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B ar 5 1 Aa FOR THE PEOREE FOR EDVCATION FOR SCIENCE LIBRARY OF THE AMERICAN MUSEUM OF NATURAL HISTORY | ur de AN “ »Ei - av ei HERD, FR Br 7 ri NN zus un 3 . TEEN PIZuG Ba A 111. Aa j Ka En GEGENBAURS MORPHOLOGISCHES in ——..ı —— EINE ZEITSCHRIFT ANATOMIE UND ENTWICKLUNGSGESCHICHTE HERAUSGEGEBEN vVoN GEORG RUGE PROFESSOR IN ZÜRICH VIERUNDVIERZIGSTER BAND MIT 315 FIGUREN IM TEXT UND 21 TAFELN LEIPZIG VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 1912 ind E B LE ee ZusIzUn HAIE: > SIa9r an TAHUFAHKE Inhalt des vierundvierzigsten Bandes .ANnINANNNDN Erstes Heft Ausgegeben am 28. Dezember 1911 Seite 5 | Die Peritonealkanäle der Schildkröten und Krokodile. Von Neeltje La. Isebree Moens. (Mit 44 Figuren im Text und Tafel I-N) .... 1 Zur Entstehung des Tuberculum articulare beim Menschen. Von Robert Hoover. (Mit 1 Fieur im. Text-und Tafel ID ... +... ... 8 Über den Bau des menschlichen Kreuzbeines und die Verschiedenheit seiner Zusammensetzung in Prag und Jurjew-Dorpat. Von H. Adolphi . 101 Berichtigung zur 1. Mitteilung über »Anatomische Studien an der japanischen Inapenschildkrüte«. Von R Osushi.l Herr 2. et 127 Gesichtsmuskulatur und Nervus facialis der Gattung Hylobates. Von Georg Mit 12 Piguren im -Texh)..... 04 on an ren 129 Die Nasenhöhle der Perennibranchiaten. (Ein Beitrag zur Phylogenese des Jacobsonschen Organs. Von Wilhelm Anton. (Mit 1 Figur im Text un Tafel IV=V)..2.7.% Ben ee ER a Wi: | | 5 Zweites Heft Ausgegeben am 6. Februar 1912 ‘Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 1J. Zur Entwicklungsgeschichte der Zähne. Ontogenie. Von Augusta Arn- bäck-Christie-Linde. (Mit 47 Figuren im Text und Tafel VI). . 201 Über die Pectoral- und Abdominalmuskulatur und über die Scalenus-Gruppe bei Primaten. Eine vergleichend-morphologische Untersuchung. Von Haikanducht Tschachmachtschjan. (Mit 46 Figuren im Text KERLE SE N 297 Grenzlinien der Pleura-Säcke beim Orang. Von Georg Ruge. (Mit 24 Fi- Beim DaRt). 3 0 ee EN ER RR, 371 e | IV Drittes Heft Ausgegeben am 29. Mai 1912 Seite Über sogenannte atypische Epithelformationen im häutigen Labyrinth. — Eine rudimentäre Macula neglecta. Von L. Stütz. (Mit Tafel VII) 403 Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Ontogenie der Nase der Primaten. I. Beobachtungen und Bemerkungen zur Entwicklung der Nase bei einigen catarrhinen Affen, Säugern und dem Menschen. Von G.P. Frets. .(Mit.64 Figuren im Text). ... ve 2 Ge 409 Die Entwicklungsgeschichte der Kopfarterien von Talpa europaea. Von Harry Sicher. (Mit 5 Figuren im Text und Tafel VII—-X). . . . 465 Beziehungen zwischen Form und Funktion der Primatenwirbelsäule. Von Hans Bluntschli. (Mit 9 Figuren im Text und Tafel XI). ... . 489 Über die Cervicothoracalgrenze der menschlichen Wirbelsäule. Von H. Adolphi. Mit 2 Figuren im Text) ... ... 2 Ss 519 Untersuchungen über das Lymphgefäßsystem von Salamanderlarven. Von H.Hoyer und S. Udziela. (Mit Tafel XII und XIM) .......535 Besprechung: Das Wachstum des Menschen nach Alter, Geschlecht und Rasse. Von 8. Weißenberg . ...:..... 222 nr 559 Viertes Heft Ausgegeben am 16. Juli 1912 Die Entwicklung des Schädelskeletes von Vipera aspis,. Von Bernhard Peyer. (Mit 22 Figuren im Text und Tafel XIV—-XVD...... 563 Die Kopfregion der Amnioten: Morphogenetische Studien. Von A. Fleisch- mann. (9. Fortsetzung) . : . .u.....2...020 5. ee 623 Die embryonale Metamorphose der Mundrachenwand beim Ka- narienvogel (Fringilla canaria. Von Friedrich Stell- waag. (Mit 33 Figuren im Text und Tafel XVII u. XVII) 627 Die Metamorphose der Mundrachenwand der Schildkröte »Che- lydra serpentina«e.. Von Johann Dohrer. (Mit 5 Fi- guren im Text und Tafel: XIX— XXI . 7 rs 661 Der Einspruch von Hugo Fuchs. (Erwiderung). Von Karl Thäter ::: 7 = z-..2 2 220% 04 2 0% Eros 707 a a Die Peritonealkanäle der Schildkröten und Krokodile. Von Dr. Neeltje LM. Isebree Moens, Amsterdam. Mit 45 Figuren im Text und Tafel I—I. Einleitung. Die Schildkröten und Krokodile zeigen im anatomischen Bau ihrer Organe eine Eigentümlichkeit, welche man gewöhnlich mit dem Namen »Peritonealkanäle« andeutet. Diese Peritonealkanäle sind bekanntlich zwei Aussackungen des Cöloms, welche, zu seiten der Harnblase anfangend, sich anal- wärts erstrecken. Allgemein verbreitet ist auch die Meinung, daß einige dieser Reptilien Abdominalporen besitzen. Man versteht hier- unter, daß die beiden Cölomdivertikel, welche in der Gegend der Cloake liegen, am analen Ende durchlöchert sind. Mit anderen Worten gesagt, soll sich also am Ende dieser Kanäle eine Öffnung auffinden lassen, die mit dem Namen Abdominalporus bezeichnet wird, und demnach soll die anatomische Merkwürdigkeit vorliegen, daß sich ein freier Durchgang von der Cloake in die Bauchhöhle befände. Die Angaben, die man betrefis dieser Abdominalporen in den Handbüchern findet, machen jedoch einen wenig überzeugenden Eindruck. Anderseits wird nur mit Vorbehalt von einem blindge- schlossenen Ende der Peritonealkanäle gesprochen. Den Mangel an überzeugenden Berichten und unsere völlige Unkenntnis von der Embryologie dieser Kanäle durch neue Unter- suchungen wenigstens zum Teil zu beseitigen, ist der Zweck dieser Arbeit. Das für eine eingehende Untersuchung unentbehrliche Material wurde mir durch Herrn Prof. Max WEBER von den vorhandenen Morpholog. Jahrbuch, 44. 1 2 N. Li. Isebree Moens Duplikaten der Alkoholkollektion der Kön. Zool. Gen. Natura Artis Magistra in Amsterdam überlassen. Eine große Anzahl in Ost-Indien gesammelter und schön fixierter Embryonen des Crocodilus porosus, in allen Stadien der Entwick- lung, stellte mir Herr Prof. C. Pu. SLUITER zur Verfügung. Einige Serien von Durchschnitten vom Embryo der Chelone He. al A el. clw. B cl.bl. sugCugp. d. mi Beer # r ' I I ‘ an. gl.p. Am.rp.c.f.p.k. c.c.S.r. B Lac 2 1 | Fee, k 1% I I ı 0 D p.k.b.u.C ab. Medianer Durchschnitt der Cloakalgegend einer männlichen Testudinide, Fig. 10. Ca ee c.C. kn --- -D» > SA pp. G = N --__ RER GB '\ | U #3 Querdurchschnitt der Cloakalgegend einer männlichen Testudinide. Mydas und einige Embryonen derselben Species verdanke ich Herrn Prof. J. F. van BEMMELEN in Groningen. Herr Dr. P. N. va KAumPpEn sandte mir einige auf Java durch ihn gefangene Schildkröten. Für die Bereitwilligkeit, mit der genannte Herren mir dieses Material überlassen haben, bin ihnen zu großem Dank verpflichtet. Da die Tiere, welehe im Zoologischen Garten der Kön. Zool, Die Peritonealkanäle der Schildkröten und Krokodile. 3 Gen. Natura Artis Magistra sterben, zum Teil dem Zoologischen Laboratorium zur Verfügung gestellt werden, war ich in der Lage, eine ganze Anzahl Schildkröten und Krokodile kurz nach deren Tode zu untersuchen, während ich mehrere Embryonen und einige konservierte nordamerikanische Sorten von Ü. S. BRIMLEY in Raleigh N. C., U. S. A., bezog. Eine kurze Beschreibung der Cloakalgegend der Reptilien, in der auch die Lage der Peritonealkanäle besprochen wird, möchte ich der historischen Übersicht und den eigenen Untersuchungen vor- ausschieken. Wegen des tiefgehenden Unterschiedes im Bau der Cloake will ich dabei die Gruppe der Chelonier und Crocodilier getrennt be- sprechen. Das Lumen des Enddarms (Fig. 1d.) mündet bei den Schild- krötenin den Cloakalraum, ohne davon durch einen eigentlichen Ring- muskel geschieden zu sein. In der Oloake befinden sich zwei Kammern, welche vom Septum urogenitale nur unvollständig geschieden wer- den. Diese zwei Abteilungen nennt man: »Sinus urogenitalis« und »eigentlichen Cloakalraum«. In dem ventral und unter dem letzten Teil des Enddarms gelegenen Sinus münden die Ureteren (Ur.) und die Geschlechtsgänge (g. g. ö.) in eine Papille, welche mit dem Namen »Urogenitalpapille« bezeichnet wird. Ventralwärts verjüngt sich der Sinus, um allmählich durch den eigentlichen »Stiel«e in das Lumen der Blase überzugehen. In der ventralen Cloakalwand liegt außerdem das unpaare Copulationsorgan; dorsal finden wir bei verschiedenen Arten die beiden Anal- oder Cloakalblasen. Letztere sind paarige Aus- sackungen (Fig. 1 B cl. bl.) mit geräumigen, schlitzartigen Zugängen, deren stets sehr dünne Wand entweder glatt oder mit sogenannten Villi bedeckt ist. Mehrere Forscher haben diesen Blasen die wun- derlichsten Zwecke zugesprochen!. Wahrscheinlich haben sie eine respiratorische Funktion. 1 Nach Cuvier sollen diese Cloakalblasen wie eine Art hydrostatischer Apparat fungieren, indem das Tier imstande sei, die Blasen mit Wasser, viel- leicht auch mit Luft zu füllen, um sich auf diese Weise spezifisch schwerer oder leichter zu machen. Towsson ist der Meinung, daß die Schildkröte nie trinkt, sondern das für den Unterhalt benötigte Wasser durch den After einnimmt. ÄNDERSON behauptet, daß die Analblasen als exeretorische Organe z zu be- trachten und den Moschusdrüsen der Crocodilier zu homologisieren seien. 1: 4 N. L?. Isebree Moens Das Copulationsorgan der Chelonier ist aus einem faserigen Teil zusammengesetzt, dem Corpus fibrosum (Fig. 1 A 5 e.f.), welches zur Höhe des Septum urogenitale anfängt und, ventral im Gewebe der Cloake gelegen, bis unter die Glans penis reicht (Fig. 1 gl. p.). Diesem Corpus fibrosum sind die beiden Museuli retraetores penis angeheftet, welche anderseits mit den vorderen Lumbalwirbeln ver- bunden sind und demnach zu beiden Seiten der Cloake von dem ventral gelegenen Penis nach der Rückenseite des Tieres laufen. Eine Eigentümlichkeit, für welche ein Analogon bei den übrigen Vertebraten nicht vorliegt. Über dem Corpus fibrosum liegt der Schwellkörper (c.c.), der wie- der aus zwei deutlich unterschiedenen Teilen besteht: aus der Eichel (gl. p.), dem Teile, der am meisten analwärts aus der Wand der Cloake hervorragt, und aus einem Teile, der mehr proximal, wie zwei Bänder zu beiden Seiten der Samenrinne ($. r.) liegt. Die Peritonealkanäle haben ihren Ursprung zur Seite des Blasen- stiels; dort kann man die Cölomaussackungen mit einer Sonde sehr leicht auffinden. Sie verlaufen nach hinten (Fig. 1p. %k.), passieren den Bulbus urethrae (b. «.) und kommen dann am vorderen An- fang der Samenrinne, zur Seite dieser gossenartigen Vertiefung der Cloake zu liegen, indem sie sich einander nähern. Die Peritonealkanäle sind fast immer vom cavernösen Gewebe begleitet (Fig. 1A, B, ©, c.c.) und reichen bis an die Eichel. Die Harnblase hat eine flaschen- oder birnenartige Form. Die Blase der Landschildkröten ist groß und ziemlich diekwandig, die der Sumpfschildkröten ebenfalls sehr umfangreich, aber äußerst zart. Die Meeresschildkröteu hingegen haben eine recht kleine, aber dick- häutige Blase. Das Lumen der Blase verengert sich zum sogenannten Stiel und geht, wie oben schon angedeutet wurde, allmählich in den Sinus urogenitalis über. Die Samenrinne reicht meistens nur bis an die Eichel des Penis (Testudinidae). Bei einigen Sorten (Trionychidae) ist die Rinne bis auf die Glans zu verfolgen und verzweigt sich dort an der Oberfläche des (zewebes. Bei den Chelonidae setzt sie sich unverzweigt bis zur Spitze der Glans fort. Der After (a., an.) ist rund und liegt ventral auf dem Schwanze. . Die Cloake des Krokodils ist wie folgt gebaut: (Fig. 2 A, B, C.) Der Enddarm (d.) führt in eine geräumige, diekhäutige Kammer, re Ft u 5 he * 44 E B li “2 Be n r N £ K > > | = \ De de: 3 v n ı N ih ı H . | | d» c.f. A ! 2. in | pr p.k. C Die Peritonealkanäle der Schildkröten und Krokodile. Fig. 2. m.d. Sn. P. P.d. 9.9.0. Se.u.g en Fur: DE Er ! ı | ; | | } N | | : I 1 I | — ' I - 1 1 = | & 1 ee u.d. d. (ne Medianer Durchschnitt der Cloakalgegend eines Krokodils. Fig. 2 A. Fig. 2 B, Fig. 24. Querdurchschnitt der Cloake eines Krokodils zur Höhe des Endes des Peritonealkanals (p.k.). Fig. 25. Wie Fig. 2A, zur Höhe des Endes des Geschlechtsganges (y.9.). welche in einen zweiten, wie die- ser wieder in einen dritten und letzten Raum führt, der durch den After mit der Außenwelt in offene Verbindung gebracht werden kann. GapDow folgend, bezeichnen wir diese drei Räume, welche von- einander durch einen Ringmuskel geschieden sind, mit den Namen: Coprodäum (ec. d.). Urodäum (vw. d.) und Proctodäum (pr. d.). Im Proctodäum werden nur Querdurchschnitt des Urodäums eines Krokodiles, Fig 26. Faeces angehäuft; im Urodäum sammelt sich der Urin, der durch die beiden Ureteren zugeführt wird (wr.). Faeces und Urin werden, 6 N. L&. Isebree Moens Jede für sich, während sie die letzte Kammer passieren, durch den Anus nach außen geführt. Im Proetodäum fällt das kräftige, ventral gelegene Begattungs- organ am meisten auf. Der Penis (p.) (Clitoris, Cl.) ist zum größten Teil in der Cloakalwand versteckt. Was wir in das Proctodäum hervorragen sehen, ist der freie anale Teil (Fig. 2 p). Das Corpus fibrosum, das, wie bei den Schildkröten, den Haupt- bestandteil des Penis bildet, besteht bei den Crocodiliern am vor- deren Teile aus zwei Stücken, welche am freien analen Ende mit- einander verschmolzen sind (Fig. 1 ©, B, c.f.). Von der dorsalen Seite betrachtet, hat das Corpus fibrosum eine V-förmige Gestalt. Der Sehwellkörper ist nur spärlich entwickelt. Um so tiefer ist jedoch die Samenrinne (Fig. 2 A, S. r), welche am Septum urogenitale be- ginnend (Se. vg. Fig. 2) über den ganzen Penis bis an die Spitze des kleinen Anhangs zu verfolgen ist; dieser Anhang ist von RATHKE mit dem Namen »Schneppe« angedeutet worden, (Taf. I, Fig. 12, Taf. II, Fig. 1; Fig. 2sr.) und hat, soweit bekannt, keine weitere Bedeutung. In die letzte Kammer münden die Geschlechtsgänge (g. g. ö. Fig. 2). Die Geschlechtsöffnungen liegen in unmittelbarer Nähe des Septum urogenitale. Dies hat für das Männchen zur Folge, daß das Sperma in die Samenrinne gleiten und vom Penis in das Proc- todäum des Weibchens geführt werden kann. Die Eileiter münden beim geschlechtsreifen Tiere zur Seite der Clitoris; diese ist in der Jugend nur wenig, später durch ihre ge- ringere Größe um so deutlicher vom Penis zu unterscheiden. Die Oviduete sind bei den meisten weiblichen Krokodilen, welehe die Länge von zwei Metern nicht überschreiten, noch geschlossen. Die Geschlechtsreife tritt erst ziemlich spät ein, und damit auch die Durchlöcherung der Eileiter. An der Wurzel des’ freien Penisendes finden sich an beiden Seiten gewöhnlich zwei Papillen vor, unter welchen die spitzen Enden der Peritonealkanäle gelegen sind, und die deshalb mit dem Namen » Peritonealpapillen« bezeichnet werden (Taf. I, Fig. 12, Taf. II, Fig. 1, Fig. 2A, p. p. k.). . Wegen des geräumigen Eingangs vom Cölon aus, und weil sie sich allmählich verjüngen, werden die Peritonealkanäle oft Peri- toneal- oder Cölom-Trichter genannt (Fig. 2 C, B, A, p. k.). An den Anallippen befinden sich noch die beiden Moschus- drüsen, welche mittels schlitzartiger Öffnung in die Cloake münden Die Peritonealkanäle der Schildkröten und Krokodile. 7 (m. d.). Der Anus ist eine Spalte, welche der Länge nach ventral des Schwanzes liegt (a.). Ich möchte jetzt der Übersichtlichkeit wegen die Einteilung GADoWws folgen lassen. Meines Erachtens ist GApow jedoch in der Durchführung der Homologien zu weit gegangen, da uns zu derartigen Schlüssen die nötige Kenntnis der Entwicklung dieser Cloakalteile völlig oder zum Teil fehlt. I. Proctodäum: epiblastisch; vestibulum eloacae, anal chamber, chambre copulatrice, bourse prepuce, bourse de copulation, vestibule genito-exer6mentitiel. Hiervon werden abgeleitet: 1. Bursa Fabricii. 2. Mehrere Drüsen. 3. Copulationsorgan, das seinen teilweise epiblastischen Ursprung oft verrät durch hornartige Auswüchse an der Glans. II. Urodäum: hypoblastisch; eigentliche Cloake, Mittel- oder Urino-genitalkammer, vessie urinaire, canal urethro-sexuel. Hiervon leitet man ab: 1. ventral die Harnblase. 2. dorsal die Cloakal- blasen der Schildkröten (anal bladders). III. Coprodäum: hypoblastisch; reetale oder hintere Cloakal- kammer, rectal chamber, poche vestibulaire du recetum, vestibule rectal. Gapow bemerkt hierzu: »The urodaeum is the oldest portion of the whole eloaca then follows the proctodaeum, and jaetiy the coprodaeum has secondarily assumed cloacal functions«. Schildkröten. Historisches. Zum ersten Male wurde auf die Peritonealkanäle einer männ- lichen Schildkröte durch Cuvier im Jahre 1805 hingewiesen. Er erwähnt diese Eigentümlichkeit in einer vorläufigen Notiz, welche längere Zeit unbeachtet geblieben ist, während eine durch Js. GEOF- FROY ST. HILAIRE und MARTIN gegebene viel ausführlichere Be- schreibung sich am meisten verbreitet hat. Die oben hervorgehobene Beschreibung Üuviers (10) bezog sich auf ein männliches Exemplar der Testudo indica. Er fand, daß das Peritoneum der.Bauchhöhle sich zu den Seiten des Blasenstiels nach hinten neigt und sich in zwei Cölomdivertikel verengert. Hier lag also der Eingang der später von Sr. HıLaırz benannten Peritoneal- kanäle: 8 N. La, Isebree Moens »Il y a de chaque eöt6 du sillon dorsal de la verge, un canal dont l’orifice est dans la cavite du peritoine, de chaque cöte de la vessie, et qui se prolonge dans l’epaisseur de la verge jusqu’au gland ou il se termine par un cul-de-sac, sans que ses parois soient pereees dans aucune partie de son &tendue.« Dieser Kanal in der männlichen Testudo indica endigte blind. Ebenso behauptet Cuvier 25 Jahre später in seinen Lecons (10): »Ils (les canaux) y ont une large embouchure dans la cavite abdo- minale. Dans la partie bulbeuse de la verge, leur canal est an- fractueux, divise par des brides et entoure du tissu vasculaire erectile de cette partie. Ce n’est qu’au-dela du bulbe qu’il devient simple et presque superficiel...... et le canal peritoneal n’a plus de parois vers le haut que sa propre membrane et la peau de la verge.... Au moment otı il arrive au niveau du gland, il s’y ter- mine par un cul-de-sae &troit. Sa membrane y forme des plis an- guleux, dont le sommet est dirig& vers le fond, et qui se succedent jusqu’a celui-ei en fignrant des valvules emboiteces les unes dans les autres.« Diese Beschreibung ist anderen, später gegebenen, an Genauig- keit weit überlegen. Um so mehr ist es daher zu bedauern, daß die Veröffentlichung Js. GEOFFROY ST. HILAIRES und MARTIN ST. AngGes, welche zwar viel weitläufiger, aber viel weniger richtig war, diese Mitteilung Cuviers in den Hintergrund gedrängt hat. Im Jahre 1528 wurden von den genannten beiden Forschern (21) einige Beobachtungen über die Cölomdivertikel einer weiblichen Testudo indica von 70 em Länge veröffentlicht. Sie fanden in der Cloakalgegend zwei Kanäle, von denen sie Sagen: »que nous designerons sous le nom de canaux peritoneaux et qui mettent la cavite du peritoine en communication avee l’interieur du corps caverneux.« Sie behaupten also eine Öffnung gefunden zu haben, die das Lumen des Kanals mit dem Venensystem des Schwellkörpers ver- bindet. Mit der von ihnen vermuteten Möglichkeit eines durch diese Öffnung stattfindenden Stoffwechsels deuteten sie auf eine anato- mische und physiologische Eigentümlichkeit hin, deren Widersinnig- keit meines Erachtens jedem auffallen wird. In der Tat wird denn auch in der Literatur kein zweites Mal eine solche Kuriosität er- wähnt. Erst 40 Jahre später wurde durch ANDERSON experimentell cz Ida Tl a 4 bu er Die Peritonealkanäle der Schildkröten und Krokodile. 40 bestätigt, daß wirklich keine Mündung des Kanals in den Schwell- körper besteht. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist die von St. HILAIRE und Marrıy behauptete Öffnung auf künstlichem Wege entstanden, und zwar dadurch, daß sie den Kanal von der Bauchhöhle aus mit Quecksilber injiziert haben. Nachdem sie dann den Kanal der Länge nach geöffnet hatten, bemerkten sie, daß in der Nähe der Eichel sich ein Tropfen Quecksilber von dem Kanal aus in das caver- nöse Gewebe des Sehwellkörpers durch Druck befördern ließ. Sie beschreiben dann näher den Lauf des Kanals und sagen, daß derselbe sich der urethrosexuellen Rinne nähert und sodann an der Außenseite des cavernösen Gewebes liegt. »L’aceompagne jusqu’aupres de sa terminaison, et s’abouche dans sa cavite a eing lignes environ de la base du gland... Son orifice dans le corps caverneux est plus petit que ne l’est son diametre dans presque toute son etendue ... .. l’interieur du canal peritoneal est lisse, poli et un peu brillant; la membrane qui le revet est extr&mement mince et offre tout l’aspect d’une membrane sereuse, elle se continue avec le peritoine et parait en ätre un pro- longement« (p. 179), und etwas weiter: »Les corps caverncux et les canaux peritoneaux peuvent Egalement s’injecter d’avant en arriere et d’arriere en avant. De plus une injection fine poussee dans l’un de ces quatre conduits, vers le gland, s’epanche dans le tissu &rectile de cet organe, et il peut arriver que la elle reflue dans les trois autres, et dans le tissu spongieux qui les environne. Enfin, en com- primant le gland apres avoir injecte au mercure son tissu ereetile nous sommes parvenus assez facilement A faire sortir des petits globules dans la pointe tres-tenue qui termine son sommet et qui nous a paru &tre canalieule«. Es fragt sich nun, ob die Injektion nicht so gründlich gewesen ist, daß die zarten Gewebe, die an der Wurzel der Eichel anein- anderstoßen, zerrissen wurden. Auch bei einer weiblichen Test. radiata fanden sie die Kanäle. »Nous avons vu d’une cöt& le canal peritoneal s’aboucher dans le corps eaverneux de la m&me maniere que dans l’espece preee- dente (7. indica), mais un peu plus pres de l’extremite du corps caverneux et par un plus petit orifice. De plus nous avons trouv£, quelques lignes avant la fin du canal deux tres petits trous qui communiquaient aussi dans le corps caverneux.... Nous nous sommes cependant assures par des injections que ce canal 10 N. Li, Isebree Moens communiquait, aussi bien que celui du cöte oppose, dans le corps caverneux.« Sie fügen noch hinzu: »Le sommet du gland est perce de deux petits trous, par les- quels Tinjeetion passe assez facilement et il contient deux petits canaux qui pourraient bien @tre des branches de terminaison des canaux peritoneaux« (p. 181). Betrachten wir nach der Vorführung der Anschauungen der beiden Forseher ihre Beweisgründe etwas näher. Um die von ihnen vermutete Öffnung der Peritonealkanäle zu finden, injizierten sie dieselben bei einer Emys concentrica mit einer reichlichen Menge Flüssigkeit und sahen: »Ce liquide sortir en grande quantit@ par l’anus apres avoir rempli le vestibule ecommun; ce qui confirme le hypothese, que les canaux peritoneaux des Tortues communiquent (comme ceux des cro- codiles) avee lexterieur et que les deux petits conduits de l'exterieur du gland en sont les branches terminales. En effet, quelque soin que nous ayons mis a chereher une ouverture qui fit com- muniquer direetement ces canaux avee linterieur de la cavit& du eloaque, nous n’avons pu en d&ecouvrir aucune; et ce qui vient encore A l’appui de notre opinion, ce’est que tout le gland etait noir et gonfle de l’injeetion«! (S. 202). Liest man diese Worte aufmerksam, so kommt man zu dem Schluß, daß die von den beiden Forschern vorausgesetzte Meinung, die Kanäle seien am Ende offen, durch ihr Experiment eigentlich nicht bestätigt wird. Auch wenn keine Öffnungen aufzufinden sind, ‘so nehmen sie dennoch offene Kanäle an, weil beim Einspritzen oder, besser gesagt, infolge der Injektion die Flüssigkeit aus dem Anus zutage tritt. Wenn dann auch das Gewebe der Eichel die färbende Flüssigkeit enthält, so bekommt man doch den Eindruck, daß beide Forscher sich nicht genügend Rechenschaft gegeben haben über die Änderungen, welche durch die Injektion hervorgerufen wurden. So entfallen ihnen noch die Worte: »Nous n’avons pu decouvrir aucune ouverture, qui fit communiquer direetement ces canaux avec linterieur de la cavite du eloaque«. Man wird es daher wohl keine voreilige Schlußfolgerung nennen können, wenn ich behaupte, daß im Falle Js. G. St. HILAIRE’s und ! Der Sperrdruck ist von mir veränlaßt. Die Peritonealkanäle der Sehildkröten und Krokodile. 1 MARTINS keine Poren, sondern tatsächlich blindgeschlossene Kanäle vorgelegen haben. Die spätere Literatur weist weiter eine Menge Angaben auf, in denen die erwähnte Behauptung Sr. HıLaıres und MARrTINS meistens, ohne auf ihre Richtigkeit geprüft zu sein, einfach über- nommen wurde. So lesen wir z. B. im Lehrbuch MıLnEe Evwarps (1841) (12), daß bei den Schildkröten ein Kanal Bauchhöhle und Cloakalraum in offene Verbindung miteinander stelle. Eine Angabe eigener Nach- prüfung dieser Behauptung liegt aber nicht vor. Im Handbuch der Zootomie der Wirbeltiere II (34) hingegen meldet Srtannıus, daß er selbst immer geschlossene Peritonealkanäle sefunden hat; die Veröffentlichung Js. G. St. HıLAIREs und MARTINS war ihm bekannt, so daß er also seinen eigenen Befunden den Vor- zug gab. R. Owen (28) bildet den Querschnitt des Penis einer Emys con- centrica ab und behauptet von den in dieser Zeichnung angegebenen Kanälen: »which at one end communicates with the cavity of the peritoneum, and by the other end is prolonged into the substance of the glans, where it terminates blindly or by a kind of retieulate sinus«. Was also das Auffinden und die Annahme eines offenen Kanals betrifft, stehen St. HıLAIRE und MARTIN vereinzelt da. Anderer- seits liegen die Äußerungen CuvIErs, Stannıus’ und OwEns vor, nach denen das Ende blindgeschlossen ist. Außerdem haben wir deutlich zu machen versucht, welcher Wert den Experimenten HILAIRES und Marrıns beizulegen sei. Auffallend ist die eingehende Untersuchung A. Frrrschs (15) aus dem Jalıre 1870, der bei einer männlichen Testudo elephan- tina von 87 cm Schildlänge die beiden Peritonealkanäle in normaler Lage fand. Der Eingang von der Bauchhöhle aus wird zu beiden Seiten des Blasenstiels durch einige Papillen und Pfeilerchen be- hindert. Auch im eigentlichen Kanal finden diese Papillen sich vor und verengern, ebenso wie viele Falten in der Wand, das Lumen des Kanals nicht unerheblich. Die von Frırsch beobachteten Pfei- lerchen hat schon Cuvier bei der Testudo indica gesehen und mit dem Namen »brides« bezeichnet. Der durch Frrrsch beschriebene Kanal war 180 mm lang und 12 mm breit »und endigt blind an der Basis der Eichel, wo sein verschmälertes Ende von einem ve- nösen Maschennetz umgeben ist. Da die Frage über die Kommuni- 12 N. L#. Isebree Moens kation der Peritonealkanäle mit den Corpora eavernosa einerseits, und der Cloake anderseits bei den bereits untersuchten Schildkröten, und besonders bei den weiblichen verschieden beantwortet wurde, so habe ich auch hier die Injektion der Kanäle "mit sehr dünnen Massen unternommen, und nach Anwendung von bedeutendem Drucke mich überzeugt, daß die Per. Kanäle auch hier wirklich blind endigen«. Die Beschreibung stützt sich also auf ein sorgfältiges Ex- periment. MÜLLER (26) bildet in Fig. 5, Taf. III, seiner Arbeit einen Quer- schnitt vom Penis einer Riesenschildkröte ab. In dieser Zeichnung finden wir auch die mit »f« angedeuteten Peritonealkanäle. Im Texte behauptet er, daß der Kanal: »an der obern Seite des venösen Canals gelegen, (sich) bis gegen die Eichel hinfortsetzt und hier blind endigt« 2 a £ Per.-Kanäle anwesend, | nicht weiter verfolgt. 4e)P5 : | Injektionsflüssigk. kam aus dem Anus hervor, je- H $ dochkonntekeine Öffnung 1891 DE : e* aufgefunden werden. 1835 |MAYER +. || > 3% + | 1835 |OwEN Ze 1870 |FRITScH En 1876 AÄNDERSON 4 5 = DE = 5 An = 2 + R z =: - E Er 5 = + ı 1 Anfangs drang Flüs- ‚sigkeit nicht durch, später ‚eine Borste benutzt. - 2 + | 3 Durch Alkohol Ze ARE schrumpft, so daß keine ) Mündung sichauffind.ließ 5 A Genera, welche toneal-Kanäle besitzen. 1877 |LATASTE == - - - - - “+ 1879 |HOFFMANN == - - - n = + z 5 > 1887 |GADow + 5 = zu = R + 2* | || Ge COCA PO POPP PAAOH PO LHOH OR LK schlecht | 40 N. L2. Isebree Moens D oO Peritonealkanäle Jahr der Veröftentl. ge- schloss, Autor offen Testudo graeca 1887 |GaDow | Chelone midas ı 1897 |BLeEs Chelydra serpentina 1907 |SCHMIDTGEN Cinosterum odoratum | - - Ohrysemys reticulata - - - coneinna Lee. - - Malacoel. terrapene - Damonia reevesii I - Clemmys guttata Se - Emys orbicularıs Is | - Cistudo carolina | E E Nieoria triiuga & I - | Testudo graeca IN - | - ealearata I = - elegans = - - tabulata | - | Thalassochelys caretta | - - Ohelone imbricata Ik - Sternothaerus derbian. - Ohelodina longieollis Ir - Trionyx hurum | | - = triiuga | | - spinifer | - | - - sinensis | | Emyda grandis | | ++ on = ergen on R on Q >In allen Fällen fand ich ein blindgeschlossenes Ende.« | | - vittata | | | | | | | Diese Übersicht der Literatur möge es rechtfertigen, wenn ich den Namen »Peritonealkanäle« der Bezeichnung Abdominalporus vorziehe. Untersuchungen. Bei einer etwas eingehenden Untersuchung des Baues der Peri- tonealkanäle sind folgende Fragen zu beantworten: 1. Haben alle Schildkröten Peritonealkanäle? Wir begegneten einer solchen Behauptung mehrfach in der Literatur. (GADow, BRIDGE, BL£s.) | 2. Bestehteine offene Verbindung zwischen Oloake und Lumen des Kanals? Mit andern Worten: ist die in verschiedenen Lehrbüchern wiederholte Behauptung, daß Schildkröten Abdominalporen haben, richtig? Liegt dieser Porus, wie behauptet wird, auf der Glans, und Bemerkungen Die Peritonealkanäle der Schildkröten und Krokodile. A besteht eine offene Verbindung zwischen Schwellkörper und Cölom, in der Weise wie Sr. HıLAIRE und MARTIN angeben? Es wäre ja möglich, daß mikroskopische Untersuchungen der Cloakalgegend die Richtigkeit dieser Behauptung doch noch bestätigen. 3. Zeigen beide Geschlechter diese Eigentümlichkeit? GADow z.B. berichtet uns einen wirklichen Unterschied: die Weibchen sollen nach ihm einen offenen, die Männchen einen geschlossenen Kanal haben. 4. Besteht ein Zusammenhang zwischen dem Zustand der Ge- schlechtsorgane und dem der Peritonealkanäle? Sr. HıLAIRE und MARTIN glaubten einen derartigen Zusammenhang bei zwei weiblichen Exemplaren von Testudo radiata (?) zu sehen. Die Geschlechtsdrüse der einen enthielt reife Eier und die Eileiter waren stark geschwollen; hier fanden sie einen engen Eingang in den Peritonealkanal. Das Ovarium des andern Weibchens zeigte nur äußerst kleine Eier, während der Eingang zur Cölomaussackung sehr geräumig war. »On pourrait done penser que les causes, qui font varier le deve- loppement des organes sexuels, agissent en m&me temps sur les canaux peritoneaux qui subiraient ainsi de notables modifications sous l’influence des ages ou des saisons.« Bei den Fischen besteht nach Brıpge (9) tatsächlich ein Zu- sammenhang zwischen Gechlechtsreiffe und Durchlöcherung der Cölomwand. Er hat dies bei Acanthias vulgaris untersucht und ge- _funden, daß die Entwicklung der Papillen, auf denen die Pori ab- dominales dieser Haie münden, und die der sogenannten »Cloacal pits« in tatsächlicher Beziehung zu dem Entwicklungsgrade der Ge- schlechtsdrüsen stand. So fand BrIpgeE z. B. bei einem Hai mit Embryonen von 8 inches Länge in den Oviducten durchlöcherte Papillen mit »ragged and vascular edges.« Beieinem andern Exemplar mit Embryonen von 12 inches »two large widely open slit-like pores with ragged edges had entirely obliterated all traces of papillae and pits«. Die heranwachsenden Embryonen im Oviduct dehnen dessen Wand und dadurch auch die Leibeswand aus. Hier- durch wird auch die Mündung des MÜLLERschen Ganges vergrößert. Auch die in unmittelbarer Nähe dieser Öffnungen gelegenen Peri- tonealpapillen sind zur Zeit der Schwangerschaft stark angeschwollen und viel größer als gewöhnlich. Bei trächtigen Weibehen »the papillae and pores are replaced by exceedingly large pores with ragged and highly vascular edges N 77 R GB: ae N IS, se AN. z— = MID. > — ne Fig. d. Chrysemys 5 4X. Querdurchschnitt des ventralen Teils der Cloake in der Höhe der m.ı.p. p.k. zu seiten der Samenrinne (s.r.). Fig. 5. Chrysemys @ SX. Querdurchschnitt des ventralen Teils der Cloake in der Höhe der m.r.cl p-k. zu beiden Seiten. gänge bei den Weibchen der COlnixys erosa und Testudo angulata (Taf. I, Fig. 4). Das Lumen des Kanals bleibt in seiner ganzen Länge fast gleich weit; bei einigen Männchen aber fällt eine nicht un- ansehnliche Verengung des Kanals auf, an der Stelle, wo dieser unter dem Bulbus urethrae liegt. In welcher Weise die Entwicklung des Copulationsorgans die Lage der Peritonealkanäle beeinflußt, lehrt ein Vergleich der Fig. 4 und 5. Bei den Männchen liegen die Kanäle in der ventralen Cloakalwand zu seiten der Samenrinne, teilweise von cavernösem Gewebe umgeben. Bei den Weibchen hingegen ist das Corpus fibrosum, wie auch das Corpus cavernosum, kaum zur Entwicklung gekommen. Infolgedessen laufen die engen Kanäle mehr zu seiten der wenig entwickelten medianen Rinne (Fig. 5). Be Die Peritonealkanäle der Schildkröten und Krokodile. 29 Bei der Nicoria punctularia tritt der sexuelle Unterschied noch deutlicher zutage. Bei einer männlichen Nicoria punctularıa wurden die Peritonealkanäle mit einer warmen Gelatinelösung, der etwas Karmin beigefügt war, injiziert. Diese Auflösung gerann im Kanal, während ihre rote Farbe dessen Wand intensiv färbte, durch welchen Umstand man den Lauf des Kanals leicht verfolgen konnte. Hieran anschließend möchte ich darauf hinweisen, daß der Penis bei den männlichen Schildkröten in zurückgezogener Lage eigen- tümlich gefaltet ist. Das Corpus fibrosum ist ein langes, elastisches Band, das, wenn die Schwellkörper zur Copulation durch das darin eingeführte Blut ausgedehnt werden, weit aus dem Anus hervorragt und in die Cloake des Weibchens eingeführt werden kann. In zurück- gezogenem Zustand indessen liegt dies lange Band mit den darauf liegenden Schwellkörpern und Peritonealkanälen Z-förmig gefaltet in der Cloakalwand. Injiziert man nun die Cölomaussackungen von der Bauchhöhle aus mit einer warmen gerinnenden Flüssigkeit und schnürt dieselben so lange ab, bis die Flüssigkeit hart geworden ist, so zeigt sich, welche Ausdehnung diese Kanäle erreichen können. Auf diese Weise bringt man auch den Penis aus seiner gefalteten Lage, allerdings etwas weniger als die angeschwollenen Corpora cavernosa dies tun würden. Die Samenrinne ist der Teil in der Cloakalwand, welcher in der Mitte des Corpus fibrosum durch Binde- gewebe daran festgeheftet ist. Wird nun der Schwellkörper prall mit Blut gefüllt, so wird dadurch die Samenrinne vertieft. Das Injizieren der Kanäle mit einer gerinnenden Flüssigkeit hatte das- selbe Resultat. Die Injektion bei einer Damonia subtrüuga u. a. zeigte dasselbe wie bei der Nicoria punctularıa. In gleicher Weise wurden bei weiblichen Exemplaren der Nicoria punctularia und Uyclemys amboinensis die engen Kanäle mit Karminwasser injiziert. Die Wand färbte sich stark rot, wodurch die Kanäle im Gewebe der Cloakalwand sichtbar wurden, die bei den Weibchen in der Regel viel dünner und weniger pigmentiert ist als bei den Männchen. Die Kanäle endigen, wie Taf. I, Fig. 3 zeigt, zu seiten der wenig entwickelten Clitoris. Genau dieselben Verhältnisse zeigten sich bei Homopus areolatus, Testudo angulata und Testudo graeca. Wir kommen nunmehr zum wichtigsten Teil der Untersuchung, nämlich zu der Frage nach dem wirklichen Zustand des Endes der Peritonealkanäle. Ist der Kanal offen oder blindgeschlossen ? Oder ist er nun ein- 30 N. L2. Isebree Moens mal offen und ein anderes Mal wieder blindgeschlossen? Oder kommt im Embryonalleben vielleicht ein Stadium vor, in dem eine offene Verbindung zwischen Cölom und Cloake besteht? Und schließlich: könnte die Geschlechtsreife, und bei den Männchen vielleicht auch die Paarung, den Bau des Kanals beeinflussen ? Ich glaube genügend Material bearbeitet zu haben, um diese Fragen endgültig beantworten zu können. Um zu bestimmen, ob der Kanal offen oder blindgeschlossen war, handelte ich folgendermaßen: ich injizierte die Kanäle mittels einer Handspritze unter sanftem Druck mit Karminwasser. Fast alle Sorten untersuchte ich in dieser Weise (Malacoclemmys, Grap- temys, Damonia, Homopus, Testudo. Nie habe ich durch eine solehe Injektion Flüssigkeit in die Cloake einführen können. In anderen Fällen, besonders bei sehr jungen Tieren, die zum Injizieren zu klein waren (Olemmys leprosa, Emys orbicularis, Nicoria punctularia), zerlegte ich die ganze Cloakalgegend in Schnittserien; während ich von größeren Tieren den ventralen Teil der Cloake, worin das letzte Ende des Peritonealkanals liegt, in Durchschnitte zerlegte (Chrysemys sceripta g', Chrysemys pieta g' und ©, Testudo angulata, Testudo tabulata). In den meisten Fällen kontrollierte ich das Resultat der Injektion noch an Durchschnitten. In anderen Fällen wieder (Oyclemys amboinensis, COinixys erosa, Testudo an- gulata g' und ©) habe ich den Kanal bis unter die Cloakalhaut verfolgt und ihn in seiner ganzen Länge frei präpariert. Ich habe eine große Anzahl Präparate und Seriendurchschnitte in dieser Weise untersucht. Nur zum Teil habe ich sie in dieser Arbeit abgebildet. Durch diese verschiedenen Mittel kam ich zu dem Schluß, daß alle durch mich untersuchten Schildkröten dieser Gruppe deutlich ausgebildete, blindgeschlossene Kanäle haben. Die Cloakalwand der Chrysemys pieta zeigt beim Übergang der Samenrinne in die Glans zwei pigmentlose Stellen (Taf. I, Fig. 1), wo- runter man das blindgeschlossene Ende der beiden Kanäle findet. Führt man von der Bauchhöhle aus eine Sonde in den Kanal ein, bis unter diese pigmentlose Stelle, so findet man, daß die Haut hier so dünn ist, daß man die Sonde durchscheinen sieht. Die Fig. 4, 5, 6 und 7 zeigen einige Durchschnitte des Teils der Cloakalhaut, welcher diese Stellen mit dem Ende der Kanäle ent- hält (Chrysemys picta). Die Peritonealkanäle liegen hier also in der Nähe des Endes Die Peritonealkanäle der Schildkröten und Krokodile. 31 an der Innenseite der Samenrinne. Sie verlieren sich in eine Papille, welche kein Pigment enthält. Der Kanal, mehr nach vorn fast ganz vom Schwellkörper umgeben, tritt am hinteren Ende mehr an die Ober- fläche der Cloakal- Fig. 6. haut und endigt, wie : schon gesagt, in einer Papille. Das Lumen des Kanals ist mit einem einlagigen Epithel bekleidet. Hin und wieder, besonders zahlreichaber imletz- ten Teile des Kanals, ragen Auswüchse der Wand in das Lumen Querschnitt des emys pieta 5, des Kanals hinein. xuwz vor dem Ende der Peritonealkanäle (p.k.) zu seiten der Samenrinne (s.r.) una Deko - art. ... sr ; Ener sankee Cfe Auch diese Papillen und Pfeilerchen sind Fig. 7. mit dem Epithel be- kleidet. Zuweilen kann man in einer solchen Zotte eine, Verzweigung der Hohlräume des ca- vernösen Gewebes antreffen (Fig. 8). Nie jedoch habe ich eine Verbindung zwischen Lumen des Kanals Ehren Wie Fir eiens en Der linke und dem Blutgefäß- Kanal ist nichtmehr sichtbar; derselbe endigte blind in der Pa- system auffinden pille (p.p.k.).. Rechts der N des Kanals in der rechten können, weder bei Chrysemys noch bei anderen Sorten, die ich mikroskopisch darauf- bin untersucht habe. Ich komme daher zu dem Schluß, daß die Verbindung, welche Sr. HıLaıre und MARTIN gefunden zu haben behaupten, künstlich hervorgerufen worden ist. Die Fig. 6 und 7 zeigen, wie die Kanäle sich allmählich ver- jüngen, und das Auftreten der zahlreichen Maschen. - .cl.w P.Pp«k. -- D-.Pık. sn. ch 32 N. La. Isebree Moens Fig. 8. Chrysemys picta 5. Linke Hälfte eines Querdurchschnittes des ventralen Teiles der Cloake mit dem Peritonealkanal (p.k.). Rechts in der Figur die Cloakalwand,' welche die eine Hälfte der Samenriune formt. , Links c.f. und v.s. mit einem feinen Seitenzweig bei *, der in eine der Papillen des p.k. ausläuft Fig. 9. Chrysemys piela 5. Längsdurchschnitt des letzten Teiles des Peritonealkanals (p.k.) und der pig- mentlosen Stelle a. Fig. 1 Taf. I. Die Peritonealkanäle der Schildkröten und Krokodile. 33 Die Kanäle endigen blind in den Papillen. Man kann die letz- teren in den Durchschnitten noch eine nieht unansehnliche Strecke weit verfolgen, nachdem derven- tral gelegene Kanal bereits verschwunden ist. Weiter nach hinten geht dann die Samenrinne in die Verzwei- gungenderEichel über. Eine Be P15- Emys orbicularis. mentlosen Stellen Höhe aus Fig. 1, Taf. I wurde samt dem darunter befind- lichen letzten Ende des Kanals vorsichtig aus- geschnitten und der Länge nach in Schnitte zer- legt. In Fig. 9 habe ich einen solchen Sehnitt, Fig. 10. p.k. c.f-0.5r u. ch p.Kk. Querdurchschnitt des ventralen Cloakalteiles in der des-proximalen Endes der corpora fibrosa. Fig. 11. der die pigment- Wie Fig. 10. Etwas mehr nach hinten. Peritonealkanäle vom Schwell- lose Stelle unge- fähr in der Mitte traf, abgebildet. Wie man sieht, endigt der Kanal blind unter der Cloakalhaut. Ein deutlich ausgebildetes Epi- thel bedeckt die Wand und alle in das Lumen hineinragenden Zotten und Papillen. Nachdem ich viele andere Serien pigment- loser Stellen hierauf unter- suchte, bekam ich den Eindruck, daß die Cloakalhaut hier nicht Morpholog. Jahrbuch. 44. körper umgeben (v.s.), worin die arteria penis (a.p.) liegt. Fig. 12. SE = Ele Wie Fig. 10. Noch mehr nach hinten. , Links der Peritonealkanal auf einer Papille (p.p.k.) Rechts liegt der Peritonealkanal noch tief in der Cloakal- wand. 3 2034 N. La, Isebree Moens durchbrochen ist, und nur an der Stelle, wo die Cloakalwand das den Kanal umgebende Bindegewebe berührt und damit verwachsen ist, kein Pigment gebildet ist. Bei der Clemmys leprosa hatten die Kanäle ebenfalls ein blind- geschlossenes Ende. Sie sind in einer ganzen Reihe von Durch- schnitten zu verfolgen; auffallend ist hier, daß das maschenartige Gewebe völlig fehlt. Wir finden denn auch nicht bei allen Arten derartige Papillen und Auswüchse des Kanals. In den Fig. 10, 11 u. 12 sind Durchsehnitte des ventralen Teiles der Cloakalwand einer Emys orbicularis abgebilde. Auch hier endigt der Kanal blindgeschlossen in einer pigmentlosen Warze an der Innenseite der Samenrinne, und ebensowenig besteht eine Verbindung zwischen Cloake und Bauchhöhle bei der Nicoria pune- tularva. Neben der mikroskopischen Untersuchung der Durchsehnitte zeigte auch die Injektion, sowie das Durchschneiden der Kanäle der Länge nach, daß in allen durch mich untersuchten Testudinidae die Peritonealkanäle blindgeschlossen endigen. Die Pfeilerchen bindegewebiger Art, welche den Eingang in den Kanal behindern, haben sehr wahrscheinlich denselben Bau wie die Papillen, welche weiter nach hinten im Kanal vor- kommen. Ich bin der Meinung, daß es sehr gut möglich ist, daß das Lumen der blutführenden Hohlräume, die den Kanal begleiten, sich in diese Pfeilerchen verzweigt, wie ich das z. B. für einige Papillen festgestellt habe (Fig. 8). Die Pfeilerchen wurden daraufhin nicht näher untersucht; jedenfalls fand ich einige hohl. Durch das Kon. Zool. Gen. Natura Artis Magistra in Amsterdam wurde mir ein lebendes Männchen der Testudo tabulata zur Ver- fügung gestellt. Durch diesen glücklichen Umstand war ich in der Lage, eine Schildkröte untersuchen zu können, die eine halbe Stunde, ehe ich sie töten ließ, gepaart hatte. Auch während der vorher- gehenden Tage hatte sie wiederholt mit dem in derselben Abteilung des zoologischen Gartens befindlichen Weibchen copuliert. Bei diesem erwachsenen, kräftigen Männchen waren die Eingänge der Kanäle in der Bauchhöhle von den stark geschwollenen Bulbi ure- thrae völlig überdeckt. Die Peritonealkanäle lagen normal und waren mittels einer Sonde in dem stark entwickelten Penis aufzu- finden (Fig. 13). Die Samenrinne der noch angeschwollenen Rute Die Pexitonealkanäle der Schildkröten und Krokodile. 35 enthielt eine milehartige Substanz, welche, unterm Mikroskop ge- sehen, aus tausenden kleinen, kommaförmigen Spermatozoiden be- stand. Äußerst vorsich- Fig. 13. tig wurde nun das hin- tere Ende des Kanals untersucht. Die Kanäle . clio. C.C. endigten blindge- RE schlossen zu seiten der Wurzel der Glans. Die Be wiederholte Copula- ef tion hatte also bei der Testudo tabulata Testudo tabulata 5%. Querdurchschnitt des Copulationsorgans, keinen verändern- etwa 2 cm vor der Glans penis, den Einfluß auf diesen Zustand ausgeübt. Hervorheben möchte ieh noch, daß bei den untersuchten Testu- dinidae mehrere Weibehen vorkamen — Chrysemys pieta, Cinixys a. gl.p. Cr Sr: p.k.;se.u.g. ö.p.k. u.b. sing. Cinixys erosa @. Medianer Durchschnitt der Cloake, etwas schematisiert. Der Peritonealkanal (p.k.) zeigt auch hier die bei den männlichen Testudinidae so typische Z-Form. erosa (Fig. 14) und Testudo angulata — welche Ovarien mit reifen Eiern hatten, und deren Eileiter stark angeschwollen waren. Auch 3*+ 36 N. La. Isebree Moens diese geschlechtsreifen Tiere hatten ohne Ausnahme blind- geschlossene Kanäle. Peritonealkanäle finden sich also in allen von mir untersuchten Testudinidae vor; der sexuelle Unterschied ist infolge der verschiedenen Entwicklung des Penis und der Clitoris entstanden. Bei den jungen sowohl als auch bei den erwachsenen Tieren endigen die Kanäle blind; ein verändernder Einfluß der Paarung konnte bei dem daraufhin untersuchten Männchen nicht festgestellt werden. Als zweite Gruppe möchte ich die der Chelonidae folgen lassen. Chelonidae. Eine Untersuchung dieser Familie brachte zu meiner Über- raschung ans Licht, daß nicht alle Schildkröten die Peritonealkanäle besitzen. Ein Weibehen einer Chelone mydas L., dessen Carapax 58 cm lang war, wurde kurz nach dem Tode geöffnet, und es zeigte sich, daß die so typischen Peritonealkanäle fehlten. Es war ein junges Tier, dessen Ovarium und Oviducte noch in Entwicklung waren (Taf. I, Fig. 8). Die Blase war sehr diekhäutig und durch ein starkes Septum mit der Bauchwand der Leibeshöhle verbunden. Dem Peritoneum zwischen Blasenstiel und Oviducten fehlte jede Andeutung einer Einsenkung. Da es indessen möglich sein konnte, daß der Peritonealkanal an seinem vorderen Ende im Laufe der Zeit zugewachsen war, habe ich untersucht, ob vielleicht im Cloakalgewebe noch Überreste des Kanals zu finden waren. Dies war jedoch nicht der Fall; es ließ sich keine Spur einer Aus- sackung auffinden. In der Literatur finden wir die folgenden Angaben: Species N Autor Per. Kan. LI! 5 Chelonia mydas || MAYER geschlossen - mydas | BLES geschlossen Q Chelone imbricata SCHMIDTGEN geschlossen 58 Thalassochelys caretta | geschlossen u 31 Die Peritonealkanäle der Schildkröten und Krokodile. Dureh mieh wurden untersucht: 22|3|85 selsal2 | a5 Species =las| a = Bemerkungen srlesl2|3 = RIESEN — | | —ı — Chelone mydas L.! 1.38 Chelone imbricata L. | 17 k. IQ | — - - ge le Kl - - | 20° Er © 1 = i 19 | k. |8?| — | Schlecht konserviert - - | ol | 2 | —.| Thalassochelys caretaL. ‚3 k.|Q | — Dieselben Verhältnisse wie bei der Chelone mydas fand ich auch bei den fünf untersuchten Exemplaren der Chelone imbricata. Auch hier war das Peritoneum zwischen Blasenstiel und Eileiter ohne jede Spur einer Einsenkung. In der ventralen, diekhäutigen Cloakalwand läuft die ein- fach gebaute mediane Rinne unverzweigt bis zur Spitze der Clitoris. Analblasen fehlen. Die Cloake einer kleinen, vermutlich männ- lichen Chelone imbricata, mit einerCarapaxlänge von 6em, habe ich in einer Reihe von Durchschnitten untersucht (Fig. 15). Corpus fibrosum c. f.) und Corpus caverno- sum (c. c.) sind deutlich aus- gebildet; von einem Peri- tonealkanal indessen ist keine Spur zu finden. Wie sich bei der embryologischen Untersuchung noch zeigen wird, fehlten bei drei Embryonen von Chelone mydas, die in Durchschnitten untersucht wurden, die Peritonealkanäle, die bei Embryonen anderer Arten im gleichen Alter bereits deutlich entwickelt sind. 4 Schließlich wurde noch bei einer weiblichen Thalassochelys ca- retta L. das Fehlen der Cölomaussackungen festgestellt. Fig. 15. Chelone imbricata 5. Querdurchschnitt des ventralen Teiles der Cloake in der Höhe des m.r.p. Corpus fibrosum und Corpus cavernosum deutlich entwickelt (c.f. und c.c.). Peri- tonealkanäle fehlen. 1 Nachdem diese Arbeit schon abgeschlossen war, wurde bei einem ge- schlechtsreifen Weibchen von Chelone mydas (Car. fast 1 m) das Fehlen der Peritonealkanäle festgestellt. 38 N. L#. Isebree Moens Unerklärlich ist mir, wie MAyEr, und später BLes, das Vor- kommen von Peritonealkanälen bei den Chelonidae haben erwähnen können. Ich will diese Frage nicht entscheiden, weil ich nicht in der Lage war, ein erwachsenes Männchen von Chelone mydas zu untersuchen. Es wäre ja möglich, daß ein sexueller Unterschied den Widerspruch zwischen den Angaben der genannten Forscher und meiner Ansicht veranlaßte. Bei den Chelone imbricata besteht ein derartiger geschlechtlicher Unterschied jedenfalls nicht, und auch für die Chelone mydas erachte ich solehen nicht für wahrscheinlich. ScHwiprgen (1897) behandelt hinsichtlich der Peritonealkanäle die Thalassochelys und Chelone nicht getrennt; er sagt am Schlusse seiner Arbeit nur, daß alle von ihm gefundenen Peritonealkanäle blind endigen. Es ist möglich, daß SchmiptgGEen das Fehlen der Kanäle bei diesen beiden Schildkrötenarten bereits bemerkt hat, ohne dies jedoch speziell zu erwähnen. Als nächste Gruppe mögen die Sphargidae folgen: Dermochelys. Hinsichtlich des Vorkommens von Peritonealkanälen ist die Dermochelys coriacea noch von keinem früheren Forscher untersucht worden. Mir stand ein junges Tier, dessen Carapax nur 7!/, cm lang war, zur Verfügung. In Größe kam dieses Exemplar also mit dem überein, das durch RATHKE in seiner Arbeit abgebildet wurde (S. 10, Entw. Schildkr. Tab. IV.3). Das Ovarium, der Mesonephros, der Worrrsche Gang, die Eileiter, die in Entwicklung begriffenen Ureter und die Niere liegen nebeneinander, teils in Werdung, teils in Reduction. Die Cloake mit dem letzten Teil des Körpers wurde dem Tiere entnommen und in Schnitte zerlegt. Unter dem Mikroskop zeigte sich nun, daß die beiden Eileiter blind endigen (Fig. 16, ovi.). Der Wourrsche Gang und Ureter münden etwas mehr nach hinten in eine kleine Papille. Die Querschnitte der Cloake zeigten weiter, daß die Cloakalblasen gänzlich fehlen. Fig. 17 ist ein Durchschnitt in der Nähe der Anheftungsstelle der Museuli retractores penis (m.r.p.). Das Corpus fibrosum ist sehr stark ent- wickelt und umschließt teilweise die Samenrinne (s.r.), die an der Innenseite zwei schmale Bänder blutführender Gewebe trägt (a.p.; v.s.). Es wurde schon mehr darauf hingewiesen, daß bei den jungen Weibehen normaliter das Copulationsorgan ebenso stark entwickelt ist wie bei den jungen Männchen, und ein Unterschied sich erst später entwickelt. In den Durchschnitten fehlt jede Spur einer Perito- Die Peritonealkanäle der Schildkröten und Krokodile. 39 nealaussackung. Wir wissen, daß die Lage des Peritonealkanals ‘mit der des Schwellkörpers eng zusammenhängt. Betrachten wir nun bei der Dermochelys den Schwellkörper etwas näher, so finden wir, daß jede Andeutung einer Peritoneal- aussackung fehlt (Fig. 18). Auch weiter nach vorn fehlt jede Spur; die Leibes- wand zwischen Blasenstiel und Oviduect istohne Einsenkung, wie wir dasselbe auch bei einer Chelone mydas konstatierten. Die Frage nach der Stellung der Dermochelys unter den rezenten Schild- kröten und ihrer Verwandtschaft mit den fossilen Formen ist noch immer eine viel umstrittene. Einige Forscher, wie Cop, DoLLo, BOULENGER, sind der Meinung, daß die Sphargis die letzte Repräsentantin einer primitiven Gruppe ist. Baur, und N: Dermochelys coriacea © (jung). Stark vergrößerter Durchschnitt der w.g. vr. und ov?. auch Daues, halten in- dessen die Lederschildkröte für eine Form, die am meisten vom el... cl.w. Sonnen wsasaiennen Dermochelys coriacea © (jung). Querdurchschnitt der Cloake in der Höhe des Musculus retractor penis (m.r.cli.). Das Corpus fibrosum umschließt die Samenrinne (s.r.). Schwellkörper schwach ent- wickelt (v.s.).. Peritonealkanäle fehlen. Dermochelys coriaceaQ (jung). Rechter Schwellkörper aus einem Durchschnitt wie in Fig. 17, stärker vergrößert. Peritonealkanäle fehlen. ursprünglichen Typ abgewichen ist. Dies ist auch die Auffassung VAN BEMMELENS. Die Lederschildkröte unterscheidet sich so sehr 40 N. La. Isebree Moens von den übrigen Meeresschildkröten (Chelone und Thalassochelys), dab verschiedene Forscher sie auf verschiedene Landschildkröten zurück- führen wollen. Man soll die Chelonidae und Sphargidae dann aber ihrer teilweise auffallenden Übereinstimmung wegen als zwei zum Teil parallele Gruppen betrachten. Ich bin der Meinung, daß das Fehlen eines Peritonealkanals in den beiden besprochenen Schild- krötengruppen belangreich ist. Alle Landformen (Testudinidae) weisen einen gut entwickelten Kanal auf, und wir haben keinen Grund, den fossilen Schildkröten einen solehen abzusprechen. Ich glaube daher behaupten zu dürfen, daß der Kanal in den Formen, bei denen er fehlt, verloren gegangen ist. An und für sich entscheidet aber die Übereinstimmung im Bau des Cöloms nichts. Man kann sagen, daß sie auf eine Verwandtschaft hinweist, indem Sphargidae von Chelonidae, oder umgekehrt, abstammen; kann aber auch in diesen Verhältnissen einen Parallelismus der beiden Schildkröten- gruppen sehen, also auf einen unabhängigen Ursprung schließen. Dermatemydae. Bis jetzt wurde von dieser Gruppe nur die Chelydra serpen- tina L. © durch SCHMIDTGEN untersucht. Er fand die Peritoneal- kanäle blindgeschlossen. Das durch mich untersuchte Weibehen war sehr jung; das Rückenschild hatte nur eine Länge von 6cem. Das Ovarium war bei diesem jungen Tiere nur als eine kleine Anschwellung sichtbar. Der hintere Körperteil mit der eircumanalen Gegend wurde dem Tiere entnommen, mit Boraxkarmin durchgefärbt und in Durch- schnitten untersucht. Die Eileiter endigen noch blind in der Cloakal- wand. Der Worrrsche Gang ließ sich nicht mehr auffinden; wahr- scheinlich war er schon redueiert. Die Ureteren hingegen waren deutlich zu verfolgen. SCHMIDTGEN hat behauptet, daß bei der Ohelydra serpentina die Analblasen in Rückbildung begriffen seien!. War dies bei dem von ihm untersuchten Exemplare vielleicht auch der Fall, so wies doch das von mir untersuchte Weibchen ein Paar ganz normale, ja sogar sehr große Analblasen auf. 1 Ohelydra serpentina: »Hier haben wir es zweifellos mit dem Rudiment von Analblasen zu tun, deren sonst nicht weit voneinander liegende Mündungen hier zu einer einzigen verschmolzen sind.« Die Peritonealkanäle der Schildkröten und Krokodile. 41 Fig. 19. el.w. S.r. " ,5.b.u. SIEHE p.k. a.p. Chelydra serpentina © (jung). Querdurchschnitt durch den ventralen Teil der Cloake, beim Übergang des Bulbus urethrae (b.v.) in das cavernöse Gewebe (c.c.). Fig. 20. CH =mr.chi Chelydra serpentina ©. Wie Fig 19. Viel weiter nach hinten, 42 N. La. Isebree Moens Die Chelydra besitzt Peritonealkanäle, deren Eingang man von der Bauchhöhle aus zu seiten des Blasenstiels als kleine, schwarze Löcher findet. Der in Fig. 13a u. 135 Taf. I abgebildete Teil des Tieres ist im ganzen in Querschnitte zerlegt und so untersucht worden. Die Peri- tonealkanäle ließen sich deutlich ver- folgen (Fig. 19). Im vorderen Teil der Cloake finden wir die paarigen Bulbi ure- thrae und sehen die Kanäle unter diesem Gewebe nach hinten verlau- fen und dem Schwellkörper sich auf- legen (Fig. 20). Wie wir schon bei der Chrysemys hervorgehoben haben, ist das Lumen des letzten Teils des Kanals auch hier in ein mehr oder weniger deutliches Maschennetz über- gegangen. Ein deutliches einlagiges Epithel bildet die Wand (Fig. 21). Auch bildet in der Mitte des Kanals die Wand hier und da einige Papillen. Die Kanäle endigen blind, ohne eine Verbindung mit dem cavernösen Gewebe zu zeigen. a.p. | N ARcINN Chelydra serpentina ©. Wie Fig. 19 und 20. Der Peritonealkanal zeigt viele Maschen. Cinosternidae. Hinsichtlich des Vorkommens von Peritonealkanälen wurde von diesen Sumpfschildkröten nur die Cinosternum odoratum durch SCHMIDTGEN untersucht. Nach ihm hat der Kanal ein blindes Ende. Ich selbst untersuchte: 3[32|3 4/18 | 82% Sorte BIeEue Bemerkungen EN l 5 Is” |< Cinosternum odoratum '105|@ | k. —|| Ovarien mit reifen Eiern; N Oviducte stark angeschwollen. - - ı10 5 kı— - pensylwanicum Gm. | ? |@ | k. —. Ovarien mit reifen Eiern; rechter | Oviduet enthielt Ei mit Schale, 28 mm lang, 15 mm breit. - scorpioides L. I13 |5| k|— \ I Die Peritonealkanäle der Schildkröten und Krokodile. 43 Der allgemeine Bau der Kanäle weicht nur wenig von dem bei den Testudinidae ab. Wie bei diesen finden wir auch hier den Eingang der gut ausgebildeten Kanäle von den Bulbi urethrae überdeckt. Der weitere Lauf unterscheidet sich von dem bei den Testudinidae bereits besprochenen nur hierin, daß die Kanäle zwar parallel der Samenrinne, aber mehr von dieser entfernt liegen. Daher endigen die Kanäle beim Weibehen noch mehr seitlich der Clitoris als bei Cinixys erosa (2. B.). Bei Cinosternum odoratum besitzen beide Geschlechter sehr enge Peritonealkanäle. Das Männchen der ©. scorpioides hingegen hat weit geräumigere Kanäle neben der Samenrinne liegen, die in der Nähe der Eichel endigen (Taf. I, Fig. 7). Öffnet man den Kanal der Länge nach, dann sieht man an der Innenseite zahlreiche pigmentierte Flecken und eine Reihe Pfeilerchen bindegewebiger Art. Ich vermute, daß sie derselben Art sind wie die am Eingang des Kanals befindlichen und wie die Papillen, habe sie jedoch nicht näher untersucht. Im rechten Oviduet eines Weibcehens einer Oinosternum pensyl- vanicum befand sich ein Ei, das von einer Kalkschale umgeben war, während das Ovarium viele reife Eier enthielt. Auch bei diesem geschlechtsreifen Tiere endiygten die Kanäle blind. Pelomedusidae. Bei dieser Schildkrötengruppe findet sich ein vom bis jetzt er- wähnten Typ völlig abweichender Bau der Cölomaussackungen. In der Literatur liegt nur eine Mitteilung SCHMIDTGENS vor, der bei der Sternothaerus derbianus blindgeschlossene Kanäle fand. Von mir wurden die folgenden Tiere untersucht: Fr BT ı 4a 3 3 = ® | & I2sa|o|9.2|e | Species Ie=> Sl Kehoslıe Bemerkungen ls#la|s2:|38| | © | E || hd) S = <| RE ß | NE Sternothaerus derbianus Gray. | |3 k —ı | an | Pelomedusa galeata Schaepft | 6515| k | Podocnemis dumerialana Schw. 52)? k. + Das Copulationsorgan dieser Gruppe der Pleurodira hat einen von den Testudinidae völlig abweichenden Bau. Blase und Blasen- stiel sind wie schon wiederholt beschrieben worden. Der Eingang in die Peritonealkanäle ist sehr geräumig. Auch hier fallen bei den Männchen zu beiden Seiten des Blasenstiels wieder Auswüchse in 44 N. L?. Isebree Moens die Bauchhöhle auf, welche die Peritonealeingänge überdecken (Taf. I, Fig. 9). Untersucht man diese Auswüchse näher, dann zeigt sich, daß es zwei kräftige Schlingen sind, die durch die beiden Enden des Corpus fibrosum gebildet werden. Bei den Sternothaerus Fig. 22. p.k. c.f.mr.p. g.P- (e.c.) ab. 3. 6:10.07, Sternothaerus derbianus 5. Analer Teil der Bauchhöhle mit Blase (z.b.), Enddarm (d), Ductus deferens (v.d.) und Cloake (c.l.). Schlingen des Corpus fibrosum, teilweise in das Cölom ragend. Fig. 24. p.ke. Podocnemis dumerialana. Querdurchschnitt Podocnemis dumerialana. Wie Fig. 23, etwas durch den ventralen Teil der Cloake. Peri- mehr nach hinten. Peritonealkanäle (p.k.) tonealkanäle (p.k.) auf dem Corpus fibrosum auf dem Rande der Samenrinne (s.r.) liegend. (e.f.) liegend. sowie bei den übrigen Schildkröten ist diese nämlich am vor- deren Ende in zwei Teile gespalten. Während nun bei den bis jetzt besprochenen Formen die proximalen Teile nicht bis an den Blasenhals reichen (siehe Schema, Fig. 1), sind bei diesen Schild- kröten die vorderen, freien Enden so lang, daß sie in der Nähe des Blasenstiels wieder nach hinten umgebogen und durch Bindegewebe a Die Peritonealkanäle der Schildkröten und Krokodile. 45 an den übrigen Teil des Corpus fibrosum angeheftet sind. Die um- gebogenen Teile ragen nun (Fig. 22) in die Bauchhöhle hinein. Versucht man den Penis nach hinten zu ziehen, so üben die Aus- wüchse einen Druck auf den Blasenstiel aus. Unter diesen Aus- wüchsen befinden sich auch die Eingänge der Peritonealkanäle, die auch bei den Podocnemis und Pelomedusa sehr geräumig sind, un- mittelbar am Corpus fibrosum liegen und nur von spärlichem Schwell- gewebe begleitet sind. Letzteres ist nur wenig entwickelt, trägt jedoch eine deutliche Eichel. Auffallend ist, daß das Corpus fibrosum viel weiter nach hinten liegt als die Glans penis. Die ge- räumigen, kurzen Kanäle endigen jedoch in der Nähe der Eichel. Bei einer Siernothaerus wurden die Kanäle injiziert und der Länge nach aufgeschnitten, wobei sich zeigte, daß sie blind in der Cloakalhaut endigen. Die Cloake einer Podocnemis dumerialana sowie die einer Pelomedusa galeata wurden in Durchschnittserien untersucht. In beiden Fällen fand ich ein blindes Ende (Fig. 23, 24). Chelydidae. Bei keinem Exemplar dieser Sorte werden von früheren For- schern Peritonealkanäle erwähnt. Ich selbst habe folgende Sorten hinsichtlich des Vorkommens der Kanäle untersucht: “„_|3184|8| Isal2 |3|3| Spevies s°|=|58 2 Bemerkungen 28/2 Io 8| e Dr Isisrläs| Emydura novae-guineae Meyer 45 Q@ k a - macquariae Gray |20 138 | k. +-| Eingeweide und Schild getrennt ) \ | bewahrt. Beide trugen ein Eti- | 14 | kett mit derselben Fundstelle. ea ! Der abweichende Bau der Clo- | | ake läßt mich vermuten, daß \ beide Teile nicht zusammen- | \ gehören. Carettochelys insculpta Ramsay | ? |Q | k. — Nur die Eingeweide bewahrt. | ' )) Oviduete sehr stark entwickelt. Bei Emydura novae-guineae und Carettochelys insculpta fehlten die Peritonealkanäle gänzlich. Auch hier verläuft das Peritoneum ebenso glatt zwischen Oviduet und Blasenstiel, wie wir es bei Chelone gefunden haben. Die Cloake einer durch einen Zettel als Emydura macquariae 46 N. La. Isebree Moens angedeuteten männlichen Schildkröte weicht von der der Emydura novae-guineae (Weibchen) so sehr ab, daß dies besonderer Erwähnung wert ist. Die Blase der E. novae-guineae ist diekwandig, die der E. mac- quariae dagegen sehr dünnhäutig. Man findet bei dieser männ- lichen E. macquariae in der Bauchhöhle die beiden Auswüchse, die für die Testudinidae und Pelomedusidae so typisch sind und wie beider Sternothaerus von den Schlingen des Corpus fibrosum gebildet werden. (Taf. I, Fig. 11). Auch Lage und Form des Penis sind genau dieselben wie bei einer Pelomedusidae Während nun die Emydura novae- guineae keine Kanäle aufweist, findet man bei der E. maequariae zwei kurze, geräumige Kanäle von demselben Bau wie bei der Sternothaerus (Fig. 23). Berücksiehtigt man diese Verhältnisse, dann st man geneigt, die E. macquariae eher zu den Pelomedusidae als zu einer der E. novae-guineae verwandten Sorte zu zählen. Leider kann ich diese Frage nicht entscheiden, da mir eine männliche E. novae-guineae, sowie eine weibliche E. macquariae fehlten. Ich bin jedoch der Meinung, daß das durch mich untersuchte Präparat vielleicht falsch etikettiert war. Festgestellt ist also nur, daß den Weibchen der Emydura novae-guineae und Carettochelys insculpta die Peritonealkanäle fehlen. Trionychidae. Von einigen Forschern wurden Sorten dieser Gruppe untersucht, die unter den rezenten Schildkröten nur noch durch ein Genus ver- treten sind. Folgende Angaben liegen uns vor: Species Autor Per. Kanäle Trionyx ocellatus ÄNDERSON offen - gangeticus = = - hurum SCHMIDTGEN geschlossen - triiuga - - - spinifer - = - sinensis z = Durch mich sind untersucht: | Zustand des Species [re in cm | Geschlecht | Materials — a an m m —— ——— en Trionys spinifer 9 | ? k. - spee. 8 | Q k. Die Peritonealkanäle der Schildkröten und Krokodile. 47 Beide Tiere besaßen deutlich entwickelte Peritonealkanäle. Wie die Fig. 25, 26 und 27 zeigen, liegen sie mehr seitwärts als in den vorigen Typen. In beiden Fällen endigen die Kanäle zweifelsohne blind in einer kleinen pigmentlosen Papille, welche in einer Falte der Cloakal- haut versteckt liegt. Die Untersuchung der embryonalen Entwieklung der Peritoneal- kanäle wurde vorgenommen an einigen jüngeren und älteren Triony& species. Querdurchschnitt durch den ventralen Cloakalteil. Peritonealkanal links und rechts auf dem Corpus fibrosum, Fig. 27. Wie Fig. 25. Rechte Hälfte. Die Papille, in Wie Fig. 26. Mehr nach hinten. Die Figur zeigt welcher der Kanal endigt, liegt in einer Falte das blindgeschlossene Ende des Kanals in der der Cloakalhaut (cl.d.). Papille. Embryonen von Ohrysemys pieta, Cinosternum und Chelone mıydas. Die jüngsten Stadien, die mir zur Verfügung standen, hatten bereits Plastron und Carapax entwickelt. Nur bei einigen weiter entwickelten Stadien war Entkalkung nötig. Außerdem wurden mir durch Prof. J. F. v. BEMMELEN zwei Serien Durchschnitte von Chelone mydas über- lassen; die eine von einem sehr jungen, die andere von einem älteren Embryo. Das ältere Exemplar derselben Sorte, das ich selbst in Durchschnitte zerlegte, wurde entkalkt. Schließlich wurde auch von Nicoria punctularia ein weit entwickelter Embryo untersucht. _ Fig. 28 zeigt den Querschnitt durch den hinteren Teil eines Embryos von COinosternum, worin von den Urogenitalgängen nur der 48 N. L#. Isebree Moens Worrrsehe Gang entwickelt ist. In diesem Durchschnitt sieht man links den Peritonealkanal (p. %.) vom Cölomlumen getrennt (c.), wäh- rend rechts eine Stelle getroffen ist, wo derselbe mit dem Lumen der Bauchhöhle zusammenhängt. Das Epithel, welches das Perito- neum des Cöloms bildet, sieht man sich fortsetzen in die Peritoneal- aussackung, die mehr nach hinten zum eigentlichen Peritonealkanal wird. Man kann den Kanal als ein langes, feines Röhrchen im Cloakalgewebe verfolgen. Nach hinten reicht er bis in das Ge- webe, welches später zum Copulationsorgan wird; hier verliert er sich im embryonalen Gewebe. Die Wand wird immer durch ein einlagiges »Epithel«e gebildet. In der Nähe des Endes jedoch ist das »Epithel« weniger regelmäßig ent- wickelt, ich meine es so- gar in Bildung begriffen gesehen zu haben. Die Wand des Kanals ist näm- lich am Ende desselben noch nicht ganz entwickelt. Wir finden an dieser Stelle eine Lockerung des den Kanal umgebenden Gewebes, und aus diesen lockeren Zellen bildet sich ein »Epithel«, Cinosternum (Embr.). Querdurchschnitt durch den Hinter- wie ich nieht nur bei diesen leib in der Höhe der Allantois. Dieser Teil wird später zum Sinus urogenitalis. Der Wolffsche Gang biegt sich Embryonen, sondern auch links nach diesem Cloakalteil um; der Peritonealkanal ist bei Chrysemys- sowie bei links bereits abgetrennt; rechts sieht man ihn noch in Ver- < n bindung mit der Leibeshöhle, Krokodil- Embryonen ge- sehen und in den Figuren auf Taf. II abgebildet habe. Ich bekam den Eindruck, daß das Epithel sich lokal bildet, und daß keine eigentliche Ausstülpung des Peritoneums vorliegt. Wäre dies der Fall, so wäre anzunehmen, daß die Wand des hinteren Endes schon ge- bildet war, und daß durch allmähliche Ausdehnung, durch Teilungen in der ausgebuchteten Cölomwand, der so gebildete Kanal mehr und mehr verlängert wurde. Bei allen Embryonen fand ich indessen, daß das hintere Ende am jüngsten war, ja, daß sich an einigen Stellen das Lumen des Kanals erst einigermaßen gebildet hatte, während der Kanal in einigen Durchschnitten mehr nach hinten oder nach vorn schon mit einem schönen Epithel bekleidet war (Taf. II, Fig. 3). Wenn ein jüngerer und ein älterer Embryo einer Ohrysemys pieta Fig. 28. - all. TE Die Peritonealkanäle der Schildkröten und Krokodile. 49 _ miteinander verglichen werden, so zeigt sich, daß der Kanal beim Jüngeren kürzer, beim älteren länger ist. Wie ich später bei den Krokodilen noch näher er- klären werde, bildet sich der Kanal gleichzeitig mit den übrigen Teilen des Em- bryos. Erst postembryonal entfaltet der Peritonealkanal seine größte Ausdehnung. Alle früher geäußerten Theo- rien, daß die Kanäle im Rückgang begriffene seg- mentale Tuben sind, sind bierdurch, glaube ich, wider- legt. In dieser Chrysemys pieta (Fig. 29), in der der Chrysemys pieta (Embryo.) Querdurchschnitt in der Höhe WOoLrrsche Gang erst ent- der Mündung des Worrrschen Ganges. Peritonealkanäle e , (p.k.) deutlich abgeschieden. wickelt war, finden wir die Kanäle schon teilweise angelegt. Das anale Ende ist wieder im Entstehen begriffen, wie wir dies bei der Cinosternum gesehen Fig. 30. Chrysemys pieta (Embryo). Querdurchschnitt durch den Hinterleib noch vor der Mündung des WoLrr- <«hen Ganges und des Ureters, Peritonealkanäle sehr weit von cavernösem Gewebe begleitet. Morpholog. Jahrbuch. 44, 4 50 N. L?. Isebree Moens haben; das Epithel bildet sich aus dem umliegenden Gewebe. Im älteren Embryo (Fig. 30) findet sich schon ein gut entwickelter Ureter vor. Die beiden Eileiter endigen bei diesem Weibchen blind in der Cloakalwand; zu beiden Seiten zeigen sich die WOLFFschen Gänge, die also noch nicht reduciert sind. Die Peritonealkanäle sind zum größten Teil von cavernösem Gewebe, das sich inmittels entwickelt hat, begleitet. Stellenweise ist das Lumen des Kanals (Taf. II, Fig. 5) deutlich gebildet, an anderen Stellen müssen die Lu- mina noch miteinander ver- schmelzen. Auch bei diesem Embryo hat der Kanal seine größte Ausdehnung noch nicht erreicht. Der ziemlich große Em- bryo einer Necoria punctu- laria befand sich in einem Stadium, in welchem der WOoLrrsche Gang und Ure- ter entwickelt waren. Die sich noch bildenden Kanäle endigten blind in der ven- tralen Cloakalwand. Chelone mydas (Embryo). Querdurchschnitt durch den Dieses embryologische Hinterleib. Links biegen Ureter und Worrrscher Gang N . Bet nach der Cloake um. Hierdurch wird ein Teil c.,,b.‘‘ vom Studium führt zu dem Cölom abgeschieden. Dasselbe ist mehr nach vorn rechts Schluß, daß weder bei der geschehen, aber in diesem Durchschnitt nicht mehr zu x Re: Chrysemys noch bei der Nicoria im Eileben ein Sta- dium vorkommt, in welchem die Kanäle offen sind. Der hintere Teil ist der jüngste, seine Wand bildet sich aus dem umliegenden (Gewebe. Man wird sich erinnern, daß die Kanäle im erwachsenen Weib- chen von Chelone mydas gänzlich fehlen, und daß ieh auch bei einer mikroskopischen Untersuchung der Durchschnitte einer Chelone imbricata keine Spur derselben habe nachweisen können. Wie steht es nun hiermit während des Embryonallebens? Auch bei den von diesen Sorten untersuchten Embryonen fehlt jede Andeu- tung, daß im eigentlichen Embryonalleben Cölomaussackungen vorkommen. In Fig. 31 findet man einen Teil des Embryos abge- bildet. Bei diesem Durchschnitt sieht man, daß links in der Figur vom dorsalen Cölomraum ein Teil abgeschnitten ist (c. „b.“), welcher ur. Die Peritonealkanäle der Schildkröten und Krokodile. 51 in der rechten Hälfte der Figur noch mit dem dorsalen Cölomraum zusammenhängt. Im linken Teil (c. „5.“) liegt nun, wie ein Ver- gleich mit Fig. 29, Chrysemys, zeigt, derjenige Teil vor, weleher in der bereits erwähnten Embryonalentwicklung von Sorten mit wohl entwickelten Peritonealkanälen, wie Chrysemys u. a., zur langen Cölomaussackung auswachsen würde. Diese Aussackung erscheint hier also nicht viel mehr als eine kleine Einsenkung der Bauch- höhle, die einige Schnitte weiter nach hinten nicht mehr zu finden ist; während, wie oben erwähnt wurde, bei Embryonen mit in Ent- Fig. 32. Fig. 33. - bi.k. = (10. Wege Er = Ö.W.g« Ce, De Chelone mydas (Embryo). Querdurchschnitt. Chelone mydas (Embryo). Wie Fig. 32. Etwas Links ist durch das Gewebe, worin der WoLrrsche weiter nach hinten. Man sieht hier rechts, was Gang und Ureter liegen, ein Stück c.,,b.‘‘ vom in Fig. 32 links zu sehen ist. In diesem Durch- eigentlichen Cölom (c.,«a.‘*) abgetrennt. Rechts schnitt ist der Teil c.,,d.‘‘ aus Fig. 32 bereits ist das noch nicht geschehen. verschwunden, also nicht analwärts ausgewachsen. wicklung begriffenen Kanälen diese in demselben Stadium eine sanze Strecke weit nach hinten zu verfolgen sind. Der in Fig. 31 abgebildete Durchschnitt ist von einem jüngeren Embryo. Bei einem älteren finden wir, was das Fehlen des Kanals betrifft, dieselben Verhältnisse wie im jüngeren Stadium. In Fig. 32 ist ein soleher Durchschnitt abgebildet. Auch hier sehen wir den abgeschnürten Cölomteil (c. „d.‘‘), welcher jedoch in Fig. 33 schon wieder verschwunden ist; während in diesem Bilde rechts zutage tritt, was Fig. 32 links zeigte. In einem noch älteren Embryo fehlte ebenfalls jede Andeutung der Kanäle. 4* 52 N. L?. Isebree Moens Untersuchung der embryonalen Entwicklung der Peritonealkanäle bei den Crocodiliern. Der Besprechung der Embryologie der Kanäle bei den Schild- kröten möchte ich die Untersuchung einiger Embryonen des Orocodilus porosus folgen lassen. Wenn auch die Verhältnisse der Kanäle beim erwachsenen Krokodil ziemlich stark abweichen von denen bei der Schildkröte, so zeigen doch beide Gruppen dieser Reptilien in der Weise der Entwicklung dieser Organe große Übereinstimmung. Tabelle der von mir untersuchten Embryonen von Crocodilus porosus. | 8 3 |=3 Croe. por. Rückenlänge in cm | 3 & = 2 E Peritonealkanäle 2 ++ 71/g «| blind auf Papillen. | +++ Wu - - 0 > | 41 |++ + |20 u - ‚keine Papille. 385 ++ + 115 ul - 2.25 ++] + 20 u - 38 Durchschn. lang. 2.40 |+ + ? 15 ul - | 1.80 |++| ? 15 u - 40 Durchschn. lang. | 1.5 / ++ +? 12%au - 51 - - 1655 ++ +? 110 ul - 389 E - 140 ++ — 10 u - 120 ++ — 10 u nicht mehr in den Penis | | ee 38 Durchsch. lang. 115 ++ — 10 u blind, 40 Durchschn. lang. + 10 + — |? - 16 - - | Ele - 16 : 3 ee re Be: : : kleiner als 1.00 + — |75ul - 9 ; 3 Die Lage und Form der Peritonealkanäle im fast reifen Embryo des Crocodilus porosus stimmen mit der bei einem junggeborenen oder einige Jahre alten Tiere überein. Beim größten von mir untersuchten Embryo, mit einer Rücken- länge von 7 cm, endigt der Kanal blind in zwei Papillen, zu seiten des sich entwickelnden Copulationsorgans. Jüngere Stadien zeigen die Kanäle ebenfalls blind endigend im Gewebe der sich bilden- Die Peritonealkanäle der Schildkröten und Krokodile. 53 den Rute (Fig. 34); in noch jüngeren reicht das Ende des Kanals nieht einmal bis an den Penis. Ebenso wie bei den Schildkröten (Necoria, Chrysemys, Cinoster- Fig. 34. Fig. 35. Fig. 34. Crocodilus porosus (Embryo). Querdurchschnitt durch die Penis-Anlage (c.f.); zur Seite der Cloake mit der Anlage der Samenrinne (s.r.) die jüngsten Enden der Peritonealkanäle, die bis auf den Penis reichen, Fig. 35. Crocodilus porosus (Embryo). Querdurchschnitt durch das Abdomen in der Nähe der Mündung des rechten Woırrschen Ganges und Ureterr. An beiden Seiten die Peritonealkanäle. Fig. 36. Crocodilus porosus (Embryo). Querdurchschnitt durch den Hinterleib eines noch sehr jungen Em- bryos. Links mündet der Worrrsche Gang in die Cloake; der Peritonealkanal ist deutlich ent- wickelt. Rechts biegt der WoLrrsche Gang nach der Cloake um. Das Lumen des Kanals ist als Aus- buchtung des Cöloms (c) zu sehen. num) fand ich den hinteren Teil des Kanals stets in Bildung begriffen. Das Lumen des Kanals entsteht, wie Fig. 7 Taf. II zeigt, durch Lockerung des am Ende liegenden Gewebes. Ein Teil der Zellen 54 N. L®. Isebree Moens bekleidet später als »Epithel« dieses Lumen und schließt sich dem bereits gebildeten vorderen Teil an (Fig 35). Diese Verhältnisse fand ich bei allen untersuchten Krokodil-Embryonen. Dadurch, daß ich bei den verschiedenen Stadien die Zahl der Durchschnitte notierte, in denen das Bild der Cölomaussackung nach der Mündung des WoLrrschen Ganges in die Cloake noch zu finden war, habe ich versucht, deutlich zu machen, daß der Kanal allmählich länger wird, in demselben Verhältnis wie der ganze Embryo wächst (siehe Tabelle). Ein Durchschnitt eines sehr jungen Embryos ist in Fig. 36 ab- gebildet. Man sieht hier, daß die Art der Abschnürung bei den Crocodilia dieselbe ist wie bei den jungen Schildkröten. Ich kam zu dem Schluß, daß weder bei den Schildkröten, noch bei den Krokodilen im Eileben ein Stadium vor- kommt, worin die Kanäle offen sind. Die Funktion der Peritonealkanäle. Während viele Forscher, welche sich mit den Peritonealkanälen beschäftigten, wie CUVIER, OWEN, ÜLARK, HOFFMANN, VOELTZKOW, WIEDERSHEIM, SZAKALL, HELLMUTH, SCHMIDTGEN u. a. keine Mei- nung betreffs der Funktion der Cölomaussackungen äußerten, bildeten andere sich eine Meinung darüber in der Voraussetzung, daß der Kanal am Ende offen wäre. Wieder andere überzeugten sich, daß blindgeschlossene Kanäle vorlagen, und bildeten sich danach ihre Ansicht über die Funktion des Kanals. Sr. Hıraıre und MARTIN z. B. waren bekanntlich der Meinung, daß eine Verbindung zwischen Bauchhöhle und Blutgefäßsystem .be- stände. Sie behaupteten die Möglichkeit eines Stoffwechsels durch diese offene Verbindung. Wegen des besonderen Baues der »Öffnung« am Kanalende sollte es nur möglich sein, daß vom Kanal aus Flüssigkeit in das Venensystem eingeführt würde, und nicht umge- kehrt. Weil nun außerdem die Kanäle ihrer Meinung nach mit der Außenwelt in offener Verbindung standen, führte dies die beiden Forscher zu dem Schluß, daß die Kanäle »n’ont guere d’autre usage que de vider le peritoine et rendre l’hydropsie absolument impos- sible«.. Auch waren, wie sie meinten (21 c., die Kanäle analog »a deux conduits partieuliers, deerits par M. Cuvier chez les Raies, et qui s’ouvrent a l’exterieur pres de l’anus«. GEOFFROY Sr. Hıraıre (20), der Ältere, äußert in einer Be- Die Peritonealkanäle der Schildkröten und Krokodile. 55 schreibung eines Crocodilus miloticus die Meinung, daß die Poren Öffnungen seien, welche infolge einer Bewegung der Bauchmuskeln Wasser ab- und zuführen können, das dann den darin enthaltenen Sauerstoff an die Capillären der Eingeweide abgibt. »Le voila«, sagt er, »veritable amphibie dans ce sens, qu’il est aerien par sa poitrine et animal aquatique par une modification de l’etat de son abdomen« (p. 515). Diese Möglichkeit, mit dem Abdomen »atmen« zu können, sollte erstens dem Tiere bei seiner Gewohnheit, stundenlang im Wasser auf der Lauer zu liegen, zustatten kommen. Zweitens sollte durch in den Penis eingeführtes Wasser Ereetion verursacht werden können. Schon Townson hatte beobachtet, daß die Schildkröten Wasser durch den Anus aufnehmen können. Dunmerin und Bısron (11), später auch LATASTE und GADow haben dasselbe festgestellt. Als diesen Forschern dann die ‚Veröffentlichungen Sr. HıLameEs und Martins bekannt wurden, meinten sie, daß auf diese Weise Wasser in das Cölom geführt würde, das »pouvait &tre employee A la trans- piration lorsque l’animal qui en avait fait provision se trouvait ex- pose dans l’air a la dessication ou A une temperature trop &elevee, dont il aurait a combattre des effets nuisibles«. ÄNDERSON ist derselben Meinung. Seine Ansicht ist, daß keiner- lei Beziehung zwischen den Kanälen und der Geschlechtsfunktion besteht und daß die Art der Mündung der Kanäle übereinstimmt mit der bei den Schildkröten, den Crocodiliern und mit den sogenannten Abdominalporen der Ganoiden und Cyelostomen. Brıpge meint: »The apparently arbitrary presence and absence of the pores and their tendence to individual variation are cogent reasons for be- lieving that, whatever may once have been their funetional impor- tance they are now merely functionless and rudimentary structures«, und er schließt sich hierin der Meinung BALFOURS an, daß die Poren in keiner Weise mit dem MÜLLERschen Gang! zusammenhängen und daß man sie zu betrachten hat als: »a posterior pair of seg- mental tubuli. ... . »The presence of pori in various forms and often as functionless structures in such widely diverse groups is elear evidence of their great antiquity and primitive funetional importance.« ! GÜNTHER ist der Meinung, daß die Poren bei den Ganoiden‘ dienen sollen: »for discharging semen or ova, which have lost their way to the ab- dominal aperture of oviduets«, (Phil. transaet. 1871). 56 N. L®. Isebree Moens Obwohl mir die Bres’sche Theorie (S. 17) über die Beziehung von Poren und Nephrostomen zueinander nicht unanfechtbar vor- kommt, will ich nicht unterlassen hier anzuführen, was er betreffs der Homologie der Poren verschiedener Gruppen Fische und Rep- tilien sagt: »The answer will depend on the proof or disproof of BALrours homology. If the pores are not segmental tubes, they are simply perforations of the abdominal wall in consequence of gradual thinning down in cloacal region. Should this be so, it is evident, that this process may have taken place independently many times over in the phylogeny of different groups and there would be great diffieulty in establishing the homology between any two groups of Vertebrates in respect to the pores.« Kommt bei den Fischen und Reptilien eine durehbohrte Papille vor, so hält er es nur für möglich, daß der Kanal der Abfuhr diene, nicht aber Stoffe von außen in das Cölom führe. Alle diese Ansichten über die Fyınktion der Peritonealkanäle sind unhaltbar, sobald die Kanäle — wie dies aus meinen Unter- suchungen hervorgeht — blindgeschlossen sind. Die Meinung, daß es Reste segmentaler »tubes« sind, kann nicht richtig sein, da mir die embryologische Untersuchung von Krokodilen und Schildkröten zeigte, daß auch im Eileben keine Periode vorkommt, in der die Kanäle offen sind. Die Kanäle ent- wickeln sich im Verhältnis zum Wachstum des Embryos. Solange uns die Entwicklung der Abdominalporen der Ganoiden und Öyelostomen nicht völlig bekannt ist, können wir diese beiden Gruppen hinsichtlich dieser anatomischen Eigentümlichkeit nur schwer mit den Reptilien vergleichen. ’ Schließlich halte ich die Annahme einer Atmung durch die Ein- geweide für etwas phantastisch. Der Bau der Kanäle und die Triehterform am Ende lassen — wenn sich eine Öffnung auffinden ließe (Crocodilia) — eher an eine Abfuhr von Stoffen denken. Eine andere Gruppe von Forschern hält die Kanäle für blind- geschlossen und sucht eine andere Ansicht über deren Funktion Eingang finden zu lassen. So schreibt Fritsch den vielen »Zotten« (Papilles, CuvIEr) eine besondere Bedeutung zu. Weil er in jeder Papille eine Vene und eine Arterie zu finden glaubt, hält er es für möglich, daß die vom Cölom in den Kanal sickernden Stoffe durch die Capillaren aufgenommen und durch das Blut weggeführt wer- den können. Außerdem könnten die mit Blut gefüllten, geschwollenen Papillen zur Erection des Copulationsorgans führen, dadurch, daß Die Peritonealkanäle der Schildkröten und Krokodile. 57 sie durch Berührung der überliegenden Wand des Kanals einen Reiz auf denselben ausüben. LATASTE nahm an, daß die Kanäle bald geschlossen und bald offen wären. Er selbst fand blindgeschlossene Kanäle, war aber der Meinung, daß ANnDERSONsS Befund richtig wäre. Er behauptete nun Folgendes: »leur fonetion doit &tre fort peu importante, puisque tantöt ils se terminent en coecum, et tantöt s’ouvrent librement & l’exterieur; et leur raison d’etre doit sans doute &tre recherchee dans leur filiation, non dans leur usage.« Gapow schließt sich der MAYErschen Auffassung an. Letzterer ist nämlich der Ansicht, daß eine Anschwellung des Penis durch Einpressung von Leibesflüssigkeit in die Kanäle verursacht werden könne. Sind die Kanäle am Ende offen, wie GADow für die weib- lichen Schildkröten und Crocodilier behauptet, so dienen sie seiner Meinung nach zur Abfuhr und nicht zur Einnahme von Stoffen. Was meine eigene Ansicht über diese Frage betrifft, so mache ich einen Unterschied zwischen den Schildkröten und den Krokodilen. Bei den Cheloniern habe ich bei den Familien, welche Peritoneal- kanäle besitzen, verschiedene Arten im Bau der Kanäle gefunden. Am deutlichsten sind die typischen Merkmale beim erwachsenen Männchen entfaltet. Als erste Art möchte ich die Testudinidae nennen. Mit dieser stimmt der Bau der Kanäle bei den Cynoster- nidae, wahrscheinlich auch der der erwachsenen Ckelydra, überein. In allen diesen Fällen fanden wir einen langen, engen Kanal, dessen Eingang in der Bauchhöhle durch den Bulbus urethrae überdeckt wird. Als zweite Art möge der Zustand bei den Pelomedusidae gelten. Hier finden wir einen kurzen, geräumigen Kanal. Die in die Bauch- höhle hineinragenden Auswüchse werden durch die beiden Schlingen des Corpus fibrosum verursacht. Sehr wahrscheinlich finden wir bei den Trionychidae den Kanal noch anders gebaut. Es fehlte mir jedoch genügendes erwachsenes Material. Bei der ersten Art nun ist auffallend, daß der Kanal in dem Teil, der unter dem Bulbus urethrae liegt, merkbar verengert ist. In seiner ganzen Länge ist der Kanal von schwellbarem Gewebe begleitet. Die Injektion der Kanäle bei den frischen Tieren zeigte ferner, daß die Wand des Kanals sehr ausdehnbar war. Der Penis liegt bei den zur ersten Art gehörenden Familien in der Form eines Z 58 N. L®. Isebree Moens zurückgezogen im Cloakalraum, so daß die Glans penis an dem einen, die Bulbi uretrae am anderen Ende des Z gefunden werden. Das eigentliche »Z« wird durch das Corpus fibrosum mit den aufliegen- den schwellbaren Bändern, den Corpora cavernosa, gebildet. Füllen sich nun Glans penis und Bulbi urethrae prall mit Blut, so schwellen auch die cavernösen Bänder zu beiden Seiten der Samenrinne an, wodurch dann die Z-förmige Schlinge sich entfaltet; die Museuli retraetores penis entspannen sich, und der gestreckte Penis tritt aus dem Anus hervor und kann in die weibliche Cloake eingeführt werden. Das Sperma gleitet dann vom Sinus urogenitalis aus in die Samenrinne, welche durch das Anschwellen ihrer Ränder (cavern. Bänder) nicht unansehnlich vertieft worden ist. Zu seiten der Samenrinne finden wir auch noch die Peritonealkanäle. Sie laufen, wie schon erwähnt wurde, am vorderen Ende mehr zwischen dem Schwellkörper, liegen jedoch am hinteren Ende außerhalb des Corpus cavernosum, nur durch ihre eigene Wand und die auf- liegende Cloakalhaut von der Außenwelt geschieden. Außerdem fanden wir, daß in dieser Art das blinde Ende in der Regel intrors, an der Innenseite der Samenrinne, lag. Meine Ansicht ist nun folgende: Die Kanäle, denen Ringmuskel oder eine muskulöse Wand fehlen, werden sich dem umliegenden Gewebe gegenüber passiv verhalten. Wenn nun der Bulbus ure- thrae anschwillt, wird der an dieser Stelle ohnedies schon enge Kanal noch mehr verengert. Das Lumen des Kanals wird dann wahrscheinlich abgeschnürt; im Kanal befindet sich vermutlich die- selbe seröse Leibesflüssigkeit, welche auch die ganze Bauchhöhle füllt und bei diesen Reptilien oft in beträchtlicher Menge vorkommt. Dehnen sich nun der Bulbus urethrae und somit die Eichel und das Corpus cavernosum aus, so sind die inmitten dieser Teile liegen- den Peritonealkanäle als zwei mit Flüssigkeit gefüllte, abgeschlos- sene Röhren zu betrachten. Infolge des Druckes, welchen das um- gebende Gewebe ausübt, wird nun die in den Röhren befindliche Flüssigkeit zu entweichen suchen, und demzufolge die Kanäle an der Stelle, wo sie am wenigsten Widerstand finden, anschwellen. Dies sind die am meisten analwärts, unmittelbar unter der Cloakal- wand gelegene Enden. Die geschwollenen Enden der Kanäle schließen nun die Samenrinne, ehe sie in die Eichel übergeht, nahe- zu völlig ab und sichern auf diese Weise dem Sperma das Er- reichen seines Ziels. Daß die Kanäle sehr wahrscheinlich mit der Copulation etwas Die Peritonealkanäle der Schildkröten und Krokodile. 59 zu tun haben, zeigen meines Erachtens die Verhältnisse bei der zweiten Art, den Pelomedusidae. Diese haben kurze, geräumige Kanäle. Das cavernöse Gewebe ist nur spärlich entwickelt. Nichts- destoweniger finden wir in den umgebogenen Schlingen des fibrösen Gewebes eine Vorrichtung, die beim Nachhintenziehen des Penis den Eingang der Kanäle von der Bauchhöhle abschließt. Auch bei diesen Schildkröten halte ich das Abgeschlossensein der Kanäle während der Copulation für sehr wahrscheinlich. Die Trionychidae haben *in extrorses Ende des Kanals, d. h. . die Spitzen endigen in einer Papille, welche an der Außenseite der Samenrinne liegt. Es fehlten mir jedoch erwachsene Tiere, um die Frage nach der Funktion der Kanäle bei dieser Gruppe entscheiden zu können. Der Zustand bei den Weibchen weist nicht darauf hin, daß die Peritonealkanäle bei ihnen eine funktionelle Bedeutung haben. Man muß jedoch annehmen, daß bei den Schildkröten, denen die Peritonealkanäle fehlen, bei den männlichen Tieren die Samen- rinne mit den Corpora cavernosa allein ihren Zweck erfüllt. Crocodilia. Historisches. Als JOHANN GOTTLOB SCHNEIDER (95) am Ende des 18. Jahr- hunderts seine Historia Amphibiorum zusammenstellte, fand er bei PLuMmIer die Beschreibung eines weiblichen Krokodils!, welche ihm so sehr auffiel, daß er dieselbe im ganzen zitiert. PLuMIER sagte folgendes: »Ce erocodile etait une femelle. Un peu au dessus de l’anus dans l’anus m&me en avancant vers le rectum on y voit une petite eminence pointue et une caroneule A chaque cöte de cette eminence. Chaque earoneule a une ouverture qui se ferme par une maniere de valvule annulaire et plissee, et cette ouverture eonduit dans la capaeite qui est entre le peritoine et les intestins. Un peu plus avant on voit aussi les deux portes des trombes ovaires, qui vont se rendre par plusieurs plis et replis vers le foie chacune vers un des lobes etec.« (5. 102). Soweit mir bekannt ist, wird durch PLUMIER zum ersten- mal auf die erst später mit dem Namen »Peritonealkanäle« be- zeichnete anatomische Merkwürdigkeit hingewiesen. Im 19. Jahr- 1 A. Fritsch teilt mit, daß es ein weibliches Exemplar des amerik. Alli- gators war. 60 N. L?. Isebree Moens hundert haben sich einerseits viele Autoren damit beschäftigt, die Kanäle aufs neue zu beschreiben, weil sie bemerkten, daß die durch PLuMIER gegebene Beschreibung nicht vollkommen mit den eigenen Wahrnehmungen übereinstimmte, anderseits gab die merkwürdige Mitteilung PLUMIERs mehreren Forschern Veranlassung, über die Tat- sachen hinauszuphantasieren, und sich die wunderlichsten Vor- stellungen über den Zweck und die Bedeutung dieser Kommunikation zwischen Leibeshöhle und Außenwelt zu machen. So fanden Js. GEOFFROY ST. HfILAIRE und MARTIN ST. AnGE (21), deren Untersuchungen der Schildkröten wir schon behandelten, zum ersten Male die beiden Cölomdivertikel beim Crocodilus lucius Cuv. ©; die Kanäle verjüngten sich analwärts und wurden mit dem Na- men »Peritonealkanäle« angedeudet. Über den Unterschied der Kanäle bei den Schildkröten und Krokodilen sagen Js. G. St. HıLaıke und Marrın folgendes: »que les canaux peritoneaux lorsqu’ils sont arrives pres du gland ne s’ouvrent pas dans le corps caverneux ou dans le tissu erectile, mais vont direetement s’aboucher dans le cloaque. Leurs . deux orifices, entoures de petits bourrelets arrondis s’aper- coivent tres faeilement, l’un a droite, l’autre A gauche en dehors de la base du gland...« | NER (5. 191). E12. 37 et Die Annan iin Wir wissen jetzt, daß die bei den eo ee on Se Schildkröten aufgefundene Kommunikation nung der Peritoneulkanäle in dr zwischen den Peritonealkanälen und dem Cloake. Nach Js. Georrror Sr. Hr Schwellkörper künstlicher Natur gewesen LAIRE et MARTIN ST. AnGe. ist und niemals von anderen Autoren wieder erwähnt worden ist. Außerdem habe ich selbst bei der mikroskopischen Untersuchung der Durchschnitte nie eine Andeu- tung einer solchen freien Kommunikation von Leibeshöhle und Venensystem gesehen. Bei allen weiblichen Krokodilen nun fanden Js. G. St. HILAIRE und MAarrın dieselben Erscheinungen: zwei Papillen, die zu seiten des Penis lagen, und in denen sich die Öffnungen der Peritoneal- kanäle befanden. Nur ein männliches Krokodil zeigte eine Aus- nahme; hier hatte der Kanal, ehe er durch die Papille in die Cloake Fig. 37. Die Peritonealkanäle der Schildkröten und Krokodile. 61 mündete, einen blinden Nebenzweig, welcher sich als ein enges Kanälchen, »en cul-de-sac«, im Gewebe des Penis verlor. Dies deutet also auf einen sexuellen Unterschied hin, da die beiden Autoren nachdrücklich behaupten, daß eine solche Verzweigung des Kanals nur bei den Männchen vorkommt. GEOFFROY Sr. HıLaıke, der Ältere (20), untersuchte auf seiner Reise in Ägypten verschiedene erwachsene Krokodile. Betreffs der Peritonealkanäle teilte er mit, daß er beim Crocodilus nilotieus die- selben Verhältnisse fand, wie sie sein Sohn IsIDORE GEOFFROY und MARTIN gesehen haben, und daß auch er gefunden habe, daß die Kanäle in die Cloake münden. Er sagt: »Ces faits sont exacts, je les ..ai verifies.« (S. 514.) Nach Cuvier (10) soll die Papille, in welcher die Öffnung des Peritonealkanals liegt, entweder mehr vom Penis entfernt in der Cloakalwand oder näher am Penisgewebe liegen; ja, zuweilen kann sogar eine Papille fehlen, weil dieselbe ganz mit der Rute ver- wachsen sein kann. In allen Fällen fand er einen offenen Kanal. So behauptet er von einem »Caiman & lunettes«: der Peritonealkanal mündet mit »un tres petit orifice exterieur, perce dans une legere pro- eminence sous une paille foliacee, qui le recouvre comme une valvule«. In der Abhandlung von Stannıus (34) begegnen wir zum ersten Male einer Beschreibung, die den bisher gegebenen Befunden wider- spricht. Die zu seiner Zeit bestehende Literatur über die Peritoneal- kanäle war ihm bekannt. Er erwähnt, daß beide Gruppen der Monimostylia Peritonealkanäle besitzen. »Daß diese Peritonealaus- sackungen bei Schildkröten jemals offene Mündungen besitzen, muß ich mit MAyER und MÜLLER entschieden in Abrede stellen, wenig- stens habe ich sie bei keiner gesehen.« Anderseits sollen nach diesem Forscher sich die Peritonealkanäle bei den Crocodiliern nicht immer in demselben Zustande befinden. So hat Srtannıus bei einem Crocodilus einen blindgeschlossenen Kanal gefunden, während er bei zwei männlichen Alligatoren eine sehr feine Öffnung am Ende »jeder Aussackung« zu finden behauptet. Hier ist also zum ersten Male von blindgeschlossenen Aus- sackungen bei den Crocodiliern die Rede. Unerklärlich ist mir, daß weder RATHkE (30) noch Horrmann (22) in ihren Arbeiten diese Kanäle erwähnen, da dieselben doch bereits mehrfach beschrieben waren, und deren Mündung in die Cloake schon von STANNIUS für einen Crocodilus in Abrede gestellt worden ist. Ebensowenig erwähnt MıLne EpwaArnps diese Cölomdivertikel. 62 N. La, Isebree Moens Hingegen sagt CLaus (2. Ausgabe: Grundzüge der Allgemeinen Zoologie. 1872) auf Seite 951: ... »Endlich verdient als Eigen- tümliehkeit der Krokodile die freie Kommunikation der Leibeshöhle durch Öffnungen der sogenannten Peritonealkanäle, welche an die Abdominalporien der Ganoiden und Selachier erinnern, hervor- sehoben zu werden.« Es ist klar, daß er selbst keine Crocodilier untersucht hatte, um zu entscheiden, ob SrannIus recht hatte, als er bei einem Krokodil einen blindgeschlossenen Kanal gefunden zu haben be- hauptete. Sonst würde er, wie andere Forscher nach ihm, seiner Verwunderung über diese Mitteilung Srtanxıus’ Ausdruck gegeben haben. ; So veröffentlichte BrıpgGE im Jahre 1880 in seinem »Pori ab- dominales of vertebrata« das Resultat einer Untersuchung nach dem Vorkommen der Peritonealkanäle bei einigen Crocodiliern. Er behauptet: »the pores = 1301 84V: Cariman sclerops Schneid. ae - - | Rücken 14 Qo| - | = > ale Croeodilus nilotieus Laur. | total 150 Sılak: “ porosus Sehneid. Rücken 11.5 Q | - - - = a ee - - ' ea.3 m|Q| - | Präparat Urogenitalsystem - - 2ia-|Q | f. = = - 21 - | Q 2 Die Krokodile sind untereinander sehr wenig verschieden, viel weniger als z. B. die Schildkröten. Alle Krokodile zeigen, auch was die Form und den Bau der Cloakalteile betrifft, eine gleiche Organi- sation. Die Cloake aller durch mich untersuchten Krokodile stimmt überein mit dem Schema auf Seite 5. Nur die erwachsenen, oder die fast erwachsenen, von mir untersuchten Weibehen haben eine sehr kleine Clitoris, während das Copulationsorgan der Männchen stark entwickelt ist. Bei jungen Tieren, wozu der größte Teil der von mir unter- suchten Exemplare gehört, ist ein Unterschied in der Größe des Copulationsorgans nur schwer zu bemerken. Zwei deutliche und geräumige Peritonealkanäle fand ich aber bei allen untersuchten Krokodilen. Wie schon oben angedeutet wurde, kann der Peritonealkanal in einer Papille enden; Cuvier hob hervor, daß diese Papillen an der Wurzel des Penis mehr oder weniger am Penis liegen können. Auch ich habe innerhalb derselben . Speeies beide Formen der Mündung und deren Übergänge gefunden, z.B. beim Alligator mississippiensis. Die Cloake eines männlichen Alligator mississippiensis von einer Totallänge von 150 em ist auf Die Peritonealkanäle der Schildkröten und Krokodile. 67 Taf. I, Fig. 12, mit der dorso-median aufgeschnittenen Wand abge- bildet. Zu beiden Seiten der Wurzel des kräftigen Penis liegen einige Fältchen in der Cloakalhaut, unter denen das blindgeschlossene Ende der Peritonealkanäle liegt. In einer von Herrn Resınk prä- parierten Alligator-Cloake fand ich dagegen den Peritonealkanal im Penisgewebe blindgeschlossen sich verlieren. In diesem Fall war die Peritonealpapille ganz mit dem Penis verwachsen. Den Teil des Penis, welcher die letzten Enden des Kanals enthält, habe ich außerdem in einer Schnittserie untersucht. Ein Schnitt, in dem der Kanal fast in der Mitte getroffen ist, ist in Fig. 38 abgebildet. Man sieht, daß der Peritonealkanal hier blindgeschlossen endigt. Es ist hier gar kein Zweifel möglich. Ein junges Weibchen derselben Sorte (All. miss.) zeigte zwei gut ent- wiekelte Peritonealpapillen, in denen sich die blindgeschlossenen Cölom- trichter befanden. Da wir also bei diesen Alligatoren alle drei durch CuUvIER angegebenen Typen der »Mündung« der Peritoneal- trichter wiederfanden, so komme ich zu dem Schluß, daß innerhalb der Species die größtmögliche Variabilität chat auscn ar Mail des Denie welcher im Vorkommen dieser Papillen besteht. dien letzten eg Peritoneal- Der rechte Peritonealkanal in Fig. 12, Taf. I, ist von der Cloake aus aufgeschnitten; es fallen uns hier zwei kleine Säcke auf (bl. 1,2). Derartige Blindschläuche fand ich in fast allen Peritonealkanälen; sie kamen sehr unregelmäßig, aber stets im geräumigen, mehr proximalen Teile der Cölomtrichter vor. Die Kanäle verjüngen sich nach dem Anus zu. Ehe sie je- doch in den mehr oder weniger ausgebildeten Papillen enden, zeigen sie eine nicht unbeträchtliche Erweiterung, die sich pro- ximal ausdehnt und dem vorderen Ende der Corpora fibrosa zum srößten Teil als eine von der Cloakalhaut überdeckte Blase auf- liegt, so daß die Corpora fibrosa am vorderen Ende mit zwei Cölom- blasen bedeckt sind, welche nur durch die tiefgehende Samenrinne getrennt werden. So deutlich ausgebildet habe ich diese Eigentüm- lichkeit nur bei diesem sehr großen männlichen Alligator mississip- piensis angetroffen. / einen Deks en. 5* 68 N. L%. Isebree Moens Wie schon gesagt, haben die Kanäle bei diesen drei Exemplaren ein blindgeschlossenes Ende. Vom Caiman sclerops untersuchte ich drei Exemplare hinsichtlich des Vorkommens der Peritonealkanäle. Ein junges Weibchen zeigte Caiman sclerops Q. Querdurchschnitt durch die Cloake (Proctodäum) (vergleiche Textfigur 2 2). Links und rechts in der Hauptfigur die Peritonealkanäle (p.k.). Fig. 40. Caiman sclerop ©. Wie Fig. 39, etwas weiter nach hinten. die in Fig. 1, Taf. II abgebildete Cloake. Besonders imponierten die großen Papillen zu den Seiten der Wurzel der Clitoris, die hier relativ stark in die Cloake hervorragt. Dieses Exemplar war sehr jung, der WoLrrsche Gang war noch nicht zurückgebildet, und das Ovarium war im Anfang seiner Entwicklung. Die Peritonealkanäle Die Peritonealkanäle der Schildkröten und Krokodile. 69 endigten blindgeschlossen in den Papillen. Der Teil der Cloake, welcher die Papillen und die Clitoris enthielt, wurde in Durchschnitte zerlegt; die Fig. 39 zeigt das Blindendigen der Oviducte in der Cloakal- wand. Bekanntlich entsteht die Geschlechtsöffnung bei den Croeodiliern erst dann, wenn die jungen Tiere schon einige Zeit ausgeschlüpft sind. Jedoch war mir nicht bewußt, daß die Oviducte selbst bei Croeodiliern von 2,5—3 m Totallänge noch keine Kommunikation mit der Cloake haben. Ich komme hierauf beim Orocodilus noch zurück. Die Durchschnitte zeigen weiter nichts vom Schema —- Fig. 2 A.B.C. — Abweichendes. Die Peritonealkanäle, die in Fig. 39 p k. sehr geräumig sind, werden analwärts enger und enger und rücken auf die Seite der Clitoris (Fig. 40). Sie endigen ner links und rechts in den Pa- pillen (Fig. 41). Beim zweiten Weibchen, von ungefähr glei- cher Länge, fand ich die- selben Verhältnisse. Bei einem Männchen die- ses Caiman sclerops, von ei- ner Rückenlänge von 42 cm und einer Totallänge von fast Caiman elerips ©. Wie Fig. 39 und 40. Noch weiter 2 m, also einem besonders nach hinten, Rechts ist der Peritonealkanal verschwun- . den, links befindet sich das Ende des Kanals auf der großen Exemplar, fand ich Peritonealpapille (p.p.k.). indessen zwei schwach aus- gebildete Papillen, in die die Peritonealkanälemündeten. Wirtreffen also bei diesem fast erwachsenen männlichen Exemplar offene Peri- tonealkanäle an. Die Öffnung war nur klein, ließ jedoch das mittels einer Handspritze unter sanftem Druck ins Cölom eingebrachte Wasser durch. Vom Caiman sclerops ist bekannt, daß er meistens nicht länger als 25m wird. Im Kataloge des Brit. Museums findet man die Länge des größten Exemplars mit 2,60 m angegeben. Der Caiman sclerops, den ich untersuchte, und der fast 2 m lang war, ist also als nahezu erwachsen zu betrachten. Ich fand bei ihm, wie gesagt, einen offenen Kanal. Eine Untersuehung beim Orocodilus porosus zeigte, daß ebenso- wenig wie beim Caiman und Alligator hier ein sexueller Unter- schied im Sinne St. HıLaırkes und MArTINs, nämlich eine Verzweigung =. Cl.d. EIS 70 N. La. Isebree Moens des Peritonealkanals an seinem Ende, aufzufinden war. Ich unter- suchte ein junges Weibchen (Rückenlänge 11,5 cm), dessen Peritoneal- kanäle in normalem Zustande waren und blindgeschlossen endigten (Fig. 42, 43 und 44). Die linke Peritonealpapille (p.p.%k.) war etwas verletzt und dadurch weniger deutlich. Ein blindgeschlossenes Ende fand ich auch bei einem Männchen von 17 cm Rückenlänge (Fig. 45). Im zoologischen Laboratorium befand sich ein durch Prof. C. PH. SLuITER hergestelltes Präparat des Urogenitalsystems eines weiblichen Crocodilıs porosus. Die beiden Mündungen der Peri- tonealkanäle waren durch eine vom Cölom aus eingeführte Borste angedeutet. Es war also eine kleine Öffnung auf beiden Peritoneal- papillen zu sehen. Die eine Papille wurde in eine Schnittserie zerlegt, weil ich mich zu überzeugen wünschte, ob die Öffnung künstlicher Natur war. Bei der mikroskopischen Untersuchung der Durchschnitte bekam ich den Eindruck, daß der Porus auf natürliche Weise entstanden war, da die Zellen der Ränder unverletzt waren. Es sei noch hervorgehoben, daß auch hier die Oviduete blind in der Cloakalwand endigten. Während meiner Untersuchungen wurden mir zwei eben ge- storbene, sehr große Exemplare von Crocodılus porosus zur Verfügung gestellt. Es waren zwei Weibchen von 2,5 m Totallänge. Nun ist 2,5 m für ein Orocodilus-porosus keine so beträchtliche Größe, wie z.B. 2m für Caiman sclerops. Die Maximallänge, die ein Crocodilus porosus erreichen kann, ist nach GADows Angabe: »Spe- cimens of 15 to 20 feet in length are not incommon, and there is a record of one monster of 33 feet.« Die Weibehen von etwas mehr als 8 Fuß sind also nur von geringer Größe. Ich war mir bewußt, daß ich die beiden Exemplare von Crocodılus porosus als relativ junge Tiere zu betrachten hatte, und fand auch wirklich die Oviducte blindgeschlossen. Ebenso endigten die Peritonealtrichter blind in kleinen, deutlichen Papillen zur Seite der Clitoris. Ich untersuchte ferner einen jungen männlichen Orocodilus nilo- tieus. Die Totallänge war 150 em. Die in den Katalogen des Brit. Museums angegebene Maximallänge beträgt 4,5 m. Auch. hier be- decken die Peritonealpapillen zu beiden Seiten des kräftigen Penis die blindgeschlossenen Enden der Peritonealtrichter. Auch fanden sich hier die proximal ausgestülpten Säcke an den Corpora fibrosa vor, jedoch weniger deutlich ausgebildet als beim Alligator (Taf. I, Fig. 12). a ug Pr Die Peritonealkanäle der Schildkröten und Krokodile. 71 Fig. 42. Crocodilus porosus Q@. Querdurchschnitt durch den ventralen Teil der Cloakalwand, Der Peritoneal- kanal liegt links unmittelbar vor seinem Ende und rechts neben der Samenrinne (s.r.), Fig. 43. Fig. 44. kı Crocodilus porosus Q. Wie Fig. 42. Links endigt der Crocodilus porosus Q. Wie Fig.42 und 43. Peritonealkanal in einer Papille (p.p.%,), rechts liegt der Rechts liegt das Ende des Peritoneal- Kanal noch im Gewebe, das die Cloake umgibt. kanales vor. Fig. 45. a s. . Y % Wa el. u 2: p.k. anne din nie na 0 = — 8.» 0 Crocodilus porosus. Querdurchschnitt des Proctodäums unmittelbar vor dem blinden Ende der Peri- tonealkanäle. 712 i N. L#. Isebree Moens Das von mir untersuchte Exemplar von Tomistoma Schlegeli war ein weibliches, sehr kleines Exemplar, von nur 58 cm Totallänge. Die Peritonealkanäle zeigten eine merkwürdige Übereinstimmung mit denen der bisher untersuchten Krokodile und Alligatoren. In der Cloake endigten die Kanäle blind, in tief in einer Einstülpung der Cloakalwand liegenden Papillen. Aus den Ergebnissen meiner Untersuchungen geht hervor, daß diese nicht alle auf Seite 65 gestellten Fragen beantworten können. Für festgestellt kann man wohl annehmen, daß beide Geschlechter ohne Ausnahme Peritonealtrichter haben. Einen sexuellen Unterschied, wie ihn Sr. HıLAıRE und MaArrIn behaupten, muß ich in Abrede stellen. Wohl fand ich bei den größeren Männchen eine schwache Aussackung des Kanals auf den Corpora fibrosa (Alligator, Tomistoma). Die Peritonealpapillen liegen mehr oder weniger dicht am Penis. Sie können auch ganz fehlen, indem sie mit dem Penis ein kom- paktes Ganzes formen. Ohne Zweifel können bei Crocodiliern offene Peritonealkanäle vorkommen, doch ist nach meinen Befunden diese Merkwürdigkeit nur auf die größeren (geschlechtsreifen?) Tiere beschränkt. Mit andern Worten: der Durchbruch des Peritonealkanals kommt ver- mutlich erst im späteren Lebensalter des Tieres zustande. Diese Auffassung ist wahrscheinlich die richtige. Wir finden in der Dissertation SZAKALLS eine genaue Angabe der Länge der Exem- plare des Alligator sclerops, die ihm zur Verfügung gestanden haben. Unter diesen befand sich ein Weibchen mit noch blindgeschlossenen Oviducten. Hierzu sagt SzakALL, daß bei Weibchen, die »ein vor- gerücktes Stadium der Eifollikelbildung auf (zu) weisen, die cloakale Öffnung des Eileiters noch geschlossen ist. An den konservierten, von jüngeren und mittelalten Krokodilen stammenden Präparaten konnte ich die Öffnung des Eileiters nicht konstatieren.... Bei einem geschlechtsreifen Alligator mississippiensis (H.) waren die Mün- dungen der Eileiter hinter der Clitoris nebeneinander auf der ven- tralen Wand der Cloake gelegen«. Die Exemplare, die er selber — 8.66 — beschrieb, sind m. E. noch nicht geschlechtsreife Tiere gewesen. Auch die von mir selbst untersuchten Weibchen hatten blind- geschlossene Oviducte und waren nicht als erwachsen anzusehen. Allerdings hatte auch das von Prof. SLuITER präparierte Weibchen Crocodilus porosus, das offene Peritonealkanäle zeigte, geschlossene Die Peritonealkanäle der Schildkröten und Krokodile. 73 Eileiter. Nach einer persönlichen Angabe des Präparators war dieses Tier. fast 3 m lang. Meine Meinung geht nun dahin, daß aller Wahrscheinlichkeit nach SZAKALL nur geschlossene Kanäle fand, weil die von ihm untersuchten Exemplare zu jung waren. Die An- gabe der meisten Forscher, daß sie nur dann und wann einen offenen Kanal gefunden haben, möchte ich daraus erklären, daß sie einmal ein mehr erwachsenes Exemplar, ein anderes Mal ein jüngeres Tier untersuchten. Habe ich doch selbst nur bei zwei der größten von mir untersuchten Krokodile offene Kanäle finden können, während für die kleineren, und für alle Embryonen, eine solche Öffnung in Abrede gestellt werden muß. Einmal auf den Einfluß des Alters auf- merksam gemacht, muß uns auffallen, daß nur ein einziger Forscher die Größe des von ihm untersuchten Tieres angegeben hat, nämlich PLuUMIER, der von der Größe des Herzens eines von ihm unter- suchten Tieres sagt: »Le coeur etait A peu pres de la grosseur et de la figure d’un oeuf de poule«. Es soll also ein großes Exemplar sewesen sein. Weiter teilt Gapow noch mit, daß in »large speei- mens« ein Federkiel ganz leicht die Öffnung des Peritonealkanals zu passieren vermag. Etwas weiter erwähnt er aber nachdrücklich, dab er größere Exemplare meint, wenn von dieser Öffnung die Rede ist. Dennoch versuchte kein Autor die widersprechenden Angaben in der Literatur zu lösen. Ich glaube nicht, daß eine eingehende Untersuchung an hinreichendem erwachsenen Material meine Auf- fassung als irrig erweisen wird. Möge es mir vergönnt sein, die hier geäußerte Meinung durch weitere Untersuchungen einmal be- stätigen zu können! Es wird sich dann zweifelsohne ebenfalls zeigen, ob eine Correlation zwischen dem Entstehen der Öffnungen in der Papille und der Geschlechtsreife besteht. Der eigentliche Zeitpunkt, in dem die Oviducte durchlöchert werden, sowie die Art dieses Prozesses sind uns völlig unbekannt. Betreffs der embryonalen Entwicklung der Cölomtrichter ver- weise ich auf Seite 52—54. Wiederholt sei hier nur, daß die Kanäle bei Embryonen nie, was aber behauptet worden ist, funktioniert haben, weil sie während des Eilebens noch in der Entwicklung be- griffen sind, sich analwärts fortbilden (durch Neubildung fort- setzen) und erst, wenn das junge Krokodil ausgeschlüpft ist, zur vollen Ausdehnung kommen. Endlich sei noch die Frage nach der Bedeutung und dem even- tuellen Zweck dieser Kanäle erörtert. Die beiden Kanäle zeigen, wenigstens bei den zwei größten 74 N. La. Isebree Moens untersuchten Männchen, Säcke, welche sich auf die Corpora fibrosa proximal ausdehnen und meines Erachtens auf keine besondere Funk- tion hindeuten: erstens, weil keine Einrichtung besteht, die ein Ab- schnüren des Kanals vom Cölom ermöglicht, zweitens, weil bei erwachsenen, sowie sexuell funktionierenden Krokodilen der Cölom- trichter vermutlich in die Cloake mündet, also eine elastische Funk- tion, wie bei der Schildkröte, ganz und gar ausgeschlossen ist. Ist die Papille jedoch durchlöchert, und besteht also eine Kommuni- kation von Leibeshöhle und Cloake, finden wir dann in den Ver- hältnissen eine Andeutung, daß Stoffe diese Öffnung passieren? Dies- bezügliche Wahrnehmungen sind nicht gemacht worden. Es will mir scheinen, daß die Behauptung St. HırLaıres und MARTINS sich als unhaltbar erweisen wird. Sie meinen, es wäre möglich und auch begreiflich, daß ein Krokodil bei stundenlangem Aufenthalt im Wasser durch die Abdominalporen regelmäßig Wasser in die Bauch- höhle aufnehme, und daß das Abdomen eine respiratorische Funk- . tion habe, weil die Capillaren der Eingeweide dem Wasser Sauer- stoff entnehmen. »Le voila«, sagt G. St. HILAIRE der Ältere, »veri- table amphibie dans ce sens, quil est aerien par sa poitrine et animal aquatique par une modification de l’&tat de son abdomen« (p. 515). Ich glaube, daß im Gegenteil wegen der Triehterform der Kanäle anzunehmen ist, Stoffe werden durch Kontraktionen des Ab- domens eventuell in die Cloake und aus dem Körper ausgeführt werden. Tatsächliehe Beweise fehlen jedoch auch für diese Auf- fassung. Die Frage nach-der Funktion dieser Kanäle bleibt also offen! Die Ergebnisse dieser Arbeit können wie folgt zusammengefaßt werden: Nicht alle Sehildkröten haben Peritonealkanäle. Soweit unter- sucht, fehlen die Kanäle den weiblichen Chelonidae, Sphargidae, Carettochelydae und Emydura novae-Guineae sowie den Chelone im- bricata g' und 9; Kommen beim erwachsenen Tier keine Kanäle vor, so fehlen sie auch beim Embryo (Chelone miydas). Das Vorkommen der Kanäle halte ich für ursprünglich; ich nehme an, daß sie, wo sie fehlen, verloren gegangen sind. Rudi- mente eines Kanals konnte ich nicht auffinden. Ob das Fehlen des Kanals bei den genannten Gruppen auf eine nähere Verwandtschaft derselben hinweist, kann ich nicht entscheiden. Der Kanal kann verschiedene Male verloren gegangen sein. Die Peritonealkanäle der Schildkröten und Krokodile. 75 Beide Geschlechter besitzen Peritonealkanäle, jedoch mit sexuellem Unterschied. Dieser zeigt sich in der Form und Länge der Kanäle, die mit der mehr oder weniger kräftigen Entwick- lung des Copulationsorgans zusammenhängen. In allen Fällen endigt der Kanal blindgeschlossen vor der Eichel. Eine offene Verbindung mit dem cavernösen Gewebe besteht nicht. Die Wand des Kanals wird stets von einem einlagigen »Epithel« gebildet. Eine Durchbohrung der Cloakalwand findet nicht statt. Eine Funktion des Kanals bei den männlichen Tieren ist meines Erachtens angedeutet durch die Lage und Form des Kanals im Ver- hältnis zum Penis, zu den Bulbi urethrae, der Samenrinne und den Corpora eavernosa; sie besteht darin, daß sie die Samenrinne zur Zeit der Paarung vollständiger vom übrigen Teil der Cloake abschließt. Eine Correlation zwischen Geschlechtsreife und dem Ende des Kanals besteht bei den Weibchen nicht; ebensowenig hat bei den Männchen die Copulation einen Einfluß auf das hintere Ende der Kanäle. Der Kanal erreicht seine volle Entwicklung erst postembryonal. Es besteht kein Grund, anzunehmen, daß der Kanal beim Embryo jemals offen gewesen ist oder funktioniert hat. Bei den untersuchten Krokodilen endigt bei allen jüngeren Tieren der Kanal blind. Bei zwei größeren Exemplaren (g' 2 m und ca. 5m ©) habe ich eine durchlöcherte Papille gefunden. Es ist sehr gut möglich, ja sogar wahrscheinlich, daß erst bei älteren Krokodilen diese Durcehbohrung stattfindet. Auf eine Funktion des Kanals, wie bei den Schildkröten, deuten die Verhältnisse nicht hin. Der Kanal entwickelt sich in der Weise, daß er bei den jüngeren Embryonen am kleinsten ist und sich im Verhältnis zum Wachstum des Embryos weiter entwickelt. Es besteht kein Grund, anzu- nehmen, daß diese Kanäle jemals offen gewesen sind. Die Wand besteht aus einem einlagigen »Epithel«, das sich aus Zellen des umliegenden Gewebes bildet. Der anale Teil des Kanals ist stets der jüngste. 76 [897 12. N. L#. Isebree Moens Verzeichnis der zitierten Arbeiten. ANDERSON, Dr. J., »On the celoacal bladders and on the peritoneal canals in Chelonia«. In: the Journ. of the Linnean Society. Zoology Vol. XII, 1876. BALFOUR, F. 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Das Tier liegt auf dem Rücken; man sieht oben in der Figur die sich nach unten verjüngende Blase (x. b.); zu beiden Seiten des Blasenhalses findet man die Eingänge in die Peritoneal- kanäle (p. k.), teilweise durch die Bulbi urethrae (db. «.) überdeckt. An der Rückenseite des Tieres ist der Darm (d.) angeheftet; und die beiden Testes (£.) mit den Ductus deferentes (v. d.), welche in zahl- reichen Schlingen nach hinten in die Cloake führen. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 3. 1 1 12. 7b. N. La. Isebree Moens CUyclemys amboinensis Q. Etwas vergrößert. Teil der ventralen Cloakalhaut (cl. w.) mit der Clitoris (cl... Die Haut der Cloake ist zum Teile pigmentiert; wo die pigmentierte Region (p?. el. w.) anfängt liegen die blinden Enden der Peritonealkanäle (p. k.). Cinixys erosa Q. Etwas vergrößert. Man denke sich das Tier auf dem Rücken liegend. Links ist die Harnblase («. b.) etwaszur Seite ge- schoben, um den engen Eingang in den Peritonealkanal (p. %k.) zu zeigen. Rechts überdeckt die dünne häutige Blase den Eingang des anderen Kanals. Die Oviducte (ovw.) sind stark angeschwollen und wie die Eierstöcke (ova.) nur zum Teil eingezeichnet. Der Darm (d.) ist geräumig. . Oinixys erosa 9, 5mal. Die Bucht im Peritonealkanal (Textfigur 14) ist der Länge nach aufgeschnitten. Die Wand zeigt zwei Papillen (pap.). Homopus areolatus Q. Etwas vergrößert. Ansicht des hinteren Teiles der Bauchhöhle eines auf dem Rücken liegenden Tieres. Nur das linke Ovarium (ova.) ist entwickelt. Eileiter (ovz.) findet man auf bei- den Seiten. Am Blasenstiel (x. b.). die sehr kleinen Eingänge der Peritonealkanäle (p. %.) . Homopus areolatus ©, 8mal. Eingang des rechten Peritonealkanals wie auf Fig. 5. Testudo angulata 2. Etwas vergrößert. Hinterer Teil der Bauchhöhle eines auf dem Rücken liegenden Tieres. Oviduete (ow.) sind stark angeschwollen. Darm (d.) ist geräumig. Die weiten Eingänge in die Peritonealkanäle sind weit auf die Seite gerückt; der Eingang (p. X.) wird von kleinen, deutlichen Bindegewebe-Pfeilerchen behindert. Cinosternum scorpioides &, 4mal. Teil der ventralen Cloakalwand mit der Eichel (gl. p.) und dem letzten (hinteren) Teil der Samenrinne (s. r.), auf deren Seite die Peritonealkanäle (p. k.) liegen. Cinosternum scorpioides &. Der rechte Peritonealkanal (p. k.) der Fig. 7 wurde der Länge nach geöffnet. Das hintere Ende ist stark pigmen- tiert. An der lateralen Seite befinden sich im Kanal eine Reihe Pfeilerchen bindegewebiger Art (b.). Cinosternum scorpioides 5. Ein Pfeilerchen (b.) aus Fig. 7a. von der Seite gesehen; es verbindet die ventrale mit der dorsalen Wand. Chelone mydas, 4—5mal. Der hintere Teil der Leibeshöhle des auf dem Rücken liegenden Tieres zeigt die Nieren (»r.), auf welchen die Eileiter (ov.) und die jungen Ovarien (ova.) liegen, den Darm (d.), durch ein kräftiges Septum mit dem Rücken verbunden, und die kleine, dickhäutige Harnblase (z. b.), durch ein Septum (se) an die Bauch- fläche angeheftet. Das Peritoneum läuft ohne Einsenkung vom Blasen- stiel bis an die Eileiter. Eine Andeutung eines Peritonealkanals sucht man vergebens. Sternothaerus derbianus &, 1imal. Ein kleiner Teil des hinteren Cöloms. Die Ductus deferentes (v. d.) sind einem Septum angeheftet; sie laufen nach hinten durch die Schlingen des Corpus fibrosum (e. f.) und münden in den Sinus urogenitalis (Fig. 23). Diese Schlingen überdecken die Eingänge in die kurzen geräumigen Peritoneal- kanäle (p. %.). Die Peritonealkanäle der Schildkröten und Krokodile. 79 Fig. 10. Emydura macquariae %. Abbildung der Cloake, durch einen dorsalen Fig. 11. Fig. 12. Fig. 13a. Fig. 13b. Eije.’, ], Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. medianen Schnitt geöffnet. Das Corpus fibrosum reicht bis zum Punkt a. Die Glans penis (gl. p.) liegt am Ende der Samenrinne (s. r.), auf deren Seiten die kurzen Peritonealkanäle (p. %.) liegen. Mehr dor- sal befinden sich die beiden Eingänge in die Anal- oder Cloakal- blasen (cl. bl.). Emydura maequariae &. Der hintere Teil der Bauchhöhle mit der " Blase (z. b.), den Testes (£.), den Ductus deferentes (v. d.). Auf beiden Seiten des Blasenstiels (w. d.) bemerkt man zwei kräftige bohnen- förmige Auswüchse (b. «.), welche die geräumigen Eingänge der Peri- tonealkanäle (p. k.) zum Teil überdecken. Alligator lucius &. Etwas vergrößert. Die Cloake wurde dorsal der Länge nach geöffnet. Ventral liegt im Proctodäum (p. d.) der kräftige Penis (p.). Die Samenrinne (s. r.) fängt hinter dem Septum urogenitale (se. u. g.) an und ist bis auf den Penis zu verfolgen, bis an die soge- nannte Schneppe (sr... An der Wurzel dieses Penis liegen einige Falten der Cloakalhaut, worunter man sich die Enden der Peritoneal- kanäle (p. k.) zu denken hat. Der linke Kanal ist unberührt gelassen, während der rechte teilweise von der Cloake 'aus geöffnet worden ist. Wie man rechts in der Figur sieht, wird der Kanal nach oben geräumiger, um allmählich ins Cölom überzugehen. Die Wand des Kanals (p. k.) trägt zwei kleine Blindsäcke (bl. 2). Gegen den Anus hin zeigt der Kanal eine größere Ausbuchtung, die sich nach vorn auf das Corpus fibrosum legt. Der weitere Teil verengert sich dann bald, um unter den oben angedeuteten Falten zu endigen. Chelydra serpentina @ (jung), 2mal. Ansicht des Hinterteiles der Bauchhöhle des auf dem Rücken liegenden Tieres. Eingang der Peritonealkanäle (p. k.) sehr eng. Deutlich ausgebildete Cloakal- blasen (cl. bl.) Der in Fig. 13a abgebildete Teil ist von der Seite gesehen, Tafel II. Alligator sclerops Q. Etwas vergrößert. Hinterer Teil der Cloake (p. d., «. d.); rechte Hälfte der Cloake abgeschnitten. Auf der Seite der Clitoris (c/.) sieht man die kräftige Peritonealpapille (p. p. k.), in welcher der Peritonealkanal (p. k.) blind endet. Chrysemys pieta (Embryo). Abbildung eines stark vergrößerten Quer- schnittes des hinteren Endes des Peritonealkanals (p. k.), zur Veran- schaulichung der Bildung des Lumens und des »Epithels«e der Wand des Kanals. e Chrysemys pieta (Embryo). Wie in Fig. 2, einer anderen Durch- schnittserie. Chrysemys pieta (Embryo). Anales Ende des Peritonealkanals (p. %.); nur wenige Zellen bilden dessen erste Anlage. Chrysemys pieta (Embryo). Teil des Gewebes, in welchem mehrere Hohlräume (p. k.) entstanden sind, welche sich später zu einem Lumen zusammenschließen und so den Peritonealkanal bilden werden. Links blutführende (bl. k.) Hohlräume (v. s.) s0 N. L*. Isebree Moens, Die Peritonealkanäle der Schildkröten usw. Fig. 6. Cinosternum (Embryo). Abbildung eines stark vergrößerten Quer- schnittes der Gegend, in welcher der Peritonealkanal in das Cölom (e.) übergeht. Der linke Kanal ist bereits vollständig abgeschnürt (p. k.). Links und rechts der Worrrsche Gang (W. G.) und Ureter (wr.), welche mehr nach hinten in den sich später zum Sinus urogenitalis entwickeln- den Teil der Cloake ausmünden (all.; se. «. g.). Fig. 7. Orocodilus porosus (Embryo). Abbildung eines stark vergrößerten Querschnittes des hinteren (jüngsten) Teiles des Peritonealkanals (p. %.), zur Veranschaulichung der Bildung des Lumens und der Wand des Kanals. Erklärung der Abbildungen. Tafel I—II. a., an. After. m.d. Moschusdrüse. all. Allantois. m.r. cl. Musculus retractor celi- an. bl. (= cl. bl.) Analblasen. toris. ao. Aorta. MT. PD. Musculus retractor a. p. Arteria penis. penis. art. Arterie. nr. Niere. b. Pfeilerchen. ö. W. @. Mündung des WOoLFF- bl. k. Blutkörperchen. schen Ganges. bl. g. Blutgefäß. 0.9.9: Mündung des Ge- b. u. Bulbus urethrae. schlechtsganges. e. Leibeshöhle ov., ovi. Eileiter. E | Teile derLeibeshöhle. Hiemiape e. »b.« \ p. Penis. 0.6 Corpus cavernosum pap. Papille. (Schwellkörper). pi. el. w. pigmentierte Cloakal- e..d. Coprodäum. haut. ef. Corpus fibrosum. p.d. Proetodäum. el. Cloake. p. k. Peritonealkanal. el. bl. Cloaka! (Analjblase. 2.1.2. pigmentlose Papille. el. d. Cloakalblindsack. ».P. k. Peritonealpapille. cli. Clitoris. sn. Schneppe. cl. w. Cloakalwand. 5. Septum. ec. W. Cölomwand; Perito- (s. %. g.) se. u. g. Septum urogenitale. neum. si.u. g. Sinus urogenitalis. d. Darm. sr. Samenrinne. div. p. k. Auswachs der Perito- &. Testes. i nealkanalwand. u. b. Harnblase. i d. S. dorsales Septum. u.d. Urodäum. 5 I. 9: Geschlechtsgang. ur. Ureter. 9. 9. ö. (ö. 9. 9.) Geschlechtsöffnung. v. 8. Blutführende Hohl- gl. p. Eichel, Glans penis. räume. lg. Mm. lockeres Bindegewebe. 2.d. Mesenterium. RG. ———m Ductus deferens. WOoLrrscher Gang. Bd. XEIV. Morphologisches Fahrbuch. u 27 F 2 : ıDAODOMH:D Bea E ee re erg So SUCHE ECIE, ER KR 1232 N I > I os “ ER wart Aa = ” L-) 207 REBER da ch. P.p.k. P-K. nn FEAR, y ee EN RR ur Drug Morphologisches Jahrbuch. Moens. en — EEE SATTE Ir zur u | ” hu Ps ä - Y a ” ar er w \ % 3 ee u. i „ - > I I» va I . % \ u - . | Fr 3 - . . - (Aus dem anatomischen Institut der Umiversität Heidelberg. Direktor: Herr Geh. Hofrat Professor Dr. M. Fürbringer.) Zur Entstehung des Tubereulum artieulare beim Menschen. Von Dr. Robert Hoever. Mit 1 Figur im Text und Tafel II. Bereits an anderer Stelle!, bei Besprechung eines abnormen Hundegebisses, habe ich darauf hingewiesen, daß bei den Hunden die Kronenlinie bzw. die Marginallinie eine weitgehende Über- einstimmung mit denselben Linien am menschlichen Schädel auf- weist. Beim Menschen ist sie in letzterer Zeit verschiedentlich Gegen- stand des Interesses und der Untersuchung gewesen, so in den Ab- handlungen von SPEE, PECKERT, LUBOSCH u. a. Gerade letzterer geht in seinen sehr interessanten Unter- suchungen »Über Variationen am Tubereulum articulare des Men- schen« den Gründen nach, welche die Ausgestaltung der vorderen transversalen Jochbogenwurzel zu einem Tuberculum articeulare ver- ursacht haben. Größere Untersuchungen nun, die mich seit mehreren Jahren gerade mit diesem Teile des Schädels vertraut gemacht haben, ließen seinerzeit auch in mir die Frage entstehen, welche Gründe es ge- wesen, die maßgebend waren für die Transformation des mensch- lichen Kiefergelenkes. Im Kern der Sache mit den Ergebnissen übereinstimmend, in den Schlußfolgerungen aber von LugoscH abweichend, erschien mir gerade das Gebiß der Caniden als wichtiger Ausgangspunkt für meine Deduktionen. i HoEVER. Zur Casuistik der Zahn- und Kiefer-Deformitäten im: Tier- reiche. I. Deutsche Monatsschrift für Zahnheilkunde. 1910. Heft 10. Morpholog. Jahrbuch. 44. i 6 82 Robert Hoever In seinen Untersuchungen sagt LuBoschH (S. 340): »Es erhebt sich also die Frage: Welche von den Umbildungen, die sich an dem Gebisse des Menschen gegenüber dem der Anthropoiden vollzogen haben, sind die Ursachen für die Erhebung des Tubereulum arti- culare gewesen? Um das Ergebnis kurz vorweg zu nehmen, sei die Frage dahin beantwortet, daß allem Anscheine nach die für Anthropoiden und Menschen charakteristische Kronenlinie des Gebisses maßgebend für die Form des Gelenkhöckers ist.« Auch an anderer Stelle gibt LugoscH gerade die Kronenlinie als die causa movens für die Umgestaltung des Tubereulum arti- eulare an!. Mit diesem Ergebnisse seiner Untersuchungen nimmt dieser Autor den alten Standpunkt ein, den bereits SPEE in seiner Publi- kation (S. 291) dargelegt hat, indem er sagt: »Die Entwicklung des gebogenen Verlaufs der Kautlächen scheint daher an das Vorhan- densein des Tubereulum gebunden, ebenso die kreisförmige Bahn bei sagittaler Schubbewegung des Kiefers.« Nach SPEE und fußend auf dessen Untersuchungen und weiter- hin auf Grund eines Aufsatzes von Weiss (der mir leider nicht zur Verfügung stand) kommt PECKERT in seinen vorwiegend praktischen Zwecken dienenden Ausführungen zu der Schlußfolgerung (S. 492): »Zweifellos ist die allmähliche Entwicklung des Tubereulum articulare der Effekt der funktionellen Beanspruchung des Kiefer- gelenkes, wie ja die spezielle Ausarbeitung jedes Gelenkes nur die bejahende Antwort des peripheren Bedürfnisses darstellt. So ist offenbar beim Kiefergelenk die Art der Nahrung und damit die Art zu kauen der primär gestaltende Faktor, der die Entstehung einer schräggeneigten Gelenkfläche verlangt; sekundär entwickelt sich dann die Kompensationskurve, ohne die der erzielte Kaueffekt nur ein wenig ausgiebiger sein könnte. Jedenfalls gibt es keine Kompensationskurve ohne Tuberceulum artieulare.« Von der Weıssschen Arbeit berichtet PECKERT: »Auch ihm fällt es auf, wie vor ihm sehon vielen andern Beobachtern, daß ein be- stimmter Zusammenhang bestehen muß zwischen dem Gelenkhöcker und in geringerem Grade zwischen dem Überbiß und der Kompen- ! Vgl. LusoscH, Das Kiefergelenk der Säugetiere. (Verhandl. d. Gesellsch. Deutscher Naturf. und Arzte. 79. Versamml. Dresden 1907. Teil 2, Hälfte 2. Med. Abtlg. $. 458—460.) Zur Entstehung des Tubereulum articulare beim Menschen. 53 sationskurve. Ich vermisse nur einen Erklärungsversuch dieser Tat- sachen.« Im Gegensatz zu LuBoscH, der die Kompensationskurve, d. i. die Kronenlinie, für das primäre und die Entstehung des Tuber- culum artieulare für das sekundäre Moment hält, betritt PECKERT, und verstehe ich den SpeEeEschen Satz richtig, auch SPEE selbst, auf den sich ja PECKERT vor allem stützt, den umgekehrten Weg, in- dem beide die Kompensationskurve das sinngemäße Ergebnis des primär sich bildenden Gelenkhöckers sein lassen. Über die Gestaltung der Kronenlinie selbst sagt Lusosch, wie folgt (S. 340): »Im Gegensatz zu früheren Behauptungen hat WELCKER gezeigt, daß bei dem uns hier wesentlich interessierenden Scheren- biß die Form der Kronenlinie des Oberkiefers eine kompliziert ge- krümmte ist. Sie ist im Bereich der Molarzähne nach unten konvex, dann folgt eine Hebung, während sie im Bereich der Vorderzähne wieder nach unten konvex ist. In der älteren Darstellung von MÜHLREITER ist von dieser konkaven Erhebung im Bereich der In- eisivi nicht die Rede. Am Unterkiefer verläuft die gleiche Linie im ganzen konkav.... Diese Art der Anordnung habe ich bei keinem der von mir untersuchten Psalidodontenschädel vermißt. Sie ist verschieden stark ausgebildet. Nachweisen läßt sie sich stets. Bei jugendlichen Zähnen mit Milchzahngebiß war sie nur wenig ausgeprägt. Diese Gestaltung der Kronenlinie ist das Ergebnis zweier Umstände. Erstens senkt sich der Alveolarfortsatz bis zum ersten Molaris und hebt sich dann wieder in einem nach unten kon- kaven Bogen, zweitens aber nimmt die Höhe der Kronen von vorn nach hinten ab. Namentlich ist das von Wichtigkeit für die Molares, deren vorderster der größte ist.« In der Tat haben nicht nur MÜHLREITER, sondern auch die übrigen Autoren ihr Augenmerk nur auf die hintere (aborale) Hälfte der Kronenlinie gewandt und die Veränderungen, die sich beim menschlichen Gebisse in der vorderen Hälfte vollzogen haben, ver- nachlässigt. Erst WELCKER und auf Grund dessen Untersuchungen LusoscHh haben mit Recht diese Unterlassung wieder gutgemacht. In vergleichend-anatomischer Hinsicht wird fraglos zunächst die Kronenlinie, wie sie bei den Anthropoiden in die Erscheinung tritt, von Interesse sein, wenn auch, wie LußoscH betont, damit keine stammesgeschichtlichen Schlußfolgerungen gegeben werden sollen. Bei den Anthropoiden (Fig. 3a) beschreibt Lugosch die Kronen- linie also: »Auch bei den Anthropoiden besteht eine geringe Krüm- 6* 84 Robert Hoever mung der Kıronenlinien. Wenn man sich die Eckzähne entfernt denkt, so würden hier ähnliche Verhältnisse resultieren, wie sie WELCKER für den menschlichen »Zangenbiß« konstruiert hat. Diese Zangenbißkrümmung weicht von. der Scherenbißkrümmung nur im Bereiche der Ineisivi ab, wo sie im Gegensatz zu dieser sich nicht wieder senkt. Zwar ist auch bei Anthropoiden im Oberkiefer eine Krümmung des Alveolarfortsatzes vorhanden, wenn auch nicht so stark wie beim Menschen, dagegen nimmt die Höhe der Zähne bis zum zweiten Molarzahn zu, der im allgemeinen der größte ist.... Aus der Vereinigung dieser Umstände ergibt sich bei den An- thropoiden eine Kronenlinie, die im Bereiche der Ineisivi zwar mit einer seltener vorkommenden menschlichen Zangenbißstellung gleich- sinnig sich verhält, hingegen im Bereich der Molaren völlig von der menschlichen abweicht.« Und S. 345 heißt es weiter: »Da nun die Entstehung des Scherenbisses mit der Veränderung des Gesichtsschädels, die ver- schiedene Länge der Molares mit der Rückbildung der hinteren Molares zusammenhängt, so gewinnen wir als allgemeinsten Aus- druck des Ergebnisses den Satz, daß das Tubereulum artieulare sich infolge der bei dem Menschen erworbenen orthognathen Gesichtsform und der bei ihm vollzogenen Rückbildung der hinteren Molares ent- wickelt hat.« Bei der Vergleichung nun eines brachycephalen Hundeschädels (Fig. 2) mit dem menschlichen Schädel (Fig. 35) seben wir in seit- licher Aufsicht, daß sich die Kronenlinie beim Hund in ihren wesent- lichen Punkten mit derjenigen des Menschen derart deekt, daß wir die oben von LuBoscH angegebene WELCKERSche Beschreibung des psalidodonten Bisses ohne weiteres auch für den kurzschädeligen Hund in Anwendung bringen können. Wir haben auch hier die typische und wohlausgeprägte nach unten (ventral) gerichtete Konvexität im Bereiche der Molares, wo- bei zu beachten ist, daß wir für unseren Fall beim Hunde den vierten Prämolaren seiner Größe und Lage nach wohl als Homologon des menschlichen ersten Molaris ansehen können. Die Prämolar- gegend weist in gleicher Weise die für den Menschen erwähnte Hebung (ventrale Konkavität) auf, während im Bereiche der Inei- sores — der Caninus ist auch hier auszuschalten — sich gegen die Medianlinie eine neuerliche Konvexität ergibt. Wenn sich beim Hunde im Prämolarbezirke eine tiefere Kon- kavität bemerkbar macht, als solches beim Menschen der Fall ist, Zur Entstehung des Tubereulum artieulare beim Menschen. 85 so ist solches der vorschreitenden Reduction der vorderen drei Prämo- laren und ihres Alveolarfortsatzes zugunsten des Dens lacerans zu- gute zu halten. Vergleichen wir aber weiterhin genauer die beiden Linien des Menschen und des Anthropoiden miteinander, so sehen wir sie in ihren Hauptzügen bei dem letzteren gleichfalls, nur daß sie hier sich weit flüchtiger, primitiver, gleichsam noch im Entstehen, dem Auge darbieten. Wir erkennen im beiliegenden Bilde (Fig. 3a u. 3b), das der Abhandlung von LuBoscH entnommen ist, deutlich eine zarte Hebung im Bereiche der Molares, namentlich aber kommt solches an der Marginallinie — die ja doch ihrerseits nur ein Abklatsch der Kronenlinie ist — deutlich zum Ausdrucke. Was weiter die In- eisivalgegend angeht, so bemerkt dazu LusoscH selbst, daß diese Region sich im allgemeinen gleichsinnig mit der des labidodonten Menschen verhält, indessen »ist auch bei Anthropoiden im Ober- kiefer eine Neigung des Alveolarfortsatzes vorhanden, wenn auch oft nicht so stark wie beim Menschen.« Gleicherweise aber ergibt eine Parallele zwischen der Kronen- linie eines kurz- und eines langschädeligen Hundes (Fig. 1) bei dem letzteren die Verflüchtigung all dieser Charakteristika, die für den ersteren zutrafen. In der Gegend der Molaren ist die Konvexität bis auf einen geringen Rest eliminiert. Es stellt sich das nament- lieh deutlich an der Marginallinie dar, deutlicher als bei der Kronen- linie, wo die abnorme Entwicklung des Dens lacerans in Rechnung zu setzen und zu subtrahieren ist. Die konkave Gestaltung des Prämolarbezirkes hat sich gleicherweise »verflüchtigt«, sie ist ver- flacht; und ein gleiches gilt für den Bereich der Schneidezähne. Wir kommen also hier zu der Überzeugung, die Merkmale der Kronenlinien, wie sie sich beim Anthropoiden und dolychocephalen Hundeschädel in eindeutiger Weise uns darbieten, haben sich beim Menschen und beim brachycephalen Hundeschädel in einsinniger Weise präzisiert, gefestigt. Es steht also bezüglich dieser Erscheinung Mensch zum Anthro- poiden in gleichem Verhältnis, wie der brachycephale zum lang- schädeligen Hunde. Im Unterkiefer ist der Alveolarrand nicht konkav wie beim Mensehen, sondern er bildet eine fast gerade nach vorn aufsteigende Linie (Lugosch |]. ce. S. 343). Auch diesen für den Anthropoiden aufgestellten Satz können wir gleicherweise für den Vergleich zwischen brachy- und dolicho- 86 Robert Hoever cephalem Schädel annehmen, wie solches der Vergleich zwischen den beiden Schädeln dartut. Wennnun innerhalb der Primaten einerseits, innerhalb der Caniden andrerseits sich diese Vorgänge wiederholen, so haben wir solches fraglos einsinnigen Veränderungen des Schädels zu verdanken. Und zwar ist es die Wandlung des prognathen Schädels in eine mehr minder orthognathe Form, oder anders gesagt, die Verkürzung der Basallinie vom Alveolarpunkte bis zum Basion, die diese Wir- kung hervorbringt, beim Hunde innerhalb des Genus, bei den Pri- maten innerhalb der Ordnung. Das letztere kommt auch darin etwas zum sr dab die Verflüchtigung der Charakteristika beim Anthropoiden weiter geht, als beim dolichocephalen Caniden. In seiner Figur 25, die hier wiedergegeben sei (Fig. 1), gibt WELCKER eine Beschreibung der Durchmesser der Schneidezähne, bzw. deren Stellung zum Proc. alv. beim Menschen, Neger und Orang. Fig. 1. Richtung der Schneidezähne beim Deutschen, Neger, Orang. (Nach WELcKER.) WELCKER gibt dazu folgende uns auch hier interessierende Er- klärung (S. 90): »Fig. 25 führt die Vorderenden dreier Schädel- durehschnitte vor, geordnet nach wachsender Schnauzenbildung. Wenn der Winkel der Sehneidezahnachsen beim Neger mit der Zunahme der Prognathie und der Schnauzenbildung sich erheblich zugespitzt hat, so ist dieses bei dem weit mehr prognathen Orang keineswegs der Fall, sondern es ist bei ihm durch orthodonte Schneidezahn- stellung die oben erwähnte Kompensation erfolgt. Wie ich finde, macht sich dieselbe kompensierende Zahnstellung auch an menschlichen Schädeln geltend, so bei den Sunda-Malayen, und es verleiht dieselbe diesen Schädeln einen ganz eigentümlfehen, an den Affenschädel erinnernden physiognomisehen Ausdruck, der allerdings viel mehr beim Anblick des Schädels, als an einer Zeich- nung hervortritt.« Zur Entstehung des Tubereulum artieulare beim Menschen. 87 Dieses Charakteristikum des Anthropoiden-Schädels und des- jenigen des Menschen trifft auch nun wiederum zu für den dolicho- cephalen und den brachycephalen Schädel des Hundes. Wobei Orang und langschädeliger Hund synonyme Komponenten darstellen, während das Verhalten des Negers für den brachycephalen Vertreter zutrifft. Nur das letzte Stadium, das des Menschen, d. h. des hochstehenden, entbehrt seines Partners, muß dessen aber auch entbehren, weil eben kein rezenter Canide einen solchen Grad von Orthognathie erreicht hat, wie solches beim Indogermanen der Fall ist. Es interessiert aber, zu sehen, wie selbst in den kleinsten De- tails, wie sie die Achsen der Ineisores darstellen, sich wiederum die einsinnig aufsteigende Linie zu erkennen gibt. Die Verkürzung der Basallinie der Schädel innerhalb bestimmter Gruppen äußert sich am Gebiß in der Ineisivalgegend derart, daß hier eine Abflachung sich vollzieht, die entweder einen bestehenden Bogen schärfer präzisiert oder aber eine Spitze in einen Bogen ver- wandelt. In der Prämolar- und der vorderen Molargegend tritt eine Verbreiterung des Gebißschemas ein, während die hinteren Molaren außerdem noch das oben erwähnte Aufwärtsstreben zeigen. Dieses Bild weist der Mensch im Gegensatz zu den Anthro- poiden auf, wobei außerdem noch eine Reduction der Zahnmasse der einzelnen Zähne auftritt. Bei dem Vergleiche zwischen dolicho- und brachycephalem Hund finden wir dasselbe Bild wieder; hier aber bewirkt die Verkürzung des Kiefers weiterhin noch eine Drehung der ersten drei Prämolaren um ihre sagittale Achse. Während beim langschädeligen Hunde noch breite Diastemata zwischen den Prä-, ja den sämtlichen Antemolaren sich zeigen, sind diese nicht nur beim kurzschädeligen geschwunden, sondern die Prämolaren mußten außerdem noch eine mehr minder, transversale Lage einnehmen. Die vorstehenden Betrachtungen ergaben, daß die beim Men- schen und beim brachycephalen Hunde gleichsinnige Kronenlinie sich auf Grund einer bei beiden eindeutigen Entwicklung vollzogen hat, und wir gewinnen somit als allgemeines Ergebnis der Unter- suchungen den Satz: Die Verkürzung der Basallinie bei dolicho- cephalem und brachycephalem Hunde einerseits, bei Anthropoiden und Menschen andererseits zeitigt Veränderungen, die auf gleicher aufsteigenden Linie liegen. Als besonderes aber: Die Gestaltung der Kronenlinien, wie sie sich in Übereinstimmung beim Menschen und beim kurzschädeligen Hunde darbieten, ist der Ausdruck der Verkürzung der Basallinie. 88 Robert Hoever Beim Menschen nun tritt im Gelenke eine neue Komponente auf, die Ausbildung der Facies praeglenoidalis zu einem Tubereulum artieulare. Und es ergibt sich die Frage, ist das Tubereulum arti- eulare die notwendige Folgeerscheinung einer sich in soleher Rich- tung entwickelnden Kronenlinie? Wenn wir bisher bei Hund und bei Primaten die gleiche Ent- wicklung sich vollziehen sahen, so werden wir auch berechtigt sein, bei beiden die gleichen Wirkungen auf das Gelenk zu fordern, wenn eine solche sich bei dem einen von beiden vollzieht. Oder mit an- deren Worten, ist das Tubereulum artieulare die Konsequenz der menschlichen Kronenlinie in ihrer Gestaltung, so dürfen wir auch erwarten, daß beim brachycephalen Hundeschädel sich ein Tuber- culum articulare vorfindet, wo die Linie ja die gleiche ist bzw. ge- worden ist. Beim dolichocephalen Hundeschädel nun bietet die Gelenk- fläche eine plane, etwas von hinten und unten (caudo-ventral) nach vorn und oben (oro-dorsal) schauende Platte dar, ähnlich dem Ge- lenke, wie uns der Anthropoide ein solches aufweist. Beim brachy- cephalen Hundeschädel weisen die Gelenkpartien uns die gleichen Verhältnisse auf, wie bei dem langschädeligen. Vielleicht, daß die Fläche etwas mehr horizontal gerichtet ist. Von einem Tuberculum aber findet sich nichts vor. Das Gelenk der Caniden, wie überhaupt der Carnivoren ist ein Seharniergelenk mit der Variation, daß die Gelenkpartie des Schädels sich bei den einzelnen Vertretern bald mehr, bald minder zu einer den Condylus umschließenden Hohlrolle umgestaltet. Die Bildung eines Tubereulum im menschlichen Sinne liegt daher hier ganz außer Bereich, da sie bei einer Scharnierbewegung außerhalb des Zweck- mäßigen gelegen ist. Wir dürfen daher m. E. auf die gestellte Frage, ob die Kronen- linie in unserem konkreten Sinne ein Tubereulum artieulare zur Folge haben muß, wie solches LusoscH wenigstens für das Gelenk des Menschen annimmt, mit »Nein« antworten. Wenigstens aber trifft solches für das Genus »Canis« zu. Wir haben aber in unseren Untersuchungen gesehen, wie sich bei Hund und bei Primaten die Bildung der Kronenlinie in einheit- lich aufsteigender Linie vollzogen hat und wir können daher auch für den Menschen den unbedingten Kausalnexus zwischen Tuber- culum articulare und Kronenlinie ablehnen. Es müssen vielmehr andere Faktoren vorhanden sein, welche Zur Entstehung des Tuberceulum artieulare beim Menschen. 89 beim Menschen die Ausbildung des Gelenkhöckers zur Folge hatten, und zwar müssen das Faktoren sein, die beim Menschen im Gegen- satz zum Hunde neu hinzugekommen sind, die also dem letzteren noch abgehen. Diesen nachzuspüren, sei die Aufgabe der zweiten Hälfte dieser Arbeit. LusoschH sagt auf Seite 338 seiner Untersuchungen Folgendes: »Ich erkenne vielmehr einen anderen Zusammenhang zwischen der Prognathie und der flachen Gestaltung des Tubereulum artieulare. Beide Erscheinungen hängen durch die Stellung der Ineisivi mit- einander zusammen. Wenn ich die von WELCKER an einem großen Material angestellten Untersuchungen meinen Ausführungen zugrunde lege, insbesondere seiner Terminologie mich bedienen darf, so habe ich von den dort beschriebenen Gebißformen drei hier wieder- gefunden. Ein meißelförmiges Aufeinanderprallen der Schneide- zähne (von WELCKER Labidodontie genannt), ein scherenförmiges Überragen der oberen Ineisivi über die unteren (nach WELCKER Psalidodontie genannt) und ein mehr oder weniger starkes nach vorn gerichtetes Hervorragen der oberen Ineisivi über die unteren (nach WELCKER Stegodontie).... Die Beziehung zwischen der Stellung der Ineisivi und der Gestaltung des Gelenkhöckers ist nur durch diese zwei Gruppen gegeben. Das Maß des Übereinandergreifens der Ineisivi von dem einfachen geraden Biß bis zu den höchsten Graden ist zugleich ein Maß für den Abstand, den der Gelenkkopf von der Basis gewinnen muß... Bei sonst gleichen Verhältnissen wird also das Tubereulum um so flacher und breiter sein müssen, je stärker die alveolare Prognathie ist und je weniger die Zähne übereinandergreifen. Der Einfluß der Schädelform auf die Form der Gelenkfläche scheint mir hierdurch bestimmt zu sein.... Die Frage nach den Ursachen der Gelenkumbildung kann hierdurch nicht er- schöpft sein. Vielmehr werden wir als auf die wichtigste Quelle der Umbildung auf das Gebiß selbst hingewiesen. « Das heißt also, LußoscH erkennt mit Recht in der Größe des Übereinandergreifens der Schneidezähne einen Maßstab für die Höhe des Tuberculum artieulare. Weiteres aber nicht! Im allgemeinen ist der Zangeubiß (Labidodontie WELCKER) in der Säugetierreihe der vorherrschende Typus. WELCKER (S. 89) fand als typisch labidodont die Anthropoiden, ebenso Cercopithecus, Cynocephalus, Mycetes, Ateles und andere niedere Affen. Bei Inuus fand sich ein sehr geringer Grad von Psalido- dontie. 90 Robert Hoever Von den -Öarnivoren erwiesen sich als echt labidodont der Löwe und Tiger, ferner Hund, Katze, Bär, Gelo, Lutra, Mustela u. a. Bei jugendlichen Schädeln von Tigern fand sich eine geringe Psalido- dontie, die übrigens auch bei manchen Hunden auftritt, indem die wohlausgebildeten Mittelspitzen der oberen Schneidezähne über die unteren greifen. Bei Chirosectes Yapok treten die acht unteren Ineisores psalido- dont hinter die oberen. Labidodont ist das Pferd, psalidodont Dicotyles. WELCKER (S. 79) hat an großem Materiale, den Sammlungen zu Halle, Berlin, Leipzig, Göttingen, Marburg und Gießen, die Schädel bzw. die Stellung der Zähne zueinander untersucht und dabei fol- sende Zahlen für das Vorkommen der Psalidodontie gefunden: Bei Deutschen und Romanen etwa 80°/,, bei Finnen etwa 70°/,, bei Slaven und Chinesen 50°/,, bei Polynesiern, Negern und Papuas 40°%/,, bei Sundamalayen 20°%,, bei Hottentotten und Altperuanern 150%/,, bei Mikronesiern 10%, und bei Amerikanern 5°/,. Bei Australiern wurde scherenförmiger Biß überhaupt nicht gefunden. Der Kinn- bzw. Ramuswinkel betrug bei Indogermanen im Durchschnitte 74,7 bzw. 122,9; bei Mongolen und Amerikanern 77,6 bzw. 121,5; bei Malayen, Mikro- und Polynesiern 81,2 bzw. 116,0; bei Papuas, Hottentotten und Australiern 83,1 bzw. 119,0. Mit diesen Zahlen sind die hauptsächlichsten Veränderungen, wenigstens soweit sie hier von Interesse sind, die sich am Unter- kiefer des Menschen vollzogen haben, charakterisiert. Ganz überraschend sind hierbei die Zahlen, welche sich für das Vorkommen des Scherenbisses ergeben. Wir sind so gewohnt, denselben als die Norm für den Menschen schlechthin anzusprechen und die hie und da zum Ausdruck kommende Labidodontie als »Anomalie« anzusehen, daß wir gar nicht daran denken, daß viel- leicht die Hälfte des Menschengeschlechtes über einen labidodonten Bißtypus verfügt. Mit der Verkürzung des Hundeschädels verlor die Achse der Schneidezähne, wie wir vorhin sahen, ihre orthognathe Stellung und ging über in eine prognathe, die in der Fluchtlinie des ganzen Ge- siehtsschädels gelegen ist. Wenn wir uns nun weiterhin die Ent- wieklung der Orthognathie beim Hundeschädel über den des kurz- schädeligsten rezenten Vertreters hinausgehend denken, so würden wir wahrscheinlich sehen, wie mit der Prognathie der Maxillaria ee Zur Entstehung des Tubereulum articulare beim Menschen. 91 und der Proc. alveolaria zugleich auch die Prognathie der Schneide- zahnachsen sich verringern würde. Meines Erachtens aber mußte der höhere Zustand der Ortho- gnathie, wie er sich in seiner Vollendung uns bei den indogerma- nischen Stämmen darbietet, durchaus nieht die Wandlung der Labi- dodontie in eine Psalidodontie als unbedingt notwendige Folge- erscheinung in sich tragen. Im Gegenteil, zeigen doch nach der WELCKERschen Statistik die nur wenig tiefer stehenden Juden nur 63,6°/, Psalidodonten, Slaven nur 52,4°/, und Chinesen nur 50 %,. Bei den Mikronesiern trat überhaupt nur 8,3°/, und bei nicht peru- anischen Amerikanern 6,2%, Psalidodontie zutage. Wir sehen daraus, daß die Erwerbung des Scherenbisses eine in sehr junger Epoche erst erworbene Eigentümlichkeit des rezenten menschlichen Gebisses ist, und daß sie sich heute noch unter unseren Augen vollzieht. Und ferner, daß wir die Wandlung des Bisses nicht allein der Erwerbung der Orthognathie in Rechnung stellen können, wenngleich sie beide Attribute des höchstentwickelten Menschen sind, sondern, daß sonder Frage hier noch andere Fak- toren mitbeteiligt sind. Aber, wie bereits vorhin angegeben, tritt ja auch bei nicht wenigen Mammalia, die keinen Anspruch auf eine orthognathe Ge- sichtsform erheben, bereits eine mehr minder ausgebildete Psalido- dontie auf. Diejenigen Komponenten nun, die in erster Linie beim Men- schen das Zurücktreten der unteren Schneidezähne hinter ihre oberen Antagonisten hervorgerufen haben, sind die Veränderungen, die der Unterkiefer der Primaten bis zum Unterkiefer des rezenten Menschen in seiner derzeit höchsten Vollendungsform durchgemacht hat. Und zwar vor allem die Veränderungen in der Mentalgegend. Im Gegensatz zu allen Mammalia, deren äußere Symphysen- linie mit der Unterkieferbasis einen stumpfen Winkel einschließt, haben wir es hier mit einem spitzen Winkel zu tun. Das Kinn und seine Genese ist Gegenstand der Untersuchung gewesen seitens V. BARDELEBENS, FISCHERS, WALKHOFFS und WEIDENREICHSs. Auf diese Arbeiten hier näher einzugehen, liegt nicht im Rahmen dieser Aus- führungen. Die Veränderungen, die sich in der Kinngegend vollzogen haben, und die dem menschlichen Kinn seine heutige charakteristische Gestaltung gegeben haben, bestehen einerseits in der Reduction der 09 Robert Hoever Zahnmassen und der Dieke des Proc. alv., andererseits in der An- lagerung der Protuberantia mentalis. Bei Beginn meiner Untersuchungen, als die Ausführungen von FISCHER, WALKHOFF und WEIDENREICH mir noch nicht bekannt waren, bin auch ich zu dem Schlusse gekommen, daß für die großen und in der Säugerreihe einzig dastehenden Transformierungen in der Mentalgegend ein gleichfalls einzig dastehender Faktor ver- antwortlich gemacht werden müsse. Und als solchen glaubte ich die allmähliche Ausbildung der menschlichen Sprache in Rechnung setzen zu dürfen. Später fand ich dann diese Ansicht durch die Untersuchungen von WALKHOFF, der auf anderem Wege zu gleichem Schlusse gekommen war, bestätigt. Von FISCHER und WEIDENREICH dagegen wird, wie bekannt, diese Ansicht nicht geteilt und die Er- stehung der Protuberantia mentalis auf anderem Wege erklärt. Ich verweise hierzu auf die hingehörigen Veröffentlichungen dieser For- scher im Anatomischen Anzeiger 1903 und 1904. Solange nun mit vorschreitender Orthognathie die Zähne labi- dodont aufeinander trafen, so lange waren Veränderungen im Ge- lenk nicht vonnöten. Das pithekoide Gelenk ermöglicht alle die- jenigen Exkursionen der Mandibula, welehe die Ernährungsweise des werdenden Menschen an ein solches stellte, d. i. die orthale, die mäßig transversale und eine geringe Vorwärtsbewegung des Kiefers in der Horizontale (propalinale [RYDER—ÜoPE]). Der menschliche Neonatus besitzt ja noch ein solches Gelenk, von dem LugoscH an anderer Stelle sagt, es gleiche demjenigen von Echidna. Gerade dem Kinde mit seinen lebhaften Kiefer- bewegungen beim Sauggeschäft muß die Möglichkeit von leicht zu vollführenden Exkursionen gegeben sein, wozu sich das plane Gelenk, wie kein anderes, eignet. Erst im Laufe der nun folgenden Jahre, »während die Kau- tätigkeit eine immer regere wird, tritt die Gestaltung eines wirk- lichen Höckers immer ausgeprägter hervor«. (PECKERT). Das ist also mit der Präzisierung seines Zahnsystems. Wir hatten oben bereits gesehen, daß bei den Hunden eine, wenn auch geringe psalidodonte Stellung der Schneidezähne vor- handen ist. Wir hatten weiterhin bemerkt, daß es sich bei den Hunden, wie bei den Carnivoren durchgängig, um reine Scharnier- bewegungen im Gelenke handelt. Eine Vorwärtsbewegung des Unter- kiefers ist hier ausgeschlossen. | ’ Beim Menschen aber tritt zur reinen Scharnierbewegung noch N Zur Entstehung des Tuberculum artieulare beim Menschen. 95 eine weitere Komponente, die des Vorwärtsschubes, die propalinale, hinzu, Diese Funktion auszuüben aber, verbietet sich dem menschlichen Unterkiefer, der das Übereinandergreifen der Schneidezähne ange- nommen hat, wenn ihm das pithekoide Gelenk verblieb. Es mußte hier vielmehr genau der gleiche Biß beim Auf- und Zuklappen des Unterkiefers sich vollziehen, wie bei dem beschränkt psalidodonten Hunde. Zur Ermöglichung dieser Funktion mußte daher erst eine neue Kraftkomponente eingeschaltet werden. Es ist nicht ausgeschlossen, daß solches nieht nur durch Ver- änderungen im Gelenke, wie diese meines Erachtens eben im Tubereulum zu sehen sind, zu erzielen gewesen wäre; wahrscheinlich hätten auch Veränderungen in der Kaumuskulatur, namentlich des Masseters solche erreichen können. Diese aber hätten äußerst durch- sreifend sein müssen und große Veränderungen im Habitus des Gesichtsschädels nach sich gezogen, die eben nicht wohl zweckdien- lich im Sinne der Entwicklung gewesen sein mögen. So also blieb nur das Gelenk übrig. Und damit erscheint die Bestimmung des Tubereulum articulare gegeben. Wir kommen also in unseren Deduktionen zu der Erkenntnis, daß das Tubereulum artieulare in seiner heutigen Form seine Ent- stehung dem Übergang des labidodonten Bisses in einen psalido- donten beim rezenten Menschen in erster Linie verdankt. Hierdurch ist die kombinierte Wirkung einer orthalen, und zugleich propa- linalen Bewegung des Unterkiefers erst ermöglicht. Ist dem. aber so, so haben wir zu versuchen, nachzuweisen, daß ähnliche Vorgänge auch anderweitig in der Reihe der Säuge- tiere zu beobachten sind. Bei den Maeropodinae, im besonderen aber bei den größeren Formen, wie bei Macropus (Fig. 4) und Onychogale, finden wir im eranialen Anteile des Kiefergelenkes Verhältnisse vor, die einen leb- haften Vergleich mit denen beim Menschen auszuhalten imstande sind. Die Facies glenoidalis stellt hier eine schmale Grube dar, deren beide Durchmesser etwas nach hinten zu, wie solches auch beim Menschen der Fall ist, konvergieren. Die Facies praeglenoidalis bietet sich als ein wohlausgebildetes Tubereulum dar, dem der nach oben (dorsal) konkav gestaltete Condylus in seinem hinteren (ab- oralen) Teile anliegt. Auch hierin tritt wiederum eine seltsame Über- einstimmung mit den Verhältnissen beim Menschen zutage. 94 Robert Hoever Die Gelenkbahn dehnt sich nach vorn (oral) weit aus, indem das aborale Ende des Jugale ventralwärts abgeflacht ist, seitlich eine Schutzleiste bildet, um ein Ausweichen des Condylus nach lateral zu verhindern, und so dem Condylus die Möglichkeit einer außerordentlich weiten Exkursion nach vorn (oral) bietet. Das Tuberculum ist (Fig. 5), entsprechend der Konkavität des Condylus, sowohl in transversaler als auch in sagittaler Riehtung gerundet. Das Zahnsystem des Tieres setzt sich zusammen aus beider- seits je 4 Backenzähnen im Ober- und im Unterkiefer, die derart miteinander artieulieren, daß in Ruhestellung des Gebisses der erste untere Molar nur mit seinem distalen Höcker mit dem oberen zu- sammentrifft. Im Bereiche der Prämolaren besteht ein großes Diastem, indem hier die Prämolaren und mit ihnen der ganze Proc. alv. eliminiert wurden. Im Oberkiefer finden sich dann noch jeder- seits drei Schneidezähne, die schräg nach vorn gerichtet und etwas nach medial gekrümmt sind. Der Unterkiefer dagegen weist jeder- seits nur einen Ineisivus auf, der zunächst von außergewöhnlicher Dimension ist, so daß er mit den sämtlichen drei Schneidezähnen mittels seiner langausgebildeten Schlifffläche artieuliert und außer- dem eine fast ganz horizontale Lage einnimmt, eine Stellung, die man als »ultra-rodentierartig« bezeichnen möchte. Schon bei der 2. Unterfamilie der Macropodidae, den Hypsi- prymnodontinae, treffen wir diese extravagante Stellung der beiden unteren Ineisores nicht mehr an; wir haben es hier mit mehr nager- artig gestellten Schneidezähnen zu tun. Eine Stellung, die sofort ihre Wirkung auf das Gelenk auszuüben nicht verfehlt. Die Kronenlinie der Molares stellt eine gerade, von unten und hinten (ventro-caudal) nach oben und vorn (oro-dorsal) leicht auf- steigende Linie dar. Eine ganz leise nach unten (ventral) gerich- tete Konvexität ist vielleicht wahrnehmbar, die indessen außer Be- tracht gelassen werden kann. Jedenfalls aber haben wir es hier nieht mit einer Kompensationskurve im menschlichen Sinne zu tun. (Fig. 6.) Während wir beim Hunde die Kompensationskurve ohne das Tubereulum articulare auftreten sahen, finden wir andererseits bei Macropus den Gelenkhöcker ohne eine Kronenlinie wieder. Wir können also zunächst den PECKERTschen Satz (S.492) »Jeden- falls gibt es keine Kompensationskurve ohne Tuberculum articulare« nicht bestehen lassen, wir können aber weiterhin feststellen, daß Zur Entstehung des Tuberculum artieulare beim Menschen. 95 beide Komponenten selbständig und allein bei einem Individuum auftreten können. Die Kaubewegungen bei Macropus werden sich darstellen: 1) als eine orthale und 2) als eine extrem ausgebildete horizontale Schub- bewegung. Eine seitliche Exkursion der Mandibula wird auch hier stattfinden, sich aber in mäßigen Grenzen halten, was aus dem Befund beim äußeren Flügelmuskel zu schließen ist. Aber der Horizontalschub ist dem Tiere nicht ohne weiteres ermöglicht, indem die ineinandergreifenden Höcker der Molares solches verhindern. Erst in dem Augenblicke, da dieselben durch irgend eine Kraft voneinander getrennt werden, da also der Unter- kiefer vom Oberkiefer abtritt und sich ventralwärts senkt, erst da kann die Bewegung in der Horizontale erfolgen. Lassen wir nun aber den Condylus sich auf dem Gelenkhöcker vorwärts bewegen, so sehen wir die Molares auseinandertreten und die Ineisores sich aneinander auf der langen Schleifbahn der Schneiden der unteren Ineisivi vorwärts schieben. In extremster Stellung, wenn der Condylus sich auf das oben erwähnte distale Ende des Os jugale begeben hat, sind die Molares auseinandergetreten, ein breiter Zwischenraum klafft zwischen den unteren und den oberen Mahlzähnen, während die Schneidezähne aufeinanderliegen. Diese Verhältnisse skizzieren sich schon am macerierten Schädel äußerst deutlich, sie werden aber am lebenden Tiere durch das Dazwischen- treten des Meniscus noch deutlicher. All das erinnert lebhaft, ja es fordert gleichsam einen Ver- gleich mit den analogen Verhältnissen beim Menschen heraus, wo wir gleichfalls bei tieferem Überbiß der oberen Schneidezähne, wenn wir den Condylus auf das Tubereulum treten lassen, die Schneide- zähne labidodont aufeinander stehen und die Molares klaffend sehen. Wir erkennen, das, was beim Menschen bereits vorhin als Zweck des Tubereulum sich offenbart hatte, es wiederholt sich bei Ma- cropus in vollständig analoger Weise. Einer Anregung meines von mir hochverehrten Lehrers, des Herrn Geh. Hofrats Prof. Dr. M. FÜürsrınger folgend, habe ich seit längerer Zeit die Beziehungen untersucht, die zwischen Kaumusku- latur, Kiefergelenk und Zahnsystem sich dartun, Untersuchungen, die ich in kurzem zum Abschluß zu bringen gedenke. Gerade hier bei Macropus bzw. den Macropodinae aber zeigt sich der überaus innige Kausalnexus, der zwischen diesen drei Kom- ponenten besteht. 96 Robert Hoever Zum Verständnis der Verhältnisse und Vorgänge im Gelenke müssen wir die anatomische und physiologische Beschaffenheit der Kaumuskulatur ins Auge fassen, für den vorliegenden Zweck vor- nehmlich beim Masseter und Pterygoideus ext. Von vornherein dürfen wir erwarten, daß die außerordentlich entwickelte Vorwärtsbewegung der Mandibula auch eine ganz außer- ordentliche Kraftkomponente des Masseter erfordern und zeitigen würde. (Fig. 6.) Und in der Tat! Am Öberkiefer entwickelt sich am Processus zygomaticus eine mächtige, weit ventralwärts gehende Spina (Fig. 4), die sich mit ihrer aboralen Basis an das Jugale anlehnt. Diese Spina dient einer derben Sehne zum Ansatz, die sich aponeurotisch gegen den Angulus mand. hin erstreckt und eine diskrete Portion des Kaumuskels deckt, die am Angulus bzw. an der Medialseite desselben ihren Ansatz findet. Der Faserzug dieser Portion, die von TorLpr als Portio profunda an- gesehen wird, die ich aber als eine Pars ventralis lam. superf. des Masseter ansprechen möchte, ist ein extrem horizontal gerichteter und hat ersichtlich den Zweck, die Kraftkomponente für den Hori- zontalschub der Mandibula zu stellen. Noch eine Eigentümlichkeit des Masseter sei hier erwähnt, die mit unserem Thema strenggenommen nicht direkt in Verbindung steht, die aber doch geeignet ist, die Bedeutung des Gelenkes voll zu erfassen. Bekanntlich (ToLpr, LuBoscH) gewinnt die nach me- dial umgeklappte Partie des Masseter bzw. eben dieser Pars ven- tralis port. superf. mittels eines Sehnenblattes Anschluß an die Basis cranii, welche Einrichtung im Verein mit eigenartigen Einrich- tungen im Bau des inneren Flügelmuskels, auf die ich anderwärts einzugehen haben werde, das »Rollen« des Unterkiefers, das ist die nach medial erfolgende Einwärtsdrehung jeder Kieferhälfte, bewirkt. Und nun sehen wir auch hier wieder die feine Reaktion des Ge- lenkes auf diese Vorgänge, indem das Tubereulum artieulare nicht nur in sagittaler Riehtung, sondern auch in transversaler, wie be- reits erwähnt, eine Krümmung seiner Oberfläche an sich vollziehen läßt. Wir erkennen aber weiter auch den Grund der konkaven Gestaltung des Gelenkköpfchens, das so zweien Herren dienen kann, während der menschliche Condylus für die Übernahme der letzteren Funktion (das Rollen) nicht oder doch nur beschränkt geeignet ist. Vielleieht mehr noch werden uns die Verhältnisse des äußeren Zur Entstehung des Tuberculum articulare beim Menschen. 97 Flügelmuskels, der ja doch eigentlich den Gelenkmuskel par ex- cellence darstellt, interessieren und auch überraschen. In der Tat weist denn auch der Muskel bei diesem Tiere (unter- sucht wurde von mir Onychogale frenata) nicht minder interessante Verhältnisse auf, als Gelenk und Zahnsystem. Vom Menschen sagt GEGENBAUR über diesen Muskel: »Er ent- springt mit zwei Portionen, einer gıößeren von der Außenfläche der lateralen Lamelle des Flügelfortsatzes des Keilbeins und einer klei- neren, darüberliegenden, vom Planum infratemporale. Die daraus gebildeten Bäuche konvergieren lateral und nach hinten zum Pro- cessus artieularis des Unterkiefers. Sie inserieren sich teils an dem Hals dieses Fortsatzes, meist in einer vorwärts und medial gerich- teten Grube unterhalb des Gelenkkopfes, teils an die Kapsel des Unterkiefergelenkes. « Bei Onychogale frenata fand ich die nachfolgend zu schildern- den Verhältnisse vor. Der Pterygoideus externus stellt einen starken zweibäuchigen Muskel dar, der hier gegensätzlich zu den übrigen Mammaliern einen anderen Faserverlauf einschlägt. Und zwar ist seine Faserrichtung, wenigstens die der weit stärkeren Pars inferior seu ventralis, fast sagittal, mit nur leichter Neigung seiner Achse gegen die Frontal- ebene, so zwar, daß sein Ursprung mehr aboral und seine Insertion mehr oral gelegen ist. Außerdem besitzt er noch eine, indessen sehr geringe Neigung von medial nach lateral. 1. Pars 8. venter inferior s. ventralis. Der untere Bauch des Muskels ist weitaus der stärkere. Er entspringt unmittelbar über (dorsal von) dem Ursprunge der Portio inf. 8. lat. des M. pterygoideus int., von dem unteren Teile der la- teralen Seite der Laterallamelle des Flügelfortsatzes und zwar mit einer namentlich auf seiner lateralen Fläche wohlausgebildeten Sehne, die mit einzelnen Faszikeln beinahe bis zur Insertion reicht. Die Insertion findet statt in der Fovea pterygoidea, die gebildet wird von einem medialen Vorsprung des Kieferköpfchens. 2. Venter superior s. dorsalis. Der obere Bauch ist sehr schwach und rein fleischig. Er nimmt seinen Ursprung von der Infratemporalfläche, d. h. hier von der entsprechenden Fläche des Alisphenoids, genauer von der oberen lateralen Begrenzung der Flügelgrube. Gegen die Insertion kon- Morpholog. Jahrbuch. 44. 7 98 Robert Hoever vergieren die Fasern mit denen des Venter inferior zu gemein- samem Ansatz. Seine Richtung ist die vom Menschen her bekannte, von medial und vorn (oral) nach hinten und lateral. Er zieht den Unterkiefer vorwärts aus der Pfanne auf das Tubereulum und be- wegt gleichzeitig dabei auch den Zwischenknorpel in dieser Richtung, da er sich auclı an die Gelenkkapsel... inseriert. (GEGENBAUR.) Er wirkt also bei den Macropodinae als Synergist der Pars ventralis des Masseter. Anders aber die Wirkung der Pars ven- tralis des äußeren Flügelmuskels. Er, der mit seiner großen Kraft- komponente von vorn und unten (oro-ventral) etwas schräg nach oben und hinten (dorso-caudal) geht, vermag in exquisiter Weise den Condylus aus der’ Gelenkgrube nach unten (ventralwärts) und auf das Tubereulum zu ziehen und zugleich einen geringen vorwärts ge- richteten Zug auszuüben. Im Prinzip gleich der Funktion der Pars superior, stellt der ventrale Bauch doch ein hohes Differenzierungs- produkt zugunsten des horizontalen Vorwärtsschubes dar. Wir sehen, trotz der so großen Verschiedenheit des Gebiß- apparates bei dem Menschen und den Macropodinae bedient sich doch die Natur, um ihre Zwecke zu erreichen, bei beiden der gleichen Komponenten. In ihren Spielarten. Es lag mir daran, gerade bei Macropus die Verhältnisse etwas ausführlicher zu schildern, weil dieses Tier die hier in Frage kom- menden Faktoren, eben weil die Verhältnisse so hoch differenziert sind, klar und eindeutig wiedergibt. Und weiter, weil ich einen Vertreter der Mammalia demonstrieren wollte, der ein wohlausge- bildetes Tubereulum besitzt, ohne sich einer Kronenlinie zu rühmen, wie wir andererseits beim Hunde die Kronenlinie auftreten sahen, ohne daß sie ein Tubereulum nach sich zog. Noch einmal, kurz indessen nur, möchte ich hinübergreifen in das große Gebiet der Säuger, im speziellen der Wiederkäuer. Auch hier, bei Dos taurus — dessen Kaubewegungen ja all- gemein bekannt sind, kommt es zur Ausbildung einer grubenförmigen Facies glenoidalis und weiterhin der Facies praeglenoidalis als Tubereulum artieulare. Hier allerdings kommt es zur Bildung einer leichten Krümmung im Bereich der Molaren, während durch die seitlichen starken Exkursionen die Verhältnisse kompliziert werden. Die ganzen Antemolaren sind, infolge letzteren Umstandes im Oberkiefer geschwunden, im Unterkiefer bis auf die Ineisores, die eine schaufelförmige Lage angenommen haben. Auch hier ist es doch ein Leichtes noch, sich zu überzeugen, Zur Entstehung des Tuberculum artieulare beim Menschen. 99 daß ein Tiefertreten des Unterkiefers die Aufgabe des Gelenk- höckers ist. Ich beschränke mich indessen hier auf diese kurzen Andeutungen. Wenn wir, zum Schlusse kommend, noch einmal die vor- stehenden Untersuchungen überblicken, so gelangen wir zu den fol- genden Resultaten: 1. Die Ausbildung der transversalen Jochbogenwurzel zu einem Tuberculum artieulare, wie solches sich uns beim rezenten Menschen darstellt, beruht in erster und hauptsächlicher Linie auf der Wandlung des pithekoiden labidodonten Gebisses in den psalidodonten Typus. 2. Die Kronenlinie (Kompensationskurve), wie sie beim rezenten und höchstentwickelten Menschen sich darstellt, ist die notwendige Folgeerscheinung einer Verkürzung der Basallinie innerhalb des Stammes der Primaten. 3. Kronenlinie sowohl, als auch Tubereulum artieulare, sind beides sekundäre Bildungen, die nicht nacheinander, in wechsel- seitigem Kausalnexus zueinanderstehend erfolgt sind, sondern die wahrscheinlich nebeneinander verlaufend sich vollzogen haben. — Dem Herrn Geh. Hofrate Professor Dr. M. FÜRBRINGER, meinem hochverehrten Lehrer, auch an dieser Stelle für die Überlassung des Materiales zu danken, ist mir liebe Pflicht. Stolberg i. Rheinl., im Juni 1909. Literatur. C. GEGENBAUR. Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 7. Aufl. Leipzig 1899. W. LueoscH. Über Variationen am Tuberculum articulare des Kiefergelenks des Menschen und ihre morphologische Bedeutung. GEGENBAURS Morpholog. Jahrbuch. XXXV. Bd. 1906. H. PEckert. Über Artikulation im natürlichen und im künstlichen Gebisse. S. S. Wunıre, Neuheiten und Verbesserungen auf zahnärztlichem Ge- biet. Heft. 9. 1906. F. SpEE. Die Verschiebungsbahn des Unterkiefers am Schädel. Arch. f. Ana- tomie u. Physiol. Anatom. Abt. 5. u. 6. Heft. 1890. M. WEBER. Die Säugetiere. Leipzig. 1904. H. WELCKER. Die Zugehörigkeit eines Unterkiefers zu einem bestimmten Schädel, nebst Untersuchungen über sehr auffällige, durch Auftrock- nung und Wiederanfeuchtung bedingte Größen- und Formveränderungen des Knochens. Archiv f. Anthropologie. XXVI. Bd. 1900. -1 K 100 Robert Hoever, Zur Entstehung des Tuberculum artieulare beim Menschen. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. SEES HS CH LEO 8 Erklärung der Abbildungen auf Tafel IH. Canis familiarıs. Dolichocephaler Typ. - - Brachycephaler - Orang-Utang-Schädel. Menschlicher Schädel. Maeropus giganteus. Mandibula extrem vorgeschoben. - - Gelenkfläche. (Nach LUBoschH.) Onyehogale frenata. Mm. masseter et temporalis. Morphologisches Jahrbuch. Dd. XLIV. Fig. 1. Canis familiaris. Dolichocephaler Typ. Fig. 2. Canis familiaris. Brachycephaler Typ. Fig. 3a. Fig. 3b. . \ Orang-Utang- und Menschenschädel. (Nach Lubosch.) | Hoever. Verlag von WilhebiE . Tafel IL. Fig. 5. Macropus gigant. Gelenkfläche. P. suprazygomatica m. temp. P. profunda m. temp. P. fascialis m. temp. \ ) / Portio ventr. Jam. superficialis m, mass, Portio dors. Jam. superf. m. mass. Fig. 6. Onychogale frenata. Mm. masseter et temporalis. zelmann in Leipzig. Über den Bau des menschlichen Kreuzbeines und die Verschiedenheit seiner Zusammensetzung in Prag und Jurjew-Dorpat. Von Dr. H. Adolphi, Prosektor und Privatdozent in Jurjew-Dorpat. Das Leichenmaterial des anatomischen Instituts der Deutschen Universität Prag der Jahre 1901 bis 1905 ist von Alfred FiscHEL! auf die Zusammensetzung der Wirbelsäule und des Brustkorbes hin untersucht worden. FiscHEL untersuchte 306 männliche und 218 weibliche Leichen, im ganzen also 524. Auskunft über die Zu- sammensetzung der Wirbelsäulen gibt eine Tabelle, die sich auf Seite 472 und 475 der genannten Arbeit findet. Unter der Rubrik »Vermehrung der Wirbelzahl, 6 Kreuzwirbel« macht FıscHeL die Angabe, er habe 6 Kreuzbeinwirbel dreimal ge- funden und zwar 1900/1 bei einer Frau und 1904/5 bei einem Manne und einer Frau. Diese Kreuzbeine umfaßten die Wirbel 25— 30. Bei genauerer Durchsicht der Tabelle entdeckt man in anderen Rubriken noch einige hierher gehörige Fälle. Unter » Vermehrung der Wirbelzahl, 13 Brustwirbel, 13 Rippen« findet ‚sich 1901/2 in einem Falle Lumbalis 5 (wie aus der Erläuterung auf Seite 474 hervorgeht: Wirbel 25) an das Kreuzbein assimiliert; in einem an- deren Falle war die Wirbelformel C, D,; L; 8, C;, das Kreuzbein umfaßte also Wirbel 25—30. Beide Skelete waren männlich. Unter der gleichen Rubrik findet sich 1902/3 einmal bei einem Manne Lumbalis 5 (Wirbel 25) an das Kreuzbein assimiliert. ı A. FıscHEr, Untersuchungen über die Wirbelsäule und den Brustkorb des Menschen. Anatomische Hefte, herausgegeben von MERKEL und BONNET Bd. XXXI. Heft 95. 1906. S. 461—588. 102 H. Adolphi Unter » Vermehrung der Wirbelzalil, 6 Lendenwirbel, 12 Rippen« findet sich 1902/3 einmal bei einem Manne Lumbalis 6 (Wirbel 25) an das Kreuzbein assimiliert, 1905/4 — Lumbalis 6 (Wirbel 25) einmal links, einmal rechts an das Kreuzbein assimiliert, beides bei Männern, 1904/5 war bei einem Manne Lumbalis 6 (Wirbel 25) rechts assimiliert. Unter der Rubrik »Verminderung der Wirbelzahl, Assimilation des 5. Lendenwirbels bei normaler Wirbelzahl« sind 7 Fälle ange- führt, in denen dieser Wirbel, der allemai der 24. der Reihe ge- wesen sein muß, einseitig oder doppelseitig dem Kreuzbein assi- miliert war. 1900/1 — einmal rechts bei einem Manne, einmal links bei einem Manne; 1901/2 — einmal beiderseits bei einer Frau; 1902/3 — einmal rechts bei einem Manne, einmal links bei einem Manne; 1903/4 — einmal links bei einer Frau; 1904,5 — einmal beiderseits bei einem Manne. Im Texte habe ich keinen Hinweis darauf gefunden, was des genaueren unter Assimilation des letzten Lendenwirbels an das Kreuzbein zu verstehen sei. Ich glaube im großen und ganzen das wichtige zu treffen, wenn ich annehme, in diesen Fällen habe der von FISCHEL als letzter Lumbalis bezeichnete Wirbel einseitig oder doppelseitig einen Querfortsatz gehabt, der mit dem Hüftbeine arti- eulierte und mit der Pars lateralis sacıi sei es synostotisch, sei es gelenkig verbunden war. In all diesen Fällen bestand, wie ich annehmen muß, ein sehr deutliches doppeltes Promontorium, und gerade die Existenz dieses doppelten Promontorium muß der Grund gewesen sein, warum FiscHEL auch bei »doppelseitiger Assimilation« den »assimilierten« Wirbel als letzten Lendenwirbel auffaßte ganz unabhängig davon, ob dieser Wirbel der 24. oder 25. der Reihe war, und ob ihm 4 oder 5 freie Lendenwirbel vorausgingen. Zählt man diese Fälle zusammen, so fanden sich in Prag unter 306 Männern 6, deren Kreuzbein aus 6 Wirbeln bestand. Die Häufigkeit war also 2,0°%,. Der erste Saeralwirbel war dabei in 5 Fällen Wirbel 25, in einem Falle Wirbel 24. In sieben weiteren Fällen schloß sich ein lumbosacraler Über- gangswirbel an 5 Saeralwirbel an. Dieser Übergangswirbel war in 3 Fällen Wirbel 25, in 4 Fällen Wirbel 24. Im ganzen fanden sich also 13 Männer, deren Sacrum aus 6 Wirbeln bestand, die ein- oder doppelseitig sacralen Charakter hatten. Das gibt eine Häufigkeit von 4,20),. Unter den 218 von FiıscHEL untersuchten Frauen gab es 3, Über den Bau des menschlichen Kreuzbeines usw. 103 deren Kreuzbein aus 6 Wirbeln bestand. Häufigkeit 1,40%/,. Der erste Saeralwirbel war dabei in zwei Fällen Wirbel 25, in einem Falle Wirbel 24. In einem weiteren Falle schloß sich ein lumbosaeraler Über- gangswirbel an 5 Sacralwirbel an. Es war Wirbel 24. Im ganzen fanden sich also’4 Frauen, deren Sacrum aus 6 Wir- beln bestand, die ein- oder doppelseitig sacralen Charakter hatten. Das gibt eine Häufigkeit von 1,9%,. Da es aber nicht undenkbar ist, es seien unter den »assimi- lierten letzten Lumbalwirbeln« auch Fälle gewesen, die meinen weiter unten beschriebenen Gruppe 7 entsprechen, wo Lumbalwirbel sich dem Sacrum besonders eng anschlossen, ohne doch sacralen Charakter anzunehmen, so ist die hier für Prag errechnete Häufig- keit 6-wirbliger Kreuzbeine eher zu groß als zu klein. In einem Falle bestand ein männliches Kreuzbein nur aus 4 Wirbeln. Es waren Wirbel 25—28. Von diesem seinem Materiale sagt FiscHEL, die Leichen gehörten ihrem anthropologischen Charakter nach fast sämtlich der slavischen (tschechischen) Nation an, nur einige wenige entstammen anderen Volksstämmen (Zigeuner, Deutschböhmen). Das anatomische Material, an dem wir hier in Dorpat arbeiten, stammt natürlich aus einer anderen Quelle wie das Prager Material und — was ich hier festlegen möchte — auch das Kreuzbein ist abweichend gebaut: aus 6 Wirbeln bestehende Kreuzbeine sind hier sehr viel häufiger als in Prag. Im Jahre 1902 habe ich! eine größere Anzahl von Kreuzbeinen auf die Muskellinien an der Facies pelvina hin untersucht. Das Geschleeht blieb vielfach unbestimmt. Fügt man zu den auf Seite 245 der angeführten Arbeit in der Tabelle rubrizierten 149 Kreuzbeinen noch die in Anmerkung 4 derselben Seite erwähnten 9 Kreuzbeine hinzu und berücksichtigt auch die sonstigen Angaben dieser und der 3. Anmerkung, so ergibt sich, daß unter 158 Kreuz- beinen 33 waren, welche aus 6 Wirbeln bestanden, die beiderseits sacralen Charakter hatten. In zweien dieser Fälle war noch ein Coeeygealwirbel synostotisch mit dem Kreuzbein verbunden. In zwei Fällen war der erste Sacralwirbel nicht synostotisch, sondern gelenkig mit den folgenden Sacralwirbeln verbunden. Läßt man ı H. Adorpnı, Über den Ursprung des Musculus piriformis am Körper des menschlichen Kreuzbeines. Anatomischer Anzeiger. Bd. XXII. $. 239- 248. 1902. 104 H. Adolphi diese beiden Fälle beiseite, so waren unter den 158 Kreuzbeinen 31 vorhanden, die aus 6 synostotisch miteinander verbundenen Wirbeln bestanden, die alle 6 beiderseits sacralen Charakter hatten. Das gibt eine Häufigkeit von 19,6°%,. Von diesen Kreuzbeinen gehörte ein kleiner Teil der anthropologischen Sammlung des anatomischen Instituts an, es waren darunter 14 Türken, 4 Tar- taren und ein Negermädchen, ein Material, das für gewöhnlich nicht in unseren Präpariersaal gelangt. Das Negermädchen hatte ein 6-wirbliges Sacrum, desgleichen einige der Türken. . Ich habe nun angeregt durch die von FıscHEL mitgeteilten Be- funde den ganzen Vorrat von Skeleten, der sich aus der Maceration der letzten Jahre im hiesigen anatomischen Institut angehäuft hat, auf die Zusammensetzung der Wirbelsäule, und besonders des Kreuz- beines durchgesehen. Ich bemerke ausdrücklich, daß unter diesen Kreuzbeinen nicht ein einziges war, das zu jener, von mir im Jahre 1902 ausgeführten Statistik mitbenutzt worden wäre. Ich konnte jetzt 292 Kreuzbeine untersuchen. Das Geschlecht ließ sich, da die Hüftbeine vorhanden waren, allemal mit Sicherheit bestimmen. Es waren 234 männliche und 58 weibliche Kreuzbeine. Das starke Überwiegen der Männer über die Frauen (4:1) hängt damit zusammen, daß der Mann aus dem Volke weit häufiger als die Frau von der Verwandtschaft verlassen im Hospital stirbt, wo er dann der Anatomie verfällt, es sei denn, er habe Mittel hinter- lassen, um die Beerdigungskosten zu decken. Bei 169 Männern und 38 Frauen war die Wirbelsäule ganz erhalten, so daß sich auch die Ordnungszahl der Kreuzbeinwirbel feststellen ließ. Unser Leichenmaterial stammt zum größten Teil aus Petersburg, — zu einem kleineren aus Riga. Der Nationalität nach sind es vorwiegend Russen aus Petersburg und Letten aus Riga. Vereinzelte Finnen, Karelen, Esten, Deutsche, Polen, Litauer und Zigeuner sind auch darunter. Ehe ich nun an die Beschreibung meiner Befunde gehe, möchte ich die von mir gebrauchte Nomenklatur erläutern. Ich gehe von der Definition aus, die Testur für die Regionen der Wirbelsäule gibt. Bei Besprechung der Anomalien der Wirbelsäule stellt Tesrur! folgende 4 Prinzipien auf: 1° Doivent ötre considerees comme vertebres dorsales, toutes les vertebres qui portent des cötes non soudees; ! L. TestuT, Trait& d’anatomie humaine: Paris. 1889. pag. 77. Über den Bau des menschlichen Kreuzbeines usw. 105 2° Sont vertebres cervicales, toutes les vertebres comprises entre la premiere dorsale et l’oceipitale; 3° Sont vertebres lombaires, toutes les vertebres, qui sont situces au-dessous de la derniere dorsale et qui ne presentent avee l’os ecoxal aucune connexion articulaire; 4° Toutes les autres vertebres appartiennent au sacrum et au cocey. Diese Definition der Regionen der Wirbelsäule ist auf klaren, morphologischen Prinzipien aufgebaut, und präjudiziert über die Zahl der Wirbel in den einzelnen Regionen gar nichts. Ich möchte sie in bezug auf die Grenze zwischen Kreuzbein und Steißbein da- hin ergänzen: Steißbeinwirbel sind alle die Wirbel am distalen Ende der Wirbelsäule, die sich an der Bildung der Pars lateralis sacri nicht beteiligen. Hiernach beginnt das Kreuzbein mit dem ersten Wirbel, der mit dem Hüftbein artikuliert und schließt mit dem letzten Wirbel, der sich an der Bildung der Pars lateralis beteiligt. Diese Wirbel brauchen nicht alle synostotisch miteinander verbunden zu sein. Als lumbosacrale Übergangswirbel sind solehe Wirbel zu be- zeichnen, die nur einen Querfortsatz von lumbalem Charakter be- sitzen, während der andere Querfortsatz mit dem Hüftbein gelenkig verbunden ist. Als sacrococeygeale Übergangswirbel sind solehe Wirbel zu bezeichnen, die nur einseitig einen Querfortsatz besitzen, der sich an der Bildung der Pars lateralis sacri beteiligt. Die Befunde wurden für jedes Kreuzbein auf einer besonderen Zählkarte notiert. Ich untersuchte das Geschlecht, die Zahl der Saeralwirbel, die Saeralkrümmung (ob einheitlich, oder ob ein doppeltes Promontorium vorhanden), die Ausdehnung der Facies aurieularis, das Vorhandensein von lumbosacralen oder sacrococey- gealen Übergangswirbeln, den synostotischen Anschluß von Cocey- gealwirbeln an das Sacrum; ferner notierte ich, welche der Sacral- wirbel dorsal geschlossen waren. Auch einen besonders engen An- schluß des letzten Lendenwirbels an das Kreuzbein konnte ich in einigen Fällen beobachten. Beim Vorhandensein von Übergangswirbeln notierte ich stets, wie weit sie mit dem Sacrum synostotisch ver- bunden waren, desgleichen gab ich darauf acht, ob der erste und der letzte Sacralwirbel an Körper, Quer- und Gelenkfortsätzen mit den benachbarten Saeralwirbeln synostotisch verbunden waren, oder ob von diesen gewöhnlich hier vorhandenen Synostosen eine, mehrere 106 H. Adolphi oder gar alle fehlten. War der präsacrale Teil der Wirbelsäule vollständig vorhanden, so notierte ich auch die Ordnungszahl der Sacralwirbel. Der besseren Übersicht wegen beschreibe ich mein Material in Gruppen geteilt. Männliches Material. Die Kreuzbeine der 254 von mir untersuchten männlichen Ske- lete zeigten folgendes Verhalten: Gruppe 1. Einmal bestand das Sacrum aus 4 Wirbeln. Der erste dieser Wirbel war der 25. der Reihe. Die Sacralkrümmung war einheitlich. Nur der erste und zweite Sacralwirbel waren dorsal geschlossen. Die Synostosen zwischen den Sacralwirbeln waren alle voll entwickelt. Gruppe 2. Einmal bestand das Sacrum aus einem Lumbosacral- wirbel und 4 Sacralwirbeln, mit denen ein Coceygealwirbel syno- stotisch verbunden war. Der erste dieser Wirbel war Wirbel 25. Dieser lumbosacrale Übergangswirbel hatte links einen Querfortsatz von lumbalem Charakter. Der rechte Querfortsatz war mit dem Hüftbeine gelenkig, mit der Pars lateralis sacri synostotisch ver- bunden. Desgleichen waren Körper und Gelenkfortsätze des Lumbo- sacralwirbels mit den entsprechenden Teilen des folgenden Sacral- wirbels synostotisch verbunden. Zwischen diesen beiden Wirbeln gab es ein Promontorium. Die Synostose zwischen Coceygealwirbel und Kreuzbein erstreckte sich auf die Körper und die linken Cornua. Der Lumbosaeralwirbel und die drei folgenden Sacralwirbel waren dorsal geschlossen. Gruppe 3. 114mal bestand das Sacıum aus 5 Wirbeln. Der erste dieser Wirbel war dreimal Wirbel 24, 75mal — Wirbel 25, dreimal — Wirbel 26, 33mal blieb die Ordnungszahl unbekannt. 107 mal war ‘die Saeralkrümmung einheitlich, 7mal lag ein doppeltes Promontorium vor. Nur 4mal waren alle 5 Sacralwirbel dorsal ge- schlossen; 47mal waren es Wirbel 1, 2, 3 und 4; 35mal — Wirbel 1, 2 und 3; 1Omal — Wirbel 1 und 2; einmal waren Wirbel 2, 3, 4 und 5 dorsal geschlossen; Smal — Wirbel 2, 3 und 4; 2mal — Wirbel 2 und 3; einmal — nur Wirbel 2; einmal — nur Wirbel 3; mal war kein einziger der 5 Sacralwirbel dorsal geschlossen, so daß der Sacralkanal der ganzen Länge nach dorsal offen war. — Ein- mal war der Spalt zwischen den Gelenkfortsätzen des ersten und „weiten Sacralwirbels beiderseits erhalten. Zwischen diesen Wirbeln Über den Bau des menschlichen Kreuzbeines usw. 107 bestand ein Promontorium. Wirbel 25 war erster Sacralwirbel. — Einmal war der 5. Sacralwirbel nur mit der rechten Pars lateralis synostotisch verbunden, links kam der Anschluß an die Pars lateralis durch Vermittelung eines dünnen Knorpelstreifs zustande. Körper und Bögen waren beweglich verbunden. Dieser Zustand beruhte nicht auf Jugendlichkeit, der Mann war 50 Jahre alt geworden. Wirbel 25 war erster Sacralwirbel, die Krümmung war einheitlich. — Einmal war der 5. Saeralwirbel ganz frei und nach der Maceration vom übrigen Saerum abgetrennt. Der Anschluß an die Pars lateralis geschah beiderseits durch Vermittelung eines dünnen Knorpelstreifs. Wirbel 25 war erster Sacralwirbel, die Krümmung einheitlich. Das Skelet gehörte einem voll erwachsenen Manne an. — 11lmal waren die Synostosen zwischen den Sacralwirbeln alle voll aus- gebildet. Gruppe 4 32mal bestand das Sacrum aus 5 Wirbeln, mit denen ein Coceygealwirbel synostotisch verbunden war. Der erste dieser Wirbel war 21mal Wirbel 25, 2mal Wirbel 26, 9mal blieb die Ordnungszahl unbekannt. 30 mal war die Sacralkrümmung ein- heitlich, 2mal bestand ein doppeltes Promontorium. 5mal warcn alle 5 Saeralwirbel dorsal geschlossen; 18mal waren es Wirbel 1, 2, 3 und 4; 4mal — Wirbel 1, 2 und 3; einmal Wirbel 2, 3, 4 und 5; einmal — Wirbel 2, 3 und 4; einmal — Wirbel 2 und 3; 2mal war kein einziger der 5 Saeralwirbel dorsal geschlossen, so daß der Sacralkanal der ganzen Länge nach dorsal offen war. Die Bogenhälften des synostotisch verbundenen Coceygealwirbels blieben hier, wie auch in allen übrigen Fällen, stets dorsal getrennt; sie waren zu Hörnern entwickelt. Die Synostosen zwischen den 5 Sa- eralwirbeln waren allemal voll ausgebildet. Die Synostose zwischen erstem Coceygealwirbel und Kreuzbein bezog sich einmal nur auf die rechtsseitigen Cornua, mal — nur auf die Corpora; einmal waren Corpora und linke Cornua synostotisch verbunden; 2mal — Corpora und rechte Cornua, 24mal — Corpora und beiderseitige Cornua. Gruppe 5. Einmal bestand das Sacrum aus 5 Wirbeln, mit denen 2 Cocceygealwirbel synostotisch verbunden waren. Die Ord- nungszahl der Sacralwirbel war nicht zu bestimmen. Die Saecral- krümmung war einheitlich. Alle 5 Sacralwirbel waren dorsal ge- schlossen. Die Synostosen zwischen ihnen waren alle voll entwickelt. Die Synostose zwischen erstem Coceygealwirbel und Kreuzbein umfaßte die Körper und beiderseits die Cornua. Der 2. Coceygeal- wirbel hatte Querfortsätze und kurze Üornua, die frei endeten. 108 H. Adolphi Gruppe 6. Zweimal bestand das Sacrum aus 5 Wirbeln, mit denen 5 Coceygealwirbel synostotisch verbunden waren. Beidemal war Wirbel 25 erster Sacralwirbel. Die Krümmung war beidemal einheitlich. Einmal waren Wirbel 1, 2, 3 und 4 dorsal geschlossen, einmal — Wirbel 2, 3, 4 und 5. Die Synostosen zwischen den 5 Sacralwirbeln waren beidemal alle voll entwickelt. Die Synostose zwischen erstem Coceygealwirbel und Kreuzbein bezog sich einmal nur auf die Körper, einmal auf Körper und beiderseitige Cornua. Gruppe 7. Viermal bestand das Sacrum aus 5 Wirbeln, zu denen der letzte Lendenwirbel in besonders nahe Beziehungen getreten war, indem er ein- oder doppelseitig Anschluß an die Pars lateralis sacri gefunden hatte, ohne jedoch mit dem Hüftbein in gelenkige Ver- bindung zu treten. Der letzte Lendenwirbel war zweimal Wirbel 24, zweimal Wirbel 25. Die Verbindung des Körpers und der Gelenk- fortsätze des letzten Lendenwirbels mit dem Kreuzbein war allemal gelenkig. Einmal war der rechte Querfortsatz des letzten Lenden- wirbels (Wirbel 24) mit der Pars lateralis des Kreuzbeines gelenkig verbunden, einmal der linke (Wirbel 25). Einmal waren beide Quer- fortsätze des letzten Lendenwirbels (Wirbel 24) gelenkig mit dem Kreuzbein verbunden. Einmal war der rechte Querfortsatz des letzten Lendenwirbels (Wirbel 25) synostotisch mit dem Kreuzbeine verbunden. Die Synostosen zwischen den 5 Saeralwirbeln waren allemal voll entwickelt. Zwischen dem letzten Lendenwirbel und dem Kreuzbein bestand allemal ein Promontorium, während die Krümmung des Kreuzbeines einheitlich war. Der letzte Lenden- wirbel war stets dorsal geschlossen, ebenso die drei folgenden Sa- eralwirbel. Gruppe 8. Einmal bestand das Sacrum aus einem Lumbosacral- wirbel, 4 Saeralwirbeln und einem Sacrococeygealwirbel, mit denen 3 Coceygealwirbel synostotisch verbunden waren. Der erste dieser Wirbel war Wirbel 25 und der letzte war Wirbel 33, zugleich der letzte der ganzen Wirbelsäule. Der Lumbosacralwirbel hatte rechts einen Querfortsatz von lumbalem Charakter, während der linke Quer- fortsatz mit dem Hüftbein gelenkig und mit der Pars lateralis saeri synostotisch verbunden war. Die Gelenkspalten zwischen den Ge- lenkfortsätzen des Lumbosacralwirbels und des folgenden Sacral- wirbels waren offen, desgleichen waren die Körper dieser beiden Wirbel nicht synostotisch verbunden. Die Synostose des Sacracoc- eygealwirbels mit dem vorhergehenden Sacralwirbel erstreckte sich auf die Körper, die rechtsseitigen Cornua und die rechtsseitige Pars PB. VE SE.” Über den Bau des menschlichen Kreuzbeines usw. 109 lateralis. Interessant war an diesem Objekte, daß der synostotische Anschluß des gesamten Steißbeines an das Kreuzbein in dem jugend- lichen Alter von 18 Jahren zustande gekommen war. Die Partes laterales waren noch gar nicht ganz verknöchert und die Körper der Wirbel 26, 27 und 28 waren an der Facies pelvina noch ganz voneinander getrennt. Die Ossification war an diesen Stellen durch den vorzeitigen Tod unterbrochen worden. Zwischen den Gelenk- fortsätzen und Bogenlamellen der 4 reinen Sacralwirbel waren die Synostosen bereits vollständig ausgebildet. Dorsal geschlossen waren nur die 3 ersten reinen Sacralwirbel. Gruppe 9. 9mal bestand das Sacrum aus einem Lumbosacral- wirbel und 5 Sacralwirbeln.. Der Lumbosacralwirbel war 4mal] Wirbel 24, 3mal — Wirbel 25, 2mal blieb die Ordnungszahl unbe- kannt. Zwischen dem Lumbosacralwirbel und dem folgenden Sacral- wirbel bestand allemal ein Promontorium. — Dorsal geschlossen waren 2mal der Lumbosacralwirbel und 4 folgende reine Sacral- wirbel; 5mal — der Lumbosacralwirbel und 3 folgende reine Sacral- wirbel; einmal — der Lumbosaeralwirbel und 2 folgende reine Saeralwirbel. Einmal waren nur der 2. und der 3. reine Sacral- wirbel dorsal geschlossen. — 4mal war der Lumbosacralwirbel gar nieht mit dem übrigen Sacrum synostotisch verbunden. Dabei war einmal der rechte Querfortsatz des Lumbosacralwirbels (Wirbel 24) mit dem Hüftbein und der Pars lateralis sacri gelenkig verbunden, 3mal — der linke (einmal Wirbel 24, 2mal Wirbel 25 gehörig). In den 5 anderen Fällen bestand eine Synostose, doch beschränkte sie sich jedesmal auf den sacral entwickelten Querfortsatz, der 3mal der rechte (einmal Wirbel 24, einmal Wirbel 25 gehörig, einmal ÖOrdnungszahl unbekannt), 2mal der linke war (einmal Wirbel 24 ge- hörig, einmal Ordnungszahl unbekannt). Die Synostosen zwischen den 5 reinen Sacralwirbeln waren allemal voll ausgebildet. Gruppe 10. 15mal bestand das Sacrum aus 5 Wirbeln und einem sacrocoecygealen Übergangswirbel. Der erste dieser Wirbel war zweimal Wirbel 24, 8mal — Wirbel 25, 5 mal war die Orduungs- zahl unbekannt. Die Sacralkrümmung war 13 mal einheitlich, zwei- mal bestand ein doppeltes Promontorium. Dorsal geschlossen waren zweimal alle 5 Sacralwirbel; 8mal — Wirbel 1, 2, 3 und 4; ein- mal — Wirbel 1, 2 und 3; 4mal waren nur Wirbel 2 und 3 dorsal geschlossen. Die saerale Seite des Übergangswirbels war 6mal die rechte und 9mal die linke. Die Synostose zwischen Übergangswirbel und letztem reinen Sacralwirbel beschränkte sich zweimal auf die 110 H. Adolphi linke Pars lateralis, wobei Körper und Cornua frei bleiben. In einem dieser Fälle war der erste Sacralwirbel (es war Wirbel 25 und er war dorsal nicht geschlossen) mit dem folgenden nur durch seine Querfortsätze synostotisch verbunden; zwischen beiden Wirbeln bestand ein Promontorium. 5mal umfaßte die Synostose zwischen dem Übergangswirbel und dem letzten reinen Sacralwirbel außer der einen Pars lateralis auch noch die Körper und 8mal dazu noch die Cornua. Ich habe leider unterlassen zu notieren, ob die Cornua ein- oder doppelseitig synostotisch verbunden waren. Beides kommt vor. Ist die Synostose der Cornua nur einseitig, so liegt sie stets auf der sacral entwickelten Seite des Übergangswirbels. Die Synostosen zwischen den 5 reinen Sacralwirbeln waren außer in dem einen oben erwähnten Falle stets alle voll entwickelt. Gruppe 11. Einmal bestand das Sacrum aus 5 Saeralwirbeln und einem Sacrococeygealwirbel, mit denen 2 Coceygealwirbel syno- stotisch verbunden waren. Der erste dieser Wirbel war Wirbel 25. Die Sacralkrümmung war einheitlich. Dorsal geschlossen waren die Saeralwirbel 1, 2, 3 und 4. Die Synostose zwischen dem Über- gangswirbel und dem letzten reinen Sacralwirbel erstreckte sich außer auf die linke Pars lateralis noch auf die Körper und die beiderseitigen Cornua. Die Synostosen zwischen den 5 reinen Sacral- wirbeln waren alle voll entwickelt. Gruppe 12. 47mal bestand das Saerum aus 6 Wirbeln. Der erste dieser Wirbel war 4mal Wirbel 24, 29mal — Wirbel 25, ein- mal — Wirbel 26 und 15mal blieb die Ordnungszahl unbekannt. Die Saecralkrümmung war 27mal einheitlich, 20mal bestand ein dop- peltes Promontonium. Alle 6 Sacralwirbel waren keinmal dorsal geschlossen; 13mal waren Wirbel 1, 2, 3, 4 und 5 dorsal ge- schlossen; 2lmal — Wirbel 1, 2, 3 und 4; 5mal — Wirbel 1, 2 und 3; dreimal — Wirbel 2, 3, 4 und 5: zweimal — Wirbel 2, 3 und 4; zweimal — Wirbel 2 und 3; einmal war nur der zweite Saeralwirbel dorsal geschlossen. — Einmal war der erste Sacral- wirbel (Wirbel 24) gar nicht mit dem übrigen Sacrum synostotisch verbunden; das Promontoriam war doppelt. In drei weiteren Fällen war die synostotische Verbindung zwischen dem ersten Sacralwirbel und dem folgenden geringer als normal, wobei stets ein doppeltes Promontorium vorhanden war. In zweien dieser Fälle (Wirbel 24 war beidemal erster Sacralwirbel) bestanden die Spalten zwischen den Gelenkfortsätzen, in dem dritten Falle (Wirbel 25 — erster Sacralwirbel) blieben außer den Gelenkfortsätzen auch die Körper der Über den Bau des menschlichen Kreuzbeines usw. 113 beiden ersten Wirbel getrennt. In diesem selben Falle war auch die Synostose zwischen dem 6. Sacralwirbel und dem vorhergehenden geringer als normal, sie beschränkte sich auf die beiden Partes laterales, während die Körper und die zu Hörnern entwickelten Ge- lenkfortsätze frei blieben. In Sanderen Fällen war gleichfalls die Synostose zwischen dem 6. Saeralwirbel und dem vorhergehenden. geringer als normal. Einmal beschränkte sich die Synostose auf die rechte Pars lateralis, während in der linken Pars lateralis ein Knorpelstreif die Verbindung der Querfortsätze herstellte und Körper und Cornua frei blieben. 2mal waren die Körper und beiderseits die Cornua frei; 4mal gab es beiderseits freie Cormua; einmal — auf der rechten Seite. In den übrigen 35 Fällen waren die Syno- stosen zwischen allen 6 Sacralwirbeln alle voll entwickelt. Gruppe 13. Dreimal bestand das Sacrum aus 6 Wirbeln, mit denen ein Coeeygealwirbel synostotisch verbunden war. Der erste Sacralwirbel war allemal Wirbel 25, die Krümmung war einheitlich. Dorsal geschlossen waren einmal Wirbel 1, 2,3, 4 und 5; einmal — Wirbel 1, 2 und 5; einmal war kein einziger der 6 Sacralwirbel geschlossen, so daß der Sacralkanal der ganzen Länge nach dorsal offen war. In diesem letzten Falle waren die Bogenhälften des 6. Saeralwirbels nicht mit denen des vorhergehenden synostotisch verbunden, sondern zu Hörnern entwickelt. In den beiden anderen Fällen waren die Synostosen zwischen allen 6 Sacralwirbeln alle voll entwickelt. — Die Synostose zwischen dem Coceygealwirbel und dem 6. Sacralwirbel beschränkte sich allemal auf die Körper. Gruppe 14. Einmal bestand das Sacrum aus 6 Wirbeln, mit denen 2 Coceygealwirbel synostotisch verbunden waren. Der erste Sacralwirbel war Wirbel 26. Es bestand ein doppeltes Promontorium. Dorsal geschlossen waren die Wirbel 1, 2, 3 und 4. Die Synostose zwischen dem ersten Coceygealwirbel und dem 6. Sacralwirbel be- schränkte sich auf die Körper. Die Synostosen zwischen den 6 Sacralwirbeln waren alle voll entwickelt. Gruppe 15. Zweimal bestand das Saecrum aus 6 Wirbeln, mit denen 4 Coceygealwirbel synostotisch verbunden waren. Die Ord- nungszahl der Wirbel blieb beidemal unbekannt. Die Sacral- krümmung war beidemal einheitlich. Dorsal geschlossen waren einmal Wirbel 1, 2, 3 und 4; die Synostose zwischen dem ersten Coceygeal- und 6. Sacralwirbel beschränkte sich in diesem Falle auf die Körper. Einmal waren nur Wirbel 2und3 dorsal geschlossen ; in diesem Falle erstreckte sich die Synostose zwischen dem ersten 112 H. Adolphi Coceygealwirbel und dem 6. Sacralwirbel außer auf die Körper auch auf die linksseitigen Cornua. Die Synostosen zwischen den 6 Sacral- wirbeln waren beidemal alle voll entwickelt. Weibliches Material. Die Kreuzbeine der 58 von mir untersuchten weiblichen Ske- letzte zeigten folgendes Verhalten: Gruppe 16. 33mal bestand das Sacrum aus 5 Wirbeln. Der erste dieser Wirbel war 23mal Wirbel 25, einmal —- Wirbel 26, Ymal blieb die Ordnungszahl unbekannt. Die Krümmung des Sa- crum war 32mal einheitlich, einmal bestand ein doppeltes Promon- torium. Nur einmal waren alle 5 Sacralwirbel dorsal geschlossen; 17mal waren die Wirbel 1, 2, 3 und 4 dorsal geschlossen; 7mal — Wirbel 1, 2 und 3; zweimal — Wirbel 1 und 2; einmal Wirbel 2, 3, 4 und 5; zweimal — Wirbel 2, 3 und 4; zweimal — Wirbel 2 und 3. Einmal war kein einziger der 5 Sacralwirbel dorsal ge- schlossen, so daß der Sacralkanal der ganzen Länge nach dorsal offen war. — Die Synostose des 5. Sacralwirbels mit dem vorher- gehenden beschränkte sich einmal auf die Körper und die rechte Pars lateralis, während in der linken Pars lateralis ein Knorpelstreif die Verbindung beider Querfortsätze herstellte und die Bogenhälften des 5. Sacralwirbels zu frei endenden Hörnern entwickelt waren. Einmal waren die rechtsseitigen Bogenhälften des 5. und 4. Sacral- wirbels nicht synostotisch miteinander verbunden. 3lmal waren alle Synostosen zwischen den 5 Sacralwirbeln voll entwickelt. Gruppe 17. 6mal bestand das Sacrum aus 5 Wirbeln, mit denen ein Coceygealwirbel synostotisch verbunden war. Der erste dieser Wirbel war zweimal Wirbel 25, viermal blieb die Ordnungs- zahl unbekannt. Die Saeralkrümmung war allemal einheitlich. — Einmal waren alle 5 Saeralwirbei dorsal geschlossen; dreimal — Wirbel, 1, 2, 3 und 4; zweimal — Wirbel 1, 2 und 3. — Die Syno- stose zwischen dem Coceygealwirbel und dem 5. Sacralwirbel be- schränkte sich einmal auf die Körper, mal erstreckte. sie sich auf die Körper und die beiderseitigen Cornua. — Die Synostosen zwischen den 5 Saeralwirbeln waren allemal voll entwickelt. Gruppe 18. Einmal bestand das Saerum aus 5 Wirbeln, mit denen zwei Cocceygealwirbel synostotisch verbunden waren. Die Ordnungszahl der Sacralwirbel war unbekannt. Die Sacralkrümmung war einheitlich. Dorsal geschlossen waren Wirbel 1, 2, 3 und 4. Die Synostose zwischen dem ersten Coceygeal- und dem 5. Sacral- Über den Bau des menschlichen Kreuzbeines usw. 113 wirbel erstreckte sich auf die Körper und die beiderseitigen Cornua. Die Synostosen zwischen den 5 Sacralwirbeln waren alle voll ent- wickelt. Gruppe 19. Einmal bestand das Saerum aus 5 Wirbeln, mit denen 3 Coeeygealwirbel synostotisch verbunden waren. Der erste Saeralwirbel war Wirbel 25. Die Saeralkrümmung war einheitlich. Dorsal geschlossen waren nur die Wirbel 2 und 3. Die Synostose zwischen dem ersten Coceeygeal- und 5. Sacralwirbel erstreckte sich auf die Körper und die beiderseitigen Cornua. Die Synostosen zwischen den 5 Sacralwirbeln waren alle voll entwickelt. Gruppe 20. Einmal bestand das Sacrum aus 5 Wirbeln, mit denen 4 Coceygealwirbel synostotisch verbunden waren. Die Ord- nungszahl der Wirbel war unbekannt. Die Sacralkrümmung war einheitlich. Dorsal geschlossen waren die Wirbel 1, 2, 3 und 4. Die Synostose zwischen dem ersten Coceygeal- und 5. Sacralwirbel erstreckte sich auf die Körper und die beiderseitigen Cornua. Die Synostosen zwischen den 5 Saecralwirbeln waren alle voll entwickelt. Gruppe 21. Zweimal bestand das Sacrum aus einem Lumbo- sacralwirbel und 5 Sacralwirbeln. Der Lumbosacralwirbel war beide- mal Wirbel 24. Zwischen ihm und dem folgenden Wirbel bestand beidemal ein Promontorium. Dorsal geschlossen waren einmal der Lumbosacralwirbel und 4 folgende Sacralwirbel, einmal — der Lumbosaeralwirbel und 3 folgende Sacralwirbel. Der Lumbosacral- wirbel war beidemal nicht synostotisch, sondern gelenkig mit dem folgenden Wirbel verbunden. Einmal artieulierte der rechte, einmal der linke Querfortsatz des Lumbosacralwirbels sowohl mit dem Hüft- beine als auch mit der Pars lateralis sacri. Die Synostosen zwischen den 5 reinen Sacralwirbeln waren beidemal alle voll entwickelt. Gruppe 22. Einmal bestand das Sacrum aus einem Lumbo- sacrälwirbel und 5 Sacralwirbeln, mit denen ein Coceygealwirbel synostotisch verbunden war. Die Ordnungszahl dieser Wirbel war unbekannt. Zwischen dem Lumbosaeralwirbel und dem folgenden Saeralwirbel bestand ein Promontorium. Dorsal geschlossen waren der Lumbosaeralwirbel und 4 folgende Sacralwirbel. Die Synostose zwischen dem Lumbosacralwirbel und dem folgenden Sacralwirbel beschränkte sich auf die linke Pars lateralis.. Die Synostose zwischen dem Coceygealwirbel und dem letzten Sacralwirbel be- schränkte sich auf die Körper. Die Synostosen zwischen den 5 rei- nen Sacralwirbeln waren alle voll entwickelt. Gruppe 23. 4mal bestand das Sacrum aus 5 Wirbeln und Morpholog. Jahrbuch. 44. 8 114 H. Adolphi einem sacrococceygealen Übergangswirbel. Der erste Sacralwirbel war zweimal Wirbel 25, zweimal blieb die Ordnungszahl unbekannt. Die Saeralkrümmung war allemal einheitlich. Der sacrococeygeale Übergangswirbel war, wie stets, dorsal offen. Dorsal geschlossen waren einmal alle 5 reinen Sacralwirbel, dreimal — Wirbel 1, 2, 3 und 4. Die Synostose zwischen dem Sacrocoeeygealwirbel und dem letzten reinen Sacralwirbel umfaßte außer dem sacral entwickelten Querfortsatze, der zweimal der rechte und zweimal der linke war, allemal auch die Körper und die Cornua. Die Synostosen zwischen den 5 reinen Sacralwirbeln waren allemal alle voll entwickelt. Gruppe 24. 9mal bestand das Sacrum aus 6 Wirbeln. Der erste dieser Wirbel war zweimal Wirbel 24, 5mal — Wirbel 25, zweimal blieb die Ordnungszahl unbekannt. Die Sacralkrümmung war 5Dmal einheitlich, 4mal lag ein doppeltes Promontorium vor. Dorsal geschlossen waren zweimal die Wirbel 1, 2, 3, 4 und 5; 6mal — die Wirbel 1, 2, 3, und 4; einmal — die Wirbel 2, 3 und 4. — Die synostotische Verbindung zwischen den beiden ersten Sacralwirbeln war in zwei Fällen geringer als normal. Beidemal bestand ein doppeltes Promontorium.- Dabei waren in dem einen Falle die Spalte zwischen den Gelenkfortsätzen der beiden ersten Sacralwirbel erhalten, in dem anderen Falle blieben nicht nur diese Gelenkfortsätze frei, sondern auch die Wirbelkörper. In diesem letzteren Falle (Wirbel 25 war erster Sacralwirbel) war gleichzeitig auch die Synostose zwischen dem 6. Sacralwirbel und dem vorher- gehenden nur gering. Sie beschränkte sich auf die linke Pars la- teralis, während in der rechten ein Knorpelstreif die Verbindung herstellte und der Körper wie auch die zu Hörnern entwickelten Bogenhälften des 6. Sacralwirbels frei blieben. In zwei weiteren Fällen (Wirbel 25 war erster Sacralwirbel) waren die Synostesen des 6. Sacralwirbels mit dem vorhergehenden gleichfalls geringer als normal. Einmal endeten rechts, einmal beiderseits die zu Hörnern - entwiekelten Bogenhälften des 6. Sacralwirbels frei. In den übrigen 5 Fällen waren die Synostosen zwischen allen 6 Saeralwirbeln alle voll entwickelt. Vergleicht man nun meine Befunde mit denen, die FiscHEL in Prag gehabt hat, so ergeben sich erhebliche Unterschiede. FiscHeL fand sechswirblige Sacra bei Männern in 2,0%, aller Fälle, bei Frauen in 1,4°/,. Ich fand bei 234 untersuchten Männern 47 mal sechswirblige Über den Bau des menschlichen Kreuzbeines usw. 115 Saera (Gruppe 12), dazu kommen noch 6 sechswirblige Sacra, mit denen 1, 2 oder 4 Coeeygealwirbel synostotisch verbunden waren (Gruppe 13, 14 und 15). Das gibt 53 sechswirblige Sacra. Bringt man einen Fall in Abzug, bei dem der erste Sacralwirbel mit dem folgenden nicht synostotisch verbunden war, so bleiben 52 Fälle, in denen das Saecrum aus 6 synostotisch miteinander verbundenen Wirbeln bestand, die alle 6 beiderseits sacralen Charakter hatten. Das entspricht einer Häufigkeit von 22,20/,. Bei den 58 untersuchten Frauen fand ich 9 sechswirblige Kreuz- beine. Das entspricht einer Häufigkeit von 15,9°%/,. Coceygealwirbel waren bei Frauen mit dem sechswirbligen Kreuzbeine keinmal syno- stotisch verbunden. Der Unterschied zwischen unseren Befunden ist sehr groß. Ich habe sowohl bei Männern wie auch bei Frauen sechswirblige Saecra genau 11mal so häufig gefunden wie Fischer. Dieser Unterschied kann kein zufälliger sein, dazu ist das untersuchte Material viel zu groß. Der Unterschied kann nur durch die anthropologische Ver- schiedenheit des Materials bedingt sein. FiscHELs Tschechen stehen meine Russen und Letten gegenüber. Leider ist weder mein Material anthropologisch einheitlich, noch FIscHErs. Die 19,6°/, sechswirbliger Saera, die ich 1902 gefunden habe, stehen zwischen den jetzt für Männer und Frauen gefundenen Prozent- zahlen, und zwar der Prozentzahl für Männer näher, was wohl teilweise darauf zurückzuführen ist, daß unter jenen 158, im Jahre 1902 untersuchten Kreuzbeinen die männlichen in der Über- zahl waren. Auch sonst zeigten sich hier in Dorpat einige Verschiedenheiten gegen Prag und wchl auch andere Orte Westeuropas. FISCHEL er- wähnt keinen einzigen Fall eines sacrococeygealen Übergangswirbels. Ich habe solche Übergangswirbel bei Männern 17mal (Gruppe 8, 10 und 11), und bei Frauen 4mal (Gruppe 23) gefunden. Das entspricht 7,3°/, und 6,9%/,. Die sacrococeygealen Übergangswirbel sind somit in Dorpat durchaus nicht besonders selten. Disse! in Marburg spricht zwar auch von saerocaudalen Übergangswirbeln, versteht darunter aber einen sechsten Kreuzwirbel, der (wie Diısse sich ausdrückt) dem Steißbein entzogen ist. Von diesen sacrocaudalen Über- gangswirbeln sagt DissE, sie seien seltener als lumbosacrale — »es ı J. Dısse, Skeletlehre in Bardelebens Handbuch der Anatomie des Menschen in 8 Bänden. 1896 S. 62—64. g* 116 H. Adolphi fehlen ihnen Bogen und Gelenkfortsätze. Die Wirbelkörper und die - Pars lateralis dagegen sind vorhanden, wie. am 5. Kreuzwirbel. Unvollständige Assimilation kommt nicht vor.< — Gerade diese »un- vollständige Assimilation«, bei der die eine Seite eines Wirbels sacral entwickelt ist, die andere aber coceygeal, und die Disse in Marburg nie gesehen hat, finde ich bier in Dorpat bei etwa 7°/, aller männlichen und weiblichen Kreuzbeine. Der Anschluß des sacrococeygealen Übergangswirbels an den letzten reinen Sacralwirbel war stets ein synostotischer. Bei zwei Männern beschränkte sich die Synostose auf eine Pars lateralis, bei 5 Männern umfaßte sie außerdem noch die Körper und bei den übrigen 10 Männern und allen 4 Frauen erstreckte sich die Syno- stose auf eine Pars lateralis, die Körper und die Cornua. Ich habe leider nieht immer notiert, ob die Cornua beiderseits oder nur ein- seitig synostotisch verbunden waren. Beides kommt vor. War die Synostose der Cornua nur einseitig vorhanden, so lag sie stets auf der sacral entwickelten Seite des Übergangswirbels. Lumbosaerale Übergangswirbel fand ich bei 11 Männern (Gruppe 2, 8 und 9) und drei Frauen (Gruppe 21 und 22), das ist in 4,70/, und 5,20%, aller Fälle. Dabei war dieser Übergangswirbel bei 4 Männern und 2 Frauen nicht synostotisch, sondern nur gelenkig mit dem Kreuzbeine verbunden. Bei 6 Männern und einer Frau war der lumbosaerale Übergangswirbel nur mit einer Pars lateralis saeri synostotisch verbunden, während Körper und Gelenkfortsätze frei blieben, und nur bei .einem Manne (Gruppe 2) erstreckte sich die Synostose außer auf eine Pars lateralis auch auf die Körper und die beiderseitigen Gelenkfortsätze. Zwischen dem Lumbosaeralwirbel und dem ersten reinen Saeralwirbel war stets ein Promontorium vorhanden. Faßt man alle Fälle zusammen, in denen sich 6 Wirbel an der Bildung des Kreuzbeines beteiligen, so kommen bei Männern zu den 53 Kreuzbeinen, die aus 6 Wirbeln bestehen, welche doppelseitig sacralen Charakter haben (Gruppe 12, 13, 14 und 15), noch 26 Kreuz- beine, die aus 6 Wirbeln bestehen, von denen der erste (Gruppe 9) oder letzte (Gruppe 10 und 11), oder diese beiden (Gruppe 8) nur einseitig sacralen Charakter haben. Ich fand somit bei 234 Männern in Summa 79 Kreuzbeine, die aus 6 Wirbeln bestanden, welche ein- oder doppelseitig sacralen Charakter hatten. Das gibt für Dorpat eine Häufigkeit von 33,8°/, oder den dritten Teil aller Fälle, Über den Bau des menschlichen Kreuzbeines usw. ET während in Prag, wie eingangs dargelegt, bei Männern nur 4,2%/, solcher Kreuzbeine konstatiert sind. Für Frauen waren die entsprechenden Zahlen 9 (Gruppe 24) und 7 (Gruppe 21, 22 und 23). Ich fand somit bei 58 Frauen in Summa 16 Kreuzbeine, die aus 6 Wirbeln bestanden, welche ein- oder doppelseitig sacralen Charakter hatten. Das gibt für Dorpat eine Häufigkeit von 27,6%/, oder ein wenig mehr als den 4. Teil aller Fälle, während für Prag nur 1,9%/, konstatiert sind. Der letzte Lendenwirbel, den ich bei vier Männern (Gruppe 7) in besonders engem Anschluß an das Kreuzbein gefunden habe, muß gewiß auch als ein Übergangswirbel aufgefaßt werden, aber als ein Übergangswirbel ganz besonderer Art, der durch Vermeidung jeder Artieulation mit den Hüftbeinen seinen lumbalen Charakter beider- seits wahrt. Das fünfwirblige Saerum, das doch stets als der Schulfall eines menschlichen Sacrum hingestellt wird, fand ich nicht so häufig, wie man es erwarten sollte. Bei den Männern gab es 114 solcher Kreuz- beine (Gruppe 3), bei den Frauen 33 (Gruppe 16). Das gibt eine Häufigkeit von 48,7°/, und 56,9°/,. Der Schulfall kommt eben hier in Dorpat beim Manne nicht einmal in der Hälfte aller Fälle vor, bei der Frau ist er etwas häufiger. Verlangt man, ein »normal« gebautes Kreuzbein solle mit Wirbel 25 beginnen und eine einheit- liche Krümmung haben, so ist ein solcher ganz reiner Schulfall na- türlich noch seltener, denn manches Öwirblige Kreuzbein beginnt mit Wirbel 24 oder Wirbel 26 und manches hat ein doppeltes Pro- montorium. Fünfwirblige Sacra, mit denen ein Coceygealwirbel oder mehrere synostotisch verbunden waren, fand ich bei 35 Männern (Gruppe 4, 5 und 6) und 9 Frauen (Gruppe 17, 18, 19 und 20), das entspricht 15,0%, und 15,5%). Ein vierwirbliges Saerum habe ich nur einmal angetroffen, und zwar bei einem Manne (Gruppe 1). Die Häufigkeit wäre darnach für Dorpat 0,4°/, für Männer und 0,0°/, für Frauen. Diese Zahl ist für Männer sicher zu groß, denn ich suche nach einem solchen Kreuzbeine seit 20 Jahren und habe jetzt erst eins gefunden, und für Frauen wohl zu klein, denn daß solche Kreuzbeine hier nicht auch bei Frauen vorkommen, ist doch unwahrscheinlich. FıscheL fand in Prag gleichfalls nur bei einem Mann ein vier- wirbliges Sacrum. Diese Formabweichung des Kreuzbeines gilt in 118 H. Adolphi Westeuropa für selten, so sagt GEGENBAUR!: »Zuweilen treten 6 Wirbel in das Sacrum ein, selten wird es nur von 4 gebildet.« Für Dorpat genügt es nicht, vierwirblige Sacra als selten zu bezeichnen, sie sind hier sehr selten. Gruppiert man mein Material, ohne auf synostotisch dem Kreuz- beine angeschlossene Coceygealwirbel Rücksicht zu nehmen, nach der Zahl der Wirbel, die ein- oder doppelseitig sacralen Charakter haben, so ergibt sich nebenstehende Tabelle 1, aus der zu ersehen ist, das Kreuzbein bestehe hier in Dorpat in der Regel aus 5 Wirbeln, häufig aus 6, sehr selten aus 4 Wirbeln. Tabelle 1. Zahl der Wirbel, die ein- oder doppelseitig sacralen Charakter haben: | 4 5 6 Anzahl | z | Anzahl | Anzahl der | .% ders. 20/0 der 0%, Beob. | Beon. | Beob. Männer»... 1 0,4 | 14 6589| 9 839) [rrscn er Tele aa ea Auch ein gewisser Geschleehtsdimorphismus macht sich in Tabelle 1 geltend. Beim weiblichen Kreuzbeine, das bekanntlich kürzer zu sein pflegt als das männliche, überwiegt die geringere Wirbelzahl (5) über die höhere (6) noch etwas stärker als beim männlichen Kreuzbein. Über die Intensität des Zusammenschlusses der Saeralwirbel untereinander und des Anschlusses von lumbosacralen und sacro- eoceygealen Übergangswirbeln und von Coceygealwirbeln an das Saerum läßt sich zusammenfassend folgendes sagen. Im allgemeinen sind die Saeralwirbel so untereinander vereinigt, daß die Querfortsätze mit Querfortsätzen, Körper mit Körpern und Gelenkfortsätze mit Gelenkfortsätzen synostotisch verbunden sind, desgleichen die zwischen den Gelenkfortsätzen gelegenen Laminae der Bögen. Die mittleren Kreuzbeinwirbel sind nun immer derartig voll miteinander synostosiert, die endständigen aber nicht immer. Die Verbindung zwischen erstem und zweitem und letztem und vor- 1 ©. GEGENBAUR, Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 2. Aufl. 1885. S. 143. ; Über den Bau des menschlichen Kreuzbeines usw. 119 letztem Wirbel kann viel loser sein. Der erste Sacralwirbel kann ganz frei sein. Die Synostose beginnt an den Partes laterales, er- greift dann die Körper und schließlich auch die Gelenkfortsätze. Solange die Gelenkspalten zwischen dem ersten und zweiten Sacral- wirbel bestehen, ist stets zwischen diesen Wirbeln ein Promontorium vorhanden und die Laminae ihrer Bögen bleiben getrennt. Synosto- sieren aber die Gelenkfortsätze miteinander, so greift dieser Prozeß stets auch auf die Laminae über, und nur ganz selten bleiben hier kleine Löchelchen erhalten. Ist die Synostose zwischen dem letzten und vorletzten Sacralwirbel geringer als normal, so kommt zunächst ein- oder doppelseitig die Synostose der Gelenkfortsätze in Fortfall. Die Bogenhälften des letzten Sacralwirbels, die auch sonst meist in der Medianebene unvereinigt bleiben, sind dann stets getrennt und entwickeln sich zu aufstrebenden Hörnern, denen ebensolche Hörner am vorletzten Sacralwirbel entgegenstehen. Es bestehen hier also Beziehungen wie sonst zwischen erstem Coceygeal- und letztem Sacralwirbel. Weiter können auch die Körper frei bleiben und schließlich ein- oder doppelseitig auch die Querfortsätze, indem in der Pars lateralis ein querer Knorpelstreif bestehen bleibt. Im äußersten Falle ist also der letzte Sacralwirbel ganz frei, ohne da- durch seinen sacralen Charakter zu verlieren. Bei dem einen vierwirbligen Kreuzbeine (Gruppe 1) waren alle Synostosen voll entwickelt. Unter den 147 Kreuzbeinen, die aus 5 Wirbeln bestanden (Gruppe 3 und 16), waren bei 142 alle Synostosen voll entwickelt. Das ist bei 96,6%). Bei einem Kreuzbeine war die Synostose zwischen erstem und zweitem, bei vieren — die zwischen viertem und fünftem Sacralwirbel in ihrem Umfange eingeschränkt, wobei unter den letzteren in einem Falle der 5. Sacralwirbel ganz lose war. Unter den 56 Kreuzbeinen, die aus 6 Wirbeln bestanden (Gruppe 12 und 24), waren bei 40 alle Synostosen voll entwickelt. Das ist bei 71,4%/,. Bei zwei Kreuzbeinen waren die Synostosen sowohl zwischen erstem und zweitem als auch zwischen 5. und 6. Sacral- wirbel in ihrem Umfang eingeschränkt. Bei vier Kreuzbeinen waren | nur die Synostosen zwischen erstem und zweitem Sacralwirbel in ihrem Umfange eingeschränkt (in einem dieser Fälle war der erste Sacralwirbel ganz lose); bei 10 Kreuzbeinen — die zwischen 5. und 6. Sacralwirbel. Man sieht, die volle Entwicklung aller Synostosen ist beim sechs- wirbligen Saecrum nicht in dem hohen Grade herrschend wie beim 120 H. Adolphi fünfwirbligen, wo sie 96,6°%, umfaßt, mit 71,4%, aber doch durch- aus als die Regel zu betrachten. Beim Vorhandensein von lumbosacralen oder saerocaudalen Übergangswirbeln waren die benachbarten Sacralwirbel stets voll miteinander synostosiert mit scheinbarer Ausnahme eines Falles (Gruppe 8), wo die mangelhafte Synostose der mittleren Saeralwirbel aber durch das jugendliche Alter bedingt war. Hätte der junge Mann länger gelebt, so wären die Synostosen auch hier allem An- scheine nach voll ausgebildet worden. Bei sechswirbligen Kreuzbeinen habe ich einen Lumbosaeral- wirbel nie gefunden, bei fünfwirbligen schließt er sich, wenn vor- handen, in der Hälfte der Fälle dem Kreuzbeine nur gelenkig an, in der anderen Hälfte der Fälle synostotisch; doch beschränkte sich diese Synostose stets auf den sacral entwickelten Querfortsatz. In dem einem Falle, in dem ein Lumbosaeralwirbel mit einem vier- wirbligen Saerum verbunden war (Gruppe 2), war die synostotische Verbindung weit ausgedehnter, sie erstreekte sich auf den sacral entwickelten Querfortsatz, die Körper und die Gelenkfortsätze. Sacrococeygeale Übergangswirbel habe ich bei sechswirbligen Kreuzbeinen nicht beobachtet, bei den fünfwirbligen Kreuzbeinen sind sie aber (wenigstens hier in Dorpat) nicht gar selten, wobei der Anschluß an das Kreuzbein stets synostotisch war. Über die Einzelheiten des Anschlusses habe ich schon auf Seite 116 berichtet. Waren ein oder mehrere Coceygealwirbel synostotisch mit dem Saerum verbunden, so waren die benachbarten Saeralwirbel, mit einer einzigen Ausnahme, stets voll synostosiert. Diese Ausnahme bezog sich auf ein sechswirbliges Kreuzbein, mit welchem ein Coc- cygealwirbel synostotisch verbunden war (Gruppe 13). Hier endeten die Bogenhälften des letzten Sacralwirbels frei, sie waren zu Hörnern entwickelt. Die Synostose zwischen erstem Coceygealwirbel und letztem reinen Sacralwirbel kommt beim fünfwirbligen Sacrum nicht nur häufiger vor, sondern ist, wenn vorhanden, meist auch intensiver als beim sechswirbligen. An fünfwirblige Kreuzbeine waren 44mal ein oder mehrere Coc- eygealwirbel synostotisch angeschlossen (Gruppe 4—6 und 17—20). Dabei umfaßte die Synostose 34mal die Körper und die beider- seitigen Cornua, 3mal — die Körper und die Cornua einer Seite, 6mal — nur die Körper. In einem Falle blieben die Körper frei Über den Bau des menschlichen Kreuzbeines usw. 121 und nur die Cornua einer Seite waren synostotisch miteinander ver- bunden. An seehswirblige Kreuzbeine waren nur 6mal ein oder mehrere Coceygealwirbel synostotisch angeschlossen (Gruppe 13—15). Dabei besehränkte sich die Synostose 5mal auf die Körper und griff nur einmal auch auf die Cornua einer Seite über. Der synostotische Anschluß des ersten Coceygealwirbels an die beiden mit Lumbosaeralwirbeln versehenen Kreuzbeine der Gruppen 2 und 22 ist auch in dem Sinne verschieden, daß an das kürzere Kreuzbein der Anschluß intensiver ist. In den beiden Fällen (Gruppe 8 und 11), in denen der syno- stotische Anschluß von Coceygealwirbeln an einen sacrococeygealen Übergangswirbel stattfand, beschränkte sich die Synostose auf die Körper. Die Bogenhälften der Kreuzbeinwirbel werden, wie die der übrigen Wirbel, beim Embryo stets getrennt angelegt und vereinigen sich erst später in der Medianebene. Der dorsale Verschluß des Sacralkanales beginnt, wie es scheint, meist am zweiten Sacral- wirbel, bisweilen auch am dritten. Er greift von hier aus nach oben und mehr oder weniger weit auch nach unten um sich, kann aber auch auf die genannten Wirbel beschränkt sein oder gar ganz unterbleiben. Es ist hier ein sehr weiter Spielraum für Variationen gegeben. Der Sacralkanal kann der ganzen Länge nach dorsal offen bleiben und zwar sowohl bei fünfwirbligen als auch bei sechs- wirbligen Kreuzbeinen. Es können 1, 2, 3, 4 oder 5 Sacralwirbel dorsal geschlossen sein, und damit bei einem fünfwirbligen Saerum alle. Daß aber auch bei einem sechswirbligen Sacrum alle Wirbel dorsal geschlossen wären, habe ich nicht beobachtet, hier war aus- nahmslos der 6. Sacralwirbel offen. Ebenso waren sacrococeygeale Übergangswirbel stets dorsal offen, desgleichen synostotisch mit dem Saerum verbundene Coceygealwirbel. Die extremen Formen sind natürlich selten. Bei den 234 Männern war der Sacralkanal Smal der ganzen Länge nach dorsal offen, der ganzen Länge nach dorsal geschlossen — 12mal. Das entspricht einer Häufigkeit von 3,4%/, und 5,1°/,. Bei den 58 Frauen fand ich den Sacralkanal lmal der ganzen Länge nach dorsal offen und 3mal der ganzen Länge nach dorsal geschlossen. Das entspricht einer Häufigkeit von 1,7%/, und 5,2/,. Tabelle 2 gibt eine Übersicht über die Anzahl der dorsal ge- schlossenen Sacralwirbel ohne Ansehen ihrer Stellung innerhalb 123 H. Adolphi des Saerum, wobei lumbosacrale Wirbel als Sacralwirbel mit- gezählt sind. Man ersieht aus dieser Tabelle 2, daß am häufigsten vier Sacral- wirbel dorsal geschlossen sind. Beim Manne fand sich dieser Zu- stand fast in der Hälfte der Fälle (48,7°/,), bei der Frau noch häufiger (56,9%). Um diesen Zustand, der als mittlerer zu gelten hat, gruppieren sich die anderen mit nach den Extremen zu ab- nehmender Häufigkeit, wobei als einzige Unregelmäßigkeit zu be- merken ist, daß ein einziger dorsal geschlossener Sacralwirbel noch seltener vorkommt als ein völlig durchgehender dorsaler Spalt. Ich’ fand einen einzigen dorsal geschlossenen Sacralwirbel bei Männern nur 3mal (1,3°,) und bei Frauen gar nicht. Es war zweimal der zweite und einmal der dritte Sacralwirbel. — Drei geschlossene Tabelle 2. Anzahl der dorsal geschlossenen Sacralwirbel: | > 4 3 2 1 0 | Anz. | 5 Anz | Anz Anz Anz. | | Anz | Summe der 0% der 0% der | 0/o der 0% der 0%o | der 0/g der Beob | Beob Beob Beob Beob | Beob. | Beob | | ' E> Männer... 28 (12,0) 114 as, 9 2 2 9 3 13 8 BA| 284 | Hrann 7 2,0] 33 (66,9) 12 207) 5 8&6)| = - eye | Sacralwirbel fanden sich bei Männern in 25,2°/,, bei Frauen in 20,70/,, das ist im vierten, bzw. fünften Teil aller Fälle. Fünf geschlossene Sacralwirbel fanden sich bei Männern wie Frauen verhältnismäßig selten, 12,0%, und 12,1°/,, d. i. etwa im achten Teil aller Fälle. Noch seltener waren nur zwei Sacralwirbel dorsal geschlossen, 9,40), und 8,6°/,. Man könnte der Tabelle 2 auch entnehmen, bei der Frau be- stünde eine stärkere Tendenz zu dorsalem Schluß des Sacralkanales als beim Manne. Diese Frage wäre an einem größeren weiblichen Materiale nachzuprüfen. Tabelle 3 gibt eine Übersicht über die Lage der dorsal ge- schlossenen Wirbel innerhalb der einzelnen Kreuzbeine, wobei wiederum die vorhandenen Lumbosacralwirbel als Saeralwirbel mit- gezählt sind, während in Tabelle 4 dasselbe Material zu größeren Gruppen darnach zusammengefügt ist, ob am proximalen Ende des ‘ 3 12 Uber den Bau des menschlichen Kreuzbeines usw. N) I = = (Tan k (2'98) 04 " uonkag N (#8) 8 (6°0) 3 (san 08 (6.88) 767 ° PuurW uedung - SER, PER N os | Kondah Kenn -prqoag | %o -pprqoag Yo -gorgoag %o -uorgoog % -megoog | ı19p SULLTUE| 9p jyezuy | 19p [yezuy 19p Iqezuy 19p |qezuy | u9yo [ESIOp u9yo [ESIop u9yo [es U9SSO]U9S93 [8 | TDqLapeaoeg olJYy PAUAIDES'ZN'T -I0P [PAIMTEIIRST -10P PQUATBIORST. 7 oII°dEL | | gs un ı a Im In (ed EIKE un 1 We zZ (een 6 (Red ze (ren 2 |’ woneng | | ve te 8 Fo Tr Fo I (60) ss Een od ZU 9 an TI IToR 2r gar) sor lol) 8Z | TOUURM | "qo0ag |) -g09g] "gqoag "qoog qoag -qoags| "qoag "qoag | ‘qoag ] | | | qoaq aeg | 10p || 0/0 | z0p | % | aop | %% | aop | % | ep | 0% | op | % aop | %o 10p | %o ı9p %/o 10p %o | ap %o 10p mung |) 'zuy A | zuy 'zuy "zuY | "zuy 'zuy | "zZuy | zuy | zuy zuvy ———— J = = . —— ———— ._ - En - zn — — nn < — ee ez uuülülul nen N — Sinnen men nn nam mine = eg 19u192 & ypung & epma: #773 28 spun] u= 1 i Zu 5 27T :[PQAATLIOBS HIP UM USSO]TOKAZ [RSIOAT 5 ATLaqdeLL, 124 Saerum ein dorsaler Spalt bestand oder nicht, und wie weit sich dieser erstreckte. Das dorsale Geschlos- sensein des ersten Sacral- wirbels ist, wie Tabelle 4 zeigt, durchaus die Regel und zwar ist dieser Zustand bei Frauen mit 86,2%, noch ein wenig häufiger als bei Männern, wo er 82,9°/, aller Fälle umfaßt. Inallen übri- gen Fällen, also in 17,10%, bei Männern und 13,8°/, bei Frauen, war der erste Sacral- wirbel dorsal gespalten, wobei sich das dorsale Offen- bleiben des proximalen Tei- les des Sacralkanales meist auf diesen Wirbel be- schränkte (12,3%, bei Män- nern und 12,1°/, bei Frauen), ganz selten aufden 2. Sacral- wirbel übergriff, um dann Halt zu machen (0,9°/,, nur bei Männern), häufiger aber mit dem Hiatus sacralis zu- sammenfloß, so daß dann der Sacralkanal der ganzen Länge nach dorsal offen war (3,4°%/, bei Männern und 1,7%/, bei Frauen). Wenden wir uns jetzt zu Tabelle 3, so ist aus ihr zu ersehen, daß innerhalb der Gruppe von Kreuz- beinen, bei denen der erste Sacralwirbel dorsalgeschlos- sen ist, der Hiatus sacralis am häufigsten durch den H. Adolph Tabelle 5. = due | SE ae 3 © Sy „ee u z: == sj.2 | Wer E I alassgjemı ı Se SmezpeIBen = m =... ol We || — Nyu@ Rewe: | ®» 3338| 3 II 1... ı DTm re ae ai SH ee Era Sen “ = 0. ae Er e- ES I a Eee ee au, A 5 498 = IE = un VA &. ya nen o = | ° EEE > = 7] : || 38 5, |) co) Zeuge = I473 r : (zer, En = See ES e an a wi, Sat Suals in a Ss laze = er Ae Er) SS Be “u S A re a > er) 2: een NS Be In oe Se; Ba: > (2 ee ee nie ur S S mc N N I mais oro a a << | 9 | De} |. | nee a | 7 vl | N er, ass | US Zr ee) ! | Y nm a e) . (oa 1 ST. ll 2 OBSE ee | a a | mellsseHte “ra ‘98 Fan BJ ER DE © ® ee - = = BE Se = = == Er Br a HE = S® 2 "BiNekige a3 Se = an Über den Bau des menschlichen Kreuzbeines usw. 125 4. Sacralwirbel oben geschlossen wird. Es folgen mit abnehmender Häufigkeit Abschluß durch den dritten, fünften und zweiten Sacral- wirbel. Innerhalb der Gruppe von Kreuzbeinen, bei denen der erste Sacralwirbel dorsal offen bleibt, ist ein ähnliches Verhalten des Hiatus zu beobachten. Tabelle 5 gibt eine vergleichende Zusammenstellung über den dorsalen Schluß derjenigen fünf- und sechswirbligen Kreuzbeine, denen sich kein Übergangswirbel anschloß, und mit denen sich kein Steißbeinwirbel synostotisch verband. Man sieht, beim Vorhandensein von 6 Sacralwirbeln ist der Sa- eralkanal ein wenig mehr dorsal geschlossen als bei 5 Sacralwirbeln, nicht aber im Durchschnitt um einen Wirbel mehr. Auch der etwas stärkere dorsale Schluß der weiblichen Kreuzbeine ist zu bemerken. Auf Grund der, in Tabelle 5 gegebenen Daten läßt sich auch folgende Berechnung aufstellen. Bei den 114 männlichen 5wirb- ligen Kreuzbeinen gab es in Summa 570 Wirbel, von denen 367 dorsal geschlossen waren. Somit waren durchschnittlich 3,2 Wirbel am Kreuzbeine dorsal geschlossen und in Summa 64,40/, aller Sacral- wirbel. Bei den 33 weiblichen 5 wirbligen Kreuzbeinen gab es in Summa 165 Wirbel, von denen 112 dorsal geschlossen waren. Somit waren an diesen Kreuzbeinen im Durchschnitt je 3,4 Wirbel dorsal ge- schlossen und in Summa 67,9°/, aller Saeralwirbel. Bei den 47 männlichen, 6 wirbligen Kreuzbeinen gab es in Summa 282 Wirbel, von denen 187 dorsal geschlossen waren. So- mit waren an diesen Kreuzbeinen im Durchschnitt je 4,0 Wirbel dorsal geschlossen und in Summa 66,3°/, aller Sacralwirbel. Bei den 9 weiblichen, 6wirbligen Kreuzbeinen gab es in Summa 54 Wirbel, von denen 37 dorsal geschlossen waren. Somit waren an diesen Kreuzbeinen im Durchschnitt je 4,1 Wirbel dorsal geschlossen und in Summa 68,50), aller Saeralwirbel. Im allgemeinen läßt sich also sagen, hier in Dorpat seien 2; aller Sacralwirbel dorsal geschlossen. 40 Sep. Berichtigung zur 1. Mitteilung über »Anatomische Studien an der japanischen Lippenschildkröte«, Von K. Ogushi (aus Japan.) Beim Durchlesen meiner in dieser Zeitschrift (Bd. XLIII Heft 1/2) erschienenen Abhandlung fand ich, daß sich leider ein großer Lapsus ealami eingeschlichen hat. Er betrifft die Begründung meiner Auffassung der chondrogenen Clavieula und ihre Ableitung vom Procoracoid der Ürodelen. Es handelt sich um den Satz, der auf Seite 79, Zeile 9 von unten beginnt; statt dessen sollte es dort heißen: »Auch entwickelungsgeschichtlich läßt sich nachweisen, daß die Anlage des Lig. coraco-elavieulare nicht kontinuierlich in die Knorpel- substanz des Schultergürtels übergeht, sondern deutlich als beson- dere Bindegewebsschicht abgegrenzt erscheint. Überdies ist es sehr bemerkenswert, daß durch jenes Fenster, das von dem Lig. coraco- claviculare sowie den beiden ventralen Fortsätzen des Schulter- gürtels allseitig umschlossen wird, außer einem Nervenast (N. supra- coracoideus nach FÜRBRINGER) zwei starke Muskelbäuche hindurch- treten. Am Urodelen-Schultergürtel dagegen findet sich an der Wurzel des Procoracoids nur ein winziges, allein zum Durchlaß des N. supracoracoideus bestimmtes Loch, das Foramen supracoracoideum. Ob die beiden Löcher einander homolog sind, kann meines Er- achtens auf anatomischem Wege allein nicht sicher entschieden werden. Wenn man jedoch das Verhalten des Schultergürtels der Lacertilien, dessen Coraeoid durch viele Löcher durchbrochen ist, damit ver- gleicht, so ergibt sich ohne weiteres, daß das ventrale Fenster des Schultergürtels von T7rionyx nicht in vollem Umfange, sondern nur teilweise mit dem der Amphibien homologisiert werden kann. Somit möchte ich jenes Fenster als Foramen coraco-clavieulare be- zeichnen, um es von dem Foramen supracoracoideum der Amphibien zu unterscheiden. « Gesichtsmuskulatur und Nervus facialis der Gattung Hylobates. Von Georg Ruge. Mit 12 Figuren im Text. Als Unterlage zu dieser Abhandlung dienen die Befunde an zwei Exemplaren von Hylobates leuceiscus und an einem HA. syndac- tylus. Das Material ist nicht groß; es rechtfertigt aber die folgen- den Erörterungen, da wichtige Vergleichsobjekte vorliegen, und die Ergebnisse der vergleichenden Behandlung nicht ohne Bedeutung sind. Die Verhältnisse an dem jüngeren Leweiscus sind bereits früher von mir verwertet worden; sie werden hier in ein helleres Licht gestellt. Die Beobachtungen am älteren Zeuecrscus und am Syndactylus sind vor längerer Zeit von mir aufgenommen worden. Die Gesichtsmuskulatur gliedert sich bei Hylobates wie bei anderen Primaten in eine oberflächliche Platysma- und in eine tiefe Sphineter-Gruppe. Ein Zusammenhang zwischen beiden Gruppen ist auch nicht andeutungsweise mehr bei Hylobates erhalten geblieben. Dennoch lassen sich Zustände in der Verästelung des Nervus faecialis mit einiger Wahrscheinlichkeit auf diesen bei den Säugetieren früh verloren gegangenen Verband beziehen. Beide Muskelgruppen lassen sich naturgemäß durch die Lage zu verschiedenen Teilen des Kopfes in verschiedene Gebiete einteilen. A. Platysma-Gruppe. l. Platysma myoides. 1. Ausbreitung des Platysma über Hals, Brust und Nacken. Syndactylus. Die beiderseitigen Muskeln bleiben vom Kinn an getrennt voneinander. Die Trennung wird in der unteren Halsgegend Morpholog. Jahrbuch. 44. 9 130 Georg Ruge sehr erheblich, indem der scharfe Vorderrand eines jeden Muskels die Richtung gegen die Schulter einschlägt. So bleibt ein breites, vorderes Feld am Halse unbedeckt; es ist dreieckig, die Spitze kinnwärts, die Basis gegen Brustbein und Schlüsselbeine gewendet. Die aus dem Gesicht zum Hals ziehende Platte ist anfangs geschlossen. Obere Bün- del kommen aus der Parotis- und Wangengegend, ziehen quer nach hinten zur Ohrmuschel. Die von den Lippen ausgehenden Bündel ge- langen unter dem Ohre zum Nacken. Sie bleiben vom Hinterhaupte nicht weit entfernt, gelangen unter die Ursprungsteile des Oceipitalis, ohne die Nackenmittellinie zu erreichen. Abwärts sieht man die Platte in viele, anfangs gröbere, nach unten feinere Bündel aufgelöst. Sie hängen mit der oberflächlichen Nackenbinde zusammen und er- langen nur durch sie die Beziehung zur Mittellinie. Nach vorn schließen sich zur Schulter und zum Acromion ausstrahlende Bündel an. Leueiscus. An den oberen Grenzbündeln und am Nacken treten Verschiedenheiten an beiden Exemplaren auf. a. Figur 2. Die von Unterlippe und Mundwinkel auf den Hals ausgedehnte Platte ist 4cm unterhalb des Kinnes, etwa vor dem Zungenbeine, mit der gegenseitigen verwachsen, ohne eine Kreuzung der Bündel zu zeigen. Die Verschmelzung setzt sich eine Strecke weit gegen das Brustbein hin fort. Oberhalb des Kinnhöckers durch- kreuzen sich die medialen Fasern beider Unterlippenteile und stellen einen derben Strang dar. Die vorderen Halsbündel endigen in der Höhe des oberen Schlüsselbeinrandes, lateralwärts bis zur Schulter- höhe ausgedehnt. Die aufwärts angeschlossenen Nackenfasern gehen in die derbe Nackenbinde über, mittels welcher sie bis zur Mittel- linie reichen. Die scharfe Grenzlinie zwischen Muskel und Faseie ist anfangs steil aufwärts und dann nach vorn und aufwärts ge- wendet. Ein oberes Bündel, zur Fascie ziehend, ist abgespalten. An dasselbe schließt sich eine breitere, bis 1,5 cm messende Bündel- lage an, welche, von der Unterlippe her verfolgbar, bis zur Mittel- linie gelangt. Querer gerichtet bleibt sie etwa 1,5cm vom Hinter- haupt entfernt. Sie ist vom Oeceipitalis und Auricularis posterior völlig abgespalten. Eine obere Randbündelmasse leitet sich vom Mundwinkel und von der Wange her; sie zieht quer unter der Ohr- muschel rückwärts und geht noch unterhalb von ihr in die Fascie _ über. Sie hat die bei Syndactylus bestehende Beziehung zur dorsalen Mittellinie und zum Oceipitalis eingebüßt. b. Figur 1. Das Platysma reicht, angeschlossen an das ander- seitige, über das Schlüsselbein herab und endigt in der oberen Gesichtsmuskulatur und Nervus faeialis der Gattung Hylobates. 131 Brustgegend. Zwischen Kinn und Zungenbein durehkreuzen sich die Fasern beider Muskeln. Wenige Bündel ‚gelangen über Aeromion zur Schulter herab. Zur Mittellinie des Nackens dehnen sich nur unterhalb des Hinterhauptes wenige Stränge aus. Eine derbe Faseie nimmt die übrigen Nackenteile auf. Die Abgliederung vom Oceipi- talis und Aurieularis posterior ist wie beim anderen Tiere vollzogen. Unter der Ohrmuschel werden einige Fasern angetroffen, welche vorn und hinten den Anschluß an die ursprünglichen Anheftungs- stellen verloren haben. Sie sind völlig von diesen abgesprengt und entsprechen den beim anderen Exemplar zur Wange verfolgbaren und unter dem Öhre frei auslaufenden Elementen. Bei Beurteilung der Befunde auf deren Ursprünglichkeit ist ein Angriffspunkt die Beziehung des Platysma zum Oceipitalis. Syndacty- lus bietet diesbezüglich das indifferenteste Verhalten dar, während bei Leuciscus eine völlige Sonderung beider Gebiete aufgetreten ist. Hiermit hängt die Umbildung der vom Gesicht bis zur Nacken- mittellinie durchlaufenden Platysmabündel zusammen. Sie sind bei Syndactylus in ursprünglicher Art erhalten, bei Leueiscus der Figur 2 am Nacken, bei Leweiscus der Figur 1 am Gesicht und am Nacken unterbrochen. Leweiscus bietet durch diese Rückbildungen den fort- geschritteneren Zustand dar. In der Ausdehnung des Muskels in aboraler Riehtung stehen die drei Tiere etwa auf gleicher Stufe; sie unterscheiden sich aber voneinander durch die Ausdehnung beider Muskeln gegen die ventrale Mittellinie. Syndactylus zeigt deren weite Trennung in der unteren Halsgegend und verhält sich hierin wie viele Halbaffen. Bei Leueiseus ist ein engerer Anschluß beider Muskeln median er- folgt. 2. Ohrmuschelbündel des Platysma (Platysma-auricularis s. Auriculo-labialis inferior). Syndactylus, Figur 3. Die aus Wange und Parotis-Gegend nach hinten verlaufenden, zarten Faserbündel gelangen zur Ohrmuschel und heften sich unterhalb der Ineisura intertragica in größerer Ausdehnung fest. Hier ist der bei Halbaffen .(Lichanotes, Lepilemur, Propithecus) vom Mundwinkel aus zum Ohre gelangende Abschnitt des Platysma zur Wange ausgedehnt, ähnlich wie es von Chiromys bekannt ge- worden ist. Damit hat der Platysma-Auricularis bei Syndactylus 9* 132 Georg Ruge die Urform aufgegeben; aber seine Anwesenheit allein ist be- deutsam dadurch, daß sie eine neue Anknüpfung von Hylobates an Formen zeigt, welche wie bei Halbaffen den Platysma-Aurieularis in einfachster Anordnung besitzen. Wollte man dies nicht anerkennen Fig. 1. Aurie. superior prim. Auric. ant.-sup. Oceipitalis Depr. supereilii h TEEN NE N Oberflächliche Muskulatur: Platysma-Gruppe und Orbicularis-Triangularis von Hylobates leuciscus (jung). Rechte Seite. !/ı. und den Muskel bei Syndactyluıs als eine neue Bildung ausgeben, so wäre darauf hinzuweisen, daß Syndactylus auch im Besitz eines primitiven Depressor helieis sich befindet, welcher ebenfalls den An- schluß von Syndactylus an Formen mit dem Bauplane der Halbaffen Gesichtsmuskulatur und Nervus facialis der Gattung Hylobates. 133 bekundet. Die Lippenbündel, angeschlossen an die der Ohrmuschel, gelangen gestreckten Verlaufes zum Nacken. Leueiseus, Figur 2. Das Platysma schiekt keine Elemente zum Ohre. Es liegt aber ein selbständiger Muskel vor, welcher am oberen Fig. 2. Frontalis Auricularis superior = Oceipitalis Depressor supercilüi = ns Lev. labit et nasi Max.-lab. Oberflächliche Muskulatur: Platysma-Gruppe, Triangularis labii inferioris und Maxillo-labialis von Hylobates leueiscus (alt). Linke Seite. 3/4. Rande des Platysma, am Nacken-Gesichtsteile, als 1,3 em breite Platte beginnt, vordere Bündel zur Ineisura intertragica, hintere zur Spina anthelieis und zum Antitragieus entsendet. Der Anschluß der vorderen und hinteren Bündel an den Antitragieus ist ein sehr unmittelbarer. 134 Georg Ruge Dieser selbständige Muskel ist zweideutig. Er kann vom Pla- tysma oder von einer Anheftung des Sphincter colli am Ohrläppchen hergeleitet werden. In letzterem Falle wäre er der am Ohr zur Oberfläche tretende Abschnitt eines tiefen Sphincter colli, wie er in Resten durch H. BLuntscHL1! bei verschiedenen Affen aufgefunden worden ist. Am Objekt der Figur 1 sind alle Andeutungen eines Platysma-Aurieularis vermißt worden. Hier liegen die differen- testen Zustände vor, welche durch Rückbildungen zustande ge- kommen sind. Hylobates weist demnach Befunde auf, welche einerseits auf den Bau niederster Primatenformen zurückweisen, andererseits auf der Stufe der höheren sich befinden. 3. Ausstrahlungen des Platysma in die Lippen, zur Wange und Masseter-Parotis-Gegend. Leuciseus, Figur 1. Obere Bündel des Platysma schließen lateral vom Mundwinkel an untere des Zygomatieus an. Gegen den Mund- winkel zu überkreuzt der Zygomaticus das Platysma, indem er zur Unterlippe verstreicht. Das Platysma, bedeckt vom Triangularis, gelangt zu Unterlippe und Kinn. Der Befund ist ein ursprünglicher: Platysma und Zygomaticus schließen noch aneinander, obschon eine angulare Überkreuzung sich eingeleitet hat. Leuceiscus, Figur 2. Die vom Kinn aus bis zum Mundwinkel und zur Lippe ziehenden, parallelen Bündel sind auch hier vom Triangu- laris bedeckt. Angulare Fasern bleiben an oberflächliche Lagen des Zygomatieus in primitiver Weise angeschlossen. Aufwärts von ihnen hat sich eine 0,5em Bündellage über den Zygomatieus aus- gebreitet; sie läuft gegen die seitlichen Teile des Orbieularis oculi aus, stellt bereits eine Wangenportion dar, welche am vorhergehen- den Falle noch vermißt wird. Syndactylus, Figuren 3, 10. Kinn- und Lippenbündel sind vom kräftigen Triangularis bedeckt. Nur ein schmaler Streifen des Platysma zieht oberflächlich über diesen hin und endigt unterhalb des Mundwinkels. Die angularen Elemente gaben den engeren Ver- band mit dem Zygomaticus auf, indem sie ihn überkreuzten und zur 1 Beiträge zur Kenntnis der Variation beim Menschen. Morphologisches Jahrbuch, 40. Band, Heft 2. 1909. Gesichtsmuskulatur und Nervus faecialis der Gattung Hylobates. 135 Oberlippe Beziehung gewannen. An ihr drangen einige Fasern s0- gar in die Tiefe und lehnten sich dem oberen Rande des Caninus- Triangularis an. Die Stammesgeschichte lehrt, daß dieser Zusammen- hang ein erworbener ist. Verfolgt man diese tiefen Fasern rück wärts, so gehen sie in die Nackenfasern über. Der Zygomaticus hat Fig. 3. Frontalis Orbicularis oculi Auricularis superior Depr. supercilii Depr. supercilii | Deeipitalis E Triangularis Oberflächliche Muskulatur : Platysma-Gruppe. Von der tiefen Sphineter-Gruppe dringen der Maxillo- labialis und der Triangularis zur Oberfläche. Hylobates syndactylus. \/ı. Platysma und Oeceipitalis sind mit ihren Nackenabschnitten nicht vollständig dargestellt worden. gleichfalls tiefe Ansätze an der Oberlippe erworben, was eine größere Umgestaltung bedeutet. Aufwärts von den Lippenfasern findet sich eine breite Platysma- lage, welche auf dem Zygomatieus ausläuft, und ihr ist eine solche angeschlossen, welche vor dem Ohr auf dem Jochbogen entsteht. 136 Georg Ruge Diese Wangen- und Parotisschichte ist durch Wandern vom Mund- winkel aus entstanden; sie heftet sich als Platysma-Aurieularis an der Ohrmuschel fest (siehe oben). Sie entspricht dem bei Halb- affen vom Mundwinkel zum Ohr gelangenden Platysmateile. Syndactylus schließt durch diese Verhältnisse an höhere Formen an, während Zeueciscus das Urtümliche der Platysma-Anordnung mehr oder weniger streng bewahrt. Die Unterschiede sind bei den drei Exemplaren recht erhebliche; sie beleuchten die lebhaften Um- formungen auch im Seitengebiete des Mundwinkels. Dabei weist der primitive Anschluß von Platysma und Zygomatieus, wie er auf Figur 1 besteht, bis auf Formen zurück, welche nieht weit von den untersuchten Halbaffen sich entfernen. Bei ihnen ist allerdings noch ein sehr viel einfacheres Verhalten an der Tagesordnung, indem beide Muskeln bis zum Mundwinkel eine Schichte bilden. 4. Überkreuzungen beider Muskeln in der ventralen Mittellinie. a. Kreuzungen am Halse. Alle Durchflechtungen von Fasern beider Muskeln in der Mittel- linie sind, wie die primitiven Befunde bei Halbaffen es unzweifelhaft machen, neu erworben. Sie werden bei Syndactylus vollkommen vermißt. Die weite Entfernung beider Muskeln voneinander stellt einen ganz niederen Zustand dar. ZLDeweiscus der Figur 2 läßt wohl einen medianen Anschluß des einen Platysma an das andere er- kennen; aber ein Übertritt in fremdes Gebiet erfolgt nicht. Das andere Objekt (Figur 1) hat einen Neuerwerb aufzuweisen. Die Muskeln berühren einander median. Dicht oberhalb des Brust- beines weichen sie in ursprünglicher Weise auseinander. Zwischen Kinn und Zungenbein durchkreuzen sich die Platysmabündel, wobei linksseitige von rechtsseitigen bedeekt werden. Nach der Kreuzung strahlen die Fasern in das Gesicht ein. Größte Ursprüngliehkeit der Trennung (Syndacetylus) neben neu- erworbener Durchflechtung in oberen Gebieten (Lewueiscus) sind Merk- zeichen für die Gattung Hylobates. b. Überkrenzungen am Kinn. Sie sind bei Leueiscus der Figur 2 wahrgenommen worden; sie liegen oberhalb des Kinnhöckers und lassen eine derbe, verfilzte Muskelplatte hervorgehen. Erste Andeutungen von Durchfleehtungen werden sich wohl meistens nachweisen lassen, worüber Schnitt- Gesichtsmuskulatur und Nervus facialis der Gattung Hylobates. 137 präparate bessere Auskunft erteilen werden. Jedenfalls wechselt auch hier das Einfachere mit dem Höheren ab. 5. Oberflächlich das Platysma deckende Bündellagen. Sie werden bei allen drei Objekten vermißt. Hierin besteht Übereinstimmung mit Halbaffen und den regelmäßigen Befunden bei Affen und beim Menschen, so daß das sporadische Auftreten bei Affen und beim Menschen nicht auf die hier vorliegenden primi- tiven, negativen Befunde bezogen werden kann. Treten sie auf, so wird man an Neubildungen jedenfalls denken müssen. Andere Deutungen werden leicht äußerst gewagter Art werden können. Il. Muskeln hinter dem Gehörgange = Retroaurikuläre Gruppe. Die Gruppe setzt sich zusammen aus einem Oceipitalis, Aurieularis posterior — Retrahens aurieulae und dem M. auriculae proprius posterior. Sie haben bei allen drei Exemplaren Selbständigkeit erworben, tragen aber in verschiedenem Maße den Verband untereinander so- wie mit der Nackenportion des Platysma noch zur Schau. 1. Oceipitalis. Er hat die Ohrmuschelbündel eingebüßt und ist aus einem oecei- pito-aurikularen zu einem reinen oceipitalen Gebilde geworden. Syndactylus, Figuren 3, 4. Die Beziehungen zum Platysma sind erhalten, aber abgeändert, indem der Oceipitalis durch weit am Nacken herabreichende Ursprünge Überlagerungen mit Platysma- bündeln eingegangen ist. Der Ursprung nimmt die mediane Pro- tuberantia oceipitalis externa, die mediane Nackenlinie in einer Aus- dehnung von etwa 2,5 cm und mit lateralen Fasern die Nackenfascie in Anspruch. Er entfernt sich unten 1,7cm von der Mittellinie. Die Muskelplatte spaltet sich in eine tiefe und eine oberflächliche Schichte. Tiefe Schiehte. Sie entsteht am Hinterhaupte, ist anfangs mit der oberflächlichen gleichgeschichtet, dringt dann unter sie ein, um in einen starken, quer nach vorn ziehenden, selbständig werdenden Strang und in ein aufwärts strebendes Bündel sich zu spalten. Letzteres verschmilzt allmählich mit der oberflächlichen Schichte. Öberflächliche Schiehte. Ihr Ursprung liegt am Nacken. Als 138 Georg Ruge breites Band mit auseinanderweichenden Bündeln bedeckt es seit- lich das Hinterhaupt und endigt über und etwas vor der Ohrmuschel, wo eine lebhafte Durchflechtung mit hinteren Bündeln des Auricu- laris superior vorliegt. Außerdem besteht ein Zusammenhang mit demjenigen Teile der Schädelfaseie, welcher von vorn den Frontalis aufnimmt und einen Teil der sogenannten Galea aponeurotica des Menschen abgibt. Die oberflächliche Schichte bildet einen selbstän- digen Oceipitalis, dessen Platte weit von der Mittellinie entfernt bleibt, aber mit ihr durch eine derbe Fascie verbunden ist. Die tiefe Schichte ist eigenartig und mehrdeutig. Da deren Querbündel die Richtung gegen die Ohrmuschel einschlägt, ist es möglich, daß sie Beziehungen zu ihr besessen haben. In diesem Falle kann es sich um ein Überbleibsel eines tiefen Auricularis posterior handeln, der nach Aufgabe der aurikularen Anheftung, z. T. abgelenkt, dem Oeceipitalis sich anfügte. Diese Meinung’ läßt sich stützen durch die Befunde bei Halbaffen, Hapale und Cyno- cephalus, wo der Auricularis posterior ebenfalls aus tiefen Lagen eines Auriculo-oceipitalis hervorgeht. Bei CUynocephalus steht der Auricularis posterior mit einem tiefen Oceipitalis im Ursprung. so- gar im engeren Zusammenhange. Trifft diese Deutung zu, so ist der Befund von Syndactylus auf den Bau von niederen Primaten zurückzuführen, wie ihn Halbaffen (Chiromys, Propithecus), Hapale und Cynocephalus bewahrt haben. Die dadurch belangreiche Frage wird durch erweiterte Nachforschungen bei Syndactylus zu lösen sein. Leueiscus, Figur 2. Der Muskel entspringt an der oberen Nackenlinie und mittels einer Sehnenplatte von der Protuberantia externa des Hinterhauptbeines; er erstreckt sich 2 em auf den Nacken herab und findet hier den Anschluß an obere Platysma-Bündel. Die hervorgehende breite Muskelplatte ist einschichtig, lagert und endigt ähnlich wie der oberflächliche Oeceipitalis von Syndactylus. Die Platte ist aber lateral unterbrochen, indem die untersten Nacken- fasern emportretend an der oberen Nackenlinie des Hinterhaupt- beines gerade hinter dem Aurieularis posterior eine feste Anlagerung erfahren, um erst weiter aufwärts wieder als laterale Fleischteile des Oceipitalis aufzutreten. Diese Einschmelzung ist bedeutsam, weil sie eine Rückbildung der Nackenelemente bedeutet und einen Teil des Oceipitalis-Ursprunges auf das Hinterhaupt verlegt, und der folgende Befund dadurch eine Vermittelung erfährt. Leueiscus, Figur 1. Der Muskel entspringt an der Protube- rantia externa und, weit lateral ausgedehnt, an der oberen Nacken- Gesichtsmuskulatur und Nervus faeialis der Gattung Hylobates. 139 linie. Der Seitenrand bleibt 2 cm von der Ohrmuschel entfernt. Eine derbe Fascie geht aus dem muskulösen Ursprungsteile hervor, breitet sich nackenwärts bis zur Medianlinie aus und nimmt die Stelle des nuchalen Oceipitalis-Ursprunges der beiden anderen Exem- Fig. 4. SPabkı Jane Sage: e VERERLEIE DLS THU ee ylzkan, TR a EL E ER, Ausbreitung des Platysma am Nacken, in der Schulter- und vorderen Halsgegend und des Muse. oceipitalis über Nacken und Hinterhaupt. Letzterer besitzt eine tiefe Portion, welche gegen das Ohr und den Scheitel ausstrahlt. Der Auricularis posterior, ein einheitliches Band, ist selbständig und entspringt lateral vom Oceipitalis. Der Auricularis proprius posterior bedeckt die hintere Ohr- muschelfläche mit queren und steilen Faserbündeln, welche ununterbrochen zur Eminentia helieis fortgesetzt sind. Unter die unteren Randbündel schiebt sich der Antitragieus empor. Hylobates syndactylus. }ı. plare ein. Die Fascie ist ein rückgebildeter Muskelabschnitt. Die breite Platte bleibt der Mittellinie mehr genähert als bei den vorigen Tieren, dehnt sich aber weniger weit über das Hinterhaupt aus. Syndactylus bewahrte am ÖOceipitalis durch die Nackenursprünge und deren nähere Beziehungen zum Platysma sowie durch die tiefe 140 Georg Ruge Schiehte, welche sehr wahrscheinlich mit der Ohrmuschel in Ver- bindung gestanden hatte, das urtümlichste Verhalten. Er führt dadurch verwandtschaftlich bis auf Formen zurück, die uns in Halb- affen erhalten sind. Zapale und Uynocephalus tragen gleiche Merk- male. Leuciscus der Fig. 1 hat diese primitiven Kennzeichen ein- gebüßt; er stimmt am Oceipitalis mit den höheren Primaten überein. Leueiscus der Fig. 2 vermittelt zwischen Syndactylus und dem vorigen. Solange nur der eine Befund von Leueiscus (Fig. 1) be- kannt war, konnte an der schon früher gegebenen Deutung noch gezweifelt werden. Das ist nun etwas durch die neuen Befunde erschwert, ja wohl unstatthaft geworden. Mögen neue Tatsachen weitere Aufklärung bringen. 2. Auricularis posterior. Der bei niederen Formen der Primaten (Halbaffen, Hapale, Cynocephalus) median entstehende und im Ursprung vom Oeei- pitalis häufig bedeekte, daher tief gelegene Muskel ist bei Hylobates lateralwärts weit verlagert. Er entspringt bei allen Tieren an der oberen Nackenlinie nach außen vom Oceipitalis oder in der Nähe dessen lateraler Bündel. Der Ursprung ist bei Syndactylus 2,5 cm von der Mittellinie und 2em von der Ohrmuschel entfernt; er ist vom Oceipitalis ganz abgetrennt. Die Ursprungsfläche dehnt sich bei Leuciseus der Fig. 2 0,9cm aus und schließt lateral an das laterale Nackenbündel des Oceipitalis an, welches durch Festheftung an der oberen Nackenlinie eine Unterbrechung erfuhr. Der Ursprung entfernt sich von der Mittellinie 2,7em. Leueciscus der Fig. 1 zeigt einen zweibündeligen Muskel. Ein breites Bündel entspringt ab- wärts vom Seitenteile des Oeeipitalis; ein zartes ist der Ohrmuschel näher gerückt. Die Entfernung von der Mittellinie ist größer ge- worden. Der Muskel zieht als geschlossener Strang bei Syndactylus zur Eminentia conchae, bei Lexeiscus der Fig. 1 als dreieckige Platte mit ohrwärts gerichteter Spitze zu gleicher Stelle. Bei Zeueiscus der Fig. 2 weichen die Bündel ohrwärts auseinander, wobei ein unteres Bündel, ohne die Ohrmuschel zu erreichen, in deren Nähe frei ausläuft. Das frei auslaufende Bündel kann eine verschiedene Deutung erfahren. Entweder ist es ein abgesprengtes Auricularis-Element, oder es gehört dem Platysma zu. In letzterer Eigenschaft hätte es sich aus der Zeit des Zusammenhanges beider Muskeln erhalten. Gesichtsmuskulatur und Nervus faeialis der Gattung Hylobates. 141 x Hylobates reiht sich durch das Verhalten des Auricularis poste- rior eng an die Anthropomorphen und den Menschen an. Als bemerkenswertes Zeugnis für einen ursprünglichen medianen Ursprung des Muskels hat sich bei Leueiscus der Fig. 1 ein parallel- faseriger Sehnenstrang nachweisen lassen, welcher von der Protube- rantia oceipitalis externa aus bis zum muskulösen Ursprung des Auricularis posterior über die obere Nackenlinie sich ausbreitet. Er ist von der nuchalen Sehnenplatte des Oceipitalis bedeckt, erst nach deren Entfernung bemerkbar geworden. Dieser Sehnenstrang gehört nach Lage zum Oeceipitalis und nach Ausdehnung zum Auricularis posterior, ist nur abgetrennt von ihm und sehnig umgewandelt. Er bezeugt, daß Hylobates von Formen sich herleitet, bei denen der Muskel geschlossen von der Mittellinie aus bis zum Ohr gelangt und vom Oceipitalis teilweise überlagert gewesen ist. Solche Zu- stände finden sich aber bei Halbaffen und niederen Affen. So lassen sich auf Schritt und Tritt Beweise beibringen, daß die Muskulatur von Hylobates von derjenigen niederer Formen sich ableiten läßt. In der speziellen Sicherstellung dieser modernen allgemeinen Vor- stellung liegt der Gewinn. An gleicher Stelle wie bei ZLeueiseus werden beim Menschen Sehnen- oder Muskelfasern angetroffen. Sie variieren in sehr er- heblicher Weise und werden als Transversus nuchae bezeichnet. Dieses Gebilde gehört hier zum Auricularis posterior und unter- scheidet sich sehr wesentlich von denjenigen Muskelchen, welche als ab- gespaltene Teile des Nacken-Platysma sicher bestimmt werden können. Mit einem Occipitalis haben die beiden Arten eines Trans- versus nuchae nichts zu tun. 3. Muskel der hinteren Ohrmuschelfläche = Musculus auriculae proprius posterior. Er ist der auf die Ohrmuschel ausgedehnte, allmählich abge- sprengte und dann eigen entwiekelte Abschnitt einer Muskelplatte, dessen medialer Abschnitt der Auricularis posterior ist. Die Tren- nung in beide Abschnitte wird begünstigt durch die Ausbildung der Ohrmuschel zum flachen, unbeweglicheren Gebilde; denn die Ab- kniekung beider Muskelteile hat sich auf diese Weise sehr erheblich gesteigert gegenüber denjenigen Zuständen, in welchen die Ohr- muschel vom Kopfe seitwärts absteht. Der Übergang der Ansatz- fasern des Auricularis posterior in den Aurieularis proprius posterior ist bei Syndactylus bemerkbar geblieben (Fig. 4), ist bei Leueiscus 142 | Georg Ruge unmerklich geworden. Bündel-des letzteren Muskels liegen aber noch in unmittelbarer Fortsetzung derjenigen des ersteren. Der Muskel breitet sich bei Syndactylus (Fig. 4), ähnlich wie bei Leu- . ciscus, über die ganze hintere Fläche aus; er geht von der Emi- nentia eonchae aus, überbrückt die Fossa anthelieis und heftet sich an der Eminentia scaphae fest. Abwärts ist er scharf berandet. Die Randbündel suchen die Cauda helicis auf. Quer gestellt, schließen sich ihner gleich gerichtete aufwärts an, welche allmäh- lich in schräge und schließlich in steile Bündellagen übergehen. Letztere strahlen weit abwärts über die Eminentia conchae aus. In der Muskelplatte treten, namentlich in der Mitte, sehnige Unter- brechungen auf, von unregelmäßiger Art, so daß immer wieder ein- heitliche Muskelzüge hervortreten. Der Tatbestand gleicht einerseits dem bei Hapale, Cebus, Inwus und Cynocephalus, während er bei Macacus vielgestaltiger ist; er ähnelt andererseits dem Verhalten bei Anthropomorphen und beim Menschen. Die größere Eintönigkeit im Bau des Muskels hängt mit der Rückbildung der Ohrmuschel zusammen. Hylobates gliedert sich bezüglich des Muskels, ohne Andeutung einer bestimmten Rangstellung, in die Primatengruppe ein. Alle müssen von Formen abgeleitet werden, bei welchen wie bei den Halbaffen der Zusammenhang von Auricularis posterior und Muse. aurieular. proprius posterior noch ein augenfälliger ist (Ohrromys). Auch dieses Muskelgebiet gewährt der Gattung HAylobates keine Eigenstellung. Ill. Platysma-Abkömmlinge unterhalb der Mundspalte. Zu ihnen gehören der Quadratus labii inferioris und der Mentalis. 1. Quadratus labii inferioris. Er ist die ursprünglich nur unmittelbare Fortsetzung des Pla- tysma über den Kieferrand zur Unterlippe, wo er bis zur Haut der frei beweglichen Lippe bis zur Mundspalte hinauf gelangt. Der Muskel gehört daher anfänglich zu den in das Gesicht ausstrahlen- den Teilen des Platysma (s. I. 3). Erst mit der Festheftung tiefer Bündellagen am Kieferrande tritt die Abgliederung eines nahezu viereckigen Lippenmuskels vom Halsplatysma ein. Die Einheitlich- keit beider kann durch ausgedehntere Kieferansätze weiter und weiter aufgehoben werden, ohne jedoch irgendwo ganz zu ver- schwinden. Selbst beim Menschen gehen Bündel des Platysma Gesichtsmuskulatur und Nervus facialis der Gattung Hylobates. 143 seitlich regelrecht in den Lippenmuskel noch über. Letzterer er- wirbt daher nie vollständige Selbständigkeit. Bei Aylobates bleibt der ursprüngliche Zustand erhalten. Bei Syndaetylus und Leweiseus der Fig. 2 geht das Platysma, in Kinn und Lippe gleichmäßig über. Die Einstrahlungen in die Haut erfolgen oberhalb des Triangularis bis zur Lippenspalte. Tiefere Fasern nähern sich mehr und mehr der letzteren. Am Kinn überkreuzen sich die Fasermassen bei Leueiscus (s. L. 3. b). Leueiscus, Fig. 2. Tiefe Schichten des gemeinsamen Hals- Lippen-Platysma sind am Kinn-Kieferrande in einer Ausdehnung von 1,3 cm festgeheftet. Obere Fasern werden zu ersten Bausteinen eines Quadratus labii. Alle oberflächlichen Lagen verhalten sich wie bei den anderen Objekten. Hylobates knüpft einerseits an die primitivsten Zustände an, wie sie sich bei Halbaffen und niederen Affen finden, zeigt andererseits durch die Kieferansätze Verhältnisse, welche den Halbaffen noch fehlen, sich aber bei höheren Primaten regelmäßiger einstellen. 2. Mentalis. Tiefste Platysmabündel verlaufen über den Kieferrand, lagern dann der äußeren Kieferfläche auf und heften sich an ihr fest, wo die Lippenschleimhaut ins Zahnfleisch umbiegt. Von diesen Stellen aus entwickelte sich medial der zur Kinnhaut ziehende Mentalis. Syndactylus. Tiefe Platysmabündel gelangen lateral vom Men- talisursprunge zur Anheftung. An sie reiht sich medial der Men- talis auf das unmittelbarste an. Er entspringt über den Juga alveo- laria der Schneidezähne in der Nähe der Schleimhaut. Die lateral scharf abgegrenzte Muskelplatte gelangt zur Kinnhaut, wo eine Durchkreuzung mit den Kinnfasern des Platysma erfolgt. Aus der Durchflechtung entsteht eine weiße sehnige Membran, welche, mit der Haut verbunden, zur Ansatzstelle wird. Leueiseus. Das ausgewachsene Tier besitzt einen sehr kräftigen Muskel, dessen Ursprung in einer Breite von 0,7cm nahe der Schleimhaut über den Juga alveolaria der Schneidezähne liegt. Lateral schließen sich dem Mentalis tiefe Platysmabündel so innigst an, daß kein Zweifel an deren entwicklungsgeschichtlichem Zu- sammenhange bestehen kann. Medial werden die Mentalisbündel zarter. Der platte Muskelbauch ist zur Kinnhaut oberhalb des Kinn- höckers verfolgbar. Die hier durchkreuzten Platysmamassen werden 144 Georg Ruge vom Mentalis durchsetzt. — Leueciscus der Fig. 8 verhält sich ähn- lich. Die Figur zeigt die für die Genese des Mentalis aus dem Platysma bedeutungsvollen, intermediären Elemente; sie strahlen vom Kieferursprung aus und endigen in der tiefen Platysmalage, ‘ohne die Haut zu erreichen. Ihnen schließt sich medial erst der Mentalis an. Hylobates nimmt im Aufbau des Mentalis eine niedere Stelle ein, da letzterer keine völlige Abgliederung vom Platysma erworben hat. Eine gleiche grundlegende Einrichtung kommt bereits den Halbaffen zu, tritt dann bei Hapale, Cebus, Ateles wieder zutage. Bei Cynocephalus, Anthropomorphen und beim Menschen wird der Mentalis ansehnlicher; die Beziehungen zum Platysma wandeln sich um und können sogar vermißt werden, sodaß Hylobates den engeren Anschluß nach unten und nicht nach oben findet. IV. Oberhalb der Mundspalte ausgebreitete Muskulatur der Platysma- Gruppe. Es handelt sich um drei Gebiete. Das erste von ihnen umfaßt die an das Platysma angeschlossene breite Muskulatur, welche von der Oberlippe aus zur Ohrmuschel und Schläfe sich erstreckt, um nach vorn in das zweite Gebiet unmittelbar überzugehen. Dieses besteht aus den die Lidspalte umgebenden Muskeln. Das dritte Gebiet liegt auf Stirn, Scheitel und Schläfe und besteht aus den Muskeln, welche vom Oberaugenhöhlenrande auf- und rückwärts zur Ohrmuschel gelangen. In allen drei Gebieten kommt es zu Ab- gliederungen selbständiger Muskeln. Auf die Ohrmuschel werden von den Ansatzstellen aus an ihr im Lippen- oder 1. und im Stirn- Schläfen- oder 3. Gebiete Muskelbündellagen abgelagert, welche die Merkmale selbständiger Ohrmuschelmuskeln annehmen, denen sich die bereits vorgeführten Abkömmlinge des Platysma sowie des Oceipito-aurieularis hinzugesellen. Während das erste und zweite Gebiet sowohl unter sich als auch als eine gemeinsame größere Gruppe die Verbindung mit dem Platysma niemals ganz aufgeben, so hat das 3. Gebiet der Stirn-, Schläfen und Scheitelgegend eine sehr große Selbständigkeit bei allen Primaten erworben. Der noch deutlich ausgesprochene Zu- sammenhang ist bei niederen Säugetieren zu suchen. Reste des genetischen Verbandes zeigen sich in der gemeinsamen Anheftung an der Ohrmuschel. Die drei Gebiete sind trotz ihrer engen gene- tischen Zusammengehörigkeit je eigens vorzuführen. . Gesichtsmuskulatur und Nervus facialis der Gattung Hylobates. 145 1. Muskulatur der Oberlippe, Schläfe und Ohrmuschel. Zu ihnen gehören die aus einem Aurieulo-labialis superior her- vorgegangenen Gebilde: der Zygomaticus, der Schläfen-Lippenmuskel (Temporo-labialis), der Depressor helicis und Helico-tragieus. Mancherlei Indifferenzzustände sind bei Hylobates in diesem Ge- biete erhalten geblieben. a. Zygomaticus. Er ist der bei allen drei Objekten am Jochbeine festgeheftete, an ihm entspringende Muskel. Durch diese feste Skeletbeziehung ist der Zusammenhang mit Ohrmuschelabschnitten des Auriculo-labialis völlig unterbrochen. £ Der Temporo-labialis ist die Bündellage, welche von der Schläfe und weiter vorn in der Gegend des äußeren Augenhöhlenrandes aus- geht und zur Oberlippe zieht. Er schiebt sich zwischen Zygomati- cus und ÖOrbicularis ein, verbindet beide, wobei der Anschluß an letzteren ein unmittelbarer bleibt, während die Lösung vom Zygo- maticus in verschiedenem Grade aufgehoben sein kann. Ursprung. Leuciscus, Fig. 1. Der vom Jochbogen entstehenden Platte schließen sich aufwärts die Bündel des Temporo-labialis an. Fig. 2: der in einer 1 cm langen Fläche am Jochbogen (Jugale) ent- stehende Muskel ist gegen die temporo-labialen Fasern schärfer ab- gesetzt. Immerhin bleibt der Anschluß beider aneinander unver- kennbar. Bei Syndactylus der Fig. 3 hat der Muskel auch im Ursprunge größte Selbständigkeit erworben. Zwischen ihm und den scharf abgegrenzten temporo-labialen Elementen besteht ein breiter, muskelfreier Raum. Syndactylus nimmt den differentesten Posten ein. Insertion. Leueiscus, Fig. 1. Sie erfolgt gemeinsam mit temporo-labialen Lagen, bedeckt vom Triangularis, lateral und auf- wärts vom Mundwinkel, wobei untere Bündel sich über das Platysma zur Unterlippe begeben. Fig. 2: der Anschluß an den Temporo- labialis ist erhalten. Die unteren Bündel sind gegen den Mund- winkel gerichtet, wo das Platysma sich ihnen anschließt. Zygomatieus und Platysma werden durch den zur Oberfläche hervorbrechenden Triangularis geschieden. Buccale Platysmabündel überlagern in sekundärer Weise den Bauch des Zygomatieus und strahlen gegen Morpholog. Jahrbuch, 44. 10 146 Georg Ruge den Temporo-labialis aus. Neben den oberflächlichen Insertionen haben sich tiefe eingestellt. Diese spalten sich 0,7cm lateral vom Caninus-Triangularis ab und schieben sich zwischen ihn und den Orbieularis oris ein (Fig. 5, 6, 7). Diese tiefen Insertionen sind neu entstanden, was die Geschichte des Zygomatieus unzweifel- haft zeigt. Syndactylus, Fig. 3, 10. Der Zygomaticus ist bis zur Insertion selbständig geworden, oben und unten scharf berandet und von den Nachbarn losgelöst. Er schiebt sich unter Platysma und Triangularis gegen den Mundwinkel vor und läuft auf dem Orbieu- laris oris aus. Oberflächliche Insertionen fehlen. Wir haben hier eine Reihe von Entwicklungszuständen vor uns, welche mit denen bei Leueiscus der Fig. 1 beginnen und mit denen bei Syndactylus endigen. Die ursprünglichen leiten auf Zustände zurück, wie sie bei Formen mit einem Triangularis, etwa bei Ateles, sich einstellen und von Hapale-Befunden sich herleiten. Die differenten, tiefen Insertionen bei Syndactylus werden ebenfalls bei Platyrrhinen (Cebus) angetroffen, treten dann aber bei höheren Formen bis zum Menschen hin in verschiedenstem Grade auf. b. Temporo-labiale Schichte. Sie ist die Lage zwischen Zygomaticus und Orbieularis oeuli. Die Grenze gegen ersteren bleibt durch dessen Ursprung am Skelet angebbar, ist aber bei Leueiseus durch den unmittelbaren festen An- schluß an den Zygomaticus sonst unscharf. Dabei besteht aber ein Unterschied zwischen beiden Exemplaren. Leueiscus der Fig. 1 zeigt ein ganz primitives Verhalten, während auf Fig. 2 die Schläfen- Lippenbündel den Zygomaticus lateral vom Mundwinkel bedecken und so gleichen Verlaufes mit ihm lippenwärts auslaufen. Der Zygomaticus ist, wie oben geschildert worden ist, in die Tiefe gerückt und hat sich vom Nachbarn etwas emanzipiert. Bei Syn- dactylus der Fig. 3 ist dieser Vorgang fortgeschritten. Die temporo- labialen Lagen, scharf berandet, haben sich vom tiefen Zygomatieus völlig getrennt. Hier liegen sehr wesentliche Umgestaltungen vor. Die Schläfenbündel haben Beziehungen zur Ohrmuschel überall verloren; sie bleiben bei Leueiscus der Fig. 2 am wenigsten weit vom Ohr entfernt. Einige haben die Richtung gegen die Helix auriculae bewahrt. Das ist auch beim anderen Tiere der Fig.1 der Fall. Der Syndactylus-Befund indessen ist gänzlich aus dem Rahmen des Ursprünglichen herausgetreten, indem alle temporo-labialen Faser- Gesichtsmuskulatur und Nervus facialis der Gattung Hylobates. 147 züge im Anschluß an den Orbieularis oculi sich befinden und von der Lippe aus leicht gebogen aufwärts verlaufen. Hiermit stellte sich ein muskelfreies Feld zwischen Zygomatieus und Temporolabialis ein. Der Tatbestand bei Leueiscus findet den Anschluß an den bei niederen, derjenige bei Syndactylus an den der höheren Primaten- formen. Vordere Abschnitte des Oberlippenmuskels schließen sich den orbikulären Zügen allenthalben an; sie strahlen bei Zeuciscus der Fig. 2 - zur Stirn aus, gehen bei Leueiscus der Fig. 1 und bei Syndaetylus in den oberen Teil des kreisförmigen Verlaufes wirklich über. Die Anheftung an der Öberlippe findet bei Leueiscus (Fig. 2) und Syndactylus in der primitiven oberflächlichen Weise statt. Die Hautinsertion liegt in einer vom Mundwinkel zum oberen Rande der Nasenöffnung ziehenden Linie. Bei Leueiscus der Fig. 1 ist durch den Triangularis eine Trennung in eine tiefe laterale und eine oberflächliche mediale Portion erfolgt. Der letzteren reihen sich Bündel an, welche die fleischige Lippe nicht mehr erreichen und sich als Zwischenstücke zwischen labialen und orbikulären Lagen bekunden. Derartige intermediäre Lagen fehlen auch bei den anderen Objekten nicht ganz. c. Reste eines Auriculo-labialis superior in der Nähe der OÖhrmuschel = Depressor helieis. Syndactylus, Fig. 3. Eine zarte Muskelplatte breitet sich vor der Ohrmuschel aus; sie bedeckt vor der Helix untere Abschnitte des Aurieularis anterior. Ein oberes Bündel ist abgesondert und dehnt sich nach vorn und unten aus; es geht in eine äußerst zarte Sehne über, welche im Raume zwischen Zygomaticus und Temporo- labialis endigt. Der Verlauf des Bündels ist gegen den Mundwinkel gerichtet. Es dürfte sich um einen aurikularen Rest des Auriculo- labialis superior handeln, welcher die Verbindung mit der Ohr- muschel verlor. Die Hauptplatte ist aus steiler verlaufenden Fasern zu- sammengesetzt, welche oben an den Helico-tragieus anschließen und unten von den in die Parotisgegend ausstrahlenden Platysma-Ohr- bündeln teilweise überlagert sind. Die ganze Platte ist der noch ansehnliche Restbestand eines von der Ohrmuschel gelösten Depressor - helieis. Er hat auch den engeren Zusammenhang mit dem Helico- tragicus verloren. Die Ursache für den Verlust des Verbandes mit dem Ohr und dessen Muskel mag die ansehnliche Entwicklung des Auricularis anterior-superior gewesen sein. 10* 148 Georg Ruge Der Befund ist bedeutungsvoll, weil er nur von einem Ver- halten hergeleitet werden kann, wie es sich bei Halbaffen in voller Entfaltung zeigt, indifferent bei Varecia, Lichanotes, Lepiemur, in veränderter Form bei Propetheeus. Ahnliche Reste eines Aurieulo- labialis superior und eines Depressor helieis sind auch bei Hapale und Mycetes bekannt geworden. 2. Helico-tragicus. Der Helieco-tragicus lagert vorn der Helix als breite Platte auf. Aufwärts bedecken seine Fasern den Auricularis anterior und strahlen zum Teil von ihm aus, wodurch eine scharfe Abgrenzung unmöglich ist und ein genetischer Verband zwischen beiden vorzu- liegen scheint. Vordere senkrechte Randbündel gelangen abwärts gegen den Tragus. Leuciscus, Fig. 2. Vor der Ohrmuschel liegt ein senkrecht ver- laufendes, gröberes Bündel. Es liegt oben vor der Spina helieis, unten vor dem Tragus. Ihm schließt sich ohrwärts ein Muskelstrang an, welcher von der Spina helicis ausgeht und vor dem Tragus aus- läuft. Weiter rückwärts findet sich eine einheitliche zarte Platte; sie breitet sich als Helieo-tragieus zwischen dem vorderen Helix- und dem oberen Tragusrande aus. Der Befund weicht so sehr von der ursprünglichen Anordnung eines Depressor helieis ab, daß nur durch den Vergleich mit den vielen anderen Befunden die vorderen Bündel auf einen Depressor helieis bezogen werden können, wobei der Tatbestand bei Syn- dactylus uns Vorschub leistet. Fig. 1. Es ist von einem Depressor helieis nichts mehr wahr- zunehmen. Der Helico-tragieus besteht in Bündeln zwischen Spina helieis und oberem Rande des Tragus. Ihnen schließen sich solche an, welche von der Helixwurzel zum oberen Rande des knorpeligen Gehörganges ziehen. Dieses ganz durch Rückbildung zustande ge- kommene Verhalten reiht sich an das bei Anthropomorphen und beim Menschen bestehende an. Syndactylus, am Zygomaticus, dem Lippenteile eines Auriculo- labialis am stärksten verändert, bewahrte am Öhrabschnitt des letzteren Ursprüngliches. Bei Leueiscus sind Beharrungs- und Ver- änderungszustand im entgegengesetzten Sinne eingetreten. Bei Ver- wertung aller Zustände sehen wir Hylobates zwischen niedersten und höchsten Bauplan der Primaten sich einschieben. Gesichtsmuskulatur und Nervus facialis der Gattung Hylobates. 149 V. Kreisförmig um die Lidspalte verlaufende Bündellagen (Orbicularis oculi) und deren Abkömmlinge. Der primitive Anschluß der Kreisfasern an die temporo-labialen Bündel ist überall erhalten; ja diese biegen sogar aufwärts meist nach vorn um und nehmen Anteil am orbikulären Verlaufe. Am aus- sesprochensten ist es bei Leueiscus der Fig. 1 der Fall, wo sie bis zum medialen Lidspaltenwinkel verfolgbar sind. Zwischen den ge- schlossenen Kreisfasern und den Lippeninsertionen des Temporo- labialis treten stets einige oberhalb der Lippe frei auslaufende Bündellagen auf. Sie sind am deutlichsten auf Fig. 1 zu erkennen, sind spärlicher bei Syndactylus (Fig. 3) ausgebildet. Die Kreisfasern gelangen von unten und von oben her zu Skelet- teilen am inneren Augenwinkel und zum Ligamentum tarsi mediale, wobei die Fasern teilweise sich durchflechten. Der Orbieularis oculi besteht aus einer außerhalb des Augen- höhlenrandes gelegenen, eetoorbitalen, und einer die Augenhöhle bis zur Lidspalte vorn abschließenden, orbitalen Lage. Dieser orbitale Abschnitt gliedert sich wieder in einen oberen und unteren Lidteil (Pars palpebralis) und einen von den Lidern bis an den Augenhöhlenrand heranreichenden, eigentlichen orbitalen oder eetopalpebralen Abschnitt. Der ectoorbitale Muskel ist lateral am ansehnlichsten; er be- deekt oben die Ursprünge des Frontalis, ohne Übergänge in ihn zu zeigen; er ist am Margo infraorbitalis nur schwach entwickelt. Abkömmlinge des Orbiceularis oculi stellen sich am inneren Augenwinkel ein. Von ihm aus strahlen Bündel nach oben und nach unten. Sie gelangen aufwärts zur Haut der Stirngegend und bilden die Grundlage eines Depressor supereilii; sie endigen, abwärts ziehend, zur Haut der Lippe und Nase und bilden einen Levator labii superioris et nasi. Diese oberen und unteren Bündel sind Abgliederungen und Weiterbildungen der von oben und von unten am Lidwinkel zur Insertion gelangenden Kreisfasern, woraus sich ihr oft bestehender unmittelbarer Übergang in diese erklärt. Depressor supereilii und Levator labii et nasi können sehr stattlich zur Entfaltung kommen. Dies bedingt dann eine Vermehrung ihrer Ursprungsbündel am medialen Augenwinkel und ein Übergreifen derselben ineinander. Ein derartiger Zusammenhang, zuweilen ohne bestimmbare Grenzen, ist als ein erworbener zu beurteilen. 150 Georg Ruge Die zur Stirnhaut ausstrahlenden Abkömmlinge des Orbieularis oeuli nehmen bei Hylobates eine oberflächliche Lage ein, Teile des Stamm-Muskels bedeckend; sie stellen einen Depressor super- fieialis supereilii dar. Ihre Ursprungsfläichen am Skelet bleiben beschränkte. Bei höheren Formen und namentlich beim Menschen kommt es auch zur Ausbildung tiefer, zur Haut der Augenbrauen und Stirn ausstrahlender Bündellagen. Diese dehnen ihre Ursprungsflächen vom inneren Augenlide oft weit nach oben hin aus. Der aus ihnen sich herleitende selbständige Muskel kann ein Depressor super- eilii profundus oder Corrugator supereilii genannt werden. Die zur Haut der Nase und Oberlippe ausstrahlenden Bündel- lagen schließen zwischen sich und den infraorbitalen Kreisfasern intermediäre Elemente ein, welche frei oberhalb der Lippe aus- laufen und gegen die zwischen Temporo-labialis und Orbieularis befindlichen, lateralen Zwischenbündel auslaufen. Es ist nicht zu bestimmen, inwieweit diese intermediären Lagen durch Unter- brechungen von Kreisfasern oder durch Angliederungen an solche entstanden sind. Ihre Wirkung besteht im Heben der Haut zwischen Lippe und Augenhöhlenrande. Legt man diesen Muskelbündellagen den Namen eines Malaris bei, so darf man ihm dennoch die EP. ständigkeit stets absprechen. Der Ursprung eines kräftig gewordenen Levator labii et nasi kann vom inneren Lidwinkel aus sich frei nach unten ausdehnen, auf den infraorbitalen Skeletrand und das Nasale übergreifen. Im ganzen verhalten sich die Befunde bei allen drei Objekten gleichartig. Die genaueren Verhältnisse in den Gebieten des Orbi- eularis oculi bedürfen noch einer eingehenderen Untersuchung, um sie mit anderen Primaten erfolgreich vergleichen zu können. Einige Zustände konnten immerhin genauer festgestellt werden. l. Orbicularis oculi. Leueiseus der Fig. 1. Die Lidkantenfasern heften sich am me- dialen Bandapparat fest. Bündel der Pars orbitalis und P. eeto- orbitalis gelangen in ansehnlichen Lagen zum Stirnfortsatz des Ober- kiefers. Ähnliches findet sich bei: Syndactylus, Fig. 3. Die Bündel unterhalb der Lidspalte ge- langen zum Ligamentum palpebrale mediale in oberflächlicherer Lage. Tiefere Bündel heften sich in der ansehnlichen Ausdehnung Gesichtsmuskulatur und Nervus faeialis der Gattung Hylobates. 151 von 0,4cm am Laerymale und Maxillare fest. Sie werden vor und hinter dem Saccus laerymalis in Insertionen angetroffen. Die oberen und lateralen eetoorbitalen Kreisbündel überschreiten den Augenhöhlenrand 0,9 cm weit bei Leueiscus, Fig. 2, bei Syndac- tylus etwa 0,6cm; das ist für ZLeueiscus der 3., bei Syndactylus der 7. Teil der Strecke zwischen Orbitalrand und Ohrmuschel. 2. Depressor supercilii. Leueiseus, Fig. 1. Oberflächliche Fasern entstehen im engsten Anschluß an den Orbicularis vom medialen Lidbande. Sie steigen lateral schräg über dem Orbieularis, medial in steilerer Weise zur Stirnhaut empor, wobei sie den Frontalis zum Teil bedecken. Es handelt sich um einen Depressor supereilii superfieialis. Fig. 2. Ein Depressor superfieialis geht vom medialen Lidbande aus und durehmengt seine Bündel mit denen unterhalb der Lid- spalte. Er erreicht die Mittellinie nieht. Die Anheftung liegt in der Stirnhaut. Er bedeckt tiefe, aberrierte, mächtige Bündellagen, welche einen Depressor profundus aufbauen. Dieser dehnt sich bis zur Mittellinie aus. Laterale Fasern gehen in den vorigen sowie in den Orbieularis über. Median verschmelzen seine Elemente mit denen des Levator labii et nasi. Der Muskel entsteht mit ober- flächlicheren, kräftigen Bündeln am Lidbandapparat und am benach- barten Nasale und Lacrymale, mit tieferen Bündeln am ÖOrbitalrand und an der Nasenwurzel. Die Ursprungsbündel nehmen am Fron- tale ein O,4cm breites Feld ein, welches gegen die Glabella sich ausdehnt. Zum Teil vom Orbieularis bedeckt, zum Teil den Fron- talis überlagernd, zieht der Muskel zur Stirnhaut empor. Syndactylus, Fig. 3. Ein oberflächlieher Depressor supereilii schließt sich am Augenwinkel dem Orbieularis an, gelangt band- föormig auf- und medianwärts, um sich in der Höhe des Augen- brauenwulstes mit dem andersseitigen fest an der Haut zu ver- binden. Ein zarter, abgesonderter Faserstrang wird lateral auf dem Orbieularis angetroffen; er ist senkrecht gestellt und hat den Ansehluß an den letzteren verloren. Ein tieferes, sehr kräftiges Gebilde entsteht am Laerymale, Proc. frontalis des Maxillare und am Frontale weit hinauf zum Margo supraorbitalis; es gelangt, bis zur Mittellinie ausgedehnt und auf dem Frontalis, zur Haut der Stirn und Braue. 152 Georg Ruge 3. Levator labii superioris et nasi. Leueiseus, Fig. 1. Die Ursprungsbündel greifen vom medialen Lidbande auf den Stirnfortsatz des Maxillare und das Nasale bis zur Mittellinie über. Durch Verflechtungen mit dem supraangularen Depressor supereilii kommt eine Ausdehnung stirnwärts zustande. Die Anheftung liegt an der Nase und Oberlippe, ohne Verbindung mit den Endteilen des Maxillo-labialis aus dem Bueco-labialis-Gebiete. Am anderen Exemplar (Fig. 2) ist der Muskel ebenfalls auf das Nasale bis zur Mittellinie ausgedehnt, wo er mit dem andersseitigen verschmolzen ist. Die Anheftung erfolgt am Rücken der beweg- lichen Nase, an der lateralen Umgrenzung der Nasenöffnung und der Oberlippe, wo sie in einer 1,2cm langen, an der Nasenöffnung beginnenden und lateral auslaufenden Linie angetroffen wird. Die Ausdehnung über Nase und Lippe beträgt etwa 2 em. Die Inser- tionslinie liegt an der Lippe parallel der Mundspalte und bleibt von ihr etwa 1,2 cm entfernt. VI. Muskulatur der Stirn, Schläfe und des Scheitels, vom Oberaugen- höhlenrande zur Ohrmuschel ausgedehnt —= Fronto-auricularis. Es handelte sich anfänglich um eine einheitliche Bündelplatte, welche am Oberaugenhöhlenrande Anheftungen erwarb, von hier aus über Stirn, Scheitel und Schläfe sich ausbreitete, um die Ohrmuschel als Angriffspunkt zu erreichen. An letzterer fand sie von der Spina helieis an nach oben und nach innen an der Helix Befestigungen. Von ihr spaltete sich ein bis an die freie Helixkante heranreichender Öhrmuschelmuskel ab. Er blieb auf die Außenfläche der Helix be- schränkt und war daher ein Helieinus zu nennen. Die ganze Platte stellt nach ihrer Ausdehnung einen Fronto-parieto-temporo-auricu- laris dar. Andeutungen der Einheitlichkeit treten uns bei Leueiscus (Fig. 1) in unteren Bogenbündeln entgegen, welche vom Orbitalrande über die obere Schläfe und rückwärts zur Spina und Außenfläche der Helix ziehen. Ähnliche, aber zartere, die Einheit noch andeutende Elemente finden sich bei Leueiscus der Fig. 2; sie ziehen quer über die Schläfe, haben aber den Zusammenhang mit den Orbitalrand- bündeln sowie mit der Spina helieis verloren. Aufwärts reihen sich die Fasern eines Aurieularis an. Bei Syndaetylus (Fig. 3) sind die ursprünglichen, von vorn nach hinten durchlaufenden Faserlagen völlig verschwunden. Dieser differente Zustand steht im Einklang Gesichtsmuskulatur und Nervus faeialis der Gattung Hylobates. 153 mit der Sonderung der Muskelplatte in einen vorderen Frontalis und einen hinteren Aurieularis. Die Sonderung hat sich ver- schiedengradig bei den drei Objekten vollzogen. Der Auricularis bedeckt die Schläfe sowie mit steil aufsteigendem Bündel einen Teil der Scheitelgegend und stellt einen einheitlichen Aurieularis antero- superior oder Auric. temporo-parietalis her. Er neigt in seinen oberen Abschnitten zur Schiehtenbildung und gewinnt mit seinen steilen, hinteren Lagen verschiedenartige Sekundärbeziehungen zum Oeceipitalis. Syndactylus steht in allem am Ende der Entwicklungs- reihe. Der urtümliche Zusammenhang der fronto-aurikularen Muskel- platte mit anderen Platysmagebieten ist an der Ohrmuschel zu suchen. Hier trifft sie mit dem Auriculo-labialis superior zusammen. Während letzterer mit dem auf der Ohrmuschel lagernden Helico- tragicus in engerem Verbande sich erweist, so hängt der Fronto- aurieularis mit dem Helieinus genetisch zusammen. Der gemeinsame Verband beider Muskelgebiete an der Helix bedingt auch den mehr oder weniger ausgesprochenen Bündelaustausch von Helico-tragieus und Helicinus. Der Fronto-temporo-aurieularis hat sich bei Säugetieren früh durch Ausweichung vom Ohr aus zur Stirn von dem Ohr-Lippen- muskel vorn abgespalten und ist nur am Ohr mit dessen Abkömm- lingen verbunden geblieben. Wie große Fortschritte hierin bei Hwylobates zu verzeichnen sind, ist bereits beim Depressor helieis dar- gelegt worden. l. Frontalis. Seine Ausdehnung über Schläfe und das Entferntbleiben von der Mittellinie sind primitiverer Art, vor allem aber ist der Übergang in den Auricularis antero-superior in diesem Sinne zu beurteilen. Starke Ausbreitung über den Scheitel dorsalwärts, unter Überkreuzung mit Aurieularisfasern bedeutet eine fortschrittliche Bildung des Frontalis. Leueiscus, Fig. 1. Vom seitlichen Orbitalrande gehen die unteren Randbündel aus; sie laufen über die Schläfe bogenförmig nach hinten und abwärts zur Spina und Außenfläche der Helix auriculae. Ihnen schließen sich aufwärts frei auf der Schläfe endigende Bündel an, welche vom Auricularis sich losgelöst haben. Diese Trennung ist scheitelwärts ausgesprochener. Der Frontalis läuft allmählich vom Orbitalrande parallelbündelig rückwärts und befestigt sich ober- 154 - Georg Ruge halb der Helix an der Scheitelfaseie. Er nähert sich der Mittel- linie. Fig. 2. Der Muskel besitzt keine zum Ohr durchlaufenden Bündel mehr. Selbst die unteren Randbündel, losgelöst von den auriku- laren Elementen, stellen sich senkrecht gegen sie und werden sogar von ihnen stellenweise überlagert. Die bis an die Mittellinie ausge- dehnte parallelbündelige Platte endigt am Scheitel senkrecht über der Spina helieis in der zur Galea aponeurotica werdenden Unterhautfaseie. Syndactylus, Fig. 3. Der Befund gleicht dem vorigen. Der senkrecht gegen die unteren Randbündel auslaufende Aurieularis antero-superior hat sich allenthalben über sie hinweggelagert, wo- durch der ursprüngliche Zusammenhang zwischen beiden ganz auf- gehoben worden ist. Die Muskelplatte deckt Stirn und Scheitel; sie endigt in der Fascie in einer 1,35cm oberhalb des Ohres be- ginnenden Linie, welche sich auf- und vorwärts gegen die Mittel- linie hinzieht. Der Tatbestand von Leueiscus der Fig. 1 knüpft an den bei Halbaffen und niederen Affen (Cynocephalus) an; derjenige von Syn- dactylus stimmt mit Einrichtungen überein, wie sie bei höheren Affen (Gorilla) und beim Menschen auftreten. 2. Auricularis antero-superior. Er ist der hintere, mit der Ohrmuschel verbundene Absehnitt des Fronto-aurieularis und bewahrt bei allen drei Tieren die Ein- heit. Eine vordere Bündelmasse geht unmittelbar in eine obere über. Die Anheftung an der Ohrmuschel erfolgt an der Spina und Außenfläche der Helix, wo der Helieinus im Anschluß an sie an- getroffen wird. Sie greift mittels der steilen, oberen Bündel auf die Medialfläche der Helix und auf die Eminentia conchae über. Die gegen die letztere gerichteten, hinteren oberen Lagen sind bei Leueiscus von der einheitlichen vorderen Platte zum Teil über- lagert. Die Bündel beider kreuzen sich im spitzen Winkel. Diese tiefere, obere Schichte läßt sich auf einen Auricularis superior zurück- führen, wie er den Halbaffen zukommt und bei Affen, selbst beim Orang, sich erhalten kann. Bei Syndactylus lassen sich letzte Reste eines solchen sonst bei Affen ausgeschalteten primitiven Auri- eularis auffinden. a. Auricularis superior primitivus. Leueiscus, Fig. 1. Am Scheitel entstehend, ziehen die Bündel einer zarten Muskellage nach unten und vorn; sie schieben sich Gesichtsmuskulatur und Nervus faeialis der Gattung Hylobates. 155 unter den scharf begrenzten einheitlichen Aurieularis antero-superior und gelangen zur Eminentia conchae und benachbarten Medial- fläche der Helix. Fig. 2: Eine entsprechende Bündellage entspringt weiter vorwärts am Scheitel; ihre Elemente schlagen einen mehr gleichartigen Verlauf mit denen des Auricularis antero-superior ein, schieben sich am Ohr aber doch unter sie und heften sich an der medialen Ohrmuschelfläche fest. Der Oeeipitalis reicht bis an den hinteren Rand des Muskels heran. Syndactylus, Fig. 3. Nur wenige, steil vom Scheitel gegen das Ohr herabsteigende Bündel können auf Reste eines Aurieularis supe- rior bezogen werden. Sie lehnen sich den hinteren Randbündeln der vorderen Platte an, sind gegen die Medialfläche der Ohrmuschel gerichtet, ohne sie jedoch zu erreichen. Sie sind abortiver Art. Der Oceipitalis strahlt unter dieselben nach vorn ein, durchsetzt die hintersten abgesprengten Fasern in inniger Art. Die Durchflech- tungen können nur durch das Vorwachsen des Oceipitalis ent- standen sein. b. Aurieularis antero-superior. Leuciscus, Fig. 1. Die vom Orbitalrand kommenden Bündel heften sich an der Spina und der Außenfläche der Helix aurieulae fest. Die vom Frontalis abgetrennte und selbständig von der Schläfe ausgehende Platte, aus steil verlaufenden Fasern aufgebaut, gelangt zur Medialfläche der Helix und im Anschluß an den primitiven Aurjeularis superior zur Eminentia eonchae. Am anderen Exemplar der Fig. 2 ist der Muskel ganz selbständig geworden. Quer über die Schläfe ziehende Muskelstreifen haben vorn den Anschluß an den Frontalis, hinten an die Ohrmuschel eingebüßt. Ihnen schließen sich aufwärts quere, dann schräge und schließlich steile Bündel- lagen bis zum Auricularis superior hin an. Sie bedecken im Ur- sprung untere Abschnitte des Frontalis. Die Anheftung erfolgt etwa oberhalb der Spina helieis und mittels aufwärts gerichteter Fasern an der Außenfläche der Helix. Syndactylus, Fig. 3. Ursprüngliches und Fortgeschrittenes kenn- zeichnen den Muskel. Ersteres trifft man in der Überlagerung durch Reste eines Depresser helieis und im Anschluß an den Helieinus. Fortgeschrittenes findet sich in der großen Selbständigkeit einer weit ausgedehnten Muskelplatte. Sie entspringt am unteren Fron- talisrand in einer aufwärts gebogenen Linie, wobei Ursprungsbündel den Frontalis teilweise überlagern. Hintere, steil gestellte Muskel- 156 Georg Ruge fasern entstehen an der Unterhautfaseie vor dem Oceipitalis. An sie schließt sich der als Auricularis superior gedeutete Abschnitt an. Die Bündel treten gegen die Ohrmuschel zusammen; untere heften sich an der Spina helieis fest und senden sekundäre Fasern in den Helieco-tragieus. Obere Bündellagen gelangen zur Außenfläche der Helix und setzen sich hier zum Teil in ursprünglicher Art in den Helieinus fort, während die oberen, ähnlich wie bei Leuerscus der Fig. 2, nach hinten und aufwärts umbiegen, bevor sie am oberen vande zur Insertion gelangen. e. Helieinus. Syndactylus, Fig. 3. Der gut entfaltete Muskel bedeckt die Außenfläche der Helix hinter der Insertion des Auricularis antero- superior, wobei ein Faseraustausch mit ihm erfolgt. Er reicht bis an den freien Rand der Helix heran. Die Randbündel sind die längsten und steigen von der Helixwurzel empor bis zur Umbiegung der Helix nach hinten. Vordere Bündel werden kürzer und kürzer und biegen aufwärts nach vorn um, in den Aurieularis sich fort- setzend. Der Muskel nimmt eine dreieckige Gestalt an, mit nach hinten gerichteter Basis. Leueiseus, Fig. 2. Nur wenige, ganz abgetrennte Bündel belegen den freien Rand der Helixwurzel; sie steigen aus dem Grunde der Concha empor und endigen bereits in der Höhe der Spina helieis. Am Objekt der Fig. 1 waren mit Sicherheit keine muskulösen Ele- mente, welche auf einen Helieinus beziehbar gewesen wären, nach- weisbar. Sehnige Fasern waren wohl an Stellen, welche auf Fig. 2 den Muskel trugen, sichtbar. Der Helieinus war einer ähnlichen starken Rückbildung wie der Helico-tragieus verfallen. Im Gebiete des Fronto-aurieularis sind bei Aylobates ursprüng- liche und fortgeschrittene Einrichtungen sehr verschieden verteilt. Leueiscus zeigt bezüglich der Einheit der Muskelplatte das indiffe- rentere, im Gebiete des Helicinus das weiter vorgeschrittene, diffe- rentere Verhalten. Bei Syndactylus ist das Gegenteil der Fall. Kom- biniert man die Einzelbefunde, so läßt das Gesamtbild einerseits den Anschluß an niedere, andererseits an die höchsten Lebewesen der Primaten hervortreten. B. Tiefe Muskelschiehte — Sphinetergruppe. Der Halsteil der Sphinctergruppe bildet bei niederen Wirbel- tieren den alleinigen Bestand der bei höheren Formen, den Säuge- Gesichtsmuskulatur und Nervus facialis der Gattung Hylobates. 157 tieren, zur Gesichtsmuskulatur werdenden Bildungen. Von ihm spaltet sich das oberflächliche Platysmagebiet ab und bringt den Spbincter in eine tiefere Lagerung. Die sphincterartige Anordnung des Facialisgebietes schiebt sich bei Fischen in einfachster Weise zwi- schen die gleichgeordneten Gebiete des Trigeminus einerseits, des Glossopharyngeus und Vagus andererseits ein. Durch die Kiemen- spalten voneinander getrennt und auf den Kiemenbögen gelagert, nehmen sie einen segmentalen Charakter an. Während Trigeminus-, Glossopharyngeus- und Vagusgebiet die oberflächlichen Sphincter- lagen bei den Säugetieren eingebüßt haben, ist der Sphineter des Facialisgebietes nicht allein über die Halsgegend zur Ausbreitung gelangt; er hatsich vielmehr über den Unterkieferrand bis zur Mund- spalte ausgedehnt, hat dieselbe mit Ringfasern allseitig umschlossen. In diesem Zustand stellte er einen Sphincter oris her, welcher mit dem Sphincter colli, seinem Mutterboden, ganz unmittelbar zusammen- hängt. Hals- und Gesichtsteil des Sphincter werden so bei niederen Säugetieren angetroffen. Der Halsabschnitt ist bei Halbaffen in der Regel erhalten, findet sich in voller Entfaltung noch bei Hapale und in allen möglichen Resten bei anderen Affen wieder (H. BLunTscHLi). Sein schließliches Schicksal ist mit der völligen Rückbildung be- siegelt. Ein Sphineter colli fehlt auch den drei Objekten der “ Gattung Hylobates. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß auch bei ihm sich einmal Reste des primitiven Muskels werden auffinden lassen. Es wurde oben (s. S. 134) die Möglichkeit zugestanden, daß die aus dem Trago-Antitragus abwärts bis zum oberen Rande des Platysma sich fortsetzende, dreieckige Faserplatte ein letzter Rest des Sphineter colli sein könnte. Durch günstige, neue Befunde wäre eine bestimmte Entscheidung wohl zu treffen. Durch den Ver- gleich mit dem Zustande bei Syndactylus (Fig. 3) läßt die Platte sich vorläufig als ein Platysmaabkömmling gut verstehen. Der Gesichtsabschnitt gewinnt als Sphineter oris eine große Be- deutung, insofern an Ober- und Unterlippe aus den die Mundspalte umziehenden Bündellagen durch Beziehungen zur Haut, Schleimhaut sowie namentlich zum‘ Skelet eine ganze Reihe von allmählich recht selbständigen Muskeln sich entwickelt. Diese unterhalten aber meistens irgendwo den Zusammenhang mit dem Sphincter oris. Frühzeitig hat sich dieser über die Wangenschleimhaut ausgebreitet und läßt dadurch einen Labio-bucealis in die Erscheinung treten. Lippen- und Wangenabschnitte zeitigen verschiedene Schichtungen, 158 Georg Ruge welche jedoch eine Selbständigkeit nicht erreichen. Ein phylo- genetisch altes Gebilde ist der am Oberkiefer befestigte, abgegliederte und zur Oberlippe gelangende Maxillo-labialis, welcher beim Menschen als Levator labii superioris proprius einen Teil des Quadratus labii superioris abgibt und als dessen Pars infraorbitalis aufgeführt wird. Diese Eigenschaften mögen wohl für den mensch- lichen Muskel zuweilen zutreffen; bei niederen Primaten und bei Hylobates sind sie aber nicht erkennbar. Der Maxillo-labialis steht bei Aylobates noch im genetischen Verbande mit dem Labio-bucealis, hebt die Oberlippe nicht, da er zur Nase und subnasal zur Ober- lippe gelangt, und hat gar keine derartigen Beziehungen zum Levator labii et nasi (Pars angularis des Quadratus labii superioris) und zum Orbito-temporo-labialis (Pars zygomatica, welche zuweilen Fest- heftungen am Jochbein erhalten und nur dann diese Bezeichnung verdienen kann), gewonnen, so daß man ihn als Abschnitt eines Qua- dratus labii superioris aufzuführen nicht berechtigt ist. Befestigungen von kreisförmigen Oberlippenbündeln am Ober- kiefer lassen einen den Mundwinkel lateral umgreifenden Oani- nus oder Levator anguli oris hervorgehen. Derselbe gewann bei Affen Ausbreitung zur Haut der Unterlippe, des Kinnes und Kieferrandes. Diese oberflächlichen Faserlagen sind direkte Fort- . setzungen des Caninus und bauen den Triangularis labii infe- rioris auf. Er vermag den Mundwinkel herabzuziehen (Depressor anguli oris), ihn gemeinsam mit dem Caninus medianwärts zu be- wegen, bei der Vorstülpung der Lippen mitzuwirken. Bei Hylobates handelt es sich stets noch um einen gemeinsamen Caninus-tri- angularis, welcher im allerengsten Zusammenhange mit dem Orbi- cularis oris steht. Bei höheren Formen, wie z. B. beim Menschen, treten lateral vom Mundwinkel oft Unterbreehungen am gemeinsamen Muskel auf, wodurch Caninus und Triangularis selbständigere Rollen übernehmen können. Das Gebiet des Sphineter oris gliedert sich bei Aylobates in folgende Muskeln: 1. Orbieularis oris, 2. Labio-bucealis oder Bucco-labialis, 3. Maxillo-labialis, 4. Canino-triangularis. Diese schichtenweise aufgebauten Glieder des Sphineter oris sollen nach ihrer je oberflächlichen Lagerung nacheinander vorge- Gesichtsmuskulatur und Nervus facialis der Gattung Hylobates. 159 führt werden, wobei auf ihren genetischen Verband untereinander naturgemäß besonderes Gewicht gelegt werden muß. I. Maxillo-labialis (Maxillo-naso-labialis). l. Ursprung. Leueiscus, Fig. 2,5,6. Er liegt dicht über dem Buceo-labialis und der Schleimhaut am Maxillare, lateral vom 1. Molarzahn sowie lateral und unterhalb des Foramen infraorbitale, von welchem er etwa 0,5 cm entfernt bleibt. Die Ursprungsfläche schlägt eine Rich- tung schräg nach unten-außen ein, bei einer Länge von 0,5 cm. Fig. 8. Er ist etwas weiter vom Buceo-labialis abgerückt, eben- falls lateral und unter dem Foramen infraorbitale am Maxillare, auf dem Jugum alveolare des 2. Praeinolaris unweit der Verbindung des Maxillare mit dem Jugale gelegen. Die Ursprungsfläche dehnt sich nicht mehr als 0,2cm aus. Syndactylus, Fig. 3, 10. Der Ursprung hat eine ansehnliche Ausdehnung gewonnen; er begiont lateral etwa 0,2 cm oberhalb des Labio-bucealis und dehnt sich median-aufwärts aus. Die gerad- linige, schräg gestellte Ursprungsstelle am Maxillare mißt 1 em. Die oberen medialen Bündel erreichen die Höhe des doppelten For. in- fraorbitale. Das laterale Loch wird von den oberen Ursprungs- bündeln sogar von der Seite her bedeckt. Der Muskel bleibt vom Unteraugenhöhlenrande nur 2 mm entfernt. 2. Muskelbauch. Er ist bei Leueiseus ein schmales, aber kräftiges Band, welches selbst beim erwachsenen Tiere der Fig.5 u. 6 nur 3mm breit, noch schmäler auf Fig. 8 beginnt. Gegen die Insertion treten die Bündel auseinander, unter Verbreiterung und Verdünnung der Muskel- platte. Bei Syndactylus (Fig. 10) mißt der anfangs 0,6cem breite Muskel an der Insertion durch die Bündeleonvergenz nur 2 mm. 3. Verlauf. Er ist bei Leueiscus der Fig. 2 u. 5 in der Nähe der Mund- spalte nahezu gleichgerichtet; beim anderen Tiere (Fig. 8) liegt der _ obere Muskelrand parallel der Mundspalte, während der untere etwa gegen die Mitte derselben gerichtet ist. Syndactylus, Fig. 10. Alle Bündel sind schräg nach unten und medianwärts gewendet, einen spitzen Winkel mit der Lippenspalte bildend. 160 Georg Ruge 4. Ansatz. Leueiseus, Fig. 2. Ein Teil der Fasern durchkreuzt sich mit den seitlichen Randbündeln des Levator labii et nasi.. Der größere Teil erreicht den Rand der Nasenöffnung und die benachbarte Haut der Oberlippe. Fig. 8: Die Anheftung erfolgt etwas oberhalb der Nase, an deren Rändern und der benachbarten Lippenhaut, von der Mundspalte weit entfernt bleibend. Syndactylus, Fig. 10. Die Fasern gelangen, oben und unten scharf begrenzt, zum oberen Winkel der Nasenöffnung und in einer von hier schräg nach außen und unten ziehenden Linie, die, fortgesetzt gedacht, auf den Mund- winkel treffen würde, zur Oberlippe. Auch die Lippenanheftungen bleiben von der Lippenspalte weit entfernt. 5. Wirkung. Nach Ursprung, Verlauf und Ansatz kann der Muskel einer Seite die Haut der Nasenöffnung und der medialen Lippenhaut zur Seite bewegen. Beide Muskeln werden die Nasenöffnungen er- weitern und den Medianabschnitt der Oberlippe spannen und dabei zugleich etwas heben. Die Wirkung als Heber wird bei Syndacty- lus vermöge des schrägeren Bündelverlaufes eine erheblichere als bei Leuciscus gewesen sein. Die starken Lippenäste des Nervus infraorbitalis gelangen unter den Maxillo-labialis, zwischen ihn und den Ursprung des Caninus. Der Muskel von Lexeiscus leitet sich durch seinen Ursprung nahe der Wangenschleimhaut und die weite Entfernung vom Augen- höhlenrande und vom Foramen infraorbitale von Zuständen her, wie sie bei Halbaffen allenthalben angetroffen werden und bei niederen Affen erhalten geblieben sind (Ateles, Cebus). Der Tatbestand von Syndactylus hingegen hat eine höhere Rangstufe eingenommen; er nähert sich mehr demjenigen bei Anthropomorphen, ohne jedoch die Höhe der Organisation bei ihnen zu erreichen. So weist die Gat- tung Hylobates auch im Gebiete des Maxillo-labialis bezüglich des genealogischen Zusammenhanges sowohl nach unten als auch nach oben hin. Il. Orbiculo-canino-triangularis. Caninus und Triangularis stellen eine einheitliche, vom Ober- lippenteil des Orbicularis oris abgespaltene Muskelschiehte dar. Der Caninus ist der am Öberkiefer entspringende und bis zum Mund- winkel gelangende Abschnitt; der Triangularis setzt sich aus dem Gesichtsmuskulatur und Nervus facialis der Gattung Hylobates. 161 Caninus lateral vom Mundwinkel fort und baut den zur Haut der Unterlippe, des Kinnes und des Kieferrandes ausstrahlenden Ab- schnitt des einheitlichen Muskels auf. Um die morphologischen Eigenschaften beider Abschnitte deutlich hervortreten zu lassen, sei ein jeder von ihnen selbständig vorgeführt. 1. Pars canina = Caninus. Leueisceus, Fig. 5 u. 6. Der Muskel als oberer Abschnitt des Caninus-Triangularis entspringt nur mit seinen lateralen Bündeln Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7. Maxillo-labialis und die Orbieulo-canino-triangularis-Platte. Ansatz tiefer Bündel des Zygomaticus zwischen Canino-orbicularis und den tiefen Orbieulo-triangularis-Lagen. HAylobales leueiscus (alt). 3/a. Fig. 5. Maxillo-labialis, Caninus, Zygomaticus, Levator labii et nasi und Nervus infraorbitalis in ihrer gegenseitigen Lagerung. Fig. 6. Maxillo-labialis ist nur im Ursprung erhalten. Orbikulare, dem Caninus angeschlossene Bündel (7). Orbikulare, in den mittleren Abschnitt des Triangularis übergehende Lagen (2). Tiefe, bis an die Mundspalte reichende Orbicularis-Bündel, welche zur Unterlippe als Kreisfasern verlaufen, außerdem an den Triangularis eine tiefe Portion abgeben (3). Fig. 7. Tiefe Schichte (3) nach Entfernung der oberflächlichen Lagen. Anheftung der tiefen Bündel des Zygomatienus. Z. Musc. zygomatieus. M.-I. Musc. maxillo-labialis. ©. Muse. caninus. 7’r. Muse. triangularis. am Oberkiefer, und zwar am Jugum alveolare des Ecekzahnes. Die 3mm breite Ursprungsportion bleibt mit dem unteren Rande 4, mit dem oberen 7” mm von der Lippenschleimhaut entfernt. Dieser eigentliche Caninus geht in den Randteil des Trianzularis über. Sein lateraler Rand ist 1,1cm vom Mundwinkel entfernt. Alle an- deren den Triangularis aufbauenden Bündel entstammen direkt den orbikulären Oberlippenlagen, welche dem maxillaren Ursprung auf das unmittelbarste sich auschmiegen. Da findet sich zunächst ein Morpholog. Jahrbuch. 44. 11 162 Georg Ruge zarter Muskelstrang (2), welcher am oberen Rande der muskulösen Lippe gelagert und neben der Nasenöffnung am Skelet befestigt ist. Er findet den Anschluß an die medialen Fasern des eigent- lichen Caninus. Daran fügt sich eine gleichgeschichtete Orbieularis- lage (2), mm breit, welche aus der Mittellinie der Oberlippe kommt, sich dem Bündel 1 anlegt, den Mundwinkel umzieht, um dann in den Triangularis sich fortzusetzen. Sie ist “mm mit dem lateralen Rande, 2mm mit dem medialen vom Mundwinkel entfernt. Unter der Lage 2 befindet sich eine tiefere, von der Mittellinie her- stammende Orbieularisschichte (3). Sie ist von Lage 2 zum Teil be- deckt, schiebt sich aber bis zum Mundwinkel heran, um hier scharf umbiegend in den Triangularis überzugehen. Die Schichte 3 wird von Schichte 2 durch tiefe Ansatzfasern des Zygomatieus ge- trennt. Die Lippenäste des Nervus infraorbitalis zieken oberflächlich vom ganzen Muskel zur Haut. Dieser ist seinem Ursprunge nach ein Orbieularis-Caninus, Stellt man seinen Aufbau sich genetisch vor, so muß man ihn sich aus tiefen (3) und oberflächlicheren (2) Orbicularislagen aufgebaut denken, ferner aus oberen Orbieularisbündeln, welche in der Nähe der Nase Anheftungen am Skelet erworben haben (7), und schließlich aus solchen, welche auf das Jugum alveolare des Eckzahnes hinauf- gewandert sind. Die genaue Einteilung zeigt den Caninus als nichts anderes als einen gewöhnlichen (3, 2) und einen differenten, an das Skelet gehefteten Abschnitt des Orbieularis oris (/. und Uaninus im engeren Sinne). Der aus dem Caninus hervorgehende Triangularis ist wie jener streckenweise geschichtet. Leueiscus, Fig. 8. Der Caninus entspringt dieht unter dem Foramen infraorbitale am Jugum alveolare des Eckzahnes, bis auf 7mm von der Schleimhaut sich entfernend. Scharf begrenzt und selbständig, gelangt er abwärts zur Höhe der Lippenspalte, wo er lateral vom Mundwinkel mit einem etwa gleich starken Orbicularis- bündel der Oberlippe sich verbindet. Letzteres kommt vom Seiten- rande der Nasenöffnung und nimmt die Mitte der tiefen Orbieularis- schichte ein. Beide, Caninus und Orbieularisbündel, gehen in den lateralen Abschnitt des Triangularis über, wobei der Caninus den Randteil des letzteren bilden hilft. Oberflächliche Orbieularisbündel der Oberlippe decken die Erstgenannten und setzen sich, bis an Gesichtsmuskulatur und Nervus facialis der Gattung Hylobates. 163 den Mundwinkel heranreichend, in die ganze Breite des Triangu- laris fort. Es handelt sich auch hier am oberen Abschnitte des Caninus- Triangularis um einen Orbieulo-triangularis, welcher durch Anhef- tungen am Maxillare einen selbständigeren Caninus hat hervorgehen lassen. Gemäß dem Anschlusse des Orbieularis an den Caninus und dem höheren Ursprunge des letzteren steht der Befund höher als beim vorigen Objekte. Syndactylus, Fig. 10. Der Caninus entspringt oberhalb der Schleimhaut breit am Oberkiefer und ist bedeekt vom Maxillo-labia- lis. Er zieht um den Mundwinkel und geht in den Triangularis über, dessen Hauptmasse er aufbaut. Lateral vom Mundwinkel ist er eine 6 mm breite Platte, deren vordere Bündel 3 mm vom letzteren entfernt sind. Er ist an der Oberlippe durch die Zygomatieusansätze vom Orbieularis oris abgetrennt. Verbindungen mit diesem werden durch tiefere Bündellagen hergestellt, welche von der Oberlippe her, der Lippenspalte genähert, bis an den Mundwinkel heranreichen und dann, angelagert an den Caninus, in den Triangularis über- gehen. Dem oberen Caninusrande lehnt sich ein abgesprengter, tiefer feiner Platysmastreifen an. Der Caninus, zur stärkeren Entfaltung gelangt, hat sich von orbicularen Lagen freier gemacht, so daß sich nur noch tiefe, der Lippenspalte benachbarte ihm anreihen. Man kann hier in der Tat von einem Canino-triangularis reden, obschon ursprüngliche einfache Orbieulariselemente sich auch ihm noch hinzugesellen. Syndactylus hat sich im Aufbau des Muskels weit über Leu- ciscus erhoben. Letzterer läßt aber auch schon niedere und höhere Stufen der Ausbildung des Canino-orbieularis erkennen. Es ist ganz fraglos, daß neue Beobachtungen weiteren Aufschluß über Ver- schiedenheiten der in diesem Gebiete angebahnten Weiterbildungen bringen werden. Die Fragestellungen sind verschärft, und demnach müssen die Untersuchungen genauere und zielbewußtere sein. An- gaben der Autoren aus früherer Zeit über diesen Gegenstand sind nicht verwertbar. Der Caninus ist bei Halbaffen ein integrierender Bestandteil des Orbieularis oris, derjenige, welcher von der Oberlippe aus über den Oberkiefer bis zur Nasenöffnung und zum Nasenrücken ausgebreitet ist. Dieser Zustand wird bei niederen Affen wieder angetroffen; je- doch mit dem Unterschiede, daß Unterlippenfasern zur Oberfläche 2 bes 164 Georg Ruge als Triangularis gelangen. Die zur Nasengegend auslaufenden Bündel bilden den Mutterboden für den vom Caninus sich verschiedengradig abgliedernden Nasalis. Die Abgliederung vollzieht sich durch eine Kontinuitätstrennung am Oberkiefer von ursprünglich durchlaufenden Muskelzügen. So kommt es, daß der Nasalis beim Menschen am Skelet da entspringt, wo der Caninus festgeheftet ist, daß ein leb- hafter Faseraustausch zwischen beiden oft bestehen bleibt. Bei Hylobates ist ein selbständiger Nasalis nieht vorhanden. Er besteht vielmehr nur in allen zur Nasengegend auslaufenden Orbieu- lariselementen, welche bei Zexeiscus der Fig. 8 u. 9 ansehnlich sind, zum Teil vom Canino-Orbieularis herstammen, zum Teil eine gewisse Selbständigkeit erlangen (siehe weiter unten). 2. Pars triangularis — Triangularis labii inferioris. Die unmittelbare Fortsetzung aus dem Orbieularis-Caninus ist für Hiylobates eine Allgemeinerscheinung. Es liegt nirgends ein Grund für die Annahme einer selbständigen Bildung vor. Der Tri- angularis ist alleiniges Eigentum der Affen und ist bei Halbaffen bisher nicht angetroffen worden. Bei Hapale scheint er noch zu fehlen, bei Neuweltaffen wird er in ersten Andeutungen bemerkt. Die stetige Ausgestaltung bei höheren Lebewesen ist eine bemerkens- werte Tatsache. Beim Menschen sind an ihm die höchsten Grade der Entwicklung bekannt geworden. Der Triangularis ist der auf dem Platysma ausgebreitete Abschnitt des Orbieulo-canino-triangularis. Er verhält sich verschieden bezüg- lieh der Durchbohrung des Platysmagebietes, um die subeutane Lage einzunehmen. Er dehnt sich verschieden weit gegen Kinn und Kieferrand aus. Ausgesprochene Unterschiede lassen sich für die drei Individuen wohl feststellen, ohne von ihnen jedoch genau angeben zu können, daß der Träger des einen oder anderen Befundes eine höhere oder tiefere Stellung dadurch einnehme. a. Beziehungen zum Platysmagebiete. Leueiscus, Fig. 1. Der Triangularis gelangt an der Oberlippe zwischen den orbieulo-labialen und temporo-labialen Bündellagen zur Oberfläche, bedeckt letztere, Zygomaticus und Platysma. Am anderen Tiere dringt der Muskel seitlich von der Mundspalte zwi- schen Zygomatieus und Platysma aus der Tiefe hervor und bedeckt dieses mit allen seinen Fasern. Syndactylus, Fig. 3. Der Triangularis erreicht die Oberfläche Gesichtsmuskulatur und Nervus facialis der Gattung Hylobates. 165 seitlich vom Mundwinkel und unterhalb der temporo-labialen Schichte; er bedeckt Zygomatieus und Platysma. Ein Muskelstrang des letzteren jedoch überkreuzt oberflächlich den Triangularis und endigt erst am medialen Triangularisrande, 3mm unterhalb des Mund- winkels. b. Aufbau des Triangularis. Leueiseus, Fig. 5, 6, 7. Die Seitenrandbündel kommen aus dem Caninus. Oberflächlich, medial angeschlossene, breite Lagen stammen aus oberflächlichen Orbieularislagen (1, 2). Tiefe Orbieularisbündel (3) bilden den medialen Abschnitt; sie verschmelzen zum Teil mit der Schiehte 2. Fig. 1: Caninus und ein tiefes Orbieularisbündel gehen in den Seitenteil des Triangularis über. Oberflächliche Kreisfasern fügen sich ihm bis zur Lippenspalte hin an. Syndactylus, Fig. 10. Der breite Caninus bildet den Haupt- bestandteil der Triangularisplatte. Nur wenige-tiefe Orbieularislagen lehnen sich ihr medial an und umziehen die Lippenspalte un- mittelbar. c. Ausdehnung unterhalb der Mundspalte und Anheftung. Leueiscus, Fig. 1. Alle Muskelfaserbündel schlagen einen bogen- förmigen Verlauf ein; die lateralen sind schwach, die medial folgenden stärker und stärker gekrümmt. Die an den Mundwinkel anschließenden Bündel verlaufen dem Lippenrande parallel, bleiben aber von ihm bis auf 4mm entfernt. Das Ende der Muskelplatte liegt auf dem Unterlippenkinnteile des Platysma in einer medianwärts konvexen Linie. — Fig. 2: Die lateralen Randbündel biegen nach unten und hinten aus; die vorn sich anfügenden ziehen steil herab, während die folgenden einen mehr und mehr gekrümmten Verlauf einschlagen. Die eng um den Mundwinkel zur Unterlippe ziehenden Bündel bleiben an letzterer von der Mundspalte entfernt. Die Anheftung erfolgt unten auf dem Platysma an einer subeutanen, derben Fascie in einer scharf gezeichneten Linie, welche hinten 0,8cm und vorn 0,5cm vom Kieferrand entfernt ist. Die gegen die Mittellinie ge- wendeten oberen Fasern verstreichen, weniger scharf geendigt, auf den Platysma-Endfasern. Syndactylus, Fig.3, 10. Alle Bündel schlagen einen stark ge- krümmten Verlauf nach vorn ein, liegen dabei fast parallel neben- einander, so daß die Caninusplatte seitlich vom Mundwinkel ungefähr gleich breit (Ö mm) wie an der Insertion ist (etwa 7 mm). Diese liegt an der subeutanen Fascie in einer vorn vom Kinn-Kieferrande medial 166 Georg Ruge aufsteigenden Insertionslinie. Die oberen-vorderen Randbündel der Caninus-Triangularisplatte bleiben vom Lippenrand entfernt. Zwi- schen beide schieben sich die tiefen Orbieularisbündel ein, welche be- reits an der Oberlippe den Anschluß an den Caninus erlangen. Sie endigen zwischen den Hautinsertionen des Unterlippenplatysma. Der bogenförmige Verlauf der Triangulariselemente, wie er bei Leueiscus der Fig. 1 und Syndactylus vorliegt, stellt einen primi- tiveren Zustand dar als der Befund bei Leueiscus der Fig. 2 mit steil abwärts und nach hinten gerichteten, lateralen Bündellagen. Sie schlagen bereits den Weg ein, auf welchem die zum quer- gestellten menschlichen Muse. risorius Santorini gewordene Bildung fortgeschritten ist. Im oberen Abschnitt ist der Aufbau der Orbi- eulo-canino-triangularis-Platte bei Leueiscus der Fig. 1 am indiffe- rentesten, im unteren Abschnitt am meisten abgeändert. Bei Syn- dactylus ist das Gegenteil der Fall. Urtümliches und Verändertes treten auch hier nebeneinander auf und wechseln die Rolle bei den einzelnen Arten. | Durch den Besitz eines Triangularis schließt Zylobates sich den Simiern eng an und entfernt sich wie diese weit von den Prosi- miern. Ill. Labio-buccalis, ein Abkömmling des Orbicularis oris. Die Wangenschleimhaut «st von den Lippen aus mit einer Muskulatur ausgestattet worden, welche weit nach hinten bis an die Seitenwand des Schlundkopfes sich ausgedehnt hat. Sie kam da- durch zum Teil unter dem Masseter zu liegen und nahm hier eine tiefe Lage ein. Diese buecalen Muskelschichten sind bei den Säuge- tieren frühzeitig zur Entfaltung gelangt, so daß sie bei den Primaten eine lange Vorgeschichte haben. Der Orbieularis oris, als Hauptbestand eines Sphineter faciei, hat die Bausteine für den Wangenmuskel geliefert, indem die Kreis- fasern je von der Oberlippe und der Unterlippe aus zur Wange sich abgezweigt haben, woraus dann Muskellagen entstanden sind, welche einmal von der Unterlippe zur Wange verfolgbar sind, zweitens von der Oberlippe aus einen gleichen Verlauf einschlagen. Diese Schichten decken einander und haben sich an der Wange von Aylo- bates in der Dreizahl eingestellt. Die tiefste Muskelschichte geht von der Unterlippe, eine oberflächlichere geht von der Öberlippe aus. Die von beiden Lippen aus zur Wange ziehenden Bündellagen kreuzen einander lateral vom Mundwinkel, indem die je von Unter- und Gesichtsmuskulatur und Nervus facialis der Gattung Hylobates. 167 Oberlippe zur Wange verfolgbaren Bündel den kreisförmigen Verlauf um die Lippenspalte mit der Längsabweichung zur Wange ein- getauscht haben. Eine dritte, oberflächlichste Muskelschiehte hat wieder an der Unterlippe ihre alten Lagebeziehungen bewahrt und gelangt von ihr schräg nach hinten und oben zur Wange. Neben diesen geschichteten Lippen-Wangen-Lagen haben sich stellenweise orbieulare Faserzüge erhalten. Man trifft sie in der (Gegend des Mundwinkels an. | Die gesamte tiefe Muskulatur ist also ihrer Entstehung nach eine labio-buccale.e. Vom genetischen Standpunkt aus handelt es sich also um einen Labio-buccalis und nicht um einen Buceo- labialis. Da die Wangenbündel Anheftungen am Ober- und Unter- kiefer erworben haben, so kann der Ursprung der äußerst komplexen Muskulatur nach hinten verlegt gedacht werden. Aus diesem Grunde sprechen wir von einem Bucco-labialis. Den Tatsachen wird aber nicht Rechnung getragen, wenn man kurz von einem Buccinator redet. Bei allen Primaten, den Menschen eingeschlossen, besteht ein solcher Lippen-Wangenmuskel, der aus einer Parslabialis und einer Pars buecalis aufgebaut gedacht werden kann. Die oberflächlichste Schichte des Labio-bucealis hat bei Aylo- bates von der Unterlippe sich mehr befreit als die beiden tieferen Schichten. Sie hat sogar von der Unterlippe aus Befestigungen am Unterkiefer erworben und verläuft nunmehr als starkes Muskelband vom Unterkiefer schräg nach hinten und aufwärts und heftet sich am Öberkiefer fest. Diese oberflächliche Schichte hat bei Leueiscus der Fig. 8 einen ausgesprochen buccalen Charakter nach Lage und Wirkung angenommen und kann deshalb mit einem gewissen Recht ein Bucealis genannt werden. Die mittlere, an der Oberlippe die Orbieularisnatur bewahrende Schichte steht mit dem Orbiculo-caninus noch im allerengsten Ver- bande, wodurch die Abstammung der gesamten Muskelschichte vom Orbieularis oris aufs neue sich bewahrheitet. Die tiefste, unmittel- bar auf der Schleimhaut befindliche Schichte ist phylogenetisch die älteste. Sie ist unter den Halbaffen bei Varecia und Lepilemur die allein vorhandene. Ihr gesellen sich bei Zemur nur wenige Bündel von der Oberlippe aus dem Canino-orbieularis hinzu. Zwei genaue Befunde von HAylobates, genetisch betrachtet, sind für die Auffassung des Labio-buccalis sehr lehrreich. Sie regen zu weiteren genauen Untersuchungen an. Es ist wohl möglich, ‘daß der Ausbau des erst bei Affen komplizierten Muskels sich bei einzelnen 168 Georg Ruge Abteilungen verschieden gestaltet. Wenn das aber der Fall sein sollte, so könnten die näheren Verwandtschaftsverbältnisse zwischen den Abteilungen der Simier in eine bessere Beleuchtung rücken. 1. Tiefste Unterlippen-Wangenschichte (a). Syndactylus, Fig. 11. Zarte Faserlagen umkreisen den Mund- winkel; als orbieulare Elemente an den Lippen deutlich, lösen Fig. 8. Fig. 9. Caninus Max.-labialis Plat.-mandib. Plat.-ment. Mentalvs Fig. 8. Tiefe Schichte des Sphincter oris und dessen Abkömmlinge von Hylobates leuciscus (jung). Y/ı. Der selbständige Maxillo-labialis kreuzt den Ursprung des Caninus, welcher mit einem Oberlippenteil des Orbicularis oris verbunden ist. Der Labio-bucealis besteht aus einer tiefen Unterlippenportion («), einer mittleren Oberlippen- (b) und einer oberflächlichen Unterlippenportion (ce). Fig. 9. Tiefste Lage des Orbicularis oris der Oberlippe, dessen obere Bündel zur Nase abgezweigt sind. (Pars nasalis). sie sich seitlich vom Mundwinkel auf und verlieren sich. Eine ein- heitliche, von der Mittellinie entstammende und der Schleimhaut un- mittelbar aufgelagerte Unterlippenschichte schließt an die Lippen- spalte an, ist vorn am Kiefer befestigt, bleibt aber sonst von der Umschlagsstelle der Schleimhaut in das Zahnfleisch bis auf 3mm entfernt. Die Bündel verlaufen rückwärts über den unteren Wangen- abschnitt und heften sich in größerer Ausdehnung am aufsteigenden Aste des Unierkiefers fest. Sie wirken von hier aus auf Wange Gesichtsmuskulatur und Nervus facialis der Gattung Hylobates. 169 und Lippe. Diese Schichte ist von der oberflächlichen Unterlippen- portion /c) überlagert, sendet aber ein Bündel zu ihr, wodurch die gemeinsame Herkunft von Schichte « und e von unteren orbicularen Fasern angedeutet bleibt. Leueiscus, Fig. 8. Die Bündellagen erreichen die Mittellinie nicht, entstehen in der Mitte der Lippenlänge mit Lagen, welche bis an die Mundspalte heranreichen, und etwas nach außen mit radiär Fig. 10. Fig. 11. Depressor supercilii Fig. 10. Depressor supercilii im Ursprung und Ansatz. Tiefe Schichte des Orbicularis oculi mit ihrer Anheftung am Skelete. Levator labii et nasi im Ursprung am Processus fron- talis des Maxillare und im Übergang aufwärts in den Orbieularis oculi. Zygomaticus in ganzer Ausdehnung und Anheftung zwischen Triangularis und tiefen Bündeln des Orbieularis oris. Caninus- Triangularis ist durchtrennt, um den Anschluß des tiefen orbikulären Bündels sichtbar zu machen. Platysma-Bündel, dem Caninus angeschlossen. Maxillo-labialis im Ursprung und Ansatz. Fig. 11. Tiefe Schiehte des Sphincter oris, zum Labio-buccalis umgestaltet: « Tiefe Unterlippen- Wangenschichte; b mittlere Oberlippen-Wangenschichte; ce oberflächliche Unterlippen-Wangenschichte; c1 vordere Portion; ce 2 hintere Portion; ce2 empfängt orbikuläre Bündel. Die Umschlagsstellen der Schleimhaut ins Zahnfleisch sind durch punktierte Linien angedeutet. HAylobates syndactylus. Yı. gegen den Kiefer ausstrahlenden zarteren Fasermassen. Die ganze Platte breitet sich auf der Wange aus, bedeckt von der mittleren Schichte (); auf der Wange strahlen die Bündel auseinander. Obere heften sich am Oberkiefer nahe der Schleimhaut fest, untere ziehen quer nach hinten und erreichen die Raphe bueco-pharyngea. Untere Randbündel finden einen sekundären Zusammenhang mit oberen Bündeln der Mittelschichte (d). Die vordersten, am Oberkiefer be- festigten Elemente sind vom Caninus bedeckt; sie liegen der Ober- 170 Georg Ruge lippe am nächsten, haben hier zuletzt den orbieularen Verlauf mit einem steil aufsteigenden vertauscht. Die abwärts folgenden erweisen sich längs des Oberkiefers nach hinten ausgebreitet. Leueiscus verhält sich diesbezüglich ursprünglicher als Syndac- tylus, bei welchem hinwiederum das primitivere Verhalten an der Unterlippe angetroffen wird. 2. Mittlere Oberlippen-Wangenschichte (b). Syndactylus, Fig. 11. Die Faserbündel kommen von der Mittel- linie, bedecken die Oberlippe bis zum Lippenrande, bleiben aber von der Umschlagsstelle der Schleimhaut zum Zahnfleisch von der Nase an nach hinten entfernt. Seitlich von der Nase sind obere Faser- lagen am Skelet befestigt. Alle Bündel sind quer über die Wange ausgedehnt; selbst die unteren haben jegliche Beziehungen zur Unter- lippe eingebüßt, gelangen zum aufsteigenden Kieferaste, wo sie nach außen vom Molaris II befestigt sind. Aufwärts angeschlossene Faser- lagen erreichen die Raphe bucco-pharyngea und den Oberkiefer. An ihm findet der Ansatz seitlich vom Molaris I und von beiden Prae- molares statt. Die oberen Grenzfasern liegen unter dem Ausführ- gange der Ohrspeicheldrüse. Sehr starke oberflächliche Bündel ziehen vom Unier- und Ober- kiefer gegen den Mundwinkel, erzeugen hier einen Längswulst, der im Durchschnitt 0,5mm mißt. Die Wirkung beruht in einer Be- wegung der Oberlippe und namentlich des Mundwinkels rückwärts, was eine Spannung von Lippe und Wange nach sich zieht. Der Zusammenhang mit der tiefsten Schichte an der Wange ist durch erworbenen parallelen Verlauf der nach hinten von beiden Lippen aus aberrierenden Fasern entstanden. Leueiscus, Fig. 8, 9. Eine auf die Schleimhaut der Oberlippe ausgebreitete Muskelbündellage geht von der Mittellinie aus, schließt an die Mundspalte an und gelangt aufwärts zum Seitenrande der Nasenöffnung und aufwärts bis zum Nasenrücken. Obere Bündel verstreichen an der Grenze von Lippe und Wange, untere strahlen abwärts auf den vorderen Wangenteil aus, ohne noch zur Unterlippe sich zu begeben. Die Nasenbündel sind diejenigen Elemente, von welchen ein oberflächliches Bündel abgelöst ist und sich dem Caninus angelagert hat (Fig. 8). Sie bilden den Boden für einen bei höheren Formen zum Nasalis werdenden Muskel. Eine ansehnliche oberflächliche Platte schließt als 3mm breites Gesichtsmuskulatur und Nervus facialis der Gattung Hylobates. 171 Band an die Lippenspalte an. Ihre Fasern ziehen als obere über die Wange nach hinten bis zur Raphe bueca-pharyngea und bleiben vom Ductus parotideus 3mm entfernt. Die. unteren Bündel treten vom Mundwinkel an auseinander und heften sich am Unterkiefer in der Nähe der Schleimhaut-Umschlagsstelle fest. Die vordersten ver- laufen steilabwärts und sind oberhalb des Foramen mentale festgeheftet. Die oberflächliche Schichte (e) überkreuzt die Wangenbündel ober- halb des Unterkiefers. Ein besonderer Mundwinkelabschnitt ist auch hier wie bei Syndactylus zur Entfaltung gelangt; er schließt an die von der Oberlippe zur Wange durchlaufenden Faserlagen vorn an und heftet sich am Rande der Unterlippe fest, in einer Ausdehnung von 2mm vom Mundwinkel aus. Die Wirkung zielt auch hier auf Spannung von Wange und Oberlippe und namentlich auf eine Rück- und Abwärtsbewegung des Mundwinkels hin. 3. Oberflächliche Unterlippen-Wangenschichte (c). Syndactylus, Fig. 11. Sie ist in eine hintere-untere und eine obere-vordere Bündelmasse, gespalten. Die hintere-untere Portion bezieht einen orbikulären Unterlippenstrang, welcher aus der tiefsten Schichte sich abspaltet. Ihm schließen sich Fasern an, welche An- heftungen am Unterkiefer, an den Juga alveolaria des Eckzahnes und der Praemolares erworben haben. Die freie sich abhebende Muskelplatte verläuft aufwärts und nach hinten zum Oberkiefer, die Bündel der Mittelschichte b überkreuzend. Sie ist ein Widerlager für den unteren-hinteren Wangenabschnitt geworden, mit nur ge- ringen alten Beziehungen zur Unterlippe. Die vordere-obere Portion geht von der Unterlippe in der Nähe des Mundwinkels aus; ihre Muskelfasern gelangen vorn steil und hinten mehr schräg über die Grenze von Oberlippe und Wange zum Öberkiefer, wo sie in einer Breite von 0,9cm an den Juga alveo- laria der Praemolares angeheftet sind. Hinter ihr durchbohrt der Duetus parotideus die Schleimhaut. Die Bündel entstanden aus nach hinten verschobenen Örbieularisteilen der Oberlippe. Die Wirkung ist im Heben des Mundwinkels zu suchen und stimmt darin mit dem Caninus überein, welchem man diese Portion mit einem gewissen hechte zurechnen kann; denn es handelt sich bei ihr um eine Art Verbindungsbrücke zwischen Labio-buccalis und Canino- triangularis. Leueiscus, Fig. 8. Es besteht nur die untere-hintere Portion. Sie 172 Georg Ruge entsteht mit frei an der Unterlippe auftretenden und mit an sie an- geschlossenen Bündellagen, welche am Unterkiefer über dem Foramen mentale befestigt sind. Ein scharf begrenztes Muskelband geht aus ihnen hervor, welches rückwärts zum Oberkiefer, zur Raphe buceo- pharyngea und zum Unterkiefer sich begibt. Die Platte bat einen ausschließlich buccalen Charakter angenommen und spannt die Wangenwand im unteren Teile, ein Widerlager für sie wie bei Syn- dactylus bildend. Leueiscus steht etwas höher als letzterer, da die orbikulären Unterlippenfasern rückgebildet sind. IV. Nervus facialis. Seine Ausbreitung in der Muskulatur des Gesichtes. Die Ausbreitung des Nerven ist nur bei Syndactylus aufgenommen und in die Fig. 12 eingetragen worden. Es fehlen die Vergleichungs- objekte mit anderen Aylobates-Arten. Der Vergleich mit der Facialis- ausbreitung bei Prosimiern und Simiern weist dem Syndactylus-Be- fund eine tiefe Rangstufe zu, wie sie ähnlich dem Verhalten bei Ateles, Schimpanse und Gorilla zugesprochen worden ist. Orang zeigt hingegen eine große Umgestaltung im Endgebiete des Nervus facialis. Nicht alle Äste konnten bei Syndactylus bis in die letzten End- gebiete verfolgt werden. Das ist zu bedauern, aber auch für eine spätere Forschung muß etwas übrig bleiben. Der Stamm gibt kurz nach dem Verlassen des Schädels einen retroaurieularen oder aurico-oceipitalen Ast (au-o) ab. Er versorgt die Muskeln hinter der Ohrmuschel und auf deren hinterer Fläche. In der Ohrspeicheldrüse erfolgt die Aufteilung des Stammes. Zuerst erfolgt eine Spaltung in zwei Äste, in einen unteren und einen oberen Ast. 1. Unterer Ast (vw). Er gabelt sich sofort. Ein unterer Zweig (I) verläuft längs des Kieferrandes vorwärts, ein Ästchen gegen den Rand des Triangu- laris entsendend, ohne letzteren jedoch zu erreichen. Ein oberer Zweig (2) ist horizontal gegen den Mundwinkel gerichtet, ist aber vorn dreigeteil. Zwei Ästchen stellen die Fortsetzung gegen letzteren dar; ein oberes gelangt schräg aufwärts unter den Zygo- matieus zur Muskulatur der Oberlippe unter den Temporo -labialis. Der Nerv empfängt Zuwachs durch einen Zweig (3) des oberen Astes (o). Zwischen 2 und 3 bestehen außerdem 2 feine Verbindungen. Gesichtsmuskulatur und Nervus facialis der Gattung Hylobates. 173 Der Nervl1 ist ein Nervus platysmatis nach seinem End- gebiete. 2. Oberer Ast (o). Er ist rasch zweigeteilt in einen unteren (3) und oberen Zweig. Der letztere spaltet sich in einen vorwärts (£) und in einen aufwärts gerichteten Nerv (5). Der Zweig 3 verläuft parallel dem unteren 2, anastomosiert mit ihm, tritt dann unter den Zygomaticus und senkt sich an dessen Ausbreitung des Nervus facialis sinister bei Hylobates syndactylus. Y/ı. « Unterer Ast des N. facialis; o Oberer Ast des N. facialis; 2 Zweig zum Platysma; 2 3 Zweige zum Sphincter oris-Gebiete; 4 Zweig zum Zygomaticus und Orbicularis oculi; 5 Zweig zum Fronto-aurieularis; au-o Ast zum Auriculo- oceipitalis. Vorderrand in Nerv 2 ein. Auf seinem Wege entsendet er auf- und vorwärts zwei Ästchen, welche nach Bildung einer Doppel- schlinge sich in die Endzweige von Nerv 4 einsenken. Zweig 4. Er begibt sich vor-aufwärts gegen den Zygomatieus- ursprung, versorgt den Muskel, gelangt unter ihn, wo die Verbindung mit den Ästen des Nerv 3 und zugleich die Endverzweigung erfolgt. Drei Endästehen gelangen unter Temporo-labialis und Orbicularis 174 Georg Ruge oculi und zu ihnen. Es bestehen ein infrapalpebraler und zwei supra- palpebrale, resp. supraorbitale, reich verzweigte Aste. Der Ast 4 hat vor dem Eintritt in den Zygomatieus einen feinen aufwärts und einen noch feineren abwärts ziehenden Nerv abgegeben. Der Nerv 4 ist ein ausgesprochener Nervus zygomatico-orbi- eularis nach seinem Endgebiete. Zweigd. Er steigt steil vor dem Öhre empor, teilt sich bald in einen vor und über der Ohrmuschel verzweigten und in einen auf-vorwärts strebenden Zweig. Der erstere gelangt zu den Ohr- muschelmuskeln, der letztere zum Frontalis. Der Zweig 5 ist naclı seinem Endgebiete ein gut gekennzeich- neter Nervus auriculo-frontalis. 3. Nerven der Platysma-Gruppe. Der Nervus platysmatis (2), der Nervus zygomatico-orbi- eularis (£) und der Nervus auriculo-frontalis (5) erweisen sieh nach ihren gut bestimmbaren Endgebieten als die dem oberfläch- lichen Platysmagebiete zugehörigen Abschnitte des Faeialis. A, Nerven der Sphincter-Gruppe. Da dureh die genannten drei Nerven die verschiedenen Muskel- gruppen des Platysmagebietes versorgt sind, so bleiben die Nerven 2 und 3 für die Innervation des tiefen Orbieularisgebietes übrig. Sie anastomosieren untereinander und sind bis zur Lippenspalte verfolgt worden, um welche die betreffende Muskulatur sich anordnet. Es ist ein Fortschritt in der Beurteilung der Facialisverzweigung durch diese Feststellung angebahnt, welcher um so weiter führen muß, wenn man nach weiteren Gesichtspunkten die Untersuchung einstellt. Während die drei Nerven zum Platysmagebiet immer nur eine einfache periphere Astabgabe erkennen lassen, so stellen sich an den beiden Nerven zum Sphinctersysteme mehrfach Anastomosen untereinander ein. Die großen Verschiebungen, welche an den Schiehten des Sphineter oris gegeneinander stattgefunden haben, werden die Anastomosenbildung verursacht haben können. 5. Verbindungen zwischen den Nerven beider Muskelgruppen. Nun stellen sich aber auch Verbindungen zwischen dem Nerven 4 des Orbieularis oeuli und dem Zweige (3) des Sphineter oris ein, Diese Verbindungen liegen unter dem Bauche des Zygomaticus. Sie Gesichtsmuskulatur und Nervus facialis der Gattung Hylobates. 175 vereinigen die Nerven des oberflächlichen und des tiefen Gebietes der Gesichtsmuskulatur miteinander. Für diese Anastomosen läßt sich vielleicht darin eine hinreichende Erklärung finden, daß die ur- sprüngliche Verbindung zwischen Platysma- und Sphinetergebiet in der Umgebung der Ohrmuschel zu suchen ist, zu welcher die End- gebiete des Platysmaastes 4 und des Sphincterastes 3 bei niederen Formen Beziehungen besessen haben. Hier begeben wir uns aber auf das Feld von Hypothesen, welche nur anregend wirken sollen für weitere Klarlegungen. Der Kenner des komplizierten Baues der Gesichtsmuskulatur wird ohne weiteres zugeben müssen, daß in sehr vielen Punkten dieser Abhandlung Fortschritte sowohl der einteilenden Darstellung als auch in der gut begründeten Ableitung der einzelnen Gebiete zu verzeichnen sind. Diese Förderungen führen nicht zur völligen Klarstellung der vielen Fragen; denn das ganze Gebiet ist erst in die Anfangsbahnen einer streng wissenschaftlichen Durchforschung geleitet worden. Die Interessen für morphologische Fragen sind zur- zeit wieder lebhafter geworden, und wenn man die vortrefflichen Arbeiten aus letzter Zeit über die Gesichtsmuskulatur von niederen Säugetieren, Primaten und insbesondere des Menschen in Betracht zieht, so ist auch zu hoffen, daß allmählich eine strenge Durcharbeitung dieses Gebietes zu einem gewissen, vorläufigen Abschlusse führen werde. Auf die hohe Bedeutung der vergleichend-anatomischen Untersuchungsergebnisse auf diesem Gebiete für die Feststellung der Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den einzelnen Primaten muß immer wieder hingewiesen werden. Hierzu können später noch manche Beiträge geliefert werden, da jetzt die fraglichen Punkte be- kannt sind. Die Beurteilung wird aber immer eine schwierige bleiben, und vertrauenswerte Ergebnisse werden nur ganz allmählich unter Hinzukommen neuen Tatsachenmateriales erzielt werden. Arosa 1911. 176 Georg Ruge Inhaltsübersicht. Seite Einleitung. . . “mu. . uw Nee ee 129 A. Platysms-Grüoppes . 2.7 2 ©... 2 02 10 SL ee) 1. Platysma myoides . - . . . . 2 ..0..2..00 20 Su ee 129 1. Ausbreitung des Platysma über Hals, Brust und Nacken . . . . 129 2. Ohrmuschelbündel des Platysma (Platysma aurieularis s. Aurieulo- labialis inferior) ”- °.. .2.:°5 I 2 2020 DSDS 131 3. Ausstrahlungen des Platysma in die Lippen, zur Wange und Masseter-Parotis-Gegend - . ..... ... . ware 2 134 4. Überkreuzungen beider Muskeln in der ventralen Mittellinie . . 136 2..Krenzungen am Halse :ı. =wr.:. „iu oc Ver SE b: Kreuzungen am. Kinn...» 1. 4.02 2 136 5. Oberflächlich das Platysma deckende Bündellagen ....... 137 II. Muskeln hinter dem Gehörgange — Retroaurikuläre Gruppe. . . . 137 1. Oeeipitalis .. - >... .-.. 2, H0u2 9 205 20% Se 137 2. Aurieularis posterior - . . u. : .. Lu. „ee 140 3. Muskel der hinteren Ohrmuschelfläicbke —= Musculus auriceulae proprins posterior '. 1. a. nn 141 III. Platysma-Abkömmlinge unterhalb der Mundspalte . ....... 142 1.:Quadratus labii mferioris 2 7... m. 2 Ve 142 2, Mentalisıs : ..'2 2.0.2. aelen nr ger 143 IV. Oberhalb der Mundspalte ausgebreitete Muskulatur der Platysma- Gruppe . .. 2:2.-00 ale Tee En a a 144 1. Muskulatur der Oberlippe, Schläfe und Ohrmuschel. ...... 145 3: Zygomatiedsi., on! 2 RI IE a b.: Temporo-labialis + ...2.7..7... un FR ee 146 c. Reste eines Auriculo-labialis superior in der Nähe der Ohr- muschel:= Depressor helieis .. : - » . „sea ee 147 2. Helieo-fragieus. ‘2 2.2 0 0.0.2 nu 0 Don ee 148 V. Kreisförmig um die Lidspalte verlaufende Bindellagen (Orbieularis oculi) und deren Abkömmlinge -..... : ... . 2 2 149 1. Orbieularis oeulh ?.. » 2 2m 29. 2... Ve 150 2.:Depressor supereilil Us». "1... . 2 202.05 MESSE 151 3. Levator labii superioris.et naßi..: . : . . „ 2 rs 152 VI. Muskulatur der Stirn, Schläfe und des Scheitels, vom Oberaugen- höhlenrande zur Ohrmuschel = Fronto-aurieularis . . ...... 152 1.-Frontalis. u waBe nn Sn... 2 5. 153 2. Aurieularis antero-superior . ..... ........ 0. „oo 154 a. Aurieularis superior primitivus . . ..... . 2 154 b. Auricularis antero-superior . - -. . .. . 2 „2 Pr 155 e. Helieinus- „u “2 Bar 2. 222000. Se 156 B. Tiefe Muskelschichte = Sphineter-Gruppe . . .. - . %0. SeNEEE 156 I. Maxillo-labialis (Maxillo-naso-labialis). - - - - . : 2 2 2 2 2 2... 159 Tr LII. IV. Gesichtsmuskulatur und Nervus facialis der Gattung Hylobates. Orbieulo-eanino-triangularis. .\<... u... 2. See. N DEE Tree Par anna = 3 DATINIE SS a ee Re ea Nasa 2. Pars triangularis PO RER Et er Sr a. Beziehungen zum Hletysms.Cebiete Bit DAHEDAILdERTrianenlarls: 2.0 esse e. Ausdehnung unterhalb der Mundspalte und Anheftung . . Labio-bucealis, ein Abkömmling des Orbieularis oris . . . . . » 1. Tiefste Unterlippen-Wangenschichte. . . . . 2.2222... 2. Mittlere Oberlippen-Wangenschichte . . . . . 2.2.2... 3. Oberflächliche Unterlippen-Wangenschichte. . .. . . . 177 Seite 160 161 . 164 . 164 165 . 165 166 . 168 170 en 3 | Nervus facialis. Seine Ausbreitung in der Muskulatur des Gesichtes 172 IRSIHNTETETEA SET a a EN En: DENODETETK ARTE Sa PER SR Ta ar ragen Eee sen 3. Nerven. der. Plalysma-Gruppe =. u... Se ee et a Verbindungen zwischen den Nerven beider Muskelgruppen SQ Morpholog. Jahrbuch. 44. 12 Nerven.der Sphmeter-Gruppe,. wor... I en as 172 (Aus dem Zoologisehen Institut der k. k. Deutschen Universität in Prag.) Die Nasenhöhle der Perennibranchiaten, (Ein Beitrag zur Phylogenese des Jacobsonschen Organs.) Von Privatdoz. M. U. Dr. Wilhelm Anton. (Mit Unterstützung der Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissen- schaft, Kunst und Literatur in Böhmen.) Mit 1 Figur im Text und Tafel IV—V. Der Besitz des Jacogsonschen Organes ist für die Crypto- branchiaten mit Sicherheit nachgewiesen worden (WILDER, 1892; ORAJIMA, 1906; Anton, 1908). Anders verhält es sich mit den Pro- teiden; die Nasenhöhle dieser Tiere soll nach der bisher geltenden Annahme eines JacoBsonschen Organs, die von Proteus speziell auch einer einheitlichen Regio respiratoria (SEYDEL, 1895) entbehren. Nachdem nun aber Proteiden, Sireniden und Salamandriden uns in einer Formenreihe entgegentreten, »deren einzelne Glieder sich größtenteils voneinander ableiten, auseinander entwickeln lassen« (WIEDERSHEIM, 1877), so erscheint die Vermutung naheliegend, daß bei den so nahe verwandten Proteiden wenigstens Andeutungen eines solchen Organes sich finden könnten, die zu dem ausgebildeten Organ der Sireniden und Cryptobranchiaten hinüberleiten würden. Von der Möglichkeit dieser Annahme ausgehend, hielt ich es für wünschenswert, als Ergänzung zu meiner Arbeit »Beitrag zur Mor- phologie des Jacogsonschen Organs und der Nasenhöhle der Crypto- branchiaten« (1908) auch die Nasenhöhle der Proteiden und Sireniden einer Bearbeitung zu unterziehen und damit die ganze Gruppe der Iehthyoidea im Zusammenhang zu untersuchen, da nur eine ver- gleichende, lückenlose Betrachtung Veränderungen im Bau der Nasenschleimhaut so nahe verwandter Formen, die regelmäßig auf- treten und die sich durch ihre Lage, Form usw. in Beziehung zu dem ausgebildeten Jacogsonschen Organ bringen lassen, aufdecken 12* 180 Wilhelm Anton und dann möglicherweise zu einem phylogenetischen Anfangsstadium des Organs führen kann. Der weitere Zweck dieser Arbeit war die Klarstellung der Ver- hältnisse der Regio respiratoria bei Proteus. Material. Bei der Auswahl des Materials erschien es mir wünschenswert, Tiere verschiedener Altersklassen, soweit dies bei der Seltenheit des Materials möglich war, in den Kreis der Untersuchung einzubeziehen, da erst neulich FreıssıG (1909) bei älteren Exemplaren von Orypto- branchus japonicus das JAcOBSoNsche Organ in schwächerer Aus- bildung fand, wie bei jüngeren. Ich untersuchte also: Proteus anguineus: 10 Exemplare (8 ausgewachsene Tiere von 26—30 em Länge; ferner ein Tier von 9 cm und eines von 12 em Länge). Menobranchus lateralis: 8 ausgewachsene Tiere. Siren la- certina: 1 ausgewachsenes Tier von 40 em Länge, 3 halberwachsene von 15 cm Länge. Methoden. Als Fixierungsflüssigkeit wurde Sublimat, Chromsäure und Formol benutzt. Die Untersuchung wurde sowohl makroskopisch — durch Eröffnung der Nasenhöhle von oben — als auch mikroskopisch an Quer- und Transversalschnitten ausgeführt. Die Schnitte wurden mit Delafields Hämatoxylin gefärbt, wobei mit gutem Erfolg die Übertragung in 5%, Alaunlösung (SCHAFFER) nach der Entkalkung in 2°/, wässriger Salpetersäure angewendet wurde. Die Schnitte wie auch die makroskopischen Präparate wurden photographisch reproduziert, wodurch die wunderbar zarte Falten- bildung der Nasenschleimhaut am getreuesten wiedergegeben wurde. Gute Dienste leistete mir auch das Zeısssche Binoeular-Mikroskop. Proteus angwineus Lanc. (Taf. IV, Fig. 1, 4, 7, 10, 13, 14; Taf. V, Fig. 16, 17, 19) und Menobranchus lateralis Say (Taf. IV, Fig. 2,5, 8, 11, 15; Taf. V, Fig. 18). Die Proteiden zeigen in gleicher Weise wie in der ganzen Schädelanlage, so auch im Bau der Nasenhöhle eine so große Über- einstimmung, daß es wohl gerechtfertigt ist, beide zusammen zu besprechen. Die Nasenhöhle besteht aus zwei medianwärts schwach ge- krümmten Röhren, die vorn und rückwärts kuppelförmig abgeschlossen Die Nasenhöhle der Perennibranchiaten. 181 sind (Taf. IV, Fig. 10, 11 N%). Bei Proteus konvergieren, bei Meno- branchus divergieren die hinteren Enden; es wird dies durch die srößere Breite des Vomer bei Menobranchus bedingt, an dessen Rande die Choanen liegen. Das Auseinanderweichen der hinteren Enden bewirkt auch eine stärkere bogenförmige Krümmung der Nasenhöhle bei Menobranchus. : Das Lumen der Nase bei Prooteus zeigt im Querschnitt während des größten Teils des Verlaufs die Form eines in dorsoventraler Richtung abgeplatteten Ovales (Taf. IV, Fig. 13, 14 Nh). Es ist im Anfangs- teil der Nasenhöhle nach der Einmündung des Einführungsganges schlitzförmig, geht aber alsbald in die ovale Form über, die sich nach rückwärts etwas verbreitert. Bei Menobranchus ist das Lumen rundlich, wird aber durch die kräftig entwickelten Falten stark verzogen, so daß mitunter im Querschnitt eine sternförmige Figur zustande kommt (Taf. IV, Fig. 15 Nh). Die äußeren Nasenöffnungen bei Proteus (Taf. IV, Fig. 10 Ane) und Menobranchus (Taf. IV, Fig. 11 Are) sind oval oder schlitzförmig und befinden sich an der Unterseite der Schnauzenspitze; Quer- schnitte durch den Schädel zeigen das erste Auftreten der Aperturae nasales externae mit dem Auftreten des Os praemaxillare oder un- mittelbar hinter demselben. Von hier zieht ein sehr kurzer Ein- führungsgang nach innen, rückwärts, aufwärts und mündet am lateralen Anteil des Nasenbodens dicht vor dem vorderen Ende des- selben, so daß bei Querschnitten durch das innere Ende des Ein- führungsganges noch das vordere mitgetroffene Ende der Nasen- kapsel erscheint. Bei Proteus wird die Nasenhöhle im vorderen Anteil von einer zum Teil fibrösen, zum Teil hyalinen Membran allein getragen; im rückwärtigen Anteil findet die Nasenhöhle auch eine knöcherne Stütze (Proteus und Menobranches), indem sich die innere Hälfte der- ‚selben dem Vomer auflegt. Die Membran bei Proteus wird schon von dem vor dem Os praemaxillare liegenden unteren Teile der Schnauze gebildet, der sich aus lose aneinandergereihten, fibrillären Bindegewebszügen zu- sammensetzt, die von einem medial gelegenen Centrum ausgehen. Der obere Rand dieses bindegewebigen Gerüstes verdichtet sich zu einer derben bindegewebigen Membran, die beiderseits nach außen abdacht und seitlich in den lateralsten Teil der Oberlippe ausstrahlt. Mit dem Auftreten des Os praemaxillare findet die Membran am 182 Wilhelm Anton oberen und seitlichen Rande dieses Knochens und mit dem Aufhören desselben an der Alveolarleiste des Vomer eine Stütze. In diesen Partien zeigt die Membran hyalinen Bau; im rückwärtigen Anteil besteht sie aus schräg von außen nach vorn innen parallel ver- laufenden Bindegewebsbündeln und geht mit ihrem hinteren Ende in den Autorbitalfortsatz über. Bei Menobranchus tritt an Stelle der fibrösen Membran eine durehgehends hyaline. Vor dem Autorbitalfortsatz am Ende der Vomerzäbne knapp am Vomer sich anschließend, wird die Membran bei Proteus von der längsovalen Choane durchbrochen. Von der Gaumenseite gesehen, zeigt sie jedoch nicht die längsovale Form, sondern die einer nach außen konvexen Spalte, die von vorn innen nach rückwärts außen zieht (Taf. IV, Fig. 1 Ani); die spaltförmige Form kommt dadurch zustande, daß sich an ihrer medialen Wand eine bis in die Mitte der Apertura interna vorspringende Schleimhautfalte befindet (Taf. IV, Fig. 4, 7.F'). Bei Menobranchus hat die Apertura interna von der Gaumen- seite gesehen im offenen Zustande eine ellipsoide Form, deren Längs- durchmesser von vorn innen nach hinten außen zieht und die un- mittelbar hinter den Vomerzähnen und außen von den Zähnen des Pterygo-palatinum gelegen ist (Taf. IV, Fig. 2 An). An der medi- anen Wand der Choane befindet sich gleichfalls eine vorspringende kräftig ausgebildete Falte, durch welche die Apertura interna ver- kleinert und vollständig verschlossen werden kann, so daß sie dann spaltförmig erscheint (Taf. IV, Fig. 5, 8 F'. Bei Proteus ist die laterale Hälfte der Nasenhöhle von einer bindegewebigen Kapsel, die in der Mitte der Nase am stärksten ausgebildet ist, umgeben und gestützt. Die weitere Stütze findet die Nasenhöhle von Proteus in einem Knorpelgerüst, das von Leyvıe (l. e. S. 100) folgendermaßen be- schrieben wurde: »Geht man an die mikroskopische Untersuchung, so stößt man auf eine äußerst zierliche Bildung, von der ich in den mir zugänglichen Büchern nirgends eine Erwähnung finde. Der Geruchssack steckt nämlich in einem sehr schön gegitterten Knorpelgerüst, das in feiner Konfiguration an den knorpeligen Brustkorb der Cyelostomen erinnert (Fig. 1). Es besteht gewisser- maßen aus zwei Längsleisten, einer oberen und unteren, die aber keineswegs denselben Durchmesser behalten, im Gegenteil sich bald plattenartig verbreitern, bald auch wieder von großen Öffnungen Die Nasenhöhle der Perennibranchiaten. 183 durehbrochen sind; von ihnen zweigen sich zahlreiche quere Äste ab, die um den Geruchssack herumlaufend von beiden Seiten zu- sammenbiegen. Auf solche Art kommt ein gar elegantes knorpeliges Gitterwerk zustande, das den Geruchssack in sich trägt, und von dem ich nicht weiß, ob es mit dem Skelet zusammenhängt, oder was mir fast noch wahrscheinlicher ist, ganz von demselben isoliert ist. Die Substanz des Knorpelgitters ist schöner Hyalinknorpel mit sekernten Zellen und homogener Grundsubstanz, die einzelnen Leisten des Gerüstes messen durch- schnittlich 0,028” in der Breite, die plattenartig verbreiterten Stellen aber können 0,056’ betragen. « Nach WIEDERSHEM (l. c. S. 392) »paßt diese Beschreibung ziemlich genau auch für Menobranchus, nur sind die Öffnungen viel kleiner als bei Proteus, so daß die hyaline Sub- stanz mehr zur Geltung kommt. Fer- ner ist der Knorpel an seinem Hin- terrande blasig aufgetrieben und ist hier durch starkes Bindegewebe, aber nicht durch Knorpel sowohl mit dem Autorbitalfortsatz, als der seit- lichen Region des Stirnbeins innig verbunden. « Nach den an Quer- und Transversalschnitten durch die Nasen- höhle gewonnenen Bildern kann ich dieser Beschreibung nicht ganz zustimmen. Der Bau des Knorpelskelets bei Proteus ist ein sehr einfacher. Es besteht aus Knorpelspangen, die in die Nebenfalten eingelagert sind und daher wie diese in fast gleichen Zwischenräumen in der Richtung von rückwärts außen nach vorn innen um den Nasensack ziehen (Taf. V, Fig. 16 Kr). Der Knorpelring um die Nase ist je- doch kein vollständig geschlossener; die Spangen umgreifen den Geruchssack nur von der äußeren, oberen und teilweise unteren Seite; die innere Seite ist frei. Am Nasendache reichen die Knorpel- stäbe stets bis zur medianen Wand; am Nasenboden in der Regel nur beiläufig bis zur Mitte derselben (über die Hauptfalte hinaus) (Taf. IV, Fig. 1, 15, 4Kn). Eine Querverbindung der Knorpelstäbe am Fig. 1: Knorpelgerüst der Nasenhöhle von Proteus (nach Leyoıc). 184 Wilhelm Anton Dache der Nasenhöhle — eine obere Längsleiste — fehlt; nur an der lateralen unteren Seite des Nasensackes sind die Knorpelstäbe durch eine schwache Querleiste verbunden; diese ist in die Haupt- falte eingelagert, zieht aber nicht kontinuierlich durch die ganze Länge derselben, sondern ist stellenweise unterbrochen. Die vorderste Knorpelspange umgreift das vordere Ende des Geruchssackes und das obere Ende des Einführungsganges; von dieser zweigen zwei Knorpelstäbe ab, die mit dem Einführungsgang parallel laufen und diesem als Stütze dienen. Ein ähnliches Verhältnis, wie man es bei Oryptobranchus japonicus und Amphiuma means findet, bei welchen das Atrium durch eine von der knorpeligen Nasenkapsel ausgehende Knorpelspange eine Stütze erhält.. Das hinterste Ende des Nasensackes, das vor dem Autorbitalfortsatz oder über ihm endet und durch festes Bindegewebe mit ihm verbunden ist, wird von einer zarten Knorpelspange umfaßt. Dieses Knorpelskelet findet sich schon bei jungen Tieren von 9—-12 cm Länge, wenn auch nur in schwacher Ausbildung. Bei Menobranchus ist das Knorpelskelet kompakter ausgebildet (Taf. V, Fig. 18 Kn). Es besteht aus einer medial gelagerten Knorpel- platte, von welcher Knorpelspangen nach außen und vorn abgehen, die in die Nebenfalten eingelagert, den Nasensack an der oberen und äußeren Wand umgreifen; die Spangen sind breiter als bei Proteus und an verschiedenen Stellen — nicht allein in der Region der Hauptfalte — durch Querleisten verbunden. Der Boden der Nase zeigt keine knorpelige Einlagerung, sondern ruht direkt auf der hyalinen Membran (Taf. IV, Fig. 15). Das hintere Ende des knorpeligen Nasenskelets, das mit der medialen Platte zusammen- hängt, ist vollständig kuppelförmig abgeschlossen und ruht auf dem Autorbitalfortsatz, ist aber von ihm wie von der seitlichen Partie des Stirnbeins durch eine zwischenliegende Bindegewebsschicht ge- trennt (wie dies schon WIEDERSHEIM angibt). Der Einführungsgang zeigt die mit ihm parallel laufenden stützenden Knorpelstäbe wie bei Proteus. Es steht somit die erste Anlage des knorpeligen Nasenskelets (Proteus) in enger Relation zu den Falten, welche die Riechknospen trennen; es entsteht in regelmäßiger und einfacher Weise durch stützende knorpelige Einlagerungen in diese Falten, deren Form und Verlauf es sich anpaßt. Mit dem Schädelskelet hängt es noch nicht zusammen, sondern Die Nasenhöhle der Perennibranchiaten. 185 ist von dem Antorbitalfortatz und der seitlichen Partie des Stirnbeins durch eine dazwischenliegende Bindegewebsschichte getrennt. Die Schleimhaut der Nasenhöhle bei Proteus bildet ein Falten- system, dessen erste Beschreibung wir CONFIGLIACHI und Rusconx1(1819) verdanken: »Von einer in der Längsrichtung der Nasenhöhle ver- laufenden Hauptfalte zweigen sich jederseits quer gerichtete einander parallele Nebenfalten ab.« Dieser Beschreibung kann ich hinzufügen: Als Fortsetzung des Einführungsganges findet sich am Boden der Nasenhöhle eine rinnen- förmige Vertiefung, die zirka !/; der Nasenlänge einnimmt. Diese geht allmählich, indem sie sich abflacht und im weiteren Verlauf über das Niveau der übrigen Schleimhaut erhebt, in die Hauptfalte über, die im lateralsten Abschnitt des Bodens der Nasenhöhle verläuft; gegen Ende ihres Verlaufs wird die Falte niedriger und unmittelbar vor der Choane vertieft sie sich wieder rinnenartig (Taf. IV, Fig. 10 7). Von dieser Hauptfalte zweigen median und lateral in fast gleichen Zwischenräumen flache Nebenfalten ab (beim erwachsenen Tier 15—20), die von vorn nach rückwärts an Höhe zunehmen. Die medialen Nebenfalten verlaufen leicht konvergierend an der unteren Wand der Nasenhöhle schief nach vorn innen, wobei sie unter einem nach vorn spitzen Winkel von der Hauptfalte abzweigen: die late- ralen Nebenfalten stehen auf der Hauptfalte fast senkrecht, da sie zunächst an der äußeren Wand emporsteigen und erst am Nasen- dach nach vorn innen umbiegen. Die Enden der medialen und lateralen Nebenfalten treffen sich an der inneren Wand. Von den Nebenfalten gehen nach vorn und rückwärts wieder schwach ent- wickelte tertiäre Fältchen in spärlicher Anzahl zweigartig ab. Das ganze Faltensystem hat demnach beiläufig die Form einer Feder, die nach vorn gerichtet ist und deren Kiel die Hauptfalte darstellt (Taf. IV, Fig. 10). An der seitlichen äußeren und innern Umrandung der Choane, die von der Hauptfalte nicht berührt wird, treten 2—3 selbständige Falten auf, die an der lateralen und medialen Wand des Geruchssackes nach oben ziehen. Bei Menobranchus ist der Typus des Faltensystems ein ganz gleicher wie bei Proteus. Die Anzahl der Nebenfalten ist geringer, dafür .aber ist das ganze Faltenwerk kräftiger entwickelt (besonders in der rückwärtigen Hälfte), insbesondere heben sich die von den Nebenfalten abzweigenden tertiären Fältchen, die bei Proteus sehr spärlich und schwach entwickelt sind, bei Menobranchus kräftig ab (Taf. IV, Fig. 11). | 186 Wilhelm Anton Die Wände des Einführungsganges von Proteus und Meno- _ branchus und die sich anschließende rinnenartige Vertiefung sind mit einem mehrschichtigen in den obersten Zellenlagen abgeplatteten Pflasterepithel mit rundlichen Kernen bekleidet. Die Hauptfalte (Taf. IV, Fig. 13, 14 A) trägt ein mehrschichtiges ceylindrisches Epi- thel mit langgestreckten Kernen, das bei jungen Tieren Flimmerhaare erkennen läßt; in der rinnenartigen Vertiefung kurz vor der Choane findet sich wieder das mehrschichtige Pflasterepithel. Die Über- gangszone zwischen beiden Modifikationen des Epithels zeigt eine allmähliche Höhenzunahme des kubischen Epithels. Es besteht dem- nach auch bei Proteus eine einheitliche Regio respiratoria — ent- sprechend der Hauptfalte —, die mit (flimmerndem) Cylinderepithel und im vorderen und rückwärtigen rinnenartigen Anteil mit kubi- schem Epithel bekleidet ist. Dieser Befund einer Hauptfalte entgeht leicht, wenn man nur Querschnitte mikroskopisch untersucht, da der Querschnitt der Haupt- falte den zwischen die Geruchsknospen eindiingenden Nebenfalten gleicht. Vergleicht man aber das mikroskopische Bild mit dem makroskopischen, so sieht man stets den Querschnitt der Hauptfalte an derselben Stelle — am lateralsten Teil des Bodens — durch die ganze Länge der Nasenhöhle auftreten (Taf. IV, Fig. 13 Z). Der Quer- schnitt der Hautfalte differenziert sich auch stellenweise durch seine Breite gegenüber dem Querschnitt der Nebenfalten (Taf. IV, Fig. 14 H); basal liegen häufig quergetroffen ein Gefäß (Taf. IV, Fig. 15 G) und ein Knorpelstab. | Die Nebenfalten sind mit einem eylindrischen Epithel bekleidet, das langgestreekte Kerne zeigt (ähnlich dem Epithel der Hauptfalte, Taf. IV, Fig. 13, 14 N); im Beginne der Nasenhöhle findet sich kubisches Epithel als Bedeckung der Nebenfalten. Das Sinnesepithel bei Proteus und Menobranchus zeigt die von Braur (1884) beschriebene knospenförmige Anordnung (Taf. IV, Fig.13, 14, 15). Die Riechschleimhaut besitzt keine BowmaAnschen Drüsen. Bei Proteus finden sich an der Stelle, wo der Einführungsgang an die äußere Haut angrenzt, die von OPrPpEu (1889) beschriebenen Drüsenschläuche. Ein Jacogsonsches Organ fehlt den Proteiden, doch finden sich Einriehtungen, die in ähnlicher Weise wie das ausgebildete Organ zu funktionieren scheinen. An Querschnitten durch die Nasenhöhle bei ausgewachsenen Proteus-Exemplaren kann man ungezwungen konstatieren, daß durch Die Nasenhöhle der Perennibranchiaten. 187 die im lateralsten Abschnitt des Nasenbodens verlaufende Hauptfalte die Nasenhöhle in zwei ungleiche Abteilungen geteilt wird; eine kleinere, lateral und eine größere, medial von der Hauptfalte ge- legene. Die kleinere äußere Hälfte der Nase wird in der Regel durch eine einzige große Geruchsknospe gebildet (Taf. IV, Fig. 13, 14L K), während die innere Hälfte der Nase dagegen insbesondere an der medialen und außerdem an der unteren und oberen Wand viele und kleine Geruchsknospen zeigt. Diese großen lateral gelegenen Knospen sind am besten im mittleren Teile der Nasenhöhle ausgebildet und kommen hier stellen- weise der ganzen medialen Hälfte des Riechsackes an Größe gleich. Am Nasenboden sind sie durch die Hauptfalte begrenzt, die obere Begrenzung bildet die vom Nasendache schief herabziehende Neben- falte. Dadurch, daß sich in einigen Fällen die vom Nasendach herabziehende, den oberen Rand der Knospe begrenzende Neben- falte der Hauptfalte stark nähert (Taf. IV, Fig. 14), mitunter dieser sich ganz anlegt, wird eine vollständige Trennung der äußeren Knospe von der Nasenhöhle bewirkt und damit die Teilung des Geruchssackes in eine äußere und innere Hälfte noch stärker ausgesprochen. Die Entstehung dieser so bedeutend entwickelten lateralen Ge- ruchsknospen findet darin ihre Erklärung, daß sich der das Riech- epithel tragende Nasensack zwischen den basalen an die Haupt- falte anschließenden Teilen der Nebenfalten stark lateral ausbaucht, so daß im Querschnitt eine große einheitliche Knospe sich zeigt, deren Länge dem Raum zwischen zwei Falten entspricht, die sie vorn und rückwärts begrenzen. In ihrer Gesamtheit bilden demnach diese Knospen (Taf. V, Fig. 19 LK) eine mit Sinnesepithel aus- gekleidete Rinne außen neben der Hauptfalte, die nur von den Nebenfalten durchbrochen wird. Sie beginnt an der Stelle, wo sich die rinnenartige Fortsetzung des Einführungsganges zur Haupt- falte erhebt, und reicht bis zum Ende der Hauptfalte; sie ist im mittleren Anteil der Nase, entsprechend der Größe der Knospen, auch am deutlichsten ausgebildet. Schon bei jungen Tieren (9cm Länge) findet sich dieser Befund, daß die äußere Hälfte der Nase nur von einer Geruchsknospe gebildet wird; doch zeigt sich in der Größe den anderen Knospen gegenüber noch kein Unterschied. Bei Tieren von 12 cm Länge tritt der Größenunterschied der lateralen Knospe gegenüber den anderen Knospen bereits auf. Bei Menobranchus ist durch die kräftige Entwicklung der terti- ären Falten auch die seitliche Knospe mehrfach geteilt, so daß eine 188 Wilhelm Anton so ausgesprochene Differenz in der Größe zwischen einer einheit- lichen lateralen Knospe und den Kuospen der inneren Nase wie bei Proteus nieht'zu konstatieren ist, dagegen ist es auffallend, daß diese lateral von der Hauptfalte liegenden Knospen blindsackartig nach vorn vorgestülpt sind. Diese Vorbauchungen, die an das JAacoBsoxsche Organ der Cryptobranchiaten erinnern und die sich bei den übrigen Knospen nicht finden, sind besonders in der Mitte der Nase stark entwickelt und stellen sich im Querschnitt als ein Oval neben der eigentlichen Nasenhöhle, dessen äußere Wand mit Sinnesepithel und dessen innere mit kubischem Epithel bekleidet ist (Taf. IV, Fig. 15 LK) dar. Schon Serpen (1895) wies auf eine gewisse Übereinstimmung zwischen den Knospenbildungen der Regio olfactoria und dem primi- tiven JACoBsonschen Organ hin und sprach die Möglichkeit aus, daß eine oder mehrere solcher Riechknospen, die gerade am Rande der Regio olfactoria lagerten, die Grundlage abgegeben haben, auf der sich das Jacossoxsche Organ entwickelte. Diese oben erwähnten, am Rande der Regio respiratoria ge- legene Knospenreihe möchte ich nun als Vorläufer des JACOBsoN- schen Organs ansprechen und stütze diese Auffassung auf folgende Gründe: 1. Es besteht eine auffallende Homologie zwischen diesen Knospenreihen und dem ausgebildeten Organ der Uryptobranchiaten zunächst in bezug auf die Lage (beide liegen in der lateralsten Ecke des Nasensackes) und ferner in bezug auf die Begrenzung (zwei mit eylindrischem Epithel bekleidete Falten; Hauptfalte und Nebenfalten). Dazu kommt, daß diese Teile des Nasensackes durch eine bindegewebige Kapsel von der Außenseite der Nasenhöhle (Proteus) und durch die Knorpelstäbe, welche nur die äußere Wand des Nasensackes umgreifen, eine größere Festigkeit und Starrheit erhalten, so daß ein Collabieren der Wände verhütet wird. 2. Diese Außenknospen haben eine gesonderte und kräftige Innervierung von seiten des Olfactorius. Die Hauptmasse des Ol- faetorius strahlt an der medianen.Wand in den Geruchssack ein; doch ziehen vom Olfactorius ganz regelmäßig auf den Nebenfalten, in fast gleichen Zwischenräumen wie diese, neben den eingelagerten Knorpelspangen, starke Zweige an der oberen Wand der Nasen- höhle an die äußere Wand, um sich in der lateralen Knospe zu ver- zweigen (Taf. V, Fig. 17 Nz; Taf. V, Fig. 18 Nx), so daß der Ge- Die Nasenhöhle der Perennibranchiaten. 189 danke nahe liegt, daß diesen Außenknospen eine besondere Funktion zukomme. Die Teilung der Nasenhöhle durch die auf den Neben- falten verlaufenden Nervenzweige ist eine so regelmäßige, daß man versucht wird, an eine förmliche Metamerie der Nasenhöhle zu denken. 3. Betrachten wir überdies die funktionelle Aufgabe dieser seit- lichen Knospenreihe, so können wir auch hier eine Analogie mit dem ausgebildeten JAcoBsoxnschen Organ konstatieren. Nach der geltenden Anschauung dient das Organ der Prüfung des Exspirations- stromes. Die Nasenhöhle der Proteiden zeigt nun zwei Krümmungen, die eine — bereits eingangs erwähnte — medianwärts in der Horizon- talebene, die zweite nach oben in der Sagittalebene. Diese Krüm- mungen bewirken, daß der Inspirationsstrom nicht alle Wände des Nasensackes gleichmäßig bestreicht. In gebogenen Röhren wird die Wand mit dem größeren Krümmungsradius schneller und kräftiger von dem strömenden Medium bestrichen; es würde also durch diese beiden Krümmungen der Inspirationsstrom hauptsächlich der inneren und oberen Wand zugeführt. Dazu kommt als weiteres wichtiges Moment die Richtung des Einführungsganges. Da der durch die Nasenlöcher einstürzende Luftstrom, welcher das Vacuum auszufüllen strebt, zuerst mit einer Richtung einströmt, welche senkrecht auf die Ebene des Nasen- loches ist (H. Meyer 1856), so wird das einströmende Medium am intensivsten die gegenüberliegende innere Wand, und den inneren Teil der oberen Wand bestreichen. Wie wichtig die Richtung des Einführungsganges resp. der horizontale Stand der Nasenlöcher für die Meehanik der Geruchswahrnehmung ist, zeigt uns eine Beobach- tung aus der menschlichen Pathologie. Wenn durch geschwürige Prozesse das knorpelige Nasengerüst zerstört ist, so daß die vorderen Nasenöffnungen nicht wagerecht, sondern nach oben schauen, so stürzt bei der Atmung die Luft gerade rückwärts in die Choanen und es wird das Riechvermögen größtenteils oder gänzlich auf- gehoben; wird der Verlust plastisch ersetzt, stellt sich der Geruch wieder ein (ZUCKERKANDL |. c. S. 58). Diese Einrichtungen (bogenförmige Krümmung der Nasenhöhle, Richtung des Einführungsganges) bewirken also, daß der Inspirations- strom die innere und obere Wand am stärksten bestreichen muß. Der Exspirationsstrom dagegen, der von der Mundhöhle aus die Nasenhöhle durchströmt, wird durch die am medialen Rande der Choanen vorspringenden, klappenartigen Schleimhautfalten an die 190 Wilhelm Anton laterale Wand der Nasenhöhle, also zu der oben beschriebenen late- ralen Knospenreihe geführt, wo er einer sinnlichen Kontrolle unter- zogen werden kann, in analoger Weise, wie bei dem ausgebildeten Organ von Siren und den Cryptobranchiaten durch die an das Organ sich anschließende Rinne. Günstig für diese Auffassung wäre die Vor- bauchung der Knospen, die bei Menobranchus zur Beobachtung kommt. Diese teilweise Homologie und Analogie mit dem ausgebildeten Jacogsoxschen Organ der niederen Amphibien läßt es demnach nicht unwalrscheinlich erscheinen, diese am lateralen Rande der Regio respiratoria fortlaufende Knospenreihe als phylogenetisches Anfangs- stadium des JacoBsonschen Organs anzusehen. — Es wäre demnach die Nasenhöhle der Proteiden morphologisch und funktionell in zwei Abteilungen differenziert, beide getrennt durch die Regio respiratoria; medial von ihr das Geruchsorgan, la- teral das primitive JAcoBsonsche Organ. — Im guten Einklang mit dieser Auffassung erscheint auch die Tatsache, daß mit der höheren Entwicklung der Tiere und mit dem Auftreten des ausgebildeten Jacogsonschen Organs (Sören, Crypto- branchiaten) auch eine Änderung des bisherigen Faltensystems ein- tritt: wir finden bei diesen letzteren zwei Systeme von Falten. Das in der Hauptsache einheitliche Faltensystem der Proteiden ist be- deutend verkleinert und nur im vordersten Teile der Nase zeigt sich noch als Überrest desselben eine lateral gelegene Hauptfalte, von der aber nur an der medialen Wand Nebenfalten abgehen. Da- gegen sind die bei den Proteiden schwach entwickelten selbständigen Falten von den Seitenrändern der Choane bei den Oryptobranchiaten (siehe Anhang) zu außerordentlich starker Entwickluung gelangt, so daß sie die ganzen rückwärtigen zwei Drittel der Nase einnehmen; bei Sıren ist das rückwärtige Faltenwerk kongruent dem vorderen. Zwischen beiden Faltensystemen liegt das JAacoBsonsche Organ. Mit dieser Änderung des einheitlichen Faltensystems der Proteiden muß naturgemäß auch eine Änderung des von der Faltenbildung abhängigen primitiven Organs Hand in Hand gehen. Es erfährt wie das einheitliche Faltensystem eine Reduction zu einer Knospe, dafür aber kompensatorisch eine Verfeinerung im Bau (Zuleitungsrohr, Vor- bauchung des vorderen Endes). Mit der intensiveren Benutzung der Nase als Respirationsweg kommt es zu einer Vergrößerung der Regio respiratoria (Seitenrinne); dadurch kommt das Organ, das früher der Regio respiratoria nur anlag (Siren), in das Gebiet des- selben zu liegen, wie wir es bei den Cryptobranchiaten finden. Die Nasenhöhle der Perennibranchiaten. 191 Sıren lacertina L. (Taf. IV, Fig. 3, 6, 9, 21; Taf. V, Fig. 20, 22, 23, 24). Die Form der Nasenhöhle ist nicht mehr röhrenförmig wie bei den Proteiden, sondern kolbenförmig und medianwärts gekrümmt (Taf. IV, Fig. 12 N%). Auffallend erscheint die Kleinheit der Nasen- höhle in bezug auf den Schädel, verglichen mitden übrigen Ichthyo- ideen. Auch ist die Krümmung der Nasenhöhle in der Sagittalebene auffallend stark ausgesprochen, so daß die vordere und hintere Hälfte gegeneinander abgedacht erscheinen. Das Lumen der Nasenhöhle ist im Querschnitt elliptisch, etwas schräg gestellt (Taf. IV, Fig. 21 Nh; Taf. V, Fig. 20, 23 NA). Die äußeren Nasenöffnungen an der Unterseite der Oberlippe zeigen eine schlitzförmige Form. Der Einführungsgang ist kurz; seige Verlaufsrichtung geht nach innen, rückwärts und aufwärts; seine mediale Wand wird durch eine von dem vorderen kapselförmigen Teile des knorpeligen Nasen- skelets ausgehende eingelagerte Knorpelspange gestützt. (Er mündet an dem unteren Teile der lateralen Wand der Nasenkapsel ganz dicht hinter dem vorderen Ende desselben. Seine Wände sind mit einem mehrschichtigen in den obersten Lagen abgeplatteten Pflaster- epithel bekleidet. Die Nasenhöhle ruht wie bei Proteus und Menobranchus auf einer hier fibrösen Membran, die vom Vomer nach außen zieht und in die lateralste Partie der Oberlippe ausstrahlt. Das rückwärtige Ende des Nasensackes stützt sich mit seiner medialen Hälfte auf den knorpeligen Teil des Septums. Die außen von den Zähnen des Vomer und Os palatinum gelegene Choane ist von ovaler Form, an ihrer medialen Wand zeigt sich eine kräftig entwickelte vorspringende Schleimhautfalte (Taf. IV, Fig. 6 F)). Das Knorpelskelet zeigt eine vollständigere Ausbildung als bei Proteus und Menobranchus. Es setzt sich aus zwei durch eine schmale Brücke zusammenhängenden Teilen zusammen; das vordere mit dem Knorpel des Septums zusammenhängende Stück schließt das vordere Ende der Nase vollständig kuppelförmig ein und setzt sich nach rückwärts in eine Knorpelplatte fort, die anfangs die obere und äußere Wand des Nasensackes, im weiteren Verlaufe, immer schmäler werdend nur die obere Wand bedeckt. Beiläufig in der Mitte der Nasenhöhle tritt das zweite Stück des knorpeligen Skelets zunächst an der äußeren Seite und weiter rückwärts auch am Nasen- 192 Wilhelm Anton dache auf. Gegen das Ende der Nase verkleinert es sich und steht mit den Knorpelmassen der seitlichen Schädelwand in direkter Ver- bindung. Der Boden der Nasenhöhle zeigt keine knorpeligen Ein- lagerungen. — Bei der Betrachtung der Nasenschleimhaut fällt die außerordentlich reichliche Entwicklung des indifferenten Epithels auf, das fast den sanzen Boden der Nasenhöhle bekleidet; nur in der vorderen Hälfte des Nasenbodens zeigt sich an seiner medialsten Seite ein Falten- werk, bestehend aus einer längsverlaufenden Leiste, von der nach der medianen Nasenwand Nebenfalten abgehen, und das mit Sinnes- epithel bekleidet ist. Ein gleiches Faltensystem findet sich in der medialsten Ecke der hinteren Nasenhälfte (Taf. V, Fig. 24 SE); beide sind durch eine breite Zone indifferenten Epithels getrennt. In der vorderen Hälfte des Nasenbodens finden sich längs- verlaufende Falten, auf die,schon SEYDEL (1895) hingewiesen hat. Ich konnte diese Falten nur beim ausgewachsenen Tiere (von 40 cm Länge) nachweisen, auch nicht auf beiden Seiten gleich stark ent- wickelt; bei halberwachsenen Tieren (15 em Länge) fanden sie sich nicht. Das Sinnesepithel der Nasenschleimhaut zeigt die bekannte knospenförmige Anordnung (Taf. IV, Fig. 9, 21; Taf. V Fig. 20, 23). Drüsenbildungen fehlen der Riechschleimhaut. Das Jacogsonsche Organ von Seren wurde bereits von H. H. Wır- DER (1891) und SevYpeEr (1895) beschrieben. Nach der Darstellung SEYDELS (l. e. S. 462): »Verläuft am Boden der Nasenhöhle und zwar dicht vor der Apertura nasalis interna, in der seitlichen Ecke des Geruchssackes beginnend, eine rinnenförmige Einsenkung schräg nach vorn und medial; ihr hinteres Ende ist seicht und liegt im Bereich des respiratorischen Epithels; nach vorn vertieft sie sich allmählich und zieht gerade an der Grenze zwischen Regio olfactoria und Regio respiratoria hin; ihr vorderes Ende ist in Form eines mächtigen Blindsackes nach vorn und nach medial entfaltet. Der mediale Abschnitt dieses Blindsackes trägt Sinnesepithel, der laterale (vorwiegend) hohes Cylinderepithel.« Weiter hebt SEYDEL hervor, daß die Öffnung des Blindsackes, d. h. mit anderen Worten die Stelle, an welcher er entstanden sein muß, am Boden der Nasenhöhle, dicht an ihrer medialen Wand und zwar gerade an der Grenze der Riechschleimhaut liegt. Dieser Darstellung SEYDELS kann ich im wesentlichen bei- stimmen, nur komme ich bezüglich der Entstehung des JACOBSON- Die Nasenhöhle der Perennibranchiaten. 193 schen Organs nach den an meinen Präparaten gewonnenen Anschau- ungen zu einer etwas abweichenden Auffassung, dieich folgendermaßen beschreiben möchte: In der rückwärtigen absteigenden Hälfte der Nasenhöhle hebt sich der mittlere Teil des Bodens zu einer breiten, flachen Falte empor (Taf. V, Fig. 24 FN); der mediale Rand der Falte verwächst mit der medialen Wand des Nasensackes (Taf. V, Fig. 23 FN) und bildet mit dem überdachten Teile des Nasenbodens und der medialen Wand der Nasenhöhle eine nach rückwärts sehende spaltförmige Öffnung, den Aditus zum Jacosonschen Organ (Taf. V, Fig. 24 A), der sich als Blindsack unter dieser brückenartigen Ver- wachsung weit nach vorn erstreckt. Durch den lateralen Rand der Falte wird die rinnenförmige Einsenkung gebildet, die vom Aditus des JAcoBsonschen Organs bis dicht zur Apertura nasalis interna zieht. Der laterale Rand der Falte verwächst gleichfalls mit der äußeren Nasenwand, doch endet die dadurch geschaffene Vorbauchung schon nach einigen Schnitten. Bei Querschnitten durch die Nasen- höhle findet sich der weit nach vorn sich erstreekende Blindsack i. e. das JAcoBsonsche Organ — das unter der medialen Hälfte des Nasensackes liegt — an seinem vordersten Ende durchaus mit Sinnesepithel bekleidet (Taf. V, Fig. 20 JO); bald tritt an der oberen und unteren Wand indifferentes Epithel auf, durch welches das Sinnesepithel in die beiden seitlichen Partien des Organs gedrängt wird (Taf. IV, Fig. 21; Taf. V, Fig. 22 SE). Das Sinnesepithel der medialen Wand geht dann nach rückwärts in continuo in jenes der medialen Nasenwand über, das der lateralen Wand reicht noch über den Aditus des JacoBsonschen Organs nach rückwärts in die rinnen- förmige Einsenkung, wo es in indifferentes Epithel übergeht. Diese ‚Verschiedenheit des auskleidenden Epithels findet ihre Erklärung in der oben geschilderten Entstehung des Organs. Wie bereits erwähnt, finden sich an der medialen Seite des Nasenbodens zwei Faltensysteme, die mit Sinnesepithel bekleidet und durch eine breite Zone indifferenten Epithels getrennt sind. Diese Zone in- differenten Epithels wird durch die brückenartige Verwachsung der Falte mit der medialen Nasenwand gebildet. Das rückwärts von ihr in der medialsten Ecke der Nasenhöhle gelegene Sinnesepithel schiebt sich nun durch die Öffnung des Jacogsonschen Organs in dieses hinein, überkleidet die mediale Wand und das äußerste Ende desselben und zieht sich von der Spitze auch auf die laterale Wand hinüber. Das indifferente Epithel der oberen und unteren Wand Morpholog. Jahrbuch. 44. 13 194 Wilhelm Anton des Jacogsonschen Organs ist die direkte Fortsetzung des indiffe- renten Epithels der brückenartigen Verwachsung und des Bodens der Nasenhöhle, das durch sein zungenförmiges Vordringen in das Organ das Sinnesepithel in die laterale und mediale Ecke drängt. Eine ähnliche Differenz des auskleidenden Epithels findet sich auch in den vorgebauchten Riechknospen bei Menobranchus, auf die ich hier rekurrieren möchte. Die mit dem JAacogsoxnschen Organ in Verbindung stehende mächtig entfaltete Drüse (Glandula Jacobsonii) finde ich in gleicher Weise, wie sie SEYDEL darstellt (Taf. IV, Fig. 21 G@J; Taf. V, Fig. 20 @J). Zusammenfassung. Aus meinen Befunden kann ich demnach 1. mit Sicherheit entnehmen, daß Proteus anguineus ebenso wie alle übrigen Ichthyoidea eine einheitliche Regio respiratoria be- sitzt, und 2. mit Wahrscheinlichkeit schließen, daß die der Regio respi- ratoria lateral anliegende Knospenreihe mit besonders groß aus- gebildeten (Proteus), auch vorgebauchten (Menobranchus) Knospen als phylogenetisches Anfangsstadium des JACoBSoNnschen Organs an- zusehen sei. 3. Was Siren anlangt, so stimmen die Befunde H. H. WILDERs und SEYDELS im wesentlichen mit den meinigen überein, nur be- züglich des Jacogsonschen Organs komme ich zu einem etwas ab- weichenden Resultate. Nach der an meinen Präparaten gewonnenen Anschauung hebt sich in der rückwärtigen Hälfte der Nasenhöhle der mittlere Teil des Bodens zu einer breiten flachen Falte. Durch die Verwachsung des medialen Randes dieser Falte mit der medi- alen Wand des Nasensackes wird mit dem damit überdachten Teile des Nasenbodens und der medialen Wand der Nasenhöhle eine nach rückwärts sehende spaltförmige Öffnung, der Aditus zum JACOBSoX- schen Organ geschaffen, der sich als Blindsack unter dieser brücken- artigen Verwachsung weit nach vorn erstreckt. Durch den lateralen Rand der Falte wird die rinnenartige Ein- senkung gebildet, die sich vom Aditus des JacoBsoxschen Organs bis dicht zur Apertura nasalis erstreckt. Das in der medialsten Ecke der Nasenhöhle gelegene Sinnesepithel schiebt sich durch den Aditus des JAcoBsonschen Organs in dieses hinein, überkleidet die mediale Wand und das äußerste Ende desselben und zieht von der Die Nasenhöhle der Perennibranchiaten. 195 Spitze auch auf die laterale Wand hinüber. Das indifferente Epi- thel der oberen und unteren Wand des JAacoBsonschen Organs ist die direkte Fortsetzung des indifferenten Epithels der brückenartigen Verwachsung und des Bodens der Nasenhöhle, das durch sein zungenförmiges Vordringen in das Organ das Sinnesepithel in die laterale und mediale Ecke drängt. Anhang. Vergleich der Nasenhöhle der Perennibranchiaten und Uryptobranchiaten. Es ist nicht ohne Interesse, diese beiden Gruppen in eine Parallele zu bringen. In gleicher Weise wie bei den Perennibranchiaten zwischen Proteus und Menobranchus in der ganzen Schädelanlage so auch im Bau der Nasenhöhle eine große Übereinstimmung herrscht (Form der Nasenhöhle: medianwärts schwach gekrümmte Röhre), macht sich diese Übereinstimmung bei den Cryptobranchiaten zwischen Orypto- branchus japonicus und Menopoma alleghaniense geltend (stark ein- wärts gekrümmte kolbenförmige Form der Nasenhöhle). sSiren la- certina nimmt unter den Perennibranchiaten in bezug auf den Bau der Nasenhöhle dieselbe exzeptionelle Stellung ein, wie Amphiuma means in der Tribus der Cryptobranchiaten; bei letzteren hat die Nasenhöhle die Form eines langgestreckten kuppelförmig abge- schlossenen, gerade verlaufenden Kanals; bei ersteren zeigt die Nasenhöhle eine einwärts gekrümmte kolbenförmige Form; sie ähnelt der Nasenhöhle von Menopoma a. und Oryptobranchus j., nur ist die bogenförmige Krümmung nicht so bedeutend ausgesprochen. Auch im feineren Ausbau der Nase zeigt sich die gleiche Über- einstimmung: Bei Proteus und Menobranchus bildet die Schleimhaut ein ein- heitliches Faltensystem, das aus einer im lateralsten Teile des Bodens der Nasenhöhle verlaufenden Hauptfalte — Regio respiratoria — be- steht, von der an der oberen und unteren Wand Nebenfalten fieder- förmig abgehen. An der seitlichen Umrandung der Choane treten 2—3 selbständige Falten auf, die an der lateralen und medialen Wand des Geruchssackes nach oben ziehen. Bei Cryptobranchus j. und Menopoma a. zeigt die Nasenhöhle zwei Systeme von Falten. Als Überrest des Faltensystems der Proteiden im vordersten Teile der Nase eine lateral gelegene 13* 196 Wilhelm Anton Hauptfalte, von der aber nur an der medialen Wand Nebenfalten abgehen. Die bei den Proteiden an der seitlichen Wand der Choanen schwach entwickelten selbständigen Falten sind bei den Ürypto- branchiaten zu außerordentlich starker Entwicklung gelangt und nehmen die zwei rückwärtigen Drittel der Nase ein. Zwischen beiden Faltensystemen in der lateralsten Ecke des Nasensackes im Bereiche des indifferenten Epithels liegt das JAcoBsonsche Organ. Bei Seren lacertina sind gleichfalls zwei doch kongruente Falten- systeme vorhanden, die dem Überrest des Faltensystems der Prote- iden im vordersten Teil der Nase bei Uryptobranchus j. und Meno- poma a. gleichen, zwischen denen das JacoBsonsche Organ liegt. Die Regio respiratoria bei Siren lacertina ist die ausgebreitetste von allen Ichthyoideen, sie nimmt fast den ganzen Boden der Nasen- höhle ein; diese reichliche Entwicklung des indifferenten Epithels erinnert an Amphiuma means, bei welchem die ventrale Wand des Nasensackes auch zum größten Teil mit indifferentem Epithel bekleidet ist, jedoch nicht in so ausgedehntem Maße wie bei Sören lacertina. Der Riechschleimhaut der Perennibranchiaten fehlen BOwMAn- sche Drüsen; die Anfeuchtung der Riechschleimhaut wird — bei dem Fehlen von Becherzellen — allein durch das äußere Medium geleistet. Bei den Cryptobranchiaten sind BowMmansche Drüsen nicht allzu reichlich vorhanden. Auffallend ist bei diesen die außerordentlich reichliehe Entwicklung der Capillaren in den bindegewebigen La- mellen, deren Gefäßschlingen die Zellen auseinanderdrängend bis in das indifferente Epithel und stellenweise von dem subepithelialen Gewebe aus auch in das sensorielle Epithel der Knospen vor- dringen und den Gedanken an eine sekretorische Wirkung derselben nahelegen. Bei allen Perennibranchiaten finden sich Verschlußapparate an den Choanen. Der Verschluß wird durch eine vom medialen Rande ausgehende Schleimhautfalte bewirkt (Proteus, Menobranchus, Siren). Diese Falte ermöglicht es, die Choane von der medialen Seite aus zu verkleinern, auch vollständig wechselseitig abzuschließen, so daß wir am getöteten Tiere mitunter die eine Choane geöffnet, die andere geschlossen sehen. Das Fehlen der Maxilla superior bei den Perennibranchiaten, wodurch der laterale Teil der Choane dem medialen genähert werden kann, begünstigt den vollständigen Ab- schluß der Choanen. Die Nasenhöhle der Perennibranchiaten 197 Die Apertura nasalis interna der Öryptobranchiaten ist nur von einer schmalen fibrösen Membran und dann von festen Teilen be- grenzt (im lateralen rückwärtigen Anteil vom abgebogenen Rande der knorpeligen Nasenkapsel und dem Autorbitalfortsatz, im lateralen vorderen Anteil vom Gaumenfortsatz des Oberkiefers, medial vom unbezahnten Rande des Oberkiefers), so daß eine Beweglichkeit der seitlichen Teile nicht möglich ist. Bei den Cryptobranchiaten fehlen daher diese faltenartigen Verschlüsse an der Apertura nasalis interna, die Choane ist vollständig glatt. Dagegen treten Verschlußapparate am Einführungsgang auf. Bei Oryptobranchus 7. wird der Verschluß durch eine an der medialen Wand befindliche von der unteren Platte der Nasenkapsel ausgehende Knorpelspange bewirkt, durch welche die Schleimhaut in das Lumen des Einführungsganges vorgebracht wird, bei Menopoma a. durch schräg verlaufende Falten an der oberen und unteren Wand des Vorhofs; beide Einrichtungen ermög- lichen es, durch ein einfaches Herabziehen der Oberlippe den Ein- führungsgang abzuschließen. Literaturverzeichnis. 1908. Anton, W. Beitrag zur Morphologie des JacoBsonschen Organs und der Nasenhöhle der Cryptobranchiaten. Morphol. Jahrb. Bd. XXXVII. Heft 3. 1884. BLAUE, J. Untersuchungen über den Bau der Nasenschleimhaut bei Fischen und Amphibien, namentlich über Endknospen als Endapparate des Nervus olfactorius. Archiv für Anatomie und Entwicklungs- geschichte. 1819. CoNnFIGLIACHL P. und Ruscoxnı M. Monografia del proteo anguineo di Laurenti. Pavia. p. 93—9. 1909. FLEıssıG, J. Zur Anatomie der Nasenhöhle von Cryptobranchus japo- nieus. Anatomischer Anzeiger. Bd. XXXV. 1853. Levi, F. Anatomisch-histologische Untersuchungen über Fische und Reptilien. Berlin. S. 100. 1856. Meyer, H. Lehrbuch der phys. Anatomie. Leipzig. 1906. OxXAyımA, K. Zur Anatomie des Geruchsorgans von Cryptobranchus japonicus. Anatom. Anzeiger. Bd. XXIX. S. 641. 1889. OPppeL, A. Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XXXIV. 1895. Sevper, 0. Über die Nasenhöhle und das JacoBsonsche Organ der Amphibien. Morpholog. Jahrbuch. Bd. XXII. 1877. WIEDERSHEIM, R. Das Kopfskelet der Urodelen. Morpholog. Jahrbuch. Bd. II. 198 Wilhelm Anton 1891. WıLpeEr, H. H. A contribution to the Anatomy of Siren lacertina. Dissertation. Zoolog. Jahrbücher. Bd. IV. 1892. —— Die Nasengegend von Menopoma alleghaniense und Amphiuma tridaetylum. Zoolog. Jahrbücher. Bd. V. 8. 155. 1882. ZUCKERKANDL, E. Normale und pathologische Anatomie der Nasenhöhle. Wien.. Bd. I. S. 58. Tafelerklärung. Abkürzung der Bezeichnungen: A Aditus zum JACOBSoNschen ER Hauptfalte. Organ. IE Indifferentes Epithel. A.n.e. Apertura nasalis externa. IO JAacoBSoNsches Organ. A.n.i. Apertura nasalis interna. Kn Knorpelspange. F Vom medialen Rande der LK Laterale Geruchsknospe. Choane ausgehende Schleim- N Nebenfalte. hautfalte. Nh Nasenhöhle. FN Falte im hinteren Anteil des No Nervus olfactorius. Nasenbodens. N% Nervenzweige. @ Gefäß. SE Sinnesepithel. @J Glandula Jacobsonii. Erklärung der Abbildungen. Tafel IV. Fig. 1, 2,3. Lage und Form der Aperturae nasales internae von: Proteus angwineus (Fig. 1). Vergr. 1: 31/s. Menobranchus lateralis (Fig. 2). Vergr. 1:1!/. Siren lacertina (Fig. 3). Natürl. Größe. Fig. 4, 5, 6. Choanen vergrößert von: Proteus anguineus (Fig. 4). Vergr. 1:10. Menobranchus lateralis (Fig. 5). Vergr. 1:3. Siren lacertina (Fig. 6). Vergr. 1: 31/a. Fig. 7, 8, 9. Querschnitte durch die Choane von: Proteus angwineus (Fig. 7). Vergr. 1:30. Menobranchus lateralis (Fig. 8). Vergr. 1:8. Siren lacertina \Fig. 9. Vergr. 1:30. Fig. 10, 11, 12. Horizontale Längsschnitte durch die Nasenhöhle von: Proteus anguwineus (Fig. 10). Vergr. 1: 31/s. Menobranchus lateralis (Fig. 11). Vergr. 1: 11a. Siren lacertina (Fig. 12. Vergr. 1:2. Fig. 13, 14, 15. Querschnitte durch die Nasenhöhle von: Proteus anguwineus (Fig. 13, 14). Vergr. 1:90. Menobranchus lateralis (Fig. 15). Vergr. 1:30. Querschnitt durch die Nasenhöhle und den mittleren Teil des JacoB- sonschen Organs von Siren lacertina. Vergr. 1:50. Fig. 21. Ib 1% ‘ hi ‚Ur I # .. rm P3 Morphologisches Jahrbuch. Bd. XLIV. WG : auossosst En WE Verlag von Will: Engelmann in Leipzig. Morphologisches Jahrbuch. Bd. ALIV. Anton. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Die Nasenhöhle der Perennibranchiaten. 199 Tafel V. Fig. 16, 17, 18. Transversalschnitte durch den obersten Teil des Nasensackes von: Proteus anguineus (Fig. 16, 17). Vergr. 1:30. Menobranchus lateralis (Fig. 18). Vergr. 1:30. Fig. 19. Transversalschnitt durch den untersten Teil des Nasensackes von Proteus anguineus. Vergr. 1:30. Fig. 20, 23. Querschnitte durch die Nasenhöhle und das JAcoBSoNsche Organ von Sören lacertina,; am vordersten Ende des JAcoBsonschen Organs (Fig. 20). Vergr. 1:30; am Aditus (Fig. 23). Vergr. 1:30. Fig. 22. Querschnitt durch den mittleren Teil des JacoBsonschen Organs von Siren lacertina. Vergr. 1:150. Fig. 24. Rückwärtige Hälfte des Nasenbodens von Siren lacertina. Vergr. 1:12. (Aus dem Zootomischen Institut der Universität xu Stockholm.) Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. Von Dr. Augusta Arnbäck-Christie-Linde. HI. Zur Entwicklungsgeschichte der Zähne. Ontogenie. Mit 47 Figuren im Text und Tafel VI. Einleitung. Schon in dem ersten Teile meiner Abhandlung habe ich als den Zweck meiner Untersuchungen angegeben: »den genetischen Beziehungen der Sorieiden einigermaßen auf die Spur zu kommen«. Auf zwei Wegen hoffte ich zum Ziele zu gelangen, nämlich teils durch vergleichend-anatomische, teils durch entwicklungs- geschichtliche Forschungen. Von der Paläontologie war nicht vieles zu hoffen, da schon der älteste bekannte fossile Sorieide, Sorex (Amphisorex) primaevus, welcher dem Oligoeän angehört, fast vollständig wie die jetzt leben- den differenziert sein soll. Der erste Teil enthält eine Darstellung anatomischer Unter- suchungen der Muskulatur, des Gehirnes, der Geschlechtsorgane usw. ; im vorliegenden zweiten Teile habe ich einen Beitrag zur Entwick- lungsgeschichte der Zähne geben wollen. Obgleich die Sorieiden als solche alte Tiere sind, hoffte ich doch, daß durch eine ontogenetische Untersuchung einige stammes- geschichtliche Spuren entdeckt werden könnten. Denn während die hohe Differenzierung des fertigen permanenten Gebisses uns in dieser Hinsicht ziemlich im Stiche läßt, wäre es ja möglich, von der Onto- genie Aufschlüsse über die genetischen Beziehungen der Sorieiden Morpholog. Jahrbuch. 44. 14 202 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde zu den übrigen Insectivoren bzw. zu den übrigen Mammalien zu erhalten. Über die Reductionsvorgänge, welche man bezüglich der Zähne, besonders derjenigen des Unterkiefers, vorauszusetzen berechtigt war, könnte man hierdurch vielleicht Auskunft bekommen. Die bei so kleinen Tieren erstaunliche Größe der oberen und unteren vorderen Schneidezähne veranlaßt zunächst die Frage, wie diese Zähne sich so enorm entwickelt haben können, und auf Kosten welcher Zähne dies geschehen ist, denn die vergleichende Anatomie lehrt, daß in dem Maße, als ein Zahn sich in besonders hohem Grade differenziert, bei den angrenzenden Zähnen im allgemeinen eine Reduction eintritt. Auf diese Fragen hoffte ich durch eine ontogenetische Untersuchung eine Antwort zu erzielen. Eine andere Frage, auf welche durch eine solche Untersuchung eine Antwort zu erwarten war, ist, ob die Sorieiden ein Milchgebiß besitzen oder nicht. Das Vorhandensein eines Milchgebisses bei den Sorieiden ist nämlich von vielen älteren Forschern in Abrede ge- stellt; jedenfalls sind bisher keine verkalkten Milchzähne gefunden worden. Es wurde also meine Aufgabe, womöglich die ursprüngliche Anzahl der Zahnanlagen des Ersatzgebisses festzustellen, und die Frage, ob bei den Sorieiden mehr als eine Dentition vorkommt oder nicht, zu beantworten. Die Histogenese wird nur in dem Maße berücksichtigt, als da- durch gewisse morphologische Befunde verdeutlicht werden können. Von den Ergebnissen werde ich hier nur diejenigen erwähnen, welche direkt aus den hier vorliegenden Untersuchungen hervor- gehen. Nachdem ich das Skelet untersucht und die Untersuchungen anderer Organsysteme, besonders des Zahnsystems und des Uro- genitalsystems, ergänzt haben werde, habe ich die Absicht, auf übrige genetische Fragen näher einzugehen. Es ist schon lange her, daß ich die Ontogenie der Sorieiden- zähne in Angriff genommen; es hat mir aber an nötigem Materiale gefehlt, um die Untersuchung verfolgen zu können. Auch wenn es mir noch nicht gelungen ist, alle für eine endgültige Beantwortung vieler Fragen nötigen Entwicklungsstadien zu bekommen, hoffe ich doch, daß die hier vorgelegten Befunde von so viel Interesse sein werden, daß eine Veröffentlichung derselben berechtigt ist. Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 203 Ich will auch ausdrücklich hervorheben, daß ich mit dieser Abhandlung die Untersuchungen über die Ontogenie der Zähne der Sorieiden gar nicht als abgeschlossen betrachte. Um dieselben ver- folgen zu können, habe ich ein vollständigeres Material nötig. Die zur Untersuchung benutzten Sorex-Embryonen sind in Chromsäure und Mürrerscher Flüssigkeit fixiert. Die jüngsten Crocidura-Embryonen sind in Formol, das übrige Untersuchungsmaterial in starkem Spiritus konserviert. Meistens habe ich Färbung wit Boraxkarmin und Bleu de Lyon verwendet. Die Objekte sind in lückenlose Schnittserien zerlegt worden, welche in frontaler Richtung angelegt worden sind. Von sSorex araneus habe ich auch eine Sagittalschnittserie angefertigt. Die Maße sind den konservierten Individuen entnommen. Meine Untersuchungen umfassen Entwicklungsstadien von fol- senden Sorieiden: Sorex araneus: 3 Entwicklungsstadien. I. Embryo, Kopflänge etwa 8 mm. Scheitel-Steißlänge etwa 1l mm. 3 Exemplare: 2 Frontalschnittserien, 1 Sagittal- sehnittserie. ll. Embryo, Kopflänge etwa 9 mm. Scheitel-Steißlänge etwa 13 mm. 3 Exemplare: Frontalschnittserien. Ill. Junges, beinahe nacktes Tier, Kopflänge etwa 19 mm. Scheitel- Steißlänge etwa 33 mm. 1 Exemplar. Frontalschnittserie durch die eine Hälfte des Kopfes. Neomys (Orossopus) fodiens: 1 Entwicklungsstadium. Embryo, Kopflänge etwa 9 mm. Scheitel-Steißlänge etwa 17 mm. 2 Exemplare. Frontalschnittserien. Croeidura russula: 3 Entwicklungsstadien. I. Embryo, Kopflänge etwa 8 mm. Scheitel-Steißlänge etwa 121/, mm. 2 Exemplare. Frontalschnittserien. II. Embryo, Kopflänge etwa 8 mm. Scheitel-Steißlänge etwa 12 mm. 2 Exemplare. Frontalschnittserien. II. Embryo, Kopflänge etwa 9 mm. Scheitel-Steißlänge etwa 121/, mm. 1 Exemplar. Frontalschnittserie. Sorieiden-Embryo (Crocidura), Seheitel-Steißlänge etwa 10 mm. 1 Exemplar. Frontalsehnittserie. . 14 204 Augusta Arnbäck-Christie-Linde Aus den embryologischen Befunden bei Sorex araneus ergibt sich die folgende Zahnformel: 1.2 TE TC P1,.P22 Dee TE ee Jd? Jdt Jd5 Cd Paı Pd? Pd? Pd: TE Er Ad SI Ju (c) A PR (PR) PR M MM, Unten will ich die Möglichkeit des Vorhandenseins dieser für ein monodelphisches Säugetier ungewöhnlichen Anzahl von Ineisiven dartun und meine Ansicht darüber und über damit zusammenhängende Fragen zu begründen suchen. Diese Zahnformel habe ich auch der Aufstellung derjenigen der übrigen untersuchten Sorieciden zugrunde gelegt. Ich will doch sogleich ausdrücklich hervorheben, daß dies aus praktischen Gründen geschehen ist; es schien mir nämlich wünschenswert, daß gewisse (wahrscheinlich homologe) Zähne und Zahnanlagen dieselbe Bezeich- nung erhielten, wodurch die Darstellung an Klarheit und Deutlichkeit gewinnt und die Beschreibung der verschiedenen Bildungen leichter verständlich wird. Bezüglich der Nomenklatur habe ich in diesem Teile die von 0. Tuomas vorgeschlagenen und von TROUESSART in seinem »Cata- logus mammalium tam viventium quam fossilium« akzeptierten Namen angewandt. | Da ich im Laufe der Arbeit immer mehr von dem Nutzen oder vielmehr von der Unentbehrlichkeit von Rekonstruktionsfiguren über- zeugt worden bin, habe ich einige anfertigen lassen. Die Rekonstruktion der Zahnleiste einschließlich der Zahn- anlagen im Unterkiefer des Sorex fand ich für angemessen, anstehen zu lassen, bis ich spätere Entwicklungsstadien bekommen könnte, wo besonders die Anlagen der rudimentären Schneidezähne besser differenziert wären. Die ‚Rekonstruktionen sind graphische Rekonstruktionen in schräger Stellung nach der Methode ODuxers, welche Methode in dem Anatomischen Anzeiger XXXIX. Bd. 1911 S. 273 beschrieben ist. Die Schnitte sind von mir mittels des Zeichenapparates abge- zeichnet, und die Rekonstruktionen sind von Dr. N. OÖDHNER ange- fertigt, wofür ich ihm hier meinen Dank ausspreche. Diese Untersuchung ist im Zootomischen Institut der Universität zu Stockholm ausgeführt worden, und ich spreche Herrn Professor Dr. W. LEeCHE meinen ehrerbietigsten Dank aus für seine Güte, Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 205 mir einen Arbeitsplatz daselbst zu gewähren, und für das Interesse, welches er für meine Arbeit gezeigt hat. Dem Direktor des Küönigl. Zoologischen Museums zu Berlin, Herrn Professor Dr. A. BRAUER, bin ich zu großem Dank verpflichtet für gütigstes Entgegenkommen bei meinem Studienbesuch in dem Museum und für seine Liebenswürdigkeit, Studienmaterial zu meiner Verfügung zu stellen. Vor allem bezeuge ich Herrn Dr. I. Arwınpsson, Mariefred, meine Dankbarkeit, welcher mir bei der Anschaffung des Unter- suchungsmaterials große Dienste geleistet hat. Auch Fräulein Ester OHLın, welche die Abbildungen im Texte hergestellt hat, sage ich meinen besten Dank. . Eigene Untersuchungen. Sorex araneus. Die Anlagen des Ersatzgebisses. Oberkiefer. Embryo, Scheitel-Steißlänge etwa 11 mm. Die Zahnleiste bildet einen ununterbrochenen Bogen und ist auch im vordersten Teile des Kiefers sehr mächtig, wie aus Text- figur 1 deutlich hervorgeht. In den vorderen und hinteren Teilen Fig. 1. ——= Zen SS E Er BL IN 2. zZ = AT, Sorex araneus. Embryo (11 mm). Oberkiefer. Frontalschnitt. Vorderster Teil der Zahnleiste, Vergr. 350. hat sich die Zahnleiste vertieft. Sie hat sich nur stellenweise von dem Eetoderm abgeschnürt, z. B. zwischen den Anlagen der Schneide- zähne J3 und J*, wo sie wie ein freies Band liegt. Über den Zahn- anlagen hängt sie noch mit dem Eetoderm zusammen. 206 Sorexz araneus. Augusta Ärnbäck-Christie-Lindej l BEN 3 fl [0701070 Embryo (11 mm). ÖOberkiefer. Frontalschnitt. Die Anlagen der fünf Schneidezähne und der resp. Milchzähne. Vergr. 350. Fig. 2 J1 Fig. 3. J2. Ja2, Fig. 4. J3 und das angeschwollene Ende der Zahnleiste (Z1.). u Kmman un re ee en a en en Mi A 2 a5 A rn Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 207 KIINAST 3 G ©” ee ® 5 5) x S =, = Z OH FE = ——_ ST re TE I gras & 7 G.O_& N 2 > s9o & sr < 2,029, Boos 7 NT Sejrexe) N Zn OnD NIE, 90 N 200 \ Na nm N NS Q DE G) Sorex araneus. Embryo (11 mm). Oberkiefer. Frontalschnitt. Die Anlagen der fünf Schneidezähne und der resp. Milchzähne. Vergr. 350. Fig. 5. Vorderes Ende des J#, Jd4, Fig. 6. A. ; Fig. 7. J5. Jd5. Rest einer prälactealen Dentition (?1.). Fig. 7 ist nach zwei aufeinander folgenden Schnitten gezeichnet. Fig. 2—7 wie die folgenden Figuren von Sorex araneus sind so orientiert, daß dielinke Seite vom Leser der Lingualfläche des Kiefers entspricht- 208 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde Zwischen den Zahnanlagen ist die Zahnleiste noch bestehend. Dies alles wie auch die Anlagen der oberen unten beschriebenen Antemolaren werden durch die Rekonstruktionsfigur Taf. VL, Fig. 1 veranschaulicht. Ti. Die erste Anschwellung der Zahnleiste seitwärts ist es, welche ich als die Anlage des vordersten Schneidezahns bezeichnet habe. Die Zahnanlage steht auf dem knospenförmigen Stadium (Textfig. 2). Es scheint mir sehr wahrscheinlich, daß es sich hier um einen Zahn des Ersatzgebisses, also um J! und nicht um Jdi handelt. Eine Andeutung einer schwachen Einstülpung ist an der me- dialen (unteren) Seite der Anlage bemerkbar (Textfig. 47, Schnitt 11). Bei dem anderen Embryo derselben Größe, welchen ich auf Frontalsehnitten untersucht habe, bietet die fragliche Zahnanlage nichts Abweichendes dar. J2. Die Anlage des J? verhält sich hauptsächlich wie diejenige des ebengenannten Zahnes; sie ist jedoch größer und besser entwickelt als diese. (Textfig. 3.) Die Zahnanlage steht auf dem knospenförmigen Stadium. Eine sehr deutliche Einstülpung ist an der einen Seite zu finden, weshalb die Anlage wie gekrümmt aussieht. Ich begnüge mich, diese bei den zwei obengenannten Zahn- anlagen nachgewiesenen Tatsachen zu erwähnen, ohne mich auf die Frage einzulassen, ob diese Einstülpungen für die Entwicklung . des Zahnes von Bedeutung sind oder nicht. Es sei mir nur erlaubt, auf ein paar Figuren in LECHES »Ent- wicklungsgeschichte des Zahnsystems der Säugetiere« 1 aufmerksam zu machen, nämlich Taf. I, Fig. 4 und Taf. Il, Fig. 13. Aus diesen Figuren sieht man, daß die Zahnanlagen winklig umgebogen sind, was der Verfasser der mechanischen Einwirkung der eindringenden Eetodermwucherung auf das Mesoderm zuschreibt (l. e. S. 15). Ich will mit diesem Hinweis nur daran erinnert haben, daß Einstülpungen nicht nur durch die Einwirkung der Mesodermpapille, sondern auch durch andere mechanische Ursachen entstehen können, und wie diese zu erklären sind, und daß sie bei den Anlagen so- wohl funktionierender als rudimentärer Zähne vorkommen können. Die mediale und fast horizontale Richtung der fraglichen Zahn- 1 LECHE, 189. Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 209 anlagen bietet ja für Schneidezähne nichts Ungewöhnliches dar. Ich weise z. B. auf Taf. XXVII, Fig. 4 in Röses Arbeit »Über die Entwicklung der Zähne des Menschen« hin !. Bei den anderen untersuchten Embryonen ist die Zahnanlage des J? ebensogut entwickelt und steht auf demselben Entwicklungs- stadium. Um den vordersten Teil der Zahnleiste und die Anlagen der zwei vordersten Schneidezähne zu zeigen, habe ich eine Schnittserie in Textfig. 47 abgebildet und weise auf diese sowie auf die Rekon- struktionsfigur Taf. VI, Fig. 1 hin. Die letztgenannte Figur zeigt, wie die Anlagen des J! und des J? an der lingualen Seite der Zahn- leiste besonders gut hervortreten. J®. Im Vergleich mit den Anlagen der übrigen Schneidezähne ist diejenige des J3 von enormer Größe, was ja nur zu erwarten ist, da es sich um den Schmelzkeim des vordersten funktionierenden Schneidezahns handelt. Die Zahnanlage hat die glockenförmige Gestalt erreicht, ein Schmelzorgan bildend. Das äußere Schmelzepithel und die Amelo- blastenschicht sind differenziert und in der Schmelzpulpa sind Stern- zellen bemerkbar. Kein Schmelz noch Dentin ist auf diesem Sta- dium gebildet. Das Schmelzorgan hat sich noch nicht von der Zahnleiste ab- geschnürt. Wie die Textfig. 4 zeigt, ist das tiefe Ende der Zahnleiste angeschwollen und bildet eine "große linguale Knospe, welche einer Zahnanlage auf dem knospenförmigen Stadium in hohem Grade ähnelt. WOooDWARD? hat dieses auch beobachtet und schreibt davon: »The enamel-organs of these two teeth« — die großen funktionie- renden oberen und unteren Schneidezähne — »exhibit strong lingual srowths of the dental lamina so large and swollen, indeed, as to suggest the development of a successor.« Ob die fragliche Bildung eine Zahnanlage ist oder nicht, darüber will ich nichts Bestimmtes äußern. Es scheint indessen, als ob es nicht an Material für das Entstehen neuer Zähne mangele. J! und J? erreichen kein höheres Entwicklungsstadium als das knospenförmige; sie sind nur Rudimente. Ob die Unterdrückung der beiden ersten Schneidezähne für die enorme Entwicklung des J° notwendig gewesen ist, lasse ich dahingestellt sein. Wie dem .auch 1 Röse, 1891. 2 WOODWARD, 18%. 210 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde sei, gewiß ist es doch, daß der Satz, daß Größenzunahme eines Zahnes von Rückbildung der angrenzenden Zähne begleitet ist, auch betreffs der Sorieiden bestätigt wird, und dies gilt sowohl von dem Unterkiefer als von dem Öberkiefer (siehe unten). Ähnliche Verhältnisse kommen ja bei vielen anderen Tieren vor. Unter den Insectivoren mag z. B. an die vordersten Schneide- zähne, besonders an den unteren J, des Erinaceus erinnert werden, welcher sich in demselben Maße entfaltet, wie sich J, reduziert !. Und unter den Marsupialien liefert die Familie der Phalangeridae ein vorzügliches Beispiel einer Entwicklung der Qualität auf Kosten der Quantität: im Unterkiefer erreichen ja die mittleren Schneide- zähne eine hohe Entwicklung, während die seitlichen Schneidezähne sowie die Eckzähne und die vorderen Prämolaren reduziert oder ganz verschwunden sivd2 Auch andere Beispiele hiervon könnten angeführt werden. JA. Die Anlage des zweiten funktionierenden Zahnes — des Jt nach meiner Bezeichnung — zeigt an dem medialen oberen Rande eine schwache Einstülpung, und die Mesodermzellen sind dort dichter aneinander gedrängt. Man kann also sagen, daß diese Zahnanlage im Begriff ist, in das kappenförmige Stadium überzugehen. (Textfig. 6.) Vergleicht man WoopwArps Figur von diesem Zahne (l. e. Pl. 25, Fig. 16) mit der meinigen, ist nicht große Übereinstimmung zu finden. Und dies gilt auch von mehreren Figuren WOODWARDS von den Sorex-Zähnen. Vielleicht kommt es darauf an, daß dieser Forscher ein etwas früheres Entwicklungsstadium oder eine andere Art untersucht hat. Er erwähnt nämlich nicht, soweit ich finden kann, was für eine Art von Sorex er untersucht hat. WOODWARD sagt: »The 2nd upper ineisor is baekward in its development< (l. ec. S. 568); er gibt aber die Gründe für diese Behauptung nicht an. Der Umstand, daß diese Zahnanlage nicht auf demselben Entwicklungsstadium als der erste funktionierende Zahn steht, ist wohl nicht als ein Beleg hierfür anzusehen. Im Ver- gleich mit den Anlagen der übrigen Antemolaren kann dieselbe nicht als zurückgeblieben angesehen werden. Da ich nichts gefunden habe, was als Zeichen einer ver- zögerten Entwicklung des fraglichen Zahnes zu deuten ist, kann ich der Ansicht des Verfassers in diesem Punkte nicht beitreten. ! LECHE, 1902. 2 BENSLEY, 1903. Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 211 J>. Die Rekonstruktionsfigur Taf. VI, Fig. 1 zeigt, wie ich auch durch die Textfigur 7 darzustellen versucht habe, daß hinter J* drei " knospenförmige Hervorragungen von derselben Stelle der Zahnleiste vorhanden sind, — eine schlagende Illustration der folgenden Worte Röses!: »Die verschiedenen Zahnreihen der Säugetiere sind ver- schiedenalterige Geschwister. und Kinder derselben Mutter, der epi- thelialen Zahnleiste.«< Denn es handelt sich ohne Zweifel um drei verschiedene Dentitionen oder Zahngenerationen. Man fragt sich dann: Für welehe Dentition ist jede Zahnanlage ein Repräsen- tant? Zwei Hypothesen sind denkbar. Entweder die Anlagen ge- hören, je nach der Lage, der prälaetealen, lactealen und perma- nenten Dentition, oder, was wohl weniger wahrscheinlich ist, der lactealen, permanenten und potentiellen postpermanenten Den- tition an. Da ieh die Absicht habe, im folgenden die Frage wieder zu besprechen und mich näher hierüber zu äußern, will ich jetzt nur bemerken, daß man auf Grund des Vorhandenseins einer Bildung, wie die Textfig. 7 zeigt, berechtigt ist, die Richtigkeit der Behaup- tung WOODWARDS »... There is indieation of no other tooth replace- ment« — than that of the milk-dentition — »in the Sorieidae« (l. ce. S. 570) in Zweifel zu ziehen. WoopwArD hat auch nicht die labiale Knospe, welche ich in meiner Figur mit Pl. bezeichnet habe, gesehen, wie aus seiner Fig. 17, Pl. 25 hervorgeht, son- dern nur diejenige, welche der von mir mit Jd® bezeichneten ent- spricht. Bei Erinaceus europaeus, und zwar neben dem entsprechenden Zahne, dem J3, treten ähnliche Bildungen auf. Dies erhellt aus den Abbildungen der Anlage des fraglichen Zahns, welche LEcHE in seiner Entwieklungsgeschichte des Zahnsystems der Säugetiere? gegeben hat (Taf. VI, Fig. 37—40). Hier sind auch zwei laterale, von der Zahnleiste ausgehende Leisten vorhanden, welchen Befund jedoch der Verfasser nicht beobachtet zu haben scheint und welchem er keine Aufmerksamkeit gewidmet hat, denn im Texte wird nur eine laterale Leiste von ihm erwähnt: » Bemerkenswert ist die Leiste, welche vom labialen und oberflächlichen Teile der Schmelzleiste ausgeht« (l. c. S. 28), aus welcher »der nicht mißzudeutende knospen- ı Röse, 1894. S. 591. 2 LECHE, 189. 212 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde förmige Schmelzkeim eines nicht zur Ausbildung gelangenden obe- ren Jd? hervorgeht« (l. e. S. 42). Ich habe die lingual liegende Zahnanlage als J® bezeichnet, Fig. 8. Embryo (11 mm). Oberkiefer. Frontalschnitt. Die Anlagen des Eekzahns, der drei ersten Prämolaren und der resp. Milchzähne. Vergr. 350. Fig. 8. C. Cd. Fig. 9. Pı. Pal. Sorex araneus. weil dieselbe sich zu dem funktionierenden dritten Schneidezahn entwickelt, wie aus meinen Schnittserien durch Embryonen von späterem Entwieklungsstadium hervorgeht. Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 213 C. Textfig. 8 stellt eine kleine, aber doch unverkennbare Zahn- anlage vor. Daß essich um eine wahre Zahnanlage handelt, wird dadurch Fig. 10. KANU) Sorex araneus. Embryo (11 mm). Oberkiefer. Frontalschnitt. Die Anlagen des Eekzahns, der drei ersten Prämolaren und der resp. Milchzähne. Vergr. 350. Fig. 10. P2, Pa2. Fig. 11. P3. Pa3, Fig. 10 ist nach zwei aufeinander folgenden Schnitten gezeichnet. Über die Orientierung der Figuren siehe Fig. 2—7. \ bestätigt, daß ein Vorgänger, von welchem im folgenden weiter ge- sprochen werden wird, vorhanden ist. (In der Rekonstruktionsfigur ist die Anlage des (© nicht sichtbar, weil dieselbe hinter J5 gelegen ist.) 214 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde Verfolge ich die Schnitte meiner Frontalschnittserie, welche lückenlos ist, finde ich, daß die vorher beschriebenen, d. i. sämt- liche Anlagen der Schneidezähne, in den verknöchernden Partien des Os praemaxillare liegen. Die auf die Schneidezähne unmittelbar folgende Anlage aber liegt innerhalb der Grenzen des verknöchernden Os maxillare. Als der erste im Oberkieferknochen gelegene Zahn ist dieselbe also nach der gewöhnlichen Terminologie als Eckzahnanlage zu bezeichnen. Aus einem noch wichtigeren Grunde, nämlich mit Rücksicht auf die Anzahl der folgenden Antemolaren, d. i. der Prämolaren, welche bei Sorex vollzählig, also vier in jeder Oberkieferhälfte, sind, dürfte diese Bezeichnung als richtig angesehen werden. So wie oben geschildert, gestalten sich die Verhältnisse bei dem Embryo. Wie es sich aber mit der Lage der Sutura maxillo- intermaxillaris des erwachsenen Tieres verhält, darüber will ich mich jetzt nicht äußern. Es ist ja möglich, daß sie so, wie BRANDT! behauptet, zu liegen kommt, d. i. zwischen dem vierten und dem fünften funktionierenden Antemolaren. Demungeachtet ist der vierte Zahn kein Schneidezahn, noch der fünfte Zahn ein Eckzahn, son- dern beide sind, wie aus meiner folgenden Untersuchung erhellt, Prämolaren. Der Zahn, weleher von anderen älteren Forschern als Eckzahn bezeichnet worden ist, ist nicht mit dem wahren Eckzahne, sondern mit einem Prämolaren homolog. Die Anlage des unterdrückten Eck- zahns ist vorher nicht beobachtet worden, weder von LECHE noch von WOo0oDwWARD bei ihren mikroskopischen Untersuchungen der Entwicklung der Sorieidenzähne. PA. Die jetzt zu beschreibende Anlage folgt unmittelbar auf die des Eekzahns und repräsentiert also den ersten Prämolaren, welcher der vierte funktionierende Zahn ist. Die Zahnanlage steht auf dem knospenförmigen Stadium (Text- figur 9). Sehon Owen? spricht die Ansicht aus, daß die zwischen den Schneidezähnen und den Molaren liegenden kleinen Zähne als Prä- molaren betrachtet werden müssen, da keiner von ihnen weder die Entwicklung noch die Funktion eines Eckzahns besitzt. Die Behauptung Owens ist richtig; die von ihm aber hierfür 1 BRANDT, 1870. 8. 31. ?2 Owen, 1840—45. S. 417—418. 215 Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. Fig. 12. —e RRSS Anm DAN) CH RER Br N EN \\ e_. .\3\N Gr I 50 FORT, ET THE ET H SIT MN N re a N 58 ae aan NR SUN‘ 2 AED =IS < z DR A (ao) ö © h (Se En N in N a ul! (@) IN N v/ z \ = MIET II > —I FE N) N ss AKA Nat IE INRRIEN SIE NEN x SINN 3 ID SS I (UN z N N SH) in L 4 N I A ol S S R 9) 0 (@] IIND 00T AN SOSE, N 5 \ N \ & Be nn In\\ PR © () „RRANII 09 9250.00. U I ae \ \ ID OS I-AD 8° N Ss S SOTHBE Sorark es S en Über die Orientierung der Embryo (11 mm). Oberkiefer. Frontalschnitt. Pt und Pa#. Figur siehe Fig. 2—7. Vergr. 350. sehr variieren. Sorex araneus. werden, da die Eckzähne, wie bekannt, bei verschiedenen Tieren angeführten Gründe können doch wohl nicht als stichhaltig angesehen 216 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde WoopwArp! hält den fraglichen Zahn für einen abnorm ge- legenen Eckzahn. BrAnpr? und Lecnae? rechnen denselben zu den Schneidezähnen. P2. Die Anlage des P? ist im Vergleich mit denjenigen der übrigen Prämolaren die am wenigsten entwickelte. Sie sieht auf diesem Stadium wie eine schwache Anschwellung der Zahnleiste aus (Text- figur 10). Bei den anderen untersuchten Embryonen derselben Größe ver- hält sich diese Zahnanlage in ähnlicher Weise. PP: Die Anlage des P3 ist knospenförmig wie diejenige des P! (Textfig. 11). Es ist auffallend, daß die Anlage des P3, welcher der kleinste funktionierende Zahn des Oberkiefers ist, auf diesem Stadium größer als diejenige des P? ist, welcher bei dem erwachsenen Tiere kräf- tiger entwickelt ist. PA Wie die Anlage des größten Schneidezahns hat auch die des größten Prämolaren das glockenförmige Stadium erreicht. Wieviel die Anlage des P* denjenigen der übrigen Prämolaren an Größe und Entwicklungsgrad voransteht, geht aus Textfig. 12 hervor. Die Zahnleiste zeigt neben dieser Zahnanlage auf diesem Sta- dium die Andeutung einer lingualen Knospe. Die Molaren. Was die Molaren betrifft, hat M! das glockenförmige Stadium erreicht. M? ist von einer großen Knospe repräsentiert, und das geschwollene caudale Ende der Zahnleiste zeigt, daß noch ein Molar — M® — sich entwickeln wird. Zusammenfassung. Bei dem eben beschriebenen Stadium von Sorex araneus bildet die Zahnleiste des Oberkiefers einen zusammenhängenden Bogen, dessen vorderste Partie auch gut entwickelt ist. Die größte Tiefe besitzt die Leiste in ihren vorderen und hinteren Teilen, wo die größten Zahnanlagen gelegen sind. 1 WooDwARD, 1896. S. 569. 2 BRANDT, 1870. % LECHE, 189. Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 217 An der Zahnleiste sind sicherlich vier, wahrscheinlich jedoch fünf Schneidezähne angelegt, nämlich J1, J2, J3, 4, J5, von denen die zwei ersten nur Rudimente unterdrückter Zähne sind; für PI, P3, P: M', M? sind deutliche Anlagen differenziert. Die rudimentäre Anlage des © ist auch nachgewiesen. Die Anlagen der Zähne J?, Pi und M'! haben das glockenförmige Stadium erreieht. Diejenigen der Zähne ©, P2 und M? manifestieren sich nur durch schwache Anschwellungen. Diejenigen der übrigen Zähne sind nieht über das knospenförmige Stadium hinausgekommen. An der lingualen Seite des J? — des ersten funktionierenden Schneidezahns — wird eine kräftige knospenäbnliche Differenzierung der Zahnleiste wahrgenommen. Bezüglich des J5 — welcher der dritte funktionierende Zahn ist — ist zu beobachten, daß hier drei nebeneinander liegende Her- vorragungen der Zahnleiste vorhanden sind, welche Repräsentanten dreier Dentitionen sind. Fig. 13. Sorex araneus. Embryo (13 mm). Oberkiefer. Frontalschnitt. Die Anlagen der zwei vordersten Schneidezähne. Fig. 13 1. Fig. 14 J?. Über die Orientierung der Figuren siehe Fig. 2-7. Vergr. 350. Embryo, Scheitel-Steißlänge etwa 13 mm. Auch auf diesem Stadium besteht die bogenförmige Partie der Zahnleiste, obschon bedeutend reduziert, im vordersten Teile des Öberkiefers. Zwischen den Zahnanlagen ist sie gleichfalls nach- weisbar, so daß auch auf diesem Stadium der Bogen der Zahnleiste kontinuierlich ist. Die Leiste hat sich noch nicht ganz von dem Eetoderm abgeschnürt. Die an der vordersten Partie der Zahnleiste angelegten rudi- Morpholog. Jahrbuch. +4. 15 218 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde mentären Schneidezähne sind deutlich wahrnehmbar, doch fällt es sogleich auf, daß ein Rückschritt betreffs ihrer Entwicklung schon eingetreten ist. J. Die Anlage des vordersten rudimentären Schneidezahns ist bei einem der untersuchten Embryonen dieses Stadiums sehr deutlich abgegrenzt; sie ist knospenförmig und hat angefangen, sich abzu- schnüren (Textfig. 13). Bei den zwei anderen Individuen derselben Größe, welche ich untersucht habe, ist die regressive Entwicklung dieser Zahnanlage weit vorgeschritten. Bei ihnen ist sie zwar noch nachweisbar, ist aber schon in Auflösung begriffen. J2. Der rudimentäre Charakter 'der zweiten Schneidezahnanlage, welcher hier deutlicher als bei dem ebengenannten J! desselben In- dividuums ausgeprägt ist, fällt sogleich in die Augen, wenn man die Textfiguren 3 und 14 miteinander vergleicht. In Fig. 3 zeigt sie sich als eine kräftige Knospe, wie ich eben nachgewiesen habe, in Fig. 14 aber, welche die Anlage bei einem älteren Embryo vor- stellt, hat sie ein verkümmertes Aussehen. Bei den zwei untersuchten Embryonen derselben Größe, welche in betreff der Zähne etwas weiter entwickelt sind, ist auch die An- lage des zweiten Schneidezahns in Auflösung begriffen. I. Bei J? treten Hartgebilde auf: eine dünne Dentinschicht ist ge- bildet. Auf diesem Entwicklungsstadium sind Hartgebilde nur bei diesem permanenten Zahne wahrzunehmen. Das freie tiefe Ende der Zahnleiste besteht noch als eine kräf- tige, an der lingualen Seite des Zahns liegende Knospe. 2 7 Die Anlage des vierten Schneidezahns hat das glockenförmige Stadium ohne Hartgebilde erreicht, und diejenige des fünften ist kappenförmig. Von den beiden knospenähnlichen Hervorragungen der Zahn- leiste, welche an der labialen Seite des J5 auf dem früheren Ent- wicklungsstadium vorhanden waren, ist hier keine Spur zu finden. (0). Die zwischen den Anlagen des J® und des P! liegende Zahn- leiste hat ein angeschwollenes Aussehen, was vielleicht als eine Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 219 letzte Andeutung des Eckzahns zu deuten ist; die Leiste geht aber sogleich in die Anlage des P! über, ohne vorher eine distinete Zahnanlage für C zu bilden. Auf diesem Entwicklungsstadium ist also die Anlage des Eck- zahns nicht mehr deutlich zu unterscheiden. Dis Bar Pe Be Dieses Entwicklungsstadium bietet betreffs der Prämolaren von dem vorher beschriebenen keine wesentliche Abweichung dar. Der erste Prämolar hat das kappenförmige Stadium erreicht; der zweite ° und dritte sind noch knospenförmig. Die Anlage des P? ist jetzt deutlicher differenziert, ist aber fortwährend kleiner als diejenige des P3. Die Anlage des letzten Prämolaren ist glockenförmig. Keine Verkalkung ist eingetreten. Das freie tiefe Ende der Zahnleiste, welche neben P% sehr tief in das Mesoderm eingedrungen ist, ist kolbig angeschwollen. Auch behält die Leiste hinter der Anlage des P* mehrere Schnitte durch dasselbe Aussehen. Die Molaren. Mt ist glockenförmig; noch ist keine Verkalkung zu sehen. An der lingualen Seite endigt das tiefe Ende der Zahnleiste knospenförmig angeschwollen. Die Anlage des M? steht auf der Grenze zwischen kappen- und glockenförmigem Stadium, und der letzte Molar — M3 — wird auch auf diesem Stadium von einer knospenähnlichen Anschwellung des caudalen Endes der Zahnleiste repräsentiert. Zusammenfassung, Die Zahnleiste verhält sich hauptsächlich wie auf dem früheren Stadium, nur mit der Ausnahme, daß bezüglich des vordersten Teiles eine regressive Entwicklung sich deutlich manifestiert. J! und J? sind bei dem einen der untersuchten Embryonen dieses Stadiums von rudimentären knospenähnlichen Bildungen re- präsentiert, welche doch einen unzweifelhaften Rückgang in der Entwicklung zeigen. Bei zwei anderen Individuen derselben Größe sind diese Zahn- anlagen schon in Auflösung begriffen. Bei J3 ist eine dünne Dentinschicht gebildet. Die große linguale Knospe neben diesem Zahne behält auch hier ein angeschwollenes 15* 220 Augusta Ärnbäek-Christie-Linde Aussehen. ./* hat das glockenförmige und J5 das kappenförmige Stadium erreicht. Bezüglich des J® ist keine Spur der neben diesem Zahne lie- senden lateralen Knospen zu sehen, welche ich bei dem vorher beschriebenen Embryo nachgewiesen habe. Eine deutliche Anlage des © ist auf diesem Stadium nicht mehr zu sehen. Die Prämolaren sind nicht viel mehr entwickelt als bei dem ‚Jüngeren Embryo, nur die Anlage des P? ist deutlicher differenziert, ist aber weniger weit entwickelt als diejenige des P?. Lingualwärts von Pt ist das tiefe Ende der Zahnleiste zu einer knospenähnlichen Anschwellung ausgebildet. Bezüglich der zwei vorderen Molaren steht M! auf glocken- förmigem Stadium. Neben M! ist eine linguale Knospe zu sehen. M? ist fast gloekenförmig. M? ist knospenförmig. Junges Tier, Scheitel-Steißlänge etwa 33 mm. Leider ist es mir noch nicht gelungen, Embryonen von späteren Entwicklungsstadien als das eben beschriebene, Scheitel-Steißlänge etwa 13 mm, zu bekommen, weshalb ich die embryologische Ent- wieklung der Zähne gegenwärtig nicht weiter habe verfolgen können. Das nächste Stadium, welches ich untersucht habe, ist ein junges, beinahe nacktes Tier. Die Zahnleiste ist überall, auch in dem vordersten Teile, ver- schwunden. Ob kleine Zellengruppen, welche ich dort gesehen habe, als Reste der Zahnleiste oder der rudimentären Schneidezähne zu deuten sind, lasse ich dahingestellt sein. Die Zahnleiste als solehe ist verschwunden. Von den lingualwärts von mehreren Zahnanlagen liegenden Knospen ist keine Spur mehr zu sehen; sie gehen also alle zu- grunde. Selbst aus der großen Knospe neben J? kommt nichts; wenn diese Knospe auch eine potentielle Zahnanlage ist, so ent- wickelt sie sich niemals. Bei dem untersuchten jungen Tiere sind alle funktionierenden Zähne des Ersatzgebisses fertig gebildet, und Hartgebilde sind bei allen entwickelt. Sie haben jedoch das Zahnfleisch noch nicht durch- brochen; nicht einmal der größte Schneidezahn hat es getan. Bei den zwei mittleren Prämolaren wie auch bei dem letzten Molaren — dem M3 — ist die Verkalkung am wenigsten weit vorge- schritten: die bei diesen Zähnen gebildete Dentinschicht ist sehr dünn. Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 221 Zusammenfassung. Die Zahnleiste ist überall resorbiert, sowohl der vor den großen Schneidezähnen liegende Teil derselben als auch die zwischen den Zähnen liegenden Teile. Von rudimentären Zahnanlagen ist keine Spur mehr zu sehen. Von den Ersatzzähnen sind die funktionierenden entwickelt, d.i. drei Schneidezähne — J3, J4, J5 —, die vier Prämolaren und die drei Molaren. Ein großer Fortschritt ist gegenüber dem vorher beschriebenen Stadium zu sehen, indem an sämtlichen Zähnen sowohl Schmelz als Zahnbein gebildet sind. Bei dem jungen Tiere hat kein Zahn das Zahnfleisch durch- brochen. Unterkiefer. Embryo, Scheitel-Steißlänge etwa 11 mm. Wie im Oberkiefer ist auch im Unterkiefer der Bogen der Zahn- leiste kontinuierlich, und die Leiste besteht zwischen den Zahn- anlagen. Sie hat sich von dem Eetoderm abgeschnürt; nur über den Zahnanlagen kann man den Zusammenhang spüren. Der vorderste Teil der Leiste, d. i. die vor den Anlagen der großen funktionierenden Schneidezähne liegende Partie, ist auf die- sem Stadium kräftig entwickelt. Sie ist tief in das Mesoderm ein- gedrungen und ist stellenweise angeschwollen, welche Anschwellungen ich für Anlagen der vordersten unterdrückten Schneidezähne halte. Meiner Ansicht nach unterliegt es nämlich keinem Zweifel, daß Sorex araneus mehrere vor den großen funktionierenden Schneide- zähnen gelegene Zahnanlagen — sicherlich zwei, wahrscheinlich jedoch drei — in jeder Unterkieferhälfte aufweisen kann. Da aber das nächste Stadium rücksichtlich dieser Bildungen ‘von demjenigen von 11 mm nicht viel abweicht und da die frag- lichen Zahnanlagen auf jenem Stadium besser differenziert sind, ziehe ich vor, beide Stadien zusammen unten zu beschreiben. Wie oben angegeben, bezeichne ich die vor den großen Schneide- zähnen liegenden Zahnanlagen mit J;, Ja, Jz und den großen Schneide- zahn mit J;. Jı. Die Anlage des einzigen funktionierenden Schneidezahns hat das glockenförmige Stadium erreicht. Kein Zahnbein noch Schmelz ist an derselben gebildet. Schon auf diesem Stadium ist J; imVergleich 2922 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde u 0 9 o? 9500, © es AN o 5 = ® 29 gr tr ) z ö [e) euer — "I Or 74% N, IS Vf N le eu 2 7 de Fig. 18. Sorexz araneus. Embryo (13 mm). Unterkiefer. Frontalschnitt. Der vorderste Teil der Zahnleiste und die Anlagen der drei vorderen Schneidezähne. Über die Orientierung der Figuren siehe Fig. 2-7. Vergr. 350- Fig. 15. Vorderster Teil der Zahnleiste. Fig. 17. Ja. Fig. 16. Jı. , Fig. 18. Ja. Der Bau der Soriciden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 223 mit den übrigen Zahnanlagen überaus groß, wie dies auch im Ober- kiefer mit J3 der Fall ist. An der lingualen Seite ist das freie tiefe Ende der Zahnleiste zu einer knospenähnlichen Anschwellung ausgebildet, wie im Ober- kiefer eine ähnliche Bildung lingualwärts von dem J? gelegen ist. Ebensowenig als von der letzteren Bildung kann ich hinsichtlich dieser Knospe entscheiden, ob dieselbe eine Zahnanlage repräsentiert oder nicht. Die Möglichkeit für das Entstehen eines neuen Zahns ist Ja vorhanden. _ Ich will darauf aufmerksam machen, daß sieh im Unterkiefer dieselben Verhältnisse wie im Oberkiefer wiederfinden. Auch im Fig. 19. Sorex araneus. Embryo (11 mm). Unterkiefer. Frontalschnitt. Jdı Anlage des vordersten unteren Milchzahns. ZI, Vorderster Teil der Zahnleiste. Über die Orientierung siehe Fig. 2—7. Vergr. 350- Unterkiefer werden Schneidezähne angelegt, welche niemals ent- faltet werden. Und in dem Maße als diese reduziert werden, ent- wickelt sich J,. Im Unterkiefer ist also die Größenzunahme des J, von der vollständigen Rückbildung der Zähne J, A und J;3 (und vielleicht auch des € [siehe unten]) begleitet, wie im Oberkiefer die Entwicklung des J? von der Rückbildung des J! und des J? be- gleitet ist. (C). Zwischen J, und der Anlage des nächsten Zahns ist ein großer Zwischenraum. Verfolgt man die Zahnleiste, nachdem der ‘letzte Schneidezahn — J; — sich von derselben abgeschnürt hat, findet man dieselbe angeschwollen mit der Andeutung einer lateralen Leiste. Augusta Ärnbäck-Christie-Linde 224 Fig. 20. Fig. 21. IIIIY 7 N > Die Anlagen dreier Prämolaren Frontalschnitt. Fig. 20. Vorderes Ende des Pı. Pdı. Fig. 21. Unterkiefer. und der resp. Milchzähne. Embryo (11 mm). Sorex araneus. ee 225 Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. Fig. 22. Fig. 23. FE WET, 1 N RR a N“ M) hi 9 09 2 q\ \ WE, Di [08 g - ON I N: HH TRER N IR — /, JIIIOS AN NN N) a0 IO | = EEE TR | DI OD TB, USE N UN NN or In —,/ BISSIS N, U un \ ) NEIN ee N e [o/@) IC SEIEN 2 „u SOpP609 ö II ER; ES GG 7 OL EINS g2co0 GG TEL DH m. Ro P0009 = wi IB: oO2088 Oo 808 98 >, TEE Sa & DET OHR SS G 5, 2 GT _ ee N rrerß = > —r a Die Anlagen dreier Prämolaren Frontalschnitt. Unterkiefer. und der resp. Milchzähne. Embryo (11 mm). Fig. 22 ist nach zwei Schnitten gezeichnet, Sorex araneus. Vergr. 350, r El Ki} Rue, I) + Er Pr} cr a © . ‘2 „=D &D ma = 2 = Saıa > x 8 2 “oO a [9 ee a Is 8 m = BB 226 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde Dies halte ich für eine Spur des Eckzahns. Da aber dieses Rudi- ment nicht so deutlich wie das entsprechende im Oberkiefer ist, habe ich es nieht ohne Bedenken als eine Zahnanlage rubrizieren wollen. Bei Neomys fodiens ist die Anlage des unteren Eekzahns deut- licher und ihr Vorhandensein außer Zweifel gesetzt (siehe unten), welcher Befund meine Ansicht über die fragliche Anschwellung bei Sorex araneus stützt, wenn es nämlich erlaubt ist, anzunehmen, daß bei Sorex und Neomys die Zähne, welche bei den beiden Gattungen sonst eine so große Übereinstimmung zeigen, auch bezüglich der Anzahl denselben Veränderungen unterworfen gewesen sind. Pr. In Betracht des oben Erwähnten kann ich mit größter Wahr- scheinlichkeit den nächsten Zahn als einen Prämolaren bezeichnen. Der zweite funktionierende Zahn ist es denn, welchen ich als den ersten Prämolaren — P, — betrachte (Textfig. 21). Die Anlage des Zahns ist kappenförmig. Den zwei ersten Prämolaren ist ihre gegen das Mundhöhlen- epithel gepreßte Lage gemeinsam. Möglicherweise kommt diese Lage darauf an, daß der große Schneidezahn sich so weit hinter- wärts streckt. Er streckt sich nämlich auf diesem Stadium unter den Prämolaren bis nach dem letzten Prämolaren urd bei einem unter- suchten jungen Tiere bis nach dem ersten Molaren. P;. Unmittelbar auf den ersten Prämolaren folgt die deutliche An- lage des rudimentären zweiten (Textfig. 22). Sie steht auf dem knospenförmigen Stadium. Dieser Anlage entspricht bei dem erwachsenen Tiere kein Zahn; aber dieselbe sowohl als die nächste rudimentäre Zahnanlage mögen als Zeugnis davon gelten, daß Sorex ehemals mehr als zwei Prä- molaren gehabt hat. Ein Beweis hierfür ist ja auch das Vorhanden- sein von drei Prämolaren bei Myosorex varius, von denen der mitt- lere ein Rudiment ist und wahrscheinlich dem P, entspricht (hier- über weiter unten). Woopwarp! hat auch diese Zahnanlage beobachtet; er be- trachtet sie aber als die Anlage des dritten Schneidezahns. (P3). Die Zalınleiste zwischen P, und P, verhält sich, als ob hier eine Zahnanlage zu finden wäre. Während die Anlagen der vor- 1 WooDWARD, 1896. Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 227 deren Prämolaren unmittelbar aufeinander folgen, gibt es ein Inter- spatium zwischen P, und P;: die Zahnleiste läuft ein Stückchen. frei wie zwischen J, und P,, und man kann an derselben eine schwache Anschwellung wahrnehmen. Für meine Annahme, daß diese als eine Spur von P; zu betrachten ist, spricht auch, wenn dieser Beweis ex analogia erlaubt ist, daß bei Neomys fodiens ein deutliches Rudiment von dem dritten Prämolaren vorhanden ist, welches dieselbe Lage wie die ebengenannte Anschwellung hat. Pi. Der letzte und größte Prämolar, P,, hat das glockenförmige Stadium erreicht. Keine Hartgebilde sind vorhanden. (Textfig. 23.) Aus den ebengenannten embryologischen Befunden läßt sich meines Erachtens folgern, daß die Vorfahren der Sorieiden vier untere Prämolaren gehabt haben. Dies wird auch von der Paläontologie bestätigt, indem bei Protosorex crassus! vier zwischen den Molaren und den großen Schneidezähnen liegende kleine Zähne beiderseits nachgewiesen worden sind. Weiteres darüber im folgenden. Die Molaren. Auf diesem Entwicklungsstadium ist nur der erste Molar glocken- förmig ausgebildet. Die Anlage des zweiten Molaren ist kappen- förmig, und das angeschwollene Ende der Zahnleiste deutet an, daß sich hier ein dritter Molar entwickeln wird. Zusammenfassung. Die Zahnleiste verhält sich auf diesem Stadium wie im Ober- kiefer, d. h. sie ist kontinuierlich. Yor den großen funktionierenden Schneidezähnen treten an der Leiste Differenzierungen auf, welche ich mit J, Ja, Js bezeichnet habe. An derselben sind deutliche Anlagen für J4, Pi, Pr, Pı, Mı und M, ausgebildet. Das einstige Vorhandensein des C und des P; ist durch schwache Anschwellungen angedeutet. MM; ist durch eine Anschwellung repräsentiert. Die Anlagen des J, und des P,, wie auch des M,, d. i. die größten Zahnanlagen, sind glockenförmig, diejenigen des P, und des M; sind kappenförmig, und P, steht auf dem knospenförmigen Stadium. Lingualwärts von J, ist das freie tiefe Ende der Zahnleiste Een angeschwollen. 1 Scorr, 1894. 228 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde - Embryo, Scheitel-Steißlänge etwa 15 mm. Wie ich oben erwähnt habe, weicht der Embryo von 13 mm bezüglich der Entwicklung der vorderen Schneidezähne nicht sehr von demjenigen von 11 mm ab. Nur sind die Befunde bei dem älteren Embryo etwas besser akzentuiert, weshalb ich dieses Sta- dium beschreiben will. Der vorderste Teil der Zahnleiste, d. i. der vor den großen Schneidezähnen liegende Teil, ist wie von einem kontinuierlichen Wulste gebildet, welcher nach den Seiten allmählich tiefer in das Mesoderm eingedrungen ist. Dieser Wulst hat sich seitwärts von dem Eetoderm abgeschnürt, hängt aber noch an drei Stellen mit demselben zusammen. Die durch diese Stellen gelegten Querschnitte der Zahnleiste sind es, welche ich abgebildet habe. Ich will aus- drücklich darauf aufmerksam machen, daß, obgleich die Leiste an diesen Stellen angeschwollen ist, es sich auf diesem Stadium nicht um deutlich abgesetzte knospenförmige Anlagen für J, und J, han- delt, denn so weit ist die Entwicklung dieser Zähne noch nicht vorgeschritten, sondern die Abbildungen stellen Querschnitte durch die Stellen der Zahnleiste vor, wo dieselbe sich angeschwollen zeigt und mit dem Eetoderm zusammenhängt. Hiervon macht doch, soweit ich sehen kann, die Bildung, welche ich mit J; bezeichnet habe, eine Ausnahme, denn diese Zahnanlage scheint, wie aus Textfig. 15 erhellt, deutlicher von der Zahnleiste abgesetzt zu sein. Der Umstand, daß diese Bildungen auf Schnitten lingualwärts von der Anlage des großen Schneidezahns liegen, widerstreitet meiner Ansicht nicht, denn ihr Zusammenhang mit der Zahnleiste liegt vor demjenigen des genannten großen Zahns, wie deutlich aus dem Stu- dium der Schnittserie hervorgeht. Die Lage hängt wohl mit dem kolossalen horizontalen Hervorwachsen des letzten Schneidezahns zusammen. Jı. Textfig. 15 zeigt einen Frontalschnitt durch den vordersten Teil der Zahnleiste. Man sieht an derselben zwei unverkennbare Knospen. Nach ein paar Schnitten seitwärts schwindet die die Knospen zu- sammenbindende Mittelpartie, und die Leiste zeigt die Konfiguration, welche durch Textfig. 16 veranschaulicht ist. Es ist diese Bildung, welche ich mit J; bezeichnet habe. Ich will in diesem Zusammenhang nur im Vorübergehen — denn es gehört einem anderen Kapitel an — erwähnen, daß sowohl bei Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 229 diesem als bei dem jüngsten untersuchten Embryo eine laterale Leiste mit einer deutlichen Anschwellung von derselben Stelle der Zahn- leiste wie J, ausgeht, welche Bildung wahrscheinlich als ein Vor- gänger zu betrachten ist. Jh. Nach einigen Schnitten tritt die nächste Anschwellung hervor, welche ich mit J, bezeichnet habe. Die Textfig. 17 zeigt diese Anschwellung der Leiste und ihren Zusammenhang mit dem Eeto- derm. Man sieht auch, daß diese Anlage größer und kräftiger als die vorher genannte ist. J;5. In Textfig. 18 habe ich die Anlage des dritten Schneidezahns abgebildet. An dem medialen Rande zeigt sich auf dem nächsten Schnitte eine Einstülpung, weshalb man sagen kann, daß die An- lage des J, kappenförmig ist. Leider fehlt es mir an nötigem Untersuchungsmaterial, um die Entwicklung dieser Bildungen bei dem Embryo weiter zu verfolgen und volle Bestätigung des Vorhandenseins dreier vor den großen Schneidezähnen beiderseits liegenden Zähne zu gewinnen. Es steht gegenwärtig nämlich kein späteres embryologisches Stadium als dieses von 13 mm zu meiner Verfügung. Die übrigen Zähne. Bei J, sind auf diesem Stadium Hartgebilde entwickelt, indem eine dünne Dentinkappe zu sehen ist. Die an der lingualen Seite liegende Knospe ist stark ange- schwollen. Zwischen dem großen Schneidezahn und dem ersten Prämolaren ist ein Interspatium, an der Zahnleiste aber fand ich keine An- deutung des Eckzahns. P, steht auf der Grenze zwischen kappen- und glockenförmigem Stadium, und P, ist glockenförmig; bei dem letzteren treten keine Hartgebilde auf. Die Anlage des P, ist verschwunden, und von einer Anlage des P, ist keine Spur zu sehen. Die Molaren M, und M, haben das glockenförmige Stadium erreicht, der erstere ist jedoch viel weiter entwickelt als der letztere, aber ohne Hartgebilde. M; ist von einer großen Knospe repräsentiert. 230 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde Fig. Ma. 3% # fr ee IN ME n N Fe Ze RR | ur \\ ” 4 Z a \ en 7 Sorex-Junges (33 mm). Unterkiefer. Frontalschnitte aus einer lückenlosen Serie, um die Anlagen der drei vorderen Schneidezähne Jı, Je, Js zu zeigen. Schnitt 20 ist ausgelassen, weil er nichts an- deres als Schnitt 19 zeigt. Die rechte Seite der Figuren entspricht der Lingualseite, die linke der Labialseite des Kiefers. 71. Zahnleiste. Vergr. 220. Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 231 Fig. 24b. 22 18 Screx-Junges (33 mm). Unterkiefer. Frontalschnitte aus einer lückenlosen Serie, um die Anlagen der drei vorderen Schneidezähne ‚Jı, Je, Js zu zeigen. Schnitt 20 ist ausgelassen, weil er nichts an- deres als Schnitt 19 zeigt. Die rechte Seite der Figuren entspricht deı Lingualseite, die linke deı Labialseite des Kiefers. ZI. Zahnleiste. Vergr. 220. 232 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde Zusammenfassung. Der Zusammenhang der Leistenhälften in der Medianebene be- steht noch. Der vor den großen Schneidezähnen liegende Teil der Zahnleiste zeigt sich stark angeschwollen, und Differenzierungen sind an demselben beobachtet worden, welche ich mit J, Ja, Js be- zeichnet habe. Die funktionierenden Zähne sind alle angelegt; an J, ist eine Dentinschieht gebildet, und lingualwärts von diesem Zahne ist das tiefe Ende der Zahnleiste zu einer stark angeschwollenen Knospe ausgebildet. P, steht auf dem fast glockenförmigen Stadium, und P, hat dieses Stadium erreicht, ebenso wie die Anlagen des M, und des Ms. M3 ist knospenförmig. Von dem Eekzahne und dem dritten Prämolaren ist keine Spur zu sehen, und die Anlage des P, ist auch verschwunden. Junges Tier, Scheitel-Steißlänge etwa 33 mm. Zwischen den Zähnen ist die Zahnleiste resorbiert, davon ab- gesehen, daß zwischen den rudimentären vorderen Schneidezahn- anlagen einige Reste zu spüren sind. Bezüglich der Verbindung der Leistenhälften in der Median- ebene will ich nichts Bestimmtes sagen, da ich nur eine Unterkiefer- hälfte zu meiner Verfügung gehabt habe. Auf meinen Präparaten sieht es doch aus, als ob dieselbe aufgelöst wäre, was ja auch auf diesem Stadium zu erwarten war, und nur einige zurückgebliebene Epithelzellen zeugen von ihrem einstigen Vorhandensein. A. A. Sa Rudimentäre, aber doch deutliche Bildungen repräsentieren bei dem jungen Sorex die auf dem vorigen Stadium beobachteten, vor den großen Schneidezähnen liegenden Anschwellungen. J, ist durch eine kleine Knospe vertreten; die Anlagen des J, und J,; sind kappen- förmig. Die Rudimente der letzteren Zahnanlagen sind größer und deutlicher als dasjenige des J,. Alle drei Bildungen hängen mit den Resten der Zahnleiste durch einige Zellen zusammen. Um die fraglichen Zahnrudimente zu veranschaulichen, habe ich einige Frontalschnitte abgebildet. (Textfig. 24a und b.) Die übrigen Zähne. Von den übrigen Zähnen gilt, was von denjenigen des Ober- kiefers gesagt worden ist, daß alle funktionierenden fertig gebildet Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 233 und mit Hartgebilden versehen sind, und daß keiner von ihnen, nicht einmal der große Schneidezahn, das Zahnfleisch durchbrochen hat. Von der an der lingualen Seite des J, liegenden knospen- förmigen Anschwellung des tiefen Endes der Zahnleiste ist ein Rest — einige Epithelzellen — zu sehen. Wie im Oberkiefer die ent- sprechende Bildung neben J? zugrunde geht, so auch also diese Knospe neben dem unteren J;. i Zusammenfassung. Von dem vordersten Teile der Zahnleiste sind nur einige Epithelzellen zurückgeblieben. Die zwischen den Zähnen liegende Zahnleiste ist resorbiert. Es besteht nur ein kleiner Rest von der lingualwärts von J4 gelegenen Knospe. Die uns von den oben geschilderten Entwicklungsstadien bekann- ten vordersten Schneidezahnanlagen J,, J, Js sind in hohem Grade rückgebildet und durch knospen- und kappenförmige Reste vertreten. Alle funktionierenden Zähne sind fertig gebildet, keiner aber, nicht einmal der große Schneidezahn, hat das Zahnfleisch durchbrochen. Bei der Geburt sind also alle funktionierenden Zähne entwickelt, kein Zahn hat aber das Zahnfleisch durchbrochen. Zwar bin ich davon überzeugt, daß die bei so vielen untersuchten Individuen gefundenen Bildungen J,, J,, J3 derart sind, daß man ihre Natur als Zahnrudimente nicht bezweifeln kann, und daß dieselben als gute Belege für die Ansicht, daß die Vorfahren des Sorex wahr- scheinlich vier untere Schneidezähne gehabt haben, zu betrachten sind. Indessen wäre es für eine befriedigende Lösung der Frage natürlich im höchsten Grade wünschenswert, spätere embryologische Entwicklungsstadien als die, welche ich zu meiner Verfügung ge- habt habe, studieren und die Entwicklung der fraglichen Zahn- anlagen Schritt für Schritt verfolgen zu können. Das Milchgebiß. WOooDWARD ! ist der erste, welcher wirkliche Milchzahnanlagen bei Sorex gefunden hat. Er hat nämlich labialwärts von den per- sistierenden Zähnen gelegene Zahnanlagen nachgewiesen, welche als unzweifelhafte Milchzahnanlagen zu betrachten sind. Die Frage, ob ein Milchgebiß vorkommt oder nicht, ist damit beantwortet. 1 WooDwARrD, 1896. Morpholog. Jahrbuch. 44. 16 234 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde Da WoopwARrD aber nur ein einziges Stadium untersucht und nur unverkalkte Reste gefunden hat, hoffe ich, daß die unten mit- geteilten Resultate meiner Untersuchungen von Interesse sein werden, um so viel mehr, als ich Vorgänger mehrerer rudimentären Zähne gefunden habe. Die Milchzahnanlagen werden sowohl durch Textfiguren als dureh die Rekonstruktionsfigur Taf. VI, Fig. 1 veranschaulicht. Oberkiefer. Embryo, Scheitel-Steißlänge etwa 11 mm. An der labialen Seite der Zahnleiste werden auf diesem Stadium Zahnanlagen angetroffen, deren rudimentärer Charakter sogleich in die Augen fällt. Die am weitesten entwickelten haben sich beinahe abgeschnürt; die übrigen, welche das Aussehen von Knospen oder Epithelwucherungen haben, hängen noch mit dem Eetoderm zu- sammen. Jd2. Die erste labialwärts von der Zahnleiste liegende Zahnanlage tritt neben der von mir als J?2 bezeichneten Bildung auf und ent- spricht also dem Jd?. (Textfig. 3.) Sie ist knospenförmig und hat das Aussehen von einer in Auflösung begriffenen Epithelwucherung. Auf meinen Sagittalschnitten zeigt sie sich noch viel deutlicher als auf den Frontalsehnitten. Ich habe kein Bedenken getragen, diese Differenzierung als eine Milehzahnanlage zu deuten; sie erfüllt ja alle nötigen Bedingungen hierfür. Auch weiß ich nicht, wie sie sonst zu deuten wäre. Daß ‘sie ein so verkümmertes Aussehen hat, war ja zu erwarten, und nach einem Vergleich mit den übrigen Milchzahnanlagen wird dies um so begreiflicher. Für die großen Schneidezähne habe ich keinen Vorgänger nach- weisen können. Diese Befunde werden durch die in Textfig. 47 abgebildete Frontalsehnittserie veranschaulicht, und ich weise auf dieselbe hin. Jd#. Die nächste Milchzahnanlage liegt an dem vorderen Ende des J* und entspricht folglich dem Jd!. Sie steht auf dem kappen- förmigen Stadium. Aus Textfig. 5 erhellt, daß sie sich von der Zahnleiste beinahe abgeschnürt hat und daß das äußere Schmelz- epithel im Begriff steht, sich aufzulösen. Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 235 Jd3. Es bedarf nur eines Blickes auf Fig. 17 in WOODWARDS »Study ‘of mammalian Dentition< !, um zu finden, daß dieser Forscher die laterale Leiste, welche ich in meiner Textfig. 7 mit Pl. bezeichnet habe, nicht beobachtet hat. Was er als die Milchzahnanlage be- trachtet hat, scheint mir der Knospe Jd5S meiner Figur zu ent- sprechen. Die Zahnleiste ist, wie aus Textfig. 7 erhellt, dreigeteilt, so daß sie drei knospenförmige Hervorragungen zeigt. Da, wie aus der obenerwähnten Untersuchung hervorgeht, die als J5 bezeichnete Bildung die Anlage eines Ersatzzahns ist, so müssen die lateralen Knospen Repräsentanten frühzeitiger aufgetretener Dentitionen sein, d. i. Jd5 repräsentiert den Milchzahn, und P!. ist der Rest einer prä- lactealen Dentition. Wie gesagt, gibt es ja auch eine andere Alternative, nämlich daß die Knospe P!. den Milchzahn repräsentiere. Die Knospe P!. verhält sich in mehreren Hinsichten wie die Vorgänger anderer Zähne, z. B. wie diejenigen des Eekzahns und des zweiten Prä- molaren (man vergleiche die Textfiguren 8 und 10). Doch für eine solehe Annahme lassen sich schwerlich gültige Gründe anführen. Bei seiner Untersuchung von Erinaceus europaeus hat LECHE? bezüglich des entsprechenden dritten Schneidezahns die der Leiste Pl. bei Sorex entsprechende Bildung als Milchzahn gedeutet; er hat aber die der Knospe Jd5 entsprechende Hervorragung im Texte ganz übersehen. Cd. Die Textfig. 8 zeigt, wie die Zahnleiste in zwei Leisten, welche angeschwollen sind, gespalten ist, eine linguale und eine labiale. Die erstere ist uns schon bekannt: es ist die Anlage des Eekzahns des Ersatzgebisses, und die letztere kann wohl nur als der Vor- gänger im Milchgebiß gedeutet werden. Die fragliche Zahnanlage ist knospenförmig, und der Zusammen- hang mit dem Eetoderm besteht noch. Pat. Labialwärts von der Anlage des P! liegt ein kleiner Zahn, Pd!, welcher auf dem kappenförmigen Stadium steht. Die Verbindung I WoODWARD, 1896. 2 LECHE, 189. 236 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde mit der Zahnleiste ist kaum zu spüren, und das äußere Schmelz- epithel ist teilweise aufgelöst. (Textfig. 9.) Pa?. Der Vorgänger des P? hat dasselbe Aussehen wie derjenige des C. Auch hier handelt es sich um eine laterale, leistenähnliche Anschwel- lung, welche noch mit dem Eetoderm in Verbindung steht. (Textfig. 10.) Pa3. Wie die Anlage des Pd!, so ist auch diejenige des Pd? von der Zahnleiste beinahe abgeschnürt (Textfig. 11). Dieselbe ist kappen- förmig, und auch hier ist das äußere Schmelzepithel in Auflösung begriffen. Pd*. Wie die Vorgänger der übrigen funktionierenden Zähne — Jd5 und Pd? ausgenommen —, steht die Anlage des Pd? auf dem kappen- förmigen Stadium. Diese Anlage ist größer als die übrigen Milch- zahnanlagen; dieselbe hat sich von der Zahnleiste losgemacht, und von dem äußeren Schmelzepithel ist nicht viel zu sehen. (Textfig. 12.) Zusammenfassung. Labialwärts von der Zahnleiste babe ich unzweifelhafte Zahn- rudimente gefunden, welche als Reste einer früheren Dentition, der Milehdentition, zu betrachten sind. Ich habe Anlagen der Zähne Jd2, Jd!, Jd5, Cd, Pd!, Pd2, Pa? und Pd* nachgewiesen. Die Vorgänger der rudimentären Ersatzzähne sind knospenförmig, diejenigen der funktionierenden stehen auf dem kappenförmigen Stadium, mit Ausnahme von den Anlagen des Jd® und des Pd2, welche auch knospenförmig sind. Bei keinem Milchzahne ist auf diesem Stadium Verkalkung ein- getreten. Embryo, Scheitel-Steißlänge etwa 13 mm. Nur die Milechzahnanlagen, welche auf dem eben beschriebenen Stadium kappenförmig ausgebildet sind, nämlich Jd*, Pdi, Pd?, Pa#, bestehen bei dem älteren Embryo (Textfig. 23—28). Die Anlagen der übrigen entwickeln sich nicht weiter, sondern sind schon zu- grunde gegangen. Bezüglich der auf diesem Stadium bestehenden Milchzähne zeigt sich der Fortschritt gegenüber dem vorigen Stadium darin, daß bei Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 237 Fig. 25. Fig. 26. f ge % _Bp| Be ML SEES IE EIER: I: Yg 2 0%. %0 0% 5 c ’ 0209 © ££. ie) v \ GEOCO 506 > 8. 1/ DNITEITFRIEEBV] oa [e) OO , 03 en u I I, = a min u —. - Se >= u SE u Vase SS ee KH Sorex araneus. Embryo (13 mm). Frontalschnitt. Die verkalkten oberen und unteren Milchzähne. Fig. 25. Jd#. Fig. 26. Pal. Fig. 27. Pd3. i Fig. 28. Pat. Fig. 29. Pdı. Fig. 30. Pda. Über die Orientierung der Figuren siehe Fig. 2—7. Vergr. 350. 238 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde allen diesen Zähnen Verkalkung eingetreten ist. Von sämtlichen gilt, daß das äußere Schmelzepithel ganz verschwunden und daß die Ameloblastenschicht in Auflösung begriffen ist. Die Milehzähne liegen im Mesoderm nicht unmittelbar unter dem Mundhöhlenepithel und sicherlich werden sie alle resorbiert, ohne das Zahnfleisch durchbrochen zu haben. Bei einem anderen Individuum fand ich Pd*, welcher der schwächste der oberen verkalkten Milchzähne ist, fast resorbiert; nur einige Zellen zeugten von dem einstigen Vorhandensein desselben. Junges Tier, Scheitel-Steißlänge etwa 33 mm. Hier fand ich keine Spur von der Milchdentition des Oberkiefers. Da das untersuchte Junge blind und nackt und folglich höch- stens einige Tage alt war, ist es im höchsten Grade unwahrschein- lich, daß bei der Geburt irgendeins der verkalkten Zahnrudimente im Oberkiefer zurückgeblieben ist. Zusammenfassung. Verkalkte Milchzähne im Oberkiefer des Sorex araneus sind also nachgewiesen. Sie durchbrechen aber höchstwahrscheinlich nie das Zahnfleisch, sondern gehen schon bei dem Embryo zugrunde. Unterkiefer. Embryo, Scheitel-Steißlänge etwa 11 mm. Jd,. | Auf den ersten Frontalschnitten durch den vordersten Teil der Zahnleiste und vor irgendeiner Zahnanlage zeigt sich die knospen- ähnlich ausgebildete Leiste, welche Textfig. 19 veranschaulicht. Die- selbe ist eine Einstülpung des Eetoderms, und zwar eine labialwärts von der Zahnleiste gelegene; sie entspringt von derselben Stelle der Zahnleiste wie die Anlage des mutmaßlichen vordersten unteren Schneidezahns, liegt also vor und labialwärts von demselben. So- weit ich finden kann, muß diese Bildung, welche zu der Zahnleiste gehört und an der lateralen Seite derselben gelegen ist, notwendiger- weise als ein Rest einer früheren Dentition betrachtet werden. Also, wenn dieselbe sich wirklich als eine Zahnanlage erweist, ist es sicherlich berechtigt, sie als Jd, zu bezeichnen. Auch neben J, habe ich Spuren einer ähnlichen labialen Leiste gefunden. Von einer Milchzahnanlage so deutlich wie Jd, ist hier jedoch keine Rede. Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 239 Ich habe also keinen Vorgänger der zwei übrigen unterdrückten Schneidezähne und auch keinen des großen funktionierenden Schneide- zahns gefunden. Pd,. Die nächste labialwärts von der Zahnleiste geiegene Zahnanlage befindet sich am vorderen Ende des P,, ist also Pd, (Textfig. 20). Sie hat sich von der Zahnleiste abgeschnürt, und das äußere Schmelz- epithel ist fast ganz aufgelöst. Noch ist keine Verkalkung zu sehen. Pd). Der rückgebildete P, hat auch seinen Vertreter im Milch- sebiß (Textfig. 22). Die Anlage desselben hat ein verkümmertes Aussehen. Das Epithel ist niedrig, fast kubisch. Pd, hängt noch mit der Zahnleiste zusammen. Pd,. Der am kräftigsten entwickelte der Milchzähne sowohl des Ober- als des Unterkiefers ist Pd,. Er ist fast unmittelbar unter dem Mundhöhlenepithel gelegen; das äußere Schmelzepithel ist auf- gelöst. Pd, ist der einzige Milchzahn, bei welchem auf diesem Sta- dium Hartgebilde ausgeschieden sind; eine Dentinkappe ist nämlich gebildet. (Textfig. 23.) Zusammenfassung. Folgende Milchzahnanlagen sind nachgewiesen: Jd,, Pd, Pda und Pd,. Nur eine Milchschneidezahnanlage ist zu sehen, wenn man nämlich meiner Ansicht beitreten will, daß die mit Jd, be- zeichnete knospenähnliche Bildung im vordersten Teile des Unter- kiefers eine Milchzahnanlage ist. Betreffs der Vorgänger der funktionierenden Zähne, Pd, und Pd,, steht Pd, auf dem kappenförmigen Stadium, und bei Pd, tritt auf diesem Entwicklungsstadium Verkalkung auf. Embryo, Scheitel-Steißlänge etwa 13 mm. Im Unterkiefer werden bei dem älteren Embryo drei Milchzähne angelegt, nämlich Jd,, Pd, und Pd,. Jd, ist durch eine mit dem Ecto- derm zusammenhängende Epithelleiste vertreten. Pd, und Pd, sind beide verkalkt. Der erstere ist beinahe resorbiert; bei Pd, aber hat sich eine dickere Dentinschicht als auf dem früheren Entwick- lungsstadium gebildet (Textfig. 29 u. 30). 240 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde Bei einem anderen untersuchten Individuum derselben Größe war Pd, bis auf einige Zellen verschwunden. Junges Tier, Scheitel-Steißlänge etwa 53 mm. Während alle übrigen Milchzähne sowohl im Ober- als im Unter- kiefer des jungen Tieres resorbiert sind, bleibt noch der untere Pa, zurück. Er besteht aus einer Dentinscheibe, welche von niedrigen Zellen umfaßt ist. Mit dem Mundhöhlenepithel hängt er mittels eines Epithelstranges zusammen. Dieser rudimentäre Zahn liegt unmittelbar unter dem Mundhöhlen- epithel, hat also nicht das Zahnfleisch durchbrochen und wird es sicherlich niemals tun. Zusammenfassung. Zwei untere Milchzähne verkalken, nämlich Pd, und Pd,. Pa, ist der am längsten bestehende Rest des rückgebildeten Milchgebisses des Sorex araneus. Derselbe ist der einzige Milchzahn, welcher erweislichermaßen bei der Geburt besteht, und er durchbricht sicherlich nie das Zahnfleisch. Fassen wir nun die obigen erhaltenen Resultate betreffs der Zahnentwicklung des Sorex araneus zusammen, so können wir fol- gendes feststellen: 1. Die Zahnleiste bildet während der Embryogenese einen zu- sammenhängenden Bogen sowohl im Öber- als im Unterkiefer. 2. Die Verbindung der Leistenhälften in der Medianebene be- steht lange. Im Oberkiefer habe ich dieselbe bis an das Stadium verfolgen können, auf welchem die Milchzähne verkalkt sind und Hartgebilde auch bei persistierenden Zähnen vorhanden sind. Im Unterkiefer besteht dieselbe längere Zeit: bei dem unter- suchten Jungen habe ich Spuren davon gefunden. 3. Im Oberkiefer sind Anlagen von 10, im Unterkiefer wahr- scheinlich von 9 Antemolaren in jeder Kieferhälfte gefunden worden. Bezüglich der Anzahl der Schneidezähne geben meine Unter- suchungen ein Resultat, welches mit keinen von früheren Forschern hierüber mitgeteilten Angaben übereinstimmt. So habe ich mit Rücksicht auf die fraglichen Zähne des Sorex arameus nachgewiesen, daß a) im Oberkiefer Anlagen einer größeren Anzahl Schneidezähne vorkommen, als man jemals vorher bei irgendeinem mono- delphischen, heterodonten Tiere gefunden hat. Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 241 Denn wenn man es auch nicht als festgestellt betrachten wollte, daß die mit J! bezeichnete Bildung eine Zahnanlage ist, so glaube ich nicht, daß man in Abrede stellen kann, daß die Bildung J? (mit der labialwärts davon liegenden Anlage Jd2) eine wahre Zahnanlage ist. Will man dem Sorex araneus also die Anzahl von 5 Schneide- zahnanlagen im Oberkiefer nicht zuerkennen, so wird man doch das Vorhandensein von 4 Schneidezahnanlagen schwerlich be- streiten können. b) Im Unterkiefer habe ich das Vorhandensein von 4 Schneide- zahnanlagen bei Sorex araneus wahrscheinlich gemacht, indem ich auf jeder Seite 3 vor dem großen Schneidezahne gelegene Zahnanlagen nachgewiesen habe. Die Richtigkeit meiner Deutung der Bildung, welche ich als J, bezeichnet habe, wird wohl durch die Abbildungen in der Textfig. 24 dargetan. Und was die zwei anderen vor dem großen Schneidezahne liegenden unterdrückten Zahnanlagen betrifft, so steht wohl das Vorhandensein derselben außer allem Zweifel, obgleich das gegenwärtig zu meiner Verfügung stehende Material nicht ausreicht, um die Entwicklung vollständig verfolgen zu können. 4. Es kann als festgestellt angesehen werden, daß Sorex araneus einst Eckzähne gehabt hat, welche zugrunde gegangen sind. Im Oberkiefer habe ich unverkennbare rudimentäre Eckzahn- anlagen nachgewiesen, welche bisher nicht beobachtet worden sind. Auch im Unterkiefer habe ich Spuren von diesen Zähnen ge- funden. 5. Auf Grund der obenerwähnten Befunde und des Vorhanden- seins des rudimentären unteren P,, sowie der nachgewiesenen, ob- gleich schwachen Spur von einem unteren P, kann die Anzahl der Prämolaren festgestellt werden. Denn es kann wohl nieht mehr in Zweifel gezogen werden, daß Sorex araneus 4 Prämolaren im Oberkiefer hat und einst 4 Prämolaren im Unterkiefer gehabt hat. 6. Bei Sorex araneus wird ein Milchgebiß angelegt, welches aus folgenden Zähnen besteht: Jd: Jdt Jd Cd Pai Pd: Pd? Pat Id Pd, Pd, Pd, 7. Einige dieser Milchzahnanlagen verkalken, nämlich Jd“ Pdi Pd? Pdi en: Pay 242 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde 8. Von den verkalkten Milehzähnen bleibt nur der untere Pd, bei dem jungen Tiere zurück, ohne doch das Zahnfleisch durch- brochen zu haben. Die übrigen verkalkten Milchzähne werden mit höchster Wahr- scheinlichkeit vor der Geburt resorbiert. 9. Das Milchgebiß ist vollständig funktionslos und als ein rudi- mentäres Organsystem anzusehen. 10. Außer dem Ersatz- und dem Milchgebisse ist noch eine Dentition — die prälaeteale — deutlich zu spüren, indem neben J° außer der Anlage des Milehzahns noch eine laterale Zahnanlage von mir nachgewiesen worden ist. 11. Das Vorhandensein großer, lingualwärts von mehreren Zäh- nen, besonders von den großen Schneidezähnen, liegender Knospen scheint von der Mögliehkeit der Entstehung einer postpermanenten Dentition zu zeugen. 12. Aus dieser embryologischen Untersuchung ergibt sich für Sorex araneus die folgende Zahnformel: Aa PB, MiJ6 °C - Pr P2 Ps VPE Jd? Jdt Jd® Cd Pd! Pd? Pd? Pd! Jd, = Ph PA RER 54h (CO) P PR (BR) A M MM;. Das funktionierende Gebiß besteht aus folgenden Zähnen: J3 4 J5 pı pp p PA . m mE Br] P, Pr 41 mE Neomys (Crossopus) fodıens. Die Anlagen des Ersatzgebisses. Embryo, Scheitel-Steißlänge etwa 17 mm. Oberkiefer. Es ist mir bis jetzt nicht gelungen, mehr als ein Entwicklungs- stadium von Neomys für meine Untersuchungen zu bekommen. Obgleich dies nicht hinreicht, um eine endgültige Antwort auf hierher gehörige Fragen geben zu können, hoffe ich doch, daß die unten mitgeteilten Befunde von Interesse sein werden. Bei den untersuchten Embryonen bildet die Zahnleiste wie bei Sorex einen kontinuierlichen Bogen. Die vorderste Partie derselben ist auf diesem Stadium gut entwickelt. Vorn und hinten ist die Leiste am tiefsten in das Mesoderm eingedrungen. Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 243 Die Verbindung mit dem Eetoderm ist eigentlich nur in dem vorderen und hinteren Teile des Oberkiefers zu spüren; sonst hat sich die Zahnleiste von demselben abgeschnürt. Zwischen den Zahnanlagen ist die Leiste noch bestehend. (J2.) An der vordersten vor den großen Schneidezähnen gelegenen Zahnleiste finden sich ein Paar unverkennbare knospenähnliche Her- vorragungen, welche Anlagen unterdrückter Schneidezähne sein könnten, und welche in solehem Falle wahrscheinlich zu dem Ersatz- gebisse gehören. Hier handelt es sich nur um einen Zahn auf jeder Seite, und nach seiner Lage ist er wahrscheinlich mit J? des Sorex araneus homolog, weswegen ich ihn mit J? bezeichnet habe. Vor demselben zeigt die Zahnleiste keine Differenzierung, welche als Spur einer dem J! bei Sorex entsprechenden Zahnanlage ge deutet werden könnte. Indessen habe ich mehr Material nötig, um zu einer sicheren Ansicht hierüber kommen zu können. Sobald ich frühere Entwick- lungsstadien zur Untersuchung bekomme, habe ich die Absicht, auf diesen Gegenstand zurückzukommen. J3. Der große Sehneidezahn ist bezüglich der Entwicklung den übrigen Schneidezähnen vorangeeilt. Derselbe steht auf dem glocken- förmigen Stadium. Hartgebilde sind noch nicht entwickelt. Lingualwärts von J? ist das freie tiefe Zahnleistenende kolben- förmig angeschwollen. Mu IB, Die Anlage des zweiten funktionierenden Zahns, J*, steht auf dem kappenförmigen Stadium (Textfig. 31). Diejenige des dritten funktionierenden Zahns dagegen zeigt nur die Andeutung einer Ein- stülpung (Textfig. 32). Wie aus den Figuren erhellt, ist der Zu- sammenhang mit dem Eetoderm aufgehoben. Auf diesem Entwieklungsstadium finde ich keine Spur eines Eekzahns. Da aber im Unterkiefer die Anlage desselben nachweis- bar ist, scheint es mir nicht unwahrscheinlich, daß durch eine Unter- suchung von Embryonen früherer Stadien das Vorhandensein einer Anlage des oberen Eckzahns nachgewiesen werden Könnte. Bu PR Die zwei ersten Prämolarenanlagen sind beide knospenförmig (Textfig. 33 u. 34). Die Anlage des Pt, welche vielmal größer als 244 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde die ebengenannten ist, steht auf dem glockenförmigen Stadium (Textfig. 35). Die Zahnleiste zwischen P* und dem nächsten Zabne, M!, zeigt sich im Querschnitt gespalten, indem am oberen Rande eine seichte Einstülpung wahrnehmbar ist. Fig. 31. DORIS oO IE 00, Io 5 AO SOLO OR DASTCh) ao 2% Neomys fodiens. Embryo (17 mm). Oberkiefer. Frontalschnitt. Die Anlagen des J#, des J5 und der resp. Milchzähne. Fig. 31. J4. Jdt. Jede Figur ist nach zwei Schnitten gezeichnet. Diese wie die folgenden Figuren von Neomys fodiens sind so orientiert, daß die rechte Seite vom Leser der Lingualfläche des Kiefers entspricht. Vergr. 350. Ich will darauf aufmerksam machen, daß die von mir oben benutzte Bezeichnung der Prämolaren nur als provisorisch anzu- sehen ist. P: ist wahrscheinlich mit P* des Sorex araneus homolog, und mutmaßlich sind auch die bei beiden Tieren als P! bezeichneten Zähne Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 245 miteinander homolog. Ob aber P2 oder P3 bei Neomys unterdrückt worden ist, darüber gibt mein Material keine Auskunft. Vielleicht könnte durch eine Untersuchung von früheren Entwicklungsstadien festgestellt werden, welcher von den Prämolaren verschwunden ist. Im folgenden gebe ich die Gründe an, warum ich die obige Bezeichnung gewählt habe. Die Molaren. Die Anlage des ersten Molaren ist glockenförmig, ohne Hart- Neomys fodiens. Embryo (17 mm). Oberkiefer. Frontalschnitt. Die Anlagen des J#, des J5 und der resp. Milchzähne. Fig. 32. J3. Ja5, Jede Figur ist nach zwei Schnitten gezeichnet. Diese wie die folgenden Figuren von Neomys fodiens sind so orientiert, daß die rechte Seite vom Leser der Lingualfläche des Kiefers entspricht. Vergr. 350. gebilde.e An der lingualen Seite bildet das tiefe Ende der Zahn- leiste eine große Knospe wie bei .J?. M? steht auf fast demselben Entwicklungsstadium wie M!, und M3 ist durch eine Anschwellung, welche eine beginnende Einstül- pung zeigt, am Ende der Zahnleiste repräsentiert. 246 Neomys fodiens. Embryo (17 mn). Oberkiefer. Frontalschnitt. Die Anlagen der drei Prämolaren und der resp. Milchzähne. Fig. 33. Pl. Pal, Fig. 34. P2. Pu2, Fig. 33 ist nach zwei Schnitten gezeichnet. Über die Orientierung der Fig. siehe Fig 31 u. 32. Vergr. 350. Pre ee ee Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 247 Zusammenfassung. Der vorderste Teil der Zahnleiste ist bei Neomys weniger ent- wickelt als bei Sorex araneus. Dieselbe bildet doch auch bei Neomys einen kontinuierlichen Bogen. Ich habe eine vor dem großen Schneidezahn liegende Bildung, J2, nachgewiesen, ein Rudiment, welches es wahrscheinlich macht, daß die Stammformen des Neomys einst 4 obere Schneidezähne gehabt haben. J3 steht auf dem glockenförmigen Stadium; die Anlage des J* Fig. 35. N B Neomys fodiens. Embryo (17 mm). Oberkiefer. Frontalschnitt. Die Anlagen der drei Prämolaren und der resp. Milchzähne. Fig. 35. PM. Pat. Fig. 35 ist nach zwei Schnitten gezeichnet. Über die Orientierung der Fig. siehe Fig. 31 u. 32. Vergr. 350. | | 248 Augusta Ärnbäek-Christie-Linde ist kappenförmig, und diejenige des J5 steht im Begriff, dieselbe Form anzunehmen. Neben .J3 befindet sich eine große linguale Knospe. Was die Prämolaren betrifft, stehen P! und P2 auf dem knospen- föürmigen und P! auf dem glockenförmigen Stadium. Die Anlagen der M! und M? sind beide glockenförmig, und M?° wird durch eine Verdiekung der Zahnleiste repräsentiert. Neben M! ist das tiefe Ende der Zahnleiste knospenähnlich angeschwollen. Unterkiefer. Die Zahnleiste bildet im Unterkiefer keinen zusammenhängenden Bogen, sondern besteht aus zwei getrennten Hälften. Es existiert also keine Verbindung der Leistenhälften in der Medianebene wie bei Sorex araneus. Die Leiste steht im Begriff, sich von dem Eetoderm loszumachen, Zwischen den Zahnanlagen besteht sie noch. Man vergleiche die Fig. 36. Fig. 37. en : er © — 0 00/orolalo Neomys fodiens. Embryo (17 mm). Unterkiefer. Frontalschnitt. Anlagen dreier Schneidezähne Ja. Ja. Ja. Fig. 36. Je. Fig. 37. Js. Über die Orientierung der Figuren siehe Fig. 31 u. 32. Vergr. 350. Rekonstruktionsfigur Taf. VI, Fig. 2, durch welche die unteren Ante- molarenanlagen veranschaulicht werden. SSR FR Der vor dem großen Schneidezahn liegende Teil der Zahnleiste ist stark angeschwollen. Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 249 An diesem Teile jeder Leistenhälfte habe ich zwei Anschwel- lungen gefunden, welche ich als Anlagen zweier unterdrückter Schneidezähne, J, und J;, gedeutet habe. Wie die entsprechenden J, und J; des Sorex araneus, sind auch diese Zahnanlagen des Neomys nicht deutlich von der Zahnleiste abgesetzt, sondern die Fig. 38. za 6) Lie Fi / ve go >10) [6) Dose Nee : BEOGRHSOO > \ 2777, 375688 RINIILE N Gr j (6) (6) [0] oo \® BER I: E ug „0000 OYoy® N a er ee; [4 so20o (©) SE - 909 oO er x Q q GE GL Fe % - N) ; 7 ne = ie ER 2 AEE ; u ar a ERETERE l 35€ KO Rey 2.0 en oO 3 I IRZR j N Hd urn / a, 22 Z Y An) 0, N/e) WM SYe) au UN) N nnd IN 4 U) 7 sy &z Sy 107010 Neomys fodiens. Embryo (17 mm). Unterkiefer. Frontalschnitt. Anlagen dreier Schneidezähne J.. Ja. Ja. Fig. 38. Ja ZI. Angeschwollenes Ende der Zahnleiste. ZI. Labiale Leiste. Über die Orientierung der Figuren siehe Fig. 31 u. 32. Vergr. 350. Leiste ist an zwei Stellen verdickt und hängt dort mit dem Eeto- derm zusammen. Durch diese Punkte gelegte Frontalschnitte sind abgebildet (Textfig. 36 u. 37). Die Anlage des J; ist mit einer deutlichen Einstülpung ' ver- sehen und steht also auf dem kappenförmigen Stadium. Morpholog. Jahrbuch. 44 RZ 250 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde An der lingualen Seite der beiden fraglichen Zahnanlagen be- findet sich eine Leiste, welehe auch in den Textfiguren angedeutet worden ist. Ebenso ist die Andeutung einer labialen Leiste be- sonders neben J; bemerkbar. Ph... NR I T 16) N ng IN >, >. A BE I = > >. nr ui re a TE we — = 7 Neomys fodiens. Embryo (17 mm). Unterkiefer. Frontalschnitt. Anlagen des C, der vıer Prämolaren und der resp. Milchzähne. Fig. 39. C, Cd. Fig. 40. Pı. Pdı. Über die Orientierung der Figuren siehe Fig. 31 u. 32. Vergr. 350. i J,, der große Schneidezahn, hängt mit der Zahnleiste hinter den Anlagen der zwei beschriebenen unterdrückten Zähne J, und Jz zusammen. Auf den Frontalschnitten sieht es aber aus, als ob der vorderste Teil der Zahnleiste lingualwärts von dem großen funktio- nierenden Schneidezahn gelegen wäre; dies ist dem mächtigen Her- vorwachsen dieses Zabns in horizontaler Richtung zuzusehreiben. Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 251 Beim Vergleich mit Sorex araneus findet man also, daß eine keduetion der Anzahl der Schneidezahnanlagen hier stattgefunden hat, indem bei Neomys Anlagen nur zweier unterdrückter Schneidezähne vorhanden sind. Auch ist der vorderste Teil der Zahnleiste des Fig. 41. Fig. 42. Te R pe 2 ana, Ta N | 5 fg N eg ia N \ N x POLE \ ) (X 00008 N NER „20009 > \ ISN I" RR, 2 UN \y BRZEN\ \ 7 Ben UN S) 5 Ti i ‚2OEN Zee ee IA N fh PERS s N Zw; N ZT dba SE 4, ; Le \ “7, Y M 9° N EB Pu SFR Neomys fodiens. Embryo (17 mn). Unterkiefer. Frontalschnitt. Anlagen des C, der vier Prämolaren und der resp. Milchzähne. Fig. 41. Pa Pd... Fig. 42. Ps. Rest des Pds. Fig. 43. P. Pdı. Über die Orientierung der Figuren siehe Fig. 31 u. 32. Vergr. 350. Neomys reduziert, indem die Verbindung der Leistenhälften in der Medianebene wenigstens auf dem untersuchten Stadium ganz ver- schwunden ist. Jr. Dervorderste funktionierende Schneidezahn steht auf dem gloeken- förmigen Stadium, und Hartgebilde sind im Begriff, sich zu bilden. 17* 2352 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde Hinter J;, dringt die Zahnleiste tiefer in das Mesoderm ein. Ihr tiefes Ende bildet lingualwärts von J4 eine große Knospe. (Vergleiche Textfig. 38.) An dem labialen Rande sieht man die Andeutung einer Leiste. Über ihre Bedeutung wage ich jedoch kein Urteil. (Taf. I, Fig. 2, ZI.) ©. Im Oberkiefer suchte ich vergebens nach einer Spur von dem Eekzahn; im Unterkiefer dagegen gibt es eine unverkennbare knospenförmige Anlage dieses Zahns. (Textfig. 39.) Es scheint also, als ob bei Neomys der obere Eekzahn früher als der untere redu- ziert worden wäre. Bei Sorex ist das Gegenteil der Fall: die Anlage des Eckzahns ist im Oberkiefer besser entwickelt als im Unterkiefer. DE Re Die Anzahl und Reihenfolge der Prämolaren können durch diese Untersuchung als festgestellt betrachtet werden, denn teils habe ich die Anlage des unterdrückten Eckzahns gefunden, teils kann ich die Anlagen zweier unterdrückter Prämolaren nachweisen. P, oder der zweite funktionierende Zahn hat das kappenförmige Stadium erreicht. Dieser Zahn ist bei Neormys von relativ bedeu- tender Größe (Textfig. 40). Hinter demselben liegt die gut entwickelte knospenförmige An- lage des P,, eines rudimentären Zahns, von welchem jedoch wahr- scheinlich wie bei Sorex bald jede Spur verschwinden wird (Text- figur 41). Verfolgt man die Schnittserie weiter rückwärts, so tritt noch eine knospenförmige unverkennbare Anschwellung der Zahnleiste, die Anlage des P;, auf (Textfig. 42). Diese Zahnanlage ist etwas schwächer entwickelt als diejenige des P,, wie dies auch bei Sorex der Fall ist. P, erliegt also wahrscheinlich frühzeitiger als P, der regressiven Entwicklung. P,, der letzte und größte Prämolar, steht auf dem glocken- förmigen Stadium. Aus Textfig. 43 erhellt, daß lingualwärts von P, das tiefe Ende der Zahnleiste angeschwollen ist. M,. M». M;. Der erste Molar, M,, ist wie gewöhnlich den übrigen Molaren mit Rücksicht auf die Entwicklung vorangeeilt. Derselbe hat das glockenförmige Stadium erreicht. Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 253 Die Zahnleiste bildet wie neben J, eine große linguale Knospe. M, hat das gloekenförmige Stadium nicht vollständig erreicht, und die Anlage des M;, steht im Begriff, kappenförmig zu werden. Zusammenfassung. Auf dem untersuchten Stadium ist die Zahnleiste im Unterkiefer in zwei getrennte Hälften geteilt, und die Medianpartie ist ver- schwunden. Vor dem großen Schneidezahn habe ich auf jeder Seite zwei Anschwellungen der Zahnleiste nachgewiesen, welche ich als 5, und J, bezeichnet habe. Ich betrachte diesen Befund als einen vollgültigen Grund für die Ansicht, daß die Stammformen des Neomys, wie so viele andere Insectivoren, einst mit drei unteren Schneidezähnen ausgerüstet gewesen sind. J, steht auf dem glockenförmigen Stadium, und neben dem- selben ist eine linguale Knospe wahrnehmbar. Eine deutliche knospenförmige Anlage des Eckzahns ist vor- handen. In bezug auf die Prämolaren habe ich das einstige Vorhanden- sein des P, und des P;, nachgewiesen. Beide Zahnanlagen sind knospenförmig. P, ist kappenförmig und P, glockenförmig. M, steht auf dem glockenförmigen Stadium; M, und M, sind noch nicht so weit entwickelt. Neben M, ist eine linguale Knospe vorhanden. Die Anlagen des Milchgebisses. Oberkiefer. Die Milchzahnanlagen haben einen sehr rudimentären Charakter, und es bedarf nur eines Blickes auf die Abbildungen davon, um zu finden, daß das Milchgebiß des Neomys ein in regressiver Entwick- lung begriffenes Organsystem ist. Es ist zweifelhaft, ob irgendeiner der Milchzähne verkalkt. Wahrscheinlich durchbrechen sie niemals das Zahnfleisch. Sämtliche Milehzahnanlagen sind im Begriff, sich von der Zahn- leiste abzuschnüren. Jdt. Bezüglich des großen Schneidezahns habe ich keinen Vorgänger gefunden, sondern die erste Milchzahnanlage, welche auftritt, ist diejenige des .Jd* (Textfig. 31). Dieselbe ist kolbenförmie. 254 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde Beim Vergleich mit Sorex araneus sieht man, daß die Entwick- lung des Jd! bei Neomys verzögert ist. Auf dem entsprechenden Entwicklungsstadium des Sorex-Embryos ist der fragliche Milchzahn schon kappenförmig. Jd3. Die Anlage des Jd5 ist von allen Milchzähnen am besten ent- wickelt. Dieselbe steht auf dem kappenförmigen Stadium. (Text- figur 32.) Hier habe ich keine laterale Leiste wie bei der entsprechenden Zahnanlage des Sorex araneus gefunden. Die Entwicklung und die Lage des .Jd5 bei Neomys scheinen mir dafür zu sprechen, daß der- selbe der an Textfig. 7 mit Jd5 bezeichneten lateralen Knospe bei Sorex entspricht. Es ist jedoch nicht möglich, sieh mit Bestimmt- heit hierüber zu äußern. Bl Pod Über die Bezeichnung der Milchprämolaren gilt, was ich im Zusammenhang mit der Beschreibung der entsprechenden Ersatz- zähne gesagt habe. Auch die Milchprämolaren scheinen bei Neomys mehr rück- gebildet zu sein als bei Sorex. Pd! und Pd! stehen noch auf dem knospenförmigen Stadium und Pd? ist kappenförmig. (Textfig. 33—35.) Unterkiefer. Kein unterer Milehschneidezahn ist bei Neomys zu finden. Von der bei Sorex im vordersten Teile des Unterkiefers gelegenen Bil- dung, welche ich als Jd, bezeichnet habe, habe ich keine Spur be- obachtet. Dieselbe ist wie die Medianpartie der Zahnleiste und der vorderste Schneidezahn verschwunden. Cd. Wie der Oberkiefer des Sorex araneus, so kann der Unterkiefer des Neomys viele Rudimente unterdrückter Zähne aufweisen, welche für die Entwieklungsgeschichte der Sorieiden von größtem Interesse sind, darunter ein unverkennbares Rudiment des Eckzahns mit sei- nem Vorgänger. Die Anlage des Od ist durch eine kleine Knospe repräsentiert (Textfig. 39), welehe mit der vorher erwähnten, neben J, gelegenen labialen Leiste, welche sich nach hinten fortsetzt, zu- sammenhängt (Taf. I, Fig. 2). Pay: #Rda.. Pas.) ud): Der schwächste der Vorgänger der funktionierenden Zähne ist “ Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 255 Pd,, an dessen einstiges Vorhandensein ein kolbenähnlicher Epithel- strang erinnert. (Textfig. 40.) Bei einem anderen Individuum, welches ich untersucht habe, fand ich kaum mehr als eine Zellanhäufung als Rest des fraglichen Milehzahns. Wie bei Sorex, gibt es auch hier einen rudimentären Pd,, welcher knospenförmig ist (Textfig. 41). In Textfig. 42, welche einen Frontalschnitt durch die An- schwellung des P, zeigt, ist der Rest des Pd, nur durch einige Zellen vertreten. Leider waren ein paar Schnitte der Serie etwas beschädigt, eben da, wo ich eine Verdiekung der lateralen Leiste erwarten könnte. Ich weise auf Taf. VI, Fig. 2 hin, welche die an- dere Kieferhälfte desselben Embryos rekonstruiert veranschaulicht. Bei einem anderen Individuum derselben Größe, welches untersucht worden ist, ist der Rest des Pd, deutlicher und durch einen kleinen Epithelstrang vertreten, welcher von dem einstigen Vorhandensein eines Pd; zeugt. Pd,, welcher bei Sorex der kräftigste Milchzahn ist und wenig- stens bei dem jungen Tiere besteht, zeigt sich bei Neomys auf diesem Entwicklungsstadium als eine verkümmerte Knospe. (Textfig. 43.) Zusammenfassung. Das Milchgebiß des Neomys ist zurückgeblieben und mehr rückgebildet als dasjenige des Sorex auf entsprechendem Entwick- lungsstadium. Obgleich ein ziemlich alter Embryo untersucht wurde, hatte nur ein Milchzahn, der obere Jd5, das kappenförmige Stadium erreicht, und nur ein Prämolar, der obere Pd?, steht im Begriff, in dasselbe Stadium überzugehen. Die übrigen Milchzahnanlagen sind alle durch mehr oder weniger verkümmerte Knospen repräsentiert. Außer den ebenerwähnten Jd° und Pd? sind Anlagen der Zähne Jd4, Pd!, Pd‘ im Oberkiefer und der Cd, Pd,, Pds,, (Pd) und Pd, im Unterkiefer gefunden. Aus meiner Untersuchung der a bei Neomys fodiens geht folgendes hervor: 1. Die Zahnleiste bildet im Oberkiefer einen kontinuierlichen Bogen; im Unterkiefer aber ist dieselbe in zwei voneinander ge- trennte Hälften geteilt. 2. Im Oberkiefer werden wahrscheinlich vier Selneidezälhne angelegt, indem eine Bildung, welche eine rudimentäre Zahnanlage 956 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde sein könnte, vor dem großen Schneidezahn vorhanden ist, in solchem Falle also eine größere Anzahl Schneidezähne als bei irgendeinem monodelphischen, heterodonten Tiere, Sorex araneus ausgenommen. 3. Im Unterkiefer sind Anlagen von 8 Antemolaren in jeder Kieferhälfte gefunden. Zwei Schneidezähne sind vor dem großen funktionierenden Schneidezahn angelegt, was den Beweis dafür liefert, daß die Stammformen des Neomys einst drei untere Schneidezähne gehabt haben. 4. Eine rudimentäre untere Eckzahnanlage ist vorhanden. 5. Die Anlagen von zwei unterdrückten Prämolaren, P, und P; sind nachgewiesen worden. Es ist also festgestellt, daß die Vor- fahren des Neomys die volle Anzahl Prämolaren, nämlich vier, be- sessen haben. 6. Zwei Dentitionen werden angelegt, von denen das Milch- gebiß mit größter Wahrscheinlichkeit nie verkalkt und vor der Geburt resorbiert wird. 7. Aus den obigen embryologischen Befunden ergibt sich die folgende Zahnformel: 3: 72. si — PL pP. — Pocmenene Jd Jd5 — Pd! Pd? — Pa 7 Ca... Pa, 2a, Baer hd Cr A DR Pr DD DB Das funktionierende Gebiß des Neomys besteht aus J3 1 J5 P1,P2 Pı Mı M? M?° Ir Pi; PR MM Orocidura russula. Die Anlagen des Ersatzgebisses. Ich habe fünf Embryonen, welche drei verschiedenen Trachten angehören, untersucht. Obgleich sie bezüglich der Größe nicht sehr voneinander abweichen, repräsentieren sie doch betreffs der Ent- wicklung der Zähne, besonders der Milchzähne, drei Entwieklungs- stadien, welche eine Serie bilden. Oberkiefer. Entwieklungsstadium 1. Die Zahnleiste ist kontinuierlich. Ihr vorderster Teil aber ist im Vergleich mit dem Befunde bei Sorex und Neomys höchst be- deutend reduziert. Dies gilt auch von den zwischen den Zahn- Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 257 anlagen liegenden Teilen. Auch die lingualen Knospen, welche das tiefe Ende der Leiste bildet, haben im Vergleich mit dem Befunde bei den ebenerwähnten Tieren ein verkümmertes Aussehen. Die Medianpartie besteht noch in der Form eines Epithelstranges. Jedoch zeigt sich hier keine Andeutung der bei Sorex und Neomys gefundenen rudimentären Zahnanlagen, wenigstens nicht auf diesem Entwieklungsstadium. Dieser Rest eines von non-monodelphischen Voreltern stammenden Erbes ist also, soweit ich sehen kann, bei Crocidura verschwunden. Bei J3, dem großen funktionierenden Schneidezahn — für welchen ich dieselbe Bezeichnung wie für die entsprechenden Zähne des Sorex und des Neomys benutze —, hat sich auf diesem Stadium eine dünne Dentinschicht gebildet. An der lingualen Seite dieses Zahns ist das tiefe Ende der Zahnleiste angeschwollen. J* steht auf dem glockenförmigen Stadium, und das tiefe Ende der Leiste bildet auch neben diesem Zahn eine kleine Knospe. Die verzögerte Entwicklung des J® fällt besonders auf. Der- selbe ist auf diesem Stadium nur durch eine Verdiekung der Zahn- leiste vertreten. Diesem embryologischen Befunde entspricht bei dem erwach- senen Tiere der im Vergleich mit J* reduzierte Charakter des J, welcher sehr klein ist. Man vergleiche Dogsons Figuren von Üroei- dura russula !. Bei ©. russula manifestiert sich also die Tendenz, den letzten oberen Schneidezahn zu reduzieren. Ich habe keine Andeutung des Eckzahns gefunden. Die Rekonstruktionsfigur Taf. VI, Fig. 3 zeigt das. Entwicklungs- stadium der Prämolaren. Die Anlage des P! ist knospenförmig. Wenn man die Schnittserie verfolgt, findet man hinter der An- lage des P! noch eine knospenähnliche Anschwellung der Zahnleiste, eine kleine, aber unverkennbare Zahnanlage, welche ich als die An- lage des (gewöhnlich) unterdrückten P? bezeichnet habe? (Taf. VI, Fig. 3.) Von P? habe ich keine Spur gefunden. Die Anlage des P* zeichnet sich auch hier durch ihre Größe aus und steht auf dem glockenförmigen Stadium. ı DoBson, 1890. Pl. 26, Fig. 1, 4—6. 2 Bezüglich der Bezeichnung der Prämolaren gilt, was ich oben bei der Beschreibung der Prämolaren des Neomys gesagt habe. 258 Augusta Ämbäck-Christie-Linde Bezüglich der Zahnleiste zwischen den Anlagen des P* und des M! ist zu bemerken, daß sie an dem hinteren Ende des P: ziemlich tief in das Mesoderm eingedrungen ist, sich aber plötzlich verkürzt und dann wie in zwei Schenkel gespaltet ist. Bei Neomys kommt, wie oben angedeutet ist, etwas Ähnliches vor. M'! und M? sind beide glockenförmig, und M3 ist durch das angeschwollene Ende der Zahnleiste vertreten. Entwicklungsstadium II. Der vorderste Teil der Zahnleiste verhält sich hauptsächlich wie bei dem Stadium I. Zwischen den Zahnanlagen sind von der Leiste kaum mehr als einige unregelmäßig angeordnete Epithelzellen zu sehen. Die Zahnanlagen der Ersatzzähne verhalten sich hauptsächlich wie bei dem Stadium I. Von P? finde ich jedoch hier keine Spur. Entwieklungsstadium II. Der Epithelstrang, durch welchen die Medianpartie der Zahn- leiste vertreten ist, hat sich bedeutend verschmälert, und er steht im Begriff, sich aufzulösen. Er zeigt keine Differenzierung, welche als die Spur einer rudimentären Zahnanlage zu deuten wäre. Zwischen den Zahnanlagen ist die Leiste bis auf einige Epithel- zellen verschwunden, was auch von den von derselben gebildeten lingualen Knospen gilt. Die Ersatzzähne sind besser entwickelt als in den früheren Sta- dien; besonders die Molaren haben eine weitere Entwicklung erreicht. Die Anlagen des J5 und des P! stehen jedoch fortwährend auf dem knospenförmigen Stadium. Bei J? und M! sind Hartgebilde vorhanden. Die Anlage des M? hat die glockenförmige Gestalt er- reicht. Zusammenfassung. Bei Crocidura russula ist eine kontinuierliche, obgleich vorn verkümmerte Zahnleiste zu sehen. Ich habe dieselbe fast bis zu ihrer Auflösung verfolgt, was auch von der Medianpartie der Leiste und von den von derselben neben verschiedenen Zähnen gebildeten lingualen Knospen gilt. An der Medianpartie ist keine Differenzierung beobachtet, welche den bei Sorex und Neomys gefundenen rudimentären Zahnanlagen entsprechen könnte. Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 259 J3 und J* sind glockenförmig; bei dem ersteren finden sich Hartgebilde. Die Entwicklung des J5 ist verspätet. Die Anlage desselben ist auf allen drei Stadien durch eine kleine Knospe vertreten. Ebenso ist die Anlage von P! auf allen drei Stadien knospenförmig. Auf dem Stadium I findet sich eine Anlage des P?, welche je- doch schon auf dem Stadium II verschwunden ist. Von P3 ist keine Spur zu sehen. P: nebst M! und M? haben das glockenförmige Stadium er- reicht, und bei M! ist auf dem spätesten Entwicklungsstadium eine dünne Dentinschicht vorhanden. Die Anlage des M3 habe ich bis an das glockenförmige Stadium verfolgt. Unterkiefer. Die drei Stadien unterscheiden sich mit Rücksicht auf die An- lagen des Ersatzgebisses des Unterkiefers nicht sehr voneinander. Ich habe es daher nicht für nötig gehalten, jedes Stadium besonders zu beschreiben. Bei sämtlichen untersuchten Individuen habe ich vor dem großen Schneidezahn beiderseits eine tiefe Ectodermeinstülpung gefunden, welche auch bei Sorex und Neomys vorkommt. Dieselbe verhält sich durchaus wie bei diesen Tieren, nur daß bei Crocidura dieselbe tiefer in das Mesoderm eingedrungen ist (siehe unten). Die Zahnleiste ist in zwei Hälften getrennt, ohne Spuren von einer Verbindung in der Medianlinie. Keine vor den großen Schneide- zähnen liegenden Zahnanlagen sind vorhanden. Ielı habs aber be- obachtet, daß vor den letztgenannten Zähnen das Eetoderm sich beiderseits auf zwei Stellen eingestülpt hat. Es handelt sich um seichte, ziemlich breite Einwucherungen des Eetoderms. Wie diese zu deuten sind, ob sie Reste von der Zahnleiste sind, darüber wage ich mich nicht zu äußern. Vielleicht könnte eine Untersuchung früherer Entwieklungsstadien darüber Aufschluß geben. Die Zahnleiste ist zwischen den Zahnanlagen reduziert, aber doch deutlich zu spüren. Die Anlage des J,! ist glockenförmig, und Hartgebilde sind vorhanden. Das freie Ende der Zahnleiste bildet neben diesem Zahne eine linguale Knospe. 1 Da die großen Schneidezähne der drei Genera Sorex, Neomys und Oroct- dura wahrscheinlich miteinander homolog sind, habe ich für sie dieselbe Be- zeichnung benutzt. 260 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde Von dem Eckzahn finde ich keine Spur. P, steht auf dem glockenförmigen Stadium, und an dessen lin- gualer Seite bildet das freie Ende der Zahnleiste auf dem früheren Stadium eine Knospe. P, wird angelegt; bei den älteren Embryonen aber ist jede Spur davon verschwunden. Von P; findet sich keine Spur. Die Anlagen des P,, M, und M; sind glockenförmig, und bei M, hat sich eine dünne Dentinschicht gebildet. Neben P, und M, ist das freie Ende der Leiste knospenförmig angeschwollen; auf späteren Entwicklungsstadien sind diese Knospen verkümmert. M,;, hat bei dem Stadium III das glockenförmige Stadium er- reicht. Beim Stadium I gibt es zwischen P, und M, einen Zwischen- raum von zwanzig Schnitten, und die Zahnleiste zeigt sich hier so angeschwollen, daß man nicht umhin kann, das Vorhandensein einer Zahnanlage zu vermuten. Zwischen den übrigen Zahnanlagen ist sonst die Zahnleiste auf diesem Stadium ziemlich reduziert. Bei beiden Exemplaren habe ich dasselbe beobachtet. Zusammenfassung. Mit Rücksicht auf das Ersatzgebiß des Unterkiefers unterscheidet sich Crocidura von Sorex und Neomys dadurch, daß keine Zahn- anlagen, wenigstens auf diesen beschriebenen Stadien, vor J; — dem großen funktionierenden Schneidezahn — vorhanden sind. Die Anlagen der Zähne J,, Pı, Pı, Mi, Ma, Ma stehen bei den untersuchten älteren Embryonen auf dem glockenförmigen Stadium. Bei J,; und M, ist Verkalkung eingetreten. Von dem Eckzahn habe ich keine Spur gefunden. P, wird angelegt, auf späteren Stadien aber ist er verschwunden. Von P; ist keine Spur zu sehen. Zwischen P, und M, ist die Zahnleiste angeschwollen. Die Anlagen des Milchgebisses. Oberkiefer. Entwicklungsstadium I. Wie bei Sorexe und Neomys, ist kein Vorgänger des großen funktionierenden Schneidezahns, J3, vorhanden. Auch fehlt ein Vor- gänger des dritten funktionierenden Schneidezahns, J5. Rudimentäre Anlagen der Zähne Jd*, Pd! und Pd* habe ich Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 261 gefunden. .Jd* besteht nur aus einigen knospenähnlich angeord- neten Epithelzellen und ist in Auflösung begriffen. Pd! ist am besten entwickelt und wird durch eine deutliche kappenförmige Anlage repräsentiert, welche noch mit der Zahnleiste in Verbindung steht. (Taf. VI, Fig. 3.) Die Anlage des Pd ist auch kappenförmig, sieht aber mehr reduziert aus. (Taf. VI, Fig. 3.) Von größtem Interesse ist das Vorhandensein einer hinter Pd liegenden rudimentären Zahnanlage, Mx. Eben darum habe ich mich so umständlich mit den verschiedenen Zähnen der beiden Den- titionen der COrocidura russula beschäftigt. Diese unverkennbare Zahnanlage liegt zwischen P! und M! und labialwärts von der Zahn- Fig. 44. Crocidura russula. Embryo (12l/z mm). Oberkiefer. Frontalschnitt. Mx. Zahn der Milchdentition. Zi. Zahnleiste.e Die Figur ist so orientiert, daß die linke Seite vom Leser der Lingualfläche des Kiefers entspricht. Vergr. 350. leiste, und sie gehört ohne Zweifel derselben Dentition wie die Milch- zähne an. Die fragliche Anlage steht auf dem kappenförmigen Sta- dium. (Vgl. Rekonstruktionsfigur Taf. VI, Fig. 3.) Ich habe dieselbe bei den beiden untersuchten Individuen dieses Entwicklungsstadiums gefunden. Wie sich die Zahnleiste hier verhält, habe ich vorher beschrieben, und dies erhellt auch aus Textfig. 44. Daß die Zahnanlage Mr mit Pi oder Pd: auf irgendeine Weise zusammenhänge, ist vollkommen ausgeschlossen. Auch kann die- selbe, was aus meinen Präparaten erhellt, gar nicht ein Vorgänger des nachfolgenden Zahns, Mi, sein, was die Rekonstruktionsfigur auch deutlich zeigt. Wenn dies der Fall wäre, wäre dieser Zahn ein Prämolar und kein Molar. Wenn man aber voraussetzt — was wohl auch höchst wahrscheinlich ist —, daß P* der Crocidura mit 262 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde P: des Sorex (und des Neomys) homolog ist, so würde ja eine solche Annahme zu der Konsequenz führen, daß Crocidura einst fünf Prä- molaren gehabt hätte. Die Annahme, daß die Zahnanlage Mr der Vorgänger eines unterdrückten Prämolaren wäre, führt zu derselben Konsequenz. Auch fällt es in diesem Falle auf, daß keine Anlage dieses unter- drückten Prämolaren vorhanden ist. Man hat jedoch bis jetzt von keinem Säugetiere des kaino- zoischen Zeitalters gehört, welches mehr als vier Prämolaren hat, und — was ich im folgenden besprechen werde — für die hypothetischen Vorfahren der Insectivoren ist die Anzahl von vier . Prämolaren typisch. Da also die Zahnanlage Mr schwerlich als ein Milchprämolar betrachtet werden kann, muß dieselbe wohl eine Molarenanlage sein, eine Annahme, welche ich unten näher begründen werde. Entwicklungsstadium Il. Hier sind alle Milehzahnanlagen bis auf Pd! verschwunden. Diese Zahnanlage, welehe auf dem kappenförmigen Stadium steht, besteht also am längsten. Die Anlage Mx ist auch verschwunden. Die Zahnleiste zwi- schen P% und M! besteht jedoch und sieht ein wenig angeschwollen aus, sonst ist ja dieselbe auf diesem Stadium fast ganz verschwunden. Entwicklungsstadium III. Alle Milehzahnanlagen sind verschwunden, auch Pd!, wenn ich von einer kleinen Epithelkugel auf der einen Seite absehe. Die oberen Milchzähne werden also bei dem Embryo resorbiert. Unterkiefer. Entwicklungsstadium I. Ich habe keinen Vorgänger des J;, des großen vorderen Schneide- zahns, gefunden. Anlagen der Zähne Pd,, Pd, und Pd, sind vor- handen. Pd, und Pd, sind nur durch einige knospenförmig an- geordnete Epithelzellen vertreten, an deren ganzem Habitus man deut- lich sieht, daß sie bald ganz resorbiert werden werden. Die am besten entwickelte Milchzahnanlage ist Pd,, welcher durch eine deutliche Knospe repräsentiert ist. Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 263 Entwiceklungsstadium II. Pd, und Pd, sind verschwunden; von Pd, bleiben nur einige Epithelzellen zurück. Entwicklungsstadium III. Jede Spur der Milchzähne ist verschwunden. Die oberen und unteren Milchzahnanlagen der Crocidura russula werden also während der Embryogenese resorbiert, und bei der Ge- burt bleibt keine zurück. Zusammenfassung. Bei Crocidura russula wird wie bei Sorex und Neomys ein Milchgebiß angelegt. Im Oberkiefer sind Anlagen der Zähne Jad#, Pd! und Pd! sowie noch eine zu der Milchdentition gehörende, zwischen P! und Mt gelegene Zahnanlage, welche ich mit M&x be- zeichnet habe, vorhanden. Im Unterkiefer findet man Anlagen der Pd,, Pd, und Pad,. Alle Milehzahnanlagen sind unverkalkt und werden im Embryonal- leben resorbiert. Die Resultate der Untersuchung der Zahnentwicklung bei Croei- dura russula sind also folgende: 1. Die Zahnleiste bildet im Oberkiefer einen zusammenhängenden Bogen, im Unterkiefer aber ist sie in zwei Hälften wie bei Neomys fodiens geteilt. 2. An der Medianpartie ist keine Zahnanlage vor den großen oberen Schneidezähnen vorhanden. Hierdurch weicht Orocidura so- wohl von Sorex als auch wahrscheinlich von Neomys ab. 3. Die Entwicklung des letzten oberen Schneidezahns, J>, ist verzögert, und er hat den Vorgänger im Milchgebiß verloren. 4. Die Entwieklung des oberen P! ist verzögert. 5. Der obere P2 wird bei dem Embryo angelegt, aber sein Vor- gänger im Milchgebiß ist verschwunden. 6. Im Unterkiefer sind keine Zahnanlagen vor den großen Schneidezähnen vorhanden. Hierdurch unterscheidet sich Crocidura sowohl von Sorex als von Neomys. 7. Eine rudimentäre Anlage des unteren P, ist vorhanden. 8. Crocidura russula hat ein rudimentäres Milchgebiß. : Die Milchzähne verkalken nie und werden beim Embryo resorbiert. 264 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde 9. Eine zwischen Pt und M! gelegene rudimentäre Zahnanlage kommt im OÖberkiefer vor,. welche zu der Milchdentition gehört und wahrscheinlich ein unterdrückter Molar ist. 10. Für Crocidura russula stelle ich nach den embryologischen Befunden die folgende Zahnformel in Analogie mit derjenigen des Sorex auf: PS A 3 Bei uR2 Pi Mx M:ı M2 M3 Ja: Pa! Pa: Be Pd, P, Pd Jı Pia — M, M, M;. Für das funktionierende Gebiß hat sich die folgende Zahnformel ergeben: 13.74. 078 P! p mmm Jı P. PR, MMM; Sorieciden-Embryo(Crocidura), Scheitel-Steißlänge etwa 10mm. In der Präparatensammlung, welche Herr Professor LECHE gütigst zu meiner Verfügung gestellt hat, finden sich Frontalschnitte durch den Kopf eines sehr jungen Sorieidenembryos, der Etikette nach eines Orossopus (Neomys) fodiens von etwa 10 mm Scheitel- Steißlänge. Da dieses Präparat für meine Untersuchungen von besonderem Interesse ist, habe ich mich bemüht, das Objekt zu identifizieren, denn durch einen Vergleich mit meinen Präparaten von Neomys fodiens schien es mir zweifelhaft, ja fast unmöglich, daß das Objekt der Kopf eines Neomys sein könnte. Nach einem Vergleich mit meinen Präparaten von Orocidura russula aber — ich habe ja fünf Schnittserien davon angefertigt — fand ich, daß es wahrscheinlich ein Crocidura ist. Zwar fehlt die Zahnanlage Mx im Oberkiefer, welche Anlage bei dem Ent- wicklungsstadium I der Crocidura russula vorhanden war; doch mag daran erinnert werden, daß die rudimentären Organe bei verschie- denen Arten und Individuen in hohem Grade variieren können. Für die Annahme, daß das fragliche Objekt kein Neomys sein kann, sprechen mehrere Befunde, von denen die folgenden die wich- tigsten sind: 1: Die Anlagen der unteren Zähne J, und J;, welche ich vor den großen Schneidezähnen bei Neomys gefunden habe, fehlen hier. 2. Die Anlage des unteren Ecekzahns fehlt. Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 265 3. Die Anlage des zweiten unteren Prämolaren ist gar nicht so deutlich differenziert, wie man bei einem Neomys erwarten könnte. Auch gilt dies auf diesem Stadium von Pd,. 4. Die Anlage des dritten unteren Prämolaren fehlt. 5. Im Oberkiefer ist an der Medianpartie der Zahnleiste keine Differenzierung wahrnehmbar. 6. Die Anlage des oberen P? ist nur durch eine Anschwellung der Zahnleiste angedeutet, wozu kommt, daß Pd? fehlt (oder noch nicht differenziert ist). Das Vorhandensein dieser obenerwähnten Zahnanlagen, welche bei dem fraglichen Soriciden-Embryo fehlen, kennzeichnet Neomys, das Niehtvorhandensein derselben aber istfür Oroczduracharakteristisch. Oberkiefer. Die Zahnleiste bildet einen kontinuierlichen bogenförmigen Wulst, der unmittelbar unter dem Mundhöhlenepithel, mit welchem er zusammenhängt, liegt. Die Medianpartie der Leiste ist ein Epithelband ohne jede Differenzierung. Die Zähne sind sehr wenig differenziert, was ja von dem frühen Entwicklungsstadium des Embryos zu erwarten war. An dem labialen Rande der Zahnleiste sitzen die kappenförmigen Anlagen des Milchgebisses, und die Anlagen der Ersatzzähne liegen an dem lingualen Rande wie große Anschwellungen, von welchen nur die Anlagen des Pt und des J?, des großen Schneidezahns, kappen- förmig sind. Neben J5 fand ich keine Andeutung einer prälactealen Dentition wie bei Sorex. Zwischen P! und P: ist die Leiste angeschwollen; diese An- schwellung repräsentiert wohl die Anlage des P?. Was das Milchgebiß betrifft, sind Anlagen der Zähne Jd4, Jd>, Pd! und Pd* vorhanden. Von den Molaren ist auf diesem Stadium nur M! angelegt; die fragliche Anlage ist kappenförmig. Hinter derselben ist die Zahn- leiste mehrere Schnitte durch stark verdickt. Die zwischen P* und Mi gelegene Zahnleiste ist angeschwollen. Unterkiefer. Die ectodermale Einstülpung, welche lingualwärts von J, bei den oben beschriebenen Sorieiden-Embryonen vorhanden ist, findet sich auch hier (siehe unten). Morpholog. Jahrbuch. 44. 18 266 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde Die Zahnleiste ist in zwei voneinander getrennte Hälften ge- teilt. Vor dem großen Schneidezahne ist keine angeschwollene Partie der Leiste zu sehen, wie es bei Neomys der Fall ist. Doch gibt es hier eine ziemlich große und sehr deutliche kappenförmige Zahnanlage, welche am vorderen Ende des letztgenannten Zahns und lateralwärts von demselben gelegen ist (Textfig. 45). Nach der Lage zu urteilen, handelt es sich ohne Zweifel um einen Vorgänger des sroßen Schneidezahns, also um einen Jd,. Wenn dem so ist, ist es bewie- sen, daß J, zu der Er- satzdentition gehört. Fig. 45. Handelte es sich da- gegen um einen Ersatz- zahn, z. B. J;, so könnte ja nicht die Lage des- selben von derjenigen Soriciden-Embryo (10 mm). Unterkiefer. Frontalschnitt. Vor- der entsprechenden Zahn- deres Ende des J, und die Anlage des resp. Milchzahns (Ja). anlagen des Neomys und Die unterbrochene ee Mediallinie des des Sorex so verschieden sein. Die große Anlage des J,; steht auf dem kappenförmigen Sta- dium; P, ist noch knospenförmig, und P, steht im Begriff, in das kappenförmige Stadium überzugehen. P, und Pd, sind durch eine Verdickung angedeutet. P, ist nicht angelegt. Deutliche Anlagen des Pd, und Pad, sind vorhanden. Dieselben haben das kappenförmige Stadium erreicht. Die zwischen P, und M, liegende Zahnleiste ist angeschwollen und zeigt die Andeutung einer Einstülpung an der lingualen Seite. Wie im Oberkiefer, so ist auch im Unterkiefer nur M, angelegt. Die Anlage desselben ist kappenförmig. Die hinter diesem Zahne liegende Zahnleiste ist stark verdickt. Yy | | | | | | | | | | | | Zusammenfassung. Im Oberkiefer bildet die Zahnleiste einen kontinuierlichen Bogen, im Unterkiefer ist dieselbe in zwei voneinander getrennte Hälften geteilt. Die oben dargelesten Tatsachen bestätigen das schon gewon- nene Untersuchungsresultat, daß bei den Soriciden zwei Dentitionen Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 267 angelegt werden. Bei diesem jüngsten Sorieiden-Embryo, welchen ich untersucht habe, ist das Zahnsystem noch wenig entwickelt. An der labialen Seite der dicken Zahnleiste sitzen die Anlagen des Milchgebisses: im Oberkiefer Jd*, Jd5, Pd!, Pd‘ und im Unterkiefer Jd,, Pdı, (Pd,) und Pd,. Lingualwärts von diesen liegen die Anlagen der Ersatzzähne wie Anschwellungen, von denen die großen oberen und unteren Schneidezähne kappenförmig sind, sowie die letzten Prä- molaren, welche auch auf dem kappenförmigen Stadium stehen. Fig. 46. I | | | ] | | | | Neomys fodiens. Embryo (17 mm). Unterkiefer. Frontalschnitt. Ze. vor J4 gelegene Einstül- pung des Ectoderms. ZI. Angeschwollenes Ende der Zahnleiste. Die unterbrochene Linie repräsen- tiert die Mediallinie des Kiefers. Vergr. 220. Von den Molaren ist nur M! in beiden Kiefern angelegt. Von besonderem Interesse ist das Vorhandensein der an dem vorderen Ende des unteren großen Schneidezahns und labialwärts von demselben gelegenen, deutlich kappenförmigen Zahnanlage, welche wahrscheinlich den Jd,, d. i. den Vorgänger des großen unteren Schneidezahns, repräsentiert, Die zwischen P* und Mt liegende Zahnleiste ist sowohl im Ober- als im Unterkiefer angeschwollen. Ehe ich den beschreibenden Teil meiner Abhandlung beendige, will ich auf eine Bildung (Textfig. 46, Ee.), welche ich oben nur im 18* 268 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde Fig. 47a. een =& Ye (& Zt. Sorex araneus. Embryo (11 mm). Oberkiefer. Frontalschnitte aus einer lückenlosen Serie, welche der Rekonstruktionsfigur 1 zugrunde liegt, um den vordersten Teil der Zahnleiste (v.Zl.), die Anlagen der Zähne Jl, J2 und Jd? zu zeigen. Zi. Zahnleiste. Die unterbrochene Linie repräsentiert die Mediallinie des Kiefers. Vergr. 100. 16 11 12 13 Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 269 Fig. 47b. Sorex araneus. Embryo (11 mm). Oberkiefer. Frontalschnitte aus einer lückenlosen Serie, welche der Rekonstruktionsfigur 1 zugrunde liegt, um den vordersten Teil der Zahnleiste (v.Zl.), die Anlagen der Zähne Jl, J2 und Jd2 zu zeigen. ZI. Zahnleiste. Die unterbrochene Linie repräsentiert die Mediallinie des Kiefers. Vergr. 100. 270 Augusta Arnbäek Christesfunde, Vorübergehen erwähnt habe, aufmerksam machen. Es handelt sich um eine Einstülpung des Ectoderms, welche an den beiden Seiten vor dem großen Schneidezahne gelegen ist. Wie aus der Text- figur 46 hervorgeht, ist dieselbe schief gegen die Mittellinie des Kie- fers gerichtet und liegt an der lingualen Seite des J,. Das tiefe Ende der Einstülpung ist nach hinten gerichtet, weshalb es an Frontal- schnitten als ein quergeschnittenes Rohr hervortritt. Diese Einstül- pungen grenzen bei Sorex und Neomys die vordere Partie ab, welche die Anlagen der unterdrückten vordersten Schneidezähne enthält. Aus meinen Präparaten geht nicht hervor, ob die Einstülpungen mit der Zahnleiste in Zusammenhang stehen oder nicht. Weder mit den Lippenfurchen noch mit den Zahnfurchen sind sie zu verwechseln. Ich habe diese Ectodermeinstülpungen im Unterkiefer bei allen von mir untersuchten Sorieiden-Individuen, sowohl bei Sorex als auch bei Neomys und Orocidura, gefunden. Bei dem untersuchten Jungen von Sorexz araneus sind sie besonders groß und breit. Gegenwärtig muß ich auf weitere Untersuchung und jede Deu- tung dieser Bildung verzichten. Ich will hier nur erwähnen, daß ich bei einigen Marsupialien ähnliche Bildungen beobachtet habe. Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung. Die für die Stammesgeschichte der Soriciden wichtigsten Be- funde, welche ich in den oben mitgeteilten Untersuchungen nach- gewiesen habe, sind 1. das Vorkommen von mehr als drei Schneidezahnanlagen in den beiden Kiefern des Sorex araneus und wahrscheinlich auch im Oberkiefer des Neomys fodiens ; 2. das Vorhandensein einer zwischen den oberen Zähnen Pi und Mi gelegenen, zur Milchdentition gehörenden Zahnanlage bei Orocidura russula; 3. das einstige Vorhandensein eines auch in bezug auf die Antemolaren vollzähligen Ersatzgebisses; 4. das Vorhandensein eines rudimentären Milchgebisses bei den untersuchten drei Genera Sorex, Neomys und Crocidura, wie auch das Vorkommen verkalkter Milchzähne bei dem erstgenannten Tiere. Die unter 1. und 2. genannten Tatsachen weisen auf Ahnen hin, die unter Tieren, welche eine größere Anzahl Zähne als die Monodelphia haben, zu suchen sind. Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 271 Die unter 3. und 4. erwähnten Befunde sind wohl zunächst für die Bestimmung der Stellung der Soriciden den übrigen Insectivoren gegenüber von Bedeutung. Die vordersten Schneidezahnanlagen J! und J? des Oberkiefers sowie J, des Unterkiefers sind als rudimentäre Organe ohne jede Funktion zu betrachten, welche während der Embryogenese zugleich mit den übrigen Ersatzzähnen angelegt werden, aber nie zur Ent- wicklung gelangen und bei dem erwachsenen Sorex spurlos ver- schwunden sind. Sie sind also als primitive Charaktere, als Erb- stücke der Stammformen der Sorieiden anzusehen, und sie reden als solche eine deutliche Sprache: daß die Stammformen unter polyprotodonten Säugetieren zu suchen sind. Da aber die Sorieiden alte Tiere sind, welche sich bis in das Oligocän verfolgen lassen, müssen die Ahnen derselben weit zurück- liegen; wir sind ohne Zweifel genötigt, bis auf die mesozoischen Säugetiere zurückzugehen, um denselben auf die Spur zu kommen. Für die Säugetiere der mesozoischen Zeit — wenn wir uns auf die Tritubereulata OsBorn beschränken — war die Polyprotodontie ein Charakteristikum. Ihr Gebiß war auch heterodont. Trotz der Übereinstimmung in diesen Punkten kann ich doch unter den bis- her beschriebenen Fossilien der mesozoischen Periode auf keine be- stimmte Tierform hinweisen, aus welcher sich die Sorieiden ent- wickelt hätten. Zwischenglieder sind meines Wissens noch nicht bekannt. Man erinnere sich, um ein Beispiel anzuführen, der enorm entwickelten vordersten Schneidezähne der Sorieiden und der nicht besonders stark differenzierten Schneidezähne der bekannten meso- zoischen Säugetiere, der fehlenden Eckzähne der ersteren und der kräftigen Eckzähne der letzteren. Die Zahl der gemachten Funde ist jedoch noch ziemlich gering und enthält nur unvollständige Reste. Verschiedene Unterkieferfragmente sind gefunden, von dem Ober- kiefer dagegen sind die Reste sehr spärlich. Als das wichtigste Ergebnis meiner Untersuchung mag jedoch hervorgehoben werden, daß die große Kluft, welche auf Grund der AnzahlderSchneidezähne zwischendenpolyprotodonten Säugetieren, die Didelphyiden mitgerechnet, einerseits und den Monodelphia andererseits existiert hat, jetztüberbrückt sein dürfte. Denn durch diese Untersuchung ist das Vor- handensein eines Zwischengliedes festgestellt, indem jetzt bei monodelphischen heterodonten Tieren — Sori- 272 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde eiden — Anlagen mehr als dreier Schneidezähne in jeder Kieferhälfte gefunden worden sind. Unter jetzt lebenden Mammalia, welche eine ungewöhnliche Anzahl Zähne besitzen, ist nur bei den Marsupialien Polyproto- dontie mit starker Heterodontie vereinigt. Hierin haben ohne Zweifel die Vorfahren der Sorieiden mit den Marsupialien überein- gestimmt. Während die hohe Zahl der Schneidezähne sich bei diesen fortgeerbt hat, haben jene während der Phylogenese dieselbe ver- loren. Bei den beiden Tiergruppen aber ist dieselbe wahrschein- lich als ein Erbe von gemeinsamen Ureltern zu betrachten. Und auf diese Weise lassen sich vielleicht auch viele andere vorhandene Übereinstimmungen zwischen den Marsupialien und den Sorieiden — oder wahrscheinlich den Insectivoren überhaupt — erklären. Denn nach meiner Ansicht kann die einstige Polyprotodontie der Sorieiden ebensowenig als eine Stütze der Annahme, daß dieselben von jetzt lebenden Marsupialien abstammen, betrachtet werden, als die Über- einstimmung im Gehirnbau zwischen den Marsupialien und vielen Inseetivoren zur Stütze dieser Auffassung angeführt werden darf!). Wie oben gesagt, betrachte ich die Bildungen, welche ich als die oberen J! und J? und den unteren J, des Sorex bezeichne, als rudimentäre, der Ersatzdentition angehörige Zähne. Eine andere Deutung der fraglichen Befunde scheint mir kaum möglich. j Daß es sich hier um eine Neuerwerbung von Zähnen handle, wie es z. B. bei den Phoeiden vorkommt, bei welchen überzählige Prämolaren auftreten, ist wohl ausgeschlossen. Bei den Sorieiden gibt es ja keine Voraussetzung dafür, keine beschränktere Differen- zierung des Gebisses, welches ja stark heterodont ist, keine nach- weisbare physiologische Ursache einer Vermehrung der Zähne, keine sekundär verlängerten Kiefer, sondern alles sprieht für das Gegen- teil, nämlich daß eine Verkürzung der Kiefer der Sorieiden statt- gefunden hat. Davon zeugt vor allem die große Anzahl unterdrückter Zähne. Daß die kolossal vergrößerten vordersten funktionierenden Schneidezähne den Raum der unterdrückten Zähne ausgefüllt hätten, so daß von keiner tatsächlichen Verkürzung der Kiefer die Rede sein könnte, scheint mir wenig wahrscheinlich. Jedenfalls steht es 1 LECHE, 1905. 2 LECHE, 1895. S. 65. Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 273 fest, daß bei den Sorieiden eine Reduction der Zahl der Antemolaren, aber keine Neuerwerbung bewiesen ist. Für die Ansicht, daß die fraglichen Zahnanlagen zu der Ersatz- dentition gehören, spricht, daß rudimentäre Vorgänger, Jd? im Ober- kiefer, Jd, im Unterkiefer, nachgewiesen sind, und daß sie gleich- zeitig mit den übrigen Ersatzzäbnen angelegt werden. Man ver- gleiche, was LECHE! hierüber sagt: »Die Anlagen der zu derselben Dentition (Zahngeneration) gehörigen Zähne differenzieren sich gleichzeitig oder nahezu gleichzeitig an der Schmelzleiste.« Daß die fraglichen Bildungen als Zahnanlagen anzusehen sind, darüber kann man wohl kaum im Zweifel sein. Denn was bedeu- teten sonst die Differenzierungen, d. h. die Anschwellungen an dieser vor den großen Schneidezahnanlagen liegenden Partie der Zahn- leiste, welche lange, bis daß Verkalkung bei Ersatzzähnen einge- treten ist, persistieren und dann resorbiert werden? Bei bisher untersuchten Monodelphia ist so etwas noch nieht nachgewiesen, sondern die Verbindung der Leistenhälften in der Medianebene ist nur in den frühesten Entwicklungsstadien vorhanden, und diese vorderste Partie zeigt keine Differenzierungen und verschwindet, ehe das Ersatzgebiß entwickelt ist. Der Umstand, daß aus diesen Anlagen keine ausgebildeten Zähne entstehen, widerstreitet dieser Deutung nicht, da, wie bekannt ist, die rudimentären Organe dadurch gekennzeichnet sind, daß sie im allgemeinen ihre volle Entwicklung nie erreichen. Zuletzt mag betont werden, daß, wenn man in der Bildung J! des Oberkiefers des Sorex, welche die am wenigsten entwickelte ist, keine Zahnanlage sehen wollte, man sicherlich nicht den Bildungen J? des Oberkiefers und J, des Unterkiefers diesen Cha- rakter aberkennen kann. Besonders gilt dies von J?, welche Bildung . sich aufs deutlichste als eine Zahnanlage manifestiert, was sowohl aus Text- als Rekonstruktionsfiguren hervorgeht. Deswegen ist meines Erachtens das Vorhandensein von J? allein als ein vollgültiger Beleg für die Ansicht anzusehen, daß die Sorieiden ein Zwischenglied zwischen polyprotodonten und monodelphischen Säugetieren bilden. Bezüglich der eigentümlichen bei Orocidura russula gefundenen Zahnanlage, welche ich Mx genannt, habe ich oben Gründe angeführt, 1 LECHE, 1895. S. 137. 274 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde welche dafür sprechen, daß dieselbe schwerlich eine Milchprämolaren- anlage sein kann (ich setze voraus, daß man in die Hypothese ein- willigt, daß P* der Orocidura mit Pi des Sorex homolog ist). Wenn man die fragliche Zahnanlage als einen Milchprämolaren betrachten will, muß man von der Annahme ausgehen, daß die Vorfahren der Sorieiden einst fünf Prämolaren gehabt haben. Die meso- zoischen Säugetiere aber, auch diejenigen unter ihnen, welehe nach der Ansicht OsBorns! und vieler anderer Forscher als Ahnen der Insectivoren aufgestellt werden können, nämlich die Trituber- culata OsBorRN, haben nicht fünf Prämolaren, sondern die für dieselben typische Anzahl ist im Unterkiefer vier, und auch im Oberkiefer ist die Anzahl, soweit sie bekannt ist, dieselbe ?. Zwar wird eine größere Anzahl Prämolaren den zwei Gattungen Amphitherium und Peramus zugeschrieben. Man ist dessen jedoch nicht gewiß, jedenfalls werden sie als Ausnahmen betrachtet. In ZITTELS »Paläontologie« ® liest man » Amphivtherium BLAINV. Zahnformel 5A IB (unsicher).« GOoODRICH # schreibt: ». ... The dentition of A. Owen? conforms perfeetly to this; we find four ineisors, a double-fanged canine, followed by eleven teeth, of which five were probably premolars and six molars.< Und in einer Note auf derselben Seite schreibt er: »The second Oxford speeimen is the only jaw which shows definite signs of having had five premolars; A. Oweni affords no certain evidence in this respect. « Bei Peramus kommen sechs Prämolaren vor, OsBORN> aber hält dies für eine Ausnahme von der Regel: »The almost invariable pre- sence of four premolars among the mesozoie and recent mammals is a very diffieult fact to explain. This genus« — Peramus — »and apparently Armphitherium are among the few exceptions.« Nichts Bestimmtes kann jedoch, scheint es mir, betreffs der An- zahl der Prämolaren der mesozoischen Säugetiere behauptet werden. Denn die Gründe, nach welchen die Prämolaren und Molaren bei den Säugetieren der mesozoischen Zeit unterschieden werden, sind ja andere als die Gründe, nach welchen man diese Zähne bei den 1 OSBORN, 1907. S. 22. 2 OSBORN, 1884—1895. 1907. 3 ZITTEL, 1891—93. S. 100. 4 GOODRICH, 1893—94. 8. 417. 5 OSBORN, 1888. S. 296. Der Bau der Soriciden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 275 Säugetieren der Jetztzeit voneinander unterscheidet. Bei den letzt- genannten Tieren unterscheiden sich die Prämolaren ja von den Molaren dadurch, daß jene gewechselt werden, diese aber nicht. Bei den Säugetieren der mesozoischen Zeit werden sie nach OsBORN! nur durch die Form voneinander unterschieden. »... the only distinetion drawn between molars and premolars is one of form; we have no data as to permanent and deciduous dentition, except possibly in the genus Triconodon. The rule adapted is that, where the post-canine teeth are not all alike, the series of like form fol- lowing the canine are called premolars; and those behind these, of another form, are called molars. This rule has been applied to all genera, excepting Phascolotherium and Diplocynodon, where all the post-canine teeth are practically alike.« Wenn es also auf Grund der Anzahl nicht ausgeschlossen, wenn- gleich wenig wahrscheinlich ist, daß die fragliche Zahnanlage ein Prämolar ist, so gibt es doch andere Gründe, welche für das Gegen- teil sprechen, d.i. dafür, daß dieselbe ein Molar ist: 1. Eine der Milchdentition zugehörige Zahnanlage ist gefunden, nichts aber, was als die Spur eines Ersatzzahns gedeutet werden könnte. Alle Ersatzzähne sind jedoch auf dem untersuchten Stadium schon angelegt (vgl. Taf. I, Fig. 3). Der Umstand, daß die Zahn- leiste zwischen P! und M? noch besteht, beweist wohl nichts, da dieselbe zwischen den übrigen Zahnanlagen auf diesem Stadium noch nicht resorbiert worden ist. Bei keinem der von mir unter- suchten zwei Crociduren-Embryonen, bei welchen ich die Bildung Mx& gefunden habe, ist die Zahnleiste hier angeschwollen; zwar zeigt sich an derselben wie eine laterale Leiste, diese aber setzt sich bis an M! fort, was aus Taf. I, Fig. 3 erhellt. Über das Verhältnis zwischen der Zahnleiste und der Zahn- ‚ anlage Mx geben meine Schnitte keine sichere Auskunft, denn die Anlage hat sich schon von der Zahnleiste abgeschnürt. (Man ver- gleiche die Textfigur 44.) Vielleicht repräsentiert der neben Mx liegende Teil der Zahnleiste die Möglichkeit des Entstehens eines Ersatzzahns eben- sowohl oder ebensowenig als die obengenannte neben M1 liegende Knospe. 2. Die mesozoischen Säugetiere haben sicherlich eine große 1 OsBORN, 1886. S. 360. 276 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde Anzahl Molaren gehabt, d. i. Backenzähne, welche nicht gewechselt werden. Wenn es wahr ist, daß die Stammformen der Sorieiden unter ihnen zu finden sind, so ist ja das Vorkommen von mehr als drei Molaren bei denselben nicht überraschend. Es finden sich ja bei den Sorieiden Spuren von Polyprotodontie. Das Vorhandensein einer rudimentären Molarenanlage wäre nicht unwahrscheinlicher als das Vorkommen von rudimentären Schneidezähnen. 3. Bei recenten Tieren haben wir Beispiele davon, daß sich die Anzahl von vier Molaren fortgeerbt hat; dies ist bei gewissen Marsupialien, wenigstens nach gewöhnlicher Annahme, der Fall. Auch bei einem Insectivoren, nämlich Centetes ecaudatus, ist das Vorkommen von vier Molaren ganz normal!. Ich will hier nur an diese Tatsache erinnern, ohne mich gegenwärtig auf eine Homologi- sierung der Zähne einzulassen. 4. In der Literatur wird ein Beispiel davon erwähnt, daß bei einem Insectivoren ein vollständig entwickelter, zwischen den oberen Pi und M? liegender Zahn vorkommen kann. Ich denke an den von LECHE? bei Erinaceus micropus gefundenen Zahn, welcher mit Px bezeichnet worden ist und für einen Prämolaren der dritten (postpermanenten) Dentition gehalten wird. Der verehrte Forscher schreibt hiervon: »Lingualwärts von mehreren der zweiten Den- tition angehörenden Zähnen »— bei Erinaceus europaeus —«... erscheint, wenn der betreffende Schmelzkeim etwa das glocken- förmige Stadium erreicht hat, ein freies Schmelzleistenende (‚Knospe‘), womit die Möglichkeit einer dritten Dentition gegeben ist. . Daß nun in der Tat — in seltenen Fällen — ein völlig aus- gebildeter Zahn aus einer solehen Knospe hervorgehen kann, das beweist der hier abgebildete Schädel eines HPrinaceus mieropus (Textfig. 8), wo lingualwärts vom oberen P*, neben dessen glocken- förmigem Schmelzkeim ich, wie erwähnt, ein freies Schmelzleisten- ende gefunden habe (Fig. 55), ein vollständig entwickelter Zahn auf- tritt. Daß der letztere zusammen mit den übrigen fungiert hat, wird durch die Abnützung der Krone sichergestellt.< Und S. 154 sagt er: »Einen direkten Beweis dafür, daß in der Tat innerhalb der Säugetierklasse neue Zähne entstehen können, sehe ich in dem bereits oben nachgewiesenen Auftreten der Dentition IV; jeder Ver- ı Tuomas, 1892. $. 503. ı DoBson, 1882. 8.67. PI.7, Fig. 7. 2 LECHE, 18%. 8.43. Textfig. 8, S. 154. Der Bau der Soriciden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 277 dacht eines Atavismus ist hierbei ausgeschlossen. ge dents de chaque cöte savoir o ineis. 5— ean. Ä mol. 2—3 ou 4 RE 3 . — avant-mol. = principale g arriere-mol.)« Nach folgenden Worten zu urteilen, scheint er der Ansicht zu sein, daß kein Zahnwechsel stattfindet (S. 62): »Une musaraigne de l’Inde, dont les os du cräne etaient encore parfaitement distincts . m’a montre le systeme dentaire tout ä fait semblable a celui de l’adulte, quoiqu’il füt encore en grande partie couverte par les gencives, et je n’ai pas vu que l’äge y apportät aucun changement notable.« In Owens »Odontography« (1840—45) wird dem Zahnsystem des Sorex araneus (jetzt Crocidura russula) eine besondere Behand- lung gewidmet. Bezüglich der Ersatzzähne ist Owen der Ansicht, daß die frag- liche Spitzmaus folgende Zähne besitzt (S. 417—418): 1 0 3 4 JZ0e9Ff3 475: Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 289 Er sagt ferner, daß, während im Unterkiefer die Anzahl der kleinen mittleren Zähne immer zwei ist, die Anzahl der oberen bei ver- schiedenen Arten variiert. Die mittleren kleinen Zähne müssen nach ihm alle als Prämolaren betrachtet werden, da keiner von ihnen weder die Entwicklung noch die Funktion eines Eckzahns habe. Wie aus meiner Untersuchung hervorgeht, fehlen ja die Eck- zähne, d. i. das vierte Paar Antemolaren, bei den erwachsenen Spitz- mäusen; der Grund aber, welchen Owen für seine Behauptung an- geführt hat, kann doch wohl nicht als stiehhaltig angesehen werden, da diese Zähne auch ohne die im allgemeinen für dieselben charak- teristische Form bestehen können. Man vergleiche z. B. den unteren Eckzahn von Talpa europaea. Owen glaubt die Milchzähne der Crocidura russula gefunden zu haben und beschreibt dieselben wie folgt (S. 423): »The deeiduous teeth of the Moles and Shrews are uterine, i. e. are developed and disappear before birth. They are extremely small and all of the most simple form. In the foetal Sorex araneus cealeification of the papillary exposed pulps of the teeth which are succeeded by the first and second premolars proceeds to a very slight extent and these mieroscopie rudiments appear to be absorbed rather than shed; the deeiduous ineisors are further advanced before their displacement, and present the form of equal-sized dentinal spieula, tipped with enamel, attached by the opposite end to the gum and not exceeding Hi th of an inch in length; the number of the uterine series of teeth 4 —4 3— 3° Aus dem flüchtigsten Vergleich mit meiner Untersuchung von Crocidura russula ergibt sich, daß Owen nichts von dem Milchgebiß dieses Tieres gesehen hat. Er spricht von Verkalkung; — das Milehgebiß bei ©. russula verkalkt ja aber nie. Er erzählt uns von Vorgängern der großen Schneidezähne und gibt auch das Maß der- selben an; — wie wir wissen, existieren diese Milchzähne in spä- teren Stadien nicht im Unterkiefer und niemals im Oberkiefer. Ich bemerke auch, daß der zweite Prämolar Owens dem dritten funktio- nierenden Schneidezahn (J5) entspricht, welcher Zahn in späteren Stadien seinen Vorgänger verloren hat. Der zweite Milchprämolar Owens existiert also auch nicht. Owen hat vermutlich die noch nicht ganz fertigen Ersatzzähne für Milchzähne gehalten. Die wahren Milchzahnanlagen hat er nicht 18 « 290 Augusta Arnbäck-Christie-Linde gesehen; er konnte es auch nicht, denn ohne mikroskopische Schnitte zu untersuchen — was er nicht getan hat —, ist es ja unmöglich. Nıusson (1847, S. 73) sagt in »Skandinavisk Fauna« von den Zähnen der Sorieiden, daß die zwei mittleren Schneidezähne in jedem Kiefer am größten sind, daß vier Backenzähne in jeder Kieferhälfte vorkommen und daß zwischen diesen und den großen Schneidezähnen sich kleine einspitzige Zwischenzähne finden, deren Anzahl bei ver- schiedenen Arten verschieden ist. In einer Fußnote teilt er mit, daß er die Zwischenkiefernaht bei Sorex-Jungen beobachtet hat — Nırsson hat also diese Sutura zuerst gefunden —, daß er im Os intermaxillare auf jeder Seite drei Schneidezähne gesehen hat, daß der vierte kleine Zahn also ein Eekzahn ist, welcher sich nicht von den übrigen Zwischen- zähnen unterscheidet, deren Anzahl bei Sorex 2, bei Neomys 1 ist. Betreffs des Unterkiefers spricht er von dem großen Mangel an Zähnen, denn nachdem er 4 Backenzähne abgerechnet hat, sind nur 2 Zähne übrig, welche also Schneidezähne, Eckzähne und Zwischen- zähne repräsentieren. Prrers (1852) hat besonders die Crociduren untersucht. An dem Schädel einer jungen Orocidura sacralis hat er die Zwischen- kiefernähte beobachtet, und danach hat er die Anzahl der Schneide- zähne bestimmt. Mit den mittleren Zähnen ist er jedoch nicht fertig geworden, was aus seinen folgenden Worten erhellt (S. 77): »Das Gebiß der Crociduren besteht daher wesentlich aus drei Paar oberen und zwei Paar unteren Schneidezähnen und vier Paar oberen und unteren Backzähnen. Die Eckzähne und die kleinen oberen Lückenbackzähne sind unwesentliche Teile des Gebisses dieser Gattung. Untere Eckzähne fehlen beständig; die oberen können aber ebenso wie die kleinen überzähligen Lückenzähne vorhanden sein oder fehlen. Bei der Wasserspitzmaus, der Gattung Orossopus von WAGLER, ist die Zahnformel, der Analogie nach zu schließen, ganz so wie bei den Crociduren. Sorex vulgaris L. dagegen und die da- mit verwandten Arten (WAGLErs Sorex), welche sich sehon durch die merkwürdige sägeförmige Gestalt der vorderen unteren Schneide- zähne auszeichnen, haben, nach der Lage der Foramina ineisiva zu schließen, höchstwahrscheinlich vier Paar obere Schneidezähne; ich glaube auch eine dementsprechende Zwischenkiefernaht erkannt zu haben, doch bin ich meiner Sache noch nicht sicher genug, um mich entscheidend darüber aussprechen zu dürfen.« Bezüglich der aufgestellten Gebißformeln der Crociduren weise Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 291 ich auf seine Arbeit »Reise nach Mossambique« hin. Was der Ver- fasser mit dem Ausdruck »nach der Foramina ineisiva zu schließen« meint, das muß ich dahingestellt sein lassen. Sicher ist, daß, wenn er dem Sorex araneus eine Anzahl von vier Paar oberen Schneide- zähnen zuschreiben will, er den ersten Prämolaren mitgerechnet hat. Dies hat auch Branpr (1870) getan. Er hat die Zwischenkiefer- naht bei mehreren Spitzmäusen nachgewiesen, und nach derselben hat er die Zahnformeln aufgestellt. Auf diese Weise bekommt Sorex 4 obere Schneidezähne, Neomys und Crocidura 3 und Diplomesodon 2. Für das Gebiß des Sorex araneus hat er folgende Formel konstruiert (S. 33): ee 36 = 19 = 32 Zähne«, ah OD. M. Vorausgesetzt, daß BRanprt auch die Lage der Zwischenkiefer- naht richtig beschrieben hat, so lehrt uns dies, daß die Zwischen- kiefernaht nicht immer ein zuverlässiger Einteilungsgrund ist, denn nach derselben können, wie durch meine Untersuchung dargelegt worden ist, weder die Schneidezähne noch die Eekzähne bestimmt werden: BRAnDTs J* entspricht dem wirklichen P!, sein © dem P2, sein Mi dem Pt, und der untere (© entspricht dem wirklichen P:. Betreffs des Zahnwechsels hat BRANDT junge Tiere, aber keine Embryonen untersucht, und als Ergebnis dieser Untersuchung gibt er an (S. 36), daß, da die Zähne der jungen Spitzmäuse von den- jJenigen der ausgewachsenen Tiere fast gar nicht differieren, die Spitzmäuse mit einem bleibenden Gebiß geboren werden. Aus seinen Schlußfolgerungen erlaube ich mir folgendes anzu- führen (S. 78—79): »1. Das Zahnsystem der Spitzmäuse (Sorex Cuv.) ist eine der ‘ merkwürdigsten Zahnformen unter den Säugetieren. 2. Das Zahnsystem zeigt eine Kombination des Gebisses der Nager (Glires) mit dem der Raubtiere: die vorderen sowohl oberen als unteren Schneidezähne sind nagerähnlich; die Backzähne be- sitzen spitze Höcker. _ 10. Das Gebiß der Spitzmäuse ... zeigt durch große nager- ähnliche vordere Schneidezähne einen Übergang vom Gebiß der Nager zum Gebisse der Fera Insectivora.« TAuBER (1872 [S. 264]) stellt für die Ersatzzähne dieselbe Zahn- » formel wie BRANDT auf, nur mit der Ausnahme, daß er Pmm Mm = 292 Augusta Ärnbäck-Christie-Linde schreibt. Er hat Sorieiden-Embryonen, Länge 20—25 mm, unter- sucht, ohne mikroskopische Schnitte zu machen. Er behauptet (S. 269— 270), sehr deutliche und große Milchzähne gesehen zu haben, welche er auch abgebildet hat. Bei Neomys (Crossopus) hat er n und bei Sorex E Milchzähne gefunden, deren Lage, seiner Be- schreibung nach, sonderbar ist. Sie sollen nämlich außerhalb und oberhalb der permanenten Zähne sitzen, welche alle, auch die Molaren, deutlich zu sehen seien. Er fügt hinzu, daß auf Grund: dieser Lage der beiden Gebisse es ihm nicht möglich gewesen ist, bei einem einzigen Embryo die beiden Gebisse derselben Kiefer- hälfte herauszupräparieren. Es bedarf nur eines Blickes auf die von diesem Verfasser mit- geteilten Figuren, um einzusehen, wie irrtümlich und unrichtig seine Darstellung in Wort und Bild der Milchzähne der Sorieiden ist. Auch WıngeE (1882 [S. 24|) glaubt bei Sorex, Neonmys und COroer- dura Milchzähne gesehen zu haben, welche, in ihrer Entwicklung gehemmt, in dem Zahnfleisch eingehüllt sind und vor der Geburt resorbiert werden. Wie er zu diesem Resultat gekommen ist, gibt er nicht an. Lecue (1895 [S. 47—49)) ist der erste, welcher die Ent- wicklung der Sorieiden-Zähne mikroskropisch untersucht hat. Er hat Embryonen auf verschiedenen Entwicklungsstadien untersucht und ist zu dem Resultat gekommen, daß bei Sorex und Neomys — und sicherlich auch bei den übrigen Spitzmäusen — nur eine Dentition vorkommt. Ich führe hier seine eigenen Worte an (S. 49): »Wie aus der oben gegebenen Beschreibung erhellt, tritt nur eine Zahnreihe auf, nämlich die persistierenden Zähne, deren all- mähliche Entwicklung ich bis zu fast vollständiger Reife verfolgen konnte. Außer diesen ist kein Gebilde vorhanden, welches als Zahnkeim gedeutet werden kann, indem die Schmelzleiste unmittel- bar nach Abschnürung der Schmelzkeime der persistierenden Zähne völlig verschwindet. Es fehlt jede Spur von Vorgängern der letz- teren, ebenso wie jede Aussicht auf das Zustandekommen von Nach- folgern derselben.« Betreffs des persistierenden Gebisses, welches mit der zweiten Dentition der übrigen Säugetiere homolog sei, stellt LECHE folgende provisorische Zahnformel auf: 1254 1 34 123 Sorex: U Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 293 1234 1 4 MR3 Neomys (Crossopus): J 5 C i E ri M 133 Das Ergebnis meiner obigen Untersuchung ist in fast allen Punkten von demjenigen des verehrten Verfassers verschieden, denn aus jener erhellt, daß eine Milchdentition bei den Sorieiden — bei Sorex zwar verkalkte Milchzähne — sowie auch Spuren einer prä- laetealen Dentition vorhanden sind. Und das neben mehreren Zäh- nen, besonders den großen Schneidezähnen angeschwollene tiefe Ende der Zahnleiste zeugt davon, daß die Möglichkeit von Nach- folgern wenigstens nicht ausgeschlossen ist. Bezüglich der von dem Verfasser aufgestellten Zahnformel er- gibt sich aus einem Vergleich mit dem von mir erreichten Resultate, daß sein J* sowie sein oberer und unterer © Prämolaren sind. Der erste, welcher Spuren des rudimentären Milchgebisses bei Sorex beobachtet hat, ist WoopwArn (1896 [S. 568—569]), welcher ein einziges Stadium untersucht hat. Er fand im Oberkiefer fünf und im Unterkiefer drei Milchzahnanlagen und hat für diese und die Ersatzzähne folgende Zahnformel konstruiert (S. 571): Be 3 1 (i. 4) Kae 4 123 2) (8). NR 0 ee 1.2.(3) 0 0:,0,4 E23 Verkalkte Milchzähne hat WooDwARrD nicht gefunden. Es ist auffallend, daß er von den rudimentären Ersatzzahn- anlagen nur diejenige des unteren P,, welchen er als J; bezeichnet, beobachtet hat. Und seine Zahnformel zeigt, daß er ebensowenig wie die übrigen älteren Forscher über die Natur und die Anzahl . der Antemolaren der Sorieiden ins klare gekommen ist. Literaturverzeichnis. ADLoFF, P. 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JENYNS, LEONARD. On the dentition and other characters of the British Shrews with reference to M. Duvernoy’s recent researches into the structure of this genus of animals. Magazine of Zoology and Botany. Vol. I. Edinburgh 1838. 1 Diese Arbeit habe ich nicht selbst gesehen. Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren. 295 KÜKENTHAL, W. Einige Bemerkungen über die Säugetierbezahnung. Anat. Anz. Jahrgang VI.. 1891. —— Über die Entstehung und Entwicklung des Säugetierstammes. Biol. Cen- tralblatt. Bd. XII. 1892. LECHE, W. Zur Entwicklungsgeschichte des Zahnsystems der Säugetiere. Teil I-Il. Bibl. Zool. Stuttgart 1895, 1902, 1907. —— Ein eigenartiges Säugetierhirn nebst Bemerkungen über den Hirnbau der Insectivora. Anat. Anz. Bd. XXVI. 1905. LILLJEBORG, W. Sveriges och Norges Ryggradsdjur. Upsala 1874. Linn&, CARL von. Systema naturae. Ed. 12. 1766. MERRIAM, C. HART. Revision of the Shrews of the American Genera Blarina and Notiosorex. North American Fauna No. 10. 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Die Figur zeigt die Zahnanlagen der linken Kieferhälfte von der Labialseite, diejenigen der rechten Kieferhälfte von der Lingualseite des Kiefers gesehen. Vergrößerung 80. Fig. 2. Neomys fodiens. Embryo (17 mm). Unterkiefer. Rekonstruktion der ecto- dermalen Teile. Zahnleiste und Anlagen der sämtliehen Antemolaren der linken Kieferhälfte sowie Anlagen der resp. Milchzähne. E% Ecto- derm. Z/(oben) labiale Leiste. ZI (unten) angeschwollenes tiefes Ende der Zahnleiste neben J4,. Ein Teil des J4 ist weggeschnitten, um ie zwei vorderen Schneidezahnanlagen und das tiefe Ende der Zahn- leiste zu zeigen. Die Lage der Anschwellungen der Zähne J und J3 an der Lingualseite ist durch unterbrochene Linien angedeutet. Die Figur zeigt die Zahnanlagen von der Labialseite des Kiefers gesehen. Vergrößerung 80. Fig. 3. Crocidura russula. Embryo (121/; mm, Stad. I). Oberkiefer. Rekon- struktion der ecetodermalen Teile. Zahnleiste und Anlagen der Prä- molaren und des Mi der linken Kieferhälfte sowie Anlagen der resp. Milchzähne. Ek Eetoderm. Mx Zahn der Milchdentition. Die Figur zeigt die Zahnanlagen von der Labialseite des Kiefers gesehen. Vergrößerung 100. Inhaltsverzeichnis. Seite Einleitung... 2 we E 2 20 1 a EEE 2 2 201 Sorex arameus . NE Ne RR ee 205 Neomys (Orossopus) fodiens =... nl 2.20 MO ee EEE 242 Groeitlura süssula NA Re mE ee RE RE 256 Sorieiden-Embryo, Scheitel-Steißlänge mm... .. 2.22.2002 .. 264 Ergebnisse... „2 2m Lee EHE Te Sr u 270 Frühere Untersuchungen . >... u. 22.007 2 me 285 Litersturverzeichnis . ». . 432. 20h 00 an IE ee I 293 Erklärungen ‚der Abbildungen . .7 .... ... » „uliuk in 5: m Ste 296 Pr® Morphologisches Jahrbuch. Bd. XLIV. Tafel VI. Er: ny I Fig. 3. N. Odhner reconstr. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Christie-Linde. ‚FE ee 1 r >; y, „rear « % ’ ys ae u x s ur 5 4 Rz =‘ u REN x . Y f % * re e 22 u‘ A . = . Spk J 'e 3, UNE I + u E + u un RR N p2 i r u r | “ } . B E | ® f [4 u r x | | H we re Si . a2 D . a = = { ” rn 4 D Fa . N A n ‚ 4 " hy [} * | FÜR, i 3 “ Er . „ ” fi ’ 1 " i Me Y ’ 2 + k « ' > ! er & . E : j | : je in L Id 1} y a j . . 7 h g { - Es a g’ ) ? i > ) * y we sr c \ zZ, e 2 r ' " ä x ur i 5 £ , Js L : - R r he N N 5 =, 2 [ « f „ 5 y ' j “ f n 3 - y je s j ” Er | 2- j y hy « Plz . = In? “ N Mi "iu nl er N r ER ji > - -. a m = er us “ - v \ e N Ne N 4 x Bu“ .} .. AR# u ® r : Es N ‘ Br. E A £ s X a “ G | - F Fr ® * Fahr SR Te » - . R De | % - nn = h >» J 2 vs n- i f id .— soo ee I i . A ‚ u f “j r E 2 d (Aus dem anatomischen Institut der Universität Zürich.) Über die Pecetoral- und Abdominalmuskulatur und über die Scalenus-Gruppe bei Primaten. Eine vergleichend-morphologische Untersuchung. Von Haikanducht Tschachmachtschjan aus Alexandropol (Kaukasus). Mit 46 Figuren im Text und 10 Tabellen. Einleitung. Wie jede vergleichende Untersuchung hat auch die vorliegende Arbeit die Aufgabe, nicht nur die zur Untersuchung erwählten Ob- jekte näher kennen zu lernen, sondern auch den Zusammenhang zwischen ihnen zu erfassen. Gestützt auf eine ziemlich ausgedehnte Reihe eigener Beobachtungen, habe ich versucht, die primitiveren Zustände zu ermitteln und die fortgeschrittenen von diesen abzu- leiten. Die Literatur über die hier besprochenen Fragen habe ich wohl eingehend studiert, im Texte aber nur insoweit berücksichtigt, als ihre Ergebnisse zum Verständnis der beobachteten Tatsachen beizutragen vermögen. Neben den wiederholt erwähnten Arbeiten (in erster Linie diejenigen von G. RuGE und O. SEYDEL), die in mancher Hinsicht als Grundlage für meine Ausführungen gedient haben, möchte ich aus der am Schlusse angeführten Liste noch die- „Jenigen besonders hervorheben, die in umfassenderem Maße das von mir bearbeitete Gebiet berühren. | In der Literatur sind zahlreiche Autoren bekannt, die sich mit der Muskulatur der Primaten, vornehmlich aber mit derjenigen der höheren Formen, befaßt haben; doch kennt man nicht viele Arbeiten — worauf auch von mehreren Forschern (KOHLBRUGGE, RuGE, FÜrR- BRINGER ...) hingewiesen wird — die für die vergleichend-morpho- logische Forschung besonders förderlich gewesen sind. Es: sind meistens Beschreibungen einzelner Muskeln ohne Angabe über die Innervationen. Aus den neuesten Untersuchungen geht aber. hervor, Morpholog. Jahrbuch. 44. 20 298 Haikanducht Tschachmachtschjan daß ein Muskel nur mit seinem Nerv als ein Ganzes angesehen werden kann, und daß von diesen beiden Elementen der letztere der konservativere ist. Deshalb darf bei den Bestimmungen der Muskelhomologien die Innervation nicht unbeachtet bleiben, wenn es auch möglich ist, daß diese kein absolut richtiger Wegweiser ist und nur einen relativen Wert besitzt. Von den Arbeiten, die den modernen Anforderungen entsprechen, sollen neben den, in den Text allenthalben aufgenommenen, von G. Rue und OÖ. SEYDEL diejenigen von A. SomMER (Das Muskel- system des Gorilla), KOHLBRUGGE (Muskeln und periphere Nerven der Primaten) und MiıcHAELIs, P. (Beiträge zur vergleichenden Myo- logie des Oynocephalus, Troglodytes niger) genannt werden, welche nebst den eigenen Untersuchungen eine vergleichende Zusammen- stellung der in der Literatur niedergelegten Angaben über das Muskelsystem der Anthropoiden, bis zum Menschen hinauf, und der niederen Affen darbieten. Weiter seien noch die folgenden er- wähnt: BıscHorr, L. W. — »Beiträge zur Anatomie des Hylobates leuciscus und zu einer vergleichenden Anatomie der Muskeln der Affen und des Menschen«; Derselbe — »Beiträge zur Anatomie des Gorilla«; Fick, R. — »Vergleichende anatomische Studien an einem erwachsenen Orang utan«; LECHE, W. — Mammalia in: BRoNNs Klassen und Ordnungen des Tierreiches; RuGgE, G. — »Der Ver- kürzungsprozeß am Rumpfe von Halbaffen.« Zur Untersuchung wurden folgende Tiere aus der Primaten- reihe herangezogen: Prosimiae, Nycticebus tardigradus Q 1 Exemplar (Nr. 3521) Galago garnetti g' 1 - ( - 691) Lemur rufus Jg 1 - ( - 202) . - macaco © 1 - ( - 579) = catta g' 1: - ( - 581) Platyrrhinae. Hapale jacchus I g' 1 Exemplar (Nr. 545) _ - - IQ u HI Q 2 Exemplare (- 619 u. 365) Oebus flavus I u. II g' 2 = ( - 438 u. 636) - apella g' 1 Exemplar ( - 3%) Ateles ater Iu. II Q 2 Exemplare ( - 481 u. 588) 1 Die eingeklammerten Nummern beziehen sich auf die Primatensammlung des Zürcher anatomischen Instituts. Über die Pectoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Scalenus-Gruppe usw. 299 Catarrhinae,. Niedere Catarrhinae. Papio anubis Q 1 Exemplar (Nr. 659) - sphinz g' 1 - (- Nr Macacus cynomolgus 1 u. III Q 2 Exemplare ( - 213 u. 254) - - ET IV Vo 3 - ( - 507, 560 u. 477) Cercopithecus campbeli © 1 Exemplar (- 642) - mazwelli Q 1 - (- 681) - pygerythrus g' 1 - (- 215) - cynosurus © 1 - ( - 556) - patas g' 1 5 ( - 623) Semnopithecus cephalopterus 1? IM Q 2 Exempl. ( - 267 u. 316) - - I g 1 - ( - 605) Anthropoidae. Hylobates syndactylus I, II @ 2 Exemplare (Nr. 194 u. 210). Ich habe jeweilen nur die reehte Körperseite untersucht und dabei im einzelnen präparatorisch dargestellt: 1.-die Pectoralisgruppe, bestehend aus den M. pectoralis major, M. peectoralis minor und M. pectoralis abdominalis. Gemeinsam mit diesen wurde der Ansatz des von der Pectoralisgruppe ableitbaren (TURNER, Ruge u. a.) Hautrumpfmuskels besprochen. Die Anheftung des letzteren am ÖOberarme in unmittelbarer Nähe des Pectoralis abdominalis ist ein weiterer Beweis für den engen Zusammenhang des Hautrumpfmuskels mit der erwähnten Muskelgruppe; 2. den M. obliquus externus abdominis (M. obliquus thoraco- abdominalis), 3. den M. rectus thoraco-abdominalis, 4. den M. pyramidalis, 5. Rectusscheide. 6. Anschließend wurden einige Bemerkungen über die Scalenus- gruppe gemacht. Die Behandlung der einzelnen Teile der Arbeit hält sich nicht immer an das gleiche Schema. Um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, wurde jedesmal das Material nach praktischen Gesichts- punkten gruppiert und besprochen. Der Kürze wegen wurde auch oft auf die Figuren und Tabellen verwiesen. 20* 300 Haikanducht Tschachmachtschjan 1. Die Musculi pectorales. Die Vorderwand des Brustkorbes wird bei allen untersuchten Tieren von einer großen und breiten, mehr oder weniger symmetrisch gelagerten Muskelmasse eingenommen, die den Vordergliedmaßen Byr.r1: Pars clavicularis a ‘n N ER x Pectoralis major: Pars sterno - el clavicularis | V Rectus- /) Pars thoraco abdo- abdominalis minalıs Macacus cynomolgus 5 (Nr. 507). Pectoralis-Gruppe und Rectus thoraco-abdominalis mit Inscriptiones tendineae. zustrebt und auf diese einwirkt. Bei allen un- tersuchten Affen gren- zen die Brustmuskeln beider Seiten in der Mittellinie des Ster- nums eng aneinander; nur Hwylobates macht eine Ausnahme, indem hier die Ursprünge aus- einanderrücken und einen beträchtlichen Teil des Brustbeines freilassen. Dieses freie Feld, das am Manu- brium am breitesten ist (bis 17 mm) und nach unten sich mehr und mehr verschmä- lert (in der Höhe des 4.Sternocostalgelenkes 9—10 mm), wird vom Musculus sterno-eleido- mastoideus zum An- satz benutzt. Näheres darüber ist ohne wei- teres aus der Fig. 18 zu ersehen. Als ty- pisch. für alle unter- suchten Tiere ist auch die Ausdehnung des großen Brustmuskels auf die Rectusscheide zu bezeichnen, sofern man Hylobates und Nyctieebus tardigradus außer Betracht läßt. Fig. 1 gibt die einleitende Orientierung über die erwähnten Verhältnisse. Hier ist nur die linke Hälfte des Muskels zu voller Darstellung gebracht, während die rechte abgetragen und nur ihre Über die Pectoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Scalenus-Gruppe usw. 301 Ursprungsstelle am Sternum und an der Clavicula durch Punkte angedeutet ist. Dieser einheitlich aussehende Muskel zeigt bei der näheren Untersuchung eine ausgesprochene Gliederung. Man unter- scheidet an ihm drei Abschnitte (Portionen), von denen die ersten -— Peetoralis major und Peetoralis minor — in zwei Schichten aus- schließlich oder hauptsächlich dem Thorax selbst aufliegen; der dritte Abschnitt, welcher, auch seiner Lage entsprechend, Portio »abdominalis« oder M. pectoralis abdominalis genannt wird, ent- springt meistens nur an der Rectusscheide. Diese Gliederung kommt allen hier in Betracht gezogenen Tieren in gleichem Maße zu, nur ist dieselbe nicht überall genau gleich durchgeführt. In der über- wiegenden Mehrzahl der Fälle ist der Peetoralis abdominalis ganz selbständig und schließt sich den tieferen von den zwei erwähnten Schichten an, indem er seine Endsehne mit derjenigen des Pecto- ralis minor (siehe unten) in nahe Beziehung bringt. Es sind aber Fälle bekannt geworden (wie auch im folgenden angeführt werden wird), wo die Abdominalportion in ihrem ganzen Verlaufe mit dem Pectoralis major vollständig verschmilzt. Diese drei Portionen des großen Brustmuskels bieten bei ver- schiedenen Gruppen und Individuen mehr oder weniger bedeutsame Differenzen dar, die nachfolgend besprochen werden sollen. Dabei scheint es, um Wiederholungen zu vermeiden, zweckmäßig, die Muskelursprünge und ihre Insertionen meist getrennt zu behandeln. Prosimiae. Schon bei den Halbaffen finden wir die Brustmuskulatur so weit differenziert, daß sie sich, homolog den höheren Primaten, in eine oberflächliche und tiefe Lage gesondert zeigt. Der M. pectoralis abdominalis kommt, wie erwähnt, auch allen Halbaffen zu, er fehlt nur bei Nyeticebus tardıgradus. Diese Form zeigt unter den Halbaffen auch in anderer Beziehung Besonder- heiten. Sein M. pectoralis major (Fig. 2 u. 3) entspringt am Ster- num in einer geraden Linie, die von der Ineisura jugularis bis zum 10. Sternocostalgelenk zieht; hier gabeit sich die Ursprungslinie in zwei Teile, welche in einem Abstand von etwa 8 mm der 9. und 10. Rippe folgen; dadurch wird der Muskel an seinem distalen Teile zweiblättrig. [Ob der von der 9. Rippe entspringende und hauptsächlich in die tiefere Lamelle der Endsehne auslaufende Teil des M. pectoralis 302 Haikanducht Tschachmachtschjan major der abdominalen Portion des Brustmuskels entspricht, wage ich nicht zu behaupten. | Dieht neben dem Ursprunge des Pectoralis major am Sternum (Fig. 2) entspringt auch der Pectoralis minor von der Höhe der 3. Rippe an bis hinunter zur 8., dieser dann eine Strecke weit folgend. Peetoralis major und minor liegen unmittelbar aufeinander und sind nieht in allen ihren Teilen scharf gesondert (was auch bei einigen anderen Formen gelegentlich zu Due konstatieren war), lassen sich aber immerhin ohne große Schwierig- keiten voneinander trennen. Beide \ Sn ziehen, sich verjüngend, nach IT fl oben lateral der Schultergegend BF. Fectoralis r = I -] minor zu. Der kleine Brustmuskel bildet „eerus, IP Feererztis hier eine Sehnenplatte und heftet nal N S Fi ! SE | Fig. 3. il] \ Fectoralis möjor m (Ansatz) N IT I\|||Ib Nabel Haut-Rumpf-, Muskel Pectoralis major l Ursprung ) 2 ——— Fig. 2. Nyeticebus tardigradus © (Nr. 352). Ursprungsstellen der Pectorales major und minor. Rec- tus thoraco-abdominalis mit den Inscriptiones tendineae und Nerveneintrittsstellen (°). Fig. 3. Nycticebus tardigradus Q (Nr. 352). Pectoralis-Gruppe. sich mittels derselben an den Processus eoracoides und teilweise auch an den angrenzenden Teil der Oberarmgelenkkapsel an. Auch der Pectoralis major bildet eine Sehne, die sich in zwei Lamellen spalten läßt; beide sind seitlich gegeneinander verschoben (Fig. 3). Die tiefere Lamelle setzt sich, an der Insertionsstelle nach der Seite zu mit der Sehne des Pectoralis minor verschmelzend, an der Schulter- gelenkkapsel und an der Crista tubereuli majoris des Oberarmknochens Über die Pectoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Scalenus-Gruppe usw. 303 fest; die obere hingegen inseriert nur am Humerus. Der ersteren Sehnenlamelle gesellt sich von unten her die Sehne des Panni- eulus carnosus hinzu. Der Ursprung des Pectoralis major bei Galago garnetti (Fig. 4) läuft am Sternum linear bis zur 9. Rippe und folgt dann dieser eine Strecke von etwa 10 mm, um unmittelbar an den Pectoralis ab- dominalis sich anzuschließen, weleher (Fig. 5) in einer abwärts- lateral, fast bis zur 10. Rippe verlaufenden Linie an der Reectus- Pectoralis major (ensatz) Pectoralis minn, Fectoralis major (Ursprung) Haur-Rumpf- Muskel Fig. 4. Galago garnetti 5 (Nr. 691). Ursprungsstellen der Pectorales major und minor, Rectus thoraco-abdominalis und Nerveneintrittsstellen (°). Fig. 5. Galago garnetti 5 (Nr. 691). Pectoralis-Gruppe. scheide entspringt. Dieser zu einer Einheit verschmolzene Muskel- komplex inseriert mit einer kurzen Sehne, eine proximalwärts offene Tasche bildend, an der Sehultergelenkkapsel und teilweise auch am Oberarme. Ein unbedeutendes, kleines Muskelbündel spaltet sich von dem unteren Taschenblatte, welchem sich die Sehne des Panni- culus carnosus anschließt, ab und geht zum Processus coracvides. Hier findet sich auch die Insertion des in seinem Ursprungsverhalten ganz einzigartigen Pectoralis minor. Aus den Figuren 4 und 5 geht hervor, daß seine drei Ursprungszacken an der 5.—7. Rippe median- 304 Haikanducht Tschachmachtschjan wärts miteinander verschmelzen und am Sternum bis hinauf zur Höhe der 2. Rippe sich ausdehnen. Bei Lemur rufus entspringt der M. pectoralis major am Ster- num von oben bis zur 8. Rippe. Er zeigt dabei die Eigenart, daß sein vom Manubrium sterni abgehender Abschnitt an der Ventral- seite eine wulstartige, starke Verdieckung aufweist, welche bis zu der Insertionsstelle von der übrigen Masse zu trennen ist. Die vom oberen Teile des Corpus sterni entspringenden Muskelfasern schieben Fig. 7. Pectorelis major (Ansatz) NEE kl \Pectoralis KH major Hi (Ursprung) ’ Hauf-RumpfF- : ‚Muske \ 1 ’ Pars abdominalis Lemur rufus 5 (Nr. 202). Pectoralis major und Lemur macaco @ (Nr. 579). Pectoralis-Gruppe. Pectoralis abdominalis. sich unter den vom Manubrium kommenden Teil des Muskels (Fig. 6) und inserieren somit viel weiter proximal als die Fasern der höher gelegenen, wulstigen Portion. Der M. pectoralis minor nimmt seinen Ursprung ebenfalls am Sternum in der Höhe der 2. bis zur 6. Rippe und in der Fortsetzung in sehniger Weise von der Brustfaseie, wo- bei er bis zur 8. Rippe reicht. An der 8. Rippe, wo sich auch der tiefste Ursprungsteil des Peetoralis major findet, nimmt die den Ur- sprung des Peetoralis abdominalis (an der Reetusscheide) anzeigende gebogene Linie ihren Anfang. Alle drei Portionen inserieren ge- meinsam mit der Endsehne des Pannieulus carnosus an der Schulter- region und zwar 80, wie es auf der Skizze (Fig. 7) für Lemur ma- Über die Pectoral- u. Abdominalmuskulatur u. iiber die Scalenus-Gruppe usw. 305 caco dargestellt ist, ebenso wie ein gleiches auch für die dritte untersuchte ZLemur-Species (catta) gilt. In allen diesen Fällen in- seriert die mehr oder weniger breite Sehne des Pectoralis minor am Processus coracoides und an dem ihm benachbarten Teile der Schultergelenkkapsel. Die Sehne des kleinen Brustmuskels lagert sich lateralwärts unmittelbar an diejenige des Pectoralis abdominalis an, die sich ebenfalls an der Gelenkkapsel anheftet. Noch weiter lateral folgt die Anheftung der fächerförmig ausgebreiteten Sehne des Hautmuskels, welche mit den beiden oben genannten Sehnen eine kontinuierliche Linie bildet. Einen Teil ihrer medialen Seiten- strahlen schickt sie, bei Lemur macaco und Lemur catta, unter die Sehne des Pectorälis abdominalis, bei Lemur rufus aber verschmelzen die Sehnenfasern derart miteinander, daß es nicht mehr möglich wird, ihren genaueren Verlauf zu erkennen. Die oben besprochenen Sehnen der zwei Pectorales (minor et abdominalis) und des Panni- culus carnosus bilden mit ihren Ansatzstellen eine gerade Linie, über welcher die an ihrem distalen Rande nach unten umgeschlagene Sehne des M. pectoralis major zu liegen kommt. Die durch die Umschlagstelle doppelt gewordene Sehne inseriert jedoch nicht in einer Schleifenlinie, vielmehr verschmelzen die beiden Sehnenblätter innig miteinander. Zu bemerken ist, daß die umgeschlagene Schicht der Pectoralis major-Sehne nur bis zum lateralen Rande der Sehne des Peetoralis abdominalis reicht, so daß sie mit ihren Kanten neben- einander zu liegen kommen. Galt die Darstellung über die Art und Weise der Insertion bisher hauptsächlich für Lemur rufus, so bestehen auch bei Lemur macaco und Lemur catta keine nennens- werten Abweichungen; die geringen Differenzen aber sind im Schema (Tabelle 2) mit berücksichtigt worden. Platyrrhinae. Das im vorhergehenden Abschnitte erwähnte Schema (Ta- belle 2) sagt uns auch über die Ursprünge der beiden Pectorales (major et minor) bei Hapaliden und Cebiden das Wesentliche aus. Bei beiden Familien entspringen die genannten Muskeln nur vom Brustbeine und zwar dicht nebeneinander derart, daß der M. pec- toralis major immer muskulös vom oberen Rande des Manubrium sterni bis zu der letzten Sternalrippe reicht. Eine Ausnahme macht Cebus flavus I, bei dem der Muskel noch durch einige Fasern vom unter der 9. Rippe gelegenen Teil der Linea alba bereichert wird. Der Peectoralis major zeigt auch hier überall eine abgesonderte 306 Haikanducht Tschachmachtschjan Manubrialportion (Fig. 8), aber ohne eine wulstartige Verdickung am Ursprung. Der Pectoralis minor (Tabelle 2) leitet sich bei diesen zwei Familien ebenfalls vom Sternum her und zwar von der Höhe der 2. Rippe (nur bei Hapale jacchus III unterhalb der 2. Rippe), an ihrem distalen Teile sehnig werdend, bei dem ersten Individuum von Hapale bis zur 5. Rippe, bei allen anderen bis zur 6. Rippe herab. Bei Cebus flavus Il empfängt der Muskel außerdem einige Sehnenzüge von der 6. Rippe selbst und bei ©. apella — von der Aponeurose des Musculus obliquus abdom. extern., welche den M. rectus am Brustkorbe überzieht. Fig.19. = Pectoralis major ZI 7 IS 7 Ansatz) %, WW N N 0 N. U N Pectoralis inor Pars abdominalis Cebus flavus 5 (Nr. 438). Pectoralis-Gruppe. Cebus flavus 5 (Nr. 438). Pectoralis-Gruppe Der Musculus pectoralis abdominalis entspringt bei allen bis-. her erwähnten Platyrrhinen von der Reetusscheide, sich mehr oder weniger den anderen zwei Pectoralis-Portionen anschließend, und zieht, sich stark verschmälernd, zur Schultergegend. Die Insertion der Peetoralmuskeln erfolgt bei den Hapaliden in derselben Weise, wie sie bei den Lemuren beobachtet wurde, indem sich die Sehne des Peetoralis minor am Proc. eoracoides be- festigt, während sich der M. pectoralis abdominalis ihr anschließt und an der Schultergelenkkapsel anheftet. Der M. peetor. major kommt mit seiner doppelt umgelegten, nahe der Insertion aber zu einem Blatt verschmolzenen Sehne am Humerus zur Insertion. Da- Über die Peetoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Scalenus-Gruppe usw. 307 bei pflegt die untere Schicht immer mit dem lateralen Rande des Pectoralis abdominalis zu korrespondieren, was bei den Cebiden nicht immer der Fall ist (Fig. 9. Wie nämlich Fig. 9 für Cebus flavus zeigt, besteht bei Cebiden im Gegensatz zu den Hapaliden ein Pannieulus earnosus. Ein medialer Teil der Hautmuskelsehne in- seriert an der Schultergelenkkapsel unterhalb der Sehne des Pect. abdom. und beginnt da, wo das untere Blatt der Falte des Pecto- ralis major aufhört. Der übrige Teil der Hautmuskelsehne schiebt sich unter den M. biceps brachii und setzt sich am Humerus fest. Sehr große Abweichungen von dem sonst einförmigen Ver- halten des großen Brustmuskels zeigen unter den Platyrrhinen die zwei untersuchten Exemplare von Ateles ater. Bei dem einen (Fig. 10) beginnt der gut ausgebildete M. pectoralis major am obersten Rande des Sternum und dehnt sich bis zur 8. Rippe aus. An dieser Stelle geht sein Ursprung, indem er einen senkrechten Winkel zu der Körpermittellinie bildet, auf die Rectusscheide über und verläuft 8 mm weit quer über die 6., 7. und 8. Rippe!. Seine kräftige Manubrialportion wird von Bündeln, die vom Brustkorbe, speziell aus dem Bereiche des 2. Sternocostalgelenkes, kommen, verstärkt. Die Muskelfasern dieses oberen Abschnittes, entsprechend denen der schon besprochenen Formen, haben aber eine andere Verlaufs- richtung als die vom Corpus sterni und von der Scheide entspringenden, welche sich nach oben zu konvergierend unter die Manubrialportion schieben (Fig. 11). Der M. pectoralis minor (Fig. 10) nimmt seinen Anfang an der Brustfaseie in einer Linie, die parallel dem Sternum in einiger Ent- fernung von diesem von der 2. zur 4. Rippe herabzieht, und außer- dem noch etwa 15 mm von der 4. Rippe, ebenso wie auch von der 2. u. 3. Die oberflächlichst gelagerten Muskelzüge gehen in die Brustfaseie über (Fig. 12). Der Pectoralis abdominalis ist durch einen schmalen Muskel- streifen repräsentiert, dessen Ursprung in einer schrägen Linie zwischen dem 4. und 5. Intercostalraume liegt. Alle drei Pectoral- muskeln bilden an ihren Enden eine zusammenhängende Sehnen- platte, die am Proc. coracoides, an der Schultergelenkkapsel und am Oberarm inseriert. Bei Aieles bildet der M. pectoralis major 1 Der diese Ursprungsstrecke des Pectoralis major angebende Teil im Schema Nr. 2 stellt nicht eine zur Mittellinie senkrechte dar, sondern bildet mit ihr einen spitzen Winkel. 308 auch eine Falte, Haikanducht Tschachmachtschjan deren Sehnenlamellen vor der Insertion ver- schmelzen; die untere Lamelle steht mit den Sehnen der zwei an- deren Muskeln im Zusammenhange. Fig. 10. Ateles ater © (Nr. 588). Ursprungsstellen der Pectorales major und minor. Rectus thoraco-ab- dominalis und Nerveneintrittsstellen (°). Pectoralis major : Pars manubrii Pars sternalis Pars abdominalıs Ateles ater © (Nr. 588). Pectoralis-Gruppe, ober- Nächliche Schicht. Fig. 12. Pectoralis major (Ansatz) Pectoralis Pectoralis major (Ursprun 79) Ateles ater © (Nr. 588). Pectoralis-Gruppe, tiefere Schicht. Bei dem anderen Exemplar von Ateles ater entspringt der M. pectoralis major vom Sternum bis zur 7. Rippe, 18 mm weit von der Reetusscheide, in der Höhe der 7. Rippe und des 6. Inter- Über die Pectoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Scalenus-Gruppe usw. 309 costalraumes und auch noch von der 6. Rippe selbst. Der M. pec- toralis minor nimmt hier am lateralen Rande des Sternums, von der Mitte des 2. Intereostalraumes bis zur 4. Rippe, der letzteren 9 mm nachgehend, weiter weg noch von der Brustfascie, von der 3. Rippe und dem 3. Intercostalraume (im Schema mit Punkten angegeben) seinen Ursprung. Der M. pectoralis abdominalis ist klein und in Gestalt zweier aufeinanderliegender Zacken ausgebildet. Ein Panniculus carnosus fehlt bei Ateles ater. Catarrhinae. Bei den niederen Katarıhinen zeigt der Brustmuskel in seiner Gestaltung, besonders was den Ursprung anbelangt, eine große Einheitlichkeit, welche uns an diejenige (Ursprungsart) der meisten Platyrrhinen und einiger Prosimier erinnert. Dort wie hier ent- springen die beiden Musculi pectorales (major et minor) in zwei nebeneinander verlaufenden Linien am Brustbeine; wie sie dabei herabreichen, zeigt die Tabelle 2, welche auch angibt, daß diese Muskelursprünge sich an den untersten Enden der Ursprungslinie lateralwärts umbiegen und auf die Rectusscheide übergehen. Bei allen Formen findet sich eine proximale Sternalportion, die haupt- sächlich vom Manubrium sterni, und zwar entweder nur von der Mittellinie oder von seiner ganzen Vorderfläche herkommt und sich von der übrigen Muskelmasse leicht sondern läßt. Selten nur ist eine Clavicularportion ausgebildet, deren Ursprungsstelle bei Ma- :cacus cymomolgus (Fig. 1) angedeutet ist, die sich dann seitwärts der Pars manubrii anschließt. ; Der Pectoralis minor variiert in seinem Ursprunge insofern, als er oft Muskelfasern auch von den dem Sternum anliegenden Teilen des Brustkorbes bezieht, wie dies z. B. bei Cercopöthecus-Arten (campbelli, maxwellii und pygerythrus) der Fall ist. Bei den drei untersuchten Exemplaren von Semnopithecus cephalopterus dehnt sich der Ursprung so weit lateralwärts aus, daß er, wie es im Schema (Tabelle 2) durch Punkte angegeben ist, einen beträchtlichen Teil der Sehnenplatte des M. thoraco-abdominalis in Anspruch nimmt. Der M. peetoralis-abdominalis entspringt von der Rectusscheide, und zwar nicht immer dort, wo der Pectoralis major aufhört. Sehr oft wird er vom Pectoralis minor durch eine Lücke abgetrennt, welche nach oben und lateralwärts allmählich verschwindet. Nur bei einem Macacus waren, so wie wir es von Galago garnetti kennen lernten, 310 Haikanducht Tschachmachtschjan der Pectoralis major und abdominalis in ihrem ganzen Verlaufe zu einer gemeinsamen Muskelplatte ‚verschmolzen. Was die Insertion der Peetoralmuskeln und des bei den niederen Katarrhinen immer vorhandenen Pannieulus carnosus angeht, so zeigt dieselbe keines- wegs jene Einheitlichkeit, die wir vom Ursprung erwähnen konnten, vielmehr lassen sich drei verschiedene Typen unterscheiden, welche aber nicht !bestimmten engeren systematischen Verwandtschafts- Fig. 13, Fig. 14. Pectoralis major (Ansatz) Pectoralis major (Ansatz) III NN \ IIIERW/ZI NN | III A\\A hu‘ —S NZ N >= w. f Nervus = NN \ Intercostalis I \ Pectoralis MInor major (Urspr) Haut-RumpfF- Muskel Pr Pectoralis major ” (V, sprung) Pars abdominalis N Fig. 13. Semnopithecus cephalopterus (Nr. 267). Pectoralis-Gruppe. Fig. 14. Cercopithecus pygerythrus 5 (Nr. 215). Pectoralis-Gruppe. Innervation des Panniculus car- nosus und die denselben durchziehenden Intercostalnerven. gruppen angehören, sondern bei Individuen der verschiedenen Genera sich antreffen lassen. Die erste von den drei nebenstehenden, diese abweichenden Insertionstypen darstellenden Figuren (Fig. 13), wiederholt genau die- selben Verhältnisse, die bei den Lemuren zu finden waren. Auf der Fig. 14 sehen wir, wie die Musculi pectorales minor et ab- dominalis eine gemeinsame Sehnenplatte bilden, die über das Schulter- gelenk wegzieht und mit deren Kapsel und dem Processus cora- coides verschmilzt. Zu der genannten Sehnenplatte gesellt sich von Über die Peetoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Scalenus-Gruppe usw. 311 der lateralen Seite her das ebenfalls sehnige Ende des Hautmuskels. Seine medialen Fasern treten unter die Abdominalportion des Brust- muskels, die lateralen aber gehen zu der Crista humeri und enden vor der Insertionslinie des Pectoralis major; dabei ziehen sie am Oberarmknochen oft so weit distalwärts, als der umgeschlagene Rand des letzteren Muskels zu liegen kommt. Der Pectoralis major setzt sich mit seinen doppelten Sehnenblättern am Humerus über dem Pannieulus carnosus fest und kann mit seinen feinen Kanten Fig. 16. N % 2 U u Fig. 15. = Nr N IWW Pectorslis major (Ansatz) Haut-Rumpk Muskel Er iM Fectoralis NN Hr „der \ A\ / UN sy 4 Ursprung) \N Peetaralis Minor | Pars W abdominalis uskel Fig. 15. Papio sphinz 5 (Nr. 564). Pectoralis-Gruppe. Innervation des Panniculus carnosus und die denselben durchziehenden Intercostalnerven. Fig. 16. Semnopithecus cephalopterus © (Nr. 316). Pectoralis-Gruppe. mehr oder weniger weit auf die Sehne des M. pectoralis abdo- minalis übergreifen. Noch ist zu erwähnen, daß in manchen Fällen (Papio anubis und Papio sphinz) die Insertionslinien der Falten- bildung nicht immer dicht nebeneinander zu liegen kommen oder gar verschmelzen, sondern ein freies Feld zwischen sich lassen (Fig. 15). Ein dritter Insertionsmodus (Fig. 16) konnte nur bei einem Semnopithecus cephalopterus festgestellt werden. Hier zieht der Peetoralis minor an den Proc. coracoides, der Pectoralis abdominalis an die Gelenkkapsel und den Oberarm. Seine Sehne ist am Ende 312 Haikanducht Tschachmachtschjan sehr stark fächerförmig ausgebreitet. Mit der medialen Spitze be- rührt sie die Sehne des Pectoralis minor, mit dem lateralen Teil deckt sie ganz die Ansatzstelle des Panniculus carnosus am Ober- arme. Über die Insertion des Pectoralis abdom. am Oberarme und am untersten Teile der Schultergelenkkapsel kommt der Pectoralis major mit seiner schmalen Falte zu liegen. Die Ausdehnung der Insertionsfläche des M. pect. major am Ober- arme ist nicht konstant. Bei einigen Macacus-Formen geht die Sehne am weitesten hinunter und nimmt mehr als das basale Drittel der Länge des Oberarmknochens ein. Im Anschlusse daran wäre noch über eine Beobachtung bei Cercopi- thecus campbelli (Fig. 17) zu berich- |\\ ten, wo der Pectoralis major neben der proximalen, am Manubrium sterni N entspringenden Portion noch eine di- stale, überzählige Portion aufweist, welche mit ihrem Oberrande als eine dünne Lamelle dem mittleren Stücke | des Muskels aufliegt und mittelst einer | flachen dünnen Sehne mit der Ober- armfaseie verschmolzen ist. Einen ähn- lichen Fall! bei Menschen bespricht GRUBER und benennt die in die Ober- armfascie auslaufende Peetoralis major-Sehne, als »tensor fasciae brachialis«. Die Gliedmaßenmuskulatur der zwei in den Kreis der Unter- _ suchung gezogenen Exemplare von Hylobates syndactylus bringt mannigfache Besonderheiten, welche die isolierte Stellung dieser Catarrhinen-Gruppe beleuchten. Vor allem fehlt eine von der Rectusscheide kommende und von der übrigen Muskelmasse völlig abgesonderte Abdominalportion gänzlich. Dafür aber ist der M. pec- toralis major im übrigen mächtiger ausgebildet, was durch die Aus- dehnung seiner Ursprungsfläche bedingt wird. Sein einheitlicher Muskelbauch wird von den Bündeln zusammengesetzt, welche von Cercopithecus campbelli © (Nr. 642). Pec- toralis major und Pectoralis abdominalis. 1 PAGENSTECHER berichtet über einen ebensolchen Fall bei Drill. (»Drill« wohl Mandrill = Papio). Über die Pectoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Scalenus-Gruppe usw. 313 der Clavicula, dem Sternum und von den verschiedenen Stellen des Brustkorbes stammen. Bei dem ersten Exemplar entspringt der M. peetoralis major an der medialen Hälfte der Clavicula; am Rande des Sternums bis zu der 6. Rippe, etwa 2 cm ihr nachgehend, weiter an der Rectusscheide, schräg binauf einen leichten Bogen bildend bis zur 5. Rippe und. etwa 1,5 cm ihr folgend, ferner an den Sterno- costalgelenkkapseln und Rippenknorpeln, außerdem noch an der 3. und 4. Rippe und an dem von ihnen begrenzten Intereostal- raume. Die letzte Partie ist auf der Fig. 18 durch Punkte ange- deutet. Der Ursprung des Muskels bei dem zweiten Hylobates- Exemplare wird nur dadurch modifiziert, daß die Clavieula sich mit ihren zwei medialen Dritteln daran beteiligt, daß die dem Sternum benachbarten Rippenteile mehr in Anspruch genommen werden, und die von der Mitte und den Seitenteilen des Brustkorbes kommenden . Muskelbündel zahlreicher sind. Die zum Oberarme konvergierende Muskelmasse bildet an ihrem Ende keine Falte, die Sehne ist einheitlich, läßt aber in verschiedener Riehtung verlaufende Sehnenfasern erkennen, die als Zeuge ihrer einst vorhanden gewesenen Zweiblätterigkeit angesehen werden können. Die End- sehne inseriert am kurzen Kopfe des.M. biceps brachii und am Oberarme. Schon G. RuseE hat hervorgehoben, daß bei den Hylobatiden die dem Pectoralis major zum Ansatz dienende Fläche eine viel kleinere ist, als sie die mächtige Muskelmasse gebrauchen könnte. Damit erklärt er den Umstand, daß die Insertionssehne in den ‘ Muskelbauch hineingezogen wird. Geschieht letzteres (wie dies auch bei unseren Exemplaren der Fall ist), so beteiligen sich scheinbar nicht alle Muskelfasern an der Bildung der Endsehne: sehr viele von ihnen und hauptsächlich die mittleren erstrecken sich nicht bis zur sichtbaren Endsehne, sondern hören schon an der im Muskel befindlichen Sehnenlamelle auf. Um den schroffen Gegensatz zwischen der geringen Ansatzfläche und der mächtigen Muskelmasse auszu- gleichen, wäre dem Muskel noch die Möglichkeit geboten, die ihm zur Anheftung dienende Fläche am Oberarme selbst auszu- dehnen. Diese Möglichkeit ist ihm aber nur in der Verlängerung seiner Ansatzlinie nach unten (distalwärts) oder oben (proximalwärts) gegeben, was den Muskel aber in die Reihe der primitiveren Formen stellen und seinen progressiven Umformungen im Wege stehen würde. Denn je größer die Distanz zwischen den zwei entgegengesetzten Insertionspunkten ist, um so mehr wird die freie Beweglichkeit des Morpholog. Jahrbuch. 44. 21 14 Haikanducht Tschachmachtschjan Armes beschränkt. Es kommen noch andere Momente hinzu, welche dazu beitragen, dem Gliedmaßenmuskel die Fähigkeit zu geben, sich den mannigfacheren Bewegungsarten anzupassen. Zunächst die Überkreuzung der Fasern des an seinem gegen die Schultergegend konvergierenden Teiles des Muskels. Es ist sehr auffallend, daß die zuoberst am Sternum und event. auch an der Clavieula ent- springenden Muskelpartien verhältnismäßig weiter unten ihre In- sertion finden, als diejenigen Partien, die von den distalen Ab- schnitten des Brust- beines und gar von der Reetusscheidekom- men. Auf welchem Srernocleido-mastoideus Wege aber diese Structur des Brust- muskels zustande ge- kommen ist, — ob dieselbe eine primäre (nach BoLck)!, durch Senkung der Extremi- täten aus einer trans- versalen Stellung her- vorgegangen ist, oder ob dieselbe eine (wie Roux und andere Au- Hylobates syndactylus @ (Nr. 210). Pectorales major et minor de ange, durch und Sterno-cleido-mastoideus. » funktionelle Anpas- sung« sekundär erwor- bene ist, interessiert uns hier erst in zweiter Linie; wichtig ist aber, daß dadurch der Muskel in allen seinen Teilen an Verkürzungs- vermögen bedeutend gewinnt. Fig. 18. Pectoralis UNO Pectoralis major [2 Urorung) Ferner muß das offenkundige Bestreben des Muskels, sein Ur- sprungsgebiet am Thorax in lateraler Richtung auszudehnen, hier angeführt werden (vgl. Tabelle 2). Der bei den niedersten Formen einheitliche Brustmuskel beginnt sich allem Anschein nach dadurch weiter zu differenzieren, daß er sich in eine tiefere und eine ober- flächlichere Schicht sondert. Zum Schlusse sei noch über den M. peetoralis minor gesagt, 1 L. BoLcK, Die Segmentaldifferenzierung des menschlichen Rumpfes und seiner Extremitäten. Über die Pectoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Scalenus-Gruppe usw. 315 Tabelle 1. Prosimiae Platyrrhina Catarrhina ee — Te be) ot [6)' o HB 5 ro 5 9 oe 4 © © o 4 9 © a = | RR an , 4 ein ee - Re: ro nn nn er yolsi=, a N TE ET EC NG DI a a ae & 3 n a a =) =) u 2 £} ae a 4 . . . . - ® Be Eu Fr Se: rg A = d au BER ra Erg ra RE EB en In 9 SEE SR WERE &0 nu 3 [-| A a [=] a . . . 7) Ben nn a an a A a N TUR A I ee ee -) Il } er } L} L.} . 50 [=] [=] 3 je 2 2 © © o {-) r i ri : : A =] Pe 2 7 . . . =] 5, Ami . ® . . [2 [= Bea el une Te ar ern ee N IB REN EEE Br * > [) © © a 8 c) Po} Pr Ei a E 5 G en} © © > > f R © © © © ) © © © © © Ri p ADDEN N U 1 a 73 a 21 a > ea A | u [er ee ee. 7 EN Ve ee - Hl pPe 7 7 oa S & n N o & 0 — 70 In diesem Schema sind die Beziehungen des Pectoralis major-Ursprunges zum Brustbeine und zu den Rippen dargestellt. Die horizontalen Linien sollen die Rippen, die senkrechten den Ursprung des Pectoralis major am Brustbeine und an den Rippen angeben. Die letzten Sternalrippen sind durch eine fette Linie miteinander verbunden. Wo der Pectoralis-Ursprung die letzte Sternalrippe nicht erreicht, findet man die Strecke mit punktierter Linie bezeichnet. 21* 316 Haikanducht Tschachmachtschjan daß derselbe bei den beiden Exemplaren von Hylobates syndactylus ein schmaler, kräftiger, ganz auf die laterale Seite des Thorax ver- schobener Muskel ist (Fig. 18). Bei dem einen Individuum kommt er in zwei übereinanderliegenden Zacken von der 4. und 5. Rippe. Bei dem anderen entspringt derselbe meist sehnig von der 3., 4. und 5. Rippe mit starken und gleichmäßigen Portionen, welehe mit den Serratus-Zacken alternieren. Die oberste von den drei Pec- toralis minor-Zacken liegt der Mittellinie am nächsten, die letzte am weitesten davon entfernt. Die Insertion dieses Muskels erfolgt mittelst der Endsehne am Processus coracoides, indem die einzelnen Portionen miteinander verschmelzen. Ta- ; Prosimlae Platyrrhina v > = wre. Pe ae & 2.3 8.9 Bu HE Es war R > - 5 5 = = 3 s = = 8 8 he} E] E E E a #-} 2 Oo = = , 1) 5 = = 2 03 8 16) 6) 16) z ä 1 m 3 AzEIzE ZEN IE! or re . HS IS SS CN NN ee IE f KHRUERRE RE EEE Ele hl Al N ee NER 5 ? ; n \ ; + il Fi HR | zus ee 1 L il Ni 7 Aare Ne Bee - mm er il | Mr N N Schematische Darstellung des Ursprungsverhaltens der Peetorales und des durch Linien ---- - ‚ des Pectoralis minor durch Linien ...., des Reetus durch geben die Stellen an, an welchen Ein Hautrumpfmuskel fehlt bei Hylobates. Versorgt wird die gesamte Pectoralisgruppe von den Zweigen der Nn. thoraeiei anteriores. Es verdient noch erwähnt zu werden, daß bei allen untersuchten Tieren der tiefste Punkt des Pectoralis major-Ursprunges am Tho- rax mit der letzten Sternalrippe zusammenfällt. Eine Ausnahme machen nur Lemur catta, Aieles ater I und Hiylobates syndactylus 1. Auf der Tabelle Nr.1 (S. 315) sind diese Verhältnisse graphisch zur Darstellung gebracht. Über die Peetoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Scalenus-Gruppe usw. 317 2. M. obliquus externus abdominis. Der äußere schräge Bauchmuskel, der auch Obliquus thoraeco- abdominalis genannt wird, verdient insofern diese Bezeichnung, als er sich bei der größten Mehrzahl der Säugetiere und selbst bei den Primaten mehr oder weniger weit proximalwärts auf die Vorder- wand des Thorax ausdehnt. In der äußeren Form und Lagerung erweist sich der Muskel bei den untersuchten Tieren als sehr ein- töonig. Aus den an den Rippen entspringenden Zacken und von der Faseia lumbo-dorsalis kommenden Muskelbündeln formt sich ein platter, breiter Muskelbauch, welcher fast den ganzen Seiten- und belle 2. z Katarrhina a = =) B oe a — > F + TE ME IE RE EEE N MEER E = E = € Q = ö = 3 © 1 Ss o a) 0 = = Se 8 EEE EA ER Sri: 8 S 5 5 = = a = > > © a o © 7 = [7] 17) = <= = © £ B E £ = = = 2 @ a EN EN ET ANETTE FE TBTNIREN IE SE > 4 = = = = 5 Sg EEE 3 = = e Bar =. = o o ° o o © E o o 2 E E E S 2 C & s s s s = fo} 16) ° Ö 16) o [7 Q E E'R 1 CR na Eat | Zee ES EIER ED EEE N ERPNERNUG (LESE! i a ; Al Si) 4 Fi Na N \il ne \il NM Vi EilnNa BANRBVRNVIERV BEI] u ni n \:ll X U wi \ \L Na ‚EEEEN BBEEN "1 PORERE.NIBREPEN, | MaTIeR | ERETER | \ Sm Rectus bei;den untersuchten Tieren. Der Ursprung des Pectoralis major ist Linien -- -- dargestellt. Die durchlaufenden Linien —— im Reetus-Ursprunge der Muskelbauch beginnt. Vorderteil des Rumpfes einnimmt und vor seiner Insertion an der Linea alba und am Vorderbeckenrande in eine platte, ausgedehnte Sehnenlamelle übergeht. Diese Lamelle zeigt Sehnenzüge in ver- schiedener Richtung neben solchen, die den Verlauf der Muskel- fasern direkt fortsetzen. Die Sehnenzüge, welche an der Sym- physe inserieren, sind verhältnismäßig stärker, als diejenigen in anderen Abschnitten. Die Rippenzackenursprünge des Obl. ext. alternieren mit solchen vom M. serratus anterior und M. serratus posticus inferior (in ein- zelnen Fällen auch mit dem Latissimus dorsi) und sind derart zpvaono un» © 2-3 318 Haikanducht Tschachmachtschjan angeordnet, daß die am meisten proximalwärts gelegenen Zacken der ventralen Mittellinie näher zu liegen kommen; die sich den ersteren schwanzwärts anschließenden treten allmählich mehr seitwärts. Das Zustandekommen dieser von oben-medial nach unten-lateral ziehenden Ursprungslinie glaubt O. SeypEL! beim Kaninchen da- durch zu erklären, daß er das Dorsalwärtsrücken der Muskelursprünge vom Zurückziehen der Rippen von der Mittellinie abhängig macht. Demnach sollen die Rippenzacken von einer mehr medialen Lage in eine mehr laterale übergegangen sein. Wenn auch diese Vermu- tung für das Verständnis der erwähnten Erscheinung beim Kaninchen eine gewisse Bedeutung haben kann — da hier die Costalzacken- ursprünge an die Knochen-Knorpelgrenzen der Rippen gebunden zu sein scheinen —, so ist dieselbe für uns hier nicht annehmbar, denn in keinem Falle zeigten die Obliquuszacken eine fixe Stellung zu den Rippenteilen. Ich neige vielmehr zu der Ansicht, daß der M. obliquus externus — wenigstens an seiner eranialen Partie — von den angrenzenden Muskeln (Serratus ant. und S. post. inferior) gewissermaßen gegen die Körpermittellinie verschoben wurde. Die Anzahl der Rippen, von welchen der Muskel ausgeht, ist nicht konstant. In einem Falle werden sämtliche Rippen in An- spruch genommen, in dem anderen nur die mehr distal gelegenen ; viel häufiger kommt es aber vor, daß im proximalen Abschnitte des Muskels eine Lücke entsteht, indem einige Rippenzaeken fehlen und dadurch die Kontinuität des Muskels unterbrochen wird. Der abge- sprengte Teil des Obliquus externus besteht meistens aus einer Zacke, die von der 1. Rippe kommt; dieser kann sich zuweilen eine zweite, von der nächstfolgenden Rippe kommende anschließen, die niemals die gleiche Größe und Stärke erreicht. In solchen Fällen aber, wo der Obliquus nicht unterbrochen wird und von allen Rippen seine Zacken entspringen läßt, ist auch die erste Zacke schwächer entwickelt. Dieser kleine an der 1. Rippe entspringende Muskel, der in der Literatur mit dem Namen »M. supracostalis« oder »M. sterno-costalis« bezeichnet wird, findet sich auch bei vielen anderen Säugern und hat schon von jeher die Aufmerksamkeit der Anatomen auf sich gezogen. Eine von den sehr differenten Deutungen des fraglichen Mus- kels gibt ihn als einen Abkömmling des Obliquus externus aus (KOHLBRUGGE, RuGE). Diese Annahme wird, wenigstens für die hier in Betracht kommenden Tiere durch eine Reihe von Tatsachen bestätigt. 1 0. SEyDEL, Über die Zwischensehnen und den metameren Aufbau des M. obliquus thoraco-abdominalis (abdominis) externus der Säugetiere. Über die Pectoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Scalenus-Gruppe usw. 319 Es spricht für sie erstens, daß die von der 1. Rippe (eventuell auch von der 2. Rippe) kommende Muskelzacke oft durch voll- ständig oder schwach ausgebildete an den folgenden Rippen ent- springende Zacken mit dem M. obliquus verbunden ist, und zweitens die Innervation. Diese wollen wir weiter unten besprechen, nachdem Fig. 19. wir das Verhalten des Muskels selbst bei den einzelnen Gruppen näher kennen gelernt haben werden. Prosimiae. Gemeinsam ist allen fünf unter- suchten Halbaffen, daß der kopf- wärts gelegene, von der übrigen Masse völliz getrennte Teil des M. obliquus externus nur aus einer einzigen, gut ausgebildeten Zacke besteht, welche an der 1. Rippe entspringt und schräg nach unten „u. und medianwärts zieht. Dabei divergieren die Muskelfasern und gehen in eine Aponeurose über, welche sich am Rande des Ster- nums, an den Sternocostalgelenken und an den sternalen Enden der Rippenknorpel anheftet. Diese. Aponeurose liegt auf der Sehne des M. rectus thoraco-abdominalis und ist mit ihr oft innig verwachsen; sie kann verschieden stark ausge- bildet sein und ist meistens schmä- ler als die von ihr bedeckte Rectus- Nyeticebus tardigradus Q (Nr. 352). Scalenus medius und Obliquus thoraco-abdominalis ex- sehne. ternus mit Inscriptionen. Der eigentliche, große Teil des M. obliquus externus beginnt in verschiedener Höhe und weist eine wechselnde Zahl der Inseriptiones tendineae auf, die als feine sehnige Streifen den Muskel durchsetzen und mit seiner Fascie verwachsen sind. Bei Nycticebus tardigradus entspringt der Obliquus thoraco- abdominalis (Fig. 19) mit neun Zacken an der 7. bis 15. Rippe und dann weiter an der Fascia lumbo-dorsalis bis zur Spina ant. sup. Abgesprengte obere Oblıquus-Zacke Inscriptiones / tendineae 320 Haikanducht Tschachmachtschjan des Darmbeinkammes. Die von den Rippen und von der er- wähnten Fascie kommenden Muskelportionen bilden eine ansehnliche Platte, welehe nach unten und nach vorn in eine Aponeurose aus- läuft. Die vordere Partie derselben verbindet sich an der ventralen Mittellinie mit einer solchen von der anderen Seite, indem ihre Sehnenfasern ineinandergreifen und somit zur Bildung der Linea alba beitragen. Das distale Ende der Aponeurose ist an der Sym- physe und am Pecten ossis pubis befestigt; an dieser Stelle ist sie in zwei Schenkel getrennt, zwischen denen eine Spalte für den Durchtritt des Funiculus spermaticus offenbleibt. Lateralwärts über- spannt die Aponeurose die Schenkelgefäße, sendet einige Sehnen- fasern in die Tiefe zur Fascia iliopectinea, andere wenige läßt sie in die Faseia lata ausstrahlen und ist mit dem lateralen Rande eine kurze Strecke an der Crista ossis ilei befestigt. Die Richtung des Faserverlaufes entspricht demjenigen der oberen isolierten Zacke, nur wird sie caudalwärts immer steiler. Die erste von den sechs vorhandenen sehnigen Inseriptionen tritt an der Zacke auf, welche an der 11. Rippe entspringt, sie ist klein, in der Richtung des Faserverlaufs geneigt, doch descendiert sie nicht so stark. Die zweite Inseription durchquert die Zacke von der 12. Rippe in ihrer vollen Breite. Die zwei folgenden, welche den sich caudalwärts anschließenden Rippenzacken angehören, sind die längsten; sie überschreiten die ventrale Grenze ihrer Zacke, indem sie sich in die nächste, kopfwärts gelegene fortsetzen und ein Drittel von deren Breite einnehmen. Sie descendieren auch stärker. Die fünfte In- seription an der letzten Rippenzacke ist um ein Viertel ihrer Breite kürzer und mehr dorso-ventral gerichtet. Die letzte Inseription zieht dorso-ventral an dem oberen Viertel des an der Fascia lumbo- dorsalis entspringenden Muskelabschnittes. Die unterhalb der vierten, fünften und sechsten Inseriptionen befindlichen Muskelfasern kon- vergieren gegen die Aponeurose zu; die von hier caudo-lateral gelegenen verlaufen parallel zueinander und die von oberen Rippen kommenden gehen, wenn auch stellenweise sehr unbedeutend, auseinander. Die voneinander getrennten Muskelpartien des Obliquus externus bewahren noch einen Zusammenhang in ihren sehnigen Teilen, indem die beiden Aponeurosen mittelst eines feinen (bindegewebigen) Sehnen- häutchens ineinander übergehen. Es liegt dem Brustkorbe fest an. Offenbar im Zusammenhang mit der Tatsache, daß bei Galago garnettı, (Fig. 20) die Zahl. der Rippen gegenüber Nyeticebus tardı- gradus reduziert ist, findet sich hier der Obliquus tloraco-abdominalis Über die Pectoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Sealenus-Gruppe usw. 321 eranialwärts emporgerückt. Er entspringt an der 5. bis 13. Rippe und läßt seine Fasern leicht divergierend nach unten und medial ziehen. Der von der Fascia lumbo-dorsalis kommende Teil des Obliquus ext. zeigt einen parallelen Faserverlauf. Die Aponeurose verhält sich gleich wie bei Nycticebus tardigradus. Anders sind aber Fig. 20. Fig. 21. Scalenus medius Obliquus fhoraco - abdominalis ext. domınelis__ exfernus Jnseripliones tendinege Inserjptiones L tendinese Galago garnetti 5 (Nr. 691). Scalenus medius Lemur macaco © (Nr. 579). Scalenus medius und und Obliquus thoraco-abdominalis externus mit Obliquus thoraco-abdominalis externus mit In- Inseriptionen. seriptionen. die vier sehnigen Inseriptionen verteilt. Die erste — an der 9. Rippenzacke — ist nicht vollständig, das heißt, sie durchzieht nicht die Muskelzacke in der ganzen Breite. Die zweite und dritte Inseription, an den zwei nächstfolgenden Zacken, sind vollstän- dig. Die letzte, der 12. Rippenzacke angehörende Zwischensehne 322 Haikanducht Tschachmachtsehjan besteht aus zwei gegeneinander verschobenen Stücken, die ebenfalls die ganze Zackenbreite einnehmen. Die drei Lemuren, bei welchen sich die gleiche Rippenzahl findet, zeigen trotz dieser Übereinstimmung nicht dieselbe Zacken- zahl. Bei Lemur catta beginnt der Obliquus an der 4. Rippe, bei L. rufus und L. macaco an der 5. Was die Inscriptiones tendineae anbelangt, so variieren sie auch. Lemur macaco (Fig. 21) hat fünf von jenen, welche die gleiche Verlaufsrichtung haben und den an der 8. bis 12. Rippe entspringenden Zacken angehören. Die erste durehzieht nicht die ganze Zackenbreite, die zweite ist vollständig, die drei letzteren überschreiten mehr oder weniger die ventralen Grenzen der eigenen Zacken. Die fünf Inseriptionen von Lemur catta (Fig. 22) liegen an den letzten fünf Rippenzacken. Die zwei ersteren verhalten sich wie die von L. macaco. Die dritte besteht aus einem großen Teile, der die ganze Zacke durchzieht, und aus einem sehr kleinen, welcher einige Millimeter von dem ersteren nach unten verschoben ist und am dorsalen Viertel der kopfwärts fol- genden Zacke liegt. Die vierte Inseription ist die längste, durch- setzt die 11. Rippenzacke ganz und bis auf zwei Drittel die von der 10. Rippe kommende. An der Grenze dieser beiden Muskel- zacken nimmt die mediale Hälfte der Inseription einen bedeutend steileren Verlauf an. Die letzte nach oben leicht (konvex) aus- gebogene und dorsoventral gerichtete Insceription ist die kleinste. Sie liegt am ventralen Teile des Muskels und berührt das dorsale Drittel nicht. Es darf aber hier nicht unerwähnt bleiben, daß der Ursprung der letzten Costalzacke allmählich von der Rippe selbst auf die Lumbodorsalfaseie übergeht, weshalb auch nicht mit Sicherheit zu bestimmen ist, wo die Rippenzacke aufhört und wo der an der Lumbalfascie entspringende Teil des M. obliquus externus beginnt. Bei der Feststellung dieser Grenze sind wir von den Linien geleitet worden, welche aus stärkeren bindegewebigen Einlagerungen be- stehen und den Muskel in eine Reihe von Streifen zerlegen. Man kann allgemein für alle hier untersuchten Tiere sagen, daß die Rippenzacken, vom Ursprung bis zum Übergang in die Aponeurose deutlich gegeneinander abgegrenzt bleiben. Diese den Muskelfasern ' parallel gehende Gliederung ist auch an dem der Lumbalfaseie ent- springenden Teile des Muskels kenntlich und wird auf der Fig. 23 durch stärker gezogene Streifen zur Anschauung gebracht. Die eben angeführte Figur zeigt außerdem, wie sich die sieben Inscriptionen bei Z. rufus verhalten. Die ersten zwei an der Zacke der 7. und Uber die Pectoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Scalenus-Gruppe usw. 323 8. Rippe — die obere kleinere und die untere größere — sind un- vollständig; die zwei folgenden sind länger als die Breite der Zacke selbst. Die fünfte durchzieht zwei Costalzacken, so daß der Zacke von der 10. Rippe zwei vollständige Inscriptionen zukommen. Die sechste durchzieht zwei Zacken ganz und eine nur teilweise; sie ist im Bereiche der 12. Rippen- zacke nach oben leicht konkav und dann gerade und mehr absteigend. Die letzte Inscription trifft den Fig. 23. Fig. 22. Scalenus medius Obliguus Abgespren te ober3 thoraco- Niquus-Zacke abdominalıs externus 7 Inseriphiones tendineae Lemur catta & (Nr. 581). Scalenus medius und Lemur rufus 5 (Nr. 202). Scalenus medius und die Innervation des Obliquus thoraco-abdominalis Obliquus thoraco-abdominalis externus mit In- externus. IV—XV Nerven, seriptionen. oberen Abschnitt des Muskels, welcher an der Fascia lumbo-dorsalis entspringt und zwischen den zwei abgrenzenden Linien liegt. Bei der Betrachtung dieses letzteren Muskelstreifens drängt sich der 324 Haikanducht Tschachmachtsehjan Vergleich desselben mit einer Rippenzacke auf, und es wäre wohl möglich, daß er einer Costalzacke homonym zu erachten wäre. Als Erklärung dafür brauchte man nur anzunehmen, daß dieser Muskelstreifen einmal an einer Rippe haftete und mit der Rück- bildung der letzteren sich von ihr ablöste. Ist diese Voraussetzung berechtigt, so haben wir Grund zur Annahme, daß die letzte Rippen- zacke, welche einen Teil ihrer Fasern von der Lumbalfascie ab- gehen läßt, sich von der Rippe ablösen müsse, vorausgesetzt, daß der Umwandlungsprozeß auch weiter in der gleichen Bahn sich fort- bewegen werde. Platyrrhinae. Das bei den Prosimiern über den eranialen abgesonderten Teil des M. obliquus externus Gesagte hat auch für diese Abteilung der Primaten Gültigkeit. Hinzuzufügen ist nur, daß sich bei Cebus apella und einem Exemplar von Ateles ater der einen isolierten Obliquus- Zacke noch eine zweite von der nächstfolgenden Rippe kommende anschließt. Diese letztere ist aber bedeutend schwächer ausgebildet als die erste Costalzacke. Der eigentliche schräge äußere Bauchmuskel stimmt ebenfalls mit demjenigen der Halbaffen überein, besonders was die Ausbil- dung der Aponeurose und ihrer Insertion betrifft. Es variieren nur die Inseriptionen und die Anzahl der dem Muskelursprung dienenden Rippen. Hinsichtlich des letzten Punktes zeigen die verschiedenen Exemplare von Hapale jacchus viel Einheitlichkeit darin, daß alle untersuchten Exemplare den Muskel an den Rippen 4. bis 12. entspringen lassen (Fig. 24). Die Insceriptionen sind hingegen ver- schieden in Ausdehnung und Zahl. Sechs davon finden wir bei H. jacchus I (Fig. 24) an den letzten Costalzacken. Die erste ist unvollständig, die zweite vollständig, die dritte überschreitet den Bereich ihrer Zacke sehr bedeutend, die zwei nächsten durchziehen je zwei Rippenzacken vollständig; die sechste liegt innerhalb der Grenzen der letzten Zacke.. Die zwei anderen Exemplare von H. jacchus besitzen eine geringere Zahl von Inscriptionen (Fig. 25, 26), welche oft einen stärker ziekzackartigen Verlauf zeigen. Die Rich- tung der Inseriptionen bei Hapale ist eine stärker descendierende, als ich es sonst beobachtet habe. ; Von den zwei Exemplaren von Cebus flavus entsprang der schräge Bauchmuskel bei dem einen an den neun letzten Rippen mit einer sehr kleinen oberen Zacke, welche von der 6. Rippe kam Über die Pectoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Sealenus-Gruppe usw. 325 (Fig. 27). Von seinen Inseriptionen wurde keine Notiz genommen, da dieselben kaum sichtbar und nicht genau bestimmbar waren. Das andere Exemplar von Cebus flavus (Fig. 28) weist zehn Zacken auf, die an der 5. bis 14. Rippe entspringen. Seine Inscriptionen sind kurz und verschieden im Verlaufe: die zwei ersten unvoll- Fig. 24. Zw. En. Fig. 25. N Scalenus medius NN N DD Obliguus thoraco- - N abdominalis x NIE externus 6 Inscriptiones- fendineae Inscriphones- tendineze \NV \\ N Hapale jacchus 5 (Nr. 545). Scalenus medius und Hapale jacchus @ (Nr. 365). Innervationen und Obliquus thoraco-abdominalis externus mit In- Inseriptionen des Obliquus thoraco-abdominalis sceriptionen. externus. ständigen haben eine descendierende Verlaufsrichtung, die drei folgenden vollständigen gehen dorso-ventral, die übrigen zwei, von denen die letzte noch dazu nach oben konvex gebogen ist, sind as- cendierend. C. apella hat von allen untersuchten Affen die geringste Zahl der Obliquuszacken, nämlich 7, welche von der 6. bis zur 12. Rippe 326 reichen. Muskels. ganzen Verlaufe des äußeren Bauchmuskels keine Inseriptiones tendineae aufweist. Inseriptionsfrei ist auch der Muskel der beiden Ateles ater, welcher an der 4. Rippe be- ginnt. Die vier 'ersten Rippen- Fig. 26. Abgesprengte obere \N\ Obvguus -Zacke tendinese | a Inscriptiones Hapale jacchus © (Nr. 619). Innervation und Inscriptionen des Obliquus thoraco-abdominalis externus. Haikanducht Tschachmachtschjan Die letzte, 13. Rippe, steht hier nicht im Dienste des Bezeichnend für dieses Tier ist es auch, daß es in dem Fig. 27. ÖScalenus medius: Oblıquus Zacke Cebus flavus 5 (Nr. 438). Scalenus medius. In- nervation und Inscriptionen des Obliquus thoraco- abdominalis, zacken alternieren mit den distalen Zacken des M. serratus anterior, wie es auch allgemein bei den obersten Zacken der anderen Formen der Fall ist. Die weiteren sechs Obliquuszacken berühren sich mit N Abgespreng!e obere Über die Peetoral- u.-Abdominalmuskulatur u. über die Scalenus-Gruppe usw. 327 solchen vom M. latissimus dorsi (Fig. 29); die Muskelfasern dieser Zacken greifen dicht ineinander und gehen stellenweise sogar direkt ineinander über. Die Übergangsstellen sind meistens sehnig markiert. Fig. 28. Sertalus. | anterior T Latıssım n | | dorsi ? || Cebus flavus 5 (Nr. 636). Scalenus medius. In- Ateles ater © (Nr. 588). Scalenus medius und neryation und Inscriptionen des Obliquus tho- Obliquus thoraco-abdominalis externus, raco-abdominalis externus, Aus der Fig. 29 können wir entnehmen, daß die letzte Obliquus- zacke nur durch sehr wenige Muskelbündel mit der 14. Rippe zu- sammenhängt. Dieser Zusammenhang fällt bei dem zweiten Aieles 328 Haikanducht Tschachmachtschjan ater weg, und die 14. Rippe. bleibt frei. In beiden Fällen aber reichen die dorsalen spärlichen Muskelfasern am weitesten caudal- wärts. Catarrhinae. Bei den niederen Altweltaffen treten zahlreiche Formen auf, welche das Verhalten des M. obliquus externus bei den Halb- affen und Neuweltaffen in den wesentlichsten Punkten wiederholen. Der behandelte Muskel zeigt bei den ersteren einen eranialen, aus einer oder selten aus zwei Zacken bestehenden Teil, deren Fasern divergierend in eine ausgedehnte mehr oder weniger stark ausge- bildete Aponeurose übergehen, welche mit der Rectus-Sehne oft untrennbar verwachsen ist und am Rande des Sternums und an den Intereostalgelenken inseriert. Der zweite größere Abschnitt des Muskels hat bei diesen Formen konstant neun Zacken, welche von der 4. bis zur letzten Rippe gehen. Die Inscriptionen sind ver- schieden an Zahl und Ausbildung. Ihre genauere Beschreibung ist hier nicht von wesentlicher Bedeutung und kann auch deshalb über- gangen werden, weil die Befunde in einem. Schema zusammen- gestellt und vorgeführt werden sollen. Viel mehr Interesse und ausführlichere Besprechung verdienen diejenigen Variationen, welche uns den Anhaltspunkt dafür geben, die oberen von der 1. und auch 2. Rippe entspringenden Muskel- zacken als sekundär vom M. obl. ext. abgesprengte Teile anzu- sehen. Bei Semnopithecus cephalopterus (Fig. 30) haben wir einen Fall vor uns, wo sich der schräge Bauchmuskel kontinuierlich bis zur 1. Rippe hinauf fortsetzt. Von den zwölf Rippen beteiligt sich an der Zackenbildung nur die letzte nicht. Von den unteren gleich- mäßig ausgebildeten Rippenzacken besitzen nur die drei letzten je eine kleine, nach oben konkave und mehr dorso-ventral gestellte Inseription. Die Zacken von der 3. und 4. Rippe alternieren mit denen des M. scalenus medius. Die vierte Obliquus-Zacke besteht aus .zwei Portionen: einer kleinen, feinen und einer größeren, starken, welche den distalen Scalenus-Zackenursprung zwischen sich fassen. Die Aponeurose des Muskels, die ebenfalls ein einheitliches Gebilde ist, erlangt auf Kosten des Muskels bei den untersuchten Exemplaren von Semmopithecus cephalopterus, besonders an ihrem eaudalen Abschnitte, eine sehr bedeutende Breite, weshalb auch der Über die Peetoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Sealenus-Gruppe usw. 329 Muskel an der erwähnten Stelle ein keilartiges Aussehen be- kommt. Fig. 31 zeigt den Obliquus externus eines anderen Individuums gleicher Species. Hier sehen wir zum ersten Male, daß die Zacke Fig. 30. Fig. 31. \ Scalenus NN _Scs/enus medius \ /zedivs £ > Obliguus fhoraco - \SIEN abdaminalis exk Obliguus !horaco- /abdominalis ext. fabgeschnitten) Il zr\ 1%, Semnopithecus cephalopterus (Nr. 267). Scalenus Semnopithecus cephalopterus © (Nr.316). Scalenus medius und Obliquus thoraco-abdominalis exter- medius. Obliquus thoraco-abdominalis mit In- nus mit Inseriptionen. neryation und Inscriptionen. von der 1. Rippe fehlt. Diejenige der 4. Rippe ist sehr gut aus- gebildet und drängt sich mit ihrem eranialen Teile in die Scalenus- Muskelmasse ein, welche ebenfalls an dieser Rippe ihren Ursprung nimmt. Die drei kleinen Inscriptionen an den letzten Zacken durch- ziehen den größeren Teil der Zackenbreite. Die obere Inscription Morpholog. Jahrbuch. 44. 22 330 Haikanducht Tschachmachtschjan ist gerade und dorsoventral gerichtet, die anderen sind nach oben hin konvex und zeigen eine ascendierende Richtung. Die mittlere Inseription ist dadurch ausgezeichnet, daß sie mit ihrer dorsalen Spitze den ventralen Rand der von der 12. Rippe kommenden Zacke berührt. An der 12. Rippe, dem Ursprunge der letzten Costalzacke genähert, entspringt ein Teil des M. latissimus dorsi. Neben diesem Befund eines einheitlichen Muskels sind mir von anderen niederen Altweltaffen solche bekannt geworden, wo sich einige Zwischenzacken auf dem Wege einer starken Reduction befinden. Einen solchen Zustand zeigt am besten Macacus cyno- molgus IL (Fig. 32). Hier sehen wir, wie sich die Muskelbündel der dritten, vierten und ein Teil der fünften Rippenzacke durch sehr zarte Ausbildung von den übrigen benachbarten unterscheiden. Bei ähnlichen Fällen finden wir die vollständige Trennung des kleinen eranial gelegenen Obliquus-Abschnittes von der übrigen Masse schon eingeleitet, die bei den zuerst besprochenen Formen schon verwirk- licht war. Aus dem geschilderten Tatsachenmaterial dürfte die Folgerung zu ziehen sein, daß das Verhalten des Obliquus ext. bei Semno- pithecus cephalopterus einem primitiveren Typus entspricht, und daß von einem solchen die Verhältnisse der anderen Katarrhinen, Platyr- rhinen und Prosimier abgeleitet werden können. Die Annahme einer Umkehrung des phylogenetischen Entwicklungsganges, so daß etwa hier fehlende Rippenzacken des Obliquus sich dort sekundär gebildet hätten, kann nicht zugegeben werden, weil sonst neben anderen Gründen jenes Sehnenhäutchen, das wir als Relikt der Obliquus-Aponeurose zwischen dem oberen und unteren Muskelteil auffassen, kaum verständlich zu machen wäre. Hylobates. Obschon wir gerade über diese Primatengruppe einige ausführliche und grundlegende Studien vor allem G. Ruge! und KOHLBRUGGE? zu verdanken haben, so wird es doch nicht über- flüssig sein, auch an dieser Stelle kurz über die zwei von mir unter- suchten Individuen von Hylobates syndactylus einiges zu berichten. Bei diesen zeigt der M. obliquus ext. keine Spur von Inscriptiones tendineae und ist nur auf die distalen Rippen beschränkt. Seine proximalen Rippenzacken sind bis auf die erste verschwunden, des- gleichen der entsprechende Abschnitt der Aponeurose. Die vor- 1 G. RuGe: Anatomisches über den Rumpf der Hylobatiden. 2 KOHLBRUGGE: Muskeln und periphere Nerven des Genus Hylobates. Über die Pectoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Scalenus-Gruppe usw. 331 handenen Costalzacken kommen in einem Falle von der 4. bis 13,., in dem anderen von der 5. bis 13. Rippe. An den 4 bis 5 letzten Rippen entspringen sie teilweise muskulös, teilweise sehnig und be- ‘ziehen daneben Muskelfasern auch von den Intercostalfaseien. Die Muskelfasern von der 15. Rippe (Fig. 33) verlaufen fast senkreeht längs der Körperachse, diejenigen der Fascia lumbo-dorsalis sind auf ein Minimum redueiert und inse- rieren mit den dorsalen Fasern der letzten Rippenzacke an dem Rande des Darmbeinkammes, wo derselbe seine größte Krümmung erreicht. Bei Hylobates syrdactylus Fig. 33. Fig. 32. \ Obliquus Ihoraco - 1. / @bdominalis ext. Obliguus tharaco Alm! Ha abdominales ANAL GnereTRHAN? br ll In} Yu Nil, m [N I ‚Ni NMHRSSRATEETELNT) \ N ln Scalenus medius (Ansatz) Macacus cynomolgus 5 (Nr. 507). Thoracale Hylobates syndactylus © (Nr.210). Scalenus me- Partie des Obliquus thoraeo-abdominalis externus. dius und Obliquus thoraco-abdominalis externus. grenzen die Rippenursprünge des Muskels an diejenigen des Latissi- mus dorsi in der Weise an, wie es für Ateles ater oben angegeben war, nur betrifft dieser Modus hier eine größere Zackenzahl. Um die Ergebnisse des Vorhergesagten noch einmal kurz und übersichtlich vorzuführen, ist die Tabelle 3 hergestellt worden. Jede der schmalen, senkrecht gestellten Reihen repräsentiert den Mus- eulus obliquus thoraco-abdominalis bei einem Individuum, jedes numerierte kleine horizontale Feld entspricht einer Rippenzacke. Die schwarzen Felder bezeichnen fehlende Zacken des Obliquus und die schraffierten Partien geben den an der Fascia lumbo-dorsalis ent- 22* Haikanducht Tschachmachtschjan 32 3 Tabelle 3. [3 ” er * Y [3 Prosimiae Platyrrhina Catarrhina ee nl —— nn a ER ro ie) Ps a ee N o w 4 - Ol 9 0) Cr 24 0 2 O1 6 ke a Be Cd: Ben En er Ba OENB a ee ae re Ne ee 3 - = 0.08 Dit WR u u : : ; : Bu a Mr ei Fa are 5 g RB) © 3 B EB 5 53 m 2 - m em e = [=] =] E @ E n n m © om ee = a ne | en) E 8 © 2 z 5 5 © g S a is S.8 a” © Sr „OmmaeRere R-} en _ RB 5 = >| o a In) a = = =] au s = A e = = je = x 3 . . m [7 % 3 & 5 = - EN n = e & 3 n n ® . S 5 5 5 5 5 E ei 2 au S g S E Ss -} N .S h R ? D Le ® © =) A x = £ = R R 5 “ Obliquus-® 2 98 = E ana re BENEE re Sg S o S 3 B > 2 Be DEE VErlEakım = Zacke ae © © 5 3 SS 90 ® © =. = (e) es! = = = S oO Ö ® ® a Ka ® 5 KK er Tee Etage Kol Erle ED De | a er) Pen FE U ne nes 4 Ras BESTE TREE THE 0 E H y = - s | - plane {- ve en f = 3 Far 4 Kr a Lt s | BEE 6 7 8 3 el 7 Fa 7 a et 72 DB, 73 PD 7% 77 dr 7 DD, DELL 76 zw Die senkrechten Reihen repräsentieren den Obliquus thoraco-abdominalis externus bei einzelnen Individuen. Jedes durch 1—18 numerierte kleine Feld der horizontalen Reihen entspricht einer Rippenzacke. Wo diese letzteren fehlen, wurde die Stelle schwarz gehalten. Die schraffierten Partien geben den an der Fascia lumbo-dorsalis entspringenden Teil des Muskels an. Ein — bedeutet, daß die sehnige Inscription die betreffende Muskelzacke nicht in ihrer ganzen Breite durchsetzt. Die Zacke vollständig durch- ziehende Inseriptionen sind durch ein + bezeichnet. -+--+- stehen, wenn die Inscription zwei benachbarte Zacken durchsetzt, und +-+-—, wenn dieselbe in den Bereich der dritten kopfwärts gelegenen Muskelzacke mehr oder weniger eindringt. Mit den Zahlen XIV, XV, XVI und XVIII wurden die letzten Spinalnerven angedeutet, welche noch in den Muskel eintreten. Über die Pectoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Sealenus-Gruppe usw. 333 springenden Teil des Muskels an. Die Höhe der schraffierten Vier- ecke variiert bei den verschiedenen Formen wesentlich; sie ist sehr unbedeutend bei Aylobates syndactylus und einem Ateles ater. Bei dem zweiten Exemplar von Ateles ater fehlt die schraffierte Partie in dieser Darstellung ganz, da hier die letzte Rippe sich dem Darm- beinkamme sehr stark nähert. Die verschiedengradige Ausbildung der Inseriptionen ist eben- falls zum Ausdruck gebracht. Ein Strich (—) bedeutet, daß an der entsprechenden Rippenzacke die sehnige Inseription keine voll- ständige ist, d. h. sie durchzieht die Muskelzacke nieht in ihrer ganzen Breite; wo dies dagegen der Fall ist, steht ein Kreuz (+). Durch mehrere Kreuze nebeneinander sind diejenigen Inseriptionen bezeichnet, welehe ebensoviele benachbarte Costalzacken vollständig durehsetzen, und eine Kombination dieser beiden Zeichen soll an- deuten, daß die betreffende Inseription die gegebenen (eine, zwei oder drei) Zacken ganz durchquert und in die nächste kopfwärts selegene hineinragt. Die Zwischensehnen stehen zueinander in gleichmäßigen Abständen, welche der Breite eines Intercostalraumes ungefähr gleich sind, und entfernen sich um so mehr vom Ursprunge der entsprechenden Rippenzacke, je weiter sie caudalwärts zu liegen kommen. Die Distanzwechsel zwischen den Zackenursprüngen und ihren Inseriptionen sind in der Tabelle 3 nicht berücksichtigt worden, um dieselbe nieht komplizieren zu müssen. Zu ersehen ist aber, daß die letzteren sich mehr im mittleren Teile des Muskels lokali- sieren, und daß diejenigen an den caudaler gelegenen Rippenzacken in der Regel auch die längsten sind. Daß diese Sehnenstreifen analog denen des M. reetus den metameren Charakter des Obliquus verraten und Reste der Myosepten der niedersten Wirbeltiere dar- stellen, ist schon lange bekannt. Die Verhältnisse wurden besonders von O©. SEYDEL bei verschiedenen Säugetiergruppen sehr ausführlich studiert. Er zeigte, wie man die Obliquus-Inseriptionen der höheren Säugetiere von solehen ableiten kann, die den Muskel vom dorsalen bis zum ventralen Rande durchziehen. Solche durch den ganzen Muskel durchgehende Inseriptionen waren bei keinem bis jetzt unter- suchten Säugetier angetroffen worden, sind aber bei einer hypothe- tischen Ausgangsform (Seyper) leicht annehmbar, aus welcher dann die bekannten Zustände hervorgegangen zu denken wären. Diese zeigen uns verschiedene Stadien der Rückbildung der sehnigen In- seriptionen, welche bei einigen Säugern ganz vernichtet wurden. Dieser Eliminations-Prozeß ist nach O. Srypert bei vielen höheren 334 Haikanducht Tsehachmachtschjan Säugetiergruppen noch tätig und realisiert sich nach drei verschie- denen uns hier nicht näher interessierenden Modi. Wie es auch aus den vorgelegten Skizzen hervorgeht, sind die Sehnenscheiden bei den hier besprochenen Primaten im großen und ganzen sehr weit vom ursprünglich primitiven Zustande entfernt. Nur eine Inseription bei Nyceticebus tardigradus (Fig. 19) erreichte fast die ventrale Aponeurose des Muskels, doch können mehrere Inscriptionen bei Zemur rufus (Fig. 23) und Hapaliden (Fig. 24, 25) angeführt werden, die sich dem Rande des Obliquus sehr näherten. Innervation. Wenn es auch nach dem oben Gesagten nahe- liegt, die Inseriptionen als Reste der Myosepten aufzufassen, so muß doch die Tatsache festgehalten werden, daß ihnen nicht immer die Bedeutung von Grenzscheiden zwischen nachbarlichen Segmenten zukommt. Die genaue Untersuchung der den Obliquus in seinem ganzen Verlaufe versorgenden Spinalnerven zeigt, daß der neuromere Aufbau hier nicht immer mit der äußeren Gliederung des Muskels zusammenfällt, welche neben Inscriptionen auch in den Rippenzacken ihren Ausdruck findet. Das trifft bei den obersten inscriptionsfreien Rippenzacken zu, die durchgehend von einem einzigen gleichwertigen Spinalnervenast! innerviert werden. Vielfach drücken auch mit Sehnenstreifen versehene Rippenzacken die Neuromerie aus, neben solchen, an deren Bildung eine ganze Reihe von Neuromeren sich beteiligen. Im folgenden sollen diese Verhältnisse an Hand der Figuren in sehr kurzer Fassung angeführt werden, da eine bedeutend aus- führlichere und genauere Betrachtung dieses Gegenstandes sich bei OÖ. SEYDEL in seiner oben schon erwähnten Arbeit findet. Vorausgeschickt muß noch werden, dab der Nervenverlauf nur so weit aufgezeichnet worden ist, als derselbe mit einer gewöhn- lichen Handlupe zu sehen war. Auf seine mikroskopische Unter- suchung wurde wegen großer technischer Schwierigkeiten verzichtet. Prosimiae. Bei Nyeticebus tardigradus (Fig. 34) kamen die Nerven der Zacken der 1. und 7. Rippe nicht zum Vorsehein. Die 8., 9. und 10. Rippenzacke bekamen je einen entsprechenden Spinal- nervenast. Die nächstfolgende besaß den gleichwertigen Spinalnerv und einen kleinen Ast vom caudalwärts anschließenden. Die Zacke der 12. Rippe wurde von dem 12. und 13. Nerv versorgt. Die ! Die Spinalnerven wurden stets bis in den Stamm eines Intercostalnerven hinauf verfolgt (RuGE 1903). Über die Pectoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Scalenus-Gruppe usw. 335 Innervation der drei letzten Rippenzacken wurde von je zwei tiefer liegenden Nerven übernommen, ohne daß diejenigen Nerven sich daran beteiligten, welche zu den Rippen gehörten, von welchen die Zacken je entsprangen. Hier haben wir eine innere Verschiebung der Muskelfasern vor uns, welche zeigt, daß die 13., 14., 15. und Fig. 34. MH Scalenus medius Obliguus thoraco- re N abdomimnalıs esternus Ab hgesprengfe obere Oblıguus -Zacke N] _/nseriptiones tendineae Zwischen Sehnen Nycticebus tardigradus @ (Nr. 352). Scalenus Galago garnetti 5 (Nr. 691). Scalenus medius medius. Innervation und Inscriptionen des Obli- Innervation und Inseriptionen des Obliquus tho- quus thoraco-abdominalis externus. raco-abdominalis externus. 16. Neuromeren um eine ganze Rippe hinaufgerückt sind, und daß an der Bildung der hinteren Rippenzacken jedesmal zwei Neuro- meren teilnehmen. Die lumbale Partie des Muskels wurde vom 18., 17. und vielleicht auch vom 16. Nerv innerviert. Von den Inseriptionen hatten nur die erste und die letzte die Bedeutung einer Segmentscheide. Bei Galago garnetti (Fig. 35) konnte die Inner- 336 Haikanducht Tschachmachtschjan vation der 1. Rippenzacke nicht festgestellt werden. Die Zacken von der 5., 6. und 7. Rippe erhielten je einen Intereostalnerv. Bei der nächstfolgenden Zacke ist die Kopfwärtsbewegung der Neuro- meren um eine Rippe erst angedeutet, während die Neuromeren der 10., 11., 12, 15. und 14. sie schon beendet haben. Nur die von der 8. und 9. Rippe entspringenden Zacken und die obere Hälfte des von der Lumbalfascie abgehenden Muskelteiles haben hier eine doppelte Innervation. ; Der erste Intereostalnerv bei Lemur catta beteiligt sich an der Bildung des Plexus brachialis und tritt nicht durch den entsprecehen- den Intereostalraum hindurch. Er biegt aber um den oberen Rand der 1. Rippe und erreicht auf diesem Wege die an dieser Rippe ent- springende Obliquus-Zacke. Die Zacken der 4., 5., 6. und 7. Rippe (Fig. 22) verhalten sich wie die oberen bei den vorher besprochenen Tieren. Die folgende scheint aus zwei ganzen Neuromeren zu be- stehen, und die weiteren sind ebenfalls wie das 9. Neuromer um eine Rippe am Skelet vorwärts gerückt; sie zeigen einen gemischten Charakter. Die Innervation der ersten abgesprengten Zacke bei Lemur rufus vollzieht sich in gleicher Weise, wie bei L. catta konstatiert wurde. Die Zacken von der 5. und 6. Rippe (Fig. 23) bekommen Je einen entsprechenden Spinalnervenast; die Zacke von der 7. Rippe ist ein Diplomer, da das 8. Neuromer, wie auch die übrigen darauf- folgenden, um eine Rippe höher verschoben und mit der 7. ver- schmolzen ist. Das 9. Neuromer deckt sich mit der 8. Rippenzacke; zu dem 10. gehört der Teil der von zwei Inscriptionen getroffenen 9. Rippenzacke, der von der 9. Rippe selbst bis zur ersten In- sceription zieht und von dieser wiederum zur zweiten Inseription und bis zur Aponeurose reicht. Der 11. Nerv innerviert die zwei oberen Teile der durch zwei Inseriptionen in drei Abschnitte zerlegten 10. Rippenzacke und auch den unter der zweiten Inseription be- findlichen Teil der eranial gelegenen Rippenzacke. Der 12. Nerv verhält sich dem vorhergehenden ähnlich. Der 13. versorgt die ganze 12. Rippenzacke und das dritte in die Aponeurose auslaufende Stück der vorletzten Rippenzacke. Die ventralen Absehnitte der drei längsten Sehnenstreifen können bei diesem Tier als Segment- grenzen angesehen werden. Der von der Lumbalfaseie entspringende Teil des Obliguus wird vom 14. Nerv innerviert, vielleicht auch vom 15., welcher ihn durchbohrt. Platyrrhinae Zu der 'Zacke von der 1. Rippe tritt bei Über die Peetoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Salenus-Gruppe usw. 337 Hapale jacchus 1 der 1. Intereostalnerv. Die Zacken der 4., 5. und 6. Rippe (Fig. 36) entsprechen den Neuromeren; die nächste Zacke ist ein Diplomer, bei dem der 7. Nerv den über der Inseription liegenden Teil innerviert, während der 8. unterhalb desselben sich Fig. 37. Fig. 36. IN Scalenus medius Scalenus medius = Oblıguus thoraco- abadominalis Zwischen Sehnen SZwischen- Sehnen \ | \ Ka j | alkeiezeilirt: Hupale jacchus 5 (Nr. 545). Scalenus medius. Cercopithecus mazwellüü © (Nr. 681). Sealenus Obliquus thoraco-abdominalis externus mit In- medius und Obliquus thoraco-abdominalis exter- nervation und Inscriptionen. nus mit Innervation und Inscriptionen. auflöst. Die von hier caudalwärts gelegenen Neuromeren sind um ein Segment kopfwärts verschoben und berühren das Gebiet von zwei bis drei Costalzacken. Die drei letzten Inseriptionen grenzen die vier letzten Neuromeren, wenn auch unvollständig, voneinander 338 - Haikanducht Tschachmachtschjan ab. Bei H. jacchus IL (Fig. 26) verhalten sich die Zacken von der 4., 5. und 6. Rippe gleich denjenigen von H. jacchus I. Die nächst- folgende Zacke stellt zwei längs verschmolzene Neuromeren dar. Die weiteren zwei werden von je einem Nerv versorgt, welche unterhalb einer tiefer befindlichen Rippe durchtreten. Der 11. Nerv tritt zu der 10. Rippenzacke, der 12. zum oberen Teile der 11. und unteren Teile der 10. Rippenzacke. Der 13. löst sich in der letzten Zacke und am Endstück der vorletzten auf. Der 14. steht im Dienste des von der Lumbodorsalfaseie kommenden Muskelteiles. Der letzte Sehnenstreifen scheidet zwei benachbarte Nervengebiete ab. Hapale jacchus IIL (Fig. 25) unterscheidet sich von den zwei anderen hauptsächlich dadurch, daß hier die eraniale Verschiebung ‘der Zaekenursprünge um eine Rippe tiefer beginnt, und daß die oberste Zacke von dem 2. Intercostalnerv durchbohrt und vielleicht auch innerviert wird. Das Suchen nach dem 1. Intercostalnerv war erfolglos. Den untersuchten Hapaliden, bei denen am Aufbau mehrerer \ippenzacken eine ganze Reihe von Neuromeren sich beteiligen, können zwei Exemplare von Cebus flavus entgegengestellt werden, wo nur die 9. Rippenzacke von zwei Nerven an der Stelle ver- sorgt wird, an welcher die eraniale Verschiebung des Muskeis sich einstellt. Außerdem erhält die vorletzte Zacke des mit Inscrip- tionen versehenen Cebus flavus einen kleinen Zweig des 15. Nerven. Für Ateles alter konnte festgestellt werden, daß die letzten in den Obliquus eintretenden Spinalnerven sich in den Muskelfasern Je einer höher gelegenen Rippenzacke verzweigen und parallel der Faserung verlaufen. Catarrhinae. Unter den niederen Catarrhinen zeigen die Makaken und die Cercopitheeiden in der Innervationsart eine größere Übereinstimmung. An einem Oercopithecus mazxwellü (Fig. 37) finden wir von den Prosimiern und vielen Platyrrhinen uns bekannte Zu- stände wieder. Die an der 4. bis 8. Rippe entspringenden Obliquus- Zacken erhalten je einen der Rippenzahl entsprechenden Spinalnerv. Die von der 9. Rippe kommende Zacke stellt das Gebiet des 9. und 10. Nerven dar. Der 11. Nerv versorgt allein die kopfwärts von ihm gelegene Zacke. Der 12. spaltet sich in drei Äste, von denen zwei zur vorletzten und der dritte zur letzten Rippenzacke gehen; diese bekommt außerdem noch Zweige von dem 13. Nerv, welcher mit dem 14. und 15. Nerv die Innervation des an der Fascie ent- springenden Muskelteiles übernimmt. Eine vollständige eraniale Ver- Über die Peetoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Scalenus-Gruppe usw. 339 schiebung um eine Rippe ist am 9. und 10. Neuromer zu erkennen, bei den letzteren ist dieselbe aber nur noch eine teilweise. Ver- schiedene Stufen dieser Ursprungsverschiebungen am Skelet finden sich auch bei den übrigen untersuchten Macacus- und Cercopithecus- Formen, welche zeigen, daß diese Verschiebung auf einer wechselnden Höhe sich ein- stellen kann. Bei einigen Exemplaren von Macacus cynomolgusvragtder Obliquus bis zur 7. Rippe hinauf, AN während derselbe bei Cerco- 2 IN SER püthecus-Arten nur dieS. Rip- | pe als die höchste er- reicht hat. Der auf seine Inner- vation genau untersuchte Papio sphin« (Fig.38) weicht insofern von den eben be- sprochenen zwei Gruppen ab, als hier die Inseriptionen bei der Abgrenzung der be- nachbarten Neuromeren eine Rolle spielen. Die Spinalnerven 10 bis 13 bestehen aus zwei Hauptästen, von denen der erste sich in dem an der Rippe selbst entspringen- IN den Teile der nächst kopf- N wärts gelegenen Costalzacke N NN) auflöst, während der zweite u längere den von der In- Papio sphinx 5 (Nr. 564). Scalenus medius und Obliquus scription bis zur Obliquus- thoraco-abdominalis externus mit Innervation und In- = sceriptionen, Aponeurose ziehenden Ab- schnitt der zweitnächsten, eranial gelegenen Zacke innerviert. Somit gehören auch die beiden Hälften der durch die Sehnenstreifen hal- bierten Rippenzacke zwei verschiedenen Neuromeren an. . Semmopithecus cephalopterus nähert sich dem Verhalten von Papio sphinz, weil hier die mittelst der Inseriptionen geschiedenen Teile Fig. 38. Obliquus thoraco - abdomınalis 6 /nscriptiones tendinese \ \AAN \\ ERLLARNN RONNN \ UA AU AN 340 Tabelle. || Hylobat. Haikanducht Tschachmachtschjan Niedere Catarrhinae Platyrrhinae Prosimiae I er m Rn am a | | H1nmo | Sn — I- — Ir UM — —— ! es m — | & es „ tt aa 5 12 N Nm | a 2 je 1) aa | # mn ler ıd 19 | ı 4 m” hun BE nu Od 19) m 4 n a BEE Te | ıC +4 - r | a. | ia ar (de) —+ au -_ — HH | ınD 19 ER ee m oO id 30 | nm + a N Hu a. _ „A m OS rn al ol dee oO Se N I A E n = = FE I ie) 1 | 2 +4 rm > „| &» ei! o on DE) # | vo el oO He AHA ul | eh S H SH = en) SC IH AR an te Air = As nes So aa|TT = e „ m o es I) DO . 90 Hmm + 0 8 = Hmm a Br DT an nn Die» m _\ ı) =H an Hm mn 1 SINE: # #lo ee > 1a |o© Se I a a => en oO an 1 | Ei - | ad oe] 4087 ri | n. — > | '| oO m |» a zZ . “| > | > =) =) Ds BR © © a N Zz [e >} N 35a Mas ' 5S|% a 2 ll az .& SS — = Sale a zen IM o 2.10 ! oo + Du = DR N 5 25 Pe: © m m u = 8 oo © oo © AA AR der Rippenzacken nicht von demselben Spinalnerv innerviert werden; nur sind bei diesem Tiere die distalen End- gebiete der Nerven nicht scharf geson- dert (Fig. 31). Die Obliquus-Zacken der 1. event. der 2. Rippe waren jedesmal, wo die Innervation festgestellt wurde, von den entsprechenden Interceostalnerven ver- sorgt. Der Verlauf der Spinalnerven im M. obliquus ext. bei Aylobates syndac- tylus ist demjenigen des Ateles ater ähnlich. Zum Schlusse sei noch bemerkt, dab die Beobachtung von G. Ruck!, »dab Obliquus externus und Reectus abdominis (in der Primatenreihe) etwa im gleichen Sinne den oberen Ab- schnitt des Thorax verlassen«, dureh unser Material keine Bestätigung fin- det. Als extreme Beispiele sollen Hapale jacchus I und Semmnopithecus cephalopterus genommen werden. Im ersten Falle entspricht dem an der 1. Rippe entspringenden Rectus ein Obliquus ext., der von der 4. Rippe kommt; im zweiten steht der schräge Bauchmuskel noch in einem sehr in- differenten Stadium, währendder Rectus schon bedeutend weit distal seinen Ursprung nimmt. In dem gleichen Sinne spricht auch die nebenstehende Tabelle, in welcher die Nummern der ersten zu diesen zwei Muskeln gelangenden Nerven einander entgegengestellt sind. 1 G.RuGzs, Anatomischesüber den Rumpf der Hylobatiden. Über die Peetoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Scalenus-Gruppe usw. 341 Eine große Übereinstimmung zeigen hingegen die letzten in den Obliquus und Rectus eintretenden Nerven. 3. Musculus rectus thoraco-abdominalis. Überbliekt man die thoracale Ausdehnung dieses Muskels bei den untersuchten Tieren, nachdem man sie in größere systematische Einheiten gruppiert hat, so bemerkt man vor allem, daß einer- seits sein Ursprung innerhalb jeder Gruppe verschieden ist, daß aber andererseits mehrere Individuen verschiedener Gruppen das gleiche Bild zeigen. Mehr oder weniger gemeinsam ist allen Halbaffen, Platyrrhinen und niederen Catarrhinen, daß der Muskel durch sehnige Züge an der ersten Rippe, dem Manubrium sterni und, soweit er von dem Musculus peetoralis nicht verdrängt wird, auch am Rande ‘des Sternums entspringt. Eine Ausnahme machen Nyeticebus tardı- gradus, Galago garnetti und Ateles ater, welch letzterer mehr an die Verhältnisse bei Aylobates syndactylus erinnert. Näheres erreicht man, wenn man die Gruppen einzeln ins Auge faßt. Dabei werden wir, um Wiederholungen zu vermeiden, den Ursprung, Verlauf und die Insertion des Muskels für alle Abteilungen getrennt besprechen. Ursprung. Prosimiae. Bei Nyceticebus tardigradus und Galago garnetti entspringt der Musculus thoraco-abdominalis mit einer sehnigen Platte an der 1. Rippe, doch ist dieselbe bei ersterem schmäler, da sie nur den Rippenknorpel und seine sternale Gelenkfläche in An- spruch nimmt, während bei letzterem auch die angrenzenden Teile des Manubrium sterni und der knöchernen Rippe als Ursprungs- fläche dienen; von hier zieht dieselbe, frei an ihren beiden Rändern, muskulös werdend, caudalwärts zu ihrer Insertionsstelle. Auf den Figuren 2 und 4 sieht man aber, daß die angegebene Portion nicht der einzige Bestandteil des besprochenen Muskels ist; sondern es gesellt sich zu ihr von der medialen Seite her noch eine muskulöse Platte, die das eine Mal an der 9. Rippe, das andere Mal an der 10. Rippe ihren Anfang nimmt. Anders sind die Verhältnisse bei den drei übrigen, unter- suchten Halbaffen, den Lemuren. Als Beispiel möge die Figur 39 dienen. Hier entspringt der M. rectus thoraco-abdominalis ebenfalls sehnig an der 1. Rippe, von der ganzen Vorderfläche des‘ Manu- brium sterni, soweit sie nicht von dem Ursprung des M. pectoralis 342 Haikanducht Tschachmachtschjan besetzt ist, von dem Rande des Corpus sterni und ihren Gelenk- verbindungen mit den Rippen. Immer waren die Ursprungssehnen zu einer kontinuierlichen, mehr oder weniger festen Platte vereinigt, die in allen Fällen fast in der gleichen Höhe in einer schräg cau- do-medianwärts absteigenden Linie muskulös wird. Es ist noch zu er- wähnen, daß an denjenigen Stellen, wo die Mm. peetorales ihre, bis RE dahin in gerader Linie laufenden Ideen Ursprünge lateralwärts krümmen lassen, der Ursprung des M. reetus von dem sternalen Rande unter- brochen wird. Weiterhin bekommt er nur muskulöse Fasern, die von den hier zusammengedrängten Moraco- Rippenknorpeln entspringen. Des- halb war es auch nicht immer leicht, genau festzustellen, welche und wieviele Rippenknorpel an der Bildung der Ursprungsfläche beteiligt waren. Das enge An- einanderschließen der Rippenknor- pel am distalen Ende des Ster- nums ist auf den Figuren nicht gut zu ersehen, da ja dieselben nur schematisch durch punktierte Linien angedeutet sind. Platyrrhinae. Von den acht untersuchten platyırrhinen Affen wiederholen sechs Individuen in bezug auf Ursprung des Museulus Lemur macaco © (Nr. 579). Ursprungsstelen rectus thoraco-abdominalis am es a N I Brustkorbe dieselben Verhältnisse, wie sie bei den drei Lemuren kon- statiert wurden. Erwähnung verdient, daß bei Hapale jacchus die sehnige Ursprungsplatte schon am unteren Rande der 1. Rippe muskulös zu werden beginnt, während dies bei allen übrigen Exemplaren, wie die schematische Darstellung zeigt — Tabelle 2 — nicht der. Fall ist. Zwei Exemplare von Ateles ater, die sich Da (Ursprung) Über die Pectoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Scalenus-Gruppe usw. 343 nicht mit den obigen sechs derselben Abteilung vereinbaren lassen, sollen hier auch behandelt werden. Bei dem ersten Exemplar, Fig. 10, entspringt der M. rectus thoraco-abdominalis mit einer schmalen Sehne an der 3. und mit wenigen Sehnenzügen an der 4. Rippe; hier gehen die Sehnen in Muskelfasern über; mit solchen wird der Muskel auch von der 5., 6., 7. und 8. Rippe und vom Processus xyphoides bereichert. Entsprechendes zeigte auch das zweite Exemplar. Hier entspringt der M. rectus sehnig an der 4. Rippe, muskulös an dem 4. Intereostalraume und der 6. und 7. Rippe. Die Tatsache, daß in diesem Falle auch der Intercostal- raum dem Ursprunge dient, ist mit der Annahme leicht zu er- klären, daß die sehnige Umbildung des Muskels seiner Reduc- tion vorangeht!. Die Ursprungssehne des Muskels ist damit an Stelle dessen kontraktiler Elemente eingetreten. Auf den weiteren Stadien der Reduetion verwächst die Sehnenplatte mit ihrer Unter- lage — Rippen und Intercostalfaseie — und in der völligen Ver- schmelzung mit dem Brustkorbe findet die regressive Umwandlung ihr Ende. Als die Ursache der Umbildung des M. rectus zur Selıine, wenigstens nach dessen Lostrennung von der Halsmuskulatur, ist nach Ruges Ansicht der M. pectoralis zu betrachten, dessen Ur- sprungsbündel vom Sternum auf die Sehnenplatte des Reetus über- greifen. Mit der distalen Verlagerung des M. rectus dehnt sich die Ursprungsfläche des Brustmuskels lateralwärts über die Reetus- Sehne aus. In dieser Korrelationserscheinung ersieht RuGE einen Kampf zwischen den oben genannten Muskeln um den Raum. Von welcher Seite wird der Kampf angeregt? Wenn auch von beiden Gegnern aus diesem Prozesse Nutzen gezogen wird, so wäre es vielleicht doch nicht ganz unberechtigt, als den Angreifenden den ersteren zu betrachten. Schon aus der topographischen Lage der beiden Muskeln ist deren verschiedenartige Funktion zu ersehen. Wenn man bedenkt, daß der M. pectoralis, als zur oberen Extremität gehörig, relativ nähere und unmittelbarere Beziehungen, was seine Tätigkeit anbelangt, mit der Außenwelt aufweist und viel mannig- faltigeren Bewegungsarten sich anpassen muß, so wird man einsehen, daß er nicht gut auf einem erlangten Formzustande verharren kann und weniger konservativen Charakter aufweisen muß. Nimmt man dies aber an, so versteht man auch, warum der M. pectoralis seine ı Es ist möglich, daß, wie auch RuGE meint, der Fascie noch eine andere Genese zukommen kann. 544 Haikanducht Tschachmachtschjan Fixationspunkte zu verschieben sucht und seine Ursprungsfläche auf die Reetus-Sehnenplatte ausdehnt. Noch eine Beobachtung von RugE dürfte an dieser Stelle Er- wähnung finden und durch den Tatbestand veranschaulicht werden. Nach ihm vollzieht sich die Rückbildung des Muskels medial in be- deutend rascherem Tempo als lateralwärts. Die gleichen Verhält- nisse zeigt die Tabelle 2. Man vergleiche hier die schrägen Linien untereinander, welche von der linken Seite über die horizontalen, die Rippen andeutenden Linien nach rechts und abwärts laufen, um an den senkrecht gezogenen, das Steronm angebenden, Linien zu endigen!. Der punktierte Teil der Linie zeigt, wie weit die Sehnen- platte des M. reetus am lateralen Rande herabreicht; der kontinuier- liche Teil markiert ihre Übergangsstelle in den Muskelbauch. In allen Fällen, wo diese Stelle vorhanden, reicht sie an ihrem medi- alen Rande am weitesten nach unten, und lateral ist sie am kürze- sten. Die Reduction des Muskels hält nieht den gleichen Schritt an seinen beiden Rändern, und die dem Sternum näher gelegenen Ur- sprungsbündel sind die differenteren. Es ist wohl nicht verfehlt, als Ursache für letzteres die Tendenz des Musculus pectoralis, sein Ursprungsgebiet zu erweitern, anzusehen; muß dieser doch, um sich progressiv entfalten zu können, vor allem die an seinem Ursprunge unmittelbar anliegenden Muskelpartien verdrängen. Catarrhinae. Bei den niederen Altweltaffen finden wir uns wohlbekannte Verhältnisse wieder (Fig. 1). Die Sehne des M. reetus thoraeo-abdominalis beginnt an der 1. Rippe, an dem Rande des Sternums und den, dem letzteren eng anschließenden Rippenknorpel- endigungen; sie geht in einer von links gegen die Mitte zu ab- steigenden Linie in den Muskelbauch über. Bloß zwei Modifikationen treten uns hier entgegen, Fig. 40, 41. Einmal zeigt die Übergangs- linie des sehnigen Abschnittes in den muskulösen Teil an. ihrem lateralen Anfange einen auf- und absteigenden Schenkel. Im anderen Falle wird der Zustand dadurch noch komplizierter, daß der Sehnen- ursprung eine zweistufige Leiter bildet. Das eine trifft bei Cercopi- thecus campbelli im Bereiche der 3. und 5. Rippe zu, das andere bei Macacus eynomolgus im distalen Drittel des 2. Intercostalraumes. Es bleibt noch Hiylobates syndactylus zu besprechen, von welchem zwei weibliche Individuen untersucht wurden. Bei 1 Oft läuft die Sehnen-Muskel-Grenzlinie auf dem Schwertfortsatz aus, an welchem auch Muskelbündel entspringen können. Über die Pectoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Scalenus-Gruppe usw. 345 diesen ist die Sehnenplatte des Reetus spurlos verloren gegangen, und der Muskel besteht nunmehr aus kontraktilen Elementen, die beim ersten an der 4., 5., 6. und 7. Rippe und am Processus ensi- Fig. 40. m Pecrorelis major m (Ursprung j I Aectors/is minor H Ursprung) 2 au N Aectus Ihoraco - © | aödominalıs l 1 Pyramidalis Macacus cynomolgus Q (Nr. 254). Ursprungs- stelle der Pectorales major et minor. Rectus thoraco-abdominalis. Pyramidalis. formis, bei dem zweiten an der 5., 6., 7. Rippe und ebenfalls vom Processus ensiformis entspringen. Interessant ist, daß bei allen dreißig secierten Tieren die me- diale Ursprungslinie des M. rectus bis zur letzten sternalen Rippe hinunterreicht, und es ist mir kein Fall erinnerlich, wo dieselbe mit den vom Sternum sehon los- gelösten irgendwelche Bezieh- ungen bewahrt hätte. Fig. 41. Sehne des Rectus | /horaco-abdominalıs Cercopithecus campbelli @ (Nr. 642). Ursprung des Rectus thoraco-abdominalis. Verlauf. Der Verlauf des M. rectus- thoraco-abdominalis zeigt bei den verschiedenen Gruppen keine wesentlichen Verschiedenheiten und kann für dieselben einheitlich zur Darstellung gebracht werden. Sein gut ausgebildeter Muskelbauch zieht caudalwärts, mit seinem medialen Rande der Linea alba dicht anliegend. Die Muskelfasern verlaufen den beiden Rändern parallel und konvergieren dort, wo Morpholog. Jahrbuch. 44. 23 346 Haikanducht Tschachmachtschjan der Muskel sich verschmälert. Abweichende Verhältnisse kommen nur in den wenigen Fällen vor, wo die medialen Muskelfasern unter- halb des Sternums direkt von der Linea alba ihren Ursprung nehmen (Fig. 1). Seine größte Breite erlangt der Muskel oberhalb des Nabels, wo sieh die Knorpel der freien Rippen aneinanderlegen. Bei Aylobates 1 liegt die breiteste Stelle am Anfange des Muskels. In den meisten Fällen aber hat er eine ziemlich gleichmäßige Aus- dehnung. Die bei mehreren Autoren wiederholt beschriebenen Inscrip- tiones tendinei des M. rectus sind in einer Tabelle (d) zusammen- gestellt. Diese sehnigen Unterbrechungen, welehe durch mehr oder weniger breite, im Ziekzack verlaufende Linien repräsentiert werden, stellen auch nach RuGE Segmentgrenzen des ursprünglich meta- mer gebauten Muskels dar. Er hat für diese Auffassung eine Reihe überzeugender Momente geltend machen können. Phylogene- tisch niedere Zustände sollen diejenigen Muskeln aufweisen, welche von zahlreichen Inscriptiones tendineae durchzogen werden, während phylogenetisch höhere durch die geringere Anzalıl dokumen- tiert werden. Das zahlenmäßige Vorkommen der Inseriptionen bei verschie- denen Individuen innerhalb der angegebenen Gruppen läßt das Vor- hergesagte aus der Tabelle 5 nicht direkt ablesen. Die gleichen Variationen (in diesem Falle Zahl der Inscriptionen) kommen in allen Abteilungen vor. Nur die Hylobates-Exemplare zeigen in diesem Sinne ausgesprochen differentere Zustände; allein für einen der- artigen Vergleich sollte man nieht nur zwei, sondern eine ent- sprechende Anzahl der Individuen haben. Wie man sich die Ge- nese der Inseriptionen zu erklären hat, habe ich aus der Literatur nieht ermitteln können; es sind nur verschiedene Meinungen darüber ausgesprochen worden, ob dieselben z. B. mit den Bauchrippen zu homologisieren wären!. Die Inscriptiones tendineae durchsetzen nicht immer den Muskel in seiner ganzen Dicke; es ist vielmehr die Regel, daß sie auf der ventralen Fläche ausgeprägter sind, während auf ihrer Hinterseite die Muskelfasern benachbarter Myomeren ineinander auslaufen können. Als Ausnahme könnte die erste Inseription bei Cebus flavus erwähnt werden, die nur auf der Unterseite des Muskels siehtbar war. Ob das verschiedengradige Einschneiden der Sehnenstreifen in 1.Literatur N. N. Über die Pectoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Scalenus-Gruppe usw. 347 den Muskel eine systematische Bedeutung hat, ‘bleibt noch .dahin- gestellt. Insertion. Die Insertion des Musculus reetus-thoraeo-abdominalis liegt an dem oberen Rande des Schambeines!. Er wird am hintersten ‘Viertel allmählich — wenn auch oft sehr unbedeutend — schmäler und endet nicht selten mit einer kurzen Sehne, welche an ihrem lateralen Rande verhältnismäßig länger zu sein pflegt als median- wärts. Als Ausnahme von diesem Insertionsmodus können zwei Fälle angeführt ‘werden: Ateles ater und Hylobates syndactylus I, wo der Ansatz an der Vorderfläche des Schambeines unter Zusammen- treten der Sehnenzüge erfolgt. Besonders spitz konvergieren die Endsebnen des Muskels bei Ateles (Fig. 10), die eine kompakte Masse bilden und mit ihrer Unterlage so ‘verwachsen, daß eine Trennung der beiden Teile nicht mehr möglich wird. Von einem ähnlichen Befunde sprieht R. Fick in seinen »ver- gleichend-anatomischen Studien an einem erwachsenen Orang-Utan«. Innervation. Es wurde schon oben gesagt, daß die sehnigen Inseriptionen den segmentalen Charakter des M. rectus bezeugen; allein damit ist kein tiefer Einblick in den Bau des Muskels gewonnen. Erst dureh die genaue Feststellung der Innervationsverhältnisse bekommen wir ein richtiges Bild von ihm, und-dank der vergleichenden Me- thode der Untersuchung gelingt es auch in diesem Falle, den Weg .zu erraten, welchen der betreffende Muskel in seinen phylogenetischen Umwandlungen eingeschlagen hat. Auf Grund der Innervation, von der Annahme ausgehend, daß jedes Muskelmyotom einen selbständigen Abschnitt darstellt ‘und somit seinen eigenen Nerv besitzt, kommt man notwendigerweise auch zu dem Schlusse, daß die Zahl der Reetus-Segmente keine konstante ist. Die Neuromerenzahl scheint von den niederstehenden Formen herauf abzunehmen, wenn es auch nicht in kontinuierlicher Reihenfolge geschieht. ‘Der Verlust an den Muskelelementen wird von den beiden Enden eingeleitet, vielleicht mit dem Unterschiede, daß der Prozeß vom distalen Teile her sicherer vorwärts schreitet, während er am proximalen Teile größeren Schwankungen unter- liegt (Tabelle 5). 1 Näheres darüber -siehe bei’ dem ‘M. pyramidalis. 23* 348 Haikanducht Tschachmachtschjan In der Tabelle 5 macht sich noch ein Umstand bemerkbar. Es fallen hier nämlich auch in der Kontinuität Spinalnerven aus. Es ist also nicht nur durch das Verwischen der Inscriptiones tendineae’ ein scheinbares Zusammenfließen der Metameren möglich, sondern ein Verschmelzen kann oft auch dadurch erreieht werden, daß die Innervation zweier angrenzender Myomeren ein Spinalnervenast übernimmt. [Es wäre interessant, feststellen zu können, worauf die Ab- lenkung der dem Rectus angehörenden Nervenäste beruht.) Der 5., 6., 7. und 8. hier und da fehlende Nerv sind auf der Tabelle 5 mit einem Kreuz (x) bezeichnet, wobei fragliche Fälle nicht mit berücksichtigt wurden. Über die Verteilung der ver- mißten Spinalnerven bei den verschiedenen systematischen Ab- teilungen gibt die folgende Übersicht eine Vorstellung: Die in der Kontinuität ausgefallenen einen v. VI vo. VI. Bei den Halbaffen OBERE er E73 79 - - Neuweltaffen . 0 Bea - - niederen Altweltaffen 1 "Ba - - BHylobates 0.0 Die Anzahl der zum Rectus gelangenden Nerven und der In- seriptionen zeigt keine korrelativen Beziehungen: ihren Reduetions- weg gehen sie unabhängig voneinander, was auch der Tabelle 5 zu entnehmen ist. Noch demonstrativer dürfte aber die folgende Zu- sammenstellung sein, wo einer jeden, bei einem Individuum auf- tretenden Inseriptionsanzahl die Anzahl der mit ihr auftretenden Spinalnerven angereiht ist. Anzahl der In- Anzahl der mit ihnen kombinierten Spinalnerven scriptionen Ber le) ei 6 6-77 889 —-- — —- —- 1-12 — — — 7 6-7 — 8 — 9-10 10 10—1111 11—12 12 12-1313 8 — — — — 9-10 10 10-1— 0 2— 1212-13 — Es zeigt sich also die gleiche Regellosigkeit im Auftreten der Inseriptiones tendineae. Es hat sich in der ganzen Serie der untersuchten Tiere kein Abschnitt des Muskels seine primären Segmentgrenzen unversehrt bewahrt. Trotzdem kann es nicht unbeachtet bleiben, wie auch Über die Peetoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Scalenus-Gruppe usw. 349 G. RugE meint, daß die Veränderungen am Mittelstück am spätesten auftreten. Die Auflösung der einzelnen Inseriptionen hat man sich in der Weise vorzustellen, daß die zunächst geraden Sehnenstreifen einen Ziekzackverlauf annehmen; nachher werden sie, unter weiteren Ver- schiebungen von Muskelbündeln, zerstückelt, durchziehen den Muskel nicht mehr in der ganzen Breite, und so ist ihre Rückbildung in vollem Gange. Mit dem Verschwinden der letzten Sehnenspuren ist auch die Verschmelzung der Nachbar-Myomeren vollendet (RuGE). Damit wäre also die Polymerie der Endabschnitte des Muskels ge- deutet. Während die Polymerie für die distalen und proximalen Partien des Muskels bezeichnend ist, findet man in seiner Konti- nuität Diplomeren. Die Tabelle 5 gibt auch darüber Kunde. Bei der Betrachtung derselben ergibt sich, daß die Lage des Nabels in bezug auf die Rectussegmente variiert und zwar so, daß sich der Nabel mit der Verkürzung des Rumpfes allmählich, entlang der Linea alba, in die Höhe verschiebt. Diese Verschiebung des Nabels soll — nach Ruges Auseinandersetzungen — nur als eine Lagerungs- veränderung zu den Teilen des Rectus aufgefaßt werden; es ergibt sich also, daß sich der Reetus selbst nach abwärts bewegt, indem er seine distalen Segmente einbüßt. Es könnte demnach wahr- scheinlich sein, daß bei der gegenseitigen Verschiebung der beiden genannten Teile der Nabel seine ursprüngliche Lagebeziehung (zu den Körperteilen) strenger bewahrt. Um diese von G. RuGE ge- machte Vermutung nachzuprüfen, wurde die folgende Relationstabelle (S. 350) hergestellt. Die Tabelle zeigt, daß — bei den Halbaffen, Platyrrhinen und Catarrhinen — die relative Höhe des Nabels keine konstante ist, und daß, je weiter sich der Nabel vom Schambeine entfernt, ein um so höherer Spinalnerv seiner Lage entspricht; das will sagen, daß sich der Nabel und die Muskelsegmente entgegengesetzt be- wegen: der Nabel kopfwärts, der Reetus schwanzwärts. Nachdem das Wichtigste über die Innervation des Muskels mit- geteilt wurde, erübrigt es noch, einiges über den Verlauf der Rectus- Nerven im Bereiche des Abdomens zu sagen. Sobald sich die Rippen aus dem Verbande mit dem Sternum losgelöst haben und frei in die Körperwandung hineinragen, ver- lieren die Spinalnerven ihren intereostalen Charakter und verlaufen sodann zwischen den breiten Bauchmuskeln, und zwar zwischen dem Obliquus internus und transversus abdominis. Nur in einem Falle — 350 Haikanducht Tschachmachtschjan: Tabelle 4. Relative Lage des Nabelhöhe Nabels auf den zwischen‘ Absolute Absolute Rumpflänge | Nabelhöhe he in Rumpf bez. |den Nerven m a m Halbaffen. Nyeticebus tardigradus Q . . .. . 170 73 42,90 14—15 Galago: garnelii: Si... -: sen ri nee 159 12—13 EEE TED DEE RER 242 108 44,7 10—11 2.7 TIMOCHND e Ene r Verker din: 251 123 49,0 | 10-11 RN a AR > Ne 245 109 44,4 11-12 Platyrrhina. Hopale yaeehus.- I 2. nn. es 122 32? 26,2 11—12 - ZEN 1 a 5 a > N 132 52 39,4 | 10-11 - =) PART OR N. ER! 134 54 40,4 | 10-11 Cebite: Aarus 75, iR de 258 83 32,1 11—12 25 BE len Gh Den hingen a ee 155 42 27,0 10—11 2 TIRRUSFIL .&; Sarg 194 65 33,5 10—11 Aleles ter 12O022 20 ee, 208 ? u - REIT I Te 207 ? — Catarrhina. FOREN EEE RR M 446 154? 34,5 m12 12 BE RDRÄESN NE SEH a e 250 90 36,0 11—12 Macacus eynomolgus IQ... .. 240 96 40,0 14-12 5 - a 200 79 39,5 11—12 - - Il Or Er 220 78 35,4 10—11 - - IVaaR TE 185 72 38,9 11—12 - - SE. 167 62 371 11—12 Cercopithecus campbeli Q . ». . . . 249 96 38,5 11—12 - maawellü Q-. - .-.. . 260 .95 36,5 11—12 - pygerythrus & . . . . 273 75 27,4 11—12 - eynosurus 9. . .. . 277 95 34,2 11—12 - PÜBBENLAFNIE NEN 270 97 35,8 11—12 Semnopithecus cephalopterus 1 . . . 288 132 45,8 9—10. 5 - N S2= 3% 205 105 51,2 9—10 - - HTTO%. 3 340 151 44,4 10-11 Hylobates syndaetylus IQ... .. 337 202? 30,2? —— - - 1 Once 232 93 40,0 11—12 bei Galago garnetti — verliefen die Nerven zwischen dem Obliquus externus und Obliquus internus. Die zunächst mehr transversal ziehenden Rami ventrales der Spinalnerven nehmen ausgesprochen schrägen Verlauf an, weil die diesen Nerven zugeteilten Rectus- segmente im Verhältnis zu den ihnen zugehörigen Skeletabschnitten eine mehr distale Lage einnehmen (Ruck). Über die Pectoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Scalenus-Gruppe usw. 351 Die Eintrittsstellen der Nerven in den Muskel bilden eine Linie, die in der Brustgegend medianwärts gerichtet ist, nach unten hin sich aber mehr dem lateralen Rande des Muskels nähert, ohne den Rand zu erreichen. Die meisten von den Spinalnerven, welche den M. rectus- er- reichen, spalten sich vor ihrem Eintreten in zwei oder mehrere Absehnitte; doch ist diese Spaltung nicht an besondere Körper- regionen gebunden, kommt aber an den untersten häufiger vor. Oft versorgt so ein gespaltener Spinalnerv zwei durch einen Sehnenstreifen getrennte Nachbar-Myomere. Eine hinreichende Er- klärung dafür muß noch erbracht werden, wenn man daran fest- halten will, daß der Nerv und der Muskel in ihren gegenseitigen Beziehungen keinem Wechsel unterworfen sind (Tab. 5 S. 352). 4. Der Musculus pyramidalis. Der M. pyramidalis tritt uns in der allgemein bekannten Form bei den untersuchten Affen nur bei den niederen Catarrhinae entgegen, und zwar bei Semmopithecus cephalopterus (1mal), bei Cercopithecus pygerythrus (lmal) und bei Macacus eynomolgus (3 mal). In allen diesen Fällen liegt der M. pyramidalis auf der ventralen Fläche des M. rectus, entspringt am Schambeine dicht vor dessen Insertion und richtet seine Muskelfasern median- und aufwärts gegen die Linea alba, ein verschieden hohes Dreieck bildend. In den meisten Fällen erreicht die obere Spitze des- M. pyramidalis nur die unterste Inseriptio tendinea, kann noch höher bis zu der zweiten, und: dritten Inscription emporsteigen, erlangt aber nie den Nabel. Der M. pyramidalis wird im allgemeinen von den Inscriptionen, die den geraden Bauchmuskel unter ihm quer durchzielien, nicht be- rührt, doch war dies einmal bei dem Macacus cynomolgus der Fall. Unter den übrigen Exemplaren dieser Abteilung entbehren zwei Individuen — Cercopithecus campbelli und Cercopithecus patas — des genannten Muskels ganz, und die anderen zeigen ihn in Modifikationen. So zZ. B. zeigt Macacus ceynomolgus (Fig. 42), dessen Pyramiden- muskel bis zur letzten Inseription reicht, daneben noch einen Muskel- streifen, welcher statt schräg an der Linea alba zu inserieren, zu der nächsten Inseription hinaufläuft, um dort sein Ende zu nehmen. In einem anderen Falle (Fig. 43) löst sich ein Muskelstreifen an der distalen Partie ganz von dem M. recetus los und vertritt allein hier den Pyramidalis. Ähnliches zeigt uns Oercopithecus cynosurus; nur I TEE VEREREREEREEEIRERFESSSSSHEREEREEEE ET EEE ET TE u. _ = . ® = Prosimiae Platyrrhina Catarrhina m a EN, — = — U BE ee a a OFEN 23 O6 7.80:.2,0 0 80 a “© or. © un 8 f} = a es 2 >} 2 ei | di is) $ ; . N R 5} > i be) Ohr pen nn 8 3 9 a = 5 a a = ala U = GEBE = Baal = Dale. - Bi 1087 2 s5 8 E® Ss so sa sIt 8 aa a EB EL ae an Ser Sehe ie ME Ken Pe = EEE - a = ee - a3 8 3 =] © m KSIOh be) In) [1 & == [=] er = = [=] a S = 8 = 1 . lem] in = HER: o) S „ot » om 28- 85 „u > Sg 7 = = = o 5 = o a ee Ss = 84 re > = an {=} 3 Ge ri ar Be = B & 3 ö R STEur 0 ; s es 58 u un ee a ae Dan re a ee IE ee Spa 8 5 5 & 8 8 EN) ) © S - 8 & 8 8 S S 8 og © °H 5 © on ann > > ke) ae Balfee Wikia EEE SS IE a A ne Heel emo. oT BAND. 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Wo sich die letzteren bei der Eintrittsstelle spalten, werden die entsprechenden Zahlen wiederholt angegeben, und wo ein Fragezeichen steht, konnten dieselben nicht mit voller Sicherheit nachgewiesen werden. Kreuze (X) deuten auf ein Fehlen der Nerven in den betreffenden Abschnitten hin. Uber die Pectoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Scalenus-Gruppe usw, 353 ist der Muskelstreifen hier bedeutend schmäler und verläuft dicht neben der Linea alba. Wenn es berechtigt ist, die in dieser Abteilung vertretenen Modifikationen als eine kontinuierliche Reihe ineinander über- gehender Variationen anzusehen, so ist MECKELS Ansicht richtig, Fig. 42. Fig. 43. Rectorelis major (Ursprung, (Ursprung) 4 -Pectonalis minor (Ursprung) ) Pyramidalıs Pyramidalıs Macacus cynomolgus Q@ (Nr. 213). Ursprungs- Macacus cynomolgus 5 (Nr. 560). Ursprungs- stelle des Pectoralis major und minor. Rectus stelle des Pectoralis major und minor. Rectus mit Innervyation. Pyramidalis. mit Innervation. Pyramidalis. welche dahingeht, den M. pyramidalis als eine Bildung der ober- flächlichen Schicht des M. rectus aufzufassen!. Solange aber der 1 GApow gibt den M. pyramidalis auch als eine besondere Portion des Rectus ventralis an, die nur durch das Dazwischentreten der Ossa pubis un- vollständig vom Rectus abgetrennt wird. 354 Haikanducht Tschachmachtschjan Zusammenhang zwischen diesen Variationen nicht mit Sicherheit erkannt ist, kann man auch nicht der Meckerschen Annahme den Vorzug vor der GEGENBAURSchen geben, welche den M. pyramidalis als ein Rudiment des Beutelknochenmuskels darstellt. Sämtliehen untersuchten Platyrrhinen fehlte ein M. pyra- midalis vollständig und ebenso den Halbaffen. Die letzteren zeigen aber an ihren distalen Reetusabschnitten Verhältnisse, welche nicht unerwähnt bleiben sollen, da sie sich vielleicht doch mit den beschriebenen Pyramidalis-Variationen in irgend einen Zusammen- hang bringen lassen können. Auf den Figuren 2 und 4, die den M. rectus von Nyeticebus Fig. 44. Fig. 45. Oberflechliche Schichte TrefeSchichteN Oberflächliche Schichte des Rectus Fig. 44. Lemur macaco © (Nr. 579). Caudale Partie des Rectus thoraco-abdominalis. Fig. 45. Lemur rufus 5 (Nr. 202). Caudale Partie des Rectus thoraco-abdominalis. tardigradus und Galago garnetti in voller Ausdehnung darstellen, sieht man, daß dieser Muskel am Schambeine bei seiner Insertion zwei Schichten mit verschiedenem Faserverlaufe aufweist. Die oberste Lage des Muskels auf Fig. 2 wird an ihrem unteren Teile sehnig; auf Fig. 4 bleibt sie muskulös und inseriert teilweise am Os pubis, teilweise an der Linea alba. Von der zweiten Schicht des Muskels erhält man ein richtiges Bild, wenn man sich den Pyramidalis auf die Unterfläche des Reetus übergetreten denkt. In beiden Fällen erreicht die untere Muskellage die letzte sehnige Inseription, an welcher sie mit den lateralen Fasern inseriert, - während die medial gelegenen in die Linea alba eintreten. Bei Lemur macaco ist die Schielhtung desselben Absehnittes des M. reetus Über die Pectoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Scalenus-Gruppe usw. 355 eine andere. Bei bloßem Ansehen der Fig. 39, die uns den Rectus unversehrt vor Augen führt, wird man kaum die Existenz der tiefer liegenden Schicht vermuten. Löst man aber die laterale Partie des Muskels von den übrigen Teilen desselben und schneidet sie weg, so erhält man das auf der Fig. 44 fixierte Bild. Die gleichen Ver- hältnisse werden uns bei Lemur rufus dargeboten (Fig. 45); es kommt aber noch etwas Neues hinzu, indem nämlich ein Bündel medial gelegener, zwischen zwei Inscriptionen befindlicher Muskel- fasern von der rechten auf die linke Seite übergreift. In diesem Falle korrespondiert die letzte vollständige sehnige Inseription mit einer solchen von der anderen Seite und verschmilzt mit ihr. Innerviert wird der M. pyramidalis von den Zweigen der zum Rectus gelangenden untersten Spinalnerven. 5. Die Rectusscheide. Bekanntlich wird der M. rectus von den Aponeurosem. der: drei breiten Bauchmuskeln so eingeschlossen, daß er'in einer Art Scheide liegt. So wie diese Rectusscheide in vielen Lehrbüchern‘(z. B. GEGEN- BAUR, SOBOTTA u. a.) für den Menschen beschrieben: wird, wird sie bei keinem der hier untersuchten Tiere vorgefunden. Sie verhält sich vielmehr in den verschiedenen Gruppen — oft sogar innerhalb‘ einer derselben — sehr verschieden. Prosimiae. Bei Nyeticebus tardigradus und Galago garnetti bildet‘ die Aponeurose des M. obliquus ext. das ventrale, äußere Blatt, während diejenige des M. obliquus int. und des M. transversus ab- dominis in der ganzen Länge das dorsale, innere Blatt‘ der Scheide repräsentieren. Bei Lemur rufus liegt die ganze Sehnenplatte des äußeren Bauchmuskels ventral vom Reetus; dorsal von ihm befinden sich die Aponeurosen der zwei anderen Bauchmuskeln, welche mit ihren caudalen Abschnitten ebenfalls auf die Ventralseite des Rectus treten und mit der Aponeurose des Obliquus ext. verschmelzen. In- folgedessen wird das hintere Blatt der Rectusscheide ein unvoll- ständiges. Dadurch kommt die Bildung der vom Menschen her be- kannten Linea semiecireularis Douglasii zustande. Die DousLassche Linie, welche somit den caudalen Rand der dorsalen Taschenwand des Rectus darstellt und durch einen Sehnenbogen repräsentiert wird, befindetsich bei Z. rufus unterhalb des Nabels und oberhalb der Verbindungslinie der beiden Spinae ant. sup. des Darmbeinkammes. 356 Haikanducht Tschachmachtschjan Die Rectusscheide von Lemur macaco und L. catta verhält sich ähnlich wie die von L. rufus. Der Unterschied besteht nur darin, daß die Aponeurosen der beiden tieferen Muskeln nicht zusammen auf die Vorderseite des Rectus treten, sondern daß sich zuerst die Sehnenplatte des Obliquus int. und etwa 2em weiter unten die- jenige des Transversus spaltet. Es entstehen also in diesen Fällen sozusagen zwei Lineae Douglasii, eine oberhalb, die andere unter- halb der Verbindungslinie der beiden Spinae iliacae ant. superiores. Platyrrhinae. Hapale jacchus 1 ist das einzige unter allen hier in Betracht kommenden Tieren, bei dem die beiden Wände der Rectusscheide annähernd symmetrisch gebaut sind. Die Apo- neurose des Obl. ext. liegt vor, diejenige des Transversus abdom. hinter dem Rectus; die Sehnenplatte des Obliquus int. teilt sich noch oberhalb des Nabels in zwei Lamellen. Die obere tritt auf die Ventralseite des geraden Bauchmuskels und verschmilzt mit der Aponeurose des Obl. ext.; die untere hilft das dorsale Blatt der Scheide zusammensetzen. Keine Linea Douglasii. Die Aponeurosen des Obliquus ext. und Transversus verhalten sich bei H. jacchus II wie die des ersteren. Die Sehne des Obl. int. liegt zunächst auf der Dorsalseite des Rectus; etwas mehr als l cm oberhalb der Spina il. ant. sup. verlagert sie sich auf dessen ventrale Fläche. Bei H. jaechus IIL findet der Ursprung der Aponeurose des Obl. int. auf die Vorderseite des Rectus so allmählich statt, daß man die Stelle nicht genau präzisieren kann. Ganz unten, fast unmittel- bar vor der Insertion des Rectus am Becken, gelangt die Sehne des M. transversus abdominis ebenfalls auf die Ventralseite des Muskels. Die Rectusscheide des Cebus flavus I ist in allen Punkten der- jenigen des zweiten Hapale jacchus gleich gebildet. Die drei Muskelaponeurosen bei Cebus apella verhalten sich bei der Bildung der Rectusscheide folgendermaßen: diejenige des Obli- quus ext. liegt ventral, diejenige des Transversus dorsal. Die Sehne des Obliquus int., die sich zunächst ebenfalls dorsal befindet, wird 2 cm oberhalb der Spina il. ant. sup. doppelblätterig. Von diesen beiden Blättern tritt das obere auf die Ventralseite des Reetus und verschmilzt mit der Aponeurose des Obl. externus. Ob auch die dorsal liegenden Muskelsehnen mit ihren caudalen Enden auf die Vorderseite des Rectus zu liegen kommen, wie es bei Cebus flavus II der Fall ist, bleibt fraglich. Über die Pectoral- u. Abdominalmuskulatur u. iiber die Sealenus-Gruppe usw. 357 An der Bildung der Rectusscheide bei den untersuchten zwei Exemplaren von Ateles ater beteiligen sich die Aponeurosen der drei breiten Bauchmuskeln in dem Sinne, ähnlich wie es weiter oben für Nycticebus tardigradus und Galago garnetti angegeben wurde.. Der Unterschied besteht darin, daß hier nicht mit Sicherheit fest- gestellt werden kann, ob nicht die Endabschnitte der Sehnen, welche das hintere Blatt der Scheide zusammensetzen, nahe an der Inser- tionsstelle des Rectus, dort, wo derselbe sehnig wird, auf die Ventralfläche des Muskels treten. Catarrhinae. Im Gegensatz zu den besprochenen Halbaffen und Neuweltaffen bildet bei den Altweltaffen die ganze Sehne des Obliquus int. einen Bestandteil des ventralen Blattes der Reetus- scheide.e Die Aponeurose des Transversus abdominis hingegen besteht aus zwei Teilen. Der eraniale befindet sich dorsal, der caudale ventral vom Rectus. In einem Falle aber bei Macacus cynomolgus verdoppelt sich die Sehne des Transversus in ihrem distalen Teile und ließ nur die obere Lamelle an der Bildung des ventralen Blattes teilnehmen. Die Linea Douglasii ist hier überall ausgebildet, wenn auch nicht immer gleich scharf. Ihre Höhe ent- spricht oft derjenigen der Spina ilei ant. sup., kann sich aber auch oberhalb oder unterhalb dieser befinden. Bei Papio sphinz, Cerco- pithecus pygerythrus und Cercopithecus ceynosurus steht die DOUGLAS- sche Linie 1—1,5 cm tiefer als die Spina ant. sup. des Darmbein- kammes. Um 0,5—1,5 cm höher als dieselbe finden wir die Linea Douglasii bei zwei Macacus cynomolgus-Exemplaren und 3—3,5 em höher ist sie bei allen untersuchten Individuen von Semnopithecus cephalopterus und Hylobates syndactylus II. Das über die Reetusscheide Gesagte wurde in der Tabelle 6 zu- sammengefaßt. Die Brüche beziehen sich auf die Blätter der Rec- tusscheiden; und zwar geben die Zahlen über dem Bruchstrich die Anzahl der Blätter der Ventralseite an, diejenigen unter dem Bruch- strich die Anzahl der Dorsalblätter. Die Bogenlinie stellt jedesmal die Linea Douglasii vor. Mit einer punktierten Linie ist die rela- tive Höhe der Spina il. ant. sup. zum Nabel gedeutet. Daneben zeigt eine Kurventafel, wie sich die Höhe des Nabels und die der Spina ant. sup. zu der Rumpflänge (von der Ineisura jugularis bis zum oberen Rande der Symphyse) verhalten. Aus der partiellen Parallelität gezeichneter Kurven geht hervor, daß eine gewisse Kor- relation zwischen den beiden angegebenen Punkten anzunehmen wäre. Ob aber diese Erscheinung bei den von mir untersuchten Haikanducht Tschachmachtschjan 358 atyrrhina Catarrhina ro o eo 0 0 © © © le) . = a 9 Ot ot u - 4 . m D D - BE SEE = Oh OR Nr ng nnd, Oh Me oo 8 a = © m a En [7 [2] n u & - m - {2} [2 : B R & x R R a aa an . &0 & 3 N, 1 [=] Fe 5 "m .Z =] =] =] =) =] = & en De ur 3 3 = Bere I} en > © 3 3 2 FE = © {>} [= =) E = E | {=} ® °S vun Su Ei = EN ne RE. an. De de a en a na. a ee N N 5 8 8 Se =.) 8 8 ER a En ae > 4-17 a EL E ee =. er SE. ee Sa FE - a ABER PR Se El Pos. SANT SR ce sw au $ a a ee a a N ee a a a ne a re EEE ae ae Me ze > 8 © © © 8 8 5} © © © - + ) ee! a = S S © © © © © © © © > > zZ (ed) [>| HA #H.H [ee] [ee] Sons) ke} < < [-% ka ra ri a a, re oO o > ) [7} HB = N RI | I Nabel (0) (6) SA. Rd: % 2306| 30 \3% \?3% Die Schichtungen der Reetusscheide im ganzen Verlaufe des Muskels und die Höhe der Linea Douglasii und der Spina ilei an- terior superior (von der Symphyse gemessen) auf die Nabelhöhe bezogen, die überall gleich hundert gesetzt ist. Die Bogenlinie stellt die Linea Douglasii vor; die punktierte Querlinie gibt die Höhe der Spinae anteriores superiores an. Die Brüche, die das Verhalten der Blätter der Rectusscheide oberhalb (Zahlen über der Bruchlinie) und unterhalb (Zahlen unter der Bruchlinie) des Musculus reetus zeigen, finden ihre Erklärung in den unter der Tabelle angebrachten schematischen Querschnitten 1—5. Durch Kreise ist überall der Nabel angedeutet. S.H. Symphysen-Höhe. Bei Papio anubis, Cercopitheeus campbelli und Hylobates syndactylus I fehlt die eine Linea Douglasii angebende Bogenlinie, weil bei diesen Tieren der Übergang der dorsalen Blätter der Reetusscheide auf die ventrale Fläche des Muskels ein allmählicher und die Stelle daher nicht genau bestimmbar ist. S Über die Pectoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Sealenus-Gruppe usw. 359 Tieren eine zufällige ist, oder ob sie eine weitere Bedeutung hat, bleibt noch zu entscheiden. Obgleich viele Forscher bemüht waren, die genetischen Ursachen der Bildung der Linea Douglasii aufzufinden, steht die Frage trotz- dem noch offen. Keine von den aufgestellten Hypothesen hat bis jetzt eine allgemeine Anerkennung gefunden. Die alte Ansicht (RETZIUS, HyRTL, auch GEGENBAUR), daß in dem embryonalen Ver- halten der Blase zu der vorderen Bauchwand die Ursache der Ent-. stehung der Linea Douglasii zu suchen sei, scheint keinen festen Boden mehr zu haben, da, wie LuscHKA und B. SOLGER meinen, einer einfachen Blase auch ein einfacher Bogen entsprechen müßte, während doch zwei symmetrische Rundbogen vorhanden seien. Die Nachuntersuchungen von P. EisLEr haben gezeigt, daß auch die Vasa epigastrica die Entstehung der DousLasschen Linie nicht veranlassen können. Einen weiteren Erklärungsversuch für die Bil- dung der Linea Douglasii macht B. SOLGER, indem er als Ursache dafür die Muskelwirkung der Bauchpresse angibt. Diese letztere Annahme bespricht P. EısLEr sehr eingehend und kommt zu dem sehr berechtigten Schlusse, daß dieselbe uns noch keine Antwort auf die Frage gibt, warum eigentlich der ‚caudale Abschnitt der Transversus abdominis-Aponeurose (event. auch dieselbe des Obliquus int.) nach der Ventralseite des M. reetus abgelenkt wird. P. EısLer verspricht eine ausführlichere Darstellung des Gegen- standes. In einer vorläufigen Mitteilung aber erklärt er kurz, daß die nächste Ursache der Linea semicireularis Douglasii in der als Processus vaginalis peritoneibezeichneten Ausstülpung der Bauch- wand zu suchen sei. 6. Bemerkungen über die Musculi scaleni. Bei der Präparation der Scaleni wurde speziell auf den Scale- nus medius geachtet, welcher an den Halsrippen seinen Ursprung nimmt und distal von der 1. Rippe inseriert. ‘Das geschalı aus dem folgenden Grunde. Da meine Untersuchung an dieser Muskelgruppe hauptsächlich den Zweck verfolgte, einen Einblick in die Phylo- genie der Scaleni zu gewinnen, so glaubte ich von denjenigen Teilen derselben absehen zu dürfen, welehe in ihren Umformungen schon zu einem gewissen Abschlusse gekommen zu sein scheinen und:da- her auch vermutlich wenige Variationen zutage bringen würden, die ein Licht auf die gestellte Frage hätten werfen können. Für 360 Haikanducht Tschachmachtschjan solehe Scalenuspartien, die in ihrem Auftreten mehr Beständigkeit aufweisen, wurden diejenigen gehalten, welche sich von den Hals- wirbeln zu der 1. Rippe erstrecken. Bei der Untersuchung stellte es sich aber heraus, daß (wenigstens in diesem Falle) der einge- schlagene Weg nicht dazu geeignet war, einen Aufschluß über die stammesgeschichtliche Herkunft der Scalenusgruppe zu geben. Da- her werde ich mich nur auf die Darstellung der Tatsachen be- . schränken. Prosimiae. Der zu besprechende M. scalenus med. zieht sich bei Nyeticebus tardigradus von dem Querfortsatze ' des 2. Wirbels herab zur 5. und 6. Rippe. Er ist auf der Fig. 19 mit dem M. obli- quus ext. dargestell. Der anfänglich abgerundete und schmale Muskel wird nach unten zu breiter und teilt sich in zwei aufein- anderliegende dünne Streifen. Der untere inseriert teils muskulös, teils sehnig am Oberrande der 5. Rippe; der obere setzt sich mehr an der Vorderfläche der 6. Rippe fest und läßt wenige Faserzüge in die Fascie des 6. Intercostalraumes auslaufen. Da, wo der Sealenus medius dem Brustkorbe anliegt, ist er von dem M. serratus ant. vollständig zugedeckt (so wie dies Fig. 29 für Aieles ater zeigt). Die Serratus ant.-Zacke der 1. Rippe entspringt neben dem Ursprunge der ersten Obliquuszacke. Der Scalenus medius wird vom 6. Öervicalnerven innerviert. Bei Galago garnetti entspringt der M. scalenus medius sehnig an den Querfortsätzen des 2., 3. und 4. Wirbels und inseriert in zwei aufeinanderliegenden Schichten — wie bei Nycticebus tardigradus — an der 4. und 5. Rippe. Sein distaler Abschnitt liegt unter den zwei Serratus ant.-Zacken. Die eine von diesen entspringt medial vom Scalenus an der 4. Rippe, die andere an der 5. Rippe, dort wo die Insertion des Scalenus an den Ursprung der Obliquuszacke grenzt (Fig. 20). Ob der Scalenus medius außer von dem 1. Inter- costalnerv noch von den Cervicalnerven innerviert wird, konnte nicht festgestellt werden. Bei Lemur rufus entspringt der Scalenus medius am 4. und 5. Wirbelquerfortsatze und setzt sich an der 3. bis 6. Rippe, stufen- weise medianwärts tretend, fest (Fig. 23). Der zur 6. Rippe herab- laufende, kleine Muskelstreifen bildet eine Sehne, die mit der Inter- costalfaseie verwachsen ist und unter der Obliquuszacke liegt, die von der 5. Rippe kommt. Die Scalenus medius-Zacken alternieren, wie auch bei anderen Lemuren, mit denen des Serratus ant. Die letzteren lagern nur unbedeutend auf den Insertionen der ersteren. Ber. Über die Pectoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Sealenus-Gruppe usw. 361 Versorgt wird der Muskel von dem 2. und 3. Intereostalnerven. Der ebenfalls vom 4. und 5. Wirbelquerfortsatz abgehende Sealenus medius des L. macaco inseriert folgendermaßen (Fig. 21): ein schmaler Streifen gelangt zur 3. Rippe; ein anderer, breiter zieht sieh über den ersteren zur 4. Rippe; ein dritter läuft medianwärts von diesen und setzt sich mit seinem kleinen lateralen Teile vor dem Ursprunge der Obliquuszacke an der. Rippe, mit dem anderen größeren an Fig. 46. der 6. und 7. Rippe fest. An den letzten zwei Rippen wird er sehnig und liegt unter dem | A Obliquus. N Han Die Innervation konnte nicht Serratus _ H R. \\ media festgestellt werden. Jay aN en ihorsco "abdominalis Bei ZL. catta entspringt der Scalenus medius wie bei den zwei N } . . AN anderen Lemuren und inseriert AN (Fig. 23) an der 3.,4. und 5. Rippe. Zu NER An dieser letzten bildet der Sca- lenus medius eine Sehne, die unter dem Obliquus liegt, und deren Faserverlaufsriehtung der- jenigen der Intercostalfascie ent- spricht. Versorgt wird er von dem1., 2. und 3. Intercostalnerven. Platyrrhinae. Bei Hapale jacchus I konnte der Scalenus medius von der 4. Rippe bis zu den Querfortsätzen des 2. und 3. Halswirbels hinauf verfolgt werden. Hier liegt er lateral von den Obliquus-Costalursprüngen (Fig. 24) und wird an seinem unteren Teile von Serratuszacken überlagert. Dem Gesagten ähnlich verhält sich auch der Muskel bei den anderen zwei Exemplaren von Hapale jaechus;, nur entspringt er das eine Mal an den Querfortsätzen des 2.,3. und 4. Wirbels und geht zur 3. und 4. Rippe; das andere Mal geht er vom 2. und 3. Wirbel aus und inseriert an der 4. und 5. Rippe. Die Innervation erfolgt bei dem ersten Tiere von dem 7., bei dem letzteren vom 8. Cervicalnerven aus. Im dritten Falle konnte die Innervation nicht festgestellt werden. Morpholog. Jahrbuch. 44. 24 Cebus flavus 5 (Nr. 438). Scalenus medius und Obliquus thoraco-abdominalis externus. 362 Haikanducht Tschachmachtschjan Bei Cebus flavus I (Fig. 27) entspringt der Scalenus medius an dem 2. Wirbelquerfortsatze und inseriert an der 3., 4. und 5. Rippe. Sein caudaler Abschnitt liegt ganz unter dem Serratus. Die Serratuszacke der 2. Rippe schiebt sich zwischen die Muskel- bündel des Scalenus medius hinein, wie es die Fig. 46 angibt. Von dem Nervus thoracalis longus zweigt sich ein Ästehen zum M. scalenus medius ab. In bezug auf den Serratus verhält sich der Scalenus medius bei Cebus apella genau so, wie der von CO. flavus 1. Er nimmt seinen Ursprung an dem 2. Wirbelquerfortsatze, ist von der übrigen Scalenus-Masse schlecht isoliert und setzt sich an der 3. und 4. Rippe fest. Inner- vation vom 7. Halsnerven. Der Scalenus medius des 2. Exemplares von ©. flavus erstreckt sich von dem 2. und 3. Wirbel zur 4. Rippe. Er ist an seinem unteren Ende von Serratuszacken bedeckt (Fig. 28). Er bezieht einen Ast des 8. Cervicalnerven und außerdem einen Zweig des N. thoracalis longus, der vom 6. und 7. Cervicalnerven gebildet wird. Bei Ateles ater I entspringt der Scalenus medius in sechs Bün- deln an den Querfortsätzen des 2. bis 4. Halswirbels und setzt sich an der 4. und 5. Rippe fest. Die Serratuszacken der ersten und folgenden Rippen liegen dem Scalenus medius auf (Fig. 29). Die Innervation geht von dem N. thoracalis longus aus. Die- selbe konnte aber für den zweiten Ateles ater nicht festgestellt werden. Wegen starker Verflechtungen zwischen den Serratus- und Scalenus- Halsursprüngen konnte ebenfalls nicht genau ermittelt werden, von welchen Wirbeln die Scalenus medius-Partien stammten, die an der 3., 4. und 5. Rippe ihre Insertion fanden. Catarrhinae. Das Verhalten des Scalenus medius bei Papio sphin« (Fig. 38) kann für alle untersuchten Niederen Catar- rhinen als typisch gelten. Hier kommt sein caudaler Abschnitt meistens unter die Obliquuszacken zu liegen; er kann aber auch in dieselben eingeflochten sein. Seine Insertionen an den Rippen alter- nieren mit den Serratus-Rippenzackenursprüngen und sind sehr oft unbedeutend von diesen zugedeckt. Der Scalenus medius entspringt bei diesen Formen an den Quer- fortsätzen verschiedener Halswirbel und inseriert meistens an der 3., 4. und 5. Rippe. In seltenen Fällen wird die 2. und 6. Rippe auch in Anspruch genommen. Die Innervation des Muskels übernimmt entweder der 6. oder Über die Pectoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Scalenus-Gruppe usw. 363 der 7. Cervicalnerv. Manchmal beteiligt sich daran auch der 1. (?), 2. und 3. Intercostalnerv (Cercopithecus pygerythrus und C. patas). Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über den Ursprung und die Insertion der besprochenen Scalenuspartien. Tabelle 7. Scalenus med. Senlanıe np. Sa Eee Ansatz an den Rippen wirbel & Nyeticebus tardigradus Q . 2 576 = |Galago garnetti & . 234 45 = = rufus & - | 45 3 45/’6 2 |Lemur macaco © | 45 2 5677 “ll, - catta 45 ae AH Hapale jacchus I & 2 4 4 - - IQ 234 7.47; = - = 4088 23 45 = Cebus flvus IS . . .| 2 3? a4 B Et - apella & . I 2 3 4 | - fAewllg. 23 4 - Er ater I 2.0634& 5.16 45 - -1Q ar de Papio amubis © . 234 ande - sphinz 5 . 234 345 Mac. eynomolg. Q 3 345 - - 6) 3 4 456 - - Q 2 3 4 345 & - - Er 2:3 45 a - SU MR 234 34h 5} Cercop. campbelli © 234 345 A - mazxwelli 2 234 345 o - pygerythrus & 2 345 - eynosurus Q ee: ! a - palas & 6. . 2:3 34 Semnop. cephalopt. 1 . 234 234 - - 3237; 2304 234 \ - - ma. 234 345 Zum Schlusse habe ich noch die angenehme Pflicht, meinem verehrten Lehrer, Herrn Professor G. Ruge, für das zur Verfügung gestellte (tierische) Material und die Anregung zur Arbeit, die zu- gleich einen Einblick in das reichhaltige und interessante Gebiet der Morphologie bot, zu danken. An dieser Stelle benutze ich auch die Gelegenheit Herrn Dr. H. BLuntschLı meinen aufrichtigen Dank auszusprechen für das wohlwollende Interesse und die freundliche Unterstützung, die er mir angedeihen ließ. 24* 364 ‚uoddıy ur} 19P [yRZ Hp oyıoyy uoysıoyun ı9p ur pun uoddımmuıogg 1Ep [URZ PIp oyloy uoaMZ 1op ur “Yfogsodusmmesnz uoddıy Aop [yRZNURSOK 9Lp 981 ayloyy UEIOgE Jop u Haikanducht Tschachmachtschjan Nyeticebus tardigradus © (352) N N [ep) HEHE n8 Sc ko} —_— e2253%3 Br EI ee TE Re B = E = Li 3 (o11 -- os Galago garnetti 5 (691) Lemur rufus & (202) Ateles ater © (588) Cebus flavus 5 (636) Cebus flavus 53 (438) Cebus apella 5 (395) Hapale jacchus 5 (545) Lalga|esı TENG | Hapale jacchus © (619) GL 81 81 |ST Sl EL |FL|PL | FI HIST OL | or Papio anubis © (659) Papio sphiux 5 (564) Macacus eynomolgus © (213) Macacus eynomolgus 5 (507) Macacus cynomolgus © (254) Macacus eynomolgus 5 (560) Macacus cynomolgus 5 (477) Cercopitheeus campbelli © (642) elıeıe ıe ee see oo 3 |2 38 Cercopithecus eynosurus © (556) Cercopitheeus patas 5 (623) Semnop. cephalopt. © (316) Semnop. cephalopt. ? (267) Semnop. cephalopt. 5 (605) g|eE HEE Le [Fun EL ae Se lee zen 228 |i6 or Br eg 8.8560 Hylobates syndactylus © (210) L ET JEL IST ST 21 |81 81 | 3181/31 31 2113121 81 Hylpbates syndacetylus © (104) Hapale jacchus © (365) | BEN TIBENEE 1 Cereopithecus maxwellii © (681) Cercop. pygerythrus 5 ei uogvgieH UOyLOMLON UONLHPANV 9A9P9IN 8 s119q% L oayd.ıout -0(doIyJuy ‘aopına -uogınp uogonıdsuwaq 9SS9.19}U]f SOSBIMOF ud Aoqw ol UOWWMOUASNE IyorL IXOT, UP ur oyofom “uopıoMm Aınzodus uojjoqwT, Ppu9S[o} TeMmz yoou Aary ua][os sg 9sefrog Über die Pectoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Sealenus-Gruppe usw. 365 Tabelle 9. 1. 11. II. ıv ve Pe ae ee: S S & Be ee g |jas A 3 5 Sssalsa [2288| © E Asse lAäus| as) EA (EB ee &0 = E an = 2 5 = E S 2 5 sE8|35 |: Ele = ER FH: Nycticebus tardigradus Q (Nr. 352) . . 170 73 23 42,9 13,5 Galago garnetti 5 (Nr. 691) . . . 159 ? 33 20,7 Lemur rufus 5 (Nr. 202) . .... 242 108 44 44,7 18,2 men INT. DIN. .0..2.u.% 251 123 49 49,0 19,5 - calta & (Nr. 583)... ..|| 285 | 109 410 | 44 | 163 Hapale jacchus 1 5 (Nr. 545) . . . | 122 32 16 26,2 13,1 - - IE 3. (Nr. 61902 22.2723 12192 52 21 39,4 15,9 5 = 3 Me © (Nr. .365): >45. 3 134 64 22 40,4 16,4 Cebus flavus I 5 (Nr. 4389). . . . . 258 83 48 32,1 18,6 2 Siamelle = (NT: 398° 2... % 155 42 20 27,0 12,9 attaeus Al, (Ne. .636) (2 2: %% 194 65 31 33,5 15,9 Atdles-@ter‘.T. © (Nr. 481). . "2... 208 58 27,8 - ZA ON: BB) 5 2 ne, 207 56 27,0 Papio anubis Q (Nr. a ER RT NE 446 100 34,5 22,4 =, .sphins: 5 (Nr. 564)... . . . 250 90 44 36,0 17,6 Macacus eynomolgus IQ (Nr. 213). . 240 96 63 40,0 | 26,2 - - IS (N r. 507) ; 200 79 52 39,5 26,0 < - UI 2 (Nr. 254) . 220 78 48 35,4 21,8 - - IV 3 (Nr. 560) . 185 12 45 38,9 24,3 = - Wu ö-(Nr- 477) - 167 62 34 37,1 20,3 Oercopitheeus campbelli © (Nr. 642). . 249 96 38,5 - maxwellii Q (Nr. 681). . 260 95 58, 36,5 22,7 - pygerythrus & (Nr. 215). 273 75 42 27,4 15,3 - eynosurus Q (Nr. 556) . 277 95 60 34,2 21,7 .- patas. (Nr. 623)... 2402 je 297 53 35,8 19,6 Semnop. cephalopterus I (Nr. 267) . . 288 132 49 45,8 17,0 - - II 5 (Nr. 605) . 205 105 37 51,2 18,0 - UI Q (Nr. 340) . 340 151 67 44,4 19,7 Hylobates syndactylus IQ (Nr. 19) . 337 100 29,7 - UOQ (Nr. 210) . 232 93 67 40,4 28,8 366 ‚u950z0g (osAydwÄg-umgqgweyag I9p Hpuey UEI9gO nz KIA SBLie] -nönf emsiou] 19p uoA) osurjjdunyg op mw (Amy 9royun) ‘dns ‘zug 1op 9eurdg HP oıp pum (Amy 10g0) sogen 8op ayof 9A 0a 09 Haikanducht Tschachmachtschjan 1002 S A / ZEsE \ —t Zu. Se S & Be Z— ABER GE : BERN EN H EINES, VE Galago garnetti 5 Nycticebustardigradus @ Lemur rufus 5 Lemur macaco © Lemur catta 5 Hapale jacchus IS Hapale jacchus II 5 Hapale jacchus III © Cebus flavus IS Cebus apella 5 Cebus flavus II 5 Ateles ater IQ Ateles ater II Q Papio anubis © Papio sphinx 5 Mac. cynomolgus IQ Mac. eynomolgus I 5 Mac. cynomolgus II Q Mac. eynomolgus IV & Mac. eynomolgus V 5 Cere. maxwellii Q Cerc. pygerythrus 5 Cere. eynosurus Q Cere. patas 5 Semnop. cephalopterus I Semnop. cephal. II 5 Semnop. cephal. III © Hylob. syndactylus IIQ Hylob. syndactylus IQ ‘OT PTIOqEeL "[oejusAaıny Über die Pectoral- u. Abdominalmuskulatur u. über die Scalenus-Gruppe usw. 367 son Ppmm mM Figurenverzeichnis. Macacus eynomolgus & (Pectoralis, Rectus) . Nycticebus tardigradus Q (Peetoralis, Ursprung, Reectus) - - (Pectoralis-Gruppe) Galago garnetti & (Peetoralis-Ursprung, Rectus) . - - (Peetoralis-Gruppe) . Lemur rufus & (Peetoralis-Gruppe) - macaco Q z = Cebus flavus & - - Ateles ater @ (Pectoralis-Ursprung, Rectus) . - - (Peetoralis-Gruppe) - Semmopitheeus eephalopterus (Peetoralis-Gruppe) Oercopithecus pygerythrus 5 - - Papio sphins & (Peetoralis-Ansatz) - Semnopitheeus cephalopterus Q (Peetoralis- eiulhleei Cereopithecus eampbelli Q (Peetoralis-Gruppe). - Hylobates syndaetylus Q (Peetoralis-Gruppe) . Nyeticebus tardigradus 2Q (Sealenus und Obliquus) Galago garnetti 5 (Sealenus und Obliquus) . Lemur macaco 2 (Scalenus und Obliquus) - catta 5 : - rufus & in: ing Obliquus) Hapale jaechus & (Scealenus und Obliquus) . - _ Q (Sealenus und Obliquus) - - (Sealenus und Obliquus) Cebus flavus & (Sealenus und Obliquus) . Ateles ater Q (Sealenus und Obliquus) . Semnopithecus cephalopterus (Scalenus und Oakanue) - E Q (Sealenus und Obliquus) . Macacus eynomolgus & (Obliquus-Thoracalabschnitt) Hylobates syndactylus Q (Sealenus und Obliquus) . Nyticebus tardigradus Q - - ir Galago garnetti 5 (Sealenus und Obliquus) . Hapale jaechus 5 (Scealenus und Obliquus) . h Cereopithecus maxwellii Q (Scalenus und Obligquus) . Papio sphinz 5 (Sealenus und Obligquus) Lemur macaco @ (Peetoralis-Ursprung, Rectus) Macacus eynomolgus @ (Pyramidalis) Cercopithecus campbelli Q (Reetus-Ursprung) Macacus eynomolgus Q (Pyramidalis) . a & = Lemur macaco Q - - rufus & Cebus flavus & (Scalenus, Obliquus) Seite . 300 . 302 . 302 . 303 . 303 . 304 . 304 . 306 . 306 . 308 . 308 . 308 . 310 . 310 . 311 .311 . 312 . 314 . 319 . 321 . 321 . 323 . 323 . 325 . 325 . 326 . 826 . 327 . 327 . 329 . 329 . 331 . 331 . 335 . 335 . 337 . 337 . 339 . 342 . 445 . 345 . 308 . 353 . 354 . 354 . 361 368 Haikanducht Tschachmachtschjan Tabellenverzeichnis. Seite Tabelle 1. Beziehungen des Pectoralis major-Ursprunges zu den Rippen, schematisch: . . . a ee ale - 2. Pectoralis- und Beceiee ea abe a - 3. ÖObliquus abdominis externus-Zacken mit Inseriptionen, sche- atischer er 2 ehe eher - 4. Lagebeziehung des Nabels zu 2 Bene Normen EN Sen 5 0) - 5. Rectus mit Innervation und Inscriptionen, schematisch . . . 352 - 6. Schichtungen der Rectusscheide und die Höhe der Linea Douglasii und der Spina ilei anterior superior auf die Nabel- höhe bezogen, schematisch. . . . . A - 7. Ursprung und: Insertion des Scalenus ee ER SE - 8. Gesamtzahl der Rippen, Zahl der Sternal- und freien Rippen. 364 0 Zshlentabelle a 27 Ft ee a es Vs *: 10. . Kurventafel: + .u ui au 08 2 een Se Literatur. Aepy, CH. Der Bau des menschlichen Körpers. 1868. BARDEEN, CH. R. Variation in the internal architeeture of the M. obl. abd. ext. in certain mammals. Anat. Anz. Bd. XXIII. No. 10/11. BARDELEBEN. Muskel und Nerv. Ergebn. Anat. u. Entwieklungsgeseh. Bd. VII. 1898. Wiesbaden. 1899. BascHo, PAuULA. Beobachtung eines Restes des Hautrumpfmuskels beim Menschen Pars thoracalis lateralis desselben. Morpholog. Jahrb. Bd. 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Musculus pyramidalis I... .. 1,2 Sage x 1 VRR 5. Die Reetusscheide . . . . ini 22n 6. Bemerkungen über die Bralane Grapps le En a. U VE 7. Beilage . . 2 oem cu ee u 20 Kin: ee 8.:Figurenverzeichnis . “1. . WER en RR A 9 Tabellenverzeichnis : . . u u... 1211 TE ee En 10. Tateratur - » : 200000 ln en PR Grenzlinien der Pleura-Säcke beim Orang. Von Georg Ruge. Mit 24 Figuren im Text. Im Aufsatze, welcher den gleichen Gegenstand bei den Affen und beim Menschen behandelte!, verwertete ich die Befunde an zwei Orang. Ich kann hier über vier andere genaue Beobachtungen berichten, welche bereits vor langer Zeit von mir aufgenommen wurden, mir aber bei der Abfassung des früheren Aufsatzes nicht zur Verfügung standen. Die Zahl der Rippen und der thoraco-lumbalen Wirbel ist bei den sechs Individuen eine gleiche.. Sie besitzen 12 Rippen und 16 thoraco-lumbale Wirbel. Die Verhältnisse an den Grenzlinien der Pleurasäcke sind bei den einzelnen Tieren verschiedene. Die Verschiedenheiten sind nach dem Grade ihrer Ursprünglichkeit bestimmbar und, nach letzterer bemessen, in Reihen zu ordnen, welche den Breitegrad individueller Schwankungen angeben. Das früher entworfene Bild dieser Schwankungen verändert sich nicht unwesentlich bei der Berücksichtigung der vier neuen Aufnahmen. Diese Tatsache lehrt uns, daß wir über eine größere Anzahl genauer Einzelbeobachtungen verfügen müssen, bevor ein abschließendes Ur- teil über das Typische im Bau der einzelnen Arten abgegeben werden kann; denn dieses setzt sich sowohl aus der Häufigkeit gleicher Befunde, aus denen das Normale abgeleitet -wird, als auch aus der Neigung zusammen, dem überwundenen indifferenten Ver- halten sich wieder zu nähern oder aber einem fortschrittlichen Bau- plane sich zuzuwenden. Ursprüngliche und abgeänderte Zustände fallen an den ver- schiedenen Stellen der Grenzlinien bei den einzelnen Individuen 1 Grenzen der Pleurasäcke der Affen und des Menschen. Morpholog. Jahr- buch, 41. Band. 1910. 372 Georg Ruge nicht immer zusammen. So kann bei einem Tiere der Tatbestand an den vertebralen Grenzlinien ein weit fortgeschrittener, der an den sternalen Grenzlinien aber ein verhältnismäßig ursprünglicher sein. Es findet demnach die Verschiebung der Pleurasäcke in eranialer Riehtung nicht an allen Stellen im gleichen Maße statt. So kommt es, daß die Individuen in den natürlichen Reihen, aus den Befunden an den vertebralen, sternalen und costalen Grenzlinien zusammengestellt, je eine verschiedene Rangordnung einnehmen. Eine wesentliche Verschiebung der früher gewonnenen Ergeb- nisse bezüglich der Stellung von Orang zu den anderen Anthropo- morphen läßt sich aus dem neu gewonnenen Materiale nicht be- gründen. Der Zufall hatte uns an den zwei bereits verwerteten Fällen Verhältnisse kennen gelehrt, welche als extreme in der Nähe des Anfanges und des Endes auch der größeren Reihen sich be- finden, durch welche der Breitegrad individueller Schwankungen angezeigt wird. Um die einzelnen Individuen in den tabellarischen Zusammen- ‚stellungen sowie in der Darstellung immer leicht wieder erkennen zu können, werden sie mit den Zahlen I—VI belegt werden, und zwar aufeinanderfolgend nach dem Grade der Indifferenz an den morphologisch wichtigsten sternalen Grenzlinien: I. Erwachsenes Weibehen, März 1895; Skelet im zoolog. Labo- ratorium zu Amsterdam, II. durch T. Tansa 1891! untersuchtes weibliches Exemplar, III. halbwüchsiges Weibchen, Februar 1895, IV. junges Männchen, November 189, V. junges Weibchen, Oktober 1894, VI. Männchen, im früheren Aufsatze (1910) verwertet. Es kommen zur Besprechung: 1. die vertebralen Grenzlinien, 2. die sternalen - 3. die costalen - 4. das Längenverhältnis zwischen pleuraler und perito- nealer Strecke des thoraco-lumbalen Abschnittes der Wirbelsäule. Über die mediastinalen Grenzlinien liegen neue Beobachtungen nicht vor. 1 Über die Grenzen der Pleurahöhlen bei den Primaten und bei einigen anderen Säugetieren. Morpholog. Jahrbuch 17. Band. 2. Heft. 1891. Grenzlinien der Pleura-Säcke beim Orang. 373 1. Vertebrale Grenzlinien. Orang IV, Fig. 1. Die Grenzlinien endigen unten beiderseits zwischen 12. und 13. thoraco-lumbalem Wirbel. Beim Übergange in die costalen Grenzlinien bleiben sie medial vom 12. Rippenpaare entfernt und steigen dann zu ihm empor, um quer vor ihm lateral- wärts sich auszudehnen. Zwischen 12. Rippe und oberem Rande des 13. thoraco-Jumbalen Wirbels besteht jederseits ein dreieckiges kleines, infracostales Feld des Pleurasackes. Es fällt in die Lendengegend. Diese bewahrte in dem pleuralen Feld eine thoracale Eigenschaft in letzten Resten. Das infracostale Pleurafeld reicht in die Gegend, in welcher bei anderen Antlıropomorphen eine 13. Rippe sich befindet, die bei Orang fehlt, aber zweifellos wie beim Menschen einmal bestanden hat, wahrscheinlich auch in der Ontogenie sich einmal wird nach- weisen lassen. Orang V., Fig. 2. Die unteren Enden der Grenzlinien nehmen beiderseits eine verschiedene Höhenstellung ein. Die linke Grenzlinie reicht bis zur Mitte des 12. thoracalen Wirbels herab; die rechte nähert sich dessen oberem Rande. Die Verschiebung in ceranialer Richtung im Vergleiche mit dem vorigen Falle beträgt links eine halbe, rechts fast eine ganze Wirbelhöhe. Beiderseits biegt die Grenzlinie vor dem Wirbel lateral- und aufwärts um, der Übergang in die costale Pleuragrenze ist abge- kniekt, links schärfer als rechts. Auch in diesem Falle befindet sich die costale Grenzlinie anfangs, d. i. medial, entfernt von der 12. Rippe, und erreicht sie erst etwa 2 em seitlich von der Wirbelsäule. Auf diese Weise stellt sich auch hier ein. kleines infracostales Pleurafeld ein, welches jederseits von länglicher Gestalt ist. Diese wird im Gegensatze zum dreieckigen Felde des vorigen Falles durch die Knieckung der vertebralen Grenzlinie bedingt. Die costale Grenzlinie schneidet die abwärts ragende 12. Rippe in querer Richtung. Die Kniekungsstelle am Übergange der vertebralen in die costale Grenzlinie befindet sich beiderseits etwa in der Höhe des oberen Randes des 12. Wirbels. Hier hat also eine stärkere Ver- schiebung in cranialer Richtung stattgefunden als an den medialen Enden der vertebralen Grenzlinien. Sie beträgt im Vergleiche mit dem vorigen Falle eine ganze Wirbelhöhe. Ursprungsportionen des Zwerchfelles ragen in die dureh die Kniekungen bedingten Nischen 374 Georg Ruge von unten her hinein. Das an diesen Stellen eranialwärts neue Ur- sprünge suchende Zwerchfell darf für das eigenartige Verhalten an den vertebralen Grenzlinien verantwortlich gemacht werden. Orang II. Die unteren Enden der vertebralen Grenzlinien be- finden sich vor der Mitte des 12. Wirbels; sie biegen rechtwinklig seitwärts um und lagern sich als costale Grenzen vor das 12. Rippen- paar. Ein infracostales Pleurafeld fehlt. Die Verschiebung ist im Vergleiche mit dem vorigen Falle gleichmäßiger erfolgt, seitlich von der Wirbelsäule in höherem, vor derselben in geringerem Grade. OranglIIl, Fig. 4. Die Grenzlinien weichen vor dem 11. thora- calen Wirbel auseinander und verlassen die Wirbelsäule seitlich jeder- seits in der Höhe des unteren Randes des 11. thoracalen Wirbels. Fig. 1. Fig. 2. Orang IV. Orang V. Fig. 1. u. 2. 1%. Aborale Enden der vertebralen Grenzlinien und deren Übergänge in die costalen Grenzlinien. Der Übergang erfolgt an Fig. 1 am oberen Rande des 13. thoraco-lumbalen Wirbels, an Fig. 2 vor der Mitte des 12. Wirbels (links) und dessen oberem Rande mehr genähert (rechts). Vor dem Übergange in die costalen Grenzlinien findet eine aufwärts gerichtete Kniekung statt. In beiden Fällen liegt ein infracostales Pleurafeld vor; es ist dreieckig auf Fig. 1, länglich auf Fig. 2. Der Befund auf Fig. 1 ist in ein Schema eingetragen, welches dem Befunde der Fig. 4 entnommen worden ist. Die Fig. 2 entspricht den wirklichen Verhältnissen. Von hier ziehen sie leicht gebogen zwischen 12. und 11. Rippen- paare lateralwärts, schneiden das 11. Rippenpaar, um weiter in die costalen Grenzlinien sich fortzusetzen. Die rechte Grenzlinie er- reicht die 11. Rippe weiter lateralwärts als die linke. Das 12. Rippenpaar hat jegliche Beziehungen zur Pleura ver- loren; es nimmt eine infrapleurale Lage ein. Im Vergleiche mit dem vorigen Falle ist vor der Wirbelsäule eine Verschiebung in eranialer Richtung um eine halbe Wirbelhöhe erfolgt. Außerdem ist ein Aus- einanderweichen der Grenzlinien bemerkbar, welche im Einklange mit der stärker erfolgten Verschiebung im Bereiche der unteren Rippen sich befindet. Hier beträgt sie mehr als die Höhe eines Segmentes. Orang VI. Die Grenzlinien endigen in der Höhe des oberen Randes des 12. Wirbels. Ihre queren vertebralen Schenkel halten Grenzlinien der Pleura-Säcke beim Orang. 375 sich in gleicher Höhe und setzen sich lateralwärts oberhalb des 12. Rippenpaares fort. Dasselbe nimmt wie im vorigen Falle eine infrapleurale Lage ein. Die eranialwärts erfolgte Verschiebung eilte dem Rückgange des 12. Rippenpaares voraus. Bei großer Übereinstimmung mit dem Falle III ist das Ver- halten etwas indifferenter als dort, insofern die vertebralen Grenz- linien hier enger beieinander liegen. Orang I, Fig. 3. Die unteren Enden der vertebralen Grenz- linien liegen vor der Mitte des 12. Wirbels, biegen im rechten Winkel seitwärts um, schneiden die Köpfchen des 12. Rippenpaares, um nach dem Übergange in die eostalen Grenzlinien sich sofort weiter aufwärts vor dem 11. Rippenpaare auszudehnen. Orang I. Orang III. Fig. 3 u. 4. 1/3. Aborale Enden der vertebralen Grenzlinien und deren Übergänge in die costalen Grenzlinien, Der Übergang erfolgt auf Fig. 3 links vor der Mitte des 12. thoracalen Wirbels, rechts etwas höher. Der Übergang ist auf Fig. 4 bis auf den unteren Rand des 11. Wirbels hinaufgerückt. Der Übergang in die costalen Grenzlinien liegt auf Fig. 3 vor dem Köpfchen der 12. Rippe, auf Fig. 4 im 11. Zwischenrippenraum. Die Befunde der Pleura sind auf Fig. 3 in ein Schema eingetragen, welches der Fig. 4 entnommen worden ist. Diese entspricht den natürlichen Verhältnissen, Vor der Wirbelsäule liegt ein ursprünglicheres Verhalten als in den Fällen VI, III und II vor. Seitlich ist der am meisten vor- geschrittene Zustand eingetreten, da nicht das 12. Rippenpaar, sondern auch der ganze 11. Zwischenrippenraum die Beziehungen zu den Pleurasäcken verloren haben. Die folgende Tabelle gibt in geordneter, übersichtlieher Weise die bei allen Individuen gefundenen Tatsachen wieder, welche sich auf den behandelten Gegenstand beziehen. Der ursprünglichste Befund (IV) steht etwas tiefer als der be- kannt gewordene differenteste von Gorilla, bei welchem die unteren Enden der Grenzlinien in der Höhe des unteren Randes des 12. thoraco-lumbalen Wirbels sich befinden. Erist in der progressiven, eranialwärts gerichteten Verschiebung um etwa eine Wirbelhöhe weiter fortgeschritten als der differenteste Befund von Schimpanse. 376 Georg Ruge | Höhenstand der unteren Enden der vertebralen Grenzlinien, nach der Zahl Zu ler, Wirbel: thoraco-lumbaler Wirbel und der unteren Rippen bemessen 5 der thora- | lum- |thoraco- rechts links calen | balen | lumbal. ang IV |Zw. 13. u. 12. W.; unter 12. R. |ebenso 12 | ı | ı6 V ||Ob. 1/5; 12 W.; unter 12 R. Mitte 12 W.; unter 12.R. || 12 4 16 II Mitte 12. W., 12 R. Mitte 12. W., 12 R. 12 4 16 II Ob. Rd. 12. W.; zw. 12. u. 11. R. |.ebenso 12 4 16 VI \Ob. Rd. 12 W.; zw. 12. u. 11 R. | ebenso 12 4 16 I ||Mitte 12 W.; 11 R. ebenso 12 4 | 16 In fünf Fällen, d.i. die Regel, ist Orang von keinem anderen Anthropomorphen in der Verschiebung der Grenzlinien cranialwärts erreicht. Ebenso hat Orang den regelmäßigen Höhenstand der unteren Enden der Grenzlinien beim Menschen überflügelt, welcher zwischen dem unteren Rande und der Mitte des 12. thoracalen Wir- bels angetroffen wird. Nur ausnahmsweise trifft man beim Menschen einen ähnlich hohen Grad der Umwandlung an, wie er bein Orang nicht selten sich findet. Eine größere Zahl von Beobach- tungen an Authropomorphen muß aber auch hier die gewonnenen Vorstellungen noch sicherer begründen. Der Unterschied in der Höhenstellung zwischen dem indifferen- testen, am tiefsten liegenden, und dem differentesten, am höchsten befindlichen Verhalten der unteren Enden vertebraler Grenzlinien beträgt bei den sechs Individuen von Orang einen Wirbel und eine Bandscheibe. Dieser Breitegrad der Schwankungen besteht bei völliger Gleichheit der Zahl präsaeraler und 16 thoraco-lumbaler Wirbel und von 12 Rippen. Die Schwankungen im Höhenstand der vertebralen Grenzlinien sind als gleich große bei Gorilla bestimmt worden, trotzdem nur zwei Tiere untersucht worden sind. Vermutlich werden sie als größer sich ergeben, wenn mehrere Fälle zur Verwertung kommen. Die Schwankungen in der Zahl von 18 oder 16 präsacralen Wirbeln betragen zwei Segmente. Die Zahl der Rippen schwankt zwischen 14 und 13. Orang besitzt im Vergleiche mit Gorilla eine fest eingebürgerte Gliederung des präsaeralen Abschnittes der Wirbelsäule und allem Anscheine nach eine größere Beständigkeit im Höhenstande der vertebralen Grenzlinien. Jedenfalls ist sie nicht geringer als beim Gorilla. Vergleicht man das Verhalten von Orang mit den bei nur drei Grenzlinien der Pleura-Säcke beim Orang. 377 Individuen von Schimpanse aufgenommenen Befunden, so ist der Unterschied in der Höhenstellung der vertebralen Grenzlinien ein viel größerer. Der Breitegrad der Schwankungen beträgt zwei Wirbel und zwei Bandscheiben. Bei Schimpanse besteht also noch eine größere Bewegung in der eranialwärts gerichteten Verschiebung der Pleurasäcke, wie sie sich im ganzen Primatenstamme abspielt. Dabei ist die Zahl präsacraler Wirbel und der Rippen um ein Seg- ment größer als bei Orang. 17 thoraco-lumbale Wirbel und 13 Rippen sind der regelmäßige Bestand bei den untersuchten drei Schimpansen. Da im großen die Verminderung präsacraler Wirbel gleichen Schritt hält mit der eranialen Verschiebung der Pleura- säcke, so wird es verständlich, daß Orang mit der geringsten Zahl präsacraler Wirbel unter den Primaten den höchsten Grad der Pleuraverschiebung zu erkennen gibt. Damit ist aber auch die Breite der Schwankungen eingeengt. Die Schwankungen im Höhenstande der unteren Enden der vertebralen Grenzlinien bewegen sich beim Menschen um 1!/, Wirbel und 2 Bandscheiben; sie halten sich zwischen denen von Schim- panse und Gorilla und übertreffen demnach die beim Orang, und zwar um die Höhe eines halben Wirbels und einer Band- scheibe. Die Bewegung im eranialwärts gerichteten Verschiebungs- vorgange der Pleurasäcke ist also auch beim Orang weniger leb- haft als beim Menschen. FEirsterer steht diesbezüglich am Ende der ganzen Reihe und ist hier in seinem Bau am meisten zur Ruhe gekommen. Als seltene Ausnahmen endigen die vertebralen Grenz- linien des Menschen in der Höhe des unteren Randes des 11. thora- calen Wirbels. Ein so hoher Stand ist beim Orang bisher nicht bekannt geworden. Dagegen ist die costale Grenzlinie in der Nähe der Wirbelsäule beim Menschen niemals bis in die Höhe der 11. Rippe hbinaufgerückt, was aber beim Orang I der Fall ist. Immerhin geht aus diesem Verhalten hervor, daß die fortschreitende, eraniale Verschiebung der Pleurasäcke des Menschen noch tatsäch- lich besteht und stellenweise in Ausnahmen die differenten Befunde von Orang übertreffen kann. Auch durch die ausnahmsweise statt- findende Rückbildung des 12. Rippenpaares kann Orang durch den Menschen überholt werden. In einem von mir beobachteten Falle lag das Ende der vertebralen Grenzlinien am unteren Rande des 11. Wirbels. Die costalen Grenzlinien lagen in der Höhe, wo die 12. Rippen hätten liegen sollen. Das infracostale Feld lag ein Seg- ment höher als ein solches bei normaler Rippenzahl. Morpholog. Jahrbuch. 44. 19 Qt 378 ‚Georg Ruge Das Vorgeführte ist aus der folgenden Zusammenstellung zu entnehmen: | S o Verschiebung der unteren Enden! Zahl der are der vertebralen Grenzlinien über! thoraco-lum- a . r R | | 7; prasacra er | Wirbel | Bandscheiben |Paen Wirbel] Wirbel Schimpanse (3 Individuen). . 2 > 7 0) Gorilla (2 Individuen) . ... 1 ii 18—16 | 2 Orang (6 Individuen)... . . 1 1 16 0 Mensch „Rs: er 11/5 2 18—17 : 2. Sternale Grenzlinien. Sie entsprechen den Stellen, an welchen die costo-sternalen Pleurablätter in die mediastinalen übergehen. Ihre ursprüngliche Lage und ihr Zusammenschließen in der Mittellinie werden nur noch streekenweise bei Orang angetroffen. Meistens hat ein Auseinander- weichen stattgefunden, wobei die Symmetrie mehr oder weniger be- einträchtigt wird. Die Entfernung von der Mittellinie steigert sich an vielen Strecken häufig, so daß die Grenzlinien hinter den Seitenrändern des Brustbeines zu liegen kommen. Häufig weichen sie noch mehr zu den Körperseiten ab und werden dann hinter den Knorpeln ster- naler Rippen gefunden. Damit ist die sternale in eine sterno-costale Natur der »sternalen« Grenzlinien umgewandelt. Diese Veränderung wird in der Herzgegend wahrgenommen, erreicht in ihr den höchsten Grad und pflanzt sich von ihr oralwärts in verschieden hohem Maße fort. Das auf diese Weise sich einstellende, retrosterno-ceostale Interpleural- feld erlaubt unter seitlichem Ausweichen der Lungen dem Herzen eine Annäherung an die Vorderwand des Brustkorbes. Die linke sternale Grenzlinie ist wegen der Linkslage des Herzens in der lateralen Ausweichung gegenüber der rechtsseitigen Linie häufig be- vorzugt. Die oralen Enden der Grenzlinien haben beim Orang ihre mediane Lage in der Regel gegen eine laterale eingetauscht und kommen hinter das Schlüsselbein-Brustbeingelenk zu liegen, wo sie an allen Stellen zwischen dem medialen und lateralen Rande an- getroffen werden können. Die Lage der Luft- und Speiseröhre, der großen Gefäße für Hals und Kopf sowie für die oberen Glied- maßen erklärt die Entfernung der Grenzlinien in dieser Gegend. Die aboralen Enden bleiben durch das Zusammentreffen der sternalen mit den costalen und mediastinalen Grenzlinien bestimm- Grenzlinien der Pleura-Säcke beim Orang. 379 bar. Die costalen sind an den aboralen Endpunkten der sternalen Grenzlinien ursprünglich im stumpfen oder rechten Winkel abgesetzt. Dadurch erweisen sich die aboralen Enden als Kniekungsstellen in den durchlaufenden sternalen und costalen Grenzlinien. Bei starkem lateralem Ausweichen der sternalen Linie und Umänderung in eine sterno-costale wird der Winkel zwischen ihr und der costalen Grenz- linie stumpfer. Die Kniekung kann verschwinden. Dann bleibt das aborale Ende nur noch durch die Einsenkungsstelle der mediastinalen Grenzlinie in die einheitlich gewordene sterno-costale Linie be- stimmbar. t Die hervorgehobenen, wichtigsten Merkmale lassen sich je für sich nach dem Grade der Ursprünglichkeit genau beurteilen. Trotzdem sie auf die einzelnen Individuen verschieden verteilt sind, so ist doch das Gesamtbild der Befunde an jedem einzelnen Tiere so ausgeprägt, daß alle Objekte I—VI nach ihrer diesbezüglichen Organisation ge- ordnet werden können. Alle untersuchten Tiere besitzen nur 16 thoraco-lumbale Wirbel. Diese geringe Zahl wird einmal beim Gorilla angetroffen. Bei den anderen untersuchten Anthropomorphen finden sich 18 (Gorilla) oder 17 (3 Schimpanse) derartige Wirbel vor. Orang steht in dieser Hinsicht am höchsten und zeigt einen fest eingebürgerten Bauplan. Auch in dem regelmäßigen Auftreten von nur 12 Rippenpaaren erhebt sich Orang über die untersuchten Fälle von Gorilla, welcher 14 oder 13, und von Schimpanse, welcher stets 13 Rippenpaare besitzt. Das Brustbein ist beim Orang in sechs Fällen rechts jedesmal mit 7 Rippen, links fünfmal mit 7 und einmal mit nur 6 Rippen (Fall V) verbunden. Elfmal bestehen also, wenn beide Körperseiten in Betracht kommen, 7 und einmal nur 6 sternale Rippen. Die 7. linke Sternalrippe stößt im Falle V mit ihrem freien Ende an den linken Rand des Schwertfortsatzes an, hat aber die Verbindung mit ihm eingebüßt. Auch die rechte 7. Rippe hat eine Lockerung erfahren und liegt mit ihrem freien Ende vor dem Schwertfortsatze. Ebenso hat die rechte 7. Rippe die Verbindung mit dem Körper des Brustbeines verloren und lagert dem Schwertfortsatze auf. Orang nimmt auch in bezug auf die Zahl sternaler Rippen einen höheren Rang als Gorilla und Schimpanse ein. Bei 3 Indi- viduen von Schimpanse werden dreimal 8 sternale Rippen an- getroffen, zweimal rechts und einmal links, wobei an einem Objekte ein 8. sternales Rippenpaar sich befindet. Dreimal ist die Zahl auf 25* 380 Georg Ruge 7, was beim Orang die Regel ist, gesunken. Beim Gorilla findet sich an zwei Individuen einmal rechts eine 8. Sternalrippe, während dreimal an den vier Körperhälften nur 7 Sternalrippen ausgebildet sind. Schimpanse und Gorilla verhalten sich indifferenter als Orang durch den Besitz von 8, nähern sich ihm durch den von 7 Sternalrippen; aber sie erreichen ihn im Bauplan nicht, da auch An- deutungen von Rückbildung der 7. Sternalrippe bei ihnen fehlen. Die Befunde am Skelete machen es verständlich, daß die Ein- richtungen an den sternalen Grenzlinien von Orang diejenigen der beiden anderen Anthropomorphen überflügelt haben, allerdings nur nach Maßgabe der differentesten Befunde. Die ursprünglicheren Fälle ordnen sich unter diejenigen von Gorilla ein. Der Breite- srad individueller Schwankungen ist bei Orang ein großer. Dieser Umstand erklärt sich zum Teil aus dem reicheren, bekannt gewor- denen tatsächlichen Material, zum Teile daraus, daß in der Tat unter sechs Individuen nur zwei ungefähr gleiche Einrichtungen zeigen. a. Darstellung der Befunde und Vergleich derselben mit- einander. Orang I, Fig. 5. Obere, orale Endpunkte der sternalen Grenzlinien. Rechts liegt das obere Ende hinter dem medialen Abschnitte des sterno-clavieularen Gelenkes. Die linke sternale Grenzlinie nähert sich der Ineisura jugularis sterni, biegt im Bogen seitwärts und liegt dann horizontal gestellt hinter der Gelenkspalte, um das Brust- bein an der lateralen Ecke der Ineisura elavicularis zu verlassen. Die Grenzlinie geht aufwärts in die Pleurakuppe über, welehe hinter der Clavieula nach hinten und oben zum Köpfchen der 1. Rippe ansteigt und vom ventralen Abschnitte der 1. Rippe sich bis auf 1,7 cm entfernt hält. Aneinanderlagerung der Grenzlinien. Dieser ‚primitive Zustand ist hinter dem Manubrium und dem Corpus sterni bis zur Höhe der Ansatzstellen des 3. Rippenpaares erhalten. Die be- nachbarten Grenzlinien sind aus der Mittellinie nach rechts ver- schoben. Auseinanderweichen der Grenzlinien. Die rechte Grenz- linie setzt sich geraden Verlaufes abdominalwärts bis zur Höhe der Ansatzstelle der 5. Rippe fort, biegt dann im Bogen zur Ansatz- stelle der 6. Rippe seitlich aus. Die linke Grenzlinie weicht in der Höhe der 3. Rippe nach links ab, schneidet den Sternalansatz der Grenzlinien der Pleura-Säcke beim Orang. 381 linken 4. Rippe, zieht darauf in der Nähe des Brustbeins durch den 4. Zwischenrippenraum und schneidet in schräg lateral abfallender Richtung den Knorpel der 5. Rippe. Weiterhin wird die Grenzlinie hinter dem 5. Zwischenrippenraum angetroffen, wo der Übergang in die costale Grenzlinie erfolgt. Fig. 5. Ventralansicht des Brustkorbes von Orang I. 2/. Die Grenzlinien der Pleura-Säcke sind in die Um- risse des Skeletes eingetragen. Die sternalen Grenzlinien berühren einander in der Höhe des 1. bis 3. Rippenpaares. Die linke Grenzlinie ist weiter unten zur Seite abgewichen. Der Übergang der sternalen in die costale Grenzlinie liegt rechts hinter dem Sternalansatze der 6. Rippe, links im 5. Zwischenrippenraume, Links ist die Pleura-Kuppel dargestellt. Interpleurales Feld. Es dehnt sich von der Höhe des 3. bis zu der des 6. Rippenpaares aus, wobei es durch die schräg ver- laufende, linke Grenzlinie nach unten an Breite etwa 1 cm zunimmt. Es ist rechts durch die senkrechte rechte, oben durch die hinter dem Brustbeine abfallende linke Grenzlinie und links durch die retrocostale Fortsetzung der letzteren begrenzt. Die abdominalwärts 382 Georg Ruge gerichtete offene Seite des Feldes vergrößert sich nach links be- trächtlich. Aborale Enden. Der rechtsseitige Endpunkt liegt hinter dem Brustbeinansatze der 6. Rippe, der linksseitige hinter dem 5. Zwischen- rippenraume. Er ist wegen des unmittelbaren Überganges der sterno- costalen in die costale Grenzlinie nicht genau bestimmbar, befindet sich aber ungefähr 53cm links vom Brustbein. Pleurafreies, ventrales Feld des Herzbeutels, Fig. 16. Es dehnt sich in ganzer Ausdehnung von oben nach unten über die rechte Herzhälfte aus; es beginnt oben schmal, verbreitert sich ab- N Ste (Wiederholung der Figur 38 der Seite 65 des 41. Bandes des Morpholog. Jahrbuches.) Ventralansichten der Brustkörbe von Orang II (a) und Orang VI (b). 1:4. Die Grenzlinien sind mit fetten Linien in die Umrisse der Skelete eingetragen. wärts, wobei es die Mitte der vorderen Wand erreicht, um sich ab- wärts über die linke Herzhälfte zu verbreitern. Der rechte Seiten- rand ist nahezu senkrecht gestellt; der linke ist oben nach rechts und unten stark nach links ausgebogen. Der unteren Biegung folgt eine dritte, rechts gewendete. Orang II, Fig. 6. Obere, orale Endpunkte. Bei symmetrischer Anordnung der Grenzlinien liegen deren obere Enden hinter den Brustbein- Schlüsselbeingelenken. Die Grenzlinien setzen sich halswärts in die Pleurakuppen fort, welche je lem über den Vorderteil der 1. Rippe hinausragen. Die Grenzlinien haben hinter dem Brustbeine die Berührung miteinander in ganzer Ausdehnung verloren; sie haben sich auf beiden Seiten gleich weit von der Mittellinie entfernt, ohne irgend- wo die Brustbeinränder zu überschreiten. Jederseits nimmt die Grenzlinien der Pleura-Säcke beim Orang. 383 Grenzlinie eine medianwärts gekehrte Krümmung an. Sie nähert sich beiderseits der Sternalinsertion der 5. Rippe. Interpleurales Feld. Es ist oben breit, zwischen den Brust- bein-Schlüsselbeingelenken ausgedehnt. Hinter dem Corpus sterni ist es verschmälert, ein gleiches Maß in den Höhen des 2.—4. Rippenpaares aufweisend. In der Höhe des 5. Rippenpaares tritt wieder eine Verbreiterung ein. Untere, aborale Endpunkte. Sie sind symmetrisch in der Nähe des oberen Randes des Sternalansatzes der 5. Rippe gelegen. Von hier aus findet der unvermittelte Übergang in die costalen Grenzlinien statt, welche anfangs hinter den Knorpeln des 5. Rippen- paares sich befinden. Die 6. Rippe wird beiderseits bereits an der Knorpel-Knochengrenze von den costalen Linien geschnitten. Im Vergleich mit Orang I ist dieser Befund bemerkenswert durch den völligen Verlust der Berührung der Grenzlinien und durch deren gleichartiges Auseinanderweichen, welches aber nicht den Grad erreich , wie die Deviation der linken Grenzlinie in der unteren Strecke im Falle I. Hier handelt es sich nur um retrosternale, dort um solche (rechts) und retrosterno-costale Linien (links). Hier ist die Umänderung gleichmäßig, dort hochgradig nur im unteren Ge- biete erfolgt. Das aborale Ende steht rechts bei I um ein ganzes, links um ein halbes Segment tiefer als bei II. Diese größere Ur- sprünglichkeit bei I wird durch die starke Abweichung der linken Grenzlinie über das Brustbein hinaus einigermaßen kompensiert. Orang III, Fig. . Obere, orale Endpunkte. Die linke Grenzlinie schneidet die Ineisura jugularis in der Nähe des linken Brustbein- Schlüssel- beingelenkes. Beim Übergange in die Pleurakuppe tritt eine Ent- fernung bis zu 2cm vom Ventralabschnitte der 1. Rippe ein. Die rechte Grenzlinie schneidet das sterno-celavieulare Gelenk lateral. Die Grenzlinien verlaufen abwärts einander parallel, etwa bis zur Höhe der 5. Zwischenrippenräume. Sie haben sich 2 em vonein- ander entfernt. Ihre Lage ist eine etwas schräge, nach unten links gsewendete. Dadurch bleibt die rechte Grenzlinie eine retrosternale, in der Nähe des rechten Randes des Brustbeines gelegen, während die linke den Sternalansatz der 3. Rippe schneidet, um weiter ab- dominalwärts eine retrocostale Lage einzunehmen. Die linke ist also eine retrosterno-costale Linie. Die rechte Grenzlinie biegt in den 5. Zwischenrippenraum ein, die linke erleidet hinter dem Knorpel der 5. Rippe eine stärkere, laterale Abbiegung. 384 Georg Ruge Interpleurales Feld. Es ist länglich, bis zur Höhe der 4. Zwischenrippenräume gleich breit (2 cm). Es verbreitert sich gegen die aboralen Enden bis auf 3,5cm. Die Vergrößerung fällt hauptsächlich auf die linke Körperseite. Untere, aborale Endpunkte. Das rechte Ende fällt in die Mitte des 5. Zwischenrippenraumes. Das linke liegt am unteren Ventralansicht des Brustkorbes von Orang III. 3/5. Die sternalen und costalen Grenzlinien der Pleura-Säcke sind mit fetten Linien in die Skeletumrisse eingetragen. Der Übergang der sternalen in die costalen Grenzlinien erfolgt rechts hinter dem Sternalende, links lateral von ihm je im 5. Intercostalraum. Im Brustbeine treten fünf Knochenkerne auf. Linkerseits ist die Pleura-Kuppel dargestellt. Rande des 5. Rippenknorpels, etwa 2cm vom Rande des Brust- beines entfernt. Hier bezeichnet eine abdominalwärts gerichtete Krümmung die Grenze gegen die costale Grenzlinie. - Pleurafreies, ventrales Feld des Herzbeutels, Fig. 17. Es beginnt oben in einer Breite von 2,8cm, endigt unten gegen das Zwerchfell zu in einer Breite von dem. Die rechte Seite ist lateralwärts ausgebuchtet, die linke ist ziemlich gerade und schräg gestellt. Der größere Abschnitt fällt der rechten Herzhälfte zu, Grenzlinien der Pleura-Säcke beim Orang. 38 welche wir uns durch eine senkrechte, durch die Mitte der vorderen Projektionsfläche gezogene Linie abgegrenzt denken. Der Befund III steht in allen wesentlichen Dingen dem vorigen nahe. Er ist etwas ursprünglicher durch die Stellung der aboralen Endpunkte, welche etwa ein halbes Segment weiter abdominalwärts liegen. Er ist etwas abgeänderter durch die Lateralverschiebung der linken Grenzlinie hinter die 3.—5. Rippe, wodurch diese Grenz- linie einen retrosterno-costalen Charakter gewinnt, und ein links vom Brustbeine befindliches interpleurales Feld auftritt. Orang IV, Fig. 8. Obere, orale Endpunkte. Das orale Ende der rechten Grenz- linie liegt median hinter der Ineisura jugularis, das der linken etwa 5 mm seitlich von der Mittellinie. Die Grenzlinien sind in ganzer-Ausdehnung auseinander ge- wichen, oben etwa 5 mm. Die Entfernung beider voneinander nimmt ganz allmählich in aboraler Richtung zu und beträgt in der Nähe des Zwerchfelles etwa 2cm. Es findet eine Divergenz der Linien abdominalwärts statt. Beide Grenzlinien sind dabei $-förmig gekrümmt; die rechte Linie ist stärker doppelt gebogen als die linke, bei welcher namentlich die untere Biegung mehr durch eine gerade Strecke ersetzt ist. . Die rechte Grenzlinie ist eine retrosternale, die linke eine retrosterno-costale. Die rechte reicht bei dem oberen Schenkel der $S-förmigen Krümmung an das Sternalende der 3. Rippe, mit dem unteren Schenkel in der Höhe der 6. Rippe über die Mittellinie nach links hinüber. Von hier aus gelangt sie leicht ge- bogen zur Mitte des Sternalansatzes der rechten 7. Rippe. — Die linke Grenzlinie erreicht an ihrem Übergange in den unteren Schenkel der S-förmigen Krümmung den linken Rand des Brustbeines im 4. Zwischen- rippenraume. Von hier weicht sie mehr und mehr nach links hin ab und ist schließlich im 4. Zwischenrippenraume etwa 2cm vom Brust- beine entfernt. Ihr Übergang in die costale Grenzlinie ist unver- mittelt und liegt an einer aboralwärts gekrümmten Stelle der ein- heitlich gewordenen sterno-costalen Linie. Interpleurales Feld. Es gleicht einem leicht $-förmig ge- bogenen Streifen, welcher abdominalwärts sich verbreitert. Es befindet sich oben retrosternal und ist mehr nach rechts gewendet, dehnt sich in der Mitte seiner Längsausdehnung hinter dem Corpus sterni von der Mittellinie nach beiden Seiten aus, während es-weiter abwärts hinter die linke Brustbeinhälfte und hinter den 4. bis 386 Georg Ruge 6. Zwischenrippenraum sowie hinter die Knorpel der 5.—7. Rippe zu liegen kommt. Untere, aborale Endpunkte. Das rechte Ende liegt hinter dem Sternalansatze der rechten 7. Rippe, das linke im 5. Zwischen- Yippenraume aboral von der Herzspitze. Ventralansicht des Brustkorbes von Orang IV. 3/7. Die sternalen und costalen Grenzlinien der Pleura-Säcke sind mit fetten, das Herz ist mit doppelten, und die vorderen Lungenränder sind mit punktierten Linien in die Skeletumrisse eingetragen. Die Knochenkerne im Brustbeine sind unten paarig, oben verschmolzen. Der Übergang der rechten sternalen Grenzlinie in die costale liegt hinter der Sternalinsertion der 7. Rippe, derjenige der linken im 5. Intercostalraum. Pleurafreies Feld des Herzbeutels, Fig. 18. Es beginnt oben schmal (1,3 cm breit) und endigt unten breit (3,2 em), liegt oben mehr nach rechts und unten mehr nach links von der durch die Projektionsfläche des Herzens gezogenen Mittellinie. Die rechte Grenzlinien der Pleura-Säcke beim Orang. 387 Grenze des Feldes ist leicht lateralwärts gekrümmt; die linke Grenze ist oben gerade und unten lateralwärts leicht ausgebogen. Der Befund IV stellt sich ursprünglicher als die vorhergehen- den Fälle dar durch die tiefe Lage des rechten aboralen Endes der Sternallinie hinter der 7. Rippe. Er nimmt bezüglich der Lage des linken’aboralen Endes eine etwas niederere Stellung als die Befunde I und III ein. Das Auseinanderweichen der Grenzlinien ist im oberen retrosternalen Gebiete weniger weit vorgeschritten als bei III und II. Hingegen ist die seitliche Deviation der linken Grenzlinie weiter vorgeschritten als bei III. Durch diese gravierende Eigen- schaft erhebt sich der Befund über die drei anderen Fälle. Der linksseitige retrocostale Abschnitt des interpleuralen Feldes ist hier am größten. Orang V, Fig. 9. Obere, orale Endpunkte. Sie liegen lateral hinter beiden Brustbein-Schlüsselbeingelenken und entfernen sich dadurch sehr weit voneinander (etwa 4,3 cm). Die Grenzlinien sind in ganzer Ausdehnung weit voneinander getrennt, oben (4,3 cm) etwa doppelt so weit als unten (2,3 em). Die rechte Grenzlinie ist in ganzer Ausdehnung eine retro- sternale; sie ist schräg nach unten und links gerichtet und endigt am Sternalansatze der linken 6. Rippe. Sie schneidet die Mittel- ‘linie in der Höhe des 5. Zwischenrippenraumes. Die linke Grenz- linie ist in ihrer ganzen Längenausdehnung zur Seite des Brust- beines verschoben und ist bis zum oberen Rande der linken 5. Rippe nahezu senkrecht gestellt. Erst von hier ab tritt eine schräge Ver- laufsrichtung nach links und abwärts ein. Die linke Grenzlinie ist eine durchaus retrocostale geworden. Die starke Deviation nach links steht mit der sehr erheblichen Verlagerung des Herzens in gleicher Richtung im Zusammenhang. Interpleurales Feld. Es ist oben breit und unten verhält- nismäßig schmal; es verjüngt sich abdominalwärts auf die Hälfte. Oben wird die ganze hintere Fläche des Brustbeines von ihm ein- genommen, während in der Höhe der 2.—7. Rippe die rechte Hälfte des Brustbeines in abwärts steigendem Maße von ihm unberührt bleibt. Ebenso ist in den Höhen des 5. Zwischenrippenraumes bis zur 6. Rippe ein Teil der linken hinteren Sternalfläche frei vom Felde. Dasselbe dehnt sich in seiner ganzen Länge über die hinteren Flächen der 1.—5. linken Rippen und die zugehörigen 388 Georg Ruge Zwischenräume aus, oben in einer Entfernung von 1 cm und unten von 2cm vom linken Rande des Brustbeines. Untere, aborale Endpunkte. Das Ende der rechten Linie befindet sich hinter dem Brustbeinansatze der linken 6. Rippe; es ist ganz nach links verschoben. Das Ende der linken Grenzlinie liegt hinter der linken 5. Rippe, weit vom Brustbeine entfernt. Es Ventralansicht des Brustkorbes von Orang V. 3%. Die Grenzlinien der Pleura-Säcke sind mit fetten, die Vorderränder der Lungen mit punktierten Linien in die Skeletumrisse eingetragen worden. Der Übergang der rechten Grenzlinie in die costale befindet sich hinter der Sternalinsertion der 6. linken Kippe, derjenige der linken hinter dem Knorpel der 6. Rippe. Das interpleurale Feld ist oben fast doppelt so breit als unten. : ist wegen des unmittelbaren Überganges der retrocostalen in die eigentliche costale Grenzlinie nicht genau bestimmbar. Pleurafreies Feld des Herzbeutels, Fig. 19. Es hält sich von den Seitenrändern der senkrecht projizierten Vorderfläche des Herzens gleich weit entfernt. In der Gegend der Vorhöfe ist es 2cm breit und nimmt gegen die Herzspitze die doppelte Breiten- ausdehnung ein. Die Längsachse des Feldes ist nach unten und links gerichtet. Der rechte Rand ist ein wenig schräg gestellt und ist IR, Grenzlinien der Pleura-Säcke beim Orang. 389 nach links ausgebogen; der linke Rand des Feldes ist stark nach links und unten gewendet, dabei nach rechts gebogen und trifft auf den linken Herzrand 2,7cm oberhalb der Herzspitze. Der Befund V unterscheidet sich von allen vorhergehenden Fällen dureh die außerordentlich große Entfernung der Grenzlinien voneinander sowie durch die ungewöhnliche Seitenverlagerung der linken Grenzlinie. Er erweist sich dadurch als der am weitesten veränderte. Dazu kommt, daß der Herzbeutel das ausgedehnteste, auch über die Herzspitze gehende, pleurafreie Feld besitzt. Bezüg- lich der Neigung der rechten Grenzlinie nach unten und links reiht sich der Befund an Fall IV an, übertrifft ihn aber. Die Entfernung der oralen Endpunkte der @renzlinien voneinander wird nur durch den Fall III erreicht. Das linke aborale Ende der Grenzlinie ist durch die Lage hinter dem Knorpel der 5. Rippe unter allen Fällen am weitesten oralwärts verschoben und gestaltet den Befund auch in dieser Beziehung zum meist veränderten. Das aborale Ende der rechten Grenzlinie ist durch die Lage in der Höhe der 6. Rippe ur- sprünglicher als in den Fällen II und III und stimmt diesbezüg- lieh mit dem Befunde I überein. In der Verlagerung hinter die linke 6. Rippe spricht sich indessen eine Eigenheit aus, welche mit der lebhaften Linksverschiebung des ganzen Apparates im Ein- klang steht. Orang VI, Fig. 6, b. Obere, orale Enden der sternalen Grenzlinien. “ie liegen hinter den Gelenken zwischen Brust- und Schlüsselbeinen. Die Lage ist beiderseits eine gleichartige. Die Sternallinien sind rechts und links gleichartig auseinander- gewichen. Ihre Entfernung voneinander nimmt in aboraler Richtung rasch zu, so daß die rechte Grenzlinie bereits hinter den Sternal- ansatz der 3., die linke sogar hinter den der 2. Rippe zu liegen kommt. Von hier aus entfernen sich beide Linien mehr und mehr und zwar so beträchtlich voneinander, daß ihr gegenseitiger Ab- stand in der Höhe des 5. Rippenpaares dreimal so groß ist als der in der Höhe der 3. Rippen. Der Übergang in die costalen Grenz- linien ist durch die starke seitliche Abweichung der sternalen ein ganz unmittelbarer geworden. Die costalen Grenzlinien schneiden das 6. Rippenpaar an dessen Knorpel-Knochengrenzen. Beide Grenz- linien sind nur im oberen Gebiete retrosternale geblieben, unten sind sie retrocostal geworden. 390 Georg Ruge Untere, aborale Endpunkte. Sie sind nicht mehr genau bestimmbar. Sie dürften hinter den Knorpeln des 5. Rippenpaares zu suchen sein, wo die stärksten Krümmungen der einheitlich ge- wordenen sterno-costalen Linien auftreten. Interpleurales Feld. Es nimmt die ganze hintere Fläche des Brustbeines in Anspruch und verbreitet sich abdominalwärts durch beiderseits gleichartige, seitliche Ausdehnung über Rippen und Intercostalräume. Der größere Abschnitt der Ventralfläche des Herzbeutels ist der Fig. 10. Retrosternale und retrosterno-costale, interpleurale Felder von Orang I, II, III. Fig. 10 1:3; Fig. 12 1:2. Die aboralen Übergänge der sternalen Grenzlinien in die eostalen sind mit X bezeichnet. Thoraxwand angelagert. Auch die Herzspitze fällt in den Bereich des interpleuralen Feldes. Der Befund VI übertrifft in allen Punkten die weit fortgeschrit- tenen Umwandlungen des Falles V, mithin auch die der anderen Fälle. Er steht am Ende der Reihe, durch welche der Breitegrad der individuellen Schwankungen bezeichnet ist. b. Rangordnung der Befunde nach den einzelnen Merk- malen an den sternalen Grenzlinien. Vergleich mit an- deren Formen. 1. Entfernung der oberen, oralen Endpunkte vonein- ander. Die Lage der oralen Enden hinter der Ineisura jugularis liegt Grenzlinien der Pleura-Säcke beim Orang. 391 bei Hylobates agılis, lar und lewciscus einmal beiderseits und bei Hylobates syndactylus zweimal einseitig vor; sie findet sich an zwei Individuen von Schimpanse beiderseits und einmal einseitig und bei 2 Gorilla einmal beiderseits. Die seitliche Verschiebung bis hinter die Gelenke zwischen Brust- und Schlüsselbeine ist eine seltene Erscheinung und wird bei 3 Hylobates syndactylus zweimal einseitig, bei 3 Schimpanse einmal einseitig und bei 2 Gorilla einmal beiderseits angetroffen. Die Lage hinter der Ineisura jugu- laris darf hiernach für Hylobatiden und Anthropomorphe als Fig. 13. Retrosternale und retrosterno-costale, interpleurale Felder von Orang IV, V, VI. Fig. 13 u. 14 auf !/s, Die aboralen Übergänge der sternalen in die costalen Grenzlinien sind durch X bezeichnet. die indifferentere gelten, und zwar ist der Befund ein um so ur- sprünglicherer, je mehr die oralen Endpunkte der Mittellinie ge- nähert sind, oder bei erfolgter seitlicher Verschiebung am engsten beieinander liegen. Hiernach ordnen sich die Befunde bei Orang in folgender Weise. Orang I steht am tiefsten; die links verschobenen Enden entfernen sich nur etwa 5 mm voneinander. Orang IV schließt sich an, wo die Entfernung 6 mm beträgt, aber verhältnis- mäßig viel größer als bei I ist; denn hier handelt es sich um ein Junges, dort um ein ausgewachsenes Tier. Die Enden bleiben der Mittellinie benachbarter als bei I. Der Fall III zeigt den linken Endpunkt lateral verschoben, welcher hinter der Ineisura jugularis in der Nähe des Gelenkes liegt. Das rechte orale Ende befindet sich lateral hinter dem Gelenke. Bei II, V und VI sind die oralen 392 Georg Ruge Enden beiderseits bis hinter die lateralen Abschnitte der Gelenke verschoben. Ursprüngliche Zustände, wie sie bei I und IV vorliegen, wer- den in sehr ähnlicher Art bei 3 Schimpanse und einmal bei 2 Gorilla angetroffen. Das differentere Verhalten im Falle III findet sich weder bei Schimpanse noch bei Gorilla vertreten; es ist unter 7 untersuchten Hylobatiden zweimal in ähnlicher Weise bei Syndactylus vertreten. Die weitest fortgeschrittenen Wand- lungen, wie sie bei II, V und VI vorliegen, sind in ähnlicher Weise nur einmal bei Gorilla ausgebildet; sie sind bei Aylobates und Schimpanse bisher nicht beobachtet worden. Orang erhebt sich weit über Hylobates und Sechimpanse und schließt sich durch das Auftreten von primitiven und differentesten Zuständen enger an Gorilla an. 2. Berührung der sternalen Grenzlinien und deren Auseinanderweichen, Fig. 10—15. Orang I, (Fig. 10) bewahrte als einziger Vertreter unter den sechs Individuen die Berührung beider Grenzlinien herab bis zur Höhe des 3. Rippenpaares. Ein Auseinandertreten beider ist im aboralen Gebiete erfolgt. Mehr gleichmäßige Entfernungen der Grenzlinien voneinander liegen in steigender Weise und verschiedener Kombi- nation bei II, IV und III vor (Fig. 11, 12, 13). Die linke Grenzlinie überschreitet bei III und IV den linken Rand des Brustbeines. Eine ganz gewaltige Entfernung beider Grenzlinien voneinander hat sich bei V und VI vollzogen (Fig. 14, 15). Die Art der Verschiebungen ist in beiden Fällen verschieden. Bei V sind beide Grenzlinien nach links, bei VI symmetrisch nach rechts und links deviiert. Orang VI, (Fig. 15) steht am Ende der Entwicklungsreihe. 3. Herzabweichung der linken Grenzlinie nach links, Fig. 10—15. Sie bleibt unbemerkt bei Il. Bei Orang Ill ist die linke Grenzlinie hinter die 3.—D. linke Rippe verschoben. Ausgesprochen ist sie bei dem links gelagerten Herzen in der Höhe der 5. Rippe. Die Herzabweiehung der linken Grenzlinie ist hinter dem 4. und 9. Zwischenrippenraum und der 5. Rippe beim Orang IV deutlich ausgeprägt. Sie beginnt bei I bereits in der Höhe des 3. Rippen- paares und ist bei V und VI am größten. 4. Pleurafreies Feld des Herzbeutels, Fig. 16—19. Es nimmt den kleinsten Teil der Vorderfläche des Herzbeutels beim Orang IV in Anspruch, ist bei III nach beiden Seiten etwas Grenzlinien der Pleura-Säcke beim Orang. . 393 mehr ausgebreitet. In beiden Fällen bleibt die Spitzengegend von der linken Pleura überzogen. Bei V dehnt sieh das pleurafreie Feld über die Spitze und oberhalb derselben über den Randabschnitt der. vorderen Herzbeutelfläche aus. Die unter 2, 3 und 4 behandelten Merkmale bilden einen ein- heitlichen Erscheinungskomplex; sie können aber je für sich zur Vergleichung herangezogen werden. Der indifferente Zustand der Berührung beider Grenzlinien bei I ist durch Gorilla überholt; er steht höher als in zwei Fällen bei Schimpanse, aber tiefer als in einem dritten Falle bei diesem. Orang I bewahrte also Eigenschaften, welche im Breitegrade der Fie. 16. Fig. 18. Fig. 19. IE: a N Orang I Orang IV Orang III Orang V Ventralansichten des Herzbeutels von vier Orang. Die fetten Linien sind die Stellen, an welchen die Pleura pericardiaca vom Herzbeutel sich abhebt, um zur vorderen Wand des Brustkorbes sich zu begeben. Das zwischen zwei Linien gelegene Feld entbehrt des Pleura-Überzuges. Es nimmt an Ausdehnung von Fig. 16 zur Fig. 19 erheblich zu. Die unteren Linien deuten die Kuppel des Zwerch- felles an, die punktierten Linien die Mitte der Ventralfliche des Herzbeutels. 1/3. Schwankungen bei Scehimpanse vertreten, bei Gorilla aber noch nicht beobachtet worden sind. Die Entfernung beider Grenzlinien voneinander, wie sie bei allen anderen 5 Orang in ganzer Ausdehnung sich findet, ist bei Schimpanse nicht vertreten. Orang ist höher organisiert. Gorilla indessen rivalisiert mit letzterem in dieser Eigenschaft. Beide Be- funde bei Gorilla nähern sich den differentesten bei Orang V und VI, ohne indessen dem Befund VI gleich zu kommen. Gorilla und Orang vertreten dadurch die höchste Rangstufe im Umwand- lungsvorgange überhaupt, welcher bei den Primaten an den sternalen Grenzlinien sich vollzieht. 5. Höhenlage der aboralen Endpunkte (vgl. Fig. 10—15). a. Recehtsseitige Lage. Der Endpunkt liegt bei IV hinter dem Sternalansatze der 7., bei I hinter dem der 6., bei V hinter Morpholog. Jahrbuch. 44. 26 394 Georg Ruge dem der 6. linken kippe, bei III hinter dem 5. Zwischenrippen- raume, bei II hinter dem Sternalansatze der 5. Rippe, bei VI seit- lich hinter dem Knorpel der 5. Rippe. Die individuellen Schwan- kungen nehmen den Höhenunterschied der 3 unteren Sternalrippen (“—5) in Anspruch. Der Fall IV ist ursprünglicher als die drei bekannt gewordenen Befunde bei Schimpanse; er bedeutet einen Rückfall auf Zustände, welche bei Hylobates agilis einmal und syndactylus zweimal als progres- sive bei dieser Gattung eingetreten sind. Viermal sind die Befunde bei Hylobates (lar, agilis einmal, leuciscus, syndactylus einmal) be- deutend primitiver als bei Orang IV. Der Höhenstand hinter der 7. Rippe wird einmal bei Gorilla angetroffen, wo das aborale rechte“ Ende aber hinter die linke 7. Rippe verschoben ist. Die Lage des aboralen Endes hinter der 6. Rippe, bei Orang I und V ausgebildet, ist je einmal beim Schimpanse und Gorilla beobachtet worden. Hylobates hat diesen Zustand nicht erreicht. Die Lage hinter dem 5. Zwischenrippenraume, bei Orang Ill vorliegend, ist beim Schimpanse einmal vertreten. Gorilla hat diesen vorgeschrittenen Stand nicht erreicht. Schimpanse übertrifft in der Verschiebung der rechten abo- ralen Endpunkte in eranialer Richtung den Gorilla und wetteifert mit Orang. Die Lage des rechten aboralen Endpunktes hinter der 5. Rippe, welche zweimal bei Orang (Il, VI) bemerkt wird, ist einzig in ihrer Art; sie ist bei keinem anderen Primaten bisher bekannt geworden. Orang hat diesbezüglich die größten Umgestaltungen durchlaufen. Trotz dieser bevorzugten Eigenschaft ist die Neigung zu Rück- schlägen auf eine niedere Stufe der Organisation gruß. ß. Linksseitige Lage. Das aborale linke Ende ist in allen Fällen, Fall II ausgenommen, lateral vom Brustbein angetroffen worden. Der Grad der Entfernung von ihm muß mit der Höhenlage zu den Rippen bei der Bestimmung der Rangordnung in Rechnung gebracht werden. Orang IV zeigt wohl den indifferentesten Zustand: der Endpunkt liegt im 5. Intercostalraume nahe dem oberen Rande der 6. Rippe, etwas mehr als 2 cm vom Brustbein entfernt. Bei I liegt ein ähnliches Verhalten vor; der Endpunkt ist aber dem unteren Rande der 5. Rippe näher gerückt. Er liegt bei III hinter dem der letzteren, aber weniger weit vom Brustbein entfernt als bei IV und I. Der Endpunkt liegt bei II hinter dem Sternalansatze der 5. Rippe, ist also, nach der Lage zu den Rippen bemessen, cranial- Grenzlinien der Pleura-Säcke beim Orang. 395 wärts weiter verschoben. Der Befund ist indessen als ein ursprüng- licherer zu beurteilen, da eine seitliche Verschiebung sich nicht eingestellt hat. Einen erheblichen Fortschritt bedeutet der Fall V; hier liegt der Endpunkt weit lateral hinter dem Knorpel der 5. Rippe und aboral von der Herzspitze. Noch weiter fortgeschritten ist Orang VI; bei ihm nähert sich der hinter dem Knorpel der 5. Rippe befindliche Endpunkt am meisten dem Knochenteile der letzteren. Die Höhenlage schwankt bei allen Tieren nur wenig; sie wird durch den 5. Intercostalraum oder die 5. Rippe bezeichnet. Das ur- sprünglichste Verhalten bei Orang ist differenter als der vorge- geschrittenste Befund beim Schimpanse, welcher nur in einem Falle dem Orang II sich nähert, ihm aber nicht gleichkommt. Hylobates bleibt weit hinter Orang. Gorilla ist in einem Befunde ursprünglicher als alle Fälle von Orang; denn der Endpunkt liegt hinter dem 6. Rippenknorpel, allerdings auch weit vom Brustbein entfernt. In einem zweiten Befund erreicht Gorilla eine Stellung, welche etwa Orang VI einzuräumen ist. Vielleicht nimmt er sogar noch eine etwas höhere Stellung als letzterer ein, da der End- punkt an dem knöchernen Teile der 5. Rippe noch näher heran- gerückt ist. Orang nimmt auch hier, da die Progression im Bau an allen Objekten vorliegt, und Gorilla primitiver als diese sich verhalten kann, die höchste Stufe unter den Primaten ein; denn auch beim Menschen sind Einrichtungen, wie sie Orang V und VI besitzen, bisher nicht beobachtet worden. Ausgesprochene, unvermittelt sich einstellende Linksabweichungen der linken Grenzlinie, welche mit Fug und Recht auf die Lagerung des Herzens nach links zurückgeführt und deshalb als »Herzab- weichungen« der Pleura bezeichnet werden, stellen sich bei Orang IV, I, III ein. Eine derartige Herzabweichung der linken Grenz- linie ist beim Gorilla beobachtet worden. Sie fehlt in dieser un- vermittelten Form beim Schimpanse. Gorilla und Orang sind unter den Affen die alleinigen Träger einer solehen Linksabweichung. Der Mensch schließt sich in dieser Hinsicht den beiden Anthropo- morphen an. Um Mißverständnisse zu vermeiden, sei darauf nochmals hin- gewiesen, daß die Herzlage bei Anthropomorphen und beim Menschen für alle Linksdeviationen der Grenzlinien verantwortlich gemacht werden muß, wobei selbstverständlich nur die normalen Lebewesen 26* 396 Georg Ruge in Betracht kommen. Eine »Herzabweichung« der Pleura kann also Formen annehmen, wie sie z. B. bei Orang V und VI, und hier sogar in extremsten Graden, vorliegen. 3. Costale Grenzlinien. Die Beurteilung eines jeden Tatbestandes im Vergleich mit irgendeinem anderen bietet nach der Behandlung der vertebralen und sternalen Grenzlinien keine Schwierigkeiten dar. Je mehr die costalen Linien oralwärts verschoben sind, um so differenter ist der Fig. 20. Rechte Seitenansicht des Brustkorbes von Orang OI. 1\/. Die rechte costale Pleura- Grenzlinie ist mit fetter Linie in die Skelet- umrisse eingetragen. Sie schneidet den 5. Intercostalraum, die 6. Rippe lateral von der Knorpel-Knochengrenze, die folgenden Rippen an den Knochenteilen, nach unten weiter und weiter von den Grenzen gegen die Knorpel entfernt. Befund. Einigermaßen sichere Merk- male für den Grad der oralen Ver- schiebung liegen erstens in der Be- stimmung vor, welche Rippe zuerst an ihrer Knorpel-Knochengrenze durch die Grenzlinie geschnitten wird, und zweitens in der Feststel- lung, welches die letzte von der Pleura berührte Rippe ist. Ein an- deres wichtiges Merkmal für eine morphologische Wertschätzung ist das Verlaufen der Grenzlinie -hinter dem höchst gelegenen Rippen- knorpel oder dem am weitesten oralwärts befindlichen Zwischen- rippenraume. Der größte Tiefstand der Pleuragrenzen an der seitlichen Thoraxwand sowie die Entfernungen der auf die knöchernen Rippen über- getretenen Grenzlinien von den Knorpel-Knochengrenzen der ent- sprechenden Rippen können ebenfalls Aufschluß über die gegenseitige Rangstellung der Befunde geben. a. Rechtsseitige Grenzlinien, Fig. 20, 1. Höchste Lage hinter den Rippenknorpeln oder Inter- eostalräumen. Bei Orang V und I ist der Knorpel der 6. Rippe der höchste, von der Grenzlinie geschnittene Teil, bei III (Fig. 20) und IV der 5. Zwischenrippenraum, bei II und VI der Knorpel der 5. Rippe. Es liegt also eine Verschiebung um ein Segment vor. Grenzlinien der Pleura-Säcke beim Orang. 397 2. Lage der Grenzlinie hinter den Knorpel-Knochen- grenzen der Rippen, Fig. 20. Die Befunde nehmen eine andere Rangordnung als bei 1 ein. Es besteht auch hier keine Gleichartigkeit der Veränderung an ver- schiedenen Punkten. Bei Orang IV liegt die Grenzlinie hinter der Knorpel-Knochengrenze der 7. Rippe (oberer Rand), bei V zwischen 6. und 7., bei I hinter der Mitte der 6., bei II und VI hinter der 6. Rippe. Bei Orang Ill ist die Grenzlinie auf den Knochen der 6. Rippe verschoben. Die Verschiebung in -oraler Richtung bewegt sich zwischen 7. und 6. Rippe. 3. Tiefster Stand der Grenzlinie an der Seitenwand des Brustkorbes, Fig. 20. | Er wird bei III im 11., bei II und IV im 10. Zwischenrippen- raum angetroffen. Die Sehwankungen betragen auch hier die Höhe eines Seg- mentes. Orang III gibt das ursprünglichere Verhalten an, während er bei 2. am Ende der Reihe steht. 4. Lage der Grenzlinie hinter den Knochenteilen der Rippen, Fig. 20. Die Grenzlinie schneidet die knöchernen Teile von der 7. Rippe an bei II, IV, V, VI, von der 6. an bei I und III. Die Differenzen liegen in der Höhe eines Segmentes wie bei l.,2.und3. Orang III beschließt wie bei 2 die Reihe. Orang II beginnt sie hier und steht bei 1. am vorletzten Platze. Eine ähnliche Verschiebung der Rangstellung läßt sich für die anderen Individuen nachweisen. Sie ist aus der folgenden tabellarischen Zusammenstellung zu ent- nehmen: Zu ENEerERnEn a =r R > Der een 2. Lage der Grenzlinie hinter |3. Tiefster Stand der | 4. Von der Grenzlinie ge- an 2 + en 248° \iger Knorpel-Knochengrenze der | Grenzlinie an der Seiten- | schnittene Knochenteile schnittene Knorpel oder die Zwischenrippenräume Bonren | wand des Brustkorbes | der Rippen V 6. R. IV 7.R. (ob. Rd.) TEE ZweeT: | II 7.—12. R. I 6. R. V zw. 7.u.6.R. Es ale IV 3 57.12. B. III DEZWAT: I 6.R. (Mitte) VI 10. Zw. r. IV 7.—11. R. IV 5. Zw. ı II 6.R. VIREN SR: II DRS VI 6.R. I 6.—11. R. VI DR 1081 6.R R. . (lateral) II 6-11. 5. Vergleich mit den Befunden bei Schimpanse und Gorilla. Was den 1. Punkt betrifft, so reicht die Grenzlinie bei Schim- 398 Georg Ruge panse jedesmal in den 5. Zwischenraum hinein, was bei Orang zweimal der Fall ist. Je zweimal ist der Tatbestand bei letzterem ursprünglicher und fortgeschrittener als der beim Schimpanse. Gorilla zeigt je ein Verhalten, welches mit dem primitiven und dem differenteren des Orang übereinstimmt; er erreicht das diffe- renteste des Orang ebensowenig wie Schimpanse. ÖOrang ver- gegenwärtigt den höchsten Grad der Fortbildung. Bezüglich des 2. Punktes liegt der Schnittpunkt bei Schim- panse einmal hinter der 9. Rippe. Dies Verhalten ist durch Orang Fig. 21. Fig. 22. Fig. 23. Linke Seitenansichten der Brustkörbe von Orang V (Fig. 21), Orang IV (Fig. 22) und Orang III (Fig. 23)- 1:4. Die costalen Grenzlinien sind mit fetten Linien in die Skeletumrisse eingetragen. Die Grenz- linie schneidet den Knorpel der 6. Rippe auf Fig. 21, den 5. Intercostalraum auf Fig. 22, den Knorpel der 5. Rippe auf Fig. 23. Sie liegt stets hinter der Knorpel-Kn ochengrenze der 6. Rippe, schneidet die Knochen der unteren Rippen, abwärts weiter und weiter von den Grenzen gegen die Knorpel ent- fernt. Der tiefste Stand der Grenzlinien findet sich im 11. Intercostalraum. überholt. Er liegt einmal hinter der 7. Rippe, was bei Orang eine Ausnahme bildet, und einmal hinter der 6. Rippe, was bei Orang der Regel entspricht. Orang III wird vom Schimpanse nicht er- reicht, da die Grenzlinie bei ihm lateral von der Knorpelgrenze der 6. Rippe liegt. Gorilla stimmt einmal mit Orang V, das andere Mal mit Orang III, IV, II überein. Orang III steht über ihm. Zu Punkt 5 kann nur bemerkt werden, daß der tiefste seitliche Stand der Pleura beim Gorilla einmal unter der 13. Rippe an- getroffen wird, daß er bei Orang um 2 und 3 Segmente höher steht. Bezüglich des 4. Punktes sind die Ergebnisse gleiche wie für Punkt 2. Grenzlinien der Pleura-Säcke beim Orang. 399 b. Linksseitige Grenzlinien, Fig. 21, 22, 25, 24. 1. Höchste Lage hinter Rippenknorpeln oder Zwischen- rippenräumen. Der 5. Zwischenrippenraum wird bei I, IV und III geschnitten, bei III höher als bei IV, bei IV höher als bei I. Die 5. Rippe wird von der Grenzlinie bei Il, V und IV, und zwar mehr oral- wärts in dieser Reihenfolge, getroffen. Die Verschiebung findet in eranialer Richtung etwa um die Höhe eines Segmentes statt. 2. Lage der hinteren Knorpelgrenzen —= Grenzen der Rippen. Die Grenzlinie schneidet an allen Individuen die Knorpelgrenze Fig. 24. (Wiederholung der Figur 58 der Seite 91 im Morpholog. Jahrbuch, 41. Bd., 1910.) Linke seitliche Ansichten der Brustkörbe von Orang VI (a) und Orang II (b). 1:4. Die costalen Grenzlinien sind durch fette Linien in die Umrisse der Skelete eingetragen worden. der 6. Rippe, und zwar in folgender Rangordnung: am unteren Rande bei III, IV und V, in der Mitte bei I und Il, am unteren Rande bei VI. Die Gleichartigkeit der Befunde ist bemerkenswert. 3. Tiefster Stand an der seitlichen Thoraxwand. Er fällt bei IV und V in den 11., bei II, II und VI in den 10. Zwischenrippenraum. Orang Ill zeigt rechts einen tieferen Stand (11. Raum). Die Schwankungen betragen die Höhe eines Segmentes. 4. Lage hinter den knöchernen Teilen der Rippen, Fig. 21—24. Die Grenzlinie schneidet bei 5 Objekten die Knochen von der 7. Rippe an; sie hat Beziehungen zum knöchernen Abschnitte der 6. Rippe nur beim Objekt I gewonnen. 400 Georg Ruge Die folgende tabellarische Übersicht läßt die verschiedene Rang- stellung erkennen, welche die Individuen in den vier Punkten ein- nehmen : 1. Höchst gelegene, von der Grenzlinie geschnit- tene Knorpel oder Zwi- schenrippenräume - Ze 2. Lage der Grenzlinie 3. Tiefster Stand der 4. Von der Grenzlinie ‚ hinter der Knorpel-Kno- Grenzlinie an der Seiten- | getroffene Knochenteile | chengrenze der Rippen wand des Brustkorbes | der Rippen . R. (unten) IV. "EZ: >> = Ma I 5. Zw. T. TINzI6SR m IV 92ZwT:- IV 6.R. (unten) V l. Zw: II: Ad HER; III 5.R. (oben) V 6.R. (unten) II 10. Zw. r. IIV %—12.R. II. 5.R. (Mitte) I 6.R. (Mitte) III 107 ZWw.T- v 2-1LR Ve IT 36.5, VI 10. Zw. 1. VL. 2-1 FR: VI 5.R. VI 6.R. (oben) | 1. Beer. 5. Vergleich mit den Befunden bei Schimpanse und Gorilla. Bezüglich des Punktes 1. verhält sich Schimpanse einmal dureh die Lage der Grenzlinie hinter der 6. Rippe primitiver als alle Fälle von Orang und stimmt zweimal mit den drei ursprüng- licheren Zuständen bei I, IV und III überein. Die differentere Lage hinter der 5. Rippe, welche Orang dreimal besitzt, ist bei Schimpanse nicht erreicht. Gorilla steht einmal tiefer als Orang durch die Lage hinter der 6. Rippe, stimmt einmal mit den indifferenten Befunden I, IV und III überein. Orang zeigt dreimal den höchsten überhaupt bei Primaten erreichten Grad eranialer Ver- schiebung der costalen Grenzlinien. Betreffs des Punktes 2. erreicht Schimpanse den regelmäßigen Befund von Orang nicht; die Grenzlinie schneidet je einmal die 9., 8. und 7. Knoehen-Knorpel- grenze. Gorilla bleibt ebenfalls in einem Falle dureh die Lage hinter der 8. Rippe weit hinter Orang zurück, während er ein anderes Mal mit dem Verhalten bei Orang III übereinstimmt. Letzterer übernimmt auch im Punkt 2. durch das regelmäßige differente Verhalten die Führerrolle.. Punkt 3: Der tiefste Stand der Pleura überragt weder bei Schimpanse (zweimal bestimmbar) noch bei Gorilla (einmal bestimmbar) den 11. Zwischenrippenraum. Dieser primitive Stand besteht bei Orang zweimal, indessen der sonst nirgends erreichte Stand im 10. Intercostalraume dreimal beobachtet worden ist. Das Örang-Verhalten stellt wieder das letzte Glied in den Merkmalen der eranialwärts gerichteten Verschiebung der costalen Grenzlinien dar. Grenzlinien der Pleura-Säcke beim- Orang. 401 4. Längenverhältnis zwischen pleuraler und peritonealer Strecke des thoraco-lumbalen Wirbelsäulen-Abschnittes. Es ist früher festgestellt worden, daß die pleurale Strecke des thoraco-lumbalen Abschnittes der Leibeshöhle bei Hylobates, Sehim- panse, Gorilla, Orang und beim Menschen die peritoneale Streeke, welche bis zur Grenze gegen das Kreuzbein genommen wird, an Länge übertrifft, und daß die Längenverhältnisse für diese fünf Gattungen, in der gleichen Aufeinanderfolge geordnet, eine rasch zum Menschen abfallende Reihe bilden. Der Abfall vollzieht sich bis zum Grade größerer Gleichheit beider Streeken. Individuelle Sehwankungen sind demnach, soll der Grad des Vorwärtsrückens bei ihnen zum Ausdruck kommen, im gleichen Sinne zu ordnen. Aus der folgenden tabellarischen Übersicht, welche Hylobates, alle Anthro- pomorphen und den Menschen zugleich berücksichtigt, läßt sich alles Wissenswerte sofort ablesen: Lünen dex S Verhältnisse bei- Mittelwert des | pleuralen |peritomealen! „, sireekenzu- Längenverhält- _ | Streeke desthoraeo-lumbalen Ab- er a I sehnittes der Wirbelsäule | 1. Hylobates syndaetylus . 11,3 em 49 em 23:1 2,3:1 2.Sehimpanseö-.-. 147 - 63 - 38:51 1,8:1 3. Gorilla jw.© ... 83 -- ST 1,5:1 in | a Objekt V...| u-- ee b. - Era er I = -= 1.2 | 1.6:1 Be VEr BB -- 27 - 1 14:1 ) u d, _ 11 105 - 143:1 i a CT) Bee 1,3:1 In der zum Menschen sich bewegenden Reihe findet eine Ver- kürzung der pleuralen Strecke im Verhältnis zur peritonealen statt. Der Mittelwert für Orang hat sieh gegen eine frühere Annahme unter Hinzunahme von- drei neuen Befunden nieht unwesentlich ver- schoben. Er ist statt 1,3:1 nach früherer Annahme an einem Be- funde 1,6:1 geworden. Vermöge dieses Mittelwertes verhält sich Orang etwas ursprünglieher als Gorilla nach einem Befunde mit dem Werte 15:1. Dieser wird aber zweimal dureh die Werte bei ÖOrang VI (1,47:1) und IV (1,43:1) in der Reihe übertroffen. Be- vor nicht eine größere Anzahl von Individuen von Sehimpanse und Gorilla auf die einschlägigen Verhältnisse untersucht .worden ist, können die in der Tabelle niedergelegten Ergebnisse nicht als endgültige ausgegeben werden. 402 Georg Ruge, Grenzlinien der Pleura-Säcke beim Orang. Die Rangordnung von Hylobates bis Orang in obiger Tabelle deckt sich fast vollkommen mit der durch die eranialwärts gerichtete Verschiebung an den aboralen Polen der vertebralen Grenzlinien zum Ausdruck kommenden Reihenfolge. Diese Verschiebung fällt also tatsächlich mit einer relativen Verkürzung der pleuralen Strecke zusammen. Eine Änderung in der Kongruenz beider Reihenfolgen ist dureh den bei vier Orang gewonnenen Mittelwert jenes Längen- verhältnisses zwischen beiden Strecken vorderhand eingetreten. Die segmentale sowie die relative Verkürzung der vertebralen Pleurawand müssen durch eine ausgleichende Umgestaltung am Brustkorb wieder ersetzt sein, da der Raum für die Lungen im Ver- hältnis zum ganzen Körper nicht kleiner werden kann. Die ge- waltige Breitenzunahme des Brustkorbes, wie sie namentlich bei Gorilla und Orang uns entgegentritt, bei Schimpanse aber ebenfalls nicht vermißt wird, rechtfertigt die Annahme eines solchen Ausgleiches. Der Binnenraum des Brustkorbes gewinnt durch dessen Breitenzunahme wieder, was er an der vertebralen und auch an der sternalen Wand an Ausdehnung eingebüßt hat. Arosa 1911. Aus der Oto-Laryngologischen Universitätsklinik Jena |Prof. Wütmaack]. Über sogenannte atypische Epithelformationen im häutigen Labyrinth. — Eine rudimentäre Macula neglecta. Von Dr. med. L, Stütz, Assistent der Klinik, Mit Tafel VII, ALEXANDER beschreibt im Bd. LV des Archivs für Ohrenheil- kunde atypische Gewebsformationen im häutigen Labyrinth. Bereits in STEINBRÜGGES und NIESERS Atlas »Bilder aus dem menschlichen Vorhofe« finden sie sich in den Photogrammen gut wiedergegeben; freilich ein besonderer Hinweis auf sie findet sich hier nicht. Bis- her hat man diese Gebilde als einfache anatomische Eigentümlich- keiten hingenommen, ohne daß man einer Erklärung für ihr Zu- standekommen oder ihre Bedeutung weiter nachgegangen wäre. Herr Prof. WırrmAAck veranlaßte mich, die erwähnten Forma- tionen näher zu studieren, vor allem zu prüfen, ob sie mit einer ge- wissen Regelmäßigkeit zu finden seien, und ob nicht auch in bezug auf ihre Lage und Struktur eine bestimmte Gesetzmäßigkeit fest- zustellen sei. Ich habe mich dieser Aufgabe unter Benutzung der Sammlung Prof. WırrmaAcks von histologischen Präparaten unter- zogen und war in der Lage, neben einer großen Reihe von Tier- serien auch über 100 Serien menschlicher Labyrinthe daraufhin durch- zusehen. Nachdem ich festgestellt hatte, daß bei den Säugetieren — Hund, Katze, Kaninchen, Meerschwein — die uns hier beschäftigenden anatomischen Gebilde ebenfalls zu finden sind (s. auch ALEXANDER, Arch. f. Ohrenheilkunde Bd. LV), habe ich mich dann nur auf das genauere Studium derselben an menschlichen Serien beschränkt. Was zunächst die Lage dieser Gewebsformationen, von denen ich dahingestellt sein lasse, ob sie mit den von ALEXANDER be- Morpholog. Jahrbuch. 44. 27 404 L. Stütz schriebenen — speziell den Befunden an den epithelialen Wänden — zu identifizieren sind, anbelangt, so sah ich sie nur im Utriculus. Ich habe in etwa 96°/, der Serien die zu beschreibenden For- mationen gefunden, und wo sie mir entgegentraten, konnte ich eine durchaus konstante Lage feststellen. Als Schnittrichtung wurde für die große Mehrzahl der Serien die zur Pyramidenachse vertikale gewählt. Sie verläuft also an- nähernd parallel mit dem oberen vertikalen Bogengange. Sobald man an der Pyramidenspitze bzw. der Schnecke beginnend bei der Durchsicht der einzelnen Serienschnitte die Gegend der Maeula utri- euli erreicht, sieht man am Dach und Boden des Utrieulus und zwar in dem Teile desselben, der der Ampulle des unteren vertikalen Bogenganges zuliegt, Erhebungen Auftreten, die in ihrem Verlaufe ander medialen Wand des Utrieulus entlangziehen, einander zustreben und somitin der Gesamtheit eine Leiste darstellen (vgl. Taf. VII, Fig. 1). Je nach den unvermeidlichen Schwankungen in der Schnittrichtung bei verschiedenen Schläfenbeinen erscheinen sie bald nur oder ganz vorwiegend auf der medialen Seite des Utriculus getroffen (vgl. Taf. VII, Fig. 2), bald auch auf der gegenüberliegenden Seite und zwar bei der gewählten Schnittrichtung meist auf der Höhe eines zapfen- förmigen in das Lumen des Utriculus hineinragenden Vorsprunges (vgl. Taf. VII, Fig. 1). Um den Verlauf der Leiste noch genauer festlegen zu können, untersuchte ich die beiden Felsenbeine eines Fötus in zwei ver- schiedenen Sehnittrichtungen und zwar das eine in der bereits er- wähnten vertikalen und das andere in der horizontalen parallel zur Pyramidenachse bzw. zu dem horizontalen Bogengang verlaufen- den. Es stellte sich hierbei heraus, daß sich die besprochene leisten- förmige Erhebung vom Eintritt des horizontalen Bogenganges an am Boden des Utrieulus nahe an der Ampulle des unteren vertikalen Bogenganges vorbeiziehend, der Eintrittsstelle des Ductus endolym- phaticus benachbart, nach oben noch etwas auf das Dach des Utri- eulus sich fortsetzend hin erstreckt. Ich habe versucht, den Verlauf in einem Modell von SCHÖNEMANN zu markieren (vgl. Taf. VII, Fig. 2). Dem histologischen Aufbau nach handelt es sich um Er- hebungen in der häutigen Labyrinthwand, die in das Lumen des endolymphatischen Raumes frei hineinragen. Das subepitheliale Ge- webe schickt eine zuweilen deutlich mit Gefäßkanal versehene ‚Sprösse hervor, über die das Labyrinthepithel hinwegzieht. Es zeigt ‚jedoeh nicht die flache Struktur der übrigen Epithelauskleidung der Über sogen. atypische Epithelformationen im häutigen Labyrinth. 405 endolymphatischen Räume, sondern hebt sich vielmehr als hohes Cylinderepithel deutlich von dieser flachen endothelartigen Epithel- auskleidung ab (vgl. Taf. VII, Fig. 3). Dieser feinere histologische Aufbau der in Frage stehenden Epithelhügel erinnert so außerordentlich an das Randepithel der ausgebildeten Sinnesendstellen speziell der Cristae acusticae, daß bei Besichtigung unter starker Vergrößerung eine Unterscheidung dieser Epithelformationen voneinander unter Umständen geradezu unmög- lich erscheint und nur durch Besichtigung der Umgebung (Vorhanden- sein einer ausgebildeten’Crista in dem einen, Fehlen derselben im anderen Falle) ermöglicht wird (vgl. Taf. VII, Fig. ]). Wie wir sahen, handelt es sich also um eine Gewebsleiste. Diese ist indessen nicht in allen Partien gleich hoch, sondern erreicht meist am Boden des Utrieulus eine beträchtlichere Höhe, indem näm- lich hier der subepitheliale Anteil mehr in den Vordergrund tritt, während in dem Verlaufsteile nach dem Dache des Utrieulus zu das Epithel den Hauptanteil an ihrer Bildung hat. Auch erstreckt sich die Leiste wohl sicher nicht in gerader Linie an der Labyrinthwand hin, sondern sie hat wohl stellenweise Schleifen- bzw. S-Form, so daß sie zuweilen in einem Schnitte doppelt oder auch dreifach ge- troffen sein kann, wie Fig. 2, Taf. VII bzw. Fig. 3, Taf. VII beispiels- weise zeigen. Auch kommen wohl zweifelsohne gar nicht so selten mehr oder weniger ausgedehnte Unterbrechungen in dem Gewebs- wulste vor. Bezüglich der Regelmäßigkeit des Vorkommens dieser Gebilde ist folgendes zu sagen. Von 112 Labyrinthen, die ich durch- musterte, konnte ich 10 nicht verwerten, da sie aus verschiedenen anderen Gründen für meine Untersuchungen unbrauchbar waren, bei weiteren 6 Serien fand ich die besprochenen Gebilde nicht, wäh- rend ich sie in den übrigen 96 Serien immer in konstanter Lage nachweisen konnte. Fasse ich nun das Ergebnis der Beobachtungen zusammen! Man findet in dem der Ampulle des unteren vertikalen Bogenganges zu gelegenen Abschnitte des Utrieulus mit auffallender Regelmäßigkeit eine Gewebsleiste, die mit einem den Randpartien der Cristae acu- sticae in den Ampullen der Bogengänge gleichen hocheylindrischen Epithel überzogen ist. Sie erhebt sich am Boden, der medialen Wand und dem Dach des Utrieulus. Da man diese Gewebsbildung in einem sehr hohen Erdiontuae antrifft, ist es wohl gerechtfertigt, gleichwie ALEXANDER sie für 27* 406 L. Stütz eine normale Gewebsformation zu erklären, Wir glauben auch noch eine weitere Erklärung für das Auftreten des beschriebenen Gebildes an dieser bestimmten Stelle des Utrieulus gefunden zu haben. Wie bekannt ist, besteht bei den Vögeln und Reptilien im Utri- eulus des häutigen Labyrinthes neben den den Säugetieren eigenen zwei Nervenendstellen der Macula sacculi und der Maeula utri- culi noch eine dritte, die Macula neglecta. Nach den Fest- stellungen von Rerzıus liegt diese an dem Boden und der medialen Wand des Utrieulus in seinem vorderen Teile und wird versorgt von einem kleinen Zweige des N. vestibularis. Genau an derselben Stelle finden wir die soeben von uns beschriebene Gewebsformation. Es liegt daher der Gedanke nahe, in letzterer ein Überbleibsel jener Macula neglecta zu vermuten. Der Umstand, daß diese Epithelhügel mehr dem Rapheepithel der Cristae acusticae als dem der Maculae gleichen, steht hiermit nieht in Widerspruch. Auch die ausgebildete sog. »Macula« neglecta der Vögel und Rep- tilien ähnelt in ihrem Aufbau eigentlich mehr den Cristae acusticae. Wie diese findet sie sich auf einer leistenförmigen Erhebung und zeigt infolgedessen auch einen ganz analogen Aufbau ihrer Raphe. Auch in ihrer Deckschicht unterscheidet sie sich insofern von den Maculae, als sie eine Otolithenmembran nicht besitzt, vielmehr eher ein der Cupula ähnliches Gebilde. Die hervorgehobene Tatsache der außerordentlichen Ähnlichkeit der Epithelhügel in bezug auf den histologischen Aufbau mit dem an der Raphe der Sinnesend- stellen der Cristae sich findenden Epithelerhöhungen spricht weiter- hin sehr für unsere Annahme. Freilich kann es sich selbstverständ- lich nur um ein Rudiment handeln, denn außer dem Epithel ist von den den Nervenendstellen eigentümlichen Geweben: Nervenfasern und Sinneszellen nichts mehr vorhanden. Bestärkt hat uns in unserer Annahme ferner noch der Umstand, daß wir die Gewebsleiste stets und schön erhalten bei Föten und fast immer bei Individuen in jüngeren und mittleren Lebensjahren, öfters aber wenig deutlich oder gar nicht bei alten Individuen finden konnten. Im Fötalleben also, einem Entwicklungsstadium des Men- schen, in dem wir auch sonst Anklänge an frühere Tierklassen haben, treten uns die Formationen regelmäßig und verhältnismäßig gut ent- wickelt entgegen, im weiteren Werdegang des Individuums aber geht dann allem Anscheine nach eine weitere Rückbildung vor sich, was auch nicht verwunderlich sein kann, wenn wir bedenken, daß sich Morpholog. Jahrbuch Bd. ALIV. alle) Epithelhügel R = --- An. ch gez. Ed. Gilts N iz. + & N s Arndt, Jena. QULRE: Lith.Anst.v.Joh ügel {} Ü ı 1 I {} {} va ı I} üthelh Gr. = Ep b . 86 se { Zapfenförmiger Vorsprung ngelmann in Leipzig. Über sogen. atypische Epithelformationen im häutigen Labyrinth. 407 im Körper auch andere Anlagen finden, die wir im Laufe der Ent- wieklung sich mehr oder weniger schnell zurückbilden sehen. Bei der Durchsicht der Labyrinthserien fielen mir in wenigen Fällen Besonderheiten an der in obigem beschriebenen Gewebsfor- mation auf, und zwar möchte ich dieselben als eystische Verände- ‚rungen deuten (vgl. Taf. VII, Fig. 2). O. MAvER-GrATZ beschreibt im Archiv für Ohrenheilkunde Bd. LXXIV. Epitheleysten an einer Crista acustica, und ein Vergleich der Abbildung auf der von ihm beigegebenen Tafel mit den von mir be- obachteten ‚Gebilden läßt eine erhebliche Ähnlichkeit nieht verkennen. Wir hätten also auch hier wieder ein Vergleichsmoment zwi- schen unserer Gewebsformation und der Crista acustica. Daß sich in diesen Epithelerhöhungen zuweilen kleinere oder auch größere Cysten entwickeln, erscheint auf Grund allgemein-pathologischer Er- wägungen nicht verwunderlich. Wir haben sie auch wiederholt im Rapheepithel einer ausgebildeten Crista acustica beobachtet. In- dessen wird ihnen eine klinische Bedeutung wohl kaum zukommen. Sie werden wohl vorwiegend pathologisch-anatomische Kuriositäten bleiben. Die Bedeutung der Epithelformation liegt unseres Erach- tens vielmehr im phylogenetischen Bereich. Literatur. KÖLLIKER, Handbuch der Gewebelehre des Menschen. R. Krause, Entwieklungsgeschichte des Gehörorgans im Handbuche der Ent- wicklungsgeschichte der Wirbeltiere. Herausgegeb. von 0. HERTWIG. 4. und 5. Lieferung 1902. ALEXANDER, Über atypische Gewebsformationen im häutigen Labyrinth. Arch. f. Ohrenheilkunde, Bd. LV. MAYER, Epitheleysten an einer Crista acustieca. Arch. f. Ohrenheilk., Bd. LXXIV. STEINBRÜGGE u. NIESER, Bilder aus dem menschlichen Vorhofe. 1895. Erklärung der Abbildungen. Tafel VII. U. Utrieulus. b. Gr. Bindegewebige Grundlage. m.u. Maecula utrieuli. e. v.i. Crista des unteren vertikalen e.v.s. Crista des oberen vertikalen Bogenganges. Bogenganges. R. E. Randepithel d. Cristae acusticae. a. v.i. Ampulle des unteren vertikalen D. E. Ductus endolymphatieus. Bogenganges. * Die beschriebene Gewebsforma- E. Epithel. tion. E.c. Epitheleysten. ji Verlauf derselben im Modell. Zn. un) u AD \ Le LE BE RE RR N A Ark aa a NETTE er BENEUT SPESEN S FIR ARHETF LE “als Fe E} er: r = Pr Pr. Er Fo . . a. eryen Pe [#62] 310% BR; 2ER WAS RNT 24 RAN TE Kies“, ” ‚ .. - f > -Y 5 £ 5 > P > ud PLRF) a DR s* >, af ES ”) a) a ı 12% . = 4 » “ ‘ as ‚or iyendı ““ . Ar vB Sun ER | ET RESEE TR | 2 UNE. Be) art; ww. nn [EHRT ERS RE SEHE EN hd FA ae et Re FR dioslnasit- EN TATS 74 ae De TE er * SEA aawaus,, Je De 5 EEE | PRIFTEER: er 2 A Fr ® Arıczan rg fen PR TESTER, Bd na A ah en = - Ay! BT Di Er Te: -z vr BE rERSEN TELLER -., at W E Yale Rs ai dr er 2 Ä ’ Pe Re * “ 1 GR PER ERT - .. er H Fa ER 57 £ F II DIR IH ”. Ka 9 RN N, au, Hua al - r Az mat Bm Alusai all 3 EI at ; rer, Eu sense a IE Ol UT TI ir r ar rt he a ALU 3177125 am REHHELPIAT TE LS TRR RR 6 v7, Herne Pe TE u Aa ._ TR, var wir na PR k: ie se a FE N FIRE 390, WÜSTE I ET I af arg “ Fer ren. a 3 Iwan 3 FR " BE FEINE IORT, are nn rn estan Beuis rr RES BT ZUR EDER DER ie an Ft “ir vun Ani EEE TER, j MIR ag Be „ ne een DEZEErEF) PP TE TE We dee FE 17 in ; Eusit Pe ve 2 EI KEIANIS Er x a « * a a. were SIRK; Erst! LTR 8 N eh BIS HEN j PN Pr x PX RN Peg Be Der ri aut 23 Co nr.st, HOSE nnater & 5 - \ “ : - F r a a s R 4 d „e = E p ei Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Ontogenie der Nase der Primaten. I. Beobachtungen und Bemerkungen zur Entwicklung der Nase bei einigen catarrhinen Affen, Säugern und dem Menschen. Von G. P. Frets, Privatdozent für Anatomie an der Universität in Amsterdam, Mit 64 Figuren im Text. Auf Anregung .meines verehrten Chefs, Prof. BoLK, bearbeite ich seit 2 Jahren die Nasengegend der Primaten am reichhaltigen Material des Instituts. Vergangenen Herbst konnte ich außerdem mehrere Affenserien von Prof. SELENKA und HUBRECHT studieren. Ich beabsichtige in einer Reihe von Veröffentlichungen meine Ergeb- nisse mitzuteilen. Eine übersichtliche Darstellung von der Entwicklung der Nase bei den Säugetieren ist im HerrwıIsschen Handbuch der Entwick- lungslehre von PETER (1901) gegeben; diese ist jedoch nicht in allen Punkten in gleichem Maße vollständig. Die durch sie er- haltene Vorstellung wird noch verschärft, wenn man die Arbeit SEYDELS (1899) und namentlich die vor mehr als 40 Jahren geschrie- bene Abhandlung E. Dursys (1869), welche auch nach PErer (1901, S. 6) »einen Schatz von exakten Beobachtungen bietet«, berück- sichtigt. Die Untersuchung des Primatenmaterials von SELENKA und HUBRECHT, für dessen Bearbeitung ich den Herren Prof. KEIBEL und Prof. HusrecHt bestens danke, hat mich zu dieser Auffassung ge- bracht, und wenn zu der von den genannten Autoren gegebenen Darstellung nicht viel Neues hinzuzubringen ist, so ist doch eine Bestätigung an Material einer noch nicht untersuchten Gruppe immer- hin von Interesse, namentlich wenn, wie hier, wenig berücksichtigte Punkte hervorgehoben werden können. Kurze Notizen über die Nase sind an diesem Material von KeEıser (1904 u. 1906) gemacht. 410 G. P. Frets Wie aus der folgenden Beschreibung der Serien hervorgeht, findet die Entwicklung der Nase bei den untersuchten Catarrhinen statt, wie sie von HocHSTETTER (1891, 92), KeıseL (1895), Tiemann Fig. 2. Fig. 1. Macacus cynomolgus Nr. 226. Schn. 719. .A Amnion; Ab Augenblase; Z Linse; Pe Prosen- cephalon; E Epidermis; M Rand des von der Epidermis abgelösten Mesoderms; Rt Riechtasche; H ihr Hals; Sm und SI Spitze des inneren und des äußeren Hirnfortsatzes; @ Grenze zwischen höherem und niederem Epithel. Vergr. 40 1/2. Fig. 2. Idem; Schn. 6 II Ss. Cm Concha media. Vergr. 40 x !/.. (1896), V. Minaucovicz (1896), Perer (1901, 02) beschrieben worden ist. Die Vorstellung dieser Forscher weicht in einigen, nach KEIBEL, PETER und mir, nicht sehr tiefgreifenden Punkten von der der älteren Fig. 3. Fig. 4. Fig. 3. Macacus cynomolgus Grete. Cm Concha media; Pgl Processus globularis; 1Sf äußerer Stirnfortsatz; @ Grenze zwischen höherem und niederem Epithel. Vergr. 33><1/.. Schn. 5 V2. Fig. 4. Macacus cynomolgus Grete. Schn. 5 III. ?y Processus globularis (innerer Stirnfortsatz); mNf und INf medialer und lateraler Nasenfortsatz (PETER); @ Grenze zwischen den Epithelien; M Rand des vom Epithelium abgelösten Mesoderms; Cm Concha media; $.J. Suleus Jacobsonii. Vergr. 95 x 1/2. Autoren Hıs (1880—85, 92, 1901), Dursy (1869), A. KÖLLIKER (1860, 1883) u. a. ab. Auf die vor kurzem erschienene Arbeit PoHL- MANNS (1910) wird bei der Beschreibung der Präparate näher ein- gegangen (S. 413 u. S. 416). Beiträge zur vergl. Anatomie und Ontogenie der Nase der Primaten. I. 411 Der jüngste mir zur Verfügung stehende Embryo, Macacus cyno- molgus 226 (KeıseL, 1906, Nr. 8) ist in bezug auf die Ausbildung des Geruchsorgans im Sta- dium der Riechtasche (PETER 1901, S. 51), an der Seite des Kopfes liegend. Riechtasche ist die vertiefte Riechgrube. Eine mäßig tiefe Riechgrube nennt sie Keisen (1906, S. 602). Hervorzuheben ist, daß die Riechtasche nicht in ihrer ganzen Länge eine einfache tiefe Rinne mit leicht verengertem Halse ist, sondern daß der dorsale Teil der lateralen Wand vom hinteren Teile (über vier Schnitte) vorgewölbt, möglicherweise die Anlage der Concha media ist (Fig. 1 und 2). Indem das Epithel — es ist dies bei den meisten untersuchten Embryonen der Fall — vom Mesoderm ab- gehoben ist (Fig.1 u. 2, M), muß auch an ein Kunst- produkt gedachtwerden. Die übereinstimmende Lage bei- derseits spricht dagegen (vgl. auch Hıs, 1885, S. 47). Die Grenze zwischen höhe- rem Sinnes- und niederem Epithel ist noch wenig scharf und liegt nicht an der Spitze des medialen und lateralen Nasenfortsatzes, sondern vor diesen. Der Riechgrube folgen noch drei Schnitte Fig. 5 a—e. Macacus cynomolgus Grete. Drei aufeinanderfolgende Schnitte, von vorn nach hinten. 5IV 2, 1 und III 7. Okf Oberkieferfortsatz; 18 lateraler Stirnfortsatz; Py Pro- cessusglobularis; @ Grenze an der medialen Seite, zwischen Oberkiefer- und lateralem Nasenfortsatz; An Augennasen- rinne; eV epitheliale Verklebung der Nasenfortsätze, Vergr. 25 x 1/ı. (6 II 3) mit einer soliden Verdickung des Epithels (vgl. S 424), Von den Embryonen Macacus cynomolgus Grete (KEıgen 1906, 412 G. P. Frets Nr. 9) und August (KEIBEL, Nr. 10 »wohl auch Macacus eynomolgus«) ist das Geruchsorgan als epithelial geschlossener Blindsack ausge- bildet und — entsprechend seinem geringeren Alter — bei Nr. 9 noch weiter geöffnetals bei Nr. 10. Fig. 6. Die scharfe Grenze zwischen dem höheren Sinnes- und dem niederen Epithel (Fig. 4) ermöglicht es, mit PETER (1901, S. 35, 1902) von ei- nem medialen und lateralen Nasenfortsatze im engeren Sinne zu reden. Die Con- cha media (Ethmoturbinale I PETER) ist über eine grö- Bere Strecke angelegt (Fig. 3, 4 u.5). Sie entwickelt sich Macacus cynomolgus Grete. Gon Grenze zwischen Ober- aus dem Dach der Nasen- kiefer- und äußerem Nasenfortsatz; An’ abgerissenes Epf- höhle und reicht vom Ende thelium mit Augennasenrinne. Vergr. 95 >< 1/2. Schn. 5 III4. der Nasenhöble "bis in den Fig. 7. Bereich der JacoBsonschen Grube (Fig. 4). Indem das Dach, mehr nach vorn, nach oben und medial gerichtet ist (Fig. 3 u. 4), sieht PETER es als der medialen Wand entstammend an (1902a). Bei den untersuchten Affenem- bryonen — namentlich, wenn der jüngste Embryo die na- türlichen Verhältnisse wie- Macacus cynomolgus (»wohl auch«) August. S.J. Sulcus dergibt — nimmt die Concha fun, Me Masiolrkiue; 0 Oleseins; Mt media won ornekeumdih eine Einstülpung der dorso- lateralen Wand der Nasenhöhle ihren Ursprung. Die Bildung des primitiven Gaumens ist erst eingeleitet: der Abschluß ist eine epi- theliale (Fig. 5 u. 6). Die Verwachsung wird anfangs vom inneren und äußeren Nasenfortsatze gebildet (Fig. 5a,bu.c), dann am Ende vom äußeren Nasen-, Oberkiefer- und inneren Nasenfortsatz (Fig. 6). Für Echidna gibt O. Server (1899, S. 456/57) an, daß bloß innerer und äußerer Nasenfortsatz den primitiven Gaumen herstellen; das- Beiträge zur vergl. Anatomie und Ontogenie der Nase der Primaten. I. 413 selbe gibt Tıemann (1896, S. 114)-für die Fledermaus an. Da TIEMAnn mehrere Säugetiere (Schaf, Rind, Schwein) untersuchte und keinen Unterschied in der Bildung des primitiven Gaumens bei diesen Tieren hervorhob, so bedürfen seine Beobachtungen weiterer Bestätigung (vgl. auch PETER 1901, S. 52). Diese Beob- achtungen an Affen befinden sich in Übereinstimmung mit denen von KEIBEL und PETER und sind auch von HocHsTETTER (1891, S. 150/51) als möglich erwähnt (vgl. auch S. 415). Die Abgrenzung des Ober- kieferfortsatzes gegen. den lateralen Nasenfortsatz beschränkt sich auf der inneren Seite auf einige Schnitte; darum ist an den Prä- paraten nicht genau zu sehen, wo die Beteiligung des lateralen Nasen- fortsatzes an dem primitiven Gaumen endet. Das Geruchsorgan liegt durch die Ausbildung des lateralen und medialen Nasenfortsatzes tiefer als im jüngeren Stadium (Fig. 1 u. 3). Auf der rechten Seite ist außer der Concha media auch deut- lich eine Ausbuchtung der medialen Wand vorhanden: der Sulcus Jacobsonii (Fig. 4, 8.J.); auf der linken Seite ist nur eine Andeutung dieser. Ausbuchtung zu finden (Schn..5 V4). Die Nasenhöhle endet als wirklicher Blindsack: eine solide Wand von Sinnesepithel dorsal von der Verklebung; dann verstreicht auch diese. Die Nasengegend des Embryo August, Affe Nr. 5 (KEıBEL 1906, Nr. 10) stimmt sehr mit der des vorigen überein. Beiderseits findet sich ein Suleus Jacobsonü (Fig. 7). An der lateralen Seite findet sich eine Vorwölbung (Mt), wahrscheinlich die erste Anlage des Maxillo- turbinale. Aus dem Nasendach geht im inneren Teil; der Nasen- höhle, genau wie beim vorigen Embryo, die Concha media als eine bedeutende Ausstülpung des Epithels hervor; nach vorn verstreicht sie beinahe. Es bleibt dann in der Gegend des Suleus Jacobsoni eine flache Grube des oberen, schrägen Teiles der medialen Wand bestehen; hier treten Olfaetoriusfasern zum Epithel (Fig. 7, Ef‘). Die orale Wand des mittleren Stirnfortsatzes ist stärker gewölbt als bei Grete (vgl. auch Fig. 9 u. 10); diese Einschneidung ist bei menschlichen Embryonen stärker. Die gleichzeitige Beteiligung des lateralen Nasen- und des Oberkieferfortsatzes an der Bildung des Nasenblindsackes ist auch hier zu sehen (Schn.5 I4). Der Affenembryo Wilhelm (Keıseu 1906, Nr. 11 »wahrschein- lich auch ein Macacus cynomolgus«) zeigt einen bedeutenden Fort- schritt in der Ausbildung der Nasengegend. Der Nasenblindsack ist weiter nach vorn geschlossen, und es ist ein mesodermaler Abschluß der Nasenhöhle, ein primiliver Gaumen, entstanden. Obgleich der 414 ' @. P. Frets Erhaltungszustand des Embryo ein schlechter ist, kann man doch auch hier sehen, daß äußerer Nasen-, Oberkiefer- und innerer Nasen- Fig. 8. Macacus cynomolgus (wahrscheinlich) Wilhelm. Om Concha media; Mt‘Maxilloturbinale; «Ng unterer Nasengang; dnp Ductus nasopalatinus; S.J. Suleus Jacobsonii; dnl Ductus nasolacrimalis. Vergr. 33><3/,. Schn. SIV5. fortsatz an dem Abschluß der Nasenhöhle teilnehmen (Fig. 8). Man sieht auch hier, daß der Processus globularis weit lateralwärts — oral Fig 9. Macacas cynomolgus Wilhelm. It Lamina terminalis; ve verklebte Epithelien; Cm Concha me- dia; e.a. Ende der lateralen Ausstülpung der Nasenhöhle; m.a. starke mediale Einbuchtung. Vergr. 33><3/.. Schn. 815. ; vom lateralen Nasenfortsatz — ausgreift, um dem Oberkieferfortsatz zu begegnen (8 V 2). Diese Beobachtung ist, wie gesagt, in Über- einstimmung mit den Auffassungen KEızers (1893, S. 476) und PETERS Beiträge zur vergl. Anatomie und Ontogenie der Nase der Primaten. I. 415 (1902) und auch von Hocnsterrer (1891, S. 150/51 und 1892, S. 182, Embr. 11mm) für möglich gehalten. Tıemann (1896, S. 114) gibt für die Fledermaus und das Rind an, »daß der Oberkieferfortsatz sich nicht direkt an der Bildung der inneren Choanen beteiligt« (s. S. 413). Eine primitive, offene Choane ist noch nicht gebildet. Die Epithelien sind miteinander verklebt, nicht gedehnt. Eine eigent- liche Membrana buceonasalis (HocHstTETTER 1891, S. 149) ist also nicht vorhanden. Der Name »primitiver Gaumen« ist hier in dem gebräuchlichen Sinne, also identisch mit prämaxillärem Gaumen genommen. Hierzu muß jedoch bemerkt werden, daß Dursy (1869), der diesen Namen prägte (S. 146), ihn in ein wenig anderer Be- deutung verwendete. Primitiven Gaumen nennt er den ganzen primitiven Nasenboden, welcher aus dem prämaxillaren Gaumen, der primitiven Choane und der Lamina terminalis besteht. ($. 146/47, $. 152.) S. 156 heißt es: »Ursprünglich wird der pri- mitive Gaumen in seiner ganzen Länge durch die primitiven Gaumenspalten durchsetzt, wel- d nteren Umf: Je en = 2 re Macacus cynomolgus Wilhelm. J.O. Ende des JacoBsox- der äußeren Nasenlöcher durch- schen Organs; Cm Concha media; mA starke mediale brechen und eine Kommunikation Ausbuchtung. Vergr. 33><3/,. Schn. SII4. der Nasenhöhlen mit der primi- tiven Mundhöhle gestatten. Hierauf schließen sich diese Spalten in ihrem vorderen und ihrem hinteren Teil und nur ihre mittlere Partie erhält sich.« Mit diesem epithelialen Abschluß endet die Nasenhöble nicht. Mehr einwärts erscheint vielmehr noch eine mesodermale Verbindung (Fig. 9, 1. t) des Oberkieferfortsatzes mit dem inneren Nasenfortsatze. Da wo der primitive Gaumen endet, wird: die mediale Oberfläche des Oberkieferfortsatzes nicht ganz flach; es bleibt ein dem Pro- cessus globularis zugekehrter Fortsatz bestehen, welcher einwärts spitzer wird (Fig. 9, pr) und dann mit dem inneren Nasenfortsatze verschmilzt (vgl. S. 459). Diese Scheidewand ist die Lamina termi- nalis, sie trennt hier die Regio olfactoria von der Regio respira- toria. Man muß sich die Frage vorlegen, ob die Lamina terminalis in derselben Weise gebildet wird wie der primitive Gaumen. Der Embryo Wilhelm gibt keine Antwort darauf: da noch keine: primi- tive Choane gebildet ist, muß es unentschieden bleiben, ob ein Teil der Verklebungszone die Lamina terminalis hervorgehen läßt. 416 G. P. Frets Dafür sprieht kaum, daß das Relief des Teiles der Nasenhöhle des Em- bryo Wilhelm, der von der Lamina terminalis begrenzt wird, überein- stimmt mit dem distalen Teile der Nasenhöhle des Embryo August, welcher epithelial abgeschlossen ist. Da jedoch die Regio olfaetoria bei Affenembryonen sehr rudimentär ist, so muß diese Frage an anderen Säugetierembryonen untersucht werden (8. S. 424). Das Ma- xilloturbinale ist deutlicher als beim vorigen Embryo, auch der untere Nasengang ist angelegt (Fig. 8, Mt, uwNg... Ein Suleus Jacobsonii ist beiderseits vorhanden; auch die Concha media. Die Vergleichung der Fig. 10 mit den Fig. 8 u. 9 lehrt, wie beim Ver- schwinden des Jacogsonschen Organs (Fig. 10) aus Fig. 8 die Fig. 9 hervorgeht; diese stimmt überein mit den Fig. 6—4 des Embryo Grete. Wenn wir in Betracht ziehen, daß bei Embryo Grete bloß auf einer Seite und in schwacher Ausbildung der Suleus Jacobsoni vorhanden ist, daß also die Anlage des JacoBsonschen Organs wahr- scheinlich auf der Höhe der Ausbildung dieses Stadiums stattfindet, dann scheint es mir berechtigt, die Vorwölbung des Daches (Fig. 2) beim Embryo 226 als Anlage der Concha media zu deuten, wenn zwar die Anlage hier (namentlich auf der linken Seite) sehr weit lateral liegt. Die Lage der Concha media bei den Embryonen Grete, August und Wilhelm ist mehr in Übereinstimmung mit derjenigen beim Kaninchen (Beobachtungen PETERS) als die beim Embryo 226 (vgl. S. 411). Die Untersuchung mehrerer Exemplare des Stad. 226 kann hier die Entscheidung bringen. Diese hier in Übereinstimmung mit HOCHSTETTER, KEIBEL, PETER u. a. gegebene Darstellung der Entwicklung der primitiven Nasen- höhle wird nicht geteilt von POHLMANN (1910). Er schreibt (S. 645): »ich habe die Überzeugung gewonnen, daß die Facettenfläche des Riechfeldes wahrscheinlich weniger durch Vorwölben des Randes als durch plastische Wachstumsenergie des Epithels den in der Kopfmasse, d. h. hinter der Eetodermmaske liegenden Nasenschlauch erzeugen wird.«e Den Vorgang der Bildung des Nasenschlauches beschreibt er dann weiterhin (S. 646): >»... die Zellen des Riechfeldes hätten kraft lebhafter Teilung einen schmalen Epithelsack erzeugt, während der Rand der Riechfacette an der Gesichtsfläche fast un- verändert blieb, höchstens sich ein klein wenig zusammenzog.« Ein bei POHLMANN mehrmals wiederkehrendes Argument gegen die Ver- klebungs- und Verwachsungsauffassung von Gesichtsfortsätzen ist die Kleinheit des Objekts (S. 639, 640, 647). Mir scheint, für die Berechtigung der Auffassung POHLMmAnnNs sind andere Beobachtungen Beiträge zur vergl. Anatomie und Ontogenie der Nase der Primaten. I. 417 und Argumente nötig, als die, welche er mitteilt. Zwischen den Stadien seiner Modelle Fig. 2 u.3 (Taf. XII) liegen gerade die Sta- dien, welche die Umbildungsvorgänge zeigen, wie er selbst auch angibt (S. 645), aber nicht an Schnitten beschreibt oder abbildet. Sein Embryo II »zeigt das Riechfeld gleich einer Facettenfläche aus- geprägt, welches innerhalb eines niedrigen Randwulstes etwas konkav eingesunken ist.< Beim Embryo III sind: »anstatt der flachen Riech- felder zwei Nasenlöcher vorhanden, welche in die blind geschlossenen Nasenschläuche hinter der Ectodermmaske führen.« Stadien, bei welchen das Riechfeld in eine Riechgrube oder in eine Riechtasche umgebildet ist, beschreibt er nicht. Auch die epitheliale Verklebung findet in seiner Auffassung keine Verwertung. Daß die Verklebung der Ränder bei folgenden Stadien nicht bloß eine relative, sondern eine absolute Verengerung des Eingangs in den Blindsack mit sich führt, hat Perer (1901, S. 51, 52; 1902a, S. 341; 1902, S. 552) durch direkte Messungen nachgewiesen. Zusammenfassend kann man sagen, daß die bei der Bildung der Nasenschläuche zu beob- achtenden Tatsachen von POHLMANN nicht verwertet werden, und daß er die für seine Auffassung nötigen Beobachtungen, z. B. einen kolbig angeschwollenen, in die Tiefe dringenden, epithelialen Wachs- tumspfropf nicht erwähnt. Die Beobachtung der Affenserien führt m. E. also zu der von HOCHSTETTER, KEIBEL, PETER u. a. gegebenen Vorstellung von der Bildung des Nasenblindsacks.. Man muß dabei annehmen, daß die Riechtasche bis in die Mundhöhle führt, sonst könnte die primitive Choane nach der Blindsackbildung nicht in die Mundhöhle durch- brechen, und man müßte annehmen, daß der Blindsack nach seiner Bildung nach hinten wüchse. Meine Beobachtungen sprechen für die erstere Auffassung. In bezug auf diesen Punkt sind HoCHSTETTER, KEIBEL, TIEMANN und PETER nicht ganz klar. HocHsTETTErR (1891, S. 146) schreibt: >»... daß eine Nasenfurche im Sinne der Autoren als eine zwischen Mund- und Nasenhöhle die Kommunikation vermittelnde Spalte nicht zur Entwicklung kommt«. Und S. 147: »Nun legen sich am hin- teren Ende der Nasengrube ihre beiden Begrenzungsränder anein- ander und verschmelzen miteinander, so zwar, daß nun der hinterste Abschnitt der Nasentasche in einen kurzen Blindsack umgewandelt erscheint.« Die Verwachsungszone zeigt z. B. HocHSTETTERS Fig. 3, S. 146. Schon das Stadium II besitzt »einen kurzen Blindsack «. Keıser (1893) schreibt S. 476: »Die Nasenhöhle ist bei den von mir 418 G. P. Frets untersuchten Säugern und dem Menschen ein blindes Säckchen. In diesem Stadium gibt es also keine Rinne, welche die primitive Mund- höhle mit der primitiven Nasenhöhle verbindet.« Dies ist gewiß richtig, aber vor »diesem Stadium« gab es doch ein Stadium mit der Riechtasche und der Rieehgrube!. PrrEr (1901, S. 50, 51) be- schreibt das Nasenfeld, die Riechgrube, die Riechtasche und den Blindsack; letzterer läßt durch Durchbruch in die Mundhöhle die primitiven Choanen entstehen. Die Darstellung, welche Hıs 1901 von der Entwicklung der Nasenhöhle gegeben hat (S. 361—371), nähert sich sehr der von HoCHSTETTER gegebenen und ist in diesem Punkte klarer. Er schreibt S. 362: »Man kann auf der Entwicklungsstufe (der Riechspalte, d. h. -tasche) den Nasenraum mit dem Spaltraum vergleichen, der zwischen den Deckeln eines Buches liegt, dessen Inhalt herausgerissen ist. Der ausgeweitete Raum unter dem Buch- rücken entspricht der Regio olfactoria der Nasenspalte. Denkt man sich die beiden Buchdeckel mit ihren langen Rändern verklebt, so bleiben zwei einander gegenüberstehende Zugänge zur zwischenliegen- den Spalte übrig, die wir mit dem Nasenloch und der primären Choane vergleichen können« (vgl. auch 1901, S. 364). Dieser letzte Satz ist nach den Untersuchungen von HOCHSTETTER, KEIBEL, PETER, TIEMANN, nicht richtig, aber aus den beiden Sätzen geht hervor, daß die Riechspalte mit der Mundhöhle in Verbindung war. Dies gibt auch V. MmaArLcovicz für einen 20 mm langen Katzenembryo an (1896, S. 227; vgl. jedoch auch S. 233). Auch ©. Herrwıc (1906, S. 573) sind die Ausführungen HocH- STETTERS nicht ganz klar geworden. Er interpretiert sie in folgender Weise: statt einer offenen Nasenrinne wie beim Hühnchen, »entsteht eine in das Mesenchym einschneidende Epithelleiste, welehe den inneren Nasenfortsatz von dem äußeren Nasen- und dem Öberkiefer- fortsatz trennte. Und »späterhin höhlt sich die Epithellamelle in ihrer Tiefe, vom Riechsäckchen beginnend aus, so daß letzteres zu einem tiefen Blindsack wird, mit seinem Grund bis nahe ans Epithel des Mundhöhlendaches reicht, aber von ihm noch längere Zeit durch eine erst diekere, später sich immer mehr verdünnende, epitheliale Verschlußplatte, HOcHSTETTERS Membrana bucco-nasalis, getrennt ist«. Hier hat m. E. die weniger klare Vorstellung HocHSTETTERS 1 Aus dem soeben erschienenen Handbuch (1911) geht hervor, daß KEIBEL hier die jüngsten Stadien meint. Dieses >blinde Säckchen« ist dann ein anderes als PETERs Riechblindsack, der nach der Verklebung entsteht (vgl. auch S. 424). Beiträge zur vergl. Anatomie und Ontogenie der Nase der Primaten. I. 419 zu einer unrichtigen Wiedergabe des Vorganges der Nasenhöhlen- bildung geführt. Wenn man nicht annimmt, daß die Riechtasche, also vor der Bildung des Blindsackes, mit der Mundhöhle in Verbindung ist, dann kann — wenn der Blindsack durch Verklebung von hinten nach vorn von den Rändern der Tasche zustande kommt — später die Zerreißung der Membrana bucconasalis die Nasenhöhle nicht mit der Mundhöhle verbinden. Dann muß man ein selbständiges Wach- sen des Blindsackes nach hinten annehmen (POHLMANN), kann dann Fig. 11 a—e. Mus decumanus. Emb. D, 5 mm, transversal. Schn. 1 V 3, 11V 30, 11V 27, 1IV 25, 1IV 21. M Rand des zurückgezogenen Mesoderms. Vergr. 50 x 3/ı. aber nicht die epitheliale Verbindung des Blindsackes mit der Mund- höhle und die leichte Einziehung zwischen den lateralen und medi- alen Nasenfortsätzen (HocHsTETTERs Fig. 3 und S. 147,.1891) er- klären. Was die abweichende Bildungsweise der primitiven Choane bei Echidna betrifft, d.h. ohne Bildung des Blindsackes, so möchte ich mit PETER (1901, S. 54) die Möglichkeit offen lassen, daß das betreffende Stadium in der Reihe gefehlt hat (vgl. O. Seypeu 1899, S. 456). Die Affenembryonen, 226, Grete und August, besitzen eine offene Riechtasche und einen weniger und mehr epithelial geschlossenen Morpholog. Jahrbuch. 44. 28 420. G. P. Frets Blindsack. An Embryonen anderer Säuger der hiesigen embryo- logischen Sammlung machte ich Beobachtungen an jüngeren Stadien. So fand ich bei Serien A, B und R von Mus decumanus mit Fig. 12 a-f. Mus decumanus. Emb. C, 5 mm, transversal. Schn. 1 VII 2, 1 VIL28, 1 VII22, 1 VII 6, 1 VIL4, 1 VII 1. Vergr. 50 > 3/ı. Fig. 13 a—e. Derselbe Embryo. Andere Körperhälfte. Schn. 1 VIN21, 1 VII 6, 1 VIIh 3, 1 VIII, 4, 1 VII 5. Ver- größerung 50 x 3/4. geschlossenem Medullarrohr, primären Augenblasen ohne Anlagen der Linse noch keine Riechfelder. Bei Serien D und C von 5mm, 10 « mit offener Linsengrube! 1 Auch beim Schwein tritt nach Keızeu (1897, Nr. 64, Fig. 11) die erste Anlage des Geruchsorgans zugleich mit der ersten Anlage der Linse auf. Beiträge zur vergl. Anatomie und Ontogenie der Nase der Primaten. I. 421 zeigt sich die erste Anlage des Geruchsorgans. Es ist beim Embryo D (Fig. 11) ein epitheliales Feld mit leicht gehobenen Rändern (Fig. 115, R); nach hinten findet sich auf einigen Schnitten eine unregelmäßige Einsenkung (Fig. 11c, E). Das Riechfeld endet mit einer massiven Epithelverdickung, von welcher der letzte Schnitt frei im Mesoderm liegt (Fig. 11du.e, 8). Auf der anderen Seite finden sich zwei freie Sehnitte, und die Einsenkung ist weniger ausgesprochen. Beim Embryo © ist die Entwieklung weiter geschritten. Auf der rechten Seite (Fig. 120—f) findet sich das Riechfeld mit wenig aufstehenden Rändern («—c); mehr nach hinten überragt der laterale Rand das Riechfeld. Auf der linken Seite ist dieser laterale Nasenfortsatz noch weiter ausgebildet (Fig. 135—d). Das Geruchsorgan endet Fig. 14 a—f. Mus decumanus. Emb. T, 5 mm, sagittal, Schn. 1118, 1123, 1115, 1119; 1 VI20, ıVII3 (e und f andere Körperseite). Vergr. 50 x 1/2. beiderseits — in 6 bzw. 7 Schnitten — mit einer dreieckigen Epithel- verdiekung, welche mit dem Epithel des Kopfes verbunden ist (Fig. 13e). Aus der Vergleichung der beiden Seiten dieses Embryo geht hervor, daß der äußere Nasenfortsatz sich von hinten nach vorn entwickelt. Von der hier ausgebildeten Riechgrube ist also die mediale Wand das ursprüngliche Riechfeld; die laterale Wand wird vom äußeren Nasenfortsatz gebildet. Die Verhältnisse der Embryonen D und © sind nicht ohne weiteres miteinander im Einklang; bei D endet das Geruchsorgan mit einer ein bis zwei Schnitte dicken, frei im Meso- derm liegenden epithelialen Wand, beim Embryo © ist diese mit dem Epithel der Körperwand verbunden. Einfache Bilder zeigen auch Sagittalschnitte des Embryo T von 5 mm (offene Linsengrube); das Geruchsorgan ist ein verdicktes, wenig gebogenes epitheliales Riechfeld, das noch ganz mit dem 28* 422 G. P. Frets Epithel der Kopfwand verbunden ist (Fig. 14). Die Sagittalschnitte des wenig älteren Embryo N, 6,5 mm, abgeschnürte Linse, sind in Übereinstimmung mit dem Embryo D Fig. 15a—e. (Fig. 11e); die Anlage endet mit einer frei im Mesoderm liegenden Anschwellung. Die Bilder der transversalen Serie M, 6,5 mm, schließen direkt an diejenigen bei den Fig. 12 und 13 des Embryo Can; die offene Riechgrube ist vollständig entwickelt (Fig. 15a, d)) und endet mit einer fünf Schnitte (10 «) dieken, soliden epithelialen Anschwellung, welche mit dem Munddach verbunden ist (Fig. 15e). Vom Embryo Z 6,5 mm ist die Riech- grube eine kurze Strecke weit geschlossen. Hinten, wo die Grube schon niedriger und schmaler wird (Fig. 16a), nähern sich Pro- cessus globularis und äußerer Nasenfortsatz und verschmelzen epithelial (Fig. 165). Weiter einwärts erscheint die vordere Spitze des Oberkieferfortsatzes, der sich der Ver- Mus decumanus. Emb.M,6,5mm, Wachsungsstelle anlegt (Fig. 16c) und mit ihr en et verwächst (Fig. 16d,e). Das Geruchsorgan liegt hier frei im Bindegewebe und endigt mit einer 5—6 Schnitte dieken epithelialen Anschwellung. Dieser abgeschlossene Teil des Geruchsorgans ist die selbständige Regio ol- factoria. Die Bildung der Lamina terminalis geht hier der des Fig. 16 a—e. Mus decumanus. Emb. Z, 6,5 mm, transversal. Schn. 2 VI12, 2 VI9, 2 V17, 2VI 3, 2VI1 Okf Ober- kieferfortsatz. Vergr. 50 ><1/.. primitiven Gaumens voraus. Beim Embryo E (angeblich) 6,25 mm ist ein mesodermaler, primitiver Gaumen ausgebildet, auch eine mesodermale Lamina terminalis, aber noch keine offene Choane; das Beiträge zur vergl. Anatomie und Ontogenie der Nase der Primaten. I. 423 Ende des Geruchsorgans bildet eine fünf Schnitte dieke, solide, epitheliale Anschwellung. Ubereinstimmende Beobachtungen sind an den Embryonen O und F von 7,7 und 8,1mm zu machen. Die Fig. 17 a—d. Mus decumanus. Emb. G, 10 mm, transversal. Schn. 61113, 61110, 6117, 6112. Okf Oberkiefer- fortsatz; Pg Processus globularis. Vergr. 50 — 1a. frei im Bindegewebe liegt. Dann folgen sechs Schnitte, welche eine selbständige Regio olfactoria mit einer mesodermalen Lamina ter- minalis zeigen (Fig. 245, Schn. 4 III 17—22). Von der Form der Nasenhöhle ist noch zu bemerken, daß die Höhle hier anfangs drei- eckig ist, daß sich aber in den folgenden Schnitten ein dorsaler 430 G. P. Frets Ausläufer entwickelt (in Fig. 245 angeschnitten). Dann folgen vier Schnitte mit epithelialer Lamina terminalis (Fig. 24c, 4 III 23—4 IV 3). Diese geht im Sehn. 4 IV 4 allmählich in die dünne ge- dehnte Membrana bucconasalis über, welche noch continu ist und sich über neun Schnitte erstreckt (Fig. 24d, 4 IV 4-4 IV 12). In dieser Gegend ist der Oberkieferfortsatz ganz scharf gegen den lateralen Nasenfortsatz abzugrenzen. Dann folgt in 16 Schnitten der epitheliale primitive Gaumen (Fig. 24e, 4 IV 13—24, 511—4). Der Oberkieferfortsatz wird kleiner (Fig. 24e und &,) und endigt (5 I 16) im Gebiet des mesodermalen Gaumens (19 Schn. 51 5—23). Dann folgen zwölf Schnitte mit epithelialem primitiven Gaumen (5 II 1—12), und schließlich tritt die offene Nasengrube zutage (etwa 43 Schnitte 5 II 15—5 IV 11). In letzterer ist über 22 Schnitte der Suleus Jacobsoni zu verfolgen. In der Tabelle (S. 431) sind auch die Ziffern für die andere Seite aufgenommen. Der dorsale Ausläufer der Nasenhöhle (s. oben) bildet sich erst im Gebiet der Membrana bucconasalis. Die Nares fangen beider- seits ganz allmählich an (5 IV; 6. Der Embryo F (vgl. die Fig. 24 u. 25) hat keine frei im Bindegewebe endigende Nasen- höhle (Fig. 25a); hier findet sich ein 3—4 Schnitte dieker, solider, mit dem Mundhöhlendach verbundener, epithelialer Strang (5 II 6 bis 5119). Ebensowenig findet sich eine bindegewebige Lamina ter- minalis. Fig. 255 zeigt das Ende der Höhle der Nase, welches mit breiter epithelialer Wand mit dem Munddach verbunden ist. Nach 1—2 Schnitten folgt schon die Membrana bucconasalis mit acht Schnitten (Fig. 25c; 5 II 12—19). In dieser Gegend beginnt ein dorsaler Ausläufer der Nasenhöhle (Fig. 25c, d), welcher in Fig. 25d in voller Ausbildung zu sehen ist. Auch ist hier die Begrenzung des Oberkieferfortsatzes deutlich zu sehen (Fig. 25e). Der epithe- liale primitive Gaumen erstreckt sich über 16 Schnitte (5 II 20 bis 23; 4IIT 1—12; Fig. 25 d u. e), der mesodermale über 32 Schnitte (5 III 13—21, 5IV 1—22, 611). Dann folgt noch eine epitheliale Strecke von neun Schnitten (6 I 2—6 I 10), darauf die offene Nasen- grube (6 I 11—6 III 8; 44 Schnitte). Auf der anderen Seite finden sich übereinstimmende Verhältnisse; die Nares treten in Ab- weichung von den Befunden beim Embryo H unvermittelt auf (6 II 19, 6 III 3). Beiträge zur vergl. Anatomie und Ontogenie der Nase der Primaten. I. 431 Tabelle. Embryo H, H links F rechts F links rechts Balder > 2.0. 4. 3 3 | Mesod. Lam.terminalis 6 4 Baer ar | nu ei: Gaumen Epith.Lam.terminalis 4 aan) 12 8 Membr. buce.-nas. . 9 71 6) 10 Epith. prim. Gaumen 16 18 16 17 Mes. prim. Gaumen . 19 27 32 32 Epith. prim. Gaumen. 12 g 9 9 Offene Grube. ... 43 37 37 36 Es gelang mir nicht, die Bilder der Embryonen F und H zu einer einheitlichen Vorstellung zu verbinden. Geht dem Zustand H der von F voraus? Entwickelt sich das solide Ende der Nasen- höhle in Verbindung mit dem Mundhöhlendach und löst sich diese Verbindung nachher? Meine Beobachtungen bei Talpa, Mus und dem Menschen sprechen dagegen. Es ist möglich, daß das selbständige Einwachsen beim Hunde F gerade anfängt. Daß beim Embryo F die epitheliale Verbindung mit dem Munddach durch eine Verklebung von einander gegenüberstehenden Rändern von Fortsätzen zustande ge- kommen sei — wie beim primitiven Gaumen —, scheint mir unwahr- scheinlich zu sein (vgl. die Fig. 25a, b). Bei Emys-Embryonen »stellen< nach Fuchs (1907, S. 448) »die beiden primitiven Choanen in der Richtung von vorn nach hinten lang ausgezogene Schlitze dar, welche rückwärts am Dache der Mund- höhle allmählich auslaufen (Schn. 31—43).« Und von Lacerta agilis heißt es (1908, S. 162, vgl. auch S. 160): »Der Antorbitalraum entsteht durch Zusammenfließen der drei Hauptteile der Muschelzone, stellt also zunächst einen einheitlichen Raum mit ungegliederten Wänden dar. Er bleibt auch bei den meisten Reptilien plastisch steril.« Auch bei BEEcker (1903, S. 596, 579) fehlt eine Beschreibung der Bildung der antorbitalen Höhlen bei Reptilien. SEYDEL (1899, S. 457) erwähnt, daß der Boden des nischen- förmigen hinteren Endes der Nasenhöhle bei Reptilien durch eine nach hinten gerichtete Ausbuchtung des Cavum nasale entstehe, und homologisiert demnach die Apertura nasalis interna der Säuge- tiere nicht mit der der Reptilien. 432 G. P. Frets Zum Schluß möchte ich noch einige Bemerkungen über die Ent- wicklung der Lamina terminalis beim Menschen machen. Von Dursy ist schon festgestellt, daß sich auch beim menschlichen Embryo eine selbständige Regio olfactoria und eine Lamina terminalis ausbilden (vgl. S. 425), er verfügte jedoch bloß über ältere Stadien (vgl. seine Figuren). ‘'An der embryologischen Sammlung des hiesigen ana- Fig. 26 a—f. aMF- Homo. Emb.M, 13 mm. Schn. 9118, III 11, III16, IV 5, IV 8, IV 14, 1013, ITS, II16, UI 10, III 13, IV4. pg Proc. globularis; Okf Oberkieferfortsatz; aNf äußerer Nasenfortsatz; $.J. Sulcus Jacobsonii; dnl Duct. nasolacrimalis; p@ primitiver Gaumen; Anr Augennasenrinne; Gr Grenze zwischen Oberkiefer- fortsatz und Processus globularis. Vergr. a—c, e, f # 30 x<1/s; d 3fı = 1. tomischen und des hirnanatomischen Instituts konnte ich Dursys Beobachtungen bestätigen. Namentlich möchte ich hier noch einige Schnitte eines 13 mm langen (N. ].) vorzüglich konservierten Em- bryos besprechen. ! Die Fig. 26 a—c (Schn. 9 II 8, 9 II 11, 9111 16) zeigen aufs klarste, daß bei diesem menschlichen Embryo in diesem Stadium der Entwicklung der äußere Nasenfortsatz sich nicht an der Bil- Beiträge zur vergl. Anatomie und Ontogenie der Nase der Primaten. I. 433 dung des primitiven Gaumens beteiligt! (vgl. auch S. 423, Fig. 17). Von Professor BoLk waren mehrere prägnante Sehnitte dieser Serie Fig. 26 g—. Homo. Emb. M, 13 mm. Schn. 9 IIS, II111, II116, IV 5, IVS, IV 14, 1013, IIs, II 16, 110, III13, IV4. p6 Proc. globularis; pCh primitive Choane; $.J. Suleus Jacobsonii; ung unterer Nasengang; rm Reste der Membrana bucconasalis (mbn);, elt und mlt epithel. und mesoderm. Lamina termin,; dnl Ductus nasolacrimalis; Z solides Ende der Nasenhöhle; !# Lamin. term. Vergr. g, Rh = 30x 1/2; i—l Sf x 1/2 gezeichnet. Mit seiner Erlaubnis veröffentliche ich diese Figuren, es sind die Abbildungen 26 a&—c, e—h. Die Fig. 26 d—f zeigen ı Hıs 1901. $S. 364: »Bei Bildung des primitiven Gaumens verwachsen zuerst der Oberkieferfortsatz und der Processus globularis des mittleren Stirnfort- satzes. Der seitliche Stirnfortsatz bleibt vom mittleren anfangs noch getrennt« usw. 434 G. P. Frets die Bildung der JAcogsoxschen Grube, welche hier, wo der Nasen- eingang sehr weit ist (Fig. 26c), eigentümlich aussieht und an die Conchabildung, das Einschneiden von Furchen und das Stehen- bleiben eines Teiles der Nasenhöhlenwand erinnert. Hervorzuheben ist, daß die Grenze zwischen dem Oberkieferfortsatz und dem Pro- cessus globularis über eine große Strecke sich ausdehnt. Die zuerst sehr weite Nasenhöhle verengert sich einwärts sehr, die mediale Wand springt stark vor und wird oben und unten von einer Grube begrenzt. Die Fig. 26 9—h zeigen die primitive Choane und den unteren Nasengang; hier ist die Grenze zwischen lateralem Nasenfortsatz und Oberkieferfortsatz nicht mehr zu sehen. Auf der linken Seite ist die primitive Choane lang (30 Schnitte zu 8 «) und breit, fängt plötzlich an; diese Gegend ist jedoch beschädigt, eine Membrana bucconasalis ist nicht vorhanden. Auf der rechten Seite findet sich im Gegenteil im Anschluß an den primitiven Gaumen noch ein langer, epithelialer Abschluß der Nasenhöhle (16 Schnitte) und dann erst eine kurze primitive Choane (vier Schnitte); (diese Membrana liegt in der Gegend, welche auf der anderen Seite eine sehr breite, offene Choane zeigt). Bloß über 3—4 Schnitte ist die rechte Choane mehr oder weniger geöffnet: dann fängt bereits die Lamina termi- nalis an, welche die Fig. 26—] zeigen. Über der mesodermalen Lamina terminalis treten beiderseits die Fila olfaetoria hinunter. Auch hier erhebt sich die Frage nach der Bildungsweise der Lamina terminalis (vgl. S. 415 u. S. 428). Als epitheliale Lamelle ist auf der linken Seite die Lamina terminalis 4—5 Sehnitte lang, eine Verwachsungsnaht ist nicht zu sehen; mehr einwärts folgt die meso- dermale Lamina terminalis. Auf der anderen Seite ist zwar die epitheliale Lamelle länger (neun Schnitte), aber da die Choane hier noch so kurz ist, ist es möglich, daß diese sich nach hinten noch verlängert haben würde. Wenn bei der Bildung der primitiven Choane die Membrana bucconasalis — welche denjenigen Teil der Verklebungszone vorstellt, der nicht mesodermal verwächst — in der Mitte zerreißt, dann muß man in diesem Stadium außer dem An- fang der primitiven Choane noch eine Pars prae- und eine Pars postehoanalis der Membrana bucconasalis unterscheiden. Nach vorn folgt noch der mesodermale primitive Gaumen, nach hinten die mesodermale Lamina terminalis. Die rechte Seite des Embryo M zeigt diese Möglichkeit. Die Zerreißung scheint, wie dieser Em- bryo lehrt, nicht in der Mitte, sondern mehr nach hinten statt- Beiträge zur vergl. Anatomie und Ontogenie der Nase der Primaten. I. 435 zufinden; postehoanal finden sich 9, prächoanal 17 Schnitte. Einige von diesen Schnitten repräsentieren möglicherweise einen post- bzw. prächoanalen Abschnitt der Memb. bucconasalis, andere werden durch Fig. 27au.b. b Homo. Emb. X, 1Smm. Schn. SII5 und 7 II14. $.J. Sulcus Jacobsonii; @/ Gaumenfortsatz; elt und mit epitheliale und mesodermale Lamina terminalis. Vergr. 40x 1/2 Fig. 28. [7a Homo. Emb. We, 16mm. Z Ende der Nasenhöhle; @f Gaumenfortsatz; Mk Meckerscher Knorpel, Vergr. 40 x 1/2. mesodermale Durehwachsung eine Vergrößerung des mesodermalen primitiven Gaumens, bezw. der mesodermalen Lamina terminalis herbeiführen. Morpholog. Jahrbuch. 44, 29 436 G. P. Frets Die Nasenhöhle endigt mit drei soliden epithelialen Schnitten. Die mesodermale Lamina terminalis ist 18 und 22 Schnitte (zu 8 «) lang. Die menschlichen Embryonen We 16 mm und X 18 mm sind etwa gleich alt. Das Skelet der Nasenhöhle ist im Vorknorpel- stadium. Die Nares sind epithelial verlegt (We). Das JacoBsoxsche Organ ist im Embryo X eine breite Grube (Fig. 27a), welehe noch nicht abgeschnürt ist. Beim Embryo We ist die Grube über sieben Schnitte, das Jacogsoxnsche Organ über zwölf Schnitte zu verfolgen. Die Gaumenfortsätze sind angelegt. Hochstand der Zunge. Bemerkenswert ist weiter das verschiedene Verhalten der selb- ständigen Regio olfactoria. Bei We ist das Ende der Nasenhöhle einfach schlauchförmig und bloß über einen oder zwei Schnitte selbständig (Fig. 28); es findet sich also eine minimale oder keine Lamina terminalis. Die Schnittriehtung kann nämlich leicht eine Lamina terminalis von einem oder zwei Schnitten vortäuschen. Beim Embryo X findet sich beiderseits eine selbständige Regio olfactoria über 19 Schnitte zu 15 « und eine solide epitheliale Wand über sechs Schnitte (Fig. 275). Auf dem Schnitt ist das Ende der Nasen- höhle dreieckig (vgl. S. 439). Es herrscht also eine große Variations- breite in der Ausbildung während der Entwicklung der Lamina terminalis beim Menschen. | Diese Wahrnehmungen sprechen dafür, daß die Lamina ter- minalis beim Menschen auf gleiche Weise gebildet wird, wie bei Talpa europaea und Mus decumanus. Schnitte, wie Fig. 267, welche eine ununterbrochene epitheliale Lamina terminalis und einen mit dieser verbundenen gleichfalls ununterbrochenen epithelialen Rand des Oberkieferfortsatzes zeigen, sprechen dafür, daß dort die Lamina terminalis durch epitheliale Verklebung und Verwachsung und nach- herige mesodermale Durchwachsung zustande kommt. Eine solide epitheliale Wand von sechs Schnitten zu 15 « (Embryo X) spricht für selbständiges Wachsen der hinteren Nasenhöhlenwand. Der Embryo Cra Nr. 3 Macacus cynomolgus (KEıBEL 1906, Nr. 13), älter als Wilhelm, zeigt die Regio olfactoria in anderer Weise endigend, als dieser vorige Embryo. Obgleich die Präparate leider sehr schlecht sind, scheint es mir doch möglich, festzustellen, daß hier die Nasenhöhle ganz gleichmäßig endigt; sie wird nied- riger und verschwindet, und bis zu ihrem Ende bleibt die offene Verbindung mit der Mundhöhle bestehen. Der primitive Gaumen ist gut ausgebildet (Fig. 29), Choanen sind vorhanden, aber sehr beschädigt. Ein solider Ductus nasolacrimalis, der auch beim vorigen Beiträge zur vergl. Anatomie und Ontogenie der Nase der Primaten. I. 437 Embryo schon in der Bildung begriffen war, ist über eine größere Streeke zu verfolgen (Fig. 8 u. 29). Das Jacogsonsche Organ mit zutretenden Nervenfasern (Fig. 30) ist gut ausgebildet. Vom Embryo Macacus cynomolgus Nr. 9 (KeıseL 1906, Nr. 14) ist hervorzuheben, daß die Concha media nicht — oder nicht mehr — aus dem Dach der Nasenhöhle, sondern aus der lateralen Wand Fig. 29. Fig. 30. Fig. 29. Macacus cynomolgus. Cra Nr. 3. dnl Ductus nasolacrimalis. Vergr. 33 ><1/.. Schn. 31 6. Fig. 33. Macacus cynomolgus. Cra 2. Cm Concha media (verschwindend); Ro Regio olfactoria; !t Lamina terminalis; @f Gaumenfortsätze; prCh hinterer Teil der primitiven Choane (Gaumenspalte); Vergr. 40 ><1/.. Schn. 415. Begriff ist, zu verschwinden, daß sie auf Fig. 33 ebenso wie die Concha media nicht mehr vorhanden sind. Es zeigt sich also, daß die Concha sich mit der weiteren Ausbildung aus dem hinteren Teile der Nasenhöhle zurückzieht. Der folgende Embryo (Ida) (KEißEL Nr. 16) ist ein Semmopithecus maurus, leider sehr schlecht erhalten. Die Concha media ist mit der Nasenseitenwand verbunden. Sulei Jacobsoni sind nicht yorhanden oder nur angedeutet. Die Präparate (Schn. 3 II 7) lassen eine genaue Entscheidung nicht zu. Es findet sich keine selbständige Regio olfactoria. Die Nasenhöhle wird plötzlich niedriger und verstreicht (Fig. 34 in sechs Sehnitten 5 I5—5 II 4). Der Duetus nasolaerimalis befindet sich in bedeutender Entfernung von der Nasenhöhle (Fig. 35). Beiträge zur vergl. Anatomie und Ontogenie der Nase der Primaten. I. 439 Ein Embryo von Macacus eynomolgus von 17 mm der hiesigen Sammlung bietet gegenüber den beschriebenen nichts Besonderes; er hat keine selbständige Regio olfactoria. Auf der linken Seite endigt die Nasenhöhle, allmählich niedriger werdend, in dorsoventraler Richtung; auf der rechten Seite ist die Regio olfactoria auf einem Schnitt abgeschnürt; dieses kann jedoch durch die ungünstige schräge Sehnittriehtung verursacht sein. Die hintere Wand der Nasenhöhle ist bloß einen Schnitt diek (vgl. S. 424 und 428). Primitive Gaumen- leisten sind als selbständige Bildungen nicht vorhanden (vgl. S. 439); sekundäre Gaumenfortsätze sind wohl ausgebildet. Fig. 34. Fig. 35. a Fig. 34. Semmopithecus maurus. Ida. Nh und Nıhı verstreichende Nasenhöhle; @f Gaumenfortsätze; Z Zunge; E abgerissene Epithelien. Vergr. 40 ><1/.. Schn. 5I6. Fig. 35. Semnopithecus maurus. Ida. dnl Ductus nasolacrimalis; S Septum. Vergr. 40 ><1/. Schn. 3111. Der Embryo 514 (Keiser 1906, Nr. 17, »Artcharakter nicht näher bestimmt«) hat deutliche Sulei Jacobsoni (Fig. 37a), welche über den Paraseptalknorpeln liegen. Auch eine deutliche Papilla palatina ist vorhanden. Der Ductus nasolacrimalis ist von der Nasenhöhle weit entfernt. Es ist eine selbständige, längere Regio olfaetoria vorhanden (etwa zehn Schnitte zu 15 «); sie ist einfach schlauchförmig (Fig. 385). Man sieht die eintretenden Olfaetorius- fasern. In den älteren Stadien der Entwicklung wird das Relief einfacher (vgl. S. 436). Die Fig. 37 a—e zeigt die Bildung der Concha media. Vor dem Schnitt, der in Fig. 37a abgebildet ist, ist die Nasenhöhle schlauchförmig. Dann bildet sich (Fig. 37 a u. b) eine Erweiterung, und in diese Erweiterung springt die Concha media vor (Fig. 37c—e). Die von Perer (1902, S. 340) beschriebene 440 G. P. Frets Conchabildung, als eine Ausstülpung der Nasenhöhlenwand, so daß die Conchae »stehengebliebene Teile derselben sind (SCHÖNEMANN)«, trifft für die Concha media genau zu. Auch der Embryo 26, Macacus cymomolgus (KEIBEL Nr. 18), Fig. 36. IN S ae 7 0-dnl. Affe 514. dal Ductus nasolacrimalis; dnp und dnp' Duetus nasopalatinus; pp Papilla palatina. Vergr. 25 ><1/.. Schn. 1016, gerade vor dem Ductus nasopalatinus. e, Affe 514. Bildung der Concha media. J.O. Jacossonsches Organ; @f Gaumenfortsätze; $ Septum; MT id. Maxilloturbinale. Vergr. 40 >!/.. Schn. 91 7,9114, 9112, 9II1, 9 I16. Fig. 38. Fig. 38. Affe 514. Abgeschnürte Regio olfactoria. Zt Lamina terminalis; @f Gaumenfortsatz. E ro Regio olfactoria. Vergr. 25x 1/. Fig. 39. Mucacus cynomolg. Nr. 26. Cm Concha media; @f Gaumenfortsatz. Vergr. 40 1/2. Schn. 111T2. . Beiträge zur vergl. Anatomie und Ontogenie der Nase der Primaten. I. 441 hat Sulei Jacobsoni, über den vorknorpeligen Paraseptalknorpeln liegend. Der untere Nasengang ist offen, nicht tief. Die Ausbil- dung der Concha media (Fig. 39) ist weiter vorgeschritten, knüpft an den bleibenden Zustand an und macht auch die Fig. 38 und die vorhergehenden verständlicher. Die Regio olfactoria ist selbständig, unregelmäßig-schlauchförmig (5—6 Schnitte zu 15 «). Von diesen und folgenden Embryonen hebt Keen (1906, S. 610) die epithe- liale Verlegung der Nasenlöcher hervor. Diese Beobachtung ist auch schon von Dursy gemacht und genau beschrieben (1869, S. 175); vgl. auch Keiser (1911, S. 707/708). KÖLLIKER (1880, S. 294) ist weniger genau. Der Embryo 260 Macacus cynomolgus (KEIBEL Nr. 20) ist sehr schlecht erhalten. Das Os praemaxillare ist angelegt, der Ductus nasolacrimalis befindet sich in der Nähe des unteren Nasenganges. Sulei Jacobsoni sind vorhanden. Vielleicht ist im Anfang der Nasenhöhle eine kleine Ausbuchtung als Anlage des rudimentären Nasoturbinale — unter den vorigen Embryonen fand ich Überein- stimmendes — aufzufassen; jedoch ist bei dem schlechten Erhaltungs- zustande der Epithelien Sicherheit hierüber nicht zu erzielen. Die Regio olfactoria endigt beinahe zugleich mit der Nasenhöhle; bloß auf einem Schnitt ist sie selbständig; doch erscheint sie durch diese Endigungsweise verschieden von der Regio olfactoria bei Semno- pithecus maurus, wo sie von oben nach unten verstrich. Der solide Ductus nasolaerimalis ist genau getroffen (13 II 4, etwa wie bei Ida, Fig. 34). Bei diesem Embryo und den folgenden Objekten 306 und 259 findet sich einwärts und dorsal von der Concha media eine seichte Schleimhautvorbuchtung, als Andeutung einer Concha superior (KEIBEL 1906, S. 612). Der Embryo 306, ein Macacus cynomolgus (KEIBEL 1906, Nr. 21), ist interessant wegen des Verhaltens der Gaumenfortsätze (Fig. 40). Diese sind lang und liegen, wie auch von ScHoRR (1908, S. 95) be- schrieben ist!, ziemlich stark medianwärts gerichtet unterhalb der Zunge. Die Basalknorpel sind noch vorknorpelig. Die Epithelien sind so schlecht erhalten, daß nicht zu entscheiden ist, ob ein JacoBsonsches Organ ausgebildet ist. Die Nasenhöhle endigt all- mählich dorso-ventral; es findet sich keine selbständige Regio ol- 1 Diese Beschreibung SCHORRs veranlaßte Fuchs, den Embryo als patho- logisch aufzufassen. Dies ist er m. E. nicht. 442 G. P. Frets factoria. Die Processus palatini sind wie eingeklemmt, berühren die Zunge und den Boden der Mundhöhle. Beim Embryo 259 (Macacus eynomolgus) (KEIBEL, Nr. 22) sind die Processus palatini auch ein wenig medianwärts gerichtet; sie sind kürzer als die des Embryo 306 (Fig. 41). Die Sulei Jacobsoni sind gut ausgebildet, liegen dorsal von den vorknorpeligen Basal- knorpeln. Diese bilden an einer Stelle mit dem Nasenknorpel einen ununterbrochenen Ring. Der Ductus nasolacrimalis ist in unmittel- barer Nähe des unteren Nasenganges. Die Nasenhöhle endigt in der Weise wie beim vorigen Embryo. Von den Conchae ist nichts Be- sonderes zu erwähnen. Es ist, wie gesagt (S. 441) möglich, daß in Fig. 40. Fig. 41. Macacus cynomolgus 306. Gf Gaumenfortsätze; Macacus cynomolgus 259. Gf Gaumenfortsätze; Z Zunge. Vergr. 25><1/.. Schn. 121110. Z Zunge. Vergr. 25><1/.. Schn.151IS. diesen Stadien in einer kleinen Einstülpung der lateralen Wand des vorderen Teiles der Nasenhöhle die Andeutung der Anlage des rudimentären Nasoturbinale vorliegt. Die Ausbildung des knorpeligen Schädels ist so weit vorgeschritten, daß ein Septum interorbitale festgestellt werden konnte. Der Embryo 10b, Semnopithecus nasalis (KEıgeL 1906, Nasalis larvatus Nr. 23), in gutem Erhaltungszustande, erfordert eine aus- führlichere Beschreibung. Das Skelet der äußeren Nase ist noch vorknorpelig. Der laterale Rand des gebogenen Knorpelblattes ist kolbig angeschwollen. In der Gegend des Anfangs des Os prae- maxillare geht vom oralen Teil des Nasenseptums ein Knorpelstab ab, der rasch endigt. Am lateralen kolbigen Ende des Knorpelblattes erscheint dann eine zweite Anschwellung, welche sich in der Rich- tung des oralen Endes des Septums verlängert und dieses beinahe berührt. Hier sind wir in der Gegend des Ductus nasopalatinus an- gelangt; dieser wird nach vorn von der genannten Knorpelbildung Beiträge zur vergl. Anatomie und Ontogenie der Nase der Primaten. I. 443 — dem Basalknorpel — begrenzt. Nach hinten, also mehr einwätrts, setzt sich der Basalknorpel mit einem zwischen Nasenhöhle und Septum gelegenen Knorpelfortsatze fort. Ventral von diesem. liegt Fig. 42. Fig. 42. Nusalis larvatus 10b. J.K. Jacogsonscher Knorpel; $.J. Sulcus Jacobsonii; dnl Ductus nasolacrimalis; kA knorpelige Anschwellungen in der lateralen knorpeligen Nasenwand. Vergr. 40 <1/z Schn. 2611. Fig. 43. Nasalis larvatus, 10b. Gf Gaumenfortsätze; bs Berührungsfläche des @f mit dem Septum; fs freier oraler Rand des Septum; dnl Ductus nasolacrimalis; ung unterer Nasengang; M Maxillare, Vergr. 40 >x1/2. Schn. 23 IV 3. Nasalis larvatus 10b. dnl Ductus nasolacrimalis; Pr knorpeliger Fortsatz des Primordialeraniums im Bereich des Verlaufs des dal. ein zweiter Fortsatz, der sich mehr einwärts mit dem ersten ver- bindet: hier entsteht der Paraseptalknorpel, Cartilago Jacobsonii. Die Basalknorpel, im vorknorpeligen Zustande, machen durchaus den Eindruck, ihre volle Ausbildung noch nicht erreicht zu haben. Dem 444 G. P. Frets Jacogsonschen Knorpel gegenüber (Fig. 42) findet sich beiderseits eine ganz schwache Ausbuchtung der medialen Wand der Nasen- höhle. Diese kann als rudimentäres JACOBSoNsches Organ auf- gefaßt werden. Jedoch ist dabei zu bedenken, daß das JACOBSON- sche Organ, welches hier die charakteristische Lage wie bei allen Säugetieren, auch den Platyrrhinen einnimmt, bei den Catarrhinen (d. h. den untersuchten Embryonen, z. B. Nr. 259, S. 34) und dem Menschen über dem Jacogsoxschen Knorpel sich befindet. Umfangreicheres Material muß für die Entscheidung der Frage abgewartet werden. Die soliden Ductus nasolacrimales sind in Berührung mit der Nasenhöhlenwand; in ihrem Verlauf zum Conjunctivalsack liegen sie eine Strecke weit auf einem knorpeligen Fortsatze des Primordial- craniums. (Vgl. meine demnächst erscheinende Arbeit über diese Gegend des Primordialeraniums mehrerer Primaten.) Von Interesse ist dieses Stadium bezüglich der Ausbildung des sekundären Gau- mens. Die Zunge liegt in der Tiefe der Mundhöhle, die Gaumen- fortsätze sind mit dem Septum verbunden; die Epithelien der Be- rührungsflächen sind noch großenteils vorhanden. Man sieht nun, daß die Gaumenfortsätze einander (noch) nicht berühren; vorn ist die Lücke durch Epithel und eine Vorwölbung des Septums ausge- füllt, mehr nach innen besteht ein wirklicher Spalt (Fig. 43). Aus diesen Bildern ist ersichtlich, daß die Gaumenfortsätze, nachdem sie mit dem Septum in Verbindung getreten sind, einander noch ent- gegenwachsen. Und wenn man diese Bilder vergleicht mit den vom vorigen Embryo 306, (S. 442, Fig. 40), dann scheinen diese Beob- achtungen dafür zu sprechen, daß die Umlagerung der Zunge und der Gaumenfortsätze nicht immer genau in derselben Zeit stattfindet. Findet sie ein wenig später statt, dann erhält'man Bilder wie Fig. 40; beim, wie mir scheint, gewöhnlich früheren Eintreten der Verbindung erhält man Bilder wie Fig. 43. Die Anlagen des Maxilloturbinale und der Concha media (22 III3) bedürfen keiner weiteren Beschrei- bung. Weiter nach hinten (Fig. 45) wird die Verbindung der Gaumen- fortsätze mit dem Septum — von der Nasenhöhle aus — (Fig. 45, s.n.) kürzer und endigt schließlich (21,IV1). Dann sind wir also wieder im Gebiet der primitiven Choanen. Die Conchae mediae endigen hier; das Septum ist oralwärts abgerundet, die Nasenhöhle ist einfach schlauchförmig. Weiter nach hinten schließt sich die Regio olfactoria von der Regio respiratoria ab, indem eine Lamina terminalis ausgebildet ist (Fig. 46). Sie erstreckt sich ziemlich weit nach hinten (über 12 Schn. zu 15 u); die Fila olfactoria treten hier Beiträge zur vergl. Anatomie und Ontogenie der Nase der Primaten. I. 445 Fig. 45. Fig. 46. Fig. 45. Nüasalis larvatus 10b. sn von der Nasenhöhle ausgehende Furche, welche die Verbindung des Gaumenfortsatzes mit dem Septum aufhebt; ae abgehobenes Epithel der Zunge; Cm Concha media; Z Zunge. Vergr. 40x !/2. Schn. 2214. Fig. 46. Nasalis larvatus 10b. ro selbständige Regio olfactoria; Zt Lamina terminalis; pCh Rest der primitiven Choane (= id. Gaumenspalte); dnph Ductus nasopharyngeus; @f Gaumenfortsätze; ae abgehobenes Epithel der Zunge. Vergr. 40 ><1/2. Schn. 21 12. Fig. 47. Nasalis larvatus 10b. ro Regio olfaetoria; Z& knorpelige Lamina terminalis; olf N. olfactorius; dnph Ductus nasopharyngeus; Aum Augenmuskel. Vergr. 40><1/. Schn. 20 III 4. 446 G. P. Frets zu den Nasenhöhlen herab. In der Lamina terminalis im weiteren Sinne befindet sich eine Knorpellamelle (Fig. 47). Ein Septum in- terorbitale ist vorhanden. Der letzte zu beschreibende Affenembryo, Semnopithecus maurus, Nr. 125 (KEIBEL, Nr. 24) zeigt das letzte Stadium aus der Entwick- lung des sekundären Gaumens. Dieser ist vollständig vorhanden, die miteinander verwachsenen Epithelien sind noch teilweise, als Knoten und Stränge, vorhanden (Hıs 1901, S. 385, Dursy 1869). (Fig. 48 u. 49.) Das Jacogsonsche Organ konnte ich trotz guten Er- haltungszustandes des Epithels nicht auffinden. Es scheint auf diesem Stadium einer völligen Reduetion anheimgefallen zu sein. Eine selbständige Regio olfaetoria findet sich nicht — auch nicht Fig. 48. Fig. 49. Fig. 48 und 49. Semnopithecus maurus Nr. 125. Mt Maxilloturbinale, Cm Concha media; Kn und St epith. Knoten und Stränge in der medianen Naht der Processus palatini. Schn. 2515 und 2314. Vergr. 25 > 1/2. beim Semnopithecus maurus Ida (S. 438). Unter den untersuchten Embryonen von Macacus cynomolgus besitzen Wilhem (S. 413, Fig. 9), Nr. 9 (S. 456), Cra 2 (S. 437, Fig. 33), Nr. 26 (S. 440) und Nr. 260, also fünf Stück, eine selbständige Regio olfactoria; sie besteht nicht bei Cra 3 (S. 436), Nr. 306 (S. 441), Nr. 259 (S. 442) und Macacus cynomolgus 17 mm (S. 438). Der nicht bestimmbare Embryo 514 besitzt eine selbständige Regio olfaetoria (Fig. 38, S. 439); die bei- den Exemplare von Semnopithecus maurus Ida und Nr. 125 (Fig. 34, S. 438) besitzen sie nicht. Macacus cynomolgus zeigt also eine große Variabilität in der Ausbildung der selbständigen Regio olfactoria. Ich war auch noch in der Lage, zwei Embryonen von Tarsıus aus dem Materiale von Prof. HuUBRECHT studieren zu können. Für die hier behandelten Punkte bieten sie nichts Abweichendes. Der Embryo 666 (17 mm; nicht in den Normentafeln aufgenommen), hat Beiträge zur vergl. Anatomie und Ontogenie der Nase der Primaten. I. 447 eine selbständige Regio olfactoria auf sieben und zwölf Schnitten, von welchen drei aus solidem Epithel bestehen (S. 428). Beim viel älteren Embryo 555 (27 mm) ist die selbständige Regio olfactoria wohl ausgebildet und endigt auf 1—2 Schnitten. Schließlich gebe ich auf Fig. 50«—f Darstellungen von Schnitten des menschlichen Embryo De R von 26 mm g. L., mit erhobenen, aber noch nicht geschlossenen Gaumenfortsätzen. Fig. 50c zeigt die Gaumenfortsätze ein wenig eingeschnürt. Diese Einschnürung finde ich nicht im übereinstimmenden Stadium Y. Beim wenig älteren Embryo Z sind die beiden Nasenhöhlen zwischen dem sekundären Gaumen und dem Unterrand des Septums über eine größere Strecke miteinander in Verbindung (vgl. unten). Die beschriebenen Embryonen bieten die Gelegenheit, eine Ein- sicht in die Bildung des sekundären Gaumens zu gewinnen. Im Gebiet des prämaxillaren Gaumens beteiligt sich das Nasen- septum (mittlerer Stirnfortsatz) an der Bildung des Mundhöhlendaches. Unmittelbar hinter dem Duetus nasopalatini steigt das Septum dorsal- wärts empor und erst später, zugleich mit der Ausbildung der Gaumen- fortsätze, ist es mehr ventralwärts gerichtet. (Vgl. die abgebildeten Sagittalschnitte bei Hıs, 1901, Fig. 36). Die Gaumenfortsätze ver- einigen sich in großer dorso-ventraler Höhe (Fig. 48 u. 49) in der Medianlinie, und das Septum ruht auf dem Gaumen. Beim Hunde dringt das Septum nach Nusgaum (1896, S. 150) auch zwischen die Gaumenfortsätze ein. Beim Rindsembryo sah ich, daß der sekun- däre Gaumen vollständig gebildet war, und daß sich über ihm eine offene Verbindung zwischen den Nasenhöhlen fand. Diese Beob- achtung ist auch bei Echidna (SEYDEL 1899, S. 466) gemacht worden, und nach Dursry (S. 172) ist diese Kommunikation beider Nasen- höhlen für eine gewisse Entwicklungsstufe ein normales Verhalten. Ich fand sie auch immer außer bei Nasalis larvatus (S. 442). Ich konnte die Beobachtung NusBAums an dem aus zwei Serien der geeigneten Stadien bestehenden Material der embryologischen Samm- lung des hiesigen Instituts nicht bestätigen. Vielmehr fand ich, daß — entsprechend der Bemerkung Nusgauns (S. 148), daß »die Nasen- gaumenkanäle oder Stensonschen Kanäle bekanntlich beim Hunde in schräger Richtung von oben und hinten, nach unten und vorn verlaufen, von einer oberen Öffnung am Grunde des ventralen Nasen- ganges zu einer unteren, engen, schlitzförmigen, die (rechts und links) neben der Gaumenpapille in die Mundhöhle führt«, — die Processus palatini, ventral vom Septum, weiter nach vorn greifen als bei Affen- Homo. Emb. De R 27mm. Schn. 34112, 34 12, 33 II, 31 IT4, 301 1, 27 II5. J.O. Jacossonsches Organ; J.k. id. Knorpel, @f Gaumenfortsatz; dnp Ductus nasopalatinus; No N. opticus; s@sp se- kundäre Gaumenspalte. Vergr. 25><1j.). Beiträge zur vergl. Anatomie und Ontogenie der Nase der Primaten. I. 449 embryonen und einander alsbald in der Medianlinie erreichen. Auch bei den untersuchten Hundeembryonen erreicht das Nasenseptum bloß im prämaxillaren Gaumen das Munddach. Fig. 51. Fig. 52. Ai Fig. 51—54. Canis familiaris Emb. D, 33 mm. Schnitte 615, 5III8S, 413, 3II1. Vergr. 25x 1/2. m Mundhöhle; dnp Ductus nasopharyngeus; Z Zunge; ro selbständige Regio olfactoria; R Reste der Epithelien der Gaumenfortsätze und vom Septum; Jo. Jacogsoxsches Organ’; $.J. Suleus Jacobsonii; dnp Ductus nasopalatinus. Zur Erläuterung der Verhältnisse beim Hunde gebe ich die Fig. 51—61. Die Schnitte von hinten nach vorn verfolgend, sieht man auf Fig. 51 Embryo D, 33mm, den Ductus nasopharyngeus, die selbständige Regio olfaetoria, welche lang ist, die Lamina terminalis 450 G. P. Frets und den mit einer medianen Naht versehenen sekundären Gaumen; Fig. 52 zeigt die Kommunikation der Nasenhöhlen unier dem Septum. Fig. 53 zeigt das Septum auf dem sekundären Gaumen ruhend. Fig. 56. Canis familiaris Emb. D, 33 mm. Schn. 319, 21V 16. Vergr. 25 > 1/.. dnp Ductus nasopharyngeus; Jo. Jacogsonsches Organ; $.J. Suleus Jacobsonii; pp Papilla palatina. Fig. 57. Fig. 58. Fig. 57 und 58. Canis familiaris Emb. A, 31 mm. Schn. 4119 und 21117. Vergr. 25 > 1/2 Neben der Medianlinie finden sich zwei kleine Gruben (Fig. 539), welche ich bei einem anderen Exemplare dieses Stadiums nicht finde. Die Fig. 54 ist aus der Gegend des Ductus nasopalatinus; die Gaumen- Beiträge zur vergl. Anatomie und Ontogenie der Nase der Primaten. I. 451 fortsätze erreichen einander noch mittels einer breiten Epithelbrücke. Der Gaumen ist hinten höher als vorn. Fig. 55 zeigt die Abschnü- rung des JaAcogsonschen Organs. Das Septum mit der Papilla pala- tina beteiligt sich an der Bildung des Munddaches, und zwar des prämaxillären Gaumens, Die Fig. 56 schließlich zeigt die orale Mündung’ des Duetus nasopalatini, die Papilla palatina, den Anfang der Gaumenfortsätze und die Sulei Jacobsonii. Bei viel älteren Embryonen, von 60 und 62mm, sind die Gaumennähte ganz ver- schwunden, und die medialen und lateralen Ränder der Ductus naso- palatini liegen am Mundhöhlendach im gleichen Niveau. Der Embryo A 3lmm stimmt mit D überein. An einer Stelle, Fig. 59. Fig. 60. Fig. 61. Fig. 59—61. Canis familiaris Emb. C, 23,5 mm. Schn, 2IV15, 1IV21 und IV4. Vergr. 25><1/. Pp Papilla palatina; dnp Ductus nasopalatinus; ro selbständige Regio olfactoria; /! Lamina termi- nalis; @f Gaumenfortsätze; Z Zunge. etwa in der Mitte des sekundären Gaumens, findet sich eine uvula- artige Vorwölbung der oralen Fläche des Gaumens (Fig. 57, nicht bei D). Auch im vordersten Teile des sekundären Gaumens sind in einigen Schnitten die Nasenhöhlen unter dem Septum in freier Kommunikation (Fig. 58). Die Embryonen C und B (23,5 mm und 22 mm) bieten wieder übereinstimmende Verhältnisse. Fıck (1902, S. 304) erwähnt, daß beim Schweine (nach der Fig. IV,14 von Dursy) die Gaumenfortsätze auffallend lang sind. Es ist dies auch beim Embryo C (Fig. 59) der Fall; doch ist die Länge hier einfach durch die schräge Schnittrichtung verursacht. Fig. 60 zeigt die Papilla palatina, die Fig. 61 außerdem den Anfang des Ductus nasopalatinus. Die Vergleichung des Gebietes des Duetus nasopharyngeus von den Embryonen D und A (33 u. 3lmm) mit den Embryonen G und J Morpholog. Jahrbuch. 44. 30 452 G. P. Frets (60 u. 62 mm) lehrt, daß der Ductus nasopharyngeus bei letzteren über eine bedeutend größere Strecke unpaar ist als bei D und A, daß also das Septum, wie Dursy erwähnt, von vorn nach hinten dem sekundären Gaumen entgegenwächst. Ich schließe aus den verschiedenen Befunden von NusBAUM und mir, daß die Bildung des sekundären Gaumens beim Hunde nicht immer in gleicher Weise vor sich geht. Etwas Ähnliches zeigen die Fig. 43—45 von Nasalis larvatus, doch würden hier später meines Er- achtens die Gaumenfortsätze noch mehr medianwärts gewachsen sein. Eine unriehtige Verwertung der Arbeit NusbAums scheint mir Fuchs (1908, S. 225, 1910, S. 100) zu machen. Der betreffende Passus lautet bei Nusßaum, S. 150: »hier (beim Hunde) wächst im vorderen und mittleren Teile der primitiven Maulhöhle der untere Rand der Nasenscheidewand so früh nach unten, daß ehe sich noch die beiden engen Gaumenplatten gegeneinander nähern, der untere sehr breite Teil der Nasenscheidewand zwischen die beiden Gaumen- platten hineindringt, woraus resultiert, daß die freien, medialen Ränder der beiden Gaumenplatten nicht in der Mittellinie mitein- ander zusammentreffen, sondern mit den seitlich unteren Teilen der Nasenscheidewand direkt verschmelzen, infolgedessen die untere, freie breite Fläche des Nasenseptums direkt an der Bildung des Maulhöhlendaches sich beteiligt« ... »Im Innern der aus dem Zu- sammenfließen der Gaumenplatten und des Nasenseptums gebildeten embryonalen Gaumenwand erscheinen dann die paarigen Anlagen des knöchernen Gaumens« usw. Fuchs 1908, S. 225 schreibt über die Bildung des sekundären Munddaches bei Säugern (Talpa) folgendes: »Die erste Veränderung besteht darin, daß im Anschluß an die Ausmündungen der JACOBSON- schen Organe, also unmittelbar caudalwärts von ihnen, die Ober- kiefermassen, auf Kosten der primitiven Choanen und der Choanen- gangschenkel, mit dem Nasenseptum eine Strecke in orocaudaler Richtung verschmelzen, wie das zuerst J. Nusßaum bei Embryonen vom Hunde richtig erkannte. Die Verschmelzung ist in Textfigur 20. bereits eingeleitet, indem die Oberkiefermassen (ok) mit dem Nasen- septum bzw. Vomerpolster (5) in epithelialer Verklebung miteinander stehen. Auf diese Weise werden die Choanenspalten und ihr Zu- sammenhang mit den Nasenschläuchen auf der fraglichen Strecke völlig ausgemerzt und die Spalten erstrecken sich dann nicht mehr als offene Wege über die ganze sagittale Ausdehnung der Muschel- zone. Von der Verschmelzung bleiben zwei ungleich große Abschnitte Beiträge zur vergl. Anatomie und Ontogenie der Nase der Primaten. I. 453 der Spalten ausgespart: als weitaus größter Teil die beiden caudalen Drittel und als schr kleiner Teil das vorderste Ende,< (als »Aus- führungsgang des Jacopsonschen Organs«). »Die nächsten Vorgänge dienen der Entwicklung des sekundären Gaumens. Als erste An- lage desselben erscheinen die Gaumenfortsätze der Oberkiefermassen« usw. Fuchs unterscheidet also zwischen der Bildung des vorderen Drittels des Munddaches durch die Verschmelzung der »Oberkiefer- massen« mit dem Nasenseptum und derjenigen der beiden eaudalen Drittel durch mediane Verbindung der Gaumenfortsätze. Es soll dies auch aus den Figuren 20c (S. 223) und 23 ersichtlich sein. Vgl. auch 1908, S. 227 und 1910, S. 100. Diese Auffassung hegt nach FucHs außer NusBAUM auch SIPPEL. SırpEu 1907, S. 512 schreibt: BEECKER hat schon hervorgehoben, daß die Choanen beim Gaumenschlusse nicht vollständig aus der Mundhöhle entfernt werden, da sich ihr vorderer durch die Mündung des JacoBsonschen Organs charakterisierter Rand vor den Gaumen- leisten befinde. Er wird von ihrer Verwachsung nicht berührt, sondern bleibt als kleine Öffnung beiderseits vor dem harten Gau- men als Foramen ineisivum bestehen. Erst hinter dieser Stelle stoßen die etwas schräg geneigten Gaumenleisten an das Vomerpolster bzw. den Ventralrand des Nasenseptums und verwachsen mit ihm, so daß die primitiven Choanen auf eine kurze Strecke wirklich ver- legt werden. Ein Teil der inneren Nasenöffnung verödet dadurch vollständig. Hinter der Verschmelzungsstelle stehen die Gaumen- fortsätze in einem etwas tieferen Niveau als das Nasenseptum. Hier bleibt die Lichtung der Gaumenrinne als passierbarer Kanal (Ductus naso-pharyngeus) erhalten und der hintere Abschnitt der primitiven Choane mündet in ihn. Es ist also für den Stilcharakter der Säuge- tiere nicht bloß die mediane Naht der Gaumenleisten, sondern auch die Persistenz des vorderen Choanenrandes in der Mundhöhle und die Verlegung eines kurzen mittleren Abschnittes der primitiven Choane bezeichnend.« Vgl. auch S. 517/18 u. S. 523. S. 517. »Da das Nasenseptum schräg gegen die Gaumenleisten geneigt ist, so wird bei der Verwachsung derselben die primitive Choane in zwei Abschnitte zerlegt. Ein vorderer kleiner Teil, der sog. Canalis ineisivus, bleibt am Munddache offen. Der darauf- folgende Teil samt dem Beginn der Gaumenrinne verödet, weil die Gaumenleisten sich dem Vomerpolster oder dem ventralen Rande des Nasenseptums anlegen und mit ihm so fest verschmelzen, daß die ursprüngliche Grenze nicht mehr festzustellen ist. Erst hinter 30* 454 G. P. Frets der Verwachsungszone folgt der eigentliche Ductus naso-pharyngeus mit einer deutlichen ventralen und lateralen Wand; die dorsale Wand dagegen ist wenigstens im Bereich der Nasenschläuche durch die beiden Choanen zerschlitzt.e Vgl. auch S. 506,07, 508. SırpEL und FucHs sprechen meines Erachtens nicht über die- selben Dinge. Es war anfangs für mich nicht ganz leicht, einzu- sehen, was diese Autoren meinen. Mir scheint, daß SırpEL unter- scheidet zwischen der Bildung 1. des vorderen Teiles des Gaumens, wo die Gaumenfortsätze in der Medianlinie miteinander und an ihrer oberen Fläche mit dem Nasenseptum verschmelzen und 2. des hinteren Teiles, wo anfänglich — nach Dursry (vgl. 5. 447) als normales Verhalten — eine offene Kommunikation über dem sekundären Gaumen zwischen den Nasenhöhlen bestehen bleibt. Unklar ist bloß, daß er zuerst von Gaumenleisten und dann von Gaumenfortsätzen spricht. Diese Unterscheidung SIppELs scheint mir unwesentlich. Ich lasse hier noch folgen, was Dursy über diesen Punkt an- gibt, S. 151: »Wenn nun mit der Zeit die Zunge von der Schädel- basis sich zurückzieht, so wird der zwischen den Gaumenplatten be- findliche obere Abschnitt der primitiven Mundhöhle frei (Taf. III, Fig. 13) und durch die mediane Verbindung der Gaumenplatten von der übrigen Mundhöhle abgeschieden (Taf. IV, Fig. 15). Der dadurch für die Nase gewonnene Raum dient zur Vervollständigung der Regio respiratoria und zerfällt in einen hinteren unpaarigen und einen vorderen paarigen Abschnitt. Den hinteren berührte ich schon öfters und nannte ihn Nasenrachengang. Bliebe die Nasenscheidewand auf ihrer früheren Höhe zurück, so wäre auch der vordere Abschnitt dieses kanalförmigen Raumes einfach; seinen Boden würde der sekundäre, seine Decke der primitive Gaumen?! bilden und durch die daselbst befindlichen Spalten (primitive Gaumenspalten) stünde er mit den Nasenhöhlen in Verbindung. Es gibt jedoch der primitive Gaumen seine Selbständigkeit auf, indem sein von der Nasenscheide- wand gebildeter Anteil herabwächst (IV 15, III 8) und schließlich mit dem eigentlichen verwächst« usw. (vgl. auch S. 171/72). Fuchs trennt jedoch die Entwicklung des sekundären Gaumens von der Verschmelzung der Oberkiefermassen mit dem Nasenseptum caudal von den Ausmündungen der JacoBsonschen Organe im vor- deren Drittel der Gaumenspalten. Wenn ich Fuchs’ Figur 20c eines ı Vgl. über die Bedeutung des primitiven Gaumens bei Duzsy, S. 415 dieses Aufsatzes. Beiträge zur vergl. Anatomie und Ontogenie der Nase der Primaten. I. 455 Talpa-Embryo mit meiner Figur 625 und c eines Talpa-Embryo des gleichen Stadiums vergleiche, so vermute ich, daß Fuchs, der in Fig. 62 a—e. Talpa europaea Emb. L, 92mm. Schn. 311113, III, III4, I115, II15. p@ prim. Gaumen; S.J. Suleus Jacobsoni; @f Gaumenfortsatz; J.O. Jacossoxsches Organ; dgrm Ductus glandula recessus maxillaris; pCh primitive Choane; p@l primitive Gaumenleiste (Dursr); g0 Jacossoxsches Organ; Z Zunge. Vergr. 20 x3/,. Fig. 63. Talpa europaea Emb. F,10 mm. Schn. 3I1 15; @f Gaumenfortsatz; l? Lamina terminalis. Vergr. 20 x 3/4. seiner ausführlichen Arbeit über die Gaumenentwieklung der Schild- kröten und anderer Reptilien (1907 und 1908) nur gelegentlich die 456 G. P. Frete Gaumenbildung der Säuger berührt, Veranlassung haben werde, auf diese Figur und die Gaumenbildung der Säuger zurückzu- kommen, falls er noch einmal seine Serien durchnimmt. Die epi- theliale Verbindung der Fig. 625 u. e gehört noch zum primitiven (Gaumen. Auch bei Dursy ist die Behandlung des vorderen Teiles des sekundären Gaumens nicht übersichtlich; es findet sich nieht deutlich die Beziehung zwischen primitiver Choane und Ductus nasopalatinus angegeben (S. 172/73, 161). Doch treffen seine Bemerkungen immer das Richtige. Wenn sich die Gaumenplatten (= -Fortsätze), wie Dursy schreibt, aufrichten und eine horizontale Richtung annehmen, so werden sie vorerst durch eine Spalte, »sekundäre Gaumenspalte« geschieden, (Dursy 1869, S.172, IIL9, Hıs, Fuchs, POHLMANN, dieser Aufsatz S. 458, Fig. 50). Diese sekundäre Gaumenspalte erweitert sich ganz vorn in der Zwischenkiefergegend zu einer breiten, mit der Spitze rückwärts gekehrten, dreieckigen Lücke »dem Zwischen- kieferteil der Gaumenspalte« (S. 172). »In dieser Lücke liegt das vordere, in den Zwisehenkiefer übergehende Ende des unteren Nasen- scheidewandrandes« (S. 173). »So wird dieser vordere Teil der sekundären Gaumenspalte in zwei nach vorn divergierende schmale Seitenteile, welche rückwärts in den einfachen Teil der Gaumen- spalte einmünden, geschieden.« Nachdem der unpaare Teil der Gaumenspalte verwachsen ist, verbinden sich auch allmählich vom paarigen Teil die hinteren Hälften durch eine mediane Verbindung der Gaumenplatten. »In ihren vorderen Hälften dagegen erreichen diese einander nicht, so daß hier der die Mündungen der STENSON- schen Gänge tragende Gaumenteil der Zwischenkiefergegend in seinem medialen Abschnitt für immer frei bleibt und auch einen warzenförmigen Vorsprung erzeugen kann.« (S. 174.) Meine Befunde bei Canis familharis (Fig. 51—58), Talpa euro- paea (Fig. 64), Mus decumanus, beim Menschen (Fig. 50) und bei Affen (Fig. 42—47) sind mit diesen Vorstellungen Dursys im Ein- klang. Die Verwachsung der Gaumenfortsätze findet am spätesten ganz vorn (Fig. 54) und ganz hinten (Fig. 46) statt. Vorn bleibt ein kleiner Teil für die Duetus nasopalatini ausgespart. Dursy nennt sie den vorderen Teil des paarigen Teiles der sekundären Gaumenspalte, auch Prrer (1901, S. 57). Oft werden sie der erhalten gebliebene Rest der primitiven Choanen genannt (SEYDEL 1899). Beide Vor- stellungen sind berechtigt, da die Ductus nasopalatini die Grenze Beiträge zur vergl. Anatomie und Ontogenie der Nase der Primaten. L.. >45 des prämaxillaren und des sekundären Gaumens bilden!. Da die Ductus nasopalatini am Munddach lateralwärts vom Anfang der Fig. 64 0—g. Fig. 6la—g. Talpa europaca Embryo K, 16,5 mm. Schn. 415, 3V 13,3 V10,3V2, 3IV6, 31116, 3 ]1 6. © Kommunikation der Nasenhöhlen; N epitheliale Naht der Gaumenfortsätze; J.O. Jacossoxsches Organ; Jk. idem Knorpel; dnp Ductus nasopalatinus; dgrm Ducetus glandula rec. maxill.; pm Os prae- maxillare; dnl Ductus nasolacrimalis. Pp Papilla palatina. Vergr. a&-d 33 — 3/4; e-9 33x 3 1 Die Definition KÖLLIkERs trifft für beide Vorstellungen zu; er schreibt (1880, S.292': »Die Nasengaumengänge sind ein Rest der ursprünglichen Verbindung zwischen der Mundhöhle und dem unteren respirator. Abschnitte der Nasenhöhle.« 458 | G. P. Frets Gaumenfortsätze begrenzt werden, so rechnet man sie am besten zu der sekundären Gaumenspalte. Diese Gaumenfortsätze treten bei Talpa, Mus und namentlich beim Hunde in ihrem vorderen Teil aus dem Niveau des Munddaches mehr heraus als beim Menschen und bei den Affen. . Bei jüngeren Embryonen von Hunden (Fig. 60 u. 61) fällt dies sehr auf. Die Verwachsung der Gaumenfortsätze miteinander und mit dem Septum ist für den ganzen sekundären Gaumen im wesentlichen gleichartig. Die Gaumenfortsätze berühren einander in der Median- linie, verwachsen miteinander und mit der Unterfläche des Septums; dadurch verschwindet der orale Teil der Nasenhöhle Für den hinteren Teil des sekundären Gaumens ist die Verwachsung der Gaumenfortsätze miteinander und mit dem Septum zeitlich getrennt (Fig. 64g, 52). Verfolgt man die Schnitte von hinten nach vorn (Fig. 649—a; 51—55, 47—42), so sieht man, daß im ganzen Ver- wachsungsgebiet durch die Verwachsung der Gaumenfortsätze ein Teil der Nasenhöhle in Wegfall kommt. Im vordersten Teile der sekundären Gaumenspalte erreichen die Gaumenfortsätze einander nicht; das Septum dringt keilförmig in die sekundäre Gaumenspalte ein und macht sie so gegabelt. Im hinteren Teil beider Schenkel dieses Abschnittes der sekundären Gaumenspalte verwächst der Gaumenfortsatz mit dem Septum, der vordere Teil bleibt offen und bildet den Ductus nasopalatinus. In diesen öffnen sich — bei ver- schiedenen Tieren an verschiedenen Stellen — die JAcoBsoxnschen Organe. Wie kommen nun die Gaumenfortsätze über der Zunge zu liegen ? Meine Präparate sprechen gegen die Annahme einer Gaumen- umbildung, wie sie von Fıck (1902), PörzL (1904) und POHLMANN (1910) befürwortet wird. Fick schreibt (S. 304): »Es müßte vielmehr eine bedeutende Gestaltveränderung des ganzen Gewebebalkens (Gaumenplatte —+ Alveolarfortsatz) eintreten. Eine solche Form- veränderung kann übrigens sicher keine momentane sein.< Fick hat an der Abbildung Dursys vom Schweinsembryo beobachtet, »daß im Stadium der vertikal stehenden Gaumenplatten gerade an der Ab- biegungsstelle der Platten nach unten ein Wulst auftritt, der bei weiterem Wachstum eine Gaumenplatte bilden würde, die von An- fang an an der richtigen Stelle, nämlich über der Zunge, stünde. Diese Interpretation dieses Bildes ist gewiß unrichtig. SCHORR (1908, S. 101), der auch Schweineembryonen untersuchte, konnte diese Beobachtung nicht machen. Dursy selbst schreibt über diese Beiträge zur vergl. Anatomie und Ontogenie der Nase der Primaten. I. 459 von ihm primitive Gaumenleisten genannten Vorwölbungen: »Mit einer flügelförmigen Verlängerung berührt der mittlere Stirnfortsatz einen ihm entgegenkommenden Vorsprung des Oberkieferfortsatzes, die primitive Gaumenleiste des Oberkieferfortsatzes. Er bildet mit den genannten Seitenflügeln der Nasenscheidewand den primitiven, jedoch durch eine Spalte unterbrochenen Nasenhöhlenboden.« (S. 148, s. auch S. 165, 146, 150.) In diesem Sinne findet sich auch bei den Affen (Fig. 9, pr S. 414) und beim Menschen eine primitive Gaumenleiste. Bei Talpa euwropaea und Mus decumanus findet sich eine mehr spezialisierte Bildung (Fig. 62 du. e), welche auch von Fuchs abgebildet ist (1908, Fig. 22). Sie erscheint sofort oder einige Schnitte nach hinten vom Anfang der primitiven Choane, erreicht bald ihre größte Ausbildung (Fig. 58e) und verschwindet nach vorn von der Bildungsstätte der Lamina terminalis. Über das weitere Schicksal der primitiven Gaumenleiste schreibt Dursy (S. 153 und Taf. III, Fig. 8), daß sie sich »an älteren Embryonen stellenweise noch nachweisen lassen, während sie in ihrem übrigen Verlaufe sich ausgleichen«. PoHLnmann (1910, S. 666) muß für seine Deutungen ein Embryonal- stadium, »das ihm (mir) zufälligerweise nicht zu Gesicht kam«, sup- ponieren und nimmt an, daß »eine neue Modellierung des bisher in die Form der Gaumenleisten und Gaumenrinne geprägten Epithel- bezirkes erfolgte, etwa in der Weise, daß der ventrale Rand der Gaumenrinne sich ausweitete, während die Seitenwände median in das bisher vom Zungenwulste erfüllte Lumen einbogen«e. PÖLzL (S. 275) macht noch für die Umbildung geltend, daß, »wenn die sanze Gaumenplatte hinaufgeklappt wäre, die Richtung des in ihr befindlichen Nerven eine andere geworden sein müßte. Für den weichen Gaumen zeigt Verfasserin dann, »daß die Richtung des Ramus posterior N. palatini bei Vertikal- und Horizontalstellung des Gaumenfortsatzes dieselbe ist.«< Die diese Verhältnisse zeigende Figur 13 ist gewiß in Übereinstimmung mit der Auffassung PöLzıs, ob sie auch für sie beweisend ist, können mehrere solcher aufein- ander gezeichneten Schnitte lehren. Wichtig scheint mir die oben zitierte Bemerkung Fiıcks (S. 458), daß eine wirkliche Formveränderung nicht momentan eintreten kann. Daß die Gaumenumlagerung dennoch ziemlich rasch vor sich geht, scheint mir, angesichts der von zahlreichen Forschern untersuchten vielen Stadien bei verschiedenen Säugetieren, sicher. Darum neige ich am meisten zu den Vorstellungen von Hıs (1901) und SCHORR 460 G. P. Frets (1908), welchen auch Fuchs (1910) größtenteils beitritt. Fuchs spricht der Zunge bei der Umlagerung die führende Rolle zu und gründet seine Ansicht auf die Tatsache, daß die Zunge bei ibrem raschen Wachsen die Mundhöhle sprengt und aus ihr hervortritt (seine Fig. 22 bis 27). Bei sämtlichen auf die Umbildung sich beziehenden Affen- embryonen, welche in KEiBELs Arbeit (1906) abgebildet sind, liegt die Zunge in der Mundhöhle. Auch scheint es mir, wie POHLMANN (1910, 5.680), der auch an Katzenembryonen seine Untersuchungen ausführte, hervorhebt, möglich, daß die von FucHs gezeichneten Embryonen schon einen geschlossenen sekundären Gaumen haben. Nach meinen Beobachtungen an Affen könnte der Vorgang in folgender Weise stattfinden. Die Gaumenfortsätze stehen am meisten vertikal und sind am stärksten ausgebildet in ihren vorderen Teilen; mehr nach hinten und da, wo sie allmählich in die Gaumenbogen übergehen, stehen sie von Anfang an mehr horizontal. Die Zunge zeigt sich auf der Höhe der Ausbildung der Gaumenfortsätze (Fig. 40 und 41) wirklich zangenförmig eingeklemmt (S. 442); sie muß sich also zurückziehen. Durch die gegenseitige Berührung von Gaumen- fortsätzen und Zunge kann dies als der Ausdruck von Spannungs- ausgleichungen innerhalb der Zunge und zwischen Zunge und Fort- sätzen geschehen. Aktive Zungenmuskelkontraktionen, welche Hıs annimmt, möchte ich dabei als weniger wahrscheinlich annehmen. Auch mit Hilfe dieser Kräfte, welche PöLzL und SCHORR hervor- heben, ist es sehr gut möglich, daß die Zunge, um sich zwischen der Gaumenspalte hindurch zu bewegen, einmal erst mit der rechten und dann mit der linken Hälfte hindurchgleitet, wie dies von Hıs (1901) aus der Beobachtung am menschlichen Embryo Mr gefolgert ist. Dieser Embryo braucht also nicht ein pathologischer Fall zu sein!. Mit SCHORR ist. beim Umlagerungsprozeß auf die aktive Be- tätigung der Fortsätze hinzuweisen; diese biegen nicht passiv nach dem Zurücktreten der Zunge in die horizontale Lage, sondern es findet ein Kräftespiel zwischen Fortsätzen und Zunge statt. Das eine Mal wird dabei die Zunge ein wenig eher den Tiefstand er- reichen, und die Fortsätze werden in die horizontale Lage treten, bevor sie einander erreichen können (Fig. 41 u. 42); ein anderes Mal werden sie schon anfangen, sich horizontalwärts zu richten, wenn die Zunge hoch über ihnen steht. Die Umlagerung kann ein wenig 1 Wenn die Beschreibung Fıcks dieses Embryo (S. 304) richtig ist, so ist die Möglichkeit, daß der Embryo pathologisch ist, groß. Aus der Fig. 3 (Fick S. 302) möchte ich es nicht schließen. Beiträge zur vergl. Anatomie und Ontogenie der Nase der Primaten. I. 461 zu früh oder ein wenig zu spät stattfinden. Im letzteren Fall (Fig. 41 sind dann bei hochstehender Zunge die Fortsätze auffallend lang. Fıck meint, daß die Gaumenfortsätze, wenigstens beim Schwein, so lang sind, daß ein jeder beim Hinaufklappen die Mittellinie über- ragen würde (S. 305). Sogar für den Embryo Macacus cynomolgus Nr. 306 (5.441) scheint mir diese Auffassung nicht zuzutreffen. Auch eine von der senkrecht auf den Gaumen geführten abweichende Schnittriehtung kann lange Gaumenfortsätze vortäuschen (Fig. 61, S. 451). In den bisher beobachteten Fällen von Embryonen mit ge- hobenen, aber noch nieht verwachsenen Fortsätzen erreichen diese einander in der Medianlinie nicht. In einem Fall (Nasalıs, S. 442) waren die gehobenen Fortsätze schon teilweise mit dem Septum und noch nicht miteinander verwachsen (vgl. auch NUSBAUM). Schließlich ist die Umlagerung nichtals eine einfache Umklappung, sondern als eine von vorn nach hinten (SCHoRR $S. 103, 8) gehende Bewegung, welche plötzlich, nieht allmählich, wie ScHorr (S. 101, 1 und 103 8) angibt, vor sich geht, aufzufassen. Amsterdam, den 6. Dezember 1911. Literatur. 1903. BEECKER, A. Il. Vergleichende Stilistik der Nasenregion bei den Sau- riern, Vögeln und Säugetieren. S. 565—620. 3 Taf. Morpholog. Jahrb. Bd. XXXI. 1904. BLENDINGER, W. III. Das Cribrum der Säugetiere. S. 452—479. 2 Taf. und 6 Fig. Morpholog. Jahrb. Bd. XXXII. 1869. Dursyv, E. Zur Entwicklungsgeschichte des Kopfes des Menschen und der höheren Wirbeltiere. Text und Atlas. Tübingen 1869. 1902. Fıck, R. Bemerkungen zur Wolfsrachenbildung. S. 299—305. 4 Fig. Archiv für klinische Chirurgie. Bd. LXVIII. 1902. 1907. FuchHs, H. 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Jahrg. 1892. 1902. —— Beobachtungen zur Geschichte der Nasen- und Gaumenbildung beim menschlichen Embryo. 48 Fig. S. 349—391. Abh. math.-phys. Kl. Kgl. sächs. Ges. der Wiss. XXVII. Bd. ? 1891. HOoCHSTETTER, F. Über die Bildung der inneren Nasengänge oder primi- tiven Choanen. Verh. d. anat. Ges. 8. 145—151. 9Fig. Ergänzungs- heft z. Anat. Anz. 6. Jahrg. 1892. —— Über die Bildung der primitiven Choanen beim Menschen. Verh. der anat. Ges. 8. 181—183. Ergänzungsheft z. Anat. Anz. 7. Jahrg. 1893. KEIBEL, F. Zur Entwicklungsgeschichte und vergl. Anatomie der Nase und des oberen Mundrandes (Oberlippe) bei Vertebraten. Anat. Anz. 8. Jahrg. S. 473—487. 2. Fig. 1904 u. 1905. —— Zur Entwiecklungsgeschichte der Affen. S.156—163. Verh. anat. Ges. Anat. Anz. Ergänzungsh. z. XXV. Bd. (1904). Auch: Zur Embryologie des Menschen, der Affen und der Halbaffen. S. 39—50. 22 Abb. Verh. anat. Ges. 1905. Bd. 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D Y N N N 1 t, 4 A i 4 N K " f ‚ ' 3 „, , 4 , { » D . u Ä ’ f e ] . 47, r D sa h P Ä Y ’ »< 1 u - y « v \ we A IR u, f * £ SER . . wm n L - i rw - 5 ı £ x ‘ x \ e N Fi ’ - f 3 ve. & N ' FR h N N . j ; ’ A 2 - N wi Ä ‚ & n rs Mi f « . e y {F} a ee D .. Y N » re. . - ° Br.“ 17 ug . “ Y I) , ‘ “ i ’ « ) . ji * A ' R , 1 ( . 4 ne r ru * - ö b } « * ß NG ı Is N Aus dem I. anatomischen Institut in Wien. Vorstand: Prof. J. Tandler. Die Entwicklungsgeschichte der Kopfarterien von Talpa europaea. Von Harry Sicher. Mit 5 Figuren im Text und Tafel VIII—-X. Die vergleichende Anatomie der Kopfarterien der Säuger hat TANDLEr (1898) in einer grundlegenden Monographie behandelt. Als eines der wichtigsten Ergebnisse folgte aus dieser Untersuchung die Konstanz der Arteria stapedia, welche bei einer ganzen Reihe von Formen zeitlebens erhalten bleibt, bei anderen im Embryonalleben nachweisbar ist. Die Entwicklungsgeschichte dieser primitiven Arterie unter- suchte TAnpLEerR (1902) an einer lückenlosen Serie von Ratten- embryonen und an Embryonen von Homo, welche allerdings nicht alle Stadien umfaßten. Über die Bildung der A. stapedia lagen nur die Angaben GROoSSERs (1901) bei Chiropteren (Rhinolophus, Vespertilio, Vesperugo) vor. Bei seinem jüngsten Embryo von Rrhinolophus zieht die A. ca- rotis interna astlos bis zum Zwischenhirn, wo sie sich in ihren Ramus anterior und posterior teilt. Bei den älteren Embryonen ist bereits in der Paukenhöhle der Abgang einer kurzen A. stapedia nachweisbar. Nach GROSSER entsteht also die A. stapedia durch selbständiges Auswachsen aus der A. carotis interna nach dem völligen Verschwinden der ersten beiden Aortenbogen. Die A. carotis externa zieht bei den jüngeren Embryonen nach Abgabe der A. lingualis unter dem äußeren Gehörgang aus dem Hyoidbogen in den Mandibularbogen, kreuzt dort den III. Ast des Trigeminus und gibt ihm eine primäre A. alveolaris inferior mit. Sie selbst zieht dicht hinter dem Mundwinkel in den Oberkiefer- fortsatz, wo sie zweigeteilt endet. Bei den älteren Embryonen ist das Gebiet der A. carotis externa mit Ausnahme der Zunge von 466 Harry Sicher der A. stapedia versorgt. Sie teilt sich in den Ramus superior, der über das Auge mit dem I. Trigeminusast an die laterale Nasen- wand tritt, und in den Ramus inferior, der nach Abgabe der A. alve- olaris inferior zum II. Ast des Trigeminus als A. infraorbitalis zieht. Die A. stapedia ist nunmehr das Gefäß des Trigeminusgebietes. Später werden durch eine Reihe Veränderungen sekundärer Natur die bleibenden Verhältnisse hergestellt, Tanner (1902) konnte dagegen für die Entstehung der A. sta- pedia zwei Typen feststellen: der eine gültig für die Ratte, der andere für den Menschen und wahrscheinlich auch für das Kaninchen und Meerschweinchen. Bei der Ratte werden zum Aufbau der A. stapedia Stücke des ersten und zweiten Aortenbogens verwendet. Die beiden ersten Aortenbogen werden zunächst in der Mitte ihres Verlaufes unter- brochen. Später entstehen an dem Ende des dorsalen Restes des I. Bogens nacheinander ein Ast für die Orbita und einer für den Oberkiefer. Es resultieren daher mit der Fortsetzung des I. Bogens selbst drei Äste, der R. supraorbitalis, infraorbitalis und mandibu- laris. Nun bildet sich zwischen den dorsalen Anteilen der ersten beiden Aortenbogen eine Anastomose aus, welche nach dem Zu- srundegehen des Wurzelstückes des I. Aortenbogens dessen Auf- teilung übernimmt. Um den Ramus anastomotieus bildet sich knapp nach seinem Abgang aus dem II. Bogen die Anlage des Stapes. Damit ist das Gefäß, das aus dem Anfangsstück des II. Aorten- bogens, aus dem R. anastomoticus zum I. Bogen und aus der Auf- teilung des letzteren entstanden ist, als A. stapedia charakterisiert. Die folgenden sekundären Veränderungen können hier über- gangen werden. Der zweite Typus (Mensch) ist nun dadurch charakterisiert, daß der I. Aortenbogen frühzeitig zugrunde geht. Das dorsale Stück des II. Aortenbogens bleibt dagegen erhalten und läßt aus sich die A. stapedia hervorgehen. Dabei bringt es das frühzeitige Ver- schwinden des I. Bogens mit sich, daß »auch am menschlichen Embryo die ventrale Aorta sich bis in die Oberkieferregion fort- zusetzen scheint«e. Ähnliche Verhältnisse liegen nach TANDLER auch bei Cavia und Lepus cumiculus vor. An Reptilien hat später HocHstETTEr (1906) die Entwicklung der Kopfarterien an Orocodilus Madagascariensis untersucht. Nach dem Verschwinden des I. Aortenbogens verlängert sich die A. caro- tis externa (Aorta ventralis) bis in den Oberkiefer, indem sie zuerst Die Entwicklungsgeschichte der Kopfarterien von Talpa europaea. 467 den III. Ast des Trigeminus an seiner lateralen Seite kreuzt und dann dem II. Ast folgt. Später wird dieser Oberkieferast dem Ge- biet der A. carotis facialis — dem Homologon der A. stapedia — ein- verleibt. Die Art und Weise, in welcher sich diese Umbildung voll- zieht, konnte HOCHSTETTER nicht verfolgen. Die A. carotis facialis (A. temporo-orbitalis) selbst entsteht aus einem kleinen dorsalen Rest des II. Aortenbogens durch sekundäres Auswachsen. Es kommt ihr. ein dorso-caudal verlaufender Ast zu, der den Muskelast des Fa- eialis begleitet und später mit der A. maxillaris interna anastomo- siert. Die übrigen Umbildungen des Gefäßsystems kommen für die vorliegende Untersuchung nicht in Betracht. Bezüglich der Entwicklung der A. vertebralis konnte TANDLER die Befunde HocHsTETTERS (1890) bestätigen und dahin erweitern, daß die A. vertebralis cerebralis zunächst von der Hypoglossusarterie gebildet wird. Doch weicht TAnpLers Zählung der Segmental- arterien von der HoCHSTETTERS ab. Während dieser die den N. sub- oceipitalis begleitende Arterie noch dem Hinterhaupt zuzählt, rechnet sie TANDLER als erste ecervicale Segmentalarterie. Nach HocH- STETTER entsteht daher die A. subelavia und vertebralis aus der sechsten, nach TANDLER aus der siebenten cervicalen Segmental- arterie. Der Unterschied in der Zählung ist aber nur ein schein- barer, da die betreffende Arterie nach beiden Autoren die Arterie des sechsten cervicalen Segments ist. Prof. TAnDLER hat mich beauftragt, die Entwicklungsgeschichte der Kopfarterien an einem Säuger zu untersuchen, dessen bleibendes Gefäßsystem möglichst frei von sekundären Veränderungen bliebe, an Talpa ewropaea. Es handelt sich hauptsächlich um die Ent- wicklung der A. stapedia. Die Entwicklung der A. vertebralis wurde nur insofern berücksichtigt, als ihre Beziehungen zur nächst tieferen Segmentalarterie ein noch nicht bekanntes eigentümliches Verhalten zeigen. Ich möchte auch an dieser Stelle meinem verehrten Lehrer und Chef, Herım Prof. TAnDLER, für die Überlassung des Materials sowie für seine Unterstützung meinen herzlichsten Dank sagen. Bevor ich darangehe, die einzelnen Stadien zu beschreiben, möchte ich die Verhältnisse am erwachsenen Tier schildern. Es geschieht dies wohl am besten durch ein wörtliches Zitat aus der Arbeit TAnDLers über die vergleichende Anatomie der Kopfarterien bei den Mammalia. Morpholog. Jahrbuch. 44. 31 468 Harry Sicher >]. Carotis externa. Diese entläßt sofort an ihrem Ursprung die A. oceipitalis, die ziemlich stark ist; an derselben Stelle zweigt die nach vorn ziehende schwache A. thyreoidea ab. Die Carotis zieht nun weiter eranialwärts und teilt sich etwas unterhalb des großen Zungenbeinhorns in zwei Äste. Der medial gelegene ist die in die Zunge ziehende A. lingualis, währenddem der andere die A. maxillaris externa ist, die in typischer Weise vor dem Masseter ins Gesicht gelangt. « »Eine sonstige Verzweigung der Carotis externa mit Ausnahme der Muskeläste war an den untersuchten Exemplaren nicht nach- weisbar, so daß weder von einer aus der Carotis externa stam- menden Maxillaris interna, noch von einer Temporalis superficialis die Rede sein kann.« »l1I. Carotis interna. ... sie gelangt ziemlich weit hinten an die mediale Wand der ganz schwachen Bulla. In diese eingetreten, spaltet sich die Arterie sofort in zwei Äste: der eine, und zwar der schwächere, zieht über das nur wenig vorgebauchte Promontorium hinweg und erreicht die Spitze der Schläfenbeinpyramide,‘ wo er in die Schädelhöhle durchbricht. Es ist das die Fortsetzung der Carotis interna. « »Diese gelangt an die mediale Seite des Trigeminus und im- plantiert sich in den Circulus arteriosus. Über die A. ophthalmiea kann ich nichts aussagen, da mir deren Injektion an keinem Ob- jekte gelang. « »Das aus der Carotis interna, wie schon erwähnt, sofort nach ihrem Durchbruch durch die Bulla abzweigende Gefäß ist die Arteria stapedia.« »Diese zieht zuerst zwischen den Stapesschenkeln durch, wendet sich hierauf nach vorn und spaltet sich typisch in den Ramus su- perior und inferior. Der R. inferior verläßt die Paukenhöhle in ihrem vorderen Winkel.« »Die Arterie ist von der Schädelhöhle aus nach Wegnahme der Dura mater sichtbar, so daß es den Anschein hat, wie-es auch HyrruL beschreibt, daß die Arterie in die Schädelhöhle eintritt und diese wieder durch das Foramen ovale verläßt.« »Trotzdem muß man wohl annehmen, daß die Arterie genau so verläuft wie bei Erinaceus (durch die Fissura Glaseri), da sich diese scheinbare Differenz, wie ich glaube, durch die Modifikation des Keilbeines, das an der Bildung der oberen und vorderen Pauken- höhlenwand beteiligt ist, ganz gut erklären läßt.« Die Entwicklungsgeschichte der Kopfarterien von Talpa europaea. 469 »Die A. stapedia gelangt nun hinter dem III. Aste des Trige- minus zum Vorschein und entläßt daselbst einen Zweig, der den Trigeminus von rückwärts umgreifend, an dessen laterale Seite ge- langt. Hier spaltet er sich in zwei Äste: der eine gelangt hinter dem Unterkieferköpfehen oberflächlich zum Vorschein und verhält sich im übrigen wie die typische A. temporalis superficialis. Der andere Ast zieht mit dem Nervus mandibularis in den Unterkiefer als A. alveolaris inferior. Der Hauptstamm aber bleibt medial vom Ill. Trigeminusaste, gelangt zum Ramus seeundus trigemini, mit dem er unter Abgabe des Ramus orbitalis und bucecolabialis als A. infraorbitalis schnauzenwärts zieht.« »Der R. superior der A. stapedia gibt zuerst die A. meningea media und einen den Knochen perforierenden, zum Schläfenmuskel verlaufenden Ast ab, biegt um und betritt die Orbita, deren mediale Wand er in ihrem hinteren Abschnitt durchsetzt. Er liefert die Ethmoidalis und Frontalis. Inwieweit er bei der Bildung der Aa. eiliares beteiligt sei, konnte ich nicht eruieren. Er scheint auch mit dem aus dem Ramus inferior kommenden R. orbitalis zu ana- stomosieren.« Der Cireulus Willisi ist geschlossen. Dieser Beschreibung wäre nur noch folgendes hinzuzufügen. Die A. cerebri anterior entsendet längs des Ansatzes der Falx einen Zweig rostral, der durch die Lamina eribrosa hindurch die Nasenhöhle (Septum) mit Zweigen ver- sorgt. (Hormann 1900.) Über die A. vertebralis ist auf Grund der Durchsicht von Serien fast reifer Feten und auf Grund der Prä- paration erwachsener Exemplare folgendes zu sagen. Sie entsendet nach ihrem Ursprung aus der A. subelavia unter dem Querfortsatz des letzten (VII.) Halswirbels einen Ast in den Rückenmarkskanal und betritt sodann das VI. Foramen transversarium. Durch die Foramina transversaria zieht sie eranial und gibt vor ihrem Ein- tritt in den Schädel einen starken Muskelast nach vorn und lateral ab. Die Entwieklungsgeschichte der Aortenbogen von Talpa wurde von SouLig et BowneE (1908) ausführlich behandelt. Betreffs der hier in Frage kommenden ersten beiden Aortenbogen findet sich in dieser Publikation folgendes. An Embryonen von 4 mm ist der erste Aortenbogen nur mehr in Form einzelner unregelmäßiger Lacunen nachweisbar, die sehr bald völlig verschwinden. An einem Embryo von 4,7 mm ist auch der zweite Aortenbogen unterbrochen. al* 470 Harry Sicher Schon in diesem Stadium ist die dorsale Mündung ver- schwunden. Im ganzen Verlauf verschwindet er an 6—7 mm langen Embryonen; so zeigt Abbildung 6 von einem 6 mm langen Embryo nur noch eine Lacune zwischen erster und zweiter Schlundtasche, während an der Aorta dorsalis keine Spur des zweiten Aorten- bogens zurückgeblieben ist. Zur vorliegenden Untersuchung wurde das Embryonenmaterial der I. anatomischen Lehrkanzel in Wien verwendet. Es stellt eine vollständige Serie von Embryonen dar, welche teils horizontal, teils sagittal geschnitten und mit Hämalaun-Eosin gefärbt sind. Die wichtigsten Stadien wurden, wenn es sich um Querschnitt- serien handelte, mittels der Projektionsmethode, die sagittal ge- schnittenen mittels Überpausung graphisch rekonstruiert. Dabei dienten zur Feststellung eines Stadiums fast immer mehrere Embryonen. Von der Beschreibung der jüngsten Stadien wurde abgesehen, da die Durchsicht der betreffenden Serien die Befunde von SouLiE et Bone fast in allen Punkten bestätigte. I. Stadium. Als charakteristisch für dieses Stadium, dem Embryonen von etwa 41/,—6 mm angehören, ist hervorzuheben: Die Augenblase ist bereits sekundär. Das Linsengrübehen, am Anfange dieses Sta- diums noch flach und offen, schließt sich an den älteren Em- bryonen fast vollkommen. Der Ductus endolymphaticus ist bei den jüngsten Embryonen noch nicht nachweisbar, später deutlich. Trachea zweigeteilt. Ein Embryo von 4!/, mm (Fig. 1) besitzt jederseits drei voll- ständige Aortenbogen, den III, IV. und VI., außerdem Reste des V. Zwischen IV. und VI. Bogen findet sich rechterseits eine Insel in der Aorta dorsalis. Von den VI. Bogen entspringt jederseits die A. pulmonalis propria. Verfolgt man die A. carotis interna, also die Aorta dorsalis, von der Einmündungsstelle des III. Bogens cranial- wärts, so sieht man an der Stelle, an welcher der N. facialis die Arterie lateral kreuzt, eine kleine, aber deutliche Aussackung der lateralen Gefäßwand, in weleher rote Blutkörperchen enthalten sind. Von da nach lateral kann man einige feine Fäden verfolgen. Es handelt sich hier der Topographie nach jedenfalls um einen Rest des II. Aortenbogens. Von hier aus zieht die A. carotis in- terna bis zum Infundibularhirn, wo sie einen feinen Ast abgibt, der Die Entwicklungsgeschichte der Kopfarterien von Talpa europaea. 471 zwischen Gehirn und Pharynxdach, besonders dem ersteren eng an- geschlossen, oral-verläuft und bald endet. Die Deutung dieses Ge- fäßes ist unklar. Jedenfalls handelt es sich nicht um den I. Aorten- bogen, der in diesem Stadium bereits vollkommen zugrunde gegangen ist, da dieses Gefäß auch an einem jüngeren Embryo, der noch deutliche Reste eines I. Bogens besitzt, nachweisbar ist. Nach Abgabe dieses Astes teilt sich die A. carotis in ihren R. anterior, der über den Opticusstiel oral verläuft und dabei dem- selben eine feine A. ophthalmica zur Augenblase mitgibt, und in den R. posterior zur Anastomose mit der A. vertebralis cerebralis. Diese entspringt aus der ersten Segmentalarterie, welche die Aorta lateral- wärts abgibt. Auf sie folgen noch 6 cervicale Segmentalarterien, deren letzte die A. subelavia abgibt. Es ist dies also die siebente Cervicalarterie, die Arterie des VI. Cerviealsegmentes. Außerdem entspringen cranial von der A. vertebralis cerebralis noch zwei Arterien an der medialen Wand der Aorta dorsalis, welche jedenfalls den von TANDLER bei der Ratte zuerst be- schriebenen Arterien homolog sind. Die Aorta ventralis ist nach Abgabe der III. Aortenbogen in ihrem Lumen noch eine Strecke weit unverändert, verengert sich dann plötzlich und setzt sich als Carotis externa fort. Dieses Ge- fäß läßt sich zunächst eranial und lateral verfolgen und teilt sich entsprechend der ersten Kiemenfurche auf. Der eine Ast zieht in den Hyoidbogen, wo er rasch endet; er ist der ventrale Rest des II. Aortenbogens.. Der zweite Ast läßt sich in den Mandibular- bogen verfolgen, wo er sich verliert. Es handelt sich hier wohl nicht um den I. Aortenbogen, da das Gefäß nicht dorsal verläuft, sondern oralwärts. Es ist daher wohl als das Stück der Aorta ven- tralis zwischen dem Ursprung des II. und I. Aortenbogens anzusehen. Jedenfalls ist das Gefäß nicht in den Oberkiefer zu verfolgen. Die Capillaren, welche sich sehr zahlreich in diesem finden, lassen sich nicht deutlich zu einem größeren Gefäß verfolgen. An einem anderen Embryo dieses Stadiums ist das eben be- schriebene Gefäß im Mandibularbogen bis an den III. Ast des Trigeminus zu verfolgen, wo es endet. Die Gefäße eines 6 mm langen Embryo zeigen ein ähnliches Verhalten. Es sind wieder drei Aortenbogen vorhanden. Die A. ca- rotis interna zeigt an der Kreuzungsstelle mit dem N. facialis wieder die früher beschriebene Aussackung, welche als Rest des dorsalen 472 Harry Sicher Endes des II. Aortenbogens anzusprechen ist. Die weitere Auf- teilung der A. carotis interna in den Ramus anterior und posterior, sowie die A. vertebralis cerebralis verhalten sich wie früher. Die Aorta ventralis, i. e. Carotis externa zieht zunächst im Hyoidbogen lateralwärts, betritt dann den Mandibularbogen nach einer dorsal konvexen Krümmung und läßt sich hier bis zum Ill. Ast des Tri- geminus verfolgen. An ihm löst sie sich in eine Reihe kleinerer Bluträume auf, die teils distalwärts, teils proximalwärts dem Nerven folgen. Die ersteren stellen die Anlage der A. alveolaris inferior primaria dar. Die letzteren.lassen sich nicht mit absoluter Gewiß- heit in den Oberkieferfortsatz verfolgen. Zusammenfassung. Das erste Stadium erscheint charakterisiert durch Fehlen des I. Aortenbogens. Der zweite ist in seinem dorsalen Anteil bis auf eine kleine Aussackung, die aber bei allen Embryonen nachweis- bar ist, verschwunden. Sein ventraler Rest ist im Hyoidbogen noch zu finden. Die A. carotis externa läßt sich bei den älteren Em- bryonen bis zum N. mandibularis verfolgen. Eine A. lingualis ist noch nicht vorhanden. Die A. vertebralis eerebralis ist gebildet, ihr Anschluß an die A. subelavia noch nicht eingeleitet. II. Stadium. Die jüngeren Embryonen dieses Stadiums — es gehören hierher Embryonen von etwa 6—7!/, mm — sind charakterisiert durch ein Linsenbläschen, das mit dem Eetoderm nur mehr an einer circum- seripten Stelle zusammenhängt. Der rechte VI. Aortenbogen ist viel schwächer als der linke, ebenso verhalten sich die IV. Bogen. Das dorsale Verbindungsstück zwischen IV. und III. Bogen hat nur mehr ein ganz feines Lumen. Die Teilung zwischen Aorta und Pulmonalis reicht bis in den Bulbus cordis. Die Kopfgefäße eines 6 mm langen Embryo zeigen folgendes Verhalten. Die A. earotis interna gibt an der Stelle, an welcher sie unter der Pars inferior des Labyrinthes vorbeizieht, einen feinen Ast lateralwärts ab, der sich in zwei ganz kurze Zweige teilt, welche dorsal und ventral gerichtet sind. Der Topographie nach kann es sich hier nur um die Weiterbildung jener kleinen Aus- sackung handeln, die wir im I. Stadium an der entsprechenden Stelle fanden und als Rest des II. Aortenbogens ansehen mußten. Die Entwicklungsgeschichte der Kopfarterien von Talpa europaea. 473 Es ist die Anlage der A. stapedia, welche aus dem Reste des Aortenbogens auswächst. Die A. carotis interna zieht sodann oral- wärts und teilt sich am Diencephalon in ihre typischen Äste. Der R. anterior ist bis zwischen die Riechgruben medial vom Olfactorius zu verfolgen. Die A. carotis externa verläuft zunächst nach vorn, gibt eine feine A. lingualis zur Zunge ab und biegt dann nach vorn und lateral. Sie läßt sich zunächst an den Ramus mandibularis des Trigeminus verfolgen. Hier entläßt sie einen feinen Ast, der mit dem Nerven distal zieht, die A. alveolaris inferior primaria. Der ‚Hauptstamm selbst umgreift den Nerven lateral und zieht an ihm proximalwärts. Hinter dem Mundwinkel betritt die Arterie den Ober- kiefer, in welchem sie, entlang dem II. Ast des Trigeminus ziemlich weit oralwärts verfolgt werden kann. Die A. vertebralis cerebralis verläuft rechterseits normal mit dem N. suboceipitalis. Bevor sie jedoch eranial umbiegt, entsendet sie durch das Foramen transversarium des Atlas einen Ast caudal, der dann dem II. Nerven entlang zum Rückenmark verläuft. Der Ursprung der A. vertebralis cerebralis aus der Aorta befindet sich 40 u unter jener Stelle, an welcher sich die Aorta dorsalis nach Empfang des IV. Bogens plötzlich verjüngt. Caudal folgen ein- schließlich A. subelavia noch fünf Segmentalarterien und zwar in Abständen von 17, 12, 15, 16, 16 Schnitten (10 «). Da die Ab- stände, in welchen die Segmentalarterien von der Aorta entspringen, in diesem Stadium eranial rasch kleiner werden (siehe Fig. 2), kann man wohl annehmen, daß die II. Segmentalarterie (Arterie des I. cervicalen Segments) der A. vertebralis cerebralis bereits an- geschlossen ist und ihre Aortenwurzel verloren hat. Mit dieser Deutung stimmt auch der beschriebene Verlauf überein. Linkerseits ist das Verhalten ein anderes. Die Arteria verte- bralis zieht durch die Anlage des II. Processus transversus; vorher entläßt sie entsprechend dem II. Nerven einen R. spinalis. Auch der N. suboceipitalis erhält einen Begleitast. Zwischen I. und II. Nerven ist sie allerdings sehr schwer zu verfolgen. Ihr Ursprung aus der Aorta liegt tiefer als rechts, 80 « unter der Verjüngung der A. aorta zur dorsalen Carotidenwurzel. Auf sie folgen einschließlich A. sub- clavia wieder nur fünf Segmentalarterien, jedoch in Abständen von 8, 13, 14, 16, 16 Schnitten. Es scheint also auch links bereits zur Anastomose der A. vertebralis cerebralis mit der Arterie des I. cer- viealen Segments gekommen zu sein, doch ist bier nicht wie rechts 474 Harry Sicher die suboceipitale Arterie erhalten geblieben, sondern die nächst tiefere Arterie des I. Segments, welche hier also die Wurzel der A. vertebralis cerebralis bildet. An einem Embryo von 6,5 mm fällt an der A. stapedia ein cau- dal gerichteter Ast auf, der den Faecialis ein Stück weit begleitet. Er entspringt aus der A. stapedia vor ihrem Durchtritt durch das eben deutlich werdende Stapesblastem. Er ist vielleicht jenem von HOcCHSTETTER beim Krokodil beschriebenen Ast homolog, der den Muskelast des Facialis begleitet. Er ist wahrscheinlich eine Weiter- bildung des kurzen cau- Fig. 1. dal gerichteten Ästehens i der Stapediaanlage des früher beschriebenen Em- bryo. Auch bei einigen anderen Embryonen die- ses Stadiums läßt er sich mehr oder weniger deutlich nachweisen, ver- schwindet aber später spurlos. Ein Embryo von 6,6 mm (Fig. 2) zeigt eine Weiterbildung der A. sta- Pe de pedia und vertebralis. Ar — e\e As Die A. stapedia entspringt LOA. ! Some BL, wieder an der lateral ge- | Der Lin richteten Konvexität der Sagittalschnitt durch einen Embryo von Talpa europaea. 6,6 mm. A. carotis en ern Vergr. 25 :1. A. Atlas; A.s. Arteria subelavia; A.v. A.verte- halb der Pars inferior la- a a byräshi kurzes Stück lateral, biegt dann durch das Stapesblastem nach vorn und teilt sich bald. Der R. superior zieht nach dorsal, umgreift die Vena capitis late- ralis oceipital vom Trigeminusganglion und verzweigt sich im Meso- derm. Der R. inferior zieht weiter oralwärts und ist — allerdings nicht mit absoluter Gewißheit — bis an den III. Ast des Trige- minus zu verfolgen. Die A. carotis externa verläuft auf dem früher beschriebenen Wege in den Öberkieferfortsatz. An ihrer lateralen Seite entläßt sie nach Abgabe der A. lingualis einen feinen Ast an den Facialis. Dieser Ast ist auch an den früher beschrie- Die Entwieklungsgeschichte der Kopfarterien von Talpa europaea. 475 benen Embryonen, allerdings undeutlich, zu konstatieren. Es handelt sich wohl um den ventralen Rest des II. Aortenbogens, und wie der Vergleich mit späteren Stadien lehrt, um die A. stylomastoidea. Aus ihr entsteht später die A. auricularis posterior. Die Längsanastomosen zwischen den einzelnen cervicalen Seg- mentalarterien sind gebildet; ihre Ursprungsstellen aus der Aorta sind zwar noch in Form von Aussackungen des Aortenlumens nach- weisbar, sie selbst sind zu lumenlosen, unterbrochenen Strängen rückgebildet. Die A. verte- bralis entspringt bei diesem Embryo also schon aus der A. subelavia. Die auf die A. subelavia folgende Arterie des VII. Cer- vicalsegments entspringt links aus der Aorta. Rechts nimmt sieihren Ursprung knapp neben der A. vertebralis am hinteren unteren Umfang der A. sub- clavia, vielleicht sogar mit der A. vertebralis aus einem ganz kurzen Truncus communis (Textfig.1). Sie zieht unter dem VII. Querfortsatz dorsalwärts. Der Mechanismus dieser Ver- schiebung des Ursprungs der genannten Arterie wird aus Pausrekonstruktion eines Embryo von 7 mm gr. L. ihrem Verhalten bei einem et- Vergr. 25:1. A. Atlas; An. Anastomose zwischen > A, vertebralis und letzter cervicaler Segmentalarterie ; was älteren Embryo klar. A.s.d. A. subelavia dextra; A.v. A. vertebralis; 1.CA. Die Verzweigung der A. letzte cervicale Segmentalarterie; VI.C. sechster 3 4 : Halswirbel; O0. Oceipitale. carotis communis eines 7 mm langen Embryo gleicht dem früher beschriebenen so sehr, daß eine genaue Beschreibung überflüssig ist. Nur wäre zu erwähnen, daß sich die beiden Äste der A. stapedia weiter verfolgen lassen, der obere in das Kopfmesoderm, der untere bis an den III. Ast des Trigeminus. Von Interesse ist jedoch das Verhalten der A. vertebralis zur caudal folgenden Segmentalarterie. Rechterseits findet man näm- lich die aus der Aorta entspringende Arterie des VII. Cervical- segments mit dem Ursprungsstück der A. vertebralis durch eine Fig. 2. 476 Harry Sicher Anastomose verbunden, welche vor dem Querfortsatz des letzten Halswirbels vorbeizieht (Textfig. 2). Dadurch ist der Anschluß der letzten cervicalen Segmentalarterie an die A. vertebralis vorbereitet, wie er bei dem früher beschriebenen Embryo durchgeführt ist. Bei einem Embryo von 7,5 mm ist die Verlängerung des R. in- ferior der A. stapedia so weit gediehen, daß er sich an die mediale Seite des III. Astes des Trigeminus verfolgen läßt; von hier ziehen seine Capillaren abwärts und lassen sich bis in die Nähe, viel- leicht sogar bis an jene Stelle verfolgen, an. welcher die A. carotis externa vom Unterkiefer in den Oberkiefer übertritt, wo sie also den N. mandibularis verläßt, um dem N. maxillaris zu folgen. Eine offene Anastomose zwischen A. stapedia und carotis externa besteht aber noch nicht. Zusammenfassung. Im II. Stadium treten Veränderungen auf, welche alle drei Kopf- arterien, Carotis interna, externa und vertebralis treffen. Die A. sta- pedia entsteht durch Auswachsen des Restes des II. Aortenbogens und teilt sich in den R. superior und inferior. Von diesen ver- längert sich der letztere gegen den Trigeminus und gegen die Um- biegungsstelle der A. carotis externa. Diese läßt sich nämlich nach Abgabe der A. lingualis und stylomastoidea an der lateralen Seite des R. mandibularis Quinti vorbei in den Oberkiefer verfolgen, wo sie dem N. maxillaris folgt. Die Arteria vertebralis, welche sich auf die bekannte Art und Weise gebildet hat, erhält durch eine Anastomose die nächst tiefere Sesmentalarterie angeschlossen. III. Stadium. Bei einem jüngeren Embryo dieses Stadiums sind die Choanen im Durehbrechen, bei einem älteren bereits gegen die Mundhöhle offen. Der rechte Aortenbogen (IV.) ist schwach, die dorsale Caro- tidenwurzel teils verschwunden, teils ein Strang mit einem engen oder ohne Lumen. Die Verzweigung der A. carotis communis eines Embryo von 7mm (Fig. 3) zeigt folgende Eigentümlichkeiten. Die Arteria ca- rotis interna zieht, nachdem sie an normaler Stelle die A. stapedia abgegeben hat, oral und teilt sich am Diencephalon in ihre typischen Äste. Der Ramus anterior gibt die A. ophthalmiea ab, zieht me- dial vom Olfactorius rostralwärts und endet im mittleren Stirnfortsatz. Die Entwicklungsgeschichte der Kopfarterien von Talpa europaea. 477 Die A. stapedia zerfällt nach kurzem, oral gerichtetem Verlaufe in den R. superior und inferior. Der R. superior läßt sich nicht besonders weit in die mesodermale Hülle des Gehirns verfolgen. Anders der R. inferior. Er zieht zum Anfangsstück des R. mandi- bularis des Trigeminus, kreuzt diesen an seiner medialen Seite und gelangt so an den R. maxillaris. Hier anastomosiert er mit der A. ca- rotis externa. Diese selbst nimmt folgenden Verlauf. Bald nach ihrem Ur- sprung entsendet sie mit dem N. hypoglossus die A. lingualis in die Zunge. Sie beschreibt hierauf einen lateral konvexen Bogen, an dessen Konvexität die A. stylomastoidea entspringt, um am Faeialis nach hinten und oben zu ziehen. Der Stamm der A. carotis externa selbst gelangt an den III. Ast des Trigeminus. Von dort zieht die A. alveolaris inferior distal, während ein kurzes Gefäß an der hin- teren Cireumferenz des Nerven proximalwärts zu verfolgen ist. Die A. carotis externa kreuzt nun den Hauptstamm des N. mandibularis an seiner lateralen Seite. Ein Ast des Nerven, der zum Mundwinkel zu verfolgen ist (N. mylohyoideus oder buceinatorius?), bleibt lateral von der Arterie, ein Verhalten, das schon im früheren Stadium zu konstatieren war. Das Gefäß gelangt nun an den N. maxillaris, dem es oral folgt. An der Umbiegungsstelle inoseuliert der R. inferior der A. stapedia. Ein Embryo von 8mm gr. Länge unterscheidet sich von dem eben beschriebenen hauptsächlich durch das Ver- halten der A. carotis externa am N. mandibularis (Fig. 4). Die Ar- terie umgreift nämlich den Nerv mit einem medialen und lateralen Ast, die sich vor ihm vereinigen, nachdem der laterale die A. alve- olaris inferior abgegeben hat. Andeutungen einer solehen Ring- bildung finden sich auch an anderen Embryonen, doch war sie nirgends so deutlich ausgesprochen. Auch die A. stapedia bildet an diesem Embryo bei ihrem Durch- tritt dureh das Stapesblastem eine Insel. (Siehe auch TANnDLER, 1902, 8. 361). Zusammenfassung. Die A. earotis externa, welche denselben Verlauf zeigt wie im früheren Stadium, ist von dem R. inferior der Stapedia an ihrer Umbiegungsstelle in den Oberkiefer erreicht worden. Daäurch ist die Übernahme des Oberkieferastes der A. carotis externa durch die Stapedia (Carotis interna) eingeleitet. 478 Harry Sicher IV. Stadium. Der Embryo (8 mm) läßt an der medialen Nasenwand ein deut- liches Jacogsoxsches Organ erkennen. Die rechte Aortenwurzel ist nach Abgabe der A. subelavia sehr schwach. Aorta und Pulmo- nalis sind bis zum Herzen getrennt. Die A. stapedia hat in ihrem R. superior insofern eine Ver- änderung erfahren, als er viel weiter distal zu verfolgen ist (Fig. 5). Er erreicht nämlich nach Abgabe von Rami meningeales die late- rale Seite des Ganglion Gasseri. Der R. inferior zieht zunächst medial vom III. Trigeminusast vorbei und begibt sich an den I. Ast. An der Kreuzungsstelle entläßt die Arterie .einen kleinen, ganz kurzen Ast, der ein paar Schnitte mit dem N. mandibularis distal zu verfolgen ist. Es ist dies die Anlage des proximalen Anteils der sekundären A. alveolaris inferior. Der R. inferior selbst ver- läuft der caudalen Seite des II. Astes angeschlossen schnauzenwärts, um lateral von der Nasenhöhle mit dem N. infraorbitalis zu enden. Die A. carotis externa verhält sich in ihrem Anfangsteil wie früher. Am III. Ast des Trigeminus angelangt, teilt sie sich. Ein Ast umgreift als A. alveolaris inferior den Nerv von außen und folgt ihm distalwärts. Der II. Ast zieht dem Nerv entlang proximal und ist ziemlich weit zu verfolgen. Er erreicht jedoch den kurzen Ast des Ramus inferior stapediae nicht, welcher an dem III. Ast des Trigeminus distal zieht. Zusammenfassung. Es ist durch Obliteration eines Stückes der A. carotis externa — von der Kreuzungsstelle mit dem III. Trigeminusaste bis zur Anastomose mit dem R. inferior der A. stapedia — dazu gekommen, daß nunmehr der Oberkiefer von der A. stapedia (Carotis interna) versorgt wird, während der Unterkiefer noch dem Gebiet der Caro- tis externa angehört. V. Stadium. Der Gesamtentwicklung nach gleichen die Embryonen dieses Stadiums fast vollkommen dem früher beschriebenen. Doch sind im Gefäßgebiete des Kopfes bedeutsame Veränderungen erfolgt. Die A. stapedia teilt sich nach ihrem Durehtritt durch den Stapes in den R. superior und inferior. Ersterer betritt die Schädelhöhle, gibt dort Äste an die Hirnhäute ab und wendet sich dann oral, indem er an der lateralen Seite des Ganglion Gasseri vorbeizieht. Die Entwicklungsgeschichte der Kopfarterien von Talpa europaea. 479 Er ist bis in die Nähe des N. opticus und der Augenmuskel, also bis in die Orbita zu verfolgen. Der R. inferior begibt sich zunächst an den III. Ast des Tri- geminus und teilt sich hier. Der eine Ast zieht an der medialen Seite des N. mandibularis vorbei zum II. Trigeminusast, den er als A. infraorbitalis bis in die Schnauze begleitet. Ein R. orbitalis dieser Arterie ist noch nicht nachweisbar. Der zweite Ast des R. inferior begleitet als A. alveolaris inferior den III. Ast des Tri- geminus und anastomosiert mit der A. carotis externa. Die Fortsetzung der A. carotis interna nach Abgabe der Sta- pedia verhält sich wie früher. Die A. cerebri anterior gibt die A. ophthalmica ab und zieht medial vom Olfactorius vorbei in das Septum nasi. Die A. carotis externa gibt zunächst wie in den früheren Stadien die A. lingualis und stylomastoidea ab und zieht von hier — es läßt sich dies zum mindesten an der linken Seite des Embryo mit Sicherheit nachweisen — an den III. Ast des Trigeminus. Hier anastomosiert sie mit-der A. alveolaris inferior der A. stapedia. Bei einem Embryo von 85 mm (Fig. 6) ist im Gebiete der A. stapedia insofern ein Fortschritt zu verzeichnen, als der R. su- perior nunmehr durch die Orbita hindurch bis weit nach vorn an der lateralen Nasenwand zu verfolgen ist. Der R. inferior und die A. carotis externa verhalten sich wie an dem früher beschriebenen Embryo. A. vertebralis: Durch das Abwärtsrücken der A. subelavia — sie zieht links vor dem I. Brustwirbel, rechts einen Wirbel höher, vorbei — ist es an der linken Seite des Embryo dazu gekommen, daß die A. vertebralis und die nächst tiefere Segmentalarterie aus einem ziemlich langen Truneus communis entspringen. Dieser scheint aus der A. subelavia — bzw. aus dem wie erwähnt schon von Anfang an vorhandenen kurzen Truneus communis — herausgezogen zu sein. Da die A. vertebralis die Hauptfortsetzung des gemeinsamen Stammes ist, so erscheint die ihr angeschlossene Segmentalarterie als Ast der Vertebralis. Die Segmentalarterie zieht wie immer unter dem Quer- fortsatz des letzten Halswirbels dorsalwärts, Sie ist aber hier mit der A. vertebralis durch eine abnorme Anastomose verbunden, welche das Foramen transversarium des siebenten Querfortsatzes passiert. Rechterseits ist das Verhalten dieser Region ein komplizierteres (Textfig. 3). 480 Harry Sicher Etwas medial von der A. vertebralis entspringt aus der A. sub- clavia ein Gefäß, das ein kurzes Stück eaudal zieht, sodann recht- winklig nach hinten umbiegt und Fig. 3. unter den VII. Querfortsatz ge- \ \ langt. Hier ist es mit der A. ver- > WE tebralis durch das Foramen trans- A Br | versarium VII. hindurch, durch o/je eine Anastomose verbunden. Der 5 beschriebene Verlauf macht es et Ki unwahrscheinlich, daß hier die- o) o selben Verhältnisse vorliegen, wie u links, obwohl der Truneus com- „eo f munis zwischen A. vertebralis .) R A und der Anastomose zur nächsten PR ] Segmentalarterie noch nicht ge- IE ee np bildet sein müßte, da die A. sub- I -— east elavia rechts noch vor dem LER VI.. Halswirbel gelegen ist. Pausrekonstruktion eines Embryo von 8,5 mm 5 ] anasto- gr. L. Vergr. 30:1. A. Atlas, A.a. Art. anonyma. Dei an Ramus A.c.c.d. A. carotis communis dextra; A.s.A. sub- MOtICUus entspringt nämlich nie- elavia; A.v. A, vertebralis; VII.C. siebenter Hals- . x KL wirbel: 1.0.4. letzte cervicale Segmentalarterie. mals medial von der A. ver tebralis aus der Subelavia, son- dern immer so knapp am Ursprung derselben, daß es manchmal schwer wird zu entscheiden ob er aus der A. subelavia oder schon Fig. 4. a) Normales Verhalten (Schema). b) Embryo 8,5 mm gr. L. (Schema). 4A' sekundäre Anastomose zwischen A. vertebralis und letzter cervicaler Segmentalarterie. Die übrigen Bezeichnungen wie in Fig. 3. aus der A. vertebralis stammt. Er verläuft sodann schräg nach hinten und unten, unter den VII. Querfortsatz, ohne jemals eine derartige Abkniekung zu zeigen, wie es früher beschrieben wurde. NET PTR, u I EEE eh Die Entwicklungsgeschichte der Kopfarterien von Talpa europaea. 481 Eher wahrscheinlich scheint mir folgende Deutung. Wenn in diesem Falle der Anschluß der Segmentalarterie des letzten Hals- segments an die A. vertebralis ausgeblieben wäre, dann wäre es denkbar, daß beim Zugrundegehen der rechten Aortenwurzel hinter dem Abgang der A. subelavia das proximale Stück der ‚Aorta bis zum Abgange der letzten cervicalen Segmentalarterie erhalten ge- blieben wäre. Die Anastomose durch das Foramen transversarium VII wäre etwas Sekundäres und nach den Befunden HocHsTEtTers (1890) am Kaninchen keine Rarität. Ist die versuchte Deutung richtig, dann ist das medial von der A. vertebralis aus der A. subelavia entspringende Gefäß bis zu der beschriebenen rechtwinkligen Knickung ein Rest des rechten Arcus aortae, von hier an letzte cervicale Segmentalarterie (Textfig. 4). Zusammenfassung. Es ist in diesem Stadium zur Ausbildung einer zweiten Ana- stomose zwischen A. carotis externa und A. stapedia gekommen. Durch diese Anastomose längs des III. Astes des Trigeminus wird die Übernahme der A. alveolaris inferior primaria aus der Carotis externa durch die A. stapedia eingeleitet. Der Ramus superior der Stapedia zieht bereits durch die Orbita in die Nase. VI. Stadium, Bei einem Embryo von 9 mm gr. L. entspringt die A. subelavia sinistra bereits etwas über der Mündungsstelle des Ductus Botalli sehr nahe der linken Carotis communis. Die A. vertebralis gibt jederseits einen Ast unter den VII. Quer- fortsatz ab, betritt das Foramen transversarium VI. und verhält sich weiter normal. Die Verzweigung der A. carotis communis gleicht in den Hauptzügen bereits jener des Erwachsenen. Aus der A. carotis externa entspringt gleich am Anfang die A. oceipitalis, dann die A. lingualis und Auricularis posterior, welche als Ast der A. stylo- mastoidea entstanden ist. Sie selbst endet als A. maxillaris externa. Die Anastomose zur A. alveolaris inferior ist geschwunden. Die A. stapedia teilt sich nach dem Durchtritt durch den Stapes in den R. superior und inferior. Der erstere betritt die Schädelhöhle, gibt einen R. meningeus ab, dringt in die Orbita ein und zerfällt dort in die A. frontalis, die den I. Ast des Trigeminus begleitet, und in die A. ethmoidalis, welche zur Nasenhöhle zieht. 482 Harry Sicher Der Ramus inferior der A. stapedia zieht zunächst zum III. Ast des Trigeminus und gibt hier die A. alveolaris inferior ab. Seine Fortsetzung kreuzt den N. mandibularis an dessen medialer Seite und folgt sodann als A. infraorbitalis dem II. Ast des Trigeminus. Die A. carotis interna betritt nach Abgabe der A. stapedia die Sehädelhöhle und teilt sich hier in die A. communicans posterior und cerebri anterior. Letztere gibt zunächst die Arteria ophthalmica und weiterhin noch immer einen mächtigen Ast in die Nasenhöhle ab, der im Septum endet. Zusammenfassung. In diesem Stadium ist es durch Obliteration der A. carotis ex- terna bis zur zweiten Anastomose zwischen Carotis externa und Ramus inferior der A. stapedia zum Abschluß der wichtigsten Ver- änderungen gekommen. Der untere Ast der A. stapedia endet als A. infraorbitalis und alveolaris inferior, die A. carotis externa als A. maxillaris externa. Eine A. temporalis superficialis sowie der Augenhöhlenast der A. infraorbitalis lassen sich noch nicht nach- weisen. Es besteht noch die primäre A. ophthalmica aus dem R. anterior der Carotis interna. Die A. vertebralis verhält sich bereits wie am Erwachsenen. In späteren Stadien ließ sich die A. ophthalmica noch an einem Embryo von 13 mm nachweisen. Später scheint sie vollkommen zu- grunde zu gehen, wenigstens ließ sie sich an Embryonen von 17,5, 23 und 26 mm nicht mehr konstatieren. Ihre Ausbreitung übernimmt der Ramus orbitalis der A. infraorbitalis. Eine Anastomose dieses Astes mit dem R. superior der Stapedia ließ sich nicht feststellen. An der A. stapedia konnte das Auftreten der A. temporalis super- fieialis als Ast der A. alveolaris inferior bei einem Embryo von 10 mm nachgewiesen werden. Das Gefäß zieht mit dem N. aurieulo- temporalis über die vordere obere Fläche der Cartilago Meckeli, hinter der Stelle, an welcher später das Unterkieferköpfehen entsteht. Damit sind die Verhältnisse des erwachsenen Tieres hergestellt. Fassen wir nun die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchungen zusammen, so läßt sich die Entwickelung der A. stapedia bei Talpa kurz folgendermaßen beschreiben. Der erste Aortenbogen geht, wie schon SouLıs et BONNE ee vestlos zugrunde. Vom zweiten Aortenbogen bleibt aber entgegen Die Entwicklungsgeschichte der Kopfarterien von Talpa europaea. 483 den Angaben der genannten Autoren eine kleine Aussackung an seiner dorsalen Ursprungsstelle erhalten. Dieser Rest des zweiten Aortenbogens verlängert sich nun in der Folge zur A. stapedia. Unterdessen hat sich die Aorta ventralis, die ursprünglich nur bis in den Mandibularbogen zum III. Ast des Trigeminus reichte, bis in den Oberkiefer verlängert, indem sie den R. mandibularis an seiner lateralen Seite kreuzt. Sie gibt ihm die A. alveolaris inferior Fig. 5. Schema der Arterienentwicklung bei Zalpa. ZI, II, III, IV, V, VI erster bis sechster Aortenbogen. 4A. Aorta, Aı erste Anastomose zwischen A. stapedia und Carotis externa entlang dem II. Trigeminus- ast; A» zweite Anastomose entlang dem III. Trigeminusast; A.a.i. A. alveolaris inferior; A.au. A. au- rieularis posterior; 4.2.0. A. infraorbitalis; A.m.e. A. maxillaris externa; A.l. A. lingualis, R.a., R.p. Ramus anterior und posterior d. Carotis interna; R.o. R. orbitalis des oberen Astes der A. stapedia. primaria mit. Dann gelangt sie zum Nervus maxillaris und folgt ihm als A. infraorbitalis. Die A. stapedia verlängert sich ziemlich rasch und teilt sich nach ihrem Durchtritt durch das Stapesblastem in ihren R. superior und inferior. Während sich der erstere nach Abgabe der Hirnhautäste allmählich durch die Orbita an die laterale Nasenwand verlängert, dient der R. inferior dazu, das Gebiet der Carotis externa zu über- nehmen. Durch zwei Anastomosen, von denen die erste entlang dem H. Ast des Trigeminus, die zweite entlang dem III. Ast entsteht, übernimmt der R. inferior der A. stapedia zuerst die Arteria infra- Morpholog. Jahrbuch. 44. 32 484 Harry Sicher orbitalis, dann die A. alveolaris inferior. Der A. carotis externa bleibt von ihren ursprünglichen Ästen nur die A. lingualis und aurieularis posterior. Dieses Gefäß entsteht als Ast der A. stylomastoidea, stellt aber später die Hauptbahn dar. Die A. stylomastoidea selbst ist bereits in den frühesten Stadien nachweisbar und verläuft am Nervus facialis entlang proximalwärts hinter den äußeren Gehörgang bzw. hinter die I. Kiemenfurche. Es läßt sich vermuten, daß man es hier mit dem Derivat des ventralen Anteiles des II. Aortenbogens zu tun hat. Dafür würde das frühzeitige Auftreten und der Verlauf sprechen. Der Entwicklungsgang der A. stapedia bestätigt und erweitert die Befunde TANDLERs, die er an menschlichen Embryonen erheben konnte. Auch beim Menschen geht der erste Aortenbogen zugrunde, während sich die A. stapedia aus einem dorsalen Rest des II. Aorten- bogens entwickelt. Nach TAnDLEr sollen auch Kaninchen und Meer- schweinchen denselben Entwicklungstypus zeigen. Ich selbst habe Serien von Schweineembryonen durchgesehen und konnte auch hier ein Bestehenbleiben des dorsalen Restes des II. Aortenbogens kon- statieren. Damit stimmen auch die Befunde HoCHSTETTERS am Krokodil überein. Die Angabe GRrossErs, daß bei Fledermäusen (Rhinolophus) die Arteria stapedia nach dem Zugrundegehen der ersten beiden Aortenbogen selbständig aus der Aorta dorsalis, i. e. Carotis interna auswachse, erscheint demnach befremdlich. Es wäre ja möglich, daß bei dem einen Embryo, der das Stadium der astlosen Carotis interna repräsentiert, durch mangelhafte Gefäßfüllung der Rest des II. Aortenbogens unsichtbar war, da er doch auch bei Talpa nur aus einer unscheinbaren Aussackung des Lumens der Carotis besteht. Außerdem ist ja die Stelle, an welcher die A. stapedia bei Rhinolophus in späteren Stadien entspringt, dieselbe wie bei Talpa. Was den Oberkieferast der Carotis externa (Aorta ventralis) an- langt, den GROSSER bei Rhinolophus beschrieben, TANDLER beim Menschen vermutet hatte und den HocHSTETTER am Krokodil wieder- fand, so konnte er auch an den Embryonen von Talpa nachgewiesen werden. Zu einer bestimmten Zeit der Entwicklung wird also Ober- kiefer und Unterkiefer von der Carotis externa versorgt. Bezüglich der Versorgung des mittleren Stirnfortsatzes gilt das- selbe wie nach GROsSsER für die Chiropteren, nach TANDLER für Ratte und Mensch. Die A. carotis interna verlängert ihren Ramus anterior medial vom Ölfactorius vorbei ins Septum nasi, ein Verhalten, das zeitlebens bestehen bleibt. | » Die Entwicklungsgeschichte der Kopfarterien von Talpa europaea. 485 Die A. ophthalmica ist auch hier primär ein Ast des R. anterior der Carotis interna, die Versorgung durch die A. infraorbitalis sekun- där. Dadurch wird neuerlich ein Postulat TAnnLERs bestätigt, das er auf Grund seiner vergleichend-anatomischen Studien schon 1898 aufstellte. Für die Entwicklung der A. vertebralis gilt zunächst das von HocHSTETTER für das Kaninchen beschriebene Verhalten. Während aber beim Kaninchen die letzte cervicale Segmentalarterie an den Truneus costocervicalis angeschlossen wird, ist das Verhalten bei Talpa ein anderes. Hier wird diese Arterie an die 7. (6.) Segmentalarterie dadurch angeschlossen, daß eine Anastomose vor dem Querfortsatz des VI. Halswirbels gebildet wird, welche die Subelavia ganz unmittelbar an dem Ursprung der Vertebralis erreicht, so daß es schwer wird, zu entscheiden, ob die Mündung noch der A. subelavia oder schon der Vertebralis angehört. Dann geht die Aortenwurzel dieser letzten cervicalen Segmentalarterie zugrunde. Wenn nun die A. subelavia und damit der Ursprung der A. vertebralis abwärts rückt, kommt es zu einem Vorgang ähnlich dem von HocHsTETTER (1911) an den Intercostalarterien des Hühnchens beschriebenen. Es kommt nämlich zur Wanderung des Ursprungs der letzten cervicalen Segmental- arterie auf die Vertebralis.. Am Erwachsenen gibt die A. verte- bralis daher unter dem Querfortsatz des VII. Halswirbels einen Ramus spinalis (dorsalis) ab, obwohl sie aus der Arterie des VI. Segments (VII. Segmentalarterie) hervorgegangen ist. Dabei kann es nun (wie bei einem Embryo von 8,5 mm) auch noch zu einer Anastomose zwischen A. vertebralis und der nächst tieferen Segmentalarterie durch das Foramen transversarium des VII. Halswirbels kommen. Wenn nun das Stück der Vertebralis zwischen dem Ursprung der letzten cervicalen Segmentalarterie und der Anastomose zugrunde gehen würde, dann käme es zur Bildung einer Arteria vertebralis, welche aus der Segmentalarterie des VI. Segments stammt und doch das Foramen transversarium des VII. Halswirbels betritt. Dieser Fall ist nun tatsächlich bei zwei Embryonen von 12 und 13 mm verwirklicht. Wieweit die eben beschriebenen Befunde auch für andere Species oder für die Entstehung von Varietäten beim Menschen Geltung haben, kann natürlich nur durch weitere‘ Unter- suchungen festgestellt werden. Bei Echidna, deren A. vertebralis sämtliche sieben Querfortsatzhöcker durchzieht, hat HocCHSTETTER ; 32* 486 Harry Sicher an einem Embryo, der das betreffende Stadium repräsentierte, die A. subelavia aus der Arterie des VI. Halssegmentes entspringen sehen. Er deutete diesen Befund als eine sich entwickelnde Varie- tät. Vielleicht wird jedoch auch bei Echridna durch einen ähnliehen Vorgang wie bei Talpa eine A. vertebralis gebildet, die das Fora- men transversarium VII. passiert, obwohl sie dem VI. Halssegment entstammt. Literatur. 1890. HoCHSTETTER, F. Über die Entwicklung der A. vertebralis beim Ka- ninchen, nebst Bemerkungen über die Entstehung der Ansa Vieussenii. Morpholog. Jahrbuch. Bd. XVI. 1896. —— Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Blutgefäß- systems der Monotremen. Semon, Zoologische Forschungsreisen in Australien. ‘1898. TANDLER, J. Zur vergleichenden Anatomie der Kopfarterien bei den Mammalia. Denkschriften der K. Akad. d. Wiss. Wien. 1900. HormAnn, M. Zur vergleichenden Anatomie der Gehirn- und Rücken- marksarterien der Vertebraten. Zeitschr. f. Morphol. und Anthropol. Bd. II. 1901. GROSSER, 0. Zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Gefäß- systems der Chiropteren. Anatomische Hefte. I. Abt. Bd. XV. 1902. TANDLER, J. Zur Entwicklungsgeschichte der Kopfarterien bei den Mammalia. Morpholog. Jahrb. Bd. XXX. 1906. HOoCHSTETTER, F. Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Blutgefäßsystems der Krokodile. Aus: VOELTZKOWws Reise in Ost- afrika in den Jahren 1903—1905. Stuttgart. 1908. SouLıs, A. et BoxNE, C. Contribution a l’etude de l’appareil branchial et des arcs aortiques chez les mammiferes: Les eing arcs branchiaux et les six arcs aortiques de l’embryon de taupe. 1911. HOoCHSTETTER, F. Über den Ursprung der Arteria caudalis beim Orang und beim Kaninchen nebst Bemerkungen über sogenannte »Gefäß- wurzelwanderungen«. Anat. Hefte. I. Abt. Bd. XLIII. Figurenerklärung. Für alle Figuren gültige Bezeichnungen: V. N. trigeminus, V/ı, V/2, V/s seine drei Äste. VI. N. facialis. IX. N. glossopharyngeus. X. N. Vagus. 1 le el Morpholog. Jahrbuch Ba. XLIV. Harry Sicher gez. ‚Morpholog. Jahrbuch Bd. XIV. Taf. VI. Fig. 1. Ace 1CA. Harry Sicher gez Verlag vor Wilhelm Engelmann in Leipzig Luk AnstwJohannes Arndt, Jena Morpholog. Jahrbuch Bd. XLIV. H.Sicher gez. Morpholog. Jahrbuch Bd. ‚NLV. Taf IK. Höicher gez. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leinzig Zieh. Ansır. Johannes Arndt, Jena, Morpholog. Jahr h, Bd. XLIV. ‚Morpholog. Jahr h Ba. ALIV. j Taf. X. ® Fig. 5. J Harry Sicher gez Verlag von. Wilhelm Engelmann ir Leiaziq. _ Iuh Anstv Johannes Arndt, Jena. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Die Entwicklungsgeschichte der Kopfarterien von Talpa europaea. 487 XI. N. accessorius. XI. N. hypoglossus. II. A.B. II. Aortenbogen. III. B. III. Aortenbogen. ES I. Spinalnerv. VII. S. VIII. Spinalnerv. A. Aorta. A.a.i.p. A. alveolaris inferior primaria. A.a.i.s. A. alveolaris inferior secundaria. A.e.e. A. carotis communis. A.c.e. A. carotis externa. Al. A. lingualis. 4.0. A. ophthalmiea. 4.s. A. subelavia. A.st. A. stapedia. A.st.m. A. stylomastoidea. Av. A. vertebralis. l.ce.A. letzte cervicale Segmentalarterie. I A. pulmonalis. R.n. Ramus nasalis der A. carotis interna. R.o. Ramus orbitalis des oberen Astes der Stapedia. Tafel VIII. 1. Rekonstruktion eines Maulwurfembryo von 4,5 mm gr. L. nach einer Querschnittserie. Vergr. 42:1. 2. Pausrekonstruktion eines Embryo von 6,6 mm gr. L. Vergr. 30:1. 3. Pausrekonstruktion eines Embryo von 7 mm gr. L. Vergr. 37,5:1. 4. Rekonstruktion der Verzweigung der A. carotis communis eines Em- bryo von 7,5 mm gr. L. Vergr. 50:1. d. Verzweigung der A. carotis communis eines Embryo von 8mm gr.L. Halbschematisch. Vergr. 50:1. 6. Pausrekonstruktion eines Embryo von 8,5 mm gr. L. Vergr. 30:1. Bei allen Figuren wurden, um sie nicht unnötig zu komplizieren, die Augenmuskelnerven und der Acusticus fortgelassen. (Aus dem anatomischen Institut der Universität Zürich.) Beziehungen zwischen Form und Funktion der Primatenwirbelsäule. Von Dr. Hans Bluntschli, Privatdozent und 1. Assistent am anatomischen Institut Zürich. Mit 9 Abbildungen im Text und Tafel XI. Auf der 25. Versammlung der Anatomischen Gesellschaft zu Leipzig wurde von H. Vırcuow über »Einzelbeiträge bei der sagit- talen Biegung der menschlichen Wirbelsäule«! vorgetragen und die Ergebnisse einer zeitraubenden Untersuchung, die auf einer sinn- reich ausgedachten technischen Methode beruhen, vorgeführt. Ich erlaubte mir in der Diskussion auf den großen Wert so gründlicher Untersuchungen für das Verständnis auch der tierischen Wirbelsäule aufmerksam zu machen und meiner Verwunderung darüber Ausdruck zu geben, daß gerade eine so naheliegende und für das Verständnis der lebenden Tiere so wichtige Frage, wie jene nach den Bewegungs- möglichkeiten der Wirbelsäule in der vergleichenden Anatomie bis- her im großen ganzen so sehr vernachlässigt wurde. Was ich von Tatsächlichem hinzufügen konnte, das Bestehen eines anderen Bewegungstypus der Thoracolumbalwirbelsäule bei den Cercopithe- eiden, den Anthropomorphen und den Menschen gegenüber?, fand bei dem Vortragenden nicht das Verständnis, das ich im Interesse der Sache mir gewünscht hätte, offenbar weil ich in jener kurzen Bemerkung nicht ausführlich genug den Kernpunkt der Sache heraus- zuschälen vermocht hatte. So möchte ich hier auf jene Frage zurückkommen und durch etwas eingehendere Darlegungen und naturgetreue Abbildungen das ! Verhandlungen der Anatom. Gesellschaft. 25. Versammlung. Leipzig 1911. S. 176—187. 5 Figuren. 2 Vgl. Diskussionsbemerkung auf $. 186 der zitierten Verhandlungen. 490 Hans Bluntschli Wesentliche schildern. Ich tue es vor allem auch deshalb, weil es sich um eine Frage handelt, wo so recht der innigste Zusammen- hang zwischen Struktur und Funktion, Formwechsel und Funktions- änderung gezeigt werden kann. Gerade diesen Beziehungen nach- zugehen hat aber für den vergleichenden Anatomen ganz besonderen Reiz, denn darüber dürfen wir uns ja nie hinwegtäuschen, daß eine vergleichende Morphologie, die nieht fortwährend auch auf die physiologischen Verhältnisse Rücksicht nimmt, uns niemals ein lebendiges Bild des historischen Geschehens in der organischen Welt geben kann, denn der Wandel vollzieht sich ja nicht am toten, sondern am lebenden Organismus, alles Neue wird nur in Corre- lation zu Bestehendem, jede Formänderung geht bald in qualitativer, bald quantitativer, bald in doppelter Hinsicht mit funktionellen Modifikationen einher und die Frage, ob die Funktionsänderung das treibende Moment für den structurellen Wandel, oder dieser die Notwendigkeit für physiologische Abänderungen abgebe, ist heute noch eine in gar vieler Beziehung unbeantwortete.. Wo wir auch dem biologischen Geschehen unsere Aufmerksamkeit schenken, über- all machen wir ja die Erfahrung, daß all unser Wissen und unsere Erklärungen im Grunde nur über das formale Geschehen etwelche sründlichere Aufschlüsse geben können, es mit der Erkenntnis der causalen Genese aber noch sehr schlimm bestellt ist, trotz all des Riesenfleißes, der sich schon in dieser Richtung geltend machte. Die Vorbedingung für einen Fortschritt auf diesem Gebiete ist aber zunächst unzweifelhaft die gründlichere Erforschung der morpho- physiologischen Relationen. Gerade die vergleichend-anatomische Wissenschaft hat ein großes Interesse, einmal unter dem Gesichts- winkel der funktionellen Wertung intensivere Beleuchtung zu erfahren. GEGENBAUR hat in seinem bewundernswerten Aufsatz über »Die Stellung und Bedeutung der Morphologie LT b vr PRO) we u nn, [, - Die Vorderkontur der Wirbelsäule eines weiblichen Schimpanse mit vollständigem Milchgebiß in Ruhelage (schwarze Linie), maximaler Vorbeugung (punktierte Linie) und maximaler Rückbeugung (gestrichelte Linie). ®/2s nat. Gr. Wirbelsäule (12 Wirbel) in den mittleren 2 Vierteln fast ganz ge- streckt, im untersten und obersten Viertel aber leicht geschweift, im ersteren Fall in nach hinten, im letzteren in nach vorn konvexer Richtung. Die Halswirbelsäule zeigt einen einheitlichen Bogen, ist aber namentlich nach Herstellung der reinen Eigenform (siehe oben) im unteren Teile stärker gewölbt als in der oberen, gestreckten Partie. Verbindet man das obere Ende der Vorderkontur der Wirbelsäule mit dem Promontorium, das bei diesen Macacen auffällig stark aus- Beziehungen zwischen Form und Funktion der Primatenwirbelsäule. 497 geprägt erscheint, so fällt die ganze Lendenwirbelsäule und unge- fähr ein Drittel der Brustwirbelsäule hinter diese Gerade und nur der kleinere obere Teil der Wirbelsäule (in ihrer Vorderkontur) vor dieselbe. — Bei maximaler Ventralflexion bilden Lenden- und Brust- wirbelsäule einen einheitlichen, dorsalwärts konvexen Bogen, dessen Kulmination etwa der Intervertebralscheibe zwischen dem 10. und 11. Brustwirbel entspricht, bei maximaler Rückbiegung kehrt sich die Konvexität umgekehrt nach vorn zu, aber die Einheitlich- keit der Biegung von Brust- und Lendenabschnitt ist auch Fig. 3. Sam use” Die Vorderkontur einer menschlichen Wirbelsäule in der Eigenform (schwarze Linie), bei maximaler Vorbeugung (punktierte Linie) und Rückbeugung (gestrichelte Linie). Die Figur ist durch Pausen von den Figuren 1—3 bei H. Vırcaow gewonnen. hier unverkennbar. Die Biegungsfähigkeit der Lendenwirbelsäule nach hinten ist geringer als jene nach vorn und auch im Brustteil ist erst oberhalb der Mitte, dann aber gegen die obersten Wirbel immer fort zunehmend, ein gesteigertes Rückbiegungsvermögen fest- zustellen, während bei Ventralflexion der Wirbelsäule der obere Brust- abschnitt sich eher starrer verhält als der untere. Die Halswirbelsäule zeigt namentlich nach hinten starke Biegungsfähigkeit, während selbst beimaximalerVentralflexion dieKonvexitätnach vorn nichtverloren geht. 498 Hans Bluntschli Die »Ruhelage« unserer Schimpansenwirbelsäule erinnert in hohem Grade an das vom Menschen bekannte Verhalten. Ein Blick auf die Figuren 2 und 3 genügt, um dies zu beweisen. Die grund- sätzliche Schweifung der Wirbelsäule ist hier dieselbe: wir haben nicht, wie bei Macacus, ein flaches $ vor uns, sondern eine Krüm- mung mit 3 Konvexitäten, von denen die terminalen ventralwärts, die mittlere dorsalwärts gerichtet erscheinen. Der Kulminationspunkt der obersten liegt bei unserem Schimpanse im Bereich der unteren Halswirbel, ganz ähnlich wie dies die Wirbelsäulen in Eigenform vom Menschen bei H. VırcHnow (Fig. 1 S. 180) und R. Fıck (Fig. 28 S. 38) zeigen. Bezüglich des tiefsten Punktes der Brustkonkavität beim Menschen zitiert Fick eine Reihe von wechselnden Angaben, nämlich am 5. (HEnLE), zwischen 5. und 6. (GERLACH), am 6. (RAUBER), am 7. Brustwirbel (französische und englische Autoren). In VIrRCHOws Figur und ebenso in der oben erwähnten von Fick liegt derselbe beim 5. Wirbel, bei unserem Schimpansen dagegen etwas tiefer, unge- fähr dem 6. Wirbel entsprechend (Fig. 2). Der Scheitel der Lenden- lordose des Menschen wird wieder verschieden angegeben, nämlich — ich folge hier wieder den Angaben von Fick — am 3. (HENKE), am 4. (GEGENBAUR, RAUBER, französische Autoren), zwischen 4. und 5. (GER- LACH, HENLE), auf dem 4. bei Männern, zwischen 3. und 4. bei Weibern oder bei beiden am 5. Lendenwirbel nach den englischen Autoren. Bei unserem Menschenaffen fällt dieser Scheitel etwa auf die Bandscheide zwischen 13. Brust- und 1. Lendenwirbel. Prin- zipiell ähnliche Verhältnisse der Wirbelsäulenkrümmungen zeigt auch eine Figur von CUNNInGHAM bezüglich des Schimpanse, die ich in LEcHEs »Der Mensch« auf Seite 288 abgebildet und in Parallele mit menschlichen Embryonalzuständen gesetzt finde. Allerdings ist hier die untere Lenden- Thoracal-Lordose noch etwas flacher, was wohl _ nur einer anderen Stellung bei der Aufnahme entspricht, denn alle Biegungen liegen an identischer Stelle wie bei meiner Beobach- tung. Leider habe ich die Originalabhandlung von CUNNINGHAM bisher nicht auftreiben können. — Obgleich unsere »Ruhelage«, wie oben erwähnt, nicht genau vergleichbar der menschlichen Eigenform sein wird, gestattet unsere Beobachtung doch einen relativ brauch- baren Vergleich zwischen der anthropomorphen und der mensch- lichen Wirbelsäule in annähernd gleichartiger Stellung. Es ergibt sich dabei — wie es vor allem aus den Beziehungen der Vorder- kontur zur Atlas-Promontorium-Geraden deutlich wird, — daß beim Schimpansen die Lendenlordose bedeutend weniger stark gekrümmt Beziehungen zwischen Form und Funktion der Primatenwirbelsäule. 499 ist, und ferner ist die sehr viel geringere Ausbildung des Promon- toriums, die sogar geringer als bei unserem Macacus ist, zu erwähnen. Beides stimmt durchaus mit Fıcks Beobachtungen beim Orang!. Was dieser Autor unter Betonung der geringeren Entfaltung der unteren Wirbelsäulenpartien bei den Menschenaffen als Grund für diese Zustände angibt?, daß bei diesen Tieren das Gehen überhaupt eine untergeordnete Rolle spiele und die Last des ganzen Oberkörpers nicht, wie beim Menschen, nur von den Beinen, sondern sogar beim sogenannten »aufrechten« Gang auch von den Armen getragen werde, dürfte durchaus richtig sein, — Auf die im ganzen größere Streckung der Wirbelsäule unseres Schimpansen in der sog. Ruhelage der menschlichen Eigenform gegenüber ist relativ wenig Wert zu legen, ist doch bekannt, daß in liegender Stellung alle lordotischen Krüm- mungen flacher werden und zwar bei jugendlichen Individuen mehr als bei alten. Unser Schimpanse ist aber in der Tat noch ein Kind. Die Flachheit der Lendenlordose ist aber auch am Lebenden ohne weiteres feststellbar gewesen und macht sich auch bei den Flexions- zuständen überall noch geltend, worauf wir bald zu sprechen kommen. Auch die Flexionsbilder der Schimpansenwirbelsäule klingen in hohem Grade an das menschliche Verhalten an und differieren stark von jenem unseres Cercopitheciden. Vor allem fällt im Vergleich der Figuren 2 und 3 untereinander und dieser mit Figur 1 sofort auf, daß die Einheitlichkeit der Thoracolumbalsäule bei Vor- bzw. Rück- biegung, die bei Macacus so auffallend war, hier nicht besteht, daß vielmehr eine gewisse Gegensätzlichkeit zwischen der unteren und der oberen Strecke besteht, so, daß bei Ventralflexion sich nur die obere Partie konkav aushöhlt, die untere aber relativ gerade und steif erscheint, bei Dorsalflexion umgekehrt der obere Teil relativ gestreckt bleibt und der untere sich stark flektiert. Ich habe dies für den Menschen in meiner Leipziger Diskussionsbemerkung als ein gegensätzliches Verhalten des Lumbal- und Dorsalteils bezeichnet und diesen Flexionstypus dem gleichsinnigen Verhalten der ganzen Thoraeolumbalwirbelsäule bei niederen Altweltsaffen gegenüber ge- stell. Nun will ich gern zugeben, daß die Ausdrucksweise nicht genau genug war, insofern jene Streckung des unteren Thoracolumbal- abschnittes bei Ventralflexion nicht nur die Lendenwirbelsäule, son- dern auch den alleruntersten Brustteil betrifft und umgekehrt die ! Archiv für Anatomie und Entwicklungsgeschichte 1895. ?2 Handbuch der Anatomie und Mechanik der Gelenke. III. Teil. S. 41/42. Morpholog. Jahrbuch. 44. 33 500 Hans Bluntschli! Aushöhlung des Kreuzes bei der Rückbiegung nicht nur durch die Lendenwirbelsäule, sondern auch durch die unteren Brustwirbel ge- liefert wird. Aber für eine Schilderung im großen ganzen genügt doch jene Schilderung vollkommen, denn sie drückt das Wesentliche aus, wenn sie auch im einzelnen nicht absolut genau ist. Die nach VırcHnows Figuren durch Pause entstandene Figur 3, ebenso wie Ficks Figuren 50, 52, 53 und 54 zeigen bezüglich des Menschen das Verhalten sehr deutlich. Fıck hat den Zustand bei Ventral- flexion mit einer gestreckten Ellipse verglichen (Figur 51), dies stimmt in der Tat für die Brustwirbelsäule, dagegen kann ich im Verhalten der Lendenwirbelsäule nichts finden, was mit jener Ellipse zu tun hat, denn jene ist in Figur 50 deutlich gestreckt und nur im untersten Teile leicht ventralwärts konvex gebogen und ebenso liegen die Verhältnisse in VırcHows Figuren. Ganz analog liegen die Verhältnisse beim Schimpansen. Was die Biegungszustände seiner Wirbelsäule in der Sagittalebene vom Menschen unterscheidet, sind nur graduelle, aber keine irgendwie prinzipiellen Unterschiede. Auf die Abstufung der Biegungsintensität kann aber kein großer Wert gelegt werden, weil sie sicher individuellen und Altersschwan- kungen unterliegt, wogegen ich den Flexionstypus als ein tiefgehendes Örganisationsmerkmal anzusehen mich gezwungen sehe, wofür ich weiter unten ausführliche Beweise im Wirbelbau zu geben in der Lage bin. — Verweilen wir noch einen Augenblick bei den Ver- hältnissen am oberen Ende der Brustwirbelsäule.e Während bei Macacus im Zustand der Ventralflexion der oberste Thoracalabschnitt sozusagen völlig gestreckt erscheint, ist dies beim Schimpansen und beim Menschen anders, hier ist gerade dieser Abschnitt relativ stark zu ventralwärts gerichteter Flexion befähigt, und umgekehrt liegen die Verhältnisse bei Dorsalflexion. Bei Macacus sind die obersten Brustwirbel der relativ größten Dorsalflexion fähig, beim Schimpansen und beim Menschen sind höchstens die zwei obersten Brustwirbel einer Rückbiegung fähig, die über das Biegungsvermögen der folgenden Wirbel hinausgeht, aber auch diese ist relativ klein. Ich lese dies sowohl aus den Figuren von VIRCHOW und FIck heraus, als ich es auch in den Ergebnissen von NOVOGRODSKY be- stätigt finde. — Auf die Halswirbelsäule kann ich hier nur kurz eingehen und darauf hinweisen, wie sowohl die Ruhelage, als die Ventralflexion des Schimpansen stark an menschliche Befunde an- klingt, wogegen die ventral gerichtete Biegungsfähigkeit der Macacen- halswirbelsäule viel geringer ist. Das Bild der Dorsalflexion der Beziehungen zwischen Form und Funktion der Primatenwirbelsäule. 501 Halswirbelsäule unseres Menschenaffen (Fig. 2) ist kein natürliches. Bei der Gipsabformung hatten sich die Schnüre am oberen Halsteil gelöst, so daß hier zweifellos kein Zustand terminalen Biegungs- vermögens dargestellt ist. Wenn ich an diese Beschreibungen meiner Aufnahmen noch einige Maßangaben anschließe, welche die Biegungsintensität ver- schiedener Wirbelsäulenabschnitte betreffen, so geschieht dies im vollsten Bewußtsein, daß es sich hier nur um Resultate von sehr relativem Wert handelt. Schon lange ist bekannt, daß die Angaben, welche die verschiedenen Forscher bezüglich der Biegungsfähigkeit der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule in der Sagittalebene machen, stark voneinander abweichen, wie ja jeder gute Beobachter schon am Lebenden sehr verschiedene Feststellungen machen kann. Aber darüber kann wohl auch kein Zweifel bestehen, daß bezüglich des Bewegungsumfanges der drei Hauptregionen im Einzelfall innere Beziehungen bestehen, und ich glaube, daß auch im Vergleich zwischen Schimpanse und Mensch einerseits und dem Macacus unserer Unter- suchungsreihe andererseits sich diese Relation aufdeeken läßt. Ich habe schon oben erwähnt, warum es mir nicht möglich war, das kostbare Schimpansematerial durch Auspräparation der isolierten Wirbelsäule für diese Untersuchung noch brauchbarer zu machen, ich brauche deshalb wohl kaum zu betonen, daß ich eine Bestimmung der Bewegungsmöglichkeiten von Wirbel zu Wirbel aus gleichen Gründen unterlassen mußte. Ich kann daher hier nur die Winkel- maße zusammenstellen, durch welche die Exkursion eines bestimm- ten Abschnittes bei Vor- oder Rückbeugung der Ruhelage gegen- über ausgedrückt wird. Ich wähle hierzu die Grenzmarken zwischen Lumbal-, Dorsal- und Cervicalteil und errichte in diesen jeweilen eine Senkrechte auf die Tangente der Vorderkontur. Diese Senk- rechten habe ich auch in die Vırcmowschen Darstellungen (Fig. 1—3) eingetragen und so meine Figur 4 erhalten. Dabei zeigt sich, daß diese Geraden genau zwischen die Wirbelachsen des nächst höheren und nächst tieferen Wirbels fallen, die VircHow gegeben hat, was mich in der Auffassung bestärkt, einigermaßen brauch- und ver- gleichbare Winkelmaße erzielt zu haben. Auf die absoluten Zahlen kann ich freilich großen Wert nicht legen, da ja verschiedene Fehler- quellen bestehen, die ich zum Teil schon erwähnte. Der wechselnde individuelle Zustand und die Relativität des Begriffes maximale Biegung sind nicht die kleinsten Ursachen für sehr verschiedenartige Einzelresultate. Die Angaben, welche sich bei Fick über den 33* 502 Hans Bluntschli Bewegungsumfang in der Sagittalebene der ganzen, von den Rippen befreiten Wirbelsäule des Menschen finden, weichen übrigens stark ab von den Zahlen, die ich aus VırcHows Figuren berechne. Fick gibt aber ausdrücklich an, daß seine Maße nur approximative, an wenigen Präparaten (ohne Rippen) gefundene Werte darstellen, sie beziehen sich »auf die Veränderung der Stellung des obersten Wir- pels der betreffenden Abteilung bei maximaler Drehung seiner selbst und aller darunter gelegenen Wirbel in dem angegebenen Sinne«, Viel kleiner sind übrigens die Werte, die ich in NOVOGRODSKYSs Ar- beit als Resultat einer Bestimmung der Bewegungsmöglichkeit von Wirbel zu Wirbel fand, (und deren Bedeutung darin liegt, daß sie Überdehnung durch Überschreiten der Elastizitäts-Koeffizienten ver- meidet), und jene, die eben derselbe Autor von Dr. KAMMERER er- wähnt. Die Differenzen zwischen den verschiedenen Autoren sind geradezu ungeheuerliche, ich stelle sie hier in einer Zusammen- fassung nebeneinander, um zu zeigen, was offenbar nicht nur ver- schiedene Individualzustände, sondern auch verschiedene Technik für heterogene Befunde zeitigen können. Bewegungsumfang der menschlichen Wirbelsäule bei Biegungen in der Sagittalebene. Nach Fick Nach KAMMERER Nach 1911 (siehe NoVOGRODSKY) NOVOGRODSKY 1911 Halsteil Vorbeugung 90° i 26° —40°1 Rückbeugung 900 Bo 91°_40° Brustteil Vorbeugung 307 2 R 19°—30° Rückbeugung 45° 19°30% Lendenteil Vorbeugung 23° > x = Rückbeugung 90° ch = = Die Werte, die ich aus VIrCHows Figuren herausberechne, liegen innert der Extreme, die Fıcks Zahlen darstellen und sich andererseits aus der Summation der Einzelbewegungen ergeben. Man wolle sie aus Figur 4 ablesen. ! Bewegung zwischen Atlas und Epistropheus nicht mitgerechnet. Beziehungen zwischen Form und Funktion der Primatenwirbelsäule. 503 Nach solch scheinbar sehr entmutigenden Ergebnissen über den Menschen kann natürlich nachfolgende kleine Tabelle auch nur rela- tive Bedeutung besitzen. Dabei hat sie doch einen Wert dadurch, daß die Zahlen für Macacus und Schimpanse unter gleicher Technik zustande kamen und die Zahlen für den Menschen — da man ja die Figuren, die Fick und VırcHow geben, anerkennen muß, und die sehr vertrauenerweckenden Eindruck machen, jedenfalls reale Fig. 4. Menschliche Wirbelsäule in Eigenform, Ventral- und Dorsalflexion (die Halswirbelsäule ist in letzteren beiden Fällen nicht gezeichnet), nach den Figuren 1—3 von H. Vırcnow durch Kombination von Pausen hergestellt. Beobachtungen und nach obigem Mittelzahlen repräsentieren — sicher keine Extreme darstellen. Ich stelle die Maße a) für die Biegungs- fähigkeit der ganzen Thoracolumbalwirbelsäule, b) für den Lenden- anteil, ce) für den Brustwirbelsäulenanteil in nachfolgender Tabelle zusammen, vermeide aber, aus obenerwähnten Gründen, ebenfalls Angaben über die Halswirbelsäule beizufügen. Für Macacus sind die Belege aus Figur 1, für Schimpanse aus Figur 2, für den Men- scher aus Figur 4 zu entnehmen. 504 Hans Bluntschli Biegungsfähigkeit der Wirbelsäule in der Sagittalebene. Differenz zwi- Differenz schen Schim- Schim- zwisch. Mensch Macacus panse und panse und Mensch Macacus Schimpanse a) Biegungsfähigkeit d. ganzen Thora- columbalwirbel- säule 1. nach vorn 54° 47 101° — 6 95% 2. nach hinten 94° =, B 82° 58 90° b) Biegungsfähigkeit d.Lendenwirbel- säule 1. nach vorn 22° +18 40° el 41° 2. nach hinten 19° 202 21° +18 39° c) Biegungsfähigkeit d. Brustwirbel- säule 1. nach vorn 32° +29 619 7 54° 2. nach hinten 75° 14 612 —ı 52 Diese Zahlen bestätigen — was nach der relativen Ähnlichkeit der Figuren 2 und 3 ohne weiteres zu erwarten war — die große An- näherung zwischen Menschenaffen und Mensch und ihre relative Ent- fernung von dem Cercopitheeciden. Man vergleiche nur die beiden Rubriken, in denen die Differenz zwischen Schimpanse und Macacus einerseits, Mensch und Schimpanse andererseits angegeben ist. Über- all — mit einer einzigen Ausnahme — ist die Differenz in ersterer Rubrik größer, meist sogar viel größer als in letzterer. Die eine Ausnahme, die Biegungsfähigkeit der Lendenwirbelsäule nach hinten, bietet in zwiefacher Hinsicht Interesse. Einmal wird beim Schim- panse in höherem Grad als beim Menschen die untere Brustwirbel- säule bei der Rückbiegung des Rumpfes mit in Anspruch genommen, was vielleicht aus der relativ größeren Kürze der Lendenwirbelsäule bei jenem verständlich wird, zum andern aber erreicht die Aushöh- lung des Kreuzes beim Schimpanse überhaupt viel geringeren Grad als beim Menschen, wie uns schon in der »Ruhelage« die größere Steifheit der Lumbalsäule aufgefallen war. Ich sagte schon, daß auch beim lebenden Tier diesbezügliche Erscheinungen sich finden. In halbaufrechter Stellung sowohl wie in hockender fällt die große Beziehungen zwischen Form und Funktion der Primatenwirbelsäule 505 Plattheit der hinteren Lumbalregion auf. Sie kommt auch in den beiden Tafelfiguren deutlich zur Geltung. Bei zurückgebeugtem Ober- körper wieder ist die geringe Kreuzaushöhlung ohne weiteres zu er- kennen und ebenso, wie in vorigen Stellungen, die relative Flach- heit der unteren Rückenteile auffallend. In dieser Beziehung be- stehen entschiedene und nicht gering@ Differenzen zwischen unserem Geschlecht und dem genannten Anthropomorphen, die sich auch ana- tomisch analysieren lassen. Es tragen zur Abflachung und relativen Breitenentfaltung der Regio lumbalis dorsi bei: die flachen, direkt nach den Seiten zu abstehenden Darmbeinschaufeln, die relativ große Breitenausdehnung des Thorax in seinen unteren Teilen, die auf- fallend wenig nach hinten stattfindende Ausbiegung der unteren Rippen und die relativ geringe Exkursionsfähigkeit der an sich ge- ringer geschweiften Lumbalwirbelsäule in dorsalflektorischer Hin- sicht. Der Vorsprung, den unser Schimpanse in letzterer Hinsicht vor dem Macacus hat, ist nicht sehr groß, aber zufolge der größeren dorsalflektorischen Beugungsfähigkeit der unteren Brustwirbelsäule größer, als der Vergleich der Zahlen 21° und 19° erwarten läßt. Wir werden kaum fehlgehen, wenn wir in diesem Zusammentreffen eine Erscheinung sehen, die ihren Grad in der relativ ähnlichen Sacrumstellung und Promontoriumbildung des Cereopitheciden und Anthropomorphen besitzt und wodurch sich beide vom Menschen weit entfernen. Der Schimpansezustand bedeutet im großen ganzen wohl einen Schritt gegen den Menschen hin, aber so wenig als bei den Menschenaffen die volle Rumpfaufrichtung zustande kam, so wenig haben sich jene für den aufrechtgehenden Sohlengänger so ungemein charakteristischen Zustände des scharf geknickten Promontoriums und der starken Lendenlordose ausgebildet. Da ist es nun von größter Bedeutung festzuhalten, daß im grundsätzlichen Flexionstypus der Wirbelsäule unser Schimpanse sich weit von dem Üercopitheciden entfernt und dem Menschen sich nahe anschließt. Die Faktoren, welche diesen Flexionstypus ursächlich bedingen, müssen also andere sein als die, welche bei der Promontoriumbildung des Menschen entscheidenden Ausschlag geben. Wir müssen nun zunächst fest- stellen, wodurch jene verschiedenen Fiexionstypen zustande kommen. Wenn wir uns auf die Thoracolumbalwirbelsäule und ihr Ver- halten bei der sagittalflektorischen Biegung beschränken, läßt sich das Wichtigste unserer bisherigen Darlegungen folgendermaßen zu- sammenfassen: Der grundsätzliche Unterschied unserer beiden Flexionstypen besteht a) in dem einheitlichen 506 Hans Bluntschli Biegungsverhalten der Thoracolumbalwirbelsäule bei Macacus, dem gegensätzlichen Verhalten zwischen der Biegung im Lenden- (einschließlich untersten Brust-) und Brustteil beim Schimpansen und Menschen, b) in der auffallend geringen Biegungsfähigkeit des obersten Brustwirbelsäulenabschnittes in ventraler, aber einer relativ großen in dorsaler Richtung bei Macacus und einem gerade umgekehrten Verhalten beim Schimpanse und Menschen. Die Erklärung für diese Zustände ist im Bau der Wirbelsäule zu suchen, der wir uns jetzt zuzuwenden haben. Es liegt von vorn- herein nahe, spezieller die Gegend der unteren Brust- und oberen Lendenwirbel und nachher jene des obersten Thoracalbereiches ins Auge zu fassen. Es ist seit langem bekannt, daß im Wirbelbau der unteren Brust- und oberen Lendenwirbel relativ weitgehende Differenzen zwischen den Halbaffen und niederen Affen einerseits, den Anthro- pomorphen und dem Menschen auf der anderen Seite bestehen. Sie betreffen das Vorkommen eines sog. »antiklinischen Wirbels« bei ersteren. FLOWER! sagt darüber: »Mit Ausnahme bei den menschen- ähnlichen und einigen anderen Affen? biegen sich die Dornfort- sätze der vorderen Brustwirbel nach hinten, und die der Lenden-, aber auch einige der hinteren (im Original steht fälschlich: vorderen) Thoracalwirbel nach vorn, so daß sie nach einem, nahe am hinteren Teile der Brustregion gelegenen, bisweilen »das Bewegungscentrum der Wirbelsäule« genannten Punkte hin konvergieren. Dieses >» Be- wegungscentrum« kann zwischen zwei Wirbel fallen, aber häufiger betrifft es einen Wirbel selbst, dessen Dornfortsatz sich gerade in die Höhe erhebt, und nach diesem, dem sog. »antiklinischen Wirbel« zu, konvergieren die übrigen Dornfortsätze. Von dieser Stelle an ändern die Brustwirbel ihren typischen Charakter und nehmen den der Lendenwirbel an und von hier an lösen sich die bis dahin ein- fachen Querfortsätze sozusagen in » Metapophysen«, » Anapophysen« ı W. H. Frower. Einleitung in die Osteologie der Säugetiere. Nach der dritten unter Mitwirkung von H. 6Apow durchgesehenen Original - Ausgabe. Leipzig. Engelmann 1888. S. 49. 2 Welche der Autor meint, ist mir nicht klar. Was ich von niederen Affen sah, verhält sich, freilich in verschiedenem Ausprägungsgrade, durchaus ähnlich. Speziellere Studien über diese Frage müssen der Zukunft überlassen bleiben. Beziehungen zwischen Form und Funktion der Pıimatenwirbelsäule. 507 und eigentliche lumbale Querfortsätze auf, die alle drei bei den in Rede stehenden Tieren ansehnlich sind.« Diese Beschreibung ent- spricht durchaus den Verhältnissen, wie ich sie bei den niederen Affen und ebenso bei Lemur fand, nur ist der Grad, in welchem das Ascendieren der Dornfortsätze unterhalb des »antiklinischen Wirbels« (es ist meist der 10., seltener der 11. dort, wo 12 Brust- wirbel bestehen, der 11, wenn 13 Rippenpaare vorhanden sind) statt- hat, sehr wechselnd. Im allgemeinen ist es nur bei den Wirbeln direkt unterhalb des »Bewegungscentrums« wirklich deutlich aus- geprägt, bloß bei Lemur bis herab zum Sacrum und zwar in außer- ordentlich starker Ausprägung vorhanden und ebenso verhalten sich, worauf ja auch FLOWER hinweist, zahlreiche andere Säugetiere, wie namentlich die Landraubtiere, Nager und ein Teil der Marsupialier. Bisweilen finde ich bei Affen, z. B. Oynopithecus, einen eranial ge- richteten Fortsatz, der hackenartig von den unteren Brust- und oberen Lendenwirbeldornen in ascendierender Richtung abgeht, ohne daß die Processus spinosi selber irgendwie auffällig ansteigen. An der Stelle des »Bewegungscentrums« beginnt in der Tat auch die Habitus- änderung am Wirbelbau. Dies wird nachweisbar 1) in der äußeren Konfiguration der Wirbelfortsätze, 2) in der Stellung der Gelenk- flächen an den Processus articulares. Ich halte mich zunächst an erstere Erscheinung. Der Wirbel unter dem »antiklinischen« weist als erster einen auffallend stark vorspringenden und in der Regel klobig verdickten oberen Gelenk- fortsatz auf, indessen nach unten gratartig verstreichender Ver- diekung die Metapophyse, der Processus mammillaris der Anthro- potomen, zu sehen ist. Ganz ähnlich verhalten sich die nächstfolgenden, tieferen Wirbel, doch tritt im Lendenbereich allmählich die Ver- diekung zurück, während umgekehrt die Gelenkflächen breiter werden und die Metapophyse, die von Anfang an lange nicht so selbständig war, wie sie etwa bei Raubtieren erscheint, geht mehr und mehr im Processus articularis anterior auf. — Die Anapophyse (der Processus accessorius der menschlichen Anatomie) ist nichts anderes als eine Umbildung des eigentlichen Processus trausversus (vgl. Fig. 5 u. 7). Sie leitet sich schon einen Wirbel oberhalb des »antiklinischen« ein, erscheint aber erst am letzteren deutlich ausgeprägt. Indem sich die Fovea costalis transversalis hier an die Oberkante herauf- gerückt erweist, zieht sich der untere Teil des Querfortsatzes in einen zugespitzten und nach unten gerichteten Fortsatz aus, der vor der, dem nächstfolgenden Wirbel zugehörigen Metapophyse herab- 508 Hans Bluntschlı steigt. Diese Anapophyse wird dann am 11. und 12. bezw. 12. und 13. Wirbel zu einer langen Knochenspitze, während jener die Fovea artieularis tragende Teil des Querfortsatzes ganz schwindet. Sie ist regelmäßig auch noch am ersten Lendenwirbel sehr deutlich, nimmt dann an den folgenden ab und fehlt in der Regel den untersten Lumbalwirbeln gänzlich. Die Processus laterales der Lendenwirbel stehen bei niederen Affen weit von Met- und Anapophyse ab und , 10 Metapophyse -- 1 19 A Arm, |) | IN Metapophyse A 1 N OA a Ja) (Proc. mam- napophyse -- - -- ER Sl mill.) 1 N Anapophyse (Proc. access.) Proc. laterulis 9 Proc. 7% lateralis. 3 \ 7 N 7 Unterer Teil der Brust- und oberer Unterer Teil der Brust- und oberer Teil de; Teil der Lendenwirbelsäule von Lendenwirbelsäule eines Schimpansen mit Macacus nemestrinus (Nr. 795) in 13 Brust- und 3 Lendenwirbeln (Exemplar der seitlicher Ansicht Bei * der sog. Zoologischen Sammlung in Zürich }). antiklinische Wirbel. werden seitlich von den Wirbelkörpern getragen. So entstehen deut- lich drei Reihen von seitlichen Fortsätzen, eine hintere, die erst unter dem »antiklinischen Wirbel« beginnt, ihr nach ventral zu stark ge- nähert eine zweite, die oben durch die Querfortsätze der Brustwirbel und unten durch die Anapophysen dargestellt wird, und drittens eine 1 Ich danke Herrn Prof. Dr. A. Lang auch an dieser Stelle für die Er- laubnis zu dieser Aufnahme, sowie jener der Figur 8. Beziehungen zwischen Form und Funktion der Primatenwirbelsäule.. 509 in relativ großer, nach dem Becken zu noch zunehmender Entfernung von voriger sich findende Reihe der Processus laterales in direkter Verlängerung der Reihe der Foveae costales der Brustwirbel. All dies ist deutlichst der Figur 5 zu entnehmen, die nach dem Alkohol- präparat derselben Wirbelsäule gezeichnet ist, welche zu den Auf- nahmen der Fig. 1 Veranlassung gab. — Wie ganz anders verhält sich doch die Wirbelsäule des Schim- pansen. Die in Figur 6 dargestellten Verhältnisse scheinen uns wohl bekannt, sie ähneln den menschlichen ja in höchstem Grade. Vergebens suchen wir an den Dornfortsätzen Verhältnisse, die auf einen »antiklinischen Wirbel« hinweisen, wir finden sie alle relativ lang und namentlich die unteren auch hoch, aber alle caudalwärts geneigt, vergebens nach eigentlichen Anapophysen. Nur am 13. Thora- calwirbel ist ein kleiner, unter der selbständigen Metapophyse stehen- der Processus aecessorius, als Rest einer Anapophyse erkennbar. Die erste deutliche Metapophyse tritt am letzten Brustwirbel auf! und ist hier als aufwärts gerichteter Fortsatz selbständig gegenüber dem Processus artieularis superior. Beim ersten Lumbalwirbel trägt sie den Namen eines Processus mammillaris mit Recht und ist hier noch recht deutlich, schon beim folgenden Wirbel aber wird sie in den oberen Gelenkfortsatz ganz assimiliert. Hier befinden sich meine Befunde nicht ganz mit H. Vırcnows Aufnahmen? in Über- einstimmung. Er gibt an, daß die Processus mammillares die gleichen Bildungen des Menschen in bemerkenswerter Weise übertreffen, am stärksten am 2. u. 3. Lendenwirbel und in Gestalt längsgerichteter Leisten, welche eranio-dorso-lateralwärts gewendet sind, ausgebildet erscheinen. Sie überragen bedeutend die Gelenkflächen. Das letz- tere und die starke Ausbildung beobachtete ich nur am 13. Brust- wirbel bei beiden untersuchten Schimpansen, und bei dem Schim- pansen, von dem Figur 6 abgenommen wurde, auch am 1. Lenden- wirbel. Dagegen war an der offenbar jugendlicheren Wirbelsäule jenes Tieres, das Figur 8 zur Grundlage diente, wie diese Figur zeigt, der Processus mammillaris an den Lendenwirbeln nichts als ein wulstiger Auswuchs an den oberen Gelenkfortsätzen, der am zweiten Lumbalwirbel am stärksten sich fand. Es ist wohl wahr- scheinlich, daß bei älteren Tieren — von den von mir untersuchten ! Aber schon an dem 11. und 12. Wirbel treten Andeutungen von ihr als eranio-dorsal gerichtete Wärzchen der Querfortsätze in Erscheinung. 2 H. Vırcuow. Über die Wirbelsäule des Schimpansen. Sitzungsberichte der Gesellsch. naturf. Freunde. Berlin. Jahrgang 1909. S. 265—290. 13 Fig. 510 Hans Bluntschli ist sicher eines ein Wildexemplar — und vielleicht auch bei ver- schiedenen Rassen (VırcHows Tier war ein Tschego) die Ausbildung dieser Fortsatzbildungen stärker sein kann. Nun die Processus late- rales, die als Rippenhomologa nur an Lumbalwirbeln erscheinen. Sie sind aber nicht den Wirbelkörpern aufsitzend, sondern gehen relativ stark den Gelenkfortsätzen genähert je vom Wirbelbogen ab. Alle diese Besonderheiten sind auf den Figuren 6 und 8 deutlich aufzu- finden. Über das Verhalten der menschlichen Wirbelsäule in dem geschilderten Bereich kann ich mich sehr kurz fassen. Gegenüber dem Schimpansen besteht kein grundsätzlich wesentlicher Unter- schied, nur fehlt in der Regel ein 13. Brustwirbel und ist hier der 12. etwa so gestaltet wie dort der 13. (vgl. Fig. 8 u. 9). Schon nach dieser reinen Beschreibung der Verhältnisse im unteren Brust- und oberen Lendenbereich wird wohl jedem aufmerk- samen Leser der Gedanke kommen, diese innigen Analogien im Bau von Schimpanse und Mensch müßten den ursächlichen Faktor für die gleichartige Flexionsweise der Wirbelsäule abgeben, wogegen wieder in dem gänzlich anderen Verhalten der Macacus-Wirbel- säule auch der Grund für das absolut andere Biegungsverhalten liege. Daß dem in der Tat so ist, läßt sich auf das deutlichste durch genaue Feststellung der Orientierung und Gestaltung der einzelnen Wirbel- gelenke zeigen, denn durch diese wird ja, wie seit langem fest- steht, im wesentlichen eine bestimmte Richtung und Beschränkung der Wirbelsäulenbewegungen erreicht, während für die Festigkeit der Verbindung von Wirbel zu Wirbel und die Vielseitigkeit der Bewegungsmöglichkeiten die Bandscheiden von größter Bedeutung sind. Ich habe nun in den Figuren 7—9 für eine Reihe von Thoracal- und Lumbalwirbeln genaue Oberansichten angefertigt, welche direkte Vergleiche gestatten. Die Wirbelsäule von Macacus rhesus (Nr. 95) stammt von einem nicht ganz ausgewachsenen Tier. Ihre Formel lautet: Cerv.7, thor. 12, lumb. 7, sacr. 2, caud. 15. Die Schimpanse- wirbelsäule gehört einem ausgewachsenen männlichen Tier! (ge- schossen in Lambarene, französ. Kongo) zu und weist 7 cervicale, 13 thoracale, 4 lumbale Wirbel auf. Die menschliche Wirbelsäule, welche als Grundlage für unsere Figur 9 diente, besitzt als erwäh- nenswerte Besonderheit nur das Vorkommen von Gelenkflächen am 1. Lendenwirbel, welche auf das Bestehen von Lumbalrippen an ! Zoologische Sammlung der Universität, nicht montiertes Skelet. Beziehungen zwischen Form und Funktion der Primatenwirbelsäule. 511 demselben hindeuten. Leiehte Asymmetrien, ja gelegentlich selbst stärkere, speziell in der Stellung der Gelenkfortsätze und der Krüm- mung der Gelenkflächen, bestehen bei allen drei Wirbelsäulen. Bei Macacus (Fig. 8) stehen die Gelenkflächen an allen Brustwirbeln nach hinten unten und außen abfallend und zwar bleibt die an sich ziemlich steile Neigung bis zum 10. Brustwirbel ungefähr die- selbe, nimmt höchstens zwischen 9. und 10. Wirbel etwas ab, wäh- rend die Orientierung der Facetten nach hinten unten stärker aus- geprägt ist als an den oberen Wirbeln. Die unteren Gelenkflächen des »antiklinischen Wirbels« (VırcHow nennt ihn einen » Wechsel- wirbel«, weil hier der thoracale Typus in der Stellung der Gelenk- fortsätze in den lJumbalen wechselt) tragen schon völlig den Typus von Gelenkfortsätzen an Lendenwirbeln und von hier an bis zum Sacrum bleiben die Stellungsverhältnisse der Gelenkflächen ziemlich gleichartig, wir haben nach hinten innen orientierte, leicht ausge- höhlte Gelenkflächen, die unter sich etwa einen Winkel von 85—95° bilden. Einem einheitlichen Kurvensystem gehören die beiden oberen, bzw. beiden unteren Facies artieulares eines Wirbels nicht an, von einer irgendwie bedeutsamen Torsionsfähigkeit der Lumbalwirbel- säule ist daher auch nicht die Rede, sie müßte ja auch sehr bald in den Anapophysen Hemmung finden, aber es muß doch betont sein, daß die Centren jener Kugeln, denen die einzelnen Gelenkflächen als Oberflächenausschnitte zugehören, sich stark genähert liegen, während sie beim Menschen weit auseinander stehen. Untersucht man die Bewegungsweise der Gelenkflächen gegeneinander bei Ventral- bzw. Dorsalflexion der Wirbelsäule, dann findet sich: in der ganzen Brust- und Lendenregion sind die Ventral- und Dorsalflexion in den einzelnen Wirbelgelenken nur in geringem Grade möglich, wobei sich‘bei Vorbiegung die oberen Gelenkflächen den unteren gegen- über etwas verschieben, so etwa, wie wenn man zwei Dachziegel aufeinander gleiten läßt. Eine stärkere Exkursion ist durch den Bandapparat verunmöglicht. Bei Rückbeugung aus der Ruhelage ist eine solche gegenseitige Verschiebung nur in geringerem Grade möglich, ein Klaffen der Gelenkflächen kommt hier bei der manu- ellen Bewegung macerierter Wirbel zueinander früher zustande als bei Ventralflexion. Trotz der verschiedenartigen Stellung der Ge- lenkflächen ober- und unterhalb des »antiklinischen Wirbels« ist die Art der Bewegung in den eigentlichen Wirbelgelenken überall genau dieselbe und die gegenseitige Verschiebung der Gelenk- fortsätze zueinander an der frischen, von Muskeln frei präparierten 512 Hans Bluntschli Wirbelsäule mit Leichtigkeit festzustellen. Die schön gleichmäßige Biegung der ganzen Thoracolumbalwirbelsäule bei Ventralflexion kommt dabei dadurch zustande, daß dort, wo, wie in der Lumbal- region, die Bandscheiden relativ hoch sind, auch die Verschiebung der Gelenkfortsätze zueinander größer ist, als im Bereich oberhalb des antiklinischen Wirbels, wo die Bandscheiden relativ niedriger sind. Der antiklinische Wirbel selber und seine beiden Nachbarn scheinen mir relativ geringere Beweglichkeit zu besitzen als die unteren und oberen Wirbel der Thoracolumbalserie. Bei Rückbiegung kommt ein Anstemmen der oberen Gelenkfortsätze an die unteren im Lenden- und Fig. 7. Eine Anzahl unterer Brust- und oberer Lendenwirbel von Macacus rhesus Nr. 59 in der Ansicht von oben gezeichnet. Die Gelenkflächen sind schwarz gehalten. Etwa nat. Gr. unteren Brustbereich sehr bald zustande, während im oberen Brust- abschnitt, ganz speziell im obersten, die Gleitbewegung in den Wirbel- gelenken, vermutlich in Zusammenhang mit den wieder größer und dicker werdenden Zwischenwirbelscheiden, zunimmt. Aus den Ge- lenkflächen allein ist ein Grund für das weit günstigere Rückbiegungs- verhalten der Halswirbelsäule nicht zu entnehmen. Der Grund muß also in etwas anderem liegen, wovon unten die Rede sein wird. — Der eigenartige Flexionstypus unseres Macacen, der nur als Beispiel aus der Reihe der niederen Altweltsaffen, die sich alle relativ sehr ähnlich verhalten, gewählt war, findet also eine gewisse Erklärung in dem Bauverhalten der Wirbelsäule, speziell auch in der Stellungs- Beziehungen zwischen Form und Funktion der Primatenwirbelsäule. 513 weise der Gelenkfortsätze und dem Bewegungsmodus in den ein- zelnen Wirbelgelenken. Vergleichen wir nun die Verhältnisse vom Schimpanse (Fig. 8) mit denen von Macacus und dem Menschen (Fig. 9), so finden wir, was schon oben bei der Beschreibung der äußeren Konfiguration festzustellen war, von einer Änderung des Wirbeltypus innerhalb des Brustbereichs keine Spur. Erst der 13. Brustwirbel, dessen untere Gelenkfortsätze schon lumbalen Typus besitzen, ist der »Wechselwirbel«, hat aber bei Oberansicht noch zahlreiche Charak- teristika eines Brustwirbels. Die Stellung der Processus articulares Fig. 8. Untere Brust- und die oberen 3 Lendenwirbel vom Schimpanse in der Ansicht von oben. Etwa 2/; nat. Gr. an den Brustwirbeln weicht von dem menschlichen Verhalten (Fig. 9) srundsätzlich nicht ab, die Bewegungsart im Brustbereich ist denn auch dieselbe. Die einzelnen Wirbel drehen sich um Achsen, welche in querer Richtung zwischen vorderem und hinterem Teil der Band- scheiden verlaufen, wobei sich die Gelenkfortsätze aneinander ver- schieben. Bei Dorsalflexion droht bald ein Klaffen dieser Gelenke und ein Zusammenstoßen der Dornfortsätze, weshalb diese Bewe- gung in der Tat beschränkter ist als die ventral gerichtete. Am 1. und 2. Brustwirbel, weniger an den folgenden, sind, gerade wie beim Menschen, die Gelenkfortsätze in Seitenansicht relativ schräg gestellt, daraus resultiert eine etwas größere Flexions- 514 Hans Bluntschli möglichkeit gegenüber den tieferen Brustwirbeln, ein Zustand, den vom Menschen auch NovoGRopsky bei seinen Messungen fest- stellte. Daß diese größere Flexibilität vor allem bei Ventralflexion in Erscheinung tritt — eine Eigenart, auf die ja oben dem Cerco- pitheeiden gegenüber hingewiesen wurde —, wird daraus erklärlich, daß in der Eigenform oder Ruhelage die Vorderkontur dieses obersten Thoracalabschnittes (vgl. Fig. 2—4) nach ventral leicht ausgehöhlt erscheint, die Wirbelachsen also nicht genau ventro-dorsal, sondern ventralwärts einander zugeneigt verlaufen (Fig. 4). Die Ventral- flexion wird diese Achsenzuneigung verstärken, die Rückbiegung aber muß zuerst die präexistente, ventral gerichtete Neigung para- Fig. 9. : n Untere Brust- und obere Lendenwirbel vom Menschen in der Ansicht von oben. Etwa 1/z nat. Gr, lysieren und nur der sehr geringe Überschuß der Biegungsfähigkeit kann noch ein leichtes Abbiegen des obersten Brustteils nach hinten, über die in Retroflexion fast ganz gerade Vorderkontur der oberen 2/; des Brustteils herbeiführen. Beim Macacus aber war die Ruhe- lage mit einer leichten dorsal gerichteten Neigung der entsprechenden Wirbelachsen verbunden, infolgedessen auch bei Ventral- bzw. Dorsalflexion ein gerade gegenteiliges Verhalten festzustellen. Da- mit erklärt sich eine der oben betonten Differenzen zwischen niederen Affen und Anthropomorphiden. — Bereits am unteren Gelenkfortsatz des 13. Brustwirbels unseres Schimpansen und ebenso am letzten (12.) des Menschen beginnt der echte Lendentypus der gelenkigen - Wirbelverbindung. Nach unten zu finden wir überall denselben aus- Beziehungen zwischen Form und Funktion der Primatenwirbelsäule. 515 gebildet. In der Stellung der Gelenkflächen der Lumbalwirbel, wie sie aus den Fig. 8 u. 9 zu entnehmen ist, differiert unser Menschen- affe nicht unbeträchtlich von unserem eigenen Genus insofern, als dort die Facies articulares superiores mehr dorsal- als medialwärts, hier umgekehrt mehr medial- als dorsalwärts sehen. Sie sind auch im ersteren Fall im allgemeinen weniger ausgehöhlt als in letzterem. In beiden Eigenschaften zeigt aber der Schimpanse Annäherung an unseren Macacus. Ein wiehtiger Unterschied besteht aber doch, insofern beim Schimpansen und dem Menschen die Gelenkflächen der unteren Processus artieulares nicht nur in der Richtung von vorn nach hinten konvex gewölbt sind, sondern auch, in weit geringerem Grade freilich, auch von oben nach unten, was ich bei niederen Affen nicht feststellen konnte. Daß sich die oberen Gelenkflächen mehr oder weniger kongruent verhalten — eine absolute Kon- gruenz findet man ja gerade im Lendenteil sehr häufig nicht —, ist klar. Ferner ist bemerkenswert, daß die beiderseitigen Gelenk- flächen beim Schimpansen relativ weiter auseinander stehen, was, wie H. Vırcmow betont, eine größere Rotationsbehinderung be- deutet als beim Menschen, wo sie relativ genäherter gefunden werden. Auf alle Fälle ist die von mir einwandfrei beobachtete Tatsache festzuhalten, daß die Bewegungen in den Lendenwirbelgelenken und im Gelenk zwischen dem 1. Lumbal- und letzten Thoracalwirbel beim Schimpansen und dem Menschen keine reinen Parallel- verschiebungen zwischen den beiden Gelenkflächen darstellen, son- dern gewissermaßen eine Kombination sind zwischen solchen und Rotationsbewegungen um eine quere, etwa durch die Centren der Gelenkfortsätze gelegte Achse. Gerade bei der Rückbiegung ist diese Rotation sehr ausgesprochen, während sie bei der Vorbiegung aus der Ruhelage kaum in Frage kommt oder jedenfalls recht klein ist, da schon sehr bald ein starkes Klaffen der Processus arti- eulares auftritt. Es scheint mir die Rotationsbewegung um eine quere Achse — die, wie ich nochmals betone, nie rein vorkommt, sondern mit einem »Zusammenschieben« nach hinten einhergeht — beim Schimpansen noch stärker zu sein als beim Menschen. Ich weiß wohl, daß das Feststellen des Bewegungsmodus aus den Ge- lenkflächen mit Schwierigkeiten und Trugschlüssen verbunden ist, weil eben die Gelenkflächen nirgends jene Spezialkrümmungen rein aufweisen, die einzig und allein eine Bewegungsart, diese aber in vollkommenstem Grade erlauben — denn »je vollkommener die Gelenkflächen für eine Bewegung eingerichtet wären, um so voll- Morpholog. Jahrbuch. 44. 34 516 Hans Bluntschli ständiger wären die anderen Hauptbewegungen ausgeschlossen«, — aber ich habe ja diese Feststellung zuerst an dem Bänderpräparat gemacht und erst nachher die Gestalt der Gelenkflächen auf ihre feinere Konfiguration untersucht und meine Annahmen bestätigt ge- funden. — Es hängt die geringere Aushöhlung des Kreuzes bei der Rückbiegung des Schimpansen dem Menschen gegenüber vielleicht damit zusammen, daß eben schon der Ausgangspunkt — wie wir oben sahen — geringere Wölbung besitzt. Schimpanse und der Mensch charakterisieren sich also durch einen anderen Bewegungsmechanismus im Lumbal- bereich, dem thoracalen Teil der Wirbelsäule gegenüber, ebenso dem Cercopitheeiden Macacus gegenüber, wie durch einen aus der Gesamtkrümmung der Thoracolumbal- wirbelsäule erschlossenen anderen Flexionstypus. Darin sehe ich ein wichtiges Zusammentreffen, das wohl ein inneres Be- dingtsein des einen durch das andere bedeutet. Daß sich der Schimpanse in anderer Beziehung wieder vom Menschen entfernt, sei gern zugegeben. Vom zweiten Lendenwirbel an abwärts scheinen die Gelenkflächen beider Wirbelhälften mehr oder weniger einem Kurvensystem anzugehören, wodurch a priori auch Kreiselungs- bewegungen ermöglicht werden könnten, die bei der menschlichen Lumbalwirbelsäule zufolge des Krümmungsverhaltens der Gelenk- flächen sozusagen ausgeschlossen sind. Inwieweit diese Torsions- möglichkeit tatsächlich durch andere Faktoren beschränkt oder ev. aufgehoben wird, muß ich dahingestellt sein lassen, da ich am frischen Kadaver keine diesbezüglichen Untersuchungen angestellt habe. Wir haben also für jene Feststellungen, die wir aus dem Ver- halten der Wirbelsäulenvorderkontur in verschiedenen Biegungen innert der Sagittalebene machen konnten, sachlich hinreichende Er- klärungen im Einzelbau der Wirbel und den Bewegungsmechanis- mus derselben zueinander gefunden. Wie unser Macacus verhalten sich, soviel ich sehe, prinzipiell alle niederen Katarrhinen, ebenso aber auch Cebus und Ateles. Auch bei diesen kommt ein aus- gesprochener »antiklinischer Wirbel«< und damit der ganze geschil- derte Erscheinungskomplex vor. Die Wirbelsäule trägt hier noch eine größere Zahl von Rippen, der »antiklinische Wirbel« ist ge- wandert. Bei 2 Exemplaren von Cebws fand ich ihn im 12., trotz- dem das eine Mal 13, das andere Mal 14 Rippenpaare bestanden, bei Ateles (14 Rippen) eben im selben Segment. Dabei waren bei Cebus En Morphologisches Jahrbuch. Bd. XLIV. Bluntschli. Verlag von Wi | Tafel X1. El hann in Be | | | Mi u, pP‘ 2 - A | ru ü a2 Eifenn we“ t -., .. Wrle ae | Ze > 5 | Beziehungen zwischen Form und Funktion der Primatenwirbelsäule.. 517 6 bzw. 5, bei Aieles 4 Lumbalwirbel vorhanden. Ich glaube jetzt sagen zu dürfen, daß sich die echten Menschenaffen nicht nur im Bau, sondern ebenso im funktionellen Verhalten ihrer Wirbelsäule weit von den niederen Affen entfernen und relativ eng an den Menschen anschließen, daß innert der Primatenreihe zwei nicht nur grundsätzlich ver- schiedene Flexionstypen der Wirbelsäule, sondern auch zwei grundsätzlich differente und auseinander jeden- falls nur mit sehr viel hypothetischen Annahmen ab- leitbare Bauzustände bestehen. Es ist von Wert, festzuhalten, daß der Grundtypus der niederen Affen auch unter biologisch sehr verschiedenen Verhältnissen, man denke nur an die felsbewohnenden Paviane, die echten Kletterer wie Cercopithecus und wieder die Ringelschwanzaffen wie Ateles und Cebus, zäh bewahrt bleibt, wenn auch, woran ich nicht zweifle, im einzelnen manche Besonderheiten sich noch werden aufdecken lassen. Phylogenetische Spekulationen hier anzuschließen, scheint mir nicht am Platz, obgleich die Ver- suchung dazu natürlich gegeben ist. Meine Aufgabe war es, auf Erscheinungskomplexe aufmerksam zu machen, die Probleme be- deuten, welche des Ausbaues harren. Tafelerklärung. Tafel XI. Die beiden Figuren stammen von eben jenem Schimpansen, dessen Wirbel- säule in ihrem Biegungsverhalten vorstehend beschrieben wurde, und sind Blitz- lichtaufnahmen, die ich gemeinsam mit Herrn Kollegen Dr. T. MorLLıson, dem ich für seine Hilfe besten Dank sage, anfertigte. Sie zeigen das, was ich als flachen Rücken bezeichnet habe, recht deutlich, bieten aber außerdem Interesse einmal durch den eigentümlichen Zehenstand der einen und die Haltung der anderen Figur, welche die relativ große Armlänge so recht zur Geltung kommen läßt. 34* Über die Cervicothoracalgrenze der menschlichen Wirbelsäule. Von Dr. med. H. Adolphi, Prosektor und Privatdozent in Jurjew-Dorpat. Mit 2 Figuren im Text. Die ununterbrochene Reihe unserer Vorfahren ist uns leider nicht bekannt, wir dürfen aber annehmen, die ältesten Wirbeltiere hätten im Wasser gelebt und seien fischähnlich gewesen. Die- jenigen ihrer Nachkommen, welche an Land gingen, mußten den Bau der Amphibien erlangen, oder den der Stegocephalen. Aus ihnen entwickelten sich dann einerseits die Sauropsiden und andererseits die Säugetiere. Wir können daher die Wirbelsäulen der Fische und Stegocephalen als die Vorstufen der Wirbelsäule der Säugetiere be- trachten. Die Wirbelsäule der Fische hat nur zwei Hauptabschnitte: einen Rumpfabschnitt und einen Schwanzabschnitt. Die Rumpfwirbel tragen paarige Anhänge — Rippen —, die bei der Mehrzahl der Fische in den bindegewebigen Septen zwischen den Segmenten der ventralen Muskulatur liegen und die Leibeshöhle umgreifen. Einige Fische (Crossopterygii) haben an den Rumpfwirbeln je zwei Paare Rippen, nämlich außer den eben erwähnten unteren Rippen noch obere Rippen, die in dem Bindegewebsseptum liegen, das ventrale und dorsale Rumpfmuskulatur trennt. Die Selachier haben nur obere Rippen. Diese oberen Rippen, welehe den Rippen der Amphibien und Amnioten entsprechen, gaben in der Folge den Ausgangspunkt für die Umformung der ganzen Wirbelsäule ab. Beim Übergange vom Wasser- zum Landleben suchte sich der in der Bauchmuskulatur 520 H. Adolphi steckende Beckengürtel einen festeren Stützpunkt und fand einen solchen, dank seiner Lage in der Nähe des hinteren Rumpfendes, in einem der letzten Rippenpaare. Damit hatte die Bildung eines Kreuzbeines begonnen und das Kreuzbein ist in seiner ältesten Form tatsächlich nur ein Wirbel, der ein Paar freier Rippen trägt, mit deren äußeren Enden der Beckengürtel gelenkig verbunden ist. Bei den Säugetieren wird die Verbindung des Beckengürtels mit der Wirbelsäule eine noch festere. Es bleibt nicht bei einem Sacralwirbel. Zwei, drei oder mehr Wirbel verwachsen miteinander und bieten dem Beckengürtel einen Stützpunkt. Die Sacralrippen verschwinden als selbständige Skeletteile, indem sie schon beim Embryo mit dem Wirbel verschmelzen. Hinter dem Kreuzbeine finden sich keine freien Rippen mehr. Der postsacrale Abschnitt der Wirbelsäule ist bei den Säugetieren ein reiner Schwanzabschnitt. Am präsacralen Teil der Wirbelsäule entstehen durch Reduc- tion der Rippen noch drei Unterabteilungen: Hals-, Brust- und Lenden- abschnitt. Bei den urodelen Amphibien und Stegocephalen sind im präsacralen Abschnitt die ersten und die letzten Rippen kürzer als die mittleren, wobei der erste Wirbel gewöhnlich keine freien Rippen hat. Bei den Säugetieren sind diese äußersten Rippen als selb- ständige Skeletteile nicht mehr vorhanden und so erhalten wir im ganzen fünf Abschnitte der Wirbelsäule: 1. Halsteil — bestehend aus Wirbeln, die keine freien Rippen tragen. 2. Brustteil — bestehend aus Wirbeln, die je ein Paar freier Rippen tragen. 3. Lendenteil — bestehend aus Wirbeln, die keine freien Rippen tragen. 4. Kreuzbein — ein Komplex verwachsener Wirbel, denen sich der Beekengürtel angliedert. 5. Schwanzteil — oder, wo ein freier Schwanz fehlt — Steißbein. So gelingt es, in allgemeinen Zügen die Wirbelsäulen ver- schiedener Tiere miteinander zu vergleichen. Es ist aber wünschens- wert, auch in die Einzelheiten des hier vorliegenden Umbildungs- prozesses einzudringen. Die Anzahl der Wirbel ist bei verschiedenen Tieren sehr verschieden, wobei auch die Verteilung der Wirbel auf die verschiedenen Abschnitte der Wirbelsäule erheblich variiert. Nun entsteht die Frage: welche Wirbel eines Tieres entsprechen Über die Cervicothoraealgrenze der menschlichen Wirbelsäule. 5921 bestimmten Wirbeln eines anderen Tieres? Bei dem Versuche, diese Frage zu beantworten, ergeben sich große Schwierigkeiten. Nicht der ganze segmentiert angelegte Teil des Achsenskeletes wird zur Wirbelsäule, ein gewisser vorderer Abschnitt geht in den Schädel über. Die Grenze zwischen Schädel und Wirbelsäule ist nun nicht bei allen Fischen die gleiche, und bei den Selachiern variiert sie individuell. Bei den Amphibien und Säugetieren pflegt die Grenze zwischen Schädel und Wirbelsäule nicht zu variieren, aber sie ist nicht bei beiden identisch. Bei den Säugetieren liegt diese Grenze um einige Segmente weiter nach hinten als bei den Amphibien. Um das Vorhandensein einer verschiedenen Anzahl von Wirbeln in den entsprechenden Abschnitten der Wirbelsäulen verschiedener Tiere zu erklären, sind in den siebziger Jahren des vorigen Jahr- hunderts drei verschiedene Theorien aufgestellt worden, von ROSEN- BERG!, WELCKER? und IHERING®. Die Theorien von IHERING und WELCKER haben nur noch eine historische Bedeutung. IHERING behauptet, die Zahl der Wirbel vermehre sich durch »Intercalation« und vermindere sich durch »Excalation« ganzer Skeletsegmente, d. h. durch das Auftreten eines oder mehrerer neuer Wirbel mitten in der Reihe der alten Wirbel oder durch den Aus- fall eines oder mehrerer alter Wirbel. Ein soleher Vorgang ist an sich sehr unwahrscheinlich und es ist dem Autor in keiner Weise gelungen, einen Beweis für das tatsächliche Vorkommen zu erbringen. WELCKER sieht die Grenze zwischen Kreuzbein und Lendenteil der Wirbelsäule für einen festen Punkt an und sucht die bei ver- schiedenen Tieren verschiedene Anzahl von Wirbeln im Lenden-, Brust- und Halsteil der Wirbelsäule so zu erklären, als habe sich das zwischen Kreuzbein und Schädel gelegene Bildungsmaterial bei verschiedenen Tieren in eine verschiedene Anzahl von Segmenten geteilt. Ebenso kämen auch die individuellen Variationen zustande. Es ist aber unschwer nachzuweisen, die Voraussetzung WELCKERS sei ı E. ROSENBERG. Über die Entwicklung der Wirbelsäule und das Centrale carpi des Menschen. Morpholog. Jahrb. Bd. I. S. 83—197. 1875. 2 H. WELCKER. Zur Lehre vom Bau und Entwicklung der Wirbelsäule. Zoolog. Anz. Jahrg. II. S. 291—295 und 311-314. 1878. 3 H. Iaerıng. Das peripherische Nervensystem der Wirbeltiere als Grund- lage für die Kenntnis der Regionenbildung der Wirbelsäule. Leipzig 1878. 522 H. Adolphi irrtümlich. Die Grenze zwischen Sacrum und präsacraler Wirbel- säule ist, wie ich! das z. B. für Trrton taeniatus nachweisen konnte, durchaus kein fester Punkt. Die Übergänge von Präsacralwirbeln zu Sacralwirbeln und von Sacralwirbeln zu Postsacralwirbeln lassen sich direkt beobachten. So bleibt uns die RosEexBeErssche Theorie. Die Grundannahme dieser Theorie ist die spezielle Homologie der einzelnen Wirbel bei allen Wirbeltieren nach ihrer Ordnungszahl, sofern nur die Grenze zwischen Schädel und Wirbelsäule bei diesen Tieren homolog ist. Die bei verschiedenen Tieren verschiedene Lage des Kreuzbeines ist so zu erklären, daß die Funktion eines Kreuzbeines von einem Wirbel auf die benachbarten Wirbel übergehen kann. Auf den neuen Träger der Funktion geht dann auch die Form des Kreuz- beines über. So bewegt sich das Kreuzbein, als ein durch beson- dere Funktion und Form charakterisiertes Gebilde, gewissermaßen über die Reihe der Wirbel hinweg, wobei das Kreuzbein Funktion und Form wahrt, aber den Bestand der an seiner Bildung beteiligten Wirbel wechselt. Die verschiedene Zusammensetzung des Hals-, Brust- und Lendenteiles der Wirbelsäulen ist einerseits von der Lage des Kreuzbeines abhängig und andererseits davon, wie viele Wirbel am Anfang und Ende des präsacralen Teiles ihre freien Rippen verloren haben und wie viele sie behalten haben. RosSENBERG? hat seine Theorie in erster Linie für den Menschen entwickelt, wobei er zum Beweise vergleichend-anatomisches und entwicklungsgeschichtliches Material heranzog und individuelle Variationen erwachsener Menschen. Er gelangte zu der Überzeu- gung, beim Menschen bewege sich das Kreuzbein zurzeit nach dem Kopfe zu und der Brustkorb würde von beiden Seiten her verkürzt. Ich glaube annehmen zu dürfen, bei den ältesten Säugetieren ı H. Aporpnı. Über das Wandern der Extremitätenplexus und des Sacrum bei Triton taeniatus. Morpholog. Jahrb. Bd. XXV. S. 544-554. 189. 2 Außer der oben angeführten Arbeit siehe: E. ROSENBERG. Referat eines Vortrages, gehalten am 17. Februar 1883. Sitzungsberichte der Dorpater Naturforscher-Gesellschaft. Bd. VIL. S. 501—506. E. RosSENBERG. Über die Wirbelsäule der Myrmecophaga jubata Linne. Festschrift für GEGENBAUR. Bd. U. S.287—347. 1896. E. ROSENBERG. Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. Morpholog. Jahrb. Bd. XXVII. S.1-—118. 1899. E. ROSENBERG. Bemerkungen über den Modus des Zustandekommens der Regionen an der Wirbelsäule des Menschen. Morpholog. Jahrb. Bd. XXXVI. S. 609—659. 1907, Über die Cervicothoracalgrenze der menschlichen Wirbelsäule. 523 habe das Kreuzbein ungefähr dort gelegen, wo es sich zurzeit noch bei den Monotremen, den Beuteltieren und vielen höheren Säuge- tieren findet, so daß der erste Sacralwirbel Wirbel 27 oder ein be- nachbarter war, wobei anzunehmen ist, auch bei den ältesten Säuge- tieren wären individuelle Variationen vorgekommen. Von dieser ursprünglichen Lage aus hat sich das Kreuzbein bei einigen Säuge- tieren nach vorn zu verschoben, wie bei den Gürteltieren, den Fleder- mäusen, den anthropoiden Aften und dem Menschen, und bei an- deren nach hinten!, wie bei den Unpaarhufern, Elefanten und Klipp- schliefern. Bei Tatusia hybrida ist der 21. oder 22., bei Ayrax capensis der 38. Wirbel der erste Sacralwirbel. In dieser Hinsicht die Tabelle durchzusehen, die W. H. FLower? über die Wirbel- zahlen von 364 Säugetieren gibt, ist von großem Interesse. Das Verständnis für die Bildung eines Lendenabschnittes der Wirbelsäule und das Vorrücken der Thoracolumbalgrenze ist nie auf Schwierigkeiten gestoßen. Selbst Inerıns und WELCKER be- streiten nicht die Möglichkeit einer Verwandlung von Brustwirbeln in Lendenwirbel durch den Verlust der freien Rippen. Die Cervieothoracalgrenze lag bei den ältesten Säugetieren aller Wahrscheinlichkeit nach dort, wo sie sich auch heute noch bei allen Säugetieren befindet, mit Ausnahme einiger Waltiere und der Faultiere. Die Faultiere sind in dieser Beziehung besonders interessant. Innerhalb dieser kleinen Gruppe zeigt die Üervico- thoracalgrenze die größten Verschiedenheiten, die überhaupt bei Säugetieren vorkommen. Bei Bradypus tridactylus ist Wirbel 10 der erste, dessen Rippen an das Sternum treten, und bei Choloepus hoffmanni ist Wirbel 7 in der gleichen Lage. Es wird jetzt wohl von niemandem mehr bezweifelt, der Zu- stand von Bradypus sei durch die Reduction mehrerer Rippen her- vorgerufen. In bezug auf Choloepus müssen wir annehmen, die Rippen des Wirbels 7 hätten ihre einst aufgegebene Selbständig- keit wiedergewonnen und sich von neuem mit dem Sternum in Ver- bindung gesetzt. Choloepus zeigt nicht, wie SOLGER? das auffaßte, 1 G. P. FRETS spricht sich in seinen neuesten »Studien über die Varia- bilität der Wirbelsäule« (Morpholog. Jahrb. 1911. Bd. XLIII. S. 472) auch dahin aus, bei Loris mit 30 Präsaeralwirbeln sei das Sacrum distal verschoben. 2 W. H. FLoweEr. An Introduetion to the Osteology of the Mammalia. London 1885. p. 78—89. 3 B. SoLGEerR. Zur Anatomie der Faultiere. Morpholog. Jahrb. Bd. I. 1875.: 8101. 524 H. Adolphi eine für Säugetiere primitive Lage der Cervicothoracalgrenze, son- dern wie GEGENBAUR! ausführt — eine sekundäre. Die Cervieothoracalgrenze des Menschen findet sich demnach in einer seit ungeheuren Zeiträumen konstanten Lage und die Variationen, die wir hier antreffen, erscheinen als Oseillationen um eine nahezu unveränderliche Norm. Es ist bemerkenswert, daß die Variationen der oberen und der unteren Grenze des Brustkorbes und der Grenzen des Kreuzbeines die Tendenz haben, von der Norm in der gleichen Richtung abzu- weichen, so daß beim Abweichen der oberen Thoraxgrenze nach oben auch die anderen Grenzen sehr häufig nach oben abweichen und beim Abweichen der oberen Thoraxgrenze nach unten — sehr häufig nach unten. Auf den ersten Blick scheint es, als ob ein solches Verhalten in keiner Weise mit der ROSENBERGSchen Theorie in Einklang zu bringen sei. Trotzdem kann ich mich nicht ent- schließen, diese Theorie fallen zu lassen, denn sie ist vergleichend- anatomisch gut begründet? Wir müssen uns vorstellen, daß einer- seits Wirbelsäule und Brustkorb sich umformen, wodurch die Grenzen des Kreuzbeines und die untere Thoraxgrenze der oberen Thorax- grenze genähert werden, und daß andererseits individuelle Varia- tionen diesen Umformungsprozeß begleiten, die den-Charakter von Öseillationen um die jeweilige Norm jeder Grenze tragen. Diese Oseillationen sind nun ihrerseits bestrebt, an allen Grenzen die gleiche Richtung einzuhalten. In einer Arbeit, die ich? 1905 veröffent- lichte, habe ich es versucht, diese Verhältnisse graphisch dar- zustellen. Die hier geäußerten Ideen sind von mir meist schon in früheren Arbeiten vertreten worden und wenn ich sie hier im Zusammen- hange darlege, so haben sie den Zweck, die Bedeutung der gleich zu beschreibenden neuen Fälle von Variationen der Cervicothoracal- grenze in das rechte Licht zu rücken. Fall I. Während der Präparierübungen des Herbstsemesters 1910 bemerkte ich an einer männlichen Leiche mittlerer Größe, daß die 1 ©. GEGENBAUR. Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere. Leipzig 189. S. 261. 2 Vergleiche hierzu: A. FıscHEL, Untersuchungen über die Wirbelsäule und den Brustkorb des Menschen. Anatomische Hefte von MERKEL und BONNET. Bd. XXXI. 1906. S. 470 und 556. 3 H. AporpHı. Über die Variationen des Brustkorbes und der Wirbel- säule des Menschen. Morpholog. Jahrb. Bd. XXXIH. S. 39—86. 1905. Uber die Cervicothoracalgrenze der menschlichen Wirbelsäule. 525 Wirbel 5 und 6 in gleicher Weise ein Tubereulum carotideum trügen. Das Vorhandensein von freien Rippen am Wirbel 7 vermutend, untersuchte ich die Leiche näher und fand tatsächlich linkerseits eine solche Rippe. Es war die Leiche eines russischen Bauern, der 43 Jahre alt, im Juni 1910 in St. Petersburg gestorben war. Zu der Zeit, als ich meine Aufmerksamkeit auf die Halsrippe richtete, waren die Nerven schon entfernt, die tiefen Muskeln des Halses waren dagegen noch alle erhalten. Wirbel 7 trägt rechts ein Rippenrudiment, das synostotisch mit ihm verbunden ist. Die Länge dieses Rudimentes beträgt an der Konkavität gemessen 29 mm. Das Relief des Köpfchens setzt sich sehr deutlich gegen den Körper des Wirbels 7 ab. Den Quer- fortsatz überragt das Rippenrudiment ein wenig; es endet zu- gespitzt. Von dieser Spitze zieht ein dünnes, aber festes Band von 55 mm Länge zum Tuberculum scaleni der Rippe des Wirbels 8. Das untere Ende dieses Bandes liegt vor dem unteren Ende des Musculus scalenus anterior. Zur medialen Hälfte des Rippen- rudimentes zieht von der vorderen Spange des Querfortsatzes des Wirbels 6 ein Museulus intertransversarius anterior hinunter. Der Musculus scalenus anterior entspringt mit seiner untersten Zacke vom Querfortsatze des Wirbels 6. Der Musculus sealenus medius entspringt mit seiner untersten Zacke vom Querfortsatze des Wirbels 7 und speziell auch von der Spitze jenes Rippenrudimentes. Er geht zur Rippe des Wirbels 8. Der Musculus scalenus posterior geht zur Rippe des Wirbels 9. Von dem Rippenrudiment des Wirbels 7 entspringt ein Muskel, der einem M. intercostalis externus entsprechend, schräg nach vorn und unten zur Rippe des Wirbels 8 zieht. Der Vorderrand dieses Muskels schließt sich dem erwähnten Bande an. Von der Rippe des Wirbels 8 steigt ein einem M. intercostalis internus ent- sprechender Muskel auf, der den vorigen Muskel an der Innen- seite überkreuzend sich an die vordere Hälfte jenes Bandes ansetzt. Auf der linken Seite trägt Wirbel 7 eine freie Rippe, die zu- gespitzt endet und keinen Rippenknorpel hat. Die Länge beträgt an der Konkavität gemessen 60 mm. Die Spitze der Rippe ist im Sealenusspalt sichtbar und liegt dicht am hinteren Rande des M. scalenus anterior. Von ihr zieht ein 28 mm langes Band, die Außenfläche des Musculus scalenus anterior überkreuzend, zum Innenrande der folgenden Rippe. Der Anheftungspunkt ist 30 mm 526 H. Adolphi vom Sternalende dieser Rippe entfernt. Die Rippe des Wirbels 7 zieht nahe der folgenden dahin. Der kürzeste Abstand zwischen beiden Rippen beträgt vorn 7 mm, weiter hinten 6 mm. Das Köpfehen der linken Rippe des Wirbels 7 artieuliert nur mit dem Körper dieses Wirbels. Die Köpfehen der beiden Rippen des Wirbels 8 artieulieren mit dem Körper dieses Wirbels und des Wirbels 7. Die unterste Zacke des Musculus scalenus anterior entspringt wie rechts vom Querfortsatze des Wirbels 6. Der. linke M. sca- lenus medius setzt sich breit an den Innenrand und die Außen- fläche der Rippe des Wirbels 7 und geht zur nächsten Rippe weiter. Von der vorderen Spange des linken Querfortsatzes des Wirbels 6 zieht ein kleiner, einem M.intertrans- Fig. 1. versarius anterior entsprechender Muskel zum Halse der Rippe des Wirbels 7 hinunter. Die Rippen der Wirbel 7 und 8 sind durch einen M. intereostalis externus verbunden, dessen Vorder- rand sich, wie rechts, dem er- wähnten Bande anschließt. Der M. intereostalis internus ist durch einige Fasern vertreten. Die Leiche war in St. Peters- burg seziert worden, wobei das Sternum nebst einem Teile der Rippenknorpel, wie üblich, heraus- getrennt worden war. Die Abbil- G dung 1 zeigt diesen Teil des Brust- korbes in der Ansicht von vorn in einem Größenverhältnis von 1:4. Manubrium und Corpus sterni sind gelenkig miteinander ver- bunden, Corpus und Processus xiphoideus dagegen synostotisch, doch ist die Grenze dieser beiden Teile am Relief deutlich erkenn- bar. Das Sternum ist asymmetrisch, und zwar ist die Asymmetrie an. allen drei Teilen zu erkennen. Die Ineisura elavieularis und alle Rippenansätze stehen links tiefer als rechts. Dementsprechend ist die Gelenkverbindung zwischen Manubrium und Corpus nicht rein quer, sondern steigt nach rechts zu auf. Das untere Ende des Processus xiphoideus geht in zwei Zipfel aus, von denen der linke Über die Cervicothoracalgrenze der menschlichen Wirbelsäule. 5927 weiter hinunterreicht als der rechte. Es ist somit die ganze linke Hälfte des Sternum gegen die rechte Hälfte nach unten zu ver- schoben. Die linke Rippe des Wirbels 14 liegt mit ihrem Ende vor dem Processus xiphoideus, erreicht aber das Corpus sterni nicht, von dessen unterem Ende sie um 2 mm absteht. Die rechte Rippe des Wirbels 14 erreicht als letzte das Corpus sterni. Die Enden der Rippen des Wirbels 15 stehen vom Unterrande des Corpus sterni rechts 72 mm, links 79 mm ab. Für die Rippen des Wirbels 16 sind die entsprechenden Zahlen rechts 129 mm, links 124 mm. Die Enden dieser Rippen sind nur lose an den Rippenbogen angefügt. Die Rippen des Wirbels 17 sind nur mit dem Körper dieses einen Wirbels gelenkig verbunden und haben keine Artieulatio costo-transversalis. Diese Rippen enden frei in der Bauchwand, ohne daß ihr Ende nach oben hinaufgebogen ist, sie haben also gar keine Beziehungen zum Rippenbogen und sind als reine Costae fluctuantes zu bezeichnen. An der Spitze der Rippe beträgt der Abstand vom Unterrande der darüberliegenden Rippe des Wirbels 16 rechts 27 mm, links 24 mm. Die Rippen des Wirbels 19 sind kurz. Sie sind, wie das bei kurzer letzter Rippe öfters der Fall ist, beide bis an das äußerste Ende verknöchert, haben also keinen Rippenknorpel. An der Konkavität gemessen ist die linke Rippe 67 mm lang. Die rechte ist noch ein wenig kürzer — 61 mm. Wirbel 20—24 sind reine Lumbalwirbel. Das Kreuzbein besteht aus den Wirbeln 25—29. Die Krüm- mung des Kreuzbeines ist einheitlich. Die Facies aurieularis ge- hört nur den Wirbeln 25 und 26 an. | Das Steißbein besteht aus den Wirbeln 30—34. Wirbel 30 und 31 sind frei, Wirbel 32, 33 und 34 sind miteinander verwachsen. Die Gesamtlänge des Steißbeines beträgt, an der Konkavität ge- messen, 3l mm, wovon 21 mm auf die beiden ersten Wirbel ent- fallen. Der erste Steißbeinwirbel hat Querfortsätze und kurze Cornua. Fall II. Weibliches Skelet aus der Maceration des Jahres 1909, unmontiert. Die Wirbel sind gleich den Rippen noch mit Draht zusammengebunden, wie das bei der Vorbereitung zur Maceration geschah. Es ist also nieht möglich, daß hier ein Wirbel oder eine Rippe aus der Reihe verloren ging. An der Halswirbelsäule sind die Tubereula anteriora der Querfortsätze des Wirbels 5 bedeutend 528 H. Adolphi stärker als am Wirbel 6. Der Dornfortsatz des Wirbels 6 ist lang, stark und ungeteilt, aber doch etwas kürzer als der Dornfortsatz des Wirbels 7. Wirbel 7 hat rechts eine freie Rippe getragen, die bei der Maceration verloren gegangen ist. An der rechten Seite des Kör- pers, dicht vor der Wurzel des Bogens liegt auf einer kleinen Er- höhung eine ovale Fovea costalis, 6 mm breit und 5 mm hoch. Die Fovea costalis transversalis am Ende des rechten Querfortsatzes des Wirbels 7 ist 11 mm breit und 6 mm hoch. Das Rippenrudiment an der linken Seite des Wirbels 7 ist wie gewöhnlich mit dem Körper und Querfortsatze des Wirbels syn- ostotisch verbunden. Das Rippenköpfehen ist durch sein Relief deutlich abgegrenzt, desgleichen das Höckerchen. Der Rippenhals ist sehr schlank und hat eine Andeutung eines Tuberculum anterius und eines Suleus nervi spinalis. Der Rippenkörper ist ganz kurz, er endet kegelförmig zugespitzt und überragt das Ende des Quer- fortsatzes nach vorn, unten und außen um 11 mm. Die 11 folgenden Wirbel, 8—18, haben je ein Paar freier Rippen getragen. Die linke Rippe des Wirbels 17 besaß eine Artieulatio costo-transversalis, rechts war kein derartiges Gelenk vorhanden. Die rechte Rippe des Wirbels 18 ist an der Konkavität gemessen 128 mm lang. Sie ist bis an das äußerste Ende verknöchert. Die linke Rippe des Wirbels 18 ist im knöchernen Teile 130 mm lang, worauf ein Rippenknorpel folgte, der nach der Form der Rippe zu urteilen eine Länge von etwa 12 mm gehabt haben muß. Diese Rippe war also etwa 142 mm lang. Die 5 folgenden Wirbel, 19—23, sind Lendenwirbel, die längsten Querfortsätze trägt Wirbel 21. Die 6 folgenden Wirbel, 24—29, sind synostotisch zum Kreuz- beine verbunden. Die Krümmung des Kreuzbeines ist einheitlich. Das Steißbein und Sternum sind bei der Maceration verloren gegangen. Fall III. Weibliches Skelet aus der Maceration des Jahres 1905, unmontiert. Die Wirbel sind noch zusammengebunden, wie sie vor der Maceration zusammengebunden wurden. Die Rippen jeder Seite sind gleichfalls noch zusammengebunden. Die Tubereula anterioria des Querfortsatzes von Wirbel 5 sind beiderseits stärker als die ent- sprechenden Tubercula am Wirbel 6. Der Dornfortsatz des Wirbels 6 ist ungespalten, springt aber nicht weit vor. Wirbel 7 hat rechterseits eine freie Rippe getragen, die bei Über die Cervicothoracalgrenze der menschlichen Wirbelsäule. 529 der Maceration verloren gegangen ist. Rechts an der Seitenfläche des Körpers, dicht vor der Wurzel des Bogens, trägt dieser Wirbel auf einer kleinen Erhöhung eine ovale Gelenkfläche von 3 mm Breite und 2 mm Höhe. Der rechte Querfortsatz des Wirbels 7 trägt am lateralen Ende seiner Vorderfläche eine Fovea costalis von 6 mm Breite und 5 mm Höhe. Nach den geringen Dimensionen dieser beiden Gelenkflächen zu urteilen kann die Rippe, die mit ihnen artieulierte, nur klein gewesen sein, wahrscheinlich nicht viel größer, als das linksseitige Rippenrudiment des Wirbels 7. Dieses Rippenrudiment besteht aus einem kleinen, deutlich ab- gesetzten, aber mit dem Wirbelkörper synostotisch verbundenen Köpfehen, einem dünnen Halse, einem Höcker, der vom Querfort- satze durch einen Gelenkspalt getrennt ist, und einem ganz kurzen, kegelförmig zulaufenden Reste des Körpers, der das Ende des Quer- fortsatzes nach vorn, außen und unten nur um 7 mm überragt. Die 12 folgenden Wirbel, 8—19, haben je ein Paar freier Rippen getragen. Die Rippen des Wirbels 8 haben keine irgendwie auf- fallende Form. Die Rippen der Wirbel 17, 18 und 19 haben keine Articulatio eosto-transversalis gehabt. Die Rippen des Wirbels 18 sind verhältnismäßig kurz. Die rechte mißt an der Konkavität im knöchernen Teile 125 mm und 2 mm sind, nach der Form des Rippenendes zu urteilen, noch auf den Rippenknorpel zu rechnen, so daß die ganze Länge der Rippe 127 mm beträgt. Links sind die entsprechenden Zahlen 132 mm + 3 mm = 135 mm. Die Rippen des Wirbels 19 sind beim Abfleischen und Vor- bereiten zur Maceration nicht gleich den übrigen Rippen umschnürt worden und sind bei der Maceration verloren gegangen. Da das Umschnüren in etwa 4 cm Abstand von den Wirbelkörpern statt- findet, so ist anzunehmen, die letzten Rippen seien höchstens 4 cm lang gewesen. Die Foveae costales, an denen diese Rippen gesessen haben, sind klein. Die rechte ist 9mm breit und 4 mm hoch, die linke 11 mm breit und 4 mm hoch, während die Foveae costales am Wirbel 18 bedeutend größer sind: 13 mm breit und 9 mm hoch. Das Brustbein ist an normaler Stelle in Handgriff und Körper geteilt. Die Ineisura costalis septima ist rechts unscharf und fehlt links vollständig. Der Schwertfortsatz ist bei der Maceration ver- loren gegangen. Wirbel 20—24 sind Lendenwirbel von ganz gewöhnlicher Form. Wirbel 25—29 bilden das Saerum, doch ist Wirbel 29 nur mit der rechten Pars lateralis synostotisch verbunden. Die linke Pars 530 H. Adolphi lateralis ist an der entsprechenden Stelle von einem Spalt unter- brochen, der mit Weichteilen (Knorpel) ausgefüllt war. Die Körper der beiden letzten Sacralwirbel sind auch nicht synostotisch ver- bunden, ebensowenig die Bögen, die beide dorsal nicht geschlossen sind. Die Bogenhälften des Wirbels 29 sind kurze, nach hinten und oben gekrümmte Fortsätze von der Form gewöhnlicher Cornua coceygea. Dem Wirbel 28 angehörige Cornua sacralia streben ihnen entgegen, erreichen sie aber nicht. Das Steißbein besteht aus 4 Wirbeln, 30—33. Der erste dieser Wirbel ist frei, er hat keine Cornua coceygea, wohl aber kurze Quer- fortsätze. Die drei weiteren Wirbel sind synostotisch miteinander verbunden. Fall IV. Weibliches Skelet aus der Maceration des Jahres 1906, unmontiert. Die Wirbel sind gleich den Rippen noch mit Draht zusammengebunden, wie das bei der Vorbereitung zur Maceration geschah. An der Halswirbelsäule sitzt das stärkste Tubereulum anterius rechts am Wirbel 6, links am Wirbel 5. Der Dornfortsatz des Wirbels 6 ist kurz und gabelt sich. Wirbel 7 (Fig. 2) trägt jederseits ein Rippenrudiment, das an der Konkavität gemessen 24 mm lang ist. Die Köpfchen sind beide mit dem Wirbelkörper ver- wachsen, doch ist das Relief deutlich abgegrenzt. Der Rippenhals ist rechts wie links sehr dünn und zeigt Andeutungen eines Tuber- eulum anterius und Suleus nervi spinalis. Der Rippenhöcker ist rechts mit dem Querfortsatz verwachsen, links gelenkig mit ihm verbunden. Die Fovea costalis transversalis hat eine Länge von 7 mm und eine Höhe von 5 mm. Der ganz kurze, kegelförmig zu- laufende Rest des Körpers überragt das Ende des Querfortsatzes nach vorn, außen und unten rechts um 7 mm, links um 8 mm. Der Dornfortsatz ist stark, lang und ungespalten. Wirbel 7 ist die rich- tige Vertebra prominens. | Die folgenden 11 Wirbel, 8—18, haben jederseits eine freie Rippe getragen. Die linke Rippe des Wirbels 17 hat keine Arti- eulatio costo-transversalis besessen. Die rechte Rippe des Wirbels 18 mißt an der Konkavität im knöchernen Teile 149 mm, wozu noch etwa 10 mm für den Rippenknorpel hinzuzurechnen sind,’ wodurch die Länge der Rippe auf etwa 159 mm kommt. Das ist für die Über die Cervicothoracalgrenze der menschlichen Wirbelsäule. 531 gewöhnliche vorletzte Rippe nicht gerade lang. Die linke Rippe des Wirbels 18 ist noch etwas kürzer: 1385 mm + 10 mm = 148 mm. Wirbel 19, der gewöhnlich das letzte Rippenpaar trägt, hat nur rechts eine freie Rippe besessen. Sie war sehr kurz, war bei der Vorbereitung zur Maceration nicht von Draht umschnürt worden und ist daher verloren gegangen. Die Rippe saß auf einem Höcker der rechten Bogenhälfte, der eine Fovea costalis von 6 mm Länge und 5 mm Höhe trägt. Links hat Wirbel 19 einen Querfortsatz von 14 mm Länge, hier ist sicher keine freie Rippe vorhanden gewesen. Das Brustbein ist an der gewöhnlichen Stelle in Handgriff und Körper geteilt. Die Ineisura costalis septima ist beiderseits ganz unscharf. Der Schwertfortsatz ist bei der Maceration verloren ge- gangen. Wirbel 20—24 sind Lendenwirbel. Wirbel 25—29 sind synostotisch zum Saerum verbunden. Die Krümmung des Kreuzbeines ist einheitlich. Das Steißbein ist bei der Maceration verloren gegangen. Betrachtet man diese vier Fälle gemeinsam und achtet dabei auf die Korrelation zwischen den Variationen der oberen Thorax- grenze und dem Verhalten der unteren Thoraxgrenze und der Sacralgrenzen, so ergibt sich folgendes: In allen vier Fällen weicht die Cervicothoracalgrenze, wenn auch unbedeutend, von der Norm nach oben zu ab. Während gewöhnlich die Rippen des Wirbels 14 den Körper des Brustbeines erreichen und ihnen dort die Ineisurae costales septimae entsprechen, erreichte in Fall I nur eine Rippe des Wir- bels 14 den Körper des Brustbeines. In Fall III war nur eine Fovea costalis septima deutlich ausgeprägt, in Fall IV keine. In Fall II war das Brustbein verloren. Während gewöhnlich die Rippen des Wirbels 17 auch mit dem Querfortsatze dieses Wirbels gelenkig verbunden sind, fehlte diese Verbindung im 1, III und IV. Falle beiderseits und im Falle II auf einer Seite. Während Wirbel 19, wie ich das schon früher nachgewiesen habe, (1905 1. e. 5.47) an unserem Dörptschen aus St. Petersburg be- zogenen Material bei Männern Rippen von 111/),—151/, em mittlerer Länge trägt, und bei Frauen solche von 9—131/, em, trug Wirbel 19 in den Fällen I und III je ein Paar sehr kurzer Rippen, in Fall IV Morpholog. Jahrbuch. 44. 35 532 H. Adolphi nur einseitig eine ganz kurze Rippe und war in Fall III ganz rippenlos — ein reiner Lendenwirbel. So ist denn das untere Thoraxende in allen vier Fällen verkürzt. Am Kreuzbein ist in einem Falle (II) Wirbel 24 der erste Sacral- wirbel, in den übrigen Fällen Wirbel 25. Letzter Sacralwirbel ist in allen Fällen Wirbel 29, wobei die Synostose dieses Wirbels mit dem vorhergehenden in einem Falle (III) sehr gering entwickelt war. Zieht man in Betracht, daß bei uns in Dorpat Wirbel 24 nur selten erster Saeralwirbel ist, daß Wirbel 26 bisweilen erster Sacral- wirbel und daß Wirbel 30 bei uns ziemlich häufig letzter Sacral- wirbel ist, so sind die vorliegenden vier Kreuzbeine jedenfalls nicht zu den distalen, eher schon zu den proximalen Kreuzbeinen zu rechnen. Die Lage des Kreuzbeines im Falle II ist deutlich proximal. Diese vier Fälle sind eine neue Bestätigung der schon früher von Dwi6HT! und mir gemachten Angabe, daß bei Abweichung der oberen Thoraxgrenze von der Norm nach oben zu auch die untere Thoraxgrenze und die Grenzen des Kreuzbeines die Tendenz haben, in der gleichen Richtung von der Norm abzuweichen. FıscHEL? bestreitet die Tatsächlichkeit dieser Korrelation beider Thoraxgrenzen und stellt als Gegenbeweis die Tabelle 2 (l. e. S. 496) zusammen. Man sieht aus dieser Tabelle, daß bei 5 Männern, bei denen Wirbel 7 ein Paar freier Rippen trug, die Rippen des Wir- bels 19 die Länge von 11, 10, 9, 71/,, 7, 61/5, 51/5, 44/5, 2 und 1 cm hatten. Bei den 8 Frauen, bei denen Wirbel 7 ein- oder doppel- seitig freie Rippen trug, hatten die Rippen des Wirbels 19 die Länge von 11:7, 11, 9a, 9a, J, 9, Sl, 41/a, 4, 4, 3m 31/a, 3a, 31/s, 3 und 21/, em. Ganz gefehlt haben demnach die Rippen des Wir- bels 19 keinmal, aber sie sind im allgemeinen kurz. Leider hat FiscHEL es unterlassen, zum Vergleich an Individuen ohne Hals- tippe die Länge der Rippe des Wirbels 19 zu messen. Ich kann daher nur mit meinen eigenen, oben (S. 531) angeführten Befunden vergleichen. Die 10 männlichen Rippen sind danach alle als kurz zu bezeichnen, von den 16 weiblichen Rippen sind 6 von mittlerer Länge und 10 sind kurz. Die von FiscHEL angeführten Daten sprechen somit nicht gegen, sondern gerade für die Tendenz zu ge- ı Th. DwiıGHTt. Numerical Variation in the Human Spine. Anatomischer Anzeiger. Bd. XXVII. 1906. S. 33-40 und 96—102. 2 A. FischeL. Untersuchungen über die Wirbelsäule und den Brustkorb des Menschen. Anatomische Hefte von MERKEL und BonnEr. Bd. XXXlI. 1906. S. 461—588. Über die Cervicothoracalgrenze der menschlichen Wirbelsäule. 533 ringerer Ausbildung der Rippen des Wirbels 19 bei Vorhandensein von freien Rippen am Wirbel 7. In einem gewissen Sinne bin ich mit FıscHEL voll einverstanden, wenn er (l. c. S. 560) der »abnormen Segmentierung« der embryo- nalen Anlage des Achsenskeletes eine große Bedeutung zumißt, da Fıschzr den Ausdruck »abnorme Segmentierung« in dem Sinne ge- braucht, daß einzelnen Regionen der Wirbelsäule von vornherein eine abnorme Zahl von Segmenten zugewiesen wird. Gewiß, die embryonalen Anlagen sind gar nicht immer gleich, und bei den stark von der Norm abweichenden Fällen ist das ganz evident. Ein Brustkorb, an dessen Bildung sich Wirbel 7—18 beteiligen (von BoLK! beschriebener Fall), ist gewiß anders angelegt als ein Brustkorb, an dessen Bildung sich Wirbel 8—19 beteiligen oder gar 9—20 (von FıscHeu S. 566ff. beschriebener Fall). Auch die embryonale Anlage der Sacra muß bei dem sehr weiten Spielraume der Variationen des erwachsenen Zustandes ver- schieden sein. Für die Rippen ist es zweifellos erwiesen, daß mehr angelegt als ausgebildet werden? Es findet ontogenetisch eine Reduction sowohl an der oberen wie an der unteren Thoraxgrenze statt. Ob diese Reduction aber immer stattfindet, ist nicht bekannt, und noch weniger weiß man, wie weit die von ROSENBERG beschriebenen em- bryonalen Umformungen des Sacrum tatsächlich eine Rolle spielen. BARDEEN? und Frers ! stellen diese Umformungen, wenigstens für die Zeit nach Anlagerung des Ilium an das Sacrum, in Abrede, während FALK’ annimmt, auch in der zweiten Hälfte des intrauterinen Lebens könne ein Lendenwirbel in einen Kreuzbeinwirbel umgeformt werden. Da die Umformungen am Einzelobjekte sich nie verfolgen lassen, so sind hier mit einwandfreier Sorgfalt ausgeführte Massenunter- suchungen von embryologischem und erwachsenem Material von gleicher anthropologischer Herkunft erforderlich, um einen Einblick ı L. BoLk. Über eine Wirbelsäule mit nur 6 Halswirbeln. Morpholog. Jahrb. Bd. XXIX. 8. 84-93. 1900. 2 Siehe auch: CHARLOTTE MÜLLER. Zur Entwicklung des menschlichen Brustkorbes. Morpholog. Jahrb. Bd. XXXV. S. 591—69%. 1906. 3 CH. BARDEEN. Numerical vertebral Variation in the human Adult and Embryo. Anatomischer Anzeiger. Bd. XXV. p. 497-519. 1904. 4 G. P. Frers. Über die Entwicklung der Regionen der Wirbelsäule beim Menschen. Morpholog. Jahrb. Bd. XXXIX. S. 647—654. 1909. 5 Dr. E. FALk, Frauenarzt in Berlin. Die Entwicklung und Form des fötalen Beckens. Berlin 1908. 35* 534 H. Adolphi, Über die Cervicothoracalgrenze der menschl. Wirbelsäule. in den Umfang der ontogenetischen Umformung zu gewinnen. Die gleiche anthropologische Herkunft ist dabei sehr wesentlich, Ich! habe noch kürzlich zeigen können, wie verschieden beispielsweise das menschliche Kreuzbein in Prag und Dorpat zusammengesetzt sei. Wenn aber FiscHEr die Varietäten der embryonalen Anlage als »die gewöhnliche Ursache« der Varietäten der erwachsenen Wirbel- säule ansieht, dann kann ich ihm nicht beipflichten. Ich meine, die Varietäten der embryonalen und der erwachsenen Wirbelsäule seien ein einheitliches Phänomen, nach dessen Ursache zu suchen sei. Die embryonale Entwicklung allein wird uns nur über das »wie« einer Erscheinung aufklären können, der weit schwierigeren Frage nach dem »warum« werden wir nur unter Zuhilfenahme der ver- gleichenden Anatomie näher treten können. Die Variationen der menschlichen Wirbelsäule sind in Beziehung zu setzen zu den Zu- ständen, die wir bei anderen Wirbeltieren finden. Unabhängig von ihrer vergleichend-anatomischen und phylo- genetischen Bedeutung haben die Variationen der menschlichen Wirbelsäule und ihre Korrelationen aber auch ihren Platz in der deskriptivren Anatomie. Das Bestehen dieser Korrelationen ab- zuleugnen, schädigt unsere Kenntnisse vom Bau des menschlichen Körpers. ı H. Anvorpuı. Über den Bau des menschlichen Kreuzbeines und die Verschiedenheit seiner Zusammensetzung in Prag und Jurjew-Dorpat. Morphol. Jahrb. Bd. XLIV. S. 101—125. 1911. Untersuchungen über das Lymphgefäßsystem von Salamanderlarven‘. Von H. Hoyer und 8. Udziela. Mit Tafel XII und XII. Das Lymphgefäßsystem der geschwänzten Amphibien ist in histologischer und anatomischer Hinsicht vielfach untersucht worden, doch sind die Ergebnisse der Untersuchungen zu fragmentarisch, als daß sich aus denselben ein einheitliches Bild der Verteilung der Lymphgefäße im Körper aufbauen ließe. Außer älteren Angaben von KÖLLIKER (7), RouseEr (16), MAyEr (11) u. a. über die Ent wicklung und Histologie der Lymphgefäße im Schwanze von Larven von Tritonen und Salamandern, welche nur im Anschluß an Unter- suchungen der Lymphgefäße im Schwanze von Froschlarven ange- stellt wurden, finden sich in der Literatur über das Lymphgefäß- system von Urodelenlarven nur kurze Mitteilungen, und zwar von Werıky (21—24) vorwiegend über Lymphherzen und von FAvAro (3) über die Verteilung von Blut- und Lymphgefäßen am Schwanz von jungen und erwachsenen Urodelen. Eingehender untersucht wurden die Lymphgefäße bei er- wachsenen Urodelen. Der erste, welcher einen großen Teil der Lymphgefäße bei Salamandern sehr ausführlich beschrieben hat, war PanızzA (14). Doch sind seine Untersuchungen insofern unvoll- ständig, als er von den longitudinalen Lymphstämmen nur den 1 Die Arbeit wurde am 4. Dezember 1911 in der Sitzung der math.-nat. Klasse der Akademie der Wissenschaften in Krakau vorgelegt und erscheint in den Verhandlungen in fast gleicher Ausdehnung in polnischer Sprache unter dem gleichen Titel, aber unter dem Namen von $. UpziıELA allein und ferner in kurzem Resume deutsch in dem Bulletin der Akademie vom Dezember 1911. 536 H. Hoyer und $. Udziela Ductus thoraeieus beobachtet hat. Von andern Autoren, die sich mit einzelnen Abschnitten des Lymphgefäßsystems der Urodelen be- faßt haben, sind Rusconı (17—20), J. MEYER (12) und CALort (2) ‘zu nennen. Die Lymphherzen wurden bei Urodelen von J. MÜLLER (13) entdeckt und die Existenz von zahlreichen Herzen von WELIKY (22) bei ihnen ermittelt. Weitere Beiträge hierzu lieferten FAvAro (3) und GREIL (4), welch letzterer über ein centrales Lymphherz Mit- teilung macht. Neuerdings bearbeitete Marcus (9, 10) das Lymph- sefäßsystem auch der Gymnophionen. Die hier nur der allgemeinen Übersicht wegen angeführten Literaturangaben sollen im folgenden bei der Beschreibung der betreffenden Gefäßabschnitte eingehender diskutiert werden. Die Untersuchungen wurden an Salamanderlarven von Sala- mandra maculosa Laur. angestellt, welche in fast reifem Zustande dem Muttertier entnommen oder welche schon geboren waren. Irgendwelche wesentliche Unterschiede in der Entwicklung des Lymphgefäßsystems zwischen diesen beiden Stadien ließen sich nicht feststellen, dieselben sollen daher bei der Beschreibung der Lymphgefäße nieht weiter auseinandergehalten werden. Die Larven wurden zunächst in einem kleinen Glasgefäß mit Wasser, dem eine Lösung von Kokain und einige Tropfen Alkohol zugefügt wurden, betäubt und dann mit einer Lösung von wasser- löslichem Berlinerblau injiziert. Als geeignetster Ort für den Ein- stich der Kanüle erwies sich die Hohlhand und die Fußsohle, wo- selbst sich größere Lymphsinus befinden. Die dort eingetriebene Injektionsmasse breitet sich von dort auf große Bezirke des Körpers aus und läßt die Lymphgefäße sehr deutlich hervortreten. Außer- dem erwiesen sich die zu beiden Seiten der Cloake liegenden Lymph- sinus und die erweiterten Stämme an der Ventralseite des Unter- kiefers als geeignete Injektionsorte.e Zur besseren Orientierung wurden auch Doppelinjektionen angestellt, indem die Blutgefäße mit roter, die Lymphgefäße mit blauer Farbe gefüllt wurden.- Weiter- hin wurden die Objekte unter dem binokularen Mikroskop genau untersucht, einzelne Partien derselben, wenn nötig, durch Präparation sichtbar gemacht oder auch in Paraffin eingebettet und in Serien- schnitte zerlegt. In letzterer Weise wurden sowohl injizierte als auch nicht injizierte Larven untersucht. Den Verlauf der Lymphgefäße nur an nicht injizierten Serien- schnitten zu verfolgen, wie dies in neuerer Zeit verschiedene Forscher ausgeführt haben, ist eine sehr mühevolle und zeitraubende Arbeit, Untersuchungen über das Lymphgefäßsystem von Salamanderlarven. 537 deren Ergebnisse, wie wir uns selbst überzeugt haben, höchstens nur für größere Lymphstämme, deren Lage man kennt, als sicher zu bezeichnen sind. Ist der Verlauf von Gefäßen und deren Ver- ästelung noch unbekannt, so lassen sich auf Grund von Serien- schnitten nur Vermutungen über Verlauf und Verästelung derselben anstellen. Erst wenn man die Gefäße und ihre Äste mit Injektions- masse gefüllt vor sich sieht, erhält man einen guten Einblick in die Verteilung derselben, deren Verfolgung selbst an nicht injizierten Serienschnittendann keine wesentlicheren Schwierigkeiten mehr bietet. Der Vorwurf, es könne sich bei Injektionspräparaten überhaupt und bei den unsrigen im speziellen vielfach um Kunstprodukte handeln, ist vollkommen ausgeschlossen. Jeder, der sich mit Injek- tionen etwas eingehender befaßt hat, vermag einen im Gewebe von der Injektionsmasse durch allzustarken Druck künstlich gebahnten Weg von dem von den Gefäßen präformierten leicht zu unter- scheiden. Hierzu sei noch bemerkt, daß bei Einstichinjektionen, wie sie behufs Ermittelung der Lymphgefäße geübt werden, die Injektions- masse unter dem zu diesem Zwecke gewöhnlich benutzten Druck von !/o—?/io Atmosphäre an Stellen, wo ein Lymphgefäß nieht vor- handen oder wo dasselbe verlegt ist, in das Gewebe nicht ein- dringt, sondern am Ende der Kanüle nur eine Beule bildet. Sobald man aber auf ein Lymphgefäß trifft, dringt die Masse auch sofort in dasselbe ein und breitet sich in den präformierten Bahnen weiter ‚aus. Um also Injektionen von Lymphgefäßen auszuführen, muß man ‘ die Kanüle an Stellen einstechen, wo Lymphgefäße zu vermuten sind, am besten in diese selbst. Da in jungen Entwicklungsstadien noch keine Klappen vorhanden sind, so kann man die Lymphgefäße central- und peripheriewärts injizieren. Geht man in dieser Weise systematisch vor, so lassen sich wenigstens bei Larven die Lymph- gefäße sämtlicher Körperregionen sehr vollkommen füllen. Es kann dies natürlich nicht an einem, sondern an zahlreichen Objekten ge- schehen und die einzelnen Bilder müssen dann zu einem Ganzen kombiniert werden. Auf diesem Wege gelangten auch wir zu den im folgenden ausgeführten Ergebnissen. Am Körper der Larven lassen sich 6 größere longitudinale Lymphstämme feststellen. Der eine längste verläuft auf der Dorsal- seite in der Mittellinie vom Schwanzende bis auf den Kopf und der zweite dem ersten entsprechend median auf der ventralen‘Seite des Schwanzes bis in die Inguinalgegend. Von den zwei weiteren Stämmen liegt je einer in der Seitenlinie des Körpers. Ein jeder 538 H. Hoyer und 8. Udziela dieser Seitenstämme erstreckt sich ungefähr vom Ansatz des Schwanzes bis zum hinteren Rande der Scapula. Der fünfte und sechste Stamm endlich verlaufen median unmittelbar unter der Wirbelsäule. Der dorsale und ventrale Längsstamm. Die beiden Längsstämme sind von KÖLLIKER (7) gesehen und »tronc lym- phatique eaudal superieur« und »inferieur« benannt worden. Die gleichen Bezeichnungen benutzte später Rouger (16), FAvAro (8) beobachtete diese Gefäße bei erwachsenen Exemplaren von Sala- mandra atra und bei Froschlarven und bezeichnet dieselben als un- paariges Vas lymphaticum dorsale und ventrale. Die beiden Längsstämme sind bisher nur in ihrem Verlaufe längs des Schwanzes beobachtet worden, unbekannt blieb der weitere Verlauf des dorsalen Längsstammes und die Verbindung des ven- tralen mit anderen Gefäßen in der Inguinalgegend. Der dorsale Längsstamm (Fig. 1) beginnt als feines Gefäß an der Schwanzspitze und verläuft in der dorsalen Rinne zwischen den Myomeren, an der Basis des freien Flossensaumes über den Schwanz und Rücken bis zur Mitte des Kopfes. In denselben münden die im freien Flossensaum des Schwanzes sich ausbreitenden Endästchen und ferner die feinen Lymphgefäße, welche auf der Innenseite der Muskelplatten und aus der Umgebung des Rückenmarkes ent- springen. Die feinen Lymphgefäße des freien Flossensaumes sind nur in frühen Entwicklungsstadien wirkliche Endäste. In späteren Stadien treten die Endäste mittels Anastomosen untereinander in Verbindung. Mit dem dorsalen Längsstamm treten außerdem noch sämtliche intersegmentalen Lymphgefäße in Verbindung, auf welche wir weiter unten noch zurückkommen werden. Im allgemeinen lägen hier also die gleichen Verhältnisse bezüglich der Ausbreitung der Lymphgefäße vor wie bei Froschlarven. Am Kopf ändert sich der Verlauf und die Verästelung des dor- salen Längsstammes (Fig. 1 und 6) insofern, als derselbe sich auf dem Scheitel in 2 Äste spaltet, von denen jeder einen Zweig nach vorn in die Gegend der Nasenöffnungen, einen zweiten nach dem Auge und einen dritten rückläufigen in der Richtung gegen die Kiemen entsendet. Alle diese Zweige treten mit Lymphgefäßen bzw. Lymphgefäßnetzen in Verbindung, die sich von der Ventralseite des Kopfes her auf dessen Seitenteilen ausbreiten. Wie Fig. 6 zeigt, haben die größeren Lymphgefäßzweige des Kopfes, welche aus der Teilung des Dorsalstammes hervorgehen, eine ziemlich symmetrische Anordnung. Untersuchungen über das Lymphgefäßsystem von Salamanderlarven. 539 Dem dorsalen Längsgefäß entsprechend verläuft am Ventral- rande des Schwanzes der ventrale Längsstamm (Fig. 1). Derselbe beginnt ebenfalls mit zugespitztem Ende an der Schwanzspitze und läuft allmählich dieker werdend bis zur Cloake, woselbst er sich in zwei Gefäße spaltet, die dieselbe umgeben. Weiter vorn, also cranialwärts von der Cloake, bildet sich aus jedem Teilungsaste ein feines Geflecht von Gefäßen, welches sich jederseits in der Inguinalgegend zu einem Sinus erweitert. Wie in den dorsalen Längsstamm münden auch in den ventralen feine Gefäße aus dem freien Flossensaum und von der Innenfläche der Muskelplatten. Ferner treten mit demselben die oben erwähnten Intersegmental- gefäße in Verbindung. In der Umgebung der Cloake nimmt jeder der Teilungsäste feine Zweige aus der die Cloake bedeckenden Haut auf, welche weiterhin jederseits den erwähnten Plexus bilden und sich zu den Inguinalsinus erweitern (Fig. 2). Letztere nehmen ferner die Lymphgefäße von der medialen Seite der Hinterextremi- täten auf und setzen sich noch auf eine kurze Strecke in Form eines Geflechtes zu beiden Seiten der Mittellinie auf die Bauchwand fort. Wir vermuten, daß die beiden Sinus nicht als solche von vornherein angelegt werden. Vielmehr lassen dünne in den Sinus erkennbare Scheidewände und Balken darauf schließen, daß sich an diesen Stellen ursprünglich Gefäßgeflechte befinden und aus diesen erst durch Einschmelzung der Wände Sinus entstehen. Die beiden Sinus stehen untereinander nur vermittels einiger feiner Gefäße in der Tiefe in Verbindung. Panızza (14) hat einen Teil der Gefäße der Cloake und des Anus gesehen, behauptet aber, daß dieselben in den Plexus vesicalis abfließen, welcher den Hals der Harnblase umgibt. Es ist sehr wahrscheinlich, daß solche Verbindungen zwischen den Lymph- gefäßen des Anus, der Cloake und der Harnblase bei erwachsenen Tieren bestehen, bei Larven sind sie jedenfalls noch spärlich. Die paarigen Seitenstämme. LANGER (8) war der erste, der diese Stämme am Schwanze von Froschlarven beschrieben hat. Später sind dieselben bei verschiedenen Amphibien in größeren oder kleineren Abschnitten von WeELIKY (24) gesehen worden. Ge- nauer beschrieben wurden sie bei Froschlarven von Hoyer (5) und Kxower (6) und bei Proteus, Salamandra, Salamandrina und Spe- lerpes von FAvAro (3). Auch bei Gymnophionen scheinen die 'Seiten- stämme zu existieren, wenigstens glauben wir die Worte von Marcus (9), daß »zwischen je zwei Lymphherzen und etwas ober- 540 H. Hoyer und S. Udziela halb Blut- und Lympbhgefäße ziehen«, in diesem Sinne deuten zu können. FAvAro nennt die Gefäße Vasa Iymphatiea longitudinalia lateralia (superficialia), Hoyer Trunei lymphatiei laterales eorporis. Jeder dieser Stämme beschreibt in seinem Anfangsteil (Fig. 1) einen nach oben und vorn offenen Bogen. Derselbe liegt zwischen dem 17. und 20. Körpersegment und setzt sich aus einem oder zwei größeren Gefäßen zusammen, in welche zahlreiche kleine Neben- äste einmünden. Mittels derselben tritt der Seitenstamm mit dem dorsalen und ventralen Längsstamm in Verbindung. Zwischen dem 17. und 18. Segment nimmt der Seitenstamm eine gerade Richtung an und verläuft in der Seitenlinie zwischen den dorsalen und ven- tralen Myomerenabschnitten nach vorn. Dicht am hinteren Rande der Scapula und vom M. latissimus dorsi bedeckt, mündet der Seitenstamm in den axillaren Lymphsack. Dieser Endabschnitt des Seitenstammes ist bei Urodelen bisher unbekannt gewesen. In den Seitenstamm münden auf seinem Verlaufe längs des Rumpfes sämtliche in den Furchen zwischen je zwei Segmenten ver- laufenden und vom Rücken und Bauch kommenden: Lymphgefäße und ferner Zuflüsse von der Dorsalseite der Extremitäten. Sämt- liche intersegmentalen Lymphgefäße der Dorsalseite nehmen zahl- reiche von den Segmenten und der Haut kommende Äste auf und treten mit dem dorsalen Längsstamm in Verbindung. Die inter- segmentalen Lymphgefäße der Ventralseite reichen nicht bis zur Mittellinie des Bauches, sondern nur bis etwa an den Rand der Mm. recti. Auch sie nehmen zahlreiche von den Muskeln und der Haut kommende Äste auf, aus denen am äußeren Rande der Reecti durch Anastomosenbildung jederseits ein den Recti parallel verlaufendes Längsgefäß entsteht. Ferner geht der Seitenstamm mit den in seiner unmittelbaren Nachbarschaft liegenden Lymphherzen eine zweifache Verbindung ein, welche bei den Lymphherzen genauer besprochen werden soll, und schließlich anastomosiert derselbe noch mit den beiden sogleich näher zu besprechenden subvertebralen Längsstämmen zwischen je zwei Muskelsegmenten. Die subvertebralen Längsstämme. Diese beiden Stämme verlaufen dicht nebeneinander unmittelbar unter der Chorda bzw. Wirbelsäule von der Schwanzspitze bis in den Thorax. FAvAro (3), der dieselben zuerst beobachtet hat, bezeichnet sie auf Grund ihrer Lage im Hämalkanal als hämale oder subvertebrale Lymphgefäße. Er gibt an, daß das hämale Lymphgefäßsystem in Form eines ein- Untersuchungen über das Lymphgefäßsystem von Salamanderlarven. 541 zelnen. Gefäßes (Triton) oder mehrerer Gefäße (Salamandra) inner- halb des Caudalkanals vorhanden ist. Weiter eranialwärts trennt sich von den hämalen Lymphgefäßen je eins seitlich ab und ver- läuft an den Seitenteilen der Wirbelsäule nach vorn. Nach unseren Beobachtungen befinden sich im Schwanzabschnitt von Salamanderlarven in der Medianebene unterhalb der Wirbel- säule, und zwar unterhalb eines jeden Wirbelkörpers, zwei Lymph- gefäße unmittelbar nebeneinander (Fig. 3). Aus denselben bildet sich unterhalb eines jeden Intervertebralknorpels ein dichtes Gefäß- netz, welches die intervertebralen Abschnitte der Wirbelsäule von der Ventralseite etwa halbringförmig umfaßt. Aus demselben laufen seitlich einige wenige untereinander anastomosierende Lymphgefäße aus, die sich zu einem einzigen dorsalwärts verlaufenden vereinigen. Im Niveau des Rückenmarkes gabelt sich ein jedes dieser Inter- vertebralgefäße in zwei Äste: der eine setzt sich in der ursprüng- lichen Richtung weiter fort (Fig. 32) und vereinigt sich schließlich mit dem dorsalen Längsstamm, der andere durchbricht die Muskel- platten in jedem Myocomma und gelangt in der Seitenlinie zum Vorschein. Hier teilt sich der letztere in einen dorsalen und ven- tralen Ast, welche in jedem Myocomma oberflächlich unter der Haut verlaufen und der Anordnung der Myotome entsprechend miteinander einen nach hinten offenen Winkel bilden. Diese Gefäße, welche man im Gegensatz zu den intervertebralen Gefäßen als Intersegmen- talgefäße bezeichnen kann, vereinigen sich schließlich mit dem dor- salen bzw. ventralen Längsstamm. Im Schwanzabschnitt gehen also die subvertebralen Längsstämme unter Vermittelung der Gefäßnetze und der intervertebralen Gefäße in der Tiefe eine Verbindung mit dem Vas lymph. longit. dorsale und an der Oberfläche eine zweite mit diesem und dem Vas Iymph. longit. ventrale ein. Am Ansatz des Schwanzes, dort, wo die Reihe der Lymphherzen und das Seiten- gefäß beginnt, ändert sich das Verhältnis der genannten Gefäße zueinander. Die aus der Tiefe aufsteigenden Äste der Intervertebral- gefäße bzw. der subvertebralen Stämme wenden sich direkt zu den Lymphherzen und münden in dieselben ein; die auch im thoraealen Abschnitt vorhandenen Segmentalgefäße ergießen sich dagegen sämt- lich in die Seitenstämme. Die dorsalen Abschnitte der Inter- segmentalgefäße vereinigen sich hier wie im Schwanze mit dem dorsalen Längsstamm, auf der ventralen Seite ist eine solche Ver- einigung unmöglich, da der ventrale Längsstamm sich auf den Bauch nicht fortsetzt. 542 H. Hoyer und $. Udziela Wie FAvAro richtig angibt, treten die subvertebralen Lymph- stimme als zwei gesonderte Stämme in das Becken und in den Rumpf ein, die Aorta zwischen sich fassend.. Wie im Schwanz- abschnitt bildet sich auch hier unterhalb der Zwischenwirbelknorpel ein Gefäßnetz aus, von welchem seitlich Lymphgefäße zu den Lymph- herzen und dem dorsalen Längsstamm aufsteigen. Überdies bilden sich zwischen den beiden subvertebralen Stämmen auf ihrem Ver- laufe unterhalb jedes Wirbelkörpers zahlreiche Anastomosen aus, welche die Aorta von oben und unten umgeben, so daß man an Querschnitten durch diese Gegend manchmal den Eindruck erhält, als ob die Aorta von Lymphgefäßen dicht umgeben, stellenweise sogar von einem einzigen größeren Lymphraum völlig umschlossen wäre. Während Panızza (14, 15) behauptete, daß die Aorta und die aus ihr entspringenden Arterien von dem Ductus thoracicus und den Lymphräumen wie das Herz vom Herzbeutel umschlossen wird, sind nach Ruscoxı (17—20) und Meyer (12), wie dies in der Tat der Fall ist, die arteriellen Gefäße mittels Bändern an den Wänden der sie umhüllenden Lymphräume befestigt. Es ist dies besonders in der mittleren Partie des Thorax der Fall, wo aus den subvertebralen Lymphstämmen ein größerer die Aorta umgebender Lymphraum entsteht. Die Bänder bilden sich offenbar in der Weise aus, daß die die Lymphstämme verbindenden Anastomosen sehr zahlreich werden und diese sowie die Stämme sich bis zur Be- rührung ihrer Wände erweitern. Infolgedessen käme die Aorta in einem Lymphraum zu liegen, in welchem die ehemaligen Gefäß- wände die Aufhängebänder bilden würden. Die subvertebralen Lymphgefäßstämme des Schwanzes würden sich also im Thorax in zwei untereinander durch vielfache Ana- stomosen verbundene Stämme fortsetzen, welche zwischen den Ur- nieren weiterhin nach vorn verlaufen und sich schließlich zu einem größeren bis an den Magen reichenden Lymphraum vereinigen. Dieser Lymphraum ist von Paxizza unter dem Namen »grande eisterna linfatica« genau beschrieben worden, und dessen Existenz wird von MEYER (12) und CaArorr (2) bestätigt. Einen periaortalen Lymphraum beschreibt Marcus (9) auch bei Gymnophionen, und zwar ist er »sehr verschieden an Form und Größe; oft ist er nur dorsal von der Aorta erkennbar, bald führt eine Kommunikation nach unten, bald ist seitlich eine schmale Wand«. Eine richtige Vorstellung von der Größe und Ausdehnung dieses Raumes ist nicht leicht zu erhalten, da derselbe bei der Füllung mit Untersuchungen über das Lymphgefäßsystem von Salamanderlarven. 543 Injektionsmasse stets deformiert wird. Am auffallendsten ist dies in den Abbildungen von PAnızza, wo derselbe durch die Schwere des Quecksilbers in transversaler Richtung ganz unförmlich auf- getrieben ist. Schon Rusconxı hat gegen die Präparate und Ab- bildungen von Panızza ganz begründete Einwände erhoben. Noch am besten läßt sich die Ausdehnung dieses Lymphraumes an mikro- skopischen Querschnitten durch jene Gegend beurteilen. Demnach würde sich derselbe von dem vorderen Ende der Urnieren bis zur Höhe des Pylorus erstrecken und sich in dorsoventraler Richtung zwischen den Blättern des Mesenteriums ausdehnen. In den Raum münden die Lymphgefäße von der unteren Hälfte des Magens sowie der größte Teil der Darmlymphgefäße. Nach PaAnızza geht in der Höhe des Pylorus aus der Cisterna linfatica der Ductus thoraeieus hervor, welcher in der Medianlinie unter der Wirbelsäule als einheitlicher Stamm bis an das Herz reicht und sich erst dort in einen rechten und linken Ast gabelt. Diese Äste verbinden sich mit dem rechten bzw. linken Plexus lymphaticus axillaris. Mittels zwei oder drei Öffnungen münden die Plexus in die Vena subelavia der betreffenden Seite. MEYER (12), welcher den Wert der Injektionspräparate von Panızza bezweifelt, sieht die Bifurcation des Ductus und die Plexus axillares als Kunst- produkte an und meint, daß der Ductus thoracieus in der Gegend des Herzens blind endige. Carorı (2) erwähnt, Panızza folgend, die Verbindung zwischen Ductus thoraeicus und den axillaren Lymphplexus. Nach unseren Befunden gehen aus der Cisterna Iymphatieca in der Höhe des Pylorus zwei große Lymphstämme nach dem Kopfe zu hervor, welche zu beiden Seiten der Aorta verlaufen und dor- sal und ventral von derselben durch zahlreiche starke Anastomosen untereinander verbunden sind. Es sind dies eben die paarigen Ductus thoraeiei. Wie Panızza richtig angibt, münden dieselben in der Höhe des Blutherzens seitlich abbiegend in die axillaren Lymphplexus ein. Genauer präzisiert, liegt die Mündung eines jeden Stammes eranialwärts von der Vorniere in der Höhe des Plexus brachialis (Fig. 5). In den meisten Fällen sahen wir jeder- seits nur eine, einige Male zwei Mündungen. Dieselben sind je- doch im Vergleich zur Dicke der die Aorta begleitenden Stämme verhältnismäßig klein und unscheinbar. An der Stelle,‘ wo die Ductus sich lateralwärts wenden, münden in dieselben vom Kopfe her zwei Lymphgefäße, welche zu beiden Seiten der Aorta liegen. 544 H. Hoyer und $. Udziela Wenn man von ihrer geringeren Dicke absieht, erhält man den Eindruck, als wenn dieselben die direkte Fortsetzung der Ductus nach dem Kopfe zu bildeten. Verfolgt man nun die beiden Gefäße kopfwärts, so sieht man, daß an der Stelle, wo die Aorta sich in zwei Bögen spaltet (Fig. 4), jedes der beiden Gefäße sich eben- falls teilt und die beiden Teilungsäste die Aortenbögen begleiten. Panızza hat dieselben in seinem Werke ganz richtig abgebildet. Auf ihrem Verlaufe an der Schädelbasis nehmen diese Äste zahl- reiche Zuflüsse von der Schädelbasis auf, verlaufen mit den Aorten- bögen bis zu den Kiemen und münden schließlich von vorn her in die axillaren Lymphsäcke der betreffenden Seite. Ein jeder Stamm des paarigen Ductus thoracicus würde demnach eine zwei- fache Verbindung mit dem Axillarsack seiner Seite eingehen, erstens in der Höhe des Plexus brachialis und zweitens caudal- wärts von den Kiemen. Nach der Dicke der Gefäße zu urteilen, bildet sich die zweite Verbindung mit den Ductus thoraeiei erst sekundär aus, da die an der Schädelbasis entspringenden Gefäße ihren Hauptabfluß nach der Kiemengegend haben. Die vom Darmtractus in die Cisterna einmündenden Lymph- gefäße sind bereits im vorhergehenden erwähnt worden, doch müssen wir hier noch einmal auf das oben nur kurz berührte Verhältnis zwischen subvertebralen Lymphstämmen und Lymphherzen näher eingehen. f Die Fortsetzung der subvertebralen Lymphstämme im Thorax, die Cisterna und die Ductus thoraciei entsenden ebenso wie die subvertebralen Lymphstämme im Schwanzabschnitt auf der Strecke zwischen je zwei Wirbeln jederseits einen Gefäßast, welcher unter den Muskelschichten seitlich aufsteigend mit dem dorsalen Längs- stamm in Verbindung tritt. Während im Schwanzabsehnitt von diesem Verbindungsgefäß ein Zweig die Muskelschichten in jedem Myocomma durchbrach und in der Seitenlinie unter Gabelung zum Vorschein kam, tritt im Thorax, den Schwanzansatz mit eingeschlossen, ein ebensolcher Zweig in jedem Myocomma mit einem Lymphherz in Verbindung (Fig. 11). Auch Marcus hat bei Gymnophionen in jüngeren Entwicklungsstadien Verbindungsgefäße zwischen dem peri- aortalen Lymphraum und Lymphherzen beobachtet und hält die- selben für die einzigen Abflußwege der Lymphe aus dem Innern des Körpers ins Blutgefäßsystem. Zieht man die verhältnismäßig engen Mündungen des Ductus thoracicus in die Axillarsäcke bei Salamanderlarven in Betracht und ferner die Dicke und den direkten Untersuchungen über das Lymphgefäßsystem von Salamanderlarven. 545 auf das Lymphherz gerichteten Verlauf jenes tiefen Zweiges, so muß man demselben ohne Zweifel einen sehr bedeutenden Anteil an der Beförderung der Lymphe aus dem subvertebralen Gefäß- gebiet in die Lateralvene zuweisen; der Rest der Lymphe würde dann durch den Duetus thoraeicus in die Axillarsäcke abfließen. Im vorderen Abschnitt des Thorax bilden sich an den aus den Ductus thoraeiei zum dorsalen Längsgefäß aufsteigenden Ästen an den Seitenteilen der Wirbelsäule quere Anastomosen aus, welche in ihrer Gesamtheit ein Längsgefäß ergeben. Dasselbe läuft dem Duetus thoraeicus parallel und mündet in den Axillarsack der be- treffenden Seite. Dieselben können als paravertebrale Lymphgefäße bezeichnet werden. Die Plexus axillares Pawızzas. Panızza (14) bezeichnet den in der Achselhöhle liegenden Lymphraum als Plexus wohl aus dem Grunde, weil die dort aus verschiedenen Richtungen zusammen- fließenden Gefäße den Eindruck eines Plexus hervorrufen. Richtiger -ist es, von einem axillaren oder subscapularen Lymphsack zu sprechen. Wie die Lymphgefäße überhaupt, ist der Sack an nicht injizierten Larven nicht sichtbar. An mikroskopischen Sehnitten läßt sich seine Lage allerdings feststellen, doch geben Injektions- präparate den besten Aufschluß über seine Lage und seine Aus- dehnung. Derselbe läßt sich am leichtesten von den Kopflymph- stämmen oder dem Lymphgefäßnetz der vorderen Extremitäten füllen, schwieriger gelingt dies von dem lateralen Lymphgefäßstamm oder vom Ductus thoraeieus. Nach der Füllung mit Berlinerblau sind seine Konturen durch die Haut gut sichtbar. Derselbe liegt (Fig. 1) als einheitlicher länglicher Sack zwischen der Wand des Thorax und der Scapula, über deren vorderen und hinteren Rand er etwas binausragt. Eröffnet man den Thorax von der Ventralseite und legt die Coracoidea seitlich auseinander, . so erscheint der Sack viel größer (Fig. 5), weil nunmehr auch seine tiefere mediale Partie sichtbar wird. Über die Mitte seiner medialen Wand verläuft in querer Richtung der starke 3. und 4. Nerv des Plexus brachialis, durch welchen eine kopfwärts und medial gelegene Partie des Sackes von dem unter der Scapula liegenden Abschnitt abgesondert erscheint. In den Axillarsack münden folgende Gefäße: 1. der laterale Lymphstamm unter dem M. latissimus dorsi am Hinter- rande der Scapula; 2. das oben erwähnte, dem Ductus thoraeicus an den Seitenteilen der Wirbelsäule eollateral verlaufende para- vertebrale Lymphgefäß; 3. der Duetus thoracicus der betreffenden 546 H. Hoyer und $. Udziela Seite mit ein oder zwei Mündungen an dem medialen Rande des Sackes; 4. ein oder zwei von der eranialen Hälfte des Magens und . vom Ösophagus kommende Lymphgefäße; 5. eine die beiderseitigen Axillarsäcke verbindende Anastomose, welche in der ventralen zwischen dem Pericardialsack nnd Peritonealsack gebildeten Furche verläuft; 6. die von der Schädelbasis kommenden Gefäße; 7. die Lymphgefäße der seitlichen Partien der Oberfläche des Kopfes; 8. zwei an der Vorderextremität entspringende Lymphgefäße. Während Panızza behauptet, daß der Axillarsack sich in die Vena subelavia der betreffenden Seite mittels zwei oder drei Mün- dungen ergießt, und diese als die einzigen Verbindungen zwischen Lymph- und Venensystem ansieht, finden wir, daß an dem eranio- medialen Rande des Axillarsackes ein oder auch mehrere ziemlich starke, aber kurze Lymphgefäße hervorgehen, welche sich mit dem Endabsehnitt der noch zu besprechenden Lymphstämme des Kopfes verbinden. Erst aus diesen fließt die Lymphe in die Venae cardi- nales anteriores ab. Die Lymphgefäße des Kopfes. Über die Verteilung der Lymphgefäße am Kopfe von Salamandern wie überhaupt der Uro- delen ist bisher fast nichts bekannt. Nur PanızzaA (14) und GREIL (4) beschreiben den Verlauf einiger tiefer Lymphgefäbße auf der Ventral- seite des Kopfes. Auf diese Angaben werden wir weiter unten noch näher eingehen. Bei der Schilderung des Verlaufes des Vas longitudinale dor- sale wurde bereits kurz sein Verhalten am vorderen Körperende erwähnt. Hier sei nur noch bemerkt, daß das dorsale Längsgefäß (Fig. 1 und 6) sich etwa in der Mitte des Kopfes in zwei Äste spaltet, welche fast bis zur Verbindungslinie der hinteren Augen- ränder nach vorn verlaufen. Alsdann biegen sie unter ziemlich spitzem Winkel nach hinten um und verlaufen rückwärts bis zur Kiemenfalte und zu den äußeren Kiemen. Dort, wo die Äste in der Nähe der Augen nach hinten umbiegen, münden in dieselben feine Zweige aus der Gegend der äußeren Nasenöffnungen und aus der Umgebung der Augen ein. Außerdem nehmen sowohl das dor- sale Längsgefäß als auch dessen eben beschriebene Verzweigungen zahlreiche vereinzelte oder auch bereits netzartig angeordnete Lymph- gefäße von der ganzen dorsalen Kopfhaut auf. Die Lymphgefäße der Dorsalseite des Kopfes treten bereits in diesem Entwicklungsstadium mittels mehrerer Anastomosen, und zwar in der Augen-, Ohr- und Kiemenfaltengegend mit denjenigen Untersuchungen über das Lympbgefäßsystem von Salamanderlarven. 547 der Ventralseite in Verbindung. Es ist anzunehmen, daß in späteren Entwieklungsstadien und bei Erwachsenen die Anzahl der dorsalen Lymphgefäße und ihre Verbindungen mit den ventralen noch zahl- reicher werden. Auf der Ventralseite des Kopfes (Fig. 7) breiten sich längs der Innenränder des Unterkiefers jederseits reich verästelte Lymph- sefäße aus, welche aus gemeinsamen Stämmen aus der Tiefe ihren Ursprung nehmen. Die feinsten Ausläufer dieser Äste reichen in diesem Stadium in der Mitte des Unterkiefers nur bis an die Mittel- linie, vorn und hinten dagegen sind noch große Partien der Haut frei von denselben. Lateral biegen die Äste jederseits um die Unter- kieferränder um und bilden die oben angeführten Anastomosen mit den Dorsalgefäßen. Schneidet man die Hautfalte samt M. mylohyoideus in der Mitte durch und legt sie zur Seite, so findet man lateral von den Mm. reeti die tiefen Kopflymphstämme (Fig. 5), welche jederseits zwischen den Blättern der inneren Kiemen und dem Herzen dem äußeren Rande des Kopfes parallel verlaufen. Eben diese Stämme scheint PAnIızzA bereits beobachtet zu haben und beschreibt sie als Kopflymph- sefäße, welche in der Halsgegend sich mit den axillären Plexus vereinigen. Von Hoyer sind dieselben bei Froschlarven als Ductus cephaliei bezeichnet worden. Da die Lymphstämme bei Salamander- larven neben der Vena jugularis s. cardinalis anterior verlaufen, so wären sie wohl am richtigsten als Trunei jugulares zu bezeichnen. Für diese Bezeichnung spricht auch noch der Umstand, daß sie ähnlich wie bei Säugetieren an ihrem hinteren Ende sinusartig er- weitert sind und diese Sinus sich mittels eines oder mehrerer feiner Gefäße jederseits mit der Vena cardinalis ant. vereinigen. ÖOral- wärts stehen die beiderseitigen Stämme mittels einer Anastomose, welche etwa in der Mitte zwischen Unterkieferrand und Herz liegt, untereinander in Verbindung. An eben dieser Stelle gehen jeder- seits lateral Äste ab, welche sich längs der Unterkieferränder in der Tiefe ausbreiten und ferner einen starken Ast zur Oberfläche entsenden, dessen Anordnung wir bereits oben näher kennen ge- lernt haben. Mit den Trunei jugulares steht ein Lymphsinus in Verbindung, welchen GRrEIL (4) aufgefunden hat und als centrales Lymphherz zu bezeichnen vorschlägt. GrEIL hat seine Lage treffend beschrieben. Derselbe liegt dem Truneus arteriosus dorsal dieht an und besitzt von der Dorsalseite betrachtet an Injektionspräparaten die Form Morpholog. Jahrbuch. 44. 36 548 H. Hoyer und S$. Udziela eines in die Breite gezogenen H. In der Abbildung GREILS sind die zuführenden Lymphgefäße zu sehr nach der Mittellinie ver- schoben. In Wirklichkeit liegen sie zwischen dem ersten und zweiten Aortenbogen. ‘ Bringt man diese Korrektur in der Figur GREILS an, dann ergibt sich, daß der Lymphsinus seine größte Ausdehnung in querer Richtung besitzt und die ganze Breite des Truncus arterio- sus an der Stelle, wo er sich in die Aortenbögen spaltet, einnimmt. . Die vordere, orale Wand des Raumes ist nur wenig, viel weniger als in der Abbildung von GREIL, nach innen eingezogen und geht seitlich in die zuführenden Gefäße über, welche in schräger Rich- tung nach vorn und außen verlaufen. Caudal ist der Raum in seiner Mitte zipfelartig in der Richtung des Trunceus ausgezogen und setzt sich seitlich in die beiden abführenden Gefäße fort. Jedes der zuführenden Gefäße (Fig. 8) ist mit einem Paar Klappen ver- sehen, welche in den Lymphraum hineinragen, und ebenso besitzen die abführenden Gefäße Klappen, welche in der Lichtung derselben liegen. Die Wandungen des Lymphraumes sind bei Larven aus Bindegewebe mit einer endothelialen Auskleidung gebildet. Nur der hintere zipfelartige Abschnitt des Raumes erhält den von GREIL beschriebenen Belag von quergestreiften Muskelfasern, welche in der Wand des Truncus sich ausbilden. In der Mittellinie der Dorsal- wand des Lymphraumes zieht ein kräftiges Bündel von glatten Muskelfasern (Fig. 87») entlang, durch dessen Kontraktion die Wand verkürzt und nach innen eingetrieben wird. Nach Geiz tritt »bei der Larve wenigstens die Lymphe aus dem gesamten Körper« durch die zuführenden Gefäße in den Sinus ein und wird »durch die sy- stolische Kontraktion der Muskelschicht durch zwei paarige Stämme hindurch in die Venae jugulares inferiores« getrieben. Nach unseren Befunden zweigen sich die zuführenden Gefäße von den Trunei lymphatiei jugulares ab, sie würden demnach nur einen Teil der Lymphe vom Kopfe in die Sinus ableiten. Was die abführenden Gefäße anbetrifft, so stellen sich dieselben nach unseren Befunden als Zweige der Vena jugularis interna s. cardinalis anterior dar, welche in letztere an der gleichen Stelle einmünden, wo sich auch die Trunci jugulares mit ihr vereinigen, also kurz gesagt dort, wo abgesehen von den seitlichen Lymphherzen das Lymphgefäß- system des Körpers mit dem Venensystem in Verbindung tritt. Wir bezeichnen die aus dem Lymphsinus des Truncus die Lymphe ab- leitenden Gefäße als Venen aus dem Grunde, weil bei der Injektion der Venen dieser Gegend die Injektionsmasse in den ableitenden Untersuchungen über das Lymphgefäßsystem von Salamanderlarven. 549 Gefäßen bis zu den Klappen aufsteigt. An diesen würde sich also die Grenze zwischen Blut- und Lymphgefäßen befinden. Zieht man die Lage dieses Lymphsinus an der Einmündung in die Venen und seinen Klappenapparat in Betracht, so kann man denselben als einen kontraktilen Sinus ansprechen. Ob derselbe wie die peripheren Lymphherzen eigene Bewegungen besitzt, haben wir mit völliger Bestimmtheit nicht feststellen können. An den mit Injektionsmasse gefüllten, jedoch noch lebenden Gefäßen und dem centralen Sinus ließen sich rhythmische Kontraktionen nicht beobachten, nur solche am Truncus selbst. Diese Bewegungen setzten sich auch auf den Sinus fort, dessen Bewegungen eher als passive als als aktive zu bezeichnen wären. Wir ziehem es daher besonders auf Grund des von den peripheren Lymphherzen abweichenden Baues seiner Wan- dungen vor, denselben als kontraktilen Sinus und nicht als centrales Lymphherz zu benennen. Die Lymphherzen. Von Panızza werden die Lymphherzen bei Salamandra noch nicht erwähnt. Dieselben sind zuerst von J. MÜLLER (13) beobachtet worden, und zwar beschreibt er ein vorderes und ein hinteres Paar. MEYER (12) fügt den von MÜLLER ent- deckten 4 Herzen noch 2 vordere unter der Scapula gelegene hinzu. Weitere und noch genauere Angaben hierüber macht WELIKY (22). Er fand bei Salamandra im Schwanzteil außer den bekannten 2 Herzen jederseits noch 4, sogar 5, am Bauchteil oralwärts jeder- seits 3—4, und ferner noch 1—2 hinter dem Hinterrande der Sea- pula. Schließlich vermochte er noch histologisch kleine mit Muskeln versehene Bläschen im Sulceus lateralis nachzuweisen. Eine etwa gleiche Anzahl fand er (23) auch bei Triton taeniatus, beim Axolotl jederseits bis 20 und bei Proteus ebenfalls eine große Anzahl. Eine genaue Beschreibung der Lage der Lymphherzen wenigstens in der Schwanzgegend sowie ihrer Beziehungen zu anderen Gefäßen gibt FaAvaro (3). Endlich liefert Marcus (9) eine eingehende histologische Beschreibung der Lymphherzen bei Gymnophionen, bei denen er über 100 jederseits aufgezählt hat. Nebenbei erwähnt er, daß bei einer 1!/, cm großen Salamandra-Larve segmental angeordnete Lymphherzen existieren, welche denen der Gymnophionen »in allen Stücken zu entsprechen schienene. Nach unseren Befunden gibt es bei Salamanderlarven im ganzen 15 Lymphherzen jederseits.' Bereits MEYER stellt die Lage der von ihm beobachteten Lymph- herzen in der Abbildung richtig dar, behauptet aber, daß sie in der Furche zwischen den Intercostalmuskeln einerseits und den Mm. 36* 550 H. Hoyer und $. Udziela longissimus dorsi und dem sacrolumbalis andererseits liegen. Ge- nauere Angaben über die Lage der Lymphherzen finden sich bei WELIKY, FAvAaroO und Marcus, welche wir vollkommen bestätigen können. Demnach würden die Lymphherzen in der Seitenlinie zwischen dem M. dorsalis und dem M. abdominis externus und im Schwanzabschnitt zwischen der dorsalen und ventralen Partie der Schwanzmuskeln in den Myocommata zwischen zwei Myomeren liegen. Sie werden nach außen nur von einer Fascie und der Haut bedeckt, daher lassen sich auch die auf die Haut übertragenen Herzbewegungen an der lebenden Larve bei Lupenvergrößerung und geeigneter Beleuchtung unmittelbar beobachten. Das erste Herz (Fig. 1) der Reihe liegt zwischen dem 3. und 4. Myomer, das letzte zwischen dem 17. und 18. Die letzten 3 Lymphherzen liegen be- reits im Schwanzabschnitt. Die dem Kopfe näher gelegenen Herzen besitzen eine mehr kugelförmige Gestalt, weiter nach hinten nehmen sie die Form einer abgeplatteten Birne an. Die beiden ersten Herz- paare und die in der Gegend des Beckengürtels gelegenen sind die größten. Genau das gleiche fand Weuıky auch bei Axolotln. Im Mittel haben die Herzen folgende Dimensionen: 90 « Dicke, 106 u Breite und 137 u Länge. Ein jedes Herz ist, wie FAvARo richtig beschreibt, mit seiner Längsachse von vorn nach hinten und von innen nach außen gerichtet. Das Verhältnis der Lymphherzen zu den im Sulcus lateralis verlaufenden Gefäßen ist im allgemeinen so, wie es FAvaro bei Triton, Proteus und Salamandra beschreibt. Unmittelbar unter der Haut liegt (Fig. 9) das Vas Iymph. longitudi- nale laterale, dann folgt nach innen parallel zu dem ersten die von BEruGE (1) als V. eutanea magna und von WeLıky und FAvaro als V. lateralis bezeichnete Vene. Am tiefsten den Muskeln unmittel- bar aufliegend befindet sich im Myocomma das Lymphherz. Nach FavAro stehen die Herzen mit 2 Gefäßsystemen in Verbindung, nämlich mit zuführenden und abführenden. Bei Triton eristatus gehören zu den ersteren die intersegmentalen zwischen den dor- salen und den ventralen Myomerenabschnitten verlaufenden Lymph- gefäßzweige und ferner Zweige aus den hämalen (subvertebralen) Lymphgefäßen. Bei Proteus, Salamandra mac., Salamandrina persp. und Spelerpes, bei denen FAvAro longitudinale Seitenstämme be- schreibt, gehen auch diese Verbindungen mit den Lymphherzen ein. Die Mündungen der zuführenden Gefäße befinden sich nach FAvARo teils am caudalen Pole der Herzen, teils in der Nähe des vorderen eranialen, teils an der Außen-, teils an der Innenfläche der Herzen. Untersuchungen über das Lymphgefäßsystem von Salamanderlarven. 551 Die Mündung der Herzen, welche sich bei Trrton stets am cranialen Pole befindet, stellt nach FavAro das ausführende Gefäß in die Seitenvene dar. Bei Salamandra mac. findet sich bei den besser entwickelten Herzen am caudalen Pol ein Vas efferens, welches sich mit der Seitenvene verbindet. Das Vas efferens der weniger gut entwickelten Herzen steht entweder in Beziehung zu den venösen Gefäßen oder setzt sich in Lymphgefäße fort, welche dann mit den besser entwickelten Lymphherzen in Beziehung treten. So weit Favaro. Marcus führt an, daß bei Gymnophionen die Lymphe von den Eingeweiden in den periaortalen Lymphsinus ge- langt. »Diese Lymphe sowohl als auch die übrige Körperlymphe wird durch die Saugwirkung der Herzen und der großen in das- selbe mündenden Lymphgefäße sowie durch die Kontraktion letz- terer in das Lymphherz geschafft.«< Aus demselben gelangt die- selbe in die intersegmentale Vene und diese in die zuführende Nierenvene. In Anbetracht der Differenzen in den Angaben der Autoren er- schien es angezeigt, die Zu- und Abflüsse der Lymphherzen ein- sehender zu prüfen. Zu diesem Zwecke fertigten wir nach Serien- schnitten Wachsmodelle an, welche in Fig. 10 und 11 abgebildet sind. Mit Hilfe derselben ließen sich folgende Zuflüsse zu den Herzen feststellen: 1. ein aus der Tiefe des Körpers von den sub- vertebralen (hämalen) Lymphgefäßstämmen aufsteigender Ast 5; mit demselben vereinigt sich 2. der Ast c, welcher sich im vorher- gehenden Segment von dem longitudinalen Seitenstamm abzweigt; 3. ferner führt ein Ast g die Lymphe in demselben Segment aus dem Seitenstamm dem Herzen zu; endlich 4. der Ast ng, welcher aus dem Zusammenfluß jedes dorsalen und ventralen Intersegmental- gefäßes entsteht. Das letztere bildet unmittelbar am Herzen einen nach hinten offenen Bogen. Alle 4 aufgezählten Gefäße vereinigen sich unmittelbar an dem Herzen zu einem gemeinsamen Stamm, der am vorderen Herzpol in das Herz mündet. Durch das eindringende Gefäß wird die Herzwand nach innen eingestülpt und bildet an seinem Ende eine röhrenförmige Klappe. Letztere besteht aus glatten Muskelzellen, welche mit Endothelzellen bedeckt- sind (Fig. 9). Caudalwärts verjüngt sich das Herz und dringt mit seinem Ende in die Lateralvene ein. Infolgedessen bildet sich eine Klappe aus, welche ins Lumen der Vene hineinragt und ebenso gebaut ist wie die oben beschriebene. Ein gesondertes Vas efferens ist nicht vor- handen. Da das Blut in. der Vene eranialwärts strömt, so pumpen 552 H. Hoyer und $. Udziela die Herzen die Lymphe dem Blutstrom entgegen in die Vene ein. Von der aus den subvertebralen Stämmen kommenden Lymphe wird höchstwahrscheinlich nur ein Teil den Herzen zugeführt, der Rest fließt in den longitudinalen Seitenstamm ab, in welchem der Strom wie in der Vene cranialwärts gerichtet ist. Was den Bau der Lymphherzen anbetrifft, so wird derselbe von den Autoren ziemlich übereinstimmend angegeben. WELIKY (24) findet in den Lymphherzen von Proteus eine Auskleidung von Endo- thel und außen große quergestreifte Muskelfasern. Die Herzen liegen im Bindegewebe von zahlreichen Fettzellen umgeben. »Von dem Bindegewebe gehen zur Oberfläche des Herzens radiale Binde- sewebsfasern.« Auch bei Salamandra, Siredon und Triton fand WELIKY quergestreifte Muskelfasern. FAvAro fügt noch hinzu, daß bei Proteus das adventitielle Bindegewebe des Herzens kompakter und an elastischen Fasern reicher ist als beim Triton und daß bei Salamandra die Herzwand aus zwei teilweise selbständigen Muskel- schichten besteht. Marcus (9) beschreibt bei Gymnophionen zwischen Endothel und Muskeln eine elastische Membran, »die mit radiären Faserbündeln die Muskelschicht durchbricht und sich am straffen Bindegewebe fixiert«. Weiterhin berichtet er, daß die radiären Bündel aus ela- stischen Fasern bestehen. Den Herzen völlig analog sind die Lymph- gefäße nach Marcus gebaut. Hierzu haben wir zu bemerken, daß es uns nicht gelungen ist, bei Salamanderlarven die elastische Membran zwischen Endothel und Muskelfasern darzustellen, wohl aber radiär verlaufende elastische Fasern, die aber nicht so regelmäßig und bündelweise angeordnet sind, wie dies Marcus beschreibt und abbildet. Einen Aufbau der Herzwände aus zwei Muskelschichten habe ich ebenfalls nicht be- merkt. Hinsichtlich der übrigen Angaben stimmen unsere Befunde mit denen der genannten Autoren vollkommen überein. Die Lymphgefäße der Extremitäten. PanızzA gibt ganz treffende Beschreibungen und Abbildungen der Verteilung der Lymph- gefäße sowohl von der vorderen sowie auch von .der hinteren Ex- tremität. Er findet sie reichlicher an der vorderen. In beiden nehmen sie ihren Ursprung in feineren Netzen der Haut; aus diesen entstehen mehrere größere Gefäße, welche an den proximalen Extremitätenabschnitten entlang laufen. Diejenigen der Hinter- extremität münden in den Plexus vesicalis ein, diejenigen der vor- deren verlaufen teils vor der Scapula, teils über dem sternalen Teil Untersuchungen über das Lymphgefäßsystem von Salamanderlarven. 553 derselben, vereinigen sich alsdann und bilden einen oberflächlichen und tiefen Plexus in der Achsel, welcher die V. subelavia umgibt. Die oberflächliehen Plexus der beiden Seiten treten in der Sternal- gegend miteinander in Verbindung. Aus dem tiefen Plexus ver- einigen sich zwei oder mehrere Äste mit dem Duetus thoracieus der betreffenden Seite. Die Anordnung und der Verlauf der Lymplgefäße ließ sich an den Extremitäten der Salamanderlarven noch etwas genauer ver- folgen, als dies PanızzA bei erwachsenen Exemplaren gelungen ist. Ich lasse daher im folgenden die Beschreibung unserer Befunde folgen (Fig. 1). Die Lymphgefäße der Extremitäten beginnen mit feinen Gefäßen, von welchen je eins längs der Seitenfläche eines jeden Fingers verläuft. Indem sich die Gefäße von zwei sich be- rührenden Seitenflächen der Finger an deren Ansatz vereinigen, ent- steht daselbst ein kleiner Lymphsinus. Am fünfzehigen Fuß gebe es daher 4 und an der vierfingerigen Hand 3 solcher interdigitalen Sinus. Mittels kurzer Gefäße oder Geflechte stehen dieselben mit dem Lymphgefäßnetz in Verbindung, welches sich an der Innen- fläche der Hand bzw. des Fußes befindet. Auf den ersten Blick glaubt man es dort mit einem einheitlichen großen Lymphsack zu tun zu haben, der die ganze Hand- bzw. Fußfläche einnimmt. Bei genauerem Zusehen und besonders nach Abhebung der Epidermis erkennt man daselbst ein äußerst dichtes Gefäßnetz mit sehr kleinen Maschen, welches sich fast vom Ansatz der Finger über die Innen- fläche der Hand bzw. des Fußes auf den Unterarm bzw. den Unter- schenkel erstreckt. An der Hinterextremität reicht es bis zum Knie- gelenk, an der Vorderextremität geht das dichte Netz ungefähr in der halben Länge des Unterarms in ein lockeres über, in welchem sich zwei größere Längsgefäße unterscheiden lassen. Über dem Knie- bzw. Ellbogengelenk liegt ein kleiner Lymphsack, in welchem die Lymphgefäße des distalen Extremitätenabschnittes zur Vereinigung gelangen. Aus diesem gehen weiterhin an dem Oberschenkel zwei, am Oberarm drei untereinander durch vielfache Anastomosen ver- bundene größere Stämme hervor, welehe nach dem Körper zu ver- laufen. An der Hinterextremität münden dieselben in die ingui- nalen Lymphsäcke (Fig. 2), an der Vorderextremität wenden sich die zwei am meisten ventral gelegenen Stämme vor dem Schulter- gelenk nach vorn und in die Tiefe und verbinden sich von vorn her mit dem Axillarsack. Der am Vorderarm am weitesten nach hinten und dorsal gelegene Lymphstamm mündet von der caudalen 554 H. Hoyer und $. Udziela Seite in den Axillarsack. Die Lymphgefäße der beiderseitigen Vorderextremitäten gelangen in der Haut auf der Ventralseite des Sehultergürtels mittels eines regelmäßig angeordneten weitmaschigen Netzes zur Vereinigung. An der Außenfläche der Extremitäten ist die Anordnung der Lymphgefäße weniger regelmäßig. Aus den kleinen interdigitalen Sinus gehen feine Gefäße hervor, welche an der ganzen äußeren Oberfläche der Extremitäten ein großmaschiges Netz von feinen Ge- fäßen bilden. Dieselben vereinigen sich mit den nächstliegenden intersegmentalen Lymphgefäßen des Körpers. In der vorliegenden Untersuchung wurden hauptsächlich die großen Stämme des Lymphgefäßsystems und ihre Verbindungen untereinander und mit dem Venensystem berücksichtigt. Weniger Aufmerksamkeit wurde den in den verschiedenen Organen sich ausbreitenden Lymphgefäßen geschenkt, zumal da diese von PAnızzA und CALoRI in ausführlicher Weise behandelt worden sind. Die Auswahl der in der Entwicklung der Lymphgefäße bereits ziemlich weit vorgerückten larvalen Stadien erwies. sich bei den Unter- suchungen insofern sehr günstig, als dieselben hinsichtlich der Verteilung der Lymphgefäße mit erwachsenen Exemplaren unmittel- bar verglichen werden konnten. Andererseits war die Sicherheit gegebeu, daß bei der Untersuchung sämtliche größere Lymphgefäß- stämme berücksichtigt worden sind. Obwohl Repräsentanten anderer Amphibienordnungen in bezug auf die Anordnung der Lymphgefäße bereits vielfach untersucht worden sind, so lassen sich die verschiedenen Untersuchungs- ergebnisse bei ihrer Lückenhaftigkeit miteinander nur wenig ver- gleichen. Die Anuren können in dieser Hinsicht nur in ihren larvalen Entwicklungsstadien in Betracht gezogen werden, da die Ausbildung der weiten subeutanen Lymphräume der erwachsenen Anuren die ursprüngliche Anordnung der Lymphgefäße vollkommen verwischt. Über das Lymphgefäßsystem der Gymnophionen sind wir noch zu ungenügend unterrichtet, als daß dieselben in größerem Umfange in Vergleich gezogen werden könnten. Beschränken wir uns bei einem Vergleich nur auf die Iympha- tischen Hauptstämme, so erscheint die Existenz des Truncus lympha- ticus longitudinalis dorsalis wenigstens bei Urodelen- und Anuren- larven unzweifelhaft. Bei gewissen Anurenlarven, bei denen der Untersuchungen über das Lymphgefäßsystem von Salamanderlarven. 555 Flossensaum wie bei Dombina bis an den Kopf reicht, verläuft auch der dorsale Längsstamm bis zum Kopf und nimmt Zweige aus dem Flossensaum, der Muskulatur und der Haut auf. Ebenso konstant scheint in den beiden Ordnungen auch der T. lymph. long. ventralis zu sein, der auch bei Froschlarven bis zum Schwanzansatz reicht. Wir vermuten, daß die beiden Stämme auch bei Gymnophionen vor- handen sind. Die paarigen Seitenstämme treten bei Urodelen- und Anurenlarven auf, sicher erwiesen ist ihre Existenz noch nicht, je- doch sehr wahrscheinlich bei sämtlichen Urodelen und auch Gym- nophionen. Inwiefern die subvertebralen Stämme in der bei Sala- manderlarven geschilderten Entwicklung und Ausdehnung auch bei anderen Amphibien vorkommen, wäre erst noch festzustellen. Nach den bisherigen Untersuchungen beschränken sich dieselben bei Froschlarven nur auf den Thorax. Noch wenig aufgeklärt ist das Verhältnis der Lymphstämme, insbesondere der des Kopfes zum Venensystem. Erst wenn die berührten noch zweifelhaften Punkte durch weitere Untersuchungen vervollständigt sein werden, wird eine gewisse Grundlage zu vergleichenden Betrachtungen des Lymphgefäßsystems der niederen Wirbeltiere geschaffen sein. Krakau, im Januar 1912. Literatur. 1) BETHGE, E., Blutgefäßsystem von Salamandra macul., Triton taen. und Spelerpes fuscus. Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. 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Referat in HormAnn-ScHwALBEs Jahresb. 1889. Erklärung der Figuren auf Tafel XII und XII. a Aorta, b der aus den subvertebralen Stämmen aufsteigende Ast, Ast des Truncus Iymph. longitud. lateralis, welcher sich in dem dem Lymphherzen vorhergehenden Segment abzweigt, Ch Chorda bzw. Wirbelsäule, cl Cor lIymphaticum, dt Dwuetus thoraecieus, g Ast des Truncus lymph. longit. lateralis, welcher sich in dem dem Lymphherzen entsprechenden Segment abzweigt, A ee ne f en, N Morpholog.Jahrb. #4. Bo. NL I Hr N L Udziela und Weigner del. Verlag v Wilhelm E Taf. EUBERRBEEN DIR), TrreE AFunke Leipzig F 1 Anstw! u Rz] ") IS - I} ee N) Sesam o GE Morpholog.Jahrb. 44. Bd. Verlag v Wilhelm Eith Anstv.E AFunke Leipzig I% di; 4 " Untersuchungen über das Lymphgefäßsystem von Salamanderlarven. 557 intervertebrales Lymphgefäß, intersegmentales Lymphgefäß, Muskelbündel an der Dorsalwand des Lymphsinus des Truneus art., das zuführende Lymphgefäß des Lymphsinus des Truneus art., Ast, welcher aus dem Zusammenfluß des dorsalen und ventralen Intersegmentalgefäßes entsteht, III. und IV. Nerv des Plexus brachialis, Magen, Sinus axillaris, Sinus inguinalis, Sinus Iymphaticus cordis, Truneus arteriosus, Truneus lymphaticus jugularis, Truneus lymphat. longitud. dorsalis, Truneus lymphat. longit. lateralis, {lsv 'Truncus lymphat. longit. subvertebralis, Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. = a =] Truneus Iymphat. longitud. ventralis, Vena cardinalis anterior, Vena cardinalis posterior, Vena lateralis. Halbschematische Darstellung der Verteilung der subeutanen Lymph- sefäße der Salamanderlarve. Die subeutanen Lymphgefäße im Bereiche der Cloake, der Inguinai- gegend und der volaren Seite der Hinterextremitäten. Ausschnitt aus den mittleren Partien des Schwanzes nach Entfernung der Haut und eines Teiles der Muskulatur zur Darstellung der sub- vertebralen Stämme und der intervertebralen Geräße. Die 2 dunkel markierten Äste steigen zur Seitenlinie auf (in Fig. 9 mit b bezeichnet). Die Verteilung der Lymphgefäße an der Aorta (a), ihren Bögen und der Schädelbasis. Die Anordnung der Lymphgefäße in der Herzgegend und ihr Ver- hältnis zu den Blutgefäßen. S Magen; ns 3. und 4. Spinalnerv; sic Sinus Iymphaticus cordis auf der Dorsalseite des Truncus arterio- sus; sa axillare Lymphsinus, die Mündungen des Ductus thoracicus dt und des Seitenstammes zll! in denselben; 2j Truncus lymphaticus ju- gularis; vca und vep Vena cardinalis anterior und posterior. Die übrigen Bezeichnungen siehe oben. Die Verteilung der Lymphgefäße auf der Dorsalseite des Kopfes. Lymphgefäßverzweigung auf der Ventralseite des Kopfes. Querschnitt durch den Sinus Iymph. cordis in der Höhe der Mündung der zuführenden Gefäße nd: m Muskelbündel; ia Truneus arteriosus. Horizontalschnitt durch eine Salamanderlarve zur Veranschaulichung der Lymphherzen cl, des Seitenstammes Zlll, des Intervertebralastes b, der Seitenstammzweige ce und g und der Lateralvene vl. Abbildung des Rekonstruktionsmodelles von der ventralen Seite. Abbildung des Rekonstruktionsmodelles von der dorsalen Seite. Die Zeichenerklärung für beide Figuren siehe oben. ir a = 3 H » er 1 N uc » a EA nn D x d B DA UNE Ar DE 5 BIusl _ R B 7 zZ ro. ir .. an j Pea Dur TI ; a ur Fit zT [. a - BER. “Lu ei tin vs N er ERICHE: D a x Li re fan2 ns PAD FEREE? BE z - Ba ’ N DRILEM . “7 ® &2 h om ns wi = Hr, &ir > 3 k; En R } bs “ Rt er e - TH € ei -% [ A a se . u j x“ Br > i 4 ie 3 E I ” A “. “ 4 5 v ta," 743717 ‚ur * Pen Se u 7 { « ri z .. = 3297 ei k saırArt .r . Pr N ä * R| wi ur 6 ey a DE Vaart > un, eu Br ap rar am PR EEE = = 2 4 ik # y ae ware Arie Fu SLERt “u ..f . en a Fr) Besprechung. S. WEISSENBERG, Das Wachstum des Menschen nach Alter, Geschlecht und Rasse (Studien und Forschungen zur Men- schen- und Völkerkunde VIII). Strecker & Schröder, Stuttgart 1911. Der Autor hat seine Untersuchungen an einer großen Zahl von russischen Juden, also einem recht einheitlichen Material, angestellt. In einer kurzen Literaturbesprechung wendet er sich mit Recht gegen das Suchen nach einem in bestimmten Verhältnissen begründeten Modulus für die Körperproportionen des Menschen oder das Messen nach Kopfhöhen, weil dadurch die feinen Unterschiede verwischt würden. Auf die genaue Altersbestimmung legt der Autor besonderen Wert. Leider hat er sich einer Meßtechnik bedient, die von der gebräuchlichen nicht zu ihrem Vorteil abweicht; namentlich ist die Anwendung des Bandmaßes für die Extremitäten unzweckmäßig, weil durch die Entwicklung von Muskulatur und Fett zu sehr beeinflußt. Dagegen muß seiner Forderung, projektivische Messungen nach Möglichkeit zu vermeiden, vollkommen beigepflichtet werden (auch MArTın ‚mißt die obere Extremität neuerdings direkt, und die Projektion an der unteren ist unmerklich). Unzweckmäßig erscheint die Gegenüberstellung der Armlänge einschließlich der Hand mit der Beinlänge vom Trochanter major bis zum Boden, da hierbei morphologisch ungleichwertige Abschnitte verglichen werden. Ebenso ist es aus Gründen, die ich im letzten Bande dieser Zeitschrift auseinandersetze, nicht rätlich, die Körpergröße als Vergleichsmaß bei Berechnung der relativen Maße zu verwenden, da sie keine morphologische Einheit darstellt. Mit Messungen am Skelet ist ein Vergleich infolge der angewendeten Meßtechnik nicht durchführbar. Beim Fetus konstatiert der Autor die bekannte ständige Zunahme. der Extremitäten gegenüber dem Rumpf und die des Beines gegenüber dem Arm. Auch beim Neugeborenen bestehen noch ähnliche Verhältnisse (daß die Pro- portionen denen des Erwachsenen »entgegengesetzt« seien, weil der Rumpf länger als die Extremitäten und der Arm länger als das Bein, ist ungeschickt ausgedrückt). Ein Geschlechtsunterschied läßt sich zu dieser Zeit nicht feststellen. Beim Erwachsenen tritt die Geschlechtsdifferenz sowohl in den absoluten, wie in den relativen (in Promill der Körpergröße ausgedrückten) Maßen hervor, besonders die relativ größere Rumpflänge und geringere Extremitätenlänge der Frau, sowie ihre größere Hüftbreite. Die Körpergröße der Frau ist um 7% geringer. Weiterhin werden dann die Körpergröße, die Sitzhöhe, die Rumpflänge, Kopfhalslänge, die Länge der Extremitäten und ihrer Abschnitte in ihrer absoluten Zunahme geschildert, ebenso die Becken- und Kopfmaße, dann der Brustumfang, das Körpergewicht, Hub- und Druckkraft. Die genannten Maße werden auch in ihrem Verhältnis zur Körpergröße und in ihrem gegenseitigen Verhalten verfolgt. 560 Besprechung. Aus seinen Ergebnissen schließt WEISSENBERG, daß der Körper als Ganzes sowohl, wie seine einzelnen Teile Perioden gesteigerten und solchen verminderten Wachstums unterliegt, wobei die einzelnen Teile eine gewisse Selbständigkeit besitzen. Im allgemeinen charakterisiert er den Entwicklungsgang folgender- maßen: »Der Kopf wächst am schwächsten, das Bein am stärksten. Die Extremitäten wachsen intensiver als der Rumpf, das Bein intensiver als der Arm. Die Breitenmaße bleiben im Verhältnis zu den Längenmaßen zurück, indem der Körper das Bestreben offenbart, mehr in die Länge, als in die Breite zu wachsen. Ein weiterer Abschnitt behandelt das Alter, in welchem die einzelnen Körperteile ihre definitive Größe erreichen. Die sexuellen Differenzen der Proportionen rechnet der Autor mit Recht unter die sekundären Geschlechtsmerkmale. Er kommt zu dem Schluß: »Die dem Weib eigentümliche Körpergliederung ist weder eine Folge ihres kleineren Wuchses, noch eine solche ihres Stehenbleibens auf kindlicher Stufe, sondern ein Produkt ihres besonderen Entwicklungsganges.« Weiterhin werden die Einwirkungen äußerer Faktoren, insbesondere der Ernährung, sowie der Einfluß der Pubertät besprochen. Die Rasse hat wohl Einfluß auf die definitive Körpergröße, aber die von verschiedenen Autoren festgestellten Wachstumsgesetze gelten für die ganze Menschheit. Eine Be- sprechung des Zwerg- und Riesenwuchses bietet kaum etwas Neues gegenüber dem bereits Bekannten. Die Behauptung WEISSENBERGs, die Körperproportionen des Neugeborenen seien nicht phylogenetisch zu deuten, muß entschieden zurückgewiesen werden; wenn er das daraus schließt, daß die Proportionen des Neugeborenen mit denen eines erwachsenen Anthropomorphen nicht identisch sind, so ist das ein durchaus ungerechtfertigter Schluß. * Das letzte Kapitel enthält Versuche, gesetzmäßige Zusammenhänge zwischen intrauterinem und extrauterinem Wachstum, sowie zwischen Eintritt der Reife und Wachstum zu formulieren, wobei auch die Wirkung der inneren Sekretion von Schilddrüse und Thymus berührt wird. Die Ergebnisse sind durch zahl- reiche graphische Darstellungen erläutert. Im ganzen ist das Buch wirklich willkommen zu heißen und wird nicht nur dem Anthropologen, sondern auch dem Arzt und dem Erzieher von Nutzen sein. Um so mehr ist zu bedauern, daß der Autor sich nicht den sonst üblichen Methoden des Messens angeschlossen hat. MOoLLISON, Dresden. Berichtigung, Im Aufsatze »Der Bau der Sorieiden und ihre Beziehungen zu anderen Säugetieren« von Dr. AUGUSTA AÄRNBÄCK-CHRISTIE-LINDE, 2. Heft des 44. Bandes dieser Zeitschrift lies: Auf Seite 271, 5. Zeile von unten statt Didelphyiden Didelphia. Auf Seite 252, 254, 275, 281 und 283 statt Tafel I Tafel VI. he | = mn wu i 3 j hd v ® f ; \ ; e or Er Din = i N Pr “ N r . N 1 ® Fr = a * ' - . aa; EEE SEEN 2er A era Fr: 2 ri DZ $ J / Ar! - vy 5 " f 3 - a A = Ad lee Y.7 ee T w. { » Te Ze yr nn . x e 7 y ud L; h B fi f R E 2 —» Pr > -23 j * > ee -) R pi > f Be $ R- rr # = - MER): Z Br 227 Fu > Die Entwicklung des Schädelskeletes von Vipera aspis. Von Bernhard Peyer. Mit 22 Figuren im Text und Tafel XIV—XVI. Von jeher hat der Schädel der Schlangen durch zahlreiche Eigentümlichkeiten in seinem Bau das Interesse der Anatomen und Zoologen auf sich gezogen. Ich erinnere nur an die Lage des Kiefergelenkes hinter dem eigentlichen Schädel, an das Fehlen eines Trommelfelles, die Einfachheit des Zungenbeinapparates usw. Es ist auch der Schlangenschädel gewesen, von dem der Begriff der Trabeculae baseos cranii hergenommen wurde, welche Be- zeichnung in der Folge für den Wirbeltierschädel überhaupt ver- wandt wurde (Raruke 1839). Wenn aber W. K. Parker (1878, p. 411) von einem »ophidian standard« der Schädelentwicklung spricht und gerade im Schlangenschädel einen Schlüssel zum Ver- ständnis höherer Formen und zum Vergleich mit den Ichthyopsiden erblickte, so war das jedenfalls ein Mißgriff. Ohne Zweifel sind ja die Schlangen nach ihrer gesamten Organisation weitgehend nach einer Richtung hin differenziert im Sinne ihrer Lebensweise. Dieser Umstand darf auch bei der Betrachtung des gewiß in manchen Punkten außerordentlich einfach gebauten Schädels nicht außer acht gelassen werden. Vielmehr muß es das Bestreben des Untersuchers sein, diese einseitigen Formen an solche Typen anzuschließen, welche aus vergleichend-anatomischen Gründen und nach ihrer palä- ontologischen Vorgeschiehte wirklich als allgemein gelten können. Auf welche Grundform nun der hochspezialisierte Schlangenschädel am ehesten zurückzuführen ist, welche Züge in seiner ontogenetischen Entwicklung einer solchen Rückbeziehung das Wort reden, welche Morpholog. Jahrbuch. 44. 37 564 Bernhard Peyer Regionen des Schädels am stärksten verändert wurden, davon wird später die Rede sein. Fossile Schlangen sind nur in äußerst dürftigen Resten aus verhältnismäßig jungen Schichten bekannt. So sind wir für die Kenntnis vom Aufbau des Schädels bei dieser Ordnung neben der vergleichenden Betrachtung der erwachsenen Formen vornehmlich auf die Entwicklungsgeschichte angewiesen. Ich bin meinem verehrten Lehrer, Prof. A. Lang, sowie Herrn Prof. E. Gaupp in Freiburg, zu großem Dank verpflichtet, daß sie mir die Bearbeitung des vorliegenden Themas, die Entwicklung des Schlangenschädels, zur Aufgabe machten; denn diese Frage ist nach den großen älteren Arbeiten von RArHke (1839) und PArker (1878) nie mehr im Zusammenhang untersucht worden, obwohl sich die gesamte Schädelmorphologie seither beträchtlich weiter entwickelt hat, und auch die technischen. Hilfsmittel viel bessere geworden sind. Es wäre vielleicht wünschenswert gewesen, anstatt Vrpera aspis Tropidonotus natrix zu untersuchen und eine Anzahl zweifelhafter Angaben der älteren Literatur nachzuprüfen. Es war dies auch ursprünglich meine Absicht und Aufgabe; allein es gelang mir zu- erst, ein schönes Material von Embryonen der Juraviper zusammen- zubringen, bevor ich, trotz großer Anstrengungen, Natternembryonen vom richtigen Alter erhalten konnte. Als ich dann nachträglich doch eine recht große Zahl von Embryonen der Ringelnatter! zu kon- servieren Gelegenheit hatte, blieb ich doch bei der schon begonnenen Bearbeitung der Vipera aspis L., zumal da es einen gewissen Reiz hat, eine in ihrer Entwicklung überhaupt noch nieht eingehend untersuchte Form zu studieren. Es mag in dem nicht immer leicht zu beschaffenden Material begründet liegen, daß entwicklungsgeschichtliche Arbeiten über Schlangen nicht häufig sind. In erster Linie ist da die klassische Arbeit von HEinkıcn RATHkKE (1839) zu nennen: Die Entwicklungs- geschichte der Natter (Coluber natrix). In diesem Werke sind die Verhältnisse, soweit sich vor einer eingehenden Nachprüfung be- urteilen läßt, schon sehr zuverlässig und in ausgezeichneter Weise beschrieben. Rarukes Darstellung ist nur in denjenigen Punkten nieht mehr zutreffend, wo die ausschließlich makroskopische Arbeits- ° 1]Ich ließ die Eier in feuchtem Sägemehl in einem geräumigen Ther- mostaten bei 28° C sich weiter entwickeln und entnahm dem Apparat sukzessive die verschiedenen Stadien. Bei diesem Verfahren gingen von zahlreichen Eiern nur außerordentlich wenige zugrunde. Hingegen gelang mir die Überwinterung der ausgeschlüpften Tiere nicht. Die Entwicklung des Schädelskeletes von Vipera aspis. 565 weise ihm über den histologischen Charakter mancher Teile nicht genügenden Aufschluß liefern konnte. Die nächste größere Arbeit ist diejenige von PARKER (1878): On the structure and development of the skull in the common snake. PARKER gebührt das Verdienst, daß er mit zahlreichen guten Abbildungen eine Reihe von Tat- sachen erläutert hat. Seine Bilder fanden denn auch bei zahl- reichen anderen Autoren Aufnahme, da sie neben den Tafeln des RarHkeschen Werkes lange beinahe die einzigen bildlichen Dar- stellungen der Entwicklung eines Ophidiers repräsentierten. Dagegen ist die Beschreibung und Namengebung bei PARKER nicht immer zweckmäßig, da sie nicht streng nach einheitlichen Gesichtspunkten erfolgte und stark von Vorstellungen über den Bau des Schädels beherrscht wurde, die sich als unhaltbar erwiesen haben. Der Schlangenschädel gehört nicht zu denjenigen Objekten, auf deren Untersuchung allgemeinere Theorien sich gründeten oder die, durch zahlreiche Arbeiten zum Gegenstand großer Kontroversen gemacht, so nach allen Seiten hin beleuchtet wurden. Aber die jeweiligen allgemeinen Fortschritte machten sich naturgemäß auch in der speziellen Frage nach dem Aufbau des Ophidiereraniums geltend, und so mag es nicht unangebracht sein, hier in kurzem Abriß auch einige Arbeiten zu nennen, die für die Eutwicklung der Lehre vom Schädelbau überhaupt bedeutsam waren. Die GOETHE-Okensche Wirbeltheorie des Schädels hat, obwohl RATHKE ein Anhänger dieser Anschauungen war, seine Darstellung des Natternschädels nicht beeinflußt, indem er unbefangen und mit gleichmäßigem Interesse die tatsächlichen Verhältnisse beschrieb. L. Jacogson führte (1842) den Begriff Primordialeranium in die Wissenschaft ein. Die Unterscheidung von Deck- und Ersatzknochen seht hauptsächlich auf eine Arbeit von KÖLLIkEr (1849) zurück. Huxteys berühmte Abrechnung mit der Wirbeltheorie des Schädels (1858) sowie der lebhafte Streit um die Homologie der Gehör- knöchelehen seit den sechziger Jahren mögen ebenfalls erwähnt werden. In der Morphologie des Schädels von PARKER und BETTANY ist der Schädel von Tropedonotus natrix eingehend behandelt. 1878 folgt die schon besprochene Arbeit von W. K. PARKER, On the structure and development of the skull in the common snake. Durch GEGEN- BAUR (1871, 1872) wurde die Frage der metameren Natur des Schädels zur Frage nach der Metamerie des Kopfes überhaupt. In diesem Zusammenhang müssen auch die Arbeiten von StöHr (1879, 1881, 1882), Frorıep (1882), FÜRBRINGER (1897) und anderen genannt ar 566 Bernhard Peyer werden, obwohl die Beziehungen zu meinem Thema nicht unmittel- bare sind. 1878 beschrieb Hasse monographisch das Gehörorgan der Ringelnatter. In der bekannten Arbeit von Born (1883) über die Nasenhöhlen und den Tränennasengang der amnioten Wirbel- tiere werden Tropidonotus natriv und Pelias berus behandelt. C. K. Horrmann gab in Broxns Klassen und Ordnungen des Tier- reiches (1886) eine zusammenfassende Darstellung alles dessen, was bis dahin über die Entwieklung der Schlangen bekannt war. Die jüngste Periode in der Geschichte der Schädelmorphologie ist an einen technischen Fortschritt geknüpft, an die allgemeine Anwen- dung des Hıs-Borvschen Plattenmodellierverfahrens. Für den Ver- gleich kam in erster Linie in Betracht das Gauprsche Modell des Primordialeraniums von Lacerta agilis (1900), sodann Hatteria (ScHaumsLAanD 1900) und Emys (Kunkeu 1911). Bei der vorliegenden Untersuchung habe ich mich hauptsächlich auf die zahlreichen Arbeiten von E. GAupPp gestützt. Insbesondere nenne ich: Das Primordialeranium von Lacerta agilis (1900), Die Metamerie des Schädels (1898), Ontogenese und Phylogenese des schallleitenden Apparates bei den Wirbeltieren (1899), das Kapitel: »Die Entwicklung des Kopfskelettese im HerrwIgschen Handbuche (1906), Zur Entwieklungsgeschichte und vergleichenden Morphologie des Schädels von Echidna aculeata var. typica (1908), Die Ala tem- poralis des Säugerschädels und die Regio orbitalis einiger anderer Wirbeltierschädel (1902). In der letztgenannten Arbeit ist die Orbito- temporalregion der Schlangen speziell berücksichtigt, wie auch in der neuesten Arbeit von Gaupp, Beiträge zur Kenntnis des Unter- kiefers der Wirbeltiere (1911), Python und Tropidonotus behandelt werden. Es steht mir nicht zu, mich über die große Bedeutung der genannten Arbeiten, über die darin enthaltenen Gesichtspunkte, über die durch diese Untersuchungen begründete rationelle Nomenklatur des Primordialeraniums hier zu äußern. Dagegen möchte ich an dieser Stelle Herrn Professor Gaupp meinen tiefen Dank aussprechen für die mannigfache Hilfe, die er durch Rat und Tat in so wohl- wollender Weise mir zuteil werden lieb. Ebenso möchte ich meinem verehrten Lehrer Herrn Professor HESCHELER meinen Dank abstatten für seinen schätzbaren Rat und zahlreiche Literaturnachweise, mit denen er meine Arbeit freund- lichst- unterstützte, und schließlich meinem Freunde C. AD. ScCHÜück, der bei der monatelangen und nicht immer kurzweiligen technischen Arbeit des Modellierens mir getreulich Hilfe leistete. Die Entwicklung des Schädelskeletes von Vipera aspis. 567 Das Material zu der vorliegenden Arbeit lieferten eine große Anzahl von Embryonen der Vipera aspis L. Ich erhielt die träch- tigen Exemplare — Vipera ist bekanntlich ovovivipar — namentlich aus dem Schweizer Jura zugesandt, chloroformierte sie und ent- nahm ihnen die Eier. Die von BarLowırz (1901) bei der Kreuzotter angewandte Decapitation nach vorhergegangener Narkose erwies sich hier nicht als notwendig. Gleichzeitig sammelte ich während zweier Sommer ein umfangreiches Material von Embryonen der Ringelnatter, zu dessen Bearbeitung ich später zu gelangen hoffe. Als Fixierungsflüssigkeit verwandte ich in erster Linie Sublimat- Eisessig, gelegentlich ZEnkErsche Flüssigkeit. Zum Einbetten be- nützte ich fast ausschließlich Paraffin. Celloidin kombiniert mit Paraffin ergab namentlich bei größerer Schnittdieke schöne Resul- tate. Von den Färbeverfahren fand ich die Dreifachfärbung: Borax- karmin-Bleu de Lyon-Bismarekbraun am zweckmäßigsten. (Stück- färbung in Boraxkarmin, Schnittfärbung in 1/,%/,iger alkoholischer Lösung von Bleu de Lyon und hernach in alkoholischer, nach W EIGERTS Vorschrift hergestellter Lösung von Bismarckbraun!.) Hie und da wird nach der Braunfärbung eine nochmalige Blaufärbung notwendig. Die Färbedauer muß für jeden Fall kontrolliert werden, da sie sich nach dem Alter des Embryos, der Schnittdicke und dem Alter der verwendeten Farblösung richtet. Bei älteren Stadien kann die Blaufärbung leicht zu intensiv werden. Die Methode ist namentlich auch für das Studium der Nerven günstig. Nach dem Bornschen Plattenmodellierverfahren (PETER 1906) fertigte ich zwei Modelle des Primordialeraniums von Vipera aspis auf einem jüngeren und einem älteren Stadium an. Beim jüngeren Stadium wurden die wenigen vorhandenen Deckknochen beid- seitig modelliert; beim älteren gelangten sie, wie üblich, nur auf der rechten Seite zur Darstellung. Die Schnittdicke betrug beim ersten Modell 10 « und jeder zweite Schnitt wurde gezeichnet bei 50facher Vergrößerung, woraus eine Plattendieke von 1 mm resul- tierte. Beim älteren Stadium betrug die Schnittdicke 20 «. Im vorderen Teile des Modelles wurde jeder Schnitt gezeichnet, weiter hinten nur jeder zweite Schnitt, natürlich unter entsprechender Änderung in der Dicke der Wachsplatten Die Modelliermasse be- stand zu gleichen Teilen aus Bienenwachs und Paraffin vom Schmelz- punkt 42°. Das erste Modell umfaßt 229 Schnitte von 10 u, das 1 SCHOEBEL 1909. 568 Bernhard Peyer zweite 719 Schnitte von 20 u!. Der Direktor des anatomischen In- stitutes in Zürich, Prof. G. RugE, gestattete mir freundlichst, das gesamte zum Modellieren notwendige Instrumentarium, namentlich den vorzüglichen Zeıssschen Projektionsapparat zu benutzen, wofür ich ihm ergebenst den besten Dank aussprechen möchte. Herr Pro- fessor FELIX unterstützte mich mit seiner reichen Erfahrung in der Praxis des Modellierens in der liebenswürdigsten Weise; auch ihn möchte ich an dieser Stelle meines aufrichtigen Dankes versichern. Neben dem Studium der Schnittserien brachte ich auch die Färbung des Knorpels in toto durch Methylgrün, Methylenblau, Bismarekbraun, nach verschiedenen Vorschriften? unter nach- folgender Aufhellung des Präparates zur Anwendung. Ich erhielt damit namentlich gute Bilder vom Meckeuschen Knorpel und vom Hyoid, während die tiefer liegenden Teile nicht mit der wünschens- werten Genauigkeit zu erkennen waren. Von Maßen berücksichtigte ich die Gesamtlänge des Embryos sowie die Entfernung von der Nasenspitze zum höchsten Punkte der Scheitelbeuge.e Zum Erkennen des Alters eines Schlangenembryos innerhalb gewisser Grenzen ist die relative Länge des Unterkiefers meines Erachtens ebenfalls gut zu gebrauchen. Beschreibung des I. Modelles. Cranium eines Embryos von Vipera aspis L. von 70 mm Gesamtlänge. A. Das Chondrocranium, 1. Basalplatte und Chorda dorsalis. Der hintere Schädelabschnitt, dessen Grundlage die Basalplatte bildet, nimmt bei Vipera einen größeren Teil der Gesamtschädel- länge ein, als dies bei Zacerta der Fall ist. Die Basalplatte (Taf. XIV, Fig. 1) läßt sieh gegenüber den umgebenden Teilen in genau der- selben Weise abgrenzen, wie es Gaurp (1900, 5. 411) für die Eidechse beschrieben hat. Es bilden also ebenfalls die Crista sellaris eine vordere quere Begrenzung, und eine hintere, quer verlaufende Linie die Grenze gegen die Wirbel. Die Grenze gegen die seitliche "Oceipitalregion verläuft schräg von hinten innen nach vorn außen an der Basis des Oceipitalpfeilers, diejenige gegen die Ohrkapsel seitlich in sagittaler Richtung. Einzig der seitliche vordere freie ı Davon entfallen eine große Anzahl auf das weit caudalwärts reichende Hyoid. 2 LunpvALL (1904, 1905); Bakay (1902); van WıJHueE (1902). Die Entwicklung des Schädelskeletes von Vipera aspis. 569 Rand der Basalplatte fügt sich nicht jenem Achteck ein, das bei Lacerta die Grundform des Gebildes darstell. Vorn hängt die Basalplatte mit der Ohrkapsel zusammen (Taf. XIV, Fig. 3). Hinten wird sie von ihr durch den einen Schenkel der Fissura metotica getrennt (Taf. XIV, Fig. 2). Die Basalplatte grenzt also nur vorn an die Trabekel, seitlich eine Strecke weit an die Ohrkapsel und weiter an die Oeeipitalpfeiler. Im übrigen ist ihr Rand völlig frei. Sie wird durchsetzt von einer großen, analog wie bei Lacerta ge- lagerten Fenestra basicranialis posterior (Taf. XIV, Fig. 1 u. 2), welche eine bloße Lücke in der Verknorpelung darstellt und weder Nerven Fig. 1. Ba wur ie; Foramen endolymphaticum ——: er wh 3 AR (— Ohrkapsel Quadratum vordere Austrittsöffnung des N. hypoglossus Stelle der hinteren Hypoglossusöffnung /Chorda dorsalis Atlas S RS Dens epistropheos Basalplatte Schnitt durch die Oceipital- und Oticalregion. Embr. 74a. 6, 2, 3. I. Modell. Vergrößerung 25 :1. noch Gefäßen Durchlaß gewährt. Der N. abducens durchsetzt die Basalplatte in ihrem vorderen seitlichen Teile in schräger Rich- tung. Die Crista sellaris ist eher breiter als bei Lacerta. Die Basalplatte ist durchaus einheitlich. Obwohl sie zwei Regionen des Schädels durchzieht, weist sie keinerlei Trennung auf. Die Brücke von der Basalplatte zur Ohrkapsel wird durch das Faeialisloch in eine breite Commissura basicapsularis posterior und eine sehr schmale Commissura basicapsularis anterior getrennt. 1 Der Kanal des Nerven ist so fein, daß er erst beim Modellieren über- sehen wurde, bis mich Herr Prof. Gaupp darauf aufmerksam machte. 570 Bernhard Peyer Die Chorda dorsalis (Taf. XIV, Fig. 1) tritt aus dem Zahn des Epistropheus auf die Dorsalfläche der Basalplatte (Textfig. 1), welche streckenweise eine Delle zu ihrer Aufnahme aufweist. Obwohl das modellierte Stadium ein erheblich jüngeres ist, als dasjenige des von GAuPpP beschriebenen Zacerta-Embryos, so reicht doch die Chorda dorsalis bei weitem nicht mehr bis zum Hinterrand der Crista sel- laris, sondern hört schon ein gutes Teil vor dem Hinterrand der Fenestra basieranialis posterior auf. Es wird jedoch in einem späteren Abschnitte gezeigt werden, daß auf noch früheren Stadien das Verhalten der Chorda durchaus das bei Reptilien-Embryonen typische ist, d.h. daß sie beinahe bis zur Hypophysis reicht (vgl. Textfig. 15). 2. Oceipitalregion. An der Oceipitalregion des knorpligen Primordialeraniums lassen sich ein basaler, zwei seitliche und ein oberer Teil unterscheiden. Davon entspricht der basale dem hinteren Teile der Basalplatte und wurde dort beschrieben. Da, wo er jederseits in die seitliche Partie, den Oceipitalpfeiler übergeht, finden sich nahe beisammen 2 Hypo- slossuslöcher (Taf. XIV, Fig. 3). Oben gehen die Oceipitalpfeiler, indem sie medianwärts umbiegen und miteinander und mit der die höchsten Stellen beider Ohrkapseln verbindenden Knorpelbrücke sich vereinigen, in das Teetum posterius (Taf. XIV, Fig. 1, 2, 3) über. Dabei nehmen sie oben auch an sagittaler Ausdehnung zu, während ihre Dieke abnimmt. Nach vorn trennt sie die schon erwähnte Fissura metotica von der Ohrkapsel. Die Fissur reicht sehr weit nach oben. In ihrer Fortsetzung nach oben deutet eine Furche noch eine Strecke weit die Trennung von Tectum posterius und Ohr- kapsel an (Taf. XIV, Fig. 3). Die Oceipitalregion hat an der Bil- dung des Teetum posterius durchaus den Hauptanteil. Die dorso- medial vereinigten Gehörkapseln tragen nur wenig dazu bei. Die Fissura metotica ist in durchaus typischer Weise vorhanden (vgl. Gaupp 1900, S. 444)1, 3. Labyrinthregion. Bei der Betrachtung der Seitenansicht des Modelles macht sich fühlbar, daß das Cranium in schwachem Maße die Scheitelbeuge des 1 Es mag noch bemerkt werden, daß auf dem modellierten Stadium die Pila oceipitalis schon aus fertigem Knorpelgewebe besteht, während im Gebiet der Ohrkapsel sich noch große Strecken von Vorknorpel und Zellknorpel finden. Die Entwicklung des Schädelskeletes von Vipera aspis. 571 aufliegenden Gehirnes ebenfalls mitmacht, und daß so der chor- dale Sehädelabschnitt gegen den prächordalen abgebogen ist. So kommt es, daß die nachmals höchste Stelle der Gehörkapsel, die Gegend des Sinus superior, nach hinten schaut, während die künftig vorderste Partie am Übergang des vorderen Bogenganges in seine Ampulle, die Cupula anterior, die höchste Lage einnimmt (Taf. XIV, Fig. 3). Die Grenzen der Gehörkapsel sind schon durch die bisher beschriebenen Schädelteile gegeben. Nach hinten durch die Fis- sura metotica jederseits von den Oceipitalpfeilern getrennt, verbindet sie sich dorso-medial mit denselben zum Tectum posterius. Von der Basalplatte trennt dieselbe Fissur, indem sie rechtwinklig um- biegt, die Ohrkapsel im hinteren Teile. Im vorderen Teile stellt die breite basicapsulare Commissur, durch das Foramen für den N. facialis in eine schmale vordere und eine größere hintere Brücke geteilt, die Verbindung her (Taf. XIV, Fig. 1). Nach vorn umgibt die Ohrkapsel gemeinsam mit dem vorderen Seitenteil der Basal- platte von hinten die weite Incisura prootica (zur Aufnahme des Ganglions des 2. und 3. Trigeminusastes bestimmt). Im übrigen ist der vordere und obere Rand der Ohrkapsel völlig frei. Es ist nicht wohl möglich, ohne Zwang die Gesamtform der Ohrkapsel mit irgendeinem geometrischen Körper zu vergleichen. Immerhin lassen sich eine mediale, eine laterale und schließlich eine kleine vordere Fläche unterscheiden. Das äußere Relief ist erst schwach ausgeprägt. Wie schon RATHKE bemerkt, sind ja die Bogengänge auf frühen Stadien auch relativ kleiner. Jedoch lassen sich an der lateralen Wand die drei Bogengänge mit ihren Ampullen durch ihnen entsprechende Promi- nenzen erkennen. Also finden wir eine Prominentia semieireularis anterior, Prom. ampullae anterioris, Prom. semicireularis lateralis, Prom. ampullaris lateralis, Prom. semiecireularis und ampullaris po- sterior. An der medialen Wand tritt die Prominentia utrieularis am stärksten hervor. Auch die Prom. semieireularis anterior und poste- rior sind erkennbar. | Es finden sich folgende Öffnungen im Gebiete der Ohrkapsel: ein großes noch einheitliches Foramen acustieum, das einen Teil der mediälen Wand einnimmt und durch dessen vordere Partie der vordere, durch dessen hintere Partie der hintere Acusticusast in den Labyrinthraum tritt (Taf. XIV, Fig. 1); etwas vor dem Sinus superior das Foramen endolymphaticum 572 Bernhard Peyer für den Ductus endolymphaticus (Aquaeductus vestibuli). (Taf. XIV, Fig. 1.) Dem Vorderrande des Tectum posterius liegt jederseits ein großer Saceus endolymphaticus an. An der lateralen Wand wird die große Fenestra vestibuli durch die Fußplatte der Columella verschlossen (Taf. XIV, Fig. 3). Während auf älteren Stadien diese Fußplatte zum großen Teil einem aus- gedehnten perilymphatischen Raume anliegt, ist sie auf dem jungen modellierten Stadium den häutigen Teilen des Labyrinthes, speziell dem Saceulus und der Lagena, viel näher. Ein Ductus perilympha- ticus oder andere perilymphatische Räume bestehen noch nicht. Der Raum zwischen den häutigen Bestandteilen und dem Knorpel ist mehr oder weniger gleichmäßig von embryonalem Bindegewebe er- füllt (Textfig. 1). Auch hier führt eine Fenestra rotunda sive cochleae aus dem die Lagena beherbergenden Teile der Gehörkapsel in den Recessus scalae tympani, an dem sich eine Apertura medialis gegen den Schädelraum und eine nach außen führende Apertura lateralis unter- scheiden lassen. Durch die den Raum der Schnecke medial be- grenzende Knorpelwand und von da nach außen tritt ein Nerv, den ich vorläufig nicht mit Sicherheit bestimmen konnte. Des Foramen faciale, das hinter der Ineisura prootiea liegt, wurde schon Erwähnung getan (Taf. XIV, Fig. 1, 3). Durch die Fissura metotica treten der Glossopharyngeus, der Vagus-Accessorius und eine Vene. Der Binnenraum der Öhrkapsel ist insofern sehr einfach ge- staltet, als erst der vordere Bogengang durch eine knorplige Wand, ein Septum semieirculare anterius, in seinem dem Sinus superior benachbarten Teile von dem im übrigen noch einheitlichen Raume abgetrennt ist. Eine nach einem Schnitt der modellierten Serie gezeichnete Abbildung soll die Lagerung der Teile im einzelnen er- läutern (Textfig. 1). Zu bemerken ist noch, daß die Verknorpelung der Gehörkapsel überhaupt auf dem modellierten Stadium noch recht wenig weit ge- diehen ist. Im Gebiete des vorderen Bogenganges befindet sich ganz vorn eine Stelle, wo direkt eine Lücke in der Wandung exi- stiert. Diese Lücke wurde am Modell aus technischen Gründen nicht dargestellt. Ich glaubte sie vernachlässigen zu dürfen, da sie auf wenig älteren Stadien nicht mehr besteht. Die Entwicklung des Schädelskeletes von Vipera aspis. 573 4. Columella anuris. Die Columella auris ist auf dem dargestellten Stadium ein leicht geschwungener, nach außen sich verjüngender, einheitlicher Knorpel (Taf. XIV, Fig. 2 und 3). Eine runde Fußplatte ist, allerdings nicht so scharf wie später, vom Stiel abgesetzt. Sie verschließt die Fenestra vestibuli. Das distale Ende ist der Mitte des Quadratums bis zur Berührung genähert. Der Knorpel ist wie gesagt einheitlich. Ein selbständiges weiteres Knorpelstück in der Nachbarschaft des Quadratums tritt erst auf späteren Stadien auf. Das dem Quadra- tum anlagernde Ende der Columella ist außerordentlich einfach ge- staltet. Es ist, da kein Trommelfell vorhanden ist, naturgemäß auch nicht zu einem besonderen Insertionsteil ausgebildet (Textfig. 7). Daß die Columella mitsamt dem Quadratum eine beträchtliche Drehung durchmachen muß, um aus der auf dem dargestellten Sta- dium eingenommenen zur definitiven Lage zu gelangen, ist aus einem Vergleich der beiden modellierten Stadien ohne weiteres ersichtlich. 5. Orbito-temporal-Region. Was das knorplige Primordialeranium dieser Region vornehm- lich charakterisiert, ist seine große Einfachheit. In seiner ganzen Ausdehnung von der Crista sellaris und dem seitlichen Vorder- rand der Basalplatte bis zum Hinterrand der Ethmoidalregion be- steht das gesamte neurocraniale Skelet lediglich aus den Trabeculae baseos cranii, den seitlichen Schädelbalken (Taf. XIV, Fig.1, 2, 3). Vom lateralen Rande der Crista sellaris und von den Seitenteilen des Vorderrandes der Basalplatte abgehend, umgeben die Trabekel in sanftem, nach außen konvexen Bogen die Fenestra basieranialis anterior 8. fenestra hypophyseos, welche der Hypophysis und den inneren Carotiden Durchlaß gewährt (Taf. XIV, Fig. 1 und 2). Die Form der Fenestra ist ungefähr die eines Dreiecks mit nach vorn gerichteter Spitze. Je im hinteren seitlichen Winkel befinden sich, zwischen Crista sellaris und Trabekel scharf ausgeprägt, die Aus- buchtungen für den Eintritt der jederseitigen A. carotis interna (Taf. XIV, Fig. 1 und 2). Vor der Fenestra treten die Trabekel bis zur Berührung zusammen, ohne jedoch zu verschmelzen. Im wei- teren Verlauf nach vorn weichen sie wieder etwas auseinander, um sich beim Eintritt in die Ethmoidalregion zur Bildung des Septum nasi zu vereinigen. Zur Bildung eines Septum interorbitale kommt 574 Bernhard Peyer es nieht. Obwohl der Schädel von ausgesprochen tropibasischem Charakter ist, kommen sich die Augen doch medianwärts nicht so nahe, wie etwa bei Lacerta. Die Trabekel sind auf der ganzen Länge ihres Verlaufes etwa von gleicher Stärke und von rundlichem Querschnitt. (Textfig. 2.) Von der gesamten Seitenwand der Orbitotemporalregion, wie Fig. 2. / 5 \ N VAR N mandibularis 5% BT N R Meckel'scher Knorpel Schnitt durch die Hypophysis. Embr. 74a. 12, 2, 2. I. Modell. Vergrößerung 25:1. sie bei Selachiern in mächtiger Ausbildung besteht, noch bei Amphi- bien gut entwickelt ist und bei zahlreichen Reptilien durch mehr oder weniger leichtes Spangenwerk in ihrem ursprünglichen Be- stande noch umrissen wird, existiert rein gar nichts mehr. Es wird im allgemeinen Teile zu zeigen sein, daß wir, wenn schon im Ver- lauf der Ontogenese nichts Derartiges angedeutet ist, dennoch zum Verständnis dieses Befundes gewaltige Reduction einer früher vor- Die Entwicklung des Schädelskeletes von Vipera aspis. 575 handenen knorpligen Seitenwand der Orbitotemporalregion aus anderen Gründen postulieren müssen. PARKER beschreibt für Tropidonotus (1878 p. 410) ein etwa in der Mitte der Orbitotemporalregion gelegenes, diskretes Knorpel- stück, »das dem Hinterrande des absteigenden Teiles des Frontale ansitzt«e. Der Knorpel wird Pl. 31, Fig. 1 abgebildet und als Orbito- sphenoid bezeichnet. Ein solcher Knorpel besteht bei Vipera nicht. Falls er wirklich bei Tropedonotus existiert, so würde sich diese Form vor Vipera auszeichnen durch den Besitz eines kleines Restes einer ehemaligen knorpligen Seitenwand der Orbitotemporalregion. Ich halte indessen die Angabe von PARKER durchaus nicht für sieher und möchte sie bei nächster Gelegenheit nachprüfen. Auf jeden Fall sollte auch die Abbildung bei RATHkE, Tab. VII, Fig. 17, was den »vorderen Keilbeinflügel« anbetrifft, dabei revidiert werden, da sie von der PArKERSchen Darstellung abweicht. 6. Ethmoidalregion. Aus der Vereinigung der Trabekel geht vorn das Septum nasi hervor. Seine untere Kante ist gegen die Achse der Trabekel stark abgebogen. Es reicht nach vorn bis zu der Stelle der Anlage des unpaaren Praemaxillare. Das Septum ist auf diesem Stadium die stärkste Partie des Ethmoidalskeletes und auch in der Verknorpelung am weitesten gediehen. Von hinten her nimmt es an Höhe zu bis zu der Stelle, wo die Hinterränder der Nasenkapsel-Kuppeln (Cartila- gines eupulares) in das Septum übergehen. Von da senkt es sich bis zu der schon erwähnten Stelle der Anlagerung des Praemaxillare, indem die Spalte zwischen den Cartilagines eupulares immer tiefer wird. Die beiden Kuppeln setzen sich vor dem Septum noch eine Strecke weit völlig voneinander getrennt nach vorn fort. Dach- und Bodenteil besitzt das Ethmoidalskelet auf diesem Stadium eigentlich nur in seiner vordersten Partie, wo diese Bil- dungen durch die Cartilagines cupulares repräsentiert werden. (Taf. XIV, Fig. 1 und 2.) Weiter nach hinten besteht, abgesehen da- von, daß die Seitenwand an einer Stelle oben etwas medianwärts greift, überhaupt kein Dach, und der ganze Boden der Nasenkapsel wird durch die kleine Schale unter dem Örganon vomeronasale (Jacobsonii) dargestellt. Eine Seitenwand der Nasenkapsel ist kräf- tiger entwickelt (Taf. XIV, Fig. 1 und 2.) Sie ist in der Richtung von außen unten nach innen oben zur Muschel (Concha) einge- faltet. Der Aditus eonchae ist in ganzer Ausdehnung offen. Nach 576 Bernhard Peyer vorn steht die Seitenwand mit der Cartilago cupularis in Verbin- dung, nach hinten mit dem Septum nasi, nach unten mit dem Knorpel unter dem Organon vomeronasale. So umschließt die Seiten- wand gemeinsam mit dem Septum und der Verbindung zwischen Seitenwand und Septum, sowie mit der Cartilago cupularis jeder- seits eine einzige große dorsale Öffnung. Die vorn seitlich gelegene Fenestra narina ist hinten offen (Taf. XIV, Fig. 3.) In ihrer Um- grenzung finden sich oben und unten zwei knorplige Fortsätze, die wohl mit Recht als Cartilagines alares superior et inferior bezeichnet werden dürfen. Zwischen Muschel und äußere Nasenwand schiebt ‘sich, von oben her kommend, ein Recessus extraconchalis der Nasen- höhle ein. Auf dem Querschnitt zeigt die Muscheleinfaltung die Form eines tiefen U, dessen Öffnung schräg nach unten schaut. Die Cartilagines cupulares in ihrer Verbindung mit dem Septum nasi bieten auf Querschnitten das überaus elegante Bild einer leicht ge- schwungenen Gabel. Man versteht es daher, wenn PARKER bei der Beschreibung des Nasenskeletes der Schlangen von einem »pleasant piece of morphology« spricht. Die Schale des Organon vomeronasale ist nach oben konkav (Taf. XIV, Fig. 1). Der mediale Rand der Schale ist stärker auf- gebogen, da nur er in den vom Boden des Organes sich erhebenden Wulst tritt, während die mediale Partie des Organes der knorpligen Unterlage entbehrt. Gegenüber den späteren Stadien ist zu be- merken, daß eine Verlängerung des Knorpels nach hinten in die Gegend der Choanen noch fehlt. Die Verbindungen der Knorpel- schale lateralwärts zur Concha, medianwärts zum Septum nasi, be- stehen nur aus stark verdichtetem Gewebe. Man gewinnt bei Be- trachtung von Querschnitten den Eindruck, daß hier eine Zona annularis im Sinne von Gaupp (1906, S. 587), d. h. eine Querschnitts- zone, auf der die Nasenkapsel allseitig von primordialen Skelet- teilen umgeben ist, vorliege. Dabei muß allerdings bemerkt werden, daß auch die künftige Anlage eines Teiles des Vomer (zwischen dem medialen Rande der Schale des Organon vomeronasale und dem Septum nasi) und die künftige Anlage eines Teiles des Septo- maxillare (zwischen dem lateralen Rande der Schale und der Concha) in dem Zuge verdichteten Gewebes mit enthalten sind. Die laterale Verbindung ist die stärkere. Hier scheint jedenfalls ein vorknorpliger Zusammenhang zwischen der erwähnten das Organon vomeronasale aufnehmenden Schale und der Seitenwand der Nasenkapsel vor- zuliegen. Wie wir sehen werden, ist auf älteren Stadien die knorp- Die Entwicklung des Schädelskeletes von Vipera aspis. 577 lige Schale mitsamt den Fortsätzen, die sich daraus nach hinten in das Gebiet seitlich und unterhalb der Choanen entwickeln, vom übrigen knorpligen Skelet vollständig isoliert!. Ein eigentliches Planum autorbitale, eine richtig entwiekelte Hinterwand der Nasen- kapsel ist nicht vorhanden. 7. Kieferbogen. Quadratum und Meckerscher Knorpel sind schon vollständig verknorpelt. Der Quadratknorpel ist von gedrungener Form, relativ kürzer, als auf späteren Stadien (Taf. XIV, Fig. 5) Im proximalen Ende überwiegt der sagittale Durchmesser, im distalen der quere, während die mittlere, etwas dünnere Zone ungefähr runden Quer- schnitt aufweist. Es ist lediglich eine Pars quadrata vorhanden. Ein Palatinteil ist auch nicht in Spuren angedeutet. Quadratum und Meckerscher Knorpel sind schon vollständig durch eine Gelenk- spalte voneinander getrennt. Die Gelenkfläche des Quadratums, der Gelenkkopf, ist in sagittaler Richtung konvex nach unten, in trans- versaler Richtung konkav nach unten, während sich die Flächen in der Gelenkpfanne im Unterkiefer gerade umgekehrt verhalten. (Sattelgelenk.) Beachtenswert ist auf diesem Stadium die Lage des Gelenkes und, damit zusammenhängend, die Stellung des Quadra- tums (Taf. XIV, Fig. 3). Auf die analogen Verhältnisse bei Tropedo- notus hat schon PARKER (1878) hingewiesen. Das distale Ende des Quadratums schaut hier noch nach vorn, beim Schädel der er- wachsenen Vipera, aber auch schon beim älteren modellierten Embryo, nach hinten. Der Winkel zwischen Quadratum und MECKELSchem Knorpel ist hier noch ein stumpfer und nach oben offen, später ver- ringert er sich zu einem spitzen, nur mehr nach vorn offenen Winkel. Damit hängt die ganze Lage des Gelenkes zusammen. Auf dem dargestellten Stadium liegt das Gelenk noch durchaus im Bereich des Neurocraniums. Später kommt es weit hinter den eigentlichen Schädel zu liegen. Am Unterkiefer ist ein Processus retroartieularis vorhanden, der erheblich breiter als hoch ist (Taf. XIV, Fig. 3). An der medialen Seite des Meckerschen Knorpels ist die Chorda tympani erkennbar. Der Unterkiefer zieht sich in sanft $-förmiger Biegung von hinten ı Daß der Name Upper Labial Cartilage, den PARKER bei Tropidonotus dieser Bildung beilegt, durchaus unzutreffend ist, braucht nicht erst betont zu werden. Born hat schon darauf hingewiesen (1883 S. 220). 578 Bernhard Peyer außen nach vorn innen. Die vorderen Enden stoßen in der Median- ebene nicht zusammen, sondern sind noch durch einen weiten Zwischenraum getrennt. Der Meckesche Knorpel entbehrt noch durchaus der Bedeckung durch Hautknochen. (Textfig. 2.) Ersatz- ossifikationen sind dann natürlich erst recht noch nicht vorhanden. In seinem ganzen Verlaufe ist der Meckersche Knorpel von ziem- lich rundem Querschnitt. Nach vorn zu findet eine gewisse Ver- jüngung statt. 8. Hyo-branchial-Skelet. Der gesamte Zungenbeinapparat ist auf die beiden Cornua hyalia beschränkt, von deren Vereinigungsstelle sich nach vorn ein einheitliches Stück eine Strecke weit fortsetzt (Processus ento- glossus). Eine Verbindung der Cornua hyalia jederseits zur Colu- mella auris, wie sie RATHkKE (1839) für die Ringelnatter beschreibt, war auf diesem Stadium nicht mehr zu erkennen, ebenso nicht die Andeutung eines dritten Visceralbogens. Die hyalen Hörner des Zungenbeins sind auf dem dargestellten Stadium im Verhältnis zur Schädellänge gegenüber dem älteren Modell viel kürzer. Es hängt mit der schon erwähnten Krümmung der Schädelbasis und mit der Abkrümmung der Wirbelsäule gegen den Schädel zusammen, daß auf diesem Stadium das Zungenbein fast senkrecht zur Schädel- basis steht, während es nachher eher parallel zu ihr verläuft. Ersatzossifikationen sind auf dem modellierten Stadium noch nicht vorhanden. 9. Decekknochen. Angelegt sind das Praemaxillare, Maxillare, Palatinum und Pterygoid (Taf. XIV, Fig. 1, 2, 3). Das Praemaxillare ist unpaar, die übrigen genannten Knochen sind paarig. Es sitzt dem vorderen Ende des Septum nasi ventralwärts an. Die Lage von Maxillare, Palatinum und Pterygoid geht aus Taf. XIV, Fig. 7 hervor. Die Knochenanlagen mußten beim Modellieren etwas dicker dargestellt werden, als sie wirklich auf dem dargestellten Stadium sind. Dabei haben sie leider etwas ihre natürliche Form eingebüßt und sind auf den Figuren etwas zu rundlich herausgekommen. Das beschriebene Modell unterscheidet sich durch seine starke Biegung von den bekannten Modellen der Schädelentwieklung, wie sie namentlich durch die ZieGLerschen Reproduktionen allgemeine Die Entwicklung des Schädelskeletes von Vipera aspis. 579 Verbreitung gefunden haben. Dieser Unterschied rührt lediglich davon her, daß das gewählte Stadium wesentlich jünger ist als jene, bei denen das Primordialeranium schon den Höhepunkt seiner Entfaltung erreicht hat. Der äußere Anblick eines Schlangen- oder Vogelembryonen auf jener Stufe, wo die Bildung des Primordial- craniums erst begonnen hat, zeigt, daß auch das Kopfskelet, welches im wesentlichen noch an der Ventralfläche des Gehirns liegt, die Beugung des Gesamtkopfes in gewissem Grade mitmachen muß; natürlich nicht in der Weise, daß das Skelet den Biegungen des Gehirns entsprechend folgt. In der Scheitelbeuge z. B. hebt sich das Gehirn stark vom Skelet ab. Der Raum zwischen den Schen- keln der Biegung und dem Skelet (dem mittleren Schädelbalken nach RATHKE, besser Mittelhirnpolster nach dem Vorschlage von GAuPpP) wird von Gefäßen und von Bindegewebszügen erfüllt, welche nach- her sich verlieren. (Textfig. 15.) Beschreibung des Il. Modelles. Cranium eines Embryos von Vipera apsis L. von 125 mm Gesamtlänge !. A. Chondrocranium. 1. Basalplatte und Chorda dorsalis. Die knorplige Basalplatte tritt auf dem Modell äußerlich gar nicht mehr in die Erscheinung, denn sie ist durch inzwischen auf- getretene Ersatzossifikationen, von denen später die Rede sein wird, dorsal und ventral bedeckt. Der knöcherne Belag ist an der äußeren und unteren Fläche erheblich kräftiger als an der oberen, inneren, der Schädelhöhle zugewendeten. Vielerorts ist unter dieser periostotischen Bedeckung der Knorpel schon ganz geschwunden, namentlich in dem eigentlichen Bodenteil. In den gegen die jeder- seitige Gehörkapsel ansteigenden Partien ist zwischen den bedecken- den Knochen etwas mehr Knorpel erhalten geblieben. Frei zutage tritt er nur mehr am Condylus oceipitalis.. Die Abgrenzung der Basalplatte gegen die angrenzenden Gebiete ist nicht mehr so leicht ersichtlich, da durch die später zu erwähnenden Verwachsungen unter den Ersatzossifikationen die ursprünglichen Grenzen verwischt werden. Die Fenestra basieranialis posterior ist noch offen. Der- 1 Zu diesem Maß sei vergleichsweise bemerkt, daß die Gesamtlänge eines Embryos unmittelbar vor der »Geburte«, i. e. der Eiablage 178 mm betrug, wovon 24 auf den Schwanz entfielen, während die Strecke vom Nabel bis zur Cloake 10 mm ausmachte. Morpholog. Jahrbuch. 44. 38 580 Bernhard Peyer jenige Abschnitt, welcher vom N. abducens durchsetzt wird, ist schon völlig verknöchert, weshalb ich jenen Durchtritt erst später bei den Ersatzossifikationen beschreiben möchte. Von der Chorda dorsalis sind keine deutlichen Reste mehr zu erkennen. 2. Oceipitalregion. Wie bei dem erstbeschriebenen Stadium diese Region den übrigen in der Ausbildung des Knorpels voran war, so ist sie es jetzt im Zerfall desselben und im Auftreten der Ersatzknochen, namentlich Fig. 3. Mi (Rückenmark L Atlas_ LEERE im Zahn des Epistropheus Atlas AT SI ENESZEE/ Condylus occipitalis 'roc. retro articularis Cornu hyala Cormu hyale Querschnitt durch den Condylus oceipitalis, Embr. 25. 15, 3, 1. Vergrößerung 16,3:1. in den Seitenteillen. Wie schon erwähnt, bleibt im Condylus ocei- pitalis Knorpel erhalten, ebenso in einem Teil des Teetum posterius, des nachmaligen Supraoceipitale, insbesondere in der Umgebung einer kleinen Spalte zwischen dem späteren Supraoceipitale und dem schon verknöcherten hinteren Teil der Ohrkapsel, durch welche Spalte eine Vene austritt (Taf. XV, Fig. 4). Die beigegebene Zeich- nung eines Schnittes durch den Condylus oceipitalis eines wenig Jüngeren Embryos soll die Abbildungen vom Modell (Textfig. 3) in der Erläuterung der Formverhältnisse dieser Region ergänzen. Die Beschreibung der Ersatzknochen folgt nachher. Die Entwicklung des Schädelskeletes von Vipera aspis. 581 3. Oticalregion. Auch in der Gehörregion ist vom knorpligen Primordialeranium äußerlich wenig mehr zu sehen. Stellen mit noch frei zutage liegendem Knorpel finden sich hauptsächlich an der medialen Seite der Gehörkapsel im Gebiet der Prominentia utricularis, und lateral auf einem Streifen, der vom vorderen Bogengang wenig vor dem den Sinus superior bedeckenden Knochen hinabzieht (Taf. XVI, Fig. 7) zum oberen Rande der großen Fenestra vestibuli. Indessen stellen die bedeckenden Knochen vielfach erst einen dünnen Belag dar, unter dem der Knorpel noch intakt erhalten ist. In den verschie- denen Teilen ist der Ersatz des Knorpels durch Knochen verschieden weit gediehen. Die hinterste Partie der Ohrkapsel, welche die hintere Ampulle, einen Teil des hinteren Bogenganges und den hinteren Teil des lateralen Bogenganges umschließt, ist schon völlig, bis zum Schwund der knorpligen Reste, verknöchert. Auf Quer- schnitten im Gebiet der Fenestra vestibuli ist dagegen meist noch aller Knorpel erhalten. Die den lateralen Bogengang umgebende Schale (Prominentia semieircularis lateralis) ist völlig verknöchert. Auch im Gebiet des vorderen Bogenganges ist die Verknöcherung sehr fortgeschritten; doch finden sich unter dem Knochen noch Reste von Knorpel. Im allgemeinen läßt sich sagen, daß auf dem dar- gestellten Stadium medial noch mehr Knorpel vorhanden ist, als lateral. Die beigegebenen Schnittbilder (Textfig. 4, 5, 6) mögen im einzelnen über die Verteilung von Knorpel und Knochen Aufschluß geben. Die für das jüngere Modell umschriebenen Grenzen der Otical- region sind, wennschon noch deutlich erkennbar, dadurch weniger scharf geworden, daß die ausgedehnte Fissura metotica bis auf wenige Löcher knöchern verschlossen wurde. Diese Löcher sind 1. eine dorsal gelegene Öffnung zwischen dem Tectum posterius und der Ohrkapsel, zum Durchtritt einer Vene (Taf. XV, Fig. 4), 2. das Vagus- und das Glossopharyngeusloch (Taf. XVI, Fig. 7), 3. der Recessus scalae’ tympani mit seiner medialen und lateralen Apertur (Textfig. 5). Die Abgrenzung gegen die Basalplatte ist naturgemäß nicht deutlich, da nach den Ausführungen von GAUPP (u. a. 1900 S. 507) anzunehmen ist, daß das Labyrinthorgan einen Gebietsteil okkupiert hat, der ursprünglich zur Basalplatte gehörte. Im Gebiete der Incisura prootica ist ein Ersatzknochen aufgetreten, das sogenannte Alisphenoid, von dem später die Rede sein wird. 38* 582 Bernhard Peyer Fig. 4. Tectum posterius Canalis semicircularis posterior Quadratum Canalis semicircularis lateralis Columella auris Saccus-. endolymphaticus ' Verschmolzene Unterkiefer- Deckknochen Aeler Basalplatte \ | SS Basisphenoid Pterygoid Meckel'scher Knorpel Querschnitt durch die Ohrregion. Embr. 25*. 58, 3,1. I. Modell. Vergrößerung 20:1. Fig. 5. Tectum posterius Quadratum Canalıs semicircularis lateralis R A = AN \ \E s \ 77 (% //3 TEEN \ = ußplatte der Columella auris De ER N ID Apertura lateralis. TEN) recessus scalae tympani Ampulla posterior x N Apert dialis “ kiefer-Deckknochen pertura medialis- recessus scalae tympanı eckel'scher Knorpel Basalplatte Basisphenoid Pterygoid Querschnitt durch die Ohrregion (oralwärts vom Schnitt Fig. 4). Embr. 25*. 59, 1,1. II. Modell. Vergrößerung 20:1. Die Entwicklung des Schädelskeletes von Vipera aspis. 583 Der vordere und obere Rand der Öhrkapsel grenzt jetzt an das Parietale (Taf. XVI, Fig. 6). Das Relief der häutigen Teile des Gehörorganes ist auf diesem Stadium auch äußerlich gut ausgeprägt (Taf. XVI, Fig.7). An der lateralen Fläche sind zu erkennen eine Prominentia semieircularis anterior, lateralis und posterior, die zusammen ungefähr ein schräg gelagertes Dreieck umschließen, dessen Spitze (die Gegend des Sinus superior) medianwärts und oben liegt, während die Basis (die Fig. 6. Tectum posterius Squamosum Quadratum a De Se Canalissemicircularis lat. = Rx \ se IN [ \ N Utriculus \ N fi \ \ RR Sacculus a N Y JE Ductus 2 BE I /F perilymphaticus 3 /S‘ H ve Y EI 3 r Bu: Lagena” - A 7 * k h eh A . mandibularis SE 2 7 — nn — MD; 1-Meckel'scher u Pterygoid = Knorpel Beeionhegaid Basalplate Chorda tympani Verschmolzene Unter- kiefer-Deckknochen Querschnitt durch die Gehörregion (oralwärts von Schnitt Fig. 5). Embr. 25*. 60, 4,1. I. Modell. Vergrößerung 20:1. Prominentia semieireularis lateralis) ventralwärts davon liegt. So- dann eine Prominentia ampullaris anterior, medialis und posterior. An der medialen Seite tritt namentlich die Prominentia utricularis scharf hervor. Gegen das Tectum posterius (nachher gegen das Supraoceipitale) ist der hintere Bogengang scharf abgesetzt durch eine Furche, die, dorsomedial und vorn am schärfsten ausgeprägt, im Verlauf lateralwärts und nach hinten etwas verflacht. Die verschiedenen Löcher der Gehörkapsel wurden schon für das frühere Stadium beschrieben. Gegenüber jenem Zustande ist die Änderung namhaft zu machen, daß jetzt zwei Acusticuslöcher 584 Bernhard Peyer bestehen, ein Foramen acusticum anterius für den vorderen und ein Foramen ac. posterius für den hinteren Ast dieses Nerven. Was den Binnenraum der Ohrkapsel anlangt, so hat Hasse (1878) in seiner treffliehen Arbeit über das Gehörorgan von Ooluber (Tropi- donotus) natriv am Binnenraum der knöchernen Ohrkapsel der Ringelnatter folgende Räume unterschieden: 1. ein Cavum inferius, das durch eine horizontale, stark nach außen vorspringende Leiste, die Crista vestibuli, in eine obere, weitere und in eine untere, engere kegelförmige Räumlichkeit ge- teilt wird, von denen jene dem Cavum vestubuli des Axolotl und der Eidechsen, diese der Cavitas eochleae derselben Tiere homolog ist. Beide Räume kommunizieren an der Leiste miteinander. Der Schneckenraum enthält die Schnecke mit den Nebenteilen, der Vorhofsraum umfaßt den Utriceulus, die Verbindungsröhre der hin- teren Ampulle das Ende des horizontalen Bogenganges und den größten Teil des Sackes; 2. ein mit der Cavitas vestibuli in Zusammenhang stehendes Cavum internum zur Aufnahme der Commissur der Bogengänge; 3. ein Cavum anterius für die vorderen, zusammenliegenden Am- pullen und den Recessus utriculi; 4. ein Cavum posterius für die hintere Ampulle und den an- liegenden Teil des horizontalen Ganges. Vipera aspis auf dem dargestellten Stadium verhält sich nun ähnlich. Im einzelnen ist folgendes zu bemerken: Die Cavitas cochleae ist in weit offener Verbindung mit dem Cavum vestibuli, demgemäß ist eine Crista vestibuli nur am vor- deren Umfang der Lagena schwach angedeutet. Auch ein Cavum in- ternum läßt sich nicht wohl abtrennen. Vom Sinus superior ver- läuft der hintere Bogengang (Textfig. 4, 5, 6) in einem geschlossenen Knorpelkanal nach hinten. Bevor dieser Kanal in das gemeinsame Ca- vum posterius mündet, vereinigt er sich mit einem knorpligen Kanal für den medialen Schenkel des lateralen Bogenganges, so daß auf einigen Schnitten diese beiden genannten Kanäle gemeinsam in einem Raume liegen, der von dem die hintere Ampulle, den late- ralen Schenkel des äußeren Bogenganges und einen großen peri- Iymphatischen Raum enthaltenden Höhlenabschnitte durch ein knorp- liges Septum getrennt wird. Der mediale Schenkel des lateralen Bogenganges ist nur auf eine kurze Strecke extra eingeschlossen. Er mündet nach vorn bald wieder in das allgemeine Cavum in- ferius. Auf der Querschnittszone des Sinus superior ist für eine Die Entwicklung des Schädelskeletes von Vipera aspis. 585 kurze Strecke übrigens auch der seitliche Schenkel des lateralen Bogenganges durch ein knorpliges Septum vom Hauptraume ab- getrennt. Der obere Bogengang ist vom Recessus utrieuli und der lateralen Ampulle und weiter vorn von der vorderen Ampulle durch ein horizontales Septum getrennt. Im Gegensatz zu dem früher beschriebenen Stadium (und übrigens zu noch ziemlich älteren Stadien, als das erstbeschriebene darstellt) sind jetzt perilymphatische Räume wohl entwickelt. Ein großer perilymphatischer Raum liegt zwischen der Fußplatte der Columella und dem Saceulus. Der Ductus perilymphaticus liegt der medialen Seite der Lagena (Text- Fig. 7. Quadratum DEN SE j Columella auris Can. semic. post. Amp. post. es nd Columella auris und sog. Stylohyale. Embr. 25*. 57, 3, 3. I. Modell. Vergrößerung 25:1. Verschmolzene Unter iefer-Deckknochen Meck. Knorpel horda tympani figur 6) an. Er führt durch die Fenestra cochleae in den Recessus scalae tympani. Durch die mediale Apertur dieses Recessus steht er mit dem Subarachnoidealraum des Schädels in Verbindung. Durch die laterale Apertur tritt der Saccus perilymphaticus (Text- figur 4 und 5) nach außen, wo er sich zwischen die Fußplatte der Columella auris und deren rückwärts verlaufenden Stiel von hinten und unten her hinaufschiebt. Die Columella auris hat sich gegenüber früheren Stadien nach Struktur, Form und Lage erheblich verändert (Taf. XVI, Fig. 6). Der Knorpel im Innern ist zwar noch völlig intakt, allein außen sind die Fußplatte und der proximale Teil des Stieles von Knochen be- deckt. Am distalen Ende, dem Quadratum angelagert, ist ein kleines, 586 Bernhard Peyer rundliches selbständiges Stück aufgetreten, welches dem von PARKER (1878) für Tropidonotus beschriebenen Extrastapediale wohl ent- sprechen dürfte. Es ist beträchtlich kleiner als jene Bildung. Dieses Extrastück ist völlig knorplig. Über seine mutmaßliche Bedeutung soll später gehandelt werden. Der schon erwähnten Lageveränderung des Kiefergelenkes ist auch die Columella gefolgt, wie aus ihrer jetzigen Lage ohne weiteres hervorgeht. 4. Orbito-temporal-Region. Die Trabeculae baseos cranii haben sich, abgesehen von der Größenzunahme, kaum verändert. Sie sind auch in ihrer ganzen Fig. 8. IN > a ei en 6 gr Epiphysis a > e % Fl Transversum Pterygoid- Querschnitt in der Epiphysen-Gegend. Embr. 25*. 71, 1,2. If. Modell. Vergrößerung 25:1. Ausdehnung erhalten, da sie ja überhaupt nicht verknöchern. Nach hinten zu verlieren sie sich im Basisphenoid unter Auflösung des Knorpels. Der Knorpel, den PArkeEr (1878, S. 410 Tab. 28, Fig. 8, Tab. 29, Fig. 5, Tab. 31, Fig. 1) beschreibt und abbildet (als Orbito- sphenoid), entspricht nach GAupp den Supraseptalplatten und ist (GAupp 1906, S. 793) bei einem Tropidonotus-Embryo von 8 mm Die Entwicklung des Schädelskeletes von Vipera aspis. 587 Kopflänge nur durch verdichtetes Gewebe repräsentiert. Auf dem dargestellten Stadium von Vipera aspis gelangt er nicht zur knorp- ligen Ausbildung, auch später nicht, so daß das Chondrocranium der Orbitotemporalregion bei Vipera wirklich lediglich durch die Tra- Fig. 9. LEE N Transversum Palatinum Dentale Querschnitt durch die Frontalia. Embr. 25*, 77, 3, 3. Vergrößerung 25:1. bekel repräsentiert wird. Ein knorpliges Septum interorbitale kommt ebenfalls nicht zustande (Taf. XV u. XVI, Fig. 4, 5, 6,7). Bei Tropi- donotus wird ein solches durch verdichtetes Schleimgewebe ange- deutet (Gaupr 1906, S. 793). Ich konnte durch die Freundlichkeit von Herrn Prof. Gaupp an einer Serie von Tropidonotus natrix von 588 Bernhard Peyer diesen Verhältnissen Einsicht nehmen. Bei Vipera ist auf dem dar- gestellten Stadium nichts mehr davon zu sehen, und auch bei jün- geren Stadien ist dorsal vom oberen Rande der eigentlichen knorp- ligen Trabekel ein richtiges vorknorpliges Septum oder eine deutliche Anlage eines solchen nicht vorhanden. Von den durch diesen voll- ständigen Schwund der primordialen Seitenwand der Orbitotemporal- region geschaffenen Verhältnissen wird später nochmals dieRede sein. 5. Ethmoidalregion. Durch Born (1883)! ist in ausgezeichneter Weise das Nasen- skelet der Ringelnatter beschrieben worden, unter Berücksichtigung der Verhältnisse bei Pelas berus. Da bei Vipera aspis trotz der Übereinstimmung im allgemeinen nicht unwesentliche Abweichungen von dem Verhalten bei der Ringelnatter festzustellen sind, möchte ich im folgenden gleich bei der speziellen Beschreibung jeweils auf jene Arbeit Bezug nehmen. Die verschiedenen Wandungsteile der knorpligen Nasenkapsel, Dach (Teetum), Boden (Solum), mediale Wand (Septum), seitliche Wand (Paries lateralis) und Rückwand sind recht verschieden stark ausgebildet. Am kräftigsten ist das Septum nasi entwickelt. Von der Vereinigungsstelle der Trabekel nach vorn ziehend, tritt es erst horizontal über den hinteren Teil der knöchernen Kapsel des JAcoBsonschen Organes, um dann, der nach vorn abfallenden vorderen Fläche dieser Kapsel aufliegend, vor ihr zu endigen. Das Septum nasi beschreibt somit jene Biegung um den dorsalen Umfang des JAcoBsonschen Organon vomeronasale, die nach Borns Schilderung die Achse der Nasenhöhle ebenfalls mit- macht. Vor dem Septum setzen sich die beiden Kapselhälften (Cartilagines ceupulares), median völlig voneinander getrennt, noch ein Stück weit nach vorn fort. Das Nasendach ist, abgesehen von der hintersten Partie, recht vollständig entwickelt; auch die Seiten- wand ist in ihrem oberen Teil gut ausgebildet. Der untere Teil der Seitenwand sowie ein Solum nasi fehlen dagegen fast vollständig. Der Abschluß nach vorn wird durch die Cartilago eupularis ein vollständiger (Taf. XVI, Fig. 7), während ein Abschluß nach hinten, ein Planum antorbitale, durchaus fehlt. Infolge dieser Unvollständig- 1 Bei der Untersuchung jüngerer Stadien von Vipera aspis habe ich an Hand der schönen Bornschen Untersuchung die dort festgestellte Anlage des Tränenganges als einer Epithelleiste ohne weiteres auch für diese Form be- stätigen können. Die Entwicklung des Schädelskeletes von Vipera aspis. 589 keit der Wandungen sind auch die z. B. am knorpligen Nasenskelet von Lacerta zu unterscheidenden Fenestrae und Foramina nicht als solche abgegrenzt, mit Ausnahme des Foramen epiphaniale für den Ramus lateralis nasi. Die Fenestra narina ist hinten offen. Durch die Stelle des Beginnes der Muschel wird die Ethmoidalregion in einen vorderen und einen ungefähr gleich großen hinteren Teil abgeteilt. Vom vorderen Rande der Muschel setzt sich eine kurze Knorpelleiste frei vorspringend nach vorn fort. Zwischen dieser Leiste und der seitlichen Wand der Nasenkapsel liegt ein Teil der Glandula nasalis externa. Was Born (1883, S. 215) über die Art der Mündung dieser Drüse und ihre ganze Topographie für Tropr- Fig. 10. Cart. cupularis Nasale X _Praefront. Paries lat, —- Septomax. Maxillare ea #Knorpel d. Organon i / vomeronasale Aditus conchae Vomer Qnerschnitt durch die‘Ethmoidalregion. Embr. 25. 35, 5, 3. Vergrößerung 16,6 : 1. donotus beschreibt, findet sich bei Vipera durchaus bestätigt!. Die Form der Muschel (Concha) möge aus dem Schnittbilde (Textfig. 10) ersehen werden. Auf dem Nasendach und an der medialen Wan- dung bedingt das auflagernde und tief medianwärts hinabgreifende Nasale eine flache, sattelartige Eintiefung (Taf. XV, Fig. 4). Es hat 1 Der Ausführgang der Drüse mündet also auch bei V?pera nicht direkt in die Nasenhöhle, sondern in die Rinne, die von der Apertura nasalis externa zur Nasenhöhle führt. Von da setzt sich der Drüsengang nach hinten fort, von der Nasenhöhle durch das Septomaxillare getrennt. Auch bei V?pera treten in die eigentliche Einbuchtung der Muschel, die sich nach hinten zur Röhre schließt, keine Drüsenteile ein. Bei Zropidonotus steht die genannte Schale durch eine Spange mit der Muschel und durch eine weitere, nach vorn ziehende Spange mit dem Basalstücke, dem Septum nasi in Verbindung. Für Pelias berus erwähnt Born das Fehlen der vorderen Spange. Bei Vipera aspis sind nun überhaupt keine Verbindungen der Schale des vomeronasalen Organes zu anderen knorpligen Teilen mehr vorhanden. 590 Bernhard Peyer den Anschein, als ob durch dieses Hinabgreifen des Nasale die Ent- wieklung einer knorpligen medialen Wand der Nasenkapsel in dieser Gegend verhindert worden sei. Die Cartilago eupularis ist gut entwickelt. Nach hinten zieht sie sich in der ventralen Be- grenzung der Fenestra narina in einen kräftigen Processus alaris inferior aus (Taf. XV und XVI, Fig. 6 und 7). Vom oberen Umfang der Fenestra senkt sich ein kleinerer Vorsprung herab, der wohl als Processus alaris superior gelten darf. Ein kleiner nach hinten um- gebogener Teil der Cartilago ceupularis bildet für den allervordersten Teil der Nasenhöhle eine knorplige Unterlage. Im übrigen be- steht der knorplige Boden der Nasenkapsel lediglich aus der das Organon vomeronasale (Jacobsonii) unterfangenden Knorpelschale (Taf. XV, Fig. 5). Im Gegensatz zum früher beschriebenen Modell und auch im Gegensatz zu den durch Bor für Tropidonotus be- schriebenen Verhältnissen entbehrt diese Schale jeglicher knorpligen Verbindung zu anderen Teilen des primordialen Ethmoidalskeletes. Die Beschreibung, welche Born für den Zustand bei Pelias berus gibt, trifft, was die Form der Schale anlangt, auch für Vipera zu. Die Schale ist nach oben konkav, der mediale Rand ist stärker auf- gebogen. Er tritt in den vom Boden des Organon vomeronasale sich erhebenden Wulst ein und endigt da. Die mediale Partie der Unterseite des Organes entbehrt der knorpligen Umhüllung. Hinter dem Organon vomeronasale hört der Knorpel nicht auf, sondern er- streckt sich, den Nasenrachengang umfassend, bis zu dessen Öffnung in die Mundhöhle nach hinten. Es ist dies der durch SoLGER (1876) bei Python tigris entdeckte säbelförmige Knorpel jederseits. BORN hat den Knorpel für Tropidonotus festgestellt und auf die Unter- schiede hingewiesen, die in seiner Ausbildung zwischen Ringelnatter und Kreuzotter bestehen. Lateral von dem aus der Schale des Organon vomeronasale nach hinten sich fortsetzenden Knorpel be- sinnt mit vorderem freien Ende eine weitere Knorpelspange (bei Born 1878, S. 219 mit ke bezeichnet), die sich weiter hinten mit der medialen vereinigt (Taf. XV, Fig. 5). Aus der Vereinigung beider Knorpel resultiert eine breite, dorsalwärts konkave Platte, deren medialer, aufgebogener Rand sich demjenigen der anderen Seite fast bis zur Berührung nähert. Der Tränengang liegt erst dem lateralen, weiter hinten auch dem medialen Knorpel innen an, um dann, nach vorn umbiegend, zwischen dem einheitlichen Knor- pel und dem Vomer zur Mündung des Organon vomeronasale zu verlaufen. Dieser Gang verhält sich auch bei Vipera so, wie es Die Entwicklung des Schädelskeletes von Vipera aspis. 591 BoRN für Tropidonotus angegeben hat. Seine weiteren Lage- beziehungen zum Skelet sollen später bei der Behandlung der Deck- knochen erörtert werden. Der hintere Rand der Partie, in welcher sich die beiderseitigen Knorpel medial am meisten genähert sind, entspricht der Stelle, wo die vorn getrennten Ductus nasopharyngei sich vereinigen (Taf. XV, Fig. 5). Die hinteren Enden der Knorpel weichen wieder auseinander, um für den einheitlichen Choanenraum Platz zu lassen. 6. Kieferbogen. Das Quadratum hat nunmehr ungefähr seine definitive Lage und Form gewonnen (Taf. XVI, Fig. 6). Vom Knorpel sind nur noch Reste im proximalen und distalen Teil vorhanden, die durch eine vollständig verknöcherte mittlere Zone voneinander getrennt sind. Der MEckeusche Knorpel ist in seiner ganzen Ausdehnung knorplig erhalten. Die Verknöcherung des Articulare hat erst in ganz unter- geordneter Weise am dorsalen Umfang des Processus retroartieularis begonnen (Taf. XV, Fig. 5, Textfig. 20a). Dagegen hat der Unter- kiefer noch nicht seine definitive Länge erreicht. Die vorderen Enden der beiderseitigen MECKELschen Knorpel treffen jetzt in der Medianlinie zusammen, ohne jedoch zu verschmelzen. Bekanntlich bleiben sie ja zeitlebens nur syndesmotisch verbunden, welcher Um- stand sich leicht aus der Art der Nahrungsaufnahme bei Schlangen erklärt. 7. Hyo-branchial-Skelet. Auf diesem Stadium hat das Zungenbein vollständig seine de- finitive Gestaltung gewonnen. Die Cornua hyalia haben sich zu den bekannten, überaus langen und dünnen Stäben ausgewachsen (Taf. XV, Fig. 5). Ein Processus entoglossus, ein vorderes einheit- liches Stück, ist deutlich ausgebildet. Bei Tropidonotus fehlt ein solches. Das Zungenbein ist mindestens so lang wie die Strecke von der Nasenspitze bis zum Foramen oceipitale magnum. Die beiden Enden der Cornua sind leicht hakenförmig gegeneinander gekrümmt. 8. Ersatzknochen. Auf dem modellierten Stadium sind die Ersatzknochen schon sämtlich angelegt und zum Teil schon recht weit gediehen. Das Basioceipitale nimmt die hintere Region der Basalplatte ein, die es knöchern zu verschließen beginnt. Die Pleurooceipitalia (Exocei- 592 Bernhard Peyer pitalia) schließen das Supraoceipitale von der Begrenzung des Hinter- hauptloches aus. Sie sind vom Basioceipitale kaum mehr abzugrenzen. Die Grenze der Pleurooceipitalia gegen das Supraoceipitale war an der Modellserie infolge von ungünstiger Sehnittrichtung nicht deutlich. PARKER gibt von Tropidonotus ihren Verlauf noch für den er- wachsenen Schädel an (1878, Tafel 32). An der Grenze der Pleurooceipitalia gegen das Basioceipitale tritt jederseits der Hypo- glossus durch zwei getrennte, sehr nahe beieinander liegende Fora- mina aus. Das Loch für die hintere Wurzel liegt etwas tiefer, als das vordere. Das Opisthotieum nimmt die hintere Partie der Gehör- kapsel ein. Es ist vom Prooticum noch gut getrennt durch eine Zone frei zutage tretenden Knorpels, die sich vor der Gegend des Sinus superior an der lateralen Fläche der Gehörkapsel zum oberen Rande der Fenestra vestibuli hinabzieht. An der medialen Wand ist die trennende Knorpelfläche noch größer. Auf dem vorliegenden Stadium war es nicht möglich, ein Epioticum vom Opisthoticum ab- zutrennen. Bei Tropidonotus ist nach PARKER der Sinus superior mit den benachbarten Teilen des vorderen und hinteren Bogen- ganges der Ort dieses Knochens. Übrigens wird [(GAupr 1906, S. 796) an seiner Selbständigkeit bei Schlangen überhaupt gezweifelt. Er dürfte eher bloß einen Teil des Opisthoticums darstellen. Mit dem Prootiecum verwachsen ist das sogenannte Alisphenoid (Taf. XV], Fig. 6, 7), das diesen Namen schwerlich verdient, wahrscheinlich nur einen Teil des erstgenannten Knochens darstellt. Es liegt in der Gegend der früheren Ineisura prootica lateral vom Trigeminus- ganglion. Zwischen dem Knochen und der Gehörkapsel findet sich das hintere Trigeminusloch (Taf. XVI, Fig. 6.) Ein vorderes ist noch nicht vom Knochen umschlossen. Das »Alisphenoid« ist in seinem vorderen Teil durch eine horizontal verlaufende Spalte vom Knorpel der Basalplatte und von dem ihm aufliegenden Basisphenoid getrennt, während es im hinteren Teile damit verschmolzen ist. Das Basi- sphenoid nimmt die Stelle der Crista sellaris und der Fortsetzung der vorderen Seitenteile der Basalplatte in die Trabekel ein. Die knorpligen Trabekel werden vom Knochen umschlossen, in dem sie wie ein Nagel in einem Brette stecken. Wie schon erwähnt, ist ein »Orbitosphenoid«, wie es PARKER für Tropidonotus -beschreibt und abbildet, bei Vipera absolut nicht vorhanden. Daß das Quadratum in seiner Verknöcherung schon recht weit gediehen ist, wurde be- reits bemerkt. Ein Articulare ist erst angedeutet. Die Fußplatte und der proximale Stielteil der Columella auris sind schon von Die Entwicklung des Schädelskeletes von Vipera aspis. 593 Knochen umgeben. (Textfig. 5.) Der distale Teil und jenes schon erwähnte diskrete, dem Quadratum angelagerte Stück, das jeden- falls mit dem von PARKER für Tropidonotus beschriebenen »Stylo- hyale« auf eine Linie zu stellen sein dürfte, sind noch knorplig. 9. Deekknochen. Der größte Deckknochen, der mächtigste Knochen des Schlangen- schädels überhaupt, ist das Parietale (Taf. XV u. XVI, Fig. 4, 5, 6). Auf dem dargestellten Stadium ist er schon gewaltig entwickelt, aber doch noch weit davon entfernt, mit der Anlage der anderen Seite zu verschmelzen. Er beginnt vor der Ohrkapsel mit einer ver- breiterten Partie, in die sich die Spitze der Ohrkapsel von hinten her hineinschmiegt. Von dieser Anlagerungsstelle schiebt sich ein Fortsatz über den oberen Umfang des vorderen Bogenganges nach hinten (Taf. XVI, Fig. 6). Der Hauptteil des Knochens ist eine nach außen gewölbte Schale. Er sitzt dem Basisphenoid und dem hin- teren Abschnitt der Trabekel auf, von ihnen durch eine weite Spalte getrennt. (Textfig. 8.) Die höchste Stelle findet sich etwa in der Mitte; nach vorn, gegen das Frontale hin, sowie nach hinten fällt der obere Rand des Knochens etwas ab. Dem vorderen oberen Teile sitzt außen das Postfrontale lose an (Taf. XV u. XVI, Fig. 5, 6, 7). Es ist ein kleiner, länglicher, schräg nach außen und unten ge- riehteter Knochen. Von seiner Mitte geht an der äußeren Fläche ein hakenförmiger Fortsatz nach oben. Zwischen Parietale und Frontale findet sich eine große Lücke, die sich in der Folge nur wenig mehr zu schließen hat, um das Foramen orbitale magnum (GAupp 1902, S. 184) zu bilden!. Das Loch wurde früher als Fo- ramen opticum bezeichnet, und erst durch die erwähnte Arbeit von GAupp wurde seine wirkliche Bedeutung festgestellt. Am Modell tritt noch so recht der durchaus sekundäre Charakter dieser Nerven- öffnung (für den IL, IIL, IV., V,. und VI. Gehirnnerven) zutage. Weiteres hierüber folgt im allgemeinen Teil. Am Frontale sind folgende Teile (Textfig. 9) zu unterscheiden: 1. eine laterale Pars descendens, die schräg von oben außen nach unten innen verläuft. Sie sitzt hinten den Trabekeln und dem dazwischenliegenden vordersten Teil des Parasphenoids auf, vorn dem hintersten Teil der Nasenkapsel. Der Knochen nimmt von hinten nach vorn ziemlich gleichmäßig an Höhe ab; 1 Parietale und Frontale sind auf dem modellierten Stadium auch oben, wo sie später sich berühren, noch voneinander getrennt. 594 Bernhard Peyer 2. ein Dachteil. Er stößt mit der lateralen Pars descendens in einer scharfen Kante zusammen (Taf. XV, Fig. 4). Nach hinten ist das Dach über die seitliche Partie hinaus fortgesetzt; 3. ein medialer absteigender Teil. Das Dach biegt vorn an der medialen Kante nach unten um, und dieser innere absteigende Teil vereinigt sich basal mit dem lateralen. Durch die so gebildete knöcherne Höhlung tritt der Lobus olfactorius. Das Praefrontale (Taf. XV u. XVI, Fig. 4, 6; Textfig. 10) ist von ziemlich komplizierter Gestalt. Mit einer verbreiterten Basis sitzt es dem vorderen Ende des Maxillare auf. Von hier erhebt sich eine Platte mit medianwärts gerichteter Konvexität bis etwas über die halbe Höhe des hinteren Teiles der seitlichen Nasenkapselwand. Davor zieht ein kräftiger, nach oben und außen konvexer Bogen quer über die Nasenkapsel zwischen Frontale und Nasale bis gegen die Median- linie. Die beiderseitigen Knochen kommen jedoch auch beim er- wachsenen Tiere nicht zur Vereinigung. Zwischen dem unteren Teil des Bogens und der erstgenannten, nach unten und innen gewölbten Platte findet sich im Praefrontale eine Durchgangsöffnung für den Tränengang ! (Taf. XVI, Fig. 6). Im ausgebildeten Schädel liegt der obere Bogen des Praefrontale dem Frontale eng an. Die Naht ver- läuft in einer gebrochenen Linie. Der Knochen hat offenbar die Aufgabe, beim Beißakt durch die Verbindung mit dem großen, festen Frontale dem Maxillare ein Widerlager zu bieten. Das Nasale be- ı Da der Tränengang (Tränennasengang) zu den Skeletteilen der Eth- moidalregion ganz bestimmte Lagebeziehungen zeigt, möge hier sein Verlauf kurz beschrieben werden. Die Tränendrüse liegt am hinteren und medialen Um- fang des Bulbus oculi. Von ihr aus zieht sich der spaltförmige Ausführgang an der lateralen Fläche des Praefrontale nach vorn. Vor der Stelle, wo er diesen Knochen durchbohrt, ist er zum Tränensack ausgeweitet, und der Sack steht durch einen einzigen Kanal in Verbindung mit dem durch die Verwachsung der Lider geschlossenen Conjunctivalsack. Nach der Durchbohrung des Prae- frontale liegt der Gang lateral vom Muschelknorpel, tritt dann an die mediale Seite desjenigen Knorpels, der aus der Schale des JAacoBsonschen ÖOrganes sich nach hinten fortsetzt, und zwar speziell an den lateralen selbständigen Teil desselben, weiter nach hinten an den medialen Hauptteil. Dorsomedial vom Ducetus laerymalis liegt der Vomer, und zwar der seitliche und untere Um- fang der hintersten Partie der Kapsel des Organon vomeronasale.. An dieser Stelle biegt der Gang nach vorn um und verläuft nun zwischen dem medialen Hauptteil des erwähnten Knorpels und dem Vomer nach vorn, wo er schließlich der Unterseite dieses Knochens dicht anliegt. Er mündet in die mediale Wan- dung des kurzen Ausführungsganges des JAcoBsonschen Organes. Der ge- schilderte Verlauf stimmt vollkommen mit der exakten Beschreibung, die BORN (1883) von diesen Verhältnissen für Tropidonotus natris gegeben hat, überein. Die Entwicklung des Schädelskeletes von Vipera aspis. 595 deckt einen Teil (Taf. XV, Fig. 4) des knorpligen Nasendaches. Es greift medianwärts tief in die Spalte zwischen den beiden Nasen- kapselhälften hinab. Auch am erwachsenen Schädel bleibt es von den übrigen Deekknochen isoliert. Der eigentliche Dachteil verjüngt sich bei Vipera nach außen weniger, als dies bei Tropidonotus der Fall ist. Septomaxillare und Vomer bilden die Kapsel für das gewaltig entwickelte Organon vomeronasale (Textfig. 10, 12 und 13) in der Weise, daß das Septomaxillare das Dach, der Vomer den Boden und die mediale Wand bildet. Das vordere Ende der Höhlung liegt jedoch ausschließlich im Septomaxillare, das hintere nur im Vomer. Das hinterste Stück des Septomaxillare ist von der Begrenzung des Hohlraumes ausgeschlossen, indem es sich über den Vomer schiebt. An der Umhüllung des Organes ist auch der früher beschriebene Knorpel beteiligt. Er umwandet einen Teil des lateralen und basalen Umfanges, um dann unter scharfer Umbiegung von unten her in den Wulst zu treten, der sich vom Boden des Jacogsonschen Or- ganes erhebt. Die ganze Kapsel gewährt auf Schnittbildern einen außerordentlich zierlichen Anblick. Das Septomaxillare verläuft von vorn innen in flach S-förmiger Biegung etwas nach hinten und weit lateralwärts. Das nach oben aufgebogene laterale Ende schließt sich an die Muschel an. Zur Aufnahme des verdiekten medialen Endes des Knochens besteht im Septum nasi eine Eintiefung, die Born (1883) schon für Tropidonotus beschrieben hat. Der Vomer ist nach hinten (Taf. XVI, Fig. 6; Textfig. 10) über die Begrenzung des Organon vomeronasale hinaus fortgesetzt in Gestalt einer Spange, die an der medialen Seite von unten aufsteigt, einen beträchtlichen Zwischenraum zwischen sich und dem Hauptteil des Knochens läßt und sich oben mit ihm wieder vereinigt. Im Gebiet dieser Spange besteht in der hinteren Wand des Vomer eine Öffnung. Sodann finden sich in der dorsalen Kapselfläche des Vomer zahlreiche Löcher für den Durchtritt der starken Olfactoriusäste zum Organon vomero- nasale. Das unpaare Praemaxillare hat schon seine endgültige Gestalt erreicht. Es ist dreistrahlig. Mit einem mittleren aufsteigenden Fortsatze greift es nach oben weit zwischen die beiden Cartilagines cupulares hinauf, fast bis zu den Nasalia. Von der Basis dieses Fortsatzes geht jederseits seitlich ein weiterer ab, der, sich ver- Jüngend, bogenförmig lateralwärts und nach hinten verläuft. Ihm liegt der Anfangsteil der Cartilago alaris inferior dorsal auf. Der Morpholog. Jahrbuch. 44. 39 596 Bernhard Peyer mittlere basale Teil des Knochens ist etwas nach oben gewölbt. In dieser Wölbung sitzt der Eizahn. Das Maxillare ist gegenüber demjenigen von Tropidonotus be- kanntlich (Taf. XVI, Fig. 6) stark verkürzt. Es liegt weit seitlich, und zwar unterhalb des Praefrontale vorn und des Transversum hinten. Es ist im allgemeinen von rundlichem Querschnitt. Der Giftzahn und die Ersatzzähne sitzen am hinteren Ende. Der Knochen ver- läuft auf diesem Stadium noch annähernd horizontal, während er beim ausgebildeten Tiere auch in der Ruhelage von vorn nach hinten geneigt ist und bei der Aufrichtung des Giftzahnes noch steiler zu stehen kommt. Das Palatinum (Taf. XV, Fig. 5) ist von geringer Ausdehnung. Es beginnt medioventralwärts vom vordersten Ende des Pterygoids, Fig. 11. Nasale GEN Cart. cupularis Proc. alaris inf. Praemaxillare Querschnitt durch den vorderen Teil der Nasenregion. Embr. 25. 37, 2, 1. Vergrößerung 16,6:1. das ihm auflagert, und zieht von da nach vorn. Die Unterseite weist eine Furche zur Aufnahme der Zähne auf. Am Palatinum von Tropidonotus verläuft etwa von der Mitte der medialen Fläche ein gekrümmter Fortsatz nach innen und- unten. Ein soleher Fort- satz fehlt bei Vipera. Das Pterygoid ist der längste Knochen des Schädels überhaupt. Es zieht vom Palatinum leicht geschwungen nach hinten bis zum Kiefergelenke (Taf. XV u. XVI, Fig. 4, 5, 6); dort legt es sich an die mediale Seite des Unterkiefers an. Im vorderen zahntragenden Teile besitzt der Knochen an seinem unteren Umfang eine Furche zur Aufnahme der Zähne. Das Transversum ist schon (Textfig. 8 und 9) in seiner typischen Gestalt ausgebildet. Mit breiter, ebener Fläche dem hinteren Ende des Maxillare auflagernd, zieht es sich verschmälernd und dafür an Die Entwicklung des Schädelskeletes von Vipera aspis. 597 Dicke etwas zunehmend nach hinten und innen zum Pterygoid. Diesem liegt es ungefähr in der Gegend des hinteren Endes der Pars descendens des Parietale auf. Das Parasphenoid beginnt vorn zwischen den Trabekeln (Taf. XV und XVI, Fig. 4, 5, 6). Von da verläuft es nach hinten und bildet den Verschluß der Fenestra hypophyseos. Hinter derselben greift es unter das Basisphenoid, mit dem es auf diesem Stadium schon verwachsen ist. Am hinteren Rande der ehemaligen Fossa hypophyseos be- steht jederseits eine Öffnung für die A. carotis interna noch als ge- räumige, längliche Spalte (Taf. XV, Fig. 4 und 5) zwischen Para- sphenoid und Basisphenoid. Der vorderste Teil des Parasphenoids erscheint als eine zwischen den Trabekeln vertikal gestellte Platte. Mit dem Auseinanderweichen der knorpligen Schädelbalken nach hinten verliert der Knochen rasch an Höhe und geht in eine hori- zontal gelagerte Platte über, deren Ränder zangenartig den me- dialen Umfang der Trabekel (Textfig. 19) von oben und unten um- fassen. Der hintere Hauptteil des Parasphenoids stellt eine flache Schale dar. Derjenige Teil, der sich ventral unter das Basisphenoid schiebt, ist gegen diesen Knochen ungefähr halbkreisförmig ab- gegrenzt. Unterkiefer. Die Deckknochen des Unterkiefers sind das Dentale, Spleniale sive Operculare (Textfig. 20), Complementare und ein gewaltiger »Großknochen«, in dessen Bildung das Supra- angulare, Goniale, Angulare und die erst in Anfängen vorhandene Ersatzossifikation des Artieulare aufgegangen sind. Das Dentale sitzt dem oberen lateralen Umfang des Meckeuschen Knorpels auf, dessen vorderes Ende sich ein Stück weit unbedeckt vom Knochen frei nach vorn erstreckt. (Taf. XV, Fig. 5). Es besitzt oben eine Rinne zur Aufnahme der Zähne. Sein Querschnitt ist aus Textfig. 204 zu ersehen. Am hinteren Ende zieht ein spitz zulaufender Fort- satz lateral von dem erwähnten Großknochen nach hinten. Das Spleniale — die Bedeutung des Namens trifft in diesem Falle wirk- lich zu — ist ein schmales Riemehen an der medialen Seite des MeckeEschen Knorpels im hinteren Bereich des Dentale. Das Complementare liegt als kleines Knochenplättehen hinter dem Sple- niale. Der hintere, komplexe Teil des Unterkiefers ist außerordentlich lang, sowohl absolut als auch im Verhältnis (Taf. XVI, Fig. 6) zum Dentale. Der Aditus canalis primordialis für den Eintritt des 3. Tri- geminusastes ist eine weite, gut umgrenzte Öffnung. Hinter ihr ist der Deckknochen über dem Meckerschen Knorpel nicht mehr ! 39* 598 Bernhard Peyer gewölbt, wie vorn, sondern bildet ein ebenes, horizontales Dach, das sich nach hinten verschmälert. An der medialen Kante dieses Daches erhebt sich eine hohe Knochenwand, die wohl funktionell, aber nicht morphologisch einem Processus coronoideus entsprechen dürfte. Der frei zutage tretende Knorpel ist im hinteren Teile des Unter- kiefers völlig auf die Gelenkfläche beschränkt. 10. Gesamteranium. Am fertigen Schlangenschädel, der mit einem Minimum von Baumaterial den größten mechanischen Anforderungen gerecht wird, scheinen alle Teile, wie aus einem Guß gefügt, ein einheitliches Ganzes zu bilden. Eingehende Betrachtung zeigt aber bald, daß die Einheit nur eine scheinbare ist, und daß die heterogensten Ele- mente, die z. B. am Schädel eines Knorpelganoiden noch säuberlich auseinandergehalten sind, ein geschlossenes Gebilde aufbauen da- durch, daß sie untereinander in engste Beziehung treten. Neben der vergleichenden Betrachtung der mannigfaltigen erwachsenen Formen ist das Studium der Entwicklungsgeschichte des einzelnen Objektes dazu angetan, uns über die Art und Weise dieses Aufbaues Auf- schluß zu geben. Das im Modell dargestellte Cranium eines Vipera- Embryos von 125 mm Gesamtlänge ist deswegen hierfür günstig, weil bei ihm die Komponenten, knorpliges Primordialeranium, Ersatz- ossifikationen und Deekknochen, im wesentlichen noch gut getrennt sind, aber doch schon die Verhältnisse des ausgebildeten Schädels erkennen lassen. In der Oceipitalregion dominieren schon die Ersatzknochen. Auch in der Gehörgegend bedecken sie schon den größten Teil der Ober- fläche, der äußeren mehr als der inneren, aber unter dem knöchernen Belag ist das knorplige Primordialeranium noch gut erhalten. (Text- figur 4, 5, 6.) Beide Regionen sind in ihrer Ausbildung konservativ. Sie entfernen sich nicht wesentlich vom allgemeinen Reptilientypus. Um so mehr ist die Orbitotemporalregion verändert. In ihr ist die knorplige Seitenwand bis auf den letzten Rest verschwunden. Die Umwandung der Schädelhöhle wird von zwei gewaltig entwickelten Deckknochen, dem Parietale und Frontale, übernommen. Das frühere Vorhandensein einer knorpligen primordialen Seitenwand der Orbitotemporalregion muß postuliert werden, trotzdem im Ver- lauf der Ontogenese auch gar nichts mehr davon rekapituliert wird, deswegen, weil eine solche knorplige Seitenwand bei anerkannt niederen Formen in hoher Ausbildung sich findet und von da eine De ua nn Die Entwicklung des Schädelskeletes von Vipera aspis. 599 befriedigende vergleichend-anatomische Reihe vom Zustande der höchsten Entwicklung bis zum völligen Schwunde sich aufstellen läßt, weil die Form des Parietale und Frontale augenscheinlich nicht eine ursprüngliche, sondern eine hochdifferenzierte ist, und nament- lich, wie Gaurp betont, weil das Verhalten der Gehirnnerven nur durch eine solehe Annahme ihre Erklärung findet. Durch die Unter- suchungen von Gaurpp (1902) wurde klargelegt, daß das Parietale nieht den Ort der hypothetischen früheren knorpligen Wandung ein- nimmt, deren Lage durch den Verlauf der Dura mater noch ange- deutet wird, sondern weit lateral davon sich befindet. Die Durch- trittsstellen des III. und IV. Gehirnnerven durch die Dura mater entsprechen nach Gaurp den Foramina in der primordialen Wand. Zwischen der Dura und dem Parietale findet sich ein Raum, der erst sekundär der Schädelhöhle zugeschlagen wurde. In ihm ver- laufen der VI. Gehirnnerv, der erste Ast des V., der IV. und der III. nach vorn. Dieser Raum bildet ein Analogon zum Cavum epipteri- cum der Säuger!, und die weite Lücke, die aus ihm zur Orbita führt — sie wurde früher als Foramen opticum bezeichnet — ein Analogon zur Fissura orbitalis superior. Durch sie treten alle die genannten Nerven und der Optieus in die Augenhöhle. GaupPp hat die Lücke, die später durch dorsales Zusammenstoßen des Frontale und Parietale sich zum rings von Knochen umgebenen Loche schließt, Foramen orbitale magnum benannt. Zwischen dem ventralen Rande des Parietale einerseits, Parasphenoid und Trabecula andererseits tritt der Ramus palatinus des Facialis? nach außen und unten zum Ganglion sphenopalatinum. Die Verhältnisse liegen bei Vipera ge- rade so, wie sie Gaupp für Tropidonotus beschrieben hat. Das im Modell dargestellte Stadium ist so recht dazu angetan, die theo- retische Anschauung zum sinnfälligen Ausdruck zu bringen. Nament- lich tritt der durchaus sekundäre, ich möchte fast sagen zu- fällige Charakter des Foramen orbitale magnum in die Erscheinung (Taf. XVI, Fig. 6). Im Grundriß der Orbitotemporalregion ist durch die Scheidung in eine breite hintere und eine schmale vordere 1 Das Cavum epipterieum erhielt durch GAupp seinen Namen von der Lage über dem Processus basipterygoideus bzw. der Ala temporalis des Keil- beines. Ein Processus basipterygoideus ist bei Schlangen nicht vorhanden. Der untere Rand des Parietale sitzt hier den Trabekeln und dem sie umfassenden Parasphenoid, sowie im hintersten Abschnitt dem Basisphenoid auf. 2 Bei Vipera besteht eine obere und eine untere Verbindung vom Faeialis zum Ganglion sphenopalatinum. Die beiden repräsentieren zusammen den Ramus palatinus und vereinigen sich vor ihrem Eintritt ins Ganglion. 600 Bernhard Peyer Partie der tropibasische Charakter des Schädels scharf ausgesprochen. Ferner ist am Bodenteil bemerkenswert die enge Beziehung zwischen Deckknochen und Ersatzossifikation, wie sie in der frühen Ver- wachsung von Parasphenoid und Basisphenoid gegeben ist. Die Ausbildung des Frontale jederseits zu einem geschlossenen Knochen- ringe ist durchaus eigenartig, aber nicht ohne Analoga (Necturus und Amphiuma, WIEDERSHEIM 1877, S. 508.) Paries mediıalis Paries lateralis Nasale Praefrontale Postfrontale Parietale 7 Knorplige Ohrkapsel Schnitt parallel zum Schädeldach. Embr. 25c. 21, 1, 1. Vergrößerung 12,5:1. Im Nasenskelet ist der Knorpel vorherrschend. Auch das knorplige Skelet dieser Region ist stark reduziert, ganz allgemein verglichen etwa mit Lacerta oder Sphenodon, aber auch ein spezieller Vergleich mit Tropidonotus zeigt, daß jene Form noch einige Spangen- bildungen besitzt, die bei Vipera verloren gegangen sind. Neben der allgemeinen Rückbildung geht in einer Beziehung eine Weiter- bildung einher. Sie besteht in der Ausbildung jener Knorpel, die in der Fortsetzung der Schale des Organon vomeronasale jederseits Die Entwieklung des Schädelskeletes von Vipers aspis. 601 die Choane nach hinten begleiten. Sie hängt (Taf. XVI, Fig. 7) zu- sammen mit der Ausscheidung einer sekundären Mundhöhle aus der ursprünglichen. Es erscheint mir nieht unwahrscheinlich, daß die starken mechanischen Insulte, denen das Dach der Mundhöhle aus- gesetzt ist, wenn sich die Viper mit dem Munde förmlieh über das umfangreiche Beutetier stülpt, einen Sehutz der Choanen durch diese Knorpel veranlaßt haben. Praemasillare Ei Er EB 5 Paries medial, — A \ ' "us N x 4 { ZW = Septomarxillare Septomaxillare( 7 ! er ui r { = septumanıllare oJ . u X I \ I Praefrontale 47 ia / 7 N EX Z ' N - E J FE v4 BI Concha Saccus lacrym. —— I £ 7! N a — — Vomer f = = — Trabekei =, En Prasfrontale — Ductus lacrym. a fr x Parasphenoid F Fi Z_ Proecticum Sehnitt parallel zum Schädeldaeh. Embr. 3e. 18, 1, 1. Vergrößerung 123,5:1. Septomaxillare und Vomer sind ganz in den Dienst der Um- hüllung des Organon vomeronasale (Jacobsonii) getreten und haben hierbei Formen angenommen, die sicher als hochspezialisierte gelten dürfen. Doch ist die allgemeine Lage der Teile durchaus wie bei den übrigen Reptilien. Bemerkenswert ist die tiefe, von oben zwischen die Nasenkapselhälften einschneidende Spalte, in welche die Nasalia mit einer vertikal gestellten Platte hinabgreifen (Textfg. 9 und 10). Die Deekknochen des Daches der Mundhöhle sind weit aus- einandergerückt und bedingen so die große Breite des Schädels. Ihr 602 Bernhard Peyer loses Gefüge, das eines festen Bandapparates und der Hilfe der Muskeln bedarf, um seine Lage zu bewahren, wird verständlich durch’ die Art der Nahrungsaufnahme bei Schlangen. Auf die Funktion dieses Apparates, in welchem das mächtig entwickelte, überaus lange Pterygoid jedenfalls eine Hauptrolle spielt, kann ich hier nicht eingehen. Vielleicht ist auch die Gymnoerotaphie des Schlangenschädels, das Fehlen jeglicher Jochbogenbildung, aus diesem Gesichtspunkte zu betrachten. Ein Spezifikum der Gift- schlangen ist die Verkürzung des Maxillare. Die Derivate der Visceralbogen und die in ihrer Umgebung auftretenden Deckknochen weisen manche Eigentümlichkeiten auf. Der Unterkiefer ist sehr lang. Vielleicht hängt damit zusammen, Fig. 14. Meck. Knorpel Quadratum Proc. retroarticularis Kopf von Vipera aspis. Aufgestelltes Präparat. Methylgrünfärbung. daß die Deckknochen seines ausgedehnten hinteren Abschnittes zu dem schon erwähnten Großknochen verschmolzen sind, an dessen Aufbau sich in der Folge auch das Artieulare, ein Ersatzknochen, beteiligt. Das einheitliche Gebilde verleiht dem Unterkiefer gerade bei seiner Länge jedenfalls eine größere Festigkeit, als eine An- zahl getrennter, langer und schmaler Stücke es tun würden. Wie die Länge des Unterkiefers, so dürfte auch die Lage des Kiefer- gelenkes hinter dem eigentlichen Schädel und die Stellung des Quadratums, das bis ganz auf den Schädel hinaufreicht, unter den schon berührten Gesichtspunkt der Art der Nahrungsaufnahme fallen. Bei der Beschreibung des ersten Modelles wurde hervorgehoben, daß dort die Lagebeziehungen von Quadratum und Unterkiefer noch viel mehr mit denjenigen bei anderen Reptilien übereinstimmen. aa Las 20 See Sue ee. 5 u see Seite ee eier Du ae ui Die Entwicklung des Schädelskeletes von Vipera aspis. 603 Das distale Ende des Quadratums schaut nach vorn, der nach oben offene Winkel zwischen Quadratum und Unterkiefer ist ein stumpfer (Taf. XIV, Fig. 3), und das Kiefergelenk liegt noch im Bereich des Neurocraniums. Beim zweiten Modell liegen hierin schon durchaus die Verhältnisse des ausgebildeten Vipernschädels vor: Das distale Ende des Quadratums schaut nach hinten; der Winkel zwischen Quadratum und Unterkiefer ist ein spitzer und nach vorn offen, und das Kiefergelenk liegt schon hinter dem eigentlichen Schädel (Taf. XIV, Fig. 6). So sehen wir, wie hier im Verlauf der Ontogenese ein Prozeß sich abspielt, der jedenfalls, abgesehen von eäno- genetischen Modifikationen, im wesentlichen auch phylogenetisch durchlaufen wurde. Textfig. 14 zeigt in seitlicher Ansicht MECKEL- schen Knorpel und Quadratum eines Vipera-Embryo, bei dem diese Teile mit Methylgrün gefärbt und nach Aufhellung des ganzen Kopfes mikrophotographisch aufgenommen wurden. Die Zeichnung wurde nach der Photographie hergestellt, so daß hier die erwähnten Lagebeziehungen mit großer Genauigkeit wiedergegeben sind'. Das Fehlen eines Trommelfelles und die einfache Gestaltung der Columella auris hängen sicher miteinander zusammen. Der Zungenbeinapparat ist auf die überaus langen, knorpligen Cornua hyalia beschränkt, die nach vorn in einen einheitlichen Pro- cessus entoglossus sich fortsetzen (Taf. XV, Fig. 5). Allgemeiner Teil. Vergleichende Betrachtung. Nachdem im Vorhergehenden nur die beiden im Modell dar- gestellten Entwicklungsstufen beschrieben worden sind, sollen im Folgenden auch weitere Stadien berücksichtigt werden. Gleich- zeitig soll das Cranium von Vipera mit anderen Formen, nament- lich mit Lacerta, regionenweise verglichen werden. Auf dem ersten Stadium hat das knorplige Primordialeranium seinen Höhepunkt noch nicht erreicht, auf dem zweiten schon überschritten. Da- zwischen besteht ein Stadium der höchsten Ausbildung, auf dem auch die Ethmoidalregion völlig verknorpelt ist, während die Oeei- pital- und Oticalregion, die sowohl in der Anlage des Knorpels als auch in seinem Ersatz durch Knochen einen Vorsprung ben; noch ein intaktes Chondrocranium aufweisen. ı Die mikrophotographische Aufnahme verdanke ich, wie viele andere, meinem Freunde N. LEBEDINSKY. 604 Bernhard Peyer Chorda dorsalis. Am ersten Modell, das erheblich jünger sein dürfte, als das GAauppsche Lacerta-Modell, reicht die Chorda bei weitem nicht mehr bis zur Fissura basieranialis posterior (Taf. XIV, Fig. 1). Wie es jedoch schon PArkER für Tropidonotus richtig ab- gebildet hat (1878, Taf. 27, Fig. 2), erstreckt sie sich bei noch jüngeren Stadien fast bis zur Hypophysis, deren Einstülpung ja bei allen Wirbeltieren der Chorda ihre natürliche Grenze setzt. Ein Sagittal- schnitt durch einen Embryo von Tropidonotus natrix soll dies ver- anschaulichen!. Auf älteren Stadien von Vipera löst sich die Chorda Fig. 15. Mittelhirn Dacn des IV. Ventrikels — nfundibuium ä Embryo von Tropidonotus natrix. Sagittalschnitt. Vergrößerung 16,6: 1. (HR Cnorda gorsalıs) kr IS Chorda dorsalıs in einzelne Reste auf. Am zweiten modellierten Stadium war nichts mehr davon zu erkennen. Welches die Gründe sind, die bei Lacerta ein längeres Persistieren, bei Tropidonotus und Vipera den frühen Sehwund der Rückenseite im Gebiet des Schädels bedingen, ist mir nicht bekannt. Auf dem jüngsten Stadium von Vipera, das ich geschnitten habe, ist in der Basalplatte die Fenestra basicranialis posterior noch sehr ausgedehnt, während die Seitenteile und die Crista sellaris ! Ich verdanke diesen Embryo, wie eine Anzahl anderer, der Güte von Herrn Privatdozent Dr. H. BLUNTSCHLI. Die Entwicklung des Schädelskeletes von Vipera aspis. 605 gut ausgebildet sind. Die Oceipitalpfeiler reichen noch wenig nach oben und sind von einer dorsomedialen Vereinigung durch ein Tec- tum posterius noch weit entfernt. Der dorsale Teil des Labyrinthes entbehrt noch völlig der Umwandung durch Skeletteile.. An der lateralen Seite des vorderen Bogenganges ist eine Gewebsverdichtung aufgetreten, eine schwächere am äußeren Umfang des hinteren Bogen- ganges. Zwischen häutigem Labyrinth und Gehirn befindet sich nur indifferentes embryonales Bindegewebe. Etwas tiefer werden die beiden Gewebsverdichtungen am vorderen und hinteren Bogen- gang verbunden durch Gewebe, das in der Umgebung des seit- lichen Bogenganges auftritt. Auf diesem Stadium ist es nicht mehr möglich, einen Zusammenhang der Columella auris mit den Zungen- beinhörnern nachzuweisen, wie ihn RATHKE für Troptdonotus natrix festgestellt hat. Doch ist zu erwarten, daß dies auf geeigneten Stadien möglich sein wird, zumal nachdem BENDER (Anat. Anzeiger, Bd. 40, Nr. 6/7) die hyale Natur der Gesamt-Columella und ihren Zusammenhang mit den Cornua hyalia für Testudo graeca nach- gewiesen hat. Das eben beschriebene Stadium von Vipera läßt er- kennen, daß der proximale Teil der Columella selbständig von der Ohrkapsel entsteht und durch die Hyomandibularspalte von der An- lage des Quadratums getrennt wird. In seinerMonographie des Natternschädels beschreibtW. K. PARKER als Stylohyale (style-hyale scale) einen Ersatzknochen, der am di- stalen Ende der Columella auris auftritt und dem Quadratum an- liegt. GAaupp (1906) empfiehlt diese Angabe zur Nachprüfung. Ich habe für Vipera gefunden, daß von dem Stadium an, wo das knorplige Primordialeranium völlig entwickelt ist, tatsächlich dorsal vom distalen Ende der Columella dem Quadratum benachbart ein diskretes Knorpelstück auftritt. Es liegt später dem Quadratum dieht an und scheint mit ihm zu verknöchern. Am ausgewachsenen Schädel findet sich am Quadratum eine Hervorragung, die dieser Bildung entsprechen dürfte. Auf dem Stadium, wo die junge Viper den mütterlichen Organismus verläßt, ist das Stück noch knorplig, aber mit einer knöchernen Erhebung des Quadratums fest ver- bunden. Auf früheren Stadien ist der Knorpel nicht vorhanden. Seine Abtrennung von der Columella ist mir sehr wahrscheinlich. Ich habe sie aber nicht beobachten können. Ob diese Bildung der Extracolumella der Saurier vergleichbar ist, muß vorerst‘ dahin- gestellt bleiben. Öceipital- und Oticalregion sind in ihrer Gestaltung konser- 606 Bernhard Peyer Fig. 16. 8 sogen. Stylohyale Columella auris Quadratum Verschmolzene Unterkiefer-Deckknochen Meckelscher Knorpel Columella auris und sog. Stylohyale. Embr. 27a. 39, 3, 3. Vergrößerung 25:1. Fig. 17. Tectum Fe 3. „Ohrkapsel a \ = ) ) VA Pila > occipitalis | / | 1) Quadratum- 7 ed n | | ———-Meckelscher / ) Knorpel Columella auris . B Z Goniale Querschnitt durch das hintere Ende der Ohrkapsel. Embr. 6b. 6, 6, 4. Vergrößerung 33,3: 1. Die Entwicklung des Schädelskeletes von Vipera aspis. 607 vativ. Sie entfernen sich nicht wesentlich vom allgemeinen Reptilien- typus. In der Ausbildung des Teetum posterius besteht insofern ein Unterschied gegen das knorplige Primordialeranium von Lacerta und Emys, als der oceipitale Anteil bei Yipera überwiegt, während bei jenen genannten Formen das Tectum posterius ein reines Tec- tum synoticum darstellt. Auf das Bestehen einer nach Form und Lage typischen, mit Lacerta übereinstimmenden Fissura metotica, die nachher bis auf wenige Löcher knöchern verschlossen wird, ist schon hingewiesen worden. PARKER beschreibt für Tropedonotus nur ein Hypoglossusloch. Bei Fipera bestehen deren zwei. Es er- scheint jedoch nicht unwahrscheinlich, daß auch das »posterior con- dyloid foramen«, welches dieser Autor für Tropidonotus angibt, ebenfalls eine Hypoglossusöffnung ist. Was den Binnenraum der Ohrkapsel anlangt, so beschränke ich mich auf die Angabe der tatsächlichen Verhältnisse, wie sie bei der Beschreibung des zweiten Modelles (Textfig. 4, 5, 6) geschildert wurden. Die dort mitgeteilten Befunde fügen sich nicht gerade . zwanglos in jene Einteilung der Räumlichkeiten des knöchernen Labyrinthes, die Hasse (1875) für die erwachsene Ringelnatter auf- gestellt hat; allein vor einer eingehenden Kenntnis der ganzen Entwicklung jener Form lassen sich nicht wohl spezielle Vergleiche durehführen oder eventuelle Änderungen vorschlagen. Nach PARKER treten in der Ohrgegend vier selbständige Ersatz- knochen bei der Ringelnatter auf, das Prooticum, Opisthotieum, Epi- oticum und das »Alisphenoid«. Prootieum und Opisthoticum sind auch bei Vipera vorhanden. Ein selbständiges Epioticum konnte ich nicht finden. Das »Alisphenoid« (Taf. XV, Fig. 4, 5) entsteht in der Gegend der Ineisura prootica des Primordialeraniums als Ersatz- knochen mit Unterdrückung der knorpligen Präformation. Bei einem einzigen Stadium fand ich eine kurze kleine Knorpelleiste vom Rande der Incisura nach vorn vorspringend, welches Knorpelstückchen sich als Rest einer früher ausgedehnteren Wandung auffassen läßt. Gegen die Basalplatte ist der Knochen eine Strecke weit abgesetzt, während er nach oben mit dem Prooticum zusammenhängt. Nach meinen Serien gewinne ich den Eindruck, daß es sich überhaupt nur um einen Teil des Prooticums handelt. Auf dem im zweiten Modell dargestellten Stadium weist der Knochen erst ein Trigeminus- loch auf, und ein Teil des Ganglions V, 2 und 3 liegt vor ihm. Zwischen dem Knochen und dem Parietale besteht noch eine be- trächtliche Lücke. Zu der Zeit jedoch, wo die junge Viper geboren 608 Bernhard Peyer wird bzw. unmittelbar nach der Eiablage das Ei verläßt, stoßen die beiden genannten Knochen aneinander, und innerhalb des »Ali- sphenoids« sind 2 Trigeminuslöcher vorhanden. Auf jeden Fall ist der Name Alisphenoid zu streichen, da er den heutigen Anschau- ungen nicht entspricht. Von hoher Bedeutung ist die Tatsache, daß der Nervus abdu- cens noch eine primäre Austrittsöffnung besitzt, daß er aber nur durchtritt, um nach kurzem Verlauf im Knochen wieder in die Schädelhöhle einzutreten und erst im großen Foramen orbitale mag- num mit den anderen Augenmuskelnerven, dem ÖOpticus und dem ersten Trigeminusaste, eine sekundäre Austrittsstelle zu finden. Es wird somit bei Vepera jene Anschauung vom Aufbau der Orbito- temporalregion des Schlangenschädels bestätigt, zu welcher GAUPP durch das Studium der embryonalen Verhältnisse bei T’ropidonotus und makroskopische Präparation von Dipsadomorphus gelangte. Auf keinem der zahlreichen untersuchten Stadien treten bei Vipera knorplige Reste oder vorknorplige Andeutungen einer ursprünglichen primordialen Seitenwand der Orbitotemporalregion auf. Das frühere Vorhandensein einer solchen ist, abgesehen von anderen vergleichend- anatomischen Gründen, lediglich aus dem Verlaufe der Dura mater und dem Verhalten der Gehirnnerven zu postulieren. Ich hoffe, später nachprüfen zu können, ob bei Tropidonotus natrıx der Knorpel, den PArkER (1878) als Orbitosphenoid beschreibt, wirklich in der angegebenen Weise existiert. Ist dies der Fall, so wäre dadurch diese Form recht wesentlich von Tropedonotus verschieden. Schnitte durch Embryonen von Tropidonotus unmittelbar vor der Geburt bzw. Eiablage zeigen, daß hier das Gehirn die durch das weit ausgreifende Parietale geschaffene Höhlung schon viel voll- ständiger ausfüllt, als dies auf jüngeren Stadien der Fall ist. Im Eintritt der Carotiden (Taf. XVI, Fig. 1 und 2; Textfig. 2) in die Schädelhöhle unterscheiden sich Vipera und Tropidonotus von- einander. Bei Tropidonotus treten die inneren Carotiden, der Dar- stellung von RATHKE und PARKER zufolge, durch gesonderte Löcher des Chondrocraniums ein, bei Vepera nur durch Ausbuchtungen in den beiden latero-caudalen Ecken der ungefähr dreieckigen Fenestra hypophyseos. Die Trabekel treten sehr früh auf und bleiben in ihrem vorderen Teil (Textfig. 19) überhaupt knorplig bestehen, während der hintere Teil resorbiert wird. Bei den ältesten Em- bryonen ist dieser knöcherne Ersatz des hinteren Teiles, bis gegen das Chiasma nervorum opticorum, schon vollzogen. Auf frühen Die Entwicklung des Schädelskeletes von Vipera aspis. 609 Stadien tritt der tropibasische Charakter des Schädels, der über- haupt schwächer ausgeprägt ist als beim Typus Lacerta, weniger hervor, indem die Augen noch nicht ihre nachherige Tiefe erreicht haben und zwischen sich noch einen weiteren Zwischenraum lassen, als späterhin. Ein Septum interorbitale ist nicht vorhanden, auch vorknorplig nicht angelegt. Die vordere Vereinigungsstelle der Trabekel ist bei jungen Embryonen von einer horizontal aus- gedehnten Gewebsverdichtung umgeben. Für das Ethmoidalskelet ist charakteristisch das gegenüber dem übrigen Chondrocranium verspätete Auftreten. Zuerst erscheint das Fig. 18. Lobus olfactorius Nasenhöhle Jacobson’'sches Organ Jacobson’sches Organ Oberkiefer-Fortsatz Anlage des Ethmoidal-Skelettes Querschnitt durch den hinteren Teil der Nasenregion. Embr. 87a. 13, 4, 5. Vergrößerung 25:1. Septum nasi als eine Gewebsverdichtung, die, von der Vereinigungs- stelle der Trabekel ausgehend, nach vorn nur bis zwischen die kugel- törmigen Organa vomeronasalia reicht. Sie dehnt sich in der Folge weiter aus und geht in den vorknorpligen und knorpligen Zustand über; sodann legen sich die mediale und dorsale Wand der Nasen- kapsel an, und schließlich die übrigen Teile. Ein spezieller Vergleich mit dem vollständigeren knorpligen Ethmoidalskelet von Tropidonotus natric wurde an Hand der Bornschen Darstellung schon bei der Beschreibung des zweiten Modelles durchgeführt. Hier soll nur wiederholt werden, daß die Knorpelschale unter dem Organon vomero- nasale jederseits und die sich daraus nach hinten fortsetzenden Knorpel jeglicher Verbindung mit anderen knorpligen Teilen bei 610 Bernhard Peyer Vipera aspis entbehren, während bei Tropidonotus natrix eine Ver- bindung dieser Schale zum Septum nasi sowie zur Muschel durch je eine Spange dargestellt wird. Eine Vergleichung mit Lacerta zeigt, daß zur Ableitung des knorpligen Nasenskeletes von Vrpera vom Sauriertypus Rückbildung und Weiterbildung in Anspruch genommen werden müssen, Rückbildung fast in allen Teilen, Fortbildung für die Knorpel eaudal von der Schale des Organon vomeronasale.e. Und zwar entsprechen diese Knorpel denjenigen Teilen, welche bei Lacerta von GAupPp als Cartilagines ectochoanales bezeichnet wurden. Um dies zum Ausdruck zu bringen, möchte ich für diesen paarigen Knorpel, der von SOLGER bei Python entdeckt und durch Born bei Tropidonotus natrix und Pelias berus näher beschrieben wurde, den ähnlich lautenden Namen Cartilago hypo- choanalis vorschlagen. In der Arbeit von Tuärter (1911) wird die Verschiedenheit der Gaumenbildung bei Schlangen und Säugern be- tont. In diesem Zusammenhange mag darauf hingewiesen werden, daß der Duetus nasopharyngeus dort durch Deckknochen, hier durch dem nasalen Skelete angehörigen Knorpel von der Mundhöhle ge- trenntwird. Ein augenfälliger Unterschied gegenüber Lacerta(Taf. XIV und XV, Fig. 1, 2, 4, 5) besteht in der tiefen Spalte, welche die beiden Nasenkapselhälften dorsal und vorn voneinander trennt. In diese Spalte senken sich die Nasalia mit einer vertikal gestellten Partie hinab. Es wurde schon darauf hingewiesen, daß diese senkrechten Lamellen der Nasalia zum Teil eine weitere Ausdehnung der knorp- ligen medialen Wand der Nasenkapsel verhindert haben dürften. Die Nasenhöhle ist sehr einfach gestaltet, die Muschel gut ent- wickelt (Textfig. 10). Infolge‘ der starken Reduction der Kknorp- ligen Teile sind die bei ZLacerta unterschiedenen Fenster (Fenestra olfactoria, Fenestra lateralis nasi, Fenestra narina) nicht allseitig knorplig umwandet. Einzig das Foramen epiphaniale (für den N. lateralis nasi des V, 1) besteht in gleicher Ausbildung. Eine Cartilago paraseptalis fehlt. Auf dem ersten Modell ist in der Ge- gend des Organon vomeronasale eine schmale Zona annularis, eine Querschnittszone, auf der die Nasenhöhle (Taf. XIV, Fig. 2) mit dem aus ihr hervorgegangenen Organe allseitig von primordialem Skelet umgeben ist, vorknorplig angedeutet. Das Septum nasi wird in seinem Verlaufe durch die Kapseln der Organa vomeronasalia be- einflußt, die bei Schlangen gewaltig entwickelt 'sind. An der Bil- dung dieser Kapsel jederseits nehmen neben dem Knorpel Septo- maxillare und Vomer teil (Textfig. 10 und 11). Über diese Knochen Die Entwicklung des Schädelskeletes von Vipera aspis. 611 soll im Zusammenhang mit der Entwicklung der übrigen Deck- knochen noch einiges mitgeteilt werden. Der Schlangenschädel ist ausgezeichnet durch das starke Vor- herrschen der Deckknochen. Wie weit dies gehen kann, wurde im speziellen ausgeführt. Eine allgemeine Vorstellung von diesen Ver- hältnissen gibt die Betrachtung auch des ersten Modelles in der Seitenansicht, indem hier die Allostosen noch fast völlig fehlen und so die Unvollständigkeit des knorpligen Primordialeraniums zutage tritt. Im folgenden möchte ich einige Angaben über die Reihenfolge des Auftretens der einzelnen Deckknochen machen. Zuerst er- scheinen ungefähr gleichzeitig Praemaxillare, Maxillare, Palatinum und Pterygoid (Taf. XIV, Fig. 1, 2, 3.) Von den später auftretenden erscheint das Parasphenoid erheblich nach den übrigen. Der Vomer ist dem Septomaxillare in der Entwicklung voraus. Am Unterkiefer treten die Deekknochen erst nach der erstgenannten Gruppe, Prae- maxillare, Maxillare usw., auf. Der Zusammenschluß der hinteren Stücke zum »Großknochen« erfolgt sehr früh, schon auf jenem Sta- dium, wo das Chondrocranium eben seine volle Entfaltung erreicht hat. Das Operculare wird spät angelegt. Zwischen dem Dentale und den hinteren Knochen besteht anfänglich eine Zone, wo der Knorpel noch nicht knöchern bedeckt ist. Das Squamosum (Textfig. 6) entsteht am lateralen Umfang der Ohrkapsel in der Gegend der Prominentia semieireularis lateralis. Was seine morphologische Natur anlangt, so spricht sich Tryx6 (1906) dahin aus, daß das Schlangensquamosum ein Supratemporale darstelle. PARKER beschreibt eine medioventral vom Squamosum ge- legene, ovale kleine Knochenlamelle am Tropidonotus-Embryo. GAUPP konnte (1894) diesen Befund an einem daraufhin untersuchten Em- bryo nicht bestätigen. Bei Vipera habe ich auf keinem Stadium eine solche Bildung: finden können. Doch läßt sich daraus natür- lich nieht auf das andere Objekt schließen. Diese Lamelle, die bei Tropidonotus vorübergehend vorhanden sein soll, würde nach Tuyx6 das eigentliche Squamosum repräsentieren. Das Parietale entsteht, wie immer, paarig; indessen findet die Vereinigung der beiden Anlagen noch während des Embryonallebens statt. Auf den großen Umfang dieses Knochens am Schlangen- schädel wurde schon hingewiesen. Das Frontale (Taf. XV, Fig. 4) bildet mit seiner vordersten Partie einen knöchernen Ring um den Lobus olfaetorius. Schon RATHKE stellte bei Tropidonotus fest, daß die mediale Lamelle des Knochens Morpholog. Jahrbuch. 44. 40 612 Bernhard Peyer erst nach dem seitlichen und dorsalen Teil sich ausbildet. Ich kann diesen Befund für Vipera bestätigen. "Da diese mediale Umsehlie- ßBung des Lobus olfactorius durch den Knochen eine durchaus eigen- artige Erscheinung ist, die von indifferenteren Zuständen abgeleitet werden muß, so ist auch das späte Auftreten dieser medialen Partie verständlich. Das Parasphenoid ist ein Schleimhautknochen, der den Ver- schluß der Fenestra hypophyseos bildet. (Textfig. 19.) Bemerkens- wert ist sein Verschmelzen mit dem Basisphenoid. ® SS Transversum le | Porasonenad n ! Trabekel Pterygoid Querschnitt durch das Parietale. Embr. 27a. 55, 3, 2. Vergrößerung 16,6:1. Am Vomer entsteht der dorsale Teil, der die hintere Partie des Daches des Organon vomeronasale bildet und von den ÖOlfaetorius- ästen durchlöchert wird, erst später. Das Septomaxillare stimmt nach seiner Lage mit demselben Knochen bei Lacerta überein. (Textfig. 10.) Das Praefrontale ist stark entwickelt und vom Tränengang durch- bohrt. Ein lateraler Knochen, ein Reptilienlacrymale (Adlaerymale GAuPpP), tritt auch während der Entwicklung nicht auf. Für die Nasalia ist die vertikal gestellte Partie, welehe in den Internasalraum eindringt, charakteristisch. Maxillare, Palatinum, Pterygoid und Transversum entstehen Die Entwicklung des Schädelskeletes von Vipera aspis. 613 ohne Beziehung zu knorpligen Teilen!. Für das Pterygoid ist seine große Länge charakteristisch. Der Unterkiefer unterscheidet sich etwas in seinem Aufbau von demjenigen von Tropidonotus natrix, den GAupp kürzlich (1911) be- schrieben hat, wie übrigens auch der ausgebildete Unterkiefer von Vipera sich schon äußerlich vom Tropedonotus-Unterkiefer unter- scheidet?. An der Zusammensetzung beteiligen sich folgende Knochen: Supraangulare (lateral-proximal), Goniale (medial-proximal), Angu- lare (nicht bis zum hinteren Ende reichend, ventral vom Goniale, von ihm nur unscharf geschieden), Dentale (distal-lateral), Spleniale sive Opereulare (medial vom Dentale), Complementare(?) und schließ- lich das aus der Verknöcherung des Gelenkendes des MECKELschen Fig. 20. a h e d Spleniale N. V,3 (Operculare) ®—Dentale Dentale N. mandibularis Complementare dD Meck. Knorp. : Verschmolzene x Verschmo! i ; Süedact Een Kn Unterkiefer > UK Goniale ‘ Meck. Kn: an deckknochen ’ Supraangulare — | ED a u __Dentale Chorda tympani Querschnitte durch den rechten Unterkiefer. a Embryo 25*. 56, 1,1. b Embryo 25* 61, 3, 1. ce Embryo 25* 71, 1, 3. d Embryo 25*. 74, 4, 3. II. Modell. Vergrößerung 33,3 :1. Knorpels hervorgehende Artieulare. Goniale und Supraangulare verwachsen schon sehr früh zu einem einheitlichen »Großknochen«, 1 Bei dieser Gelegenheit möchte ich aufeinen Fehler in der Farbengebung auf einigen Figuren der PARKERSchen Arbeit aufmerksam machen. Auf Tafel 32, Fig. 1 und 2 sind Praefrontale, Palatinum und Pterygoid mit der im übrigen für Ersatzknochen verwendeten gelbbraunen Farbe getönt, auf Tafel 31, Fig. 2 dazu noch das Transversum, welches auf Taf. 32 richtig dargestellt ist. Da zu jener Zeit die Natur der genannten Knochen bekannt war, ist anzunehmen, daß es sich nur um ein Versehen in der Kolorierung (Handkolorierung?) handelt. 2 Der Unterkiefer von Vrpera ist graciler gebaut, als derjenige der Ringel- natter. Er besitzt einen langen, dünnen vorderen Teil und eine hohe, unge- fähr dreieckige hintere Partie, während er sich bei Tropedonotus in etwa gleicher Stärke von hinten nach vorn zieht. Bei Tropidonotus führt zum Aditus canalis primordialis eine weite, tiefe Grube, die dadurch gebildet wird, daß lateraler und medialer Kieferrand ungefähr gleich hoch. hinauf eine Wand bilden. Bei der erwachsenen Vipera dagegen ist der Aditus viel enger. Der laterale Rand bildet nur eine scharfe Kante, ohne sich als eigentliche Wand zu erheben; da- gegen bildet der mediale Rand eine überaus hohe Knochenwand. Dieselbe ge- hört jedoch ursprünglich zu dem lateral gelegenen Supraangulare, das sich dorsomedianwärts über den MEckELschen Knorpel hinweg und von da in die Höhe erstreckt. 40* 614 Bernhard Peyer in welchem später noch das Artieulare aufgeht. Es ist nun die Frage, ob in diesem Großknochen auch ein Angulare enthalten ist. Wenn dies der Fall ist, dann muß .der hinter dem Spleniale und dorsal von ihm in der vorderen Kieferhälfte gelegene Knochen als Fig. 21. Quadratum Goniale Meck. Knorpel Supra angulare ; Meckelscher Goniale Knorpel x 2 Angulare Goniale Supra angulare Meck. Knorpel Meckelscher Knorpel Goniale Supra angulan Querschnitte durch den hinteren Teil des rechten Unterkiefers. a Embr. 6b. 6, 5, 1. b Embr. 6b. 7,2,1. e Embr. 6). 7, 6, 1. d Embr. 6b. 8,2 3. Vergrößerung 25 1. N. mandibularis Chorda tympani— Meck. Knorpel Verschmolzene Unterkiefer-Deckknochen Querschnitt durch den linken Unterkiefer. Der gleichmäßigen Orientierung halber spiegelbildlich gezeichnet. Embr. 27a. 43, 4, 2. Vergrößerung 25:1. Complementare gedeutet werden. Auf der für diese Untersuchung günstigsten Serie tritt auf einigen Schnitten ventral vom Goniale ein diskretes Stück auf, das wohl als Angulare anzusprechen ist; allein die Trennung ist nicht durchgängig, und die Frage scheint mir auf Grund nur dieses Befundes nicht zu entscheiden. Auf Die Entwicklung des Schädelskeletes von Vipera aspis. 615 diesem Stadium ist neben dem Goniale, dem erwähnten abgetrennten Stick und dem Supraangulare erst das Dentale vorhanden (Text- figur 20). Tropidonotus besitzt nach Gaupp ein deutliches Angu- lare. Es ist derselbe Knochen, den PARKER als Complementare bezeichnete. Die Chorda tympani durchbohrt vor dem Gelenk den erwähnten Großknochen an seiner medialen Seite. Sie ist schwächer, als bei Tropidonotus. Das Supraangulare ist weitaus der mäch- tigste Knochen des Unterkiefers und macht den Hauptteil des ge- samten komplexen Gebildes aus. Das Dentale sendet zwei Fort- sätze nach hinten; davon liegt der dorsale auf dem Großknochen, der ventrale zwischen ihm und dem Spleniale. Es wurde schon darauf hingewiesen, daß vielleicht in der Längenentwicklung des Unterkiefers das Moment zu erblieken ist, das zu der intensiven Verwachsung der Knochen in seinem hinteren Teile geführt hat. Ergebnisse. Der Schlangenschädel stellt nicht jenen »Standard« von Schädel- entwicklung dar, den PArker in ihm erblickte und den er für die Anknüpfung nach oben und unten (Vögel und Ichthyopsiden) be- sonders günstig hielt. Vielmehr ist der Schlangenschädel ein extrem differenziertes Cranium, das sich in seiner Entwicklung auf den allgemeineren Sauriertypus zurückführen läßt. Für den Vergleich kommt in erster Linie die in ihrer Entwicklung am besten bekannte Form Lacerta in Betracht. Gewaltige Ausbildung der Deckknochen, Rüekbildung im knorpligen Primordialeranium und innige Beziehung des Deekknochens zur Ersatzossifikation in zwei Fällen sind neben der eigenartigen Anordnung der Teile des Kauapparates, welche durch die Art der Nahrungsaufnahme bedingt wird, die vornehmsten | Charaktere des Ophidiereraniums. Am Chondroeranium sind Oceipitale und Oticalregion in ihrer Ausbildung konservativ. Wie bei Lacerta besteht eine typische Fissura metotica, welche die beiden Regionen voneinander und einen Teil der Ohrkapsel von der Basalplatte trennt. Sie wird in gleicher Weise wie bei der erwähnten Form bis auf wenige Löcher knöchern verschlossen. An der Basis des Oceipitalpfeilers sind zwei Hypo- glossuslöcher vorhanden. An der Bildung des Tectum posterius nimmt, im Gegensatz zu Lacerta und Emys, die oceipitale Kompo- nente den Hauptanteil. Das Labyrinth ist von einfacher Gestal- tung. Die Columella auris entsteht unabhängig von der Ohrkapsel. Sie ist nach ihrer Lage zur ersten Visceralspalte hyaler Natur, doch 616 Bernhard Peyer konnte der Zusammenhang mit den Cornua hyalia auf den zu Ge- bote stehenden Serien nicht nachgewiesen werden. Am distalen Ende der Columella findet sich auf späteren Stadien ein diskretes Knorpelstück, das dem Quadratum anliegt und mit ihm später knöchern verschmilzt. Der N. abducens gelangt durch eine primäre Öffnung im vorderen seitlichen Teile der Basalplatte nach außen. Die Orbitotemporalregion entfernt sich in ihrem Aufbau am meisten vom Sauriertypus. Eine knorplige Seitenwand dieser Re- gion, wie sie bei niederen Formen in hoher Ausbildung besteht und noch bei Lacerta durch ein graciles Spangenwerk in ihrem früheren Umfange umrissen wird, ist bei Vipera völlig verschwunden. Das Knorpelskelet ist lediglich auf die Trabeeulae baseos eranii be- schränkt. Die Umwandung der Schädelhöhle wird ganz von den mächtig entfalteten Deekknochen, Parietale und Frontale, über- nommen. Es treten auch im Verlauf der Entwicklung keine Spuren einer früheren primordialen Wandung auf. Der von PARKER als Orbitosphenoid bei Tropidonotus natrix beschriebene Knorpel exi- stiert bei Vipera nicht. Es ist auch kein knorpliges Septum inter- orbitale vorhanden. Der tropibasische Charakter des Schädels ist aber trotzdem gut ausgeprägt, namentlich im Grundriß der Orbito- temporalregion, der eine breite hintere und eine schmale vordere Partie erkennen läßt. Zwischen den Trabekeln verschließt ein Para- sphenoid die Fenestra hypophyseos. Es verschmilzt später mit dem Basisphenoid. Das frühere Vorhandensein einer primordialen knorp- ligen Seitenwand der Region muß aus dem Verhalten der Gehirn- nerven gefolgert werden. Nur der Abducens besitzt unter den Augen- muskelnerven eine primäre Austrittsöffnung. Er tritt aber nach dem * Passieren dieser Öffnung wieder in den Schädel (Taf. XV, Fig. 4) ein, um ihn erst zusammen mit dem ÖOptieus, Oculomotorius, Trochlearis und dem ersten Trigeminusast zwischen Frontale und Parietale durch das ausgedehnte Foramen orbitale magnum zu verlassen. Somit werden die Befunde, die Gaurp von Tropidonotus und Dipa- domorphus mitgeteilt hat, bei Vipera vollkommen bestätigt, und die Anschauungen über den Bau der Orbitotemporalregion des Schlangen- schädels, zu denen er auf Grund der erwähnten Tatsachen ge- langte, dürften durch die hergestellten Modelle eine gewisse Ver- anschaulichung erfahren haben. Für die Ableitung des knorpligen Nasenskeletes der Vipera aspis von den Zuständen bei Sauriern, speziell Zacerta, sind Rück- bildung und Ausbildung in Anspruch zu nehmen; starke Rück- Die Entwicklung des Schädelskeletes von Vipera aspis. 617 bildung für fast alle Teile, Ausbildung nur für jenen Knorpel, der sich aus der Schale des Organon vomeronasale nach hinten fort- setzt. Eine Cartilago paraseptalis ist nicht vorhanden. Der be- schriebene Knorpel stellt eine Weiterbildung der Cartilago ecto- choanalis von ZLacerta dar. Ich möchte dafür die Bezeichnung Cartilago hypochoanalis vorschlagen. Gegenüber Tropidonotus be- steht der Unterschied, daß bei Vipera die Schale des Organon vomero- nasale und der sich daraus nach hinten fortsetzende Knorpel jeg- licher Verbindung mit anderen knorpligen Teilen entbehren. Auf frühen Stadien ist jedoch eine Zona annularis angedeutet, eine schmale Querschnittszone, auf welcher die Nasenhöhle allseitig von primordialem Skelete umgeben ist. Die verschiedenen bei Lacerta zu unterscheidenden Fenster sind bei Vipera infolge der starken Reduction des Knorpels nicht mehr abzugrenzen. Am besten sind Septum nasi und Cartilago eupularis ausgebildet. Ein tiefer Inter- nasalraum trennt die beiden Nasenkapselkuppeln. Die Muschel ist gut ausgebildet. Das knorplige Quadratum ist einfach gestaltet. Reste einer Pars palatina treten nicht auf. Das Quadratum erlangt seine eigen- artige definitive Stellung erst im Verlauf der Ontogenese durch eine Drehung von über 90°. Auf frühen Stadien schaut sein distales Ende noch nach vorn. Gleichzeitig rücken Quadratum und Squa- mosum hoch am Schädel hinauf. Das Kiefergelenk liegt auf frühen Stadien noch im Bereich des Neurocraniums; es kommt erst später hinter den eigentlichen Schädel zu liegen. Der Meckersche Knorpel ist durch seine Länge ausgezeichnet. Das Hyobranchialskelet ist auf die beiden langen Cornua hyalia reduziert. Im Unterschied zu Tropidonotus besteht ein einheitlicher Processus entoglossus. Unter den periotischen Knochen konnte ich ein selbständiges Epioticum, wie es PARKER für Vipera beschreibt, nicht finden. Das von demselben Autor bei der Ringelnatter beschriebene Alisphenoid ist bei Vipera ein Teil des Prooticums. Er wird nicht knorplig präformirt. Der Name Alisphenoid dürfte auf jeden Fall zu streichen sein. Die Knochenlamelle medial vom Squamosum, die PARKER bei Troptidonotus beschrieben hat, besteht bei Vipera auf keinem Stadium. Die Deckknochen des Unterkiefers sind das Dentale, Spleniale sive Opereulare, Complementare, Supraangulare, Goniale ‘und Angu- lare. Das Angulare ist auf den mir zur Verfügung stehenden Serien nicht vollständig vom Goniale getrennnt. Die proximalen Stücke 618 Bernhard Peyer verschmelzen schon auf dem Stadium, wo das Chondrocranium gerade seine volle Entwieklung erreicht hat, zu einem komplexen Groß- knochen. Auf die weiteren Befunde will ich im einzelnen hier nicht mehr eingehen. Ich hoffe, mit der Beschreibung der Entwicklung bei einer bisher noch nicht eingehend untersuchten Form einen kleinen Beitrag zur Kenntnis des Kopfskeletes der Wirbeltiere ge- liefert zu haben. Literatur. Baxayv. (Angabe betr. Verwendung von Bismarckbraun.) Verhandl. Anat. Ges. 16. Vers. 1902. $S. 248. BarLowırtz. Ein Kapitel aus der Entwicklungsgeschichte der Schlangen: Die Schicksale des Urmundes bei der Kreuzotter und der Ringelnatter. Verh. anat. Ges. 15. Vers. 1%01. BENDER, 0. Über Herkunft und Entwicklung der Columella auris bei Testudo graeca. Anat. Anz. Bd. XL. 8.161. Born, G. Die Nasenhöhlen und der Tränennasengang der amnioten Wirbel- tiere. Morpholog. Jahrb. III. Bd. 1883. FISCHER, Eugen. Das Primordialeranium von Talpa europaea. Anat. Hefte. Bd. XVIL. 1%1. . FiscHER, J. G. Die Gehirnnerven der Saurier, anatomisch untersucht von J. G. Fischer. 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Bd. NLIV. Tafel XIV. Internasalraum | Figur 1 ] | | Cartilago cupularis | | | Schale des Organon | vomero-nasale | Trabekel Pterygoid Fenestra gupopuuasse / __Stelle der A Crista sellarıs —— carotis int. | Hyoid in der Fenestra_| basicranialis post. For. VIll Chorda For. endolymphatic Tectum posterius Cupula anterior For. faclale Tectum posterius Columella auris Quadratum Pila occipitalis Proc. retroarticularis For. N, abduc / Pterygold Figur 2 Internasalraum Cartilago cupularis Concha Praemanillare Schale des Organon vomeronasale Maxlllare Palatinum Meckelscher Knorpel Fenestra hypophussos —Pterygoid Fenestra basicranialis post Columella auris Quadratum N > Foramina Xli Pila eelatale Tectum poslerius Figur 3. Tranekel -Cartilago cupularis Aditus conchae \ Septum nasi Schale des Organon vomero-nasale Palatinum Meckeischer Knorpel B. Peyer reconstr. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. E. Erne gez. Morphologisches Jahrbuch. Bd. XLIV. Figur 4. Praemaxillare I} For. N. 5, Praefrontale Trabekel Pterygoid . $ a”. Unterkiefer Parasphenoid For. carotic. Basalplatte N. abducens Hyoid hinter der Fenestra basicr. post. Prom. amp. lat B Squamosum Sinus sup. Quadratum Proc. retroarticularis Epistropheus Venenöffnung B. Peyer reconstr. Verlag von Wilheln Tafel XV. Figur 5. Praemaxillare Septomaxillare Concha Vomer Praefrontale Schale des Organon Nasenkapsel vomero-nasale Cartil. hypochoanalis Parietale Trabekel Postfrontale Paraphenoid Dentale Complementare Verschmolzene Deckknochen des Unterkiefers For. carotic. Fenestra basi- iali Pterygoid cranialis post. Quadratum Ka. x E SE 7 3 2 u ne E f ” 2 ; entoglossus) olumella auris Quadratum Atlas Processus retroarticularis rn gelmann in Leipzig. E. Erne gez. f - 4 k \ er = „ . } ' - - = R vs L er [ . ur ‘ 2 ’ we 18 Es nn - [4 i er > 6: z 5 Er ‘ = - 3 i “ » A he # u I d fer % = 5 4 4 i N - Pr u M f _ ei 7 ® - ir E “ 5 R - l ‚ . b » u ’ Y h he Pi “ “ u. Br . Rx 175 .. a I . w ih q ® = > ! = Du — rn - € = Morphologisches Jahrbuch. Bd. XLIV. Tafel NVI. For. trigemini Squamossum ——— Quadratum __ Epistropheus___ — Bun Proc. retroarticularis Atlas Columalla auris Postfrontala For. orbitale Parasphenold ENT S N Parietaie magnum „NAT _Frontale | Figur 6. Loch f.d. Thränengang _— Praelrontale | | | Nasale | i = Praemanillare Fenestra narina sn In Proc. alaris int | \ L —praniliare Hyoid “ sog Alisphenoid a S x. — Vomer Verschmolzene Unterkieferdeckknochen Complementare” Dentale 94 N Pterygoid: Palatinum Transversum | For. Vil, Fenestra ovalis | N | Foramina XI | Fig. 7 For. pro N. V,. Paries lat. nasi Proc. alarıs sup.. Cartilago cupularis Fenestra narina Proc. alaris in! Schale des Organon vomero-nasale Cartilago hypochoanalis Prominentia ampullaris ant... Trabekel Parasphenoid Meckelscher Knorp Hyoid Foramen jugulare sog. Allsphenoid Exoceipitale B. Peyer reconstr. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. E. Erne gez. Die Entwicklung des Schädelskeletes von Vipera aspis. 621 halber Größe ausgeführt. Die Tafelfiguren wurden bei der Reproduktion als- dann auf zwei Drittel verkleinert. Das Verhältnis der Abbildungen zur wahren Größe des Objektes ist demnach 162/3 :1. Die Farben bedeuten: hellblau fertiger Knorpel dunkelblau junger Knorpel braun Deckknochen grün Chordagewebe. Fig. 1. Dorsalansicht. Fig. 2. Ventralansicht. Das Hyoid ist weggelassen. Fig. 3. Ansicht von der rechten Seite. Tafel XV und XVI. Schädel eines Embryo von Vipera aspis von 125 mm Gesamtlänge. Vergrößerung des Modelles, der Zeichnungen und Reproduktionen wie auf Tafel XIV. Farben: Knorpel blau Deckknochen gelb Ersatzknochen farblos. Fig. 4. Dorsalansicht. Fig. 5. Ventralansicht. Fig. 6. Ansicht von der rechten Seite. Fig. 7. Ansicht von der linken Seite. Auf Fig. 4, 5, 6und 7 ist das Hyoid nur in seinem vorderen Teile dargestellt. In Fig. 4 ist die Schale des Organon vomeronasale etwas lateralwärts verschoben. Sie wäre nor- malerweise in dieser Ansicht nicht sichtbar. Die Kopfregion der Amnioten. Morphogenetische Studien. (9. Fortsetzung.) Von Dr. A. Fleischmann, Pröfessor der Zoologie und vergl. Anatomie in Erlangen, Nachdem die Untersuchungen meiner Schüler A. KRIEGBAUM und H. W. Schmipr mir klare Anschauung von der Beschaffenheit des Rachens gegeben hatten, wandte ich alle Aufmerksamkeit den frühen Entwicklungsstadien des Rachens zu, weil ich mir einen Überblick über den Verlauf der Rachenbildung verschaffen und die Unter- lassung früherer Forscher verbessern wollte, welche bloß einzelne Perioden, speziell die Bildung der Schlundtaschen, beachtet hatten. Unmöglich darf man sich damit begnügen, diesen Ausschnitt der Embryonalgeschichte allein ins Auge zu fassen und den Zusammen- hang der ersten Gestalt des Rachens mit dem fertigen Zustand zu vernachlässigen. Ebensowenig scheint es mir nützlich zu sein, wenn die Seitentaschen des embryonalen Rachens ohne Bedenken mit den bleibenden Seitenräumen der Anamnier verglichen werden. Fast 100 Jahre sind verflossen, seit RAruke die kleinen Spalten an der Kopfanlage der Amnioten »Kiemenspalten« genannt hat. Der von ihm eingeführte Terminus nebst seinen Varianten wurde von allen Nachfolgern anstandslos gebraucht. Mir aber scheint hier eine größere Vorsicht geboten zu sein; denn die Lektüre der Original- stellen (siehe Kapitel XIII, S.630—635) hätte längst zeigen können, daß Rırnkes Worte mehr einen allgemeinen Eindruck von der Ähnlich- keit der fraglichen Gebilde bei Amniotenembryonen und Fischen wiedergeben, jedoch des überzeugenden Nachdruckes ermangeln, mit welchem der Naturforscher zeigen soll, daß derselbe anatomische 624 A. Fleischmann Begriff notwendig für zwei große systematische Gruppen gilt, deren Embryonalentwieklung durch recht verschiedene Merkmale charak- terisiert ist. Daher habe ich eine neue kritische Prüfung der Frage unter der Mitarbeit von drei Schülern, F. STELLwAAG, J. DOHRER und Tu. Mayr, eingeleitet. Die erste Voraussetzung eines solchen Vorhabens ist reiches Embryonenmaterial. Dafür habe ich durch unablässige Anspornung meiner Sammler gesorgt. Da man die innere Organisation nach äußeren Merkmalen immer noch nicht sicher bestimmen kann, ließ ich konsequent alle zur Verarbeitung bestimmten Embryonen in der linken Profilansicht mit der Kamera zeichnen, die Bilder messen und die Embryonen nach den Maß- zahlen in eine Reihe ordnen. Die kritischen Stadien konnten dann leicht aus der Menge der vorrätigen Embryonen ausgelesen werden. Freilich mußten die passenden Größenstufen für das Studium des Prozesses, welchen ich genauer zu sehen wünschte, zuerst durch tastende Probeserien gesucht werden, aber wenn das gelungen war, konnten wir die entsprechend großen Embryonen mit sicherer Aus- sicht auf guten Erfolg mikrotomieren. Ich bin planmäßig darauf ausgegangen, durch die von uns zu analysierenden Regionen klare, eindeutige Sehnittbilder zu gewinnen, weil ich eingesehen hatte, dab die meisten Vorarbeiten gerade unter der Vernachlässigung dieser Bedingung leiden. Die Schnittrichtung muß im allgemeinen so ge- wählt werden, daß sie senkrecht zur Hauptachse der betreffenden Gegend steht. Ich habe diesen Zweck dadurch erreicht, daß ich erst etliche Längsschnitte herstellte und an den Zeichnungen der- selben die passende Schnittebene aussuchte, welche die Rachen- achse senkrecht trifft, und eine Reihe von Parallelen zog. Diese wurden auf das Profilbild der Embryonen übertragen, welche zum Schneiden bestimmt waren. Dann kittete ich die Embryonen im Öbjekthalter des Junsschen Mikrotomes fest, schnitt etwas an und visierte nach den Umrißzeichnungen ein. Das ging sehr gut, weil ich seit langen Jahren die Embryonen nicht in einem Paraffinmantel einschließe, sondern aus dem geschmolzenen Paraffin heraushebe, die überschüssige Masse abfließen, dann auf der Hand erstarren lasse, so daß man hernach das ganze Oberflächenrelief des Körpers klar überblickt. Da gewöhnlich auf die Rekonstruktion in Wachs hingearbeitet wurde, mußte meist eine Definierebene am Kopfe an- gebracht werden, welche vorher ebenfalls auf der Zeichnung ein- getragen ward. Dadurch ergab sich eine noch größere Sicherheit der Orientierung des Objektes durch zwei zueinander senkrecht Die Kopfregion der Amnioten. 625 stehende Ebenen. Bei dieser Methode treffen die Serien nur die beabsichtigte Gegend gut, andere werden schräg getroffen, daß es nicht lohnt, die Schnitte aufzuheben. Doch spielt der Nachteil keine Rolle, wenn vorher für ausreichendes Material gesorgt wurde. Der Pharynx der Amnioten erfährt eine außerordentlich starke Metamorphose. Seine jungen und älteren Phasen stellen sich bei genauer Betrachtung als so wesentliche Formgegensätze heraus, daß man nicht glauben möchte, die spätere Form habe sich aus dem früheren, so durchaus anders gestalteten Stadium entwickelt. Von den Seitentaschen der Anfangszeit bleibt nur ein einziges Paar in dauerndem Zusammenhange als wahrer Nebenraum des Rachens. Das zweite Paar verschwindet und die hinteren Paare lösen sich vom Mutterboden ab, um sich zu drüsigen Herden für innere Secre- tion zu differenzieren. Ohne zwingenden Grund hat man alle Seiten- produkte des Rachens bisher für gleichwertig gehalten, bloß weil bei den Fischen die gleichwertigen Kiementaschen vorkommen. Wenn man aber die Vorgänge, welche meine Schüler ausführlich schil- dern, genauer erwägt, kann die Annahme des homologen Wertes angesichts des sehr verschiedenen Schicksals der einzelnen Knospen nicht aufrechterhalten werden. Man soll eben nieht bloß die mor- phologischen Merkmale einer frühzeitigen Embryonalperiode, sondern die ganze Reihe aller späteren Veränderungen der jungen Anlage bis zum funktionsfähigen Zustande anschlagen, wenn man wirklich allgemeingültige Begriffe bilden will! Erlangen, 1. März 1912. q . r rn - 14,4 Gaeit ar “2 0 x 2 73 nBnd 7 6 PrEE LIE PIE AS, PETER? = ur y Jar ash AS 4 Er? ig = SFSTEN = f Der; { N EN SE En Fradke EDIT E E B R Be FR Per an? iuhi int): ” A .) EZB ehr ar),e MT « } k Hr [ 3 » ZEIT f rt \ h Y 4 Kr . - ‚ 1% zuöhfit Ear s wi $ 6 ah r hr ee ‚ I: - 3 « jr. BAR aA 5 5 2 - 2 r ‚ge - zo NT F} } x . z > s s . 73% eis SEHR iz y ah Fr . 24% a n - rer A u. 3 . } fi r » er EubR ’ 2 2 P ‘ \ ! ° Far u fe SE Er Age sg ER E29. wi? "oe 5 “ \ % > . - A sr h rs er 1 h * \ kr h tere & “ya 3 ur P3 # & » F . > .J 2 Be “ ee? ch J 2 Pre m - al & ers snD — = XI. Die embryonale Metamorphose der Mundrachen- wand beim Kanarienvogel (Fringilla canaria). Von Dr. Friedrich Stellwaag, Assistent am zoologischen Institut Erlangen. Mit 35 Figuren im Text und Tafel XVII u. XVII. Einleitung. Der anatomischen Literatur fehlt immer noch eine zusammen- fassende Übersicht über die erste Anlage und allmähliche Ausbil- dung der Mundrachenhöhle bei Vögeln. Die Mehrzahl der Autoren, welche diese Gegend studiert haben, befaßte sich lediglich mit der Schilderung der Verhältnisse in den ersten Bruttagen, oder es wurde der fertige Zustand eingehender studiert. GÖPPERT (2) legte seine Bedeutung für den Weg der Atemluft dar und Sırpeu (11) unter- suchte ihn nach vergleichend-anatomischen Gesichtspunkten, während HEIDRICH (3) seine histologische Differenzierung verfolgte. G. AuL- MANN (1) hat zwar im hiesigen zoologischen Institut den Versuch einer zusammenhängenden entwieklungsgeschiehtlichen Übersicht ge- macht, doeh wurde er durch den Mangel junger Embryonen auf die Analyse älterer Stadien beschränkt. Entwieklungsgeschichtliche Studien über die Mundrachenhöhle der Vögel sind schon vor einem Jahrhundert begonnen worden. Die erste eingehende Untersuchung wurde von RATHkE (9) 1826 ange- stellt. War auch die damals übliche zootomische Methode noch so unvollkommen, RATHKE beobachtete scharf und mit richtigem Ver- ständnis. Daher wurden seine Arbeiten grundlegend für alle späteren Untersuchungen. In seiner Schrift: »Über die Entwicklung der Atemwerkzeuge bei den Vögeln und Säugetieren« beschäftigte er sich Morpholog. Jahrbuch, 44. 41 628 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. genauer mit der Beschreibung der von ihm entdeckten Kiemenspalten und ging auch in groben Umrissen auf die Metamorphose ein. Die auf ihm fußenden Autoren beschränkten sich mehr auf die isolierende Betrachtung der Schlundtaschen und ihrer Derivate oder auf die Entwieklung des Vorderdarmes in den ersten Bruttagen und bauten die durch RAarukeE begründete Lehre von den Schlundtaschen aus. Man vernachlässigte es aber, die Schilderung von dieser frühen Zeit bis zum endgültigen Zustande der Mundrachenwand fortzuführen. Prof. Dr. FreischmAnn hat mich auf die vorhandene Lücke aufmerksam gemacht und mir die Mittel zur Beseitigung derselben gegeben. Dafür und für seine Unterstützung während der Unter- suchung bin ich iım zu großem Dank verpflichtet. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Veränderungen, die der Vorderdarm bis zu seiner definitiven Ausbildung erleidet, und will eine zusammen- fassende Übersicht über die Geschichte der Mundrachenwand geben. Es lohnt sich wohl der Mühe, nach fast 9Ojähriger Pause mit ver- vollkommneten Mitteln die Angaben RArHukes zu prüfen und die Metamorphose in allen Einzelheiten klarzustellen. Das erforderliche Material an Embryonen war in der Zwischen- zeit im hiesigen zoologischen Institut gezüchtet und konserviert worden. Eine große Menge von Embryonen aller Altersstadien stand mir zur Verfügung. Um so schwieriger war die Gruppierung und Altersbestimmung, und ich sah mich veranlaßt, von den zu ver- arbeitenden Embryonen Umrißzeichnungen anzufertigen, um die auf- einanderfolgenden Altersstufen scharf zu fixieren. Diese Art der Behandlung hat den großen Vorteil, daß man bei der Verwendung des Materials sich rasch und sicher zurechtfindet, Das Alter der Embryonen genau anzugeben, ist unmöglich. Man kommt zu einer viel klareren Anschauung, wenn man die Wachs- tumsveränderungen durch Vergleichung der äußeren Form der Em- bryonen verfolgt, wie sie sich ohne Mühe an den Umrißzeichnungen ablesen lassen. Ich habe daher die Umrißzeichnungen der be- schriebenen Embryonen in den Textfiguren 1—7 zusammengestellt. Die Schnittrichtung ist von ausschlaggebender Wichtigkeit. Nur wenn sie zweckentsprechend gewählt ist, erhält man klare Bilder und einwandfreie Modelle. Die beste Richtung durchschneidet den Vorderdarm quer, doch ist sie nicht immer anzuwenden, da er die längste Zeit winkelig geknickt ist. Modelliert wurde stets nur das Epithel des Vorderdarmes. Friedrich Stellwaag, Die embryonale Metamorphose der Mundrachenwand usw. 629 Umrißzeichnungen der 7 verwendeten Stadien von Kanarienvogelembryonen. Vergrößerung 7/1. 41* 630 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. I. Die historische Grundlage der Lehre von den Kiemenspalten der Amnioten. H. RATHkE (9) beschrieb 1826 in der langen und dieken Halsgegend von Hühnerembryonen des III. und IV. Tages eine verhältnismäßig recht weite Rachen- höhle, die sich von der Mundhöhle ab allmählich kegelförmig in die Höhe der Speiseröhre und des Magens verengert. Sie erschien ihm ähnlich der Höhle, mit welcher die Kiemenhöhlen der Fische, insbesondere der Haifische, in Ver- bindung steben. Denn man bemerkt in den Seitenwänden der genannten Höhle drei von oben nach unten herabgehende Spalten oder Schlitze, welche wie bei Fischen die dicke Wand des Halses durchsetzen und an der Außenfläche des Körpers eine äußere Mündung haben. Also sind am III. und IV. Bebrütungstage in jeder Seitenwand des Halses drei von vorn nach hinten plattgedrückte und von außen nach innen sich verkleinernde Seitenhöhlen der inneren Rachenhöhle vorhanden. Zwischen denselben liegen zwei Tafeln, deren Lage, Stellung und Gestalt ihnen eine entfernte Ähnlichkeit mit den Kiemen der meisten Fische verleiht. Die Tafeln verschwinden in den nächstfolgenden Bebrütungs- tagen. Die Ähnlichkeit wird jedoch größer, wenn man Fischembryonen ver- gleicht. Sie werden aber späterhin den Kiemen erwachsener Fische nicht ähnlicher, denn FORCHHAMMERS Abbildung eines sehr jungen Schleimfisch- embryos läßt vermuten, daß die Kiemen in früher Entwicklungszeit ähnlich aussehen, wie die Tafeln des Hühnchens. Bei Dlennius fand er in der ersten Hälfte des Embryonallebens Kiemendeckel und Membrana branchiostega jeder- seits als höchst schmale Verlängerungen des Unterkiefers angedeutet. Die ersten Spuren der Kiemen erschienen als rohe, bogenförmig gekrümmte, relativ mäßig dicke, schmale, kurze, nur sehr wenig schräg von oben hinten nach unten vorn gehende, gerade von innen nach außen gerichtete und freiliegende Tafeln, welche nicht die mindeste Spur von einzelnen Kiemenblättehen besitzen. Sie haben eben dadurch eine große Ähnlichkeit mit den Tafeln am Halse des Hühnchens, obwohl sie in größerer Zahl vorhanden und relativ dünner sind. RATHKE fürchtete daher keinen Fehlgriff zu tun, wenn er die beschriebenen Tafeln am Halse des Hühnchens für die Anlagen oder die auf einer der niedrigsten Stufen stehenden Durchgangsbildungen der Kiemen halte und behaupte, daß auch die Vögel mit Kiemen versehen sind, die aber in ihrer ersten Entwicklung schon wieder zugrunde gehen. Am IV. Bruttage bemerkt man dicht hinter der Mund- öffnung an der unteren Seite der Augengegend zwei den beiden Seitenhälften des Hühnchens angehörige breite und dicke Lappen, die in der Mittellinie des Körpers miteinander verschmolzen sind. Durch eine breite und seichte Quer- furche an der unteren Fläche wird jeder Lappen in zwei Abteilungen zerfällt. Aus der vorderen Abteilung entwickelt sich allmählich der Unterkiefer. Die hintere bedeckt mit mäßig scharfem Hinterrande die vorderste und größte Spalte des Halses, wie bei den meisten Fischen der Kiemendeckel die Kiemen. Über- dies kommt die hintere Abteilung auch darin mit dem Kiemendeckel der er- wachsenen Fische, welcher nach den Untersuchungen von BOJANnUs nur ein Teil des Unterkiefers sein soll, überein, daß sie in ihrer Mitte am breitesten ist, nach unten und oben aber sich von der Mitte aus verschmälert. Hinter ihr wird die Halsgegend unten wieder etwas schmäler; hier befinden sich die zwei anderen Spaltöffnungen des Halses. Dicht hinter den beiden vorderen Lappen Friedrich Stellwaag, Die embryonale Metamorphose der Mundrachenwandusw. 631 der Halsgegend liegt das Herz. Am III. und IV. Tage besteht dasselbe nur aus einem Atrium und einem Ventrikel, aus welchem die Aorta als eine mäßig lange, gebogene Röhre zwischen den beiden hinteren Spaltöffnungen des Halses entspringt. Dort teilt sie sich pinselförmig in 2 Paar zarte Äste, zwei Äste begeben sich nach der rechten, zwei Äste nach der linken Seite, dringen in eine der oben beschriebenen Tafeln, um gerade von unten nach oben zu ver- laufen und sich unter den schon vorhandenen Spuren der Wirbelsäule mit den übrigen Ästen zum einfachen Stamm der Aorta abdominalis zu vereinen. Inner- halb der Tafeln aber geben die Gefäße, ungleich den Kiemenarterien der Fische, keine Seitenzweige ab. Wahrscheinlich haben bei den Fischen die Schlagadern, welche aus dem Herzwirbel entspringen, in der frühesten Ent- wieklungszeit einen ähnlich einfachen Bau, begeben sich auf ähnliche Weise wie bei den sehr jungen Embryonen des Huhnes zu der Aorta und verzweigen sich erst später, wenn die einzelnen Kiemenblättchen entwickelt werden. RATHEKE gründete seine Vermutung auf die Untersuchungen von Ruscoxı über die Entwicklungsgeschichte des Gefäßsystems innerhalb der Kiemen der Molche, demnach habe der vordere Teil des arteriellen Systems bei den Vögeln an- fänglich einen »ähnlichen« Bau wie bei den Molchen, wenn diese sich noch auf ihren niedrigsten Entwicklungsstufen befinden. Die Einrichtung des Gefäß- systems spricht gleichfalls dafür, daß diejenigen Teile des Hühnchens, die RATHKE »Andeutungen« der Kiemen genannt habe, wirklich für solche genommen werden müssen; sie gibt einen höchst wichtigen und auffälligen Beleg zu der Behauptung ab, daß die höheren Wirbeltiere bei ihrer Ausbildung die Entwicklungen der niederen in sich aufnehmen. Am V. Bebrütungstage haben sich bei einigen Embryonen die beiden hin- tersten Kiemenlöcher jeder Seite zu kaum noch sichtbaren runden Löchern verkleinert, bei anderen schon völlig geschlossen. An der inneren Wand der Rachenhöhle aber bemerkt man da, wo sich früher die beiden hintersten Kiemen- löcher befanden, noch ebensoviele kleine Gruben als die letzten Andeutungen der früheren Kiemenhöhlen, welche in den nächsten Stunden gleichfalls ver- schwinden. Der hinter der Mundhöhle liegende Lappen jeder Seite hat sich mäßig vergrößert, die an ihm befindliche Querfurche ist tiefer, der hintere Randteil dünner geworden, springt weiter nach unten und hinten vor und be- deckt das unter ihm liegende, seit dem vorigen Tage noch vergrößerte vordere Kiemenloch vollständig. Der Unterkiefer ist am VI. Tage schon stärker hervor- getreten. Dadurch wurde die Furche zwischen ihm und dem kiemendeckelartigen Teile tiefer, so daß zwischen beiden Teilen schon eine tiefe Einschnürung des Leibes stattfindet. Dieses eingeschnürte Stück des Leibes bildet sich mit schnellen Schritten allmählich zu dem langen Vogelhalse aus. Das kiemendeckelartige Gebilde verlängert sich in den nächstfolgenden Tagen immer mehr nach hinten und hilft mit seinem hintersten Teile diejetzt noch offene Brusthöhle von unten verschließen. Die erste Halsspalte verschwindet am Ende des VI. Tages gänzlich. Auch bei Säugetieren befinden sich in frühester Lebenszeit zur Seite des Halses mehrere Spaltöffnungen, die von außen nach innen durch die dicke Wand des Halses in die Rachenhöhle führen. Die vorderste, dicht hinter dem Rudimente des Unterkiefers ist am größten, die hinterste am kleinsten. Bei einem 6 Linien langen, 3 Wochen alten Schweinsembryo fand RATHkE vier Spalten. Die drei vordersten stellen linsenförmige von vorn nach hinten plattgedrückte Höhlen dar. Die hinterste bildet einen kaum wahrnehmbaren, runden Kanal. Die Wahrheit des alten Harvervschen Satzes von den Durchgangs- 632 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. bildungen der Tiere wird durch die den Kiemen der Fische ähnlichen Platten des Halses bei Vögeln und Säugetieren schön bewiesen. Kiemenartige Platten des Halses hat er auch bei den über den Batrachiern stehenden Amphibien entdeckt. Embryonen von Lacerta agilis besitzen jederseits drei Spalten, von welehen die vorderste am breitesten ist. Überhaupt ähneln in Hinsicht der Zahl, Lage, verhältnismäßigen Größe und Tiefe dieser Spalten, desgleichen in Hinsicht der Form des Rudimentes des Unterkiefers und des an diesem be- festigten kiemendeckelartigen Anhangs, sowie endlich auch in Hinsicht der Lage und Befestigung des Herzens die Embryonen der Eidechse denen des Haushuhns vom IV. Tage der Bebrütung so sehr, daß er einer weiteren Be- schreibung jener Teile überhoben sein könne. Bald darauf (1828) hat K. Raruke bei einem menschlichen Embryo aus der 6. oder 7. Schwangerschaftswoche Andeutungen von Kiemen gefunden. Die Entdeckung RATHKEs fand sehr rasch einen beredten Anwalt in HUSCHKE, welcher dem Vergleiche mit den Kiemenspalten nicht bloß beistimmte, sondern auch durch die Schilderung der sog. Schlundbogengefäße eine neue Stütze verlieh. Er führte damals folgende Gedanken aus: Vom 111.— VIII. Tage der Bebrütung des Hühnereis sind die von RATHKE an- gegebenen Kiemenspalten jederseits am Halse nicht zu verkennen. Alle dreı führen in den Schlund, wie man mit Hilfe eingeschobener Haare sieht, die durch den Mund ihren Ausgang finden, und werden von vorn nach hinten zunehmend kleiner*wie die Spalten der Fischkiemen. Die dazwischen liegenden Gallert- stücke müssen als Kiemenbögen und als Kiemen selbst angesehen werden, was besonders auch durch das gleich zu erwähnende Verhalten des Gefäßsystems bewiesen wird. Hierdurch entsteht am Halse eine Gliederung des Leibes, woran selbst die vorderen Teile Anteil nehmen. So liegt vor der ersten Kiemenspalte das Zungenbeinhorn als ein ähnlicher Hautwulst wie die Kiemenbögen selbst; darauf folgt der in einen Winkel geknickte Wulst des Ober- und Unterkiefers. Zwischen beiden Bogen befindet sich ein großes Loch, wie zwischen je zwei Kiemenbögen, das nur wenig weiter nach hinten als die erste Kiemenspalte sich öffnet und anfangs auch frei in die Mundhöhle führt, aber nieht Kiemen- öffnung, sondern äußerer Gehörgang ist, so daß hierdurch noch mehr bewiesen wird, daß diese Öffnung in den Branchialspalten ihre ersten Entwürfe besitze. Besonders merkwürdig ist die Veränderung des Gefäßsystems vom IIL.— VI. Tage der Bebrütung. Aus dem vom Herzen abgehenden Stamme entspringen sechs Ge- fäße, welche sich anfangs genau an die Kiemenbögen halten. Jede der drei Pulsadern trifft einen Kiemenbogen, läuft an dessen innerer Fläche von vorn nach hinten und ist folglich Kiemenarterie. Am Rückgrat angelangt, schickt die erste schon am IV. Tage einen Zweig nach dem Kopf als Carotis, einen zweiten aber abwärts, welcher mit der hinten angekommenen II. Kiemenpuls- ader derselben Seite sich vereinigt. Diese anastomosiert mit der IlI., so daß beiderseits durch eine Reihe von Schlingen das Blut wieder in einen Stamm zusammenfließt, welcher mit dem der anderen Seite verbunden, die Aorta des- cendens bildet. Ästehen an die Bögen werden nicht abgegeben. Es wird folglich nur eine Skizze des Fischtypus durch diesen Verlauf angedeutet, da an eine Atmung des Schafwassers ohne Verästelung der verhältnismäßig sehr großen Gefäße nicht gedacht werden kann. Sehr bald aber (V.—VI. Tag) nimmt das Gefäßsystem mit Verkleinerung der Kiemenöffnungen eine andere Gestalt an. Die hintere, dem Herzen zunächst abgehende linke Arterie, die dem kleinsten Kiemenbogen angehört, verschwindet schnell, während sie rechts bleibt, nur die Friedrich Stellwaag, Die embryonale Metamorphose der Mundrachenwand usw. 633 Anastomose mit der II, mittleren verliert und die rechte Lungenarterie darstellt; die linke Art. pulmonalis wird von der übrigbleibenden II. Kiemenarterie ge- bildet. Die rechte II. Kiemenarterie wird Aorta und verliert nur ihre Ver- bindungszweige mit der I. und III. Kiemenpulsader dieser Seite, und die 2 ersten gehen, nachdem dies geschehen ist, bloß als Anonymae am Halse herauf. Bei dieser Umwandlung wird der anfangs lange Stamm der aufsteigenden Aorta immer näher an das Herz gerückt, die rechte III. und linke II. Kiemenpulsader sind zum gemeinsamen Stamm der Art. pulmonalis vereinigt und an das rechte Herz gerückt, während die beiden vorderen Kiemenarterien als Anonymae sich mit der II. rechten verbunden haben, die als Aorta das linke Herz zum Ort ihres Ursprungs gewählt hat, wodurch eine Form entsteht, welcher fast alle Ähnlichkeit mit dem Gefäßsystem der Fische fehlt. Einige Jahre später (1832) faßte RATHkE (9, seine Gedanken übersichtlich zusammen. Er verwies auf eigene Untersuchungen an Dlennius viviparus, welche ihm zeigten, daß bei den Grätenfischen die Seitenwände des Leibes ursprünglich ganz glatt sind. Bald aber entstehen dicht hinter der Mundöffnung jederseits 5 parallele, wenig voneinander entfernte Spalten, durch die man von außen in die künftige Rachenhöhle eindringen kann, und zwischen den Spalten 4Bogen. In dem vordersten Bogen jeder Seite bilden sich allmählich zwei zarte, sulzig- knorpelige, senkrechte und einander parallele Fäden, von denen später jeder sich in mehrere Glieder teilt; endlich wandelt sich der vordere zu dem Quadrat- beine und der einen Hälfte des Unterkiefers, der hintere zu der einen Hälfte des von CuUVIER so genannten Zungenbeins um. Mit diesen Befunden verglich RATHKE die bei Schlangen, Eidechsen, Vögeln und Säugetieren entdeckten Spalten, die dieht hinter der Mundöffnung die Seitenwand des Körpers völlig durchdringen und zwischen sich, sowie der Mundspalte mehrere Bogen um- fassen, die nach Form, Lage und Verbindung, teils auch deshalb, weil durch sie, wie an sehr jungen Embryonen der Fische, beinahe unmittelbar vom Herzen aus ebensoviele Blutgefäßbogen zur Aorta verlaufen, denjenigen Bogen höchst ähnlich sind, aus denen sich bei Fischen der Unterkiefer, das Zungenbein und die Kiemenbogen bilden. Bei Vögeln und Säugetieren kommen jederseits zwar nur 4 soleher durch Spalten getrennter Bogen vor. Dicht hinter der letzten Spalte jedoch verläuft durch die Leibeswand ein Blutgefäiß wie durch jeden Bogen selbst; dasselbe entspringt wie jene aus dem Herzen und fließt mit ihnen dicht unterhalb des Rückgrates zu dem Stamme der Aorta zusammen. Deshalb könne man wohl aussprechen, daß bei Vögeln und Säugetieren jeder- seits eigentlich fünf Bogen vorhanden seien, deren hinterster, wie die hinterste Kieme von Gadus aeglefinus und einiger anderer Fische, von den übrigen Körper- teilen nicht abgetrennt sei. Der 1. und 2. Bogen wachsen bald wieder zu- sammen und stellen dann einen an seiner äußeren wie inneren Fläche mit einer senkrechten Furche versehenen Halbgürtel dar, ähnlich demjenigen, aus dem sich bei den Fischen der Unterkiefer und das Zungenbein bildet. Daß der 2. Bogen demjenigen Teile der Fische entspreche, woraus sich das Zungenbein bildet, geht auch daraus hervor, daß sich sein hinterer Rand zu einer der Membrana branchiostega der Fische ähnlichen Platte auszubreiten strebe. Später als die vorderste Seitenspalte schließen sich die übrigen, alle jedoch so früh, daß die zwischen ihnen befindlichen, den Kiemenbogen der Fische und Batrachier entsprechenden Bogen schon wieder verschwinden, ehe sich besondere Kiemen- blättehen auf ihnen ausgebildet hätten. Obwohl sich bei den über den Batrachiern stehenden Tieren Teile kenntlich 634 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. machen, die ihr Entsprechendes in den Kiemen der Fische und Batrachier haben, erheben sie sich nicht über die ersten Entwicklungsstufen und erscheinen nur als Andeutungen oder Rudimente von Kiemen. Es könne deshalb auch nicht befremden, wenn sich bei manchen höheren Tieren in und an ihnen keine ähnlichen Skeletteile ausbilden, als gewöhnlich in den Kiemen der Fische und Batrachier vorkommen. In allen Wirbeltieren (abgesehen von den Schildkröten, deren jüngere Embryonen er noch nicht untersucht hat) bilden sich in den beiden Bogen des II. Paares allmählich zwei sulzig-knorpelige Fäden; an der Bauchseite gehen sie unmittelbar ineinander über, so daß die beiden zusammen einen ununterbrochenen Halbgürtel darstellen. Bei den Vögeln gliedert sich dieser Gürtel, während er rein knorpelige Beschaffenheit annimmt, in fünf, in einer einfachen Reihe liegende Teile (4 paarige und 1 unpaarigen). Der mitt- lere verlängert sich darauf sowohl nach vorn, als auch nach hinten und teilt sich allmählich in einen vorderen, in die Zunge eindringenden, und einen hin- teren, gegen den Kehlkopf gewendeten Knorpel. Er stellt jetzt den Körper, die paarigen Teile: die beiden Hörner des Zungenbeins dar. Die Hörner nehmen gegen das Ende des Fruchtlebens auffallend an Länge zu, begeben sich mit ihren oberen Enden aus ihrer früheren Lage, wachsen an beiden Seiten des Schädels, je nach den verschiedenen Gattungen der Vögel, mehr oder weniger weit nach oben und biegen sich verschieden stark nach vorn um. Bei Coluber natric begeben sich, wenn das Längenwachstum des Embryos immer mehr zu- nimmt, die Enden jenes sich gleichfalls sehr stark verlängernden Halbgürtels aus ihrer früheren Lage und Verbindung, wachsen aber nicht an den Seiten des Schädels hinauf, sondern richten sich nach hinten und kommen unterhalb der Speiseröhre zu liegen. Der mittlere Teil dieses sehr einfachen Zungenbeins wächst nur nach vorn in eine kurze Spitze aus und eine Gliederung stellt sich nirgends ein. Bei Schafen, Rindern, Schweinen, wahrscheinlich auch bei allen übrigen Säugetieren bildet sich hinter dem oben erwähnten Halbgürtel, der dem Zungenbeine der Grätenfische, Vögel und Schlangen entspricht, ein zweiter, kürzerer, von anfänglich sulzig-knorpeliger Beschaffenheit. Seine Lage und seine Verbindung deuten darauf hin, daß er aus demjenigen Bogen und dem Mittelstück desselben entspringe, die dem vordersten Kiemenpaare der Gräten- fische entsprechen. Das Zungenbein der Säugetiere bildet sich also nicht nur wie das der Vögel und der Natter aus demjenigen Körperteile, welcher der Grundlage des Zungenbeins der Fische entspricht, sondern aus demjenigen, welcher der Grundlage des vordersten Kiemenpaares der Grätenfische analog ist. Die bei Proteus, Axolotl, Seren zeitlebens, bei Salamandern, Tritonen, Fröschen, Kröten im Larvenzustande zwischen dem Unterkiefer und den vorderen Extremitäten vorhandenen Skeletteile sind nach einem ähnlichen Typus wie die bei Grätenfischen und Plagiostomen in der gleichen Gegend liegenden Skelet- teile (Zungenbein, Kiemenstützen und Schlundkiefer) gebildet und unterscheiden sich hauptsächlich nur durch einen weniger zusammengesetzten Bau. Das Zungenbein der erwachsenen Salamander, Tritonen, Frösche, Kröten entsteht aus jenen Teilen, hauptsächlich infolge einer Rückbildung und Verschmelzung. Das Zungenbein der Vögel und der Natter entsteht aus einem ähnlichen Körper- teile wie das Zungenbein der Fische. Das Zungenbein der Säugetiere aber entsteht nicht bloß aus einem dem soeben angegebenen ähnlichen Körperteile, sondern aus einem weiteren Körperteile, aus dem sich das erste Kiemenpaar der Grätenfische bildet. Das Zungenbein aller Tiere über den Batrachiern unterscheidet sich von demjenigen Skeletteile der Fische, welcher bei diesen Friedrich Stellwaag, Die embryonale Metamorphose der Mundrachenwand usw. 635 Geschöpfen zwischen dem Unterkiefer und den vorderen Extremitäten seine Lage hat, wesentlich nur durch größere Einfachheit, ist aber in Hinsicht seiner Entstehungsweise ihm analog. Nicht die mindeste Andeutung von oxydierenden Blättchen bildet sich jemals auf den Kiemenbogen der Schlangen, Eidechsen, Vögel und Säugetiere, sondern es verwachsen die Bogen dieser Tiere und ver- lieren ihre eigentliche Bedeutung schon so früh, daß solche Blättchen auf ihnen gar nicht zum Auftreten kommen konnten. Bei Vögeln, Säugetieren, wahr- scheinlich auch bei den höheren Amphibien, wächst aus dem Körperteile, in welchem späterhin die vorderen oder die alieinigen Hörner des Zungenbeines entstehen, jederseits ein nach hinten gewendeter Lappen hervor, der sich als- bald über die hinter ihm liegende Kiemenspalte ausbreitet, sie von außen ver- deckt und noch etwas später mit dem zunächst liegenden Kiemenbogen ver- wächst. Diese Lappen oder die Kiemendecke sind nicht, wie RATHKE früher glaubte, für die Seitenstücke der Kiemendeckel, sondern für die Seitenstücke der Kiemenhaut der Grätenfische zu halten. Auch das Herz liegt bei den Em- bryonen der Vögel und Säugetiere ursprünglich im Halse und dicht an der Speiseröhre, nachher aber schieben sich dazwischen die Lungen ein, um immer weiter nach hinten zu gelangen. Wenn dann der Embryo in seiner Entwick- lung weiterschreitet, verkürzen sich die WoLrrschen Körper und die Leber rückt weiter nach hinten. Ihr folgen, während sich gleichzeitig die Luftröhre mehr verlängert, die immer größer werdenden Lungen und das Herz, so daß beide erst jetzt zwischen die vorderen Extremitäten und zum Teil selbst hinter dieselben zu liegen kommen. Sowie aber das Herz sich immer mehr von den Kiemenandeutungen entfernt, verwachsen diese teils untereinander, teils mit ihren Decken; es obliterieren ihre Gefäße und schwinden fast alle. Während diese Vorgänge sich abspielen und noch späterhin, verlängern sich die Kiemen- decken, d. h. die zwei Seitenlappen, die an der unteren Seite des Embryos mit- einander verschmolzen sind, in eben demselben Maße, als die eben angegebenen Teile sich verkürzen und schwinden, bis ihr hinterer Rand zuletzt in die Ge- gend der vorderen Extremitäten gelangt und mit der Brustwand zusammen- schmilzt. Es werden demnach bei Vögeln und Säugetieren, wahrscheinlich auch bei den höheren Amphibien, der untere Teil und die Seitenteile der Haut- bedeckungen des Halses von einem der Kiemenlecke der Fische ursprünglich ähnlichen Körperteile dargestellt. Mithin darf die von ihnen zusammengesetzte Partie des Halses ebenfalls, wie bei den erwachsenen Fröschen und Sala- mandern, als ein unvollkommenes Seitenstück zur Kiemendecke der Grätenfische angesehen werden. Die Kiemendecken sind am größten und am meisten zusammengesetzt bei den Fischen, am kleinsten und einfachsten dagegen bei Vögeln und Säugetieren. Die Kiemendecken der drei höheren Wirbeltierklassen bilden sich nach dem- jenigen Typus, der für die Kiemendeceken der Grätenfische charakteristisch ist, erreichen aber nicht eine so hohe Entwicklungsstufe, sondern entsprechen nur demjenigen Anteil derselben, welcher von der Kiemenhaut gebildet wird, und stellen zuletzt die Hautbedeckung der Kehle und der unteren (oder beim Menschen vorderen) Partie des Halses dar. Bei den Vögeln und Säugetieren bildet sich aus demjenigen Abschnitte des Körpers, weleher die Andeutung der Kiemen in sich begreift, allmählich der Hals hervor. Deshalb wird der lange Körperteil der Plagiostomen und Cyelostomen, welcher die Kiemen enthält, mit dem Namen des Halses, das ihn umgebende System von Knorpeln aber mit den Namen des »Halsskeletes< oder »Halskorbes« zu belegen sein. 636 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. Il. Der fertige Zustand. Das Relief am Boden und Dache der Mundrachenhöhle er- wachsener Vögel ist zuerst von GÖPPERT (2) einer eingehenden Prü- fung unterzogen worden. Er hat damit einen fruchtbaren Anstoß zu neuen Studien gegeben. Jedoch bringt eine noch so genaue Untersuchung der Einzelheiten des fertigen Zustandes, mag sie in physiologischer oder histologischer Richtung erfolgen, nicht volle Klarheit. Der Wert und das Verhältnis der einzelnen Teile läßt sich nur auf Grund entwicklungsgeschichtlicher Studien bemessen, wie sie KAruıus (5) für die Zunge und AuLMANN (1) für die Mund- höhle unternommen haben. Erst wenn der fertige Zustand als Re- sultat einer konsequent fortschreitenden Entwicklung aufgefaßt wird, gewinnt man ein sicheres Urteil über die gröberen und feineren Details und wird in den Stand gesetzt, den Vergleich mit anderen Klassen sicher durchzuführen. Es ist daher nicht überflüssig, den Mundrachenraum einer er- neuten Würdigung zu unterziehen. Doch will ich mich nicht in der Schilderung der Details verlieren, sondern hauptsächlich das hervorheben, was bisher ungenügend oder gar nicht beachtet wurde, was aber für die spätere Charakteristik der Embryonalstadien von Wichtigkeit ist. Bekanntlich gehen Mund- und Rachenhöhle des Vogels wie aller Amnioten ohne deutliche Grenze ineinander über, weshalb man be- rechtigt ist, vom »Mundrachenraume« zu sprechen. Eine exakte Trennungslinie ist bisher nicht gefunden worden. AULMANN hat mit Recht auf die Hypophyse hingewiesen und das Dach der Mundhöhle bis zu ihrer Wurzelstelle gerechnet, wo der Rachen mit den Tuben- eingängen seinen Anfang nimmt. In welcher Zone aber entodermales und eetodermales Epithel am Boden zusammenstoßen, läßt sich schwer entscheiden. Mir scheint AuLMANnN nicht das Rechte getroffen zu haben, als er kurzweg die Zunge für ein eetodermales Produkt er- klärte. Vielmehr ist sie in ihrem vorderen Teil ectodermaler, in ihrem hinteren Teil entodermaler Herkunft, wie KArLLıus einwand- frei nachgewiesen hat. Das aber steht sicher und ist bekannt, daß der Kehlhügel mit dem Kehlspalt als ehemals hinter den Schlund- taschen liegend zum Entoderm zu rechnen ist. Bei der anatomischen Betrachtung fällt der unverhältnismäßige Größenunterschied der beiden Komponenten auf. Die Mundhöhle Friedrich Stellwaag, Die embryonale Metamorphose der Mundrachenwand usw. 637 ist überwiegend groß und ihre Ausdehnung wird noch verdoppelt durch den vorspringenden Hornschnabel (Taf. XVII, Fig. 16). Ver- schwindend klein dagegen, als schmaler Bezirk erscheint der Rachen, so daß er bisher nur kurz abgehandelt wurde. AULMANN hat nachgewiesen, daß die Mundhöhle in zwei, frei- lich nicht scharf geschiedene Stockwerke gegliedert ist, ein Befund, der an die Verhältnisse bei jungen Säugetierembryonen von 20 bis 30 mm 8.Stl. erinnert. Das untere Stockwerk, die eigentliche Mund- höhle mit der Zunge, wird von dem dorsalen Stockwerke der Orbital- mulde dureh die Orbitalfalten (Taf. XVII, Fig. 16 of) abgesetzt. In die Orbitalmulde schauen die Choanen, daher dient sie als Luftweg oder als »unvollkommener Ductus nasopharyngeus«, wie sich GÖPPERT ausdrückte. Eine ähnliche Gliederung finden wir im Rachen. Die hinter dem Kehlhügel einspringenden Pharynxfalten (Taf. XVII, Fig. 16 pf) scheiden die obere Tubenkammer, Antrum Tubarum, von dem eigent- lichen Speiserachen. Abweichend von der bei Säugern beobachteten Regel ist die Lage des Kehlhügels. Trotz seiner entodermalen Her- kunft ist er vor die Pharynxfalten und die Hypophysenwurzel ge- schoben, um den Anschluß an den Orbitalspalt zu erreichen, wo- durch allein die Regelmäßigkeit des Atemvorganges gesichert ist. Er liegt somit unter dem ectodermalen Munddach, statt unter dem entodermalen Rachendach hinter der Hypophyse (Taf. XVII, Fig. 23). Beim ausgewachsenen Vogel setzt sich die Mundhöhle in gleicher Richtung in den Rachen fort, so daß die Speise ohne Widerstand glatt in den Ösophagus gleiten kann. Orbitalfalten und Pharynx- falten liegen daher hintereinander und letztere bilden die gerade Fortsetzung der ersteren. Diametral entgegengesetzte Verhältnisse finden sich in frühen Embryonalstadien. Während beim ausgewachsenen Vogel eine weite Mundhöhle vor einem kleinen Rachen liegt, beide in zwei Stock- werke gegliedert und in einer ziemlich geraden Achse geordnet sind, der Kehlkopf vor der Hypophyse sich erhebt, ist bei jungen Embryonen die Anlage der Mundhöhle minimal klein, aber der Rachen ansehnlich; beide sind nicht in zwei Stockwerke gegliedert und stehen geknickt in einem rechten Winkel zueinander. Der Kehlkopf liegt hinter der Hypophyse am hinteren Ausgange des Rachens hinter allen Schlundtaschen. Die extremen Unterschiede der Lage und Dimension erschweren 638 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. die Orientierung in den kleinen Anlagen. Dazu kommt der Um- stand, daß die uns interessierende Plastik bei kleinen Embryonen außerordentlich einfach ist. Erst mit der allgemeinen Volum- vergrößerung des Embryos gewinnt das Relief ein feineres Detail. Die folgende Darstellung wird zwei große Perioden deutlich unter- scheiden, eine frühe Larvenzeit, in der das Entoderm mit dem Eetoderm durch die Schlundtaschen in Verbindung steht, und einen zweiten Abschnitt der Metamorphose, in dem die definitiven Charaktere auftreten und sich mit zunehmender Klarheit ausgestalten. Ill. Die Larvenperiode. Stadium II. Tafel XVII, Figur1 und 2. Ich beginne mit einem Stadium, das allgemein charakterisiert ist durch das Mißverhältnis zwischen der kleinen Mundhöhlenanlage und dem relativ mächtig entwickelten Rachenabschnitte. Das Ento- derm steht mit dem Eetoderm durch 4 Paare von Schlundtaschen in Verbindung. Betrachtet man das Modell (Taf. XVII, Fig. 2) von der Dorsalseite, so läßt sich der Umriß des Rachens einem Rhomboid mit ungleich langen Seiten vergleichen. Die kürzeren Seiten liegen am Beginn des Rachens hinter der Hyophyse. Von hier aus diver- gieren sie seitlich, bis sie hinter der I. Tasche ihre größte Nähe am Eetoderm erreicht haben. Dann biegen sie ab und nähern sich wieder in schräg medianem Verlauf, um hinter dem Kehlspalt parallel zu ziehen und den Ösophagus zu begrenzen. (Textfig. 8.) Wie Modell und Figur zeigen, ist der Abschnitt mit den caudal kon- vergierenden Kanten bedeutend größer als der vordere Teil mit den lateral divergierenden Kanten. Die eben skizzierte Umrißlinie wird durch vier Paar seitlicher Ausbuchtungen, durch die Schlundtaschen, beeinträchtigt. Sie sind einander nicht gleiehwertig, da sie ganz verschiedene Umbildung erfahren und schon jetzt bei strenger Beobachtung Unterschiede aufweisen. Letztere sind freilich zunächst unbedeutender Art, doch werden sie in der weiteren Entwicklung zu bedeutendem Gegen- satze gesteigert. Das erste Paar stellt plattgedrückte Aussackungen dar, die in schiefem Winkel zur Darmachse stehen, so daß ihre Wand dorsoventral schräg von vorn oben nach hinten unten ge- richtet ist (Textfig. 8, Taf. XVII, Fig. 2). Der dorsal hoch reichende Teil der Taschen ist nach außen durehgebrochen (Taf. XVI, Fig. 1). Die II. Tasche ist oroeaudal komprimiert, sie hängt gleich einem Friedrich Stellwaag, Die embryonale Metamorphose der Mundrachenwand usw. 639 breiten, dorsoventral gerichteten Flachsacke am Entoderm, der sich zunächst dorsal erhebt, dann ein Knie macht, ventral abwärts steigt, um mit breiter Kante dem Eetoderm anzuliegen. Die Berührungs- zone ist von einem Schlitz durchbrochen. Die Taschen III und IV zeigen den Charakter schmaler Epithel- schläuche, die mit breiter Kante ins Eetoderm übergehen. Eine V. Tasche konnte ich niemals. auffinden, aueh nicht die geringste Ausbuchtung in der IV. Tasche oder am Darm hinter ihr. Die Lage der drei letzten Schlundtaschen ist verschieden. Die II. Tasche steht dorsoventral senkrecht, die III. und IV. aber stellen sich etwas geneigt von hinten oben nach vorn unten. Obwohl alle drei Fig. 8. senkrecht zum Darm gestellt sind, laufen sie einander doch nicht par- alle. Das hängt mit der Tendenz des Darmrohres zusammen, sich in der Gegend zwischen der II. und II. Tasche winkelig zu knicken. Solange die Embryonalanlage flach ausgebreitet liegt und Vorder- und Mittelbirn noch schwach entwickelt sind, verläuft der Vorderdarm gerade IE und parallel der Chorda dorsalis bzw. Dorsalansicht des Rachens von Stadium II. dem Hinterhirn und Rückenmark. Mit Baia ng der Ausbildung der Schlundtaschen wird jedoch die Darmachse geknickt, so daß die Rachenzone der Taschen I und Il ihre ursprüngliche Lage zur Chorda beibehält, während die Zone der Taschen III und IV von der Chorda abgedrängt wird, weil sich Mesodermmassen und die Aorten dazwischen legen. Eine deutliche Winkelknickung bereitet sich schon vor in den Stadien, die durch das Auftreten der Schilddrüsenknospe charakterisiert sind (Textfig. 14 und 15). In unserem Stadium bilden die beiden Darm- zonen bereits einen stumpfen Winkel. Daher können die drei letzten Schlundtaschen einander nicht parallel stehen; denn der Darmabschnitt mit den Taschen III und IV liegt ja in einer anderen Ebene. Der Längsschnitt (Taf. XVII, Fig. 18, Textfig. 15) läßt nicht nur die Art der Biegung erkennen, sondern ist vor allem deswegen in- teressant, weil die Knickungsstelle in der Medianebene durch einen kleinen Epithelkamm (E) noelı klarer hervortritt. So nebensächlich 640 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. diese Bildung, die sich später noch etwas verdickt, erscheinen mag, so wertvoll erweist sie sich, wenn man über die künftigen Längen- veränderungen des Darmes klar werden will. Sie liegt nämlich stets in der Höhe der II. Tasche (Taf. XVII, Fig. 2 £) und bleibt lange Zeit erhalten; daher gibt ihre Ansatzstelle auch dann noch eine sichere Marke ab, wenn die II. Tasche in regressiver Meta- morphose begriffen ist. Dureh die Knickung werden zwei Abschnitte des Rachens in topographischen Gegensatz gebracht. Aber nieht nur ihre Lage zu den benachbarten Organen der Hals- und Kopfgegend ist verschieden, auch ihre De Größe und Form und noch mehr ihr wei- teres Schicksal, wie sich bald zeigen wird. Daher empfiehlt es sich, sie mit Namen zu > unterscheiden. Den vorderen Abschnitt will ich mit A. KrIEGBAUM (7) als Propharynx, ER den hinteren abgeknickten Teil als Meta- pharynx bezeichnen. Der Propharynx beginnt an der Hypophyse, zieht dem Hin- terhbirne parallel und besitzt die Schlund- V taschen I und II. Der kürzere Meta- Querschnitte dureh den Pharyıxv pharynx beginnt an der Epithelmarke re er und endet mit dem Beginn des Ösophagus. schneidet den Pharynx hinter Zu ihm gehören die Taschen IH und IV. der I. Schlundtasche, Fig.10 hin- re ie rnler deriiL Den vier Seitentaschen, die innig mit Ra dem Eetoderm verschmolzen sind, ent- Abstand von 9—10 = 405 uu en = ; E = 101 = 270 u sprechen Reliefeigentümlichkeiten der äuße- an 0 ren Körperwand (Taf. XVII, Fig. 1); die Öf- | nung der I. Tasche liegt oral in einem dem Gehirn genäherten Niveau frei zutage. Die Öffnung der I. Tasche dagegen wird verdeekt durch einen wulstartigen Vorsprung in einer Einsenkung des Eetoderms, dem Sinus cervicalis. Caudal vom Cervicalwulst liegt die Öffnung der III. Tasche. Der IV. Tasche entsprieht im Eetoderm nur eine seichte Grube, die mit dem Lumen des Darmes in Verbindung tritt. Wie die späteren Stadien lehren, gehört der Sinus cerviealis gar nicht zur Kopfregion. Er ist ein Form- merkmal der Rumpfgegend und steht nur jetzt der Unterlippe so nahe, weil alle Regionen in minimaler Größe angelegt sind und keine großen Abstände haben, etwa gleich dem Keim einer Pflanze, an dem Wurzel- und Sproßende nur wenige Millimeter auseinanderliegen. Friedrich Stellwaa&, Die embryonale Metamorphose der Mundrachenwand usw. 641 Die Querschnitte des Darmes haben die Form einer Ellipse und zwar in der Zone des Propharynx. Der Querdurchmesser verklei- nert sich von seiner größten Breite im Propharynx bis zur -Kehl- kopfanlage im Metapharynx (Fig. 9—12). Die Schilddrüsenknospe hat sich vom Boden des Propharynx in der Nähe der II. Tasche abgeschnürt. Die jungen Stadien haben stets eine ganz unvollkommene Mund- höhle, Ober- und Unterschnabel fehlen noch. Statt des Unter- schnabels finden wir zwei durch eine mediane Kerbe getrennte Wülste, die gemeinsame Anlage von Schnabel und Zungenspitze. Am oberen Rande der Mundspalte sind nur die lateralen Zonen des Schnabelrandes, die Oberschnabelwülste, ausgeprägt. Die mediane Zone, aus der später die Schnabelspitze gestaltet wird, liegt vorder- hand noch ganz flach. Die Nasengrubeneingänge trennen die Median- zone und die Schnabelseitenwülste. Die Anlage des Munddaches steht fast senkrecht zum Rachen und zieht als etwa dreieckige Fläche gegen die Spitze des Propharynx, vor welcher die Hypo- physe als breitgedrückter Sack wurzelt. Stadium III. (Tafel XVII, Figur3 und 4, Tafel XVII, Figur 19.) Das Modell (Taf. XVII, Fig. 3 und 4) läßt erkennen, daß die Ent- wieklung des Rachens an einem wichtigen Wendepunkt angelangt ist. Leise klingen schon die zukünftigen Formeigentümlichkeiten an; die Schlundtaschen verlieren ihren Zusammenhang mit dem Eetoderm und gewinnen ganz neue, nach dem Zustande der vor- hergehenden Zeit nicht zu erwartende Merkmale. Der allgemeine Umriß des etwas breiter gewordenen Rachens allerdings hat sich wenig verändert. Ebenso sind die topographischen Beziehungen des Propharynx zu Chorda und Rückenmark gleich- geblieben. Dagegen hat die Knickung des Propharynx gegen den Metapharynx beinahe den Grad eines rechten Winkels erreicht (Taf. XVII, Fig. 3), seine Spitze ist scharf betont durch die Epithel- marke (#), welche an Höhe zugenommen hat. Die Lage und Form der Schlundtaschen wurde beträchtlich ge- ändert. Die I. Tasche ist wesentlich vergrößert. Daher sieht man die am vorigen Modell nur schwach skizzierte Schrägstellung kräf- tiger hervortreten. Der vordere dorsale Teil steht beinahe senkrecht und ragt über das Rachendach hinaus, während der untere Teil in der Höhe des Rachenbodens abschneidet. Die Gestalt der II. Schlund- tasche ist durch die Darmkniekung beeinflußt. Ihre Ansatzstelle 642 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. am Rachen stellt ein dreieckiger, aufwärts gebogener Vorsprung des Propharynx dar. Der ventrale Arm biegt scharf zum Eetoderm ab, hängt also gewissermaßen an ihm als Brücke zwischen den beiden Keimblättern. Daher sieht man in der Dorsalansicht des Modelles (Taf. XVII, Fig. 4) von ihm sehr wenig. Die II. Tasche öffnet sich in einem breiten Spalt wie bisher. Die Seitentaschen des Propharynx stimmen darin überein, daß sie oroeaudal komprimiert sind und dadurch das Aussehen von Platten bekommen, die quer zum Rachen stehen. Die I. Tasche ragt dorsal auf, die II. Tasche zieht ventral herab. Dadurch gewinnt der Propharynx in der Seitenansicht eine Biegung wie ein liegendes Integralzeichen (——). Die in diesem Stadium so sehr verstärkte Knickung des Darmes ist die Ursache, warum wir die Schlundtaschen III und IV nieht hinter, sondern unter der II. Schlund- tasche zu suchen haben. Bei der Rückenansicht des Modells (Taf. XVII, Fig. 4) werden sie vom caudalen Teil des Propharynx beinahe verdeckt. Die III. Tasche ist zwar immer noch geöffnet, aber nur an einem schmalen Graphische Rekonstruktion des Meta- Spalt unterhalb des Sinus cervicalis, ae Se le die IV. Tasche aber hat ihre Verbindung SIV Sehlundtaschen; Sch Schilddrüse; mit dem Eetoderm vollkommen auf- V.i. Vena jugularis; W Wurzelstück. gegeben. Während im vorhergehenden Stadium die beiden letzten Schlund- taschen als voneinander unabhängige Schläuche auftraten, sitzen sie jetzt einem gemeinsamen Stiele auf, der sie mit dem Darm ver- bindet. Es ist schwer zu entscheiden, wie die neue Bildung ent- stand, ob durch allseitige Verengerung der Wurzelstellen für beide Taschen, also durch Modellierung der seitlichen Metapharynxwand, oder ob die eine der Schlundtaschen auf der anderen aufsitzt. Jedenfalls kommen für die Weiterentwicklung nur drei Teile in Betracht: Der Stiel und die beiden Seitenäste. Die Schlundtaschen III und IV schlagen also eine ganz andere Wachstumsrichtung ein, als Tasche I und II. Ihre Form beweist das deutlich. Sie sind strang- artig ausgezogen, wobei sich das Lumen stark verengte, und biegen sich hackenartig nach hinten, die Vena jugularis leicht umfassend. Beide Äste besitzen eine bulböse Anschwellung der vorderen Wand. Diese dem Kanarienvogel eigentümliche Art der Entwicklung Friedrich Stellwaag, Die embryonale Metamorphose der Mundrachenwand usw. 643 weicht von den Befunden anderer Autoren beim Hühnchen ab. Dort gelangen die Taschen nie auf einen gemeinsamen Stiel, jede wahrt ihre Individualität, wenn sie sich auch zu analogen Organen um- bilden. Dem Gedanken, die Bildung des Wurzelstückes sei durch die Anwesenheit der Blutgefäße beeinflußt, widerspricht ihre Lage. Sie laufen nämlich entfernt vom Darm und zwar der III. Gefäßbogen medial von der Anschwellung der III. Tasche, der IV. Bogen liegt im Winkel von Tasche III und IV, der V. Bogen direkt unter ihm jenseits der Anschwellung der Tasche, also nieht in der Nähe des Wurzelstückes (Textfig. 13). Nicht nur die Gestalt der Schlund- taschen am Metapharynx ist jetzt anders wie am Propharynx, son- dern auch ihr späteres Schicksal, da sie sich zur Thymus umbilden. Für die Vorbereitung der definitiven Verhältnisse ist bedeutungs- Fig. 14. Fig. 15. Längsschnitte durch die Kopfregion von Stadium I und II. Vergr. 17/1. Ch.d. Chorda dorsalis; H Hypophyse; Sch Schilddrüse; Oe Ösophagus. voll, daß der Darm dorsoventral zusammengedrückt wird. Im Sta- dium II war das Darmlumen ein querovaler Hohlraum, nun aber wird das Lumen vollkommen spaltförmig eng und dieser neue Zu- stand dauert an, bis die Metamorphose nahezu vollendet ist. Das Lumen ist so niedrig, daß der Darm mehr zwei dicht genäherten Epithelplatten gleicht, als einem wirklichen Schlauche. Die Folgen dieses Fortschrittes machen sich nach verschiedenen Richtungen be- merkbar. Im Stadium I, wo der Darm dorsoventral noch weit war, besaß er relativ hohe Seitenwände und die Schlundtaschen waren gewissermaßen Nischen an den Wänden. Durch die Kompression aber, welche die Seitenwände je bis auf eine minimale Kante ver- kleinert, werden die Taschen vom Rachen abgedrängt und be- kommen genügende Freiheit für ihre Umbildung. Nur die I. Tasche, die immer schon in der Nähe der Rachendecke sich ausbuchtete, bleibt in ihrem vollen Umfang bestehen. Morpholog. Jahrbuch. 44. 423 644 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. Die Sehilddrüse, die später stets am III. Aortenbogen liegt, er- hält sehon jetzt ihre definitive Lage und zwar sind dazu keine be- deutenden Verschiebungen nötig. Mit der Kompression des Rachens wird das Bläschen vom Mutterboden losgelöst und allseitig von Mesoderm umwuchert. Gar nieht weit davon verläuft aber das III. Aortenpaar und cbenfalls benachbart der Metapharynx. Die Schilddrüse liegt infolgedessen median etwa auf der Halbierungs- linie des Pharynxwinkels und hat damit Beziehungen zu den Deri- vaten des Metapharynx gewonnen. Aus der geringen räumlichen Distanz wird es begreiflich, warum die Schilddrüse so auffallend nahe dem primitiven Mundboden entstehen kann. Die ventrale Ver- lagerung der Sehilddrüse ist daher nur scheinbar. Legt man näm- lich einen Längsschnitt des vorhergehenden Stadiums I auf einen Längsschnitt von Stadium II (Textfig. 14 und 15), indem man die Chorda dorsalis und die Hypophysentasche der Bilder zur Deckung bringt, so wird man überrascht durch die Wahrnehmung, daß die Schilddrüse an gleicher Stelle liegt. Nur steht sie im ersten Fall mit dem Rachenboden durch einen schmalen Strang in Verbindung, “im anderen Falle aber ist der Rachenboden dorsalwärts von ihr ent- fernt, weil er sich der Rachendecke genähert hat; denn nicht nur Hypophyse, Schilddrüse und Chorda dorsalis behielten ihre ur- sprüngliche Lage bei, sondern auch die Rachendecke. Die vollendete Darmkompression ist für das Stadium III das wichtigste Kriterium vor allem deswegen, weil sie notwendig zu sein scheint, damit der definitive Zustand angebahnt werden kann. Die eine Entwieklungsperiode des Embryos, die mit der Bildung des Vorderdarmes und mit dem Auftreten der Schlundtaschen be- ginnt, ist gekennzeichnet durch den weiten, fast viereekigen Quer- schnitt des Rachens, es ist die Larvenzeit. Die andere Periode wird eingeleitet durch die Kompression des Rachens, die Schlund- taschen gehen ihre eigenen Wege und der Rachen entwickelt sich konsequent zur definitiven Gestalt. Die Plastik des Eetoderms ist ähnlich wie im früheren Stadium. Die Öffnung der I. Tasche zieht nicht mehr schief von vorn oben nach hinten unten, sondern steht mehr dorsoventral, die Öffnung der ll. Tasche ist viel länger geworden und biegt sich knieförmig zuerst nach vorn, dann nach oben hinten, gemäß der Richtung des ventralen Schenkels der Tasche. In der Mundhöhle haben sich nur geringfügige Änderungen voll- zogen, die ich übergehen kann. Friedrich Stellwaag, Dieembryonale Metamorphose der Mundrachenwand usw. 645 IV. Die Entwicklung zum fertigen Zustande. Stadium IV. (Tafel XVII, Figur 5, 6, 7, Tafel XVIII, Figur 19.) Aus verschiedenen Modellen des Stadiums IV hebe ich nur eines ausführlich hervor. Es schildert den Beginn der zweiten Periode der Rachenentwicklung. Der Entodermsehlauch emanzipiert sich vom Eetoderm, indem die bisher vorhandene enge Nachbarschaft und der örtliehe Zusammenhang der Schlundtaschen mit dem äußeren Keim- blatt, insbesondere mit dem Sinus cervicalis aufgehoben wird. Das gewährt dem Darm die Möglichkeit, sich selbständig auszugestalten. Die zahlreichen, neu auftretenden Modifikationen der Mund- rachenwand lassen sich nicht mit einem Male übersehen, man muß das Modell von verschiedenen Seiten betrachten, um eine klare An- schauung zu bekommen (Taf. XVII, Fig. 5, 6, 7). In der Dorsalaufsicht (Taf. XVII, Fig. 7) trittder rhomboidale Gesamtumriß des Rachens noch klarer hervor als früher. Die Schlundtaschen haben sich auffallend verändert. Am meisten ist die I. Tasche der ursprünglichen Form treugeblieben mit ihrer spitzwinkeligen Silhouette und ihrem dorsal gebogenen Verlauf. In enger Nachbarschaft der I. Sehlundtasche liegt die II. Tasche, welche jetzt unscheinbar geworden ist. Ihr ventraler Schenkel hat sein Lumen verloren und steht als ein ge- krümmter Zellstrang (zum Teil schon obliteriert) nur ganz lose mit dem Eetoderm in Zusammenhang (Taf. XVII, Fig. 5, S. IT). Ihr drei- eekiges Dorsalstück krümmt sich wie vorher deutlich nach oben. Die Figur läßt erkennen, daß der Propharynx mit seinen beiden Schlundtaschen einen einheitlichen Abschnitt des Rachens bildet. Die Sehlundtaschen sind in ihn einbezogen. Es macht fast den Eindruck, als sei die II. Tasche nichts anderes als ein ecaudaler Anhang der I. Tasche, so sehr hat sie ihre früheren Eigenschaften aufgegeben. Der Epithelkamm (E) in der Höhe der II. Tasche hebt sich deut- lich heraus. Hinter ihm beginnt der Metapharynx. Die Winkelkniekung ist nicht mehr scharf ausgesprochen und es hat den Anschein, als ob der Metapharynx sich in die Ebene des Propharynx aufbiegen wollte (Taf. XVII, Fig. 19). Er hat seine alte Form beibehalten, aber etwa !/; seiner Länge eingebüßt, so daß der Kehlkopfeingang ein be- trächtliehes Stück vorwärts geschoben wurde. Er steht jetzt — was besonders zu beachten ist — dicht hinter dem Propharynx. Sein Lumen beginnt zu schwinden. Die Derivate des Metapharynx stellen einen gabelförmigen Komplex vor; denn sie hängen wie 42* 646 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. zwei Äste am Wurzelstiel, dessen Stellung zur Darmachse von der ursprünglichen Richtung abgewichen ist. Statt lateral senkrecht (Textfig. 13) zu stehen, verläuft er jetzt mehr parallel zur Darm- achse eaudal (Textfig. 16). Der Thymusast der III. Schlundtasche greift unter dem 3. Aortenbogen hindurch und schmiegt sich eng an die Vena jugularis. An ihm liegen zwei knospenartige Körperchen. Das obere stellt die eigentliche künftige Thymus vor, die später strangartig auswächst, das untere einen Zellkomplex, den VERDUN (12.) als Epithelkörpercehen III bezeichnete. Ein dünner Zellstrang weist auf die frühere Verbindung mit dem Eetoderm hin, doch läßt sich nieht feststellen, wie weit Eetoderm und Entodern an seinem Auf- bau beteiligt sind. Der zweite Ast steigt von der Gabelstelle abwärts, umfaßt den IV. Aortenbogen und sucht an die Vena jugularis heran- zukommen. Auch er bildet zwei Knoten, welehe nebeneinander liegen; eine Brücke zum Eeto- fi derm fehlt. - IR ne Reichhaltigere plastische | P \b| Entfaltung ist in der Mundhöhle und im Anfangsteil des Pro- Ventralansicht des Metapharynx von Stadium iv. Pharynx aufgetreten. Daher be- Grmrnische Berentraktion Tag Mt Zu schreibe ich. jekak le MeusiaeE Srblauubasckon SIE und AN? VE Wanei joeulane: ansicht des Modells (Taf. XVII, Fig. 6). Die Mundhöhle steht gerade senkrecht zum Propharynx. Da es nieht möglich ist, beide exakt zu trennen, so schildere ich das Relief ohne Rücksicht auf die Frage, wo die Grenze zwischen Eetoderm und Entoderm zu ziehen sei. Eine oberflächliche Scheidung der beiden Gebiete ist durch die spitzwinkelig zusammenstoßenden Vorderkanten des Pro- pharynx gegeben. Das durch sie umgrenzte Rachendach verläuft ziemlich eben bis zur Hypophyse. Es verengt sieh keilförmig von den weit ausladenden I. Taschen her sehr schnell und endet stumpf an der Hypophyse (/7). Hier biegt sich das Epithel scharf in das Dach der Mundhöhle, das umgekehrt die Form des Propharynx wieder- holt, nur beginnt es eng und verbreitert sich zur Öffnung der primi- tiven Nasenschläuche. Das Modell zeigt drei Flächen der Mund- wand, eine mediane und zwei schräg geneigte laterale (Taf. XVII, Fig. 6), die vom Mundwinkel aufsteigen. Viel unvollständiger als das Dach ist der Boden der Mundhöhle ausgebildet. Die Unter- schnabelwülste beginnen hinter den Nasenöffnungen, liegen also weit Fig. 16. Friedrich Stellwaag, Dieembryonale Metamorphose der Mundrachenwand usw. 647 zurück. Sie krümmen sich in geringem Maße zum Dach der Mund- höhle auf, so daß ein breiter Spalt ..entsteht, durch den man in den hinteren Teil der Mundhöhle sondieren kann (Taf. XVII, Fig. 19). Ihr Boden drückt sich aber nicht eng ans Dach an, wie wir es im Rachen finden, sondern läuft ziemlich eben bis unter die I. Schlund- tasche, um sich dort in den Boden des Propharynx fortzusetzen. Dadurch kommt an dem Übergang von Mund- und Rachenhöhle eine Fig. 17—21. relativ hohe Lichtung zustande. Boden und Dach des Mundraumes stoßen in der kurzen Mundwinkel- rinne oder weil wir das Modell von außen sehen, in der Mundwinkel- kante aufeinander (Taf. XVII, Fig. 5, 6 Mw). Von ihr zieht unter einem stumpfen Winkel die Rachenwinkel- kante weg (Fig. 5 Rw). DEN Das Munddach hat sich gegen 157 frühere Stadien beträchtlich ver- längert und damit auch die Größe Dr der Seitenwände, die den Propharynx e. durch ihre Nähe beeinflussen. Er Er erfährt nämlich lateral durch Ein- \ 2 > 12 buchtung der ursprünglich nied- E rigen Seitenwände eine beträcht- De liche Erhöhung, wodurch die Schei- dung, inzwei' Räume vorbereitet ' "erchrikte durch den’ Phraryaz von "Sta dium IV. Vergr. 25/l. E Epithelmarke; SI wird. Unter der I. Schlundtasche 1. Tasche; SII I. Tasche; pf Pharynx- buchtet sich das Epithel ein und ee et drückt sich gewissermaßen in das ur - 18-19 = 160 u enge Lumen des Rachens, so daß BRENZ Er ee Boden und Dach voneinander ent- fernt werden. Noch deutlicher als am Modell erkennen wir die Veränderungen in den Querschnitten (Textfig. 17—21) aus der Ge- gend der I. Schlundtasche. Die Seitenwände springen median ein wie ein Keil (pf), darunter liegen die Rachenwinkelrinnen (Rx) und darüber die Lichtung der I. Tasche. Der Querschnitt hat die Form eines >-<(. Die an der Außenwand des Modells sichtbaren Mulden erscheinen im Raume des Rachens als Vorsprünge und stellen die Anlagen der Pharynxfalten vor. Es gehört zur Cha- 648 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. rakteristik des Propharynx, daß er eine Gliederung in zwei Räume erfährt, wie es eine Eigentümlichkeit des Metapharynx ist, daß er die Form eines engen Schlauches beibehält und niemals gegliedert wird. Stadium V. (Tafel XVII, Figur 8, 9, 10, Tafel XVII, Figur 20.) Die geschilderten Verhältnisse erleiden in den folgenden Stadien keine wesentlichen Veränderungen. Es handelt sich lediglich um eine schärfere Betonung der beschriebenen Plastik; Fig. 22. erst im Stadium V (Taf. XVII, Fig. 8, 9, 10) haben sich die Unterschiede so gehäuft, daß sie der Erörterung bedürfen. Im Metapharynx (Taf. XVII, Fig. 5, 11) ist eine weitere Vereinfachung eingetreten, indem das Wurzelstück mit den Derivaten der III. und IV. Schlundtasche vom Rachen abgelöst wurde. Im Propharynx bilden sich die früher angedeu- teten Reliefeigentümlichkeiten konsequent durch ee und erzeugen eine kompliziertere Gestalt. Der dium V. Vergr. 331. Fortschritt ist begleitet von der vorwärts drängen- 1 heute mimut den Ausgestaltung der Mundhöhle, deren beide u Stockwerke klarer zum Ausdruck kommen. SL Wir betrachten das Modell zuerst von der Dorsalseite (Taf. XVII, Fig. 10). Der Meta- pharynx hat sich nicht nur nicht vergrößert, sondern an Länge um die Hälfte seiner ursprünglichen Maße eingebüßt. Dadurch rückte der Kehlkopfeingang nahe bis unter die Epithelmarke (vgl. Taf. XVIII, Fig. 20). Bisher konnte immer noch der hintere Rand des Kehlspaltes die hinterste Grenze des Metapharynx markieren. Durch die Verlagerung des Kehlspaltes nach dem Propharynx wäre man um eine exakte Scheidung zwischen Ösophagus und Metapharynx verlegen, wenn nicht die Ansatzstelle des Wurzelstückes (W) der früheren Ill. und IV. Tasche einen freilich nicht ganz gleich- wertigen Anhalt dafür bieten würde. Dazu kommt weiterhin, daß der Metapharynx bis zum Beginn des Wurzelstückes ein ganz niederes schlitzförmiges Lumen besitzt, während der Ösophagus mit potentiellem Lumen sich anschließt. Die Winkelknickung des Pharynx ist verschwunden, das Dach des Propharynx liegt in der gleichen Ebene wie der Metapharynx (Taf. XVIII, Fig. 20). Das Wurzelstück hat sich auffallend verlängert Friedrich Stellwaag, Die embryonale Metamorphose derMundrachenwand usw. 649 und läuft jetzt eine Streeke dieht neben dem Ösophagus, bis es die weit vom Metapharynx entfernten Aortenbogen erreicht hat. Der vordere 'Thymusast liegt ebensolang wie das Wurzelstück an der Vena jugularis (Textfig. 22), sich schwach spiralig an ihr hinauf- windend. Der untere Ast blieb in Form und Lage unverändert. Hin und. wieder findet man auf den Querschnitten das Wurzel- Fig. 23-27. stück mehrfach unterbrochen als 157 Dokument für das Bestreben, sich vom Mutterboden freizu- of machen. Während: der Metapharynx Aw. den Charakter eines flachge- drückten Schlauches beibehält, Pe ist im Propharynx ein beträcht- liches Höhenwachstum einge- treten. Die lateralen Buchten 2 (Tafelfig. 8) dringen fast an die fr Medianebene und verleihen dem ni Lumen einen Xförmigen Quer- schnitt (Dextfig. 8-27). Die . —T Lateralansicht des Modells (pf, = Fig. 8) zeigt, daß sie sich jetzt FD ,, oral auf den vorderen Bezirk des ©, Propharynx bis in die Nähe der ersehnitte Auch den an En Hypophyse und aboral unter den Vergr. 25/1. Fig. 23 durchschneidet die I. Tasche, höückerigen: Rest: der Il Schlund- nie ana uns. Ir denMeterbarttr. SIT Tacıs? tasche fortsetzen. Die Umrisse pf Pharynxfalten; E Epithelkamm; Zto Rachen- winkel; W Wurzelstück; Z Luftröhre. der II. Tasche sind fast ganz Vel- Abstand der Figuren von 3-24 = 200 u wischt; sie wird von der I. Tasche BEBTEIRTEN a. R fe a = = = - 25-26 = u aufgenommen, doch bleibt die SE ARTE Rachenzone, der sie angehört, immer noch durch den Epithelkamm kenntlich (Taf. XVII, Fig. 10). Ihr ventraler Schenkel existiert nicht mehr. Jeder Zusammenhang mit dem Eetoderm ist aufgegeben, auch die I. Tasche hat sich frei- gemacht. I. und II. Tasche erscheinen stark zusammengeschweißt, so daß ihre frühere Natur sich nur schwer mehr erkennen läßt. Die Gliederung des Propharynx in zwei Stoekwerke ist im Prinzip vollendet. Zum oberen Stockwerk gehört die dorsale, durch ihren rhomboidalen Umriß ausgezeichnete Zone, gebildet von den 650 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. Tubentaschen, dem davor gelegenen Teil des Propharynx und den Resten der II. Schlundtasche, zum unteren der Rachenboden und der größere Teil der Seitenwände, die als Pharynxfalten (pf) in das Lumen einspringen. Aus dem oberen Stockwerk wird später das Antrum tubarum gestaltet. Trotz der Wachstumsenergie der Pharynxfalten behalten die Paukentaschen ihre quere Richtung und ihre alte Lage bei, dagegen steigert sich die schräge Neigung der Seitenwand gegen die unteren Rachenkanten (Taf. XVII, Fig. 8). Diese (Rx) gelangen dadurch in be- deutende Entfernung von derI. Tasche, in deren enger Nachbarschaft sie zuerst auftraten. Die Distanz nimmt ständig ab nach dem Meta- pharynx zu, bis sie schräg aufsteigend caudal mit der Kante des dorsalen Stockwerkes hinter der II. Tasche zusammenstoßen. Oral verlieren sie sich, lateral divergierend in den Mundwinkelkanten. Zum Rachenabschnitt steht die Mundhöhle immer noch senk- recht (Fig. 8, Taf. XVII), doch beginnen schon neue Prozesse, um den definitiven Zustand herbeizuführen. Zunächst ist die Mundhöhlenwand größer geworden, sowohl in der Länge als in der Breite. Besonders die Unterschnabelwülste schieben sich vorwärts, so daß sie jetzt die Choanen vollkommen verdecken, trotzdem der Abstand der Choanen von der Hypophyse zugenommen hat. Ein Höcker über dem Untersehnabel (Fig. 20, Taf. XVIII) setzt sieh deutlich als Zungenspitze vom Schnabelrande ab. Er liegt hinter den Choanen und bildet den Boden für den schon beschriebenen weiten Raum an der Mundrachenknickung. Das Relief des Munddaches wird lebhafter modelliert, eine sanft konvex ge- wölbte Mittelzone steigt über die beiden Seitenwände empor (Taf. XVII, Fig. 9). Das Dach verbreitert sich von der Hypophyse ab gegen die Choanen in Gestalt eines gleichschenkligen Dreieckes, dessen Spitze an der Hypophyse liegt. Man kann dieses Feld auch schon am Modell des Stadiums IV wahrnehmen, doch ist sein Umriß dort mehr einem gleichseitigen Dreieck zu vergleichen. Der Fortschritt liegt nieht nur in der Verlängerung des Feldes, sondern auch in der Verkürzung des Querabstandes der Choanen (Ch) voneinander, der auf die Hälfte verkleinert ist. Da keine der Schlundtaschen mehr die Verbindung mit dem Eetoderm aufrechterhält, so verlieren sich die früheren Relief- eigentümlichkeiten an der Außenfläche der Kopf-Halsgegend. Die ehemalige Öffnung der I. Tasche markiert sich durch eine Grube, doch verschwand die von ihr ventral ziehende Rinne, welche den Friedrich Stellwaag, Die embryonale Metamorphose der Mundrachenwand usw. 651 Unterschnabelwulst caudal abgrenzte. Der Cervicalwulst ist noch wohl ausgebildet, die Öffnung der II. Tasche dahinter fehlt, an ihrer Stelle beobachten wir eine deutliche Furche. Dahinter verläuft das Eetoderm ohne auffallende Merkmale. Stadium VI. (Tafel XVII, Fig. 11, 12,13, Tafel XVII, Fie. 21.) Der Fortschritt des Stadiums VI liegt in der Veränderung der Mundhöhle, während der Rachen seinen bisherigen Charakter fast bewahrt. Durch die Größenzunahme und Entfaltung der Mundhöhle wird der annähernd rechte Winkel, den Munddach und Rachen bil- deten, in einen stumpfen Winkel umgewandelt, indem die Mund- höhle sich vorwärts verlängert. Diese Tendenz ergibt sich klar bei der Betrachtung des Modells, läßt sich aber noch besser am Längs- Fig. 28 u. 29. Fig. 30—33. Querscehnitte durch Mundhöhle und Pharynx von Stadium VI. Vergr. 121//1. E Epithelmarke; Z Luft- röhre; Mw Mundwinkelkante; Pf Pharynxfalten; Rıo Rachenwinkel; SI, SI, I. II. Tasche; U Unter- lippe; Zf Zungenfurche; Z Zunge. Abstand der Figuren 28—29 = 20) u - - 29—30 = 360 u 30—31 = 560 u 31—32 = 200 u 32--33 = 200 u. schnitt (Fig. 21) feststellen, wo die Entfernung der Schnabelspitze vom Hals zugenommen hat, während die Dicke der Unterlippe gleichblieb. Die Lateralansicht (Taf. XVII, Fig. 11) zeigt den Pharynx etwas kräftiger modelliert als vorher. Die Pharynxfalten (pf) dringen bis dicht zur Medianebene vor und heben dadurch das Antrum tu- barum (At) scharf über das untere Stockwerk heraus. Sein vorderes Ende erscheint fast abgetrennt, so nahe liegen die Ein- buchtungen des Epithels beisammen. (Textfig. 30.) Dazu kommt in dieser Gegend noch eine pyramidenartige Erhöhung der Decke, wo 652 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. die Hypophysenwurzel liegt. Die Bildung ist besonders auch im Längsschnitt deutlich zu erkennen. Sonst blieb das Relief des Pro- pharynx unverändert. Oral aber tritt am Boden des Mundrachen- raumes jederseits eine Furche auf, die an der Außenansicht natür- lich als Leiste vorspringt, die Zungenfurche (Textfig. 23—33 zf). Die Zunge wird also lateral abgesetzt. Der Metapharynx (Taf. XVII, Fig. 12), gemessen von der Epithel- marke bis zur Abschnürungsstelle der Thymus, hat abermals an Länge verloren und erscheint jetzt als ein schmales Anhängsel des Propharynx. Boden und Decke liegen dicht aufeinander. Daher gleicht der Metapharynx einer epithelialen Doppelplatte. Seine Seitenkanten konvergieren caudal, werden aber nach kurzem Ver- lauf mit scharfem Eck eingeschnürt, um dann mit verringertem Quer- schnitt in den Ösophagus überzuleiten. Hier war die Stelle, wo das Wurzelstück der Thymus ansetzte. Es hängt aber jetzt nicht mehr am Metapharynx, nur eine kleine Erhebung beiderseits blieb als Rest zurück (Taf. XVII, Fig. 11). Von den Charakteren der Mundhöhle, die AuLmAnN eingehend beschrieben hat, will ich nur hervorheben, was für das allgemeine Verständnis von Wichtigkeit ist. Das Dach beansprucht hauptsäch- lich unser Interesse, denn sein _I”1_förmiger Querschnitt, der dem des Mundbodens in gewissem Sinne konform erscheint, ist jetzt kräftig ausgeprägt, weil die seitlichen Flächen durch transversales Wachstum noch deutlicher wurden. Die lateralen Seitenflügel (S.Fl. Fig. 12, Taf. XVII) haben am Schnabelwinkel (Mw) ihre größte Breite, verengen sich dann caudal, um schräg median mit den Rachenkanten (Rev) zusammenzufließen. Über die breiten Seiten- felder erhebt sich die mediane Zone gleich einem Zelte mit zwei schrägen Seitenwänden und einem mittleren, von der Hypophyse gegen die Schnabelspitze schräg abfallenden Streifen, vor dem die Nasenschläuche sich erheben. Zwischen den beiden Choanen biegt sich die Fläche ab, so daß ein zur Hypophyse aufsteigendes drei- eckiges und ein zur Schnabelspitze abfallendes etwa fünfeckiges Feld unterschieden werden können (Taf. XVII, Fig. 11). Der Quer- abstand der Choanen beträgt am natürlichen Objekt 0,8 mm. Mit zu- nehmendem Alter der Embryonen verkürzt sich diese Distanz ständig. Stadium VII. (Tafel XVII, Fig. 14, 15, Tafel XVIII, Fig. 22.) Im nächsten Stadium VII ist die Gliederung der Mundrachen- höhle in zwei Stockwerke noch besser gediehen, auffallend tritt sie Friedrich Stellwaag, Die embryonale Metamorphose der Mundrachenwand usw. 653 am lachen heraus; denn das Antrum tubarum ist hoch über das untere Rachenstoekwerk emporgehoben, indem die Pharynxbuchten sich dorsoventral erweitert haben (Fig. 14, Taf. XVII). Das Antrum tubarum ist also noch weiter über die Rachenwinkelkanten (Rx) gehoben woıden. Auch an der hinteren Grenze des Propharynx hat ein Höhenwachstum Veränderungen ausgelöst. Der hintere Rand des Antrum tubarum, dessen Kontur früher mit den Rachenwinkel- kanten zusammenstieß, ist an dieser Stelle durch eine scharfe Ein- buchtung zum Metapharynx getrennt. Es hat sich dadurch vom hinteren Rachenabschnitt befreit und die Form von zwei lateral aus- ladenden Flügeln angenommen, die nur an einer schmalen Median- zone mit dem übrigen Rachen zusammenhängen. In der Mundhöhle (Taf. XVII, Fig. 15) können wir feststellen, daß kein eigentliches Längen- wachstum, wohl aber eine Erhöhung stattgefunden hat, die zugleich von einer seitlichen Kompression der dorsalen Zone begleitet ist. Infolgedessen sehen wir vor der Hypophyse nieht mehr ein drei- eckiges Feld, sondern einen schmalen First, an dessen Vorderende die um 2%; ihres früheren Abstandes einander näher gerückten Choanen liegen. Inder Seitenansicht des Modells (Taf. XVII, Fig. 14) erkennt man eine schmale, längs verlaufende Einbuchtung (of), die erste äußerlich sichtbare Spur der die Orbitalmulde abgrenzenden Orbitalfalten. Das Höhenwachstum des Munddaches setzt gerade am vorderen Rande des Antrum tubarum ein. Es entsteht hier ein scharfer Absatz zwischen den eetodermalen und entodermalen Teilen, die in die Höhe streben. Alle diese Veränderungen heben den rechten Winkel, in dem die Mundhöhle zum Rachen stand, kontinuierlich auf (Taf. XVIII, Fig. 22). Im wesentlichen finden wir jetzt schon die Plastik des künftigen Mundrachenraumes angelegt und nur unwichtige morpho- logische Veränderungen vollenden die Ausgestaltung. Sie wurden von AULMANN schon hinreichend gewürdigt. Zusammenfassung und Bildung des Halses. Wer nach den vorhergehenden Erörterungen die Modelle mit der Mundrachenhöhle des ausgewachsenen Kanarienvogels vergleicht, sieht den Weg gezeichnet, auf welchem die extremen Gegensätze der ur- sprünglichen Anlage und des fertigen Zustandes ausgeglichen werden. Raschen und klaren Einblick gewähren besonders Längssehnitte durch die einander folgenden Stadien. Zur bequemen Übersicht 654 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. wähle ich das Dach des Propharynx, also die Strecke von der Hypo- physe zur Epithelmarke als Vergleichsebene, da die Entwicklung und Längenzunalime derselben nur träge weiterschreitet, ihre Ent- fernung vom Hinterhirn und ihre Lage zur Chorda dorsalis relativ am längsten konstant bleibt (Taf. XVIII, Fig. 17—23). Vom Dach des Propharynx knickt sich in frühen Stadien sowohl die Mundhöhle als der Metapharynx rechtwinkelig ab. Im Laufe der Entwicklung wird jedoch der Gegensatz der drei Ab- schnitte immer mehr gemildert. Im Stadium IV liegt der Meta- pharynx noch senkrecht zum Epithelkamm. Schon bei V ist die Krümmung so verändert, daß die Kehlplatte dem Boden des Pro- pharynx genähert ist. Bei VI kann man von der Krümmung nichts mehr bemerken. Später als der Metapharynx erfährt das Munddach seine Wendung. Sie tritt erst bei Stadium VI auf. Im fertigen Zustand liegen dann Dach der Mundhöhle, Propharynx und Meta- pharynx annähernd in einer Ebene. Das Mißverhältnis der Proportion zwischen der kleinen Mund- höhlenanlage und dem relativ großen Pharynx wird durch zweierlei Mittel ins Gegenteil gekehrt. Einmal wächst die Mundhöhle selbst rapid in die Länge, zweitens verkürzt sich der Pharynx, indem der Metapharynx fast ganz verschwindet. Die Größenzunahme des Propharynx ist nur gering. Sie beträgt bei Stadium VI 1 mm und bei alten Embryonen erst 3 mm. Die Bildung der beiden Stockwerke erfolgt dureh Einbuchtung der Seitenwände in der Mundhöhle und im Propharynx. Die Buchten nähern sich der Medianebene sehr stark, so daß sie fast zusammen- stoßen. In der Mundhöhle entstehen somit die Orbitalfalten, im Propharynx die Pharynxfalten. Man darf sich aber mit der Ver- gleichung der aufeinander folgenden Stadien nicht zufrieden geben. Um einen umfassenden Überblick über die Geschichte des Rachens zu bekommen, ist es notwendig, seine Lage zu den benachbarten Organen ins Auge zu fassen und die gegenseitigen Beziehungen im Verlauf der Entwieklung zu untersuchen. Denn die Ausbildung des Pharynx ist eng verknüpft mit der Bildung des Halses. Betrachten wir die Umrißzeiehnungen der Embryonen, so finden wir unter der Unterlippenanlage eine Furche, die sie deutlich von dem hinter ihr liegenden Cervicalwulst trennt. In früher Zeit liegen beide Bildungen sehr nahe aneinander, ebenso nahe, als I. und II. Schlundtasche. Darunter wölbt sich die durch den Herz- schlauch weit vorgetriebene Rumpfwand vor. Friedrich Stellwaag, Die embryonale Metamorphose der Mundrachenwand usw. 655 Indem der Unterschnabelwulst vorwächst und die Brustwölbung voluminöser wird, vertieft sich die schmale zwischen beiden be- findliche Kerbe. Der Cervicalwulst wird vom Schnabelwulst und vom Unterschnabelwulst weggedrängt und liegt dann stets wie eine Epaulette an der Seitenfläche des Rumpfes nahe den Schul- tern. Mit der Größenzunahme des Embryos werden die einander zugekehrten Bezirke des Schnabelwulstes und der Rumpfwand, das Kehlfeld und Brustfeld, vergrößert (Taf. XVII, Fig. 19—23). Beide geraten orocaudal in größeren Abstand, indem die Kerbe sich ver- breitert und eine neue Zone, das Halsfeld (7a) eingeschoben wird. Das Halsfeld verlängert sich im Laufe der Weiterentwicklung ganz bedeutend, während zugleich mit der Zunahme der Kopfmaße die Entfernung von der Spitze des Unterschnabels bis zum Halsfeld immer größer wird. Das ganze Halsfeld ist also nichts anderes als die verlängerte Furche zwischen I. und II. Schlundbogen. Das was hinter dem Sinus cervicalis liegt, gehört somit, ebenso wie der Cerviealwulst selbst, zur Rumpfregion (vgl. Textfig. 1—7). In eigenartigem Kontrast zu dieser Tatsache steht der Befund, daß der Metapharynx mit der Längenzunahme des Halses sich ver- kürzt. Schon RarHkE (9) bat sieh mit dieser Frage beschäftigt; er sagt 1826: »Der Unterkiefer ist am 6. Tage um ein bedeutendes hervorgetreten, und dadurch die Furche zwischen ihm und dem kiemendeckelartigen Teile tiefer geworden, so daß zwischen beiden Teilen eine tiefe Einschnürung des Halses stattfindet. Dieses eingeschnürte Stück des Leibes ist es nun, welches sich, indem es sich immer mehr und mit schnellen Schritten verlängert, allmählich zu dem langen Vogelhalse ausbildet. Was ich soeben ausgeführt habe, scheint mit der oben mitgeteilten Be- merkung, daß der Kehlkopf ursprünglich hinter dem letzten Kiemenpaare liegt, im offenbarsten Widerspruch zu stehen. Dem ungeachtet ist beides, wie ich durch eine nicht unbeträchtliche Zahl von Untersuchungen mich überzeugt zu haben glaube, wahr. Es fragt sich deshalb, wie es möglich ist, daß ungeachtet der Kehlkopf sich ursprünglieh hinter dem angegebenen kiemendeckelartigen Teile befindet, dieser Teil allmählich an das hintere Ende des Halses zu liegen kommt, ohne daß der Kehlkopf gleichfalls dahin wandert. Um hierauf eine passende Antwort geben zu können, muß man berücksichtigen, was späterhin ‘aus dem kiemendeckelartigen Teile wird. Die Untersuchungen über diesen Teil ergeben, daß er beinahe gänzlich, nämlich die größere hintere und untere Partie desselben, in die allgemeine Hautbedeckung sich umwandelt. Als solche verlängert er sich nunmehr immer weiter nach hinten und streift sich gleich- sam über den Kehlkopf hinüber, ohne denselben nur im mindesten fortzuziehen. Ist er aber erst iiber den Kehlkopf hinausgewachsen, so verlängert sich nicht bloß er allein, sondern auch das ganze Stück des Halses, welches sich hinter 656 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. dem Kehlkopfe befindet und anfänglich eine nur sehr unbedeutende Länge hatte, sehr rasch in einem absolut und relativ bedeutenden Maße.« RATHKE kannte also die allgemeinen Züge der Wachstums- veränderungen, doch konnte er mit der Präparationsmethode seiner Zeit nieht in die feineren Details eindringen. Daher bedarf sein Berieht noch wiehtiger Ergänzungen. Unzweifelhaft gehört der Propharynx zur Kopfregion während der ganzen Zeit seiner Ent- wieklung. Er beginnt stets an der Hypophysenwurzel und die Tubentaschen ändern ihre topographische Beziehung zum Labyrinth ebensowenig. Wie wir aber sahen, nimmt bei kleinen Embryonen hinter der Öffnung der I. Tasche, die in der Kerbe zwischen Unter- lippe und Cervicalwulst liegt, die Rumpfregion mit dem Cervieal- wulst, mit der Öffnung der II., III. und der Grube der IV. Tasche ihren Anfang. Die Folge davon ist, daß der Metapharynx zu- nächst in einer fremden Gegend, im Rumpf liegt und mit ihm die III. und IV. Sehlundtasche und der Kehlspalt. Zu der Zeit, wo die beiden letzten Schlundtaschen mit dem Eetoderm innig zusammenhängen (Stadium Il, Taf. XVII, Fig. 1, 2), liegt vor, zwischen und hinter ihnen je ein Gefäßbogen (III, IV, V). Sie verbinden als kurze, ventrodorsal verlaufende Äste das Herz mit dem dorsalen Gefäßstamm jeder Seite der Aorta. Die Gefäße bleiben in der Nähe der III. und IV. Schlundtasche, auch wenn diese sich vom Eetoderm und später vom Entoderm losgelöst haben und als Thymusäste weiterbestehen. In enger Nachbarschaft liegt die Schilddrüse. Cervicalwulst, Schilddrüse, Thymuskörper und Ge- fäßbogen stehen also in engster Beziehung zueinander. Vergleichen wir die frühen Stadien (Taf. XVIII, Fig. 17, 18, 19), so springt das Diekenwachstum der Unterlippe sofort in die Augen. Die Schilddrüse, die sich immer nahe am Kehlfeld befindet, wird dadurch vom Rachenboden entfernt. Mit ihr finden wir wieder die oben genannten Nachbarn. Im Stadium IV wird die III. und IV. Tasche sehon in Drüsen verwandelt. Sie bilden (Textfig. 16) einen Höcker, dessen laterales freies Ende in der Nähe des Pro- pharynx liegt. Die Thymusknoten finden wir am III. bzw. IV. Gefäßbogen. An der Länge des Wurzelstückes und des Thymusstranges läßt sich mit einiger Genauigkeit die Diekenzunahme der Unterlippe ablesen, wenn man in Betracht zieht, daß der Metapharynx sich unterdessen verkürzt und zum Propharynx aufgebogen hat. Die enge Beziehung der genannten Gewensherde bezieht sich also nur auf die Derivate Friedrich Stellwaag, Die embryonale Metamorphose der Mundrachenwand usw. 657 des Metapharynx und zwar auf ihre caudalen Enden. Er selbst wird ja aus dem Bereich der Gefäße entfernt. Das Stadium IV ist außerordentlich interessant; denn es zeigt die Vorbereitungen, die getroffen werden müssen, um das Gewebe- material nach seiner späteren Bestimmung auf zwei Regionen zu ver- teilen. Cerviealwulst, Gefäße, Thymus und Schilddrüse gewinnen allmählich größeren Abstand vom Pharynx und bleiben in der vorderen Rumpfgegend, der Metapharynx dagegen behauptet seine Lage im Kopfe. Die bedeutendste Veränderung der topographischen Be- ziehungen erfährt die Lage des Kehlspaltes. Während .er im Sta- dium II (Taf. XVII, Fig. 18) tief im Metapharynx lag, finden wir ihn in Fig. 23 vor der Hypophyse und können ohne weiteres an den Fig. 20—22 die Veränderungen ablesen, welche die Lage- verschiedenheit bedingen. Nach diesen inneren Vorbereitungen für die Ausbildung des Halses bedarf es nur noch der äußerlich sichtbaren Einschnürung der Halskerbe und deren orocaudaler Verlängerung, um den defini- tiven Zustand herauszubilden. 9. Februar 1912. Literaturverzeiehnis. 1) G. AULMAnN, Die Mundrachenwand der Vögel und Säuger. Morpholog. Jahrb. Bd. XXXIX. Heft 1. 1909. 2, E. GöPPERT, Die Bedeutung der Zunge für den sekundären Gaumen und den Ductus nasopharyngeus. Beobachtungen an Reptilien und Vögeln. Morpholog Jahrb. Bd. XXXI. 1903. 3) K. Heipricn, Die Mundschlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. Morpholog. Jahrb. Bd. XXXVII. 1908. 4) Huschke, Über die Kiemenbögen und Kiemengefüße beim bebrüteten Hühnchen. -Isis 1827. Bd. XX. S. 402. -—— Über die Kiemenbögen am Vogelembryo. Isis 1828. $. 160. 5) E. KArrıus, Beiträge zur Entwicklung der Zunge. II. Teil: Vögel. MERKEL u. BonnET, Anatomische Hefte. Bd. XXVIII. 1905. Heft 85/86. 6) KASTSCHENKO, Das Schlundspaltengebiet beim Hühnchen. Archiv für Ana- tomie und Physiologie. Anatom. Abteilung. 1887. 7) A. KRIEGBAUM, Studien am Pharynx. Morpholog. Jahrb. Bd. XLII. 1911. S. 373—440. 8) P. Marz, Über die Entwicklung der Branchialbogen und -Spalten beim AURICH, Archiv für Anatomie und Physiologie. Anatom. Abteilung. 9) H. RATHKE, Isis 1825. —— Über die Entwieklung der Atemwerkzeuge bei den Vögeln und Säuge- tieren. Verhandl. Leop. Carol. Akademie. XIV. Bd. I. Teil. Bonn 1828. (Abhandlung stammt aus dem Jahre 1826.) 658 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. H. Ratukz, Anat. philos. Untersuchungen über den Kiemenapparat und das Zungenbein der Wirbeltiere. Riga und Dorpat. 1832. 10) €. REICHERT, Über die Visceralbögen der Wirbeltiere im allgemeinen und ihre Metamorphose bei den Vögeln und Säugetieren. Archiv für Ana- tomie und Physiologie. 1837. 11) W. SıppeL, Das Munddach der Vögel und Säuger. Morpholog. Jahrb. Bd. XXXVIL 1907. 12) VERDUN, Sur les derives branchiaux du poulet. Compt. rend. et ME&- moires de la Sociöte de Biologie. 10° serie. T. V. 1898. Erklärung der Abbildungen. Gemeinsame Buchstabenbezeichnungen: A, vorderer T'hymusast Oes Ösophagus As hinterer Thymusast of Orbitalfalten A.t. Antrum tubarum OS Oberschnabel B Brustfeld pf Pharynxfalten Oh Choanen Pr Propharynx Oh.d. Chorda dorsalis Iw _ Rachenwinkelkante E Epithelmarke in der Höhe der SZ, IL, III, IV Schlundtaschen I, II, 1I. Schlundtasche IT, Ty; Net Hypophyse S.Fl. Seitenflügel der Mundhöhle Ha _Halsfeld Sch Scehilddrüse K Kehlfeld US _Unterschnabel Ks _ Kehlspalt W Wurzelstück der beiden Thymus- L Luftröhre äste Mw _Mundwinkelkante Z Zunge Me _Metapharynx /f Zungenfurche Tafel XVII. Fig. 1 und 2. Rekonstruktionsmodell des Vorderdarmes eines Kanarienvogel- embryos von Stadium II. Vergr. 25/1. Fig. 1. Lateralansicht. Fig. 2. Dorsalansicht. Fig. 3 und 4. Rekonstruktionsmodell des Vorderdarmes eines Kanarienvogel- embryos von Stadium III. Vergr. 25/1. Fig. 3. Lateralansicht. Fig. 4. Dorsalansicht. Fig. 5—7. Rekonstruktionsmodell der Mundrachenwand eines Kanarienvogel- embryos von Stadium IV. Vergr. 25/1. Fig. 5. Lateralansicht. Fig. 6. Halbprofilansicht. Fig. 7. Dorsalansicht. Fig. 8-10. Rekonstruktionsmodell der Mundrachenwand eines Kanarienvogel- embryos von Stadium V. Vergr. 25/1. Fig. 8. Lateralansicht. Fig. 9. Frontalansicht. Fig. 10. Dorsalansicht. Morphologisches Jahrbuch. Bd. XLIV. SZ SZ 570 587 Fig. 3 Fig. 10 Stellwaag. Verlag von Wilhelm Tafel XVII. Morphologisches Jahrbuch. Bd. XLIV. Tafel XVII. Fig. 17 Stadium I Fig. 23 alter Embryo Fig. 19 Stadium IV Fig. 22 Stadium VII Fig. 20 Fig. 21 | Stadium V Stadium VI Stellwaag. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig, 1078 Friedrich Stellwaag, Die embryonaleMetamorphose der Mundrachenwand usw. 659 Fig. 11—13. Rekonstruktionsmodell der Mundrachenwand eines Kanarienvogel- embryos von Stadium VI. Vergr. 25/1. Fig. 11. Lateralansicht. Fig. 12. Dorsalansicht. Fig. 13. Frontalansicht. Fig. 14 und 15. Rekonstruktionsmodell der Mundrachenwand eines Kanarien- vogelembryos von Stadium VII. Vergr. 25/1. Fig. 14. Lateralansicht. Fig. 15. Dorsalansicht. Fig. 16. Aufsicht auf das Dach der Mundrachenhöhle des ausgewachsenen Kanarienvogels, aufgenommen mit Mikrosummar LEırtz SO mm. Ver- größerung 4,5/1. Tafel XVIII. Fig. 17—23. Mediane Längsschnitte durch den Vorderdarm von Kanarienvögeln. Vergr. 20/1. Fig. 17. Stadium 1. Fig. 18. Stadium I. Fig. 19. Stadium IV. Fig. 20. Stadium V. Fig. 21. Stadium VI. Fig. 22. Stadium VI. Fig. 23. alter Embryo. Morpholog. Jahrbuch. 44. 43 us - x 4 = bu r . = . e E . 3 ’ ve = DE u * , ” > * r ” Sy. - u [92 - he * Br 2, - r » . P # . % 3 . x ‚ - = & l y ® « > # ’ { . \ Y ; 5 ; > 2 XIV. Die Metamorphose der Mundrachenwand der Schild- kröte »Chelydra serpentina«. Von Dr. Johann Dohrer, geprüft. Lehramtskandidaten aus Mitteldachstetten. Mit 5 Figuren im Text und Tafel XIX—XXI. Einleitung. Wer ausgerüstet mit der Kenntnis des fertigen Zustandes in die frühen Embryonalstadien zurückgeht, um die Entstehung der Mundrachenhöhle zu verfolgen, staunt über die sonderbare Gestalt, welche der dem Kopf zugehörige Eingangsraum des Darmkanals aufweist. Die Eigenart anatomischer Differenzierung des er- wachsenen Tieres fehlt in der Mundhöhle vollständig und im Rachen- abschnitt sind spezielle Modellierungsformen ausgeprägt, welche dem fertigen Zustande durchaus fremd sind. In eine ganz andere Formen- welt dringt das Auge des anatomischen Forschers ein und wird überrascht von dem ungewohnten Charakter der Verhältnisse. Ob- wohl sie den Ausgangspunkt für den reifen Zustand bilden, gleichen sie ihm außerordentlich wenig. Das ist zum Teil verständlich, weil alles, was später in greifbaren Dimensionen auftritt, anfänglich in minimaler Größe und auf einem unglaublich kleinen Raum skizziert wird. Darin kann die Fülle und die plastische Mannigfaltigkeit, welche das größere Volumen gestattet, nicht eingezwängt werden. Die Sonderart der embryonalen Formenwelt wurde lange Zeit nicht gebührend erfaßt. Aus der Verwirrung über den ungewohnten Anbliek suchte man sich nicht durch eine gründliche, in die Einzel- heiten dringende Analyse zu retten. Man ging vielmehr oberfläch- lich darüber hinweg und berichtete statt einer Mannigfaltigkeit minu- tiöser anatomischer Merkmale einige der auffallendsten Formenzüge, 43* 662 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. vor allem das merkwürdige Relief am Rachen und der Außenfläche des Kopfes, welches durch die Bezeichnung »Kiemenspalten« so berühmt geworden ist. Der Gegenwart obliegt daher die Aufgabe, die aus Übereilung begangenen Irrtümer durch eine sorgfältigere Detailarbeit zu beseitigen. Auf Veranlassung meines hochverehrten Lehrers Dr. A. FLEISCHMANN habe ich mich der Mühe unterzogen, die wesentlichen Phasen der ontogenetischen Umbildung des sog. Kopfdarmes bei Schildkrötenembryonen zu untersuchen, um einen weiteren Beitrag zur Beurteilung der Rachenregion zu liefern. Die Untersuchungen wurden während des Wintersemesters 1911/12 und Sommersemesters 1912 im zoologischen Institut zu Erlangen durch- geführt. Dabei standen mir Embryonen sowie erwachsene Exemplare von Chelydra serpentina reichlich zur Verfügung. Die Embryonen wurden mit Boraxkarmin oder Hämalaun gefärbt. Vor der Ein- bettung in Paraffin wurden die Umrisse aller Embryonen bei zehn- facher Vergrößerung gezeichnet und an den Zeichnungen die Maße genommen. Bei den jungen Embryonen maß ich die Entfernung vom Scheitel bis Steiß; bei- älteren nahm ich die Länge vom dor- salen Vorderrande des Rückenschildes zur Schnauzenspitze, um wenigstens auf diese Weise einen Anhaltspunkt zur Beurteilung des Größenunterschiedes der spiralig eingerollten Embryonen zu erhalten. Diese Entfernungen werde ich kurzweg als Scheiteisteißlänge (S.Stl.) bzw: Rückenschild-Schnauzenlänge (R.Sl.) bezeichnen. Am Anfang meiner Studien stellte ich verschiedene Probelängsschnitte her, um an ihnen die passende Schnittrichtung ausfindig zu machen, welche den Vorderdarm senkrecht trifft, und ich muß gestehen, daß diese Mühe trefflich belohnt wurde. Wegen der starken Kniekung der frühembryonalen Mundrachenhöhle mußten zwei verschiedene Schnitt- ebenen gewählt werden, um klare Serien zu erhalten, und zwar die eine für die Rachenhöhle, die andere für die Mundhöhle. Für alle Embryonen wurde eine zur Schnittebene senkrechte Definierebene konstruiert und nach ihr der Embryo auf dem Junsschen Mikrotom eingestellt. Aus den planmäßig ausgewählten Querschnittserien wurden mit dem neu verbesserten Lertzschen Zeichenapparate des hiesigen Instituts Rekonstruktionsmodelle in Wachs hergestellt. Im ganzen habe ich 50 Embryonen von Chelydra serpentina geschnitten und 15 Modelle angefertigt und zwar 10 Rachen- und Mundhöhlenmodelle und 5 Gesichtsmasken. Die Gesichts- und Mundhöhlenmodelle wurden bei 5Ofacher Vergrößerung, nur das älteste Stadium (Fig. 29) der Mundhöhle bei 25facher Vergrößerung Johann Dohrer, Metamorphose der Mundrachenwand von Chelydra serpentina. 663 gezeichnet. Alle. übrigen Modelle entstanden bei 100facher Ver- größerung. Die Gesichtsmodelle stammen von Embryonen mit 10,0 mm S.Stl., S ME u 3 Sn Bhhee B 4 gs R & BT 5 Bevor ich die Darlegung meiner Beobachtungen beginne, möchte ich meinem hochverehrten Lehrer Prof. Dr. A. FLEISCHMANN für die unermüdliche Unterstützung und Förderung meiner Arbeit meinen innigsten Dank aussprechen. Gleichfalls bin ich dem Assistenten des Instituts, Dr. STELLWAAG, zu besonderem Dank verpflichtet, der mir in liebenswürdigster Weise technische Schwierigkeiten über- winden half. I. Historische Übersicht. Da Embryonen der Schildkröten noch sehr selten eingehenderer Studien teilhaftig geworden sind, so fasse ich in der nachfolgenden Literaturübersicht alle mir bekannt gewordenen Abhandlungen über die Entwicklung der Schlundtaschen bei Reptilien zusammen, um ein Bild von dem gegenwärtigen Stande der Kenntnisse zu geben. Daran werde ich die Schilderung meiner eigenen Beobachtungen reihen. Anfangs hat man sich nur mit der Frage nach der Zahl der Schlundspalten beschäftigt. H. RATHKE (30), der Entdecker der Spalten am Halse der amnioten Embryonen, hat zuerst die Gelegenheit wahrgenommen und zu diesem Zweck in der Umgebung von Königsberg Eier von Emys europaea gesammelt. Bei einem Embryo, der vom Scheitelhöcker bis zur Schwanzwurzel in einem Bogen über den Rücken 42/; Linien maß, fand er fünf Paar Schlundspalten und beschrieb sie folgendermaßen: Die Spalte zwischen I. und II. Schlund- bogen war schon verwachsen und äußerlich befand sich nur eine schwache Furche. Hinter dem Il. Bogen kam eine lange, durchdringende Spalte. Hinter dieser lagen jederseits noch drei andere Öffnungen, von denen die hin- terste nur ein kleines rundes Loch oder vielmehr einen engen Kanal darstellte, indes die beiden anderen die Form von kurzen Spalten zeigten. Es hatten sich also im ganzen ebensoviel Seitenöffnungen am Halse gebildet wie beim Hühnchen, ein Paar mehr als bei Säugetieren und der Natter. An der Fünfzahl der Schlundspalten hielten die meisten der späteren Untersucher fest, ja manche steigerten sie sogar auf sechs Paare. Freilich verging eine lange Zeit, ehe die embryonalen Ver- hältnisse der Reptilien wieder zur Sprache kamen. In den Jahren 1850—1880 fesselten vornehmlich die Embryonen des Hühnchens 664 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. und der Säuger das Interesse der Embryologen. Fast vier Jahr- zehnte nach RATHkE machte C©. K. HorrMmann (13) etliche nicht ge- rade wertvolle Bemerkungen über die Schlundspalten. Er hob im Jahre 1886 hervor, daß bei Schlangen die fünfte Kiementasche niemals direkt den Epiblast berührt, während der Hypoblast der dritten und vierten Tasche unmittelbar an den Epiblast reiche. Einen wirklichen Durch- bruch hat er nicht gesehen. Die IIL, IV. und V. Kiementasche werden einfach durch blindsackartige Ausstülpungen des Hypoblast des Kopfdarms gebildet. Die äußere Oberfläche bleibt nahezu glatt. Der I. und II. Kiementasche wächst dagegen eine seichte blinddarmförmige Einbuchtung des Epiblast entgegen. Die I. Kiementasche zeigte niemals einen wirklichen Durchbruch. Bei ziemlich alten Embryonen bricht die II. Kiementasche wirklich in einer weit klaffenden Spalte durch. H. Orr (21) fand 1887 bei Embryonen von Anolis sagroei (Dum. et BiB.) vier Kiementaschen und das Rudiment einer V. Tasche ohne äußere Öffnung. Kurz nachher (1888) gab E. LıEessxEr (16) seine Studien über die Kiemen- spalten der Eidechse bekannt. Er hat damals hauptsächlich auf die Frage Ge- wicht gelegt, ob die Schlundtaschen an der äußeren ectodermalen Oberfläche des Kopfes in wirklichen Spalten durchbrechen, und Lacerta vivipara als Unter- suchungsobjekt gewählt, weil er das Kiemenspaltensystem der Reptilien auf der relativ primitivsten Stufe stehend hielt. Dabei fand er sichere Anlagen zu fünf Kiemenspaltenpaaren und die Andeutung auf ein sechstes Paar. Beim Embryo von der Kopfgröße 1,75 mm werden fünf Kiemenspalten- paare angelegt; die drei ersten brechen durch. Bei einem Embryo von 2,75 mm Kopfgröße beginnen am ersten Kiemenpaar die zur Bildung des Trommelfelles führenden Vorgänge. Das zweite Kiemenspaltenpaar ist offen und beginnt die Bildung eines kiemendeckelartigen Fortsatzes. Das dritte Kiemenspaltenpaar ist auch weit eröffnet. Am vierten Kiemenspaltenpaar besteht einseitig (rechts) eine offene Spalte. Die Anlage zu einem fünften Kiemenspaltenpaar ist eine ziemlich tiefe, innere Kiemenfurche geworden, die schon an einer Stelle das Hornblatt berührt. Hinter derselben liegt sogar noch die Andeutung einer sechsten inneren Kiemenfurche. Bei Kopfgröße von 2,5 mm ist das erste Spaltenpaar durch die Trommelfellanlage verschlossen, das zweite und dritte Paar sind deutlich offen, bei den vierten inneren Kiemenfurchen berührt das Darmdrüsenblatt das Hornblatt, obwohl eine Öffnung fehlt. Die fünften inneren Kiemenfurchen sind sehr deutlich, berühren aber das Hornblatt nicht; also scheint der Kontakt des Darmdrüsenblattes mit dem Hornblatt wieder aufge. geben zu sein. Bei einem am weitesten in der Entwicklung fortgeschrittenen Embryo von 2,5 mm Kopfgröße zeigte sich an Stelle einer inneren fünften Kiemenfurche eine diekwandige, kaum mit einem Lumen versehene kleine Aussackung des Darmdrüsenblattes, weit abstehend vom Hornblatt, an welchem eine fünfte äußere Kiemenfurche nicht mehr zu konstatieren war. Sonach wäre eine weitere Verkleinerung der fünften inneren Kiemenfurchen eingetreten. Die Anlage des vierten Kiemenspaltenpaares ist bei diesem Embryo nicht eröffnet, obwohl das Darmdrüsenblatt mit dem Hornblatt noch im Kontakt steht; das dritte und zweite Spaltenpaar ist offen, das erste nicht mehr. Bei 1,5 mm Kopfgröße ist die vierte innere Kiemenfurche noch nicht angelegt; das Darmdrüsenblatt im Bereiche der dritten inneren Kiemenfurche berührt nur partiell das Hornblatt, Johann Dohrer, Metamorphose der Mundrachenwand von Chelydra serpentina. 665 das II. Kiemenspaltenpaar ist beiderseits geöffnet. Bei einem gleichgroßen Em- bryo ist das zweite Spaltenpaar nur rechts offen, links besteht eine dünne Ver- schlußmembran. Das erste Kiemenspaltenpaar ist geöffnet. Bei 1,0 mm Kopfgröße bestehen die vierten inneren Kiemenfurchen als sehr seichte Ausbuchtungen des Darmdrüsenblattes; die Anlage zum dritten Kiemenspaltenpaar ist noch nicht geöffnet. Die zweite Kiemenspalte ist rechts weit offen, links dagegen besteht eine sehr dünne Verschlußmembran. Das erste Kiemenspaltenpaar zeigt beiderseits eine Öffnung. Ein Embryo von 2,5mm Kopfgröße hat schon deutlich ausgesprochene vierte innere Kiemenfurchen, noch ist aber das Darmdrüsenblatt vom Hornblatt durch eine schmale Schicht mittleren Keimblattes geschieden. Das dritte Kie- menspaltenpaar ist mit undurchbrochener Verschlußplatte ausgestattet. Das erste und zweite Kiemenspaltenpaar sind beiderseits weit offen. Bei Kopfgröße von 2,0 mm erreicht das Darmdrüsenblatt im Bereiche der Anlage des vierten Kiemenspaltenpaares beiderseits schon das Hornblatt. Die Anlage zu einem fünften Paar ist noch nicht vorhanden. Die Verschlußmem- bran der dritten inneren Kiemenfurche ist links sehr dünn, während rechts eine kleine Öffnung in der Membran eine vierte Kiemenspalte zustande kommen läßt; das erste und zweite Kiemenspaltenpaar ist wieder deutlich vorhanden. Ein anderer Embryo (Kopfgröße 2 mm) deutet schon eine fünfte innere Kiemenfurche leicht an. Letztere findet sich in noch deutlicherer Form bei einem anderen Embryo (ebenfalls Kopfgröße 2 mm). Die Anlage zum dritten Kiemenspaltenpaare ist auf beiden Seiten nicht eröffnet, links ist die erste Kie- menspalte offen, rechts aber liegt eine deutliche doppelschichtige Verschluß- membran vor. LIESSNER (16) faßte das Ergebnis seiner aufs Kleinliche zielen- den Studien dahin zusammen, daß bei Lacerta vivipara das erste und zweite Kiemenspaltenpaar sich in der Regel eröffnet, das dritte selten und in späteren Stadien durchbricht, die Anlage des vierten Kiemenspaltenpaares nur ausnahms- weise eine Öffnung zeigt. Die sehr spät auftretende Anlage zu einem fünften Kiemenspaltenpaar bildet wahrscheinlich nie eine offene Kiemenspalte. Eine fruchtbare Periode der Erkenntnis leitete P. DE MEURoN (18) 1886 ein, dadurch daß er nicht mehr einseitig nach der Zahl, Beschaffenheit und Bildung der Schlundspalten fragte, sondern in die Erörterung des späteren Schicksals der Schlundspalten eintrat. Damit wurde das Nachdenken der Embryologen über die einfachen Tatsachen hingeleitet, die ganze-Geschichte der Schlundtaschen, nicht bloß ihr Auftreten und ihre Entfaltung bis zur größ- ten Ausdehnung zu verfolgen. Das war ein außerordentlich wichtiger Fort- schritt, obwohl man nicht behaupten darf, daß DE MEUROoN mit allen Angaben die Wahrheit getroffen hat. Ihm gebührt aber das Verdienst, zum ersten Male versucht zu haben, die Beziehungen zwischen den Schlundtaschen und den in der Halsregion liegenden Drüsen, besonders der Thymus bei allen Wirbeltier- gruppen klarzulegen. Den Wert der Schlundtaschen schätzte er selbst immer noch so hoch ein, daß er die Halsdrüsen lediglich als »Derivate« und »Reste« derselben erklärte. Die Gelehrten sind seiner Auffassung während der näch- sten 25 Jahre treu geblieben und haben lediglich versucht, einzelne Angaben DE MEURONS richtigzustellen, ohne am Grundgedanken selbst zu rütteln. Für Reptilien dienten ihm hauptsächlich Embryonen von Lacerta agilis als Studienobjekte. Dort liegt die unpaare Schilddrüse vor der Trachea, unmittel- bar über den Schlüsselbeinen und dehnt sich transversal auf die Seite des Halses aus. In gleicher Höhe, etwas vor und innerhalb der Vena jugularis und -666 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. ganz nahe dem Vagus liegt die Thymus an den Seiten des Halses. Sie ist ge- wöhnlich in zwei pyramidenförmige Lappen geteilt, die an ihrer Basis ver- einigt sind. DE MEURON (18) erkannte, daß die Schilddrüse nicht aus den Schlund- taschen, sondern als ein Divertikel der ventralen Pharynxwand in der Höhe der Hyomandibulartasche erscheint, während die Thymus aus dorsalen Epithel- knospen der IL. III. und IV. Kiementasche hervorgehe. Im einzelnen lauten . seine Befunde: die II. Kiemenspalte liefert eine dorsale, solide Epithelverlänge- rung und trennt sie als rundliche Masse in der Nähe des Glossopharyngeus- Ganglions ab. Das ist eine Thymusanlage, welche einen großen Teil dieses Organs bilden wird, während der Rest von der dritten und vierten Kiemen- spalte stammt. Die III. Tasche verlängert sich in einen hinteren Blindsack an den Seiten des Rachens, weicher sein Maximum ungefähr bei Embryonen von 7,0 mm erreicht um alsdann rapid abzunehmen. Bei Embryonen von 6,0 mm kann man an der Basis der III. Kiemenspalte eine kleine dorsale Verlängerung wahrnehmen. Et- was ältere Embryonen zeigen, daß sie beträchtlich gewachsen ist und zwischen dem dritten und vierten Aortenbogen fast bis zur Vena jugularis reicht. In einem späteren Stadium schwindet der Blindsack; der ganze Teil der dritten Tasche, welcher dem dorsalen Anhang den Ursprung gegeben hat, löst sich los und bleibt im mesodermalen Gewebe liegen. Die dorsale Verlängerung der III. Kiementasche wird in Form eines unregelmäßigen Körpers über und inner- halb des Vagusganglions erhalten. Man findet ihn dann wohl an das analoge Derivat der II. Kiementasche herangerückt, dem er sich nach kurzer Zeit an- legt, um mit ihm die definitive Thymus darzustellen. Bei erwachsenen Stadien zeigt die Thymus noch eine äußerst klare Teilung in zwei Partien, die aber schwindet. Die IV. Kiementasche bietet beinahe dieselbe Disposition wie die dritte. Ihr distaler Teil ist indessen leicht gegen die ventrale Fläche gekrümmt. An ihrer hinteren Partie ist im Grunde der Tasche das Epithel stark verdickt und bildet ein oder zwei unregelmäßige Erhebungen. Letztere reduzieren sich bei etwas vorgerückteren Embryonen auf eine einzige, welche sich zwischen dem IV. und V. Arterienbogen einschiebt. Bei Embryonen von 90 mm ist die IV. Kiementasche bedeutend verkleinert. Sie stellt eine Art Kanal dar, der an den Seiten des Pharynx liegt. Ihre Verlängerung ist nicht mehr dorsal, son- dern direkt auswärts gerichtet mit einer leicht ventral konvexen Krümmung. Die Tasche selbst lagert sich dem Vagusganglion ventral an. Der angeschwol- lene terminale Teil und der unmittelbar vorhergehende Abschnitt dauern allein in der Folge. Der Rest des Gewebes, das sie mit den Rachenwänden vereinigte, schwand durch Trennung der Bestandteile. Der Anhang der IV. Tasche scheint besondere Beziehungen zum IV. und V. Aortenbogen zu haben. Später nähert und verbindet er sich mit der Thymus. Daher betrachtete ihn DE MEURON als eine für den Aufbau der Thymus wichtige Anlage und glaubte, daß er sich den schon gebildeten Thymusteilen anschließe und deren histologische Struktur später erreiche. Es sei nicht unmöglich, daß gerade dieser Teil von einigen Autoren unter dem Namen »Carotidendrüse« beschrieben wurde. Doch könne die Frage nicht entschieden werden, weil die Anwesenheit der Carotidendrüse noch nicht für alle Reptilien bewiesen wäre. Hinter der IV. Kiementasche ent- stehe auf Kosten der ventralen Wand des postbranchialen Teiles des Pharynx ein besonderes Divertikel, vergleichbar den Suprapericardialkörpern der Johann Dohrer, Metamorphose der Mundrachenwand von Chelydra serpentina. 667 Selachier. DE MEURON nannte es »Thyreoide accessoire«e. Das Divertikel ist auf der linken Seite des Pharynx mehr entwickelt als rechts. Diese Dys- symmetrie ist noch auffallender beim Embryo von 8,0 mm. Eine leichte Ein- schnürung trennt das Divertikel vom übrigen Pharynx, sobald der Embryo eine Länge von 9,0 mm erreicht hat. Alsdann bildet sich auf der linken Seite des Pharynx ein mit sehr verdieckten Wänden ausgestattetes Bläschen. Dasselbe Bläschen nähert sich der Trachea, steigt etwas längs des Halses herab, um sich nahe der Basis des Herzens und der linken, großen Aorta zu lagern. Bei Vogel- und Säugetierembryonen sind die accessorischen Schilddrüsen schon lange erkannt. Sie sind durchaus von gleicher Art und nehmen am selben Ort ihren Ursprung. Die accessorische Schilddrüse der Eidechse aber ist durch ihre Asymmetrie ausgezeichnet. Sie erscheint zwar gleichzeitig auf beiden Seiten des Pharynx, doch entwickelt sich nur die linke Anlage, rechts atrophiert sie nach kurzer Zeit. In den folgenden Jahren hat J. F. vax BEmMMELEN (1— 7) die Studien über die Schlundtaschenregion und das Schicksal ihrer Derivate an einem reicheren Materiale fortgesetzt. Er trat besonders für eine srößere Zahl von Schlundtaschen ein und errang damit den Bei- fall späterer Untersucher: Bei Lacerta muralis und Tropidonotus natrix entwickeln sich nach ihm fünf Paar Kiemenspalten, nicht vier, wie P. DE MEURON (18) für Lacerta be- hauptete. Das Schicksal dieser fünf Spaltenpaare ist gänzlich verschieden. Van BEMMELEN glaubte an zahlreichen Stadien festgestellt zu haben, daß bei Ophidiern Derivate aller fünf Kiemenspalten bis zum erwachsenen Alter er- halten werden. Es sind dies vom Kopf zum Schwanz fortschreitend: 1. die rudimentäre Anlage des Cavum tympani und der Tuba Eustachii vom I. Paare. 2. Reste des II. Schlundspaltenpaares: zwei runde Körperchen mit drüsen- artig-epithelialem Bau, isoliert diebt hinter den Tuben liegend. 3. Die Überbleibsel des III. Paares: zwei geschlossene Epithelbläschen, dieht an der Carotis, auf jungen Stadien ungefähr in halber Höhe zwischen Herz und Kopf. Mit dem Wachstum der Embryonen rücken sie immer weiter nach hinten und finden sich median von der Thymus. 4. Die Thymus, bestehend aus zwei hintereinander liegenden Hälften ge- rade oral von den großen Herzarterien. Zwischen den beiden Stücken echten Thymusgewebes findet sich ein kleines rundes Körperchen von epithelialem Bau. Die Thymus entsteht aus der IV. und V. Visceralspalte. Das Körperchen ist der Rest eines epithelialen Stieles, der die letzten beiden Kiementaschen mit dem Pharynxepithel verbindet und an der Stelle, wo er sich in die beiden Taschen gabelt, zu einem Epithelbläschen anschwillt. Dieses bleibt zeitlebens zwischen den beiden Thymushälften erhalten. Die verschiedenen Gebilde stim- men bei Tropidonotus wie bei Trigonocephalus in Lage und Bau überein. Im schroffen Gegensatze wird bei Lacerta muralis die IV. und V. Spalte frühzeitig rückgebildet und es entsteht aus den Gipfeln der II. und III. Spalte die Thymus. Die vierte sah er, entgegen der Angabe DE MEURONs, niemals beteiligt. Entsprechend der Zweizahl der Spalten besteht die Thymus aus zwei hintereinanderliegenden Teilen. Der Rest der zweiten Spalte verschwindet gänzlich, von der dritten dagegen erhält sich ein großer Teil des Epithels als 668 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. ovales Bläschen, das durch einen kurzen Stiel mit der hinteren Thymushälfte zusammenhängt und der Hinterwand der dorsal aufsteigenden Carotis interna dicht anliegt. Die Arterie bildet an jener Stelle einen schwachen Plexus. So entsteht ein Gebilde, das bei Amphibien Carotisdrüse genannt wurde. Der epi- theliale Kern der Carotisdrüse wurde von P. DE MEURON für ein Derivat der vierten Spalte erklärt, während vAn BEMMELEN ihn entschieden von der dritten Spalte ableitet. Die IV. Kiemenspalte stellt kurze Zeit ein geschlossenes Epi- thelbläschen jederseits seitlich und dicht hinter der Thyreoidea vor, aber schwin- det dann spurlos. Dies widerspricht DE Meuroxns Behauptung. Hinter der fünften Kiemenspalte erhält sich ein Epithelgebilde des Pharynx, das merkwür- digerweise einseitig und zwar immer links. als geschlossenes Epithelbläschen von beträchtlicher Größe aus der hinteren Wand der linken V. Spalte hervor- wächst und abgeschnürt wird. Es liegt bis zum erwachsenen Alter in der dor- salen Pericardialwand zur linken Seite der Trachea.. VAn BEMMELEN hob die Übereinstimmung mit den von ihm entdeckten ventralen Epithelderivaten des Pharynx hinter den Kiemenspalten in der dorsalen Pericardialwand der Sela- chier hervor, welche öfters auch nur einseitig auftreten. Freilich bilden sich die Suprapericardialkörper bei Selachiern hinter der sechsten, bei Lacerta hinter der fünften Spalte; doch könnte die Verschiedenheit durch den Aus- fall eines sechsten Spaltenpaares bei Lacerta erklärt werden. Rätselhaft bleibt das Gebilde, weil es bei Lacerta nur links auftritt, bei Schlangen, Schildkröten und Krokodilen fehlt. Immerhin können solche epitheliale Inseln Reste von Kiemenspalten sein. E Bei jungen Schildkrötenexemplaren (Emys europaea) sowie bei einem weit entwickelten Embryo dieser Species fand er die Thymus klein, rund, aus vielen Lappen bestehend, am Halse der Carotis aufliegend; in ihrem Innern war ein epitheliales Gebilde eingeschlossen, dessen Bau an die Derivate der Visceral- spalten von Lacerta und Tröpidonctus erinnerte. Zwischen Arcus aortae und Pulmonalis sah er jederseits zwei kleine weiße Körperchen mit deutlich epithe- lialem Bau. Die Befunde bei Eidechsen und Schlangen veranlaßten ihn zur Hypothese, daß auch bei Schildkröten zwischen Aorta und Pulmonalis ursprüng- lich zwei Kiementaschen bestanden haben, deren Derivate in den weißen Epi- thelkörperchen vorliegen. Die Thymus ist wahrscheinlich ein Derivat der II. und III. Kiementasche oder einer von beiden. Sie zeigt aber den zweilappigen Bau, den man bei erwachsenen Schlangen und Eidechsen trifft, nieht deutlich. Serienschnitte durch Embryonen und Jugendstadien von Krokodilen lehr- ten, daß die Thymus sich nach Art der Vogelthymus von der hinteren Laby- rinthwand über die ganze Halslänge erstreckt bis zur Stelle, wo die Carotis sich in ihre Hauptzweige und die Subelavia gabelt. Hier hängt ihr ein kleines, rundes Körperchen an, das den bekannten, drüsenartigen Bau zeigt und wohl als Visceraltaschenderivat betrachtet werden darf. Van BEMMELEN schloß aus die- sen Befunden, daß bei Reptilien außer der Thymus noch manch andere Deri- vate der Kiemenspalten erhalten bleiben, die sich alle durch ihren epithelialen Bau der Thymus gegenüberstellen. Unter diesen ist nur eins allen Reptilien gemeinsam, nämlich das epitheliale, der Carotis eng anliegende Körperchen, »Carotisdrüse oder Carotiskörperchen«. Es sei wahrscheinlich in allen Fällen ein Derivat der III. Kiemenspalte und müsse von den epithelialen Gebilden in der dorsalen Pericardialwand streng unterschieden werden. Wolle man diese mit P. DE MEURON accessorische Thyreoidea nennen, dann sei zu beachten, _ daß die accessorischen Thyreoideae in der Reihe der Wirbeltiere nur serial homo- Johann Dohrer, Metamorphose der Mundrachenwand von Chelydra serpentina. 669 log sind, bei den Selachiern liegen sie hinter der VI. Kiemenspalte, bei Eidech- sen hinter der V., bei Säugetieren sind es die IV. Kiemenspalten selbst. Später (1889) erhob J. F. van BEMMELEN Einspruch dagegen, daß DE MEURON die fraglichen Epithelreste mit den accessorischen Schilddrüsen der Säuger homologisierte. Damit seien Gebilde verschiedenen Ursprunges ein- ander gleichwertig hingestellt, ohne Rücksicht darauf, daß von den Epithel- wänden der Kiementaschen, besonders der III. Tasche Reste erhalten bleiben, die scharf von den Derivaten der Schlundwand hinter den Kiementaschen unter- schieden werden müssen. Seine Untersuchungen an Schlangen und Hühner- embryonen und an älteren Krokodilen, Schildkröten, Schlangen, Vögeln und Säugetieren aber hätten ihn gelehrt, daß in den Epithelresten der Halsgegend verschiedener Typen große Unterschiede herrschen und zur größten Vorsicht bei der Homologisierung mahnen. Aus den damals vorliegenden Beobach- tungen über die Metamorphose der Kiementaschen schöpfie er die Überzeugung, daß wirklich bei allen Typen hinter den Kiementaschen Epithelgebilde der Pharynxwand entstehen, die den Suprapericardialkörpern der Selachier homo- log sind. Die Suprapericardialkörper der Selachier und Amphibien bilden sich als Epithelausstülpungen der ventralen Schlundwand hinter der letzten Kie- menspalte entweder beiderseits oder einseitig. Ganz dasselbe gilt für den stets unpaaren, asymmetrischen Suprapericardialkörper von Lacerta, welcher der Mit- tellinie näher liegt als die wirklichen Kiementaschen, obwohl er weiter vorn liegt als bei Selachiern und Amphibien. Bei Schlangen sah van BEMMELEN die IV. und V. Kiementasche sich zur Thymus umbilden und während dieser Um- bildung mit dem Schlund durch einen Epithelstrang zusammenhängen, der in der Nähe der Taschen zu je einem Bläschen anschwoll. Beide Bläschen blie- ben erhalten, während der Stiel schwand; sie fanden sich noch bei ausgewach- senen Tieren zwischen den Thymuslappen. Die Bläschen bilden sich als Aus- buchtungen der ventralen Schlundwand, medial von der letzten Kiementasche und innerhalb der durch die aufsteigenden Aortenbogen gelegten Ebene, also genau an der Stelle, wo bei Lacerta der linke Suprapericardialkörper entsteht. Die zwei hinteren Kiementaschen verschwinden bei ZLacerta bald, während sie bei Tropidonotus schnell an Volumen zunehmen und sich zu den mächtigen Thymuslappen entfalten. Ob den Schildkröten und Krokodilen Suprapericardial- körper eigen sind, ließ van BEMMELEN dahingestellt. Bei Vögeln gelangt eine wirkliche V. Kiementasche nicht zur Entwicklung, aber laterale Ausbuchtungen der ventralen Pharynxwand entsprechen der Anlage der Suprapericardialkörper. Bei Säugetieren kommen Homologa der Suprapericardialkörper vor, die G. BORN als >seitliche Schilddrüsenanlagen« beschrieb und als vierte Kiementaschen deutete, während W. Hıs sie als Ausbuchtungen der Schlundwand, median von den Kiemenspalten entstanden dachte. VAn BEMMELEN schloß sich mit DE MEUROX und KASTSCHENKO der Ansicht von W. Hıs an und erklärte als Homologa der lateralen Schilddrüsen der Mammalien nur diejenigen Epithelderivate, welche nicht aus unzweifelhaften Kiementaschen, sondern median und aboral von diesen aus der ventralen Schlundwand hervorgehen. Sie nannte er »Suprapericardialkörper«e. Mit dem allmählichen Verschwinden der hinteren Kiementaschen hat sich zwar deren Ursprungsstelle immer mehr oral verlegt, aber stets ist sie an der hinteren Grenze der Branchialgegend geblieben. \ Im Jahre 1893 konnte van BEMMELEN (5) noch berichten, daß bei den Schildkröten die erste Anlage der Kiementaschen und Aortenbogen vollständig mit der Bildung bei Eidechsen und Schlangen übereinstimmt, während die wei- 670 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. tere Entwicklung mehr den Vorgängen bei Vögeln ähnlich ist. Ursprünglich werden fünf Kiementaschen und sechs Aortenbogen angelegt. Außerdem ent- wickelt sieh an der Hinterwand der hintersten Kiementaschen ein Paar taschen- förmige Ausstülpungen an der entsprechenden Stelle, wo bei den Eidechsen nur links eine epitheliale Ausstülpung entsteht, die sich in Gestalt eines Bläschens als »Suprapericardialkörperchen« absehnürt. Die drei vordersten Kiementaschen sind währerd kurzer Zeit geöffnet. Ob dies auch für die beiden hintersten gelte, konnte er nicht mit Bestimmtheit sagen. Aus der dorsalen Partie der I. Kiemen- tasche entwickelt sich die Tuba Eustachii, deren äußere Öffnung sich bald wie- der schließt. Die Paukenhöhle entsteht viel später. Die II. Kiementasche liegt dicht hinter der ersten, der Teil des Kiemendarmes, welcher beide vonein- ander trennt, besitzt ein größeres Lumen als der caudal folgende Abschnitt. Die dorsale Spitze der II. Kiementasche erweitert sich zu einer follikelförmigen Epithelknospe, doch schnürt sie sich nicht ab wie bei Eidechsen. Ebensowenig löst sich die II. Kiemenspalte in toto vom Kiemendarm ab wie bei den Schlangen, sondern abortiert bei der weiteren Entwicklung wie bei Vögeln. Die äußeren spaltenförmigen Öffnungen der vordersten Kiementasche rücken wie bei den Vögeln stark nach hinten, weil die Kiemenbogen auswachsen und einander dach- ziegelartig zu decken anfangen. Besonders die II. Spalte verschiebt sich so sehr rückwärts, daß die entsprechende Kiementasche röhrenförmig verlängert wird. Diese Röhre bleibt bis in spätere Entwicklungsstadien bestehen, wächst mit der ganzen Halsgegend in die Länge, ohne an Umfang zuzunehmen, so daß sie einen langen, dünnen, caudal gerichteten Halsfistelgang bildet. Die III. Kie- mentasche schwillt zu einem Epithelfollikel an mit vielen sekundären Aus- stülpungen. Sie schnürt sich vom Kiemendarm ab, die Ausstülpungen ver- wandeln sich in Thymusgewebe, in dessen Lumen jedoch der eentrale Epithel- follikel fortbestehen bleibt. Er darf als das Homologon der Carotiskörperchen bei Eidechsen betrachtet werden. Die IV. und V. Kiementasche entwickeln sich gemeinschaftlich mit den obengenannten Suprapericardialausstülpungen aus einer lateralen, blinddarmförmigen Falte am Hinterende des Kiemendarms (Re- cessus praecervicalis) wie bei Schlangen, schnüren sich bald vollständig vom Kiemendarm ab, bilden einen Komplex von drei miteinander zusammenhängen- den Epithelbläschen, die sich nicht zum Thymusgewebe entwickeln. Alle drei behalten ihren epithelialen Charakter und werden auch in viel späteren Ent- wicklungsstadien in dieser Gestalt zwischen Aorta- und Pulmonalbogen ange- troffen. Mit der Thyreoidea treten sie nicht in Verbindung. A. PRENANT (26) wandte (1896) den Reptilien seine Aufmerksamkeit zu, nachdem er die Umbildung der Schlundtaschen beim Schafe eingehend unter- sucht und die Ansicht begründet hatte, daß aus der dritten Schlundtasche die Thymus und die Glandule thymique, aus der vierten Tasche die Glandule thy- reoidienne und Thyreoide laterale! entstehe. Er fand auf dem Querschnitte des Halses bei Embryonen von Anguis fragilis (50, 53, 60 und 63 mm) die Thymus als voluminöse Masse von rundliehem Durchschnitt und in einer Vertiefung an ihrer ventralen Seite ein kleines, drüsenartiges Gebilde, das ein ziemlich ge- räumiges Lumen besitzt. Auf Grund ihrer innigen Beziehungen zur Thymus gab ihr PREnAnT (24—28) den Namen »Glandule thymique«. Die primitive Carotis trennt die Glandule thymique vom dorsalen Ende des lateralen Schild- drüsenlappens. Auf einem Querschnitt, der den Hals weiter unten trifft, sind ı Vergl. den Bericht von Th. Mayr (19), dieses Jahrb. Bd. XLV, 8. 1—56. Johann Dohrer, Metamorphose der Mundrachenwand von Chelydra se:pentina. 671 Thymus und Glandule thymique sowie Schilddrüse verschwunden, dagegen ist ein neues Organ sichtbar, das Thyreoide laterale und Glandule thyreoidienne heißen sollte, weil PRENAnT darin das Homologon der beiden im Winkel der Trachea und des zweiten Aortabogens liegenden Bildungen erblickte, die er unter diesem Namen bei Mammalien beschrieben hat. Es ist beinahe rund, unregelmäßig gelappt, mit einem epithelialen Lumen versehen und besteht nur auf der linken Seite. Seine Struktur erinnert an die Glandule thymique. Bei einem Embryo von 100 mm (nahe der Geburt) ist das Lumen der Glandule thy- mique und Thyreoide laterale geschwunden. Embryonen von 30, 28, 24, und 22 mm zeigen die laterale Thyreoidea als ein voluminöses, weitlumiges Organ, dessen Wand ausschließlich aus geschichtetem Epithel aufgebaut ist. Hier tritt also keine Umgestaltung der epithelialen lateralen Thyreoidea in die Glandule thyreoidienne ein. Tatsächlich ist die laterale Thyreoidea der Blindschleiche der gleichnamigen Bildung eines Säugers vollkommen ähnlich, außer daß sie einseitig erscheint. Anfangs sind auch beide laterale Thyreoideae rechts und links vorhanden ganz wie bei Säugetieren und die Asymmetrie wird durch Atrophie der einen von ihnen hergestellt. Die Glandule thymique erscheint ebenfalls als ein Hohlgebilde, dessen Lumen mit dem des Pharynx zusammen- hängt. PRENANT vermutete, daß sie die dritte Kiementasche vorstelle, welcher die Thymus angehängt sei. Im ganzen existieren also in der Halsregion der Blindschleiche: die me- diane, unpaare zweilappige Schilddrüse und drei paarige Branchialderivate: die Glandule thymique, welche wahrscheinlich das Produkt der III. entodermalen Kiementasche ist; die Thymus, welche zweifelsohne aus der Wand der Glan- dule thymique sproßt, an welcher sie in allen Füllen hängt; die laterale Thy- reoidea, hervorgehend durch Umbildung der vierten Kiementasche, die zuerst paarig erscheint, aber sich nur links erhält. Der Vergleich mit den Verhältnissen beim Schafe lehrt: Die Thymus, an- statt direkt aus der dritten entodermalen Tasche sich zu entwickeln, entsteht durch Vermittlung der Glandule thymique, welche das direkte Derivat dieser Tasche ist. Hier gilt also die umgekehrte Regel: Die Glandule thymique der Blindschleiche gibt die Thymus ab, anstatt ihr Produkt zu sein wie bei Säuge- tieren. Die IV. Branchialtasche bildet sich bei den Säugetieren in die laterale Thyreoideae um und erzeugt durch Knospung einen drüsigen Anhang, die Glandule thyreoidienne. Die beiden Organe machen sich mehr oder weniger unabhängig voneinander, sonst schwindet die laterale Thyreoidea. Bei der Blindschleiche dagegen gibt die laterale Thyreoidea keine autonome Glandule thyreoidienne ab; letztere wird vielmehr durch die Gesamtheit der drüsigen Lappen repräsentiert, welche in einem gegebenen Momente durch peripherische Knospen aus der lateralen Thyreoidea entstanden. Die Glandule thyreoidienne und die laterale Thyreoidea sind also hier in eine Bildung zusammengeschlossen. P. VERDUN (34) beschrieb 1898 das Resultat der Untersuchung verschie- dener Exemplare von Coluber thermalis 35—40 cm lang. Unmittelbar vor dem Herzen fand er die unpaare, mediale Schilddrüse von ovaler Form und mit einem Längsdurchmesser von 2,0 mm, rechts und links die beiden Thymus aus zwei eiförmigen Lappen bestehend. Außerdem sah er 2—5 Branchialdrüsen aut jeder Seite, zwar in verschiedener Lage, doch im allgemeinen der Thymus be- nachbart und von winzigen Dimensionen. Die stärksten erreichen kaum 500 «, daneben gibt es sehr kleine Stücke (40—50 u), welche durch Fragmentation der primitiven Anlagen entstanden zu sein scheinen, deren VERDUN zwei auf jeder 672 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. Seite annimmt. Weiter sah er zwei längliche Organe von unregelmäßiger Form in verschiedener Höhe zu beiden Seiten der medianen Schilddrüse hinter der Thymus, benachbart der Trachea und den großen Blutgefäßen. Ihr centraler Teil zeigt eine weite Höhle, die sich in Form von kleinen Blindgängen nach allen Seiten gangartig verzweigt. Das Ganze erinnert lebhaft an die Ansicht von Drüsenaeini, die in einen allgemeinen Sammelkanal einmünden. VERDUN hat diese Drüsen mit den postbranchialen Körpern der höheren Vertebraten, den »seitlichen Schilddrüsene der Autoren, den accessorischen Sehilddrüsen (De MEURON) und den Suprapericardialkörpern (VAn BEMMELEN) identifiziert. Bei der Eidechse (Lacerta agılis) fand er gleichfalls zwei Paar von’ Branchialdrüsen und einen einzigen linken postbranchialen Körper entsprechend den Angaben von PRENANT bei der Blindschleiche. F. MAURER (17) gab 1899 eine Darstellung auf Grund eigener Beobachtungen an Lacerta agilis. Bei einem Embryo von 4 mm Länge war die I. Schlundspalte hinter dem Kieferbogen durchgebrochen, die II. Schlundtasche erreichte das Eetoderm, war aber noch geschlossen. Die III. Schlundspalte war kaum an- gedeutet und die hinteren gar noch nicht erkennbar. Gerade hinter der I. Schlund- spalte wird von der ventralen Wand der Kopfdarmhöhle eine halbkugelige Ein- senkung gebildet, als erste Anlage der Schilddrüse; sie ragt in die vordere Teilungsgabel des Herzschlauches. Ort und Art der Schilddrüsenanlage sowie ihre Beziehung zum Herzschlauch sind gleich der Entstehung bei Anamnioten. Bei einem Embryo (5 Tage nach Ablage des Eies) sind vier Kiemenspalten durch- gebrochen. Die I. Schlundtasche hinter dem Mandibularbogen ist eine einfache, offene Spalte. Von ihrer dorsalen Wand erstreckt sich dorsal und medial, schräg verlaufend ein solider Zellstrang als Thymusknospe zwischen zwei Ge- fäßen hindurch. Die II. Schlundspalte hinter dem Hyoidbogen bildet an einer dorsalen. medial gekriümmten Tasche einen kompakten Zellstrang mit leicht verdicktem Ende; das ist eine bleibende Thymusknospe. An der III. ebenfalls weit offenen Schlundspalte ist das Epithel der dorsalen Tasche in starker Wucherung begriffen, um eine kompakte, dorsale Zellknospe zu erzeugen. Die IV. Schlundspalte verhält sich rechts und links verschieden. Die linke Seite zeigt weder eine dorsale noch eine ventrale Tasche; ihr Epithel ist überall ein- fach und gleichartig. Die IV. Spalte der rechten Körperhälfte stellt gleichfalls einen engen Kanal dar ohne dorsale und ventrale Tasche, der zuerst leicht ventral gekrümmt abwärts, dann horizontal lateral verläuft. Aber genau an der Stelle, wo die horizontale Strecke beginnt (etwa in der Mitte der Länge des ganzen Kanals), zeigt die Spalte eine bläschenförmige Erweiterung. Die ganze Spalte hat kein einheitliches Lumen, sondern ihr lateraler, horizontal ziehender Teil stellt einen kompakten Zellstrang dar und das erwähnte Bläschen besitzt eine eigene Lichtung, welche medial ebenfalls abgeschlossen ist. Eine V. Kiemen- spalte fand MAURER bei diesem Stadium nicht. Auch hat er nur vier offene Spalten gesehen, während van BEMMELEN fünf Spalten angab. Der Widerspruch lasse sich vielleicht so erklären, daß vAn BEMMELEN Ausbuchtungen der IV. Spalte für eine V. Tasche gehalten hat. Hinter der IV. Spalte ist der post- branchiale Körper ein ventral gerichtetes Bläschen. Sein weites Lumen steht in offener Kommunikation mit dem Darmlumen. Beim Embryo (8 Tage nach der Eiablage) ist die erste Schlundspalte ab- geschlossen und besitzt eine dorsale Tasche; die Epithelzellgruppen haben sich vom dorsalen Gipfel der Tasche als kugelige Körperchen abgelöst. Auch die Il. Schlundspalte ist geschlossen. Ihre dorsale Thymusknospe hängt noch durch Johann Dohrer, Metamorphose der Mundrachenwand von Chelydra serpentina. 675 einen schlanken Stiel mit der Spalte zusammen. Die III. Schlundspalte ist geschlossen und zeigt eine keilfürmig kompakte, verdickte Thymusknospe. Der mittlere Teil der III. Spalte ist lateral zu einer kolbenförmigen, kompakten Masse verdickt. Die IV. Schlundspalte ist gleichfalls geschlossen und bildet ein kleines Bläschen. Der linke postbranchiale Körper hat sich ganz vom Schlund abgelöst. Bei einem Embryo (12 Tage nach der Eiablage) ist das Rudiment der dorsalen Thymusknospe an der I. Tasche noch zu sehen. Die II. Schlundtasche hängt am Schlund und, trägt dorsal eine große, birnförmige Thymusknospe. Die III. Schlundtasche ist noch mit dem Schlunde verbunden und besitzt ein dorsales Thymusknötehen sowie einen mittleren bläschenförmigen Teil. Die II. Kiemenspalte ist restlos geschwunden. Dagegen war beiderseits ein post- branchialer Körper ausgebildet, links doppelt so groß als rechts. Daraus fol- gerte MAURER, daß das Schicksal des postbranchialen Körpers verschieden sei. Obwohl die einseitige linke Anlage vorherrsche, komme doch auch ein doppel- seitiges Auftreten vor. MAURER suchte hier die Unabhängigkeit der post- branchialen Körper von den Schlundspalten darzutun. Als hauptsächlichsten Grund führte er die Tatsache an, daß die postbranchialen Körper noch mit dem Schlunde zusammenhängen, während die Schlundspalten durchaus gleichartig in der Rückbildung fortgeschritten wären. Bei einem Embryo (16 Tage nach der Eiablage) ist das Rudiment der Thymusknospe an der I. Schlundspalte kaum mehr nachzuweisen. Die erste bleibende Thymus der I. Schlundspalte ist unregelmäßig rund. Ihr unmittelbar angeschlossen ist die zweite bleibende Thymus der III. Schlundspalte. Auf der rechten Seite fand er einen Rest der IV. Schlundspalte. Der linke postbranchiale Körper liegt ganz von der Schlundwand abgelöst als großes, kugeliges Bläschen mit weitem Lumen ventral vom Schlund; rechts fehlt er vollkommen. Beim Embryo (21 Tage nach der Eiablage) besteht die Thymus aus zwei getrennten Abschnitten, nämlich der dorsalen Thymusknospe der II. Schlund- spalte und dem Derivat der III. Tasche. Das thymusartige Derivat der I. Schlund- tasche ist verschwunden, ebenso der Rest der IV. Spalte. Dagegen tritt ein doppelseitiger postbranchialer Körper auf, ein kugeliges Bläschen mit weitem Lumen darstellend. Beim Embryo (31 Tage nach der Eiablage) setzt sich der hintere Thymus- lappen in einen kurzen kräftigen Stamm fort, der aus Thymusgewebe besteht und in ein kugeliges Knötchen übergeht, das einen von der Thymus verschie- denen Bau hat. Nur auf der linken Seite ist ein postbranchialer Körper. Die beiden Thymuskörper sind nicht gleichartig; denn die vordere Thymus ist nur ein Derivat der II. Schlundtasche. Die hintere Thymus ist viel komplizierter, sie besteht aus drei Teilen, einem dorsalen Teil, welcher der vorderen Thymus serial homolog ist, einem mittleren und ventralen Teile. Der ventrale Teil ist die Carotidendrüse. Bei einer jungen Eidechse (5 cm Gesamtlänge) ist der post- branchiale Körper wieder nur links ausgebildet und verkümmert. Er setzt sich aus einer geringen Zahl sehr kleiner Bläschen mit minimalem Lumen zusammen. Sehr gründlich hat bald darauf 1901 K. PETER (23a, 23b) die Schlund- gegend von Eidechsenembryonen untersucht. Er glaubte sechs Paare von Schlundtaschen nachzuweisen. Im einzelnen machte er folgende Angaben: Die I. Tasche legt sich zuerst an. Embryonen mit 5-6 Urwirbeln zeigen am vorderen Ende des Darmes je eine seitlich und dorsal gerichtete Aus- 674 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. buchtung, die sich dem Hornblatt nähert, das allmählich zu einer seichten äußeren Schlundfurche eingebuchtet wird und einreißt, so daß die I. Kiemen- spalte fast in der ganzen Ausdehnung der inneren Tasche eröffnet ist. Jede Tasche entfaltet sich zu weit ausgezogenen, mit engem Lumen versehenen Aus- stülpungen, die eine eigenartige, um die Fläche gebogene Stellung einnehmen. Die äußere Öffnung stellt sich mehr quer, während die innere längs gerichtet ins Darmrohr ausmündet. Während die Biegung sich einleitet, beginnt die langgestreckte Mündung auf der Außenseite von ventral her sich zu schließen. Im gleichen Maße löst sich die entodermale Tasche von der Epidermis los. Die weitere Ausgestaltung der Tasche wurde nicht verfolgt. MAURER hat ein Epithelderivat der I. Tasche angenommen; PETER hat bloß eine schwache Wucherung bemerkt. Caudal von der ersten Schlundtasche stellt ein kleines seitliches Divertikel die II. Verbindung zwischen den beiderseitigen Epithelien her. Die Verschmelzung findet zuerst in der dorsalen Ecke statt. Eine äußere Kiemenfurche ist nicht zu bemerken. Die Richtung ist anfangs quer und con- vergiert ventral mit der ersten. Von dorsal her reißt die Verschlußmembran ein. Der dorsoventrale Durchmesser des Darmes nimmt allmählich im vorderen Abschnitt ab, daß die langgestreckte Schlundtasche beiderseits bald über das Niveau desselben hervorragt. Eine dorsale Ausstülpung erzeugt durch Wucherung eine Thymusanlage. Die Kiementasche schließt sich ziemlich spät; sie geht bis auf die abgeschnürte Thymus völlig zugrunde. Zur Zeit der Eröffnung der II. Tasche legt sich die III. Tasche als seichte Ausstülpung des Darmes an, tritt bald mit der Epidermis in Verbindung und stellt sich in einer der II. Schlund- tasche parallelen, nach vorn etwas konkaven Linie ein. Eröffnung, Form der Tasche und erste Bildung ihrer Thymusanlage gleichen ganz der vorhergehenden II. Tasche; wie diese atrophiert auch die dritte Tasche bis auf die epithelialen Reste. Schlundtasche II und III erzeugen den Hauptteil der Thymusdrüse. Das verkleinerte Abbild der III. Schlundtasche in Anlage, Wachstum und Ausbildung eines dorsalen Divertikels gibt die IV. Tasche, welche sich sehr spät Öffnet und bald wieder schließt, um in die Tiefe zu rücken. Da der ganze zur Epidermis ziehende Epithelstrang schwindet, erhält sich von ihr nur ein kompakter Zell- komplex als Epithelkörperchen, das allerdings später atrophiert. MAURER hat dasselbe als Bläschen entstehen lassen; PETER dagegen hat stets nur eine so- lide Wucherung wahrgenommen. Die dorsale Ausstülpung der IV. Tasche geht mit der Schlundtasche selbst zugrunde. Die V. Schlundtasche entsteht als ven- tral geneigte Ausstülpung an der Seitenwand des Darmes und bricht nie durch; nur eine seichte äußere Furche zeigt die Gegend der Verwachsung der beiden Epithelblätter an. Mit der Verkürzung der Kiemenregion und Ausbildung des Sinus cerviealis gelangt die V. Ausbuchtung in die Tiefe, stellt sich bald nur wie ein Anhängsel der vierten dar, löst sich von Darm und Epidermis los und schwindet, ohne Derivate zu bilden. Zum Verwechseln der V. Tasche ähnlich ist die Anlage der VI. Tasche, freilich gelangt sie weniger zur Ausbildung. Sie legt sich stets doppelseitig an, verschmilzt nur selten mit dem Hornblatt und bleibt gewöhnlich als eine knotenförmige Ausstülpung des caudalen Schlundteiles bestehen. Das rechte Organ atrophiert mit dem Schwinden der V. Tasche, während das linke sich zu einem mit hohem Epithel ausgekleideten Sack (Suprapericardialkörperchen VAN BEMMELEN) entwickelt, vom Mutterboden ablöst und als rundes Bläschen an der linken Seite der Trachea liegen bleibt. Dieses Gebilde entsteht wirk- lich aus der VI. Schlundtasche und nicht hinter derselben, daher hat MAURERSs Johann Dohrer, Metamorphose der Mundrachenwand von Chelydra serpentina. 675 Bezeiehnung: postbranchialer Körper keine Berechtigung. Die weiteren Schick- sale der Schlundtaschenderivate hat Peter nicht verfolgt. Saınr Remy und A. Prenant: (31) haben 1904 neue Untersuchungen an Eidechsen und Schlangen veröffentlicht. Sie bestreiten, daß die I. Tasche der Blindschleiche eine Thymusanlage hervorbringe. Ihr hinterer Dorsalrand be- sitzt noch relativ spät ein Schlundtaschenorgan, das in Verbindung mit dem Ganglion genieulatum des Faeialis steht. Die II. Tasche erzeugt eine innere dorsale Ausbuchtung als Anlage der vorderen 'Thymus (Thymus II). Sie bleibt einige Zeit durch einen später schwindenden Stiel wit der II. Tasche in Ver- bindung. Am Ende der Embryonalzeit erhält sich davon nur ein gestieltes Knötchen mit einer der Thymus ähnlichen Struktur, aber von verschiedener Ausdehnung. Es ist unmöglich zu sagen, ob dieses Knötchen bei älteren Sta- dien fortbesteht: Sie fanden zwar mehrere Lymphherde im Rachenepithel, doch konnten sie nicht sicher auf die Knötchen bezogen werden. Die III. Tasche bildet eine innere dorsale Ausbuchtung als hintere Thymus Ill Der äußere Teil der Tasche trennt sich als Hohlblase vom Rachen und der Thymus ab. Gleichzeitig sendet die ventrale Wand der Ill. Tasche einen Epithelsproß aus, entsprechend der ventralen Thymusanlage, die sich bei Eidechsen an derselben Tasche entwickelt und an der Zusammensetzung von T'hymus III teilnimmt. Möglicherweise ist er, wie MAURER meint, der ventralen 'Thymusanlage der Säugetiere homolog. Die hohle, mittlere Blase wird eine Branchialdrüse oder Epithelkörperehen III. Wegen seiner Nachbarschaft zur Thymus verdient es den Namen »Glandule parathymique<. Die IV. Spalte bildet keine Knospe. Sie nimmt die Charaktere einer hohlen Anlage wie die vorhergehende an, aber obliteriert nach kurzer Zeit. Die V. Spalte stellt einen Blindsack vor, der bald schwindet. Hinter ihr folgen die postbranchialen Ausbuchtungen des Darmes. Der linke postbranchiale Körper entwickelt sich zu einer Drüse, während der rechte nach kurzer Zeit verschwindet. — Wie bei der Blindschleiche sind bei Lacerta viridis auf jeder Seite fünf Taschen vorhanden, deren erste vier sich nach außen öffnen. Die I. entwickelt keine T'hymusanlage, doch besitzt sie wie bei der Blindschleiche ein Schlundtaschenorgan. Die II. Tasche liefert die vor- dere Thymus aus einer dorsalen Anlage. Die III. Spalte gibt die hintere Thy- mus aus zwei Knospenanlagen, einer größeren dorsalen und einer kleinen ven- tralen sowie eine Branchialdrüse oder Epithelkörperchen. Die IV. Tasche liefert ursprünglich eine hohle Anlage, eine Branchialdrüse, welche bald obliteriert. Die V. Spalte bleibt klein, öffnet sich nicht nach außen und bildet sich wieder zurück. Hinter den 5 Schlundtaschen entsteht bei Embryonen von 4 mm ein Paar postbranchialer Körper, deren linker sich zu einer postbranchialen Drüse entwickelt. Bei Coluber Aeseulapii und Tropidonotus natrix entsprechen vorübergehende Anlagen im Innern der I. und II. Spalte wahrscheinlich den Thymusausstül- - pungen anderer Typen. Die III. Spalte liefert einen soliden, vergänglichen Sproß, wie die beiden ersten Spalten und ein Epithelkörperchen. Die IV. Spalte erzeugt zwei beständige Abkömmlinge, die vordere Thymus und ein Epithel- körperchen. Die V. Spalte liefert die hintere Thymus und die kleine Anlage eines Epithelkörpers. Die postbranchialen Bläschen entwickeln sich beiderseits zu einem drüsigen Organe. | Samt Remy und A. PREnANT meinen, daß alle Spalten I—V der Ophi- dier Thymusausbuchtungen erzeugen wie bei Cyclostomen, Selachiern und Ba- trachiern. Das postbranchiale Organ bilde sich auf Kosten der Pharynxwand Morpholog. Jahrbuch. 44, 44 676 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. selbst. Das sei ein bemerkenswerter Unterschied gegenüber den anderen Kie- menderivaten, welche immer aus einer Region der Spalte entstehen, die ent- fernt vom Pharynx liegt, und ein Grund, die postbranchiale Ausstülpung nicht als Spalte zn deuten. E. Corps (8) behandelte 1909 die Entwicklung der Paukenhöhle von La- certa agilis und machte nebenher Angaben über die Schlundtaschen, welche hier in Betracht zu ziehen sind. Bei dem jüngsten Embryo fand sie hinter der Hyo- mandibularspalte drei wohlausgebildete, im dorsalen Abschnitt noch durch- gängige Kiemenspalten und eine vierte rudimentäre, nur durch äußere und innere Kiemenfurchen angedeutete Spalte. Nach der Ablösung des dorsalen Abschnittes vom Eetoderm, welche bei der ersten bis dritten in der Reihenfolge der Taschen von vorn nach hinten erfolgt, verkleinern sie sich und wenden ihre freien Enden noch mehr dorsal. Aus der II. und III. Tasche entstehen durch einen medial gerichteten Sprossungs- und Abschnürungsprozeß die Thy- musknospen, die aber bald zu einem einheitlichen Körper verschmelzen. Die Hyomandibulartasche löst sich später als die folgenden Taschen vom Eetoderm los und nimmt bedeutend an Größe zu. Die Paukenhöhle entwickelt sich aus ihrem dorsalen Abschnitte, der in frühen Stadien nach außen offen ist. F. D. Tuompson (33) gab im Jahre 1910 eine kurze Beschreibung der Thy- reoidea und Parathyreoidea, sowie des postbranchialen Körpers bei Ohrysemys pieta, Pseudemys sceripta, Kinosternon pennsylvanicum, Tropidonotus natrix, Na- triv fasciata sipedon und Anolis velifer. Bei den Reptilien besteht keine sehr intime Verbindung zwischen Thyreoidea und Parathyreoidea. Der rätselhafte postbranchiale Körper ist mehr entwickelt als in den anderen Wirbeltiergruppen. Der parathyreoide und postbranchiale Körper sind eng verbunden, paarig und liegen vor der Tihyreoidea. Experimentelle Studien über die Drüsenderivate des Schlundes der Rep- tilien sind mir nur zwei bekannt geworden, H. Cnrıstıanı (9, 10) gab 1894 und 1895 an, daß die vollkommene Exstirpation der Schilddrüse viel schneller den Tod veranlaßt, als schwere Operationen, z. B. Öffnung des Halses oder der Brust, Abnahme eines Gliedes oder des Schwanzes. — Bei der Natter wie bei der Eidechse scheint die vollständige Entfernung der Schilddrüse unheilvolle Wirkungen hervorzurufen, wie man sie analog bei Säugetieren beobachtet; die Symptome sind weniger offenbar und schwerer herauszufinden, aber der Tod scheint stets die verhängnisvolle Folge zu sein. M. Doyon (11) beschrieb 1907 bei der Schildkröte zwei Parathyreoideae, je eine auf jeder Seite an der Basis des Halses. Sie liegen weit entfernt von der eigentlichen Schilddrüse, sehr nahe und unter der Thymus gegen die Krüm- mung der rechten oder linken Aorta, im Niveau jenes Punktes, wo das Gefäß sich nach hinten biegt. Die Parathyreoiddrüsen haben gelbe Farbe und rund- liche Form. Bei einer Schildkröte von 15 cm Rückenschildlänge haben die Para- thyreoideae nur einen Durchmesser von Imm. Die Schilddrüse enthält viel Jod; die erwähnten Drüsen enthalten nichts oder sehr wenig von dieser Sub- stanz. Die Vernichtung der beiden Drüsen hat Lähmung und den Tod zur Folge. Die Zerstörung einer einzigen Parathyreoidea bleibt ohne Wirkung. Das gleiche findet bei Wegnahme der Schilddrüse statt. Johann Dohrer, Metamorphose der Mundrachenwand von Chelydra serpentina. 677 Il. Eigene Beobachtungen. Der oben berührte Mangel von anatomischen Merkmalen in frühen Phasen der embryonalen Entwicklung, der allen Regionen des Kör- pers eigen ist, gleichgültig, welche Teile man besonders ins Auge fassen mag, berechtigt uns, die ersten Stadien als Larvenformen anzusehen. Ihnen steht der fertige Zustand als Endresultat des embryonalen Wachstums gegenüber und zwischen beide schiebt sich eine verschieden lange Zeit der Metamorphose ein, in welcher die Larvencharaktere verwischt oder in die bleibenden Eigenschaften übergeführt werden. Wenn der Larvenzustand gut verstanden werden soll, ist eine Menge bisher ungenügend berücksichtigter Merkmale zu beachten. Vor allem stört das ungleiche Verhältnis der entodermalen und ecto- dermalen Anlage im Mundrachenabschnitt des Larvenkopfes, die nahe topographische Anordnung von Organbezirken, welche später weit auseinandergezogen werden, speziell der Hinterhauptsgegend und des Vorderrumpfes mit dem Herzen, endlich die ganz andere Achsen- richtung der Mundrachenhöhle. Anfangs findet man sich in den unge- wohnten Verhältnissen schwer zurecht, weil alles im Flusse ist und die einzelnen Bezirke fortwährend wachsen. Es scheint eigentlich kein fester Punkt für die Beurteilung vorhanden zu sein. Aus dieser Verlegenheit suchte ich mich dadurch zu retten, daß ich mit einer gewissen Willkür aus den von ständiger Größen- und Formenänderung beherrsehten Bestandteilen des Kopfes diejenigen auswählte, deren Formeharaktere mir relativ am wenigsten veränderlich schienen, ob- wohl sie selbst großen Umbildungen unterworfen sind. Für einen solchen Teil halte ich die ventrale Konturlinie der Mittelhirnbeuge. Da Längsschnitte am geeignetsten sind, die Hauptunterschiede der Stadien zu demonstrieren, habe ich in Fig. 11—14 einige ideale Längsschnitte aus meinen Serien abgebildet und so orientiert, daß der ventrale Umriß der typischen Mittelhirnbeuge gleichsinnig ge- stellt ist und gewissermaßen als Koordinatenlinie dient, auf welche die Kontur der Mundrachenhöhle bezogen wird, um ihre Veränderungen, hauptsächlich die wachsende Kniekung und Krümmung der Darm- längsachse zu beschreiben. Die Methode ist freilich nur einiger- maßen genau, doch reicht sie für die erste Orientierung aus. Später wird sich eine größere Exaktheit der Betrachtung schon noch ent- wickeln. Für die Wachsmodelle habe ich eine bessere Ordinaten- ebene verwendet, indem ich vor der Herstellung der Querschnitt- 44* 673 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. serien durch den Kopf des auf dem Jungschen Mikrotom eingespannten, mit Paraffin durchtränkten Embryos eine zur jeweils von mir voraus- gewählten Querschnittsebene senkrechte Definierebene angebracht und später beim Zusammensetzen der ausgeschnittenen Wachsplatten sorgfältig den Abstand von derselben beachtet habe. Bei jungen Embryonen (Fig. 11) ist die Mundrachenhöhle recht skizzenhaft und der spätere Schnabelmund (2) ziemlich plump an- gedeutet. Man sieht den Mundeingang caudal von dem kleinen, über den Rumpf hervorragenden Unterschnabelwulst (us) begrenzt und cerebral von der Kopfmasse überschirmt, welche jetzt hauptsächlich aus dem Vorderhirn besteht. Wie die Vorderhirnanlage in der Mittelhirnbeuge fast rechtwinklig gegen das Hinterhirn gekrümmt ist, so biegt auch die schmale Epithelwand der Mundhöhle senkrecht gegen den entodermalen Rachen (r) ab. Wenn die Rachenmembran bereits gerissen ist, wie am vorliegenden Längsschnitt (Fig. 11), kann die Grenze zwischen Eetoderm und Entoderm schwer fest- gestellt werden. Und doch muß der Embryologe darnach trachten, die verschiedenen Keimblättern entstammenden Bezirke gegeneinander abzugrenzen. Wenn ich dies hier versuche, so kann kein Zweifel obliegen, daß das Epithel des Kopfhöckers unter dem Vorderhirn bis zur Hypophyse (R) als Ectoderm anzusprechen ist. Wie die Längsschnitte und Modelle älterer Embryonen lehren, wird davon das Epithel des Munddaches geliefert. Am Unterschnabelwulst (zs) mangelt aber jeder Anhaltspunkt. Ich habe einstweilen nach meinem Gutdünken eine Grenze angenommen und an der Figur durch ein Kreuz kenntlich gemacht. Um den Gegensatz der Larvenanlage zum fertigen Zustand mit ein paar Worten zu bezeichnen, könnte man sagen: es ist das Munddach von der Spitze des künftigen Ober- schnabels (os), dessen Skizze an den Gesichtsmasken (Fig. 15—19) zu erkennen ist, bis zur Hypophyse angelegt, während der Unter- schnabelrand unscheinbar kurz ist. Letzterer steht ja immer etwas gegen die Oberschnabelspitze zurück und gerade diese Eigenschaft ist bei den jüngsten Embryonen grell übertrieben. Die Längs- schnitte (Fig. 12—14) zeigen, wie das Mißverhältnis langsam ge- mildert wird. Der entodermale Rachendarm (r) steht gerade rechtwinklig gegen das an der Hypophyse endigende Munddach. Sein Vorderstück läuft dem Boden des Hinterhirns (7) etwa parallel. Allein vor der Gegend der Sperrplatte (sp) des Trachinx (Scumipr) weichen die Kontur- linien auseinander. Das Hirnrückenmarksrohr biegt schwach dorsal Johann Dohrer, Metamorphose der Mundrachenwand von Chelydra serpentina. 679 konvex, der Darm entgegengesetzt, wenn auch der Gegensatz nicht sehr stark ist. Am meisten fällt die enge Nachbarschaft des Kopf- rachens zu der ansehnlichen Herzanlage auf, welche zweifelsohne die Vorderregion des Rumpfes charakterisiert. Das Larvenmäßige dieser Phase besteht eben darin, daß zwei Bezirke, welche später durch den langen Hals voneinander getrennt sind, wie Längsschnitt (Fig. 14) kennzeichnet, jetzt dieht beisammenliegen. Der Längsschnitt (Fig. 12) zeigt abgesehen von der Volumenzunahme keine wesentliche Änderung der eben geschilderten topographischen Verhältnisse. Im Längsschnitt (Fig. 15) dagegen sind schon Neuerungen angebahnt, welche Fig. 14 noch deutlicher ausprägt. Sie gibt vor allem die kolossalen Veränderungen der Mundrachenhöhle kund. Die ecto- dermale Fläche von der Schnabelspitze bis zur Hypophyse ist fast um das 2!/,fache gestreckt und der Mundboden, bzw. der Schnabel- rand ausgiebig verlängert. Die rechtwinklige Kniekung am Über- sang des Munddaches in die Rachenwand ist nicht mehr vorhanden. Erst in etlicher Entfernung von der Hypophyse setzt die Krümmung ein, welche der Speiseweg zum Magen notwendig machen muß. Die Konturlinie des Hinterhirnbodens ist gänzlich geändert. Sie entfernt sich gleich hinter der Hypophyse vom Vorderdarme durch die längst bekannte Hinterhirnbeuge und weicht (in der Orientierung der Längsschnitte besonders auffällig) dorsal zurück, um in der Gegend der ersten Halswirbel fast rechtwinklig caudal zu laufen. Man erkennt, daß die in Fig. 11 schier unmerklich angedeutete, in Fig. 13 schon besser ausgesprochen konvexe Krümmung jetzt zu außerordentlicher Kraft gesteigert ist. Der Längsschnitt (Fig. 13) zeigt ein vermittelndes Metamorphosen- stadium. Wenngleich die Achsenrichtung der Mundrachenhöhle gegen- über den jüngeren Längsschnitten (Fig. 11, 12) kaum verändert ist, liest man doch das stärkere Wachstum in der Embryonalzone ab, welche zwischen dem hinteren Rande des Larvenmundes, der Luft- röhre und dem Herzen liegt. Diese ist wesentlich größer geworden. Auch die Entfernung des Rachenbodens vom Eetoderm ist gesteigert und der Boden der Mundhöhle breiter geworden. Nach der allgemeinen Orientierung will ich die Metamorphose an Hand von Rekonstruktionsmodellen und Schnittserien genauer beschreiben. Meine Schilderung bezieht sich hauptsächlich auf die Schnittserien durch die Embryonen, deren Umriß in den Text- figuren A—E abgebildet ist. Mit Rücksicht auf die starke Ab- biegung der Mundhöhle gegen den Rachen empfiehlt es sich, die 680 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. Schilderung in zwei Abschnitte zu gliedern; zuerst werde ich das Formschicksal des Rachens, hernach die Ausgestaltung der Mund- höhle und des Gesichtes darstellen. Fig. A. Fig. B. Fig. C. Fig. D. Fig. A. Embryo 8,0 mm, nicht eingerollt. Fig. B. Embryo 7,0 mm. Fig. ©. Embryo 7,5 mm. Fig. D. Embryo 9,3 mm. Fig. E. Embryo 10,4 mm. Vergr. 10/1. Die gestrichelte Linie gibt die Schnitt- richtung an, welche zum Studium der Gesichtsbildung gewählt wurde. Die ausgezogene Linie gibt die Schnittrichtnng an, die zum Studium der Rachengegend gewählt wurde. A. Der Rachen. Der Rachen junger Stadien (Fig. 1—8) besitzt mehrere Paare seitlicher Anhänge, welche landläufig als »Schlundtaschen« bezeichnet werden. Sie haften anfangs (Fig. 1,2) am Eetoderm der sog. äußeren Schlundfurchen, lösen sich aber bald los und folgen spezifischen Entwieklungsrichtungen. Wenn man ohne Rücksicht auf die gegen- wärtig herrschende Lehre die weiteren Umbildungsvorgänge der Sehlundtaschen an den Modellen betrachtet, gewinnt man die Über- zeugung, daß der gemeinsame Name »Schlundtaschen« keine innere Berechtigung besitzt; denn die epithelialen Anhänge des Rachens verhalten sich durchaus verschieden, sowohl was die Umgestaltung als die endgültige Form und Funktion anbetrifft, nur in der ersten Anlage (Fig.1,2) weisen sie größere Ähnlichkeit auf. Es erscheint mir jedoch nicht ratsam, die Übereinstimmung in einem noch wenig differenzierten Stadium besonders wichtig zu erklären, weil in der länger andauernden Embryonalzeit, die auf die Umbildung der Johann Dohrer, Metamorphose der Mundrachenwand von Chelydra serpentina. 681 Schlundtaschen verwendet wird, tiefgreifende Kontraste entstehen. Man kann die Ähnlichkeit immerhin anerkennen und die in Rede stehenden Bildungen ohne vergleichend anatomisches Präjudiz unter den Begriff »Seitensprossen des Rachens« zusammenfassen, aber trotz- dem der allmählich steigenden Verschiedenheit Reehnungtragen, wieich es nun versuchen will. Ich glaube nämlich den Seitensprossen des Rachens durchausverschiedenen Wert beilegen zu müssen wegen des auf- fallenden Gegensatzes in Formschicksal und Größe der einzelnen Paare, I. Propharynx. Längst bekannt ist die spezifische Entwicklung des I. Seiten- sprosses zur Epithelwand der Paukenhöhle. Erwägt man dieses End- resultat, so muß man doch den gewaltigen Unterschied gegenüber dem Bildungsgang der übrigen Schlundtaschen zugestehen. An allen Modellen ist die I. Seitentasche (fp) um ein Vielfaches größer als die drei hinteren Paare. Ihre sagittale Länge steigt in den fünf mo- dellierten Fällen (Fig. 1, 3, 5, 7, 9) von 0,75 mm auf 0,95 mm, 1,07 mm, 1,09 mm, 1,45 mm. Sie allein zeigt die Neigung, sich zu einem lateralen Anhange des Pharynx zu entfalten, der gleich einem flachen, dreieckigen Flügel zur Seite springt und fortwährend an Ausdehnung gewinnt (Fig. 1—10), bis eine neue morphogenetische Phase einsetzt und die Umwandlung in den oval gerundeten Epi- thelsack der Paukenhöhle veranlaßt (Fig. 27—29). Der II. Seitensproß (fa) dagegen stellt einen dreieckigen Blindsack vor, dessen Spitze caudal schaut, aber im Gegensatze zur dorso- ventral abgeflachten I. Tasche lateral komprimiert ist, so daß eine dorsale und ventrale Kante an ihm deutlich ausgeprägt erscheint. Besonders in der Seitenansicht der Modelle (Fig. 4, 6) tritt die Eigen- art des I. und II. Seitensprosses augenscheinlich hervor. Am meisten interessiert die Tatsache, daß der II. Sproß sich verhältnismäßig rasch verkleinert und schließlich schwindet. Am Modell der Fig. 5, 6 ist er etwas schwächer, am Modell der Fig. 7, 8 dagegen auffallend zurückgegangen, sowohl was die Länge als die Höhe betrifft. Er springt nur wie ein ganz dünner Zapfen aus der schmalen Rachen- kante vor und bei Modell Fig. 9, 10 ist lediglich an der Krümmung der Seitenkante seine frühere Ansatzstelle wahrzunehmen. Dieser Umstand hat mir’ die Vermutung nahegelegt, ob es sich nicht empfehlen würde, die sog. II. Schlundtasche überhaupt nicht als eine Bildung eigener Art, sondern als einen caudal gerichteten Ausläufer der I. Tasche zu betrachten, obwohl ich vorerst keine Rechen- 682 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. schaft geben kann, warum der I. Tasche solch ein caudaler und rasch rückgebildeter Fortsatz zukommt. Besonders wenn man die dorsale Ansicht der Modelle (Fig. 5, 7, 9) betrachtet, muß die Auf- fassung einleuchten, daß der Il. Sproß nur ein zur I. Tasche ge- höriges Anhängsel ist; denn er sitzt an der caudalen Kante der flügelföürmigen Verbreiterung des Rachens, welche sich allmählich aus der schwachen Anlage der sog. I. Schlundtasche herausgestaltet. Der orale Schenkel derselben (Fig. 3, 5, 7, 9) läuft divergierend vom tachenanfange hinter der Hypophyse \h) lateral fast bis zum Eeto- derm. Der caudale Schenkel zieht von da einwärts gegen den schmalen Abschnitt des Schlundes, an dem das III. und IV. Sproß- paar hängt. Es ist schwer, den Endpunkt des caudalen Schenkels zu fixieren, weil eben in Wirklichkeit die Konturen sich nicht so scharf einteilen lassen, wie es unsere Begriffe fordern. Wenn man jedoch das älteste Modell (Fig. 9, 10) betrachtet, dann versteht man die Gründe, weshalb ich meine, die Grenze der sog. ]. Seitentasche gerade an der Stelle {a zu suchen, wo die letzte Spur des rück- gebildeten II. Sprosses durch eine besondere Krümmung erkennbar ist. Jedenfalls liegt an dieser Stelle die Grenze eines vorderen Rachenabschnittes, der sich durch transversale Entfaltung vor dem hinteren Rachenabschnitt auszeichnet. Ich werde im Einklang mit A. Krırspaum (15) und Tu. Mayr (19) die beiden Zonen fernerhin als Propharynx (P) und Metapharynx (M) bezeichnen. II. Metapharynx. Am Metapharynx hängen das II. und IV. bzw. V. Paar der sog. »Schlundtaschen«. Dieselben sind nach ihrem ganzen Schick- sale und ihrer Ausgestaltung grundverschieden von der eben bespro- chenen Kantenplastik des Propharynx; denn sie sind von vorn- herein viel kleinere Seitensprossen und lösen sich bald als hohle Fpithelsäckehen vom Rachen los, um sich unabhängig im Meso- derm der vorderen Brustgegend zu selbständigen Drüsen zu ent- wickeln. Der III. Sproß (ty) hängt am Pharynx mit einem Stiel als ab- geflachte, mehr plattenähnliche Anlage, die anfangs senkrecht zur Transversalebene des Rachens in einer dorso-ventralen Richtung wächst und etwas über die Rachenwand emporragt (Fig. 2, 4, 6). Der IV. Sproß (to) dagegen dehnt sich hauptsächlich lateral aus und besteht aus zwei Ästen, welche durch mediane Schiebung des ven- tralen Zweiges schärfer getrennt scheinen. Eben dieser Umstand wird der Grund gewesen sein, weshalb andere Autoren mit VAN Johann Dohrer, Metamorphose der Mundrachenwand von Chelydra serpentina. 683 BEMMELEN den ventralen Ast des IV. Sprosses als eine selbständige V. Scehlundtasche angesprochen haben. Davon kann jedoch keine Rede sein; denn wer die Modelle studiert, sieht deutlich die beiden verschobenen Äste des IV. Sprosses durch einen gemeinsamen, engen Stiel am Rachen hängen. An der III. Tasche ist nur ein dorsaler und ventraler Abschnitt zu unterscheiden; doch verwischt sich diese Gliederung, je weiter die Entwicklung fortschreitet (Fig. 9, 10). Der IV. Sproß dagegen prägt auf den Stadien (Fig. 4—8) die beiden Äste (ec, en) gut aus. Hier macht sich eine schon in der ersten Anlage (ig. 3, 5) vorhandene typische Asymmetrie geltend, indem der linke Seitensproß viel mehr an Volumen gewinnt als die rechte Anlage. Die erst leise einsetzende Ungleichheit steigert sich am Modell Fig. 7, 8, noch mehr bei Modell Fig. 9, 10 und herrseht während des ganzen Lebens. Die sog. III. und IV. Tasche differenzieren sich nach der Ablösung vom Metapharynx zu Drüsen mit innerer Sekretion. Die III. Tasche (fy) wird zur Thymus und der gegabelte IV. Sproß (fo) ist die Anlage eines nach seiner physiologischen Funktion durchaus rätselhaften Komplexes. Im Hinbliek auf die im hiesigen Institute durchgeführten Untersuchungen von TH. MAYR über die sog. IV. Schlundtasche der Säugetiere und ihr späteres Schicksal will ich denselben einstweilen als Tholus bezeichnen, weil uns viele analoge Züge in der Umbildung der von uns beiden model- lierten Seitensprossen des IV. Paares aufgefallen sind. Statt der alten Termini »IIl. und IV. Schlundtasche« verwende ich also von jetzt an die prägnanteren Namen: Thymus (iy) und Tholus (lo). Um die eben nach den Modellen geschilderte Plastik noch ge- nauer zu belegen, habe ich eine Reihe von Querschnitten in den Fig. 30—89 abgebildet. Die Serie Fig. 30—40 zeigt die im Ver- hältnis zu den übrigen Organen des Embryos bedeutende Aus- dehnung der Schlundseitensprossen zunächst an der II. Tasche (ia), (Fig. 33, 34), die einen langen Gang gegen das nicht gezeichnete Eetoderm herstellt. Der Thymussproß (fy, Fig. 37) ist ebenso wie der IV. Seitensproß (Fig. 39) am Eetoderm durchgebrochen. Der Tholussproß (fo) zeigt die schwache Anlage eines Innen- und Außen- astes (Fig. 39). Bei dem Embryo der Sehnittserie, Fig. 41—54, hängen sämtliche Seitensprosse nicht mehr mit dem Eetoderm zu- sammen. Fig. 41—45 erläutern die lange Ausdehnung und die Form der I. Tasche (n), ferner Fig. 47—-50 die medio-lateral abgeflachte (Gestalt ihres Anhängsels, der sog. II. Tasche (ta), außerdem die oben (5. 682) geschilderte Plattenform des III. Sprosses (ty, Fig. 51). Hinter 684 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. demselben dringt das Epithel über die normale Grenze der Seitenkante, wie sie in den Fig. 49, 50 zu sehen ist, und gabelt sich (Fig. 52, 53) in zwei lateral und medial divergierende Epithelsäckchen (ec und en). Der Zusammenhang dieser Gebilde mit dem Darm erstreckt sich nur über drei Schnitte. An der Schnittserie (Fig. 55—66) tritt die Rück- bildung des II. Seitensprosses hervor (Fig. 61, 62) und die geringe Vergrößerung des III. und IV. Paares (Fig. 64, 65); der Querschnitt des Darmes hinter dem III. Seitensprosse zeigt die Seitenkanten et- was ventral geneigt. Daran hängt die Gabelanlage des IV. Sprosses (Fig. 65), der laterale Ast (ec) erscheint als rundliches Bläschen, der mediale Ast (en) als längliches Säckehen. Obwohl die asymmetri- sche Ausbildung besteht, ist der Formunterschied des Innen- und Außenastes auch auf der rechten Seite (Fig. 65) deutlich zu konsta- tieren. Auf einer anderen Serie eines Embryos von 8,1 mm ist rechts der Außenast als Epithelgang und der innere Ast als Säck- chen gebildet. Links dagegen sind die Formeharaktere umgekehrt, der laterale Ast als Bläschen, der mediale als Säckchen. Ungefähr bei Embryonen von 9mm wird der III. Sproß vom Darm abgetrennt. Bei einem Embryo von 9,1 mm fand ich ihn noch als weiten plumpen Sack mit etwas gefalteter lateraler Wand. an der Rachenkante hängen. An dem Tholussproß ist der linke Innen- ast schlauchförmig lang, der Außenast kurz. Auf der rechten Seite sind beide Äste ungefähr gleich groß. Bei Embryonen von 9,1 mm ist der Thymussproß abgelöst und liegt neben dem Darm als schma- ler Epithelgang von 200 « Länge mit rundlichem und weiter hinten spaltförmigem Lumen. Die beiden Gabeläste des T'holussprosses sind besser auf der linken Seite entwickelt. Der schlanke Innen- ast treibt schon drei kurze, drüsige Seitenbuchten; der Außenast ist nur auf drei Schnitten zu 20 « deutlich zu sehen, während der Innen- ast sich 8 Schnitte a 20 « ausdehnt. Gerade die Gabelung des IV. Epithelsprosses bedeutete für mich den Grund, die Anlage als Tholus aufzufassen; denn bei den Säugern tritt eine durchaus ver- gleichbare Gliederung der Tholus ein und führt zu einer völligen Trennung in Eeto- und Entotholus, die ich bei Chelydra so- gleich nachweisen werde. Die Schnittserie Fig. 67—78 beweist die mächtige Entfaltung der I. Tasche (tn, Fig. 67—70) und die Reduction ihres Anhängsels (a) (Fig. 71, 72). Der Thymussproß (Fig. 75, 76) und der Tholussproß (Fig. 77, 78) sind abgelöst vom Rachen. Der Innenast (er) der lin- ken Tholus bildet eine geräumige Blase mit fast unregelmäßig ge- Johann Dohrer, Metamorphose der Mundrachenwand von Chelydra serpentina. 685 stalteter Oberfläche, die durch ganz niedrige Seitenbuchten hervor- gerufen wird; der äußere Ast (ec) ist ein ganz kleines, fast soli- des Knötehen und losgelöst vom Innenast (en). Rechts sind äußerer und innerer Ast bereits getrennt und sehr klein. Die Serie eines Embryos von 10,4 mm erläutert in Profil- bildern das oben (S. 681) geschilderte Modell (Fig. 9, 10). Links ist der Außenast (ec) der Tholusknospe vollkommen getrennt vom Innen- ast (en) und reicht nur 120 « weit. Der Innenast (er) ist wieder eine weite Blase von länglich flacher Gestalt. Auf der rechten Seite liegt der Außenast (ec) wie ein kleines Bläschen mit schwach ge- färbter Wand, der Innenast (er) wie ein davon getrenntes Bläschen mit stärker gefärbter Wand und mit großem Lumen. Bei einem Embryo von 12,3 mm liegen die beiden inneren Äste der Tholus hinter der Schilddrüse und dem Ösophagus und der Trachea dicht genähert. Der größere linke Innenast reicht etwas weiter (160 «) ventral als der rechte Innenast. Beide liegen inner- halb der Arterienbögen. Die Epithelwand des linken Astes ist in kleine Seitenbuchten gegliedert. Der Außenast auf der linken Seite stellt einen soliden Knoten vor. Auf der rechten Seite glaube ich auch den Außenast als runden Knoten zu sehen. Beide liegen an den aufsteigenden Gefäßbogen. Vor ihnen scheint das Thymusende zu liegen. Der sehr klar epithelial gebaute Innenast älterer Embryonen hat eine Menge von Seitenbuchten getrieben. Lateral hängt ihm ein runder Hof von dichtem Gewebe an, den ich für den Außenast halte. Auch rechts sehe ich den Innenast mit sehr deutlich epithelialem Bau und lateral davon den Hof diehten Gewebes, aber beide viel kleiner. Vor der Tholus liegt das hintere Ende der Thymus, man sieht hier noch das einfach enge Lumen. In einem andern Falle ‘ sind die Seitenbuchten der Tholus zahlreicher. Die Außenäste auf beiden Seiten sehen wie runde Höfe von diehtem Gewebe aus; der rechte Innenast hat eine deutlich epitheliale Struktur, nur ist er sehr klein. Dicht vor der Tholus endet die Thymus, welche auf dieser Serie sehr groß ist und halbmondförmige Gestalt hat. Die linke Thymus reicht weiter oral als die rechte. Die seitlichen Anhänge des Rachens haben also wirklich sehr verschiedene Schicksale. Während die I. Tasche zeitlebens mit dem Pharynx zusammenhängt und samt dem unscheinbaren Reste der II. Tasche in der Labyrinthregion des Kopfes verweilt, lösen sich der III. und IV. Seitensproß sehr bald vom Rachen los und werden 686 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. isolierte Drüsenanlagen im Mesoderm des Rumpfes nahe den großen, von der Herzkammer ausgehenden Gefäßen. Damit sind so scharfe Gegensätze in der topographischen Lage der Rachenderivate ge- schaffen, daß man wirklich kein Recht hat, alle vier Paare der in früher Embryonalzeit eng benachbarten, vom Schlunde differenzier- ten Seitensprossen »Kiemen- oder Schlundtaschen« zu nennen und ihnen ohne strenge kritische Prüfung des gesamten Entwicklungs- ganges bis zum fertigen Zustande homologen Wert zuzuerkennen. Hauptsächlich der Umstand, daß der III. Sproß sich zur Thymus und der IV. Sproß zur Tholus, bzw. Eetotholus und Entotholus umwan- delt, hindert mich, die beiden ersten Paare den hinteren Sprossen gleichwertig einzuschätzen. Angesichts der von Stunde zu Stunde wachsenden Verschiedenheit kann es nach meinem Urteil nichts aus- machen, daß die erste Spur des III. und IV. Sproßpaares bei ganz kleinen Embryonen (Fig. 1, 2) eine gewisse nicht zu leugnende Ähn- liehkeit mit den Anlagen der I. und II. Tasche aufweist, weil diese doch nur in den jüngsten Stadien besteht und zu einem von Stufe zu Stufe zunehmenden Unterschied entwickelt wird. Aus dem Pro- pharynx entstehen die symmetrischen Seitenräume der Paukenhöhle, welche zeitlebens durch die Tube mit dem Rachen zusammenhängen. Aus dem Metapharynx dagegen knospen Drüsen von innerer Sekre- tion, also Gebilde für eine durchaus verschiedene physiologische Aufgabe und in keiner Hinsicht den Derivaten des Propharynx ver- gleichbar. Nachdem ich von den seitlichen Produkten gehandelt habe, will ich die besondere Form des Rachens beschreiben. Alle Modelle (Fig. 2, 4, 6, 8, 10) und Schnittbilder zeigen übereinstimmend, daß Boden und Dach im allgemeinen einander dicht genähert sind, nur an der lateralen Kante des Propharynx ist der Abstand größer. Hier (Fig. 30, 31, 41—44, 55-59, 67, 79, 80) fallen zwei laterale Ausla- dungen auf, welche durch eine median vordringende, rundliche Ein- buchtung deutlich als dorsale und ventrale Seitennischen des Darmes geschieden werden. Damit ist eine Gliederung des Vorderdarmes in zwei Stockwerke angebahnt, welche bei anderen Amnioten (Vögeln, Sauriern, Säugetieren) von A. KRIEGBAUM (15) bereits aufgefunden wurde. Das obere Stockwerk ist die Tubennische (Zr), nach her- kömmlieher Nomenklatur: die I. Schlund- oder Paukentasche; der untere Seitenarm erscheint an Querschnitten (Fig. 41, 55) wie eine Verlängerung des Rachenbodens. Ich nenne ihn aus später . erhellenden Gründen den »Flügel der Winkelkante« (wwk). Serien Johann Dohrer, Metamorphose der Mundrachenwand von Chelydra serpentina. 687 und Modelle erweisen die beiden Seitentaschen deutlich als Produkte der seitliehen Rachenwand, welche durch die konvexe Einbuchtung getrennt sind. Aus dem Rachenboden springt median eine dritte, sekrümmte Epitheldoppellamelle, die Anlage der Bodenfurche (df) vor (Fig. 56—59, 67—70, 79—81). Man mag nun alte Stadien mit 10,4 mm oder junge wie 7,0 mm betrachten, das eben beschriebene Relief ist stets unzweifelhaft zu erkennen, bloß ist es auf den ersten Anblick deutlicher oder schwächer ausgeprägt. Auch bei Stadien von 8,0 mm sind wenigstens die Tubennische und der Winkelflügel noch zu erkennen; bei Embryonen von 7,0 mm (Fig. 42—45) tritt die erste Spur der Bodenfurchen (bf) auf und in den drei anderen Modellen (Fig. 6, 8, 10) sieht man, wie die in Rede stehende Zone an sagittaler Ausdehnung zunimmt. Freilich ist der Längenzuwachs nieht sehr beträchtlich. Viel deutlicher macht sich die transversale Vergrößerung bemerkbar. Der Querabstand zwischen dem freien Medianrande der Bodenfurche und der Winkelkanten steigt vom Stadium Fig. 42 bis zum Stadium Fig. 81 ungefähr auf das Dop- pelte. Mit dieser Vergrößerung ist zugleich ein Breitenwachstum des Rachens in der Zone der I. Schlundtasche fast um die Hälfte verbunden (vgl. Taf. XIX, Fig. 3, 9). Die Breite des eigentlichen Rachendaches ohne Tubennische in der an den Figuren bezeichneten Querebene beträgt bei 7,0 mm 0,9 mm TER EEE TER Ti, Während die sagittale Zunahme des Vorderrachens relativ lang- sam vor sich geht, gewinnt der hintere Rachenabschnitt, Metapha- rynx, eine besondere Wachstumsenergie, welche rasch dahin führt, daß der Abstand zwischen dem II. und III. Seitensproß (fa u. ty) steigt. Dies ist zwar am Embryo von 7,0 und 7,5 mm (Fig. 3, 5) nicht be- deutend. Er beträgt nur 0,33 bzw. 0,34 mm, allein er steigt an den alten Modellen (Fig. 7, 9) auf 0,81 bzw. 0,9 mm. So entsteht durch die Vergrößerung eines zwischen dem II. und III. Seitensproß lie- genden Reifens der Rachenwand eine breite Zone (Fig. 9), welche sich dureh ihren Umriß an die vom Propharynx mit seinen Seiten- flügeln unterdessen erreichte Form harmonisch anfügt und durch allgemeine Abnahme ihres Breitendurchmessers einen allmählichen Übergang in den hinteren Teil der Darmanlage bildet. Die beiden Seitenkanten konvergieren von dem II. Seitensproß an kontinuierlich 688 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. bis zum Ösophagus (oe), wo der Darm enger wird, seine dorso-ven- tral abgeflachte Form verliert und die erste Spur der Faltung erhält. An der Dorsalwand des jüngsten Modells (Fig. 1) erstreckt sich hinter der Hypophyse (%) beginnend über eine ziemlich lange Strecke ein Epithelgrat (rk). Derselbe ist von A. PrRENnANT (24, 28) bereits im Jahre 1898 bei anderen Reptilienembryonen (Anguis, Lacerta, Tropidonotus) beschrieben worden. PRENANT schilderte damals in der Sehlundregion eine epitheliale Medianknospe der dorsalen Pha- rynxwand. Sie ist eine echte Rachenplatte, die auf große Länge sich erstreckt und erst in einem gewissen Alter erscheint. Vorher ist nur eine dreieckige Verdiekung des Rachens vorhanden, welche öfter als Furche eingedrückt erscheint. Nachdem dieselbe ihre Maximalentwicklung erreicht hat, scheine sich eine Rückbildung an- zubahnen. Distal werde die Rachenplatte sicher (wenigstens bei Anguis) dem Ösophagus einverleibt und nehme an dessen Aufbau teil. Prenant glaubte, daß die Rachenplatte ein neues Organ beim Reptilienembryo ist, vergleichbar wenn nieht homolog der Hypo- chorda der Ichthyopsiden. Sie sei ein eigenes Organ sui generis und nicht bloß ein zufälliges Produkt. Ich möchte aber ihren Wert nicht so hoch einschätzen; denn der Epithelgrat dehnt sich nur an dem jüngsten Modell zu beträchtlicher Länge aus. Später verkürzt er sich und es bleibt ein kleiner Rest ungefähr in der Höhe des II. Sprosses erhalten. Er ist wahrscheinlich dem Epithelkamm homo- log, welchen F. STELLwAAG (32) vom Kanarienvogel beschrieben und als ein bequemes Merkmal zur Diagnose des Rachenabschnittes ge- braucht hat, an welchem der frühzeitig verkümmerte II. Sproß entstanden war. An meinen Modellen bezeichnet der kurze Epithel- kamm (rk) die entsprechende Stelle (Fig. 1, 3, 5, 7, 9). Die Anlage der Luftwege erfolgt im Metapharynx und zwar findet man die entodermale Sperrplatte des Kehlhügels im Niveau der Tholusknospe (Fig. 2,52); beim Embryo von 10,4 mm (Fig. 82) dagegen liegt der vordere Rand der unterdessen verlängerten Kehl- platte zwischen dem Caudalende der Tubenflügel. Eine überein- stimmende Lage zeigt die Sperrplatte schon am Embryo von 9,3 mm, Dagegen beim Embryo von 7,0 und 7,5 mm ist die Sperrplatte (sp) zweifelsohne im Niveau der III. Tasche, so daß ihr vorderer Rand etwas über den Thymussproß oral reicht. Da der Luftweg durch ventrale Ausstülpung des Racheneetoderms gebildet wird und die hohle Anfangsstrecke auch nach der Solidifikation zur epithelialen Doppellamelle der Sperrplatte ein integrierender Bestandteil des Johann Dohrer, Metamorphose der Mundrachenwand von Chelydra serpentina. 689 Metapharynx bleibt, kann ich mir die aus den Modellen hervor- gehenden Lageveränderungen nicht in der bisher beliebten Weise vorstellen, daß man sagt, die Anlage sei oral verschoben worden; denn wie soll sich eine Anlage am geschlossenen Entodermschlauch verschieben, die selbst ein Teil der Wand ist und die vor ihr lie- genden Epithelzellen nicht beseitigen kann! Infolgedessen nehme ich einstweilen, bis bessere Beweise vorliegen, an, die Sperrplatte wachse zwischen den Stadien 7,5 und 9,3 mm mehr in die Länge, so daß sie statt 0,18 mm in Fig. 2 die Länge von 0,36 mm (Fig. 4) oder 0,4 mm (Fig. 8) erreicht. Mit anderen Worten, es werde an- fangs nur der caudale Teil der Sperrplatte als offene Einstülpung angelegt und später durch orales Wachstum vergrößert. Wenn nun die Verlängerung geschieht, während der Abstand des II. und III. Sproßpaares noch klein ist, wie in Fig. 3 und 5, so muß die Sperrplatte dureh die Differenzierung der Bodenzellen der Rachen- wand bis in den Propharynx, d.h. in das Niveau der II. Tasche ausgedehnt werden. Tritt dann das vorhin geschilderte Längen- wachstum des Metapharynx gleich hinter dem II. Sprosse ein, so wird die Sperrplatte anscheinend nicht davon betroffen werden und an der im Laufe der jungen Stadien erreichten Stelle bleiben, deren Umgebung sich zum Trachinx ausbildet, indem zu beiden Seiten der Sperrplatte, und zwar in sehr kurzem Abstande, zwei laterale Epithel- furchen (%) ventral auftreten, welche aus dem Boden einen später immer deutlicher werdenden kleinen Wulst (ww) herausschneiden. (Fig. 70, 71, 82.) Paukenhöhle. E Einige Bemerkungen über die Entwicklung der Paukenhöhle mögen trotz ihres fragmentarischen Charakters hier Raum finden, da noch sehr wenig darüber bekannt ist. Bisher hat nur H. NoAck (20, 1907) die Paukenhöhle der Schildkröten studiert. Er beob- achtete, daß die I. Kiementasche in eine offene Schlundspalte durch- brieht, die bald wieder verschlossen wird. Dann erweitert sich das laterale Blindende der Kiementasche zusehends, umwächst zunächst an der dorsalen, später aber auch an der ventralen Seite das Gehör- knöchelehen und füllt so allmählich die Quadrathöhlung fast voll- ständig aus. Anfänglich bildet der mediale Absehnitt der Kiemen- tasche eine weite Kommunikation der lateralen erweiterten Partie der Tasche mit dem Rachen. Später verengt sich dieser Teil der Tasche deutlich und bildet sich zur Tuba auditiva um. Das Haupt- 690 A. Fleischmann, die Kopfregion der Amnioten. augenmerk NoAcks war auf die Columella gerichtet, der er jed- weden hyalen Ursprung absprach, ebenso entschieden verneinte er ihre gemischte Entstehung aus dem Labyrinth und dem Zungenbein- bogen. Er hielt das Gehörknöchelchen für eine reine labyrinthäre Bildung. Der Zusammenhang des Gehörknöchelehens mit der la- teralen Labyrinthwand besteht lange Zeit. Ziemlich spät erst wird das Foramen ovale ausgebildet. Wenn ich nach dem mir vorliegenden Materiale urteilen darf, so hat Noack (20) offenbar zu wenig Stadien beobachtet. Doch bin ich selbst in keiner besseren Lage und konnte aus Mangel an Zwischenstadien den Vorgang nicht so genau verfolgen, wie ich ‚eigentlich wünsche. Wir wollen statt der jungen Stadien (Fig. 3—9) einen etwas fortgeschritteneren Zustand der Paukentasche ins Auge fassen (Fig. 29). Hier ist die Paukenhöhle ein plumper, ziemlich voluminöser Sack (p), den ein dünner, vom Rachendach aufsteigen- der Stiel (2) trägt. Dieser Stiel geht unter rechtwinklig medialer Biegung in das orale Drittel der längsovalen Paukentasche über. An einem anderen Modelle (Fig. 24) ist die Paukentasche kürzer, ihr Stiel geht etwas von der Mitte der Tasche ab.und macht eine enge Schleife, um zum Rachen zu gelangen, während beim älteren Modell der Stiel mehr gerade verläuft. Bei den nächst jüngeren Stadien (Fig. 25 und 27) meines Materials sind die Verhältnisse wesentlich verschieden. Der kleine, unregelmäßig viereckige Epithel- sack (p) darf wohl als erste Anlage der Paukentasche gedeutet werden, obgleich seine Form noch sehr wenig bestimmt ist, so daß man sie nicht sicher aufs ältere Modell (Fig. 29) beziehen kann. Auch ist er mehr lateral gestellt, (Fig. 28) und liegt in der lateralen Ver- längerung einer dreieckigen, vom Rachen seitlich abgehenden Epithel- tasche (ip), welche ich für die Anlage des späteren Tubenganges (2) halte. Die dreieckige Seitentasche ist nach meinem Urteile der vest der an den Modellen (Fig. 5, 7, 9) sichtbaren Seitenaus- ladung des Propharynx, welche ich oben als I. Seitensproß (fp) be- zeichnet habe. Sie springt als ein breiter Flügel der epithelialen Rachenwand vor und trägt am caudalen Ende eine merkwürdige Formbesonderheit, indem sich dieser Teil aufwärts und rückwärts biegt, so daß er im Profile hakenförmig erscheint. Der Epithel- flügel sitzt breit dem Rachen an, seine schmale Liehtung kommuni- ziert deshalb mit der Rachenhöhle durch einen relativ langen Sagittalspalt. Es scheint mir nun nach dem Aussehen der älteren Modelle (Fig. 28, 29), daß der breite Flügel bei Embryonen über Johann Dohrer, Metamorphose der Mundrachenwand von Chelydra serpentina. 691 10,0 mm der Reduction anheimfalle, so daß nur ein caudaler Ab- schnitt als Stiel der Paukentasche bestehen bleibt. Jedenfalls er- folgen hier noch sehr wichtige Umbildungen, welche durch eine genaue Untersuchung recht vieler Zwischenstadien verfolgt werden müssen. Leider ist es nicht gelungen, die zur Aufhellung der Vor- gänge notwendigen Embryonen zu finden, da mein Material gerade an Stadien zwischen 10,0—11,0 mm recht arm war. Immerhin be- stätigen die Modelle den wesentlichen Unterschied, welcher das Formenschicksal des I. Seitensprosses gegenüber den Sprossen der Thymus und Tholus beherrscht. Es liegt dırum kein Grund vor, das persistierende Hohlgebilde des Propharynx einer Kiementasche gleichwertig zu halten. B. Die Mundhöhle. In diesem Abschnitte will ich die Embryonalgeschichte der Mundhöhle zusammenfassend darstellen, wie sie sich mir aus dem Studium der Modelle und Schnittserien ergeben hat. Doch halte ich es für notwendig, zuerst die Ausbildung des Gesichtes zu besprechen, weil die an der Außenfläche des Kopfes sichtbaren Formfortschritte die im Innern sich abspielenden Ereignisse in einem gewissen Grade spiegeln. Die Kenntnis derselben wird uns helfen, die Veränderungen der epithelialen Maulwand richtig zu begreifen. Um eine anschauliche Vorstellung zu gewinnen, habe ich Schnitt- serien durch verschiedene Köpfe angefertigt, nachdem ich die Em- bryonen aus meinem Material so ausgewählt hatte, daß sie den für die Rekonstruktion der Mundrachenhöhle ausgenützten Stadien (Fig. 1 bis 10) ungefähr gleich waren, und habe nach fünf Serien Modelle der Gesichtsmaske hergestellt (Fig. 15—19). Da dieselben sehr gut gelangen, wurden sie im gleichen Maßstab aus Holz geschnitzt und der Unterrichtssammlung des zoologischen Instituts zu Erlangen ein- verleibt. Ich beschreibe diese Masken in umgekehrter Reihenfolge als gewöhnlich üblich ist, da ich an mir selbst erfahren habe, daß man das feine Relief der jüngsten Stadien besser versteht, wenn man vorher die späteren Zustände sich genau angesehen hat. Über die Gesichtsentwicklung der Schildkröten liegt nur die Ab- handlung von A. VoELTZKow (35) aus dem Jahre 1905 vor. Ich gebe zunächst einen kurzen Auszug derselben und knüpfe daran die Schilderung meiner Modelle. Die erste Anlage des Gesichtes erfolgt nach VosLtzkow durch das Auf- treten der Mundbucht, die infolge der Ausbildung der Kiemenbogen genauer Morpholog. Jahrbuch. 44. 45 692 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. begrenzt wird, besonders infolge schärferer Absonderung des ersten Kiemen- bogens, an dem gleichzeitig ein kleiner knopfförmiger Fortsatz hervorsproßt, wodurch die Differenzierung in Ober- und Unterkiefer einsetzt. Die Mandibular- bogen legen sich mit ihren Spitzen dicht aneinander und verschmelzen schließ- lich. Nun erscheint die Anlage des Mundes als fünfseitige Grube, die unten von den Mandibularbogen, seitlich von den ÖOberkieferfortsätzen, oben vom Stirnfortsatz begrenzt wird. Zugleich treten die Riechgrübchen an der Unter- seite des Vorderhirns in Form flacher, relativ sehr großer Gruben mit schwach gewulsteten Rändern auf, die am unteren Rande den Seitenflächen der kugel- förmig vorspringenden Großhirnhemisphären eingegraben sind. Der Stirnfortsatz ist zu dieser Zeit noch nicht vorhanden. Die Stirn geht ganz allmählich ab- gerundet in die Schädelbasis über, so daß letztere in diesem Stadium noch die Decke der Mundhöhle bildet. Wenn die Ränder der weit voneinander getrennten Riechgrübchen sich bald erheben, werden die Nasengruben größer und deutlicher und nehmen läng- liche Gestalt an. Das alles ist eine Folge der Ausbildung und des stärkeren Hervortretens des Stirnfortsatzes, wodurch der innere Rand der Nasengruben nach vorn und innen, schließlich in eine Spitze ausgezogen wird; daher hat man das Recht, von einem inneren und äußeren Nasenfortsatz zu sprechen. Der Kopf hat bedeutend an Größe zugenommen, namentlich sein Querdurchmesser, besonders in den vor den Augen liegenden Partien, so daß das Gesicht im Verhältnis zu den anderen Teilen breiter erscheint als früher. Dies wird durch stärkeres Wachstum der Hemisphären des Großhirns bewirkt, während das Ge- sicht in der Entwicklung zurückbleibt. Ursprünglich wurde die äußere seitliche Wand der Nasengrube durch den äußeren Nasenfortsatz gebildet, später be- teiligt sich jedoch, durch Verschieben nach vorn, der Oberkieferfortsatz an der Begrenzung derselben und schließlich bildet er, indem er sich von innen und unten an den inneren und äußeren Nasenfortsatz anlagert, einen unteren Ab- schluß der vorher rinnenförmig nach unten geöffneten Nasenspalte. Der Ver- schluß der äußeren Nasenöffnung durch den Oberkieferfortsatz ist aber nur von kurzer Dauer. Der endgültige Verschluß erfolgt dadurch, daß sich der laterale und mediale Nasenfortsatz in ihren unteren Teilen aneinanderlegen und ver- schmelzen. Indem die Nasenwülste nunmehr eine raschere Entwicklung er- fahren, wird der Stirnfortsatz mehr und mehr zurückgedrängt, bis die inneren Nasenfortsätze sich mit ihren äußeren Teilen berühren, aber noch eine tiefe Furche zwischen sich lassen; schließlich verwachsen sie völlig miteinander und durch Verschmelzung der zugekehrten Wände erfolgt der Abschluß der Nasen- höhle nach unten. Die Physiognomie erfährt dadurch eine wesentliche Veränderung: Vorher erschien beim Anblick von vorn die Gesichtspartie, besonders die Mundhöhle fast rechteckig und in die Breite gezogen; mit der weiteren Ausbildung der Nasenpartien nimmt der Mund die Form eines Dreieckes an, dessen Seiten vom Öberkiefer und dessen Spitze von den vereinigten Nasenfortsätzen gebildet ist. Bemerkenswert ist die Umlagerung der äußeren Nasenöffnungen. Während sie ursprünglich an der unteren Fläche des Kopfes gelegen waren, rücken sie später allmählich weiter nach vorn, gelangen schließlich auf die obere Seite und bleiben von nun an nahe dem Schnauzenende. Die Nasenhöhle wird zugleich erheblich in die Länge gestreckt. Durch den gleichzeitig von vorn nach hinten fortschreitenden Verschluß zerfällt die vorher einfache Nasenspalte in zwei Öffnungen, die Apertura nasalis externa am Gesicht und die primitive Choane. Johann Dohrer, Metamorphose der Mundrachenwand von Chelydra serpentina. 693 Der Verschluß der Nasenrinne erfolgt durch Aneinanderlegen des lateralen und medialen Nasenfortsatzes, wobei jedoch die primitive Choane vom Verschluß nicht betroffen wird. Durch Verwachsung beider Fortsätze und Verschmelzung der bindegewebigen Grundlagen mit Verdrängung der trennenden Epithelschicht ist nunmehr eine solide Scheidewand zwischen Nasendach und vorderstem Ab- schnitt der Mundhöhle, dem sog. primitiven Gaumen gebildet. Die erste Anlage des primitiven Gaumens kommt also durch Anlagerung des lateralen und me- dialen Nasenfortsatzes und spätere Verschmelzung derselben zustande. Erst sekundär tritt der Oberkieferfortsatz in Beziehung dazu, indem er sich vor- schiebt, bis er den Nasenfortsatz erreicht und damit zur Bildung der Oberlippe und des Gaumens beiträgt. Die Darstellung von A. VOELTZKOW stützt sich ausschließlich auf die Lupenbetrachtung konservierter Embryonen. Dagegen habe ich hauptsächlich Rekonstruktionsmodelle berücksichtigt und glaube durch die stärkere (50fache) Vergrößerung des Gesichtes eine rich- tigere Einsicht gewonnen zu haben. Ich beginne mit dem ältesten Embryo. Die Maske (Fig. 19) zeigt dem Beschauer durch die auffallend großen Augen, daß er einen Sauropsidenembryo vor sich hat; denn die übermäßige Größe der Augen in so jungen Stadien ist von der Entwieklung des Hühnchens eine längst vertraute Tatsache. Man erkennt aber auch, daß es sich um einen Schildkrötenembryo handelt, an dem charakteristisch kurzen und plumpen Sehnabelhöcker. Frei- lich ist der Abstand zwischen der Schnabelspitze und dem Vorder- rande der mächtigen Augen jetzt noch sehr gering, so dab es aus- giebigen Wachstums in der späteren Embryonalzeit bedarf, um den wirklichen Schildkrötencharakter herbeizuführen. Noch mehr larven- haft ist die Gegend des Unterschnabels und des Kehlfeldes (Af) gebildet. Sie tritt noch ganz flach hinter der vorragenden Schnabel- spitze zurück, doch sind zwei laterale Wülste («s) bereits als die erste Skizze des später durch den Unterkiefer versteiften Unterschnabels zu erkennen. Die Spitze des Unterschnabels liegt eine beträchtliche Streeke hinter der Spitze des Oberschnabels. Besonders in der Profilansicht (Fig. 19) sind die geschilderten Reliefunterschiede deut- lich ausgeprägt. Die Mundspalte hat A-fürmige Gestalt. Sie wird an der Maske hauptsächlich durch den Verlauf der wulstartig vor- springenden Oberschnabellippe (os) angezeigt, während die Unter- schnabellippe («s) von der oberen zum Teil verdeckt ist. Das Modell zeigt also die künftigen Formen des fertigen Tieres bereits im all- gemeinen angelegt. Es wirkt als ein einheitlicher Flächenkomplex, der durch Krümmung und Vorspringen einzelner Bezirke ein ziem- lich kräftiges Relief gewonnen hat. Median über dem hervorragenden 45* 694 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. Mittelhöeker des Oberschnabelrandes liegen die beiden Nasenlöcher (nl), deren medianer Abstand 2,4 mm beträgt, die Nasenöffnung selbst hat 1,2—1,4 mm Durchmesser. Die untere Schnabellippe liegt zwar hinter dem Oberschnabelhöcker zurück, doch verwehrt sie den Ein- bliek in die Mundhöhle selbst und verdeckt somit auch die Choanen am Modelle. Das nächst jüngere Modell (Fig. 18) zeigt zwar allgemein große Ähnliehkeit mit der eben beschriebenen Maske, doch leidet die Aus- bildung der Formen um den Mundrand unter einem gewissen Grad von Unvollkommenheit. Die Gesichtsmaske ist noch nicht so breit entfaltet wie am älteren Modelle. Daher springen die Unterschnabel- wülste (z.s) über das Kehlfeld (kf) stärker hervor und der obere Rand des Mundspaltes verläuft nicht in glattem nasokonvexen Bogen, son- dern bekundet eine Störung unter der Schnabelspitze, wo er quer gerade zieht, und ungefähr in der Mitte des Seitenrandes, der scharf abgeknickt ist, so daß man eine mediale quere Strecke und eine schräg median zum Schnabelhöcker (sh) ansteigende Kante wahr- nimmt. Da die Unterschnabellippe noch nicht so weit entwickelt ist, bleibt ihre Spitze hinter dem Oberschnabelhöcker zurück und gestattet bei entsprechender Drehung der Maske den Einbliek in die Mundhöhle, d. h. auf den vorderen Abschnitt des Munddaches mit den beiden Choanen. Die beiden Nasenlöcher (rl) liegen auf dem Ober- schnabelhöcker. Ihr medianer Abstand beträgt 0,534 mm am Ober- rand und 0,7 mm am Unterrand. Die Nasenlöcher sind 0,3 mm dorsoventral lang. Der Abstand des Schnabelwinkels von der Schnabelspitze, der 1,56 mm bei der Maske (Fig. 19) betrug, ist hier nur 1,0 mm. Der Querabstand beider Schnabelwinkel mißt 2,46 mm gegenüber 3,0 mm beim Modell (Fig. 19). An der Maske (Fig. 17) ist eigentlich das gleiche Relief zu sehen, nur ist die Mundgegend noch mehr gedrungen. Der Abstand des Schnabelwinkels vom Oberschnabelhöcker beträgt 0,96 mm. An der vorderen Fläche des Schnabelhöckers sind die beiden Furchen noch vorhanden, welehe durch Verwachsung der Nasenränder eı- zeugt werden. Der mediane Abstand der beiden Nasenöffnungen beträgt 0,56 mm. An den drei eben beschriebenen Modellen ist der Charakter des künftigen Sehildkrötengesichtes auch trotz des ge- krümmten Verlaufes des Oberschnabelrandes bei den Masken (Fig. 17 und 18) unverkennbar. Anders liegt die Sache bei den zwei Modellen (Fig. 15, 16) jüngster Embryonen. Leider besteht zwischen den Modellen Fig. 17 Johann Dohrer, Metamorphose der Mundrachenwand von Chelydra serpentina. 695 und 16 ein ziemlich großer Formgegensatz, da in meinem Materiale Embryonen fehlten, welche als willkommene Zwischenstadien hätten untersucht werden können und neues embryologisches Material für diesen Zweck nieht zu gewinnen war. Ich bedauere die durch äußere Umstände entstandene Lücke und bemühe mich, die jüngeren Modelle zu charakterisieren, indem ich die Anlage des an den älte- ren Masken beobachteten Reliefs an ihnen wieder zu finden suche. Wenn man zunächst davon absieht, daß an den beiden Gesichts- masken (Fig. 15, 16) noch die Larvenanlage des Choanennasenloches d.i. die sog. Nasenfurche (»f) besteht, so kann man die Skizze des Oberschnabelrandes in den beiden Höckern (os) erkennen, die rechts und links vorspringen und dem entsprechen, was VOELTZKOW »die Oberkieferfortsätze« genannt hat. Genau wie im Modell (Fig. 17) der Obersehnabelrand geknickt erscheint, ist auch an der jüngeren Maske (Fig. 16) die Kniekung deutlich, fällt aber mehr auf und kann, so- fern man die Vergrößerung außer acht läßt, unter welcher das feine Detail betrachtet wird, den Namen eines »Fortsatzes« erhalten, ob- gleich es sich um eine außerordentlich geringfügige Reliefverschie- denheit handelt, die in Wirklichkeit nur 0,5 mm über den Mund- winkel vorspringt. Sie ist die erste Andeutung davon, daß am Kopf das Relief der Mundgegend entfaltet werden soll. Diese leise Skizze einer künftig viel breiter ausgedehnten Zone der Gesichtsmaske sticht am Lupenbild oder am Modell nur deshalb stärker hervor, weil die ganze Gesichtsfläche transversal schr gering entfaltet ist. Der zum Schnabelwinkel führende Schenkel ist nicht bloß sehr kurz, er fällt auch weniger auf, da er sich in die Seitenwand des Kopfes verliert, während der mediale Schenkel durch das zurückliegende, hier be- quem sichtbare Munddach kräftiger erscheint; dadurch gewinnt die minimale Anlage der Oberschnabellippe (os) das scheinbare Ansehen eines Höckers. Unterstützt wird der Eindruck, weil die Unterschnabel- lippe (ws) samt dem Kehlfelde (kf) noch sehr klein ist und weit zurückliegt. Das Munddach ist direkt sichtbar. Es geht ohne pla- stische Grenze in die beiden Nasenrinnen über. Deutet man die letzteren als die gemeinsame Anlage der später getrennten Nasen- löcher und Choanen, dann läßt sich die Umwandlung in den späte- ren Stadien leicht begreifen; denn an der Gesichtsmaske ist im Vergleich zur Maske (Fig. 17) der mittlere Abschnitt des künftigen Schnabelhöckers als eine zwischen die beiden Nasenrinnen einge- schobene Zone angelegt. Die Kniekung der Oberlippe liegt in pro- portionalem Abstand darunter. Es braucht also nur eine Verwachsung 696 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. an der mit © bezeichneten Stelle stattzufinden und die Trennung der Haut- und Mundöffnung der Nasenschläuche ist erfolgt, indem sich eine ganz schmale Substanzbrücke eingeschoben hat. Diese kann durch starkes Wachstum die verhältnismäßig breite Strecke erzeugen, die am Modell (Fig. 17) durch eine leichte Oberflächenkerbe ausgezeich- net ist. Es liegt gar kein Zwang in den bisher beobachteten Tat- sachen zu der Annahme, daß die ganze Länge dieser Furche einer Verwachsungsnaht entspreche; denn man kann sieh mit dem gleichen Rechte vorstellen, daß die kleinen, bei Stadien zwischen Fig. 16 und Fig. 17 entstandenen Brücken eine kleine Oberflächenkerbe be- saßen, welehe bei dem Längenwachstum zunächst nicht verwischt, sondern ausgedehnt wurde. Das mediane Feld der Gesichtsmaske unter dem oberen Mundrande zeigt zwei laterale Zonen (us), die Skizzen des Unterschnabelwulstes, und eine kleine Medianzone (f), das spätere Kehlfeld. Alles ist in minimalen Dimensionen angelegt. Die beiden lateralen Felder sind durch ihre Wölbung ausgezeichnet, die mediane Zone sinkt flach zwischen beiden zurück. Dadurch sieht es aus, als ob eine mediane Teilfurche zwischen beiden läge. Im Banne eines alten Irrtums spricht man darum immer noch von »getrennten« Anlagen der Unterkieferfortsätze und ihrer medianen Verwachsung. An der Maske (Fig. 15) sind alle eben geschilderten Reliefver- schiedenheiten noch kleiner, doch besitzen sie das gleiche plasti- sche Verhältnis. Die Profilansicht der drei Modelle (Fig. 15, 17, 19) erläutert, in welch gewaltigem Maße die kleine Skizze während einer kurzen Embryonalperiode entfaltet wird. Die Formbildung schreitet von der jüngsten Anlage ganz konsequent zum fertigen Zustand. Die von allem Aufang an kenntliche stärkere Ausbildung des Oberschnabelrandes und der Schnabelhöckergegend um die Nasen- löcher beherrscht eben auch das fertige Gesicht, während der Unter- schnabel mit dem Kehlfeld an der erwachsenen Schildkröte ebenso in den Hintergrund tritt, wie bei den kleinen Embryonen. Es dauert aber lange, bis er die endgültige Größe erreicht und seine Spitze an das orale Ende des Munddaches stößt. Hinter der ectodermalen Gesichtsmaske dringt die Epithelwand der ectodermalen Mundhöhle in die Kopfmasse und verbindet sich mit dem Vorderdarme, erst durch die Rachenmembran von ihm ge- schieden, später in offene Kommunikation tretend. Schon in der Einleitung habe ich das schreiende Mißverhältnis der beiden Ab- schnitte des sog. Kopfdarmes hervorgehoben. Während anfangs der Johann Dohrer, Metamorphose der Mundrachenwand von Chelydra serpentina. 697 Rachen ansehnlich erscheint, ist die Mundhöhle ganz klein (Fig. 11). Auf späteren Stadien kehrt sich das Größenverhältnis um und zu- gleich wird die sonderbare Winkelknickung (Fig. 11—13) zwischen den ecto- und entodermalen Bezirken der Mundrachenanlage be- seitigt (Fig. 14). Man geht am besten von der Betrachtung des Epithelmodells (Fig. 24) aus, das nach der Serie eines nicht gemessenen Embryos ent- worfen ward und fast den definitiven Zustand spiegelt. Der Embryo war viel weiter entwickelt als der Embryo, dessen Gesicht in Fig. 19 abgebildet ist. Die dorsale Ansicht des Modells (Fig. 24) zeigt un- gefähr rhombischen Umriß. Von der Schnabelspitze divergieren die Seitenkanten (sk) des Munddaches lateral auf eine lange Strecke und ziehen dann in ziemlich schrägem Verlaufe median einwärts. Die Konturlinien künden durch ihren Verlauf den Gegensatz von zwei Zonen der Mundhöhle an. Soweit sie lateral divergieren, erstreckt sich der Schnabelspalt zwischen den Lippenrändern (Fig. 26) und soweit sie einwärts ziehen, reicht die geschlossene Mundwand, die vor dem Propharynx steht. Da die Grenze am Winkel des Schnabel- spaltes liegt, kann die vordere Konturlinie »Schnabelkante«, die hin- tere viel kürzere Linie »Winkelkante« (20%) genannt werden. Der schräge Verlauf der Winkelkanten ist nicht bloß wegen der Über- leitung in den Rachen mit kleinerem Durchmesser notwendig, sondern die hier zusammenstoßenden Epithellagen der dorsalen und ventra- len Mundwand bereiten die zum Öffnen und Schließen des Mundes unbedingt notwendige Bewegungstasche des Schnabels vor. Die Krümmung des so umrissenen Munddaches ist einfach; eine mittlere Zone (md) ist flach konvex dorsal gewölbt und zwei laterale zum Schnabelspalte reichende Randstreifen sind dorsal schwach aufge- krümmt. Die Choanen der Nasenschläuche (») liegen in der vorderen Hälfte des Munddaches. Die Hypophyse (A) steht weiter hinten. Bei älteren Embryonen setzt sich das Munddach ohne morphologische Grenze in das Rachendach (rd) fort, das flach gespannt und mit un- wichtigen Hebungen oder Senkungen versehen ist; bloß die beiden Blindsäcke der Paukentasche (p) liegen höher über dem Dachniveau, getragen von dünnen, schwach gekrümmten Stielen (f). Die Schnitt- serie (Fig. 90—98) bestätigt das einfache Relief der Epithelwand der Mundrachenhöhle, deren Achsenrichtung fast gerade zu nennen ist und den verschiedenen Formcharakter bedingt. Die vordere Zone wird an der Länge des Schnabels gemessen (Fig. 90—93). Hinter dem Winkel des Schnabelspaltes beginnt der kurze Abschnitt (Fig. 94), 698 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. welcher von der schräg einwärts gegen die Rachenwand ziehenden Winkelkante begrenzt wird. Gerade dieser Teil hat für unsere Be- trachtungen Wert, weil er schon bei den kleinsten Embryonen an- gelegt wird, während die Schnabelzone unvollkommen und lange Zeit auch unförmlich bleibt. Ventral (Fig. 92—94) erstreckt sich die epitheliale Bodenfurche (bf) längs des Mundbodens hin, sie trennt den durch den Unterkiefer gesteiften Schnabelrand von einem me- dianen ungefähr dreieckigen Vorsprung, der allgemein als Zunge (Z) bezeichnet wird. Modell und Schnitte zeigen deutlich, daß die Boden- furche etwa am Schnabelwinkel (mv) ihre größte dorsoventrale Aus- dehnung erreicht und nach hinten in die seitliche Rachenwand ver- streicht (Fig. 26). Hinter der Winkelkante ist ungefähr ihr Ende zu suchen; denn die Rachenwand biegt hier schwach ventral abwärts (Fig. 95). Ich bin nicht sicher, ob der sog. Zungenwulst bloß dem Eetoderm zuzurechnen ist oder auch auf entodermales Gebiet über- greift. Am Rachenboden fallen noch zwei Epithelbuchten (Fig. 95 — 98) auf, die aber mehr median gelagert sind. Wer nun zur Betrachtung jüngerer Stadien zurückgeht, findet beide Zonen der Mundhöhle nur skizzenhaft angelegt. Eigentlich kann man von einer Mundhöhle kleiner Embryonen kaum sprechen; denn die Unterschnabellippe ist ganz unscheinbar (Fig. 11, 12, 15, 16). Ein weiteres störendes Moment ist die Lage des zum Ausbau der Mundhöhle einstweilen bereitgestellten Zellmaterials, das unter einem rechten Winkel gegen den Rachen geneigt ist. Wenn man sich da- her in die Höhle des Rachens ungefähr in der Höhe der Tubennische versetzt denkt (Fig. 2, 4, 6, 8, 10), so kann man von dort aus das Munddach nur zum allergeringsten Teile überblicken, was beim er- wachsenen Tiere ohne weiteres möglich ist (Fig. 24). Diese winkelige Biegung beherrscht die Plastik des Kopfes und erschwert es, die künftige Differenzierung in ihren ersten Spuren zu erkennen. Da- her bildet in diesem Stadium die Mundhöhle gewissermaßen einen scharf abgesetzten Vorraum des Rachens, und ihre einzelnen lang- sam entfalteten Differenzierungen liegen bei der Stellung der Modelle, wie Fig. 2, 4, 6, 8, 10 veranschaulichen, unter der Tubennische des Propharynx (vgl. Fig. 11—13). Um die jungen Modelle zu verstehen, muß man sich der dureh die Gesichtsmodelle illustrierten Tatsache erinnern, daß die ganze Mundgegend des Kopfes anfangs außer- ordentlich klein angelegt wird. Besonders ist die dreieckige, zwi- schen den Schnabelkanten eingeschaltete Zone sehr kurz im Gegen- satze zu der bedeutenden sagittalen Länge am Modell Fig. 24. Da % Johann Dohrer, Metamorphose der Mundrachenwand von Chelydra serpentina. 699 der Unterschnabelwulst hinter dem Schnabelhöcker zurücksteht und der Obersehnabelrand noch unbestimmt gerundet erscheint, prägen sich von allen Merkmalen des späteren Schnabelspaltes jetzt nur die Schnabelwinkel an den Modellen und Serien deutlicher aus, so- wie die von ihnen gegen den Rachen ziehenden Winkelkanten der ectodermalen Mundwand. Trotz ihrer Kleinheit kann man letztere in jedem Stadium feststellen, besonders wenn die Modelle aus der Profilstellung (Fig. 2, 4, 6, 8,10) um 90° gedreht werden, daß sie den Anblick der Fig. 20-23 darbieten. An den größeren Modellen (Fig. 22, 23) ladet die eetodermale Stirnwand rechts und links mit einem dreieckigen Vorsprunge aus, dessen Umriß von den lateral divergierenden Schnabelkanten und den Winkelkanten gebildet wird. Die Winkelkanten ziehen bloß mehr quer, d. h. unter einem spitzeren Winkel einwärts als an Fig. 24. Beim Vergleich der drei Figuren ist übrigens zu beachten, daß Fig. 24 bei 1Ofacher, Fig. 22, 23 bei 20 facher Vergrößerung photographiert sind. An dem kleineren Modell (Fig. 20) ist die laterale Ausladung entsprechend klein. Das Munddach (»2d) wölbt sich auf den Fig. 21—23 dem Beschauer ent- gegen. Es verjüngt sich gegen den Schnabelhöcker bzw. das Choanen- ende der beiden Nasenschläuche (»), die an den Modellen ab- geschnitten sind. Bei kleineren Embryonen (Fig. 20) ist es ventral konvex gekrümmt. Seine Gestalt erscheint hier viel plumper als an dem größeren Modelle Fig. 24. Bald aber (Fig. 21, 22) biegt es sich gerade entgegengesetzt (dorsal konvex) und springt über die Seitenflügel kräftiger hervor, Das Längenwachstum des Munddaches in der Riehtung: Hypophyse—Schnabelhöcker ist während der uns beschäftigenden Larvenzeit gering; dagegen fällt der Effekt der transversalen Ausdehnung in die Augen (Fig. 20—24). Der gegen- seitige Abstand der beiden Mundwinkel steigt von 1,2 mm (Fig. 1) bis 2,6 mm (Fig. 9). Je genauer man die Vorderansicht der Modelle Fig. 20—-23 stu- diert, um so deutlicher wird die Erkenntnis, daß die wesentlichen Eigenschaften der allgemeinen, in Fig. 24 sichtbar ausgearbeiteten Plastik auch den frühen Stadien zukommen, nur sind sie in den kleinen Volumen des Kopfes nicht so prägnant ausgesprochen und daher schwer zu sehen. Bei der Schilderung in Worten kann man nur die auffallenden Merkmale hervorheben, während die Modelle die feinere Skulptur selbst offenbaren und die Überzeugung von der konsequenten plastischen Entfaltung bestärken. Infolge der scharfen Abknickung liegt die gesamte Anlage der Mundwand bzw. 700 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. des frühzeitig mächtiger entfalteten Munddaches unter dem Niveau des Rachens und seiner Tubennischen. Die kurzen Bodenfurchen und Winkelkanten stehen an den Modellen (Fig. 4, 6, 8, 10) so di- rekt unter der Tubennische, daß man sie als entodermale Produkte auffassen möchte. Am Modell (Fig. 26) treten die bleibenden Form- charaktere dadurch hervor, daß die Anlage sich bedeutend oral ver- längert und so den fast senkrechten Winkel zwischen Munddach und Rachen beseitigt. Die Herbeiführung des endgültigen Zustandes, wo Mund- und Rachenhöhle eine gemeinsame ungeknickte Längs- achse aufweisen, wird durch Wachstum einer anfangs sehr schmalen Querzone zwischen dem Mundwinkel und dem Ende der Winkelkante bewirkt. Das Wachstum dieser Zone mag die Ursache sein, weshalb die Kniekung an der Hypophyse verwischt wird und das Rachendach vom Bezirke der Tubennische immer mehr als Fort- setzung des Munddaches erscheint. Da letzteres direkt unter dem Vorderhirn liegt, ist es nicht wahrscheinlich, daß es seine Lage ändert; die in den ersten Stadien von ihm eingenommene Ebene wird sicherlich wenig verrückt werden. Dagegen erfolgen in der Rachenregion des Kopfes bedeutende Umbildungen, welche die Lage- veränderung derselben und die allmähliche Einstellung in die Ver- längerung des Munddaches verständlich erscheinen lassen. In den frühen Embryonalstadien sind wichtige Bezirke der späteren Topo- sraphie so klein angelegt, daß man sie bisher nicht hat erkennen können. Daher kommt es, daß der große Teil des Rachens mit den II., III. und IV. Seitensprossen dicht über den dem wirklichen Rumpf zugehörigen und dort zeitlebens verharrenden Anfangsstücken der großen vom Herzen ausgehenden Gefäße liegt. Wenn später (Fig. 9) das lebhafte Wachstum der Rachenzone hinter der II. Tasche einsetzt, wird die Zellmasse des Halses gebildet und dadurch der Abstand der Tubennische vom Herzhauptstamm gesteigert. Die nunmehr abgelösten Thymus- und Tholussprossen bleiben zwar an den großen Stämmen liegen, aber ihr Mutterboden, der Metapharynx, entfernt sich allmählich davon und wird dorsal konvex ausgebogen (Fig. 14). Am Rachenboden älterer Stadien tritt ein neues Furchen- relief auf, indem eine mediane Zone durch zwei Seitenbuchten von zwei lateralen, aber etwas höher liegenden Bodenstreifen abgehoben wird. Dadurch gewinnt der Propharynx, der in der Larvenperiode ganz niedrig war und ziemlich glatte Wände zeigte, mehr bewegtes Relief. Anscheinend wird dadurch die Erweiterungsfähigkeit dieses Abschnittes ontogenetisch angebahnt. Johann Dohrer, Metamorphose der Mundrachenwand von Chelydra serpentina. 701 18. 1155 Literatur. J. F. van BEMMELEN, Über die Suprapericardialkörper. Anat. Anz. 1889. Ba. IV. 8. 400—407. —— Beiträge zur Kenntnis der Halsgegend bei Reptilien, I. Anat. 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Imann in Leipzig. 1079 Johann Dohrer, Metamorphose der Mundrachenwand von Chelydra serpentina. 703 nl Nasenloch. 7 t Tuba Eustachii. oe Ösophagus ta Sproßanlage II. or oraler Schenkel der Tubentasche. 1% Thyreoidea. os Oberschnabel (Oberschnabellippe. tr» Tubennische. p Paukentasche. {io Tholussproß. P Propharynx. ip Tympanale oder Pauken-Tasche. r Rachen. tr Trachea. rd Rachendach. ty Thymussproß. rk Rachenkamm. us Unterschnabel (Unterschnabellippe) sh Schnabelhöcker. w Epithelwulst am Kehlkopf. sk Schnabelkante. wk Winkelkante. sp Sperrplatte des Kehlkopfes. Z Zunge. Tafel XIX. Sämtliche Figuren beziehen sich auf Embryonen von: »Chelydra serpen- tina« (vgl. die Umrißskizzen auf S. 680). Fig. 1—10. Modelle der Mundrachenwand in dorsaler und seitlicher Ansicht. Vergr. 25/1. Fig. 1, 2 Embryo A nichteingerollt, größte Länge 8,6 mm SStl. Fig. 3, 4 EmbryoB 7,0 mm SSitl. Fig. 5,6 EmbıyoC 75 - - Fig. 7,8 EmbryoD 93 - - Fig. 9, 10 Embryo E 10,4 - - Die Textfig. A—E ($. 680) geben die Umrisse der Embryonen wieder, nach welchen die Modelle der Figuren 1—10 ausgeführt wurden. Fig. 11—14. Medianschnitte durch die Kopfgegend. Vergr. 101. Fig. 11 Embryo von 7,0 mm SStl., entsprechend Embryo B. Fig. 12 Embryo von 7,6 - - - - C. Fig. 13 Embryo von 91 - pn - a 35 Fig. 14 Embryo über 15.9 - - Tafel XX. Fig. 15—19. Seitenansicht der Gesichtsmodelle. Vergr. 17/1. Fig. 15 Embryo von 7,0 mm SStl. entsprechend Embryo B. Fig. 16 Embryo von 80 - - Fig. 17 Embryo von 86 - - Fig. 18 Embryo von 91 - - entsprechend Embryo D. Fig. 19 Embryo von 10,0 - - - - E. Fig. 20—23. Vorderansicht der Modelle, um das Munddach sichtbar zu machen Vergr. 25/1. Fig. 20 Embryo A nicht Singereii größte Länge 8,6 mm SStl. Fig. 21 Embryo B 7,0 mm SStl. Fig. 22 EmbryoD 93 - - Fig. 23 Embryo E 10,4 - - Fig. 24. Ansicht des Munddaches eines Embryos über 16,0 mm SStl. Vergr. 12,5/1. Fig. 25. Dorsalansicht des Mundrachendaches eines Embryos von 11,0 mm SStl. Vergr. 12,5/1. Fig. 26. Seitenansicht der Mundrachenwand des Embryos von 11,0 mm SStl. Vergr. 12,5/1. 704 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. Fig. 2”—29. Linke Seitenansicht des Rachens mit der Paukenhöhle. Vergr. 12,5/1. Fig. 27 Embryo von 13,0 mm SStl. Fig. 23 Embryo über 16,0 - - Fig. 29 älterer Embryo. Tafel XXI. Fig. 30—40. Querschnitte durch die Mundrachenhöhle des Embryos A, nicht ein- gerollt, größte Länge 8,6 mm SStl. Vergr. 10/1. Abstand der Schnitte Fig. 30—31 = 0,22 mm . - - Fig. 311—32 = 0,14 - - - - Fig. 323—33 = 0,16 - - - - Fig. 3—34 = 0,04 - - - - Fig. 4—-35=01 - - - - Fig. 35—36 = 0,12 - - - - Fig. 36-37 = 0,16 - - - - Fig. 37—38 =0,12 - - - - Fig. 33—39 = 0,09 - - Fig. 39-40 =01 - Fig. 41—54. Onersehi Anröh die Mundrachenhöhle desEmbryos B, 7,0 mm SStl. Vergr. 10/1. Abstand der Schnitte Fig. 44—42=02 mm - - - Fig. 2—43 =01 - - - - Fig. 43—4 =0,12 - - - - Fig. 44-45 — 0,08 - - 25 - Fig. 45—46 = 0,22 - - - - Fig. 46-47 —=01 - - - - Fig. 7—8 —=01 - - - - Fig. 48—49 = 0,08 - - - - Fig. 49-50 = 0,08 - - - - Fig. 50—51 = 0,12 - - - - Fig. 51—52 = 0,24 - - - - Fig. 52—53 = 0,08 - - - - Fig. 53—54 = 0,16 - Fig. 55—66. Querschnitte durch die Mundrachenhöhle des Embryos C, 7,5 mm SStl. Vergr. 10/1. Abstand der Schnitte Fig. 55—56 — 0,14 mm - - - Fig. 56-57 = 0,32 - = - - Fig. 7—58—=01 - > z - Fig. 55-59 —=0,08 - - - - Fig. 9-60 =01 - er - Fig. 60—61 = 0,22 - - - - Fig. 61—62 = 0,14 - - - - Fig. 2-63 = 0,16 - - - - Fig. 68—64 =01 - - - - Fig. 4—655—=02 - - - Fig. 65— 66 = 0,16 - Fig. 67—78. erschnäit durch die Mundrachenhöhle des Embryos D, 9,3 mm SStl. Vergr. 10/1. Abstand der Schnitte Fig. 67—68 = 0,14 mm - - - Fig. 68—69 = 0,16 - Morphologisches Jahrbuch. bd. XLIV. ® NZ 2 wh x r BG =; ofn 45 34 7 —bf Su en, 47 Be E De 48 (= pr a a USTD 62 fh Sau Ute 63 Tr | 2 “a RR az, 65 © FE 272 2 66 IN gez. Dohrer. Verlag von Wilhel Tafel XXI. 79 f wE 90 el en 93 .» an 89 (- z Zeh 9 er 99 e () = ra .) ) —— ( ) in „ 2 r 101 = 98 es Zr za) Imann in Leipzig. ‘ 1079 Johann Dohrer, Metamorphose der Mundrachenwand von Chelydra serpentina. 705 Abstand der Schnitte Fig - - - Fig. - - - Fig. - - - Fig. - Et: - Fig. - - - Fig. - - - Fig. - - - Fig. - - - Fig. . 69—70 = 0,14 mm 0 1-00 Bar ar geld - 73-74 028 - 20503 > TE 76-702 - Te nisı: In Fig. 77 ist zu lesen ee statt eo. Fig. 79—89. Querschnitt durch die Mundrachenhöhle des Embryo E, 10,4 mm SStl. Vergr. 10,1. Abstand der Schnitte Fig. 79—80 = 0,16 mm - - - Fig - - - Fig. - - - Fig. - - - Fig. - - - Fig u RN RE ee - - - Fig - - - Fig Fig. 90—98. Querschnitt durch die Mundrachenhöhle eines Embryos über 16,0 mm SStl. Vergr. 5/1. Abstand der Schnitte Fig - - - Fig. - - - Fig - - - Fig - - - Fig RER 3.89, 09°%- 2 3—=004 - ER EEE 3485 — 0,38 - Bo 86 016 - BB 87.088 > 30 - get .90—91 =0,6 mm 91.99 = 1aRR ge gu ge ga 0A - .4-95—0,4 - ee - Fe. B-b—=04 - SR - Fig. %6-917—-0,16 - EHE - Fig. 7-98 0,32 - XIVa. Der Einspruch von Hugo Fuchs. Erwiderung von Dr. Karl Thäter, Direktor des zoologischen Gartens in Nürnberg. Im vorigen Jahre hat H. Fucns seine von mir bezweifelte An- sieht über die Bildung der Choane und des Choanenganges bei Schildkröten mit großer Entschiedenheit wiederholt. Ich habe damals das Wort zur Sache nicht ergriffen, weil ich im Berufe tätig war und keine Muße fand, neue Embryonen zu untersuchen. Auch jetzt kann ich die Zeit dafür nieht erübrigen, da die Leitung des neu eröffneten zoologischen Gartens zu Nürnberg mich ganz in Anspruch nimmt. Aber bei meinen häufigen Besuchen in Erlangen habe ich die Modelle von A. DOHRER entstehen sehen und an ihnen, sowie an den Schnittserien die von Fuchs neuerdings wiederholten Gründe für seine Verwachsungstheorie geprüft. Das Resultat meiner Über- legungen fasse ich zusammen, nachdem ich den Gedankengang des Einspruches (vgl. Anat. Anz. 1911. Bd. 38. S. 609—635) kurz skiz- ziert habe. Fuchs hält seine frühere Angabe, daß die Vergrößerung der Gaumenbrücke durch teilweise Verwachsung der Choanenspalten zustande kommt, für die von ihm ontogenetisch untersuchten Formen aufrecht. Beim Embryo von Chelone, 3,6 mm MSl., führt der hohe Nasenschlauch unmittelbar zur Choane, nicht erst mittelbar durch einen eingeschobenen, ringsum abgeschlossenen, niedrigen Choanen- gang. Die Choanen, welche sich caudalwärts in je eine Rinne am - Munddache fortsetzen, fassen mit ihren vorderen Abschnitten einen breiten Höcker des Munddaches zwischen sich. Derselbe verschmälert sich noch im Bereiche der Choanen und geht caudal in eine schmale Papille über, die im ganzen durchaus eaudal von den Choanen liegt. Morpholog. Jahrbuch, 44. 46 708 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. Im Bereiche des caudalen Endes der Choanen liege der Ursprung des Musculus oculi obliquus inferior. Bei einem älteren Embryo (6,75 mm MSI.) sind die etwa 540 u langen, niedrigen Choanengänge zwischen das caudale Ende des hohen Nasenschlauches und den Anfang der Choane eingeschaltet. Der Höcker am Munddach gehe noch im Bereiche der Choanen- gänge in seine papillenartige Fortsetzung über; früher dagegen habe ihn Fucıs im Bereiche der Choanenspalten und die Papille caudal von der Ohoane gefunden, während jetzt ihr hinteres Ende mit der Choanenöffnung zusammenfalle, daraus ergebe sich eine caudale Verlagerung der Choanen gegen früher. Der Ursprung des Mus- eulus obliquus inferior liege jetzt im Gebiete der Choanengänge, während vorher die Choanenspalten in diesem Bereiche lagen, also seien die Choanengänge der jetzigen Stufe an der Stelle der früheren Choanenspalten. Daraus folge mit großer Wahrscheinlichkeit, daß die Choanengänge im Gebiete der Öhoanenspalten aus Teilen der Nasenschläuche durch streckenweise Verwachsung der früheren Choanenränder hervorgegangen seien. Zwei Schnitte durch einen Embryo von 4,5 mm MSl. zeigen Oberkieferfortsatz und Vomerpolster in epithelialer Verklebung. Auf der früheren Stufe seien aber an der gleichen Stelle die Choanen- spalten, beim älteren Embryo die durch Mesoderm ringsum ab- gegrenzten Öhoanengänge gewesen. Daraus folge, daß die epithe- liale Verklebung die erste Stufe der gegenseitigen Verwachsung darstelle. Etwas weiter nach vorn sei bereits ein typischer Choanen- gang gebildet, d. h. die Verwachsung perfekt geworden. Die Choane liege an der Übergangsstelle des breiten Höckers in die Papille, also weiter caudal als auf der jüngeren Stufe, aber immer noch nicht so weit caudal wie auf der älteren. Die Choanen wandern also in der Tat caudalwärts. Damit hofft Fuchs endgültig bewiesen zu haben, daß bei Chelone eine Verwachsung im Bereiche der ursprünglichen Choanenspalten stattfinde, indem die medialen und lateralen Begrenzungsränder der Cheanen, gebildet vom Vomerpolster und Oberkieferfortsatz, sich vereinigen. Durch diese Verwachsung erfahre der primitive Gaumen einen Zuwachs; jede Choane werde mehr und mehr caudalwäıts zurückverlegt und der Choanengang aus dem Gebiete der ursprüng- lichen Choanenspalte gebildet. Ein derartiger Verwachsungsvorgang lasse sich nicht an Modellen, sondern nur an Schnitten erkennen, welehe über die Art und Weise des Vorganges besser aufklären. Karl Thäter, Der Einspruch von Hugo Fuchs. 709 Das Studium der Schnittserien habe ich nicht verpönt. Die Herstellung von Rekonstruktionen ist nur eine andere Methode, Sehnittreihen zu untersuchen, und ich glaube, daß Modelle die An- schauung der in den Schnittbildern vorliegenden Plastik auf be- queme Art verstärken. Daher knüpfe ich an die von Donrkr her- gestellten ‘Gesichtsmodelle an und .erläutere, welche Vorgänge ich als Verwachsung bei Schildkrötenembryonen deute. Die jüngeren Stadien (Taf. XX, Fig. 15 u. 16) kommen nicht in Betracht, weil hier das larvale Choanennasenloch vorliegt. Im Modell (Taf. XX, Fig. 17) dagegen ist die Verwachsung bereits vollzogen. Trotzdem glaube ich, daß die rekonstruierten Masken einen Einblick in das Wesen der modellierenden Veränderung des embryonalen Gesichtes ermöglichen. Das kleinste Gesicht (Fig. 15) zeigt sehr primitive Verhältnisse. Erst durch den Vergleich mit den beiden anderen Modellen (Fig. 16 u. 17) wird sein einfaches Relief begriffen. Das Modell Fig. 16 bildet das erklärende Mittelglied. Hier sind die Oberflächenbezirke, welche DoHrEr als Schnabelhöcker (sk), als Nasenfurche (»f) und als Oberschnabelwulst (os) unterschieden hat, deutlich ausgeprägt. Das Modell setzt uns in den Stand, die homo- logen Bezirke auch im Stadium der Fig. 15 zu diagnostizieren. Die Eingangspforte (nf) der primitiven Nasengrube schaut abwärts; der Höcker (os) ist unbedeutend; der freie Rand der Fläche (sk) zieht gerade, fast als wäre er roh abgehackt. Überhaupt trägt die ganze Gesichtsanlage den Charakter einer gedrückten, in Einfachheit be- fangenen Skizze. Anders mutet das Modell Fig. 16 an. Die uns interessierenden Bezirke (sk, nf, os) sind in sagittaler Richtung ver- größert, während transversal kaum eine Ausdehnung erfolgte. Be- sonders das Feld s% stellt dem Beschauer eine größere Fläche ent- Segen und die Choanennasenspalte ist. auf der vorderen Fläche zu beiden Seiten des Schnabelhöckers ausgedehnt. Infolgedessen ist sie viel besser zu überblicken als am Modell Fig. 15, wo sie mehr abwärts gerichtet ist und einer winzigen, bogenförmigen Kerbe gleicht. Die Länge des CUhoanennasenloches beträgt in Wirklich- keit 400 u, bei dem Embryo der Fig. 15 200 u. An Schnittserien anderer Embryonen von Chelydra habe ich eine Länge von 180, 200, 320, 440 u konstatiert. In ähnlichem Maße ist auch der Höcker (os) gewachsen, freilich erkennt man den Modellierungs- fortschritt besser an den plastischen Modellen als an den Photo- graphien derselben. In der Profilansicht fällt die Streckung der Anlage gut in die Augen. Nahe der oberen Grenze des Feldes (s%) 46* 710 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. dringt der Nasenschlauch tiefer in die Kopfmasse ein und wird seichter gegen den unteren Rand des Schnabelhöckers. Die Be- grenzung des Choanennasenloches ist ungleichförmig. Rechts und links ist die Umraudung durch die etwas gewulsteten Umbiegungs- zonen des Oberflächenectoderms in das eingesenkte Epithel des Nasenschlauches gegeben, welche am dorsalen Ende des. Choanen- nasenloches gerundet ineinander übergehen. Dem ventralen Ende dagegen fehlt die scharfe Abgrenzung durch einen wirklichen Rand. Das Wandepithel des Nasenschlauches geht ohne auffällige Marke median ins Ectoderm des Feldes sk, lateral ins Eetoderm des Höckers os und ventral in das Ectoderm über, welches die Decke des späteren, jetzt noch freiliegenden, bis zur Hypophyse reichenden Munddaches bildet. Der Mangel des ventralen Randes scheint mir große Bedeutung zu besitzen; denn dadurch gewinnt die Choanen- nasenspalte gewissermaßen ein Janusgesicht; sie öffnet sich nach zwei ungefähr rechtwinkelig zueinander stehenden Flächen der Ge- sichtsanlage, nämlich der vorderen Fläche, an welcher das Feld s% dominiert, und der unteren Fläche, welche dem späteren Munddache entspricht (Fig. 11). In der weiteren Entwicklung des Gesichtes erfolgt die partielle Verwachsung des Choanennasenloches. Die Schnittserien beweisen, daß die beiden schwach gewulsteten Seitenränder in erster Linie an dem Prozeß beteiligt sind. Ihre Verklebung setzt nahe dem dor- salen, gerundeten Bogen des Choanennasenloches ein. Ich habe in Erlangen die Schnittserie eines Embryos gesehen, wo die Vereini- gung auf drei Schnitten = 120 u vollzogen ist. Sie wird natürlich abwärts weitergehen bis zum unteren Rande des Feldes sk, dann ist die primitive Eingangspforte durch eine solide Brücke in das Nasenloch und die Öhoane zerlegt. Das Nasenloch entsteht aus dem dorsalen Teil der ursprünglichen Längsöffnung am oberen Bogen- rande, die Choane aus dem unteren Teile, wo die scharfe Begren- zung von Anfang an fehlte. Letzterer liegt gerade so, daß bei der Vereinigung der in der Gesichtsfläche ziehenden Längsränder die Choane abwärts, d.h. nach dem jetzt noch freiliegenden Munddache schaut, während die Nasenlöcher ol in der Gesichtsfläche vor den Augen haften. Damit ist prinzipiell der definitive Zustand ange- bahnt, den Fig. 17 und in besserer Ausgestaltung Fig. 18 und 19 zeigen. Das Gesicht der Fig. 17 trägt die Spuren der Verwachsung als symmetrische feine Furchen von 400 « Länge zu beiden Seiten des Feldes sh». Freilich kann durch das Modell nicht ausgemacht Karl Thäter, Der Einspruch von Hugo Fuchs. 711 werden, ob die ganze Furche die ursprüngliche Verklebungszone anzeigt oder ob bloß eine kurze Strecke verlötet und nachher das Längenwachstum der soliden Substanzbrücke eingetreten ist, was ich für wahrscheinlich halte. So viel aber steht für mich fest, daß der embryonale Verwachsungsprozeß lediglich in dieser Embryonal- periode stattfindet. Durch die Verklebung der Ränder des Choanen- nasenloches ist die Choane am Munddache geschaffen. Die. größeren Modelle (Fig. 15 und 19) erläutern, daß die Zone sı bedeutend ver- srößert wird. Nach meiner Auffassung wächst dabei der Nasen- schlauch und wird in die eigentliche Riechregion und den sog. Choanengang differenziert. Eine Verwachsung an dem Rande der einmal gebildeten Choane scheint mir vollkommen ausgeschlossen. H. FucHs beruft sich zwar in seiner Erwiderung auf drei Schnitt- serien durch Chelone imbricata, doch kann ich denselben keine Beweiskraft zuerkennen; denn der Embryo 3,6 mm MS. entbehrt des Choanenganges, kann also nicht beweisen, daß derselbe durch Verwachsung der Choane entstehen wird. Der ältere Embryo, 6,75 mm MSl., besitzt schon einen 540 u langen Choanengang. Wenn Fucus dazu bemerkt, daß seine Entstehung nur durch streckenweise Verwachsung der früheren Choanenränder möglich gewesen wäre, so erlaube ich mir zu entgegnen, daß ich die Vermutung nicht teile. An zwei Schnitten des Embryos 4,5 mm MSl. glaubt Fucns die erste Stufe der gegenseitigen Verwachsung zu sehen. Ich halte da- gegen die offenbar falsch numerierten Schnitte (Fig.- 44, 46, 45) für Schrägschnitte durch den vorderen Choanenrand und bestreite entschieden, daß sie die epitheliale Verklebung von Oberkiefer- fortsatz und Vomerpolster beweisen. Den schlagenden Wert der topographischen Beziehungen der sog. Choanenpapille und des Ur- sprunges des Muse. obliquus inferior zur Choane, überhaupt die Identi- fizierung der abgebildeten Stellen aus verschiedenen Schnittserien stelle ich ebenfalls in Abrede. Daher hat der Einspruch von FuchHs nicht zwingende Beobach- tungen, sondern nur die erneute Darlegung seiner Meinung, daß der Choanengang durch Verwachsung entstehen müsse, zur allgemeinen Kenntnis gebracht. Ich sehe keinen Grund, von meinen früheren Ausführungen abzuweichen. Nürnberg, den 25. Februar 1912. u N Ze Re Ph rer u E e | SE TR > 3 u I a i u eh. { u nd I ar = u. | a ac Rn jr Een, 3 we Den u E ei ER; 3 = “ u „ ER } « | f J A - 3 * f ne 7 ® in > # + . are £ & Härtel 14 hrs op Is Er 7, . “ « a ® f a 4 f Ab BE u . a ef un . 4 B s E y% . 5 “ En De 5 a h Er l / v B ’ | sa: 3 ; h “. . f An: s I E > & L ‚ Er Bin » 4 Ne —g y - « # . « . D u - s [| h T . y {} D - > , j Er ii \ x " u b) T pr ) _ » > ai e r “ E Ir R $ 2 f \ a a $ f 4 ur BE u 2 2 N I Li . * g Y \ W % 1} Fe) r | « # & 4 0 A .. er mn v Re ” i ” e . > “ p nd i p * v u s x ri ” y * * en f . . > * . > a ' - 4 n r WA “ B T \ Be u Al x 3 .. e « N f > . « 2 RL R, i + s » 4 - n - { D a y n 1 ' a ‘ k . 2 ‚ i + = ‚ « n Br r 4 h - \ e n - . ‚ Ye { = ’ re ‘. s - ae! EN - « 5 5 r x R . - 5 { 2 ” | an > ‚ E v „ . ru $ ’ } . “ fr B £ " . a L * x = „ . i + v N x { v ’ 4 * N er Er ee; RER NE ER I GEGENBAURS MORPHOLOGISCHES JAHRBUCH nn nn em EINE ZEITSCHRIFT ANATOMIE UND ENTWICKLUNGSGESCHICHTE HERAUSGEGEBEN VON GEORG RUGE PROFESSOR IN ZÜRICH VIERUNDVIERZIGSTER BAND ERSTES HEFT MIT 58 FIGUREN IM TEXT UND 5 TAFELN —gn LEIPZIG VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 1911 N Be Ausgegeben am 28. Dezember 1911 =. ‚ = / . " e ‘ . ss £ ‚ u ei \ # > \e n#, En u . 0 Dz B Bus u 1 . u ni a 7 auf > i j u u . je 2 = N \ Norphologische JUN 12 1964 06T1 YA AMNH LIBRARY INN 100130371