costalis superior trägt. Diese Gelenkfläche ist annähernd kreisrund und hat einen Durch- 1 1869, 8.4. 2 1842. 3 1896, S. 7. Quatrieme cas. 4 1896, S. 13. Dixieme cas. 5 1896, S. 13. Onzieme cas. 6 1875, S. 34. Case 3. 7 1894, 8.22. III. Fall (136). 8 1883. 9 1894, 8.10. I. Fall (100). 10 1883, 11 1894, 8.10. IL Fall (101). 12 1884. 13 1894, S.12. I. Fall (106). 14 1892. 15 1894, 8.16 (123). Über Variationen des Brustkorbes u. der Wirbelsäule des Menschen, 61 messer von 4 mm. Der rechte Querfortsatz des Wirbel 7 trägt eine Fovea costalis transversalis von 9 mm Breite und 3 mm Höhe. Da- nach zu urteilen kann die Rippe nicht sehr groß gewesen sein. Wirbel 8—19 tragen je ein Paar freier Rippen. Die Rippen des Wirbel 17 haben keine Artieulatio costotransversaria. Die Rippen des Wirbel 19 hatten keinen Rippenknorpel. Die rechte ist der Konkavität nach gemessen 92 mm lang, die linke 78 mm. Wirbel 20 —24 sind Lumbalwirbel. Das Sacrum wird von den Wirbeln 25—29 gebildet. Die Sacralkrümmung ist einfach. Die Facies auricularis gehört nur den Wirbeln 25 und 26 an. Steißbein und Sternum sind verloren. Fall 21. Skelett eines erwachsenen Türken, unter H. 802 in der Sammlung des hiesigen anatomischen Instituts befindlich, Wirbel 7 trägt ein Paar freier Rippen, die aus Kopf, Hals, Höcker und einem sehr kurzen Körper bestehen, welcher zugespitzt endet. Der Kopf ist klein und artikuliert mit dem Wirbel 7 an der Grenze von Wirbelkörper und Bogen. Der Rippenhöcker ist stark und artiku- liert mit dem gleichfalls starken Querfortsatz des Wirbel 7. Die rechte Rippe ist, an der Konkavität gemessen, 30 mm lang. Der Abstand des vorderen Rippenendes von der Articulatio costotrans- versaria beträgt 16 mm. Links sind die Maße 35 mm und 20 mm. Weder rechts noch links war ein Rippenknorpel vorhanden. Wirbel 19 trägt rechts eine freie Rippe von 86 mm Länge, die linke Rippe ist 51 mm lang und mit dem Wirbel synostotisch verbunden. Das Rippenköpfchen grenzt sich durch sein Relief deutlich gegen den Wirbelkörper ab. Wirbel 20—24 sind reine Lendenwirbel. Das Sacrum wird von den Wirbeln 25—29 gebildet. Die Sacralkrüm- mung ist einfach. Die Facies auricularis gehört den Wirbeln 25—27 an. Steißbein und Sternum sind verloren. Fall 22—26. DwiıscHt!, Fünf Wirbelsäulen mit Rippen von geringer Größe am Wirbel 7. »There is a general tendency in this group for. an underdevelopment of the last ribs to accompany the over development of the costal elements of the 7'* vertebra. Hence the thorax appears to be moving towards the head on one or both sides. In one spine the last pair of ribs look like transverse pro- cesses eut through at their bases.«. Negerin. Wirbel 7—18 tragen je ein Paar freie Rippen. Wirbel 24 ist der letzte Lumbalwirbel. Fall 54. DwisHt®. Neger. Wirbel 7—18 tragen je ein Paar freie Rippen. Wirbel 24 ist der letzte Lumbalwirbel. Fall 55. Beschrieben von BatEson’, erwähnt bei BoLk®. Wirbel 7 trägt ein- oder doppelseitig freie Rippen. Die letzten Rippen gehören Wirbel 18 an. Gruppe 5. Die untere Thoraxgrenze und die Lumbosacralgrenze liegen beide höher als gewöhnlich, 13 Fälle (56—68). Fall 56. TURNER®. Frau. Wirbel 7—18 tragen je ein Paar freie Rippen. : Wirbel 19 trägt rechts keine Rippe, links eine solche von 0,8 Zoll1° (20 mm) Länge, die mit dem Wirbel nicht durch ein Ge- lenk, sondern nur durch Bandmasse verbunden ist. Wirbel 23 ist der letzte Lumbalwirbel. 1 1865, 8. 456. Nr. 510. 2 1875, 8. 72. Case 9. 3 1896, S. 562. Case A. 4 1877, S. 627. Observation 4. 5 1887, 8. 545. 6 1887, S. 548. Case 3. 71894, S. 112. 8 1900, S. 93. 9 1870, S. 130. 10 Im Original steht 8 Zoll, ein Druck- fehler, den der Autor in Bd. V, S. 359 derselben Zeitschrift richtiggestellt hat Morpholog. Jahrbuch. 33. 5 s 66 Hermann Adolphi Fall 57. FiscHer!. Mann. Wirbel 7—18 tragen je ein Paar freie Rippen. Wirbel 23 ist der letzte Wirbel von rein lumbaler Form. Der linke Querfortsatz des Wirbel 24 ist mit dem Saerum verschmolzen. Das Sternum ist in Manubrium und Corpus geteilt, entsprechend dem Ansatze der Rippen des Wirbel 9. Die letzten Sternalrippen gehören Wirbel 14 an. Fall 58. GRrUBER? Alte Frau. Wirbel 7 trägt einseitig eine freie Rippe. Die letzten Rippen gehören Wirbel 18 an. Wirbel 23 ist der letzte Lumbalwirbel. Fall 59. DwiscHt?. Junger Mann. Wirbel 7—18 tragen je ein Paar freie Rippen. Wirbel 23 ist der letzte Lumbalwirbel. Fall 60. DwiıcHtt. Wirbel 7—18S tragen je ein Paar freie Rippen. Wirbel 23 ist der letzte Lumbalwirbel. Die letzte Sternal- rippe gehört rechts Wirbel 13 an, für die linke Seite fehlt eine Angabe. Fall 61. DwiıcHTt’. Alte Frau. Wirbel 7—18 tragen je ein Paar freie Rippen. Wirbel 23 ist der letzte. reine Lumbalwirbel. Wirbel 24 ist einseitig »sacralisiert«. Fall 62. DwıcHt®, Wirbel 7—18 tragen je ein Paar freie Rippen. Wirbel 23 ist der letzte Lumbalwirbel. Das Sternum ist nicht in Manubrium und Corpus geteilt. Die letzten Sternalrippen gehören Wirbel 13 an. Fall 63. TscHuuGunow’. Erwachsener Mann. Wirbel 7 trägt rechterseits eine freie Rippe. Die letzten Rippen gehören Wirbel 18 an. Wirbel 23 ist der letzte Wirbel von rein lumbaler Form. Wirbel 24 beteiligt sich an der Bildung der linken Pars lateralis saeri. Fall 64. Bork®. Alter Mann. Wirbel 7—18 tragen je ein Paar freie Rippen. Wirbel 23 ist der letzte Lumbalwirbel. Das Sternum gliedert sich in Manubrium und Corpus, entsprechend dem Ansatze der Rippen des Wirbel 8. Die letzten Sternalrippen ge- hören Wirbel 13 an. Fall 65. BoLk?. Wirbel 7—18 tragen je ein Paar freie Rippen. Wirbel 23 ist der letzte Lumbalwirbel. Fall 66. Bork!0. Wirbel 7—18 tragen je ein Paar freie Rippen. Wirbel 23 ist der letzte Lumbalwirbel. 1858, 8. 537. 2 1869, $. 23. 3 1897, 8.539. Case 1. 1887, S. 542 und 1901, 8. 331. Class V. Group C. 1901, S. 331. Class IV. Group C. 6 1901, S. 337. 1896, 8.117. 8 1900,8.85. 9 1900,8.91. 10 1900, 8.93, Anm.1. a »$r » EEE. WE DEE WE 2ER RT w u f | } m Über Variationen des Brustkorbes u. der Wirbelsäule des Menschen. 67 Fall 67. Beschrieben von GERARD!, erwähnt bei BoLk?. Wirbel 7—18 tragen je ein Paar Rippen. Wirbel 23 ist der letzte Lumbal- wirbel. Fall 68. Beobachtet von STADERINI?, referiert von KRAUSE im Jahresbericht‘. Wirbel 7—18 tragen je ein Paar Rippen. Wirbel 23 ist der letzte Lumbalwirbel. B. Eine oder beide Rippen des Wirbel 8 sind rudimentär, so daß sie das Sternum nicht erreichen. Gruppe 6. Die untere Thoraxgrenze und die Lumbosaeralgrenze sind normal, 7 Fälle (69—75). Hierher gestellt sind noch zwei Fälle, in denen die untere Thoraxgrenze normal ist, während Angaben über die Lumbosacralgrenze fehlen (76 und 77). Fall 69. Turner’. Mann. Die linke Rippe des Wirbel 8 ist rudimentär. Die letzten Rippen trägt Wirbel 19, die rechte ist 3 Zoll (76 mm), die linke 3!/, Zoll (33 mm) lang. Diese Rippen gehören — nach dem auf S. 47 und 48 über die mittlere Länge -der Rippen des Wirbel 19 Gesagten — zu den kürzeren. Wirbel 24 ist der letzte Lumbalwirbel. Aus der Abbildung geht hervor, daß das Sternum nicht in Manubrium und Corpus geteilt war. Fall 70. Turser®. Mann. Beide Rippen des Wirbel 8 sind rudimentär. Die letzten Rippen trägt Wirbel 19, sie sind etwa 4 Zoll (102 mm) lang, gehören also noch zu den kürzeren Rippen. Wirbel 24 ist der letzte Lumbalwirbel. Die Verbindung von Manubrium und Corpus sterni liegt in der Höhe des Ansatzes der Rippen des Wirbel 9. Fall 71. Dukes and Owen’. Wirbel 8 hat — wahrscheinlich beiderseits — eine rudimentäre Rippe. Die letzten Rippen trägt Wirbel 19. Wirbel 24 ist der letzte Lumbalwirbel. Fall 72. GrUBER®. Mann. Die linke Rippe des Wirbel 8 ist rudimentär. »Es sind zwölf Rippenpaare und die normale Zahl der Wirbel vorhanden. « Fall 73. Herm°®. Alte Frau. Die rechte Rippe des Wirbel 8 ist rudimentär. Die letzten Rippen trägt Wirbel 19. Wirbel 24 ist der letzte Lumbalwirbel. Die letzte Sternalrippe gehört rechts Wir- bel 15, links Wirbel 14 an. Das Sternum ist nicht in Manubrium und Corpus geteilt. Fall 74. Grosse!0. Mann. Beide Rippen des Wirbel 8 sind 1 1900, 8. 61. 2 1900, 8. 93, Anm. 1. 31894, 8. 56. 4 1895, 8. 10. 5 1883, 8.390. Case 2. Fig.2. 6 1883, 8.387. Case 1. 7 1902, $. 290. 8 1880, 8.82. 9 1895, 8. 540. 10 1893, $. 410. B* 68 Hermann Adolphi rudimentär. Die letzten Rippen trägt Wirbel 19. Wirbel 24 ist der letzte Lumbalwirbel. Fall 75. Pıruıne!. 6monatlicher weiblicher Fötus. Die linke Rippe des Wirbel 8 ist rudimentär. Die rechtsseitigen Rippen des Wirbel 8 und 9 erreichen das Sternum vermittels eines gemeinsamen Rippenknorpels, der in seinem lateralen Teile gegabelt ist. Die letzten Rippen gehören Wirbel 19 an. Wirbel 24 ist der letzte Lumbalwirbel. Die letzten Sternalrippen gehören Wirbel 15 an. Aus der Abbildung ist zu ersehen, daß das Sternum, entsprechend dem Ansatze der Rippen des Wirbel 10, in Manubrium und Corpus geteilt ist. Fall 76. Lesoucg? Alter Mann. Beide Rippen des Wirbel 8 sind rudimentär. Die letzten Rippen trägt Wirbel 19. Das Sternum ist nicht in Manubrium und Corpus geteilt. Die letzten das Sternum erreichenden Rippen gehören Wirbel 14 an. Fall 77. HERTSLET?®. Mann. Beide Rippen des Wirbel 8 sind rudimentär. Die letzten Rippen trägt Wirbel 19. Die Verbindungs- stelle von Manubrium und Corpus sterni entspricht dem Ansatze der Rippen des Wirbel 9. Die letzten Sternalrippen gehören Wirbel 14 an. Gruppe 7. Die untere Thoraxgrenze ist normal, die Lumbo- sacralgrenze steht tiefer als gewöhnlich, 2 Fälle (78 und 79). Fall 78. BettamrY!. Beide Rippen des Wirbel 8 sind rudi- mentär. Die letzten Rippen trägt Wirbel 19. Wirbel 25 ist der letzte Lumbalwirbel. Fall 79. Beobachtet von Rex, referiert von KoLLMANN im Jahres- berieht®. Mann. Beide Rippen des Wirbel 8 sind rudimentär. Die letz- ten Rippen trägt Wirbel 19. Wirbel 25 ist der letzte Lumbalwirbel. Gruppe 8. Die untere Thoraxgrenze steht tiefer als gewöhnlich, die Lumbosaeralgrenze ist normal, 1 Fall (80). Hierher gestellt ist noch ein Fall, in dem die untere Thoraxgrenze auch tiefer steht als gewöhnlich, sichere Angaben über die Lumbosacralgrenze aber fehlen (81). Fall 80. ApoupHI?”. Erwachsener Mann aus St. Petersburg. Beide Rippen des Wirbel 8 sind rudimentär. Die letzten Rippen trägt Wirbel 20. Wirbel 24 ist der letzte Lumbalwirbel. Fall SI. STRUTHERS®. Frau. Die rechte Rippe des Wirbel 8 1 1894, S.18 und Fig. 1. 2 1896, S. 14. Premier cas. 3 1896, S. 562. Case B. 4 1875, S.185. 53 1885, 8. 173. 6.1886, 8. 7. 7 1900, 8. 1370, 8 1875, 8.60. Case 1. Über Variationen des Brustkorbes u. der Wirbelsäule des Menschen. 69 ist rudimentär. Die letzten Rippen trägt Wirbel 20. Wirbel 24 ist Lumbalwirbel — ob der letzte, bleibt ungewiß, da die distal folgen- den Teile der Wirbelsäule am Präparat fehlen. Gruppe 9. Die untere Thoraxgrenze und die Lumbosacralgrenze stehen tiefer als gewöhnlich, 11 Fälle (82—92). Fall 82. Low!. Mann. Die linke Rippe des Wirbel 8 ist rudi- mentär. Die letzten Rippen trägt Wirbel 20. Wirbel 24 ist der letzte reine Lumbalwirbel. Wirbel 25 trägt rechts einen Querfort- satz von lumbalem, links einen solehen von sacralem Charakter. Das Sternum ist in Manubrium und Corpus geteilt, entsprechend dem Ansatze der Rippen des Wirbel 10. Die letzten Sternalrippen ge- hören Wirbel 15 an. Fall 83. Skelett eines Mannes, dem hiesigen anatomischen In- stitute gehörig. Die Leiche wurde dem Institute im Sommer 1901 aus St. Petersburg zugeschiekt. Die Rippen des Wirbel 8 erreichten das Sternum nicht. Die rechte Rippe ist, der Konkavität nach ge- messen, 74 mm lang. Das vordere Ende läuft in eine abgerundete Spitze aus. Von hier scheint ein Band ausgegangen zu sein, das sich an einem Höcker der oberen Fläche der nächsten Rippe be- festigte. Die linke Rippe des Wirbel 8 ist bei der Maceration ver- loren. Gestalt und Größe der Rippen des Wirbel 9 und der Foveae costales des Wirbel 8 sprechen dafür, die linke Rippe des Wirbel 8 sei kleiner gewesen als die rechte, habe sich aber sonst ihr gleich verhalten. Beide Rippen des Wirbel 18 besitzen eine Artieulatio costotransversaria. Die Rippen des Wirbel 19 sind lang. Längs der konkaven Seite mißt die rechte 161 mm, die linke 166 mm; hinzu- zufügen ist noch die Länge des Rippenknorpels, die nach der zu- gespitzten Form des Rippenendes rechts auf 4 mm, links auf 3 mm zu schätzen ist. Wirbel 20 hat ein Paar Rippen getragen, sie sind aber bei der Maceration verloren gegangen. Wirbel 21—25 sind reine Lumbalwirbel. Wirbel 26—30 bilden das Sacrum. Wirbel 31 ist an Körper und Gelenkfortsätzen synostotisch mit dem Sacrum verbun- den, doch kann er nicht als Sacralwirbel betrachtet werden, da er sich an der Bildung der Partes laterales nicht beteiligt. Die folgen- ‘den Wirbel sind bei der Maceration verloren. Das Sternum fehlt. Fall 84. GRUBER?. Mann. Die rechte Rippe des Wirbel 8 ist rudimentär. Die letzten Rippen trägt Wirbel 20. Wirbel 25 ist der 1 1900, 8.451 und Fig. 1 und 2. 2 1976, 8. 344. 70 Hermann Adolphi letzte Lumbalwirbel.e Die Verbindungsstelle von Manubrium und Corpus sterni entspricht dem Ansatze der Rippen des Wirbel 9. Fall 85. ArBUTHNnoT Lane!. Mann. Die rechte Rippe des Wirbel 8 ist rudimentär. Die letzten Rippen trägt Wirbel 20. Wir- bel 25 ist der letzte Lumbalwirbel. Die Verbindungsstelle von Ma- nubrium und Corpus sterni reicht, nach links um 1/; Zoll (8 mm) ansteigend, vom Ansatze der rechten Rippe des Wirbel 10 bis zum Ansatze der linken Rippe des Wirbel 9. Die letzte Sternalrippe gehört rechts Wirbel 16 an, für die linke Seite ist keine Angabe vorhanden. Fall S6. LeBoucQ? Mann. Die rechte Rippe des Wirbel 8 ist rudimentär. Die letzten Rippen trägt Wirbel 20. Wirbel 25 ist der letzte Lumbalwirbel. Die Verbindungsstelle von Manubrium und Corpus sterni entspricht dem Ansatze der Rippen des Wirbel 10. Die letzten Sternalrippen gehören Wirbel 15 an. Fall 87. ‚, Lesoucg°. Frau. Beide Rippen des Wirbel 8 sind rudimentär. Die letzten Rippen trägt Wirbel 20. Wirbel 25 ist der letzte Lumbalwirbel. Die Verbindungsstelle von Manubrium und Corpus sterni entspricht dem Ansatze der Rippen des Wirbel 10. Die letzten Sternalrippen gehören Wirbel 15 an. Fall 88. Lesoucg!. Frau. Beide Rippen des Wirbel 8 sind rudimentär. Die letzten Rippen trägt Wirbel 20. Wirbel 25 ist der letzte Lumbalwirbel. Das Sternum ist nicht in Manubrium und Corpus geteilt. Die letzte Sternalrippe gehört rechts Wirbel 15, links Wirbel 14 an. Fall 89. DBeschrieben von LEVELING’, erwähnt bei GRUBER®. Mann. Die Rippen des Wirbel S waren rudimentär. Die letzten Rippen trug Wirbel 20. Wirbel 25 ist der letzte Lumbalwirbel. Fall 90. Dwiıscnar’. Eine Rippe des Wirbel 8 ist rudimentär. Die letzten Rippen trägt Wirbel 20. Wirbel 25 ist der letzte Lum- balwirbel. Fall 91. ROSENBERG®. Neugeborenes Kind mit Sirenenbildung. Beide Rippen des Wirbel 8 sind außerordentlich kurz und mit dem knöchernen Abschnitt der folgenden Rippe synostotisch verbunden. Die letzten Rippen trägt Wirbel 21. Wirbel 26 ist letzter Lumbal- 1 1885, S. 267. 2 1896, S.7. Cinquieme cas mit Fig. 3. 3 1896, S. 10. Sixieme cas mit Fig. 7 auch 1894, S.186, wo der Bau der Halswirbelsäule noch verkannt ist. * 1895, 8.14. Deuxieme cas mit Fig. 9. 5 1787, 8. 145. 6 1869, 8. 2. 7 1901, 8.329. Class III. Group A. 8 1899, S.89 und 90, Fig. III und Taf. V Fig. 1, 2 und 3. Über Variationen des Brustkorbes u. der Wirbelsäule des Menschen. 71 wirbele Die Lage der Knochenkerne im Sternum gestattet anzu- nehmen, die Grenze zwischen Manubrium und Corpus sterni ent- spreche dem Ansatze der Rippen des Wirbel 10. Die letzte Sternal- rippe gehört rechts Wirbel 16, links Wirbel 15 an. Fall 92. Beschrieben von VArAGLIA!, erwähnt bei ROSENBERG? Es fanden sich zwei Halbwirbel, der eine auf der rechten Seite zwi- schen dem dritten und vierten vollständigen Brustwirbel, der andre auf der linken Seite zwischen dem ersten und zweiten Brustwirbel. Zählt man die beiden Halbwirbel mit, so ergibt sich, daß Wirbel 8 ganz ohne Rippen ist, Wirbel 21 die letzten Rippen trägt und Wir- bel 27 letzter Lendenwirbel ist. Der unmittelbare Eindruck, den diese Kasuistik hervorruft, ist der, daß die obere und die untere Thoraxgrenze nebst der Lumbo- sacralgrenze die Tendenz haben, in der gleichen Richtung zu vari- ieren. In Summa gehörten, wenn Wirbel 7 ein- oder doppelseitig freie [Rippen trug, die letzten Rippen in 19 Fällen Wirbel 18 an, in 45 Fällen? Wirbel 19, in 2 Fällen* Wirbel 20 und in einem Falle Wirbel 21. Für einen Fall lagen keine Angaben vor. Wenn eine oder beide Rippen des Wirbel 8 rudimentär waren, so gehörten die letzten Rippen in keinem Falle Wirbel 18 an, in 11 Fällen Wirbel 19, in weiteren 11 Fällen Wirbel 20 und in 2 Fällen Wirbel 21. Stellt man diese Daten mit jenen zusammen, die ich über das Verhalten der unteren Thoraxgrenze bei normaler oberer Grenze im Obuchowhospital eruiert habe, so ergibt sich nachfolgende Tabelle. Tabelle 11 zeigt: je näher die obere Thoraxgrenze dem Kopfe zu liegt, um so seltener tragen Wirbel 21 und 20 Rippen, um so häufiger ist Wirbel 18 der letzte Brustwirbel. Trug Wirbel 7 ein- oder doppelseitig freie Rippen, so war noch etwas häufiger als in einem Viertel der Fälle (28,4°/,) Wirbel 18 der letzte Brustwirbel, bei sogenannter normaler oberer Thoraxgrenze kommt dieser Zustand — wie bereits auf $. 47 erwähnt — zwar vor, aber so selten, daß ich ihn an den 83 Leichen des Obuchow- hospitals keinmal gefunden habe. Wenn eine oder beide Rippen des Wirbel 8 rudimentär sind, war Wirbel 18 nie letzter Brustwirbel. 1 1885, 8. 702. 2 1899, 8. 101. 3 In einem dieser Fälle war eine der Rippen des Wirbel 19 ankylosiert. 4 In einem dieser Fälle war Wirbel 20 nur einseitig berippt. 12 Hermann Adolphi Auch ROSENBERG ! hat keinen derartigen Fall finden können, obgleich ihm eine viel größere anatomische Literatur zur Verfügung stand wie mir. Wirbel 20 ist letzter Brustwirbel, wenn Wirbel 7 freie Rippen trägt in 3,0%, aller Fälle, wenn die obere Thoraxgrenze normal ist, Tabelle 11. | Die letzten Rippen gehören Wirbel: | 18 19 20 21 Anz. Anz. Anz. Anz, | Summe der %/o der % | der 0/9 | der | % der Beob. Beob. | Beob. Beob. | Beob. Wirbel 7 trägt ein- oder doppelseitigfreieRippen | 19 (28,4)| 45 (67,2) 2 (3,0)| 1 (1,5)| 67 Die obere Thoraxgrenze ist normal — (-) | 76 (91,6)|° 7 ea Eine oder beide Rippen des Wirbel 8 sind rudi-| mentär in 8,4°%,, wenn die Rippen des Wirbel 8 rudimentär sind, in 45,8 %/, aller Fälle. Mit der Entfernung der oberen Thoraxgrenze vom Kopfe nehmen demnach die Fälle von relativem Tiefstand der unteren Thoraxgrenze bedeutend zu. Wirbel 21 war letzter Brustwirbel bei freien Rippen am Wirbel 7 in einem unter 67 Fällen (1,5%,), bei normaler oberer Thoraxgrenze keinmal, bei rudimentären Rippen des Wirbel 8 in zweien unter 24 Fällen. Die von ROSENBERG beschrie- bene Leidener Wirbelsäule mit ihrer vom 7. bis zum 21. Wirbel reichenden Berippung nimmt somit eine. etwas isolierte Stellung ein, worauf schon DwisHT? hingewiesen hat. Den Sinn der Tabelle stört sie aber durchaus nicht; denn dieser tiefste Stand der unteren Thoraxgrenze findet sich, wenn die Rippen des Wirbel 8 rudimen- tär sind, noch nahezu sechsmal häufiger vor (1,5%, gegen 8,3%). Daß Wirbel 19 die Stellung eines letzten Brustwirbels einnimmt, ist bei normaler oberer Thoraxgrenze mit einer Häufigkeit von 91,6 °/, durchaus der herrschende Zustand. Dieser Zustand ist auch herr- schend, wenn Wirbel 7 freie Rippen trägt, seine Häufigkeit ist aber doch erheblich gegen die Norm vermindert (von 91,60%, auf 67,2%%,), 1 1899, 8. 97. 2 1901, S. 344. Bei DwiGuT hat sich die falsche Angabe oder der Druck- fehler eingeschlichen, es besitze die Leidener Wirbelsäule nur 25 Präsacral- wirbel; sie hat aber faktisch 26 Präsacralwirbel. Über Variationen des Brustkorbes u. der Wirbelsäule des Menschen. 73 und zwar zugunsten der Fälle mit verkürztem unteren Thoraxende. Wenn die Rippen des Wirbel 8 rudimentär sind, tritt Wirbel 19 zwar auch noch sehr häufig als letzter Brustwirbel auf, aber dieser Zustand ist nicht mehr herrschend. Seine Häufigkeit ist gegen die Norm um die Hälfte zurückgegangen (von 91,6°/, auf 45,8%,), und zwar zugunsten der Fälle mit verlängertem unteren Thoraxende. Will man sich dieses Verhalten in einer kurzen Angabe merken, so läßt sich sagen: Wenn das obere Ende des Brustkorbes normal ist, so ist in 11/,, der Fälle auch das untere Ende des Brustkorbes nor- mal, d.h. Wirbel 19 ist letzter Brustwirbel; in den übrigen Fällen ist das untere Ende des Brustkorbes verlängert. Wenn Wirbel 7 ein- oder doppelseitig freie Rippen trägt, so ist in 2/;, der Fälle das untere Ende des Brustkorbes normal; in den übrigen Fällen ist das untere Ende des Brustkorbes zumeist verkürzt. Wenn eine oder beide Rippen des Wirbel 8 reduziert sind, so ist in etwa der Hälfte der Fälle das untere Ende des Brustkorbes normal, in den übrigen Fällen ist es verlängert. Somit besteht ein deutliches Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Variationen der oberen und der unteren Tho- raxgrenze, und zwar in dem Sinne, daß diese Grenzen die Tendenz haben, von einer gewissen mittleren Lage in glei- cher Richtung abzuweichen, d.h. entweder beide proximal- wärts oder beide distalwärts. Letzter Wirbel von rein lumbalem Charakter war, wenn Wirbel 7 ein- oder doppelseitig freie Rippen trug, in 18 Fällen Wirbel 231, in 37 Fällen Wirbel 24, in einem Falle Wirbel 25, in zwei Fällen Wirbel 26 und in einem Falle Wirbel 27. Für die übrigen neun Fälle liegen keine Angaben vor. Wenn eine oder beide Rippen des Wirbel S rudimentär waren, so war der letzte reine Lumbalwirbel in keinem Falle Wirbel 23, in neun Fällen Wirbel 242, in zehn Fällen Wirbel 25 und in je einem Falle Wirbel 26 und 27. Für die übrigen drei Fälle liegen keine Angaben vor. Stellt man diese Daten mit jenen zusammen, die ich über das Verhalten der Lumbosacralgrenze bei normaler oberer Thoraxgrenze im Obuchowhospital eruiert habe, so ergibt sich folgende Tabelle: 1 Dabei hatte in sechs Fällen der folgende 24. Wirbel einseitig lumbalen Charakter. 2 Dabei hatte in einem Falle der folgende 25. Wirbel einseitig lumbalen Charakter. 74 Hermann Adolphi Tabelle 12. Der letzte reine Lumbalwirbel ist Wirbel: 23 24 25 26 27 | Anz. NR Anz. Anz. Anz. Summe der 9 der %% der [7A der 0 der f) der Beob. Beob. Beob. Beob. Beob. Beob. Wirbel 7 trägt ein- oder doppelseitig freie Rippen 18 (30,5): 37 62,)| 2. 1,7)\ 2) BA E59 Die obere Thorax- grenze ist normal || 3 (86)| 7 28) | 3 BI — —)|I— (|| 8 Eine oder beide Rip- pen des Wirbel 8 sind rudimentär - 6) | 9 (42,9| 10 476)| 1 a8) ze 21 Tabelle 12 zeigt: je näher die obere Thoraxgrenze dem Kopfe zu liegt, um so häufiger ist Wirbel 23 und um so seltener ist Wirbel 25 letzter Lumbalwirbel. Trug Wirbel 7 ein- oder doppelseitig freie Rippen, so war Wirbel 23 nahezu in einem Drittel der Fälle letzter Lendenwirbel (30,5°/,), bei normaler oberer Thoraxgrenze kommt dieser Zustand nur selten vor (3,6°/,), wenn eine oder beide Rippen des Wirbel 8 rudimentär sind — gar nicht. Wirbel 25 fand sich als letzter Lumbalwirbel, wenn Wirbel 7 freie Rippen trug in 1,7%, der Fälle, bei normaler oberer Thorax- grenze in 3,6°/,, wenn die Rippen des Wirbel 8 rudimentär waren, in 47,6°,, also nahezu in der Hälfte aller Fälle. Mit der Entfernung der oberen Thoraxgrenze vom Kopfe nehmen demnach die Fälle von relativem Tiefstand der Lumbosacralgrenze bedeutend zu. Die an sich seltenen Fälle, in denen Wirbel 26 oder 27 letzter Lendenwirbel waren, finden sich bei rudimentären Rippen des Wirbel S doch nahezu doppelt so häufig wie bei freien Rippen an Wirbel 7 (4,8 + 4,8 = 9,6 /, gegen 3,4 + 1,7%, =5,1 %))- Daß Wirbel 24 letzter Lumbalwirbel ist, ist bei normaler oberer Thoraxgrenze mit einer Häufigkeit von 92,8%, durchaus der herr- schende Zustand. Dieser Zustand ist auch herrschend, wenn Wirbel 7 freie Rippen trägt, seine Häufigkeit ist aber doch gegen die Norm erheblich vermindert (von 92,80/, auf 62,7°/,), und zwar wesentlich zugunsten der Fälle mit hochstehender Lumbosacralgrenze. Wenn Über Variationen des Brustkorbes u. der Wirbelsäule des Menschen. 75 die Rippen des Wirbel $ rudimentär sind, tritt Wirbel 24 zwar auch noch sehr häufig als letzter Lumbalwirbel auf, aber dieser Zustand ist nicht mehr herrschend. Seine Häufigkeit ist gegen die Norm um mehr als die Hälfte zurückgegangen (von 92,8%, auf 42,9 °/,), und zwar zugunsten der Fälle mit tiefstehender Lumbosacralgrenze. Somit besteht ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Variationen der oberen Thoraxgrenze und der Lumbo- sacralgrenze, und zwar in dem Sinne, daß diese Grenzen die Tendenz haben, von einer gewissen mittleren Lage in gleicher Richtung abzuweichen, d.h. entweder beide proxi- malwärts oder beide distalwärts. Auch das Sternum zeigte in den hier zusammengebrachten Fällen von Abweichung der oberen Thoraxgrenze vielfache Abweichungen von dem gewöhnlichen Verhalten. Wenn Wirbel 7 ein- oder doppelseitig freie Rippen trug, war das Sternum in fünf Fällen nicht in Manubrium und Corpus geteilt. In einem Falle entsprach die Teilungsstelle dem Ansatz der Rippen des Wirbel 8. In einem weiteren Falle reichte die Synehondrose zwischen Manubrium und Corpus sterni vom unteren Rande der linken Rippe des Wirbel 8 mitten zwischen die Ansätze der rechten Rippen der Wirbel 8 und 9. In zwei Fällen entspricht die Tei- lungsstelle von Manubrium und Corpus sterni dem Ansatze der rechten Rippe des Wirbel 8. In drei Fällen entsprach die Teilungs- stelle dem Ansatze der Rippen des Wirbel 9. Für die übrigen 56 Fälle liegen keine Angaben vor. Wenn eine oder beide Rippen des Wirbel 8 rudimentär sind, ist das Sternum in vier Fällen nicht in Manubrium und Corpus ge- teil. Die Teilungsstelle entspricht dem Ansatze der Rippen des Wirbel 9 in drei Fällen, verbindet in einem Falle, um S mm nach links aufsteigend, den Ansatz der rechten Rippe des Wirbel 10 mit dem Ansatze der linken Rippe des Wirbel 9. In fünf Fällen ent- spricht die Teilungsstelle dem Ansatze der Rippen des Wirbel 10. Für die übrigen 11 Fälle liegen keine Angaben vor. Bei von der Norm abweichendem Verhalten der oberen Thorax- grenze unterbleibt somit die Abgliederung von Manubrium und Cor- pus sterni relativ häufig, und zwar wie es scheint deswegen, weil die Rippen der rechten und der linken Seite oft nicht in gleicher Zahl, nicht in gleicher Stärke und auch nicht in gleicher Höhe das Sternum erreichen. Solche Asymmetrien bieten für die Abgliederung mechanisch ungünstige Verhältnisse, hindern sie aber doch nicht 76 Hermann Adolphi immer, wie unter anderm Fall 85 lehrt. Kommt die Abgliederung zustande, so ist sie bisweilen um ein Segment verschoben, und zwar in derselben Richtung, in welcher die obere Thoraxgrenze ver- schoben ist. Bei Beschreibung eines menschlichen Sternum, das sich ent- sprechend dem Ansatze der Rippen des Wirbel 10 in Manubrium und Corpus teilte, weist PATERSoN! darauf hin, daß dieser Zustand beim Gibbon der normale sei, beim Gorilla häufig, beim Orang und Schimpanse bisweilen vorkomme. Darüber, welchem Wirbel die letzten Sternalrippen angehören, liegen in 15 bzw. 10 Fällen Angaben vor. Wenn Wirbel 7 ein- oder doppelseitig freie Rippen trug, so gehörten die letzten Sternalrippen in zwei Fällen beiderseits Wirbel 13 an, in einem Falle einerseits Wirbel 13, während für die andre Seite keine Angabe vorliegt, in drei Fällen einerseits Wirbel 13, anderseits Wirbel 14, in neun Fällen beiderseits Wirbel 14. Wenn eine oder beide Rippen des Wirbel 8 rudimentär waren, so gehörten die letzten Sternalrippen in zwei Fällen beiderseits Wirbel 14 an, in zwei weiteren Fällen einerseits Wirbel 14, ander- seits Wirbel 15, in vier Fällen beiderseits Wirbel 15, in einem Falle einerseits Wirbel 15, anderseits Wirbel 16, und in einem letzten Falle einerseits Wirbel 16, während für die andre Seite keine An- gabe vorliegt. Stellt man diese Daten — die beiden Körperhälften getrennt zählend — mit jenen zusammen, die ich über die letzten Sternal- rippen bei normaler oberer Thoraxgrenze im Obuchowhospital eruiert habe, so ergibt sich nachfolgende Tabelle. Tabelle 13 zeigt: je näher die obere Thoraxgrenze dem Kopfe zu liegt, um so näher liegt auch die untere Grenze des Gebiets der Sternalrippen dem. Kopfe. Wenn Wirbel 7 ein- oder doppelseitig freie Rippen trug, er- reichte die Rippe des Wirbel 13 sehr häufig als letzte das Sternum (27,6°/,), bei normaler oberer Thoraxgrenze wurde dieser Zustand sehr selten angetroffen (0,6°/,), wenn die Rippen des Wirbel 8 rudi- mentär waren — nie. Die Rippen des Wirbel 15 erreichten das Sternum, wenn Wirbel 7 freie Rippen trug — nie, bei normaler oberer Thoraxgrenze nicht gerade häufig (7,2%). Wenn dagegen die Rippen des Wirbel 8 1 1893, S. XXII. Über Variationen des Brustkorbes u. der Wirbelsäule des Menschen. 77 rudimentär waren, so erreichte die Rippe des Wirbel 15 außerordent- lich häufig das Sternum: in 57,9%, der Fälle als letzte und in wei- teren 10,5°/, als vorletzte, indem auch die Rippe des Wirbel 16 das Sternum erreichte. Der letztere Zustand wurde nur beobachtet, wenn die Rippen des Wirbel 8 rudimentär waren. Tabelle 13. | Die letzte Sternalrippe gehört Wirbel: | 13 14 15 16 Anz. Anz. Anz. Anz || Summe der 0/o der 0%/o der 0% der %/g der Beob. Beob, Beob Beob Beob. Wirbel 7 trägt ein- oder | doppelseitigfreieRippen | 8 27,6] 1729| — —)|— 29 Die obere Thoraxgrenze | | ist normal 1 (0,6) 1153 (92,2)| 12 (79) — || 166 Eine oder beide Rippen des Wirbel 8 sind rudi- | mentär a u) 11 (57,9)| 2 (10,5)! 19 Daß die Rippe des Wirbel 14 als letzte das Sternum erreicht, ist bei normaler oberer Thoraxgrenze mit einer Häufigkeit von 92,20), durchaus der herrschende Zustand. Auch wenn Wirbel 7 Rippen trug, war dieser Zustand herrschend, seine Häufigkeit war aber doch erheblich vermindert (von 92,2°/, auf 72,4°/,), und zwar zugunsten der Fälle, in denen das Gebiet der Sternalrippen am distalen Ende verkürzt ist. Wenn die Rippen des Wirbel 8 rudimentär sind, tritt die Rippe des Wirbel 14 zwar auch noch häufig als letzte an das Sternum, aber dieser Zustand ist nicht mehr herrschend. Seine Häufigkeit ist gegen die Norm nahezu um zwei Drittel zurückge- gangen (von 92,2%, auf 31,6°/,), und zwar zugunsten der Fälle, in denen das Gebiet der Sternalrippen am distalen Ende erweitert ist. Nach allem hier Angeführten muß die Korrelation im Verhalten des oberen Thoraxendes, des Brustbeines, des unteren Thoraxendes und des Saerum als eine wohlkonstatierte anatomische Tatsache an- erkannt werden. Es könnte nun gegen das beigebrachte Material eingewendet wer- den, nicht alle Fälle seien sehr genau beobachtet. Das ist gewiß zu- zugeben. Wenn aber die Möglichkeit vorläge, alles Material nachzu- prüfen, nun so würden die Zahlen vielleicht ein klein wenig abgeändert 78 Hermann Adolphi werden, der Sinn der Tabellen 11, 12 und 13 würde sich aber nicht ändern, denn das Verhalten der unteren Thoraxgrenze, der Lumbo- sacralgrenze und der distalen Grenze des Gebiets der Sternalrippen ist doch ungeheuer verschieden einerseits, wenn Wirbel 7 freie Rip- pen trägt und anderseits, wenn die Rippen des Wirbel 8 rudimen- tär sind. Es kann somit kein Zweifel bestehen, daß in der Gegenwart die Variationen der oberen Thoraxgrenze, der Grenze zwischen Ma- nubrium und ‚Corpus sterni, der unteren Grenze des Gebiets der Sternalrippen, der unteren Thoraxgrenze und der Lumbosaeralgrenze ! sich unter dem Bilde von Schwankungen um eine Mittellage dar- stellen — Schwankungen, welche die Tendenz haben, entweder ge- meinsam distalwärts oder gemeinsam proximalwärts von jener Mittel- lage abzuweichen. Es fragt sich nun, wie läßt sich dieses mit der Umformungs- theorie ROSENBERGS in Einklang bringen ? Man kann sich den Vorgang der Umformung etwa folgender- maßen vorstellen: die jetzt seltenen Fälle, in denen die Rippen des Wirbel 8 reduziert sind, werden in Zukunft immer häufiger, bis schließlich Wirbel 9 ebenso häufig erster Brustwirbel ist wie jetzt Wirbel 8. Fälle, in denen Wirbel 7 freie Rippen trägt, treten nicht mehr auf und es macht sich eine Reduktion der Rippen des Wirbel 9 bemerkbar. Zwischen der Gegenwart und jener fernen Zukunft liegt eine Zeit, in der Wirbel 8 und 9 gleich häufig die Stellung eines ersten Brustwirbels einnehmen. Die jetzt seltenen Fälle, in denen Wirbel 19 keine Rippen trägt, werden in Zukunft immer häufiger, bis schließlich Wirbel 18 ebenso häufig letzter Brustwirbel ist wie jetzt Wirbel 19. Fälle, in denen Wirbel 21 Rippen trägt, treten nicht mehr auf, Wirbel 20 und 19 tragen nur noch so selten Rippen, wie jetzt Wirbel 21 und 20, und es macht sich eine beginnende Reduktion der Rippen des Wirbel 18 geltend. Zwischen der Gegenwart und jener fernen Zukunft liegt eine Zeit, in der Wirbel 19 und 18 gleich häufig die Stellung eines letzten Brustwirbels einnehmen. Die jetzt seltenen Fälle, in denen Wirbel 24 erster Sacralwirbel ist, werden in Zukunft immer häufiger, bis schließlich Wirbel 24 1 Ich habe zwar nur die Variationen der Lumbosacralgrenze eingehend besprochen, da aber das Sacrum ganz unabhängig davon, ob es mit Wirbel 24, 25, 26 oder 27 beginnt, meist aus fünf und nicht selten aus sechs Wirbeln be- steht, so ist daraus ersichtlich, daß die Saerococcygealgrenze die Tendenz hat, in der gleichen Richtung zu schwanken wie die Lumbosacralgrenze. Je ng Über Variationen des Brustkorbes u. der Wirbelsäule des Menschen. 79 ebenso häufig erster Sacralwirbel ist wie jetzt Wirbel 25. Fälle, in denen Wirbel 28 erster Saeralwirbel ist, treten nicht mehr auf. Wirbel 27, 26 und 25 sind nur noch so selten in der Stellung eines Fig. 1. Typus der Umformung des Brustkorbes und der Wirbelsäule des Menschen. Gegen- | wart mit | Norm und Va- | riatio- | nen | Zukunft mit Norm und Variationen I obere Grenze der Wirbelsäule | ! | | | | | | obere Grenze N des Brustkorbes 10 l 10 untere Grenze l I | | 15 | 15 | j | | des Brustkorbes 20 | 20 | | N obere Grenze | des Sacrum 25 25 | | | untere Grenze | des Sacrum 30 30 ı | | untere Grenze \ der Wirbelsäule 35 35 80 Hermann Adolphi ersten Sacralwirbels, wie jetzt Wirbel 28, 27 und 26, und es macht sich der Anschluß des Wirbel 23 an das Sacrum bemerkbar. Zwischen der Gegenwart und jener fernen Zukunft liegt eine Zeit, in der Wirbel 25 und 24 gleich häufig die Stellung eines ersten Saecral- wirbels einnehmen. Ich habe versucht, in vorstehendem Diagramm den soeben ge- schilderten Verlauf von Umformung von Wirbelsäule und Brustkorb graphisch darzustellen. Die Ziffern zu beiden Seiten geben die Ordnungszahlen der Körpersegmente. Die Regionsgrenzen sind in zehn Abschnitten gezeichnet, von denen der erste Abschnitt links den gegenwärtigen Zustand mit seiner Norm und den vorkommenden Variationen darstellt, während nach rechts zu die hypothetische Zu- kunft folgt. Die obere Thoraxgrenze entfernt sich vom Kopfe, die untere Thoraxgrenze und die Grenzen des Sacrum nähern sich dem Kopfe. Diese Richtung der Umformung wird sowohl von dem jeweils vorkommenden häufigsten und daher als Norm geltenden Zustande eingehalten, als auch von den jeweils vorkommenden individuellen Variationen. Diese individuellen Variationen haben dem all- gemeinen Verlaufe des Phänomens gegenüber nur den Cha- rakter von Oscillationen um die jeweilige Norm als Mittel- lage, wobei die Tendenz besteht, daß die Oseillationen an allen Regionsgrenzen die gleiche Richtung einhalten. Diese den Umbildungsprozeß begleitenden und seinem Verlaufe gewissermaßen aufsitzenden Oscillationen beschränken sich aber nicht auf das Skelett, sondern erstrecken sich auch auf andre segmental angeordnete Gebilde. Ein Beispiel bietet das Nervensystem. Ich habe oben gezeigt, daß die distale Grenze des Plexus brachialis im gleichen Sinne schwankt wie die untere Thoraxgrenze — auch wenn die obere Thoraxgrenze konstant bleibt. Das Diagramm ist so entworfen, als ob die obere und die untere Thoraxgrenze sich in der gleichen Zeit um je ein Segment verschieben. Das wird nun, denke ich, nicht der Fall sein. Die Verschiebung beider Grenzen findet nicht im gleichen Tempo statt. Die ver- gleichende Anatomie lehrt, daß die Cervicothoracalgrenze der Säuge- tiere ein relativ sehr viel festerer Punkt ist, wie die Thoracolumbal- grenze. Wenn Wirbel 18 dereinst unser normaler letzter Brustwirbel sein sollte, wird Wirbel S wohl noch lange nicht definitiv von der Brustregion an die Halsregion abgetreten sein. In ähnlicher Weise wie für die Zukunft muß man sich den Ver- lauf des Umbildungsprozesses in der Vergangenheit vorstellen: die ee rege. ee. en De Über Variationen des Brustkorbes u. der Wirbelsäule des Menschen. $1 obere Thoraxgrenze hat sich in distaler, die untere Thoraxgrenze und die Sacralgrenzen haben sich in proximaler Richtung verschoben, wobei die jederzeit vorkommen- den individuellen Variationen dem allgemeinen Verlaufe der Umbildung als Oseillationen aufsaßen, welche stets die Ten- denz hatten, an allen Regions- grenzen die gleiche Richtung einzuhalten. Zu beachten ist, daß die Verschiebungen der unteren Thoraxgrenze und der Sacral- srenzen sehr viel ausgiebiger sind wie die Verschiebungen der oberen Thoraxgrenze. Seit der Zeit der gemeinsamen Vor- fahren von Halbaffen, Affen und Mensch hat innerhalb dieser Gruppe keine wirkliche Ver- schiebung der oberen Thorax- srenze mehr stattgefunden, Wirbel 7 war und ist der letzte Cerviealwirbel; hier sind die individuellen Variationen Öseillationen um eine seit ungeheueren Zeiträumen konstante Mittellage. TschuGunow! hat seine, schon eingangs erwähnte, der Umbildungstheorie ROSENBERGS widersprechende Hypothese in dankenswerter Weise auf das klarste formuliert. TscHuGunow gibt ein Diagramm, das ich nebenstehend kopiert habe, und Fig. 2. TscHuHugGunows Hypothese über die Umformung der Wirbel- säule des Menschen. Vergangen- Gegen- Zu- heit wart kunft obere Grenze der Wirbelsäule obere Grenze des Brustkorbes 15 untere Grenze des Brustkorbes obere Grenze des Sacrum 25 u 25 untere Grenze des Sacrum 30 untere Grenze der Wirbelsäule sagt, die Formel der menschlichen Wirbelsäule sei ehemals gewesen: 8 Halswirbel, 12 Brustwirbel, 5 Lendenwirbel, 5 Saeralwirbel und 1 1896, $. 136. Morpholog. Jahrbuch, 33. 323 Hermann Adolphi 5 Coceygealwirbel, in der Gegenwart sei die Formel: 7 Halswirbel, 12 Brustwirbel, 5 Lendenwirbel, 5 Sacralwirbel und 5 Coceygeal- wirbel und in Zukunft werde die Formel sein: 6 Halswirbel, 12 Brust- wirbel, 5 Lendenwirbel, 5 Sacralwirkel und 5 Coceygealwirbel. TSCHUGUNOW nimmt somit an, daß die Grenzen aller Regionen sich in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in gleichem Tempo ver- schieben, so daß die Anzahl der Segmente in jeder kegion kon- stant bleibt und nur die Zahl der Halswirbel abnimmt. Wirbel 8 sei ehemals beim Menschen letzter Halswirbel gewesen, jetzt ist er — nach Erlangung freier Rippen — erster Brustwirbel. In Zukunft werde auch Wirbel 7 normal freie Rippen tragen und somit erster Brustwirbel sein. Die dem Wirbel 7 gestellte Prognose halte ich zwar für un- wahrscheinlich, doch ließe sie sich verteidigen, dagegen ist die dem Wirbel 8 in der Vergangenheit zuerteilte Rolle ganz unhaltbar. Nichts spricht dafür, daß beim Menschen oder bei seinen Vorfahren oder in irgend einer größeren Säugetiergruppe zu irgend einer Zeit ein Zustand geherrscht habe, wo Wirbel 8 Halswirbel war. Ent- standen ist diese Meinung bei TscHUGUNOWw, indem er die Correlation der Variationen der Regionsgrenzen zwar richtig erkannte, die Be- deutung der individuellen Variationen aber überschätzte. Er sah in ihnen den direkten Weg der Umbildung, während sie doch nur — wie ich glaube gezeigt zu haben — ÖOscillationen auf diesem Wege darstellen. Die gleichen Oseillationen wie beim Menschen sind auch bei andern Säugetieren beobachtet worden. Die Tendenz, daß die obere Thoraxgrenze in der gleichen Richtung von der Norm abweicht wie die untere Thoraxgrenze und die übrigen Regionsgrenzen, scheint ganz allgemein verbreitet zu sein. Auf das Skelett jenes Gorillaweibchens, das STRUTHERS! als einen Fall beschreibt »in which the ribs are placed a vertebra lower than usual«, habe ich schon vor Jahren? hingewiesen, ebenso auf die Beobachtungen, welehe WELCKER? an Faultieren angestellt. TREDGOLD untersuchte 17 Schimpanseskelette. Das letzte Rippen- paar gehört beim Schimpanse meist Wirbel 20 an, seltener Wirbel 21. An einem Skelette trug Wirbel 7 ein paar Rippen von etwa 2'/, Zoll 1 1893, 8. 132. 2 1898, S, 307. 3 1878, $. 294 und 1881, 8, 175. 4 1897, 8. 291. EEE ee EEE had I Über Variationen des Brustkorbes u. der Wirbelsäule des Menschen. 3 (63 mm) Länge, die letzten Rippen gehörten in diesem Falle Wirbel 20 an. MÜLLER! beschreibt ein »in Bändern dargestelltes« Skelett eines Berber-Widders, bei welchem Wirbel 7—19 Rippen tragen, gegenüber Wirbel 8—20 in der Norm »als ob der ganze Brustkorb um einen Wirbel zu weit vorgeschoben wäre«. Die Zahl der Präsacralwirbel beträgt 26, wie das bei Schafen die Norm. Ich selbst habe in dieser Zeitschrift drei Hundeskelette mit un- gewöhnlicher proximaler Thoraxgrenze beschrieben. Auch beim Hunde zeigte es sich, daß die proximale Thoraxgrenze die Tendenz habe in der gleichen Richtung von der Norm abzuweichen, wie die distale Thoraxgrenze und die übrigen Regionsgrenzen. Über die Beobachtungen, welche ich im Laufe der letzten Jahre an einigen Hunderten von Vogelskeletten angestellt habe, hoffe ich demnächst berichten zu können. Jurjew-Dorpat, den - August 1904. Verzeichnis der zitierten Literatur. Die mit * bezeichneten Arbeiten sind mir im Original nicht zugänglich gewesen. 1751. *Pn. An. 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Acta et Com- mentationes Universitatis Jurjewensis. Jahrg. 10. S. 1—8 (Russisch). Some Observations on the Chromosome Vesieles in the Maturation of Nudibranchs'. By W. M. Smallwood. With Plate II. These observations were made on three species of Nudibranchs collected at Wood’s Holl during the summer of 1902. While several different forms were secured, the eggs were not obtained for all of them in sufficient quantity to permit of a detailed study of the problem of maturation in each. This paper then, is confined to cer- tain phases of maturation in the eggs of Doris bifida, Montagua Gouldii, and Montagua pelata. No attempt will be made to give a full account of maturation but only of those changes that especially accompany the history of the chromosomes; nor will the general literature? be reviewed except in so far as it bears on the special problem of this paper. The spawn of Doris bifida is long and ribbon like, 3/8 of an inch wide; one ribbon was two inches in length. The egg mass was always found attached to some foreign objeet, such as the com- mon Fucus or eel-grass. The form of the spawn was interesting; in several instances the lower margin was attached to the stem of the Fucus and while laying the animal had turned nearly around so that the band of eggs Kad the appearance of an open flaring collar. This was a common shape in the Fucus, but occasionally the spawn did not have any definite form, being attached to several 1 Contributions from the Zoological Laboratory, Syracuse University. 2 For full review of the literature of maturation see CONKLIN, 02, and SMALLWOOD, 04. 88 W. M. Smallwood branches. The eggs are arranged in regular rows at right angles to the long axis of the spawn. KORSCHELT and HEIDER! estimate that 600000 eggs are laid by each animal. Deposition occurs from twelve to twenty four hours after copulation. At the time when the eggs are laid, they are in the metaphase of tie first maturation spindle. The sueceeding changes follow rapidly and within an hour or an hour and a half the eggs have segmented into the two and four celled stages. This is a great help in the study of this problem for a single spawn mass may show, if fixed in the metaphase of the first maturation spindle, all of the changes involved in the for- mation of the first and second polar bodies. In the breeding season Montagua Gouldiü are found in the hy- drorhizal portion of Tubularia crocea, being especially abundant in deteriorating colonies; usually Panopeus, Dendronotus, young My- tılus, and many larvae of Worms, Crustacea, ete., are found in com- pany with them. The spawn is small and fan-shaped, each normal sized mass containing about 500 eggs. After a few hours the mass assumes an oval form but if it is kept in stale water, the eggs die, the egg mass agains assuming the fan-shape with the eggs arranged in radiate rows. The spawn is either scattered in Tubu- laria or laid in nests; that is, in small spaces free from the stems and branches of the hydroid. In these nests from 50 to 100 masses of spawn are found. Each individual lays a variable number of egg-masses. A record of 157 animals (SmaLLwoop, ’03) showed an everage of 6.2 spawn-masses for each animal after being brought into the aquarium. Deposition oceurs about the same time after copulation as in D. bifida. The rate of development is slow in comparision with the previous species. While the maturation phe- nomena are well started when the eggs are laid, yet the second polar body is not formed until four hours have elapsed after depo- sition; all of the eggs in a single spawn mass are in about the same stage of development. A rest period of about two hours exists between the two and four celled segmentation stages. Montagua pilata were taken by dredging in Vinyard sound. The method of copulation is somewhat different from the two men- tioned above. Ample opportunity was afforded to observe the pro- cess which is as follows?: »The ends of the oviducts become firmly 1 Invertebrate Embryology. Part IV. p. 102. 2 SMALLWOOD, 03, pp. 15, 16. Some Observations on the Chromosome Vesicles in the Maturation etc. &9 united, probably with mucous, so that the animals may be pulled about in the aquarium with considerable freedom without causing them to separate. I took a pencil and pushed one animal of a pair all around the dish but they did not separate until the irritation became extreme. When they are copulating the distended and swollen ends of the oviducts as they are united are spherical in form and the color is intensified. So close is the union that I could not detecet the line of fusion. The distended end of the oviducts after copulation .is gradually withdrawn into the body until the animal presents a normal appearance; this reduction took nearly three hours in one instance.« »The egg-mass of M. pilata is laid in the form of a string which in some instances was at least six inches long. This string of eggs is more often undulating than straight. There are from two to eight eggs in a single section of the string. No attempt was made to determine the whole number of eggs laid by one ani- mal. The animals in confinement frequently laid short strings of eggs, one to three inches in length and laid several times. Depo- sition oceured from twelve to twenty-four hours after copulation. The rate of development of the eggs is the same as D. bifida. Methods. No diffieulty was experienced in securing properly fixed material by the use of KLEINENBER@G'S piero-sulphurie fluid, Bo- VERT’S piero-acetiec, and GıLson’s mixture; although the latter gave the least satisfactory results. Many of the spawn masses of M. Gouldii were very diffieult to section when fixed by either of the above reagents. The following stains were used: HEIDENHAIN’s Iron haematoxylin accompanied by a plasma stain of Bordeaux red, CoNKLIN’s piero-haematoxylin, and Brazilin. Each have their especial value, the first two being used on all of the stages deseribed in this paper. So tenaciously does not only the deutoplasm but also the cytoplasm retain the Iron-haematoxylin stain, that it was impossible to secure a differential stain by its use alone. The eggs of the two species of Montagua are very diffieult to stain satisfactorily. The 'eggs were imbedded in paraffine at 53 degrees F. but left in the warm paraffine only thirty minutes which was found to be adequate for penetration and did not cause the eggs to become friable. Ovocyte. Sections of the ovotestis of each of the three species shows the ova in all stages of development. The young ovocyte is free from deutoplasm, the eytoplasm presenting a granular appearance, homogenous throughout. The increase in size is accompanied by the 90 W M. Smallwood presence of deutoplasmie bodies in the eytoplasm. The growth is gradual and the material taken up is apparently in a liquid state as it enters the ovocyte. The deutoplasm inereases in amount until it completely fills the region between the nuclear wall and the cell membrane, thus concealing the structure of the cytoplasm. Before the egg is laid, the germinative vesicle is central in position. The changes in the nucleus may be readily observed. The nucleolus in a young ovocyte is a solid mass which takes a deep stain even before the nucleoli in the cells of the other parts of the body show much reaction to the same stain. A number of prominent linin fibres bear chromatic material. As the deutoplasm appears in the eytoplasm, small clear regions may be distinguished in the nucleolus, if the stain is not too intense. This is the beginning of the vacuolization of the nucleolus, the further metamorphosis of which is similar in effect to the changes in Piscicola repax and Tetrastemma elegans (MONTGOMERY, 99), and Zlaminea solitaria (SMALLWOOD, 04); but the process is different in so far as it eoncerns the method by which the chromatin is displaced. After the vacuoles begin to appear, the solid mass of chromatin breaks up into many small bodies (Fig. 1). This fragmentation of the nucleolus is aceompanied by a decrease in the amount of ehromatin until it disappears entirely. "The loss of chromatie material from the nucieolus prevents its fate from being followed during the early stages of maturation; when the chromo- somes are forming from the germinative vesicles, no trace of it is evident. Maturation. The earliest indication of the first maturation figure was found in a spawn-mass of M. Gouldiü that was fixed together with the animal as the spawn was being deposited. The eggs for a few minutes after they have been laid are irregular in shape, none in M. Gouldü being spherical. The eggs appear as if they had been forced through an opening too small for them and as a result had become elongated and kidneyshaped. Dentalium exibits a similar irregularity in shape but apparently not as marked (Wirson, 04). While in this irregular form, the germinative vesicle is found in any region of the ovum. Maturation begins at this time in this species. In Fig. 2, a large portion of the germinative vesiele is present, the spindle fibres having caused the wall on one side to disappear. The chromosomes are forming as independent bodies; not all are in the same stage of development, that is, some are smaller and take a lighter stain. The germinative vesiele has in- Some ÖObservations on the Chromosome Vesieles in the Maturation ete. 91 creased in size and reveals a sharp differentiation into two sub- stances, basichromatin and oxychromatin (see CONKLIN, 02, p. 9), the former becomes the chromosomes, the latter spindle rays, sphere substance and cytoplasm. No evidence of a chromosome vesicle was found in these early stages; each chromosome forms from a single small particle that increases in volume as maturation continues. In fig. 3, these bodies are more distinet and associated with the spindle fibres. The net- work of linin and oxychromatin substance is less and there is a corresponding increase in the number of the spindle rays. The next stage represented (Fig. 4), shows the chromosomes approximately full sized and in the region of the equator of the spindle. In all three species the chromosomes in the metaphase assume a variety of shapes (Fig.5). This irregular condition gives way to a simple rod-like chromosome which appears to,divide transversely in this and the second maturation spindle. ConKkLın (02) believes that the irregularity may be caused by the fact that the chromosome vesicles eonfine the chromatin to certain regions. He finds in Üre- pidula chromosome vesicles (Plate I, Fig. 12a) at this stage. I have not been able to detect in these three species of Nudibranchs similar structures. In discussing the irregularities in the form of the chro- mosomes he says (pp. 11—12): »It is diffieult to say whether these differences in the shapes of chromosomes mean much or not. On the one hand it is possible that all the chromosomes of a given mitosis cannot be reduced to a single type; that their differences in shape indicate differences in material substance, and that different chromosomes may therefore represent different heritable qualities. On the other hand these differences in the shapes of the chromosomes are generally limited to the first maturation division; they are rarely found in the second maturation and only to a limited extent in cleavage. Furthermore, there are many evidences that the shapes of chromosomes are conditioned by their linin sheaths, and that the chromatie substance which fills the sheath is of a semi-fluid or viseid character.« My observations on the early maturation stages in the Haminea may throw some light on the suggestion quoted. In this molluse the chromosomes assume an irregular form while in the chromosome vesicles; and further, they are irregular on the free sur- face and much smoother on the side or parts in contact with the linin sheath. In this speeies the chramosomes do not fill the linin sheath in the prophase stage which affords an apportunity to note 92 W. M. Smallwood the change in the form of the chromosome. Here the irregularity seems to be an inherent quality of the chromatie material itself, independent of the chromosome vesicles (linin sheaths). I have counted the number of chromosomes in several eggs in each species and believe the number to be 16 during maturation and 32 in the segmentation stages. Before the second maturation figure is completed, the chromo- somes usually pass through interesting changes. During the late anaphase of the first maturation, the chromosomes lie erescent-like in the region of the deep centrosome (Figs. 6, 7, 8), but show no evidence so far as was observed of passing into a vesiculate state. At about the time that the young amphiaster of the second maturation figure is forming and moving into a radial position, a distinet mem- brane appears around each chromosome in many eggs (Figs. 9, 10). These ehromosome, vesieles lie so near the chromosomes as to be overlooked in many instances. It frequently happens that one chro- mosome vesiele contains two or more chromosomes (Fig. 9) in wbich case the chromosomes are united by narrow strands of chromatin. That the chromosomes do not always pass into chromosome vesicles and undergo these important changes is shown by the con- ditions in Fig. 11. Here the chromosomes lie free in the cytoplasm and it is believed by the writer that this is a perfeetly normal con- dition and that there may be two distinet processes in the maturation of these Nudibranchs just as there are in H/aminea (SMALLWOOD, 04). The process free from the containing vesieles is about the same as that which occeurs in most animals. The conclusion that there are these two rather distinet processes in maturation is not reached without studying a large number of eggs in both states and when it was found impossible to harmonize all of the conditions I was forced to arrange the phenomena under two heads. In describing similar changes in the egg of Haminea the following distinetion between the two processes was made. »T'he two processes occur with about the same frequeney, but all the eggs in one capsule follow either one method or the other. Any division of these pro- cesses into successive stages must be more or less arbitrary, espe- cially since there are no periods of rest, the changes being both continuous and rapid. Until the centriole at the deep end of the first maturation spindle has divided and the chromosomes of that spindle have begun to move apart there is nothing to indicate that there are two processes, except possibly a difference in the size of 4 Si a Some Observations on the Chromosome Vesicles in the Maturation ete.. 93 the centrosomes. According to the degree of complexity of the changes which accompany this stage and the length of time required for the metamorphosis, the processes may be designated as the shorter or direct and the longer or indirecet. The shorter process is characterized by the chromosomes remaining free in the eytoplasm and by the direct formation of the achromatie figure; while in the longer process the chromosomes become enclosed in a so-called quiescent nucleus and the achromatie figure is formed indirectly.« As a rule the chromosomes in the first polar cell do not possess vesieles until after the division of this cell but an exception is re- presented in Fig. 10, where two of the chromosomes are enclosed but there is nothing to indicate that the remaining ones undergo a similar fate. Before the second maturation figure is fully formed, the chro- mosomes show important changes in the longer or indireet process. (The shorter or direet process is not described in this paper because it is so similar to the same phenomena in other Mullusca and many Annelids.) Each of the small chromosome vesicles with its contained chromosome looks like a minature nucleus. The chromosome is less prominent than in the previous stage (Fig. 10) and there exists definite linin threads between it and the containing wall. The early stages in these changes are indieated in Fig. 12. It may be noticed in passing that the marked spindle between the two centrosomes has disappeared, a phenomenon that will be fully con- sidered later. The conditions represented in Fig. 13, show the body that was the chromosome in Fig. 10, changed into one or possibly several small granules of chromatin Iying in the meshes of the linin. In the transition from this unusual state to a solid, large chromosome, the changes are the same as those which ocecur when the chromo- somes form from the germinative vesiele.e The chromatin granules increase in their staining capacity growing in the mean time until they are full sized again. As to the fate of the limiting vesicles two possibilities may be offered (s. ConkLis, p. 12), either they persist as indistinguishable sheaths or dissolve and loose their iden- tity in the eytoplasm. These fully re-formed ehromosomes lie in the equatorial plane of the spindle, divide, pass to the poles of the amphiaster, the egg chromosomes again passing, or forming, as is usual, into vesicles which sooner or later fuse to form the egg nucleus. 94 W. M. Smallwood The chromosomes which are in the polar cells pass through a number of states which so far as I am aware have not been pre- viously recorded. They are as follows: When the first polar cell is formed the chromosomes, as already stated, do not usually pass into a vesieular condition until after its complete division. These two polar bodies loosely attached to the cell wall frequently are pushed to one side during the formation of the second polar cell. In Fig. 15, the chromosomes are still free in the polar cell, while in Fig. 18, they lie enclosed in a definite nuclear vesicle and have lost some of their distinetive appearance and are associated with linin fibree. The changes connected with the chromosomes in the polar cells can not be correlated in time with similar changes in the egg chromosomes. Clearer evidence in regard to these changes was furnished in the second polar cell. This cell is often quite large (Fig. 22), so that its condition can be readily observed. Each chromosome is surrounded by a vesiele so that we may have as many chromosome vesicles as there are chromosomes, or all or several pass into one vesiecle. In Fig. 15, the egg ehromosomes are in separate vesicles having linin fibres present. There is not the close grouping usual at this stage. This is further shown in Fig. 16, where considerable eytoplasm intervenes between some of the vesieles. But in the se- cond polar eell (Fig. 15) the chromosomes all lie in one vesicle, showing no further evidence of entering a nuclear state, the presence of linin fibres and the ordinary differential conditions present being entirely absent here. While the conditions in Figs. 16 and 18, reveal but a single vesicle for the second polar cell yet there is plenty of evidence of linin fibres and the chromatin gives a differential reaction to haematoxylin in that certain of the granules take a very heavy stain while others react but slightly. The character and number of the chromosome vesieles formed seems to vary with each individual ovum. A few typical conditions are represented in Figs. 17, 19, 20 and 22. These vesieles may be coördinate in size and position or very unequal (Figs. 17, 20). In Fig. 17, there is a large and prominent nuclear vesicle in the polar cell in a typical nuclear state; while in the narrow part, toward the egg, there is a single small vesiele containing a chromo- some. No evidence of linin fibres could be distinguished, there was, however, a slight stain notieable in the contents of the vesiele between the wall and enclosed chromosome. I believe this to be Some Observations on the Chromosome Vesicles in the Maturation ete. 95 a chromosome that was not included with the rest in the large vesicle. Two chromosomes are frequently included in a single vesicle (Figs. 19, 22), in which case the changes are the same as when one chromosome occupies a single vesicle. In Fig. 20, we have all the chromosomes in three vesiecles which are so large that they almost completely occupy the polar cell. In this instance several of the chromosomes still retain their individuality but we can not follow the fate of a single chromosome in these vesieles any more than we can in the egg nucleus in Figs. 19 or 20. Figs. 21 and 22 are from the same ovum being adjacent sections. There are in the polar cell in Fig. 22 three bodies which take a plasma stain and look much like chromosome vesicles. I think that these three bodies are not vesicles but are to be interpreted as partly metamorphosed deutoplasmie spheres that have passed into this polar cell. Evidence for this conelusion is furnished by the character of a similar, although larger body in the egg itself, of this same figure, Iying near the male nucleus which is undoubtedly a yolk sphere. Furthermore, it is not unusual for yolk bodies to be found in the polar cells in Mollusca, and especially in these three Nudibranchs. I have further noticed in segmentation stages that the deutoplasm did not take as heavy a stain as it became partly metamorphosed into eytoplasm. Diseussion. Chromosome vesicles similar in many particulars to the one here described are also found in the spermatogenesis of Brachystola magna (SUTTON, '01) They occur in late anaphase and the eontained chromosome retains its identity more definitely than in the cases eited in this paper. LitLıE (’02), finds in experimental work on Chaetopterus eggs that chromosome vesicles may appear around each particle of chromatie substancee. In diseussing this phase of the question he states (p. 490) »Even the smallest diseer- nible particles of chromatin exereise, apparently, a liquifying effeet on the eytoplasm, and thus appear to lie in vacuoles (Fig. 27), a condition analogous to the return of the nucleus to its resting con- ditione. COoNKLIN describes for Crepidula chromosome vesicles (linin sheaths) in the metaphase of the first maturation but does not find them at other stages. Harcırr ('04) finds in the natural development of Pennaria tiarella chromosome vesieles similar to the ones in the eggs of Chaetöpterus and these Nudibranchs. Chromosome vesiecles are found then in both normal and artificially developing eggs. That such unusual changes should oceur in both normal and artifieial 96 W. M. Smallwood development is interesting and raises the question of the signifieance of these structures and also the further question: Are we to regard such phenomena as found in the eggs of Chaetopterus as entirely the result of the artificial treatment? In Haminea solitaria chromosome vesieles are present in the early prophase of the first maturation. In this molluse it does not matter whether the eggs have passed into the oviduet and have been fertilized, or are still in the follieles of the hermaphroditie gland, maturation begins in all as soon as the first is deposited. The pe- netration of the sperm is not the force which starts the mitotie phenomena but apparently it is the contraction of the body in foreing the eggs to the outside which ineites the formation of the maturation figure. It frequently happens that one may find in the ovotestis of H.solitaria, if fixed when deposition is in progress, eggs in the metaphase of the first maturation figure in the most distant follieles. Several hundred eggs all in the same stage are found, indicating that these changes started in each at the same time. A study of these eggs which have just begun maturation reveal chromosome vesieles wbich are to contain or do already enclose a single chro- mosome. In the earliest stages these vesieles lie at the ends of the spindle fibres. Irregular in shape, they may contain several or but one chromatin mass. The number of vesieles which arise corresponds to the number of chromosomes. As they enlarge each becomes elliptical in outline, the chromatin inereasing in quantity at the same time. A more extended study of these stages seems to indicate that their origin is in the linin. When these vesicles first appear, they are in their largest state although not as definite or as thick walled as in the metaphase (Fig. 12, Plate 3). The chromatin in the early prophase is in the form of small granules located at the nodes of the linin meshwork. While it is possible that the formation of the vesieles may involve a process of vaculolation around the chromatin yet no differenee in the ehromatin located at the nodes of the linin fibre and that enclosed in the erudely formed vesicles can be noted. Whenever the chromatin is present along the walls of these vesicles, it can be readily distinguished by any of the basie stains. As the linin disappears from the germinative vesicle in the early prophase, the number of vesicles inereases; probably, however, a portion of the disappearing linin, contributes to the formation of spindle fibres and sphere substance as in Crepidula. The evidence in H. solitaria Some Observations on the Chromosome Vesicles in the Maturation ete. 97 seems to indicate that the vesicles which I have termed »chromo- some vesicles« are formed from the linin, the details of which pro- cess I have as yet not been fully able to solve. But whether the vesicles which oceur in H. solitaria are the lame as those in Orepidula and in Doris I have some doubt. That the vesicles found in Crepidula and Doris are the same there can be no question. The following may be said concerning the fate of these vesicles in AZaminea. The chromatin increases in quantity for a time but never completely fills the vesiele, a clear space which takes a plasma stain is always evident. At the time when the chromosomes have become full sized or as large as they do become while in the vesicles, there is no evidence of a shrinking of the walls or a diminution of the enclosed area; the only change being that the walls become less distinct. While this discussion must be tentative at this time as the facts are too few to warrant any definite conelusion, yet it is diffieult for me to see how these vesicles can persist through the subsequent maturation changes as an indistinguishable limiting membrane around each chromosome as suggested by ConkLın. But is seems to me rather that the walls of the chromosome vesicles disappear, simply fading away, probably being dissolved in situ. This leaves us with two suggestions. 1. That the linin sheath lies elose to the chromo- some and is evident only during division. COoNKLIN, p. 12. 2. That the chromosome vesicles in ZH. solitaria disappear in the cytoplasm being dissolved in situ. The origin of these vesicles in Doris will be further discussed in connection with the problem of fertili- zation. Centrosome. In describing this body the terms proposed by Boverı ('01, p. 32, 125) are used. The centrosome is the body in which the astral and spindle fibres terminate. At certain stages it is a highly differentiated body composed of a central granule, termed the centriole which is surrounded by an area designated the centro- plasm. The centroplasm usually takes a plasma stain while the centriole is always stained by haematoxylin. In the eggs of these three species of Nudibranchs no evidence of a centrosome was found before ovoposition had begun; nor was it possible to distinguish with certainty this body in a stage earlier than that shown in Fig. 2. In Figs. 2 and 3, the centrosome is a small, solid granule, undifferentiated. None of the stages indicate that this body is composed originally of more than one body as in Morpholog. Jahrbuch. 33. 7 98 W. M. Smallwood Unio (Liuuıe, '01), Crepidula (CoNKLın, '02), or Haminea (SMALL- woop, ’04). There is surrounding the centrosome a dense sphere substance which renders it difficult to be certain how far the astral rays extend but in some of the faintly stained eggs, the rays can be traced to this central body. The centrosome becomes early differentiated into centroplasm and centriole. Within the sphere substance and close to the centrosome, a clear area begins to appear through which the rays and fibres do not pass. This is the first indieation of the centroplasm; it is apparently formed from the solid centrosome and increases in size until it is several times as large as the early stage shown in Fig. 3. The centroplasm fully formed takes a very heavy plasma stain (Figs. 5, 6). When stained with iron haematoxylin and before the subsequent differentiation with the iron, the deep (egg) centrosome frequently looks like a large, irre- gular preeipitate of haematoxylin which may be so tenaciously retained that in removing it all of the other structures are comple- tely de-stained. This preeipitate occurs but rarely in connection with the outer centrosome. Before diseussing the further structural changes that oceur in the centrosome, we will consider briefly the astral rays, spindle fibres, and sphere substance. A few astral rays are present around the centrosome in Fig. 2; these increase rapidly in number and prominence as the germinative vesiele disappears, until in Figs. 4 and 5, the typical astral appearance is produced. These rays seem to be of the same character and nearly of uniform length, there bing no sharp differentiation into primary and secondary rays in Haminea. The growth of the spindle fibres is interestingly shown in Figs. 2 and 3. The rays which are to unite the two centrosomes and become the central spindle proceed directly to this union (Fig. 4). The mantle fibres few in number in Fig. 2, are the most conspicuous of any of the rays at this stage. They extend into the meshwork of linin fibres where the isolated chromosomes are forming. More of these fibres are present in Fig. 3; while in Fig. 4, they have become very numerous and the linin meshwork has entirely dis- appeared, the two events being intimately associated. The completely formed spindle having the chromosomes in the equatorial region is shown in Fig. 5. An undifferentiated sphere substance appears in each of these Nudibranchs especially in the prophase of maturation but it does not become clearly defined into two layers as in Haminea and Some Observations on the Chromosome Vesicles in the Maturation ete. 99 others. In the metaphase and anaphase no definite sphere substance is noticed, it is again evident in the early prophase of the second maturation (Figs. 8, 9, 10), a slight trace of it is found in Fig. 14, but there is no marked evidence of its presence in Figs. 12 and 13. In a few instances in the telophase of the second maturation, the nuclear vesicles are surrounded by a clear area (Figs. 17, 19, 21), this I take to be the sphere substance of ConkLin and others. The first evidence in the centrosome of the prophase stage of the second maturation is the division of the centriole into two equi- valent parts. At first they lie elose together (Fig. 7), but soon separate, remaining connected by more or less regular strands which take a basie stain (Fig. 8). These two centrioles with the potential spindle uniting them give rise in a large measure to the second maturation figure. With the inerease in size of the centrosome, the centroplasm creases to take a plasma stain, soon breaks appear in the wall and astral rays form about the centrioles.. The different positions in the centroplasm which the forming spindle assumes de- monstrate beyond a doubt that in these Nudibranchs the old wall does not contribute to the formation of the new centrosomes as is held by MacFartLanD (97) but the formation of the spindle does agree with similar changes in Orepidula and Haminea. While there is no partieular rest period or division into distinet stages in this metamorphosis of the centrosome, for convenience in description, we may now apply the term centrosome to the bodies previously de- signated as centrioles although still surrounded by the centroplasm of the old centrosome. The fibres that unite the two new centro- somes become more prominent and longer. The wall of the old centrosome breaks up into smaller and smaller pieces until it be- comes indistinguishable from the granules in the eytoplasm; the centroplasm likewise disappears. The old astral fibres and rays do not persist as such and become a part of the second maturation figure. The new spindle has more prominent fibres on the periphery than within, the central ones frequently branching an anastomosing. In Fig. 9, the two centrosomes are each a single body; while in a later stage, each is composed of centriole and centroplasm, these parts being derived as already described in the first maturation. The further history of the centrosome in the second maturation figure is the same as in other mollusea, disappearing entirely as the chro- mosomes become transformed into the female pronucleus. The further changes in the spindle are parallelled so far as I 7* 100 W. M. Smallwood know only by a similar metamorphosis in Haminea. As the ma- turation figure becomes radial in position and of a length approxi- mating the second figure, the spindle formed from the two centrioles breaks away and is lost in the cytoplasm. The two asters now separate, the deeper one moving nearly to the centre of the egg. A new spindle must be formed from the eytoplasm. The first ap- pearance of these new fibres is a linear arrangement of granules which become fused into a single fibre (Fig. 12). These continue to form in a similar manner until a new spindle appears (Figs. 13 and 14). Although the old astral rays remain, new ones are formed in the same way that the spindle fibres arise. The full details of this unusual process are presented in my paper on Haminea (Figs. 46 —51). The conditions are the same in Doris and Haminea in all of the changes except one. This exception in Haminea consists in the formation of unmistakable fibres proceeding from the centro- somes while they are still enclosed in a vesicle; these are rays which are in addition to the ones formed from the eytoplasm. No such process was discovered in the growth of this new spindle in Doris. Fertilization. Although it was not the purpose of this paper to make a detailed study of fertilization yet the following facts were noted while observing the maturation phenomena. The sperm head penetrates the ovum in the oviduct just before deposition. The tail of the sperm is left outside. As soon as the head has entered the egg, it inereases in size and is usually slightly bent near the middle. A few small granules elose to the sperm head stain more intensely than the rest of the eytoplasmie granules but I was not able to determine their origin. The sperm head moves across the egg toward the animal pole, its path depending on the place where it entered the egg. In this approach to the animal pole the sperm nucleus becomes vesiceular in the usual manner. But while passing through these changes, the chromatin may be confined in one vesicle (Fig. 18) or several (Figs. 15, 17, 21). In most cases there is one quite large vesicle and a few small ones. The large one eventually absorbing the others. Structurally there is no essential difference between these different vesicles aside from their size. In Fig. 17. the two small sperm vesicles, each containing a bit of chromatin, have the same appearance as those represented in Figs. 9—10, These sperm vesieles seem to be derived from the eytoplasm forming under the influence of the chromatin. When the chromatin remains nu Some Observations on the Chromosome Vesicles in the Maturation etc. 101 compact, one vesicle forms but when it becomes scattered, several may appear. The sperm nucleus in Fig. 18, presents one structure, the meaning of which is not elear. In this seetion of the nucleus there are three sharply defined masses of chromatin, one of which is free from any connection with linin fibres.. The other two are surrounded by a substance that takes a distinet plasma stain and the edge of which is continuous with the linin fibres. It looks as if there were here an extra amount of substance similar to linin and from which linin arose concentrated about these two chromatic masses. To summarise we may say that vesieles similar in appearance and con- tent are found during the prophase stage of the second maturation; in the polar cells; and in connection with the male and female pro- nuclei. In addition to the usual maturation phenomena in these Nudi- branchs, a portion of the cell contents may be budded off without the mitotie or amitotic process. Just after the eggs are deposited or even while the animal is laying, the eggs may, while changing from an irregular to a spherical form, give off a large part of the cell, a fourth or fifth of the whole cell is thus given off. The for- mation of these small cell like bodies was observed in many spawn masses of these Nudibranchs. They appear before the first polar cell has had time to be formed. While observations were being made on the living eggs, these large bodies were thought to be simply unusually large polar cells. In a study of the sections of M. Gouldü I was fortunate in securing two spawn-masses in which a number of the eggs were undergoing the formation of these peculiar bodies. Fig. 23 is a drawing made from two adjacent sections showing this cell-like body still attached to the egg and the first maturation figure in the pro- phase stage. The position of each is such that there can be no possible connection between them. The budded cell-like body is full of deutoplasmie spheres, and a few cytoplasmie granules are evident. But there is no evidence of a nucleus or of free chromo- somes either in this body or the cell proper apart from the maturation figure. An examination of all of the sections of this egg with a Zeiss homog. aprochromatie 2 mm lens and compensating oculars as well as with tbe 1/12 oil immersion lens failed to reveal any structure which might be designated as a nucleus or chromosome or ehromatie substance in connection with the formation of this cell-Iike 102 W. M. Smallwood body. A number of other eggs showing the same cell-like bodies confirmed these observations. This cell-like body does not remain attached to the cell proper for any considerable time. While studying it in the living condition, no evidence of segmentations was ever found. These bodies, it seems to me, can have but one fate, i. e., to disintegrate probably furni- shing food for the veliger. In Haminea solitaria similar small cells occasionally appeared just before the first eleavage the fate of which was not determined. During the early eleavage in many Gastropods, Lamellibranchs and Annelids there is formed at the vegetal pole a lobe of varying size. This lobe is simply a bulging out of a portion of the egg contents and was first designated as a yolk lobe (polar lobe WıLson, p- 12). The conditions represented in Fig. 23 differs in two marked respects from this so-called yolk lobe; first, the time when it ap- pears, and secondly, its position. The fact that these bodies are seen to form while the egg is becoming spherical in outline and long before cleavage begins indieates that this phenomenon is dis- tinet from the yolk lobe. So far as I am aware, the yolk lobe is always formed in the region of the vegetal pole while these bodies do not oceur at any one definite place on the egg. Some were formed near or at the vegetal pole, others oeeured equally near the animal pole. As soon as opportunity is afforded, the writer hopes to extend these observations. Summary. 1) The eggs of Doris bifida, Montagua Gouldü und Montagua pilata may be obtained during the months of June and July at Wood’s Holl, Mass. Each of these three species will lay under ordinary aquarium conditions in from 12—24 hours after copulation. The eggs are deposited in a gelatinous mass characteristic in form for each species. The number of eggs and egg masses that each animal lays is variable. 2) The growth apd changes in the ovocyte are, in the main, those characteristie of Mollusca. 3) The beginning of maturation is co-inecident with deposition. 4) The chromatie substance is differentiated into basichromatin and oxychromatin. The basichromatin gives rise to the chromosomes which make their appearance as independent bodies; the oxychro- Some Observations on the Chromosome Vesicles in the Maturation ete. 103 matin passes into the cytoplasm to contribute in part to the forma- tion of the sphere substance. 5) No evidence of chromosome vesicles was found during the prophase of the first maturation as is the case in Haminea solitaria. 6) During the »rest pause« between the first and second ma- turation, the chromosomes frequently have distinet vesicles.. There may be a single vesiele for all of the chromosomes or a single vesicle for each chromosome. All combinations between these two extremes occur. 7) The chromosomes that pass into the polar cells likewise pos- sess vesicles which in some instances exhibit all of the structural features of a typical nucleus. 85) The egg chromosomes enclosed in vesieles change while in this state until each vesicle has the appearance of a miniature nucleus. Before the metaphase of the second maturation, the several chromatie granules unite into a solid mass, the vesicle probably disappearing. 9) The fact that the chromatin may normally exist in a liquid state during the prophase of the first maturation of Aaminea soli- taria and in the prophase of the second maturation of these Nudi- branchs strengthens the growing convietion that the theory of the qualitative division of the chromosomes is untenable. 10) The growth and fate of the several parts of the centrosome are in close agreement with these same changes in the centrosome of Haminea solitaria. 11) Fertilization takes place in the oviduct, the tail remaining outside. The sperm head becomes vesicular during its progress towards the animal pole and while it is undergoing this change one or more chromosome vesieles may be formed in connection, with the ehromatin derived from the sperm, which are similar to the egg ehromosome vesicles. These vesicles arise undoubtedly through the influence of the chromatin on the eytoplasm which faet suggests that the vesieles in these three Nudibranchs and those in Haminea soli- taria which arise in the nucleus are not identical. Zoologieal Laboratory, Syracuse University, May 1°, 1904. 104 W. M. Smallwood Literature eited. Boverı, T. ’00. Zellenstudien. Heft 4. Jena. Conkuin, E. G. ’02. Karyokinesis and Cytokinesis in the Maturation, Ferti- lization and Cleavage of Crepidula and other Gasteropoda. Acad. Nat. Sei. Philadelphia. Sec. Series. Vol. XI. Harcırr, C. W. ’04. The Early Development of Pennaria tiarella MecCr. Archiv für Entw. d. Organ. Vol. XVII. Part 4. LitLıe, F. R. ’01. The Organization of the egg of Unio based on a study of its Maturation, Fertilization, and Cleavage. Journ. Morph. Vol. XVII. No. 2. —— 02. Differentiation without Cleavage in the egg of the Annelid, Chae- topterus pergamentaceous. Archiv für Entwicklungsmechanik der Or- ganismen. Bd. XIV. MACFARLAND, F. M. ’97. Cellulare Studien an Mollusken-Eiern. Zool. Jahrb. für Anatomie und Ontogenie. Bd. X. Heft 2. MONTGOMERY jr., T. ’98. Comparative Cytological Studies with especial Re- gard to the morphology of the Nucleolus. Journ. Morph. Vol. XV. SUTTON, W. S. ’00. The Spermatogonial Divisions in Brachystola magna. Bull. Univ. Kansas. Vol. IX. No. 2. SMALLWOooD, W. M. ’03. Notes on the Natural History of some of the Nudi- branchs. Bull. Univ. Syracuse. Series IV. No. 1. —— 04. The Maturation, Fertilization and Early Cleavage of Haminea soli- taria Say. Bull. Mus. Comp. Zool. Harvard. No. 157. Wıuson, E. B. ’04. The germ-regions in the egg of Dentalium. Journ. Exp. Zoology. Vol. I. No. 1. Explanation of Plate II. All figures are camera drawings and were drawn at the base level under the Zeıss 1/12 oil immersion, Oculars 2 and 4. Abbreviations. chr Chromatin, dew'pl Deutoplasm, chr'so Chromosome, fus.c Central spindle, e'! Centriole, nl! Nucleolus, el.pol.ı first polar cell, pronl.Q Female pronucleus, cl.pol.2 second polar cell, pronl.$ Male pronucleus, c'pl Centroplasm, vsl.chr'so Chromosome vesicles. Fig. 1. Ovoeyte from ovotestis. Deutoplasmie spheres quite abundant in the eytoplasm. Nucleolus vacuolated and the remaining chromatin gra- nular. 1/12,2. Some Observations on the Chromosome Vesicles in the Maturation etc. 105 Figs. 2, 3. Early prophase of first maturation. A large part of the germi- native vesiele still intact. Chromosomes forming as isolated bodies in the meshwork of linin. 1/12,4. Fig. 4. Prophase first maturation. Germinative vesicle completely absorbed. Chromosomes rod-shaped and forming in the equatorial region of the spindle. 1/12,4. Fig. 5. Metaphase of first maturation spindle. Chromosomes rod-shaped and of irregular outline.e Centrosome differentiated into centriole and centroplasm. 1/12,2. Fig. 6. Anaphase first maturation spindle. 1/12,2. Fig. 7. Anaphase first maturation spindle showing the division of the cen- trioles. 1/12,4. Fig. 8. Anaphase first maturation spindle. Centrioles in deep centrosome are united by fibres. Prophase stage in the division of the first polar cell. 1/12,4. Figs. 9—10. Prophase second maturation spindle. Chromosomes enclosed in chromosome vesicles. The indireet or longer process in the formation of the second polar cell. 1/12,2. Fig. 11. Prophase second maturation spindle, sborter or direet process. 1/12,2. Figs. 12—13. Prophase stages in the formation of the second maturation spindle by the indireet process. Chromosomes in the form of chro- matin granules enclosed in chromosome vesicles. 1/12,2. Fig. 14. Metaphase in second maturation spindle. Polar cell in same stage. 1/12,4. Figs. 15—22. Telophase second maturation. The egg-chromosomes lie either in a single vesiele or in several. The chromosomes of the polar cell are found in a single vesiele or several. Figs. 15—20, 1/12,2; Figs. 21, 22, 1/12,4. Fig. 23. The prophase stage of the first maturation showing a large cell-like body in the process of formation. 1/12,2. , artkr vie mal yslH FRE ri Ir T, Pt. AOL F ER L) 410% st 10 Ar Much IErar 43 a 7 N autark Daiakut a ya a SEE le Tee Ban ital + taishaaaft 1 ur bh, er Per: PERS 03.06 EIS funita. no He Er i gs » air I aufanz Initcaaı "Ye 4 Dteriule-t) Br aan an IE ort Ra TR GR o m a NE ae ar + . AIR | ser TR diem. Hl } STE i d Y h Br.‘ Bin Zr de tt wert HH i f Nas ET; n v ums ar ' IE {I vv Mz was. ur te I‘ ‚a 4 vi 5 | “Aa PTR, in r N ERBE 2 Morpholog. Jahrb. Ba. XXXIIl. Q.Hofmann gez 0 lerzo Taf. Lith.Anst vE.AFunke Au HE da ’_ ze { > B Bun x e a 1 ER dag e IEEDEND: Ri Ad R . { 2 -, a e f F: e . F “ x. ud . ® > a - =} % = I . \ # 4 - ne D # et Dig { * 2 Ua FE Far um Pi u “ & ur un) b b we en } IEIEND on un N ’ > £ 1; .” N + s Ber E) u 74. - ; U Verlanv.N 7 | | | | Itih.änstr EA Funke, Leipzig. in Leipzig. DZ Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe (Larus ridibundus). Von H. Rex (Prag). Mit Tafel III—IX und 60 Figuren im Text. (Mit Unterstützung der »Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen«.) Einleitung. Die vorliegenden Untersuchungen bilden eine Fortsetzung ‚meiner Studien über das Mesoderm des Vogelkopfes. Es hatte mich zuerst die Differenzierung des Mesoderms des Vorderkopfes der Ente be- schäftigt. Die hier gewonnenen Resultate gelangten in zwei Ab- handlungen! zur Veröffentlichung. Van WiHEs kurze Skizze?, in welcher zum erstenmal auf das Vorkommen von Mesodermsegmenten im Vorderkopfe von Sauropsidenkeimen hingewiesen worden war, lenkte meine Aufmerksamkeit namentlich auf die Befunde bei Möwen- keimen. Ich bin mir bald darüber klar geworden, daß die verhältnis- mäßig leicht zugänglichen Keime der Lachmöwe ein sehr günstiges Untersuchungsobjekt darbieten; es dürfte dies der Einblick in die folgenden Blätter bestätigen. Meine Studien hatten sich ursprünglich auf die Region des Vorderkopfes beschränkt. Die eigenartigen Ver- hältnisse, welche die Entwicklungsart des Unterkieferfortsatzes des 1 Über das Mesoderm des. Vorderkopfes der Ente. Archiv für mikrosk. Anatomie. Bd. L. 1897. — Zur Entwicklung der Augenmuskeln der Ente. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. LVII. 1901. 2 Über Somiten und Nerven im Kopfe von Vogel- und Reptilienembryonen. Zool. Anzeiger. Bd. IX. 1886. Morpholog. Jahrbuch. 33. 3 108 H. Rex Kieferbogens erkennen ließ, erforderte jedoch bald eine weitere Aus- dehnung auf die distalwärts folgenden Regionen der Kopfanlage und so habe ich mich kurzer Hand entschlossen, das Mesoderm der ge- samten Kopfanlage mit ins Bereich meiner Untersuchungen einzu- beziehen. Ich bringe daher im folgenden mehr, als der Titel ver- spricht. — Einen Bruchteil der gewonnenen Resultate habe ich im 19. Bande des Anatomischen Anzeigers (1901) mitgeteilt. — Ich möchte den Leser bitten, sich mit den beiden oben zitierten Abhandlungen über das Vorderkopfmesoderm der Ente vertraut zu machen, da ich mich im folgenden vielfach auf diese beziehen werde. Es sei gleich hier bemerkt, daß ich die etwas langatmige Bezeich- nung »ventraler Schenkel des Vorderdarmdivertikels«e (= »ursprüng- licher Vorderdarmscheitel«) durch den kurzen Ausdruck »Scheitel- tasche« ersetzen werde. — Vielleicht ist noch folgende Bemerkung am Platze. Es hat sich zufällig ergeben, daß eine größere Reihe von Querschnittsbildern linken Keimhälften entnommen worden sind; ich habe nun mit wenigen Ausnahmen die übrigen, rechten Hälften zugehörigen Bilder im Spiegelbilde zeichnen lassen, um dem Leser die Orientierung zu erleichtern. Ebenso habe ich auch fast sämtliche Sagittalschnittbilder gleich orientiert. Ich weiß nur zu gut aus eigner Erfahrung, wie störend es wirkt, wenn man sich ge- zwungen sieht, bei Betrachtung einer Tafel dieser oder jener Figur zuliebe sich unvermutet »alles umgelegt« vorzustellen. — Herr v. Mınckwıtz, kgl. sächsischer Oberförster in Moritzburg- Eisenberg hatte die Güte, mir nicht nur die Beschaffung des Unter- suchungsmaterials an Ort und Stelle zu ermöglichen, sondern mir auch später solches zukommen zu lassen. Für seine liebenswürdige Mühewaltung sage ich ihm auch an dieser Stelle herzlichen Dank. Meine Abhandlung gliedert sich sachgemäß in drei Abschnitte. Der erste bringt die Schilderung des Untersuchungsganges, der zweite die Untersuchungsergebnisse, und ein dritter ist endlich der Be- sprechung der Angaben der Literatur gewidmet. Uber das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. i09 I. Schilderung des Ganges der Untersuchung. Keime mit einem, zwei und drei Urwirbelpaaren. (Taf. III Fig. 1a—e, 2 a—b, 3.) Der jüngste Keim, von welchem ich eine Querschnittserie besitze, hatte ein distalwärts scharf abgegrenztes Urwirbelpaar. Von einem Schnitte, der das Hinterende desselben getroffen hat, ist die linke Hälfte in der Tafelfig. 1 a wiedergegeben. Die Grenze zwischen der Anlage des Urwirbels und jener der Seitenplatten dürfte an der mit einem Sternchen bezeichneten Stelle zu suchen sein. Die Zellen der Urwirbelanlage sind in zwei epithelialen Reihen angeordnet, von welchen die dorsale etwas höher als die ventrale ist; zwischen beiden sind vereinzelte spindelförmige Zellen gelagert. Dem Innen- ende des Urwirbels ist ein kleines Zellhäufehen angeschmiegt. Der mediale Endabschnitt der Anlage der Seitenplatten setzt sich ohne scharfe Grenze ins Außenende der Urwirbelanlage fort; sein Gefüge entbehrt der Regelmäßigkeit. Nur an einer Stelle sind die Zellen deutlich epithelial geordnet; eine Lichtung ist daselbst nicht erweislich. Weiter außen, nach dem dunklen Fruchthofe hin, begegnen wir ganz beträchtlichen Schwankungen der Dicke, der Diehtigkeit und des Gefüges am Mesoderm der Seitenplatten. Nahe der Grenze zwischen dem hellen und dunklen Fruchthof und zwar noch im Bereiche des ersteren gelegen finden sich zwei kleine, unansehnliche, epithelial umsäumte Lichtungen vor: wir haben den schüchternen Ansatz zur Bildung des Splanchnocöls vor uns. Weiter vorn hat diese bereits größere Fortschritte gemacht. So sehe ich im achten Schnitte, daß die Außenhälfte der Anlage der Seitenplatten von mehreren scharf umschriebenen Liehtungen durch- setzt wird; in der Innenhälfte macht sich der Beginn der Spalt- bildungen am Gefüge bemerkbar. Sie ist deutlich in zwei Zelllagen geschieden: in eine ventrale, aus mäßig hohen, ziemlich regelmäßig aneinander gereihten Epithelzellen zusammengesetzte und in eine dorsale, aus lose vereinigten, rundlichen Zellen aufgebaute. Zwischen beiden Lagen findet sich eine Reihe feiner Spaltlücken, deren Ver- einigung zur einheitlichen Spalte noch aussteht. Der diesem epithe- lialen Mesodermabsehnitt benachbarte Entodermbezirk ist merklich verdickt. Das Innenende der Seitenplatten zeigt ähnliche bauliche Verhältnisse, wie in der Tafelfig. 1 a; es sticht hier aber von der s5*+ 110 H. Rex proximalen Fortsetzung der Urwirbelanlage recht scharf ab. Diese hat eine etwas unvermittelte Verjüngung erfahren; ihr dichtes Ge- füge ist nicht mehr epithelial. Weiter vorn macht die Urwirbelanlage bald lockerem Mesoderm Platz; am weitesten reicht ihre Innenkante proximalwärts. Auch an die Stelle des medialen Endabschnittes der Seitenplatten tritt lose verknüpftes Zellenmaterial. So wird allmählich der Übergang zu den Verhältnissen angebahnt, denen wir im 39. Schnitte begegnen. Ihm ist die Tafelfig. 1 5 entnommen. Das Mesoderm zeigt drei wohl charakterisierte Abschnitte. Ein innerer ist aus sehr locker miteinander verknüpften Zellen aufgebaut. An diesen schließt ein mittlerer, verhältnismäßig schmaler Abschnitt an, der von einer epi- thelialen Zellreihe beigestellt wird. Auf dieser lagern einige wenige rundliche Zellen, die durch breite Zwischenräume voneinander ge- sondert sind. Lateralwärts wird das Epithel von etwas unregelmäßig gelagerten niedrigen Zellen abgelöst. Der dritte, äußere Abschnitt wird von einer dünnen Zellplatte beigestellt, die in unserm Schnitte einer Lichtung entbehrt. Solche finden sich indessen, in den benach- barten Schnitten vereinzelt vor. Die Zellen des Entoderms ordnen sich unterhalb des epithelial gefügten Abschnittes der Seitenplatten zu einem regelmäßigen Epithel von stattlicher Höhe. Über diesen Schnitt hinaus vorschreitend werden wir der all- mählichen Verschmälerung der Mesodermplatte gewahr; dieselbe er- reicht bald nicht mehr das Gebiet der Area opaca. Mit großer Be- harrlichkeit kehrt ihr mittlerer, epithelialer Abschnitt wieder und zwar unter langsamer, von außen nach innen vorschreitender Ein- engung seines Gebiets; ich kann denselben bis zum 55. Schnitte verfolgen. Ein Vorrücken seines Innenrandes nach der Mediane hin, das sich etwa mit der Verschmälerung der gesamten Mesodermplatte vergesellschaftete, konnte ich nicht erweisen. Im 57. Schnitte stoßen wir auf das Hinterende der interepithelialen Zellmasse. Die uns interessierenden Einzelheiten des 63. Schnittes gibt die Tafelfig. 1 c wieder. Das platte, aus einer dünnen Zelllage bestehende Hinter- ende der Zellmasse J ist dem zarten Entodermblatte aufgelagert. Seine Mesodermproliferation ist namentlich links recht rege. Das Mesoderm selbst ist hier vorn schon stark verschmälert; dies gilt namentlich von der rechten Seite. — Die Formverhältnisse unsres ‚Keimes nahe dem freien Kopfende ähneln jenen sehr, die ich in meiner älteren Abhandlung über dem Vorderkopf der Ente für einen Keim mit einem Urwirbelpaare beschrieben und auch in der Tafelfig. 2 u Zul a . EREI R u Nn. WB Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 111 wiedergegeben habe. Bei dem mir jetzt vorliegenden Keime ist in- dessen die Zellmasse anders gebaut. Ihre Elemente sind in zwei Lagen angeordnet, von denen die dorsale deutliches epitheliales Ge- füge aufweist. Die ventrale ist mit an dem Aufbau des mittleren Dritt- teiles der Dorsalwand der Darmrinne beteiligt. Recht dürftig ist die Mesodermproliferation, die den Seitenteilen der Zellmasse entstammt; das lose Zellmaterial reicht nieht über die Darmseitenwand hinaus. — Im 77. Schnitte werden wir nunmehr des Anschnittes des Entoderms gewahr. — Von einem etwas älteren Keime mit zwei Urwirbelpaaren habe ich eine Sagittalschnittserie angefertigt; sie gewährt einen guten Aufschluß über das Verhalten des ersten Urwirbels und des proxi- malwärts auf diesen folgenden Abschnittes des Kopfmesoderms. Be- züglich der Scheiteltasche, der interepithelialen Zellmasse und des Chordavorderendes kann ich mich kurz fassen; es liegen hier Ver- hältnisse vor, wie ich sie für einen Entenkeim mit der gleichen Urwirbelzahl gefunden habe (s. die Tafelfig. 3 meiner älteren Ab- handlung). Die nun folgende Schilderung soll mit dem ersten Ur- wirbel beginnen. Auf der linken Seite ist seine Anlage in 14 Schnitten nachweisbar; ich will vom achten, vom Innenende der Anlage aus gezählt, ausgehen und verweise auf die Textfig. 1 Fig. 1. Das auf die Anlage des ersten Urwirbels «w, proximalwärts folgende Kopfmesoderm ist deutlich in zwei ungleich große Ab- schnitte gegliedert: in einen kurzen distalen dichtgefügten, der mit dem Vorderende der Anlage zusammenhängt und in einer größeren proximalen, der sich aus lockerem Zellmaterial aufbaut. Der Übergang beider Teilstrecken ist kein unvermittelter, sondern ein all- mählicher. Das Gefüge des distalen Abschnittes läßt erkennen, daß eine epitheliale Reihenbildung der Zellen in Bildung begriffen ist; die Abgrenzung gegenüber dem Vorderende der Anlage zw, stößt auf 112 H. Rex sroße Schwierigkeiten. Diese Anlage besitzt die Formverhälteisse einer epithelialen Doppellamelle, deren dorsales Blatt höhere und auch regelmäßiger gefügte Zellen zeigt als das ventrale. Hinten grenzt sich v0, scharf vom Vorderende des zweiten Urwirbels ww, ab. Eine vordere scharfe Grenze herauszufinden, hält, wie schon erwähnt, schwer; es ist nicht rätlich, etwa ohne weiteres den eraniocau- dalen Durchmesser des zweiten Urwirbels als Maßstab zu benutzen. Wir ersehen aus der Textfigur, daß die Ventralwand eine ganz be- trächtliche proximale epitheliale Fortsetzung besitzt, welche in eine niedrige Zellreihe ausläuft. Eine gleichfalls epitheliale Fortsetzung der dorsalen Wand scheint bei x zu endigen; hier überdacht sie das distale, spitz zulaufende Ende des Zellzuges zz. In der Tafelfig. 2a ist ein Teil des nächstfolgenden, neunten Schnittes wiedergegeben. Auch hier weist die untere Wand der Anlage ww, eine stattliche proximale, sich allmählich verjüngende Fortsetzung auf; die der dor- salen Wand ist durch einen feinen Spalt von einem kurzen Mesoderm- abschnitt »» geschieden, dessen Gefüge ein wenig regelmäßiges ist. Endlich folgt vorn eine kurze epitheliale Doppelreihe von Zellen zz. Die Spalte zwischen «20, und zw, wird durch ein paar lose Zellen teilweise verdeckt. Die weiter außen folgenden Schnitte zeigen ähn- liche Bilder; die Beziehungen des Vorderendes der Anlage des ersten Urwirbels zum unsegmentierten Kopfmesoderm variieren jedoch sehr. Es kann in einem Schnitte ein Abschluß des ersteren angedeutet erscheinen, während in den beiden unmittelbar benachbarten Schnitten. ein solcher völlig fehlt. Eine Aufteilung des in meinen Bildern mit ww, bezeichneten Mesodermabschnittes auf zwei Urwirbel wird in keinem Schnitte angebahnt. Der Übergang ins Mesoderm der Seitenplatten setzt im proximalen Abschnitt des Urwirbels früher als im distalen ein. — Nach einwärts vom Schnitte der Textfigur nimmt sein Durchschnitt rasch an Höhe ab, die epitheliale Fortsetzung seiner Wände verkürzt sich und an ihre Stelle tritt dichtes Mesoderm. Etwas anders ist es mit der proximalen Abgrenzung des ersten Urwirbels auf der rechten Seite bestellt. Hier sehe ich in drei Schnitten, und zwar im vierten bis sechsten eine solche ganz deutlich. Wie die dem sechsten Schnitte entnommene Tafelfig. 2 5 lehrt, ist hier der erste Urwirbel ww, nach vorn wohl abgeschlossen; das auf ihn proximalwärts folgende Mesoderm ist in zwei Zelllagen gesondert, von welehen die dorsale eine überaus regelmäßige Reihen- bildung gleich langer und gleich gestellter Zellen aufweist. Schon im siebenten Schnitte ist das Vorderende des Urwirbels wieder offen, nn Dee A Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 113 die eben erwähnten Zelllagen bilden die proximale Fortsetzung seiner beiden Wände. Auch bei einem etwas älteren Keime, bei welchem ein drittes Urwirbelpaar distalwärts deutlich abgesetzt war, habe ich die proxi- male Abgrenzung des ersten Urwirbels angebahnt gefunden und zwar auf beiden Seiten. Auf der rechten Seite ist dies namentlich im dritten und vierten Schnitte sehr deutlich ersichtlich; es ist auch hier das Hinterende des unsegmentierten Kopfmesoderms in zwei Zellreihen gegliedert, von welchen die dorsale epithelial ist. Vom fünften Schnitte ab vermissen wir eine scharfe vordere Grenze des Urwirbels. Die Einzelheiten des sechsten sind in der Tafelfig. 3 wiedergegeben. Wir sehen beide Zellreihen in die Anlage ww, mit einbezogen. Die weiter außen folgenden Schnitte zeigen uns das Gleiche. Es gelingt uns leicht, im Schnitte der Tafelfigur den Beginn einer Abgliederung des künftigen Vorderendes des Urwirbels zu erkennen. Ähnlichem begegnen wir auch auf der andern Seite; hier ist namentlich im vierten Schnitte das Urwirbelvorderende scharf abgesetzt; seine Verbindung mit dem unsegmentierten Mesoderm wird bereits im fünften deutlich. Eine Gliederung des letzteren in epi- theliale Reihen ist jedoch erst vom siebenten Schnitte an nachweis- bar. — Die Deutung dieser Befunde soll später versucht werden. Keime mit vier und fünf Urwirbelpaaren. (Taf. III Fig. 4a—e, 5 a—b). Ich will mich zunächst an die Befunde halten, welche eine Querschnittserie von einem Keime mit vier Urwirbelpaaren darbietet und beginne mit der Schilderung der Region des ersten Urwirbels der linken Seite. Wie die Textligs\2, lehrt, ist “seine Fig. 2. Außenkante lang ausgezo- gen, das Gefüge ihrer Zellen etwas locker. Bei genaue- rem Zusehen gelingt es un- schwer, den Zusammenhang ihrer beiden Lamellen mit den entsprechenden inneren End- abschnitten der Seitenplatten festzustellen; indessen gerade dort, wo wir die Kommunikation von Myocöl und Splanchnoeöl zu erwarten hätten, wird dieser Zusammenhang durch ein paar Zellen 114 H. Rex völlig verdeckt, welche gleichwie aus der Reihe ihrer Genossen her- ausgedrängt erscheinen. Am Entoderm werden wir des Querschnittes zweier Kanten gewahr, % und A,; der von ihnen begrenzte Abschnitt seht weiter vorn in die Seitenwand der Vorderdarmrinne über. Oberhalb %, treffen wir das Hinterende der primitiven Pericardial- höhle an. Die beiden Seitenplatten zeigen den bekannten Unterschied im Gefüge: das der künftigen Darmseitenwand angeschmiegte Blatt besitzt hohe, schlanke Zellen, deren Kerne in verschiedenen Höhen lagern, so daß hierdurch der Eindruck der Mehrschichtigkeit erweckt wird; das dorsale Blatt weist durchweg niedrige Zellen auf. Die folgende Schilderung der Beziehungen des Urwirbelvorder- endes zum unsegmentierten Kopfmesoderm kann selbstredend nicht jenen klaren Einblick gewähren, den das Studium einer Sagittal- schnittserie mühelos erbringt; es erscheint mir gleichwohl nicht an- gezeigt, aus diesem Grunde die Bilder der Querschnitte etwa zu vernachlässigen. Über den Schnitt der Textfigur hinausgehend, bemerken wir, daß der Urwirbel eine Abrundung der Außenkante, hierauf eine solche der Innenkante erfährt und so einen ovalen Umriß mit stark ver- kleinerter Höhlung erwirbt. Im fünften Schnitte hat nurmehr die Dorsalkante epitheliales Gefüge bewahrt und an die Stelle der Innen- kante ist bereits das verjüngte Hinterende des unsegmentierten Kopf- mesoderms getreten. Die Einzelheiten des sechsten Schnittes gibt die Tafelfig. 4@ wieder. Die Lagerstätte des Urwirbels wird vom unsegmentierten Mesoderm eingenommen, das zwei Sonderabschnitte aufweist, einen dorsolateralen und einen ventromedialen. Beide sind epithelial gebaut. Der erstere setzt das Epithel der dorsalen Ur- wirbelkante fort; eine Lichtung kann ich in demselben nur unter Anwendung starker Linsen als feine schräg gestellte Spalte ermit- teln. Der ventromediale Abschnitt besitzt ebenfalls unverkennbar epitheliales Gefüge; die Zellen sind nach einem Punkte radiär gruppiert. Eine Lichtung fehlt hier. Schon im achten Schnitt ist von diesen Einzelheiten nichts mehr wahrnehmbar, das Mesoderm des parachordalen Gelasses ist von gleichmäßiger Diehte. — Eigen- artig ist das Verhalten des medialen Endabschnittes der Seitenplatten. Mit dem Verlust seiner Außenkante hat der Urwirbel auch die Ver- bindung mit diesem Endabschnitt eingebüßt; derselbe rückt nun medialwärts vor, indem er in die durch die Verjüngung des Urwirbelvorderendes entstandene Lücke eindringt, und fin- det endlich Anschluß ans unsegmentierte Mesoderm. Dies lehrt ein Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 115 Blick auf die Tafelfig. 4a. Der Endabschnitt ist hier lichtungslos ; die zweizeilige Anordnung seines Epithels tritt etwas zurück. Dem vorhin Gesagten zufolge setzt sich also auf dieser Seite die proximale Verlängerung der dorsalen Urwirbelkante ins unsegmentierte Mesoderm fort und überdeckt gleichzeitig einen verjüngten distalen Fortsatz desselben. — Weit weniger klar liegen die Verhältnisse auf der andern Seite. Hier dürfte die Dorsalkante und die mediale Wand des Urwirbels proximalwärts abgeschlossen sein, während sich die übrigen Abschnitte desselben unter Lösung des epithelialen Verbandes unmittelbar ins unsegmen- tierte Mesoderm fortsetzen. Auch hier folgt der mediale Endabschnitt der Seitenplatten dem sich verjüngenden Urwirbelvorderende dieht auf dem Fuße nach. Proximalwärts weiter vorschreitend erreichen wir das Gebiet der geräumigen Vorderdarmrinne und der schon recht umfangreichen primitiven Pericardialhöhle. Für uns kommt hier vornehmlich das dorsale, im parachordalen Gelasse geborgene Kopfmesoderm in Be- tracht. Es zeigt im 17. Schnitte — den der Textfig. 2 als ersten gezählt — einige bemerkenswerte Eigentümlichkeiten. Die Lager- stätte des dorsalen Mesoderms hat, wie die Tafelfig. 4 5 lehrt, an Tiefe gewonnen; auch der Umfang des Mesoderms hat sich vergrößert. Auf der linken Seite zeigt seine Innenkante epitheliales Gefüge, auch zeichnet sich dieselbe durch ein gewisses Maß der Abgeschiedenheit aus. Diese Einzelheiten treten jedoch schon im zweitnächsten Schnitte völlig zurück. Rechts sehen wir das dorsale Mesoderm durch eine kleine Einschnürung in zwei übereinander lagernde, auch im Gefüge etwas voneinander differierende Abschnitte gesondert; auch diese Sonderung tritt nach wenigen Schnitten völlig zurück. Der nicht in die Umwandung der Pericardialhöhle mit aufgebrauchte innere Endabschnitt des visceralen Mesoderms ist schmal und zeigt deutlich zweizeiligen epithelialen Bau; links dringt eine feine spalt- förmige Fortsetzung des Splanchnocöls etwas weiter dorsalwärts empor als auf der rechten Seite. Eine seitliche scharfe Grenzmarke des dorsalen Mesoderms ausfindig zu machen, hält für manchen Schnitt recht schwer. In dem der Tafelfigur wird uns ihre Feststel- lung auf der rechten Seite dadurch erleichtert, daß sich das Innenende des visceralen Mesoderms von einem kleinen seitlichen, die dorso- laterale Entodermkante überdachenden Fortsatz des dorsalen Meso- derms recht scharf absetzt. Auf der andern Seite sehe ich die Grenze gerade über dem Firste der hier etwas schärferen Entoderm- 116 H. Rex kante. In der Zeichnung ist durch Sternchen auf die Grenzmarken verwiesen. Schon nach wenigen Schnitten und zwar vom zwanzig- sten an greift im Gefüge des dorsalen Mesoderms eine Aufloekerung ein, die im Bereiche der vorderen Darmpforte [37. Schnitt] völlig durchgeführt ist. Das nun proximalwärts folgende Mesoderm ist äußerst loeker. Damit hat sich der Wechsel der uns schon bekann- ten beiden Abschnitte des dorsalen unsegmentierten Kopfmesoderms, des dichten und des losen vollzogen. Wir werden hierüber später in Sagittalschnitten besseren Aufschluß erhalten. In der eben durch- musterten Strecke ist der mediale Endabschnitt des visceralen Meso- derms sehr schmal; selten mehr dringt eine spaltförmige Fortsetzung des Splanchnocöls in denselben ein. Sein Gefüge zeigt noch deut- lichen zweizeiligen Bau, es tritt jedoch der Charakter des Epithels wenig mehr hervor. In manchen Schnitten gelingt es leicht, den Endabschnitt gegenüber dem dorsalen Mesoderm abzu- grenzen; er umgreift da hakenförmig den First der dorsolateralen Entodermkante, die wir weiter vorn in den Scheitel des Seitenflügels des geschlossenen Darmrohres übergehen sehen. Wir finden bei unserm Keim im Bereiche der vorderen Darm- pforte die Eetocardanlage beiderseits als Hache Falte deutlich ent- wickelt vor; zwischen ihr und dem Entoderm lagert eine kleine Zellgruppe, die etwas intensiver gefärbt ist. — Auf unsrer weiteren Wanderung lassen wir jenen Abschnitt der Kopfanlage, in welchem sich die Abgliederung des Cöloms des embryonalen Keimbezirks vollzieht, bald zurück und erreichen das Hinterende des freien ab- gegliederten Kopfendes. Die Tafelfig. 4 c orientiert uns über fol- gendes. Die Fortsetzung des dorsalen Mesoderms ist äußerst locker gewebt. Wie die benachbarten Schnitte lehren, ist ihre seitliche Grenze an der mit dem Sternchen bezeichneten Stelle zu suchen. Die ins freie Kopfende eindringende Fortsetzung des visceralen Meso- derms sticht von jener des dorsalen baulich ziemlich ab. Sie stellt ein nach außen mäßig vorgewölbtes Zellblatt dar, dessen Zellen in zwei Randreihen angeordnet sind; zwischen diesen sind vereinzelte Zellen eingeschaltet. Am dorsalen Endabschnitte, der dem Scheitel des Darmseitenflügels benachbart ist, tritt diese Reihengliederung ganz zurück. Das Ventralende des Blattes schließt eine kleine Lichtung ein: das Vorderende des innerembryonalen Cöloms. Die mediale Wand desselben wird aus mäßig hohen Epithelzellen aufgebaut und setzt sich distalwärts direkt in die Anlage des Ecto- cards fort. Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 417 Nach weiteren vier Schnitten ist die kleine Liehtung völlig ge- schwunden; ‚'die Fortsetzung des visceralen Mesoderms zeigt bald denselben lockeren Bau, wie jene des dorsalen Mesoderms. So sehen wir denn weiter vorn die dorsale Wand und den Seitenflügel des Darmes von gleichmäßig lockerem Mesoderm umsäumt, das vom Me- dullarrohr und dem Eetoderm durch einen breiten Spalt getrennt ist. Im Bereiche der Scheiteltasche ist der äußerste Ausläufer des Meso- derms ein lockerer Zellhaufen, welcher den Darmseitenflügel von vorn her umsäumt und mit seinem Ventralrand nahe an die seitliche Cireumferenz der Tasche heranreicht. Zarte Zellketten vermitteln den Zusammenhang mit dem unansehnlichen Reste der interepithe- lialen Zellmasse. Ich will jetzt noch der eigenartigen Beziehungen Erwähnung tun, welche das erste Urwirbelpaar eines etwas älteren Keimes zum unsegmentierten Kopfmesoderm aufweist. Der Keim hatte fünf Ur- wirbelpaare und ich habe von denselben eine Querschnittserie ange- fertigt. Auf der linken Seite büßt der erste Urwirbel im dritten Schnitte — jener durch seine ‚Mitte ist als erster gezählt — seine Außenkante und damit die Verbindung mit dem visceralen Meso- derm ein. Im vierten gewährt sein Vorderende ein Bild, das genau an eine im Anschnitt getroffene vordere Urwirbelwand erinnert. Das Gefüge des dorsalen Mesoderms im fünften Schnitte ähnelt dem Bilde, welches von dem gleichen Abschnitte bei einem etwas weiter ent- wickelten Keim in der Tafelfig. 8 wiedergegeben ist, nur findet sich bei unserm Keim ein kleines mittelständiges Lumen, welches etwas höher dorsalwärts als das zentrale Zellchen in der Tafelfigur lagert. Wir haben damit das Hinterende des unsegmentierten Kopfmeso- derms erreicht. In den folgenden Schnitten macht sich an diesen eine neue Gruppierung der Zellen bemerkbar; dies lehrt die dem achten entlehnte Tafelfig. 5 «. Die Zellen an der dorsalen und me- dialen Cireumferenz sind regelmäßig epithelial angeordnet und um- säumen ein kleines Häufehen Spindelzellen. Schon im zehnten Sehnitte ist dies Gefüge geschwunden und hat einem leichten locke- ren Bau Platz gemacht. — Das Innenende des visceralen Mesoderms gewinnt erst vom sechsten Schnitte an einen losen Anschluß ans dorsale; im neunten ist derselbe bereits ein recht inniger. Auf der rechten Seite büßt der Urwirbel gleichfalls im dritten Schnitt seine Außenkante ein, die übrigen Teile sind mit Ausnahme 118 H. Rex - der Innenkante im Anschnitt getroffen. Letztere setzt sich unter Verlust des epithelialen Gefüges direkt ins unsegmentierte Mesoderm fort, von welchem im vierten Schnitt bereits ein kleiner dorsaler Abschnitt auftaucht. Über die Einzelheiten des fünften orientiert uns die Tafelfiıg. 5 5. Das dorsale Mesoderm besitzt einen auffallend geringen Umfang; sein epithelial gegliedertes Dorsalende ist so innig an den medialen Endabschnitt des visceralen Mesoderms angeglie- dert, daß er als dessen direkte Fortsetzung imponiert; der ventrale, zungenförmig zugeschärfte Teil besteht aus Spindelzellen. Auch die weitere proximale Fortsetzung des dorsalen Mesoderms ist eine auf- fallend schmächtige, ventralwärts zugeschärfte Platte, die nach außen leicht vorgewölbt ist. Ihre Vereinigung mit dem lichtungslosen Innenende der Seitenplatten erfolgt unterhalb ihrer Dorsalkante welche daher dorsalwärts frei emporragt. Epithelial ist das Gefüge der Platte in keinem Schnitte. — Die eben geschilderten Einzel- heiten lassen wohl die Vermutung gerechtfertigt erscheinen, daß bei diesem Keime ein auf beiden Seiten verschieden großer Ab- schnitt des Urwirbelvorderendes einen proximalen Ab- schluss gefunden hat. Von Interesse ist für uns auch die Anbahnung des epithelialen Gefüges im Hinterende des unsegmentierten Kopfmesoderms. Die Sagittalschnittserie von einem Keime mit fünf Urwirbelpaaren weist folgende Befunde auf. Der Einblick in die Beziehungen der Scheiteltasche zur inter- epithelialen Zellmasse und dem Chordavorderende ist hier etwas weniger klar; ich vermag nur soviel festzustellen, daß die Verhält- nisse an jene gemahnen, welche ich für Entenkeime mit sieben Ur- wirbelpaaren beschrieben habe. Der weiteren Schilderung seien einige orientierende Worte zur Deutung der Schnittbilder vorausgeschickt. Das unsegmentierte Kopfmesoderm zeigt in der Anpassung an die Formverhältnisse des Hirnrohres und der Anlage des Vorderdarmes, sowie auch im Zu- sammenhange mit der Änderung seines Gefüges ganz beträchtliche Differenzen im transversalen Durchmesser. Man braucht bloß eine Rekonstruktion des dorsalen Kopfmesoderms in der Aufsicht zu be- trachten, um sofort zu erkennen, daß der seitliche Kontur dessel- ben vom Vorderende des ersten Urwirbels an immer mehr seitlich vorrückt; dort wo seine distale Hälfte in die proximale übergeht, Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 119 ist der Querdurchmesser fast ums Doppelte vergrößert und damit auch der Außenrand beträchtlich weit seitlich vorgerückt. Von da ab bleibt der Durchmesser der proximalen Hälfte bis nahe an ihr Vorderende annähernd gleich; dies letztere ist etwas verjüngt. Wir müssen daher darauf gefaßt sein, im Sagittalschnitte recht ungleichwertige Mesodermabschnitte aufeinander folgen zu sehen. Den Übergang des dorsalen Mesoderms ins viscerale werden. wir nur in den distalen Abschnitten klar überblicken, da die Verhältnisse hier ähnlich liegen, wie im Bereiche der Urwirbelreihe. Weiter vorn, wo wir nur Schrägschnitte des Überganges antreffen, ist auch der Einblick in denselben erschwert. Dem mit der baulichen Eigen- art der Kopfanlage eines Vogelkeimes vertrauten Forscher sage ich Fig. 3. “ 5 lese = Be] 2 Sa = Ep? mit dieser Orientierung gewiß nichts Neues; überflüssig erscheint mir dieselbe trotzdem nicht, da sie spätere Auseinandersetzungen erspart. — Die folgende Ahlildänine bezieht sich anf die linke Keimhälfte. Der Schnitt der Textfig. 3 hat die mediale Kante des unsegmen- tierten Kopfmesoderms getroffen. Die Verschiedenheit des Ge- füges tritt recht klar hervor. Wir werden zunächst des dichten Abschnittes gewahr; er wird vom Vorderende der inneren Urwirbel- kante durch eine deutliche Spalte abgesetzt und geht vorn in ganz beträchtlicher Entfernung von der !Darmpforte etwas unvermittelt in den lose gefügten Abschnitt über. Dieser ist von der Pforte an proximalwärts besonders locker gebaut. Ganz vorn erblicken wir über dem Vorderende der dorsalen Darmwand die Seitenteile der interepithelialen Zellmasse. 120 H. Rex Im dritten Schnitte — siehe die Textfig. 4 — ist die Lagerstätte des dorsalen Mesoderms bis an die Darmpforte hin in ihrer ganzen Höhe getroffen worden. Fig.4. Der dicht gebaute Ab- schnitt hat eine kleine Verkürzung erfahren; seine Beziehungen zum ersten Urwirbel sollen später geschildert wer- den. Auch das Hinter- ende des lockeren Me- soderms ist in ganzer Höhe vom Schnitte ge- troffen worden; von der Darmpforte an werden wir seiner Innenkante gewahr. — Im achten Schnitte (Textfig. 5) taucht bereits der linke Seitenpfeiler der Darm- pforte auf. An Stelle des dichten Mesoderms ist ein entsprechender g Pd, SEE EN We ck as Kar Z % u1% Karla = Be X> > uUw:1, Uw.2. RE n oe Eu a Abschnitt der Seitenplatten getreten. Auf diesen folgt vorn unmit- telbar das über dem Vorderdarme gelagerte lose Mesoderm, das der Schnitt in seiner ganzen Länge und Höhe getroffen hat. Unter dem Darme stoßen wir auf das viscerale Mesoderm; es beherbergt den medialen Endabschnitt des innerembryonalen Splanchnoeöls, welches sich unter rascher Verjüngung auf eine kurze Strecke hin ins Bereich des freien Vorderkopfendes hinein forterstreckt. Das ans Vorderende dieser Fortsetzung unmittelbar anschließende viscerale Mesoderm besitzt das Gefüge einer epithelialen Doppellamelle. Vor dem Darme gehen dorsales und viscerales Mesoderm ineinander | Uber das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 124 über; wir haben diese Vereinigung oben im Quersehnitt kennen ge- lernt. Zwischen der ventralen Darmwand und dem visceralen Meso- derm finden sich vereinzelte Zellhäufeben vor, deren Zellen ein auffallend trübes, dunkles Kolorit besitzen. Es handelt sich um Ge- fäßanlagen. Das Verhalten des losen dorsalen Mesoderms zum vis- ceralen ist in Querschnitten weit besser zu übersehen und ich ver- weise daher auf die oben geschilderten Befunde. Von großem Interesse sind für uns die Beziehungen zwischen dem Hinterende des unsegmentierten Kopfmesoderms und dem ersten Urwirbel. Ich will mich zunächst wiederum an die linke Keimhälfte halten und zum Schnitt der Textfig. 3 zurückkehren. Im distalen Endabschnitte des unsegmentierten Mesoderms waltet die Neigung zur Bildung epithelialer Reihen vor; wir treffen eine ven- trale niedrige Randreihe epithelial gefügter Zellen an, die sich bei = in ungleich höhere Zellen fortsetzt. Im nächsten nach außen fol- genden Schnitte baut sich das Hinterende aus zwei durch eine deut- liche Spalte voneinander geschiedenen niedrigen epithelialen Zell- reihen auf und ist wie im vorhergehenden deutlich vom Vorderende des ersten Urwirbels abgegrenzt. Schon in diesem und noch mehr in den nun weiter folgenden Schnitten wird die Ausdehnung des Hinterendes durch das nach vorn ausladende Urwirbelvorderende geschmälert. Dies ist im dritten Schnitte — s. d. Textfig. 4 — lang ausgezogen und verjüngt, das Myocöl entbehrt des proximalen Ab- schlusses und durchsetzt als feine Spalte die niedrige Vorderwand. Letztere ist vom unsegmentierten Mesoderm jetzt gut abgegliedett. Für die Zeichnungen 4, 6, 7 und 8 ist eine etwas stärkere Vergröße- rung gewählt worden. Sie läßt uns zunächst in Fig. 4 erkennen, daß auch in diesem Schnitte im unsegmentierten Mesoderm Spuren von epithelialem Gefüge vorhanden sind. Wir bemerken leicht eine weitere Fortsetzung der ventralen, dem Entoderm benachbarten Randreihe. Im fünften Schnitte — siehe die Textfig. 6 — wird das aufwärts leicht. eingefaltete Vorderende der Ventralwand des ersten Urwirbels von jenem der medialen Wand überdacht. Die Textfig. 7 ist dem sechsten Schnitte entnommen. Wir haben bereits die Region der Dorsalkante erreicht. Die Vorderhälften beider Wände sind ins Myoeöl vorgewölbt; diese plumpen Falten schneiden weiter außen durch — siehe Textfig. 8 — und wir erblicken im achten Sehnitte — siehe die Textfig. 5 — den um ein beträchtliches Stück seines eranioecaudalen Durchmessers verkürzten Ur- wirbel vorn abgeschlossen. Sein abgeschnürtes Vorderende, 122 H. Rex sowie das auf dies proximalwärts folgende dichte Kopfmesoderm hat bereits dem Mesoderm der Seitenplatten Platz gemacht. Im Bereiche der Außenkante des Urwirbels vermisse ich eine scharfe Abgrenzung derselben von dem ihr vorgelagerten Abschnitt der Seitenplatten. Fig. 6. Fig. 7. Es weist also das Hinterende der Innenkante des dichten Kopf- mesoderms epitheliales Gefüge auf; ein kurzer Fortsatz desselben ist unter der gleichen Kante des ersten Urwirbels verborgen. Das Vorderende des letzteren ist mit Aus- nahme der Außenkante deutlich vom un- segmentierten Mesoderm abgesetzt; seine Ablösung vom Urwirbel ist eingeleitet. — Auf der rechten Seite läßt das distale Ende des dichten Kopfmesoderms epi- thelialen Bau vermissen. Auch hier wird das lang ausgezogene Vorderende des Urwirbels einer Abschnürung unter- worfen; diese ist im Bereiche der Innenkante noch im Gange, weiter außen jedoch bereits durchgeführt; das abgeschnürte, lich- tungslose kurze Vorderende hat sich hier mit dem Hinterende des unsegmentierten Mesoderms vereinigt. Keime mit sechs Urwirbelpaaren. (Taf. III Fig. 6 a—d, 7.) Eine der mir vorliegenden Querschnittserien läßt mühelos er- kennen, daß der erste Urwirbel beiderseits an seinem Vorderende vom unsegmentierten Mesoderm abgegliedert ist. Ich wähle wie- derum die Mitte des Urwirbels zum Ausgangspunkte und sehe auf der rechten Seite, daß vom dritten Schnitte an die einzelnen Ab- schnitte des Urwirbelvorderendes in der Richtung von außen nach innen im Anschnitte getroffen sind. Im sechsten Schnitte ist nichts Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 123 mehr vom Urwirbelvorderende wahrnehmbar und die Fortsetzung seiner Lagerstätte wird vom stark verjüngten Hinterende des un- segmentierten Mesoderms eingenommen. Dies taucht bereits im dritten Schnitt unter der allmählich sich verkleinernden inneren Ur- wirbelkante auf und zwar, wie leicht erweislich, ohne jedweden Zusammenhang mit dem Urwirbel. Die Einzelheiten des sieben- ten Schnittes gibt die Tafelfig. 6 « wieder. Das distale Ende des unsegmentierten Mesoderms zeigt überaus deutlich epithelialen Bau, es besteht aus schlanken hohen Zylinderzellen, die eine scharf um- rissene Lichtung umsäumen. Etwas schwierig ist die Deutung des Me- sodermabschnittes z. Wir können da eines Rückblickes auf das Ver- halten des medialen Endabschnittes des visceralen Mesoderms nicht entraten. Das Urwirbelvorder- ende hat mit dem Verluste Fig. 9. seiner Außenkante auch die Verbindung mit diesem End- abschnitte eingebüßt; im fünf- ten Schnitte, dem der Textfig. 9, erblicken wir im parachordalen Gelasse zwei fast gleich große Mesodermabschnitte: den An- schnitt der dorsalen Urwirbel- hälfte zw, und unter diesem den Querschnitt des distalen Endes des unsegmentierten Mesoderms w.M. Die dorsale Zellreihe des Endteiles der Seitenplatten setzt sich unter dem Urwirbelrestehen bis an das letztere hin fort. Dieser Fort- setzung begegnen wir im Schnitt der Tafelfig. 6 a in Gestalt des Mesodermabschnittes z wieder; sie gewinnt im nächsten Schnitte einen weit innigeren Anschluß ans dorsale Mesoderm. Weiter vorn gewinnt das letztere an Umfang, namentlich an Höhe. Seine Ventralhälfte ist die direkte Fortsetzung des epithelia- len Hinterendes, dem wir in der Tafelfig. 6 @ begegnet sind; im zwölften Schnitt hat sich dies epitheliale Gefüge auch höher dorsal- wärts Geltung zu verschaffen gewußt. Dies lehrt ein Blick auf die Tafelfig. 6 6. Das schmächtige dorsale Mesoderm baut sich aus zwei epithelialen Zellreihen auf, die vier Spindelzellen einschließen. Der Endabschnitt des visceralen Mesoderms hat seine Lichtung und im Bereiche der Angliederungsstelle auch die Regelmäßigkeit seines Gefüges eingebüßt; er ist auch seitlich zurückgewichen, da er dem hier etwas stärker entfalteten dorsalen Mesoderm Platz machen Morpholog. Jahrbuch. 33. 9 124 H. Rex mußte. Schon im nächsten Schnitt treten diese Einzelheiten wenig mehr hervor. Weiter vorn weicht der Endabschnitt abermals etwas zurück; das dorsale Mesoderm entsendet hier über die abgerundete Entodermkante einen kurzen Fortsatz nach außen, von dem der epi- thelial gefügte Endabschnitt recht scharf absticht. Eine konstante Grenzmarke läßt sich indessen nicht erweisen, da ich in manchem Schnitt immer wieder ein mediales Vorrücken der Grenze feststellen kann. Links liegen die Verhältnisse etwas einfacher. Auch hier ist das Urwirbelvorderende vom unsegmentierten Mesoderm abgegliedert; im sechsten Sehnitte sehe ich nur mehr Reste seines Anschnittes. Im siebenten taucht der sehr kleine Querschnitt des unsegmentierten Mesoderms auf. Der Schnitt der Tafelfig. 6c ist der neunte. Der Umfang des dorsalen Mesoderms ist hier auch jetzt noch recht un- ansehnlich; das viscerale hat medialwärts bedeutend an Terrain ge- wonnen, sein Innenende ist ins parachordale Gelaß vorgedrungen. Weiter außen ist die Kontinuität des Splanchnocöls an zwei Stellen gestört. Das Studium der distalwärts folgenden Schnitte lehrt, daß das Innenende ähnlich wie auf der rechten Seite sein Vorrücken be- werkstelligt hat. — Weiter vorn weicht es wiederum zurück, wir begegnen dann bald auch auf dieser Seite einem kurzen, seitlichen Fortsatz des dorsalen Mesoderms, der die Entodermkante überdacht. Die Abgliederung des Vorderendes des ersten Ur- wirbels vom unsegmentierten Mesoderm stellt in unserer Serie einen überaus leicht festzustellenden Befund dar; es ist dies nicht ohne Interesse, da ja sonst gerade Querschnitte in solchen Fragen durchaus nicht genügenden Aufschluß zu geben ver- mögen. Die epitheliale Gliederung des Hinterendes des unseg- mentierten Mesoderms, der wir rechterseits begegneten, erinnert an den Querschnitt eines Urwirbels, der seiner Kanten verlustig ge- worden ist. Diese Anbahnung eines epithelialen Baues, ferner die Lagebeziehungen zur Innenkante des Urwirbels sind für uns keine Nova mehr; wir haben dieselben bereits bei den jüngeren Keimen kennen gelernt. Der Gesamtbefund wird uns später noch beschäftigen. Die Änderung im Gefüge des dorsalen Mesoderms vollzieht sich bei unserem Keime etwas unvermittel. Noch im 27. Schnitt ist dieses ein mäßig diebtes; es unterliegt jedoch schon im 30. Schnitte einer bedeutenden Lockerung. Im Bereiche der vorderen Darmpforte (45. Sehnitt) ist das dorsale Mesoderm bereits sehr lose gefügt. Der nicht mit in die Umwandung der primitiven Pericardialhöhle ein- Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 125 bezogene mediale Endabschnitt des visceralen Mesoderms ist hier schmal und erreicht das Niveau des Scheitels des Darmseitenflügels, oberhalb desselben werden wir des Außenendes des dorsalen Meso- derms gewahr in Gestalt von lose miteinander verknüpften Zellen. Die linke Hälfte des 55. Schnittes ist in der Tafelfig. 6 d wieder- gegeben. Derselbe geht durchs Hinterende des freien Kopfendes hindurch. Die Grenzmarke zwischen dorsalem und visceralem Meso- derm haben wir bei der mit einem * bezeichneten Linie zu suchen. Das ins freie Kopfende sich forterstreckende Splanchnocöl Sple ist umfangreicher, als der gleiche Abschnitt bei dem jüngeren Keime, den wir oben kennen gelernt haben (vgl. die Tafelfig. 4 c). Die untere Hälfte seiner Innenwand, die der direkten Fortsetzung der Anlage der Ectocardfalte entspricht, ist leicht in die Höhlung vor- sewölbt; hier ist auch das Zellgefüge ein weitaus regelmäßigeres als höher oben. Der oberhalb Sple bis zum Scheitel des Darmflügels folgende Abschnitt des visceralen Mesoderms läßt sofort erkennen, daß er aus der Vereinigung zweier Lamellen hervorgegangen ist; er schließt übereinander gelagerte Lichtungsreste splce ein. Am dor- salen Endabschnitt ist die Anbahnung einer epithelialen Gruppierung seiner Zellen leicht festzustellen. Die Befunde der Gegenseite, sowie auch jene der distalen gleichseitigen Nachbarschnitte liefern weitere vollgültige Beweise für die Richtigkeit unsrer Grenzmarke. Nach zehn Schnitten schwindet das Splanchnocöl aus den Schnitten; der ventro-mediale Endabschnitt wiederum zuletzt. Das Mesoderm ge- währt uns jetzt das bekannte Bild. Wie eine gleichmäßig breite Girlande umgürtet es den Darm. Vom Eetoderm trennt es eine breite Spalte; sein ventraler Endausläufer erreicht die Mittellinie nicht. Hier findet sich ein zellfreies Spatium von der Breite des Medullarrohres. Nirgend ist am Mesoderm auch nur die Spur irgend einer epithelialen Gliederung bemerkbar. Das äußerste, seitlich von der Scheiteltasche gelagerte Vorderende erstreckt sich über deren Bereich um ein Beträchtliehes nach vorn hin fort. — Eine Sagittalschnittserie gibt uns willkommenen Aufschluß über die Region des ersten Urwirbelpaares. Rechte Seite. Ich gehe von dem Durchschnitt der Innenkante aus, den uns die Tafelfig. 7 vor- führt; es ist vom Innenrande derselben aus gezählt der dritte Schnitt. Die Kante weist einen niedrigen, epithelialen Vorbau m auf; derselbe entbehrt einer Lichtung und ist vom unsegmentierten Mesoderm gut abgegrenzt, trotzdem er hart an dieses angrenzt. Noch besser ist er im nächst inneren, dem zweiten Schnitte, abgegrenzt. Im ersten 9* 126 H. Rex fällt die Entscheidung schwer, da hier die in Betracht kommenden Mesodermabschnitte schräg getroffen sind. Die Textfig. 10 gehört dem fünften Schnitte an. Der Vorbau m zeigt nurmehr dort, wo er Fig. 10. Fig. 11. ınit der ventralen Urwirbelwand zusammenhängt, epitheliales Gefüge. Seine Abgrenzung gegenüber dem unsegmentierten Mesoderm ist eine wenig scharfe. Schon in diesem Schnitte bemerken wir, daß sich an der Grenze zwischen m und ww, eine leichte Einschnürung be- merkbar macht, sowie auch, daß die Vorderenden der beiden Ur- wirbelwände einander zustreben. Im siebenten Schnitt haben sie einander erreicht und sich vereinigt. Der Urwirbel hat sich des Vorbaues entledigt und dieser ist mit dem unsegmentierten Mesoderm vereinigt. Von da ab bleibt der Urwirbel an seinem Vorderende geschlossen, wie auch die Textfig. 11 lehrt. Zur Orientierung sei noch bemerkt, daß wir mit dem sechsten Schnitte das Bereich der Dorsalkante des Urwirbels erreicht haben. — Es fällt uns nicht schwer, auch hier eine Regulierung des sagittalen Ur- wirbeldurchmessers durch Abschnürung überschüssigen Materials zu erkennen. Ich will jetzt noch eines andern Be- fundes Erwähnung tun, welchen der achte Schnitt (s. d. Textfig. 11) darbietet. Der auf den ersten Urwirbel distalwärts folgende Ab- schnitt des Keimes, der die Urwirbelreihe vom zweiten angefangen beherbergt, weicht etwas nach der linken Seite ab. Wir treffer daher in unserm Schnitte noch das Bereich der dorsalen Kante des ersten Urwirbels, von dessen distalwärts folgenden Genossen bereits die Außenkanten an. Die des zweiten ist scheinbar verdoppelt. Es ist zwischen dem ersten und zweiten Urwirbel ein ovaler Mesoderm- abschnitt om eingeschaltet, der aus verhältnismäßig hohen Zylinder- zellen besteht und eine mittelständige Lichtung aufweist; er ist be- reits im siebenten Schnitte nachweisbar und gehört, wie das nähere Zusehen lehrt, dem Mesoderm der Seitenplatten an. Ähnlich wie ı Al ne u Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 127 im Bereiche des Vorderendes des ersten Urwirbels rückt auch in den Spatien zwischen den einzelnen Urwirbeln das Innenende dieses Mesoderms nach einwärts vor; wir sehen dasselbe auch zwischen den Außenkanten der folgenden Ur- wirbel medialwärts vorrücken, doch kommt es hier nicht zur Ent- wicklung eines so deutlichen Lumens, wie es der zwischen den beiden ersten Urwirbeln vordringende Abschnitt aufweist. Linke Seite. Die dem fünften Schnitt entlehnte Textfig. 12 läßt erkennen, daß das verjüngte Vorderende des ersten Urwirbels Fir. 12. Fig. 13. völlig abgeschlossen und vom unsegmentierten Mesoderm scharf ge- schieden ist. In den einwärts folgenden Schnitten erfährt es eine Modifikation seiner Formverhältnisse, die am schärfsten im dritten zu Tage tritt. Ähnlich wie im gleichen Schnitt der rech- ten Seite ist hier das Vor- derende zu einem niedrigen epithelialen lichtungslosen Vorbau umgewandelt (vgl. die Tafelfig.7). Nach außen vorschreitend werden wir einer Verkürzung des Ur- wirbels gewahr: das Vorderende wird abgeschnürt. Die Textfig. 13 (Schnitt 6) belehrt uns hierüber. Das der Abschnürung unterliegende Vorderende m ist hart vor der in Bildung begriffenen neuen proxi- malen Urwirbelwand plaziert. Sein Zusammenhang mit der ventralen Wand ist noch deutlich ersichtlich. Im siebenten Schnitte ist das ab- geschnürte Stück mit dem Hinterende des unsegmentierten Mesoderms vereinigt. Vom achten an werden wir einer scheinbaren Verdoppelung der Außenkante gewahr; die dem neunten entnommene Textfig. 14 zeigt, daß vor der Außenkante des ersten Urwirbels uw, der mediale 128 H. Rex Endabschnitt der Seitenplatten om nach innen vorgedrungen ist. Raum für das Vordringen ward bei unserm Keim durch die eben ge- schilderte Verkürzung der Außenhälfte des Urwirbels geschaffen; es ist ferner das ans schmale Vorderende desselben angeschlossene Distalende des unsegmentierten Mesoderms gleichfalls sehr schmächtig. Es ist dies eine Eigentümlichkeit, der wir in Querschnittserien schon mehrfach begegneten. — Noch im zwölften Schnitt kann ich die Lichtung des Endteiles der Seitenplatten und jene der Urwirbel- außenkante deutlich erkennen; im fünfzehnten tritt uns bereits die einheitliche Lichtung der Seitenplatten entgegen. — Aus dieser Schilderung geht hervor, daß auch bei diesem Keime die Formgestaltung des Vorderendes des ersten Urwirbels noch in regem Flusse begriffen ist. Keime mit sieben und acht Urwirbelpaaren. (Taf. III Fig. 8, 8a—b, 9a—c, 10.) In der Querschnittserie von einem Keime mit sieben Paaren ist das Verhalten des ersten Urwirbels auf der linken Seite folgendes. In dem Schnitte durch dessen Mitte ist die Kommunikation zwischen Myocöl und Splanchnocöl noch nicht nachweisbar. Im dritten ist, wie die Textfig. 15 lehrt, das Gefüge der Außenkante in Lockerung begriffen; die Ventralwand ist bereits Fig. 17. zum Teil in embryonales Bindege- webe umgewandelt. Ich vermag keine scharfe Grenze zwischen diesem und dem Urwirbelkern nachzuweisen. Das Innenende der Seitenplatte ist scharf vom Reste der Außenkante abgesetzt. Im fünften Schnitte (s. d. Textfig. 16) vermissen wir auch die Innenkante und treffen nurmehr. den Rest der dorso-medialen Wand an, der eine kleine laterale Umschlagskante aufweist. Dieser Rest gleicht Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe, 129 einem an beiden Enden ventralwärts leicht abgebogenen Plättchen, welches eine wenig geräumige Nische überdacht; letztere beherbergt ein kleines Zellhäufchen. Das Plättehen lagert etwa in der Mitte des parachordalen Gelasses; seine Fortsetzung ist im nächsten Schnitte ein dünner Zellstreifen, an dem ein epitheliales Gefüge nicht mehr deutlich zu erkennen ist. Im achten werden wir bereits des Distal- ‚endes des unsegmentierten Mesoderms gewahr. Die Textfig. 17 ist demselben entnommen. Ähnlich wie bei dem Keime mit fünf Ur- wirbelpaaren (s. d. Tafelfig. 5«) lassen die Zellen der dorso-medialen Circumferenz deutlich eine epitheliale Reihenbildung erkennen. Das Innenende des visceralen Mesoderms setzt sich hart bis ans dorsale Mesoderm fort, ist zweizeilig epithelial und wird von einer zarten spaltförmigen Fortsetzung des Splanchnoeöls durchsetzt. Das ge- schilderte Gefüge des dorsalen Mesoderms schwindet sehr bald aus den Schnitten; unter allmählicher Vergrößerung des Umfanges wird es auch dichter. Seine Innenkante tritt von der Chorda beträchtlich weit zurück; erst weiter vorn vom 25. Schnitte an wird die stattliche zellfreie parachordale Lücke von der Innenkante ausgefüllt. Rechts fehlt die Proliferation von seite der Ventralwand des Urwirbels; im fünften Schnitte ist nurmehr der Rest seiner Dorsal- kante im Anschnitt wahrnehmbar, an den sich im folgenden das sehr kümmerliche, aus einem kleinen Zellhäufehen bestehende Hinterende des unsegmentierten Mesoderms angliedert. Im neunten hat dies etwas an Umfang gewonnen und läßt hier Spuren einer gewissen Regel- mäßigkeit erkennen. Im elften — s. d. Tafelfig. 8 — besitzt das dorsale Mesoderm einen dreiseitigen Querschnitt; seine langgestreckten epi- thelialen Zellen sind nach der Mitte gerichtet. Eine Lichtung ist nicht erweislich; an der Stelle, an der wir eine solche zu suchen hätten, ist ein kleines Zellchen gelagert. Die Abgrenzung gegenüber dem Mesoderm der Seitenplatten ist eine recht scharfe. Weiter vorn sehen diese Einzelheiten bald verloren; das dorsale Mesoderm ge- winnt an Umfang, das Innenende der Seitenplatten weicht seitlich zurück. Wir sehen auf beiden Seiten unseres Keimes den Anschluß des Urwirbelvorderendes ans unsegmentierte Mesoderm durch das proxi- male Ende der Dorsalkante vermittelt; das auf der linken Seite der ventralen Urwirbelwand entstammende Häufchen embryonalen Binde- gewebes ist zu unansehnlich, um einen proximalen Anschluß gewinnen zu können. Ferner erweckt das Verhalten des Urwirbelvorderendes namentlich auf der linken Seite den bestimmten Eindruck, daß es 130 H. Rex sich hier bereits um den frühen Beginn von kückbildungs- erscheinungen des Urwirbels handelt. Eigenartige Befunde weist in der Region des ersten Urwirbel- paares die Querschnittserie von einem etwas älteren Keime, einem solchen mit acht Paaren auf. Die Textfig. 18 führt uns einen Schnitt Fig. 18. Fig. 19. durch die Mitte des ersten Urwirbels der rechten Seite im Spiegel- bilde vor. Die Außenkante setzt sich mit ihren beiden Lamellen direkt in die entsprechenden inneren Endabschnitte der Seitenplatten fort. Ihre seitliche Grenzmarke ist durch die mit einem Sternchen bezeichnete Linie angegeben; die vorhergehenden Schnitte erleichtern ihre Feststellung sehr. Die Kontinuität des Cöloms ist gerade an dieser Stelle durch eine leichte Verlötung des Epithels aufgehoben; im zweiten und dritten Urwirbel ist die Kommunikation zwischen Myocöl und Splanchnoeöl überaus deutlich. Die ventrale Urwirbelwand zeigt in ihrer Innenhälfte den Beginn einer Lockerung des Gefüges. Weiter vorn treffen wir die Außenkante bald nur mehr im An- schnitte; die Lockerung des Gefüges der Innenhälfte der ventralen Wand macht einem Zerfall derselben Platz, der auch auf die Innen- kante übergreift. Im fünften Schnitte ist von der Dorsalkante nur- mehr ein kümmerlicher Rest wahrnehmbar, der einem überaus lockeren Zellhäufchen aufsitzt. Dies letztere stellt das Zellmaterial dar, aus dem sich hier vorn die Innenkante aufgebaut hatte. Vielleicht hat sich ihm auch noch eine oder die andre Zelle des Urwirbelkerns beigesellt. An dieses Häufchen loser Zellen gliedert sich im sechsten Schnitte das unsegmentierte Mesoderm direkt an. Irgendwelche Pro- Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 131 liferationsvorgänge von seite der Ventralwand sind nicht wahrnehm- bar. Die Textfig. 19 führt uns die siebente Schnitthälfte im Spiegel- bilde vor. Das dorsale Mesoderm hat einen annähernd dreiseitigen Querschnitt; sein Gefüge ist mäßig dicht. Es ist eine umfangreiche parachordale Lücke vorhanden. Das zweizeilige, epitheliale Innen- ende des visceralen Mesoderms umgreift den Scheitel des Darmseiten- flügels. Auf die Formverhältnisse des Mesoderms der Herzanlage brauche ich wohl nicht näher einzugehen. Auf der linken Seite sind die Verhältnisse die gleichen; auch hier unterliegt das Urwirbelvorderende einem förmlichen Zerfall seines Gefüges. — Ich will nun wieder zu der erstgeschilderten Serie von dem Keime mit sieben Urwirbelpaaren zurückkehren. Die Zählung der Schnitte geht von der Mitte des ersten rechten Urwirbels aus. Die vordere Darmpforte taucht im 29. Schnitte auf. Der Wechsel im Gefüge des dorsalen Mesoderms setzt im vorhergehenden ein und ist im 35. Schnitte beendigt. Am längsten widersteht demselben die innere Kante. In dieser Region ist in der Mehrzahl der Schnitte die seitliche Grenzmarke des dorsalen Mesoderms recht deutlich; sie findet sich etwas nach innen vom Scheitel des Darmflügels vor. Der mediale Endabschnitt des visceralen Mesoderms ist entweder von einer kleinen Lichtung durchsetzt oder er besitzt den Bau eines epithelial gefügten Zellstranges. Auch weiter vorn gelingt diese Ab- grenzung in manchem Schnitte sehr gut; dies lehrt die dem 40. ent- lehnte Tafelfig. Sa. Hier schließt das dünne Zellblatt, welches die Verbindung des dorsalen Mesoderms mit der oberen Circumferenz der Wandung der primitiven Pericardhöhle beistellt, an seinem Innenende ein kleinstes von epithelialen Zellen umsäumtes Lumen splc ein. Einwärts von diesem haben wir die mediale Grenze des visceralen Mesoderms zu suchen. — Das innerembryonale Splanchnocöl setzt sich ins Hinterende des freien Kopfendes nicht fort; es verödet vorher und zwar schreitet diese Verödung in ventro-medialer Richtung vor. Das ins Kopfende eintretende viscerale Mesoderm ist eine dünne Zell- platte, die nur dort, wo sie unansehnliche Reste des Splanchnoecöls beherbergt, eine leichte Verdickung aufweist. Die Tafelfig. 85 (54. Schnitt) führt uns ins Bereich des äußersten Hinterendes des freien abgegliederten Kopfabschnittes. Das dorsale Mesoderm baut sich aus lose miteinander vereinigten Spindelzellen auf; das zarte Zellblatt, als welches uns das viscerale Mesoderm ent- gegentritt, schließt kleine, wenig umfangreiche Reste des Splanchnocöls 152 H. Rex ein. Eigenartig ist das Verhalten seines Dorsalendes. Es sticht in seiner ganzen baulichen Eigenart scharf vom dorsalen Mesoderm ab und findet erst in unmittelbarer Nähe der Seitenfläche des Hirnrohres sein Ende. Das Ectoderm der ventralen Cireum- ferenz unsres Schnittes strebt eine Annäherung an die untere Darm- wand an; bei a.a und a.d werden wir der unansehnlichen Anlagen der auf- und absteigenden Aorten gewahr. Im nächsten Schnitte reicht der mediale Endabschnitt des visceralen Mesoderms nicht mehr bis ans Hirnrohr heran; er besitzt hier einen keulenförmigen Durch- schnitt, dessen verdicktes Innenende nach innen gerichtet ist und eine größere, unregelmäßig begrenzte Lücke einschließt. Die Um- ıisse der Keule werden von Zellen beigestellt, die eine epitheliale Reihenbildung anstreben. Weiter vorn treten diese Einzelheiten völlig zurück; irgend eine scharfe Abgrenzung des dorsalen Mesoderms gegenüber dem visceralen wird undurchführbar. Im 63. Schnitte ist das Eetoderm der ven- tralen Cireumferenz in der Breite des Medullarrohres an die untere Darmwand herangetreten; sobald wir das Hinterende der interepithe- lialen Zellmasse erreichen, sehen wir diesen Anschluß ans Entoderm zu einem recht innigen sich gestalten. Hier vorn ist der Umfang des zellarmen Mesoderms schon recht gering; sein die vordere Cir- cumferenz des Darmseitenflügels umgreifendes Vorderende ist ein ganz bescheidenes Zellhäufehen, das durch zarte Zellketten mit den Seitenteilen der Zellmasse verbunden ist. — In der mir vorliegenden Sagittalschnittreihe von einem Keime mit sieben Urwirbelpaaren ist die Chorda von ihrem Vorderende bis über den siebenten Urwirbel hinaus vom Medianschnitt getroffen, ein Umstand, der die Orientierung im dorsalen Kopfmesoderm außer- ordentlich erleichtert. Ich will zunächst einiges über die Befunde am Vorderende des Darmrohres mitteilen. Sie lassen sich am besten mit jenen vergleichen, die ich für Entenkeime mit neun Urwirbel- paaren beschrieben habe; namentlich die dort gegebene Tafelfig. 8 sowie die Textfig. 8 gewähren guten Aufschluß. In manchem ist die Eniwicklung bei der Möwe weiter vorgeschritten. Die interepi- theliale Strecke der dorsalen Darmwand ist kürzer; die Scheitel- tasche läßt sich seitlich gut abgrenzen. Vom Medianschnitt aus- gehend, nehmen wir wahr, daß sich die interepitheliale Strecke rasch verkürzt und im sechsten Schnitte das Vorderende der dorsalen Darm- wand von jenem der ventralen nurmehr durch einen feinen Spalt geschieden wird; im achten ist der Darm völlig geschlossen. Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 133 Und nun zum dorsalen Kopfmesoderm. Der Schnitt der Textfig. 20 gewährt uns eine gute Übersicht über das Gefüge seiner Innenkante, er ist von deren Innenrande aus gezählt der vierte. Der dicht ge- fügte Abschnitt reicht bis nahe an die Darmpforte hin; hierauf folgt das lose Mesoderm und ganz vorn erblicken wir den wenig umfang- reichen Seitenteil der interepithelialen Zellmasse. Das Zellmaterial des dichten Mesoderms zeigt deutlich die Tendenz, eine Regelmäßig- Fig. 20. 7 ee RR NE r MeXy 17 5 u BES OHINTETTEIATE ZART NL 7: keit im Baue anzubahnen; die Zellen sind zu kurzen Reihen ver- bunden, die entweder dem Entoderm gleichgerichtet sind oder auch nach vorn und abwärts ziehen. Auch die vordere Grenze des ge- samten diehten Mesoderms hat eine ähnliche Richtung; sein zu- geschärftes Vorderende wird vom verjüngten distalen Abschnitte des losen Mesoderms überdacht. Weitaus besser erblicken wir das Ge- füge in dem zweitnächsten Schnitte, dem die Textfig. 21 bei stärkerer Vergrößerung entnommen ist. Das dichte Mesoderm, dessen schräg nach vorn abfallende Grenzlinie bei z zu finden ist, erweckt überaus deutlich den Eindruck, daß ein epithelialer Bau angestrebt wird; 134 H. Rex indes das Erreichte ist weit von irgend welcher Regelmäßigkeit ent- fernt. Es ist, als wäre nicht mehr die Energie vorhanden, den er- strebten Bauplan zur Gänze durchzuführen, und diese mit der Bei- schaffung des Rohmaterials erschöpft. — Auch ganz vorn, wo wir eine leichte Lockerung wahrnehmen, zeigen die spindelförmigen Zellen das deutliche Bestreben, sich mit der Längsachse senkrecht zum Entoderm einzustellen. Auch in den weiter außen folgenden Schnitten begegnen wir ähnlichen Bildern; sobald wir uns dem Innenrande des visceralen Mesoderms nähern, das wir nach sechs Schnitten erreichen, treten die soeben geschilderten Einzelheiten ganz zurück; die Ab- srenzung gegenüber dem losen Mesoderm ist jedoch immer gut durch- führbar. Die Beziehungen zwischen dem ersten Urwirbel und dem unseg- mentierten Mesoderm sind bei unserm Keime recht eigenartige. Ich gehe zunächst vom Schnitte der Textfig. 20 aus. Der uns interessie- rende Bezirk desselben ist in der Tafelfig. 9a stärker vergrößert wiedergegeben.” Wir nehmen wahr, daß dem Vorderende der weit offenen Innenkante des ersten Urwirbels ein epithelialer Vorbau von der Form eines = angeschlossen ist (m). Das Epithel desselben ist um ein Beträchtliches niedriger als jenes des Urwirbels. Das Vorder- ende der unteren Urwirbelwand setzt sich unmittelbar in die gleiche Wand des Vorbaues fort; das der oberen Wand schließt bei z wie abgeschnitten scharf ab und ist deutlich vom hart benachbarten Ab- schnitt der oberen Wand des Vorbaues geschieden. Dieser ist vom unsegmentierten Mesoderm deutlich abgegrenzt. Urwirbel und Vor- bau schließen miteinander eine geräumige, langgestreckte Höhle ein, welche eine stattliche Zahl von Zellen beherbergt. Bei einer gewissen Einstellung bemerken wir, daß einige dieser Zellen so geformt und gelagert sind, daß sie eine Art provisorischen Abschlusses des Ur- wirbelvorderendes beistellen. Sie fügen sich in die ganz beträcht- liche Lücke ein, welche die Kommunikation zwischen Myoeöl und Lichtung im Vorbau herstellt. — In den einwärts folgenden drei Schnitten ist der an den Vorbau angrenzende Abschnitt des dichten Kopfmesoderms etwa in der Ausdehnung der doppelten Länge des ersteren epithelial gegliedert und auch vorn scharf abgegrenzt. Eine deutliche Spalte trennt hier eine obere und untere epitheliale Zell- reihe. Der Urwirbel selbst gemahnt hier mit seiner Beziehung zum Vorbau unmittelbar an jenes Bild, welchem wir im Schnitte der Tafelfıg. 7 von einem jüngeren Keime begegneten. In den auswärts folgenden Schnitten ändert sich sein Ver- Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 135 halten. Schon im nächsten, dem fünften Schnitte (Tafelfig. 9) ist das Vorderende der oberen Urwirbelwand nach abwärts umgeschlagen, ohne jedoch das gleiche Ende der unteren Wand zu erreichen. Dieses setzt sich unter rascher Verjüngung in einen epithelialen Zellzug fort, welcher nach kurzem Laufe aufwärts emporlenkt und sich hier in einem Zellhäufchen verliert. Der Zellzug gehört bereits der seit- liehen Fortsetzung des Vorbaues m» an, welcher in unsetm Schnitte sein Gefüge bereits zum größeren Teile eingebüßt hat. Vom unseg- mentierten Mesoderm trennt denselben ein leidlich gut erkennbarer Spalt. „per Vorbau schließt auch eine kleine Höhle ein, welche mit jener im ersten Urwirbel durch die niedrige Spalte in dessen Vorder- wand kommuniziert. Beide Lichtungen bergen auch hier eine statt- liche Zahl von Zellen. — Im sechsten Schnitte (Textfig. 21) ist der erste Urwirbel vom Vorbau bereits scharf geschieden und besitzt eine wohl abgeschlossene Vorderwand. Der Vorbau hat an Umfang ein- gebüßt und ist ans unsegmentierte Mesoderm angeschlossen. Er läßt wenig mehr von epithelialem Gefüge erkennen. Im siebenten Schnitt entspricht seiner Fortsetzung das Hinterende des unsegmentierten Mesoderms; im achten taucht im Mesoderm vor dem ersten Urwirbel eine kleine epithelial umsäumte Lichtung auf. Es handelt sich wiederum um einen einer hohlen Knospe ähnelnden Ab- schnitt des visceralen Mesoderms, welcher vor dem Ur- wirbel besonders weit medialwärts vordringt. Weiter außen tauchen auch noch vorn kleine Lichtungen in der Fortsetzung des dicht gefügten Kopfmesoderms auf und wir stehen bald in dieser Region der einheitlichen Splanchnocöllichtung gegenüber. Das sind die Befunde auf der linken Seite. Der Urwirbel entledigt sich hier eines in die Anlage seiner Innenhälfte mit einbe- zogenen epithelialen Mesodermabschnittes. Ich kann keine Beziehungen zwischen diesem und der vor der Außenkante des Ur- wirbels medialwärts vordringenden Knospe der Seitenplatten nach- weisen, letztere erweckt weit eher den Eindruck des Selbständigen. Auf der rechten Seite sind die Verhältnisse gleichfalls etwas kom- pliziert. In den drei ersten Schnitten gemahnt das Verhalten der Innenkante des ersten Urwirbels an jenes, welches uns die Textfig. 12 von dem jüngeren Keime zeigt. Bei unserm Keime läßt das der Innenkante vorgelagerte äußerste Hinterende des unsegmentierten Mesoderms den Rest einer Lichtung und auch epithelialen Gefüges erkennen. Ob etwa ein Zusammenhang dieses kurzen Endcehens mit der Kante stattgehabt hatte, habe ich nicht feststellen können. Im 136 H. Rex vierten und fünften Schnitt büßt das schnabelartig verjüngte Vorder- ende des Urwirbels seinen Abschluß ein. Zwischen seinen zuge- schärften Vorderrändern ist ein niedriger, schmächtiger Fortsatz des unsegmentierten Mesoderms eingesenkt, welcher einen notdürftigen Abschluß des Myocöls beistellt. Im sechsten Schnitt (s. d. Tafelfig. 9 c) wird das Vorderende » vom Urwirbel abgeschnürt. Die obere Wand des letzteren hat sich bereits nach unten umgeschlagen; eine leichte Einfaltung am Vorderende der unteren Wand läßt erschließen, daß auch dieses dorsalwärts emporzutreten im Begriffe ist. Im siebenten Schnitt hat sich der Urwirbel seines Vorderendes bereits entledigt; er ist hier vorn abgeschlossen und ähnelt dem zweiten Urwirbel der Tafelfig. 9c bis auf die völlige Abrundung der Umrisse seiner Vorder- hälfte. Sein abgeschnürtes Vorderende hat sich mit dem unsegmen- tierten Mesoderm vereinigt. Im achten Schnitte tritt vor dem Ur- wirbel eine kleine Knospe des visceralen Mesoderms auf; im neunten eine gleiche zwischen ihm und dem zweiten Urwirbel. Im zwölften, in welchem von der Außenkante des zweiten Urwirbels nurmehr ein bescheidenes Restehen nachweisbar ist, erreichen die beiden Knospen fast die Größe der von ihnen eingeschlossenen Außenkante des ersten Urwirbels. — Der erste Urwirbel hat, wie aus dieser Darstellung hervorgeht, also auch auf dieser Seite seine endgültige Formgestaltung noch nicht durehgeführt. Die im Gange befindliche Ab- schnürung des Vorderendes seiner Innenhälfte ist wohl auch hier im Sinne einer Regulierung des Längsdurch- messers zu deuten. Bei einem etwas älteren Keime, einem solchen mit neun Ur- wirbelpaaren, liegen wieder andre Verhältnisse vor. Auf der linken Seite ist die Abgliederung des ersten Urwirbels vom un- segmentierten Kopfmesoderm ganz durchgeführt; die Be- ziehungen beider zueinander sind rein nachbarliche. Im Bereiche der Dorsalkante des Urwirbels ist seine Vorderwand noch nicht völlig geschlossen. Schon im sechsten Schnitte, dem der Tafelfig. 10, weist diese Wand eine kleine, erst bei Anwendung stärkerer Linsen sichtbare Spalte auf, die etwa in ihrer halben Höhe gelegen ist. Im nächsten Schnitte ist an dieser Stelle eine deutliche Störung des epithelialen Gefüges der Wand nachweisbar; im achten ist diese schon fast behoben; eine feine Spalte setzt hier die Dorsalhälfte der Vorderwand vom zugeschärften Vorderende der Ventralwand ab. Im Uber das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 137 neunten ist von einer Störung im Gefüge des Urwirbels fast nichts mehr wahrnehmbar. Rechts ist der Befund ein andrer. Die Innenkante besitzt einen eiförmigen Umriß; der spitze Pol ist proximalwärts gerichtet und schließt unmittelbar ans niedrige Hinterende des unsegmentierten Mesoderms an. Die Wandung ist nicht vollständig, die Ventralwand erreicht bloß zwei Drittel der Länge der Innenwand. Der Ausfall wird durch einen schmächtigen Fortsatz des unsegmentierten Meso- derms gedeckt, der unter dem Vorderende der Innenwand hinweg distalwärts zieht und in die in der Kante befindliche Lücke eintritt; seine Zellen zeigen hier, soweit sie sich an der Abgrenzung des Myocöls beteiligen, epitheliale Anordnung. Im Bereiche der Dorsal- kante ist das Bestreben nach einem proximalen Abschlusse unver- kennbar. Die bis dahin dem Entoderm gleichgerichtete Ventralwand ist dorsalwärts emporgekrümmt und die um ein Beträchtliches längere obere Wand ist gerade über ihrem aufwärts sehenden freien Vorder- ende eingefaltet. Der proximal vom Faltenbuge befindliche Falten- schenkel gesellt sich dem benachbarten Hinterende des unsegmen- tierten Mesoderms bei. Erst im Bereiche der Außenkante ist der Abschluß des Urwirbels ein vollkommener. Keime mit zehn und elf Urwirbelpaaren. (Taf. III Fig. 11; Taf. IV Fig. 11 a—f; Taf. IX Konstr. 1.) Mir liegen mehrere Querschnittserien von Keimen mit elf Ur- wirbelpaaren vor. Eine derselben (A) hat der Schilderung in meiner vorläufigen Mitteilung, eine zweite (2) der in der Tafelfig. I wieder- gegebenen Profilkonstruktion zugrunde gelegen. Die Befunde in diesen beiden Schnittreihen ergänzen einander zu einem willkomme- nen einheitlichen Bilde; ich werde daher in die folgende Beschrei- bung, die sich hauptsächlich auf die zur Konstruktion benutzte Schnittreihe B stützt, manchen Befund aus der Serie A einzuschal- ten haben. Der Schnitt der Textfig. 22 geht knapp hinter der Mitte des ersten Urwirbels der linken Seite hindurch. (Siehe die Konstruktion, in der die Lage sämtlicher hier zu besprechender Schnitte verzeichnet ist.) Es ist eine geräumige Kommunikation zwischen Myocöl und Splanchnocöl vorhanden. Am inneren Drittel der Ventralwand hat eine mit der Lösung des Gefüges vergesellschaftete leichte Proliferation ein- gesetzt; die Sonderung des frei gewordenen Zellmaterials von jenem des Urwirbelkernes läßt sich nieht mehr durebführen. Auch das mittlere 138 H. Rex Drittel zeigt den Beginn der Proliferation. Die Grenze zwischen Urwirbel und Seitenplatten ist nach den Befunden in den benach- barten Schnitten gerade über dem Scheitel des Darmflügels zu su- chen (beim *). Für die Ventralwand können wir die Grenze sogar recht genau feststellen. Das etwas dichtere Gefüge ihres äußeren Drittels stieht von jenen der Splanchnopleura scharf ab und gestattet Fig. 22. Fig. 23. leicht, die Grenze bei der Zellteilungsfigur festzustellen’. — In die Beziehungen des Urwirbelvorderendes zum unsegmentierten Meso- derm gewährt die Serie keinen völlig klaren Einblick- Im vierten Schnitte wird die Aufhebung des Zusammenhanges zwischen Urwir- bel und den Seitenplatten bereits eingeleitet; hier hat auch schon im äußeren Drittel der Ventralwand die Lösung des Gefüges begonnen. In den weiter folgenden Schnitten ist dies Drittel noch epithelial sefügt und mit dem benachbarten Ende des Restes der Dorsalwand zu einer wohl abgerundeten Außenkante vereinigt; die Trennung vom Innenende der Seitenplatte ist damit vollzogen. Wir werden jetzt auch der medialen Wand und der Dorsalkante im Anscbnitte gewahr; die Angliederung ans unsegmentierte Mesoderm dürfte durch das einwärts vorrückende Vorderende der Außenkante und das spärliche der Ventralwand entstammende embryonale Bindegewebe beigestellt werden. Über den neunten Schnitt gibt die Textfig. 23 Aufschluß. Das unsegmentierte Mesoderm tritt uns hier als dünnes, zwischen der Cardinalvene und der absteigenden Aorta eingelassenes Band entgegen; wiederum dringt das viscerale Mesoderm mit seinem Endteile beträchtlich weit medialwärts vor; die in diesem ! Diese Einzelheiten treten in der Teextfigur nicht deutlich hervor. Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 139 eingeschlossene spaltförmige Fortsetzung des Splanchnoeöls ist etwas erweitert; die Außengrenze des dorsalen Mesoderms ist leicht fest- zustellen. Die parachordale Lücke ist recht ansehnlich. In der Serie A zeigt der erste Urwirbel eine der eben geschil- derten ähnliche Differenzierung seiner Ventralwand, nur ist hier die Proliferation eine reichlichere und wird die Angliederung ans un- segmentierte Mesoderm vornehmlich durch das neugebildete embryo- nale Bindegewebe beigestellt. Der Schnitt der Tafelfig. 11 « ist von der Mitte des ersten Urwirbels der rechten Seite aus gezählt der neunte. Wir erblieken wieder das äußerst schmächtige Hinterende des unsegmentierten Mesoderms; der mediale Endteil des visceralen Mesoderms umgreift den First des Darmflügels ganz und wird von einer spaltförmigen Fortsetzung des Splanchnoeöls durchsetzt. Das Epithel der ventralen Lamelle dringt selbständig um ein Be- trächtliches medialwärts vor; es endigt erst bei z. Weiter vorn, nach der Mitte der Gehörplatte hin, erfährt das unsegmentierte Mesoderm eine nur geringe Vergrößerung seines Um- fanges. Es ist ein dünnes Zellblatt, das seine hier recht enge Lager- stätte genau ausfüllt; die meist scharf umrandete Innenkante ragt in die proximalwärts sich ein wenig verengernde parachordale Lücke vor. Der Bau ist ein recht dichter; vielfach prävalieren, namentlich im Bereiche der Innenkante, Spindelzellen, die mit dem Querdurch- messer der Kante gleichgerichtet sind. Der mediale Endabschnitt des visceralen Mesoderms zeigt recht verschiedene bauliche Verhältnisse. Es ist zumeist ein dünnes, zartes Plättchen, das die obere Wand der primitiven Pericardhöhle mit dem dorsalen Mesoderm verknüpft und sich aus wenigen Zellen zusammensetzt und nicht selten auch Kontinuitätstrennungen aufweist. Eine scharfe innere Grenze ist dann nicht immer gegeben. Mitunter dringt noch eine schlitzförmige Fortsetzung des Splanchnoeöls ins Plättchen ein. Dann gelingt die Feststellung der medialen Grenze leicht, da das Plättchen in einem solchen Falle epithelial gebaut ist; auch dann, wenn von einer sol- chen Fortsetzung nurmehr unscheinbare Reste vorhanden sind, ist dies der Fall. Dies lehrt ein Schnitt aus der Serie A; derselbe gehört der rechten Hälfte des Keimes an und geht durch die Mitte der Gehörplatte hindurch. Wie die Tafelfig. 11 5 erkennen läßt, um- greift hier das Verbindungsplättehen op/! den Scheitel des Darm- seitenflügels ganz; sein Innenrand ist an der mit einem * be- zeichneten Stelle scharf vom dorsalen Mesoderm geschieden. Das Gefüge ist ein zweizeiliges, die ventrale Zellreihe ist deutlich Morpholog. Jahrbuch. 33. 10 140 H. Rex epithelial; von der Fortsetzung des Splanehnoeöls ist nurmehr ein unscheinbarer Rest vorhanden in Gestalt eines kleinsten, runden Lumens. — Dort, wo es gelingt, auf diese Weise die laterale Grenze des unsegmentierten Mesoderms festzustellen, ergibt sich, daß diese den Scheitel des Darmflügels seitlich niemals überschreitet. Es dürfte sich empfehlen, der weiteren Schilderung der baulichen Eigenart des Mesoderms eine Skizze der Formveränderungen voraus- zusenden, welchen sein visceraler Abschnitt im Bereiche der Abglie- derungszone unterliegt. Sobald wir das Vorderende der Gehörplatte hinter uns gelassen haben, beginnen auch schon die Vorbereitungen zur Abgliederung des Mesoderms des embryonalen Bezirks. Viel- leicht tue ich gut daran, die Einzelheiten dieser Vorgänge an der Hand der beistehenden Umrißzeichnungen kurz zu beschreiben, trotz- dem dieselben dem Fachmann wohlbekannt sind; sie werden dem Leser gestatten, den folgenden und späteren Auseinandersetzungen leichter zu folgen. Es sind Spiegelbilder. Das den embryonalen Bezirk der Keimscheibe überdachende Eetoderm rückt, wie die Textfig. 24 lehrt, vom Hirn- und Darmrohr lateralwärts weit ab und wölbt sich in flachem Bogen über diesen Bezirk hinweg; seine Außengrenze wird durch die seitliche Grenz- rinne beigestellt. Die Sonderung der beiden Splanchnoeölabschnitte Sple und Splc, wird bereits durch eine leichte Falte der dorsalen Wand des Pericards angedeutet. Über die Einzelheiten des zehnten Schnittes — der eben besprochene ist wieder als erster gezählt — orientiert uns die Textfig. 25. Die Trennung beider Splanchnoeölab- schnitte ist hier bereits weiter vorgeschritten; die Herzanlage ist ferner in ihre beiden Hälften zerlegt. Die paarige Fortsetzung des Entocards wird durch die beiden aufsteigenden Aorten (a.a) beigestellt; jede der beiden Hälften des cardialen Mesoderms läßt die unscheinbare Fort- setzung des Eetocards ect.c erkennen, die der ventrolateralen Cir- cumferenz der gleichseitigen Aorta angeschmiegt ist. Der 14. Schnitt führt uns bereits in die unmittelbare Nähe des abgegliederten freien Kopfendes, also der Anlage der Mandibularregion. Inner- und außerembryonales Mesoderm sind — siehe die Textfig. 26 — bereits völlig voneinander geschieden. Im ersteren sind vom Splanchno- cöl nurmehr kümmerliche Reste vorhanden; der umfangreichste in unmittelbarer Nähe der aufsteigenden Aorta. Wie wir später sehen werden, ist die Grenzmarke zwischen dorsalem und visceralem Me- soderm in der Richtung der mit dem * bezeichneten Linie zu suchen. Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 142 H. Rex Die in die Mandibularregion eindringende Fortsetzung des inner- embryonalen visceralen Mesoderms, also die des Verbindungsplätt- chens und des Mesoderms der Herzanlage, stellt ein schmächtiges Zellblatt dar, dessen freier Ventralrand der unteren Circumferenz der aufsteigenden Aorta angeschmiegt ist. Dies lehrt auch die Ein- sichtnahme in die Tafelfiıg. 11 d—f. Wir haben daher die Mandi- bularregion als die proximale Fortsetzung des gesamten embryo- nalen Keimbezirks zu deuten; die in sie eintretende Fort- setzung des Mesoderms der Herzanlage hat unter starker Verjüngung und gleichzeitiger Verödung des innerem- bryonalen Splanchnoeöls die Sonderung ins parietale und viscerale Blatt eingebüßt. Die Fortsetzung des Entocards stellt die paarige Aorta ascendens dar. Und nun zur Mandibularregion selbst! Wie wir später hören werden, zeigt ihr viscerales Mesoderm in diesem Stadium den Be- sinn eines bedeutungsvollen Aushöhlungsprozesses, der zur Bildnng der zweiten und dritten Kopfhöhle führt. Wir können uns die Schnitte der Tafelfig. 11 e und f durch eine quere Linie, welche die dorsale Fläche der Chorda tangiert, in zwei Hälften zerlegt denken, in eine größere obere und eine kleinere untere. In der oberen Hälfte ist der ganze verfügbare Raum zwischen Eetoderm, Hirn und Darm, von Mesoderm und der mächtigen Gan- slienleiste des Trigeminus eingenommen. Gegenüber dieser dicht zell- erfüllten oberen Hälfte sticht die untere, welche die Anlage des Mandibularbogens in sich einschließt, scharf ab. Gerade in ihrer Mitte lagert ein dünnes zartes Zellblättechen, sonst ist das ganze ge- räumige Gelaß zellfrei. Das Blättchen ist die untere Hälfte des visceralen Mesoderms. Ich möchte nun einiges über die Ganglien- leiste mitteilen, soweit es ihre nachbarlichen Beziehungen zum Me- soderm erheischen. Ihr stark verjüngtes Hinterende reicht bis ins Bereich der Abgliederungszone. In der Mandibularregion selbst ist die Leiste gleich einem dicken, jedöch nicht sehr dicht gewebten Mantel über das dorsale Mesoderm und die obere Hälfte des visceralen von oben und außen her ausgebreitet. Ihr ventraler Rand reicht bis zur eben erwähnten queren Linie herab; vorn, in dem Bereiche des Darmscheitels, erfährt sie eine starke Verkürzung. Ihre Zellen überragen jene des Mesoderms ein wenig an Größe; die Formen der Zellleiber sind als etwas plumpere zu bezeichnen, vielfach ist die Spindelform vertreten. Eine scharfe Abgrenzung der Leiste vom benachbarten Mesoderm ist mitunter gleichwohl recht erschwert. Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 143 Auch kommt es vor, daß die Kontinuität des letzteren durch schein- bar versprengte Zellzüge der Leiste gestört wird. Dies sehen wir im Schnitt der Tafelfig. 11 e. Hier trennt ein der Leiste zugehöriger Zellzug, der sich aus deutlichen Spindelzellen aufbaut, den Zusam- menhang des dorsalen und visceralen Mesoderms. Er endigt nach schräg ab- und auswärts gerichtetem Laufe außen vom Scheitel des Darmflügels. — In der Mittelhirnregion büßt die Leiste an Umfang ein; dort, wo dieser Hirnabschnitt am stärksten seitlich auslädt, ver- misse ich den Zusammenhang ihrer Seitenteile mit dem Mittelteile. Noch weiter vorn, im Bereiche des Vorderhirus, vor der Scheitel- tasche, will es mir nicht recht gelingen, die Seitenteile scharf vom Mesoderm zu trennen; es verliert das letztere indessen hier bald an Umfang und dann gelingt die scharfe Abgrenzung des dreiseitigen Querschnittes der Seitenteile wieder ganz leicht. Sie sind dem Eeto- derm dieht benachbart, gewinnen wieder Fühlung mit dem Mittel- teile und setzen sich in den Endabschnitt der Leiste fort, der in der dorsalen Furche zwischen Vorderhirn und Augenblase eingelassen ist. — Nach dieser kleinen Abschweifung kehre ich wiederum zum Mesoderm zurück. Auch sein Umfang wird durch das breit aus- ladende Mittelhirn erheblich geschmälert; dies gilt namentlich von dem zwischen diesem und der dorsalen Aorta eingelassenen Abschnitte des dorsalen Mesoderms, der auf ein dünnes Streifehen reduziert ist. Im Gebiet des Darmscheitels nimmt auch der mächtige Aortenbogen einen ansehnlichen Teil des verfügbaren Raumes für sich in An- spruch. Wir vermissen hier am Vorderdarme die Seitenflügel; seine niedrige Seitenwand grenzt außen unmittelbar an die innere Circum- ferenz des Gefäßbogens. Dieser ist mit Ausnahme des eben heschrie- benen kleinen von der Darmwand okkupierten Bezirks von einer zarten Mesodermhülle eingeschlossen. Sie ist noch am dicksten ober- halb der dorsalen Circumferenz des Gefäßrohres; an der ventralen endigt sie mit zugeschärftem Rande. Die Hülle schließt die Fort- setzung des gesamten Mesoderms in sich ein, im Bereich der Schei- teltasche steht sie durch zarte Zellstränge mit den Seitenteilen des Zellmassenrestes in Verbindung. Bezüglich der baulichen Eigenart, die das Mesoderm in der eben durchwanderten Strecke besitzt, habe ich folgendes zu berichten. Der nahe dem Vorderende der Gehörplatte beginnenden Vergrößerung seiner Lagerstätte leistet das dorsale Mesoderm nur in beschränktem Maße Folge. Erst im Bereiche des Hinterendes der Mandibularregion erfolgt eine stattliche Zunahme seines Umfanges, wie ein Vergleich 144 H Rex der Tafelfig. 11 d, ec, und d lehrt. Der Wechsel im Gefüge vollzieht sich in der Abgliederungszone; er ist kein gleichmäßig durchgrei- fender. Der in der Enge zwischen Hirn und dorsaler Aorta einge- lassene Abschnitt büßt sein dichtes Gefüge zuletzt ein. Nahe dem Hinterende der Kieferregion ist das gesamte dorsale Mesoderm gleich- mäßig locker und bleibt es auch bis ans Vorderende dieser Region, nur kehrt in manchem Schnitt eine leichte Verdichtung des in der erwähnten Enge lagernden Abschnitts wieder. Jener Grad der Locke- rung des Zellverbandes, den wir bei jüngeren Keimen angetroffen haben, wird in unserm Stadium allerdings nicht erreicht (vgl. die Tafelfig. 4c, 6d mit 11 c—f). Vom visceralen Mesoderm umkreist der dorsale Abschnitt, in welchem auch die Fortsetzung des Verbindungsplättchens eingeschlos- “ sen ist, den Darmflügel; er ist Sitz einer besonderen Diffe- renzierung. Hiersind die Zellen entweder zu epithelialen Strängen, oder zu kleinen Gruppen angeordnet, welche deutliche, scharf umrissene Höhlchen einschließen. End- lich kommt es hier auch zur Entwicklung von Zellzügen und Zellhäufchen, die das Bestreben aufweisen, sich von der Nach- barschaft abzugliedern und einen engeren Anschluß ihrer Elemente herbeizuführen. Mitunter ist eine radiäre Gruppierung der letzteren unverkennbar, wenngleich die Bildung einer mittel- ständigen Lichtung noch nicht erfolgt ist. Die Tafelfig. 11 c, d, e und f sollen uns diese Differenzierungsvorgänge veranschaulichen, c, dund f sind der rechten Hälfte des Keimes entnommen, also der- selben, welche zur Profilkonstruktion der Tafelfig. I gedient hat. Die Gegend, der sie angehören, ist in dem Spiegelbilde dieser Konstruk- tion eingetragen; ebenso auch jene des Schnittes e, der der linken Hälfte angehört. Der Sehnitt e führt uns ins Bereich der Abgliederungszone zu- rück. Das Verbindungsplättchen vpZ besitzt zweizeiligen Bau; die Randzellen zeigen zarte seitliche Ausläufer, welche gleichgerichteten Fortsätzen der Nachbarzellen zustreben und so einen innigen An- schluß anbahnen. Bei splce schließt das Plättchen eine von vier epithelialen Zellen umsäumte Lichtung ein. Nach einwärts von die- ser erblicken wir einen epithelialen Zellzug, dessen Verlauf den Eindruck erweckt, daß hier die Bildung einer Lichtung angebahnt wird. Mit Rücksicht auf unsre früheren Erfahrungen ist der Schluß naheliegend, daß die innere Grenzmarke des Plättchens nach ein- wärts von diesem Zellzuge zu suchen ist. Am Splanchnocöl vermögen Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 145 wir den Umfang des innerembryonalen Abschnittes Spc/ leicht ab- zustecken; das Entocard steht vor seiner Zweiteilung, das Epithel des ectocardialen Abschnittes des cardialen Mesoderms ist recht platt. Nach wenigen Schnitten erreichen wir jenen, dessen Spiegelbild oben in der Textfig. 26 wiedergegeben ist. Hier ist rechts der mitt- lere Abschnitt des Plättchens ein epithelialer Zellstrang, der zwei kleine Lichtungen 2 und 3 einschließt; dorsomedialwärts vom oberen Höhlchen lagert eine Zellgruppe, deren deutlich radiär gestellte Zellen ein kleinstes Lumen 1 epithelial umsäumen. Auch hier suche ich die Grenze gegenüber dem dorsalen Mesoderm nach einwärts von dieser Gruppe. Der Schnitt der Tafelfig. 11 d führt uns ins Bereich des äußer- sten Hinterendes der Mandibularregion. In dem als Fortsetzung des Verbindungsplättchens zu deutenden Abschnitt sind zwei kleine, übereinander lagernde Höhlchen sp/c,; und 5 eingeschlossen. Sie sind überaus deutlich epithelial umsäumt. An dem unteren setzt sich das hohe Epithel der Außenwand eine kurze Strecke aufwärts fort, um im Mesoderm frei zu endigen; an dem oberen besitzt das Epithel der Dorsalwand eine ähnliche, einwärts gerichtete Fortsetzung. Die mediale Abgrenzung des Plättehens ist im Bereiche der mit einem * bezeichneten Linie leicht festzustellen. Der der eranialen Fortset- zung des cardialen Mesoderms entsprechende Teil des visceralen Mesoderms ist ein dünnes, zartes Zellplättchen; seine Zellen sind zumeist spindelförmig und lassen eine zweizeilige Anordnung er- kennen. An einzelnen Stellen tauchen kleinste, rundliche Lichtungen zwischen ihnen auf. Nahe der Ventralwand der aufsteigenden Aorta ist der äußerste Endausläufer der Lichtung der primitiven Pericard- höhle Sple sichtbar. — Der Schnitt der Tafelfig. 11 e ist der achte. Es ist die linke Hälfte wiedergegeben. Ich habe seiner oben bereits mehrfach gedacht; er zeigt den der Ganglienleiste entstammenden Zellzug, welcher gerade an der Grenze zwischen dorsalem und vis- ceralem Mesoderm hindurchzieht. Das letztere schließt vier kleine Höhlchen ein (splc,, 2,3 und ‚,). Sie sind sämtlich deutlich epithelial umsäumt; splc, gehört bereits der ventralen Hälfte an. Die Haupt- masse des dorsalen Mesoderms ist in der Enge zwischen Hirn und dorsaler Aorta eingelassen. Der distale und die zwei proximalen Nachbarschnitte zeigen entweder Fortsetzungen der Höhlchen spleı_4, oder es läßt der Bau der entsprechenden Mesodermbezirke die An- bahnung solcher Fortsetzungen erschließen. Die Tafelfig. 11 f führt uns zur rechten Keimhälfte zurück; er 146 H. Rex entstammt der hinteren Hälfte der Mittelhirnregion. Über das dor- sale Mesoderm und die Ganglienleiste orientiert er ohne weiteres. Der Aushöhlungsprozeß im visceralen Mesoderm steht in voller Blüte; es sind vier Höhlchen splc,_, nachweisbar. Sein dorsales Ende wird durch einen Zellzug zz beigestellt; nach innen von diesem treffen wir bereits dorsales Mesoderm an (s. die Grenzlinie beim *). Im Bereiche der eben durchwanderten Strecke der Mandibular- region begegnen wir noch folgenden Befunden. Oberhalb des Scheitels der Dorsalwölbung der absteigenden Aorta oder auch nahe dem me- dialen Abhange desselben weist das dorsale Mesoderm in verein- zelten Schnitten eine leichte Verdichtung auf. Es zeigen seine Zellen hier auch mitunter Spuren einer etwas regelmäßigeren Anordnung, ndem sie sich zu allerdings nicht geschlossenen Zellzeilen vereinigen. Weder in jüngeren noch in älteren Stadien vermochte ich eine Spur oder Weiterbildung dieser Gruppenbildung nach- zuweisen. Von einer Deutung-dieser auf ganz vereinzelte Schnitte beschränkten baulichen Eigenart — etwa im Sinne einer »Somiten- anlage« — kann nicht die Rede sein. Ebensowenig sind Be- ziehungen zu dem Höhlchenwerk im visceralen Mesoderm. erweislich. Die Sagittalschnittreihe von einem Keime mit zehn Urwirbel- paaren lehrt, daß die Entwicklungsverhältnisse der interepithelialen Zellmasse jenen ähneln, welche ich für Entenkeime mit 14 Urwirbel- paaren beschrieben habe; bei der Möwe ist der Rest der interepi- thelialen Strecke der dorsalen Darmwand ein weit kleinerer. — Der Schnitt der Textfig. 27 ist, von dem Medianschnitte aus gezählt, der neunte der rechten Seite. Er hat die seitlichen Abschnitte des Vor- der- und Mittelhirns (YA und MH), ferner die Ganglienleiste des Trigeminus Ggl! getroffen. Von der Gehörplatte Gp/ erblicken wir den innersten Endabschnitt des Bodens; der nächst innere Schnitt zeigt uns ihre Innenwand in ganzer Höhe. Die dorsale Aorta fällt bis nahe ans Vorderende des dichten unsegmentierten Mesoderms in den Schnitt (a.d). Die nach vorn schräg abfallende Grenze dieses Abschnittes läßt sich leicht in der Verlängerung der Linie z fest- stellen. Sein Vordererde erweckt den Eindruck eines geringen Maßes von Abgeschlossenheit; die proximale Hälfte läßt in unserem Schnitte nur wenig mehr von einer Reihenbildung des Zellmaterials erkennen. Unter dem langgestreckten Vorderdarm sehen wir die Lichtung der primitiven Perieardhöhle Splc. Das Entocardrohr ente steht hier nicht mehr mit der im Mandibularbogen, bez. in dessen Anlage eingeschlossenen ventralen Aorta a.a in Zusammenhang; das Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 147 stark verengte Vorderende des letzteren setzt sich in den Aorten- bogen Aa fort, von welchem wir den medialen Endabschnitt er- blicken. Die stark verdünnte proximale Fortsetzung des Ectocards ecte fällt steil ab; das Vorderende vereinigt sich mit dem parietalen Pericardblatt in stumpfem Winkel. Die von da ab in die Anlage des Mandibularbogens eintretende Fortsetzung ist ein lichtungsloses zartes Zellblatt, das längs- der Ventralfläche der aufsteigenden Aorta nach vorn zieht. Ganz vorn in der Nische zwischen Ecetoderm und Hirn, vor dem Darm, lagert lockeres Mesoderm: es ist der Endab- schnitt des Kopfmesoderms, in welchen die vordere Circumferenz Fig. 27. des Aortenbogens eintaucht. Dieser Abschnitt setzt sich distalwärts in die dünne Mesodermschale fort, welche fast die gesamte Circum- ferenz des Bogens einhüllt. Es dürfte dem Leser nicht schwer fallen, diese Befunde mit der oben gegebenen Schilderung der Querschnitt- serie in Einklang zu bringen. — In unserm Schnitte überragt die Ausdehnung des diehten unsegmentierten Mesoderms jene der Ge- hörplatte um ein weniges. Dies ändert sich weiter außen. Hier findet sich zwischen beiden Abschnitten des Kopfmesoderms ein von wenigen spärlichen Zellen durchsetztes Spatium, das sich auf Kosten des Vorderendes des diehtgefügten entwickelt hat. Gerade an dieser Stelle ist das Darmrohr am schmälsten und wir befinden uns bereits in unmittelbarer Nähe des Scheitels des Darmflügels, den wir im 16. Schnitte überschreiten. Ich finde dieses Spatium auch in zwei Querschnittserien vor. Hier baut sich im Bereiche des Vorderrandes 148 H. Rex der Gehörplatte das unmittelbar ins Innenende des Verbindungsplätt- chens übergehende Mesoderm aus äußerst spärlichen, durch große Lücken voneinander geschiedenen Zellen auf, während der in der Hirn-Aortenenge lagernde Abschnitt sein dichtes Gefüge bewahrt hat. — Der Schilderung der außen vom Darmflügel fallenden Schnitte durchs viscerale Mesoderm enthebt mich wohl die bald näher zu be- sprechende Profilkonstruktion der Tafelfig. 1. Die Einsichtnahme in das Verhalten des Vorderendes des ersten Urwirbels ist auf dieser Seite des Keimes nicht ganz leicht ge- wesen. In den ersten drei Schnitten gelingt die Abgrenzung des nach vorn leicht verjüngten Vorderendes vom unsegmentierten Meso- derm leidlich gut. Vom vierten ab ist der Urwirbel vorn »offen«. Ein schärferes Zusehen läßt erkennen, daß sich von hier ab das proximale Ende der beiden Urwirbelwände ähnlich wie bei dem Keime mit sechs Urwirbelpaaren in eine Art Vorbau fortsetzt. So klar wie etwa im Schnitte der Tafelfig. 9a von diesem Keime sind die Einzelheiten hier allerdings nicht. Der Vorbau hat wenig vom epithelialen Bau bewahrt und ist auch nicht deutlich vom unseg- mentierten Mesoderm abgesetzt. Der Schnitt der Textfig. 27 ist, vom Innenrande der medialen Kante aus gezählt, der fünfte; wir haben also bereits das Bereich der dorsalen Kante erreicht. Die obere Wand läuft spitz aus; die ungleich kürzere untere Wand ist an ihrem Vorderende leicht aufgebogen und findet über diesen Bug hin- aus noch eine weitere Fortsetzung, deren Gefüge als epithelial an- gesprochen werden kann. Im siebenten Schnitt hat das Vorderende der oberen Wand eine Verkürzung erfahren und ist ferner haken- förmig nach abwärts umgeschlagen, so daß es dem gleichen Ende der unteren Wand aufruht. Der so angebahnte Verschluß des Urwirbelvorderendes ist vom neunten Schnitte ab ein völliger. Auf der linken Seite entledigt sich der erste Urwirbel gleichfalls eines mit dem Vorderende seiner Innenhälfte vereinigten Überschusses. Als solchen haben wir wohl einen schnabelartigen Fortsatz dieses Vorderendes zu bezeichnen, welcher in seiner Form an die in der Textfig. 4 von dem jüngeren Keime ersichtlichen Einzelheiten gemahnt. Der Fortsatz ist bei unserm Keime länger und von einer deutlichen Fortsetzung des Myoeöls durchsetzt. Er verliert vom fünften Schnitte ab seine scharfe Ab- grenzung gegenüber dem unsegmentierten Mesoderm; vom achten an ist seine Verbindung mit dem Urwirbel aufgehoben und dieser vorn ganz abgeschlossen. Die uns interessierenden Einzelheiten in den Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 149 zwischenliegenden Schnitten sind folgende. Im sechsten hat das leicht aufwärts gekrümmte Vorderende der unteren Wand seine Be- ziehungen zum Fortsatz gelöst; das im entgegengesetzten Sinne ge- krümmte gleiche Ende der oberen Wand ist mit einem entsprechen- den Abschnitte des Fortsatzes noch in Verbindung. Im siebenten ist auch diese gelöst und das hakenförmige Vorderende der Wand ruht dem gleichen Abschnitt der ventralen Wand auf. Ich gehe wohl nicht fehl, wenn ich auch diese eben geschilder- ten Einzelheiten im Bereiche des Urwirbelvorderendes als Versuche deute, durch die Abgliederung von überschüssigem Material eine Art von Regulierung des Längendurchmessers des Ur- wirbels durchzuführen. Bei einem Keime mit elf Urwirbelpaaren hat die Differenzierung der Wandung des ersten Urwirbels eine neue Situation geschaffen. Bei dem eben besprochenen Keime ließ die Ventralwand bereits leicht erkennen, daß an ihrem Vorderende sämtliche Vorbereitungen zu einer regen Proliferation getroffen waren. Der jetzt zu betrach- tende zeigt schon ganz andre Verhältnisse; an die Stelle der Innen- kante und eines großen Abschnittes der Ventralwand ist embryo- nales Bindegewebe getreten. Die proximale Wand ist nur mehr im Bereiche der Außenkante erhalten geblieben. Von der Innenwand ist etwas mehr als die dorsale Hälfte erhalten; ferner hat sich von ihrem unteren, dem Hirnrohre angeschmiegten Rande ein stattlicher Abschnitt der Auflösung entzogen. Er sticht vom lockeren embryo- nalen Bindegewebe, das der Innenkante entstammt, scharf ab. — Erst nahe dem Bereiche des Scheitels des Darmflügels — vgl. zur Orientierung das Schnittbild der Textfig. 22 — erblicken wir einen allseitig epithelial umrahmten Urwirbelabschnitt. Doch ist auch hier schon im Bereiche der Außenkante der Verschluß der vorderen Cir- cumferenz kein inniger mehr. Der Schnitt der Tafelfig. 11 hat den ersten Urwirbel der linken Seite im Bereiche der größten Höhe seiner Dorsalkante getroffen. Er ist, von dem erwähnten Epithelreste der Innenkante aus gezählt, der fünfte. Wir erblicken nurmehr den dorsodistalen Abschnitt der Urwirbelwandung, sowie einen kleinsten distalen Rest der ventralen Wand. Das dieser letzteren entstammende Zellmaterial hat sich mit jenem des Urwirbelkerns vereinigt und ist recht gut vom Reste der vorderen Wand geschieden; als solchen darf ich vielleicht den Zell- zug zz ansprechen. Weitere Aufschlüsse — etwa solche über die Formverhältnisse des Vorderendes des Urwirbels und dessen weiteres 150 H. Rex Schicksal — gewährt das Studium der Schnittreihe nicht. Vielleicht ist das Epithel des Vorderendes einem einfachen Zerfall unterlegen. Ich wende mich nun zur Besprechung der Profilkonstruktion 1. Zur Ausführung derselben wurde die rechte Hälfte der Kopfanlage des Keimes B benutzt; sie ist im Spiegelbilde wiedergegeben wor- den. Die andern Konstruktionen II—V hingegen sind linken Keim- hälften entnommen. Wie bei den übrigen Konstruktionsbildern habe ich von der Berücksichtigung des Eetoderms Abstand genommen; die Einzeichnung der Chorda mußte ich unterlassen; sie hätte in der Kieferregion die Einsichtnahme sehr gestört. Das Hirnrohr habe ich nach den Umrissen in der Medianebene eingetragen; der ventrale Kontur der Gehörplatte wurde mit Berücksichtigung des je- weilig tiefsten Punktes ihrer unteren Circumferenz eingezeichnet. Das vom Darmrohre eingenommene, hellblau angelegte Feld D gibt die gesamte Höhenausdehnung desselben wieder, und zwar den ven- tralen Umriß seines mittleren Teils in der Medianebene, sowie den dorsalen seiner Seitenflügel. Auch darin ist ein Unterschied gegenüber den andern Konstruktionen gegeben, in welchen das Rohr durchgehends nach dem Umrisse in der Mittelebene eingetragen worden ist. Ich bin mir nicht klar darüber ge- worden, ob die beiden kleinen, an die Anlage des Kontaktfeldes einer Kiementasche gemahnenden Verlötungen des Darmseitenflügels mit dem Eetoderm, welcher wir unterhalb des Vorderendes der Ge- hörplatte gewahr werden, auch tatsächlich etwa zur Anlage der ersten Kiementasche in Beziehung gebracht werden dürfen!. Ich muß mir dabei immer die Möglichkeit vor Augen halten, daß es nur vorübergehende, später wieder zur Lösung gelangende Kontaktbezirke sind. Sicheren Bescheid vermag da allerdings nur der Vergleich einer Reihe andrer Konstruktionsbilder zu erbringen. — Zur Wieder- gabe der Ausdehnung des Mesoderms habe ich folgendes zu be- merken. Vom Hinterende der Anlage der Kieferregion an distalwärts ist nur das Mesoderm des embryonalen Bezirks der Keimscheibe berücksichtigt worden, und zwar dessen gesamte Höhenausdehnung; das so gewonnene Feld wurde in hellgelber Farbe angelegt. Die Umrisse der primitiven Pericardhöhle sind durch eine starke gelbe, schwarz umrandete Linie Sp/e angezeigt und geben die größte Höhe an, welche dieselbe erreicht. Bezüglich der dorsalen Grenzlinie sei noch ausdrücklich hervorgehoben, daß ich bei ihrer Feststellung 1 Sie sind in der Konstruktion blau angelegt und schwarz umrandet. Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 151 nicht über jene Region hinausgegangen bin, im Bereiche welcher das Verbindungsplättehen der Dorsalwand dieser Höhle aufsitzt. Der ventrale Umriß des Ecetocards ist mit ec/.c bezeichnet. Die Linie » zeigt uns die Höhe an, bis zu welcher der Boden der Pericardhöhle durch die wohlbekannte mediane, dorsalwärts empordringende Eeto- dermfalte (vgl. die Textfig. 24—26, sowie die Tafelfig. 11.c) aufwärts vorgedrängt wird. Ihr Vorderende entspricht der Stelle, an welcher das Eetocard völlig in seine paarige craniale Fortsetzung zerlegt ist. Die Verzeichnung dieser Linie führt uns bereits recht dicht an die Grenze der Leistungsfähigkeit unsres Konstruktionsverfahrens. — Wir werden ferner des Vorderendes des Entocardschlauches ge- wahr; von der paarigen Fortsetzung desselben erblicken wir die rechtsseitige: die Aorta ascendens, endlich den ersten Aortenbogen und die absteigende Aorta. Die Grenze zwischen Entocard und Aorta ist durch einen starken roten, schwarz geränderten Strich deutlich gemacht. Die im visceralen Mesoderm der Kieferregion nachweisbaren kleinen Lichtungen wurden in derselben Art wie bei den andern Konstruktionen vermittels Hilfspausen auf ihren Zu- sammenhang genau überprüft und erst dann eingetragen. Die so gewonnenen Felder sind grau angelegt und mit zarten dunklen Linien umzogen worden. Das vom Höhlchenwerke eingenommene Areal deckt sich nicht mit dem der beiden Aorten; es ist diesem gegenüber dorsalwärts gleichwie verschoben. Seine äußersten Endausläufer werden durch je ein kleines Höhlchen dargestellt, von welchem das eine schon im Bereiche des Aortenbogens, nicht sehr weit vom hinteren Umfange der Augenblase, das andre nahe dem Vorderende der Gehörplatte lagert. In Anbetracht der späteren Auseinandersetzungen ist für uns das Verhalten des distalen Abschnittes des Höhlchenwerkes zum Vor- derende des Splanchnocöls von großem Interesse. Die eigenartige Form der proximalen Wand des letzteren erweckt sofort die Ver- mutung, daß bei unserm Keime bereits eine Reduktion des Vor- derendes des Splanchnoeöls stattgehabt hat. Ein Vergleich mit den Befunden bei jüngeren Keimen scheint dafür zu sprechen. Bei dem oben beschriebenen Keime mit sechs Urwirbelpaaren haben wir die Beobachtung gemacht, daß sich das Vorderende der primitiven Perieardialhöhle ganz beträchtlich weit in den distalen Endabsehnitt des freien, abgegliederten Kopfendes hinein fortsetzte. Es erstreckte sich hier auf elf, bei einem annähernd gleichalten Keime auf zehn Sehnitte. Seine proximalwärts vorschreitende Verjüngung erfolgte in 152 H. Rex ventromedialer Richtung. Der vorderste Schnitt ließ nurmehr einen unscheinbaren medialen Rest erkennen. Jener Schnitt unsrer Serie, in welchem der Ectodermmantel des freien Kopfendes zum ersten Male vom Eetoderm des außerembryonalen Keimbezirks völlig ab- gegliedert auftaucht, ist in der Konstruktion durch einen Pfeil an- gegeben. Wir bemerken sofort, daß das Vorderende der Pericard- höhle mit einem nur unscheinbaren Endchen in das Kopfende vorragt. Es nimmt nur zwei Schnitte ein. Bei dem jüngeren Keime waren es elf! Wir haben uns da vor Augen zu halten, daß es auf dem Entwicklungswege vom jüngeren zum älteren Stadium nur ein distal- wärts gerichtetes Vorschreiten der hinteren Grenze des freien Kopf- endes geben kann. In welchem Ausmaße dieses Wachstum statthat, ob es etwa ein nur unbedeutendes ist — diese Frage kann nur die Untersuchung eines umfangreichen Materials lösen, welches Durch- schnittswerte ergibt. Auf jeden Fall ist meine Mutmaßung, daß bei unserm Keime eine bereits ganz beträchtliche Reduktion am Vorderende des Splanchnoeöls eingetreten ist, gerecht- fertigt. Das ermutigt zu weiterer Ausschau. Die Konstruktions- bilder sind bei hundertfacher Vergrößerung entworfen. Die Schnitt- dicke ist durchgehend die gleiche, sie beträgt zehn Mikren. Ich will nun annehmen, daß bei dem Keime unsrer Konstruktion an- nähernd dieselben Entwicklungsverhältnisse der Kieferregion vor- geherrscht haben wie bei dem jüngeren. Dann fällt uns die Be- stimmung der ursprünglichen Ausdehnung des Splanchnoeöls für den ersteren nicht schwer. Sein Vorderende hat eine Linie tangiert, welche wir vom proximalen Umfang des in der Höhe des ventralen Hirnkonturs lagernden, langgestreckten Höhl- ichens senkrecht herabziehen. Nun dürfen wir auch das in der Konstruktion eingetragene, dem Vorderende der Pericardlichtung be- nachbarte Höhlchen als verödeten Rest derselben ansprechen. — Wir werden später noch weiter ausgreifenden Veränderungen im Besitzstande des Vorderendes des Splanchnocöls begegnen. Keime mit vierzehn und fünfzehn Urwirbelpaaren. (Taf. IV Fig. 12 a—e, 13.) Die folgende Schilderung stützt sich vornehmlich auf die Be- funde in der Querschnittserie von einem Keime mit vierzehn Paaren; sie soll etwas weiter ausholen und in der Region des zweiten Ur- wirbels beginnen. Der Sehnitt der Textfig. 28 geht durch die vor- dere Hälfte des zweiten Urwirbels der rechten Seite hindurch. Die Al u Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 153 Differenzierung seiner Wandung erhellt aus der Zeichnung ohne wei- teres. Der mit vwe bezeichnete Abschnitt ist wohl als Urwirbelkommu- nikation (C. RABL) zu bezeichnen; seine Lichtung ist in diesem und den beiden Nachbarschnitten ersichtlich; die weiteren Schnitte bringen Fig. 28. Fig. 29. nur Anschnitte der Wandung. Die beiden Sternchen zeigen uns die ventrale Grenze der Wandung der Kommunikation an. Sie sind nach den Befunden in der Nachbarschaft eingetragen worden. Für die Abgrenzung der Außenwand ließ sich auch die recht deutliche Diffe- Fig. 30. renz verwerten, welche ihr Gefüge gegenüber jenem der Somatopleura aufweist. Die höheren Zellen der letzteren sind weit weniger regel- mäßig aneinander gereiht. Proxi- malwärts vorschreitend sehen wir bereits im dritten Schnitte die me- dialen Endabschnitte der beiden Sei- tenplatten glatt miteinander ver- einigt; der von ihnen eingeschlos- sene taschenförmige Abschnitt des Splanchnoeöls ist zwischen Eetoderm und Darmflügel - eingelassen. Ich will ihn in der Folge als dorso- laterale Cölomtasche bezeichnen. Der Scheitel der Wandung erreicht die Höhe der dorsalen Aortenwand, jener der Lichtung liegt 154 Eiskex in gleicher Höhe mit dem dorsalen Rande des Darmflügels und ist bereits in dem Schnitte der Textfigur als kleine seitliche Ausbuch- tung der Somatopleura leicht erkennbar. Des ersten Urwirbels werde ich beiderseits in acht Schnitten gewahr. Die Einzelheiten des fünften der rechten Seite gibt die Textfig. 29 wieder. Der Darmflügel hat seine Lagebeziehungen ge- ändert; er ist steiler aufgerichtet und sein Scheitel reicht bis zur Höhe der Ventralfläche des Hirnrohres heran. Vom Epithel des Ur- wirbels ist vornehmlich die Dorsalkante ersichtlich; der als Sklerotom zu deutende Abschnitt ist durch die stattliche Aorta a.d und die Car- dinalvene ca recht eingeengt. Von seiner Lichtung erblicken wir zunächst einen ansehnlichen, unter der Dorsalkante geborgenen Ab- schnitt; sehen wir aber genauer zu, so bemerken wir in dem mäßig lockeren Mesoderm, dem die Kante aufsitzt, den deutlichen Rest einer Spalte, die abwärts ziehend ins Splanchnocöl mündet. Ich gehe wohl nicht fehl, wenn ich den von dieser Spalte durchsetzten Mesoderm- abschnitt in zwei Teile zerlege, die bei dem Sternchen ihre Grenze finden. Der ventrale gehört dem Scheitel der Cölomtasche CO? an. Der dorsale schließt die Urwirbelkommunikation, sowie den Rest der Außenkante ein; die die Spalte hier lateral begrenzende Zell- reihe ist also ein Rest der Außenwand des Urwirbels; es hat den Anschein, daß er unter äußerst geringer Proliferation embryonalen Bindegewebes einem einfachen Zerfall entgegensieht. — In den distal- wärts folgenden Schnitten streben die beiden kurzen Wände der Dorsalkante die Vereinigung ihrer unteren Ränder an; in den proxi- malen erscheint die etwas tiefer herabgerückte Kante bald im An- schnitt. — Die Textfig. 30 führt uns in das Bereich des Hinterendes des unsegmentierten Mesoderms. Der Schnitt ist von jenem der vorhin besprochenen Figur an gezählt der fünfte. Der der Anlage des Ganglions des Glossopharyngeus zuzurechnende Abschnitt der Gan- glienleiste, welcher dem Scheitel des steil aufgerichteten Darmflügels aufruht, lagert im Bereiche des Grenzgebietes des dorsalen Mesoderms. Von Interesse ist für uns das Schicksal der Cölomtasche. Bei den jüngeren Keimen sahen wir, daß sich das Splanchnocöl vor dem ersten Urwirbel hoch hinauf, bis über den Scheitel des Darmflügels nach innen hin als deutliche Spalte fortgesetzt hat. Davon werden wir nichts mehr gewahr. Schon im Bereiche des ersten Urwirbels wird die Verödung der Lichtung im Scheitel der Cölomtasche an- gebahnt; im Schnitte der Textfig. 30 ist diese schon recht weit Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 155 gediehen. Offenbar spielt hier der dem Ectoderm zustrebende Darmflügel eine nicht unbedeutende ursächliche Rolle. Nurmehr der Bau des in der Enge zwischen Darm und Eetoderm eingelassenen Mesodermplättehens gemahnt daran, daß es früher vom Splanchnoeöl durchsetzt gewesen ist. Es schließt etwa in Chordahöhe ein kleines, epithelial umsäumtes Lumen ein; die dem Darm angeschmiegte Zell- reihe ist deutlich epithelial. Weiter vorn werden wir einer ferneren Verkleinerung des Umfanges der Cölomtasche begegnen; es dürfte sich empfehlen, die proximale Fortsetzung der Tasche als dorso- laterale Pericardtasche und ihre Wan- dung als dorsolaterale Pericardkante Fig. 31. zu bezeichnen. Im siebenten Schnitte vor dem Vor- derende des ersten Urwirbels taucht der Hinterrand der Gehörplatte auf. Verein- zelte Schnitte zeigen in dieser Region den Kontakt zwischen dem Darmflügel und dem Eetoderm angebahnt; derselbe betrifft einen kleinsten Bezirk am seit- lichen Abhange des Scheitels des Darm- flügels. Der Schnitt der Textfig. 31 geht knapp vor der Mitte der Gehörplatte hin- durch; er belehrt uns über die Differen- zierung des visceralen Mesoderms. Der obere, aus der Enge zwischen Darmflügel und Ekto- derm hervorragende Abschnitt des Verbindungsplättchens (vpl) sticht durch sein dichtes Gefüge ganz deutlich von dem etwas lockeren dorsalen Mesoderm ab; die Grenze zwischen beiden suche ich bei der mit dem * bezeichneten Linie. Es liegt uns die erste Anlage des Mesoderms des Hyoidbogens vor; seine Beziehungen zur jetzt tief lagernden Pericardkante pc sind rein nachbarliche. Wir können also bereits von drei Abschnitten des Mesoderms sprechen: vom dorsalen, branchialenundcardialen. — Auch unter den distalwärts, bis zum ersten Urwirbel hin folgenden Schnitten zeigt mancher eine ganz scharfe mediale Abgrenzung des Verbindungsplättchens; immer wieder ist die Grenzmarke über dem Scheitel des Darmflügels nachweisbar; es stimmt dies mit den Befunden bei den jüngeren Keimen gut überein. — Wir erreichen nach wenigen Schnitten den distalen Umfang der ersten Kiementasche. Zunächst nähert sich die laterale Wand des leicht nach außen Morpholog. Jahrbuch, 33. 11 156 H. Rex geneigten Darmflügels dem Ectoderm und schließt mit diesem einen zellleeren, schmalen Spalt ein; dann aber richtet sich der Flügel steil auf und seine Außenwand gewinnt innigen Anschluß ans Ektoderm. Vor der Ganglienanlage des Acusticofacialis findet die Tasche ihr Ende, der Kontakt mit dem Ectoderm beschränkt sich hier nurmehr auf einen kleinen dorsalen Bezirk ihrer Seitenwand. Am visceralen Mesoderm vollzieht sich gleichzeitig die Sonderung des innerembryo- nalen Splanchnocöls. Die vorhin beschriebene Differenzierung am Dorsalende des Verbindungsplättchens erstreckt sich ferner noch eine kurze Strecke längs der distalen Wand der Kiementasche nach vorn hin fort. Auch mit Rücksichtnahme auf die Befunde bei dem Keime mit elf Urwirbelpaaren will mir der Schluß gerechtfertigt erscheinen, daß das in derRegion der Tasche über der dorsalen Darm- wand lagernde Mesoderm durchaus nichtetwa schlank weg als dorsales zu bezeichnen ist, sondern auch einen aller- dings nicht abgrenzbaren kleinen dorsalen Endabschnitt des visceralen Mesoderms in sich birgt, welchen wir im Winkel zwischen Eetoderm und dorsaler Wand der Tasche zu suchen haben. Mit Ausnahme dieses kleinen dorsalen Endchens ist in unsrer Region vom Verbindungsplättchen nichts mehr vorhanden; an der fast gänzlich abgeflachten Fortsetzung der Perieardkante ge- mahnt nurmehr ein unbedeutender dorsalwärts emporstrebender Grat an die Stelle, welcher sein Unterrand aufgeruht hat. Das etwas lockere Gefüge des dorsalen Mesoderms, dem wir im Schnitte der Textfig. 31 begegnet sind, macht bald dichterem Platz; dies hält bis zum Vorderende der Ganglienanlage des Acusticofacialis an; knapp vor diesem setzt der Wechsel im Gefüge ein, dem das gesamte Meso- derm über der dorsalen Darmwand ziemlich unvermittelt unterworfen wird. Vor der Kiementasche erfährt das Verbindungsplättchen eine Verdiekung, und gleichzeitig eine Auflockerung seines Gefüges. Bezüglich der Einzelheiten, welche uns in der Abgliederungszone entgegentreten, darf ich wohl auf die in der vorläufigen Mitteilung im 19. Bande des Anatomischen Anzeigers gegebene Textfig. 5 ver- weisen und möchte auch die Gelegenheit benutzen, ein Versehen in dieser Umrißzeichnung und ihrer Schilderung richtig zu stellen. Wie mich der Vergleich mit inzwischen neu hergestellten Serien lehrt, ist der in der oberen Sehnitthälfte zwischen Ecetoderm und Mesoderm als Lagerstätte des Hinterendes der Ganglienleiste ausgesparte Spalt zu schmal dargestellt worden. Die Leiste reicht hier nahe an die äußere Circumferenz des oberen der beiden Höhlehen im visceralen ae 2 a ee ne Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 157 Mesoderm heran. — Jener Abschnitt des Verbindungsplättchens, welcher der Leiste unmittelbar benachbart ist, sticht als dünner, etwas dichter gewebter Zellstrang von dem einwärts folgenden, weit loserem Zellmaterial ab; er schließt zwei epithelial umsäumte Höhl- chen ein. Der folgenden Beschreibung der Mandibularregion seien zunächst einige orientierende Bemerkungen über die Ganglienleiste des Trige- minus vorausgeschickt. Dieselbe besitzt jetzt eine bedeutende Aus- dehnung; ich darf da wohl auf die Tafelfig. 12c, d und e verweisen. Sie verdient daher weit mehr die Bezeichnung einer Platte, welche die dem Eetoderm zugewendete Fläche des gesamten Mesoderms ein- hüllt. Im Bereiche des Aortenbogens erfährt sie eine starke Verkür- zung und Verdickung. Ihr Querschnitt ähnelt hier dem einer Linse; sie ist mit ihrer Außenfläche dicht dem Eetoderm angeschmiegt und lagert in gleicher Höhe mit dem. Aortenbogen, dessen Durchmesser sie fast erreicht. Der Zusammenhang mit dem kümmerlichen zarten Plättehen des dem Hirnrobre auflagernden Mittelteils kann ich nicht erweisen. Der dorso-mediane Randteil vermittelt den Übergang in den proximalen Endabschnitt, der in der dorsalen Grenzfurche zwischen Vorderhirn und Augenblase lagert. — Das Hinterende unsrer Region beherbergt nun auch die Anlage des unansehnlichen kleinen Quintusganglions in der Nische zwischen Cardinalvene und Hirnrohr. Die Form- und Bauverhältnisse des Mesoderms können leicht aus jenen abgeleitet werden, welche ich für Keime mit elf Urwirbel- paaren beschrieben habe. Eine Änderung wird vornehmlich am visceralen Mesoderm nachweisbar. Es ist nicht mehr jenes Plättchen, welches in seiner ventralen Hälfte eine so auffällige Verschmächtigung gezeigt hatte; es hat einerseits durch Vermehrung seines Zell- materials, anderseits durch das Vorschreiten seiner Aushöh- lung eine ansehnliche Verdickung erfahren. Die Feststellung einer scharfen Grenze gegenüber der Fortsetzung des dorsalen Mesoderms ist nicht mehr möglich. Endlich sehen wir, daß jener Abschnitt des cardialen Mesoderms, welcher bei seinem Eintritt in die Kiefer- region der unteren Circumferenz der ventralen Aorta vergesellschaftet ist (s. die Tafelfig. 12 a), sich als besonderer sichelförmiger Saum dieses Gefäßes eine beträchtliche Strecke weit proximal- wärts forterstreckt. Hand in Hand mit diesen eben geschilderten Entwicklungsvor- gängen hat sich auch das Querschnittsbild geändert. Die untere 11* 158 H. Rex Hälfte, früber nur von einem zarten Mesodermplättchen durchsetzt, ist jetzt mit reichlichem Zellmaterial erfüllt, das der Ganglienleiste und dem visceralen Mesoderm angehört (vgl. die Tafelfig. 11d—f und 12c—e). Der Aushöhlungsprozeß im visceralen Mesoderm hat verschiedenartige Ergebnisse gezeitigt. Im Hinterende unsrer Region begegnen wir zumeist kleineren Höhlehen oder Anlagen von solchen. Diese letzteren sind epitheliale Zellzüge, welche kleine Felderchen umsäumen, die noch ein Zellchen einschließen. Wir sehen auch Züge, welche das von ihnen umfriedete zellfreie Territorium noch nicht ganz einfassen. Nahe der Mittelhirnregion sind schon um- fangreichere Höhlchen vorhanden. — Ein zweiter, nur wenig älterer Keim, welcher später geschildert werden soll, ermöglicht uns einen nahen Anschluß der baulichen Eigentümlichkeiten des Mesoderms in unsrer Region an jene, welche wir bei dem Keime mit elf Ur- wirbelpaaren kennen gelernt haben. Der Schnitt der Tafelfig. 124 geht durch das äußerste Hinter- ende der Kieferregion hindurch. Die Ausdehnung der Ganglienleiste ggll ist in der Zeichnung leicht ersichtlich. Der Querschnitt des visceralen Mesoderms ist ein kommaförmiger. Die Durchsicht der distalwärts folgenden Schnitte gestattet leicht, eine Teilung desselben in der Höhe der mit einem x bezeichneten Linie durchzuführen. Die untere Hälfte mit ihren fünf kleinen, von niedrigen, dicht gestellten epithelialen Zellen umsäumten Lichtungen ist in der unmittelbaren Fortsetzung der linken Hälfte des paarigen Scheitels des Pericards gelegen. Für die beiden unteren Höhlchen ist eine Verbindung mit der Lichtung des Pericards erweislich. Die obere Hälfte haben wir auf die preximale Fortsetzung des Verbindungsplättehens zu beziehen. Ihr loekeres Mesoderm schließt zwei Höhlehen ein, welche die im Bogen aufsteigende Linie der unteren Höhlchenreihe fortsetzen. Das Epithel dieser beiden Höhlen ist kein gleichmäßiges. Neben niedrigen und ganz vereinzelten mehr platten Elementen finden sich auch solehe von stattlicher Höhe, welche durch spießartige, spitz endigende ba- sale Ausläufer ausgezeichnet sind. Ihre Kerne sind mitunter recht dicht benachbart: an mancher Stelle werden sie durch beträchtliche Spatia voneinander geschieden. — Nach wenigen Schnitten treten diese Lichtungen zurück, um alsbald von neuem abgelöst zu werden, welche die gleichen Lageverhältnisse aufweisen. Immer wieder sind sie längs einer Linie aufgereiht, welche an jene gemahnt, die wir uns durch die Höhlchenreihe in der Tafelfig. 12# hindurchgelegt denken können; nur ist dieselbe weiter vorn dem Darme näher Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 159 benachbart als dem Ectoderm, von welchem sie durch die mächtige Ganglienleiste getrennt ist. Ich will hier noch auf die Tafelfig. 12 5 verweisen; sie ist einem kleinen Territorium des achten proximalen Nachbarschnittes entnommen und soll uns über das Epitheleines Höhlehens Aufschluß geben, welches in der Höhe des Spatiums zwischen den beiden Aorten lagert. Die gewählte stärkere Ver- größerung läßt die Verschiedenheit im Bau des Epithels klar hervor- treten und enthebt mich wohl einer näheren Schilderung. — Sobald wir uns der Region des Mittelhirns nähern, vermissen wir fürs erste am Fußteile des visceralen Mesoderms eine besondere Differenzierung; ferner ist auch die Ausdehnung des Aushöhlungsprozesses einge- schränkt. Ich sehe kein Höhlechen mehr in der Nachbarschaft der ventralen Aorta. Der Schnitt der Tafelfig. 12c hat das Hinterende des Mittelhirns getroffen. Der Querschnitt des visceralen Mesoderms gemahnt nur wenig mehr an jenen, dem wir in der Tafelfig. 12 be- gegnet sind. Sein Gefüge hat eine bedeutende Lockerung erfahren; er schließt zwei kleine Lichtungen ein, deren Umsäumung eine aus- gesprochen epitheliale ist. Von der dorsalen und ventralen Circum- ferenz der Wandung des oberen Höhlchens splce, geht je ein Zell- bälkchen ab. Das obere endigt nahe der Gefäßanlage v, das untere setzt sich in die Wandung des ventralen Höhlchens sp/lc, fort. Beide Höhlchen treten proximalwärts nach ein paar Schnitten völlig zurück. Eine Abgrenzung des visceralen Mesoderms gegenüber dem mit seiner Hauptmasse die dorsale Aorta umgürtenden dorsalen Meso- derm kann ich für unsern Schnitt ebensowenig herausfinden, wie in sämtlichen übrigen Schnitten in der Kieferregion. An dem als dorsales Mesoderm zu deutenden Abschnitt ist keinerlei Differenzierung wahrnehmbar. — Sobald wir uns der Region des Aortenbogens nähern, bemerken wir auch schon, daß der Aushöhlungsprozeß in der Fortsetzung des visceralen Mesoderms noch nicht festen Fuß gefaßt hat; die der Außenwand des Aortenbogens angeschmiegte weitere Fortsetzung läßt vorerst nurSpuren eines solchen erkennen. — Ich habe selbstredend stets darauf geachtet, nicht etwa Gefäßdurchschnitte oder Anlagen von solchen mit den Einzelhöhlchen des Lichtungswerkes zu verwechseln. Namentlich in der vorderen Hälfte der Mandibularregion begegnet man vielfach in unmittelbarer Nähe der obersten, der dorsalen Aorta benachbarten Höhlehen Gefäßanlagen. Man erlangt bald Übung genug, um beide streng auseinander halten zu können. ‘ Ich möchte nun noch die Befunde bei dem bereits erwähnten 160 H. Rex Keime mit fünfzehn Urwirbelpaaren folgen lassen; sie gestatten für das Mesoderm der Kieferregion einen ungleich besseren Anschluß an die jüngeren Keime. Der Schnitt der Tafelfig. 12 d gehört der rechten Keimhälfte an; er trifft das Hinterende der Anlage der Kieferregion. Der Mantel der Ganglienleiste Ggll reicht beträchtlich tief herab, in der Höhe der ventralen Hälfte des Hirnrohres sind seine nachbarlichen Bezie- hungen zum Mesoderm besonders innige. Es gelingt aber leicht, Leiste und Mesoderm voneinander zu trennen. Dies ermöglichen fürs erste die Gruppierung der Zellen und dann die tinktoriellen Unterschiede. Die Zellen der Ganglienleiste weisen ein mattes, förmlich abgeblaßtes Kolorit auf, auch ihre Formverhältnisse sind andre, als jene des Mesoderms. Vielfach walten große, fast plump zu nennende Zellen vor. Das viscerale Mesoderm erinnertin seinem Querschnittsbild unmittelbar an jenes, welches ich für den jungen Keim mit elf Urwirbelpaaren .beschrieben habe (vgl. auch die Tafelfig. 11 d&—f). Bloß eine geringe Ver- mehrung seines Zellmaterials, sowie auch der Bau des Fußteiles bedingen merkliche Unterschiede. Der letztere geht distalwärts un- mittelbar in die gleichseitige Hälfte des paarigen Pericardscheitels über. Die in ihm eingeschlossene kleine Lichtung 'spel; darf ich wohl als Rest des Vorderendes der Pericardlichtung ansprechen. Der dorsalwärts folgende Abschnitt des visceralen Mesoderms ist ein dünnes Blatt, dessen Zellen sich durch ihre eigenartige Anordnung auszeichnen. Sie stehen recht eng beieinander und sind in der Nachbarschaft der Cardinalis zu einzeiligen Reihen vereinigt, welche im Bogen verlaufen. Nahe dem Scheitel des Darmflügels sind zwei kleine, scharf umrissene Lichtungen sp/e;, splc, wahrnehmbar. Die obere ist zwerchsackartig eingeschnürt, die untere lang, schlitzförmig. Das Zellblatt überragt die Cardinalis um ein Beträchtliches; seine bauliche Eigenart gestattet uns, seine Grenze gegenüber dem dor- salen Mesoderm oberhalb des Scheitels des Darmflügels festzustel- len. Das letztere zeigt den Typus des embryonalen Bindegewebes. Die Tafelfig. 12 e ist dem dritten proximalen Nachbarschnitt entnommen. Der zugeschärfte Ventralrand der mächtigen, in der Figur nicht näher bezeichneten Ganglienleiste findet sich unterhalb der aufsteigenden Aorta; sie wird durch einen stellenweise überaus deutlichen Spalt vom visceralen Mesoderm geschieden. Dieses: ist hier nieht mehr ein dünnes Zellblatt; wir sehen uns vielmehr einer gleichmäßig verdickten Platte gegenüber. Ihre Krümmung ist genau Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 161 die gleiche, welehe der benachbarte Abschnitt des Eetodermmantels aufweist; der der Aorta ascendens angeschmiegte, etwas dünnere Fußteil setzt dieselbe nur unvollkommen fort: Die Platte wird von rundlichen und ovalen Lücken durchsetzt. Die diese umwandenden Zellen lassen an mancher Stelle unmittelbar epitheliale Gruppierung erkennen. In dem medial von dieser Lückenreihe lagernden losen Zellmaterial sind von der Höhe des Scheitels des Darmflügels an nach aufwärts gleichfalls Lücken bemerkbar; eine derselben sple besitzt eine überaus deutliche teilweise epitheliale Umsäumung. In der Höhe der Cardinalis weist die Platte eine eigenartige Verdich- tung auf. — Die Betrachtung der Zeichnung läßt ohne weiteres erkennen, daß auch in diesem Schnitt die Grenzmarke des visceralen Mesoderms gegenüber dem dorsalen festgestellt werden kann; sie ist auswärts vom Scheitel des Darmflügels zu suchen. Weiter vorschreitend nehmen wir noch in manchem Schnitte die Umrisse unsrer Platte wahr; in den meisten jedoch entzieht sich dieselbe dem Blick und wir verlieren sie bald völlig. Es beruht dies darauf, daß sich die Zahl ihrer Zellen vergrößert hat und diese zum Teil zur Umwandung der zwischen ihnen auftauchenden neuen Höhlchen herangezogen worden sind. Das nicht hierbei verwendete Zellmaterial läßt ferner jede Regelmäßigkeit in seinen Lagebeziehun- gen — wenigstens scheinbar — vermissen. Ich gehe wohl nicht fehl, wenn ich annehme, daß einerseits das Wachstum der älteren Höhlchenanlagen, anderseits die Entwicklung neuer Höhlchen eine Auflösung des ursprünglichen, viel zu engen Rahmens bedingen mußten, welcher die Bildungsstätte des Höhlchenwerkes umfaßte. Der Rest der interepithelialen Zellmasse weist annähernd qua- dratische Umrisse auf. Er wird gleich dem Vorderdarmscheitel bei- derseits von den mächtigen Aortenbogen flankiert. Die vier Ecken sind in dünne Zipfel ausgezogen; jedes Zipfelpaar setzt sich nach außen ins Mesoderm fort, und umgreift auf diesem Wege die obere und untere Wand des Aortenbogens.. Das Mesoderm ist hier vorn gleich einer dieken, am oberen und unteren Ende verjüngten Schale der Außenfläche des Gefäßbogens angeschmiegt. Von den Zell- strängen, welche die Verbindung mit dem Zellmassenreste beistel- len, ist der dorsale verhältnismäßig dick; der ventrale sehr zart. — Eine Sagittalschnittserie von einem Keime mit vierzehn Urwir- belpaaren läßt in der Region der vordersten Urwirbel folgendes er- kennen. Die durch deutliche, breite Spalten voneinander geson- derten Scelerotome nehmen distalwärts rasch an Größe ab; das des 162 H. Rex vierten Urwirbels ist am geringsten ent- wiekelt. Über die Ur- wirbelkommunikatio- nen orientiert uns der Schnittder Textfig. 521; siesind hiermit w0c9, 3,4 bezeichnet. Zwischen uwc, und uw, werden wir einer kleinsten, von zylindrischen Zel- len umsäumten Lich- tung vom gewahr. Sie gehört dem Mesoderm der Seitenplatten an. uwc, lenkt deutlich distalwärts etwas ab; uwc; und wwec, streben eine Vereinigung an, die auch im zweitnäch- sten Schnitte erfolgt. Die in diesem vorlie- gende längliche Lich- tung, deren epitheliale Wandung sich scharf von der Nachbarschaft abhebt, ist wohl schon hart an der Grenze der Seitenplatten ge- legen.!v Im" ‚fünften Schnitte erblicken wir bereits den einheit- lichen Splanchnoeöl- spalt, dessen wohlab- gerundetes Vorderende der Fortsetzung von wwc, entspricht. Das distaleEndedesVorder- CD TE TTEEEZTER IB 5 x © asroletei.tre A Da ER a2) 1 Spiegelbild. (Aus d. 1. Keimhälfte.) Fig. 32. i Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 163 darmes ist nun auch schon zurückgetreten und im sechsten Schnitt er- öffnet sich die Fortsetzung von «wc, breit in die oberhalb der V. om- phalomesenterica befindliche Nische des Hinterendes der Pericardhöhle. Ich wende mich nun zum ersten Urwirbel. Der nach einwärts von der Aorta lagernde kleine Abschnitt seines Sklerotoms läßt sich proximal und distal leidlich gut abgrenzen; der dem inneren Ab- hange der dorsalen Aortenwand aufsitzende wird von einem Gefäß- ring umgürtet, der von der Aorta und dem Hinterende der Cardinal- vene beigestellt wird. Das letztere gabelt sich an der Vorderfläche des Sklerotoms in zwei Äste; von diesen zieht der eine empor und über das Sklerotom hinweg nach hinten in das Spatium zwischen diesem und dem zweiten Sklerotom, wo er sich mit einem dorsalen Aste der Aorta verbindet. Die Abgrenzung des vom Epithelrest des Urwirbels überdachten embryonalen Bindegewebes gegenüber dem _ distalen Endabschnitte des unsegmentierten Mesoderms fällt sehr schwer; dies lehrt ein Blick auf die Textfigur. Ähnlich wie die zweite und dritte ist auch die erste Urwirbelkommunikation distal- wärts abgelenkt; sie erhält erst knapp vor der Einmündung ins Splanehnoecöl eine völlige epitheliale Umwandung. Der Schilderung des unsegmentierten Mesoderms sei wieder ein Hinweis auf die Entwicklungsvorgänge am Darmscheitel vorausge- schickt. Sie sind etwas weiter gediehen, als jene, die ich für En- tenkeime mit der gleichen Urwirbelzahl geschildert habe. Wir kön- nen uns über dieselben an der Hand der Tafelfig. 9 meiner älteren Abhandlung leicht orientieren. Das Chordavorderende setzt sich vom Dorsalrande des schmalen, hohen Zellmassenrestes scharf ab; der in die Wand des Darmscheitels eingeschaltete distale Abschnitt dieses Restes besteht nurmehr aus einer einzigen Reihe von außerordentlich niedrigen Zellen. Die interepitheliale Strecke s,—s ist jetzt sehr kurz. — Der Schnitt der Textfig. 32 ist vom Medianschnitt aus ge- zählt, der elfte. Er hat das Aortenrohr in großer Ausdehnung ge- trofferi, ferner den dem Hirnrohr benachbarten Abschnitt der Innen- wand des Gehörgrübchens. Am unsegmentierten Mesoderm erkennen wir ohne weiteres seine beiden im Gefüge so kontrastierenden Ab- schnitte. Das dichte Mesoderm, das distalwärts ins Sklerotom des ersten Urwirbels sich fortsetzt, ist namentlich unterhalb des Gehör- grübehens GAgr und der Ganglienanlage des Acusticofacialis VII, VIII durch den engen Verband seiner Zellen ausgezeichnet; unter- halb dieser Anlage sind die Zellen in zwei konzentrischen Reihen angeordnet, eine Eigentümlichkeit, die schon in den Nachbarschnitten 164 H. Rex zurücktritt. Vor der Ganglienanlage findet der Übergang ins lose Mesoderm statt; er ist bei unserm Keime kein unvermittelter. Die Zellen weisen hier in manchem Schnitte die Tendenz zur Reihen- bildung auf und sind zudem deutlich spindelförmig mit senkrecht zum Entoderm gestellter Längsachse. — Über die in die Anlage des Kieferbogens eintretende proximale Fortsetzung des Scheitels des cardialen Mesoderms orientiert die Zeichnung zur Genüge. Die Schnittrichtung ist in unsrer Serie keine rein sagittale; die Schnittebene ist leicht nach der rechten Seite des Keimes geneigt. Diesem Umstande ist es wohl zuzuschreiben, daß wir über die in die Mandibularregion eindringende Fortsetzung des visceralen Meso- derms sowie über das in ihr geborgene Höhlchenwerk eine gute Über- sicht erhalten. Ich möchte auf die Tafelfig. 13 verweisen, deren Schnitt der rechten Keimhälfte angehört; derselbe ist vom Außenrande des Darmflügelscheitels aus gezählt der fünfte. Über der Decke der Pericardhöhle Pc sehen wir zunächst den Durchschnitt der Außen- wand der Anlage der ersten Kiementasche At. Das Mesoderm in der Kieferregion ist dorsal und ventral von zwei Schnittstreifen der Ganglienleiste Ggll flankiert. Der ventrale Streifen ist der kürzere; seine Zellen sind einander nah benaehbart; das Zellmaterial des dorsalen Streifens ist etwas spärlich und der Zusammenhang ein sehr loser. Nur der dem distalen Abhang der dorsalen Wölbung der Augenblase Au angeschmiegte Abschnitt ist dicht gefügt. Bei v nehmen wir vier Gefäßanlagen wahr; sie lassen sich von der Nach- barschaft überaus deutlich abgrenzen. Das Mesoderm besitzt im Bereiche der Anlage des Höhlehenwerkes Zw den Bau eines epithelialen Maschenwerkes. Seine Zellen sind zu epi- thelialen Strängen und Bälkehen angeordnet, welche deutliche Lücken mit rundlichen, oblongen und auch eckigen Umrissen einschließen. Einzelne derselben sind bereits wohl abgeschlossen und ihre Um- randung gleicht einer wie mit der Feder gezogenen schar- fen Linie, welcher epitheliale Zellen aufsitzen. Unter diesen sind alle Formen vertreten, welche ich bereits für die Querschnittbilder geschildert habe. - Nicht selten dient ein und dieselbe Zellreihe als Wand zweier Höhlen, welche sie gleichsam als Scheidewand trennt. Einer genaueren Beschreibung jedes Zellzuges enthebt mieh wohl die mit großer Sorgfalt ausgeführte Zeichnung. — Die machtvollste Aus- dehnung weist das von der Höhlenanlage eingenommene Feld im distalen Territorium des uns vorliegenden Mesodermabschnittes auf; hier ist auch eine dorsale, außerordentlich deutliche Reihe von ‘Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 165 Liehtungen nachweisbar, im Bereiche welcher wir auf zwei bereits wohl abgeschlossene Höhlehen stoßen. Vorn nimmt die Höhe des Fel- des allmählich ab; unterhalb der vier Gefäßanlagen vo sind nurmehr scehüchterne Aushöhlungsversuche wahrnehmbar. Diese drei proximalwärts allmäblich an Höhe abnehmenden Lücken erreichen den dichten Mesodermabschnitt nicht, welcher proximalwärts unmittel- bar an die Augenblase herantritt. Dieser Abschnitt, welcher der sagittal getroffenen, uns bekannten Mesodermschale der Außenwand des Aortenbogens entspricht, wird in dem Präparat durch eine leicht als Kunstprodukt zu erkennende Lücke von der Augenblase zum Teil geschieden. Diese soeben beschriebenen Einzelheiten treten auch in den beiden Nachbarschnitten recht klar hervor; wie leicht begreiflich, gewinnt hier manche Einzelheit weit schärfere Umrisse, während andre wiederum mehr zurücktreten. Über diese beiden Schnitte beiderseits vordringend, begegnen wir bald nurmehr undeutlichen An- schnitten. Keime mit sechzehn und siebzehn Urwirbelpaaren. (Taf. IV Fig. 14 a—g; Taf. V Fig. 14; Taf. IX Konstr. II.) Von den beiden Querschnittreihen habe ich die von dem älteren Keime zur Anfertigung der Profilkonstruktion in der Tafelfig. II be- nutzt. Bei dem jüngeren traf ich in der Region der vordersten Ur- wirbelpaare einen eigenartigen Befund an, welcher mich veranlaßt, diesen Abschnitt des Keimes im folgenden näher zu berücksichtigen; von der Region des Gehörgrübehens an sollen sodann vornehmlich die Befunde beim Keime der Profilkonstruktion zur Beschreibung ge- langen. — Ich möchte hier noch folgende Bemerkung einschalten. Ein Vergleich der vom Keime mit vierzehn Urwirbelpaaren gegebenen Querschnittbilder mit den entsprechenden zum Teil gleich stark, zum Teil fast gleich stark vergrößerten Schnittbildern vom Keime mit fünfzehn Urwirbelpaaren, sowie den beiden jetzt zu schildernden älteren Keimen läßt erkennen, daß ganz bedeutende Schwankungen in den Dimensionen der Gesamtanlagen vorhanden sind. Ich möchte bezüglich dieser beträchtlichen Variationen auf die von A. FıscHEL! veröffentlichten Mitteilungen verweisen. Die Textfig. 33 führt uns in die Region des dritten Urwirbels 1 Über Variabilität und Wachsthum des embryonalen Körpers. Morph. Jahrbuch. Bd. XXIV. 1896. 166 H. Rex des Keimes mit sechzehn Urwirbelpaaren. Der Schnitt entstammt der rechten Seite. Die Formverhältnisse des Sklerotoms, sowie jene der Myotomanlage sind leicht zu übersehen. Ein paar dem ersteren zugehörige Zellen ragen in die Lichtung der Urwirbelkommunikation vor. Die ventrale Grenze derselben gegenüber der Cölomtasche C? ist, wie die Befunde der Nachbarschnitte lehren, bei der mit einem Sternchen bezeichneten Linie zu suchen. Dem niedrigen Epithel der Außenwand der Kommunikation ist die vordere Cardinalis ange- schmiegt; das ungleich höhere der Innenwand, welches das Epithel der Schlundplatte fortsetzt, grenzt mit seinem leicht aufgebogenen Innenende ziemlich unvermittelt ans Sklerotom. In der Kehle der von der Somatopleura gebildeten knieförmigen Falte ist eine Vene v eingelagert, welche sowohl mit der Cardinalis als auch mit dem cardialen Endabschnitte der Omphalomesenterica eine Verbindung anbahnt. Es ist also die Bildung des Mesocardium laterale im Gange. — In der unmittelbaren Nähe der dorsalen Umschlagskante sind zwischen Medullarrohr und Sklerotom drei Zellchen eingelagert; eines ist in Teilung begriffen. Sie sind, wie auch die Befunde in den Nachbarschnitten erkennen lassen, Abkömmlinge der Ganglien- leiste. — Die Urwirbelkommunikation ist nur noch im proximalen Nachbarschnitte deutlich; im vierten distalwärts folgenden Schnitte ist die Cölomtasche bereits geschlossen. Sie hat hier eine schmale, spaltförmige Lichtung und ragt zwischen der Fortsetzung der Vene v und dem Darmflügel fast senkrecht empor; ihr Scheitel erreicht die Höhe der Dorsalwand der Aorta. Ihrer Außenwand entsprießt em- bryonales Bindegewebe. — Sobald wir uns dem zweiten Urwirbel Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 167 nähern, wird das Verhalten der Tasche ein andres. Wir verlieren zunächst die Vene vo aus den Schnitten; die ihr benachbarten Ab- schnitte der Seitenplatten rücken voneinander ab. Die mit geräu- miger Lichtung versehene Cölomtasche überragt den Scheitel des - Darmflügels um ein Beträchtliches; sie besitzt ein schräg ein- und abwärts abfallendes Dach. Mit Ausnahme des dem Darmflügel be- nachbarten Abschnittes setzt in ihrer Wandung die Proliferation em- bryonalen Bindegewebes ein. Die stattliche Myotomanlage des zweiten Urwirbels wird durch ein paar kleine, lose Zellchen von der lateralen Wand geschieden; die Urwirbelkommunikation ist nurmehr in einem Sehnitte deutlich, und auch in diesem ist bloß die Außenwand er- halten geblieben. An Stelle der Innenwand ist ein Zellhäufehen getreten, das auch zum Teile in die Lichtung der Kommunikation hineinragt. Nahe dem Vorderende des Urwirbels büßt die Cölom- tasche die Lichtung ihres Scheitels ein; die Wandung desselben setzt sich proximalwärts als niedrige Platte fort, an der im Bereiche des ersten Urwirbels nurmehr in vereinzelten Schnitten, wie dem der Textfig. 34, das Gefüge an eine frühere Lichtung gemahnt. Vor dem ersten Urwirbel wird diese Platte unter dem Einflusse des sich steil aufrichtenden und dem Eetoderm zustrebenden Darmflügels allmäh- lich zu einer zarten Lamelle umgeformt, welche im Bereiche des nahen, noch kleinen Kontaktfeldes der zweiten Kiementasche eine bedeutende Rückbildung erfährt. Die Textzeichnung 34 lehrt, daß auf der rechten Seite vom Urwirbel nur noch die Dorsalkante er- halten geblieben ist; sie läßt sich in sechs Schnitten nachweisen. Die ventralen Ränder des Epithelrestes haben das Bestreben, sich miteinander zu vereinigen, so daß in manchem Schnitte das Bild einer mäßig großen, epithelial umsäumten Lichtung vorliegt. Es finden sich nicht wenige Zellteilungsfiguren in diesem Reste vor, deren Achsenlage auf den Beginn einer Proliferation schließen läßt; sie sind auf den gesamten Zellbezirk verteilt, ohne daß irgendein Abschnitt besonders bevorzugt wäre. Über die baulichen Verhält- nisse des Mesoderms, dem der Epithelrest aufsitzt, sowie die nach- barlichen Beziehungen zur Ganglienanlage des Glossopharyngeus IX orientiert die Figur zur Genüge. Auch die Form- und Lagebe- ziehungen der schon großenteils verödeten Cölomtasche CO? sind aus derselben leicht zu ersehen. Auf der linken Seite ist von irgendeinem Epithelrest des ersten Urwirbels keine Spur zu entdecken; dichtes Meso- derm nimmt hier das Gelaß einwärts von der Ganglienanlage des 168 H. Rex Glossopharyngeus ein, schließt distalwärts ans zweite Sklerotom an und geht proximalwärts ins unsegmentierte Mesoderm über. Dieser Befund liefert ein interessantes Seitenbild zu den später zu schil- dernden Befunden in den Sagittalschnittserien von etwas älteren Keimen. — In der zweiten Querschnittserie von dem Keime mit siebzehn Urwirbelpaaren, dem die Profilkonstruktion der Tafelfig. II entstammt, ist der Epithelrest des ersten Urwirbels beiderseits gleich stattlich. Hier ist fast die gesamte Außenwand vorhanden, mit derem Dorsalrande ein kurzer Rest der medialen Wand ver- einigt ist. Der Ventralrand besitzt eine kleine Umschlagskante. Gleich einer Klammer ist das Epithelblättchen mit seinen haken- förmig umgeschlagenen Rändern dem Sklerotom aufgelagert. Im Bereiche des Vorderendes ist nurmehr ein kleines Restehen der Dor- salkante erhalten. Ich will die weitere Schilderung an der Hand dieser Schnitt- serie durchführen; zunächst seien einige orientierende Bemerkungen über die ihr entnommene Profilkonstruktion (Tafelfiıg. I) voraus- gesendet. Es wurde die linke Hälfte der Kopfanlage rekonstruiert. Hirn und Darm (D) sind nach den Umrissen in der Medianebene eingetragen. Von der Augenblase sind die äußeren Konturen, vom Gehörgrübehen die Umrisse der Innenfläche der Wandung einge- zeichnet. Die Ganglienleiste des Trigeminus ist nicht zur Darstel- lung gelangt; die Anlage des Ganglion F ist aus ihrer Verbindung mit der Leiste herausgeschält wiedergegeben. Die Ganglienanlagen des Acusticofacialis, Glossopharyngeus und Vagus, VIIT—VIT, IX, X sind im Zusammenhang mit der Ganglienleiste eingetragen. Das Mesoderm wurde in ganzer Ausdehnung eingezeichnet; das von ihm eingenommene Feld ist in hellgelber Farbe angelegt worden. Im Bereiche der Kontaktfelder der Kiementaschen Xt, und Kt, er- fährt die Kontinuität des Mesoderms eine Unterbrechung; hier wurden zur Feststellung seiner Grenzen die Höhenmarken herangezogen, welche dasselbe einwärts von den Kiementaschen aufweist. Zwi- schen den letzteren zeigt seine Kontinuität eine weitere Unterbre- chung. Wie der dieser Region, und zwar der Gegenseite entstam- mende Schnitt der Tafelfig. 14 a lehrt, ist die Anlage des Mesoderms des Hyoidbogens durch ein ansehnliches Spatium vom Scheitel der Pericardkante geschieden. Distalwärts von Kt, ist dieser Scheitel vom Mesoderm des Verbindungsplättchens noch auf eine kurze Strecke hin deutlich getrennt. Von da ab nach hinten hin fehlt diese scharfe Scheidung und wir müssen mit der gelben, schwarz geränderten Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 169 Volllinie Sple vorlieb nehmen, welche uns die Umrisse des Splanchno- eöls anzeigt. Diese Linie habe ich in folgender Weise gewonnen. In der Urwirbelregion habe ich den Scheitel der Liehtung der Cö- lomtasche und dessen ventroproximalwärts absteigende Fortsetzung, also den Scheitel der Lichtung der Pericardkante der Projektion zu- geführt. Den letzteren habe ich über die Region der zweiten Kie- mentasche hinaus verfolgt und sodann weiter vorn, wo die Kante zurücktritt, durch die größte Höhe der Pericardlichtung einwärts vom Scheitel der branchialen Grenzfurche des Eetoderms fortgesetzt. Der letzte vorderste Endabschnitt des Splanchnoeöls, dessen äußerstes Endehen in die Kieferregion hineinragt, entspricht der linken Hälfte des paarigen Scheitelendes der Pericardlichtung. Den Boden dieses Endes habe ich unmittelbar in den Boden des Pericards fortgesetzt. — Betrachten wir diese Linie etwas näher. Sie steigt im Bereiche des zweiten Urwirbels recht hoch an, jedoch nicht bis zu dessen Ventralrand; dies Ziel erreicht sie erst im Bereiche des dritten Ur- wirbels. Ihr Verlauf orientiert uns recht gut über das Verhalten der Cölomtasche. Am dritten Urwirbel ist noch ein deutlicher Rest der Urwirbelkommunikation vorhanden; am zweiten ist dieselbe bereits rückgebildet und im Bereiche seines Vorderendes verödet die Lich- tung im Scheitel der Tasche. In der Region des ersten Urwirbels vollzieht sich der Übergang der Tasche in ihre proximale Fortset- zung, die Pericardtasche. — Die Lage jenes Schnittes, in welchem der Ectodermmantel des freien Kopfendes ein völlig selbständiger ist, habe ich wieder durch einen Pfeil angezeigt und möchte ihn auch noch für dieses Stadium als eine Art distaler Grenzmarke der Anlage der Kieferregion deuten. Der zweite proximale Nachbar dieses Schnittes läßt bereits die Teilung des Endothelrohres des Truncus- vorderendes in die beiden Aortae ascendentes erkennen; mit dem dritten nähern wir uns bereits dem Hinterende der Rachenhaut. Die Teilungsstelle des Truneusvorderendes ist durch eine rote, schwarz geränderte Linie angezeigt. — Das Verhalten des Vorderendes des Eetoeards habe ich nicht eingetragen. Es finden sich da Einzelheiten vor, welche die Verzeichnung der Zweiteilung des Scheitels des car- dialen Mesoderms untunlich erscheinen lassen; meine Bemühungen, hier ein klares Rekonstruktionsbild zu schaffen, waren vergebliche. Hier zieht eben das Rekonstruktionsverfahren selbst die hemmende Schranke. So habe ich mich denn mit der Einzeichnung der Ausdeh- nung der Pericardlichtung begnügt; überdies ist ja auch die dorsale Grenze des gesamten cardialen Mesoderms von der zweiten Kiemen- 170 | H. Rex tasche an nach vorn bis nahe an den Pfeil hin durch den der oberen Grenze der Pericardlichtung parallel laufenden Kontur der dorsolate- ralen Pericardkante sichergestellt.- Im Bereiche der mit dem Pfeile bezeichneten Region hat die proximale Fortsetzung des Mesoderms der Herzanlage ihre scharfe obere Grenze bereits eingebüßt. — Die Re- konstruktion läßt fernerhin noch das Vorderende des Entocards, das Endothelrohr des Truneus arteriosus und die beiden Schenkel der Aorta, sowie einen Verbindungsgang zwischen diesen beiden und die Anlage eines zweiten solchen erkennen. Diese Gebilde sind gleich- wie der erste Aortenbegen nicht näher bezeichnet. Das gleiche gilt vom Höhlehenwerke im Mesoderm der Kieferregion. Das dem Darm- scheitel angeschmiegte, durch eine gestrichelte Linie umsäumte Feld zeigt die Ausdehnung des Mesoderms der ersten Kopfhöhle X, an. — Die Lage sämtlicher, im folgenden durch Zeichnungen be- sonders erläuterter Schnitte ist in der Konstruktion leicht ersicht- lich gemacht. — Auf das Gesamtbild der letzteren komme ich später zu sprechen. — Ich kehre zum Mesoderm zurück. In nur geringer Entfernung vom Vorderende des ersten Urwirbels findet sich das Kontaktfeld der zweiten Kiementasche vor; die gesamte, steil aufgerichtete Seitenwand der Tasche ist dem Eetoderm angeschmiegt. Vor dem Felde haben nur vier kleinste Bezirke der Wand das Ectoderm erreicht (s. d. Konstr. II Kt). — Der Schnitt der Tafelfig. 14 «a gebt knapp vor der größten Tiefe des Gehörgrübehens hindurch. Er gehört der rechten Hälfte der Kopfanlage an; ich habe die Lage seiner Gegenhälfte in der der linken Seite des Keimes entnommenen Konstruktion eingetragen (Tafelfıg. 14 «). Das branchiale Mesoderm MAy hebt sich durch sein dichtes Gefüge scharf vom dorsalen Mesoderm ab, welches nach innen dicht an die Chorda herantritt. Abwärts verjüngt es sich rasch und endigt zugeschärft; vom Scheitel der Pericardkante pck wird sein ventraler Rand durch eine hohe Spalte geschieden (s. auch die Konstruktion ein). Bei V/Z, VIII werden wir des äußersten Hinterendes der Ganglienanlage des Acusticofacialis gewahr. Die branchiale Grenzfalte des Eetoderms br.gr senkt ihren First in die Nische zwischen Periecardkante und Darm ein. — Nach wenigen Schnitten erreichen wir das Hinterende der ersten Kiementasche und werden uns fortan fast ausschließlich an die linke Keimhälfte halten. Das Hinterende dieser Tasche bewahrt als proximale Fortset- zung des Darmflügels dessen Formverhältnisse noch recht getreu; es Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe, 171 ist dies namentlich an der rundlichen dorsalen Kante leicht erkenn- bar. Die Außenwand gewinnt zunächst, wie die Konstruktion lehrt, an vereinzelten Punkten Fühlung mit dem Eetoderm, dem sie sich bald völlig anlegt. Weiter vorn lädt die Tasche breiter aus, ihre steil aufgerichtete, ungleich höhere und verdünnte Seitenwand be- sitzt einen innigen Kontakt mit dem Eetoderm; die Kante, in der sich diese Wand mit der oberen vereinigt, ist zugeschärft. Das Vorderende der Tasche fällt schon ins Bereich der Sonderung des innerembryonalen Splanchnoeöls; knapp hinter dem Distalende der Mandibularregion ist der Kontakt auf einen kleinen dorsalen Bezirk der Außenwand beschränkt. Die proximale Fortsetzung der bran- chialen Grenzfalte bleibt mit ihrem Firste dem Unterrande des Kon- taktfeldes getreu; am Vorderende der Tasche lenkt dieser Rand von der Falte dorsalwärts ab und diese selbst verliert sich nahe dem Hinterende der Kieferregion in der Höhe der ventralen Darmwand. — Im Bereiche der beiden Kiementaschen ist vom Verbindungsplätt- chen nur ein kleiner oberer Endabschnitt erhalten, welch letzterer von dem über dem Darme gelagerten dorsalen Mesoderm nicht ge- sondert werden kann. Der Wechsel im Gefüge des letzteren setzt bei unserem Keime ziemlich weit vorn, in der distalen Nachbarschaft des Hinterendes der Kieferregion ein. Das Mesoderm der Kieferregion bietet manchen bedeutungs- vollen Befund dar. Jener Abschnitt desselben, welchen wir als Fort- setzung des visceralen Mesoderms aufzufassen haben, hat seine scharfen Umrisse beinahe gänzlich eingebüßt; es gelingt nicht mehr, aus den Lagebeziehungen des randständigen, nur lose verknüpften Zellmaterials irgend eine schärfere glatte Grenze herauszulesen. Um so weiter ist die Entwicklung des Höhlchenwerkes im visceralen Mesoderm gediehen. Wie die Konstruktion II erkennen läßt, hat sieh die Mehrzahl der Liehtungen zu einer bizarr geformten Höhle vereinigt. — Nur im Bereiche des gleich zu schildernden Hinterendes unsrer Region liegen die Verhältnisse etwas anders. Hier hat, gleichwie bei den jüngeren Keimen das visce- rale Mesoderm die Umrisse einer leicht abgrenzbaren, mäßig dieken Zellplatte bewahrt. — Das dorsale Mesoderm läßt ebenso- wenig wie früher irgend eine besondere Differenzierung erkennen; eine schärfere Abgrenzung gegenüber dem visceralen ist nirgend wahrnehmbar. — Die Ganglienleiste weist Zeichen der beginnenden Rückbildung auf; sie sind namentlich im Bereiche der ventralen Hälfte wahrnehmbar. Hier sind die Zellen durch große Lücken Morpholog. Jahrbuch. 33. 12 172 H. Rex voneinander geschieden, welche an mancher Stelle zur Kontinuitäts- trennung der Leiste führen. Den unterhalb der aufsteigenden Aorta gelagerten ventralen Innenrand vermisse ich bereits. Im Bereiche des Darmscheitels und des Aortenbogens ist das Gefüge des linsen- förmigen Plattenquerschnitts ein auffallend schütteres. Der proxi- male Endabschnitt ist gut entwickelt. Die Anlage des Quintus- ganglions ist, wie die Konstruktion erkennen läßt, eine noch recht bescheidene. Der Schnitt der Tafelfig. 14 5 führt uns in das Bereich des äußersten Hinterendes der Kieferregion. Die Ganglienleiste Ggll dürfte in der Höhe der Dorsalwand der absteigenden Aorta ihren Ventralrand besitzen, ob auch die tiefer unten gelagerten, dem Ecto- derm angeschmiegten kleinen Zellgruppen ihr zugehören, vermag ich nicht zu entscheiden. In der Nische zwischen Hirn und Cardinalvene ist die unansehnliche Anlage des Quintusganglions V eingelagert. Der Fußteil des visceralen Mesoderms umgreift gleich einer Klaue das Endothelrohr der aufsteigenden Aorta von unten und außen her. Seine Zellen sind namentlich in der Tasche zwischen dem Gefäßrohr und dem Eetoderm dicht gestellt; hier sind auch Spuren einer regel- mäßigen Lagerung wahrnehmbar. Der Fußteil besitzt ferner auch eine Art dorsale Grenze, welche etwa in der Höhe der Dorsalwand der aufsteigenden Aorta zu suchen ist und setzt sich distalwärts unmittelbar in das niedrige Vorderende der gleichseitigen Hälfte des Pericardscheitels fort. Der vierte distale Nachbarschnitt zeigt, daß hier in ihm ein kümmerlicher Rest des äußersten Vorderendes der Pericardlichtung eingeschlossen ist. — Der dorsalwärts folgende Abschnitt des visceralen Mesoderms läßt die Umrisse eines nach außen leicht winklig abgebogenen Kommas erkennen; seine Zellen sind zu kleineren und größeren Gruppen vereinigt, von denen manche deutlich epithelial gruppiert sind. — An dem äußerst losen dorsalen Mesoderm, welches mit seiner Außenhälfte die Cardinalis-Aortenenge einnimmt, ist keine Andeutung irgend einer Differenzierung wahr- nehmbar. Der Schnitt der Tafelfig. 14 ce ist der dritte proximale Nachbar- schnitt. Die Innenhälfte des Fußteils zeigt eine weiter vorgeschrit- tene Regelmäßigkeit in der Schichtung des Zellmaterials. Die Außenhälfte beherbergt eine kleinste, runde, epithelial umsäumte Lich- tung. Über dieser ist eine recht scharf umgrenzte, größere Lücke vorhanden. Die obere Hälfte des visceralen Mesoderms läßt Bau- und Formverhältnisse erkennen, welche sehr an die in der Tafelfig. 12 e Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 173 von dem jüngeren Keime abgebildeten Einzelheiten gemahnen. Es sind hier noch die Umrisse einer dem Eetodermmantel gleich ge- krümmten Zellplatte vorhanden. Die Außenhälfte derselben schließt ganz deutlich abgegrenzte rundliche und ovale Lücken ein, welche übereinander lagern. An einer derselben, /, ist die dorsale Um- wandung leicht als epitheliale zu erkennen. Irgendeine scharfe Abgrenzung der kleinen Anlage des Quintusganglions Y von dem stattlichen Zellzuge der Ganglienleiste ist nicht nachzuweisen. Nur die Rücksicht auf die Befunde in den Nachbarschnitten sowie auch jene der Gegenseite gestattet die Annahme, daß die Zellreihe, welche die vom Verweisungsstriche V getroffene Lücke dorsalwärts abgrenzt, schon zum Ganglion zu rechnen ist. Dem zweitnächsten proximalen Schnitte ist die Tafelfig. 14 d entnommen. Der Fußteil entbehrt hier noch irgend einer besonderen Differenzierung; es ist hier erst manches angedeutet. So die Schich- tung des etwas dichteren Zeilmantels der Aorta. Einen eigenartigen Befund gewährt die dorsale Schnitthälfte. Hier hat sich ein Teil des Zellmaterials des visceralen Mesoderms zu zwei Zellzügen vereinigt, welche steil aufwärts gerichtet sind und sich mit ihren Dorsalenden unter spitzem Winkel vereinigen. Diese Spitze durchsetzt die breite Zellstraße der Ganglienleiste. Die Anordnung der Zellen des me- dialen Zuges ist eine unverkennbar epitheliale. In der Höhe der Dorsalwand der absteigenden Aorta schließen beide Züge eine rund- liche Lücke / ein, welche dorsalwärts scharf umsäumt ist. Zwei dorsale Nachbarzellen entsenden zu diesem Saume je einen leicht geschlängelten Fortsatz, welcher sich an der Bildung desselben be- teiligt. In der Höhe der Darmseitenkante ist ein epitheliales Zell- bälkchen = gelagert, welches eine ovale Lücke zum Teil umwandet. — Die Nachbarschnitte lassen die beiden Zellzüge noch gut erkennen. Daß diese nicht etwa aberranten Zügen der Ganglienleiste entsprechen lehrt ein Vergleich mit einem distalwärts fol- senden Schnitte, in welchem ein Zug dieser Art vorhanden ist. Dann kann ich namentlich die Befunde bei älteren Kei- men ins Treffen führen; wie die Tafelfig. 18d, eund f leicht erkennen lassen, kreuzt hier der dorsale Endab- schnitt der Zellplatte, welche dem visceralen Mesoderm uusrer Region entstammt, die Anlage des Quintusgan- glions und dringt zwischen dessen Zellmaterial ein. Unser Befund stellt sich also auch keineswegs als zufälliger dar. — Die Tafelfig. 14 e führt uns zum zweitnächsten Schnitt. Im mittleren 12* 174 H. Rex Drittel desselben fesselt sofort die Differenzierung des visceralen Mesoderms unsre Aufmerksamkeit. Es schließt ein förmliches Lückenwerk in sich ein. Die einzelnen Lücken sind zum Teil überaus deutlich epithelial umsäumt. Mit der Wandung der Lücken stehen an mancher Stelle, so namentlich in der Höhe der Darmseitenkante, epitheliale Zellbälkchen in Verbindung. Haben wir uns einmal über die namentlich im Niveau der dorsalen Aorta lagern- den, sofort auffallenden Lücken orientiert, so fällt es uns nicht schwer, auch die gesamte Ausdehnung des Lückenwerkes festzustellen. Es reicht bis zur halben Höhe der Cardinalvene heran; seine epithe- lialen Zellbälkehen dringen ferner bis zum Fußteil herab. Über die Form der einzelnen Lücken sowie ihrer Wandungszellen orientiert die Zeichnung wohl zur Genüge. Dieses lebhafte Differenzie- rungsbestreben des visceralen Mesoderms sticht ganz gewal- tig von der Ruhe ab, die im Bereiche des als Fortsetzung des dorsalen Mesoderms aufzufassenden losen embryonalen Bindegewe- bes vorherrscht; dasselbe umgürtet die dorsale Aorta. — Über die Ausdehnung der Ganglienleiste konnte ich nicht ganz ins klare kom- men. Mit Sicherheit vermag ich dieselbe bis zur Chordahöhe herab zu verfolgen. Ob auch das im Bereiche der ventralen Schnitthälfte dem Eetoderm angeschmiegte Zellmaterial noch der Leiste angehört und daher bloß eine Kontinuitätstrennung derselben stattgefunden hat, kann ich nicht feststellen. Weiter vorn stehen wir auch schon fertig gestellten Höhlchen gegenüber. Das Querschnittsbild gestaltet sich hier folgendermaßen: Auf den ersten Blick erscheint das seitwärts von den beiden Aorten befindliche Territorium von losem Zellmaterial ausgefüllt. Es ge- lingt uns bald, den wenig dichten, dem Eetoderm angeschmiegten Mantel der Ganglienleiste vom Mesoderm abzugrenzen; er reicht etwa bis zur halben Höhe der ventralen Aorta herab. Dem visceralen Mesoderm steht ein verhältnismäßig schmales und auch verschieden hohes Gelaß zur Verfügung. Die beiden Aorten, die sehr umfang- reiche Cardinalis und nicht zum geringsten deren mitunter tief herab- reichendes Wurzelwerk schmälern die Höhe der Lagerstätte recht beträchtlich. Es ist von äußerst lockerem Mesoderm ausgefüllt. Der Fußteil zeigt noch kein besonderes Gefüge; die ventrale Aorta ist ans Ectoderm nahe herangetreten und das zwischen beiden einge- lassene Mesoderm ist vorerst noch ein dünnes Zellplättchen von etwas diehterem Gefüge. Mitten im lockeren visceralen Mesoderm sind die einzelnen Abschnitte des Höhlchenwerkes eingelassen. Über die Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 175 Formverhältnisse desselben und auch die Höhenlage gewährt die Konstruktion Il einen weit besseren Aufschluß, als jede andre Schilderung. Wir wollen uns daher hier mit dem Bau der Höhlchen- wandung beschäftigen. Es walten da ähnliche Verhältnisse vor, wie sie uns im Bereiche der Tafelfig. 14e entgegengetreten sind. Wir treffen neben niedrigen oder platten Zellen auch recht hohe an. So sehen wir in der Tafelfiıg. 14 f die Innenwand des umfangreichen Höhlchens sp/ce von niedrigen, dicht aneinander gereihten Zellen auf- gebaut, deren Kerne einander an mancher Stelle sehr nahe benach- bart sind. Die Außenwand weist platte Zellen auf; wir entdecken hier nur wenige Kerne. Wir brauchen aber bloß die andre Schnitt- hälfte zu betrachten, um sofort andrer Wandungselemente ansichtig zu werden. Ich verweise auf die Tafelfig. 149 (Spiegelbild). Zu- nächst werden wir hier über die Art und Weise orientiert, in welcher sich die Bildung des eben betrachteten Höhlchens splce vollzogen haben dürfte. Unterhalb der tief ventralwärts herabreichenden Car- dinaliswurzel ca, sind vier Höhlchen splc,_ı gelagert, welche in den distalwärts folgenden Schnitten zu einer einheitlichen Lichtung ver- schmelzen. Und nun ihr Epithel! Gemahnt die Außenwand der Höhle sp/c in der Tafelfig. 14 f an das Endothelrohr einer Gefäßanlage — die Wandungselemente dieser Höhlchen bieten ein ganz andres Bild dar. Die Zellleiber gehen keines- wegs ganz in ihrer Aufgabe, die Lichtung zu umsäumen, auf. Sie bewahren ihre Selbständigkeit. Der freie Teil tritt mit einem wech- selnd großen Anteil an die Lichtung heran; der basale jedoch ist selbständig geblieben und ragt bald lang ausgezogen, bald nur in zwei kleine Zipfelchen auslaufend ins Spaltenwerk vor, welches die nachbarlichen Mesodermzellen miteinander einschließen. — Das Septum zwischen sp/c, und > ist im Anschnitt getroffen, schon im distalen Nachbarsehnitt kommunizieren beide Lichtungen. | Es gelingt unschwer, die Querschnittsbilder der ein- zelnen Teile des Höhlehenwerkes von jenen scharf zu trennen, welehe das Wurzelwerk der Cardinalis darbietet. Ich will hier gleich die Besprechung eines Schnittes von einem etwas älteren Keime einflechten. Er hatte neunzehn Urwirbel besessen und ist von mir zur Ausführung der Profilkonstruktion III verwendet worden. Wie wir später hören werden, sind die Entwicklungsver- hältnisse des Mesoderms in der Kieferregion bei diesem Keime solche, daß sie noch vielfachen unmittelbaren Anschluß an die jün- geren Keime gestatten. Der Schnitt entstammt der linken Keimhälfte 176 H. Rex und seine Lage ist in der Konstruktion angegeben. Die Tafelfig. 14% auf Taf. V gibt uns die ventrale Schnitthälfte bei stärkerer Ver- größerung wieder. Wir erblicken lateralwärts von den beiden Aorten a.a und a.d, sowie von der Darmseitenkante D drei der uns so wohl bekannten stockwerkartig übereinander lagernden Höhlchen sple_;. Die Ventralwand des unteren steht mit einem epithelialen Balkenwerk in Verbindung. Die dem Ectoderm unmittelbar benachbarten kleinen Zellgruppen bis herab zum Niveau des untersten Höhlehens gehören der Ganglienleiste an. Uns interessiert hier am meisten der Bau der Höhlehenwandung. Es herrscht ein niedriges Epithel vor; im Bereiche der dorsolateralen Circumferenz der beiden oberen Höhlehen kam es bereits zur Bildung einer Art zarter Basalmembran, durch welche ein scharfer Abschluß des Epithels gegenüber der Nachbarschaft erzielt worden ist. Diese Einzelheiten bedeuten eine Weiterführung der Differenzierung der Wandung, welche sich an die für die Tafelfig. 149 geschilderten Verhältnisse nahe an- schließt und deren erster Vorläufer das Epithel der Lücken darsteilt, welehem wir in der Fig. 14e begegnet sind. Vielleicht darf ich hier nochmals auf die Tafelfig. 125 von dem jüngeren Keime verweisen. — Im distalen Nachbarschnitte haben sich die Höhlchen sp/c, und ; miteinander zu einer umfangreichen Höhle vereinigt; es ließ dies bereits der Anschnitt ihrer Scheidewand im Schnitt der Tafelfigur erraten. Ich wende mich nun wieder unsrer Schnittserie zu und suche hier die Region des Aortenbogens auf. Die Mesodermschale seiner Außenwand hat ihre scharfe Umrandung verloren. Ihre Zellen sind hier auffallend locker vereinigt und dringen auch dorsalwärts in den verfügbaren Raum empor. Nur ein kleiner, im Winkel zwischen der Ventralwand des Aortenbogens und dem Ectoderm eingelassener Ab- schnitt ist recht dicht gefügt. Die Besichtigung der Profilkonstruktion läßt leicht erkennen, daß auch hier vorn bereits der Aushöhlungs- prozeß begonnen hat. Das Mesoderm dringt bei unserm Keime auch schon über das Bereich der vorderen Peripherie der Augenblase vor, die hier allerdings recht engen Spalten im Wurzelwerk der Cardinalvene ausfüllend. Die Schilderung der Anlage. der ersten Kopfhöhle, welche uns jetzt zum erstenmal in schärferen Umrissen entgegen- tritt, lassen wir vielleicht am besten im Bereiche ihres Vorderendes einsetzen, das bereits von kleinsten Lichtungen durchsetzt ist. Ich verweise auf die Konstruktion; in dieser ist die Anlage X, im ER ® Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 477 Zusammenhange mit dem Reste der interepithelialen Zellmasse als ein- heitliches Ganzes eingezeichnet worden. Aus der vorderen Peripherie des Aortenbogens gehen zwei Stämmehen hervor; ihre Wurzeln bilden mit der Vorderwand des Bogens eine Gabel. Das Mesoderm, welches diese ausfüllt und auch die Außenfläche der Wurzeln bedeckt, ist auffallend dicht; die Gruppierung seiner Zellen gemahnt sofort an jene Abschnitte des visceralen Mesoderms der Kieferregion, in welchen sich eine Höhlehenbildung vorbereitet. Und wir sehen auch bereits kleinste, deutlich epithelial umsäumte Lichtungen in dem Teile der Anlage, welche ans Vorderhirn angrenzt. Dieser dringt überdies auch nach einwärts von den Wurzeln der beiden Stämmchen vor und so kommt zwischen denselben und der Seitenfläche des Vorderhirns eine hohe schmale Zellplatte zu stande, die sich distalwärts in dem so ungemein engen Spalt zwischen Hirn und Innenwand des Aorten- bogens forterstreckt und direkt in die Seitenteile des Zellmassen- restes übergeht. Dieser Rest, dessen später zu schildernder Median- schnitt in der Tafelfig. 142 wiedergegeben ist, besitzt im Querschnitte die Form einer hohen, rechteckigen Zellplatte. — Die uns schon von früher her bekannten Zellzüge, welche seiner ventralen Seitenkante entstammen, waren bei dem Keime mit sechzehn Urwirbelpaaren sehr stark entwickelt. Sie erstrecken sich hier unterhalb der Ventral- wand des Aortenbogens nach außen hin und besitzen auch eine proximale Fortsetzung, welche die Außenhälfte der Ventralwand des Aortenbogens, ferner weiter vorn die Wurzel des unteren der beiden vorhin beschriebenen Stämmcehen umscheidet und so Anschluß an die Anlage der ersten Kopfhöhle gewinnt. — Die mir vorliegenden drei Sagittalschnittserien lassen in der Region der vordersten Urwirbel nieht unbedeutende Differenzen er- kennen. Die dem medialen Abhange der dorsalen Aortenwand auf- sitzenden vier ersten Sklerotome sind bei dem einen Keime leidlich gut durch zellarme Spalten geschieden; bei den andern vermisse ich die Möglichkeit einer schärferen Abgrenzung. Sobald wir die Höhe dieser Dorsalwand und damit auch am epithelialen Abschnitte der Urwirbel die kleinen Myotome hinter uns gelassen haben, wird das Bild ein andres. Wir treffen da noch ganz ansehnliche Reste der vorderen und hinteren Urwirbelwand an. Die zwischen dem ersten und zweiten Sklerotom nach außen ablenkende Cardinalvene, ferner die weiter hinten zwischen den Sklerotomen des zweiten, dritten und vierten Urwirbels eingelassenen medialen Wurzeln dieser Vene erleichtern die Grenzbestimmung sehr. Diese Wurzeln gleichen 178 H. Rex mitunter umfangreichen, bruchsackartigen Ausstülpungen der inneren Gefäßwand und stehen mit dorsalen Ästen der Aorta deseendens in Verbindung. Auch das Verhalten der zweiten Urwirbelkommunikation ist ein ‚recht wechselndes.. Wir sehen bei dem einen Keime die wohlausgebildete Kommunikation und können bei den andern ihre Rückbildung und auch jene des Scheitels der Cölomtasche verfolgen. Fast noch größer sind die Differenzen, welche in der Entwicklung des ersten Urwirbels zutage treten. Weitaus am besten ist sein epi- thelialer Abschnitt bei dem Keime entwickelt, welcher auch die wohl- entwickelte zweite Urwirbelkommunikation aufweist. Die Textfig. 35 Fig. 35. läßt zunächst erkennen, daß die Längsdurchmesser der Cutislamellen der vier ersten Urwirbel Uw,, >, 3,4 nicht die gleichen sind. Die des vierten und dritten sind annähernd gleich lang; die des zweiten ist länger, jene des ersten dagegen recht kurz. Der Breitendurch- messer ist fast der gleiche. Vom Epithel des ersten Urwirbels sind stattliche Reste vorhanden. In den ersten drei Schnitten sind jene der vorderen und hinteren Wand nach der Mitte des Urwirbels zu umgeschlagen. Im zweiten fassen sie eine Zellreihe zwischen sich, welche durch ein paar Sklerotomzellen von der Hautplatte geschie- den wird. Ich möchte diese kurze Reihe als Myotomanlage auf- fassen. Im dritten Schnitt ist der umgeschlagene Rest der Vorder- wand besonders stattlich. Er besitzt fast die halbe Länge der Haut- lamelle; ungleich kürzer ist der Rest der gleichgestalteten distalen Wand. Zwischen beiden dringt ein Fortsatz des Sklerotoms zur dorsalwärts leicht konvexen Cutislamelle vor. In den eben bespro- chenen Schnitten sitzt der Epithelrest des Urwirbels dem kleinen Sklerotom auf, welches durch die Aorta und den vor dem zweiten Sklerotom lateralwärts ablenkenden Cardinalisschenkel leidlich gut abgegrenzt ist. — Auch im vierten Schnitt, dem der Textfigur, sind ' Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 179 stattliche Reste der vorderen und hinteren Wand vorhanden. Die Untersucbung mit stärkeren Linsen läßt sogar noch einen mit der hinteren Wand verknüpften distalen Rest der Ventralwand erkennen, ebenso auch eine ventrale Fortsetzung der Vorderwand. Das Gefüge dieser Strecken ist etwas gelockert. Die Cutislamelle zeigt Einfal- tungen, welehe den Eindruck erwecken, als seien sie durch Ver- lötung mit Sklerotomzellen entstanden. Über das Sklerotom orientiert die Zeichnung zur Genüge. — Weiter außen wird das Myoeöl un- gleich geräumiger; die distale Wand zieht senkrecht herab. In jenen Schnitten, in welchen die Anlage des Glossopharyngeusganglions zwischen dem ersten Sklerotom und dem unsegmentierten Kopfmeso- derm lagert, ist nurmehr ein Rest der Kante vorhanden, welche die Cutislamelle mit der distalen Wand einschließt. Der zweite Keim besitzt vom Epithel des ersten Urwirbels nur- mehr diese Kante, die in vier Schnitten nachweisbar ist; diese Epithelstreeke läßt die uns schon bekannte Neigung erkennen, sich durch Vereinigung der einander zuwachsenden freien Ränder von der Nachbarschaft abzuschließen. Dasselbe ist beim dritten Keime der Fall. Die Textfig. 36 läßt den Rest ww, leicht erkennen; er Fig. 36. Y Vo Ghgr. x uwt cat uwz2 ca2 uw3 a DIR ARE ES Er BB umsäumt eine ovale Lichtung, welche wohl als Myocölrest zu deuten ist. Das Epithel, welches die proximale Wand derselben bildet, zeigt deutliche Zeichen der beginnenden Auflösung. Der Schnitt hat die Innenwand des Gehörgrübchens nahe der Lichtung desselben ge- troffen; die Sklerotome der vier ersten Urwirbel werden durch den nach außen ablenkenden Abschnitt des Cardinalisstämmchens ca,, deren Wurzel ca, und den dorsalen Ast « der Aorta a.d leidlich gut voneinander geschieden. Das unsegmentierte Mesoderm unterhalb 180 H. Rex der Innenwand des Gehörgrübchens Ggr zeichnet sich durch beson- dere Dichte aus. Über das unsegmentierte Kopfmesoderm erhalten wir folgenden Aufschluß. Im Medianschnitt durch die Region des Vorderdarm- scheitels — s. die Tafelfig. 14 © — sehen wir, daß das ventrodistal- wärts steil abfallende Vorderende der dorsalen Darmwand von der Ventralwand durch einen Spalt s, geschieden wird. Der Rest der Zellmasse J ist in der Enge zwischen Vorderhirn, Darmscheitel und der Anlage der Hypophysentasche Hy eingelagert. Seine Verbin- dung mit dem Darmscheitel erstreckt sich durch vier Schnitte und wird fast ganz durchs Vorderende der ventralen Darmwand bei- gestellt, denn die interepitheliale Strecke ist eine verschwin- dend kleine geworden; fast hätte ich dieselbe übersehen. Erst nach längerem Studium konnte ich einen Rest der Scheiteltasche auffinden. Die Verfolgung des dorsalen Konturs der unteren Darm- wand in eranialer Richtung läßt erkennen, daß er nicht bis s, an- steigt, sondern bei s eine kurze Strecke weit, in das aufwärts auf- gebogene Vorderende der Wand eindringend, seinem ursprünglichen Laufe treu bleibt. Diese unscheinbare Fortsetzung entspricht dem Reste der Scheiteltasche; sie konnte in der Tafelzeichnung nicht eingetragen werden, da deren Vergrößerung eine viel zu geringe ist. Es ist also zwischen s, und s ein Restchen der interepithelialen Strecke erhalten geblieben, das allerdings diese Bezeichnung nicht mehr verdient, denn es ist epithelial gefügt. Mit diesem Restchen ist der Zellmassenrest J gleichfalls in Verbindung. Der letztere zeigt eigenartige Umrisse. Etwa in halber Höhe ist er auf einen dünnen Zellstrang reduziert. Seine Abgrenzung vom Chordavorder- ende CA wird durch eine feine Spalte beigestellt, welche genau in der Fortsetzung der Linie x liegt. Das Chordavorderende ist nur in zwei Schnitten nachweisbar; der an dasselbe unmittelbar angeschlos- sene Abschnitt des Zellmassenrestes, der in seinem Baue in man- chem an jenen der Chorda gemahnt, büßt in den weiter außen fol- genden Schnitten bald an Umfang ein. Bezüglich der Beziehungen des Restes zur Anlage der ersten Kopfhöhle darf ich wohl auf die Schilderung der Querschnittreihe verweisen. Der Wechsel im Gefüge des unsegmentierten Mesoderms fällt namentlich im Bereiche der Enge zwischen der Aorta und Cardinal- vene auf, da er hier ziemlich unvermittelt eintritt. Er ist nicht genau an eine bestimmte Örtlichkeit gebunden. Bei den beiden Keimen, welchen die Sagittalschnitte der Textfig. 35 und 36 Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 181 entnommen sind, findet er im Bereiche des Vorderendes der Ganglien- anlage des Acusticofaecialis statt. Bei dem dritten Keime, dem der Tafelfig. 14 7, ist die vordere Grenze des dichten Mesoderms in der Region des Quintusganglions zu finden. — Diese Grenze ist ferner keineswegs auch immer eine seitwärts durchgreifende; so findet sich bei dem einen der beiden ersterwähnten Keime eine Verschie- bung derselben bis in die Region des Quintusganglions, da der la- teral von der Cardinalis lagernde Abschnitt des dorsalen Mesoderms bis dahin eine besondere Dichtigkeit bewahrt hat. Bezüglich des Mesoderms der Kieferregion darf ich wohl auf die bald näher zu beschreibende Profilkonstruktion II verweisen. Sie erspart uns die ermüdende Schilderung einzelner Sehnittbilder. Nur einen Befund will ich hier näher beschreiben, welcher für die Auffassung der Entwicklungsverhältnisse des Mesoderms der Kiefer- region von Bedeutung ist. In derselben Serie, welcher auch der oben geschilderte Medianschnitt angehört, findet sich in der Anlage des Mandibularbogens ein Liehtungsrest eingeschlossen, welcher ungezwungen auf das frühere Scheitelende der Periecardlichtung bezogen werden kann und uns über die ur- sprüngliche Ausdehnung der letzteren willkommenen Aufschluß erteilt. — In einer Beziehung fällt die folgende Schilderung nicht ganz leicht. Die Differenzierung des Mesoderms der Kieferregion war bei dem Keime unstreitig weiter gediehen als bei jenem, dessen Querschnittreihe ich vorhin geschildert habe. Der Fortschritt be- trifft vornehmlich den Fußteil des visceralen Mesoderms; hier ist bereits die Entwicklung der dem Eetoderm angeschmiegten Grenz- schicht im Gange gewesen. Der Vergleich der Tafelfig. 14 5, e mit 15 ce und d dürfte dem Leser die Orientierung erleichtern. Unser Befund ist folgender. In jenen Schnitten, welche die auf- steigende Aorta getroffen haben, bemerken wir, daß die Pericard- liehtung unterhalb des distalen Endabschnittes des Gefäßes als kurze, spaltförmige Tasche cranialwärts vordringt; die Wandung dieser Tasche bewahrt gegenüber dem Fußteile ihre Selbständigkeit. So- bald wir uns dem seitlichen Umfange des Gefäßrohres nähern, tau- chen vor der Tasche Spuren einer feinen, im Fußteile lagernden Spalte auf. Im ersten Schnitte, welcher lateralwärts vom Gefäße hindurchgeht, verbindet sich diese Spalte mit der Lichtung des Pe- ricardscheitels; der zweite ist in der Tafelfig. 14 7 wiedergegeben. Der uns interessierende Abschnitt des Kieferbogens wird durch den Scheitel des Pericards pc, das Schenkelpaar der branchialen 182 H. Rex Grenzfalte dr.gr und das Darmrohr D gut abgegrenzt. Er schließt den unmittelbar nach außen auf die aufsteigende Aorta folgenden Fußteil des visceralen Mesoderms ein. Unterhalb des Darmrohres erblicken wir mit intensiv gefärbten mesodermalen Zellgruppen ver- gesellschaftete Gefäßdurchschnitte. Dem Eetoderm angeschmiegt ist die Grenzschicht gr.sch. Der zwischen diesen beiden Lagen einge- schaltete Abschnitt des Fußteils wird von einer feinen Spalte sp durchsetzt, deren Umwandung eine ausgesprochen epitheliale ist. Es wechseln niedrige und schlanke hohe Zellen miteinander ab; die Kerne sind nahe benachbart. Das proximale Ende der Spalte ist wenig deutlich umgrenzt. Die Wandung ihrer distalen Hälfte ist von der Nachbarschaft recht gut abgesetzt; die basalen Abschnitte der Zellen weisen einen recht innigen Anschluß auf. — Schon in unserm Schnitte läßt das Mesoderm, welches das Hinterende der Spalte von dem ohne scharfe Grenze spitz auslaufenden Scheitel der Pericardlichtung trennt, Spuren eines Lichtungsrestes erkennen. Im medialen Nachbarschnitte tritt an die Stelle des spitzen Scheitels eine geräumige Bucht, welche mit dem Hinterende der Fortsetzung von sp durch einen schmalen Spalt kommuniziert. Nach außen setzt sich die Wandung der Spalte als dünnes Zellblatt fort, dessen Vor- derende den distalen Umfang eines der hintersten Höhlchen im vis- ceralen Mesoderm erreicht. — In der Tafelfig. 14 7 ist überdies noch der Durchschnitt des Mesoderms der ersten Kopfhöhle X, sichtbar. Der im vorstehenden geschilderte Befund ist für uns von großem Interesse. Er gestattet leicht den Schluß, daß wir die Spalte sp als Rest des Vorderendes der Pericardlichtung deuten dürfen. Gelegentlich der Besprechung der Konstruktion I des Keimes mit elf Urwirbelpaaren konnte ich darauf verweisen, daß bereits in die- sem Stadium eine ganz bedeutende Rückbildung des Scheitelendes : dieser Lichtung stattgefunden hatte. Nun sind wir bei einem weit älteren Keime in der Lage, festzustellen, daß das Vorderende des Splanchnoeöls ursprünglich jenen Abschnitt der Anlage des Vorder- kopfes beherrscht hat, welcher, wie wir später hören werden, die distale Hälfte des Oberkieferfortsatzes und die noch unscheinbare, kleine Anlage des Unterkieferfortsatzes in sich einschließt. Es kann dies die Annahme, daß diese Region den cranialen Endteil des Mesoderms der Herzanlage in sich schließt, nur stützen. Die vorhin gebrauchte Bezeichnung »Kieferbogen« gibt mir will- kommenen Anlaß, späteren Auseinandersetzungen vorzugreifen und folgendes festzustellen. Aus jenem Abschnitte der Kieferregion, Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 183 welehen ich als »Kieferbogen« anspreche, geht vornehmlich der Oberkieferfortsatz hervor. Vom Unterkieferfortsatz ist bei un- serm Keime vorerst nur ein kleiner proximaler Abschnitt vorhan- den, welcher das Mesoderm des äußersten Hinterendes des »Kiefer- bogens« sowie das Vorderende der gleichseitigen Scheitelhälfte des Pericards in sich einschließt. Der weitaus größere Teil dieses Fortsatzes kommt erst später zur Entwicklung; er geht aus dem Scheitelende des cardialen Mesoderms hervor. Wir werden uns später noch eingehender mit diesen Entwicklungsvorgängen zu befassen haben. Ich will hier nur noch auf jene winklige Kniekung verweisen, welche der Mandibularbogen in unsrer Tafel- figur aufweist. Sie ist auch in der zweiten Sagittalschnittreihe nach- weisbar. In der dritten fehlt sie, ebenso auch bei dem Keime der Konstruktion II. Ihre Entstehung ist wohl zur Scheitelkrümmung des Hirnrohres in Beziehung zu bringen. Mit der Grenze zwischen Oberkiefer- und Unterkieferfortsatz hat sie nichts zu schaf- fen, denn sie gehört dem ersteren allein an und tritt, wie die Kon- struktionen III—V erkennen lassen, später völlig zurück. Auch die - Einsichtnahme in die Tafelfig. 17 c—f von einem etwas älteren Keime ist sehr lehrreich. Vielleicht darf ich nochmals auf die Tafelfig. 14 e und e ver- weisen. Es liegt wohl nahe, die im Fußteile des visceralen Meso- derms eingeschlossenen kleinen epithelialen Lichtungen gleichfalls als Reste der Pericardlichtung anzusprechen. Im folgenden sei einiges zur Orientierung in der Profilkon- struktion Il gesagt. Zunächst möchte ich den Leser auf die S. 168 bis 170 gegebene Erläuterung verweisen. Es sollen hier nur einige aus dem Vergleiche mit der Konstruktion I sich ergebende Einzel- heiten hervorgehoben werden; der zusammenfassenden Besprechung sämtlicher Konstruktionen, welche ich mir für den Schlußteil meiner Abhandlung aufspare, bleibt die Feststellung der wichtigsten Ent- wicklungsverhältnisse vorbehalten. Unter dem Einflusse der später zu schildernden Entwicklung der beiden Kiementaschen und des von diesen begrenzten branchia- len Mesoderms der Anlage des Hyoidbogens ist eine Veränderung der Höhenausdehnug des cardialen Mesoderms eingetreten; sie war auch mit einer weiteren Reduktion des Vorderendes der Perieardlichtung verknüpft. Es geht dies aus dem Vergleiche mit der Konstruktion I hervor. In welchem Ausmaße diese Reduk- tion stattgefunden hat, kann ich allerdings nicht mit Bestimmtheit 184 H. Rex angeben, da der Mangel an Konstruktionen von entsprechenden Zwi- schenstadien einer genaueren Analyse hinderlich im Wege steht. — Der Aushöhlungsprozeß im visceralen Mesoderm der Kieferregion hat ganz bedeutende Fortschritte gemacht. Es kam zur Entwicklung neuer Höhlehenanlagen und Vergrößerung der bereits fertiggestellten Höhlchen. An die letztere hat sich die Vereinigung der Lichtungen angeschlossen; so kam die umfangreiche, eigenartig gestal- tete Höhle zustande, welche fast das gesamte Höhlchenfeld be- herrscht. Ihre Umrisse lassen die Entstehungsweise noch mühe- los erkennen. Wir sehen ferner, daß der Aushöhlungsprozeß auch in dem seitwärts vom Aortenbogen lagernden Mesoderm festen Fuß gefaßt hat. Anderseits hat aber der sagittale Durchmesser des Gesamtgebietes des Höhlehenwerkes gegenüber jenem, welchen dasselbe beim Keime der Konstruktion I aufweist, eine Einbuße erlitten. Der Vergleich läßt leicht erkennen, daß die distale Aus- dehnung geschmälert worden ist. Es dürften da wohl die mit der Entwicklung der ersten Kiementasche einhergehenden Rückbildungen des entsprechenden Abschnittes des visceralen Mesoderms eine Rolle spielen. Ich komme bald hierauf zurück. Das dem dorsalen Um- fange der Wurzel der aufsteigenden Aorta benachbarte, ganz ver- einzelte Höhlchen auf einen Rest des ursprünglichen Scheitelendes der Pericardlichtung zu beziehen, dürfte im Sinne meiner früheren Auseinandersetzungen wohl gestattet sein. Die punktierte Linie, welche das Höhlehenwerk umsäumt, grenzt das benachbarte Gebiet des visceralen Mesoderms ab, innerhalb welches sich eine beson- dere bauliche Eigenart bemerkbar macht. Es ist hier zu Zell- strängen und Zellgruppen angeordnet, welche durch ihr epitheliales Gefüge ausgezeichnet sind. Vielfach gewahrt man in diesen Strängen und Gruppen den Beginn einer Höhlenbildung. Ich darf da wohl auf die unserm Keime entnommenen Schnittbilder der Tafelfig. 14 &—g verweisen. Wir haben in dem so abgesteckten Felde den Ge- samtbezirk des visceralen Mesoderms vor uns, welcher der Sitz einer besonderen Differenzierung ist. Die Zahl, Größe, endlich auch die Formverhältnisse der bereits fertig gestellten Höhlchen erhellen leicht aus dem Konstruktionsbilde. Sie lagern in der Höhe der beiden Aorten und des zwischen diesen vorschauenden Abschnittes des Darmrohres. Die Mehrzahl derselben finden wir in der Höhe der absteigenden Aorta und des Spatinms zwischen dieser und der auf- steigenden Aorta. Hinten reicht das Differenzierungsgebiet besonders hoch empor und zwar bis zur ventralen Circumferenz des Quintus- Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 185 ganglions. — Die Entwieklung der ersten und zweiten Kiementasche ist in vollem Gange. Der von beiden begrenzte Abschnitt des Ver- bindungsplättchens bereitet seine Umwandlung zum branchialen Mesoderm des Hyoidbogens vor. Unterhalb desselben stoßen wir auf cardiales Mesoderm; es ist vom branchialen außerordentlich deutlich und scharf geschieden. Das Kontaktfeld der ersten Kiemen- tasche besitzt einen kurzen dorsalen und einen etwas längeren ven- tralen Rand. Sein proximalwärts leicht vorgewölbter Vorderrand ist der Kieferregion zugewendet; der distale fällt, wenn wir von den kleinen insel- und halbinselförmigen Kontaktbezirken absehen, nach hinten und unten schräg ab. Der Ventralrand bildet ähnlich, wie der weit kürzere gleiche Rand des Kontaktfeldes der zweiten Tasche die dorsale Grenze des cardialen Mesoderms. Das Höhlchenwerk hat seine nachbarlichen Beziehungen zum Darm und Aortenrohr treu bewahrt; es gilt dies jedoch keines- wegs von den Beziehungen, welche Darm und Aorta ihrerseits zur Nachbarschaft unterhalten. Diese ‚sind andre geworden. Es ist dies namentlich am dorsalen Schenkel des Aortenrohres leicht er- sichtlich. Die Basalfläche des Hirnrohres hat ihre Höhenlage gegen- über jener der Dorsalwand der absteigenden Aorta ganz bedeutend geändert. Sie lagert jetzt höher und nurmehr in einem verhältnis- mäßig kleinen Bezirk im Bereiche des Gehörgrübehens kommen die Umrisse von Hirn und Gefäß zur Deckung. Und auch diese ist nurmehr eine schmale, streifenförmige. Noch auffälliger wird dies in der Urwirbelregion. Hier deckt das Aortenrohr nur noch einen kleinen ventralen Abschnitt des Epithels des dritten Urwirbels. Bei dem jüngeren Keim bewahrt das cardiale Mesoderm seine Höhe bis zum Hinterende der Kieferregion, woselbst es nach Einbuße seiner Liehtung im Verein mit dem Verbindungsplättchen die in diese Re- gion eindringende Fortsetzung des visceralen Mesoderms formiert. Bei dem älteren Keim hingegen hat das cardiale Mesoderm unter dem Einfluß der beiden Kiementaschen und der Entwicklung des branchialen Mesoderms des Hyoidbogens eine ganz bedeutende Ver- änderung seiner Höhenentfaltung erfahren. Es ist, um Platz für die Entwicklung der Kontaktfelder der beiden Kiementaschen zu schaffen, ein ansehnlicher Abschnitt des visceralen Mesoderms, wel- cher den nach dem Ectoderm vordringenden Taschen im Wege ge- standen hatte, verdrängt und rückgebildet worden, so daß in der Region der Ventralränder der beiden Felder unterhalb des Dar- mes nur Mesoderm vom Typus des cardialen angetroffen wird. 186 H. Rex Von dem der Rückbildung anheimgefallenen, seines Splanchnoecöls schon frühzeitig verlustig gewordenen Abschnitte des visceralen Me- soderms, dem Verbindungsplättehen, ist hier nur ein kleiner dorsaler Rest erhalten geblieben. Die dorsale Grenze des cardialen Meso- derms fällt jetzt von der Gegend des zweiten Urwirbels an ventro- proximalwärts ab. Sein verjüngtes Vorderende setzt sich unterhalb der ersten Kiementasche unmittelbar ins viscerale Mesoderm der Kieferregion fort; diese als Fußteil bezeichnete Fortsetzung ließ eine Art Sondergefüge erkennen, welche in den Querschnitten recht deutlich hervorgetreten war. — Den etwas heiklen, eine ein- gehende Besprechung erfordernden Fragen nach Wachstumsverschie- bungen andrer Art, welche für das Ziel meiner Untersuchungen weniger in Frage kommen, dürfte der Mangel von Konstruktions- bildern jüngerer Entwicklungsstadien- hinderlich im Wege stehen. Keime mit 19, 20, und 21 Urwirbelpaaren. (Taf. V Fig. 14h; 15 a—e; 16 a—i; Taf. VI Fig. 17 a—g; Taf. IX Konstr. III.) Ich werde zunächst die Befunde verzeichnen, welche die Quer- schnittreihe von einem Keime mit 19 Paaren ergibt; die Profilkon- struktion von einem zweiten Keim mit der gleichen Urwirbelzahl soll später geschildert werden. Der Schnitt der Textfig. 37 geht durch die Mitte des dritten Urwirbels der linken Seite hindurch. Die Cardinalvene ca ergießt sich durch Vermittlung der uns schon bekannten Vene » (s. a. die Textfig. 33) ins Herzende der Omphalo-mesenterica. Zwischen dem Darm und der Abflußbahn der Cardinalis findet sich der Ductus pleuroperieardiaeus (HOCHSTETTER). Seine steil aufgerichtete Dorsal- hälfte, in welcher wir unsre Cölomtasche Ct wiedererkennen, ragt über die Seitenkante des Darmes empor. Ihre obere Grenze ist nach den Befunden in den Nachbarschnitten durch die mit einem Sternchen bezeichnete Linie angedeutet. Auf sie folgt dorsalwärts die Urwirbelkommunikation wwec,. Ihre Lichtung ist auf eine Spalte reduziert. Die Zellen der Außenwand, welche der Cardinaivene innig angeschmiegt ist, lassen noch deutlich epitheliale Reihenbildung erkennen. Die Verbindung mit dem nach innen umgeschlagenen Ventralende der Cutislamelle, welches der Dorsalwand der Cardi- nalis aufruht, ist bereits aufgehoben. Die Innenwand der Kom- munikation hat ihr regelmäßiges Gefüge eingebüßt; die Lösung des- selben war mit einer geringen Proliferation embryonalen Bindegewebes vergesellschaftet. Diese letztere wird aber auch an der Wandung Bra ran Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 187 der Cölomtasche bemerkbar. An der der Somatopleura zugehörigen Außenwand ist sie wie die weiter vorn folgenden Schnitte lehren, eine ganz bedeutende. Weit bescheidener macht sie sich im Bereiche des kurzen Dorsalendes der Innenwand bemerkbar, welches die Darm- seitenkante überragt. In manchem Schnitte ist hier die basale Fläche des Epithels noch geschlossen; in andern jedoch — und ich sehe dies überaus deutlich auch bei jüngeren Keimen — ist gerade diese kurze Epi- thelstrecke der Sitz charakteristisch gestellter Mitosen und einer in ihrer Intensität allerdings recht wechselnden Proliferation, indem bald mehrere, bald vereinzelte Zellen aus dem epithelialen Verbande scheiden. Aufdiese darf ich wohl den dreiseitig begrenzten Zellstrang zurückführen, welcher in dem engen Geschosse zwi- schen Darm, Aorta und Cölomtasche eingelassen ist. Wohl mögen vereinzelte Zellehen des Sklerotoms in jüngeren Entwicklungsstadien auch bis hierher herabgewandert sein — die weitaus größere Mehr- zahl entstammt der erwähnten kurzen Epithelstrecke. Zwischen dem dritten und zweiten Urwirbel beginnt bereits die Rückbildung der Cölomtasche. Sie lädt hier in der uns schon bekannten Weise unterhalb der Cardinalvene seitwärts aus. Der Scheitel ihrer Wandung erreicht das Niveau der Darmseitenkante nicht mehr. Bei genauerem Zusehen gewahren wir an jener Stelle, an welcher das von der Somatopleura beigestellte annähernd hori- zontal gelagerte Dach der Tasche an die Schlundplatte anstößt, eine feine Spalte, welche beide voneinander trennt. (Ähnliches sahen wir auch in den Schnitten der Textfig. 29, 30 und 34 bei jüngeren Keimen.) Wir sind nun auch imstande, die dorsale Fortsetzung der Schlundplatte, welche die Innenwand des verödeten Scheitelab- schnittes der Tasche gebildet hat, herauszufinden. Ihr Epithel hat sich unter gleichzeitiger geringer Proliferation fast aufgelöst und das frei gewordene Zellmaterial gesellt sich dem oben erwähnten Zellstrange bei, dessen so verbreiterte Fortsetzung hier zwischen Cardinalis und Aorta lagert. — Überraschenderweise zeigt nun ein Schnitt durch die Mitte des zweiten Urwirbels (s. die Textfig. 38) die noch völlig offene Cölomtasche und sogar einen ganz statt- lichen Rest der Urwirbelkommuntkation zzvc,, während wir doch nach den kurz vorher beobachteten Rückbildungserscheinungen an der Tasche nur kümmerliche Reste der letzteren hätten erwarten dürfen. Dieser Schnitt läßt ferner charakteristisch gestellte Mitosen erkennen, welche den Beginn einer Proliferation von seite der Schlundplatte Morpholog. Jahrbuch. 33. 13 188 H. Rex und ihrer dorsalen Fortsetzung anzeigen. In den Nachbarschnitten ist der Austritt von Zellmaterial leicht nachweisbar. Der Vergleich mit der Textfig. 28 läßt die Einfluß- nahme der Cardinalvene auf die Form- und Lageverhältnisse der Urwirbel- kommunikation leicht erschließen. Vor der letzteren — ihre Lichtung ist nur in zwei Schnitten nachweisbar — be- ginnt die Verödung des Scheitels der Cölomtasche von neuem und zwar weit energischer. Zunächst wird die Tasche auf die gleiche Höhe reduziert, welche sie zwischen dem dritten und zweiten Urwirbel besitzt. Dann aber tritt im Bereiche des Hinterendes des ersten Urwirbels die völlige Rückbildung der Scheitellichtung ein. Ähnlich, wie es die Textfig. 45—47 von einem Fig. 39. älteren Keime lehren, treten die Wände des ohnehin schon verkürzten Scheitels aneinander heran, so daß die Lichtung spitz ausgezogen erscheint, vereinigen sich und weiter vorn wird unter dem Einflusse Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 189 der seitwärts vordringenden Anlage der dritten Kiementasche auch der letzte Rest der Scheitellichtung rückgebildet. Der Schnitt der Textfig. 39 geht hinter der Mitte des Epithelrestes des ersten Ur- wirbels hindurch. Die Anlage der Kiementasche At, ist bereits recht nahe zum Eetoderm vorgerückt. Von der cranialen Fort- setzung der Cölomtasche hat sich der weitaus größte Teil zu einem dünnen Zellblatt umgewandelt, welches die Außenwand der Anlage vom Ectoderm scheidet. Die Fortsetzung ihres ventralen Ab- sehnittes möchte ich bereits als dorsolaterale Pericardkante pcAk an- sprechen. Ein feiner Spalt sp im Scheitel der Kante, welcher namentlich durch Differenzen im Bau ihrer Wände schärfer hervor- tritt, gemahnt an den Rest der dorsalen Fortsetzung des Splanchno- cöls. Das vorhin erwähnte Zellblatt besitzt eine recht scharfe dor- sale Grenze, welche in einer vom Ventralrande der Anlage des Vagusganglions schräg ventro-medialwärts zur Außenwand der Aorta herabziehenden Linie gegeben ist; sie ist durch die Lage- und Form- verhältnisse der Zellen des Blattes scharf markiert. Der stattliche Epithelrest des ersten Urwirbels ist in elf Schnitten nachweisbar. Sein distaler Abschnitt gemahnt unmittelbar an die Hautmuskelplatte in der Textfig. 38. Er umschließt einen stattlichen Myocölrest, in welchem ein paar, offenbar dem Sklerotom zugehörige Zellen lagern. Von der medialen Urwirbelwand ist indessen ein weit größerer Teil erhalten geblieben ; ihre ventrale Hälfte, welche aus schlanken, hohen, jedoch wenig dicht gefügten Zellen besteht, ist der Außenwand der Cardinalis angeschmiegt. Sie erreicht fast das nach einwärts um- geschlagene Ventralende der Cutislamelle. — Im Schnitte der Text- figur 39 sind beide Lamellen ungleich stark verkürzt; der Zusammen- hang der mit langen, spießartigen basalen Fortsätzen versehenen Zellen der Cutislamelle ist kein inniger mehr. Ein genaueres Zusehen läßt noch deutliche Reste einer epithelialen Fortsetzung der Hautlamelle erkennen, welche unmittelbar ans Vagusganglion X angrenzen. — Weiter vorn schreitet die Verkürzung der Lamellen so weit fort, daß bald nurmehr die dorsale Kante erhalten bleibt. Bezüglich der Anlagen der Spinalganglien im Bereiche der drei vordersten Urwirbelpaare konnte ich folgendes feststellen: Die Ganglienplatte läßt sich als Continuum bis über das Spatium zwischen dem zweiten und ersten Urwirbel hinaus verfolgen. Ihre zwischen dem dritten und zweiten Sklerotom einerseits und dem Hirnrohr anderseits eingeschalteten Abschnitte sind etwas stattlicher ent- wickelt. Diese beiden Teilstrecken zeigen das Querschnittsbild einer 3* 190 H. Rex dünnen Zellplatte, welche in die ihr zugewiesene enge Lagerstätte gleichwie eingelassen ist und sich abwärts zuschärft. Über das Niveau des Bodens der Hirnlichtung herab kann ich die Platte nicht mit wünschenswerter Sicherheit verfolgen; der Verband mit dem Scheitel des Hirnrohres wird von der Dorsalkante der Hautmuskel- platte an dorsalwärts durch nur wenige Zellen hergestellt. In den Spatien zwischen den drei Urwirbeln erfährt die Platte keine Unter- brechung; ich vermag jedoch hier nur ihre Dorsalhälfte bestimmt abzugrenzen. Vom Hinterende des ersten Urwirbels an verliere ich die Platte bald völlig aus den Augen. Die Trennung der wohl spär- lichen Zellen von jenen des Sclerotoms fällt sehr schwer. — Be- züglich der Anlagen der Ganglien des Glossopharyngeus und Vagus darf ich wohl auf die Konstruktionen II und Ill verweisen. — Der Schnitt der Textfig. 40 ist der zweiten Kiementasche schon recht nahe benachbart. Mit X ist jener Abschnitt der Ganglienleiste bezeichnet, welcher sich distalwärts in die Anlage des Vagusganglions fortsetzt; mit /X die Anlage des Glossopharyngeus- ganglions. Das unterhalb desselben bis herab zur Pericardkante pck reichende Mesoderm ist die Anlage des Mesoderms des ersten Branchialbogens. Es läßt zwei Schichten erkennen. Eine innere bildet für den benachbarten Abschnitt der Darm- seitenwand einen dichten und stärker tin- gierten Zellmantel; die äußere, etwas we- niger dieht und auch zarter gefärbt, ist weit kürzer. Die dorsale Grenzliniefähnelt jener, welche ich für das Zellblatt im Schnitt der Textfig. 39 beschrieben habe. Der Ventralrand ist vom Scheitel der Peri- cardkante nicht scharf geschieden. Dieser entbehrt noch eines völligen Abschlusses; das hakenförmig nach einwärts umge- schlagene Dorsalende der Somatopleura wird von dem verjüngten, durch ein paar Zellen mit dem Ven- tralrande des branchialen Mesoderms lose verknüpften oberen End- abschnitt der Schlundplatte durch einen deutlichen Spalt geschie- den. — Weiter distalwärts lagert das hier recht umfangreiche Glossopharyngeusganglion so dicht dem branchialen Mesoderm auf, Fig. 40. Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 191 daß die Abgrenzung beider auf Schwierigkeiten stößt. — Von dem in der Region der zweiten Kiementasche über dem Darme befind- lichen Mesoderm ist zu berichten, daß sein seitlich von der Aorta und Cardinalis lagernder Abschnitt recht dicht ist. Vor der Tasche taucht auch schon der zweite Aortenbogen auf. Das die ventro- laterale Cireumferenz des Darmes umgreifende Rohr zeigt mehrfache spindelförmige Erweiterungen, deren größte sich außen von der Peri- cardkante findet. Das Mesoderm des Hyoidbogens ist dem Gefäße vorn und seitlich innig angeschmiegt. Wie die Tafelfig. 15«@ zeigt, ist es sehr dicht; seine Tinktion ist eine intensive. Es weist gegen- über den Befunden bei jüngeren Keimen eine bedeutende Entfaltung nach der Tiefe und Breite auf. Sein zugeschärfter Ventralrand grenzt an das Wurzelstück des zweiten Aortenbogens Aa, an. Die dorsale Grenze dürfte im Bereiche einer Linie zu suchen sein, welche aus dem Winkel zwischen Außenwand der Aorta und dorsaler Darm- wand schräg dorsolateralwärts nach der vom Boden des Gehörgrüb- chens und dem Ecetoderm gebildeten Kante emporzieht, nach dieser Grenze hin macht sich eine leichte Lockerung des Gefüges bemerk- bar. Die der ventralen Darmwand angeschlossenen Zellen sind in manchem der Nachbarschnitte zu einer allerdings noch wenig geson- derten dünnen Schicht angeordnet. Der Scheitel der branchialen Grenzfalte dr.gr liegt unter dem Niveau der Pericardkante pe.A. Der nahe liegende Vergleich zwischen den beiden Abschnitten des branchialen Mesoderms, die im vorstehenden geschildert worden sind, soll erst später durchgeführt werden. Ich wende mich jetzt der Mandibularregion zu. Unsre Keime lassen bereits einen ganz stattlichen proximalen Abschnitt des Unter- kieferfortsatzes erkennen. Im Zusammenhange hiermit ist auch schon die erste Anlage der mandibularen Zellplatte erweislich, welcher, wie wir später sehen werden, in der Entwieklung der Kieferregion eine nicht unbedeutende Rolle zugewiesen ist. — Beträchtlich sind die Schwierigkeiten, welche die Untersuchung der Ganglienleiste mit sich bringt. Im äußersten Hinterende unsrer Region treffe ich recht spärliche Reste derselben an. Von der Region des Quintusganglions an ist ein weit stattlicherer Abschnitt wahrnehmbar. Hier ist es ihre dorsale Hälfte, welche gut entwickelt ist. Die proximale Fort- setzung derselben ist als ein dem Eetoderm angeschmiegtes, dünnes, mäßig hohes Zellblättehen bis ins Bereich des Vorderdarmscheitels hin zu verfolgen. Hier tauchen auch noch ganz deutliche Reste der Ventralhälfte der Leiste auf, deren Abgrenzung vom Mesoderm 192 H. Rex jedoch bereits recht schwierig ist. Der proximale Endabschnitt ist als dünne, dicht gefügte Zellplatte in der tiefen Spalte zwischen der Innenwand der Augenblase und dem Vorderhirn leicht aufzufinden; über seine distale Abgrenzung konnte ich keinen befriedigenden Auf- schluß erhalten. Ich will mit der Schilderung der ersten Kiementasche beginnen. Auf dem Wege zu dieser nehmen wir wahr, daß die mächtige An- lage des Ganglions des Acusticofacialis mit ihrer Ventralfläche dicht ans Mesoderm des Hyoidbogens herantritt. Sobald das letztere seine Tiefenausdehnung eingebüßt hat, rückt der Scheitel der branchialen Grenzfalte des Eetoderms an die ihm benachbarte ventrale Darmwand heran; wir sind jetzt in unmittelbarer Nähe des Hinterendes der ersten Kiementasche angelangt. Ihre hier noch niedrige Außenwand erreicht bald mit ihrer ganzen Höhe Anschluß an den dorsalen Schenkel der Grenzfalte; in den hierauf folgenden sieben Schnitten ist auch bereits eine wohl entwickelte, nach außen leicht vorgewölbte Verschlußplatte vorhanden. Die weiteren vier Schnitte bringen uns auch schon der Kieferregion recht nahe. Der Kontakt der Tasche mit dem Eetoderm ist hier nurmehr auf einen kleinen dorsalen Bezirk beschränkt. — Irgendeine scharfe distale Grenze der Kieferregion kann ich, wie leicht begreiflich, auch bei unserm Keime nicht angeben. Vielleicht darf ich mich mit Rücksicht auf die in den Konstruktionen IV und V sichtbaren Um- risse der mandibularen Zellplatte darauf beschränken, die niedrige, proximale Wand des Kontaktfeldes als eine Art Notgrenze zu be- nutzen. Über die Stellung des Unterkieferfortsatzes, welche derselbe im Bauplane des Vorderkopfes einnimmt, habe ich bereits einiges berichtet. Er nimmt aus dem Scheitelende des cardialen Mesoderms seine Entwicklung. — Der Schnitt der Textfig. 41 trifft die hintere Hälfte der Tasche. Ihre Verschlußplatte ist mit Az, bezeichnet. Oberhalb des Darmrohres ist die Anlage des Ganglions des Acustico- facialis VII, VIII vom Schnitte getroffen worden; unterhalb desselben das Vorderende des cardialen Mesoderms. Das die ventrolaterale Circumferenz des Truneus arteriosus! Tr.a bekleidende Eetocard geht bei gr ins parietale Blatt über. Die so bezeichnete Umschlagsfalte entspricht jener, welche bei jüngeren Keimen hier vorn die Grenz- marke zwischen Eetocard und Schlundplatte bildet. Sie ist in der Tafelfig. 11 c, ferner in den Textfig. 24 und 25 von dem jüngeren ! Die Bezeichnung >Truncus arteriosus« bezieht sich hier wie auch in der Folge immer wieder auf das Endotbelrohr der Truneusanlage. Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 193 Keime leicht ersichtlich. Mit der dorsolateralen Pericardkante hat sie nichts zu schaffen. Diese Kante ist hier vorn bereits verstrichen und gleich der Schlundplatte nicht als selbständige Bildung wahr- nehmbar. Ein Restehen dieser Platte haben wir vielleicht in dem seitwärts von gr folgenden, mit dem Eetocard bereits verlötetenPericardabschnitte zu suchen. Bei dr.gr sehen wir den Scheitel der Fort- setzung der branchialen Grenzfalte im Querschnitt. Die Textfig. 42 führt uns den drittnächsten Schnitt vor. Wir vermissen bereits die Ganglienanlage des Acu- sticofacialis; das Mesoderm dringt mit einigen losen Zel- len dorsalwärts in die frei gewordene Lagerstätte des- selben vor. Am Truncus macht sich die bevorstehende Zweiteilung in die beiden Fig. 41. a4 Kerze “ \% sr Ye EI RASTR TR Fe > = > Er - Aortae ascendentes bemerkbar. Das Mesoderm der Herzanlage hat seine Teilung bereits durchgeführt. Der paarige Lichtungsrest ist 194 H. Rex ein recht unscheinbarer. Beide Hälften des cardialen Mesoderms werden voneinander in der Mittellinie durch einen kleinen Zellstreifen geschieden, die Hälfte der linken Seite führt die Umrisse und bau- lichen Eigentümlichkeiten weit besser fort als jene der rechten. Dieser fehlt auch die dorsale scharfe Abgrenzung; ihr lichtungsloser oberer Abschnitt birgt ein kleines Nest eng aneinander angeschlos- sener Blutzellen, welches im ganzen in drei Schnitten sichtbar ist. Bei dr.gr ist die weitere Fortsetzung der branchialen Grenzfalte sichtbar. Im siebenten Schnitt — s. die Textfig. 43 — ist der Kontakt der Kiementasche mit dem Ectoderm auf einen kleinen dorsalen Bezirk beschränkt. Unter dem Darme erblicken wir die durch den distalen Endabschnitt der Rachenhaut voneinander geschiedenen Querschnitte der Unterkieferfortsätze. Eine genauere Analyse des von diesem ‚eingeschlossenen Mesoderms an der Hand der Tafelfig. 15 5, welche die rechte Schnitthälfte etwas stärker vergrößert im Spiegelbilde wiedergibt, lehrt folgendes. Wir treffen embryonales Bindegewebe an, welches in der Tasche zwischen Aorta und Eetoderm etwas ver- dichtet ist. Das Gefäß wird bereits zum Teile von einem dünnen Zellmantel umscheidet. Seiner lateralen Cireumferenz ist der Quer- schnitt einer Zellplatte angeschmiegt, deren Dorsalrand vom Ge- fäße ablenkt und frei ausläuft. Die Platte baut sich in ihrer dor- salen Hälfte aus einem niedrigen Epithel auf; die ventrale läßt noch deutliche Reste einer zweiten, äußeren Zelllage er- kennen. Die distalwärts folgenden Schnitte lehren, daß die Zell- platte aus der proximalen Fortsetzung der gleichseitigen Scheitelhälfte des Pericards hervorgegangen ist. Noch in dem Schnitt der Textfig. 42 ist in der linken Hälfte diese Fortset- zung in ihrem ganzen Umfange ersichtlich. In der rechten haben bereits die Veränderungen eingesetzt, welche zum Befunde der glei- chen Seite in der Fig. 43 den Weg bahnen. An die Stelle des dorsalen und ventralen Randteils der Scheitelhälfte des Pericards tritt embryonales Bindegewebe; an dem noch erhaltenen mitt- leren Abschnitt hat nurmehr das innere Blatt, die Fort- setzung des Ectocards, epithelialen Charakter bewahrt, das äußere parietale ist bis auf einen unbedeutenden ventralen Rest unter Proliferation embryonalen Bindegewebes der Auf- lösung zugeführt worden. Auf der linken Seite desselben Schnittes ist diese Auflösung erst im Gange und es sind daher hier die Um- risse der Scheitelhälfte des Perieards noch besser gewahrt. Ein kleiner Rückblick auf die Entwicklungsverhältnisse Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 195 beim Keime mit siebzehn Urwirbelpaaren ist sehr lehr- reich. Bei diesem treffe ich in der Region der ersten Kiementasche unter dem Darmrohre, beiderseits vom Truncusvorderende, das paa- rige, mit deutlicher Lichtung versehene Scheitelende des Pericards an. Erst vor der Tasche findet sich die Teilung des Truncus und wieder erst vor dem Teilungswinkel rückt der Kiel der ventralen Darmwand zum Eectoderm vor. Und jetzt? Der Teilungswinkel des Truneus ist um eine bedeutende Strecke distalwärts zurückgerückt, die aufsteigenden Aortae haben eine distale Verlängerung erfahren, und die Lichtung im paarigen Scheitelende des Pericards ist einer beträchtlichen Reduktion unterworfen worden. Noch im Bereiche der Kiementasche tritt der Kiel der ventralen Darmwand zum Ecto- derm herab und trennt das seiner Lichtung verlustig gewordene paarige Scheitelende des cardialen Mesoderms vollkommen in zwei Hälften. Diese beiden Hälften, deren Differenzierung wir vorhin besprochen hatten, stellen im Verein mit den auf Kosten des Trunceusvorderendes neugebildeten distalen End- abschnitten der beiden Aortae ascendentes die bei diesem Keime noch unbedeutenden Anlagen der Unterkieferfort- sätze vor, und zwar, wie wir später sehen werden, deren proxi- malen Abschnitt. — Weit besser als diese Schilderung wird die später vorzunehmende Vergleichung der Profilkonstruktionen das eben Gesagte klar legen. Ich möchte mir noch einen Hinweis gestatten. Ich habe oben in den Textfig. 41 und 42 auf die Lagebeziehungen des Scheitels der branchialen Grenzfalte (dr.gr) verwiesen. In der Textfig. 43 ist der letzte Ausläufer derselben nurmehr in der linken Schnitthälfte wahrnehmbar; seine Lage ist recht charakteristisch; er hilft die dorsale Begrenzung, des Unterkieferfortsatzes vervollständigen. In der Region des Hyoidbogens sahen wir die Falte an der ventralen Abgrenzung dieses Bogens beteiligt. Die Falte bleibt eben beide Male ihren Lagebeziehungen zum Mesoderm der Herzanlage treu und stellt eine Art dorsale Grenzmarke desselben her; daher sind auch ihre Beziehungen zum Unterkieferfortsatz leicht er- klärliche, da ja dieser das Scheitelende des cardialen Mesoderms in sich einschließt. Vor der Kiementasche setzt sich das Mesoderm des Unterkiefer- fortsatzes unmittelbar in den Fußteil des visceralen Mesoderms fort. Der Querschnitt der Zellplatte tritt zuerst auf der rechten Seite zu- rück; links verlieren wir denselben erst im siebenten Schnitte vor 196 H. Rex dem Vorderrande der Kiementasche. Die völlige Auflösung der la- teralen Lamelle ist in der Region vor dem Schnitt der Textfig. 43 noch nicht erfolgt; die hier auf der rechten Seite bereits zum größeren Teile durchgeführte reinliche Abgrenzung der Eetocardfortsetzung verliert weiter vorn bald an Schärfe. In der Kieferregion fällt uns zunächst die Differenzierung des Fußteils des visceralen Mesoderms auf. Die aufsteigende Aorta lagert jetzt höher als früher und ist von einem Zellmantel umgeben, welcher auch bereits ihre dem Darmrohre zugekehrte Wand be- kleidet. Der in der Nische zwischen Aorta, Darm und Ectoderm eingelassene, besonders diehte Mesodermabschnitt dürfte wohl schon eine besondere Bezeichnung beanspruchen; ich will denselben me- dialen Endabschnitt benennen. Über die Grenzschicht werde ich sofort zu berichten haben. Der Schnitt der Tafelfig. 15 e führt uns in das Bereich des Hinterendes des Quintusganglions. Eine genaue ventrale Abgrenzung der Ganglienleiste zu geben, fällt für unsern Schnitt sehr schwer. Ich kann ihre Zellen nur bis etwa zur Höhe der Darmseitenkante herab verfolgen. Die weitere Orientie- rung können wir uns sehr erleichtern, sobald wir die Schnittbilder von dem jüngeren Keime in den Tafelfig. 14 »—e zu Rate ziehen. Wir erkennen dann auch in unserm Schnitt, daß der Hauptteil des Mesoderms, welches seitwärts von den drei großen Gefäßquerschnitten lagert, zum Aufbau einer Zellplatte verwendet worden ist, in wel- cher wir leicht die bei dem jüngeren Keime gefundene Platte des visceralen Mesoderms wiedererkennen. Dieselbe erhebt sich aus dem Fußteile; ihr Dorsalende erreicht das Quintusganglion. Wir sehen ferner, daß die Platte ähnlich wie bei dem jüngeren Keime leicht nach außen vorgewölbt ist. Ihre Zellen sind zu epithelialen Bälkchen und Zügen angeordnet, welche rundliche und ovale Lücken umsäumen. Wenn wir den leidlich gut abgrenzbaren lateralen Um- riß der Platte über das Niveau der dorsalen Aorta hinaus verfolgen, so nehmen wir wahr, daß er unterhalb der höchst gelagerten, dem Quintusganglion unmittelbar angeschmiegten Zellgruppe eine Lücke aufweist. Nahe der Cardinalis-Aortenenge gemahnen die baulichen Verhältnisse der Platte unmittelbar an ein epitheliales Bälkchen- werk. Völlig scharf umrissene Höhlehen sind nirgend wahrnehmbar. — Der Schnitt läßt noch eine andre Eigentümlichkeit erkennen. In seiner ventralen Hälfte hat sich ein Teil des mesodermalen Zell- materials bereits längs des Eetoderms zu einer Art Grenzschicht an- geordnet, welche namentlich im Bereiche des Fußteils außerordentlich Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 197 dieht ist und sich hier unmittelbar in den medialen Endabschnitt fortsetzt. Zwischen den beiden Aorten treffen wir ein der Darm- seitenwand benachbartes dichtes Zelllager an, welches die unmittel- bare Nähe eines schon in dem nächsten Schnitte auftauchenden dünnen Verbindungsganges beider Gefäße ankündigt. — Im proxi- malen Nachbarschnitt ist die laterale Abgrenzung der Platte eine ‘ weit vollständigere; die von ihr eingeschlossenen Lücken gewähren durch eine teilweise Vereinigung ein neues Bilde Nach wenigen Schnitten treffen wir auch schon ein oder das andre epithelial um- säumte Höblchen an. Die Tafelfig. 15 @ ist dem sechsten proximalen Nachbarschnitte entnommen. Die Anlage des Quintusganglions läßt den innigen Anschluß ihrer Zellen vermissen; er ist in der andern Schnitthälfte. besonders gut entwickelt. Den dem Eetoderm an- geschmiegten Zellzug der Ganglienleiste kann ich bis zur Höhe der Dorsalwand der absteigenden Aorta verfolgen. Von der Zellplatte des visceralen Mesoderms nehme ich wenig mehr wahr. Die vier Höhlchen splc;_, gehören dem distalen Bezirke des Höhlchenwerkes an. Oberhalb sp/c, treffen wir eine Zellgruppe zgr an, welche zwei überaus deutliche, epithelial umsäumte Höhlchen einschließt. Sie hängt mit der Dorsalwand des Höhlchens splc, zusammen und ent- sendet dorsalwärts einen epithelialen Zellzug, welcher die Zellen der Ganglionanlage V von außen her umfaßt. Dieser Befund erinnert an die Einzelheiten, welche wir in dem Schnitte der Tafelfig. 14 d angetroffen haben. Auch hier sahen wir einen epithelialen- dorsalen Endabschnitt des visceralen Mesoderms eine besondere Höhenentfaltung erreichen. — Betreffs der baulichen Ver- hältnisse des Fußteils darf ich wohl auf die Zeichnung verweisen. Der der Darmseitenkante benachbarte Zellstrang, welcher von Aorta zu Aorta zieht, verrät wieder die Nähe der Anlage eines dorsalen Astes der aufsteigenden Aorta. — Bezüglich des Baues, welchen die Wändungen der Höhlchen splc;_, aufweisen, kann ich mich kurz fassen. Es handelt sich um ein deutliches niedriges Epi- thel, dessen Kerne recht nahe benachbart sind. Nurmehr an ver- einzelten Stellen treffe ich jene platten Zellen an, welche bei jüngeren Keimen recht häufig am Aufbau der Wandung teilnehmen. Eine weitere Sehilderung kann ich mir ersparen. Ich habe bereits gelegentlich der Besprechung des Keimes mit siebzehn Urwirbel- paaren die Höhlehen eines Keimes mit neunzehn Paaren in Wort und Bild — s. die Tafelfig. 14 % — zu schildern versucht und möchte hierauf verweisen. 198 H. Rex Nach dem Darmscheitel vorschreitend bemerken wir, daß sich der Aushöhlungsprozeß einschränkt; wir vermissen namentlich die dorsalen hochgelagerten Höhlchenanlagen. Ich will die Schilderung mit dem Hinweise auf das Verhalten der fertig gebildeten Höhlchen beschließen. Auch da ist ein Fortschritt zu verzeichnen. Die kleine mit splce, bezeichnete Höhle übernimmt die Rolle einer Leithöhle, die sich längs der Darmseitenkante bis nahe an den Scheitel hin . verfolgen läßt. Auf diesem Wege ist sie von kleinen Nebenhöhl- chen, die mit ihr eine kurze Strecke weit parallel verlaufen, be- gleitet. Hier und da wird eine Vereinigung mit der Leithöhle an- gebahnt. Diese rückt endlich im Bereiche des Vorderdarmscheitels höher dorsalwärts empor; vor diesem sehen wir sie seitlich vom Aortenbogen, etwa in der Höhe der Chorda gelagert. Ihr Quer- schnitt hält die Mitte zwischen dem Gefäße und dem Ectoderm ein. Nahe ihrer dorsalen und ventralen Peripherie findet sich je ein Nebenhöhlchen vor. — Ich darf wohl im übrigen auf die einem zweiten gleichaltrigen Keime entnommene Profilkonstruktion III verweisen. Sie gewährt eine weit bessere Einsichtnahme in die Entwicklungsverhältnisse des Höhlchenwerkes als jede langatmige Schnittschilderung. Ich komme auf sie noch zu sprechen. — Die Entwicklungsverhältnisse der prämandibularen Höhlenanlage be- schreibe ich vielleicht am besten im Zusammenhange mit den Be- funden, welche die gleich in Angriff zu nehmende Querschnittreihe von einem Keime mit 21 Urwirbelpaaren ergibt. Ich will in dieser Serie erst mit der Region der zweiten Kiementasche beginnen. Die wohl entwickelte Verschlußplatte der Tasche ist hoch; in drei Schnitten sind Eetoderm und Entoderm so innig aneinandergeschmiegt, daß man schon schärfer zusehen muß, um ihre Grenze ausfindig zu machen. Das über der dorsalen Darm- wand gelagerte Mesoderm wird vom Eetoderm durch einen breiten Spalt geschieden. Der der dorsolateralen Circumferenz der Aorta benachbarte Abschnitt, welcher außen auch die Dorsalwand der Kiementasche erreicht, zeichnet sich durch seinen ganz auffallend dichten Bau aus. Er gleicht einem dicken, dem Gefäße aufge- setzten Halbringe, dessen Innenende in der Enge zwischen Aorta und Cardinalis eingelassen ist; ein paar lose Zellen dringen in die umfangreiche parachordale Lücke vor. Außen von der Gefäßenge erreicht dieser Abschnitt auf beiden Seiten eine ungleiche Höhe; er dringt auf der einen Seite zur halben, auf der andern zur ganzen Höhe der Cardinalvene empor, um erst hier dem losen Zellmateriale Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 199 zu weichen, welches von da ab zur Ganglienleiste aufwärts vortritt. Diese soeben geschilderten Differenzen des Gefüges treten weiter hinten zurück; in der Region des Glossopharyngeusganglions ist der Bau ein gleichmäßig dichter und das gleiche gilt auch von der unmittelbaren distalen Fortsetzung, dem Sklerotom des ersten Ur- wirbels. Dieser hatte eine wohl ausgebildete Hautmuskellamelle besessen, von der wir allerdings nurmehr noch den distalen Ab- schnitt antreffen; der proximale hat an Tiefenausdehnung erheb- lich eingebüßt. Die Umrisse seiner ventralen, einem einfachen Zer- fall anheimgegebenen Hälfte sind noch leicht wiederzuerkennen. Wir begegnen auf der eben zurückgelegten Wegstrecke auch noch dem Mesoderm des ersten Branchialbogens. Bevor noch das Hinter- ende der Kiementasche vom Eetoderm abrückt, taucht auch schon im Winkel zwischen ihrer Dorsalwand und dem Eetoderm ein kleines Zellhäufchen auf, welches distalwärts an Umfang zunimmt und auch gleichzeitig die uns schon vertraute schräge, nach ein- und abwärts abfallende dorsale Grenze zeigt. Wir haben den dorsalen Endabschnitt des Mesoderms des ersten Branchialbogens erreicht. — Der Schnitt der Tafelfig. 16«@ geht durch die distale Hälfte des Hyoidbogens hindurch. Am branchialen Mesoderm ist eine der Darm- seitenkante benachbarte Zelllage schon deutlich als Sonderschicht differenziert; die. Beziehungen seines zugeschärften Ventralrandes zur branchialen Grenzfalte dr.gr und der Pericardkante pcA sind leicht ersichtlich. Die Dorsalhälfte grenzt an die absteigende Aorta an; der Endabschnitt ist leicht verjüngt und dürfte seine dorsale Grenze bei dem wagrechten mit einem z bezeichneten Striche erreichen. Weiter vorn ist die Innengrenze der Dorsalhälfte weit schärfer sichtbar. Sie ist wiederum durch eine aus dem Winkel zwischen Aorta und Darmwand schräg dorsolateralwärts zu der vom Boden des Gehörgrübchens und dem Eetoderm gebildeten Ecke empor- ziehenden Linie gegeben. Das Mesoderm, welches einwärts von dieser Linie lagert, läßt an dem in der Gefäßenge eingelassenen Abschnitt ein besonders dichtes Gefüge erkennen. — Distal- wärts setzt sich der dorsale Abschnitt des branchialen Meso- derms direkt in die Außenhälfte der oben beschriebenen dichten Mesodermschicht fort, die im Bereiche der zweiten Kiementasche das Aortenrohr umgürtet. Proximalwärts wird ihr Verhalten ein andres. Hier erreicht ihre Fortsetzung unter rascher Verkleine- rung den Winkel, welchen die Dorsalwand der ersten Kiementasche 200 | H. Rex mit dem Eetoderm einschließt und endigt daselbst, vom benach- barten Mesoderm gut geschieden, nach kurzem Laufe. Der in der Gefäßenge eingelassene Mesodermabschnitt, dem wir in der Tafelfig. 16«4 begegneten, bewahrt sein Gefüge auch in der Nachbarschaft des Acustico-facialis, also bis ins Bereich der ersten Kiementasche. Vor dieser Nervenanlage gemahnt das Verhalten des Mesoderms oberhalb des Darmes sehr an jenes, welches ich oben für die Region der zweiten Kiementasche beschrieben habe. Im Be- reiche des Vorderendes der ersten Tasche ändern sich die Verhält- nisse. Es macht sich eine allmählich lateralwärts vorschreitende Lockerung des Gefüges bemerkbar; sie schreitet auch vor der Kiemen- tasche in derselben Richtung fort, bevor noch die Fortsetzung unsres Mesodermabschnittes ihre Vereinigung mit jener des Mesoderms im Unterkieferfortsatze vollzogen hat. Bald ist nurmehr auswärts von der Cardinalis dichteres Gefüge wahrnehmbar. Hier gewinnt aber auch die bald näher zu schildernde Zellplatte rasch an Höhe; ihr der Cardinalis benachbartes Dorsalende taucht bereits in loses Meso- derm ein. — Auf der im vorstehenden geschilderten Strecke irgend eine scharfe Grenze zwischen dorsalem und visceralem Mesoderm ausfindig machen zu wollen, konnte nicht in meiner Absicht liegen. Ich habe die Spuren einer solchen Abgrenzung schon bei jüngeren Keimen verloren. Ähnliches gilt vornehmlich für die bald näher zu analysierende Kieferregion. Das nach ein- und auf- wärts von der Zellplatte und dem auf diese folgenden Höhlchenwerk in die Cardinalis-Aortenenge eindringende Mesoderm zeigt eben keine Spur irgend einer besonderen Differenzierung. Und daher ist auch der Mangel einer verwertbaren seitlichen Grenzmarke abzuleiten. Den Bericht über die Mandibularregion möchte ich mit der Be- schreibung der jetzt schon recht deutlich abgesetzten Anlagen der beiden Unterkieferfortsätze eröffnen und mich hier an eine zweite Schnittreihe halten, in welcher diese rein quer getroffen worden sind. Eine Art Commissur vereinigt die distalen Enden beider Anlagen; sie schließt das breit ausgezogene Vorderende des Endothel- rohres des Truncus arteriosus ein. Jede seiner beiden Hälften ist an der ventrolateralen Cireumferenz vom sichelförmigen Querschnitt der gleichseitigen Zellplatte umgriffen. Die Tafelfig. 16 5 führt uns das Hinterende des Unterkieferfortsatzes der rechten Seite vor. Die der Aorta angeschmiegte Zellplatte m.Zpl, besitzt einen ver- diekten, abgerundeten medialen und einen zugeschärften dorsalen Rand. Ihre Außenfläche wird durch einen deutlichen Spalt von Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 301 der Nachbarschaft geschieden. Sie baut sich aus dicht gedrängten Zellen auf, welche nur im Bereiche der Innenfläche den Ansatz zu einer Reihenbildung erkennen lassen. Die Zellen des die Platte umsäumenden Mesoderms sind bei mE zu einem überaus dichten medialen Endabschnitt vereinigt. Mit A?, ist die erste Kiemen- tasche, mit Ach das distale Ende der Rachenhaut bezeichnet. — Die Textfig. 16 c ist dem achten Schnitte entnommen. Die Platte ist von der Aorta etwas abgerückt; diese wird hier von einem dünnen Zellmantel ganz eingehüll. Der’ Bau der Platte, welche jetzt auf allen Seiten durch einen deutlichen Spalt von der Nach- barschaft geschieden ist, hat eine Änderung erfahren. Ihre Zellen sind voneinander scharf getrennt; die Zwischenzelllücken vereinigen sich zu deutlichen geradlinigen Spalten. Man erhält den Eindruck eines Mosaikfeldes, dessen Steinchen den engen Anschluß ein- gebüßt haben. Manche Zelle weist die Form eines Dreiecks auf. — Schon in diesem Schnitte macht sich im Dorsalende der Platte eine leichte Störung des Gefüges wahrnehmbar. Es sind hier dem Rande drei Zellen aufgesetzt, welche durchaus nicht den Eindruck erwecken, als gehörten sie dem so wohlgegliederten Zellverband der Platte an. In den weiter folgenden Schnitten sehen wir nun ganz deutlich, daß die Zellplatte rasch an Höhe einbüßt und von ihr bald nurmehr ein schmaler, platter, unterhalb der Aorta lagernder Streifen übrig bleibt. Gleichsam als Ersatz macht sich der Querschnitt einer zweiten proximalen Platte geltend, welcher in demselben Maße, als die distale Platte zurück- tritt, immer mehr das Feld beherrscht. Das verjüngte Vorderende der letzteren besitzt einen schräg nach vorn und abwärts abfallenden oberen Rand; diesem ist der in entgegengesetzter Richtung, also distal- und dorsalwärts emportretende untere Rand des verjüngten Hinterendes der proximalen Platte so innig angeschmiegt, daß es schon einer eingehenden Vertrautheit mit dem Objekte vorbehalten bleibt, die Grenzlinie zwischen beiden Platten ausfindig zu machen. Mir sind diese Einzelheiten erst nach dem Studium der älteren Keime klar geworden. — Die proximale Platte zeigt einen andern Bau als die distale. Sie ahmt wohl zunächst die Umrisse und Lagebeziehungen der letzteren nach. Allein schon im Schnitt der Tafelfig. 16d — derselbe ist von jenem der Fig. 16c an gezählt der achte — treten ihre baulichen Besonderheiten scharf hervor. Von der distalen Platte ist nurmehr ein kleiner Rest m.Zp/, vorhanden. Der schräg abgestutzte Ventralrand der proximalen Platte m.Zp/z ruht 202 H. Rex diesem Rest unmittelbar auf. Die Platte selbst ist vom Aortenrohr abgerückt und besitzt eine Krümmung, welche mit jener des Eeto- derms gleichläuft. Ihr Gefüge ist folgendes: Wir sehen da zunächst zwei epitheliale Grenzreihen; ihre Zellen sind niedrig und weisen engen Anschluß auf. Das von beiden Reihen eingeschlossene Zell- material birgt wohl umschriebene, überaus deutlich epithelial um- säumte kleine Höhlchen, an deren Begrenzung auch die Zellen der Grenzreihen teilnehmen. Die Platte entbehrt eines scharfen Ab- schlusses ihres Dorsalrandes; ich möchte ihn als »geöffnet« bezeichnen. Nach drei Schnitten rückt die Kiementasche vom Eetoderm ab und wir sehen auch bald die Vereinigung der beiden großen Meso- dermabschnitte, welche sie bis dahin geschieden hatte, sich vollziehen. Nun tritt die proximale Platte immer höher empor; sie gewährt einen eigenartigen Anblick. Die von ihr eingeschlossenen Höhlchen sind hier etwas umfangreicher geworden; nicht wenige derselben sind hart an die Ränder der Platte herangerückt. Hier sind ihre von den Grenzreihen beigestellten Wandungszellen recht platt und auch un- scheinbar, so daß sie leicht übersehen werden können. Und so kommt es, daß die proximale Platte vor der Kiementasche längs ihrer beiden Breitseiten mit rundlichen Einschnitten ver- sehen und gleichwie ausgezackt erscheint. — Der Ventral- rand der Platte läßt sich immer wieder unterhalb der aufsteigenden Aorta nachweisen. — Die weitere Untersuchung ergibt, daß sich die soeben geschilderte Platte nach ein paar Schnitten steil aufgerichtet dorsalwärts bis ans Quintusganglion hin fortsetzt. Diesen Abschnitt der Platte haben wir bereits bei jüngeren Keimen angetroffen und als Abkömmling des visceralen Mesoderms deuten gelernt. Die weitere Verfolgung unsrer Serie ist mit einigen, durch die für sie gewählte Schnittrichtung bedingten Schwierigkeiten verknüpft; es dürfte sich daher empfehlen, wieder zur ersten Serie zurückzukehren. Für diese ist die gleiche Schnittebene eingehalten worden, wie für den Keim der Profilkonstruktion III; sie ist uns eine wohl vertraute, da sie ja auch für die Querschnittreihen der jüngeren Keime ge- wählt worden ist. Die folgende Beschreibung soll an dem Punkt beginnen, bis zu welchem wir oben gelegentlich der Schilderung des Gefüges des Mesoderms vorgedrungen sind. Wir haben also das Hinterende des Quintusganglions aufzusuchen. Der Schnitt der Tafelfig. 16e ent- stammt dieser Region. Der Fußteil des Mesoderms umgreift haken- förmig die gesamte ventromediale Circumferenz der Aorta ascendens; Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 203 sein medialer Endabschnitt m.E setzt sich nach außen in die dem Eetoderm angesehmiegte Grenzschicht fort. In dem mäßig breiten Areal zwischen dem Eetoderm einerseits, der Cardinalvene, den beiden Aorten und der Darmseitenkante anderseits ist der steil auf- gerichtete Querschnitt der Zellplatte m.Zpl, gelagert. Die Krüm- mung ihres ventralen Dritteils ist jener des Eetoderms gleichgerichtet. Das Dorsalende treffen wir in der Höhe der unteren Wand der Car- dinalis an; eine scharfe Abgrenzung des Ventralrandes stößt auf große Schwierigkeiten. Die baulichen Eigentümlichkeiten der Platte lassen sich am besten in der Höhe der ventralen Aorta erkennen. Hier treten die beiden Grenzreihen breit auseinander; zwischen ihnen sind zahlreiche Zellen eingeschaltet. Höher oben sind die Reihen keineswegs vollständig; die Platte wird überdies von deutlichen Lücken als Vorboten eines weiter vorn bald energischer einsetzenden Aushöhlungsprozesses durchsetzt. Diese Lücken sind namentlich nahe dem Dorsalrande der Platte deutlich. Sie besteht hier aus miteinander vereinigten kleineren Zellgruppen, die kleinste Höhlchen- anlagen einschließen. Bei Ggll erblicken wir das mit dem Reste der Ganglienleiste verbundene Hinterende des Quintusganglions. — Der Schnitt der Tafelfig. 16 f ist der fünftnächste. Auf dem Wege zu diesem verlieren wir die Zellplatte aus den Schnitten. Zuerst wird die Abgrenzung ihres ventralen Endabsehnittes undurchführbar; die Höhlchenanlagen, welche die Platte in der Höhe der beiden Aorten durchsetzen, weichen scharf umschriebenen Höhlehengruppen. Damit lassen wir auch das Vorderende der Platte als einheitliches Ganzes hinter uns, denn wir sehen an ihre Stelle Zellgruppen treten, welche die Fortsetzung der Höhlechen bergen. Im Schnitte der Tafelfig. 16, f bahnen diese Höhlchen, die mit ihrer hinteren Circum- ferenz ins Vorderende der Platte eingelassen sind, ihre Vereinigung an. Drei kleine Höhlehen, deren Lage leicht aus der Zeichnung ersehen werden kann, haben die in ihren Umrissen schon deutliche Höhle Splce noch nicht erreicht. Nach einwärts von dieser stoßen wir auch auf dieAnlage des intermediären Aortenbogens (KASTSCHENKO). Oberhalb Sple lagert ein dreiseitiger Zellhaufen 2%, welcher mehrere kleinste Liehtungen und Anlagen von solehen einschließt. Sehen wir genauer zu, so bemerken wir, daß der kleine Mesodermabschnitt, welcher sich von diesem Zellhaufen abwärts bis zur dorsalen Cir- cumferenz von SpZc herab erstreckt und medialwärts an die Wand des kleinen dorsalen Nebenhöhlchens angrenzt, gleichfalls seiner Aus- höhlung entgegensieht. Die folgenden Schnitte bestätigen dies. Von Morpholog. Jahrbuch. 33. 14 204 H. Rex der Zellplatte ist nur noch ein unscheinbarer Rest nachweisbar, in welchem die ventrale Circumferenz von Splc eingelassen ist. Die Anlage des mit der Ganglienleiste Ggl! eng verknüpften Quintus- ganglions wird von einer kleinen dorsalen Nebenwurzel der Cardinalis durchsetzt. — Im zweitnächsten Schnitt, dem der Tafelfig. 169, haben sich fast sämtliche Höhlchen zu einer hochgestreckten Höhle Sple vereinigt. Über ihrem verjüngten Dorsalende sind weitere, ganz deutliche Höhlchenanlagen bemerkbar (s. die Verweisungslinie 2). Der sie beherbergende kleine Mesodermabschnitt ragt bis zur halben Höhe der Cardinalvene heran; knapp über ihm sehe ich das Vorder- ende des Quintusganglions mit der Ganglienleiste Ggl! verbunden. Etwa in der Höhe der Darmseitenkante ist der Außenwand der Höhle ein Zellhäufehen angeschmiegt, dessen Zellen radiär gestellt sind und ein kleinstes Lumen umsäumen. Der distale Nachbarschnitt weist hier ein kleines Divertikel der Höhle auf. Die Umrisse der Höhle Sple lassen ihre Entstehung aus übereinander ge- lagerten Einzelhöhlehen leicht erraten. Auf die dünne mesodermale Mantelschicht, die der Innenwand angeschmiegt ist, komme ich bald zu sprechen. In den nächsten Schnitten sind die Komponenten von Sp/e noch getrennt.. Es ergeben sich da sehr wechselvolle Bilder. Wir sehen z. B. im viertnächsten Schnitt (Fig. 16 }), daß die Einzelhöhlchen sple,_;, aus deren Vereinigung Splce im Schnitt der Fig. 16 g hervor- gegangen ist, zwar einen bedeutenden Umfang erreicht haben, in- dessen noch nicht verschmolzen sind. Oberhalb sp/c, ist eine Höh- lenanlage (splce) wahrnehmbar. Von da ab übernimmt das Höhlchen splc, die Führung; es vereinigt sich mit dem mittleren und das obere tritt zurück. Damit ist die Reihe der Formveränderungen noch nicht erledigt. Nahe dem Darmscheitel steht die Vereinigung der Einzelhöhlen mit der hier verkleinerten Leithöhle noch aus; sie begleiten diese als dorsale und ventrale Nebenhöhle.. Vor dem Darmscheitel ist die Leithöhle in Chordahöhe zwischen der abstei- senden Aorta und dem Eetoderm gelagert, der ersteren etwas näher als dem letzteren. Ihr rundlicher Querschnitt steht jenem des Ge- fäßes nur wenig an Umfang nach. Die Nebenhöhlchen sind recht klein. Das dem ventralen Höhlchen benachbarte Mesoderm ist bis zur absteigenden Aorta herab Sitz eines regen Aushöhlungsprozesses. — Der Schnitt der Tafelfig. 16 ist von jenem der Fig. 16% aus gezählt der elfte.e. Er hat auch schon die Anlage der ersten Kopfhöhle A, getroffen. Die Leithöhle Sple ist zwischen dem Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 205 Aortenbogen A.a und dem Ectoderm leicht aufzufinden. Ihrer Dorsal- wand ist ein kleines Nebenhöhlchen sp/c, nahe hbenachbart; seiner oberen Wand entstammen kurze Zellbälkehen. Die mediale Wand weist eine Verdickung auf, in welche eine noch undeutliche Fortsetzung der Lichtung sich forterstreekt; die ventrale ist mit der Wandung des unteren Nebenhöhlchens sp/c, vereinigt. Mit Ggll ist der Quer- schnitt der Ganglienleiste, mit ca, die Wurzel der Cardinalvene be- zeichnet. Zwischen Sp/c und A, ist eine kleine Gefäßanlage vo wahr- nehmbar, nach einwärts von dieser, nahe dem Aortenbogen eine zweite. Von großem Interesse ist für uns die Nachbarschaft des eben geschilderten Höhlchenwerkes. Das Mesoderm, in welches dasselbe mit seinem ventralen Abschnitt eintaucht, ist mäßig dicht. Ungleich dichter ist es an der dorsomedialen Cireumferenz der Höhlchenreihe. Hier hat es sich zu einem Zellmantel umgestaltet, dessen Form- verhältnisse in den Tafelfig. 16 f—% leicht ersehen werden können. Dieser Mantel reicht bis zur Außenwand der Cardinalvene empor; seine mediale Grenze ist in einer Linie gegeben, welche von der Außenwand der dorsalen Aorta zu der der Cardinalis emporzieht, und zwar bald gerade gestreckt, bald leicht nach außen vorgewölbt. Nach einwärts von dieser Linie folgt lockeres, namentlich in der Nähe der Chorda recht lose gefügtes Mesoderm. Längs der Auben- seite des Höhlehenwerkes ist nur in vereinzelten Schnitten, so in jenen der Tafelfig. 16 f und g eine Verdichtung des Mesoderms wahrnehmbar. — Vorn, im Bereiche des Darmscheitels wird der Zellmantel mit der Verkleinerung der Höhlchen recht unansehnlich. Hier ist die vom Hirnrohre abgerückte Wurzel der Cardinalvene den letzteren nahe benachbart; der Mantel reicht nur bis zu dieser hinan. In der Tafelfig. 16 © erblicken wir nur noch einen kümmerlichen Rest in Gestalt der oben geschilderten Verdiekung der Innenwand von Sple. — Einen Zusammenhang des Mantels mit dem Vorderende der Zellplatte kann ich bei unserm Keim nicht erweisen. Die Kennt- nis seiner Beziehungen zum Höhlchenwerke ist für uns sehr wertvoll. In seinem, dem medialen Umfange desselben angeschmieg- ten Abschnitte tauchen immer wieder kleinste Höhlchen auf, welche den Anschluß an die größeren Höhlen anstreben und auch erreichen. Im letzteren Falle zeigen sie sich als kleine Divertikel derselben. Der Mantel stellt also den Boden dar, auf dem die Vergröße- rung des Höhlenwerkes nach einwärts vorschreiten kann. Es weist ferner das diesem ventral benachbarte Mesoderm solche 14* 206 H. Rex kleinste Aushöhlungsversuche auf; ebenso auch die erwähnte, mit- unter noch auftretende streifenförmige Verdichtung längs der Außen- wand der Höhlchen. Soviel über das Mesoderm der linken Seite. Auf der rechten wird gleichfalls die Vereinigung der kleineren Höhlen zu einer ein- heitlichen umfangreichen Höhle angestrebt. Eine völlige Kongruenz ist jedoch nicht erweislich. Wie auch bei jüngeren Keimen weichen die Höhlchenwerke beider Seiten, was die Zahl, Form, Größe und die Lagebeziehungen ihrer Komponenten betrifft, voneinander ganz erheblich ab. Es würde nur er- müdend wirken, auf die Einzelheiten näher einzugehen. Die Schilderung der Anlage der prämandibularen Höhle soll diesmal etwas weiter ausholen, um dem bald folgenden Berichte über die Befunde in Sagittalschnitten den Boden zu ebnen. Zwischen dem Dache des Vorderdarmscheitels und dem basalen Vorderhirnabschnitt ist die bekannte Tasche gelagert, deren Boden die Decke der Hypophysentasche herstellt. Sie setzt sich vor- und seitwärts beiderseits in eine Enge fort, welche dadurch zustande kommt, daß der Aortenbogen mit seiner vorderen Hälfte an die Seiten- wand des Basalteils des Vorderhirns dicht herantritt. Der vor- deren Peripherie des Aortenbogens entstammen, wie auch die Profil- konstruktionen II und III erkennen lassen, Äste, die zum Hirnrohr ziehen. Von diesen zeichnet sich der ventrale durch seine besondere Stärke aus; er zieht längs des distalen Umfanges des noch ungemein kurzen Augenblasenstieles empor. Bevor er noch die dorsale Fläche desselben erreicht, senkt sich in ihn der nächst höhere Hirnast des Aortenbogens ein. So bilden beide Äste mit der Vorderfläche des Aortenbogens einen Gefäßring. Nach dieser Schilderung der örtlichen Verhältnisse fällt jene der Höhlenanlage nieht schwer. Die Tafel- figur 16 7 lehrt, daß sich im Mesodermabschnitt #7, welcher den Winkel zwischen Augenblase und Vorderhirn ausfüllt, ein Aushöhlungsprozeß vollzieht. Zur genaueren Orientierung sei noch bemerkt, daß der der Hinterwand der Augenblase angeschmiegte Zellstreifen zsir in den weiter vorn folgenden Schnitten in jenen proximalen Endab- schnitt der Ganglienleiste verfolgt werden kann, welcher in der Dorsalfurche zwischen Augenblase und Vorderhirn nach vorn zieht. — Bei A.a und v.Ha sehen wir den Querschnitt des Aortenbogens und seines ventralen Hirnastes.. Gehen wir nun in der Serie proxi- malwärts vor, so erreichen wir auch bald den dorsalen Hirnast und seine Vereinigung mit dem ventralen und sehen auch da noch das Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 207 seitlich von der Vereinigungsstelle lagernde Mesoderm von kleinen Höhlchenanlagen durchsetzt. Distalwärts stoßen wir auf die Ab- sangsstelle des ventralen Astes; die Aushöhlung des Mesodermab- schnittes A, tritt hier schon zurück und wir treffen bald jene dichte Mesodermschicht an, welche die schräg vom Schnitt getroffene vordere Hälfte des Kieferbogens dicht am Eetoderm durchsetzt. Der Mesodermabschnitt A7, welcher also der Öffnung und dem Umfang des Gefäßringes von außen her auflagert, ist von seiner mesoder- malen Nachbarschaft durchaus nicht scharf abgesetzt, er geht in dieselbe vielmehr direkt über. Nach einwärts setzt sich derselbe durch die Lichtung des Ringes fort und gestaltet sich in der Enge zwischen Hirn und Aortenbogen zu einer Zellplatte von der Höhe dieser Enge. Die Zellplatten beider Seiten werden miteinander durch den jetzt schon außerordentlich dünnen zarten Zellmassenrest verknüpft, der in der Tasche zwischen Darmscheitel und Hirn ein- gelassen ist und in der Mitte seines oberen Randes die Chordaspitze einschließt. Nach dieser Kommissur hin nehmen die Platten an Höhe ab. Bei unserm Keim hat der Aushöhlungsprozeß auch schon nach einwärts auf diese Platte übergegriffen; wir bemerken in der Tafel- zeichnung, daß dieselbe bereits eine deutliche Reihenbildung ihrer Zellen und auch schon kleine Lichtungen aufweist. — Von einer Ver- bindung des Zellmassenrestes mit dem Darmscheitel ist bei unserm Keim nichts mehr erweislicb. Bei dem jüngeren Keim mit 19 Ur- wirbelpaaren ist eine solche nurmehr in einem Schnitte nachweisbar. Die Tafelfig. 15 e ist demselben entnommen. Unter Berücksichtigung des Versuches, in der Tafelfig. 17 a durch die Linie z die Schnitt- richtung anzudeuten, orientieren wir uns in der Zeichnung folgender- maßen: Über der Hypophysentasche Hy lagert der beiderseits von der dorsalen und ventralen Aorta begleitete Querschnitt des Darm- scheitels. Bei J werden wir des distalen Endabschnittes des Restes der Zellmasse gewahr. Sein dorsal spitz zulaufendes Ende ist gleich einem Keile in die ventrale Darmwand eingelassen, so ihre Konti- nuität aufhebend. Der Rest beteiligt sich im Bereiche einer äußerst kurzen Strecke mit an der Begrenzung der Darmlichtung. — Eine Sagittalschnittreihe von einem Keim mit zwanzig Urwirbel- paaren weist in der Region der vordersten Urwirbel folgende Einzel- heiten auf. Der Epithelrest des ersten ist in sieben Schnitten nachweisbar; im mittleren derselben sitzt seine ganz ansehnliche Cutislamelle gleich einer Kappe dem proximalwärts unmittelbar mit dem unsegmentierten Mesoderm zusammenhängenden Sklerotom auf. 208 H. Rex Ihre Länge ist die gleiche, wie die der dritten und vierten Lamelle; die zweite überragt ihre Nachbarinnen wiederum an Länge und zwar etwa um ein Fünftel. In den weiter außen folgenden Schnitten ist noch die dorsodistale Kante des ersten Urwirbels nachweisbar, welche ein kurzer distaler Endabschnitt der Cutislamelle mit dem hier auf- tauchenden kleinen dorsalen Reste der hinteren Urwirbelwand bildet. Mit dem achten Schnitte haben wir auch diese Kante hinter uns gelassen. Jetzt taucht im Winkel zwischen dem verjüngten Dorsal- ende der Anlage des Glossopharyngeusganglions und der Ganglien- leiste ein rundlicher Zellhaufen auf, dessen dicht gestellte Zellen Spuren ehemaliger epithelialer Gliederung aufweisen. Es ist mir nicht unwahrscheinlich, daß sich hier ein Rest der vorderen oberen Urwirbelkante erhalten hat. — In den drei inneren Schnitten ist das Epithelblatt des Urwirbels gleichwie zerknüllt; kleine Zellstränge durchziehen das hier ganz geräumige, annähernd quadratisch ge- formte Myocöl, das von der sich förmlich zusammenkrümmenden Lamelle allseitig umschlossen wird. Die Stränge haften gerade dort an der freien Fläche des Epithels, wo dies ins Myoecöl eingefaltet vorspringt. Man fühlt sich fast versucht, diese Einfaltungen dem »Zuge« dieser Zellbälkchen zuzuschreiben. (Wir sind einem ähnlichen Befunde schon bei dem Keime mit siebzehn Urwirbelpaaren begegnet, dem die Textfig. 35 entnommen ist.) Als dem ersten Sklerotom zu- gehörig kann ich mit Sicherheit selbstredend nur den in der Car- dinalis- Aortenenge eingelassenen Mesodermabschnitt ansprechen, welchem die Cutislamelle des Urwirbels aufsitzt. Er dringt nach einwärts von der Enge zur Chorda hin vor und ist weder vom un- segmentierten Kopfmesoderm, noch vom zweiten Sklerotom irgendwie schärfer abgesetzt. Außen von der Aorta setzt sich dieser Abschnitt auch noch in jenes Zellmaterial fort, welches an die Stelle der ersten Urwirbelkommunikation sowie des rückgebildeteu Scheitels. der Cö- lomtasche getreten ist. Dies ist auch aus der Textfig. 39 leicht er- sichtlich. Hier ergibt nur das Verhalten der Cardinalvene die Mög- lichkeit, die Höhe des Sklerotoms abzuschätzen. Die Vene dringt längs der Vorderfläche des zweiten Sklerotoms nach außen vor, um ihre Lagerstätte an der Außenseite des Restes der zweiten Kommu- nikation aufzusuchen; der ihrem queren Schenkel vorgelagerte Me- sodermabschnitt entspricht dem ersten Sklerotom. Der ventralwärts folgende Abschnitt dringt unterhalb der Vene distalwärts bis an den Rest des Scheitels der Cölomtasche fort, der unter dem zweiten Sklerotom auftaucht. Proximalwärts entbehrt das gesamte, eben Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 209 analysierte Mesodermlager gegenüber dem unsegmentierten Meso- derm irgendwelcher Abgrenzung. In der Mandibularregion belehrt uns der Medianschnitt, daß die Differenzierung des Chordavorderendes noch nicht beendigt ist. Wir sehen in der Tafelfig. 17 a das ventralwärts hakenförmig umgebogene Vorderende der Dorsalwand des Darmes, also das Dach des Vorder- darmscheitels, bei s mit abgerundeter Kante frei endigen. Hier wird es durch eine feine Spalte vom Vorderende der Ventralwand ge- schieden, das sich unter ihm hinweg in den basalen Abschnitt des Zellenmassenrestes J fortsetzt und damit auch das epitheliale Ge- füge einbüßt. Es ist also auch das letzte Endehen der inter- epithelialen Strecke der dorsalen Darmwand geschwunden; die Spalte bei s entspricht dem Reste der Scheiteltasche, welcher mit großer Beharrlichkeit erhalten wird. Der Rest J ist bereits sehr schmächtig. Sein Dorsalende schmiegt sich ans Chordavorderende bei z sehr innig an und entsendet überdies längs dessen ventraler Fläche eine spießartige Fortsetzung, welche sich gleichfalls eng an die Chorda anlegt, so daß eine Abgrenzung bei- der nicht ganz leicht fällt. Von den neun Schnitten, die den Darm- scheitel enthalten, weisen sechs den Schlitz s auf. — In einer zweiten Serie ist der Zellmassenrest im Medianschnitt nurmehr auf eine dünne Zellreihe beschränkt, deren Dorsalende deutlich von der Chordaspitze geschieden werden kann. Der basale, mit dem Vorderende der ven- tralen Darmwand verbundene Abschnitt ist etwas stattlicher. Auch hier trennt eine deutliche Spalte das Vorderende der dorsalen Darm- wand von der Dorsalfläche der ventralen Wand. In derselben Serie erhalten wir auch willkommenen Aufschluß über die Entwicklungsart des Unterkieferfortsatzes. Der Schnitt der Textfig. 44 ist vom Medianschnitt aus gezählt der neunte. Mit Berücksichtigung der Textfig. 41—43 von dem nur wenig jüngeren Keime fällt uns die Orientierung in demselben nicht schwer. Die beiden Schenkel der Aorta sowie auch ihr Bogen sind in voller Ausdehnung sichtbar. In der engen Spalte zwischen dem Bogen und dem Hirnrohre ist die Anlage der ersten Kopfhöhle K, eingelassen. Das verjüngte, distale Ende des ventralen Schenkels des Endothelrohres gehört noch dem breit ausladenden Vorderende des Truneus arteriosus an, welches den Übergang in das Wurzel- stück der aufsteigenden Aorta vollzieht. Das die.distale Wand dieses Truneusabschnittes bekleidende viscerale Pericardblatt wird durch eine leichte Einfaltung von einer recht dieken, ansehnlichen dor- 210 H. Rex salen Fortsetzung geschieden, welche dem ventralen Schenkel der branchialen Grenzfalte (br.gr) des Eetoderms benachbart ist. Diese Fortsetzung entspricht dem Durchschnitt jenes Pericardabschnittes, welcher — s. die Textfig. 41 — in der Tasche zwischen dem Scheitel der branchialen Grenzfalte dr.gr und dem Trunceus lagert und der Verschmelzung beider Pericardblätter seine Entstehung verdankt. Erst weiter hinten treffen wir das parietale Blatt allein an. Die mäßig dichte, etwas stärker tingierte Mesodermschicht oberhalb der aufstei- genden Aorta ist, wie der Vergleich der Schnittbilder 41—43 lehrt, die unmittelbare Fortsetzung des vorhin erwähnten Pericardabschnittes; sie lagert im Winkel zwischen dem Gefäßrohr und dem Darme. Der Fig. 44. . Kı. Scheitel der Pericardlichtung Sp/c setzt sich unter rascher Verjün- gung in eine feine Spalte sp fort, welche in das Mesoderm der noch bescheidenen Anlage des Unterkieferfortsatzes eindringt. Die Abgren- zung dieser Anlage fällt durchaus nicht leicht. Ihre vordere Grenze dürfte vielleicht im Bereiche der mit z bezeichneten Linie zu suchen sein. Die hintere haben wir vor dem Pericardscheitel zu suchen. Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß die Anlage dieses Fortsatzes auf Kosten des paarig werdenden Pericardscheitels vorwächst und zwar in ventrodistaler Richtung, es ist also nur eine Station des Ent- wicklungsweges, welche wir in diesem Entwicklungs- stadium als distale Grenze bezeichnet haben. Der proximal- wärts auf x folgende Abschnitt, welcher dorsalwärts durch den Darm Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 911 gut begrenzt wird, und etwas vor seiner Mitte leicht winklig ab- geknickt ist, gehört bereits der Anlage des Oberkieferfortsatzes an. Von dem in der Anlage des Unterkieferfortsatzes eingeschlossenen Mesoderm haben wir den oberhalb des Aortenrohres gelagerten Ab- schnitt bereits besprochen. Unterhalb des Gefäßes sind zwei Lagen unterscheidbar. Die ihm angeschmiegte läßt epitheliales Gefüge erkennen. Die Spalte sp scheint in ihr zu endigen. Eine genauere Untersuchung belehrt aber eines Besseren. Die vom Scheitelende des Pericards gebildete Tasche, welche längs der Ventralfläche des Aortenrohres in den Unterkieferfortsatz vordringt, ist nicht blind geschlossen, vielmehr bei x, offen. Die Spalte verliert sich vor z,. — Das Vorderende der ventralen Taschenwand setzt sich unmittel- bar in die dem Eetoderm angeschmiegte untere Schicht fort. Das der dorsalen Wand verliert vor x, bald seine scharfe Abgrenzung; wir erkennen in ihm unschwer die Anlage der distalen Zell- platte. — In den einwärts folgenden Schnitten schließt sich die Tasche an ihrem Vorderende und erfährt eine, aus dem Vergleich der Querschnittbilder 41—43 leicht erklärbare starke Verkürzung. Die außen folgenden geben wenig deutliche Bilder, da hier die uns interessierende Fortsetzung des Pericardscheitels nicht quer, sondern schräg getroffen ist. Der Sehnitt der Tafelfig. 17 g ist der andern Hälfte unsres Keimes, u. z. der rechten entnommen. Er gehört fast der gleichen Region an wie der eben betrachtete. Das Truneusvorderende ver- missen wir bereits. Seine Stelle wird von einem stattlichen, fast vierseitig begrenzten Scheiteldivertikel der Perieardlichtung einge- nommen, in welches der Anschnitt des Eetocardmantels des Vorder- endes hineinragt. Das Mesoderm unterhalb des Aortenrohres a.«a ist in zwei deutliche Schiehten getrennt, und zwar durch eine proximal- wärts allmählich undeutlich auslaufende Spalte sp, welche sich bei näherem Zusehen als Fortsetzung des Divertikels der Perieardlichtung zu erkennen gibt. Die dorsale Schicht, welche deutlich schräg getrof- fen ist; läßt gleichwohl die Regelmäßigkeit ihres Gefüges unschwer erkennen. Die ventrale baut sich aus embryonalem Bindegewebe auf; dort aber, wo sie an der Begrenzung der Spalte sp teilnimmt, weist sie epithelialen Charakter auf. Die betreffende Zelllage zeigt den Typus des Bindegewebsepithels (©. RagL). Es ist der Restbestand der cranialen Fortsetzung des parietalen Pericardblattes, welches im Anschlusse an eine lebhafte Proliferation embryonalen Bindegewebes der Lösung seines Gefüges entgegengeht. 212 H. Rex Auch dieser Befund illustriert aufs deutlichste die Umwandlung des paarigen Scheitelendes des cardialen Mesoderms in das der bei- den Unterkieferfortsätze. Die Fortsetzung des Eetocardblattes schließt die Anlage der oben beschriebenen distalen Zell- platte ein, welche dem Aortenrohre angeschmiegt ist; der nicht in die Bildung derselben eingehende Abschnitt wird gleich der gesamten Fortsetzung des parietalen Blattes zur Schaffung embryonalen Bindegewebes aufgebraucht. Die Querschnittreihe von dem Keime mit 21 Urwirbelpaaren hat uns auch mit einer caudalwärts gerichteten Fortsetzung der proximalen, vor der ersten Kiementasche steil aufgerichteten Zell- platte bekannt gemacht, welche sich ans Vorderende der distalen eng anschmiegt. Über diese orientiert uns eine zweite Sagittal- schnittreihe sehr gut. Da in dieser das Höhlehenwerk der Kiefer- region außerordentlich deutlich entwickelt ist, will ich sie auch für das Studium der gesamten Kieferregion heranziehen. Ich möchte der folgenden Schilderung eine Bemerkung voraussenden. Wir dürfen leicht begreiflicherweise vom Sagittalschnitte nicht jenen klaren Auf- schluß über die bauliche Eigenart beider Platten verlangen, welchen der Querschnitt gewährt; wenn wir auch die uns interessierenden Abschnitte beider Zellplatten in stattlicher Ausdehnung vom Schnitte getroffen finden, so ist es gleichwohl schwer, über ihr Epithel be- friedigende Auskunft zu erhalten, da dessen Reihen fast durchgängig schräg getroffen sind. — Ich will gleich von einem Schnitte aus- gehen, welcher seitwärts von der Außenwand der aufsteigenden Aorta hindurchgeht. Einen kleinen Bezirk desselben gibt uns die Tafelfıg. 17 5 wieder. Unmittelbar unter dem lateralwärts sich zur Kiementasche verengenden Darmabschnitte (A7,) erblicken wir die noch unscheinbare Anlage des Unterkieferfortsatzes UAf. An seiner dorsalen Abgrenzung beteiligt sich auch noch das Vorderende des ventralen Schenkels der branchialen Grenzfalte dr.gr. Unmittelbar unter der ventralen Darmwand nehmen wir den Durchschnitt jener Mesoderm- schicht wahr, welche von Gefäßanlagen durchsetzt, längs der Darm- seitenkante beide Schenkel der Aorta miteinander verknüpft. Sie ist in den Querschnittbildern — siehe die Tafelfig. 15 ce, d, 169 — überaus leicht wiederzufinden. Unterhalb dieser Schicht sehen wir den niedrigen, caudalen Abschnitt der proximalen Zellplatte m.Zpl,. Besonders scharf ist seine dorsale Grenze; hier sind die Zellen zu einem niedrigen Epithel angeordnet. Die ventrale wird durch eine recht unregelmäßig begrenzte, immerhin aber ganz deutliche Spalte Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 213 hergestellt, welche die Platte von der dem Eetoderm angeschmiegten Zellschicht trennt. Die distale Grenze ist eine schräg dorsodistal- wärts aufsteigende. Sie wird dadurch deutlich, daß der in entgegen- sesetzter Richtung, also ventroproximalwärts abschüssige Vorderrand der distalen Platte »2.Zp/,, von welcher nur ein kleiner Abschnitt sichtbar ist, recht scharf durch eine Reihe eng verknüpfter Zellen markiert wird. Sehen wir schärfer zu, so bemerken wir, daß diese Reihe ein paar winklige Abknickungen aufweist. Vor m.Zp/, taucht bereits das Hinterende des mandibularen Höhlchenwerkes auf; wir sehen hier die Umrisse der bald näher zu schildernden Leithöhle Sple. Das Vorderende von m.Zpl, entbehrt eines scharfen Abschlusses. Es ist förmlich zerklüftet, die in ihm auftauchenden unregelmäßigen Lücken stehen mit jenen in Verbindung, welche Sp/c von hinten her umfassen. Seine ventrale Zellschicht zieht unterhalb Sp/c pro- ximalwärts; ein dorsaler Zellzug lenkt vor dem Darmabschnitt Xt, steil dorsalwärts empor. — lch brauche wohl nicht darauf hin- zuweisen, daß diese Befunde jene gut ergänzen, welche die Querschnittreihe von dem Keime mit 21 Urwirbelpaaren ergeben hatte. Vom lateralwärts folgenden Nachbarschnitt ist ein weit größerer Bezirk in der Tafelfig. 17 c wiedergegeben worden. Es wird in demselben unter anderm das Mesoderm des Hyoidbogens MAy in größerer Ausdehnung sichtbar. Der Stamm der Cardinalis ist vor dem Quintusganglion Y zweimal angeschnitten worden. Wir wollen nun versuchen, uns in dem Mesoderm der Kieferregion zurecht zu finden. Wir können zwei Territorien unterscheiden: ein oberes und ein unteres. Die Bezeichnungen »dorsal« und »ventral« vermeide ich hier geflissentlich. Ich will gleich das untere ins Auge fassen. Es gehört zum guten Teil dem Kieferbogen an und weist ein eigen- artiges Bild auf. Wir werden eines lebhaften Aushöhlungsprozesses gewahr, der zum Teil die Entstehung bizarr geformter Höhlchen herbeigeführt hat, zum andern die erste Entstehung solcher leicht erraten läßt. Es sind Bewegungen und Verschiebungen im Zell- material nachweisbar, welche eine überaus lebhafte Differenzierung des gesamten Gebietes erkennen lassen. Sieht man genauer zu, so erkennt man folgende Einzelheiten. Oberhalb des Augenblasenstieles Aust findet sich eine kurze Reihe von vier Höhlehen #,; nahe dem Stiele ist eine Lücke im Mesoderm vorhanden, welche den Eindruck erweckt, als sei sie durch ein dorsalwärts gerichtetes Abrücken der Höhlchenreihe zustande gekommen. Das hinterste dieser Höhlehen 914 H. Rex ist der dem Eetoderm angeschmiegten Grenzschicht nahe benachbart. Weiter distalwärts treffen wir den eigenartig geformten Durehseknitt der Höhle Sple an. Ihre Wandung ist mit der Höhlchenreihe X, durch einen aus lebhafter tingierten Zellgruppen und Zellbälkcehen bestehenden Mesodermbezirk unmittelbar verknüpft. Dieser schließt vorn direkt ans Mesoderm der Höhlehenreihe an; hinten birgt er zwei kleine Höhlehenanlagen, welche sehr nahe ans verjüngte Vorderende von Sple angegliedert sind. So dokumentiert sich ein inniger Zusammenhang der Mesodermabschnitte, welche die Höhlen- anlagen A, und Sple einschließen. Vom distalen Umfange der Höhle Sple geht ein niedriger Gang aus, dessen Wandung sich nach Ein- buße der Liehtung unmittelbar in einen jener Zellstränge fortsetzt, welche wir beträchtlich weit in den Unterkieferfortsatz verfolgen können. (Dieselben sind in der Figur nicht näher bezeichnet wor- den). Die Stränge gehören dem caudalen Fortsatze der proximalen Zellplatte an. Ihre dorsale Abgrenzung gegenüber dem bereits oben geschilderten, mit Gefäßanlagen vergesellschafteten Mesodermstratum gelingt leicht. Eine Sonderung von dem nurmehr unscheinbaren Endchen der distalen Platte läßt sich jedoch nicht mehr durchführen. — Vor Kt, ziehen wenig regelmäßig gestaltete, aber trotzdem scharf markierte Zellzüge dorsalwärts zum Quintusganglion empor. Sie erheben sich aus dem epithelialen Balkenwerke, welches oberhalb des distalen Divertikels von Splce eine Verbindung der Zellstränge mit der Hinterwand dieser Höhle herstellt und gehören gleich diesem dem vor der ersten Kiementasche hoch emporragenden Abschnitt der proximalen Platte an. — Die Orientierung in den einzelnen Höhlchen- anlagen vermitteln die Nachbarschnitte. Der Mesodermabschnitt, welcher die Höhlchenreihe X, umschließt, geht nach einwärts in die schmale Zellplatte über, welche in der Enge zwischen Aortenbogen und Basalteil des Vorderhirns eingeschlossen ist. Wir haben die Anlage der prämandibularen Kopfhöhle vor uns. Die Höhle Spel ist die Leithöhle des Höhlchenwerkes im visceralen Mesoderm der Kieferregion. — Dem Gesagten zufolge wird das untere Schnittterritorium von Gebilden besetzt gehalten, welche als dem visceralen Mesoderm zugehörig zu bezeichnen sind. Ich werde noch später zu erörtern haben, daß aller Wahrscheinlichkeit nach auch der hier vorliegende Teil des Mesoderms der Anlage der ersten Kopfhöhle in gleicher Weise zu beurteilen ist. Im oberen Terri- torium, in welchem wir unter anderm die Zellstraßen der proxi- malen Zellplatte vorfinden, »Ordnung« zu schaffen und hier nach Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 315 dorsalem Mesoderm Ausschau zu halten muß ich mir versagen. Es käme nur auf eine Künstelei hinaus. Die Tafelfig. 17 d ist dem viertnächsten Schnitte entnommen worden. Das Hirnrohr ist ganz zurückgetreten. Von der Augen- blase zeigt sich bereits der Anschnitt der medialen Wand, . Die genaue Abgrenzung des dieselbe umschließenden Abschnittes der Ganglienleiste stößt auf große Schwierigkeiten. Mit ca, ist die Wurzel der vorderen Cardinalvene, mit ca,, eine Seitenwurzel bezeichnet. Vom Unterkieferfortsatz ist nurmehr ein bescheidener Abschnitt wahr- nehmbar. Die Höhe des vom visceralen Mesoderm eingenommenen Feldes ist größer geworden, da ja hier außen ein weit größerer Abschnitt des Höhlehenwerkes vom Schnitte getroffen werden mußte. Es stimmt dies gut mit der oben gegebenen Schilderung der Quer- schnittreihe von dem Keime mit 21 Urwirbelpaaren überein. Die schräg auf- und rückwärts emportretende Cardinaliswurzel ca, stellt eine Art Schranke dar, über welche hinaus der Aushöhlungsprozeß in unserm Schnitte nicht vorschreitet. Das Höhlchenwerk erreicht in seinem Hinterende die größte Höhe, welche proximalwärts allmählich abnimmt. Nahe dem Augenblasenstiel taucht nurmehr die Fort- setzung der dritten von den vier Lichtungen der prämandibularen Höhlenanlage X, auf, welchen wir in der Fig. 17 ce begegnet sind. Proximalwärts von dieser Liehtung ist der Querschnitt einer weiteren kleinen Lichtung sichtbar. Eine Abgrenzung des zur Anlage der ersten Kopfhöhle gehörigen Mesoderms vermag ich nicht durch- zuführen. Es kann auch die Seitenwurzel ca, der Cardinalis nicht etwa den Anspruch auf den Wert einer Grenzmarke erheben. — Von der Leithöhle ist jetzt noch die distale Hälfte Sple wahr- nehmbar. Das Höhlchen / verbindet sieh mit dem vorderen dorsalen Divertikel, welches Sple im Schnitt der Tafelfig. 17 e aufweist; die kleinen Nebenhöhlchen 2, 3, 4 und 5 lassen hingegen noch keine Verbindung mit der Leithöhle erkennen. Vor der Kiementasche At, sehen wir zunächst das Außenende des caudalen Fortsatzes der pro- ximalen Zellplatte. Es ist ein Zellstrang, welcher vor- und abwärts von Kt, leicht auffindbar ist; seine Zellen sind mit jenen der Wandung des Höhlehens 4 sowie denen des Hinterendes von Sple verbunden. Oberhalb der distalen Wand des Höhlehens 4 erhebt sich eine scharf markierte Zellreihe Z; sie ist proximalwärts leicht vorgewölbt und erreicht zwei epitheliale Zellbälkehen zz, welche dem distalen Ab- schnitt der Ganglienleiste, ähnlich wie das Höhlehen 5 innig ange- schmiegt sind und kleine Lücken begrenzen helfen. (Der den eben 216 H. Rex genannten Gebilden unmittelbar benachbarte Abschnitt der Ganglien- leiste Ggl! gehört wohl schon dem Bereiche der Anlage des Quintus- sanglions an; er läßt sich jedoch von der Leiste nicht scharf ab- trennen.) Im Verein mit den beiden Zellbälkchen zz stellt der Zellzug eine ganz deutliche distale Grenze des mandibularen Höhl- chenwerkes vor; er ist aber auch gleichzeitig eine solche der vor der Kiementasche steil aufgeriehteten proximalen Zellplatte. Wir werden bald eine weit schärfere Abgrenzung derselben kennen lernen. — In den weiter außen folgenden Schnitten vereinigen sich die Höhlehen 3 und Z£; das so gebildete neue Höhlehen nimmt sechs Schnitte ein. An die Stelle der vorhin beschriebenen Zellbälkehen zz tritt ein epitheliales Balkenwerk, welches kleine Liehtungen ein- schließt. Soviel über die Kieferregion der rechten Seite. Auf der lin- ken finde ich manche Einzelheit weit schärfer ausgeprägt. Ich will hier zunächst jene Region aufsuchen, in welcher die Aushöhlung der prämandibularen Höhlenanlage in vollem Gange ist. Der uns in- teressierende Bezirk eines solehen Schnittes ist in der Tafelfig. 17 e wiedergegeben. Der erste Eindruck, welchen der Durchschnitt der Anlage der ersten Kopfhöhle A; erweckt, ist der eines unregel- mäßigen Netzwerkes epithelialer Stränge. Wir nehmen ferner wahr, daß die etwas lebhafter als die Umgebung tingierte Anlage von kleinen Höhlcehen durchsetzt wird, von denen das oberste bereits recht scharfe Umrisse erkennen läßt. Die unter ihm lagernden Liehtungen sind noch nicht ganz fertiggestellt. Man erkennt zwar schon die Kontur der künftigen Wandung, ebenso auch das nie- drige Epithel derselben, indes, die Lichtungen sind noch von klei- nen, über sie hinwegziehenden Zellzügen verschleiert, welche erst bei einer bestimmten Einstellung zurücktreten. Die: Leithöhle des Höhlehenwerkes Sple ist dureh ihr Vorderende mit der Höhlenanlage X, unmittelbar verknüpft, so daß es schwer hält, die Gebiete beider Höhlenanlagen schärfer vonein- ander abzugrenzen. Dies Vorderende setzt sich unter Einbuße seiner Lichtung in einen Zellstrang fort, welcher zunächst vor- und aufwärts emporstrebt und sich sodann ventralwärts zur distalen Cir- cumferenz der Anlage A, herabsenkt. Hier vereinigt er sich mit dem epithelialen Septum, welches die Lichtungen der zwei obersten Höhlchenanlagen trennt. Wir sehen ferner unterhalb des in Rede stehenden, leicht ventralwärts abgebogenen Vorderendes eine Zacke z der Anlage X, so weit aufwärts vordringen, daß sie das erstere Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 317 fast erreicht. Vor dem dorsalen Divertikel der Höhle Sple lagert ein kleines scharf umschriebenes Höhlehen. Von dem der dorso- distalen Circumferenz der Höhle benachbarten Höhlehenwerk ist ein stattlicher Teil in den Schnitt gefallen. Er gewährt dasselbe Bild, wie die Anlage der prämandibularen Kopfhöhle; wir sehen ein Netzwerk epithelialer Zellstränge, welche ver- schieden geformte, zum Teil schon deutlich von niedrigem Epithel umsäumte Lücken einschließen. Mancher der Stränge läßt auch Zeichen der Rückbildung erkennen. Von der proximalen Zellplatte ist vorerst. noch wenig sichtbar, am deutlichsten ist noch der ven- trale Endabschnitt, in welchen das tiefst gelagerte, etwas unregel- mäßig begrenzte Höhlchen hineinragt, ferner der mit m.Zp/, bezeich- nete caudale Fortsatz. Wir werden die Platte im zweitnächsten lateralen Nachbarschnitt weit besser übersehen. Dieser ist in der Tafelfig. 17 f wiedergegeben. Im ersten Nach- barsehnitt tritt an die Stelle der Vorderhälfte der Höhle Sple epi- theliales Balkenwerk, welches mit jenem der Höhlenanlage X, un- mittelbar zusammenhängt. Im Schnitt der Tafelfig. 17 f hat die letztere bedeutend an Umfang eingebüßt. Es sind nurmehr zwei Lichtungen nachweisbar, von der unteren ist bloß ein äußerster Endabschnitt sichtbar. Die Anlage A, steht mit dem Vorderende von Spice in so innigem Zusammenhange, daß eine Abgrenzung un- durchführbar geworden ist. In der etwas dichteren Zellstraße, welch beide miteinander vereinigt, sind zwei größere Lücken aus- gespart, von denen die untere leicht als Höhlchenanlage zu erkennen ist. Von großem Interesse ist für uns das hinter der Leithöhle befindliche Mesodermfeld. Hier tritt uns der Durchschnitt der steil aufgerichteten und bis zum Quintusganglion V hinanreichenden Zellplatte m.Zp/, deutlich entgegen. Die baulichen Verhältnisse derselben erinnern so recht an den Typus des epithelialen Ma- schenwerkes. Es ‚wird dies namentlich nahe dem Hinterrande deutlich. Hier umsäumen epitheliale Stränge und Bälkchen rund- liche Lücken. Während die distale und ventrale Abgrenzung der Platte, wie ein Blick auf die Zeichnung lehrt, scharf ausgeprägt ist, fehlt irgend eine vordere Grenzmarke völlig. Es war dies schon nach den Befunden in den Querschnitten zu erwarten gewesen. Sobald wir uns der Leithöhle nähern, verlassen wir auch schon den Bereich der Platte. Die Höhlehen und Lücken werden hier recht unregelmäßig, langgestreckt; die zwischen ihnen ausgespannten Septa sind bereits recht verdünnt. Die Zellstraße, welche die 2187 H. Rex ventrale Abgrenzung der Platte herstellt, setzt sich proximalwärts unmittelbar bis zur Wandung von Sple fort. Ihr Balkenwerk reicht bis zur ventralen Circumferenz des Quintusganglions Y heran und geht nach vorn in das recht dichte Mesoderm über, das den dor- salen Umfang der Leithöhle einhüllt. — Die Nachbarschnitte zei- gen- interessante Bilder. Manche der in dem eben betrachteten Sehnitte nicht sonderlich scharf umgrenzten Lücken setzen sich als deutlich epithelial umsäumte Lichtungen fort. Andre hingegen treten zurück. Auch verschmelzen die kleineren Höhlchen unsres Schnittes weiter außen zu größeren, epithelial umwandeten Höhlen. Ich kehre nochmals zur Anlage der ersten Kopfhöhle zurück. Ihre Abgrenzung gegenüber der Nachbarschaft ist, wie schon das Verhalten zum Höhlehenwerke erkennen ließ, keine ganz leichte. Es tritt dies namentlich in ihrer Beziehung zur Grenzschicht zutage. Diese ist in den Schnitten der Tafelfig. 17 c—f überall als deutliche, dem Eetodermmantel des Mandibularbogens angeschmiegte Sonder- schieht leicht wahrnehmbar. Sie erstreckt sich auch in den winklig abgebogenen proximalen Abschnitt dieses Bogens eranialwärts fort und tritt mit ihrem Vorderende so innig an den ventralen Teil der Höhlenanlage heran, daß eine Trennung beider unmöglich wird. Noch am besten schien eine solche Sonderung im Schnitte der Fig. 17 e durehführbar; hier vermutete ich bei der ersten Untersuchung, daß die Anlage bis zum Eetoderm herabreiche. Ich bin indessen später unschlüssig geworden und habe daher die untere Verweisungslinie K, höher dorsalwärts angesetzt. — Nach einwärts von der eben betrachteten Region ändert sich die Sachlage. "Hier tritt ‚uns die Höhlenanlage als schlanke Zellplatte entgegen, welche durch die enge Passage zwischen Aortenbogen und Hirn mediaiwärts dem Zell- massenreste zustrebt; nun dringt aber auch die eraniale Fortsetzung des zwischen Eetoderm und aufsteigender Aorta eingelassenen me- dialen Endabschnittes des Fußteils — s. »m.E« i. d. Querschnittbildern — bis zur Höhlenanlage vor. Erst im Bereiche der Wurzel des ventralen Hirnastes des Aortenbogens ist die Abgrenzung unsrer Anlage glatt durchführbar. — Nicht viel besser steht es mit dem in der dorsalen Furche zwischen Augenblase und Vorderhirn einge- lassenen proximalen Endabschnitt der Ganglienleiste. Auch diesen vermag ich nicht mit der wünschenswerten Deutlichkeit von der Nachbarschaft abzugrenzen. Die Profilkonstruktion III. Sie wurde der linken Hälfte der Kopfanlage eines Keimes mit neunzehn Urwirbelpaaren entnommen. .. Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 219 Bezüglich ihrer Ausführung darf ich wohl auf das über die Kon- struktion II Gesagte verweisen und will im folgenden vorderhand nur einige Einzelheiten herausgreifen. Im Bereiche der Ganglien- anlage des Acusticofacialis VIZ, VIII ist die schon recht kümmer- liche Ganglienleiste nicht mit eingezeichnet worden; hingegen wurden ihre Beziehungen zur Anlage der Ganglien des Glossopharyngeus und Vagus /X, X bis an die hintere Cireumferenz des Gehörgrüb- chens hin berücksichtigt. Das Verhalten des Mesoderms im Bereiche der Kontaktfelder der ersten und zweiten Kiementasche At, Kts, ist in derselben Weise zur Darstellung gebracht worden, wie bei dem jüngeren Keime. Der durch die Volllinie Sple angezeigte Umriß des Splanchnocöls wurde in gleicher Weise gewonnen, wie für die Konstruktion I. Die Linie läßt erkennen, daß die Cölom- tasche im Bereiche des zweiten und namentlich des dritten Urwirbels noch eine ganz ansehnliche Höhe erreicht. Von den Kommunikationen dieser Urwirbel sind nurmehr Reste vorhanden. In die Mandibular- region setzt sich die Pericardlichtung nicht mehr fort. — Die Um- risse des Eetocards sind mit eei.c bezeichnet. Es ist die Anlage eines vordersten Verbindungsganges des dorsalen und ventralen Aorten- schenkels vorhanden. Vielleicht stehen die hinter ihm gelagerten zwei Gefäßanlagen zur Entwicklung solcher Gänge in Beziehung. Der zweite Aortenbogen ist bereits gut entwickelt. — Am Höhl- chenwerk ist folgendes wahrnehmbar. Die Mehrzahl der Höhlchen hat die Vereinigung mit der Leithöhle durchgeführt; so ist eine langgestreckte Höhle zustande gekommen, deren ganz bizarre Form- verhältnisse ihre Entstehung aus der Vereinigung zahlreicher Einzel- höhlen leicht erschließen lassen. Die bereits erwähnten, das Höhl- chenwerk fast ganz umfriedenden punktierten Linien stecken ähnlich wie in der Konstruktion II jenen Abschnitt des benachbarten Meso- derms ab, welcher der Sitz einer besonderen Differenzierung ist. Hier finden wir wieder deutlich von der Nachbarschaft abstechende Zellstränge und Zellgruppen, die vielfach den Ansatz zur Höhlehen- bildung aufweisen. Der distale, hochemporragende Abschnitt des so abgesteekten Feldes gibt uns die Ausdehnung der Anlage der proxi- malen Zellplatte an; ein kleiner Endabschnitt, welcher vor- und abwärts vom ersten Kontaktfeld siehtbar wird, grenzt die Anlage des eaudalen Fortsatzes dieser Platte, sowie auch jene der zwar noch kleinen, aber gleichwohl ganz deutlichen distalen Platte ab. Das dieser zugehörige Endehen ist dunkel schattiert worden. Von einer Sonderung der beiden Platten habe ich Abstand Morpholog. Jahrbuch. 33. 15 220 H. Rex genommen. Es fällt uns nicht schwer, den vor- und abwärts vom ersten Kontaktfelde befindlichen Abschnitt der Kopf- anlage als proximales Ende des in Bildung begriffenen Unterkieferfortsatzes zu deuten. — Der proximale Endausläufer der großen Höhle hat bereits die vordere Cireumferenz des Aorten- bogens erreicht. Das Höhlchenwerk stimmt endlich — und dies ist mit Rücksicht auf die spätere Auseinandersetzung wichtig — bezüg- lich der Größe, Form, Zahl und Lage seiner Einzelabschnitte durchaus nicht mit dem der Konstruktion II überein. — Das Me- soderm der Anlage der ersten Kopfhöhle A, ist mit einer gestri- chelten Linie umsäumt. Wenn ich recht sehe, so dringt dieser Mesodermabschnitt auch unterhalb der Gefäßgabel zwischen Aorten- bogen und ventralem Hirnast nach einwärts zum Zellmassenrest vor. Eine scharfe Abgrenzung der Höhlenanlage ist mit großen Schwierig- keiten verknüpft. Um ja jedem Irrtum aus dem Wege zu gehen, habe ich ihren Umfang vielleicht zu eng bemessen. Keime mit 23 Urwirbelpaaren. (Taf. VI Fig. 18 a—e; Taf. VII Fig. 18 d—:; Taf. IX: Konstr. IV.) Eine der mir vorliegenden Querschnittreihen habe ich zur Aus- führung der Profilkonstruktion IV benutzt. Sie soll im folgenden vornehmlich berücksichtigt werden. Die Lage jener Schnitte, welchen die Tafelfig. 18 f, 9, 4 und Textfig. 45—47 entnommen worden sind, ist in der Konstruktion durch Volllinien markiert. Die andern Serien, die ich noch mit zur Besprechung heranziehen werde, weisen bis auf eine die annähernd gleiche Schnittriehtung auf. Bei dieser war eine andre in Anwendung gekommen. Ich habe dieselbe in der Konstruktion ‘durch die punktierte Linie ——z; angedeutet. An- spruch auf volle Genauigkeit kann diese Orientierung nicht erheben. Sind doch bei sonst gleich entwickelten Keimen die Proportionen der Organanlagen, sowie auch die Krümmungsverhältnisse des Hirn- rohres wohl selten so genau übereinstimmend, daß eine völlige Deekung der Umrisse möglich wäre. Die Ventralkante der, wie die Rekonstruktion zeigt, etwas unregel- mäßig geformten dritten Hautmuskellamelle wird in acht Schnitten sichtbar. Ich will zunächst einen Schnitt ins Auge fassen, der die Lamelle in ihrer ganzen Höhe getroffen hat. Das Myotom hat die obere Hälfte der Cutislamelle bereits überschritten. Diese besitzt an ihrem Ventralrande eine kurze, nach einwärts zur Dorsalwand der Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 3231 Cardinalvene ziehende Fortsetzung. Die vom Ductus pleuropericar- diacus steil aufwärts vordringende, leicht verengte Cölomtasche ist schon verkürzt; ihre Decke erreicht das Niveau der dorsalen 'Darmwand nicht mehr. Ihre Außenwand ist der Abflußbahn der Cardinalis angeschmiegt. Die genauere Besichtigung der schmalen Decke läßt zunächst erkennen, daß diese nicht, wie es auf den ersten Blick scheinen möchte, von dem nach außen umgebogenen Dorsal- ende der Schlundplatte, sondern im Gegenteil von dem nach innen hakenförmig umgeschlagenen gleichen Ende der Somatopleura hergestellt wird. Bis nahe an den Scheitel der Tasche hin zeigt die letztere deutlich den Bau eines Bindegewebs- epithels. Das umgeschlagene Ende aber besitzt eine ganz auf- fallende Ähnlichkeit im Gefüge mit jenem der Schlundplatte, so daß es als deren unmittelbare Fortsetzung imponiert. Ein sorg- fältiges Studium des Präparates läßt aber leicht die Grenze beider Platten erkennen. Die senkrecht emporsteigende freie Fläche der Schlundplatte setzt sich auch dorsalwärts über den Scheitel der Cölom- tasche hinaus fort; dieser Fortsetzung ist das umgeschlagene Ende der Somatopleura innig angeschmiegt. Es liegen also ähnliche Ver- hältnisse wie in der Textfig. 47 vor. Das Dorsalende der Schlund- platte endigt ein wenig über dem Scheitel der Tasche. Es ist ver- jüngt; sein basaler Abschnitt entbehrt eines scharfen Abschlusses. Das aus diesem austretende Zellmaterial gesellt sich dem dreiseitigen Zellstrange bei. Dieser ist breiter geworden und umgreift das Dach der Cölomtasche mit seinem seitlichen Abschnitte. Er erreicht ferner die Cardinalvene. Aufwärts vom Strange folgt in der oberen Hälfte der breiten Spalte zwischen Aorta und Cardinalis lockeres Mesoderm. ‘Es geht dorsalwärts ins Sklerotom über. Von der Urwirbelkommunikation sind nurmehr spärliche Reste vorhanden. Nach wenigen Schnitten erreichen wir jenen der Textfig. 45 und damit auch das Vorderende des Ventralrandes der dritten Haut- muskellamelle. Es taucht in demselben ferner schon das obere Drittel der zweiten Lamelle auf. Die dritte zeigt ein kurzes Endchen des Myotoms; der Ventralrand des Cutisblattes entbehrt einer scharfen Grenze. Der Scheitel der Cölomtasche hat sich in voller Ausdehnung erhalten. Er reicht bis zur halben Höhe der Cardinalis empor. Hier endigt er quer abgestutzt und ist vom benachbarten Mesoderm recht scharf abgesetzt. Seine Lichtung besitzt eine geringere Höhenentfal- tung. Der dreiseitige Zellstrang zsir ist nurmehr an ganz vereinzelten Stellen von der Innenwand des Scheitels etwas schärfer geschieden. 15* H. Rex I \ Sy ARERRESNT RER Fig. 45. 222 Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 223 Die Zellen dieser Wand nehmen dorsalwärts allmählich an Höhe ab. Es handelt sich hier offenbar um eine rege Proliferation von Zell- material, das dem Strange beigesellt wird, sowie auch im Bereiche des Dorsalendes der Wand um den ersten Beginn der Lösung des epithelialen Verbandes. — Bevor noch die Ventralkante der zweiten Hautmuskellamelle auftaucht, verödet die Lichtung im Scheitel der Cölomtasche. Dann lädt weiter vorn auch schon in der uns bekannten Weise die der Somatopleura zugehörige Außenwand der nun abermals verkürzten Tasche seitwärts aus und diese erhält so eine schräg nach außen abfallende Decke von mäßiger Breite. Der Schnitt der Textfig. 46 geht durch die vordere Hälfte der zweiten Hautmuskellamelle hindurch. Der Lichtungsrest des Scheitels der Tasche ist noch als feine Spalte s» bemerkbar, die bis zur Höhe der unteren Wand der Cardinalis emporreicht. Die mediale Wand dieser Spalte wird von der dorsalen Fortsetzung der Schlund- platte hergestellt. Sie hat in der Nähe der Aorta ihr epitheliales Gefüge bereits völlig eingebüßt. Das so frei gewordene Zellmaterial wurde der Fortsetzung des dreiseitigen Zellstranges Zstr beigesellt. Dieser hat seine Formverhältnisse verändert. Er hat namentlich nach unten hin an Ausdehnung gewonnen und ähnelt einer Art Aufsatz der Darmseitenkante. Die Proliferation von seite der Schlundplatte führt ihm stets neues Material zu. Die laterale Wand der Spalte s» wird vom Eetoderm durch die umfangreiche Anlage des Vagusganglions X geschieden. Das ihr entstammende embryonale Bindegewebe ist im Bereiche der unteren Wand der Cardinalis zu einer etwas dichteren Zelllage angeordnet. An Stelle der Urwirbelkommunikation ist lockeres Mesoderm getreten. In den nächsten Schnitten tritt die Spalte sp abermals zurück; im Bereiche des Hinterendes der ersten Hautmuskellamelle taucht sie jedoch wiederum auf (s. d. Textfig. 47). Sie besitzt hier eine ganz beträchtliche Ausdehnung, durchsetzt die Decke der stark redu- zierten Cölomtasche und läßt sich deutlich bis zu einer kleinen Liehtung in der Höhe der Darmseitenkante hin verfolgen. Auch über diese hinaus ist noch eine Fortsetzung vorhanden, welche allerdings etwas weniger deutlich ist und bis zur halben Höhe der lateralen Aortenwand hin verfolgt werden kann. Ihre der Schlundplatte zugehörige Innenwand läßt sich von der Fortsetzung des Aufsatzes der Darmseitenkante zsir nicht mehr abgrenzen. Dieser Aufsatz ist dort, wo er an die Aorta angrenzt, leicht verdickt und reicht jetzt mit seinem zugeschärften ventralen Rande ganz 234 H. Rex beträchtlich tief herab. — Die Cardinalis bewerkstelligt in dieser Region ihren Abstieg vom Hirnrohre; das ihrer Ventralwand ange- schmiegte Zellhäufchen läßt sich wiederum leicht zum stark ver- jüngten Dorsalende der Somatopleura in Beziehung bringen. — Das vom Schnitt getroffene Hinterende des Epithels des ersten Urwirbels ist der weitaus vollständigste Abschnitt desselben. Die äußere La- melle zeigt eine geringfügige Proliferation embryonalen Bindegewebes. Die innere ähnelt in ihrem Bau der äußeren; es sind stattliche Zwischenzelllicken vorhanden. Die Ventralkante ist nicht sehr deutlich. Im nächsten Schnitte treten Sklerotomzellen ins spalt- förmige Myocöl vor und die Proliferation der äußeren Lamelle wird eine etwas regere. Weiter vorn — der gesamte Epithelrest erstreckt sich auf neun Schnitte — treffen wir in jenen Schnitten, in welchen die Anlage der dritten Kiementasche am breitesten seitlich auslädt, nurmehr die Dorsalkante und schließlich einen dorsalen Rest der inneren Lamelle an. Hier vorn gelingt es: noch in manchem Schnitte deutliche Reste der Ventralhälfte der Hautplatte nachzuweisen, sie erwecken den Eindruck, daß diese Hälfte einem einfachen Zerfall unterlegen ist. Es ist mir nicht gelungen, über den vorderen End- abschnitt der Anlage des Vagusganglions ins klare zu kommen und denselben vom Mesoderm scharf abzugrenzen. Im Interesse einer genauen Schilderung des ersten Sklerotoms wäre dies sehr wünschens- wert gewesen. — Über die Anlage der Spinalganglien in der eben geschilderten Region habe ich folgendes mitzuteilen. Im Bereiche des dritten Sklerotoms fällt die Abgrenzung der Ganglienplatte schon recht schwer. In jenen Schnitten, in welchen die Trennung von den Sklerotomzellen noch leidlich gut gelingt, erblicken wir ähnlich wie bei dem Keime mit neunzehn Urwirbelpaaren den Querschnitt eines schmalen hohen Zellbandes, welches die enge Passage zwischen Sklerotom und Hirnrohr durchsetzt. Der verjüngte, scharfe Ventral- rand ragt tiefer als bei dem jüngeren Keime herab. Er endigt erst in der Höhe der ventrolateralen stumpfen Kante des Rohres. Mit dem Scheitel des letzteren wird das Band durch spärliche Zellen verknüpft. Seine größte Dicke erreicht es in der ventralen Hälfte. — Im Spatium zwischem dem dritten und zweiten Sklerotom ist es diese Hälfte, welche am deutlichsten entwickelt ist, trotzdem sie hier recht verdünnt ist. Von der dorsalen Hälfte sind nur ein paar Zellen nachweisbar. Im Bereiche des zweiten Sklerotoms wird jedoch die Orientierung außerordentlich schwierig. Ich vermag hier trotz vieler Mühe längs seiner Vorderhälfte die kümmerlichen Reste der Platte Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 325 nicht mehr von der Nachbarschaft zu trennen; dasselbe gilt auch für das erste Sklerotom: Nach vorn vom Schnitt der Textfig. 47 setzt sich die Wandung der Cölomtasche unter raschem weiteren Verluste der Lichtung in das dünne Plättchen fort, welches die Anlage der dritten Kiemen- tasche vom Eetoderm scheidet und geht weiter vorn direkt ins Meso- derm des ersten Kiemenbogens über. — Verfolgen wir den Übergang des ventroproximalwärts abschüssigen Scheitels der Taschenlichtung in den der Lichtung der Pericardkante, so nehmen wir wahr, daß auch hier, ähnlich wie in der Textfig. 47, das Dorsalende der Somatopleura nach einwärtsumgeschlagenist. Der Scheitel der Pericardkante unterhalb der dritten Kiementasche wird allein von diesem Dorsalende beigestellt. Nun scheint aber in manchem Schnitte ähnlich wie in jenem der Textfig. 40 die Schlundplatte ihren Besitzstand gewahrt zu haben, also mit ihrem Außenende in die Bil- dung des Kantenscheitels einzugehen. Immer wieder aber belehren uns Nachbarschnitte, daß das umgeschlagene Dorsalende der Somato- pleura die Kante bildet und sich auch unterhalb der ventralen Wand der Kiementasche nach einwärts auf eine kurze Strecke hin fortsetzt. Ich finde folgende Erklärung: Der umgeschlagene Ab- schnitt der Somatopleura vermag sich baulichganzan die Schlund- platte anzupassen; er verschmilzt mit ihr und täuscht so eine bisan den Kantenscheitel heranreichende Fortsetzung derselben vor. Eine weitere Überlegung verweist uns auf die Art der Entwicklung der Kiementasche. Sie gewinnt an Tiefe; ein immer größerer Abschnitt ihrer Ventralwand gelangt zur Ausbildung und zur Deckung desselben nach der Pericardhöhle hin. reicht die Schlundplatte nicht mehr aus. Sie ist ihres Dorsalendes ver- lustig geworden, welches in der uns bekannten Weise andern Be- stimmungen zugeführt wurde. Ihr Außenende wächst nicht weiter vor und das bereits in der Urwirbelregion umgeschlagene Dorsalende der Somatopleura wird zur Bekleidung der Taschenwand herangezogen. — Auch vor der Kiementasche liegen die Verhältnisse ähnlich. Auch hier scheint eine Schmälerung des Besitzstandes der Schlundplatte eingetreten zu sein. — Ich werde im folgenden auch für die der Somatopleura allein zugehörige Falte der dorsalen Pericardwand die Bezeichnung »Pericardkante« beibe- halten; wir finden sie um weniges lateralwärts von der Lagerstätte der gleichbezeichneten, jetzt rückgebildeten Kante der jüngeren Keime. Der Aufsatz der Darmseitenkante büßt in der eben durchwan- 936 H. Rex derten Strecke seine Selbständigkeit völlig ein, nur sein dorsaler, der Außenwand der Aorta angeschmiegter, etwas dichterer End- abschnitt läßt sich bis nach vorn zum distalen Endabschnitte des Glossopharyngeusganglions hin verfolgen. Er gewinnt auch ein ge- ringes Maß von Selbständigkeit. So sehe ich im Bereiche der größten Breite der Kiementasche diesen Abschnitt als kleines Zellhäufchen, welches sich gut vom Dorsalende des vorhin geschilderten Plättchens abhebt. Das letztere füllt den nach unten einspringenden Winkel zwischen Ectoderm und Außenwand der Kiementasche aus. Der Schnitt der Textfig. 48 führt uns ins Bereich des ersten Branchialbogens: Er ist einer zweiten Serie von einem gleich weit entwickelten Keime und zwar dessen linken Seite entnommen. Die Schnittebene ist in der Konstruktion durch den punktierten Pfeil! ver- zeichnet worden. Ein eigenartiger Befund zwingt uns, kurz auf die Formverhältnisse einzugehen, welche das Epithel des gleichseitigen ersten Urwirbels aufweist. Die ursprüngliche Ausdehnung des distalen Endabschnittes der Hautmuskellamelle kann noch leicht festgestellt werden. Von dem Hautblatte ist nur noch die dorsale, eine lebhafte Proliferation aufweisende Hälfte erhalten. Die Umrisse seiner ven- tralen Umschlagskante, welche einem einfachen Zerfall unterlegen ist, sind noch deutlich wahrnehmbar. Verhältnismäßig am besten ist das tief bis zu dieser Kante herabreichende Myotom entwickelt. Es erfährt weiter vorn eine rasch vorschreitende Verkürzung. Ähn- liches gilt von der Cutislamelle, Sie verfällt einer mit mäßiger Proli- - feration verknüpften Auflösung. Wir werden endlich vor der Kiemen- tasche nur noch der Dorsalkante gewahr, an deren Aufbau sich vornehmlich der Rest des Myotoms beteiligt. Der Schnitt der Text- figur 48 ist der zweite, der auf das Vorderende des Epithelrestes folgt. Das Mesoderm des Branchialbogens grenzt aufwärts unmittel- bar an die Anlage des Glossopharyngeusganglions /X an. Die der Darmseitenwand angesehmiegte dichte Sonderschicht ist etwas inten- siver gefärbt. Bei pck sehen wir den Querschnitt der Pericardkante. Das Mesoderm oberhalb des Ganglions schließt ein eigenartiges Ge- bilde z ein. Es ist dies ein kurzer ventromedialwärts ge- richteter Epithelzug, dessen Ventralende eine rasch verjüngte, kurze, aufwärts emportretende Fortsetzung besitzt. In dem so ge- ° bildeten Knie ist ein Zellhaufen eingeschlossen. Einige Zellen des- selben sind zu einer kleinen Gruppe vereinigt und weisen eine radiäre Stellung auf. Die Bedeutung dieses Gebildes ist mir völlig unklar. 1 2—x,. Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 937 Es ist von ihm nur noch im distalen Nachbarschnitte ein kümmer- licher Rest vorhanden. Ebensowenig kann ich über zwei parallele Zellzüge aussagen, welche oberhalb z das Mesoderm durchsetzen und das Hirnrohr unter spitzem Winkel erreichen. Sie sind im distalen Schnitt weit besser sichtbar und kreuzen hier ein letztes äußerstes Vorderendehen der Dorsalkante der ersten Hautmuskellamelle. Das in der Region der zweiten Kiementasche über dem Darme selagerte Mesoderm zeigt dieselben baulichen Verhältnisse, welche wir bei dem Keime mit 21 Urwirbelpaaren angetroffen hatten. Im Bereiche des Hyoidbogens haben sich einige nicht unwiehtige Ver- änderungen vollzogen. Dies zeigt der Schnitt der Tafelfig. 18a. Eine die beiden Scheitel der branchialen Grenzfalten (dr.gr) ver- bindende Linie ergibt eine scharfe dorsale Grenze des cardialen Mesoderms. Ob die schmale und im ganzen wenig deutliche Spalte, welche in der Verlängerung der mit einem * bezeichneten Linie zu finden ist, etwa als Grenze zwischen dorsalem und branchialem Meso- derm aufgefaßt werden kann, kann ich nicht entscheiden. Das der Aorta a.d aufgelagerte Mesoderm, das wohl bereits fast ganz als dor- sales zu bezeichnen ist, läßt gegenüber den Befunden bei dem er- wähnten jüngeren Keime eine leichte Lockerung im Gefüge erkennen. Bemerkenswerte Veränderungen weist das branchiale Mesoderm auf. Der früher nur angedeutete Zellmantel der Darmseitenwand stellt jetzt eine gut entwickelte Sonderschicht dar. In seinem oberen Ende taucht der Anschnitt des zweiten Aortenbogens A.a, auf. Nach außen vom Mantel treffen wir den Durchschnitt einer durch ihren Bau recht scharf gekennzeichneten Zellplatte A.Zpl an. Man erhält den Eindruck, als hätte man dicht gefügtes Mesoderm vor sich, das eben im Begriffe steht, den Verband seiner Zellen etwas zu lockern. Den meisten Zellen fehlen größere Fortsätze. Vom Eetoderm wird die Platte durch eine dünne Zellreihe geschieden; vom Zellmantel der Darmseitenwand trennt sie eine weitere, unscheinbare Zelllage. Ihr leicht verjüngtes Dorsalende endigt in der Höhe der dorsalen Aortenwand; eine scharfe ventrale Abgrenzung ist noch nicht durch- führbar. — Das gesamte branchiale Mesoderm ist scharf vom car- dialen abgesetzt. Die Pericardfalte gr entspricht nicht der Fort- setzung der uns bekannten Pericardkante; sie ist die uns von jüngeren Keimen her bekannte Grenzfalte zwischen Schlundplatte und Eeto- card. Die hier schon verstrichene Kante haben wir in dem außen auf gr folgenden Pericard zu suchen. Ich möchte auf die Ausfüh- rungen auf S. 263 verweisen. — Transversalschnitte durchs Ventralende 228 H. Rex des Hyoidbogens zeigen, daß die Zellplatte leicht nach außen vor- gewölbt ist. Eine dünne Schicht lockeren Mesoderms trennt die konkave Innenfläche vom Aortenbogen. Vor unserm Schnitte erreichen wir bald die erste Kiementasche. Unter Berücksichtigung der in der Konstruktion eingetragenen Schnitt- ebene werden wir leicht darüber klar, daß ein immer niedrigerer Abschnitt des branchialen Mesoderms in den Schnitt fallen muß. Seine mediale Grenze ist zumeist recht deutlich und wird durch die uns schon bekannte, nahe der Außenwand der Aorta beginnende Linie gegeben, welche schräg dorsolateralwärts emporsteigt und dem Winkel zustrebt, in welchem der Boden des Gehörgrübchens mit dem Ectoderm zusammentrifft. Jetzt ist nur noch der in der Cardinalis- Aortenenge lagernde Mesodermabschnitt etwas dichter gefügt. Bald aber sehen wir im Bereiche des vorderen Abschnittes der Ganglien- anlage des Acusticofacialis oberhalb der dorsalen Darmwand gleich- mäßig lockeres Mesoderm, welches namentlich in der Nachbarschaft der Chorda besonders lose gefügt ist. Bei dem einen Keime gemahnt dieser Wechsel im Gefüge an jene Einzelheiten, welche ich für den Keim mit 21 Urwirbelpaaren beschrieben habe. — Einer eingehenden Analyse bedarf das Verhalten der in den beiden Unterkieferfortsätzen geborgenen paarigen Fortsetzung des Scheitelendes des Pericards. Wie die Konstruktion IV leicht er- kennen läßt, ist der Unterkieferfortsatz bereits recht stattlich ent- wickelt; es hat also eine weitere Verkürzung des Pericardscheitels stattgehabt, welchem ja, wie wir wissen, das Mesoderm beider Fort- sätze entstammt. Ich will die Schilderung an der Hand einer Serie von einem etwas älteren Keime durchführen, bei welchem ein 24. Ur- wirbelpaar in Bildung begriffen war. Die Schnittrichtung ist die gleiche wie bei dem Keime der Konstruktion IV. In der niedrigen breiten Pars eommissuralis, welche die distalen Enden beider Unter- kieferfortsätze miteinander vereinigt, ist das schon recht abgeplattete Endothelrohr des Truncusvorderendes längs seiner ventrolateralen Cir- cumferenz von der Fortsetzung des Pericardscheitels umrahmt. Diese weist nur kümmerliche Liehtungsreste auf, ist ferner außerordentlich dicht; nur ihr dorsaler, vom Scheitel der branchialen Grenzfurche, der ventralen Darmwand und dem Endothel umrahmter Endteil ist beiderseits schon recht locker. Die mäßig breite Spalte, welche den Pericardscheitel vom Eetoderm trennt, wird von spärlichen Zellen durchsetzt. Die Dorsalwand des Truncus ist von der unteren Darm- wand durch eine dünne Zelllage geschieden. Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 229° Nach vier Schnitten vollzieht sich die Teilung des endothelialen Truneusvorderendes; jene der Pars commissuralis und ihres Mesoderms steht noch aus. Nun ist auch schon, ähnlich wie in der rechten Hälfte der Textfig. 43, die Wurzel jeder der beiden Aorten längs ihrer ventrolateralen Circumferenz vom sichelförmigen Querschnitt des dicht gefügten Hinterendes der Zellplatte umsäumt; diese ist jedoch noch nicht von der Nachbarschaft scharf gesondert. Erst im dritt- nächsten Schnitte, in welchem auch schon der Kiel der ventralen Darmwand die P. commissuralis fast ganz geteilt hat, ist diese Ab- grenzung der Zellplatte eine ganz deutliche. Sie gewinnt weiter vorn weit schärfere Umrisse und auch eine ungleich höhere Differen- zierung ihrer baulichen Eigenart. Es kann dies nicht Wunder nehmen, da wir ja bereits wissen, daß der proximale Abschnitt des Unterkieferfortsatzes auch der ältere, zuerst angelegte ist und daher auch der in ihm geborgene Teil der Zellplatte, welche dem ectocardialen Blatt des Pericardscheitels entstammt, bereits eine höhere Entwicklungsstufe erreicht haben muß, als der caudale, eben erst in Bildung begriffene. Ich möchte auf die Tafelfig. 185 ver- weisen. Sie zeigt uns den Querschnitt des Unterkieferfortsatzes der rechten Seite. Der fünfte proximale Nachbarschnitt geht bereits vor dem Kontaktfeld der Kiementasche hindurch. Vielleicht darf ich mich auf die Schilderung der Zellplatte m.Zp/, allein beschränken. Im Vergleich zu den Befunden, welche die Tafelfiıg. 16 5 und e geben, tritt uns die Platte als weit stattlicheres Gebilde entgegen. Sie be- steht aus mehreren Zelllagen; der Verband der einzelnen Zellen so- wie auch der der Lagen miteinander gemahnt unstreitig an den epithelialen Typus. Namentlich die beiden Zellreihen, welche wir längs der Breitseiten der Platte antreffen, sind deutlich epithelial gefügt. Es ist dies aus der Zeichnung ohne weiteres ersichtlich. Hier wechseln hohe schlanke, Zellformen mit niedrigen ab. Die von diesen beiden Grenzlamellen eingeschlossenen Zellreihen sind etwas weniger regelmäßig angeordnet. — So scharf auch die beiden Seiten- flächen der Platte abgegrenzt sind, ihr dorsaler und ventraler Rand entbehrt eines abgerundeten, einheitlichen Abschlusses. Der unterhalb des Aortenrohres gelagerte Abschnitt der Platte erweckt den Eindruck, als wäre er selbständig. Sein dichtes Gefüge läßt wenig Regelmäßig- keit erkennen und steht infolgedessen in ganz auffallendem Gegensatz zu jenem der Platte. Ich bin mir nicht klar darüber geworden, ob nicht etwa auch noch ein weiteres kleines Bruchstück des me- dialen Endabschnittes m.E gleichfalls der Platte zuzuzählen ist. 230 H. Rex Von diesem Schnitte proximalwärts vordringend, stoße ich auch schon bald auf den caudalen Fortsatz der vor der Kiementasche lagernden proximalen Zellplatte, welchen diese in den Unter- kieferfortsatz entsendet. Weit besser als jede Schilderung orientiert uns über die Verhältnisse ein Blick auf die Tafelfig. 18c. Die Quer- schnitte der beiden Unterkieferfortsätze sind zwei Schnitten ent- nommen worden. Jener des rechten geht knapp vor dem Vorderende des Kontaktfeldes der Kiementasche hindurch; der des linken ge- hört dem zweitnächsten proximalen Nachbarschnitte an, in welchem die Tasche das Eetoderm nicht mehr erreicht. Beide distale Zell- platten m.Zpl, haben bereits eine ganz beträchtliche Einbuße ihres Umfanges erfahren; sie sind recht schmal geworden, ihr Ventralrand ist leicht verjüngt. Die caudalen Fortsätze der beiden proximalen Platten m.Zp/, haben keinen sehr innigen Anschluß an die distalen Platten gefunden. Verhältnismäßig noch am besten im linken Quer- schnitte. Im rechten sieht man sofort, daß der Anschluß gleichwie »verfehlt« ist. Beide Platten kontrastieren auch im Baue ganz be- deutend. Das leicht trübe, etwas dunklere Kolorit der distalen Platte sticht im Verein mit dem ungleich regelmäßigeren Gefüge ganz be- deutend von dem weit helleren der proximalen ab, deren Zellverband ein weniger intimer ist. In der linken Schnitthälfte tritt überdies in der proximalen Platte die schon bei jüngeren Keimen nachweis- bare Lückenbildung auf, welehe namentlich längs des dorsalen und ventralen Randes leicht ersichtlich ist. Ich will mich nun im folgenden an die linke Hälfte der Kopf- anlage halten und zunächst den fünften proximalen Nachbarschnitt aufsuchen. Er ist in der Tafelfig. 18 d wiedergegeben. Wir be- merken zunächst, daß bereits die Umrisse der Anlage der Portio mandibularis des Quintusganglions (KASTSCHENKO) P.m.Vı sichtbar sind. Ob nicht etwa auch ein kleiner ventraler Abschnitt derselben später zum Aufbau des Kieferastes verwendet wird, entzieht sich meiner Beurteilung. Die proximale Platte m.Zp/, besitzt eine be- deutende Höhenausdehnung. Die Beziehungen ihres Dorsal- endes zum Quintusganglion sind eigenartig. Beide kreuzen einander. Es sind also die gleichen nachbarlichen Be-: ziehungen, welche uns zum ersten Male schon bei einem Keime mit siebzehn Urwirbelpaaren entgegengetreten sind; ich möchte auf die Tafelfig. 14 d verweisen. Von den beiden Grenz- lamellen der Platte ist namentlich die laterale gut entwickelt. Sie entbehrt zwar des epithelialen Gefüges, auch sind ihre Zellen durch Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 331 beträchtliche Lücken voneinander gesondert. Gleichwohl ist die Zell- reihe namentlich bei mittelstarker Vergrößerung leicht als einheit- liches Ganzes sofort ersichtlich. Etwas schwieriger hält es, die innere Lamelle genau abzugrenzen, denn ihre Zeltreihe ist hier in der Höhe der dorsalen Aorta weniger scharf von der Nachbarschaft abgegliedert. Sie zieht hier nach einwärts von der Gefäßanlage v empor. Das von beiden Lamellen eingeschlossene Zellmaterial bildet ein lockeres Gerüst, das von größeren und kleineren Lücken durch- setzt ist. Der der ventralen Aorta benachbarte Abschnitt der Platte läßt überaus deutlich Zellstränge und Zellbälkchen erkennen, welche zum Teil ausgeprägt epitheliales Gefüge aufweisen. Irgendeine Regel- mäßigkeit in der Lagerung dieser Gebilde kann ich nicht erweisen. Das Vorderende der distalen Zellplatte ist bereits in den distalen Nach- barschnitten völlig zurückgetreten. Die in der Zeichnung nicht näher bezeichnete, dem Ectoderm angeschmiegte Grenzschicht geht nach ein- wärts in den medialen Endabschnitt m.E des Fußteils über. Ihre Abgrenzung vom Ventralrande der Mandibularportion des Quintus- ganglions gelingt in unserm Schnitte leidlich gut, besser im gleich zu besprechenden proximalen Nachbarschnitt der Tafelfig. 18e. Weit schärfer jedoch vermögen wir diese Trennung in den Tafelfig. 18 f und g auszuführen; ihre Schnitte gehören dem Keime der Konstruk- tion IV an. — Im. proximalen Nachbarschnitt (Tafelfig. 18 e) bietet die Zellplatte wieder andre Formverhältnisse dar. Sie ist hier steiler aufgerichtet und mit ihrer oberen Hälfte sogar leicht nach innen vorgeneigt. Die ventrale Hälfte zeigt eigenartige Verhältnisse. Wir erblicken den Durchschnitt eines epithelialen Balkenwerkes, welches rundliche Lücken einschließt; hierdurch wird wohl auch die besondere Form- gestaltung des Außenrandes bedingt, der Einschnitte und Kerben aufweist. Die unterhalb der aufsteigenden Aorta lagernde niedrige ventrale Kante der Platte ist von der Nachbarschaft nicht ganz scharf getrennt. Aus dem Balkenwerke erhebt sich ungefähr in der Höhe der Darmseitenkante die Dorsalhälfte der Platte; sie ist verhältnis- mäßig schmal und ragt mit einer Zacke in die Mandibularportion des Quintusganglions vor. Die beiden Grenzlamellen sind recht deutlich zu übersehen; nur im Bereiche des dorsalen Endabschnittes ist ihr Lauf etwas unregelmäßig. Die der inneren Lamelle benach- barten Zellen sind zu einem Zellband angeordnet, welches bis zur Höhe der Gefäßanlage » hinanreicht. Es hat fast den Anschein, daß durch dieses der Platte recht eng angeschmiegte Band eine 232 H. Rex Verbreiterung ihres Querschnittes angebahnt wird. In den proximalen Nachbarschnitten wird der Umriß der Platte weniger deutlich, so daß wir hierüber keinen befriedigenden Aufschluß erhalten. — Über die Beziehungen einer kleinen nach außen von der absteigenden Aorta lagernden, epithelial umsäumten Lichtung zur Zellplatte konnte ich nicht ins klare kommen. — Auf der rechten Seite wird die Platte in der Höhe der Darmseitenkante von Gefäßanlagen durchsetzt. Bei dem Keime der Profilkonstruktion IV zeigt die proximale Zellplatte eine ungleich reichere Differenzierung; namentlich ihre Beziehungen zum Höhlchenwerke sind hier sehr innige. Im siebenten Schnitte vor der Kiementasche taucht ein kleines Zelllager auf, welches im Niveau der Dorsalwand der absteigenden Aorta liegt und mit seiner Innenhälfte zwischen zwei Gefäßdurchschnitten ein- gelassen ist. Im achten Schnitte erreicht das Dorsalende der proxi- malen Zellplatte dieses Lager. Die Tafelfıg. 18 f ist dem folgenden, dem neunten entnommen. Seitwärts von der Cardinalvene wird der Durchschnitt der Mandibularportion des Quintusganglions P.m.Vt sicht- bar. Bezüglich der Bedeutung des dem Ectoderm angeschmiegten ventralen Abschnittes darf ich wohl auf das früher Gesagte ver- weisen. Die Schilderung des Mesoderms soll in der ventralen Schnitt- hälfte beginnen. Den medialen Endabschnitt des Fußteiles m.E sowie die Grenzschicht erkennen wir leicht wieder. Die Außen- wand der ventralen Aorta besitzt einen dünnen Zellmantel. Die Anlage eines Verbindungsganges beider Aorten ist bereits recht weit vorgeschritten. Der verjüngte ventrale Rand der Zeilplatte endigt mit rundlichem Umriß unterhalb der aufsteigenden Aorta; die innere Grenzlamelle ist hier unten sehr deutlich entwickelt. Höher oben sehen wir im Schnitte folgendes. Der annähernd senkrecht gestellte Abschnitt der Platte ist von kleineren und größeren, meist rundlichen Lücken förmlich zerklüftet. Das Gesamtbild des Platten- querschnittes erweckt hier den Eindruck, als hätte das Zellmaterial noch nicht Zeit gehabt, zu dem in ihm auftauchenden Aushöhlungs- prozeß Stellung zu nehmen. Erst an vereinzelten Stellen kam es zur Bildung von Zellsträngen, welche sich aus deutlichem niedrigen Epithel aufbauen. Die Zeilkerne sind einander noch nicht nahe be- nachbart. Ähnliches gilt von dem in der Höhe der absteigenden Aorta gelagerten Dorsalende der Platte. Auch hier sehen wir ein epitheliales Balkenwerk. Seine seitlichen geradlinigen Grenzen bilden die direkte Fortsetzung der gleichen Umrisse der Zellplatte; es ent- sendet ferner einen epithelialen Zellstrang, der mit seinem gabelig Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 333 gespaltenen Ende ins Quintusganglion eindringt. Caudalwärts setzt sich das Balkenwerk in das oben beschriebene Zelllager fort, wel- ches wir im zweitnächsten distalen Nachbarschnitte angetroffen haben. Von den beiden Gefäßdurchschnitten, welche dort die Innenhälfte des Häufchens zwischen sich fassen, hat sich nur der obere, v, bis zum Schnitt der Tafelfigur forterstreckt. Der untere erreicht, wie die Deckung der Schnittzeichnungen ergibt, diesen Schnitt nicht mehr. Im proximalen Nachbarschnitt des letzteren ist in den kleinen Lücken gleichwie mehr Ordnung geschaffen. Hier zieht eine zierliche aus sechs kleinen runden Lichtungen bestehende Kette von der halben Höhe der ventralen Aorta bis zum Niveau der dorsalen Darmwand empor. Sie nimmt von der Zellplatte etwa das mittlere Dritteil für sich als Lagerstätte in Anspruch. Die Um- risse der Platte sind jetzt schon etwas schwerer festzuhalten. Ihre Außenfläche ist dort, wo sie noch leicht von der Nachbarschaft ge- trennt werden kann, mit kleinen Einkerbungen versehen. Das Bal- kenwerk ihres dorsalen Endes hat epithelialen Zellsträngen Platz gemacht, von welchen der eine eine kleinste Lichtung einschließt. Damit haben sich jene Veränderungen vollzogen, welche zu dem Befunde im Schnitt der Tafelfig. 18 g den Weg bahnen. Derselbe ist von dem der Tafelfig. 18 f an gezählt der fünfte. Die Lager- stätte der Zellplatte wird von einem hoch emporragenden Höhl- chenwerk eingenommen. Das tiefstgelagerte seiner Höhlchen ist schmal und der ventralen Circumferenz der ventralen Aorta nahe benachbart. Auf dieses folgen höher oben Höhlchen, die bis zur Höhe der dorsalen Aorta eine ununterbrochene Kette bilden. Nach einwärts von dieser Kette folgen eng angeschmiegte kleinere und kleinste Lichtungen und in der Höhe der Darmseitenkante Lücken in dem hier etwas dichteren Mesoderm. Endlich werden wir noch zweier hoch gelagerter Höhlehen und der Anlage eines solchen ge- wahr, welch letzteres bis nahe an die ventrale Circumferenz des Quintusganglions heranreicht. Die Wandung dieser Höhlchen zeigt keinen gleichmäßigen Bau. Vorherrschend ist ein überaus deut- liches niedriges Epithel, dessen Formverhältnisse in der Zeich- nung mit großer Sorgfalt wiedergegeben sind. Seine Elemente sind eng aneinander gereiht. Nicht selten dient eine und dieselbe Zell- reihe als trennendes Septum zweier hart aneinander anstoßenden Lich- tungen. Die dem Eetoderm zugewandten Lichtungen besitzen in ihrer Außenwand mitunter platte Zellen, deren Kerne etwas weiter voneinander entfernt sind. Auch entbehrt hier die eine oder andre 234 H. Rex Liehtung einer völlig scharfen, allseitigen Abgrenzung. — Nach außen hin läßt sich das Höhlchenwerk unschwer abgrenzen; medial- wärts dagegen fehlt eine scharfe Grenze desselben. Ich sehe late- ralwärts von dem Zellstreifen, welcher den Außenwänden der bei- den Aorten benachbart ist, eine schmale, etwas undeutliche Spalte und bin mir nicht darüber klar geworden, ob diese nicht etwa der Innengrenze des Höhlchenwerkes entspricht. Der dem Ectoderm benachbarte, in der Tafelfigur nicht näher bezeichnete Abschnitt der Mandibularportion des Quintusganglions steht mit dem dorsalen, dem Hirnrohr angeschmiegten nicht mehr in Verbindung. Bei vo sehe ich die schon recht unansehnliche Fortsetzung des gleichbezeichneten Ge- jäßes der oben besprochenen Tafelfigur. Mit diesem Schnitt haben wir das Vorderende der Zellplatte bereits erreicht. Es hat nur noch ihre Ventralkante etwas schärfere Umrisse; doch auch diese treten in den folgenden Schnitten bald völlig zurück. Man fühlt sich versucht anzunehmen, daß eine wei- tere proximale Entwicklung der Platte durch das so breit aus- ladende Höhlehenwerk gehemmt worden ist. Weiter vorn ändert sich dies Verhalten der Höhlchen. Die kleineren derselben beginnen zurückzutreten und bald übernimmt die Leithöhle, deren Hinterende knapp vor dem Schnitte der Tafelfig. 18 g auftaucht, die führende Rolle. Die Schilderung der hier obwaltenden Einzel- heiten kann ich um so eher unterlassen, als die Profilkonstruktion eine weit bessere und raschere Orientierung gewährt. Nun tritt auch schon bald der mesodermale Zellmantel des Höhlehenwerkes auf. Ich verweise auf die Tafelfig. 18 4. Die Lage dieses Schnittes ist in der Konstruktion angegeben. Der Außenwand der Leithöhle Sple ist ein seitliches Nebenhöhlehen angeschlossen. Über ihr lagern zwei weitere Nebenhöhlchen sple,, sple,,, welche im distalen Nach- barschnitt ihre Vereinigung vollziehen. Die Beschaffenheit des Septums zwischen dem unteren derselben und der Leithöhle läßt die bereits im nächsten proximalen Schnitte eintretende Vereinigung beider Lichtungen erraten. Die lateralwärts von den beiden Höhl- chen befindliche Lücke ist nicht epithelial umsäumt. Um so deut- licher ist das Epithel der Höhlen selbst; die Kerne sind einander fast durchweg dieht benachbart. Dorsalwärts ragt das wenig um- fängliche Höhlchenwerk in einen Mesodermabschnitt Zm vor, dessen Form- und Lagebeziehungen aus der Zeichnung leicht ersehen wer- den können. Derselbe entspricht dem von mir für jüngere Keime als Zellmantel der Höhlehenanlagen bezeichneten Gebilde und entbehrt Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 335 nur ein- und abwärts von Splce irgendwelcher scharfer Abgren- zung gegenüber dem benachbarten Mesoderm. Bei näherem Zusehen bemerken wir, daß er bogenförmig verlaufende epitheliale Zellzüge einschließt. Es ist die Vermutung naheliegend, daß dieselben zu kleinen Höhlchenanlagen in Beziehung stehen. Diese Vermutung bestätigen die Nachbarschnitte. Hier birgt der Mantel kleine Höhlchen, welche in verschiedenen Höhen lagern. — In dem unterhalb Splc befindlichen Mesodermabschnitt können wir uns noch leicht zurechtfinden, indem wir die in den medialen Endabschnitt m.E sich fortsetzende Grenzschicht aufsuchen. Wir sehen dann auch schon die Fortsetzung dieser Schicht, welche sich in das winklig abgebogene Vorderende des Kieferbogens erstreckt. Von beiden ist vorerst nur ein kleiner Abschnitt wahrnehmbar. — Der Schnitt der Tafelfig. 18 © gehört der zweiten Serie an, wel- cher auch die Zeichnung 18 «a entnommen worden ist. Er ist vom Darmscheitel aus nach hinten gezählt der siebente. Seine Ventralbälfte, welche das Vorderende des Vorderhirns einschließt, ist nicht mitgezeichnet worden. Die Leithöhle Sp/c ist hier im Begriff, die Vereinigung mit dem kleinen dorsalen Nebenhöhlchen sple zu vollziehen. Der Zellmantel Zm endigt mit verjüngtem zugespitztem Dorsalende nahe der Außenfläche des Quintusgan- glions V. Vom Eetoderm trennt ihn eine dünne Zellschicht, welche dort, wo die Leithöhle am breitesten auslädt, fast ganz zurücktritt. Unterhalb der letzteren setzt sich der Mantel als dünne der Höhlen- wand angeschmiegte Schale fort, welche leidlich gut vom benach- barten Mesoderm abgegrenzt werden kann. Die mediale Grenze ist aus der Figur leicht ersichtlich. Es fällt uns in dieser noch Zweierlei auf. Die Wandung des dorsalen Nebenhöhlchens setzt sich in einen zweizeiligen Epithelstrang zsir fort, welcher im Zellmantel einge- schlossen bis zu dessen spitzen Dorsalende emporreicht. Es ist die Vermutung recht nahe liegend, daß wir es mit einem ver- kümmerten Abschnitt der Höhlenanlage Sp/e zu tun haben, welcher die im Plane vorgesehene Höhenausdehnung der- selben anzeigt. Es wird diese Annahme auch durch die Befunde bei Jüngeren Keimen gestützt; ich brauche bloß auf die Tafelfig. 16 9 und A zu verweisen. Die nächstjüngere Entwicklungsstufe zeigt uns der Befund, welchen die Tafelfıg. 14 ce erkennen läßt. — Fürs zweite bietet uns die Wandung der Leithöhle recht verschiedene Differen- zierungsstadien dar. Neben ganz platten Zellen sind auch solche von stattlicher Höhe vertreten, deren basale Abschnitte Selbständigkeit Morpholog. Jahrbuch. 33. 16 236 H. Rex aufweisen. An der unteren Circumferenz der Höhle ist das Epithel höher differenziert. Hier hat sich bereits eine Art zarter Basalmem- bran entwickelt. Kurz, es walten dieselben Verhältnisse vor, welche ich für die Wandung der Prämandibularhöhle von Entenkeimen mit 35 bis 38 Urwirbelpaaren beschrieben habe. — Der unterhalb der ventralen Cireumferenz des Zellmantels folgende Mesodermabschnitt, welehen das schräg getroffene Vorderende des Kieferbogens ein- schließt, läßt sich nicht mehr mit Sicherheit analysieren. Weiter vorn schließt der Zellmantel auch vereinzelte ganz statt- liche dorsale Nebenhöhlehen ein, welche bis zum Niveau der ven- tralen Wand der Cardinalis heranreichen. Vor dem Darmscheitel wird sein Umfang bald recht bescheiden. Es treten hier die schon. für jüngere Keime mit 21 Urwirbelpaaren beschriebenen Beziehungen zur Wurzel der Cardinalis deutlich hervor und endlich finden wir das Vorderende des Mantels auf einen dünnen Zellsaum reduziert vor, weleher dem dorsomedialen Umfang des unansehnlichen proxi- malen Ausläufers der Leithöhle angesehmiegt ist. — Ich habe be- reits einmal darauf hingewiesen, welche Bedeutung der Mantel besitzt. Er entspricht jenem Abschnitt des Mesoderms der Kiefer- region, welcher dem uns wohlbekannten, immer wieder recht regen Aushöhlungsprozesse noch zugänglich ist und neben neuen Höhlenanlagen auch Reste von solehen einschließt. Die Anlage der prämandibularen Kopfhöhle besitzt bereits ge- räumige Einzellichtungen, deren Vereinigung zu einer Gesamtlich- tung allerdings noch aussteht. Die seitlichen Abschnitte sind jetzt weit deutlicher als früher von dem benachbarten Mesoderm geschie- den. Sie tauchen in äußerst lockeres Mesoderm ein, welches auch an das Vorderende der Leithöhle heranreicht. Bezüglich der Profilkonstruktion IV möchte ich hier nur einiges zur Orientierung berichten; eine eingehende Schilderung namentlich der Entwicklung der Kontaktfelder der beiden Kiemen- taschen sowie der Kieferregion soll später erfolgen. Wie bei den Konstruktionen II und III sind Hirn und Darm nach den Umrissen in der Mediane eingetragen worden. Von der Anlage des Quintus- ganglions hat nur die distale Hälfte Berücksichtigung gefunden; auf die Rekonstruktion des Vorderendes der Anlage des Vagusganglions mußte ich verzichten, da ich die hier in Betracht kommenden Ein- zelheiten nicht klar genug zu deuten vermochte. — Die Volllinie Sple wurde in der uns schon bekannten Weise gewonnen. Unter- halb des zweiten und dritten Urwirbels steigt sie je einmal an; es Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 337 ist dies wohl eine Reminiszenz an die Beziehungen der Cölomtasche zu den früher bestandenen Urwirbelkommunikationen. Unterhalb des Glossopharyngeusganglions ist der Übergang in die Pericard- tasche bereits vollzogen. Von da ab wird auch die scharfe Abgren- zung der dorsolateralen Pericardkante überaus deutlich. Wir sehen auch, daß das Scheitelende des cardialen Mesoderms sich unmittel- bar in den jetzt schon ganz stattlichen Unterkieferfortsatz fortsetzt. Dieser beherbergt die distale Zellplatte sowie den ihrem Vorderende angeschmiegten caudalen Fortsatz der proximalen Platte. Die Grenze zwischen beiden ist nicht eingetragen worden; es erweckt daher die Darstellung den Eindruck, daß beide Platten zu einem einheitlichen Gebilde vereinigt sind. Ihrer ganzen Entwicklungsart entsprechend läßt die distale Platte eine scharfe hintere Abgliederung vermissen. — Irgendeine markante proximale Grenze des Unterkieferfortsatzes vermag ich, wie leicht begreiflich, nicht zu geben; mit der Anlage des Oberkieferfortsatzes schließt er einen rechten Winkel ein. Die Abknickung, welcher wir bei jüngeren Keimen im Bereiche des letz- teren begegnet sind — siehe die Konstruktion III — fehlt bei un- serm Keim. Sie kehrt aber in der Konstruktion V wieder. — In die proximale Zellplatte taucht das Hinterende des mandibularen Höhlchenwerkes ein. Die Dorsalhälfte dieses Hinterendes, wel- che zum Teil von der Mandibularportion des Quintusganglions ge- deckt wird, ist bereits leicht als Anlage des Labyrinths von Höhl- chen und Gängen A; zu deuten, das bei unserm Untersuchungs- objekt die dritte Kopfhöhle vertritt. Über die langgestreckte Leithöhle des Höhlenwerkes, deren Zellmantel, sowie die erste Kopf- höhle werde ich später berichten. — Der weit vor dem proximalen Rande des Kontaktfeldes der ersten Kiementasche lagernde inter- mediäre Aortenbogen (KASTSCHENKOo) ist stattlich entwickelt; nahe dem ersten Aortenbogen ist die Anlage eines ansehnlichen Verbin- dungsganges beider Aortenschenkel sichtbar. Von den Hirnästen des Aortenbogens ist namentlich der ventrale, welcher der Anlage der Carotis interna entspricht, besonders stark. Keime mit 26 und 27 Urwirbelpaaren. (Taf. VI Fig. 20 a; Taf. VII Fig. 19 a—b; Taf. VIII Fig. 20 5—c; Taf. IX: Konstr. V.) Die folgende Schilderung ist einer Querschnittreihe von einem Keim mit 27 Urwirbelpaaren entnommen worden. Ich habe die Sehnittrichtung in der Profilkonstruktion V durch die punktierte 16* 238 H. Rex Linie 2—z; anzudeuten versucht. — Für die kegion der vordersten Urwirbelpaare will ich mich auf eine kurze Beschreibung des vis- ceralen Mesoderms beschränken und dieser einige Bemerkungen über das Verhalten der ersten Hautmuskellamelle anfügen. Die Reduktion der Cölomtasche macht sich bereits in der Region der vierten Hautmuskelplatte bemerkbar; im Bereiche der Vorder- hälfte der zweiten Platte, unterhalb welcher die Knospe der vierten Kiementasche auftaucht, ist auch schon ihre Umwandlung ins Hinter- ende der Pericardtasche vollzogen. Es sind im wesentlichen die gleichen Veränderungen, welche uns die Textfig. 45—48 kennen gelehrt haben, nur sind dieselben durch die gleich näher zu schil- dernden Veränderungen des dreiseitigen Zellstranges in manchem verändert. Dieser wandelt sich zum mesodermalen Zellmantel des Darmrohres um. Im Bereiche der vierten Hautmuskellamelle deckt der im Querschnitt keilförmige, ventral zugeschärfte Strang schon die Dorsalhälfte der seitlichen Darmwand. Der Darm ist hier hoch und schmal. Unterhalb der dritten Lamelle lädt der Darm seitlich etwas breiter aus; hier erreicht der scharfe ventrale Rand des Stranges bereits die gleiche Wand des Darmes und sein oberes, breites Ende strebt unterhalb der unpaaren dorsalen Aorta eine Vereinigung mit jenem der Gegenseite an. Wir können hier wohl schon von einem Zellmantel des Darmrohres sprechen. Die Beziehungen der Schlundplatte zu diesem Mantel sind außeror- dentlich innige. Unter der dritten Lamelle entbehrt die basale Fläche ihres verjüngten dorsalen Dritteiles durch die Abgabe von Zellmaterial an den Mantel eines scharfen Abschlusses; es ist jedoch immerhin eine Trennung beider noch durchführbar. Von den zahl- reichen Mitosen, welche wir in den hohen schlanken Zylinderzellen der Schlundplatte nahe der freien Fläche antreffen, weist die über- wiegende Mehrzahl auf die Vorbereitung einer lebhaften Proliferation hin. Schon beim Überschreiten des Vorderendes der dritten Lamelle wird das Bild ein andres. Hier überragt das Dorsalende der Schlundplatte die tief herabrückende Decke der Cölomtasche und setzt sich medialwärts unmittelbar in den Darmmantel fort. Das gleiche gilt auch von dem an der Begrenzung der schon recht niedrigen Cölomtasche beteiligten, also freien Teiles der Schlund- platte; auch ihn vermag ich von der Darmhülle nieht mehr zu tren- nen. Früher war durch die nach Art von Palisaden aneinander gereihten basalen Zellenden ein scharfer Abschluß der Basalfläche des Epithels hergestellt worden. Jetzt ist dieser Abschnitt durch Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 339 die reichliche Proliferation neuen Zellmaterials förmlich zerklüftet. Dort, wo es noch gelingt, kurzer Strecken der Basalfläche ansichtig zu werden, erscheint sie wie angenagt und läßt erkennen, daß das Epithel an Höhe eingebüßt hat. Auch nahe der freien Fläche des- selben, wo wir abermals zahlreiche Mitosen antreffen, ist der Zu- sammenhang der Zellen kein sehr inniger mehr. ; In der Region der zweiten Lamelle wird eine Analyse des dich- ten visceralen Mesoderms, welches das breite Gelaß über der vor- und abwärts sich herabsenkenden Decke der Cölomtasche erfüllt, dadurch sehr erschwert, daß hier der Rest der Taschenliehtung bald ganz zurücktritt. Das viscerale Mesoderm ragt dorsalwärts in die breite Spalte zwischen Aorta und Cardinalis vor und macht seitlich von dieser erst an der ventralen Circumferenz der Aorta sowie an der Unterwand der Cardinalis Halt. Es ist von Strängen und Resten dicht gestellter Blutzellen durchsetzt; außen wird es durch das Va- gusganglion vom Ectoderm geschieden. — Die nahe dem Vorder- ende der zweiten Hautmuskellamelle in dies dichte Zelllager einge- senkte Knospe der vierten Kiementasche hat im Verein mit dem ihr zustrebenden Eetodermbezirk eine bedeutende Veränderung geschaf- fen. Das viscerale Mesoderm oberhalb der Pericardkante ist hier- durch stark verschmälert worden; die dorsalen nachbarlichen Be- ziehungen sind die gleichen wie früher. — Schon früher, in jener Region, in welcher die Cölomtasche nurmehr die halbe Höhe der Darmseitenwand erreicht, hat bereits der Umschlag der Somatopleura das aufwärts emporstrebende und nach kurzem Laufe im dorsalwärts folgenden dichten visceralen Mesoderm sich verlierende Außenende der Schlundplatte unterfaßt. In der Region der Anlage der vierten Tasche ist die Verlötung des hier die Pericardkante allein herstellen- den Umschlags der Somatopleura mit dem Außenende glatt durch- geführt. Unterhalb der halsartigen Abgangsstelle der Taschenanlage läßt eine unvermittelte Verminderung des Höhendurchmessers des Epithels die Vereinigungsstelle leicht erkennen. Es gelingt uns auch unschwer, die baulichen Differenzen der beiden hier vereinigten Epithelstrecken festzustellen. Knapp vor der Knospe erreichen wir auch den Rest der ersten Hautmuskellamelle. Er ist in zehn Schnitten wahrnehmbar. Am besten ist wieder das niedrige Hinter- ende erhalten. Das Hautblatt ist der Sitz einer lebhaften Prolife- ration embryonalen Bindegewebes. Weiter vorn behauptet das Myotom in Form eines unansehnlichen Streifehens allein das Feld und auch von diesem erblieken wir bald nur noch ein kurzes dorsales Ende. 240 H. Rex Das erste Sklerotom wird durch die vom Hirnrohre absteigende Car- dinalis stark in seiner Entfaltung beeinträchtigt. Es ist einwärts vom Gefäß recht locker. Weiter vorn, wo wir auf das Hinterende des dem Hirn angeschmiegten Cardinalisschenkels stoßen, ist es in dem Gelasse zwischen der Vene und der Aorta merklich verdichtet; diese Verdichtung setzt sich bis zur Region des ersten Branchial- bogens fort. Ich bedaure, daß weder mein Material noch die an- gewandten Methoden es mir gestattet haben, Genaueres über die Entwicklung der Wurzel des Vagus festzustellen. Und es wäre gewiß von Interesse, etwaige Beziehungen zwischen diesen Ent- wicklungsverhältnissen und der Rückbildung eines Teils der ersten Hautmuskellamelle aufzudecken. Vor der Knospe der vierten Kiementasche ist der zwischen Ecto- derm und Entoderm eingeschaltete, vielleicht schon als branchial zu deutende Mesodermabschnitt recht dünn. Die beiden Schenkel seines )-förmigen Fußteils ruhen der Pericardkante auf. Der dorsale End- abschnitt, hier vorn weit weniger dicht, erreicht den Spalt zwischen Cardinalis und Aorta und grenzt lateral ans Ectoderm sowie an das hier schon recht hoch lagernde, verschmälerte Vagusgarglion. Die hohe schmale Außenwand der dritten Kiementasche hat einen völligen Anschluß ans Ectoderm noch nicht erlangt; oberhalb des Darmes treffen wir hier das Hinterende des Hirnschenkels der Cardinalis an. Der vorhin erwähnte dorsale Endabschnitt des branchialen Mesoderms setzt sich auch über die Dorsalwand der Kiementasche fort. Hier ist für ihn die kleine Ecke ausgespart, welche diese Wand mit dem Ectoderm einschließt. Vor der Tasche geht dieser Ab- schnitt in den dorsalen Endteil des Mesoderms des ersten Kiemen- bogens über. Wir werden auch der Fortsetzung des oben er- wähnten A-förmigen Fußteils gewahr. — Aus dem Mesoderm des ersten Kiemenbogens hat eine schmale Zellplatte ihre Ent- wicklung genommen; sie gleicht jener, die wir im Hyoidbogen bei jüngeren Keimen angetroffen haben. Innen grenzt dieselbe an den schon recht dichten Zellmantel der Darmseitenwand, außen wird sie durch eine dünne, sich abwärts verjüngende Mesodermschicht vom Ectoderm geschieden. Ihr Dorsalende überragt das Niveau der unteren Aortenwand nur um weniges. Das ventrale ist noch nicht scharf abgesetzt. Eine scharfe dorsomediale Abgrenzung des bran- chialen Mesoderms treffen wir nur in wenigen Schnitten an. Sie wird hier durch die uns schon bekannte, schräg zum Eetoderm emporziehende Grenzlinie gegeben. Vor dem ersten Sklerotom Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 241 semahnt der in der Cardinalis-Aortenenge eingelassene Abschnitt des dorsalen Mesoderms in seinem Verhalten sehr an den gleichen Abschnitt in der Hyoidregion. Er ist recht dicht und sticht von seiner der Chorda zustrebenden medialen weit loseren Fortsetzung scharf ab. In der Region des Hyoidbogens bekleidet der Zellmantel der Darmseitenwand auch die dorsolaterale Kante des Darmes. Das ver- Jüngte Dorsalende der Zellplatte tritt nahe an die ventrale Circum- ferenz des Gehörgrübcehens heran. — Im Unterkieferfortsatz ist das Mesoderm, welches die beiden Zellplatten einhüllt, weit schärfer als früher zu einer dem Ecetoderm angeschmiegten Sonderschicht angeordnet, welche namentlich längs des ventralen Abschnittes des- selben eine besondere Selbständigkeit aufweist. Sie setzt sich auch entlang der seitlichen Darmwand aufwärts fort und vereinigt sich mit dem schon recht dichten Zellmantel der aufsteigenden Aorta. Proximalwärts gehen diese Mesodermschichten unmittelbar in die uns bereits bekannten Zelllager fort, welche ich als Grenzschicht und medialen Endabschnitt bezeichnet habe. Der letztere dringt vor der Kiementasche mit zugeschärftem dorsalen Rande zwischen die Innenwand des Gefäßes und das Darmrohr aufwärts vor; die dorsale Gefäßwand ist vom Darme durch nur spärliche Zellen ge- schieden. Über das Mesoderm im Unterkieferfortsatz orientiert uns der Schrägschnitt der Tafelfig. 19 a. Er ist einem Keime mit 25 Urwirbelpaaren entnommen; die Schnittrichtung habe ich in der Konstruktion V anzudeuten versucht. Wir überblicken zunächst den Verlauf einer großen Strecke der aufsteigenden Aorta a.a, und zwar vom Vorderende des Truncus arteriosus Tr.a an bis zum inter- mediären Aortenbogen 2.4 (KASTSCHENKo). Ihre Zellhülle ist uns schon aus den Querschnitten bekannt. Seitwärts vom Gefäße sehen wir die Zellplatte m.Zpl,. Sie wird beiderseits von der Nachbar- schaft durch einen deutlichen Spalt getrennt. Ihre Beziehungen zum Pericardscheitel sollen später besprochen werden; ich wende mich zunächst ihrem Baue zu. Er läßt deutlich epithelialen Typus er- kennen. Die beiden randständigen Zellreihen gehören überaus regel- mäßig gefügten Lamellen an. Es sitzen die Zellen einer Art zarter Mem- bran, welche die miteinander verschmelzenden seitlichen Ausläufer der Zellleiber bilden, so dicht auf, daß die Kerne nicht in einer Reihe Platz finden. Beide Lamellen schließen vereinzelte Zellen zwischen sich ein. Das Vorderende der Platte erweckt bei der y2N) H. Rex ersten Betrachtung den Eindruck, als faßten die beiden hier aus- einandertretenden Grenzlamellen das durch ein. paar Lichtungen repräsentierte Hinterende des Höhlchenwerkes zwischen sich. Ein eingehenderes Studium fördert jedoch andre Verhältnisse zutage. Das in den Schnitt fallende Hinterende des Höhlchenwerkes be- steht zunächst aus einem etwas größeren Höhlchen Splc, welches ventralwärts von der Cardinaliswurzel ca, lagert. Seine distale Wand steht mit einem epithelialen Bälkchenwerk in Verbindung, welches kleinste, in der Figur nicht näher bezeichnete Höhlchen in sich birgt. Jetzt werden wir auch distalwärts von diesen Bälk- chen des Durchschnittes der proximalen Zellplatte m.Zpl, gewahr; ihr wohl abgegrenztes rundliches caudales Ende kreuzt das proxi- male der distalen Platte. Dieses ist abgerundet. Fast scheint es, als wäre noch eine weitere ceraniale Fortsetzung desselben vor- handen, welche bis zur Höhe des Verweisungsstriches <.A heran- reicht. Ein Rest derselben ist auch in dem bald zu besprechenden dorsalen Nachbarschnitt der Fig. 19 5 sichtbar. — Die innere Grenz- lamelle der proximalen Platte schließt direkt an das vorhin erwähnte Balkenwerk an; die äußere hört bei dem vom Schnitte getrof- fenen kleinen Endehen der Mandibularportion des Quintusganglions P.m.Vi auf. Diese ganz auffallende Inkongruenz in den nachbar- lichen Beziehungen beider Platten wird uns im nächsten Schnitte weit klarer. Er ist als dorsaler Nachbarschnitt zu bezeichnen. Das uns interessierende Territorium desselben gibt die Tafelfig. 19 5 in stärkerer Vergrößerung wieder. Die distale Platte m.Zp/, hat eine erhebliche Verkürzung erfahren, sie endigt abgerundet. Die proxi- male m.Zpl, hingegen weist eine leichte Verlängerung auf. Weit besser als früher sehen wir jetzt ihre beiden Grenzlamellen. Ihr verjüngtes, gut abgerundetes und leicht nach außen hin deviierendes Caudalende kreuzt das Vorderende der distalen Platte. Beide Grenz- lamellen schließen rundliche, zum Teil deutlich epithelial umsäumte Lücken ein. Die laterale zieht von der Höhe der Darmseitenkante an ungefähr parallel dem Eetoderm proximalwärts und läßt sich bis nahe ans Höhlchen splce sowie den kleinen Abschnitt der Mandibular- portion des Quintusganglions P.m.Vi hin verfolgen. Die mediale lenkt oberhalb der Darmkante nach einwärts ab und wird bald un- deutlich. Wir bemerken in unsern Schnitten noch eines. Es tritt ganz klar das Bestreben zutage, die eben geschilderten Inkongruenzen, Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 343 welche der Anschluß beider Plattenenden aufweist, gleichsam zu korrigieren. So sehe ich im Schnitte der Tafelfig. 19a die kleine Kerbe, welche sich an der Stelle der Kreuzung der Außenränder der beiden Platten bemerkbar macht, schon durch eine Zelle aus- geglichen, welche eine Kontinuität beider Lamellen vortäuscht. — Vom Sehnitte 19 a ventralwärts vorschreitend bemerken wir, daß sich die einander zugekehrten Plattenenden nurmehr mit einem schmalen inneren Endabschnitt erreichen; die so entstandene tiefe Kerbe an der Außenseite der Vereinigungsstätte wird durch ein genau ein- gepaßtes Zellzwickel ausgefüllt. Der weiteren Verfolgung der distalen Platte treten bald größere Schwierigkeiten entgegen, welche wohl durch die Schnittriehtung bedingt sind. — In den dorsalwärts folgenden Schnitten entzieht sich die Platte unter rascher Verschmäle- rung sehr bald dem Blick. Die Beziehungen des Hinterendes der distalen Platte zum Peri- eardscheitel sind durchaus nicht leicht zu erkennen. Der kleine Ein- schnitt, durch welchen das das endotheliale Truncusvorderende beklei- dende viscerale Pericardblatt vom parietalen geschieden wird, erweitert sich in den ventral folgenden Schnitten zu einem ganz stattlichen schmalen Divertikel, das auf eine kurze Strecke hin proximalwärts vordringt. Divertikel und Einschnitt, beide haben mich geraume Zeit zur Annahme verleitet, daß die distale Zellplatte aus der eranialen Fortsetzung beider Pericardblätter ihre Entwicklung nähme. Es ist mir jedoch auch hier die richtige Deutung der Befunde ge- glückt. Unser Schnitt geht schon nahe der dorsalen Circumferenz des Truneusvorderendes hindurch. Bereits bei jüngeren Keimen sind in dieser Höhe — s. die Textfig. 41 und 42 — die beiden Lamellen des Pericardscheitels so eng aneinander geschmiegt, daß eine Lich- tung nicht mehr erweislich ist. Wir werden daher eine solche auch in unserm Schnitte nicht erwarten dürfen und müssen daher die Klarlegung der Beziehungen zwischen Zellplatte und Pericardscheitel von dem Studium der ersteren anstreben. Da lehrt uns die Ver- folgung des lateralen Konturs der Platte bei stärkerer Vergröße- rung, daß er sich keineswegs distalwärtsin jenen des parie- talen Pericardblattes fortsetzt. Er läßt sich vielmehr, die Dieke des Plattendurchschnittes gleichmäßig weiter führend, auf eine kurze Strecke distalwärts in das dichte Zelllager hinein verfolgen, zu welchem sich hier vorn beide Pericardblätter ver- einigt haben. Das nach außen von dieser Fortsetzung gelagerte Zellmaterial geht proximalwärts in das dem Ectodermmantel des 244 H. Rex Unterkieferfortsatzes angeschmiegte lose Mesoderm über. Nach Feststellung dieser Verhältnisse gelingt uns die Orientierung auch in den Nachbarschnitten, hier sogar weitaus leichter. So wird bei einem nur wenig älteren Keime, der in der gleichen Richtung ge- schnitten worden war, durch das bereits erwähnte Divertikel der Perieardlichtung eine ungleich klarere Einsichtnahme geboten; sie bestätigt den eben geschilderten Befund ganz. Derselbe steht in bestem Einklange mit den früheren Untersuchungsergebnissen, welche gelehrt haben, daß die distale Platte der eranialen Fortsetzung des Eetocards entstammt. Die vorhin klargestellten Beziehungen zwischen den beiden Zellplatten im Unterkieferfortsatze bilden eine willkommene Ergän- zung zu jenen Befunden, welchen wir in dem Querschnitt der Tafel- figur 18 c begegnet sind. — Unter den Sagittalschnitten fesselt zunächst der Medianschnitt unsre Aufmerksamkeit. Einem solehen von einem Keime mit 25 Ur- wirbelpaaren ist die Tafelfig. 20 « entnommen. Der Darmscheitel ist geschlossen und vom Reste der interepithelialen Zellmasse völlig abgegliedert. Dasselbe hatte ich seinerzeit auch bei einem Entenkeime mit der gleichen Urwirbelzahl gefunden. Der Rest läßt zwei Abschnitte unterscheiden. Ein niedriger, ventraler © reicht nahe ans Gefäß vo heran und entspricht der Kommissur des ersten Kopfhöhlenpaares. Der zweite höhere dorsale Abschnitt z, ist sehr dünn und nur in zwei Schnitten nachweisbar. Er ist an seinem Dorsalende so innig mit der Chordaspitze vereinigt, daß eine Ab- grenzung beider nicht durchführbar ist; seine Zellen sind etwas regelmäßiger gelagert, und es ist eine ungemein zarte Membran nachweisbar, welche den Strang umscheidet. — Bei einem zweiten, etwas älteren Keime, welcher ein Urwirbelpaar mehr besessen hatte, vernag ich wiederum die beiden Abschnitte des Zellmassenrestes aufzufinden. Der ventrale ist sehr unscheinbar, er stellt die Kom- missur des Höhlenpaares wie bei dem jüngeren Keime dar. Der dorsale wird in seiner unteren Hälfte von einer deutlichen oblongen Höhlung durchsetzt, welche epithelial umsäumt ist. Eine Abgrenzung der oberen Hälfte von der dünn ausgezogenen Chordaspitze kann ich auch hier nicht durchführen. Es hat den Anschein, als setzte sich die Cutieularscheide der Chorda auch auf diese obere Hälfte fort. Kompliziert wird der Befund durch ein stattliches, ovales Chordakorn, welches sich von vorn her in eine Bucht des Zellmassenrestes knapp unterhalb seiner Lichtung Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 345 einlagert. Ich werde später eine Deutung dieser Befunde ver- suchen. Ich will diese Serie der weiteren Darstellung zugrunde legen. Der Schnitt der Textfig. 49 ist vom Medianschnitt aus gezählt der zwölfte. Die am Darmrohre mit Z, IZ, III und IV bezeichneten Ab- schnitte gehen seitwärts in die entsprechenden Kiementaschen bzw. Anlagen von solchen über. Das vom Unterkieferfortsatz umschlossene Rohr,der Aorta ascendens a.a besitzt den uns schon bekannten Zell- mantel, der namentlich an der dorsodistalen Peripherie des Gefäß- rohres eine stattliche Dieke erreicht. Vor der Acıta lagert die distale Zellplatte m.Zpl,, und endlich die dem Eetoderm angeschmiegte Grenzschichtt. Die eigenartigen Gefäßverhältnisse oberhalb der ersten Kopfhöhle X, erheischen große Vorsicht in der Deutung. Der Blutstrom nimmt jetzt hauptsächlich durch den intermediären Aorten- bogen :.a seinen Weg. Die ursprüngliche proximale Fortsetzung der aufsteigenden Aorta ist jetzt fast ganz in den Dienst des ven- tralen Hirnastes v.Aa getreten. Die ihr entsprechende Strecke der absteigenden Aorta (a.d) ist in Rückbildung begriffen. Die von ihr abgehenden Hirnäste d.ha, von welchen der distale fast gänzlich ob- solesziert ist, dürften vielleicht den von mir in den Profilkonstruk- tionen eingetragenen und hier als dorsale Hirnäste des Aorten- bogens bezeichneten Gefäßen entsprechen. Welche Stellung sollen wir jedoch den beiden Verbindungsbahnen einräumen, die vor- und abwärts vom intermediären Bogen .a die Gefäßstrecke (a.d) mit der ursprünglichen Fortsetzung der aufsteigenden Aorta verbinden ? Es sind zwei vorhanden, « und £. « erreicht das Ziel in unserm Sehnitte nieht. Zwischen beiden finden wir unregelmäßig gestaltete, zum Teil mit Blutzellen gefüllte kleine Gefäßdurchschnitte, welche den Eindruck erwecken, daß sie noch vor kurzem mit der vorderen Hälfte ihres Gefäßrahmens Verbindungen unterhalten haben, also mit zu den Resten des ersten Aortenbogens gehören. Hat dies auch für # Gültigkeit? Vielleicht haben wir diesem Gefäße den Rang einer jener selbständigen Verbindungsbahnen einzuräumen, denen wir auch schon in den Profilkonstruktionen begegnet sind. Der Be- fund auf der andern Seite unsres Keimes gibt da keine befriedigende Auskunft. Die Deekung der entsprechenden Schnittbilder zeigt, daß hier ein 8 der Örtlichkeit nach entsprechendes Gefäß nicht vor- handen ist. Wir finden da ein weiter vorn lagerndes, dünnes, offen- bar in Obsoleseenz begriffenes Gefäßchen, welches die unansehn- lichen proximalen Endabsehnitte beider Aorten verknüpft und wohl 216 H. Rex mit zum Reste des ersten Bogens zu zählen ist. Weiter hinten stoßen wir auf einen von der Vorderfläche des stattlichen intermediären Bogens abgehenden kurzen Verbindungsgang zum Hinterende von ad,. "sp a1 Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 947 Die Profilkonstruktion V endlich (Keim mit 26 Urwirbelpaaren) läßt einen kümmerlichen Rest des ersten Bogens erkennen; von Verbin- dungsgängen sehe ich nur den unscheinbaren ventralen Rest eines solchen. Der intermediäre Bogen ist sehr stark ausgebildet.’ Ich möchte überdies hier noch bemerken, daß ich die eben geschil- derten Rückbildungserscheinungen am ersten Aortenbogen schon bei einem Keime mit zwanzig Urwirbelpaaren angetroffen habe. Das Feld zwischen (a.d) und dem Hirnrohre wird von lose ver- bundenen Zellen ausgefüllt. Sie gehören jenem Mesodermabschnitte an, welchen wir im Querschnitt beiderseits vom Zellmantel des mandibularen Höhlenwerkes eingerahmt angetroffen haben. Der zwischen der Cardinalis ca und der absteigenden Aorta a.d einge- lassene Abschnitt des dorsalen Mesoderms vollzieht den Wechsel des Gefüges bei z. Er ist, wenngleich nicht ganz unvermittelt, so doch recht deutlich. Distalwärts setzt sich das unsegmentierte Kopfmeso- derm unmittelbar ins erste Sklerotom fort und dieses wiederum in das zweite Sc/,!. Zwischen den folgenden Sklerotomen wird die Ab- grenzung durch die segmentalen Äste der Aorta ermöglicht. Die weiter außen folgenden Schnitte lehren, daß von der ersten Haut- muskellamelle ein recht unansehnlicher Rest erhalten geblieben ist, der vornehmlich aus der distalen und dorsalen Kante besteht. Letz- tere scheint einem förmlichen Zerfall in einzelne kleine Abschnitte entgegenzugehen. Das erste Sklerotom wird hier außen vom zweiten durch den vom Hirnrohre absteigenden Schenkel der Cardinalis zum Teil geschieden. Aber auch seitwärts von diesem Gefäße läßt sich noch in manchem Schnitte der Rest einer etwas zellärmeren, trennenden Spalte nachweisen. Ähnliches gilt auch vom Hinterende des unsegmentierten Kopfmesoderms. Der lateralwärts vom Hirn- schenkel der Cardinalis lagernde Abschnitt des ersten Sklerotoms wird von diesem Hinterende noch in manchem Schnitte durch den Rest einer der vorhin beschriebenen ähnelnden Spalte getrennt. — Die an die Chorda herantretenden medialen Endabschnitte des zweiten bis fünften Sklerotoms lassen eine Abgrenzung vermissen. Die weiter außen folgenden Abschnitte werden jedoch durch deutliche, wenn auch äußerst dünne und von Zellen überquerte Spalten geschieden, in welehen auch die in der Textfigur sichtbaren segmentalen Ge- fäßchen gelagert sind. Wir stoßen endlich auch auf die kleinen 1 Die Verweisungsstriche Sela—Sc/; sind in der Zeichnung zu kurz ge- raten. 248 H. Rex Wurzeln der Cardinalis, welche die seitlichen Abschnitte dieser Spalten durchsetzen. Die ventrale Abgrenzung der Sklerotome ist selbstredend im Bereiche der Aorta und Cardinalis eine sehr deut- liche; aber auch zwischen diesen beiden Gefäßen ist sie leicht durchführbar. Ihre basalen Abschnitte werden hier von dem zwi- schen Cardinalis und Aorta emportretenden visceralen Mesoderm durch eine lockere Zelllage geschieden, in welche sie leicht ver- Jüngt eintauchen. Anklänge an dies Verhalten nehmen wir bereits oberhalb der lateralen Aortenwand wahr. Ich weiß nicht ob meine Vermutung zutrifft, daß diese eigenartigen Formverhältnisse zu den hier früher gelagerten Kommunikationen der Urwirbel in Beziehung zu bringen sind. Ich kehre nochmals zur Textfig. 49 zurück. Sie orientiert uns leicht über Form und Lage des vom Schnitte getroffenen Abschnittes der ersten Kopfhöhle Ä,, sowie über die vom Hyoidbogen einge- schlossenen Teile des zweiten Aortenbogens A.As, der Zellplatte A.Zp2 und des Zellmantels des entsprechenden Abschnittes der seitlichen Darmwand. — Auf dem Wege zu dem Schnitte der Tafelfig. 20 5 verlieren wir in der Kieferregion bald die Aorta descendens aus den Schnitten und damit auch die Möglichkeit, irgendeine scharfe Grenz- marke zwischen dorsalem und visceralem Mesoderm festzustellen. Die Abgrenzung der besonders differenzierten Abschnitte des vis- ceralen Mesoderms gelingt selbstredend auch im Sagittalschnitte, in- dessen ist damit noch lange nicht etwa die gesamte Ausdeh- nung dieses Mesoderms festgestellt. Ich habe schon auf die Schwierigkeiten verwiesen, welche uns da in Querschnitten begegnen, und diese gewähren in der Grenzfrage gewiß den weitaus besseren Aufschluß. So will ich denn lieber auf jeden solehen Versuch für den zu schildernden Teil unsrer Region verzichten, um der unver- meidlichen Künstelei aus dem Wege zu gehen. Wir dürfen auf unsrer Wanderung zum Schnitte der Tafelfig. 20 5 der distalen Platte im Unterkieferfortsatze nicht vergessen. Im Schnitt der Textfigur ist sie uns in der Gestalt eines schmalen, zwischen dem Zellmantel der aufsteigenden Aorta und der Grenzschicht ge- lagerten Epithelstreifens begegnet; sie ist hier, entsprechend den Formverhältnissen ihrer Lagerstätte, schwach $-förmig gekrümmt. Ihr Vorderende erreicht keineswegs die Region der hintersten von den drei Eetodermfalten, welche wir in der Zeichnung leicht auf- finden. Nach wenigen Schnitten ändert sich das Bild. Wie schon die Umrisse der Ventralwand des mit / bezeichneten Darmabschnittes Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 249 in der Textfigur erkennen lassen, sind am Unterkieferbogen zwei Teile unterscheidbar: ein größerer ventraler und ein kleinerer dor- saler. Den ersteren, welcher auch schon mit den benachbarten Ab- schnitten des Hyoidbogens und ersten Kiemenbogens in gleicher Reihe eingestellt ist, sehen wir allmählich zurücktreten und damit auch die in ihm eingeschlossene Strecke der distalen Platte. Im dorsalen Teile des Bogens taucht der caudale Fortsatz der proxi- malen Platte auf. Zuerst wird von ihm ein kleines Zellbälkchen sichtbar, welches das craniale Ende der distalen Platte ergänzt; dann tritt ein immer stattlicherer Abschnitt des Fortsatzes an die Stelle der letzteren, und endlich beherrscht der Fortsatz allein den Plan. Die Kenntnis des Verhaltens beider Zellplatten, welches uns in den Quer- und Schrägschnitten klar geworden ist, erleichtert die Einsichtnahme in die Befunde der Sagittalschnitte um ein Bedeuten- des. Ich möchte unter anderm auf die Tafelfiıg. 18 e, 19a und 5 verweisen. — In den nun weiter außen folgenden Schnitten taucht auch schon die Innenhälfte der zweiten Kopfhöhle auf, ebenso auch jene des Höhlchenwerkes der dritten; die Umrisse der proximalen Zellplatte werden deutlicher. Hier hatte ich den Umfang ihres cau- dalen Fortsatzes anfänglich zu gering eingeschätzt; indessen nötigte mich ein eigenartiger Befund zu wiederholtem Studium des Präpa- rates und ließ mich auch darüber klar werden. Die vordere Ab- grenzung des Fortsatzes ist eine sehr scharfe. Hier sind die rand- ständigen Zellen epithelial geordnet und einer Art zarter Membran aufgereiht. Anders verhält sich die dorsodistale Abgrenzung. Immer wieder erhielt ich den Eindruck, als wäre dieser Rand schräg vom Schnitte getroffen worden. Unser Fortsatz hat jetzt die Form eines schräggestellten verkehrten Kommas >; seine Spitze erreicht die Region über der tiefen Einkerbung, welche den Oberkiefer- und Unterkieferbogen absetzt. Die Umschau in seiner Nachbarschaft läßt nun erkennen, daß ein ansehnlicher Teil des dorsodistalwärts be- nachbarten Mesoderms dem kommaförmigen Abschnitte zugehört und ihn ergänzt. Er ist noch nicht ganz scharf abgegrenzt. Ich möchte auf die ähnlichen Verhältnisse in der Tafelfig. 21 A verweisen. — Schon in den nächstfolgenden Schnitten tritt die proximale Zellplatte recht scharf hervor; nun finden wir im Ergänzungsstücke ihres cau- dalen Fortsatzes kleine Lichtungen. Er wird auch durch mitunter zierlich epithelial umsäumte Höhlehen vom kommaförmigen Abschnitte geschieden. Im Schnitt der Tafelfig. 20 d übersehen wir die hier nicht näher 250 H. Rex bezeichnete proximale Zellplatte in ihrer ganzen Ausdehnung. ' Sie erreicht vor der ersten Kiementasche At, eine ganz besondere Höhe- Ihr dorsaler Abschnitt, vom Quintusganglion Y durch ein mäßig hohes Spatium geschieden, besitzt den Bau eines epithelialen Balken- werkes. Das von ihm eingeschlossene, wenig umfangreiche Laby- rinth kleinster Höhlehen A, gehört dem Hinterende des Höhlchen- werkes an; die Vereinigung der Lichtungen zu einer einheitlichen größeren Höhle, welche als dritte Kopfhöhle anzusprechen wäre, bleibt bei unserm Untersuchungsobjekte aus. Wir können daher nur von der Anlage einer solchen sprechen. Nach vorn geht die Zellplatte unmittelbar in den Zellmantel über, in welchen die noch nicht ganz fertiggestellte zweite Kopfhöhle X, eintaucht. Wir erkennen in dieser unschwer die Leithöhle des Höhlchenwerkes wieder. Mit dem Mesoderm der prämandibularen Höhlenanlage X, steht ihr Zellmantel nicht in Verbindung. An der Zellplatte nehmen wir noch den in den Unterkieferfortsatz eintretenden caudalen Fortsatz wahr. Von beiden ist nurmehr ein verhältnismäßig be- scheidener Teil in den Schnitt gefallen. Die Analyse des Fortsatzes lehrt folgendes. Seine Abgrenzung ergibt sich aus jener der Zell- platte. Der distale Rand der letzteren wird durch einen von der Anlage der dritten Kopfhöhle herabziehenden Zellzug her- gestellt, welcher von dem stattlicben Gefäß v durchsetzt wird; der ventrale ist in einer Reihe niedriger, epithelial verbundener Zellen gegeben, welche sich unmittelbar in die Ventralwand der zweiten Kopfhöhle fortsetzt. Von den beiden Abschnitten des Fortsatzes ist der vordere von einem schmalen Divertikel der Höhle #, durch- setzt; der hintere, welcher durch den vorhin erwähnten, von #; herabziehenden Zellzuge mit begrenzt wird, läßt irgendwelche be- sondere Differenzierung vermissen. Von unserm Schnitte lateralwärts ordrne a bemerken wir folgende Änderungen des Bildes. Die in Fig. 205 von der Decke der Höhlenanlage A, schon recht tief ventralwärts vordringenden kleinen Leisten treten immer mehr vor und schneiden endlich durch. Die Höhle besitzt seitliche Ausbuchtungen, deren Durchschnitt uns weiter außen als Höhlchenkette entgegentreten wird. Es ist also die völlige Vereinigung der Sonderhöhlen zu einem ein- heitlichen abgerundeten Ganzen noch nicht erreicht wor- den. Daß der Aushöhlungsprozeß in unsrer Region noch recht rege ist, beweisen kleinste Höhlehenanlagen im Zellmantel. Nun ist uns auch der Schnitt der Tafelfig. 20 e leicht verständlich. Er Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 251 ist von jenem der vorhin betrachteten Zeichnung an gezählt der dritte. Von dem im Unterkieferbogen geborgenen Fortsatz der Zellplatte ist nurmehr ein kleinster Abschnitt sichtbar. An den seitlichen Ausbuchtungen der Anlage der zweiten Kopfhöhle X, ist die Zusammengehörigkeit noch leicht erkennbar, denn die trennen- den Septa sind eben erst im Anschnitt sichtbar. Wir können uns leicht das Bild der noch weiter außen folgenden Schnitte vorstellen wenn wir die Septa breiter werden lassen. Neu ist das Höhlchen %;; es steht mit der Leithöhle A, nieht in Verbindung. Sehr lehrreich ist das Verhalten des epithelialen Balkenwerkes A,. Das Labyrinth der von ihm eingeschlossenen Höhlehen steht mit dem Hinter- ende der Leithöhle durch einen schmalen Verbindungsgang in Kommunikation. — Das Epithel der Höhlenanlage X, ist ein nie- driges; die Kerne sind nahe benachbart. Ansätze zur Bildung einer Art zarter Basalmembran sehe ich nur an ganz vereinzelten Stellen. Mitunter besitzen die Zellen spießartige, basale Ausläufer; auch tauchen stellenweise ganz platte Elemente auf. Die im vorstehenden geschilderten Befunde sind für die Deu- tung der proximalen Zellplatte von Wert. Die uns bereits bekannte Einheitlichkeit des Höhlchenwerkes im visceralen Mesoderm der Kieferregion erhält durch den Befund der Tafelfig. 20 c eine neue Bekräftigung. Sie wird uns hier durch die Vereinigung der Liehtungen der schon weit entwickelten Anlagen der zwei- ten und dritten Kopfhöhle von neuem aufs klarste erwiesen. Die innigen Beziehungen der Zellplatte zur Anlage der dritten Kopf- höhle sind uns bereits bekannt. Und nun erweist sich, daß auch die zweite Höhle solche besitzt, wie die ‘ins Vorderende der Zellplatte beträchtlich weit distalwärts vordringende Fortsetzung ihrer Liehtung — siehe die Tafelfig. 20 5 — zeigt. Diese Tatsachen lassen eine innige Zusammengehörigkeit der Zellplatte mit bei- den Kopfhöhlen leicht erschließen. Ich werde hierauf später noch eingehend zurückkommen. — Die Profilkonstruktion V wurde einem Keim mit 26 Urwirbel- paaren entnommen. Es gilt für dieselbe im wesentlichen die gleiche allgemeine Orientierung, welche ich für die Konstruktion IV gegeben habe. Ihre Verwertung soll im zweiten Teile meiner Abhandlung erfolgen. Morpholog. Jahrbuch. 33. 17 252 H. Rex Keime mit 29, 30 und 31 Urwirbelpaaren. (Taf. VII Fig. 21 a—f; Taf. VIII Fig. 21 9—n.) Eine Querschnittreihe von einem Keime mit 30 Urwirbelpaaren soll uns zunächst über die Region der vier ersten Hautmuskellamel- len unterrichten. Die Schnittrichtung habe ich in der Tafelfıg. 21 % durch den Pfeil &—xz, anzudeuten versucht. Der Schnitt der Text- figur 50 führt uns ins Bereich der Vorderhälfte der vierten Haut- muskelplatte der linken Seite. Die beiden durch ihren Bau scharf kontrastierenden Abschnitte des Sklerotoms können aus der Zeichnung leicht er- sehen werden. Eine rein- liche Abgrenzung der An- lage des vierten Spinalgan- glions sp.g, vom Sklerotom stößt auf Schwierigkeiten. Ich möchte als solche das schmale Zellplättchen an- sprechen, welches in die enge, hohe Spalte zwischen Hirn und Sklerotom einge- lassen ist. Seine Zellen sind von auffallender Kleinheit, spindelförmig und mit ihrer Längsachse der ihres Ge- lasses gleich gerichtet. Schon in den nächsten distalwärts folgenden Schnitten will mir ihre Auffindung nicht mehr glücken; um so deutlicher ist ein ventraler Rest im Bereiche der distalen Skle- rotomhälfte. In der Re- gion der dritten Hautmuskellamelle wird die Verfolgung des Plätt- chenrestes schon recht schwer; denn hier kann ich in dem Bereich ihrer proximalen Hälfte nurmehr recht unansehnliche Spuren nach- weisen. Diese sind im Gebiete der zweiten Lamelle auf vereinzelte Spindelzellchen von besonderer Kleinheit reduziert. — Bei V.sp, wer- den wir der Anlage einer ventralen Spinalnervenwurzel gewahr. Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 353 Der ventromediale, lose gefügte Sklerotomabschnitt setzt sich zwi- schen Aorta und Cardinalis nach abwärts ohne scharfe Grenze nnmittelbar ins viscerale Mesoderm fort. Dasselbe ist in der Nach- barschaft der Aorta recht lose gebaut; so ist das Gefäßrohr von einem lockeren Zellgürtel umgeben, welcher von der Umgebung deutlich absticht. Über die Entstehungsart der ventralen Hälfte die- ses Gürtels konnte ich nichts Näheres ermitteln. Klar sind die Be- ziehungen der Muskellamelle zur Anlage der Hypoglossus- muskulatur Zy.m zu übersehen. Ihr Ventralende setzt sich unter leichter Verjüngung in diese Anlage fort und stellt als dünnere deut- lich epitheliale Lamelle die innere Grenzschicht derselben her. Diese büßt tiefer unten allmählich den regelmäßigen Aufbau ein. Weniger deutlich ist die Einsichtnahme in das entsprechende Verhalten der Hautplatte; die von der Ventralhälfte ausgehende rege Proliferation dermalen Bindegewebes verschleiert das Bild. Ich habe den Ein- druck erhalten, daß der Zusammenhang zwischen dem ventralen Plattenrande und der Anlage durch eine Reihe recht locker mit- einander vereinigter Zellen vermittelt wird. Die beiden distalen Nach- barschnitte zeigen ein ähnliches Verhalten der Ventralkante; in den proximalen treffen wir nurmehr Schrägschnitte derselben an und damit wird auch das Verständnis ihrer Beziehungen sehr erschwert. Die Cölomtasche Ct? hat bereits eine ganz stattliche Einbuße ihrer Höhe erlitten. Die bei sp emportretende Spalte setzt sich in einen schon wenig deutlichen Lichtungsrest fort. Wiederum stellt das ventralwärts umgeschlagene Dorsalende der Somatopleura die Taschendecke allein her. Das Zylinderepithel der Schlund- platte ist in reger Proliferation begriffen; es sind zahlreiche, ent- sprechend gestellte Mitosen nahe der freien Fläche des Epithels vorhanden. Der Zellmantel des Darmrohres bedeckt das mittlere Drittel der Dorsalwand noch nicht; indessen, auch hier rückt das Zellmaterial bereits medianwärts vor. Die dem Darm unmittelbar benachbarten Zellen weisen namentlich im Bereiche der Ventralwand das Bestreben nach Reihenbildung auf. Längs der Darmseitenwand besteht der Zellmantel aus zwei Sonderschichten. Es ist hier eine innere etwas zarter tingierte und eine äußere stärker gefärbte Zelllage vorhanden. Die letztere ist das jüngere, erst vor kurzem vom Epithel der Schlundplatte gebildete Element und erinnert mich in seinen Beziehungen zur Platte an die bekannten jüngeren Ent- wieklungsstufen des Zellmantels. Die Textfig. 51 gibt uns ein kleines Territorium eines Schnittes 17* 954 H. Rex wieder, welcher durch das Gebiet des distalen Endabschnittes der dritten Hautmuskellamelle geführt worden ist. Der kolbenförmige Durchschnitt der Zungenmusk elanlage Hy.m imponiert als statt- liches von der Nachbarschaft wohl geschiedenes Gebilde. Sein ver- jüngtes Dorsalende ist dem Ventralrand der Hautmuskellamelle nahe benachbart. Dieser Rand entbehrt zwar eines scharfen Abschlusses, besitzt jedoch keine Beziehungen zur Muskelanlage. Bei z ist eine schwach tingierte Doppelreihe epithelialer Zellen wahrnehmbar, welche seitlich direkt ans Ven- tralende der Hautmuskelplatte an- stößt. Ich weiß nicht, ob ich dieselbe zu einem Rest der Um- schlagskante der Außenwand des Urwirbels in Beziehung bringen darf. Die Cölomtasche hat eine weitere Einbuße ihrer Höhe er- fahren. Von der Decke ihres Scheitels ragt ein kleines Zell- kölbehen Z% herab. Die Unter- suchung mit etwas stärkeren Lin- sen läßt erkennen, daß bei sp ein Rest der früheren Lichtung der Cölomtasche empordringt. Auch seitlich vom Kölbchen findet sich eine etwas feinere und auch kürzere Spalte sp,, welche der ersterwähnten gleich läuft. Das freie Ende des Kölbchens, welches in vier Schnitten nachweisbar ist, ist besonders dicht gefügt; auf die Deutung dieses Gebildes hier näher einzugehen, muß ich mir versagen. Weiter vorn treffen wir bald auf das Hinterende des Vagus- ganglions und verlieren damit auch die Zungenmuskelanlage aus den Schnitten. Der Schnitt der Textfig. 52 geht durch die Mitte der dritten Hautmuskellamelle hindurch. Gerade hier tritt die bau- liche Differenz der beiden Sclerotomabschnitte etwas zurück. Bei v.spz werden wir der Anlage einer ventralen Wurzel des dritten Spinalnerven gewahr. Der Ventralrand des Myotoms setzt sich in einen Zellzug fort, welcher in leichtem Bogen die Außenwand der Cardinalis ca umkreist und nahe der oberen Circumferenz des Vagusganglions X endigt. Das Studium der distalen Naehbar- schnitte scheint dafür zu sprechen, daß sich dieser Zellzug über die Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 355 dorsodistale Circumferenz des Vagusganglions hinweg zur Zungen- muskelanlage fortsetzt und diese erreicht. Die Feststellung des Ver- laufes fällt, wie leicht begreiflich, nicht ganz leicht. Der Zusammen- hang des Zuges mit dem Myotomrande ist nur noch in den beiden Nachbarschnitten nachweisbar. Über das Verhalten des Ventral- randes der Hautlamelle konnte ich wenig Befriedigendes ermitteln; ich weiß nicht, ob die dem Zell- zuge seitlich angeschmiegte Reihe von Zellen diesem Ventralrande zugezählt werden darf. Über das Verhalten der Cölomtasche sowie des Restes ihrer Scheitellichtung | sp orientiert die Zeichnung zur Genüge. Mit dem Hinterende der zwei- ten Hautmuskellamelle taucht auch schon die der seitlichen Darm- wand entsprießende hohle Knospe der vierten Kiemen- tasche auf. Das Vagusganglion lagert in dieser Region schon recht hoch; das Eetoderm senkt sich, der Anlage der Kiemen- tasche zustrebend, beträchtlich medialwärts ein. Die Höhe dieser Einsenkung entspricht dem me- dianen Durchmesser des Darm- rohres. Das Vorderende der Cölomtasche hat den Übergang in das distale Ende der Perieardtasche vollzogen. Die in der Textfig. 52 mit einem y bezeichnete seitliche Ausbuchtung der Somatopleura gibt uns annähernd die Stelle an, im Bereiche welcher wir das Hinter- ende der Pericardtasche weiter vorn auftauchen sehen. Von diesem Schnitte aus vordringend, erreichen wir bald die Hohlknospe der vierten Kiementasche. Bevor sie noch auftaucht, wird die Innenwand der hier schon recht niedrigen Cölomtasche unter dem Einflusse des seitlich ausladenden Darmrohres nach abwärts verdrängt. Die Schlundplatte findet hier bereits in jener Region ihr Ende, oberhalb welcher weiter vorn der gedrungene Stiel der 256 H. Rex Taschenknospe auftaucht. Ihr Außenende lenkt hier dorsal- wärts empor; eine Verfolgung ihrer äußerst kurzen dorsalen Fort- setzung ist nicht mehr durchführbar. Der breite Umschlag der Somatopleura unterfängt mit seinem zugeschärften Innenrande den lateralen Endabschnitt der Platte. Man muß aber scharf zusehen, um diese Einzelheit wahrzunehmen, denn auf den ersten Blick bilden Platte und Umschlag weiter vorn bald ein Kontinuum. Unterhalb der Kiementasche sind beide Abschnitte einander auch baulich so ähnelnd, daB nur die Vertrautheit mit den früheren Be- funden an die Vornahme einer Grenzbestimmung gemahnt. Sie wird hier durch den raschen Wechsel des Diekendurchmessers er- möglicht, welchen die scheinbar bis zur Perieardkante einheitliche Platte an der Verschmelzungsstelle aufweist. — Im Bereiche der Anlage des zweiten Kiemenbogens — 8. die Textfig. 53 — suche ich die Grenzmarke etwas seitwärts von der ventralen Kante des Darmes. Die Pericardkante wird hier gleichfalls von der Somato- pleura gebildet und weist eine Verengung ihrer Liehtung s auf. Ob ihr Scheitel etwa embryonales Bindegewebe produziert, ist mir nicht klar geworden. — Unterhalb der dritten Kiementasche gelingt die Abgrenzung des Besitzstandes der Schlundplatte sehr leicht; über diese Region hinaus möchte ich diese Einzelheiten nicht verfolgen, da hierzu eine getreue Darstellung des Entwicklungsganges des Truneus arteriosus erforderlich ist!. — Nahe dem Hinterende der An- lage der vierten Kiementasche ist eine Sonderung des den beiden Wänden der hier schon obsoleten Cölomtasche entstammenden Meso- derms nicht mehr durchführbar. Die Kiementasche taucht mit ihrer Hinterwand in diesen Mesodermabschnitt ein. Im Bereiche ihrer größten Breitenausdehnung hat die Fortsetzung des letzteren einen Querschnitt, der an den eines T-Trägers gemahnt. Die queren Schenkel sind etwas verbogen. Der untere derselben sitzt der Peri- cardkante auf und entsendet unterhalb der ventralen Darmwand eine sich verjüngende mediale Fortsetzung. Der dorsale Schenkel, welcher die Enge zwischen Kiementasche und Eetoderm überdacht, läßt eine vom Außenende der dorsalen Darmwand zur Unterwand der Cardinalis schräg emporziehende innere Grenze erkennen. Nahe derselben finden sich vorwiegend mit ihr gleichgerichtete Spindelzellen, welehe vom ein- wärts folgenden losen Mesoderm scharf abstechen. Alles in allem Ver- hältnisse, welche an die für den Keim mit 27 Urwirbelpaaren geschil- derten Entwicklungsverhältnisse der gleichen Region lebhaft erinnern. 18, auch die Schilderung auf S. 225 und 239. Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 357 Die Textfig. 53 führt uns in die Region der Anlage des zweiten Kiemenbogens. Von der zweiten Hautmuskellamelle ist die Vorderhälfte und zwar nahe der Mitte vom Schnitte getroffen worden. Die Felderung des Sklerotomquerschnittes tritt deutlich hervor. Bei vsp, wird der Durchschnitt der Anlage einer ventralen Wurzel des zweiten Spinalnerven sichtbar. Der zweite distale Schnitt weist eine ungleich zartere, doch immerhin leicht erkennbare weitere Fig. 53. Wurzelanlage auf. Das Myotom zeigt nahe der Dorsalwand der Cardinal- vene eine medialwärts vortretende knieförmige Knickung. Der hier etwas erweiterte Myocölrest beherbergt ein paar lose Zellen. Der untere Schenkel des Knies setzt sich in einen aus zwei deutlichen Zellreihen bestehen- den dünnen Strang fort, welcher seit- lich von der Cardinalis herabziehend, ungefähr in der halben Höhe der- selben sein Ende findet. Er entbehrt einer scharfen ventralen Grenze. Der dem Strange außen angeschmiegte Zellzug dürfte, wie der proximale Nachbarschnitt erschließen läßt, der Fortsetzung der Cutislamelle entspre- chen. Dies Verhalten der Hautmus- kellamelle ist nur in diesen zwei Schnitten klar ersichtlich. Die wohl zu vermutende Beziehung zur An- lage der Zungenmuskulatur konnte ich, wie in Anbetracht der Schnitt- richtung wohl begreiflich, nicht er- weisen. Über die Formverhältnisse jenes Abschnittes des visceralen Me- soderms, welchen wir als branchialen anzusprechen haben, ge- währt die Zeichnung deutlichen Aufschluß. Der Zellmantel der Darmseitenwand ist wohl entwickelt. Die dorsomediale Grenze des branchialen Mesoderms ist wieder eine schräge; sie zieht von der ventrolateralen Circumferenz der Cardinalis zur dorsolateralen stum- pfen Kante des Darmrohres herab und ist durch die ganz auffallenden > 258 H. Rex Differenzen in Form und Schichtung der hier aneinander grenzen- den Zellen leicht ersichtlich. — Von unserm Schnitte aus caudal- wärts vorschreitend, können wir leicht die ununterbrochene Kon- tinuität des als branchialen angesprochenen Mesodermabschnittes mit dem visceralen Mesoderm feststellen, welches wir distalwärts von der vierten Kiementasche noch im Zusammenhange mit seinem Mutterboden, der Wandung der Cölomtasche, angetroffen haben. Der Schilderung der Region der ersten Hautmuskelplatte sei eine kurze Orientierung über die Veränderungen im Stromgebiet der Cardinalis vorausgesendet. Ich habe bereits einmal in meiner Abhandlung über die Augenmuskeln der Ente auf diese verwiesen. Unmittelbar hinter dem Gehörbläschen taucht eine Vene auf, welche mit zwei sagittal gelagerten Wurzeln die hintere Wand des Bläs- chens umgürtet und nach kurzem, distal gerichteten Verlauf endigt. Zwischen ihr und der Cardinalis zieht die Glossopharyngeuswurzel herab. Vor derselben anastomosieren beide Bahnen miteinander und hinter ihr findet die neu angelegte Bahn ihr Ende. Im Bereiche des kümmerlichen Vorderendes der ersten Hautmuskelplatte beherrscht die Cardinalis zunächst allein das Feld; bald aber zweigt von ihr eine starke Seitenwurzel ab, welche zwischen dem Ganglion des Glossopharyngeus und der Anlage der Vaguswurzel hindurchzieht und den Ventralrand der Hautmuskellamelle aufsucht. Längs dieses er- reicht sie den gleichen Rand der zweiten Lamelle und mündet in den hier lagernden Stamm der Cardinalis ein. Der dem Hirnrohre angeschmiegte Schenkel der letzteren vollzieht seinen Abstieg etwas früher und hat bedeutend an Umfang eingebüßt. Es ist ferner eine schon bei jüngeren Keimen nachweisbare neue Cardinaliswurzel jetzt recht deutlich. Sie zieht — s. die Textfig. 50, 52 und 53 — nahe der Mitte der Seitenwand des Medullarrohres, von ihm nur wenig entfernt, eranialwärts und mündet in den hinteren Umfang der Car- dinalis ein, bevor diese noch ihren Abstieg beendigt hat. In unsrer Serie deckt sich die Schnittriehtung nicht mit dem schmalen Spatium zwischen der ersten und zweiten Hautmuskel- lamelle; wie der Pfeil zz; in der Tafelfig. 21 % lehrt, werden wir zu- nächst der Ventralkante und erst nach einigen Schnitten der ganzen Höhe der Lamelle gewahr. Die Entwicklung ihres Hinterendes sticht ganz gewaltig gegen jene Bilder ab, welche uns weiter vorn entgegentreten. Der Dorsalrand der Lamelle ragt ein wenig über die halbe Höhe des Hirnrohres empor; der ventrale findet sich knapp über der dorsalen Wand der vorhin geschilderten Seitenwurzel der Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 959 Cardinalis und ist etwas tiefer als das Niveau der ventralen Chorda- fläche gelagert. In der Muskelplatte ist die Fibrillenbildung in bestem Gange; von seite der ventralen Hälfte der Hautplatte findet eine lebhafte Proliferation dermalen Bindegewebes statt. Sie hat zur völligen Auflösung des Ventralendes geführt. Der gleiche End- abschnitt des Myotoms gemahnt an das für das zweite Muskelblatt beschriebene Verhalten; nur ist die seitwärts ablenkende Fortsetzung etwas kurz. Sie tritt nicht längs der Außenwand der Seitenwurzel ventralwärts vor. Genaueres über die Bedeutung dieser Fortsetzung konnte ich nicht ermitteln; sie findet sich im Bereiche des äußersten Hinterendes der Lamelle.. Vorwärts schreitend begegnen wir bald nur mehr Resten des Hautmuskelblattes. Ich will jenen Schnitt, in welchem die Dorsalkante desselben auftaucht, als ersten zählen. Im achten ist vom Myotom nur noch ein dünnes Plättchen erhalten ge- blieben, welches kaum mehr das Niveau der Ventralwand des Hirn- schenkels der Cardinalis erreicht, gleichwohl aber überaus deutliche Fibrillenquerschnitte erkennen läßt. Am Hautblatte hat sich die Pro- liferation immer höher gelegene Abschnitte erschlossen; im achten Schnitte ist diese Lamelle nicht mehr nachweisbar. Der distale Nachbarschnitt läßt deutlich erkennen, daß ihre Auflösung keines- wegs an eine völlige Ausnützung des vorhandenen Proliferations- vermögens geknüpft gewesen ist, sondern vielmehr einer einfachen Rückbildung gleichzusetzen ist, welcher eine mäßige Proliferation vorangegangen war. Eine Analyse des dichten Zellhaufens, welcher an Stelle des rückgebildeten ventralen Abschnittes des Hautmuskel- blattes getreten ist und oberhalb der Seitenwurzel der Cardinalis lagert, ist recht schwierig. In einem oder dem andern Schnitte er- kenne ich noch die Umrisse des rückgebildeten Plattenteils und er- halte hier den Eindruck, daß das Myotom einem Zerfall unterlegen ist. Kompliziert wird das Bild namentlich dadurch, daß die längs der Außenwand der Seitenwurzel emporziehende Anlage der Vagus- wurzel auf ihrem Wege zum Hirnrohre diesen Zellhaufen passiert. — Mit dem 16. Schnitte erreichen wir das äußerste Vorderende des Plattenrestes; die seinem Ventralrand so nahe benachbarte Seiten- wurzel beendigt hier auch ihren Anstieg zur Cardinalis und findet ihre Einmündung. In dieser Region erreicht schon die Anlage der Vaguswurzel die Seitenfläche des Hirnrohres. Die Anlage kreuzt sich mit dem Myotomrest. Eine genaue Orientierung ist nichts weniger als leicht. Ein Teil der Zellen zieht längs des Ventralrandes des Platten- restes sowie seiner Innenfläche dorsomedialwärts zum Hirnrohre 260 H. Rex empor; andre sehe ich wieder den Rest durchsetzen. Ich kann mich des Eindruckes nicht erwehren, daß der letztere der Wurzel- anlage im Wege steht. — Das erste Sklerotom besitzt in seiner distalen Hälfte einen mäßig losen Bau; in der proximalen gemahnt das Gefüge in manchem Schnitte entfernt an jene Felderung, welche ich für seine distalen Nachbarn beschrieben habe. Die zur Chorda und dem von der paarigen Aorta beiderseits eingesäumten Mittel- feld der dorsalen Darmwand herantretende Fortsetzung ist eine recht lockere. Der Übergang ins viscerale Mesoderm wird von der Seiten- wurzel der Cardinalis und der Aorta begrenzt. — Es sind unzweifel- hafte zarte Anlagen ventraler Wurzelfäden der ersten Spi- nalnerven nachweisbar. Über die topischen Relationen zwischen der Hautmuskelplatte und den nachbarlichen Abschnitten der bran- chialen Region erteilt uns wohl der Sagittalschnitt der Tafelfig. 21 A hinreichende Auskunft. — Nach dieser Schilderung des Entwieklungsganges des ersten Ur- wirbels ist es an der Zeit, zum visceralen Mesoderm zurückzu- kehren. Wir knüpfen am besten wieder an die oben gegebene Be- schreibung des zweiten Kiemen- bogens an und überschreiten die schmale, hohe Verschlußplatte der dritten Kiementasche und den drit- ten Aortenbogen. So erreichen wir den Schnitt der Textfig. 54, wel- cher uns über das Mesoderm des ersten Kiemenbogens orientiert. Es ist die rechte Hälfte im Spiegel- bilde wiedergegeben worden; der Schnitt geht vor der Mitte des Kiemenbogens und des ersten Myo- toms hindurch. Von letzterem erblicken wir einen zarten, dünnen Rest My,; vom Epithel der Cutislamelle ist nichts mehr nach- weisbar. Wir können aber das aus ihr hervorgegangene dermale Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 361 Bindegewebe leicht an der Gruppierung der Zellen erkennen. Die Abgrenzung des Vorderendes des Vagusganglions fällt für unsern Schnitt sehr schwer; der Befund der Nachbarschnitte deutet darauf hin, daß demselben vielleicht die mit X bezeichnete, etwas lebhafter tingierte Zellgruppe zuzurechnen ist. Am branchialen Mesoderm nehmen wir folgende Einzelheiten wahr. Der Zellmantel der Darmseitenwand ist stattlich entfaltet; eine dünne Fortsetzung des- selben bekleidet auch die dorsolaterale Darmkante. Die hohe schlanke Zellplatte Zp/ reicht nahe an die hier etwas weniger an- sehnliche Seitenwurzel der Cardinalis ca,, heran. Ihre innere Ab- grenzung ist keineswegs sehr scharf; die ventrale ist es ebenfalls nicht. Um so besser ist es die laterale. Hier wird eine, stellen- weise recht deutlich epithelial gegliederte Randreihe von Zellen durch einen dünnen, zarten Spalt von der Nachbarschaft geschieden. Die bauliche Eigenart der Platte ist eine solche, daß sie geradezu als jüngere Entwicklungsstufe der später näher zu schildernden Zellplatte des Hyoidbogens bezeichnet werden kann. Ich habe oben für die Region der Anlage der vierten Kiementasche den Querschnitt des der Pericardkante aufruhenden visceralen Meso- derms mit jenem einer Traverse verglichen. Ein Versuch, einiges über die eraniale Fortsetzung der beiden queren Schenkel festzustellen, hat folgendes ergeben. Bezüglich der Formveränderungen des in Rede stehenden Mesodermabschnittes im Bereiche der Anlage des zweiten Kiemenbogens darf ich wohl auf die Textfig. 53 verweisen. Weiter eranialwärts, unterhalb des Kontaktfeldes der dritten Kiementasche, st der ventrale quere Schenkel nurmehr ein dünnes Zellblatt, wel- ches von der Schlundplatte durch ein breites, niedriges, gleich- sam flachgedrücktes, der distalen Circumferenz der Wurzel des dritten Aortenbogens entstammendes Gefäßrohr zum Teile geschieden wird (s. das Gefäß vo in der Zeichnung 53, es ist die distale Fort- setzung desselben). Vor der Kiementasche geht das erwähnte dünne Zellblatt in den Fußteil des branchialen Mesoderms des ersten Kiemen- bogens über. Bezüglich der dorsomedialen Abgrenzung des oberen queren Schenkels habe ich bereits eingehend berichtet. Ich will hier hierzu nur noch nachtragen, daß diese für die Region der vierten Kiemen- tasche und der Anlage des zweiten Kiemenbogens gegebene Grenz- bestimmung keineswegs etwa als eine solche zwischen dorsalem und visceralem Mesoderm aufzufassen ist; über diese bin ich im unklaren geblieben. Es handelte sich vielmehr um die Abgrenzung 362 H. Rex des branchialen Abschnittes des visceralen Mesoderms; wir haben uns hierbei immer vor Augen zu halten, daß das letztere sich ge- wiß noch über diese Grenze nach einwärts hin forterstreckt. Eine nähere Abschätzung dieser wohl nur bescheidenen Fortsetzung ist nicht mehr durchführbar. Oberhalb der dritten Kiementasche ver- liere ich die Spur des dorsalen Schenkels; sein Feld wird hier von dem nahe der Ecke zwischen dorsaler Taschenwand und Eetoderm lagernden Vorderende des Vagusganglions beherrscht, welches sich ein- und aufwärts der Seitenwurzel der Cardinalis angeschmiegt zeigt. Vor der Tasche tritt wiederum die von der Außenwand der Aorta steil zum Eetoderm emporziehende Grenzlinie auf; der Vagus lagert einwärts von dieser. Mit dem Auftauchen der Zellplatte tritt auch diese Grenzlinie zurück. Vor dem Schnitte der Textfig. 54 erreichen wir das Hinterende des Glossopharyngeusganglions, sowie auch das der zweiten Kiemen- tasche (vgl. die Tafelfig. 21 A). Die nun folgende Schilderung der Region des Hyoid- und Kieferbogens will ich einer zweiten Serie von einem etwas jüngeren Keime mit 29 Urwirbelpaaren entnehmen, da die bei diesem in Anwendung gekommene Schnittrichtung jener entspricht, welche ich für die Querschnittreihen von jüngeren Kei- men fast ausschließlich bevorzugt habe. Oberhalb der Dorsalwand der zweiten Kiementasche ist das Gefüge des zwischen Aorta, Cardinalis und Boden des Gehörgrüb- chens eingelassenen Mesoderms weniger dicht als früher, so daß dasselbe von seiner der Chorda zustrebenden medialen, recht losen Fortsetzung nicht scharf absticht. Wir überschreiten das Kon- taktfeld der Tasche und die Dorsalhälfte des zweiten Aortenbogens und erreichen den Schnitt der Tafelfig. 21 a. Die ventrale Hälfte des Aortenbogens Aa, ist von einer mit dem Zellmantel der Darm- seitenwand unmittelbar zusammenhängenden Zellschicht eingehüllt. Die Zellplatte besitzt ein spitzes ventrales Ende; das dorsale reicht nahe an den Grund des Gehörgrübchens hinan. Die Abgrenzung von der Nachbarschaft ist eine sehr deutliche. Namentlich die Außenfläche wird durch eine dünne Spalte von der dem Eetoderm angeschmiegten Mesodermschicht scharf geschieden. Die baulichen Eigentümlichkeiten der Platte sind in der Zeichnung recht genau wiedergegeben worden. In ihrer Ventralhälfte ist die Lagerung der Zellen wieder eine solche, daß sie den Eindruck erweckt, als hätte eine noch vor kurzem äußerst diehtgefügte Zellmasse eine Lockerung des Baues erfahren. Die gedrungenen Zellleiber, welche recht Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 263 kurze Fortsätze besitzen, werden durch deutliche Zwischenzelllücken voneinander geschieden. Mitunter begegnen wir dem deutlichen Streben, Querreihen zu bilden. Weit loser ist der Zusammenhang in der dorsalen Plattenhälfte; auch finden sich hier häufig querge- lagerte kurze Spindelzellen. Längs des freien Randes des Platten- durchsehnittes sind die Zellen sehr eng aneinander geschmiegt und erwecken namentlich im Bereiche des Außenrandes deutlich den Ein- druck epithelialer Anordnung. An ganz vereinzelten Stellen taucht auch der Ansatz zur Bildung einer Art zarter Grenzmembran auf, welcher die Zellen aufsitzen. Am Dorsalende vermisse ich irgend- ein bestimmtes Gefüge; hier ermöglichen vornehmlich die Randreihen die Abgrenzung. Das Mesoderm oberhalb des Darmrohres läßt nur- mehr Spuren seiner früheren Dichtigkeit erkennen (vgl. hier- zu die Tafelfig. 16 a, 18 a). Namentlich die scharfe Abgrenzung des zwischen Aorta und Cardinalis eingeschalteten Abschnittes gegen- über der medialwärts zur Chorda herantretenden Fortsetzung ist weit weniger scharf als früher. Eine die Scheitel der beiden branchialen Grenzfurchen des Eetoderms dr.gr verbindende Linie tangiert die ven- trale Circumferenz des Endothelrohres des Truncus arteriosus Tr.a. Zwischen dieser Circumferenz und dem Zylinderepithel des visceralen Pericardblattes sind Zellhäufehen von zwei, drei und mehr Zellen eingeschaltet. Sie sind durch breite Spalten voneinander geschie- den und es wird so der Eindruck der Frakturierung dieses kleinen Mesodermbezirks hervorgerufen. Die mit r bezeichnete Rinne des Pericards setzt sich distalwärts in die dorsolaterale Pericardtasche fort. Mehr vermochte ich nicht festzustellen, da ich infolge des Mangels der entsprechenden jüngeren Stadien die Fühlung mit den bei den jungen Keimen genauer verfolgten Einzelheiten dieser Region des Pericards verloren hatte. — Vor dem Aortenbogen wird der Durchschnitt der Zellplatte breiter; wir übersehen feıner den Zell- mantel der Darmseitenwand besser, ebenso auch dessen die dorso- laterale Darmkante bis an die Aorta umkleidende Fortsetzung. So- bald wir das Dorsalende der Zellplatte überschritten haben, taucht auch schon die von der Außenwand der platten dorsalen Aorta schräg zum Ectoderm emporziehende, dorsomediale Grenze des bran- chialen Mesoderms auf. Eine Andeutung derselben nehmen wir schon im Schnitte der Tafelfig. 21 a wahr. Wir erreichen auch bald das Ventralende der Hinterwand der ersten Kiementasche; hier kreuzt sich die Grenzlinie mit der dem Eetoderm angeschmiegten Facialisanlage. Je höhere Abschnitte der distalen Taschenwand wir 264 H.\Rex erreichen — vgl. die Tafelfig. 21 A — desto kleiner wird der Um- fang der weiteren eranialen Fortsetzung des branchialen Mesoderms; vor der Anlage des Acustieofaeialis ist das ganze Gelaß oberhalb der dorsalen Darmwand mit gleichmäßig lockerem Mesoderm ausge- füllt, welches auch die Chorda von allen Seiten her einhüllt. Mit dem branchialen Mesoderm ist auch das Vorderende des Zellmantels der Darmseitenwand völlig zurückgetreten. — Quer zum Höben- durchmesser des Hyoidbogens geführte Schnitte lassen er- kennen, daß der Aortenbogen in der Nische zwischen der Darm- seitenwand und der Vorderwand der zweiten Kiementasche lagert. Diese Nische wird vom vorhin erwähnten Zellmantel ausgekleidet; derselbe umscheidet mit einer dünnen Fortsetzung auch die dem Eetoderm zugekehrte Wand des Bogens. Die Zellplatte ist der Quere nach so gekrümmt, daß ihre Hohlseite dieser Fortsetzung an- geschmiegt ist. — Die Formverhältnisse des Scheitelendes des cardialen Me- soderms sind jetzt erheblich veränderte. Bei jüngeren Keimen — s. z. B. die Textfig. 42 — gleicht Fig. 55. der Pericardscheitel einer das endo- theliale Truneusvorderende längs der ventrolateralen Circumferenz umfas- senden Schale. Ein ähnliches Ver- Gar >) halten findet sich noch bei Keimen mit 25 Urwirbelpaaren. Bei älteren Keimen ändert sich dasselbe. Ich verweise auf die Textfig. 55—57. Sie sind drei Schnitten der eben in Fig. 57. Kha Besprechung stehenden Serie entnommen worden. Der erste der- selben hat bereits das äußerste Hinterende der Pars commissuralis a te er 2007 rss. ui a Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 265 der Unterkieferfortsätze getroffen. Das in der Commissur einge- schlossene Scheitelende des Pericards M.e weist einen N-förmigen Ausschnitt auf. Die Decke desselben geht distalwärts in das die ventrale Wand des endothelialen Truneus bekleidende viscerale Peri- cardblatt über. Diese im Vergleich zu den Befunden bei den jün- geren Keimen etwas befremdenden Formverhältnisse werden durch die Untersuchung mit stärkeren Linsen erklärt. Sie lehrt in den beiden Hälften des Scheitels spaltförmige Lichtungsreste erkennen; die eigenartigen Formverhältnisse des Querschnittes sind dadurch bedingt, daß eine von den Seitenwänden und dem Dach des Scheitels ausgehende Proliferation embryonalen Bindegewebes das proliferie- rende Epithel nach der Mittelebene vorgewölbt und auch eine Ver- lötung desselben in den beiden Seitenhälften bedingt hat. Im zweitnächsten proximalen Nachbarschnitt, dem der Textfig. 56, ist die P. eommissuralis weit selbständiger. Der Querschnitt des Pericardscheitels M.c ist ein kahnförmiger; der leicht ausgehöhlten Dorsalfläche sitzen die Wurzelstücke der beiden aufsteigenden Aorten auf. Der denselben benachbarte dorsale Bezirk ist dichter und auch regelmäßiger gefügt. Von Lichtungsresten ist wenig mehr nachweis- bar. — Die Fig. 57 führt uns abermals um zwei Schnitte weiter. Die ventrale Hälfte des Pericardscheitels hat schon im vorhergehenden Schnitt ihre scharfe Abgrenzung eingebüßt.° In unserm Schnitt kann ich diese Hälfte auf der linken Seite nicht mehr von der Nachbar- schaft unterscheiden; sie hat sich hier in die dem Eetoderm ange- schmiegte Mesodermschicht unmittelbar fortgesetzt. Auf der rechten Seite lassen sich ihre Umrisse noch mit einiger Sicherheit abstecken. Beiderseits ist auch schon das äußerste Hinterende der distalen Zellplatte deutlich erkennbar; es geht aus der dorsalen Hälfte des Pericardscheitels hervor. Rechterseits ist dies Hinterende, welches bereits die beiden Grenzlamellen erkennen läßt, durch einen feinen Spalt ventralwärts recht deutlich abgesetzt; links steht die scharfe ventrale Abgrenzung noch aus. Das soeben geschilderte Verhalten des Scheitelendes des car- dialen Mesoderms ist von jenem bei den jüngeren Keimen in man- chem Punkte recht verschieden. Ich muß mich auf den bloßen Hinweis beschränken, da mir das entsprechende Material nicht zur Verfügung steht, um die nötige genaue Klarlegung aller Einzelheiten zu versuchen. Namentlich das bereits früher erwähnte paarige Divertikel der Pericardlichtung, das sich unterhalb der ven- tralen Circumferenz des Trunceusvorderendes nach vorn erstreckt, 266 H. Rex kann ich nicht mit wünschenswerter Sicherheit auf Befunde bei jün- geren Keimen beziehen. Die weitere Verfolgung des Mesoderms im Unterkieferfortsatze dürfte sich bei diesem Keim nicht verlohnen. Die Schnittriehtung bringt es mit sich, daß der Fortsatz besonders schräg getroffen wor- den ist. Weit klarere Bilder zeigt da die erstbeschriebene Serie von dem etwas älteren Keim. Die ihr entnommenen beistehenden Umrißzeichnungen in den Textfig. 58 «— 06 gewähren uns Aufschluß Fig. 58e. m. Zp 1 über die Formverhältnisse des Unterkieferfortsatzes, der aufsteigenden Aorta a.a und der distalen Zellplatte m.Zpl,. Der erste Schnitt geht durchs äußerste Hinterende des Fortsatzes hindurch, ich will ihn Fig. 580. a.a. m. Zplı m.Zplz m.Zpla als ersten zählen. Die zweite Figur gehört dem zehnten, die dritte dem fünfzehnten, endlich die vierte dem 27. proximalen Schnitte an. In diesem letzteren ist auch schon der caudale Fortsatz der proxi- malen Platte m.Zp2, sichtbar. Wir orientieren uns in den Zeichnungen rasch darüber, daß die aufsteigende Aorta a.a nicht mehr wie früher das Feld beherrscht, vielmehr an Umfang Einbuße erlitten hat. Wir sehen auch den Wechsel in den Lagebeziehungen zwischen dem Gefäße und der distalen Zellplatte, sowie die Formveränderungen der letzteren, Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 967 — Die weitere Untersuchung macht uns auch mit einer eigenartigen Beschaffenheit der Innenhälfte der Zellplatte bekannt. In manchem Sehnitte ist ein verschieden großer Abschnitt derselben selbständig; mitunter wird auch der Eindruck der Frakturierung hervorgerufen. Die von der Platte abgelösten bald größeren, bald kleineren, im Sehnitte selbständigen Teilstücke ihrer Innenhälfte zeigen ein dich- teres Gefüge und sind von der Nachbarschaft scharf geschieden. Ein solches ist auch in der Region des Schnittes 58 y vorhanden. Ich möchte auf den gleichen Befund bei dem jüngeren Keime mit 23 Urwirbelpaaren und dessen Schilderung in Wort und Bild (Tafel- figur 18 5) verweisen. Die folgende Beschreibung der Kieferregion ist wieder an der Hand der Sehnittreihe von dem zweiten Keim entworfen; die für diese eingehaltene Schnittrichtung ist ja, wie bereits erwähnt, die- selbe, welche auch für die jüngeren Keime in Anwendung kam. Eine Orientierung über dieselbe gewährt die Betrachtung der Tafelfig. 21 #; eine mit der fast geradlinigen Vorderwand der zweiten Kiemen- tasche parallele Linie gibt uns ungefähr ihre Lage an. — Ich suche mir zunächst einen Schnitt vor der ersten Kiementasche auf, welcher nahe dem Hinterrande der Mandibularportion des Quintusganglions hindurchgeht. Die leieht nach außen vorgewölbte distale Platte hält hier ziemlich genau die Mitte zwischen der Aorta ascendens und dem Eetoderm ein. Die beiden Grenzlamellen sind überaus klar zu übersehen. Die Kerne ihrer hohen schlanken Zylinderzellen haben nicht in einer Reihe Platz gefunden. In der dorsalen Platten- hälfte schließen beide Lamellen eine regelmäßige Zellreihe ein; die Zellen derselben sind mit jenen der Lamellen gleich gerichtet. Der Ventralrand der Platte ist leicht abwärts abgebogen und ragt tiefer vor, als die ventrale Cireumferenz der Aorta. Der Dorsalrand liegt fast im gleichen Niveau mit der oberen Wand des Gefäßes; er ge- hört bereits dem caudalen Fortsatz der proximalen Platte an, welcher hier gleich einem Käppehen der oberen Kante der distalen Platte aufsitzt. Im zweitnächsten Sehnitt ist bereits eine erhebliche Reduktion der letzteren wahrnehmbar. Vom inneren Drittel sind nur noch un- ansehnliche Reste nachweisbar; von den beiden äußeren ist folgen- des zu berichten. Die äußere Grenzlamelle hat an Höhe eingebüßt; ihre Zellen stehen in etwas losem Verband. Von der inneren Lamelle sind unscheinbare Abschnitte erhalten geblieben. Den Ausfall am Dorsalende der Platte deckt der caudale Fortsatz der proximalen Morpholog. Jahrbuch. 33. 18 368 H. Rex Platte; er schließt bereits eine rundliche Liehtung ein. Im folgenden Schnitt tritt ein ansehnlicherer Abschnitt dieses Fortsatzes auf, wel- cher bis zur Höhe der Darmseitenkante hinanreicht. Dem zweit- nächsten Schnitt ist die Tafelfig. 21 5 entnommen. Die proximale Zellplatte m.Zpl, hat bereits eine stattliche Höhe erreicht. Die Analyse des ventralen, unter die aufsteigende Aorta herabreichenden Endabschnittes soll später erfolgen. Von der halben Höhe dieses Gefäßes an sehe ich nurmehr das äußere Drittel der Platte dorsalwärts emportreten. Bei A, nehmen wir das Hinter- ende des mandibularen Höhlehenwerkes wahr. Es besteht aus meh- reren nahe benachbarten Zellgruppen, von welchen eine größere, gerade unterhalb des Innenendes des Cardinalisdurchschnittes ge- lagerte sich bei genauerer Betrachtung als ein mit lockerem Zell- material erfüllter Rest eines Höhlchens erweist. Ich wende mich nun den baulichen Eigentümlichkeiten der Zellplatte zu. Die Tafel- figur 21 c macht uns mit dem der aufsteigenden Aorta benach- barten ventralen Abschnitt der Platte genauer bekannt. Wir werden zunächst des unteren Randes der proximalen Platte m.Zpl, sewahr; er ist dem oberen des Mesodermabschnittes m.Zpl, genau angepaßt. Seine Zellen schließen rundliche, zum Teil auch epithelial umwandete Lücken ein und sind längs der äußeren Peripherie zu einer deutlichen Grenzlamelle angeordnet. Der vielleicht als Rest des Vorderendes der distalen Platte zu deutende Abschnitt »m.Zpl, läßt nur noch im Bereiche der Stelle, an welcher er an m.Zpl, ange- schlossen ist, regelmäßigeres Gefüge erkennen. Er wird von einem deutlichen breiten Zellbande Zb überquert, welches in leicht nach außen konvexem Bogen ventralwärts herabzieht. Nach meinen Er- fahrungen in den früher geschilderten Sagittalschnitten möchte ich dies Zellband als zur proximalen Platte gehörig auffassen. Der Winkel, welchen es mit dieser einschließt, ist bereits durch quer- gelagerte Zellen verschleiert. Die rasche Verbreiterung, welche der Querschnitt der proximalen Platte durch dies Band erfährt, endigt ziemlich unvermittelt etwa in der halben Höhe der Aorta. Von da ab sehe ich, wie bereits erwähnt, nurmehr das äußere Drittel der Platte aufwärts fortgesetzt. Es ist dicht gefügt und von kleinen Lücken durchsetzt; die äußere Grenzlamelle wird bald durch eine einfache Zellreihe fortgeführt. Wenn wir jenen Mesodermbezirk ab- suchen, welchen wir nach unsern Erfahrungen bei jüngeren Keimen als zur Innenhälfte der Zellplatte gehörig ansprechen dürfen, so sehen wir lose miteinander verknüpfte Zellen und Gefäßdurehschnitte. Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 269 Es fällt uns da namentlich ein größeres Gefäß auf, v. Es gabelt sich weiter hinten, vor der Kiementasche, in zwei Sonderbahnen, eine dorsale und eine ventrale. Die letztere zieht im Unterkiefer- fortsatz nahe dem Dorsalrande der Zellplatte distalwärts, um nach kurzem Laufe zurückzutreten. Die erstere zieht nahe der Dorsal- wand der Kiementasche distalwärts, anastomosiert noch vor der Acusticofacialisanlage mit der hier in zwei übereinander lagernde Bahnen zerlegten Cardinalis und tritt bald darauf gleichfalls zurück. Über den medialen Endabschnitt des Fußteils des visceralen Meso- derms »n.E, sowie auch über die mit diesem unmittelbar zusammen- hängende Grenzschicht orientiert die Zeichnung 21 5 zur Genüge. — In den folgenden Schnitten verliere ich das Vorderende der distalen Platte ganz und es beherrscht jetzt die proximale Platte allein das Feld. Der Schnitt der Tafelfig. 21 & ist, von dem eben beobachteten aus gezählt, der fünfte. Die Zellplatte ».Zp/, sticht hier durch ihren Bau recht scharf von der Nachbarschaft ab; hierzu trägt auch eine längs ihrer Außenfläche leicht bemerkbare deutliche Spalte bei. Ihr ventrales Drittel ist durch quer verlaufende, spaltförmige Lücken sowie auch durch kleine Gefäße gleichwie zerklüftet. Es sind meh- rere, besonders dicht gefügte Zellkomplexe unterscheidbar; die Zellen derselben sind in Reihen angeordnet. Es wird dies besonders dort deutlich, wo sie an der Begrenzung der Lücken teilnehmen. Im mittleren Drittel ist das Plattengefüge ein sehr lockeres. Hierzu trägt wohl vornehmlich das Auftreten mehrerer Gefäßstämmchen bei; in vo erkennen wir die Fortsetzung der uns schon von früher her bekannten Bahn. Die eigenartigsten Bilder läßt wohl das dorsale Drittel erkennen. Dasselbe erweist sich bei der ersten Betrachtung als recht dichter Mesodermabschnitt, dessen seitliche scharfe Umrisse sich unmittelbar in jene des mittleren Drittels fortsetzen. Bei jüngeren Keimen fanden wir das Vorderende der Platte von stockwerkartig übereinander aufgetürmten Einzellichtungen durchsetzt. Ich brauche wohl bloß auf die Tafelfig. 16e, f und 18e—g zu verweisen. Diese Liehtungen gehörten dem Hinterende des mandibularen Höhlchen- werkes an. Von ihnen ist bei unserm Keime nurmehr ein bescheidener Rest erhalten geblieben, und wir werden seiner auch erst gewahr, wenn wir das dorsale Drittel der Platte genauer analysieren. Ähnlich wie im Sehnitte der Tafel- figur 21 d finden wir einen stattlichen Höhlenrest und nach außen von diesem einen zweiten weit kleineren. Beide sind mit spe bezeichnet. 18* 70 H. Rex Die Rückbildung der Höhlen erfolgte in der Art, daß die von seite der epithelialen Wandung ausgegangene Proliferation embryonalen Bindegewebes die Verödung der Lichtung mit sich brachte. Bei unserm Untersuchungsobjekt vollziehen die zahlreichen Einzellich- tungen der Anlage der ersten und zweiten Kopfhöhle ihre Vereini- gung zu einer einheitlichen Höhle; im Bereiche der Anlage der dritten Höhle entfällt, wie bereits erwähnt, diese Verschmelzung. Hier dürften frühe Proliferationsvorgänge von seite der Wandung der Einzelhöhlen ihre Vereinigung hemmen. Wir haben dement- sprechend in unsrer Zeichnung das dorsale Drittel der Platte als zur Anlage der dritten Kopfhöhle gehörig zu deuten. Der Schnitt enthält ferner den Durchschnitt des intermediären Aorten- bogens :.A sowie den der Mandibularportion der Quintusanlage P.m.Vt. Nahe dem Unterrande der letzteren sehen wir an der Zellplatte einen kleinen buckelförmigen Vorsprung. Wir bemerken, daß die Zellen der lateralen Grenzreihe bis zu diesem Vorsprunge hinan im Be- reiche ihrer dem Eetoderm zugekehrten Abschnitte durch Entsendung seitlicher Fortsätze einen engen Anschluß anstreben. Die Vereinigung der Zellen des dorsalen Randes des Plattendurchschnittes ist als sehr innige zu bezeichnen, und damit im Zusammenhange auch die Ab- grenzung gegenüber der Nachbarschaft eine sehr scharfe. Nach weiteren fünf Schnitten erreichen wir jenen der Tafelfig. 21 e. Jetzt hat die Zellplatte bereits eine ganz beträchtliche Einbuße ihrer Tiefenausdehnung erlitten; es taucht in ihr auch schon das Hinter- ende der zweiten Kopfhöhle X, auf. Oberhalb der Dorsalwand der- selben wird die Fortsetzung jenes Abschnittes der Zellplatte sicht- bar, welchen wir in der Tafelfig. 21 d als zur Anlage der dritten Kopfhöhle gehörig bezeichnet haben. Er schließt eine überaus deut- lich epithelial umsäumte Höhle sple ein; aus- und abwärts von dieser lagert je ein kleinstes Höhlehen. Ventromedialwärts stoßen wir auf einen beträchtlichen Rest einer größeren Lichtung. Die dorsolaterale Abgrenzung dieses Plattenabschnittes wird zum Teile durch epitheliale Zellzüge hergestellt, welche bogenförmig verlaufen. Die Innengrenze wird durch eine allerdings schon etwas zurücktretende Randzellreihe vermittelt. — Das Hinterende der zweiten Kopfhöhle nimmt samt der ihm medialwärts innig angeschmiegten Fortsetzung des uns schon bekannten Gefäßes vo den ventralwärts folgenden, ungleich größeren Abschnitt der Zellplatte fast ganz für sich in Beschlag. Einwärts vom Gefäße ergänzt eine dünne Zellschicht den Rahmen des Plattenquerschnittes; sie ıst an einer Stelle durch quere Zellzüge Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 271 unterbrochen. Die Höhlenwand ist zum Teil schräg getroffen worden. Die Tafelfig. 21 f gehört dem siebenten proximalen Schnitte an. Dieser geht knapp vor dem Darmscheitel hindurch. Die dorsale, in eine scharfe Kante ausgezogene Wand der zweiten Kopfhöhle A, ist der unteren Circumferenz der Cardinaliswurzel ca, nahe benach- bart. Das Epithel ihrer Wandung besteht in der Außenhälfte aus niedrigen Zellen; die ungleich stärker gewölbte Innenwand besitzt höhere Zellen, welche durch deutliche Lücken voneinander geschie- den werden und auch einer Art zarter Basalmembran aufsitzen. Die gesamte mediale Circumferenz taucht in den uns bekannten Meso- dermmantel ein. Längs der Außenwand verläuft eine Vene, deren weiter proximalwärts erfolgende Einmündung in die Cardinalis schon in unserm Schnitte erschlossen werden kann. Mit a.a und a.d sind die kiimmerlichen Reste der früher so mächtigen Abschnitte der auf- und absteigenden Aorten bezeichnet. Auf der andern Seite gewahren wir noch einen unansehnlichen Rest des ersten Aortenbogens. Über die Anlage der ersten Kopfhöhle orientiert uns die Zeichnung zur Genüge. In dieser Region ist die Aushöhlung der Anlage noch nicht ganz durchgeführt. Mit e.e ist der Durchschnitt der Carotis interna bezeichnet. Die Verknüpfung dieser Befunde mit jenen der Fig. 21 d will ich bald unternehmen. Weiter vorn werden auch schon in der Verbindungsplatte des ersten Höhlenpaares, welche der Schnitt in voller Ausdehnung ge- troffen hat, mehrere Lichtungen sichtbar. Jetzt verkleinert sich aber auch bereits der Querschnitt der zweiten Kopfhöhle; es verliert ihr Höhendurchmesser von oben nach unten, der der Breite von innen nach außen an Ausdehnung. Die abwärts vorrückende Cardinalis- wurzel bewahrt ihre topischen Beziehungen zum Höhlenvorderende. Ist einmal auch das erste Höhlenpaar aus den Schnitten geschwun- den, so sehen wir den weiten Plan von lockerem Mesoderm ausge- füllt; nahe dem Eetoderm ist die Portio ophthalmica der Quintus- anlage gelagert und einwärts von dieser die Cardinaliswurzel. — Ich konnte keine volle Klarheit darüber erlangen, ob nicht etwa von Seite der medialen Wand des Vorderendes der zweiten Kopf- höhle bereits eine geringe Proliferation embıyonalen Bindegewebes stattgefunden hat. — Vom Schnitte der Fig. 21 f zu jenem der Fig. 21 e zurück- schreitend, bemerken wir zunächst, daß die Cardinaliswurzel nach fünf Schnitten das Hirnrohr erreicht und von der dorsalen Circum- 373 H. Rex ferenz der zweiten Kopfhöhle abrückt. Damit ist auch Raum für die völlige Entfaltung des Zellmantels geschaffen und es tritt sein dor- saler, die genannte Circumferenz einhüllender Abschnitt zutage. Er beherbergt ein kleines Nebenhöhlchen, das erst in einigen Schnitten seine Vereinigung mit der zweiten Kopfhöhle durchgeführt hat. Un- mittelbar vor dem Schnitte der Fig. 21 e taucht auch schon die kleine Höhle spZlce im Dorsalteil des Mantels auf; im medialen werden wir ferner des Gefäßes vo gewahr. Hiermit ist der Übergang zum Schnitte der Figur gegeben. Es setzt sich also der dorsale Ab- schnitt des Zellmantels distalwärts ins Vorderende des gleichen Abschnittes der Zellplatte fort; der mediale geht in jenes dünne meso- dermale Stratum über, welches wir in der Fig. 21 e einwärts von © angetroffen haben. Wir sehen nun auch in der Querschnittreihe den innigen Zusammenhang des Zellmantels mit dem Platten- vorderende; weit besser ward derselbe allerdings schon in den Sagittalschnitten der Tafelfig. 20 5 und c ersichtlich. — Auch auf der andern Seite unsres Keimes ist ein dorsales Nebenhöhlchen der zweiten Kopfhöhle nachweisbar. Sein distales Ende vereinigt sich mit jenem der Kopfhöhle und setzt sich über- dies eine kurze Strecke weit selbständig eaudalwärts fort. Hier büßt es rasch seine Lichtung ein und das Epithel seiner Wandung findet in einem jener epithelialen Bälkchen seine Fortsetzung, welche das Vorderende der Anlage der dritten Kopfhöhle aufbauen. Ich gehe zu den Befunden in den Sagittalschnitten über. Medianschnitte lassen eine weitere Entwicklung der eigen- artigen Formverhältnisse des Zellmassenrestes erkennen, welche wir bereits bei Keimen mit 25 und 26 Urwirbelpaaren angetroffen hatten. Ein verschieden mächtiger Abschnitt dieses ans Chorda- vorderende angegliederten Restes ist zu einem Epithelrohr mit deutlicher Lichtung umgewandelt, ohne daß irgendeine nähere Beziehung desselben zum Innenende der ersten Kopfhöhle nachweisbar wäre. Da sich dieser Befund bei.sechs Keimen mit 29—33 Urwirbelpaaren immer wiederholt, so ist wohl die Annahme des Zufälligen ausgeschlossen. Der Medianschnitt in der Tafelfig. 21 g (Keim mit 30 Urwirbel- paaren) läßt an dem Zellmassenreste J eine Dorsalhälfte erkennen, welche die geschilderte Eigentümlichkeit aufweist. Die ventrale, aus einem dünnen Zellstreifen bestehende Hälfte ist der distalen Wand der Anastomose der beiden inneren Carotiden « angeschlossen. Nach der linken Seite vorschreitend bemerke ich, daß der dem Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 373 Gefäße unmittelbar angeschmiegte Abschnitt des Zellstreifens sich zur Wand des medialen Endabschnittes der linken Prämandi- bularhöhle verfolgen läßt und bereits nach zwei Schnitten von einer kleinsten Liehtung durchsetzt ist. Die weiter außen auftauchenden, immer umfangreicheren Abschnitte der Kopfhöhle drängen ferner das Gefäß a vom Scheitel der Hypophysentasche gleichsam distal- wärts ab, und es mündet bald darauf, in seinem Durchmesser er- heblich verringert, in den medialen Umfang jenes Abschnittes der Carotis interna ein, welcher an die distale Cireumferenz der Kopf- höhle herantritt. — Auf der rechten Seite tritt das Innenende der Höhle etwas näher zur Mittellinie heran; die Wand steht mit jenem Absehnitt des erwähnten Zellstreifens in Verbindung, welcher vom Epithelrohr ans Gefäß a heranreicht. Dies Rohr ist nur in zwei Schnitten nachweisbar und eine Verbindung mit dem Höhlen- paar nicht vorhanden. Ein zweiter Medianschnitt — siehe die Tafelfig. 21 A —, welcher einem Keim mit 31 Urwirbelpaaren angehört, läßt uns über die Grenze zwischen Chordavorderende und Epithelrohr des Zellmassen- restes im unklaren. Die in der Zeichnung durch den oberen der beiden Verweisungsstriche J versuchte Grenzbestimmung dürfte viel- leicht noch am sichersten zutreffen. Ich möchte nur hervorheben, daß sich die feine euticulare Scheide der Chorda auch über den dorsalen Umfang des Zellmassenrestes J forterstreckt und hier um so leichter nachweisbar ist, als sie von die- sem abgehoben ist. Die Zellen, welche die Lichtung in J distal begrenzen, sitzen einer zarten Basalmembran auf, welche sich di- stalwärts gleichfalls unmittelbar in die Cutieula der Chorda fortsetzt. Das dem Gefäß a dicht benachbarte, unscheinbare kleine Ventralende von .J geht beiderseits in die inneren Endabschnitte beider Höhlen über. Das nach dem Befunde in dem rechten Nach- barschnitte eingetragene kleine Zellbäufchen bei x gehört diesem Endabschnitte bereits an. Endlich erbringt uns der Medianschnitt von einem Keim mit 29 Urwirbelpaaren eine neue Variante. Der epithelial gefügte, vom Chordavorderende deutlich abgesetzte Zellmassenrest umschließt eine niedrige, lang gestreckte Lichtung, welche stellenweise einer schär- feren Abgrenzung entbehrt. Sie verliert sich ventralwärts als feine Spalte. Den Zusammenhang mit dem Innenende der Wandungen des Höhlenpaares vermittelt der ventrale Endabschnitt des Restes, wel- cher die spaltförmige Fortsetzung der erwähnten Lichtung beherbergt. 274 H. Rex Dieser Befund gestattet vielleicht eine Deutung der früher geschil- derten Bilder. Das Epithelrohr, zu welchem wir den dorsalen Abschnitt des Restes umgewandelt sahen, dürfte dem medianen Ab- schnitt der Anlage des Verbindungskanals des Höhlenpaares ent- sprechen. Ähnlich wie jede Höhle aus einer Vereinigung von selbständig entstehenden Liehtungen entsteht, kann ja auch der mit in die Höhlenanlage einbezogene Zellmassenrest einer scheinbar selbständigen Lichtung erschlossen werden, welch letzterer aller- dings nur der Rang einer Teilerscheinung des Aushöhlungsprozesses der gesamten Anlage einzuräumen ist. — Ich will hier gleich be- merken, daß ich einer Vereinigung dieser Liehtung mit jener des Höhlenpaares bei der Möwe niemals begegnet bin. Der bei der Ente mitunter so geräumige Verbindungskanal scheint hier nicht zur Ausbildung zu kommen. Ein andrer Versuch, diese eigenartigen Verhältnisse zu deuten, soll später erörtert werden. Die Tafelfig. 21 © entstammt einem Medianschnitt von einem Keim mit 34 Urwirbelpaaren. Sie lehrt eigenartige Verhältnisse erkennen. Es ist eine überaus deutliche Chordaspitze vorhanden. Der Anastomose der Carotiden a sitzt ein nur in zwei Schnitten nachweisbarer kurzer Zellstrang J auf, der in beiden den Charakter eines in Rückbildung begriffenen Gebildes zeigt. Wir erhalten den Eindruck, als hätten wir den Anschnitt eines Zellbälkchens vor uns. Der Deutung als Rest der Zellmasse steht wohl nichts im Wege. Die Commissur co des Höhlenpaares, welche proximal von der Chorda- spitze und dem Rest lagert, steht zu diesen beiden in keiner Be- ziehung. Es scheint mir folgende Erklärung naheliegend. Die vom Zellmassenreste hergestellte Commissur des Höhlenpaares ist bis auf einen unscheinbaren Rest rückgebildet worden. Die so frei gewor- denen Innenenden der beiden Höhlen sind infolge selbständigen Eigenwachstums nach der Medianebene vorgedrungen und haben einander hier erreicht. Es handelt sich also um eine neue sekun- däre Verbindung, an welcher der Zellmassenrest nicht beteiligt ist. — Wir bemerken noch, daß das Chordavorderende dem Scheitel der Hypophysentasche ganz bedeutend näher getreten ist. Es ist dies aus dem Vergleich mit den früher besprochenen Medianschnitten leicht zu ersehen, da sämtliche Zeichnungen in der gleichen Ver- größerung ausgeführt worden sind. Man könnte nun vielleicht an- nehmen, daß das Epithelrohr des Zellmassenrestes mit zum wei- teren Aufbau des Chordavorderendes aufgebraucht worden ist, eine Annahme, welche durchaus nicht ohne weiteres von der Hand Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 375 gewiesen werden kann. Allein ein fünfter Medianschnitt, und zwar jener der Tafelfıg. 217 von einem Keim mit 41 Urwirbelpaaren, spricht wohl dagegen. Die Kopfhöhle erreicht jetzt die Median- ebene nicht mehr. Vom Zellmassenrest ist keine Spur vorhanden. Das Chordavorderende ist abermals um ein Erkleckliches vorgerückt und der Anastomose « sehr nahe benachbart. Dieser Befund, mit jenem in der Fig. 21 2 zusammengehalten, scheint mir darauf zu ver- weisen, daß das Vorrücken des Chordaendes wohl ungezwungen auf das Wachstum des Chordastabes zurückzuführen sein dürfte. Ich stelle mir die Lageveränderungen des Vorderendes trotz seines ge- wiß vorhandenen Eigenwachstums mehr als passive vor. Die Spitze zeigt übrigens in unserm Schnitte bereits deutliche Rückbil- dungserscheinungen. — Die folgende Schilderung des unsegmentierten dorsalen Kopf- mesoderms gebe ich an der Hand einer Serie von einem Keim mit 30 Urwirbelpaaren. In dieser ist die Chorda von ihrer Spitze bis zum achten Urwirbel herab rein median getroffen worden. Es seien zunächst einige Bemerkungen über die Gefäßverhältnisse vorausge- sendet. In der Kieferregion haben weitere Veränderungen Platz gegriffen. Das in der Textfig. 49 von dem jüngeren Keime als ven- traler Hirnast bezeichnete Gefäß ist jetzt sehr stattlich und wie schon früher als Carotis interna zu bezeichnen. Die nach vorn vom intermediären Aortenbogen ..a folgende Strecke der aufsteigenden Aorta hat sich zur starken Carotiswurzel umgewandelt, welche fast den gesamten proximalen Umfang des intermediären Bogens für sich als Ursprungsgebiet in Beschlag nimmt, und dorsalwärts der schon beim jüngeren Keim recht kümmerlichen Strecke der absteigenden Aorta (a.d) sehr nahe benachbart ist. An diese sowie die beiden mit « und £ bezeichneten Gefäße gemahnen jetzt nurmehr unschein- bare hestel — Die Vereinigung der beiden absteigenden Aorten findet im Bereiche der zweiten Hautmuskellamelle statt. Das nach einwärts von der paarigen Aorta gelagerte, die Chorda umhüllende Mesoderm ist recht locker und geht distalwärts unmittel- bar in den gleich gebauten medialen Endabschnitt des ersten Skle- rotoms über, welcher mit den gleichen Abschnitten des zweiten bis vierten Sklerotoms ein zusammenhängendes Ganzes bildet. Nach vorn von der Chordakrücke setzt sich dieser lockere Mesodermab- 1 Ich muß es mir hier versagen, auf weitere Befunde bei andern Keimen näher einzugehen. 276 H. Rex schnitt in das Mesoderm fort, welehes wir in den Querschnitten das eranialwärts rasch an Breite gewinnende Mittelfeld einnehmen sahen. — Lateralwärts vordringend werden wir in der Enge zwischen Car- dinalis und Aorta wieder der bekannten Differenz der Dichte des unsegmentierten Mesoderms gewahr. Der Wechsel erfolgt in der Region des Vorderendes der Facialisanlage. Bedeutend ist der Un- terschied im Gefüge nicht mehr. Der distale dichte Abschnitt läßt eine etwas lockerer gebaute dorsale und ventrale Randschicht erken- nen; diese baulichen Unterschiede sind auch noch nach einwärts von der Aorta gegen die Mittellinie hin zu verfolgen. Sobald wir die dorsale Aorta aus den Schnitten verlieren, tauchen auch schon bald die dorsalen Endteile der in den Visceralbögen eingeschlossenen Zellplatten auf und wir geraten damit in eine Region, in der es außerordentlich schwierig ist, dorsales und viscerales Mesoderm scharf auseinander zu halten. Ich will daher auf jeden Versuch verzichten und zwar um so mehr, als es schon in den Quer- schnitten, die in dieser Beziehung weit instruktivere Bilder liefern, schwer hält, irgendeine bestimmte Grenze festzustellen. — Die fol- gende Schilderung geht vielleicht wieder am besten nach Regionen vor sich. Ich werde zunächst einiges über die Gegend der vordersten Haut- muskellamellen mitteilen und wende mich einer zweiten Serie von einem nur wenig älteren Keim zu. Die ventrale Abgrenzung des zweiten, dritten und vierten Sklerotoms ist im Bereiche der Spalte zwischen Aorta und Cardinalis (vgl. die Textfig. 50—54) nurmehr schwer durchführbar. Hier setzen sich die Sklerotombasen unmittel- bar ins lockere Mesoderm fort, welches abwärts an den Zellmantel des Darmrohres anschließt. Nur noch ganz vereinzelt tauchen Spuren der für den jüngeren Keim mit 26 Urwirbelpaaren beschriebenen Ver- jJüngung der Basen auf. Nicht um vieles besser steht es mit den trans- versalen Interstitien. Einen Anhaltspunkt gewähren da die der Aorta entstammenden segmentalen Äste; ich konnte einen solehen auch in einem Schnitte zwischen dem ersten und zweiten Sklerotom nach- weisen. Sobald wir die Cardinalis erreicht haben, sind wir weit besser daran. Hier ist die Trennung der Sklerotome einerseits durch ihr Gefüge, anderseits durch die Cardinaliswurzeln sehr erleichtert (siehe die Tafelfig. 21 A). — Das erste Sklerotom sticht in der Außen- hälfte der Cardinalis-Aortenenge durch seinen lockeren Bau von der dichter gefügten proximalen und distalen Nachbarschaft, dem Hinter- ende des unsegmentierten Mesoderms und dem zweiten Sklerotom Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 277 deutlich ab. Der Abstieg der Cardinalis vom Hirnrohr hat eine Modifikation erfahren. Bei jüngeren Keimen ermöglichte der statt- liche Stamm eine Abgrenzung der beiden ersten Sklerotome. Jetzt tritt das schwache Stämmcehen. schon recht früh vom Hirnrohr ab; der absteigende Schenkel schließt mit den benachbarten Strecken stumpfe Winkel ein. Wir übersehen daher auch den distalen Ab- schnitt des ersten Sklerotoms; in einem einzigen Schnitte, dem der Tafelfig. 21 A, wird er vom zweiten Sklerotom durch eine deutliche schmale Spalte geschieden. Wir erkennen aber in der Zeichnung noch eine zweite Spalte Sp, welche allerdings durch über sie hin- wegziehende Zellfortsätze stark verschleiert ist. Sie ist etwas deutlicher wiedergegeben worden, um nicht bei der Reproduktion ganz zurückzutreten; ob sie etwa einer vorderen Grenze des Skle- rotoms entspricht, entzieht sich meiner Beurteilung. In den nach- barlichen Schnitten verliere ich sie. — Von den drei Schnitten, welche den Rest der ersten Hautmuskellamelle enthalten, ist der unsrer Tafelfigur der mittlere; er gewährt eine Übersicht der ge- samten Ausdehnung dieses Restes. Das die Anlagen der Wurzeln des Vagus X, und Glossopharyngeus /X einschließende Mesoderm, welches bis an die Hinterwand des Gehörgrübchens heranreicht, ist um ein Geringes loser gewebt als das erste Sklerotom. Die Anlage der Vaguswurzel, welche ein Areal von stattlicher Länge für sich in Anspruch nimmt, könnte vielleicht auf den ersten Blick als Rest der Dorsalkante einer vordersten Hautmuskellamelle imponieren. Ein auch nur kurzes Studium des Präparates lehrt den Irrtum leicht vermeiden. Die Zellzüge dieser Wurzelanlage wurden in der Zeich- nung so getreu wiedergegeben, als es die geringe Vergrößerung gestattet hat. Sie ziehen distoventralwärts und einzelne kreuzen auch das Gebiet des ersten Sklerotoms. — Der mit Hy.m bezeichnete Zellstrang gehört dem Vorderende der Anlage der Hypo- glossusmuskulatur an. Weiter außen werden wir der Komponenten der Anlage gewahr. Am besten ist der Anteil der dritten und vier- ten Hautmuskelplatte zu überblicken; der erstere zieht rein ventral- wärts, der letztere ventroproximalwärts herab. Weit schwieriger ist die Verfolgung des Anteils der zweiten Lamelle; er zieht ventro- distalwärts herab und ist der dorsalen Cireumferenz des Vagus- ganglions dieht angeschmiegt. Der aus der Vereinigung dieser drei Komponenten gebildete Strang zieht längs des hinteren Umfanges des Ganglions herab und sodann proximalwärts weiter. Vom Ganglion trennt ihn ein sehr dünner Spalt, welcher auch an mancher Stelle ganz 278 H. Rex zurücktreten kann. Über die Beteiligung der fünften Hautmuskel- platte konnte ich wenig Befriedigendes ermitteln. Von der Cardi- nalis ist der untere, der Anlage des Ductus Cuvieri zustrebende Schenkel ca in den Schnitt gefallen. Er nimmt an seinem Vorder- ende eine kleine Nebenwurzel auf. — Unsre Zeichnung gewährt auch _ über das Verhalten des Mesoderms der Visceralbögen Aufschluß. Ich möchte die Bemerkung einflechten, daß ich von einer Bezeich- nung der Kiementaschen Abgang genommen habe, da ich für die- selbe keinen Platz ausfindig machen konnte und die Taschen leicht als solche erkannt werden können. Die dichte Zellhülle, welche die vierte Tasche umsäumt, läßt sich bei einiger Aufmerksamkeit leieht von der Anlage des Vagusganglions X abgrenzen. Sie ist, wie wir bereits in den Querschnitten erfahren haben, aus dem Zell- material hervorgegangen, welches der Proliferation der Wandung der Cölomtasche, und zwar, wie mir sehr wahrscheinlich, der der Innenwand der Tasche entstammt. Das zwischen der vierten und dritten Tasche gelagerte Mesoderm gehört der unscheinbaren An- lage des zweiten Kiemenbogens an. Die Fortsetzung des Zell- mantels der Darmseitenwand, welche die distale Wand der dritten Tasche bekleidet, ist leicht zu erkennen. Weit höher ist das branchiale Mesoderm des ersten Kiemenbogens differenziert. An die einander zusehenden Wände der dritten und zweiten Tasche sind die entsprechenden Fortsetzungen des Zellmantels angeschmiegt, welcher die Seitenwand des Darmabschnittes dieser Region bedeckt. Mit dr.Zpl ist die Zellplatte des Bogens bezeichnet. Weitaus am besten ist die Platte im Hyoidbogen A.Zp? entwickelt. Von der ven- tralen Circumferenz des Gehörgrübchens trennt sie ein nur schmales Spatium. Längs der proximalen Fläche sind die Zellen zu einer deutlichen regelmäßigen Schicht vereinigt, welche mitihrer, dem Eeto- derm und der ersten Kiementasche zugewendeten Seite einer äußerst zarten Membran aufsitzen. Weniger deutlich ist dies an der distalen Fläche bemerkbar. Das leicht ausgehöhlte Dorsalende der Platte reicht mit dem Vorderrand etwas höher hinauf. Das Gehörgrübchen wird an seiner ventralen Circumferenz von einem Venenstämmchen umsäumt, welches ich bereits in den Querschnitten angetroffen und näher beschrieben habe. Der Zellmantel der Vorderwand der zweiten Kiementasche ist gut entwickelt. Auch jener Abschnitt der Wandung der ersten Tasche, welcher der Zellplatte des Hyoidbogens zugewendet ist, be- sitzt einen solchen, allerdings weniger scharf abgegrenzten Mantel. Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 279 Dort, wo das branchiale Mesoderm im Hyoidbogen und ersten Kie- menbogen ans Ectoderm angrenzt, ist es etwas verdichtet. Die Kieferregion. Ich will im folgenden die Befunde bei drei, in ihrer Entwicklung nur wenig differierenden Keimen mit- teilen. Der jüngste derselben besaß 29 Urwirbelpaare Die Schilderung soll uns von dem Unterkieferfortsatz aus ins Gebiet der drei Kopfhöhlen führen. In jenen Schnitten, in welche der Ur- sprung der stattlichen inneren Carotis aus dem intermediären Aorten- bogen fällt, treffen wir im Unterkieferfortsatz den medialen End- abschnitt der distalen Zellplatte an. Er ist schwach $-förmig gekrümmt. Der Zusammenhang mit dem Pericardscheitel ist nicht mehr mit jener Klarheit festzustellen, wie bei jüngeren Keimen. Das Vorderende findet sich in beträchtlicher Entfernung von der hinteren Cireumferenz der Carotiswurzel; es ist leicht verjüngt. Dieser mediale Abschnitt der Platte läßt deutlich die uns schon aus den Querschnitten bekannte »Frakturierung« erkennen. Sie dürfte mehr oder weniger tief in den Innenrand einschneidenden Kerben ihre Entstehung verdanken. Ob nicht vielleicht auch völlig selb- ständige kleinere Abschnitte vorliegen, vermag ich nicht festzustellen. Der Bau der einzelnen hintereinander lagernden Bruchstücke ist ein sehr dichter und entbehrt nicht ganz einer gewissen Regelmäßigkeit. — Sobald wir die Carotis und den Aortenbogen hinter uns lassen, ändern sich die baulichen Verhältnisse der jetzt einheitlichen Platte. Es treten ihre beiden Grenzlamellen klar hervor. Ihr Vorderende reicht proximalwärts weiter als früher und läßt sich auch besser abgrenzen. Es endigt auch hier verjüngt; die distale Grenzlamelle reicht um weniges über die proximale vor. Wir können uns (vgl. die Tafelfig. 21 A) den proximalen Rand des Durchschnittes der ersten Kiementasche mit dem Scheitel der winkligen Einknickung des Ecto- derms zwischen Ober- und Unterkieferfortsatz durch eine Linie ver- knüpft denken; das Vorderende der Platte reicht jetzt nahe an diese heran. Schon in dieser Region ist für eine Art Fortsetzung der Platte Sorge getragen. Es taucht hier der caudale Fortsatz der proximalen Platte auf und gewinnt Fühlung mit dem Vorderende der distalen. Hierbei ergeben sich manche Variationen. Zunächst ist der Fortsatz recht schmächtig; die Angliederung erfolgt durch die quer abgestutzten Enden der Platte und des Fortsatzes. Weiter außen gewinnt aber der letztere an Umfang; sein Hinterende ist leicht ausgehöhlt und umfaßt das abgerundete Vorderende der Platte gleich einer Kappe. Nach wenigen Schnitten beherrscht der Fortsatz 280 H. Rex allein das Feld, die distale Platte tritt völlig zurück. Wir haben aber auch schon die Innenhälfte der proximalen Platte, sowie der zweiten Kopfhöhle erreicht. Die erstere setzt sich cranialwärts unmittelbar in den Zellmantel der Höhle fort; die Abgrenzung bei- der von der Nachbarschaft wird durch ihr dichteres Gefüge leicht ermöglicht, welches deutlich vom losen Bau des nachbarlichen Meso- derms absticht. Bloß der distale Endabschnitt der Platte weist eine höhere Differenzierung auf. Hoch oben schließt er Zellgruppen und Zellbälkchen ein, welche bereits dem Mesoderm der dritten Kopf- höhle angehören. Unten entsendet er den caudalen Fortsatz in den Unterkieferbogen. Die Begrenzung desselben wird dureh epitheliale Zellreihen gebildet, über deren Bedeutung ich später Näheres mit- teilen werde; sie setzen sich über den Bereich des Bogenvorder- endes hinaus fort; die des distalen Umfanges findet zumeist ihre Fortsetzung in einer steil zum Hinterrand der Anlage der dritten Kopfhöhle emportretenden einfachen Zellkette. Wir sehen also Formverhältnisse, welche an jene gemahnen, die uns in der Tafel- figur 21 » von einem etwas älteren Keime entgegentreten. Der hier mit »n.Zpl bezeichnete Mesodermabschnitt ähnelt in seinen Umrissen und Lagebeziehungen dem caudalen Fortsatze bei unserm Keime. Die Schilderung seiner baulichen Eigenart ist keine ganz leichte Aufgabe. Es sind zwei randständige Zellstränge vorhan- den; längs der beiden känder jedes Stranges sind die Zellen zu epithelialen Reihen angeordnet. Eine Reihe derselben beteiligt sich also an der Ahgrenzung des Fortsatzes. Ich habe dieselbe bereits vorhin erwähnt. Nicht genug daran, taucht auch mitunter ein dritter, mittlerer Strang auf. Diese Stränge streben dem distalen Ende des Fortsatzes zu — ohne sich zu vereinigen. Bald gewinnt der eine, bald der andre an Terrain, um seinen Weg zum Hinterende allein fortzusetzen. Die andern aber treten zurück und schmiegen sich mit verjüngten zugespitzten Enden dem gerade dominierenden Ge- nossen an. Es ist, als sollte der enge Rahmen des caudalen Fort- satzes nicht überschritten werden. Nicht selten findet dies aber doch statt. Und da werden auch hier, ähnlich wie an der Verbin- dungsstelle des Fortsatzes mit dem Vorderende der distalen Zell- platte, die Unebenheiten der äußeren Umrisse durch eingepaßte kleine Zellgruppen ausgeglichen, so daß die Regelmäßigkeit des Konturs gewahrt bleibt. In einzelnen Schnitten hält es schwer, sich zurechtzufinden. Da sehe ich den caudalen Fortsatz aus Bruch- teilen von Zellsträngen zusammengesetzt, welche zwar alle. dem Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 281 distalen Ende zustreben, jedoch keinen näheren Anschluß gefunden haben. Hier gewinnt man den Eindruck, als hätte eine Frakturie- rung von mehreren, aus dem Hinterende des Fortsatzes dorsoproxi- malwärts emportretenden Zellbälkchen stattgefunden. Der Schnitt der Tafelfig. 21 7 führt uns ins Bereich der Außen- hälfte der proximalen Zellplatte. Vom Unterkieferbogen ist nur noch ein bescheidener vorderer Endabschnitt sichtbar; das gleiche gilt vom caudalen Fortsatze der Platte. Die letztere setzt sich nach vorn unmittelbar in den Zellmantel der zweiten Kopfhöhle A, fort. Ich will mich zunächst dem in den Unterkieferbogen eindringenden Fortsatz der Platte zuwenden. Seine Analyse wird uns durch die bei stärkerer Vergrößerung gezeichnete Tafelfig. 21 »» erleichtert. Sie lehrt uns ganz eigenartige Verhältnisse erkennen. Aus der distalen stumpfen Ecke des Dreiecks streben drei Zellstränge, Z,, Z, und Z; dorsoproximalwärts empor. Die beiden hinteren erreichen nahe dem Gefäße vo ihr Ende. Der vordere erreicht fast die hintere Cireun- ferenz von Aa. Hinter Z, zieht eine breite ansehnliche Zellstraße Z, bis zu der Anlage A, empor. Die drei Stränge werden von einem fast wagerecht gelagerten vierten Strange Z, gekreuzt, der sich bis nahe an die ventrale Circumferenz der zweiten Kopfhöhle hin ver- folgen läßt; hier trifft er eine Zellschicht an, welche der Proliferation der Höhlenwand ihre Entstehung verdanken dürfte. Die vier Zell- stränge zeichnen sich durch recht dichten Bau aus; sie werden dureh Randreihen von Zellen begrenzt, welche ein epitheliales Gefüge er- kennen lassen. Es ist also auch hier außen eine Wiederholung der so eigenartigen Befunde vorhanden, welchen wir im Bereiche der Innenhälfte des Fortsatzes begegnet sind. — Ich hätte noch einiges nachzutragen. Die schmale Spalte zwischen Z, und Z, ist oberhalb der Stelle, an welcher sie von Z, gekreuzt wird, an zwei Stellen von Zellbälkchen überquert. So kommen zwei ovale, zum Teil epi- thelial umsäumte Lücken zustande. Endlich ist noch ein letzter Be- fund zu verzeichnen. Bei der ersten Betrachtung scheint sich die Zellstraße Z, mit ihrer verengten unteren Strecke dem distalen Rande von Z, anzuschmiegen. Bald aber nimmt man wahr, daß sie über diesen Strang ungeschmälert hinwegzieht, um im spitzen Winkel mit Z, zusammenzustoßen. — In den Nachbarschnitten treten die geschilder- ten Einzelheiten bald zurück. Die hintere obere Ecke des Durchschnittes der Platte ist dorsodistalwärts ausgezogen; sie schließt die Anlage der dritten Kopfhöhle A, in sich ein. Diese Anlage weist neben einem etwas 232 H. Rex größeren Höhlehen mehrere kleinere und kleinste Lichtungen auf, bis zu solchen, deren Umfang die Größe eines Zellkerns besitzt. Es ist also die Umwandlung des Epithels der Anlage zu embryo- nalem Bindegewebe noch lange nicht beendigt. An der zweiten Kopfhöhle X, vermissen wir jetzt — s. die Fig. 21 7 — die früher so konstanten Septierungen und Ausbuchtungen, ihre Lichtung steht mit jener der Haupthöhle von Az in unmittelbarer Verbindung. Diese Kommunikation wurde in diese Figur nach den Befunden in den Naehbarschnitten eingetragen. Die Ventralwand der recht stattlichen ersten Kopfhöhle A, ist bereits der Sitz einer bescheidenen Proli- feration. Ihre hintere Peripherie ist vom Zellmantel der zweiten Kopfhöhle deutlich geschieden. Bezüglich der dem Eetoderm eng benachbarten Grenzschicht kann ich wohl auf die Zeichnung ver- weisen. — Auf der andern Seite steht der Umfang der rundlichen zweiten Höhle jenem der ersten wenig nach; das Höhlehenlabyrinth der Anlage der dritten Höhle ist stark reduziert. — Bei dem zweiten Keime mit 30 Urwirbelpaaren, von wel- chem mir leider nur die eine Hälfte im Sagittalschnitt vorliegt, haben sich bereits bedeutende Veränderungen an der zweiten und dritten Höhle vollzogen. Die Anlage der letzteren hat sich zu einem langgestreckten, stark tingierten Zellhaufen umgewandelt, in wel- chem jetzt nur außerordentlich spärliche Reste des früheren Lich- tungswerkes in Form von gekrümmt verlaufenden Zellbälkchen nach- weisbar sind. Die Portio mandibularis des Quintusganglions zieht seitlich von diesem Zellhaufen herab und ist von ihm durch eine schmale Spalte getrennt. Ein vorderer und hinterer kurzer End- abschnitt desselben entbehren dieser nachbarlichen Beziehungen. Seine dorsale Fläche ist ein wenig ausgehöhlt, fällt ventromedial- wärts leicht ab und wird durch ein breites Spatium von der Ventral- wand der Cardinalis geschieden. Oberhalb des Vorderendes treffen wir den distalen Endabschnitt des Quintusganglions an, welches mit seiner medialen Cireumferenz der Cardinalis nahe benachbart ist. Die Kante, in welcher die dorsale und laterale Fläche des Zell- haufens zusammentreten, ist hier vorn dem inneren Umfange des Ganglions dicht angeschmiegt. Die Tafelfiıg. 21 » gibt uns einen Schnitt wieder, der. ungefähr die Mitte der Anlage der dritten Kopfhöhle A, getroffen hat. Ihre Formverhältnisse sind aus derselben wohl leicht abzulesen. Von der zweiten Höhle %, ist nur ein unansehnlicher Rest der Lichtung erhalten geblieben. Der dorsodistalwärts ans Höhlchen Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 283 angeschlossene, etwas dichtere, von kleinen Gefäßen durchsetzte Mesodermabschnitt zeigt uns die ursprüngliche Ausdehnung der Höhle an. Von Seite ihres Wandungsrestes findet eine bescheidene Proli- feration embryonalen Bindegewebes statt. In unserm Schnitte geht dieselbe von der distalen und dorsalen Wand aus. Über die Art und Weise, in welcher die Verkleinerung der Höhle vor sich ge- gangen ist, Aufschluß zu erhalten, ist nicht ganz leicht. Wenn ich Jedoch meine Erfahrungen über die Rückbildung der ersten Kopf- höhle bei der Ente hier verwerte, so nehme ich wahr, daß die dor- sale und proximale Wand unsres Höhlenrestes ihre alten Beziehungen gewahrt haben; hingegen erweckt die distale, X, zugekehrte Wand den Eindruck, daß sie der ursprünglichen Fortsetzung der Dorsal- wand entspricht, welche infolge einer reicheren Proliferation vor- und abwärts verlagert worden ist. — Die Einheitlichkeit der Zellplatte wird ein wenig durch Gefäße beeinträchtigt, welche die Platte durch- setzen. Die Durchmusterung der weiter außen folgenden Schnitte läßt erkennen, daß es sich um Anschnitte von starken ventralen Zuflüssen der Cardinaliswurzel handelt, welche hier miteinander konfluierend, fast das gesamte Areal der Zellplatte einnehmen. Wir können jedoch in der Figur noch immer leicht die ursprüng- liche Ausdehnung der letzteren feststellen. Ihr im Unterkieferbogen eingeschlossener Fortsatz m.Zp? ist in seiner ganzen Ausdehnung zu überblicken. Er steht noch in Verbindung mit einem kleinen, schräg vom Schnitt getroffenen Endehen der distalen Platte, welches seiner distalen Peripherie angefügt ist. Der Bau des Fortsatzes ist ein sehr dichter; diese Eigenart des Gefüges ist aber auf den im Unter- kieferbogen geborgenen Teil beschränkt. Seine Abgrenzung ist eine außerordentlich scharfe. Eine zarte Zellkette verbindet das Vorder- ende des distalen Randes mit dem Mesodermabschnitt A,. Der vor- dere Rand setzt sich proximalwärts fast geradlinig fort und macht endlich knapp vor einem, ihm förmlich im Wege stehenden Gefäße Halt. Nun sehen wir auch vom ventralen Umfang der ersten Kopfhöhle A, an einen Zellzug im Bogen die tiefe Kerbe zwi- schen Ober- und Unterkieferbogen umkreisen; er kreuzt sich mit dem Vorderrande des Fortsatzes unter spitzem Winkel, dringt in denselben ein und endigt nach kurzem Laufe zuge- spitzt. An die bei dem jüngeren Keime aufgefundenen baulichen Eigentümlichkeiten gemahnt nur wenig. Am ehesten noch der Um- stand, daß das randständige Zellmaterial des Fortsatzes zu diehteren Zellstraßen angeordnet ist. Andeutungen eines mittleren,. zwischen Morpholog, Jahrbuch. 23. 19 284 H. Rex diesen nach vorn emporziehenden Zellzuges sind vorhanden. — Fast möchte ich den eben geschilderten eaudalen Fortsatz der Zell- platte mit dem Stiele eines Straußes vergleichen, welchen die drei Kopfhöhlen bez. deren Abkömmlinge herstellen. Ich wende mich endlich zu der uns schon bekannten Tafel- figur 21 A (Keim mit 31 Urwirbelpaaren). Wir treffen da in der Kieferregion Einzelheiten an, welche bei der für diese Zeich- nung gewählten Vergrößerung nur zum Teil wiedergegeben werden konnten. Das Mesoderm der dritten Kopfhöhle A; schließt recht dicht benachbarte Reste mehrerer kleiner Liehtungen sowie kurze epitheliale Zellzüge ein, welche noch nicht ganz in embryonales Bindegewebe umgewandelten Wandungsresten angehören. Von der zweiten Kopfhöhle A, ist die innere Hälfte vom Schnitte getroffen worden. Ihre Liehtung ist bereits stark rückgebildet. Bei einiger Aufmerksamkeit gelingt es unschwer, sowohl die ursprüngliche Ausdehnung als auch den Gang der Rückbildung festzustellen. Vor und abwärts vom Quintusganglion F sehen wir eine kurze Strecke der Cardinaliswurzel ca,, welche hier ihren Anstieg zum Hirnrohre beendigt. Der Ventralwand dieser Strecke sind zwei kleine Höhlchen benachbart; vor- und abwärts von diesen folgt eine läng- liche Höhle A, mit rasch verjüngtem Hinterende. Diese drei Lich- tungen stellen den Rest der zweiten Kopfhöhle dar. An der größeren ist der der ersten Höhle X, zugekehrte Wandungsabschnitt bereits in embryonales Bindegewebe umgewandelt worden, welches, nach der Lichtung vordringend, die Obsolescenz des Höhlenvorderendes herbeigeführt hat. Wir können aber auch noch den Zusammenhang dieser Höhle mit den beiden distalwärts folgenden Lichtungsresten in Gestalt eines feinen Spaltes nachweisen. Derselbe ist zum Teil noch epithelial umsäumt; die Epithelreste weisen deutlich den Typus des Bindegewebsepithels auf. Der früher an Stelle dieses Spaltes vorhanden gewesene Höhlenabschnitt ist offenbar durch das seinen Wänden entstammende embryonale Bindegewebe ausgefüllt worden; hierbei ist auch an mancher Stelle gleichwie unter dem Einflusse dieses Platz beanspruchenden neuen Zellmaterials die noch geschlos- sene Wand nach der Lichtung vorgewölbt worden. Dieser Vorgang hat sich namentlich am Distalende des größeren Höhlchens abge- spielt. — Die Zellplatte ist mitsamt ihrer proximalen Fortsetzung, dem Mantel der zweiten Kopfhöhle, gut abgegrenzt. Eigenartig sind die baulichen Verhältnisse ihres im Unterkieferbogen gelagerten Fortsatzes. Man erhält den Eindruck, als wäre dessen dichter Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 235 Zellbestand gleichsam bis zu einem gewissen Niveau abge- schwemmt, abgetragen worden. Das über der Dorsalfläche des Restbestandes lagernde Mesoderm ist lose gefügt und schließt viel- fach kleine Lücken ein; die diese begrenzenden Zellen weisen die Neigung zur epithelialen Anordnung auf. Die Analyse des Rest- bestandes mit stärkeren Linsen läßt die gleichen rätselhaften bau- lichen Eigentümlichkeiten erkennen, welche wir bei den vorhin be- sprochenen Keimen aufgefunden haben. Wir können da zunächst feststellen, daß sich sein bis an den Verweisungsstrich m.Zp/, heran- reichender, fast geradliniger unterer Rand auch über diesen Strich hinaus verfolgen läßt, derselbe also vorn spitz zuläuft. Die rund- liche Verbreiterung seines Vorderendes wird dadurch vorgetäuscht, daß es von einer breiten Zellstraße gekreuzt wird, welche ähnlich wie der Zellzug in der Tafelfig. 21 », auf- und rückwärts zieht und sich in die Platte einsenkt; diese Zellstraße läßt in den Nachbar- schnitten auch noch Reste ehemaliger Beziehungen zur ersten Kopfhöhle erkennen, welche gleichfalls an den Befund in der er- wähnten Figur gemahnen. Das so gleichsam isolierte Vorderende läßt wiederum ein Gefüge erkennen, welches an den Befund der drei Zellstränge Zı_3 in der Fig. 21 m gemahnt. Das sind durchaus rätselhafte Bilder, deren Klarstellung wohl nur einer ungleich weiter ausgreifenden Untersuchung vorbe- halten bleiben muß. I. Die Untersuchungsergebnisse. Das erste Urwirbelpaar. Von den Ergebnissen, welche die Untersuchung der Entwicklung der vordersten Urwirbel gezeitigt hat, seien hier jene in Erwägung gezogen, welche das vorderste Paar betreffen. Schon die Bezeich- nung desselben als erstes Paar eröffnet der Diskussion ein weites Feld. Ist der von mir als erster bezeichnete Urwirbel auch der älteste, erst gebildete oder ist er nur der jeweilig erste der Reihe nach? Ich kann diese Frage nur dahin beantworten, daß ich bei der Möwe den ersten Urwirbel auch zugleich als den älte- sten, erstgebildeten deute. Das Studium der einschlägigen Verhältnisse hat aber auch das Verhalten des Urwirbels zum proxi- malwärts folgenden, unsegmentierten Mesoderm, sowie auch die 19* 386 H. Rex endgültigen Formverhältnisse seines Vorderendes vor dem Beginn der Differenzierung der Wandung in Betracht zu ziehen. Auch hier will ich gleich von vornherein hervorheben, daß der erste Urwirbel bei meinem Untersuchungsobjekt nicht nur seine völlige Abgliede- rung vom unsegmentierten Mesoderm, sondern auch den Ver- schluß seiner Vorderwand fast ganz durchzuführen vermag. Die Variationsbreite, die dieser Abschluß erkennen läßt, ist eine ganz beträchtliche und ich tue daher vielleicht besser, wenn ich sage, daß der Verschluß der Vorderwand bei manchem der unter- suchten Keime nach erfolgter Abgliederung vom unseg- mentierten Mesoderm fast ganz durchgeführt wird. Es sind hier vornehmlich Sagittalschnitte zur Orientierung her- anzuziehen. Ich konnte zunächst feststellen, daß der erste Urwirbel bei den jüngsten Keimen des proximalen Abschlusses entbehrt. Die Tafelfig. 2 a und 3 läßt erkennen, daß der mit ww, bezeichnete, epithelial differenzierte Mesodermabschnitt weit mehr Material ein- schließt, als zum Aufbau eines Urwirbels notwendig ist. Bin ich berechtigt, die in ihm eingeschlossene Urwirbelanlage als die des erstgebildeten, ältesten zu bezeichnen? Dafür spricht zunächst die verhältnismäßig hohe Differenzierung ihres Epithels, so- wie das deutlich und scharf abgesetzte spaltförmige Myocöl. Darin ist diese Anlage der distal folgenden ww, überlegen; noch weit mehr gilt dies von der mit «w; bezeichneten Anlage beim älteren Keime. — Nun sehen wir auch in den folgenden Entwick- lungsstadien, solchen mit fünf bis zehn U.-P.! immer wieder an der Spitze der Reihe einen Urwirbel, welcher in seiner Differenzierung die Hintermänner überragt, an seinem Vor- derende jedoch noch nicht den endgültigen Abschluß er- reicht hat. Es ist wohl klar, daß derselbe immer wieder als ältester zu bezeichnen ist, welcher in langem Ringen um seine Selbständigkeit begriffen ist. Der Annahme, daß wir ein jüngeres Element vor uns haben, also etwa das zweite oder dritte der ganzen Reihe als ältestes zu deuten ist, steht alles ent- gegen. Wir müßten vornehmlich annehmen, daß eine proximalwärts vorschreitende Urwirbelbildung stets neue Urwirbel entstehen läßt, welche, trotzdem sie jünger sind, gleichwohl ihre sämtlichen distal- wärts folgenden Genossen in der Entwicklung überragen und ein geräumiges Myocöl mit Urwirbelkern besitzen; welche, trotz ihrer 1 Ich will im folgenden diese Abkürzung für »Urwirbelpaare« gebrauchen. Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 387 hohen Entwicklungsstufe, eines Abschlusses des Vorderendes ent- behren, denn dieses ist immer wieder mit kleinen epithelialen Meso- dermabschnitten in Verbindung, deren es sich, wie wir gleich hören werden, zu entledigen trachtet. Wir müßten endlich notgedrungen annehmen, daß diese eben genannten epithelialen Rudera erst zu neuen Urwirbelanlagen umgewandelt werden. Wie — ist freilich nicht klar. Diese eigenartigen Verhältnisse am Vorderende des ersten Urwirbels kehren in dem Entwicklungsgange der distal- wärts folgenden Urwirbel nirgends wieder, was ein jeder mit der Entwicklung eines Vogels vertrauter Forscher bestätigen wird. Auf die dort obwaltenden Einzelheiten brauche ich wohl nicht näher einzugehen,, da sie ja bekannt sind. Für die Umwandlung der dem ersten Urwirbel am Vorderende angeschlossenen kleinen epithelialen Mesodermabschnitte zu Urwirbelan- lagen ist, wie bereits erwähnt, kein Beweis zu erbringen; nament- lich aber können wir die bald näher zu schildernden Absehnü- rungsvorgänge am. Vorderende dieses Urwirbels nicht als neues, fremdartiges Element in die Entwicklungsbahn einer Urwirbelan- lage einfügen. — Ist bei den älteren Keimen einmal der erste Urwirbel mit seinem Vorderende vom unsegmen- tierten Mesoderm gänzlich abgegliedert, oder hat gar die Differenzierung seiner Wände begonnen, so ist nach meinen Erfahrungen die Annahme der Bildung eines neuen Ur- wirbels vor dem ersten einfach auszuschließen. Ich hätte doch etwas hiervon merken müssen; im Gegenteil, ich habe auch nicht die Spur eines solchen Spätlings wahrgenommen. Ich werde also durch die genaue Überprüfung sämtlicher für mein Objekt ge- sammelter Erfahrungen zu der Überzeugung geführt, daß die von Ü. RaBL vertretene Anschauung, welche den ersten Urwirbel der Gesamtreihe auch als ältesten bezeichnet, für mein Untersuchungs- objekt völlig zutrifft. — Auf einen ganz vereinzelten Befund, welcher scheinbar eine Ausnahmestellung erheischt, komme ich bald zurück, und zwar im nächsten Abschnitte. Wie bereits erwähnt, schließt der in der Tafelfig. 2« und 3 mit ww, bezeichnete Mesodermabschnitt an seinem Vorderende einen Überschuß an epithelial gefügtem Material in sich ein, der nicht mit in den Aufbau des Urwirbels einbezogen wird. Was ge- schieht mit diesem? Zur Schaffung eines ganzen Urwirbels reicht derselbe nicht aus. Die kleinen, zum Teil die Formverhältnisse eines Urwirbels nachahmenden epithelialen Bezirke können den Rang 388 H. Rex eines Urwirbels nicht für sich in Anspruch nehmen. Ihre Entstehung läßt sich vielleicht folgendermaßen erklären. Wir können nicht er- warten, daß die bedeutungsvolle Bewegung im Gefüge des para- medullaren Mesoderms, welche zur Ausbildung von wohl charakteri- sierten Segmenten führt, genau dort Halt machen wird, wo sich später etwa die künftige Vordergrenze des ersten Urwirbels zeigen wird. Eine solche tiefgreifende Bewegung wird vielmehr noch über die Grenze des zu bildenden Mesodermabsehnittes hinausgreifen und erst weiter vorn abklingen. — Eigenartig ist das Schicksal des so entstandenen Materialüberschusses. Der Urwirbel entledigt sich seiner. Dies Streben nach Selbständig- keit und Erlangung einer Durchschnittsgröße wird bald, früher, bald später von Erfolg gekrönt; bei manchem Keime erfahren wir nichts über den letzteren, da die Differenzierung der Urwirbelwandung der Abgliederung voraneilt. Wir haben gesehen, daß die Abgliede- rung durch eine Abschnürung bewerkstelligt wird, welche das Vor- derende des Urwirbels von seinem Ballaste befreit. Mehr oder weniger plumpe, gleichwohl aber deutliche Falten, welche an der Grenze zwischen dem künftigen Vorderende und dem überschüssi- gen Material auftreten, einander zustreben und durch- schneiden, sind hierbei tätig. Es ist der Eindruck gewiß nicht von der Hand zu weisen, daß es sich um eine Regulierung des sagittalen Durchmessers des Urwirbels handelt. — Die so viel- fach variierenden Befunde werden dadurch bedingt, daß die Be- ziehungen des überschüssigen Materials zum unsegmentierten Kopf- mesoderm sehr wechselnde sind. Ich vermochte unter anderm fol- gende Varianten nachzuweisen. 1) Der Überschuß hat sich vom unsegmentierten Mesoderm .abgegliedert und ist bloß mit dem Ur- wirbel vereinigt. Dieser entledigt sich seiner durch den vorhin skizzierten Abschnürungsprozeß (Keime mit fünf und sechs U.-P.). 2) Der Überschuß steht noch in bald intimerem, bald loserem Zu- sammenhange mit dem Hinterende des unsegmentierten Mesoderms. Die Beantwortung der Frage, ob dieser Zusammenhang ein neu er- worbener ist oder aber ein von vornherein gegebener, läßt sich schwer geben. Die bevorstehende Abgliederung vom Vorderende des Urwirbels ist leicht zu ersehen (Keime mit sieben und zehn U.-P.). Die Befreiung vom Ballaste ist nicht an ein bestimmtes Sta- dium gebunden. Ich traf sie bei einem Keime mit neun U.-P. an. Sie kann so deutlich werden, daß sie sogar in einer Querschnitt- reihe, welche gerade für solche Feststellungen wenig geeignet ist, Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 389 leicht ersehen werden kann, wie bei dem Keime mit sechs U.-P. Über das Verhalten des Vorderendes des Urwirbels nach erfolgter Abgliederung vermag selbstredend nur der Sagittalschnitt Auskunft zu geben. Bei einem Keime mit neun U.-P. ist bis auf eine kleine, nur in drei Schnitten nachweisbare Lücke der Verschluß dieser Wand ein völliger. Ich gehe wohl nicht fehl, wenn ich annehme, daß die Untersuchung eines reicheren Materials auch erste Urwirbel kennen lehren wird, welche eine völlig geschlossene Vor- derwand besitzen. Bei demselben Keime, bei welchem auf der einen Seite der eben geschilderte Abschluß der Vorderwand fast ganz vollzogen war, ist auf der andern noch nicht einmal die Abgliede- rung des Urwirbelvorderendes vom unsegmentierten Mesoderm durch- geführt. Es herrscht also eine ganz beträchtliche Variationsbreite vor. Ich habe noch hervorzuheben, daß schon bei Keimen mit acht U.-P. die ersten Zeichen der Differenzierung des Sklerotoms nach- weisbar sind. Damit ist wieder eine Komplikation, vielleicht Ver- schleierung der uns interessierenden Verhältnisse gegeben. Endlich kann auch die Abgliederung des Vorbaues des Urwirbels so ver- zögert sein, daß es fraglich ist, ob eine solche auch überhaupt zu Ende geführt wird. Dies lehren die Befunde beim Keime mit zehn U.-P. Können wir für dieses solange währende Ringen des Ur- wirbels um Selbständigkeit irgendeine Erklärung geben? Viel- leicht vermag uns hierbei folgende Erwägung zu leiten. Seine distale Abgrenzung ist von allem Anfange an gegeben, da die Ab- gliederung des zweiten Urwirbels, seines Hintermannes, eine solche erheischt. Anders steht die Sache am Vorderende. Ist es nicht etwa der Mangel irgendwelcher Differenzierung der’ Nachbarschaft, welcher hier die Abgrenzung solange verzögert ? Die Untersuchung der älteren Keime hat vollauf die bekannte Tatsache bestätigt, daß das erste Urwirbelpaar einer Reduktion ent- gegengeht. Irgendeinen bestimmten Termin für den Beginn der- selben anzugeben, hält schwer, desgleichen auch irgendeine stetig wiederkehrende Regelmäßigkeit in der Art der Rückbildung festzu- stellen. Ich sah bereits bei einem Keime mit sieben U.-P. die ersten Rückbildungserscheinungen; bei einem nur wenig älteren (acht U.-P.) traf ich den Zerfall des Urwirbelvorderendes an. Ein solcher mit siebzehn U.-P. ließ die erste Hautmuskellamelle der linken Seite völlig vermissen. Drei Sagittalschnittserien von Keimen des gleichen Alters gestatten, eine ganze Skala von Rückbildungserscheinungen 290 H. Rex festzustellen. Anderseits traf ich aber auch bei Keimen mit 30 U.-P. stattliche, hoch differenzierte Reste der ersten Hautmuskellamelle an. Bei der Mehrzahl der Keime dürfte die Reduktion nach erfolgter Ausbildung des Sklerotoms begonnen haben; sie scheint vom Vorder- rande der entweder schon fertiggestellten oder erst in Bildung be- griffenen Hautmuskellamelle in ventrodistaler Richtung vorzuschreiten. Auf welche Weise der durch frühzeitige Verkümmerung des Urwirbels (Keime mit sieben und acht U.-P.) bedingte größere oder kleinere Ausfall des Zellmaterials des Sklerotoms gedeckt wird, entzieht sich, wie leicht begreiflich, meiner Beurteilung. — Die Verkümmerung der Lamelle schreitet unregelmäßig vor. Wir treffen mitunter noch ganz beträchtliche Reste ihrer Ventralhälfte mitten im Mesoderm an, welche noch deutlich ihre Umrisse gewahren lassen und alle Zeichen des beginnenden einfachen Zerfalls aufweisen. Das Myotom ist das konservativere Element; am Reste des Cutisblattes vermisse ich viel- fach die volle Ausnutzung der Proliferationsfähigkeit, welche die distalwärts folgenden Blätter auszeichnet. Über die eigenartigen Beziehungen der Anlage der Vaguswurzel zum Vorderende des Restes der Hautmuskellamelle habe ich eingehend berichtet. Weniger genau konnte ich mich über die Beziehungen des Ventralrandes der La- melle zum Vorderende des Vagusganglions orientieren. Hier ist die Einsichtnahme eine sehr erschwerte. Ein besonderes Augenmerk habe ich endlich auch dem baulichen Verhalten des unteren Randes des Plattenrestes zugewendet. Jene älteren untersuchten Keime, welche einen stattlichen Rest aufweisen, lassen erkennen, daß sich eine Vereinigung der Umschlagskante der Hautplatte mit dem Ven- tralrande des Myotoms nicht vollzogen hat. Nur im Bereiche des äußersten Hinterendes war dies der Fall. Durch diesen Befund auf- merksam geworden, habe ich auch das Verhalten des zweiten bis vierten Hautmuskelblattes in dieser Richtung genauer untersucht und folgendes gefunden. Die Entwicklung der Anlage der Hypo- glossusmuskulatur ist bereits bei Keimen mit 27 U.-P. in ihrem Be- ginne nachweisbar. Bei den etwas jüngeren Keimen zeigte die Untersuchung mit schwachen Linsen vielfach Bilder, welche einer Vereinigung der Umschlagskaute mit dem ventralen Rande des Myo- toms ähnelten. Immer wieder jedoch ergab die Nachschau mit stärkeren Vergrößerungen, daß von einer solchen Vereinigung des der oberen Cardinaliswand zustrebenden Umschlags mit dem Myo- tomrande als einer den gesamten Rand der Hautmuskellamelle be- treffenden Erscheinung nicht die Rede sein kann. Entweder war Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 391 der Umschlag rückgebildet und die einander gleichlaufenden Ränder von Haut- und Muskelblatt hart benachbart, oder aber der Rand des letzteren trat in die Kehle des Knies ein, welches das Hautblatt mit dem Umschlag bildete. Nur ganz vereinzelte Schnitte lassen eine Vereinigung erkennen; diese war ferner im Bereiche des äußer- sten Hinterendes der Platte immer deutlich. Es erscheint mir daher nieht rätlich, die für die Hautmuskelplatten des Rumpfes wohlbe- kannte ventrale Vereinigung ihrer beiden Komponenten ohne weiteres auch für die vordersten Plattenpaare gelten zu lassen, bevor nicht weitere Erfahrungen vorliegen. Ob etwa die Entwicklung der Hy- poglossusmuskelanlage hier eine Rolle spielt, ist mir nicht klar; ich verfüge zu meinem Bedauern auch nicht über Horizontalschnitte, von welchen eine Klärung des Verhaltens des proximalen und distalen Randes der Hautmuskellamellen erwartet werden darf. Ich komme auf die Entwicklungsvorgänge im Bereiche des Vor- derendes der Urwirbelreihe gelegentlich der Besprechung der Lite- raturangaben nochmals zurück. Das auf den ersten Urwirbel folgende dorsale, unsegmentierte Kopfmesoderm. Ich will gleich im vorhinein bemerken, daß ich die Frage nach der Grenzmarke zwischen dem unsegmentierten Kopfmesoderm und dem visceralen im nächsten Abschnitte behandeln werde. Hier sollen nur die baulichen Verhältnisse des ersteren sowie seine Wachstums- verhältnisse besprochen werden. Das unsegmentierte Kopfmesoderm weist zwei, durch das Gefüge deutlich voneinander abstechende Abschnitte auf. Ein distaler ist dicht gefügt, während der proximale einen recht losen Bau besitzt. Die Grenzmarke zwischen beiden ist keineswegs an eine scharf markierte Örtlichkeit gebunden. Bei älteren Keimen ist sie zumeist im Bereiche der Acusticofacialisanlage gelegen. Ich darf wohl bezüglich der hier obwaltenden Einzelheiten auf den be- schreibenden Teil verweisen. Die bauliche Eigenart des distalen diehtgefügten Abschnittes läßt folgendes erkennen. Bei den jüngeren Keimen, bis etwa zum Stadium mit sieben U.-P., ist der Versuch unverkennbar, das Zellmaterial epithelial anzuordnen. Der- selbe kann sich auf einen kleinen distalen, dem ersten Urwirbel un- mittelbar angeschlossenen Endteil beschränken, oder sich auch etwas weiter vorn in einiger Entfernung vom Urwirbelvorderende bemerk- bar machen, wie die Schnitte der Tafelfig. 5 a und S erkennen lassen. 392 H. Rex Hier kam es zur Heranbildung kleiner, teilweise deutlich epithelialer Bezirke. Es kann aber dieser Versuch eine weitgreifende Ausdeh- nung erreichen, wie der Befund bei dem Keime mit sieben U.-P. gelehrt hat. Hier hat sich — s. die Textfig. 20 und 21 — das ge- samte Zellmaterial des diehten Abschnittes in epithelialen Reihen angeordnet, welche allerdings keinen bestimmten Plan erraten lassen. Es bleibt bei diesem Versuche, denn einen über diesen hinaus etwa vorschreitenden Ausbau oder eine Umgliederung der epithelialen Reihen konnte ich bei Keimen dieses Alters nicht wahrnehmen. Bei den älteren tritt auch diese Gliederung völlig zurück. Ich habe schon einmal den Eindruck, welchen diese eigen- artigen Bilder erwecken, in den Worten zusammengefaßt: es ist, als wäre nicht genug Energie vorhanden, den erstrebten Bauplan zu Ende zu führen und sie hätte sich mit der Beischaffung des Roh- materials erschöpft. Von der Ausbildung irgendeines, einem Ur- wirbel auch nur im entferntesten vergleichbaren Gebildes habe ich nichts wahrgenommen, wenn ich von einem ganz vereinzelten, bald des Näheren zu besprechenden Befunde am äußersten Hinterende absehe. — Der dem diehten Abschnitt eranialwärts angeschlossene lose gebaute, welcher der Hauptsache nach der Kieferregion ange- hört, ließ auch nicht einmal die Andeutung irgendeiner epi- thelialen Gliederung erkennen. Ich muß daher für mein Unter- suchungsobjekt das auf den ersten Urwirbel proximalwärts folgende dorsale Mesoderm als unsegmentiert bezeichnen. Seine bauliche Eigenart, namentlich die vorhin geschilderten Versuche, eine epi- theliale Gliederung des Zellmaterials im distalen Abschnitte anzu- bahnen, dürfen allerdings in vergleichender Richtung nicht un- berücksichtigt bleiben. — Ich habe jetzt noch eines schon mehrfach erwähnten Befundes zu gedenken. Bei einem Keime mit sechs U.-P. hat das äußerste - Hinterende des unsegmentierten Mesoderms einen Bau aufgewiesen, welcher an jenen eines Urwirbels en miniature gemahnte. Ich darf wohl bezüglich der Einzelheiten auf den beschreibenden Teil, sowie auf die Textfig. 9 und die Tafelfiıg. 6 « und 5 verweisen. Meine Er- fahrungen drängen zu der Annahme, daß dieses Gebilde aus dem uns wohl bekannten Materialüberschuß der Anlage des ersten Ur- wirbels seine Entstehung genommen und mit der Differenzierung des Urwirbels gleichen Schritt gehalten hat. Es hat ferner seine Tren- nung vom Urwirbel sehr früh durchgeführt, jene vom unsegmentierten Mesoderm jedoch nicht erreieht. Können wir etwa dieses Gebilde Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 293 als einem Urwirbel gleichwertig bezeichnen? Es wäre ja immerhin denkbar, daß die, wie die Tafelfig. 2@ und 3 lehren, erst vor dem künftigen Vorderende des ersten Urwirbels sistierende epitheliale Gliederung sich noch eine kurze Strecke weiter proximalwärts fort- setzt und so eine einheitliche Anlage zweier Urwirbel herstellt. Weist etwa unser Befund auf die Realisierung einer solchen An- nahme hin? Ich habe hierauf mit nein zu antworten. Dem Ge- bilde ist unleugbar der Charakter des Rudimentären aufgeprägt, trotzdem ihm die Differenzierungsfähigkeiten eines Urwirbels wohl nicht abgesprochen werden können. Es ist dies in Anbetracht des Umstandes, daß es seine Entstehung aus dem Überschusse an Bil- dungsmaterial eines Urwirbels genommen hat, leicht erweislich. Eine Beurteilung des Ausmaßes dieser Fähigkeiten entzieht sich selbstredend der Beurteilung. — Meine oben eingehend geschilderten Beobachtungen, welche den ersten Urwirbel auch als den ältesten erkennen ließen, werden durch diesen ganz vereinzelten Befund nicht beeinflußt. Das Singulare desselben erhellt namentlich daraus, daß er nur auf der einen Seite eines Keimes nachweisbar ist. — Eigenartige Verhältnisse zeigt die distale Hälfte des dichten Mesodermabschnittes in bezug auf ihren Umfang. Sie ist bei den Jüngeren Keimen auffallend schmächtig und erweckt den Eindruck eines unscheinbaren Anhängsels des zugehörigen ansehnlichen vis- ceralen Mesodermabschnittes. Es wird dies namentlich in der Region vor dem ersten Urwirbel deutlich. Auch noch bei Keimen mit vier- zehn U.-P. ist der Umfang der distalen Hälfte bis an die Gehör- platte hin noch ein ganz auffallend geringer und diese Strecke der parachordalen Spalte von bedeutendem Umfang. Es drängt sich un- willkürlich der Gedanke an eine Wachstumsverzögerung auf. Bei Keimen mit neunzehn U.-P. ist hierin eine Änderung eingetreten; Jetzt finden wir vom Vorderende des ersten Urwirbels an bis zur Region der Acusticofacialisanlage eine langsam, aber stetig vor- schreitende Vergrößerung des Umfanges des dorsalen Mesoderms, die sich namentlich in der allmählichen Verkleinerung der parachordalen Spalte kund gibt. Auch hat das dichte Gefüge eine Lockerung er- fahren; nur in dem Bereiche der genannten Nervenanlage ist es ganz bewahrt geblieben. Ich muß mich wohl mit diesem Hinweise bescheiden, denn um Fragen, wie die nach den Wachstumverhältnissen eines Keimblatt- abschnittes, zur Besprechung zu bringen, bedarf es eines reichen Materials. Ich möchte noch eine Frage streifen, welche nicht ohne 294 H. Rex Interesse ist. Zeigt vielleicht die Vergrößerung des Umfanges des unmittelbar auf den ersten Urwirbel folgenden unsegmentierten Meso- derms zeitlich einen Anschluß an dessen Differenzierung? Etwa an die Entwieklung des Sklerotoms? Diese letztere wird, wie schon erwähnt, bereits bei Keimen mit acht U.-P. bemerkbar. Meine Er- fahrungen sprechen nicht zugunsten einer solehen Annahme. Das viscerale Mesoderm der Kopfanlage bis zur Kieferregion. a. Seine mediale Grenze. Die Untersuchung der jüngsten Keime ließ vor allem erkennen, daß die Grenzmarke zwischen dor- salem und visceralem Mesoderm vom Vorderende des ersten Ur- wirbels an bis ans abgegliederte freie Kopfende oberhalb der dorsolateralen Kante der Darmrinne, also oberhalb des Schei- tels des künftigen Darmseitenflügels, zu suchen war. Die Innen- grenze des Splanchnoeöls fällt mit jener der Seitenplatten fast zu- sammen; zum mindesten gemahnt der Bau des medialen Endteils der letzteren daran, daß auch hier die Ausbildung eines Endab- schnittes der Lichtung im Plane gelegen war. — Die Marke erfährt zugunsten des dorsalen Mesoderms hier und da eine geringe Ver- schiebung nach außen hin. Weit beträchtlicher ist aber eine ent- gegengesetzte, welche wir vor dem ersten Urwirbel antreffen; sie hängt hier mit der uns bekannten Schmächtigkeit des unsegmen- tierten Mesoderms zusammen. Die Textfig. 9, 17 und 19, sowie die Tafelfig. 6 a, 5 und e lassen dies aufs klarste erkennen. . Es dringt hier das viscerale Mesoderm, dem schmächtigen dorsalen gleichsam auf dem Fuße folgend, in fremdes Gebiet vor. Mitunter ließ sich dies auch weiter vorn, freilich nicht als regelmäßiger Befund beob- achten. Bei einem Keime mit sieben U.-P. setzt sich das viscerale Mesoderm nahe der Abgliederungszone beträchtlich weit über den Darmseitenflügel nach einwärts hin fort und erreicht im Hinterende des freien Kopfendes gar das Medullarrohr (s. die Tafelfig. 8a und 5). Für die Befunde vor dem ersten Urwirbel dürfte die Erklärung nicht schwer fallen. Der auffallend geringe Umfang des Distalendes des unsegmentierten Mesoderms gestattet hier das Vorrücken des End- abschnittes der Seitenplatten. Weniger klar sind die Schnittbilder in den Tafelfig. 8a und 5. Ich möchte folgender Vermutung Raum geben, Vielleicht sind in sehr jungen Entwicklungsstadien Ver- schiebungen der Grenzmarke zwischen dorsalem und visceralem Mesoderm häufig und werden später durch eine Art Regulierung Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 395 beseitigt. Der Mangel einer solchen oder deren verspätetes Einsetzen mag leicht Befunde zeitigen, wie es die in Rede stehenden sind. — Das Verhalten des Endabschnittes der Seitenplatten vor dem ersten Urwirbel gemahnt an ähnliche Erscheinungen in den Spatien zwi- schen den Urwirbeln. Auch da nehmen wir ein Vorrücken desselben nach innen wahr. Keime mit elf U.-P. lassen eine Fortdauer der Beziehungen der Grenzmarke zwischen dorsalem und visceralem Mesoderm er- kennen. Wir sehen, daß vom Vorderende des ersten Urwirbels an bis zur Mitte der Gehörplatte der mediale Endteil des visceralen Mesoderms den Scheitel des Darmseitenflügels erreicht (vgl. die Textfig. 23, ferner die Tafelfig. 11 «a und 5). Ja, die Tafelfig. 11 a läßt ein völliges Umkreisen des Scheitels erkennen. Nahe dem Vorderende der Platte hat bereits die Umwandlung des zwischen dorsalem Mesoderm und Pericard eingeschalteten Endabschnittes der Seitenplatten zum lichtungslosen Verbindungsplättchen stattgefunden. Hier ist die Grenzmarke oft völlig undeutlich, um jedoch vor dem an die Anlage einer Kiementasche gemahnenden Kontaktfelde — 8. die Profilkonstruktion I— also nahe dem abgegliederten Kopf- ende wieder deutlich zu werden. Die hier überaus klare epi- theliale Gliederung des Plättchens (s. die Tafelfig. 11 c) kommt auch seiner in die Anlage der Kieferregion eindringenden Fortsetzung zu. — Diese Befunde sind für uns sehr wert- voll; sie gestatten namentlich für die in dieser Region eben beginnenden Differenzierungsprozesse des visceralen Mesoderms eine genaue Bestimmung des Bodens, auf wel- chem sie sich abspielen. Bei den älteren Keimen treten bald ganz bedeutende Formver- änderungen des Darmrohres auf, und damit wird auch die Verwer- tung der nachbarlichen Beziehungen seiner seitlichen Abschnitte für die Abgrenzung des dorsalen Mesoderms untunlich. Wie be- reits im beschreibenden Teile hervorgehoben wurde, verlieren wir auch bei den älteren Keimen die scharfe Grenzmarke zwischen dorsalem und visceralem Mesoderm. Indes, die uns hier interes- sierenden Differenzierungsvorgänge reichen in so junge Entwick- lungsstadien zurück, daß wir die Wertigkeit. des Bodens, auf welchem sie sich abspielen, scharf und klar bestimmen können, und kein Befund spricht dafür, daß etwa ursprünglich in visceralem Mesoderm anhebende und streng auf dieses beschränkte Entwick- lungsvorgänge auf die Domäne des dorsalen Mesoderms übergreifen. 296 Biakex b. Die Differenzierung des branchialen Mesoderms. Es nimmt, wie wir wissen, aus dem nicht in den Aufbau der Wandung der primitiven Pericardialhöhle aufgebrauchten, zwischen dieser und dem dorsalen Mesoderm eingeschalteten medialen Endabschnitte der Seitenplatten seine Entstehung; dieser wandelt sich in das bran- chiale Mesoderm des Hyoidbogens und der beiden Kiemenbögen um. Seine Entwicklung war im Bereiche des unsegmentierten Mesoderms eine verhältnismäßig einfache. Im Bereiche der vorder- sten Urwirbelpaare walteten etwas kompliziertere Verhältnisse vor. Hier hatte der gleiche Endabschnitt der Seitenplatten, welcher das Vorderende der Cölomtasche umwandete, eine verhältnismäßig hohe Differenzierung erreicht, bevor seine an die Einbuße der Taschen- lichtung geknüpfte Umwandlung zu branchialem Mesoderm einge- treten ist. Ich will zunächst einiges über die Wachstumsverhält- nisse des Darmrohres in der uns interessierenden Region bemerken. Bei einem Keime mit neunzehn U.-P. bedeckt der Querschnitt des Darmes in der Gegend des dritten Urwirbels ein Areal, welches von dem gleichen bei einem Keime mit 30 U.-P. nieht übertroffen wird; im Gegenteile, das bei dem älteren Keime ist eher etwas kleiner. Die Differenzierung der Darmwand ist selbstredend bei dem letzteren eine höhere, ebenso ist auch die Wanddicke eine weit gleichmäßigere. Die Zwischenstufen lassen erkennen, daß der ur- sprünglich mit einer stumpfen dorsolateralen Kante ausladende Darm- abschnitt zunächst unter Vergrößerung des Tiefendurchmessers diese Kante einbüßt und sodann mit dem Verluste der neu gewonnenen Tiefe jene Formverbältnisse erreicht, welche er bei Keimen mit 30 U.-P. besitzt. Vgl. hierzu die Textfig. 37 und 52. Im Bereiche des ersten Urwirbels stoßen wir auf jenen Ab- schnitt des Darmrohres, welchem das dritte Kiementaschenpaar ent- stammt. Für diesen läßt sich leicht erweisen, daß er seinen größten Querdurchmesser schon bei jungen Keimen erreicht. So lädt bei einem solchen mit siebzehn U.-P. der Darm mit seinen beiden steil aufgerichteten Seitenflügeln lateralwärts genau so weit aus, als die dem Eetoderm angeschmiegte Außenwand der Kiementasche beim Keime mit 30 U.-P. Es sind bei dem jüngeren Keime die lateralen Endabschnitte der Seitenflügel, welehe dem Darmrohre diese bedeu- tende Breitenentfaltung sichern. Die Überführung in die Formver- hältnisse beim älteren Keime wird durch die allmähliche Entfaltung der Wandung dieser Flügel herbeigeführt, durch welche eine immer Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 397 tiefer ausladende und dem Ecetoderm zustrebende Außenwand zur Entwicklung gelangt. Anders stehen die Dinge, sobald wir das Wachstum des Darm- rohres im Bereiche der zweiten Kiementasche ins Auge fassen. Hier werden wir einer ganz allmählich vorschreitenden Vergrößerung des Querschnittes gewahr, welche in den von mir untersuchten Stadien keinen Stillstand irgendeines Durchmessers erkennen läßt. Die Entwicklung der dritten und vierten Kiementasche weist manche bemerkenswerte Eigentümlichkeit auf. Die dritte erreicht das Eetoderm spät; ihre Verschlußplatte ist erst bei Keimen mit 30 U.-P. entwickelt. Die erste und zweite Tasche bahnen die Ent- wicklung ihrer Kontaktfelder in einem Stadium an, in welchem sich das Darmrohr noch durch ursprüngliche Formverhältnisse, so namentlich durch seine geringe Tiefe ‘und den Besitz von breit ausladenden Seitenflügeln auszeichnet. Es erreicht die Seitenwand des Flügels das Eetoderm. Anders liegen die Verhältnisse im Be- reiche der Anlage der dritten Tasche. Hier hat der entsprechende Darmabschnitt seine Seitenflügel zur Anbahnung einer fast gleich- mäßigen Tiefenentfaltung aufgebraucht. Die Kiementasche selbst erreicht das Eetoderm zum großen Teile bereits fertiggestellt. Auch ihr Epithel weist eine weit höhere Entwicklung auf, als jenes der beiden ersten Taschen zur Zeit der ersten Anlage der Kontaktfelder. Endlich stellen sich ihr auf ihrer Bahn zum Eetoderm ganz andre Hindernisse entgegen. Die beiden vorderen Taschen hatten nur das wenig ansehnliche Verbindungsplättchen teils zu verdrängen, teils zum Schwunde zu bringen, um ihr Ziel zu erreichen. Die dritte hat das Hindernis der epithelial umwandeten Cölomtasche zu über- wältigen. — Wieder andre Verhältnisse treten uns im Bereiche der Anlage der vierten Tasche entgegen. Ihre Formverhältnisse bei Keimen mit 30 U.-P. weichen ganz von jenen ab, welche die erste Anlage der ersten und zweiten Tasche erkennen läßt. Dieser von der Seitenwand des Darmes so scharf abgesetzten Hohlknospe fehlt das Ursprüngliche, Unvermittelte der ersten Taschen. Die Anlage der letzteren strebt als nicht weiter sonderlich differenzierter Darm- absehnitt dem Ecetoderm zu und steht so in recht scharfem Gegen- satze zur vierten Tasche, welche sich gleich vom ersten Beginne ihres Auftretens durch ihre Formverhältnisse als Anlage einer sol- chen zu erkennen gibt. — Ich muß es mir versagen, auf diese soeben geschilderten Einzelheiten in der Entwicklung der Kiemen- taschen hier näher einzugehen. Es ist wohl naheliegend, daß diese 298 H. Rex eigenartigen Differenzen durch die Art der zeitlichen Reihenfolge der Taschenanlagen ermöglicht werden. Wenn wir ferner annehmen dürfen, daß ein ganz bestimmter Abschnitt des Darmes zur Bildung dieser Anlagen aufgebraucht wird, so wäre damit vielleicht auch der Weg gewiesen, welcher uns zu einer senauen Analyse der Wertigkeit der einzelnen Abschnitte des wachsenden Darmrohres führt. — Bezüglich der mit der Entwicklung der dritten und vierten Kie- mentasche vergesellschafteten Rückbildung des Vorderendes der Cölomtasche möchte ich auf den beschreibenden Teil verweisen; auch die Entwicklung des Zellmantels des Darmrohres, welcher der die Innenwand dieser Tasche beistellenden Schlundspalte entstammt, ist daselbst geschildert worden. Es ist der dorsale Abschnitt dieses Mantels, welcher zuerst zur Anlage gelangt, und zwar bereits bei Keimen mit neunzehn U.-P. distalwärts von der Anlage der dritten Kiementasche. Das Material, aus welchem sich das Mesoderm des ersten Kiemenbogens aufbaut, wird bei Keimen mit siebzehn U.-P. cra- nialwärts deutlich durch das Kontaktfeld der zweiten Kiementasche abgegrenzt. Es ist ein dünnes, schmächtiges Plättchen, welches noch in diesem Stadium den Zusammenhang mit dem caudalwärts folgenden lichtungslosen Vorderende der Cölomtasche bewahrt. Seine beiden Komponenten haben bei jüngeren Keimen, wie unter anderm die Besichtigung der Textfig. 19 und 23, sowie der Tafelfig. 11a lehrt, einen überaus deutlichen epithelialen Bau besessen. Der älteste untersuchte Keim (30 U.-P.) ließ folgende Differenzierung des aus der Verschmelzung dieser epithelialen Komponenten hervorge- sangenen, ursprünglich recht unansehnlichen Plättchens erkennen. Es hat sich zum branchialen Mesoderm des ersten Kiemenbogens umgewandelt; die Textfig. 54 läßt die diesem entstammenden Sonder- abschnitte, den Zellmantel der Darmseitenwand und die Zellplatte, leicht erkennen. Die Art der Entwicklung von Mantel und Platte ist bei der frühzeitigen Verödung des Splanchnocöls gänzlich ver- schleiert. Hier vermag nur der Vergleich mit der Differenzierung, welche die distalwärts folgenden entsprechenden Abschnitte der Seitenplatten erkennen lassen, Aufklärung zu bringen. Er gestattet folgende Deutung. Die beiden epithelialen Abschnitte der Seiten- platten, welche in die Bildung unsres branchialen Mesodermab- schnittes aufgebraucht worden sind, haben nach ihrer Vereinigung und dem gleichzeitigen Verluste eines regelmäßigen Gefüges zunächst Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 399 ihre weitere Differenzierung fortgeführt. Das Differenzierungsprodukt des inneren Blattes hat sich entlang der Darmseitenwand zu deren Mantel umgestaltet. Das des äußeren lieferte embryonales Binde- gewebe. Nach Beendigung dieses Teils der Differenzierungsaufgabe kam es zur Bildung der Zellplatte. Über die erste Entwicklung derselben bin ich ganz im unklaren geblieben und möchte CorNIıNnGs Mitteilungen über Zacerta zu Rate ziehen. Er teilt uns mit, daß es für ihn sehr wahrscheinlich geworden ist, daß die »Muskelanlagen« der Visceralbögen (also unsre Zellplatten) vom medialen Blatte bei- gestellt werden. Diese Annahme rechnet selbstredend damit, daß die Somatopleura im Anschluß an die erwähnte Produktion embryo- nalen Bindegewebes, welch letzteres die Zellplatte später umhüllt, einer völligen Auflösung zugeführt wird. — Vielleicht erfahren wir aus der endgültigen Differenzierung der Zellplatte im ersten Kiemen- bogen und Hyoidbogen, ob nicht vielleicht auch die Somatopleura an ihrem Aufbau beteiligt ist. Über das branchiale Mesoderm des zweiten Kiemenbogens kann ich vorerst nur wenig mitteilen. Beim ältesten untersuchten Keime fehlt der Anlage desselben noch der distale Abschluß; sie setzt sich distalwärts in die dünne Mesodermplatte fort, welche die seitliche Circumferenz der vierten Kiementasche vom Eetoderm scheidet und caudalwärts mit dem lichtungslosen Vorderende der Cölomtasche zusammenhängt. Ich darf bezüglich der baulichen Eigenart, welche diese Anlage aufweist, wohl auf den beschreiben- den Teil verweisen. — Jene Abschnitte der Seitenplatten, welche in der Bildung des branchialen Mesoderms des ersten und zweiten Kiemenbogens auf- gehen, besitzen bei den jüngeren Keimen eine außerordentlich scharfe Abgrenzung gegenüber dem dorsalen Mesoderm. Ich habe bereits dar- auf verwiesen, daß ich diese scharfe Scheidung bei den älteren Keimen nicht mehr durchführen kann. Die für diese beschriebene mediale Grenze des branchialen Mesoderms kann nach meinen Erfahrungen nicht auch als solehe zwischen dorsalem und visceralem Mesoderm gelten. Das Mesoderm des Hyoidbogens gewinnt das erstemal bei Keimen mit vierzehn U.-P. schärfere Umrisse. Wie die Textfig. 31 lehrt, ist der aus der Spalte zwischen dem Darmseitenflügel und dem Ectoderm emportauchende dorsale Abschnitt Sitz einer ersten Differenzierung. Die älteren Entwicklungsstadien — s. die Tafel- figuren 14a, 15 a und 16 «a — lassen erkennen, daß die Massenzu- nahme des Plättchens ventralwärts vorschreitet. Das aus demselben Morpholog. Jahrbuch. 33. 20 300 H. Rex herangebildete branchiale Mesoderm — s. die Tafelfig. 13 a und 21 a — schließt zwei uns wohlbekannte Differenzierungsprodukte in sich ein: die Zellplatte und den Mantel des entsprechenden Abschnittes der Darmseitenwand. Bezüglich ihrer Herkunft sind wohl dieselben Er- wägungen maßgebend, welche uns bei der Beurteilung der Differen- zierung des Mesoderms des ersten Kiemenbogens geleitet haben. Ich kann vielleicht hierbei von einem Unterschiede in den ersten Entwicklungsverhältnissen absehen. Er besteht darin, daß die beiden Endabschnitte der Seitenplatten, welche zur Bildung des Mesoderms des Hyoidbogens verwendet werden, schon frühzeitig unter Verlust von Lichtung und Gefüge zum Verbindungsplättchen verschmelzen und daher nicht jene Höhe der Entwicklung ihres Epithels errei- chen, welche die gleichen, zur Anlage des Kiemenbogenmesoderms zusammentretenden Abschnitte vor dieser Vereinigung aufweisen. — Ich möchte also bezüglich der Herkunft der Zellplatte auf das oben für den ersten Kiemenbogen Gesagte verweisen. Ich fasse ferner auch hier den Zellmantel der Darmseitenwand als Abkömmling der medialen Platte auf. Eine scharfe Abgrenzung des branchialen Meso- derms gegenüber dem dorsalen gelingt wohl bei jüngeren Keimen; bei den älteren bin ich jedoch gänzlich darüber im unklaren ge- blieben, ob die mediale Grenze unsres Mesodermabschnittes auch zu- gleich mit jener zwischen dorsalem und visceralem Mesoderm zu- sammenfällt (vgl. auch das oben für den ersten Kiemenbogen Gesagte). Die Entwicklungsverhältnisse in der Kieferregion. A. Die Ergebnisse der Vergleichung der Profilkonstruktionen. Ich habe vorerst noch einige Einzelheiten, welche uns in den Konstruktionen IV und V entgegentreten, zu besprechen. Die bei- den Zellplatten der Kieferregion sind in denselben als einheit- liches Ganzes eingetragen worden; die proximale lädt oberhalb der Dorsalwand der absteigenden Aorta distalwärts aus. Diese Fort- setzung entbehrt einer scharf konturierten Abgrenzung. — In der Konstruktion IV verliere ich vor dem intermediären Aortenbogen die Umrisse der proximalen Platte aus den Schnitten. Im Bereiche des Höhlehenwerkes! ist die Anlage der zweiten Kopfhöhle A, bereits ! In den Konstruktionen sind kleinere und kleinste, der lateralen und medialen Circumferenz des Höhlchenwerkes angeschmiegte Höhlchenanlagen Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 301 recht deutlich. Sie ist langgestreckt und mäßig hoch. Kleine dor- sale und ventrale Nebenhöhlehen haben den Anschluß noch nicht ganz erreicht; einzelne kleinste derselben sind selbständig geblieben. Am Vorderende der Höhle gewinnt ihr Zellmantel schärfere, in der Zeichnung eingetragene Umrisse. Der dorsodistalen Circumferenz der Höhle sind elf kleine Höhlchen zum Teil recht nahe .benach- bart; sie sind gleich dem distalen Ende der Höhle in der proxi- malen Zellplatte eingeschlossen. Der großenteils von der Portio mandibularis der Quintusanlage gedeckte, diese vorn und hinten nur wenig überragende Abschnitt der Platte birgt die Anlage der dritten Kopfhöhle %;. Sie schließt ein paar der vorhin erwähnten kleinen Höhlehen ein; ihre Vereinigung steht noch aus. Die bei älteren Keimen mitunter überaus deutliche Kommunikation dieses recht kümmerlichen Lichtungswerkes mit der zweiten Kopf- höhle ist bereits angedeutet; es bedarf bloß der Verschmelzung der hinter X, stockwerkartig aufgetürmten kleinen Höhlehen, um diese durehzuführen. — Bei dem Keime der Konstruktion V war der Zusammenhang der proximalen Zellplatte mit dem Zellmantel der zweiten Kopfhöhle deutlich nachweisbar; nur unterhalb der Höhle %, konnte ich eine proximale Fortsetzung der Platte nicht auffinden. Die Höhle weist ganz charakteristische Formverhältnisse auf. Einmal läßt ihr Vor- derende eine Einbuße erkennen; anderseits aber ist ihr dorsaler Umriß ein weit einheitlicherer als bei den jüngeren Keimen. So wird der Eindruck hervorgerufen, daß sich eine Abrundung des Be- sitzstandes vorbereitet hat. Die Verkürzung des Längsdurchmessers wird namentlich durch den Vergleich mit den Konstruktionsbildern III und IV klar. Die Liehtungen in der Anlage der dritten Kopfhöhle A; sind recht kümmerlich; die Sagittalschnitte von dem gleichaltrigen Keime, denen die Tafelfig. 20 5 und e entnommen sind, lassen ein reiches Labyrinth kleiner und kleinster Höhlehen erkennen, ferner die Kommunikation desselben mit der zweiten Kopfhöhle. Bei dem Keime unsrer Konstruktion ragt ein mit der dorsodistalen Cir- cumferenz der zweiten Höhle vereinigtes Höhlchen ins Gebiet der dritten Kopfhöhle vor; es unterhält überdies Beziehungen zu zwei dorsalen Nebenhöhlen der zweiten Kopfhöhle, so daß die Vereini- gung mit denselben wohl als geplant angenommen werden darf. nicht mit eingezeichnet worden, um die Klarheit des Bildes nicht zu beein- trächtigen. 20* 302 H. Rex Die Lage- und Formverhältnisse der ersten Kopfhöhle sind leicht zu übersehen; die Reduktion des Vorderendes der zweiten Höhle gestattet eine klare Einsichtnahme. — Die auf den mächtigen inter- mediären Aortenbogen folgenden Strecken der auf- und absteigenden Aorten sind gleich dem ersten Bogen wenig ansehnlich; von den drei Hirnästen des letzteren ist der ventrale leicht als Anlage der Carotis interna zu erkennen. Nach diesen orientierenden Bemerkungen will ich die Resultate besprechen, welche die Vergleichung der Konstruktionsbilder ergibt. a. Die Anlage der zweiten Kopfhöhle. Ich habe zu dem vorhin Bemerkten nur weniges nachzutragen. In den Konstruktionen II bis V ist in der Region dieser Anlage der Höhendurehmesser des von den beiden Aorten eingenommenen Areals ein fast gleicher; die geringe Einbuße, welche dasselbe in der Kon- struktion V zeigt, steht offenbar in Zusammenhang mit dem Beginn der Rückbildung des ersten Aortenbogens. Jener Abschnitt des man- dibularen-Höhlenwerkes, welcher sich zur zweiten Kopfhöhle um- wandelt, lagert vornehmlich in der Höhe des Spatiums zwischen den beiden Aorten, sowie auch in jener der dorsalen Aorta, über welch letztere eines oder das andre der kleinen Nebenhöhlehen emporragt. Irgendeine beträchtliche Vergrößerung des Höhendurchmessers dieser Höhlenanlage erfolgt vom Stadium des Keimes II ab nicht mehr; sein Höchstmaß wird schon bei diesem durch die Lage der äußer- sten dorsalen und ventralen Ausläufer des entsprechenden Abschnittes des Höhlchenwerkes angezeigt. — Es ist also unleugbar früh- zeitig in dieser Richtung ein Wachstumsstillstand der Höh- lenanlage wahrnehmbar.. b. Die Entwicklung des Darmes und des Truneus arteriosus. Gleichwie im beschreibenden Teile, bezieht sich auch in den folgenden und den späteren Auseinandersetzungen die Bezeich- nung »Truneus arteriosus« immer wieder ausschließlich auf das Endothelrohr der Truncusanlage. Bei dem Keime II läßt der mediane Umriß des Darmrohres im Bereiche des Kontaktfeldes der ersten Kiementasche eine ganz auf- fällige Beeinträchtigung seiner Ausdehnung erkennen. Der Darm wird hier in seiner Tiefenentfaltung durch den der Ventral- wand unmittelbar benachbarten Truncus arteriosus behin- dert. Vor und hinter dem Felde tritt seine Ventralwand abwärts Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 303 vor. Proximalwärts senkt sich die kielförmig gestaltete Wand in die von den beiden Wurzelstücken der aufsteigenden Aorten ge- bildete Gabel ein und erreicht das Eetoderm. Das Kontaktfeld der ersten Kiementasche hat, wie die beistehende Umrißzeichnung 59 «! erkennen läßt, das Maximum an Ausdelinung erreicht, welches ihm zugänglich war. Ein Mehr ist ihm infolge der geringen Tiefen- entfaltung des entsprechenden Darmabschnittes versagt geblieben. Anders verhält sich die Sache für das zweite Kontaktfeld. Seiner Weiterentfaltung steht, wie die Textfig. 59 # erkennen läßt, nichts im Wege. Der Vergleich mit den Schnittbildern des Kei- ek Tie. 598, mes III läßt erkennen, daß bei diesem die Vergrößerung des Feldes mit dem Zurück- weichen der Pericardkante ver- gesellschaftet ist. Wir finden in der Konstruktion III am ersten Kontaktfeld die gleiche Höhenentfaltung wie in der Konstruktion II, da sich in den nachbarlichen Beziehungen des Darmes zum Truneus nichts geändert hat; das zweite Feld ist jedoch um ein stattliches Stück ventralwärts vorgedrungen. Bei dem Keim der Konstruktion IV ist in unsrer | Region ein ganz bedeutender Wandel geschaffen worden. Der Trun- eusist um ein Beträchtliches ventralwärts herabgerückt. Dies erhellt schon aus der Betrachtung des Niveau seiner dorsalen Circumferenz. Die leicht erweisliche Veränderung ihrer nachbarlichen Beziehungen zum Hinterende des mandibularen Höhlenwerkes sowie auch zum Hirnrohre kann in den Konstruktionen III und IV leicht verfolgt werden. Sie wird namentlich aus der gleich zu beschreibenden, ventrodistalwärts vorschreitenden Vergrößerung des ersten Kontakt- feldes klar. Gleichzeitig mit dieser Lageveränderung sehen wir auch den Teilungswinkel des Truncusvorderendes immer weiter zurückrücken und so die Wurzelstücke der beiden Aortae ascendentes auf Kosten des Truncusvorderendes 1 Die Lage der Schnitte dieser beiden Textfiguren ist in der Konstruk- tion II eingetragen. 304 H. Rex distalwärts verlängert werden. Was der Truncus an seinem Vorderende durch die Aufteilung an die Aortenwurzeln einbüßt, eı- fährt eine Art bescheidene Kompensation durch die Vergrößerung seiner distalen Ausdehnung. Die Verschiebung seines Teilungs- winkels wird uns ohne weiteres klar, wenn wir dessen Lagebe- ziehungen von der Konstruktion I an verfolgen. Er ist durch eine rote, schwarz geränderte Linie angezeigt; welch’ beträchtliche Ent- fernung scheidet hier die Teilungsstelle vom Vorderende der Gehör- platte. In der Konstruktion V ist der Winkel fast unterhalb des Gehörbläschens gelagert. Diese Einzelheiten bedürfen wohl keines weiteren Kommentars. Daß diese Lage- und Formveränderungen des Truncus für das benachbarte Darmrohr von Bedeutung sind, ist recht nahelie- gend. Es wird durch dieselben in erster Reihe Raum für die Tie- fenentfaltung der ventralen Darmwand gewonnen. Die durch den Hochstand des Truneus bedingte auffallende Differenz in dieser Entfaltung, welcher wir bei den Keimen II und III begegnen, ist bei dem Keime IV bedeutend gemildert. Interessant gestaltet sich das Studium der Wachstumsverhältnisse der beiden Kontaktfelder. Das zweite Feld bleibt seiner uns bereits bekannten rein ventral- wärts gerichteten Wachstumsrichtung treu. Sein dorsales Dritt- teil in der Konstruktion IV können wir unbedenklich als älte- sten, erst angelegten Abschnitt ansprechen. Die Vergrößerung des ersten Feldes vollzieht sich entsprechend seinen eigenartigen nachbarlichen Beziehungen in etwas andrer Weise. Auch hier läßt zunächst die Betrachtung der Konstruktionen erkennen, daß das dorsale Dritteil des Feldes beim Keime IV und V als ältester, erstgebildeter Abschnitt aufzufassen ist und daß das Feld bereits beim Keime II das Maximum seiner dorsalen Ausdehnung erreicht hat. Die Vergrößerung dieser ersten Anlage erfolgt jedoch in ventro- distaler Richtung und wird dem Felde gleichsam durch die Ent- wieklungsart des Unterkieferfortsatzes aufgedrängt. Ich muß hier diese bereits im beschreibenden Teile skizzierten Entwicklungs- verhältnisse kurz berühren. Die Bildung dieses Fortsatzes ist mit dem Zurückweichen des Teilungswinkels ‘des Truncusvorderendes eng verknüpft. Jede der beiden aufsteigenden Aorten erfährt so eine distale Verlängerung ihres Wurzelstückes, und der entsprechende dem Truneus zugehörige Abschnitt des cardialen Mesoderms wird durch die tief zum Eetoderm vordringende ventrale Darmwand gleichfalls in zwei Hälften geschieden, deren jede sich zu dem, der neu- Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 305 gebildeten Aortenstrecke angeschmiegten Mesoderm des Unterkiefer- fortsatzes umwandelt. Das Auftreten des Fortsatzes ist also an die ventrodistalwärts vorschreitende Teilung des Truneus- vorderendes sowie des diesem angeschlossenen cardialen Mesodermabschnittes geknüpft. Er schreibt auch dem ersten Kon- taktfeld die Wachstumsrichtung vor. Die Betrachtung der beiden Text- bilder 60 « und £ belehrt uns hierüber. Sie gehören der Serie vom Keime IV an; ihre Lage ist in dessen Konstruktion eingetragen wor- den. Für das ungehinderte, rein ventralwärts vorschreitende Wachs- tum des zweiten Feldes wird, wie ein Vergleich mit der Textfig. 59 ergibt, durch Verdrängung des | Perieards Bahn geschaffen. An- Fig. 60 «. Fig. 60 8. ders steht die Sache im Bereiche des ersten Feldes. Dies lehren die Fig. 59 « und 60 «. Bei dem Jüngeren Keime lagert unterhalb der Anlage der zweiten Kiemen- tasche, wie unter jener der ersten, cardiales Mesoderm. Während dieses aber im Bereiche der zwei- \ 2, ten Tasche auch später seine ein- fachen Formverhältnisse bewahrt, wird es in jenem der ersten Tasche zum Mesoderm des Unter- JO) kieferfortsatzes umgewandelt. Es stößt also das ventralwärts vor- wachsende erste Kontaktfeld auf diesen Mesodermabschnitt und kann nur längs der dorsalen, nach hinten und abwärts abschüssigen Circumferenz desselben seine Entfaltung nehmen. Dieser Abschnitt bildet eben eine Art fester Barriere, welche nicht gleich dem Mesoderm unter- halb der zweiten Kiementasehe ventralwärts auszuwei- chen vermag. Die Konstruktion IV läßt leicht erkennen, daß der Zuwachs, welchen das Feld vorn erhält, nur ein sehr geringer sein kann, während es nach hinten eine immer größer werdende Entfaltung gewinnt. Genau genommen ist aber die Wachs- tumsrichtung des ersten Feldes die gleiche wie bei dem zweiten; sie ist eine rein ventrale. Durch die nachbarlichen Beziehungen zum Unterkieferfortsatz wird jedoch das Wachstums- ergebnis, (die Vergrößerung des Feldes, eine andre Richtung 306 H. Rex einschlagen müssen: die distoventrale. Wir haben daher bei der Bestimmung der Feldränder recht vorsichtig zu verfahren. In der Konstruktion IV ist der dem Höhlchenwerke zugewendete kurze, annähernd senkrechte Vorderrand des ersten Feldes, dem ungleich größeren, proximalwärts leicht vorgewölbten vorderen Rande des zweiten gleichzusetzen. Wir haben ferner seinen der aufsteigenden Aorta sowie dem Truneusvorderende zugekehrten Rand mit dem so sehr schmalen, abgerundeten Ventralrand des zweiten Feldes zu vergleichen; die Bestimmung des dorsalen und distalen Randes er- gibt sich hieraus von selbst. — Ich möchte noch einiges über die kleinen Kontaktparzellen sagen, welche uns in den Konstruktionen II und III entgegentreten. Mir ist nicht ganz klar geworden, ob diese auch die Anlage eines dauernden Besitzstandes der Kontakt- felder vorstellen, welcher sich später mit dem Hauptfelde vereinigt, oder ob sie später wieder zur Lösung gelangen. Die kleinen Par- zellen vor dem zweiten Felde scheinen ja, wie die Konstruktion IV erkennen läßt, eine proximal vorschreitende Vergrößerung desselben im mittleren Dritteil anzudeuten. Zur sicheren Entscheidung ge- hört wohl die Einsichtnahme in eine größere Zahl von Konstruk- tionen. Ich habe übrigens bereits im beschreibenden Teile darauf verwiesen, daß ich bezüglich der kleinen Kontaktfelder in der Kon- struktion I nicht feststellen konnte, ob dieselben ganz in die Bil- dung des ersten Kontaktfeldes eingehen. c. Die Entwicklung der Visceralbögen. Die Wachstumsrichtung des Mesoderms des Hyoidbogens habe ich wohl als rein ventrale zu bezeichnen; es wird dies aus den Konstruktionen II—V leicht ersichtlich. Bei den Keimen IV und V hat sein unterer Rand auch schon das Niveau der dorsalen Cireum- ferenz des Truncus arteriosus ventralwärts überschritten. — Weit schwieriger ist die Analyse des Entwicklungsganges des Unter- kieferfortsatzes. Ich will da zunächst von der Konstruktion II ausgehen und folgende Frage zu beantworten suchen. Gesetzt den Fall, daß vor der ersten Kiementasche im visceralen Mesoderm “ein dem Mesoderm des Hyoidbogens gleichwertiger Abschnitt geborgen ist: welche Tiefenausdehnung könnte derselbe nahe der ersten Kie- mentasche besitzen? Sie müßte oberhalb des Truncusvorderendes, welches die Region der Taschenanlage proximalwärts überschreitet, Halt machen. Dies ergibt sich schon aus der Betrachtung der nach- barlichen Beziehungen, welche der ventrale Umriß der Anlage des Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 307 branchialen Mesoderms des Hyoidbogens zum Mesoderm der Herz- anlage aufweist. Ungleich wichtiger ist folgende Frage. Wo haben wir beim Keime dieser Konstruktion die Anlage des Unter- kieferfortsatzes zu suchen? Die Antwort bringt uns das Studium der Konstruktionen III und IV. Beim Keime IV und V ist der Fort- satz leicht auffindbar. Seine Entwicklung ist an das Zurückweichen des Teilungswinkels des Truneusvorderendes geknüpft. Ich habe die Wanderung, welche dieser Winkel zurücklegt, bereits geschildert. In der Konstruktion I findet er sich in ganz beträchtlicher Entfer- nung vom Vorderende der Gehörplatte; beim Keime V lagert er bereits unterhalb der Vorderhälfte des Gehörbläschens. Das paarig gewordene Truncusvorderende wird in den Dienst der bei- den aufsteigenden Aorten gestellt und,das ihm angeschlos- sene cardiale Mesoderm durch die tief ventralwärts ein- ‚schneidende untere Darmwand gleichfalls in zwei Hälften geschieden. Jede dieser Hälften bildet mit dem auf Kosten des Truncusvorderendesneuerworbenen distalen Abschnitte der gleichseitigen Aorta den Unterkieferfortsatz ihrer Seite. Es wird uns nun nicht schwer, die vorhin gestellte zweite Frage zu beantworten. Wir haben in der Konstruktion II das gesamte vor- und abwärts vom ersten Kontaktfeld gelagerte cardiale Mesoderm, also das Scheitelende der Herzanlage als An- lage der beiden Fortsätze in Beschlag zu nehmen. Jede der beiden Hälften dieser Anlage hängt vor der Kiementasche dorsal- wärts unmittelbar mit dem oben erwähnten hypothetischen bran- chialen Mesoderm zusammen. Dem Gesagten entsprechend, weicht die Entwieklungsart des Unterkieferfortsatzes von jener des Hyoidbogens und der beiden Kiemenbogen ganz beträcht- liehab. Für diese kommt branchiales Mesoderm in Betracht, für jenen Mesoderm der Herzanlage. Eine weitere Überlegung läßt folgendes erkennen. Der von mir als »Mandibularbogen« bezeichnete Abschnitt der Mandibular- region jüngerer Keime geht zum weitaus größeren Teile in die Bil- dung des ÖOberkieferfortsatzes ein; sein distaler Endab- schnitt wird zum Aufbau des Vorderendes des Unterkiefer- fortsates verwendet. Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß die in den Sagittalschnitten vielfach bemerkbare, auch in der Kon- struktion III wiederkehrende winklige Abkniekung des »Kiefer- bogens« nichts mit einer etwaigen Grenze zwischen Ober- und Unterkieferfortsatz zu schaffen hat. 308 H. Rex Wir haben bei den jüngsten Keimen die Beobachtung gemacht, daß sich bei diesen das paarige Vorderende der primitiven Peri- cardhöhle bis in die Anlage der Kieferregion fortsetzt und hier in der distalen Hälfte der Anlage des »Kieferbogens«, also des Ober- kieferfortsatzes, eine äußerste Fortsetzung der Höhle wahrnehmbar ist. Ich darf da wohl namentlich auf das gelegentlich der Schilde- rung der Konstruktion I auf S. 150 und 151 Gesagte verweisen. Es entsprechen daher beide Unterkieferfortsätze einer statt- lichen paarigen Commissur, welche das Scheitelende der Herzanlage mit ihrem äußersten, jetzt in den beiden Ober- kieferfortsätzen geborgenen, gleichfalls paarigen Endab- schnitte verknüpft. Dieser letztere wird seiner ursprünglichen Bestimmung schon frühzeitig völlig entfremdet; ungleich später vollzieht sich diese Entfremdung am Mesoderm der Commissur, und zwar erst, nachdem dasselbe bereits an der Funktion der Herzanlage teilgehabt hatte. Vielleicht darf ich hier auf die ganz charakte- ristischen Beziehungen verweisen, welche zwischen dem cra- nialen Ende der branehialen Grenzfalte des Eetoderms und dem Unterkieferfortsatz vorwalten. Sie haben bereits im be- schreibenden Teil ihre Würdigung gefunden. Das Studium unsrer Konstruktionsbilder läßt in der Region des Unterkieferfortsatzes ganz eigenartige Wachstumsverhältnisse der Kopf- anlage erkennen. Ich will bei den älteren Keimen IV und V zunächst die Region ins Auge fassen, in weleher Ober- und Unterkieferfortsatz sich vereinigen. Wir treffen in derselben das Hinterende des Höhl- chenwerkes und oberhalb desselben die Anlage des Quintusgan- glions an. Die Höhe dieser Region bis zum Niveau der Hirnbasis weicht von jener bei den beiden jüngeren Keimen II und III nur unbedeutend ab. Wir können also hier eine ganz bedeutende Wachstumsverzögerung feststellen und dürfen für unsre Keime die Höhe dieser Region als annähernd konstant bezeichnen. Un- gleich energievoller sind die Wachstumserscheinungen im Bereiche der ersten Kiementasche und distalwärts von dieser. Wir haben da fürs erste nicht aus dem Auge zu verlieren, daß die Anlage beider Unterkieferfortsätze — das Scheitelende der Herzanlage — von Haus aus eine schräg ventrodistalwärts abstei- gende Lagerung aufweist. Es wird daher auch der paarige Ab- kömmling dieses Scheitelendes ähnliche Lagebeziehungen aufweisen. Und die Eigenart dieses Lageverhältnisses wird noch eine Verschär- fung erfahren, welche durch die Verschiebung des Truncus arteriosus Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 309 gegeben ist. — Diese steht ihrerseits wieder in Zusammenhang mit der mächtigen Entfaltung des branchialen Mesoderms des Hyoid- bogens und der beiden Kiemenbogen, sowie mit der Eigenentwick- lung des Herzschlauches. So resultiert für den Unterkieferfortsatz jene eigenartige Lagebeziehung, welche ihm scheinbar die Rolle eines gleichwertigen Genossen der distalwärts fol- genden Visceralbögen zuweist. Seiner Entwicklung nach hat er mit diesen nichts zu schaffen. Die Frage, in welchem Entwick- lungsstadium der Besitzstand des Fortsatzes seine endgültige Ab- rundung erfährt, muß ich vorderhand unerörtert lassen. Zu ihrer Lösung bedarf es der Untersuchung älterer Keime. In konsequenter Weiterführung meiner Auffassung dieses Fort- satzes muß ich noch eine letzte Frage streifen. Ich meine jene nach der Wertigkeit der Aorta ascendens, deren distalen Abschnitt wir aus dem paarig werdenden Truncusvorderende hervorgehen sahen. Welehe Bedeutung hat dieses Gefäß? Welche Rolle spielt der intermediäre Aortenbogen KASTSCHENKOos, den wir beim Keim IV und V vor der ersten Kiementasche antreffen? Und die Verbindungs- gänge zwischen beiden Aorten vor diesem Bogen? Ich rühre mit dieser Fragestellung an die Urgeschichte des Gefäßsystems; meine kärglichen Erfahrungen reichen nicht aus, um dieselben einer Be- sprechung zuführen zu können. Eines kann ich wohl betonen. Das Verhalten der Gefäße in der Kieferregion steht zu der von mir ge- wonnenen Auffassung derselben nicht in Widerspruch; es kann weit eher zur Stütze derselben herangezogen werden. Wenn ich dies nicht tue, so hat dies darin seinen Grund, daß ich die Frage nach der Bedeutung der eigenartigen Gefäßverhältnisse nicht als spruchreif bezeichnen kann. Ich darf selbstredend nicht auch einem andern Versuche aus dem Wege gehen, der einem leicht begreiflichen Streben seine Ent- stehung verdanken dürfte. Man könnte mir, um. die Gleichwertig- keit des Mesoderms im Unterkieferfortsatz mit jenem der distalwärts folgenden Visceralbögen zu erweisen, entgegnen, daß dieser Fortsatz einem ventrodistalwärts sich vollziehenden Auswachsen des von mir oben erwähnten hypothetischen branchialen Mesodermabschnittes vor der ersten Kiementasche seine Entstehung verdankt. Nun — eine solche gegenteilige Annahme muß zu sämtlichen Einzelheiten der hier für unsre Region geschilderten Entwicklungsvorgänge Stellung nehmen. Es müßte vornehmlich der Beweis erbracht werden, daß der hypothetische Mesodermabschnitt längs der auf Kosten des 310 H. Rex Truneus neugebildeten Strecke der Aorta ascendens distalwärts vor- dringt und hier kurzerhand das dem Gefäße vergesellschaftete car- diale Mesoderm von diesem förmlich abschält, zurückdrängt oder zur Rückbildung bringt. Dem steht schon die wichtige Tatsache entgegen, daß die im Unterkieferfortsatz geborgene distale Zellplatte ein Abkömmling des Scheitelabschnittes des Ecetocards ist. Von einer nochmaligen Erörterung der ganz ge- trennten Entwieklungsbahn, welche unser Fortsatz im Gegensatze zu den auf ihn distalwärts folgenden Visceralbögen einschlägt, darf ich wohl absehen. B. Differenzierung des Mesoderms der Kieferregion. Bei der Untersuchung der Entwicklung des Vorderkopfmeso- derms kamen für mich drei Fragen in Betracht. Ich versuchte fest- zustellen, ob es 1) bei jungen Keimen möglich ist, eine Grenze zwischen dorsalem und visceralem Mesoderm herauszufinden; 2) in welehem der beiden Abschnitte die für die Kieferregion so charakteristischen drei Kopfhöhlen ihre Entwicklung nehmen, und endlich 3) welches die Art dieser Entwicklung ist. Diese Fragen finden bereits zum Teil ihre Erledigung, wenn wir die Befunde rekapitulieren, welche die Untersuchung der Keime mit elf U.-P. ergeben hatte. Im Anschluß an das Studium jün- gerer Keime gelang der Nachweis, daß die Kieferregion außer dor- salem Mesoderm die miteinander vereinigten Fortsetzungen der beiden Abschnitte des viseeralen Mesoderms einschließt, welche distalwärts im Bereiche des Embryonalbezirks der Keim- scheibe als Verbindungsplättehen und cardiales Mesoderm voneinander getrennt werden können. Ja bei jüngeren Keimen er- streckt sich auch noch ein beträchtlicher Abschnitt des Splanchnoeöls in die Anlage der Kieferregion. — Vom Vorderende des ersten Ur- wirbelpaares ab bis zum Hinterende der Kieferregion ist überall dort, wo eine Abgrenzung des visceralen Mesoderms gegenüber dem dor- salen unsegmentierten Mesoderm durchführbar wird, die Grenzmarke stets oberhalb des Scheitels des Darmflügels gelagert. Es tritt dies namentlich in der Abgliederungszone überaus deutlich zutage, da hier das epitheliale Gefüge des Plättchens eine besonders deut- liche Abgrenzung ermöglicht. In der Kieferregion zeigt das vis- cerale Mesoderm im Querschnitt die Formverhältnisse eines dem Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 311 - benachbarten Eetodermmantel gleichgewölbten Zellblattes, dessen dorsale Grenze immer wieder oberhalb des Scheitels des Darmflügels sichtbar wird; sein ventraler zugeschärfter Rand ist der aufsteigenden Aorta angeschmiegt. Distalwärts setzt sich dies Blatt ins Verbindungsplättehen und das cardiale Mesoderm des embryonalen Bezirks fort; proximalwärts bewahrt es seine Formver- hältnisse bis nahe an den Vorderdarmscheitel. In diesem Zellblatte sehen wir die erste Anlage eines Höhlchenwerkes auftreten, aus welchem die zweite und dritte Kopfhöhle hervorgeht. Dieselben ‘gehören also dem visceralen Mesoderm an. Die Lage und Form dieses Höhlchenwerkes gibt das Konstruktionsbild I wieder. Es besitzt in diesem Stadium eine stattliche distale Ausdehnung; wir können den hinteren Endabschnitt bis in die Abgliederungszone verfolgen. Hier sind die Höhlehen im epithelial gefügten Verbindungsplättehen eingeschlossen. "Nicht alle diese Höhlchen sind gleichwertig. Denn die distoventralen, dem Vorderende des seinen Rückzug aus der Kieferregion bewerkstellen- den Splanchnoeöls nahe benachbarten sind auf dieses unmittelbar zu beziehen, während das Gros der Höhlchen selbständig entstanden ist. Der Versuch, vor dem Vorderende des Splanchnocöls an dem visceralen Mesoderm der Kieferregion irgendwelche Scheidung, etwa eine Abgrenzung eines cardialen Abschnittes durchzuführen, scheitert an der Einheitlichkeit des Zellblattes. — Die Feststellung dieser Verhältnisse ist von Bedeutung. Mit den Formveränderungen, welche Darm und Mesoderm unsrer Region später erfahren, wird der Nachweis irgendeiner Grenzmarke zwischen dor- salem und visceralem Mesoderm bei älteren Keimen un- möglich. Die weitere Differenzierung des Mesoderms unsrer Region ist folgende. An dem, dem dorsalen Mesoderm zuzuzählenden Ab- schnitte wird, wenn ich von dem äußersten, an der Bildung des ersten Kopfhöhlenpaares beteiligten Endabschnitte absehe, bei unsern Keimen keine Differenzierung wahrnehmbar. Desto reicher ist jene im visceralen Mesoderm. Das dünne Zellblatt ist der Bildungs- herd einer reichen Menge embryonalen Bindegewebes, wel- ches dem Ectoderm sowie auch der Darmseitenwand zustrebt und hier eine besondere Dichte erreicht. Bezüglich dieser Einzelheiten muß ich auf den beschreibenden Teil verweisen. Es schreitet auch die Weiterentwicklung des Höhlehenwerkes fort; es bilden sich neue Höhlchen aus. Über die Art ihrer Entstehung gibt uns namentlich 312 H. Rex die Reihe der Tafelfig. 14 a«—g sowie 14 A reichlichen Aufschluß. Ferner wird auch die Vereinigung der stockwerkartig über- einander aufgetürmten Lichtungen angebahnt. So wird end- lich jene bizarr geformte Höhle herangebildet, deren Formver- hältnisse aus den Konstruktionen II, III und IV leicht ersehen werden kann. Zum Schlusse kommt es zur Aufteilung des Liehtungs- werkes; dies hat aber unterdessen auch schon an Ausdehnung ein- gebüßt. Der größere proximale Abschnitt, welcher die große Höhle einschließt, wird dem Besitzstand der zweiten Kopfhöhle zugeteilt; aus dem ungleielf kleineren dorsodistalen, in wel- chem die Vereinigung der kleinen Lichtungen zu einer einheitlichen Höhle riecht recht zum Durchbruche gelangen will, geht ein mehr oder weniger selbständiger Mesodermabschnitt hervor, welcher die Anlage der dritten Kopfhöhle darstellt. Seine Zugehörigkeit zum Lichtungswerke wird bei manchem älteren Keime dadurch er- wiesen, daß sein Labyrinth kleinster Höhlehen mit der zweiten Kopfhöhle unmittelbar zusammenhängt. Mit Rücksichtnahme auf die Entwicklungsstätte haben wir diese beiden Kopfhöhlen der Möwe dem Splanchnocöl zuzuweisen. Diese verhältnismäßig einfachen Entwicklungsvorgänge erfahren eine ganz bedeutende Komplikation dadurch, daß es im Bereiche des distalen Endabschnittes des Höhlehenwerkes zur Anlage einer Zellplatte kommt. Ich habe mich nun mit dieser zu beschäftigen und will mir zunächst einen Rückblick auf ihre Entstehungsart ge- statten. Die nähere Untersuchung läßt zwei Abschnitte erkennen: eine vor der ersten Kiementasche steil aufgerichtete proximale sowie eine im Unterkieferfortsatz geborgene distale Platte. Der Entwieklungsgang beider ist ein verschiedener. Wie die Aus- einandersetzungen im vorhergehenden Kapitel gezeigt haben, ist es in erster Reihe cardiales Mesoderm, welches zu dem des Unter- kieferfortsatzes umgewandelt wird. Ein vielleicht auch mitbeteiligter ventraler Endabschnitt des Verbindungsplättchens darf wohl im fol- senden außer Betracht kommen. Ich vermochte nun den Nachweis zu erbringen, daß die distale Platte aus dem visceralen Blatte dieses cardialen Mesoderms, also aus dem Ecetocard hervorgeht. — Die Entwicklung der proximalen Platte ist eine verhältnismäßig weit einfachere. Sie geht aus dem distalen Abschnitt des vis- ceralen Mesodermblattes hervor, welches ich oben kurz refe- rierend für einen Keim mit elf U.-P. geschildert habe. Ich brauche die Entwicklungsprozesse, welche sich da vollziehen, nicht erst des Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 313 Näheren zu schildern, zumal sie ja im beschreibenden Teile ein- sehende Beachtung gefunden haben, und darf hier wohl nur auf die Figurenreihe 11 d—f, 12 d—e, 14 b—d, 15c, 16e, 18 d—f und 215 und d verweisen. — Beide Platten gehen keineswegs unmittelbar ineinander über, wie schon der Nachweis ihrer differenten Ent- stehungsart erraten läßt. Ein ecaudaler Fortsatz der vorderen gewinnt Fühlung mit dem Vorderende der hinteren; es kommt nicht zu einem intimen Anschlusse. Auch die baulichen Eigentümlichkeiten beider Platten sind recht verschiedene. Besitzt die distale als unmittelbarer Ab- kömmling des Eetocards unverkennbar epithelialen Bau, so ver- dient die proximale vielfach nur die Bezeichnung als beson- ders diehtgefügter plattenförmiger Mesodermabschnitt, wel- cher im Querschnitt nur längs der beiden Breitseiten Andeutungen einer schärferen Abgrenzung durch enger miteinander zu Reihen verknüpfte Zellen erkennen läßt. Vielfach ist es ja bloß das enge Gefüge des diese Platte aufbauenden Zellmaterials, welches sie von der unmittelbaren zellarmen Nachbarschaft gleichwie durch einen Spalt getrennt erscheinen läßt. Ist längs der Außen- und Innen- fläche die Abgrenzung verhältnismäßig leicht, so wird sie im Be- reiche des dorsalen Randes mitunter schwierig. — Die Platte läßt ferner eine ganz scharf hervorstechende Eigentümlichkeit erkennen, welche der im Unterkieferfortsatz geborgenen distalen ganz abgeht. Ihr proximaler Abschnitt birgt das distale Ende des Höhl- chenwerkes, und zwar vornehmlich den der dritten Kopf- höhle zugehörigen dorsodistalen Abschnitt; dies ist aus der Entstehungsart von Platte und Höhlehenwerk leicht verständlich. Sie entstammen gleichem Mutterboden. Aber auch distalwärts, über das Bereich des Höhlchenwerkes hinaus, erschließt sich die Platte, und zwar zumal ihr eaudaler Fortsatz, der in den Unterkiefer- bogen eindringt, kleinen epithelial umsäumten Lücken und Höhlen. Trotz dieser ganz eigenartigen Differenzen bahnt der caudale Fort- satz einen Anschluß ans Vorderende der distalen Platte an. Er fällt auch recht ungelenk aus. Es kommt zu einer Art Anpassung, welche sich auch als Überkreuzung der beteiligten Enden bezeichnen läßt. Ich möchte auf die Tafelfig. 18 c, 19 a und 5 verweisen. Interessant ist der Umstand, daß ganz unzweideutig das Bestreben vorwaltet, die Unebenheiten längs der freien Fläche der Kontaktstelle durch Zellen auszufüllen, welche auf den ersten Blick einen glatten Anschluß beider Platten vortäuschen. Unwillkürlich erinnert dies Verhalten 314 H. Rex an die Verlötung zweier Metallbruchstücke. Das Mangelhafte im Anschlusse ist in der Entwicklungsart der beiden Platten zu suchen. Die eine ist der Abkömmling eines Ectocardabschnittes, also eines bereits verhältnismäßig hoch differenziert gewesenen Abschnittes der Splanehnopleura; die andre nimmt ihre Entstehung aus einem Zellblatte, in welchem, wie die Befunde bei den jüngsten Keimen lehren, beide Seitenplatten der Kieferregion enthalten sind. Eine kurze Überlegung erklärt uns die Notwendigkeit des Anschlusses beider Platten. Vor der Entwicklung der ersten Kiementasche setzt sich das Mesoderm der Seitenplatten, welches später auch das Me- soderm der Herzanlage beistellt, proximalwärts unmittelbar ins Be- reich der Anlage der Mandibularregion fort. Durch die Kiementasche ist sodann später wohl die Kontinuität eines großen Abschnittes der Seitenplatten aufgehoben worden, indes jener unterhalb der Tasche, welcher zunächst in den Dienst des Scheitels der Herzanlage, sodann in den des Unterkieferfortsatzes gestellt worden ist, hat seine Kon- tinuität mit dem visceralen Mesoderm der Kieferregion nicht einge- büßt. Und dies tut sich auch an den Differenzierungsprodukten dieser Seitenplattenabschnitte, der distalen und proximalen Zellplatte kund. Ihr Zusammenhang ist durch die Kontinuität ihrer Bildungs- stätte von vornherein gewährleistet; daß er kein inniger ist, erklärt sich aus den verschiedenen Bahnen, welche die beteiligten Abschnitte in ihrer Differenzierung eingeschlagen haben. — Zu diesen eben mitgeteilten Untersuchungsergebnissen bin ich verhältnismäßig spät gelangt; ich hatte ursprünglich die Zellplatte als einheitliches Gebilde angesehen, bis mich die Inkongruenzen an der Vereinigungs- stelle eines Besseren belehrt haben. Ich wende mich jetzt der Frage nach der Stellung zu, welche wir der proximalen Platte anzuweisen haben. Ihr dorsaler Abschnitt beherbergt das Höhlchenlabyrinth der dritten Kopfhöhle; ihr Vorder- ende gewinnt innige Beziehungen zur zweiten Kopfhöhle und deren Zellmantel. Dies ist, wie bereits erwähnt, leicht verständlich. Ent- stammen doch die Höhlen gleich der Platte demselben Mutterboden! Dieser ist bei Keimen mit elf U.-P. ein dünnes Zellblatt, in welchem die Seitenplatten der Kieferregion eingeschlossen sind. Im Bereiche desselben macht sich im Laufe der weiteren Entwicklung eine etwas verschieden weit vorschreitende Cölombildung bemerkbar. In ver- hältnismäßig bescheidenen Grenzen hält sich der Aushöhlungsprozeß im Bereiche des Hinterendes des Zellblattes. Aus diesem geht all- mählich die proximale Platte und die in ihr geborgene Anlage der Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 315 dritten Kopfhöhle hervor. Die Platte weicht in ihren Formverhält- nissen von jenen ihrer ursprünglichen Anlage nicht allzusehr ab. Weiter vorn aber, nahe dem Bereiche der zweiten Kopf- höhle, wird infolge der bald energischer vorschreitenden Aushöhlung der enge Rahmen der schmalen hohen Platte gesprengt; die mächtig heranwachsende Höhle hat in ihm keinen Platz mehr ge- funden. Die im Zellmantel der Höhle geborgenen kleinen Neben- höhlchen zeigen die Richtung an, nach welcher eine weitere Ver- größerung der letzteren erfolgen kann. Dem Gesagten zufolge schließt die proximale Zellplatte den distalen Abschnitt beider Seiten- platten der Kieferregion in sich ein und hat verhältnismäßig einfache Formverhältnisse trotz recht reicher Differenzierung bewahrt. Hierüber klärt uns namentlich die Reihe der Tafelfig. 16 e—h und 18 d—i auf. Andre Befunde sollen später der Besprechung zuge- führt werden; der hervorstechendste ist wohl jener, welcher an eine Verknüpfung der Platte mit der ersten Kopfhöhle gemahnt. Über diese Höhle habe ich folgendes zu berichten. Zunächst möchte ich den Leser an meine beiden Abhandlungen über das Vorderkopfmesoderm der Ente verweisen. Die vorliegende Unter- suchung erbrachte folgendes. Der Mesodermabschnitt, in wel- chem die Höhlenanlage sich entwickelt, gehört jenem äußersten Endteile des Vorderkopfmesoderms an, bezüglich dessen irgendeine Orientierung von dorsalen und ventralen Ab- schnitten versagte. Die Sachlage wird allerdings eine andre, wenn ich jene Bilder zu Rate ziehe, welche die Differenzierung der Höhlenanlage bei älteren Keimen, so bei solchen mit zwanzig U.-P. aufweist. Ich kann da namentlich auf die Schilderung der Sagittal- schnittserie und der dieser entnommenen Figurenreihe 17 ec, d, e, f verweisen. Wie aus meiner Schilderung hervorgeht, bildet hier das Mesoderm der Höhlenanlage die unmittelbare Fortsetzung des mandibularen Höhlenwerkes. Die Art der Entwicklung ist die gleiche: zuerst eine Anlage von Einzelhöhlchen, welche erst später zur Vereinigung gelangen. Dann ist aber auch bei diesem Keime der Zusammenhang der gesamten Höhlchen ein ganz auf- fälliger. Die Anlagen der dritten, zweiten und ersten Höhle bilden ein einheitliches epitheliales Balkenwerk, das irgendeiner Trennung entbehrt. Erst später tritt mit der Ausbildung der beiden großen Einzelhöhlen eine Sonderung in diesem Balkenwerk ein. Diese Befunde lassen den Schluß naheliegend erscheinen, daß auch der Boden, welchem die Höhlchenanlagen entstammen, wohl ein Morpbolog. Jahrbuch. 33. >| 316 H. Rex gleichartiger sein wird. Für die dritte und zweite Kopfhöhle meines Untersuchungsobjekts habe ich wohl den Nachweis erbracht, daß beide visceralem Mesoderm angehören. Liegt irgendein Grund vor, für die erste Höhle — von der medialen Fortsetzung sehe ich vorderhand ganz ab — einen andern Mutterboden anzuspre- chen, etwa dorsales und viscerales Mesoderm, oder dorsales allein? Ich wüßte keinen. Die Bau- und Formverhältnisse der fertigge- stellten ersten und zweiten Höhle gleichen einander in den wesent- lichsten Punkten so sehr, daß sie für eine völlige Gleichwertigkeit beider Gebilde, also auch ihres Mutterbodens sprechen. Eine Eigentümlichkeit verleiht dem ersten Höhlenpaare etwas Fremdartiges. Ich meine die Verknüpfung, welche die Anlagen bei- der Höhlen miteinander in der Mittellinie erfahren; an ihr ist der Rest der interepithelialen Zellmasse mitbeteiligt. Sie führt zur Ent- stehung des Verbindungskanals beider Höhlen, den ich bei der Ente aufgefunden habe. Bei der Möwe habe ich einen solchen vermißt; hier weist der Zellmassenrest eine selbständige Lichtung auf (s. die Tafelfig. 21 g und A). Bezüglich dieser medianen Verbindung habe ich dem für die Ente Mitgeteilten (s. meine zweite Abhandlung) nur weniges hinzu- zufügen. Die Anlage der ersten Kopfhöhle ist als ein vorderster Endabschnitt des gastralen Mesoderms zu deuten, welcher die Ver- bindung mit seiner Bildungsstätte, der interepithelialen Zellmasse, unverhältnismäßig lange aufrecht erhält. Ja, auch nachdem der Rest dieser Zellmasse seine Beziehungen zum Vorderdarmscheitel endgültig gelöst hat, bleibt er gleichwohl mit den medialen Endabschnitten beider Höhlenanlagen noch in Verbindung und stellt so die mediane Commissur beider Anlagen dar. Die Erhaltung dieser Verbindung hat etwas Rätselhaftes an sich. Sie ist wohl damit in Zusammen- hang, daß hier vorn die gesamten Entwicklungsvorgänge im Zeichen einer auffallenden Verzögerung stehen. Dies ist auch in der Diffe- renzierung des Chordavorderendes bemerkbar. In dem vom Darm- scheitel abgelösten Zellmassenreste ist auch noch das Bildungsmaterial eines kurzen Endehens der Chordaspitze eingeschlossen. Es wird seiner Bestimmung nicht zugeführt. Der Zusammenhang der Höhlen- anlage mit ihrer zum Zellmassenreste vordringenden medialen Fortsetzung muß als äußerst inniger bezeichnet werden. Dafür spricht vornehmlich der Umstand, daß der Aushöhlungsprozeß der Anlage auf die letztere übergeht. Die Rolle, welehe die mediane vom Zellmassenreste hergestellte Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 317 Commissur bei der Entwieklung des Verbindungskanals der Ente spielt, war nach meiner früheren Auffassung folgende. Ich habe die Vermutung ausgesprochen, daß der Rest nach dem völligen Er- löschen seiner Differenzierungsfähigkeiten ein mit in den Aushöhlungs- prozeß der Höhlenanlage einbezogenes schlichtes Zellplättchen dar- stell. Man könnte aber auch folgender Erwägung Raum geben. Vielleicht kommt die Kommunikation der Lichtungen bei der Ente so zustande, daß sie sich nur im Mesoderm der Höhlenanlagen abspielt. Es könnte sich um ein Eigenwachstum der me- dialen Endabschnitte der Höhlen handeln, welche längs des Zellmassenrestes als wegweisender Bahn nach einwärts vorrücken und endlich zur Vereinigung kommen. Damit wäre der Rest von der Beteiligung an der Ausbildung des Verbindungs- kanals ausgeschlossen. Dann gewinnt aber auch der Befund bei der Möwe eine andre Beleuchtung. Man müßte die mediane Lichtung ausschließlich auf den Zellmassenrest beziehen und der Lichtung der Kopfhöhle als Bildung sui generis gegen- überstellen. Welche Bedeutung der ersteren zuzuweisen wäre, ist mir allerdings völlig unklar. — Ich gebe diese Auseinandersetzungen wieder, weil sie vielleicht doch irgendeine Spur weisen. Die mit dem Zellmassenrest verbundenen medialen End- abschnitte des Höhlenpaares, die sich auch zu einem Ver- bindungskanal vereinigen können, stellen ein lange be- stehendes Wahrzeichen einer der ursprünglichsten Be- ziehungen dar, welche wir am gastralen Mesoderm kennen: es sind die Beziehungen zum Mutterboden. Diese Endab- schnitte dürften auch in Frage kommen, wenn wir hier vorn nach dorsalem Mesoderm Umschau halten. Sie sind nebst einem kleinen, nicht näher abgrenzbaren inneren Endteil der Höhlen wohl als dorsalem Mesoderm zugehörig zu bezeichnen. Eine größere Ausdehnung kann ich diesem Mesoderm nicht zubemessen, und habe oben die Gründe klargelegt, welche den weitaus größten Abschnitt der Höhle dem visceralen Mesoderm zuweisen. — Die Besprechung der Donrnschen Mitteilungen wird mir weitere Gelegenheit geben, auf das erste Höhlenpaar zurückzukommen. — Ich möchte endlich nochmals darauf verweisen, daß es vollauf gerechtfertigt ist, an der Gleiehwertigkeit der Mesodermabschnitte, welchen die dritte und zweite Kopfhöhle sowie der größte Teil der ersten entstammen, festzuhalten. Ich kehre nun wieder zur proximalen Zellplatte zurück. Die 21* 318 H. Rex ganz eigenartigen Befunde, welche uns die Tafelfig. 21 m und e illustrieren, sind schwer zu deuten. Im Verein mit der Gestaltung, welche die Zellplatte bei dem Keime mit 26 U.-P. aufweist — s. die Tafelfig. 20 5 — gemahnen sie an jene Gebilde, welche DoHRrN jüngst für Torpedo als »Seitenplattenkanäle« beschrieben hat. Mir sind noch andre Befunde bekannt, welche eine weit größere Ahn- lichkeit aufweisen. Ich muß mich jeder Stellungsnahme zu diesen enthalten; auch DoHurn beschränkt sich für sein Objekt auf die bloße Beschreibung; wie schon seine Bezeichnung erraten läßt, weist er dieselben dem visceralen Mesoderm zu. — Großes Interesse er- heischt auch ein andrer Befund bei der Möwe; ich meine die in der Tafelfig. 21 » ersichtliche Verknüpfung der Zellplatte mit der ersten Kopfhöhle. Hier hat Dourn für die von ihm untersuchten Selachier eine Reihe von wertvollen Mitteilungen! erbracht, welche bei der Möwe angedeutete Beziehungen in ganz andrer Weise ent- wickelt zeigen. Bei Pristiurus erreicht einer der »Seitenplatten- kanäle« der Kieferhöhle die Prämandibularhöhle und die Liehtungen beider kommunizieren miteinander. Bei Raya batis ist eine Kommunikation des »Mandibularschlauches« mit der ersten Kopfhöhle nachweisbar. Auch ältere Unter- suchungen DoHrNns (7. und 8. Studie), welche er an dem vorhin ge- nannten Squaliden angestellt hatte, haben ähnliche Beziehungen zwi- schen der ersten und zweiten Kopfhöhle aufgedeckt. Endlich aber teilt uns derselbe Autor einen Befund mit?, welchen er bei einem Keime von sSeyllium catulus beobachtet hat. Die Wichtigkeit des- selben erheischt die wörtliche Wiedergabe der Schilderung. Ein 9 mm langer, in Horizontalschnitte zerlegter Keim zeigt folgende »Abweichung vom Normalen«e. »Auf beiden Seiten sind die Zwi- schenwandungen, welche die Hohlräume der Mandibularhöhle und der Prämandibularhöhle voneinander scheiden, verschwunden, nur die obere Partie der ersteren, aus welcher der Obliquus superior hervorgeht, und die untere Partie, welche zu der Adductorgruppe sich entwickelt, sind durch vorspringende Wandungsfalten zu beson- deren Abschnitten abgegrenzt geblieben — doch steht auch ihr Lu- men mit dem allgemeinen Lumen in Zusammenhang. Daß es sich hier nicht um künstliche Verbindung mittels durchrissener Wandungen handelt, ist auf den ersten Blick klar; ob die Kommunikation der 1 23. und 24. Studie zur Urgeschichte des Wirbeltierkörpers. 2 24. Studie. S. 150. Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 319 beiden großen Höhlen von Anfang an bestanden hat, oder ob eine allmähliche Resorption der Wandungen eingetreten ist, läßt sich leider nicht feststellen. Gegenüber der ziemlich häufig vorkommen- den Kommunikation der dritten Kopfhöhle mit der mandibularen ist diese hier beschriebene Kommunikation eine große Seltenheit.« Ich weiß nicht, ob DoHrns Bezeichnung »Abweichung vom Normalen« zutrifft; ich bin vielmehr der Ansicht, daß eine eingehende Unter- suchung zahlreicher Keime vom Katzenhai eine große Variations- breite in den Cölombildungen der Kieferregion erweisen wird. Es ist mir auch fraglich, ob dann sein Befund ans äußerste Ende der zu erwartenden Fundreihe zu stellen sein wird. Die von mir bei der Möwe gefundene Kommunikation der Lichtung der zweiten Höhle mit dem Lichtungswerke der Anlage der dritten findet ihr Gegenstück in DoHrns Befunden, ebenso auch in jenen FRORIEPs. Dieser Forscher berichtet uns für Torpedo ocellata über ein ° »zusammenhängendes Kopfceölom«. Die dritte, postmandibulare Höhle liegt über der ersten Visceraltasche und kommuniziert zeitweise sowohl mit der mandibularen Kopfhöhle, wie auch mit der Visceral- bogenhöhle im Hyoidbogen. Das sind alles in allem Befunde, welche nachdrücklich folgende Fragestellung erheischen: entsprechen die drei, vornehmlich bei Squaliden aufgefundenen typischen »Kopf- höhlen« der Höchstleistung der Cölombildung in der Kiefer- region, oder sind sie etwa nur Reste eines ursprünglich geplanten, weit mehr ausgreifenden, ungleich vollkommeneren Aushöhlungspro- zesses? Wenn ich meine Konstruktionsbilder mit den Mit- teilungen DOoHRNs und FRORIEPS zusammenstelle, so kann ich mich nur für die zweite Annahme entscheiden. Ich habe bereits darauf verwiesen, daß die Zellplatte proximal- wärts zum Teil ihre Fortsetzung im Zellmantel findet, welcher die Anlage der zweiten Kopfhöhle einhüllt. In diesem tauchen immer wieder kleinste Liehtungen auf, welche den Anschluß an die Leit- höhle anstreben. Gibt uns dieser Mantel etwa die Grenze an, bis zu welcher die Vergrößerung der Höhlenanlage überhaupt vorschrei- ten kann? »Ich verlange von einem Urwirbel, gleichviel, ob er dem Rumpfe oder dem Kopfe angehört, daß er ein Stück des dorsalen und nur des dorsalen Mesoderms bilde — — —.« Mit diesen Worten hat 320 H. Rex ©. RıgL vor einer Reihe von Jahren! seine Stellungnahme zum Vorderkopfmesoderm präzisiert. Es ist eine ebenso einfache als klare Forderung, jene Mesodermabschnitte, welche die vielberufenen Lich- tungen in sich bergen, auf eine der primitivsten Eigenschaften zu prüfen. Meine vorstehenden Auseinandersetzungen entheben mich wohl der Notwendigkeit, für mein Untersuchungsobjekt das Für und Wider der »Somitennatur« der Mesodermabschnitte des Vorderkopfes zu besprechen. Die zweite und dritte Kopfhöhle von Larus sind als im visceralen Mesoderm entstanden dem Splanchnoecöl zuzurechnen; es besteht die größte Wahrscheinlichkeit, daß das gleiche auch für die erste Höhle gilt, wenn wir von ihrem medialen Endabschnitt absehen. Erfreulicherweise ringt sich die entwicklungsgeschichtliche Erforschung des Selachierkopfes zu einem Resultate durch, welches die Auffassung der Höhlen als »Exponenten eines Urwirbels oder urwirbelartigen Gebildes« als Fehldeutung erscheinen läßt. Ist auch hier im einzelnen noch mancher Widerspruch zu lösen, die Resultate SEVERTZOFFS, FRORIEPsS und DoHrns haben endgültig mit jener Deutung gebrochen. Ich hätte hier noch auf eines zu verweisen. Den weitgehendsten Aufschluß über die Mesodermabschnitte des Vorder- kopfes haben wir von einer genauen Kenntnis ihres definitiven Schick- sals zu erwarten; das uns bis jetzt hierüber Bekannte darf wohl nur die Bezeichnung kärglich für sich in Anspruch nehmen. Mit dem Nach- weis, daß sich aus den Wandungen der drei Kopfhöhlen die Augen- muskeln und embryonales Bindegewebe entwickeln, mit den dürftigen Berichten über die Muskelanlagen in den Visceralbögen haben wir doch nur eine kleine Etappe des einzuschlagenden langen Forschungs- weges erreicht. Diese Auskünfte genügen ja nur einfachen Anforde- rungen. Es harren unsrer ganz andre Aufgaben. Die vornehm- lichste ist wohl die, Schritt für Schritt die Entwicklungsbahn des gesamten Kopfmesoderms zu verfolgen. Heute liegen uns nur Bruchstücke vor, unter diesen allerdings auch solche von großem Umfang, die eine sorgfältige und ausgezeichnete Bearbeitung erfahren haben. Was aber fehlt, das ist die unmittelbare Verknüpfung der Einzelbeobachtungen zu einem einheitlichen Ganzen. 1 Über die Metamerie des Wirbeltierkopfes. Referat erstattet in der sech- sten Versammlung der Anatomischen Gesellschaft in Wien. 1992. Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 321 III. Besprechung der Literaturangaben. Die überwiegende Mehrzahl sämtlicher cephalogenetischer Unter- suchungen ist bekanntlich an Selachiern angestellt worden. Die stattliche Reihe von Abhandlungen, welche seit BarLrours bahn- brechenden Arbeiten erschienen sind, läßt eine bedeutende Diver- genz in der Beantwortung einer der wichtigsten Fragen erkennen. Es herrscht durchaus keine Klarheit darüber, ob die im Rumpfe so scharfe Trennung des Mesoderms in Urwirbel und Seitenplatten auch über das Bereich der Labyrinthanlage bis ans Chordavorderende hin nachweisbar ist oder nicht, kurz, welche Bedeutung den drei Cölom- abschnitten des Vorderkopfes zukommt. Die Diskussion dieser Frage ist heute noch nicht verstummt. Nur zögernd habe ich mich dazu entschlossen, meine Unter- suchungsresultate mit jenen in Parallele zu bringen, welche die zahl- reichen Abhandlungen über den Selachierkopf erbracht haben. Ich bin da ausschließlich auf das Studium der Literatur angewiesen, da mir irgend eine eigne Erfahrung völlig mangelt. Wenn ich gleich hinzufüge, daß ich gerade über den wichtigsten Punkt, über die erste Differenzierung des Vorderkopfmesoderms der Selachier einen durch- aus nicht befriedigenden Aufschluß erlangen konnte, zudem mein Untersuchungsobjekt gerade an einer recht kritischen Stelle eine bei Selachiern reich entwickelte Organisationshöhe vermissen läßt, so ist die Reserve, welche ich mir im folgenden vielfach auferlegen muß, gerechtfertigt. So gleicht denn die folgende Besprechung vielfach mehr einem Referate als einer Kritik. Ich kann mich zunächst gegenüber der fast ausschließlich in den Vordergrund tretenden Art der Untersuchung der Cephalogenese nicht des Eindrucks erwehren, daß sie an einer Einseitigkeit leidet, deren sich die meisten Forscher wohl gar nicht bewußt ge- worden sind. Ich meine die fast ausschließliche Berücksichtigung von Sagittalschnitten und von Konstruktionsbildern, welche solehen ent- nommen worden sind. Querschnitte und Abbildungen soleher — und ich meine die systematische Durcharbeitung von Querschnitten des zur Untersuchung herangezogenen Keimmaterials — treten fast durch- gehend in den Hintergrund, wenn ich von DOHRNs jüngster Unter- suchung der ersten Kopfhöhle absehe. Es ist ja unleugbar, daß Sagittalschnitte sowie auch Profilkonstruktionen bei der Erledigung 322 H. Rex unsrer Aufgabe unerläßliche Hilfsmittel sind. Indessen wir werden immer wieder fast nur mit Sagittalschnitten abgefunden und mit solchen entnommenen Konstruktionen, und so geht uns die Kontrolle, welche ein Transversalschnitt, also ein quer zur Chorda geführter Schnitt gibt, völlig ab. Wenn wir dem Anfänger eine Vorstellung der Gliederung des Rumpfmesoderms in Urwirbel und Seitenplatten geben wollen, so führen wir ihm zunächst einen Querschnitt vor. Und für eine Region, über deren Meso- dermgliederung seit nun zwei Dezennien trotz so vieler eingehender Untersuchungen keine Klarheit erzielt werden konnte, soll uns dies einfachste Auskunftsmittel versagt bleiben? »Vertragen«e am Ende die Vorderkopf-»Somite« eine solche Darstellung nieht? Ich bin überzeugt, daß jeder Unvoreingenommene mein Verlangen nach dieser unentbehrlichen Kontrolle nur gerechtfertigt finden wird. Es ist mir auch wohl bekannt, daß die Anfertigung soleher Schnitte bei der Kleinheit der Objekte, der früh auftretenden Kopfbeuge usw. bedeuten- den technischen Schwierigkeiten begegnet. Indessen, wenigstens der Versuch darf nicht unterbleiben und er wird schließlich doch zum Ziele führen. Die moderne wissenschaftliche Technik hat andre Schwierig- keiten überwinden gelernt. — Der Mangel einer so überaus wich- tigen, unerläßlichen Orientierung macht sich in geradezu peinlicher Weise kund, wenn wir die kärgliehen Mitteilungen übersehen, die uns über die erste Differenzierung des Kopfmesoderms zu orien- tieren suchen. Recht rasch steuert fast jede Darstellung direkt weit vorgeschrittenen Entwicklungsstadien zu, ohne bei den so un- gemein wichtigen ersten Differenzierungsvorgängen länger zu ver- weilen. Dies gilt namentlich von der Region der dritten Kopf- höhle und ihrer distalen Nachbarschaft; das was uns für dieselbe an Querschnittsbildern vorliegt, ist weniger als dürftig. Ich brauche wohl nicht erst darauf zu verweisen, welch empfindlichen Abbruch‘ hierdurch die Einsichtnahme in die Entwicklung dieser Region erfährt. — Es kann nicht in meiner Absicht liegen, sämtliche Arbeiten hier einer Besprechung zuzuführen. Dem mit dem gegenwärtigen Stande unsrer Frage Vertrauten wird es durchaus nicht schwer fallen, meine Stellungnahme zu den hier nicht näher berücksichtigten Abhandlungen zu erkennen. Wollte ich eine solche auch nur in Kürze charakterisieren, so würde dieser Abschnitt durch die ermüdende Wiederholung von längst Bekanntem eine Ausdehnung erhalten, die mir die Sache nicht zu fördern scheint. Dem unsern Fragen ferner Stehenden bringen Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe, 323 die sorgfältigen Referate von FRORIEP!, C. RaBL? und v. KUPFFER? Aufschluß. Weitere, gleichfalls eingehende Besprechungen finden wir in den Monographien von M. FÜRBRINGER*, NEAL?°, SEVERTZOFF®, H. K. Cornın@g’ und DoHrn®. Reichhaltige Literaturverzeichnisse, welche das genannte Kopfproblem betreffen, haben die genannten Forscher gleichfalls erbracht. Wohl das sorgfältigst redigierte findet sich bei M. FÜRBRINGER; N. K. KoLTzorr* hat dasselbe bis 1901 fortgesetzt. So will ich mich denn auf die jüngeren und jüngsten Abhand- lungen beziehen und auch nur die Entwicklung des Vorderkopfes zur Besprechung bringen, da, wie bereits erwähnt, bei der Möwe die distale Nachbarschaft der Kieferregion nichts von der ungleich reicheren Differenzierung erkennen läßt, welche Selachierkeime auf- weisen. A. Dourns 23. und 24. Studie, welche mir nach dem Abschlusse meiner Untersuchungen zugänglich geworden sind, sollen an die Spitze gestellt werden. Ich kann selbstredend nur die Grundzüge seiner Anschauung wiedergeben. Die eingehendsten Angaben werden über Torpedo marmorata und ocellata erbracht; beide besitzen die weitaus reichste Differenzierung des Kopfmesoderms. DoHrn hält daran fest, daß die Annahme, in den drei Cölomabschnitten * ! Entwicklungsgeschichte des Kopfes. In »Ergebnisse der Anatomie und Entwicklungsgeschichte«e. Bd.T!. 1892. Ferner: Bd. III. 1894. 2 Über die Metamerie des Wirbeltierkopfes. In »Verhandlungen der Anat. Gesellschaft auf der sechsten Versammlung in Wien«. 1892. 3 Entwicklungsgeschichte des Kopfes. In »Ergebnisse der Anatomie und Entwieklungsgeschichte«e. Bd. V. 1896. 4 Über die spino-oceipitalen Nerven der Selachier und Holocephalen und ihre vergleichende Morphologie. Festschrift für C. GEGENBAUR. Bd. III. Leipzig 1897. 5 The segmentation of the nervous system in Squalus acanthias. Bull. of the Museum of Comp. Zoölogy at Harvard College. Vol. XXXI. No.7. 1898. 6 Studien zur Entwicklungsgeschichte des Wirbeltierkopfes. I. Die Meta- merie des Kopfes des elektrischen Rochens. Bull. de la Soc. Imp. d. Natur. de Moscou. 1898. 7 a) Über einige Entwicklungsvorgänge am Kopfe der Anuren. Morph. Jahrbuch. Bd. XXVII. 1899. — b) Über die Entwicklung der Kopf- und Ex- tremitätenmuskulatur bei Reptilien. Ibidem. Bd. XXVIII. 1899. 8 Studien zur Urgeschichte des Wirbelthierkörpers. 18.—22. Studie. Mit- theilungen aus der Zoolog. Station zu Neapel. Bd. XV. 1902. Ferner: 23.—24. Studie. Ibidem. Bd. XVII. 1904. 9 Entwieklungsgeschichte des Kopfes von Petromyzon Planeri. Bull. de la Soc. Imp. des Natur. de Moscou. No.3 und 4. 1901. 324 H. Rex des Vorderkopfes seien Exponenten eines Urwirbels zu er- blicken, fallen gelassen werden muß. Im gesamten Vorder- kopfmesoderm, einschließlich der Bildungsstätte der ersten Kopfhöhle, ist neben dorsalem Mesoderm auch solches der Seitenplatten erweislich; die jüngsten Stadien lassen eine kontinuierliche Reihe von Urwirbeln erkennen, welche die oceipitale Reihe bis ins Bereich der ersten Kopfhöhle fortsetzt. Diese Vorderkopf- metameren erfahren niemals jene Ausbildung, welche einem Rumpfurwirbel zuteil wird; sie werden vielfach schon in jenem Zeitpunkte, in welchem die ersten Einkerbungen den Beginn einer Individualisierung der einzelnen Anlagen verkünden, durch starke räumliche Beschränkung, welche die Entfaltung des Hirn- und Darm- rohres mit sich bringt, in andre Formen übergeführtt. Am Aufbau der ersten und zweiten Kopfhöhle nimmt neben diesen Urwirbel- anlagen auch Seitenplattenmesoderm teil. Die ersteren sind im Be- reiche der prämandibularen Höhle wohl in der Verbindungsplatte beider Höhlen zu suchen; ihre Zahl dürfte keine erhebliche sein. Die Urwirbelanlagen, welche sich am Aufbau des medialen para- chordalen Abschnittes der Kieferhöhle beteiligen, bestimmt DoHRN auf vier. Zwischen dem vordersten oceipitalen Urwirbel und dem letzten der mandibularen Reihe sind ursprünglich vier bis sechs weitere Anlagen vorhanden. Sie sind allerdings nirgends so deut- lich voneinander gesondert, daß sie sofort als Einheiten ins Auge fallen. Speziell zur Bildung der dritten Höhle dürften drei bis vier derselben aufgewendet werden. Sie schließen sich so eng an die dorsalen Metameren der zweiten Höhle an, daß es zweifelhaft bleiben kann, ob man die vorderste noch zur Kieferhöhle oder schon zur dritten Höhle zu rechnen hat. Es haben eben beide Höhlen nicht den Anspruch, als einheitliche Formationen des Vorderkopfes angesehen zu werden. Schon bei recht jungen Keimen durchsetzen mehrere Lichtungen die Zellmasse des Seitenplattenmesoderms der zweiten Höhle. Sie ziehen von den dorsalen Urwirbelabschnitten ventralwärts und münden in die ge- räumige Lichtung, welche die ventralen Endabschnitte beider Seiten- platten nahe dem Eetoderm einschließen. Es sind DoHRNs »Seiten- plattenkanäle«. Im Laufe der weiteren Entwicklung zeigt der der zweiten Höhle zugehörige Mesodermabschnitt die Formverhält- nisse eines von mannigfach gekrümmten und gefalteten Wandungen umschlossenen Hohlraums, dessen ventraler Abschnitt einem Stiele gleicht, von welchem aus nach vorn und oben drei oder vier Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 325 kleinere, unregelmäßige, zum Teil wieder miteinander kommunizie- rende Hohlräume abzweigen. Es sind dies die bereits erwähnten »Seitenplattenkanäle«. Diese laufen schließlich in die zusammen- gepreßten Urwirbelhöhlen aus, welche in unvollkommener Teilung den dorsalsten und zugleich innersten Abschnitt der gesamten An- lage herstellen. Dieser dorsalste Teil stößt caudalwärts an die Ur- wirbelrudimente der dritten Höhle, rostralwärts an die noch nicht differenzierte Anlage der ersten Kopfhöhle. Der vordere Teil des dorsalen Hohlraums, welcher ursprünglich als schmaler Urwirbelspalt erschien und in die vorderen gekrümmten Seitenkanäle überging, wird durch namhafte Vergrößerung zur Haupthöhle des gesamten Gebildes. So erlangt der Hohlraum der Kieferhöhle eine Art Ballon- gestalt. Er läuft nach wie vor in die schmale basale Seitenplatten- lichtung aus. Zwei hintere Seitenplattenkanäle bringen die Lich- tung der Gesamthöhle mit ihrem distalen Urwirbelbezirk sowie einem der Urwirbel der dritten Kopfhöhle in Verbindung. Die kleinen Urwirbelanlagen, welche ans Vorderende der oceipitalen Reihe an- geschlossen sind und deren vorderste Elemente in die Bildung der dritten Kopfhöhle eingehen, verschmelzen mit ihren Wandungen; man erhält den Eindruck, als zögen ein oder zwei feine Spalten in gewissen Windungen durch diese Urwirbelanlagen hindurch. — Be- züglich des weiteren Schicksals des Vorderkopfmesoderms beider Torpedo-Arten sowie auch der Formverhältnisse jenes der Squaliden muß ich auf das so überaus inhaltsreiche Original verweisen. — Die beiden Studien DoHrns sind für unser Problem von hervor- ragendem und bleibendem Wert. Zum erstenmal wird uns eine ein- gehende Schilderung des Vorderkopfmesoderms an der Hand eines “ reichen Schatzes naturgetreuer Abbildungen für eine große Reihe von Selachiern geboten. Für uns resultiert zunächst die Erkenntnis, daß die Differenzierung des Vorderkopfmesoderms bei der Möwe durchaus nicht um ein Bedeutendes hinter jener bei einem Selachier zurückzutreten hat. Es zeigt sogar das Verhalten der proximalen Zellplatte zu den drei Kopfhöhlen Eigentümlichkeiten der Entwick- lungsart, welche vielfach an Befunde bei Torpedo gemahnen. Die kurze Schilderung, welche DoHrN für die erste Entwicklung der drei Kopfhöhlen beim Katzenhai entwirft, ähnelt einem kurzen Aus- zuge der in dieser Abhandlung über die Möwe erbrachten Daten. Der Autor bezeichnet diese Entwicklungsart als eine im Vergleiche mit Torpedo »verwischte Gliederung«. Der weiteren Besprechung möchte ich folgende Bemerkung vor- 326 H, Rex aussenden. Sie betrifft die Eigenart des Mesoderms unsres Unter- suchungsobjekts, welche von jener eines Selachiers ganz auffallend abweicht. Ich will hier nur auf die bekannte Tatsache verweisen daß bei Vogelkeimen ein ungleich größerer Zellreichtum vorhanden ist. Sämtliche Differenzierungsprodukte des Mesoderms sind in reichem embryonalen Bindegewebe eingelassen und mit demselben vielfach förmlich verlötet; bei den Selachiern hingegen treten sie dem Beschauer gleichwie isoliert entgegen, und damit steht wohl auch im Zusammenhang, daß sie hier auch ein weit größeres Maß von Selbständigkeit aufweisen. Dies erheischt eine besondere Vor- sicht im Vergleich der Befunde. Vorerst sei darauf verwiesen, daß Donurns Darstellung zu der von mir vertretenen Annahme, die Cölomabschnitte des Vorderkopfes entsprächen den Resten einer ursprünglich weit mehr ausgreifenden Cölombildung, durchaus nicht in Widerspruch steht. In der Auf- fassung der Kieferhöhle ist die Übereinstimmung sogar eine ganz bedeutende. Ich habe aus dem Studium seiner Darstellung den be- stimmten Eindruck erhalten, daß sich seine Deutung ursprünglich in der völlig gleichen Bahn bewegt hat, wie die meine. Die Zeichnungen, welche uns mit Querschnitten des Vorderendes der schon weit entwickelten Kieferhöhle von Acanthias bekannt machen, lassen leicht erkennen, daß das Cölom medianwärts die größtmög- liche Ausdehnung erreicht. Bei unserm Objekt hingegen reicht das Cölom nie so weit einwärts; der von mir als dorsal angesprochene Mesodermabschnitt zeigt keine Differenzierung. Nun nimmt DOoHRN, wie auch aus der Art der Bezeichnung seiner Querschnittbilder her- vorgeht, eben diesen medialen Endabschnitt des Mesoderms als dor- salen für die rudimentäre Urwirbelreihe in Beschlag und stempelt " damit den weitaus größten Teil der Kieferhöhle zu einem Besitz- stand der Seitenplatten. Ich brauche wohl nicht erst darauf hinzu- weisen, daß sich unsre Auffassungen völlig decken, wenn ich da- von absehe, daß ich bei der Möwe im dorsalen Mesoderm eine Gliederung völlig vermisse. Auch für Torpedo hat DoHRN, wie schon aus der oben gegebenen Skizze seiner Darstellung erhellt, das gleiche Ergebnis gewonnen. Im Laufe der weiteren Schilderung gibt er dasselbe aber mit einem Male auf und läßt das Geltungs- bereich des dorsalen Mesoderms auch auf das dem Seitenplatten- mesoderm zugehörige Gebiet übergreifen. Ich komme hierauf noch zurück. Hierbei ist DoHrRn, wenn ich mir seine Darstellung in Wort und Bild zurechtlege, offenbar durch die Erwägung geleitet worden, Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 327 in dem bei Torpedo ähnlich wie bei Zarus nachweisbaren Hinter- einander der einzelnen Komponenten der Höhlenanlage den Ausdruck einer Art Metamerie zu erblicken. Anders kann ich mir den Front- wechsel nicht erklären. Einem eingehenderen Vergleiche stellt sich manche Schwierig- keit in den Weg. Ich muß zunächst dem Bedauern Ausdruck geben, daß wir über die erste Anlage der zweiten und dritten Höhle nicht auch bildlich orientiert werden. Diese von DourN so lebendig geschilderten Entwicklungsvorgänge sind von großer Bedeutung für die richtige Auffassung der Wertigkeit derselben. Wir haben zu- mal für Torpedo eine ganz bedeutende Umwälzung im Besitzstand des dorsalen Mesoderms anzunehmen; es kommt uns aber keine Abbildung zu Hilfe, welche uns orientieren würde. Wir finden uns ferner ziemlich unvermittelt der fertiggestellten zweiten und dritten Höhle gegenübergestell. Und da läßt die Schilderung der zweiten Höhle wiederum eines vermissen. Ich konnte mir trotz wiederholten Studiums keine klare Vorstellung darüber bilden, wie weit denn wenigstens ungefähr an dieser Höhle das Bereich der Seitenplatten emporreichen soll. Dieser Mangel einer präzisen Stel- lungsnahme wirkt sehr störend. Freilich, als ich mit dem Schicksal von DOHrNns Sorgenkind, der Anlage des Obliquus superior, bekannt geworden bin, habe ich mich auch mit der verschleierten Auffas- sung der ausgebildeten Kieferhöhle abfinden müssen. Ganz anders ist in dieser Beziehung Dourns Stellungnahme zur ersten Kopf- höhle; hier wird die Reserve, welche er sich auferlegt, ausdrücklich zugestanden. Die kritische Region ist jene der dritten Kopfhöhle. Ich habe zu Dourns Darstellung folgendes zu bemerken. Auch bei der Möwe sehe ich als Elemente der dritten Kopfhöhle kleine, epi- thelial umsäumte Hohlräume in wechselnder Zahl auftreten; hier hat aber die Untersuchung von Querschnitten aufs unzweideutigste er- geben, daß diese von allem Anfang an nichts mit Urwirbeln zu schaffen haben. So darf ich denn meine Bitte, für diese Region der Selachier gleichfalls gutgeführte Querschnitte zu bringen, wohl als berechtigt ansehen. Ich muß mein Anliegen schärfer prä- zisieren. Wir bedürfen zur klaren Einsichtnahme Querschnittbilder, welche uns von der Region der vordersten oceipitalen Ur- wirbel bis zum Hinterende der Kieferhöhle führen. Es ge- nügen da ja ein paar derselben, welche die wichtigsten Stadien der Entwicklung an besonders markanten Punkten erkennen lassen. 328 H. Rex Mein Vorschlag bedeutet alles andre, als irgendeine Vor- schrift! Er soll nur der Überzeugung Ausdruck geben, daß wir eines soleh wichtigen Orientierungsweges auf die Dauer nicht werden entbehren können. — Unwillkürlich drängt sich auch die Frage auf, ob nicht in DoHrn selbst angesichts der in seiner Tafel 11 wieder- gegebenen Befunde das Verlangen aufgestiegen ist, hier auch durch Anfertigung von Querschnitten Klarheit zu schaffen. — Meine Er- fahrungen über Zwergurwirbel sind sehr geringe. Ich habe solche im Bereiche des Vorderendes der Urwirbelreihe angetroffen und räume denselben den letzten Platz in der Reihe von Variationen ein, welche die sagittalen Durchmesser der Urwirbel dieser Region viel- fach aufweisen. Man muß sich bei der Möwe nur davor hüten, etwa auch die medialen hohlen Endknospen der Seiten- platten, welche sich vielfach zwischen den äußeren Ur- wirbelhälften eingeschlossen finden, im Sagittalschnitt mit Zwergurwirbeln zu verwechseln. Es gilt dies namentlich für die vor dem ersten Urwirbel so weit medialwärts vor- dringende Knospe. — Die Entwicklungsverhältnisse des Reetus externus hat Dourn selbst als noch niebt ganz spruchreif erklärt. Eine erfreuliche Übereinstimmung besteht zwischen unsern Auffassungen der Wertigkeit des Mesoderms des Unterkiefer- fortsatzes. DOoHrN hat schon in der 6. Studie! auf die Sonder- stellung der Entwicklungsverhältnisse der Kiefermuskulatur ver- wiesen. In seiner jüngsten Studie macht er auf die Lageveränderungen des Bogens sowie auch darauf aufmerksam, daß sich das von diesem eingeschlossene Mesoderm von jenem der andern Visceralbögen unterscheide. Er läßt in ersterem mehr ventrale, in den letzteren laterale Zellmassen der Seitenplatten eingeschlossen sein. Alles in allem eine klare Übereinstimmung mit meiner schon in der vor- läufigen Mitteilung (1901) vertretenen Auffassung der Verschiedenheit des Wertes der hierbei in Frage kommenden Mesodermabschnitte. DonHrns diesbezügliche Angaben sind mehr gelegentliche; eine Analyse der hierbei in Frage kommenden Formveränderungen hat er nicht durchgeführt. — Ich halte mich zur Zeit noch nicht für berechtigt, die bei der Möwe nachgewiesenen Zellplatten der Kieferregion Be- funden bei den Selachiern an die Seite zu stellen; ich habe daher in meinen Ergebnissen nur auf die Ähnlichkeit verwiesen, welche die 1 Studien zur Urgeschichte des Wirbelthierkörpers. 7. und 8. Studie. Mitth. aus der Zool. Station zu Neapel. Bd. VI. 1886. Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 329 Differenzierungsprodukte der proximalen Zellplatte mit bestimmten Abschnitten der Kieferhöhle der Selachier aufweisen. Die klarste Einsichtnahme vermittelt uns DoHrN in: Die Ent- wicklung der ersten Kopfhöhle; seine Bestrebungen, die Kontinuität der von ihm vermuteten Metamerie des Mesoderms der Kieferhöhle mit jener der prämandibularen Höhle zu erweisen, sind mit großer Sorgfalt und völliger Materialbeherrschung überaus scharfsinnig durchgeführt. Vielleicht tue ich gut daran, auch hier noch zu- zuwarten. Wir müssen uns vorerst darüber klar werden, in welcher Weise bei unsern Vergleichsobjekten die ursprünglichsten Differenzie- rungsprozesse dieser Region, die Bildung des rostralen Endabschnittes des gastralen Mesoderms aufeinander zu beziehen sind. Das Eigen- artige, das in der Ausbildung von Lichtungen im Vorderende der interepithelialen Zellmasse liegt, die Beziehungen dieses Vorderendes und seiner Lichtung zum Darmscheitel, die Art der Rückbildung des Zellmassenrestes, kurz die gesamten Entwicklungsvorgänge erfordern noch eine Erklärung. Diese kann nur durch Vergleichung erbracht werden. Wer Donrns Darstellung mit der von mir gegebenen ver- gleicht, wird finden, daß es gerade die mediane Kommissur des Höhlenpaares ist, bezüglich welcher unsre Anschauungen sich zum Teil begegnen; zum Teil entfernen sie sich recht weit voneinander. Ich möchte hier noch eines erwähnen. Die Betrachtung der Querschnitte durch das Vorderende der Kieferhöhle von Acanthias läßt die bereits besprochene Eigentümlichkeit erkennen, daß das Cölom auch das dorsale Mesoderm völlig durchsetzt. Diese Form- verhältnisse leiten unmittelbar zu jenen der ersten Höhle über und damit verliert die Aushöhlung des medialen Endabschnittes der An- lage derselben, welche sich auch bei den Sauropsiden findet und hier ganz unvermittelt. scheint, vieles von der Sonderstellung. — Die Frage, ob etwa bei den Sauropsiden ein größerer oder kleinerer Abschnitt der PLarrschen Höhlenanlage, welche Donrn als zum prämandibularen Mesoderm gehörig bezeichnet, in den seitlichen Abschnitten der ersten Kopfhöhle eingeschlossen ist, erfordert eine weitere Untersuchung. A. N. SEVERTZOFF! nimmt folgende Stellung zu den Mesoderm- abschnitten des Vorderkopfes ein. Seine Untersuchungen wurden vornehmlich an den beiden Torpedo-Arten unternommen. Die ganze Entwieklungsart sowie auch die baulichen Eigentümlichkeiten scheiden u arte 330 H. Rex die erste und zweite Kopfhöhle aus der Reihe der echten Urwirbel aus. Die zweite Kopfhöhle bildet den dorsalen Endabschnitt des Mesoderms des Kieferbogens; sein distaler Abschnitt geht in die Bildung der Kiefermuskulatur ein. Der dem proximalen Abschnitt der Höhle entstammende Obliquus superior ist gleichfalls als viseeraler Muskel zu deuten. (Zu dieser Auffassung ist auch DoHRN in seiner Jüngsten Studie gelangt.) Die Anlage der ersten Kopfhöhle bildet bei jüngeren Keimen eine unmittelbare Fortsetzung jener der zweiten; die ganze Entwicklungsart der ihr entstammenden Muskeln hat mit jener nichts gemein, welehe wir an den Abkömmlingen eines Myotoms wahrnehmen. Diese Eigentümlichkeiten, zu denen sich auch noch die Eigenart der Entwicklungsweise gesellt, weisen das Mesoderm dieser Höhlenanlage gleich jenem der zweiten dem visceralen Meso- derm zu. Das gleiche gilt auch von der PrLArrschen Höhle. Hinter der zweiten Höhle folgen zwei Segmente, das,vordere derselben nimmt eine Art Mittelstellung zwischen der zweiten Kopfhöhle und den distalwärts folgenden fünf rudimentären Urwirbeln ein. Es ver- einigt sich mit seinem distalen Nachbar, dem ersten typischen Ur- wirbel zur Bildung der Anlage des Reetus externus. A. FRORIEP hatin seinem auf der Anatomenversammlung in Halle (1902) abgehaltenen Vortrage, sowie auch in einem bald darauf er- schienenen kleineren Aufsatz 1 seine Ansichten über das Kopfproblem auf Grund seiner Untersuchungen an Torpedo ocellata aufs neue formuliert. Die beiden, von ihm schon vor mehr als zwanzig Jahren als spinaler und präspinaler bezeichneten Abschnitte der Kopfanlage werden noch weit schärfer als früher zueinander in Gegensatz gebracht. Dem letzteren mangelt von Haus aus jegliche Gliederung. Kleine rund- liche, maulbeerförmige oder auch nur spaltförmige Lich- tungen desselben verschmelzen miteinander zu größeren Cölomabsehnitten. Aus diesen formt sich die erste Kopfhöhle, ferner ein zusammenhängendes Kopfeölom, welches die mit- einander kommunizierenden Lichtungen der zweiten und dritten Kopfhöhle darstellt und überdies auch zeitweise mit der Vis- ceralbogenhöhle im Hyoidbogen sich vereinigt. Mit Urwirbeln haben diese Bildungen nichts zu schaffen. Denn zur Zeit der ersten Anlage dieser Cölomabschnitte war ihre Bildungsstätte, 1 a) Zur Entwicklungsgeschichte des Wirbeltierkopfes. Verhandlungen der Anatom. Gesellsch. auf der 16. Versamml. in Halle a.d.S. 1902. — b) Einige Bemerkungen zur Kopffrage. Anat. Anzeiger. Bd. XXI. 1902. Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 331 der präspinale Kopfmesoblast, noch ungegliedert; eine Urwirbel- gliederung geht ihm überhaupt ab. Es fehlt schon von vornherein die Vorbedingung, eine deutliche Sonderung zwischen dorsaler und ventraler Zone. Indessen ist doch zu erkennen, daß wenigstens die Anlagen des Obliquus superior und Reetus lateralis dorsale Bildungen sind. Auch scheint vorläufig nichts im Wege zu stehen, anzunehmen, daß auch für die Muskeln der ersten Kopfhöhle dorsales Mesoderm in Verwendung gelangt. Ich hatte der Drucklegung des Frorıerschen Vortrags begreif- licherweise mit großem Interesse entgegengesehen. Meine in der . vorläufigen Mitteilung kurz skizzierten Befunde eines einheitlichen Lichtungswerkes im visceralen Mesoderm der Kieferregion der Möwe ließen einen Vergleich mit neuen Erfahrungen in der Cephalogenese der Selachier sehr wünschenswert erscheinen. Diese Erwartungen erfüllten sich völlig. Die Mitteilungen des um unser Problem so hoch verdienten Forschers brachten reichen Aufschluß: die Ausdehnung eines zusammenhängenden Cöloms der Kieferregion bis ins Bereich des Hyoidbogens und eine Kommuni- kation desselben mit der Höhle dieses Bogens. Über eines konnte ich allerdings nicht ins klare kommen, ob nämlich unser Autor zu dem »zusammenhängenden Kopfeölom« auch die erste Höhle rechnet; er berichtet uns nichts von einer Konfluenz ihrer Lichtung mit jener der zweiten Höhle. (Über eine solche hat unterdessen Dourx berichtet.) — Wichtig ist die Auffassung der Mesodermgliederung der Kiefer- region: die Negierung jedweder Urwirbelgliederung ergibt eine weitere Konkordanz mit den für mein Objekt erbrach- ten Befunden. Indem FrorIEP namentlich den drei Kopfhöhlen den Charakter des Urwirbelartigen abspricht, ergibt sich eine weitere erfreuliche Übereinstimmung mit DOoHRN und SEVERTZOFF — wenig- stens zum größten Teile, wenn wir vom Gebiete der dritten Höhle absehen. Eine weitere Besprechung der FrorıErschen Mitteilungen er- scheint mir zurzeit untunlich. Es hat schon der ergänzende Auf- satz im Anatomischen Anzeiger manches im Vortrage Gebrackte in wesentlich andrer Beleuchtung gezeigt. Die dem Charakter der Mitteilung entsprechende Knappheit der Darstellung läßt eine ein- gehende Diskussion noch nicht zu. Eine Bemerkung glaube ich jedoch vorbringen zu sollen. FRORIEP vermißt im Mesoderm der Kieferregion eine deutliche Sonderung zwischen ventraler und dor- saler Zone; diese Angabe bezieht sich selbstredend auf junge Keime. Morpholog. Jahrbuch. 33. 22 333 H. Rex Sollte sich etwa bei Torpedo diese, bei jungen Keimen der Möwe so deutlich erweisbare Sonderung nicht doch noch nachweisen lassen ? Es spricht manches dafür. Der Autor berichtet uns: »Soviel ist indessen doch zu erkennen, daß wenigstens die Anlagen des Obli- quus superior und Rectus lateralis dorsale Bildungen sind.« Da ist von der ausführlichen Mitteilung reichlicher Aufschluß zu erwarten; es fällt mir eben schwer, den Mangel jeglicher Gliederung mit der Feststellung dorsaler Mesodermbezirke zu vereinigen. — Hatte ich mich nur zögernd dazu entschlossen, in eine Bespre- chung der Befunde bei den Selachiern einzugehen — eine solehe der in den letzten Jahren gegebenen Schilderungen der Cephalogenese der Cyelostomen durchzuführen muß ich unterlassen. Dank der Freund- lichkeit des Verfassers gelangte ich in den Besitz der jüngsten Ab- handlung auf diesem Gebiete, jener von N. K. Kortzorr!. Ich muß gestehen, daß eine Einsichtnahme in die hier geschilderten Entwick- lungsverhältnisse für den nicht mit dem Objekt Vertrauten unge- mein schwierig ist; die fundamentalen Gegensätze, welche überhaupt in den Ergebnissen der entwieklungsgeschichtlichen Untersuchungen des Cyelostomenkopfes zutage treten, sind solcher Art, daß sie einen fruchtbaren Vergleich mit den Befunden bei den Gnathostomen nur dem gestatten, der mit völliger Materialbeherrschung an sie herantritt. Da möchte ich denn doch zunächst abwarten, bis »intra muros« der Cyelostomenforschung Klarheit herrscht! Eine solche Reserve kann nicht verübelt werden; hat sich doch A. DoHkN selbst, der ja mit über die reichste Erfahrung in der Entwicklung der Cyelostomen und Selachier verfügt, eine solche auferlegt. — H. K. CornınG hat uns zunächst in einer gediegenen Schrift? mit den Schwierigkeiten vertraut gemacht, mit welchen die Unter- suchung des Vorderkopfmesoderms der Anuren zu kämpfen hat. Er hat ferner auch die Reptilien in den Kreis seiner cephalogenetischen Forschung mit einbezogen3. Der Gang seiner Untersuchung. lenkt nach zwei Richtungen ab. Die Entwicklung der Muskelanlagen des Oeulomotorius und Abducens, sowie jene des Mesoderms der Visceral- bögen einschließlich der des Obliquus superior werden getrennt der Schilderung zugeführt. Für die hieraus resultierende Unterbrechung der Einheitlichkeit der Darstellung entschädigt uns die Sorgfalt der Untersuchung. Das erstgenannte Bruchstück der Cephalogenese von Lacerta habe ich bereits in meiner Abhandlung über die Augen- 1]1.ce. 21 1c: 3]1.c. Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 333 muskeln der Ente der Verwertung zugeführt; es erübrigt mir daher noch die Besprechung des zweiten. ‚CoRNInG berichtet uns folgen- des: »Es scheint mir, daß die Bildung der Visceralbogenmuskulatur und der im Bereiche des Darmes und des Herzens entstehenden splancehnischen Muskulatur wesentlich in gleicher Weise vor sich gehen. In beiden Fällen entsteht sie durch Umwandlung des medi- alen Blattes des unsegmentierten Mesoderms, wobei durchaus nicht gesagt sein soll, daß aus demselben bloß Muskulatur hervorgehe ; im Gegenteil, es sind Anlagen von Blutgefäßen, Aortenbogen und Darmgefäßen und teilweise auch von Stützgewebe aus demselben abzuleiten.«c Das embryonale Bindegewebe, welches die Muskel- anlagen sowie auch die Gefäße der Visceralbogen umscheidet, ent- stammt der lateralen Lamelle. Diese Funde Cornıngs haben bereits bei der Besprechung der Differenzierung des Mesoderms des Hyoidbogens und des ersten Kiemenbogens ihre Würdigung gefunden. Nach meiner Auffassung ergibt sich eine Mehrbelastung der Differenzierungsfähig- keit der Splanehnopleura. Ich leite von ihr im Bereiche der genannten Visceralbogen außer der Zellplatte auch noch den Zell- mantel der diesen zugehörigen Abschnitte der Darmwandung ab. Die von CornIng gebrauchte Bezeichnung »Muskelanlage«, welche ich noch in der vorläufigen Mitteilung gebraucht hatte, habe ich durch die Bezeichnung »Zellplatte« ersetzt. Hierbei war die Erwägung maßgebend, zuzuwarten, bis ich über die Differenzierungsart der der Platte entstammenden Muskelanlagen Genaueres erfahren habe. Die Mitteilungen des Autors über die Trigeminusmuskelanlage läßt die Vermutung gerechtfertigt erscheinen, daß auch bei seinem Unter- suchungsobjekt in der Kieferregion zwei Zellplatten zur Anlage ge- langen; sie wurden wohl von ihm als einheitliches Gebilde be- trachtet, eine Deutung, an welcher ich auch für die Möwe lange Zeit festgehalten hatte. — Die von CORNING jüngst! erörterte Frage nach der Gleiehwertigkeit der Oculomotoriusmuskulatur scheint mir einer weiteren Vertiefung durch ontogenetische Untersuchungen bedürftig; hierfür dürfte die von mir geschilderte Entwicklungsart des Rectus internus der Ente sprechen. CoRrnıG gebührt das Verdienst, die erste gründliche Erörterung dieser Frage an der Hand sorgfältiger Studien gegeben zu haben. 1 Über die vergleichende Anatomie der Augenmuskulatur. Morph. Jahrb. Bd. XXIX. 1900. 22* 334 H. Rex Pıtzornot teilt uns in einem kleinen Aufsatz seine bisherigen Erfahrungen über das erste Kopfhöhlenpaar von Gongylus ocellatus mit. Er betont gegenüber OPPEL, welcher für die Blindschleiche eine Trennung der Höhlenanlage in »Stiele und Höhle geschildert hatte, die Einheitlichkeit der Anlage und räumt der medianen Ver- bindungsplatte des Höhlenpaares, welche bei Gorgylus nicht mit ausgehöhlt wird, eine Sonderstellung ein, indem er sie zum prä- oralen Darme in Beziehung bringt. Seine Auffassung der Höhle nähert sich der von mir früher im Anschluß an C. v. KUPFFER ge- gebenen Deutung. — Wir finden bei Prrzorno die jüngsten Unter- suchungen über das Mesoderm des Reptilienkopfes zusammengestellt. Leider waren mir die Abhandlungen von STADERINI?, DORELLO® und Sarvı* unzugänglich. — Über Orrers5 und v. Davıporrs® Arbeiten habe ich bereits früher berichtet. Zu des ersteren Mitteilungen hätte ich noch folgendes zu bemerken. Jener Mesodermabschnitt, welcher in der linken Hälfte seiner Tafelzeichnung 2 als wohlabgegrenztes Zellterritorium dem ersten »Somiten« und dessen »Stiel« unmittelbar benachbart ist, darf vielleicht zur zweiten Kopfhöhle in Beziehung gebracht werden. Die Orientierung des in der Tafelfig. 11 mit $, bezeichneten Gebildes ist sehr schwierig. Ich muß hiervon Abstand nehmen. Bei Opreu finden wir die ältere Literatur angeführt und auch besprochen. Es sind dies die Mitteilungen von C. K. HOFFMANN, H. ORR und A. ÖSTROUMOFF. Wir verdanken ferner Cornıng wertvolle Beiträge zur Klärung der Entwicklung des Kopfmesoderms des Kaninchens; sie sind in seiner Abhandlung über die Entwicklung der Kopfmuskulatur der Reptilien enthalten. Weitgehenden Aufschluß haben wir von der 1 Sulla formazione della cavita cefaliche premandibolari in Gongylus ocel- latus. Nota I. >»Studi Sassaresic. Anno II. Sez. 2a. Fasc.1. Sassari 1902. 2 Intorno alla cavitä premandibolari del Gongylus ocellatus ed al loro rapporto con la tasca ipofisaria di RATHKE. Atti dell’ Accad. Gioenia di sci- enze naturali in Catania. Vol. XIII. 1900. 3 Studi embriologiei sui rettili. Ricerche fatte nel Laboratorio di anatomia normale della R. Universitaä die Roma. 1900. 4 Sopra la regione ipofisaria e la cavitä premandibolari in aleuni sauri. Studi Sassaresi. Anno I. Sez. II. Fasc. II. 1901. 5 Über Vorderkopfsomiten und die Kopfhöhle von Anguis fragilis. Arch. für mikr. Anatomie. Bd. XXXVI. 6 Über präoralen Darm und die Entwicklung der Prämandibularhöhle bei den Reptilien. Festschrift für v. KUPFFER. Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 335 durch R. Bonner! in Angriff genommenen Untersuchung des Kopf- mesoderms des Hundes zu erwarten. — Ich habe endlich noch jener ganz eigenartigen Verbindung Er- wähnung zu tun, welche zwischen der Wandung der ersten Kopf- höhle oder auch ihrer medianen Verbindungsplatte einerseits und benachbarten Eetodermabschnitten anderseits aufgefunden und ge- schildert worden ist. DOHRN hat in der 24. Studie Befunde bei Selachiern zusammengestellt. NıcoLas und WEBER? berichten über solche bei den Sauropsiden. — Ich möchte mir die Besprechung dieser Angaben für eine andre Gelegenheit aufsparen und wende mich einer Reihe von Abhandlungen zu, welche unter anderm auch für unser Thema wichtige Mitteilungen über die Entwicklung des Vogel- kopfes erbringen. Über die Entwicklungsverhältnisse im Bereiche des Vorder- endes der Urwirbelreihe der Vögel liegt eine stattliche Zahl von Angaben vor. Wohl am schärfsten hat ©. RABL°® seinen Standpunkt formuliert. Bei allen Wirbeltieren entwickeln sich »die Urwirbel der Reihe nach von vorn nach hinten, so daß also der vorderste Urwirbel zugleich der älteste ist«. Ich habe bereits darauf verwiesen, daß ich RapLs Satz für mein Untersuchungsobjekt vollauf bestätigen kann. Die Differenz zwischen meinen Untersuchungsergebnissen und jener Annahme RaBLs, welche dem ersten Urwirbel die Fähigkeit der Abgliederung vom unsegmentierten Kopfmesoderm abzusprechen scheint, will ich unerörtert lassen, und zwar aus dem Grunde, weil diese ganz allgemein gehaltene Angabe wohl mit dem um seine Selbständigkeit ringenden Urwirbel, jedoch nicht mit dessen end- gültigen Schicksal rechnet. A. FıscHEL* hat vor acht Jahren die gleiche Frage an einer großen Zahl von Entenkeimen untersucht. Seine Angaben beziehen sich ausschließlich auf gefärbte und in Nelkenöl aufgehellte Flächen- präparate. Auch er hat gefunden, daß »bei der Ente — so weit es 1 Beiträge zur Embryologie des Hundes. Anatomische Hefte. 1. Abt. Heft XXVIII—-XXX. 1897. Ferner: Dasselbe. 1. Fortsetzung. Ebendaselbst. Heft LI. 1901. 2 Observations relatives aux connexions de la poche de RATHRE et des cavites pr&mandibulaires chez les embryons de Canard. Bibliographie anato- mique. Fascieule 1. Annee 19u1. 3 Theorie des Mesoderms. I. Morph. Jahrbuch. Bd. XV. 1892. 4].c. 8. 384. 336 H. Rex die Untersuchung der Flächenbilder ..... gestattet, — vor dem zu- erst entstandenen Urwirbel keine weiteren entstehen, er also der älteste und vorderste bleibt und daß demgemäß die Urwirbelbildung von ihm aus von vorn nach hinten vor- schreitet«. Daß etwa vorhanden gewesene Abgliederungsversuche des Vorderendes des ersten Urwirbels sich bei der von FiscHEL ge- übten Methode leicht der Beobachtung entziehen konnten, ist selbst- verständlich. Ich will nun im folgenden aus jenen Angaben, welche zu der von C. RAbL, FIscHEL und mir vertretenen Auffassung in Wider- spruch stehen, vornehmlich die von G. CHIARUGI? herausgreifen und etwas genauer besprechen, da sie mir die ausführlichste zu sein scheint, welehe bezüglich unsrer Frage gemacht worden ist. Der Autor hat seine Untersuchungen an in Xylol aufgehellten ganzen Keimen vom Huhne sowie an Sagittalschnitten von solchen ange- stellt. Er vertritt die Annahme, daß die Grenze zwischen der An- lage des Hinterhirns und jener des Rückenmarks auch eine solche der beiden Richtungen sei, nach welchen die Entwicklung der Ur- wirbel vorschreite. Hinter dem erst angelegten ältesten entsteht die lange Reihe der sich in der Richtung von vorn nach hinten ent- wickelnden Urwirbel. Nachdem etwa sieben bis zehn Elemente dieser langen distalen Reihe entwickelt worden sind, entstehen nach vorn vom ersten, ältesten zwei neue Urwirbel einer kurzen proximalen Reihe. Es ist also bei älteren Keimen der erste der Gesamtreihe keineswegs der älteste. — Dies ist die alte immer wiederkehrende Ansicht; FIscHEL zitiert eine Reihe von Forschern, welche dieselbe vertreten. Die Untersuchung der Flächenpräparate hat der Autor an zwei Gruppen vorgenommen. Nach meiner Zählung — es ist die auch von RABL? geübte — umfaßt die eine Gruppe Keime mit acht bis elf U.-P. (Nach CH1AruGI sind es sieben bis zehn der distalen Reihe, zu welchen ein Urwirbel der proximalen auf der einen oder andern Seite hinzutreten kann.) Der Autor zählt als ersten Urwirbel der distalen Reihe jenen, welcher vorn scharf abgesetzt ist. Dies ist aber der zweite nach meiner Zählung, denn die vor ihm gelagerte Urwirbelanlage, welche CHraruGı schon zur proximalen Reihe zählt, 1 Lo sviluppo dei nervi vago, accessorio, ipoglosso e primi cervicali nei Sauropsidi e nei Mammiferi. Atti della societa Toscana di seienze naturali res. in Pisa. Vol. X. 1889. ? FiscHEL zählt den ersten Urwirbel nicht mit; s. seine Angaben S. 374. Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 337 ist bestimmt die des ersten und ältesten. An dieser Anlage hat er nämlich mitunter eine Art »Zweiteilung« wahrgenommen, hat also einen mit einem Materialüberschuß, mit einem Vorbau versehenen ersten, ältesten Urwirbel vor sich gehabt. Nun ergaben sich zwei Möglichkeiten. Entweder war es möglich, diesen Urwirbel deutlich vom unsegmentierten Mesoderm abzugrenzen oder nicht. Im ersteren Falle hat nun CHrarucı den ersten, ältesten Urwirbel, der die Ab- gliederung vom unsegmentierten Mesoderm zu vollziehen im Begriffe war, als Spätling der proximalen Reihe zugeordnet und als ersten dieser Reihe gezählt, im letzteren, in welchem die Abgliederung nicht vollzogen oder wenigstens undeutlich war, den Urwirbel kurzer- hand dem unsegmentierten Mesoderm zugerechnet. Die zweite Gruppe umfaßte Keime mit fünfzehn bis neunzehn U.-P. (Nach CHrAruGI waren es dreizehn bis siebzehn der distalen, zwei der proximalen Reihe.) Die beiden ersten Paare, von welchen das vordere unmittelbar dem Gehörgrübchen benachbart war, sollen Spätlinge sein, erst das dritte entspreche dem ältesten aller Urwirbel- paare. Ich kann mir diese Deutung nur so zurechtlegen, daß der Autor auf der nicht unbeträchtlichen Strecke von den Keimen der ersten Gruppe zu jenen der zweiten seine Grenzmarke der beiden Urwirbelreihen aus den Augen verloren hat. Wir haben daran fest- zuhalten, daß schon in der Gruppe jüngerer Keime ein Urwirbel der proximalen Reihe — nach meiner Auffassung ist es der erste, älteste von allen — vorhanden war. Nun soll sich auf dem Wege zu den Stadien der zweiten Gruppe vor diesem Urwirbel noch ein zweiter ausgebildet haben. Es soll sich also bei Keimen mit acht bis elf Urwirbelpaaren vor dem ersten Paare noch ein weiteres entwickelt haben. Dagegen sprechen alle meine Befunde; ich habe von einem solchen Spätling nie etwas wahrgenommen, und dies hätte der Fall sein müssen, wenn es sich, wie CHIARUGI meint, um ein normales Vorkommnis handelte. Die spärlichen Beobachtungen, welche uns der Autor an der Hand von Sagittalschnitten mitteilt, betreffen zunächst einen Keim mit neun U.-P. (nach CHrarucı acht der distalen, eines der proxi- malen Reihe). Ich verweise auf seine Tafelfig. 11. Vor dem Somit « (dieser entspricht dem ersten Urwirbel) ist ein zweiter (Vorbau des ersten) gelagert, und nach vorn von diesem weist das dorsale Meso- derm Anzeichen einer epithelialen Gruppierung des Zellmaterials auf; leichte Einschnürungen dieses Abschnittes gestatten eine Teilung in vier Strecken. Vielleicht sind es Anlagen von ebensoviel Somiten. 338 H. Rex Die vorderste derselben wird bereits vom Dorsalteile der Anlage des Acusticofacialis gekreuzt. Diese Anlagen verschwinden später spur- los. — Ich brauche wohl nicht erst des Näheren auseinanderzusetzen, daß sich dieser Befund mit den von mir beschriebenen Bildern des dichtgefügten Abschnittes des unsegmentierten Mesoderms bei jün- geren Keimen ganz gut deckt und verweise auf die Textfig. 21. In- dessen, meine Deutung ist eine andre. Ich muß es unentschieden lassen, ob diese eigenartigen Bilder zu einer vielleicht ursprünglich vorgesehen gewesenen Gliederung dieses Mesodermabschnittes in Beziehung stehen. Aber als Anlagen von Urwirbeln kann ich sie nicht ansprechen. Eine solche ist ja ganz anders geartet. — Die zweite Beobachtung betrifft einen Keim mit neunzehn U.-P. (nach CHIARUGI mit siebzehn der distalen, zwei der proximalen Reihe). Ich möchte den Leser bitten, des Autors Tafelfig. 12 mit meinen Textfig. 35 und 36 zu vergleichen, ferner auch die Schilderung der Sagittalschnitte durch die Urwirbelregion bei dem Keime mit 20 U.-P. einzusehen. Ich deute CHrarusıs Befund folgendermaßen: Somit s.b und s.c gehören zueinander und entsprechen den Resten der ersten Hautmuskelplatte, welche eine unregelmäßige Rückbildung erfahren hat. s.a entspricht dem zweiten Urwirbel, 5, dem dritten. — Ich wende mich zu den Angaben von N. GORONOWITSCH!. Sie beziehen sich gleichfalls auf Keime vom Huhne. Der Autor be- zeichnet den ersten und ältesten Urwirbel als drittes »Kopfsomit« ; dasselbe liegt später in den Querschnittsebenen des zweiten Bran- chialbogens. Nachdem im ganzen sechs oder sieben auf dieses distalwärts folgende Urwirbel entwickelt worden sind, erscheint das zweite »Kopfsomit«; es liegt »unmittelbar hinter der Anlage des Ge- hörorgans, ventral von seinen hinteren Abschnitten und ist daher auf Flächenbildern undeutlich zu sehen«. In späteren Stadien bildet sich in den Querschnittsebenen dieses Somits der erste Branchial- bogen. Bei Keimen mit zehn und zwölf U.-P.? entsteht »im axialen Mesoderm vor der Gehörorgananlage eine radiale Gruppierung von Zellen, welche als die Anlage eines vordersten rudimentären Kopf- somits der Vögel aufgefaßt werden kann«. Dies erste »Somit« liegt caudalwärts vom ersten Schlundsacke; in seinen Querschnittsebenen erscheint später die Anlage des Hyoidbogens. Es gliedert sich 1 Untersuchungen über die Entwieklung der sog. »Ganglienleisten« im Kopfe der Vogelembryonen. Morph. Jahrbuch. Bd. XX. 1893. 2 Nach meiner Zählung. Der Autor zählt den ersten Urwirbel nicht mit. S. seine Bemerkung S. 190. Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 339 niemals vom axialen Mesoderm ab und verschwindet bei Keimen mit vierzehn bis fünfzehn U.-P.t. Ich will gleich dies »Somit« besprechen. Wir finden es in unsrer Textfig. 32 unschwer wieder. Den Rang einer Urwirbelanlage kann ich demselben nicht zuerkennen. Es ist ein Restbestand jener eigen- artigen baulichen Verhältnisse, welche der distale Abschnitt des un- segmentierten Kopfmesoderms bei jüngeren Keimen aufweist. Ich habe oben von diesem gesprochen. — Meine Stellung zum zweiten und dritten »Kopfsomit« ergibt sich aus dem früher Gesagten. Der Autor bezeichnet einen und denselben Urwirbel, nämlich den älte- sten, ersten, zunächst als drittes und später als zweites »Kopfsomit«. Es ist dies ein leicht erklärbarer Irrtum ; offenbar hat GORONOWITSCH sich nicht genügend mit den eigentümlichen Verhältnissen des Vor- derendes des ersten Urwirbels vertraut gemacht; ohne Kenntnis der- selben bedarf es wohl einer ganz besonderen Sorgfalt, um den ältesten ersten Urwirbel nicht als solehen aus den Augen zu ver- lieren. — Die Annahme, daß das zweite »Kopfsomit« — also unser erster Urwirbel — bei Keimen mit siebzehn U.-P.! schwindet, basiert auf ähnlichen Befunden, wie ich sie für Möwenkeime mit der glei- chen Urwirbelzahl feststellen konnte (s. die Textfig. 36). Ich habe gleiche Befunde auch bei weit jüngeren Keimen angetroffen, ebenso auch bei älteren. Irgendeinem bestimmten Termin für die Rück- bildung des ersten Urwirbels entsprechen sie aber keineswegs. Auf die tiefgehende Divergenz, welche zwischen unsern Auf- fassungen der Entwicklungsverhältnisse des Kopfmesoderms der Vögel vorwaltet, kann ich hier nicht näher eingehen. Ich müßte hierzu namentlich die Differenzierung der Anlagen der Kopfnerven heran- ziehen, was zurzeit außerhalb des Planes meiner Untersuchungen gelegen ist. Die Abhandlung von J. Prarr? ist mir leider nicht zugänglich gewesen. Aus dem Zoologischen Jahresbericht der Neapeler Station entnehme ich folgendes. PrAarr hat gefunden, daß sich vor dem ersten Urwirbel noch zwei weitere Urwirbel, genauer genommen ein ganzer und ein halber, entwickeln. Eine Kritik ist ohne Einsicht- nahme ins Original sehr schwer; GORONOWITSCH hat einen Vergleich seiner Befunde mit jenen von PrAarr durchgeführt und ich möchte auf seine Angaben verweisen. ı S. Anm. 2 8. 338. 2 Studies on the primitive axial segmentation of the Chick. Bull. of the Mus. of Comp. Zoölogy at Harvard College. Vol. XVII. 1889. 340 H. Rex Aus H. K. Cornings! kurzem Bericht über die vordersten Ur- wirbelpaare bei Zacerta möchte ich einen ganz eigenartigen Befund hervorheben. Bei Keimen mit zwei bis fünf U.-P. setzt sich die später bloß am dorsalen Mesoderm nachweisbare Gliederung in ein- zelne Abschnitte auch auf die Seitenplatten fort. »Freilich verlaufen hier die Grenzlinien einander nicht parallel wie bei den Urwirbeln, sondern schief lateral und cranialwärts, so daß es den Anschein gewinnt, als ob man es hier mit Fortsätzen der Urwirbel zu tun bätte.« Die Erscheinung war nur an Totalpräparaten nachweisbar. Sie »ist durchaus transitorischer Natur, denn sie findet sich bloß bei Embryonen mit 2—3—4 Urwirbeln, nicht mehr bei solchen mit 6—7 Urwirbeln<. Ferner: »Eine Beziehung der von den vordersten Urwirbeln auf die Seitenplatten weitergreifenden Segmentierung zu den später aus den ventralen Myotomkanten vorwuchernden Zell- massen ist selbstverständlich nicht vorhanden. Vielleicht ist die bei Amphiozus bestehende Segmentierung der Seitenplatten des Meso- derms heranzuziehen«; indessen möchte der Autor »in bezug auf diesen Punkt keine bestimmte Meinung aussprechen«. Die überaus verdienstvolle Abhandlung N. KASTSCHENKOS? schil- dert Darm, Gefäße und Nerven des Schlundspaltengebiets bei Keimen des Huhnes. Für uns sind vornehmlich seine Betrachtungen über das Gefäßsystem von Interesse. Dem Autor sind die Beziehungen der auf- und absteigenden Aorta, sowie des ersten Aortenbogens zum Kieferbogen aufgefallen; er kann dieselben mit jenen, welche die Gefäßbogen im Bereiche des Hyoidbogens und der beiden Kie- menbögen aufweisen, nicht in Einklang bringen und versucht es, dieser Diskordanz durch die Annahme einer bedeutenden Lagever- änderung der Anlage des Kieferbogens gerecht zu werden. Es ist mir leider nicht möglich geworden, mich ganz mit den Anschauungen KASTSCHENKOS vertraut zu machen, da mir manches in seiner Dar- stellung unklar geblieben ist; so kann ich mich namentlich in seinen Auseinandersetzungen auf S. 290 und 291 nicht zurecht finden. Hier scheint mir der hauptsächlichste Unterschied zwischen unsern An- sichten in der Auffassung der Entwicklung und der Wachstumsrich- tung des Unterkieferfortsatzes zu liegen. — Es ist mir gelungen, die 11e. NSNon) 2 Das Schlundspaltengebiet des Hühnchens. Archiv für Anatomie und Entwicklungsgeschichte. Jahrgaug 1887. Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 341 sorgfältigen Angaben über das Gefäßsystem, welche der Autor er- bracht hat, um einige Beobachtungen zu vermehren und auch in die Entwicklung der Anlage des Glossopharyngeus eine etwas schärfere Einsicht zu gewinnen, wie die Betrachtung meiner Konstruktions- bilder erkennen läßt. Hier nähere ich mich der von CHIARUGI ver- tretenen Auffassung. — Die Differenzen, welche sich zwischen meinen Angaben über die Entwicklungsart der Cölomtasche sowie ihrer eranialen Fortset- zung und den entsprechenden Mitteilungen in der Abhandlung von ERIK MÜLLER? ergeben, sind mitunter recht beträchtliche. Ich möchte den Leser auf das Original verweisen. S. DEXTER? hat in einer kleinen Notiz die Ansicht geäußert, daß beim Huhne die Verödung der Kommunikation des Splanchnoeöls mit den Lichtungen der vordersten Urwirbel vielleicht durch den Druck der wachsenden Cardinalis anterior herbeigeführt wird. Ich will gleich bemerken, daß seine Bezeichnung »Kommunikation« wohl unsre Urwirbelkommunikation nebst dem unmittelbar angeschlossenen dorsalen Endabschnitt der Cölomtasche umfaßt. Die Überprüfung dieser Annahme ist durchaus nicht ganz einfach. Eine Beeinflussung der Formverhältnisse der dem Gefäße benachbarten epithelialen Strecken des Urwirbels und der Seitenplatten durch dasselbe ist ge- wiß vorhanden, wie ja unsre Textfiguren vom Keime mit neunzehn U.-P. leicht erkennen lassen. Anders steht es mit der Verödung der Urwirbelkommunikation und des dorsalen Endabschnittes der Cölom- tasche; dieser Prozeß scheint mir in unmittelbarem Anschlusse an die Differenzierung der Urwirbelwandung zu erfolgen und von einer nachbarlichen Beeinflussung frei. Die Rolle, welche der Venenstamm bei der Verödung und Rückbildung der gesamten Tasche spielt, dürfte weit eher eine passive sein. Vielleicht haben wir uns den Stamm als eine Art Widerlager vorzustellen, welches im Verein mit dem wichtigsten Faktor, der dem Eetoderm zustrebenden Darmseiten- wand, die räumliche Beengung vermehrt. — Eine weitere Analyse müßte sich auch mit der Rolle der Anlage des Vagusganglions u. a. m. beschäftigen. Bayrisch Gmain, am 11. September 1904. 1 Studien über die Gefäßmuskulatur. Archiv für Anatomie und Entwick- lungsgeschichte. Jahrgang 1888. 2 The Somites and Coelome in the Chick. Anat. Anzeiger. Bd. VI. 1891. 342 H. Rex Erklärung der Abbildungen. Tafel III—IX. Gemeinsame Bezeichnungen: a.a Aorta ascendens, A.ay, A.aa Aortenbogen (erster, zweiter), a.d Aorta descendens, Au, Aust Augenblase, Augenblasenstiel, br.gr branchiale Grenzfalte des Ecto- derms, br.Zpl Zellplatte im ersten Kiemen- bogen, ca, ca,, ca,, Vena cardinalis und deren Zuflüsse, Ch Chorda, e.i Anlage der Carotis interna, D Darmrohr, ect.c Eetocard (Umrisse desselben in den Profilkonstruktionen), Ggll Abschnitte der Ganglienleiste, gr.sch dem Ectoderm angeschmiegte Grenzschicht des Mesoderms, Hw Höhlehenwerk in dem visceralen Mesoderm der Kieferregion, Hy Wandung der Hypophysentasche, HAy.m Anlage der Hypoglossusmusku- latur, h.Zpl Zellplatte im Hyoidbogen, J, ti, i, Rest der interepithelialen Zell- masse, Sonderteile derselben, i.4 intermediärer Aortenbogen (KAST- SCHENKO), Kı, Ka, Ka erste, zweite, dritte Kopf- höhle, Kt, Kt, erste, zweite Kiementasche, Lab Labyrinthanlage, m.E medialer Endabschnitt des Fuß- teils des visceralen Mesoderms der Kieferregion, M.hy Mesoderm des Hyoidbogens, m.Zpl, distale Zellplatte der Kiefer- region, m.Zpls proximale Zellplatte der Kiefer- region, Pe, pe Liehtung und Wandung des Pericards, pe.k dorsolaterale Kante des Pericards, P.m.Vi Portio mandibularis der Anlage des Quintusganglions, P.o.Vi Fortio ophthalmica der Anlage des Quintus, Reh Rachenhaut, Sple, sple größere und kleinere Splanch- nocölabschnitte in der Kieferregion; in den Konstruktionen: Umrisse der Lichtung der Pericardhöhle, Tr.a Endothelrohr des Truncus arte- riosus, um, Uwe, uw... erster, zweiter, dritter . .. Urwirbel, Ulf Anlage des Unterkieferfortsatzes, v.Ha ventraler Hirnast des Aorten- bogens (Carotis interna), vpl Verbindungsplättchen, Vh Vorderhirn, v Gefäß oder Anlage eines solchen, Zm Zellmantel der Anlage der zweiten Kopfhöhle, V, VII, VIIL, IX, X die Anlagen der Ganglien der entsprechenden Hirn- nerven, X’ Anlage der Vaguswurzel, 1,2, 3... erster, zweiter, dritter Ur- wirbel der Konstruktionen, * Grenzmarke zwischen dorsalem und visceralem Mesoderm. Die Bedeutung der übrigen Bezeichnungen ist im Text leicht zu ersehen. Bezüglich der Profilkonstruktionen auf Taf. IX möchte ich auf die ein- gehende Schilderung im ersten und zweiten Abschnitt verweisen. Ich will hier nur nochmals hervorheben, daß ich von der Einzeichnung der Chorda Abgang Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 343 genommen habe, da durch dieselbe die Einsichtnahme in die ohnehin kompli- zierten Verhältnisse in der Region des Darmscheitels nur erschwert worden wäre. Tafel III. Fig. 1a. Keim mit einem U.-P. Querschnitt durch die Region des Distal- endes des ersten Urwirbels. 123/1. Fig. 15. Dieselbe Serie. Weiter vorn folgender 39. Schnitt. 123/1. Fig. 1c. Dieselbe Serie. Region der interepithelialen Zellmasse. 123/1. Fig. 2a. Keim mit zwei U.-P. Sagittalschnitt durch die Region der Ur- wirbel. Linke Keimhälfte. 155/1. Fig. 25. Dieselbe Serie. Sagittalschnitt durch die Region der Urwirbel. Rechte Keimhälfte. 155/1. Fig. 3. Keim mit drei U.-P. Sagittalschnitt durch die Region der Urwirbel. Rechte Keimhälfte. 155/1. Fig. 4a. Keim mit vier U.-P. Querschnitt durch das Hinterende des unseg- . mentierten Kopfmesoderms. 155/1. Fig. 45. Dieselbe Serie. Weiter vorn folgender 12. Schnitt. 155/1. Fig. 4c. Dieselbe Serie. Region des distalen Endabschnittes des freien Kopf- endes. 124/1. Fig. 5a. Keim mit fünf U.-P. Querschnitt durch das Hinterende des unseg- mentierten Kopfmesoderms. Linke Keimhälfte. 155/1. Fig. 55. Dieselbe Serie. Querschnitt durch das Hinterende des unsegmen- tierten Kopfmesoderms. Rechte Keimhälfte. 125/1. Fig. 6a. Keim mit sechs U.-P. Querschnitt durch das Hinterende des unseg- mentierten Kopfmesoderms. Rechte Keimhälfte. 155/1. Fig. 65. Dieselbe Serie. Weiter vorn folgender vierter Schnitt. Rechte Keimhälfte. 155/1. Fig. 6c. Dieselbe Serie. Querschnitt durch das Hinterende des unsegmen- tierten Kopfmesoderms. Linke Keimhiälfte. 155/1. Fig. 6d. Dieselbe Serie. Querschnitt durch den distalen Endabschnitt des freien Kopfendes. Linke Keimhälfte. 124/1. Fig. ”. Keim mit sechs U.-P. Sagittalschnitt durch die Region der Innen- kante des ersten Urwirbels. 155/1. Fig. 8 Keim mit sieben U.-P. Querschnitt durch das äußerste Hinterende des unsegmentierten Kopfmesoderms. Rechte Keimhälfte. 155/1. Fig. 8a. Dieselbe Serie. Aus der Abgliederungszone. Linke Keimhälfte. 125/1. Fig. 825. Dieselbe Serie. Region des distalen Endabschnittes des freien Kopf- endes. Linke Keimhälfte. 125/1. Fig. 9a. Keim mit sieben U.-P. Sagittalschnitt durch die Region der Innen- kante.des ersten Urwirbels. Linke Keimhälfte. 155/1. Fig. 95. Dieselbe Serie. Weiter außen folgender fünfter Schnitt. 155/1. Fig. 9c. Dieselbe Serie. Region der Dorsalkante des ersten Urwirbels. Rechte Keimhälfte. 155/1. Fig. 10. Keim mit neun U.-P. Sagittalschnitt durch die Region der Dorsal- kante des ersten Urwirbels. 155/1. Fig. 11. Keim mit elf U.-P. Sagittalschnitt durch die Region der Dorsal- kante des ersten Urwirbels. 155/1. 344 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. H. Rex Tafel IV. ila. Keim mit elf U.-P. Querschnitt durch das Hinterende des unseg- mentierten Kopfmesoderms. 124/1. 115. Dieselbe Serie. Querschnitt durch die Mitte der Gehörplatte. 124/1. 11c—f. Keim mit elf U.-P. Querschnitte. Bezüglich der Orientierung der Schnitte sei auf die derselben Serie entnommene Profilkonstruk- tion I auf Taf. IX verwiesen. 11e: 125/1, 11 d—f: 124/1. 12a. Keim mit vierzehn U.-P. Querschnitt durch das äußerste Hinterende der Kieferregion. 123/1. | 125. Dieselbe Serie. Teil des weiter vorn folgenden achten Schnittes. 224/1. 12c. Dieselbe Serie. Aus der Region des Hinterendes des Mittelhirns. 123/1. 12d. Keim mit fünfzehn U.-P. Querschnitt durch das Hinterende der Kieferregion. 123/1. 12e. Dieselbe Serie. Weiter vorn folgender dritter Schnitt. 123/1. 13. Keim mit vierzehn U.-P. Sagittalschnitt durch die Kieferregion. 188/1. 14a—g. Keim mit siebzehn U.-P. Querschnitte. Bezüglich der Orientie- rung der Schnitte sei auf die derselben Serie entnommene Profil- konstruktion II auf Taf. IX verwiesen. 125/1. Fig. 14 a—f gehören der linken, 149g der rechten Keimhälfte an. Tafel V. . 14h. Keim mit neunzehn U.-P. Teil eines Querschnittes durch die Kiefer- region. Bezüglich seiner Orientierung sei auf die derselben Serie entnommene Profilkonstruktion III verwiesen. 228/1. .14:. Keim mit siebsehn U.-P. Medianschnitt der Region des Vorder- darmscheitels. 125/1. . 145. Keim mit siebzehn U.-P. Sagittalschnitt durch die Kieferregion. 100/1. .15a. Keim mit neunzehn U.-P. Querschnitt durch die Region des Gehör- grübchens. Siehe zur Orientierung die Profilkonstruktion III ein. 124/1. . 155. Keim mit neunzehn U.-P. Querschnitt durch die Region der ersten Kiementasche. 124/1. 15c. Dieselbe Serie. Region des distalen Endes der Anlage des Quintus- ganglions. 123/1. . 15d. Dieselbe Serie. Weiter vorn folgender sechster Sehnitt. 123/1. .15e. Dieselbe Serie. Region des Darmscheitels. 125/1. , .16a. Keim mit 2! U.-P. Querschnitt durch die Region des Gehörgrüb- chens. 123/1. 165—d. Keim mit 21 U.-P. Querschnitte durch die Region der ersten Kiementasche. 125/1. 16e—i. Aus der Serie der Fig. 16a (e Region des Hinterendes des Quin- tusganglions; von diesem Schnitte aus gezählt, gehören an: f dem 5,, g dem 7., A dem 11., ” dem 22. proximalwärts folgenden Schnitte). e—h: 123/1, : 125/1. Fig. Fig. Fig. Pig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 345 Tafel VI. 17a. Keim mit 20 U.-P. Medianschnitt der Region des Vorderdarm- scheitels. 124/1. 175. Dieselbe Serie. Teil eines Schnittes durch die Region der ersten Kiementasche. Rechte Keimhälfte. 114/1. . 17 ce. Dieselbe Serie. Teil des lateralen Nachbarschnittes. Rechte Keim- hälfte. 100/1. 17d. Dieselbe Serie. Teil des weiter außen folgenden vierten Schnittes. Rechte Keimhälfte. 100/1. 17 e. Dieselbe Serie. Teil eines Schnittes durch die Kieferregion. Linke Keimhälfte. 125/1. 17 f. Dieselbe Serie. Teil des weiter außen folgenden zweiten Schnittes. Linke Keimhälfte. 125/1. 17g. Keim mit 20 U.-P. Sagittalschnitt durch die Region des Pericard- scheitels. 125/1. 18a. Keim mit 23 U.-P. Querschnitt durch die Region des Gehörgrüb- chens. 93/1. 185. Keim mit 23—24 U.-P. Querschnitt des Unterkieferfortsatzes, 125/1. 18c. Dieselbe Serie. Die linke Hälfte der Zeichnung ist einem Schnitte entnommen, welcher knapp vor dem Kontaktfeld der ersten Kiemen- tasche hindurchgeht; die rechte Hälfte gehört dem zweitnächsten proximalen Nachbarschnitt an. 125/1. 20a. Keim mit 25 U.-P. Medianschnitt der Region des Vorderdarm- scheitels. 125/1. Tafel VII. 18d. Keim mit 23—24 U.-P. Dieselbe Serie, welcher auch die Schnitte der Tafelfig. 18 5 und e angehören. Der Schnitt geht durch den distalen Teil der Kieferregion hindurch; er ist von jenem, welchem die rechte Hälfte der Fig. 185 entnommen worden ist, aus gezählt der fünfte. 125/1. 18e. Dieselbe Serie. Der proximale Nachbarschnitt. 125/1. 18 f—h. Keim mit 23 U.-P. Drei Querschnitte durch die Kieferregion. Bezüglich der Orientierung der Schnitte sei auf die derselben Serie entnommene Profilkonstruktion IV auf Taf. IX verwiesen. 125/1. 18 .. Keim mit 23 U.-P. Querschnitt der Kieferregion nahe dem Scheitel der Hypophysentasche. 125/1. 19a. Keim mit 25 U.-P. Schrägschnitt durch die Kieferregion. Die Schnitt- richtung ist in der Profilkonstruktion V eingetragen. 195. Dieselbe Serie. Teil des dorsalen Nachbarschnittes. 224/1. 2la. Keim mit 29 U.-P. Querschnitt durch die Region des Gehörgrüb- chens. 112/1. 215—f. Dieselbe Serie. Schnitte aus der Mandibularregion (5 geht durch den Hinterrand der Mandibularportion der Anlage des Quintusgan- glions hindurch; e gibt den ventralen Abschnitt der Zellplatte dieses Schnittes bei stärkerer Vergrößerung wieder; d gehört, vom Schnitted - aus gezählt, dem 6., e dem 11., f dem 18. proximalwärts folgenden Schnitte an). 5, d, e, f: 112/1, e: 223/1. 346 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. . 205. . 20 c. Ol: H. Rex Tafel VIII. Keim mit 26 U.-P. Sagittalschnitt durch die Kieferregion. 123/1. Dieselbe Serie. Der dritte weiter außen folgende Schnitt. 123/1. Keim mit 30 U.-P. Medianschnitt durch die Region des Vorder- darmscheitels. 125/1. Keim mit 31 U.-P. Medianschnitt durch die Region des Vorder- darmscheitels. 125/1. Keim mit 34 U.-P. Medianschnitt durch die Region des Vorder- darmscheitels. 125/1. Keim mit 41 U.-P. Medianschnitt durch die Region des Vorder- darmscheitels. 125/1. Keim mit 31 U.-P. Aus einem Sagittalschnitte durch die Kopf- anlage. 77/1. Keim mit 29 U.-P. Aus einem Sagittalschnitte durch die Kopf- anlage. 77/1. Derselbe Schnitt. Die proximale Zellplatte bei stärkerer Vergröße- rung gezeichnet. 224/1. Keim mit 30 U.-P. Aus einem Sagittalschnitte durch die Kopf- anlage. 77/1. Tafel IX. Profilkonstruktion der Kopfanlage eines Keimes mit 11 U.-P. Aus Querschnitten. Vergr. 100. Profilkonstruktion der Kopfanlage eines Keimes mit 17 U.-P. Aus Querschnitten. Vergr. 100. Profilkonstruktion der Kopfanlage eines Keimes mit 19 U.-P. Aus Querschnitten. Vergr. 100. Profilkonstruktion der Kopfanlage eines Keimes mit 23 U.-P. Aus (Querschnitten. Vergr. 100. Profilkonstruktion der Kopfanlage eines Keimes mit 26 U.-P. Aus Querschnitten. Vergr. 100. Über das Mesoderm des Vorderkopfes der Lachmöwe. 347 Tabelle der Vergrößerungen der Originale der Textfiguren. Bei der Reproduktion hat eine Verkleinerung der Zeichnungen nicht stattgefunden. Fig. 1 S.111 100fach Fig. 20 S.133 90fach Fig. 39 S.188 125fach - 275113. ,125 - - 21 - 133 124 - - 40 - 190 125 - - 3 - 119 100 - = 122 .-21380 12407- - 41 - 193 100 - - 4 - 120 125 - 1:23 7- 138). 124. 3 - - 42-193 100 - - 5 - 120 100 - -. 24 - 141 124 - - 43 - 193 100 - - 6 - 122 125, - - 25 - 141: 124 -- - 44 - 210 100 - - 1 2312271257 = 7:26, - 14177124, - - 45 - 222 124 - - 8 - 122 125 - = 20 14:10.4 9075 - - 46 - 222 124 - - 9 - 125 125 - - 28 - 153 125 - - 47 - 222 124 - - 10 - 126 125 - = Ha lan DANS - 48 - 222 125 - = 44 2-212657125 - - 830 - 155 130 - =. 49.2246 ER: 19277127, 125 = - 31 - 15 125 - - 50 - 252 123 - - 13 - 127 125 - - 82 - 162 100 - - 51 - 254 123 - - 14 - 1227 125 - - 33 - 166 124 - - 52 - 255 123 - - 15 - 128 125 - - 34 - 166 123 - =72,58,°= 254. 11232 £- 169 22128012577 - - 35 -.178 100 - - 54 - 260 123 - = 1,117 =211284 125 - - 36 - 179 100 - - 55 - 264 102 - - 18 - 130 125 - - 37 - 188 125 - - 56 - 264 102 - = 197-515071257 = - 38 - 188 125 - - 57 - 264 102 - Fig. 58 «&—0d S. 266 102fach, Fig. 59 «&—ß 8. 303 69fach, Fig. 60 «—3 8.305 69fach. Morpholog. Jahrbuch. 33. 23 Zusammenhang des M. sternalis mit der Pars abdominalis des M. peectoralis major und mittels dieser mit dem Achselbogen, Von Georg Ruge. Mit 4 Figuren im Text. Anatomische und vergleichend-anatomische Tatsachen machen mich geneigt, der Annahme, daß der Sternalis von der Hautrumpf- muskulatur herstamme, unter den bestehenden Deutungen der Ster- nalisherkunft die größere Wahrscheinlichkeit zuzusprechen. Dabei leiten mich die folgenden Gesichtspunkte. Die Hautrumpfmuskulatur ist in verschiedenen Abteilungen der Säugetiere, und namentlich bei den Monotremen, Beutlern und Nagern, auch in der Brustgegend in voller Entfaltung. Sie dehnt sich halswärts aus und geht Verflech- tungen oder festere Verbindungen mit dem M. subeutaneus ceolli zur Bildung des Panniculus carnosus ein. Der Brustteil des Haut- rumpfmuskels ist der einzige oberflächliche Muskel der Säugetiere, welcher durch Lage und Ausdehnung mit einem M. sternalis ver- glichen werden kann. Ein andrer Muskel kommt in subeutaner Lage nirgends zur Ausbildung. Da es feststeht, daß der Mensch in der stammesgeschichtlichen Entwicklung einen weit ausgedehnten Hautrumpfmuskel besessen hat, was unter anderm aus der Anwesenheit eines Achselbogens erhellt, so ist die Annahme nicht von der Hand zu weisen, daß der Haut- muskel auch die Brustgegend früher einmal eingenommen hat, und daß die hier als Varietäten auftretenden, im Volum schwankenden Muskelbildungen auf ihn bezogen werden können. Die Hautrumpfmuskulatur der Säugetiere leitet sich von einem Zusammenhang des M. sternalis mit der Pars abdominalis usw. 349 tieferen Gliede der Pectoralisgruppe ab, welches beim Menschen als Portio abdominalis dem M. pectoralis major angegliedert ist. Sie bleibt allenthalben mit den Nn. thoracales anteriores, welche sie innervieren, in Verbindung. Der Achselbogen, als Rest eines Haut- rumpfmuskels, wird von Ästen dieser Nn. thoracales anteriores ver- sorgt. Die dem Achselbogen in sekundärer Weise angeschlossenen Latissimusbündel werden ihre Nerven naturgemäß von denen des Latissimus dorsi beziehen. Diese Tatsache bildet einen wichtigen Anhaltspunkt bei der Beurteilung des variablen Achselbogens als eines Gliedes der Pectoralisgruppe. Die Innervation des M. sternalis durch die gleichen Nerven spricht für ein gleiches Wesen, welches dem Achselbogen eigen ist, woraus die Herkunft von der Pectoralis- gruppe ohne weiteres sich ergibt. Die Hautrumpfmuskulatur der Säugetiere ist ein Abkömmling der Abdominalportion des M. pectoralis major, welche bei niederen Säugetieren deutlicheren Anschluß an die tiefe Lage der Mm. peecto- rales zeigt. Die zur Hautmuskulatur umgewandelten Abschnitte be- wahren ihren Zusammenhang mit der Insertion der Brustmuskulatur am Oberarme, welcher für die zur Bauchhaut ziehenden Bündel einen festen Punkt, ein Punetum fixum, von dem aus sie wirksam sein können, bildet. Vom Oberarme aus wirkt also der Hautrumpfmuskel auf die beweglichen Abschnitte des Integuments. Die Anheftung am Oberarme ist durch den muskulösen Achsel- bogen beim Menschen erhalten geblieben. Die Festheftung liegt neben den Insertionen der Brustmuskulatur, oder sie ist eine gleiche. Auch dieser Zustand ist für die Deutung des Achselbogens als Rest des Hautrumpfmuskels maßgebend; und so treffen verschiedene An- zeichen zusammen, welche die genannte Deutung sichern. Der M. sternalis läßt den Zusammenhang mit der Insertion der Brustmuskeln am Oberarme nicht erkennen. Durch das Fehlen eines so wichtigen Indiziums wird die Erkenntnis der Herkunft des meist völlig abgesprengten M. sternalis in hohem Grade erschwert. Es bleiben zur Begründung der Ableitung desselben vom Hautrumpf- muskel zunächst nur die oberflächliche Lage eines Hautmuskels so- wie die sichergestellte Zugehörigkeit zur Pectoralisgruppe bestehen. Diese Anzeichen genügen für die Sicherstellung der Ableitung des Sternalis von dem Hautrumpfmuskel heutzutage nicht mehr, da der Nachweis der Verbindung des Sternalis mit Teilen des Hautmuskels in gleicher Weise, wie sie für den Achselbogen nachgewiesen ist, ein Erfordernis bleiben wird, um die Sternalisfrage vor der Deutung 23* 350 Georg Ruge von embryonalen Hemmungsvorgängen von ganz dunkler Art end- gültig zu retten. Hier treten zunächst folgende Erwägungen ergänzend ein. Der Brustteil des Hautrumpfmuskels hat bei den Säugetieren keine Bündel aufzuweisen, welche je eine Anheftung am Oberarme besessen haben. Infolgedessen kann einem gleichwertigen, menschlichen Muskelab- schnitte eine solche Beziehung zum Skelett nicht zukommen, und es muß daher auch dem M. sternalis als einem Abkömmling des Brust- abschnittes des Hautrumpfmuskels diese Eigenschaft abgehen. Die peetoralen Fasern des Hautmuskels sind vielmehr durch Ab- zweigungen von dessen oralen Randbündeln über den Muskelbauch des Pectoralis major zustande gekommen. Die Aberration erfolgte zuerst am unteren lateralen Rand der Brustmuskulatur. Von hier aus strahlten sie halswärts über die Brustgegend aus. Die pecto- ralen Fasern des Hautmuskels bewahrten nahe der Medianlinie den Zusammenhang mit den abdominalen Bündeln des M. pectoralis so- wie mit den in caudaler Richtung sich anschließenden, abdominalen Hautmuskelteilen. Daraus leitet sich der Zustand ab, welcher die brustständigen Längsbündel im medialen Anschlusse an die vom M. peetoralis losgelösten, sagittal verlaufenden bauchständigen Bündel- gruppen zeigt. In diesem Zustande bedeckt ein Teil des Haut- muskels einen größeren Teil des M. pectoralis major sowie dessen Portio abdominalis, von welcher er sich losgelöst hat. Der einheit- liche, über die ganze ventrale Rumpffläche ausgedehnte Hautmuskel ist also das Ergebnis der Ausbreitung der Elemente der zur Pars abdominalis gewordenen tiefen Peetoralismuskulatur nach abwärts und nach aufwärts, wobei die aufwärts aberrierenden medialen Bündel den Zusammenhang mit dem Stammmuskel nahe der Linea alba, die lateralen abwärts zum Bauch und Rücken aberrierenden Teile aber am Oberarme bewahren oder bewahren können. Hieraus folgt, daß der M. sternalis, wenn er zum Hautrumpf- muskel gehört, einen Zusammenhang mit der Pars abdominalis nahe der Medianlinie an der Scheide des M. reetus abdominis, in irgend- einer Weise ausgesprochen, besessen haben muß, von welcher Stelle aus die abdominalen Hautmuskelbündel sich angereiht haben. Dieser Zusammenhang kann verhältnismäßig früh sich gelockert haben und verloren gegangen sein, und zwar gleichzeitig mit der schärferen Sonderung der Hautmuskelbündel zu einer oberflächliehen und der Stammbündel des M. pectoralis zu einer tieferen Schicht. Der Zu- sammenhang muß aber bestanden haben. Zusammenhang des M. sternalis mit der.Pars abdominalis usw. 351 Wenn daher die Frage der Sternalisherkunft überhaupt be- handelt wird, so muß jener Stelle eines vorausgesetzten früheren Zusammenhangs zwischen ihm, als einem Abkömmling des Haut- muskels, und der Pars abdominalis des M. peetoralis major ganz be- sondere Bedeutung zukommen. Bei der großen Selbständigkeit, welche der Sternalis als Muskelindividuum gewonnen hat, steht zu erwarten, daß der betreffende Zusammenhang sich selten in einer sehr ausgesprochenen Weise erhalten habe. Deshalb spielen auch die geringsten Andeutungen eines solchen eine morphologisch wich- tige Rolle. Die Anheftung des Sternalis an der Rectusscheide neben dem Ursprunge der Portio abdominalis des Peetoralis major ist eine überaus häufige Erscheinung, welche bei der Durchsicht der Literatur sich überall dem Leser aufdrängt. Sie kann in unserm Sinne ge- deutet werden. Die Beobachtung dieses Zusammenhangs wird die Annahme der Herkunft des M. sternalis von der Hautrumpfmuskulatur fester begründen können. Zwingend zu einer bestimmten Annahme braucht ein derartiger Befund immerhin nicht zu sein, da der Zusammen- hang ja ein sekundär erworbener und etwa gleichwertig der er- worbenen Verbindung des Sternalis mit dem M. sterno-mastoideus sein kann. Dieser Einwand wird erhoben werden können. Er wird sich auch einstellen, und deshalb ist es von Wert, hier eine Beobachtung mitteilen »zu können, welche anders als in unserm Sinne zu deuten, nicht ganz leicht fallen wird. Größere Bedeutung gewinnt der Zusammenhang des Sternalis mit der abdominalen Portion des M. pectoralis major, sobald alle jene oben hervorgehobenen Anzeichen für die Hautmuskelnatur des Sternalis sich gleichzeitig einstellen, also verschiedene Erscheinungen auf eine und dieselbe Bildungsweise hindeuten. Dieser Umstand liegt nun an dem neu beobachteten Falle ebenfalls vor und bedingt den Wert desselben. Hier war neben dem Sternalis samt dessen Verbindung mit der Pars abdominalis des M. pectoralis major ein Achselbogen anzutreffen, welcher wiederum mit der Pars abdominalis zusammenhing und im wesentlichen wiederholte, was an dem von GEHRY beschriebenen Falle beobachtet wurde. Bei der Beschreibung des Tatbestandes beschränke ich mich auf die einschlägigen Ver- hältnisse, da der Grundstock des anatomischen Objekts bekannt sein dürfte. 352 „.. Georg Ruge Anatomischer Befund (vgl. Fig. 1). a. Musculus sternalis. Der M. sternalis wird beiderseits angetroffen. Er ist rechts ein unansehnlicher, sagittal gestellter Muskelstreifen, welcher von der 2.—5. Rippe sich ausdehnt. Sein lateraler Rand entfernt sich 3 em von der Mittellinie. Die oral aus der Muskelplatte hervorgehende Sehne biegt medianwärts um und heftet sich am Brustbeine fest. Die aborale Sehne verbindet sich mit dem Knorpel der 5. Rippe. Der Sternalis der linken Körperhälfte bedeckt den M. pectoralis major in der Nähe des Sternum. Er dehnt sich über alle sieben Sternalrippen aus. Die breite Muskelplatte zeigt die größte Ent- faltung in der Höhe der 3., 4. und 5. Rippe. Die hier 4 cm breite Platte verschmälert sich in oraler und aboraler Richtung. Drei starke Sehnenbündel lösen sich oralwärts aus der Muskelplatte ab, von welchen das mediale Bündel zum Sternum zieht und an dessen Vorderfläche sich anheftet. Einige Bündel verschmelzen mit den Ursprungsfasern der Portio sternalis des M. pectoralis major der an- dern Seite. Die lateralen Sehnenbündel gehen in die Ursprungssehne des Sterno-mastoideus über. Daraus formt sich ein ansehnlicher Sehnenstrang, welcher, frei abhebbar von der Unterlage, die Muskel- bäuche des Sternalis und des Sterno-mastoideus vereinigt. Der so zustande kommende Zusammenhang ist ein vollkommener. Eine Grenze zwischen beiden Muskeln ist an dieser Stelle nicht nach- weisbar. In aboraler Richtung heftet sich der Sternalis mit muskulösen Zacken an der 4., 5. und 6. Rippe fest. Die laterale Zacke ist mit der 6. Rippe verbunden. Die Platte des M. sternalis verschmälert sich. abdominalwärts bis auf 3 cm. Dieser Endabschnitt bleibt von der Medianlinie 4 cm entfernt; er geht in ganzer Breite in eine aus parallelen Bündeln zusammengesetzte Sehnenplatte, in die »Apo- neurose des M. sternalis« der Fig. 1 über, welche auf der 6. und 7. Rippe einen medianwärts gerichteten Verlauf einschlägt und mit der Scheide des M. recetus thoraco-abdominalis innigst verschmilzt. Hierbei sind die Sehnenbündel bis zur Linea alba zu verfolgen. Die lateralen Bündel sind mehr schräg gerichtet. Ihnen lehnen sich die Ursprungssehnen der Pars abdominalis (»Aponeurose der Pars abdominalis« auf der Fig. 1) des großen Brustmuskels lateral an. Dieser Anschluß ist ein so unmittelbarer und gleichmäßiger, daß Zusammenhang des M. sternalis mit der Pars abdominalis usw. 353 eine einheitliche, aponeurotische Membran für die Teile beider Mus- keln besteht, Diese Aponeurose ist mit der Reetusscheide ver- Fig. 1. Mm. sterno-mast. Clavieula M. pectoralis major Nerven zum M. sternalis N M. sternalis dezter M. sternalis sinister \ \\ fl, Queres Fascienbündel 6. Rippe NZ 1/3 Pars abdominalism. 7. Rippe mL / 2% p. ma). / y mh ZZ Aponeurose des M. HZERIN NN 7, r en Proc. ensi- DM il NZZ sternalis ar ) Pe Aponeurose der Pars | | BEAHHNIS abdominalis des Pec- A N NZ toralis major MN. rectus ann KAT, thoraco- | EN NL abdominalis | DE AN 7. Rippe RN ee AS fm ALT DL an Vordere Brustwand. Auf der Pectoralmuskulatur breitet sich beiderseits ein M. sternalis aus. Der linke ist der umfangreichere; er geht halswärts in die Sehne des M. sterno-mastoideus über. Seine Sehnenfasern bilden abdominalwärts einen Teil der aponeurotischen Rectusscheide. Die Ab- dominalportion des M. pectoralis major lehnt sich lateralwärts auf das Unmittelbarste der Sternalis- Aponeurose an. schmolzen. Ein lateraler Zipfel ist von der Peetoralissehne zur 7. Rippe verfolgbar. Die Breite des Pectoralisabschnittes der gemein- 354 Georg Ruge samen Aponeurose beträgt nur 1,2 cm. Die Fortsetzung in den Muskelabschnitt ist eine ganz direkte und einwandsfreie. Die Apo- neurose wird durch eine quer gegen ihre Fasern gerichtete derbe Faseie fester zusammengefügt und ist als »quere Fascie« auf der Fig. 1 bezeichnet. Der unmittelbare Übergang des Peetoralis major in die aponeurotische Scheide des Rectus thor.-abdom. ist bekannt und neuer- dings durch Derr’AcquA (1901) wieder hervorgehoben worden. Der Anschluß des Sternalis an die Portio abdominalis des Peectoralis major ist meines Wissens nie genau beschrieben worden. An die abdominale Portion des Pectoralis major fügen sich medial und la- teral Muskelursprünge von der 5. Rippe an. Der vorliegende Verband der Sehnen des Sternalis und Pecto- ralis major enthält keinerlei Anzeichen, welche gegen eine ursprüng- liche Einheitlichkeit sprechen, da es sich um vollkommen parallelen Verlauf der benachbarten Sehnenbündel handelt, und keinerlei Über- kreuzungen derselben vorliegen. b. Achselbogen. Eine tiefe Schicht der Abdominalportion des M. peetoralis major ist gegen den Oberarm zu von der Hauptmasse abgesondert und heftet sich als selbständiges Bündel an der Crista tubereuli majoris fest. Diesem tiefen Muskelstreifen schließt sich distal am Oberarme eine Muskelplatte an, welche im typischen Verlaufe eines Achsel- bogens die Gefäße und Nerven der Achselhöhle oberflächlich kreuzt, um mit dem M. latissimus dorsi zu verschmelzen. Der Zusammen- hang dieses muskulösen, primären Achselbogens entspricht ziemlich genau dem Verhalten, welches L. TOBLER auf S. 496 des 30. Bandes dieser Zeitschrift abgebildet hat (Fig. 22). Innervation. Ein gemeinsamer ansehnlicher Ast der vorderen Thorakalnerven versorgt die genannten differenten Muskelabschnitte, welche hier und dort einen Zusammenhang untereinander zeigen. Der Nerv tritt vom unteren, lateralen Rande des M. pectoralis minor in den Peectoralis major ein, dessen abdominale Portion und dessen unteren Teil der Portio sterno-costalis er versorgt. Vor dem Eintritte in den Muskelbauch teilt er dem Achselbogen und dem mit ihm zusammenhängenden tiefen Muskelstreifen des Pectoralis major Zweige zu. Dies Verhalten stimmt mit dem von L. TOBLER auf S. 499 abgebildeten Verhalten überein. Auch der von K. GEHRY (31. Bd. dieser Zeitschrift, S. 447) beschriebene Befund läßt eine ähn- liche Innervation des muskulösen Achselbogens erkennen. Der für die Zusammenhang des M. sternalis mit der Pars abdominalis usw. 355 verschiedenen Muskelteile gemeinsame Nerv durchbohrt schließlich in seinem Endverlaufe den M. pectoralis major, 5 cm vom Rande des M. sternalis entfernt. Zwei Endäste verlaufen auf dem M. pectoralis major in transversaler Richtung zum M. sternalis und versorgen den- selben. Es ist wohl ausgeschlossen, daß noch andre Nerven für den M. sternalis bestanden haben. Der Nerv ist bis auf das spinale Ursprungsgebiet nicht verfolgt worden. Beurteilung des Tatbestandes. Das Hauptgewicht bei der Beurteilung der Herkunft des M. sternalis ist auf den bestehenden Zusammenhang mit andern, gleich innervierten Muskelteilen zu legen. ' Der Zusammenhang des Sternalis mit dem Sterno-mastoideus ist ein enger. Beide sind durch eine einheitliche derbe Sehne vereinigt, so daß der Sternalis als der Brust-, der Sterno-cleido- mastoideus als der Halsteil eines einzigen Gebildes ausgegeben wer- den könnten. Im funktionellen Sinne mag dies gestattet sein, im morphologischen Sinne ist es unstatthaft, da beide durch ihre selbständige Innervation sich als verschiedenwertige Gebilde kenn- zeichnen. 2 Der Sternalis gehört auf Grund seiner Innervation zur Pectoralis- gruppe. Das trifft nicht nur für unsern Fall, sondern für alle genau darauf untersuchten Sternalisbildungen, von denen wir reden, zu. Die Verbindung mit dem Sterno-mastoideus ist eine erworbene, keine genetisch bedeutsame. Sie ist aber beachtenswert, da sie zeigt, daß ein variabler Muskel wie der Sternalis das Vermögen zur Schaffung völlig neuer Zustände besitzt, durch welche ein alter, scharf aus- geprägter Muskel, wie der Sterno-mastoideus, in seinen Kreis ge- zogen wird. Dies Verhalten trifft häufig, nach Le DousLE (1897, S. 277) in 60%, der Fälle ein. Huntington (1904) spricht dieser Verbindung eine große Konstanz zu. Sie soll sich ganz frühzeitig im embryonalen Leben einstellen und Anteil an der Bildung des Sternalis haben. Die daraus abgeleitete Lehre beruht auf einer Reihe aneinander gefügter Hypothesen, von denen jede einzelne nicht fördernd zu sein verspricht. Ein gleiches Schauspiel wieder- holt sich an dem muskulösen Achselbogen, welcher als Rest des Hautrumpfmuskels eine gleich innige Verbindung mit dem M. latissi- mus dorsi einzugehen vermag, woraus eine sekundäre Form des Achselbogens hervorgeht. Die Verhältnisse der Verbindung sind durch L. TOBLER und K. GEHRY neuerdings behandelt worden. Der Übergang von Sternalisbündeln in die Ursprungssehnen des 356 Georg Ruge M. pectoralis major der andern Seite ist, wie leicht zu ermessen ist, ebenfalls auf eine sekundäre Verschmelzung zurückzuführen, da die ursprüngliche paarige Anlage der Gliedmaßenmuskeln der Brust fest- steht, und außerdem der linke Sternalis an unserm Falle auch von den Nerven der linken Seite versorgt wird. Es bleibt die Verbindung des M. sternalis mit der Portio abdo- minalis des Pectoralis major zu besprechen übrig. Hier liegen Aneinanderlagerungen der Sehnenbündel vor, wodurch eine völlig einheitliche Sehnenhaut erzeugt wird, welche der Reetusscheide auf- liegt, bzw. sie bilden hilft. Diese Aneinanderlagerung kann, das muß von vornherein zugegeben werden, auch als eine sekundäre Erscheinung gedeutet werden. Dies ist aber insofern nicht gerade wahrscheinlich, als die Sehnenbündel ohne jegliche Überkreuzung sich parallel nebeneinander zu einer einheitlichen Sehnenhaut zu- sammenfügen. Wären die Fasern ursprünglich je von divergenter Anordnung gewesen, so wäre sehr wahrscheinlich irgendwo eine Überkreuzung bestehen geblieben. Das ist aber nicht der Fall. Sprächen aber hier nicht noch andre Anzeichen für einen ursprüng- lichen Zusammenhang mit, so dürfte man immerhin die bestehende Verbindung weniger hoch einschätzen, als ich sie anschlage. Die Berechtigung zu der Annahme einer ursprünglichen Einheit beruht in der vergleichend-anatomischen Erfahrung, daß die Abdominal- portion des M. pectoralis major der Ausgangspunkt für den sich ent- wickelnden Hautrumpfmuskel gewesen ist, daß also ein Zusammen- hang des M. pectoralis major mit Nachbarmuskeln gerade an der betreffenden Stelle mit Wahrscheinlichkeit die letzteren als Teile des Hautrumpfmuskels verrät. Der Umstand, daß M. sternalis und Portio abdominalis des M. pectoralis major durch denselben Zweig der Nn. thoracales anteriores versorgt werden, spricht gleichfalls für die Zusammengehörigkeit beider Muskeln, mithin auch für die Er- haltung einer ursprünglichen Verbindung zwischen beiden. So wei- sen eine Anzahl von Erscheinungen auf eine Deutung im gleichen Sinne hin. Der Sternalis ist bekanntlich sehr häufig an der Reec- tusscheide neben dem Ursprunge der Portio abdominalis des Pecto- ralis major festgeheftet. Die Häufigkeit dieser Erscheinung spricht nur für die Deutung einer Zusammengehörigkeit beider Muskeln. Meine Bemühungen, aus den Literaturangaben Genaueres über den Zusammenhang festzustellen, sind wegen der wenig genauen An- gaben erfolglos geblieben. Das, was für den M. sternalis als wahr- scheinlich hinzustellen ist, ist für den Achselbogen um vieles sicherer Zusammenhang des M. sternalis mit der Pars abdominalis usw. 357 begründet. Der Anschluß desselben an Bündel der Abdominalportion des M. pectoralis major ist zweifellos ein genetisch ursprünglicher; denn die Geschichte des Achselbogens ist nach dieser Richtung hin- länglich gut gekannt. Sie weist ihm die Stelle eines Rudiments des Hautrumpfmuskels zu, weleher seine Ursprungsstätte in der Ab- dominalportion des Pectoralis major besitzt. Die gemeinsame Innervation durch einen Ast der Nn. thoracales anteriores, der Zusammenhang mit der Abdominalportion des Pee- toralis major kommen sowohl dem Achselbogen als auch dem M. sternalis zu. Beide Merkmale gehören zu den Beweismitteln, daß der Achselbogen zur Hautmuskulatur gehört; beide Merkmale können hier für die Deutung des M. sternalis in dem gleichen Sinne von bestimmender Art sein. Zieht man in Rechnung, daß in oberflächlicher Lage der Brust- gegend bei den Säugetieren niemals ein andrer Muskel als Abschnitte des Hautrumpfmuskels angetroffen wird, so gewinnt die Deutung des M. sternalis als ein Rest des letzteren an Gehalt. Die Beweiskräftigkeit der an dem anatomischen Befunde her- vorgehobenen Merkmale für die Hautrumpfmuskelnatur des M. ster- nalis mag in Zweifel gezogen werden. Für eine andre Deutung werden diese Merkmale, soweit ich es übersehe, nicht zu verwerten sein. Sie gewinnen für mich ihre Gültigkeit im befürworteten Sinne durch ihren engen Zusammenschluß zu einer einheitlichen Erklä- rungsart der Sternalisherkunft. Die Klärung der Frage, ob der Sternalis ein Überbleibsel der Hautrumpfmuskulatur sei, erfordert die genaueste Berücksichtigung bestehender Verbindungen mit der Portio abdominalis des M. pec- toralis major. Aufklärende Bedeutung kommt bei dem jetzigen Stande zugespitzter Meinungsverschiedenheiten jenen Angaben selbst- verständlich nicht mehr zu, welche sich darauf beschränken, eine Anheftung des Sternalis an der Scheide des M. rectus abdominis festgestellt zu haben. Damit ist nur der Platz bezeichnet, an wel- chem wichtige Beziehungen zur vermeintlichen Matrix des Sternalis sich erhalten haben können und in unserm Falle tatsächlich zu er- kennen sind. Besonders lehrreich wären für eine Nachuntersuchung Jene in der Literatur niedergelegten Befunde, an welchen der Ster- nalis in die Reetusscheide auslief, außerdem aber von einem N. inter- costalis versorgt sein sollte (vgl. z. B. H. A. CHrısTIan, 1898). Der- artige Tatbestände bleiben bezüglich ihrer Deutung in undurchdring- liches Dunkel gehüllt, da der meines Erachtens berechtigte Zweifel 358 Georg Ruge an der Richtigkeit der Intereostalisinnervation bestehen bleibt und nachträglich nicht entschieden werden kann. Der vorliegende beschriebene und beurteilte Tatbestand enthält nicht in allen seinen Teilen völlig Neues. Die auf dem Züricher Präpariersaale gemachten Beobachtungen über den Achselbogen des Menschen haben über das Wesen desselben bereits Aufschluß ge- geben. L. TOBLER hat die Frage nach der Herkunft des Muskels Fig. 2. Proc. coracoides. : Mpectoralis minor. | Mdeltoides, -pecoralis mayor. | i 1 M. sterno-clado- n \ \ N NN —E IN, Q — ——, iu N KA — N SICHER, EG "-—- Achselbogen b. M sternalis. GI! sh : ZANM M lalissimus dorst. Diese Figur ist dem Aufsatze K. GEeHurYs entnommen (Morphol. Jahrb., Bd. 31). Sie stellt das gleich- zeitige Auftreten eines Achselbogens, einer Pars abdominalis des M. pectoralis major und eines mit der letzteren verbundenen M. sternalis der linken Seite dar. Die Pars abdominalis zeigt am Latissi- mus dorsi nachbarliche Beziehungen zum Achselbogen. — Der von GearY bezeichnete »Achselbogen b« ist eine selbständig gewordene Portion der Pars abdominalis des Pectoralis major. durch die Vergleichung mit den Befunden an der Hautrumpfmusku- latur der Primaten aufs neue geprüft und den Achselbogen als einen Rest der letzteren erkannt. Ich halte die Beweisführung des Autors für stichhaltig. Neue Beobachtungen auf dem Züricher Präparier- saale sind später hinzugekommen und durch K. GEHRY veröffentlicht worden. Das auf Fig. 1 in dessen Abhandlung abgebildete und hier auf Fig. 2 wiederkehrende Verhalten besitzt eine Bedeutung auch Zusammenhang des M. sternalis mit der Pars abdominalis usw. 359 für unsern Fall, da an ihm ein Zusammenhang eines muskulösen Achselbogens mit dem M. sternalis vorliegt. Der Abschnitt des Achselbogens am GEHrYschen Falle, welcher eine Vereinigung mit dem Sternalis zeigt, ist denjenigen Abschnitten der Portio abdomi- nalis des Pectoralis major an unserm Falle vergleichbar, deren Sehnenfasern an die des Sternalis angereiht sind. In dem GeHrYschen Falle sind Teile der Pars abdominalis in engere Beziehungen zum Achselboger gelangt; in unserm Falle ist die Pars abdominalis in ihrer Lage unbeeinflußt geblieben. In beiden Fällen liegt eine Ver- bindung des caudalen Endes des Sternalis mit der Pars abdomi- nalis bzw. dem abgelösten und mit dem Achselbogen verbundenen Bündel derselben vor. Die beiden wichtigen Befunde zeigen, daß in dieser Gegend vielerlei Variationen bestehen müssen, welche wohl den Gegenstand für spätere Forschungen bilden werden. Die in den beiden Fällen zu vergleichenden Teile der Pars abdominalis stellen, wie ich jetzt anzunehmen wage, Bindeglieder zwischen dem sternalen und dem axillaren Reste eines Hautrumpfmuskels dar. Als Bindeglieder sind sie hier und dort verschieden gestaltet. Im GeHrYschen Falle (vgl. Fig. 2) ist das Zwischenglied durch die Aus- breitung auf dem M. pectoralis major zu einem subeutanen Muskel umgewandelt. Es zeigt sich am Oberarme als eine tiefere Schicht vom M. pectoralis losgelöst, um mit zwei Sehnen auf der Fascie des M. eoraco-brachialis und auf der Endsehne des M. latissimus dorsi sich anzuheften. Es besitzt in dieser Eigenschaft die Lagebeziehun- sen des Hautmuskels niederer Organismen, welcher vom Oberarme aus subeutanwärts zieht. An unserm Falle ist das Mittelglied zwi- schen dem AÄchselbogen, welcher Bündel zur Portio abdominalis entsendet, und dem M. sternalis die Pars abdominalis des M. pec- toralis major selbst. Durch die Loslösung des Mittelgliedes von der Pars abdominalis in dem GeEHrYschen Falle bietet sich auch der Zusammenhang mit dem Sternalis in andrer Weise dar. Nur wenige Sehnenfasern beider Muskeln haben auf der Rectusscheide einen parallelen Verlauf bewahrt. Andre Fasern ziehen vom Sternalis bogenförmig zum Mittelgliede und schlagen dabei auf — M. pec- toralis einen queren Verlauf ein. Bezüglich des Zusammenhangs des M. sternalis mit den ihm nach meiner Ansicht nahe verwandten Muskelabschnitten handelt es sich also in unserm Falle um einen solchen mit der ursprünglichen Bildungsstätte des gesamten Hautrumpfmuskels, mit der zur Pars abdominalis des M. pectoralis major gewordenen, ursprünglich tiefen 360 Georg Ruge Pectoralismuskulatur, an dem von GEHRYy beschriebenen Befunde um die Verbindung mit einem Derivat der Pars abdominalis, einem be- reits zum Hautmuskel gewordenen Gebilde. An unserm Befunde vermittelt die Pars abdominalis des M. peetoralis major die Verbin- dung zwischen M. sternalis und Achselbogen, im GEHRYschen Falle besteht die Verbindung zwischen zwei Produkten der Pectoralis- gruppe, von welchen das eine als Brustabschnitt, das andre als ein am ÖOberarme festgehefteter Teil des Hautrumpfmuskels zu deuten sind. Durch die Innervation hat in dem GeHurvschen Falle die Zu- sammengehörigkeit des muskulösen typischen Achselbogens mit dem Hautmuskelabschnitte, welcher die Verbindung mit dem M. sternalis unterhält, erhärtet werden können. Der Nerv zu diesem wurde nicht beobachtet. GEHRY hat den Wert des von ihm beschriebenen Falles in der erhaltenen Vereinigung zweier Restbestände des Haut- rumpfmuskels, des Achselbogens und des M. sternalis gesehen (s. dieses Jahrb., Bd. 31, S. 450). Der Autor übernahm damit die alte Deutung TurRNERs (1867), welche auch TOBLEr für die richtige hielt, und welche den M. sternalis zu den Resten des Hautrumpfmuskels rechnete. Wenn GEHRY einen wertvollen Beitrag für die Haltbarkeit jener Deutung geliefert hat, so wird diese durch den vorliegenden Befund aufs neue, und zwar durch sehr wesentliche Eigenschaften, gestützt. Ein kürzlich von G. S. Huntington (Journ. of Anat. and Phys. Oet. 1904. Taf. XI Fig. 1) mitgeteilter Fall zeigt sehr große Über-. einstimmungen mit dem von GEHRY und dem von mir hier mitge- teilten Befunde. Figur 3 gibt die Verhältnisse des HuntinGTonschen Originals in den wesentlichen Punkten wieder. Huntington fand einen rechtsseitigen Sternalis, welcher durch Ausstrablen in die apo- neurotische Reetusscheide eine ähnliche Anlagerung an den apo- neurotischen Ursprungsteil der Pars abdominalis des M. pectoralis major erfuhr, wie dies auf Fig. 1 dargestellt ist. Die Pars abdo- minalis verlief als schlankes, tieferes Bündel, losgelöst vom Pecto- ralis major gegen den Humerus hin und heftete sich an ihm mit der Pars sterno-costalis gemeinsam fest. Huxrin@Tton beschreibt diese Abdominalportion als Pectoralis quartus. Durch diese Bezeichnung gewinnt dieselbe nicht an Bedeutung und verliert nichts an ihrer Eigenschaft einer Pars abdominalis. Sie ist an der Endsehne mit einem Achselbogen vereinigt, welcher zur Endsehne des Latissimus dorsi sich begibt. Wir haben es also auch hier mit drei, unter- Zusammenhang des M. sternalis mit der Pars abdominalis usw. 361 einander zusammenhängenden Muskeln zu tun. Die Pars abdominalis des Peetoralis major vermittelt den Zusammenhang von Sternalis und Achselbogen und hat in dieser Hinsicht Eigenschaften des Mutter- bodens des Hautrumpfmuskels der Säugetiere behalten. HunrtinGToN räumt ein, daß der Achselbogen ein Überbleibsel des letzteren sei. Er spricht sogar der Pars abdominalis, dem M. pectoralis quartus, Fig. 3. ————— Sr N N I ) er — M. pecloralis major M. sternalis Pars abdominalis muse. pector. majoris M. latissimus dorsi Rectusscheide Gleichzeitiges Auftreten eines Achselbogens, einer mit ihm verbundenen Pars abdominalis muse. pectoralis majoris und eines M.sternalis, welcher abdominalwärts mit der Pars abdominalis sich vereinigt. (Nach G. S. Huxrınaron,. 1904.) diese Eigenschaft zu, obgleich derselben nur die Vermittlerrolle zwi- schen Hautrumpfmuskel und Pectoralisgruppe zukommt, und sie sehr wahrscheinlich in den Bezirk des Hautmuskels nie hineinragte. Huntington schwankt, ob nicht auch dem Sternalis die Bedeutung eines Hautrumpfmuskelrestes zuzusprechen sei, hält es aber schließ- lich doch für wahrscheinlicher, daß der Sternalis in der genannten Kombination ebenso wie alle andern Sternalisformen eine abge- sprengte Portion von dem sich entwickelnden Pectoralis major und als solche zu einem atypischen Muskel geworden sei. Damit hat der Autor die genannte Sternalisforrm gewaltsam vom Achsel- bogen und von der Pars abdominalis losgerissen. Er hat aber seine Hypothese von der Entstehung des Sternalis, welche nun auch auf den bedeutungsvollen vorliegenden Fall angewendet ist, gerettet. Wir stehen auf einem andern Standpunkt und lassen uns durch die sich uns darbietenden Tatsachen leiten. Der Sternalis erscheint uns 362 Georg Ruge in ganz gleicher Weise wie der Achselbogen als ein Rest des mit der Pars abdominalis museuli pectoralis majoris zusammenhängen- den Hautrumpfmuskels. Sein Zusammenhang mit der Pars abdomi- nalis tritt abdominalwärts ebenso scharf hervor wie derjenige des Achselbogens mit ihr am Humerus. Auch als Hautmuskelrest muß der Sternalis ontogenetisch in gleicher Weise wie stammesgeschicht- lich vom Material der Peetoralisgruppe sich abgelöst haben; er muß gegen deren Bündel sich gedreht, rotiert haben. Diese Forderungen stellen wir in ganz gleicher Weise an den Achselbogen, welchem die Hautmuskelnatur auch von HunTInGTon zugestanden wird. Der strangförmige, platte Sternalis unterscheidet sich in seiner scharf begrenzten Form in nichts vom Achselbogen, welchem man meistens auch nicht mehr ohne weiteres ansehen kann, daß er durch Weiter- entwicklung einer Bündelgruppe der ursprünglich einheitlichen Haut- muskellage, nunmehr streng lokalisiert, ins Leben getreten ist. Der Achselbogen ist aus den axillaren Bündelgruppen des Hautmuskels hervorgegangen. Er hat unter Anheftung an die immerhin starre Sehne des Latissimus eine gewisse Individualität durch Abgrenzung gegen die Umgebung erlangt. Der Sternalis ist aus den pectoralen Bündelgruppen des Hautmuskels entstanden zu denken. Axillare sowie pectorale Bündel liegen an den Grenzen des einheitlichen Hautrumpfmuskels. Der Sternalis entwickelt sich wie der Achsel- bogen zuweilen zu größerer individueller Abgeschlossenheit, und zwar durch die erlangten sekundären Beziehungen zum Skelette, zu den Ursprungssehnen von Peetoralis major und Sterno-mastoideus. Diese Teile mögen bei der Erhaltung und Weiterentfaltung des Ster- nalis eine ähnliche Rolle wie die Latissimussehne für den Achsel- bogen gespielt haben. Mit der Annahme, die uns vorliegende Sternalisart (s. GEHRY,; Huntin@GTon und Fig. 1) könne einwandslos nur als Rest des Haut- rumpfmuskels gedeutet werden, haben wir ein sicheres Zeichen von der Existenzberechtigung des Sternalis überhaupt erhalten. Er wurzelt auf dem Boden einer alten Säugetiereinrichtung. Was eine solche Annahme, wenn berechtigt, für die Entstehung von Muskelvarietäten zu sagen hat, sollte ein jeder im Auge behalten, welcher Muskel- varietäten zum Gegenstande seiner Untersuchungen macht. Daß eine Bildung wie der Sternalis auch als Wiederholung einer alten Organisation durch bestimmte Kräfte angelegt und beim Individuum erhalten und sogar weiter ausgebildet worden ist, kann schleehterdings nicht bestritten werden. Diese wirksamen Zusammenhang des M. sternalis mit der Pars abdominalis usw. 363 Kräfte sind aber nicht ohne weiteres aus dem je vorliegenden Be- funde abzulesen; sie sind nicht so einfacher Art, wie sie sich EISLER und Huntin@toN vorstellen. Sie sind uns nicht bekannt. Bisher haben die Bestrebungen, ontogenetische, in den ungestörten Organi- sationsplan sich einfügende Einrichtungen auf ganz direkt wirkende mechanische Ursachen zurückzuführen, wohl als gescheitert zu gelten. Die durchsichtigsten Verhältnisse in diesen Beziehungen sind da zu finden, wo eine anatomische Einrichtung nach unserm Ermessen durch rein mechanisch wirkende Faktoren in außerembryonalen Lebenszeiten erzeugt worden ist, um sich dann, beim Erwachsenen in vollendeter Ausbildung regelmäßig angetroffen, in die embryonale Zeit der Organanlage und Organausbildung einzuschleichen, .d.i. in diese Zeit übertragen zu werden. So sind die Krümmungen der Wirbelsäule in der Nachbarschaft des Promontoriums durch Kräfte, nach der Geburt und beim Erwachsenen noch wirksam, hervorge- rufen zu denken. Beim Menschen werden diese Krümmungen bereits embryonal angelegt. Wären hier direkt mechanische Kräfte im Spiele, so müßten die Krümmungen sich ganz anders verhalten. Die vom Uterus auf den Embryo einwirkenden mechanischen Einflüsse müßten auch in der Promontoriumgegend sich zu erkennen geben. Die zwischen Muskeln und dem Skelette sich vorfindenden Schleim- beutel sind nach unserm Ermessen durch die Muskelwirkungen in außerembryonaler Zeit entstanden. Auch ohne diese direkten Trieb- federn können derartige Schleimbeutel bereits beim Neugeborenen an- getroffen werden. So ist mir aus eigner Erfahrung die Ausbildung einer Bursa subdeltoidea beim Neugeborenen bekannt. Alle Sehnen- scheiden gehören hierher, deren Anlage in frühe Zeiten verlegt wer- den, in welchen mechanische Ursachen für sie noch nicht wirksam sein können. Die Annahme HunTin@Tons, auch die in Rede stehende Sternalis- form verdanke ihre Entstehung der eigenartigen Entwicklungsweise der Peetoralisgruppe und gehöre zu den atypischen Gebilden, welche, wie CUNNINGHAM und EISLER annehmen, durch rein mechanisch wir- kende Kräfte erzeugt werden, läßt das Näherliegende außer acht und greift nach dem, was völlig vereinzelt dasteht und schlechterdings nicht verständlich zu machen ist. Allerdings können, wenn man in der Ontogenie hier und dort bestimmt wirkende, mechanische Kräfte willkürlich annimmt, alle Vorgänge, auch die komplizierte- sten, wie man sagt, plausibel gemacht, jedoch noch nicht erklärt werden. Wenn die geringfügigen Verlagerungen, welche Lewis Morpholog. Jahrbuch. 33. 24 364 Georg Ruge in der Entwicklung der Peectoralisgruppe nachgewiesen hat, die Ur- sache für oberflächliche Abspaltungen von Muskelbündeln wären, so müßten die sich ontogenetisch verlagernden M. trapezius, M. serratus anterior und vor allem die ganz enormen Wanderungen und Schichten- bildungen unterworfenen Gliedmaßenmuskeln mit abgesprengten und rotierten Muskelchen besät sein. Allein aus ontogenetischen Vor- gängen, ohne Rückversicherung auf stammesgeschichtliche Einrich- tungen, entwickeln sich keine Muskelvariationen, wenn sie nicht progressiver Art sind. Die Einführungen des Begriffs: atypische Varietät ist eine Aushilfe, ein Zugeständnis, die Entstehungsweise der betreffenden Varietät nicht ergründet zu haben. Die Art, eine Bildung wie den Sternalis aus frühen, ontogenetischen Abspal- tungen von einer vorhandenen Muskelgruppe, aus willkürlich an- genommenen Drehungen und Wendungen der abgespaltenen Bündel zu erklären, was CUNNINGHAM, EIsLER und HunTinGToN unter- nehmen, bleibt eine Konstruktion. Mit ihr kann man alles er- klären und beweisen, ohne die ersten Ursachen der Entstehungs- weise auch nur zu berühren. Die Ontogenie ist so fest eingeschoben zwischen die Stammesgeschichte und den ausgebildeten Zustand, daß es mir sehr gewagt erscheint, wenn man aus der ÖOntogenie allein eine große Erscheinungsreihe herzuleiten versucht. Die Exi- stenz eines M. sternalis muß an tiefergreifende Ursachen geknüpft sein, als an die nicht gerade sehr eigenartigen Entwicklungsvorgänge der Pectoralisgruppe. HunrtinGToX befindet sich unter dem Ein- flusse der neueren Untersuchungen und schiebt den ontogenetischen Vorgängen eine ungebührliche, formative Eigenschaft zu. Die Ur- sachen bei der Anlage eines Sternalis und eines Achselbogens greifen über das Individuum hinaus und sind phylogenetischer Art. Indem wir diesen Standpunkt einnehmen, halten wir fest an den hier mit- geteilten, grundlegenden Formerscheinungen, welche den Sternalis mit dem Achselbogen verknüpfen. Der Versuch, den Sternalis von der Pars abdominalis des Pectoralis major sowie vom Achselbogen loszureißen und ihm diejenigen Eigenschaften abzusprechen, welche für den Achselbogen zugegeben werden, ist nach meiner Ansicht nicht gerechtfertigt; er gibt eine Erklärungsweise für die Sternalis- herkunft auf, welche aus den vorliegenden günstigen Befunden direkt abgelesen, allerdings auch bestritten werden kann. Lehnt man diese Erklärungsweise ab, so nimmt man seine Zuflucht zu der Abspaltungs- und Rotationshypothese, welche von CUNNINGHAM her- rührt, durch EısLER und Huntington in verschiedener Art ausgebaut Zusammenhang des M. sternalis mit der Pars abdominalis usw. 365 worden ist. Diese Hypothesen sind Aushilfen und dureh nichts sicher begründbar. Eine Beweisführung unter Zuhilfenahme‘ von unbewiesenen Annahmen bleibt leicht und bequem; sie führt, wie man will, immer zu dem gewünschten Ziele, und deshalb wird sie sich auch, wie ich fürchte, in Zukunft gar zu leicht erhalten können. Wir benutzen indessen die Gelegenheit, an der Hand einer ge- nauen Beobachtung weiterhin festzulegen, daß der Sternalis eine un- mittelbare Vereinigung mit dem Ursprunge der Abdominalportion der benachbarten Costalportion des Pectoralis major bewahren kann, nachdem alle andern Wahrzeichen einer Hautmuskelnatur am Ster- nalis verschwunden sind. Die Fig. 4 zeigt im medialen Anschlusse an die aponeurotische Ursprungssehne des Pectoralis major dessen Bündel nur noch zum Teil im Übergange in die Rectusscheide, wäh- rend andre Bündel mit dem Perichondrium der 5., 6., 7. Rippe ver- schmolzen sind. Diesen Ursprungssehnen lehnen sich die Sternalis- bündel an, sie zum Teil bedeckend. Der parallele Sehnenfaserver- lauf von Sternalis und Peectoralisteilen ist hier erhalten. Der Vergleich dieses Befundes mit dem auf Fig. 1 gibt der Vermutung Raum, daß durch Einschmelzen oder» Verlust von Rectusscheiden- bündeln des Sternalis der Fig. 1 sich ein Tatbestand der Fig. 4 hat ausbilden können. Derselbe bleibt deswegen bedeutungsvoll, weil der Sternalis und die abdominalwärts befindlichen Costalportionen des M. peetoralis major im Zusammenhänge verblieben sind. Dieser wird hier wie auf Fig. 1 für ein primärer gehalten. Bei weiterer Umände- rung der costo-abdominalen Sternalisanheftung ist die völlige Los- lösung von der Abdominalportion des Pectoralis major rasch erreicht. Die Festheftung des selbständiger gewordenen Sternalis in der Um- gebung der Abdominalportion bleibt aber in der Regel bestehen. Die gleichlautenden Angaben, daß der Sternalis an der Aponeurose des Obliquus abdominis externus, der Recetusscheide, den knorpeligen Rip- pen festgeheftet sei, sind bekannt. Diese Anheftungen sind nach meiner Ansicht von dem ursprünglichen Verbande des Sternalis mit der Abdominalportion des Pectoralis major, welche HUNTINGTON als M. pectoralis quartus aufführt, herzuleiten. Sie entsprechen den ursprünglichen Lagerungen der abdominalen Sternalisportion. EısLER und Huntington lassen, allerdings in verschiedener Weise, die Sternalisbündel abdominalwärts sich ausdehnen. Nach dieser grundverschiedenen Art der Deutung gleicher Befunde geht ohne weiteres hervor, von wie großer Tragweite es sein muß, wenn den 24* 366 Georg Ruge Verbindungsarten des Sternalis in der Gegend des Ursprungs der Ab- dominalportion in Zukunft besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Der Tatbestand der Fig. 4 ist noch aus einem andern Grunde wertvoll. Der primitive Zustand der abdominalen Festheftung des Fig. 4. Schlüsselbein Musculi sterno-mostoidei Fascie medialer und lateral.Sehnenstrang DM. sternalis Pars abdomin. des Pectoralis major * LESE zer I 6. Kippe NE \ N N. A SE \ poneurose N), M.rectus abdominis Sri Vordere Wand des Brustkorbes. Links ist das Skelett dargestellt. Rechts ist der Ursprungsteil des M. pectoralis major und des M. rectus thoraco-abdominalis abgebildet. Ein,M. sternalis zieht in schräger Richtung über den M. pectoralis hin; er geht halswärts in zwei latero-mediale Sehnen über, welche in die Fascia pectoralis eingelagert sind. Abdominalwärts vereinigt sich der Sternalis an 7. und 6. Rippe mit der Pars costalis des M. pectoralis major. 7. Rippe Proc. ensiformis Sternalis als eines pectoralen Abschnittes des Hautrumpfmuskels ist mit einem Verhalten der cranialen Ausdehnung vergesellschaftet, wie wir es von einem peetoralen Abschnitte des Hautrumpfmuskels als ursprüngliche Eigenschaft voraussetzen dürfen. Der Sternalis heftet Zusammenhang des M. sternalis mit der Pars abdominalis usw. 367 sich an der Fascie des Pectoralis major fest, und zwar mittels Sehnen- faserbündeln, welche sowohl lateral- als auch medianwärts in querer Richtung sich ausbreiten. Der Sternalis verhält sich also, wenn man ihn als den Rest eines Hautmuskels betrachtet, an bei- den Endabschnitten primitiv. EısLER und Huntington haben auch für diese Form ihre eigne Erklärung. Letzterer, welcher für den abgesprengten Sternaliskeim eine ganz frühzeitige, ontogenetische Verbindung mit der Sehne des Sterno-mastoideus annimmt, von wel- cher Stelle aus dann die Drehung der losgelösten Bündel dirigiert werden soll, findet hier laterale und mediale Sehnenfasern des Ster- nalis vor, die nicht mit dem Sterno-mastoideus verbunden sind. Ob auch diesen eine tiefe, mechanische Bedeutung zugesprochen werden wird? Nach unsrer Ansicht sind sie ebenso die Zeichen verschie- dener lokaler Ausbildungen, wie man sie am Achselbogen und an andern Sternalisformen findet. Wenn der Sternalis sich als Rest des Hautmuskels zu er- kennen gibt, so besteht für ihn in dieser Qualität eine große Sippe von Varietäten. Dabei bleibt die Möglichkeit immerhin bestehen, daß ganz anders geartete Pectoralisvarietäten eine Sternalisform vor- täuschen können. Die scharfe Abgrenzung solcher eventuell be- stehenden Arten festzustellen, würde ein Erfordernis werden. Hierbei wird maßgebend bleiben, daß von allen Verbindungen des Haut- muskel-Sternalis mit dem Pectoralis major nur die mit der Pars abdominalis derselben Seite von genetischer Bedeutung sein kann. L. TOBLER hat kein neues Material zur Lösung der Frage nach der Herkunft des M. sternalis gebracht. Er hat sich vielmehr darauf beschränkt, durch lückenlose Befunde den erneuten Beweis zu er- bringen, daß der Achselbogen des Menschen als ein Rudiment des Hautrumpfmuskels der Mammalier aufgefaßt werden muß, ferner daß der Achselbogen als ein derartiger Rest zu neuen Umformungen geeignet ist. Die vielfachen Verbindungen desselben mit dem La- tissimus dorsi bringen diese Neubildungen zum Ausdrucke. Wenn z. B. ein muskulöser, primitiver Achselbogen bei einer Länge von 6cm fast 2cm breit und 1 cm dick ist, eine Anheftung neben der Insertion des M. peetoralis major sowie mittels einer Zwischensehne am M. latissimus dorsi zeigt und die Achselhöhle durchquert (ToBLEr, S. 493), so gewinnt der Latissimus dorsi durch Vermittlung dieses Achselbogens einen neuen Angriffspunkt auf die vordere laterale Seite des Oberarmes. Daraus erklären sich dann die Ablösungen von Randbündeln des Latissimus dorsi, welche mit dem primären 368 Georg Ruge Achselbogen sich zu einem zusammengesetzten oder »sekundären« Bogen verbinden. Die von Böse mitgeteilten Beobachtungen haben den bekannten Formenreichtum dieser Bildungen vermehrt. Der axillare Rest des Hautmuskels hat in diesen Fällen eine fortschrei- tende Entwicklung eingeschlagen. An regressive Zustände reihen sich auch hier progressive an. Man vergleiche die Ausführungen TOBLERs auf S. 493 und 501. Diese progressiven Ausbildungen am Achselbogen können als ein Analogon für die häufige, sehr stattliche Ausbildung des M. sternalis gelten. Wenigstens wird von dem Selt- samen in der großen Variabilität der Volumsentfaltung des M. ster- nalis etwas genommen, wenn eine ähnliche Erscheinung in einem verwandten Gebiet sich kundtut. Mehr wollen wir aus dieser Er- scheinung nicht entnehmen. Seitdem Turner 1867 den Achselbogen als Rest des Panniculus carnosus gedeutet hat, haben verschiedene Forscher sich ihm ange- schlossen. PATErson (1887), WıLson (88), BIRMINGHAM (89), PRIN- CETEAU (92), LE DouBLeE (97), HunrtinGton (1904) haben sich im Turnerschen Sinne ausgesprochen. Eigne, langjährige Erfahrungen haben mich ebenfalls von der Stichhaltigkeit der von TURNER in- augurierten Deutung überzeugt. KOHLBRUGGE (1897) sieht in den aberrierenden Bündeln des Latissimus dorsi ebenfalls Teilreste des Pannieulus carnosus. Er nimmt aber an, daß diejenigen Muskeln, welche als Teile des Latissimus dorsi zum Biceps, Coraco-brachialis, Tubereulum minus, zur Gelenkkapsel usw. gelangen, wahrscheinlich dem M. coraco-brachialis angehören. Diese Ansicht ist neu, unbe- gründet und meiner Überzeugung nach durch den Aufsatz TOBLERS zurückgewiesen. KOHLBRUGGEs Angabe, daß Teile des Hautrumpf- muskels bei Semnopithecus durch den 2. und 3. intercostalen Nerven versorgt werden, kann nur auf einem Beobachtungsfehler beruhen. Äste des M. intercosto-brachialis durchbohren bei den Primaten den Muskel, innervieren ihn aber nicht. L. ToBLErR (S. 473) hat bei Macacus cynomolgus wohl den sensiblen Ramus lateralis des 3. In- tereostalnerven in den Hautmuskel eindringen, aber dessen Äste oft nach längerem Verlaufe durch den Muskel wieder zu dessen Ober- fläche gelangen sehen. Die Innervation des Hautmuskels stimmt mit der bei allen übrigen Affen überein. KOHLBRUGGE hat die Inner- vation durch die Nn. thoracales anteriores nicht wahrgenommen. Darin liegt ein Mangel guter Beobachtung; denn diese Innervation ist eine konstante und außerdem sehr leicht festzustellen. Es handelt sich bei dieser Feststellung durchaus nicht um ein technisch-ana- Zusammenhang des M. sternalis mit der Pars abdominalis usw. 369 tomisches Kunststück, sondern um die einfachsten präparatorischen Leistungen, welche, wenn man in so wichtigen neuro-myologischen Fragen die Stimme erhebt, überwunden sein sollten. Die Anschauung KOHLBRUGGES ist durch die Verwertung der vielen, längst verstanden gewesenen anatomischen und vergleichend-anatomischen Tatsachen nicht geläutert worden; sie hat sich deswegen auch bei der Nach- prüfung nicht bewahrheiten können. Sie ist in dem 9. Band (1899) der Ergebnisse der Anatomie und Entwicklungsgeschichte durch K. V. BARDELEBEN besprochen worden, welcher unter Annahme der Richtigkeit der KoRLBRUGGEschen Angaben den menschlichen Achsel- bogen und den Hautrumpfmuskel für verschiedenartige Muskeln er- klärt. KOHLBRUGGE ging so weit, zu bezweifeln, daß der mensch- liche Achselbogen von den Nn. thoracales anteriores versorgt würde. K. v. BARDELEBEN verwahrte sich mit Recht gegen diesen kühnen Zweifel, da die Innervation durch ihn selbst festgestellt worden war. Sie ist aufs neue durch die Beobachtungen auf dem Züricher Prä- pariersaale erhärtet worden, wie aus den Mitteilungen TOBLERS und GEHRYS zu ersehen ist. Die genauere Sachlage war mir nach sorg- fältig angestellten Untersuchungen schon lange Zeit bekannt, und dieser Umstand bewog mich, nochmals die einschlägigen Befunde nachprüfen und veröffentlichen zu lassen. Die gleichen Innervations- verhältnisse sind ja außerdem durch CunNxInGHAM und BIRMINGHAM (1889), Wırson (1888), PRINCETEAU (1892) und LE DousLE (1897) beschrieben worden. Der diesbezüglich erhobene Zweifel KOHLBRUGGES kann in Zukunft wohl unberücksichtigt bleiben, ebenso wie die An- gabe, daß der Hautrumpfmuskel nicht von Nn. thoracales anteriores versorgt werde. Die Ergebnisse der Anatomie und Entwicklungs- geschichte werden das, was keine Ergebnisse sind, aus der Literatur eliminieren. Eine Meinungsäußerung hat keine Berechtigung, in den »Ergebnissen« erhalten zu werden, da sie höchstens zu Ergebnissen anregen kann. Die Angaben des genannten vergleichend-anatomischen Forschers befremden insofern, als sehr bestimmte Mitteilungen über die Innerva- tion des Hautrumpfmuskels vorgelegen haben und auch auf die große Bedeutung der Herleitung des letzteren von der Pectoralisgruppe ausdrücklichst hingewiesen worden ist (vgl. G. Rue, 1895, in: SEMONS Ergebnissen usw.). Gewonnenen, grundlegenden Anschau- ungen gegenüber können nur stichhaltige Einwände Bedeutung emp- fangen, welche auf eingehenden Studien beruhen. Nur so können Irrtümer, welche einem jeden zustoßen können, aufgedeckt werden. 370 Georg Ruge Eine scharfe Kritik behält ihr Recht als förderndes und befreiendes Mittel. Bei KOHLBRUGGE vermisse ich beides: eingehendes Studium und scharfe Kritik. Die Durchsetzung von oberflächlich gelagerten Muskeln durch Hautnerven ist an vielen Orten des Rumpfes zu beobachten. Am auffallendsten trifft diese Erscheinung für diejenigen Muskeln zu, welche von ihrer ursprünglichen Lage sich über die ihnen anfangs fremden Gebiete ausgedehnt haben. Trapezius, Latissimus dorsi, Gesichtsmuskeln und das Platysma sind allbekannte Beispiele für die Durchbohrung seitens verschiedener Hautnerven. Bei der Wande- rung oder Ausdehnung der Muskeln aus ihrem Heimatsgebiete wer- den die autochthonen Hautnerven der neu gewonnenen Gegenden in ihrem Verlaufe nicht wesentlich beeinträchtigt. Der Hautrumpfmuskel, welcher sich von der Insertionsstelle der Pectoralmuskulatur am Oberarme über die thoraco-abdominale und über die dorsale Fläche des Rumpfes bis zur Leiste und zur unteren Gliedmaße ausgedehnt hat, wird schließlich von den meisten meta- meren Hautnerven des Rumpfes durchbohrt. Diese Hautnerven, nur bis an den Hautrumpfmuskel und nicht weiter verfolgt, können den Eindruck hervorrufen, daß der letztere, von metameren Nerven ver- sorgt, ein segmentales Gebilde sei. Diese Angabe findet sich z. B. noch in der 4. Auflage der Anatomie der Haustiere (P. MArrın, 1904, S. 291). Der Achselbogen des Menschen kann als Rest des Hautrumpf- muskels von Hautnerven des Rumpfes durchbohrt werden. Der 2. und 3. Intereostalnerv kommen der Lage nach in Betracht. Der M. sternalis weist ein gleiches Verhalten auf. Die ihn durch- bohrenden ventralen Hautäste des 2., 3., 4. Intercostalnerven haben aber mit der Muskelversorgung nichts zu tun. Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere, der Achselbogen und der Sternalis des Menschen haben in gleicher Weise das Mißgeschick gehabt, in das Innervations- gebiet von Hautnerven bezogen zu werden. Ebenso wie die Äste des N. faeialis bei der Sonderung der Gesichtsmuskulatur mit den Hautästen des N. trigeminus in Berührung kommen und Geflechte bilden, können auch die Nervenäste des Hautrumpfmuskels inniger den Hautästen des Rumpfes sich anlageın und dann eine Strecke weit mit ihnen durch den Muskel verlaufen. Die enge Verbindung beider Nervenarten erschwert dann die Untersuchung und die Fest- stellung des Sachverhaltes, aber macht sie nicht unmöglich. Ab- lösungen größerer Abschnitte von der ursprünglich einheitlichen Zusammenhang des M. sternalis mit der Pars abdominalis usw. 371 Hautmuskelplatte sind nicht selten anzutreffen. Nach dieser Richtung hin können keine Bedenken für die Annahme einer Abspaltung des Brustabschnittes, welcher zum M. sternalis geworden ist, bestehen. L. TOBLER hat ja selbst im Gebiete des Hautrumpfmuskels eine Ab- lösung der sacralen Teile vom Stammmuskel bei Cercopithecus sabaeus (Fig. 11), der inguinalen Abschnitte bei Cercopithecus cephus (Fig. 12), der caudofemoralen Bündel bei /nuus nemestrinus (Fig. 13) feststellen können. Auffallend ist die Tatsache, daß der bei sämtlichen Primaten in Rückbildung begriffene Hautrumpfmuskel keine Brustportion mehr be- sitzt, und daß ein M. sternalis bei ihnen nie beobachtet worden ist. Der Mensch unterscheidet sich dadurch von den Primaten. Er stellt sich aber im besondern auch in einen schärferen Gegensatz zu den Anthropomorphen, welche mit Ausnahme von Gorilla noch nie auch nur den kleinsten Rest eines Hautmuskels haben erkennen lassen. ‘ Hylobatiden, Schimpanse und Orang entbehren der Bildungen eines Achselbogens und eines Sternalis. Die Ausschaltung des Hautrumpf- muskels aus dem Organisationsplane ist daher allem Anscheine nach bei den Anthropomorphen weiter vorgeschritten als beim Menschen. Gorilla schließt sich indessen den niederen Affen enger an. L. TOBLER hat an beiden von ihm untersuchten Exemplaren einen nicht ganz unansehnlichen Rest des Hautmuskels angetroffen (Fig. 16, 17). Die Ursachen für die Erhaltung des Brustabschnittes des Hautmuskels beim Menschen, die starke Weiterbildung desselben zum M. sternalis, sind uns bisher vollkommen unbekannt geblieben. Durch vergleichend-anatomische Untersuchungen ist festgestellt worden, daß der Hautrumpfmuskel ein Abspaltungsprodukt der Mm. peetorales ist. Das gilt für die Monotremen, Marsupialier und die höheren Ordnungen. Der Muskel bezieht demgemäß stets seine Äste aus den Nn. thoracales anteriores. Diese Erscheinung ist eine durchgehends wiederkehrende. Alle abgesprengten Portionen des Muskels müssen gleiche Innervationsverhältnisse bewahren. Achsel- bogen und M. sternalis fallen in diese Kategorie. Bevor wir diese grundsätzlichen Anschauungen über Herkunft und Innervation des Haut- rumpfmuskels aufgeben, müssen neue, grundlegende Tatsachen bei- gebracht werden, welche vor allem einen vergleichend-anatomischen Gehalt besitzen, sich aber nicht einzig und allein auf entwiceklungs- geschichtliche Störungen beziehen, mit denen man ja alles erklären kann. Es muß vor allem zurückgewiesen werden, den Hautrumpf- muskel als einen segmentierten Muskel in dem Sinne auszugeben, 372 Georg Ruge . daß er vom 2., 3. und den folgenden thorakalen Segmenten Bau- steine empfangen habe; denn diese Meinung beruht auf der sehr zweifelhaften Beobachtung der Innervation des Muskels durch die sensiblen Rr. laterales der betreffenden Intercostalnerven, welche den Hautrumpfmuskel zu durchsetzen pflegen. Dieser hat sein Material von den Myotomen bezogen, welche die Pectoralisgruppe in sich schließt. Als wichtige vergleichend-anatomische Tatsache gilt die Zeit der Entstehung des Hautrumpfmuskels. Sie fällt, soweit bekannt ist, in die Periode, in welcher die Mm. pectorales ihre völlig selbständigen Individualitäten bereits errungen haben, keinen Zusammenhang mit dem M. latissimus dorsi zeigen und vor allen Dingen caudalwärts von sich kein für einen neuen Muskel verfügbares Material aus der Seitenrumpfmuskulatur mehr erkennen lassen. Damit erledigt sich im verneinenden Sinne auch die Deutung des Achselbogens als einer intermediären Portion zwischen Pectoralis major und Latissimus dorsi (HumpHry, 1872, Böse 1904), sowie die Annahme der Innervirung desselben durch Nn. intercostales. Der Verlauf der Nervenzweige für den Achselbogen ist ein ein- fach verständlicher. Die Nerven ziehen nach Abzweigung von den Nn. thoracales anteriores direkt axillarwärts. Die Sternalisnerven, welche wie diejenigen für den gesamten Hautrumpfmuskel zum tiefen Gliede der Pectoralisgruppe gehören, durchsetzen, um den oberflächlichen und bis zum Schlüsselbein oft hinaufreichenden Sternalis zu erreichen, den M. pectoralis major. Soweit die Portio abdominalis des letzteren nicht in Betracht kommt, ist die Durchbohrung des Pectoralis major durch die Sternalisnerven als eine intramuskuläre Verlagerung zu beurteilen. Diese kann sehr wohl bereits in früher embryonaler Zeit sich vollziehen. Sie ist jeden- falls eine sehr alte phylogenetische Erscheinung, da die Durchboh- rung des Pectoralis major durch den zur Brustportion des Hautmus- kels ziehenden Nerven bereits bei niederen Säugetieren angetroffen wird. Sie ist aus der Tendenz eingeleitet, nach welcher die Ner- ven den möglichst kürzesten Weg zu den Endorganen einschlagen. Aus einem ursprünglichen Verlauf um den unteren Rand des M. pec- toralis major wird sich die allmähliche Einverleibung in diesen Muskelbauch eingestellt haben. Der Verlauf der Sternalisnerven am unteren Rande des M. peetoralis minor oder durch dessen Muskel- bauch sind in gleicher Weise zu verstehen. Die Feststellung der Neuromyomeren, welche den Achselbogen Zusammenhang des M. sternalis mit der Pars abdominalis usw. 373 und den Sternalis aufbauen helfen, ist in Angriff genommen worden. Abschließendes liegt hierüber nicht vor. Der 8. cervicale und der 1. thorakale Spinalnerv sind zum Achselbogen, der 7. oder 6. und 5. oder der 7., 6. und 5. cervicale Spinalnerv sind zum Sternalis verfolgt worden (EISLER). Die Schwankungen, welche auch hier zu bestehen scheinen, zusammengehalten mit denen in der Innervation der Mm. pectorales (s. WICHMANN, 1900, S. 99), fordern dazu auf, an einem und demselben Individuum, an welchem Sternalis und Achselbogen gemeinsam vertreten sind, die Neuromerien genau festzustellen. Die Schwierigkeit der Untersuchung, bei welcher feinste Nervenzweige leicht übersehen oder verletzt werden können, wird spätere Ergeb- nisse mit der nötigen Vorsicht beurteilen lassen. Aus den bis jetzt vorliegenden spärlichen Angaben vermag ich keine sicheren Schlüsse zu ziehen. Als leitender Gesichtspunkt für die Klärung der be- handelten Fragen wird zu gelten haben, daß Sternalis und Achsel- bogen, wenn sie dem Hautrumpfmuskel entstammen, wenigstens ur- sprünglich zu denjenigen Myomeren gehören müssen, welche ihre Stammmuskulatur, die tiefen Glieder der Peetoralisgruppe, aufbauen. Für die letztere kommen beim Menschen der M. pectoralis minor und die Pars abdominalis des Pectoralis major in Betracht. Daß sich nun aber neue Umwandlungserscheinungen im Aufbaue des Sternalis aus Myomeren eingestellt haben, ist immerhin möglich und wird jedenfalls in Erwägung zu ziehen sein. Für die Muskeln der unteren Gliedmaße kennen wir derartige imitatorische Umwand- lungen, welche durch die Verschiebungen des Beckengürtels längs der Wirbelsäule begünstigt sind, als sehr ausgesprochene Erscheinungen (man vgl. G. Ruge, 1893), während sie an der vorderen Gliedmaße nur sehr eingeschränkter Art, aber immerhin doch vorhanden sind. Es ist daher wohl möglich, daß die Feststellung der Neuro- myomerie der Muskeln hier direkt zu einem verwertbaren Ergebnisse gelangt, möglich aber auch, daß die Verhältnisse später sich schwie- riger gestalten, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Angaben über die Innervation des Hautrumpfmuskels und des tiefen M. pectoralis quartus liegen für Vertreter von Marsupialiern vor. Der 7., 8. cervicale sowie der 1. und 2. thorakale Spinalnerv sind zu den Muskeln verfolgt worden (»KOHLBRUGGE, 1898, S. 243). Beobachtung eines Restes des Hautrumpfmuskels beim Menschen, Pars thoracalis lateralis desselben. \ Von Paula Bascho. Mit 1 Figur im Text. (Aus dem Anatomischen Institut der Universität Zürich.) Auf dem Präpariersaale in Zürich beobachtete ich in diesem Wintersemester an einer männlichen Leiche einen Rest des Haut- rumpfmuskels, welcher bei den Mammaliern gefunden wird. Es sei mir gestattet, über diesen Befund zu berichten und zugleich einen Nachtrag zu liefern zu den Arbeiten von L. TOBLER und K. GEHRY, die im 30. Band Heft 3 und im 31. Band Heft 2 und 3 des Morph. Jahrbuchs erschienen sind. 1. Beschreibung des Tatbestandes. Die beifolgende Figur stellt die Variation in natürlicher Lage dar. Der M. pectoralis major besitzt eine deutlich geschiedene Ab- dominalportion, deren sehniger Ursprung aus der Rectusscheide in der Höhe der 5. Rippe in den muskulösen Teil sich fortsetzt. Seine Insertion gewinnt der Muskel an der Crista tuberculi majoris humeri. Von der Fascie der 6. und 7. Serratuszacke nimmt die ungewöhn- lich lange und breite Variation ihren muskulösen Ursprung, zieht im ersten Drittel ihres Verlaufs, eng an den M. latissimus dorsi ange- schlossen, nach aufwärts und schließt sich in der Höhe der 3. Rippe ganz an die abdominale Portion des großen Brustmuskels an. Die Anheftung der Variation erfolgt durch eine kurze, platte Sehne in Beobachtung eines Restes des Hautrumpfmuskels beim Menschen. 375 der Fascia coraco-brachialis und mit den stärksten Zügen am Cora- coid, sie stellt die Fortsetzung der Insertion des M. pectoralis major in proximaler Richtung dar. Dasselbe Verhalten konstatierte TOBLER bei Cynocephaliden (S. 471): »die abdominale Portion des Pectoral- muskels findet sich an der Insertion stets im Anschluß an den Haut- muskel«, ferner bei Macacus sinicus (S. 473), »der Muskel inseriert mit ausstrahlendem Sehnenblatt in der Fascie über dem M. coraco- brachialis«, bei /nuus nemestrinus (S. 480), »das Sehnenblatt schließt 6. Halsnerv 7. Halsnerv S. Halsnerv 1. Brustnerv M. scalenus ant. N. sterno-cleido-mast. . M. pectoralis minor Sehne des Haut- NN muskels EIN Sehne der Pars ab- ol IR dominalis | BER N - M, pector. major Pars clavicul. m. pector. maj. Pars sterno- costalis —— Aberrierende Bündel des | Hautmuskels I M, latissimus dorsi Pars abdominalis M. serratus ant. Rectusscheide Die Figur stellt die vordere, seitliche linke Wand des Brustkorbes dar. Von der Pars clavicularis und Pars sterno-costalis des M. pectoralis major ist ein Stück entfernt, um die Gesamtausdehnung der Pars abdominalis des Muskels erkennen zu können. Der M. pectoralis minor tritt dadurch her- vor, und vor allem die Lage, Verlauf und Anheftung der Muskelvarietät am Humerus. Die Nervi thoracales anteriores 7, 2 und 3 sind vom Ursprunge aus dem 6.—8. Cervicalnerv und dem 1. Tho racalnerv je bis zum Ende verfolgbar. sich der tiefen Portion des M. pectoralis an... Die stärksten Züge des dreieckigen Sehnenblattes laufen nach dem proximalen Humerusende und dem Processus coracoides parallel und gemeinsam mit lateralsten Ursprungsfasern der Portio abdominalis musculi pec- toralis. « Die Länge der Muskelvariation beträgt 18 cm, ihre Breite am 376 Paula Bascho Ursprung 3,7 em, eranialwärts verjüngt sie sich bis zu 1,5 em Breite, ihre Dicke ist etwa 3 mm. Die Entfernung der Ursprungsstelle der Varietät vom Pectoralisrand beträgt 6 cm. An den axillaren Rand des M. latissimus dorsi legt sich die Variation in einer Länge von 5em eng an, ohne daß ein Übertritt von Latissimusfasern in sie erfolgt. Dann tritt eranialwärts eine verbindende Fascie zwischen Latissimus und dem abnormen Muskel auf, in welcher die am weite- sten lateral gelegenen Fasern derselben ausstrahlen. Der beschriebene Befund stimmt völlig überein mit demjenigen, den ToBLER bei Gorilla konstatierte und den er nach MACALISTER als » Peetoralis IV« bezeichnete. Seine Entscheidung, daß »Portio abdominalis«, » Pectoralis IV< und »Panniculus carnosus« Stufen der Ausbreitung des Pectoralis major nach seitlichen Rumpfteilen vor- stellen (S. 485), findet durch die Innervationsverhältnisse des vor- liegenden Präparats eine Stütze. Der Ramus lateralis des 2. Intercostalnerven zieht über dem Hautrumpfmuskelrest hinweg, während der Seitenast des 3. Inter- costalnerven sich in einen Ast spaltet, der über die Variation zieht, und in einen zweiten Ast, der dieselbe durchbohrt. Eine Versorgung durch diese Nerven findet nicht statt. Die Nn. thoraeiei anteriores verlaufen in drei Strängen, die aus dem 6., 7., 8. Cervieal- und dem 1. Thoracalnerven stammen. Der cranialste N. thoracieus ant. (auf der Figur mit / bezeichnet) geht aus dem 6. Cervicalnerven hervor, verläuft unter der Art. und Vena transversa scapulae und über der Art. thoraco-acromialis zur Cla- vieular- und Sternalportion des M. pectoralis major. Ein zweiter N. thoracieus ant. (auf der Figur mit 2 bezeichnet), aus dem 7. Cer- viealnerven stammend, teilt sich in zwei Äste: in einen eranial ab- gehenden, der unter der Art. thoraco-acromialis hindurch vor dem Peectoralis minor zur sternalen und abdominalen Portion des Pecto- ralis major zieht, während der zweite Ast sich spaltet und einen Zweig zum Pectoralis minor und einen zweiten Zweig, der durch den kleinen Brustmuskel hindurch verläuft, und einen dritten Zweig direkt zur Abdominalportion sendet. Der 3., am weitesten caudal gelegene N. thoraeieus ant. (auf der Figur mit 3 bezeichnet) empfängt seine Elemente aus dem 8. Cervical- und dem 1. Thoracalnerven. Er verläuft unter der Art. subelavia und ist mit dem oben genannten 2. Thoracalnerven durch einen Zweig desselben verbunden, wo sich dieser zu den Mm. pectorales major et minor verzweigt, so daß eine die Art. subelavia umfassende Schlinge zustande kommt. Der 3.N. Beobachtung eines Restes des Hautrumpfmuskels beim Menschen. 377 thoracieus ant. verläuft mit mehreren Ästehen zur abnormen Muskel- portion, die teils sofort in dieselbe eintreten, teils erst an der dor- salen Seite derselben nach abwärts verlaufen. Ein Seitenzweigchen dieses Astes verliert sich zu Gefäßen und Lymphdrüsen der Achsel- höhle. Es zeigt sich also an diesem Präparat deutlich, daß eine Muskel- portion, je weiter sie caudalwärts liegt, von einem mehr caudal ab- gehenden Nerven innerviert wird, als die nach oben sich anschließen- den Muskelteile. Es sei hier erwähnt, daß an der Pars supraelavieularis des Plexus brachialis im ganzen eine Verschiebung der Äste in cau- daler Richtung zu erkennen ist, indem der 5. Cervicalnerv nicht an der Bildung der Nn. thoraeiei ant. beteiligt ist, wie es in der Regel geschieht. Auch gibt sich in der Loslösung des N. phrenieus aus dem 5. Cervicalnerven, wie es an diesem Präparat zu beobachten ist, ein von der Norm im genannten Sinne abweichendes Verhalten kund. 2. Deutung des Befundes. Die Ableitung der Hautmuskulatur von der Gliedmaßenmusku- latur der Brust, wie sie L. TOBLER gestützt auf Untersuchungen von G. Ruge u. a. vornahm, findet durch vorliegenden Befund eine weitere Unterstützung. Denn der Deutung dieser Muskelvariation als eines Restes eines ursprünglichen Zusammenhanges der Mm. pec- toralis major und latissimus dorsi stehen mehrere stichhaltige Gründe entgegen. Sowohl die humerale Insertion der Variation, die fehlende Innervation auch durch den den Latissimus versorgenden N. thoraco- dorsalis (subscapularis), als auch das gänzliche Fehlen eines Zu- sammenhanges beider Muskeln bei Säugetieren sprechen gegen die Annahme, daß die vorhandene Variation als ein Bindeglied zwischen Pectoralis major und Latissimus dorsi aufgefaßt werden könne. Auch BIRMINGHAM und TOBLER wiesen diese Auslegung mit Bestimmtheit zurück. Weit überzeugender ist die Deutung der Variation als eines Gliedes der Peetoralismuskulatur. Die humerale und bis zum Pro- cessus coracoides sich erstreckende Insertion erscheint einwandsfrei als Fortsetzung der Pectoralisanheftung; ferner beweist die Ver- sorgung durch Äste der Nn. thoraeiei anteriores deutlich die Zuge- hörigkeit der Variation zur Pectoralismuskulatur. Der Zusammen- hang mit der Abdominalportion des großen Brustmuskels ist ein 378 P. Bascho, Beobachtung eines Restes des Hautrumpfmuskels beim Menschen. augenfälliger: sowohl die Lage der Variation, ihr Faserverlauf, als auch ihre Innervation durch den caudalsten Strang der Nn. thoraeiei ant. beweist denselben. Ein ursprüngliches Verhalten gibt sich in der Insertion kund, während die tiefe Lage ein dem Hautrumpf- muskel fremdes Verhalten zeigt. Es wurde bereits betont, daß die vorliegende Varietät mit dem Hautrumpfmuskelrest, den TOBLER bei Gorilla fand, übereinstimmt. Die hier beschriebene Variation darf also als ein Rest des Haut- rumpfmuskels angesprochen werden, welcher ein Derivat der Abdo- minalportion des M. pectoralis major bei den Säugetieren ist. Ihre Definition als Pars thoraco-lateralis der Pectoralismusku- latur ist hiermit gegeben. Ich verweise auf die geschlossene Serie diesbezüglicher Unter- suchungen, die durch TOBLER und GEERY in dieser Zeitschrift ver- öffentlicht worden sind, an welche sich obige Untersuchung anschließt. Zürich, Januar 1905. Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere. — Der M. sternalis und der Achselbogen des Menschen. Von Georg Ruge in Zürich. Die in der Literatur niedergelegten Beschreibungen von den ver- schiedensten Formverhältnissen des menschlichen Musculus ster- nalis sind so überaus reichlich, daß neue Mitteilungen über dieses Gebilde besondere Gründe haben müssen. Dies ist auch deshalb erforderlich, weil die Beobachtungen von Sternalisbildungen für den Anatomen sich jährlich oftmals wiederholen. Der Sternalis hat bezüglich seiner Herkunft die mannigfaltig- sten Deutungen durch die Morphologen erfahren. Dieselben fußen auf vergleichend-anatomischen Erfahrungen oder aber auf rein theo- retischem Boden; sie beziehen sich auf entwicklungsgeschichtliche Tatsachen oder stützen sich hinwiederum ausschließlich auf die Nervenversorgung des Muskels. Es fehlen aber auch solche Deutungen nicht, welche die Innervation zugleich mit vergleichend-anatomischen Daten heranziehen, oder solche, welche unter Berücksichtigung der Innervation des Muskels sich im übrigen auf dem Boden der brei- testen Spekulationen bewegen. Fast allgemein anerkannt dürfte die Zugehörigkeit des M. ster- nalis zur Pectoralisgruppe sein. Die Innervationsverhältnisse haben diese Annahme fester begründen helfen. An der Herkunft desselben aus dem Materiale dieser Muskelgruppe sind Zweifel ernsterer Natur in letzter Zeit nicht mehr erhoben worden. Die vielfachen Verbindungen, welche der Sternalis mit Nachbar- muskeln, z. B. mit dem M. sterno-mastoideus, eingeht, sind dem- gemäß als später eingeleitete, als sekundäre Erscheinungen folge- riehtig oftmals ausgegeben worden. Die Deutung dieser Verbindungen Morpholog. Jahrbuch. 33. 25 380 Georg Ruge erleidet keinerlei Einbuße, auch wenn der Übergang der sternalen Ursprungssehne des M. sterno-mastoideus in den M. sternalis so un- mittelbar erfolgt, daß eine einheitliche Bildung vorzuliegen scheint; denn letztere ist dann als keine genetisch-einheitliche zu beurteilen. Der M. sterno-mastoideus kann demnach für die Ableitung des Sternalis nicht in Betracht kommen, welche Möglichkeit C. GEGEN- BAUR allerdings noch 1899 hat gelten lassen (s. S. 391, 1. Bd.), und welche auch in andern Lehrbüchern noch vertreten ist (LANGER- ToLpr), nachdem sie im ganzen 19. Jahrhundert Anhänger gefunden hat (z. B. durch MArJoLın 1815, HENnLE 1858, CoLson 1886). Mit der Annahme der Ableitung des M. sternalis von der "Pectoralis- gruppe ist die Frage nach der Vergangenheit des Muskels keines- wegs abgetan. Es ist in dieser Beziehung vielmehr noch endgültig festzustellen, ob der Sternalis eine bloße Abspaltung der Brust- muskulatur, speziell des M. pectoralis major sei, oder ob er Be- ziehungen zu jener alten, allen niederen Säugetieren zukommenden Hautmuskulatur des Rumpfes besitze, welche den Hautrumpfmuskel- abschnitt des Pannieulus carnosus vorstellt. Fällt die Entscheidung im ersteren Sinne aus, so kann der Sternalis als eine nur dem Ge- nus Homo zukommende Bildung gelten, da er ausschließlich bei ihm in dem typischen Sternaliszustande angetroffen wird. Lassen sich aber triftige Gründe für einen genetischen Verband des M. ster- nalis mit der Hautrumpfmuskulatur anführen, so ergibt sich für ihn diejenige Deutung, welche den Rest einer alten Säugetiereinrich- tung, eben des genannten Hautrumpfmuskels, in ihm sieht. Beide Annahmen finden ihre Vertreter, und die Frage nach der Geschichte des Sternalis bleibt somit bis auf den heutigen Tag eine strittige, eine ungelöste. Sie ist zur Zeit noch erörterungsfähig und wird es voraussichtlich so lange bleiben, bis zwei Punkte eine Erledigung gefunden haben. Der eine Punkt bezieht sich auf die sorgfältigste Berücksichtigung aller einschlägigen Merkmale an neu zu beobach- tenden Variationen, woraus die Hautrumpfmuskelnatur erschlossen werden kann. Der andre verlangt eine Entscheidung durch onto- genetische, genaue Befunde. Wenn der M. sternalis eine bloße Abspaltung von dem ober- flächlichen Gliede der Pectoralisgruppe ist und einzig und allein dem Menschen zukommt, so fehlt ihm die stammesgeschichtliche Bedeutung, welche wir der größten Anzahl von Muskelvarietäten zusprechen. Als Neubildung wird er ein ganz besonderes wissen- schaftliches Interesse besitzen. Dasselbe wird aber erst dann Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 381 befriedigt sein können, nachdem alle Grade seiner neuen Ent- stehungsart kennen gelehrt und verstanden sind. Auch nach dieser Richtung fehlen zurzeit zuverlässige und überzeugende Beobach- tungen, welche das Wissenswerte enthalten. Sollte man anderseits den Sternalis als einen Rest des Haut- rumpfmuskels anerkennen müssen, so würde dessen Auftreten zwang- los erklärt sein. Es bestünden dann eben wie für jene Erklä- rung keine Schwierigkeiten mehr, welche bei der Annahme einer neuen Bildung des Sternalis an das Erkennen der Ursachen für die erste Entstehung des Muskels sich knüpften. Der Anschluß an bereits Vorhandenes wäre gefunden, und die Entstehung des Ster- nalis hätte als bekannt zu gelten. Die Erklärung aber für die so äußerst variablen Grade der Ausbildung des Muskels wäre wie im ersteren Falle nicht gefunden; sie bliebe noch zu suchen. Das Auftreten alter stammesgeschichtlicher Einrichtungen ist für den Menschen namentlich am Muskelsystem so hinlänglich bekannt, daß es auch für den Brustabschnitt des Hautrumpfmuskels, welcher vielleicht in dem M. sternalis erscheint, zutreffen kann. Bedenken allgemeiner Art bestehen hier nicht. Ist der Sternalis der Rest eines Hautmuskels, so sind all seine Verbindungen mit Rippen, Sternum, Clavicula (s. LE DOUBLE), so häufig und mannigfaltig sie auch auftreten mögen, später erworbene und können keinen Rückschluß auf sein genetisches Verhalten ge- statten. Die bekannt gewordenen Durchkreuzungen beider Sternales in der Medianebene (CHASSAIGNAC, VERNEUIL, TESTUT) werden unter allen Umständen als erworbene Zustände zu beurteilen sein. Sie werden niemals bei der Beurteilung der Ableitung des Sternalis ent- scheidender Art sein können. Dasselbe gilt für den häufig beob- achteten Übergang eines Sternalis in den Sterno-mastoideus oder den M. pectoralis major der andern Seite. Diese vielfachen Schwan- kungen werden aber stets lehrreiche Illustrationen für die Neigung des Sternalis sein, Verschmelzungen mit Nachbarorganen einzugehen. Ältere Deutungen des Sternalis haben sich bis in die Neuzeit erhalten. Sie weichen von den angeführten sehr wesentlich ab, in- dem sie die oft beschriebene Innervation des Muskels durch Nn. intercostales zum Ausgangspunkt nehmen und in dem Muskel Glied- stücke des ventralen, gerade verlaufenden Muskelsystems erkennen. Auch als Teile des schrägen, äußeren thoraco-abdominalen Muskels ist der Sternalis ausgegeben worden. Dazu gesellen sich noch andre, weniger bedeutsame Erklärungsversuche für die Ableitung des Muskels. 25* 382 Georg Ruge Die Annahme der Entstehung vom M. rectus thoraco-abdominalis, welche auf der Innervation durch Nn. intercostales sich gründet, behält heute noch größere Bedeutung durch den Umstand, daß der Referent in den »Ergebnissen der Anatomie und Entwicklungs- geschichte« für sie von Jahr zu Jahr eintritt. Andre Erklärungs- versuche haben an Zustimmung und Ruf verloren und tauchen viel- leicht späterhin in der Literatur nicht mehr auf. Einige kurze Bemerkungen widmen wir aber auch ihnen in diesen Zeilen, da sie aufklärend bei der Behandlung des Stoffes wirken. Der M. sternalis ist demnach ein viel umstrittenes Objekt. Es lockte den Anatomen, sich an ihm zu versuchen, und dabei blieb er uns dennoch bis auf den heutigen Tag ein Rätsel. Der Anwen- dung aller uns zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Methoden scheint der Sternalis Trotz zu bieten, und so erklärt es sich, daß, da die strenge Untersuchung in das Sternalisgeheimnis nicht einzu- dringen vermag, Hypothesen über Hypothesen an diesen wunder- baren Muskel sich knüpfen. Die zuweilen bis ins Seltsame getriebenen Spekulationen zu beleuchten, ist ein Zweck dieser Zeilen. Unumwunden wollen wir aussprechen, wie weit wir die Berechtigung zu Schlußfolgerungen auf Grund von tatsächlich Festgestelltem anerkennen, und wollen unsre Zweifel erheben, wo wir Grund zu haben glauben, die zu den Deutungen verwendeten Beobachtungen seien nicht einwandsfrei. Die vielen Erklärungen über die morphologische Stellung des Sternalis, wie sie im Laufe der Zeiten aufgetaucht sind, haben durch P. EiSLER neuerdings eine Besprechung erfahren (1901, 5.65). Sie wer- den meist ablehnend beurteilt. In EısLers Arbeit finden sich einerseits manche beherzigenswerte Auseinandersetzungen. Anderseits werden Urteile gefällt, welchen zuzustimmen mir nicht möglich ist. An Ort und Stelle werden die einschlägigen Dinge Erwähnung finden. Man war zur Hoffnung berechtigt, aus der Arbeit EısLers Klarstellungen und Belehrungen über die Sternalisfrage zu erhalten. Die Erwar- tungen finde ich nicht erfüllt. Einige Vorfragen über die Sternalis- herkunft sind seitdem durch L. TOBLER nochmals klar gestellt wor- den, so daß auf die morphologische Bedeutung des Sternalis jetzt nochmals näher eingegangen werden kann. Die Hauptresultate seiner Untersuchungen hatte EIsLER bereits 1900 den deutschen Anthro- pologen in Halle mitgeteilt. Der durch Ramsay 1812 zuerst bekannt gewordene Achsel- bogen des Menschen hat in gleicher Weise wie der Sternalis Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 383 verschiedene Erklärungen bezüglich seiner Herkunft erfahren. Eine völlige Klärung ist heutzutage noch nicht erzielt. Die Ursache hier- für ist nicht die gleiche wie die für den Sternalis zugestandene, da die Verhältnisse für den Achselbogen ungleich günstiger liegen. Die Anwendung der vergleichend-anatomischen Methode erlaubt uns, wie wir sehen werden, ein abschließendes Urteil über die Herkunft des Achselbogens auszusprechen. Manche Fragen, welche ihn beireffen, bleiben noch zu lösen. Der Achselbogen ist ein Rest des Hautrumpf- muskels der Säugetiervorfahren des Menschen. Diese Erkenntnis gründet sich auf den Vergleich mit der deutlich vor unsern Augen liegenden Geschichte des Hautrumpfmuskels der Säugetiere. Da der Hautrumpfmuskel für die Ableitung des Achselbogens in Betracht kommt, da er vielleicht Beziehungen zum Sternalis be- sitzt, sind wir in die Lage versetzt, uns mit ihm eingehender zu beschäftigen. Er bildet für die Beurteilung verschiedener anatomi- scher Einrichtungen des Menschen ein ganz besonders wichtiges Glied des gesamten Bauplans der Säugetiere. Er verleiht uns man- chen Aufschluß über die Stellung des Menschen zu den ihm ver- wandten Lebewesen. Wir werden deshalb unser Augenmerk ganz besonders einigen neueren Arbeiten über dieses Thema zuwenden. Als ich 1895 Untersuchungen über die Hautmuskulatur der Monotremen veröffentlichte, war mir aus eigner Anschauung auch das Verhalten der gleichwertigen Muskulatur ‚bei vielen höheren Organismen bekannt gewesen. Ich glaubte, mein Urteil über die Bedeutung des muskulösen Achselbogens damals so weit geschärft zu haben, daß ich mich zur Aussage berechtigt fühlte: es könne der Beweis geliefert werden, »daß z. B. die ‚als Achselbogen‘ be- kannten und äußerst variablen Bildungen des Menschen größtenteils Reste der mächtigen, subeutanen Rumpfmuskulatur von Monotremen usw. vorstellen«.. Diese Ansicht war nicht neu; sie erschien mir aber aufs neue fester begründet (1895, S. 80). Seither hatte ich dem Achselbogen besondere Aufmerksamkeit zugewendet und Be- obachtungen für eine Veröffentlichung zusammengestellt. Letztere ist unterblieben. L. TOBLER hat unterdessen die Beobachtungen im Züricher Präpariersaale sowie diejenigen an einem reichhaltigen Tier- material in einer sorgfältigen und beweiskräftigen Arbeit verwertet (1902). Eine, ich darf wohl sagen, lückenlose Reihe von Befunden bei Primaten hat L. TOBLER dazu berechtigt, den Achselbogen des Menschen als ein Rudiment des Hautmuskels der Mammalier zu be- zeichnen. 384 Georg Ruge Der Achselbogen des Menschen erweckt das Interesse in höherem Grade, weil er weite Rückschlüsse auf die Vergangenheit einer Haut- rumpfmuskulatur des Menschen gestattet. »Aus dem Vorhandensein eines Achselbogens läßt sich oft mit Sicherheit herleiten, daß der Mensch früher einen subeutanen Rumpfmuskel besessen habe, wel- cher von der Brust durch die Achselhöhle zum Rücken und weit über das Abdomen caudalwärts verlief. Der M. latissimus dorsi wird dadurch, daß der genannte subeutane Muskel über ihm ver- streicht und mit ihm verschmilzt, in die Sphäre bestimmter zahl- reicher Abweichungen hineinbezogen, welche eigentlich nicht von ihm ausgehen, vielmehr durch atavistisch auftretende Bündel eines subeutanen Peetoralmuskels erzeugt werden« (1895, S. 80). Dieser vor 10 Jahren gefallene, wohlerwogene Ausspruch ist heute fester begründet wie je. Es gehört ein ganz andres Material als das von P. EısLer ins Feld geführte dazu, um eine fest gefügte Beweis- führung über die Deutung des Achselbogens, wie sie im einzelnen durch L. TOBLER geliefert worden ist, ins Schwanken zu bringen. Die Untersuchung P. EısLers über den M. sternalis ist hier in erster Linie heranzuziehen. Sie behandelt den Stoff eingehend und beansprucht nichts weniger, als uns zum Ziele, zur Lösung der Sternalisfrage geführt zu haben. Wir verdanken dem eifrigen For- scher viele gute Leistungen und setzen gleiche auch hier voraus. Der Autor zeichnet scharfe Kreise und zieht dieselben enger und enger; er führt seine Schlußfolgerungen konsequent durch und läßt dem Leser keinen Ausweg. Frühere Arbeiten des Autors haben einen Wert erhalten da, wo derselbe den tatsächlichen Boden nicht verlassen hat. Die Arbeit über den Sternalis ist jedoch durchsetzt von Spekulationen. Mit diesen beginnt die Untersuchung und sie endigt mit ihnen. Der erste Ausgangspunkt der Beweisführung ist eine Hypothese. Die Arbeit birgt dadurch Gefahren in sich, zumal die Art der Beweisführung für manchen bestrickend sein mag. Auf diese Gefahren im Interesse für die Frage nach der Bedeutung des M. sternalis hinzuweisen, ist nicht zu umgehen. EisLER ging von der Cunnın@aHAMschen Annahme (1888) aus, daß der Sternalis ein Pectoralis major-Abschnitt wäre, welcher nach seiner Loslösung vom Mutterboden eine bestimmte Drehung erführe, wodurch die bekannte, vertikale Sternalisstellung hervorginge. Er führte die Abspaltungs- und Rotationshypothese weiter aus und stempelte den Sternalis zu einem aus Entwicklungsstörungen ent- standenen und dann durch mechanische Kräfte rotierten Muskel. Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 355 Derselbe wäre ein durchaus atypisches, mit alten Säugetiereinrich- tungen nichts gemeinsam habendes Produkt von Entwicklungsstö- rungen. EISLER hat Anhänger für seine Lehre gefunden. @. 8. Huntington (1904) hebt EısLEers Arbeiten lobend hervor, läßt die mechanische CunnInGHAMsche Rotationshypothese ohne weiteres gelten, heißt die Abspaltungshypothese des Sternalis vom Pectoralis major gut und sucht die häufig auftretenden Abspaltungen von dem Entwicklungsmodus, welcher nach Lewis (1901) die Pectoralisgruppe folgt, herzuleiten und durch ihn verständlich zu machen. Hun- TINGTON stutzte einen Augenblick, als er die Erklärung für die- jenigen Sternalisformen abgeben sollte, welche durch den Zusammen- hang mit deutlichen Resten eines Hautrumpfmuskels eine wichtige Rolle bei der Deutung des Sternalis trotz CUNNINGHAM, EISLER und Huntin@Gron stets behalten werden. Huntington machte, um das aufgeführte Gebäude nicht zu Schaden kommen zu lassen, Zuge- ständnisse zu Ungunsten der letztgenannten Befunde, und alle Fälle von Sternales wurden nun auf gleiche Weise gedeutet. Auch für ihn ist der Sternalis ein atypischer Muskel im EısLerschen Sinne. In einigen Punkten weicht Huntington von EISLER ab, was anzu- erkennen ist. Er bestreitet z. B. die Richtigkeit der Annahme EıstLers, daß die Erweiterung von Intereostalräumen die Ursache der Sternalisabspaltungen vom Pectoralis major sei. Zu welchen Verirrungen diese gänzlich unbewiesene Annahme aber führen muß, hat Huntin@GTon nicht besprochen. Die hauptsächlich durch K. v. BARDELEBEN vertretene Deutung des Sternalis als eines Restes des Rectussystems ist, wenn schon sie von verschiedenen Seiten ablehnend beurteilt worden ist, hier zu erörtern, da sie auf Beobachtungen sich aufbaut, welche, falls sie als zuverlässige anerkannt werden, diese Deutung in der Tat zu stützen imstande sind. K. v. BARDELEBEN ist nun für die Richtig- keit seiner Beobachtungen noch in der letzten Zeit eingetreten, wo- ‘ durch er wohl auch an der Berechtigung seiner Deutung des Ster- nalis festhält. Daraus erwächst bei kritischer Behandlung des Stoffes die wenig dankbare Aufgabe, die Richtigkeit vorliegender Beobach- tungen eventuell in Zweifel zu ziehen. Das Interesse an der Lösung der Frage als einzig leitenden Gesichtspunkt wird die offene Aussprache billigen, da sie nur fördernd wirken kann. Die Hautrumpfmuskulatur der Säugetiere bildet für die An- thropotomie sowie für die Beziehungen des Menschen zu den nie- deren Primaten einen wichtigen Faktor in deren Organisation. Die 356 Georg Ruge Bedeutung wird dementsprechend auch anerkannt. Sie gibt sich sofort zu erkennen, wenn man nach dem Wesen des menschlichen muskulösen Achselbogens und des M. sternalis forschend ausschaut. Es wird zu einer der vornehmsten Aufgaben, über die Eigenartigkeit des Hautrumpfmuskels zunächst volle Klarheit zu gewinnen, um bei der Anwendung der bewährten vergleichenden Methode mit ihm überhaupt sicher operieren zu können. Vorarbeiten liegen in dieser Richtung vor. Verhältnismäßig neue Mitteilungen über den Haut- rumpfmuskel sind durch KOHLBRUGGE geliefert worden. In ihnen wird das, was festzustehen schien, umgeworfen, und neues trat an die Stelle. Dies zu beurteilen, ist nicht zu umgehen. Der Forscher wurde durch seine Veröffentlichungen über die Anatomie der Pri- maten, welche von emsigem Fleiße Zeugnis ablegen, für viele ein Rückhalt bei ihren Untersuchungen. Vertrauen in die Zuverlässig- keit der Angaben dieses Forschers über die Hautrumpfmuskulatur hat bei dem Schreiber dieser Zeilen sich nicht eingestellt. Derselbe hat auch an einer scharfen, weitsichtigen Darstellungs- und Urteils- weise des genannten Forschers sich nicht erbauen können; er er- achtet dessen Einfluß auf unsre vergleichend-anatomischen Vorstel- lungen hier und da für schädlich, und deshalb scheint es ihm erforderlich, einen unzweideutigen Standpunkt den vorliegenden Ar- beiten gegenüber einzunehmen. Andre ältere Literaturprodukte werden berührt werden müssen, welche ebenfalls den Widerspruch herausfordern. Und so gestalten diese Zeilen sich zu einer mehr kritisierenden Schrift als zu einer mit vielen neuen Beobachtungen angefüllten Arbeit. Der Verfasser weicht dadurch von seiner sonstigen Gewohnheit nur deshalb ab, ‘ weil er den sicheren beschwerlichen Pfad, der uns zur Erkenntnis anatomischer Einrichtungen führen soll, gefährdet glaubt. — Der Mensch besitzt einen Hautrumpfmuskel nicht. Es erhebt sich die Frage, ob er je einen solchen Muskel besessen habe. Die anthropomorphen Affen entbehren dieses Gebildes ebenfalls. Eine gleiche Frage entsteht auch für diese Organismen. Sie will nicht aprioristisch, sondern durch Zeugnisse der Natur erledigt werden. Da alle tiefer stehenden Primaten und die andern Abteilungen der Säugetiere einen Hautrumpfmuskel besitzen, so wird die Lösung jener Fragen ein neues Dokument von hervorragender Bedeutung für unsre Vorstellung von der Stellung der Menschen zu den Anthro- pomorphen und den niederen Formen. Der muskulöse Achselbogen der Menschen hat sich für uns in Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 387 unzweifelhafter Weise als ein Rest des Hautrumpfmuskels erwiesen. An dem, was hier durch strenge wissenschaftliche Arbeit festgestellt ist, halten wir zähe fest und geben, ohne sachlich überzeugt zu sein, nichts von dem Errungenen preis. Der Musculus sternalis ist und bleibt ein Gebilde von größtem morphologischen Wert allereigenster Art. Er ist ein Prüfstein für den Wert anatomischen Forschens stets gewesen und wird es bleiben. Weil uns so unendlich viele Glieder in der Stammesgeschichte ver- loren gegangen sind, wird die Anwendung der vergleichend-anato- mischen Methode auf ihn sehr erschwert. Sie muß mit der aller- größten Vorsicht und Umsicht in Betracht kommen und scheint uns bis jetzt, auch bei strengster Berücksichtigung des Bekannten, nur wenige feste Anhaltspunkte zu bieten. Dieser Umstand zwingt dazu, alle Mittel, welehe die vergleichende Anatomie bietet, nutzbringend zu machen, bevor wir daran verzweifeln, von ihr Aufschluß zu er- halten. So weit sind wir aber noch keineswegs, und R. WIEDERS- HEIM (1902, $. 126) trifft das Richtige, wenn er sagt, daß eine gründliche, auf breiter vergleichend-anatomischer Grundlage vorzu- nehmende Bearbeitung des M. sternalis noch ein Desiderat sei. Die zweite Methode, welche über die Entstehung der Organe aufklärt, die Ontogenie, ist bisher noch gar nicht zu Rate gezogen worden. Die Schwierigkeit der myologischen-entwicklungsgeschichtlichen Un- tersuchungen trägt wohl die Schuld daran. Wenn uns auch diese einmal völlig im Stiche lassen sollten, was man von der vergleichenden Anatomie so leichthin anzunehmen pflegt, dann wäre die Zeit für Spekulationen über die Herkunft des Sternalis gekommen. In diese Zeit versetzen uns P. EısLEr und HuNTInGToN schon jetzt. Der Sternalis ist bisher nur beim Menschen gefunden worden. HALBERTSMA (1861) war der Ansicht, daß der Sternalis den Unter- schied von Mensch und allen übrigen Säugetieren zum Ausdruck bringe. Tesrur und LE DovusLE forderten aber mit Recht, daß der Sternalis als charakteristisches Merkmal für den Menschen eine regel- mäßige Erscheinung bilden sollte, was bekanntlich nicht zuträfe (1897, S. 285). Als ein rein menschlicher Muskel kann er in seinem sporadischen Auftreten nur als eine neue Bildung, oder als der eigen- artige Rest eines bei den Säugetieren vorhandenen Muskels ver- standen werden. Unsern Stoff teilen wir so ein, daß die verschiedenen Deu- tungen, welche der M. sternalis erfahren hat, besonders besprochen werden. Bei der Beurteilung, ob der Sternalis ein Überbleibsel des 388 Georg Ruge Hautrumpfmuskels der Säugetiere sein könne, ist die Gelegenheit gegeben, über diesen sowie über den Achselbogen das Nötige zu erörtern. Die Bedeutung des Hautrumpfmuskels, des Achselbogens und des Sternalis für die moderne Anthropologie wird in einem be- sonderen Abschnitte in aller Kürze behandelt. Kürzlich gemachte Beobachtungen über den Sternalis sind in diesem Hefte besonders be- sprochen worden. Ein lehrreicher Fall von einem Reste des Haut- rumpfmuskels beim Menschen ist in diesem Hefte durch P. BascHo mitgeteilt. Die sehr reiche Literatur über Sternalis und Achselbogen ist bei TestuT, LE DOUBLE, BARDELEBEN, EISLER, TOBLER usw. angegeben. Diese Autoren geben auch Zusammenstellungen über die Häufigkeit des Auftretens, machen Angaben, ob der Sternalis rechts oder links, ob er bei Männern oder Frauen häufiger angetroffen wird (TURNER, WOooD, SCHWALBE und PFITZNER, LE DOUBLE), ob er rechts oder links voluminöser zu sein pflegt, wie oft er einseitig und beiderseitig vor- kommt, usw. Derartige Angaben berühren nur selten die Hauptfrage, welche die Herkunft dieser Gebilde betrifft, so daß sie bei der wissen- schaftlich-anatomischen Frage beinahe ganz außer acht gelassen werden können, wie denn auch die meisten derartigen statistischen Zusammenstellungen keinerlei Aufklärungen über das Wesen anato- mischer Einrichtungen gebracht haben. Die praktische Bedeutung der beiden muskulösen Gebilde kann hier keine Besprechung finden, denn man weiß über dieselbe, so zu sagen, gar nichts. Daß ein Achselbogen bei der Unterbindung einer Art. axillaris beim Lebenden hindernd auftreten kann, ist dem Chirurgen bekannt. Der von MAL- GAIGNE 1838 beschriebene Fall ist in dieser Hinsicht lehrreich. Ein im Operationskurse in Zürich zutage getretener, ähnlicher Befund wurde mir vor einigen Jahren vom Leiter der Übungen, Herrn Prof. Dr. U. KRÖNLEIN, demonstriert. 1. Der M. sternalis — ein Rest des Hautmuskels (Pannieulus earnosus) der Säugetiere. Diese Deutung ist früher durch WıLve (1740), HALLETT (1848) vertreten, durch Turner (1867) eingehender begründet, durch WooD (1868), Parsons (1893) und LAMBERT (1894) aufrecht erhalten worden. Nach LE DousLeE (1897, S. 285) hat die Turnersche Ansicht die größte Wahrscheinliehkeit für sich; er hält sie sogar für die exakteste: encore aujourd’hui, cest celle (these) qui me parait la plus vraisemblable, si elle n’est pas la plus exacte. Er begründet Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 389 diese Aussage damit, daß er die gemeinsame Herkunft der Pectoralis- gruppe und des Panniculus earnosus betont (s. PARSONS) und den Sternalis als ein Produkt des Pectoralis major oder des Panniculus carnosus betrachtet, was dasselbe zu besagen habe, fernerhin damit, daß der Panniculus carnosus bei Nagetieren durch die Nn. thoracales anteriores versorgt werde (Parsons). LE DouBLE deutet damit auf die Ableitung des Sternalis von dem durch Nn. thoracales versorgten Abschnitte des Pannieulus carnosus hin. Die Ansicht, daß es ganz auf dasselbe herauskomme, ob man den Sternalis vom M. pectoralis oder vom Pannieulus carnosus ableite, ist eine völlig haltlose. Dies ergibt sich am besten daraus, daß der Sternalis tatsächlich vom Pectoralis major, nicht aber vom Panniculus "carnosus abgeleitet wird (s. EısLer). Der Panniculus carnosus hat als Abkömmling der Pectoralisgruppe seine eigne Geschichte und Be- deutung erhalten, welche nicht mehr mit denen seines Mutterbodens gleichwertig sind. Parsons (1893) begründet seine Meinung durch die bei Nage- tieren festgestellten Befunde. Das Ergebnis seiner vergleichenden Forschungen beruht darauf, daß bei den Nagern am Hals- und am abdominalen Teile des Panniculus carnosus je zwei Lagen ausge- bildet sein sollen, von denen die tiefe Schicht des Halses sich über das Brustbein ausdehne, um an dessen unterem Abschnitte sich an- zuheften. Diese tiefe Halsschicht soll mit dem Sterno-mastoideus verschmolzen sein. Die tiefe abdominale Lage des Panniculus car- nosus soll zur Aponeurose des Obliquus abdominis externus beim Menschen umgewandelt sein. Ein Sternalis würde sich demnach bei seinem Zusammenhange mit dem Stermo-mastoideus und der Aponeurose des Obliquus abdominis externus als ein wieder auf- tretender Brustabschnitt der tiefen Schicht des Pannieulus carnosus zu erkennen geben, welcher zwischen die rückgebildeten Hals- und Brustteile eingeschoben wäre. LAMBERT (1894) hat die Parsonssche Ansicht übernommen. Er glaubt die bei einer Beobachtung wahrgenommenen Sternalisver- bindungen mit dem Sterno-mastoideus und der Aponeurose des Obli- quus abdominis externus auf diese Weise verstehen zu können. Der Sternalis besaß aber in LAmßErTs Befund auch Verbindungen mit dem Peetoralis major. Diese fand LAMBERT durch die PArsonssche Deutung nicht erklärt, so daß ihm die letztere unvollständig er- schien. Gegenüber den Vorstellungen LAMBERTS muß daran festgehalten 390 Georg Ruge werden, daß die Verbindungen des Sternalis mit benachbarten Skelett- teilen, Muskeln oder Aponeurosen nichts über die Herkunft des Sternalis aussagen, und daß die PArsoxssche Hypothese, trotzdem sie den Zusammenhang des Sternalis mit dem Pectoralis major außer acht läßt, doch recht zutreffend und vollständig sein könnte. Gegen dieselbe sind andre Faktoren ins Feld zu führen. Zunächst ist es nicht richtig, daß die tiefe Lage des Halsteiles des Pannieulus car- nosus mit dem Sterno-mastoideus verschmelze. Sie stellt den Sphineter colli dar, welcher brustwärts allmählich vollständig verschwindet. Der ins Gesicht fortgesetzte Teil erhält sich als Sphincter oris (G. Ruge, 1886, 1887). Von einer Verschmelzung des sich rückbildenden Sphineter colli mit dem Sterno-mastoideus ist Tatsächliches nicht bekannt. Fernerhin hat die vor dem Sternum liegende tiefe Portion des Pannieulus carnosus, welche nach PArsons am unteren Ende des Sternum sich anheftet, mit der tiefen Halsschicht keine genetische Beziehung, da diese zum Facialisgebiete gehört, während die als Sternalis wieder auftretenden, prästernalen Muskelbündel von den Nn. thoracales anteriores versorgt werden. Drittens ist die An- nahme, die tiefe abdominale Schicht des Pannieulus carnosus sei zur Aponeurose des Obliquus abdominis externus rückgebildet, eine der vielen völlig unbewiesenen Hypothesen, welche das Forschungsgebiet des Sternalis beherrschen. Parsons’ Beweisführung, daß der Sternalis ein Rest des Pannieulus carnosus sei, ist durchaus verfehlt, wenn schon die Annahme selbst für richtig zu halten ist. Der Sternalis stellt sich nach dem Autor als ein genetisches Zwischenstück zwischen einem Muskel aus dem Facialisgebiete und einem aus dem Gebiete der Nn. thoracales an- teriores dar. Das ist natürlich ein Unding. 2. Der M. sternalis — ein Platysmateil. W. TURNER, welcher 1867 an der Hand eines reichen Materials die verschiedenen Möglichkeiten der Herkunft des M. sternalis erwog, entschied sich zugunsten dessen Ableitung vom Hautmuskel der Brust, von einem Teile des Pannieulus carnosus. Gemäß dessen Zusammen- setzung aus einem Hals-Kopf- und einem Brust-Bauchabschnitt konnte für die Ableitung des Sternalis auch das zur Brust herabreichende Pla- tysma myoides in Betracht kommen. TURNER hatte s. Z. noch an das menschliche Platysma myoides als Bildungsstätte für den Sternalis gedacht, da er dasselbe dem Panniculus carnosus identisch erachtete. Demgemäß berief er sich auf die Befunde, in welchen das Platysma Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 391 weiter abdominalwärts über den M. pectoralis major sich ausbreitete, und die beiderseitigen Muskeln vor dem Sternum ähnlich wie die Sternales eine Kreuzung eingingen (TEICHMANN). Die strengere anatomische Analyse war dem Autor noch unbekannt. TURNER war daher für die Herleitung des Sternalis vom Pannieulus carnosus, im speziellen für die vom Platysma eingetreten. Die letztere Ansicht hat nie viele Anhänger gefunden. Sie war nicht lebensfähig und wurde gänzlich aufgegeben, nachdem die allein entscheidenden In- nervationsverhältnisse des M. sternalis und ferner die Trennung des Panniculus carnosus in einen Abschnitt, welcher vom N. facialis und in einen solchen, weleher von Nn. thoracales anteriores versorgt wird, bekannt geworden waren. Bedenken gegen die Ableitung des Ster- nalis vom Platysma sind in TuRrNER selbst entstanden. Gleiche Einwände sind von Testur 1884 hervorgehoben worden. Sie be- tonen die verschiedenartige Lage von Platysma und Sternalis sowie deren Trennung durch eine Fascie. Wir würden diese Einwände nicht als ausschlaggebend hinzustellen wagen, verlassen uns viel- mehr auf die heterogene Innervation für die in Frage kommenden Muskeln. Auch das gleichzeitige Erscheinen eines Sternalis und eines weit auf die Brust ausgedehnten Platysma, welches den Ster- nalis deckt, ist kein zwingender Grund gegen die Platysmanatur, da der Sternalis ja ein abgegliedertes, selbständig gewordenes Stück des Halshautmuskels sein könnte. Die Nervenversorgung ist das untrügliche Zeichen beim Erkennen der Stellung der Muskeln zu- einander. Der N. facialis ist zum Sternalis nie verfolgt worden. Es ist aber für die Unhaltbarkeit der Deutung des Sternalis als eines Pla- tysmaabschnittes gleichgültig, ob er von Intereostalnerven oder von Nn. thoracales anteriores versorgt wird. Beiderlei Innervationsver- hältnisse zeugen gegen die Platysmanatur des Sternalis. Die in der Tierreihe zuweilen erfolgende Ausdehnung des Pla- tysma in die Brustgegend, wo eine sehr innige Verwachsung mit dem Hautrumpfmuskel zum Panniculus carnosus (der früheren Au- toren) erfolgen kann, hatte die Aufmerksamkeit auf das Platysma gelenkt. Die Zerlegung des Panniculus carnosus in die beiden Mus- kelgebiete, wie sie durch die Nervenversorgung geboten ist, zwingt dazu, beide Gebiete bei der Ableitung des Sternalis für sich in Rech- nung zu ziehen, da beide an Stellen vorgefunden werden können, wo der Sternalis vorkommt. Das Platysma fällt, wie wir sehen, außer Betracht. Die Frage, 392 Georg Ruge ob der Hautrumpfmuskel eine Rolle bei der Entstehung des Sternalis spielt, bleibt einer besonderen Besprechung vorbehalten. 3. Der M. sternalis — eine Verlängerung des M. sterno- mastoideus in abdominaler Richtung. Die Annahme, daß der Sternalis eine Variation des M. sterno- mastoideus sei und in dieser Eigenschaft eine Verlängerung desselben über die Brustregion darstelle, ist früh aufgetaucht (BOURRIENNE 1773, MARJOLIN 1815, THEILE, HENLE 1858); sie sind in neuerer Zeit noch nicht verschwunden (CoLson 1886, RouGHToON 1890, KoHr- BRUGGE 1897, GEGENBAUR 1899). Diese Ansicht ist unhaltbar ge- worden, nachdem die Innervationsverhältnisse des Sternalis bekannt geworden sind. Sie darf nach meiner Meinung seit CUNNINGHAMS Untersuchungen als veraltet gelten (1884). Da der Sterno-mastoideus bei verwandten Organismen niemals bis zur Rectusscheide herab- reicht, so fehlt auch ein vergleichend-anatomischer Beweis für die Deutung des Sternalis. Hierauf hat u. a. Le DougLe (1897, S. 285) hingewiesen. Wir dürfen diese Deutung nicht mit der demnächst zu bespre- chenden gleichstellen, welche im Sternalis allerdings auch ein mit dem Sterno-mastoideus zusammenhängendes, aber nur ein zwischen diesen und die Bauchmuskel eingeschobenes Gliedstück homodynamen Wertes zu erkennen glaubt. KOHLBRUGGE äußerte sich noch 1897 zugunsten der Annahme, der Sternalis könne durch Hinabsteigen des caudalen Abschnittes des Sterno-mastoideus entstanden sein, allerdings nur für den Fall, daß der Sternalis zum Sterno-mastoideus gerechnet werden dürfte. Diese Klausel verrät große Vorsicht. Die Einsicht in die Verhält- nisse gestattet uns nicht, zuzustimmen. Letzteres könnte nur dann zutreffen, wenn die Innervationsverhältnisse es zuließen. Das ist nicht der Fall. Wäre der Sternalis durch Hinabrücken des Sterno- mastoideus entstanden, so würde sein Nerv die Fortsetzung des N. accessorius sein müssen. Er müßte aber aus segmentalen Stücken der Seitenrumpfmuskulatur hervorgegangen sein, wenn der 2., 3. und 4. thoracale Spinalnerv ihn versorgen würden. Die Unterschie- bung, daß der Sterno-mastoideus herabgestiegen sein könne, um den Sternalis zu bilden, gehört zu jenen Annahmen, welche gar nichts für sich haben und durch kein einziges Argument jemals, soweit uns bekannt ist, eine Fürsprache erfuhren. Vergleichend- anatomische Beweise bestehen auch nicht. Das Herabreichen des Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 393 Sterno-mastoideus bis unter das Manubrium sterni bei Echrdna, Ca- stor usw. beweist nichts. 4. Der M. sternalis — ein zwischen M. sterno-mastoideus und M. obliquus thoraco-abdominalis externus ein- geschalteter Muskel. L. Testur (1884) hat im oberen Abschnitte des M. sternalis einen genetischen Zusammenhang mit dem M. sterno-mastoideus, im unteren denjenigen mit dem M. obliquus abdominis externus gesehen. Diese Anschauung wird von einigen Forschern (WInDLE 1899) geteilt. Sie ist durch K. v. BARDELEBEN (1888) dahin abgeändert, daß der Ster- nalis zwischen Sterno-mastoideus und M. rectus thoracico-abdomi- nalis sich einschiebe. Der Autor hatte sich 1877 ebenfalls für die Zugehörigkeit des Sternalis zum ÖObliquussysteme ausgesprochen, 1888 diese Ansicht mit der angegebenen vertauscht, aber immerhin in der Meinung, daß man darüber streiten könne, ob der Sternalis mehr dem Rectus- oder dem Obliquussysteme entspreche (S. 332). In neuerer Zeit hat AntHony (1900) sich zugunsten der TEsTUT- schen Deutung des Sternalis ausgesprochen. Er stimmt ihr aller- dings nur mit Vorbehalt zu, hält sie aber für die wahrscheinlichste unter den vielen Erklärungsversuchen (l. c. S. 487). In den von ihm als Sternalisrudimente gedeuteten, sehnigen Strängen der Vorder- wand des Sternum sieht Antuony Teile einer Sternalisform, welche nach Testur ein Zwischenglied zwischen Sterno-mastoideus und Obliquus abdominis externus zu gelten habe. In Antuonys Arbeit ist kein einziger Fall beschrieben, welcher die Testursche Deu- tung zu stützen vermag, da die meisten Befunde selbst erst auf die ihnen zugesprochene Deutung zu prüfen bleiben. AnrHony geht so weit, selbst in den Ligg. costo-xiphoidea Reste eines Sternalis zu erblicken. Den Beweis hierfür ist uns der Autor schuldig geblieben. Beide Deutungen besitzen das Gemeinsame, daß sowohl der Sterno- mastoideus als Muskel des Halses als auch die thoracale Seitenrumpf- muskulatur einen entwicklungsgeschichtlichen Verband mit dem M. sternalis besitzen sollen. Diese Annahme hat eine große Tragweite, da der Sternalis nach ihr als Rest der Seitenrumpfmuskulatur sich zu erkennen gibt und einen Rückschlag auf ganz uralte Verhält- nisse, welche bei den Fischen, Amphibien und Reptilien angetroffen werden, bedeutet. In diesem Sinne haben die Autoren sich auch ausgesprochen. Der Sternalis als Muskelvarietät gäbe danach eines der ältesten Zeugnisse ab für das Erhaltenbleiben des indifferenten 394 Georg Ruge Ausgangspunktes, von welchem aus die Muskulatur des Menschen die hochgradigsten Umgestaltungen durchlaufen hätte. Das wäre gewiß von allergrößter Bedeutung. Eine solche Annahme bedarf daher in allen Punkten der größtmöglichsten Sicherstellung. Alle diejenigen aber, welche derselben huldigen, müssen die Forschungen mit den einschlägigen Verhältnissen der Fische, Amphibien usw. be- ginnen. ANTHONY hat solches in Aussicht gestellt. Es ist Testur und andern Forschern seit HALBERTSMA (1861) nieht unbekannt geblieben, daß ein als Sternalis gearteter Muskel des Menschen in der Tierreihe nicht besteht. Auf diese Tatsache ist immer wieder hingewiesen worden. Der Muskel fehlt also, wie sich eigentlich von selbst versteht, auch den Haustieren (u. a. LESBRE 1897, Marrın 1904), sowie den in der Wildheit lebenden Tieren. Er ist kein Sternalis brutorum, sondern ein Sternalis hominis!. Es muß seltsam erscheinen, daß keinem Tiere der Rest einer primitiven Ein- richtung zukommt, während beim Menschen derselbe in einer Häufig- keit von 4,2°/, sich findet, was aus der von LE DougLe (1897, S. 282) zusammengestellten Tabelle hervorgeht, in welcher etwa 3000 Be- funde an Leichen verwertet sind. Nach AnrHonxy (1900) soll der Ster- nalis sogar in 25°/, anzutreffen sein. Tesrur hat, um diesem Mißver- hältnisse zu begegnen, zur Hypothese gegriffen und angenommen, daß der Sternalis in der Tierreihe frühzeitig verloren gegangen, sein Auftreten beim Menschen aber eine Reproduktion von alten sonst verschwundenen Einrichtungen sei, und daß man tief in der Wirbel- tierreihe herabsteigen müsse, um ihn wieder anzutreffen. Dabei denkt Testur an die Schlangen! Auf diese Weise wird dem Sternalis eine Sonderstellung einge- 1 Rudimentäre Sternalisformen will AnrtHonY nicht nur beim Menschen, sondern auch bei Säugetieren mit breiten Brustbeinen gefunden haben. Als Träger dieses rudimentären Muskels gibt er an: Delphinus tursio, Delphinus delphis, und als wahrscheinliche Träger: Gorilla, Gibbon, Orang (1900, S. 514). Bei den in Betracht kommenden Bildungen handelt es sich in der Regel um ligamentöse Stränge, welche in der Fortsetzung der Sterno-mastoideus-Sehne liegen. Die Deutung für solche sehnigen Apparate ist hier wie anderorts der Willkür preisgegeben. Wo es sich in der AnrtHonyschen Arbeit aber beim Menschen auch um muskulöse Bildungen handelt, welche mit den verschiedenen Sehnensträngen sich verbinden können, haben wir es mit wahren Mm. sternales zu tun. Die Zusammenstellung der Sternalisträger (Cetaceen — Anthropomorphe) kennzeichnet die Arbeit AnrtHoxnys. Bei diesen Tieren ist der Sternalis nach ANTHONY nur im fibrösen Zustande vorhanden und dennoch soll er ein Rest einer alten Einrichtung sein. Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 395 räumt; denn wir sind gewohnt, ursprüngliche Einrichtungen bei nie- derstehenden Organismen häufiger als bei den höheren anzutreffen. Außerdem bleibt es in hohem Grade auffallend, daß in einem Ge- biete, welches Skelet und Muskulatur des Menschen zu höchster Eigenart ausgebildet hat, gerade Wiederholungen sehr alter und längst verlassener Einrichtungen sich einstellen. Testur hatte für seine Deutung des Sternalis zunächst die Homodynamie von Sterno-mastoideus und Obliquus abdominis ex- ternus zu beweisen. Er findet die Gleichwertigkeit der Muskeln durch deren gleiche Lagebeziehung zur Fascie, übereinstimmende Verlaufsart und entsprechende Insertion nahe der Medianlinie voll- auf begründet. Als vergleichend-anatomische Gründe führt er an, daß bei den Schlangen beide Muskeln eine einheitliche, bis zum Schädel hinaufragende Lage bilden, deren vordere Bündel nach HumeHry (1872), weleher Testurs Gewährsmann ist, dem Sterno- mastoideus der Vögel und Säugetiere entsprechen. Testur ist nun der Meinung, der menschliche Sternalis sei demjenigen Teilstücke des einheitlichen Schlangenmuskels homolog, welches durch die Einfügung der vorderen Gliedmaßen in der Regel beim Menschen zugrunde gegangen sei, sich aber als Sternalis wieder einstellen könne. Die Verbindung des Sternalis mit dem Sterno-mastoideus sowie mit dem Obliquus abdominis externus genügt, um neue, scheinbar untrügliche Zeichen für die ausgegebene Deutung sprechen zu lassen. Testur sieht in den Verbindungen des Sternalis mit Sterno-mastoi- deus und Obliquus abdominis externus eine bedeutsame Erscheinung. Wir messen diesen Verbindungen keine genetische Bedeutung zu. Testur übergeht die Verschmelzungen des Sternalis mit dem M. pectoralis major der einen und der andern Seite sowie mit den Skeletteilen (Rippen, Brustbein) mit Stillschweigen; dieselben stim- men mit seiner Deutung nicht überein. Wir sprechen diesen Ver- bindungen dieselbe Bedeutung zu wie den erstgenannten und be- zweifeln daher auch hier die genetischen Beziehungen. Gerade weil man sich bei den Sternalisforschungen stets zu sehr durch die Verbindungen des Sternalis mit Nachbargebilden hat bestechen lassen, sind die vielen verschiedenen Deutungen alle mit gleicher Wärme vertreten worden. M. O. LAuBErr (1893) verwirft Testurs vergleichend-anatomische Gründe, da er die Schlangen mit Recht als völlig veränderte For- men, denen die Gliedmaßen abhanden gekommen seien, betrachtet Morpholog. Jahrbuch. 33. 26 396 Georg Ruge wissen will. Hierin hat ihm M. Duvar (ebendaselbst) beige- pflichtet. LAMBERT, welcher seine Anschauungen auf Grund einer Be- obachtung gewonnen hat, ist aber in der Meinung befangen, daß der von ihm ebenfalls wahrgenommene Zusammenhang des Sternalis mit der Sterno-mastoideus und der Obliquus abdominis externus- Aponeurose maßgebend für die Sternalisdeutung sei. Er ist daher nicht imstande, weiterhin gegen Tesrur Stellung zu nehmen und verwirft dessen ingeniöse und bestechende Deutung nicht vollständig. Da am gleichen Befunde Verbindungen des Sternalis mit dem Pecto- ralis major durch LAMBERT wahrgenommen wurden, wurde auch dem letzteren Muskel eine genetische Bedeutung beigemessen; we- nigstens erachtete LAMBERT die Testursche Erklärung als nicht ge- nügend; denn der Pectoralisverband war durch Testur nieht be- rücksichtigt worden. LE DovsgLe£ (1897, S. 285) hat gegen Tesrtur ebenfalls Stellung genommen und bestreitet die Richtigkeit dessen Deutung vom Ster- nalis. Die von ihm angegebenen Gründe wirken indessen wenig überzeugend. Bei der Beurteilung des Sternalis hat dessen Zusammenhang mit benachbarten Muskeln keinen Ausschlag gebenden Wert. Die Inner- vationsverhältnisse haben eine größere Bedeutung; sie spielen für die genannten Autoren aber noch keine besondere Rolle. Als sehr bedenklich muß der Hinweis auf den Bestand von regelrechten Zwischensehnen im Sternalis oder gar im M. sterno- mastoideus (TestuT, S. 82) bezeichnet werden. Die Bedeutung sol- cher nur fälschlich als Reste von Myokommata angenommener Zwi- schensehnen wäre so groß, daß die Forscher die von ihnen ange- rufenen Tatsachen mit Beweisen gehörig zu belegen hätten. Man wird Gefahr laufen, der Leichtgläubigkeit geziehen zu werden, wenn man sich auf so wenig beglaubigte Aussagen stützt. Als durchaus verfehlt muß Testurs Berufung auf die Verbält- nisse bei den Schlangen bezeichnet werden, deren abgeänderter Bau’ mit dem rein »menschlichen« Sternalis nichts zu tun haben kann. Durch die Rückbildung der Gliedmaßen haben sich an der Rumpf- muskulatur Verhältnisse eingestellt, welche nicht zum Ausgangspunkt für diejenigen Organismen, welche ihre Gliedmaßen stets bewahrt haben, gewählt werden können. ANTHONY ist nicht dieser Ansicht; er nimmt vielmehr an, daß mit der Rückbildung der vorderen Gliedmaßen die einheitlichen Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 397 Muskellagen in voller Integrität sich wieder einstellen. Diese An- sicht wäre bedeutungsvoll, wenn sie einwandslos bewiesen wäre. Der unglückliche Griff zu den Verhältnissen bei den Ophidiern ver- diente, so sollte man eigentlich annehmen, keine Unterstützung. Wir unterziehen im folgenden die Frage nach dem genetischen Zusammenhange des Sternalis mit dem Obliquus abdominis externus einer Prüfung. Zugunsten der Annahme wird die oft angetroffene Verbindung beider Muskeln angeführt. Der Sternalis hängt in der Tat nicht selten mit der auch vom breiten, äußeren Bauchmuskel gebildeten Rectusscheide zusammen. Diese Verbindung ist nun aber in der Regel keineswegs eine der- artige, daß aus ihr auf eine enge Verwandtschaft beider geschlossen werden kann. Meist findet eine Überkreuzung der Sternalissehne mit den Elementen der Rectusscheide statt, welche auf einer sekun- dären Verschmelzung der Gebilde beruhen kann. Es bleibt daher zunächst festzustellen, weleher Zustand dem andern vorausgegangen, ob die enge Verschmelzung oder die Überkreuzung das Primäre sei. Nicht selten strahlt der Sternalis caudal-lateralwärts auf dem mus- kulösen Abschnitt des Obliquus externus aus. Dieser Befund wider- streitet der Annahme einer genetischen Verbindung. Auch die Über- kreuzung der beiderseitigen Sternales in der Medianlinie ist der Testurschen Deutung abhold. Überdies strahlen Sehnenbündel der Ursprungsportion des M. pectoralis major in die Rectusscheide ein, und es ist, da auch diese dem caudalen Ende des Sternalis sich innigst anlehnen können, die neue Frage nach der genetischen Be- ziehung des Sternalis zum M. pectoralis major an dieser Stelle zu erörtern, Weder die eine noch die andre dieser Fragen ist gelöst, so daß der einzige, etwa zugunsten der Testurschen Ansicht spre- chende Punkt zweideutiger Natur bleibt. Gewichtige andre Gründe sprechen gegen den genetischen Zu- sammenhang beider Muskeln. Die oberflächliche Lage des M. sternalis, in welcher dieser durch die Gliedmaßenmuskulatur der Brust von der Seitenrumpfmuskulatur abgetrennt ist, bleibt ein unüberwindliches Hindernis, ihn mit dem M. obliquus abdominis externus ungezwungen in genetischen Ver- band zu bringen. Die Gliedmaßenmuskeln breiten sich bei den Wirbeltieren in der Regel über der Seitenrumpfmuskulatur, von welcher sie abstammen, aus. Und wenn einmal, wie bei Chryso- chloris nach Dosson (1883) davon eine Ausnahme sich findet, so muß für diese Ausnahme die Ursache innerhalb der Insectivoren 26* 398 Georg Ruge aufgesucht werden. Die n.enschlichen Einrichtungen haben zunächst mit diesen Einzelzuständen einer spezialisierten Inseetivorenform ganz und gar nichts zu tun. G. E. Dogsox hat uns in verdienstvollster Weise über das Sonder- verhalten des M. reetus abdominis bei den Chrysochloriden aufge- klärt; er hat die oberflächliche Lage des Muskels als Folge der Um- wandlungen ausgegeben, welche infolge der unterirdischen Lebens- weise dieser Tiere an der vorderen Gliedmaße, am Brustbein und Brustkorbe sich vollzogen haben. Die am Skelette ausgesprochenen Eigenheiten bei Talpa und Chrysochlor:s sind als Folgeerscheinungen des Grabens lange bekannt, von GAILLARD 1899 aufs neue beleuchtet worden. AnrtHonY (1900) lebnt sich an Dossons Erklärung des Sonderverhaltens des Rectus thoraco-abdominalis von Chrysochloris an und hält es für falsch, wenn der Sternalis als ein oberflächlicker Muskel mit dem subpectoralen M. rectus thoraco-abdominalis in Parallele gesetzt wird (S. 489). AnrtHonY begeht aber in Anlehnung an L. Testur (1884) sofort den andern Fehler, den Sternalis als einen Teil derjenigen Muskellage auszugeben, zu welcher der M. obliquus thoraco-abdominalis externus gehört. Der Fehler bleibt ein srundsätzlicher, da keine Gründe bekannt sind, welche für Reetus und Obliquus abdominis andersartige, allgemeine topographische Be- ziehungen zu der Pectoralisgruppe anzunehmen gestatten. TESTUT hat eine scharfe, zutreffende Kritik gegen die Deutung des Sternalis als eines thorakalen Restes des Reetussystems geführt (1884, S. 81) und dabei die grundsätzlich verschiedene Lage des Sternalis und des Rectus zur Pectoralismuskulatur hervorgehoben. Es muß auf- fallen, wie Testur es hat übersehen können, daß der Obliquus ab- dominis externus sich vollkommen gleich wie der Rectus verhält. Schärfe des Urteils auf der einen Seite, Nachlassen derselben auf der andern Seite sind die Fürsprecher für die vorgetragene Ansicht des Autors gewesen. Wir halten daran fest, daß die oberflächliche Lage des Sternalis ein sehr bedeutungsvolles Wahrzeichen für die andersartige Natur des Sternalis als die eines dem breiten Bauchmuskel gleichwertigen Gebildes ist. Ein andrer, mit dem soeben Erörterten eng zusammenhängender Grund gegen die Stichhaltigkeit der Testurschen Annahme ist ebenso zwingend. Der M. obliquus abdominis externus des Menschen dehnt sich aufwärts bis zur 5. Rippe hin aus. Der Sternalis kann dessen craniale Fortsetzung deshalb nicht sein, weil der M. obliquus thoraco- Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 399 abdominalis bei niederen Säugetieren und selbst noch bei den Pri- maten sich bis zur 1. Rippe fortsetzt, in diesem Zustande aber naturgemäß von der Pectoralisgruppe bedeckt bleibt. Der thorakale Theil des Muskels hat beim Menschen in der Gegend der 1. bis 4. Rippe eine völlige Rückbildung erlitten. Falls dieser rückge- bildete Abschnitt sich in Varietäten wieder einstellt, so handelt es sich stets um bekannte, von der Peetoralisgruppe bedeckte Bildungen, aber nicht um oberflächliche Sternalisvarietäten. Es bleibt unerklärt, auf welche Weise ein topographisch scharf gekennzeichneter Muskel in atavistischen Rückschlägen seine Lage völlig verändern solle. Diese Annahme ist so lange von der Hand zu weisen, bis wir nicht durch zwingende Beweisgründe zu ihr hingedrängt werden. Solche konnten bisher nicht erbracht werden. P. EısLEr weist mit Recht die Testursche Hypothese auf Grund der Innervation zurück (1901, S. 67). Diejenigen, welche sich zu- gunsten der Intercostalisinnervation des Sternalis aussprechen, können den Sternalis sowohl auf den Obliquus externus als auch auf den Rectus abdominis zurückführen. Dahin hat sich auch ANTHONY ge- äußert (1900). Ein andrer Einwand, daß der Obliquus externus dem ventro-lateralen Abschnitte der Seitenrumpfmuskulatur, der Sternalis aber dem ventro-medialen Abschnitte angehöre, ist aus besonderen Anschauungen EISLERs abgeleitet und nach meiner Ansicht nicht stichhaltig, wie ich die Gesamtdeutung des Sternalis nach EısLEr für nicht richtig halte, was weiter unten erörtert wird. Die Annahme der Zusammengehörigkeit des Sternalis mit dem Sterno-cleido-mastoideus ist schon früh ausgesprochen worden (BoUR- RIENNE 1773). Begründet wurde sie jedoch nicht, sondern nur äußeren, aceidentellen Erscheinungen von Verbindungen der Mus- keln entnommen. J. HENLE (1858, S. 95) hat den Sternalis als tiefen Ursprung des Sterno-mastoideus ausgegeben. Beide Muskeln können nach ihm am oberen Rande des Sternum sehnig unterbrochen, oder der Sternalis kann durch Anheftung an oberen Rippen vom Sterno- mastoideus abgegliedert sein. Nach H. Meyer (1856, S. 179) ge- hören beide Muskeln in ein gleiches Längssystem. W. Krause (1880) stellt den Sternalis als Verbindungsstück zwischen Sterno- mastoideus und Rectus abdominis dar, wodurch allen drei Muskeln ein gleicher morphologischer Wert zugesprochen wird. AnTHoNY glaubt die Ursache für das Auftreten des Sternalis beim Menschen in dessen breiter Gestalt des Brustbeins gefunden zu haben. Ein breites Sternum biete den Platz für einen Sternalis 400 Georg Ruge dar. AnrtHoxY ist von der Richtigkeit seiner Ansicht so sehr über- zeugt, daß er bei zwei Delphinarten, welche ebenfalls breite Brust- beine besitzen, in einigen Bandapparaten Sternalisreste erkannt zu haben glaubt, daß er fernerhin bei den Anthropomorphen mit breiten Sterna das Auftreten eines Sternalis für wahrscheinlich hält. Wir geben zu, daß das alles möglich ist. Diese Meinungen entbehren aber so sehr jeglicher tieferen Begründung, daß sie sich wohl kaum in der Geschichte des Sternalis erhalten werden. Geringere oder größere Breitenausdehnung des Brustbeins er- klärt für das Auftreten eines sehr oft sogar nur auf dem M. pecto- ralis lagernden, variablen Muskels gar nichts. Wäre sie die wirk- liche Ursache für das Auftreten des Sternalis beim Menschen, so müßte man fragen, warum der Muskel sich nicht regelmäßig ein- stellte. Das menschliche Brustbein ist ja immer breit. Die Frage bietet gar keine Angriffspunkte für eine aufklärende Erörterung und. entbehrt des Lehrreichen. Sie fügt sich der Gruppe der ephemer entstandenen Meinungen auf dem Gebiete des Sternalis an. — Bei der Vergleichung der menschlichen Organisation mit derjenigen bei Tieren tritt bei Testur und AnrtHonY eine verwandte Anschauung zutage. Beide wählen zu Vergleichsobjekten abseits stehende For- men; der eine zieht die Schlangen, der andre die im Wasser lebenden Delphine zum Vergleiche heran. Die vergleichende Methode erlaubt es wohl kaum, derartige Ungleichwertigkeiten zusammenzustellen. Der M. sterno-mastoideus setzt sich bei Säugetieren abdominal- wärts nicht bis zum M. obliquus abdominis externus oder zum Rectus abdominis hin fort, so daß ein vergleichend-anatomischer Beweis für die Deutung des Sternalis als genetisches Bindeglied zwischen Sterno- mastoideus und Obliquus abdominis externus von dieser Seite her nicht erbracht ist. Testur hebt diese gewichtige negative Tatsache gegen die Ableitung des Sternalis vom ventralen Längsmuskel her- vor, versäumt aber, einzugestehen, daß diese Tatsache in ganz glei- cher Weise gegen seine eigne Ansicht sich auflehnt. Statt der naheliegenden Verhältnisse bei Säugern greift Tesrur auf diejenige der im Systeme ganz abseits stehenden Schlangen zurück. Die Art der Beweisführung Testurs und AnTHoNYs zeigt, daß auf dem Ge- biete des Sternalis das Seltsamste nicht unerörtert geblieben ist. Testut suchte seine Deutung des Sternalis dadurch zu stützen, daß er auf gleiche Verlaufsrichtung, auf homologe Insertionen in der Medianlinie und auf gleiche Lage zur oberflächlichen Fasecie, welche Sterno-mastoideus und Obliquus abdominis externus aufweisen, Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 401 hinwies. Derartige Gründe gelten heutzutage nicht viel, wenn schon sie, neben andern mit als Zeugen auftretend, immerhin wertvoll sein können. 5. Der Museulus sternalis — ein Teil der ventralen Längs- muskulatur des Rumpfes. — Die Innervation des Sternalis. Als direkte Fortsetzung oder als abgesprengtes Stück des Muse. rectus thoraco-abdominalis wurde der Sternalis schon 1816 durch MEcKEL (S. 465) ausgegeben. Einzelstehende Beobachtungen, wie diejenige von PORTAL, nach welcher der Sternalis mit Zwischensehnen wie der Rectus abdominis ausgestattet sein soll, können der Deutung zugute kommen. Letztere wird auch unterstützt durch die früh auf- tauchende Meldung von der Sternalisinnervation durch Nervi inter- costales. W. Krause hat 1871 den 5. Intercostalnerven zum Ster- nalis verfolgen können (1880, S. 94) und stützt darauf die Ansicht, daß der Sternalis ein Verbindungsstück zwischen Sterno-mastoideus und Rectus abdominis sei. Daß aber ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Sternalis und M. reetus abdominis nie zur Beobachtung gekommen war, hob J. HENLE (1858, S. 95) hervor und machte diesen negativen Befund gegen die Deutung des Sternalis als eines Rectusabschnittes geltend. HALBERTSMA hat schon 1861 sehr scharf zwischen einem Brustab- schnitte des M. rectus (Accessorius ad reetum), welcher vom Pecto- ralis major bedeckt ist, und einem auf dem Pectoralis major liegenden Längsmuskel (Sternalis) unterschieden. Dem letzteren spricht er die Bedeutung eines Rectusabschnittes ab. Viele Anatomen haben ihm beigepflichtet (z. B. LE DousLeE 1897). Die Ausdehnung des Längs- muskels bis zur 1. oder 2. Rippe bei niederen Säugetieren mußte im gleichen Sinne klärend wirken, zumal auch das gleichzeitige Auf- treten eines Sternalis und eines Reetusursprungs von der 4. Rippe bekannt geworden war (CoLsoN 1886). Der Sternalis hat obige Deutung auch durch KARL BARDELEBEN 1888 erfahren; H. A. Carıstıan (1898) hat sie weiter übernommen. Der Sternalis wird als dasjenige Stück der Längsmuskulatur ausgegeben, welches sich zwischen M. sterno-mastoideus und M. reetus thoraco- abdominalis einschiebe und dadurch die Einheitlichkeit des gesamten . ventralen Längsmuskels herstelle.. Die sehr häufige Verbindung des Sternalis mit dem Sterno-mastoideus gilt als ein Wahrzeichen der genetischen Zusammengehörigkeit beider Muskeln. Die Häufigkeit der Verbindung zwischen denselben ist bekannt. BARDELEBEN hat 403 Georg Ruge sie unter 14 Fällen 13mal beobachten können (1888, 5.330). Auf sie ist immer wieder hingewiesen, sie ist oftmals abgebildet, wie z. B. durch J. ScuuLtz (1888, S. 229), BARDELEBEN, ANTHONY u.a. Da die Ver- bindung oft eine sehr innige, untrennbare ist, kann jene Annahme der Zusammengehörigkeit zunächst nicht beanstandet werden. Es wird versucht, die letztere dadurch fester zu begründen, daß der M. sterno- mastoideus als ein Teil der ventralen Längsmuskulatur erklärt wird. Das Tatsächliche an dieser Deutung kann natürlich nur auf der Ver- sorgung des Muskels durch Spinalnerven des Halses beruhen. Der 2. und 3. Halsnerv können in Betracht kommen. Die diesen Nerven zugehörigen Muskelsegmente haben Teilstücke zum Aufbaue des M. sterno-mastoideus geliefert, und diese sind mit den durch den N. accessorius versorgten Muskelbündeln innigst verwachsen. Eine Grenze zwischen den beiden verschiedenen Teilen ist nicht erhalten. Immerhin könnte der Zusammenhang zwischen den in dem Sterno- mastoideus aufgegangenen spinalen Myomerenteilen des Halses und den Brustsegmenten des ventralen Längsmuskels erhalten sein. Das ist zur Rettung der Annahme BARDELEBENs zuzugeben. Dabei muß aber stillschweigend eingeräumt werden, daß der spinale Abschnitt des M. sterno-mastoideus vor seiner Verschmelzung mit dem Accesso- riusteile auch wirklich in der eranialen Verlängerung des thorakalen Längsmuskels sich befunden habe. Dies ist nun keineswegs ausge- macht, nicht einmal ernstlich erwogen worden und außerdem sehr unwahrscheinlich. Eine Klarstellung hätte hier vorausgehen müssen, bevor die Begründung der Annahme fester hätte gefügt werden können. Die Annahme ist eine unsichere geblieben. Hiermit er- heben sich sofort andre Bedenken. Es besteht nämlich eine nicht unerhebliche Lücke zwischen den Segmenten des Sterno-mastoideus und denen des M. sternalis. Ist ersterer aus dem 2. und 3. Hals- segmente, so ist letzterer nach BARDELEBEN aus dem 2., 3. und 4. thorakalen Myomer aufgebaut. Zwischen beiden Muskeln fehlen also das 4. bis 8. Hals- und das 1. Brustsegment. Fünf Myomere wer- den in dem als einheitlich geltenden ventralen Längsmuskel ver- mißt. Wo sind dieselben geblieben? Sie könnten nun allerdings rückgebildet sein und die Stelle eingenommen haben, an welcher . jetzt die häufig anzutreffende gemeinsame Sehne zwischen dem Sterno-mastoideus und dem Stermalis sich befinde. Die Sehne wäre dann fünf Muskelsegmenten gleichwertig. Wir bleiben un- befriedigt, so lange wir dies ohne sachliches Beweismaterial hin- nehmen müssen. Denkbar bleibt ja diese Möglichkeit. Sie wird Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 403 aber zur Unwahrscheinlichkeit, wenn die Einverleibung der unteren spinalen Halsnerven in die obere Gliedmaße berücksichtigt wird. Die ventralen Hautnerven und die ventrale Längsmuskulatur sind gemeinsam mit den genannten Nerven in die Gliedmaße hineinbe- zogen worden und in ihr zu höchster Umgestaltung gelangt. Und so werden am betreffenden Orte wohl kaum Segmentstücke zugrunde gegangen sein, sich vielmehr zu hochentwickelten Muskeln der Gliedmaße ausgebildet haben. Mit dieser Annahme stimmt das Verhalten der sterno-laryngealen Muskeln überein. Sie sind tat- sächlich ventrale Längsmuskeln, sind am Brustbein angeheftet und an demselben vom thorakalen Längsmuskel abgesetzt. Zwischen bei- den Gebilden ‚wird nun ebenfalls eine Reihe von Segmenten vermißt. Da die Mm. sterno-hyoideus et sterno-thyreoideus caudalwärts nur noch vom 3. spinalen Halsnerven versorgt werden, so sind zwischen ihnen und dem M. reetus thoraco-abdominalis fünf Segmente ausge- fallen, nach BARDELEBEN müßten zwischen ihnen und dem M. ster- nalis sogar sechs fehlen. Der Sternalis als Rest der Längsmusku- latur hätte die größere Anwartschaft auf einen Zusammenhang mit dem M. sterno-hyoideus als mit dem M. sterno-mastoideus, da, was seit alters her bekannt und ernstlich wohl nie bestritten worden ist, Sterno-hyoideus und Rectus thoraco-abdominalis Gliedstücke des ursprünglich einheitlichen Längsmuskels sind (vgl..u. a. auch W. Krause 1880, S. 93). Es ist sehr unwahrscheinlich, daß die gemeinsame Sehne von Sterno-mastoideus und Sternalis aus der Rückbildung von Muskel- segmenten sich gebildet habe. Demgemäß ist auch die Annahme der genetischen Einheitlichkeit von Sterno-mastoideus und Sternalis im strengeren Sinne nicht einwandsfrei. Sind fünf oder sechs Seg- mente zwischen beiden Muskeln anderweitig verwendet, so können letztere eine Verschmelzung zu einem Strange erst nachträglich, in sekundärer Weise erlangt haben. Man könnte hierauf das häufige Ausbleiben der Verbindung zwischen Sternalis und Sterno-mastoideus zurückführen. Wo bliebe aber dann der genetische Zusammenhang, für welchen man sich verwendete? Diese Erwägungen entfernen uns von der nicht näher begründeten Annahme BARDELEBENS, welche einen ursprünglichen Zusammenhang des Sternalis mit der Halsmuskulatur befürwortet. Wenn man es wahrscheinlich machen kann, daß dieser Zusammenhang ein erst eingeleiteter sekundärer ist, so kann ein solcher ohne gleichzeitig bestehende andre Gründe niemals für die Gleichwertigkeit der ver- 404 Georg Ruge schmolzenen Muskeln sprechen. Die verschiedenartigsten Muskeln können sich ja miteinander verbinden. Nichtsdestoweniger ist der besprochene Punkt der einwand- freieste, der beste in der Deutung des Sternalis als eines Teiles der ventralen Längsmuskulatur des Rumpfes. P. EısLer hat die Richtigkeit der Annahme einer genetischen Einheitlichkeit von M. sterno-mastoideus und M. sternalis bestritten (1901, S. 66). Die Beweisführung hebt andre als die hier vorge- führten Bedenken hervor; sie ruht auf Argumenten, welche, wie mir scheint, in nicht ganz zwingender Weise die Annahme BARDELEBENS zurückweisen. Ich gehe jedoch auf EIsLERs Auseinandersetzungen nicht ein; sie würden uns auf weiter abliegende Gebiete, das Wesen des N. accessorius und dessen Endgebiete führen. Ein genetischer Zusammenhang wird durch K. BARDELEBEN auch zwischen Sternalis und M. rectus thoraco-abdominalis ange- nommen. Als Beweggründe zu dieser Annahme sind mehrere zu nennen. BARDELEBEN bezieht sich auf die Häufigkeit des Zusammen- hanges des Sternalis mit der aponeurotischen Scheide des M. reetus abdominalis. In der Tat wird ein solcher Zusammenhang so häufig angetroffen, daß ihm eine höhere Bedeutung innewohnen kann. Das ist einzuräumen. Anderseits wird man auch zugeben müssen, daß einzig und allein das Wesen dieser Verbindung über deren genetische Bedeutung Auskunft geben kann. Das Wesentliche der Verbindung festzustellen, ist nun keineswegs ganz leicht, und bisher keinem Anatomen gelungen. Der Wechsel der Erscheinungen mag ja das Wesentliche verdecken. Es kommt einerseits vor, daß die Sehnen- bindel des Sternalis unter Kreuzung mit denen der Rectusscheide verkleben. Dies Verhalten erweckt den Eindruck von einer ent- wicklungsgeschichtlich bedeutungslosen Verklebung zweier differenter Bildungen. Es wird anderseits wahrgenommen, wie die Sehnen- bündel des Sternalis unter parallelem Verlaufe mit denen der Rectus- scheide sich dieser so innig einverleiben, daß die Vermutung entsteht, hier könne ein genetischer Zusammenhang beider Bildungen vor- liegen. Wenn man aber die Untersuchung auf einen genetischen Zusammenhang richtet, so können nur die Befunde letzterer Art bei der Entscheidung in die Wagschale fallen. Der Zusammenhang zweier Muskeln untereinander besitzt an sich keine Beweiskraft für Lösung der Frage über die Ursprünglichkeit der Verbindung. Die Art und Weise der Vereinigung erteilen die Auskunft. Liegt ein Fall vor, welcher auf eine ursprüngliche Verbindung von Sternalis und Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 405 Rectusscheide hindeutet, so erhebt sich für die eingehendere For- schung sofort eine neue Frage. Sie fordert die Entscheidung über die Zugehörigkeit derjenigen Rectusscheidenelemente, welche den vermuteten genetischen Verband mit der Sternalis-Sehne besitzen, zur Muskulatur. In das ventrale Blatt der Rectusscheide strahlen oralwärts Sehnenbündel sowohl der breiten Bauchmuskeln, des M. ob- liquus externus und des M. obliquus internus als auch des abdomi- nalen Abschnittes des M. pectoralis major aus. Es ist nun erforder- lich, festzustellen, mit welchen von diesen Muskeln der vermutete genetische Verband bestehe. Die Grundlage für weitere Erörterungen wird durch den Entscheid gegeben, ob ein Gliedmaßenmuskel der Brust oder ein thoraco-abdominaler Rumpfmuskel bezüglich eines genetischen Zusammenhanges mit dem Sternalis in Frage kommen. Die Verbindungsart der fraglichen Gebilde an der Rectusscheide muß noch aus einem andern Grunde vor jeder weiteren Erörterung genau festgestellt worden sein. Der Sternalis breitet sich nämlich nicht ganz selten mit sehnigen Ausläufern auf dem M. pectoralis major oder auf Teilen des M. obliquus abdominis externus aus, oder er heftet sich an den Knorpelstücken der Rippen fest. Die hier zu- stande kommenden Verbindungen sind bei der Prüfung der Sternalis- natur ebenfalls in Rechnung zu bringen, da keine Instanz bei der Verwertung des Beweismaterials in Sachen der morphologischen Be- deutung des Sternalis übergangen werden darf. Die genannten Vorfragen sind meines Wissens nie genau er- örtert worden. K. BARDELEBEN hatte, als er 1888 über die Her- kunft des Sternalis entschied, über die vielen Möglichkeiten der Ab- leitung sich nicht geäußert. Er brachte eben den Sternalis mit dem M. rectus thoraco-abdominalis in engste Beziehung und begründete diese Annahme kurz damit, daß die Reetusscheide ein Erzeugnis des M. rectus selbst wäre, und daß der Sternalis demgemäß durch seine Vereinigung mit diesem Bestandteile des Rectus sich als dessen cra- niale Fortsetzung zu erkennen gäbe. Hätte der Autor die Vorausset- zung vom Wesen der Rectusscheide auch wirklich bewiesen, was er unterließ, so wäre nur mit der Richtigkeit der Folgerung abzurechnen. Die Annahme berührt das weite Gebiet der grundlegenden Anordnung der ventralen Rumpfmuskulatur und deren Entwicklung. Die ver- gleichend-anatomisch und ontogenetisch bekannt gewordenen Vor- gänge auf diesem Gebiete müßten einzeln hinsichtlich der Entstehung des M. sternalis geprüft werden, nachdem die Vorfrage gelöst wäre, daß die Rectusscheide nun auch wirklich als ein Ergebnis der 406 Georg Ruge ventralen Längsmuskulutur sich darstellte. Dieser Nachweis fehlt zur Zeit. Ihn zu liefern kommt denen zu, welche mit einer zur Tatsache erhobenen und doch nur sehr weit entfernten Möglichkeit bei der morphologischen Deutung des Sternalis zu Werke gingen. Ich kenne keinen naheliegenden Grund für die Annahme der Entstehung der Reetusscheide aus dem Längsmuskel selbst. Die Annahme bleibt für mich eine fremdartige; sie entbehrt der Begründbarkeit. P. EısLer hat gegen BARDELEBENS Ansicht von dem Wesen der Rectusscheide Einspruch erhoben (1901, S. 66). Auch er sagt aus, daß »die Behauptung, die Rectusscheide habe vergleichend-anatomisch den Wert eines Muskels, vorläufig durch keine Tatsache erhärtet sei.« Die Doppelannahme vom genetischen Zusammenhang des M. ster- nalis einerseits mit dem M. sterno-mastoideus, anderseits mit dem ventralen Längsmuskel der Brust-Bauchgegend leitet BARDELEBEN zu neuen Ausblieken. Die myologische Einheit aller drei Gebilde drückt sich in der von ihm gedeuteten, variablen Verbindung aus. Auch die neurologische Einheitlichkeit an den drei Muskeln führt uns BARDELEBEN vor. Der M. sterno-mastoideus empfängt spinale Nerven; der M. reetus thoraco-abdominalis bezieht Äste vom 5. bis 12. thorakalen Spinalnerven, und der M. sternalis wird, wie BARDE- LEBEN annimmt, vom 2., 3. und 4. Intercostalnerven versorgt. EISLER hat darauf hingewiesen, daß in der Nervenversorgung des »einheit- lichen« Muskels eine kleine Lücke zwischen Sternalis und Rectus thoraco-abdominalis bestehe, und hat diese unter der Voraussetzung, daß der Sternalis nach seinen Beobachtungen vom 5.—7. Cervical- nerven durch die Nn. thoracales anteriores versorgt sei, auf eine Strecke von fünf Neuromeren bemessen. Die Lücke bedeutet eine Kluft zwischen beiden Muskeln. Und wieder erhebt sich die Frage, wo die vermißten Teilstücke des »einheitlichen« Muskels geblieben seien? Eine Antwort hierauf ist vorläufig nicht zu geben. EıstLers Einwand ist insofern nicht ganz sachgemäß, als BARDE- LEBEN von einer Innervation des Sternalis durch den Plexus brachi- alis gar nicht spricht, sondern die Innervation durch die Nn. inter- costales II, III, IV bei seiner Überlegung in Betracht zieht. Rechnet man mit diesen neurologischen Angaben, so bleibt immerhin eine Lücke in der Neuromerie des Längsmuskels bestehen. Die Lücke entfällt auf die Streeke zwischen Sterno-mastoideus und Stermalis. Dieser Punkt ist oben bereits besprochen worden.. Der Anschluß des Sternalis an den Reetus würde aus der Innervation des ersteren durch den 4., des letzteren durch den 5. Intercostalnerven sich Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 407 ableiten lassen. Die üblichen Variationen in der Innervation der Mus- kulatur könnten ja einige Bedenken verscheuchen, welche deshalb auch unerwähnt bleiben mögen. Man muß sich aber immer aufs neue fragen, wie steht's mit der Zuverlässigkeit der Angabe, daß der M. sternalis von intercostalnerven versorgt wird? Bezüglich dieses Punktes steigen Zweifel auf; sie schwinden nicht, sondern steigern sich, sobald man alle in Betracht kommenden Instanzen erwägt. So lange keine ganz genauen Untersuchungen über diesen Gegenstand vorliegen, welche in ihrer treuen Wiedergabe etwa denen P. EısLErs gleichwertig sind, werden die Bedenken bezüglich der Intercostalis- versorgung des Sternalis bei Kennern dieses Muskelgebietes bestehen bleiben. v. BARDELEBEN hat aufs neue ausgesprochen, daß die Inter- costalisinnervation ohne allen Zweifel zu Recht bestehe (1899, S. 66). Er beruft sich auf die 1888 veröffentlichten Fälle, auf neue Wahr- nehmungen sowie auf die durch andre Autoren veröffentlichten Be- funde. Als Referent der EısLerschen Arbeit hebt v. BARDELEBEN (1902, S. 94) hervor, daß er wiederholt und absolut sicher die Inter- costalisinnervation festgestellt habe und diese Tatsache auch durch FROHSE u. a. habe kontrollieren lassen. Kurz vor der Drucklegung dieses Aufsatzes ersehe ich aus den Ergebnissen der Anatomie und Ent- wicklungsgesch. (XIII. Bd., 1903), daß K. v. BARDELEBEN bei der Be- sprechung des GEHrYschen Aufsatzes fest dabei beharrt, daß auch die Nervi intercostales eine Art von Sternalismuskeln versorgen (S. 128). Wenn diesen bestimmten Angaben gegenüber die Bedenken nicht weichen, so muß dies auf besonderen Verhältnissen und Erfahrungen beruhen. Ein strenger Gegenbeweis läßt sich ja leider nicht führen, da eine Nachuntersuchung an den betreffenden Objekten erforderlich ist. Diese stehen nicht zur Verfügung. Überlegungen treten daher an die Stelle der tatsächlichen Widerlegung. Es ist durch die sorgfältigste Untersuchung festgestellt, daß der M. sternalis Äste aus dem Armgeflecht empfängt. Diese Äste zweigen sich von den Nn. tboracales anteriores ab. Nachdem sie den M. pec- toralis major durchbohrt haben, dringen sie in den Sternalis ein. Dies Verhalten kehrt bei ganz verschiedener Anordnung des M. ster- nalis wieder. CUNNINGHAM (1889) hat die Zugehörigkeit des Sternalis zum M. pectoralis major auf Grund der Innervationsverhältnisse nach- gewiesen. Die einschlägigsten Beobachtungen verdanken wir P. EıstLer (1901). Die Verdienste dieses Forschers sind sehr hoch an- zuschlagen, da vor dessen sorgfältigen Angaben alle Bedenken auf- hören, wir aber bei den allmählich sehr zugespitzten Forschungen 408 Georg Ruge über die morphologische Bedeutung des Sternalis nur mit den besten Mitteln arbeiten dürfen. Auf der einen Seite finden sich die bestimmtest gehaltenen Angaben, auf der andern sicherste Nachweise. Den Angaben K. BARDELEBENS haben im Laufe der Zeit verschiedene Anatomen bei- gepflichtet. Der Sternalis bezog Äste von Nn. intereostales in den Fällen, welche untersucht wurden durch: MALBRANGC (derzr 1ERall, HALLETT, 1 Fall; 3.—5. Intercostalnerv, W. KRAUSE, 1880, 5. Intercostalnerv, DwisHt (1888) 3 Fälle, BARDELEBEN, 1888, 11 Fälle; 2., 2. u. 3., 3. u. 4. Intercostalnerv, SHEPERD, 1889, 2 Fälle; 3. u. 4. Intercostalnerv, LE DoußLE, 1890, 3 Fälle, Ir. DICK, 1891, 4A Fälle; 2., 3., 4. Intercostalnerv, HEPBURN, 1896, 3., 4. Intercostalnerv, WILSON, 1997, 1 Rall® 3. Intercostalnerv, CHRISTIAN, 1898, 2 Fälle; 3. Intercostalnerv. R. WIEDERSHEIM hat die Intercostalisinnervation als die allein gültige übernommen (1902, S. 116), ohne irgendwelche Bemerkungen über die Bedeutung des Muskels daran zu knüpfen. An andrer Stelle wird die genaue Beachtung der Innervation bei einer Neu- bearbeitung gefordert (S. 126). Die Versorgung des Sternalis durch Nn. thoracales anteriores wird befürwortet durch die Angaben der folgenden Autoren, unter welchen CunNInGHAM die rühmlichste Stelle einnimmt. Er.hat die regelrechte Versorgung durch diese Nerven dargelegt, hat sich aber später, durch SHEPERD beeinflußt, zu dem Zugeständnisse bestimmen lassen, daß die Versorgung durch die Intercostalnerven geschehen könne (1891, S. 39). MALBRANc, 1877, 2 Fälle, CUNNINGHAM, 1884, 29 Fälle, 1888, 1891; LAMmoNT, 18387, 5 Fälle, WALLACE, 1887, 1 Fall, Dwichn, 1888, 2 Fälle, SHEPERD, 1839, 10 Fälle, LE DoußLeE, 1890, 1 Fall, HEPBURN, 1896, Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 409 WILSON, 1897, 6 Fälle, CHRISTIAN, 1898, 1 Fall, Kaczysskı, 1900, 2 Fälle, EISLER, 1901, 17 Fälle. Einige der genannten Forscher haben die Versorgung des Ster- nalis sowohl durch Intereostalnerven als auch durch die Nn. thora- cales anteriores beobachten können. Zu ihnen gehören R. Fick, CHRISTIAN, SHEPERD, WILSON. Es fehlt auch nicht an Augaben, nach denen ein und derselbe M. sternalis Äste aus beiden Nervengebieten bezieht (MALBRANC 1877, SHEPERD, Wırson 1897, Christian 1898). J. T. Wınson hat die Ausnahme der Intercostalisinnervation hervorgehoben. Unter sechs Fällen soll ein Sternalis von beiden Nerven Äste bezogen haben. H. CHrIsTIan betont gegen CUNNINGHAM die nicht bestehende Ausschließlichkeit der Innervation durch Nn. thoracales anteriores. Nach Eisters tabellarischen Zusammenstellungen der Literatur- angaben (1901, S. 40), welche in der obigen Angabe mit benutzt worden sind, verteilen sich die Innervationsverhältnisse derartig, daß die Mehrzahl der Fälle zugunsten der Versorgung des Sternalis durch die Nn. thoracales anteriores spricht. Es handelt sich um die große Prozentzahl 70—76. Der geringere Rest der Fälle, bei welchen der Sternalis nach Angabe der Autoren von Nn. intercostales beherrscht ist, hat für die Deutung des Muskels einen ausschlaggebenden Wert erhalten. Derselbe ist durch die hier angegebene morphologische Deutung des Sternalis eingeschätzt. Unumwunden ist einzuräumen, daß ein von Intercostalnerven versorgter M. sternalis mit der ven- tralen Muskulatur der Bauch-Brustgegend genetische Beziehungen be- sitzen muß. Die Nervenversorgung ist in dieser Beziehung maß- gebend. Anderseits ist es aber ebenso sicher, daß diejenigen Fälle von Mm. sternales, welche von Nn. thoracales anteriores versorgt wer- den, nicht ohne weiteres von der ventralen Rumpfmuskulatur abzu- leiten sind. Für sie kommt zunächst die Pectoralisgruppe in Be- tracht, und in der Tat hat die Vorstellung Geltung gewonnen, daß das Wesen des M. sternalis mehrgestaltig sei. Diesen Standpunkt nimmt neuerdings unter andern auch K. v. BARDELEBEN ein (1901), welcher die Sternales nach den verschiedenartigen Innervationen trennt. Vor Tatsachen müssen wir uns beugen. Wenn der Sternalis aus zwei verschiedenen Nervengebieten versorgt sein kann, so muß diese Wertung bei allen Deutungen des Muskels berücksichtigt 410 Georg Ruge bleiben. Sollte es sich gar bewahrheiten, daß der Stermalis von beiden Nervenarten gleichzeitig versorgt sein könnte, so würde die Deutung für alle drei verschiedenen Innervationszustände 1) durch Nn. intercostales, 2) durch Nn. thoracales anteriores, 3) durch diese beiden Nerven aller Wahrscheinlichkeit dahin zielen, daß diejenigen Sternalisteile, welche durch Äste des Armgeflechts versorgt werden, den unteren Myomeren des Halses, und zwar dem 5., 6. und 7. Hals- segmente, entstammen. Diese Myomerenabschnitte dürften dann als serial gleichwertig mit denjenigen ausgegeben werden können, welche in der thorakalen Gegend den M. rectus aufbauen. Bevor aber eine solche weittragende Erklärung zulässig ist, müssen alle berechtigten Zweifel an einer tatsächlich verschiedenartigen Innervation des M. sternalis gehoben sein, und ferner muß für die Mißverhältnisse in der Lage von Sternalis und Rectus thoraco-abdominalis zur breiten thoraco-abdominalen Muskulatur und zur Pectoralisgruppe eine ge- nügende Erklärung gefunden sein. Der letzte Punkt erfordert eine Besprechung. Nach Erfüllung der gestellten Forderungen könnte die Deutung des Sternalis nach K. BARDELEBEN wieder an Geltung gewinnen und einer erneuten Prüfung unterzogen werden. Vielleicht erweist sich der Muskel dann als das, wofür ihn BARDELEBEN ausgegeben hat, als die Wiederholung eines sehr primitiven Verhaltens, wie es bei den Amphibien gefunden wird (1888, S. 332). Vielleicht gibt der Sternalis sich dann auch, wie BARDELEBEN und CHRISTIAN 1898 mit ihm meinen, als der Rest eines oberflächlichen Längsmuskels zu er- kennen; vielleicht auch ist er mit dem M. pyramidalis in Parallele zu setzen und gehört dem Systeme eines M. pubo-hyoideus an. Vor- läufig sind wir weit von dem Ziele entfernt, welches nach BARDE- LEBEN erreicht zu sein schien, wenn er schreibt: »Wenn nun ein Sternalis mit Reetusscheide und Pectoralis in Verbindung steht, so erscheint dies als eine Erneuerung uralter verwandtschaftlicher Be- ziehungen« (1888, S. 332). Der Ausspruch des Autors ist nicht be- sründet, daß fast ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Sternalis und dem Rectus bestehe (S. 330). An derartigen Andeu- tungen und bestimmteren Aussagen jedoch ist der Aufsatz nicht arm, nicht gerade reich an Beweisen für die in ihm niedergelegten Aussprüche. Späteren Forschern bleibt nichts erspart, um Punkt für Punkt sicherzustellen. Die Sternalisfrage hat ihren Abschluß durch den Autor nicht gefunden. Neue Fragen schwerwiegender Art sind durch EısLER aufge- Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 411 worfen worden, durch welche die Sternalisfrage nach meiner Über- zeugung nicht gelöst, sondern noch mehr verdunkelt ist. Die Innervation des M. sternalis durch Nn. intercostales be- gegnet so lange Einwendungen, bis einwandfreie Untersuchungen hierüber vorliegen. Sie sollen gleichwertig den Vertrauen erregen- den Mitteilungen EisLers über diesen Gegenstand sein. Angaben, daß der oder jener Intercostalnerv Äste zum Sternalis entsende, daß diese sich im Muskel auflösen, haben bei der heute strenger gefaßten Fragestellung gar keine Bedeutung mehr. Bedeutungs- los sind auch alle die leichthin gemachten Notizen, daß in dem oder jenem Falle die Intercostalisversorgung für den Sternalis be- standen habe. Der Zuverlässigkeit eines Forschers wollen wir nicht zu nahe treten. Es regen sich nur jene Zweifel, welche die wissen- schaftliche Forschung gestattet, bei welcher Irrtümer unausbleib- lich sind. Es hat sich als ein Irrtum herausgestellt, daß der typische M. sternalis ausnahmslos von Intercostalnerven versorgt wird. K. BARDELEBEN hatte 1888 diese Meinung lebhaft vertreten, KOHLBRUGGE (1897) findet dieselbe kaum glaublich, und v. BARDELEBEN hält den erhobenen Zweifel KOHLBRUGGES als nicht ganz berechtigt, da es sich um eine leicht festzustellende, grob anatomische Tatsache handele (s. SCHWALBES Jahresberichte 1898, S. 558). Siebzig Prozent der auf die Innervation seitdem untersuchten Fälle fallen nach EıstLer (1901) in die Gruppe der Innervation durch die Nn. thoracales anteriores. K. BARDELEBEN war 1888 noch imstande, an fünfzehn Mm. ster- nales zwölfmal die Innervation durch Nn. intercostales festzustellen. Die Nerven zu den übrigen drei Sternales waren unbekannt ge- blieben. Heutzutage wäre ein solches Ergebnis wohl kaum noch zu erwarten. Diesen seltsamen Beobachtungen gegenüber, welche niemals die Beziehungen der Sternales zu den Nn. thoracales an- teriores haben feststellen können, trotzdem es sich auch hier um grob anatomische und leicht festzustellende Tatsachen handelt, hat die fortgeschrittene Erkenntnis berechtigte Zweifel erhoben. R. Fick (1891) hat die Innervation an vier Sternales festgestellt und den 2.—4., 3.—4. oder den 4. Intercostalnerven allein zu den Muskeln verfolgt. Derartige Resultate unterliegen ebenfalls den sich uns aufdrängenden Bedenken, dem Zweifel an deren Richtigkeit. CunnINnGHAM hatte im gleichen Jahre wie BARDELEBEN die Inner- vation des M. sternalis behandelt. Die Resultate wichen aber ganz von denen BARDELEBENS ab. CUNNINGHAM konnte Aste der Nn. thoracales Morpholog. Jahrbuch. 33. 27 412 Georg Ruge anteriores 17mal zum Sternalis verfolgen, aber niemals eine Inner- vation durch Intercostalnerven feststellen. CUNNINGHAM gab seiner Abhandlung vier Vertrauen erweckende Abbildungen (1888, Pl. 16) bei. Esist zu bedauern, daß BARDELEBEN die Arbeit des englischen Forschers noch nicht kennen und berücksichtigen konnte. Die Lite- ratur wäre dann sehr wahrscheinlich um einige, nur schwer mit Er- folg zu verwertende Angaben ärmer geblieben. Verschiedentlich hat die Aufnahme des genaueren Tatbestandes ergeben, daß die in den M. sternalis eintretenden Äste des Intereo- stalnerven den Muskel durchbohren, um als Hautnerven der Brust zu endigen. Unter Berücksichtigung des einmal erkannten Verhaltens konnte J. W. Wırson (1897) fünfmal an sechs Sternales eine Inter- costalisinnervation völlig ausschließen. Nur einmal wird die Ver- sorgung durch einen Intercostalnerv, aber zugleich auch durch den N. thoracalis anterior zugestanden. CuNNINnGHAM (1888) hatte sich verdienstvollerweise lange Zeit zuvor für die Thoracalisinnervation ausgesprochen und seine Darstellungen mit Figuren begleitet, welche vielen Anatomen nach eignen Erfahrungen wohlbekannte Verhält- nisse vorführen mögen. Gelegentliche, langjährige Beobachtungen haben mir immer eine Thoracalisinnervation für den Sternalis er- geben. Ich habe Intercostaliszweige nie in Betracht kommen sehen. Die aus den Intercostalräumen zum Sternalis verfolgbaren Stränge sind erfahrungsgemäß in der Regel nicht ohne weiteres bezüglich ihres Wesens zu erkennen. Eine mikroskopische Untersuchung muß erst den Inhalt der auspräparierten Stränge ergeben. Wie unglück- lich diese Untersuchung bei der vorgefaßten Annahme, es müsse sich um einen Nerven handeln, ausfallen kann, beweist u. a. der von BirMmInGHAM (1889) mitgeteilte Fall. Selbst CunuInGHAM glaubte anfangs, hier den Ast eines Inter- costalnerven vor sich zu haben. Die mikroskopische Untersuchung ließ jedoch die Anwesenheit von Nervenfasern vermissen. Derartige Fälle mahnen zur allergrößten Vorsicht bei der Deutung von den aus Intercostalräumen zum, Sternalis ziehenden Strängen. WıLsoN (1897), welcher in sechs Fällen jedesmal die Thorakalnerven Äste an den Sternalis abgeben sah, fand einmal auch noch einen Intereo- stalnerven zum Muskel ziehen. Er hielt es aber für möglich, daß es sich wie in dem Falle BIRMINGHAMmsS um einen nervenlosen Strang handelte. Wenn heute Autoren auf frühere Beobachtungen sich be- rufen, nach denen der Sternalis stets von Intereostalnerven versorgt Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 413 worden sei, so kann das nur mit dem allergrößten Mißtrauen auf- genommen werden. Wo die mikroskopische Kontrolle ausgeblieben ist, fehlt jegliche Sicherheit für die in gutem Glauben mitgeteilten Befunde. Für die zum Sternalis verfolgten Äste der Nn. thoracales anteriores liegen die Verhältnisse unendlich viel günstiger, Verwechs- lungen der Getäße mit Nerven sind hier viel leichter zu vermeiden, meistens gänzlich auszuschließen. G. S. HuntınGton hat es für wahrscheinlich bezeichnet, daß alle oberflächlichen Muskelvariationen im Gebiete des Pectoralis major von Nn. thoracales anteriores ver- sorgt werden (1903), daß die Äste der Intercostalnerven den Ster- nalis nur durchbohren, ohne ihn zu versorgen. P. Eısters Mitteilungen haben voliends den Glauben an die Richtigkeit aller Angaben in der Literatur bezüglich der Intercostalis- innervation des Sternalis ins Wanken gebracht. EısLER fand, wie zuvor CUNNINGHAM und andre, den Muskel in 17 Fällen mit Sicher- heit nur von den Nn. thoracales anteriores versorgt; er konnte die zum Sternalis in nachbarliche Beziehungen tretenden Äste der Nn. intercostales stets zur Haut der Brust verfolgen, was CUNNINGHAM in gleicher Weise und Wırsox (1897) in zwei Fällen dargetan haben. Auch Kumarıs und ScLAvunos (1902) verfolgten einen Ast des 2. In- tereostalnerven zum M. sternalis, sahen ihn aber durch den Muskel hindurch zur Haut gelangen. Die Frage nach der Innervation des M. sternalis hat sich dem- nach im Laufe der Zeiten so sehr zu Ungunsten der BARDELEBEN- schen früheren Annahme verschoben, daß die Vermutung sich ein- stellt, der Sternalis werde niemals von Intercostalnerven versorgt. Meine gelegentlichen Beobachtungen sind nicht maßgebend für die Förderung der Frage; sie sind aber maßgebend für diese hier aus- gesprochene Vermutung, da ich stets nur die Nn. thoracales Äste zum M. sternalis habe abgeben sehen. EısLER (1901, S. 43) hebt sehr bedeutungsvoll hervor, daß in den neueren Veröffentlichungen immer mehr die Nn. thoracales anteriores gegenüber den Nn. inter- costales das Übergewicht, wohl wegen der erhöhten Aufmerksamkeit bei der Präparation, gewinnen. Des Autors kritische Bemerkungen, angewandt auf die Beobachtungen K. BARDELEBENS, MALBRANGS, HEPBURNS wirken erlösend. EısLer bleibt trotzdem in seinem Ur- teile vorsichtig und hält die Intereostalisinnervation, wie CUNNING- HAM, nur für unwahrscheinlich. An Stelle dieser Vorsicht drängt sich die Forderung auf, die Intercostalisinnervation des Sternalis, welche so viele Irrtümer groß gezogen hat, den Fachgenossen zu 2 414 Georg Ruge demonstrieren. Die Anatomenkongresse bieten eine geeignete Ge- legenheit hierzu. Die Bemerkungen EıisLers über die Innervation des Sternalis sind besonders lehrreich. Er schreibt: »Einige Male hatte die Nach- forschung nach einer Versorgung aus Intercostalnerven scheinbar positive Resultate ergeben, in 17 Fällen (unter 36) endlich ließ sich mit aller Sicherheit die Innervation aus den Nn. thoraeiei anteriores nachweisen. Diese Fälle sind meist neueren Datums, aus einer Zeit, wo ich gelernt hatte, meine Aufmerksamkeit zunächst nicht dem medialen, sondern dem lateralen Rande des Muskels zuzuwenden. Seitdem erscheinen mir die Fälle mit intercostaler Innervation so zweifelhaft, daß ich sie unbedenklich als nieht beweiskräftig streiche« (1901, S. 23). EISLER weist an andrer Stelle ausdrücklich darauf hin, wie leicht Irrungen bei der Feststellung der Innervation unter- laufen können, welche durch die Vereinigung der sensiblen Inter- costalnervenäste mit den motorischen Zweigen entstehen (S. 39). Intercostalisinnervation und Doppelversorgung konnten durch die Gründlichkeit der Untersuchung glücklicherweise ausgeschaltet wer- den. Die Hepsurnsche Angabe (1896) einer Intercostalisinnervation konnte nachträglich bezüglich ihrer geringen Beweiskraft beleuchtet . werden. Die Frage nach einer Versorgung des Sternalis durch Inter- eostalnerven harrt auch nach EisLeEr (S. 65) noch ihrer endgültigen Erledigung durch genaue Untersuchungen. Sollten die neurologischen Verhältnisse für den Sternalis durch- wegs anders liegen, als sie BARDELEBEN (1888) annahm, so fiele mit einem Schlage das Gebäude der morphologischen Deutung für den Muskel zusammen. Dasselbe enthält, wie jetzt schon mit Sicher- heit angenommen werden darf, viel unechtes Material insofern, als unter 15 Fällen 12 mal die Intercostalnerven und kein einziges Mal die Nn. thoracales anteriores zum Sternalis in Beziehung gebracht worden sind. Eine solche Annahme muß, wie wir aus den vor- liegenden Erfahrungen schließen, Irrtümer enthalten, wenn sie nicht gar im ganzen unrichtig ist. Das letztere ist nach meinen eignen Erfahrungen, nach Belehrungen aus der Literatur und nach der Vor- stellung vom Wesen des Sternalis, welche ich aus vielen Erschei- nungen an ihm gewinne, der Fall. Da auch andre Autoren gleiche Zweifel an der Richtigkeit der Intercostalisinnervation geäußert haben, so wird die anatomische Nachprüfung unausbleiblich sein. Hier wird das Richtige einmal definitiv festgestellt werden müssen, wobei die Berufungen auf alte, unkontrollierbare Beobachtungen ohne Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 415 jeglichen Wert sein werden. Das hängt nun einmal mit der Forde- rung der Nachprüfung zusammen. Wenn die Nn. intercostales mit dem Sternalis gar nichts zu tun haben sollten, so wäre die Frage, ob der Muskel einem oberfläch- lichen oder einem tiefen M. reetus thoraco-abdominalis seine Ent- stehung verdankte, hinfällig, bedeutungslos. Er würde eben mit beiden nichts zu tun haben. Anders wäre es bestellt, wenn die Intereostalisinnervation in bestimmten Fällen zu Recht bestehen sollte. Dann aber drängten sich Bedenken andrer Art hervor. Zunächst würde sich die Frage erheben, welche Tatsachen dafür angeführt _ werden könnten, daß der alte oberflächliche Längsmuskel des Rumpfes der Amphibien auch für den Organisationsplan der Säuge- tiere existenzberechtigt blieb. Wenn der Sternalis beim Menschen in etwa 4°/, auftritt, so handelt es sich nicht mehr um eine ganz seltene Einzelerscheinung, sondern um eine Bildung, deren Anlage in der Stammesgeschichte noch nicht gar lange verloren gegan- gen sein kann. Testur hat dieses Mißverhältnis empfunden und die Zuflucht zur Annahme genommen, daß der Sternalis in der ganzen Wirbeltierreihe verloren gegangen sei, um erst beim Men- schen als eine Wiederholung alter Einrichtungen aufs neue sich ein- zustellen. Testur war zu dieser Annahme gezwungen, um die zuvor be- sprochene, von ihm aufgestellte Deutung zu stützen. Die Aussage war aber nichts andres als die Umschreibung der Anschauung des Autors. Anders verhält es sich mit einigen Einwänden Testurs gegen die Deutung des Sternalis als Reetusteil, welche ich zu den meinigen mache. Tesrtur gibt an: 1) Der Sternalis ist niemals mit dem M. rectus abdominis, son- dern nur mit dessen Sehnenscheide in Verbindung gefunden worden, befindet sich demgemäß in einer ganz andern Lage als der Rectus. 2) Der Rectus befindet sich bei niederen Tieren stets unter dem M. pectoralis major, während der Sternalis über demselben lagert. Diese Tatsache ist seitdem oftmals im gleichen Sinne verwertet worden. 3) Wenn der Reetus beim Menschen abnormerweise eranialwärts verlängert ist, so liegt er wie bei niederen Tieren unter dem M. peetoralis major. 4) Die in eranialer Richtung an den Reetus angeschlossenen Muskeln werden am Halse in den Mm. sterno-hyoideus et sterno- thyreoideus gefunden (1884, $. 82). 416 Georg Ruge Ich habe auf S. 397 hervorgehoben, daß Punkt 2 und 3 gegen Testurs eigne Deutung mit demselben Rechte angeführt werden müssen, wie sie hier Geltung haben. Es ist unzulässig, einen unter der Haut und auf den Glied- maßenmuskeln der Brust gelegenen Muskel mit dem Rectussystem in Beziehung zu bringen, da letzteres bei den höheren Wirbeltieren von den Gliedmaßenmuskeln der Brust bedeckt ist. Das, was über die durch Testur angenommenen Beziehungen zwischen Sternalis und Obliquus abdominis externus oben ausgesagt worden ist, gilt an dieser Stelle in gleicher Weise. Die allgemeinen topographi- schen Beziehungen zwischen beiden Muskelgruppen sind so fest ein- gebürgert, daß unter allen Umständen mit ihnen gerechnet werden muß. Die für die Organisation der amnioten Wirbeltiere äußerst bedeutungsvollen Muskeln der vorderen Gliedmaße haben ihren be- stimmten Ausbildungsgang durchlaufen und sind wegen ihrer hohen Stellung in dem Haushalte der auf dem Lande lebenden Tiere streng fixiert. Wohl treten Schwankungen in den betreffenden Gebieten auf; aber eine fundamentale Änderung der gegenseitigen Gesamt- lagerung kann nur unter Zuhilfenahme von unbewiesenen Annahmen befürwortet werden. Der hier erhobene Einwand bezüglich der all- gemeinen Topographie der Muskeln soll nach P. EısLer an Gewicht verlieren, nachdem DoBson (1883) für die Chrysochloriden eine Aus- nahme von den allgemein gültigen, topographischen Verhältnissen ge- funden habe. EısLers Fürsprache für die geringere Bedeutung der sonst fundamentalen Einrichtungen wäre annehmbar, wenn die Chry- sochloriden nicht durch ihre Lebensweise eigenartige Ausbildungen aller Organe und gerade ihrer vorderen Gliedmaßen besitzen müßten, wodurch die Vergleichung mit andern Säugetieren und gar mit dem Menschen größte Vorsicht erheischt (vgl. S. 398). Vergegenwärtigt man sich nun noch andre bekannte vergleichend-anatomische Tatsachen, welche grundlegend bei aller Vergleichung bleiben müssen, so ver- liert die Annahme der Reetusnatur des M. sternalis jeglichen Halt. Ich denke an die Tatsache, daß der thorakale Abschnitt des M. rectus thoraco-abdominalis noch bei niederen Säugetieren bis zur 1. Rippe sich ausdehnt, daß die Rückbildung in der Höhe der oberen Rippen Schritt für Schritt bei den höheren Formen verfolgt werden kann. Dieser Thorakalabschnitt des M. rectus ist bis zu den höheren Säugetieren hinauf in gleicher Weise wie der Abdominalteil vom M. obliquus thoraeo-abdominalis externus bedeckt. Letzterer trennt den Längsmuskel von der Pectoralisgruppe. Mit der Rückbildung des Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 417 Thorakalabschnittes des M. rectus stellt sich auch diejenige des breiten Rumpfmuskels ein. Bei vielen Säugetieren bis zu den niederen Primaten hinauf erhält sich die von der ersten Rippe entspringende Zacke des Obliquus externus. Sie behält naturgemäß die typische Lage zum M. rectus bei. Beim Menschen erhält sich in ganz sel- tenen Ausnahmen die erste Rippenzacke des Obliquus thoraco-abdo- minalis. Dieselbe schwankt in der medialen Anheftungsweise. Da sie abgetrennt ist vom erhaltenen Muskelkörper, hat sie alle mög- liehen Deutungen erfahren. Sie verschleiert ihre morphologische Be- deutung unter dem ihr zugelegten Namen: Muse. supracostalis. Ihre Zugehörigkeit zum äußeren schrägen Rumpfmuskel ist, nachdem sie in bestimmtester Weise dargelegt worden war (G. RugE, 1892), durch G. Cars. (1902) wieder schärfer betont worden. Also erstens ist gar kein Stück des Längsmuskels in der Weise abgeschieden, daß es zur Bildung eines M. sternalis hätte in Ver- wendung kommen können, denn die Einheitlichkeit des jeweilen bestehenden M. rectus thoraco-abdominalis ist stets nachweisbar. Zweitens ist wegen der allgemeinen topographischen Verhältnisse die Annahme zurzeit unhaltbar, daß nach der Ausbildung der Glied- maßenmuskeln der Brust sowie nach der scharfen Sonderung der Seitenrumpfmuskulatur in einen Längsmuskel und in breite Muskeln ein Rectusabschnitt in oberflächlicher Lage als M. sternalis bestehen könne. Die von den ersten vier Intercostalnerven versorgten Abschnitte des M. rectus thoraco-abdominalis sind beim Menschen zugrunde gegangen. Wenn dieselben als Abweichungen vom gewöhnlichen Verhalten wieder in die Erscheinung treten, so bilden sie die abnormen Ursprungsteile des M. rectus in der Höhe der 4., 3. oder 2. Rippe (vgl. WIEDERSHEIM, 1902, S. 114). Solch ein ab- norm hoher Ursprung des M. rectus thoraco-abdominalis kann mit einem Sternalis gleichzeitig in die Erscheinung treten, was COLSON (1886) beobachtet hat. Ein solcher Befund sagt aus, was wir von andrer Seite her wissen; er spricht gegen die Rectustheorie des Sternalis. Es gibt hier keinen Ausweg, um einen etwa von oberen Inter- costalnerven versorgten M. sternalis als Abschnitt des M. rectus zu retten. Dieser Gedankengang ist den Gewährsmännern, welche für die Intercostalisinnervation des M. sternalis eingetreten sind, nicht fremd. K. BARDELEBEN (1888) leitet daher den Sternalis auch nicht von dem bei Säugetieren wirklich bestehenden Längsmuskel 418 Georg Ruge her. Er nimmt vielmehr seine Zuflucht zu der Annahme, daß ein oberflächlicher Längsmuskel im Sternalis sich erhalten habe. Diese Annahme schwebt völlig in der Luft. Nicht eine einzige Tatsache hat sich für sie ins Feld führen lassen. Wo ist je ein oberfläch- licher, subeutaner M. rectus gefunden worden, welcher von einem tiefen Längsmuskel sich derartig trennte, daß die breiten Bauch- muskeln und die Pectoralisgruppe sich zwischen beide eingelagert haben? Nirgends. Der Annahme ist auch sonst schwer beizukommen, weil sie nichts Greifbares bietet. Wenn gar der M. pyramidalis mit jenem gedachten oberflächlichen Längsmuskel, welcher als Sternalis in der Brustgegend auftreten soll, in Beziehung gebracht wird, so ist ja gerade dessen tiefe Lage in Rücksicht zu den breiten Bauch- muskeln ein Beweis gegen die betreffende Annahme. Wir. könnten die von BARDELEBEN erwähnte Möglichkeit, daß der Pyramidalis mit dem M. sternalis in Parallele zu setzen wäre, auf sich beruhen lassen, wenn nicht die grundverschiedenen Lagebeziehungen beider Muskeln deren Gleichartigkeit ausschlössen. Wir fassen unser Urteil dahin zusammen, 1) daß ein direkter Zusammenhang des M. sternalis mit dem Längsmuskel der Brust- Bauchregion noch niemals beobachtet worden ist, 2) daß keine Wahrscheinlichkeitsgründe für einen solchen genetischen Zusammen- bang bekannt sind, 3) daß die Zweifel an der Richtigkeit der An- gaben über Innervation des Sternalis durch Intercostalnerven zu Recht bestehen, 4) daß die Deutung des Sternalis als eines Ab- schnittes der ventralen Längsmuskulatur des Rumpfes in keinem Punkte den Grad von nicht wahrscheinlich gemachten Ansichten überstiegen hat, 5) daß die früher für den Sternalis gewählte Bezeichnung: M. rectus thoracis eine ganz unzutreffende und irreführende ist, da der Sternalis mit dem Rectussystem nichts Gemeinsames hat (vgl. auch Testur, 1884, S. 74). Hieran wird auch niehts geändert durch eine in der Literatur sich befindende, überraschende Angabe. Sie stammt von BARDELEBEN, 1888, S. 332. .Derselbe stützt seine Deutung des Sternalis als eines Teils eines oberflächlichen M. rectus auf folgende Beobachtung: Die mit dem Sternalis zusammenhängende, oberflächliche Lage des M. pectoralis major bezieht andre Nerven als der normale Muskel, welcher die tiefere Lage im betreffenden Falle bildet. Sternalis und oberflächlicher Pectoralisabschnitt empfangen nach BARDELEBEN gemeinsam Äste von Intercostalnerven. Dieser Befund soll be- weisen, daß auch beim Menschen noch ein dem Pectoralis niederer Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 419 Tiere (Amphibien) entsprechender, dem Rectus nahe verwandter Muskel an der Brust vorkommen könne. Wenn diese Beobachtung einwandsfrei wäre, so wäre sie schwer- wiegend und könnte für BARDELEBENS Erklärungen Verwendung finden. Die Angabe steht vereinzelt da; sie ist so seltsam, daß der Wunsch dem Morphologen sich unabweislich aufdrängt, diesen Befund selbst in Augenschein zu nehmen, um von der Richtigkeit des Beobachteten sich zu überzeugen. Ich meinerseits bin nicht imstande, ernstlich mit dieser Angabe zu rechnen, da ich die Be- obachtung nicht für zuverlässig haltee Warum hat man mit dieser wichtigen und weittragenden »Entdeckung« gar nichts anfangen können; und warum ist die Tatsache nie wieder festgestellt worden? Die Beobachtung sowohl als auch die aus ihr gezogenen Schlüsse bleiben in Dunkel gehüllt. Da die Angabe aber nun einmal besteht, so wird man voraussichtlich auch wieder auf sie zurückkommen. Die Sternalisfrage wird aber durch sie nicht gelöst werden, da ganz andre und sicherere Kennzeichen für die Herkunft des abnormen Muskels bekannt geworden sind. Über Beziehungen des Musculus rectus thoraeco-abdominalis zum tiefer gelegenen M. peetoralis minor liegen ebenfalls Berichte vor. Die anatomischen Befunde lassen den Übergang der Ursprungssehnen beider Muskeln ineinander erkennen. Diese Sehnen überspringen die Zwischenrippenräume cranial von der 5. Rippe. K. BARDELEBEN (1882) hat auf die anatomischen Befunde hingewiesen, KAzZzAnDER (1904) dieselben einer sehr sorgfältigen Prüfung unterzogen. Anatomische Beziehungen zwischen beiden Mus- keln mögen zu Recht bestehen. Sie sind, stammesgeschichtlich be- trachtet, erst auf sehr großen Umwegen entstanden und treten nur bei denjenigen Säugetieren auf, bei denen die ceranialen Segmente des Reetus thoraeis eingeschmolzen sind. Eine genetische Beziehung be- steht daher zwischen den beiden Muskeln nicht. Es handelt sich um spät eingeleitete Verbindungen. Ich bin in meinen Arbeiten über die segmentalen Verkürzungen am Rumpfe der Primaten (1890, 1892, 1893) auf diese Fragen nicht näher eingegangen. Die Beurteilung eines Zusammenhanges des Peetoralis minor mit dem M. rectus beim Menschen als einer Sekundärerscheinung ergibt sich aber ohne wei- teres aus jenen Untersuchungen. P. EısLer hat noch einen andern Grund gegen die Ableitung des Sternalis vom Längsmuskel hervorgehoben. Er beruht in dem verschiedenen Verlaufe der Hautnerven zu beiden Muskeln. Die Ner- ven verlaufen um den Medialrand des Sternalis herum und sind oft 420 Georg Ruge gezwungen, einen Umweg bis zur Erreichung ihres Endgebietes zu machen. Die Hautnerven im Bereiche des M. rectus thoraco-abdomi- nalis verhalten sieh insofern anders, als sie den Muskel zu durch- bohren pflegen. — Diesem Einwande kommt eine entscheidende Bedeutung wohl kaum zu; denn die Hautnerven durchbohren den Sternalis zuweilen ebenso, wie sie es mit dem Rectus abdominis tun. Es würde sogar eine Gleichheit des Verlaufes durchwegs herrschen müssen, wenn die Intercostalnerven den Sternalis auch innervieren würden. Die Innervationsverhältnisse sind das Maßgebende für den Verlauf der den motorischen Nerven eine Strecke weit angeschlos- senen Hautnerven. 6. Der M. sternalis — ein segmentaler Muskel. Der Sternalis ist ein segmentaler Muskel genannt worden (BARDE- LEBEN, 1888, S. 333). Er sei ein Gebilde wie der M. recetus abdo- minis oder M. pubo-hyoideus. Diese Bezeichnung wurde auf Grund der gewonnenen Vorstellung vom Wesen des Sternalis gewählt, wel- ches in der Wiederholung eines sehr primitiven Verhaltens (S. 332) sich äußere und in der ursprünglichen Segmentation der Seitenrumpf- muskulatur oder des Reetussystems sich zeige. Hiergegen ist nun einzuwenden, daß der M. sternalis in einer segmentierten Form niemals angetroffen worden ist. Wäre das der Fall, so wären alle Übelstände in der Deutung des Muskels gehoben. Der Sternalis ist tatsächlich kein segmentaler Muskel. Selbst wenn die Versorgung vom 2., 3. und 4. Intercostalnerven zu Recht bestünde, so könnte doch aus der metameren Innervation höchstens auf eine früher be- standene Segmentation geschlossen werden. Dieselbe bestände aber nicht mehr und hätte als erloschen zu gelten. Der Zustand der Segmentation wäre durch Umgestaltungen im Muskel aufgehoben, und auf primitive Eigenschaften wären sekundäre gefolgt. Wir müssen an der strengeren Definition der Segmentierung der Muskulatur fest- halten, welche die Zusammensetzung eines Muskels aus musku- lösen Teilstücken in sieh schließt. Es ist für den Aufbau eines Muskels nicht gleichgültig, ob dessen Teilstücke noch gesondert bestehen, oder ob Teilstücke von Myomeren durch innigste Durch- wachsung ihrer Elemente ein Muskelindividuum höherer Ordnung aufbauen. Wenn man diesen Unterschied in der genetischen Sonde- rung der Muskulatur nicht gelten ließe, so müßten alle, auch die entwickeltsten Muskeln der Gliedmaßen als segmentierte aufgefaßt werden; denn sie beziehen ja alle Äste mehrerer aufeinanderfolgender Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 491 Spinalnerven. Bei allen scharf abgesetzten Muskelindividuen ist der Zustand einer Segmentation überwunden; der Aufbau dieser Muskeln aus Segmentstücken bleibt wohl aus der Nervenversorgung noch erschließbar. Der M. sternalis tritt immer unsegmentiert in die Erscheinung. Das ist von Belang, weil die morphologische Deutung des Sternalis dadurch nicht ohne weiteres im Sinne K. BARDELEBENS hingenommen werden» kann. Beispiele für den Übergang einer segmentierten Muskelplatte in einen unsegmentiert erscheinenden, einheitlichen Muskel sind in der vergleichenden Myologie hinlänglich bekannt. Der unsegmentierte Zustand ist der höhere, vollkommnere, weil auch die funktionelle Einheit durch die Verwachsung aller Teilstücke an Wert gewinnen muß. Es sei auf ein Beispiel hingewiesen. Der M. obliquus ab- dominis externus des Menschen ist der Hauptsache nach eine einheit- liche, unsegmentierte Muskelplatte geworden. Er ist aus einem segmentierten Zustande hervorgegangen, welcher aus seinem Ur- sprunge an den Rippen und aus der Nervenversorgung noch er- schlossen werden kann. Der gleiche Muskel ist bei Affen, Halb- affen und vielen andern Säugetieren noch im ganzen oder teilweise segmentiert, da Teile der ursprünglichen Muskelsepten als Zwischen- sehnen, segmental angeordnet, in der Muskelplatte auftreten, wonach die Nervenverzweigung sich richtet. Wäre der Sternalis ein segmentales Gebilde, so könnte er keine verwandtschaftlichen Beziehungen zu dem unsegmentierten Haut- rumpfmuskel besitzen und von ihm abgeleitet werden. Das Beiwort »segmental«e muß, so leichthin einem M. sternalis beigelegt, ver- hängnisvoll bei der Deutung des Muskels werden. Der Nachweis einer Segmentation ist bisher noch niemals erbracht worden. Die Versorgung des M. sternalis durch mehrere aufeinanderfolgende Spinalnerven darf natürlich nicht mit der Segmertation des Muskel- bauches verwechselt werden. Die polymere Versorgung eines Muskels fällt nicht notwendigerweise mit einer primitiven und erhaltenen Segmentation zusammen. Diese ist bei den meisten Muskeln des Menschen vollständig verwischt. Aponeurotische Unterbrechungen sind im Sternalis öfter be- obachtet worden (PorraL 1803, MECKEL, HALLETT 1848, Testur 1884, Le DougLe 1890), wohl auch als Reste von Myokommata oder Inseriptiones tendineae (LE DouBLE) so ohne weiteres hingenommen worden, da eine solehe Annahme zu der Deutung des Sternalis als eines Restbestandes von einem segmentierten Muskel, etwa dem 422 Georg Ruge Rectus thoraco-abdominalis, ja ganz gut zu passen schien. Die An- nahme dürfte von Grund aus falsch sein. So äußerliche Erschei- nungen wie die aponeurotischen, unbeständigen Einflechtungen in einem Muskelbauch deuten keineswegs auf eine Segmentation hin. Schlagende Beispiele von der Haltlosigkeit einer solehen Meinung ließen sich vielfach anführen (Öhrmuschelmuskeln von Säugetieren). Wäre der Sternalis trotzdem ein segmentaler Muskel, so dürfte diese Eigenschaft nicht in ausschließlicher Weise für seine Ableitung vom Rectussystem sprechen, wie dies geschah. Tesrur (1884, S. 82) hat vielmehr mit gleichem Recht eine derartige Sternalissegmentation für seine Deutung in Anspruch genommen, da ja auch der M. obli- quus abdominis externus ein segmentaler Muskel sei. Der Nachweis der Segmentation des letzteren bei den Säugetieren ist TESTUT allerdings nicht bekannt gewesen, erst durch LECHE 1883, bei In- sectivoren, G. RuGE 1892, bei Prosimiern, O. SEYDEL 1892, bei ver- schiedenen andern Abteilungen bis zu den Primaten hin, geliefert worden. 7. Der M. sternalis — ein neuer selbständiger Muskel, ent- standen aus dem Material des M. pectoralis major. Hierunter soll nicht verstanden sein, daß der M. sternalis ein selbständiger Muskel geworden sei, wofür ihn z. B. SCHULTZ ausgibt (1888), indem er ihn, wie dies auch früher geschehen ist, mit be- stimmten Wirkungen ausgestattet sein läßt, ihn als Spanner der Bauchaponeurose und als Spanner des Sterno-cleido-mastoideus be- zeichnet, um auch dadurch die Selbständigkeit des Baues hervor- treten zu lassen. Diese Selbständigkeit wohnt dem Sternalis ohne Frage inne. Die Kontraktionsfähigkeit desselben ist direkt beobachtet worden (MALBRANC 1877, RouBInoviTz 1888, R. Fıck 1891), so daß dem Muskel eine gewisse Wirkung unter Umständen tatsächlich zukommt. Ob eine solche ihm immer eigen ist, ist unbekannt, und eher zu bezweifeln als zu bejahen. Die Angaben Avacaıs (1897), welcher den Sternalis an 200 Personen im Leben 30mal angetroffen haben will, sind mit allem Vorbehalt aufzunehmen, da sie mit der Statistik an der Leiche nicht in Einklang zu bringen sind (s. 13. Abschnitt). Die morphologische und nicht die physiologische Seite weckte seit alters her das Interesse an dem M. sternalis. Die Selbständigkeit des menschlichen Muskels in Form und Wir- kung dürfte als neue Erscheinung unbestritten sein. .Die Neuheit des Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 423 Muskels in der Tierreihe ist dadurch aber nicht bezeichnet. Hierunter ist vielmehr das völlig neue Auftreten des Muskels beim Menschen zu verstehen, was das Fehlen eines gleichartigen Gebildes in der gesamten Tierreihe bedeutet. In diesem Sinne wäre der Sternalis ein Gebilde sui generis zu heißen, welchem gar nichts Gleichartiges an die Seite zu setzen wäre. Ohne stammesgeschichtliche Vor- gänger zu besitzen, wäre er als neuer Muskel beim Menschen zum ersten Male aufgetreten; er wäre ein rein menschliches Glied im Muskelsystem der Säugetiere, jedoch nicht in dem Sinne, daß der Mensch durch seinen Besitz sich von den Säugetieren grundsätzlich unterschiede (HALBERTSMA). Der Muskel müßte für diesen Fall ein regelmäßiges Vorkommen, aber keine Seltenheit sein (vgl. Testur 1884, S. 84). Die Deutung des Sternalis als einer Neubildung beim Menschen kann in verschiedener Weise vertreten werden. Zu derselben hat man sich immer erst nach der vorausgegangenen Erwägung be- kennen können, daß der Sternalis einem Vergleich mit irgendwelchen Einrichtungen bei Tieren nicht standhalte. Diese Deutung schließt also die Ableitung des Sternalis von Resten alter Muskeln des Rumpfes aus, so z. B. die Ableitung vom geraden Muskel der ven- tralen Rumpfwandung, von den breiten Muskeln derselben Gegend, von dem Hautrumpfmuskel usw. Das weitere Nachforschen nach homologen Bildungen in der Tierreihe wird durch Annahme der Neubildung des Sternalis beim Menschen abgewiesen. Die Nach- forschung muß demgemäß zuvor völlig erledigt und resultatlos ab- gelaufen sein. Als Neubildung beim Menschen muß der M. sternalis, wenn- schon er ein Homologon bei den Wirbeltieren nicht besitzt, selbst- verständlich doch auch eine Bildungsgeschichte aufweisen; er muß aus bereits vorhanden gewesenem Material sich entwickelt haben. Dies ist denn auch von den Vertretern der zu erörternden Deutung des Sternalis angenommen worden. Der M. pectoralis major wird als die Bildungsstätte bezeichnet. EIsLER nimmt einen innigen Connex des Sternalis mit dem Peetoralis major an (1901, S. 44). Er hat diese Ansicht von CunnInGHAMm übernommen (1888), welcher die Sternalisinnervation festgestellt hat. Als Gründe für diese An- nahme tauchen auf: 1) die Lage des M. sternalis auf dem M. pec- toralis major, 2) dessen in verschiedenem Maße beobachteter Zu- sammenhang mit diesem Gliedmaßenmuskel der Brust, und 3) die gleiche Versorgung beider Muskeln durch die Nn. thoracales anteriores. 424 Georg Ruge Die häufigen Beziehungen des Sternalis zu den Brustmuskeln sind auch in anderm Sinne gedeutet worden. Nach K. BARDELEBEN (1888) sprechen dieselben ebenso für die Beziehungen des Sternalis zu dem Rectus- wie zum ÖObliquussystem. Diese Ansicht ist von weit hergeholt, indem an die Bildungsgeschichte der Gliedmaßen- muskeln der Brust bei Fischen und Amphibien aus der noch wenig gesonderten Seitenrumpfmuskulatur gedacht wird. Es liegt wahrlich näher, die Pectoralisgruppe, deren Entwicklung beim Menschen ab- gelaufen ist, die Führung der bestehenden Beziehungen zum Sternalis nehmen zu lassen, als die alte Generation der Seitenrumpfmuskeln, welche ihre Nachkommen in der ersteren hat. Daß ein Zusammen- hang des Sternalis mit dem Rectus und Obliquus abdominis tat- sächlich nie besteht, ist oben besprochen worden. Die Merkmale, welche für die Verwandtschaft des Sternalis und des M. pectoralis major angeführt werden, haben einen verschiedenen Wert. Die Lage des Sternalis auf dem Peetoralis darf als wichtiges Kennzeichen der Beziehungen beider zueinander von allgemeinem Werte gelten. Die gemeinsame Innervation durch die Nn. thoracales anteriores ist ausschlaggebend bei der heutzutage herrschenden Be- urteilung myologischer Fragen. Sie bekundet die genetische Be- ziehung des M. sternalis zur Pectoralisgruppe. Die große Anzahl der in der Literatur sich findenden Angaben über die genannte Nervenversorgung des Sternalis, welche P. EısLER auf 70°/, einschätzt, berechtigt vollauf, mit diesen anatomischen Ver- hältnissen zu rechnen. Es sind zwar Zweifel erhoben worden, ob Angaben einer Intercostalisinnervation des Sternalis zu Recht be- stehen. Mir sind sie aus eigner Erfahrung völlig unbekannt; auch zweifle ich an ihrer Existenz. Die folgenden Auseinandersetzungen selten daher einzig und allein für diejenigen Sternalisformen, welche den Nn. thoracales anteriores, folglich der Pectoralisgruppe zuge- hören. D. J. CunsisGHAMms wichtige Untersuchungen aus den Jahren 1884 und 18398 haben die Versorgung des Sternalis durch Äste der Nn. thoracales anteriores sichergestellt. Der Verlauf der Sternalis- nerven ist genau beschrieben worden. Die Nerven durchbohren den M. pectoralis major, unter Abgabe von Zweigen an denselben, und erreichen den Sternalis am lateralen Rande. Die Deutung des Ster- nalis als eines abgelösten Teils des Pectoralis major drängt sich dem Autor auf, indem er die Innervationsverhältnisse für die Beur- teilung der Muskulatur als wegleitend erachtet (1884). CUNNINGHAM Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 425 glaubt, durch seine anatomischen Funde die zuvor von P. S. ABRAHAM (1883) ausgesprochene Ansicht fester begründen zu können. Er hat 1888 unsre Kenntnis von der Innervation des M. sternalis weiterhin bereichert, indem er 17mal die Nerven zum Muskel verfolgt und dieselben stets als Äste der Nn. thoracales anteriores erkannt hat. Hierin konnte ein neuer Beweis für die Deutung des Sternalis als eines vom Peetoralis major abgesprengten Stückes erblickt werden. CunxinGHAMm hob schon damals ausdrücklich hervor, daß die Nn. intercostales niemals zum Sternalis gelangen. Seine Untersuchungen erhalten durch die genauen Beobachtungen EısLERs einen nachhal- tigen besonderen Wert. CunNInGHAMsS Angaben sind oftmals bestätigt worden. Ihrer Bedeutung gemäß hat wohl ein jeder Anatom durch eigne Anschau- ung sich über sie Rechnung abgelegt und von der Richtigkeit der- selben überzeugt. Was den anatomischen Zusammenhang des Ster- nalis mit einem Gliede der Pectoralisgruppe anbetrifft, so sind der Ort und die Art der Verbindung unbekannt geblieben. Dieser miß- liche Umstand ist die Ursache dafür, daß neue Hypothesen über die Ableitung des Sternalis vom Pectoralis an die Stelle von Tat- sächlichem getreten sind. Das ist insofern von Interesse, weil es sich auch hier zeigt, daß, da ein einfach verständlicher Entwicklungs- gang nicht hat aufgedeckt werden können, Fernliegendes und Unbe- greifliches als leicht verständlich hingestellt worden ist. Wenn der Sternalis als menschliche Neubildung auf dem Boden des M. pectoralis major entstanden ist, so steht zu erwarten, daß bei den vielen doch immerhin genau aufgenommenen Befunden eine vollständige, einwandsfreie Reihe von der ersten Ablösung der Mus- kelmasse vom Pectoralis bis zur völligen Selbständigkeit des Ster- nalis sich sollte aufstellen lassen. Das ist für andre rein menschliche Muskelneubildungen geiungen. Der Versuch mißglückte aber für den Sternalis. Letzterer hat gerade in den Fällen, in welchen er aus zarten, schwachen Faserzügen besteht, in der Regel eine so große Selbständigkeit, daß von einem genetischen Zusammenhange mit dem Pectoralis schlechterdings nicht geredet werden kann. In den winzigen Sternalisformen sollte der Anfang der Bildung zu er- kennen sein. In ihnen sollte der Zusammenhang mit dem Peec- toralis zum klaren Ausdrucke kommen. Wäre das der Fall, so könnte man auch die mächtigeren Sternalisformen von noch größerer Selbständigkeit als losgelöste Pectoralisteile verstehen, welche dann in sekundäre Verbindungen mit dem M. sterno-mastoideus, der 426 Georg Ruge Reetusaponeurose usw. getreten sind. Dem ist nun, wie gesagt, keineswegs so. Es fehlt uns vielmehr eine fortlaufende Reihe von Entwicklungsformen zurzeit gänzlich. Wäre sie vorhanden, so würde sich der Annahme, daß der Sternalis eine menschliche, progressive Bildung auch von höherer funktioneller Bedeutung wäre, wohl kaum Widerspruch entgegenstellen. Bis jetzt kann eine solehe Annahme mit Fug und Recht nicht auf Geltung Anspruch erheben, da der tatsächliche Boden ihr entzogen ist. Der Zusammenhang zwischen Sternalis und Pectoralis major ist ein unendlich mannigfaltiger und regelloser. Es stellen sich sehr häufig Zwischensehnen zwischen den zusammenhängenden Bündeln ein. Die Bündel des Pectoralis entstammen häufig der sterno-costalen Por- tion; sie lösen sich am lateralen Rande des Sternalis ab, und ver- einigen sich mittels Sehnen mit bogenförmig abgezweigten Sternalis- bündeln. LAMBERT (1894) hat derartige Verbindungen beiderseits, rechts in der Höhe des 2. Intercostalraumes und der 4. Rippe, links in der Höhe der 2. Rippe beobachtet. Er legt ihnen eine große Be- deutung bei. Mit Unrecht; denn an demselben Falle bestanden Ver- bindungen des Sternalis mit dem Sterno-mastoideus und mit der Aponeurose des Obliquus abdominis externus, mit dieser unter Durch- kreuzung der Sternalissehnen. Die Verbindungen mit dem Sterno- mastoideus, sogar kreuzweise auftretend, pflegen viel intensiver, als die mit dem Peetoralis major ausgesprochen zu sein, und demnach sind sie als sekundär zustande gekommen zu beurteilen. Nicht selten hängt der Sternalis mit den sternalen Bündeln des anderssei- tigen Pectoralis major zusammen. Ein solcher Befund ist aber völlig wertlos für die Ableitung des Sternalis vom Peetoralis major. Er ist unter Berücksichtigung der gegenseitigen Symmetrie des Körpers als sicheres Zeichen einer Sekundärverbindung auszugeben. Wir halten daran fest, daß der Übergang des Sternalis in Pee- toralisabschnitte an und für sich gar nichts für die Ableitung des ersteren von letzteren beweist, da der Übergang überall als ein sekundärer auftreten kann, in der Regel in dieser Weise gedeutet werden muß. Triftige Gründe werden der einen oder andern Art der Muskel- verbindung immerhin eine genetische Bedeutung beilegen können; aber diese Gründe müssen anzugeben sein. Sogenannte interessante Beobachtungen von Verbindungen beider Muskeln haben in der Regel kein Interesse bei der Frage nach der Deutung des Sternalis, ebensowenig wie dessen Übergang in den M. sterno-mastoideus. Wie Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 4937 innig zwei ganz verschiedene Muskeln durch eine Zwischensehne verschmelzen können, ist dem Morphologen am M. biventer maxillae des Menschen durch die Natur vorgeführt. ANTHONY hat sich über die Ansicht, der Sternalis sei ein aber- riertes Bündel des oberflächlichen M. pectoralis, zutreffend geäußert: - cette opinion n’est basde que sur des interpretations peut-tre has- ardees (1900, S. 490). Der Nachweis einer aus einfachen Anfängen heraus entstandenen Neubildung, wofür der Peetoralis das Material geliefert habe, ist für den Sternalis nicht erbracht worden. Man mußte sich deshalb auf andre Weise helfen. Da die ein- fache naturgemäße Normalentwicklung des Sternalis als menschliche Neubildung nicht nachweisbar ist, so hat sich mit ungewohnter Schnelle die Annahme eingestellt, der M. sternalis sei wohl ein Ab- kömmling des M. pectoralis major, aber eine excessive, abnorme Bildung in jedem Sinne. Sie verdanke ihre Entstehung einer Ab- spaltung von Fleischmassen des Pectoralis, welche in embryonaler, in einer unkontrollierbaren Zeit erfolge. Die abgelösten Pectoralis- massen sollen durch eigenartige, selbstverständlich aber regelmäßige, das soll heißen gesetzmäßige Verlagerungen in die Stellung des Sternalis gelangen und ihn ausmachen. Der Sternalis tritt nach dieser Annahme ganz aus dem Rahmen einer normalen Entwicklung heraus. Er ist eine excessive Bildung, eine Abnormität im Sinne des wahrhaften Gegensatzes zu den normalen Organen, eine Wunder- bildung, insofern wir uns in der Tat darüber wundern müssen, daß ein wohl geschlossener Muskel wie der M. pectoralis während seiner Entwicklung, plötzlich hier und dort größere Massen entsendet, aus welchen sich immer ein neuer wohl abgegrenzter Muskel bildet. Als theratomorpher Bildung ist dem Sternalis durch jene Annahme die höchste Sonderstellung zudiktiert worden, welche einer so oft auf- tretenden Varietät nur werden kann. Etwas Ähnliches kommt, so weit bekannt, in der Organisation der Säugetiere nicht vor. Es ist ja auch für den Sternalis nicht nachgewiesen; aber eine neue Idee ist aufgetaucht, und mit dieser läßt sich vieles anfangen! Wir ver- langen aber in wichtigen morphologischen Fragen den direkten oder den Wahrscheinlichkeitsbeweis. Deshalb strecken wir vor einer sol- chen Annahme der Autoren nicht ohne weiteres die Waffen. Die verlangten strengen Beweise lassen wir nicht durch viele aneinander sich reihende Denkarten, die wir Hypothesen nennen, uns ersetzen. Wir müssen die zwei Arten, welche der Sternalis als Neubildung Morpbolog. Jahrbuch. 33. 28 428 Georg Ruge beim Menschen darstellen könne, gut auseinander halten. Er könnte also erstens eine aus einfachen Anfängen vom M. peetoralis major heraus entstandene Bildung sein, welche sich allmählich durch Aber- rationen von Fleischbündeln des, wohlverstanden, fertigen. mensch- liehen Muskels herleitet. Er könnte zweitens eine aus dem Rahmen alles Normalen völlig sich loslösende excessive Bildung sein, welche als Neubildung nicht vom fertigen Pectoralis, vom Muskel des Erwach- senen, sich herleitet, sondern aus unbekannten Ursachen von unbe- kannten embryonalen Abspaltungsvorgängen einen Ausgang findet. Im ersten Falle würde es sich handeln um eine normale, progressive Bildung des Menschen, im zweiten Falle aber um eine atypische, eine excessive Wunderbildung. Beide Arten der neuen Bildung hätten das Gemeinsame, daß der M. pectoralis major das Baumaterial für den Sternalis abgäbe. Für beide Arten ist deswegen auch vorauszusetzen, daß, bevor sie den Grundstock für eine wissenschaftliche Lehre bilden, das Neuge- bildete in unzweifelhaftem genetischen Zusammenhange mit dem Mutterboden erkannt worden ist. Es ist dabei völlig gleichgültig, ob die Abspaltung des Sternalis vom Pectoralis in die Zeit der Aus- bildung oder in die Zeit der Anlage des letzteren verlegt wird. Bevor dieser angenommenen Bildungsgeschichte des Sternalis Glauben zu schenken ist, wird also die hier oder dort beobachtete Erhaltung eines Zusammenhanges des Neugebildeten mit dem Altvorhandenen gefordert. Wenn ein solcher Zusammenhang bestünde und beobachtet worden wäre, so hätte man ihn für die einfache Entstehungsart des Sternalis aus dem Pectoralis major verwendet. Da er nicht bekannt geworden ist, so hat man zu der unverständlicheren, dunkleren An- nahme die Zuflucht genommen, daß embryonale, schwer, sehr wahr- scheinlich sogar gar nicht kontrollierbare Vorgänge im Spiele seien, welche beim Erwachsenen abgelaufen sind, ohne die Kennzeichen der angenommenen Bildungsweise zu hinterlassen. Mit dem Rück- zuge hinter die ganz unbekannt gebliebenen embryonalen Verhält- nisse auf dem Pectoralisgebiet kann die Forschung sich nicht zu- frieden stellen. Sie fordert mehr Klarheit. Der sichere Nachweis einer durch Beobachtung festgestellten, einwandsfreien Serie der Ablösung von Peetoralisbündeln bis zur selbständigen Entfaltung des Sternalis hätte die Sternalisfrage längst gelöst, und alle früher besprochenen Deutungen besäßen nur noch einen historischen Wert. Ein solcher Nachweis hätte wohl noch die Frage wachrufen können, ob die durch Abspaltungen eingeleiteten Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 429 Neubildungen beim Menschen, etwa auf Grund einer längeren Ein- bürgerung der Erscheinung, nicht schon in die embryonalen Perioden hinein verlegt worden wären, was dem Sternalis eine ältere Ge- schiehte im Menschengeschlecht zuweisen würde. Um die Deutung des Sternalis als einer Pectoralisabspaltung in früher Entwieklungszeit auch nur einigermaßen zu erhärten, gehört, wie gesagt, ebenfalls der durch direkte Beobachtung gelieferte Nach- weis des zuweilen erhaltenen Zusammenhanges des Sternalis mit dem Pectoralis. Im Fluge der Gedanken lassen sich alle Befunde in der Sternalisgruppe durch Annahme abgesprengter Peetoralismassen er- klären, und den untergeschobenen abgesprengten Keimen kann man nach Belieben alle denkbaren Umformungen unterschieben. Alles Denkbare ist aber nicht notwendigerweise das Rechte. Mit abge- sprengten Keimen ist von jeher viel Unfug getrieben worden; sie geben der Willkür freien Lauf. Nach der Absprengungshypothese hätten die vom Pectoralis major gelieferten Sternaliskeime, natürlich kraft einer ihnen inne wohnen- den, bestimmten Bildungsenergie, sich weiter entwickelt, eine be- stimmte Schwenkung des Verlaufes in dem Sinne ihrer späteren Bündelrichtung angetreten, um dann regelmäßig alle Eigenschaften zu erwerben, welche wir an den Sternalisformen kennen. Die richtige Annahme von der Zusammengehörigkeit der Pectoralisgruppe mit dem Sternalis ist ersetzt worden durch die bestimmtere Ansicht, der Ster- nalis sei ein Produkt des M. pectoralis major. Diese Hypothese hat die andre Hypothese nach sich gezogen, daß abgespaltene Bündel des Peetoralis major einer regelmäßigen Drehung unterworfen seien, wodurch sie allmählich in die der Längsachse des Körpers nahezu parallele Richtung übergeführt werden. Dieser Rotationshypo- these huldigt CunwınGHAm (1888, 1895). Mit ihr läßt sich alles er- klären. Das Erklärte kann aber von Grund aus falsch sein. WILSON erklärt die Hypothese als diejenige Erklärungsart der Sternalis- entstehung, welche heutzutage das Feld behauptet (1897). Das scheint in der Tat der Fall zu sein; denn EisLer rechnet mit dieser ganz unbewiesenen Hypothese bereits so sicher, als ob an ihrer Richtigkeit nicht mehr gezweifelt werden dürfe. Hunrtın@GTon (1904) steht ganz auf dem Eısterschen Standpunkte. Nichtsdestoweniger bleibt nach meiner Ansicht die Rotationshypothese unbefriedigend und insofern gefährlich, als sie weiteren Forschungen allzu früh den Riegel vorschiebt; denn man kann, sobald der Sternalis als ein atypischer, durch mechanische Faktoren groß gezogener Muskel 25* 430 Georg Ruge ausgegeben wird, die nach eignem Gutdünken angenommenen Kräfte spielen lassen wie man will. Die Willkür ist damit frei gegeben. Warum die abgesprengten Keime nicht in allen möglichen, unregel- mäßigen Massen, etwa in aufgewundenen oder spiraligen Bündel- zügen angetroffen werden, bleibt unaufgeklärt. Auch sollten exces- sive Embryonalbildungen in verkümmerten Muskelfasermassen anzu- treffen sein. Der regelmäßige muskulöse Bau des Sternalis, mit meist ausgesprochenem Längsverlaufe stimmt zu ihm als einem aty- pischen, abnorm angelegten Organe nur sehr schlecht. Daß auch die winzigsten Andeutungen eines Sternalis das gleiche Los mit den kräftig entwickelten Formen teilen, erscheint für eine embryonale Bildungsstörung wundersam. Aus einer frühzeitig embryonal ange- legten Störung von so häufigem Auftreten sollten merkwürdigere Mißgestaltungen als Regel hervorgehen. Die ebenfalls unbewiesene Annahme einer progressiven Neubildung des Sternalis auf dem Boden des ausgebildeten M. pectoralis major bleibt befriedigender für unser morphologisches Denken. Die Entwicklung des Thorax und dessen Musknlatar wird beim Menschen und bei den nahe verwandten Primaten nach unsrer jetzigen Vorstellung keine grundverschiedene sein. Es wird wenigstens schwer halten, auch nur ein einziges Merkmal zu nennen, welches hier auf eine Grundverschiedenheit der embryonalen Vorgänge in der Peetoralisgruppe hindeutet. Sind diese aber der Natur nach ähnlich, so fragt es sich, warum bei den höheren Säugetieren niemals Ster- naliskeime vom Pectoralis abgespalten werden. Bei keinem Affen ist jemals ein Sternalis gefunden worden, und Hunderte von ihnen sind sicherlich schon sorgfältigst zergliedert worden. Daß nur beim Menschen Bildungsanomalien der angegebenen Art vorkommen sollen, stimmt nicht mit den Erfahrungen überein, welche an andern Kör- perteilen gemacht werden. Die Annahme, der Sternalis sei eine excessive Entwicklungs- bildung, kann anerkennend insofern hingenommen werden, als sie neue Anregung für die Erforschung der Sternalisfrage bringt. Einen Fortschritt in unsrer Erkenntnis bedeutet sie zunächst nicht. Wenn eine so häufig wie der Sternalis auftretende Muskelvarietät keine Neubildung, auf normalem Wege entstanden, sein kann, so ist es viel wahrscheinlicher, daß ihr eine stammesgeschichtliche Bedeutung zugrunde liegt. Ist diese auch schwer zu erkennen, so braucht nicht gleich die noch schwerer zu begreifende Annahme einer excessiven em- bryonalen Entstehungsart aufklärend an die Seite gestellt zu werden. Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 431 Ob der Sternalis einen stammesgeschichtlichen Hintergrund be- sitze, kann nur durch Berücksichtigung aller, auch der geringsten Merk- male an ihm entschieden werden. Sollte diesbezüglich einmal alles geprüft sein, aber nichts Stichhaltiges für die atavistische Natur des Sternalis sich ergeben, dann würde man sich mit einem gewissen Rechte zur Vermutung drängen lassen dürfen, der Sternalis könnte eine menschliche, neue Bildung mit progressiver Eigenschaft sein. Hätte die durch diese Vermutung geweckte Untersuchung alle In- stanzen ohne Ergebnisse durchlaufen, dann erst dürften wir unsre Zuflucht zum Verdachte nehmen, der Sternalis wäre das, wofür ihn in letzter Zeit P. EiSLER als sicher ausgegeben hat (1901), d.i. als eine abgesprengte, dann verlagerte Portion der Pars sternalis des Pectoralis major, welche Absprengung infolge der Störung einer nor- malen Entwicklung erfolgt wäre. Wir legten hiermit dem Wesen des Sternalis etwas unter, was diesem vollkommen vereinzelt zukäme und ihm einen besonderen Platz zuwiese. Soweit sind wir nun aber noch keineswegs. Nach diesen Auseinandersetzungen von mehr grundsätzlicher Art, gehen wir auf den Gedankengang desjenigen Forschers etwas näher ein, welcher das letzte Wort über die morphologische Bedeutung des Sternalis gesprochen hat. P. EisLER vertritt die im obigen zurück- gewiesene Ansicht, der Sternalis sei ein Abspaltungsprodukt des M. pectoralis major, die Absprengung erfolge im Bereiche der Pars sternalis des Brustmuskels, und zwar infolge einer Störung der normalen Entwicklung. EısLer erhebt seine Annahme zur Gewib- heit, indem er sich auf die bis in die feineren Einzelheiten von ihm dargelegten Innervationsverhältnisse verläßt (1900, S. 151). Als mon- ströse Bildung ist der Sternalis bereits durch andre ausgegeben worden (vgl. LE DousLE 1897, S. 484), sein häufiges Vorkommen bei Anencephalen gab hierzu Veranlassung genug. Die Ursache für die Abspaltung liegt nach EısLer außerhalb des Pectoralis major. Sie sei in der außergewöhnlichen Verbreiterung eines oder mehrerer der ersten Zwischenrippenräume zu ‚suchen. Über die Ursache für letztere Erscheinung konnte EISLER zwar noch kein abschließendes Urteil wegen mangels an geeignetem Material sich bilden; doch schien ihm sicher, daß der erweiternde Faktor in einem abnormen Andrängen eines der Eingeweide im cranialen Thoraxabschnitte zu suchen wäre (1900). EıIsLER ist geneigt, die Ursache für die Erweiterung der Zwischenrippenräume in einer Hyper- plasie der Thymus oder in der abnormen Vergrößerung des Herzens 432 Georg Ruge und gar im Auftreten einer nicht näher bestimmbaren Cyste von Bohnengröße anzunehmen. Diese wirksamen Ursachen werden in die Zeit der ersten Entwicklung des Brustkorbes verlegt. Hier liegt ein inhaltreiches Programm vor: Die abgesprengten, zum Sternalis sich ausbildenden Pectoralis- teile erleiden unter dem Wachstum des Pectoralis major und der Ausbildung des Rumpfes eine Verlagerung, welche in einer Drehung der Sternalisteile derartig sich vollzieht, daß das ursprünglich late- rale Endstück eine craniale, das mediale Endstück aber eine cau- dale Stellung einnimmt, woraus die Längsstellung des Sternalis und dessen Bündelkreuzung mit den Bündeln des Pectoralis hervorgehen. Indem diese Drehung der durch eine Entwicklungsstörung ab- gesprengten Pectoralisteile sich regelmäßig vollzieht, soll ein aty- pisch ins Leben gerufener Muskel sich typisch weiter entfalten. Selbst den feinen Nervenfäden des Sternalis wird bei der an- genommenen Drehung eine mechanische Rolle zugewiesen. Sie sollen den Muskel auf der Unterlage festhalten, welcher Widerstand die Drehungsachse beeinflusse (1900, S. 151 und 1901). Der Sternalis drehe sich dann wie ein im Strome treibender Balken. Der durch Rotation in die Längslage übergeführte M. sternalis könne in sekundärer Weise einen Zusammenhang mit dem M. pecto- ralis und dem M. sterno-mastoideus derselben oder der andern Seite gewinnen. Nach der Vorführung dieser recht ansehnlichen Anzahl von über- raschenden Annahmen, welche eng aneinandergepaßt sind, kommt EisLEr zum Ergebnisse, daß der Sternalis weder zu den prospektiven noch zu den retrospektiven Muskelvarietäten gehöre, daß er vielmehr eine selbständig gewordene Aberration vorstelle. Der in seinen anatomischen Untersuchungen sonst so genaue Forscher liefert uns hier in einer Kette von unbewiesenen Annahmen Nahrung für viele Zweifel und lebhaftesten Widerspruch. Auf unserm Gebiete ist im Aufstellen von Hypothesen wohl kaum mehr geleistet worden. | Mechanische Prinzipien, in früher Entwicklungszeit wirksam ge- dacht, werden hintereinander für bestimmte Folgeerscheinungen ver- antwortlich gemacht. Allzu große Anschwellungen (Hyperplasie) von Thymus und Herz sind die Ursachen der Störungen. Von diesen Hyperplasien wissen wir tatsächlich gar nichts. Wohl ist bekannt, daß das Herz schon in frühester Entwicklungszeit einen sehr statt- lichen Umfang besitzt und als wichtiges, umfangreiches Fötalorgan Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 433 einen formgestaltenden Einfluß auf seine Nachbarorgane ausübt und ausüben muß, welche Einflüsse wieder im Laufe der normalen Or- ganentfaltung überwunden werden. Auch der Thorax zeigt in seiner äußeren Formgestaltung vorübergehend die Abdrücke von Herz und Lungen. Diese Erscheinungen gehören zu den gewöhnlichen Anpas- sungen der Nachbarorgane an das zeitweilig vorherrschende Organ auch in embryonaler Zeit. Die mächtige fötale Leber übt auf ihre Nachbarn, auch auf den Thorax, einen gleichen, vorübergehenden Einfluß aus. Wie nun gerade der 1.—4. Zwischenrippenraum eine außergewöhnliche Verbreiterung durch Thymus und Herz erfahren müssen, ist nicht einleuchtend. Die Aufstellung von diesen inein- ander greifenden Faktoren ist eine gekünstelte. Eine verhältnismäßig größere Längsausdehnung der die genannten Organe umfassenden Rippen könnte als Anpassung an die willkürlich angenommene Hyperplasie ausgleichend wirken, wenn diese Hyperplasie wirklich bestände. EisLEr schaltet mit vollkommen unerwiesenen Faktoren. Das überaus mächtige, fötale Herz dehnt sich zur Zeit der Anlage des Brustkorbes bereits weiter caudalwärts aus und entspricht hierin dem ihm später angewiesenen Platze. Untere Rippen müßten durch das Herz in gleicher Weise beeinflußt sein. Würde man sich gar die ganz gewaltig entfaltete, fötale Leber als ein die normale Ent- wicklung der Nachbarorgane störendes Element vorstellen, so sollten wir an den unteren Rippen Veränderungen antreffen und an den sie umlagernden Bauchmuskeln sehr viel bedeutsamere Abspaltungen von allen möglichen Muskeln begegnen, als dies für den Pectoralis major durch EiSLER angenommen und weiter ausgeführt worden ist. Der M. serratus anterior, die breiten Bauchmuskeln und vor allem der M. rectus müßten einem störenden Einflusse der normalen Ent- wicklung öfters unterliegen. Doch davon wissen wir aus Beobach- tungen gar nichts. Da EisLEr für seine Sternalisdeutung aber eine abnorme Erweiterung der oberen Zwischenrippenräume nötig hat, so lag ihm wohl der Gedanke nahe, Herz und Thymus seien die Ur- sachen für diese Erweiterungen gewesen. Die Erweiterung der Zwischenrippenräume kann als der wesent- liche Faktor für die Sternalisbildung ohne berechtigten Einwand schon deshalb nicht gelten, weil diese Skelettabweichung kein konstanter Begleiter des überzähligen Muskels ist (s. HUNTInNGToN 1892), und der Sternalis bei der Erweiterung von Zwischenrippenräumen in gleicher Weise auch vermißt wird. Ich habe diesen Verhältnissen in letzter Zeit meine Aufmerksamkeit zugewendet und mich davon 434 Georg Ruge überzeugen können, daß eine auffallende Erweiterung in den be- treffenden Zwischenrippenräumen, welche zugleich mit einer Spaltung der Skelettspangen gepaart ist, ohne einen Sternalis und ohne jeg- liche Abweichungen im Peectoralisgebiete angetroffen werden kann. Man muß nach der Kenntnisnahme der wenigen genauen, aber sehr wertwollen Beobachtungen über die Nervenverzweigungen im M. pectoralis major und im Sternalis EısLers Ausführungen über die aus dem Nervenverlaufe sich ergebenden Folgerungen aufmerk- sam und mit dem Wunsche, Belehrung und endgültige Aufklärung zu empfangen, lesen. Man wird wahrnehmen, daß durch Aneinander- fügen von Annahmen an andre Annahmen vieles abgeleitet und er- klärt wird. Oftmals regen sich die Zweifel, und schließlich dürfte man nur noch davon überzeugt sein, daß aus der genauen Nerven- verzweigung über die Herkunft des Sternalis gar nichts abgelesen werden kann. Diese Überzeugung habe ich empfangen. Ich ver- weise auf S. 51 und die folgenden Seiten des EısLerschen Aufsatzes und entnehme ihm das Folgende. Die oberflächlich über den Pectoralis verlaufenden Nerven des Sternalis überschreiten in schräger Richtung die Peetoralisbündel, und zwar überall so, daß ihr mediales Ende zwischen weiter eranial- wärts gelegene Bündel eindringt. »Man erhält dadurch den Ein- druck einer Verwerfung oder Drehung der Pectoralisbündel, wie sie im normalen Muskel nicht vorhanden ist. Da verlaufen ja, wie wir sahen, die intramusculären Stämmchen eher in umgekehrter Rich- tung und erreichen, je weiter sie medianwärts vordringen, allmählich um so weiter caudal gelegene Bündel. Es hat also ein Teil des Pectoralis eine abnorme Entwicklung erfahren.« Dieser Schluß ist durchaus nicht zwingender Natur, da die An- wesenheit des Sternalis an und für sich eine andre Verlaufsart der Nerven bedingen muß als im normalen Zustande, wo er fehlt. Die Entwicklung des Pectoralis braucht deshalb keine abnorme gewesen zu sein. EISLERS Zuversicht in die Sicherheit dieser Aussage bleibt, wie ich meine, nur eine subjektive. Ich vermisse alle Nervenäste für die caudalen Pectoralisbündel, welche im gegebenen Falle mit dem vorhandenen Sternalis verglichen worden sind. Aus dem Vergleiche der oberflächlichen mit den tiefen Nerven des Pectoralis major wird auf eine Entwicklungsstörung geschlossen, welche dahin formuliert ist: »An den zwischen 3. und 5. Rippe an- gehefteten, oberflächlichen Bündeln der Sterno-costal-Portion des Pec- toralis ist die normale Einrollung der humeralen Enden ausgeblieben.« Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 435 EisLer begründet diese Annahme damit, daß die oberflächlichen auch zum Sternalis ziehenden Nerven nicht wie die tiefen in der Richtung der Pectoralisbündel verlaufen, und daß das Stämmchen 7 (Taf. I Fig. 1) eine Schlinge mit dem ersten schrägen Stämmchen bildet. Auch diese Erscheinung kann durch Anwesenheit eines Sternalis an und für sich und durch dessen Nerven bedingt sein. Das Aus- bleiben einer normalen Einrollung der angegebenen humeralen Enden des Pectoralis lasse ich auf sich beruhen. Diese Annahme halte ich für so gekünstelt, daß ich sie in Wahrheit nicht verstehe. Weil im Fall III (Tafelfig. 1) die drei Sternalisnerven kurz vor dem Austreten aus dem Pectoralis diesem Zweige abgeben, und diese Zweige dem Stämmchen so fest angeschlossen sind, daß Trennungs- versuche vergeblich sind, soll das Material für den Aufbau des Ster- nalis ursprünglich dem Anlagematerial der betreffenden Peectoralis- bündel angeschlossen gewesen sein und sich erst später davon entfernt haben. Die Größe der Entfernung soll sich einfach an der Strecke, die zwischen dem Eintritt der Nervenzweige in die Pecto- ralisbündel und den Endverzweigungen des Sternalisnerven gelegen ist, bemessen lassen. Das scheinen lauter in Lapidarschrift gegebene Wahrheiten zu sein (S. 52). Hierzu ist zu bemerken: Die mehr oder weniger feste Verbindung zwischen mehreren, eine Strecke miteinander verlaufenden Nerven ist keine Erscheinung, welche an und für sich eine weitgehende Schlußfolgerung gestattet. Die Verbindung der Nerven kann im betreffenden Falle durch ganz anders geartete Verlagerungen des Sternalis und der ihm folgenden Nerven entstanden sein. Beispiele für sehr auffallende Nervenver- lagerungen, bedingt durch das Bestreben, ihr Endorgan auf möglichst kurzem Wege zu erreichen, sind viele bekannt. Solche Verlagerungen können den Anschluß an andre Nerven mit sich bringen. Kein ein- ziger Punkt in den obigen Angaben ist überzeugender Art für mich. Die Beweisführungen EisLEers gehen in ähnlicher Weise weiter. Daß der Sternalis sich bereits frühzeitig von dem Pectoralismaterial getrennt und dann vom Pectoralis gänzlich unbeeinflußt sich weiter entwickelt habe, soll aus der Art des Eintritts und Verlaufs der Ner- ven im Sternalis zu erschließen sein. Hierin nun einen zwingenden Grund für die angenommene Entwicklungsweise des Sternalis er- blicken zu müssen, ist viel gefordert, da ein bestimmter Verlauf und Eintritt eines Nerven in den Muskel fraglos auf sehr verschiedene Weise zustande kommen können. Aus einer Erscheinung alles ableiten 436 Georg Ruge zu wollen, stößt beim Leser auf Bedenken, mit welchen der Autor nicht gerechnet hat. Es folgt der Beweis dafür, daß der Caudalrand der lateralen Sternalisportion mit der ganzen medialen Portion von weiter cranial gelegenen Bündeln des Pectoralis abstamme als die craniale Hauptmasse der lateralen Portion. Der Beweis beruht auf der Ver- teilungsart der drei vorbandenen Nerven für den Sternalis. Er wird unter der Annahme geführt, welche besagt, daß der eine Nerv augen- scheinlich erst sekundär über den andern hinweggeschoben worden sei. Wenn nun aber, wie der Autor selbst zugibt, sekundäre Ver- schiebungen im Nervenverlaufe augenscheinlich möglich sind, so ver- liert dieser Verlauf an Beweiskraft für die, auf eine andre Weise nicht wahrscheinlich gemachte Annahme eingreifender und unendlich wichtiger Verlagerungen im Sternalisgebiete. Wenn die eine Art des Nervenverlaufs für die gewünschte Beweisführung richtig liegt, die andre aber augenscheinlich sekundär verändert sein soll, so läßt sich eben vielerlei aus einer anatomischen Tatsache herauslesen, was aber die angewandte wissenschaftliche Methode, wie ich meine, als unstatthaft erscheinen läßt. Eine Schlinge zwischen zwei Nerven datiert nach EisLER noch aus der Zeit der zelligen Anlage des Pectoralis (S. 53). Diese be- stimmte Aussage macht die andern, welche man im Texte nach- lesen mag, durchaus nicht annehmbar. Ihr liegt eine persönliche Überzeugung zugrunde, welche man wertschätzen kann, aber nicht anzuerkennen braucht. EısLers Folgerungen werden noch um vieles bestimmter, ohne daß die Voraussetzungen sicherer gestellt sind. »Für die Abspal- tungen (des Sternalis) kommen die Pectoralisabschnitte vom sternalen Ende des 4. und 5. Rippenknorpels in Betracht.« Das gehe auch daraus hervor, daß ein langer Perichondriumzweig an den 5. Rippen- knorpel vor Abgabe der Äste in die laterale Sternalisportion von dem einen Sternalisnerven abgehe, und daß nach der Versorgung der medialen Sternalisportion ein paar kurze Zweige an den 4. Rip- penknorpel abgegeben werden. — Wenn man vernähme, daß wir von der Bedeutung und Tragweite aller dieser Verlaufsarten vorläufig noch gar nichts Bestimmtes wüßten, so wären wir befriedigt und könnten meinen, diesem oder jenem Verhalten könnte vielleicht noch einmal eine Bedeutung zukommen. Statt dessen soll bewiesen werden, daß von einem ganz bestimmten Pectoralisabschnitte der Sternalis ab- gesprengt sei, wofür die vielen unbekannten und nichts Bestimmtes aussagenden Erscheinungen als Erklärungen benutzt werden. Der Hautrumpfmuskel der Säugßtiere usw. 437 Der Sternalis hat sich nach EisLer zu den Pectoralisbündeln gedreht, und wollte man den fertigen Sternalis auf den ihm zustehen- den Platz im Pectoralis reponieren, so würde das jetzige gemein- same ceranial-mediale Insertionsende zum lateralen Ende werden (S. 53). Diese Schlußfolgerungen können ja vielleicht richtig sein, wenn man den Sternalis als Abspaltungsprodukt vom Pectoralis major in der Höhe der 3. und 4. Rippe betrachten darf. Das Haupter- fordernis bleibt hier aber unerfüllt, und das ist der Nachweis der abnormen Abspaltung des Sternalis vom Pectoralis major selbst. Eıisters Schlußfolgerungen können aber auch in dem angenommenen Falle der Richtigkeit der Abspaltung falsch sein, da die Drehung des Sternalis nach meinem Dafürhalten gerade in umgekehrtem Sinne denkbar ist, ohne auf größere Schwierigkeiten dabei zu stoßen. Alle vorgetragenen Annahmen EisLers sind nicht durch den Zwang der Notwendigkeit diktiert. Nachträglich ersehe ich, daß Huntin@ron (1904) tatsächlich eine andre Drehungsart annimmt. Da es sich bei der Rekonstruktion der Drehungen von abgesprengten Pectoralis- keimen um die unbewiesensten Hypothesen handelt, so wird sehr wahrscheinlich noch manch andre Art der individuellen Vorstellungen in Zukunft auftauchen. Es ist ratsam, hier nicht vorzugreifen; sonst könnten verschiedene Möglichkeiten der Rotation des Sternalis mit der gleichen Zuversicht, wie sie bei EISLER und Huntington sich findet, vertreten werden. Ich übergehe einige Punkte in EısLers Aufsatz und wende mich zur Besprechung der Sehnennerven (S. 54). Die Endsehnen der Muskeln der Extremitäten empfangen nach FROHSE, die des Rumpfes nach EisLEeR regelmäßig langgestreckte Zweige aus den motorischen Nerven. Der Sternalis erhält keinen Sehnennerven, wie EISLER mitteilt. »In der eranial-medialen Sehne verzweigt sich allerdings eines der mit P (Tafelfig. 1) bezeichneten Stämmchen, das erste der oberflächlich gelegenen, aber es gehört eigentlich der darunter befindlichen Pectoralisportion an, die mit der Sternalisab- spaltung nichts zu tun hatte.< Nun kommt auch die Erklärung dafür. >Augenscheinlich wurde das bereits in der Pectoralisanlage oberfläch- lich liegende Stämmchen mit seinen Endorganen durch die wach- sende mediale Sternalisportion eranialwärts verschoben in das Binde- gewebe, aus dem der Sternalis schließlich seine Sehne entnahm.« Also wir vernehmen: Der Sternalis hat keinen Sehnennerven. In der eranial-medialen Sehne verzweigt sich allerdings ein Stämm- chen. Da dasselbe für die Deutungen nicht ganz passend erscheint, 438 j Georg Ruge so gehört es mit einem Male eigentlich dem tiefer gelegenen Pec- toralis zu. Die Willkür der Deutungen tritt hier deutlich zutage. Auf diese Weise werden die Zeugnisse vieldeutig und bezeugen gar nichts mehr, weil man alles mit ihnen beweisen kann. Trotzdem zugegebenermaßen der »Sternalis tatsächlich einen Sehnennerven besitzt, wird ihm, weil er eine atypische Bildung sein soll, im weiteren ein Sehnennerv völlig abgesprochen. Der Sternalis ist nunmehr ein atypischer Muskel, da nur typi- sche Muskeln konstant eigne Sehnennerven besitzen. Als atypischer Muskel ist er nicht primär angelegt (S. 55); er ist daher auch nicht zu den retrospektiven Varietäten (echten Atavismen) zu zählen und muß lediglich als Abspaltung einer Portion des Peetoralis major angesehen werden. Diese gewichtigen Sätze folgen alle unmittelbar aufeinander, und der Autor bewegt sich auf einer spekulativen Bahn, welche, wie der Leser staunend wahrnimmt, ihn rasch zu dem ersehnten Ziele führt. Dies Ziel ist nicht das unsrige, da es zu leicht errungen ist, und da das auf dem zurückgelegten Wege Befindliche nur ganz leichthin be- trachtet und dessen Wesen deshalb wohl kaum ergründet worden ist. In den folgenden Auseinandersetzungen reiht sich bei EISLER eine Hypothese an die andre an, um darzutun, daß bei einem männ- lichen Individuum eine kräftige Schaltsehne zwischen oberflächlichen Bündeln beider Pectorales, welche die Sternalissehne in der Höhe des 2. Rippenknorpels in sich aufnimmt, eine Sternalisbildung ist. Unter anderm heißt es da: »Der gleichzeitig mit dem Peetoralis sich kontrahierende Sternalis benutzt dann den wulstigen Rand des Peetoralis als Hypomochlion und hob allmählich die Sehnenplatte vom Sternum ab« (S. 56). Hierfür wurde zuvor noch angenommen, daß das prästernale Bindegewebe durch die schräg caudal her- antretenden Sternalisbündel beeinflußt wurde, und eine Ablenkung der andersseitigen Pectoralissehne nach der Richtung des Schräg- zuges, weiterhin ein Mitziehen der gleichseitigen Pectoralissehne er- folgten, daß schließlich durch den von drei Seiten eingreifenden Zug eine Verwachsung der gemeinsamen Sehnenplatte mit dem Brust- beine verhindert wurde. Um einen anatomischen Befund zu erklären, werden hier sehr viele Vorgänge als ganz natürliche und einfache untergeschoben, welche, wenn sie sich wirklich abgespielt haben, die Beweisführung annehm- bar machen können; aber tatsächlich wissen wir von diesen Vor- gängen, welche uns als so selbstverständliche geschildert werden, Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 439 gar nichts. Die Erklärungen fußen auch auf der Voraussetzung, daß der Sternalis sich gleichzeitig mit dem Pectoralis zusammengezogen habe. Über die Kontraktionsfähigkeit des Sternalis ist aber in dem betreffenden Falle gar nichts bekannt gewesen. Darf dieselbe so ohne weiteres vorausgesetzt werden? Wenn dieselbe etwa deshalb vor- ausgesetzt wird, weil sie einige Male beobachtet worden ist, so ist die Verallgemeinerung zum mindesten voreilig. Viele Muskeln, z. B. die Ohrmuskeln, besitzen nicht bei allen Menschen noch das frühere Kontraktionsvermögen, weil es bei einigen beobachtet wird, Der zuversichtliche Ton der Beweisführung erfüllt den ganzen Aufsatz und kann für den nicht aufmerksam Lesenden verhängnis- voll werden. Daß die durch eine Sehne hergestellte Verbindung zwischen Peetoralisbündeln und Sternalis keine genetische Bedeutung besitze, erscheint nun zwar nicht ganz selbstverständlich, wie EısLEr meint; immerhin kann ich, allerdings aus ganz andern Gründen, mit der Annahme übereinstimmen. Ein auf Taf. I (Fig. 2) abgebildeter schwach entwickelter Sternalis soll den Eindruck erwecken, als seien die Rr. perforantes anteriores der Intercostalnerven durch Entgegenstemmen ein Hemmnis für ein weiteres mediales Vordringen gewesen! Wo wären, so fragt der Leser, je Hautnerven ein Grund dafür gewesen, daß ein aktives Organ wie ein Muskel sich nicht nach seinem Vermögen ruhig weiter entfaltet hätte? Der sich entfaltende Muskel hätte ganz gewiß die Nerven verdrängt oder sie in seine Bündel aufgenommen, was für Fälle des Sternalis hinlänglich bekannt ist, worauf ja auch eine fälschliche An- nahme der Innervation des Sternalis durch Intereostalnerven beruht. Eister hat dies auch an einer andern Stelle (S. 66) hervorzuheben unterlassen. Der Sternalis soll die Intereostalnerven immer vor sich her medianwärts drängen und sie zwingen, den Umweg um seinen medialen Rand zu nehmen. Das ist eben nieht »simmer« der Fall. Oberflächliche Muskeln des Rumpfes nehmen, nachdem sie eine Orts- veränderung durchgemacht haben, die Hautnerven in den neu ge- wonnenen Gebieten in sich auf. Der Trapezius, der Latissimus dorsi, der Hautrumpfmuskel der Säugetiere, das Platysma, auch die Mus- keln des Gesichts werden von Hautnerven durchsetzt. Ein M. ster- nalis aber sollte in seinem Wachstum durch Hautnerven aufgehalten werden? Unsre Gesamtvorstellungen ven den Umwandlungen im Muskelsystem weichen hier von denen EisLErs ab. Bei der Besprechung der einzelnen Sternales gilt es für EısLEr 140 Georg Ruge von vornherein als ausgemacht, daß der Muskel ein Derivat der Peetoralisportion vom 3. oder vom 4. Rippenknorpel, in zwei andern Fällen dasjenige der Pectoraliszacke vom 3. und 4. Rippenknorpel sei (S. 57). Diese Annahme bildet für die späteren Erörterungen EısLers eine große Rolle. Deshalb kann nicht eindringlich genug auf die ungenügende Beweisführung hingewiesen werden. EısLer legt mit Recht seiner genauen Beobachtung des Sternalis bei einem Anencephalus größere Wichtigkeit bei. Die bei der Anen- cephalusfrage von ilım hervorgehobenen Erörterungen sind aber nach meiner Ansicht ebensowenig einwandsfrei wie die zuvor besprochenen (vgl. auch den folgenden Abschnitt). Der Forscher muß für die vom Peetoralis major abgesprengten Sternaliskeime eine Ablenkung aus der Richtung der Bündel des Stammmuskels annehmen. Er nennt sie wie vor ihm CUNNINGHAM eine Rotation. Dieselbe tritt nach ihm regelmäßig ein und muß dem- gemäß auch aus regelrecht wirkenden Ursachen hervorgehen. Die Besprechung findet sich auf S. 59—65. Die wirksamen Momente für die Rotation können, wie vorauszusehen ist, nur von mechanischer Art sein und müssen in eine frühe Entwicklungsperiode verlegt werden, in welcher die in der Abspaltung von Pectoralismassen sich äußernden Störungen auftreten. CUNNINGHAM vertritt ebenfalls die Meinung, daß der Sternalis durch die Rotation von abgesprengten Peetoralismassen entstehe. LE DougßLe hat, indem er die von Cux- NINGHAM angenommene Rotation keineswegs günstig aufnahm, die zweifelnden Fragen gestellt: 1) was die Ursachen für diese Be- wegungen seien, 2) wann die Rotationsbewegungen in Tätigkeit treten und 3) welche Ursachen die Kreuzungen der beiderseitigen Sternales zustande bringen? EiIsLER hat diese Fragen zu lösen gesucht. Er geht dabei von der Tatsache aus, daß die den Sternalis bil- denden Pectoralisbündel die Anheftung an den Humerus aus unbe- kannten Ursachen nicht gefunden haben, und daß Pectoralis und Sternalis sich zu dieser Zeit schon im Stadium faseriger Differenzierung befinden. Hier handelt es sich um nicht näher begründete Annahmen, welche nichtsdestoweniger als feststehende Dinge ausgegeben werden. Die medianwärts verwachsende Pectoralismasse nimmt den Sternalis einfach mit, da sie ja keinen Halt am Humerus besitzt. Jetzt tritt die Änderung der Faserrichtung ein. Liegt die lose Portion noch zwischen den Pectoralisfasern, so wird sie Rippen und Sternum viel- leicht etwas früher erreichen und sich am lateralen Ende noch Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 441 sekundär mit dem Humerus oder der Insertionssehne in Verbindung setzen. Daraus entstehen dann in der Innervationskurve Nervenbüschel. Ein jeder Punkt dieser Schilderung entbehrt des Beweises, Das Ganze ist deshalb nicht überzeugend; es stellt sich als eine wohl abgerundete Vorstellung persönlicher Art dar. Für die oberflächlich gelegenen Sternalisbündel kennt EısLer ebenfalls das Schicksal. Sie werden, am humeralen Ende nicht fixirt, median- (allenfalls etwas cra- nial-) wärts geschoben, durch die Ausbreitung des Pectoralis zugleich caudalwärts mitgenommen. Die Längsachse der Sternalisbündel muß in eine Winkelstellung zu den Pectoralisbündeln geraten, wodurch die Rotation eingeleitet ist. Der Rotationsmittelpunkt soll stets die Stelle des eintretenden Nerven sein, da hier die einzige relative Fixation gegen die. Pectoralismasse besteht. Für alles, was das Produkt der bloßen Meinung ist, liegt die Erklärung bereit. Am medialen Ende soll der Zug in caudaler Richtung mit der Längen- zunahme der Bündel immer wirksamer werden, wodurch der Schub am lateralen Ende eine immer günstigere Angriffslinie erfahre. Um die grobmechanische Anschauungsweise über den organischen Vor- gang ganz deutlich zu bekunden, wählt EısLer folgenden Vergleich: »Wie ein stromabtreibender Stamm sich mit großer Geschwindig- keit dreht, sobald er durch irgend einen Anlaß aus der Stromrichtung- abgelenkt dem Wasser eine Längsseite zum Angriff bietet, so gerät das lose Bündel bald in eine quere Stellung zu den Peetoralisbündeln, wobei das anfangs laterale Ende zum cranialen wird«e (S. 61). Hier werden Vorgänge, welche sich in embryonaler Zeit nach mecha- nischen Prinzipien regelrecht und sicher abspielen sollen, klar und anschaulich beschrieben. Ob solche Vorgänge wirklich bestehen, wird keinem Zweifel unterzogen, und dennoch ist auch nicht eine einzige Phase eines solehen wichtigen Vorganges direkt beobachtet worden. Alles ist abgeleitet und nach eignem Ermessen zu einem Ganzen aufgebaut. Der Vergleich des sich entwickelnden Sternalis mit einem im Strome treibenden Stamme ist durchaus bezeiehnend für die Vorstellungsweise von dem Entwieklungsvorgange als einem groben mechanischen Prozesse. Unsre völlige Unkenntnis von der onto- genetischen Entwicklungsweise des Sternalis setzt EISLER durch die Erklärungen beiseite, welche sie bis ins einzelne erkannt zu haben vorgeben. Um die Sternalisfrage als Objekt der weiteren, ruhigen Forschung nicht preiszugeben, müssen wir daran festhalten, daß sie durch die hypothetischen Rekonstruktionen EiSLERS nicht gefördert ist. Wenn anatomische Fragen in so zwanglos spekulativer Art in 442 Georg Ruge Zukunft behandelt werden dürfen, so gehen wir nach meiner Über- zeugung einem Rückschritte entgegen. Dem Sternalis wird durch Eıster auch ein Eigenwachstum zu- gesprochen. Dasselbe muß für den Muskel angenommen werden, um erklären zu können, wie die rotierten Bündel gelegentlich einen Nerven umwachsen. Zuvor war allerdings geltend gemacht, daß das Bündel, in der Querlage bis zum Sternum geschoben, die im Be- reiche seiner Länge durch die Brustwand austretenden Intercostal- nerven vor sich hertreiben müßte. Für die Vorgänge der Verlagerung des Sternalis gebraucht EısLEer folgendes Bild: »Ist die Portion einmal ins Schwimmen gekommen, so wird sie mit Notwendigkeit in der geschilderten Weise getrieben.« Das Bild, welches den Sternalis schwimmend und mit Notwendigkeit nach einer bestimmten Riehtung getrieben darstellt, bezeichnet wieder die Auffassung von den uns vollkommen unbekannten, embryonalen Vor- gängen. Es erweckt den Schein, als ob die Kräfte, welche bei der Anlage und Ausgestaltung des Sternalis tätig sind, klar vor unsern Augen ihre Schuldigkeit erfüllen. In Wahrheit handelt es sich um eine bildliche Erläuterung, durch welche gar nichts klargestellt wird, und welche nur die Schwierigkeiten zu verdecken imstande ist, die in der Sternalisentwicklung für uns auch heute noch bestehen. Die Einführung von Kräften, welche den Sternalis zum Schwimmen brin- gen, und von solchen, welche den schwimmenden Sternalis mit Not- wendigkeit nach einer bestimmten Richtung führen, erklärt zunächst den Vorgang nicht, sondern umschreibt ihn höchstens, da die Kräfte selbst ganz unbekannt bleiben. Wenn nun aber nicht einmal feststeht, ob der betreffende Vorgang, der erklärt werden soll, sich denn auch wirklich in der angenommenen Weise abspielt, so kann es sich vor- derhand nur um ein Spielen mit Erklärungsversuchen handeln, denen eine wissenschaftliche Bedeutung im strengen Sinne wohl kaum zu- kommen kann. Die geistreiche, aber nicht überzeugende Lehre von der Sternalis- entstehung krankt an der Überfülle von Annahmen, von denen eine die andre zu stützen hat. Die angenommenen entwicklungs-mechani- schen Kräfte, welehe das abgesprengte Pectoralisstück notwendig und gesetzmäßig lagern und ordnen sollen, müßten, so erwartet man, viel eher dazu beitragen, daß der armselige, atypische abgesprengte Keim im mechanischen Getriebe und Schwimmen wieder zugrunde gehen müßte, als daß er sich, im Strome getrieben, zu einem regelrecht ge- stellten, selbständigen, aber atypischen Muskel entfalten könnte. Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 443 Für die Erscheinung, daß nicht alle Sternales bis an das Sternum gelangen, ist ebenfalls eine Erklärung gefunden: Die Medianbewe- gung sei an der Stelle, an welcher die Nerven in den Sternalis ein- dringen, gehemmt worden, Dies ist der Eindruck, welchen EISLER aus seinen Beobachtungen empfängt (S. 62). Es entstehen in ihm einige Zweifel, welche :aber wieder weichen bei der Verwertung der Annahme, daß »die vom Stämmchen 6 (Tafelfig. 1) innervierten Bündel des lateralen Bauches teilweise zwischen die von 5 und 7 versorgten Bündel hineingerieten, und daß dies eine Verzögerung in der Vor- wärtsbewegung des Ganzen veranlaßte, während die freien Enden weitergeschoben, bzw. gedreht wurden«. Das sind nach EIsLER Unterfragen, welche die Darstellung des Zustandekommens der Ablenkung des Sternalis aus der Richtung der Pectoralisbündel nicht wesentlich beeinflussen. Für uns ist die Behandlung dieser Unterfragen von nicht geringerer Bedeutung als die Hauptfragen, da wir aus ihnen ebenfalls die Art der lockeren oder fehlenden Beweisführung erkennen. Die Hauptfehler bei dieser bestehen darin, daß Eıster die Ab- sprengung des Sternalis von der Pectoralismasse als feststehend an- nimmt, während dieselbe unbewiesen ist; ferner darin, daß er glaubt, die Entwicklungsvorgänge des Pectoralis major genau zu kennen, indessen sie von ihm selbst nur abgeleitete sind, und schließlich darin, daß er unter Anwendung mechanischer Prinzipien von immer- hin gröberer Art den Sternalis in die völlige Abhängigkeit der irr- tümlicherweise als bekannt angenommenen Entwicklungsvorgänge des Pectoralis bringt. Daran konnten sich dann die Vorstellungen von einer ganz unbewiesenen, aber gesetzmäßig gedachten Drehung des Sternalis anreihen und die Meinung hervorrufen, er hätte die von LE DouBLE angeregten Fragen gelöst (S. 71). Entwicklungsmechanische Wirkungen kommen gar für die Erklä- rung der Bündelrichtung im Sternalis zur Anwendung. Die Torsion der Bündel gegeneinander soll für jeden einigermaßen kräftigen Ster- nalis eine konstante morphologische Eigentümlichkeit sein. Das ist nach meinen Erfahrungen eine dem tatsächlichen Verhalten zuwider- laufende Aussage. »Während nun cranial die definitive Anheftung zu- stande kommt, bleiben die caudalen Enden der Bündel noch eine Zeit- lang mobil.« Es folgt dieser ganz willkürlichen Annahme die andre, daß der Pectoralis die ihm aufliegenden mobilen Teile weiter gegen die Me- dianebene schiebe, und daß dieselben zu den oberflächlichen Bündeln in eine spitzwinklige Überkreuzung gebracht werden (S. 64) usw. Morpholog. Jahrbuch. 33. 39 444 Georg Ruge Im Anschlusse an sehr sorgfältige und wertvolle anatomische Analysen der Nervenversorgung des Sternalis finden sich die vielen theoretischen Erörterungen und Beweisführungen EısLers. Der Wert der zwei Behandlungsarten des Stoffes ist ein grundverschiedener. Ich möchte den anatomischen Abschnitt der Arbeit hoch schätzen; die spekulativen Erörterungen aber hätte ich gern in der Arbeit des Autors vermißt. Dem Autor laufen bei seinen Erklärungen andre Dinge unter, welche nicht ganz korrekt zu sein scheinen. Er sagt z. B., daß die infolge einer Bildungshemmung abgesprengten Portionen des Pecto- ralis major wie alle derartige Aberrationen sich durch eine große Variabilität in Form und Anheftung auszeichnen. Diese Verallge- meinerung der großen Variabilität auf »alle derartige Aberrationen« wird, wie ich annehmen muß, nicht nur auf die Sternalisarten sich beziehen. Nun ist aber ein weiteres derartiges Beispiel von Aber- rationen im Muskelsystem überhaupt nicht bekannt, welches infolge einer Bildungsstörung aus abgesprengten Keimen sich anlegt. Der Sternalis soll ja der einzige atypische Muskel nach EISLER sein. Ich erkläre mir diese kleine Inkorrektheit aus dem allzu großen Er- klärungsdrange entstanden. Da kann ein derartiges Versehen leicht mit unterlaufen. Es wäre auch zu entschuldigen, wenn nicht allzu- viele andre vorsichtig aufzunehmende Aussagen vorlägen. Die Ausführungen EIsLERs, ob der Sternalis eine retro- oder pro- spektive Variation sei, hat für uns kein weiteres Interesse mehr, da der Ausgangspunkt für diese Erörterungen als nicht annehmbar erschienen ist und das richtige Ziel demnach nicht hat erreicht werden können. Am Schlusse seiner Betrachtungen wählt EısLER für den Ster- nalis den Namen einer »selbständig gewordenen Aberration«e. Diese Wahl ist unter Anwendung der EısLerschen Entstehungsweise des Sternalis nicht gerade zweckmäßig, da wir unter aberrierten Muskel- teilen ganz etwas andres verstehen als die durch embryonale Störungs- vorgänge abgesprengten, sehr wahrscheinlich gar nicht bestehenden, Jedenfalls nicht nachgewiesenen Muskelmassen. Wenn er den Le- vator und Depressor glandulae thyreoideae ebenfalls so benennt, so trifft die Wahl der Benennung hier deshalb zu, weil dieser eine ganz andre Entwicklung genommen hat, als wie sie EISLER dem Sternalis zuschreibt (vgl. EIsLER, S. 72 und 73). Die Erklärung der Entwicklungsstörung für den Sternalis durch EISLER kann für die Annahme Run. VırcHows, daß alle Variationen organischer Formen pathologischer Art sind, eine Stütze werden. Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 445 Es wird vertreten, daß der Sternalis häufiger einseitig als doppel- seitig auftritt, daß er links häufig kräftiger entwickelt ist als rechts, daß er bei Männern öfter als bei Frauen angetroffen wird. Erklärungen für diese Erscheinungen fehlen und sind auch durch EisLeR nicht gegeben worden, trotzdem die Linkslagerung des Herzens, das größere Volum desselben beim männlichen Geschlecht gute Anhaltspunkte gewesen wären. Huntington (1904) vertritt ebenfalls die Ansicht, daß alle Ster- nalisformen durch direkte Abspaltungen vom Pectoralis major zu- stande kommen. Die verschiedenen Formen seien auf sekundäre Einflüsse zurückzuführen. Alle Hypothesen über die Herkunft des Sternalis können nach Huxrtinston vereinigt werden. Seine An- schauung will also eine allumfassende sein, sie vereinigt dabei dia- metral sich entgegenstehende Ansichten, wonach der Sternalis auf der einen Seite eine durch Entwicklungsstörungen verursachte Pec- toralisabspaltung sei, auf der andern aber als der Rest des Haut- rumpfmuskels sich darstelle. Diese Anschauung faßt also bei dem Bestreben, eine einheitliche Erklärung zu geben, zwei heterogene Ansichten in sich. HuvringTox huldigt der CunninGHAuschen Rota- tionshypothese und der EisLerschen mechanischen Erklärungsweise, nach welchen alle Sternalisfälle bei Anencephalen und bei Erwach- senen zu verstehen seien. Er kommt auch zu einer gemeinsamen Erklärung für die Entstehungsweise aller Varietäten, welche auf und welche unter dem Peetoralis major angetroffen werden; denn es liegt nach Huntington die Vermutung nahe, daß die Ätiologie für diese oberflächlichen und tiefen Varietäten eine gleiche sei. Der Zweifel macht diese dureh nichts gestützte Annahme hinfällig. Wie könnte man auch vom Standpunkte aus, der Sternalis wäre ein Hautmuskel- rest, ungezwungen zugeben, daß er aus gleicher Ursache wie irgend eine unwichtige tiefe Muskelvarietät entstünde. Wir anerkennen das Streben, die schwierige Sternalisfrage sich und andern leicht ver- ständlich zu machen, bestreiten aber die Herrschaft von gleichen ursächlichen Momenten für grundverschiedene Erscheinungen. Hunx- TINGTON nimmt für den Sternalis eine Materialabsprengung vom nach besonderem Typus normal sich entwickelnden Pectoralis major an. Dieser Grundursache können sich besondere Ursachen, welche z. B. in der Entwicklung der Thoraxwand zu suchen sind, hinzugesellen. Anlage und Ausbildung der ventralen Thoraxwand sollen also ge- staltend auf den Sternalis einwirken können. Die Entwicklung des Pectoralis, der ventralen Thoraxwand und die Abspaltungen vom 29* 446 Georg Ruge Peetoralis major besitzen nach Huxrin@GToN innige gemeinsame Be- ziehungen, die zu ergründen verdienstvoll ist. Die Peetoralisgruppe legt sich nach Lewis (1901) eranialwärts von der 1. Rippe in der Höhe der sie versorgenden Halsnerven an. Bei der Verlagerung der Muskulatur in caudaler Richtung überkreuzen nahe der Anheftung an der Gliedmaße oberflächliche, elavieulare Lagen die costo-ster- nalen, tieferen Schichten. Der steilere Verlauf der oberflächlichen elavieulären Bündel soll damit zusammenhängen, daß sie später die Anheftung am Oberarm erlangen. Dieser äußerst einfache Entwick- lungsprozeß, welcher ohne weiteres aus den anatomischen Verhält- nissen ablesbar ist, soll nun so eigenartig sein, daß häufige Störungen in ihm Abspaltungen von Bündellagen erzeugen, welche in oberfläch- licher Lage unter anderm den Sternalis erzeugen. In der normalen Entwicklung sollen bereits die ätiologischen Momente für die Ent- stehung von überzähligen Muskeln liegen (Lewis). Die Begünstigung der Anlage von atypischen Muskeln sieht nun auch HunrtisGTox in den ontogenetischen Zuständen. Wenn von den steiler verlaufenden, oberflächlichen, clavieularen Bündellagen Sternaliskeime sich los- lösen, so müssen dieselben den senkrechten Verlauf durch stärkere Drehung erst erreichen. Das obere Ende eines solchen Sternalis würde seine Lage nahezu unverändert beibehalten und dadurch viel- leicht die Begünstigung, frühzeitig mit dem Sterno-mastoideus zu verschmelzen, empfangen. Der Sternalis wäre hiernach ein Produkt der Pars elavieularis des Pectoralis major. Die abdominale Ausdeh- nung des Sternalis wäre die später erworbene oder später entwickelte. Durch die frühe Verwachsung des Sternalis mit dem Sterno-mastoi- deus wäre ein fester Punkt gegeben, um welchen die Sternalis- drehung erfolgen könnte. Wir haben es also wieder mit Abspaltungen von Bündelmassen des Peetoralis major zu tun. Es handelt sich aber auch hier bloß um eine Annahme, und diese ist unbewiesen. HUNTINGTON versucht sie durch eine andre Annahme annehmbarer zu machen, indem er die unendlich einfache Entwicklung des Pectoralis major, während wel- cher elavieulare Bündel sich humeralwärts über die sterno-costalen schieben, verantwortlich macht für Abspaltungen von oberflächlichen Bündeln. Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß, falls bei Mus- kelbündelverschiebungen immer Abspaltungen vorkämen, die Glied- maßen z. B. mit atypischen überzähligen Muskeln dicht übersäet sein müßten. Was geschieht nun mit dem abgespaltenen Sternaliskeime? Er verschmilzt wahrscheinlich sehr, sehr frühzeitg mit dem Sterno- Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 447 mastoideus, da ja sein Ende diesem benachbart ist. Hier drängt sich doch dem unbefangen Urteilenden die Frage auf, warum der Sterno- mastoideus bei derartigen Verwachsungsneigungen nicht regelmäßig mit den clavicularen Bündeln des normalen Pectoralis major ver- schmelze, welche ja die gleiche Nachbarschaft zeigen. — EIsLER ist überzeugt, daß die Bündel in der Höhe der 2. und 3. Rippe sich abspalten; Hunrtiserton tritt für die clavieularen Bündel ein. Es bleiben noch viele andre Bündel des Pectoralis übrig, welche man mit gleichem Recht verantwortlich machen kann. — Ist die Ver- schmelzung zwischen beiden aber eingetreten, so können alle mecha- nischen, drehenden Wirkungen sich geltend machen und werden im schnellen Tempo das ursprünglich humerale, frei gewordene Ende des Sternalis abdominal- und medianwärts drehen. EısLEr ließ die Bündel im ganz andern Sinne sich drehen. Das konnte er mit Fug und Recht tun, da er den Sternalis sieh nicht mit dem Sterno-mastoi- deus verschmelzen ließ. — Diese mechanischen Triebfedern entspre- chen denjenigen, welche die elavicularen Bündel weiter distalwärts zur Insertion am Humerus bringen und also steiler verlaufen lassen sollen. Die Rotation des Sternalis wird nach dessen Abspaltung also auf die ontogenetischen Verlagerungen der Muskelgruppe und auf den durch die festere Verbindung mit dem Sterno-mastoideus gegebenen proximalen Halt durch Huxriıs@rox zurückgeführt. Durch über- zeugende Tatsachen sind wir nicht veranlaßt, auch nur einer einzigen Annahme ‚zuzustimmen; aber man wird an den Spekulationen ja immerhin Befriedigung finden. Wir bleiben der Huxtıs@gTonschen Beweisführung gegenüber frei und warten in der Sternalisfrage auf nüchternere Zeiten. Die Annahme der Verwachsung von Sternalis mit Sterno-mastoideus stimmt mit allen. denjenigen häufigen Befunden nicht überein, in welchen der Sternalis gar keine Beziehungen zum Sterno-mastoideus eingeht. Die Annahme ist nicht durch den Zwang der Tatsachen diktiert. Mit der im angegebenen Sinne sich vollzie- henden Rotation verhält es sich ebenso. Direkte stützende Beobach- tungen liegen für diese Hypothese nicht vor. Es bestehen aber gute Gründe für die gegenteilige Annahme, nämlich die abdominalen Lage- beziehungen des Sternalis nicht als spät entstandene zu beurteilen. Da Huntington alle Sternalisfälle aus ontogenetischen Vorgängen direkt ableitet, also auch die Ursachen für das Ins-Lebentreten des Sternalis in embryonaler Zeit wirksamen sieht, dabei vergleichend- anatomischen Ausblieken abhold ist, so sollte der Autor den über- zeugenden Beweis führen, erstens daß bei der Art der durchaus 448 Georg Ruge noch nicht gründlich erforschten Ontogenese der Pectoralisgruppe Be- günstigungen für Bündelabspaltungen wirklich bestehen. Das ist nicht erwiesen und durchaus nicht verständlich gemacht. Es ist viel- mehr diese Annahme nur in Hinsicht darauf gemacht worden, damit man aus solehen atypischen Abspaltungen in bequemer Weise alles Unbekannte, also auch den Sternalis, ableiten könne. Zweitens sollte man doch wenigstens einigermaßen zu erklären versuchen, warum, da es nun einmal nicht erwiesen ist, das Sternalismaterial frühzeitig, ja vielleicht schon vor!! der Wanderung des Pectoralis über die Rippen- gegend eine Verschmelzung mit der Sehne des Sterno-mastoideus einginge? Welche entwicklungs-mechanischen Ursachen können hier- für nur im Spiele sein? Erkannt sind sie nicht, aber sie werden angenommen, weil man die Verwachsung als anatomischen Befund kennt. Sind die Triebfedern, welche zur Verwachsung führen, mecha- nischer Art, oder werden hier willkürliche Zustände eingeräumt? Der dritte Punkt ist ein sehr bedenklicher; denn mit ihm hebt die Rotation des abgesprengten Sternalis an. Welche mechanischen Kräfte können sie bedingen? Daß es solche seien, hören wir. Sie sollen mit dem Überlagern von tiefen Bündeln durch oberflächliche bei dem gleichmäßigen Caudalwärtsrücken der Pectoralismasse zu- sammenhängen. Wenn aber diese Verschiebungen nicht durch höhere Mächte bewirkt werden, welche alles in gleicher Richtung dirigieren, so bleibt völlig unerklärt, wie abgespaltene, junge Bündelmassen über die Verschiebung der Mutterbündel noch hinaus verschoben werden können. Ganz unbekannte Kräfte können allerdings nach eignem Er- messen auf die abgesprengten Teile weiter wirkend gedacht werden. Ohne sie können letztere nur wie die Stammbündel gedreht werden. EisLER war konsequenter; er hatte die mechanischen Triebfedern bei der Rotation genauer geschildert. Wir erinnern uns des äußerst charakteristischen Bildes des im Strome treibenden Balkens, der an einer Stelle durch einen Nerven festgehalten wird. Huntington hat möglicherweise außer acht gelassen, daß die ontogenetischen Vor- gänge an der Pectoralisgruppe gar nicht so etwas ganz Sonderbares sind, daß sie sich als nichts andres darstellen als das vor unsern Augen sich abspielende Schauspiel einer einfachen Differenzierung der Pectoralisgruppe, welehe in der Stammesgeschichte erworben ist. Den vielfach zusammenwirkenden Kräften, die sich immer aufs neue auslösen in der Ontogenese, sind die Sternalisformen fraglos unter- stellt. Nur sind die für die Sternalisentstehung verantwortlich zu machenden Triebfedern nicht so leicht zu erkennen. Dafür werden Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 449 ganz unbekannte, daher auch nicht genau zu beschreibende Kräfte neu eingeführt. Diese drehen in bestimmter Richtung an dem Ster- nalis, bis er in die Längsrichtung gebracht ist, welche wir für den Muskel nötig haben. Hunrin6rton hält es für möglich, daß die eraniale Anheftung des Sternalis in der Mittellinie bei eintretender Wanderung der Pec- - toralismasse in sterno-eostaler Richtung Ursache sei für Einlagerung von Muskelmassen in die Gegend der Medianlinie. Das wäre eine Erklärung der Entstehung für die median gelegenen Fälle von Ster- nalis. Vielleicht werden einmal zwischen den sich vereinigenden, knorpeligen Sternalleisten eingeklemmte, abgesprengte Muskelbündel angetroffen. Ein soleher Befund könnte Hunrin@rons Ansicht unter- stützen, es vielleicht auch wahrscheinlicher machen, daß die von ANTHONY beschriebenen, sehnigen Bildungen vor dem Sternum wirk- lich rückgebildete Mm. sternales sind, für welche sie ja ausgegeben werden. Als primäre Ursache für die Sternalisentstehung gelten nach Hunrtin@GTtoN die ontogenetische Verlagerung und die späte humerale Anheftung der oberflächlichen Schicht der Pectoralisgruppe. Als sekundäre Ursachen werden die Verwachsung des Sternalis mit dem Sterno-mastoideus und die Entwicklungsverhältnisse der ventralen Thoraxwandung aufgeführt. Die wirksamen Faktoren sollen in ver- schiedener Weise zusammenwirken können. Als Produkt der Kom- binationen treten dann die verschiedenen Sternalisformen auf. Ursachen für die Sternalisabspaltungen sind störenden Ein- flüssen unterbreitet. Daß es sich aber um solche auf Störungen be- ruhende, atypische Abspaltungen handele, geht nach HUNTINGToNs Ansicht ohne weiteres aus den Fällen der Vergesellung von Sternalis mit Pectoralisdefekten hervor. Diese Ansicht ist nun keineswegs wohl- begründet; denn es kann sich sehr gut um eine Kombination von Pectoralisdefekt (bei Anencephalie) und Auftreten eines typischen, nicht einfach in die Pectoralislücke hineinpassenden und hineinge- hörigen Sternalis handeln. Der Sternalis würde hiernach mit der Pectoralislücke in keinem direkten causalen Verbande stehen. Hux- TINGTON meint nun weiterhin auch für alle Fälle von Sternales, welche auf normalen Mm. pectorales liegen, gleiche auf Störungen beruhende Abspaltungen wie bei Anencephalen annehmen zu dürfen, trotzdem die auf einer Bildungsstörung beruhende Entstehung des Sternalis noch keineswegs sicher erwiesen ist. Er geht also, wie P. EisLER es zuvor getan hat, davon aus, daß der Sternalis von 450 Georg Ruge Pectoralisdefekten abgeleitet sei, wie sie bei Anencephalen beob- achtet werden. Fehlt der Defekt, nun so hat er sich wieder ge- schlossen, und der Sternalis besteht trotzdem weiter. Da Anence- phalen einen Sternalis mit Pectoralisdefekten zuweilen besitzen, so entstand der Verdacht bei EısLer, daß Individuen mit Sternalisbil- dungen überhaupt nicht so ganz normal wären. Aus HUNTINnGToNs Annahmen, die mit denen EısLeRs übereinstimmen, ergeben sich eigentlich gleiche Schlußfolgerungen. Unsre obigen Auseinander- setzungen gewinnen dem gegenüber wieder ihren Wert. Sie wehren sich gegen allzu weit gehende Spekulationen. Huntington räumt ein, daß einige Fälle von Sternales auf den ersten Blick den Eindruck erwecken, als seien sie Reste eines Hautmuskels. Diese Sternales sind mit andern, unzweifelhaften Hautmuskelresten kombiniert (1904, S. 37), wie er sie in einem lehr- reichen Zustande auf Taf. XI Fig. 2 dargestellt hat. Eine Wieder- gabe der wesentlichsten Verhältnisse findet man auf Fig. 3 meiner in dieser Zeitschrift vorhergehenden Abhandlung. Es handelt sich um eine mit einem Achselbogen verbundene Pars abdominalis des Pec- toralis major, welche auch an den Sternalis sich anschließt, wie in dem von GEHRY beschriebenen Falle. HuxtinGToN unterzieht den Sternalisfall mit gleichzeitig vorhandenem Achselbogen und »M. pec- toralis quartus« einer eingehenden Betrachtung. Unter Bezugnahme auf BIRMInGHAnms (1889) und Parsons’ Anschauungen vom Panniculus carnosus der Säugetiere gewinnt bei Hunrmgeron die Meinung PAR- sons’ an Geltung, daß es gleichgültig sei, ob man den Sternalis vom Pannieulus carnosus oder vom Pectoralis ableite, da dieser ja den Hautmuskel hat entstehen lassen (Parsons. Daß diese Ansicht ganz unzutreffend sein kann, wird klar, wenn wir den Pectoralis als den Vater des Hautrumpfmuskels, den Sternalis als das Kind des letzteren bezeichnen müssen. Zwischen Sternalis und Pectoralis liegt dann eine Generation. Die Ableitung des Sternalis ist direkt nur vom Hautmuskel möglich. Beide haben im Pectoralis allerdings ihren Stamm. Der Sternalis kann nur von den Regionen des Pec- toralis abstammen, von welchen der Hautrumpfmuskel sich herleitet. Diese Regionen aber fallen weder auf die elavieulare (HuUNTINnGToN) noch auf die obere Rippengegend (EIsLER). Daß Huxrtisston auch den Latissimus dorsi als Ursprungs- herd des Hautmuskels ausgibt, ist im 10. Abschnitt erwähnt. Die Pars abdominalis, welche ohne irgendwelchen triftigen Grund als Pectoralis quartus oftmals aufgeführt wird, liegt an der Stelle Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 451 derjenigen Bündel des Pectoralis major, von welchen der Haut- rumpfmuskel sich abdominalwärts ausdehnt. Huntington gibt den Pectoralis quartus als tiefen Teil des Panniculus carnosus aus, was unzutreffend ist, da er die Verbindungsbrücke zwischen Pectoralis major und Pannieulus darstellt; er hält ihn hinwiederum zutreffend für einen in der Regel noch nicht ganz getrennten Teil des Pecto- ralis major. Diese Ansicht darf aber nicht zugunsten einer rich- tigen Anschauung HUNTInGToNns angeführt werden, da der Pecto- ralis IV an andrer Stelle ausdrücklich als ein Derivat des Panniculus bezeichnet wird, was er nie gewesen ist. Der Panniculuscharakter soll durch die laterale Verbindung mit dem Achselbogen zum Aus- druck kommen. Ein Fünkchen Wahrheit steckt auch in dieser Aussage, da der Hautrumpfmuskel an gleicher Stelle des Humerus wie die Pars abdominalis inseriert, welche jedoch kein Hautmuskel ist. Huxtıgrox beurteilt in Übereinstimmung mit BirmisgHan den Achselbogen als einen Hautmuskelrest. Und daß Achselbogen und Peetoralis quartus zum gleichen System gehören, beweisen nach Huntington die von Brooks beschriebenen Fälle. Um aber Un- klarheiten vorzubeugen, sei betont, daß der Pectoralis quartus (Pars abdominalis des Pectoralis major) den Ausgangs-, der Achselbogen aber den Endpunkt des Hautrumpfmuskels darstellt. Im Glauben an die engen phylogenetischen Beziehungen zwi- schen Pectoralis major und Panniculus carnosus, und unter Berück- sichtigung der Innervation des Panniculus (nach PARsons, WILsoN, BIRMINGHAM), des Peetoralis quartus (BIRMINGHAM, WıLson) und des Achselbogens hält Huntington es für berechtigt, einen Sternalis der betreffenden Kategorie als einen Hautmuskelrest zu betrachten. Huxrtis@eton macht nach diesen Eingeständnissen eine Schwenkung, welche damit eingeleitet wird, daß er aussagt, die Innervations- verhältnisse gestatten auch die betreffenden Sternalisfälle als De- rivate des Pectoralis major im CUNNINGHAM-EIsLerschen Sinne zu deuten. HUNTINGTON kommt auf die allgemeinen ätiologischen, in der Ontogenese der Peetoralisgruppe beruhenden Momente für die Ster- nalisentstehung zurück, wendet sie auch auf die Befunde eines Sternalis, der im Zusammenhange mit dem Achselbogen sich befindet, an, hält es für begreiflich, daß die allgemeinen Ursachen mit speziellen Momenten des Auftretens von atavistischen Panniculus- teilen sich kombinieren können und schlägt endlich auch diese wich- tigen Sternalisfälle zu allen übrigen. Durch diese versöhnliche Unter- nehmung ist eine einheitliche Vorstellung von der Sternalisentstehung 452 Georg Ruge gewonnen! Wir sind aber vom sicheren anatomischen Boden abge- drängt und werden wieder zu den Vermutungen geleitet, welche im Kleide der Verkünder von mechanischen Ursachen der Erscheinungen nichts, auch ganz unbekannte Dinge nicht unerklärt lassen. Houx- TINGTON glaubt, eine natürliche Reihe für alle Sternalisfälle ge- funden zu haben. Er nennt diejenigen, in welchen die Verbin- dungen mit Panniculusresten bestehen. Ihnen sollen sich die Fälle anschließen, an welchen der Sternalis mit dem Peetoralis major oder dessen Abkömmlingen verknüpft ist (Sterno-elavieularis, BRyce). Hierbei ist nicht berücksichtigt, daß der Zusammenhang des Ster- nalis mit den Resten der Hautrumpfmuskeln ein ursprünglicher sein kann, während der mit den verschiedenen Pectoralisteilen oder Pec- toralisderivaten ein ganz anders zu beurteilender, ein sekundärer zu sein vermag. Der selbständige, auf einem normalen oder auf einem mit einem Defekte versehenen Pectoralis gelagerte Muskel wäre das letzte Glied der natürlichen Sternalisreihe. Daß die selb- ständigen Sternales die differentesten Gebilde sind, ist einleuchtend; aber vollkommen unverständlich bleibt es, daß, wenn die Sternales mit den Spaltbildungen auch nur irgend etwas zu tun haben, selb- ständige Sternalisformen häufig bei Pectoralisdefekten vorkommen. Gerade in diesen Fällen müßten, sollte man meinen, als Regel ur- sprüngliche Verbindungen zwischen beiden nachweisbar bleiben. Wir vernehmen schließlich, daß der Sternalis kein direkter Pannieulusabschnitt, sondern nach Form, Verbindung, Volum und Be- ziehungen ein direkter Pectoralisteil ist und zu einem atypischen Muskel sich entwickelt, und zwar unter dem Einflusse der oben angegebenen embryonal wirksamen Faktoren, welchen sich andre hinzugesellen können, und dann z. B. bei Anencephalen die Häufig- keit des Sternalisauftretens verursachen. Wenn die Verbindung des Sternalis mit dem M. obliquus abdominis externus als eine sekun- däre ausgegeben wird, so ist dies wie viele andre Ansichten nur eine Behauptung. Beim Übergange des Sternalis in die durch diesen Muskel gebildete Reetusscheide kann eine ganz ursprüngliche Ver- bindung vorliegen. Wenn die ganz früh auftretende Verbindung zwischen Sternalis und Sterno-mastoideus immer wieder als eine die Rotation des Sternalis bedingende Ursache angegeben wird, so muß sie ontogenetisch eine primär auftretende sein. Bewiesen ist sie als solche nicht. Die vielen Fälle, wo eine solche Verbindung fehlte, hätten zur Vorsicht vor dem Aufstellen einer so wenig be- gründeten Hypothese mahnen können, wenn der Gedanke, alles Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 453 mit einem Male erklären zu können, nicht gar zu verlockend ge- wesen wäre. 8. Der Sternalis — ein Muskel von verschiedener Bedeutung. Wenn die Beobachtungen richtig sind, nach denen der Sternalis entweder von den Ästen des Armgeflechtes (Nn. thoracales anteriores) oder von den Nn. intercostales versorgt werden kann, oder sogar Äste von beiden verschiedenartigen Nerven zugleich empfängt (MAr- BRANC, WILSON, SHEPERD), so sind wir zur Annahme gezwungen, daß der Muskel ein Doppelwesen besitze, daß er aus zwei ganz verschiedenen Quellen entsprungen sein müsse. Zu dieser Annahme zwingt uns die heterogene Nervenversorgung deshalb, weil die In- nervationsverhältnisse der gesamten Muskulatur an erster Stelle über das Wesen deren Glieder Aufschluß geben und uns noch nie- mals darüber getäuscht haben. K. v. BARDELEBEN, welcher an der verschiedenartigen Innervation, nachdem er anfangs ausschließlich für die Intercostalisversorgung eingetreten war, festhält, tritt dem- gemäß auch für das Bestehen verschiedener Sternalisvarietäten ge- meinsam mit CUNNINGHAM und Wırsox ein (1899, S. 66 und 67). R. Fick und CHrIsTIan (1898), auch SHEPERD, HEPBURN u. a. geben die Möglichkeit einer Doppelinnervation zu und stimmen darin mit BARDELEBEN überein. Im Falle der Doppelinnervation des Sternalis muß es sich um eine Verwachsung von den zwei verschieden gearteten Formen handeln. Es wäre wohl eine dankenswerte Aufgabe für diejenigen gewesen, welche diese Doppelinnervation beschrieben haben oder wenigstens zu Recht bestehen lassen, der Art der notwendigerweise anzuneh- menden Verschmelzung der zwei verschiedenen Muskelarten nachzu- spüren, um dadurch eine ungelöste, völlig dunkle Frage aufzuhellen. Das ist nicht geschehen. Wir haben nur die Aufgabe erhalten, die in der Literatur niedergelegten Mitteilungen als bare Münze hinzu- nehmen und mit dem gedruckt Vorliegenden uns abzufinden. Da ich mit P. EısLEr aber die Richtigkeit der Angaben einer Intercostalis- versorgung bezweifle, so rechne ich auch nicht weiter mit ihnen. Das Thema mag ja als nicht abgeschlossen gelten und in Zukunft wieder aufgenommen werden. Für uns handelt es sich nur um Sternalisbildungen, welche von Nn. thoracales anteriores versorgt werden. EisLer hat in seiner Weise gleichfalls die Konsequenzen aus der Annahme einer Doppelinnervation gezogen (1901, S. 41), indem 454 Georg Ruge er sich an die Angabe HEPBURNs und namentlich CHrıstıans hält, welch letzterer den Muskel aus dem 5.—7. Hals- und dem 3. tho- rakalen Nerven versorgt sein läßt. Der Sternalis erscheint hiernach für EısLER als ein dysmetamerer, d. h. als ein nicht aus serial auf- einanderfolgenden, sondern aus räumlich weit voneinander getrennten Myotomen hervorgegangener Muskel. Bisher sei aber noch bei keinem einheitlichen Muskel eine Diskontinuität im metameralen, zum Auf- bau benutzten Material, und damit eine Innervation aus nicht serial aufeinanderfolgenden Spinalnerven nachgewiesen. Dieser Einwand ist wohl berechtigt. Hieran hätte man sich erinnern sollen, als man dem Sternalis eine Einzelstellung in der Reihe der Muskelvarietäten einräumte. Diese ist ebenso unwahrscheinlich wie die einzeln da- stehende Dysmetamerie des Sternalis nach HEPBURNS und CHRISTIANS Angaben.. — Größer bleiben bei der Annahme der Doppelinnervation die Schwierigkeiten, welche den Nachweis der Doppelnatur des Sternalis, d. i. die Zusammensetzung aus zwei ganz verschiedenen Muskeln erfordern; etwa aus einem Pectoralis- und einem Rectus- abschnitte. — EısLEers erläuternde Bemerkungen zu seiner Ansicht beziehen sich auf die Dysmetamerie des Trapezius und Sterno-eleido- mastoideus; sie enthalten Vorstellungen vom Wesen des N. acces- sorius, welche wohl kaum viele Anhänger finden werden. K. v. BARDELEBEN hält an der von ihm wahrgenommenen Inner- vation des Sternalis durch die Nn. intercostales fest (1901); er be- streitet aber die Möglichkeit nicht, daß die hauptsächlich mit dem Peetoralis major zusammenhängenden Sternales durch die Nn. tho- racales anteriores versorgt werden können. Auch dadurch ist die Doppelnatur des Muskels anerkannt. Wir haben erwähnt, daß der Forscher den Sternalis als einen Teil des oberflächlichen Längs- muskels niederer Wirbeltiere angesprochen hat, welcher durch die Intereostalnerven versorgt wird. Im andern Falle wäre‘ der Sternalis also als Abspaltung des M. pectoralis major zu betrachten. Die Besprechung über die erstere Deutung des Sternalis sowie über die Beobachtungen der Innervation desselben durch Intercostal- nerven ist derartig ausgefallen, daß ich darauf beharre, den Sternalis in allen seinen Formerscheinungen als ein gleichartiges Gebilde zu beurteilen, welches seine Bausteine aus Gliedern der Pectoralisgruppe empfangen hat und gar nichts mit der ventralen Rumpfmuskulatur mehr zu tun hat, nachdem die Gliedmaßenmuskeln der Brust aus ihr sich abgesondert haben. EisLER vertritt mit Entschiedenheit den gleichen Standpunkt. Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 455 Er schreibt: »Ich bin der Ansicht, daß es nach unsern bisherigen morphologischen Erfahrungen überhaupt nicht angängig ist, einen solchen Sternalis compositus (R. Fıcks) zu konzedieren, und daß alle Angaben über Doppelversorgung sich in der von mir geschilderten Weise auf Irrtümer oder unvollständige Präparation zurückführen lassen« (1901, S. 41). An einer andern Stelle vertritt EısLer aller- dings nicht ohne weiteres diesen Standpunkt, weil er in der Frage der etwaigen Versorgung durch Intercostalnerven einer endgültigen Erledigung erst noch entgegensieht (s. S. 65). Vor bald 30 Jahren wurden die Sternalisformen noch eingeteilt in Abkömmlinge des: 1) Rectussystems 7% 2) Pectoralis major 21°/,, 3) Sterno-mastoideus 55 %/,, 4) Hautrumpfmuskels 6°/, (K. BARDELEBEN, 1876), vor 16 Jahren in: reine Platysmabildungen, reine Pectoralisbildungen, typische Sternales, dem Rectussystem zugehörig (K. v. BARDE- LEBEN, 1888). K. v. BARDELEBEN hat zäh daran festgehalten, daß der Sternalis nach seiner verschiedenen Innervation einen verschiedenen Charakter zeige. Das trifft auch zu, wenn es für den Sternalis eine verschie- dene Innervation wirklich gibt. Er hat durch die Annahme von 1888, daß alle typischen Sternalisbildungen durch Nn. intercostales versorgt werden, Beobachtungsfehler begangen. Sind dieselben auch verzeihlicher Natur gewesen, so bleiben sie doch Fehler, welche unsre Zweifel an der jetzigen Annahme v. BARDELEBENS nicht zur Ruhe kommen lassen. Die vielen, seither bekannt gewordenen Inner- vationen durch die Nn. thoracales anteriores sprechen heute sehr zu Ungunsten der v. BARDELEBENschen Anschauung überhaupt. Das Festhalten an derselben auf Grund der alten Beobachtungen ver- drängt heute nicht mehr die berechtigte Vermutung, daß es nur eine einzige Sternalisart gebe, und zwar die durch Nn. thoracales anteriores versorgte. In dem soeben erschienenen 13. Bande der Ergebnisse der Ana- tomie und Entwicklungsgeschichte (1904, $. 128) beruft sich K. v. BARDELEBEN wieder auf die von ihm schon 1876 nachgewiesene Tatsache, daß es verschiedene Arten von Muskeln gibt, die wir als 456 Georg Ruge »Sternales« zu bezeichnen pflegen. 1876 war dem Autor die Inner- vation der Sternales unbekannt. Es kann nur auf diejenigen ver- schiedenen Formen hingedeutet sein, welche dem Platysma myoides, dem M. rectus thoraco-abdominalis, dem M. pectoralis major oder dem Hautrumpfmuskel zugehören. Mir scheint nichts so unberechtigt zu sein, als alle diese heterogenen Bildungen »Sternales« zu heißen. Dieser Standpunkt darf heutzutage wohl als verlassen gelten. Der GeHrysche Aufsatz, bei dessen Besprechung K. v. BARDELEBEN auf 1876 zurückkommt, behandelt einen Fall von M. sternalis, welcher in dieselbe Gattung gehört wie diejenigen Sternales, von welchen überhaupt nur bei einer »Sternalisfrage« die Rede sein kann. K. v. BARDELEBEN hält auch jetzt wieder an der Innervation von Ster- nalesbildungen durch Nn. intercostales fest. Dieser Aufsatz nimmt Stellung gegen die Richtigkeit seiner Annahme. Für die Zukunft werden genaueste Nachuntersuchungen über die Intereostalisinner- vation zu erwarten sein. LE Dovegte teilte 1897 die Sternalisarten ein in: 1) die von den Nn. thoracales anteriores versorgten Muskeln, welche CunsInGHAM als die gewöhnlichen ansah, 2) die von Nn. intercostales versorgten Arten, welche K. v. BARDE- LEBEN anfangs als die ausschließlich vorkommenden betrachtete und auf das System des M. pubo-hyoideus zurückführte, 3) die sowohl von Nn. thoracales anteriores als auch von Nn. intercostales versorgten Muskeln, welche unter andern von SHEPERD (1889) beschrieben wurden. M. R. Anrtuoxy (1900) hat der eklektischen Meinung eines BARDELEBEN, CUNNINGHAM und SHEPERD Beifall gezollt (S. 491); denn auch er läßt zwei oder drei Sternalisformen gelten, unter denen er aber immerhin diejenige Form, welche den Stermalis in Beziehung mit dem Pectoralis major und Panniculus carnosus zeigt, als die häufigst verwirklichte findet. Gestützt auf die R. Fıckschen Mitteilungen gibt A. RAUBER den Sternalis in seinem Lehrbuche (1902, S. 560) als eine Variation bald des M. pectoralis major, bald des M. rectus abdominis oder als eine Mischung aus beiden aus. Die Annahme eines solchen Sternalis compositus ist, abgesehen von der äußerst bedenklichen Angabe der Innervation des Muskels sowohl durch den 2. und 3. Intercostal- nerven als auch durch die Nn. thoracales anteriores, durch keine einzige, sichere Beobachtung gestützt. Sie ist wegen dieses negativen Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 457 Umstandes sowie wegen vieler positiven Gegengründe nach meiner Ansicht nicht gut aufrecht zu erhalten. Heutzutage ist die vorherrschende Meinung, vielleicht sogar die einzig ernstlich zu vertretende die, daß der Sternalis ein Abkömm- ling der Pectoralisgruppe ist. Sie kommt jedenfalls für uns einzig und allein in Betracht. Diese Deutung ist dreigliedrig. Erstens kann der Muskel als progressive Neubildung des Pectoralis major ausgegeben werden, zweitens als eine vom Pectoralis major durch Entwicklungsstörung abgespaltene atypische Bildung, und drittens als eine auf Umwegen von der Pectoralisgruppe ausgegangene Bildung, als ein Rest des Hautrumpfmuskels. Uns bleibt noch übrig, die Deutung des Sternalis als einen Rest des Hautrumpfmuskels zu besprechen. 9. Der Achselbogen und der Sternalis als Überbleibsel des Hautrumpfmuskels der Säugetiere. W. Turner hat den Sternalis als den Rest des Panniculus car- nosus gedeutet (1867), und zwar zu einer Zeit, als man die Zu- sammensetzung der gesamten Hautmuskulatur der Säugetiere aus verschiedenen Gebieten noch nicht hinlänglich scharf unterschieden hat. Heute zerlegen wir den Pannieulus carnosus in mehrere Teile, von denen das vom N. facialis und das von den Nn. thoracales anteriores versorgte Muskelgebiet die wesentlichsten und allen Säuge- tieren zukommenden sind. Das eine Gebiet bedeckt Kopf und Hals, das andre den gesamten Rumpf. Wenn der Sternalis auch heute noch zu einem Abschnitte des Panniculus carnosus in Beziehung gebracht wird, so kann dieser nur der Hautrumpfmuskel sein, und zwar aus dem sehr einfachen, aber schwerwiegenden Grunde, weil beide Muskeln von den Nn. thoracales anteriores versorgt werden. Verschiedene Autoren sind im Laufe der Zeit auf TURNERS Seite getreten, DoBsox (1883), Parsons (1892), G. Rue (1895), LE DOUBLE (1897). Lebhafte Fürsprecher sind indessen neuerdings nicht mehr aufgetaucht. Die letzten Erforseher der Sternalisherkunft haben sich gegen die Panniculus-carnosus-Natur des Sternalis auf das Unzwei- deutigste ausgesprochen (P. EısLer, 1901, S. 68, Huntington). Ich halte die Turxersche Erklärung, welcher die angegebenen Autoren beipflichten, wenn sie schärfer gefaßt wird, als sie der englische Anatom uns überliefert hat, für die glücklichste und stehe 458 Georg Ruge nicht an, für sie unter Begründung einzutreten. Damit sei nicht gesagt, daß die schwierige Frage nach der Herkunft des Sternalis gelöst sei. Hierfür werden noch viele neue, gute Beobachtungen gefordert. Es soll zunächst nur auf den wertvollen Inhalt, welches ein von den neueren Autoren verlassenes älteres Werk birgt, aufs neue hingewiesen werden. Der glücklichste Wurf wird demjenigen gelingen, welcher, nachdem die vielen Vorfragen durch die anato- mische und vergleichend-anatomische Forschung erledigt worden sind, eine Reihe der zeitlich einschlägigen, entwicklungsgeschicht- lichen Beobachtungen über die Mm. peetorales und die Anlage des Hautrumpfmuskels beim Menschen an Rekonstruktionsmodellen vor- legen kann. Diese Beobachtungen werden, nachdem die bewährte Methode der kritischen Vergleichung die Fragestellungen scharf um- schrieben hat, ein Erfordernis für die endgültige Lösung der Frage bilden. Die Ontogenie hat hier wie bei vielen Fragen ihr, viel- leicht entscheidendes, Wort zu sprechen. Weitere anatomische Unter- suchungen werden aber erklärend mitwirken können. Nachdem die verschiedenen Deutungen des Sternalis als eines Überrestes des Platysma, des ventralen Längsmuskels, als eines ab- gelösten Stückes vom System des Obliquus externus thoraco-abdo- minalis ungünstig haben beurteilt werden müssen, nachdem die Erklärung des Muskels als eines durch Entwicklungsstörungen be- dingten, embryonal abgesprengten Teils des M. pectoralis major als eine in jeder Beziehung gezwungene und unverständliche ausgegeben wurde, blieb als einzige einigermaßen befriedigende unter den oben besprochenen Erklärungen diejenige übrig, welche den Sternalis als eine neue Bildung, aus dem Material der Peectoralisgruppe allmäh- lich d. i. ohne Entwieklungsstörungen entstanden, gelten ließ. Wären die schrittweise sich loslösenden Sternalisformen bekannt geworden, so wären wir mit dieser Erklärungsweise vollkommen einverstanden. Die allmähliche Entstehung kann jedoch nicht nachgewiesen werden, was bei jener Annahme vorausgesetzt werden darf, und so bleibt die Vermutung bestehen, daß der Sternalis auf dem Boden einer alten Säugetiereinrichtung entstanden ist und alle jene mannigfachen Formen gezeitigt hat, welehe den Anatomen bekannt geworden sind. Wir stellen uns zunächst auf den Boden, daß alle Sternalisformen in eine Gruppe gehören, eine gleiche Entstehung besitzen. Es wird daher hier nieht von den vielleicht, mit der größten Wahrscheinlich- keit aber nicht bestehenden, und dann jedenfalls ganz anders ge- arteten Bildungen die Rede sein, welche keine Sternales in unserm Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 459 Sinne sind. Dahin mögen ja excessive Bildungsformen im Gebiete des Pectoralis major gehören, wirkliche Mißbildungen, die das Inter- esse nach ganz andrer Richtung wecken als diejenigen Muskelvarie- täten, auf welche der Name »Sternalis« von jeher angewendet wor- den ist. Der Sternalis ist das Produkt eines Gliedes der Pectoralisgruppe. Diese Annahme stimmt ja auch mit derjenigen überein, welche ihn als eine neue Bildung des M. pectoralis major ausgibt. Der Sternalis kann als Rest des Hautmuskels aber nicht vom M. pectoralis major, wie er uns fertig und abgeschlossen beim Menschen vorliegt, herstammen, sondern muß von dem Produkte eines tieferen Gliedes der Pectoralisgruppe abgeleitet werden, welches bei den Säugetieren den für sie äußerst wichtigen Hautrumpfmuskel darstellt. Diese Annahme unterscheidet sich im ganzen Wesen von derjenigen, welche den menschlichen M. peetoralis major als Bildungs- stätte betrachtet. Der Sternalis ist außerdem nicht als direktes Gliedstück eines M. pectoralis, sondern ein auf Umwegen von der Pectoralisgruppe abgeleitetes Stück anzusehen. Den Vermittler stellt der Hautrumpfmuskel dar. Le DoupLe hat die Ansicht übernommen, daß es ganz auf dasselbe hinauslaufe, ob man den Sternalis vom M. pectoralis oder Panniculus carnosus ableite, da letzterer ja vom ersteren sich herleite. Diese Ansicht ist deshalb nicht zutreffend, weil der Pannieulus carnosus ein selbständig gewordenes Muskelindi- viduum bei den Säugetieren darstellt, welches in allen seinen Ab- schnitten neues zu bilden vermag, und zwar ohne weiteres Zutun der Pectoralismuskulatur. Wenn LE DougLe aber gar den M. pec- toralis major der Tiere im Auge hat, so ist die von ihm übernommene Ansicht zu berichtigen, da dieser Muskel ganz und gar nichts mit dem Panniculus carnosus zu tun hat, so daß er auch mit ihm nicht in gleicher Linie genannt werden darf. Die Innervation durch Nn. thoracales anteriores ist für alle Glieder der Pectoralisgruppe eine gemeinsame. Sie kommt den einzelnen Mm. pectorales des Menschen in gleicher Weise zu wie lem Hautrumpfmuskel der Säugetiere und dem M. sternalis. Die Innervation an und für sich ist ohne weiteres für die Zugehörigkeit des Sternalis zur Pectoralisgruppe zu verwerten. Sie ist aber weder ausschlaggebend für die Deutung des Sternalis als neue Bildung vom M. pectoralis major aus, noch für die Ableitung vom Hautrumpf- muskel. Wir kommen daher zunächst nicht weiter, wenn wir uns auf die Innervation allein beziehen. Daran muß aber strengstens Morpholog. Jahrbuch. 33.. 30 460 Georg Ruge festgehalten werden, daß der von der Pectoralismuskulatur oder direkt vom Hautrumpfmuskel abgeleitete Sternalis von Nn. thoracales an- teriores versorgt sein muß. LE DousBLE streitet nun einerseits für die Ansicht, welche auch hier vertreten ist, tritt aber anderseits für eine Intercostalisinnervation ein (1897, S. 281). Man findet eben in der Sternalisfrage die widersprechendsten Dinge nebeneinander ver- teidigt. Ich sehe in Le DouBLeE einen schlechten Anwalt für unsre Sache. | Die bekannte Lage des Sternalis ist ein bedeutsames Moment für die Erschließung seiner Herkunft. Mit Zuhilfenahme von ex- cessiven, abnormen, entwicklungs-mechanischen Vorgängen läßt sich alles erklären, so auch die Lage des Sternalis. Eine normale, regel- rechte Abgliederung vom M. pectoralis major ist für einen Sternalis als Neubildung unbekannt geblieben. Der Muskel, als eine Bildung auf altem Boden erstanden, darf folgerichtig nur auf diejenigen Or- gane bezogen werden, welche nachweislich die allgemeinen, topogra- phischen Verhältnisse des Sternalis zeigen. So weit bekannt, kommt hier nur der Pectoralisabschnitt des Panniculus carnosus, der Haut- rumpfmuskel der Säugetiere, in Betracht. Dieser erfüllt nun aber auch alle Bedingungen, welche wir an die topographischen Über- einstimmungen mit dem Sternalis stellen. Als Rest des Hautmus- kels muß der Sternalis anfangs die Beziehungen zum Skelette des Thorax und zum M. sterno-mastoideus entbehrt haben. In dieser subeutanen Lage wird der Sternalis oftmals angetroffen, in etwa 220), nach LE DousLE (1897, S. 280). Der Hautrumpfmuskel bedeckt bei Vertretern niederer Säugetiere die Gegend der Brust, dehnt sich bis zur Höhe des Schlüsselbeines aus, wo eine Verschmelzung mit der Hautmuskulatur der Facialis- gebilde zum funktionell einheitlichen Panniculus carnosus erfolgen kann (Monotremen, Beutler, Hystriz nach KOHLBRUGGE 1898, S. 238). In der Brustgegend gehen bei einigen Säugetiergruppen durch Sonderungen des Brustteils des Hautrumpfmuskels selbständigere Mus- keln hervor. KOHLBRUGGE (1898, 5. 238) fand bei Aystrix Javanıca eine tiefe Hautmuskelschicht, welche von der 1. Rippe und längs des Brustbeines entsprang, um abdominalwärts mit der oberflächlichen, medialen Sternalportion an der Linea alba zusammenzutreffen. Die Vereinigung der Bündelmassen erfolgte mit der oberflächlichen Lage aber erst an der Seite des Rumpfes. Die Ableitung der tiefen Schicht, welche Hystrixz allein besitzen soll, von der oberflächlichen ist naheliegend. KOHLBRUGGE kommt auf Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 461 diesen Gedanken nicht und weiß daher auch mit dieser spezialisierten tiefen Schicht bei seiner Homotypie des Halses und Rumpfes nichts anzufangen. Die Erscheinung selbst führt uns den hohen Wert des Hautrumpfmuskels in dem Haushalt der Säugetiere vor Augen; sie zeigt ihn uns in der Brustgegend als ein Allgemeingut der Mam- malier. Der Hautrumpfmuskel ist das alleinige Besitztum der Säugetiere und tritt bei diesen mit dem Haarkleide gleichzeitig auf. Ist der Sternalis ein Abkömmling des Hautrumpfiunuskels, so hat seine Erfor- schung bei den Säugetieren zu geschehen. Bei den Fischen und Am- - phibien die Sternalisforschungen zu beginnen, hält AnrHony für nötig und hat sie uns in Aussicht gestellt. Nach unsrer Ansicht kommen einzig und allein die Mammalier in Betracht, so daß Anruonys Unter- suchungen sehr Wertvolles, aber nichts Wertvolles über den Ster- nalis uns bringen mögen. Bei Amphibien und Reptilien kann die Peetoralismuskulatur in einzelnen Abteilungen mit caudalwärts weit ausgreifenden Bündeln, abdominalen Ursprüngen, angetroffen werden. Eine direkte Beziehung dieser zerstreut auftretenden Zustände zu der im Hautrumpfmuskel der Säugetiere bekundeten Allgemeiner- scheinung wird, wie ich meine, schwerlich nachzuweisen sein. Parsons (1892/93) hat sich denjenigen angeschlossen, welche im Sternalis ein Überbleibsel des den Rumpf bedeckenden Panni- culus carnosus erblicken. Er gab dabei auch eine Erklärung für die bestehende enge Beziehung des Panniculus carnosus zum Pec- toralis major. Er nahm an, daß beide sich aus dem Stratum brachio- cephalicum superficiale (HumPHrYs) durch Spaltung voneinander ent- wickelt hätten. Howes hatte die Meinung Parsons gutgeheißen. Wırson (1897) bekämpfte jedoch diese Deutung. Für uns ist sie so fremdartig, daß sie ganz und gar nicht in unsre Betrachtungs- weise fällt und füglich hier unberücksichtigt bleiben darf. Wenn man Pannieulus carnosus und Peetoralmuskulatur zu gleicher Zeit sich entstanden denkt, so verstößt man gegen das, was die Befunde bei Fischen, Amphibien und Reptilien lehren. Wie man sich auch die Genealogie des Menschengeschlechts im speziellen vorstellen mag, so wird man doch einräumen müssen, daß das, was alle andern Säugetiere besitzen, auch ihm als Gemein- gut dieser zugekommen sei. In der Stammesgeschichte des Menschen werden sich Formen gefunden haben, bei welchen der Hautrumpf- muskel auch über die Brustgegend sich ausgedehnt hat. Wenn dies der Fall ist, so können die Brustteile des Muskels auch erhalten 30* 462 Georg Ruge bleiben und, abgesprengt von dem rückgebildeten Stammmuskel, die Anlage für den Sternalis abgeben. Diese Annahme bleibt so lange eine Hypothese, bis nicht die Einheitlichkeit eines Sternalis mit dem Hautmuskel beim Menschen nachgewiesen wird. Dieser Nachweis wird voraussichtlich nie in einer Weise erbracht werden können, daß alles Gewünschte ganz klar vor uns liegt, da der Hautrumpfmuskel beim Menschen eine zu ausgesprochene Rückbildung erfahren hat. Vielleicht aber bringen glückliche ontogenetische Befunde das Ge- wünschte. Nichtsdestoweniger kann die Deutung des Sternalis als eines Hautmuskelrestes eine größere Bedeutung gewinnen, sobald es gelingt, sie in verschiedenen wichtigen Punkten tiefer zu begründen. Ich glaube, nach dieser Richtung manches hier zusammenstellen zu können, was der Annahme festeren Halt verleiht. In der Literatur stoßen wir auf lebhaften Widerstreit der Meinungen, mit welchen wir abzurechnen haben werden. Die Ausdehnung des Hautrumpfmuskels über die Brust- bis zur Halsgegend hin vollzog sich bei Cuscus orientalis und Cuscus macu- latus, bei Manis, Hystrix und Paradozurus. In der Medianlinie der Brust erfolgte die Anheftung, entweder unter Bildung einer Naht dureh Verbindung mit dem gegenseitigen Muskel, oder durch Ver- lötung mit dem Brustbeine (Paradozurus). Diese Pectoral- oder Sternalportion des Hautrumpfmuskels spaltete sich an der Brust von der lateralen, humeralen Portion so erheblich ab, daß ein großer Teil des M. pectoralis unbedeckt blieb. Die Vereinigung beider Lagen erfolgte erst wieder an der Seite des Rumpfes. Diese Ver- hältnisse entnehme ich den stark schematisierten Figuren und den in manchen Punkten nicht einwandsfreien Darstellungen KOHLBRUGGES (1898, 8. 236 u. w.). Anzuzweifeln ist vor allem die Richtigkeit der Angabe der Innervation. Die Äste des Plexus brachialis und Zweige der Rr. laterales von Intercostalnerven sollen die verschiedenen Abschnitte des Hautmuskels z. B. bei Hystriz versorgen. Daß sogar auch der Latissimus dorsi von Intercostalnerven versorgt werde, glaubt der Autor nachgewiesen zu haben. Ihm ist die genetische Betrachtungs- weise fremd, das Fremdartige erscheint ihm wichtig. Die Beurteilung seiner eignen hier verwerteten Befunde führt uns in ein Chaos un- verständlichster Erörterungen, welche das einigermaßen Feststehende umzustürzen drohen, so daß nur mit Vorbehalt auf sie verwiesen wer- den kann. So vergleicht KOHLBRUGGE die tiefe Peetoralisportion, von welcher der Hautmuskel sich entwickelt hat, mit der tiefen Schicht am Halse, welche als Sphincter colli niederen Säugetieren zukommt. Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 463 Weil der tiefe Pectoralisabschnitt, welcher beim Menschen als Portio abdominalis dem Pectoralis major sich anschließt, bei Cuscus und Paradozurus! bis an die Marsupialknochen sich auszudehnen scheint, so soll der Humerus den Schädel, das Sternum aber den Marsupial- knochen bei dem Hals- und Brusthautmuskel vertreten. Eine tiefe Pectoralisportion, von welcher der Hautmuskel herstammt, soll bei Manis und Hystrix gleichzeitig mit dem Marsupialknochen ver- schwunden sein. Wenn schon verschiedene Beobachtungen KOHLBRUGGES für un- richtig (Innervationsverhältnisse) und die Deutungen oft für verfehlt zu erachten sind, so glaube ich doch auf die schematische Dar- stellung der Ausdehnung des Hautrumpfmuskels mich verlassen zu können. Ich bin selbstverständlich weit davon entfernt, den Sternalis von einer bestimmten Muskelanordnung, wie sie bei Säugetieren angetroffen wird, abzuleiten. Selehe Anordnungen können uns nur Hinweise sein auf Einrichtungen, welche wir für die Vergangen- heit des Sternalis in ähnlicher Weise voraussetzen müssen. Und so gehen denn auch die Deutungen des Sternalis als gleichwertige Bildungen eines Muskels z. B. bei Inseetivoren und Nagern zu weit. Dogson erklärt ihn für den Rest eines M. sterno-cutieularis, wie er sich bei einigen Säugetieren findet (1883), PArsons bringt ihn mit den Einrichtungen bei Nagetieren in Beziehung (1893). Sobald die anatomischen Vergleichungen zu eng gefaßt werden, verfällt man in Irrtümer, welche sich aus der systematischen Stellung der Säuge- tierabteilungen ermessen lassen. Es bleibt hier vor allem von großer Bedeutung, daß die Hautrumpfmuskulatur bei Säugern auch Bil- dungen in der Sternalgegend aufweist, welche wegen allgemeiner Kennzeichen den Vergleich mit dem menschlichen Sternalis erlauben. Wir gehen nunmehr auf die Frage ein, ob das Menschenge- schlecht in seinen Vorzeiten je einen Hautrumpfmuskel, wie ihn die Säugetiere besitzen, auch besessen habe. Wir sind in der glück- lichen Lage, die Frage zu bejahen. Um dies etwa zu widerlegen, würde eine sehr eingehende, gründliche Untersuchung mit vielen bis jetzt unbekannt gebliebenen Tatsachen erforderlich sein. Bei den Halbaffen ist der Hautrumpfmuskel vorhanden und steht hier noch oftin voller Ausbildung. Bei den Zemur-Arten scheint der Hautmuskel stärker rückgebildet zu sein (vgl. MECKEL). HUNTINGTON (1897) beschreibt einen muskulösen Achselbogen bei Lemur brunneus. Bei den niederen Affen besteht der Muskel gleichfalls; er ist aber bereits 464 Georg Ruge auf dem Wege der Rückbildung begriffen, zuweilen noch gut entfaltet, zuweilen verschwunden, was MECKEL für Ateles anzunehmen scheint. Bei den Hylobatiden wird der Muskel vermißt, und unter den anthro- pomorphen Affen ist er in deutlichen Resten nur noch beim Gorilla anzutreffen. Neuerdings meldet GÜNTHER Freiherr v. SaAR (1903), daß er auch beim Orang-Utan einen Achselbogen gefunden habe (S. 176). Die diesbezügliche Bemerkung ist jedoch so aphoristischer Art, daß es zweckmäßig erscheint, von ihr keinen ausgedehnten (Gebrauch zu machen. Wenn schon keine direkten stammesgeschicht- lichen Beziehungen zwischen den lebenden Affen und dem Menschen bestehen, so ist doch eine gemeinsame Herkunft für beide unab- weisbar. Was bei den Prosimiern und Affen besteht, bei letzteren aber allmählich erloschen ist, muß bei den Affen ohne jenes Besitz- tum sowie beim Menschen einmal bestanden haben. Gut beglaubigte Tatsachen zeigen, daß dem wirklich so ist. Es ist durch eingehendes Studium dargetan worden, daß der so oft beim Menschen auftretende muskulöse Achselbogen einem Teil der Hautrumpfmuskulatur der niederen Affen vollkommen entspricht. Neue Belege hierfür sind in den Aufsätzen von L. ToßLeEr (1902) und K. GEHRY (1903) niedergelegt. Diese Forscher halten die von Tur- NER (1867), Wırson (1888), BIrminGHAm (1889), PArsons (1892), LE DovgLE (1897) u. a. vertretene Auffassung vom Wesen des Achsel- bogens für die richtige. TurNER hat unter Hinweis auf die vielen Hautmuskelreste an Stellen der menschlichen Leiche, an denen für ge- wöhnlich keine Muskulatur mehr vorkommt, die Meinung verfochten, daß es sich bei diesen Muskelehen ebenso wie beim Sternalis um letzte veste des Pannieulus carnosus der Säugetiere handele. Sieht man beim Aufbau des letzteren vom Platysma ab, so halte ich die Pan- nieulus carnosus-Theorie für eine wohl begründbare und zolle dem Seharfsinne des englischen Forschers volle Anerkennung. Testur (1884, S. 113) hat den menschlichen Achselbogen auf tierische Einrichtungen bezogen. Die Angaben MEcKELs dienten ihm als Belege. Er selbst hat einen Macacus sinieus untersucht, bei welchem er wie bei andern Säugetieren den Achselbogen wieder- findet in einem, wie er sich ausdrückt, vom Latissimus dorsi ab- gespaltenen und zur Crista tubereuli majoris humeri gelangenden Abschnitte. Die vielen mittlerweile bekannt gewordenen, klaren Befunde gestatten, über die Testursche unzutreffende Darstellung mit dem Bemerken hinfortzugehen, daß es ein Beobachtungsfehler ist, wenn der Hautrumpfmuskel der Affen als ein Teil des Latissimus Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 465 dorsi ausgegeben wird, da beide Gebilde bei den Affen in geneti- scher Beziehung tatsächlich gar nichts miteinander zu tun haben. Die ganz aceidentelle Überlagerung des einen durch den andern verführt dazu, den Achselbogen vom Latissimus dorsi abzuleiten. Der Achselbogen geht seiner Genese nach wie der gesamte -Hautrumpfmuskel von der Insertion der Portio abdominalis des M. peetoralis vom Humerus aus. Seine humerale Sehne kann, wie be- kannt, mit den Fascien der benachbarten Muskeln verwachsen sein. Auch dadurch entsteht der Schein, als ob ein Achselbogen vom Latissimus dorsi herkomme und in der Fascie des M. triceps brachii ausstrable. Als Spielarten der humeralen Festheftungen des Achsel- bogens sind folgende zu nennen: Verbindungen mit der Fascie des M. biceps brachii (Woon), - 0. - - M. coraco-brachialis (Woon), - - - Sehne des M. biceps brachii, - - - Achselfascie (LANGER, ANDRE). Die Anheftungen von Achselbögen am Coracoid, welche nach Woop in 3°/, gefunden sind, entsprechen wohl den alten Beziehungen des tiefen Pectoralisgliedes zum Skelette, aus welchen der Achsel- bogen sich herleitet. Tesrur meldet dies viermal von ihm beobach- tete Verhalten, ohne eine Erklärung dafür zu geben (1893, S. 561). Der am Coracoid angeheftete Achselbogen kann hier die Ver- bindung mit einem Bündel der Pars abdominalis des Pectoralis major bewahren. Ich beobachtete unlängst einen derartigen, sehr ausge- sprochenen Zustand. Der Achselbogen war mit der Sehne des La- tissimus dorsi verschmolzen, das Peetoralisbündel zart und im Verlauf zur Insertion frei, so daß man ihn auch hier einen M. pectoralis quartus heißen könnte. Das gleichzeitige Auftreten eines muskulösen Achselbogens und eines mit ihm am Humerus zusammenhängenden Bündels der Pars abdominalis des Pectoralis major kommt nach meinen Erfah- rungen verhältnismäßig häufig vor; es ist dementsprechend auch öfters beschrieben worden. Das Pectoralisbündel nimmt die Stelle im Muskel ein, von welcher aus der Hautrumpfmuskel sich entfaltet hat. Es wurde als ein M. pectoralis quartus beschrieben. BROORS fand dies Zusammentreffen beider genetisch so nah verwandten Mus- keln zweimal, Huntington siebenmal. TOBLER, GEHRY und Hun- TINGTON gaben uns gute Abbildungen der betreffenden Befunde. Die bildliche Darstellung, von letzterem herrührend, findet sich in Wiedergabe der wesentlichen Verhältnisse auf Fig. 3 des in dieser o 466 Georg Ruge Zeitschrift vorausgehenden Aufsatzes. — Gleiches wie im GEaRYschen Falle zeigte der auf Fig. 1 wegen des Sternalis abgebildete Fall. Durch Böse (1904) sind die Beobachtungen von muskulösen Achselbögen um einige vermehrt worden. Die Zustände decken sich teilweise mit den von Enpres (1893) und TOBLER beschriebenen. Sie erhalten da für die Deutung einen besonderen Wert, wo der Achsel-' bogen entweder mit einem Muskelstreifen der Pars abdominalis des Peetoralis major (Fig. 9, S. 593) zusammenhängt, oder wo von seiner humeralen Anheftung ein andrer Rest des Hautmuskels ausgeht, um auf der Fascie des M. serratus anterior fächerförmig in einzelne Bündel sich aufzulösen (Fig. 8, S. 593). Der letztere Zustand stimmt mit den Befunden beim Gorilla überein (s. TOBLER, Fig. 17). BÖösE hat diese Fälle als Reste des Hautrumpfmuskels gedeutet (S. 595). In dem von Expres mitgeteilten Falle hatte das vom Pectoralis, major abgelöste und auf dem M. serratus anterior sich ausbreitende Muskelbündel eine Anheftung an der 7. Rippe gewonnen. Dieser Umstand wirkte verführerisch mit bei der Deutung des abnormen Muskels als Rest eines früheren phylogenetischen Zusammenhangs zwischen Peetoralis und Latissimus dorsi (vgl. Abschnitte 10 und 11). Es sind in der Literatur vielerlei Beobachtungen über verschie- denartige Reste von Hautmuskelbündeln neben dem eigentlichen Achselbogen zu finden. CALorI beschreibt 1866 einen Fall, in wel- chem neben dem wirklichen Achselbogen ein zartes Muskelbündel von der Achselfascie zur Außenfläche der Rippenportion des Latissi- mus dorsi gelangt. G. FrırscH (1869) sah ein Bündel vom Achsel- bogen sich abspalten, um zur Fascie der von der 5. Rippe ent- springenden Serratuszacke zu gelangen. LE DougLeE (1879) berichtet Ähnliches. Hier liegen wie in andern ähnlichen Befunden laterale Reste des Hautrumpfmuskels vor. Der Hinweis auf die Abbildung und deren Erklärung bei RünınGEr (1868) mag früher Berechtigung gehabt haben. Heutzutage sollte dieser Autor für die genauen Ver- hältnisse des Achselbogens als Gewährsmann nicht mehr aufgeführt werden, da sich erstens nachweisen läßt, daß die Figur, auf welche man sich beruft, ganz unrichtig gezeichnet ist und dementsprechend zweitens durch eine Erklärung begleitet ist, welche Unmögliches ent- hält (Taf. XII Fig. 34). Jetzt, wo wir so viele genaue Abbildungen besitzen, liegt keine Veranlassung mehr vor, die Rüpıngersche Figur weiterhin noch zu erläutern und zu beurteilen. Ein ganz besonders lehrreicher Befund kam jüngst im Züricher Präpariersaale zur Beobachtung. Er ist von P. BascHo beschrieben Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 467 worden (1905). Der Hautmuskelrest bildet eine einheitliche breite Platte, welche zwischen den lateralen, freien Rändern von Pectoralis major und Latissimus dorsi sich ausdehnt und namentlich eine enge Anlagerung an den letzteren zeigt. Die Anheftung fand auf dem M. serratus anterior und an Rippen statt. Der Hautmuskelrest breitete sich fächerförmig aus, so daß seine Randbündel sich denen des Peetoralis major und Latissimus dorsi anschlossen. Der Fall würde sich durch diese Eigenschaften dafür eignen, in ihm den Rest eines Zusammenhangs zwischen beiden Muskeln irrtümlicher- weise zu erblieken. Ein Bündel der Pars abdominis des Pectoralis major verlief zur Insertionsstelle des Hautmuskelrestes am Oberarm- knochen (Crista tubereuli majoris). Für eine andre Gruppe von Be- obachtungen läßt Böse die genannte Erklärung nicht zu, sondern reiht sie ein in Bildungen des M. latissimus dorsi und erklärt sie für Reste der Verbindung des Latissimus dorsi mit dem Peetoralis major (man vergleiche den Abschnitt 8). In diese Gruppe entfallen solehe Beobachtungen, in denen Randbündel des Latissimus dorsi mit dem unteren Rand des muskulösen Achselbogens sich vereinigen (Böse, Fig. 9, S. 593), oder solche, wo breite Randbündel des La- tissimus dorsi längs des unteren Randes und der hinteren Fläche des Achselbogens sich axillarwärts anschließen und unter Gewinnung der parallelen Richtung der Bündel des letzteren humeralwärts sich ausdehnen (Fig. 10, S. 594). Diese Befunde sind lehrreich, insofern sie die innige Verwachsung des Achselbogens mit dem Latissimus dorsi, wie sie bekannt ist, uns zeigen, und fernerhin das weite Über- greifen der benachbarten Latissimusbündel auf den mit ihnen ver- wachsenen Achselbogen bekunden. Auf diese Erscheinung hatte TOBLER bereits hingewiesen (1902, S. 50) und sie auf ein allmäh- liches, sekundäres Übergreifen der Latissimusbündel auf den Achsel- bogen zurückführen können. GEHRY (1903, Fig. 2) hatte einen aus- gesprochenen derartigen Fall veröffentlicht. Die Mannigfaltigkeit der Verbindungen ist, wie die neuen lehrhaften Fälle Böses zeigen, eine sehr große. Die Ausdehnung der Latissimusbündel zur Ober- fläche der Achselhöhle ist aber in allen Fällen abhängig von der Verschmelzung des Achselbogens mit dem Latissimus dorsi. Das primäre Element im Achselbogen bleibt der Rest des Hautmuskels; das hinzugekommene besteht in den die Gefäße und Nerven über- querenden Latissimusbündeln. In diesem Sinne dürfen wir also wohl in Rücksicht auf die einschlägigen Fälle von einem zusammen- gesetzten Achselbogen sprechen, dessen einer Abschnitt der zuerst 468 Georg Ruge vorhandene Hautmuskelrest ist, als dessen andrer Abschnitt ein sekundär aberrantes Latissimusbündel zu gelten hat. Voraussicht- lich werden wir in Zukunft neue genaue Mitteilungen über die Zu- sammensetzung eines derartig gestalteten Achselbogens von andrer Seite erhalten. Der jeweilen in diesen Tatbeständen ausgesprochene Zustand kann füglich als eine Verbindung von Latissimus dorsi und Peetoralisgruppe ausgegeben werden. Diese Verbindung besteht schon nach der Verschmelzung des Hautmuskelrestes mit dem unveränderten oder wenig veränderten Latissimus dorsi. Die ursprünglich ausgesprochene muskulöse Natur des Achsel- bogens hat TOBLER folgerichtig hervorgehoben. Wie die membra- nösen Achselbogenbildungen LANGERs zu beurteilen sind, kann vielleicht nur durch eingehende Untersuchungen der Einzelfälle fest- gestellt werden. Sie können sich sehr wohl als Bildungen von ver- schiedener genetischer Bedeutung erweisen. Daß einige von ihnen aus sehniger Umbildung des muskulösen Achselbogens hervorge- sangen sind, ist nicht nur möglich, sondern in hohem Grade wahr- scheinlich. Andre haben vielleicht mit der uns hier interessierenden Reihe gar nichts zu tun. Bevor nicht für einen jeden Fall die morphologische Bedeutung des aponeurotischen Achselbogens fest- gestellt ist, bleibt der wissenschaftliche Wert der Aufstellung einer Statistik über ihn äußerst gering. So sind wohl die Angaben Woops (1868) zu beurteilen, der den Achselbogen in 6°, gefunden hat. Aus dem Verhalten des menschlichen muskulösen Achselbogens ergibt sich, nach meiner Überzeugung einwandsfrei, daß er ein Rest derjenigen Bündel des Hautrumpfmuskels ist, welche vom Oberarme zur Haut des Rückens gelangen, dabei die Achselhöhle oberflächlich durchlaufen und stets die Gefäße und Nerven derselben bedecken. Die Innervation des Achselbogens geschieht nach K. BARDE- LEBEN (1881) durch die Nn. thoracales anteriores. Sie steht im Ein- klange mit dem Vorgeführten. Die Bündelgruppen des »Achselbogens« stellen die bei der Ent- stehung des Hautrumpfmuskels zuletzt angelegten vor und setzen die Ausbildung der vom Oberarme zur Bauch-Leisten- und Rücken- gegend auslaufenden Bündelmassen voraus. Der Achselbogen wird serade durch diesen Umstand von höchster Wichtigkeit; denn sein Erscheinen läßt auf den vorhanden gewesenen Ausbildungszustand eines Bauch- und Rückenhautmuskels mit Sicherheit zurückschließen, welcher für den Menschen ein stammesgeschichtliches Ereignis wird. Dasselbe macht es wahrscheinlich, aber auch nieht mehr, daß in Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 469 stammesgeschichtlicher Vorzeit der Hautrumpfmuskel auch über die Brustgegend ausgedehnt gewesen ist. Die Befunde bei Säugetieren sind in dieser Beziehung von bestimmender Art. Auf keinen Fall ist die hier befürwortete Annahme, daß an Stelle des menschlichen Sternalis früher ein Hautmuskel sich be- funden habe, weit hergeholt. Sie sollte sich bei dem Vergleiche aller überhaupt in Betracht kommenden Einrichtungen einem jeden Kenner der Verhältnisse ohne weiteres aufdrängen. Die platten und breiten Formen eines Sternalis erinnern ihrer größeren Ausdehnung wegen am lebhaftesten an die durch einen Hautmuskel ausgesprochenen Verhältnisse. Ein 7 cm breiter, von JoESSEL (1878) beschriebener Sternalis deckt ein breites Feld. Kommt zu der Breite eines platten Muskels noch die Ausdehnung von der Brust in die Gegend der Muskelplatte des Obliquus abdominis ex- ternus hinzu, so tritt im Sternalis ein ausgedehnterer Rest eines Hautrumpfmuskels allem Anscheine nach wieder in die Erscheinung. Ein gutes Beispiel sehe ich in der Abbildung EısLers vom Sternalis einer männlichen Leiche (1901, Taf. I). Die Bündelrichtung des Sternalis fällt in der Regel in die Längsachse des Körpers. Der oft wahrzunehmende schräge oder bogenförmige Verlauf von Abschnitten des Sternalis oder vom ganzen Muskel kann durch Abweichung aus der ursprünglichen Längsrich- tung ebenso leicht verstanden werden, wie die unbewiesene, von EISLER angenommene und weit hergeholte Drehung der ursprünglich quer verlaufenden und »abgesprengten« Pectoralisbündel in die längs- gestellte Sternalisform. Diese bleibt auch nach EısLEer die regel- rechte Form. An sie schließen sich oftmals die schräggerichteten Fasermassen an, ohne in die quere Stellung der Pectoralisbündel wirklich überzugehen. Einen Längsverlauf zeigt nun auch durchgehends, soweit be- kannt, der Brustabschnitt des Hautrumpfmuskels bei den Säuge- tieren; und wenn man überhaupt der Bündelrichtung für die Ent- stehung des Sternalis eine Bedeutung beimißt, so muß man an erster Stelle wieder den Hautmuskel in Rechnung bringen. Das ist das Nächstliegende. Schwierigkeiten bei der Ableitung des Sternalis vom Hautrumpf- maskel bieten sich somit nieht dar. Die Ausdehnung des Sternalis bis zum Halse (Le DoußLe, 1897, S. 280) ist als seltenes Vorkommen ebensogut aus den vergleichend-anatomischen Daten zu verstehen, wie die V- oder A-förmigen Verbindungen (LE DougLeE), oder gar die 470 Georg Ruge X-förmigen Überkreuzungen eines beiderseits vorhandenen Sternalis aus dem ursprünglichen Längsverlaufe eines Hautmuskelteils sich erklären lassen. Die von CHAssaıGnAc (1834), VERNEUIL (1854), Deraun beobachteten Überkreuzungen des beiderseitigen Sternalis finden ihre Analogien am Platysma, am M. triangularis der Unter- lippe, am M. orbieularis oris. Die Hautmuskulatur neigt zu solchen Überkreuzungen in der Medianlinie. Der einseitige Sternalis über- schreitet die Mittellinie nicht selten (BERGMANN, TURNER, LE DOUBLE). Die von NıcoLAs beschriebene sternförmige Anordnung des Sternalis ist aus dem Längsverlaufe ohne weiteres ableitbar, da die in den Sterno-mastoideus und Reetus s. Obliquus externus abdominis über- gehenden Schenkel in die Längsrichtung fallen, und die zum Pec- toralis major ziehenden queren Schenkel der Sternform durch Aber- ration aus der Längsrichtung hervorgegangen sein können. Zur festeren Begründung dieser Ableitung sollten aber doch die je be- stehenden anatomischen Befunde irgendwelche Merkmale, wenn auch nur zuweilen, besitzen, welche das Wesen des Hautmuskels am Sternalis noch erkennen ließe. Derartige Merkmale bestehen meiner Ansicht nach in der Tat, aus guten Gründen aber nur in seltenen Fällen. Um sie zu erkennen, ist allerdings eine viel ge- nauere Feststellung der ausschlaggebenden Merkmale nötig, als sie uns in der Literatur gegeben ist. Wir müssen neue Beobachtungen über die Art desjenigen Zusammenhangs sammeln, welchen die Teile des Hautrumpfmuskels mit seinem Mutterboden, der Pectoralisgruppe zeigt. Die Stellen, an welchen ein solcher genetischer Zusammen- hang erwartet werden kann, lassen sich angeben. Für den Achsel- bogen befindet sich die vermeintliche Stelle des zu erwartenden Zu- sammenhangs mit der Pectoralisgruppe an deren Oberarminsertion. Hier ist sie in dieser Eigenschaft nachgewiesen worden. Für den M. sternalis darf der Ort des Zusammenhangs mit der Pectoralis- gruppe nur da gesucht und kann nur da gefunden werden, von wo die Aberration des pectoralen Hautmuskels bei den Säugetieren zur Brustgegend stattgefunden hat. Diese Stelle liegt an demjenigen Abschnitte der Peetoralisgruppe, welcher beim Menschen nach der kückbildung des Hautmuskels als Abdominalportion des Pectoralis major bezeichnet wird. Die der Pars abdominalis des menschlichen M. pectoralis major homologen Teile haben sich längs der ventralen Medianlinie becken- wärts ausgedehnt und haben die Regio pubis erreicht; sie haben dadurch die gesamte mediale Bauchregion überlagert. Die lateralen Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 471 Bündel dieser abdominalen Pectoralisportion haben sich über die Seitenflächen des Bauches bis zur Leiste sowie zur Vorder- und Seitenfläche der hinteren Gliedmaße, und von da aus durch weitere Entfaltung bis über den Rücken ausgedehnt, wo die Anheftung an der Haut und andern Orten erfolgt ist. Die letzten aberranten Bündel streichen schließlich quer durch die Achselgegend zum Rücken, wo sie dem M. latissimus auflagern. Alle diese Abschnitte haben mit dem M. pectoralis, von welchem sie sich herleiten, das Gemeinsame der Anheftung am Oberarm- knochen und der Innervation bewahrt. Die Bündel der Pars abdominalis, welche oftmals in abgelöstem, selbständigem Verlaufe zum Humerus (als M. pectoralis quartus) ge- langen, wo sie sich mit einem Achselbogen verbinden können, lassen ihre Beziehungen zum Mutterboden jeweilen unschwer erkennen. Sie stellen die Verbindungsbrücke zwischen ihm und dem Hautrumpf- muskel her. Da dieser sich vom Pectoralis major medial loslösen kann — am Humerus bleibt die Verbindung fast immer bestehen — so hat dieser Umstand Veranlassung dazu gegeben, den Pectoralis quar- tus wohl in Beziehung zum Pectoralis major, aber nicht zum Haut- muskel zu setzen. Diese Deutung findet sich bei BiruinGHAm (1889), welcher bei Känguruhs die Sonderung der Muskeln gefunden hat. Wie diese gemeinsame Bauch-Rücken-Hautmuskulatur nach ein- geleiteter Rückbildung bei den Affen in mehrere scheinbar voll- kommen selbständige Abschnitte sich spalten kann, muß im höchsten Grade lehrreich für die Beurteilung des Sternalis als eines abge- sprengten Hautmuskelteiles wirken. Ich verweise auf die Beobach- tungen TOBLERs, welche bildlich auf den Fig. 12 und 13 wieder- gegeben sind, wo ein inguinaler größerer (bei /nuus nemestrinus) und ein kleinerer Abschnitt (bei Cercopithecus cephus) abgeschnürt zu finden sind. Die ‚Innervation blieb für die abgesonderten Stücke unbeschadet erhalten. Abgesprengte, sacrale Bündelmassen sind bei Cercopithecus sabaeus durch L. ToBLEr (1902, Fig. 11) festge- stellt worden. Mir sind bei früheren Untersuchungen derartige Zu- stände vielfach bekannt geworden. Sie nachträglich hier mitzuteilen, erachte ich für überflüssig, da wir an den von TOBLER veröffent- lichten Fällen uns zunächst genügen lassen können. Nur auf eine Form von abgesprengten Teilen der Hautmuskulatur bei Affen sei noch aufmerksam gemacht. Sie finden sich in der Gegend der Spina iliaca anterior superior in Längszügen von zuweilen ansehn- licher Art. Der direkte Verband mit den abdominalen Teilen war 472 Georg Ruge unterbrochen. Sie fanden sich in der Gegend vor, zu welcher der einheitliche Hautmuskel bei andern Formen sich ausdehnt. Es liegen bier also sichere Beobachtungen über Zerklüftungen des bei den Affen sich bereits rückbildenden Hautmuskels vor. Diese abgesprengten Partien bestehen oft als ganz ansehnliche Muskeln, welchen man eine gewisse Selbständigkeit zusprechen würde, wenn man ihre Geschichte nicht kennte. Derselbe Vorgang, welcher für abdominale, sacrale Teile bekannt ist, kann auch, so nehme ich an, am Brustabschnitt des Hautmuskels stattgefunden haben. Der ab- gesprengte und ausnahmsweise sich erhaltende Teil wäre dann die Unterlage für den Sternalis geworden. Es handelt sich auch hier um eine Annahme, welche durch vergleichend-anatomische Ausblicke sich begründen läßt und durch diesen Umstand von den Annahmen EısLers wesentlich sich unterscheidet. Die Betrachtungsweise ist hier und dort so grundverschieden, daß ein Einverständnis nicht zu erzielen sein wird. Das abklärende Urteil muß die Zukunft bringen. Bei Affen sind abgesprengte Reste des Hautmuskels an der Brust bisher nie gefunden worden. Bei ihnen hat sich der Muskel aus der Brust- und der medialen Bauchregion völlig zurückgezogen. Dieser Umstand mag zunächst das Ausbleiben eines gelegentlichen Wiederauftretens von Bündelgruppen in dieser Gegend verständlich machen. Läge eine derartige Beobachtung bei irgend einer Affen- art vor, so wäre unsre Annahme fester begründbar; aber unbegrün- det bleibt sie deswegen nicht. Es ist nicht gerade unwahrscheinlich, daß einmal der gelegentliche Bestand von Hautmuskelbündeln der Brust bei einem niederen Primaten angetroffen wird. Die Stelle des Zusammenhanges der Brustbündel des Hautmus- kels mit dem tiefen Peetoralmuskel kann nur da liegen, von wo aus die ersteren zur Brust aberriert sind. Sie fällt in die Gegend des Ursprunges der zur Pars abdominalis des menschlichen M. pec- toralis major gewordenen Portion. Diesen zur Linea alba ausstrah- lenden Bündeln des tiefen Pectoralis, welcher bei Macropus an der Linea alba eaudalwärts vom Sternum sich festheftet, bei Ouseus aber bis zum Beutelknochen sich ausgedehnt hat (KOHLBRUGGE, 1898, S. 236), haben sich eranialwärts Fleischfasern angeschlossen, welche die Verbindung mit den Stammfasern am Oberarme aufgaben und über den unteren Rand und die Vorderfläche des M. peetoralis major cranialwärts sich ausbreiteten. Sie liefen in die Brustfaseie aus und erlangten eine Längsausdehnung. In dieser Anordnung findet man den platten Brustabschnitt bei verschiedenen niederen Säugetieren. Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw, 473 Frühzeitig vom Pectoralismuskel abgegliedert, werden die Ele- mente des Brustabschnittes weniger häufig die Verbindung mit dem Stammmuskel zur Schau tragen als die zum Achselbogen gewordenen Absehnitte, welche durch die beständigen Skelettanheftungen mit dem Pectoralis am Humerus vereinigt bleiben. Die seltener zu erwartenden Verbindungen des Sternalis mit den Ursprungsfasern der Abdominalisportion des M. pectoralis major erhalten, wie uns scheint, eine ganz besondere morphogenetische Be- deutung für die Sternalisfrage. Sie sollten daher auf das sorgfäl- tigste geprüft werden. Viele Arten der Verbindungen werden weder für die eine noch die andre Entstehungsart des Sternalis dann ver- wertet werden können, wenn sie auch als eine Sekundärerscheinung gedeutet werden können; aber glückliche Funde dürften als Er- haltungszustände einer primären Verbindung unsrer Annahme Dienste leisten. Ich habe im vorhergehenden Aufsatze eine Beobachtung mit- geteilt, welche zu neuen Nachforschungen anregen soll. Dort ist auf manche andre Punkte ausführlicher hingewiesen. Hier soll unser Standpunkt festgelegt werden, welcher bei der Ableitung des Ster- nalis eingenommen wird. Die vorliegenden Tatsachen über die Entfaltung des Hautrumpf- muskels bei den Primaten zeigen, daß die anthropomorphen Aften durch die Rückbildung dieses wichtigen Säugetiermuskels sich direkt an das Verhalten beim Menschen anlehnen. Die Untersuchungen Hunrtingrons ergaben ein gleiches Resultat. Bei Nyeticebus wird der Achselbogenmuskel in voller Ausbildung gefunden, bei Cynoce- phalus anubis in Verbindung mit dem Latissimus dorsi. Bei den Anthropoiden und beim Menschen jedoch wird der Hautmuskel als normale Bildung nach Huntington vermißt (1903). Anthropomorphen und Mensch entfernen sich gemeinsam weit von den niederen Katar- rhinen, welche durchwegs noch im Besitze des Hautmuskels sich befinden. Die HuxLeysche Vorstellung, daß die anthropomorphen Affen sich von dem Menschen in ihrer Organisation weniger weit als von den niederen Affen unterscheiden, findet ihre volle Bestätigung auch hier. Und so weisen die vergleichend-anatomischen Dokumente mit aller Schärfe wieder auf die nächsten verwandtschaftlichen Be- ziehungen zwischen dem Menschen und den Anthropomorphen hin, welche in ihrem gemeinsamen Stamme als Übergangsformen zwischen dem ersteren und den Hundsaffen sich zeigen. Da die Variationsbreite über das Vorkommen eines Achselbogens 474 Georg Ruge bei den Anthropomorphen bisher zu wenig oder gar nicht bekannt ist, so läßt sich z. Z. nur vermutungsweise aussagen, daß Reste der Hautmuskulatur in der Achselgegend häufiger beim Menschen als bei den Anthropomorphen, bei diesen vielleicht gar nicht, auftreten. Dasselbe dürfte bezüglich des M. sternalis gelten, vorausgesetzt, daß er auch als ein Rest der Hautrumpfmuskulatur mit Recht zu betrachten ist. Wenn sich in Zukunft ergeben sollte, daß der Achselbogen bei Anthropomorphen seltener als beim Menschen oder gar nicht mehr aufträte, so wäre diese Tatsache imstande, Licht auch über die Ur- sachen eines selteneren Auftretens oder völligen Fehlens eines Ster- nalis bei den Anthropomorphen zu verbreiten. Um hier zu einem Ergebnisse zu gelangen, wird die genaueste anatomische Prüfung auf einen axillären und prästernalen Rest der Hautmuskulatur bei allen zur Zergliederung kommenden Anthropomorphen erforderlich. Der engere Anschluß des Menschen an die Anthropomorphen sowohl in der Gesamtorganisation als auch speziell im Verhalten des Hautrumpfmuskels steht fest. Die Anthropoiden nehmen in der Genealogie des Menschengeschlechts eine bestimmte Stellung ein. Alle diese Formen stammen von solchen ab, welche einen Hautrumpf- muskel besessen haben. Reste eines solchen scheinen sich, vielleicht sogar in der Regel, nur noch beim Gorilla erhalten zu haben (vgl. ToßLer, Fig. 16—18). Durch diesen Nachweis ist die Annahme eines einstmaligen Besitzes des Hautmuskels für die Anthropomorphen fester begründet. Läge dieser Nachweis nicht vor, so wäre selbst- verständlich an der Annahme ernstlich nichts auszusetzen. Als Stamm- formen mit einem Hautrumpfmuskel treten uns im Systeme die niederen Katarrhinen als diejenigen entgegen, welche als Stammformen für die Anthröpomorphen auch hier zunächst in Betracht gezogen werden müssen. Hier gibt es nur noch die eine andre Möglichkeit der Interpretation, daß die noch lebenden Cynopitheken nicht die direkten Vorfahren der Anthropomorphen seien, sondern mit ihnen gemeinsam eine Stammform besitzen, von der sie sich früher als die Anthropo- morphen abgezweigt haben. Im Stammbaum der Primaten E. HAECKELS kommt diese wohlbegründete Vorstellung zum Ausdrucke (1898, S. 35). Es bleibt die Möglichkeit bestehen, daß die Rückbildung der Hautmuskulatur bei Anthropoiden und beim Menschen Konvergenz- erscheinungen sind, und daß die einzelnen Vertreter der Anthropo- morphen sich frühzeitig von einer gemeinsamen Stammform, welcher auch die Hundsaffen entstammen, je selbständig abgezweigt haben. Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 475 Wahrscheinlicher ist es, daß die Stammform aller Anthropoiden und des Menschen den Rückbildungsprozeß des Hautmuskels schon in einem höheren Grade durchlaufen hatte, als wir ihn bei den jetzt lebenden Cercopitheecinae antreffen. Danach würde einerseits für die niederen und anderseits für die höheren Affen und den Menschen eine gemeinsame Stammform anzunehmen sein. Örganisationsverhältnisse, welche der gemeinsamen Stammform zukamen, können, wie der Hautrumpfmuskel, bei den spezialisierten Anthropomorphen sich vollkommen rückgebildet haben, während sie sich beim Menschen von der gemeinsamen Grundform her in Resten erhalten haben können. Achselbogen und Sternalis könnten eventuell Belege dafür sein. Die von einigen Anthropologen vertretene Ansicht, daß der Mensch manch uralte Merkmale besser bewahrt habe, als seine nächstver- wandten Formen, die Anthropomorphen, kann in den Verhältnissen des Hautrumpfmuskels erst dann eine Stütze finden, wenn über das Vorkommen des Achselbogens und des Sternalis, immer vorausge- setzt, daß er ein Rest des Hautmuskels ist, bei Anthropoiden ein statistisches Material vorliegt. Solange dies nicht der Fall ist, dürfen wir auf Grund jener obigen Annahme etwa nicht schließen, daß Achselbogen und Sternalis sich deshalb beim Menschen erhalten haben, weil der Mensch uralte Merkmale der Primatenstammform länger bewahrt als die Affen. Ich verweise bezüglich der hier be- rührten Frage auf Ausführungen von H. KraarscH, 1901. Vom Stamme der Anthropomorphen könnte der Gorilla sich verhältnismäßig frühzeitig abgetrennt und nur wenig weit sich von ihm entfernt haben, was aus den Resten primitiver Einrichtungen an ihm sich ergeben würde. Solche trägt er wie am Hautrumpf- muskel so auch an andern Organen zur Schau. Diese Schlußfolgerungen haben wie viele speziellen genealogi- schen Fragen einen provisorischen Wert; sie lassen sich nur dann schärfer fassen, wenn auch andre Organe mit in Rechnung gezogen werden. Genaue Vorstellungen von der Ablösung der einzelnen Anthro- pomorphen vom Stamme lassen sich aber auch dann nicht gewinnen. Die Hylobatiden schließen sich eng aneinander an. Gorilla und Chimpanse lassen sich ihrer Organisation nach am engsten mitein- ander verknüpfen. Orang zeigt in seinem Bau oft eine sehr hohe Spezialisierung, welche keinen Rückschluß auf die Zeit der Los- lösung vom Stamme, wohl aber auf die verhältnismäßig sehr weit zurückgelegte Strecke von diesem gestattet. Morpholog. Jahrbuch. 33. E 31 476 Georg Ruge Der von E. HAEckEL (1898) zuletzt gegebene Stammbaum der Primaten widerstreitet den anatomischen Daten keineswegs. Ich stelle mir aber die Hylobatiden früher als Orang vom Stamme ab- gezweigt, außerdem den Orang weiter von ihm entfernt vor. Gorilla hat sich vom Stamme am wenigsten weit entfernt. Schwierigkeiten bei den Deutungen nach den allgemeinen Merk- malen und den Formerscheinungen am Sternalis werden bei allen Erklärungsversuchen der Herkunft des Muskels bestehen bleiben. Sie werden auch durch die Annahme von dem gelegentlichen Wieder- erscheinen eines Restes des Hautrumpfmuskels nicht gehoben. Denn es bleibt uns zunächst immer unverständlich, welche Ursachen über- haupt das Wiederauftreten des Muskels bedingt haben können. Der- selbe fehlt oder er ist da. Der Vorhandene gestattet uns keinen Ein- blick in die dem ganzen Organismus erwiesenen Dienste. Deshalb etwa, weil die ursächlichen Momente nicht zu ergründen sind, brauchen wir noch nicht die Zuflucht zur Annahme zu nehmen, der Muskel sei eine durch Störung der Entwicklung bedingte Bildung. Denn von dem Nutzen, dem Leistungsvermögen eines Achselbogens wissen wir Sicheres ja auch nicht, und doch ist dessen Genese völlig er- kannt. Mit dem Sternalis könnte es sich ebenso verhalten. Es ist wohl nur ein Zufall, daß der Achselbogen nicht auch schon eine gleiche Deutung erfahren hat, wie sie EısLer und Hux- TINGTON dem Sternalis zuteil werden lassen. Damit der EısLersche Vorgang keine Nachahmung für den Achselbogen finde, wird es nötig sein, die Gründe gegen eine solche eventuelle Deutung immer wieder hervorzuheben, um wenigstens hier einer Willkür in Deutungen ein Hemmnis entgegenzusetzen. Es wird vorderhand auch unaufgeklärt bleiben, durch welche Ursachen der Sternalis zuweilen ein so ansehnliches Gebilde, meistens aber zu einem ganz unansehnlichen Muskelstreifen geworden ist. Läßt man sich hierüber in Spekulationen ein, so werden bald ebenso viele verschiedene Ansichten auftauchen, wie sie die Erforschung der Entstehungsgeschichte des Sternalis aufweist. Zuerst sollte diese sichergestellt sein. Es sind einige Fälle von Sternalis beschrieben worden, welche durch die Abweichung vom gewöhnlichen Verhalten des Muskels für alle gegebenen Deutungen in gleicher Weise Schwierigkeiten darbieten werden. Ich. denke hier an die Fälle, in welchen der Muskel teilweise von dem Pectoralis major bedeckt ist, und dieser Defekte aufweist. Ich verweise z. B. auf den von EısLer (1901) sehr Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 477 genau untersuchten Fall bei einem monatlichen Anencephalus. An den eigentlichen Sternalis schloß sich lateral eine flache, bandartige Muskelportion an, welehe mit langer, dünner Sehne unter dem Pec- toralis major vom 5. Rippenknorpel, zusammen mit den Randbündeln der Sternalportion des letzteren entsprang, um cranialwärts aus einem größeren Defekt im Peetoralis major hervorzutreten und am Rande des Manubrium sterni neben dem eigentlichen Sternalis sich festzuheften. Die Verlagerungen eines kleinen Muskelabschnittes unter den Peetoralis major, in die Lücke in demselben, sind, da sie sich bei einem Anencephalus vorfinden, für die von EisLEr befürwortete Deu- tung des Sternalis verwertet worden. Die Frage nach der Entstehung des Sternalis aus der Haut- rumpfmuskulatur setzt deren Vorhandensein selbstverständlich vor- aus; sie rechnet mit ihm als einem vorhandenen Dinge. Des Ver- ständnisses wegen mußte der Art der Ausbreitung des Hautmuskels in kurzen Zügen gedacht werden, um die engeren Beziehungen des Achselbogens und des Sternalis als Gliedstücke desselben zu kenn- zeichnen. Die Beziehungen des Achselbogens zum Hautmuskel sind bekannt, diejenigen des Sternalis sollen erst erschlossen und sicher- gestellt werden. Was hier als feststehend vorgeführt ist, wird von andrer Seite angezweifelt. P. EısLer (1901, S. 68) vermag die Ansicht nicht zu teilen, daß der Achselbogen einen Rest der subeutanen »Pectoralis- muskulatur« bilde. Er hält den Achselbogen für viel älter als den Panniculus carnosus und unter Bezugnahme auf seinen Aufsatz von 1895 (S. 101) für gleichwertig dem M. coraco-brachialis brevis der Urodelen. Die Gewinnung des jetzigen Ursprungs von der Latissi- mussehne beruhe auf der Reduktion des Coracoidapparates und des gleichzeitigen Caudalwärtsrückens des Schultergürtels. EiSLER kannte den 1895 erschienenen Aufsatz über die Hautmuskulatur der Mono- tremen. Die in ihm niedergelegten, für viele Fragen z. B. diejenigen des Achselbogens grundlegenden Erfahrungen hat sich der Autor wenig zu eigen gemacht; denn er bleibt der Meinung getreu, daß es sich in vielen Fällen, wo beim Menschen Rudimente eines Panni- culus carnosus verzeichnet sind, nicht um atavistische, sondern nur um Konvergenzerscheinungen gehandelt haben dürfe (1901, S. 68). Diese Ansicht läßt sich unter Würdigung des tatsächlichen Ver- haltens bei den Monotremen und höheren Abteilungen der Säuge- tiere kaum ernstlich aufrecht erhalten. Wie sich EısLEr zu den 31* 478 Georg Ruge 1901 erschienenen Untersuchungen TOBLERS über den Achselbogen stellt, ist abzuwarten. Sollte er bei seinen Ansichten über den Achselbogen verharren, so könnte es geboten sein, die Frage noch- mals zu erörtern. An dieser Stelle beschränke ich mich auf die folgenden wenigen Bemerkungen. Die gewaltige Entwicklung der Hautmuskulatur bei niederen Säugetieren halte ich in Hinsicht auf die höheren, die Primaten, für einen primitiven Zustand. Das pro- gressive Verhalten für diese Muskulatur besteht bei den Mamma- liern in. der Rückbildung. Es widerspricht sich selbstverständlich nicht, daß eine Rückbildung als ein progressiver Zustand ausgegeben wird, womit natürlich nicht gemeint ist, daß ein rückgebildeter Muskel eine progressive Ausbildung darstelle. Ich finde einen ähn- lichen Ausspruch auch bei EıstLer (S. 72, Anmerk.): »Prospektive Muskelvariation braucht durchaus nicht immer ein Plus an Musku- latur zu ergeben; vielleicht ist sogar bei Rumpfmuskeln das Minus häufiger im Anschlusse an die fortschreitende Verkürzung des Rumpfes.< Wenn EısLer den Panniculus carnosus zu einer ausge- sprochen progressiven Bildung stempelt, so denkt er daran, daß der Hautmuskel schon bei den urodelen Amphibien, womöglich schon bei den Fischen sein Homologon besitze. Wäre dies der Fall, so stellte der Pannieulus carnosus der Säugetiere im Vergleich zu den niederen Wirbeltieren in der Tat einen progressiven Zustand dar. Für die Säugetiere jedoch blieb die gewaltige Entfaltung des Haut- muskels der niederen Abteilungen das, was sie ist, eine ursprüng- liche, primitive Erscheinung, und zwar im Vergleich mit der Rück- bildung bei den höheren Formen. Was den Achselbogen betrifft, so gilt im Einklange mit den obigen Ausführungen die wichtige Tatsache, daß derselbe nur bei Säugetieren gefunden wird, deren Hautmuskulatur völlig zugrunde gegangen ist, d. i. beim Menschen. Alle diejenigen Säugetiere, welche, soweit bekannt, einen Hautmuskel besitzen, entbehren eines selbständigen Achselbogens. Diese Tatsache gibt auch P. EısLer zu (1895, 8. 103). Von SAAR gibt nun zwar für Carnivoren (1903, S. 161), Ungulaten (S. 167), Nagetiere (S. 173), Insectivoren (S. 174), das Auftreten eines Achselbogens an. Derselbe ist aber nichts an- dres als der mit einem tiefen Pectoralismuskel (M. pectoralis quartus) zusammenhängende Hautrumpfmuskel, welcher die Achselhöhle durch- quert und dem Latissimus dorsi auflagert (S. 196). Die alten Angaben MECKELs sind im gleichen Sinne zu deuten, was allerdings lange Zeit nicht geschehen ist (vgl. TesturT, 1884). Der Achselbogen ist Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 479 eben nichts andres als die axillare Portion des Hautrumpfmuskels. In dieser Eigenschaft stellt er sich auch bei den Arctopitheken dar, bei welchen ihn L. BayEr regelmäßig gefunden hat (1892). Parsons (1892) deutet die Verhältnisse in zutreffender Weise. Nach LE DousLe (1897) stimmt der Achselbogen mit den vorderen, axil- laren Bündeln des Panniculus carnosus überein und zwar nach Lage- beziehungen und Richtung des Bündelverlaufs. Der Achselbogen ist als Rest eines Hautmuskels vielfach anerkannt worden (vgl. von BIRMINGHAM an, 1889, bis Huntington, 1904). Ein Homologon hat der Achselbogen also in denjenigen Abschnitten des Hautmuskels, welche die letzten Stationen in der Ausbildung desselben darstellen. Er kann daher bei den Organismen ohne einen Hautmuskel ein Homologon nicht besitzen. Die EısLersche Homologisierung des Achselbogens mit der oberflächlichen Portion des M. coraco-bra- chialis brevis der Urodelen ruht auf sehr schwacher Basis. Der Ent- scheid darüber, ob diese Homologie richtig sei oder nicht, fördert die Sternalisfrage im speziellen in keiner Weise; er berührt aber die Geschichte des Hautrumpfmuskels in dessen ganzer Anlage und greift damit in unsere Interessesphäre ein. Die EısLersche Beweis- führung für die aufgestellte Homologie ist lückenhaft und deshalb dürftig, und mit Recht ist auf besseres Material zu warten. Bevor wir einen rein menschlichen Muskel wie den Achselbogen auf der Ampbibienorganisation direkt beziehen dürfen, bedarf es mehr als die kurzen Ausführungen EiısLers über diese Frage von grundlegender Bedeutung. Bei dem gewagten Weitsprunge von den urodelen Am- phibien bis zum Menschen können die übersprungenen wichtigen Dinge selbstverständlich weder in ihrer eignen Bedeutung noch in den Beziehungen zu der Anfangs- und Ausgangsstation erkannt wer- den. Sie bleiben unerkannt, und zwei fern voneinander abliegende Teile scheinen nur fest miteinander verknüpft, ohne es zu sein. Die Innervationsverhältnisse des menschlichen Achselbogens mit dem Coraeco-brachialis brevis der Urodelen werden als sehr ähnliche be- zeichnet (1895, S. 102). Diese Ähnlichkeit beweist gar nichts. EisLer läßt im Anschluß an Wırsox und CunxinGHAM den mensch- lichen Achselbogen sowohl von dem N. thoracalis anter. (int.) als auch vom N. intercosto-humeralis versorgt sein, nimmt aber auf die vom letzteren Nerven versorgten Formen später keine Rück- sicht mehr. Die Schwierigkeit, zwei so verschieden innervierte Muskeln als gleichwertig zu erachten, berührt EısLer nicht weiter und läßt sie auf sich beruhen. Das darf wohl eine Unterlassung 480 Georg Ruge geheißen werden. Die Innervationsverhältnisse mögen daher mit denen des Amphibienmuskels sehr ähnliche sein; sie sind aber nach den eignen Angaben des Autors keine gleichwertigen. — »Der Ur- sprung vom lateralen Teile des caudalen Coracoidrandes mit der Tendenz des Übergreifens auf die Außenfläche der Platte erklärt ohne weiteres, daß bei der Rückbildung des Coracoids mit alleiniger Erhaltung einer Fascienplatte der Muskel (Coraco-brachialis brevis) sich auf die Fascie und dadurch auf den zunächst gelegenen festeren Teil, die Latissimussehne, heften mußte, aber nicht wie die tiefe Portion an der Innenfläche der Fascie proximalwärts wanderte.« Wir verstehen nun unter einer einigermaßen strengen Beweisführung etwas ganz andres, als die hier gegebene Übertragung des Ergeb- nisses eines ganz gewaltigen, aber nur mit Unrecht als erforscht an- genommenen Umformungsprozesses bei den Amphibien auf die Ver- hältnisse des muskulösen Achselbogens »im engeren Sinne« (EISLERS) beim Menschen. Dieser entspringt nämlich nach EisLER »immer durch Vermittlung einer sehnigen Inskription von der Sehne oder noch von der benachbarten Fleischmasse des Latissimus dorsi (ge- nauer von der des Costo-axillaris posterior), kreuzt ventral oder bei rechtwinklig abduziertem Arme cranial die Achselnerven und Ge- fäße und endet sehnig auf der Innenfläche der Sehne des Pectoralis major oder in der Oberarmfascie über Coraco-brachialis. und Biceps bis zum Proc. eoracoides«. Der muskulöse Achselbogen »im engeren Sinne« gehört nach EısLER in eine andre Gruppe als dasjenige Muskelband, welches von ventralen Teilen des Latissimus dorsi sich abzweigt und ventral zu den Gefäß- und Nervenbündeln der Achsel- höhle gegen die Sehne des Pectoralis major zieht. Es besteht zunächst gar kein zwingender Grund, diese Fälle von Achselbögen in zwei ganz verschiedene Gruppen einzuteilen. Sie gehören alle in eine natürliche Formenreihe und lassen sich, wie dies L. TOBLER durchgeführt hat, in diese ohne Zwang auch wirklich einordnen. Wie sich der Latissimus dorsi in sekundärer Weise am Aufbau des Achselbogens beteiligen kann, ist unten ‚be- sonders besprochen. Etwaige selbständige Abweichungen im Ge- biete des Latissimus dorsi in der Gegend der Achselhöhle würden in ein andres Gebiet gehören und müßten für sich betrachtet wer- den. Ich glaube nicht, daß auf diesem Felde ausgiebige Ernte ge- halten werden kann, da alle von der Insertion des M. pectoralis major zum Latissimus dorsi ziehenden Gebilde zunächst zu dem primitiven Achselbogen, dem Rest des Hautmuskels, zu zählen sind. Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 481 Fernerhin hat EisLer nieht genügend in Rechnung gezogen, daß nach seinen Annahmen der Rückbildung des Coracoids der Coraco- brachialis brevis der Urodelen auf der Latissimussehne nur beim Menschen haften geblieben wäre, da ähnliche Bildungen sonst nicht angetroffen worden sind. Da Eıster auf homologe Bildungen bei andern Wirbeltieren keinen Bezug nimmt, so wird ein Sprung in der Vergleichung von den urodelen Amphibien bis zum Menschen hin gemacht. Bei diesem Unternehmen folgen wir dem Autor nicht. EisLER ist weiterhin nicht verlegen gewesen, das Homologon des Achselbogens am Beckengürtel sofort in der tiefen Portion des Pectineus zu entdecken. Wir folgen ihm hier ebenfalls nicht weiter, um nicht mit ihm Schiffbruch zu leiden. Es wäre an erster Stelle nötig gewesen zu zeigen, daß der Coraco-brachialis brevis der Am- phibien ebenso wie der Achselbogen Gefäße und Nerven der Glied- maße oberflächlich kreuze. Großen Schwierigkeiten ist EISLER hier aus dem Wege gegangen. Ein kühner, zuversichtlicher Ausspruch mußte das wieder gut machen. Der Achselbogen ist also nach EisLer die atavistische Wieder- holung eines an entsprechender Stelle vorhandenen kurzen Muskels der Urodelen, aber nicht aus einer Reduktion des Panniculus entstanden (1895, S. 103). Der Autor vermutet, daß der Pannieulus carnosus durch Weiterwandern des Ursprungs eines Coraco-brachialis super- fieialis der Urodelen entstanden sei. Letztere Anschauung enthält etwas Richtiges, allerdings nur in der Annahme der Wanderung und auch dann nur in der Voraussetzung, daß der Coraco-brachialis superficialis einem Pectoralis tertius, wie angenommen, auch wirk- lich homolog ist. Das letztere ist aber auch erst wieder zu be- weisen, um der Annahme den Charakter des Willkürlichen zu nehmen. Leider hat WIEDERSHEIM (1902, S. 114) die Ansicht EısLers über- nommen und dadurch den Schein deren allergrößter Unwahrschein- lichkeit verdeckt. Das ist insofern bedauerlich, als eine völlig unbewiesene, der Literatur ohne jedwede Begründung nunmehr ein- verleibte Annahme gutgeheißen wird. Hiermit mehren sich die auf dem Gebiete des Achselbogens, Sternalis und Hautrumpfmuskels so zahlreichen Hypothesen, unter welchen die EısLerschen die kühn- sten sind. Sie überschreiten nach meinem Dafürhalten diejenigen Seitenwege, welche zu wandeln eine strenge wissenschaftliche For- schung noch gerade gestatten mag, und deshalb werde ich mich stets ablehnend dagegen verhalten. In dem Selbstberichte über die Homologie der Extremitäten 482 Georg Ruge kommen die Ansichten EISLERS zu noch schärferem Ausdrucke. Dort heißt es: Der muskulöse Achselbogen s. str. (Var.), der von der Sehne oder mittels Schaltsehne vom Bauche des Latissimus ent- springt, ist homolog der tiefen Portion des Peetineus. — Der Achsel- bogen ist also nicht aus einer Reduktion des Panniculus carnosus hervorgegangen (1896, S. 442). Dieser kurze Bericht entspricht den ebenfalls kurz gefaßten Ansichten über den M. adductor magnus und den Adductorschlitz. Sie lauten dahin, daß der Adductor magnus, weil er aus zwei verschiedenen Nerven versorgt wird, noch keines- wegs aus zwei verschiedenen Muskeln zu einem verschmolzen sein müsse (S. 438). Die diploneure Versorgung eines Muskels habe erst dann morphologisch-diagnostischen Wert, wenn in einem scheinbar einheitlichen Muskel zwei Nerven aus beiden Hauptschichten des Plexus, also aus einem dorsalen und einem ventralen Nerven ein- treten. Hier handelt es sich um eine rein EısLersche Forderung. Unbekümmert um diese ist der Adductor magnus des Menschen tat- sächlich aus zwei Muskeln entstanden. Die auf meine Anregung hin entstandene Arbeit A. BüHLers (1903) zeigt, wie schlecht EisLEr über diese Verhältnisse orientiert ist. Mir war das Wesentlichste der menschlichen und der vergleichend-anatomischen Tatsachen be- kannt, als ich mich 1894 über die Bedeutung des Adductoren- schlitzes aussprach. EısLeR macht mir durch seinen Ausspruch: »Der Durchlaß der Art. und V. femoralis nach der Kniekehle ist ein Adductorenschlitz, kein Canalis adduetorio-flexorius (RuGE)« (1896, S. 441) gewissermaßen den Vorwurf, leichtweg obige Behauptung auf- gestellt zu haben. Das war nun keineswegs der Fall, und es bleibt auch heute noch unverständlich, daß ein vergleichender Anatom, ohne Beweise zu bringen, daran zweifeln kann; denn die einschlä- gigen Tatsachen sind zu leicht an dem gewöhnlichsten Material dar- zustellen. Ich meine, daß diese Frage durch BÜHLER ebenso wie diejenige nach der Herkunft des Achselbogens durch TOBLER end- gültig gelöst sind. Die großen Verwirrungen in der Achselbogenfrage sind durch J. H. F. KOHLBRUGGE (1897, S. 69) nieht nur unterhalten, sondern durch neue Angaben vermehrt worden. Er kennt aus eigner Er- fahrung über den Achselbogen nichts, stützt sich auf die Angabe CuNNINGHAMS (1891), daß der zweite N. thoracalis den Muskel inner- viere, und verwendet dabei seine eigne unrichtige Beobachtung der Versorgung der proximalen Teile des Hautmuskels bei Semnopithecus durch den Ramus lateralis des »N. dorsalise II oder auch IH. Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 483 KOHLBRUGGE spekuliert nun etwa in der folgenden Weise: Der Achselbogen fehlte bei Semnopitheei, Anthropoiden und Hylobatiden. Sein Auftreten beim Menschen sei gewiß sehr merkwürdig und einst- weilen nur phylogenetisch zu erklären, da die seitlichen Hautmuskeln vermißt werden. Dem Autor blieb dabei unbekannt, daß diese la- teralen Teile des Hautrumpfmuskels beim Menschen als Variationen wie der Achselbogen auftreten (vgl. S. 45, 9. Abschnitt). Der Achsel- bogen sei nichts andres als ein Teil des rudimentären Hautmuskels. Da die proximalen Teile des Hautmuskels bei den Semnopitheei vom R. lateralis des N. dorsalis II oder auch III versorgt werden (dies ist ein Beobachtungsfehler des Autors), so sei die Angabe BARDE- LEBENS einstweilen noch zu bezweifeln, daß Nn. thoracales anteriores den Achselbogen versorgen. — v. BARDELEBEN hat diesen Zweifel mit vollem Rechte zurückgewiesen; denn die Versorgung des Achsel- bogens durch diese Nerven ist über allen Zweifel erhaben. Wenn die Verirrungen KOHLBRUGGES nur daraus sich erklärten, daß sein Ausgangspunkt ein falscher war, so hätte die Folgerichtigkeit seiner weiteren Angaben doch unangetastet bleiben können. Das ist aber nicht der Fall; denn KoHLerusGe leitet den Hautmuskel sowie den Achselbogen vom Latissimus dorsi ab, welchem er sie fälschlicher- weise auch in der Darstellung anschließt. »Aberrierende Muskel- bündel des Latissimus dorsic aber vom II. oder auch III. N. dorsalis versorgt sein zu lassen, ist ein anatomischer Fehler. Testur war in seinen Angaben schon 1884 genauer, indem er den lateralen Ast des Intercostalnerven den Achselbogen nur kreu- zen ließ. Der Feststellung der Innervation des Achselbogens ist dasselbe Mißgeschick wie derjenigen des Sternalis widerfahren. Hautästen der Intereostalnerven, welche bei der Durchbohrung des Achsel- bogens mit dessen motorischen Nerven in Aneinanderlagerung ge- raten können, sind verschiedentlich für die motorischen Elemente beschrieben worden. Der N. intercosto-humeralis soll nach EiısLEr öfter den Zweig an den Achselbogen abgegeben haben (1895, S. 102). Wırson hatte schon früher dem 2. Intereostalnerven die Versorgung des Achselbogens zugeschrieben (1888). Eigentümlicher bleibt dessen Angabe, daß dieser Innervationszustand rechts bestehe, während links die Nn. thoracales anteriores die Versorgung übernehmen. Da- bei leitet der Autor den Achselbogen vom Panniculus carnosus ab. Wir treffen hier gleiche Verirrungen wie beim Sternalis an. Alles nur Denkbare ist auch vertreten worden. Wırson hat 1889 seine 484 Georg Kuge Ansicht dahin abgeändert, daß der Achselbogen am häufigsten von den Nn. thoracales anteriores versorgt werde, daß dies Verhalten als Norm gelten könne. Der Achselbogen wird aber nichtsdesto- weniger dem 2. thorakalen Segmente zugeschrieben. Das letztere wäre nur dann aufrecht zu halten, wenn der 2. thorakale Spinal- nerv wirklich zum Achselbogen verfolgt worden wäre. Die Innervation desselben durch Äste der Nn. thoracales ante- riores, welehe den Hautrumpfmuskel der Säugetiere versorgen, ist auch nach meinen Erfahrungen über allem Zweifel erhaben (man vgl. TOBLER, GEHRY). Die Tatsache ist immer wieder hervorge- hoben worden. Hunrmerton (1904) stützt sich neuerdings auf die Angaben von Bırminsmam und Wırson und hält auch auf Grund dieser Innervation den Achselbogen einem Hautmuskelteil für gleich- wertig. Der von P. Bascno (1905) beschriebene Hautrumpfmuskelrest empfing Äste aus dem 7. und 8. cervicalen und ‚aus dem 1. thora- kalen Spinalnerven, die sich ihm anschließende Abdominalportion des Pectoralis major Äste aus dem 7. und 8. Cervicalnerven. Die Stellungsnahme Cunnin6GHAMms (1891) in der Innervations- frage des Sternalis und des Achselbogens ist nach meiner Über- zeugung anfechtbar, eine, wie die vielen vorliegenden und eigne Erfahrungen mich lehren, unhaltbare; sie ist insofern bedauerns- wert, als CunninGHAm sich auf Zugeständnisse eingelassen hat, welche auf anatomischem Gebiete oftmals und hier gänzlich unzu- lässig sind. Auf Tatsachen allein begründen sich aber alle unsre Anschauungen. In der Sternalisfrage hat CuNNInGHAM uns ge- lehrt, daß er stets die Nn. thoracales anteriores zum Muskel hat verfolgen können. Er macht das Zugeständnis an SHEPERD, daß zuweilen die Intercostalnerven zum Sternalis ziehen mögen, weigert sich aber, BARDELEBENS einstige, jetzt aber aufgegebene Annahme von der Regel einer Intereostalisinnervation anzuerkennen. Er führt die nur zugestandene, aber nicht bestätigte Doppelinnervation als Beweis dafür an, daß ein peripherer Nerv diesen oder jenen Weg bis zum Erreichen des motorischen Endgebiets einschlagen könne, daß der Nerv nicht unter allen Umständen wegleitend bei den Muskeluntersuchungen sei. Demgegenüber bleibt unsre Stel- lungsnahme den BARDELEBEN- SHEPERDschen Angaben gegenüber wohl zunächst berechtigter: sie bezweifelt die Richtigkeit der letz- teren, hält CunnxineHams Stellung für allzu vorsichtig und dessen Einschränkung der Nervenmuskellehre in dem betreffenden Falle für Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 485 voreilig. Der berechtigte und offen ausgesprochene Zweifel über- läßt die Richtigstellung der sorgfältigen Nachprüfung durch spätere Forscher. — In der Achselbogenfrage lautet CunxıinGHANS An- sicht dahin, daß der zweite thorakale Nerv ihn innerviere. Diese Tatsache ist nach meiner Ansicht auch nicht ein einziges Mal ein- wandslos festgestellt worden. Die Nerven sollen, wiederum als Beweis für die Unzuverlässigkeit der Lehre von der Wegleitung der Nerven bei Muskeluntersuchungen, ihre Bahnen entweder indirekt durch den Plexus brachialis als Äste der Nn. thoracales anteriores oder direkt durch den zweiten Intereostalnerv zum Achselbogen einschlagen. Wırson ist der Gewährsmann für CunxınGHAM bei dem Zugeständ- nisse dieser Doppelinnervation. Warum, so fragen wir auch hier, regten sich keine Zweifel an der Richtigkeit der einen oder der andern Angabe über die Nervenversorgung? Eine Nachprüfung wurde erforderlich, bevor eine durch vollkommene Untersuchungsreihen oft bestätigte Erscheinung in Zweifel gezogen werden durfte. Es bleibt fraglich, ob der Achselbogen jemals von Intereostalnerven versorgt wird. Eine reiche Erfahrung auf anatomischem und vergleichend- anatomischem Gebiete berechtigt uns zum Zweifel, so daß wir auch hier die endgültige Lösung getrost der Zukunft überlassen können. Der gute Name CunninGHAMs kann keine Schranke sein, ohne Rück- halt auf die folgenschweren Irrtümer hinzuweisen. CUNNINGHAM hat an der Überzeugung festgehalten, daß der Sternalis, wie auch die von ihm zugestandene, verschiedenartige Innervation im Einzelfalle sein möge, ein Abkömmling des M. pectoralis sei. Für den Achsel- bogen gibt er die einheitliche Quelle nicht an. Es sollte doch aber auch nach ihm eine solehe bestehen! Wie käme er sonst dazu, den verschiedenen Nervenverlauf (Nn. thoracales anteriores und Nn. intercostales) als Beweis für die Durehbrechung des Nervenmuskel- gesetzes anzuführen. Da der Achselbogen zweifellos ein Abkömm- ling der Pectoralismuskulatur ist, so müßte auch diese von Inter- costalnerven versorgt sein können. Das wäre doch eines stringenten Beweises wohl wert. Durch den Kompromiß CuxsınGHans sind Wirr- sale entstanden, aus welchen uns nur der genannte Zweifel heraus- hilft. KOHLBRUGGE hat einen andern Standpunkt angenommen und hat dadurch die Achselbogenfrage, wie ich meine, noch weiter ver- wirrt. Er zieht die Bedeutung des Nerven als Wegweiser für die Erkenntnis der Muskelnatur wie CunxınGHAMm in Zweifel und ist dabei doch so weit gegangen, die Gruppierung der Muskeln nach den Nervengebieten in ausgedehntestem Maße durchzuführen (1890/01, 486 Georg Ruge 1897). Der hierin sich aussprechende Widerspruch kann nur durch diejenige Gründlichkeit des Beibringens von Beweismaterial ausge- glichen werden, welche bei ihm sowie auch bei CunnınGHAMm in diesem Punkte vermißt werden. Auch andre Muskeln, deren Innervation seit langer Zeit sicher- gestellt ist, hatten bei erneuter Behandlung das Schicksal, unter die Innervation von sensiblen Intercostalnervenästen gestellt zu werden. Der M. rhomboides des Gorilla z. B. sollte außer durch den N. dor- salis scapulae auch durch den 3. und 4. Intercostalnerven versorgt werden (EısLEr, 1890). Zum Glück hat der Autor diese verwirrende, irrige Angabe 1901 (S. 42) wieder zurückgenommen. Forscher, welche derartige Angaben im guten Glauben kritiklos hinnahmen, haben sie jedoch benutzen können. Wer die einheitliche Geschichte des M. rhom- boides, M. levator scapulae, und M. serratus anterior kennt, mußte jener Angabe das allergrößte Mißtrauen entgegenbringen. KonL- BRUGGE hat den Irrtum EisLers als etwas Interessantes aufgegriffen (1897, S. 57) und daran die Lehre geknüpft: »Solche Tatsachen mahnen zur Vorsicht, daß wir auf die Unveränderlichkeit der Inner- vationsverhältnisse nicht zu viel vertrauen.« Diese Bemerkung ist wie viele andre in den KoHLBRUGGEschen Arbeiten gegen die weg- leitende Bedeutung der Innervation bei myologischen Untersuchungen gerichtet. Bei so bedeutungsvollen Fragen sich auf Tatsachen zu stützen, welche von den Gewährsmännern selbst als Irrtümer zuge- standen werden mußten (EısLeEr), rüttelt nicht an der Vertrauenswür- digkeit des Gesetzes, wohl an derjenigen des Mahners. KOHLBRUGGE hat auch anderorts den Nerven nicht mehr als den untrügerischen Wegweiser für die Bestimmung der Muskeln ausgegeben (1897, S. 150). Er lehnt sich hierbei an Cunxin6GHAM (1891) an und knüpft dabei auch an meine Arbeiten über den M. rectus thoraco-abdomi- nalis aus den Jahren 1890 und 1893 an, deren Bedeutung nur in der Erhärtung der gegenteiligen Ansicht bestehen kann. Bei der Nervenmuskelfrage handelt es sich um die außerordentlich klare, durchsichtige Allgemeinerscheinung, daß der Nerv die Wegleitung bei der Aufklärung des Wesens der Muskulatur übernimmt. Wenn nun auf dem myologischen Gebiete einige Fragen noch keine Lösung gefunden haben, oder Literaturangaben auftauchen, welche mit jener Allgemeinerscheinung nicht in Einklang zu setzen sind, so erhebt sich daraus naturgemäß eine neue Fragestellung. Es wird dann nötig, sich von den Fesseln dogmatischer Art zu befreien und eine objektive Nachforschung aufs neue zu beginnen. KOHLBRUGGE klam- Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 487 mert sich an die sehr wenig stichhaltigen Aussprüche CUNNINGHANMSs, an falsche und wieder richtig gestellte Autorenangaben (EISLER), an nicht völlig aufgeklärte Punkte von Arbeiten mit sehr bestimmten anderswertigen Ergebnissen (G. RuGE) und vor allem an eigne Unter- suchungen mit ausgesprochenen Beobachtungsfehlern (Achselbogen- innervation bei Semnopithecus durch den 2. und 3. Intercostalnerven. Für den Achselbogen als Hautmuskelrest gilt die Versorgung durch Äste der Nn. thoracales anteriores heute als die einzig rich- tige Annahme. Die vielen, guten Arbeiten der oben angeführten englischen Forscher (BIRMINGHAM, 1889, BROOKS u. a.), von K. BARDE- LEBEN (1881), LE DouBLe und die letzterschienene Arbeit von TOBLER haben die Frage geklärt. Sobald sich dem Achselbogen Latissimus- bündel anlagern, müssen diese notgedrungen von den Nn. subscapu- lares versorgt werden. Die Äste für den Achselbogen wurzeln nach EısLer (1895, S. 103) im 8. Hals- und 1. Thorakalnerven, für den Sternalis im 7. oder im 5. und 6. oder im 5., 6. und 7. Halsnerven (EısLEer, 1902), nach CHRISTIANS (1898) im 7. und 8. Halsnerven. Es kommen also für den Aufbau des Sternalis das 5. bis 7. cervicale, für den des Achsel- bogens das 8. cervicale und das 1. thorakale Myotom in Betracht, nach WırLson allerdings auch das 2. thorakale Segment (CUNNING- HAM). BIRMINGHAM läßt den Achselbogen von Nn. thoracales ante- riores (intern.) versorgt sein; er gibt ihn folgerichtig für ein Derivat des Panniculus carnosus aus (1889). HuntinGTon nimmt den gleichen Standpunkt ein. Ein eignes Schicksal haben die Innervationsverhältnisse des Hautrumpfmuskels von Cuscus, Paradoxurus, Manis und Hystrix durch KOHLBRUGGE erfahren (1898, S. 239 usw.). Die Rr. cutanei des Intercostalnerven sollen gemeinsam mit den Nn. thoracales ante- riores den Hautmuskel versorgen. Die Intercostalnerven gelangen bei den Marsupialiern zu dem letzteren, und zwar zur medialen Brust- und lateralen humeralen Portion. Die Nn. thoracales ante- riores, aus dem 7. und 8. cervicalen und dem 1. thorakalen Nerven stammend, verzweigen sich in KOHLBRUGGES sogenannter tiefer Por- tion des Hautmuskels, welche kein Hautmuskel, sondern der längs der Medianebene caudalwärts aberrierte tiefe Peetoralmuskel ist. Fernerhin begeben sich Äste der Thorakalnerven zum Hautmuskel, welcher also doppelt innerviert ist. Die dorsalwärts ziehenden Äste der Intercostalnerven sollen gleichzeitig auch den Latissimus dorsi aufsuchen. KOHLBRUGGE zitiert, wohl um diese Angabe glaubwürdiger 488 Georg Ruge zu machen, die Angaben Lecues, welcher für Galeopithecus und Auvens, welcher für Procyon eine gleiche Innervation befürwortet (1884 und 1882). Die an diese Angaben geknüpften Schlußfolge- rungen sind weitgehender Art. Wir haben es hier mit irrigen Voraus- setzungen zu tun und nehmen den Ausspruch, daß der Trapezius ‘der Repräsentant des Latissimus dorsi am Halse sei, als Merkwürdigkeit hin. KOHLBRUGGE ist konsequent, wenn er dem Verfasser der »Hautmuskulatur der Monotremen« den Vorwurf macht, er gehe zu weit, indem er die gesamte Hautrumpfmuskulatur von der Pectoralis- gruppe ableitet (1898, S. 241, Anm. 3). Der betreffende Verfasser hat vielleicht manches übersehen, aber zwischen sensiblen und mo- torischen Nerven hat er gut unterschieden. Es ist ihm auch be- kannt gewesen, daß andre Muskeln zuweilen zur Haut aberrieren, ohne etwas mit dem Peetoralishautmuskel zu tun zu haben, welcher der Hautrumpfmuskel der Säugetiere im eigensten Sinne des Wortes ist. Wo bleiben die Intercostalisnerven als Versorger des Latissimus dorsi beim Menschen? Vielleicht hat KoHLBRUGGE sich diese Frage nicht vorgelegt? Wenn das doch der Fall sein sollte, so hätte sie nicht unbeantwortet bleiben dürfen. Die humerale Portion des Hautrumpfmuskels wird, was wir anstandslos hinnehmen, bei Hystrix javanica vom Plexus brachialis innerviert (S. 239). Die mediale oberflächliche Sternalportion, welche, entwicklungsgeschichtlich betrachtet, die diesem Tiere eigens zu- kommende, tiefe subpectorale Schicht hat entstehen lassen, soll von den Rr. laterales der Intercostalnerven, die letztere aber vom Plexus brachialis versorgt werden. Hier stehen wir vor vielen Rätseln, und keines derselben ist gelöst. Die Deutung des Hautrumpfmuskels und des Latissimus dorsi als segmentaler Muskeln, welche ihre Myo- kommata natürlich verloren haben müssen, kann nicht zugegeben werden. Die Verschiedenartigkeit der Innervation der tiefen Portion des M. pectoralis, von welchem die Hautrumpfmuskulatur abstammt, be- steht nach McKay (1894) auch bei Monotremen. Entweder sollen die Nn. thoracales anteriores oder diese und ein Intereostalnerv, oder der R. eutaneus lateralis! der Brustwand den Muskel versorgen. Nach KOHLBRUGGE sind alle diese Nerven deshalb auch homolog (1898, S. 244, Anm. 1). Hierbei ist, abgesehen von der Richtigkeit der Angaben, nicht berücksichtigt, daß ein Muskel, welcher verschiedene Nerven bezieht, aus zwei ganz verschiedenen Muskeln in sekundärer ee Me Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 489 Weise aufgebaut sein kann. Es wurde auch nicht bedacht, daß ein vom Plexus brachialis sowie von Intercostalnerven versorgter, seg- mentierter Muskel ein Erbstück niederer Amnioten und der Anamnier sein müßte, was dann näher zu begründen gewesen wäre. KOHLBRUGGE kahnte die im Hautrumpfmuskel auftretenden Ver- bindungen zwischen den motorischen Ästen der Nn. thoracales an- teriores und den sensiblen Ästen der Intereostalnerven. Die Ge- fleehte entstehen durch die Ausdehnung des Hautmuskels über die Rumpfwand. Wenn diese Geflechte gehörig aufgelöst werden, können die Intercostalisäste meistens zur Haut verfolgt werden. KOHLBRUGGE aber spricht diesen sensiblen Nerven eine motorische Eigenschaft zu und gibt den Hautrumpfmuskel als motorisches Endgebiet der Nn. intercostales aus. Da auch Äste des Plexus brachialis zum Hautmuskel gelangen, sollen diese Nerven mit den Intercostalnerven- ästen wesensgleich sein. Hier liegen allenthalben, wie ich glaube annehmen zu dürfen, Rückschritte in der Erforschung myologischer Fragen vor. Andre Schlußfolgerungen des Autors sind von noch bedenklicherer Natur. »Daß ich diesen oberflächlichen Hautmuskel denn auch nicht aus dem M. pectoralis herleite, findet darin seine Begründung; denn der M. pectoralis gehört zum Gebiet der Rır. anteriores.< Wir gelangen also dahin, daß die oberflächliche und die tiefe Lage des Hautmuskels ganz verschiedene Gebilde sind. Das genetische Verständnis für die Entstehung des Hautmuskels und die Sonderungen an ihm werden hier völlig vermißt. Dafür treten neue Anschauungen auf, welche den sogenannten feineren Verlauf der Ner- ven als Ausgangspunkt nehmen. Es bleibt ein vergebliches Unter- nehmen, bei der Ausdehnung der Nerven in den verschiedenen Ab- schnitten des Hautmuskels Rr. laterales, Rr. posteriores und Rr. an- teriores an den Nn. thoracales anteriores streng auseinander zu halten. Der gesamte Hautrumpfmuskel, aus der Pectoralisgruppe entstan- den, ist genetisch ein einheitliches Gebilde. Daß die Nerven sich für seine einzelnen Abschnitte in vordere und hintere Äste trennen werden, muß man doch als notwendig und nichts Besonderes an- erkennen. Nicht der Verlauf der einzelnen Nervenäste, sondern die Entstehungsgeschichte des von ihnen versorgten Muskels muß hier zum Ausgang der Betrachtung genommen werden. Daß die Nerven in den stark verlagerten Trapezius, Latissimus dorsi und Serratus anterior lang ausgesponnen sind, ist einem jeden Anatomen bekannt. Die Verzweigung der Nerven ist eine durchaus durch die Ausdehnung der Muskeln bedingte. Beim Hautrumpfmuskel ist das Verhältnis 490 Georg Ruge zwischen Muskelplatte und Nervenverzweigung ein ganz gleiches. Um das richtig zu beurteilen, muß man nur einmal die Nervenver- zweigung in ganzer Ausdehnung gesehen haben. Bei Manis und Hystriz sollen die Verhältnisse viel einfacher liegen, weil ihnen die untere Schicht des Hautmuskels (Pectoralis- portion) fehlt. Gerade weil diese ihnen fehlt, sind ja im Gegenteil die Verhältnisse viel komplizierter; denn damit fehlt die Verbin- dungsbrücke zwischen Hautmuskel und Peetoralisgruppe. Die Haut- muskulatur muß, um nach den Angaben zu schließen, selbständiger geworden sein. Aystriz hat ein Stachel-, Manis ein Schuppenkleid. Die hochgradige Verbindung mit Stacheln und Schuppen beschreibt KOHLBRUGGE, läßt aber außer acht, daß diese Arten von Hautkleid auch die Sonderung in der Hautmuskulatur beeinflussen werden. Myologische Verhältnisse können einzig und allein durch eine gene- tische Betrachtungsweise Erklärung finden. Der 2. Intereostalnerv innerviert nach KOHLBRUGGE (S. 247) auf Grund einer Angabe von McKay den M. pectoralis quartus. Dieser ist der Mutterboden des Hautmuskels. Der Nerv versorgt bei Ma- cropus nach KOHLBRUGGE den humeralen Teil des Hautmuskels. Der 3. Intereostalnerv entsendet bei Hystrix Äste zum Haut- muskel (KOHLBRUGGE 9. 248). Der A. und die folgenden Intercostalnerven versorgen nach KoHL- BRUGGE (S. 248) bei Aystrix, der 5. und die folgenden Nerven bei Manis durch Rr. anteriores den zur Brust ziehenden, medialen Haut- muskelabschnitt, welcher dem M. pectoralis serial homolog sei. Die Rr. medii versorgen bei Beutlern den Hautmuskel. Die Rr. posteriores innerviren den Latissimus dorsi und den Hautmuskel. Bei Maeropus, Paradozurus, Manis und Hystrixz hat der Latissimus dorsi nur eine einfache Innervation (Plexus brachialis). Nach diesen höchst bedenklichen Angaben, welehe durchweg nachuntersucht und kontrolliert werden müssen, ist es nicht wun- derbar, wenn KOHLBRUGGE zu dem Ergebnis gelangt, daß es für einen Muskel irrelevant sei, aus welchem Metamer sein Nerv hervor- gehe, wenn es nur gleichartige Nerven seien (S. 250). Diese Will- kür, in der so scharf gesonderten Muskulatur der Säugetiere einen sonst nie beobachteten übergroßen Wechsel der Innervation gelten zu lassen, führt auf eine absehüssige Bahn, von der wir nicht wissen, wohin sie noch führen werde. Für die Gesamtanordnung und den serial-myomeren Aufbau der Säugetiermuskulatur handelt es sich um einen abgeschlossenen Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 491 Entwicklungsprozeß. Nur in dem gegebenen Rahmen sind die gesetz- mäßigen Neugestaltungen ermöglicht, welche auch auf den Wechsel in dem einmal gegebenen serialen Bau des Einzelmuskels ihren Einfluß ausüben können. Darüber hinaus sind Neu- und Umbildungen ausge- schlossen. So kann z. B. ein Säugetiermuskel, welcher seine Myomeren- abschnitte aus den Halsmyomeren bezogen hat, nicht ohne weiteres hier und dort auch aus thorakalen Segmentstücken zusammengesetzt sein. Ein M. rectus thoracalis-abdominalis kann nicht mit einem Male auch von einem cervicalen Nerven versorgt werden, mag derselbe einem Intercostalnerven noch so gleichartig und serial homolog sein. Es bestehen eben streng gezogene Schranken auch in dem Organi- sationsplane der Säugetiere. Der Aufbau der Pectoralisgruppe der Säugetiere ist ebenfalls in einer ganz bestimmten Weise abge- schlossen. Wenige Hals-Brusisegmente sind ihr einverleibt worden. Damit haushaltet die Natur bei allen Neugestaltungen dieser Mus- kelgruppe innerhalb der einzelnen Abteilungen. Es ist ganz aus- geschlossen, daß ein, zwei oder gar ungezählte Thorakalnerven als Zeichen der Angliederung ihrer Myomerenstücke hier und dort der Peectoralgruppe sich anschließen. Der Hautrumpfmuskel ist ein Neu- bildungsprodukt der eng begrenzten Pectoralisgruppe der Säugetiere und bezieht seine Zweige von den Nn. thoracales anteriores. Sein Nerv ist demnach auch ebenso lang ausgezogen als er selbst reicht. Mich hat bei meinen Untersuchungen die Einsicht in diese grund- legende Erscheinung davor gewarnt, die mir natürlich auch bekannt gewordenen sensiblen Intercostalnerven für motorische Elemente aus- zugeben. KOHLBRUGGE scheint nicht in gleicher Weise zur Vorsicht gemahnt gewesen zu sein, und so kann nicht genugsam davor ge- warnt werden, die oben besprochenen Angaben, ohne sie aufs neue nachuntersucht zu haben, zum Ausgangspunkt für weitere Betrach- tungen zu machen. Die schrittweise nur schwer errungenen Erfor- schungen sind sonst vielleicht gefährdet. Der Hautrumpfmuskel und seine Derivate leiten sich bei den Säugetieren nicht vom oberflächlichen M. pectoralis major, sondern von einem tieferen Pectoralismuskel ab, welcher mit dem Pectoralis minor in einer Lage sich befindet und als M. pectoralis tertius bei vielen Säugetieren einen selbständigen Muskel darstellt. Die Portio abdominalis des menschlichen Pectoralis major hat sich der Sterno- costalportion desselben erst angeschlossen und ist ein Teil desjenigen Muskels, aus welchem der Hautrumpfmuskel sich entfaltet hat. Dieser und alle seine Abkömmlinge beziehen, was ihre Abkunft Morpholog. Jahrbuch. 33. 32 492 Georg Ruge fordert, Äste der Nn. thoracales anteriores. Die Nerven verlaufen der Hauptsache nach caudalwärts, nach welcher Richtung hin der Hautmuskel sich ausgedehnt hat. Die Nerven, welche die in der Brustgegend lagernden Muskelbündel versorgen, ziehen eranialwärts. Bei denjenigen Säugetieren, bei welchen ein stattlicher und schärfer abgegrenzter Muskel in der Brustgegend sich entfaltete, verläuft der Nerv ebenfalls eranialwärts. Er braucht aber dabei nicht um den Axillarrand des Peetoralis major sich herumzuschlingen, sondern kann einen direkteren Weg zu seinem Endorgan einschlagen. Der direktere Weg geht durch die Bündel des Pectoralis major. Das Eindringen in die Masse des oberflächlichen Brustmuskels wird im stammesgeschichtlichen Sinne nur allmählich, und zwar unter gleich- zeitiger selbständiger Ausbildung des prästernalen Hautmuskels er- folgt sein. In der Ontogenie werden sich diese phylogenetisch all- mählich verursachten Nervenverlaufsverhältnisse wohl früh einstellen. Wenn sie frühzeitig auftreten, so werden Abänderungen im Verlauf der Nerven für die Mm. pectorales sich anschließen können, worüber wir jedoch Genaueres nicht wissen. Ein Beispiel für diese Zustände finden wir am Sterno-elavieu- laris (Sterno-facialis) des Igels (EısLer, 1901, S. 70). Bei zwei Exemplaren konnte ein feiner Nervenast der Nn. thoracales anteriores durch den Peetoralis major verfolgt werden. Der Nerv innervierte den Pectoralis major und trat durch dessen Sternalportion zu dem M. ceutaneo-facialis. Der Nerv hat beim Eindringen in den Pectoralis major An- lagerungen an Äste für diesen erfahren, was schlechterdings nicht hat ausbleiben können. Er erscheint als ein Ast desjenigen Stranges, von welchem im Pectoralis major Zweige an diesen sich loslösen, der aber erst nach dem Verlassen des Muskels als der motorische Nerv eines Produktes der Hautmuskulatur, des Cutaneo-facialis, wie- der erscheint. Ähnliche Verlagerungen von Nerven finden wir an vielen Stellen, in größerem Maßstabe an der Grenze von Rumpf und unterer Gliedmaße, wo der N. cutaneus femoris lateralis, der N. genito-femoralis sich allmählich vollständig aus der Bauchmusku- latur herauslösen, um gestreckteren Verlaufs zu ihren Endgebieten zu gelangen. Eıster faßt die genannte Erscheinung anders auf und paßt sie in die von ihm befürwortete Ableitung des Sternalis vom Pectoralis major ein. Der Cutaneo-facialis erweist sich nach ihm als abge- spaltene Portion des M. peetoralis major, und zwar weil sein Nerv Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw, 493 durch den Peetoralis major hervorbricht. Das zu beweisen, sollte dem Autor schwer fallen. Er hat den Beweis auch nicht ange- treten. Der Cutaneo-facialis des Igels hat ebensowenig wie der ge- samte Hautrumpfmuskel etwas mit dem oberflächlichen Pectoralis major zu tun. An diesem vergleichend-anatomischen Ergebnis läßt sich nicht rütteln, so lange die vorliegenden Untersuchungen über die Hautrumpfmuskeln, z. B. der Monotremen, maßgebend sind. Wenn der Sterno-facialis des Igels höchstens als eine Konvergenzerschei- nung des Sternalis ausgegeben wird, weil beide verschiedene Ent- stehung besitzen sollen, so stimmen wir damit nicht überein (S. 86) und wundern uns über diese Schlußfolgerung, da doch beide Mus- keln nach Eıster Abspaltungsprodukte des M. pectoralis major sein sollen und die Nerven für beide Gebilde den M. pectoralis major durchsetzen. An andern Stellen wird großer Wert auf diese Ver- laufsverhältnisse der Nerven gelegt. Hier wird denselben keine srößere Bedeutung zuerkannt. Wenn ein auf dem M. pectoralis major liegender Muskel von einem Nerven, welcher diesen erst durchsetzt, versorgt wird, so ist dieser Nervenverlauf noch kein Beweis für die Abspaltung des Muskels vom Peetoralis major. EısLer hat sich, wie wir gesehen haben, ganz anders hierüber ausgelassen. Er stellt sogar in der Zusammenfassung unter Nr. 17 den Satz auf, daß ein Muskel als direkter Abkömmling eines andern anzusehen ist, sobald sein mo- torischer Nerv durch diesen andern Muskel hindurehtritt und ihn dabei versorgt (S. 89). Derartige Verallgemeinerungen sind gefähr- lieh, namentlich wenn sie nicht sorgfältig redigiert sind. Sind etwa die tiefen Extensoren des Vorderarmes deshalb direkte Abkömm- linge des M. supinator, weil der tiefe Radialisast erfüllt, was EISLER für nötig erachtet? Im Falle des Auftretens eines Produkts des Hautrumpfmuskels als eines selbständigen, abgetrennten Teils in der Sterno-costal- Gegend kann es für die Deutung desselben vollkommen gleichgültig sein, ob er eine dünne oder dicke Muskelmasse darstellt. Die Deu- tung bleibt für den selbständig gewordenen Teil des Hautmuskels unbeeinflußt auch dann, wenn er mit Nachbarmuskeln gar nicht mehr zusammenhängt. Ich habe auf die von TOBLER beschriebenen Zustände der Absprengung von Hautmuskelportionen bei Primaten oben hingewiesen. EIsLER teilt auch diese von selbst sich ergeben- den Annahmen nicht, wenn er vom Sternalis der Anencephalen sagt: »Gerade die letzteren Fälle beweisen uns, daß es sich um 32* 494 . Georg Ruge eine Pannieulusbildung nicht handelt, denn die dicke Muskelmasse zeigt nicht die geringste Tendenz, die Nachbarschaft zu überschwem- men, sondern sucht sich ihre Insertion so nahe als möglich.« Von einem selbständig gewordenen, abgeschlossenen Muskel kann man unmöglich eine Überschwemmung der Nachbarschaft erwarten. Die Anwendung des Bildes der Überschwemmung eines Gebiets auf einen Muskel, welcher nur noch als der Rest eines sonst rückgebildeten größeren Muskels besteht, ist unzulässig, namentlich dann, wenn man durch das Bild etwas zu beweisen sucht. Es ist richtig, daß ein Muskel, welcher keine Tendenz zeigt, die Nachbarschaft zu über- schwemmen, kein Pannieulus sein kann; aber es ist nicht richtig, ihm deswegen abzusprechen, daß er ein Teil des Panniculus sei. Als Teil kann er natürlich nicht mehr überschwemmen; das Ganze nur kann das tun. Derartige Bilder, welche höchstens etwas erläu- tern aber nichts beweisen können, müssen vorsichtig gewählt und verwendet werden. Achselbogen und Sternalis werden als Reste des Hautrumpf- muskels der Säugetiere in Zukunft genannt werden dürfen: eine Portio axillaris ' . musculi subeutanei trunci. Portio thoracalis anterior Diejenigen Reste, welche zwischen Pectoralis und Latissimus auf dem M. serratus anterior lagern, dürfen eine Portio thoracalis lateralis geheißen werden. Die Anheftung an der Haut ist den Resten des Hautrumpfmuskels abhanden gekommen. Das Verstreichen in der oberflächlichen Faseie kommt bei allen vor. Der Sternalis kann hals- und abdominalwärts in die Fascie auslaufen. Der Achselbogen kann mit der den La- tissimus dorsi deckenden Fascie zusammenhängen. Die Pars thora- calis lateralis des Hautmuskels ist der den Serratus anterior decken- den Fasceie zuweilen adhärent. ati Alle Hautmuskelreste können sehr innige Verbindungen mit dem Skelett oder mit benachbarten Muskeln eingehen. Der Sternalis heftet sich am Schlüsselbein, Brustbein oder an Rippen an, verbindet sich mit dem Sterno-mastoideus oder Pectoralis major. Der Achsel- bogen vereinigt sich mit der Sehne oder dem Bauche des Latissimus dorsi. Die Pars thoracalis lateralis kann mit den Rippen in Ver- bindung treten. u Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 495 Die Zurückführung der Bildungsgeschichte des Sternalis auf embryonale Störungen empfängt allem Anscheine nach in Zukunft neue Anhänger, so daß es geboten ist, dem gegenüber eine streng beobachtende Stellung einzunehmen. Nichts ist verführerischer, als schwer zu beurteilende menschliche Varietäten auf ungekannte, früh in der Ontogenie sich abspielende Vorgänge zurückzuführen. HuNTInGToN führt bereits als ursächliche Momente für das Auf- treten von oberflächlichen Varietäten im Gebiete der Pectoralis- gruppe nicht weniger als die folgenden auf: 1) Defektbildungen im Pectoralis major, 2) Störungen bei der ontogenetischen Verlage- rung der Pectoralmuskulatur, 3) mangelhafter oder fehlerhafter Ver- schluß der vorderen Brustwand. — Wenn Huntington gewisse Fälle von Sternales, welche mit unzweifelhaften Resten der Haut- muskulatur gemeinsam auftreten, als Reste der letzteren gelten läßt, so kann nicht genugsam hervorgehoben werden, daß ein jeder Fall von Sternalis, mag er gleichzeitig mit Defektbildung am Pecto- ralis major oder mit Mißbildungen am Skelette auftreten, auf seine Hautrumpfmuskulatur-Natur geprüft werden muß; denn es ist durch- aus nicht ausgeschlossen, daß unter dem Einflusse von embryonalen Störungen in der Muskulatur oder im Skelette die Reste des Haut- rumpfmuskels eine besondere Begünstigung für eine weitere und atypische Ausbildung erfahren können. Die Beurteilung der Muskel- varietäten im Gebiete der Peetoralisgruppe ist nicht so einfach, daß man alles jetzt schon in ein Schema bringen kann. Nur was für den Einzelfall erwiesen wird, ist anzuerkennen. Die Willkür, welche sich auf ontogenetisch wirkende Ursachen beruft, ist zurückzuweisen. Mit der Annahme, es handle sich bei dem Einzelfall um einen aty- pisch verlagerten, abgesprengten Muskel, läßt sich alles erklären, so daß mit ihr die Forschung nach dem Zusammenhange der Er- scheinungen im Bereiche der vielgestaltigen Muskulatur aufhört. 10. Der Muse. latissimus dorsi als Bildungsstätte eines menschlichen Achselbogens. Der M. latissimus dorsi kann an der Bildung des menschlichen Achselbogens Anteil nehmen. Die vielen zuverlässigen Beschrei- bungen und Abbildungen, welche wir TOBLER, GEHRY und Böse verdanken, erläutern dies ohne weiteres. Der Achselbogen ist in diesen Fällen aus muskulösen Randbündeln des Latissimus dorsi und aus dem Reste des Hautmuskels gemeinsam aufgebaut; er ist dem- gemäß ein zusammengesetztes Gebilde und muß seine Nerven sowohl 496 Georg Ruge aus Nn. thoracales anteriores als auch aus dem N. subscapularis (N. thoracieo-dorsalis) empfangen. Ein derartig zusammengesetzter Achselbogen findet seine An- heftung stets an der Insertionsstelle der Pars abdominalis des M. pectoralis major oder in deren Nähe. Diese Anheftungsstelle ist dem Latissimus dorsi von Anfang an vollkommen fremd; sie gehört zu der Pectoralisgruppe. Der Latissimus dorsi hat als Abschnitt eines zusammengesetzten Achselbogens die Beziehungen zur Peecto- ralisinsertionsstelle erst erworben. Sichere, ganz einwandsfreie Be- obachtungen über die Ausdehnung des Latissimus bis zur Spina tubereuli majoris liegen meines Wissens nicht vor. Wohl zeugen die einschlägigen Befunde für den Umstand, daß Randbündel des Latis- simus gegen die betreffende Humerusstelle gerichtet sind, ohne sie aber direkt zu erreichen. Diese Beziehung direkt zu übernehmen, bleibt dem Hautmuskelrest am zusammengesetzten Achselbogen regel- mäßig allein vorbehalten. Der zusammengesetzte Achselbogen verbindet Teile des Latissi- mus dorsi mit der Insertionsstelle des M. pectoralis major. Solche Verbindungen kommen aber auch denjenigen Formen von Achsel- bögen zu, welche einfacher Art sind und nur aus Hautmuskelresten bestehen, wobei dieselben dem Latissimus dorsi in irgend einer Weise, durch gewöhnlich festere Anlagerung oder durch die Vereinigung mittels einer Zwischensehne, inniger verschmolzen zu sein pflegen. Eine Verbindung zwischen beiden Muskeln wird durch den Hautmuskelrest eingeleitet und durch ihn sowie durch die Rand- bündel des Latissimus weiter ausgebildet. Es ist unbekannt, ob eine dritte Art des zwischen beiden Mus- keln sich als Achselbogen ausbreitenden Gebildes beim Menschen auftritt. Auf derartige Zustände wäre in Zukunft zu achten. Diese könnten ja ausschließlich aus den muskulösen Randbündeln des Latissimus dorsi gebildet sein und die Innervation vom N. subscapu- laris empfangen. Für eine solche Art von Achselbögen des Latissi- mus dorsi setzen wir, um sie gemeinsam mit dem einfachen Haut- muskel-Achselbogen und dem zusammengesetzten Gebilde in eine natürliche Gruppe einreihen zu können, voraus, daß die Anheftung an der Insertionsstelle des Pectoralis major stattfinden müsse. Alle drei Arten von Achselbögen, von welchen die beiden ersteren in sehr zahlreichen Variationen bekannt sind, die letztere aber erst noch durch direkte Beobachtung festzustellen wäre, fallen in einen und denselben Entwicklungsvorgang, welcher sich folgenderweise Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 497 zusammenfassen läßt. Der axillare Rest des Hautrumpfmuskels ver- wächst mit den Randbündeln des Latissimus dorsi. Die Verwach- sung führt zur Bildung einer Zwischensehne zwischen beiden. Die Randbündel des Latissimus dorsi spalten sich vom Muskelbauche ab und dehnen sich axillarwärts aus, wobei der primäre Hautmuskel- Achselbogen ihnen als Anheftung dient. Die Latissimusbündel wach- sen gegen den Insertionspunkt des Pectoralis major aus und werden zu einem Teile des zusammengesetzten Achselbogens. Die durch TOBLER, GEHRY und Böse abgebildeten Befunde sind in dieser Weise zu deuten. Durch die stärkere, alleinige weitere Ausbildung der Latissimusbündel unter gleichzeitiger Rückbildung des Hautrumpfmuskelrestes würde die dritte hypothetische Art, der Latissimus-Achselbogen entstehen können. Derselbe würde die frühere Anwesenheit des Hautmuskels zur Voraussetzung haben. Dieser würde die Erklärung für die Anheftung der aberrierten Latissimus- bündel am Oberarmknochen abgeben. In allen diesen Fällen wäre der Hautmuskel-Achselbogen der Ausgangspunkt für die Brücken- bildung zwischen Pectoralis und Latissimus. Die Latissimusbündel aber würden die längs dieser primären Brücke aberrierten, sekundär entstandenen Achselbogenbestandteile darstellen. Diese drei Arten von Achselbögen, von denen die eine Art eine hypothetische, noch nicht genau beobachtete ist, bilden eine natür- liche Gruppe. Alle Glieder derselben treten gemeinsam für die Er- klärung ihrer Form und Entstehungsweise ein. Sie erwecken durch die zuweilen sehr ansehnliche muskulöse Ausbildung den Eindruck progressiver Bildungen, deren Funktion wir nur aus den Anheftungs- und Verlaufsverhältnissen theoretisch ablesen können. Diese Achselbögen-Arten, bei welchen der Hautmuskelrest je die genetische Grundlage bildet, interessieren uns hier allein. Sie sind die maßgebenden, da sie sicher die häufigsten Bildungen sind. Um schärfer zu unterscheiden, könnte man die erste Art von Achselbögen als primäre und die zweite als zusammengesetzte oder sekundäre bezeichnen. Sollte die dritte, hypothetische Art aufge- funden werden, so könnte man sie eine tertiäre Form heißen. Da- durch würden die verschiedenen Entwicklungsstadien in dieser fort- schreitenden Bildungsreihe einen Ausdruck finden. Die Beurteilung desjenigen Gebildes, welches als aponeurotische Membran vom Rande des Latissimus dorsi ausgeht, bogenförmig die Achselhöhle durchzieht, um in der Gegend der Pectoralisinsertion zu endigen oder mit der Sehne dieses Muskels sich zu vereinigen, 498 Georg Ruge unterliegt Schwierigkeiten. Dieser aponeurotische Achselbogen LANn- GERS (1846) teilt die Schwierigkeit der morphologischen Beurteilung mit allen sehnigen, aponeurotischen Gebilden, welche sich allent- halben selbständig anlegen und weiter ausbilden können. Die Mög- lichkeiten für die Entstehung des sehnigen LangeErschen Achselbogens sind meines Erachtens die folgenden: 1) Er ist der stark entfaltete, axillare Abschnitt der Oberarm- fascie; 2) er ist der zur Sehnenhaut rückgebildete Hautmuskel-Achsel- bogen; 3) er ist aus dem Latissimusabschnitte des zusammengesetzten Achselbogens ableitbar. Die Entstehungsweise 2 und 3 würde die betreffenden Befunde als Endglieder der oben besprochenen und in ihrer Entstehung er- kannten Gruppen einer Reihe einfügen lassen. Noch eine andre Möglichkeit für die Bildung von Achselbögen liegt vor. Dieselben könnten einzig und allein vom Latissimus dorsi aus zustande gekommen sein. Diejenigen Forscher, welche das Be- stehen dieser Formen behaupten, müssen mit Zeugnissen für die- selben hervortreten. Derartige Latissimus-Varietäten würden unsre Kenntnis über diesen Muskel bereichern. Eine systematische, gut gesichtete Reihe von Beobachtungen müßte vorgelegt werden, um überzeugend zu wirken. Die Aufgabe wird nicht leicht sein. Böse (1904, S. 598) spricht sich für die aktive Beteiligung des Latissimus dorsi an der Achselbogenbildung aus. Diese Annahme trifft für seine Beobachtungen, auf Fig. 8, 9 und 10 dargestellt, zu; denn der Achselbogen ist hier ein zusammengesetzter Muskel, an welchem auch der Hautmuskel beteiligt ist. Die Fälle von sehnigen Achselbögen indessen, auf welche der Autor sich bezieht (vgl. Fig. 4, S. 591), fallen in die Formgruppe, für welche auch die Deutung eines sehnig umgewandelten Haut- muskel-Achselbogens paßt. Wie der Befund auf Fig. 4 des Böseschen Aufsatzes zu deuten sei, muß ich dahingestellt sein lassen. Eine Deu- tung könnte zur Zeit nur zu nutzlosen Erörterungen Veranlassung geben. Die in der Literatur beschriebenen, in den Lehrbüchern, bei Testur und Le DouBLE zusammengestellten, ähnlichen Befunde eines Langerschen Achselbogens müssen hier unberücksichtigt bleiben, da die Erklärungen für den einzelnen Fall je verschieden ausfallen, aber für unsre Erörterungen über den Hautrumpfmuskel keine Förderung bedeuten können. Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 499 Böse bezieht sich bei der Annahme der direkten Anteilnahme des Latissimus dorsi am Achselbogen auf Befunde beim Meer- schweinchen (s. Fig. 11, S. 598). Ein Muskelstreifen zieht hier vom Latissimus dorsi über Gefäße und Nerven der Achselhöhle zum Oberarme, wo die Anheftung neben dem Pectoralis major erfolgt. Könnte dieser Muskelstreifen nicht eher der Pectoralisgruppe als dem Latissimus dorsi zugehören ? In der Annahme Böses, daß der in topographischer Hinsicht einheitliche Achselbogen auf zwei verschiedene Grundformen zurück- zuführen sei, eine Form, die ihn als Rest des Panniculus carnosus, und eine andre, die ihn als Rest einer früheren Ausbreitung des M. latissimus dorsi in das Pectoralisgebiet erscheinen lasse, liegt die Wahrheit zugrunde, daß der Achselbogen ein zusammengesetztes Gebilde im obigen Sinne sein kann. Die Annahme, der Latissimus dorsi spalte sich in der Nähe der Achselhöhle, um einen Teil als Achselbogen zur Endsehne des Peetoralis major oder zur Crista tubereuli majoris zu entsenden, ist eine alte. Die Gesamtdarstellung des Achselbogens durch Tesrur (1884) ist von dieser Vorstellung noch völlig beherrscht. Es mutet heutzutage den Leser merkwürdig an, wenn ihm auch die tierischen Befunde in dieser Weise, wie sie MECKEL einst vertreten hatte, vor- geführt werden. Der gesamte Hautrumpfmuskel wird da als eine vom Latissimus dorsi! abgespaltene Portion ausgegeben. KOHLBRUGGE wahrt ebenfalls den alten Meckerschen Standpunkt (1897, S. 69). Für ihn sind Achselbogen und Hautmuskel aberrierende Bündel des Latissimus dorsi! worüber wir manches andre noch erfahren haben, was einer eingehenden Beurteilung nicht standgehalten hat. Der Einfluß der früheren Auffassung hat sich auch heute noch erhalten und erscheint in der Vorstellung wieder, daß der Achselbogen der Rest einer Verbindung von Latissimus dorsi und Peetoralis major sei. Unser Zugeständnis, der Latissimus dorsi nehme Anteil am Aufbau des Achselbogens, betrifft nur die sekundäre Einverleibung von La- tissimusbündeln in den primären Hautmuskel-Achselbogen. Die vielen, in der Literatur zerstreuten Beschreibungen von Variationen des Latissimus dorsi, welche in dessen Bündelentsendung zur Gegend der Insertion des Pectoralis major beruhen, sind auf irrige Deutungen und unzutreffende Darstellungen von Achselbogen- formen zurückzuführen. CHrısTIan (1898) beschreibt eine beiderseits vorhandene, accessorische Insertion des Latissimus dorsi, welche gemeinsam mit der Portio sternalis des Pectoralis major zur Crista 500 Georg Ruge tubereuli majoris ziehe. Die aus dem 7. und 8. cervicalen Spinal- nerven durch den N. thoracalis anterior (internus) verlaufenden Zweige verhalten sich wie typische Achselbogennerven. Die Dar- stellung ist hier falsch, weil die Deutung des Tatbestandes unzu- treffend ist; denn es handelt sich nicht um eine Latissimusinsertion. P. AncEeL beschrieb noch 1900 einen derartigen als Latissimusvari- ation ausgegebenen Achselbogen. Es ist vorauszusehen, daß auch andernorts bei den Beschreibungen von Muskelvariationen noch oft- mals Wiederholungen von Mißverstandenem auftreten werden. Die zutreffende Darstellung erfordert meist ein geläutertes Urteil über das Dargestellte.e Kritische Behandlung der Forschungsergebnisse haben dafür zu sorgen, daß nutzlose Mitteilungen aus der so mächtig anschwellenden Literatur allmählich ausgeschaltet werden. Huntington vertritt (1904, S. 40) den Standpunkt, daß der Panniculus carnosus, also auch der Achselbogen, vom Peetoralis so- wie vom Latissimus abstammen. Die Vertretung dieser Ansicht durch HuntinGToN ist noch dadurch merkwürdig, daß er die Ver- bindung des Achselbogens mit dem Latissimus zutreffend als eine Sekundärerscheinung ausgibt, mithin eine vorhergegangene Loslösung des Hautmuskels von dem mit ihm primär verbundenen Latissimus dorsi annimmt (1904, S. 42). Alle Möglichkeiten der Ableitung finden ihre Vertreter, und doch kann wohl nur eine unter ihnen die rich- tige sein. Die Ansicht der primären Verbindung des Hautmuskels mit Pectoralis und Latissimus beruht auf der falschen Deutung desjenigen häufigen Zustandes, in welchem der Hautmuskel vom Pectoralis- rande bis an den Latissimus sich ausgedehnt hat und die Einheit- lichkeit vortäuscht. Für die Katze führt BirmınGHAm den Befund an, welcher für Huntım6rton maßgebend gewesen zu sein scheint. Für Lemur brunneus nimmt HunTtinGton eine Abstammung des Achsel- bogens vom Latissimus dorsi an, mit dessen Sehne er zusammen- hängen soll (1897, S. 278). 11. Die Deutung des Achselbogens als eines Restes des Zu- sammenhanges zwischen M. pectoralis major und M. latis- simus dorsi. Der Achselbogen hängt als Rest des Hautrumpfmuskels natur- gemäß mit dem M. pectoralis major des Menschen zusammen. Der Zusammenhang befindet sich der Regel nach in der Nähe der Insertion des letzteren. In unveränderter Weise kann der Achselbogen sich an der Crista tubereuli majoris festheften. Er kann aber auch, Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 501 sobald die sehnigen Ausstrahlungen den Oberarmknochen nicht mehr erreichen, mit der Fascia (Aponeurosis) coraco-brachialis oder mit der Fascie des kurzen Bicepskopfes verschmelzen. Diese Verschieden- heiten der engeren, ursprüngliehen, und weiteren erworbenen Be- ziehungen zwischen Achselbogen und tiefer Portion des Pectoralis major sind seit lange bekannt. Tesrtur stellte sie schon richtig zusammen. Der Achselbogen zeigt als Hautmuskelrest in der Regel die Verlötung mit dem M. latissimus dorsi. Er kann aber auch in ganz primitiver Art dem Latissimus dorsi nur aufgelagert sein. Ist dies der Fall, so ist es ganz ungerechtfertigt, wenn man den Achselbogen aus einer Spaltung des Latissimus dorsi hervorgehen läßt. Durch die Verschmelzung kann der Übergang eines Latissimusbündels in den Achselbogen eingeleitet werden, wodurch eine sekundäre Form des Achselbogens entsteht, welcher nunmehr ein zusammengesetzter Muskel ist. Dieser enthält oft, vielleicht immer, wie LuscHkA (1863) fälschlich für alle Achselbogenformen, also auch für den primären, einfachen annimmt, eine Zwischensehne, die Grenzmarke von La- tissimus- und Hautmuskelanteil. Testur (1884) hat die Angabe LuscHkas bestritten, da er zweimal den Achselbogen ohne Zwischen- sehne mit dem Latissimus dorsi in Verbindung angetroffen hat. In diesen Fällen wird es sich wohl um einfache primäre Achselbögen gehandelt haben. Le DougLe bestätigte Testuts Angaben. A. CunsInGHAM (1889) nimmt an, daß alle Achselbögen ohne Zwischensehnen auf der hinteren Fläche des Latissimus dorsi in dessen Fascie auslaufen. Diese Zustände wiederholen jedenfalls das ursprünglichere Verhalten von Bündeln eines Hautmuskels. Die- selben können sich unzweifelhaft aber auch zur Endsehne des La- tissimus dorsi begeben. Wenn sich außer dem Achselbogen ein zur thorakalen Rumpf- wand ziehender Abschnitt des Hautrumpfmuskels gleichzeitig erhalten hat, so geht dieser von der Pars abdominalis des M. pectoralis major aus und hängt nahe der Insertion am Oberarme oder an der Fascia coraco-brachialis mit dem Achselbogen, dem andern Reste des Haut- muskels zusammen. L. TOBLER (1902) hat auf den Fig. 22—24 seines Aufsatzes Fälle dargestellt, welche die Kombination der zwei Restzustände des Hautrumpfmuskels deutlich zeigen. Derartige Befunde bilden das Material für die von vielen For- schern vertretene Deutung, daß der Achselbogen der Rest eines 502 Georg Ruge phylogenetischen Zusammenhanges von M. pectoralis major und La- tissimus dorsi sei. Diese Deutung hat schon frühzeitig ihren Aus- druck in dem, dem Achselbogen beigelegten Namen Muse. anasto- motieus dorso-pecetoralis gefunden. Sie ist durch HumpHry übernommen und hat sich seitdem fester eingebürgert. Ich halte die Deutung für veraltet und durchaus unbegründet. Sie darf, falls sie in Zukunft wieder auftaucht, unberücksichtigt bleiben, voraus- gesetzt allerdings, daß ihr nicht ausreichende ontogenetische oder vergleichend-anatomische, neue, überraschende, bis jetzt völlig unbe- kannte Zeugnisse beigefügt sind. Die menschlichen Varietätenbefunde sind der Deutung nicht günstig; sie fügen sich nach ganz andern Gesichtspunkten in eine anders geartete Reihe ein. Bei Tieren kann dem jeweiligen Tatbestande schon deswegen die genannte Deutung nicht zukommen, weil dieselben gar keinen » Achselbogen« besitzen. Es ist daher auch nicht leicht, zugunsten eines Muse. anastomo- tieus dorso-pectoralis Zeichen anzuführen, welche den genetischen Zusammenhang zwischen Latissimus und Pectoralis major erläutern können. Einzig und allein scheint die Art der Ausdehnung des Achselbogens zwischen beiden Muskeln den Beweis für deren ur- sprünglichen Zusammenhang bei den Forschern abgegeben zu haben. Da der Schein hier aber trügt, so bleibt, soweit mir bekannt ist, nichts andres Beweisendes übrig. Befunde, wie sie wieder durch P. BascHo mitgeteilt sind, täuschen den Zusammenhang von Latissi- mus und Pectoralis besonders lebhaft vor. Man spricht dem Achsel- bogen eine eigne bindegewebige Hülle, das ist eine eigne Fascie, zu (s. Testut, 1884, S. 112). Sie ist in der Tat oft auffallend gut entwickelt. Mit derartigen bindegewebigen Hüllen darf man aber bei der Deutung der Herkunft der Muskeln sich nicht gar zu weit von der Operationsbasis ungestraft entfernen. Diese Faseie etwa als hestteil eines ganz alten, scharf abgegrenzten Verbindungsstückes zwischen jenen beiden Muskeln auszugeben, könnte doch den Vor- wurf unvorsichtigen Urteilens eintragen. Fascien können als Reste rückgebildeter Muskeln usw. eine Erklärung finden. Faseien an sich beweisen aber für die Genese der Muskulatur nichts, da sie sich örtlich nach den gegebenen Verhältnissen anlegen. Auf Grund eines in Freiburg i. B. beobachteten Befundes ist H. Enpres (1893) dafür eingetreten, daß Peetoralis major und La- tissimus dorsi einem gemeinsamen Mutterboden entstammen. Der betreffende Befund entsprieht in allen wesentlichen Punkten den von L. ToOBLER mitgeteilten Fällen, welche aber in einem ganz andern Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 503 Sinne als in dem von Enpr&s beurteilt werden mußten. Die hier und da in diesem Aufsatze hervorgehobenen Gründe sprechen gegen die Enpressche Deutung. R. WIEDERSHEIM hat letzthin (1902) die Ansicht seines Schülers wieder übernommen und dadurch die Deu- tung des Achselbogens aufs neue in Frage gestellt. Sie ist indessen, wie ich glaube, heutzutage in einem andern Sinne endgültig ge- funden. Auch Böse hat sich noch 1904 dahin ausgesprochen, daß eine Gruppe der von ihm behandelten Formen von Achselbögen als Reste der Verbindung von Peetoralis major und Latissimus dorsi anzu- sprechen sei. Hierüber habe ich mich oben bereits dahin äußern können, daß die betreffenden Befunde eine andre Erklärung zu- lassen. Lx& Dousu£ (1897, 8.201) hat sich in Übereinstimmung mit Tesrur und andern gegen die hier besprochene Deutung geäußert und führt als Beweis an, daß im Zustande der Verbindung beider Muskeln durch den Achselbogen eine Zwischensehne die Grenze zwischen letzterem und Latissimus dorsi angebe. Dieser so nahe liegende Einwand hat eine große Tragweite. Das Auftreten von Zwischensehnen hat stets einen besonderen Grund, und demjenigen, welcher den Achselbogen als Rest des Zusammen- hanges von Pectoralis major und Latissimus dorsi ausgibt, fällt die Aufgabe zu, die Zwischensehne zwischen Achselbogen und Latissi- mus dorsi in seinem Sinne einwandslos genetisch. zu erklären. Wir können auf eine geschlossene Reihe von Befunden verweisen, welche die Ableitung des Achselbogens vom Hautrumpfmuskel be- zeugen und zugleich für die Entstehung der Zwischensehne einwands- loS sprechen, Der Nachweis, daß eine oberflächliche Aponeurose zwischen Pec- toralis major und Latissimus eine Verbindung zwischen diesen her- stelle, ist nicht erbracht worden. Die Existenz einer solchen mem- branösen Brücke, als einer normalen Bildung wird mit Recht be- stritten (s. P. POIRIER, 1888). Wäre sie vorhanden, so könnte sie mit gleichem Rechte als ein Rest entweder eines Hautrumpfmuskels oder einer ursprünglichen Vereinigung zwischen Pectoralis und Latissi- mus angesprochen werden. Nun sind aber Reste des Hautrumpfmus- kels angetroffen worden, welche die breite Lücke zwischen Pecto- ralis und Latissimus völlig ausfüllen, sich an deren Ränder anlagern und auf dem Serratus anterior ausstrahlen. Sie sind durch ihre humeralen Anheftungen als pectorale Gliedstücke gekennzeichnet, 04 Georg Ruge Denkt man sich derartige Hautmuskelreste bis auf ihre Faseienteile rückgebildet, so wird sich abnormerweise eine Fascie zwischen bei- den Muskelrändern einstellen können, welche leicht einer falschen Deutung unterliegt, falls die wichtigsten Instanzen außer acht ge- lassen werden. 12. Der Achselbogen — ein Muskel von verschiedener Bedeutung. Der Achselbogen muß in gleicher Weise wie der Sternalis, sobald man für ihn eine Versorgung aus verschiedenen Nervengebieten zu- gesteht, als eine Bildung mehrfachen Ursprungs anerkannt werden. Der Nerv als untrüglicher Wegleiter für die Entwicklung, die Her- kunft der Muskulatur fordert dies gebieterisch. Diese Meinung ist zum Ausdrucke gekommen, als v. BARDE- LEBEN (1898, SCHWALBES Jahresber. S. 558) mit der KOHLBRUGGESchen Behauptung rechnete, daß der Achselbogen als Teil des Hautmus- kels vom 2. und 3. Intercostalnerven versorgt sein müßte. v. BARDE- LEBEN hält den von Nn. thoracales anteriores versorgten Achselbogen für einen ganz andern Muskel als das von Nn. intercostales be- herrschte Gebilde. Hieran wird nichts zu ändern sein. Wenn Wırson an dem nämlichen Kadaver den Achselbogen der rechten Seite von Nn. intereostales, den der linken Seite aber von Nn. thoraeales anteriores versorgt sein läßt, so muß der Muskel in zweierlei Arten an einem und demselben Individuum in die Erschei- nung treten können. Ist das der Fall, so kann es nicht ausbleiben, daß auf der gleichen Körperhälfte ein aus beiden Arten aufgebauter Achselbogen auftrete. Dessen Doppelinnervation bliebe festzustellen. Wir räumen die Möglichkeit einer vielfältigen Natur des mensch- liehen Achselbogens unumwunden ein, fordern aber den einwands- losen Nachweis für die etwa vertretene Meinung, daß die theoretisch zugestandene Möglichkeit Verwirklichung gefunden habe. Dieser Nachweis ist nieht erbracht worden. Es ist wohl auf der einen Seite einwandsfrei gezeigt worden, daß der Achselbogen von Nn. tho- racales anteriores versorgt wird, daß er diese Eigenschaft gemeinsam mit der Hautrumpfmuskulatur teilt und sich neurologisch, topogra- phisch und vergleichend-anatomisch als ein axillärer Rest desselben zu erkennen gibt, daß er völlig verstanden ist. Es ist aber auf der andern Seite bisher nieht gelungen, den Nachweis der Innervation des Achselbogens aus Nn. intercostales unzweifelhaft zu bringen, Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 505 Aus präparatorischen Fehlern, wo sensible Nerven für motorische gehalten worden sind, stammt eine Menge falscher Beschreibungen sowohl auf anatomischem als auch auf vergleichend-anatomischem Gebiete. Fernerhin fehlt für die Annahme eines Intercostalis-Achsel- bogens jedweder vergleichend-anatomische Rückhalt. Dieser Um- stand ist schwerwiegend und berechtigt zu einem ablehnenden Ver- halten gegen diese Muskelform. Unsre Ansicht vom Wesen des Achselbogens steht zurzeit fest. Wir wollen aber nicht allzu ausschließlich sein, fordern jedoch das Vorbringen von Tatsachen von denen, welche in Zukunft noch für die Doppelnatur des Achselbogens eintreten werden. Einwandsfreie und fest geschlossene Beobachtungsreihen werden für sich selbst sprechen, eine Erklärung finden und unsre Vorstel- lungen über neue Organisationszustände nur bereichern können. Die verschiedene Bedeutung des Achselbogens kann sich auf dessen Herleitung aus dem Pectoralis- oder aus dem Latissimus dorsi-Gebiete beziehen. Die Ableitung vom Latissimus ist eine ganz alte; sie ist seit MECKEL immer wieder aufgetaucht und meines Wissens zuletzt in ausgiebigster Weise durch KOHLBRUGGE zum Aus- druck gebracht worden. Sie ist nicht nur eine alte, sondern auch eine veraltete Anschauung. Die moderne Literatur leitet Achsel- bogen und Hautrumpfmuskel von der Pectoralisgruppe her. Diese Ansicht ist keine willkürliche. Sie wurzelt in anatomischen und vergleichend-anatomischen, bestens erkannten Verhältnissen. Die Meinung, der Achselbogen könnte der Rest einer den Pec- toralis major und Latissimus dorsi verbindenden, einheitlichen Mus- kulatur sein, fiel mit dem Nachweis der Herkunft des Achselbogens von dem Hautrumpfmuskel der Säugetiere. Die oftmals zu beobachtende Erscheinung, daß der Achselbogen außer den Pectoralisteilen auch Abschnitte des Latissimus dorsi ent- hält, fällt in ein ganz andres Gebiet, welches zuvor besprochen worden ist. Der Brennpunkt lag darin, daß Latissimusbündel in sekundärer Weise mit dem primären Achselbogen sich verbinden konnten. Da der Achselbogen überhaupt eine dem menschlichen Organismus, soweit bekannt, allein zukommende Bildung ist, so ward auch die sekundäre Verschmelzung des Latissimus dorsi mit ihm nur beim Menschen angetroffen. Es bleibt ja die Möglichkeit bestehen, daß konvergente Vorgänge auch bei einigen andern Säugetieren angetroffen werden. Wenn das der Fall sein sollte, so müßte vor unvorsichtigen Deutungen gewarnt werden. Die Organisation bei 506 Georg Ruge Chrysochlorys oder Arten von Wiederkäuern etwa auf die des Men- schen direkt zu beziehen, würde nicht zulässig sein. Es ist kein Lebewesen bekannt, welches einen Achselbogen besitzt wie der Mensch. Der menschliche Achselbogen verbindet den Latissimus mit dem Pectoralis major. Diese Vereinigung kann keine ursprüngliche sein, weil das Homologon des menschlichen Achselbogens bei Tieren in axillaren Bündeln des »peetoralen« Haut- muskels auftritt, weleher mit dem Latissimus nichts Gemeinsames besitzt. 13. Das Auftreten des Sternalis bei Anencephalen. Das verhältnismäßig häufige Auftreten des Sternalis bei An- encephalen wurde von P. S. ApraHam 1883 erkannt, welcher bei elf derartigen Mißgeburten sechsmal den Muskel entweder auf der einen oder auf beiden Körperseiten vorfand, Diese Wahrnehmung mußte überraschend wirken und versprach, Licht über die Bedeu- tung des Sternalis zu verbreiten, da dessen Auftreten bei normalen Individuen nach CunnınGHAm nur bei 4,4%, gefunden ward (d.h. bei 358 Leichen 16mal). CUNNINGHAM hat 1888 eine Nachuntersuchung angestellt und bei sechs Hemieephalen den Sternalis nur einmal angetroffen. SHEPERD indessen hat 1889 den Muskel an neun Objekten 8mal, dabei 4mal doppelseitig gefunden. Wınpre (1889) traf den Sternalis bei 16 An- encephalen 6mal, darunter 3mal auf beiden Seiten, an. Aus der Wınpveschen Tabelle ist aber eine sehr große Schwan- kung in der Häufigkeit des Auftretens des Sternalis bei Anence- phalen zu entnehmen. Sie tritt deutlich zutage, wenn das Auftreten in Prozenten ausgedrückt und geordnet wird: SHEPERD 9 Fälle (Smal) = 88°/, (1889) ABRAHAM 11 Fälle (6mal) — 54°/, (1883) WINDLE 16 Fälle (6mal) — 38°/, (1888) CunninGHAM 6 Fälle (1mal) —= 16,6°/, (1889) 42 Fälle (21mal) = 50°. Die Differenzen der Einzelangaben sind zu groß, als daß auch in der Gesamtberechnung etwas Abschließendes vorliegen könne. Dieser Abschluß wird auch durch die EısLersche Tabelle, in wel- cher 18 Fälle mehr in Betracht gezogen sind, nicht gegeben. Immerhin lassen die gewonnenen Tatsachen auf das deutlichste erkennen, daß die an Gehirn, Schädel, Wirbelsäule und Brustkorb Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 507 hochgradig mißgebildeten Föten auffallend häufiger, aber nicht in regelmäßiger Weise das Auftreten eines Sternalis im Gefolge haben, daß also zwischen Anencephalie und Sternalisbildung keine strenge Wechselbeziehung besteht. Die Tatsache des häufigen Auftretens eines Sternalis bei Anencephalen hat durch die Untersuchungen Eisters weitere Bestätigung gefunden. Von einer Regelmäßigkeit gleichzeitigen Auftretens von Sternalis und genannter Mißbildung kann aber keine Rede sein. EIstLER hat unter Benutzung des be- kannten Materials und unter Hinzufügen der eignen Beobachtungen eine tabellarische Zusammenstellung der Häufigkeit des Auftretens des Sternalis bei 60 Anencephalen gegeben (1901, S. 73). Ordnen wir die Daten in der gleichen Weise wie die Wınpreschen Zusam- menstellungen, so ergibt sich: SHEPERD 9 Fälle (Smal) — 88°), EisLER 7 Fälle (4mal) = 57°/, ÄBRAHAM 11 Fälle (6mal) = 54°, WINDLE 27 Fälle (10mal) = 37°, CunninGHam 6 Fälle (1Imal) = 16,6°/, 60 Fälle 29mal — 48,3%),. Für die Gesamtheit der größeren Zahl von Fällen ist die Häufig- keit des Auftretens des Sternalis um 2°, vermindert. EisLErR hat unter Verwendung der LE Dovugreschen Tabelle des Sternalisauftretens bei »normal« entwickelten Individuen be- rechnet, daß der Sternalis bei Anencephalen 12mal so häufig als bei normalen Personen auftritt. Das Ergebnis bleibt so bemerkens- wert, daß bei Betrachtungen über die morphologische Bedeutung des Sternalis mit ihm gerechnet werden darf. Es ist indessen nicht ohne weiteres gestattet, auf Grund dieser Erscheinung das letzte Wort über die Genese des Sternalis sprechen zu wollen. Die Wechsel- beziehungen zwischen einem M. sternalis und dem Komplexe von Mißbildungen an verschiedenen Organsystemen von Anencephalen sind meiner Ansicht nach vollkommen unbekannt geblieben. Die Stichhaltigkeit der von EISLER zusammengestellten Statistik wurde durch die Untersuchungen von M. R. AntHony (1900), wenn diese als vollwertig für diese Fragen anerkannt werden sollten, durchbrochen. AnrtHonY hat nämlich die rudimentären Zustände des Sternalis untersucht und glaubt diese sehr häufig angetroffen zu haben, so daß der Sternalis nach ihm in etwa 25°, gefunden wird. Unter Zugrundelegung der Antuonyschen Angaben würde der Morpholog. Jahrbuch. 33. 33 508 Georg Ruge Sternalis nur 1/ymal so häufig bei Anencephalen anzutreffen sein als wie bei normalen Individuen. Vorläufig darf man dem häufigen Sternalisauftreten bei Anencephalen eine Bedeutung nicht abspre- chen, wennschon die statistischen Angaben sich auch noch verschieben mögen. Die AnrHuoxyschen Untersuchungen sind nicht einwandsfrei, da sehnige Bildungen einfach mit einem Sternalis in Beziehung ge- bracht werden. Von verschiedener Seite ist die Anencephalenfrage des Sternalis herangezogen worden, um Licht über das Wesen des Muskels zu verbreiten. Das Auffallende der Beobachtungen gab dazu in leicht begreiflicher Weise die Veranlassung. Man ist dabei zu weitgehen- den Betrachtungen geführt worden. Die auffallendsten finden sich bei EisLER, welcher überzeugt davon ist, die wirkenden Triebfedern für die Entstehung des Sternalis überhaupt bei den Anencephalen gefunden zu haben. Er spricht nicht mehr von normalen, sondern nur von äußerlich nieht merklich mißgebildeten Individuen oder von »normalen« Individuen, wenn sie einen M. sternalis besitzen. Die Träger eines Sternalis stehen also jenen Mißbildungen nicht so ganz fern; sie sollen jedenfalls in einigen, auch den Anencephalen zu- kommenden Eigenschaften mit ihnen übereinstimmen. Die hier ge- botene Aussicht ist eine weite. Es fragt sich aber, ob man bei ihr etwas Deutliches zu erkennen vermag. In Irrenhäusern wird man demnach wohl in Zukunft die größere Zahl von Sternales suchen müssen, und wichtige Schlüsse wird man aus dem Besitztum auf das Wesen des Trägers eines Sternalis ziehen! Man ist der Frage näher getreten, ob Varietäten in andern Muskelgebieten ebenfalls häufiger bei Anencephalen auftreten als bei normalen Personen. Die Ergebnisse scheinen negativer Natur zu sein (WINDLE); die in Aussicht gestellten Beobachtungen EISLERS über diesen Gegenstand stehen, wenn ich ihn recht verstehe, noch aus (S. 74). Mit größtem Interesse, aber auch mit vorsichtiger Be- urteilung werden diese Veröffentlichungen aufgenommen werden müssen. Bei andersgearteten Mißbildungen scheint der Sternalis nach Wınptes Angaben (1889, 1893) nur selten vorzukommen. In 19 Fäl- len ist der Muskel nur einmal, und zwar bei Oyelopia, aufgefunden worden, d.i. in einer Prozentzahl 5,3. Diese aus einem nur spärlichen Material sich ergebenden, nega- tiven Ergebnisse lassen EISLER annehmen, daß den Anencephalen besonders günstige Umstände für die Sternalisbildung zukommen ee ee Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 509 müssen. Diese Überzeugung ist der Ausgangspunkt geworden für erneute Untersuchungen über die Ursachen der Sternalisentstehung bei Anencephalen und der Entwicklung des Muskels überhaupt. Wir verdanken dem Autor eine sehr genaue Untersuchung über die Nervenversorgung des Sternalis bei einem Anencephalus. Der Befund der Nervenverzweigungen wird in der gleichen Weise ver- wertet, wie die Befunde bei normalen Individuen herangezogen wor- den sind. Unser Urteil hierüber ist dem Leser bekannt. Der Tat- bestand (s. Taf. II) soll die Angaben andrer Autoren bestätigen, daß bei Anencephalen der Sternalis in weit höherem Grade betreffs des Umfanges varliiere, als bei »sogenannten normalen Individuen«. Dieser Annahme kann nicht beigepflichtet werden. Wenn ich auf die Fig. 1 des in dieser Zeitschrift vorhergehenden Aufsatzes mich beziehe, so kann ich aus ihr mit gleichem Rechte das Gegenteil her- auslesen, ebenso aus dem häufigen einseitigen Auftreten des Sternalis bei normalen Personen. Die Innervation des Sternalis bei Anencephalen ist auch von andern Autoren zuvor festgestellt worden. Hier wiederholt sich die- selbe Erscheinung wie am Muskel normaler Individuen (s. S. 15). Die Angaben gehen auseinander. Die Nn. thoracales anteriores und die Nn. intereostales werden aufgeführt als je selbständige Ver- sorger verschiedener Muskeln und als gemeinsame Nerven für einen und denselben Muskel (vergleiche SHEPERD, 1889). Diesen An- gaben gegenüber sind die genauen Mitteilungen EısLers sehr hoch zu stellen. Die Angaben der Doppelinnervation bleiben auch hier unglaub- würdig und unerklärbar. SHEPERD hielt eine Deutung seiner eignen Wahrnehmung für ausgeschlossen. Die auffallendste anatomische Erscheinung bei Anencephalen mit Sternalisbildung ist das häufige Ausbleiben des Nichtgeschlossenseins der Bündel des Pectoralis major. Die Trennung befindet sich im Bereiche der Sterno-costal-Portion nahe dem Brustbeine in der Höhe der oberen (2.—5.) Rippen. Die Spaltbildung erhält dadurch noch größere Bedeutung, daß Teile des Sternalis durch die bestehende Lücke im Pectoralisursprunge die oberflächliche Lage mit einer tiefen vertauschen können, um unter dem Muskel Anheftungen an den knorpeligen Rippen zu zeigen (TURNER, ABRAHAM, WINDLE). Ein derartiger Pectoralisdefekt mit Tieflagerung einer Sternalis- portion ist auch auf der linken Hälfte des von EISLER untersuchten Anencephalus vorhanden, 33* 510 Georg Ruge Wiırson (1897) ist durch die Spaltbildung im Pectoralis major der Anencephalen und das gleichzeitige Auftreten eines Sternalis bestimmt worden, die Lehre von der Bündelabspaltung und von der otation der abgesprengten Bündel (CUNNINGHAM) zu verfechten. Es ist nun aber bekannt, daß der Sternalis bei Anencephalen in ober- flächlicher Lagerung auch auf dem normal gestalteten M. pectoralis major sich befinden kann, so daß Störungen im Pectoralisgebiet nicht zu erkennen sind. Der Sternalis kann mit der Reetusscheide zusammenhängen, usf. und überhaupt in allen Formerscheinungen angetroffen werden, welche bei normalen Individuen sich finden. Fernerhin wird es immer unverständlich bleiben, warum bei einer frühzeitigen Bündelabspaltung eine Spalte im Pectoralis zurückbleiben müsse. Ein derartiger Defekt wäre bei einem sich entwickelnden Muskel rasch ergänzt, wenn die Defektbildung nicht eine tiefere Ursache hätte, ohne daß sie die erste Anlage des Sternalis erzeugt zu haben brauchte. Wennschon also die Defekte im Peetoralis major mit Tieflage- rung des Sternalis durchaus nicht regelmäßig bei Anencephalen wahrgenommen werden, so sind sie doch merkwürdig genug, um ihnen volle Aufmerksamkeit zuzuwenden. EISLER verwertet die Er- scheinungen für die Deutung, daß der Sternalis ein in früherer Ent- wicklungszeit durch Störungen im Peetoralismajor -Gebiete abge- sprengtes Stück des letzteren sei. Die Spaltbildung im Peectoralis major der Anencephalen sei nicht die Ursache, sondern die Folge der Abspaltung einer größeren Sternalismasse. Das sind aber un- bewiesene Dinge und hätten mit Recht höchstens als Vermutung aus- gesprochen werden dürfen, Auch nach Huntington (1904) ist der Sternalis in Überein- stimmung mit CUNNINGHAM und EISLER, wenn er gleichzeitig mit einer Pectoralisspalte besteht, ein atypisches, abgesprengtes Segment. Wir stehen dem gegenüber auch auf dem Standpunkte, daß .die größere Wahrscheinlichkeit für die Herkunft des Sternalis die Ab- leitung vom Hautrumpfmuskel besitze. Unter Berücksichtigung dieser Annahme für die bei Anencephalen sich findenden Erscheinungen ist zuzugeben, dab letztere oft durch Bildungsstörungen im Gebiete des Peetoralis major beeinflußt sind. Diese Störungen müssen, wenn der Sternalis ein Rest des Hautmuskels ist und in seiner Entstehung in direkter Linie nichts mit dem Peetoralis major zu tun hat, noch zu einer Zeit in Wirkung stehen, in welcher der Sternalis seine Lage vor den knorpeligen Rippen bereits eingenommen hat und Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 51l abnormerweise einen festeren Anschluß an diesen hat finden können, bevor die Pectoralisbündel sich medianwärts ausgedehnt haben. Mag auch der Vorgang, welcher zur Verschiebung von Sternalisteilen zur Sterno-costal-Portion des Peetoralis major geführt hat, im speziellen gewesen sein, wie man ihn aus dem Einzelfalle sich am besten verständlich machen will — wir halten vorläufig daran fest, daß es sich bei Anencephalen nur um eine Kombination von Sternalis- bildungen mit denjenigen Störungen im Gebiete des Pectoralis major handele, welche Begleiterscheinungen bei den anencephalen Mißbil- dungen sind. Die Ursachen für die Störungen an dem sich entwickelnden Peectoralis major mögen in den Erscheinungen zu suchen sein, welche EISLER für sie angibt. Sie müssen deshalb aber nicht auch die Erreger für das Auftreten des Sternalis gewesen sein, was für EIsLER allzufest steht. Das verhältnismäßig häufige Auftreten des Sternalis als Begleit- erscheinung der Bildungsanomalien des Peetoralis major bei Anence- phalen bleibt eine vollkommen unerklärte Erscheinung. Für dieselbe eine ganz andre als die Eıstersche Erklärung zu geben, würde gerade nicht schwer fallen. Da dieselbe aber für eine unaufgeklärte Erscheinung ebensowenig förderlich wie diejenige von EISLER sein würde, so möge sie unterdrückt bleiben. Wenn wir mit der Tat- sache rechnen dürften, daß der Sternalis ein Hautmuskelrest wäre, so könnte auch erwogen werden, warum der Sternalis gerade bei Anencephalen verhältnismäßig häufig aufträte. LE DougLe hat sich dahin geäußert, daß der atavistische Charakter des Sternalis daran schuld sei (1897, 8. 286). Wir sprechen dieser Äußerung vorläufig keine Bedeutung zu, weisen aber auch die gegenteiligen unbewiesenen Aussprüche zurück. SHEPERD hat bei Anencephalen 7mal den Sternalis bei gleich- zeitigem Fehlen des M. pectoralis major, 2mal bei normaler Ausbil- dung des letzteren aufgefunden. Der Sternalis ist auch von LE DouBLE (1897, S. 281) beim Fehlen des Brustmuskels wahrgenommen wor- den. Für einen kühnen Interpreten können diese Tatsachen be- weisen, daß der Sternalis den fehlenden M. pectoralis major ersetze. Die ruhige Beurteilung wird der Annahme, daß ein fehlender M. pec- toralis major den Sternalis in früher Embryonalzeit gebildet haben könne, die Zustimmung verweigern müssen. Welche mißgestaltenden Einflüsse auf die Muskulatur der Brust bei den hochgradig mißgebildeten Aneneephalen Geltung gewinnen, 512 Georg Ruge entzieht sich bis heute noch unsrer Einsicht. Bescheiden gestehen wir das zu. Wir räumen auch die Möglichkeit ein, daß bei Anence- phalen neben dem Hautmuskel-Sternalis noch andre Muskelvarietäten auftreten können, welche dieser Sternalisform ähnlich werden, von ihnen aber auseinander gehalten werden müssen. EisLer suchte nach den Verschiedenheiten, welche an Skelett und Weichteilen bei den Anencephalen mit und ohne Sternalis bestehen und nach denjenigen in der bilateralen Symmetrie bei einseitiger Sternalisbildung dieser Mißbildungen. Hesse (1876) hatte zuvor auf anomale Begleiterscheinungen beim Auftreten eines Sternalis hinge- wiesen. EISLER hat verschiedene Differenzen ausfindig gemacht und sieht in ihnen die Ursachen für die Störungen im Peectoralisgebiet sowie für die Absprengung des Sternalis aus dem Pectoralismaterial. Alle Anencephalen mit Sternalis gehören dem kurzhalsigen Typus dieser Monstra an. Der Kopf sitzt wegen einer hochgradigen Lordose der Halswirbelsäule den Schultern unmittelbar auf. Der Thorax der Anencephalen mit Sternalis ist stark asymme- trisch, was am Sternum sich zunächst ausprägt. Die Anzahl der Sternalrippen ist gelegentlich beiderseits, be- sonders aber auf der Sternalisseite vermindert. Der Thorax ist durch Verschmelzung mehrerer Rippen oder Reduktion der ersten Rippen auf der Sternalisseite verkürzt. Auf der Sternalisseite besteht eine außerordentliche Verbreiterung eines Zwischenrippenraumes im ventralen Abschnitt. Eine beträchtliche Asymmetrie in der Stellung der Schlüsselbeine konnte in einem Falle beobachtet werden. Bildungsanomalien stellen sich an der Wirbelsäule ein. Diese können natürlich nicht allein auf die Körperhälfte mit Sternalis be- zogen werden, was eigentlich doch recht schwer ins Gewicht fallen kann. Für die »Bildungshemmung im Peectoralis und für die darauf zurückzuführende Entstehung des Sternalise kommen von diesen Anomalien nur einige nach EısLer in Betracht. Sie werden festge- stellt, nachdem auch die anomalen Begleiterscheinungen der Sterna- lisbildung bei den »äußerlich nicht merklich mißgebildeten Trägern eines Sternalis«, d. i. bei normalen Individuen, geprüft worden sind. Hzsse hatte anomale Begleiterseheinungen erkannt. EISLER unter- suchte nachträglich drei Fälle von Erwachsenen und zwei Föten mit Sternalisbildung. Die außergewöhnliche Breite der Zwischenrippenräume auf der Sternalisseite und im Anschlusse daran eine Skoliose des Brustbeines Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 513 sind die einzigen Abweichungen, welche bei Aneneephalen, »nor- malen« Föten und Erwachsenen gemeinsam zu finden sind. »Diese konstant vorhandene Verbreiterung eines oder mehrerer Intereostalräume ist meines Erachtens die direkte Ursache für die Bildungsbemmnng im Bereiche des Pectoralis major und gibt indirekt den Anstoß zur Bildung eines Sternalis.< (EisLer S. 81.) HuntinGton (1904, S. 31) teilt EısLEers Ansicht nicht. Er hebt hervor, daß ein Sternalis, sogar neben einer Spalte im Pectoralis, bestehen könne, ohne daß der Thorax Deformitäten erkennen lasse. Anderseits werden Deformitäten am Sternum und an Intercostalräumen angetroffen, ohne dab ein Sternalis oder gar eine Pectoralisspalte bestehen. Es können also beim Antreffen eines Sternalis diese an- dern Erscheinungen sich noch hinzugesellen, ohne daß sie die Ur- sache für die Muskelvarietät sein können. Die Koineidenz von Er- scheinungen wird leicht in fälschlicher Weise für die Ergründung der Ursachen verwertet. Spaltungen von Rippen und Erweiterungen von Intercostalräumen werden bei Anencephalen ohne Sternalisbildungen angetroffen. Solche bestehen anderseits bei Anencephalen ohne jede Spur von abnormen Bildungen am Skelette. Die zuversichtlichen Aus- sagen EIsLERS vertragen sich mit diesem Tatsachenkomplexe nicht. Huntington nahm daher mit Recht Stellung gegen dieselben. Ein gemeinsames Auftreten der seltenen Spaltbildungen im Pec- toralis major und der Verbreiterungen in den Zwischenrippenräumen kann immerhin, was wir zugestehen, für irgend eine Beziehung zwischen beiden Erscheinungen sprechen. Die Annahme aber, dab die Verbreiterung der Intercostalräume die direkte Ursache für die Bildungsanomalie des Pectoralis major gewesen sei, schwebt in der Luft. Das abhängige Verhältnis kann ja gerade umgekehrt gedacht werden. Warum kann nicht der Muskeldefekt als Bildungsanomalie von unbekannter Herkunft die direkte Ursache für die Verbreiterung der Zwischenrippenräume gewesen sein? Warum können nicht beide Erscheinungen als gemeinsame Folgen eines gemeinsam wirksamen Momentes gelten, welches auch noch die vielen andern gelegent- lichen Anomalien der Wirbelsäule usw. bei den Anencephalen beein- flußt? und noch viele andre bisher unbekannte Bildungsfehler im Gefolge haben mag? Ein Einblick in das Innere dieser Werdepro- zesse von anencephalen Mißbildungen ist uns vorderhand nicht ge- währt. Von dem genauen Werte der gegenseitigen Abhängigkeit der Einzelerscheinungen wissen wir auch hier noch nichts Genaues. Die EısLerschen Hypothesen helfen uns hierüber nicht hinweg. Wie 514 Georg Ruge wir gar verstehen sollen, daß eine Verbreiterung von Intercostal- räumen"indirekt den Anstoß zur Bildung eines Sternalis gebe und daß dieser dann aus einem atypischen Verhalten sich selbständig wie ein typischer Muskel weiter entwickle, bleibt eine zu große Zumu- tung. Der Sachverhalt kann unmöglich so einfach liegen, wie ihn EiSLER sieh vorstellt. Derselbe verficht seine Ansicht auf Grund von Daten, die anzuzweifeln sind. Zum Beispiel: der Sternalis soll in seiner Lage mit dem erweiterten Intercostalraume korrespondieren (5. 81 und an andern Orten)! Nun ist es aber eine sehr häufige, vielleicht auch eine sehr tief eingreifende Tatsache, daß der Ster- nalis bis zur Reetusaponeurose herabreicht und demnach hier auch über nicht erweiterte Zwischenrippenräume sich ausdehnt. Wenn der Muskel vom Hautrumpfmuskel abstammt, so ist diese Erschei- nung bedeutsam und einfach zu verstehen. EısLER hat dieselbe da- durch in ihrem Werte herabzudrücken gesucht, daß er ohne Beweise, d. i. willkürlich annimmt, der Sternalis sei caudalwärts einfach aus- gewachsen. Diese Annahme mußte allerdings geschehen, um die andern von der Sternalisentstehung zu retten. Wenn den Erschei- nungen derartige beliebige Deutungen untergeschoben werden, so läßt sich ohne Mühe alles erklären. Ich bezweifle nun, daß der Sternalis in sekundärer Weise caudalwärts ausgewachsen sei. Hier wird deshalb ein Beweis verlangt, an dessen Stelle eine für EısLer günstig liegende Annahme durch diesen Autor gesetzt ist. Die Me- thode der Forschung ist keine zufriedenstellende. Würden wir dem Autor in der Vorstellung über das Zustande- kommen der Bildungshemmung im Pectoralis weiter folgen, so würden die Widersprüche sich steigern. Der Leser sei auf die S. 81 und 82 des Aufsatzes verwiesen, wo die Erörterungen den Eindruck einer Beweisführung ohne festen Halt hinterlassen und dem Bedürfnis entsprungen zu sein scheinen, auf entwicklungsmechanischem Wege selbst das völlig Ungekannte als einfach hinzustellen und zu erklären. Ich verweise u. a. auch auf die gekünstelte Erklärung einiger Fälle, in welchen oberflächliche Peetoralisbündel in die Deltoides-Faseie ausstrahlen (S. 82). Bei der Erörterung der Ursachen für die Verbreiterung der In- tercostalräume glaubt EisLEeR die in der Thoraxwandung selbst ge- legenen und vielleicht in Betracht kommenden Faktoren hervorheben zu müssen. Er denkt an die im Thorax sich entwickelnden Organe als annehmbare Ursachen für den Zustand an den Intereostalräumen. Herz und Thymus kämen hier in Frage. Eine Hyperblasie dieser Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 515 Organe, namentlich aber der Thymus, würden ihren Ausdruck auch an der vorderen Thoraxwand finden müssen. Die weiteren Ausein- andersetzungen hierüber sind aphoristischer Art und sollen wohl auch nur zu erneuten Untersuchungen Anregung bieten. Für die Sterna- listrage sind diese Erörterungen auch weiter nicht von Gewicht. — Der diese Punkte berührende Abschnitt hinterläßt einen wohltuenden Eindruck, da mit einer gewissen Vorsicht Vermutungen vorgetragen werden, welche nur anregend wirken können. — Sobald an Stelle tatsächlicher Vorführungen Meinungen und Hypothesen treten, so muß für die Sternalisfrage bei Anencephalie zunächst auch die Vermutung Berücksichtigung finden, dab die tief eingreifenden, frühen Störungen bei Anencephalen die Erhaltung von vielleicht, sogar wahrscheinlich regelmäßig angelegten Abschnitten eines Hautrumpfmuskels begünstigen, und daß die Begünstigungen den Brustabschnitt des letzteren betreffen. Eine solche Vermutung hat wohl kaum etwas Unwahrscheinlicheres an sich als irgendeine andre Spekulation. Sollte sie sich aber bewahrheiten, so würden die etwas zuversichtlicher ausgesprochenen Annalımen Eisters sich auch nur als das erweisen, für was sie zu gelten haben: als Vermutungen. Auf keinen Fall können heute berechtigte Einwände dagegen vorge- bracht werden, wenn Sternalisbefunde bei Anencephalen als pectorale Reste eines Hautmuskels gedeutet werden. Wenn dies für einige Fälle zutrifft, so gilt es vielleicht auch für alle Formen. Die oben ausführlich besprochene und von EıstLer lebhaft auf- gegriffene Hypothese CUNNINGHAMS, nach welcher der Sternalis durch bestimmte Drehungen frühzeitig abgesprengter Pectoralisabschnitte in die Erscheinung treten solle, ist bei der Anencephalenfrage des Sternalis immer wieder in Anwendung gekommen. Diese Rotations- hypothese hat das Bequeme für sich, daß man sie auch theoretisch auf sehr verschiedene, hypothetisch abgesprengte Pectoralisbündel anwenden kann. Und dann ist jede Sternalisform »ableitbar« (1), ableitbar aus der Hypothese frühzeitig abgesprengter Keime und mittels der Hypothese der notwendig in bestimmter Richtung rotie- renden, losgelösten Muskelbündel. Nachdem das Schema des Aufbaues des M. pectoralis major aus drei verschiedenen, radiär geordneten Bündelsystemen, welche von drei verschiedenen Ästen der Nn. thoracales anteriores (R. externus, R. internus, R. lateralis) versorgt sein sollen, sich eingeschlichen hatte, wurde die Rotationshypothese ausgebaut und glaubwürdiger gemacht. Je nachdem der Sternalis von dem einen oder andern 516 Georg Ruge Aste der Nn. thoracales anteriores innerviert wird, soll er von dieser oder jener Portion des M. pectoralis major herstammen. So würde sich z. B. ein Keim von der Portio abdominalis des Peetoralis major, natürlich ganz frühzeitig losgelöst und zur gesetzlich geregelten Rotation angeschieckt haben müssen, bis der Sternalis zustande kam — falls er vom N. thoracalis lateralis oder internus versorgt wird. Für diesen Fall glaubte man zugleich die Ursache für die Anheftung des Sternalis an der Reetusscheide gefunden zu haben. Man braucht nicht mehr die Annahme zu machen, der Sternalis sei aus mehr cra- nial befindlicher Gegend in die Abdominalregion gelangt. Man schließt aber auch umgekehrt, daß ein Sternalis, welcher an der Rectus- scheide angeheftet ist, von der Portio abdominalis herstamme (WINDLE). Es scheint auf diesem Gebiete manches erlaubt zu sein, was wir aus vielen Gründen für unstatthaft erklären. So leicht ist die Sternalis- herkunft nicht zu lösen. Wenn der Sternalis von dem N. thoracalis anterior internus oder aus einer Schlinge zwischen ihm und dem N. thoracalis anterior externus versorgt ist, soll er von dem am Corpus sterni entspringenden Pectoralisabschnitt herstammen, was am häufigsten zutrifft (man vgl. z. B. Wınpre). All’ diese spekula- tiven Betrachtungen und Meinungen lassen uns auf anatomischem Ge- biete unbefriedigt; sie zeigen aber, wie viel umstritten die Sternalis- frage ist und in Zukunft wohl auch bleiben wird. Es wird ein großes Verdienst und Glück sein, wenn dann auch Forscher auf- treten, welche bei Beherrschung des Gesamtstoffes mit scharfem Urteile hineinleuchten in die vielen aufgeführten Gebäude, um zu ermitteln, was haltbar und was hinfälliger Natur sei. — Zum Sternalis der Anencephalen sind Äste der Nn. thoracales anteriores, der Nn. intereostales (2.—4.) und Äste beider Nerven- arten verfolgt worden (vgl. Curıstian, 1898). Der Zweifel an der Richtigkeit einer Intercostalisinnervation besteht auch hier. Die Ver- teidiger der Rotation von abgesprengten Pectoralisteilen zweifeln nicht allein daran, sondern sie rechnen mit der Unrichtigkeit jener Inner- vation. In dieser Hinsicht werden sie wohl das Richtige treffen. 14. Der Sternalis und der Achselbogen bei verschiedenen Völkerstämmen und Rassen. Ihre Bedeutung für die Anthropologie. Das Auftreten des Sternalis bei verschiedenen Rassen erhält für die vergleichend-anthropologische Forschung erst dann einen greifbaren Wert, sobald die Bedeutung desselben erkannt ist. Wenn Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 517 der Muskel entweder eine durch allmähliche Aberration entstandene Bildung des M. pectoralis major oder der Rest der Hautrumpfmus- kulatur ist, so gewinnt er als progressives oder als atavistisches Organ die Bedeutung solcher Bildungen überhaupt, und ein höheres Interesse wird sich an ihn knüpfen. Falls man den Stemalis aber als eine ganz bestimmt lokalisierte embryonale Entwicklungsstörung des Pectoralis (EısLer, 1901, S. 73) betrachtet wissen will, so wird die wissenschaftliche Anthropologie vorläufig kaum mit dem Sternalis etwas anfangen können und ihn wahrscheinlich vernachlässigen. Letzteres wäre zu beklagen, da bereits eine wertvolle Statistik über das Vorkommen bei verschiedenen Rassen gesammelt ist, und da eine jede menschliche Bildung, welcher Art sie auch sein möge, für die wissenschaftliche anthropologische Forschung von Wert sein muß. EistLer (1900, 8. 153) bestreitet dies, indem er sagt: Derartige Bil- dungen sind aber für die Anthropologie nicht verwertbar. Ich meine, daß es im Gegenteil von dem höchsten Interesse sein müsse, gerade die nach EisLEr neu auftretenden, durch Entwicklungsstörungen er- zeugten, atypisch entstandenen, aber typisch weiter ausgebildeten, selbständig gewordenen Aberrationen im Menschengeschlecht genau zu erforschen. Sollte sich da keine Gesetzmäßigkeit für die bei vielen Rassen bereits aufgefundenen Bildungen feststellen lassen ? Ich hoffe es. EıstLer hat die statistischen Ergebnisse in seinen Auf- satze unter Zugrundelegung der Lew Dousreschen Aufzeichnungen (1890 und 1897, S. 282) zusammengestellt. Die Häufigkeit des Vor- kommens läßt sich im Hinblick auf eine spätere Verwertung für die Anthropologie wohl am besten folgendermaßen ordnen: Neger 8,4%, (CHUDZInskI, LE DOUBLE, TeEsTUr), Iren 6,0%/, (MACALISTER), Iren 4,40%/, (CUNNINGHAM), Russen 5,260/, (GRUBER), Franzosen 4,65°/, (LE DougLr), Engländer 4,0%, (Woonp), Schotten 3,23°/, (TURNER), Elsässer 3,24°/, (SCHWALBE und PFITZNER). Bei Negern ist der Sternalis durch CuupzinskI 2mal in 24 Fällen, durch Tesrur keinmal in 5, durch Le DoustE 1mal in 7 Fällen beobachtet worden; er würde also ungefähr in 8,4°/, auftreten. Soweit es also heute zu übersehen ist, wird der Sternalis bei Negern häufiger als bei den bisher allein gründlicher untersuchten 518 Georg Ruge Europäern gefunden. Man wird zunächst nur mit allergrößtem Vor- behalt irgendwelche Schlüsse aus diesem unsicheren, statistischen Material ziehen dürfen. Rückschlüsse auf die Bildungsgeschichte des Sternalis gestatten die Zahlen selbstverständlich nicht. Sie können überhaupt erst nach der Erforschung der stammesgeschichtlichen Bedeutung des Muskels belebt werden. SCHWALBE und PFITZNER (1889, S. 712) berechneten das Vor- kommen des Sternalis auf ungefähr 3%,, gaben aber die Konstanz des gefundenen Mittelwertes als noch nicht gesichert an. Die Frage, ob der Muskel in verschiedenen Ländern verschieden häufig vor- käme, hielten sie noch nieht für spruchreif (1894, S. 480 und 482). CUNNINGHAM, L& DousLE (1890) haben das prozentische Auf- treten des Sternalis bei den Europäern auf 4,4 berechnet, wobei durch LE DousLeE etwa 2000 Leichenbefunde in Rechnung gekommen sind. In den zahlreichen Arbeiten über den Sternalis finden sich zer- streut auch Angaben über die Häufigkeit seines Auftretens. So schätzt DEBIERRE (1890) die letztere auf 2% und weicht von an- dern Autoren ab, die eine höhere Prozentzahl angeben. ApaAcHı (1897) bestimmte die Häufigkeit des Sternalis beim Lebenden auf 15°/,, wobei er 200 Personen in Betracht zog. Diese Zahl ist so hoch gegriffen, daß wir an der Güte der Methode einer Bestimmung des Sternalis am Lebenden Zweifel hegen dürfen. Die anatomischen Untersuchungen bleiben unter allen Umständen maßgebend. Die moderne wissenschaftliche Anthropologie, welche unter Zu- hilfenahme der vergleichend-anatomischen Forschung und der Er- gebnisse der Entwicklungsgeschichte sowie der Paläontologie ein Bild von den Vorzeiten des Menschengeschlechts zu entwerfen sucht, darf den M. sternalis nicht aus dem Gesichtskreis ihrer Betrach- tungen verlieren; denn der Muskel scheint sich als ein Zeugnis aus der Vorgeschichte des Menschengeschlechts erhalten zu haben. Hierzu ist das Folgende zu bemerken. Die Primaten gelten als eine alte Form, welche früh vom gemeinsamen Stamme der Säugetiere sich losgelöst und in gerader Linie sich entwickelt hat. Die ihnen zukommenden, vielen primitiven Eigenschaften, auf welche durch KraArscH (1899) hingewiesen worden ist, machen dies wahrschein- lich. Sie deuten auf engere Verwandtschaftlichkeit der Primaten mit den im Stammbaum tief stehenden Prosimiern hin. Einrich- tungen bei diesen lenken zum näheren Vergleich mit denen hin, welche bei Beuteltieren sich finden. Aus einem Organisationsplan, wie ihn einige Beuteltiere zeigen, können sich Reste mancher Art Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 519 im Menschengeschlecht erhalten haben. Ein solcher Rest kann auch der M. sternalis sein, welcher, wie dies zuvor ausführlich be- sprochen worden ist, als Überbleibsel des Hautrumpfmuskels eine gute Entfaltung desselben in der Brustgegend der Vorfahren voraus- setzt. Bei Beuteltieren und Monotremen wird eine solche angetroffen. Da diese bei Prosimiern sowie bei den niederen Katarrhinen bereits vermißt wird, so lenkt der M. sternalis unser Augenmerk zurück zu den Vertretern der niedersten Stammform der Primaten in der Säugetierreihe, welche deshalb anatomisch aufs genaueste durchforscht werden muß. Was den Achselbogen anlangt, so sind wir mit Angaben über die Häufigkeit des Auftretens bei den verschiedenen Rassen noch viel schlechter gestellt, so daß hier viel nachzuholen ist. Die Bedeu- tung des Achselbogens für die anthropologische Forschung ist in dem Maße größer, als wir seine Herkunft vom Hautrumpfmuskel genau kennen, welcher beim Menschen bis auf diesen Rest und eventuell auf den Sternalis eingeschmolzen ist. Alle Ergebnisse über den primitiven Achselbogen sind Ergebnisse über den Hautmuskel. Rassenverschiedenheiten können sehr wohl bestehen. Höhere Grade von Ausbildungen dieses Muskels bedeuten für jeden Einzelfall zu- gleich das Erhaltensein primitiverer Verhältnisse. Es ist nicht aus- geschlossen, daß bei niederen Rassen Merkmale dieses alten Besitz- tums des Primatenstammes häufiger sich erhalten haben. Die Angaben über die Häufigkeit des Achselbogens bei Euro- päern weichen nicht unerheblich voneinander ab. Langer (1846) traf den Achselbogen unter 4 Fällen einmal an. Der Muskel würde also in 25°/, auftreten. M. Woop (1868) traf den Muskel nur 6mal an 102 Leichen, PERRINn (1871) 10mal an 58 Leichnamen. Der Unterschied von 6°, und 17°/, der daraus sich ergebenden Häufig- keit ist zu groß, als daß nicht Ungenauigkeiten in den Beobach- tungen angenommen werden müssen. Eine Reihe von Autoren schätzen die Häufigkeit auf 6—7/,. Verschiedene statistische Angaben seien hier zusammengestellt: LANGER 1:4 = 35,00%, CALORL (1866) 1:144 =. 0,7% Woop 2,30%, = 3,3% WooD 1:1022— 5,9% PERRIN (1871) BEI EITIN, MACALISTER (1872) 1:16 = 6,0%, 520 Georg Ruge Krause (1880) 7:100 = 7,0%, STRUTHERS 8:105 = 7,6%, Le DovgLeE (1893) 6:95 = 6,3%). Le DovgLe hat die ihm in der Literatur bekannt gewordenen Fälle zusammengestellt: bei 506 Leichen sind danach 39mal die Achselbögen gefunden worden, also in 7,7%,. Über Rassenstatistik ist uns nichts bekannt (Cmupzınskı 1898). Die funktionelle Bedeutung des Achselbogens ist unbekannt. Sie läßt sich rein theoretisch aus den Stellen der Anheftungen und dem Verlauf jeweilig ablesen. Anheftungsstellungen, Verlauf und Stärke wechseln in sehr erheblicher Weise. Also wechseln auch die Wirkungen der Achselbogenformen. Wenn der Muskel als Spanner der axillaren Fascie ausgegeben wird,, so kann wohl niemand eine Belehrung daraus ziehen (Testur). Wenn nun gar durch diese Fas- cienspannung eine Kompression auf die Vena axillaris ausgeübt, wo- durch der ceentripetale Blutstrom befördert werden soll, so scheint es sich hier um eine Annahme (vgl. CAtorrı) zu handeln, welche der Vernunft zuwiderläuft, da eine strichförmige Kompression der Vena axillaris den Blutstrom nur ungünstig beeinflussen kann. Es wird schwierig bleiben, über die Wirkung des Achselbogens etwas Endgültiges in Erfahrung zu bringen, da die Besitzer dieser Muskeln als solche erst den Anatomen bekannt werden. Der Achselbogen des Menschen besitzt für die Anthropologie auch eine Bedeutung von allgemeinerer Art. Es ist der Rest eines Muskels, welcher über den Rumpf ausgedehnt war und diese Eigen- schaft auch bei den Vorfahren des jetzigen Menschengeschlechts besessen haben muß. Dies ist eine erschlossene historische Tat- sache, welche ebensofest steht, wie die mit unsern Sinnesorganen wahrgenommenen Erscheinungen als Tatsachen ausgegeben werden. Es ist ebenso sicher, daß in dem Hautrumpfmuskel ein Muskel des Menschengeschlechts eine Rückbildung im größten Maßstabe erlitten, daß also eine Veränderlichkeit auch im Muskelsystem des Menschen bestanden hat. KoLLmann hat sich über die Zeit dieser Verän- derung dahin ausgesprochen (s. 1900, S. 2), daß neben andern Or- ganen auch die Muskeln, welche einer Rasse eigen sind, seit dem Diluvium nieht verändert worden sind. Wann nun die Verände- rungen am Hautrumpfmuskel, welche zur völligen Rückbildung des- selben geführt haben, am lebhaftesten stattgefunden haben, ob sie noch heutzutage bei einigen Rassen merklich sind, läßt sich beim Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 521 heutigen Stand unsrer Kenntnisse nicht sagen. Daß aber die groß- artigsten Veränderungen im Muskelsystem des Menschengeschlechts sich abgespielt haben, bleibt eine unabweisbare Tatsache. Die Mus- ‘ keln der unteren Gliedmaße, welche sich nach KoLLmAnn bei den einzelnen Rassen niemals geändert haben sollen, müssen jedenfalls als die schlagendsten Beispiele für eine Abänderung in der Ent- wicklung des Menschengeschlechts genannt werden. Ich stelle mir vor, daß die Abänderungsfähigkeit bei den verschiedenen Rassen auch heutzutage nicht verschwunden ist. Die stammesgeschichtlichen Ver- änderungen, welche die vergleichende Anatomie erschließt, sind jeden- falls nicht zu bestreiten, und so ist es nicht ganz von der Hand zu weisen, daß Umgestaltungen in der Muskulatur der unteren Glied- maße ihren Abschluß noch nicht gefunden haben, also auch noch jetzt bei den Rassen sich vollziehen. Dies klarzustellen, bleibt spä- teren myologischen Rassenforschungen vorbehalten. Alle Spekula- tionen hierüber bleiben nutzlos, während die Ergründung bestimmt gestellter Fragen Förderung bedeuten würde. Es liegen keine Gründe dafür vor, daß die Umformungen der menschlichen unteren Glied- maße aufgehört haben. Für den Achselbogen und Sternalis könnte Gleiches gelten. KoLLmann verlegt alle großen Veränderungen an den Organen ebenso wie den Bildungsprozeß neuer Rassen in die Jugendperiode des Menschengeschlechts. Diese Annahme findet eine Stütze in dem Rückbildungsprozesse des Hautrumpfmuskels insofern, als wir den- selben ebenfalls als sehr frühzeitig vollzogen uns vorzustellen haben. Er muß bei der gemeinsamen Stammform der Anthropomorphen und des Menschen bereits begonnen haben. Bei der Spaltung des Men- schengeschlechts in verschiedene Rassen können diese aber sehr wohl mit mehr oder weniger ansehnlichen Resten des dem Rückgang später allenthalben geweihten Hautmuskels ausgestattet geblieben sein. So sind denn die zwei Fälle möglich. Entweder ist in der Jugendperiode der Menschen der Hautrumpfmuskel bereits ver- schwunden gewesen, oder die letzten Stadien der Rückbildung haben sich bei den einzelnen Rassen in konvergenter Weise nachträglich vollzogen. Wenn wir die Anthropomorphen, deren noch lebende spärliche Vertreter den Hautmuskel ebenfalls völlig verloren haben, in Betracht ziehen, so ergeben sich für die gemeinsame Stammform von ihnen und dem Menschen ebenfalls die zwei Möglichkeiten für die zeitliche Rückbildung des Muskels: 1) derselbe war der Stamm- form bereits abhanden gekommen, oder 2) der Muskel, in Rückbildung / 522 Georg Ruge begriffen wie etwa bei den Cercopitheeiden, ist unter Konvergenz der Erscheinungen erst bei den abgezweigten höheren Formen selb- ständig und völlig ausgemerzt worden. Die Ansicht, daß ein vollkommener Stillstand der morphologischen Veränderlichkeit der Organe, was KOLLMANN für die Dauerrassen oder die Persistenz der Rassen vertritt, und speziell des beim Menschen er- haltenen Restes des Hautmuskels, des Achselbogens, innerhalb der verschiedenen Rassen eingetreten sei, vermag ich nicht zu teilen. Die Rassen verändern sich wie alles organische Leben, merklich oder un- merklich. Neue Rassen entstehen vor unsern Augen nicht, aber inner- halb derselben stellen sich Veränderungen ein, welche die Ausbildung und die Rückbildung an den Organen befördern. Was in Zukunft sich daraus ergibt, wissen wir nicht. Als derartige Veränderungen am Achselbogen sind innerhalb der europäischen Rassen die sich einstel- lenden Verbindungen der Randbündel des Latissimus dorsi mit ihm an- zusehen, wodurch der sekundäre Achselbogen entsteht. Hier handelt es sich um eine morphologische Umgestaltung, von der wir natürlich nieht wissen können, ob ihr eine Zukunft bevorsteht, ob sie je per- sistent werden wird. Diese sekundäre Achselbogenform hat sich erst nach der Rückbildung des Hautmuskels einstellen können und kann demgemäß nur bei den Anthropomorphen und beim Menschen erwartet werden. Sie fehlt soweit unsre Erfahrungen hierüber reichen, den Anthropoiden und kann vorläufig nur als ein Besitztum der Europäer gelten. Wie die Mongoloiden und Negroiden sich hierzu verhalten, ist unbekannt. Wenn die anthropologische Forschung sich auf das hier be- sprochene anatomische Gebiet begibt, wird nicht allein auf die pri- mitive Form, sondern auch auf die sekundäre Umgestaltung des Achselbogens geachtet werden müssen. Die Ursachen für die Rückbildung des Hautrumpfmuskels bei dem Menschengeschlecht werden in Zukunft erörtert werden können. Spekulationen der mannigfachsten Art werden sich einstellen, da eine feste Handhabe bei der Bestimmung dieser Ursachen uns abgeht. Diejenigen Momente, unter welchen das Haarkleid beim Menschenge- schlecht die Rückbildung angetreten hat, können für die des Zu- srundegehens des Hautmuskels nicht in ausschließlicher Weise ver- antwortlich gemacht werden, da den Anthropomorphen mit einem Haarkleid der Hautmuskel ebenfalls abhanden gekommen ist. Wenn die Funktion des letzteren hauptsächlich ein Schutzapparat für das Haarkleid, Entfernen von stechenden Insekten oder dergleichen Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 523 bestehen sollte, was wir für viele Säugetierabteilungen annehmen möchten, so könnte die freiere Ausbildung der Greifhand, welche das gesamte Integument zu erreichen und zu schützen vermag, die Funktion des Hautmuskels frühzeitig im Primatenstamm übernommen, letzteren funktionslos gemacht und zur Rückbildung allmählich veran- laßt haben. Diese Wirkung müßte lange und namentlich nach der Los- lösung der gemeinsamen Stammform der Anthropomorphen und des Menschen vom Primatenstamm intensiv nachgewirkt haben. Bei der Rückbildung des Hautrumpfmuskels können für den Menschen, nicht aber für die Anthropomorphen, diejenigen Momente späterhin Einfluß gewonnen haben, welche für den Rückgang des Haarkleides wirksam waren, vorausgesetzt, daß diese Ursachen nicht ausschließlich in der sexuellen Zuchtwahl, wofür H. KrLAATscH 1899 wieder eintritt, ge- sucht werden. Diese kann auf den Hautrumpfmuskel sich äußernd wohl schwerlich gedacht werden. Ich denke hier vielmehr an die frühzeitige Verwendung äußerer Schutzmittel für das Integument im Menschengeschlecht sowie an die Zuflucht zu geschützten Aufent- haltsorten, welche gleichzeitig auf eine Verkümmerung des Haarkleides und des Hautrumpfmuskels hingewirkt haben können. Wenn schon es uns nicht möglich ist, die Ursachen, welche bei der Rückbil- dung des Hautrumpfmuskels mitgespielt haben, genau anzugeben, so kann dieselbe doch nur unter Anpassung an neu gegebene Verhält- nisse stattgefunden haben. Die letzteren müssen zuerst für alle Katarrhinen und den Menschen gemeinsam gewesen sein, da die Rück- bildung bei den niederen Affen sich bereits einleitet. Kurze Andeutungen allgemeinster Art lassen sich hier wohl geben, während weitere Ausführungen uns von unserm anatomischen Thema weit entfernen. Die an die Rückbildung des Hautrumpfmus- kels sich knüpfenden Fragen werden vermutlich in Zukunft ein höheres Interesse bekommen. Wenn bei den Vertretern der großen Rassentypen ein Achsel- bogen und ein Sternalis, wie wir sie bei den Europäern kennen, auf- treten sollten, so müßten wir sie als die konservativ erhaltenen Reste des Hautrumpfmuskels nehmen, und zwar aus einer Zeit der Aus- bildung desselben, welche nur bei den niedersten Stammformen der Primatenreihe angetroffen wird. Als Rest aus dieser Jugendperiode der Proanthropen würden sie dafür zeugen, daß die Menschenrassen als Abzweigungen von primitiven Primatenformen aufzufassen seien, und daß sie frühzeitig als Rassen sich gesondert haben, jede für sich die Zeichen einer primitiven Organisation bis in die Jetztzeit Morpholog. Jahrbuch. 33. 34 524 Georg Ruge mit hinübernehmend. Die niederen Katarrhinen haben die Reste eines Hautmuskels wohl an Bauch und Rücken bewahrt, während ihnen diejenigen an der Brustregion abzugehen scheinen. Die An- thropomorphen sind in ihrer Spezialisierung soweit vorgeschritten, daß sie (Gorilla ausgenommen) jegliche Überbleibsel des Hautmus- kels abgestreift haben. Ihnen fehlen, soweit bekannt, Achselbogen und Sternalis. — Diese anatomischen Verhältnisse stehen nicht ver- einzelt da. Es ist mit Recht auf die Bedeutung des zeitweiligen Auftretens eines Processus supracondyloideus des Oberarmes bei den Europäern hingewiesen worden. Auch er ist ein Besitztum niederer Säugetier- abteilungen und kommt in gleicher Eigenschaft wie bei diesen auch bei Sauriern vor. Sein Auftreten beim Menschen gilt als ein zuver- lässiges Zeugnis für eine Herleitung der Proanthropomorphen von den niederen Säugetieren in direkterer Linie. Den Affen scheint dieser Fortsatz am Oberarmknochen vollkommen abhanden gekommen zu sein. Wenigstens ist er noch nicht bei ihnen beobachtet worden. Auch diese Erscheinung spricht für eine größere Spezialisierung im Bauplane der Affen. Die Wertschätzung eines zeitweiligen Auftretens des Processus supracondyloideus beim Menschen tritt bei der Beur- teilung der Umwandlungen deutlich zutage, welche die Arterie des Oberarmes und die Verlagerung des N. medianus nach dem Verlust des Knochenfortsatzes im Menschengeschlecht erfahren hat. Der Nachweis eines früheren regelmäßigen Besitzstandes wird zum festen Ausgangspunkte für die sichere Beurteilung vieler Anomalien der Art. brachialis beim Menschen (s. G. RugE, 1884). Andre anatomische Verhältnisse deuten gleichfalls auf die früh- zeitige Abgliederung des Menschen vom Säugetierstamme hin. Die Untersuchungen SCHLOSSERS, SELENKAS, GAUDRYS und andrer über das Gebiß sind maßgebend in dieser Riehtung geworden. Sie be- leuchten die größere Indifferenz des menschlichen und die höhere Spezialisierung des Affengebisses. Wird der Hautrumpfmuskel mit allen seinen Derivaten unter die gleichen Gesichtspunkte, wie z. B. ein Processus supracondyloi- deus gestellt, so kann die Nachforschung nach ihm bei den ver- schiedenen Menschenrassen nicht hoch genug angeschlagen werden, wobei es zunächst gleichgültig ist, ob dieselben mit positiven oder negativen Resultaten betreffs seines Auftretens bei ihnen abschließen. Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere usw. 525 Literaturverzeichnis, ABRAHAM, P. S., Notes on the oceurrence of the muse. sternalis in human an- encephalous foetuses. Trans. Royal of Acad. of Medieine in Ireland. Vol. I. 1883. Apacnı, B., Untersuchung des Muse. sternalis bei den Lebenden. Zeitschrift der med. Gesellschaft zu Tokio. Bd. XI Heft 2. 1897. Arten, The museles of the limbs of the raccoon (Proeyon lotor). Proceedings of the academy of natural sciences of Philadelphia. 1882. AncEL, P., Documents receuillis & la salle de dissection de la Facult& de mede- eine de Nancy (semestre d’hiver 1900/01). 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Da es sich hierbei zum Teil um prinzi- piell wichtige Dinge handelt, bin ich gezwungen, kurz zu erwidern. OÖ. Hormann beginnt seine Arbeit mit der Angabe, daß >in den letzten Jahren K. Buscn und E. GÖPPERT die übereinstimmende An- sicht vertreten haben, daß unter den Sauriern die Anfangsstufen der morphologischen Differenzierung zu treffen seien, welche im Gaumendache der Säugetiere gipfelt«. In drei unten zitierten Publikationen habe ich mich mit der Frage beschäftigt, welche Bedeutung die ersten Anfänge eines se- kundären Gaumens vor ihrer medianen Vereinigung besessen haben können, also ein Zustand, der bei den Vorfahren der Säuger nach Ausweis der Entwicklungsgeschichte bestanden haben muß. Die Be- antwortung dieser Frage ist die Vorbedingung für das Verständnis der Bildung des sekundären Gaumens. Die Frage nach der Funktion der Gaumenanfänge ist nicht zu lösen durch Untersuchung ontogenetischer Stadien. Der einzige Weg, zur Klarheit zu gelangen, ist, Tierformen zu prüfen, bei denen eben zeitlebens ein sekundärer Gaumen gegen die Mundhöhle zu nicht Bemerkungen zu: A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. 533 . zum Abschluß gelangt, und solehe Formen bilden die Lacertilier. Die Vorsprungsbildungen, die hier als Gaumenfortsätze und Palato- pterygoid-Kanten bezeichnet werden, stellen Anfänge eines sekun- dären Gaumens vor, insofern als homologe Teile bei andern, nahe verwandten Formen unter erheblicher Verbreiterung zu einer Platte median zusammentreffen, welche einen Ductus naso-pharyngeus aus der Mundhöhle herausschneidet. Die Gaumenanfänge der Reptilien ließen sich ‚nun funktionell und damit auch, wenigstens bis zu einem gewissen Grade, phylo- genetisch verstehen, indem sich ein Synergismus mit der Zunge nachweisen ließ. Zunge und Gaumenanfänge bilden hier gemeinsam den Boden eines Raumes, der die Aperturae nasales internae auf- nimmt und für die Respirationsluft einen geschlossenen Weg zwi- schen Nasenhöhle und Larynx bildet. Diese Erfahrung übertrug ich auf die postulierten Zustände in der Phylogenese des Säugetiergaumens, auch hier annehmend, dab die Gaumenanfänge eine Ergänzung durch die Zunge erfahren haben und zunächst nur im Zusammenwirken mit der Zunge von Bedeu- tung gewesen sind. Es lag mir aber vollkommen fern, den sekundären Gaumen der Säugetiere selbst vergleichend-anatomisch zu untersuchen und seine Beziehungen zu Gaumenanfängen der Amphibien und Reptilien zu erörtern. Mit keinem Wort bin ich auf diese Dinge eingegangen, sie lagen gänzlich außerhalb meiner Wege. Im allgemeinen habe ich aber unzweideutig meine Stellung prä- zisiert mit folgenden Worten: »Eine genauere Betrachtung der Nasen- höhle und ihrer primitiven Mündungen (eines Säugetierembryos) zeigt schon, daß die herausgegriffenen Lacertilierzustände nicht etwa als Vorfahrenstadien für den Säugergaumen aufgefaßt werden können«. Übrigens hätten FLeıscumann und HormAnn meine Ansichten über die Beziehungen zwischen Reptilien- und Säugetierorganisation kennen lernen können, wenn sie den Schlußabschnitt meiner Arbeit in den Semonschen Forschungsreisen gelesen hätten, wo die Ausstattung des Respirationstractus mit einem aus der primitiven Mundhöhle durch sekundäre Gaumenbildungen abgegrenzten Ductus naso-pharyngeus ausdrücklich unter die große Reihe von Konvergenzbildungen ge- stellt wird, die sich bei Sauropsiden und Säugern nachweisbar ein- gestellt haben. Eine geringere Bedeutung lege ich dem Teil der HorMmANnN- schen Darstellung bei, in welchem gegen eine Auffassung der 534 E. Göppert, Bemerkungen zu: A. Fleischmann, Das Kopfskelett d. Amnioten. Gaumenrinnen der Lacertilier als Teile der Mundhöhle polemisiert _ wird und mir diese Ansicht auch zugeschoben wird (S. 23). Ich kann nur auf meine Schilderung verweisen, nach welcher die Gau- menrinne, die durch die Nasengaumenspalte in die Mundhöhle mündet, ein unteres Stockwerk der primitiven Nasenhöhle selbst darstellt. Ich habe nie im entferntesten daran gedacht, diesen paarigen Raum mit dem Ductus naso-pharyngeus der Säuger in Beziehung zu bringen, wie mir HOFMANN zuzumuten scheint. Literaturverzeichnis. 1) E. GÖPPERT, Beiträge zur vergleichenden Anatomie des Kehlkopfes und seiner Umgebung, mit besonderer Berücksichtigung der Monotremen. In: R. Semon, Zoolog. Forschungsreisen. III. Jenaische Denkschriften Bd. VI. 1901. 2) —— Die Bedeutung der Zunge für den sekundären Gaumen und den Duetus naso-pharyngeus. Beobachtungen an Reptilien und Vögeln. Morpholog. Jahrbuch. Bd. 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Bd. KK. S Sau, - un r i ee: 5 a: = R & Sple Sple Verlag v Wilhelm Engelmann in leipzig tr Jedlicka cap Über Rürkbildung und Ersatz der Arteria brachialis bei Echidna. Beitrag zur Kenntnis der Arterien der Vordergliedmaße bei den Säugetieren. Von E. Göppert. Mit 3 Figuren im Text. (Aus der Anatomischen Anstalt zu Heidelberg.) Schon seit Hyrrıs! Darstellung des Gefäßsystems der Mono- tremen (1853) ist es bekannt, daß bei Echidna der Stamm der Art. brachialis fehlt und der Blutstrom auf andrer Bahn dem Vorderarm zugeführt wird. F. HocHsTETTER (1896) hat dabei nachgewiesen, daß embryonal eine typische Art. brachialis in Begleitung des Ner- vus medianus am Oberarm hinabzieht und sich direkt in das primi- tive Hauptgefäß des Vorderarmes, die Interossea, fortsetzt. Das be- treffende Stadium zeigt schon deutlich differenziert die Anlagen von Humerus, Radius und Ulna, sowie eben angedeutet die Anlagen der Carpalstücke. Die Brachialis verfällt also erst während der Onto- gsenese der Rückbildung und wird durch ein starkes Gefäß ersetzt, das HyRTL sowie HoCHSTETTER als eine Profunda brachii bezeichnen. Eine eingehende Darstellung der Genese des für die Brachialis eintretenden Gefäßstammes fehlt bisher noch und soll im folgenden gegeben werden. Außerdem verlangt aber die Tatsache der Rück- bildung einer so mächtigen Arterie, wie die Brachialis, notwendig i1 Die im Text zitierten Arbeiten finden sich im Literaturverzeichnis am Schluß der Mitteilung zusammengestellt. Morpholog. Jahrbuch. 33. 35 536 E. Göppert eine Erklärung. Sie soll im zweiten Teil dieses Aufsatzes versucht werden. Als Material für die Untersuchung der Gefäße von Echidna lag eine obere Gliedmaße von E. aculeata vor, deren gut injizierten Fig. 1. Art, circumA. h.post. Ext.carp.rad.]. 1 I 42 Art.inteross. Artrd N! Nn.Aa.subcut.et cut. Echidna. Rechter Oberarm. Ansicht von der medialen Seite. Der Schultergürtel ist aus der ster- nalen Verbindung gelöst. Die ganze Extremität stark vom Thorax abgezogen. Die Nerven sind schwarz, die Arterien weiß dargestellt. Z Nervus radialis (profundus), 2 N. ulnaris, & N. medianus, 4 N. axillaris (+ Radialis superfieialis), 4@ Ast von 4. Arterien in keinem wesentlichen Punkt Abweichungen von der Norm darboten. Über Rückbildung und Ersatz der Arteria brachialis bei Echidna. 537 Die Art. axillaris zieht, wie die Abbildung (Fig. 1) zeigt, ventral an den Wurzeln des Plexus brachialis vorbei und gelangt in den Bereich des Plexus, indem sie hinter die Nervenzüge tritt, welche, den ventralen Bestandteilen des Plexus angehörig, Verbindungen zwi- schen seinen cranialen und caudalen Bestandteilen vermitteln. Hier teilt sie sich in zwei annähernd gleich starke Stämme, von denen der eine, laterale, die Versorgung der Extremität als Hauptgefäß über- nimmt (Art. eireumfl. h. post.), der andre, mediale, an der Rumpf- wand hinunterzieht. Der mediale Stamm, der wohl eine stark entwickelte Thoraeica lateralis (s. longa) darstellt (HyrkrL und HocustETTER), versorgt mit mehreren Ästen auch die medialen Teile der freien Extremität. Ein oberer Ast schiekt Zweige zum Anconaeus longus (Anc.long) und Coraco-brachialis longus (Cor-brach.long) und endet im Latissimus dorsi (Lat). Ein weiterer Ast versorgt den Dorso-antibrachialis (Dors-ant), spaltet sich dann in mehrere Zweige, welche mit Nerven des Plexus brachialis (N. eutaneus medius s. CH. WEstLing) auf die Beugemuskeln des Vorderarmes gelangen und hier handwärts laufen. Andre Äste versorgen unter Abgabe von Zweigen an Latissimus und Dorso-antibrachialis die Thoraxwand. Das Ende des medialen Stam- mes splittert sich schließlich in eine große Anzahl langer, dünner Zweige auf, welche mit Plexus-brachialis-Nerven zum Pannieulus und Integument der Brustgegend gelangen (Nn.Aa.subeut.etcut). Der laterale Stamm, das Hauptgefäß des Oberarmes, das vor allem für uns von Interesse ist (Art. eireumfl. h. post.), schließt sich zunächst dem Verlauf des Nervus axillaris (Z/) an. Letzterer versorgt bei den Monotremen nicht nur das ihm auch bei den höheren Formen zukommende Gebiet, sondern entsendet außerdem einen als Radialis superficialis bezeichneten Ast, der zum Vorderarm herabzieht, hier einen großen Teil der Streekmuskeln und schließlich die Dorsalseite der Hand versorgt. Zum Unterschied von ihm wird der dem N. radialis der höheren Formen homologe Nerv als N. radialis pro- fundus (Z/) bezeichnet (s. Cu. WESTLING, S. 47). In Begleitung des N. axillaris gelangt das Hauptgefäß des Ober- armes durch die von Teres major (Ter.may), Subscapularis (Subse), Anconaeus longus (4Anc.2!) und Humerus begrenzte Lücke, die sog. vordere Achsellücke, an die Außenseite des kurzen Oberarmes, läuft hier abwärts und tritt sofort in die Spalte zwischen der radialen Gruppe der Strecker des Vorderarmes und dem Brachialis internus 35* 538 E. Göppert (* und Brach.int)i. Hier teilt es sich; ein Ast läuft als Art. radialis (Art.rad) auf der radialen Gruppe der Extensoren des Vorderarmes distalwärts und stellt den stärksten Stamm des Vorderarmes dar. Der zweite Ast, von Hyktu (S. 7) irrtümlicherweise als Ulnaris be- zeichnet, tritt zwischen der Vorderfläche des Humerus und dem M. brachialis internus ulnarwärts, gelangt in die Nähe der Mündung des Foramen entepicondyloideum, aus welchem der N. medianus (3) hervortritt, biegt hier distalwärts um und zieht, wie HOCHSTETTER zuerst gefunden hat, als Art. interossea (volaris) weiter (Art.inteross). Dort wo dieser Ast in die Nähe des Foramen entepicondyloideum gelangt, geht nach HyrrL und HocHSTETTER ein Zweig von ihm ab, der in den Kanal eintritt, ihn durchsetzt und noch zu den Mus- keln oberhalb seines Eingangs gelangt. Wie HoCHSTETTER zeigte, liegt in diesem Ast ein Rest des ehemaligen Brachialisstammes vor. An meinem Exemplar wurde er wohl infolge des Ausbleibens der Injektion an dieser Stelle nicht aufgefunden. Auf seinem Weg zur Pliea eubiti entsendet das Hauptgefäß des Ober- armes eine größere Anzahl von Ästen. Schon bevor es durch die vordere Achsellücke zur Hinterseite der Schulterregion tritt, geht von ihm eine starke Arterie ab, die zwischen M. subscapularis (Subse) und Teres major (Ter.mj) an der Hinterseite des Anconaeus longus (Anec.!), also durch die hintere Achsel- lücke, dorsalwärts läuft. Die Arterie gelangt an die Dorsalseite des Teres major, versorgt ihn, wie den Latissimus dorsi und den Subscapularis von der Rückseite her und endet mit zahlreichen Ästen im Integument der Schulter- gegend. Sie stellt offenbar eine Arteria eircumflexa scapulae vor. Ihr folgt unmittelbar ein (in der Figur an seinem Ursprung sichtbarer) Ast, der nach Abgabe von Zweigen an die Dorsalseite des Latissimus dorsi gleichfalls zum Integument verläuft. Nachdem der Hauptstamm (Art.eircumfl.h.post.) mit dem Nerv. axillaris (4) die vordere Achsellücke durchsetzt hat und damit an den Hinterrand des Deltoides gelangt ist, versorgt er die beiden Portionen dieses Muskels und sendet in Begleitung von Ästen des N. axillaris Zweige zum Integument der Schulter. Etwa in gleicher Höhe wie letztere geht ein langer dünner, sich bald gabelig teilender Ast von ihm ab, der sich den zur Dorsalseite des Vorderarmes ziehenden Zweigen des N. radialis suporEENEE (4a) anschließt und sie gegen das Dorsum manus zu begleitet. Ferner geht gleichfalls dieht am unteren hinteren Rand des Deltoides ein Ast ab, der mit einem Zweige des N. radialis superfieialis den Anconaeus lateralis (oberflächlichen Teil des humeralen Tricepskopfes) durchsetzt. Der 1 Den mit * bezeichneten Muskel nennt CHARLOTTE WESTLING ($. 25) Supinator longus. Die Tatsache, daß er von demselben Ast des Medianus ver- sorgt wird wie der Brachialis internus, und daß die Bahn des N. radialis (prof.) ihn von den Streekern scheidet, beweist seine Zugehörigkeit zu den Beugern des Oberarmes. Über Rückbildung und Ersatz der Arteria brachialis bei Echidna. 539 genannte Nervenzweig zieht abwärts und verbindet sich mit dem Stamm des N. radialis (profundus), der an der Außenseite des Oberarmes zwischen Anco- naeus lateralis und medialis (oberflächlicher und tiefer Kopf des humeralen Teils des Triceps) hervortritt und an der radialen Seite des mit * bezeichneten, von uns noch dem Brachialis internus zugerechneten Muskels in die radiale Streckmuskelgruppe des Vorderarmes eintritt. In gleicher Bahn zieht die Ar- terie hinunter. Sie erscheint deswegen von Wichtigkeit, weil sie möglicher- weise in manchen Fällen eine Strecke der Hauptbahn bilden kann. Wenigstens beschreibt CH. WESTLINnG, daß der Hauptarterienstamm den eben geschilderten, zum Radialis profundus gehenden Ast der Radialis superfieialis, zwischen den Fig. 2a. Fig. 2b. Art. circumfl. FR Art ax. h.post__ A Ärl. ax. Base A.desc. eircumfl.h,post. Art. brach. -- Art.brach. at. rase) Transr cub --Art. brach For entepicond. For entepiond. 2 rdeseh 7 “Transı. cub. Iransr.cub ee, Recurr rad. a Recwr.Tad. Art Art. inteross. Art.rad _Art.intero5s. Schematische Darstellung der Umbildung des Gefäßverlaufs am Oberarm bei Echidna. a primitiver Zustand, b definitiver Zustand. Die rückgebildeten Teile des Arteriensystems sind punktiert gezeichnet. beiden Portionen des oberflächlichen IL: des humeralen Triceps hindurch- ziehend, begleitet. Von größeren Ästen ist noch dieht über der Endteilung des Hauptstam- mes ein Ast erwähnenswert, der sich dem Stamm des Radialis (profundus) an- schließt und ihn rückläufig zwischen den beiden humeralen Tricepsköpfen eine Strecke weit begleitet, dabei die genannten beiden Muskeln versorgend. Er zieht also in der Bahn, die z. B. beim Menschen das Ende der Profunda ein- schlägt, allerdings in entgegengesetzter Richtung. In der Höhe der Endteilung selbst kam noch ein starker Ast für die radiale Gruppe der Strecker am Vorder- arm zur Beobachtung. 540 E. Göppert Um zu einem Verständnis der bei Zchidna den Hauptstamm des Oberarmes bildenden Bahn zu gelangen, ist es vor allem er- forderlich, das ihren Anfang bildende Gefäß richtig zu deuten und ferner festzustellen, ob die unter dem Brachialis internus zur Inter- ossea führende Bahnstrecke auf ein normalerweise vorkommendes Gefäß bezogen werden kann. Der Beginn des Hauptstammes (Art.eircumfl.h.post) folgt, wie wir sahen, dem N. axillaris (£), in welchem auch die Fasern des den höheren Formen fehlenden Radialis superficialis enthalten sind. Die Arterie läuft demnach zunächst genau in der Bahn einer Cir- cumflexa humeri posterior und wird nur als solche zu deuten sein, nicht, wie es bisher geschah, als Profunda brachii (Fig. 2 Art.cir- cumfl.h.post). Eine Profunda, also ein Brachialisast, welcher der Bahn des N. radialis superficialis, d. h. des Radialis der höheren Säuger folgen würde, fehlt völlig. Die distale Ausdehnung des Gebiets dieser hier so außerordent- lich mächtigen Circumflexa humeri posterior bis zum Vorderarm wird demjenigen, dem vor allem das Verhalten dieser Arterie beim Men- schen geläufig ist, zunächst auffallen und veranlaßt uns, das Gebiet dieser Arterie in der Reihe der Säugetiere zu überblieken!. Dabei sei gleich betont, daß wir die Circumflexa humeri posterior in Kon- kurrenz mit der Art. profunda brachii treffen werden und daher auch auf diese eingehen müssen. Sie ist charakterisiert durch die Begleitung des N. radialis an der Hinterseite des Oberarmes. Marsupialia. Die Circumflexa humeri posterior gibt nach ihrem Durch- tritt durch die vordere Achsellücke zur Hinterseite der Schulter Aste zu den Schultermuskeln, namentlich zum Deltoides und zum Anfangsteil des Anco- naeus longus und lateralis, darauf zwei Äste zur Außenseite des Oberarmes. Von diesen erschöpft sich der eine in der Versorgung der Muskulatur, der 1 Die Untersuchung erstreckte sich auf folgende der Materialsammlung der Anatomischen Anstalt angehörige injizierte Tiere: Marsupialia: HZalma- turus Benetti (1), H. walabatus (1), Perameles nasuta (1). Edentata: Choloepus didactylus (1). Carnivora: Katze (2), Hund (2), Mustela (1), Putorius foetidus (1), Galietis barbara (2), Mephitis zorılla (1),.Herpestes griseus (1), Crossarchus fasciatus (2), Nasua socialis (1). Insectivora: Erinaceus europaeus (2). Ro- dentia: Kaninchen (1). Artiodactyla: Ziege (1), Tragulus javanieus (1). Hyracoidea: Hyrax (Procavia) capensis (1). Prosimiae: Lemur collaris (1), L. catta (2), L. macao (1), Stenops tardigrada (2), Perodictieus potto (1. Hapa- lidae: Hapale jacchus (2), H.rosalia (3), H. Oedipus (1), H. penieillata (1). Ce- bidae: Cebus capueinus (1), C. hypoleucus (3), Mycetes seniculus (1), Nyetipithecus vociferans (1). Catarrhinae: Cercopithecus entellus (1), Cynocephalus spec.? (1), Cynocephalus sphinx (1), Satyrus orang (1). Über Rückbildung und Ersatz der Arteria brachialis bei Echidna. 541 andre zieht weiter abwärts, begleitet dabei einen zur Streckseite des Vorder- armes ziehenden Hautast des N. axillaris und anastomosiert endlich mit einem Ast der Art. radialis am Beginn des Vorderarmes. Wir bezeichnen ihn weiter- hin als Ramus descendens der Circumflexa humeri posterior. Indem dieser R. descendens die Außenseite der Streckmuskulatur am Oberarm übernimmt, und damit als Collateralis radialis ausläuft, schränkt er das Gebiet der Pro- funda brachii ein, welche nur die medialen und hinteren Teile dieser Muskel- gruppe, in Begleitung des N. radialis laufend, versorgt. Edentata: Choloepus didactylus. Ein R. descendens eircumflexae hum. post. ist nur schwach entwickelt und dementsprechend die Art. profunda bra- chii auch lateralwärts bis in die Rinne zwischen Brachialis internus und An- conaeus lateralis verfolgbar. Carnivora. Eine wohl entwickelte Profunda mit Ausdehnung des Ge- biets bis zur Radialseite des Oberarmes besitzen unter den Carnivoren nur wenige Vertreter (Crossarchus, Herpestes unter den Viverriden). In der großen Mehrzahl der Fälle ist die Profunda schwach und die Circumfl. hum. post. über- nimmt ihr Gebiet, indem sie einen starken Ramus descendens nach ihrem Durch- tritt durch die vordere Achsellücke zwischen dem Anconaeus lateralis und postieus hindurch distalwärts schickt, der den anfangs zwischen Anconaeus postiecus und medialis laufenden N. radialis erreicht und ihn lateralwärts begleitet. Inseetivora. Unter den Insektenfressern zeigt der Igel eine Profunda, deren Gebiet sich aber auf die medialen Teile der Strecker am Oberarm be- schränkt, während die Hinter- und Radialseite der Streckmuskulatur von einem starken, hinter der Endsehne des Latissimus dorsi zum N. radialis hinunter- ziehenden R. descendens der Circumfl. hum. post. versorgt wird. Chiroptera. Hier wurde das Bestehen einer Profunda in Begleitung des N. radialis durch GROSSER (1901) geschildert (als Collateralis radialis be- zeichnet). Rodentia. Die Profunda ist beim Kaninchen schwach und auf die me- diale Seite der Strecker beschränkt. Dementsprechend ist ein starker Ramus descendens der Circumfl. hum. post. entwickelt, der zwischen Anconaeus late- ralis und posticus zum N. radialis hinunterläuft und diesen dann weiterhin begleitet. Ungulata. Es bestehen Verschiedenheiten zwischen den Perissodaetyla und Artiodaetyla. Während bei den ersteren (Pferd) eine wohlentwickelte Profunda die Streckseite des Oberarmes versorgt und demgemäß die Cireumfl. hum. post. nur an der Versorgung der proximalen Teile der Strecker beteiligt ist, ist bei den Paarhufern das Verhältnis beider Gefäße umgekehrt. Die Pro- funda ist schwach, die Streckseite wird von einem starken R. descendens der Circumfl. gespeist. Derselbe zieht unmittelbar an der Hinterfläche der Latis- simusendsehne distalwärts zur Grenze zwischen Anconaeus medialis und lateralis und hiermit zum N. radialis, dem er sich anschließt. Bei der Ziege, welche der Autor untersuchte, wurde ein schwacher Anconaeus posticus durch die Bahn des R. descendens vom Anconaeus lateralis abgesprengt. Das in eine Collateralis radialis auslaufende Ende des R. descendens kann, wie es sich bei Tragulus zeigt, bis zum Brachialis internus und zur radialen Gruppe der Strecker am Vorderarm gelangen. Hyracoidea. Die Streckseite des Oberarmes wurde bei dem einen vom Autor untersuchten Exemplar von Hyrax capensis von einem starken, abstei- 542 E. Göppert genden Ast der Circumfl. hum. post. versorgt, der an der Hinterseite der End- sehne des Latissimus zum N. radialis hinunterläuft. Nur auf der einen Seite bestand ein kleines als Profunda zu deutendes Brachialisästchen, das auf kurze Strecke dem N. radialis folgte. Prosimiae. Von den untersuchten Arten fand sich nur Perodietieus potto im Besitz einer stärkeren aus der Brachialis entspringenden Profunda. Aber auch hier wurde ihr Gebiet bereits an der medialen Seite des Oberarmes durch einen mit ihr anastomosierenden Ast der Subscapularis eingeengt, der an der Vorderseite der Latissimusendsehne hinunterzog. Dieser vor dem Latissimus laufende Weg zum Profundagebiet war bei Sienops besonders ausgebildet und beschritten durch ein Gefäßnetz, das dem Truncus subscapularis entstammte. Mit mehreren Stämmchen begleitete es den N. radialis an der Hinterseite des Öberarmes. Der Ursprung der Profunda ist also durch Vermittlung auch sonst bestehender Anastomosen auf die Subscapularis übertragen. Ein als Profunda zu bezeichnender Brachialisast fehlt bei Zemur. Ganz allgemein wird bei den Prosimiern die Außenseite, bei Zemur aber auch die ganze Hinterseite des OÖberarmes vom R. descendens der Circumfl. hum. post. übernommen, der bei den mit Wundernetzen versehenen Arten durch eine Geflechtsbildung dargestellt wird. Der Ramus descendens kann (Stenops) am Hinterrand des Deltoides mit dem Cutaneus brachii lateralis aus dem Axil- laris an die Oberfläche und an der lateralen Seite des Oberarmes hinunter ziehen. Er überschreitet dann den auf die Beugeseite übertretenden N. radialis, ana- stomosiert dabei mit den den Nerven begleitenden Arterien und läuft an der radialen Gruppe der Strecker am Vorderarm aus. Meist jedoch zieht der Ra- mus descendens zwischen Anconaeus lateralis und posticus zum N. radialis hinunter und begleitet den Nerven zur Lateralseite des Oberarmes. Ein Zweig kann sich dem Radialis auch auf seiner zwischen Brachialis internus und Bra- chioradialis liegenden Verlaufsstrecke anschließen. Hapalidae. Es bestehen hier Fälle, in denen eine stark ausgebildete Profunda aus der Brachialis die ganze Hinterseite des Oberarmes versorgt und nicht nur die Collateralis media, sondern auch die Collateralis radialis ent- sendet (Hapale rosalia). Dies bildet aber keineswegs die Regel. Von zwei Seiten gelangen noch Gefäße in das Gebiet der Streckmuskeln. Wie es scheint, entsendet regelmäßig ein Ast der Axillaris (Thoracico-dorsalis) einen Zweig vor der Latissimussehne zur Medialfläche der Streckmuskelgruppe. Dieser Ast kann bei stärkerer Entfaltung sich in die den Radialis begleitende Bahn fort- setzen, also die Versorgung des Stammes der Profunda und das Gebiet der Collateralis media übernehmen (meist bei Hapale jacchus und penieillata). Die Collateralis radialis wird bei H. jacchus, Oedipus penicillata durch den Ramus descendens der Circumflexa humeıis post. abgegeben, der, bedeckt vom Anco- naeus lateralis, an der Hinterfläche der Latissimussehne zum N. radialis hin- unterläuft. Ein Ast verläuft in Begleitung des Cut. antibrachii dorsalis zum Vorderarm. Cebidae. Auch hier läuft ein R. descendens der Circumfl. hum. post. unter dem Anconaeus lateralis zum Anschluß an den N. radialis und weiter in die Bahn der Collateralis radialis hinunter. Er übernimmt aber auch das Ge- biet der Collateralis media. Hier, an der Hinterseite des Oberarmes, liegt das Grenzgebiet gegen einen wie bei den Hapaliden vor dem Latissimus hinunter- laufenden, aus der Axillaris (Thoracico-dorsalis) stammenden Ast. Dieser kann Über Rückbildung und Ersatz der Arteria brachialis bei Echidna. 543 auch weiter radialwärts übergreifen und damit die Collateralis radialis über- nehmen. Endlich kommt als weiterer Konkurrent noch ein Ast aus dem An- fang der Brachialis in Betracht, dessen Zweige mit denen des Ramus descendens der Thoraecico-dorsalis anastomosieren. Er repräsentiert eine Profunda. Unter Verdrängung der absteigenden Äste des Axillarisgebiets kann die Profunda die Collateralis media und radialis übernehmen und damit die Höhe der Aus- bildung erreichen. Eine derartig entwickelte Profunda findet sich nicht sehr häufig. Beobachtet wurde sie bei Cebus hypoleucus. Catarrhinae. Die Profunda ist allgemein als Hauptstamm der Streck- seite entwickelt, wie es ja auch beim Menschen der Fall ist. Bei letzterem kommen aber bekanntlich all die Fälle, die im vorhergehenden geschildert wurden, als Varietäten vor. Die Profunda kann durch ein aus einem Axillaris- ast (Subscapularis) entspringendes, vor dem Latissimus hinunterlaufendes Ge- fäß ersetzt sein. Auf der Hinterseite des Latissimus, wo regelmäßig das Ge- biet der Profunda an der Ursprungsportion des Anconaeus longus und lateralis mit dem der Circumflexa humeris post. anastomosiert, kann die Anastomose durch einen stärkeren Stamm der letzteren Arterie gebildet werden, und in an- dern Fällen die Collateralis radialis oder sogar auch die Media der Profunda abgenommen werden, so daß diese zu einem schwachen Ästchen reduziert wird. Die im vorhergehenden mitgeteilten Tatsachen zeigen, daß ver- hältnismäßig selten die Hinterseite und Radialseite des Oberarmes von einer typischen Profunda versorgt wird, die von der Brachialis im oberen Abschnitt des Oberarmes entspringt und den Nervus ra- dialis begleitet, mit ihrem Anfang die mediale Seite der Streck- muskulatur speist, an der Hinterseite eine Collateralis media abgibt und als Collateralis radialis endet. In dieser Ausbildungshöhe trafen wir sie nur beim Pferd, bei einzelnen Vertretern der Neuweltaffen (Hapale rosalia, Cebus hypoleucus), als verbreitetstes Vorkommnis bei den Katarrhinen (einschließlich Anthropomorphen) und beim Mensch. Das hier der Profunda tributäre Gebiet wird sonst ganz oder teil- weise von Axillarisästen versorgt. Selbst der mediale Teil der Streckmuskulatur kann mehr oder weniger vollständig von einem vor dem Latissimus heruntersteigenden Ast der Thoracico-dorsalis oder Subscapularis versorgt werden. Vor allem interessiert uns aber die Tatsache, daß in weitester Verbreitung in der Säugetierreihe die Circumflexa humeri posterior einen starken Ramus descendens zum Oberarm schickt, der das Gebiet der Collateralis media und radialis oder zum mindesten das der letzteren übernimmt. Bei schwacher Ausbildung beteiligt er sich wenigstens an der Speisung der aus der Profunda den Hauptzufluß beziehenden Collateralis radialis, in- dem er mit ihr anastomosiert. Die Bahn des Ramus descendens Circumflexae hum. post. ist verschieden. Er kann unmittelbar hinter der Latissimussehne hin- 544 E. Göppert unterlaufen, bedeckt vom Anconaeus lateralis, und sich gleich dem N. radialis anschließen, oder er zieht zwischen Anconaeus lateralis und einem als Anconaeus posticus bezeichneten Abschnitt der Strecker hindurch, um dann auch bald den N. radialis zu erreichen, oder endlich er tritt mit dem Cutaneus brachii lateralis des N. axil- laris in oberflächliche Lage an der Außenseite des Oberarmes und läuft hier distalwärts, kreuzt die zur Vorderseite des Oberarmes über- gehende Bahn des N. radialis und beteiligt sich noch als typische Collateralis radialis an der Versorgung des Vorderarmes. Die letztere Verlaufsweise fand sich bei Marsupialiern und bei Stenops. Damit beschreitet hier der Stamm der Art. eircumfl. hum. post. und ihr R. deseendens genau den vom Hauptstamm des Oberarmes bei Eehrdna eingeschlagenen Weg. Wenn, wie wir schon oben feststellten, der Anfang der Oberarmarterie von Echidna als Circumflexa hum. post. aufzufassen ist, so stellt ihre Fortsetzung gegen die Ellbogenbeuge einen stark entwickelten R. descendens dieser Arterie dar. Es bleibt uns nunmehr die Aufgabe, die Fortleitung der Blut- bahn am Oberarm von Eehidna zu den normalen Hauptgefäßen des Vorderarmes aufzuklären. Die Untersuchung der Säugetiere zeigt, daß sich an die Collateralis radialis bzw. den R. descendens der Circumfl. hum. post. unmittelbar das Gebiet einer Arterie anschließt, die ich Art. transversa eubiti nennen möchte. Das Gefäß ist in den Lehrbüchern der Anatomie der Haussäugetiere als Art. collateralis radialis inferior! bezeichnet. Die Transversa eubiti kommt also hier zunächst in Betracht und ihr Verhalten soll jetzt untersucht werden. Marsupialia. Die Transversa eubiti entspringt von der Brachialis un- mittelbar nach ihrem Durehtritt durch das Foramen entepicondyloideum und zieht vor dem Ellbogengelenk unter dem Biceps und Brachialis internus zu der den N. radialis bergenden tiefen Rinne zwischen letztgenanntem Muskel und den radialen Streckern des Vorderarmes und teilt sich hier in einen Ramus ascendens und descendens. Der R. asc. begleitet rückläufig den N. radialis in proximaler Richtung und stößt mit seinem Gebiet unmittelbar an das der Col- lateralis radialis (aus Circumfl. hum. post.). Der R. desc. zieht distalwärts und beteiligt sich an der Versorgung der radialen Gruppe der Strecker am Vorder- arm (Brachio-radialis, Extensor carpi radialis longus und brevis). Damit stößt die Arterie zusammen mit dem Verzweigungsfeld der Art. radialis (Fortsetzung der Brachialis ant. [s. superficialis]). 1 Pie Anwendung des neuen Namens ist deshalb notwendig, weil der Name: »Art. collateralis radialis superior«, auf deren Existenz die Bezeichnung Collateralis radialis inferior hinweist, in der heutigen Nomenklatur nicht mehr verwendet ist. Er bezeichnete den R. deltoideus der Profunda brachii. Über Rückbildung und Ersatz der Arteria brachialis bei Echidna. 545 Edentata: Choloepus didactylus. Die Arterie wird dargestellt durch einen vom Rete mirabile, das die Brachialis umscheidet, distal vom Foramen entepi- condyloideum sich ablösenden Plexus, der sich unter dem Brachialis internus zum N. radialis und zu den radialen Streckern begibt. Carnivora. Die Transv. cub. bildet einen regelmäßigen Besitz aller Carnivoren. Wenn wir von Nasua socialis zunächst absehen, so entspringt sie allgemein aus der Brachialis unterhalb des Foramen entepiecondyloideum bzw. beim Hund, dem das Foramen fehlt, an entsprechender Stelle des freilaufenden Hauptstammes. Sie kreuzt die Vorderseite des Humerusendes distal von der Insertion des Pectoralis superfieialis (s. major) und Delto-cleido-mastoideus (Brachio-cephalicus) unter Biceps und Brachialis internus. Bei Felis und den Viverriden, bei denen die Insertion des Delto-cleido-mastoideus an der Ulna erfolgt, läuft die Arterie auch unter jenem durch. Nachdem die Arterie an die Radialseite des Brachialis internus und damit an den N. radialis gelangt ist, teilt sie sich in einen Ramus ascendens, dessen Gebiet an das der Col- lateralis radialis (aus Profunda oder meist aus Cireumfl. hum. post.) grenzt und einen R. descendens zu den radialen Streckern, deren Versorgung weiter distal von der Brachialis ant. übernommen wird. Indem der Anfang der Brachialis anterior, die schräg über den Biceps radialwärts zieht, ebenso wie die unter diesen Muskel tretende Transversa eubiti an der Versorgung derselben Teile des Biceps beteiligt sind, kommt es gelegentlich zur Ausweitung einer Anastomose zwischen beiden Arterien. So wurde bei der Katze beobachtet, daß, vom Anfang der Brachialis anterior aus- gehend, ein Gefäßstämmchen vor dem Foramen entepicondyloideum zum An- fang des Transversastammes verlief, das distal vom Foramen entspringt. Es bestand also eine das Foramen umgehende Bahn (ähnlich wie in Fig. 3, S. 547). Bei Nasua wird dieser Collateralstamm zur Hauptbahn am Ende des Vorder- armes und führt den Blutstrom vor dem Foramen hinunter (s. E. SCHWALBE, 1895). In ihn ist also der Anfang der Brachialis anterior und der der Trans- versa aufgegangen. So spielt die Transversa cubiti eine wichtige Rolle für die auch in der Primatenreihe eintretende Verlegung des Strombettes vor das Foramen entepicondyloideum, in welchem dann der N. medianus allein zurück- bleibt. Inseetivora: Erinaceus europaeus. Wir treffen hier zum erstenmal den Fall, daß eine im übrigen sich typisch verhaltende Transversa cubiti nicht aus dem Stamm der Brachialis, sondern aus der Brachialis anterior (superfieialis) abgegeben wird, die sich im unteren Teil des Oberarmes vom Hauptstamm ab- zweigt und am Vorderarm in die Radialis ausläuft. Ehe die Brach. ant. in die Ellbogenbeuge eingetreten ist, geht die Transversa von ihr ab, um sogleich unter dem Biceps und Brachialis internus zu verschwinden und lateralwärts zu ziehen. Der Befund ist nur so zu deuten, daß die Übertragung der Trans- versa auf die Brach. ant. durch Ausbildung einer Anastomose zwischen einer normal entspringenden Transversa und der Brach. ant., die hier auch an der Versorgung des Biceps beteiligt ist, erfolgte. Chiroptera. Aus der Darstellung des Gefäßsystems der Chiropteren von 0. GROSSER (1901) geht hervor, daß auch hier eine Transversa eubiti nicht fehlt. Eine Eigentümlichkeit der Chiropteren ist es, daß die den Vorderarm versorgenden Gefäße zum Teil noch im Bereich der Achselhöhle entspringen und damit am Oberarm neben der Brachialis eine Anzahl langer, dünner 546 E. Göppert Arterien mit dem N. medianus hinunterlaufen. Einen Bestandteil dieses Ge- fäßbündels bildet auch eine nach Kreuzung der Vorderseite der Bicepssehne am Vorderarm in die Radialis auslaufende Art. brachialis anterior (s. super- fieialis). Von diesem Gefäß spaltet sich ein Ast ab, der unter dem Biceps vor dem Humerus radio-distalwärts zieht, den N. radialis erreicht und die am ra- dialen Epicondylus entspringenden Vorderarmmuskeln ernährt (Vespertilioniden). Dies ist unsre Transversa eubiti. GROSSER bezeichnet sie als Radialis acces- soria. Das Bestehen von Anastomosen zwischen der Radialis und dem Ende der Transv. cub. ermöglicht, daß letztere das Radialisgebiet am Vorderarm ganz oder doch zum größten Teil übernehmen kann. (Beobachtet durch GROSSER bei den Rhinolophiden und einem Teil der Megadermiden.) Rodentia: ZLepus cuniculus. Die Transv. cub. entspringt im distalen Teil des Oberarmes aus der Brachialis, erreicht auf der für sie typischen Bahn quer verlaufend den N. radialis. Ein schwacher R. ascendens läuft an dem Nerven in proximaler Richtung empor und versorgt den Brachialis internus. Der Hauptstamm der Arterie biegt distalwärts ab und gelangt mit dem N. radialis um den Radius herum zur Streckseite des Vorderarmes. Hier anasto- mosiert sie mit der Recurrens interossea. Perissodactyla-Artiodactyla. Allgemein besteht eine starke Trans- versa eubiti als Ast der Brachialis, die unter dem Biceps und Brachialis in- ternus über das distale Ende des Humerus oder die Vorderfläche der Gelenk- kapsel des Ellbogengelenks zum N. radialis in die Spalte zwischen Brachialis internus und Extensor carpi radialis zieht (den Huftieren fehlt ein Supinator longus). Auf diesem Wege versorgt die Arterie das Periost des Humerus, die Gelenkkapsel, die beiden genannten Beugemuskeln. Auffallend hoch entsprang die Arterie bei dem vom Autor untersuchten Exemplar von Tragulus, nämlich schon in der Gegend der Oberarmmitte. In der Regel fehlt der Arterie, nach- dem sie den N. radialis erreicht hat, ein Ramus ascendens. Ein solcher fand sich jedoch mächtig entwickelt bei der Ziege, wo er zwischen Brachialis internus und Extensor carpi radialis emporlief, die genannten Muskeln versorgend. In der Begleitung des Cutaneus antibrachii dorsalis schickte er einen starken ober- flächlichen Ast zum Vorderarm hinunter und endete am Anconaeus lateralis. Mit einem dünnen Ast anastomosierte er mit dem Ende der aus der Circum- flexa humeri posterior stammenden Collateralis radialis. Sonst übernimmt letz- tere noch das hier vom Ramus ascendens der Transversa versorgte Gebiet. Der Ramus descendens, der beim Fehlen eines aufsteigenden Astes sich als unmittelbare Fortsetzung des Stammes der Transversa darstellt, begleitet in der Regel den Stamm des N. radialis auf die Streckseite des Vorderarmes und nimmt, in verschiedener Ausdehnung mit der Interossea konkurrierend, an deren Versorgung teil. Beachtenswert ist, daß bei der vom Autor untersuchten Ziege ein Ast an der Beugeseite des Vorderarmes blieb und hier in der Rinne zwischen Extensor carpi radialis und Radius in der Bahn einer typischen Ra- dialis hinunterlief, Knochen und Muskel versorgend. Etwas oberhalb des Car- pus fand sie ihr Ende in der Haut. Hyracoidea: Hyraz (capensis [?]). Die im unteren Teil des Oberarmes aus der Brachialis entspringende Transv. cub. verhält sich im wesentlichen wie die Transversa bei der Mehrzahl der Huftiere auch darin, daß sie mit ihrem Ende die Streckseite des Vorderarmes, um den Radiusschaft herumziehend, auf- sucht. Über Rückbildung und Ersatz der Arteria brachialis bei Echidna. 547 Prosimiae. Bei einem Teil der Formen (Perodietieus potto, Stenops tar- digrada, Chiromys) entspringt die Transversa in der für sie im allgemeinen typi- schen Weise aus der Brachialis distal vom Foramen entepieondyloideum. Bei Lemur (außer bei Z. catta) bildet sie einen Ast der Brachialis ant., wie wir es bereits beim Igel fanden und oben beurteilten (s. S. 545). Sie zieht unter dem Brachialis internus oder den Muskel durchsetzend radialwärts, um sich mit ihrem Ramus ascendens und descendens zwischen das Gebiet der Recurrens Fig. 3. Art. brach. X N. med. 2 nd ‚N. wen. 384 “ Meut.antibr-med. Oleer. , 7 Fe / Art.rad. / / \ For entepicond + Iransv. cub. Art plieae cub. Cebus capueinus. Arterien in der Gegend der Ellbogenbeuge der rechten Seite. Die Arterien und Nerven sind so weit dargestellt, als sie ohne Entfernung von Muskeln unmittelbar sichtbar werden. Die gegenseitige Lagerung von Nerven und Gefäßen ist genau wiedergegeben. radialis und das der Collateralis radialis einzuschieben. E. ZUCKERKANDL be- schreibt für Chiromys ihre Verbindung mit der Collateralis radialis und spricht daher von der Transversa als einem »Ramus anastomoticus« der Art. brachialis. Für Perodieticus ließ sich eine starke Anastomose mit der Recurrens radialis nachweisen. Bei Zemur catta hatte sich die Recurrens radialis auf Kosten der Transversa proximalwärts ausgedehnt und nur ein schwaches, den Brachialis internus versorgendes Ästchen entsprang dort, wo der Abgang der Transv. ceub. erwartet werden sollte. Cebidae. Die Arterie ist in der Regel ein Ast des distalen Teils der Brachialis (Fig. 3 Transv.cub), bei Cebus entspringt sie distal von dem Foramen entepicondyloideum (For.entepicond), das sich hier erhalten hat. Auch bei den 548 E. Göppert Neuweltaffen kann sie aber von der Brachialis anterior abgegeben werden. In dem Spalt zwischen Brachialis internus und den radialen Streckern am Vorderarm ließ sich bei C’ebus sowohl mit der Collateralis radialis (aus Circumfl. hum. post.) als mit der Recurrens radialis eine Anastomose nachweisen. Sehr schwach ist die Arterie bei Nyetipithecus. Ähnlich wie wir es bei Nasua fanden, spielt auch bei Cebus die Arterie eine wichtige Rolle in den Fällen, in denen der Blutstrom das Foramen ent- epicondyloideum umgeht. Auch in den Fällen, in denen die Brachialis mit dem N. medianus das Foramen durchläuft (Fig. 3), kann eine Anastomose zwischen dem oberhalb und dem unterhalb des Foramen liegenden Gebiet der Brachialis bestehen. Ein aus dem Stamm der Brachialis selbst oder aus dem Anfang der Brachialis anterior (Art.brach.ant) entspringender dünner Zweig läuft parallel mit dem normalen Hauptstamm, aber vor dem For. entepicondyloideum vorbei und mündet in den Stamm der Transversa cubiti (Zransv.cub). In andern Fällen kann dieser Collateralstamm mächtig entfaltet sein und das Blut die durch ihn gebildete gerade Bahn benutzen und das Foramen umgehen. Durch den Stamm der Transversa wird er dann dem Endstück der Brachialis zur Versorgung des Vorderarmes zugeleitet. Der im Bereich des Foramen und in seiner Nähe liegende Teil des primitiven Hauptstammes wird damit entlastet, kann aber, wie schon BAYER beobachtete, als dünnes Stämmchen erhalten bleiben. Hapalidae. Die Transv. cubiti geht hier entweder von dem Anfang der Brachialis anterior oder dem Ende der Brachialis selbst aus. Besonders stark mit kräftigem Ramus descendens zu den radialen Streckern wurde sie bei Hapale penicillata angetroffen. Catarrhinae-Cercopithecidae. Die Transv. cub. bildet einen regel- mäßigen Besitz der Ordnung. Sie tritt auch hier unter dem Brachialis internus über die Gelenkkapsel hinweg, an beide Äste abgebend zum N. radialis zwi- schen Brachialis internus und Brachio-radialis, und versorgt die Nachbarschaft, indem sie sich in einen Ramus ascendens und descendens teilt. Der erstere anastomosiert, wie oft leicht durch Präparation darstellbar, mit dem den N. radialis zur Beugeseite begleitenden Ast der Profunda, an das Gebiet der R. descendens grenzt distalwärts das der schwachen Recurrens radialis. Catarrhinae-Anthropomorphae. Orang. Auch hier bestand bei dem untersuchten Exemplar die Arterie, aber nur als dünnes Gefäß, das auf der einen Seite vom Stamm der Brachialis, auf der andern mit der Collateralis uln. inf. gemeinsam entsprang. Die Arterie griff um den ulnaren Rand des Bra- chialis internus herum, trat an die Hinterseite des Muskels und versorgte ihn, das Periost des Humerus und die Gelenkkapsel. Von der Radialseite kam ihr ein Ast der stark entwickelten Recurrens radialis entgegen, die sich in das sonst von der Transversa versorgte Gebiet zwischen Brachialis internus und Brachio-radialis vorgeschoben hatte und letztere nun hier vertrat. Damit ist der Zustand erreicht, der auch beim Menschen besteht. Oft wenigstens läßt sich auch hier eine Transv. eubiti nachweisen, d. h. ein unter den ulnaren Rand des Brachialis internus dicht über dem Ellbogengelenk eintauchender Ast der Brachialis, der als besonders zu unterscheidender Ast nur durch die Vergleichung mit den Befunden bei Säugetieren erkannt werden kann. Auch beim Mensch ist die Recurrens radialis stark entwickelt und übernimmt den größten Teil des sonst der Transversa zukömmenden Gebiets. 5 Über Rückbildung und Ersatz der Arteria brachialis bei Echidna. 549 Ganz allgemein stößt also bei den Säugetieren an das Gebiet der Collateralis radialis in distaler Richtung das Gebiet der Trans- versa eubiti (s. Schema Fig. 2a S. 539). Die Arterie entspringt aus dem Endabschnitt der Brachialis in der Höhe des Ellbogengelenks, beim Bestehen eines Foramen entepieondyloideum unmittelbar distal von ihm. Als Ausnahme (beobachtet beim Igel, bei Zemur, bei Hapale) ist die Arterie ein Ast der Brachialis anterior (superfieialis). Die Arterie zieht unter den Brachialis internus und versorgt diesen Muskel, das Periost des Humerus und die Kapsel des Ellbogen- gelenks, läuft dann quer in den Spalt zwischen Brachialis internus und der radialen Streckmuskelgruppe des Vorderarmes (Supinator longus, Extensor carpi radialis longus und brevis) und erreicht damit den N. radialis. Hier gabelt sie sich in einen Ramus ascendens und R. descendens. Der erstere läuft dem Ende der Collateralis radialis entgegen, in proximaler Richtung dem N. radialis folgend, und wird oft in weiter Anastomose mit jener angetroffen. Er kann das Ge- biet der Collateralis radialis einengen oder selbst von dieser Be- einträchtigung erfahren. Der Ramus descendens begleitet den N. radialis zum Vorderarm und endet hier gewöhnlich in den radialen Streckern, deren Versorgung weiter distal von dem Ramus recurrens der Radialis aufgenommen wird. Damit besteht eine Verbindung zwischen Transversa cubiti und Art. radialis und durch ersterer Ver- mittlung eine Brücke zwischen Collateralis radialis und Radialis. Es ist möglich, daß die Transversa eine Rückbildung erfährt und nun von der Recurrens radialis Ersatz geboten wird, die sich dann erst zu einem starken Gefäß entwickelt. Bei den Anthropoiden wie beim Mensch liegt dieser Fall vor, aber als schwacher Ast läßt sich auch hier die alte Transversa eubiti noch nachweisen. Anderseits kann die Transversa eubiti mit ihrem Ramus descendens auch weit am Vorderarme vordringen und sogar, mit dem N. radialis laufend, die Streckseite des Vorderarmes unter Konkurrenz mit der Inter- ossea zum Teil noch übernehmen (Perissodactyla, Artiodactyla, Hy- rax, Rodentia). Die Transversa ceubiti bildet, wenn wir von der Richtung des Blutstromes absehen, eine Verknüpfung zwischen der Collateralis radialis, die in der Mehrzahl der Fälle und wohl auch ursprünglich der Circumflexa humeri posterior entstammt (R. descendens der Cir- eumflexa hum. post.) und dem Ende der Brachialis jenseits des Fo- ramen entepicondyloideum sowie der Radialis (s. das Schema Fig. 2 S. 539). Ihre Bahn läuft genau, wie die unter dem Brachialis 550 E. Göppert internus liegende Strecke des Hauptstammes bei Echidna, durch dessen Vermittlung der Blutstrom zur distalen Mündung des Foramen entepicondyloideum und weiterhin in die Interossea geleitet wird (Fig. 1). So kann es keinem Zweifel unterliegen, daß eine Trans- versa eubiti in das Hauptgefäß der Echidna-Extremität aufgegan- gen ist. Zu dem gemeinsamen Besitzstand der Säugetiere gehört auch eine Brachialis anterior (= superficialis), die sich am Vorderarm in die Radialis fortsetzt. Ihr Fehlen ist stets die Folge einer Um- gestaltung des Arteriensystems. Bei Echrdna kann sie nicht mehr bestehen, da ihr Stammgefäß, die Brachialis, geschwunden ist. Die Übernahme ihres Radialisgebiets durch den Ramus descendens der Transversa ist ein naturgemäßer Ersatz. Nunmehr kennen wir die Genese aller Teile der Strombahn im Oberarm von Echidna (s. Fig. 25 S. 539). Der proximale Teil der Hauptarterie ist der Stamm der Art. eircumflexa humeri posterior (Art.circumfl.h.post), die Fortsetzung an der Außenseite des Humerus der Ramus descendens derselben (R.desc.circumfl.h.post). Die nächste Strecke bildet ein Ramus ascendens der Transversa eubiti (R.ase.- Transv.cub), deren Ramus descendens (Z.desc) zur Radialis (Art.rad) fortleitet, während der Stamm der Transversa (Transv.cub) die End- strecke formiert, durch welche die Fortführung des Blutes in die Interossea (Art.inteross), dem ältesten Gefäß des Vorderarmes, mög- lich wird. Damit sind wir an der primitiven Bahn des Hauptstam- mes angelangt, die der Blutstrom an der Abgangsstelle der Circum- flexa humeri posterior, in diese einlenkend, verlassen hatte. Es ist also hier eine Collateralbahn zustande gekommen unter Verwendung von Gefäßen, welche einen gemeinsamen Besitz aller Säugetiere bilden und eine Bahn darstellen, die auch eingeschlagen worden wäre, wenn einmal aus Zufälligkeitsursachen die Brachialis am Ober- arm unwegsam geworden wäre, da ihre Glieder miteinander durch Anastomosen zusammenhängen. Es schließt sich nun zwingend die Frage an, warum bei Echidna die Brachialis als Hauptstamm aufgegeben worden ist. Unsre Fig. 1 zeigt ein eigenartiges Verhalten des Muse. latis- simus dorsi (Lat) (vgl. Cu. Westuiıng, S. 14). Während der Teres major (Ter.mj) in gewöhnlicher Weise am proximalen Teil des Hu- merus inseriert, findet die Befestigung des Latissimus dorsi weit distalwärts verschoben am Epicondylus ulnaris humeri statt. Der der Endsehne benachbarte Teil des Muskels hat bei der Verlagerung Über Rückbildung und Ersatz der Arteria brachialis bei Echidna. 551 seiner Befestigung die drei großen Nervenstämme der Extremität mit sich heruntergezogen und zu einem Umweg gezwungen. Me- dianus (3), Radialis (7) und Ulnaris (2), die anfangs der Ventralfläche des Latissimus aufliegen, beschreiben am unteren Rand des Latis- simus einen spitzen Winkel, um an der Dorsalfläche des Muskels aufzusteigen und ihren Weg am Oberarm fortzusetzen. Der N. me- dianus (3) läuft zum Foramen entepieondyloideum empor, aus dem wir ihn in der Figur wieder herauskommen sehen. Die Art. bra- chialis, die doch ursprünglich mit dem N. medianus verlief, wäre zu demselben geknickten Verlauf gezwungen worden, wie der sie be- gleitende Nerv. Wenn die Möglichkeit bestand, für den Blutstrom einen annähernd geraden Weg zum Vorderarm herzustellen unter Ausbildung bereits bestehender Anastomosen, so ist es verständlich, daß dies hier geschah, sobald mit der Veränderung in der Befesti- gung des Latissimus dorsi eine Behinderung der Zirkulation im Brachialisstamm sich einzustellen begann. Ein annähernd gerader Weg lag aber in der Verbindung der Axillaris mit dem Ende der Brachialis unterhalb der Pliea eubiti durch Vermittlung der Cireum- flexa humeri posterior und Transversa eubiti vor, und ihn sehen wir auch durch den Blutstrom beschritten. Eine Umgestaltung in der Muskulatur bedingte also die weitgehende Änderung des Gefäßver- laufs, dem wir den vorliegenden Aufsatz gewidmet haben. Die Veränderung in der Befestigung des Latissimus dorsi selbst aber dürfte mit der Umgestaltung der vorderen Extremität von Echidna in ein kräftiges Grabwerkzeug zu verknüpfen sein. Die größere Entfernung der Insertion vom Schultergelenk vergrößert die Leistung des Muskels für die Bewegungen der Gliedmaße. Nachtrag. Nach Abschluß der Arbeit kam ich durch Güte des Verfassers in Besitz der auch für die hier behandelten Fragen besonders wichtigen Untersuchung ERIK MÜLLERS über die Armarterien der Säugetiere (1904). ERIK MÜLLER be- spricht hier u. a. eingehend auch die Armarterien von Echidna und die Herstel- lung der Collateralbahn bei Rückbildung der Brachialis. Er sagt S. 98: »Die Arterienanordnung bei Echidna scheint auf den ersten Anblick sehr sonderbar und von derjenigen bei den übrigen Säugetieren sehr abweichend zu sein. Mit der Kenntnis der embryonalen Verhältnisse der Säugetierarmgefäße wird aber die Kluft sehr leicht überbrückt, und die Anordnung der Echidna wird ein spe- zieller Typus, der sich aus der ursprünglichen Netzanlage herausgebildet hat.« E. MÜLLER erinnert nun daran, daß bei einem 7 mm langen menschlichen Em- bryo die Arterienanlage des Armes aus einem dorsalen und einem ventralen Morpholog. Jahrbuch. 33. 36 592 E. Göppert Gefäßnetz gebildet wird, die durch bogenförmige Anastomosen miteinander zusammenhängen. Wenn nun der Anfang des ventralen Netzes verödet, so muß der Blutstrom durch das dorsale Netz laufen und in ihm die Ausbildung eines einfachen Stammes unter Rückbildung der andern Teile das Netz her- beiführen. Die so entstandene dorsale Arterie kann durch Benutzung einer Anastomose auch die Versorgung der distalen Teile des ventralen Gefäßnetzes übernehmen. »So muß die Entwicklung der Hauptarterie des Armes von Echidna zustande gekommen sein. V. jugul. sin. Ursprungsgrenze des Pleuraseptums der V. azygos (Meso-azygos) V.subelavia sin. Pleura eostalis V.anonymasin. V. cava sup. Pleura media- stinalis Eingang in den Pleurarecessus V. azygos Das Präparat Nr. 1612 in der Ansicht von vorn. Die rechte Vena anonyma fehlt in unserm Fall somit vollständig, wenn schon die Art der Mündung der beiden rechten Venen bereits den Beginn einer Anonymabildung andeutet. Die Ähnlichkeit des Pleuraseptums, in dessen Unterrand die Vena azygos eingebettet war, mit dem Ausschnitt eines Kegelmantels, wird durch einen Blick auf die Fig. 3 deutlicher, als durch eine ausführliche Beschreibung klar gestellt werden kann. Auch die Um- schlagsgrenzen der Pleura costalis in die Pleuraduplikatur des Meso- azygos sind kenntlich gemacht. Sie beginnen vorn an der rechten Wand der Vena subelavia dextra, ziehen ein Stück weit auf der Pleurakuppe lateralwärts, erreichen den Oberrand der ersten Rippe, Morpholog. Jahrbuch. 33. 37 568 H. Bluntschli wenden sich lateral vom Tubereulum sealeni auf die Unterfläche der ersten Rippe und bleiben in dorsal, später medial gerichtetem Ver- lauf auf derselben, bis sie in ziemlich scharfer Krümmung nun plötzlich eine absteigende, caudal und zugleich medial gerichtete Wendung nehmen, den ersten Intereostalraum, die zweite, dritte und vierte Rippe und die zwischenliegenden Intercostalräume kreuzen, um sich an der Umbiegungsstelle der Vena azygos über dem fünften Rippenköpfehen zu verlieren. Die Lunge dieses Falles ist nicht mehr erhalten, darüber, daß ihr Oberlappen aber ähnlich wie der des ersten Falles geteilt sein mußte, kann kein Zweifel bestehen. Nach der Größe des Pleura- recessus zu urteilen, muß der mediale Zipfel des Oberlappens unge- fähr gleiches Volumen wie unser erster Fall besessen haben. Da- gegen wird der Einschnitt in den Oberlappen bei der höher gelegenen Mündung der Vena azygos in die Vena cava superior namentlich vorn nicht ganz so tief gewesen sein wie bei jenem. Die beschriebenen Fälle stehen, wie bereits einleitend erwähnt, nicht isoliert da, vielmehr vermochte ich in der Literatur eine ganze Anzahl entsprechender aufzufinden. Div (99) konnte deren 14 zu- sammenstellen und fügte ihnen drei eigne bei. Je ein weiterer wur- den von DELLA ROVERE (97), FISCHER.(99), MÄuserr (99) und Dionis DU SEJOUR (04) beschrieben, auch erwähnt MÄUSERT, was zugleich ein interessantes Licht auf die relative Häufigkeit des Vorkommens dieser Varietät wirft, daß Prof. Bosrtröm: unter 1600 Sektionen die- selbe 17mal beobachtet habe, worunter ein Fall mit doppelseitigem Vorkommen bei einem Thoracopagus besondere Erwähnung verdiene. Wie schon aus dieser Bemerkung Mäuserts hervorgeht, kann also die Zahl der bisher genauer beschriebenen 21 Fälle kein Maßstab für die Häufigkeit des Vorkommens der geschilderten Anomalie sein, auch lassen sich da und dort in Lehr- und Handbüchern Angaben finden, welche vermutlich nicht alle nur auf literarische Studien zurückzu- führen sind. NARATH (01), der für seine umfassende Monographie über den Bronchialbaum der Säugetiere und des Menschen eine außerordentlich große Zahl von Lungen untersuchte, bemerkt (S. 262 und 352), daß er ein Einschneiden der Vena azygos in den Ober- lappen der rechten menschlichen Lunge zu verschiedenen Malen be- obachtet habe, dagegen dieselbe Varietät nur ein einziges Mal bei einem Tier, nämlich bei Phoca groenlandica angetroffen habe. Andre Angaben über das Vorkommen des geschilderten Azygosverlaufs bei Tieren sind mir nicht bekannt, und wie mir Herr Prof. G. Ruge, a Bemerkungen über einen äbnormen Verlauf der Vena azygos usw. 569 dem ich für diese Mitteilung wie für so manche Anregung und Förderung meiner Studien auch hier bestens danken möchte, zu berichten die Freundlichkeit hatte, ist ihm bei der Untersuchung eines umfangreichen Primatenmaterials nie ein analoger Fall vorge- kommen. Alle bekannten Fälle sind im Prinzip mit den meinigen voll- kommen identisch. Dagegen wechselt der Ausbildungsgrad beträcht- lich. Derselbe wird wohl am besten nach der Größe des abgespal- tenen, medialen Zipfels des rechten Oberlappens bemessen. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, gehören die beiden oben aus- führlich geschilderten Fälle zu den ausgebildetsten, sie stellen einen maximalen Entwicklungsgrad dar, während eine ganze Anzahl ge- ringer ausgebildeter von andern Beobachtern festgestellt wurden. Die Abnahme des Entwicklungsgrades geht einher mit dem Niedriger- werden des Pleuraseptums und mit der Größenreduktion des abge- spaltenen Oberlappenteils, welcher damit immer mehr von der Lun- genspitze auf die mediastinale Lungenfläche verschoben erscheint und schließlich in einem Fall von D£v& (99) noch nicht einmal Haselnußgröße besitzt. Die Mündung der Vena azygos in die Cava “ superior ist in der weiten Mehrzahl aller Beobachtungen als nach cranial und meist auch als in die laterale Hohlvenenwand verlagert angegeben. Die Varietät kann bei Leichen jeglichen Alters beob- achtet werden. Dr£v# (99) fand einen sehr schön ausgebildeten Fall schon bei einem dreimonatlichen Fötus, was ganz unzweifelhaft be- weist, daß die Varietät in sehr früher Embryonalperiode zur Aus- bildung kommen muß. Daß sie schließlich bei symmetrischem Er- haltenbleiben der eranialen Abschnitte der hinteren Cardinalvenen auch linkerseits auftreten kann, zeigt das doppelseitige Vorkommen, welches der erste Beobachter unsrer Varietät, WRISBERG, 1778, ge- schildert hat (vgl. auch die oben erwähnte Angabe MäÄuserts [99]). Wie aber sollen wir uns das Zustandekommen dieser Varietät vorstellen ? Darüber, daß die Lunge sich passiv verhält und der Ausgangs- ‚punkt im eranialen Abschnitt der rechten, hinteren Cardinalvene, aus welchem die Vena azygos embryonal hervorgeht, zu suchen ist, daß ferner der Zeitpunkt des Entstehens in jener Periode liegt, wo das in der Cervicalregion sich anlegende Herz in die Brusthöhle herabsteigt, sind sich alle Autoren, die überhaupt eine Erklärung zu geben versuchen, vollkommen klar. Im einzelnen freilich denken sie sich den Modus recht verschiedenartig. ÜLELAND (70) vermutet 37+ 570 H. Bluntschli eine in früher Embryonalperiode vorhandene temporäre Adhärenz der Lungenspitze mit der Pleurakuppe, wodurch das Herabgleiten der Vena azygos an der mediastinalen Lungenfläche verhindert würde. Er zieht aber auch eine abnorme Krümmung des Embryo in den Bereich der veranlassenden Möglichkeiten. Wieder andre, wie Morrı (93), sehen den Grund in einer abnormen Kürze des rechten Stamm- bronchus. Endlich hat D£v& (99), in Anlehnung an eine Bemerkung Morris, die Theorie aufgestellt, daß eine abnorme laterale Verlagerurg des eranialen Abschnitts der rechten Vena cardinalis posterior, ver- bunden mit einer Mündung derselben nicht in die hintere, sondern die untere (später laterale) Wand des Ductus Cuvieri beim Descensus des Herzens zum Einschneiden der Vena azygos in den rechten Ober- lappen der Lunge führe. Von diesen vier Erklärungsversuchen scheint mir nur der letz- tere einer größeren Beachtung wert. Die Adhärenztheorie hat keine Wahrscheinlichkeit für sich, die Krümmungstheorie ist durch die doppelseitigen Fälle widerlegt, die abnorme Kürze des rechten Stammbronchus hat mit der Entstehung unsrer Varietät kaum etwas zu tun, sondern stellt wohl nur ein zufälliges Zusammentreffen dar. In die Rubrik dieser Zufälligkeiten möchte ich auch eine Beobach- tung L. CRUVEILHIERS! weisen, die ich W. GRUBERS (71) Arbeit ent- nehme, wonach ersterer Autor einen Verlauf der Vena azygos zwischen einem trachealen Bronchus und dem eigentlichen Bronchus des rechten Öberlappens erwähnt, ohne sich im übrigen über die Lappung der rechten Lunge und die Pleuraverhältnisse auszusprechen. So bleibt also als beachtenswerteste Erklärung die Annahme einer »lateralen Abweichung des oberen Teiles der Vena azygose«, über deren Entstehung Dev& (99), welcher diese Auffassung aus- spricht, uns freilich nichts zu sagen weiß. Das kommt wohl nur daher, daß er sich nicht auf eigne embryologische Untersuchungen stützen kann, denn sein Gedankengang »stellt man sich, statt die vollendete Anomalie zu betrachten, deren Entstehung vor, so wird man zu dem Gedanken geführt, daß in diesen Fällen der Ductus Cuvieri ursprünglich stark von außen nach innen und zugleich von hinten nach vorn gerichtet ist«, enthält eine teilweise richtige Ver- mutung. Ich habe nun, um vielleicht mit der Erklärung etwas weiter zu kommen, die Serienschnitte menschlicher Embryonen, welche das ! L. CRUVEILHIER, Traite d’anatomie dese, 3° edit. Paris. T. II. 1852. p. 491. Bemerkungen über einen abnormen Verlauf der Vena azygos usw. 571 anatomische Institut der Züricher Universität besitzt, auf das Ver- halten der Ductus Cuvieri und des eranialen Abschnittes der hinteren Cardinalvenen durchstudiert und in der Tat interessante Verhältnisse aufdecken können, welche ich zur Erklärung der beschriebenen Va- rietät verwerten möchte. Es ist namentlich ein menschlicher Embryo von etwa 10,5 mm Länge, der seinem äußeren Aussehen nach mit dem Embryo » (X) der Hıssehen Normentafel übereinstimmt und ein Alter von 30 bis 34 Tagen haben dürfte. Bei ihm sind die eranialen Abschnitte der hinteren Cardinalvenen beiderseits noch wohl entwickelt. Die Venae subelaviae, welche ursprünglich Seitenäste der hinteren Cardinalvenen sind, später aber mit ihrer Mündung sich cranialwärts auf die Zu- sammenflußstelle mit den vorderen Cardinalvenen und schließlich auf die letzteren selbst verschieben (HOCHSTETTER, 91 und 93), münden bereits in den Zusammenflußwinkel der hinteren mit den vorderen Car- dinalvenen. Die Bifurcatio tracheae steht noch in der Höhe der ersten Brustwirbelanlage, die Anlage der apicalen Lungenpartie auf beiden Seiten um 40 u tiefer. Die Pleurakuppe finde ich rechts am Oberrand des ersten Rippenköpfchens, links an dessen Unterrand. Die Lage- rung der Ductus Cuvieri zu den Pleurahöhlen bietet im übrigen sehr beachtenswerte Besonderheiten. Ein Schnitt durch den Beginn der Bifurcatio tracheae (Fig. 4) trifft nämlich rechterseits noch die Pleura- kuppe, zugleich aber die bogenförmige Mündung der hinteren Car- dinalvene in den rechten Ductus Cuvieri nicht, wie man aus den später vorhandenen Lagebeziehungen erwarten sollte, medial von der Pleurakuppe, sondern lateral von derselben, ein Verhalten, das sich auf fünf Schnitten von je 20 u Dicke feststellen ließ. Linkerseits, wo die Pleurakuppe etwas tiefer steht, ist dies Verhalten nicht so deutlich ausgebildet, aber andeutungsweise auch vorhanden, denn anch hier steigt die Vena cardinalis posterior lateral von der Pleura- kuppe bogenförmig nach vorn. Die Pleuraspitze verstreicht aber, ehe dieser Cardinalisbogen den Ducetus Cuvieri erreicht. Würde dieses topographische Verhalten sich bei dem weiteren Descensus der Brusteingeweide erhalten, so müßten die cranialen Partien der hinteren Cardinalvenen unter Vorwölbung einer Pleurafalte in das Cavum pleurae einschneiden, die Lunge sich den gegebenen Raum- verhältnissen anpassend, einen geteilten Oberlappen bekommen, — kurzum unsre Varietät entstehen. Unter gewöhnlichen Umständen freilich bleibt dieses Verhalten nicht bestehen, das zeigen mir sämtliche älteren untersuchten Em- 57 H. Bluntschli 189) bryonen (von 15, 22 und 23 mm Länge), es folgt eine mediale Verlagerung der hinteren Cardinalvenenmündung in die Duetus Ou- vieri und, zugleich eine Folge des weiteren Descensus der Brust- eingeweide, ein Herabrücken derselben im Mediastinum. Mit der Fig. 4. Vorknorpelanlage des 1. Brustwirbels Sympalhicusanlage — N. cervic. VIII — rechte Pleurakuppe — Ductus Cuvieri dest. Alrıum sin Atrium dext. Ductus Cuvieri sin. Bifurcatio Tracheae Oesophagus Fig. 5. N. cervic. VII N. cervic. VIII Aortenwurzeln hintere Extremitätenvene l \ Anlage der rechten Vorder- extremität | a DIE Be | | we: FERIEN FEN Atrium sin. ei Atrium | dext e EN | V. subelavia dezt. V. card. ant. dest. Fig. 4 und 5. Zwei Querschnitte durch einen menschlichen Embryo von etwa 10,5 mm Länge, in der Höhe des 1. Brustwirbels und durch die Intervertebralscheibe zwischen 7. Hals- und 1. Brustwirbel. Bemerkungen über einen abnormen Verlauf der Vena azygos usw. 573 caudalen Verlagerung der Brusteingeweide geht aber auch eine Retraktion der Pleurakuppe einher, ich finde sie bei einem 15 mm Embryo in der Höhe des zweiten, bei einem 22 mm und 23 mm Embryo in der Höhe des dritten Rippenköpfchens. Ferner ist jedes- mal ein geringer Höherstand der rechten gegenüber der linken Seite festzustellen gewesen. Auch FISCHER (99) hat dem Höhenstand der Pleurakuppe sein Augenmerk zugewandt, leider aber zu alte Em- bryonen untersucht, um den primitiven Höherstand derselben in seinem vollen Maße zu erkenner. Die Retraktion der Pleurakuppe stelle ich mir weniger als eine direkt aktive, durch den allgemeinen Descensus der Brusteingeweide bedingte, denn als eine wohl im wesentlichen passive vor. Beim Herabsteigen der Ductus Cuvieri drängt der ursprünglich laterale Cardinalis-(Azygos-)bogen die Pleura- kuppe herunter, indem er zugleich an die mediale Seite der Pleura- höhle herabrutscht. Dieses Herabdrängen der Pleurakuppe würde aber unterbleiben, wenn, wie wir es vorhin als Entstehungsmodus unsrer Varietät postulierten, der Cardinalisbogen in lateraler Lage- rung zur Pleurakuppe fixiert bliebe. Durch welche Vorgänge könnte diese Fixation nach lateral bedingt sein? Gibt es reale Tatsachen, die eine solehe Annahme stützen? Betrachten wir bei unserm Embryo von etwa 10,5 mm Länge nicht nur die Schnitte caudal von der Trachealbifureation, sondern auch die eranialwärts davon gelegenen, so läßt sich feststellen, daß der Zusammenflußwinkel der hinteren und vorderen Cardinalvenen schon in der Höhe der Intervertebralscheide zwischen dem siebenten Hals- und dem ersten Brustwirbel eine starke seitliche Ausbuchtung, das bulbusartig erweiterte Mündungsstück der Vena subelavia be- sitzt (s. Fig. 5). HocHSTETTER (91), der die Entwicklung der Extre- mitätsvenen genauer verfolgte, hat gelehrt, daß dieser Subelavia das Extremitätenblut ursprünglich auf einem andern Weg zuströmt als im späteren Leben, daß insbesondere die Vene des hinteren (ulnaren) Randes der Extremitätsanlage anfangs das Hauptabflußgefiß der Extremität darstellt. Noch zu einer Zeit, wo (beim Kaninchen) die Zusammenmündungsstelle der vorderen und hinteren Cardinalvenen bereits hinter das siebente Cervicalsegment verlagert ist, fließt durch diese ulnare Randvene, welche eine dorsale Lagerung zur Arteria subelavia und dem Plexus brachialis einnimmt, alles Venenblut der Vorderextremität der Vena subelavia zu. Erst später mit dem wei- teren Descensus des Herzens und der großen Gefäße bekommt dieser Abflußweg untergeordnete Bedeutung, da sich seine Abflußbedingungen 574 H. Bluntschli wegen seiner dorsalen Lagerung zu Nervenplexus und Arterie zu- sehends verschlechtern. Nun bildet sich ein ventral von Arterie und Plexus gelegener Zweig aus, welcher die Hauptvene der Vorder- extremität mit der Vena subelavia verbindet. Von der so entstan- denen Veneninsel übernimmt der ventrale Zweig, bei fortschreitender Rückbildung des dorsalen, schließlich die Hauptrolle, er wird zum alleinigen Abflußweg des Venenblutes der Vorderextremität. Auch bei unserm etwa 10,5 mm Embryo ist die hintere Rand- vene noch der Hauptabflußweg. Sie liegt dorsal von Arterie und Plexus, durchsetzt den letzteren aber zwischen dem siebenten und achten Cerviealnerven, um unter bulbusartiger Erweiterung in oben genauer geschilderter Weise als Vena subelavia in den Zusammen- flußwinkel der Cardinalvenen einzutreten. Im übrigen ist auch ein schwacher, ventral vom Plexus gelegener Venenzweig bereits nach- zuweisen. Diese Umwandlungsvorgänge im Gebiet der Vorderextremitäts- venen dürfen meines Erachtens mit als einer der Faktoren betrachtet werden, welche als ursächliches Moment der bleibenden lateralen Ver- lagerung der hinteren Cardinalvene (V. azygos) in Frage kommen. Eine verlangsamte Umbildung im Gebiet der proximalen Extremitätsvenen muß zufolge der lateralen Subelaviamündung ein Medialwärtsrücken des Cardinalis-(Azygos-)bogens, der ursprünglich lateral von der Pleuraspitze liegt, verzögern. Daß Zugwirkungen überhaupt bei dem ganzen Descensus der Brusteingeweide eine große Rolle spielen, ist klar. HocHstETTER führt auf den Zug, der durch den Descensus des Herzens auf die primitive, ulnare Randvene ausgeübt werde, die Umbildungsvorgänge der proximalen Extremitätsvenen zurück. Umgekehrt wird, zumal wenn sich die Ausbildung der ventral vom Plexus gelegenen Venenbahn verzögern sollte, ein stärkerer Zug der dorsalen in dorso-lateraler Richtung auf die Vena subelavia und durch diese auf die Cardinalvenen bzw. den Ductus Cuvieri er- folgen. Der Descensus des Herzens vollzieht sieh in relativ kurzer Zeit, ein nur kurz dauernder Zug dieser Art seitens der Extremitäts- venen kann somit zu einer Varietät im Verlauf der Vena cardinalis posterior führen, die sich zeitlebens erhält, während die Umbildung im Gebiet der Extremitätsvenen zwar verzögert, aber nicht verhindert würde. Für diese Erklärungsweise scheinen mir wichtige Tatsachen zu sprechen, welche sich durch den Vergleich der oben zusammenge- stellten 23 (mit den beiden neuen) Fällen von genauer dargestelltem, Bemerkungen über einen abnormen Verlauf der Vena azygos usw. 575 abnormem Verlauf der Vena azygos ergaben. Einmal überschreitet die Größe des abgetrennten Lungenzipfels nie eine maximale Größe, wie sie meine beiden Fälle darstellen. Bei dem einen derselben konnte ich aber durch die genaue Aufnahme der Umschlagstellen der Pleura costalis in das Meso-azygos feststellen, daß dieselben in lateraler Richtung den Innenrand der ersten Rippe nicht über- schreiten, ein Verhalten, das also mit der Annahme eines lateralen Zuges durch die Extremitätsvenen sich sehr wohl in Einklang brin- gen läßt. Anderseits ist in sehr vielen Fällen die hohe Mündung der Vena azygos in die laterale Wand der Vena cava superior festge- stellt worden, ebenfalls ein Verhalten, das auf einen schrägen Zug in lateraler und zugleich etwas cranialer Richtung schließen läßt. So glaube ich also, daß wir jene abnorme, laterale Abweichung der Vena azygos, welche schon D£v& (99) als sehr beachtenswert ansah, durch eine Verzögerung der Umbildungsvorgänge im Gebiet der proximalen Venen der Vorderextremität erklären dürfen. Bei der Untersuchung entsprechender Fälle wird den Umschlag- stellen des Meso-azygos und den Mündungsverhältnissen der großen Venen zueinander besondere Beachtung zu schenken sein. Auch wäre es sehr wünschenswert, wenn bei Untersuchung tierischen Ma- terials stets auf den Verlauf der Vena azygos geachtet würde, denn, wenn schon die Entwieklung der Extremitätsvenen und der Descensus der Brusteingeweide beim Menschen vielleicht seine Besonderheiten haben kann, welche das Entstehen der Varietät begünstigend be- einflussen, ist es nicht recht verständlich, warum dieselbe bei Tieren nicht auch möglich sein sollte. Sehe ich doch in der nachgewiesenen, ursprünglich zur Pleurahöhle lateralen Lagerung der Zusammenfluß- stelle von vorderer und hinterer Cardinalvene zum Ductus Cuvieri ein durchaus primitives Verhalten!, welches an die Topographie der Brustorgane bei Amphibien und Reptilien erinnert. Die Cuvierschen Gänge, ursprünglich quer gestellt, liegen dort dorsal von der Pleuro- peritonealhöhle und bilden die Grenze, über welche sich die Lungen nicht eranial ausdehnen, die hinteren Cardinalvenen ziehen dorsal und zugleich lateral von denselben caudalwärts. Bei den höheren Wirbeltieren haben sich die Verhältnisse mit Zunahme des Herz- descensus wesentlich verschoben. Aber auch hier erinnert die Em- bryonalentwicklung wie auch der normale Verlauf der Vena azygos 1 Ob dasselbe sich bei menschlichen Embryonen von 10,5 mm Länge regel- mäßig antreffen läßt, ist nur durch Untersuchung einer Anzahl Embryonen gleichen Alters festzustellen, was mir mangels des Materials nicht möglich war, 576 AH. Bluntschli, Bemerk. über einen abnormen Verlauf der Vena azygos usw. über den rechten Stammbronchus an jene primitiveren Zustände und erlaubt uns z. B. in der gesamten apicalen Entwicklung der Lunge einen Neuerwerb zu sehen. 24. März 1905. Literaturverzeichnis. ÜLELAND, Cause of a supernumerary Lobe of the right Lung. Journ. of Anat. and Phys. Vol. IV. p. 200. 1870. GRUBER, W., Fälle des Vorkommens eines Spitzenlappens an der rechten Lunge . Bull. de !’acad. Imp. des sc. St. Petersbourg. T. 15. p. 91. 1871. SPERINO, G., Pulmone destro bilobato con lingula supranumeraria in corrispon- denza della apice. Decorso anomale della grande Vena azygos. R. Accad. di Medic. di Torino. 1887. p. 265. HOCHSTETTER, F., Über die Entwicklung der Extremitätsvenen bei den Am- nioten. Morpholog. Jahrbuch. Bd. XVII. 8.1. 1891. —— Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Venensystems der Amnioten. 3. Säuger. Morpholog. Jahrbuch. Bd. XX. 8.543. 1893. MÄUSERT, A., Zur Casuistik der Vena cava superior sinistra und der einen Spitzenlappen der rechten Lunge abschnürenden Anomalie der Vena azygos. Dissertation. Gießen 1899. Morı1, E., Anomalie degli organi interni nei malati di mente. Giorn. intern, sc. mediche Napoli. p. 881. 1893. DELLA ROVERE, D., Rara anomalia del pulmone destro. Decorso anormale della grande Vena azygos. Giorn. accad. med. Torino. Ann. 60. p. 95. 1897. Div, F., Le lobule de la veine azygos ou lobule de WrISBERG. Bull. soc. anat. Paris. T. 74. p.489. 1899. FISCHER, EuG., Seltener Verlauf der Vena azygos (Abspaltung eines Lungen- lappens). Anatom. Anzeiger. Bd. XV. S. 476 und Nachtrag Bd. XVI. 3:92,01893. NARATH, Aup., Der Bronchialbaum der Säugethiere und des Menschen. Biblio- theca Medica. 1901. DionIs DU SEJOUR, Lobe surnum£raire du poumon droit. — Lope de la veine azygos. Bull. M&m. Soc. anat. Paris. 7. Serie. T. 6. p. 132. 1904, Bezüglich der älteren Literatur verweise ich, um Wiederholungen zu ver- meiden, namentlich auf Dev& (99). Das Hautleistensystem der Primatenplanta unter Mitberücksichtigung der Palma. Von Dr. Otto Schlaginhaufen, Assistent am Anthropologischen Institut der Universität Zürich, (Aus dem Anthropologischen Institut der Universität Zürich.) Mit 194 Figuren im Text. Einleitung. Es waren anthropologische Beobachtungen, welche mich auf eine eingehendere Behandlung des Hautleistensystems führten; denn zum vollen Verständnis der Verhältnisse, wie sie heute der Mensch und seine Varietäten darbieten, ist es notwendig, die Zustände seiner Vorfahren, der Affen und Halbaffen, genau zu studieren und die Veränderungen, die sich im Laufe der phylogenetischen Entwick- lung herausbildeten, in allen Einzelheiten zu verfolgen. In der Tat haben denn auch die vorliegenden Untersuchungen nicht nur eine ganze Anzahl Tatsachen gehoben, die für die Prosimier und Simier neu sind, sondern auch die beim Menschen beobachteten Formen dem Verständnis näher gebracht und Richtungen gezeigt, in welchen der anthropologische Arbeiter mit Erfolg tätig sein kann. Ich bin daher Herrn Prof. RupoLr MaArTrın für die Anregung, die er mir zur Untersuchung dieser Verhältnisse gab, sehr zu Dank verpflichtet. Herr Prof. Marrın sowohl als Herr Prof. Rue brachten meinen Untersuchungen stets das regste Interesse entgegen, und ich benutze mit Freuden die Gelegenheit, meinen beiden verehrten Leh- rern den tiefgefühlten Dank auszusprechen. Da die Vertreter der verschiedensten Disziplinen sich mit dem Studium der Hautleisten beschäftigten, und die Literatur sich dem- entsprechend in den Zeitschriften der ungleichartigsten Gebiete, z. B. der Zoologie und der Kriminalistik zerstreut findet, hielt ich es für nötig, den Untersuchungen eine umfassende Zusammenstellung der Literatur vorangehen zu lassen. 578 Otto Schlaginhaufen Die Untersuchungen selbst habe ich in einen allgemeinen und einen speziellen Teil geschieden. Im ersteren werden die allge- meinen makroskopischen, mikroskopischen und ontogenetischen Tat- sachen der Hautleisten, die Morphologie der Ballen der Palma und Planta, einige biologische Angaben und schließlich die Physiologie der Ballen und Leisten behandelt, über welch letztere ich die Re- sultate eigner Versuche mitteile. Um eine systematische Untersuchung des Hautleistensystems durchführen zu können, war es notwendig, ein jedes Genus durch möglichst viele Species und eine jede Species durch möglichst viele Individuen vertreten zu haben. Eine Untersuchung an Organen, welche so sehr der individuellen Variabilität unterworfen sind, wie die Cristae eutaneae, führt hauptsächlich auf dem Wege der Varia- tionsstatistik zum Ziel. Ich verdanke es nun dem gütigen Entgegen- kommen der Herren Prof. Feuıx, Prof. Marrın und Prof. Ruge, daß ich meine Untersuchungen in dieser Weise durchführen konnte. In uneigennützigster Weise stellten sie mir ihre Sammlung konservierter Primaten zur Verfügung, so daß es mir möglich war, die systema- tische Untersuchung an 330 Primatenplantae vorzunehmen. Außer- dem bin ich Herrn Geheimrat Prof. WIEDERSHEIM bzw. Herrn Prof. E. FiscHer in Freiburg i. Br., sowie Herrn Prof. HUBRECHT in Utrecht für die gütige Überlassung einiger Prosimierexemplare zu Dank ver- pflichtet. Die Zahl der aufgenommenen Plantae verteilt sich fol- gendermaßen auf die Species: Prosimiae: Lemur varius Js. Geoff... . . . ..... 1 Planta =, 1, Mmacaco la. 712. u nee - mongoz L. var. rufifrons. ... 1 - - a PRrn u Tee - brunneus . re N ne Galago; garneiti ‚Sel. „4: «1.1 sine am Nycticebus tardigradus Fischer... . 11 - Loris gracılis Geofit: „u... {nt male Tarsius. tarsius Forbes : ... .... „95 bänse Simiae: Hapale jacchus Kuhl . . . '. "723 Plane Chrysothrix sciurea Wagner. Cebus capucinus Geoffr. - fatuellus Geoffr. . m» re © Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. Cebus azarae Rengger . Alouatta seniculus Lac£p.. Ateles ater F. Cuv. Papio babuin Forbes . - anubis Schl. - hamadryas Geofir. . - sphinz Geoffr. . - maimon Eıxl. . Cynopithecus niger Js. Geoffr. . Macacus sintcus Blyth. . - nemestrinus F. Cuv. - arctoides Js. Geoffr. . - rhesus Desm. . - maurus F. Cuv. . - cynomolgus Anderson Cercocebus fuliginosus Geoffr. . - collaris Gray . Cercopithecus cynosurus F. Cuv. . - albigularis Sykes . - patas Erxl.. - petaurista Eırxl. . - cephus F. Cuv. . - sabaeus Geoffr. ö callitrichus Js. Geoffr. . - pygerythrus F. Cuv. . - Buettikoferi Jentink . B talapoin Erxl.. - nietitans Erxl. Colobus vellerosus Js. Geoffr. . Semnopithecus cephalopterus Martin - entellus Desm. . - melanolophus Forbes Hylobates leuciscus Kuhl . = Mülleri! Martin . - Da a sin ae - syndactylus F. Cuv. EN oe Du pP D»POGO I u — 2 2 2 ug [8] [SS] —— PPDDOoOoV-r Dr os + Oo pour nn ..68 Anthropopithecus troglodytes Flow.etLyd. 10 Gor:lla gorilla Forbes . Simia satyrus L.. 4 4 Plantae Planta Plantae - Planta Plantae Planta Plantae 579 580 Otto Schlaginhaufen Das Material für die Untersuchung am Menschen besteht aus 365 Plantae. Den größten Teil der Abdrücke habe ich selbst auf- genommen. Sie umfassen: 278 Abdrücke von Europäern, von denen die Herren Dr. ALFONs ENGELSBERGER und -Dr. OTTO ZIEGLER, sowie Herr cand. phil. Jan ÜZEKANOWSKI eine Anzahl aufgenommen, 51 Abdrücke von westafrikanischen Negern, die ich im Pan- optikum in Zürich aufgenommen, 24 Abdrücke von Papua aus der Umgebung der Humboldtbai und vom Sentanisee in Holländisch-Nord-Neuguinea, welche wert- vollen Abdrücke durch Herrn Marinearzt J. VAN DER SANDE auf der Holländischen Nord-Neuguinea-Expedition 1903 gesammelt und mir in zuvorkommendster Weise zur Bearbeitung überlassen wurden, 12 vereinzelte Aufnahmen von Japanern, Chinesen, Indiern, Bat- tak und Javanen, die teils von Herrn Dr. OsKAR HENGGELER in Su- matra, teils durch mich in Zürich gesammelt wurden. Allen den genannten Herren, welche mir in dieser oder jener Weise Material verschafften, sage ich meinen aufrichtigen Dank. Die Arbeit schließt mit einem vergleichend anatomischen Ab- schnitt ab, worin ausgeführt ist, wie die verschiedenen Primaten- gruppen in bezug auf das Hautleistensystem der Planta zueinander stehen. Äußere Gründe bewogen mich, das Literaturverzeichnis unmittel- bar auf den historischen Teil (S. 608—612) folgen zu lassen. Historischer Teil. Wenn auch die Gebilde, die wir in der menschlichen Anatomie als Hautleisten (Cristae eutaneae) und Hautfurchen (Sulei cutanei) bezeichnen, augenfällig und der Untersuchung relativ leicht zugäng- lich sind, so wurden sie doch von wissenschaftlicher Seite noch ver- hältnismäßig wenig beachtet, und auch diese Beobachtungen haben erst spät ihren Anfang gemacht. ‘Gleichwohl sollen in dieser histo- rischen Betrachtung die Forscher des Altertums und Mittelalters kurz Erwähnung finden; denn sie werden zum mindesten über die Nomenklatur der Ballen, auf die ich im Laufe dieser Arbeit oft ein- zutreten habe, einiges aussagen. ARISTOTELES scheint den Hautleisten keine Beachtung geschenkt zu haben, wohl aber den Gelenkfalten auf der Volarfläche der mensch- Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 581 lichen Hand, und nach Art der Chiromanten setzt er ihre Ausdeh- nung zur Lebensdauer in Beziehung: »yeıoög Öd& To utv Evrog Fevao, vagrwdeg xal dımonusvov &g 0015, Tois utv uaroopioıg Evi m dvol di’ OAov, roig dE Boayvßioıg dvoi zal ov di OAov« [1587,17]. Ob man das Wort o@oxödes, das auch in der entsprechenden Stelle über den Fuß gebraucht ist; auf die Ballen beziehen darf, scheint frag- lich; jedenfalls wird »Thenar« bei ARISTOTELES nicht im Sinne der heutigen menschlichen Anatomie (= Daumenballen) angewendet, son- dern ist die Bezeichnung für Handteller. Auch in der Beschreibung des Affenfußes, die diesen in kurzen Zügen gut zeichnet, hat das Wort diese Bedeutung: »idiovg d& rovg zrödag &lol Yug 0iov yeigeg ueyahaı, al oL Ödrrvhoı Woreg ol TÜV yeıowv, 6 UEOOS uAAgÖTATOS, xal Tb xdrw TOU zrodög yeıgl Öuoıov, zchhv Errı uNxog To TIG yeıgog errl va Eoyara relvov aaddıreo Fevag‘ Toüro 0’ Er Ü490V 04.4MQ0- TEOOoV, KarÖg xal Auvdoog uwuobuevov zereovnv« |1597, 36). Rurus ErHesıus, der zur Zeit TrAsans lebte, braucht »'T’henar« bereits für Daumenballen und erwähnt — wie es scheint zum ersten Male — das Wort »Hypothenar«: »Ivag d& rd usra&v dıdonua voü kıyavoo za tod ueydhov daxrbkov vaoxWdsg, üp d TO xoihkovr Tüg ygı0Ö5. VrosEvao de To Vo voig rergacı darrbhoıgs [1554,22]. Aus einer gleich darauf folgenden Stelle desselben Autors geht hervor, daß HıppokrRATEs in bezug auf den Ausdruck »Thenar« die gleiche Ansicht wie ARISTOTELES vertrat: »dozei d£ uoı Irerorodeng scav vo scharv NG yEıoog Hevao Ovoudlew.« Der griechische Grammatiker JuLıus PoLLUx weicht in der Aus- legung von »Thenar< und »Hypothenar« nicht von Rurus ErnHesıus ab, weist jedoch als weitere Bezeichnung noch »Opisthenar« auf: »zai ro usv EvboFev TIg yEıgdg 0agRWÖEg, Arco Too ueyahov darrbkov uEyoı tod Aıyavod, xakeiraı FEvao. To ÖE EEwIev, HIOFEvag. To ÖE ard tod hıyavod ueyoı Tod uırooV darrbkov, VrroFEvao« [1706, 223/224]. GALEN nennt alle prominenten Teile der Hand »Thenar«, macht aber darauf aufmerksam, daß dieses Wort oft nur für die unterhalb des Daumens gelegene Region angewandt werde: »T& ESeyovra r@v xcıoov Övoudlovos IEvaga apa ro Heiveı, &s Erıoı Bobkovreı rov yaobvrwv Ervuokoylaıg. tobroıs Yao rvois ££8yovoı sralouev DOaTTEQ av saiwuev. Evıoı ÖdE 00V sıavra va EStyovra vis yeıoog zaheiodai paoıy, ahha ubva va vo voig ueyahoıg darrbhoıg« [1830, 564]. Bei VEsaL, mit dem ich zu den Autoren des Mittelalters über- gehe, finden sich weder über die Ballen noch über die Haut- leisten Bemerkungen. Die letzteren berücksichtigt erst MALPIGHI: * 582 Otto Schlaginhaufen »Postremum examinanda oceurrit manus, in cujus vola elatae quae- dam rugae diversas figuras deseribunt; in extremo tamen digitorum apice spiraliter ductae, si microscopio perquirantur, patientia sudoris ora per medium protracti dorsi exhibent« [1686, 25]. Schon aus dieser Stelle geht hervor, daß vorzüglich die kreis-, schleifen- und wirbel- förmigen Zeichnungen der Hautleisten auf der Fingerbeere die Auf- merksamkeit des Beobachters auf sich zogen. Noch deutlicher ist diese Tendenz, gerade die komplizierten Leistenfiguren zu studieren, in einer Abhandlung PurkınJes ausgesprochen. Er stellt neun Typen auf, die genau beschrieben sind: 1) Flexurae transversae, 2) Stria centralis longitudinalis, 3) Stria obliqua, 4) Sinus obliquus, 5) Amyg- dalus, 6) Spirula, 7) Ellipsis, 8) Circulus, 9) Vortex duplieatus [1823, 43—45]. Auf Einzelheiten dieser Klassifikation werde ich erst im allgemeinen Teil eintreten können; immerhin sei hier gesagt, daß dieselbe sich auch heute noch, wo sie durch die klassischen Unter- suchungen GALToNs überholt ist, in gewissen Fällen mit Vorteil an- wenden läßt. In kurzen Zügen ist ferner der Linienverlauf in der Vola' dargestellt, und folgende Stelle, sowie die in der Original- abhandlung befindlichen Zeichnungen zeigen, daß PurKInJE außer- dem nicht nur die Hautleisten der Hände der Affen, sondern auch diejenigen am Greifschwanze gewisser südamerikanischer Formen (Ateles Coaitae) kannte: »Etiam in simiarum manibus, imo in eorum cauda prehensili similes lineolae oceurrunt, quarum distinetio ad characterem fersan specifieum ulterius designandum quidgam con- feret, quae, nisi parvi faciant, zoologi ulterius assignabunt« [1823, 46). Anstatt der Worte »Thenar« und »Hypothenar« finden sich bei PurkınJE »Torus pollieise und »Torus aurieularis digiti«, offenbar bloße Übersetzungen der deutschen Ausdrücke. Außer diesen beiden Ballen der Hand finden wir bei HuscHkE zum ersten Male die »Ballen der Mittelhand, Tori metatarsei digi- torum« [1844, 573] erwähnt. Der Beschreibung des Hautleisten- verlaufes auf der Hohlhand und der Grund- und Endphalangen der Finger widmet sich dieser Autor mit größerer Ausführlichkeit als PURKINJE, und einige Hinweise auf das Vorkommen von Variationen lassen auf die Untersuchung einer größeren Individuenanzahl schließen. Die Untersuchung der auf den Mittelhandballen befindlichen Formen (Sinus obliqui metatarsei) führen dann HuscHkE auf einen Erklä- rungsversuch der Verschiedenheiten, die in dieser Hinsicht zwischen dem Menschen und den Affen bestehen: »Bei den Affen scheinen diese Wirbel zwischen allen Fingern vollkommener zu sein und sind Ser ee he Vene el u Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 583 folglich ihrer vier. Dies hängt wohl mit der größeren Gleichheit ihrer Finger und der mangelnden Freiheit ihres Daumens zusammen. Wenigstens sind beim Menschen die Finger, zwischen denen sich noch ein vollkommener Warzenwirbel findet, unbeweglicher als der Zeigefinger und Daumen, die sich durch den höchsten Grad der Be- weglichkeit auszeichnen« [1844, 573]. Den auf den Ballen der Nagel- glieder auftretenden Dreiecken gibt HuscHhkE den Namen »Triangu- lum tori tactusum sich in der Falte an die untersten Epidermiselemente zu heften« [S. 15] und somit »gleichsam als mikroskopische Ligamente« die Lederhaut mit der Oberhaut im Bereich der Falte zu verbinden. Diese Untersuchungen KrAuses haben später Loswy [’91] in einer Arbeit, in welcher die Resultate BLAscHkos [’87] volle Bestä- tigung erfuhren, als Verteidigungsgrund gegen eine Ansicht gedient, welche die »Falte« als eine durch Proliferation der Epidermis her- vorgebrachte Leiste darstellte. Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 591 Mit dem folgenden Jahre setzen die klassischen Untersuchungen GALTONSs ein, und da sie alle späteren Forschungen auf diesem Ge- biete beherrschen, will ich die Publikationen dieses Autors im Zu- sammenhang behandeln. Den zwei Referaten [’86] über die bereits erwähnten Arbeiten von FAuLp [’80] und HErscHEL [’S0] folgt zu- nächst eine Abhandlung, welche die Frage erörtert, ob die Haut- leistenzeichnungen an der Fingerbeere des gleichen Individuums sich zeitlebens gleichbleiben [’8S. An Hand der 28 Jahre auseinander- liegenden Abdrücke des Zeige- und Mittelfingers der rechten Hand HERSCHELS zeigt er, daß infolge des Alters wohl Schrumpfungs- und Streekungserscheinungen auftreten, daß aber die Linienzeichnung als solche keine Veränderungen erleidet. Diese prüft er namentlich in bezug auf die Lage 1) der Furchenenden, 2) der Furchenbifurkationen. Im Hinblick auf die Unterscheidung der beiden letzten Fälle macht er darauf aufmerksam, daß dann, wenn eine Leiste an der Bifurkations- stelle etwas niedriger ist als in der übrigen Ausdehnung, diese Stelle nicht auf dem Abdruck erscheint und der Fall 1 sich in den Fall 2 verwandelt. — Aus diesen und andern Beobachtungen hatte GALTON ersehen, daß 1) die Permanenz der Leisten nicht genügend untersucht und 2) die PurkınJesche Einteilung [23] nicht genau genug sei. Seine Untersuchungen über diese beiden Punkte [’90 und 91a] gründet er auf das Material zweier Abdrucksammlungen. Die eine umfaßt die beiden Daumenabdrücke von 2500 Personen, die GALToN selbst aufgenommen, während die andre, von HERSCHEL zur Verfügung ge- stellte, eine kleine Sammlung mehrere Jahrzehnte auseinanderliegen- der Fingerabdrücke derselben Personen darstellt. Er wählte den Daumen einer jeden Hand, um etwas über die Symmetrie heraus- zubringen, und zwar deshalb, weil er infolge seiner ansehnlicheren Größe ein größeres Variationsfeld darbietet!. Als Grund für das Auftreten der Leistenfiguren auf der Fingerbeere gibt GALToN die Anwesenheit des Nagels an. Infolge derselben teilen sich die Haut- leisten in einen, der Interphalangealfalte parallelen horizontalen und einen der vorderen Kontur der Fingerbeere parallel laufenden bogen- förmigen Zug, und zwischen beiden bleibt ein Raum ausgespart, der von aufgerollten Linien erfüllt wird. In 3°/, fehlt dieser Raum, in- 1 Unter den technischen Bemerkungen will ich nur die hervorheben, daß der Autor es mit Rücksicht auf den entgegengesetzten Leistenverlauf am rechten und linken Daumen für zweckmäßig hält, von der einen Seite mit Pauspapier ein Doppel zu nehmen, um den Abdruck hierauf von der Rückseite in gleicher Stellung zu sehen. 592 Otto Schlaginhaufen dem er von queren, leicht distalwärts gebogenen Linien erfüllt ist, d. h. indem ein unmerklicher Übergang von den horizontalen zu den bogenförmigen Linien erfolgt. Formen dieser Art nennt GALTox [’91a, 4] »Primaries« und läßt von ihnen die Varietäten ableiten, da sie nicht immer dieses einfache Bild, sondern oft Figuren einschließen, die nach komplizierteren »Patterns« hinneigen. Ist der häufiger vorkom- mende, zuerst beschriebene Fall vorhanden, so finden sich zu beiden Seiten je eine oder nur auf einer Seite eine Stelle, wo das horizon- tale und das bogenförmige System mit der füllenden Leistenfigur in einem Dreieck in Berührung treten. Das äußere Dreieck wird mit V, das innere mit W bezeichnet. Um diese Punkte klassifikatorisch zu verwerten, wird zunächst eine zur Längsachse des Fingers parallele Linie gezogen, und die von jedem der beiden Punkte ausgehen- den zwei Leisten, welche das füllende System begrenzen und von GALToN als »Outlines« bezeichnet wurden, mit Feder oder Bleistift verfolgt. Der Punkt, wo die bogenförmige Grenzleiste die Längs- achse schneidet, heißt S, derjenige, wo die horizontale dies tut, B. Der Verlauf der »Outlines« wird durch die Buchstaben derjenigen Punkte angegeben, von denen sie ausgehen und welche sie schneiden. So sind also folgende 9 Kombinationen möglich, zu welchen sich als 10. Typus der Primary gesellt. l. WSYV—WBV, IV. SV—BV, VI. SW BW, I, SsW:_BV. v. WSY—-BVv, VI. WSY_BW, IT BI, VL SY—-WBV, IX. SW-WBV. Diese 10 Typen fassen wiederum eine Reihe von Untertypen zusammen, die GALTON in einer Tabelle zusammengestellt hat, welche von mehreren Autoren [Fer& ’91; FoORGEoT ’91; Varıcny ’91] teils ohne, teils mit Veränderungen reproduziert, von GALToN [’92a] selbst aber in seinem Werk »Finger prints« [Pt. 16] mit einigen Ergän- zungen wiedergegeben wurde. Diese dient zur Identifikation des betreffenden Typus; da aber gewisse Typen sehr häufig vorkommen, wie die Schleife (loop = %,), die etwa die Hälfte aller Fälle aus- macht, so bedient man sich als Unterscheidungsmerkmal zwischen den Individuen des gleichen Typus der »Minutiae«, d.h. der früher schon angeführten Stellen, wo Leisten (— früher faßte GALToN [’88] die Furchen ins Auge —) endigen bzw. beginnen, ferner Verzwei- gungen bilden oder nur als Inseln, d. h. in geringer Längsausdeh- nung auftreten. Auf diese Merkmale hin untersucht nun GALTON [91a, Pt. 1 und 2] die eingangs erwähnte HerscHEusche Abdruck- Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 593 sammlung und kommt zu folgendem Resultat: »There was no an case found of a difference in the number of ridges between any two specified points. Never during the lapse of all these years did a new ridge arise, or an old on disappear. The pattern in all its minute details persisted unchanged, and a fortiori, it remained un- changed in its general characters« [’91a, 12]. Ein ansehnlicher Ab- schnitt der Arbeit ist der Feststellung der typischen Schleife ge- widmet. Indem auf einer bestimmten Strecke die Leisten gezählt und aus den gewonnenen Zahlen die GALronsche Wahrscheinlich- keitskurve erhalten wird, schafft der Autor die Basis für die Be- rechnung. Diese ergibt, daß wir berechtigt sind, in bezug auf die Leistenzahl eine typische Schleife anzunehmen, von welcher die in- dividuellen Schleifen um einen kleinen Betrag differieren. Der gleiche Satz ergibt sich mit bezug auf die Schleifenproportionen. Als Grundlage für eine Untersuchung über die Registrierung der Fingerabdrücke dient GALTon ['I91b und ’91e] eine Sammlung der Abdrücke aller 10 Finger von 289 verschiedenen Personen. In einer Tabelle, in welcher die Grundtypen schematisch eingetragen und mit Zahlen und Buchstaben bezeichnet sind, führen die drei Hauptformen je zwei Nummern: »primaries 1 und 2, whorls 3 und 4, loops 5 und 6«. Jeweilen die erste Zahl gilt für die symmetrischen und die normalen, die zweite Zahl für die abnormalen Formen (spe- ziell Schleifen, die in allen drei Abteilungen vorkommen). Normal ist die Figur dann, wenn die Achse nahezu parallel zu einer Linie läuft, welche von der Zeigefingerspitze zur Basis des kleinen Fingers zieht. Geht die Achse mehr oder weniger quer zu dieser Linie, so wird die Figur unter die abnormalen gerechnet. Im Register wer- den die patterns der 10 Finger zweimal in vier Gruppen einge- schrieben, von denen die erste den Zeige-, Mittel- und Ringfinger der linken, die zweite die gleichen Finger der rechten Hand um- faßt; die dritte Gruppe bilden Daumen und Kleinfinger der linken, die vierte dieselben Finger der rechten Hand. Zunächst erfolgt die Eintragung der die patterns vertretenden Zahlen, z. B. 355, 455, 55, 35. In gleicher Anordnung folgen daneben die Symbole der Figuren. Zu den Symbolen, welche erst nach einigem Zögern in die betreffende Typenabteilung aufgenommen wurden, setzt man einen Punkt. Eine Zusammenstellung Gaurons ['91b, 548] ergab, daß unter 100 Fällen 26 auf die normalen primaries, 4 auf die ab- normalen primaries, 23 auf die normalen whorls, 6 auf die abnor- malen whorls, 21 auf die normalen loops und 20 auf die abnormalen 594 Otto Schlaginhaufen loops fielen. Wiederum ersehen wir daraus, daß die Schleife relativ am häufigsten zu finden ist, und wenn wir ihr noch alle die Formen zuzählen, die als abnormale mit ihr verwandt sind, so wandelt sich diese relative in die absolute Mehrheit um. Ferner zeigt GALTON, daß in 100 Fällen der linke Zeige- und Mittelfinger 16, Zeige-, Mittel- und Ringfinger der linken Hand 27, diese 3 Finger beider Hände 65, und alle 10 Finger 83 differente Patterns aufwiesen. Die vielen durch die Formel 555, 555, 55, 55 dargestellten Schleifen müssen durch die minutiae auseinander gehalten werden. In einer andern Arbeit kommt Garrton [’91d] auf die Bedeutung der Fingerabdrücke, hauptsächlich als Identifikationsmittel zu spre- chen, in welcher Eigenschaft sie dartun können: 1) daß ein Mann das Individuum ist, das er zu sein bezeugt, 2) daß er nicht die Person ist, die zu sein man ihn verdächtigt, und 3) daß er sich nicht unter den Personen befindet, deren Namen und Zeichen sich in einem Register finden. In der Armee soll die neue Methode Deserteure überführen und andre von der Desertion zurückschrecken, und in den Kolonien dazu dienen können, die Vertreter farbiger Rassen, die nicht imstande sind, ihre Namen zu schreiben und auf andre Weise für den Europäer schwer auseinander zu halten sind, zu identifizieren. Als weniger häufig vorkommende Fälle denkt sich der Autor die Anwendung auf Emigranten, die bei ihrer Rückkehr nach langer Zeit ihr Anrecht auf Besitz und Verwandtschaft geltend ma- chen, oder auf die Leichname solcher Personen, die einem Verbrechen oder Unglück zum Opfer fielen. Nach einigen Bemerkungen über die bisher einzige Anwendung der Fingerabdrücke durch W. HERSCHEL, über die Morphologie der Hautleisten und ihre Physiologie — welch letztere Angaben ich im physiologischen Abschnitt verwenden werde, führt GALTon den Vergleich zweier 28 Jahre auseinanderliegender Abdrücke durch. An dem einen Abdruck werden bestimmte Stellen, die durch minutiae, d. h. bifureationes, insulae usw. markiert sind, mit Zahlen bezeichnet, am andern Abdruck die entsprechenden Stellen ebenfalls aufgesucht und mit den nämlichen Zahlen versehen. In dieser Weise wurden nicht nur die in einer früheren Abhandlung beschriebenen acht Individuen bearbeitet, sondern auch eine Reihe andrer seither erhaltener Fingerabdrücke. Alle wiesen wiederum vollkommene Gleichheit auf mit Ausnahme eines einzigen Falles, wo ein Kind, das im Alter von 2°/, Jahren an einer Stelle eine ge- spaltene Leiste zeigte, als 9jähriger Knabe dieselbe nicht mehr ge- trennt, sondern verwachsen besaß. Für die Kenntnis der loops mag Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 595 die Tatsache interessant sein, daß GaLron [’91 d] unter 100 Fällen 71 Fälle fand mit differenten loops, 10mal 2 gleiche, 1mal 3 gleiche und imal 6 gleiche Varietäten feststellte. Die bisher besprochenen Arbeiten GALToNs bilden die Grundlage für seine bekannteste Arbeit auf diesem Gebiete: »Finger prints« 92 a]. Sie führt die Aufgaben früherer Abhandlungen weiter aus und fügt sie zu einem einheitlichen, abgerundeten Werk, auf das ich im Laufe dieser Arbeit oft zurückkommen und verweisen muß. Als Ergänzung zu diesem Buch folgte ['93 a] eine Schrift, welche die Entzifferung mißglückter Fingerabdrücke behandelt. Dem glei- chen Gegenstand ist eine Mitteilung ['93b] gewidmet, die sich auf ein Material von etwa 1000 Karten stützt, deren jede die Abdrücke aller Finger eines Individuums enthielt. Da die Aufnahme derselben mittels eines Stempelkissens geschah, wies die Sammlung viele ver- schmierte oder sonst fehlerhafte Abdrücke auf. GALToN ließ sämt- liche Karten zunächst durch seinen Assistenten bestimmen und mit den Indexzeichen versehen, worauf er selbst unabhängig davon das- selbe tat. Erfreulicherweise kamen die beiden Bestimmungen fast durchwegs auf die gleichen Resultate, so daß GALTton [’93b, 222] sich zu sagen berechtigt fühlt, daß das System der Finger prints, das auch unter diesen ungünstigen Verhältnissen gute Resultate ge- zeitigt hatte, eine wesentliche Stütze der Bertillonage sein dürfte. Eine andre Notiz [’93c] unterrichtet uns über den Gebrauch der Fingerabdrücke als Identifikationsmittel durch die Militärärzte in der indischen Armee. Die zweite größere Publikation, die unter dem Titel »Finger- print direetories« [’95] bekannt geworden ist, verdankt ihre Ent- stehung dem Entscheide des vom Staatssekretär des Ministerium des Innern eingesetzten Komitees, das zu prüfen hatte, welches System sich zur Identifikation von Gewohnheitsverbrechern als zweckmäßig erweisen würde. Die wesentlichsten Abschnitte aus dem Komitee- bericht gibt GALTon [’95, 7—47] wörtlich wieder. Das Material des Forschers ist nun auf zwei Sammlungen angewachsen, von denen die eine die Abdrücke aller 10 Finger von 300, die andre von 2632 Personen enthält. Das System gliedert sich in zwei Klassifika- tionen. Die primäre teilt die Abdrücke in »Arches«, »Loops« und »Whorls« ein, je nachdem die dreieckige Stelle, wo horizontales und bogenförmiges System auseinanderweichen — das Delta — gar nicht, einfach oder doppelt vorhanden war. Ist die aus dieser Einteilung folgernde Formula eines Satzes der 10 Fingerabdrücke einer Person 596 Otto Schlaginhaufen nicht entscheidend, so schreitet man zur sekundären Klassifikation, die einerseits auf der Zählung der Leisten, anderseits auf der Deserip- tion der cores und der Feststellung der minutiae basiert. Ersteres Vorgehen bezieht sich lediglich auf die Schleifen und geschieht so, daß die Linien gezählt werden, welche eine Gerade schneiden, die vom inneren zum äußeren Terminus zieht. »The inner terminus lies at the top of the core of the loop, the outer terminus at the delta« [’95, 78]. 24 vergrößerte Photographien von Abdrücken [Pt. 4] zeigen dem Leser die Durchführung der Zählung an ebenso- vielen Schleifen, deren Resultate zwischen 5 und 23 schwanken. Kommt schließlich noch die Untersuchung auf »minutiae« und die Be- schreibung der »cores«, d. h. der von den Schleifen eingeschlossenen Leisten in Betracht, so gibt GALTON dem Beobachter einen Index [S. 90—91] und eine ausführliche Beschreibung [S. 92—107] der hauptsächlich zu beachtenden Formen ir die Hand, in der wir Be- zeichnungen begegnen, die uns schon aus den »Finger prints« ['92a, Pt. 8] zum Teil bekannt sind. So treten die cores der loops als »central rod, eyed rod, double rod, staples« usw. auf; die loops als solche erscheinen unter den Namen »plain loop, eyed loop, incaded loop, hooked loop« usw. Als besonders wertvoll möchte ich die Sammlung von Fingerabdrücken bezeichnen, die dem Buch beige- geben ist und nicht nur die verschiedenen Formen der drei Haupt- typen, sondern auch Übergangszustände, sowie Beispiele für diffe- rente cores wiedergibt. Dadurch, sowie durch die treffliche Entwick- lung der Klassifikationen erlangt das für den Kriminalanthropologen bestimmte Buch auch für den Morphologen hohen Wert. Die Reproduktion einer vergrößerten Photographie eines Finger- abdruckes, der eine Narbe zeigt, begleitet GALron [’96a] mit einer kleinen Notiz. Es handelt sich um eine 30 Jahre alte Narbe, die ihre charakteristischen Eigentümlichkeiten — namentlich die, daß sich an dem verletzten Abschnitt gewissermaßen leistenförmige Züge quer zum Verlauf der intakten Leisten finden — während dieser Jahre unverändert beibehalten hat. An dieser Stelle sei auch noch der Mitteilung gedacht, in der GAaLtoN ['96b] bei Anlaß der Rezension des BERTILLONschen Lehr- buches die Einführung einer Fingerabdruck-Klassifikation empfiehlt. Ein Zitat aus einem Papier des Inspektorgenerals der Polizei E. R. Henry sagt ebenfalls unzweideutig, daß auch in Britisch- Indien dem System der Finger prints der Vorzug zu geben sei. Nachdem GALTON nun in einer großen Zahl von Fällen hatte Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 597 nachweisen können, daß bei Erwachsenen die Hautleisten unver- änderlich seien, dehnte er seine Untersuchungen auch auf kleine Kinder aus [’99a und b]. Von einem Kinde lagen ihm Abdrücke aller Finger aus sechs verschiedenen Stadien vor, dessen 1. zwischen 9 Tagen und 1 Monat, dessen 2. zwischen 1 Monat und 6 Wochen und dessen 3. zwischen dem 5. und 6. Monat lag. Die 4. Aufnahme fand im Alter von 17 Monaten, die 5. im Alter von 2!/, Jahren und die 6. im Alter von 41/, Jahren statt. 68 Einzelheiten konnten durch alle sechs Serien verfolgt werden, sofern sie nicht, was bei Kinderabdrücken kaum zu vermeiden ist, durch Kleckse verdeckt waren. In der Mehr- zahl der Fälle konnte die Identität unzweifelhaft festgestellt werden, während für den Rest der Fälle das innerhalb engerer Grenzen gilt. Beispielsweise zeigte sich im Alter von 21/, und 4!/, Jahren in einer Schleife ein deutlicher staple, das Stadium von 17 Monaten wies aber eine Verbindung desselben mit der nächsten Schleifenkurve auf. Ähnliche Befunde waren auch für die Linien in der Nähe des Punktes V zu verzeichnen, was somit die Linienzählung am äußeren Terminus erschwerte.. Zum Schluß regt GaLrton [’99a, 869] die Untersuchung frühreifer Kinder an, um die Persistenz der Hautleisten auch in früheren Stadien beobachten zu können. Durch die Literatur GALTons wurden dem Studium der Haut- leisten eine Reihe neuer Forscher zugeführt, von denen die einen den Gegenstand rein morphologisch, die andern kriminell-anthropo- logisch verwerteten. Zu denen, welche der ersteren Richtung hul- digen, gehört Ferk. Zunächst bilden seine Abhandlungen Referate über GALToN, dessen Typenschema er eine Form beifügt [’91, 500], die von Auıx [’68] als Anthropoidentypus beschrieben wurde. Der von GALToNns Transversal- und Bogenlinie begrenzte Raum ist drei- eckig. »La figure represente des ceretes droites antero-posterieures ou divergentes A partir de l’angle anterieur du triangle« [’91, 499). In drei Tabellen sind die Befunde zusammengestellt, die sich FERE an den Fingern und der Großzehe von 182 Epileptischen darboten. Die 10 Typen und 42 Varietäten fand er folgendermaßen verteilt: Der Daumen zeigte alle Typen, während dem Index 1 Typus, dem 3. und 5. Finger 4 und dem 4. 3 Typen fehlten. An Varietäten wies der 1. Finger 33, der 2. 29, der 3. 23, der 4. 26 und der 5. nur 18 auf. Die Tendenz zur Variation der Hautleistenfiguren nimmt vom Daumen zum kleinen Finger ab. Auf Grund der Tat- sache, daß gewisse Formen am Kleinfinger doppelt so oft auftreten, wie auf dem Daumen und daß anderseits andre Formen an Daumen 598 Otto Schlaginhaufen und Zeigefinger sich relativ häufig, an den übrigen Fingern selten finden, behauptet FERE, die Degenerierten als Objekte ansprechen zu dürfen, an denen gleichzeitig regressive und progressive Formen zur Beobachtung kommen. Untersuchungen über die Symmetrie er- geben, daß diejenigen Finger beider Hände am häufigsten symme- trisch sind, die die geringste Tendenz zur Variation aufweisen. Voll- kommene Symmetrie fand sich in 4°/,. Über die Zahl der Varietäten, die am gleichen Individuum vorkommen, stellt Fer# eine Tabelle zusammen, die zeigt, daß vollkommene Dissymmetrie, d. h. das Vor- handensein lauter differenter Varietäten an allen 10 Fingern, seltener ist, als vollkommene Symmetrie. An der großen Zehe beobachtete F£Er&E nur 7 Typen, die 18 Varietäten umfassen. Mit BArTıGnE setzte FERE [’92] diese Untersuchungen, unter Aus- dehnung auf alle Zehen, fort. Den 34 Individuen »tous atteints d’epilepsie, d’hysterie ou de degenerescence« [p. 802] fehlten an der Hand 2 Typen und 11 Varietäten, an den Zehen 3 Typen und 26 Varietäten. Die gewöhnliche Schleife fand sich an den Fingern in 56,47°/,, an den Zehen in 73,82°/,; die primäre Form — Nr. 1 des Schemas von FEr& — war in 2,94°%/, an den Händen, in 6,17%, an den Füßen vertreten. Das einfache Verhalten der Hautleisten- figuren an den Zehen drückt sich auch dadurch aus, daß, während an den Händen in einem Fall noch 9 Varietäten vorhanden waren, an den Füßen sich schon keine Fälle mehr mit 5 Varietäten dar- boten. »En somme, l’ensemble de ces recherches aboutit a la con- elusion que lorsqu’on considere les differents doigts de la main ou lorsque l’on compare les orteils aux doigts on trouve que la variete et la complexite morphologique correspondent & la variete et la com- plexit& des tonetions« |’93, 237). Für die Erklärung der Hautleisten scheinen mir physiologische Experimente Ferxs [’95] von Bedeutung zu sein, die an 20 Indivi- duen ausgeführt wurden. Ich werde Gelegenheit haben, im physio- logischen Abschnitt ausführlich über die Arbeit zu sprechen, die meines Wissens die einzige ist, welche den Wegerschen Versuch mit Rücksicht auf die Richtung der Hautleisten anwendet. Mit den Hauptresultaten dieser Abhandlung bringt FEr& ['96] die Tatsache in Zusammenhang, daß bei Opposition des Daumens und Zeigefingers sich die Hautleisten der beiden Fingerbeeren recht- winklig kreuzen, daß aber, wenn der kleine Finger dem Daumen gegenübergestellt wird, die Papillarlinien beider Finger sich der parallelen Lagerung nähern. Um diese Verhältnisse zu demon- Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 599 strieren, läßt FERE die beiden jeweilen opponierten Fingerbeeren eine durchsichtige Glasplatte zwischen sich fassen, auf der sich dann die relative Richtung der Hautleisten beider Finger deutlich zeigt. FERE läßt ferner eine Anzahl Individuen mit der Hand, deren Finger zuerst mit Druckerschwärze gefärbt werden, Bälle aus weißem Leder fassen und findet zunächst, daß der Greifakt bei verschiedenen Personen sich verschieden verhält, ebenso an der rechten und linken Hand des glei- chen Individuums, daß er aber an derselben Hand des gleichen Men- schen stets der gleiche ist. Im speziellen macht er folgende Befunde: 1) Leute, die in intellektueller Hinsicht oder in bezug auf Ge- schicklichkeit der Hand hoch stehen, haben die Tendenz, die 5 Finger in gleichem Abstand und mit der zentralen Region der Fingerbeere an das Objekt anzulegen. Die drei mittleren Finger sind sich mehr genähert als der Daumen dem Zeige- und Kleinfinger, von welchen beiden er in gleichem Abstand zu bleiben sucht. 2) Individuen, die zu den schlecht begabtesten gehören oder keine manuelle Fertigkeit aufweisen, nähern bei der erwähnten Funktion die vier letzten Finger einander und zeigen zwischen Dau- men und Zeigefinger eine geringere Distanz als zwischen Daumen und Kleinfinger. Daumen, Mittel- und Ringfinger fassen die Kugel mit der zentralen Partie, Zeigefinger und Kleinfinger mit dem Rand der Fingerbeere, und zwar jener mit dem inneren, dieser mit dem äußeren. Manchmal berührt der 5. Finger die Kugel gar nicht. Fers [98]: Legt man die Hand mit gestreckten und abduzierten Fingern auf ein Blatt Papier, so erscheint der Daumen nur mit seiner radialen Seite, die übrigen Finger aber mit ihrer palmaren Fläche abgedrückt. Bei normalen Individuen ist der Abdruck des Daumens der linken Hand breiter als derjenige des Daumens der rechten Hand. Betrachtet man aber die so gewonnenen Abdrücke von Idioten, so findet man am Daumen eine noch stärkere Verbreiterung, ja sie machen beinahe den gleichen Eindruck, wie wenn sie separat abge- druckt worden wären. Für die Opponierbarkeit folgt daraus, daß sie links weniger gut entwickelt ist als rechts, und daß geistig De- fekte sie in geringerer Vollendung besitzen als Normale. Die Untersuchungen über die Hautleistenfiguren dehnte Fre [’00a] auch auf die Affen aus, wiederum aber nur mit Berücksichti- gung der Endphalangen. Die Verbreitung des primären Typus und der ihm nahe stehenden Typen ist es, die er besonders festzustellen sucht. Während der Typus RAC—RPC (Fer£) oder WSVY—WBV (GALron), der sich dem primären Typus am meisten nähert, sich Morpholog. Jahrbuch. 33. 39 600 Otto Schlaginhaufen bei den geistig Entarteten in 11,62°/, fand, war er bei Schimpanse in 41°/, zu beobachten. Die Varietät des Typus AR—PR (FErE), SY—BV (GaArton), die die Epileptischen in 67,15°/, aufwiesen, zeigte Schimpanse nur in 38°/,. So interessant diese Zahlenverhält- nisse sich darstellen, so darf nicht übersehen werden, daß sie aus ungleichen Individuenzahlen gewonnen wurden; denn von Epilepti- schen untersuchte FEr&E [’91]) 182 Individuen, von Schimpanse stan- den ihm nur fünf Exemplare [’00a] zur Verfügung. Größeren Wert als diese Zahlen hat daher eine Tabelle [’00a, 263], in der die Typen und Varietäten für jedes der fünf Schimpanseindividuen genau eingetragen sind. Im speziellen Teil trete ich auf die darin ent- haltenen Einzelheiten ein. Der Arbeit sind eine Anzahl Abdrücke der Fingerbeeren von 29 Primatenspecies beigegeben. Wenn man die Schwierigkeit der Herstellung derselben in Betracht zieht, so muß man viele, namentlich diejenigen der größeren Individuen, als recht gelungen bezeichnen; andre aber sind wertlos, und namentlich zeigen die Abdrücke von Lemur catta und vom Ouistiti, daß diese Methode sich zur Feststellung des Hautleistensystems auf der ganzen Planta und Palma von Kadavern nicht eignet. Schließlich habe ich noch zweier Arbeiten Frr&£s ['00b und ce] zu gedenken, von denen die eine die Palma, die andre die Planta des Menschen zum Gegenstand der Untersuchung macht. Es sind das die ersten Abhandlungen, die Abdrücke ganzer Volae und Plantae enthalten. Die Resultate werde ich besser im Zusammenhang mit meinen eignen Beobachtungen anführen und hier lediglich feststellen, daß Frr& [’00e] der erste war, der die Leistenfigur auf der Ferse gefunden und abgebildet hat [Fig. 14 und 18]. Zwei weitere Autoren, welche die GALTonschen Untersuchungen nach der morphologischen Seite fortsetzten, sind HEPBURN und WILDER. . Ersterer unterzog Schimpanse, Orang, Ateles ater, Cynocephalus ba- buin, Cercopithecus niger, Cercocebus fuliginosus, Macacus eynomolgus, Oynocephalus mormon an lebenden Exemplären, sowie die Leiche eines Negers der Beobachtung [’95]). Neben der Unterstützung der Tastfunktion schreibt er namentlich derjenigen des Greifaktes die Bedeutung der Hautleisten zu. Für diesen Fall scheinen ihm die Zählungen der Tastkörperchen, wie sie durch A. KoLLMAnNn ['83, ’85] ausgeführt wurden, nicht ausschlaggebend, da mit der Abnahme der Tastkörperchenzahl nicht auch eine Abnahme der Zahl der Leisten einhergeht und die Stellen, auf die KoLLmAnn sein Augenmerk richtete, stets von patterns eingenommen waren. Die Beziehungen Das Hautleistensystem der Primatenplanta. 601 zur Lage der Schweißdrüsen, auf die GaLron ['92] aufmerksam ge- macht hatte, scheinen ihm darin zu bestehen, daß die Schweiß- sekretion während des Greifaktes leichter ausgeführt werden kann, wenn die Drüsen sich auf statt zwischen den Leisten befinden. Auf den Volae bzw. Plantae der genannten Species stellte HepBurn ['95, 529] drei Reihen von Erhabenheiten fest: 1) an jeder Phalanx, insbesondere an der terminalen; 2) drei Eminenzen, jeweilen eine oberhalb jedes Fingerinterstitiums, und 3) Thenar und Hypothenar. Für die Erforschung der Leisten scheint ihm die Berücksichtigung ihrer Richtung vor allem notwendig zu sein, und mit Bezug darauf stellt er den Satz auf, daß die Hautleisten parallel zur Längsachse eines zylindrischen Gegenstandes ziehen, der erfaßt wird. Was die patterns im speziellen betrifft, so hängt ihre Ausdehnung und Form von der Erhabenheit ab, auf der sie sitzen. Diese beiden Ergeb- nisse werden an Hand der schönen, stark vergrößerten Abbil- dungen der Abdrücke, deren Ausführung viel Mühe gekostet haben mag, noch näher beleuchtet. Indem ich die Einzelheiten der Be- handlung dem speziellen Teil überlasse, gehe ich zu einer Abhand- lung WıLveErs [’97] über, der unabhängig (Hepsurn [’97, 437]) zu ähnlichen Resultaten gelangt ist. Nach einem kurzen historischen Überblick, in dem jedoch nur MALriGHt, ALıx und GALToN erwähnt sind, ALıx aber — der die einzige systematisch durchgeführte Pri- matenarbeit auf diesem Gebiet publiziert hat — nicht nach Verdienst gewürdigt wird, stellt er folgende Fragen auf: »Are similar epidermie markings found upon the hands and feet of other Primates?« »Do they correspond to anything upon the feet of other Mam- mals?« Die erste Frage wird an der Hand eines /nuus und dreier Cebi behandelt. Zunächst stellt WıLver [’97] die gleichen Stellen fest, wo »patterns« auftreten, die HEPBURN [95] gefunden, und fügt die- sen noch den »accessory hypothenar« [S. 251] hinzu. In der Hand von Inuus sitzt jede Figur auf einer eircumscripten Erhabenheit. An der Pfote der Katze erfährt hierauf die zweite Frage eine Erörterung. Unter den vorhandenen Ballen fällt vor allem ein breiter auf, den WILDER als Verschmelzungsprodukt der drei palmaren deutet. Für diese Deutung, die KrLaArschH [’88] schon vergleichend-morpho- logisch begründet hatte, erbrachte nun WILDER noch Beweise aus der Embryologie, indem er an verschiedenen Stadien der Katze die Dreilappigkeit des »Carnivorenballens« zeigte. Eine fernere 39* 602 Otto Schlaginhaufen Abweichung bot der Daumen dar, weil infolge seiner Reduktion nur ein Ballen da war, den man verschieden deuten konnte. WILDER möchte darin eher einen terminalen Ballen sehen. Als wesentlichen Unterschied zwischen Hand und Fuß nennt dieser Autor die An- wesenheit eines zweiten Thenar hinter dem ersten und führt diese Erscheinung auf die Verlängerung des Fußes durch den Calcaneus zurück. Mit folgender Arbeitshypothese schließt WILDER die Ab- handlung: Bei primitiven Säugetieren durchzogen Epidermisleisten in parallelem Verlauf quer die Volarfläche. Infolge des durch die Be- rührung mit dem Erdboden hervorgerufenen Druckes traten die Tast- ballen auf, und zugleich nahmen die Leisten eine divergente Rich- tung an, während noch sekundäre Leisten mit schleifenförmigem und anderweitig unregelmäßigem Verlauf entstanden. Später brachte eine Hypertrophie der Epidermis die Leisten zum Verschwinden; nur den Primaten vermochte das arboreale Leben die Leisten zu erhalten. Auf die späteren Arbeiten WILDErs, die sich mit diesem Gegenstand befassen, werde ich eingehen, wenn ich die zeitlich vorher erschienenen Publikationen andrer Autoren besprochen haben werde. Gleichzeitig mit FEr& begann unabhängig von ihm D’ABUNDO 91] die Fingerabdrücke Degenerierter zu studieren, ebenfalls durch die Abhandlung GALTons [91 a] angeregt, welcher der VArIıGNYsche '91] Artikel noch mehr Verbreitung verschafft hatte. Er beobachtete die Hautleisten von Patienten, die an Idiotismus, Imbeeillität und He- miplegie durch Gehirnblutung krank waren. Von den Erstgenannten zeigten sieben Individuen jeweilen an allen 10 Fingern denselben Typus. Ein andres Individuum bot zwei Typen dar, von denen einer auf den rechten Daumen, der andre auf alle übrigen Finger fiel. Ähnliche Fälle mit zwei Typen verzeichnete D’ABUNDO mehrere. Die Vertreter der zweiten Gruppe Patienten wiesen vier auf, die an allen 10 Fingern nur einen Typus besaßen. Für die übrigen wurde diese Tendenz der Gleichheit der Finger mit Ausnahme von einem oder zwei Fingern, was am häufigsten Daumen-, Ring- und Klein- finger betraf, konstatiert. Weniger bestimmte Resultate scheinen für die Hemiplegiker herausgekommen zu sein. Mit einem Ausblick auf die Untersuchung von Verbrechern und die Anwendung der Finger- abdrücke in der gerichtlichen Medizin schließt diese Arbeit und bildet damit den Anknüpfungspunkt für eine spätere [’94], die die Fingerabdrücke von 140 Verbrechern behandelt. Untersuchungen über die Symmetrieverhältnisse, die ich speziell herausgreifen möchte, er- gaben für den Daumen in 44,1°/,, für den Index in 33,3%,, für den oe ee ee Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 603 Mittelfinger in 14,1°/,, für den Ringfinger in 34,1%, und für den kleinen Finger in 14,1°/, Asymmetrie. Ein Referat von GIUFFRIDA-RUGGERI [’97] führe ich nieht nur deshalb an, weil es in kurzem einen Überblick über die wesentlichste Literatur gibt, sondern weil ihm zwei Tafeln mit Originalabbildungen beigegeben sind. So interessieren die »sistemi interpolati« auf Thenar und Hypothenar, sowie die Wiedergabe von Beispielen des Symiaden- typus, des »tipo triangulare« und der »forme anomale«. Eine weitere ausführliche Arbeit liegt von den italienischen Autoren SAntE DE Sancrıs e P. ToscAno ['02] vor. An der wert- vollen Abhandlung ist nur zu bedauern, daß sie sich nicht der Garrtonschen Klassifikation ['91 a] bedient; im übrigen ist aber nicht einzusehen, warum für die alten PurkınJeschen Typen [23] andre Namen und zum Teil eine veränderte Einteilung gebraucht wird, zumal da sich die Autoren im Laufe der Arbeit doch dazu verstehen müssen, z. B. die Form »aperta« in normale »aperte« und »aperte- sempliei« zu trennen. Ebenso figuriert der Amygdalus in einer An- merkung als »eircolare-minima« [’02,75]. Wo die Spirula untergebracht ist, wird nirgends gesagt. DE Sancrıs e P. Toscano machten ihre Untersuchungen »su 40 faneiulli di una scuola elementare del Co- mune di Roma, su 40 frenasteniei dell’ Asilo-scuola per faneiulli de- fieienti poveri e su 23 fanciulli sordomuti del R. Istituto per sordo- muti di Roma, tutti piü o meno sviluppati nella intelligenza« [’02, 70]. Die Forma cireolare, elissoide und aperta werden als Formen von nor- malem, die Forma primaria, triangolare, cipollare, aperta-sempl. und irregolare als solche von anormalem Typus zusammengefaßt. In allen drei untersuchten Gruppen findet sich die Aperta (= Sinus obl. Pur- KINJE) am häufigsten, die Forma primaria (Stria transv. PURKINJE; pri- mary GALTON) am seltensten, und zwar nur bei den Frenastenikern in fünf Fällen. Die F. eipollare (= Simiadentypus KOLLMANN) war 2mal bei den Frenastenikern und 17 mal bei den Taubstummen, nie aber bei den normalen Kindern zu konstatieren. In allen drei Gruppen, aber noch in kleiner Zahl, fanden die Beobachter bereits die F. triango- lare (Stria longit. centr. PURKINJE). Häufiger stellte sich die irre- guläre Form ein, wozu DE Sancrıs e P. Toscano folgende Erschei- nungen zählen: »forme triangolari incerte, forme aperte asimmetri- camente disposte, eircoli piecolissimi o molto schiacciati ai poli, elissi situate di sbiego, vortiei multipli sempre pero appena accennati, forma di passaggio ecc.« [’02, 73]. Im Gesamtergebnis sind die normalen Formen bei den normalen Kindern in 73%), bei den 604 Otto Schlaginhaufen Frenastenikern in 52%, und bei den Taubstummen in 53,9%,, die abnormalen Formen bei den normalen Kindern in 21°,, bei den Frenastenikern in 44°, und bei den Taubstummen in 43,8%, verzeichnet. Beobachtungen über die Symmetrie ließen für die Frenasteniker und Taubstummen nicht eine spezifische Asymmetrie erkennen. Fälle mit sechs oder mehr anormalen Formen auf die 10 Finger eines Individuums fanden sich in 10°, bei den Normalen, in 52°/, bei den Frenastenikern und in 34°/, bei den Taubstummen. Die für die Verteilung des anormalen Typus gewonnenen Zahlen wurden nach der Richtung analysiert, um herauszufinden, in wie vielen Fällen die gleiche abnormale Form sich an sämtlichen 10 Fingern fand. Die Normalen zeigten vier, die Frenasteniker acht und die Taubstummen zehn solcher Fälle. Die Hälfte aller Fälle betraf die Aperta semplice, während die andre sich auf die übrigen Formen verteilte. So haben auch die Italiener mit einer Reihe von Autoren — MORSELLI, TAMBURINI, D’ABUNDO, GIUFFRIDA RUGGERI, DE SANCTIS und Toscano — an der Erforschung der Hautleisten mitgearbeitet, und wenn in der Literatur nur selten auf die Arbeiten von dieser Seite hingewiesen wird, so scheint mir das mit Unrecht zu geschehen. Die Materialien dieser Beobachter verdienen beachtet und in den Kreis der Vergleichung hereingezogen zu werden. Als morphologische Arbeit, die sich mehr den Ballen als den Hautleisten zuwendet und damit an die Untersuchungen WILDERS ['97] anschließt, nenne ich die Abhandlung von Jonnson [’99], die zum erstenmal die Entwicklungsstadien der menschlichen Tastballen mitteilt. An der Planta stellte der Autor längs der Linie der Meta- tarsophalangealgelenke vier, an der Palma drei hügelartige Erhaben- heiten (»mounds«) und an letzterer außerdem den Thenar fest. Auf Quer- und Längsschnitten derselben Föten, die aus dem 2. und 3. Monat stammen, umschreibt er die Form der Ballen noch schärfer. JOHNsoN erklärt sie als die Homologa der Tastballen der Säugetiere und erwähnt ihre direkte Beziehung zu den Hautleistenfiguren. Ausführlicher hat in neuester Zeit G. Rerzıus [’04a und b] den- selben Gegenstand behandelt und mit einer großen Anzahl vortreff- licher Figuren belegt. Auch er wird an die Ballen der Säugetiere erinnert: »Diese Hügel der embryonalen Menschenhand, welche als distale Metacarpalballen zu bezeichnen sind und die später v. A. beim Erwachsenen meistens verwischt werden und dann nur ge- wissermaßen spurenweise vorhanden sind, erinnern in hohem Grade Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 605 an das Verhalten bei verschiedenen Tieren, bei denen eben an dieser Stelle besondere Tastballen auch im erwachsenen Zustande in starker Ausbildung vorkommen« [’04b, 68). Die Abweichungen der Resul- tate Joansons von denjenigen des Rerzıusschen Werkes behandle ich in dem, den Tastballen gewidmeten Abschnitt. Für die Arbeit von STERN [’95] gilt zunächst das gleiche wie für diejenige von DE SAnNcCTIs und ToscAno [’02], nämlich daß Unter- suchungen, die sich über eine so große Individuenzahl erstrecken und infolgedessen unser Material wesentlich bereichern können, an Wert gewinnen würden, wenn sie nach Gaurton [’91a] klassifiziert oder wenigstens genau nach PURKINJE [23] eingereiht würden. Die Vereinfachungen, die an letzterer Klassifikation vorgenommen wur- den, scheinen mir keine Verbesserungen zu sein. Stellt man die Flexurae transversae und die Stria long. centr. in eine Kategorie zusammen, so müßte das konsequenterweise mit andern Formen, z. B. mit Ellipsis und Circulus noch weit eher geschehen. Es bil- den nun aber die Flexurae transversae gerade eine so typische und, wie aus dieser historischen Entwicklung zu ersehen ist, in der Lite- ratur viel besprochene Form, daß es mir nicht gerade angebracht zu sein scheint, sie mit einem andern Typus zusammenzufassen. Ferner ist mir nicht klar, was STERN [’95, 138] mit folgender Ver- änderung bezweckt: »Ferner entspricht unsre Bezeichnung ‚Schleife nach der Ulnarseite (Kleinfingerseite)‘ der ‚Stria obliqua‘ oben in Nr. 3 und unsre Bezeichnung ‚Schleife nach der Radialseite (Daumen- seite)‘ dem ‚Sinus obliquus‘ oben in Nr. 4.« Es dürfte kaum anzu- nehmen sein, daß er mit diesen Worten die Form, die PuRKINJE als Stria oblig. beschrieb, als »Schleife nach der Ulnarseite« be- zeichnen wollte; denn seine eignen eingehenden Beobachtungen mußten ihn ja lehren, daß sowohl die Stria oblig. als der Sinus oblig. ulnarwärts oder radialwärts geöffnet sein können. Wollte aber STERN Stria oblig. und Sinus oblig. in einen Typus zusammen- fassen und diese Gruppe in eine Abteilung mit ulnarwärts und eine solche mit radialwärts sich öffnender Schleife trennen, so hätte er in folgerichtiger Weise diese Trennung auch bei andern Typen durch- führen müssen. Zum Beispiel kann die Schleife, in der der Kern des Amygdalus liegt, sich bald nach der einen, bald nach der an- dern Seite öffnen. Ich mache diese Einwände deshalb, weil das wertvolle STERNsche Material so einer genauen Vergleichung ver- loren geht. Im Abschnitt über die Physiologie der Hautleisten sollen die physiologischen Untersuchungen STERNs ihre Würdigung finden. 606 Otto Schlaginhaufen Bedeutend ausgedehnter als die morphologische Literatur, die die Untersuchungen GALTONs zeitigten, ist die kriminell-anthropo- logische. Bald war es nur das klassifikatorische System, das noch weiteren Ausbau erfuhr, bald suchte man Methoden, um unbeab- sichtigte Fingerabdrücke aufzufinden, sichtbar zu machen und in der Strafrechtspflege zu verwerten. Von einigen Autoren wurde zunächst die neue Identifikationsmethode durch Referate den Vertretern des Strafrechts bekannt gemacht (Gross [’93], DAAE [’94], Wınpr ['03]). Andre, besonders Henry [’99 und ’00], GArson [’00] und VucErIcH [’01] machten sich um die Verbesserung des Systems verdient. Die Technik für das Sichtbarmachen latenter Abdrücke förderten FRECON [’89], Forgeor [91], Pranr [’00] und PAur [’03]). Neuerdings finden sich die Ergebnisse der gesamten »Fingerprintswissenschaft«, der »Daetyloscopie«, wie sie VucETIcH ['01] nannte, in Anleitungen (Vu- CETICH [04], Wınpr und Kopiczk [’04]) zusammengestellt, die haupt- sächlich zur Instruktion von Richtern und Polizeiorganen dienen sollen. Einen neuen Beweis für die Unveränderlichkeit der Hautleisten erbrachte WELCKER [’97], indem er an zwei 41 Jahre auseinander liegenden Abdrücken seiner Vola folgendes konstatierte: »Die Falten der Hohlhand werden mit zunehmendem Alter zum Teil breiter; hin und wieder tritt eine neue hinzu und ein oder das andre Riefchen, welches sieh früher vorfand, fehlt in dem mehrere Decennien spä- teren Abdrucke längs eines verbreiterten Fältchens. Dies stört aber, wie unsre Abbildungen zeigen, keineswegs die Sicherheit, die iden- tischen Feldehen und deren Riefehen wieder zu erkennen.« Hier möge auch kurz angedeutet werden, daß, seit die Bedeu- tung der Fingerprints erkannt war, die neue Identifikationsmethode mit der Bertillonage rivalisierte. Eine Reihe von Publikationen be- schäftigt sich daher mit dem Vergleich beider Systeme, so GALTON [’96b], Garson [’00a], Vucericn [’04], WILDER [’03]. Am Schluß der Übersicht über die kriminell-anthropologische Literatur sei noch bemerkt, daß WILDER insofern von andern Autoren abweicht, als er vorschlägt, Abdrücke ganzer Volae und Plantae zu nehmen. Mir scheint dies deshalb empfehlenswert zu sein, weil auf der großen Fläche einer Vola bzw. Planta sich mehr Anhaltspunkte für die Vergleichung finden, als auf der kleinen eines Fingerab- druckes und deshalb der Identitätsnachweis leichter und rascher zu erbringen ist. Aus unsrer historischen Darstellung ist zu ersehen, daß die Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 607 Forschungsriehtung, die Arıx [’68], Morseuuı [74] und KOLLMANN ['83, ’85] betreten hatten, in Vergessenheit geraten war, während das Studium der Fingerabdrücke um so eingehender betrieben wurde und sich immer mehr spezialisierte Um so mehr ist es zu be- grüßen, daß, nachdem sich auch Fürs [’00b, e, d] auf die Unter- suchung ganzer Volae und Plantae verlegt, WıLper [’02a] den Faden früherer Autoren wieder aufnahm, um Palma und Planta gründlich zu bearbeiten. GALTon ['92a, Pt. III) hatte bereits gezeigt, daß die Methode, von den dreieckigen Stellen ausgehend, die Hautleistenzüge in mehrere Bezirke abzugrenzen, auch auf den Handteller angewandt werden könne. WILDER hat nun nicht nur die Beobachtungen auf dem Handteller weiter ausgeführt, sondern auch auf die Planta übertragen und eine einheitliche Nomenklatur geschaffen. Während er die für die Anwendung in der kriminellen Anthropologie gewonnenen Resul- tate bereits publiziert hat ['03], so stehen andre Arbeiten von ihm selbst [‘04a! und b] und seinen Schülern (Wniıppte [’04])2 noch aus. Infolge dieses zunehmenden Interesses für die Epidermisleisten finden sich in neuerer Zeit in anatomischen Lehr- und Handbüchern “Abbildungen und Beschreibungen derselben (v. Brunn [’97, 2 und 3], HENLE-MERKEL [’01, 359, Atlas 266], SpaLrEHoLz [’03, 837—839], RAUBER [’03, 687)). Der Vollständigkeit halber komme ich noch mit einigen Worten auf ein ethnologisches Moment, den früheren Gebrauch und die Deu- tung der Hautleistenfiguren, zu sprechen. Schon GAaLron ['92, 24—26] stellt die ihm bekannten Fälle, wo Fingerabdrücke in China, Japan, Bengalen und bei den Negern der U. S. A. gebraucht wurden, zusam- men, glaubt aber, daß es sich gewöhnlich um Akte einer Zeremonie oder des Aberglaubens handle. Dem entgegen behauptet KumAGUsu MinakAtaA [’94, 199]: »I can now affırm that the Chinese in the twelfth or thirteenth century used the finger-prints, not only in di- vorce, but also in eriminal cases.«e Der gleiche Autor, der eine reiche auf den Fingerabdruckgebrauch bezügliche Literatur zitiert, erwähnt auch die Verwendung in Südindien. Über die Bedeutung der Hautleistenfiguren in der japanischen Chiromantie sagt MıurA [02, 14], daß je nachdem dieser oder jener Finger regel- oder un- regelmäßige Wirbel zeigt, dies auf Glück oder Unglück hinweise und besonders auch verschiedene Fähigkeiten des Menschen daraus 1 Einige Resultate dieser Arbeit konnten noch im a Al des speziellen Teils Aufnahme finden. 2 Diese Publikation konnte noch in einer Nachschrift berücksichtigt werden. 608 Otto Schlaginhaufen abgelesen werden. Ich selbst habe mir von Japanern sagen lassen, daß ‚vollkommene konzentrische Figuren auf den Fingerspitzen auf Klugheit hindeuten. Aus Amerika ist nur die von GARRICK MALLERY 93, 740, Fig. 1255] publizierte präcolumbianische, auf einen Felsen eingeritzte Zeichnung einer Hand bekannt, in der WILDEr [’02b, 41 und 42] ein genaues Auseinanderhalten der Gelenkfalten und Haut- furchen von seiten des Künstlers erkennen will. Zu den Beispielen, die GALTon [’92a, 26—27] für den Gebrauch der Fingerabdrücke in neuerer Zeit anführt, füge ich noch hinzu, daß nach Ranpı [’95, 388] als Ersatz für die Unterschrift auch in Bosnien die Fingerab- drücke in Gebrauch sind. Schließlich möge noch die Tatsache Erwähnung finden, daß durch die Untersuchungen Für&s, welche die Formen geistig Normaler und Degenerierter vergleichen, die Basis für eine moderne Richtung ge- schaffen wurde, welche Beziehungen zwischen Hautleistenfiguren und der Psyche feststellen will (FREUDENBERG [’00], MAAcK [’01)). Literaturverzeichnis. p’ABUNDo, ’91. Contributo allo studio delle impronte digitali. Archivio di Psichiatria. Pisa. —— ’94. 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III] ‚selbst nur auf die Vola, in neuerer Zeit WILDER [’02] auch auf die Planta des Menschen an. Die a a Rusta (üe- dreieckigen Stellen bezeichnet lung Zürich.) Die stark ausgezogenen Linien stellen WILDER [429] als »Triradiic«. die Hautfalten, are a su die Haut- Von ihnen gehen die Grenzlinien (»Lines«, WILDER), Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 613 welche jeweilen zwei Systeme (» Areas«, WILDER) voneinander trennen. In dieser Arbeit bediene ich mich unter Beibehaltung einiger Aus- drücke WıLpers folgender Nomenklatur (vgl. Fig. 1 mit Fig. 2): Für die Stellen, wo sich drei Systeme berühren, übernehme ich die Bezeichnung Triradii (a); die von den Ecken derselben ausgehen- den drei Linien heiße ich Radii oder Lineae terminales (d,,2s, ds). Das sind die Trennungs- linien zwischen je zwei Fig. 2. Hauptsystemen, von denen ich ein jedes als Agmen principale (c) beschreibe, während ich für die Fläche, die ein Agmen einnimmt, WILDERs Benennung Area gebrauche. Ich mache diese Unterscheidung zwischen dem Verlauf der Hautlei- 7 stensysteme und dem von \. ihnen eingenommenen Platz deshalb, weil bei verschie- denen Species prinzipiell gleich verlaufende Agmina prineipalia relativ verschie- den große Flächen der Vola oder Planta einnehmen kön- nen. Befindet sich inner- halb einer Area ein Trira- dius (d) oder sind sogar deren mehrere vorhanden, acacus nemestrinus F. Cuv. &, rechte Planta. Interpre- a ee secundarii, das betref- secundaria, f Figura tactilis. fende Agmen prineipale, in eine Anzahl Agmina secundaria (e, €, €). In der Beschreibung der Verlaufsrichtung der Agmina bediene ich mich außer der gebräuch- lichen Nomenklatur der Anatomie der Ausdrücke tibiodistal, tibio- proximal, fibulodistal usw. für Richtungen, die zwischen der trans- versalen und der longitudinalen liegen. Die erste Hälfte der Be- zeichnung sagt, nach welchem der beiden Seitenränder die Leisten hinstreben, die zweite, ob sie von diesem Wege in proximaler oder distaler Richtung abweichen. Zum Beispiel verlaufen die Leisten des 614 Otto Schlaginhaufen Agmen princeps (Fig. 2, S. 613c) in ihrem proximalen Teil in longi- tudinaler Richtung; auf der Mitte des Metatarsale II nehmen sie dann tibiodistale Richtung an, die sie bis an den freien Rand des ersten Interstitiums beibehalten. Hier endigen die mehr tibialwärts gelegenen Leisten (c,), während die fibularwärts davon ziehenden in die fibulodistale Richtung umbiegen (c,). 2) Ferner ist auf die Komplexe zu achten, die als komplizier- tere Leistenfiguren in den Agmina principalia eingeschlossen sind (Fig. 2. f). A. KoLLmann [’83] nannte sie »Tastballen«. Wenn sich nun schon diese Leistenfiguren in den meisten Fällen auf eircum- scripten Erhebungen der Palma und Planta oder auf Stellen be- finden, die den Tastballen der Säugetiere entsprechen, so halte ich es doch nicht für zweckmäßig, denselben Namen sowohl für die Erhebungen als auch für die Leistenfiguren anzuwenden. Die eng- lischen und amerikanischen Autoren heißen diese komplizierteren Leistenbilder »Patterns«, ein Name, der zuerst bei FauLps [’80, 605] zu finden ist und meiner Ansicht nach wohl für die Fingerabdrücke, nicht jedoch für die komplizierten Hautleistenzeichnungen an der Vola und Planta der Primaten und Prosimier im allgemeinen paßt. Ich nenne die Hautleisten da, wo sie zu schleifen-, wirbel-, kreis- föürmigen oder andern komplizierten Zeichnungen zusammentreten, Figurae tactiles (Fig. 2 f). Für die Figurae tactiles der Fingerbeeren des Menschen gab GALToN [’92, 64—88] eine vortreffliche Klassifikation, auf die ich im historischen Teil schon zu sprechen kam. Sie bezieht sich je- doch nur auf die Figurae tactiles der menschlichen Fingerspitzen. Deshalb lege ich für meine, die Vola und Planta der Primaten um- fassenden Untersuchungen folgende Klassifikation zugrunde, in die ich einige Bezeichnungen von PuRKINJE [23] übernommen habe. mmenne Schema zur Ableitung der Vorstadien der Figurae tactiles. «a Cristae paralleles, aı C. convergentes, as Ü. divergentes, az, as C. fusiformes, as Cuspis, as Bicuspis. Ich betrachte die parallel verlaufenden Linien, Cristae par- alleles (Fig. 3 A.a), als die einfachste Form und nehme sie zum Ausgangspunkt für meine ganze Einteilung. Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 615 Die primitivste Veränderung, die von dem parallelen Leisten- verlauf (Fig. 3 A, «) ausgeht, ist die Erscheinung der Konvergenz (a,), die infolge des näheren Zusammenrückens der Leisten mit einer Abnahme der Leistenzahl verbunden ist und diejenige der Diver- genz (a5), die eine Leistenvermehrung zur Folge hat. Es kann z.B. ein Agmen mit Cristae paralleles beginnen und mit Cristae convergentes oder divergentes endigen und dementsprechend auf seinem weiteren Verlauf entweder einen schmäle- Fig. 3 B. ren oder breiteren Raum ja einnehmen. Wennineinem / ei N Agmen die Leisten unter / N Vermehrung auseinander- / ‚ale a weichen, um nachher mit I; z der ursprünglichen Lei- stenzahl wieder zum par- g4 Di () gen () A Ü 0) allelenVerlaufzusammen- ae | 4 ' zuschließen, so haben wir eine spindelförmige An- ) Tr () er en n o r ordnung, Cristae fusi- formes, vor uns (a3 U. ay). os Geht die Konvergenz ur- ER: /) ) sprünglich parallel ver- laufender Leisten so weit, IN daß sie sich in einem Bl spitzen Winkel treffen, so | a nenne ich diese Bildung IE a | ) (Q Cuspis (a,) bzw. Bicus- “ AS y 2 I, pis, wenn diese Erschei- Schema zur Ableitung der Figurae tactiles. d Sinus prima- nung zu gleicher Zeitauch rn... ornis, @ B. Voekr f S. ealyeiformis tensus, 95. ec. curvatus, h S. ferriformis tensus, in der entgegengesetzten iS. ferriformis curvatus, k Pirum, 7 und m Amygdalam, » 5 S R ; Ellipsis tensa, o Ellipsis eurvata, p Circulus, q Sinus obli- Richtung auftritt (a3). Die quus tensus, » Sinus obliquus curvatus, s Vort. dup. tensus, bis jetzt erwähnten For- t Vort. dup. curyatus, « und v Genu rectilineum, » Genu A 4 e eurvilineum tensum, © G. c. curvatum, % Vortex falsus, z men sind noch keine Fi- Spirula tensa, zı Spirula curvata. gurae tactiles. Sie bilden nur Vorstadien dazu, die in der speziellen Untersuchung der Vola und Planta besonders sorgfältiger Beobachtung wert sind. Die Stufe einer Figur hat ein Leistenkomplex dann erreicht, wenn die Leisten zur Bildung einer Schleife zusammentreten, d.h. eine Figura tac- tilis muß mindestens einmal gefaltete Cristae aufweisen. Den Morpholog. Jahrbuch. 33. 40 616 Otto Schlaginhaufen einfachsten Fall stellt die (Fig. 3 2, 5, S. 615) einfache Schleife, Sinus primarius, dar; jeweilen zwei gerade, parallele Leisten vereinigen sich in einem Bogen. Von dieser primitiven Form lassen sich die komplizierteren Figurae tactiles ableiten, indem man verschiedene Bildungsrichtungen annimmt. Entweder treten Veränderungen an einem oder an beiden Schleifenschenkeln oder Crura sinus auf. Ist letzteres der Fall, so sind zunächst vier Hauptformen möglich: 1) Die Crura divergieren unter Beibehaltung ihrer geraden Form — Sinus eoniformis (c), bei stärkerer Divergenz gehen der Sinus tecetiformis (d) und die Flexura transversa (PURKINJE) daraus hervor (e). 2) Die Crura divergieren unter Aufgabe ihres geradlinigen Ver- laufs, indem die freien Enden wie der Rand eines Bechers sich nach auswärts biegen —= Sinus calyeiformis (f und g). 3) Die Crura konvergieren. Berühren sie sich nicht, so entsteht der Sinus ferriformis (% und ©). Wenn die Konvergenz so weit geht, daß sich die freien Enden in spitzem Winkel treffen, kommt eine Form zustande, die ich Pirum nenne (A), und geht von dem Vereinigungspunkt eine einheitliche Leiste aus oder berühren sich die beiden Crura nicht vollständig, sondern kommen sie sich nur sehr nahe, um von dort an parallel nebeneinander zu laufen, dann kommt prinzipiell das zustande, was PURKINJE ['23, 44] Amygdalus nannte. Ich ändere die Bezeichnung in das klassische lateinische Amygdalum (! und m). Hat die Vereinigung der Schenkelenden nicht unter einem Winkel, sondern in einem Bogen statt, so gelangt die Ellipsis tensa zur Entstehung, sofern die Crura in der Haupt- ausdehnung geradlinig bleiben (x). Durch Krümmung derselben nach außen leiten sich die gewöhnliche Ellipsis (PURKINJE) und der Circulus (PURKINJE) ab (o und p). 4) Die Enden beider Crura biegen nach derselben Seite um. Das kann vor sich gehen, indem die Crura in ihrer Hauptausdeh- nung geradlinig bleiben: Sinus obliquus tensus (g), oder indem sich die ganze Schenkelstrecke an der Krümmung beteiligt: Sinus obliquus (PURKINJE) (r). Aus der ersteren der beiden Figuren geht der Vortex duplicatus tensus (s), aus der letzteren der Vortex duplicatus (PuURKINJE) hervor (?). Nun ist noch der Figurae zu gedenken, die ihre Entstehung der Veränderung nur des einen Crus verdanken. Indem sich ein Schenkel vom andern entfernt, ohne sich zu krümmen, erhalten wir das Genu rectilineum (x), das durch das Variieren sowohl des ac. _ Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 617 Größenverhältnisses zwischen beiden Schenkeln als auch des Grades der Divergenz wiederum Modifikationen aufweisen kann (v). Ein Genu ceurvilineum haben wir dann, wenn ein Schenkel sich nach außen biegt (w und x). Aus dieser Form läßt sich durch weitere Veränderung des gleichen Schenkels eine Figur ableiten, die dem Vortex duplieatus ähnlich sieht, sich aber von diesem dadurch unter- scheidet, daß die beiden Crura nicht in ihrer ganzen Ausdehnung nebeneinander hergehen und daher auch nicht ein jedes beide Krüm- mungen mitmacht: Vortex falsus (y. Wenn die Veränderungen derart vor sich gehen, daß der betreffende Schenkel sich nach ein- wärts biegt, dann bildet sich als weitere typische Figur die Spirula tensa (deep spiral GALToN [’92, S. 77 und Pt. VIIL, 54)) (Fig.3 B, 2), aus der die eigentliche Spirale, Spirula (PURKINJE) hervorgeht (z,). In dieser Zusammenstellung sind alle typischen Figurenformen enthalten; indessen werden die einzelnen durch eine Menge von Übergängen verbunden oder durch die Weiterbildung in einer bestimmten Rich- tung modifiziert, und schließlich kombinieren sich gleichartige oder ungleichartige Figuren zu neuen. So kann der Vertex eines Vortex duplicatus nach Art eines Amygdalum gebildet sein, dann haben wir den Vort. dup. amygdaloides. Alle Figurae lassen sich in Figurae tensae und Figurae curvatae einteilen, und letztere sind von ersteren ableitbar. Der Sinus primarius, der für die übrigen Figuren den Ausgangspunkt bildet, ist ein Sinus tensus, d. h. eine langgestreckte Form, deren Schenkel geradlinig und parallel verlaufen. Aus ihr gehen zunächst die verschiedenen gestreckten Abkömmlingsformen hervor (Fig. 3 ce, f, h, n, g, s, w, w, y, 2), deren jede Figurae curvatae aus sich ableiten läßt. So unterscheiden wir einen Vortex dupli- catus tensus von einem V. d. curvatus, eine Ellipsis tensa von einer E. curvata usw., wobei ich zwar gewöhnlich das Beiwort »ceurvatus« wegzulassen pflege. In der speziellen Untersuchung werde ich zwischen Formae tensae und F. curvatae unterscheiden, um zu ermitteln, ob bestimmte Stellen der Planta von diesen oder jenen bevorzugt werden, und ob im Lauf der phylogenetischen Entwick- lung die eine Figurenart die andre an den entsprechenden Stellen verdrängt. Um Lage und Bau der einzelnen Figuren zu beschreiben, bediene ich mich folgender Nomenklatur: Der, beide Schenkel des Sinus verbindende Bogenteil heißt Scheitel oder Vertex (Fig. 4 a, S. 618), von ihm aus gehen die beiden Crura (c und d), die in der Cauda (b) 40* 618 Otto Schlaginhaufen enden. Ihre Verlaufsriehtung gibt die Achse (e), d.h. eine gerade Linie an, welche zwischen beiden Crura, parallel zum längsten geradlinigen oder nahezu geradlinigen Abschnitt derselben in der Art gezogen wird, daß sie den höchsten Punkt des Vertex schneidet (e). Sehließt der mehr oder weniger geradlinige Teil nicht direkt an den Vertex an, haben wir also den Scheitelabschnitt gegenüber dem übrigen Teil des Sinus abgeknickt (Fig. 6), dann kann die Achse den Vertex nicht schneiden, ohne daß sie die Knickung mit- macht: gebrochene Achse (Fig. 6 e—e,). Als Zentrallinie be- zeichne ich diejenige Linie, die, vom höchsten Punkt des Vertex aus- gehend, in der ganzen Ausdehnung des Sinus stets die Mitte zwischen beiden Crura hält. Im Sinus primarius fallen also Axis und Linea centralis zusammen, während letztere im Sinus obliquus erstere Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 4. Schema eines Sinus primarius. «a Vertex, 5 Cauda, c und d Crura, e Achse. Fig. 5. Schema eines Sinus obliquus. e Achse, / Zentrallinie. Fig. 6. Schema eines Sinus mit gebrochener Achse, e—eı. schneidet und sich caudalwärts immer mehr von ihr entfernt (Fig. 5 f). Die Richtung eines Sinus gebe ich mit den gleichen Ausdrücken an, deren ich mich für die Richtungsbezeichnung der Agmina bediente. Hat ein Sinus tibio-distale Richtung, so heißt das, daß seine Crura in dieser Direktion verlaufen und der Vertex somit nach der ent- gegengesetzten, also der fibulo-proximalen Richtung sieht. Die bei- den Crura unterscheide ich als Crus dextrum und Crus sinistrum, indem ich mir den Beobachter vom Vertex aus nach der Cauda blickend denke und den zu seiner Rechten liegenden Schenkel als C. dextrum (Fig. 4 c), den zu seiner Linken gelegenen als C. sini- strum (Fig. 4 d) bezeichne. Dementsprechend werde ich zuweilen, insbesondere wenn andre Bezeichnungen zu kompliziert würden, die beiden Seiten eines Sinus als rechte und linke anführen. Die ver- schiedenen Vertexformen ordne ich unter zwei Haupttypen ein, den Vertex eurvatus und den V. angulatus. Ersterer verbindet als Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 619 gleichmäßig gerundeter Bogen beide Crura, während in letzterem Falle die Verbindung durch eine mehr oder weniger gerade Linie hergestellt wird, die mit jedem Schenkel einen mehr oder minder scharf ausgeprägten rechten Winkel bildet (Fig. 7). Diese Linea communicans kann im Verhältnis zu der Schenkellänge groß oder klein sein und somit den Eindruck der Figur ändern (Fig. 7 g). Das gilt auch von dem Vertex curvatus, wo die durch den Bogen dar- gestellte L. communicans wegen ihres allmählichen Übergangs in die Crura in ihren Grenzen nicht so bestimmt festgelegt werden kann (Fig. 8). Fig. 7. Fig. 8. 9 9 A N Fig. 7. Schema eines Vertex angulatus mit langer unl mit kurzer Linea communicans g. Fig. 8. Schema zweier Vertices curvati. Bisher haben wir angenommen, die Figur bestehe aus lauter parallel nebeneinander verlaufenden Linien, also z. B. lauter inein- ander geschachtelten Sinus obliqui oder lauter Vortices duplicati usw. Tatsächlich trifft das jedoch selten zu. Die Linien, welche den Charakter der Figur, z. B. denjenigen des Sinus obliquus bestimmen, können in der Ein- oder Mehrzahl vorhanden sein. Ich nenne sie Faseieuli proprii (Fig. 9 A). Diese schließen in den meisten Fällen Fig. 10. Fig. 9. Sinus obliquus zur Demonstration der drei Arten Faseiculi. Fig. 10. Vortex duplicatus tensus, dem Vortex duplicatus curvatus sehr nahe gerückt. h Fascieuli proprii, © Faseiculi centrales, k Fasciculi peripherici, / Triradius, der durch Berührung der Systeme A, k und einem weiteren System m zustande kommt. > Bündel ein, die andern Figurentypus aufweisen, entweder eines der früher beschriebenen Vorstadien: Lineae paralleles, convergentes, cuspiformes usw. oder eine andre Figura tactilis: pirum, ellipsis, spirula usw. Diese eingeschlossenen Cristae, die GALToN [’92] mit dem Namen »Cores« belegt, heiße ich Fasciculi centrales (). Die Bündel, welche die Fascieuli proprii außen umgeben und sich 620 Otto Schlaginhaufen wiederum durch ihren differenten Verlauf von diesen unterscheiden lassen, sind die Fasciculi peripherieci (4). Alle drei Arten von Faseieuli besitzen nun in ihren spezielleren Verhältnissen Variationen, die im Kapitel über die »Minutiae« ganz kurz Erwähnung finden sollen. Eine ausführlichere Behandlung dieser Erscheinungen dürfte schon deshalb in dieser Arbeit nicht am Platze sein, da ihre starke individuelle Variabilität allein für die geringe vergleichend-morpho- logische Bedeutung spricht. Sofern sich vergleichende Untersuchungen innerhalb derselben Species bewegen, wie in ausschließlich anthro- pologischen Arbeiten, werden diese feineren Verhältnisse jedoch nicht unberücksichtigt gelassen werden dürfen. Das, was hier in bezug auf den Sinus gesagt wurde, läßt sich mit den sich von selbst ergebenden Modifikationen auch auf seine Abkömmlinge übertragen. In einem Vortex duplicatus tensus läßt sich mit Leichtigkeit die Lage der Achse bestimmen; aber es wird sich nicht immer entscheiden lassen, welche der beiden Krüm- mungen dem Vertex des ursprünglichen Sinus entspricht. Im all- gemeinen wird, wie es in der obigen Figurenableitung geschehen ist, derjenige der beiden Sinus, die zusammen den Vortex dupliecatus zu bilden scheinen, der ursprüngliche sein, der die größere Windungs- zahl zeigt (Fig. 10x, S 619). Je mehr sich der Vortex duplicatus der Figura eurvata nähert, um so weniger wird auch die Lage der Achse bestimmt werden können, und es gibt Fälle, wo dies, wie in man- chen Spirulaformen, nicht möglich ist. Daß die Ellipsis noch die Achsenlage deutlich angeben läßt, ohne mehr eine Unterscheidung zwischen Vertex und Cauda zuzulassen, erhellt aus der Betrachtung der Figur selbst. Der Cireulus erlaubt keine Orientierung. Spirulae und Vortices duplicati teilt man in rechts- und linksgewundene ein, wobei das zentrale Ende als Ausgangspunkt genommen wird. Je nach der Richtung, in der das zentrale Ende oder das periphere sieht, nenne ich den Ausgangspunkt des ersteren Puncetum cen- trale proximale, P. ce. fibulare, P. ce. tibiodistale usw., den Endpunkt des letzteren Punctum periphericum proximale, P.p. fib. usw. Auf einer Geraden, die quer und senkrecht zur Längs- achse durch das P. centrale gelegt wird, läßt sich auch die Anzahl der Windungen ablesen. Eine Figura tactilis wie sie in Fig. 11 dargestellt ist, bezeichne ich somit als Spirula eurvata mit drei Win- dungen nach rechts, proximalem Puncetum centrale und fibularem Punetum periphericum. Dieselbe Nomenklatur gilt auch für die Vortices duplicati mit der Änderung, daß stets zwei miteinander Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 621 verlaufende Linien, d. h. die beiden verlängerten Crura des ursprüng- lichen Sinus, die Stelle der einfachen Linie der Spirula einnehmen. Für Fig. 12, die einen Vortex duplicatus tensus darstellt, passen also auch die Bezeichnungen der Fig. 11. Damit schließe ich die allgemeine Beschreibung und Nomenklatur, die im speziellen Teil in Ausnahmefällen noch Ergänzungen erfahren wird, ab und gehe auf den dritten Punkt der Betrachtung über. 3) Die einzelnen Leisten für sich weisen feine Eigentümlich- keiten und die benachbarten Leisten Formbeziehungen zueinander auf, die GALToN [’92, 54] mit dem Namen »Minutiae« bezeichnet hat. Sie sind durch Formen repräsentiert, die in ihren Grundtypen sich in allen Speeies mehr oder weniger gleich bleiben, in bezug auf Anzahl, Größe und kleinere Formveränderungen aber so stark variieren, Fig. 11. Fig. 11. Dreimal rechtsgewundene Spirula curvata mit proximalem Punctum centrale und fibularem Punctum periphericum. Fig. 12. Vortex duplicatus tensus gleicher Natur. » entspricht dem ursprünglichen Sinus, aus dem der Vortex duplicatus durch Krümmung hervor- gegangen ist. daß hinsichtlich dieser Verhältnisse nie zwei Individuen sich gleich sind. Wie ich schon oben bemerkte, dürfte es dieser Grund als gerechtfertigt erscheinen lassen, wenn ich im speziellen Teil dieser vergleichend morphologisch-anthropologischen Arbeit nur insofern auf die Minutiae eingehe, als sie tiefer in den Charakter des Hautleisten- systems der betreffenden Species eingreifen, z. B. wenn eine be- stimmte Form in großer Zahl auf einer Vola auftritt, oder wenn sie gänzlich fehlt oder nur auf einen bestimmten Komplex beschränkt ist. In dasselbe Kapitel sind vor allem die Größendimensionen der Hautleisten einzuordnen. Was die Länge betrifft, so durchzieht in vielen Fällen dieselbe Hautleiste ohne Unterbruch die Planta von hinten nach vorn ganz oder teilweise, wie ich das bei Gorilla und Schimpanse für die Cristae konstatiert habe, die in der Mitte der 622 Otto Schlaginhaufen Planta verlaufen. Die Leisten können aber auch nach kurzem Ver- lauf enden und durch eine neu beginnende Leiste ersetzt werden die ihrerseits wieder bald schließt, so daß ein großer Teil eines Agmen sich aus lauter kleinen, vor- und nebeneinander laufenden Leisten zusammensetzt, z. B. in der Mitte der Planta von Hapale Jacchus. Leisten mit langem ununterbrochenem Verlauf können neben kurzen Leisten im gleichen Agmen derselben Planta auftreten, wie z. B. bei Macacus nemestrinus. Da in Agmina mit kurzen Leisten naturgemäß mehr Leistenenden auftreten, als in solchen mit langen, ist es möglich aus einer Zählung der Endigungen in gleichen Haut- flächen auf die Länge der Leisten zu schließen. In einem Gesichts- feld von 2,7 mm Durchmesser finden wir bei Gorilla unter 14 Leist. 1 Endigg. h in der Mitte der Meta- - Cercocebus fulig. - ER AME tarso-phalang.-gegend. Es sind die homologen Teile zweier Plantae zu vergleichen, da, wie nachfolgende Tabelle zeigt, an verschiedenen Stellen der gleichen Planta Leistenendigungen in verschiedener Häufigkeit und damit Leisten verschiedener Länge auftreten. v Macacus nemestrinus &: Leistenzahl: Endiggszahl: Mitte der rechten Planta 7 1 - - - - 7 2 Fibularwulst der rechten Planta 7 3 Distal von der Oppositionsfalte der rechten Planta 5 1 Endphalangen 5 2 Kurze Leisten treffen wir entweder an Stellen, wo das Leisten- system noch auf einem niedrigen Grad der Entwicklung steht, z. B. häufig an den Rändern der Planta, oder aber in Bezirken hoch ent- wickelter Leistensysteme, d. h. in den Figurae tactiles. In obiger Rubrik bin ich nun bereits auf eine andre Größen- dimension, nämlich die Breite der Leisten eingetreten. Das bloße Auge vermag zu erkennen, daß nicht nur die verschiedenen Species verschieden breite Leisten besitzen, sondern daß sogar an den ver- schiedenen Stellen der Planta die Leistenbreite eine verschiedene ist. In folgender Tabelle ist angegeben, wieviel Leisten der 2,7 mm lange Durchmesser des Gesichtsfeldes quer schneidet. Um auch Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 623 ermitteln zu können, ob und inwieweit die Zahlen nur von der Körpergröße abhängig sind, ist jeweilen auch die Plantarlänge des betreffenden Individuum notiert. Die Zählung wurde an allen Indi- viduen auf dem Fibularwulst des rechten Fußes vorgenommen: Länge der Planta. Zahl der getroff. Leisten. Macacus nemestrinus g' 170 em 6 Gorilla © 150 - ) Colobus vellerosus © 140 - 8 Cercocebus fuliginosus © 130 - 7 Anthropopithecus troglodytes 125 - 9 Gorilla Q jung 120 - 13 Cercopithecus talapoin © 55 - g Diese Zusammenstellung zeigt, daß mit der Längenabnahme der Planta nicht auch eine Abnahme der Leistenbreite bzw. eine Zu- nahme der Leistenzahl einhergeht. Z. B. weisen drei Species von verschiedener Plantarlänge, 150, 125, 85 die gleiche Zahl vom Durchmesser geschnittener Cristae, nämlich 9 auf. Dagegen zeigt die Vergleichung zweier Gorillaindividuen von verschiedenem Alter, daß bei Exemplaren der gleichen Species die Leistenbreite propor- tional mit dem Wachstum der Planta zunimmt bzw. die Zahl der durchquerten Leisten auf einer gleich großen Fläche des Fibular- wulstes abnimmt. Die Leisten sind ferner auf den verschiedenen Stellen ein und derselben Planta nicht gleich breit. So habe ich regelmäßig auf den Endphalangen feinere längsverlaufende Leisten getroffen als auf der übrigen Planta. Vielleicht aber ist diese Tat- sache identisch mit einem andern, die ich im allgemeinen stets kon- statieren konnte, nämlich, daß die Leisten da, wo sie in der Längs- ausdehnung der Planta verlaufen, feiner sind, als da, wo ihre Rich- tung quer dazu ist. An einer Planta von Cercocebus fuliginosus beobachtete ich folgendes: Zahl der Cristae an der Endphal. der III. Zehe: Längsverlauf 11 ie . Sa _ ae - : Querverlauf 7 Ein. - in der Mitte der Planta: Längsverlauf 10 - 0. = - distal vor der Oppositionsfalte: Querverlauf 8 Allgemein finden sich schmale Leisten in den Längszügen der Mitte und der Ränder der Planta, oft auch in den zwischen den 624 Otto Schlaginhaufen Metatarsophalangealen Figurae tactiles verlaufenden Längsbündeln und regelmäßig auf den Endphalangen. Die Figur des proximalen Drittels der Endphalanx eines Cercocebus fuliginosus (Fig. 13) zeigt am deutlichsten, wie die zahlreichen feinen Längsleisten (a) in der Nähe der Gelenkfurche in einige wenige breite Querleisten (5) über- gehen. Treten die Dimensionen einer Leiste in ein solches Verhältnis, daß die Länge die Breite gar nicht oder nur das zwei- bis dreifache übertrifft, so haben wir Inselbildung, eine Insula (Fig. 14 A, a und 17a). An manchen Stellen der Vola und Planta kommen die Inseln zahlreich, oft ausschließlich vor; z. B. an den Rändern von Vola Fig. 14.4. Fig. 13. Cercocebus fuliginosus Geoffr. Q, rechte Planta. Endphalanx der dritten Zehe. Die zahl- reichen Längsleisten a gehen in einige wenige breite Querleisten b über. 25 n. G. Fig. 14 4. Cercocebus fuliginosus Geoffr. ©, rechte Planta. Region der Articulatio metatarso-pha- langea II. «a Insulae, b Leistenende, ce Verbreiterung der Leiste. 25 n. @. und Planta, in der Nähe der Gelenkfalten und auf der Ferse. Beim Menschen findet man diese Erscheinung oft am seitlichen Übergang der palmaren in die dorsale Fläche der Finger, bei den Affen zuweilen längs der Medianen der Grund- und Mittelphalanx. Einer solchen Stelle eines Macacus neme- strinus F. Cuv. ist Fig. 14 B entnommen. Auf den meisten Insulae sieht man eine, auf an- dern zwei Schweißdrüsenkanäle ausmünden. So weit andre Formbildungen der ein- Macacus nemestrinus F. Cuv. 5, rechte Planta. Mediangegend der Mittelphalanx der dritten Zehe. Zahlreiche Insulae. Etwa 25 n. G. zelnen Leisten in Betracht kommen als die- jenigen, die durch das Verhältnis der Längs- und Querausdehnung hervorgerufen sind, werden sie zu einem großen Teil durch be- nachbarte Leisten bedingt. Beispielsweise werden an denjenigen Stel- len, wo Insulae auftreten, die beiden zur Seite gehenden Leisten etwas Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 625 eingeengt (Fig. 14.A) und anderseits werden da, wo eine Leiste mit spitzem Ende aufhört (Fig. 14A,b), die angrenzenden Leisten ent- sprechend breiter (ce). Als weitere Art der Formveränderung können eingeschobene Leisten auch die ganze Strecke der angrenzenden Leisten krümmen, oft ohne sie in ihrer Breite zu beeinträchtigen (Fig. 17). Eine andre Formeigentümlichkeit stellen die Verzweigungen, Bifurcationes dar, die je nach der Häufigkeit ihres Auftretens auf einer Hand- bzw. Sohlenfläche derselben oder einem ihrer Abschnitte einen eigentümlichen Charakter geben können. Die gewöhnlichste Art der Verzweigung ist diejenige, bei der die beiden Rami von der Teilungsstelle an nur durch eine Furche voneinander getrennt sind (Fig. 15a). In andern Fällen fassen sie eine neu beginnende Crista zwischen sich (). In bezug auf den letzten Fall sei bemerkt, daß, da die Leisten nicht in ihrer ganzen Breite, sondern in der Regel Fig. 16. Fig. 15. Gorilla gorilla Forbes Q, rechte Planta. Artieulatio metatarso-phalangea III. 10 n. G. Fig. 16. Schweizer, Ulnarrand der Daumenbeere. Nach einem Fingerabdruck. 4 n. G. mehr oder weniger zugespitzt beginnen oder endigen, die sie umgrei- fenden Rami auch dementsprechend gewöhnlich nicht plötzlich son- dern allmählich auseinanderweichen. Diese können in beiden Fällen dauernd getrennt bleiben oder aber sich wieder vereinigen. Bei kleiner Trennungsstrecke heiße ich im letzteren Fall die Figur Oculus. Auf der Strecke ihrer Trennung sind sie wiederum entweder nur durch einen Suleus (Fig. 16a) oder durch eine längere oder kürzere Insel getrennt. Zwei Leistenenden, die sich begegnen, können ent- weder aufeinander treffen oder sich ausweichen. Trifft ersteres zu, so hören die beiden Leisten gewöhnlich mit einander entsprechenden abgeschrägten Enden auf (Fig. 17c und d), weichen sie aus, so tut das in den einen Fällen nur das eine, während das andre in gleicher Richtung weiter läuft (Fig. 18.«), in den andern weichen sich beide gegenseitig aus (b. Was ich hier über die Minutiae gesagt habe, hat für die Cristae cutaneae im allgemeinen Gültigkeit; für die Otto Schlaginhaufen Fig. 17. Japaner, rechter Daumen; nach Abdruck. 8 n. G. Fig. 18. Chinesin, linker Daumen; nach Abdruck. 4 n. G. Fig. 20. I A 108 N SS Fig. 19. Macacus nemestrinus F. Cuyv. 5. Triradius auf dem Fibularwulst der rechten Planta. 4 n. G. Fig. 20. Deutscher, vierter Finger der rechten Hand. Endphalanx. 6 n. G. Fig. 21. Fig. 22. Fig. 23. 0) NS = | a 3 N IR Eu II Fig. 21. Macacus nemestrinus F.Cuv. 5. Triradius auf dem Fibularwulst der rechten Planta. 8n.G. Fig. 22. Papio babuin Forbes 5. Triradius auf der rechten Vola, Hypothenar. 10 n. @ Fig. 23. Joruba-Neger 53. Triradius auf der Endphalanx des vierten Fingers. 6 n. G. 39 159) or Fig. 24. Fi > G: —— Macacus maurus F.Cuy. &. Triradius zwischen Artieulatio metatarso-phalangea II und III. 6. n. G. Triradius suf der Endphalanx des dritten Fingers links. Fig. 24. Fig. 25. Schweizer. 62.6. Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 627 Stellen, wo diese Triradii oder Figurae tactiles bilden, sind wieder spezifische Einzelheiten zu beobachten, die in ihren überaus mannig- fachen Variationen zu beschreiben, jedoch aus früher schon darge- Fig. 26. Fig. 27. A NEN KR PEN Er FR wa re KL SS ze: > ER N / % 7% / N = £ ER EN S >. a \ I ET / Fig. 26. Cercopithecus tolapoin Erxleb. ©. Triradius am Tibialrand der rechten Planta. 10.n. G. Fig. 27. Cercocebus fuliginosus Geofir. ©. Triradius zwischen III. und IV . Articulatio metatarso- phalangea der rechten Planta. Sn. @. Fig. 28. Fig. 29. A Fig. 28. Graubündner. Triradius auf der Endphalanx des ?2. Fingers der rechten Hand. 6 .n. G. Fig. 29. Singhalese. Triradius auf der Endphalanx des 4. Fingers der linken Hand. 6 .n. G. Fig. 30. Joruba-Neger. Triradius auf der Endphalanx des 5. Fingers der linken Hand. 6 .n. 6. Fig. 31. Joruba- ER Triradius auf der Endphalanx des 4. Fingers der linken Hand. 6 n. G. tanen Gründen nicht in den Rahmen dieser Arbeit fallen kann. Ich begnüge mich daher damit, einige oft beobachtete Formen darzu- stellen und eine Einteilung derselben zu versuchen. Die einfachste und klarste Form eines Triradius ist die, bei der die drei Radii, welche zugleich die Lineae terminales der drei 628 Otto Schlaginhaufen angrenzenden Agmina vorstellen können, in einem Punkt zusammen- fließen (Fig. 19). Nehmen die Radii an Länge mehr oder weniger gleichmäßig ab, so erhalten wir eine Modifikation, wie sie Fig. 20 zeigt. Diese Reduktion kann nur an einem (Fig. 21) oder an zwei Radii vor sich gehen und bei letzterer Annahme an beiden gleich (Fig. 22) oder ungleich (Fig. 23). Als letzter Überrest dieses Vor- ganges ist die rundliche Insel anzusehen, die ich sehr oft sowohl bei Affen (Fig. 24) als beim Menschen (Fig. 25) das Zentrum der Triradii einnehmen sah. Auch dann wird das Bild des Triradius aufgelöst, wenn ein Suleus (5) einen Radius teilweise (Fig. 26) oder ganz (Fig. 27) von den übrigen beiden abschneidet. Den zweiten häufigen Typus bildet ein dreieckiger Suleus, dessen Seiten von einer zusammenhängenden Crista begrenzt werden. Von den drei Fig. 32. Fig. 33. Fig. 32. Singhalese. Triradius auf der Endphalanx des 3. Fingers der linken Hand. 6n.G6. Fig. 33. Franzose. Triradius auf der Endphalanx des 2. Fingers der rechten Hand. 6.n. G. Ecken aus geht je ein Radius (Fig. 30). Die Genesis dieser Form läßt sieh vielleicht durch folgende drei Stadien belegen, die ich den Fingerabdrücken dreier Individuen verschiedener menschlicher Rassen entnehme. In einem Fall kommen die drei Radii mit freien Enden zusammen, indem diese bereits die Richtung der künftigen Dreiecks- seiten annehmen (Fig. 23). Auf einem weiteren Stadium ist an zwei Stellen bereits die Verschmelzung und damit die Bildung zweier Ecken vor sich gegangen, während ein Radius noch frei endigt (Fig. 29). Darauf folgt das schon beschriebene, fertige Stadium (Fig. 30), und in Fig. 31 ist an einer Ecke schon eine Längenreduk- tion des Radius eingetreten. Die dritte Triradienart wird nicht durch die Cristae, sondern durch die Sulei gebildet, indem diese die zuerst genannte, einfachste Form darstellen und zu beiden Seiten ununterbrochen von Leisten eingefaßt werden (Fig. 33). Fig. 32 zeigt einen Triradius, der ein Übergangsstadium zu dem eben beschriebenen ist. Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 629 Noch mannigfaltiger gestalten sich die Minutiae der Figurae tactiles. Der Verlauf der Fascieuli proprii zeigt vom typischen Sinus primarius mit langer Linea communicans bis zum elegant geschwun- genen Sinus obliquus eurvatus alle Übergänge. Zwischen den Linien der Faseciculi proprii zeigen sich stets frei endigende Cristae ein- geschoben, die die übrigen Leisten nur streckenweise, und zwar im Bereich der Crura, begleiten und somit nicht zur Bildung der Ver- texkurven beitragen (Fig. 34«). Zählt man also die Cristae, welche die transversale Achse des Sinus schneiden und ebenso diejenigen, die die Längsachse schneiden, d. h. sich zu Vertexkurven verbinden, so wird nach dem eben Gesagten die erste Zahl nicht genau das Doppelte von der zweiten ausmachen, wie von einem idealen Sinus zu erwarten wäre, sondern gewöhnlich mehr, entsprechend dem Über- schuß an frei endigenden Leisten ie der Cruralgegend. Ein Vergleich Fig. 34. Fig. 35. Fig. 34. Cercopithecus talapoin Erxleb. ©. Figura tactilis auf dem Tibialwulst der rechten Planta. 4 n. G. Fig. 35. Polin. Figura tactilis von’der Endphalanx des 1. Fingers der linken Hand. 4n.G. Nach einem Abdruck mit unwesentlichen Veränderungen wiedergegeben. zwischen Fig. 34, die einen Sinus mit zahlreichen eingeschobenen Linien darstellt und Fig. 35, die den idealen Verhältnissen nahe kommt, läßt außerdem erkennen, daß im ersten Fall der Sinus in transversaler Richtung sich ausdehnen und somit vor allem die Linea communicans an Länge zunehmen muß. Der Sinus der Fig. 34 zählt in transversaler Richtung 28 Cristae, von der longitudinalen Achse werden am Vertex 4 geschnitten. Da in einem idealen Sinus jede der ineinander geschachtelten Sinuslinien von der Transversalachse doppelt getroffen wird, ist die Anzahl der von dieser Achse durch- querten Cristae durch zwei zu teilen und erst dann mit der Zahl der von der Längsachse geschnittenen Vertexkurven in Beziehung zu setzen, um das Überwiegen der einen Zahl gegenüber der andern und damit die Summe der eingeschobenen Leisten festzustellen. Für 4x 100 den vorliegenden Fallistfolgender Index aufzustellen: 14 —28,97; 630 Otto Schlaginhaufen für Fig. 35 würde gelten: ———- — 83,33. So ist aus der Größe der Zahl zu ersehen, wieviel der mit den Crura parallel laufenden Leisten sich zu Vertexkurven zusammenschließen. Der ideale Zustand, in dem die Figura aus lauter ineinandergeschachtelten Sinuslinien besteht, wird durch die Indexzahl 100 ausgedrückt. Sie wird beim Menschen nicht nur erreicht, sondern sogar sehr oft überschritten, indem dort die Einschiebungen neuer Linien weniger in der Gegend der Crura als in derjenigen des Vertex stattfindet; d.h. wir haben eine Reihe von Vertexkurven, die sich nicht in Crura fortsetzen. Es wird die Aufgabe einer speziellen Untersuchung sein, diese Zahlen für bestimmte Stellen der Planta und in den verschiedenen Species zu ermitteln, um nachher durch Vergleichung herauszubringen, wie sich diese Verhältnisse durch die Primatenreihe ändern. Schließ- lich möchte ich noch darauf aufmerksam machen, daß es Fälle geben kann, wo der Index nicht ein absolut genaues Maß für das Ver- Fig. 36. Fig. 37. Sn ER. fe Fig. 36. Togo-Weib. Figura tactilis am Fibularrand der linken Planta.. 5 n.G. f.c Faseiculi centrales, Fig. 37. Macacus maurus F. Cuv. $. Tibiodistalwärts gerichteter Vertex eines Vortex duplicatus über der Articulatio metatarso-phalangea V der rechten Planta. 5 n. G. .c Fasecienli centrales. hältnis zwischen frei endigenden und geschlossenen Linien gibt, wenn sowohl in der Region des Vertex, wie in derjenigen der Crura, Cristae eingeschoben sind, wie in Fig. 35, wo von der transversalen Achse die Linie x, von der longitudinalen die Linie 4 geschnitten wird. Die Fehler, die dadurch entstehen können, sind jedoch kleine; so würde sich im vorliegenden Fall bei Elimination der zwei Linien die Indexzahl von 83,33 auf 80,00 verschieben. In das Kapitel der Minutiae gehört ferner die Unterscheidung der Faseiculi proprii von den Fasciculi centrales (s. S. 619). In Fig. 35, wo die innersten Cristae in ihrem Verlauf den übrigen durchaus gleich- Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 631 kommen, gibt es eine solche Trennung nicht. Da aber, wo der innerste Sinus von andern Linien erfüllt ist, wie in Fig. 36 und 37, benenne ich diese eingeschlossenen Cristae als Faseieuli centrales. Sie sind am häufigsten durch mehr oder weniger geradlinige Leisten repräsentiert, die bald blind endigen (Fig. 37), bald am Vertex mit der innersten Sinusleiste zusammenhängen (Fig. 36). Ist letzteres zu beobachten, so wird die betreffende Sinuslinie mit zu den Fas- cieuli centrales gezählt. Ebenso ist der innerste Sinus diesen zu- gehörig, wenn er sich durch andre Eigentümlichkeiten auszeichnet, z. B. durch das Vorhandensein von Oeuli (Fig. 38), durch besondere Verzweigungsformen (Fig. 39), durch augenfällige Längendifferenz zwischen den beiden Crura (Fig. 40) usw. Gaurton [’92] bezeichnet Fig. 38. Fig. 39. Fig. 40. rn | I fe Fig. 38. Graubündner. Figura tactilis von der Endphalanx des 4. Fingers der linken Hand. 4n.G. Fig. 39. Deutscher. Figura tactilis auf der Endphalanx des 3. Fingers der linken Hand. 4n.G. Fig. 40. Schweizer. Sinus obliquus auf der Endphalanx des 2. Fingers der rechten Hand. 4.n.G. | f c Fe diese Fascieuli centrales als »Cores« und bildet 15 Typen ab [’92, Pt. VIII, 14. Ziehe ich die hauptsächlich vorkommenden gerad- linigen Fascieuli centrales in Betracht, die Gauron [Pt. VIII, 14] als »Rods« bezeichnet, so scheinen sie mir in eine andre Kategorie eingereiht werden zu müssen, je nachdem sie mit dem Vertex des innersten Sinus in Verbindung stehen oder nicht, um so mehr als nach meinen Beobachtungen in dieser Hinsicht Unterschiede zwischen den verschiedenen Stellen der Planta und auch solche zwischen den ver- schiedenen Species, wenigstens deutlich zwischen dem Menschen und den übrigen Primaten zu konstatieren sind. Die Vergleichung von 14 Figuren des Menschen mit 14 Figuren verschiedener Affen, die alle geradlinige Fascieuli centrales aufwiesen, ergab, daß unter den ersteren nur in drei, unter den letzteren in neun Fällen Verbindung mit dem Vertex des innersten Sinus vorhanden war. In der hier Morpholog. Jahrbuch. 33. 41 632 Otto Schlaginhaufen beobachteten Gruppe zeigt sich also beim Menschen die Verbindung mit dem Vertex seltener als bei den Affen. Werden die Fälle nach den homologen Stellen an der Vola bzw. Planta gruppiert, so ver- teilen sie sich folgendermaßen: Mit Verbindung. Ohne Verbindung. Endphal. Andre Stellen. Endphal. Andre Stellen. Mensch: 2 (1 Eur. + 1 Neg.) 1 (Neger) 7 4 Affen: 6 3 1 4 Somit kommt die Verbindung im Vergleich zum Menschen weit häufiger bei den Affen (Fig. 41, 42, 43) und hier mit einer verschie- denen Anzahl gerader Linien vor. Fig. 41. Fig. 42. Fig. 43. Fig. 41. Macacus nemestrinus F. Cuv. 5. Figura tactilis auf der Endphalanx der 4. Zehe. 10.n. G. Fig. 42. Anthropopithecus troglodytes Flow. et Lyd. ©. Figura taectilis auf der Großzehenendpha- lanx der linken Planta. Fig. 43. Ateles ater F. Cuv. &: Figura tactilis auf dem Carpalballen der linken Vola. Diese drei Figuren sind nach Abdrücken vergrößert. Leichter als die Abtrennung der Fascieuli centrales ist diejenige der Fascieuli peripheriei, da sie sich gewöhnlich mit noch einem dritten kleinen System in einem Triradius treffen, wie das bei den meisten Fingerbeerensinus des Menschen der Fall ist. Daß auch die übrigen Figurae tactiles diese Eigenarten, wie sie am Sinus beobachtet wurden, in mehr oder weniger ursprüng- licher Gestalt aufweisen, je nachdem sich die betreffende Figur direkter oder indirekter vom Sinus ableiten läßt, mögen einige Figuren zeigen (Fig. 44, 45 und 46). Betreffend der Spirula tensa möchte ich hervorheben, daß parallel zu ihren Crura viele einfache Linien oder sogar schmale gestreckte Sinus den Platz ausfüllen können, so daß eine Figura zustande kommt, die GALToN [’92, 77] als »Deep spiral« folgendermaßen charakterisiert: »Sometimes having a large Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 633 core filled with upright and nearly parallel lines; occasionally they are bulbous, and resemble the commoner ‚monkey‘ type.« Ich erwähne diese Beschreibung der Deep spiral deshalb, weil darin die Charakteristik einer Form des A. KoLzmAnnschen Längsreihen- oder Simiadentypus [’83] enthalten ist. Was hier aber GALToN an der gestreekten Form der Spirula beobachtet bat, wird man in einer großen Sammlung von Fingerabdrücken bei allen Figurae, die ich oben als Figurae tensae beschrieben habe, feststellen können, d.h. wir werden nicht nur an den Spirulae tensae, sondern auch an den meisten Sinus primarii, Vortices duplicati tensi, ellipses t., Vortices Fig. 44. Fig. 45. Fig. 46. Fig. 44. Schweizer. Spirula auf dem Großzehenballen der rechten Planta. 5 n. @. Fig. 45. Deutscher. Amygdalum auf der Endphalanx des 4. Fingers der linken Hand. 5 .n. G. Fig. 46. Deutscher. Vortex duplicatus auf der Daumenbeere der linken Hand. 5.n. G. In diesen drei Figuren sind die Fascieuli proprii schwarz, die Faseieuli centrales schraffiert gehalten. duplieati falsi t. usw. zwischen die gestreckten Partien einfache oder zu schmalen Sinus f. oder Spirulae t. vereinte Oristae einge- schoben finden, welche den gleichen Gesamteindruck machen, wie die Deep spiral. Es ist deshalb nicht gerechtfertigt, diesen Typus als neuen den übrigen anzureihen, wie es KoLLMANN ['83, 75] tut, sondern es handelt sich um eine Modifikation — vielleicht darf ich hier schon sagen in vielen Fällen ein phylogenetisches Stadium —, das manche der Figurae curvatae einst als Figura tensa durchge- macht hat, und in welcher jede der Purkınseschen Figuren noch beim Menschen zuweilen auftreten kann. Ohne den Ausdruck Si- miadentypus gerade verwerfen zu wollen, könnte ich ihn bloß als Bestandteil einer Bezeichnung acceptieren. Es müßte also z. B. eine Figur als Simiadentypus des Vortex duplicatus, als Simiadentypus der Spirula bezeichnet werden, was umständlicher ist, als die von 41* 634 Otto Sehlaginhaufen mir vorgeschlagene knappe Nomenclatur: Vortex duplicatus tensus, Spirula tensa usw. Ich bin in diesen letzten Zeilen auf Formen zu sprechen ge- kommen, zu deren Charakteristik ich zunächst von den Minutiae ausgehen mußte, um ihre Beziehungen zu den Figurae tactiles klar- zulegen, und wenn ich noch erwähne, daß dieser Simiadentypus sich oft einem ganzen Agmen princeps mitteilen kann, so dürfte ich, um dieses Kapitel zu schließen, ein Beispiel dafür gegeben haben, daß in vielen Fällen die drei, beim makroskopischen Studium der Cristae eutaneae in Betracht fallenden Faktoren: Agmina prin- cipia, Figurae tactiles, Minutiae, nicht nur jeder für sich getrennt, sondern auch in ihren wechselseitigen Beziehungen untersucht werden müssen. Mikroskopische Betrachtung der Hautleisten. Die mikroskopischen Verhältnisse der Hautleisten, zu deren Dar- stellung ich zunächst die Fingerhaut eines Macacus cynomolgus wählte, untersuchte ich auf Quer-, Fiächen- und Längsschnitten. Auf dem Querschnitt (Fig. 47) erscheinen die Cristae (d) als breite Erhebungen der oberen Grenze des Stratum corneum (a), die durch Einsenkungen voneinander getrennt sind. Diese, die Querschnitts- 4 £ En L Dr ED B e 02.850925 2, a TH an j. 33% SR] Ber —-— 0< 209 ! & I . (4 RZ OEBD 4 4 nr 7 d’ 9 4 9 e, Macacus eynomolgus Anderson. Querschnitt durch die Endphalangenhaut. a Stratum corneum, 5 Str. Malpighii, ce Corium, d Crista, e Suleus, e Falte, f leichte Einbuchtung an der Stelle der Schweiß- drüsenmündung, g Drüsenleiste, k Coriumpapillen, m Schweißdrüsenkanal, p längsziehende Binde- gewebsbündel im Querschnitt getroffen, q aufsteigende Bindegewebsbündel. 40 n. G. Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 635 bilder der Sulei (e), verschmälern sich nach unten zu und schließen mit runder Kontur ab. Auf der Erhebung ist zuweilen eine kleine Delle (f) zu bemerken, die der Mündung der Schweißdrüse entspricht. Dieser Linie alternierender breiter Erhebungen und schmälerer Ein- senkungen laufen alle Schichten des Stratum corneum (a) parallel, nur daß die Einsenkung mit jeder tieferen Schicht sich nach unten mehr zuspitzt, so daß die Grenzlinie zwischen Str. eorneum und Str. Malpighii keilförmige Einsenkungen (e,) aufweist. Eine wesent- liche Veränderung sehen wir an der Grenze zwischen Str. Malpighü und Corium. Unterhalb e, senkt sich ersteres wiederum ein (e); unterhalb d, jedoch ist nicht eine entsprechende Erhebung, sondern eine zapfenartige Vortreibung (g) des Str. Malpighii gegen das Corium zu beobachten. An ihrer abgerundeten Spitze kann man zuweilen den Durchtritt eines Schweißdrüsenkanals (m) bemerken. Diese Bildung (g) dringt weiter gegen das Corium vor als die Einsenkung €. So scheint auf dem Querschnitt das Corium zwischen je zwei Prominenzen g bis zur Höhe A je eine einheitliche Erhebung zu bilden. Diese läuft in zwei kleine Erhabenheiten aus, die die Ein- senkung e, zwischen sich fassen. Eine Schnittserie zeigt, daß g und e, nicht als isolierte Zapfen, sondern als Leisten des Str. Mal- pighii gegen das Corium vorspringen; g hat BLAscHKo [’87, 503 und 504] »Drüsenleiste« genannt, da sie von Schweißdrüsengängen durchbohrt wird, e, hieß er »Falte«, weil sie einer Einfaltung sämt- licher Schichten der Epidermis entspricht. Auch der einheitliche, bis zur Höhe % reichende Abschnitt der Coriumerhebung stellt sich als eine Leiste (v) dar. Die beiden ihr aufsitzenden Kegel (4) sind aber zapfenförmige Coriumfortsätze. Dieses Verhalten läßt sich wie- derum durch die Musterung von Serien erkennen, in denen wir auf Querschnitte treffen, wie z. B. Fig. 48, S. 636 einen zeigt. Dort sehen wir links noch Falten (e&) und Drüsenleisten (g) regulär alternieren, während rechts die Falten zu fehlen scheinen, indem von g zu g eine Retebrücke geht, welche sich bis zur Höhe A senkt. Es sind also zwischen Falten und Drüsenleisten von Zeit zu Zeit Quer- leisten (2) ausgespannt, welche die Coriumzapfen begrenzen helfen. Deutlicher dürften das indessen Flachschnitte demonstrieren. In Fig. 49, wo wie in den Fig. 48 und 50—55 der Übersichtlichkeit halber das Str. Corneum schraffiert, das Str. Malpighii schwarz und das Corium weiß gehalten ist, ist der Schnitt so geführt, daß er nach der rechten oberen Ecke tiefer coriumwärts greift als links unten. Daher trifft er links im Bereich der Epidermisfalte noch 636 Otto Schlaginhaufen das Str. Corneum in Form eines gegabelten Zuges, der eine in ihrem oberen Teil geschnittene Drüsenleiste (y,) umfaßt. Sie ist als solche Fig. 48. Macacus cynomolgus Anderson. Schema eines Querschnittes durch die Endphalangenhaut. Das Stra- tum corneum ist schraffiert, das Str. Malpighii schwarz, das Corium weiß gehalten. Z Querleisten, o seitlicher Fortsatz der Drüsenleiste. Übrige Benennungen wie Fig. 47 und 49. 35 n. 6. Fig. 49. Macacus cynomolgus Anderson. Schema eines Flachschnittes durch die Endphalangenhaut. «a Stra- tum corneum, e Falte, yı im oberen Teil geschnittene Drüsenleiste, © Coriumleiste, k Coriumzapfen, ! Querleisten, m Schweißdrüsenkanal, » im unteren Teil geschnittene Drüsenleiste, o seitlicher Fort- satz der Drüsenleiste. Etwa 24 n. G. Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 637 an den Drüsenkanälen (m) zu erkennen. Weiter nach rechts kommen an Stelle der Hornschichtstreifen Keimschichtzüge (e,) zu liegen, d.h. BrLascHKos Falte. Zwischen dieser und den Drüsenleisten findet sich eine Reihe von Querleisten (l), zwischen denen die Corium- zapfen (A) sichtbar werden. In der rechten Hälfte der Figur, d.h. je tiefer der Schnitt geht, desto mehr nimmt die Falte an Breiten- ausdehnung ab, um schließlich vollständig der Coriumleiste (z) Platz zu machen. Hand in Hand damit geht eine Reduktion der Quer- leisten (2), indem sie sich von der Falte zurückziehen, dann nur noch als Fortsätze der Drüsenleiste erscheinen, und nachher ver- schwinden (x). In der Reteinsel o wurde ein Fortsatz angeschnitten, wie ihn Fig. 480 im Querschnitt zeigt. Eine andre Methode, diese Befunde klar zu legen, ist die Betrachtung von Flächenbildern, sei es der gegen die Epidermis sehenden Coriumoberfläche, wie EnGEL '56] vorging, sei es der an das Corium grenzenden Fläche des Str. Malpighii, welche Untersuchungsweise BLAsSCHKo [’87] einführte. Ich habe die mikroskopischen Verhältnisse, soweit sie für den Bau der Hautleisten und -furchen von Interesse sind, so ausführlich dargetan, daß ich glaube, daß ein Längsschnitt (Fig. 50), der nicht Macacus cynomolgus Anderson. Schema eines Längsschnittes durch die Endphalangenhaut, Bezeich- nungen wie Fig. 47—49. 26 n. @. senau in der Achse der Leiste geführt ist, sondern die angrenzende Furche tangiert, ohne weiteres verständlich ist. Auf Querschnitten (Fig. 47) zeigen die Coriumleisten derartige Struktur, daß unterhalb der Falte ein mehr oder weniger rundlich umgrenzter Komplex (p) quer durchschnittener Bindegewebszüge erscheint, während zu beiden Seiten desselben in der Schnittfläche gelegene Züge (g) aus tieferen Teilen des Coriums aufsteigen, um bis an die Falte heranzutreten. Daß sich diese Befunde mit denjenigen R. Krauses [’88, 15, 16] 638 Otto Schlaginhaufen decken, kann ich nur für wahrscheinlich, nicht für sicher halten, da die Arbeit dieses Autors der Figuren entbehnt. BLASCHKO [’87], der Lemur brunneus. Suersehnit ui Haut des Fibularwulstes. schon das Wesentliche dermikroskopischenVer- hältnisse feststellte, stu- dierte ebenfalls die Haut eines Vertreters des Genus Macacus, während Ayoloa takes, Tuba, Gresıhnit Ania ni; | SE EEE monstration dieser Dinge speziell den Grbdon und Cynocephalus _verwen- dete.e Ich habe die Querschnittsunter- suchungen auf 24 Pri- matenarten ausgedehnt, nämlich: Nyeticebus tar- | Fig. 54. digradus Fischer, Ga- lago garnetti Selater, Lemur brunneus!, Hapale jacchus Kuhl, Chryso- Ihrız sciurea Wagner, Cebus fatuellus Geoffr., Ateles ater F. Cuv., O'y- nocephalus babuin For- Hapale jacchus Kubl. Querschnitt durch die Haut/des Fibular- wulstes. 37 n.G Hylobates Mülleri’Martin. Querschnitt durch die Haut des .. : Fibularwulstes. 38 n. G., bes, Cynopithecus niger Js. Geoffr., Macacus ne- mestrinus F. Cuv., M. cynomolgus Anderson, M. sinicus Blyth, Cercocebus collarıs Gray, Cercopi- Fig. 55. ı Die mikroskopische Betrachtung primitiver, bei Simia satyrus L. Querschnitt durch die Haut des Fibular-- den Prosimiern beobachte- walaten. Sb. 9: ter Hautleistenelemente er- Stratum corneum schraffiert, Stratum Malpighii schwarz, £ - on Corium weiß. folgt im speziellen Teil. Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 639 thecus petaurista Erxl., C. patas Erxl., Colobus vellerosus Js. Geoffr., Semnopithecus entellus Desm., S. maurus F. Cuv., Hylobates Müller: Martin, H. lar lllig., H. syndactylus F. Cuv., Gorilla gorilla Forbes, Simia satyrus L., Anthropopithecus troglodytes Flow. et Lyd. An allen untersuchten Präparaten kehrten die wesentlichen Be- funde des Paradigmas wieder. Im speziellen konnte ich jedoch fol- sende Abänderungen konstatieren: Bei allen Anthropomorphae und Hylobatidae ist das Str. corneum von mächtiger Dicke (Fig. 54, 55), während Lemur b. und Nycticebus t. (Fig. 51, 52) im Gegenteil eine ‘dünne Hornschicht aufweisen. In diese Kategorie sind auch die Platyrrhinen, von denen ich Hapale 7. in einer Figur wiedergebe (Fig. 53), einzureihen. Der Gruppe, welche bezüglich der relativen Dicke des Str. c. dem Paradigma nahe steht, gehört die Familie der Cercopitheeiden, sowie Galago g. an. Die verschiedensten Bilder zeigt die Oberflächenkontur im Querschnitt. Während die von M. eyn. (Fig. 47, 48) dargestellte Furchenform die gewöhnliche ist, er- scheinen die Furchenquerschnitte von Zemur b. (Fig. 51) wie eine Folge regelmäßiger Schießscharten. Bei Nyeticebus (Fig. 52) und Hylob. synd. fand ich die dachziegelförmige Aufreihung, und bei Ha- pale 7. (Fig. 53) scheinen stets zwei und zwei Leisten näher zusam- menzugehören, indem zwischen ihnen die Furchen weniger tief eingreifen. Flache Konturen fielen mir bei Schimpanse (Fig. 55), Orang, Cebus f. und Chrysothrix sciurea auf. Das Str. Malpighii der Prosimiae zeichnet sich durch die große Regelmäßigkeit und nament- lich die starke Höhenentwicklung der Drüsenleisten im Verhältnis zu den schwach ausgeprägten Falten aus (Fig. 51, 52). Je höher wir in der Reihe der Primaten aufsteigen, um so mehr gleicht sich dieses Ver- hältnis in dem Sinn aus, als die Drüsenleisten einen gedrungeneren Bau annehmen und die Falten coriumwärts tiefer greifen (Fig. 54, 55). Die Reduktion der Drüsenleisten kann so weit gehen, daß sie nur als knotige oder flache Verdickungen am unteren Rand des Retebandes erscheinen. Bei Orang ist dieser Zustand eingeleitet (Fig. 55), bei M. sinieus weiter fortgeschritten. Durch das Vorhandensein diffuser Zellgruppen im Bereich der Coriumzapfen (Fig. 54, punktiert) wurde die Feststellung der Kontur oft erschwert und das besonders dann, wenn jene Gruppen Pigment führten, wie das bei Hyl. Mülleri und H. synd. der Fall war. Den vorhin beschriebenen Reduktionszustand fand ich mit einer mehr oder minder flachen Oberflächenkontur ver- bunden (Orang, Ateles ater, M. sinicus), jedoch fand sich nicht in den Fällen mit flacher Kontur immer die Reduktionserscheinung des St. M. 640 Otto Schlaginhaufen Schließlieh möchte ich nicht zu erwähnen vergessen, daß alle meine Präparate die Ansicht BLascHkos ['87], die später Lokwy |[’91] vertei- digte, bestätigen dürften, daß es sich in der »Falte« um eine wirkliche Einfaltung der Epidermis handelt. Gerade die Haut von Zemur b. und Nyeticebus t. (Fig. 52) läßt den Unterschied zwischen dem eingefalteten Band und der soliden Drüsenleiste recht deutlich erkennen. Auf pri- mitivere Zustände bei den Prosimiae trete ich im speziellen Teil (S. 676—679, 689—691) ein. Embryologie der Hautleisten. A. KoLLmann [’83, 28] stellte fest, daß im 4. Monat des fötalen Lebens die ersten Anlagen der Schweißdrüsen der Hohlhand zu sehen sind. Er führt diese Drüsenproduktion auf den »Seitendruck der in ihrer Keimschicht aktiv sich ausdehnenden Epidermis< zurück. Über die Entwicklung des Papillarkörpers unterrichten Quer- schnittsbilder der Fingerbeere von Embryonen aus dem 3., 4. und 5. Monat. Das erste dieser drei Stadien zeigt noch eine beinahe gerade Grenzlinie zwischen Epidermis und Corium; im zweiten ist sie bereits regelmäßig gewellt und im dritten erscheinen die »Drüsen- zapfen« schon in größere Tiefe gewuchert, während die Abbildung ['83, Pt. I. 26] die dazwischen gelegenen Einfaltungen der Epidermis erst sehr schwach darstellt. Auch in diesem Vorgang der Entwick- lung des Papillarkörpers spricht KoLLmann das Epithel als das form- bestimmende Element an. >»Im Gegensatz zur Drüsenproduktion, welche in die Tiefe drang, beruht hiernach die Entwicklung des Papillarkörpers auf glockenförmigen Erhebungen der tiefsten Epi- dermisschichten nach außen« [’83, 31). Schließlich erklärt er die Entstehung der Figurae tactiles — seiner Tastballen — durch die verschiedene Wirkung des Längs- auf den Querdruck. Dement- sprechend scheidet er eine der neun PurkınJeschen Formen [’23], die er durch die Ausdehnung des Epithels in der Längsrichtung entstehen läßt, nämlich die Striae transversae von allen übrigen, die sich durch Kombination von Längs- und Querdruck entwickelt haben sollen. BrascHko [’84] beobachtete im 4. Monat die ersten Drüsen- leisten, zwischen dem 4. und 5. Monat die Drüsen, im 6. Monat die Falten und im 7. bis 8. Monat die Querleisten. Ich habe im histo- rischen Teil darauf hingewiesen, daß nach BLASCHKo [’87, 506] die Entwicklung der Drüsenleisten nicht auf einmal für die gesamte Volar- und Plantarfläche vor sich geht, sondern an den Finger- und Zehenspitzen beginnt und von der Peripherie nach dem Zentrum Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 641 vorschreitet. Auch von der Bildung der Figurae tactiles sagt er, daß sie gleichmäßig über die Fläche der Fingerkuppe wegzieht, wie das eine seiner Figuren [’87, Pt. XX VIII, 10] deutlich zeigt. Diese letzteren Befunde der individuellen Entwicklung sind bemerkenswert, da sie mit denjenigen der phylogenetischen Entwicklung nicht überein- stimmen. Seit wir die Untersuchungen von G. Rerzıus ['04 a und b] besitzen, die dartun, daß im Anfang des 3, Monats die Volar- und Plantarballen deutlich zu sehen sind und da wir ferner von BLASCHKO [87] und auch von Rerzıus [’04 b, 73] selbst davon unterrichtet sind, daß in dieser Zeit noch keine Leisten vorhanden sind, wird folgender Ausspruch A. KoLLManns [’83, 41] kaum mehr aufrecht zu halten sein: »Eine fernere Wirkung des kombinierten Längs- und Querdruckes im Bereich der Fingerbeere ist die Aufwulstung der Fingerbeere selbst; denn es ist klar, daß die Kreuzung der ver- schiedenen Druckrichtungen eine Emporhebung im Gefolge haben muß. Die stärkere Ansammlung von Fettträubehen im Bereich der Fingerbeere ist nur als eine sekundäre Bildung aufzufassen.< Eine ähnliche Behauptung findet sich über die andern »Tastballen< der Hand (S. 43): »Die Aufwulstung der Haut an den betreffenden Stellen ist auch hier nicht bedingt durch eine Ansammlung von unter- liegendem Fett, sondern umgekehrt gab die Aufwulstung der Haut Veranlassung zu stärkerer Entwicklung von Fettträubehen. « Wenn wir durch die genannten Autoren über eine Reihe histologi- scher Tatsachen unterrichtet sind, so wissen wir dagegen über die Verän- derung des Oberflächenbildes wäh- rend der Ontogenie wenig. Ich selbst kann zu dieser Frage nur den Be- fund an einem vorgerückten mensch- lichen Embryo beitragen, den die ——— Abbildung eines Stückes der Plantar- Leistenbild von einem Plantarrand eines hant illustrieren möge (Fig.56). Links, Xen, » Meincte Leistonetemente, © mehrer dähltzerentdie, Mediane der: Planta + Plemante, die noch, niehk-un Teimer vallkuz imenen Leiste verbunden sind. 23 n. G. zu, finden sich die kontinuierlichen, ausgebildeten Leisten, die die Planta quer durchziehen («), rechts d. h. gegen den inneren Plantarrand fügen sich ihnen erst kleinere Leisten, die 2—4 Schweißdrüsenporen entsprechen und dann kleinste Ele- mente (5) an, auf denen je ein Kanal ausmündet. Manche Leisten (e) zeigen zwischen den Poren jeweilen eine Einschnürung. Wenn wir 642 Otto Schlaginhaufen hier ein ontogenetisches Stadium vor uns haben, so ist der Schluß erlaubt, daß die dem Plantarrand genäherten Partien eine Entwick- lung in dem Sinn durchmachen, daß die Cristae aus Inseln, deren jede einem Schweißdrüsenporus entspricht, so entstehen, daß sich mehrere zu einer kleinen Leiste aneinanderreihen, von welchem Vor- gang noch die Einschnürungen zeugen mögen. Die kleinen Leisten verschmelzen wiederum zu größeren. Ob diese Erscheinung auf die ganze Planta übertragen werden darf, müssen spätere Untersuchungen an jüngeren Embryonen dartun. In den Rahmen der ontogenetischen Beobachtungen gehören schließlich noch die Arbeiten über die Per- sistenz der Hautleisten, wie sie hauptsächlich GALToN publizierte. Seiner Veröffentlichung über diesbezügliche Untersuchungen von Kindern [’99], die uns hier namentlich interessieren, gedachte ich im historischen Teil. Morphologie der Ballen. Wenn ich in diese Arbeit über die Hautleisten einen Abschnitt einfüge, der die ballenartigen Erhabenheiten auf Vola und Planta behandelt, so beabsichtige ich nicht ein Kapitel im Sinne der Publi- kationen von KraArscH [’88] und WıLver [’97], welche die Homolo- gisierung der Tastballen der Primaten mit denjenigen andrer Säuge- tiere zu ihrem Gegenstand haben, sondern ich beschreibe lediglich die in den verschiedenen Abteilungen der Primaten vorkommenden Eminenzen auf Palma und Planta, ungeachtet der in andern Säuge- tiergruppen beobachteten Gebilde einerseits und den auf den Erhaben- heiten befindlichen Figurae tactiles anderseits. Die Untersucher der Säugetierballen mögen dann meine Tatsachen zum Zweck der Ver- gleichung verwerten. Ich selbst aber werde im speziellen Teil darzustellen versuchen, was für Lagebeziehungen sich zwischen den ballenartigen Gebilden und dem Verlauf der Hautleisten ergeben. An Prosimien untersuchte ich Tarsius tarsius, Galago garnetti, Nyeti- cebus tardigradus, Stenops gracilis, und Vertreter von Lemur. Sämtliche Ballen, die sich an Vola und Planta von Tarsıus tarsius Forbes (Fig.57.55S) finden, springen sehr stark vor. Sowohl dem radialen als dem ulnaren Rand der Vola zieht je ein länglicher Wulst entlang. Der erstere (Fig. 57a), kleinere ist durch eine quere Einschnürung in einen proximalen und einen distalen Abschnitt gegliedert, welch letzterer mit seinem freien Ende bis an den ersten freien Interstitial- rand reicht. An einem Exemplar fand ich die Einschnürung so tief, daß man füglich von zwei getrennten Ballen sprechen darf. Auch der Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 643 Ballen des Ulnarrandes (2), der weiter proximalwärts reicht, weist eine wenn auch weit schwächere Einschnürung auf, die ihm ein semmelartiges Aussehen verleiht. Der proximale Abschnitt ist länger und breiter als der distale. Dieser kommt auf das Metacarpophalan- gealgelenk des 5. Strahls zu liegen. In die Metacarpophalangeal- region gehören ferner zwei isolierte Ballen, von denen der größere (ec) in den Bereich des 2. Interstitiums, sowie des 2. und 3. Strahls, der andre (d), sowohl in bezug auf Flächenausdehnung, als auf vertikale Erhebung dem eben beschriebenen nachstehende, in denjenigen des Fig. 57. Fig. 58. Vola von Tarsius tarsius Forbes. °/- n. G. Planta von Tarsius tarsius Forbes. °/; n. G. 4. Strahls fällt. Die Endphalangen zeigen an Vola und Planta stark in die Breite ausgedehnte Ballen (e, — e;). Fig. 59, die eine Vorstellung davon geben mag, zeigt auch, daß am Daumen und an der Großzehe eine asymmetrische Ausbildung vorhanden ist, indem diese Verbreiterung ulnarwärts bzw. fibularwärts weit größer ist als radialwärts bzw. tibialwärts. Die Planta (Fig. 58) ist in ihrem Fersenteil stark verlängert und behaart. Der Fibularrand der übri- gen Planta ist von einem gleichmäßig schmalen Wulst (2) einge- nommen, der am proximalen Ende der unbehaarten Planta haken- förmig umbiegt, um ein kurzes Stück (@) dem Tibialrand entlang zu 644 Otto Schlaginhaufen ziehen, so daß der Plantarrand förmlich umwallt erscheint. Der der Metatarsophalangealregion angehörende Teil (5,) des Wulstes ist durch eine Falte quer abgegrenzt. Der mächtigste Ballen («,) der Planta nimmt unter Freilassung des Tibialrandes die Metatarsalregion des 1. Strahls ein. Regelmäßig fand ich ihn quer von einer BIER Falte durchzogen. Der 3. Ballen (c) zieht in der Rich- tung des 2. Interstitiiums vom entsprechenden freien Rand bis zur Grenze des proximalen Fünftels der Tarsalregion. Er beginnt distal breit, indem er sich auch über den 3. und die fibulare Hälfte des 2. Strahls, sowie distalwärts über den freien Rand hinaus ausdehnt, Rechte Großzene Wird proximalwärts schmäler und endigt spitz. an Die Vola von Galago garnetti Selater (Fig. 60) ee) zählt, von den Phalangealballen abgesehen, sechs wohl- umschriebene, durch Zwischenräume voneinander getrennte Ballen. Der größte nimmt den größeren proximalen Abschnitt der ulnaren Seite ein. Dieser, sowie ein kleinerer, an der Basis des Daumens gelegener Ballen (a), stellen wohlgerundete Hügel von ovalem Grundriß dar. Die übrigen vier Ballen verteilen sich auf den Metacarpophalan- gealteil der vier Interstitien. Die beiden radialen Ballen (a), ec) beginnen mit breitem, über den freien Interstitialrand herausragendem Ende und ziehen unter fortwährender Verschmälerung und Höhenab- nahme in der Richtung der In- terstitien proximalwärts, der größere (a}) bis zur Grenze des proximalen Viertels, der kleinere (ce) bis in die Hälfte der Metacarpalgegend. Weniger Vola von Galayo garnetti Sel. 1!z n. 6. weit proximalwärts als die bei- den langgestreckten radialen reichen die beiden ulnaren, ovalen Hügel. Der dem 3. Interstitium zugehörige ist an Flächen- und Höhenausdehnung der kleinste Ballen Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 645 der Vola, der am meisten ulnarwärts gelegene kommt dem Ballen an der Daumenbasis gleich und nimmt deshalb auch die Breite des 5. Strabls in Anspruch. Ich möchte hier besonders hervorheben, daß der Ballen (a,) typische interstitielle Lage hat. Die Ulnarhälfte der Grundphalanx des Daumens trägt eine Erhabenheit (f) von der Größe derjenigen des 3. Interstitiums. An der Planta machen die Ballen, die ebenfalls als isolierte Hügel auftreten, einen verhältnismäßig klei- nen Komplex der Fläche aus als an der Vola. (Da hier die Lage der Ballen im allgemeinen derjenigen der zusammenhängenden Lei- stenkomplexe entspricht, verweise ich auf Fig. 93.) Die Ferse ist wiederum von Haaren bedeckt. Eine kleine rund umschriebene Er- habenheit (a) liegt am Fibularrand, eine etwas größere (5) am Fibu- larrand, proximalwärts von der Transversalfalte..e Am ausgedehn- testen nach Fläche und Höhe ist ein Ballen in der Metatarsalgegend des 1. Strahls (a,). Die Ballen, welche in der Lage denjenigen des 2., 3. und 4. Interstitiums der Vola entsprechen (c, d, d,) tun dies auch in der Form. Als Abweichungen sind zu erwähnen, daß der Ballen des 3. Interstitiums demjenigen des 4. in proximo- distaler Ausdehnung gleichkommt und der langge- streckte Ballen des 2. Interstitiums mehr tibialwärts sich erhebt, so daß er in seiner Richtung dem 2. Strahl entspricht. Das Polster, das der fibularen Hälfte der Grundphalaux des 1. Strahls aufsitzt (/), übertrifft die entsprechende Bildung des Daumens an Mächtigkeit. Was die Endballen von Vola und Planta betrifft, so weisen sie eine geringere Breiten- ;,, zene der rechten entwicklung als Tarsius auf, wogegen die dorso- Planta von Galago plantare Ausdehnung relativ größer ist als bei Tar- ir Bee ne, sius. Am meisten fällt das bei der Betrachtung der 2. Zehe von der Seite auf (Fig. 61), was allerdings der eigenartigen Nagelbildung zuzuschreiben sein wird. Die Gleichartigkeit im Bau der distalen Extremitätenabschnitte in den drei Genera der Lorisinae hat auch Ähnlichkeit in der An- ordnung der Ballen zur Folge. Über Perodietius potto v. der Hoeven lasse ich A. KoLLMANN (85, 71] sprechen, da mir diese Form nicht zur Verfügung stand: »Außer den 5 Tastballen I. Ordnung an den Endphalangen der Zehen fanden sich zwei rundliche Wülste auf der Planta hinter der 4. und 3. Zehe. Hinter der 2. Zehe und im Interstitium zwischen dieser und dem Hallux lagen zwei längere und größere Ballen, die 646 Otto Schlaginhaufen sich ziemlich dieht berührten. Ein länglicher Wulst, welcher einem Tastballen III. Ordnung entsprechen würde, fand sich auf der fibu- laren Seite; ein doppelt so großer, durch eine Einkerbung in zwei Teile getrennter lag an dem freien Fußrande, rückwärts von der großen Zehe. Ein großer Teil der Ferse war mit Haaren bedeckt. Die intermediären Bezirke der Zehen, also die 1.und die 2. Phalangen derselben waren ebenfalls mit auffallend ausgeprägten polsterartigen Ballen versehen. An der 1. Phalange der großen Zehe trat ein solches, durch eine mediane Furche in zwei seitliche Hälften ge- schiedenes Gebilde besonders deutlich hervor.« Für die Vola von Nycticebus tardigradus Fischer, die Auıx ['67, 353] beschrieb und KraarschH ['88, Pt. XVII, 23] in einer Figur darstellte, die RAUBER ['03, 689] neulich reproduziert hat, stellte ich folgendes fest: Ein mächtiger Ballen, der die zwei proximalen Drittel des Ulnarrandes beherrscht, zieht mit seinem proximalen Ende noch quer gegen die Mitte des Proximalrandes der Vola, wo er mit dem kleinen Ballen des Tibialrandes zusammenstößt. Entsprechend den Interstitien finden sich in der Metacarpophalangealgegend vier Ballen, von denen die beiden radialen die ulnaren an Masse und Höhenentwicklung übertreffen. Von Auıx |'67] und KraaArscH [’88] weichen meine Beobachtungen darin ab, daß ich, von dem Ballen des 4. Interstitiiums durch eine Falte getrennt, an der Basis des 5. Fingers noch eine Erhebung fand. Diese Bildung scheint das Ge- wöhnliche zu sein, da ich sie unter 16 Fällen 15 mal konstatieren konnte. Nur an der rechten Vola eines alten Tieres zeigte sich der Ballen des 4. Interstitiums mit demjenigen an der Basis des 5. Fingers als einheitlicher Wulst. Alle Erhabenheiten sind deutlich ausge- sprochen, aber nahe zusammengerückt, so daß die Vola eine Kavität vorstellt, die von einer Hügelkette rings umschlossen wird. Die Planta erfuhr auch schon durch Arıx [’67, 352] Behandlung. In- dessen glaube ich jene Beschreibung, die an Befunde bei Loris gra- eilis Geoffr. erinnert, sehr wohl aber einer individuellen Varietät von Nyet. t. entsprechen kann, wesentlich ergänzen zu können. Der zangenartige Bau des Fußes (Fig. 62) läßt eine Teilung der Planta durch eine tiefe Furche F erkennen, die, vom 1. Interstitium aus- gehend, nach der Mitte des proximalen Randes der unbehaarten Planta zieht. Der Abschnitt, welchem die Großzehe entspringt, erleidet wiederum eine Teilung durch die parallel zu F gehende Falte F, in die Stücke G und @,. Ersteres trägt einen entsprechend länglich gestalteten Wulst, der proximalwärts an Höhe abnimmt, Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 647 letzterer die beiden Ballen « und a,. Dieser stellt die mächtigste Erhabenheit der Planta dar. Die Plantarabteilung, von der die vier andern Zehen ausgehen, zeigt eine Einteilung in vier Stücke durch zwei Furchen, die am ausgewachsenen Tier als zwei sich kreuzende Linien F, und F, erscheinen, an der fötalen Planta je- doch als Linien auftreten, wie sie Fig. 63 demonstriert, die auch die übrigen, embryonal bereits Fig. 63. % ER = 5 Rechte Planta von Nycticebus tardigradus Fischer. Schema der Plantarfalten eines Embryos von 1n.G. Nycticebus tardigradus Fischer. 2 n. G. vorhandenen Furchen enthält. In beiden Fällen finden wir die Prominenzen 5 und 4 und an der Basis der Zehen, entsprechend dem 3. Interstitiium einen schmalen Ballen (d) und auf beiden Seiten von ihm je einen breiten Ballen (ce, d,). Diese drei Ballen sind Dacher als die andern. Sowohl die Grundphalanx des Daumens als diejenige der Großzehe trägt, was KoLLMAnN ['85, 71] für Pero- dietieus potto konstatierte, zwei durch eine mediane Falte vonein- ander getrennte Ballen, von denen der ulnare schärfer prononeiert ist als der radiale. Der Radial- bzw. Tibialseite des stark reduzierten 2. Fingers liegt eine Erhabenheit an, die an Höhe die auf den übrigen Phalangen vorkommenden übertreffen. Letztere sind gewöhn- lich durch mediane Falten in zwei seitliche Ballen geteilt; besonders fiel mir dieses Verhältnis an der Grundphalanx der 5. Zehe zweier Embryonen auf. Die Endballen sind verbreitert und kommen in bezug darauf zischen Tarsius und Galago zu stehen. Nur derjenige der 2. Zehe besitzt vermöge der Anwesenheit einer Kralle diese Eigen- schaft nicht, sondern eine ansehnliche dorso-plantare Ausdehnung. Die Vola von Loris graeilis Geoffr. zeigt gleiche Ballenanord- nung wie Nycticebus, nur daß, dem schlankeren Bau der Hand ent- sprechend, die Polster weniger massig sind. An der Planta sind die Verhältnisse in einigen Punkten different; sie lassen sich aber von den für Nyeticebus konstatierten ableiten. Es befinden sich an Morpholog. Jahrbuch. 33. 42 648 Otto Schlaginhaufen der Basis der Zehen nur zwei breite Ballen, die durch eine Furche, welche von der Basis der 4. Zehe proximalwärts geht, getrennt sind. Dem tibialwärts gelegenen der beiden Balien ist auch der Wulst % von Nyeticebus einverleibt, da die Falte F, nicht bis zum Interstitial- rand durchschneidet. Der Ballen a, ist hoch und stark zugespitzt. Nach Betrachtung dieser eigentümlichen Gruppe der Lorisinae kehren wir zu Vertretern, deren Ballenverhältnisse an diejenigen von Galago anschließen, nämlich zum Genus Zemur zurück. Längs des Ulnarrandes der Vola (Fig.64) finden Fig. 64. wir drei Prominenzen. Das proximale \ Drittel beherrscht die an Flächen- und Höhenentwicklung mächtigste (b). h Durch eine Einsenkung davon ge- 7 /} / ut sgant a SL == trennt folgt im mittleren Drittel eine IG längliche, flache Erhabenheit (b,), 3 5 deren Höhe distalwärts zunimmt, % _— 1 ohne diejenige der übrigen Ballen zu erreichen. Der am meisten distal a befindliche Ballen (2,) ist das ulnare #--;, der drei, in einem distalwärts kon- vexen Bogen angeordneten, Meta- carpophalangealpolster, die so lie- gen, dab das eben erwähnte auf das 4. Interstitium und den 5. Strahl, das mittlere (Z) auf das 3. Interstitium und die anliegenden Hälften des 3. und 4. Strahls, und das radiale (re) Rechte Vola von LZemur brunneus. 1 n. G. auf das 2. Interstiiium und den 2. Strahl fallen. Während der ul- nare Hügel die Metacarpophalangealregion nicht überschreitet, rei- chen die beiden andern unter allmählicher Verschmälerung bis in die Hälfte der Metacarpalia. Der größte Ballen der Vola ist der langgestreckte Wulst a, der jedoch nicht so weit proximalwärts geht wie 5. Auf den Grund- und Mittelphalangen der Vola sind mit Aus- nahme der Ulnarseite des Daumens, wo sich zuweilen eine kleine, flache Erhebung findet, keine zu beobachten. Die Endballen der Lemuren sind an Palma und Planta stark verbreitert, was A. KoLL- MANN ['85, 70] schon erwähnt, so daß sie mit Rücksicht darauf auf Tarsius, an dem ich die stärksten Verbreiterungen verzeichnete, folgen. Besonders an der Großzehe fällt der Terminalballen als runde flache Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 649 Platte auf, die, ähnlich wie bei Tarsius, ulnarwärts stärker ver- breitert ist, als radialwärts (Fig. 65). Dem Fibularrand der Planta entlang geht ein Wulst von geringer Erhebung, der auf der Höhe des Tarso-metatarsalgelenks quer zur Tibialseite herüber- läuft, um mit der mächtigen Prominenz an der Basis des Daumens in Verbindung zu treten. Die Form der Flächen- ausdehnung dieses letzteren Fig. 65. Rechte Großzehe von Zemur mongoz L. var. rufus von hinten. 1l/a n. G. Ballenrelief der Planta von Zemur mongoz L. var. rufus. 1n.G. Ballens scheint mir am besten durch eine Figur dargelegt zu werden (Fig. 66). Wesentlich daran sind die beiden Züge aa und ab, zwischen denen sich die längliche Vertiefung s findet. Am schönsten konnte ich diese Verhältnisse, namentlich die Querbrücke (g), bei Z. mongoz L. v. rufus M.-Edw. et Grand. beobachten. Die drei Ballen der Metatarsophalangealgegend sind zu den Skeletteilen gleich situiert wie diejenigen der Metacarpophalangealregion. Die eben erwähnte Varietät zeigt das fibulare von den drei Polstern durch einen Zwischenraum vom Längswulst des Fibularrandes isoliert. Bei L. brunneus und L. macaco beschränkt sich die Trennung auf eine schmale Querfalte. Im Gegensatz zur Vola geht das mittlere Polster proximalwärts nicht über die Metatarsophalangealgegend aus. Die Ballen, die demjenigen der Ulnarseite der Grundphalanx des Daumens entspricht, ist an der Planta stets, aber in massigerer Gestalt vor- handen. Ballenartige Erhebungen traf ich an den Grund- und Mittel- phalangen andrer Zehen nur bei einem Exemplar von ZL. varıus Js. Geoffr. und zwar so, daß sie auf jedem der genannten Fingerglieder in zwei, auf die beiden seitlichen Hälften verteilten, flachen Längs- wülsten angeordnet waren. Dieser Befund läßt mich vermuten, daß 42* 650 Otto Schlaginhaufen diese Species an der Hand, die ich nicht untersuchen konnte, ähn- liche Verhältnisse präsentiert. | An der Vola von Hapale jacchus Kuhl sind die gleichen Ballen wie bei Lemur in derselben Anordnung vorhanden. Als Modifikation sei die Abspaltung des Ballens «a; (Fig. 67) von dem massigen Ballen a erwähnt, während am Ulnarrand eine nur leicht einschneidende Querfalte die Polster 5 und 5, näher zusammengehörig erscheinen läßt. In der Mitte der Vola treten drei kleinere Prominenzen (2/,—;) auf. Als einzige Phalangenballen an Vola und Planta sind die- Fig. 68. Fig. 67. Rechte Vola von Hapale jacchus Kuhl. 11/2 n. G. Rechte Planta von Hapale jacchus Kuhl. 11/2 n. G. jenigen der Endglieder. Ihre Form ist nicht eine verbreiterte, sondern sie sind seitlich zusammengedrückt und dorso-palmar stark ent- wickelt. Das dürfte hauptsächlich auf das Vorhandensein von Krallen zurückzuführen sein. Den beiden seitlichen Plantarrändern ent- lang laufen zwei schmale, hohe Wiülste (a, 5, Fig. 68) die proximal- wärts, flacher und breiter werdend, ineinander übergehen können. Die drei Metatarsophalangealballen finden sich an den üblichen Stellen; der tibiale und mittlere sind oft nicht vollständig getrennt, aber stets dadurch zu unterscheiden, daß jener als massiger Abschnitt sich sehr weit proximalwärts ausdehnt (c) während dieser sich auf die Region des Metatarsophalangealgelenks beschränkt. Besonders hervorhebenswert sind auch hier zwei kleine zentrale Ballen, deren einer (25) inkonstant, der andre (z,) sehr charakteristisch ist. Diese Erscheinung zentraler Ballen, die auf einige Westaffen Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 651 beschränkt zu sein scheint, hat zuerst KLaArscH ['88, 428] an Nyeti- püthecus beobachtet. Die Vola von Chrysothrix sciurea Wagner (Fig. 69) zeigt am Ulnarrand zwei Ballen; der proximale (5) nimmt ?/, desselben ein, während der distale (d,) die Metacarpophalangealregion nieht über- schreitet. Dieser ist der ulnare der drei Ballen der genannten Region, welche alle die charakteristische Lage haben und sich nicht weiter proximalwärts ausdehnen als 5, es tut. Auf den radialen Ballen (ec) folgt proximalwärts das große Polster «a, das die Kette der eng an- Fig. 69. einander gerückten Ballen der Volar- peripherie schließt. Die dadurch ent- stehende Cavität wird zum größten Teil von zwei zentralen Ballen (z>, 23) erfüllt, die an Höhe den übrigen Er- hebungen nicht gleichkommen. Die Grundphalangen weisen Ballen auf, die gewöhnlich durch mediane Falten in zwei seitliche Hälften geteilt werden. iR Diese Tatsache, sowie diejenige, daß SINGEN, die Endballen bereits die Form haben, u. wu ah die wir bei den übrigen Affen treffen Wagner. 11 n. G. werden, gelten für Vola und Planta. Für letztere haben im übrigen die bei Hapale jacchus gemachten Beobachtungen, ganz allgemein genommen, Gültigkeit. Die relativ größere Breite des Fußes von Chrysothriz sciurea hat zur Folge, daß die peripheren Ballen, die ihre Schmalheit bewahren und flacher sind, eine Cavität von ansehnlicher Größe umgeben; dieser Eindruck wird noch dadurch erhöht, daß das zentrale Polster nicht ausgebildet oder nur angedeutet ist. Sowohl von Chr. sc. als von Hapale 7. ist zu sagen, daß die beiden Randballen nach ihrer proximalen Ver- einigung in die unbehaarte Ferse übergehen. Die Vola von Cebus fatuellus Geofir. (Fig. 70) zeigt gegenüber Chrysothriz sc. die Unterschiede, daß zwischen die beiden Ballen des Ulnarrandes sich ein weiteres kleines, schon von WILDER [’97, 251] für Cebus festgestelltes Polster (d,) schiebt und in der Höhlung der Hand sich eine einzige, aber relativ starke Prominenz (z) befindet. An den Grundphalangen ist die mediane Zweiteilung oft scharf aus- gesprochen. Auf der Planta wiederholen sich die Verhältnisse von Chrysothrix, jedoch weniger scharf prononeciert, indem sämtliche 652 Otto Schlaginhaufen Erhebungen mit Ausnahme der Prominenz an der Basis der Großzehe und der Phalangenballen verflachen. Immerhin ist die Querverbin- dung der beiden Randwülste von der Tuberositas metatars. V zum Navieulare herüber deutlich bemerkbar. Flach sind auch Vola und Planta von Ateles ater F.Cuv. Als einzige, allerdings starke Prominenz erscheint der Carpalballen, der Vola, d.h. der proximalste Ab- schnitt des Ulnarrandes (Fig. 71 ©). Durch eine schräge scharfe Furche (F) ist er von der übrigen flachen f 5) 5, 7 7 ‘® Proximaler Abschnitt der Vola von Ateles % . ater F. Cuv. zur Demonstration des Car- Rechte Vola von Cebus fatuellus Geoffr. 1 n. G. palballens C. 1/2 n. G. Vola getrennt. Ganz leichte Wülste bilden die drei genau interstitial gelegenen Metacarpophalangealballen. Mittel- und Grundphalangen sind mit median verlaufenden Falten versehen, woraus eine Zwei- teilung der Ballen resultiert. Als einzige starke Erhebung erscheint auf der Planta der die Metacarpalregion der Großzehe einnehmende Ballen, der seine größte Höhenentwicklung in der Richtung des 1. Interstitialrandes nimmt. Etwas stärker als an der Hand sind die drei Metatarsophalangealpolster. Als neues Gebilde zeigt uns Ateles ater ein breites volles Fersenpolster, das sich distalwärts in einen schwachen fibularen Randwulst fortsetzt. Auch am Tibialrand ist ein schwacher, proximalwärts an Höhe zunehmender Wulst be- merkbar. Die Altweltaffen mit Ausschluß der Anthropomorphen und Hylo- batiden, zeigen eine so große Einheitlichkeit, daß sie füglich gemein- sam behandelt werden können. Als Typus der Vola möge diejenige Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 653 eines Papio hamadryas Geoffr. dienen (Fig. 72). Am weitesten proxi- malwärts vorgeschoben liegt ulnarwärts der eben bei Ateles be- schriebene Carpalballen (2); ihm folgt distalwärts die Erhebung 2,. Linke Vola von Papio hamadıyas Geoffr. Photographie nach Präparat 1902, 2462 Wb1 der anatomischen Sammlung Zürich. in. G. Diesen beiden ulnaren Prominenzen gegenüber liegt der Ballen «a als radialer gegenüber. Die Metacarpophalangealgegend nehmen zwei Polster ein, von denen das größere vom Ulnarrand bis zur Median- linie des 3. Strahls, das kleinere von hier bis an den 1. Interstitial- 654 Otto Schlaginhaufen rand reicht. Im ersteren Gebilde handelt es sich jedoch zweifels- ohne um eine Concrescenz von zwei Ballen (b, und d), was übrigens durch eine leichte Falte angedeutet ist. Dieses Stadium der Ver- schmelzung hat WıLper [’02b, 44] an einem Vertreter der Carni- voren, dem Mink, konstatiert. Die Grund- und Mittelphalangen weisen flachere, nicht häufig mit Medianfalten versehene Ballen auf, während die Endballen voll entwickelt sind. Die Ballen der eigent- lichen Vola nehmen einen großen Flächenraum in Anspruch und sind nahe aneinander gerückt. Die Cavität, die sie einschließen, ist in- folgedessen klein. Mit diesen Verhältnissen stimmen eine Anzahl Species in allen Teilen überein, wie Cercocebus collaris Gray. Andre weisen Modifikationen auf. Z. B. sind bei Papio babuin Forbes, Ma- cacus rhesus Desm. die beiden Metacarpophalangealballen: nicht ver- schmolzen. Dieses, die Regel bildende Verhältnis haben A. KoLL- MANN ['85, III, 10] für Macacus erythraeus, KLAATSCH [’88, XVIII, 24] für Cynocephalus leucophaeus (reproduziert von RAUBER [’03, Fig. 624)) und WILDER [’97, 252] für /nuus spec. durch Abbildungen belegt. Bei Cercopithecus talapoin Erxl., C. petaurista Erxl., ©. nietitans Erxl. und C. patas Erxl. ist der Ballen 5, von besonders großer Flächen- ausdehnung, indem er radialwärts in diesem Sinne entwickelter ist. Größere Veränderungen finden wir bei Colobus und Semnopithecus, wo die Hand länger und schmäler gebaut ist. Die Ballen, die an der Vola von P. hamadryas als breite Gebilde eine große Fläche einnehmen, sind bei Colobus vellerosus Js. Geoffr. noch als lange schmale Randwülste vorhanden. Der ulnare Ballen 5, erscheint in seiner Höhenentwicklung reduziert und dem ulnaren Metacarpopha- langealpolster d, nahe gerückt. Mittel- und Grundphalangen tragen wohlentwickelte Ballen, denen die Medianfalten selten fehlen. Die Endballen sind dorso-palmar wohl entwickelt. Der höchste Ballen der Hand ist der Carpalballen. Ähnliche Verhältnisse konstatierte ich für Semnopithecus cephalopterus Martin. Seine Vola ist noch flacher, der Carpalballen sehr stark und das Polster 5, von den beiden an- grenzenden ulnaren Erhabenheiten nicht scharf getrennt. Mit dieser bei Colobus und Semnopithecus konstatierten Veränderung der Ballen geht natürlicherweise eine Vergrößerung aber auch eine Verflachung der Handtellercavität einher. Als Typus einer Planta diene eine solche von Macacus neme- strinus F. Cuvier. Der Fibularrand ist von einem kleinen, auf die Metatarsophalangealregion des 4. Interstitiums und des 5. Strahls beschränkten, und einem großen langen Ballen eingenommen, welch Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 655 letzterer sich in die Ferse fortsetzt. Der Metatarsalabschnitt der Großzehe trägt einen, in die Höhe stark entwickelten Ballen, der sich, an Höhe abnehmend, proximalwärts bis in die Nähe der Ferse fort- setzt. Die Metatarsophalangealregion weist außer dem genannten fibularen noch ein gleich großes mittleres, dem 3. Interstitium ent- sprechendes, sowie ein radiales, dem 2. Strahl und 2. Interstitium entsprechendes, proximal sich weit ausdehnendes Polster auf. Für die Phalangealballen ist das gleiche zu sagen wie für die Vola. In den Genera Papio, Macacus, Oynopithecus und Cercopithecus kehren diese Verhältnisse immer wieder. Als wesentliche Änderung, die Papio babuin Forbes am deutlichsten zeigte, sei der Befund erwähnt, daß der tibiale und fibulare Randballen sich auf der Höhe des Tarso-metatarsalgelenkes durch einen queren Wulst vereinigen, so daß die Plantarhöhlung proximalwärts umwallt erscheint. Die Planta von Cercocebus fuliginosus Geoffr. ist flach. Als starke Erhebung er- scheint nur der Ballen auf dem Metatarsale der Großzehe, während die übrigen Polster schwächer ausgeprägt sind. Auch Colodus und Semnopithecus lassen die typischen Verhältnisse deutlich erkennen; es haben aber an der Planta die gleichen Veränderungen Platz ge- griffen, wie ich sie für die Vola beschrieb, nämlich Beschränkung der lateralen Ballen auf lange schmale Randwülste, deren Höhen- entwicklung abgenommen hat. Damit geht eine Vergrößerung und Verflachung der Plantarhöhlung einher. Der Proceß der Verflachung des Palmar- und Plantarreliefs erreicht seinen Höhepunkt in der Gattung Aylobates. H. leuciscus Kuhl, Z. Mülleri Martin, H.lar Illig, HZ. syndactylus F. Cuv. zeigen vollkommen flache Volae und Plantae; nur der Carpalballen macht an ersterer, der Ballen an der Basis der Großzehe an letzterer eine Ausnahme. Gut sind auch die Endphalangenballen ausgebildet. Schon bei den Hylobatiden ist das zu bemerken, was für die Anthropomorphen typisch ist: Die ganze Vola und noch deutlicher die ganze Planta erscheint als ein einheitliches rundes Polster, über dessen Niveau sich bei Orang, Gorilla und Schimpanse keine cir- cumscripten Ballen mehr erheben. Als besonders runder und voller Abschnitt erscheint bei Hylobatiden und Anthropomorphen die Ferse, eine Tatsache, die ich unter den Affen nur noch für Ateles ater konstatieren konnte. Sehr gut entwickelt fand ich bei Hylobatiden und Anthropomorphen die Ballen der Endphalangen. In einer ganzen Anzahl von Fällen konnte ich mich durch Abpräparieren der Sohlen- und Handflächenhäute von der der Ballen- 656 Otto Schlaginhaufen anordnung entsprechenden Verteilung des Unterhautfettgewebes über- zeugen. Dadurch daß die Haut längs der großen Falten an derbe Bindegewebszüge, die der Palmar- bzw. Plantaraponeurose angehören, seheftet ist, erscheinen die Polster um so stärker vorspringend. In- dessen ist schon bei den Affen zu beobachten, daß an der Bildung der Wülste, die die lateralen Partien von Palma und Planta ein- nehmen, auch die Muskulatur beteiligt ist. Die menschliche Vola hat bereits Auıx [’67, 318] beschrieben: »Elle figure dans sa partie moyenne un triangle spherique (triangle palmaire), limit& par des eminences remarquables.< Eine Erhebung stellt der Thenar dar, der das Metacarpale I bedeckt und von der übrigen Vola durch eine Hautfalte abgegrenzt ist. Letzteres ist nicht der Fall mit dem Hypothenar, der sich vom Pisiforme bis zur Basis des 5. Fingers hinzieht. Thenar und Hypothenar verdanken ihre Form den kurzen Muskeln von Daumen und Kleinfinger. Die dritte Drei- eckseite wird durch einen Wulst begrenzt, innerhalb dessen drei Erhebungen bemerkbar sind, die den Intervallen zwischen je zwei Metacarpophalangealgelenken entsprechen. Die Palmarfläche der Phalangen ist durch die Fettunterlage emporgehoben, am wenigsten diejenige der zweiten, am meisten die der Endphalange. Der Arıxschen Beschreibung, deren Inhalt ich in einem kurzen Auszug wiedergegeben habe, kann ich mich im allgemeinen anschließen. Betreffs der Metacarpophalangealballen muß ich hervorheben, daß sie nur bei Individuen mit reichlichem Panniculus adiposus als Pro- minenzen unterschieden werden können. Bei einigen wenigen Indi- viduen sah ich der Palma, nahe dem 1. Interstitialrand, einen kleinen Hügel aufliegen, der ganz den Charakter der Ballen der Metacarpo- phalangealgegend des 2.—5. Fingers trug. Ich mache darauf beson- ders aufmerksam, da beim Studium des Leistenverlaufs hier besonders auf die Lage allenfalls vorkommender Figurae tactiles geachtet wer- den muß. Zweifelsohne haben wir es hier mit zwei verschiedenen Ge- bilden zu tun, 1) dem durch die Muskulatur hervorgerufenen großen Daumenballen oder Thenar, 2) dem aus Fett bestehenden Ballen, der, letzterem benachbart, in der Gegend des 1. Interstitialrandes sitzt (Fig. 73). Aus diesem Befund dürfte somit hervorgehen, daß wir den muskulösen Thenar von dem durch das Unterhautfettgewebe empor- gehobenen Ballen wohl unterscheiden müssen. Deshalb ist zu empfeh- len, die Ausdrücke »Thenar« und »Hypothenar« bei allen Primaten nur für die Muskelwülste, nicht aber für die Fettballen anzuwenden. In der Beschreibung der menschlichen Planta ist A. KOLLMANN Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 657 (’85, 81] genauer als Auıx [’67, 337), Vor allem ist zu betonen, daß der größte Teil der Innenseite für die Ballenbildung nicht in Betracht kommt, da er in das Bereich des Fußgewölbes fällt. Hin- gegen liegt die ganze Außenseite der Planta dem Boden als Wulst Fig. 73. Menschliche Palma, die im 1. Interstitium einen deutlich abgesetzten, mit Leistenrinnen versehenen Ballen trägt. ?/s n. @.l. auf, der sich proximalwärts in das mächtige Fersenpolster, distal- wärts in ein Polster ausdehnt, das die ganze Breite der Meta- 1 Die Aufnahme dieser Palma wurde mir durch das gütige Entgegen- kommen des Herrn Prof. Dr. J. BrLocH in Solothurn ermöglicht. 658 Otto Schlaginhaufen tarsophalangealgegend einnimmt. Eine Hautfalte trennt von der letzteren Partie einen Abschnitt ab, der an der Basis der großen Zehe liegt. Die Angabe A. KoLLımanns, daß fibularwärts davon die andern Ballen von ovaler Gestalt zu beobachten sind, dürfte nicht als Regel gelten, da dieser Abschnitt gewöhnlich einheit- lich erscheint. Auf Grund- und Mittelphalangen finden sich keine Ballen; um so schöner sind die Polster der Endglieder entwickelt. Schon KoLLmann [’85, 81] sagt über die Lage ihrer prominentesten Stelle folgendes: »Die am meisten erhöhten Spitzen dieser plan- taren Zehenballen befinden sich im Gegensatz zu den gleichen am Affenfuße sehr nahe der Gelenkbeuge.« Nun war es von Interesse zu untersuchen, ob die Ballenverhält- nisse der niederen Affen, die sich bei Hylobatiden, Anthropomorphen und Menschen verflacht hatten, in der individuellen Entwicklung rekapituliert werden. Schon JoHxsox [’99, 729] gab auf diese Frage eine bejahende Antwort: >»In examining the soles of the feet of human foetuses of two or tree months, I have found four distinet dome-like elevations situated interdigitally along the line of the metatarso-phalangeal joints. Similar mounds were found in the corresponding position upon the palm, there being, however, only tree true mounds in a transverse line. The thumb-index finger elevation was merely represented by the large thenar eminence.« Seither hat nun G. Rerzıus [’04a und b] durch die Untersuchung des Entwieklungsganges diese Verhältnisse weiter klargelegt und die Resultate in einer ausführlichen Arbeit mit treffliehen Abbildungen niedergelegt. Ein 22 mm langer Embryo wies an der Vola vier »distale Metacarpalballen« [S. 68] auf, von denen einer an der Wurzel des Daumens, die andern drei hinter den Zwischenfingerspalten ge- legen waren. Nach außen von der Wurzel des Kleinfingers fand sich noch eine Erhabenheit, die sich längs des ulnaren Randes der Vola ausdehnte, um sich unter Breitenzunahme auf die Palmarfläche der Handwurzel fortzusetzen. Ferner tut Rerzıus der Fingerspitz- ballen Erwähnung, die als rundliche Ballen unter jeder Fingerspitze, und zwar von der eigentlichen Spitzenpartie durch eine Furche ge- trennt, sich befinden. An Embryonen von 23 und 25 mm Länge er- schienen die Ballen der Metacarpophalangealgegend der Länge nach zweigeteilt. Im 32 mm-Stadium war diese Erscheinung nicht mehr bemerkbar; noch schärfer zeigen sich aber hier die Fingerspitzballen, die durch eine Ringfurche von der Umgebung abgehoben sind. Wenn der Embryo die Länge von 52 mm erreicht hat, beginnen die »distalen u Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 659 Metacarpalballen« sich zu verwischen, während der Wulst der Dau- menbasis sowie derjenige des Ulnarrandes kräftig entwickelt bleiben. Später erfolgt eine Veränderung an den Fingerspitzballen. Von dem Stadium von 123 mm an fangen sie allmählich an sich abzuflachen und nähern sich dem Stadium des Erwachsenen. Über die Entwick- lung der Planta macht G. Rerzıus Angaben, die wir bei JOHNSON [99] noch nicht finden. An der Basis der Zehen liegen bei Em- bryonen von 22 und 25 mm fünf Hügel, von denen vier ihrer Lage nach den vier Interstitien entsprechen, der 5. an der Basis der 5. Zehe liegt. Im Stadium von 44 mm zeigt sich das Verhältnis in dem Sinne verändert, daß dieser ’5. Ballen dem Fibularrand entlang proximalwärts und die Reihe der übrigen vier Hügel etwas fibular- wärts verlagert ist. Die beiden diesbezüglichen Stadienbilder sind in der vorläufigen Mitteilung [Rerzıus, '04a, 42] zusammengestellt. Diese Erscheinung erhält sich, solange die Ballen noch einzeln sicht- bar sind. An Embryonen von 123 mm zeichnet sich der am meisten tibial gelegene Ballen durch beträchtlichere Größe aus. An 52 mm langem Fötus bemerkte G. Rerzıus bereits eine weniger kräftige Ausbildung der Metatarsophalangealballen. Jedoch erhalten sie sich lange gut unterscheidbar. Am rechten Fuß eines 150 mm langen Embryo fehlte der 5. Ballen vollständig. Die Form der Endballen ist auf frühen Stadien dieselbe wie an der Hand. Die Entwicklung der Metacarpal- und Metatarsalballen studierte G. Rertzıus außerdem an Querschnitten. Das embryologische Material, das mir zur Verfügung stand, ge- stattete mir wohl einige vereinzelte Stadien, nicht aber den Gang der Entwieklung zu verfolgen; indessen gelang es mir, alle Promi- nenzen, die G. Rerzıus durch seine sorgfältigen Untersuchungen feststellte, an den gleichen Stellen aufzufinden. Von besonderem Interesse scheint mir der Verschiebungsvorgang an den Metatarsal- ballen zu sein, der bisher unbekannt war und nun von G. RETZIUS durch deutliche Abbildungen belegt ist. Ich gebe hier die von mir beobachteten Verhältnisse eines 35 mm langen Fötus in einer Figur (Fig. 73 A) wieder. Die proximale Verlagerung des 5. Ballens (5) hat sich bereits vollzogen. Die übrigen vier Ballen liegen in einer Reihe, und zwar, wie eine genauere Betrachtung des Präparates ergibt, interstitial. Der 1. und 4. Ballen erstreeken sich auch noch auf die Basis der entsprechenden Zehen. Die Figur zeigt auch die von G. Rerzıus erwähnten Furchen (F), welche die Zehenballen von den distalen Teilen der Zehe trennen. Ebenso mag eine Seitenansicht über die 660 Otto Schlaginhaufen Form der Endballen orientieren. Über die fötalen Verhältnisse andrer Primaten liegen zurzeit keine ausführlichen Untersuchungen vor. In- dessen hat KEIBEL [’04], der mit dem Studium dieser Verhältnisse beschäftigt ist, auf der letzten Versammlung der anatomischen Gesell- schaft in Jena diesbezügliche Abbildungen demonstriert. Von Inter- esse dürften künftig namentlich Beobachtungen an embryonalen Palmae und Plantae soleher Formen sein, die im erwachsenen Zu- stande vollkommen glatte Ober- fläche zeigen, wie z. B. die Hylo- batidae. Ein der Geburt nahes Fig. 74. Fig. 734A. Rechte Planta eines 35 mm langen menschlichen Fötus. Fig. 74. Schema der Ballenverteilung auf Vola und Planta. a Tibialballen, a, Metatarsophalangeal- ballen der 1. Zehe, c tibialer, d mittlerer, dı fibularer Metatarsophalangealballen, b2 Fibularwulst, z zentrale Ballen, ffibularer Grundphalangenballen der 1. Zehe, eı—e; Endballen, d Carpalballen der Vola. Stadium von Hylobates lar Illig., das ich untersuchte, wies bereits die Verhältnisse des erwachsenen Tieres auf. Bei einem Rückblick über die Ballenverhältnisse der Primaten kommen wir für die Verteilung der Ballen auf Vola und Planta zu einem gemeinsamen Schema (Fig. 74), in dem zwar einige Eigen- tümlichkeiten der Lorisinae, die mit dem aberranten Extremitätenbau dieser Tiere zusammenhängen, nicht inbegriffen sind. Es zeigt, an welchen Stellen der Vola bzw. Planta Ballen auftreten können. Ab- weichungen vom Schema werden herbeigeführt durch Reduktion der Ballenanzahl, durch Zu- oder Abnahme der Größe der Ballen, durch Veränderung ihrer Form und schließlich durch Verschmelzung. So fehlt der mittlere Metatarsophalangealballen (d) bei Tarsius. An der Vola der gleichen Species ist das entsprechende Polster klein. Der Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 661 ulnare Ballen 5, ist bei Chrysothrixz sciurea Wagner nicht vorhanden, bei Cebus fatuellus Geoffr. ist er klein, kann aber nach WILDER ('97) bei Vertretern von Cebus fehlen. Bei Cercopithecus ist er im Gegen- teil von größerer Flächenausdehnung. Als Beispiel für Veränderung der Form mögen die Endballen (e,—e;) dienen, die bei Tarsius und Lemur als verbreiterte Platten erscheinen, mit dem Aufsteigen in der Primatengruppe aber die flächenhafte Ausdehnung immer mehr aufgeben und sich in dorso-palmarer Richtung entwickeln. Nicht selten ist die Konfluenz von Ballen im proximalen Teil der Planta zu bemerken, wie bei Tarsius (a und 5), Lemur (durch die Brücke g, Fig. 66, S. 649), Papio babuin usw. An der Planta des Menschen sind der 2., 3. und 4. Metatarsophalangealballen zu einem Stück ver- schmolzen. Bei niederen Primaten, z. B. Galago, sitzen die Ballen als rund- liche, durch Zwischenräume isolierte Hügel am Rand des eigentlichen Handtellers bzw. der Fußsohle. Auf der Stufe der niederen Simier nehmen die Ballen an Größe zu und rücken näher zusammen. Sie bilden eine enggeschlossene Kette von Polstern, die eine kleine, aber relativ tiefe Cavität umgeben. Bei Colobus und Semnopithecus ändert sich die Flächenausdehnung der Ballen derart, daß letztere sich als schmale Wülste und Polster auf die Randzone zurückziehen. Das hat eine größere Ausdehnung und ein Flacherwerden der Höh- lung zur Folge. Diese Nivellierung führt bei Ateles ater F. Cuv., den meisten Hylobatidae und den Anthropomorphae zu einer voll- kommen flachen Palma bzw. Planta. Prominente Hügel finden sich nur noch am proximalen und distalen Ende, d. h. einerseits am Car- pus und an der Ferse, anderseits auf den Phalangen. Verfolgen wir die Höhenentwicklung der Ballen durch die Reihe der Primaten, so bekommen wir für die Polster der eigentlichen Vola und Planta eine Kurve (Fig. 75), die bei gewissen Prosimiern (Zemur, Galago) bereits mit einer ansehnlichen Erhebung beginnt, gegen die Simier zu ansteigt, wo sie einerseits innerhalb der Cercopitheeiden, d.h. den Genera Papio, Cynopithecus, Macacus, Cercocebus und Cer- copithecus, anderseits bei den niederen Westaffen Hapale, Chryso- thriz, Cebus den Höhepunkt erreicht. Bei den Semnopitheeidae fängt sie an zu fallen, um bei den Hylobatidae und Anthropomor- phen, sowie dem südamerikanischen Ateles ater auf die Abseissen- achse zu sinken; für den Menschen ist dieses Kurvenende in einen Volarzweig, der auch diesen Verlauf hat, und einen Plantarzweig zu spalten, welcher nicht so tief fällt, sondern in einiger Erhebung über 662 Otto Schlaginhaufen der Achse läuft, da die Metatarsophalangealregion immer noch ein ansehnliches Polster darstellt. In analoger Weise wäre auch die Kurve für andre Primaten, wo ebenfalls, wenn auch nicht so große, Unter- schiede zwischen Volar- und Plantarballen zutage treten, zu teilen. So fand ich bei C’ercocebus fuliginosus Geoffr. und Cebus capucinus Geoffr. an der Planta schon fortgeschrittene Abflachung, während die Vola noch Fig. 75. Flatyrrkina Äteles Frosimiae Anthropo: Mensch Cereopitkeceiaae Hylobat morphae ————— I zZ Ballen aer Vola una Flanla BB bern y . Phabangen Schematische graphische Darstellung der Höhenentwicklung der Ballen in der Reihe der Primaten. Das isolierte Kurvenstück rechts bezieht sich speziell auf die Ballen der eigentlichen Planta des Menschen. wohlentwickelte Polster aufwies. Für die Phalangeal-, insbesondere die Endballen, gestaltet sich die Kurve wesentlich anders, ja bei- nahe der ersten entgegengesetzt. Sie nimmt ihren Anfang bei ZLe- mur und Tarsius auf der Abseissenachse, ohne sich durch die Gruppe der Prosimier stark darüber zu erheben, da den meisten Halbaffen flache Terminalballen zukommen. Gegen die Simier steigt die Kurve rasch an, um sich auf dieser Höhe zu halten. Mir scheinen ver- gleichende. Beobachtungen zu zeigen, daß für den Menschen nur ein schwaches Sinken der Kurve gegen den Schluß, und zwar haupt- sächlich nur für die Finger, registriert werden muß. Bei diesen handelt es sich um ein Flacherwerden, das durch die Entstehung des Plattnagels bedingt ist. Mit den phylogenetischen Tatsachen steht meiner Ansicht nach die Beobachtung, die G. Retzıus an den KEiBeschen Abbildungen der Affenballen machte, in Einklang, nämlich daß die Größe der Ballen der Affenföten im Vergleich zu denjenigen der menschlichen Em- Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 663 bryonen nicht nur geringer, sondern ihre Abgrenzung. auch. auf- fallend schwächer vorhanden sei [KEIBEL, '04, 163). Dieser Befund war wenigstens für die Endballen zu erwarten, weil diese Ballen der niederen Simier in der Phylogenese ein Stadium geringerer Ent- wicklung durchlaufen. In der Ontogenese des Menschen wird dieses selbe Stadium sehr früh und kurz rekapituliert, während das phylo- genetisch jüngere Stadium der guten Ballenentwicklung in der Onto- genie eine eingehendere Rekapitulation erfährt. Mir scheinen also die bemerkenswerten Beobachtungen von G. RErzıus zu dem Re- sultat zu führen, das nach dem biogenetischen Grundgesetz zu er- warten war. Biologische Bemerkungen. Zur Untersuchung und Erklärung von Gebilden, wie sie diese Arbeit zum Gegenstand hat, ist namentlich auch eine genaue Kennt- nis des Gebrauchs der Extremitäten erforderlich. Unsre diesbezüg- lichen Erfahrungen sind jedoch spärlich, und wir sind deshalb auf die Beobachtung der Tiere in ihren Käfigen, sowie auf die Angaben angewiesen, die sich in den Reiseberichten zerstreut finden. Auf Grund derselben machte ich eine Reihe von Annahmen, die erst durch ausgedehntere biologische Untersuchungen bestätigt werden müssen. Noch haben wir ein weites Feld der Arbeit vor uns, bis wir über den Extremitätengebrauch beim Gehen, Springen, Klettern, beim Schwingen von Baum zu Baum, beim Greifen, unter Berück- sichtigung der Differenzen zwischen Hand und Fuß und zwischen den verschiedenen Species genau unterrichtet sind. Meine eignen bisherigen Beobachtungen können zu dieser Aufgabe nur kleine Bei- träge liefern; wertvolle Mitteilungen über die Hylobatidae, die in unsern zoologischen Gärten nicht zahlreich vorhanden sind, deren eigentümliche Art der Lokomotion aber nur in ihrer Freiheit studiert werden kann, verdanke ich Herrn Professor Dr. RupoLr MARTIN. Mir scheinen die Bewegungen der Extremitäten in bezug auf unsern Gegenstand am besten in zwei Gruppen eingeteilt zu werden, von denen die eine die langsam, bedächtig ausgeführten, die andre die plötzlich, ruckweise stattfindenden umfaßt. Die erste Art wird hauptsächlich durch das Gehen der quadrupeden Tiere dargestellt. Sie gehen auf allen Vieren und treten mit der ganzen Hand- und Fußfläche auf, wie das BREHMm [’83, 44, Fig. 19 und 20] illustriert. Am schärfsten ist diese Gangart bei denjenigen Affen ausgesprochen, die selten Bäume erklettern, wie Papio [BREHM, '83, 144 und 145, Morpholog. Jahrbuch. 33. 43 664 Otto Scehlaginhaufen WEBER '04, 798]; auch für Macacus inuus Desm. und M. nemestrinus F. Cuvier scheint das zuzutreffen. In gleicher Weise gehen auch die meisten Vertreter der Genera Macacus, Cercopithecus und Cerco- cebus, die sich auf dem Boden und auf Bäumen aufhalten. Meine eignen Beobachtungen sowohl als lebenswahre Abbildungen [BrEHnm '83, Cercopitheceus ruber S. 123, C. fuliginosus S. 125] zeigen, daß das Gehen auf dem Boden von demjenigen auf größeren Baumästen prin- zipiell nicht verschieden ist. Die Tiere setzen Schritt für Schritt die Volar- bzw. Plantarfläche auf die betreffende Unterlage auf und tasten sie gewissermaßen ab, indem sie die Sohle nicht auf einmal, sondern allmählich von hinten nach vorn davon abheben. Wenn ich oben sagte, daß die prononciert quadrupeden Affen mit der sanzen Handfläche auftreten, so muß ich diese Bemerkung auf Grund eigner Beobachtungen an Makaken dahin einschränken, daß der hintere Teil der Vola insbesondere der sogenannte Carpalballen (Fig. 70 5) beim bloßen Gehen nie auf den Boden aufgesetzt wird und die Stützfunktion hauptsächlich der Metacarpophalangealregion zukommt. Neben dieser Funktion des Gehens werden die Extremi- täten für das Klettern verwendet, eine Lokomotionsart, die in ihren Einzelheiten noch wenig studiert wurde. Es handelt sich im Gegen- satz zu der vorhin beschriebenen Bewegungsart, die auf mehr oder weniger horizontalen Flächen vor sich geht, um eine solche wie sie steile, ja senkrechte Flächen erfordern und infolgedessen um eine raschere Bewegungsart. Sie wird bald mit, bald ohne das Greifen ausgeführt, das besonders dann in Funktion tritt, wenn die Be- wegung auf kleinen zylindrischen Körpern statthat. Zu den eigent- lich plötzlich und ruckweise ausgeführten Bewegungen gehört das Springen, wie es von Lemur, Galago und Tarsius [FORBES '94, I. 21] bekannt ist; ferner die Art, wie sich die Hylobatidae von Baum zu Baum schwingen. Mit festem Ruck stoßen sie von einem Ast ab, um den andern weit entfernten mit einem ebenso raschen Aufprallen zu fassen. In dieser Lokomotionsweise haben wir, vom Standpunkt unsres Gegenstandes aus betrachtet, eine vollkommen andre Funktion der Vola und Planta vor uns, als in derjenigen von Papio, und, ohne schon auf die Differenzen in der Hautleistenan- ordnung einzutreten, möchte ich an die schon besprochenen Ballen- verhältnisse erinnern, die bei Papio und Hylobates ihre beiden Extreme zeigen. In der Funktion handelt es sich im einen Fall um ein ruhiges Aufsetzen von Palma und Planta und Abtasten der Unterfläche, im andern Fal! um ein plötzliches Abstoßen und ebenso Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 665 rapides Fassen. Über das Gehen eines Hylobates leuciscus Kuhl sagt HAEcKEL [’01, 222] folgendes: »Auf der Erde ging derselbe stets aufrecht auf den Hinterbeinen, während die Arme, seitlich horizontal ausgestreckt und mit herabhängenden Händen, als Balan- ciergewicht benutzt wurden. Niemals berührte er bei seinem behenden Laufe den Boden mit den Händen (wie es Orang und Schimpanse oft tun); niemals kroch er auf allen Vieren.« Eine Abbildung, die die Worte HAECKELS illustiert, zeigt auch deutlich, wie eine solche bei BREHM ['83, 47], daß dabei die große Zehe wahrscheinlich, um die Stützfläche zu vergrößern, stark abduziert ist. Die Anthropomorphae sind baumbe- wohnende Tiere. Ihre Bewegungsart dürfte ähnlich, wenn auch wahr- scheinlich träger, als diejenige der Hylobatidae sein. Betreffend das Gehen der Anthropomorphae entnehme ich einer Anzahl Bilder aus BREHM, die »die Stellungen verschiedener Menschenaffen« illustrieren ['83, 47, 79], daß Orang und Schimpanse dabei die Vorderextremitäten mit der Dorsalseite der Finger aufstützen und die Planta infolge da- von, daß ihre Zehen flektiert sind, nur mit ihrer hinteren Hälfte platt aufsetzen. An einem Orang fiel mir der seltene Gebrauch von Daumen und Großzehe bei dem sehr bedächtig ausgeführten Klettern auf. Auf die Trägheit in den Bewegungen dieses Anthropomorphen machte schon HAEckErL [’01, 219] aufmerksam. Damit schließe ich meine spärlichen biologischen Angaben und weise nochmals darauf hin, daß es mir für den vorliegenden Zweck wichtig erscheint, die Bewegungen in eine der beiden Gruppen ein- zuteilen und auch festzustellen, welche Regionen der Vola bzw. Planta für bestimmte Funktionen in Anspruch genommen werden. Physiologie. In diesem Abschnitt sollen die Tatsachen Behandlung finden, die durch das physiologische Experiment festgestellt sind und die Annahmen dargelegt werden, die auf Grund des Experimentes oder morphologischer und biologischer Beobachtungen gemacht wurden. Ich halte es für tunlich, Ballen und Hautleisten getrennt zu be- handeln. Physiologie der Ballen. Neben der Anordnung der Ballen kommen für die Funktion auch ihre Formveränderlichkeit und Elastizität in betracht. Man ist daher geneigt, in den Polstern Organe zu erblicken, welche die Erschütte- 43* 666 Otto Schlaginhaufen rungen bei der Lokomotion dämpfen. Wenn den Gebilden diese Aufgabe neben andern zufallen mag, so scheint sie mir doch nicht die hauptsächlichste zu sein; denn in diesem Fall. wäre das Vor- handensein der Polster doch namentlich da zu erwarten, wo, wie bei den Hylobatidae, durch das kräftige Abstoßen und Aufprallen dem Körper besonders starke Erschütterungen mitgeteilt werden. Bei diesen Formen aber, wie auch bei solehen, die sich ähnlich bewegen mögen, z. B. Ateles ater, Anthropomorphae, fehlen die Ballen gerade in denjenigen Regionen der Vola und Planta, die diesen mechanischen Insulten ausgesetzt sind, während sie an den beiden Enden der Vola bzw. Planta, einerseits am Carpus und an der Ferse, anderseits an den Phalangen, insbesondere den terminalen, wohl entwickelt sind. Ebenso sind bei Tarsius und Lemur gerade diejenigen Teile, die beim Springen heftiges Aufprallen erleiden missen, nämlich die Ballen der Endphalangen, sehr flach. Diese Beobachtungen sind es, welche mich dazu führen, das Abdämpfen der Erschütterungen nicht als die Hauptfunktion der Ballen anzu- sehen. Vielmehr möchte ich mich der alten Ansicht, daß es sich um Organe des Tastens handelt, anschließen. Es sind Tastballen (Tori tactus HuscHke [’44]), die als Hilfsorgane beim Gehen und an- dern langsam ausgeführten Extremitätenfunktionen dienen. Indem die Vola oder die Planta der betreffenden Unterlage sich langsam anlegt, werden durch die vorspringenden Teile, d. h. die Ballen, die Bedingungen auf der betreffenden Unterlage eruiert und den sen- siblen Bahnen mitgeteilt, so daß die motorischen Zentren auf ungün- stige Bedingungen wie Unebenheiten, schlüpfrige Flächen, verletzende Körper usw. vorbereitet sind. Die Betrachtung der Vola eines typischen quadrupeden Affen (Fig. 72) zeigt daher, daß die Ballen einen großen Teil derselben einnehmen. Führen wir uns aber nun die Bewegungs- weise vor Augen, wie ich sie im biologischen Abschnitt für das Genus Hylobates beschrieb, so ist leicht einzusehen, daß wir es in dem plötzlichen Abstoßen und Aufprallen nicht mit einem Tasten zu tun haben. Das Allmähliche in der Bewegung der quadrupeden Affen, die Vorbedingung für die wirksame Tätigkeit der tastenden Ballen ist, fehlt hier gänzlich und es fehlt auch jede Ballenerhebung im Bereich der Fläche, die dem heftigen Aufschlagen und dem plötz- lichen Fassen ausgesetzt ist. Ich habe schon wiederholt erwähnt, daß sowohl bei Hylobates wie bei Ateles ater sich Ballen nur am proximalen und distalen Rande der gesamten Vola bzw. Planta Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 667 finden. Ebenso wird die Tatsache erklärt werden müssen, daß die Endballen von Tarsius und Lemur, die bei den plötzlichen Berüh- rungen mit der Unterfläche hauptsächlich in Frage kommen, die flache Scheibenform haben. Alle diese Befunde lassen es in meinen Augen gerechtfertigt erscheinen, das Tasten im Sinne einer Hilfsfunktion des Gehens und andrer Bewegungen, die nicht stoßweise ausgeführt werden, als Hauptfunktion der Ballen anzusehen. Aus der Summe der morphologischen, physiologischen und bio- logischen Tatsachen, die mir über die Ballen bekannt sind, komme ich zu dem Schluß, daß die Polster an der Vola und Planta der Primaten in erster Linie Tastballen in dem oben ausführlich dar- gelegten Sinne sind, daneben aber auch als Dämpfungsmittel der Erschütterungen dienen können. Physiologie der Hautleisten. Morphologische Befunde, welche dartun, daß zwischen Ballen und Leisten enge Beziehungen bestehen, berechtigen uns zu der An- nahme, daß auch ihre Funktionen zueinander in Beziehung stehen. So haben mir physiologische Versuche sichere Anhaltspunkte dafür gegeben, daß die Hautleisten die Tastfunktion unterstützen. Ich entferne mich also wenig von der alten, schon von MArrıGHı [1686] geäußerten Ansicht, wenn ich annehme, daß die Hautleisten, neben andern, wahrscheinlich bestehenden Funktionen, hauptsächlich die- jenigen des Tastens ausüben. Auıx [’67, 323], der die Hautleisten auch als Tastorgane auffaßt, sagt: »Pour toucher avec un doigt il ne suffit pas de mettre son extremit& en contact avec l’objet que l’on veut connaitre, il faut la promener & la surface de cet objet...... Mais, par lintervention du pouce, le toucher prend un nouvau caractere; on l’exerce a la fois sur deux faces differentes d’un m&@me objet. Or, les lignes papil- laires sont disposees de telle sorte que, le pouce et lindex, par exemple, glissant en sens inverse l’un sur l’autre, on rabat celles du pouce pendant qu’on rel&ve celles de l'index, et r&eiproquement.« Diese Ansicht, daß erst durch die Bewegung der tastenden Fläche ein Eindruck von der Beschaffenheit des betasteten Gegenstandes gewonnen wird, findet sich auch bei GALToN ('91a, 305): » The ridges seem to me to actin a some- what analogous way to the whiskers of a dog or cat. A slight pressure at the end of a hair in the whisker causes a foreible pressure at the side 668 Otto Schlaginhaufen of the sheath that holds it, which is easily felt. So the ridges engage themselves in the roughnesses of the surface that we explore by rubbing it with the fingers, as is our wont, and the result is to for- cibly affeet the organs of touch which lie below and to cause a sort of thrill, which varies according to the degree of roughness and enables us to diseriminate it.«c Auch HerBurn [’95] nimmt neben der Unterstützung des Tastsinnes auch eine solche des Greifaktes unter Anwendung des Reibens an. Dabei schreibt er der durch die Schweißporen secernierten Flüssigkeit eine das Greifen erleichternde Wirkung zu. GALTON ['92a, 60] hatte sich früher über die Beziehung zu den Schweißdrüsen in dem Sinn ausgesprochen, daß ein Haupt- zweck der Leisten der sei, die Schweißsekretion zu erleichtern. Die vorliegenden Ansichten lassen zwar verschiedene funktionelle Möglichkeiten erkennen, sie entbehren jedoch genauer physiologischer Beobachtungen. Wollen wir aber über die Existenz dieser oder jener Funktion ins klare kommen, so haben wir vor allem die Forderung Ragıs [’98, 347], den experimentellen Weg einzuschlagen, zu erfüllen. Bereits A. KOLLMANN [’83, 56—57, '85, 91—94] spezifizierte den Ver- such E. H. WEBERs über die Feinheit des Raumsinns für die ver- schiedenen Regionen der Vola und Planta des Menschen und fand, daß die Endphalangenballen größere Feinheit aufweisen, als die Metacarpo- bzw. Metatarsophalangealballen und diese wiederum die weiter proximalwärts gelegenen Ballen und noch mehr die interme- diären Tastflächen übertreffen. Auch beobachtete er, daß der Raum- sinn an der Vola feiner ist als an der Planta. STERN [’95], der den Tastsinn der Münchner Stadtbevölkerung untersuchte, konnte zwischen der Feinheit der Empfindlichkeit und den Leistenfiguren der Finger- beere keinen Zusammenhang finden. Dagegen ermittelte er eine Reihe andrer Tatsachen, die hier Erwähnung finden mögen. Als Untersuchungsobjekte dienten ihm 600 Individuen, von denen je 100 auf Männer, Frauen, Knaben, Mädchen, Setzer, Blinde fallen. Männer und Frauen weisen einen Zirkelspitzenabstand von 2,0—2,4 mm auf. Für Knaben und Mädchen sind die Werte 1,1—1,2 zu verzeichnen. Auf dieser Stufe steht auch die Feinheit des Raumsinnes der Setzer, die jedoch von den Blinden noch übertroffen wird. STERN [’95, 128] bemerkt zu diesen Resultaten: »Es macht hierbei die auf die er- haltenen Tasteindrücke gerichtete vermehrte Aufmerksamkeit, sei es durch Übung, sei es durch größere Intelligenz des betreffenden In- dividuums, ein Hauptmoment für den Tastsinn aus.< Spezieller als A. KOLLMANN und STERN berücksichtigt FErE [’95] die Direktion Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 669 der Hautleisten. Da diese wichtigen Untersuchungen in der Haut- leistenliteratur nigends erwähnt sind, für meine eignen Untersuchungen aber die Grundlage bilden, will ich den diesbezüglichen Abschnitt wörtlich zitieren. FErE& machte seine Versuche an Fingerbeeren, die einen Sinus obliquus zeigten. »Si chez les sujets qui presentent a plusieurs doigts cette disposition vulgaire on examine avec soin la sensibilitE de la pulpe, on voit d’abord que les deux pointes du compas sont moins bien distingudes lorsqu’elles sont plac&es toutes deux dans la direetion de l’anse, et surtout si elles sont posees sur un m@me sillon ou sur une meme cerete papillaire que lorsqu’elles sont posees perpendiculairement aux sillons et aux cretes. Si les deux pointes sont placees chacune a &gale distance, de chaque cöte de la er&te ou du sillon central, elles sont moins bien differeneides que si une pointe est placee sur le sillon ou sur la cr&te centrale et l’autre lateralement, avee un m&me Ecartement. Il semble done que la differeneiation des deux pointes est moins facile lorsqu’un meme sillon ou une m&me crete papillaire est touche sur deux points de sa longueur que quand deux sillons ou deux cer&tes papil- laires eloignees sont touches, comme il arrive quand les deux pointes sont placees transversalement d’un m&@me cöte du sillon ou de la erete centrale. Lorsque les deux pointes sont plac&es de chaque cöte du sillon ou de la crete centrale, ce peut-etre le m&me sillon ou la m&me cröte qui sont touches comme dans le premier cas, mais les contacts ont lieu necessairement & une distance plus conside- rable en raison du trajet ceurviligne des series papillaires que lorsque les pointes du compas sont plac&es longitudinalement sur la portion rectiligne du m&me sillon ou de la m@me cröte« (FERE (95, 658)). Meine eignen Beobachtungen, die zunächst die wertvollen Untersuchungen Firis einer Prüfung unterziehen sollten, führte ich folgendermaßen aus: Ich bereitete das betreffende Individuum je- weilen durch einige Vorversuche zu den eigentlichen Versuchen so weit vor, als nötig war, bis es sich die verschiedenen Wahrneh- mungsgrade eingeprägt hatte. Ich pflegte einen Grad der Wahr- nehmung zu notieren, in dem deutlich eine (1) und einen zweiten, in dem deutlich zwei (2) Zirkelspitzen zu unterscheiden waren. Zwi- schen diesen beiden Fällen deutlicher Wahrnehmung gaben alle von mir geprüften Individuen zwei Grade undeutlicher Wahrnehmung an, von denen der eine näher der deutlichen Wahrnehmung einer (1 «), der andre derjenigen zweier (2 «) Zirkelspitzen lag. Nachdem ich 670 Otto Schlaginhaufen diese Skala zunehmender Feinheit des Raumsinnes 1, 1, 2, 2 an dem entsprechenden Individuum festgestellt hatte — was ich mei- stens in einer Extrasitzung tat —, fuhr ich mit einer feinen in Tusche getauchten Feder den Hautleistenkurven, die ich dem Versuch unter- ziehen wollte, unter der Lupe nach, und das nicht nur an den Sinus obliqui, sondern an sämtlichen Figurae tactiles, Ich behandelte zwei oder mehr Kurven jeder der 10 Fingerbeeren in dieser Weise und be- gann nach einer Kuhepause die Versuche. Schon während der Vor- versuche hatte ich jeweilen die Zirkelspitzendistanz kennen gelernt, die auf einem geradlinigen Leistenstück eine Wahrnehmung unter- halb des Grades hervorrufen würde. Mit einem solchen Abstand setzte ich die zwei Spitzen eines ähnlichen Instruments, wie es STERN ['95, 111, Fig. 1a] nach den Angaben RANKES verwendete, zunächst auf eine möglichst geradlinige Strecke der Kurve auf (Fig. 76 @ 5) und nachher quer zum Leistenverlauf auf zwei derselben Distanz entsprechenden Punkte cd der gleichen Kurve. Ich hatte also im Gegensatz zu der Methode von F&r£, der zufolge die gleiche Leiste ge- troffen werden kann, aber nicht muß, darauf Wert gelegt, daß derselben Leiste die Punkte e und « angehören sollten. Nicht in allen meinen Versuchen setzte ich den Zirkel auch noch ebenfalls quer zu den Leisten auf die Punkte zweier verschiedener Leisten (ef). Unter den 215 Versuchen, die ich an 10 Personen zur Feststellung des Wahrnehmungsgrades in den Stellungen a 5 und c d machte, zeigte sich in 201 Fällen deut- lich bei e d eine größere Feinheit im Raumsinn als bei «5, die übrigen 14 Fälle zeigten ein schwankendes oder entgegengesetztes Resultat. Da die letzteren Befunde sich hauptsächlich auf die Versuche beziehen, die ich an den ersten Individuen vornahm, so glaube ich sie als Fehler betrachten zu dürfen, die entweder auf Ungenauigkeiten in der ex- perimentellen Ausführung, die viel Sorgfalt erfordert, oder auf die ungenügende Konzentration der Aufmerksamkeit des zu beobachten- den Individuums zurückzuführen sind. Einem zweiten Versuch waren 98 Experimente an fünf Personen gewidmet, nämlich der Ermittlung des Wahrnehmungsgrades in der Zirkelspitzenstellung ef. Eine Reihe von Fällen zeigte, daß der Wahrnehmungsgrad dieser Stellung zwi- schen diejenigen der Stellungen « 5 und e d zu fallen tendierte, Fig. 76. Schema zur Erläuterung der phy- siologischen Versuche. Das Hautleistensystem der Primatenplanta usw. 671 so daß die drei Stellungen nach den Wahrnehmungsgraden in die aufsteigende Reihe ad, ef, cd zu ordnen wären. Der Unterschied zwischen der Empfindung bei «5 und bei ed ist aber oft so fein, daß ein Wahrnehmungsgrad, der sich dazwischen fügen würde, für den Raumsinn des Menschen mit einem der beiden andern ver- schmilzt. Deutlich war in zwei Drittel der Fälle der Befund aus- gesprochen, daß in der Stellung ef die Unterscheidung der Zirkel- spitzen leichter ist als in der Stellung «a 2. Als Hauptresultate meiner Versuche ergeben sich also folgende Sätze: Zwei Punkte von einer bestimmten Distanz werden besser unterschieden: 1) wennihre Verbindungsgerade rechtwinklig, als wenn sie parallel zur Leistenrichtung oder in dieselbe fällt. 2) wenn sie so auf eine Leistenfigur zu liegen kommen, daß ihre Verbindungsgerade die rechtwinklig zur Leisten- richtung gelegte Sehne eines großen Kurvenstückes dar- stellt, als wenn die Lage der Punkte auf der gleichen Leiste so ist, daß die Verbindungsgerade mit einem geradlinigen , Leistenabschnitt zusammenfällt. 3) wenn sie zu den Leisten so liegen, daß ihre Verbin- dungsgerade in der genannten Weise als Sehne zwei Punkte der gleichen Leistenkurve verbindet, als wenn die Lage so ist, daß die Verbindungsgerade zwei verschiedene Leisten verbindet. Diese Sätze erlauben noch Folgerungen allgemeinerer Art: A. Aus 1) folgt, daß die Leisten der ganzen Vola und Planta rechtwinklig zu den Richtungen angeordnet sind, in denen die Diskrimination der Unterlage erfolgt. — B. Aus 2) und 3) folgt, daß an Stellen mit besonders verfeinertem Raumsinn, d.h. an den Figurae tactiles, sich nicht viele kleine Leistenstücke, sondern wenige große Lei- stenkurven finden. Wir werden also in Figurae tactiles von ge- ringerer Ausbildung des Raumsinnes näher dem ersteren, diejenigen von höherer physiologischer Entwicklung näher dem letzteren mor- phologischen Zustand finden. Ka: ae ENT rer ee ee ee en N N sahen RER “1 } FRAUEN EN, ei Fr 7 t f @ rn 14 + % ns % wre Pa BIT ag DR , FESSERRer SHE ATER RITTER Rn EL MERTTEL TE 1i:, LURERBSER E70 ME 70 5 Er 1 & % P) Min ee ah Ada neinsalk ET x j » virg FE PB Kate ES EREGEHERN m in SER IDEEN I TER RR EN PITIOIE PIC SE SIEHE HU Br ne wer lin IT. 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