Tag, "uıgt ru 4 3 » n ’ ‘ R ah u A ” : At ER iR hie an r Ir R Ye . N % a win . ; k A ine ' x E} z War a an 5 E e \ Mae SEE WER RER i rs 5 end 5 a ken BEN N Ki ES URN, EN i h } a - h SLRICEN a, ; BR BR Be Ka De IR 7 F ‚ vrateng ur. RX R 1% A R Pu ’ ' HAB 5.3: h . are gr 1 v : es ah i ‚ < B Bene b £ r rinnen “ unse esuhee es ‚ B “ vente nn . . . BRECHEN FI : . f j Ast) wa am i B 2% De >. . . .. - “ $ . . mn r ö \ . win uns m . D r RR -. 5 . ma: ! ; ie ‘ wi en ; wo. a M E 4 B . ’ a EN ae ER TE Fe ’ wirkte dep Rich BEI Art } . h P venhdrer BEN ben nn re S “ “ Pi denn ehe Kehe ares KASSE Ba . ; Ten dm dedaie nn a; i . RTEREN NN Yen ’ . Pi ut Samba ni he har Er .. ' s A ENK, Ki we vn a w & \ ‘ DR ‘ ’ Er mm mh the boys ah arm het Sr, RER Serie bema a Vena an Fl N .. . . .. eu s En ar BEER ONE ya 3 k 5 & i - : _.. Inu Iriaidie, I N R Fi hr ars er Kt te aut ee me R- u 4 Kr ‚ vorn h munnir hs % j ve hr Y ’ ee “. , . ne, ae . a Ne Nr Be su; ° ü 7 RL. . we v um a nie eure hit beta er s'; £ 5 B * 5 en a Aria teten niet Ra ed dark b . u ER A ee en Ve ee 3 R je 6% du + ' gan I RE wei. s “ a vr ! _ # - . Kd u u. ». ? i N; . . -2 M = . . R y = Pa a «r " . . RAR: ’ Kerr A ee FR? . 5 P Drew pre R ar . A vater eaeneir Nee tn r Pr r A Pr a r Ts Si ar st tee z ‚ : a : nr an er “ R n A A re Fe BE . “.. DIE a P ne a arg maserı nr a a Erle ee er er a el A euren her wre PER er 2 Ks nern. 2 ren iM ram her wer PEITE re gayried Fr Hape Na genup ’ \ Brueh pi" rs ar Ps Pre ee ee ge a. y UT ERH ER Jrers he Beangesen TUFTRERTETEFEFEFETET] s ge u “ 2 3 a nr Ye FO + A 2 b \ ” : \ vest® EN RR ch RERER, ap EOR THE PEOPLE FOR EDVCATION FOR SCIENCE LIBRARY OF THE AMERICAN MUSEUM OF NATURAL HISTORY N & “3 I! En ER at aut ug ” UN GEGENBAURS 59 .: VORPHOLOGISCHES JAHRBUCH EINE ZEITSCHRIFT FÜR ANATOMIE UND ENTWICKLUNGSGESCHICHTE HERAUSGEGEBEN VON GEORG RUGE PROFESSOR IN ZÜRICH NEUNUNDVIERZIGSTER BAND MIT 351 FIGUREN IM TEXT UND 20 TAFELN LEIPZIG VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 1915 iS he Ina: RE = , > j YX 3 ’ P . 1 PN: I% SHUSL F | IMIER ZU IM R nal RIMA En. TANGTATS I u 77 | RAREN | I NKOREUK ‚ er y bene er ae" 0 .- er 4 x 20- 3194 - Nan- 23° A,' . £ . Pr 1 s 5 Pi Inhalt des neunundvierzigsten Bandes Erstes Heft Ausgegeben am 19. Mai 1914 Seite Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. Von A. J.P.v.d. Broek. aBieuren im Text und Tafel I=IV). - ....... 0.2.2. 1 Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. III. Das Primordialeranium eines Embryo von Balaenoptera rostrata (105 mm). Von H.M. de . Burlet. (Mit 33 Figuren im Text und Tafel V-VIM) ...... . 119 Zweites Heft Ausgegeben am 14. Juli 1914 Die Antiklinie der Wirbelsäule der Säugetiere. Von Hedwig Gottlieb. m Bieuren im Text und Tafel VII—XIN -*... .-... »....% 1793 Über die Wirbelsäule und den Brustkorb zweier Finnen. Von Hermann Be {Mit 2 Fieuren im Text). ara... 0.0 8 nee 221 übrigen Schädel bei den Dipnoern und den terrestren Wirbeltieren. Mass. V. Boas. (Mit 100 Figuren im Text) . . . .. ....... 229 Die Magengegend der Wirbeltiere. Morphologische Studien. Von A. Fleisch- le ee . 309 Die Entwicklung des Magens beim Schafe (Ovis aries). Von Hans Karl. (Mit 57 Figuren im Text und auf Tafel XIV IK ET N EI N N 311 IV Drittes Heft Ausgegeben am 3. November 1914 Seite Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Sirenen. Von Ludwig Freund. (Mit 22 Figuren im Text und Tafel XVI) ... 2.2. Er 353 Ein vertebro-celavieularer Muskel aus der Gruppe der supra-clavieularen Gebilde. Von Hedwig Frey. (Mit 2 Figuren im Text)... ... 389 Zur Entwieklungsgeschichte des Walschädels. IV. Über das Primordial- cranium eines Embryo von Lagenorhynchus albirostris. Von H. M. de Burlet. (Mit 9 Figuren. im Text)! 72°, ers Pe 393 Über die Variationen der Wirbelsäule, des Brustkorbes und der Extremitäten- plexus bei Lacerta muralis Dum. u. Bibr. und Lacerta vivipara Jacq. Von Konrad Kühne. (Mit 29 Figuren im Text) .- - „2, Pe 407 Viertes Heft Ausgegeben am 13. April 1915 Zur Morphologie der Sehzentren der Knochenfische. Von Em Rädl. (Mit 14 Figuren im Text) .:. „usa ne ee £03 Eine an primitive Verhältnisse anklingende Variation der menschlicten «+ Wirbelsäule. Von Felix Sieglbauer. (Mit 7 Figuren im Text und Wafel XV). Sn 22 Re are ee 537 Die Zungenpapillen der Primaten. Von Gustav Kunze. (Mit 34 Figuren im Text und Tafel XVII—XX). .. 0. . en 569 Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. Von Prof. A. J. P. v. d. Broek, Utrecht. Mit 40 Figuren im Text und Taf. I—IV. Erster Teil. I. Einleitung. Es ist der Zweck der vorliegenden Arbeit, eine genauere Kenntnis des Beckens der Primaten zu erlangen, um dadurch eine Basis zur Vergleichung der menschlichen Beckenform mit den bei Primaten vorkommenden Formen zu gewinnen. Im Gegensatz zur ausgedehnten und reichhaltigen Literatur über die Morphologie und speziell die Anthropologie des Schädels sind unsere Kenntnisse über das Affenbecken noch recht dürftige, ja man kann sagen, daß die Arbeit auf diesem Gebiete sich erst in ihren Anfängen befindet. Hierfür bestehen verschiedene Gründe. Erstens ist es sehr viel leichter, Schädelmaterial herbeizuschaffen als Becken. Die Kollek- - tionen von Schädeln sind überall sehr viel größer und ausgedehnter als diejenigen der Becken oder der Skelete, von denen das Becken nur einen Teil bildet. So liegt bereits in der Beschaffung des nötigen Untersuchungs- materiales eine Schwierigkeit; eine nicht geringere bereiten die Unterschiede, welche in der Art des Untersuchungsobjektes gelegen sind. Der Schädel bildet, abgesehen vom Unterkiefer, einen Kom- plex von Skeletteilen, welche unbeweglich miteinander verbunden sind, wodurch die Schädelgestalt eine relativ unveränderliche ist. Wie ‚ganz anders verhält sich das Becken. Hier treten drei Knochen zu einem Komplexe zusammen, welche durch die Anwesenheit zweier Gelenke und einer synchondrotischen Verbindung miteinander mehr oder weniger beweglich verbunden sind. Wegen der erwähnten Umstände bleibt bei der Mazeration der Schädel fast unverändert Morpholog. Jahrbuch. 49. 1 2 A.J.P.v.d. Broek in seiner Form, und die Knochen bleiben meistens aneinander be- festigt; das Becken jedoch wird bei diesem Prozesse fast immer in seine Komponenten zerlegt, welehe nachher erst wieder aneinander- gefügt werden müssen. Dieses Wiederherstellen des Beckens ge- schieht in den meisten Fällen mittels Kupferdraht, der die Gelenk- enden sowie die Symphysenenden zusammenfügt. Dabei bleiben fast immer die Skeletstücke mehr oder weniger beweglich. Diese Methode der Präparation des Beckens wird meistens bei den größeren, speziell den Anthropomorphen-Becken, angewendet. Daneben besteht eine zweite Präparationsmethode, nämlich die Herstellung von Bänderpräparaten. Diese Methode wird hauptsäch- lich bei kleineren Primatenskeleten angewendet. Auch ihr haften Fehler an, da die Ligamente bei der Eintroeknung sich mehr oder weniger zusammenziehen und dadurch Verzerrungen der Beckenform hervorrufen können, was besonders bei Becken jugendlicher Indi- viduen zu nicht unerheblichen Verunstaltungen der Beckenform Anlaß geben kann. Streng genommen sind somit die Becken, welche nach verschie- denen Methoden präpariert sind, nicht direkt miteinander vergleichbar. In der Methode des Präparierens liegt noch ein weiteres un- günstiges Moment für die Untersuchung. In der Mehrzahl der Fälle bildet ein Bänderbecken einen Teil eines ganzen Skeletes, und es sind mit dem Becken die Femora durch die Gelenkkapsel der Artieulatio coxae in Zusammenhang ge- blieben. Hierdurch fällt selbstverständlich das Studium des Aceta- bulums weg; ein Studium, dem in Hinblick auf die Lagerung des Beekens im Körper und auf die Gangart eine bestimmte Bedeutung nicht abzusprechen ist. Ist doch bekanntlich im menschlichen Becken die Lage des Acetabulum in den beiden Geschlechtern keine voll- kommen gleiche. Die Anwesenheit von oft ziemlich erheblichen Bandmassen macht bisweilen die Fixierung von bestimmten Punkten sehr schwierig. Eine weitere Schwierigkeit, besonders für die Feststellung der Maße und Maßverhältnisse des Beckens, liegt in der Weise, in welcher die Becken für Museumszwecke verunstaltet werden. Die Mehrzahl der Affenbeeken ist nämlich ein Teil von ganzen Skeleten, welche in den Museen als Schaustücke fungieren. Um das große Interesse, welches das Publikum in den Sammlungen und naturhistorischen Museen gewöhnlich seinen »Ahnen« zuwendet, zu befriedigen, werden die Primatenskelete öfters in den sonderbarsten Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 3 Haltungen aufgestellt: hängend an Baumästen, halb stehend und mit einem Fuße am Baumstamme gelehnt, auf allen vieren usw. Das Becken erhält dadurch eine schlechte Lage; es wird entweder ver- zerrt und verzogen, oder die Skeletstücke werden verschoben und schief aneinandergefügt, um etwa die gewünschte Haltung des Tieres zu erlangen; auf diese Weise wird es für Untersuchungszwecke un- brauchbar gemacht. Dabei aber hat es nicht sein Bewenden. Das Skelet muß unterstützt werden. Hierfür dienen eiserne Stangen, von denen fast immer eine mitten durch das Kreuzbein hindurch- geht oder, bei halb aufrechter Aufstellung gerade in das Promontorium gesteckt ist. Wieviel hierdurch verdorben wird, braucht nicht ausein- andergesetzt zu werden. Es ist durchaus nicht notwendig, das Skelet so zu mißhandeln. Ist es mit der Längenachse horizontal aufgestellt, dann tut eine gabelförmig sich teilende Stange zur Aufnahme der Symphyse den- selben Dienst wie eine solche, welche durch das Sacrum zieht. Oder es kann eine Stange bis unter die Lendenwirbelsäule geführt werden und hier eine Platte tragen, auf welcher die Wirbel ruhen. Auch bei halb aufgerichteter Haltung kann eine Stange die Lendenwirbelsäule und die Symphyse unterstützen. Daß auch bei ganz aufgerichteter Haltung eine Fixierung des Skeletes möglich ist, ohne Beckenteile zu verletzen, zeigt Figur 1 (Tafel I), das Skelet eines jugendlichen Schimpansen vorstellend. Ich bin noch nicht am Ende. Noch durch einen anderen Um- stand kann das Untersuchungsmaterial ziemlich stark beeinträchtigt werden, Er besteht darin, daß ein großer Teil der Skelete Tieren entstammt, welche kürzere oder längere Zeit in Menagerien oder Tiergärten gelebt haben. Wie oft unter solchen Tieren Krankheiten vorkommen, welche auch verunstaltend auf das Skelet einwirken, ist allbekannt; besonders kommt die rhachitische Mißbildung der Skelete öfters vor. Vielleicht kann diese für die Pathologie des Beckens, für die Kenntnis der pathologischen Beckenformen Wert haben, für die rein morphologische Untersuchung hat sie zur Folge, daß nicht selten eine große Zahl von Becken unbenutzt bleiben muß. Die genannten Umstände haben mich bei meinen Untersuchungen veranlaßt, mein Material zu sichten. Daß ich dennoch in der Lage gewesen bin, im ganzen 156 Becken zu untersuchen, verdanke ich der Liberalität verschiedener Herren, welche mir die unter ihrer Leitung stehenden Sammlungen bereitwilligst zur Verfügung stellten und meinen Wünschen öfters entgegengekommen sind. Es sind die 1* 4 A.J.P. v.d. Broek Herren Prof. Dr. L. BorLk (Anatom. Institut Amsterdam), Prof. Dr. C. Srurter (Amsterdam), Dr. C. E. KERBERT (Direktor des zoolog. Gartens in Amsterdam), Prof. Dr. A. A. W. HuBrecHr und Prof. Dr. H. F. Nierstrasz (Zoologisches Institut Utrecht), Dr. A. JENTINK (Naturhistorisches Museum Leiden), Prof. Dr. A. BRAUER und Prof. Dr. MarcuıE (Museum f. Naturkunde Berlin), Prof. Dr. R. AntHonY (Musde d’Histoire naturelle Paris). Allen diesen Herren sage ich hiermit verbindliehsten Dank. IT; Mein Material stelle ich untenstehend übersichtlich zusammen: 8’ I. Platyrrhina: a) Hapalidae Handle 22 00) „en: — _ 2 2 Oedipomidas oedipus . 1 f: _ 2 Midas midas .. . - »- — — 1 1 b) Nyetipithecinae Nyetipitheeus . » . » » — _ 1 1 ec) Mycetinae Mycetes seniculus — _ 1 1 Myeetes spec. .. . - - — — 1 d) Cebidae Chrysothris . ». . = - _ — 3 3 Oebus apella. . . »» - — — 3 3 - capucinus . .» = - —_ — 1 1 - speciosus 1 1 _ 2 Ateles paniseus = — 2 2 - pentadactylus _ ii 1 2 el: = il 3 4 | Platyrrhinae . 25 Catarrhina: Oynocephalus mormon ._ 3 3 - porcarius . . 2 _ 2 4 - hamadryas . — — 2 2 - babuin . . -» 1 — 2 1. - leucophaeus . 1 _ — 1 - sphinz . _ —_ t i. - speciosus . . — _ 2 2 Oynocephelus . 14 Maecacus nemestrinus . r‘ - — N - ÜNUÜS: im iz = neue —_ — 2 2 - ceynomolgus Ei 1 1 6 - PRORUS 2 2 2 — 4 - sywanus' . .- . — — 1 2: Macacus . . . 14 Qi Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. | A | | 3 E | 6 | 822 5 SS 5 Cereocebus cynosurus . . . _ — 5 b) Cercocebus . . 5 Cereopithecus eynosurus . . 1 _ 1 2 - Dalas. —_ — | 1 1 - albiqularis . — _ % 1 - pyregrythus . — 5 1 1 - maurus. . . 2 — — 1 Cercopitheeus . 6 Semnopithecus melalophus. 1 — _ 1 - ferruginosus | — | — 1 - speciosus . . — 3 = 3 Semnopithecus. 5 Nasalis larvatus .... . — — 1 1 Nasalıs. 1 N SE 7 FE - _ 3 3 Colobüs.- 2:27,28 III. Hylobatidae: Hylobates syndactylus 3 d 5 13 - leueiscus . ... . 2! — 3 4 - Se 1 _ 4 - Milleri. .; ...@.. _ — 2 2 Hylobates. . . 20 IV. Anthropomorphae: Simia satyrus . - - . - 4 7 8 19 Schimpanse. ...... II! 10 8 27 En na ee | 8 7 2 17 Anthropomorph.63 ERTL RE ea 5 ENBENBRDEINGRT N re ee RAR 1 InBebINe NDS EN EEE TE a We a 2 Bedges HN ec Des Me Adern. | OR ROENBE aan Rh ra are A A nern ee 14 LEERE BETEN EEE BE RE 14 Er N ee EEE AAN d BOREBCEHROIUSSST IE JAN a in AERO TE ae 6 BETIRODIEREBOSS la ehren Sure anfagr Zeus ale de 5 ES ne a Se ae A 1 BRTOBEE BR SE rk Are ieh rt 3 IT ET A Re ee 20 en EEE LEID ST MED 19 SIEREELANBEr, Sat bes a Have) Me Tr 27 VEHBE a Ra ar f E aae E BT TNGE Fi Ich habe darauf hingewiesen, wie beim Studium des Beckens damit gerechnet werden müsse, daß dasselbe aus einem Komplexe von Knochenstücken besteht, welche, durch zwei Gelenke und eine Synchondrose miteinander verbunden, das ganze Leben hindurch eine 6 A.J.P. v. d. Broek gewisse Beweglichkeit zulassen, im Gegensatz zum Schädel. Da- neben hat man einen zweiten Umstand im Auge zu behalten, um zu einer richtigen Bearbeitung der Beckenform von verschiedenen Spezies zu gelangen und um eine Vergleichung der Beckenformen gut durchführen zu können. Dieser Umstand beruht darin, daß eine große Zahl von mechanischen Einflüssen auf die Beckenformen ge- staltend einwirken kann. Wenn diese Einflüsse bei verschiedenen Primatenformen verschieden groß und verschieden gerichtet sind, so haben wir auch Unterschiede in der Form zu erwarten, welche diesen Einflüssen zuzuschreiben sind und für Fragen allgemeiner Natur nur eine sekundäre Bedeutung besitzen. Es finden sich in der Literatur der normalen und pathologischen Anatomie des menschlichen Beckens verschiedene und weit ausein- andergehende Auffassungen über die Bedeutung der mechanischen Einflüsse auf die Formgestaltung des Beckens. Eine große Gruppe von Untersuchern sieht in den mechanischen Momenten, wie Rumpflast, Gegendruck der Femora, Muskelzug, Bänderspannung usw. die Hauptursachen für das Zustandekommen der charakteristischen Beckenform (LITZMANN, SCHRÖDER, KEHRER). Andere Untersucher dagegen, wie FEHLING, ENGEL, SCHLIEP- HAKE, FALK, sprechen diesen Momenten bei weitem nicht eine solche Bedeutung zu; sie erblicken in der Beckenform des Erwachsenen nur das Endprodukt ihrer natürlichen Anlage. Beide Ansichten enthalten wohl je einen Teil von Wahrheit. Daß Körperlast, Muskelzug usw. im allgemeinen die mecha- nischen Momente, nicht ohne Einfluß auf die Beckenform sind, beweisen die pathologischen Becken, bei denen bestimmte Einflüsse entweder abgeändert oder ausgeschaltet wurden. Daß jedoch in den mechanischen Momenten nicht die einzigen, vielleicht nicht einmal die hauptsächlichsten Ursachen zu suchen sind, wird durch mehrere Umstände erwiesen. Erstens entwickeln sich die Becken verschiedenen Geschlechtes, obwohl sie unter denselben mechanischen Bedingungen stehen, zu ganz verschiedenen Formen, und zweitens lehrt uns die Entwieklungs- geschichte, daß bereits während der Zeit vor der Einwirkung der ge- nannten Mechanismen die charakteristischen Merkmale des Beckens ‚ auftreten. j Um die Geschlechtsunterschiede an den Becken zu erklären, sind verschiedene Versuche gemacht worden. Durch KoxIkow, EcKER, TREUB wird ein gestaltender Einfluß von den sich ent- Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 7 wiekelnden inneren Geschlechtsorganen auf das Becken angenommen. Der hauptsächlich in den Pubertätsjahren sich stärker ausprägende Formenunterschied wird dabei in den Vordergrund gestellt und zahlenmäßig angegeben (Koxıkow). Diese Auffassung verliert viel an Wert, seitdem von FEHLING, SCHLIEPHAKE, ROMITI, 'TURQUET, FALK u. a. gezeigt wurde, daß Geschlechtsunterschiede sich ebenso- gut bei Neugeborenen und Föten nachweisen lassen. Sobald das Beeken auf seine Maße und Maßverhältnisse untersucht werden kann, stellen sich die Formunterschiede heraus. Daß auch bei allen untersuchten Primaten am Becken solche mit dem Geschlechte in Beziehung stehende Formunterschiede nach- zuweisen sind, habe ich bereits kurz an anderer Stelle mitgeteilt und wird sich auch hier herausstellen. Was den Einfluß der Beckenorgane auf das Becken betrifft, so kann schließlich noch auf die Bemerkung WALDEYERS hingewiesen werden, daß es noch immer die Frage sei, inwieweit zwischen Becken und Beckenorganen koordinierte oder subordinierte Entwicklung be- stehe. f Es sei noch erwähnt, daß ArBUTHNOTr LAnE in der Tatsache, daß das weibliche Becken dazu dienen muß, längere Zeit die sich entwickelnde Frucht zu tragen und als Geburtskanal zu funktio- nieren, die Ursache der geschlechtlichen Formunterschiede sieht. Aus diesen Auseinandersetzungen geht wohl hervor, daß die Frage nach der Form des Beckens und den formbestimmenden Ur- sachen noch lange nicht als gelöst angesehen werden kann. WALD- EYER kommt in seinem großen Werke »Das Becken« zum Schlusse (l. e. S. 382): »Das uns noch unbekannte Entwickelungsgesetz, wel- ches den ganzen (menschlichen) Körper formt, gestaltet auch dessen Beeken. Muskelzug und Rumpflast spielen zwar ihre Rolle, aber nur als Nebenfaktoren.« Dieser Satz schließt nicht aus, daß man bei einer vergleichenden Untersuchung den Nebenfaktoren dennoch Rechnung zu tragen hat. Kann man in die Lage kommen, die Nebenfaktoren su studieren, ihren Einfluß abzumessen und dasjenige was auf ihre Rechnung zu stellen ist, genau zu bestimmen, dann wird das selbstverständlich auf die richtige Interpretation der Befunde einen bestimmenden Ein- fluß haben können. Nun könnte man vielleicht bei den Affen versuchen, auf den- selben Wegen, wie es beim Menschen geschieht, zu einer Kenntnis dieser Faktoren zu gelangen. Es bestehen hier zwei Wege. Erstens 8 A. J.P. v. d. Broek kann man durch das Studium der Formveränderungen, welche das Becken von der Geburt bis zum vollen Wachstum durchmacht, zum Ziele gelangen; zweitens kann die Benutzung der auch bei Affen nicht fehlenden pathologischen Beckenformen fördern. Beides stößt vorläufig noch auf Schwierigkeiten. Die Art und Größe der Einflüsse der Schwerkraft, Körperlast, Körperhaltung, des Muskelzuges usw. auf das Becken bei Affen bestimmen zu wollen, ist aus mehreren Ursachen eine fast unlösbare Aufgabe. Patho- logische Beckenformen von Affen zu untersuchen, um der erwähnten Frage näher zu treten, ist, solange wir von der normalen Form so wenig wissen, unfruchtbare Arbeit. Dennoch stehen wir diesen Fragen nicht ganz machtlos gegen- über. Eine genaue vergleichende Untersuchung der mit dem Becken in Zusammenhang stehenden Muskulatur kann dazu beitragen, die Kräfte und die Riehtungen des Zuges auf das Becken gewisser- maßen abzuschätzen. Starke Entwicklung bestimmter Muskeln kann zur Vergrößerung von Ursprungsflächen führen, bestimmte Reliefs stärker ausprägen usw. Ein Studium der Beckenmuskulatur scheint mir daher im Anschluß an die Formbeschreibung geboten, um zu einer richtigen Beurteilung der verschiedenen Beckenformen gelangen zu können. Naturgemäß soll sich an das Studium der Becken- muskulatur ein solches der Bänder und der Gelenke anschließen. Daran sollen sich‘ Vergleichungen des Beckens der Primaten mit dem Becken anderer Säuger anreihen, um zu beurteilen, worin die all- gemeinen, worin die besonderen Merkmale zu suchen sind, und welche Bedeutung verschiedenen Tatsachen beizumessen ist. Schließ- lich wäre ein vergleichendes Studium zwischen Primaten- (Säuger-) und Menschenbecken anzustellen. In der vorliegenden Arbeit werde ich mich in der Hauptsache auf eine morphologische Untersuchung des knöchernen Primatenbeckens beschränken. Die Vergleichungen mit dem Menschenbecken werden nur eine ganz untergeordnete Stelle einnehmen. Im Anschluß an die Beschreibung der Untersuchungs- methode und die Aufzählung der einzelnen Beckenknochen werde ich die hauptsächlichsten Maßverhältnisse des ganzen Beckens und dessen Teile auseinandersetzen. Endlich werde ich kurze Mitteilungen über Asymmetrie des Beckens und über die Beckenligamente machen. Diese Arbeit trägt somit hauptsächlich einen beschreibenden Charakter; in weiteren, an’ diese Studie anschließenden Unter- suchungen werde ich die Vergleichung und Formanalyse mehr in den Vordergrund rücken. Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 9 Ich füge die Listen meiner Messungen bei; nicht alle Maße sind hier verwendet worden; in folgenden Aufsätzen werde ich auf diese Listen verweisen können. Die Literatur der Anatomie der Beckenknochen von Primaten ist nicht sehr groß. Wir besitzen Arbeiten von OwEn (25—27), Sr. GEORGE MiıvArT (22—23), PROCHOwNIK (30), ALBRECHT (1), in denen die Becken oder Beckenknochen von Anthropomorphen beschrieben und mit dem menschlichen Becken verglichen werden; hingegen befassen sich nur wenige Arbeiten mit den übrigen Primatengruppen. Es sind hier zu nennen Arbeiten von Sr. GEORGE MIVART, v. D. HoEVEN-LEONHARD (15). Während ich über die erstgenannten Arbeiten an geeigneter Stelle berichten werde, muß ich hier kurz auf die letztgenannten eingehen. Die sehr große und schöne Arbeit von Sr. GEORGE MI- VART ist in vier Abschnitte gegliedert. Im ersten Teile erfahren die einzelnen Beckenknochen eine ein- gehende Besprechung. Verschiedene Merkmale des Os innominatum (Os eoxae) werden nacheinander aufgezählt und, meistens auf Grund von Maßen oder Maßverhältnissen, das Hervortreten oder Fehlen be- stimmter Merkmale bei verschiedenen Affenspezies betont. Doch ist es schwierig, sich aus diesen Auseinandersetzungen eine Vorstellung zu bilden von der Form der Ossa coxae einer bestimmten Affen- spezies, zumal nur ein einziges Os coxae, das von Lagothrix, ab- gebildet worden ist. Über diese Schwierigkeit hilft uns der dritte Teil der MivArT- schen Arbeit ein wenig hinweg, in welchem die hervortretendsten Merkmale bei den einzelnen Spezies aufgezählt werden. Soweit es nötig ist, werde ich bei den einzelnen Besprechungen auf diesen Teil der genannten Arbeit zurückkommen. Im vierten Teile schildert der Autor die Verhältnisse der Primaten- gruppen zueinander und im Vergleich mit dem Menschen, sich stützend auf seine Resultate der Untersuchung des Skeletes (der Extremitäten). Abgesehen von den Formbeschreibungen gibt die MivArrsche Arbeit auch Maße, sowohl einzelner Knochen als auch des Beckens. Diese Maße sind jedoch nirgends absolute, sondern immer Ver- hältniszahlen. Was diese relativen Maße betrifft, so hat MıvArT, einem Ge- danken Huxreys folgend, als Einheit die Länge der Wirbelsäule des betreffenden Tieres, gemessen vom Atlas bis zum letzten Sacral- wirbel, genommen. 10 A. J. P.v.d. Broek Den durch dieses Verfahren erlangten Resultaten ist kein großer Wert beizumessen, da das Vergleichsobjekt nicht bei allen Formen das gleiche ist. Nicht nur ist die Zahl der Wirbel bei den ver- schiedenen Spezies eine verschiedene; denn es besteht z. B. zwischen Prosimiae und Anthropomorphen in dieser Hinsicht ein sehr bedeu- tender Unterschied; es kann sogar in derselben Familie eine Diffe- renz auftreten. Ich erinnere z. B. daran, daß in der Regel der prä- saerale Abschnitt der Wirbelsäule von Aieles um einen Wirbel kürzer ist als derjenige von Üebus. Daß die skeletierte Wirbelsäule, da sie manchmal mit, manch- mal ohne künstliche Zwischenwirbelscheiben aufgestellt wird, nur ein ganz verzerrtes Bild von der wirklichen Länge dieses Knochen- komplexes gibt, ist ohne weiteres ersichtlich. Daß hierdurch die Schlußfolgerungen nur in sehr beschränktem Maße brauchbar sind, folgt ohne weiteres. Derselbe Gedanke ist in etwas modifizierter Form für v. D. HOEVEN- LEONHARD ein leitender gewesen in seiner Arbeit: »Over de betrek- king het bekken der Anthropoiden tot dat van den mensch« (Über die Beziehung des Beckens der Anthropoiden zu demjenigen des Menschen). Der Autor geht bei seinen Studien von der folgenden Über- legung aus. Er sagt (l. e. S. 33)1: »Da nun bei menschlichen Individuen von verschiedener Größe die Bestandteile des Skeletes im allgemeinen ihre gegenseitigen Größenverhältnisse bewahren ... habe ich aus praktischen Gründen das Verhältnis zwischen Wirbelsäule und Becken beim Menschen als Konstante gewählt und diese Konstante auch bei Quadrumanen angenommen, weil die Voraussetzung, daß auch bei ihnen das Verhältnis der Bestandteile bei verschiedenen Spezies einer Art dasselbe ist, eine sehr natürliche ist. Multipliziere ich nun alle die Teile dieses (angenommenen) Verhältnisses mit einer Zahl, welche so gewählt ist, daß das Produkt mit der Länge der mittleren mensch- lichen Wirbelsäule übereinstimmt, dann bekomme ich ein imaginäres Individuum, welches mit dem ursprünglichen gleichzusetzen ist und in dem Maße der Länge der Wirbelsäule mit dem Menschen über- einstimmt, und dessen Becken sich zu vergleichenden Messungen gut gebrauchen läßt.« Glücklicherweise sagt der Autor selbst, daß seine Zahlen keinen ! Die Übersetzung ist von mir. Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 11 Anspruch auf absolute Genauigkeit machen, sondern lediglich dazu dienen, um die Vergleichung der Beekenformen zu erleichtern. Hoffentlich wird sich eine solche, meines Erachtens durchaus fehlerhafte Untersuchungsmethode nicht einbürgern. Da ich in der Lage war, fast alle die Affen, welche v. D. HOEVEN- LEONHARD zu seinen Untersuchungen benützte, auch selber zu unter- suchen, so kann ich die Maße von wirklichen Objekten verwenden und die Angaben über die »imaginären« Affen beiseite lassen. Il. Zur Technik der Beckenmessung. Es ist zweckmäßig, eine kurze Erläuterung über die Methode meiner Messungen an den Becken der Primaten zu geben. Zwar bestehen Arbeiten von Pross (29), HexnıG (14), GARSoN (12), SCHAAF- HAUSEN (32) über Pelvimetrie, jedoch kann von einer Verständigung über ein gemeinsames Verfahren bei der Beckenmessung noch nicht gesprochen werden. Dazu kommt, daß ein solches Verfahren auf menschliche Becken sich beschränkt und nicht ohne weiteres auf Affenbeeken übertragen werden kann. Zur Vergleichung von spä- teren Untersuchungen mit meinen Resultaten scheinen mir daher die folgenden Angaben geboten. 1. Distantia spinarum. Eine eigentliche Spina iliaca anterior superior besteht an den meisten Affenbecken nicht. Genau zu be- stimmen ist jedoch die Stelle, wo die Crista iliaca in den scharfen Margo acetabularis umbiegt, und welche Stelle den Mebpunkt angibt. 2. Distantia spina iliaca posterior superior. Da die Crista iliaca an ihrem hinteren Ende immer dicker ist als an ihrem vorderen, so ist die Sp. il. post. sup. nicht so genau anzugeben wie der ventrale Meßpunkt. Ich wählte die Stelle da, wo, meist mit einem ausgesprochenen Winkel, die Crista iliaca in den Margo ischiadieus umbiegt. 3. Distantia iliaca posterior inferior. Diese ist als oberer Grenzpunkt der Ineisura ischiadiea major genau zu bestimmen. Das verschiedene Verhalten der lateralen Sacralwand gegenüber ist Ur- sache, daß der Abstand zwischen den beiden Sp. il. post. inf. öfters nieht übereinstimmt mit der Breite der Facies aurieularis an ihrem unteren Ende. 4. Distantia limitans. Da die Spina limitans als Grenzpunkt zwischen Planum iliacum und Tuberositas iliaca immer genau an- zugeben ist, macht die Aufnahme dieses Maßes keine Schwierigkeit. 12 A.J.P. v. d. Broek 5. Distantia Spin. il. ant. sup. —post. sup.; 6. die Länge der Crista iliaca und 7. Distantia Spin. il. post. sup.— post. inferior geben zu besonderen Bemerkungen keinen Anlaß. 8. und 9. Beckenhöhe. Für die Beckenhöhe habe ich wegen der sehr verschiedenen Entwicklung, welche in der Primatenreihe die Tubera ischii besitzen, meistens zwei Maße, die ich als Becken- höhe a und b unterscheide, aufgenommen. Beckenhöhe a nenne ich den größten Abstand zwischen der Crista iliaca und dem hintersten Punkt des Tuber ischii, also da, wo die Ineisura ischiadieca minor diesen erreicht. Als Beckenhöhe b nehme ich den überhaupt größten Abstand zwischen Crista iliaca und Unterfläche des Tuber ischia- dieum. 10. Höhe des kleinen Beckens. Diese habe ich gemessen von dem Tuberculum ileo-pubieum bis zur Unterfläche des Tuber ischiadiecum. Als Höhenmaß für das menschliche kleine Becken wird der Abstand zwischen dem untersten Punkt des Tuber ischii und der Linea innominata genommen; jedoch herrschen, was den Punkt auf dieser Linie betrifft, keine übereinstimmenden Angaben. Nach Kwasr (18) gibt es nur eine richtige Methode, diese Höhe zu messen, indem man den senkrechten, d. h. kürzesten Abstand zwi- schen Tuber und Linea innominata nimmt. Da sich nun bei den Affenbecken wieder dieselbe Schwierigkeit einstellt, welche auch die Entwicklung der Tubera ischii bereitet, so habe ich dies da- durch zu umgehen versucht, daß ich einen festen Punkt auf der Linea terminalis innominata annahm. 11. Höhe der Symphyse. Bei den Bänderbecken macht die Messung des Symphysishöhe meist keine Schwierigkeit, obwohl die verschiedenen anheftenden Massen des Lig. arcuatum kleine Un- regelmäßigkeiten hervorrufen. Bei den mit Kupferdraht hergestellten Becken habe ich die Höhe an der meist etwas rauhen Facies sym- physeos des Os pubis bestimmt. 12. Conjugata vera. Sie wird gemessen von der Mitte des Promontoriums (Bandscheibe zwischen letztem Lenden- und erstem Sacralwirbel) bis zum Oberrand der Symphyse. Dabei ist zu be- merken, daß am oberen Rande der Symphyse der nach der Becken- höhle gehende Punkt genommen ist. 13. Diameter transversus. Er ist der größte Abstand zwi- schen den beiden Lineae terminales, senkrecht auf die Conju- gata vera. Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 13 14 und. 15. Schräger Durchmesser des Beckeneinganges, ge- messen vom Tuberculum ileo-pubieum bis zur Stelle, wo an der anderen Seite die Linea terminalis die Artieulatio saero-iliaca er- reicht (vgl. das Kapitel: Asymmetrie des Beckens). 16. Länge der Beckenhöhle ist der Abstand zwischen der Mitte der Symphyse und der Mitte der Vorderfläche des Saerums. 17. Breite der Beckenhöhle ist der Abstand zwischen den Centren der Acetabula an der Innenseite des kleinen Beckens ge- messen. 18. Länge des Beekenausganges ist der Abstand zwischen dem Unterrand der Symphyse und dem untersten Punkt des Kreuz- beines, an der Beckeninnenseite gemessen. 19 und 20. Distantia tubera ischii. Bei der Bestimmung des Abstandes zwischen den Tubera ischii spielt wieder die Ent- wieklung der Sitzknorren und deren Convergenz nach vorn eine Rolle. Um die Sehwierigkeit zu umgehen, welche sich hier bot, habe ich meistens zwei Maße aufgenommen: nämlich den Abstand am Hinterende der Tubera, also am Unterende der Ineisura ischia- diea, und den am Vorderende. Aus beiden läßt sich gegebenenfalls eine Mittelzahl ableiten. 21. Distantia spinarum ischii. Da die Spina ischiadica am oberen Ende der Ineisura ischiadiea minor fast immer gut zu be- stimmen ist, bietet dieses Maß keine Schwierigkeiten. Saecrum. Von der nieht geringen Zahl von 26 Maßen, welche RADLAUER in seiner anthropologischen Untersuchung des Sacrums gibt, habe ich nur eine kleinere Zahl benutzt; teilweise aus dem Grunde, weil es mir nicht um eine Einzeluntersuchung des Kreuz- beines zu tun war, teilweise weil nicht alle angeführten Maße am nieht isolierten Saerum aufzunehmen sind. 22. Länge des Sacrums. Als Sacrallänge habe ich immer die gerade Länge gemessen zwischen Oberrand des ersten und Unter- rand des letzten Saeralwirbels. Ein Unterschied zwischen gerader Länge und absoluter Länge kommt nur bei den Anthropomorphen in Betracht. Leider war ich, meistens wegen der Behandlung der Skelete, nieht in der Lage, die absolute Länge zu messen, daher habe ich diese in meine Tabellen nicht mit aufgenommen. 23, 24 und 25. Breite des Saerums an drei Stellen der Fa- eies aurieularis; sie braucht nicht näher erklärt zu werden. Zweck dieser Maße ist es, die Convergenz nach unten von den beiden Fa- cies auriculares kennen zu lernen. 14 A.J.P. v. d. Broek 26 und 27. Zahl der Wirbel und Ineisura sacralis. Die unter 28, 28a und 29 aufgeführten Angaben bedürfen keiner Erläuterung. 30, 31 und 32. Größte Aushöhlung des Sacrums und ihre Lage wurden mittels eines dazu hergestellten Instruments, das dem von RADLAUER angegebenen ähnelt und unten noch angegeben wird, bei einzelnen Anthropomorphen-Kreuzbeinen gemessen. 33. Die Bezeichnungen hyper-, homo- und hypobasal stammen von RADLAUER. Ein Sacrum heißt hyperbasal, wenn die Ver- bindungslinie der oberen Ränder der Facies aurieulares oberhalb der Basalebene des Sacrums fällt; homobasal, wenn sie in gleicher Höhe, und hypobasal, wenn sie darunter liegt. 34. Höhe des Iliums. Als Höhe des Iliums habe ich den Ab- stand von dem Tubereulum ileo-pubicum bis zur höchsten Stelle der Crista iliaca gewählt. 35. Breite des lliums. Diese ist bei den meisten Platyrrhina und Catarrhina da bestimmt, wo die Linea terminalis die Artie. sacro-iliaca erreicht, und dann senkrecht zum Höhenmaß, beı Hylo- bates und Anthropomorphae hingegen zwischen dem letzteren Punkt und der Spina iliaca anterior superior. 36. Länge der Crista iliaca von der Spina iliaca anterior su- perior bis zur Spina limitans. 37 und 38. Angulus pubis superior und A. p. inferior. Ich habe die Winkel gemessen, welche die beiden Schambeinäste miteinander am oberen Rande der Symphyse bilden, also am Beckeneingange, sowie am unteren Rande der Symphyse, am Schambogen. Beim Menschen formen an der Symphyse die horizon- talen Schambeinäste nahezu eine gerade Linie; der Winkel beträgt somit 180°. Bei den meisten Affen ist dieser Winkel aber, in Zusammenhang mit der mehr elliptischen Eingangsform, kleiner. Beide Winkel konnte ich in der großen Mehrzahl der Fälle nur indirekt aufnehmen, da die meisten Becken Teile ganzer Skelete waren. Ich habe es versucht durch die Konstruktion eines kleinen, gleichschenkeligen Dreiecks. Vom oberen Punkte der Symphyse wird auf beiden Schambeinästen ein Abstand sa — sb abgesetzt, und dann der Abstand ab genau ge- messen. Mit dem Abstand ab als Basis wird dann das Dreieck asb konstruiert und der Winkel asb gemessen. In ähnlicher Weise Fig. 1. Erklärung im Text. Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 15 wurde verfahren zur Bestimmung des Angulus pubis inferior (Fig. 1). Ich bin mir sehr wohl bewußt, daß diese Methode nicht ganz ideal ist und nur annähernd die gesuchten Winkel geben kann; denn, je länger der Abstand s@« —= sb genommen wird, desto kleiner wird der Winkel asb ausfallen. Ich habe diesem Übelstand dadurch vorzubeugen gesucht, daß ich den Abstand «ab immer so klein gewählt habe, daß er sich nur über einen solchen Teil des Schambeinastes, der keine Biegung zeigte, erstreckte und dadurch, daß ich ihn, für die Ver- gleichung, bei ungefähr gleich großen Becken immer gleich lang gewählt habe. 39 und 40. Zweck dieser Maße, Oberrand Symphyse bis Unter- ende Saecrum und umgekehrt ist die Möglichkeit, sich einen Median- Ar € Fig. 3. Medianschnitt durch das Becken von Semnopithecus nasicus, 1/3 natürl, Größe. schnitt des kleinen Beckens konstruieren zu können, wie es aus Fig. 2 hervorgeht. Die drei Seiten des Dreiecks sab und psb sind bekannt, sobald man den Abstand sb kennt. Dieser würde also zur 16 A. J.P. v. d. Broek Rekonstruktion des sagittalen Durchschnittes des kleinen Beckens genügen. Zur Kontrolle habe ich meistens auch den Abstand ap gemessen. Instrumentarium. Das benutzte Instrumentarium ist einfach. Für die Aufnahme der meisten Maße genügt ein einfacher Gleitzirkel. Nur um Krüm- mungen und Innenmaße (Beekenhöhle) zu messen, sind andere In- strumente notwendig. Für ersteren Zweck benutzte ich einen Gleit- zirkel, in Fig. 3 wiedergegeben, wie er vor sehr vielen Jahren von Herrn GREVERS hergestellt wurde. An ihm kann man gleichzeitig den Abstand zwischen zwei Punkten ablesen, die Größe der Kon- kavität bzw. Konvexität und die Entfernung der Stelle der größten Konvexität bzw. Konkavität von einem der Endpunkte. Der Zirkel gleicht dem von RADLAUER benutzten Gleitzirkel. Um die Innenmaße der meist kleinen Beckenhöhle messen zu können, habe ich mir einen Zirkel mit verstellbaren kurzen End- stücken anfertigen lassen. Durch Verschiebung der feinen Nadel sind alle möglichen Punkte in der Beckenhöhle zu erreichen. Mit einem Millimeterlineal wurde sodann die Entfernung zwischen den Endpunkten genau aufgenommen. Ill. Beckenknochen und knöchernes Becken. Bevor ich zu der Beschreibung der Beckenknochen bei den einzelnen Formen schreite, muß ich einige allgemeine Bemerkungen, speziell was die Nomenklatur anbetrifft, einschalten. Es gibt näm- lich im Becken einige Punkte und Linien, für die in der mensch- lichen Anatomie merkwürdigerweise keine Namen bestehen, obwohl sie auch im menschlichen Becken ganz deutlich hervortreten. Ferner besteht über einige Namen keine Übereinstimmung. Am Ilium der Säuger unterscheidet man drei Flächen und drei Ränder (FLOWER, LECHE, LUBsSEn). Die mediale Fläche ist gegen die Wirbelsäule gekehrt und wird Planum sacrale benannt. Die nach vorn gekehrte Fläche heißt Pla- num iliacum, der diese beiden Flächen trennende Rand ist der Margo pubieus. Die dritte, nach hinten gekehrte Fläche ist das Planum gluteale; es wird vom Planum iliacum durch den Margo acetabuli und von dem Planum sgerale durch den Margo ischiadicus getrennt. Was nun die Primaten betrifft, so findet man zwar im allgemeinen die drei Flächen und Ränder wieder, jedoch sind, durch die Diffe- renzierung in ein großes und ein kleines Becken sowie durch die Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 17 besondere Entwicklung verschiedener Teile Modifikationen aufge- treten, welche eine besondere Nomenklatur notwendig machen. Betrachten wir hierzu das Os coxae von Macacus auf Tafelfig. 2 von der medialen und von der lateralen Seite abgebildet. Auf Fig. 2b erbliekt man das Planum sacrale. Es zerfällt in zwei scharf ge- trennte Teile, einen oberen und einen unteren Teil. Der obere ist der Wirbelsäule zugewendet und wird durch die Facies aurieularis und die darüber sich befindende Tuberositas iliaca gebildet. Der untere Teil ist derjenige Abschnitt des Iliums, welcher der Höhle des kleinen Beckens zugewendet ist. Auch der Margo pubieus zerfällt damit in zwei Teile, welche einen bestimmten, bei Macacus allerdings noch sehr großen Winkel miteinander bilden. Der obere Teil trennt die Facies aurieularis und die Tuberositas iliaca von der Fossa iliaca (Planum iliacum), erstreekt sich somit von der Stelle, wo die Linea terminalis die Facies auricularis erreicht, bis zur Crista iliaca. Für diese Linie, welche in allen Primatenbecken scharf hervor- tritt und an der Crista iliaca in einem deutlichen Vorsprung endet, fand ich weder in den Handbüchern der menschlichen Anatomie noch in anderen Arbeiten einen besonderen Namen. Man könnte den Margo pubicus in eine Pars supraauricularis und eine Pars infraauricularis einteilen; da jedoch letztere allge- mein als Linea terminalis (Pars iliaca) bekannt ist, erscheint es mir ratsamer, auch erstere mit einem besonderen Namen zu belegen. Ich werde die genannte Linie mit Linea limitans bezeichnen, das Ende an der Crista iliaca mit Spina limitans. Bei der Linea limitans lassen sith gewöhnlich noch zwei Teile unterscheiden, welche öfters einen Winkel miteinander bilden (vgl. Fig. 2b), nämlich ein der Facies aurieularis entsprechender (Pars auricularis) und ein der Tuberositas iliaca entsprechender Abschnitt (Pars tuberositatis). Die Linea terminalis, soweit sie dem Ilium angehört, endigt am Tubereulum ileo-pubicum, welches den Grenzpunkt zwischen Ilium und Pubis bildet. Ich werde als Tubereulum ileo-pubicum immer bezeichnen die Grenzstelle zwischen den beiden ebenerwähnten Knochen; für andere im Verlaufe der Linea terminalis vorkommende Erhabenheiten werde ich andere Namen einführen. Ich betone das, weil es zwei Namen gibt, Tubereulum ileo-pubicum und Tubereulum ileo-pecetineum, welche in verschiedentlichem, nieht immer in demselben Sinne gebraucht werden, was zu Mißverständnissen führen kann. Morpholog. Jahrbuch. +49. 2 18 A. J. P. v. d. Broek Das Planum iliacum gibt zu besonderen Bemerkungen keinen, Anlaß. Der Margo acetabularis erstreckt sich zwischen Spina iliaca an- terior superior und dem Rand des Acetabulum. Die Rauhigkeit, welche an diesem Rande fast immer unmittelbar oberhalb des Acetabulum vorkommt, nenne ich Tubereulum supra- acetabulare. Eine zwischen diesen beiden Erhöhungen vorkommende dritte wäre als Spina iliaca anterior inferior zu bezeichnen. Beim Planum glutaeale lassen sich zwei Teile, ein lateraler und ein medialer, unterscheiden. Das gröhere laterale Gebiet ist mehr oder weniger konkav und erstreckt sich vom Margo acetabularis bis zu einer wulstigen Hervor- ragung, die von der Spina iliaca posterior superior schräg nach unten und lateral verläuft und in den Rand der Ineisura ischiadiea major übergeht. Das kleinere mediale Gebiet hat eine ebene oder eine leicht konvexe Oberfläche. Es ist von etwa dreieckiger Form mit nach oben gerichteter Spitze. Der mediale Rand ist der Margo ischia- dieus. Ich werde im Verlauf meiner Beschreibungen diese beiden Teile der dorsalen Oberfläche mit besonderen Namen belegen, das laterale (Gebiet als Planum glutaeale und das mediale als Planum postglu- taeale bezeichnen. Es sei betont, daß dieses Planum postglutaeale nicht dem Ge- biete der Tuberositas iliaca entspricht. Um dies darzutun, habe ich in Fig. 2 (Tafel I) mit einer punktierten Linie die Grenzen der Tuberositas iliaca angegeben, welche ungefähr in die Mitte des konkaven Planum glutaeale fällt. Der Margo ischiadieus des Iliums läßt wieder zwei Teile er- kennen, ebenso wie der Margo pubieus. Der obere Teil bildet die hintere Grenze der Tuberositas iliaca und der Facies aurieularis; der untere Teil formt bis zur Grenze zwischen Ileum und Ischium den Rand der Ineisura ischiadiea major. Als Spina iliaca posterior inferior ist, wie beim Menschen, die untere mediale Ecke der Facies aurieularis zu bezeichnen. Bis- weilen beobachtet man kurz unterhalb dieser Stelle (im obersten Teile der Ineisura ischiadiea major) noch eine kleine Erhöhung. Die Crista iliaca muß anders eingeteilt werden, als es in der menschlichen Anatomie gebräuchlich ist. |Dem Labium externum, medium und internum entsprechen Ursprungsflächen von Muskeln. Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 19 . Sie sind teilweise dadurch bedingt; sie bilden aber keine morpho- logisch unterscheidbaren Abschnitte. Man kann die Crista iliaca, abgesehen von ihrer Krümmung, im allgemeinen einem sehr langgestreckten Dreieck vergleichen, dessen Seiten und Ecken den drei Flächen und Kanten des Iliums entsprechen. Tut man dies, dann zerfällt die Crista iliaca in eine Pars iliaca, Pars sacralis und Pars glutaealis. Die Ecken werden durch die Spina iliaca anterior superior, Spina limitans und Spina iliaca posterior superior gebildet. Diese Betrachtungsweise hat den Vorteil, daß man die Ver- größerung oder Verkleinerung bestimmter Flächen und die Lage- rungsveränderungen dieser Flächen auch an der Form der Crista iliaca studieren und zum Ausdruck bringen kann. Über das Os pubis ist wenig zu sagen. Der obere Rand ist meistens scharf, Pecten ossis pubis, und erstreckt sich vom Tuber- eulum ileo-pubicum bis zur Symphyse. Er bildet die Pars pubica der Linea terminalis, welche großes und kleines Becken trennt. Eine neben der Symphyse vorkommende Hervorragung ist, wie am menschlichen Becken, als Tubereulum pubieum zu bezeichnen. Weiter beobachtet man bei verschiedenen Primaten eine Er- höhung am oberen Rande des Schambeines zwischen Tubereulum pubieum und Tubereulum ileo-pubicum, das ich als Tubereulum in- guinale bezeichne. Ischium. Es gibt nur zu wenigen Bemerkungen allgemeiner Natur Anlaß. Es begrenzt mit seinem Margo ischiadieus teilweise die Ineisura ischiadiea major und die Imeisura ischiadiea minor. Das Tuber ischii ist bekanntlich bei den Catarrhinae und den Hy- lobatidae stark verbreitert und bildet die knöcherne Grundlage für die Gesäßschwielen. Nach vorn hilft das Ischium den Schambogen begrenzen und trägt bei verschiedenen Affen zur Bildung der Symphyse bei, wie das später ausführlicher angegeben wird. Ich erwähne das bereits hier, da bekanntlich allgemein die Symphyse der Primaten als eine Symphysis pubis aufgefaßt wird. Das Foramen obturatum und das Acetabulum geben zu allge- meinen Betrachtungen keinen Anlaß. Über die Zusammensetzung des Acetabulums, über Benamung, Vorkommen und Lagerung des Os acetabuli habe ich (3) bereits früher berichtet. 20 A.J.P.v.d. Broek Platyrrhina. Fam. Hapalidae. Aus der Familie der Hapalidae werde ich das Becken von Oedipomidas oedipus näher beschreiben. Tafelfig. 3 zeigt das männ- liche Beeken von der ventralen Seite. Vom Ilium ist fast das ganze Planum sacrale und das Planum iliacum zu sehen. Was das erstgenannte betrifft, so ragt die Tube- rositas iliaca über den oberen Rand des Kreuzbeines hervor und konvergiert mit der Tuberositas der anderen Seite nach hinten. Die entsprechenden Teile der Crista iliaca konvergieren selbstverständ- lich in demselben Sinne. Das Planum iliacum ist sehr klein. Oben fast verschwindend, nimmt es nach unten etwas an Breite zu und erreicht die größte Ausdehnung kurz oberhalb des Acetabulums. Der Margo pubieus bildet eine fast gerade verlaufende Linie, von der Spina limitans bis zum Tubereulum ileo-pubicum. Der von mir als Linea limitans unterschiedene Teil ist bedeutend kürzer als die Pars iliaca der Linea terminalis. Spina limitans und Spina iliaca anterior superior fallen fast zusammen. Der laterale Rand des Planum iliacum, der Margo acetabu- laris, bildet eine sehr langgestreckte, S-förmige Linie. Unmittel- bar unterhalb der Sp. iliaca ant. sup. ist der laterale Rand leicht konkav, um nach unten, kurz oberhalb des Acetabulums, in eine Konvexität überzugehen. Diese konvexe Hervorragung wäre einer Spina iliaca anterior inferior vergleichbar. Der Rand läuft auf das Acetabulum flach aus, ein Tubereulum supraacetabulare ist nicht ausgebildet. Dreht man das Becken um 90° (Taf. II, Fig. 4), dann übersieht man das seitwärts gewandte Planum glutaeale. Es ist stark konkav und erstreckt sich vom Margo acetabularis bis zum wulstig gebil- deten Planum postglutaeale. Der obere Rand des Pl. glutaeale wird von der fast gerade verlaufenden Crista iliaca gebildet, welche an beiden Enden unter beinahe rechten Winkeln in den Margo acetabularis und Margo ischiadieus übergeht. Nach unten zu wird das Pl. glu- . taeale allmählich schmäler, weniger tief und läuft auf den oberen Acetabularrand aus. { Ein genaues Studium des Planum postglutaeale (Taf. II, Fig. 5) läßt noch zwei Abschnitte erkennen. Ein medialer Teil von etwa dreieckiger Form erstreckt sich von der Spina iliaca post. superior Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. Di bis zur Facies aurieularis. Er hat eine rauhe Oberfläche und dient den Ligg. ileo-sacralia posteriora zum Ansatz (s. unten). Der late- rale Teil hat eine glatte Oberfläche. Die Ineisura ischiadica major ist langgestreckt. Sie hat ihre größte Aushöhlung direkt unterhalb der gut ausgeprägten Spina iliaca posterior inferior. Der konkave Rand der Ineisura geht ungefähr in der Hälfte der Höhe in einen leicht konvexen Rand über, welcher in einer nach unten gerichteten Spina ischiadica endigt (Taf. II, Fig. 4 und 5). Dem konvexen Randteil entspricht größtenteils das Acetabulum. Der Übergang des konkaven in den konvexen Teil entspricht der Grenze zwischen Ilium und Ischium. Die Ineisura ischiadiea minor ist, wie die I. i. major, sehr flach und endigt am hinteren Rande des Tuber ischia- dieum. Das Planum sacrale wird größtenteils durch das Gebiet der Tuberositas iliaca gebildet. Diese ist am breitesten oben, wo sie die ganze Länge der Crista iliaca begrenzt; nach unten wird sie allmählich schmäler. Die Faeies auricularis ist nach der Seite der Tuberositas iliaca hin nicht so scharf begrenzt wie nach dem Planum iliacum und nach der das kleine Becken begrenzenden Oberfläche des Iliums. Sie ist etwa nierenförmig, wobei der Hilus nach oben und hinten schaut. Der obere Teil ist dabei größer als der untere. Nach unten und hinten ragt die Facies auricularis ein wenig vor und bildet die Spina iliaca post. inferior. Die Tuberositas iliaca und die darunter liegende, der kleinen Beckenhöhle zugewendete Oberfläche des Iliums liegen in einer Ebene, sind nicht gegeneinander winklig abgebogen, wie es bei Catarrhinen und Anthropomorphen der Fall ist. Der obere Rand „des Os pubis ist scharf, bildet ein Peeten ossis pubis. An der Symphyse hat das Schambein eine kleine, eranialwärts schauende Erhöhung (Taf. II, Fig. 4). Der horizontale sowie der absteigende Schambeinast sind gra- eile, das Foramen obturatum begrenzende Knochenspangen. Die Grenzstelle zwischen Os pubis und Os ischii ist im er- wachsenen Becken nicht zu erkennen. Der aufsteigende Ischium- schenkel ist kurz. Das Tuber ischii beginnt vorn schmal und wird nach hinten allmählich etwas breiter, bis es mit einem etwas lateral umgebogenen Rande (Taf. II, Fig. 5) endigt. Das Acetabulum wird zum größten Teil vom Ischium gebildet. Das Ilium nimmt nur einen Teil der Facies lunata ein; das Os 29 A.J. P. v. d. Broek pubis erreicht nur mit einem kleinen Fortsatz das Acetabulum. Die breite Ineisura acetabuli sieht nach unten und ein wenig nach vorn. Das Foramen obturatum ist groß. Bei der dünnen Wandung des kleinen Beckens fehlt eine Crista obturatoria. Es kommen keine Spinae obturatoriae anterior et posterior vor. Das Sacrum besteht aus drei fast gleich großen Wirbeln. Der zweite Wirbel ist der schmalste, so daß das Sacrum leicht einge- schnürt erscheint (Ineisura sacralis). Die Vorderseite des Sacrums ist nahezu eben. Die Grenzen der Wirbel ragen etwas über die Oberfläche der Wirbelkörper vor. Die Facies aurieulares erstrecken sich über den ersten und einen kleinen Teil des zweiten Wirbels.. Sie konvergieren nach unten. Die Sacralfligel ragen über die Oberfläche des ersten Sacral- wirbels vor, das Kreuzbein ist somit hyperbasal (RADLAUER). Die Proc. spinosi der Kreuzbeinwirbel sind nur teilweise zu einem Kamm verschmolzen; die freien Spitzen schauen nach hinten und oben. Beiderseits von den Proe. spinosi fallen die verwachsenen Proc. articulares als kleine Vorragungen ins Auge. Das zweite Foramen sacrale (ant. et post.) ist erheblich größer als das erste. Betrachtet man das Becken von vorn (ventral) oder von hinten (dorsal), dann stellt sich heraus, daß das Sacrum fast ebenso breit ist wie das kleine Becken, es dieses also nach hinten zu beinahe vollkommen abschließt. Diese knöcherne Begrenzung wird noch durch die Querfortsätze des ersten Caudalwirbels vervollständigt, welche bis hinter die Spinae ischiadieae reichen. Einen Suleus praeaurieularis sacri fand ich nicht, eine sehr feine Furche unterhalb der Facies auricularis deutet am Ilium die Anheftungsstelle der Gelenkbänder an. Die geschlechtlichen Unterschiede werde ich, um Wiederholungen zu vermeiden, soweit wie möglich bei den speziellen Beschreibungen einzelner Teile (Sacrum, allgemeine Maßverhältnisse des Beckens, Beekeneingang, kleines Becken usw.) behandeln. Was die Form betrifft, so sei hier hingewiesen auf die seitwärts gerichtete und ein wenig nach vorn umgebogene Verbreiterung des Iliums beim weiblichen Geschlechte: eine Erscheinung, welche man regelmäßig bei nicht anthropomorphen Affen wahrnehmen kann. Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 23 Das Foramen obturatum ist beim weiblichen Geschlechte größer als beim männlichen. Die Ineisura ischiadica major ist beim weiblichen Geschlechte etwas stärker ausgebogen, besonders in ihrem obersten Teil, wo- durch das kleine Becken geräumiger erscheint. Das weibliche Kreuz- bein ist etwas breiter als das männliche, die Facies aurieulares konvergieren stärker nach unten zu. - Fam. Cebidae. Üebus (Taf. U, Fig. 6—8). Im allgemeinen gleicht das Cebus-Beeken demjenigen von Midas. Es bestehen jedoch einige Unterschiede, welche eine besondere Beschreibung wünschenswert machen. Von der ventralen Seite (Taf. II, Fig. 6) gesehen, tritt am Ilium das Planum sacrale viel weniger in den Vordergrund als bei Midas. Das Planum iliacum ist lang und schmal. Spina iliaca anterior su- perior und Spina limitans liegen in einem kurzen Abstand vonein- ander. Nach unten nimmt das Planum iliacum allmählich etwas an Breite zu, besonders beim weiblichen Geschlechte.e Am Margo pu- bieus sind viel deutlicher als bei Midas zwei Teile zu unterscheiden. Der obere Teil begrenzt die Tuberositas iliaca und die Facies auri- eularis; er ist von mir als Linea limitans bezeichnet worden. Er seht mit einem sehr stumpfen Winkel in den unteren Teil, die Linea terminalis, über. Der Margo acetabularis zeigt wie bei Midas eine langgestreckte S-föürmige Biegung und endigt oberhalb des Acetabulums an einer rauhen Stelle, welche als Tuberc. supraacetabulare zu deuten ist. Hauptsächlich beim weiblichen Geschlechte ist eine Ausbiegung des Planum iliacum in der Mitte seiner Höhe anwesend, welche als Spina iliaca anterior inferior anzusprechen ist. Bei der Betrachtung von der Seite (Fig. 7) sieht man, wie bei Midas, fast das ganze Planum glutaeale. Es ist stark konkav. Auf Fig. 7 ist jedoch zu sehen, wie das Planum glutaeale von Üebus etwas mehr dorsalwärts gerichtet ist als bei Midas; es bildet mit der Oberfläche am Acetabulum einen schärferen Winkel. Die Crista iliaca, welche den oberen Rand des Iliums bildet, ist auch bei Cebus fast völlig eben. An ihren Enden geht sie fast rechtwinklig in den Margo acetabularis und Margo ischiadieus über. Das Planum postglutaeale, welches bei Betrachtung des Beckens 94 A.J.P.v.d. Broek von der dorsalen Seite hervortritt, gestaltet sich ebenso wie bei M3- das; indessen fand ich den Teil mit rauher Oberfläche mehr median- wärts gewendet. Die Ineisura ischiadiea major ist etwas mehr ausgehöhlt als bei Midas; sonst ist der Margo ischiadieus beider Becken gleich. Das Planum sacrale ist in zwei Teile gegliedert, welche am Unterrande der Facies auricularis im stumpfen Winkel zusammen- stoßen. Der obere Teil wird durch die große Tuberositas iliaca und die darunter liegende Facies aurieularis gebildet. Letztere ist etwa nierenförmig und nach unten besser begrenzt als nach der Seite der Tuberositas iliaca. Die der kleinen Beckenhöhle zugewendete Oberfläche des Pla- num sacrale liegt, wie bereits erwähnt, mit dem oberen Teile nicht in einer Ebene wie bei Midas, sondern ist, der Form der .Becken- höhle entsprechend, winklig abgebogen. Dieser Winkel ist sehr stumpf. Unmittelbar unterhalb der Facies auricularis geht das Planum sa- erale ganz allmählich in das Planum iliacum über, d. h. eine Linea terminalis ist nur gerade angedeutet. Der obere Rand des Os pubis ist scharf, bildet einen Pecten ossis pubis und endigt neben der Symphyse als kleines Tubereulum pubieum. Die äußere Oberfläche des Os pubis zeigt ventral vom Acetabulum eine Verdiekung, welche sich oberhalb des Foramen obturatum nach vorn zu fortsetzt, teilweise eine Crista obturatoria bildend. Das Ischium besitzt dieselben Formeigentümlichkeiten wie bei- Midas. Das Foramen obturatum ist auch bei Cebus sehr groß, die umgebenden Knochenspangen sind dünn. Hin und wieder ist ein Suleus obturatorius angedeutet; auch kommen kleine Spinae obtura- toriae vor. Die Ineisura acetabuli ist nach unten und ein wenig nach vorn gerichtet. Das Sacrum besteht aus zwei oder drei Wirbeln und stimmt in seinen allgemeinen Eigenschaften mit dem von Medas (überein. Hierdurch kommt auch am Cebus-Becken ein deutlicher Abschluß der Höhle des kleinen Beckens nach der dorsalen Seite zustande, wozu auch die Proc. transversi der oberen Caudalwirbel beitragen, wie dies bei Midas beschrieben wurde und aus Fig. 6 und 8 zu er- sehen ist. E Die geschlechtlichen Unterschiede sind größtenteils gleicher Art wie bei Midas. Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 25 Die Verbreiterung des lliums in der Mitte dieser Höhe ist beim weiblichen Geschlecht stark ausgesprochen; der laterale Rand dieses Abschnittes ist nach vorn umgebogen. Die größte Breite des Beckens liegt dadurch beim Weibchen in der Höhe dieser Verbreiterung. Beim Männchen liegt sie in der Höhe der Spinae iliacae ant. su- periores. Das Foramen obturatum ist beim weiblichen Becken viel größer als beim männlichen. Das Kreuzbein zeigt ähnliche kleine Unterschiede der Form wie bei Midas. - Zu diesen Kennzeichen gesellt sich noch eine Formdifferenz in der Symphyse. Diese ist nämlich beim Weibehen nicht nur weniger hoch, sondern zeigt auch eine stärkere Krümmung. Durch sie er- fährt der vordere Abschnitt der Höhle des kleinen Beckens eine nicht unbeträchtliche Erweiterung. In noch stärkerem Maße be- gsegnen wir dieser Erscheinung bei den Catarrhina. Ateles (Taf. I, Fig. 9—11). Das Ateles-Becken unterscheidet sich in vielen Merkmalen vom Cebus-Becken und stimmt mehr mit der Beckenform der Ostaffen bzw. Hylobates überein. Bestimmte Merkmale, wie das Fehlen großer Tubera ischii, lassen es als das Becken eines Neuweltaffen erkennen. Die Ventralfläche des Iliums ist sehr formverschieden von der bei Cebus und Midas und zeigt ein gut entwickeltes Planum iliacum. Dieses ist oben am breitesten und wird nach unten zu allmählich schmäler, entgegengesetzt dem, was wir bei Cebus sahen. Die Crista "jliaca ist bogenförmig und steigt von der Spina iliaca anterior su- perior an bis zur Spina limitans, um von da an dorso-medianwärts zur Sp. il. post. sup. zu verlaufen. Dabei ist die Strecke, welche dem Planum iliacum entspricht, weit größer als der der Tuberositas iliaca entsprechende Teil, im Gegensatz also zum Cebus-Becken. Der Margo pubicus besitzt an der Stelle, wo die Linea termi- nalis das Saerum erreicht, einen stumpfen Winkel. Auricularer und supraauricularer Teil der Linea limitans sind nicht gegeneinander abgeknickt. Der Margo acetabularis ist konkav. Unmittelbar ober- halb des Acetabulums besitzt er ein Tubereulum supraacetabulare und darüber eine Spina iliaca anterior inferior. Der weitaus größte Teil des Margo acetabularis liegt also zwischen Spinae iliac. ant. sup. et inferior. Das Planum glutaeale liegt fast ganz nach hinten (dorsal) (Fig. 10 und 11). Es ist stark ausgehöhlt. Ein Planum post-glutaeale war so gut wie nicht ausgebildet. Die Ligg. ileo-sacralia post. heften 26 A.J.P.v.d. Broek sich am Margo ischiadieus und am hintersten Teil der Tuberositas iliaca fest. Die Ineisurae ischiadiecae sind beide, wie an den Becken an- derer Neuweltaffen, sehr flach. Doch zeigt die Ineisura isehiadiea major einen mehr regelmäßig konkaven Rand, der bei Cebus an- wesende, dem Ischium entsprechende konvexe Randteil der Ineisura fehlt hier. Dadurch ist auch die Spina ischiadica etwas schärfer ausgebildet. Vom Planum sacrale des Iliums ist nicht viel zu sagen. Der obere, dem Saecrum zugewendete Teil und der untere, der kleinen Beckenhöhle zugewendete Abschnitt stoßen am Unterrande der Fa- cies auricularis in einem stumpfen Winkel zusammen. Das Planum iliacum und der untere Abschnitt des Planum sa- crale bilden einen fast rechten Winkel miteinander, sind somit viel stärker gegeneinander abgebogen als am Cebus- oder im Midas- Becken. Dadurch ist die Linea terminalis viel deutlicher als am Cebus-Becken. Der obere Rand des Os pubis ist nicht so scharf wie bei den bereits beschriebenen Neuweltaffen. In der Mitte, ungefähr zwi- schen Tubereulum ileo-pubicum und Symphyse, besitzt der obere Rand des Os pubis eine Erhebung. Außer bei Aieles fand ich dies bei Hylobates, Orang, Schimpanse. Es ist, wie das Hylobates-Becken uns lehrt, nicht das Tubereulum pubicum und bildet nicht das Ende der Crista obturatoria. Ich bezeichne es als Tubereulum ingui- nale. Vom Os ischii ist nichts Besonderes zu erwähnen. Das Tuber ischii nimmt von vorn nach hinten etwas an Breite zu, sein hinterer Rand ist ein wenig seitwärts umgebogen. Das Acetabulum ist groß und wird zum größten Teil vom Os ischii gebildet. Os ilium und Os pubis tragen nur zum Aufbau der Facies lunata bei. Die sehr breite Incisura acetabuli ist nach unten und ein wenig nach vorn gerichtet. Das Foramen obturatum ist relativ viel kleiner als bei Vebus und Midas, von dreieckiger Form und mit der Spitze zum Acetabulum gerichtet, an der Grenze zwischen Pubis und Ischium. Das Sacrum besteht aus drei Wirbeln. Es zeigt von oben nach unten eine leichte Verschmälerung, obwohl nicht so stark als bei den Catarrhinen. Eine Inceisura sacralis sah ich bei den allerdings nur wenigen untersuchten -Becken nicht. Die Querfortsätze der obersten Caudalwirbel sind nieht so stark entwickelt als bei Vebus und Midas, so daß sie nicht die Breite des kleinen Beckens erreichen. Hierdurch wird der Abschluß des kleinen Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 27 Beckens dorsalwärts, was ich für Cebus und Midas hervorhob, viel geringer. Hierin steht Ateles den Altweltaffen viel näber als den übrigen Neuweltaffen. Bei dem jungen, in Fig. 9—11, abgebildeten Ateles-Becken sind bereits die Processus spinosi des 1. und 2. Sacralwirbels völlig ver- schmolzen. Bei erwachsenen Becken fand ich eine Verschmelzung der Proc. spinosi aller drei Wirbel zu einer Crista sacralis mediana. Die Proc. articulares verschmelzen miteinander und bilden Er- höhuagen, welche die Crista sacralis artieularis formen. Catarrhina (Taf. II, Fig. 12—14). Aus der Familie der Cercopitheeidae wähle ich zur Beschrei- bung das Becken von Macacus cynomolgus. Wie bei den Neuwelt- affen (Midas, Oebus) ist auch bei den Cercopitheeiden das ganze Becken lang und schmal. Das Ilium besitzt ein ventral- und ein wenig medianwärts gerichtetes Planum iliacum. Spina iliaca ant. sup. und Spina limitans liegen dicht nebeneinander, so daß der zwischen ihnen sich erstreckende Teil der Crista iliaca viel kleiner ist als der der Tuberositas iliaca entsprechende Abschnitt. Am breitesten ist das Planum iliacum in der Höhe der Facies aurieu- laris. Es ist fast vollkommen flach und zeigt keine Fossa iliaca. Am Margo pubieus kann man zwei Teile erkennen, die Linea limitans und die Linea terminalis (Pars iliaca). Beide stoßen winklig zusammen an der Stelle, wo die Linea terminalis das Saerum er- reicht. Die Linea limitans hat einen auricularen und einen supra- auricularen Abschnitt; letzterer ist der weitaus größere. An der Linea terminalis treffen Planum iliacum und die der kleinen Becken- höhle zugewendete Oberfläche des Planum sacrale im stumpfen Winkel zusammen. : Der Margo acetabularis ist beim männlichen Geschlecht flach, zeigt beim weiblichen eine breite Spina iliaca anterior inferior. In- folgedessen liegt öfters die größte Breite des Planum iliacum bei beiden Geschlechtern nicht in derselben Höhe. Ein kleines Tuber- eulum supraacetabulare ist vorhanden. Das Planum glutaeale sieht nach hinten und lateral (Fig. 13). An ihm sind wieder ein Planum glutaeale und ein Planum post- glutaeale zu erkennen. Ersteres ist stark konkav, letzteres konvex, wie ich es bei Midas und Cebus beschrieb. Der Margo ischiadieus erstreckt sich mit einer leicht S-förmigen Krümmung zwischen Spinae iliacae post. sup. et inferior und geht 28 A.J.P. v. d. Broek bei letzterer in den Rand der Ineisura ischiadiea major über. Diese ist ziemlich stark ausgehöhlt, stärker konkav als bei Cebus. In der Höhe des Acetabulums wird der Rand wieder konvex und endigt hier in der stumpfen Spina ischiadica. Der konvexe Randteil der Ineisura isch. major entspricht dem Ischium. Das Planum sacrale wird zum größten Teil von der Tuberositas illaca eingenommen. Die Facies aurieularis ist nicht leicht abzu- srenzen. Dies ist wohl möglich da, wo sie an der Linea limitans, besonders an der kleinen Beekenhöhle entlang läuft. Nach der Seite der Tuberositas iliaca hin ist jedoch der Rand ihrer. Oberfläche weniger leicht anzugeben. Tuberositas iliaca und der der kleinen Beckenhöhle zugewendete Teil des Planum sacrale bilden einen stumpfen Winkel miteinander. Der obere Rand des Os pubis ist scharf und ein wenig kon- kav. Die höchste Stelle liegt an der Symphyse. Ein Tubereulum ileo-pubicum ist erkennbar. Sonst kommen im Verlaufe der Linea terminalis keine Hervorragungen vor. Die Symphyse ist hoch. Die Grenzstelle zwischen Pubis und Ischium ist am erwachsenen Becken kaum bemerkbar, doch weist in den meisten Fällen eine kleine Ver- diekung auf diese Grenze hin. | Das Ischium zeichnet sich durch die kräftige Entwicklung des Tuber ischiadiecum aus. Dieses bildet eine breite dieke Knochen- masse, welche dem unteren Ende des Beckens der Catarrhinae und Hylobatidae eine eigentümliche Gestalt verleiht. Betrachtet man das Becken von unten her, dann sieht man, dab das Tuber ischia- dieum eine fast dreieckige Gestalt hat, mit der Basis nach hinten und lateral gerichtet ist. Weiter stellt sich heraus, daß das Tuber ischiadicum sich (in Gegensatz mit Hylobates) fast ausschließlich nach der Außenseite entwickelt hat und dadurch die Höhle des kleinen Beckens gar nicht einengt. Der laterale Rand des Tuber ist ein wenig umgebogen, die untere Fläche ist leicht konvex oder völlig eben. Das Acetabulum ist ebenso gestaltet wie bei den Neuweltaffen; jedoch ist die Ineisura acetabuli etwas mehr nach vorn gerichtet. Das Foramen obturatum fand ich in wechselnder Größe, ab- gesehen davon, daß es beim weiblichen Geschlecht etwas größer als beim männlichen zu sein pflegt. Spina obturatoria posterior und anterior sind meistens nur angedeutet, bisweilen jedoch so stark entwickelt, daß sie förmlich einen kleineren oberen Abschnitt vom For. obtur. absehnüren. Eine Crista obturatoria ist leicht angedeutet. Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 29 Das Saerum besteht in der Regel aus drei Wirbeln. Da der 1. Saeralwirbel viel breiter ist als der letzte, so konvergieren die lateralen Sacralränder stark nach unten (Fig. 12 und 14). Die Vorderfläche des Sacrums ist nahezu eben. Die Facies auriculares erstrecken sieh in der Regel über den 1. und den größten Teil des 2. Sacralwirbels.. Eine Ineisura sacralis kommt nicht regelmäßig vor. Die Saeralfligel ragen meistens stark nach oben, über das Niveau des Promontoriums. Das Sacrum ist also hyperbasal. Die Proe.- spinosi sind zu einer Crista mediana verschmolzen. Die ver- wachsenen Proe. artieulares bilden kleine Hervorragungen. Eine Ürista sacralis lateralis ist angedeutet. Das untere Sacralende und die oberen Caudalwirbel sind sehr viel schmäler als der Querdurehmesser des kleinen Beckens, so daß, im vollen Gegensatz zu den Neuwelt- affen (Midas— Oebus), die kleine Beckenhöhle dorsalwärts nur teil- weise eine knöcherne Begrenzung besitzt (vgl. Taf. II, Fig. 3 u. 12). Der Suleus praeauricularis ist sehr verschieden stark entwickelt. Am häufigsten und am besten entwickelt findet man ihn am Sacrum und Ilium unterhalb der Facies aurieularis: eine Erscheinung, worauf Derry beim Menschen hinweist. Die geschlechtlichen Unterschiede betreffen in der Hauptsache das Darmbein und sind gleicher Natur wie bei den platyrrhinen Affen. Die Verbreiterung des lliums lateralwärts ist am weiblichen Becken öfters so stark, dab dessen Rand stark konvex erscheint, während er beim männlichen Geschlechte geradlinig ist. Auch das Foramen obturatum des weiblichen Beekens ist größer als das des männlichen. Die Symphyse des Weibchens ist stärker gekrümmt, im oberen Teile dieker und niedriger als am männlichen Becken. Das Gebiet neben der Symphyse, zwischen ihr und dem Foramen obturatum ist am weiblichen Becken konvex, am männ- lichen plan oder sogar konkav. Hierdurch ist der vordere Teil der kleinem Beckenhöhle anders gestaltet und viel geräumiger. Außer den Größenunterschieden im Angulus pubis, welche weiter unten zu beschreiben sind, sei hier hingewiesen auf die Erscheinung, daß beim Weibchen, wenigstens in vielen Fällen, ein ausgesprochener Areus pubis angetroffen wird.‘ Das Kreuzbein ist beim Weibchen im allgemeinen kürzer und verhältnismäßig breiter als beim Männchen. Die Faeies aurieulares konvergieren stärker nach unten. Bei den anderen Cercopithecidae stimmt das Becken zwar in seinen allgemeinen Formeneigentümlichkeiten mit Macacus cynomol- gus überein; jedoch sind noch einige kleine Besonderheiten, deren 30 A. J. P. v. d. Broek Bedeutung nicht sofort abzuschätzen ist, hervorzuheben. Bei Ma- caeus rhesus liegt die höchste Stelle des Iliums an der Spina iliaca anterior superior, und die Crista iliaca fällt von dieser Stelle nach hinten und medial zur Spina iliaca posterior superior regelmäßig ab. Dabei liegen Tuberositas iliaca und Facies auricularis mit dem Pla- num iliacum fast in einer einzigen, dorso-medianwärts gerichteten Ebene, während sie bei Macacus cynomolgus einen stumpfen Winkel miteinander bilden. Dadurch ist die Krümmung der Crista iliaca bei Macacus rhesus nicht so ausgesprochen wie bei Macacus cyno- molgus. Das Sacrum von Macacus rhesus ist, wenigstens bei meinen Objekten, im allgemeinen kleiner, namentlich schmäler, als dasjenige von Macacus eynomolgus. Auch konvergieren die seitlichen Sacral- ränder bei Macacus rhesus stärker nach unten. Das Oynocephalus-(C. mormon)-Becken ist dem Macacus-Beeken in der Hauptsache sehr ähnlich. Das Ilium besitzt eine große Tube- rositas iliaca, welche die Breite des Planum ilia- ( \ N cum weit übertrifft, was, \ \ im Zusammenhang mit Fig. 4. der Kürze des Schwanzes | | von Uynocephalus maimon / x | und der ausgesprochen | | | vierfüßigen Gangart be- Bi P sondere Erwähnung ver- Oberer Teil des Iliums von: a Oynocephalus, b M. cynom., dient. Auf Fig. 4 habe re er a ich vergleichenderweise den oberen Teil der Ossa ilei von Cynocephalus (a), Macaeus cyno- molgus (b), Macacus rhesus (e) und Semmopithecus (d) von der medialen Seite nebeneinander dargestellt, so daß die Formeigentümlichkeiten ohne weiteres erkennbar sind. Außerdem sei vom Oynocephalus-Becken die Schmalheit im hintersten Abschnitte des kleinen Beckens erwähnt, wodurch bei der Ansicht von vorn die Öffnung zwischen den Incisurae ischiadieae ungefähr kartenherzförmig aussieht (Taf. I, Fig. 15). Vom Semmopithecus-Becken sei die schöne abgerundete Form des Iliumrandes hervorgehoben ($. nasicus). Das Planum iliacum übertrifft hier die Tuberositas iliaca an Größe, während die größte Breite des Planum iliacum unterhalb der Crista iliaca liegt. Eine Spina iliaca anterior superior ist nieht zu bestimmen. Sonst stimmt das Becken mit dem Macacus-Becken überein. Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 31 Daß die Symphyse bei den catarrhinen Affen nicht ausschließ- lich eine Symphysis pubis, wie allgemein angegeben wird (LEcHue, WEBER), sondern eine Symphysis pubo-ischiadica ist, läßt sich am Becken eines jungen Semnopithecus pruinosus zeigen. Auf Fig. 16 (Tafel I) ist das kleine Becken von der Seite wiedergegeben; man sieht, wie die Grenze zwischen Pubis und Ischium im Gebiete der Symphyse liegt. : Hylobatiden (Tafel III, Fig. 17—19). Hylobates (Symphalangus) syndactylus. Das Becken ist in seiner Form verschieden sowohl von dem Catarrhinenbecken als auch von jenem der Anthropomorphen. Von ersterem unterscheidet es sich durch die mächtige Entfaltung des Planum iliacum, von dem Anthropomorphenbecken durch die sehr mächtige Entfaltung der Tubera ischii. Diese zwei Kennzeichen geben dem Gibbonbecken den Charakter einer Übergangsform zwischen den beiden genannten Genera. Daneben hat es mehrere typische, keiner der beiden Formen eigene Kennzeichen. ProcHowNIK hat eine allgemeine Charakteristik des Anthropo- morphen- und Hylobatiden-Beckens, zum Unterschied von der mensch- lichen Beekenform gegeben. Aus seinen Erörterungen entnehme ich hier die Stelle über das Hylobates-Becken, wo es heißt, »dab das ganze Becken (worauf schon HuxLeY hingewiesen hat), eine be- trächtliehe Degradation (von der menschlichen Form ausgehend) auf- weist«. Nur in der Form des Kreuzbeines, nämlich in Höhe, Breite und Höhlung dieses Knochens soll das Hylobates-Becken an mensch- liche Verhältnisse erinnern. Das Ilium zeigt, wie bereits erwähnt, eine sehr mächtige Breitenentwieklung, wobei ein etwa viereckiges Planum iliacum auf- tritt. Der obere Rand, die Crista iliaca, steigt von der Spina iliaca anterior superior nach oben und hinten bis kurz vor die Spina limi- tans an und geht von da nach unten und hinten zur Spina iliaca posterior superior über. Erterer Teil ist der weitaus größere. Die _Spina iliaca anterior superior liegt in der Höhe der Facies aurieu- eularis, also viel weiter nach unten als bei den bis jetzt beschrie- benen Affenbeeken. Das Planum iliacum ist noch fast völlig eben und weist kaum eine Fossa iliaca auf. Der Margo pubicus ist an der Stelle, wo die Linea terminalis das Saerum erreicht, winklig abgebogen (vgl. Taf. III, Fig. 17). Der obere Teil des Margo pubiecus, 32 A.J.P.v.d. Broek die Linea limitans, ist deutlich in zwei Abschnitte zerlegt. Der obere, die Tuberositas iliaca begrenzende Teil ist relativ viel kürzer als bei den catarrhinen Affen. An der Linea terminalis stoßen Planum iliacum und die Ober- fläche des kleinen Beckens (Planum sacrale) fast rechtwinkelig an- einander. Der Margo acetabularis ist konkav. Das Ende läuft in ein Tubereulum supraacetabulare aus. Ungefähr in der Mitte der Länge des Margo acetabularis ist eine leichte Erhebung anwesend, welche eine Spina iliaca anterior inferior vorstellt. Das dorso-lateral gerichtete Planum glutaeale ist größtenteils konkav, aber nicht so stark als bei den Catarrhinen. Ein verhältnis- mäßig kleines, dreieckiges Planum postglutaeale schließt sich nach hinten hieran an. Der Margo ischiadiceus verläuft erst von der Spina iliaca posterior superior nach unten und medial bis zur Höhe des 2. Sacralwirbels; von da an divergieren die beiden Ränder leicht bis zur Spina iliaca posterior inferior. Die Ineisura ischiadiea major ist stark ausgebogen. Deren größte Tiefe liegt jedoch nicht, wie bei den Catarrhinen, dicht unter der Spina iliaca posterior inferior, sondern unmittelbar oberhalb des Acetabulums (vgl. Fig. 19 und 14, Tafel III und II). Eine kurze, leicht konvexe Strecke, dem Ischium angehörend, folgt auf den konkaven Teil und endigt in einer starken Spina ischiadiea, welche nach hinten und median gerichtet ist. Das Planum sacrale ist, soweit es nicht der kleinen Becken- höhle zugewendet ist, im Verhältnis zu den anderen Teilen des Iliums sehr stark reduziert. Dadurch liegen bei Aylobates Spina limitans und Spina iliaca posterior superior dicht beieinander. Der größte Teil wird durch die Facies auricularis eingenommen. Der oberhalb dieser sich befindende Teil, Tuberositas iliaca, liegt gegen- über den Proe. transversi des letzten Lendenwirbels. Von einer freien Oberfläche dieser Tuberositas, wie sie die geschwänzten Affen zeigen, besteht bei ylobates so gut wie nichts. Die Tuberositas iliaca ist nach vorn und etwas medianwärts gerichtet. An der unteren Grenze der Facies aurieularis ist der untere Teil des Planum sacrale, welcher der kleinen Beckenhöhle zugewandt ist, stark abgebogen. Der obere Rand des Os pubis besitzt, wie bei Aieles, zwei Hervorragungen. Eine mediale Erhöhung dicht neben der Symphyse ist das Tubereulum pubieum. Seitwärts davon, zwischen ihm und dem Tubereulum ileo-pubieum, liegt die Hervorragung, welche ich bei Ateles als Tuberculum inguinale kennzeichnete. Die Symphyse Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 33 ist sehr hoch, an ihrem Unterrande weichen die Pubis- bzw. Ischium- schenkel fast horizontal (die Symphyse vertikal gedacht) auseinander und gehen beinahe unmittelbar in die Tubera ischii über (Fig. 17). Das Ischium zeichnet sich durch die außerordentliche Ent- wicklung des Tuber ischii aus, welches stärker ist als bei den Ca- tarıhinen. Das Tuber ischii hat etwa dreieckige Gestalt, mit der Spitze nach vorn und medial gerichtet. Beide Tubera divergieren viel stärker als bei Macacus. Im Gegensatz zu diesem ist bei Aylo- bates das Tuber ischii auch nach der Seite der Höhle des kleinen Beckens entwickelt, wodurch es den Ausgang des kleinen Beckens erheblich einengt (Fig. 19). Die Oberfläche des Tuber ist deutlich ausgehöhlt. Die Ineisura ischiadica minor ist, durch die genannte Entwick- lung der Sitzbeinknorren, stark konkav. Vom Acetabulum ist nichts Besonderes zu sagen. Seine Ober- fläche steht fast senkrecht auf diejenige des Planum iliacum bzw. Planum glutaeale. Die Ineisura acetabuli ist nach vorn und ein wenig nach unten gerichtet. Das Foramen obturatum ist groß. Die Spinae obturatoriae treten in wechselnden Formen auf; eine Crista obturatoria ist meistens gut ausgeprägt und läuft in ein starkes 'Tubereulum pubicum aus. Das Sacrum besteht aus einer wechselnden Zahl von Wirbeln, etwa 4—6; doch kommt die Zahl von 5 Wirbeln am häufigsten vor. Durch diese Vermehrung der Wirbelzahl bekommt das Sacrum eine mehr gestreckte Form als bei den geschwänzten Affen. Es nimmt von oben nach unten an Breite ab, so daß die seitlichen Ränder nach unten ziemlich stark konvergieren. Auf die sexuellen Unter- schiede am Kreuzbein sei besonders hingewiesen. Die ventrale Sacralfläche ist vollständig glatt und fast eben. Es besteht in dieser Hinsicht durchaus keine Übereinstimmung mit dem menschlichen Saerum. Die Facies aurieularis erstreckt sich meistens über 2—3 Wirbel. Sie zeigt in der Mehrzahl der Fälle eine starke Ineisura ‚sacralis an der Grenze des 2. und 3. Wirbels. Die Proc. spinosi sind zu einem niedrigen Kamme verschmolzen. Dieser erstreckt sich nur bis zur Höhe des 3. Wirbels. Die dorsalen Oberflächen des 4. und 5. Wirbels sind fast völlig glatt. Auch die übrige dorsale Oberfläche des Kreuzbeines zeichnet sich durch ge- ringe Entwicklung des Oberflächenreliefs aus (Fig. 19). Die Stellen der Proc. articulares sind in kleinen Erhebungen wiederzufinden, und die Proc. laterales bilden etwas stärkere Prominenzen. Morpholog. Jahrbuch. 49. 9 34 A.J.P. v. d. Broek Daß bei der Reduktion des Schwanzes und der Konvergenz der Saeralränder von einer knöchernen Begrenzung des kleinen Beckens nach hinten keine Rede sein kann, geht sofort aus Fig. 19 hervor. Bei Vergleichung des Beckens von Hylobates syndactylus mit dem von Hiylobates leuciscus stellt sich heraus, daß beim letzteren die Verbreiterung der Fossa iliaca nicht die Ausdehnung erreicht hat wie beim ersteren. Eine Spina iliaca anterior superior ist weniger gut entwickelt, der laterale Rand ist flacher; im allgemeinen ähnelt das Gebiet des Planum iliacum mehr der Form, welche wir von den Catarrhinen her kennen. Geschlechtliche Unterschiede treten bei Hylobates nicht so deut- lich zutage, wie bei den niederen Affen. Die Maßverhältnisse werden uns niehtdestoweniger verschiedene Differenzen zeigen. Hier sei nur auf die Erscheinung hingewiesen, daß nach meinen Beobachtungen das Kreuzbein am weiblichen Becken kleiner ist als am männlichen, und zwar nicht nur absolut, sondern auch im Ver- hältnis zu den anderen Beckenteilen. Das Ilium ist beim Weibchen (nach wenigen Messungen) etwas stärker gekrümmt als beim Männ- chen; d. h. die Fossa iliaca ist etwas besser ausgebildet. Die weib- liche Symphyse ist kürzer und stärker gekrümmt als die männliche. Anthropomorphae. Das Becken anthropomorpher Affen ist viel öfter Gegenstand anatomischer Untersuchung gewesen, hat häufiger bei der Skelet- beschreibung oder bei Untersuchungen über das menschliche Becken Beachtung gefunden als das Becken niederer Affen. Während letz- teres in den diesbezüglichen Arbeiten meistens sehr kurz erwähnt wird, unter Hinweisung auf die allgemeine Form des Säugerbeckens, so besitzen wir ausführlichere Beschreibungen und Untersuchungen über das Becken der Anthropomorphae. Es sind hier zu nennen die Arbeiten von OwEN, ST. GEORGE MivART, STRUTHERS, PROCHOWNIK, V. D. HOEVEN-LEONHARDT, HENNIG. Die Arbeiten von Owen und ST. GEORGE MIVART und STRU- THERS befassen sich nur mit der Beschreibung des Beckens einzelner Arten, wie Orang utan, Schimpanse und Gorilla, während die- jenigen von St. GEORGE MIVART, PROCHOWNIK und v. D. HOEVEN- LEONHARDT auch Vergleichungen anstellen. Ich werde die genannten Arbeiten an den betreffenden Stellen berücksichtigen. Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 35 Orang utan (Taf. III, Fig. 20—22). Über die Beckenform lesen wir bei Owen, daß das Becken breiter, jedoch platter ist als beim Schimpanse, daß das Ischium weniger stark lateralwärts abgebogen ist. Weit von der Symphyse entfernt besitzt der obere Rand des Os pubis ein starkes Tubereu- lum pubieum. ST. GEORGE MıvArTr erwähnt die konvex gestaltete Facies glu- taealis ohne Lineae glutaeales. Er weist dann hin auf die Lagerung der Spina iliaca anterior inferior, welche weit entfernt ist von der Spina iliaca anterior superior, weiterhin auf die hohe Symphyse, die Abwesenheit einer Konkavität im Margo ischiadieus, ferner auf die große »pubie spine« (Tuberculum pubieum), von der erwähnt wird, daß sie nicht das Ende einer Crista obturatoria bildet. Bei PROCHOWNIK finden wir vom Orang utan eine ausgesprochene Kammschweifung der Crista iliaca erwähnt, mit der Bildung einer Curvatura sigmoides; weiter eine ausgesprochene Ineisura ischiadica major mit sonst fehlender Spina iliaca posterior inferior. Bisweilen findet man gut entwickelte Spinae ischiadicae. Das Becken ist kürzer und niedriger als das des Schimpanse. Gehen wir jetzt zu der Beschreibung über. Das Ilium zeigt eine starke Verbreiterung in seinem oberen Teile, wodurch das Planum iliacum etwa dreieckige Gestalt erlangt. Es ist nur wenig ausgehöhlt; eine Fossa iliaca ist also nur an- gedeutet. Die Crista iliaca steigt von der Spina iliaca anterior superior nach hinten an bis zu einem in der Mitte der Crista gelagerten Punetum coxale (WALDEYER). Von da an fällt sie schräg nach hinten zur Spina limitans ab. An dieser ist die Crista nach hinten abge- bogen und verläuft dann, stark nach hinten und unten bis zur Spina iliaca posterior superior. Die Linea limitans geht von der Spina limitans gerade nach unten und ist im Gebiete der Facies auricularis ein wenig konkav gestaltet. Beim Übergang der Linea limitans in die Linea terminalis wird ein sehr stumpfer Winkel gebildet. In der Nähe des Kreuzbeines ist die Linea terminalis kaum ausgesprochen; es besteht hier ein allmählicher Übergang der Wandung des großen in diejenige des kleinen Beckens. Der Margo acetabularis ist nur in seinem unteren Teile konkav und läuft in ein flaches Tubereculum supraacetabulare aus. Eine Spina iliaca anterior inferior fand ich nicht; vielleicht ist sie auf- genommen in das Tuberculum supraacetabulare. 3*r 36 A.J.P. v. d. Broek Das Planum glutaeale ist an seinem lateralen Rande ein wenig konvex, ferner eben bis an den Rand des Planum postglutaeale, wo es wieder konvex wird. Das letztere nimmt nur einen schmalen Bezirk am Margo ischiadieus ein. Der Margo ischiadieus verläuft fast als gerade Linie zwischen Spina iliaca posterior superior und posterior inferior, wo sie in die Begrenzung der Inceisura ischiadica major abbiegt. Diese ist ziemlich tief inihrem oberen Teile und bleibt konkav bis an die Ileum-Ischium- grenze, wo sie in einen konvexen Rand übergeht. Ich fand auch bei erwachsenen Tieren meistens nur eine Andeutung von einer Spina ischiadica. Die Tuberositas iliaca ist ein kleines dreieckiges Gebiet dorso- lateral vom Proc. transversus des letzten Lumbalwirbels. Die Basis wird durch den schräg nach hinten abfallenden Teil der Crista iliaca zwischen Spina limitans und Spina iliaca posterior superior gebildet. Die Spitze liegt hinter dem 2. Sacralwirbel. Die Oberfläche der Tuberositas iliaca ist medio-ventral gerichtet. Die Form der Faeies auricularis konnte ich nicht studieren. Die Oberfläche derselben und die, der kleinen Beckenhöhle zugewendete Fläche des Planum sacrale stoßen am Unterrande der Facies auricularis im stumpfen Winkel zusammen. Das Os pubis gibt nur zu wenigen Bemerkungen Anlaß. Un- mittelbar neben der Symphyse besitzt es ein deutliches, nach vorn gerichtetes Tuberculum pubicum, das zugleich das Ende einer Crista obturatoria bildet. Lateral davon, dem Tubereulum ileo-pubicum ziemlich nahe, sitzt auf dem oberen Rande ein sehr stark entwickel- tes Tubereulum inguinale. Diese Vorragung ist von OWEN und ST. GEORGE MIvART als »pubie spine« bezeichnet worden. Auch vom Ischium ist nur wenig zu erwähnen. Das Tuber ischii nimmt nach hinten stark an Breite zu, während das hintere Ende deutlich lateral- wärts umgebogen ist. Die Ineisura ischiadica minor ist niedrig und tief (Fig. 22). Das Foramen obturatum ist dreieckig und ohne Spinae obtura- toriae. Die Crista obturatoria ist, wie bereits erwähnt, deutlich und läuft in ein Tubereulum pubicum aus. Die Ineisura acetabuli sieht nach unten und vorn. Das Sacrum ist lang und schmal. Die Zahl der Wirbel va- riiert. Die Vorderfläche ist glatt und leicht konkav. Die seitlichen Ränder konvergieren nach unten. Eine Ineisura sacralis ist bis- Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 37 weilen gut entwickelt, bisweilen fehlt sie gänzlich. Man findet die Ineisura an der Grenze des 2. und 3. Wirbels. An dem jugendlichen, auf Fig. 21 abgebildeten Becken sind auf der dorsalen Oberfläche des Kreuzbeines die Proc. spinosi noch erkennbar. Später verschmelzen die oberen (1. und 2.) zu einem niedrigen Kamme, während von den Fortsätzen der unteren Sacral- und Caudalwirbel so gut wie nichts mehr zu sehen ist. Die übrige dorsale Sacraloberfläche ist fast völlig glatt. Selbst die Stellen der verwachsenen Proc. articulares sind nicht mehr zu erkennen. Mit der Reduktion der Schwanzwirbel ist von einem knöchernen Abschlusse der kleinen Beckenhöhle nach hinten keine Rede mehr; jedoch lehrt die Betrachtung der Fig. 22, daß beim Orang die unteren Enden des Sacrums und das Steißbein relativ breiter sind als bei Hylobates und den anderen Anthropomorphen, d. h. der Raum zwischen late- ralem Kreuz- und Steißbeinrand und der Ineisura ischiadiaca ist geringer. Für die geschlechtlichen Unterschiede muß ich auf die folgenden Abschnitte über die Maß- und Größenverhältnisse verweisen, da ich nicht die Becken beiderlei Geschlechter nebeneinander vergleichen konnte. Schimpanse (Taf. III, Fig. 23—25). OÖwEn weist am Schimpansenbecken auf das relativ breite Ilium hin, was jedoch nicht ausschließt, daß dieser Knochen viel länger und schmäler ist als beim Menschen. Das Planum iliacum steht ungefähr parallel der Saeraloberfläche. Durch die Form des Becken- einganges ist bei Betrachtung von der Ventralseite das ganze Sacrum sichtbar. Das Ilium besitzt ein dreieckiges Planum iliacum. Die Spinae iliacae anterior superior et posterior superior liegen ungefähr gleich hoch (Taf. III, Fig.23). Von der Spina il. ant. sup. steigt die Crista iliaca ziemlich rasch an, erreicht die höchste Stelle (Punetum coxale) kurz hinter ihr und verläuft dann nach hinten und unten zur Spina il. post. sup. Die Spina limitans liegt in kurzer Entfernung von der Spina iliaca post. sup. Von der Spina il. ant. sup. bis zur Spina limitans besitzt die Crista iliaca keinerlei Krümmung und ist bei der letzteren fast rechtwinkelig nach hinten abgebogen (Taf. III, Fig. 23, 25). Die Linea limitans verläuft von der Spina limitans gerade nach unten und trifft oben auf die Sacralflügel (bei anderen Affen kommt sie vor das Sacrum zu liegen). Hier geht sie in den, die Facies auricularis begrenzenden Teil über. Diese zieht bogen- 38 A. J. P. v. d. Broek förmig um den Rand des Saerums bis zur Linea terminalis, mit der sie in einem stumpfen Winkel zusammenstößt. Der Margo acetabularis ist konkav und besitzt gerade oberhalb des Acetabulums eine starke Hervorragung, welche als Spina iliaca ant. inf. aufzufassen ist. Ein Tubereulum supraacetabulare ist wenig ausgesprochen, mehr durch eine rauhe, etwa dreieckige Fläche vertreten. Das Planum glutaeale ist größtenteils konkav; jedoch er- streckt sich ein Wulst mit konvexer Oberfläche erst am Margo ace- tabularis entlang und dann schräg nach unten und hinten bis an den Rand des Planum postglutaeale (Taf. III, Fig. 24). Durch diesen Wulst erlangt das Pl. gluteale eine caudale Begrenzung. Das Planum postglutaeale ist klein, von dreieckiger Form, mit der Spitze an der Spina il. post. sup., mit der Basis dem Sacrum zugewendet. Der Margo ischiadieus ist mehr oder weniger unregelmäßig gestaltet. Von der Spina iliaca post. sup. verläuft sie erst nach unten und medianwärts, bis zur Höhe des 1. Foramen sacrale posterius und dann weiter nach unten und lateral bis zur Spina iliaca posterior inferior. Dort geht sie in die Begrenzung der Ineisura ischiadiea major über. Diese ist wieder konkav in ihrem oberen, leicht konvex im unteren Teile (Pars ischiadica). Eine Spina ischiadica ist nur schwach entwickelt (Taf. III, Fig. 23, 25). Die Tuberositas iliaca ist sehr klein und liest fast gänzlich dorsal vom Sacrum, mit ihrer Oberfläche medial und ein wenig ventral gerichtet (Taf. III, Fig. 23). Die, der kleinen Beckenhöhle zugewendete Oberfläche des Planum sacrale steht ungefähr senkrecht auf dem Planum iliacum. Mit der Fläche der Facies aurieularis schließt sie einen stumpfen Winkel ein. Ein Sulcus praeaurieularis ist an diesem Teile des Iliums sehr deutlich entwickelt. Am stärksten, eine ziemlich tiefe Furche bildend, ist er am unteren Rande der Faeies aurieularis, bei der Ineisura ischiadiea major (Suleus infraaurieularis nach DERRY). Vom Os pubis ist wenig zu sagen. Ein Tubereulum pubieum ist schwach entwickelt. Man findet weiter lateral die Andeutung eines Tub. inguinale (Taf. III, Fig. 23). Die Symphyse ist hoch; die Pb eine ist nicht nach- zuweisen. Das Ischium besitzt ein von vorn nach hinten an Breite zu- nehmendes Tuber ischiadicum, dessen lateraler Rand etwas um- gebogen ist. Das Acetabulum ist lateral- und ein wenig ventralwärts ge- Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 39 richtet. Die Incisura acetabuli ist mehr nach vorn als nach unten gewendet. Am Foramen obturatorium ist eine Spina obturatoria posterior anwesend, eine Sp. obt. ant. fehlt. Die Crista obturatoria ist schwach. Das Sacrum mit seiner verschiedenen Zahl von Wirbeln hat eine langgestreckte Form. Am breitesten oben, nimmt es nach unten nur allmählich, nur sehr wenig ab. Die Facies auriculares konver- gieren daher nur wenig. Die Vorderfläche des Kreuzbeines ist glatt und fast eben. Die Hinterfläche wird teilweise durch den Margo ischi- adicus des Iliums verdeckt. Die Proc. spinosi des 1.—3. Wirbels sind zu einem niedrigen Kamme verschmolzen, obwohl die einzelnen Fortsätze noch deutlich erkennbar sind. Die Proc. spin. des 4. und 5. Wirbels sind größten- teils gesondert. Die verschmolzenen Proc. articulares bilden kleine Hervorragungen. Im Gebiete des 1.—3. Wirbels ist mehr oder weniger auch eine Crista lateralis entwickelt. Das Relief der hinteren Sacralfläche, soweit diese von dorsal sichtbar ist, ist ein sehr wenig ausgesprochenes. Beim Betrachten des absonderlichen Kreuzbeines zeigt sich, dab zwischen den Proe. artieulares und dem hinteren Rande der Facies aurieularis die dorsale Oberfläche sehr unregelmäßig und durch einen spaltförmigen Raum von der Tuberositas iliaca getrennt ist. Die Facies auricularis besitzt einen sehr hohen vertikalen (d. h. in der Längsrichtung des Sacrums verlaufenden) und einen nur sehr kurzen horizontal gestellten Schenkel. Dasselbe gilt von dieser Fläche am Ilium, wo die Grenze der Gelenkfläche gegenüber der Tuberositas genau zu bestimmen ziemlich schwierig ist. Das untere Ende des Kreuzbeines und die Schwanzwirbel sind beim Schimpanse beträchtlich schmäler als das kleine Becken, so daß sie nur teilweise eine hintere knöcherne Begrenzung des Aus- ganges des kleinen Beckens bilden. Auch für Schimpanse muß ich betreffs der geschlechtlichen Unterschiede auf die unten folgenden Ausführungen hinweisen. Gorilla (Taf. IV, Fig. 26—28). Owen hat eine ziemlich ausführliche Beschreibung des Gorilla- beckens gegeben, der ich das Folgende entnehme: Das Ilium ist relativ breiter als beim Schimpanse; auch ist es.umgebogen. Die dadurch gebildete Fossa iliaca ist jedoch nicht so tief wie beim Menschen. Der, dem M. glutaeus maximus zum Ursprung dienende 40 A.J.P. v. d. Broek Teil fehlt bei Gorilla. Die Ineisura ischiadica ist nur wenig tief. Die Symphyse ist hoch, und die absteigenden Schambeinäste (bezw. aufsteigenden Ischiumschenkel) divergieren nicht so stark wie beim Menschen. Eins der typischsten Merkmale des Gorillabeckens (dem menschlichen gegenüber) ist nach OwEn »the expanse of the ischial tuberosities, which form outward angular projections and cause a conceomitant change in the pelvie contour« (l. e. p. 3). Die Trennung zwischen großem und kleinem Becken ist nicht scharf. Das kleine Becken ist höher und schmäler als beim Menschen. Das Sacrum ist lang und schmal, wenig ausgehöhlt; die Crista sacralis mediana ist gut entwickelt. PROCHOWwNIK erwähnt vom Gorillabecken ebenso die Bildung einer Fossa iliaca, welche aber bei weitem nicht so stark wie beim Menschen ist. Übrigens gleicht nach ihm das große massige Gorilla- becken mehr dem Becken der großen Herbivoren und unterscheidet sich vom menschlichen Becken mehr als das vom Schimpanse oder Orang. Bei St. GEORGE MivART finde ich als charakteristische Merkmale des Gorillabeckens die beträchtiiche Tiefe der Fossa iliaca bei Gorilla erwähnt, während diese nur wenig ausgehöhlt ist (»iliae fossa very slightly concave« l. ce. p. 414) bei Troglodytes niger. Bei Gorilla besteht ein deutlicher Arcus pubis, bei Troglodytes niger dagegen nicht. Das Ilium des Gorilla ist stark gekrümmt, so daß eine deut- liche und tiefe Fossa iliaca auftritt. Inwiefern sich diese von ähnlichen Bildungen bei anderen Anthropomorphen und beim Menschen unterscheidet, müssen Untersuchungen über die Maßverhältnisse entscheiden. Die Crista iliaca steigt von der Spina iliaca anterior superior nach hinten an und erreicht die größte Höhe etwas vor der Mitte ihrer Länge (Punctum coxale). Von da an gelangt die Crista nach hinten und unten zur Spina limitans, die mit der Spina iliaca post. sup. sozusagen zusammenfällt. Die S-förmige Biegung der Crista iliaca, wie sie dem Menschen charakteristisch zukommt, besteht beim Gorilla nicht. Die Linea limitans des Iliums fällt von der Spina jimitans schräg nach unten und medianwärts bis zum oberen Rande des Sacrums ab. Da geht sie in die länglich-bogenförmige und sehr unregelmäßige Begrenzung der Facies aurieularis über bis zur Höhe der Linea terminalis. Diese letztere ist, hauptsächlich in der Nähe des Sacrums, schwierig mit Genauigkeit anzugeben, da großes und kleines Becken daselbst ziemlich allmählich ineinander übergehen. Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 41 Der Margo acetabularis bildet einen fast geraden Rand von der Spina il. ant. sup. bis unmittelbar oberhalb des Acetabulums, wo- selbst er gebogen ist. Weder ein Tubereulum supraacetabulare noch eine Spina iliaca anterior inferior sind deutlich ausgesprochen. Das Planum glutaeale ist bis an den lateralen Rand des Planum postglutaeale stark konvex gestaltet. Hier ist es leicht konkav und dadurch scharf gegenüber letzterem abgegrenzt (Fig. 28). Das Planum postglutaeale liegt mit seiner Oberfläche viel weiter rückwärts als das Pl: glutaeale. Es hat etwa dreieckige Gestalt, mit der Basis lateral-, mit der Spitze median- und aufwärts gerichtet (Fig. 28). Der Margo ischiadicus verläuft von der Spina il. post. sup. nach unten und medianwärts bis zur Höhe des 1. Sacralwirbels. Von hier an divergieren die beiderseitigen Ränder bis zur Spina iliaca post. inf., wo sie in die Ineisura ischiadica major übergehen. Diese ist nur in ihrem oberen Teile konkav, im unteren Teile konvex (Pars ischiadica). Eine Spina ischiadica fehlt. Die Tuberositas iliaca nimmt nur ein sehr kleines Gebiet ein und ist hauptsächlich gegenüber dem Querfortsatz des letzten Lumbal- wirbels gelagert. Der obere Rand des dreieckigen Gebietes wird durch die Crista iliaca zwischen Spina limitans und Spina iliaca . post. sup. gebildet. Die Spitze liegt am oberen Ende des Kreuz- beines. Die Form der Facies auricularis konnte ich nicht feststellen. Das Gebiet der Facies auricularis und das der kleinen Beckenhöhle zugewendete des Iliums sind an der Untergrenze der Gelenkober- fläche winklig gegeneinander abgebogen. Ein Suleus praeauricularis ist hauptsächlich ausgebildet an der der kleinen Beckenhöhle zugewendeten Fläche des Iliums (Suleus infraaurieularis). ; Vom Os pubis ist wenig zu sagen. Kurz vor dem Tuber- eulum ileo-pubicum liegt ein kleines Tub. inguinale.. Dann verläuft der obere Rand fast gerade bis zur Symphyse. Es ist kein deut- liches Tubereulum pubicum anwesend. In der Symphyse, haupt- sächlich in deren oberem Teile, besteht meistens eine Synostose bei- der Beckenhälften. Die beiden Schenkel des Schambogens divergieren sehr stark und gehen in die mächtigen Tubera ischii über. Diese nehmen von vorn nach hinten an Breite zu, so daß sie, bei Betrachtung des Beckens von der Unterseite, dreieckig erscheinen. Sie erinnern in 42 A.J.P. v.d. Broek ihrer Form stark an die Tubera der Catarrhinen und sind viel kräf- tiger entwickelt als beim Schimpanse und Orang. Ihr lateraler hand ist ein wenig lateralwärts umgebogen. Sie unterscheiden sich von dem Tuber der Catarrhinae dadurch, daß sie eine konvexe Oberfläche besitzen. Eine Ineisura ischiadica minor besteht eigent- lich nieht. Der hintere Beckenrand verläuft von dem unteren Ende der Ineisura ischiadiea major schräg nach hinten und unten und zeigt nur unmittelbar oberhalb des Tuberrandes eine leichte Aus- höhlung. Das Foramen obturatum ist dreieckig. Spinae obturato- rjae sowie eine ÜUrista obturatoria sind nur angedeutet. Die Oberfläche des Acetabulums sieht lateralwärts, ein wenig nach vorn und ziemlich stark nach unten. Die Incisura acetabuli ist nach vorn und nur ganz wenig nach unten gerichtet. Das Sacrum zeigt die, für Anthropomorphae charakteristische schmale, langgestreckte Form. Die Zahl der Wirbel sowie die Ausdehnung der Facies auricularis sind wechselnde (siehe unten). Die Größe und Ausbildung des Kreuzbeines steht in einem Mißverhältnisse zu der mächtigen Entwicklung des übrigen Beckens. Die Vorderfläche ist ‘glatt und konkav. Die seitlichen Ränder sind im Gebiete der Fa- cies auriculares unregelmäßig, von einer typischen Ineisura sacralis kann nicht gesprochen werden. Die dorsale Oberfläche ist teilweise bedeekt durch das Ilium, welches in der Höhe des 1. Saeralwirbels sogar bis kurz neben die Proc. spinosi reicht. Weiter nach unten, wo die Iliumränder divergieren, ist die dorsale Sacraloberfläche besser sichtbar. Die verwachsenen Proc. spinosi des 1. und 2. Wirbels bilden einen deutlichen Kamm. Die übrigen Proc. spinosi sind nur gerade angedeutet. Die Stellen der Proc. articulares sind nur schwer wiederzufinden. Die ganze dorsale Sacraloberfläche kennzeichnet sich durch eine äußerst geringe Ausbildung des Reliefs. Daß ein dorsaler Abschluß der Höhle des kleinen Beekens durch das Saerum oder die Caudalwirbel auch beim Gorilla nicht zustande kommt, geht aus den Abbildungen hervor. Bei Vergleichung des männlichen und weiblichen Gorillabeckens miteinander treten die geschlechtlichen Unterschiede nieht deutlich zutage; auch die Maßverhältnisse lehren nur geringe Differenzen. Im allgemeinen sind diese Unterschiede bei den Anthropomorphen nicht so groß wie bei den nicht anthropomorphen Affen. Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 43 Vergleichender Teil. Os coxae. Bei der Vergleichung der Hüftbeine untereinander ist es haupt- sächlich das Ilium, welches die meisten Veränderungen zeigt. Von diesen ist am auffallendsten die Vergrößerung des Planum iliacum oder die Bildung einer Fossa iliaca. Sieht man von absoluten Größenunterschieden ab, dann kann man eine allmähliche Zunahme des Planum iliacum in dessen oberem Teile wahrnehmen. Bei Oedi- pomidas oedipus fallen Spina il. ant. sup. und Spina limitans beinahe noch zusammen; bei Cebus besteht bereits ein kleiner Abstand zwischen beiden, der bei Macacus zunimmt. Doch fällt bei diesen Formen die größte Breite meistens noch unterhalb der Spina il. ant. sup. Bei Ateles hingegen liegt die größte Breite in der Höhe der Spina ant. sup., ebenso bei Hylobates und Anthropomorphen. In dieser Hinsicht gleicht, wie bereits erwähnt, Ateles den Anthropomorphen mehr als den übrigen Cebinae, eine Erscheinung, welche wohl mit der Körperhaltung in Zusammenhang steht. Durch diese Verbreiterung des Iliums kommt die Bildung des Teiles der Crista iliaca zwischen Spina il. ant. sup. und Spina limitans zustande. Dieser Teil der Orista verläuft bei Ateles und bei den Catarrhinen noch als gerade Linie infolge des Fehlens einer Fossa iliaca. Erst bei Hylobates, etwas stärker bei Anthropomorphen (Orang, Gorilla) tritt eine Krümmung in der Crista zugleich mit der Bildung der Fossa iliaca auf. Ihren Höhepunkt erreicht diese in der bekannten S-förmigen Krümmung der mensch- lichen Crista iliaca. Die Crista iliaca des menschlichen Beckens besteht dann aus zwei Teilen, einer lateralen nach hinten konvexen und einer medialen nach vorn konvexen. Letztere Krümmung ist allen Primaten gemeinsam und bildet die Grenze zwischen Planum iliacum und Planum sacrale (Tuberositas iliaca); erstere kommt nur wenigen Formen zu; sie ist der Ausdruck der Bildung einer Fossa iliaca. Was die mediale Krümmung, also diejenige zwischen Planum iliacum und Tuberositas iliaca betrifft, so ist diese bei den ge- schwänzten Affen im allgemeinen viel stärker ausgesprochen; sie ist mehr winklig, während sie bei den schwanzlosen Primatenformen mehr bogenförmig verläuft (vgl. Taf. II, Fig. 12 und Taf. III, Fig. 20). Die Richtung des Planum iliacum ist nicht überall dieselbe. Bei Neuweltaffen (außer Ateles) schaut das Planum iliacum nach vorn und medial, das Planum glutaeale dadurch nach lateral. 44 A. J. P.v. d. Broek Bei Catarrhinen ist das Planum iliacum schon etwas stärker frontalwärts umgebogen; es schaut dadurch mehr direkt nach vorn und das Planum glutaeale nach hinten. Bei Ateles, Hylobates, Orang utan und Schimpanse ist es fast genau frontal gestellt. Beim Gorilla (und beim Menschen) neigt es wiederum etwas mehr nach innen in- folge der Bildung einer Fossa iliaca. Am besten kommt die Richtungsveränderung des Planum ilia- cum zum Ausdruck bei Betrachtung des Beckens von der Seite, wo- bei die Veränderung des Winkels zwischen dem Planum iliacum und der Fläche des Acetabulums sofort zutage tritt. Auch die Ränder des Planum iliacum erleiden Veränderungen. Der Margo pubicus bildet bei Oedipomidas oedipus eine fast gerade Linie von der Spina limitans bis zum Tuberceulum ileo-pubicum. Auch bei Cebus ist das noch, abgesehen von einer kleinen Kriüm- mung neben der Spina limitans, der Fall. Bei Macacus dagegen ist diese Grenzlinie in zwei Teile geschieden, welche einen stumpfen Winkel miteinander an der Stelle bilden, wo die Linea terminalis die Artieulatio saero-iliaca erreicht. Es liegt dies daran, daß das ganze Ilium an dieser Stelle eine Abknickung erfährt. Stärker noch als bei Macacus sieht man diese Abknickung im Verlaufe des Margo pubicus, oder besser gesagt, diese Trennung in Linea limitans und Linea terminalis (pars iliaca), bei Ateles, Hy- lobtıtes, Anthropomorphen und beim Menschen. Eine zweite Kniekung sieht man in der Primatenreihe im Gebiete der Linea limitans auf- treten. Diese trennt sich nämlich in einen aurieularen und einen supraauricularen Abschnitt, welche meistens wiederum einen stumpfen Winkel miteinander bilden (Textfigg. 5—13). Daß der auriculare Teil der Linea limitans bei Schimpanse, Gorilla und Mensch bogenförmig verläuft, bei allen anderen Formen schräg nach unten und medial, sei kurz erwähnt. Bei der Be- schreibung des Kreuzbeines werden wir diese Erscheinung wieder nachzuweisen haben. Vergleicht man an der Linea limitans den aurieularen und den supraauricularen Teil, welche der Facies auricularis und der Tubero- sitas iliaca entsprechen, dann kann man wahrnehmen, wie der auri- eulare Abschnitt allmählich einen größeren Teil des Randes ein- nimmt. Diese Erscheinung steht mit zwei anderen noch zu be- sprechenden Erscheinungen in Zusammenhang, n. l. erstens mit den Veränderungen an der Facies aurieularis und zweitens mit den Um- Fig. 5. Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 45 Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. Fig. 9. a el \ \ : NE, | = a See Figg. 5—13. Ossa coxae, von ventral. 5. Oedipomidas oedi- pus, 6. Cebus spec., . Ateles juv. ©, 3. Macacus cynomolgus, 9. Hylobates (Symphalangus) syndactylus, 10. Simia satyrus, 11. Schimpanse, 12. Gorilla, 13. Mensch, a Oberrand des Sacrums, b Oberrand der Facies auricnlaris. Fig. 5: natürl. Größe, 6—8: Y/, natürl. Größe, 9: 1/s natürl. Größe, 10, 11, 13: 1/4 natürl. Größe, 12: 1/; natürl. Größe, 46 A. J. P. v. d. Broek bildungen der Tuberositas iliaca. Beide werde ich weiter unten besprechen. Der Margo acetabularis des Iliums ist bei den Platyrrhinen (außer Ateles) und Catarrhinen flach oder sogar leicht konvex, bei den mit einem größeren Planum iliacum ausgestatteten Formen kon- kav. Bei diesen kommt auch allmählich die Spina il. ant. sup. weiter nach unten zu liegen, am meisten wohl bei Hylobates. Je- doch erreicht dieser noch nicht den menschlichen Zustand. Das Planum glutaeale und Pl. postglutaeale geben, abgesehen von den bereits genannten Richtungsveränderungen, zu wenigen Be- merkungen Anlaß. Bei allen Affen ist die Oberfläche dieser Teile vollständig glatt, nur beim Menschen sind die Ursprungsgrenzen der Mm. glutaei durch Linien angedeutet. Das Planum postglutaeale dient dem Menschen teilweise zum Ursprung des M. glutaeus maximus. Das Planum sacrale erleidet innerhalb der Primatengruppe ziem- lich erhebliche Veränderungen in dreifacher Hinsicht, nämlich erstens eine Abknickung, welche das Planum sacrale in zwei Teile zer- legt, zweitens Veränderungen im Gebiete der Facies aurieularis und drittens Veränderungen im Gebiete der Tuberositas iliaca. Ad 1. Bei Oedipomidas oedipus bildet das ganze Planum sa- crale des Iliums eine einzige Ebene, wie es am Säugetierbecken meistenfalls vorkommt. Auch bei Cebus ist das noch der Fall. Bei Macacus ist dagegen eine Kniekung im Planum sacrale am unteren Rande der Faeies aurieularis wahrnehmbar. Es macht den Eindruck, als wäre das Sacrum in das Becken hineingedrückt und als hätte dieses, auf Widerstand stoßend, das Planum sacrale an der genannten Stelle abgebogen. Diese Veränderung in der Lage des Planum sacrale kommt am besten zum Ausdruck im größten Ab- stand der beiderseitigen Knochenstücke, d. h. an der Lagerung der größten Breite des Beckeneinganges. Während diese bei Oedipomidas oedipus und Cebus unmittelbar vor der Ventralfläche des Sacrums liegt, findet man sie bei Aieles und den Cercopitheeidae weiter nach vorn (vgl. weiter unten). Bei Hylobates, Anthropomorphen und Mensch besteht die ge- nannte, Abkniekung in noch stärkerem Maße, wie die Textfigg. 5—13 zeigen. i An den Becken jugendlicher Tiere finde ich dieselbe Er- scheinung bereits anwesend. Ad. 2. Bei Oedipomidas oedipus ist der Rand der Facies auri- Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 47 eularis fast vollständig beschränkt auf die der kleinen Beekenhöhle zugewendete Oberfläche des Iliums; nur der Rand des Sacralflügels grenzt an das Planum iliacum. Dasselbe gilt von Cebus. Bei Macacus dagegen grenzt ein Teil der Facies aurieularis an das Planum iliacum und erreicht mit einem Teil die Linea limitans. Bei Vergleichung der Figg. 5—13 miteinander wird dieser Unter- schied sofort ins Auge fallen. In diesen Figuren ist mit a der obere Rand des Kreuzbeines, mit 5 die obere Begrenzung der Facies auri- eularis angegeben. Von Ateles gilt dasselbe wie von Macacas, nur in noch etwas stärkerem Maße. Weiter sieht man, wie bei Hylobates, Orang utan, Schimpanse, Gorilla der obere Rand der Facies auri- eularis allmählich an der Linea limitans höher steigt. Bei Schim- panse und Gorilla ist dieser Randteil der Facies aurieularis viel länger als der nach der kleinen Beckenhöhle gerichtete. Diese Erscheinung kann zweierlei Ursachen haben. Die Zahl der Sacralwirbel kann zunehmen, und damit die Ausdehnung der Faeies aurieularis, oder der erste Sacralwirbel kann sehr viel größer werden. Bei den Catarrhinen sehen wir eine sehr mächtige Entwieklung des Sacrums hauptsächlich in den lateralen Teilen des ersten Wir- bels. Hierdurch entsteht der Formunterschied im oberen Teile des Saerums zwischen Altwelt- und Neuweltaffen. Diese Entwicklung der Saeralflügel kann zu der obengenannten Erscheinung bei- getragen haben. Vermehrung der Sacralwirbel und damit Ausdehnung der Facies auricularis ist eine Erscheinung, welche wir hauptsächlich bei den . Anthropomorphen wahrnehmen. Wir sehen denn auch, daß die Stelle, | wo die Linea terminalis das Sacrum erreicht, bei ihnen weiter nach unten am Sacrum liegt als bei den geschwänzten Affen. Näheres habe ich darüber im Kapitel über das Saerum mitzuteilen. Ad 3. Innerhalb der Primatenreihe treten Veränderungen im Gebiete, und speziell in der Ausdehnung der Tuberositas iliaca auf. Vergleicht man mit bezug hierauf die geschwänzten und die schwanz- losen Affen, dann tritt der Unterschied sofort hervor, da bei letzteren im allgemeinen die Tuberositas iliaca sehr viel kleiner ist als bei ersteren. Indem man bei den ersteren in der Ventralansicht des Beckens eine große Tuberositas iliaca oberhalb des Sacralrandes sich erstrecken sieht, bleibt diese bei letzteren auf ein kleines Ge- biet beschränkt. Die Ausdehnung der Tuberositas iliaca kann man sehr gut an den Fig. 5—13 verfolgen, da wo sich dieses Gebiet ober- 48 A. J. P.v.d. Broek halb des Kreuzbeines an dem Planum sacrale des Iliums ausdehnt. Es liegt auf der Hand, daß die Verkleinerung dieses Gebietes mit der Reduktion oder dem Verluste des Schwanzes und seiner Musku- latur in Zusammenhang zu bringen ist. Damit ist diese Erscheinung jedoch nicht aufgeklärt, da ja das Gebiet der Tuberositas iliaca nicht das Ursprungsgebiet der (dorsalen) Schwanzmuskeln, sondern von Teilen der dorsalen Rückenmuskulatur ist. Die Schwanzmuskeln entspringen nach KOHLBRUGGE vom Sacrum, Ilium (Planum postglutaeale) und von der Wirbelsäule bis zum letzten Thoracalwirbel (Proc. accessorii der Lendenwirbel). Die Schwanz- muskeln werden gewissermaßen durch die dorsalen Rückenmuskeln, deren Ansätze bis zum 3. Schwanzwirbel hinabreichen, umfaßt. Kommt also die Reduktion der Sehwanzmuskeln zustande, dann sieht man, wie das Ursprungsgebiet durch die Ursprünge dorsaler Rückenmuskeln eingenommen wird, und wie das ursprüngliche Ge- biet dieser Muskeln sich verkleinert. Eine andere Deutung dieser Erscheinung wäre noch möglich, wenn man bedenkt, daß die Reduktion des angegebenen Gebietes mit der Körperhaltung des Tieres und den dadurch abgeänderten Muskelverhältnissen in Zusammenhang steht. Dann bleibt jedoch die auffallende Größe dieser Fläche bei Ateles, der doch das Ver- mögen, aufrecht zu gehen, besitzt, wieder unverständlich. Genaue myologische Untersuchungen haben hier noch Licht zu bringen. Die Formveränderungen im Gebiete des Os pubis sind bei weitem nicht so groß und für die Gesamt- form des Beckens so wichtig wie die oben besprochenen Erschei- nungen beim Ilium. Das Os pubis ist bei den a meisten Primaten dünn, so daß der & obere Rand scharf ist; nur bei 5 i den Anthropomorphen wird es be- d f Fig. 14. trächtlich dicker, bleibt jedoch immer dünner als beim Menschen. Symphyse von: a Cebus spec., b Macacus spec., So finde ich die Dieke des horizon- e Hylobates, d Simia satyrus, e Schimpanse, talen Pubisastes am Gorillabeeken f Gorilla. Yz natürl. Größe. = i oberhalb des Foramen obturatum nur 5 mm, während sie an gleicher Stelle am menschlichen Becken 11—14 mm beträgt. Die Symphyse ist bei allen Affen hoch. Im Vergleich zur Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 49 Höhe des kleinen Beckens ist sie viel höher als beim Menschen (siehe bei den Maßverhältnissen). Was die Form der Symphyse be- trifft, so ist daran festzuhalten, daß sie bei fast allen Affen ge- krümmt ist, mit der Konkavität nach der Beckenhöhle gerichtet (Fig. 14). Selbst bei den Anthropomorphen finde ich diese Aushöh- lung wieder. Keine einzige Affenform besitzt eine Symphyse wie der Mensch, bei dem sie nach der Innenseite des Beckens konvex ist. Fig. 15. Fig. 16. Fig. 15, 16: 2/3; 17: Y/2; 18 und 19: 1/3 natür], Größe. Eine weitere Eigentümlichkeit ist die Synostose, welche bei Anthropomorphen wiederholt im Gebiete der Symphyse auftritt. Ich fand eine solche einmal je bei Aylobates, Orang, Schimpanse und mehrere Male bei Gorilla. Vom Ischium sei hervorgehoben, daß meine Beobachtungen über die Entwicklung der Tubera ischii nicht ganz stimmen mit dem, was man gewöhnlich in den Lehr- und Handbüchern darüber liest. Morpholog, Jahrbuch. 49. 4 50 A.J.P.v.d. Broek So finde ich bei WEBER (l. e. S. 773): »Die Sitzbeine zeichnen sich bei den Altweltaffen aus durch stark verbreiterte Sitzbeinhöcker, denen die Gesäßschwielen entsprechen. Beide Bildungen fehlen nur den Anthropomorphen und sind bei den Hylobatiden nur gering entwickelt. « Was die Hylobatiden betrifft, so habe ich bereits darauf hin- gewiesen, daß, wenigstens am Skelet, die Tubera bei ihnen viel mächtiger als bei den Catarrhinen entwickelt sind. Den Anthropo- morphen eine Verbreiterung der Tubera ischii absprechen zu wollen, ist m. E. ungenau. Im Gegenteil zeigen, besonders Gorilla (worauf auch Owen hinweist), weniger Schimpanse und Orang utan eine sehr deutliche Verbreiterung des Tuber ischii, welche der Verbreiterung bei Catarrhinen sehr wohl vergleichbar und weit stärker ist als beim Menschen. Um dies zum Ausdruck zu bringen, habe ich auf den Figg. 15—19 die Tubera ischii von Macacus cynomolgus (G'), Hylobates syndac- tylus (G\), Orang utan, Schimpanse (Z') und Gorilla (G') dargestellt, wobei sich die ebengenannte Tatsache leicht zu erkennen gibt. Auf Fig. 19 habe ich dazu noch an der rechten Seite durch eine punktierte Linie das Tuber ischii von Macacus eingetragen und dabei dessen Länge gleich derjenigen von Gorilla genommen. Daß das ganze Tuber ischii dasjenige von Gorilla nur ganz wenig übertrifft, ist leicht zu sehen. Ein Unterschied zwischen Anthropomorphen einer- seits und Hylobates und den catarrhinen Affen anderseits besteht darin, daß die Unterfläche des Tuber bei den letzteren abgeplattet ist, bei den ersteren dagegen nicht. Sacrum. Das Sacrum zeigt bei den Primaten manche Formveränderungen. Bei den Platyrrhinen und Catarrhinen besteht es durchgehend aus - drei Wirbeln; eine Zunahme dieser Zahl kommt erst bei Hylobates und Anthropomorphen vor. Diese Wirbel sind bei den niederen Neuweltaffen ungefähr gleich breit, was dem Kreuzbein eine etwa rechteckige Form verleiht. Bei Ateles, den Catarrhinen und Anthro- pomorphen gewinnt das Saerum durch die Reduktion der untersten Sacralwirbel eine mehr konische Gestalt. Daß durch diese Form- veränderung der knöcherne Abschluß der kleinen Beckenhöhle nach dorsal geringer wird oder sogar verloren geht, habe ich bereits bei den Beschreibungen angegeben. Die Vorderfläche des Kreuzbeines ist, praktisch genommen, bei allen Primaten, außer bei den Anthro- Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 51 pomorphen, vollkommen eben. Die Krümmung am Anthropomorphen- kreuzbein ist ziemlich ausgesprochen, jedoch ist sie, mit Bezug auf die größere Wirbelzahl, noch gering und steht weit zurück hinter dem, was man im Durchschnitt vom menschlichen Saerum kennt. Die Ausdehnung der Faeies aurieularis wird mit der Zunahme der Wirbelzahl größer. Die Ränder beider Facies auriceulares konver- gieren nach unten. Die dorsale Sacralfläche zeigt bei den geschwänzten Affen ein stärker ausgeprägtes Relief als bei den schwanzlosen Affen; am geringsten ist dieses Relief bei den großen anthropomorphen Affen ausgebildet (Gorilla). In letzter Zeit ist unter Run. MArrınıs Leitung eine umfassende Arbeit RADLAUERS erschienen, in der das menschliche Kreuzbein Gegenstand der Untersuchung ist, an mehreren Stellen jedoch auch auf das Sacrum anderer Primaten Bezug genommen wird. Eine sroße Zahl von Maßen und Indices werden in dieser Arbeit auf- gezählt. Ich habe es nicht als nötig, teilweise als unmöglich empfunden, alle die von RADLAUER angegebenen Maße zu bestimmen und zu verwerten. Wo es zweckdienlich ist, werde ich seine Resultate anführen. Für die Primaten (außer dem Menschen) sind RADLAUERS Ziffern allgemein gehalten und umfassen größere Gruppen, von denen die Variationsbreite angegeben wird. Was die weiteren Literaturangaben über das Primatenkreuzbein betrifft, so sind diese nur mit Vorsicht zu verwenden. Es kommt mehr als einmal vor, daß ein und dasselbe Objekt (Anthropomorphae) in verschiedenen Publikationen erwähnt wird oder in Tabellen ver- wendet ist. Durch Zusammenfügung soleher Beschreibungen und Tabellen verschiedener Autoren (um dadurch größere Zahlen zu er- reichen) würde man zu fehlerhaften Schlüssen gelangen. Um solche Fehler nach Möglichkeit zu vermeiden, habe ich deshalb von den Literaturangaben nur beschränkten Gebrauch gemacht. I. Zahl der Sacralwirbel. RADLAUER hat in einer Tabelle die Beobachtungen von KEIrH und seine eigenen über die Zusammensetzung des Kreuzbeines bei Primaten (]. e. S. 349), hauptsächlich bei Anthropomorphen zusammen- gestellt. Indem ich dieser Tabelle meine eigenen Beobachtungen, an niederen Affen sowie an Anthropomorphen angestellt, hinzu- füge, komme ich zu dem folgenden Resultate. 4* 592 A. J.P. v. d. Broek Er 2 a 32 Zahl der Kreuzbeinwirbel SO|2|3|4| 5 BD I. Platyrrhina | | | Hapels: 83.0 SHE Ir eb Re a ne Oedipomidas oedipus. . . . 2 I 2-1 — | — I—— Midas a: SR EB a ae En ee Nygtipüheeus . » .. 0... 1- 1— — | - | —|—| Mlejcores;, men. er nes ...2|-|2|—-| — | — |-|— Onraschhree ne 3 I -—3I-| — | — |-|— GEDREHT. Meier ba a a a NEE Se: dis I11,—|1/—-| — | — |—|— | RADLAUER Ateles Ran Beer er he HB — Bla |) Se u a A ee a =, — | RADLAUER II. Catarrhina | | Cynocephalus ......- - 12 Sr Es EHE TON mbar a EB 5 —|5 —| — | — |—|— RADLAUER Macaeus a ac ee 5» 114-| —- | — -|— En ee ee 6|5|11—| — | — |—|— | RADLAUER Goneveebüuse 2 2-0 a 5 12,43) — | — | — | -— Gereopttheeus . . s unm... a en 2... SEIN Nee EEE ı|1 —-|—-| — | — |—|— | RADLAUER Semmopühecus. ..-» -....- Seen nn, Nasalis larvatus. .. - . - 1:4.) — 1) ee OOLODUSE N 131-3|-| — | —- |-|—- IT sBaylobates tz. 0° 181-2 1101 a9 Je Hylobates ! ke ne 68 — 1226| 26 | 4 |—|— | RADLAUER DV @rangs.. 2.0 en ee is 155 | 86) | 35) ı 1|—| ÜFSDESS UN Se ER ee a Ve al 1 |—|— | RADLAUER V. Schimpanse. ...... 2611 —| 2 119) l11aa)) 2 | — Schimpanse. ....... 3|— 2|3| 14 | 12 | 2 |— | RADLAUER NuGorIIn SR Te ee a ee Gorilla an 293|—|3|2| 16 6 |1 | 1 | RADLAUER Aus der Tabelle geht ohne weiteres hervor, daß bei den nicht anthropomorphen Affen das dreiwirbelige Sacrum vorherrscht. Nur bei zwei Spezies, Ateles und Cynocephalus, kommt Vermehrung dieser Zahl auf 4 bezw. 5 Wirbel vor. Verminderung der Wirbel- zahl beobachtete ich bei Hapale, Cebus, Cercocebus und Cercopithecus je einmal; ebenso einmal bei Macacus, während RADLAUER sie bei fast allen von ihm untersuchten Macacus fand. PATERSON hat die Regel aufgestellt, daß eine Vermehrung der Sacralwirbel sich häufiger findet als eine Verminderung; RADLAUER bestätigt dies für das menschliche Kreuzbein. Auch auf Ateles und Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 53 Cymocephalus unter den nicht anthropomorphen Affen trifft diese Regel zu, bei den anderen sehen wir jedoch das Gegenteil.. Die Mehrzahl der Kreuzbeine von Hiylobates setzt sich aus 4 Wirbeln zusammen (36 unter 86). Eine Vermehrung dieser Zahl auf 5 Wirbel kommt 30 (29) mal vor, auf 6 Wirbel 6 (7) mal, während Verminderung auf 3 Wirbel nur 14 mal angetroffen wird. Die mittlere Wirbelzahl für Aylobates ist somit 4, mit einer ausgesprochenen Tendenz zur Vermehrung dieser Zahl auf 5. Orang besitzt in der überwiegenden Zahl der Fälle 5 Kreuz- beinwirbel (35); jedoch findet sich im Gegensatz zu PATERSONS Regel häufiger eine Verminderung dieser Zahl auf 4 Wirbel (19) als eine Vermehrung (4). Einmal wurde bei Orang ein Sacrum von 7 Wirbeln beobachtet. Schimpanse besitzt ebenso wie Orang im allgemeinen 5 Sacral- wirbel (25); jedoch kommt bei ihm eine Vermehrung auf 6 Wirbel (23) fast ebenso häufig vor, wie ein Kreuzbein mit 5 Wirbeln; es über- wiegt diese Zahl stark jene der Kreuzbeine mit nur 4 Wirbeln (5). Somit hat das Kreuzbein vom Schimpanse durchschnittlich eine größere Wirbelzahl als dasjenige vom Orang. Auch die Variations- breite in der Zusammensetzung des Saerums ist beim Schimpanse größer; sie liegt zwischen 3 und 7 Wirbeln, beim Orang zwischen 4—7 Wirbeln. Die meisten Kreuzbeine vom Gorilla besitzen 5 Wirbel (24). Vermehrung kommt in 16 Fällen vor, während Verminderung dieser Zahl nur 6 mal angetroffen wurde. Die Vermehrung ist somit nicht so stark ausgesprochen wie beim Schimpanse. Die Variations- breite in der Zusammensetzung des Kreuzbeines ist beim Gorilla noch größer als bei den anderen Anthropomorphen und variiert zwischen 3 und 8 Wirbeln. Nach den Geschlechtern untersucht, kommt bei den anthropomorphen Affen eine Vermehrung der Wirbel- zahl häufiger beim männlichen Geschlechte als beim weiblichen vor; ausgenommen beim Gorilla, bei dem ich das umgekehrte Verhalten antraf. Bei den anthropomorphen Affen kommt somit, wie beim Menschen, ein Kreuzbein mit 5 Wirbeln als Regel vor, bei Hylo- bates ein solehes mit 4 Wirbeln, bei den anderen Formen ein drei- wirbeliges. Vom Menschen unterscheiden sich die Anthropomorphen, was die Wirbelzahl betrifft, noch in zweierlei Hinsicht. Erstens ist der Prozentsatz der Kreuzbeine mit nur 4 Wirbeln bei den Menschen- affen weit größer als beim Menschen, bei dem er nur 2,6—2,8%,, (PATERSON, RADLAUER) beträgt, und zweitens kommt bei den Menschen- 54 A.J.P. v.d. Broek affen häufiger eine Vermehrung auf eine größere Zahl, nämlich von 7 oder 8 Wirbeln vor, als beim Menschen. Die absoluten Maße der Kreuzbeine können in den betreffenden Tabellen nachgesehen werden; es hat nur geringen Wert, davon Mittelzahlen oder Maximum und Minimum anzugeben, da das Kreuz- bein mit der Größe des Beckens, der Zahl der Wirbel variiert. Die absoluten Maße geben daher ohne weiteres keinerlei Aufschluß über das Verhalten eines bestimmten Kreuzbeines.. Das wird am besten illustriert durch die folgende Äußerung von RADLAUER (I. c. S. 350): »Die größte Bogenlänge (174 mm) besitzt unter den Anthropoiden das Kreuzbein von einem männlichen Gorilla. Merkwürdigerweise besteht dieses Sacrum nur aus fünf Wirbeln, während das sieben- wirblige Schimpansenkreuzbein nur eine Bogenlänge von 120 mm aufweist. Die kleinste Bogenlänge besitzt ein dreiwirbeliges Kreuz- bein von Aylobates (30 mm). Das Maximum und Minimum der geraden Länge verhält sich hierzu entsprechend.« Von den Verhältniszahlen haben wir erstens den Sacralindex zu studieren. Hier kommt nur das Verhältnis zwischen gerader Länge und größter Breite in Betracht. Nur für die Anthropomorphae würde es einen, immerhin kleinen Unterschied geben, wenn statt der geraden Länge die Bogenlänge genommen wäre. Dann ist darauf zu achten, daß zur direkten Vergleichung nur solche Kreuzbeine herangezogen werden dürfen, welche eine gleiche Wirbelzahl be- sitzen. Daß z. B. ein dreiwirbeliges Kreuzbein von COynocephalus einen höheren Index haben wird als ein solches mit 5 Wirbeln, ist selbstverständlich. Besitzen Kreuzbeine mit verschiedener Zahl der Wirbel einen gleichen Index, dann kommen hierfür zwei Möglichkeiten in Betracht; entweder ist das Saerum relativ breiter, oder die einzelnen Wirbel sind kürzer geworden. Die dritte Möglichkeit, eine stärkere Krüm- mung des Sacrum, kommt nur für die Anthropomorphen in Betracht. Platyrrhina. DerSacralindex desdreiwirbeligen Kreuzbeines schwankt zwischen 85,54 und 140,9, mit einer Durchschnittszahl von 106,4. Im all- gemeinen ist also ihr Kreuzbein eben platyhierisch. Es bestehen zwischen den einzelnen- Spezies keine prinzipiellen Unterschiede; doch sei erwähnt, daß der mittlere Sacralindex von Aieles (113,4) etwas größer ist als derjenige der übrigen Cebinae (102,05). Von Ateles gehörten alle Kreuzbeine zur platyhierischen Gruppe; sie Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 55 nähern sich mit dem Sacralindex den Altweltaffen mehr als den übrigen Cebinae. Die Kreuzbeine mit nur zwei Wirbeln haben wegen ihrer viel geringeren Länge einen höheren Index, nämlich 137 (Hapale) und 186,2 (Cebus). Catarrhina. Bei den Catarrhinen variiert der Index sacralis (3 Wirbel) zwischen 86,5 und 150 und hat einen Durchschnittswert von 115,2. Das Sacrum ist somit etwas ausgesprochener platyhierisch als das Platyrrhinenkreuzbein. Die Indices der Saera mit 4 und 5 Wirbeln von Cynocephalus fallen innerhalb der Variationsbreite des dreiwirbeligen Kreuzbeines (110,7 und 91,43), obwohl sie niedriger als die Mittelzahl sind. Der Index des Cercocebus-Kreuzbeines mit 2 Wirbeln ist dagegen er- heblich höher, nämlich 147,6. Hwylobates. Der Sacralindex wird, wie zu erwarten, niedriger, je nachdem die Zahl der Wirbel steigt. Ordne ich die Indices in bezug auf die Wirbelzahl, dann bekomme ich die Tabelle: 3 Wirbel: 99,4. 4 s 81,5 (I) 81,5; 85,4 (A), 88,4 (I; 89,03; 90,8 (2), 92 (0) 92,1; 103,4 (9); 115,2. 63, 63,9; 66,7. 5: 68,6. Die Mehrzahl der Sacra gehört somit zu der dolichohierischen Gruppe, nur zwei sind platyhierisch. Vergleicht man das drei- wirbelige Gibbonkreuzbein mit dem der catarrhinen und platyrrhinen Affen, dann ist von ersteren das Kreuzbein etwas länger, sein Index dadurch niedriger. Der mittlere Index von den vierwirbeligen Kreuz- beinen von Hylobates ist auch niedriger als der von den geschwänzten Affen. Bei diesen Kreuzbeinen sei noch auf einen Geschlechts- unterschied aufmerksam gemacht: Die Indices der weiblichen Kreuz- beine sind größer als die der männlichen (durchschnittlich g' 85,1 und © 9,4); die letzteren sind also relativ breiter als die ersteren. Die Indices der Kreuzbeine mit 5 und mit 6 Wirbeln sind weit niedriger. Nach PROCHOwNIK kommt das Sacrum von Hylobates inHöhe, Breite und Höhlung mit dem menschlichen überein. Was die Mab- verhältnisse betrifft, so stimmen meine Resultate, wie aus obigem 56 ; A.J.P.v. d. Broek hervorgeht, nieht mit den Äußerungen von ProcHOWNIK überein, denn beim Menschen variiert der Index sacralis (5 Wirbel) von 72,4—159 (RADLAUER), ist also (meistens beträchtlich) höher als der Index des Gibbonkreuzbeines. Anthropomorphae. Wir haben hier mit der Erscheinung zu rechnen, daß die größte Breite des Kreuzbeines nicht immer am oberen Rande, sondern hin und wieder etwas niedriger und zwar an der Stelle liegt, wo die Linea terminalis das Sacrum erreicht. Bei Simia satyrus fand ich dies nur wenige Male, ebenso beim Schimpanse; am häufigsten kommt es beim Gorilla vor. Als Sacralindex werde ich das Ver- hältnis zwischen Länge und größter Breite jeweils angeben, ohne Rücksicht darauf, wo die Stelle der größten Breite liegt. Sımia satyrus. 4 Wirbel: 67,73 (9), 71,8 (g'), 83,7 (juv.), 92,5 (juv.), 93,1 (juv.), 96,06 (jur.). 5b - 65,83 (juv.), 65,5 (Q), 66,67 (Q), 68,03 (gi), 69,4 (Gi), 82,28. 6 -..6083.(0), 78,9 (1), 7981. TE VER EERHBRO: Verglichen mit dem Hiylobates-Kreuzbeine ist dasjenige vom Orang relativ etwas länger. Alle untersuchten Kreuzbeine sind dolichohierisch. Es tritt im Gegensatz zu Hylobates ein deutlicher Geschlechtsunterschied darin zutage, daß das männliche Kreuz- bein hier relativ breiter ist als das weibliche. Die Krümmung des Sacrums beim ÖOrang ist so gering, daß sie durch Geschlechts- verschiedenheiten keinen besonderen Einfluß auf die Indices aus- geübt haben wird. Schimpanse. Die folgende Tabelle gibt über die Sacralindices eine Übersicht: 4 Wirbel: 73,5 (juv.), 88,6 (juv.). 5 "* 58,9 (J'), 60,7; 63,5 (2), 65,14 (JW), 66,8; 69,6 (2), 70,3, 72,8; 73,2; 77,11 (1); 77,78 (Q). 6° - 52,8 (0); 53,51 (Q), 55,6 (Q), 57,5; 59,83 (J'); 60,1 (I), 62,3 (9); 62,8 (1); 64,3 (2), 66,3 (ZI); 68,22 (Qi). Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 57 Das Sehimpanse-Kreuzbein ist, wie die im allgemeinen niedrigen Indiees lehren, von langgestreekter Form, und zwar im Verhältnis noch länger als beim Orang. Auch hier sind alle Sacra dolicho- hierisch. Das männliche Kreuzbein beim Schimpanse ist an- scheinend wie beim Orang etwas breiter als das weibliche. Doch sind Schlüsse hier schwierig zu ziehen. So hat das männliche Sacrum mit 5Wirbeln durchschnittlich einen Index von 67,05, das weibliche von 70,29. Hingegen ist es bei den Sacra mit 6 Wirbeln umgekehrt: das männliche hat einen Index von 63,26, das weibliche nur von 56,55. Größere Reihen haben hier die Tatsachen noch festzustellen. Ebensowenig wie für Orang können hier Krümmungsunterschiede bei beiden Geschleehtern für die Unterschiede verantwortlich gemacht werden. Gorilla. Die untenstehende Tabelle enthält wieder die Sacralindices, nach der Wirbelzahl geordnet. 5 Wirbel: 5328 (0); 60,5 (Q); 60,66 (9), 61,19 (91); 64,96 (g'), 67,48 (Q); 68,29 (Q); 68,85 (9). 6 - 50,58 (I); 54,29; 54,55 (I; 57,34 (31; 66,94 (9), 69 (0); 69,94 (Q'). BE H Aa 7a. Alle Kreuzbeine sind somit ausgesprochen dolichohierisch. Die Durchsehnittszahlen betragen 63,15; 60,3 und 44,74 für die Kreuz- beine mit 5, 6 und 7 Wirbeln. Daß das Sacrum schmäler als das der anderen anthropomorphen Affen und auch viel schmäler ist als das menschliche Kreuzbein, geht aus der weiter unten folgenden vergleichenden Tabelle hervor. Das weibliche Kreuzbein ist relativ breiter als das männliche; bei 5 Wirbeln finden wir die Indices 63,07 (Gt) und 63,10 (9); bei 6 Wirbeln 58,01 (Gt) und 69,97 (2). Vergleichung. In einer Tabelle habe ich die Saeralindices (Mittelzahl) der ver- schiedenen Primaten vereinigt. Es muß hervorgehoben werden, daß in Hinblick auf die große Variationsbreite, welche die Indices be- sitzen, sowie auf die verschiedene Zahl der untersuchten Spezies, die Tabelle nur einen allgemeinen Eindruck über die Maßverhältnisse des Affenkreuzbeines zu geben imstande ist. 58 A. J.P.v.d. Broek Zahl der Wirbel: 2 3 4 5 6 7 8 Platyrrhina . . 166,6 1064 — — —_ = _ CGatarıhina . . — 1152 110,7. 91,4 — — En Hylobates . . . — 994 8996 64,63 8,05 °—: — Orang utan . . — — 8415 6953 73,01 56,9 — Sehimpanse . . — — 81,05 68,67 6029 62,23 — Gorilla... „m — 6315 603 474 — Aus der Tabelle geht wohl ohne weiteres hervor, daß das Kreuz- bein der Anthropomorphae schmäler ist als dasjenige der nicht anthropomorphen Affen. Was die Ursache dieser Erscheinung be- trifft, so sind zwei Möglichkeiten in Betracht zu ziehen: nämlich der Verlust des Schwanzes und dessen mächtiger Muskulatur und weiterhin die veränderten mechanischen Bedingungen durch den sog. aufrechten Gang. Die Kreuzbeine von Aleles, Inuus ecaudatus und Cynocephalus könnten über diese Frage vielleicht Auskunft geben. Ateles besitzt das Vermögen, aufrecht zu gehen, und hat dazu einen langen Schweif mit kräftiger Muskulatur; Inuus ecaudatus, und mehr noch Cynocephalus gehen auf allen vieren, während der Schweif mehr oder weniger rudimentär ist. Nun ist der Index des dreiwirbeligen Ateles-Kreuzbeines (113,4), beträchtlich höher als der- jenige von Hylobates, was vielleicht dafür sprechen würde, der Aus- bildung der Schwanzmuskeln einen bestimmenden Einfluß auf die Entwicklung, speziell Breitenentfaltung, des Kreuzbeines beizumessen, Inuus ecaudatus dagegen, dessen Schwanz im Vergleich mit dem anderer catarrhinen und der platyrrhinen Affen ziemlich reduziert erscheint, der nicht aufrecht gehen kann, dem also, im Gegensatz zu Ateles, die beiden genannten Eigenschaften abgehen, besitzt ein dreiwirbeliges Kreuzbein mit einem Index von 112,5, was nur wenig verschieden ist vom Index des Ateles-Kreuzbeines. Das dreiwirbelige Kreuzbein von Oynocephalus besitzt einen Index von 126,41, einen Wert somit, welcher den von Aieles noch erheblich übertrifft. Diese beiden Beispiele sollen davor warnen, bei der Erklärung gewisser Formeigentümlichkeiten den mechanischen Momenten einen zu großen Wert beizulegen. Ausdehnung der Faeies aurieularis. Ich habe dieselbe übersichtlich in der folgenden Tabelle, welche alle untersuchten Primatenbecken umfaßt, zusammengefaßt. Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 59 Ausdehnung 2 Wirbelzahl oder Platyrrh. | Catarrh. | Hylob. Sehimp. | Gorilla Total Fa£. aurieul. satyr. 2 1 a. _ en = 2 > 1 Eee Tor a Pd DT: 3 | 1.2: 4 10 1 ®: ® ” | aan. 3 N FT 1: 2. _ — 1 — = e 1 4 | 293 pn — 1 - ? : z Fr 12:78. == A: B) R 1 1 4 j 12. 2 ai ge 1 9 & R 5 | 1.2.3p. — 4 1 6 6 7 BI | 2a. = = 2 2 2 1 7 25 Bogen Ehen ra RE = 6 2 ee Bee 1 9 5 5 = | 1.2.3.4p — = fi er 1 2 Bunt 12158. — Dr > ie Io EN : \ 12: 3.4p. —— — ei ıl | 2 1 4 j Aus der Tabelle geht unmittelbar hervor, daß mit der Zunahme der Zahl der Kreuzbeinwirbel im allgemeinen auch die Aus- - dehnung der Faeies auricularis zunimmt. So dehnt sich bei den Kreuzbeinen, welche aus 3 Wirbeln aufgebaut sind, in der Mehrzahl der Fälle (26 unter 42) die Gelenkfläche über den ersten und einen Teil des zweiten Wirbels aus. In einzelnen Fällen umfaßt sie den zweiten Wirbel ganz oder sogar einen Teil des dritten Wirbels, speziell bei Aieles (siehe unten). Bei den Sacra mit 4 Wirbeln tragen der erste, zweite,und ein Teil des dritten Wirbels in der überaus größten Mehrzahl der Fälle zu der Gelenkfläche bei. Dasselbe gilt von den fünfwirbeligen Kreuzbeinen, obwohl die Fälle, wo die Facies aurieularis größer ist, d. h. drei Wirbel umfaßt, doch verhältnismäßig zahlreicher (21,9°/,) als bei den vierwirbeligen (20°/,) sind. Bei den Kreuzbeinen mit sechs Wirbeln dehnt sich die Facies auricularis meistens über drei Wirbel aus, ebenso bei den Sacra mit 7 Wirbeln. Bei den sechswirbeligen kommt es jedoch noch ziemlich häufig vor, daß der dritte Wirbel nur teilweise am Aufbau der Facies auricularis teilnimmt; bei den, allerdings nur wenigen, Sacra mit 7 Wirbeln fand ich solche Fälle nicht. Bringen wir die Kreuzbeine zur Ausdehnung der Facies aurieu- laris in ein prozentuales Verhältnis, dann bekommen wir die unten- stehende Tabelle. 60 A. J.P. v. d. Broek » E Wirbelzahl der Facies aurieularis Sacrum mit Wirbel 1 am. 42 on 1, 2,3 1,24,3,4 p. 2 1009,, = = Z = x 3 n 500% 28,80% | 21,20) ee 4 ST er 50/0 150 200 | — 5 Du = 12,5% | 65,6% | 21,9% | — 6 = = 2 34,80%, | 56,50% | 8,70 7 = - _ —...| Oo Hieraus ersieht man, daß unter allen Kreuzbeinen am stärksten die vertreten sind, bei denen zwei Wirbel ganz, der dritte teilweise am Aufbau der Gelenkfläche beteiligt sind. Vergleichen wir die obigen Angaben mit den Resultaten, zu den RADLAUER bei seinen Unter- suchungen über das menschliche Kreuzbein kommt, dann stellt sich folgendes heraus. RADLAUER schließt aus seinem Material, »daß sich bei 60°/, aller menschlichen Sacra der erste, zweite und ein Teil des dritten Sacralwirbels an der Bildung der Gelenkfläche be- teiligen. In 23,6%, tragen die Seitenteile des ersten, zweiten und des gesamten dritten Wirbels zur Bildung der Artieulationsfläche bei. In 14,50%, konnten nur der erste und zweite Sacralwirbel als Träger der Gelenkfläche gelten« (l. e. S. 3%). Wie man sieht, stimmen diese Zahlen ziemlich genau überein mit den Prozentzahlen bei den fünfwirbeligen Sacra der Affen. RADLAUER ist denn auch meines Erachtens nicht berechtigt zu dem Schlusse: »Stellen wir die Gesamtgruppe Menschheit den Affen gegenüber, so müssen wir als spezifisch menschliche Eigenschaft die Beteiligung des dritten Sacral- wirbels an der Gelenkfläche hervorheben« (l. e. S. 397). Betrachten wir die Tabelle S. 59 zwecks Untersuchung, ob noch Unterschiede zwischen verschiedenen Primatengruppen in der Aus- dehnung der Facies auricularis bei gleicher Wirbelzahl bestehen, etwas genauer. Für das dreiwirbelige Kreuzbein kommen haupt- sächlich die Platyrrhinen und die Catarrhinen in Betracht. Für die Platyrrhinen haben wir der Erscheinung Rechnung zu ı Hier hat wohl der Druckfehlerteufel RADLAUERs Aufzeichnungen einen Streich gespielt. Ein Blick auf die Tabelle S. 397 lehrt, daß hier Fehler ein- geschlichen sind. R. gibt da die verschiedene Ausdehnung der Facies aurieularis bei Affen und Menschen in Prozentzahlen wieder. Addieren wir jedoch für jede Gruppe diese Prozente, so kommt fast nirgends 1000), heraus. So finden wir da: Anthropoiden 720/,; niedere Affen 81,40%; Neger 93,10/0; Amerikaner 1000/o; Europäer 88,90/,; Asiaten 91,10/,; Kaukasier 109,10/,; Ozeanier 970%). Daß man nicht berechtigt ist, aus solchen Tabellen weitere Schlüsse zu ziehen, versteht sich von selber. Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 61 tragen, daß bei ihnen eine Ausdehnung der Facies auricularis auf den dritten Sacralwirbel relativ häufiger vorkommt als bei den Catarrhinen. Die Tabellen lehren, daß diese Ausdehnung fast aus- schließlich bei Ateles vorkommt. Unter den 7 Fällen waren 6 bei Ateles und 1 bei Mycetes vorhanden. Die 3 Fälle, in welchen bei Altweltaffen die Facies auricularis auch auf den 3. Wirbel ausge- dehnt ist, betreffen 2 Papio mit 4 und 5 und 1 Cercocebus mit 3 Saeralwirbeln. Vergleicht man diese Fälle miteinander, dann stellt sich heraus, wie bei Aieles eine größere Ausdehnung der Facies aurieularis angetroffen wird, ohne daß die Zahl der Kreuzbeinwirbel zugenommen hat. Es steht diese Erscheinung meines Erachtens mit mehreren anderen Eigentümlichkeiten des Beckens in Zusammenhang, worauf ich nicht an dieser Stelle eingehen kann, worüber ich aber in kurzem berichten werde. Abgesehen von diesen besonderen Verhältnissen bei Ateles gleichen Westaffen und Ostaffen, was die Ausdehnung der Facies auricularis betrifft, ziemlich einander. Beim vierwirbeligen Kreuzbein sieht man fast gleiche Verhältnisse bei Hylobatiden und Anthropomorphen, nur sei bemerkt, daß bei Sımia satyrus der dritte Sacralwirbel niemals mit seiner ganzen Höhe am Aufbau der Gelenkfläche beteiligt ist. Von den Kreuzbeinen mit 5 Wirbeln ist das folgende hervor- zuheben. Meistens erstreckt sich die Facies auricularis über den ersten, zweiten und einen Teil des dritten Wirbels. Bei Hiylobates traf ich zweimal eine Ausdehnung der Gelenkfläche über die ganze Höhe des dritten Wirbels und nur einmal die Ausdehnung über 1.2.5p. Somit scheint beim Gibbon die Facies auricularis sich re- lativ weiter nach caudal zu erstrecken als bei den Anthropomorphen. Darauf weist auch das einzige sechswirbelige Kreuzbein hin, das ich bei Hylobates beobachtete (siehe Tabelle). Das sechswirbelige Kreuzbein zeigt bei Gorilla eine etwas grö- Bere Ausdehnung der Gelenkfläche als bei Schimpanse; bei den siebenwirbeligen ist die Ausdehnung bei Simia satyrus, Schimpanse und Gorilla dieselbe. Ineisura sacralis. PATERSoN hat die Ineisura sacralis in der folgenden Weise be- schrieben (l. e. p. 133). »The second sacral vertebra is generally narrower from side to side than either the first or third. This, con- sequently, in some cases, causes the appearance of a hollow or noteh about the middle of the anterior surface, followed by a pro- 62 A. J.P. v.d. Broek jeetion or lip on the succeeding vertebra.« Er beobachtete die In- eisura sacralis in 62,70/, der Anthropoidenkreuzbeine, also viel häu- figer als beim Menschen (30,2°/,) und nennt es eine » Affenähnlichkeit des Sacrums«. Gehen wir der Häufigkeit des Vorkommens einer Ineisura sa- cralis bei den verschiedenen Affen nach, dann stellt sich folgendes heraus. Bei den Platyrrhinen ist eine Ineisura sacralis selten. Bei den "Kreuzbeinen mit zwei Wirbeln kam sie nicht vor; bei solchen mit drei Wirbeln beobachtete ich sie viermal: je einmal bei Cebus und Mycetes, zweimal bei Ateles. Bei Cebus erstreckte sich die Fa- cies auricularis über den ersten und einen Teil des zweiten Wirbels, bei den anderen über den 1., 2. und einen Teil des 3. Sacral- wirbels. Die Incisura lag im ersten Falle an der Grenze des ersten und zweiten Wirbels, in den anderen Fällen an der Grenze des zweiten und dritten Wirbels.. Im ganzen fand ich die Ineisura in 19,5°/, der daraufhin untersuchten Becken. Bei den Catarrhinen traf ich die Ineisura sacralis etwas häufiger, nämlich 12 mal an 47 Becken, somit in 25,5°%,. Die Lagerung der Ineisura sacralis findet sich meistens am zweiten Wirbel, welcher schmäler ist als der erste und der dritte. Am tiefsten ist die Ein- kerbung bei der Grenze zwischen zweitem und drittem Wirbel. Da findet man sie, wenn sie auch nur gering entwickelt ist. Bei den Hylobatiden kommt eine Ineisura sacralis fast immer vor. Nur einmal unter 16 Becken fehlte sie, was somit eine Prozent- zahl von 93,1 macht. Die Ineisura sacralis lagert in der Mehrzahl der Fälle an der Grenze zwischen 2. und 3. Wirbel, namentlich bei solchen Kreuz- beinen, bei denen die Zahl der Wirbel 4 ist. Doch geht das nicht immer auf, denn zweimal fand ich die Einkerbung an der Grenze zwischen 3. und 4. Wirbel, neben dem 3. Foramen sacrale anterius. An derselben Stelle lag sie bei einem sechswirbeligen Kreuzbein. Ein Beispiel asymmetrischer Lagerung der Ineisur gibt ein fünf- wirbeliges Hylobates-Kreuzbein, bei dem sie rechts bei der Grenze zwischen 3. und 4. Wirbel liegt und links, etwas weniger ausge- sprochen, einen Wirbel höher gelagert ist. Das einzige Mal, wo eine Ineisura saeralis fehlte, betraf das Kreuzbein eines Hylobates Mülleri mit 4 Sacralwirbeln. Bei Simia satyrus fand sich eine Ineisura sacralis 8 mal an 12 Becken, also in 66,6%. Die Kreuzbeine ohne Ineisura zählten Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 63 einmal 4 und dreimal 5 Wirbel; bei allen erstreckte sich die Facies aurieularis auf den ersten, zweiten und einen Teil des dritten Wir- bels. Auch beim Orang utan ist die Prädilektionsstelle der Incisura sacralis die Grenze zwischen zweitem und drittem Wirbel. Einmal fand ich sie in der Höhe des dritten Wirbels. Beim Schimpanse fehlte die Ineisura 7 mal an 23 Kreuzbeinen, war somit in 69,6°/, der Fälle anwesend, etwas häufiger also als bei Simia satyrus. Bei den Kreuzbeinen mit fehlender Ineisura sacrali erstreckte sich die Facies aurieularis über den 1., 2. und 3. Wirbel (teilweise oder ganz). 2 Sacra hatten 4, 4 hatten 5 und 1 hatte 6 Wirbel. Die Ineisura sacralis erreicht mit ihrem unteren Ende die Unter- grenze der Facies auricularis, findet sich somit in der Höhe des 3. Sacralwirbels (Taf. III, Fig. 23). Bei Gorilla fand ich bei 11 Kreuzbeinen 9 mal eine Ineisura sacralis, also in 81,7°/,, womit die höchste :Prozentzahl unter den Anthropomorphen erreicht ist. Die zwei Kreuzbeine ohne Ineisura sacralis besaßen 5 (1) und 6 (1) Wirbel; die Facies aurieularis war bei beiden bis auf den dritten Wirbel ausgedehnt. Es sei beim Go- rilla besonders auf die unregelmäßige Begrenzung des Kreuzbeines im Gebiete der Facies auricularis, wie diese aus Tafel IV, Fig. 26 hervorgeht, aufmerksam gemacht. In Fig. 26 tritt sogar eine nicht unerhebliche Asymmetrie zwischen beiden Seiten zum Vorschein. Zusammenfassend finden wir somit eine Ineisura sacralis bei den Affen folgendermaßen: Platyrrhina 19,05%, Catarrhina 25,50, | 9930 Hylobatiden 93,1% | Simia satyrus 66,6°/, } Sehimpanse 69,6%, | ea Gorilla 81,70%, Die Anthropomorphen und Hylobatiden besitzen eine Incisura sacralis bedeutend häufiger als die richt anthropomorphen Affen (77,420), gegen 23,53°/,). Vergleichen wir unsere Resultate mit denen anderer Unter- sucher, dann stellt sich heraus, daß sie betreffs der niederen Affen mit den Angaben RADLAUERS (29,40/,) ziemlich übereinstimmen. Meine Zahl ist freilich noch etwas niedriger. Was die Anthropomorphen 64 A.J.P.v.d. Broek betrifft, so ist meine Zahl höher als die von PATERson (62,70/,) und von RADLAUER (7,1°/,) angegebenen. Krümmung der Vorderfläche des Kreuzbeines. Bei den platyrrhinen und catarrhinen Affen kann man die ven- trale Fläche des Kreuzbeines als flach bezeichnen. Zwar haben die einzelnen Wirbel eine mehr oder weniger konkave Oberfläche, und die intervertebralen Grenzen sind ein wenig erhaben; diese bilden zusammen aber eine fast gerade Linie. Man sieht selbst häufig, wie das Sacrum dadurch leicht konvex erscheint, und der letzte Wirbel ein wenig dorsalwärts abgebogen ist, besonders, wenn er nicht an dem Aufbau der Facies auricularis teilnimmt. Auch bei den Hylobatiden ist die Krümmung der vorderen Fläche des Kreuzbeines gering, so daß es, mit bezug auf die geringe Zahl der Sacra, welche ich hierauf genau untersuchen konnte, nicht lohnt, hierüber bestimmte Verhältniszahlen zu geben. Bei den Anthropomorphae ist die Krümmung des Kreuzbeines etwas besser ausgesprochen. Ich habe die Krümmung ausgedrückt in dem Verhältnis der größten Aushöhlung der vorderen Fläche des Kreuzbeines zur vorderen geraden Länge. Dabei habe ich die Zahl der Wirbel und das Geschlecht in Betracht gezogen. Meine Re- sultate fasse ich in der folgenden Tabelle zusammen. Simia satyrus: 5 Wirbel: 4,9 (9); 6,12 (GV); 8. BEE ALT, r 122, Schimpanse: 5 Wirbel: 5,23; 6,42 (31); 7,06 (9); 7,14; 7,23 (g}). 6 - :182(9); 35(92); 515 (9); 6,83 (2); 6,94 (9); 11,2 (9). 7 -#:136(9), 6071112: 5 Wirbel: 8,03 (90; 11,4 (2). 6 - :508(g91; 6,42(9); 10(9), 13,3 (N). 7 2 zu Vergleichen wir die drei Genera untereinander, dann sehen wir, daß vom fünfwirbeligen Kreuzbeine dasjenige vom Gorilla die stärkste Krümmung aufweist; darauf folgt der Schimpanse, und das Kreuz- bein von Simia satyrus ist am flachsten. Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 65 Von sechswirbeligen Kreuzbeinen habe ich von Simia satyrus ein Exemplar, welches erheblich stärker gekrümmt ist als die Saera vom Schimpanse und Gorilla, auch viel stärker als das fünfwirbe- lige vom Orang. Die sechswirbeligen Sacra vom Gorilla sind etwas stärker gekrümmt als die vom Schim- panse; bei beiden Genera sind sie etwas weniger gekrümmt als die Kreuzbeine mit 5 Wirbeln. In Fig. 20 habe ich die Form der Vorderfläche eines Kreuzbeines mit 6 Wirbeln von Gorilla (a), Schimpanse (b) und Orang (e) wiedergegeben. Von den siebenwirbeligen habe ich nur je ein Exemplar von Simia satyrus und vom Schimpanse ge- messen; letzteres ist noch etwas krummer als ersteres; beide aber zeigen eine ziemlich erhebliche Krüm- mung. Alle Kreuzbeine zusammen- genommen geben die Zahl 8,01, was niedriger ist als die von RADLAUER gegebene Zahl von 9,6. Geschlechtsunterschiede sind nicht stark ausgesprochen. 5 Bei den fünfwirbeligen Kreuz- Form der vorderen Sacraloberfläche. a Simia eo inde ich ‚bei Simia- das) "'yrus b Sohimpanse, © Gorilla Ya nette, männliche Sacrum ein wenig stärker sekrümmt als das weibliche; beim Schimpanse und Gorilla ist das weibliche stärker gekrümmt. Von den Saera mit 6 Wirbeln ist das weibliche beim Schimpanse stärker gekrümmt; während beim Gorilla das männliche in dieser Hinsicht ein wenig überwiegt. Für die Vergleichung mit dem menschlichen Kreuzbein kann ich auf die Arbeit von RADLAUER verweisen. Fig. 20. Allgemeine Form des Beckens. Um einen Begriff von den allgemeinen Größenverhältnissen des Beckens zu erlangen, bestimmte ich nach den Angaben TorINArDs - 1 3eckenbrei den Beckenindex durch die Formel, 100 „tin Beckenhöhe Beekenbreite ist bei fast allen Primaten die Distantia spinarum zu Morpholog. Jahruch. 49. 5 Unter 66 A. J.P.v.d. Broek verstehen; nur beim Menschen überwiegt die Distantia eristarum. Bei einigen weiblichen Becken von Neuwelt- sowie von Altwelt- affen überwiegt die Beckenbreite in der Mitte des Planum iliacum die Distantia spinarum, wie ich das früher als Geschlechtsunter- schied bereits hervorgehoben habe. Hier ist als Beckenbreite die größte Breite des Beckens gewählt. Unter Beckenhöhe haben wir, wie ich es oben angab, bei den Primatenbecken zwischen zwei Beckenhöhen, a und b, zu unterscheiden. Ich werde soviel wie möglich die größte Höhe, also die Beckenhöhe b der Tabellen ge- brauchen. Wie sehr der Index abweicht, wenn statt der größten Höhe diejenige bis zum Hinterrande des Tuber ischii genommen wird, kann in den Indextabellen nachgesehen werden. Nur da, wo ich die größte Höhe nicht messen konnte, mußte ich mich auf die Beckenhöhe a verlassen, deren Index selbstverständlich immer höher ist als derjenige der Beckenhöhe b. Platyrrhina. Ihr Beckenindex variiert zwischen 45,71 und 76,79. Genauere Betrachtung der Einzelangaben lehrt sofort, daß diese große Varia- tions-, damit Formenbreite, sich ganz anders gestaltet, wenn man bei den Platyrrhinen zwei Gruppen unterscheidet. Auf der einen Seite stehen Mycetes und Ateles; die andere Gruppe bilden die übrigen Formen. Die Beckenindices von Mycetes und Ateles variieren zwischen 61,86 und 76,79 (Mycetes 62,6—66,79), die anderen zwischen 45,71 und 61,44; d. h. der höchste Index dieser Beeken erreicht noch nicht den niedrigsten Index der Becken von Mycetes und Ateles. Die Ur- sache dieser Erscheinung ist wohl in der Breitenausdehnung des Iliums zu erblieken, nicht im Niedrigerwerden des ganzen Beckens. Mycetes und Ateles stehen hierin den Altweltaffen viel näher als den übrigen Neuweltaffen; sie werden nur von ÜUynocephalus, M. neme- strinus und Semnopithecus nasicus übertroffen. Der höchste Index der Ateles-Beeken nähert sich dem niedrigsten Index der Aylobates- Becken (H. leueiscus 79,76), wovon die Übereinstimmung der ganzen Form (s. oben) bereits hervorgehoben wurde. Über Geschlechts- oder Altersunterschiede kann ich nur wenig sagen. In einem männlichen Cebus-Becken war der Index 52,94, in einem weiblichen 57,29; auch das weibliche Becken von Oedipo- midas oedipus hat einen höheren Index als das männliche, was wohl durch die größere Breite des Planum iliacum bedingt ist. Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 67 Catarrhina. Von den Catarrhinen habe ich meist nur die Beckenhöhe bis zum hinteren Rande des Tuber ischii gemessen, wodurch sich der Index etwas höher gestaltet, als wenn die Beckenhöhe b gemessen wäre. Ich finde die folgenden Werte: a b Cynocephalus . . . 66,37—81,7 (59,28— 74,61) Macacus . . . . . 58,37—78,98 (50,31— 70,92) Cercocebus . . . . 62,86—71,7 Cercopitheeus . . . 61,693—71,38 (53,31—63,06) Semnopithecus . . . 69,84—93,75 (51,15—81,04) ale. 22.2 2 86,17 Colobus . . . . . 72,19—83,83 (61,9 — 71) Bei den Catarrhinen schwankt der Beckenindex (a) also zwi- schen 58,37 und 93,75. Würde man durch die Bereehnung mittlerer Zahlen eine Korrektur in dem Sinne anbringen, daß man auch von allen Becken den Index (b) bekommt, dann würden die Zahlen 50,31—81,04 gefunden werden. Im allgemeinen besitzen somit die catarrhinen Affen weniger langgestreckte Beckenformen als die Pla- tyrrhinen; der Index sinkt nicht unter 50. Das Becken von Cynocephalus ist durchschnittlich etwas breiter im Verhältnis zur Höhe als dasjenige von Macacus und Cercopithecus , am breitesten sind die Becken von Colobus und Semmnopithecus. Ein Unterschied des Beckenindex für junge und erwachsene Becken läßt sich nieht nachweisen; nur bei Semnopithecus sind die Indices zweier jugendlicher Becken bedeutend kleiner als die der erwachsenen Individuen. Kleine Geschlechtsunterschiede treten im Beckenindex insofern zutage, als im allgemeinen das weibliche Becken einen etwas höheren Index als das männliche hat (Mae. rhesus, Semmnopithecus), also relativ breiter ist, wobei die bereits genannten “ Unterschiede an der Stelle der größten Beekenbreite mit in Betracht zu ziehen sind. Hylobatiden. Die starke Breitenentwicklung verleiht dem Hylobates-Becken einen beträchtlich höheren Indexwert, als wir bei den Catarrhinen sahen. Bei allen Hylobatiden zusammen beträgt der Beckenindex b 73,85—96,4; der Index a variiert zwischen 77,87 und 107,69. In dieser letzten Weise gemessen, wenn man also als Höhe den Abstand zwischen Crista iliaca und Hinterende des Tuber ischii nimmt, kommen bei Hylobates Becken vor, deren Breite die 5* 68 A.J.P. v.d. Broek Höhe übertrifft. Bei genauerer Betrachtung der Indexhöhe fällt es auf, daß innerhalb der Hylobatidengruppe nicht unwesentliche Form- unterschiede angetroffen werden. Betrachten wir die verschiedenen Spezies gesondert, dann stellt sich folgendes heraus: a b Hylobates syndactylu . . 89,56—107,69 (83,06 —96,4) - leueiscus . . . 19,75— 87,96 (73,85—82,61) - UNS Swen, a 2, E02 (75,31) - „. Mülleri.: -. ... 11,87;.81,58 (Tome Relativ am breitesten sind also die Becken von H. syndactylus, deren niedriger Index von keinem der anderen Formen erreicht wird; am schmalsten sind die Becken von H. agelis und H. Müllert. Verglichen mit den Catarrhinen, liegt der Index des Beckens von H. syndactylus oberhalb des Index von jenen; nur der Index a von Semmopithecus erreichte einmal den Wert des Hylobates-Beckens. Von den H. syndactylus-Becken sind zwei männlich, vier weib- lich. Geschlechtliche Unterschiede sind deutlich ausgesprochen; bei den männlichen Becken ist der Index niedriger als bei den weib- lichen; bei den letzteren ist mithin das Becken relativ breiter. Orang utan. Im allgemeinen überwiegt der Querdurchmesser des Beckens dessen Höhe, bisweilen sogar nicht unerheblich. Fassen wir die Resultate in einer Tabelle zusammen, dann zeigt sich fol- gendes: Simia satyrus a b g' 101,7—128,3 88,85—110,9 O 98,8—124,3 93,9—109,5 Ohne Geschlechtsangabe . . 91,2—131,1 97,1—107,3 Verteile ich die von mir untersuchten Becken nach dem Ge- schlechte, dann ergibt sich, daß der Index des männlichen Beckens (118,5) den des weiblichen Beckens (114,1) um ein geringes über- trifft. Diese Erscheinung steht nicht im Einklang mit dem, was wir bei den anderen Becken fanden und was auch für das menschliche Becken gilt. Jedoch ist diesem Resultat nicht zuviel Wert beizu- messen, erstens weil die Zahl der untersuchten männlichen und weiblichen Becken sehr ungleich groß ist (4 g', 7 Q), zweitens weil die absolute Zahl noch ziemlich gering zu nennen ist. Schimpanse. Auch bei ihm übertrifft die Becekenbreite die Beckenhöhe; doch ist das Überwiegen der Breite nicht so stark Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 69 wie beim Orang utan, und die Indices erreichen nicht den Wert des menschlichen Beckens. Nach dem Geschlecht untersucht, kommt die folgende Tabelle zustande. Beckenindex Schimpanse a b gi 101,2—-118,02 90,91--101,9 ‚®) 100-127 88,43— 106,5 Ohne Geschlechtsangabe. . 92,8—107,4 85,45— 99,2 Berechnet man den durehschnittlichen Beckenindex, dann be- trägt dieser für das männliche Becken 108,5 (a), bez. 97,29 (b), für das weibliche Becken 107,03 (a), bezw. 94,3 (b). Auch beim Schim- pansen ist somit der Index des weiblichen Beckens niedriger als jener des männlichen, obwohl die Differenz gering ist. Von beiden Geschlechtern wurden 9 Becken gemessen. : Daß der Index der Becken ohne Geschlechtsangabe viel nied- riger ist, findet seine Ursache darin, daß die jugendlichen Becken in diese Gruppe aufgenommen sind. Bei ihnen ist der Beckenindex niedriger als beim erwachsenen Becken (92,8—100,4). Aus den ab- soluten Maßen geht nicht ohne weiteres hervor, ob das durch eine geringere Entfaltung des Planum iliacum oder eine bereits jung er- worbene große Beckenhöhe bedingt wird. Gorilla. Das Becken ist relativ breiter als das vom Schim- pansen, erreicht jedoch nicht ganz die größten Verhältnisse zwischen Länge und Breite des Orangbeckens. Teilweise mag das durch die Krümmung des Planum iliacum bedingt sein, wodurch die Spinae iliacae anteriores einander genähert werden. Ordnen wir die Becken nach dem Geschlechte, dann bekommen wir folgende Tabelle: Gorilla a b g' 109,4—122,7 100 —-112,5 O 109,1—123,6 104,8 —113,2 Ohne Geschlechtsangabe . . 118,9—125,3 109,06—118,7 Im ganzen variiert also der Index zwischen 100—125,3, d. h. bei allen Becken übertrifft die Beekenbreite die Beekenhöhe (ein- mal waren sie gleich). Der mittlere Index beträgt für das männ- liche Becken 115,43 (a), bezw. 106,3 (b), für das weibliche Beeken 116,84 (a), bezw. 106,9 (b); das weibliche Beeken überwiegt also das männliche um ein geringes. 70 A.J.P. v. d. Broek Vergleichung. Vergleicht man die verschiedenen Primaten- gruppen untereinander, dann ist eine allmähliche Zunahme des Beckenindex zu bemerken, hervorgerufen durch die zunehmende Breitenentwicklung des Planum iliacum, was in der folgenden Ta- belle ersichtlich gemacht wird. Beckenindex b 1. Platyrrhina (außer 2). . . 45,71— 61,44 2. Ateles und Mycets . . . 61,86— 76,79 3. Catarrhina . .. . . . . 50,31— 81,04 4. Hylobatidae . . . . ... 71,79 — %,4 5: Orang utanı \\! or. 482288,8 5 1109 6. Schimpanse . 20.0.. 88,4 —106,5 7... Gola 2 7 AR Die Tabelle zeigt deutlich, daß die Indices der verschiedenen Gruppen in ziemlich kontinuierlicher Reihe zunehmen, daß die In- dices der Becken nicht anthropomorpher Affen die untere Grenze der Indices der Becken von den Anthropomorphae erreichen. Von den letzteren ist nur beim Gorilla das Becken in allen Fällen breiter als hoch, was um so mehr auffällt, als bei ihm durch die Bildung einer Fossa iliaca die Distantia spinarum relativ kleiner wird als bei den Formen ohne Fossa iliaca. Kein einziges Affenbecken er- reicht die allgemeinen Verhältnisse des menschlichen Beckens, bei welchem der Index zwischen 126,2 und 139,4 variiert. Bei diesem ist dazu die Distantia eristarum als Beckenbreite genommen, welche bekanntlichbei keinem Affen größer wirdals die Distantia spinarum. Be- 100 x Dist. spinarum Beckenhöhe ’ dann bekommt man Werte von 105—114,7, welche also noch inner- ' halb der Variationsbreite des Gorillabeckens liegen und von einigen Schimpansen- und Orangbecken eben erreicht werden. rechnet man für den Menschen den Beekenindex Das kleine Becken. a) Die Höhe des kleinen Beckens. Ich habe zuerst das Verhältnis des kleinen Beekens zum ganzen Becken durch die Ver- gleichung der Höhe des .kleinen Beckens mit der ganzen Becken- höhe zu bestimmen versucht und bin zu Resultaten gekommen, welche in der untenstehenden Tabelle vereinigt sind. Zu bemerken ist, daß als Beckenhöhe die größte Höhe (b) gewählt wurde. Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 71 | Mitte | & | Q Hapale und Midas ........ 40-421 | 411 42,1 40 Nuemshesus.n. 2. 22 en } _ 42,2 — _ RE ER ERR \ 38,8—42,8 40,5 = RER | 32,5—43,5 | 38,6 40 39,1 ee. | 35,9--36,6 | 36,25 _ — en 1 294-419 | 35,5 | En _ Be... 2. \ 35,6—442 | 39,93 — — oa \ 35,9—40,8 37,9 32,: 36,5 a 40—45,3 41,7 40 42,8 ns || 32,4—40,8 36,6 _ — SEIRMOBMRELUS : - - - 2.2. | 37,9—44,2 41,3 _ _ Aue 1n358:L-41,1 | .393 — = Er \ 274-366 | 3236 | 31,8 32,1 I a ı 32,7—42,9 | 37,3 38,7 36,5 A ı 33,9—44,4 37,88 38,4 35,96 er. 2.2.2: 2.2 |.337—402 36,1 36,3 36,8 “Aus dieser Tabelle geht sofort hervor, daß ein ziemlich be- stimmtes Verhältnis zwischen dem kleinen Beeken und dem ganzen Becken besteht. Die äußersten Werte der Variationsbreite bei den verschiedenen Spezies sowie die Mittelzahlen gehen nur ganz wenig auseinander. Die niedrigsten Werte hat Hylobates ; ihm folgt Ateles, und die höchsten Werte haben im allgemeinen die Neuweltaffen. Doch sind die Unterschiede zwischen geschwänzten und schwanzlosen Affen, zwischen Ost- und Westaffen gering, da der mittlere Index sämt- licher Platyrrhinae 38,28, sämtlicher Catarrhinae 39 und der der Anthropomorphen 37,2 ist. Was die geschlechtlichen Unterschiede betrifit, so sind in der Tabelle in der dritten und vierten Reihe nur solche Becken in Betracht gekommen, von denen das Geschlecht bekannt war. Das weibliche Becken weist, wie die Tabelle uns lehrt, durchgehends einen niedrigeren Index auf als das männliche. Nur bei Hylobates und Gorilla war, soweit meine Beobachtungen reichen, das kleine Becken beim weiblichen Geschlechte um ein geringes höher als beim männlichen. b) Beekeneingang. TurNER hat den Index des Becken- 100 x Conjugata vera Querdurchmesser die menschlichen Becken in drei Gruppen eingeteilt, welche er einganges durch die Formel bestimmt und 1 Beekenhöhe a. 72 A. J. P. v. d. Broek als platypellische, mesatipellische und dolichopellische andeutet, je nachdem der Index < 90, 90—95 oder> 95 ist. Berechnet man in der angegebenen Weise die Indices des Beckeneinganges von Affen- becken, dann stellt sich heraus, daß diese alle dolichopellisch sind, daß sogar kein einziger Index unter 100 sinkt. Bei keinem Affen- becken also ist der Querdurchmesser des Beckeneinganges größer als die Conjugata vera; die sog. Querspannung des Beckens kommt nicht vor. Nach den einzelnen Genera untersucht, gestaltet sich der Ein- sangsindex folgendermaßen: Arpalen Wi 22 ni. a er RAS Miyebtes>»t sn >. 52.020105 Chrysolhfieessa 0 0 de Aa Debus.. en en a ee Ateles WEN Pen Oynocephalus. .. u. rn ar Macaeus'. „=... 2 00 GereoeebuUs 2 oa... A241 Oercopitheeus . . . . . 134,83 Semnopithecus . . . . . 132,26 Hajlohates zn. Nele ee Ann Simmia,satyrüs...u\%, = Ur:4192,94 Schimpanse), 7:4 7..222148,03 Golan Per Aus dieser Tabelle geht hervor, daß bei den Platyrrhinen ein großer Unterschied darin besteht, daß der Index der Becken von Ateles und Mwycetes viel höher ist als derjenige der übrigen Genera. Während Ateles einen Index von 173,28 und Mycetes einen von 161,5 aufweist, ist dieser bei den anderen Genera durchschnittlich nur 129. In dieser Beziehung gleichen die letztgenannten Platyrrhina den Catarrhina, bei welchen der betreffende Index 131,68 beträgt. Ver- gleicht man den Eingangsindex der Becken nicht anthropomorpher Affen (außer Ateles und Mycetes) mit dem der Hylobatiden und der Anthropomorphae, dann stellt sich heraus, daß bei den letzteren der Eingang relativ schmäler.ist als bei den ersteren. Nur Aieles und Muycetes übertreffen die Menschenaffen. Diese Erscheinung ist um so auffälliger, als man erwarten konnte, daß sich der Beekeneingang der anthropomorphen Affen der Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 73 Form des Einganges des menschlichen Beckens mehr nähern würde als derjenige der nicht anthropomorphen Affen. Das Gegenteil ist der Fall; der Eingang ihrer Becken ist vielmehr ein Oval mit der Conjugata vera als lange Achse, und bei den geschwänzten Affen ist die Form des Einganges mehr rund. Es ist jedoch die Frage, ob die statischen Momente ohne Einfluß auf diese Formverhältnisse sind. Bei Ateles, der den anderen Platyrrhinen gegenüber das Ver- mögen besitzt, aufrecht zu gehen, finden wir einen Eingangsindex, welcher in demselben Sinn® überwiegt wie der Index der Anthro- pomorphen, d. h. der Beckeneingang von Ateles (und Mnaycetes) ist viel ovaler als derjenige anderer Platyırhinen. Ordne ich, soweit es möglich ist, die untersuchten Becken nach dem Geschlechte der Tiere, dann erhalte ich die folgende Tabelle: 6) Q Oedipomidas oedipus. . . 128,2 116,6 LEN ee 0 130,7 Oynocephaus . . . . . 119,13 109,6 Mocncus cyn.... '....... 0.3 Last 113,8 - BRESUSY 2 7. 004 219258 144,2 Gereopitheeus . . . . . 141,18 132,5 Semnopitheeus . . .. . . 126,14 118,18 lese 2 a. u 0 UT 142,13 Sımva satyrus.. . .: . . 1542 141,99 Srhumnpanse. .;.......r0...1994 141,8 alla. 2 20205. ad 144,21 Aus dieser Tabelle geht unzweideutig hervor, dab geschlecht- liche Unterschiede im Primatenbecken bestehen, auch was den Beckeneingang betrifft. Dieser ist beim weiblichen Geschlechte viel runder ist als beim männlichen. Ausgenommen von dieser Regel sind Hylobates und Schimpanse. Bei ihnen war der Eingangsindex des männlichen Beckens ein wenig niedriger als jener des weib- lichen Beckens. Das Resultat aus allen von mir untersuchten Becken bei diesen beiden Formen stimmt mithin nicht genau mit dem über- ‘ein, was ich in einer früheren Mitteilung darüber gesagt habe (3), nämlich daß der Eingang des weiblichen Beckens runder sei als der des männlichen. Das wird wohl teilweise durch die etwas ge- ringen Unterschiede bedingt sein, welche die anthropomorphen Affen in diesen Indices zeigen, Unterschiede, welche im allgemeinen viel kleiner sind als bei den nicht anthropomorphen Affen. A.J. P. v. d. Broek Q Hylobates. Fig. 21 natürl. Größe; 22, 23: 1/, natürl. Größe; 24: 1/3 natürl. Größe. Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 75 Fig. 26. Simia salyrus. Schimpanse. Fig. 27. Gorilla. Fig. 25 und 26: 1/, natürl. Größe; 27: 1/; natürl. Größe. Weiter sei vom Beckeneingange die verschiedene Lagerung der größten Breite bei verschiedenen Spezies erwähnt. Eine Vergleichung der Figg. 21—27 lehrt uns, daß die größte Breite des Einganges bei den anthropomorphen Affen mehr nach vorn als bei den nicht anthropomorphen Affen und bei den Affen der alten Welt mehr nach vorn als bei jenen der neuen Welt liegt. 76 A.J.P.v.d. Broek Bei Oedipomidas oedipus (Fig. 21) z. B. liegt die größte Ein- gangsbreite fast unmittelbar vor dem Kreuzbein, und die Breite des Kreuzbeines zur Höhe der Linea innominata differiert fast nicht von dem Diameter transversus. Auch bei Cebus ist das noch in besonderem Maße der Fall (Fig. 22), obwohl diese Stelle an- scheinend beim männlichen Geschlechte noch weiter nach hinten liegt als beim weiblichen. Bei Macacus liegt (Fig. 23) die Stelle der größten Eingangs- breite bereits viel mehr nach vorn, und der Beckeneingang erhält dadurch eine mehr ovoide Gestalt. Doch ist hierbei zu bemerken, daß die Breite des Einganges eine ziemlich große Strecke weit un- gefähr gleich bleibt. Am weitesten nach vorn befindet sich der Diameter transver- sus bei Hylobates (Fig. 24), bei dem er der Symphyse näher liegt als dem Promontorium. Bei den Anthropomorphen liegt er wiederum etwas mehr nach der Mitte (Fig. 25—27). Dadurch, daß man die beiden Eingangsmaße in den Fig. 21—27 einzeichnet, kann man ihre relative Lagerung bestimmen. Setzt man die Conjugata vera — 100 und drückt den Abstand des Diam. transversus vom Promontorium in Prozenten der Conjugata vera aus, dann erhält man: Oedipomidas oedipus . . . 25% Cebais "spec... 2. 29,30 Mneaeus N, 2 en Hylobates a. @.- Wear onen, Simia satyrus (juv.) . . . 43,9% Schimpanse... .... ,.. ‚zodaln Gorllam.. ST nen. 0 00 Hierbei ist zu bedenken, daß die gegebenen Zahlen keine Mittelzahlen sind, sondern solehen Becken entnommen sind, welche ich senkrecht auf den Eingang zeichnen konnte. Bei Gorilla, Schimpanse und Hylobates liegt somit die größte Breite vor, bei Macacus in der Mitte, bei Simia (juv.) und bei den Westaffen hinter der Mitte der Conjugata vera. Ebenso konnte nur an wenigen Becken der Einfluß des Ge- schlechtes auf die Lagerung des Diameter transversus zur Conjugata vera bestimmt werden. Es wurde bereits hervorgehoben, daß der Eingang des weiblichen Beckens im allgemeinen breiter ist als der- jenige des männlichen, wofür die Figg. 21—24 als Belege dienen. Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 717 Die folgenden Fälle belehren uns über die relative Lagerung des Diameter transversus auf die Conjugata vera: 6) Q Oedipomidas oedipus. . . . 29%, 7,40%, as sDee. 3% 22. A, us... na un BON 500/, Bentes. 1... 2... 0, N 64,69, Bei Oedipomidas und Cebus fand ich somit ziemlich erhebliche Unterschiede darin, daß der Diameter transversus beim weiblichen Geschlechte weiter nach vorn liegt als beim männlichen; bei Ma- cacus und Hylobates fand ich keine nennenswerten Unterschiede. Vielleicht werden an einem reichhaltigeren Material deutlichere Re- sultate zutage treten. Die Lagerung mehr nach der Mitte zu stimmt bei den Neuweltaffen mit der allgemeinen Form überein. Am menschlichen weiblichen Becken soll nach VERNEAU u. a. ent- sprechend der mehr runden Eingangsform der Diameter transversus mehr nach vorn als am männlichen Becken sich befinden. ec) Beckenhöhle und Beckenausgang. Von beiden werde ich zuerst die absoluten Maße, dann die Form, d. h. das Verhältnis zwischen Länge und Breite betrachten. Bei den Platyrrhinen ist die Länge der Beckenhöhle in den meisten Fällen geringer als die Con- Jugata vera und größer als die Länge des Beckenausganges. Jedoch scheinen diese Verhältnisse nicht konstant zu sein, da auch öfters der umgekehrte Fall vorkommt, wie die Tabellen lehren. Bei Ateles ist, im Gegensatz zu anderen Platyırhinae, die Länge der Becken- “ höhle größer als die Conjugata vera (sechsmal unter acht Fällen). Bei den Catarrhinen übertrifft in der Mehrzahl der Fälle die Länge der Beckenhöhle die Conjugata vera, bisweilen sogar nicht unerheblich. Dagegen ist die Länge des Beckenausganges meistens geringer als die der Höhle, und diese bleibt sogar hinter der Con- jugata vera zurück. Was die Breitenmaße des kleinen Beckens bei den geschwänzten West- und Ostaffen betrifft, so nimmt sie von oben nach unten ab, d. h. der Diameter transversus des Beckeneinganges ist größer als der der Beckenhöhle. Letztere übertrifft wiederum die Distantia spinarum ischii!. Im Querdurehmesser zeigt somit das 1 Wegen der verschieden starken Entwicklung der Tubera ischii habe ich für die Breite des Beckenausganges die Distantia spinarum ischii gewählt, da diese viel genauer zu bestimmen ist. 78 A.J.P. v.d. Broek kleine Becken eine ausgesprochene Trichterform, wie es denn auch in den Fig. 23—33 zum Ausdruck kommt. Etwas anders gestaltet sich das kleine Becken der schwanz- losen Affen, der Hylobatiden und Anthropomorphae. Am Hylobates- Becken fand ich in 4 Fällen die Länge der Beckenhöhle größer als die Conjugata vera; dagegen war sie in 15 Becken kleiner. Die Länge des Beckenausganges übertraf nur einmal ganz wenig die Beckenhöhlenlänge, dagegen war sie in 18 Fällen kleiner. Wir sehen also, daß im allgemeinen das kleine Becken von Gibbon in dem Längenmaße von oben nach unten trichterförmig sich verengt. Die Breite des kleinen Beckens nimmt nach unten auch regelmäßig ab. Die Breite der Beekenhöhle übertraf nur einmal ein wenig den Diameter transversus des Einganges; die Distantia spinarum ischii war zwar in 4 Fällen etwas größer als der Querdurchmesser der Höhle, jedoch in allen diesen Fällen erheblich kleiner als derjenige des Beckeneinganges. Bei Simia satyrus fand ich die Länge der Beckenhöhle nur einmal 2 mm größer als die Conjugata vera; in allen anderen Fällen war sie kürzer. Die Länge des Beckenausganges ist immer geringer als diejenige der Höhle. Was von den Längenmaßen gilt, gilt auch für die Breitenmaße des kleinen Beckens; auch sie nehmen von oben nach unten, sogar ziemlich stark, ab. Das ganze kleine Becken von Simia satyrus hat dadurch ebenso wie dasjenige von Hylobates, eine ausgesprochene Trichterform. Beim Schimpansen übertraf in 6 Fällen die Länge der Becken- höhle die Conjugata vera, in 19 Fällen war sie kürzer. Der Becken- ausgang war an zwei Becken länger als die Beckenhöhle, 23mal kürzer. Von diesen zwei Becken hatte eines vier Sacralwirbel, das andere sechs. In den zwei Fällen erreichte die Länge des Beckenausganges nicht den Wert der Conjugata vera. Von den Breitenmaßen gilt, daß die Breite der Beckenhöhle nur einmal den Diameter transversus übertraf, und die Distantia spinarum ischii nur einmal größer war als der Querdurchmesser der Beckenhöhle. So- mit hat auch das kleine Becken vom Schimpansen eine aus- gesprochene Trichterform. Ebenso besitzt der Gorilla ein Triehterbecken, bei dem die Maße des kleinen Beckens von oben nach unten abnehmen. Alle Maße der Höhle des kleinen Beckens fand ich geringer als diejenigen des Einganges, die des Ausganges wiederum geringer als die der Höhle. Neben den absoluten Zahlen der Maße können wir die Ver- Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 79 hältnisse zwischen Länge und Breite in verschiedenen Höhen des kleinen Beckens ins Auge fassen. Ich habe die Indices für den Beckeneingang, die Beckenhöhle und den Beckenausgang berechnet. Indem ich den kleinsten Index, das ist somit die Form, welche sich am meisten einem Kreise nähert, mit 1 bezeichne, den größten mit 3, habe ich in der folgenden Übersicht meine diesbezüglichen Befunde zusammengestellt. Es sind natürlich sechs Möglichkeiten in der Folge der Indices vorhanden. | Se ee Pe & h > | | A | BE Eee oil) 7, 67 A. al ıl Say a ee Be ae en a Be Bari. 22|,3| ıj-]) =] |) =|—1-)1 er a) — | — a, aa l1o 58 3,31 |-|-|- -/|-|-|\-|-|-!-|-|5|.2| 7/4 Aus dieser Tabelle geht erstens hervor, daß die Beckenhöhle fast niemals derjenige Teil des kleinen Beckens ist, der sich am meisten einem Kreise nähert; denn nur in 3 von 133 Fällen besab die Beckenhöhle den niedrigsten Index. Gehen wir dem Verhalten in Einzelheiten nach, dann sehen wir, daß der Beckeneingang bei den nicht anthromorphen Affen in der großen Mehrzahl der Fälle den niedrigsten Index hat, d. h. am rundesten ist, nämlich in 55 von 65 Fällen (84,61°/,). Die Höhle ist meistens der schmalste Teil, näm- - lieh 43mal in 65 Becken — 66,15 /,, in den übrigen Fällen wird sie . nur vom Beckenausgange übertroffen (bis auf einen Fall). Dieser steht in 34 Fällen = (52,31°/,) zwischen Beckeneingang und Becken- höhle; er ist in 9 Fällen runder als der Eingang und in 21 Fällen schmaler als die Beckenhöhle. Zwischen Platyrrhinen und Catarrhinen besteht noch ein typi- scher Unterschied darin, daß, während der Index des Beckenaus- ganges bei den Platyrrhinen den Beckeneingang etwa nur in der Hälfte der Fälle übertrifft (12 gegen 9), der Index des Ausganges bei Catarrhinen immer größer ist als jener des Einganges. Es steht diese Erscheinung unzweifelhaft damit in Zusammenhang, daß das 1 Diese Folge bedeutet somit: Der Beckeneingang hat den kleinsten Index, ihm folgt die Beekenhöhle, während der Index des Ausganges am größten ist. 80 A.J.P. v. d. Broek Kreuzbein der Platyrrhinen im Verhältnis zur Beckengröße größer ist als bei den ÖOstaffen. Tragen wir den absoluten Maßen sowie den Maßverhältnissen Rechnung, dann lassen sich von der Form des kleinen Beckens bei den Westaffen wie bei den Ostaffen Figuren entwerfen, wie ich sie in Fig. 28 und 29 für Cebus und für Macacus gegeben habe. Bei Hylobates sehen wir ziemliche Unregelmäßigkeiten bezüglich der Formverhältnisse in verschiedenen Niveaus des kleinen Beckens, eine Erscheinung, welche uns bereits beim Studium der absoluten Fig. 28. Fig. 29. Fig. 30. Fig. 31. Cebus. Macacus. Hylobates. Simia satyrus. 1/2 natürl. Größe. 1/. natürl. Größe. 1/3 natürl. Größe. 1/4 natürl. Größe. Fig. 32. Fig. 33. Fig. 34. Schimpanse. 1/, nat. Größe. Gorilla. !/s natürl. Größe. Mensch. 1/4 natürl. Größe, Maße entgegentrat. Fig. 30 gibt einen Fall wieder, in dem das Becken seine Trichterform deutlich zeigt. Dagegen herrscht bei den Anthropomorphen eine größere Regelmäßigkeit. In 49 von 52 Fällen, d. h. 94,20/,, besitzt der Beckenausgang den kleinsten Index, d. h. nähert sich in seiner Form am meisten einem Kreis. Die Beckenhöhle besitzt bei der Mehrzahl der Objekte den größten Index, während der Eingang zwischen beiden steht, und zwar in 38 von 52 Fällen oder 73,08%,. Auf den Fig. 31, 32 und 33 Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 81 habe ich von den Becken von Simia satyrus, Schimpanse und Gorilla die Form und Größe von Beckeneingang, Beckenhöhle und Becken- ausgang wiedergegeben. Man ersieht daraus, wie erstens die Form des kleinen Beckens ein Oval in den verschiedenen Höhen bleibt, und zweitens die Triehterform deutlich zum Ausdruck kommt. Am geringsten verengt sich von oben nach unten das Schimpansenbecken; bei Simia satyrus kommt die Verengung in der Hauptsache im oberen Teile des kleinen Beckens zustande, bei Gorilla im unteren Abschnitte. Zur Vergleichung habe ich auf Fig. 33 die Form von Eingang, Höhle und Ausgang eines menschlichen Beckens wiedergegeben!. Abgesehen von der Erscheinung der Querspannung im menschlichen Becken sieht man, bei Vergleichung der Fig. 33 mit jenen der Affen- becken, daß die Form des kleinen Beckens der anthropomorphen Affen demjenigen des Menschen nicht näher steht als die der nicht anthropomorphen Affen, sich im Gegenteil davon weiter entfernt. Die geschlechtlichen Unterschiede in der Form des kleinen Beckens sind, soweit meine Beobachtungen reichen, bei den niederen catarrhinen und den platyrrhinen Affen etwas deutlicher ausge- sprochen als bei den Anthropomorphae. Bei Oedipomidas oedipus sind der Eingang des kleinen Beckens sowie der Ausgang im weib- lichen Becken runder als im männlichen; die Höhle fand ich um ein geringes ovaler. Bei Cebus ist in allen Teilen das weibliche Becken runder als das männliche. Bei Macacus besitzt das weib- liche Becken einen kleineren Eingangsindex und einen kleineren Index der Höhle (2 Fälle); dagegen fand ich den Index des Beeken- ausganges größer, d. h. dieser war ovaler. Diese Erscheinung kann uns nicht sehr wundern, da bereits auf die Kürze des Kreuzbeines beim weiblichen Geschlechte hingewiesen wurde. Vor allem ist das Kreuzbein bei dem untersuchten weiblichen Macacus rhesus sehr klein. Bei Hylobates sind die Unterschiede sehr gering und so wech- selnd, daß sich keine besondere Regel aufstellen läßt. Das weibliche kleine Becken von Siömia satyrus ist in allen seinen Teilen runder, also relativ breiter als das männliche Becken. Meine Untersuchungen an Schimpansen und Gorilla haben mich zu Resultaten geführt, welche nicht ganz übereinstimmen mit dem, was ich früher über den Eingang gesagt habe. Das wird seine Ur- sache in der weit größeren Zahl der in Betracht kommenden Becken haben. Wie sonderbar es auch scheint, so muß doch festgestellt 1 Hierbei ist zu beachten, daß ich als Querdurchmesser des Beckenaus- ganges, zur besseren Vergleichung, die Distantia spinarum ischii wählte. Morpholog. Jahrbuch. 49. 6 32 A.J. P..v. d. Broek werden, daß das weibliche kleine Becken durchgehends in seinen verschiedenen Teilen höhere Indices besitzt als das männliche Becken, d. h. stärker oval ist, während das männliche mehr der Kreisform sich nähert. d) Symphyse. Auf S. 40 wurden bereits die Formeigentüm- lichkeiten der Symphyse hervorgehoben. Hier habe ich noch auf die Beziehung der Symphyse zum kleinen Becken einzugehen. Eine Berechnung des Verhältnisses der Symphysenhöhe zur Höhe des kleinen Beckens gibt die folgenden Resultate: Mittel | S Q Hapale und Midas... .....\ 583-777 | 68,6 | 58,5 58,3 NWYERDIINeBUBS ee een oe 1 66,6 5 — —_ ONTSSOraE ME RN ee \ 55,3—69,6 60,13 | _ _ Gobus ze a ee \ 53,35—63 58,9. | 762 61,2 IMojeetas 52. BER We | 571-622 | 965 | — — EP ENRESIIT REN e I 51,7—17,4 68,55 — — Cpnocephaluse 2 Da ae | 65,8—86,8 76,56 | 79,07 _ FHRRRGISEHE TEA NSRRNE Ann To eo Merre 64,3 —92,4 76,78 | 74,54 71,6 Gereoeebus. nen. et 11,78 | _ _ FPRCODÜNELUS = ee ne Moe Henne ı 75—92,9 328 |ı 73 15 SEMNOPUNEEUS 2 . no ee ı 75—93,4 822 | 84,27 | 79,65 (75 Colous RE THU LEST — _ ylobates a MEN SEHE \" 64,35—93,8 73.792.778 78,98 SUNAE: SORJFUSS N. | 45,1—69,2 555 | 578 52,27 Schimpanse . 2. 1:0. Neue | 39,7— 73,5 57,22 | 58,72 57,2 Borilla oa #34. Se pl Fee | 34,6-65 | 496 51,98 46,6 Aus dieser Tabelle erhellt, daß die catarrhinen Affen eine Sym- physe besitzen, welche im Verhältnis zur Höhe des kleinen Beckens be- trächtlich höher ist als jene der platyırrhinen Affen. Bei den ersteren beträgt die Höhe der Symphyse durchschnittlich 78°/, der Höhe des kleinen Beckens, bei den letzteren nur 64,40%/,. Innerhalb der beiden Gruppen kommen keine erheblichen Unter- schiede vor. Im besonderen sei noch auf Ateles hingewiesen. Bei ihm ist der Index der Symphyse der größte unter den Platyrrhinae. Er zeigt hierin eine Eigentümlichkeit, welche den Anthropomorphae nicht eigen ist, und nähert sich den Verhältnissen der Catarrhinen (und Hiylobates). Daß die Symphyse .bei Hylobates fast genau so hoch ist wie die angrenzenden Teile des kleinen Beckens, wurde bereits hervor- gehoben; der Symphysenindex (79°/,) ist noch ein wenig höher als derjenige der Catarrhinae (78/,). Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 83 Im Becken der anthropomorphen Affen ist der Index der Sym- physe im allgemeinen ziemlich niedrig gegenüber geschwänzten Affen und bei Hylobates. Es folgen der Reihe nach Schimpanse, Simia satyrus, Gorilla. Doch ist bei den Menschenaffen der Sym- physenindex beträchtlich höher als beim Menschen, bei dem dieser Index einen Wert von = 35°/, hat. Außer auf die relative Höhe der Symphyse sei hier noch auf die geschlechtlichen Unterschiede der Symphysenhöhe hingewiesen. Auf S.49 wurden die Formdifferenzen dieses Teiles in dieser Hin- sicht bereits hervorgehoben. In der dritten und vierten Reihe der obenstehenden Tabelle findet man die Werte für die Symphysen von männlichen und weib- liehen Becken, soweit sie mir zur Verfügung standen. Es genügt ein Hinweis auf die betreffende Tabelle zur Erhärtung der Angabe, daß auch im Verhältnis zum kleinen Becken (und zum ganzen Becken) die weibliche Symphyse niedriger ist als die männliche. e) Angulus pubis. Im Abschnitt über die Technik meiner Messungen habe ich die Bestimmung der beiden Winkel am oberen und am unteren Rande der Symphyse auseinandergesetzt; die Me- thode läßt sich für die Vergleichung verschiedener Becken verwerten. Bei den Platyrrhinen variiert der Angulus pubis superior zwi- schen 62° und 130°, somit in einer sehr großen Breite. Der An- gulus pubis inferior, der gewöhnlich kurzweg Angulus (Arcus) pubis genannt wird, zeigt Werte, welche zwischen 54° und 124° schwanken. Durehschnittlich ist der untere Pubiswinkel kleiner als der obere. Bestimmte Speziesunterschiede treten nicht zutage. Dagegen sind Geschlechtsunterschiede deutlich darin ausgedrückt, daß beim weib- liehen Geschlechte die beiden Winkel im allgemeinen größer als beim männlichen sind. So finde ich z. B. bei Oedipomidas oedipus g' sup. 110°, inf. 66°, bei Oedipomidas oedipus @ sup. 128, inf. 96°. Bei Cebus sind die Werte g'! 117° und 67°, © 123° und 74°, bei Ateles 5‘ 96° und 109°, © 130° und 110°. Für die Catarrhinen läßt sich die folgende Tabelle aufstellen: Ang. pub. sup. Ang. pub. inf. Oynocephalus . . . 95°—143° 28°—91° Mocarus... ....., 102013822 39°—102° Gereocebusi u "2 ..,2952° 1092 43°—76° Cercopithecus . . . 90°—132° 31°—75° Semnopithecus . . 116°—150° 330—67° Colobus'*.. ;%:. u. 2 4.bH1 921402 45° 52° 6* 34 A.J.P. v. d. Broek Auch hier tritt wieder eine sehr große Variationsbreite zutage. Bestimmte Unterschiede bei verschiedenen Genera lassen sich fast nicht nachweisen; der Angulus pubis inferior von Macacus scheint am größten zu sein. Daß ein großer Angulus pubis superior nicht mit einem großen Angulus pubis inferior verbunden zu sein braucht, beweist z. B. Semnopithecus mit einem sehr hohen oberen Symphysen- winkel, jedoch einem kleinen unteren. Was die unteren Symphysenwinkel angeht, so überschreiten sie nur bei Macacus einen rechten Winkel; sie sind im allgemeinen kleiner als bei den Platyrrhinen. Deutliche Geschlechtsunterschiede treten auch bei ‘den Catarr- hinen zutage. Bei Macacus ist beim männlichen Geschlechte der Winkel zwischen den Schambeinästen am Beckeneingange durch- schnittlich 119°, beim weiblichen 122°; die unteren Winkel betragen g' 58°, © 76,6°; bei Semmnopithecus fand ich die Werte g! 128° und 33°; @ 148° und 67°. Bei den anderen Formen sind die Unterschiede nicht so scharf ausgesprochen. Bei Hylobates ist die Bestimmung des Angulus pubis eigentlich nicht gut ausführbar. Nicht allein bilden die Ränder der horizontalen Seham- beinäste ungefähr eine gerade Linie, sondern auch die absteigenden Schambeinäste gehen so stark auseinander, daß der Angulus pubis inferior fast 180° ist, was ich bereits bei der Beschreibung der Form des Beckens erwähnt habe. Bei Simia satyrus fand ich für den Angulus superior Werte zwischen 110° und 152°, für den Angulus pubis inferior zwischen 45° und 136°. Zu bemerken ist hierbei, daß die Becken von juve- nilen Tieren im allemeinen beträchtlich höhere Werte zeigten, als die von erwachsenen Tieren, was besonders für den Angulus pubis inferior zutrifft. Bei erwachsenen Tieren beträgt dieser von 45°—109°, bei juvenilen Tieren 115°—136°. Die Geschlechtsunterschiede sind bei Simia satyrus nicht deutlich ausgesprochen, wenn man ausschließlich die Größe der Pubiswinkel bestimmt. Gegen meine Erwartung fand ich sogar bei den männ- lichen Tieren beide Winkel entschieden größer als bei den wenlsBsE nämlich g'! 145,25° und 95,5° bezw. © 138° und 85°. Vom Sehsupaiss konnte ich nur wenige Becken auf das Verhalten der Symphysiswinkel untersuchen und ich fand einen oberen Symphysis- winkel zwischen 122,5° und 180°, einen unteren zwischen 68° und 119°, Für die Vergleichung der beiden Geschlechter stand mir nur ein männliches und ein weibliches Becken zur Verfügung. Am weib- Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. [225) lichen Becken waren die beiden Winkel nicht unbedeutend größer als am männlichen (@ 125° und 115°; g'! 123° und 68°). Auch von Gorilla konnten nur wenige Becken auf die Anguli pubis untersucht werden. Der obere Symphysiswinkel betrug 120,5° bis 140° der untere 96°—135,5°. Von zwei männlichen Becken waren die Winkel durchschnittlich 126° und 98,5°; von 3 weiblichen Becken 131,2° und 108,8°. Letztere sind somit größer; jedoch ist, wie beim Schimpanse, der Unterschied beim Angulus pubis superior nicht so deutlich wie beim Angulus pubis inferior. f) Index sexualis. Der von SerGI als Geschlechtsmerkmal für das menschliche Becken aufgestellte Index sexualis wird be- stimmt durch das Verhältnis zwischen der Breite des Einganges vom kleinen Becken und der Breite des ganzen Beckens. Es ist somit auch brauchbar für die Frage, inwiefern mit der Verbreiterung des ganzen Beckens in der Primatenreihe eine Verbreiterung des kleinen Beckens parallel geht. Es ist von vornherein klar, daß der genannte Index einen desto höheren Wert besitzen wird, je geringer die Breitenentwicklung des ganzen Beckens ist. Wir haben denn auch für die platyrrhinen und catarrhinen Affen im allgemeinen höhere Zahlen zu erwarten als für Aylobates und die Anthropomorphen, welche letzteren besser mit dem menschlichen Zustande vergleichbar sind. Der Index sexualis gestaltet sich folgendermaßen: I. Platyrrbina. Banıle. . .'.: . . 7884.) Nyctipithecus. . . . 58,04 Chrysothrix OBER. 80.8 Mittel 71,4] ns LAN RN, 768532 EEE > 770,5) ; DES Se a 61,45 a II. Catarrhina. Oynocephalus. . . . 55,02 BIREBeIRSS. =. SYD SO BETEDEEBUS: =: .. 2228308 h Cercopithecus- .... .... ..99,08 Mittel 553 Semnopithecus . . . 52,04 BOlGBUS. 2.0 2.0 ae BEER NIODIES =. - 1... AS ker er ABO Bene sotumus: 2) 0. wa ee re AT Beschimpahse.." 7 „oo. wen. 2.5884 Beier Te 135.08 86 A.J. P. v.d. Broek In der Gruppe der Platyrrhinen besitzt Ateles, wie zu erwarten war, einen niedrigeren Index als die anderen Formen. Ihm folgt Nyctipithecus. Der Wert des Index sexualis vom Ateles-Becken kommt ungefähr überein mit dem der Altweltaffen und von Hylobates. Das ist eine eigentümliche Erscheinung insofern, als Ateles und noch viel mehr Hylobates eine starke Breitenentfaltung des Planum iliacum besitzen, welche den Catarrhinen abgeht. Somit haben wir anzu- nehmen, daß das kleine Becken bei Afeles und auch bei Hylobates sich zugleich mit der Verbreiterung des ganzen Beckens mehr in die Breite entwickelt hat, obwohl sie der Entfaltung des ganzen Beckens nicht ganz parallel geht. Die Werte des Hylobates-Beckens kommen dem menschlichen Zustande am nächsten. Sehr stark sinkt der Wert des Index sexualis im Becken der Anthropomorphen; d. h. die mächtige Entfaltung des Planum iliacum im Verhältnis zum kleinen Becken erreicht einen viel höheren Grad, als im menschlichen Becken und entfernt sich hierin mehr vom menschlichen Zustande als das Gibbonbecken. Auch für die geschlechtlichen Differenzen stellt sich der SerGısche Index an den Affenbecken als sehr brauchbar heraus; die Differenzen bestehen in gleicher Weise wie im menschlichen Becken. Um eine längere Beschreibung zu umgehen, gebe ich im folgenden meine Befunde tabellarisch wieder. 6) Q Oedipomidas . 69,2 72,1 lebus 7 2009 .0852 68,2 Mocaeust =. a1 14 57,41 Cercopithecus . 56,29 57,46 Semnopithecus 51,33 52,39 Hylobats . . 44,81 46,21 Simia satyrus. 371,83 42,28 Schimpanse . 37,64 40,1 Gorilla . . . 34,28 37,24 jr Hieraus ersieht man, daß das weibliche Becken durchgehends einen höheren Index sexualis besitzt als das männliche; m. a. W. das kleine Becken ist, im Verhältnis zur Breite des ganzen Beckens beim weiblichen Geschlechte stärker in die Breite entwickelt als beim männlichen. Die Unterschiede sind oft sogar größer als im menschlichen Becken. Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 87 Über Asymmetrie im Primatenbecken. Es ist ein bekannte Tatsache, daß im menschlichen Körper sog. normale Asymmetrien vorkommen (vergl. GAupP); Asymmetrien, an welchen auch das Becken seinen Anteil hat. Nach Hasse findet man immer im Becken einen mehr oder weniger ausgesprochenen Grad der Asymmetrie. Im allgemeinen ist die rechte Beekenhälfte ein wenig größer und geräumiger als die linke; dieser Unterschied ist nach ihm nur eine Teilerscheinung der stärkeren Entwicklung der rechten Körperhälfte überhaupt. Die linke Beckenhälfte steht als Folge einer etwas größeren Länge des linken Beines ein wenig höher als die rechte Hälfte. Die Asymmetrie des Beckens kann nach STAFFEL (zit. nach GAUPP) sogar als Ursache der normalen statischen Skoliose mit betrachtet werden. Die Asymmetrie des menschlichen Beckens zeigt sich u. a. in der Differenz der beiden schrägen Durchmesser des Beckeneinganges, was für die Geburt und die Geburtshilfe von Bedeutung ist. Es ist denn auch dieser Unterschied wegen seiner praktischen Bedeutung am besten bekannt. Wenn die Asymmetrie des Beckens Teilerscheinung einer all- gemeinen »normalen« Asymmetrie des Körpers ist, dann kann man eine derartige Asymmetrie auch im Becken der Primaten erwarten, um so mehr, als Asymmetrien in andern Körperteilen, besonders den Extremitäten, uns bereits durch Untersuchungen von BARDELEBEN und Morrıson bekannt sind. Ich habe bei meinen Untersuchungen hierauf geachtet und dies- bezüglich die beiden schrägen Durchmesser des Beckeneinganges aufgenommen. Ich habe sie so genau wie möglich vom Tuberculum ileo-pubicum bis zu der Stelle gemessen, wo an der Gegenseite die Linea terminalis die Articulatio sacro-iliaca erreicht. Bevor ich zur Beschreibung meiner Resultate übergehe, sei einiges über die Nomenklatur eingeschaltet. Es werden am Beckeneingange zwei schräge Durchmesser unter- schieden, nämlich der rechte oder erste und der linke oder zweite schräge Durchmesser. Ersterer verläuft zwischen dem linken Tuber- eulum ileo-pubicum und der rechten Artieulatio sacro-iliaca, der zweite zwischen rechtem Tuberceulum ileo-pubicum und linker Arti- eulatio sacro-iliaca. Werden die schrägen Durchmesser derart in der deutschen und holländischen Literatur benannt, so ist es in der französischen Literatur gerade umgekehrt: der linke schräge Durch- messer ist der Abstand zwischen linkem Tubereulum ileo-pubicum 88 A.J.P.v. d. Broek und rechter Artieulatio sacro-iliaca. Diesem Unterschied wäre selbst- verständlich bei der Vergleichung der Resultate oder bei Angaben aus den Arbeiten in diesen verschiedenen Sprachen Rechnung zu tragen. Ich habe vor kurzem einen kleinen Aufsatz über die Asymmetrie im Primatenbecken in französischer Sprache veröffentlicht; die dabei verwandten Figuren sind ungefähr! das Spiegelbild der dieser Arbeit beigefügten Abbildungen als Folge des obengenannten Unterschiedes. Es wäre vielleicht vorzuziehen, nach Angabe von AUVARD die schrägen Durchmesser des Beckeneinganges nach dem Darmabschnitte zu benennen, welcher an dem hinteren Ende des Durchmessers verläuft. Der rechte schräge Durchmesser würde dann der eoecale, der linke der rectale werden. Platyrrhina. Von den 25 untersuchten Becken von Neuwelt- affen waren 16 symmetrisch, an 4 Becken war der rechte schräge Durchmesser der größere, an 5 Becken war es der linke. Bei diesen Resultaten muß in Betracht gezogen werden, daß wegen der Klein- heit mancher Becken minimale Differenzen vielleicht nicht zum Aus- druck kamen. Die untenstehende Tabelle gibt über die beobachteten Asymme- trien bei den verschiedenen Spezies Aufschluß: S.2 1 K total Hoya... 4 „| — 2: Oedipomidas . — 2 - 2 Midas . ii 1 -- 2 Mycetes . 2 _ = 2 Chrysothrix 3 — _— 3 Cebus 5) — 1 6 Ateles 4 4 8 16 4 5 25 Nach der Methode von MoLLısox habe ich in dem nebenstehen- den Diagramme (Fig. 35) die prozentuale Verteilung der symmetrischen und asymmetrischen Becken wiedergegeben. Auf dem nach unten gerichteten Radius sind in diesem und den folgenden Diagrammen die Becken mit symmetrischem Eingang abgesetzt, auf dem nach 1 Ich sage »ungefähr«, da die absolute Zahl der untersuchten Becken in dem genannten Aufsatze noch etwas kleiner ist als die hier gegebene. ? s = symmetrisch, r = Überwiegen des rechten schrägen Durchmessers, Il= - - linken - - Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. s9 rechts gerichteten diejenigen mit größerem rechten, und auf dem nach links gerichteten diejenigen mit größerem linken schrägen Durch- messer. Das Vorherrschen der symmetrischen Becken fällt dabei sofort auf. Bei genauer Betrachtung der Tabelle erkennt man, wie die Befunde bei Ateles stark von jenen bei anderen Platyrrhinen abweichen. Während bei diesen öfters der rechte schräge Durchmesser überwiegt (4mal gegen lmal links), kommen bei Ateles auf 4 symmetrische Becken 4 mit größe- rem linken Durchmesser, indessen ich ein Überwiegen des rechten schrägen Durchmessers nicht beobachtete. Obwohl das Material klein ist, so scheint doch das Ateles-Becken ausgesprochener die Erscheinung der Asymmetrie aufzu- weisen, als die anderen Platyrrhinen. Ateles gleicht hierin sehr dem Hylobates. Catarrhina. Auch bei ihnen ist die Mehrzahl der Becken noch symmetrisch. In der folgenden Tabelle gebe ich eine Über- sicht der Befunde. | Fig. 35. S. r: 1. total Uynocephalus I it 4 14 Macacus . | 6 4 4 14 Cercocebus . . 3 1 L 5 Cercopithecus . 1 2 2 5 Semnopithecus . 5 -- — 5 Nasalis - » . :— 58 — 1 Bolobus. .* .:2°2 1 — 3 26 10 11 47 Aus dieser Tabelle geht hervor, daß der linke schräge Durch- messer hauptsächlich bei Papio (Oynocephalus) häufiger länger ist, als der rechte, daß für andere Formen keine bestimmte Regel aufzustellen ist. Zu bemerken ist noch die überwiegende Zahl asymmetrischer Becken bei Cercopithecus, wo ich 4 asymmetrische gegen nur 1 sym- metrisches Becken fand. In umstehender Figur 36 ist das Ver- hältnis der verschiedenen Zustände zum Ausdruck gebracht. Die Symmetrie dieser Figur deutet ebenso wie die Liste an, daß fast ebensooft der rechte wie der linke schräge Durchmesser überwiegt. 90 A.J.P. v. d. Broek Verglichen mit den Becken der Platyrrhina erkennen wir eine relative Zunahme der asymmetrischen Becken gegenüber den symmetrischen. Hylobates. Von 20 Becken, welche in der Mehrzahl dem Hylo- bates (Symphalangus) syndactylus angehören, waren 10 symmetrisch, 10 asymmetrisch. Sie sind verteilt, wie aus der folgenden Tabelle zu ersehen ist, wobei nach Möglichkeit auch das Geschlecht des betreffenden Tieres mit angegeben ist. S. r 1. total g' 1 2 2 5 O 2 — 3 5 ohne Geschlechtsangabe 7 1 2 10 10 3 [ 20 Erstens fällt auf, daß bei der überwiegenden Zahl der asymme- trischen Becken der linke schräge Durchmesser der größere ist. Dies Fig. 36. Fig. 37. kommt 7 mal vor, wogegen der rechte schräge Durchmesser nur mal größer ist. Die Erscheinung ist ähnlich der, welche bereits bei Ateles erwähnt wurde und aus der Asymmetrie des beigefügten Diagramms (Fig. 37) ersichtlich ist. | Von den 10 Becken, von denen das Geschlecht sicher bekannt war, waren 5 männlich und 5 weiblich. Es scheint, obwohl das an solchem kleinen Material nicht mit Sicherheit zu sagen ist, als ob der linke schräge Durchmesser beim weiblichen Geschlechte noch etwas häufiger überwiegt als beim männlichen. Auffallend ist weiter die Erscheinung, daß unter den Becken ohne Angabe des Ge- Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 91 schlechtes die symmetrischen Becken stark vertreten sind, während sie bei der ersten und zweiten Gruppe in der Minderheit sich be- finden. Ich kann hierfür keine Erklärung geben, möchte aber doch auf die beigefügten Listen der Maße hinweisen, woraus hervorgeht, daß die erste und zweite Gruppe fast ausschließlich große Becken von Hylobates (Symphalangus) syndactylus umfassen, während in der dritten Gruppe überwiegend kleinere Becken von H. syndactylus, H. leueiscus und H. Müller! vorkommen. Vielleicht sind kleine Unter- schiede nicht genügend gut beobachtet worden. Simia satyrus. Von 18 untersuchten Becken waren nicht weniger als 13 symmetrisch, an 3 war der rechte schräge Durchmesser größer, an 2 der linke. Sie verteilen sich nach der Tabelle, wie folgt: S. L. E total g' 2 1 1 4 oO 5 1 —_ 6 ohne Geschlechtsangabe 6 ji 1 8 13 3 2 18 Bei Betrachtung dieser Liste fällt die große Zahl der symme- trischen Becken auf, gegenüber anderen Anthropomorphen- und Hylobates-Becken, wo die Erscheinung der Asymmetrie viel stärker ausgesprochen ist. Unter den 18 Becken waren 7 juvenil. Abgesehen von ihrer Kleinheit, ist es nicht leicht, genau die Stelle des Tuber- eulum ileo-pubicum zu bestimmen. Lassen wir diese 7 juvenilen Becken außer Betracht, dann finde ich für die erwachsenen: S T- l. total g' 1 1 1 3 3 il — 4 obne Geschlechtsangabe 2 1 il 4 6 3 2 11 Dann wird die Zahl der symmetrischen und der asymmetrischen Becken ungefähr gleich groß, wie bei Hylobates; und es scheint, daß bei Orang der rechte schräge Durchmesser etwas häufiger über- wiegt als der linke. Auch hier ist die Zahl der untersuchten Objekte wohl zu gering. In Fig. 38 habe ich das Verhältnis aller Becken (—) sowie der erwachsenen (— — — —) zum Ausdruck gebracht. Schimpanse. Von 25 Becken waren nicht weniger als 15 sym- metrisch, d. h. 60 %,. Von diesen 15 Becken war an 11 der rechte 92 A.J. P. v. d. Broek schräge Durchmesser größer, und nur Amal war es der linke. In der starken Ausdehnung des Dreiecks nach rechts in Fig. 39 kommt dies Fig. 38. zum Ausdruck. Die Verteilung nach den Geschlechtern zeigt die folgende Tabelle: S. r l. total g' 4 4 1 9 QO 3 6 2 11 ohne Geschlechtsangabe 3 1 1 5 10 11 4 25 Es kommt die überwiegende Größe des rechten schrägen Durch- messers in beiden Geschlechtern anscheinend gleichmäßig vor. Gorilla. Unter 14 gemessenen Becken waren 9 asymmetrisch. Von diesen hatten 5 einen größeren rechten, 4 einen größeren linken Fig. 40. schrägen Durchmesser, wie es auf Fig. 40 zu sehen ist. Die Glie- derung nach Geschlechtern ergibt folgendes: Studien zu Morphologie des Primatenbeckens. 03 S. Ir l. total g' 2 2 1: 5 Q 3 2 2 7 ohne Geschlechtsangabe — 1 1 VCHEN 5 5 4 14 Die Bevorzugung eines besonderen Geschlechtes oder eines der beiden schrägen Durchmesser scheint nicht vorzukommen. Übersehen wir die oben beschriebenen Asymmetrien, dann können - wir sagen, daß die Asymmetrie des Beckeneinganges bei den Primaten eine ziemlich häufige Erscheinung ist, da (46,3 °/,) 48,6°/, aller daraufhin untersuchten Becken asymmetrisch sind. Die folgende Tabelle gibt hierüber einen Überblick: total asymmetrisch 0/, Platyrrhina . 25 9 360), Catarrhina . 47 21 44,7 %/, Hylobates . 20 10 50° Oman... det li 5 (27,80%) 45,5 % Schimpanse 25 15 60%), Gorilla. . 14 1) 64,3%, total: (149) 142 69 (46,3 0/,) 48,6 %/, Es ist zu bemerken, daß die Asymmetrie bei Catarrhinen etwas stärker ausgesprochen ist als bei Platyrrhinen, bei den Anthropo- morphen außer Orang wieder ausgeprägter ist als bei den nicht anthropomorphen Affen. Am häufigsten besitzt wohl der Gorilla ein asymmetrisches Becken, nämlich in 64,3 °/, der Fälle. Bei den Platyrıhinen ist noch besonders Ateles zu erwähnen. Bei ihm fand ich in 50°/, der Fälle das Becken asymmetrisch, bei den anderen nur in 29,4 %/,. Ateles kommt in der Prozentzahl mit Hiylobates überein. Unter den Anthropomorphen scheint die Begünstigung einer Seite beim Schimpanse stärker ausgesprochen zu sein als beim Gorilla. Schließlich haben wir unsere Resultate noch zu vergleichen mit denen anderer Untersucher über Asymmetrie bei den Primaten und dem Menschen. In seiner Arbeit über die Körperproportionen der Primaten widmet MoLLıson der Asymmetrie ein besonderes Kapitel. i Die zwischen Klammern gesetzte Zahl gibt alle Orang-Becken an, die andere nur die erwachsenen. 94 A.J.P.v.d. Broek Was die hinteren Extremitäten, welche uns am meisten interessieren, betrifft, sagt MorLıson (l. e. S. 194). »Bei Orang und Gibbon über- wiegen alle drei Knochen (Femur, Tibia, Fibula) der rechten Seite, wenn auch bedeutend weniger als im Arm. Bei Gorilla weisen alle Knochen der linken Seite meist größere Länge auf. Beim Schim- pansen betrifft die Bevorzugung der linken Seite nur das Femur, während Tibia und Fibula meist rechts überwiegen. Am Bein der Cercopitheeinen sind im großen und ganzen alle drei Möglichkeiten gleich häufig realisiert, während bei den Platyrrhinen und den Prosimiern die Fälle von Gleichheit beider Seiten bedeutend häufiger sind.« Dann folgt noch (l. e. S. 195) die Bemerkung: »Die Be- günstigung einer Seite ist in beiden Extremitäten bei den höheren Primaten stärker ausgesprochen als bei den niederen.« Wie man hieraus ersieht, stimmen die Resultate im allgemeinen ziemlich gut überein. Bei der Mehrzahl der Platyrrhinen sind die Beine gleich lang, und es besteht ein symmetrisches Becken. Bei Catarrhinen scheint die Asymmetrie des Beckens nicht so stark aufzutreten, wie die der Extremitäten, obwohl in den freien Gliedmaßen sowie im Becken eine Begünstigung der linken Seite etwas häufiger vorzu- kommen scheint (vgl. die Fig. 42 von MoLLıson und 36 dieser Arbeit). Bei Hylobates und Orang finden wir ein Überwiegen der rechten hinteren Extremität. Am Becken trifft man wohl bei Orang ein Überwiegen des rechten schrägen Durchmessers, bei Hylobates dagegen ein solches des linken an. Bei Gorilla sieht man ähnliches wie bei Hylobates, eine größere Länge der linken Seite und eine größere Länge des rechten schrägen Durchmessers. Für den Schimpanse stimmen die Resultate auch ziemlich genau überein; zur Vergleichung ver- weise ich auf Fig. 49 der Arbeit MorLısons, aus der hervorgeht, daß beim Schimpanse hauptsächlich das linke Femur überwiegt. Am Becken ist der rechte schräge Durchmesser der größere. Es liegt also eine ähnliche Erscheinung vor, wie beim Orang und Gibbon. Daß beim Sehimpansen die Tibia gerade rechts überwiegt, hat weniger Bedeutung, wenn man bedenkt, daß im allgemeinen das linke Bein des Menschen das längere ist, und dennoch die rechte Tibia die größere ist (vgl. MorLiısons Fig. 57). Endlich sei auf den Menschen mit dem längeren linken Bein und dem Überwiegen des rechten schrägen Durchmessers des Beckeneinganges hingewiesen. Ich bin leider noch nieht in der Lage, eine bestimmte Korre- lation zwischen den Asymmetrien von Becken und freier Gliedmaße anzugeben; hierfür habe ich noch nicht genügend Objekte unter- _ Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 05 suchen können. Bei einem Gorilla und bei einem Schimpansen, bei denen ich den Beckeneingang symmetrisch fand, waren die hinteren Extremitäten, gemessen nach der Methode von MOLLISON, genau gleich lang (Schimpanse) oder einen Millimeter verschieden (Gorilla). Bei einem Schimpansen im Museum für Naturkunde zu Berlin fand ich ein Becken, an dem der rechte schräge Durchmesser etwas größer war als der linke. Nach BARDELEBENS Angabe war das rechte Bein 3 mm länger als das linke. Ich halte meine Beobachtungen über die Asymmetrie des Beckens nicht für ausreichend, um daraufhin weitere Betrachtungen über Asymmetrie des Körpers im allgemeinen anzustellen; ich füge sie, unter Hinweis auf die Arbeiten von MOoLLISON, BARDELEBEN und GaAupr vorläufig dem casuistischen Material in dieser Frage ein. Die Beekenligamente. Bekanntlich wird bei dem Zustande- kommen der vertikalen Krümmung des Kreuzbeines im menschlichen Becken den Beckenligamenten, Lig. tuberoso-saerum und Lig. spinoso- sacrum, eine große Rolle zugesprochen. Es sollen diese Bänder verhindern, daß das caudale Ende des Sacrums bei der allmählichen Drehung dieses Skeletstückes nach hinten ausweiche. Hierdurch wird dann die mehr gestreckte Form des Kreuzbeines in eine ge- bogene überführt. Angesichts der großen Formunterschiede, welche das Kreuzbein sowohl der Anthropomorphae als auch der nicht anthropomorphen Affen mit dem Sacrum des Menschen aufweist, schien es von Wichtigkeit, die Ligamente des Affenbeckens zu studieren, um da- durch die speziellen Verhältnisse zwischen Sacrum und Becken an . dem unteren Ende des Sacrum feststellen zu können, oder wenigstens einen Einblick in die Rolle zu gewinnen, welche die Ligamente bei der Formausbildung spielen. In der Literatur finde ich eigentlich nur eine Arbeit, welche sich speziell mit den Beckenligamenten befaßt, nämlich die Arbeit von KeıtH. In anderen, speziell myologischen Arbeiten fand ich die Ligamente zwar häufig erwähnt, jedoch meistens nur den Namen nach, ohne genauere Angabe der speziellen Verhältnisse. KertH gibt vom Lig. spinoso-sacrum die folgende Beschreibung. Bei Semnopitheci ist der M. ischio-caudalis ganz muskulös, bei Macacus ater zur Hälfte fibrös, während er bei den Anthropomorphen mit dem Verluste des Schwanzes ganz fibrös wird. Genauere Verhältnisse werden nicht angegeben. Bei Cynomorphen stellt das Lig. tuberoso- sacrum den verdickten Unterrand des M. glutaeus maximus vor und 96 A. J. P. v. d. Broek verläuft zwischen dem Tuber ischii und den Proc. transversi des 1.—3. Caudalwirbels. Bei dem kurzschwänzigen Mac. arctoides ist das Ligament stärker und dient mehreren Glutaeusfasern zum Ursprunge. Bei Anthropomorphen ist es, obwohl nicht so stark wie beim Menschen, kräftiger entwickelt, entspringt von der Seite des Kreuzbeines sowie von dem ersten Caudalwirbel und heftet sich, wie beim Menschen, am Tuber ischii fest. Beim Ursprunge am Saerum bildet es eine direkte Fortsetzung der Lig. ileo-sacralia posteriora. Platyrrhina. Cebus apella. Ein Lig. tuberoso-caudale als verstärkter Unter- rand des M. glutaeus maximus habe ich bei dem von mir präparierten Exemplar nicht angetroffen. Die meist caudalen Bündel des M. glutaeus maximus entspringen von den oberen Schwanzwirbeln und ziehen über das Tuber ischiadieum zum Oberschenkel, ohne vom Tuber Bündel zu beziehen. Von der Spina ischiadiea und dem darüber sich befindenden Teil der Ineisura ischiadieca major verlaufen fibröse Bündel schräg medianwärts und nach oben zu den Lateral- fortsätzen der oberen Caudalwirbel; sie erreichen das Sacrum nicht. Diese Bündel dienen dem M. spinoso-caudalis zum Ursprung, der weiterhin vom Rande der Ineisura ischiadica major und von der Spina ischiadica entspringt. Ateles ater. Die caudalen Bündel des M. glutaeus maximus entspringen von einer Fascie, welche die dorsalen Schwanzmuskeln bedeckt, und weiterhin von einem starken Ligamente, das, die Schwanzmuskeln überbrückend, sich zwischen den Lateralfortsätzen einiger Caudalwirbel und dem Tuber ischiadieum ausdehnt und als Lig. tuberoso-caudale aufzufassen ist. Von der Spina ischiadiea und darüber gehen wie bei Cebus Bindegewebsbündel aus, welcbe medianwärts und nach oben ver- laufen und noch gerade den Unterrand des Kreuzbeines erreichen, während die Mehrzahl der Bündel an den oberen Caudalwirbel sich ansetzen. Von der Innenfläche dieses Lig. spinoso-caudalis (sacrum) entspringen wie bei Cebus Bündel des M. spinoso-caudalis. Catarrhina. Macacus rhesus. Vom Rande des unteren Teiles der Ineisura ischiadica major, mit -der Spina ischiadica endend, entspringt der M. spinoso-caudalis, den Beekenrand mit den Querfortsätzen der oberen (bis 5.) Caudalwirbel verbindend. Ein Zusammenhang zwischen Spina ischiadica und Sacrum besteht somit nicht. Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 97 Was das Lig. tuberoso-sacrum (r. caudale) betrifft, so beschreibt Keıta es als verdiekten Unterrand des M. glutaeus maximus. KoHL- BRUGGE gibt beim Ursprunge dieses Muskels an: »auch erhält der Muskel Fasern vom Lig. sacro-tuberosum und den angrenzenden Teilen des Tuber ischiadieum« (Semnopitheci) (l. e. S. 176). Ich fand eigentlich keines von beiden. Zwar waren im unteren Rande des M. glutaeus maximus, welcher von den Schwanzwirbeln seinen Ur- sprung nimmt, die Fasern etwas fester gefügt, aber von einem richtigen Ligamente konnte eigentlich nicht gesprochen werden. Wenigstens besteht sicher kein Lig. tuberoso-sacrum, höchstens ein Lig. tuberoso-caudale. Somit steht bei Macacus das Sacrum außer im Ge- lenke in keinerlei ligamentösem Zusammenhang mit dem Beckenrande. Hylobates. Vom ersten Caudalwirbel zieht ein kräftiges Ligament bogenförmig um das Rectum herum zum Tuber ischii. Dieses Lig. tuberoso-caudale verbreitert sich am lateralen Rande des Caudal- wirbels zu einer sehnigen Platte, welche sich jedoch ausschließlich hieran festheftet und das Kreuzbein nicht erreicht. Das Ligament dient mehreren Glutaeusfasern zum Ursprunge. Von der Spina ischi- adieca und dem darüber sich befindenden Teil der Ineisura ischiadica major entspringen Muskelbündel, welche medianwärts verlaufen und auf die laterale Rectalfläche ausstrahlen. Die obersten Bündel haben den Charakter von Bindegewebe. Es ist begreiflich, daß wir es hier mit dem Homologon des M. spinoso-caudalis zu tun haben, der jedoch seinen Zusammenhang mit den Schwanzwirbeln verloren hat. Hwylobates besitzt somit kein Lig. spinoso-caudale. Der N. pudendus kommt oberhalb dieses Muskels aus dem For. ischiadieum majus, geht darüber hinweg und verschwindet darunter wieder in das kleine Becken, verläuft also in derselben Weise wie beim Menschen um das Lig. spinoso-saecrum herum. Simia satyrus. Der Unterrand des M. glutaeus maximus ist verdickt und bildet ein Lig. tuberoso-caudale. Präpariert man vor- siehtig die Glutaeusbündel ab, dann sieht man an der Unterfläche des Muskels eine Anzahl bindegewebeartiger (sehniger) Fasern, welche mehreren Muskelbündeln zum Ursprung dienen. Nach oben zu werden diese Fasern selbständig und bilden eine zarte Membran, deren oberer Rand das Sacrum erreicht. Die Fasern sind als ein breites und plattes Lig. tuberoso-caudale aufzufassen, das somit bei Orang nieht so kräftig entwickelt ist wie bei Aylobates. Ich komme hiermit zu einem etwas anderen Resultate als Fick, nach welchem dem Orang utan ein Lig. sacro-tuberosum (caudo-tuberosum) fehlt. Orang Morpholog. Jahrbuch, 49. fl 98 A.J.P.v.d. Broek besitzt ein kräftiges Lig. spinoso-sacrum. Dasselbe beginnt schmal an der Spina ischiadica und dem direkt darüber folgenden Teil der Ineisura ischiadica major. Von hier aus strahlen die Fasern nach medianwärts und nach oben fächerförmig aus. Sie inserieren an den seitlichen Rändern der Caudalwirbel sowie am Rande des Sacrums bis zum Unterrande des M. piriformis. Hier verbinden sie sich mit der Fascie, welche die innere Fläche des M. piriformis bekleidet. Sehimpanse. Die Verhältnisse der beiden Ligamente gleichen mehr dem Zustande bei Hylobates als wie bei Orang. Ein Lig. tuberoso caudale erstreckt sich zwischen Tuber ischii und lateralem Steißbeinrand, das Reetum bogenförmig umgehend. Es dient einem Glutaeusbündel zum Ursprung. Nach oben setzt es sich in eineMembran fort, deren Fasern sich am Steißbeine sowie am lateralen Kreuz- beinrande festheften. Hier verbinden sie sich mit Fasern, welche von der Spina ischiadica kommen. Diese letzteren (Lig. spinoso- saerum) besitzen zwar an der Spina ischiadica einen scharfen Unter- rand; doch können sie nicht als selbständiges Band dargestellt werden, da die oberen Fasern mit den vom Tuber kommenden zu einer Membran verschmelzen. Nach oben zu verlieren sich die Fasern im Bindegewebe. Der Verlauf des N. pudendus ist wie bei Hylobates. Gorilla. Mir stand kein Gorilla zur Verfügung. Der Arbeit von EISLER entnehme ich (l. e. S. 12), daß er gelegentlich der Be- schreibung der Art. pudenda ein Lig. tuberoso-saerum und ein Lig. spinoso-sacrum nennt, ohne genauere Verhältnisse hiervon am Becken zu geben. Vergleichung. Übersehen wir die Befunde bei den verschiedenen Primaten, dann kommen wir zu den folgenden Ergebnissen. Ein wahres Lig. tuberoso-sacrum kommt ausschließlich dem Menschen (und Gorilla?) zu; bei den übrigen Primaten ist es durch ein Lig. tuberoso-caudale ersetzt. Nur bei den Anthropomorphen erreichen die obersten, schwächsten Bündel den Unterrand des Kreuzbeines. Ein wirkliches Lig. spinoso-sacrum kommt nur dem Menschen (Gorilla?) und Orang zu. Den übrigen Anthropomorphae, Hylobates und den geschwänzten Affen fehlt es. Höchstens erreichen wenige Bündel der von der Spina ausgehenden fibrösen Platte das Sacrum (Ateles). In bezug auf diese Resultate ist es vielleicht von Wichtigkeit, auf die Beschreibungen vom Kreuzbeine der Anthropomorphae von PATER- son hinzuweisen, der bezüglich der Längskrümmung dieses Knochens das Orang-Sacrum als das am meisten menschenähnliche bezeichnet, 1? r p “ . . ee i Miu ” ’ x F “ * “ : * RZ ’ Dr ur . . . . LyEZ) ni E . . E p) & gr N % 3 t - ” * * - - “ u % 4 \ i . t » h 5 % Per Pi ' . + ea x r Ä ge: F e E “r . ie - = . . . ” » 4} 4 ih ’ 7 gr en f " Y r » > Y “ v . - . de \ ’ er » . . BI ya . » i { » ’ " R k = } . a uU ’ - ” 64 D R Tr I TER “ I + . . » “ hy Pr rs Lu rd N FTIR x 4 e E Se, De . » r 2 a de ar Rs u u ö N 5 . . x 7, 3 $ is 5 . « - - r = y hg 2 n j es * q - -. er f h . t Ar i D + ’ Pi i » . .. ” . Fa i , % n er n . h ‚> r E > 5 “ Pe s ö f nn N L 7%* j) er 1 5 > a | Tara E N m ur £ Ay Par: ieh » 100 A.J.P.v.d. Broek y x: 2 2 3 77 S 8 | = s|s selso|l,.|& |s2| &]2, 2, S S Ss S > # ® < S I Distantia spinarum . 20,5 |20,5|19,5| 23,5 | 23 | 36,5 | 68,8 | 77 |25,5 1275 - Spin. il. post. sup. 16,5 | 15 |14,7| 15,5 | 14,5 | 22,5 | 26,5 | 36 |17,5| 23 - =, = Sin: 13 .)11,5|1235| 1 15 1 32,5 |.38 | 16 |174 - spin. limitans 20,5 |20,5118,5| 21,8 | 21 ? 45 ? 1 24 126 - spin. il. ant. sup. post. sup: I 86| 751851 95) 85 18,4 Pos Länge der Crista iliaca k ı 11 | 10 |105| 10,6 | 11,3 | 19 7] 325 TAB SAGTE Dist. spin. il. post. sup. er inf... | 13 9 1126 25| 12 19 35 1420.949.1397 Beckenhöhe a. . . Aller 241.443 E= & | 97,5|j15| ? ? - b+ 2 ı 44 |39,6| 43 | 45 44 64 | 103 |123 |53,6| 60 Höhe des kleinen Beckens : 1'181 16,5| 18,1.) 18 18-1 37 |45,5|21,6| 23 - der Symphyse 13 12,6 10,6 | 10,5 , 14 18 23 | 26 | 12116 Beckeneingang | Conjugata vera : | 24 | 19 |21,7| 229 | 22 31 71 |72 |25 |26,5 Diameter transversus . |16 1155| 17 | 18,6 | 16,5 | 212 | 39 |51 |20 | 2 Rechter schräger Durchmesser. 20,5| 22 |21,8| 24 22 30 55 |66 | 26 | 27 Linker - - ı 19.) 22,218) 23. 4022 29 55 | 66 | 26 | 27 Beckenhöhle | | Länge der une 1951 20 7 RS ei | 30? | 64,5 | 72 | 24 | 30 Breite - ı13 |12,5|14,7| 15,3 | 13,6 | 20 | 30 |42 | 14 | 18 Beckenausgang | | Länge des Beckenausganges |20 | 22 |195| 20 | — | 262 | DE Dist. tubera ischii, Hinterende. .| 19 | 15 1155|) 9 | 2 | 2356| 39 17 118/19 - - - _ Vorderende N ? a Mo ? ? ? ? 11,5 11,6 - spinarum ischii 5 ı 17 111,5|14,5| 15,7 | 13 19 29 ...| 43.197 397 Sacrum | Länge (gerade) ı21 | 13 1155| 166 | — |249| 415 | 43 /205| 23 Breite, Oberrand Fac. auricularis.. | 19 17,8\174| 183 | — | 27 35 140512312 - zur Höhe Linea terminalis 115,5 | 15 |162 16,5 | — | 21 | 37,5 |40,5| 20 120,5 - _ÜUnterrand Face. aurieularis. | 12 | 12 |125| 3 | — |165 | 245 | ERBE Zahl der Wirbel . 2 ee 2 3 3 3 3 3 3 3 3 Ineisura sacralis . = ran ee — —. (stark nee Suleus praeauricularis sacri. I-I- |— | — ? _ u — - - ilei I | | — | — ? — — 2: a Ausdehnung der Fac. aurieul. . . |1,2p] 1 |12p 12| — | 12p|123p| 12 |12p/12 Größte Aushöhlung des Sacrums. | ee an EN ee 7: s Stelle der größten Aushöhlung — |-|- | — —_ — —-ı-I|—- | — Krümmung des Sacrums transv. . | — |— |— | — = au 1-11 Hyper-, Homo-, Hypobasalität . \hyper |hyper hyper, hyper | hyper | hyper | byper Na hyper | hyper Höhe des Iliums . er 28 | 26.125 | 27 | 25 | 34,8] 66,50] SE Fee Breite des Iliums 25 3 | 2 | 24| — | 48 | I6 SjaRZEBErzE Crista iliacavon spina il. —spin. limit. I-|1—-|— | u 1 — 2|1—- |— Eazulur pubis sup... Re 1107 °| 62° | 110°1112,2°1108,5°] — 99° | — /108°|103° - ‚Inf. | 77° 184,5°| 66° | 96° | 64° | — | 90° | — [63°] 60° Sealphyse—Unterende d. Sacrums | 14,8115,5| 13 | 17 -- [22,5 502162 |18 | 21 Unterrand Symph.—Promontorium | — | — ı — | — _ — | - J1 |—- | — Beckenindex a Il | — lazsslsass| — 887 | 70,6 6636 — | = b ‚46,6 52,77 50, 17 52) 22 | 52,27 | 57,03 | 66,79 | 62,6 147,57 45,83 Index des Beckeneinganges. 150 |122,6 128,2 116,6 | 131,5 | 146,6 | 182,1 1141,2 125 120,5 - der Beckenhöhle ‚150 | 160 127, 2137 2 169,1| 150 | 215 /171,41171,41166,6 -: des Deal ssanger. 105,2|146,6 125, ‚8 105.2 — 102,3 | 143,6 |150 1133,31142,1 Symphysenindex . . 72,2|76,3 585 58,3 | 77,7 | 66,6 | 62,2 |57,1| 55,5 | 69,6 Index des kleinen Beckens . ‚40,9 41,6 42,1 | 40 40,9 | 42,2 | 35,9 | 36,6 | 40,3 | 38,3 Index sexualis. ; '78,05/75,61/87,17| 79,15) 71,74 | 58,08 | 56,68 |66,23/78,43. 80 u nee. ee * ee en D u a a Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 101 Eile: | » 3... cl rau ee; Br une Z = 2 & S ‚2 2 IS 3 S < rn 2 Bere Seal |$ Bei 2|2| 35 ul 8. ee EA Tee a e S S| 8 S S Se S a | S > BI < Eee 16 | 51 |37,5| 53,5 | 30 | 44 | 55 66,5 | 73 61 88 79 105 | 88 67 11,5 | 29 |19,5| 30 25 |33,4133,2| 27 30 22 35 | 25,5 53 34 27 214 | 23 ı.18 28 20,5 |19,5 | 32,5 123,6 | 30 26 36 28 53 41 30 16, | 44 | 33 — 30 | 38 | 45 |33,5| 47,5 40 48 42 ? ? 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"6772712497109? 7987 5 110 178827 710° 987 | — 14.132123 33.7 202750726 35211E40 59 50,6 69 56 69 74 52 —_ —_— | 61 — || -|- | — - — 82 —_ — 88 BZ | 5879 |51,28 154,32|59,8| — | — | — 169,61 |82,29 | 81,39 | 72,72 | 70,52 45,71 61,44,54,35 54,4 50 152,94157,2976,79| 61,86 | 66,3 | 63,77 | 74,53 | 73,94 | 66,16 | 63,21 131,86/124,31137,8 130,2 |110,641153,31130,7 159,4| 172,5 | 185,7 | 170.21) 178,1 | 153,5 | 183,3 | 183,5 161,9 1173,1/233,3 159,2 | 150,5 |179,2,160,7 220 |231,2| 265 |233,3 251,9 | 148,2 181,6 | 234,5 111,1 |1140,3[154,5| 118,9 | 133,3 1116,41109,21152,9| 200 |226,9 |184,9 | 200 |139,6 | 130 | 200 55,3 153,7 1533| 59,5 | 63 |62,7 61,3 77,4, 771 | 70,6 | 76,1 | 56,8 | 72,1 | 66,6 | 51,7 428 32.5 435 38,3 | 38,3 ı 40 39,1|35,8| 34,7 | 36,9 | 33,3 | 41,5 | 30,3 | 29,4 | 41,9 84,38 |68,63|67,73, 58,88 | 78,33 |68,18/68,18 48,12) 54,79 | 51,64 |53,41 |46,19 | 53,33 | 54,54 | 54,47 A.J.P. v.d. Broek 102 se | ge |2Tr | | aa |eaıyeri 5 |geejlvee|yeal.ı | 7 | & ps munwurds - ERRAU TEENS | 2a: WERT RER OT 8 |: OR L 9 | 6 ||" ° "opueaopIioA - rar ger |" 68 | OR er IR 6 || Te | FE | era der 72 | 288 “ Opu9doyulg ‘TIgOST wIOqnF ‘ISLA „»ıela | #ı 8 iı— 8 en | 08 | oer| 18 | Er \gan | zu |" * ° soduwdsnausyoog sop adur] SUBSSNEUINIAT GE & vw ıoear u I) — e0 O0 em a a - opoug 69 Ur STREET BEI 00 1 ZB IB A Se TT n Le I u ae syayua9y99g Op odurT oryayuayaag var |cg 19291 Ba | 2 | 6) 29 1909| 76 eG ı |20o9 | m |' 5 5 J9yur] sie lan lm IH goal re | Ce | 25 | Yee | 79 ||" ° aossomyoImng Jodrıyos 1oyyaoy a a). 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P. v. d. Broek Pa = | £ B Eat RE : | 50| oT “a: 3 | S.|gEbPee 1.88 8 Re Distantia spinarum 109 | 101 |1065| 71 70 64 - Spin. il. post. sup. - 385 | 68 67 34,6 | 37,4 | 30.5 - »#.= mt. 33 36 | 372 | 26 | 27,5| 24 - spina limitans : 72 79 88 53 53 46,6 - spin. il. ant. sup.— post. sup. 42 48 45 27 27 25 Länge der Crista iliaca ; ..| 65 67 66 47 40,5 |, 43 Dist. spin. il. post. Bun St inf. . 49 57 59 352 | 29 29,6 Beckenhöhe a . . : 138 | 147 | 146 99 101 | 102,5 - b 164 | 168 | 160 | 116 | 1125| — Höhe des kleinen Beckens 1 261 64 63 435| 4 43 - der Symphyse. 50 53 56 32271 29 30 Beckeneingang Conjugata vera. 70 63 67,5 | 51,8 | 49,6 | 485 Diameter transversus 59,5 | 63? | 61,5 | 43 42 | 39 Rechter schräger Durchmesser . 65 66 | 70 | 50,8 | 49,5 | 50.5 Linker - E | 68 6 | 73 | 508 | 495 | 50 Beckenhöhle | Länge der Bull: 78 78,5 | 765 | 60 78 55 Breite - 53 57 | 56 35 | 35| 34 Beckenausgang | | Länge des Beckenausganges. | 83 28, |. 74 49 56 52 Dist. tubera ischii, Hinterende . I 4705| 74 | 5995| 35,5 | 32 30 - - - Vorderende. | 26 | 285 | 31,5 | 185] 85185 - spinarum ischii. | 48 58 53 33 | 296 | 31 Sacerum ! | Länge (gerade) . 2 47 43 50 35 34 23,8 Breite, Oberrand Fac. auricularis . 54 54 56 375 | 405 | 33 - zur Höhe d. Linea innominata | 464 | 52 50 33.5.35 al - Unterrand Fac. auricularis 34 31 34 2 27 20 Zahl der Wirbel A er 3 3 3 3 3 3 Ineisura sacralis . i _ — — — —_ - Sule. praeauricularis sacri. En — | + E= En _ - - ilei — | ==% 12. | 2 er Ausdehnung der Face. aur. \ 12p/12p 12p| — — Größte Aushöhlung des Saerums . . | — u ge En — -- Stelle der größten Aushöhlung d. Saer. | — — | — — ee Krümmung des Saerum transversal En — En 1,4 1 1,8 Hyper-, Homo-, real ; hyper hyper byper — | — — Höhe des Iliums \ . 2 104 | 105 | 85 | 75] OB Breite des Iliums . 26 23,5 | 17,7| 15 | 1256| 14 Crista il. v. spin.il. ant. sup. —spin. lim.) — = =- — = Angulus pubis ar = 2.1] 127221131,5°| 130° | 118° TER > 83° | 87° | 102° | 83° [BEE Oberrand Byampir —Unterrand d. Saer. | 63 6 1,68 u — Unterrand - —Oberende - - — —e — — — _ Beckenindex a. 78,98 | 68,71| 73,01| 71,73| 69,3 | 62,44 - b. 66,46 | 60,12) 66,56 | 61,21 | 62,2] — Index des Beckeneinganges . 117,55] 100 |109,75| 120,4 | 128,1| 124,9 - der Beckenhöhle 147,2| 137,7, 136,6 | 171,4 | 1582| 161,8 - des Beckenausganges . 174,7 105,4 1243| 138 | 175 | 1733 Symphysenindex . . 81,9 | 23 | 88 | 752 | 7071| 7O Index des kleinen Beckens 36,6 | 38,1 | 394 | 37,5 36.4 41,9 (a) Index sexualis . u | 54,59 | 62,37 | 57,74 | 60,56! 60 | 60,94 Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 105 ee jereln Tran Tesle.: salsälis|ı 8 SEI | S |Sal23|558| 88| a58| 5, 2 a a Ra ra er u EEE 2 nr ei Ba || |a IE ae‘ 65,6| 60 |81,5162,7 |75,4| 18 | 907 | = | a5 | vo | 66 | 7 29,8| 23 [34,6 27,2 |31,6| 292 | 345 | 415 | 19 | 5 40 | 3 54 | 20 |27,7|22,4|26,8| 225 | 275 | 27 | 17 | 24 | 24 | 20 47,2| 47 164,5 5058| 53 | 53 | 70 | 555 | 31,5 | 57 | 50 | 406 33 | 31 |35,2| 30 |31,8| 33 39 37 22 35,3 | 3405|, 22 318128 A41,7| 33 1376| 31 49 32 22 a4,u| 38 28 30,4| 26 1372| 30 | 35 | 285 | 34 23% | #19 30,7 | 34 26,5 2214| 19 |223| 19 24. 7 20.) 33 2323| 24 19 3 3 3 3 3 SE ale 2 (3) 3 2 ee El Be a DE u a ee ll Zu = == N > en er Me Mer a re an He x => ee) — |. —,| + EN er == BE iz = —-|-|-| -|-| — /12p|12p 12p| 12 |123p| 12p >= cu =; “Zi zer 2324| 0125 ? _— 1 — = —_ _ — — | — | — | — | — | — |hyper homo |hyper 'hyper |hyper | homo 77 |62,5 | 88,2 | 75,6 |77,1| 86 93 | 865 | 45 a ri 57 17 1126| 16 |11,5|155| 17 16, 1 4381785 15 12,5. | 12 ee En 7 1 ee a —_ — _ 24329110201 110° 120°: — 113° | 109% | 95° | 105%17103° 107° —3321.54°%|.44°|,710%0. 98° 7 65°.) .45%° | 43° | NeSıea50 40° u ee ee er! 2 42 41 37 | | | 58,37 65,21) 66,8 59,25 71,47| 66,74 | 71,98 | 64,17 64,86 , 66,66 | 62,86 | 71,7 54,21 158,2558,21 54,05] — _- IT Ri — @-- ei ge 113,81157,51148 3 157,31144,2| 176,6 | 116,4 121,95 167,4| 130 | 155,9| 136,8 149,5. 210,7. 200 270.81191,5| 213,3 | 148,9 171,4 | 233,3 | 176,6 | 158,3 | 180 185,5 2206 222,6 188 165,4 1932 | 246,4 145,9| 225 | 135 |135,9| 159,2 64,3 [74,3 |69,3 | 78,1 [72,4 | 78,1 | 924 | 771 | 615 | 76,7 | 42 | 694 37.2 40,8 38.4 | 38,6 | 35,9 [40,4 (a) 42,1 (a), 40 (a) 40,6 (a) 40,9 (a)'42.9 (a) 45,2 (a) 157,80. 53,3 52,15 54,23157.03| 53,62 | 61,19, 53,24 | 49,64 | 52.86 | 56,06 | 53,86 A.J.P. v.d. Broek 106 se |ver| 08 |Hisr | se | Ir | se | Jos usa |sea|ldgor| a | se |" * * "ro mgosr mnIguds - 0IF || ı GP OL - OR. 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E Breite, Öberrand Fac. aurie. zur Höhe der Linea innominata Unterrand Face. aur. er: Zahl der Wirbel . Incisura sacralis . i Sule. praeaurieularis sacri. ra | Ausdehnung der Face. aurie. . E | Größte Aushöhlung des Saerums . . . Stelle der größten Aushöhlung des Saer, | Krümmung des Sacrums transv. Hyper-, Homo-, Aypapasal Höhe des Ileums . Breite des Ileums. Crist. iliae. vonspin.il. ant. sup. —spin.1 lim. Angulus pubis wi eg: N Oberrand Brno —Unterrand d. Saer. Unterrand —Oberende d. Saer. Bockenmdex. a. 7.7. Mu Index sacralis . Index des Beckeneinganges. . . . . der Beckenhöhle ee des Beckenausganges. . . . . Symphysenindex ; A ae Index des kleinen Beckens Index sexualis . > » I || Hylobates syn- © || dactylus 5 et [6%) ’ A.J.P. v. d. Broek Hyl. syndac- tylus 5 fa Ha est Je) Hyl. syndac- tylus Q H> Fall [>71 Sl Sa|lxo| 2: | ©2| S® = 128,4| 143 98 | 39 4 8 — ıl 298 59 | 66 80 | 92 45 | 555 125,4| 141 136 | 151 45 | 445 34 | 367 87,5 | 101,7 64 | 684 72 | 825 75 | 825 782 | 88 54 | 61,5 685 | +73 5 61 == Bi. et 50 | 80 46 | 50 4 | 465 29 | 295 4 6 + | + 123p 123 — |hyper, 94 | 12 | 42.| 48 —_ | 4180? (se 102,4 | 101,42 94,41 | 94,7 2 | 25 136,7 | 148,68 144.9 | 128,9, 120,2 119,6 77,2 | 884 331 | 294 49,8 | 47,83 sE| $E sa| 0 115 | 107,6 | 4 18,7 | 274 545 | 545 252 | © 390 2 117 | 1065 128 | 115 4 | 42 312 | 274 ss | © 48 | 48 | 5 61 | 58 = — a Mu 38 | 46. 105 435 — | 81 — 348 Eu ee - 31% Pac 12 1,2,3p =: ER 98,3 | 101,03 89,84 93,56 _ 1908 183,3 | 143,7 — 11483 _ 1489 709 | 652 344 | 36,6 11,74 | 44,81 Hyl. syndac- | tylus 5 > [eo] ao) =] | Hyl. syndac- tylus PreusiKerKsi! Sm 109.01 |ogtt++r Hyl. syndac- tylus Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 109 S Se: = 2 08 & om F = SE B EEE N S DEREN 138 | 103 | 67 | 96 | 95 | 985 | 328 | 915 | 93? | 9 3416| 32 | 23 | 36 | 274| 36 | 26 | 8385| 33 | 35 DE 295. | 21 | 2m ı..20: | 254. | 18 Bar. 39 "a5 Ba; |, A06406 |: 40. |: 480 | Au6ı | Arne BB, 35 |) 2601046 An | AHA | 89 Ian ren 96% 5.96: | 36 |.575.).609..| 65 | 465..:64 ZZeieetg 9 | 39 | 25 | 455 | 406 | 39 | 347 41,5 | 38° | 46 1252115.|.81° 112 \ 108 | 1235 101,6 114 | DE RD Tas 121.86 | 180° 115: | 131 7° — 1.1215) Ps cl air ua 31 | “Le | 36 | 228 |. 36,6: 1,38: | arm Bar 26 |) 351.295) 36 || 26:0. 26.) selas Be are, 57 |, Zar] EB: 78, | BB Tu vera 85| 56 | 33 | 50 | 44 | 54 | 364 | 466 | 56 | 53 Bao I 60, 45°’ 655.1582 1.62: 188.5 Be 5 7 575 9 | | 7a 897 17287 | 159: 787593: | 89,Dulu.ba 708 ur6b |: 82 GBR. 5BI5 295, Ada AI 0 A924 3871.42 52,8, 1.748 714 | 58:|. 4 |:70. 1 532. a5) 55. \ 25 | 68.|°69 Me 56|3|45 ar) 40 7 32246 5a 25.20 | 11 6 eo ee 686 | 50 | 32 | 05 | 404 | 49 | 2997| 44 | 494| 8 5556| 60 | 365 | A| alu — | 8 | 46 | 5 abe | a 3 5537| a 451.391. 25, 35.7 24° 3861708. | 'ape an. | Ai 4 ae ed ea a 18.7).18% 1 age) a5 4 Bed 4 3 N aha 4 5 ee le ringe ZHl le N = 12,3p| 12,3 | 1,23 | 123 |1,23p11,23pl — | 123 |1,2,3pl1,23p hyper | homo | homo | homo | homo |hyper | hypo 'hyper hyper hypeı a 88,5 | 77,5 883 718,6 a 45 ER 35.15.36 286 |° 30.5: 30m Br Rue er a a a ar a ee rn a 78:3:|12.552 1.352 158, 12 61 Keen 766 97,18 | 89,56 | 82,72| 82,05 | 87,96 79,75 | 81,49 | 80,26 | 81,58 | 77,87 91,5 | 83,06 | 77,91 | 73,85 | 82,61 | 7519| — | 75,31| 74,4 | 71,97 89,03) 633 | 63,9 | 854 | 994 | 21 | — | 815 | 81,5 | 66,7 108,87, 155,3 172,7) 154 | 154,4 | 144,4| 181,3| 165,2|132,14| 164,1 134,8 134,5 | 179,3 | 177,2| 144,6 167,6 | 157,6 166,6, 124,9 | 170,8 119,8 | 103,5 | 122,2 | 155,5 | 129,7 167 | 163,6, 119,6 111,8 164,3 83,3 | 64,3 | 83,9 | 84,1 | 80,6 | 82,7 | 711 | 684 | 829 | 82,5 33,3 | 33,8 | 36 | 32 | 31,3 | 32,3 | 36(a) |-31,2 | 32,8 | 30,3 61,23 | 54,37 | 49,25 | 52,08 | 46,31 | 54,82) 43,96 | 50,93 | 60,21 | 55,79 110 Distantia spinarum . - spin. il. post. sup.. inf. limitans - - il.ant.sup.—post. sup. Länge der Crista iliaca . Dist. spin. il. post. > Saal inf. Beckenhöhe a. . Höhe des kleinen Beckens . - der Symphyse Beckeneingang Conjugata vera Diameter transversus . Rechter schräger Durchmesser Linker - - Beckenhöhle Länge der Bist u ; Breite - 3 Beckenausgang Länge des Beckenausganges Dist. tubera ischii, Hinterende. Vorderende - spinarum ischii a Sacerum Länge (gerade) , Breite, Oberrand Face. aurieularis. - zur Höhe d. Linea innom. || - Unterrand Fae. aurieularis Zahl der Wirbel Ineisura sacralis. Sule. praeaurieularis sacri ilei . Ausdehnung der Face. aurie. Größte Aushöhlung des Saerums | Stelle der größt. Aushöhl. d. Saer. | Krümmung des Sacrums transv. . Hyper-, Homo-, ansehen: Höhe des Iliums Breite des Iliums ö Crist.il.vonspin.il.ant.sup. -spin. lim. Angulus pubis sup. 5 einer. Sy —Unterrand d. Sacrums Unterrand Symph.—Oberende d.S. Beckenindex a b Index sacralis a - des Beckeneinganges - der Beckenhöhle - des Beckenausganges Symphysenindex . E Index des kleinen Beckens - sexualis 5 A. J.P. v.d. Broek Simia salyrus (6) 6) (6) 295 | 240 | 300 51 58 | 55,5 355 66 | 735 8sA| — |1234 189 | 115 | 146 — 150 | 200 80 | 87 | 845 230 |, 236 | 235 267 |. 270 | 278 103 | 100 | 101 63 47 66 | 158,5 170 | 169,5 114,6| 93 | 119,7 126 | 124 | 154 132 | 124 | 151 | | 155 | 145 | 149 | 98 | 82 | 85+ 133,6, 128 | 132 110 | 99 | 8 | 31 — | 42 88 | 68 | 85,7 1 109°).°98° | 122 | 86 |65/68 | 83 SE 26 74. 7,5 55 55,5 6 | 5,56 Sn | ar zz, + =. + SE Re 1,2,3/4)1, 2,3 |1,23,4? N a a a homo | homo hyper 173 | 180 | 200 1022 ı 95 | 109 | 45 | 125 | 140 jar,ael = 0 21438 E07 sap 1268| 110 | — — | 201 | — 128,3 | 101,7. 127,6 110,5 | 88,8 | 107,9 78,9 | 69,4 | 68,03 ı 74,31, 63,27 | 60,66 138,3 | 182,8 | 141,6 | 158,1, 176,8 151,2 | 118,3 129,2| 134,7 | 611 | 47 | 653 „1 138,6) 3477| 368 . "38,35 | 38,75 , 39,9 Hi ran i oO Juv. Pelle el ee w on oo 2.498 Q 242,5| 242 | 230 53,8 | 43,5 | 46 bAEEI— 55 90 57 === 106,4 | 107 | 104 151. | 71407 72140 69 — 53 247 | 210 | 185 —_ 249 | 210 717.5| 8 76 51,5 | #28] 40 144 | 158 | 144 93 114 | 103 118 _ 133 118 —_ 133 126 | 142,6| 119 70 96 90 119 _ 3 76 79 83 — 14 40 59 _ 80 87 88 96 63 63,2 | 59 63 58 65 48 59 51 4 4 5 — =+ SF Sr SF == Sr im — 1,2,3p11,2,3p| 1, 2 21: R — _ hyper | hyper |hyper 17 161,5 ja — 93 2:3 120 8 130° | — | 144° 93° 68° — 124 86 98,18 115,24| 124,3 — 972 14095 724 | 718 | 61,4 72,41 | 65,91, 67,71 154,8 | 138,6 | 139,8 180 | 148,5 | 132,2 1565| — | 1144 66,4 | 32,9 | 52,6 31,3 (a) 34. 1979362 | 38, 35 47 u 44,78 Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. yobl Simia satyrus | Q juv. | O jur. 5? juv.| jur. juv. | juv. I BEST: [89] w = 4 D* “Q 1>| © ler? 94 E— 142 | 140 135 61 9% | 886 | 111 — 56,5 = 90 93 106 31 4 | 40 55 —_ 77 — 114 97 110 62? 81 75 95 106 76,5 75 103 87 105 34 52 46,5 67 106 21 35 29 39 — _ 21,6 19 — — 56 61,5 | 81 718 89,4 30? | 42,6 | 39 öl 81 8 — 120 123 87,5 39? | 54.8| 58 75 80 55 — 65 | 70/74| 58? 40,6 | 53,8 | 46 47 74 4945| — 73 68 69 35.4 | 49 39 495 | — 36 n— 69 51 57 27,4 36 33 40,5 —_ 5 5 (6) 6 7 6 4 4 4 5 4 Er Er hr ie ae = — SE — — Tr I —= == ER + Fa ur 5 x a= ale == = = >= #7 >= tr = p|1,2,3p1,2,3p[|1,2,3|1,2,3,123p 1,23p 1,23p 12,3p|112,3p 1,23 ne IT 6 = — — — —_ hl — BEER — 1! = homo hyper 'hyper hypo ‚hyper | homo| hypo homo |hyper — 115 ae Ener 104,5 97 a 62,5 67 = 92 91 40 58 51 66 En 82 94 — 130217 112 — 85 70 87 _ 1 oc ee 12 a ee 5 a a EEE N ee 109° —_ 45° — 862° 7136.22 7152222152010 — — _ 107 99 104 _ 72 64 83 132 a a ee 122,4 | 107,4 | 1282| 120 | 125,6 | 91,2 | 112,7 107,5 101,14| 131,1 107,3 | 93,09 | 107,3) 105 | 115 _ 97,1 1:95,05] 93,15| — 65| — | 542 | 56,9 | 66,3 | 96,06 | 93,11| 83,7 | 62.7 | 925 59,521 — | 60,83 | 55,28| 79,31 | 89,74 | 84,48 | 70,91| 65,33| — 165,33| 177,7 | 138,6 | 135,7 1116,66, 170 179,31 161,82117518 — 1663| — | 1577| 1505| 127,3 | 196,8 | 204,5 221,5| 2018| — 1006| — | 1107| 111,5 | 104,8 | 182,4 | 155,8| 161,3 | 1877| — 49,3 | 485 | 52,2 | 45,1 | 54,8 | 60,3 | 692 | 47,3 | 6091| — 41 32,7 | 37,4 | 38,3 | 38,5 131,2(a)] 38,2 | 34,3 | 39 36 39,27 | 40,1 | 35,39 | 44,44 | 47,75 | 37,72| 36,25 | 38,2 | 39,83 | 36,34 = 112 Ar vd Brock Distantia spinarum . - Bun il. post. sup. - = = An. limitans il. ant. sup. — post. sup: Länge der Crista iliaca , Dist. spin. il. post. aD ie, inf. ua is an br L Höhe wa kleinen Beckens : - der Symphyse Beckeneingang Conjugata vera Diameter transversus Rechter schräger Durchmesser” Linker - - : Beckenhöhle Länge der us 4 Breite ° - Beckenausgang Länge des Beckenausganges Dist. tubera ischii, Hinterende. Vorderende - spinarum ischii Sacrum Länge (gerade) ? Breite, Oberrand Fac. aurie. - zur Höhe der Lin. inn.. - Unterrand Face. auric. Zahl der Wirbel . Ineisura sacralis . Suleus praeauricularie sacri. - ilei Ausdehnung der Face. auric. Größte Aushöhlung des Sacrums Stelle der größten Aushöhl. d. Saer, Krümmung des Saer. transv. Hyper-, Homo-, ng Höhe des Iliums i s Breite - - Crist. il.vonspin. il. ant. sup. —spin. lim. a pubis sup.. - mf. Oberrand Symphyse—Unterr. d. Saer. Unterrand - — Oberende d. - Beckenindex a Sacralindex a . Index des Beckeneinganges . - der Beckenhöhle des Beckenausganges Symphysenindex . e Index des kleinen Beckens . Index sexualis. j Simia Gorilla 6) $,.1+8 6) 6) ) 405 | 370, 365 | 440 | 380 | 400 625 | 70| 71] gps 85 90ı 77 | 115 1106? | 87 Bee: Bi = 226 | 210| 203 | 240 | 218 | 210 302 | 280| 265 | 310 | 300 | 290 140,5 | 115| 124 | 146 | 134 | 12 361 | 245| 321 | 370 | 335 | 340 385 | 340 | 350 | 410 | 377 | 361 140 | 123| 134 | 19 | 177 | 185 78 68 | 76 ..|, 837] momeae 225 1938| 173 | 195 | 190 | 180 140 | 124| 125 | 160 | 127 | 138 159 |134| 1385| 11 | — | 18 159 |137| 1385| 168 | — | 100 190 | ısı| 167 | 1845| 171 | 171 133 | 116| 123 | 148 | 123 | 127 161 |156| 144 | 163 | 151 | 145 165 |120| 150 | 165 | 149 | 169 130: | — | 48°) a7 4 Rs 102 | 111] 110 | 297 1 187 18 177 |165| 1435| 163 | 137 | 134 235 | o| &82 1165| 89°] 765 x ıol oo I UI a I > 797 165 | 66 96 Eh Be BOB 776 6 5 5 ae Pe Te n; ? F + 1-1|-|1-1|- | + zer —— —= —— 1,2,3(42)1,2,31,2,3p1,2,3p1,2 ‚3p1,2,3p 9 |’ 20 4.1) — 1] See ee = Bee homo | — | — hyper hyper 'hyper 250 | 225| 210 | 250 | 280 | 223 '165 |160| 159 | 180 | 165 | 174 20|ı—| — |'280 | 845 | 280 125° | — | are | ae 103° | — | 95° | see 34 | —| — | 1eiern SE 3% 240 — 112,19" — | 113,7| 119 | 1134| 1176 105,2 108,8) 1043| 107,3 101,9 | 110.8 41,52 42,42 57,34 | 64,42 | 64,96 | 56,72 50,85 54 ‚55 55.75 | 69,94, 57,71| 6119 160,71 155,6) 138,4| 121,9| 149,6 | 130,4 142,8 | 156 1305| 124,6 139 | 134.6 97,6 | 130| 96 | 98,8 | 101,3, 85,2 55,7 1553| 56,7 | 55,7 | 55,1 | 434 363 |362| 38 | 363 | 337 | 402 34,57 |33,51| 33,5 | 34.2 | 363 | 33,4 ERS 1 TS ee m = job} 109,4 100 76,92 148,8 129,5 41,5 32,9 34,5 Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 113 Simia Gorilla | & Q Q Q Q 2er |. Q 405 | 325 | 167 349 | 267 251 305 | 368 | 325 | 445 — 8) 28,5 54 öl 58 69 _- 40 75 — 1[77(93)| 37 78 55 49 86 u 70 100 — 87 38 55 _ — — _ — = —_ 187 82 190 | 138,5 126 164 — | 1775| 240 e= 245 | 129 | 255 185 158 210 | — | 235 | 320 _ 110 | 45 114 78 | 81,5 118 | — 90 140 330 | 295 | 139 290 | 216 230 270 | 295 | 265 | 355 360) 310 | 155 310 250 261 285 | 325 | 298 | 375 1355| 118 | 605 | 105 93 100 104 | 111 98 120 1 47 31,6 56 43 | 65 36 39 60 45 208 | 186 91 174 141 135 183,,|. 171 :).1687| 215 2136... 130,7 | 54 125 95 93 13020337 113% 147 - 148 | 69,8 | 135,5 | 102,5 113 152 | 148 | 145 | 168 — 144 698 | 135,5 || 107 115,5 152 | 146,5) 148 | 166 _ 184 86 162 133 129 172 = 150 | 191 —_ 124 43 111 75 87 120 _ 97 133 134 | 164 73 130,5 | 115,2 115 141 | 141 | 145 | 158 132 — 55 134 92,6 110 126 149 | 116 136 u 122 21 46 29 46 57 En 43 55 111 112 — 102 62 87 114 116 91 111 199” -122 61 133 82 100 124,5| 123 | 119 175 85 67 36 71,9 56 69 67 8335| 72 90 E= 84 37 70,5 52 62 83 — 70 95 — 67 al 68 47 "44 5255| — 60 85 7 5 5 5 5 6 6 5 5 6 = Se ee I er ee u ee > = + ar =: Fr ER Zu: Tr >= 23 = I Air = = Ir = IE 1,2,3 1,2,3p 1,2,3p|1,2,3p 11,2,3p11,2,3,4p 11,2,3 1,2,3p| 1,23 |1,2,3 _ 14 — _ = 8 — — _ er 3 pe Pi er ie ERE ae > Mar 14 > Bi > ie = 23 ER =* — homo | homo | hyper ‚hyper hyper |homo| — |hyper Ihyper — 204 | 99 325 156,5 166 205 | — = an — 192,7 63 143 114 101 125 — — — — 225 | 120 | 255 185 138 210 _ — _ —=5140°°|120;5° 1332| _ _ _ — — _ 28° 17933°# E135,59 7 — — — _ — — 142 | 151 _ — 105 92 132 | 141 | 105 | 150 — _ - — 173 189 =215| — — — 122,7 | 110,2 | 1201| 120,4 | 1236| 1091 | 1133 121,3 | 118,9 | 125,3 112,5 | 104,8 | 107,7) 112,6 | 106,8 %,2 1107,01) 113,2 | 109,06 118,7 44,74| 54,92 59,02| 53,38 | 6829| 69 | 54,03| 67,48 60,501 51.43 — | 68,85, 60,66 | 52,63 | 63,41 62 66,94 | — | 58,82 | 54,29 152,9 | 142,31 1685| 139,2 | 148,4 145,1 140,8 | 124,8 | 148,6 | 146,2 — | 148,4| 200 | 145,9 | 1773| 1483 | 1433| — | 1548| 1436 1015| — |132,7| 95,1 | 1244| 1046 | 1119| 96 13 111 52,4 | 398 | 522| 533 | 462 65 34,6 | 35,1 612 | 40,9 376 | 38 | 39 | 339 | 3658| 383 | 365 | 341 | 329 | 327 | 36,2 | 40,21! 32,331 35,81 | 35,5 | 37,05 | 42,62| 372 34,8 | 33,03 Morpholog. Jahrbuch. 49. 114 A. J. P. v. d. Broek Schimpanse 18) Ss | |) S 1 Ser Distantia spinarum . 275 | -27A | 30 | 282 | 275 | 266: | 359 | an ms © - spin. il. post. sup. 65 60 49 zal 56 49 75 br} 6L = = 00. - inf. 60 60 40 6L 56 50 59 51 58 - - limitans . — _ — —_ _ _ _ n— _ - - il. ant. sup. re sup. 134 129,5 | 112 | 127 | 183 | 124 | 113 |404,5 | 410 Länge der Crista iliaca 165 | 175 | 145 | 164 | 200 | 172 | 149 | 138 | 133 Dist. spin. il. post. sup.— post. inf, 90 99 _ 104 92 42| 92 54 5 Beckenhöhe a . : 233 | 256 | 288 | 245 | 260 | 5 | 27 | 2422 | 220 - Dacpei 0000. 270 | 232 | 275? | 273 | 285 | 270 | 270 | 265 | 48 Höhe des kleinen Beckens 104 |110,5 | 107 | 101 | 120 | 104 | 99 | 101 | 91 - der Symphyse. 52 1 58 61 72 60 67 50 59 Beckeneingang Conjugata vera. 129 | 154 | 132 | 141,5 | aa 126 | 139 | 148 | 18 Diameter transversus 5 101 | 101 | 92 115,5 | 100 |102,5 | 106 | 95 | 82 Rechter schräger Durchmesser . 415 | 126 | 108 | 130 | 118 |146,5 | 123 )116,5.| 111 Linker - - 115 125 | 112,5 | 130 118 109 123 114 107 Beckenhöhle ; Länge der Beckenhöhle 133 | 129 | 137 == 132 | 126 | 133 | 1295] 332 Breite - - 50 100 | 87,5 | 83 — s5| 8 97 37 79 Beckenausgang Länge des Beckenausganges. 2 120 — 123 | 122 | 148 | 108,5 | 109 Dist. tubera ischii, Hinterende . 135 | 126 90 130 | 104 | 115 | 98,6 | 126 8 - - - Vorderende. 42 53 55 62 34 34 35 50 36 - spinarum ischii 100 | 84 83 3 In, 55|8|85 | 22 Sacrum | Länge (gerade). oh: 107 | 113 | 11 | — | 109 | 107 | Mn Te Breite Oberrand Face. auric. . 62 71 67 — 70 63 69 68,5 | 61 - 2. Höhe d.Lin. inn. . ale|lsJ|-— | m. | 8.) Tosı See - Unterrand Fac. auric. 51 Sl 39 —. 50.5.1043 518 48 Zahl der Wirbel 6 6 6 —, 1125 5 6 6 5 (6) Ineisura sacralis - + >= + _ —_ En + == u Sulc. praeauricularis sacri _ — — _— 1 _ —_ = — - - ilei . ee. | an Ausdehnung der Fac. auric. . 1,2,311,2,3p 1,23p| — 1,2,3p|1,2,3p| 1,2,3 |1,2,3p 1,2,3p Größte Aushöhlung des Sacrums . le — — Er, —£ — a Stelle der größten Aushöhlung des Sacr. . _ _ _ — | —_ = Fe SE: Krümmung des Sacr. transv. — — — — — _ — = = Hyper-, Homo-, Hypobasal homo | hyper| hyper|ı — |hyper homo | hyper| hyper| hyper Höhe des Iliums . 5 — 178 178 180 180 175 177 175 160 Breite - - .|| — | 101 |98(91)| 105 | 102 | 97 | 7 | 97 | 106 Crista iliaca v. spin. il. ante A —spin. lim. — 150 130 164 |.170 | 35271.429 118 | 115 Angulus pubis sup. 42327 ae — — — _ ZiE - Zen: 68° = en — — _ = = — Oberrand Byräphyse—Unterrand des Sacr 107 | 9° | 117. | :—- + 105 | 408 | 2102 FIG Unterrand - —ÖOberende - - _ 208 | 186? | — 193 | 172 | 129 | 1872 | 166 Beckenindex a . 118,02) 107,03) 105,04) 115,1 | 105,8 | 108,6 | 104,8 | 101,2 | 111,4 - b. 101, 9 | 97,16 | 90,91 | 103,3 | 96,5 | 98,5 | 95,9 | 99,5 | 98,8 Sacralindex a 57 || — Ill 5 || 73,5 2. ıD 8,2 61,06 | 52,48 | — | 65,14 | 57,94 | 59,83 | 54,55 | 77,11 Index des Beckeneinganges . 129 | 152,4 | 143,5 | 192,5 | 141 [122,9 | 181,1 | 155,8 | 156,1 - der Beckenhöhlle . . . . 136,6 | 147,1 | 161,2 | — | 149,1 | 143,2 | 137,1 | 143,7 | 167,1 - des Beckenausganges . 83 !952| 150 | — |118,2| 106,6 ! 149,6 | 86,1 | 128,2 Symphysenindex . 3 50 | 64,2 | 54,2 | 60,4 | 60 | 57,7 | 67,7 | 99,5 | 64,8 Index des kleinen ah ; 38,5 | 39,2 | 38,9 | 37 | 29,1 | 38,5 | 36,6 | 38,1 | 36,7 Index sexualis , 36,36 | 36,5 | 36,8 | 10,96 | 36,36 | 38,53 |40,92 | 38,77 | 33,43 Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 115 Te ee m m m un Ss. tro- Schimpanse glod. Bererelele|o |2[2 o | juv. | ad. | @ iu. 235 | 277 | 25 | 272 | 256 | 355 | agı 265 | 238 | %1| 210 |.276 | 4 | Aus | 231 54 Ba l52 | 69 52 57 54 $I2I|-| 2 |ola| oo | 53 60 65.| 5i 64 48 | 2 56 %|52|—ı 54 | 60 |anslas ss 49 - _ = I _ ee | 70 Wann 70 110 | 122 | 108 | 133 | 10 | 19 108,5 | 121 108,5) — | 106 | 133 | 95 | 106 103 140 | 160 | 149 | 175 | 160 ı ıtı | 109 162 | 143 | — 1.148 | 175 | 131 | 145 138 NETT 90: |. 8a s5 76 4 | — | —| 80 | 105 | 71,6 73 86 68,5 15 | 23 | 0 | 70 | 230 | 0 | agı 236 | 25 | 4uS| 30 | 75 | 20 | 293 | 230. 255 | %0 | 25 | 310 | 20 | 5 | 260 |:258 | %4| 270 | 295 | 230 | 950 | 26 92 | 12 | 96 | 112 | 105 | 108 88,5 | 98 | 91,5 | go | 110 | 100 | 9ı | am 88 49 75 59 | 64 | 642 | 58 4 5 501) 4119192 1 55| Au 53 142 | 140 1198,6 | 155 [151,5 | 133 | 149 134 | 144 | 143|150,5| 140 | 135 | 152 | 148 a |18| 95 | 106 | 1m | 1 95 89 | 91 | 1038| 90,5 | 105 | 71 | 100 91 128 | 140 | 118 | 137 | 198 | 190 | Ar 108 | 112 | — | 118 [132 | 105 | 1m | 112,5 118 | 140 | 106 | 133 | 17 | 17 | 9 108 | 1417 | — /111,5| 134 | 105 | 1m 110,5 ° 142 | 141 |193,5| 159 | 136 | 4135 | 109 118 | 139 | — | 133 | 158 [134,5 | 144 136 95 95 S6 95| 92 101 91 76 TA — | 86 101 64 100 88 141 | 112 | 17 | 18 | 188 | 15 | 100 103 | 122 | 1410| 116 | 141 | 121 |134,8 1190 (5) 110 (6) 23 | 3% | 101 | 1a | as | 1m! 18 7”) 85 a7 1a | 5 | 10 101 — 52 36 46 35 56 45 AIR IE ABS ea] w Aee Re 35,5 14 | %|ı m5| 98 83 3) 256,519! 8 | | 56 | 9 78 % | 15 | 85 | as [15 116,5| 108,5 | 10s | 8s | 9a | 127 | 9a | sa | 96 ‚%0,5(5) 104(6) 60 70 54 75 57 70 58 | 57 8 | 4| 3 68 51 63 | 60,5 70 | 53/165 | 65 55 2 157) —-/605[/.658.|.ı9 | | 56 59 53 39 53 48 45 AA 42 46 —|313 46 35 49 45,5 5 7 5 Ri 6 6 6 6 6 5/6 5 5 5 5.(6) Beer | 2. + + a gr = — Br Nr Senn Ve + = Ze — — ua + + ea Hr + 1,2,3p1,2,3| 1,2 |1,2,3.1,2,3p 1,2,311,2,3,4p 1,2,3p| 1,23 | 1,2 |1,2,3 1,2, 31,2,3211,2,3p| 1,2,3 _ _ 6 16 4 6 7 ea ee 6/45 — — — a 2. = pm =; er a en rer 3 3 nn —— = —- ; ar — —, — Fr fe: = =, 0 6 — — |hyper) hypo hyper| hyper| hyper| hyper |homo homo) — | — |hyper hyper;hyper hyper 30 — pen 1 19 | 13 | — | 15 | — /19,5| 151 167 — 7851105 | 5 | @5| 8 7 | 9| —-1 25/1 - | sı | 9 so —_ eos: | 120 | 10 | 129 | el | | | +121| 123 _ Zen = | = 1 — | 022] ange [ge 146,5°| 180° | 158,5° Zune | | — _ a N a a DENE er — 2309 | 411 | 107 | 117 |. 1m 2 107 | 1221) — | 116 | 96,5 | 197 |956) 89,5(6) _ re | 305 | 196 |, 17 oO sl | _ | mn _ 127? | 114 | 102,3 | 101,5 | 102,4 %1| 100 |1,311058| —| — | — | 9,8 106,4" 100,4 92,16 | 106,5 | 91,8 | 88,4 | 91,13 99,7 9,66 [1019| 92| — | — | — | 8837| 92) 90,62 66,6 | 60,9 | 63,5 | 63,56 | 49,8 | 60,1 55,6 | 52,8 | 64,3 |69,6| 57,5 | 73,3 | 60,7 73,2 66,8bzw.57,8 17,78 | 56,52 | 62,35 | 55,08 | 53,51 | 56,03 53,92 | 48,15 58,16 | — | 47,22 | 67,02 | 58,33 | 69,77 62,22 53,85 151,1 | 129,6 | 135,4 | 146,2 | 136,5 | 115,7) 156 | 150,5 158,2 138,8] 166,3 | 133,3 1190,14) 154 | 451,65 149,5 | 148,4 [143,6 | 170 | 147,8 | 133,6 | 141,7 | 155,2 187,7 | — | 154,6 | 156,5 [210,2] 144 166 114,6 | 120 | 115,8 | 195,4 | 197,7 | 119,6) 97,3 106,2 | 145,9 [110,2] 104,5 | 116,5 | 161,3 | 112,3 | 118,8 53,3 | 73,5 | 61,4 | 57,1 | 60,9 | 53,7 | 49,7 | 57,1 | 29,2 | 56,6 53,6 | 62 | 60,9 | 39,7 60,2 36,1 | 39,2 | 39,1 | 36,1 | 37,5 | 39,2 | 35,1 37,7 | 35,5 34,1| 40,7 | 33,9 | 39,6 111 | 343 38,99 119,92 | 38,68 [43,36 | 45,1 | a1,ıa | 33,58 38,57 '39,46| 37,71 138,01 | 34,8 | 10,32 39,34 8*+ 116 A. J. P. v. d. Broek | Schimpanse | juv | Q jur. | Distantia spinarum . | 131,6 161 - spin. il. post. sup.. 13640 35 - =; = 6 = ml. 29 32 - - Jlimitans . { 3 47,7 56,8 - - il. ant. sup.— post. sup. - 56 70,6 Länge der Crista iliaca . : 82,5 103,6 Dist. spin. il. post. sup. ae inf. 47,6 52,5 Beckenhöhe a PER: | » 136 160 b i ı 154 182 Höhe des kleinen Beckens . 57 74 - der Symphyse 29 44 Beckeneingang Conjugata vera 5 87,5 108,4 Diameter transversus . 49,4 54,5 Rechter schräger Durchmesser 65 79 Linker - - B 65 79 Beckenhöhle Länge der Berkznhenls - 8 97 Breite - ER: 38,6 52,5 Beckenausgang | Länge des Beckenausganges I = 76 98 Dist. tubera ischii, Hinterende | 56 66,5 - - - _ Vorderende -- 30 - spinarum ischii . 37,8 49 Sacrum Länge (gerade) E 44 68 Breite, Oberrand Fac. aurie. = 39 50 - zur Höhe der Lin. innominata - 33,5 41 - Unterrand Faec. auriculata 25 27 Zahl der Wirbel . NER AR 4 4 Ineisura sacralis . | _ — Suleus praeauricularis sacri + u - - lei. re — — Ausdehnung der Fac. auriculata . I 1,2,3p 1,2,3 Größte Aushöhlung des Sacrums . - I — — Stelle der größten Aushöhlung des Sacrums ı — Krümmung des Saecr. transv. ie — Hyper-, Homo-, Hypobaal), | hyper hyper Höhe des Iliums : | 102,4 118,3 Breite - - | 46 59 Läng. d. Crist. iliae. v.d. spin. ‚il. ant. sup. — pin, lim. 67 77 zen Daun sup. STR A 137° 122,5° inf. 108,5° 1192 Oberrand ee Teraie des Sacrums 62 —_ Unterrand - —Oberende - - — — Beckenindex a | %,76 | 100,6 - ı 85,45 88,46 Sacralindex a. 88,6 73,5 - b. 75,2 60,29 Index des Beckeneinganges 176,76 198,9 - der Beckenhöhle 209,6 184,7 - de Bes enaung angeln 135,7 147,3 Symphysenindex 50,9 59,5 Index des kleinen Beckens. 37 40,7 Index sexualis R 37,5 33,85 Ne) er DE ee m =» o Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 417 Literatur. 1) ALBRECHT. Über die Unterschiede des menschlichen Beckens von den übrigen Affenbecken. Centralbl. d. d. Gesellsch. f. Anthropologie. Bd. XV. 1885. S. 100. 2) BARDELEBEN, K. v. Über bilaterale Asymmetrie beim Menschen und bei den höheren Tieren. Verhandl. Anat. Gesellschaft. Gießen 1909. 3) BROEK, A. J. P. v. D. Über Geschlechtsunterschiede im Primatenbecken. Archiv f. Anat. u. Phys. Anat. Abt. 1911. 4) — Note sur l’asymmetrie dans le bassin des Primates. Bull. de la Soe. d’anthropologie de Paris. Mars 1912. 5) DERRY, D. E. The significance of the suleus praeauricularis.. Anat. An- zeiger. Bd. XXXIX. 8. 13. 6) — Note on the innominate bone as a factor in the determination of sex, with special reference to the sulcus praeauricularis. Journal of anatomy and physiology. Vol. XLIII. p. 266. 7; ECKER, A. Zur Kenntnis des Körperbaues schwarzer Eunuchen. Abh. d. Senckenb. Ges. zu Frankfurt. Bd. V. S. 101. 8) Fark, E. Die Entwicklung und Form des fötalen Beckens. Berlin 1908. 9) Fenuıng. Die Form des Beckens beim Fötus und Neugeborenen. Archiv f. Gynäkologie. Bd. X. 8.1. 10) Fick, B. Handbuch der Anatomie und Mechanik der Gelenke. 11) FLower, W. H. Einleitung in die Osteologie der Säugetiere. 12) GARson, J. G. Pelvimetrie. Journal of Anatomy and Physiology. Vol. XVI. 13) GAupP, E. Die normalen Asymmetrien des menschlichen Körpers. Jena 1909. 14) HennıG, C. Das Rassenbecken. Archiv f. Anthropologie. Bd. XVI. 15) HOEVEN-LEONHARDT, J. v. D. Over de betrekking van het bekken der Anthropoiden tot dat van den mensch. Amsterdam 1905. 16) Keıtn, A. The ligaments of pelvis of the catarrhine monkeys, with refer- ence to corresponding structures in man. Journal of anatomy and physiology. Vol. XXVIIL. 17) Konıkow. Zur Lehre von der Entwicklung des Beckens und seine ge- schlechtliche Differenzierung. Archiv für Gynäkologie. Bd. XLV. 18) Kwast, J. Eene beschrijving van Moriori-bekkens. Amsterdam 1908. 19) KoGAneEı, Y., und OsawA, G. Das Becken der Aino und Japaner. 1900. 20) LECHE, A. In Bronns Klassen und Ordnungen des Tierreiches. 21) Lugsen, N. Das Ilium der Säugetiere. Petrus Camper. Bd. Il. ) 22) MIivART, ST. GEORGE. Contributions to a more complete knowledge of the skeleton of the Primates. I. The appendicular skeleton. Zool. Trans- actions. Vol. VI. p. 175. 23) — On the appendieular skeleton of the Primates. Transactions of the royal Society. Vol. CLVL. 24) MorLısoxn. Die Körperproportionen der Primaten. Morpholog. Jahrbuch. Bd. XL. S. 9. 25) Owen, R. Osteological contributions to the natural history of the Chimp- anzees and Orangs. Zoological Transactions. Vol. IV. p. 89. 118 A.J.P.v.d.Broek, Studien zur Morphologie des Primatenbeckens. 26) Owen, R. On the osteology of the Chimpanzees and Orang oetan. Trans- actions zoölogiecal Society of London. Vol. I. p. 343. 27) — Comparison of the bones of the limbs of the Troglodytes Gorilla, Tr. niger and of different varieties of the human race and on the general character of the skeleton of the Gorilla. Transactions zoöl- ogical Society. Vol.V. p.1. 28) PATERSoOn. The human sacrum. 29) PLoss, H. Zur Verständigung über ein gemeinsames Verfähren zur Becken- messung. Archiv f. Anthropologie. Bd. XV. S. 259. 30) PROCHOWNIK, L. Die Beckenformen der Anthropoiden. Correspondenzbl. d. d. Ges. f. Anthrop. Bd. XXVIIL 8. 119. 31) RADLAUER, C. Beiträge zur Anthropologie des Kreuzbeines. Morph. Jahr- buch. Bd. XXXVII S. 323. 32) SCHAAFFHAUSEN. Antrag zur Ernennung einer Kommission für die Nomen- klatur. Korr. d. d. Ges. für Anthrop. Bd. XV. 8. 2. 33) STRUTHERS, J. On the articular processus of the vertebrae in the Gorilla compared with those in man. Journal of anatomy and physiology. Vol. XXVLH. p. 131. 34) Treug, H. Leerboek der Verloskunde. 35) WALDEYER, W. Das Becken. 36) ZAAYER, J. Der Suleus praeaurieularis ossis ilei. Amsterdam. Erklärung der Figuren auf Tafel I-IV. Tafel I. Fig. 1. Skelet von Schimpanse. Fig. 2. Os coxae von Macacus, von lateral und von medial. Fig. 15. Becken von Oynocephalus, von ventral. Fig. 16. Becken von Semnopithecus pruinosus juv., von lateral. Tafel II. Fig. 3-5. Becken von Oedipomidas oedipus 5, natürl. Größe. Fig. 6—8. Becken von Cebus spec. Q, '/a natürl. Größe. Fig. 9—11. Becken von Ateles spec. juv. ©, 1/» natürl. Größe. Fig. 12—14. Becken von Macacus eynomolgus &, !/a natürl. Größe. Tafel III. Fig. 17—19. Becken von Hylobates (symphalangus) syndactylus &, t/s nat. Größe. Fig. 20—22. Becken von Simia satyrus juv., !/a natürl. Größe. Fig. 23—25. Becken von Schimpanse, !/, natürl. Größe. Tafel IV. Fig. 26—23. Becken von Schimpanse, !/; natürl. Größe. Morphologisches Jahrbuch. Bd. NLIN. Tafel T. | Fig. 15. Fic. 16. v.d. Broek. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig und Berlin. ee ENTER en De a Na u ’ 2 . f f x ’ ar { ie ” r % + fi E40 t * ’ 2 h x * Ve N . A a h I | | 1. ı I w | 1 a - Ei ; ' Pe u are * in Er L ü : ’ u LA Marsa Lam Der Zu 2 wir 4 | | | | ’ h = N nn‘ i B in ur in 1 f i 1 ä [ h 1 NN $ u je tr Ey ve = Bi re ur ö D ’ uf | 1. a ur 2 iu ’ - H “u } IE, ‚ - l $ r ! 5 y i h 5 - er . 1 ı 5 ’ y 4 & u “ u un F =, D ‘ 0 u er > A “ % ER 4 2 - | , u 4 ’ er | | A | } | ’ z I ; Ye \ Im ’g j | } De er , ! 1 . 1 | 4 B iu B I a i ) 4 ı } j ı 5 2 Es ns j a j \ ji nd } 173 a l. Pi | l h “a. i- f rs B a, \ - j# i N 5 Morphologisches Jahrbuch. Bd. XLIX. | v.d. Brock. Verlag von Wilhelm En lt Tafel I. nn in Leipzig und Berlin. Morphologisches Jahrbuch. Bd. NLIX. | Verlag von Wilhelm Engelm Tafel III. Fie. 21. Fig. 23. in Leipzig und Berlin. 2 -r ” sum Morphologisches Jahrbuch. Bd. NLINX. Tafel IV, En - : v. d. Broek. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig und Berlin. mu ee ae =“ rn a KR me = . E a8 G ” £ N . ’ « Een Ya f a i Fe ; we } R r i 3% 63 t = 4 b } u { = f 4‘ ® = - EN, > Ä } = + ‘ 2 { j i * | = I . a Fe Be t B ER FoB . Pete Prien) SER F Nase , en ee aa (Aus dem Anatomischen Institut der Universität Utrecht.) Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. III!, Das Primordialeranium eines Embryo von Balaenoptera rostrata (105 mm). Von H. M. de Burlet, Utrecht (Holland). Mit 33 Figuren im Text und Tafel V—VI. Einleitung. Nachdem in den beiden vorigen Aufsätzen dieser Serie einiges über die Entwicklung des Primordialeraniums von einem Zahnwal (Phocaena communis) mitgeteilt worden ist, soll hier die Beschrei- - bung des Knorpelschädels eines Vertreters der Bartenwale folgen. Das kostbare Objekt, welches dieser Darstellung zugrunde liegt, ein Embryo von 105 mm von Balaenoptera rostrata, verdanke ich der Güte des Herrn Prof. Dr. Max WEBER, dem ich auch an dieser Stelle meinen herzlichen Dank für das seltene Objekt ausspreche. Auf die Entwicklung des Schädels der Zahnwale, auch besonders was die Entwicklung der Deckknochen anbelangt, soll nach Voll- endung dieser Arbeit zurückgekommen werden. Von dem in Celloidin eingebetteten Kopf des Dalaenoptera- Embryos wurde eine Querschnittserie angefertigt. Von den Schnitten wurde jeder dritte bei löfacher Vergrößerung gezeichnet und nach den Zeichnungen ein Modell hergestellt, welches in den Tafelfiguren abgebildet ist... Die Abbildungen der einzelnen Schnitte sind alle auf mikrophotographischem Wege angefertigt. Die Fixation des Objektes war eine ziemlich gute, wenn es auch sicherlich nicht ganz frisch in die Fixationsflüssigkeit gekommen 1 Siehe Morpholog. Jahrb. Bd. XLV und XLVII. 120 H. M. de Burlet ist. Darunter hat hauptsächlich das Gehirn gelitten; für unsere Zwecke erwies sich der Kopf jedoch als sehr brauchbar. Auch die Tatsache, daß in der Mitte des Rostrums bedauernswerterweise ein Teil der Schnitte fehlt, beeinträchtigt die Brauchbarkeit nicht, wesent- lich. Die Ausdehnung proximalwärts der Cartilagines ductus naso- palatini konnte dadurch nicht ermittelt werden (siehe Ethmoidal- region). Die Länge des Rostrum war aus den Maßen des vorhan- denen Unterkiefers abzuleiten, auch seine Form, da die Schnitte des vorderen Teiles des Rostrum vorhanden waren. Es sei gestattet, hier einige Bemerkungen über das Anbringen von Richtungslinien an in Celloidin eingebetteten Objekten einzu- flechten. Das Anbringen einer Definierebene, nach der bei Paraffin- blöeken gebräuchlichen Methode, versagt nach meiner Erfahrung bei Celloidineinbettung, da diese Ebene sich bei geringen Änderungen der Alkoholkonzentration leicht wölbt und damit ihren Wert als Leit- fläche beim Aufbau der Wachsplatten verliert. Durch eine einfache Methode läßt sich dieser Übelstand vermeiden, nämlich dadurch, daß man in den Celloidinblock senkrecht zur Schnittfläche Kanäle in der Nähe des Kopfes bohrt, welche auf den einzelnen Schnitten als runde Öffnungen erscheinen. Diese Öffnungen werden mitgezeichnet, und aus den Wachsplatten ausgeschnitten. Beim Aufbauen der Platten bilden sie einen senkrechten Stab, welcher dem betreffenden Kanal im Celloidinblock entspricht. Theoretisch genügen zwei der- artiger Stäbe zur genauen Orientierung der Schnitte, es lassen sich aber natürlich gut mehrere anbringen. Das Anbringen der Kanäle senkrecht zur Schnittfläche geschieht folgendermaßen: Der Celloidinblock, welcher das Präparat enthält, wird in der gewünschten Stellung im Mikrotom befestigt, und man fängt an zu schneiden, jedoch nur das Celloidin; das Präparat er- scheint noch nicht in den Schnitten. Es ist jetzt die Schnittfläche am Celloidinblock angebracht. Senkrecht zu dieser, so nahe wie möglich beim Präparat, sollen nun die Kanäle verlaufen. Sie werden durch das Einstechen einer Hohlnadel, welche einen scharfen unteren Rand hat und welche drehend eingeführt wird, hergestellt. Um der Nadel die gewünschte senkrechte Richtung zu geben, wird auf die Schnittfläche des Celloidinblockes ein Kupferblock gelegt, welcher einige Kanäle enthält, die senkrecht zur Grundfläche verlaufen und in welche die Hohlnadel genau paßt. Diese Kanäle des Kupfer- blockes geben der Hohlnadel, wenn sie in das Celloidin eintritt, die gewünschte Richtung. Der rechteckige Kupferblock, welchen ich Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. III. 191 benutze, ist 11/,>X3><4 em groß und enthält fünf derartiger Leit- kanäle, so daß man, ohne den Block zu verschieben, fünf Öffnungen in dem Celloidin anbringen kann. Wenn man mit einem großen Objekt zu tun hat, ist es nicht erwünscht und auch nicht notwendig, daß die Kanäle im Celloidin durch die ganze Länge des Celloidin- blockes reichen; sie könnten dann in vielen Schnitten zu weit vom Präparat entfernt gelegen sein. Man kann in jedem beliebigen Zeit- punkt die Prozedur, das Anbringen neuer Kanäle im Celloidin, wäh- rend des Schneidens wiederholen, wenn man nur im Auge behält, daß in allen Schnitten eine genügende Anzahl Öffnungen zur Orien- tierung jedes einzelnen Schnittes vorhanden sein muß. Diese hier kurz angegebene Methode hat sich mir als recht brauchbar erwiesen; sie läßt sich durch das Anbringen gefärbter Masse in den Kanälen, wodurch dieselben auf den Schnitten deut- licher hervortreten, noch vervollkommnen. Bei den relativ dicken Schnitten, um welche es sich hier handelt, erwies sich eine derartige Komplikation als überflüssig; sie kann vielleicht bei dünneren Schnitten nötig sein. Es mag sein, daß eine ähnliche oder bessere Methode schon anderswo angegeben ist. Der Grund, weshalb hier diese technische Auseinandersetzung gegeben wurde, ist nur dieser, eventuell jemandem, der vor der gleichen Schwierigkeit steht, den Weg zu genauer Rekonstruktionstechnik zu weisen. Noch eine andere technische Schwierigkeit bei der Rekonstruktion möchte ich hier kurz streifen. Das Objekt wird in Sehnitte zerlegt. Die einzelnen Schnitte werden bei, sagen wir, lOmaliger Vergrößerung gezeichnet. Die Wachsplatte, aus welcher jeder Schnitt nun aus- geschnitten wird, hat 1Omal die Dicke des Schnittes. Nun werden die Wachsschnitte aufeinander gelegt, das Modell wird aufgebaut. Nach meinen Erfahrungen zeigt nun das Modell einen Fehler; es ist zu hoch; es scheint, als ob zu viel Schnitte dafür verwendet wären. Diesem Fehler läßt sich leicht dadurch abhelfen, daß man die Dieke der Wachsplatten etwas dünner nimmt als theoretisch gefordert wird. Wie mir scheint, trifft man das Richtige, wenn man die Dicke der Wachsplatten ungefähr 10 % geringer wählt, als theo- retisch nötig ist; im obigen Beispiel soll die Dieke der Platte also nieht 10mal, sondern 9mal die Dicke des Schnittes betragen. Wenn man die Höhe des mit diesen »zu dünnen« Platten aufgebauten Modells mißt, kommt die gewünschte Zahl (Vergrößerung der Zeich- nung X Schnittdieke X Anzahl der gezeichneten Schnitte) richtig heraus. 123 H. M. de Burlet Die einzelnen Regionen des Primordialeraniums sollen zunächst beschrieben werden. Die Oceipitalregion. Der distale Abschnitt der Basalplatte, die Pars oceipitalis, geht nach vorn in die Pars otica Plan. bas., seitlich in die Oceipital- pfeiler über. Bezeichnen wir denjenigen Teil der Basalplatte, welchem die Ohrkapseln angelagert sind, als oticalen Abschnitt. An dem dahinter Fig. 1. Schnitt 858. gelegenen oceipitalen Abschnitt läßt sich dann noch ein vorderes und ein hinteres Stück ünterscheiden. Letzteres geht seitlich in die Oeeipitalpfeiler über, ersteres bildet mit seinem lateralen Rande die mediale Begrenzung des Foramen jugulare. Betrachten wir zuerst das distale Stück. Seine Dieke nimmt Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. II. 123 nach hinten zu dadurch ab, daß die untere Fläche distalwärts an- steigt. Der hintere Rand bildet die untere Begrenzung des Foramen magnum. Eine schwache Einbuchtung dieses hinteren Randes, Inei- sura intercondyloidea, setzt sich an der unteren Fläche als untiefe breite Mulde fort. Seitlich von dieser Mulde ist jederseits eine flache Vorwölbung vorhanden, Condylus oceipitalis. Die beiden Condylen werden durch das vordere Ende der erwähnten Vertiefung vonein- Schnitt 06, ander getrennt, der Atlas lagert hier dem Schädel nicht an. Die mit dem Atlas in Berührung stehende Fläche des Condylus ist kon- vex, der vordere Teil sieht nach unten, der hintere Teil zugleich distalwärts. Am Atlas befindet sich eine entsprechende konkave Fläche. Der stumpfe Dens epistrophei nähert sich der Basalplatte im mulden- förmigen Gebiet zwischen den Condylen, jedoch ohne den Schädel zu berühren (Fig. 1). Aus seiner Spitze tritt die Chorda dorsalis an der unteren Fläche der Pars oeeipitalis, in welche sie eindringt. In nach vorn zu ansteigendem Verlaufe durchsetzt sie das hintere 124 H. M. de Burlet Stück der Pars oceipitalis der Basalplatte und kommt, ungefähr dort, wo wir den Beginn des vorderen Stückes vermuten, auf die obere Fläche zu liegen (Fig. 2). Hat sie diese einmal erreicht, so entzieht sie sich bald der Beobachtung; auf weiter proximalwärts gelegenen Schnitten wird sie stets undeutlicher, um dann ganz zu verschwinden. Auch im Gebiete der Oticalregion wird sie weder in noch auf der Basalplatte gefunden. Es scheint wahrscheinlich, daß der größte vordere Teil der Basalplatte eine hypochordale Lage hat. Mit Sicherheit läßt sich das, wo man die Chorda selbst nicht verfolgen kann, nicht sagen. Aber man ist zu der Vermutung deshalb berechtigt, weil in der Basalplatte gelegene Teile der Chorda sich auch vorn erhalten hätten, wenn sie vorhanden gewesen wären, genau so wie sie weiter binten in der Tat erhalten sind. Aus der Tatsache, daß die Chorda auf der Basalplatte verschwindet, läßt sich also folgern, daß der vordere Abschnitt hypochordal liegt. Dieses gilt jedoch nicht für den distalen Abschnitt der Bach platte. Wie oben bemerkt, dringt die Chorda an der unteren Fläche in die Pars oceipitalis ein; dieser hintere Abschnitt läßt sich aus diesem Grunde schwierig als nur aus hypochordalen Spangen auf- gebaut deuten. Auch der Wirbelkörper des hypothetischen letzten Schädelwirbels scheint in diesem Fall am Aufbau der Schädelbasis beteiligt. Zwar ist die Möglichkeit, daß frühere Stadien andere Ver- hältnisse zeigen, und wir es hier mit sekundär abgeänderten Zu- ständen zu tun haben, offen zu halten. Über das Vorhandensein der beiden Condylen ist hier einiges noch einzufügen. Als selbstverständliche Tatsache darf das Vor- kommen von zwei Condylen hier keineswegs aufgefaßt werden, da dieses Säugermerkmal bekanntlich manchem erwachsenen Wale fehlt. Nicht nur die verschiedenen Ordnungen der Cetaceen zeigen dies- bezüglich wechselnde Verhältnisse, sondern auch die einzelnen Indi- viduen weisen innerhalb der Species große Unterschiede auf (z. B. Globiocephalus). Neben solchen Schädelformen mit deutlich getrennten Condylen und tiefer, mehr oder weniger breiter Ineisura intereondy- loidea kommen Formen vor, welche nur einen einzigen großen sichel-, halbmond- oder nierenförmigen Condylus aufweisen. Als Beispiel dieser monocondylen Mammalier sei hier Hyperoodon er- wähnt. Im Hamburger Naturwissenschaftlichen Museum befinden sich zwei Exemplare dieser Species, welche den einhöckerigen Zustand deutlich zeigen. Zur Entwieklungsgeschichte des Walschädels. III. 125 Dann ist hier an eine ältere Arbeit von A. MÜLLER! zu erinnern, welche ein Schädelfragment eines Finn-Wales behandelt, das gleich- falls nur einen Condylus aufweist. Er benennt danach diesen Finn- Wal Balaenoptera syncondylus. In der Berliner anatomischen Samm- lung fand er außerdem zwei Hyperoodon-Schädel, von denen der kleinere zwei unvollkommen getrennte, der größere einen einheit- lichen Condylus zeigte. Demnach ist auch bei Ayperoodon das Auf- treten eines einheitlichen Condylus als eine wahrscheinlich häufige Varietät aufzufassen, ähnlich wie bei Globiocephalus melas. Daß das Bruchstück des » Balaenoptera syncondylus« auch eine Varietät sein kann, liegt auf der Hand. Nach GAupp? ist das Vorkommen eines einheitlichen Condylus bei den Walen als sekundärer Zustand aufzufassen. Das Vorkommen getrennter Condylen bei jungen Entwicklungsstadien, wo die Winkel- stellung zwischen Wirbelsäule und Schädel noch besteht, bestätigt diese Auffassung. Das vordere Stück der Pars oceipitalis der Basalplatte bezeich- neten wir oben als dasjenige, welches seitlich nicht mehr in die Oeeipitalpfeiler übergeht, sondern die mediale Begrenzung des For. jugulare bildet. Dieser Teil der Basalplatte zeigt an seiner ven- tralen Fläche jederseits einen flügelförmigen Fortsatz, der sich in lateraler Richtung erstreckt. Auf dem Querschnitt ist daher die untere Fläche breiter als die obere (Fig. 2, S. 123). Sobald wir das Gebiet der Pars otica Plan. bas. erreichen, verändert sich dieses Verhältnis, und zwar plötzlich. Die obere Fläche ist hier die breitere; man vergleiche Fig. 2 (S. 123) und Fig. 3 (S. 126). Stärker entwickelt, zum Teil verknöchert, fanden wir ähnliche Fortsatzbildungen am Knorpelschädel von Phocaena communis. Wir beschrieben die Processus dort als Anlage der Proc. basi-oceipitales. Ihr vorderes Ende bezeichnet zugleich die Stelle, wie weit die Ohr- kapseln distalwärts reichen. Der N. hypoglossus, der sonst bekanntlich den Oceipitalpfeiler mit einer oder mehreren Öffnungen durchbohrt, bietet hier ab- weichende Verhältnisse, die an den Zustand bei Echidna erinnern, wo der XII. Kopfnerv mit den Nerven der Glossopharyngeus-Vagus- Gruppe durch das Foramen jugulare verläuft”. Das ist nun auch 1 18, 2 13, p. 52. 3 12, p. 674. 126 H. M. de Burlet hier der Fall!, jedoch nur an einer Seite. An der anderen, der linken Seite besteht eine äußerst schwache Knorpelbrücke, welche die Öffnung für den Hypoglossus vom übrigen Foramen jugulare ab- grenzt. Von dieser Knorpelbrücke wird nur in drei Schnitten je ein Teil gefunden, Fig. 2 (S. 125) stellt u. a. den mittleren dieser drei dar, wo man ein scheinbar freiliegendes Knorpelstück zwischen Basal- platte und Oeeipitalpfeiler erblickt. Dart. semieru. por... - -- ee ren .9euche I ab 1, u = - 5 Schnitt 777. Von der Knorpelbrücke ist rechts nur eine Andeutung in Ge- stalt eines kleinen Fortsatzes, der vom Oeceipitalpfeiler ausgeht, übrig geblieben. Es fragt sich nun, ob wir in dieser unvollkommenen Trennung der sonst gesonderten Öffnungen eine sich einleitende Verschmelzung, oder umgekehrt den Anfang der Selbständigwerdung beider Öffnungen zu sehen haben. Diese Frage habe ich durch Untersuchung des erwachsenen Schädels zu lösen gesucht. Zu meiner Überraschung fand ich im Leidener naturhistorischen Museum einen erwachsenen Dalaenoptera 14, S. 118. Eschricnt fand bei der makroskopischen Präparation des Knorpelschädels von Balaenoptera ebenfalls kein getrenntes Foramen hypoglossi. Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. III. 127 rostrata-Schädel, der ziemlich genau die gleichen Verhältnisse wie das vorliegende Primordialeranium aufweist. Hier fehlt ebenfalls rechterseits ein eigener Hypoglossus-Kanal, während links der Ca- nalis hypoglossi durch eine dünne Knochenspange vom Foramen jugulare abgetrennt ist. Obwohl diese Übereinstimmung vollkommen ist, halte ich es doch für wahrscheinlich, daß man daraus nicht den Schluß ziehen darf, daß das angetroffene Verhältnis als konstant für Balaenoptera rostrata zu bezeichnen ist. Es scheint bei den Barten- walen allgemein eine Tendenz zur Verschmelzung vom Foramen hypoglossi mit dem Foramen jugulare vorhanden zu sein. So fand ich das Fehlen des Foramen hypoglossi in der Leidener Sammlung bei drei Exemplaren von Sıbbaldius Schlegeli (Balaenoptera musculus?), bei je einem Exemplar von Physalus antiquorum (Ba- laenoptera physalus) und Megaptera boops. Bei einem anderen Phy- salus und einem Exemplar von Eubalaena australis waren getrennte Canales hypoglossi vorhanden. Wechselnde Verhältnisse bieten diesbezüglich auch Halcore und Manatus (siehe auch DırG!). Bei zwei erwachsenen Halicore dugong, bei zwei Manatus inunguis war der Hypoglossuskanal vorhanden; bei einem jungen Halicore dugong, bei zwei Manatus australis und bei zwei anderen Manatus inunguis waren die Canales hypoglossi mit dem For. jugulare verschmolzen. Ein Exemplar von Manatus inun- guis zeigte einen ähnlichen Übergangszustand wie Balaenoptera ro- strata, einerseits war eine offene Rinne für den N. XII vorhanden, andererseits ein Foramen. Manatus inunguwis variiert demnach diesbezüglich. Die Oceipitalpfeiler sind kräftig entwickelt, ihr hinterer - Rand begrenzt das Foramen magnum. Der vordere Rand geht, was seinen ventralen Abschnitt an- belangt, in eine Knorpelplatte über, welche als Lamina alaris (Vorr) zu bezeichnen ist. Diese ist an ihrem dorsalen Ende mit der Ohr- kapsel verbunden; weiter ventral hat sie einen freien Rand, welcher die Grenze eines Spaltes (Fissura oceipito-capsularis) bildet, dieser befindet sich zwischen dem hinteren Ende der Ohrkapsel und der Lamina alaris und stellt eine seitliche Fortsetzung des Foramen Jugulare dar. Nach vorn endet die Lamina alaris mit zwei Fort- sätzen, einem dorsalen und einem ventralen (Fig. 4). Der dorsale 1 Dıra, 3a., S. 100 erwähnt auch für Manatus das Fehlen eines Foramen hypoglossi. 128 H. M. de Burlet entspricht dem Processus mastoides, der ventrale dem Processus para- condyloideus; beide stellen niedrige Erhebungen dar, die jedoch beiderseits in ganz ähnlicher Form gefunden werden. Auch oberhalb der Lamina alaris ist der vordere Rand des Oceipitalpfeilers mit der Ohrkapsel verbunden. Noch weiter dorsal- wärts verbreitert sich der Pfeiler zu einer dünneren Platte, welche sich über der Ohrkapsel als Supracapsularplatte fortsetzt. Fig. 4. KA, -Omm.ceisits-cap N x Ump. post. n.ownta. ; For. parikumy kam 2 ® atke 2 Iamotico) Peoc, SEE | Sroc. ; Schnitt 773. Das Tectum posterius stellt eine ziemlich breite Verbindungs- platte dar, welche schräg zur Schädelachse steht, sie ist teilweise verknöchert (Fig. 1, S. 122). Das Foramen magnum hat die Form eines Ovals, sein oberes Ende ist zugespitzt, die Öffnung steht senkrecht zur Basalplatte. Die Oticalregion. Die Basalplatte ist mit ihrem vorderen Abschnitt an der Bil- dung der Ohrregion beteiligt. Der hintere und’ vordere Teil dieses Abschnittes sind breit; dazwischen befindet sich ein schmales Ver- bindungsstück. Die nach dem Schädelinneren gerichtete Seite ist Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. II. 129 flach, die untere Seite ist hinten konkav (Fig. 4, S. 128), in der Mitte flach (Fig. 7, S. 132), weiter nach vorn konvex (Fig. 16, S. 141). Über den Verlauf der Chorda und ihre Beziehungen zur Basal- platte ist oben schon berichtet worden. Seitlich von der Pars otica der Basalplatte sind die Ohrkapseln gelegen; sie sind von der Basalplatte durch einen Spalt, die Fissura basi-capsularis, getrennt. Diese Trennung ist keine vollständige, wie weiter unten besprochen werden soll. Die Ohrkapseln zeichnen sich durch Selbständigkeit aus. Zuerst soll Gestalt und Inhalt derselben dargestellt werden, darauf sind die Verbindungen, durch welche sie mit anderen Teilen des Knorpel- schädels zusammenhängen, zu erwähnen. Die Capsula auditiva hat die Gestalt eines länglichen ovoiden Körpers, dessen längste Achse schräg von hinten außen nach vorn innen verläuft. Wir unterscheiden an ihr eine Pars cochlearis und eine Pars canalicularis. Erstere bildet den medialen Teil der Ohrkapsel, welcher sich bis unter die Basalplatte erstreckt. Die Pars cochlearis reicht außerdem weiter nach vorn, proximal, als die lateral gelegene Pars canalicularis. Man vergleiche, auch zum besseren Verständnis der jetzt folgenden Einzelheiten, die Tafel- figuren I, II und III, die nicht jedesmal angeführt sind wie die Abbildungen der Schnitte. An der Pars eochlearis unterscheiden wir eine obere und eine untere Fläche, welche ungefähr parallel zueinander verlaufen und nahezu horizontal stehen (Fig. 5, S. 130). Sie bilden die Haupt- begrenzungsflächen der außerordentlich großen Pars cochlearis, welche die Gestalt eines plattgedrückten Eies hat. An der Pars canalicularis unterscheiden wir drei Flächen (Fig. 11, S. 136); sie besitzt die Form eines dreiseitigen Prismas, dessen lange Achse horizontal gelagert ist, und welches vorn und hinten abgerundete Enden hat. Die eine dieser drei Flächen ist nach dem Schädelinneren ge- kehrt; wir nennen sie die obere Fläche; sie bildet die Fortsetzung der oberen Fläche der Pars ceochlearis. Eine zweite, unregelmäßig gestaltete Fläche sieht ventralwärts und schließt sich der unteren Fläche der Pars cochlearis an; sie soll als die untere Fläche der Pars canalicularis bezeichnet werden. Die dritte Fläche endlich nennen wir die äußere, sie ist vertikal gestellt und wird teilweise vom Squamosum bedeckt (Fig. 11, S. 136). Morpholog. Jahrbuch. 49. 9 130 H. M. de Burlet Das vordere Ende des Prismas geht in eine Knorpelbrücke über, welche eine Verbindung zwischen Pars cochlearis und Pars canali- cularis herstellt. Diese Commissur begrenzt den weiten primären Faecialiskanal; sie ist als Commissura praefacialis zu bezeich- nen, da sie nur die vordere, nicht die obere Begrenzung dieses Kanales bildet. Medial bildet die Pars ceochlearis, lateral das vor- Fig. 5. Forsobica lan. bey $ Gpspiednfl. Schnitt 673. dere Ende der Pars canalieularis die Wand des Kanales (Fig. 5). Das hintere abgerundete Ende der Pars canalieularis ragt distal- wärts frei vor; es enthält die Ampulle des hinteren Bogenganges und diesen Bogengang selbst (Fig. 4, S. 128). Betrachten wir die oberen Flächen der Pars cochlearis und der Pars eanalicularis, welche wir gleichzeitig besprechen wollen, näher. Die Mulde, welehe als Anlage des Meatus acusticus internus beim Braunfischschädel schon frühzeitig zu erkennen war, ist hier nur schwach angedeutet durch eine leistenförmige Erhebung, welehe vom distalen Rande der Commissura praefaeialis sich zum medialen ande des Foramen acusticum inferius erstreckt. Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. 111. 131 Diese letztere Öffnung stellt einen länglichen Spalt dar, welcher parallel zur Fissura basi-capsularis in proximo-distaler Richtung ver- läuft. Lateral von dieser Öffnung befindet sich erstens der weite Eingang zum primären Facialiskanal, dieser liegt mehr nach vorn (Fig. 6), und zweitens das Foramen acusticum superius, welches mehr nach hinten gelegen ist (Fig. 14, S. 139). Das Foramen acusticum inferius bringt uns in den flachen Hohlraum der Pars Fig. 6. Schnitt 683. eochlearis, wohin es den N. eochlearis führt (Fig. 7, S. 132). Außer- dem geht ein Zweig des N. vestibularis, welcher für den Saceulus und .die hintere Ampulle bestimmt ist, durch den hinteren Abschnitt des Spaltes. Der zweite Ast des N. vestibularis tritt durch das Foramen acusticum superius (Fig. 9, S. 134); diese Öffnung führt den Nerv in eine große Cavität, welche Utrieulus, Sacculus (Fig. 12, S. 137) und die Ampullen des vorderen und seitlichen Bogenganges enthält. Über den Facialiskanal wird weiter unten die Rede sein. Zwei weitere Öffnungen an der oberen Fläche sind hier noch zu erwähnen. Eine kleinere, welche der Pars canalieularis angehört, deren obere Wand 9* 132 H. M. de Burlet sie in von innen (medial) nach außen (lateral) verlaufender Richtung - durchbohrt. Durch sie tritt der Ductus endolymphaticus an die innere Schädeloberfläche (Fig. 15, S. 138). Eine viel größere Öffnung, das Foramen perilymphaticum, liegt medianwärts von der zuletztgenannten (Fig. 13, S. 138; Fig. 4, S. 128), sie wird lateral durch den hinteren Abschnitt der Pars canalieularis begrenzt, während sie selbst der Pars eochlearis angehört. Sie liegt Fig. 7. VIE ” ” 4 IMemkr. Yymp, RN N.cod. { ı l ı 1 ) I i "Spruumosum i "Malle End. Mean acer ". Cam. tymp. Trista pawtica” "mm Schnitt 687. nicht nur in deren oberer Fläche, sondern setzt sich auch auf deren "hinteren Pol fort. Der vordere Teil der Öffnung sieht daher in dorsaler Richtung, während der hintere Abschnitt distalwärts ge- richtet ist. Die obere Fläche als Ganzes betrachtet ist konkav. Ihr medialer, eochlearer Teil beteiligt sich an der Bildung des Bodens der Hirn- kapsel, ihr lateraler Abschnitt gehört sowohl dem Boden als auch der Seitenwand an. Als Grenze dieser beiden Abschnitte kann eine Linie gelten, welche sich vom vorderen Rande des Foramen peri- Iymphaticum lateral vom Foramen acusticum inferius zur inneren Apertur des Facialis-Kanals zieht. Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. II. 133 Der primäre Faeialis-Kanal führt uns an die untere Fläche der Ohrkapsel. Die mächtige Ausdehnung der Pars eochlearis läßt sich von dieser Seite am besten erkennen. Der Verlauf des Ductus cochlearis oder des Septum spirale ist kaum an der Außenseite an- gedeutet, an der linken Cochlea ist eben ein Teil der inneren Windung durch eine Vorwölbung zu erkennen, an der rechten gar nicht. Lateral von der Cochlea befindet sich die große Fenestra ovalis. Sie gewährt einen Einblick in den Hohlraum, in welchem Utrieulus Fig. 8. x en Fariels Kanal 3% ER x &p.d. Meak.ac.oxt. Schnitt 677. und Saceulus gelegen sind. An ihrem lateralen Rande befindet sich eine nach vorn zu tiefer werdende Rinne, welche den N. facialis enthält (Fig. 12, S. 137; Fig. 9, S. 134; Fig. 7; Fig. 6, S. 131). Diese Rinne ist hier im Gebiet der zukünftigen Paukenhöhle nicht über- brückt; sie führt zum distalen Rande der großen Öffnung, welche oben als primärer Facialis-Kanal beschrieben wurde (Fig. 8). Der laterale Teil der unteren Fläche der Pars canalieularis wird durch eine nach unten vorragende Leiste, die Crista parotica, ge- bildet. Die untere Kante dieser Leiste ist vorn breit (Fig. 7, S. 132; Fig. 9, S. 134), und hier ist ihr der Ineus angelagert. Distalwärts 134 H. M. de Burlet wird die Kante schärfer (Fig. 12, S. 137); von ihrem hinteren Ende entspringt das Hyale (Fig. 13, S. 138), welches zuerst in distalwärts konvexem Bogen medianwärts, dann schräg nach vorn zieht. Hinter dem Ursprungsgebiet des Hyale ist die Ohrkapsel mit der Lamina alaris des Oceipitalpfeilers verbunden. Die äußere Fläche der Pars canalieularis ist durch eine Leiste ausgezeichnet, welche zur Anlagerung des Squamosum bestimmt Fig. 9. ı# & I. Aapes u Face sum Avastihulenis \ ‚Ank.car. Duck. cochl.m. Sept. { ka--..\ REIT Manubr. mal N Sehnitt 708. ist (Fig. 11, S.136). Dorsal von derselben und ein wenig distalwärts befinden sich in dem Knorpel verschiedene a und kleinere Öff- nungen (Fig. 4, S. 128; Fig. 12, S. 137; Fig. 13, S. 138), welche in ein System von Kanälen und Höhlen (Fig. 3, S. 126; Fig. 10, S. 135) ins Innere der Pars canalieularis führen, die jedoch mit den Kanälen der Bogengänge nieht in Verbindung treten. Blutgefäße gelangen in dieser Weise in das Innere der Pars canalicularis. Der Zustand erinnert an den bei Phocaena beschriebenen; auch dort drangen von außen her die Blutgefäße ein. Dort war jedoch der Raum, in wel- Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. II. 135 chen sie gelangten, einfacher gestaltet; wir verglichen ihn einer Fossa subarcuata. Das Bild, welches Dalaenoptera bietet, erinnert mehr an eine beginnende Verknöcherung der Pars canalieularis. Hi en ON Bkapebius en N rs hf "Kyake Schnitt 744. Die Hohlräume der Ohrkapsel. Die Pars canalicularis ent- hält eine weite Kammer, in welcher Utrieulus und Saceulus sowie die drei Ampullen gelegen sind. Diese Kammer besteht aus einem größeren vorderen Abschnitt, welcher den größeren Teil des Utrieulus (Fig. 10), den Saceulus (Fig. 12, S. 137) und die Ampullen des vor- deren und lateralen (Fig. 11, S. 136) Bogenganges enthält, und einem kleineren, sich dem ersteren distal anschließenden, hinteren Ab- schnitt, welcher die Ampulle des hinteren Bogenganges (Fig. 4, S. 128) und den kleineren Teil des Utrieulus enthält. Beide Abteilungen stehen durch eine längliche Öffnung mit dem Hohlraum der Pars eochlearis in Verbindung (Fig. 10; Fig. 11, S. 136; Fig. 12, S. 137). Außer der erwähnten Öffnung, welche sich an der edsulen Seite der Kammer befindet, münden in dem vorderen Abschnitt, und zwar im proximalen Teil desselben, von oben her der Knorpelkanal, 136 H. M. de Burlet welcher den vorderen Bogengang (Fig. 11) enthält, von außen der Knorpelkanal des lateralen Bogenganges (Fig. 11). Etwas weiter distal mündet von oben und außen der Kanal für das Crus com- mune ein (Fig. 13, S. 138). Der hintere Abschnitt enthält die Ein- mündungsstellen für das schlichte Ende des lateralen Bogenganges und für das ampullare Ende des hinteren Bogenganges. Der flache Hohlraum der Pars cochlearis ist durch eine in Spirallinie entspringende Leiste, welche größtenteils an der unteren I; AR Mile Ze SL Squamosum | | Iren i Mom Molke! Comubrahhl !Frramch I RN Ofeak ac er 'Hyole Schnitt 718. äußeren Fläche der Kapsel befestigt ist, unvollkommen in einen oberen und einen unteren Abschnitt getrennt (Fig. 14, 8. 139; Fig. 9, S. 134). Die Leiste, welche am lateralen Rande des Foramen acusticum inferius ihren Ausgangspunkt hat (Fig. 9, S. 134), erhebt sich zwischen der äußeren und inneren Windung des Ductus eochlearis. Das häutige Labyrinth zeigt, soviel ich sehe, keine beson- deren Eigentümlichkeiten.. Wie bei Phocaena, so sind auch hier die Bogengänge auffallend klein, die Anordnung derselben und ihrer Ampullen ist die gewöhnliche. Der Utrieulus ist dort, wo in dem- Zur Entwieklungsgeschichte des Walschädels. 11. 137 selben die Ampulle des hinteren Bogenganges und das schlichte Ende des lateralen Bogenganges münden, zu einer Röhre ausgezogen, welche nur wenig weiter ist als z. B. der laterale Bogengang. BOENNINGHAUS drückt dies so aus: »Im Vorhof bemerkt man statt der gewöhnlichen fünf nur vier Öffnungen für die Bogengänge, indem das ampullare Ende des hinteren Bogenganges, —, mit dem schlich- ten Ende des äußeren Bogenganges kurz vor der Einmündung Fig. 12. \ - ns [ur In: Ir \ ' ' N Ne ' ı Schnitt 733. in das Vestibulum verschmilzt«!. Diese Verschmelzung ist also auch hier vorhanden; man kann die so entstandene Röhre als den Sinus posterior. utrieuli auffassen. Der Hohlraum, der diesen Teil des Utrieulus enthält, ist nicht so stark verengt, wie dieses beim er- wachsenen Phocaena-Schädel der Fall zu sein scheint, was bei der Beschreibung der Hohlräume hervorgehoben wurde. Der Ductus eochlearis weist mehr als 21/,, beinahe 21/, Win- dungen auf; die Schneckenachse verläuft nahezu vertikal, wenig nach 1 Diese Bemerkung gilt für Phocaena! 2, 8. 117. 138 H. M. de Burlet außen und vorn gerichtet. Die einzelnen Windungen liegen weit voneinander entfernt; die Rollung ist nieht eng. Die Kegelform der Cochlea ist schwach ausgeprägt, die inneren Windungen liegen in einem wenig tieferen Niveau als die äußere (Fig. 5, S. 130). Die Innervation des häutigen Labyrinths zeigt nichts Außergewöhnliches, d. h. also, daß der N. vestibularis nach Bildung des Ganglion vestibulare in zwei Endäste zerfällt, wovon der obere durch das For. acusticum superius tritt (Fig. 9, S. 134), der untere gemeinschaftlich mit dem N. cochlearis durch das For. acusticum inferius in das Innere der Ohrkapsel gelangt. Fig. 18. ‚Cr commume I =D emdohymppakicus Uriculius -M.Staped. „D.reuniom m. amp.post. Schnitt 751. Der obere Endast des N. vestibularis versorgt die Cristae der Ampullen des seitlichen und vorderen Bogenganges und die Macula acustiea utrieuli. Der untere Endast begibt sich zur Crista der Ampulla des hinteren Bogenganges und zur Macula acustica saceuli. Daß von letzterer auch Fäden zum oberen Endast gelangen (VoIt), konnte nicht festgestellt werden. Der Ramus ampullaris posterior verläuft nicht wie beim Kaninchen durch einen eigenen Knorpelkanal (Fig. 12, S. 137; Fig. 13 Ram. amp. post.). Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. Ill. 139 Der N. cochlearis teilt sich nach seinem Eintritt strahlenförmig in Fäden, welche sich zu dem in der Nähe des Ductus cochlearis gelegenen Ganglion spirale cochleae begeben (Fig. 7, S. 132; Fig. 14). Über die Verbindungen der Ohrkapsel mit benachbarten Teilen des Primordialeraniums. Durch Commissuren ist die Ohrkapsel mit benachbarten Teilen des Chondrocraniums verbunden; diese stellen nur schwache Knorpel- brücken dar. Die Ohrkapsel ist als Ganzes ein selbständiges Organ. Fig. 14. Schnitt 698. Wo sie nicht durch Commissuren mit anderen Teilen des Schädels zusammenhängt, bilden freie Randabschnitte, welche weitere oder engere Spalten begrenzen helfen, die Grenze. Verbindungen der Ohrkapsel mit der Basalplatte, Der tiefe Spalt, Fissura basi-capsularis, weleher zwischen Ohr- kapsel und Basalplatte besteht, bildet eine nahezu vollständige Trennung dieser Knorpelteile.. Von der ventralen Seite aus be- trachtet, sieht man den freien Rand der Pars cochlearis, welche die Basalplatte von unten teilweise bedeckt und überlagert. Die Fissur 140 H. M. de Burlet verläuft demnach auf dem Querschnitt in schräger Richtung, von ventral medial nach dorsal lateral (Fig. 13, S. 138). Von oben gesehen zeigt sich der Spalt an einigen Stellen dureh Knorpelverbindungen, welche einen homokontinuierlichen Zusammenhang zwischen Kapsel und Basalplatte bewirken, unterbrochen. Diese Commissuren stellen sehr dünne Verbindungsplatten dar; unter ihnen setzt sich die Fis- sura basi-capsularis als eine von ventral her tief einschneidende Rinne fort (Fig. 12, S. 137). Die Trennung zwischen Ohrkapsel und Fig. 15. Schnitt 652. Basalplatte ist also im wesentlichen auch an den Stellen, wo basi- capsulare Commissuren bestehen, vorhanden, nur ist sie hier nicht vollständig. Aus verschiedenen Tatsachen, der Dünne der Verbindungen, dem verschiedenen Verhalten rechts und links, auch der Natur des mikroskopischen Bildes, bekommt man den Eindruck, daß die Ver- bindung zwischen Ohrkapsel und Basalplatte entweder noch nicht fertig ausgebildet, oder umgekehrt schon in Rückbildung begriffen ist. Welcher dieser beiden Vorgänge vorliegt, ist an einer einzigen Serie nicht festzustellen, wird sich aber hoffentlich durch den Ver- gleich jüngerer und älterer Stadien ermitteln lassen. Vorläufig können wir, in Hinblick auf das künftige Schicksal des Petro- tympanicum der Wale, vermuten, daß der Höhepunkt der Ausbildung schon vorbei ist, und daß die auftretenden zahlreichen kleinen Com- Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. II. 141 missuren als Reste einer (oder weniger) einst vorhandenen breiten Verbindung, welche in Rückbildung begriffen ist, zu deuten sind, also als ein Symptom der sich loslösenden Ohrkapsel. Um einen genauen Vergleich zu ermöglichen, gebe ich an der Hand von Abbildungen eine ausführliche Darstellung des vorliegen- den Befundes. Die am meisten distal gelegene basi-capsulare Commissur, welche wir als 1 bezeichnen wollen, ist in Fig. 3, S. 126 rechts ge- Schnitt 630. troffen; siehe Tafelfigur (von oben) links. Sie geht nur durch wenige Sehnitte. An der anderen Seite fehlt diese Verbindung. Die nächste, in proximaler Richtung folgende Commissur tritt beiderseits auf. Sie ist viel breiter und wird also in einer großen Anzahl Schnitte angetroffen. Fig. 12, S. 137 stellt einen derartigen Schnitt dar. Auf der Tafelfig. V (Ansicht von oben) ist die Com- missur als 2 angedeutet. Nach einer sehr kurzen Unterbrechung, wo die Schnitte also wieder Ohrkapsel und Basalplatte vollkommen getrennt zeigen, tritt die 3. Verbindung auf. Diese Unterbrechung 142 H. M. de Burlet betrifft linkerseits nur einen einzigen Schnitt, rechts deren vier. Die Commissur 3 ist rechts sehr schmal, links breiter. Proximal von der dritten Commissur kommen wir in das Gebiet, wo die Basalplatte ihre schmalste Stelle erreicht. Kapsel und Basalplatte sind wieder frei voneinander. Fig. 5, S. 130 zeigt einen Schnitt durch diese Gegend. Sehr bemerkenswerte Verhältnisse treten in noch weiter nach vorn gelegenen Schnitten auf. Die Basalplatte wird hier in ver- hältnismäßig wenigen Schnitten viel breiter. Dort, wo die Ver- breiterung anfängt, tritt die Commissur 4 auf (Fig. 15, S. 140). Sie kommt beiderseits vor und stellt eine nur schmale Verbindung dar. Die Knorpelplatte, welche die Verbindung herstellte, bleibt auch nachdem diese aufgehoben ist, bestehen (Fig. 17, S. 143). Sie ist es, welche die, von oben gesehen, ansehnliche Verbreiterung des vorder- sten Teiles der Basalplatte herbeiführt (Fig. 16, S. 141). Wie man auf dem Schnitt erkennt, ist es also nicht die ganze Basalplatte, welche sich verbreitert; sondern nur ihre nach dem Schädelinneren zugewandte Seite ist durch das Auftreten zweier seit- licher Flügel (Lamina supracochlearis), welche sich über den vor- deren Pol der Pars cochlearis legen, so breit geworden. Die untere Fläche dieses Flügels hat mit der Ohrkapsel keine Verbindung, sie liegt ihr lose auf (Fig. 16, S. 141). Ihr seitlicher Rand hat wohl Verbindung mit der Ohrkapsel. Als solche ist erstens die Com- missur 4 zu bezeichnen, dann aber eine Verbindung, welche in Fig. 17 rechts besonders deutlich zu sehen ist. Dieser Schnitt trifft die flügelähnliche Verbreiterung dort, wo sie am stärksten ausge- bildet ist. Sie überdeckt vollständig den vorderen Teil der knor- peligen Cochlea, mit welcher sie an ihrem lateralen Ende homo- kontinuierlich verbunden ist (Commissur 5). Ihre untere Fläche zeigt einen Höcker, auch die obere Fläche der Ohrkapsel ist nicht ganz glatt; jedoch besteht außer der Verbindung am lateralen Ende kein Zusammenhang zwischen Flügel und Kapsel. An der anderen Seite liegen die Verhältnisse im wesentlichen gleich. Der Flügel ragt dort weniger weit lateralwärts, wie die Figur 17 zeigt, daß auch hier die Commissur 5 besteht, erkennt man auf der ein wenig weiter nach vorn liegenden Figur 16, S. 141. Auch den Höcker an der Unterfläche des Flügels zeigt diese Figur. Die Commissur 5 scheint mir von besonderer Wichtigkeit, weil durch sie die Ohrkapsel in direkter homokontinuierlicher Verbindung mit dem Temporalflügel steht, und zwar durch eine Verbindung Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. Ill. 143 lateral von der Arteria cearotis (Commissura ali-cochlearis).. Auf die Art des Zustandekommens dieser Commissur wirft sie neues Licht. Hierauf soll bei Besprechung der Orbito-Temporalregion erst näher eingegangen werden. Zusammenfassend haben wir festgestellt, daß die Ohrkapsel gegenüber der Basalplatte eine große Selbständigkeit besitzt. Erstere ist gegen letztere der ganzen Länge nach durch eine tief einschnei- Fig. 17, famıma sum co. Dira j ES = 3 : = Schnitt 633. dende Rinne getrennt, an manchen Stellen wird diese Rinne zu einem vollständigen Spalt. Die Verbindungen, welche die Rinne überbrücken, sind dünn; sie sind rechts schwächer entwickelt als links. Auch ist rechts die den vorderen Pol der Cochlea über- deekende Knorpelplatte (Lamina supracochlearis) kleiner als links. Übrige Verbindungen der Ohrkapsel. Der obere Rand der Pars eanalicularis der Ohrkapsel ist mit der Parietalplatte ver- bunden, Commissura capsulo-parietalis.. Im distalen Abschnitt dieser Commissur findet die Verbindung nicht mehr am oberen 144 H. M. de Burlet Rande, sondern ein wenig medianwärts von diesem Rande statt. So ist auch hier das Knorpelgebiet der Ohrkapsel wohlbegrenzt (Fig. 14, S. 139). Weiter distalwärts, wo die Parietalplatte durch eine breite Ver- bindung mit den Oceipitalpfeilern zusammenhängt, besteht zwischen dieser Verbindung und der Ohrkapsel ein Spalt, »Foramen jugulare spuriume«, welcher durch eine Knorpelbrücke (Fig. 11, S. 136) in zwei Abschnitte (Fig. 9, S. 134; Fig. 12, S. 137) zerlegt wird. Hinter dieser spaltförmigen Öffnung ist die Ohrkapsel mit dem Oceipitalpfeiler ver- bunden, Commissura oceipito-capsularis (Fig. 4, S. 128). Auch hier also dasselbe Bild wie an der medialen Seite der Ohrkapsel, schmale Verbindungsbrücken wechseln ab mit freien Randabschnitten; doch bleibt auch dort, wo Verbindungen bestehen, die Grenze der Ohrkapsel bestimmbar. Der hintere Pol der Kapsel ragt frei vor in einer ventral ge- legenen Aushöhlung des Schädelinnenraumes, welche lateral und ventral von der oben beschriebenen Lamina alaris begrenzt wird. Mit dieser Lamina ist die Ohrkapsel in der Nähe des hinteren Poles verbunden. Diese Verbindung bildet den Abschluß der vom Fo- ramen jugulare in lateraler Richtung ausgehenden Fissura oceipito- capsularis. Das Visceralskelet. 1. Der Stapes. Der großen Fenestra ovalis entspricht eine große Fußplatte des Stapes (Fig. 9, S. 134; Fig. 10, S. 135; Fig. 11, S. 136; Fig. 12, S. 137; Fig. 14, S. 139). Sie hat länglich ovale Gestalt. Die lange Achse des Ovals verläuft von lateral distal nach medial proxi- mal, während die Basis nach oben sieht. Die Crura sind kurz und umschließen eine, im Verhältnis zur Größe des Stapes, kleine Öf- nung, durch welche kein Blutgefäß tritt (Fig. 11, S. 136). Der Steig- bügel ist auffallend groß und plump, relativ viel größer als bei Phocaena. Er übertrifft sogar den Ineus an Größe. 2. Der Ineus (Fig. 7, S.132; Fig. 9,S.134; Fig. 11,S. 136; Fig.12, S. 137; Fig. 14, S. 139) besteht aus einem nach vorn zu gelegenen Körper, welcher mit dem Hammer artieuliert. Der Körper setzt sich in distaler Richtung fort in einen kräftigen Fortsatz, Proc. longus, weleher mit dem Steigbügel verbunden ist. Der Proc. longus ist der Richtung nach die Fortsetzung des MEckerschen Knorpels. Schwach entwickelt ist der lateral und distalwärts gerichtete Proc. brevis ineudis. Die Gelenkfläche des Hammer-Amboß-Gelenkes zeigt Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. III. 145 die bekannte sattelförmige Gestalt; der Amboß dringt mit seinem keilähnlichen vorderen Ende in die Knorpelmasse des Hammers vor, 3. Der Malleus. Das hintere Ende des Meckerschen Knorpels ist als Hammeranlage entwickelt. Auf den Schnitten sieht man zu- erst eine Verbreiterung des MEcKELschen Knorpels auftreten (Fig. 5, S. 130; Fig. 8, S. 133). Aus dem medialen Teile derselben geht der Stiel (Fig. 14, S. 139), aus dem lateralen Teile der die Gelenkfläche für den Ineus (Fig. 7, S. 132) tragende Kopf hervor. 4. Das Hyale. Über seinen Ursprung wurde oben schon berichtet. Es wurde mitgeteilt, daß der hintere Abschnitt der Crista parotica homokontinuierlich in den Anfangsteil des Hyale übergeht, daß das Hyale zuerst in distalwärts konvexem Bogen medianwärts verläuft, um bald darauf sich wieder umzubiegen, und nun, etwas ventral- und medianwärts geneigt, nach vorn verläuft. Bis dicht an das vordere Ende der Pars cochlearis läßt es sich verfolgen (Fig. 17, S. 145), dann endet es frei mit verjüngtem Ende. Der vordere Teil des Hyale liegt dabei dorsal von der Anlage des Cornu majus (erster Branchialbogen). Der Knorpel des ersten Branchialbogens (Fig. 9, S. 134; Fig. 11, S. 136; Fig. 14, S. 139) hat jederseits die Gestalt eines gestreckten Stabes. Die Stäbe konvergieren proximalwärts und vereinigen sich zu einem Knorpelstück, welches als Körper des Zungenbeines auf- zufassen ist. Mit diesem sind sie homokontinuierlich verbunden. An dem proximalen Rande des Corpus ossis hyoidei befinden sich zwei nach vorn gerichtete Fortsätze. Ihrer Lage nach machen sie den Eindruck, die proximale Fortsetzung des ersten Branchialbogens zu sein, jedoch ist nieht ausgeschlossen, daß sie als zum Hyalbogen gehörig (Cornu minus) aufgefaßt werden müssen. Sie sind mit dem Corpus ossis hyoidei homokontinuierlich verbunden, stehen aber mit dem vorderen Ende des Hyale in keinem, soweit ich sehe, auch in keinem bindegewebigen Zusammenhang. Die Orbito -Temporalregion. Wir unterscheiden als Bestandteile dieser Region in gewöhn- licher Weise eine Balkenplatte, welche vorn den paarigen, jederseits mit zwei Wurzeln entspringenden Orbitalflügel (Fig. 18, S. 146) trägt, während weiter nach hinten die Temporalflügel von ihr ausgehen (Fig. 20, S. 149). Nach der bekannten GAuppschen Auffassung besteht zwischen diesen beiden Flügelpaaren ein grundsätzlicher Unterschied. Wäh- Morpholog. Jahrbuch. 49, 10 146 H. M. de Burlet rend die Orbitalflügel als ursprüngliche Wandbestandteile des Schädel- raumes zu betrachten sind, ist die durch die Temporalflügel gebildete Boden- und Seitenwand des Schädels als ein sekundär entstandener, später hinzugekommenerWandabschnitt anzusehen. Dieser neueWand- abschnitt hat sich unter, d. i. außerhalb der primären Wand, welche auch am embryonalen Schädel ganz oder größtenteils verschwunden ist, entwickelt. Seinen Ausgangspunkt nahm er in den bei den Sauriern vorhandenen, von der Schädelbasis lateral vorspringenden Fig. 18. Schnitt 523. Processus. basi-pterygoideus. Durch diese beiden Vorgänge, erstens das Verlorengehen eines Teiles der Schädelwand, zweitens die Bil- dung einer neuen Wand außerhalb der verlorengegangenen, ist ein Raum, welcher früher außerhalb des Schädels gelegen war, jetzt in denselben aufgenommen worden. Dieser Raum wird als Cavum epipteriecum (GAUPP), sofern er sich auch über die Cochlea erstreckt, als Cavum supracochleare (Vorr) bezeichnet. Maßgebend für die Entscheidung, ob wir es mit ursprünglichen oder mit neu erworbenen Teilen der Schädelwand zu tun haben, ist die Topographie von Nerven und Gefäßen in diesem Gebiete. Kleine Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. Ill. 14T. Knorpelstücke (Restknorpel) und Fascien, welche als Relikte verloren gegangener Wandabschnitte aufzufassen sind, können über deren einstige Lage wichtige Aufschlüsse bringen. Über die Orbitalflügel ist wenig zu bemerken. Sie stellen große schalenförmige, dünne Knorpelplatten*dar, welche am oberen seitlichen Rande des vorderen Teiles der Trabekelplatte entspringen. Eine Unterbrechung dieser Ansatzlinie findet dort statt, wo der Nervus opticus das Schädelinnere verläßt (Fig. 18 links). Die Be- festigung an der Trabekelplatte zerfällt daher in eine Taenia pro- optica und eine Taenia metoptica. Beide stellen flache Knorpel- verbindungen dar; die vordere ist breiter als die hintere. Unter dem N. optieus geht vom seitlichen Rande der Trabekel- platte ein Knorpelfortsatz aus (Fig. 18 rechts), der besonders unter dem vorderen Teil des Sehnervenloches stark entwickelt ist und als flache Knorpelplatte eine Stütze für den austretenden Nerven zu bieten scheint. Dieses Gebilde erinnert an die Lamina hypo- chiasmatica des Kaninchenschädels, ist jedoch hier nicht so stark entwickelt. Der Orbitalflügel steht, außer mit der Trabekelplatte, mit der Ethmoidalregion (nach vorn) und mit der Parietalplatte (nach hinten) in Verbindung. Die Verbindung mit der Nasenkapsel, Commissura spheno- ethmoidalis, schließt lateralwärts die spaltförmige Öffnung, welche zwischen dem vorderen freien Rande des Orbitalflügels und dem hinteren Ende der Nasenkapsel vorhanden ist, ab. In der Median- linie trennt das vordere Ende der Trabekelplatte, welches als Sep- - tum interorbitale (Fig. 24, S. 157) in das Nasenseptun (Rostrum) übergeht, die beiden Fissurae orbito-nasales. Vom hinteren Rande der Ala orbitalis geht lateralwärts die Commissura orbito- parietalis aus (Fig. 21, S. 151), welche die Verbindung zwischen Orbitalflügei und Parietalplatte herstellt. Vom medialen Teil des hinteren Randes, vom hinteren Rande der Taenia metoptica, setzt sich der Orbitalflügel noch über eine kurze Strecke als flacher Fort- satz nach hinten fort. Am dorsalen Rande des Orbitalflügels erhebt sich nahe der Stelle, wo die Commissura orbito-parietalis anfängt, ein nach oben gerichteter flacher Fortsatz, eine lokale Verlängerung des Orbitalflügels in dorsaler Richtung!. 14, S. 117. Dieser Fortsatz wurde auch durch ESCHRICHT schon gesehen und beschrieben. 10* 148 H. M. de Burlet Die Ala temporalis hat die Gestalt eines dicken gekrümmten Stabes (Fig. 19; Fig. 20, S. 149). Sein medialer Teil ist nach hinten und unten konvex gebogen, sein lateraler Teil stellt ein von medial unten nach lateral oben verlaufendes seitliches zusammengedrücktes Knorpelstück dar. Gleich hinter dem Ursprungsgebiet der Ala temporalis verläuft die Carotis interna durch eine Öffnung (Fig. 20, 8.149; Fig.23, 8.154), Fig. 19. Sehnitt 580. deren hintere Begrenzung durch die flügelförmigen seitlichen Fort- sätze des vorderen Teiles der Basalplatte (welche bei der Behand- lung der Otiealregion besprochen sind) gebildet wird. Lateralwärts ist das Foramen caroticum durch einen kräftigen Knorpelstab ab- geschlossen, welcher von der Konvexität des medialen Teiles des Temporalflügels in distaler Riehtung verlaufend, sich mit diesem tlügelförmigen Fortsatz der Basalplatte, Lamina supracochlearis, ver- bindet. } Bei Besprechung der Ohrregion ist das Vorkommen einer Com- missur erwähnt worden (Commissur 5), durch welche ein homo- kontinuierlicher Zusammenhang zwischen Lamina supracochlearis Zur Entwieklungsgeschichte des Walschädels. III. 149 und der Ohrkapsel besteht. Hier lernen wir eine homokontinuier- liche Verbindung zwischen Temporalflügel und Lamina supracochlearis kennen. Die Kombination dieser beiden Commissuren läßt einen homokontinuierlichen Zusammenhang zwischen Temporalflügel und Ohrkapsel entstehen, den wir bei anderen Säugern als Commissura alicochlearis in einfacherer Gestalt kennen. Der Zusammenhang ist hier ein indirekter, indem die Knorpelbrücke hier aus zwei Teilen besteht: einem vorderen Teil, welcher den Temporalflügel mit der La- mina supracochlearis der Basalplatte verbindet, und einem zweiten Fig. 20. gr 34 Te BR hi ER Mondhrla mit Krurpelkern Schnitt 603. Teil, welcher aus dem mit der Ohrkapsel in Zusammenhang stehenden Abschnitt der Lamina supracochlearis selbst besteht (Fig. 17, S. 143; Comm. basi-caps. 5). Aus dem vorliegenden Zustand kann man sich das Entstehen einer einfachen Commissura alicochlearis so vorstellen, daß man sich die Lamina supracochlearis mit der oberen Fläche des vorderen Poles der Ohrkapsel verwachsen denkt. Die Lamina gilt dann als ein Teil der Ohrkapsel selbst; der Knorpelstrang, welcher ihn mit dem Temporalflügel verbindet, wird zu einer Commissura alicochlearis. Die Frage, ob der hier angetroffene Befund ein primitiver oder 150 H. M. de Burlet ein sekundär abgeänderter ist, ist als ein Teil jener größeren Frage, nämlich der, ob das Material, welches das Knorpelgehäuse der Cochlea liefert, von der Basalplatte herstammt, zu betrachten. Be- antworten wir diese Frage bejahend, dann müssen wir die Ablösung der Lamina supracochlearis von der Ohrkapsel als eine sekundäre Erscheinung, eben als ein weiteres Symptom der Loslösung der Ohr- kapsel bei den Walen, auffassen. Nimmt man aber an, daß die Knorpelkapsel des Gehörorgans unabhängig von der Basalplatte entsteht und nur sekundär mit ihr homokontinuierlich sich hier und da verbindet, dann kann gerade der vorliegende Befund als ein Argument für die ursprüngliche Selbständigkeit der Ohrkapsel gelten. Von den Säugetieren allein aus beurteilt, wird man geneigt sein, dieser letzteren Ansicht den Vorzug zu geben. Bei den verschiedenen, bisher bearbeiteten Säuger-Primordialeranien tritt die Selbständigkeit der Pars cochlearis der Basalplatte gegenüber mehr oder weniger deutlich hervor. An einem jungen Embryo von Dradypus ceuculli konnte festgestellt werden, daß die Fissura basi-cochlearis die Basalplatte und Cochlea vollständig voneinander trennte. Auch bei den Walen gewinnt man wieder den Eindruck, daß die Capsula auditiva eine ursprünglich selbständige Sinneskapsel darstellt; jedoch ist gerade in dieser Gruppe wegen der Lageverschiebungen, welche die Ohrkapsel während der Entwicklung erfährt, der Wert dieses Argumentes nieht hoch anzuschlagen. Die Beantwortung dieser Frage und damit auch die Beurteilung der vorliegenden eigenartigen Verbindungsweise von Temporalflügel und Ohrkapsel bedürfen weiterer Aufklärung. Der mediale Teil der Ala temporalis ist durchbohrt. Ein Kanal verläuft in dorso-ventraler Richtung durch den Knorpel lateral von der Stelle, wo die Knorpelspange, welche das Foramen caroticum nach außen abschließt, sich mit dem Temporalflügel verbindet. Durch diesen Kanal verlaufen weder Nerven noch Gefäße; er ist vielleicht als eine Andeutung der Grenze zwischen dem Wurzelgebiet des Temporalflügels, Processus alaris, gegenüber dem eigentlichen Temporalflügel zu betrachten. Der seitliche, dorsalwärts gebogene Teil des Temporalflügels entspricht einer Lamina äscendens (Fig. 19, S. 148; Fig. 20, S. 149), welche hier wie beim Braunfisch-Primordialeranium sehr schmal ist. Ein Einschnitt an ihrem hinteren Rande ist als Ineisura ovalis zu bezeichnen (Fig. 20, S. 149). Das obere Ende der Lamina ascendeus Zur Entwieklungsgeschichte des Walschädels. II. 151 reicht bis in die Nähe der Commissura orbito-parietalis (Fig. 21) und teilt so die große Fenestra spheno-parietalis unvollständig in eine vordere Hälfte (Fissura orbitalis superior) und eine hintere Hälfte. Die Fenestra spheno-parietalis wird vorn vom hinteren Rand der Ala orbitalis, lateral von der Commissura orbito-parietalis, hinten von der Commissura praefacialis und dem vorderen Rande der Pars Fig. 21. n omm.orb.qar ; Schnitt 568. cochlearis capsulae auditivae, medial vom seitlichen Rande der Tra- bekelplatte und der Lamina supracochlearis begrenzt. Die Trabekelplatte ist ein kräftiger Knorpelbalken, dessen dorso- ventraler Durchmesser nach vorn hin zunimmt. Auf dem Querschnitt wird daher sein Bild, je weiter nach vorn man kommt, immer mehr einem Dreieck ähnlich, dessen ventralwärts gerichtete Kante als der Unterrand eines Septum interorbitale aufzufassen ist (Fig. 18, S. 146; Fig. 24, S. 157). Die obere Fläche der Balkenplatte zeigt eine trichterförmige Einsenkung, welche in einen den Knorpel vollständig durchbohrenden Kanal führt, Fenestra hypophyseos, Canalis eranio-pharyngeus (Fig. 19, 152 H. M. de Burlet S..148). Epithelreste finden sich in demselben nicht, nur einige Blut- gefäße sind vorhanden. Die obere Öffnung des Kanales liegt un- gefähr auf gleichem Querschnittsniveau mit dem Vorderrande des Temporalflügels. Die Hypophyse beeinflußt das Relief der oberen Fläche der Balkenplatte, wie aus den Figuren 19, S. 148; 20, S. 149; 23, S. 154 ersichtlich ist, nur in ganz geringem Maße. Auch die aneinander- Fig. 22. v \ s ’ r f Br ’ RS Ein “ 5; en. [ u }- a “ » s or f \ 7 4 , + f 4. Tony cochl.caps.aud Con. tymp can.int "Manmsibula Schnitt 627. gereihten Schnitte bilden am Modell eine ungefähr flache obere Seite der Balkenplatte, welche die direkte Fortsetzung der oberen Fläche der Basalplatte ist. Erst vorn, wo die Balkenplatte in mediane Teile des Ethmoidalskelets übergeht, Septum nasi, erhebt sich der Boden der Hirnkapsel, so daß diese beiden Teile sich im Gebiete des freien oberen Randes des Interorbitalseptum unter stumpfem Winkel treffen. ; Die Knorpelmasse der Balkenplatte ist an einigen Stellen von Gefäße enthaltenden Kanälen durchsetzt, die Einleitung zur beginnen- den Verknöcherung dieses Gebietes (Fig. 22). Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. III. 153 Die Nerven und Gefäße der Orbito-Temporalregion. Der Nervus trigeminus. Der Anfangsteil des N. trigeminus liegt ziemlich weit lateralwärts auf der Pars cochlearis capsulae auditivae (Fig. 15, S. 140). Weiter nach vorn bestehen seine Bündel neben der als Lamina supracochlearis bezeichneten Knorpelplatte weiter (Fig. 16, S. 141; 17, S. 143). Noch während der Nerv lateral von dieser Lamina verläuft, spaltet sich ein Teil seiner Fasern ab und biegt ventralwärts um (V,, Fig. 22, S. 152). Am abgespalteten Bündel tritt ein Ganglion auf, welches als ein Teil des Ganglion Gasseri aufzufassen ist. Es zeigt sich, daß dieses Ganglion nicht, wie es gewöhnlich der Fall ist, einen einheitlichen Nervenknoten darstellt, sondern daß die zu den einzelnen Ästen gehörigen Zellen auf diesen peripherwärts verschoben sind. Die Trennung der Ganglien des ersten und zweiten Astes ist dabei unvollkommen; das Ganglion des dritten Astes ist fast vollständig zu einem selbständigen Nervenknoten geworden, welcher nur durch eine unbedeutende Brücke mit dem hinteren einheitlichen Ende des Ganglion von Yı und P3 zusammenhängt. Der dritte Trigeminusast verläuft hinter dem Temporalflügel in ventraler Richtung und liegt dabei in einer Rinne der Ala tempo- ralis, welche als Ineisura ovalis zu bezeichnen ist (Fig. 20, S. 149). Die in gerader Richtung nach vorn verlaufenden Fasern für den ersten und zweiten Trigemiyusast bleiben oberhalb des Temporal- flügels (Fig. 20, S. 149). Die hinten einheitliche Ganglienmasse dieser Äste spaltet sich in weiter proximalwärts gelegenen Schnitten in eine obere und untere Hälfte (Fig. 19, S. 148). Durch die Fissura orbi- talis superior verlassen dann V, und V, das Cavum epiptericum. Ein N. ethmoidalis läßt sich vom ersten Ast aus leider nicht ver- folgen. (Siehe auch das unter Ethmoidalregion vom For. epiphaniale Mitgeteilte.) Die Ganglienzellen, besonders des zweiten Astes, bleiben auch, nachdem dieser die Orbita betreten hat, noch lange im Stamm des Nerven nachweisbar. Derselbe verläuft zuerst am dorsalen lateralen Rande des Parasphenoid (Fig. 21), später am dorsalen Rande des Pala- tinum (Fig. 18, S. 146). Der N. abducens liegt zuerst neben dem noch einheitlichen Trigeminus-Stamm an dessen medialer Seite auf dem lateralen Teil. der Lamina supracochlearis (Fig. 16, 17, 22). Weiter nach vorn liegt der Nerv lateral von der Eintrittsstelle der Arteria earotis interna (Fig. 23, S. 154). An der medialen Seite des ersten "154 H. M. de Burlet Trigeminus-Astes verläßt er die Hirnkapsel durch die Fissura orbi- talis superior (Fig. 19, S. 148; 21, S. 151). Die Nn. oculomotorius und trochlearis verlassen die Hirn- kapsel gleichfalls durch die Fissura orbitalis superior. Über ihren intracraniellen Verlauf unterrichten die Figuren 19, S. 148; 20, S. 149; 21, 8.151; 22, S.152; 23, auf welchen sie angegeben sind. Der stärkere von den beiden, der N. oculomotorius, wird stets an der medialen Seite des N. trochlearis angetroffen. Im distalen Teil ihres Verlaufes sind Fig. 23. n “ ‚Mar: N EL Cart Meckall Cmtymm E Buraspheneid Knorpelkenn der Schnitt 611. sie von den weiter ventral gelegenen Trigeminus und Abducens durch ein Bindegewebsblatt getrennt, welches als das Dach des Cavum epiptericum aufzufassen ist. Wo sie dieses Blatt durch- bohren, ist nicht anzugeben, weil dasselbe unscharf begrenzt ist; auf Fig. 23 ist es undeutlich wahrnehmbar. Weiter proximalwärts liegen die Nerven III und IV in unmittelbarer Nähe des ersten Trigeminus- astes (Fig. 21, S. 151), mit welchem sie gemeinschaftlich durch die Fissura orbitalis superior austreten. Die Arteria carotis interna ist auf den Schnitten ventral von der Pars eochlearis eaps. auditivae gelegen (Fig. 14, S. 139 usw.). Am vorderen Ende derselben biegt sie sich nach oben und zugleich Zur Entwieklungsgeschichte des Walschädels. III. 155 ein wenig medianwärts (Fig. 22, S. 152; 23, S. 154) um und betritt schließlich durch einen Knorpelkanal, dessen Umwandung oben schon geschildert wurde, das Schädelinnere (Fig. 20, S. 149; 23, S. 154). Es wurde schon erwähnt, daß die Öffnung, durch welche sie in die Hirnkapsel gelangt, medial vom N. abducens gelegen ist. Hierauf ist bei Besprechung des Cavum epiptericum zurückzukommen. Das Cavum epiptericum. Es bietet besondere Schwierigkeiten, bestimmte Angaben über die Begrenzung dieses Raumes am vorliegenden Schädel zu machen. Die Bedeutung einzelner Teile der Wand ist an einem einzelnen Stadium wohl zu vermuten, die Untersuchung mehrerer Stadien ist aber erforderlich, um über diese Deutung Gewißheit zu erlangen. Die Hauptsehwierigkeit liegt in der Frage nach der Ausdehnung des distalen Teiles des Cavum epiptericum. Dieser Teil, welcher z. B. beim Kaninchen wohlentwickelt ist, wurde dort von Vorr als Cavum supracochleare vom Cavum epipterieum unterschieden. Sein Boden wird vom Planum supracochleare gebildet. Am vorliegenden Schädel bildet das Planum supracochleare die untere Begrenzung eines spaltförmigen Raumes, welcher zwischen der Lamina supracochlearis und der Cochlea gelegen ist (Fig. 16, S. 141; 17, S. 143). Fassen wir diesen Raum als Cavum supracochleare auf, so folgt daraus, daß das Dach dieses Raumes, die Lamina supra- eochlearis, als ein primitiver Teil der Hirnkapselwand, als ein »Restknorpel«, zu deuten ist. Die Verbindung der Lamina supra- eochlearis mit dem Temporalflügel, zugleich der laterale Abschluß des Foramen caroticum, welchen ich oben als einen Teil der Com- missura ali-cochlearis entsprechend beschrieb, wäre dann aber eben- falls als ein Teil der primitiven Schädelwand zu bezeichnen. Es ist aber daneben eine andere Auffassung möglich: Die La- mina supracochlearis stellt eine von der Ohrkapsel abgegliederte Lamelle derselben dar. Der spaltförmige Zwischenraum, welcher zwischen der Pars cochlearis und der Lamina supracochlearis vor- handen ist, wäre dann eine sekundäre Bildung ohne wesentliche Bedeutung; sie wäre ein Symptom der Ablösung der Ohrkapsel aus dem Schädelverband. Die obere Fläche der Lamina supracochlearis entspricht demnach dem Planum supracochleare des Kaninchen- oder Hunde!-Primordialeranium. 1 19. 156 H. M. de Burlet Das Cavum supracochleare, wenn vorhanden, wäre also an der dorsalen Seite der Lamina supracochlearis zu suchen. Diese letztere Auffassung halte ich für die richtige. Es be- findet sich dorsal von der Lamina supracochlearis tatsächlich ein mit Bindegewebe angefüllter Raum, welcher nach oben durch ein von der Basalplatte entspringendes Bindegewebsblatt, welches wir als die ursprüngliche Schädelwand auffassen können, bedeckt wird. In den Figuren 16 (S. 141) und 17 (S. 143) ist es deutlich sichtbar, es ist dort als Dura bezeichnet. Dieser Raum, das Cavum supra- cochleare (Vorr), nimmt distalwärts an Höhe ab, die Dura liegt dann der oberen Fläche der Cochlea unmittelbar an (Fig. 15, S. 140, der N. trigeminus liegt hier noch außerhalb auf der Dura). Nach vorn geht das Cavum supracochleare ohne scharfe Grenze in das Cavum epipterieum (Fig. 21, S. 151) über. Dieses wird ventral und lateralwärts durch den Temporalflügel unvollständig begrenzt. Die untere Begrenzung wird proximal vom Temporalflügel durch das Parasphenoid vervollständigt (Fig. 21, $. 151), distal von der Ala temporalis durch die knorpelige Verbindung zwischen dieser und der Lamina supracochlearis. Die Dura bildet das Dach des Cavum epiptericum und schließt sich vorn dem hinteren Rande des Orbital- fllügels an. Eine seitliche Begrenzung, soweit dieselbe nicht durch das nach oben gebogene laterale Ende des Temporalflügels, welches einer Lamina ascendens entspricht (Fig. 21, S. 151), geliefert wird, ist nicht als eine besondere Membran nachweisbar. Die Regio ethmoidalis. Im Gegensatz zu der hochgradig rückgebildeten vordersten Kopfregion des Braunfisch-Primordialeraniums finden wir diese bei balaenoptera wohlentwickelt und ziemlich vollständig. Die Nasen- kapsel ist in vielen Einzelheiten derjenigen anderer bisher unter- suchter Säuger vergleichbar. Wir unterscheiden auch hier an der- selben das Nasendach (Tectum), die Seitenwände (Paries), den Boden (Solum, Lamina transversa anterior und posterior, Cartilago para- septalis, Cartilago ductus nasopalatini), das Septum. Auch hier zer- fällt die Kapsel in einen hinteren breiten subcerebralen Abschnitt und einen vorderen schmalen präcerebralen Teil. An Verbindungen der Regio ethmoidalis mit dem übrigen Knorpelschädel werden drei angetroffen. Die stärkste wird durch einen dicken Knorpelbalken gebildet (Septum interorbitale), welcher die Balkenplatte mit dem Septum nasi verbindet (Fig. 24). Die un- Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. III. 157 gewöhnlich starke Entwieklung dieses Balkens ist, wie bei Pho- caena, darauf zurückzuführen, daß das Septum hier nicht nur als Nasenscheidewand, sondern auch als Anfangsteil des Rostrum auf- zufassen ist, welches bereits zu einem langen Knorpelstabe ausge- wachsen ist. Die beiden anderen Verbindungen sind die auch von anderen Säugern bekannten (beim Braunfisch fehlenden) Commissurae spheno-ethmoidales. Diese Knorpelbrücken bilden den oberen Fig. 24. Schnitt 472. Abschluß der Spalte (Fissura orbito-nasalis), welche seitlich die Ethmoidalregion von der Orbito-temporalregion abgrenzt. Die oben angeführten einzelnen Teile der Nasenkapsel sollen zunächst gesondert beschrieben werden. Das Septum. Das Nasenseptum des Säuger-Primordialeraniums, von der Seite besehen, besitzt im allgemeinen die Gestalt einer drei- eckigen Platte. Von den drei Seiten dieses Dreiecks ist die eine ventralwärts gewendet, die beiden anderen sehen dorsalwärts. Von den beiden dorsalen Seiten gehört die distale dem- subcerebralen Abschnitt der Kapsel an; der hintere Teil des Daches (Lamina ceri- brosa) ist an ihr befestigt. An der vorderen der beiden dorsalen Seiten ist der präcerebrale Teil des Nasendaches befestigt. 158 H. M. de Burlet Diesen Typus eines Septums finden wir auch bei Balaenoptera, Tafelfigur 3; er ist jedoch den Verhältnissen entsprechend modi- fiziert. In erster Linie ist zu berücksichtigen, daß das Septum hier, wie oben bereits bemerkt, ähnlich wie bei den Zahnwalembryonen, nicht nur als eine die Nasenhöhle in zwei Hälften trennende Zwischenwand zu betrachten ist. Es stellt zugleich den Anfangsteil des Rostrum, der Achse des stark entwickelten vorderen Schädel- absehnittes dar. Daher die große Breite,. welche das Septum be- sonders im ventralen Teil auf Querschnitten zeigt (Fig. 25, S. 160), daher auch die starke Entwicklung des Septums in ventraler Rich- tung. Während bei anderen Säuger-Primordialeranien in der Seiten- ansicht der untere Rand des Septums (die untere Seite des Drei- ecks) durch den Boden der Kapsel dem Auge entzogen wird, reicht hier umgekehrt der untere Rand des Septums weit nach unten vor (Fig. 27, S. 162). Die untere Seite des Dreiecks liegt in der Seiten- ansicht von der Orbito-Temporalregion bis an die Spitze des Rostrums frei zutage. Dafür sind zwei Ursachen verantwortlich zu machen. . Erstens kann eine mangelhafte Entwicklung der Nasen- kapsel in ventraler Richtung diese Erscheinung erklären, dann aber kann sie auch auf Rechnung einer stärkeren Ausdehnung in ventraler Richtung des Septums gestellt werden. Wahrscheinlich wirken hier beide Faktoren an dem Werden des vorhandenen Zu- standes mit. Von den oberen Seiten des Dreiecks zeigt die hintere einen allmählich ansteigenden Verlauf. An ihrem vorderen Ende hat das Septum seine größte Höhe erreicht. Bei anderen Säugern wird in diesem Gebiete als dorsale Verlängerung des Septums die Crista galli angetroffen. Wie bei Phocaena fehlt diese auch hier. Um so kräftiger entwickelt ist dagegen ein anderer Fortsatz, welcher von der Stelle ausgeht, wo die vordere und hintere dorsale Seite des Dreiecks einander im stumpfen Winkel treffen, die Stelle also, wo das Septum seine größte Höhe erreicht hat. Dieser Fortsatz ragt als ansehnlicher Knorpelstab ungefähr senkrecht dorsalwärts empor (Fig. 27, S. 162; 28, S. 163); er beteiligt sich an der vorderen Be- grenzung der Hirnkapsel. Er wurde zuerst von FREUND! als Spina mesethmoidalis bei der Untersuchung der Entwicklung des Halicore-Schädels beschrieben, MarrHes? fand ihn am Primordial- 17, 8.47 (565). 2 15, 8. 49. Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. III. 159 eranium des Manatus. Auch am Knorpelschädel des Braunfisches wurde er angetroffen !. Im präcerebralen Teil der Kapsel nimmt die Höhe des Septums zuerst langsam, dann schnell ab. Die vordere obere Seite des Drei- ecks stellt daher eine gebogene Linie dar, welche, der Länge des Rostrums entsprechend, stark verlängert ist und sich der unteren Seite des Dreiecks unter fast parallelem Verlaufe nähert, um die- selbe an der Spitze des Rostrums in abgerundetem scharfem Winkel zu treffen. Die hintere obere und die untere Seite des Dreiecks treffen sich am distalen Ende des Nasenseptums nicht, da sie sich als obere und untere Kante des Interorbitalseptums und der Balken- platte distalwärts fortsetzen. Als Septum interorbitale ist derjenige hintere Teil des Sep- tums aufzufassen, welcher die Verbindung mit der Trabekelplatte herstellt und die beiden Fissurae orbito-nasales voneinander trennt. Auf dem Querschnitt ist das Septum hier niedrig und breit (Fig. 24, S. 157). Wie beim Braunfischembryo, so scheint es mir auch hier nicht zweifelhaft, daß die Verlängerung des Septums in proximaler Rich- tung, hier als Rostrum bezeichnet, als ein nach vorn ausgewach- sener Teil des Septums selbst zu betrachten ist?. Teetum nasi. An demselben unterscheiden wir einen vorderen präcerebralen und einen hinteren subcerebralen Abschnitt. Beide sind mit dem oberen Rande des Septums verbunden, ersterer mit dem distalen Teil der dorsalen vorderen Seite des oben besprochenen Dreiecks, letzterer mit der distalen Seite. Betrachten wir zuerst den präcerebralen Abschnitt (Fig. 27, S. 162; 30, S. 167). Derselbe wird durch einen Suleus supraseptalis unvollständig (im vordersten Teil’ ist er nicht vorhanden) in zwei symmetrische Hälften zerlegt. Der Suleus entspricht der Anheftungs- stelle des Septum an das Tectum (Fig. 25), und wo der Suleus auf- hört, ist auch das Dach nicht mehr mit der Nasenscheidewand ver- ! Auch dieser Fortsatz ist schon von ESCHRICHT gesehen worden. Er schreibt 4, S. 117: Auf dem vorderen Rande des Siebbeins, gerade in der Mittel- linie stand ein kleiner knorpeliger Zapfen senkrecht in die Höhe, zwischen die beiden Stirnbeine sich hineindrängend. Siehe auch S. 124 und Tafel XIII, Fig. 2. Ferner 5, II. Tab. II. 2 15, S. 508. 160 H. M. de Burlet bunden. Es ragt hier frei in proximaler Richtung nach vorn (Fig. 29, S. 166). Der mediane Teil des Teetum behält dabei seine ungefähr horizontale Lage, ist nur ganz wenig dorsalwärts gebogen. Der lateral anschließende Teil hingegen ist stark emporgehoben (Fig. 31, S. 169) durch den dorsalwärts gerichteten Nasengang, so daß an diesem Teil eine laterale und eine mediale Fläche sich unterscheiden lassen. An der Aufrichtung des vordersten Teiles des Nasendaches beteiligt sich außerdem die Seitenwand der Nasen- Kabmamlage Horcillare Womerx Schnitt 332. kapsel; es entsteht so eine schräg nach vorn und oben verlaufende Knorpelrinne, in welcher der epitheliale Nasengang liegt (Fig. 29, S. 166). Die mediale Wand dieser Rinne wird durch den aufge- richteten Teil des Daches gebildet, die laterale Wand durch den- jenigen Teil der Seitenwand, welcher mit diesem Dachabsehnitt verbunden ist. x Der vordere, nicht mit dem Septum zusammenhängende Teil des Tectum zeigt an seiner unteren Fläche in der Medianlinie eine scharfe Leiste, welche darauf hinweist, daß das Septum einst auch weiter proximal mit dem Teetum verbunden war. Ein Teil der Scheidewand hat sich auch hier rückgebildet (Fig. 26). Zur Entwieklungsgeschichte des Walschädels. III. 161 Der subcerebrale Abschnitt des Nasendaches ist sehr unvoll- ständig, er stellt die Lamina ceribrosa dar. Die Foramina ceribrosa sind im wesentlichen jederseits durch eine einzige große Öffnung (Fenestra cribrosa) ersetzt. Nur an einigen Stellen am distalen und lateralen Rande dieser Öffnung sind Andeutungen einer Aufteilung durch Knorpelbrücken vorhanden (Tafelfig. 1. Vom Dache bleibt daher im subcerebralen Teil der Nasenkapsel nur ein schmales Randgebiet übrig, welches medial mit dem oberen Rande des Sep- - tum, lateral mit der Paries nasi zusammenhängt. Das mediale und Fig. 26. Incisivunn ... Meet Bee : * ER... Techum nasi Sept. nasi man Kam. dem. ank. % Schnitt 310. das laterale Randgebiet gehen am hinteren freien Pol der Kapsel ineinander über und bilden hier das Dach der Cupula posterior. Nach vorn setzen sie sich kontinuierlich im präcerebralen Abschnitt des Daches fort. Es ist wahrscheinlich, daß die Bildung von Knorpeibrücken in der Lamina cribrosa an dem vorliegenden Em- bryo nicht den Höhepunkt der Ausbildung erreicht hat. Nahe dem Septum ist ein Knorpelstück anzutreffen, das vermutlich als medialer Teil einer Crista intereribrosa! zu deuten ist. Bei Besprechung des Innenraumes der Nasenkapsel ist hierauf zurückzukommen. 1 26, Taf. 1. Morpholog. Jahrbuch. 49. hl 162 H. M. de Burlet Paries nasi. Die Seitenwand der Nasenkapsel ist ziemlich vollständig ausgebildet (Fig. 27). Auch hier unterscheiden wir wieder einen vorderen präcerebralen und einen hinteren subcere- bralen Teil. Der erstere kleinere Abschnitt stellt eine dem Septum ungefähr parallel verlaufende Knorpelplatte dar (Fig. 28, S. 163). Ihr oberer Rand ist durch das Teetum mit dem Septum verbunden, ihr unterer Rand ist frei und bildet die seitliche Begrenzung der Fenestra Fig. 27. | | Cart. 2ust.nasonal, Die Nasenkapsel von außen gesehen. basalis. Vorm ist ein kleines Stück der Seitenwand durch das dorsalwärts umgebogene, vordere Ende des Daches mit emporge- hoben (Fig. 27, 29, S. 166). Ein mehr ventral gelegener vorderer Teil der Seitenwand setzt sich in eine nach unten und vorn gerichtete Knorpelbrücke fort, welche eine Verbindung mit der Cartilago paraseptalis herstellt. Der Lage nach der Seitenwand angehörig, ist es nicht zweifelhaft, daß diese Verbindung die Lamina transversalis anterior dar- stellt, einen Teil also des Bodens der Nasenkapsel (Fig. 26, S. 161; 29, S.166). Daß die Kamina transversalis anterior sich hier als Seitenwand zeigt, wird durch die Aufrichtung des ganzen vorderen Nasenabschnittes erklärt; in geringerem Grade ist diese Erscheinung auch bei anderen Säugern angetroffen. Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. III. 163 Der zweite größere Abschnitt der Seitenwand schließt sich dem ersten distal an. Die Übergangsstelle ist durch eine tiefe Furche, welche dem Sulcus lateralis anterior (Fig. 27) des Kaninehen- Primordialeraniums entspricht, gekennzeichnet. Hinter dieser Furche verbreitert sich die Nasenkapsel plötzlich sehr stark, so daß der anschließende Teil der Seitenwand nach vorn sieht. Darauf folgt ein Stück Seitenwand, welches lateralwärts, noch weiter, nach hinten und nach oben gerichtet ist. Letzteres bildet einen Wandabschnitt Schnitt 342. des hintersten freien Poles der Nasenkapsel, der Cupula posterior. Dieser ganze subeerebrale Teil der Seitenwand hat demnach eine gebogene Form, sein proximaler Teil sieht nach vorn; darauf folgt ein seitlich bliekender Abschnitt, schließlich ein distaler Teil, welcher die Cupula posterior bilden hilft. Als größte Eigentümlichkeit des subcerebralen Abschnittes der Seitenwand sind einige Fortsatzbildungen zu erwähnen, welche mit ihr verbunden sind. Sie kommen beiderseits in ungefähr gleicher Ausbildung vor. Man erkennt sie am besten bei Betrachtung der Seitenansicht der Nasenkapsel (Fig. 27, S. 162). Auf dieser Figur IE 164 H. M. de Burlet erkennen wir ein Knorpelstück, welches lateral vom präcerebralen Abschnitt der Nasenkapsel gelegen ist, jedoch mit seinem distalen Ende mit dem nach vorn sehenden Wandabschnitt des subcerebralen Seitenwandteiles verbunden ist und deshalb auch erst hier Erwäh- nung findet. Auf den Schnitten tritt dieser Fortsatz als rundes Knorpelstück auf (Fig. 25, S. 160; 28, S. 163), anschließend an das distale Ende des Intermaxillare, jedoch deutlich von diesem Knochen getrennt. Die zusammengefügten Schnitte zeigen sich am Modell als ein längliches Knorpelstäbchen. Nahe seinem hinteren freien Ende ist es an der medialen Seite durch wenige Schnitte mit der Nasenseitenwand homokontinuierlich verbunden; diese Verbindung ist links sehr schwach, rechts etwas stärker. Dieser Fortsatz wurde von v. MiHALKOVIcs beim Menschen be- schrieben und Processus cartilagineus paranasalis! benannt. Von MArrHEs wurde er dann an der Nasenkapsel des Manatus latirostris-Embryo ebenfalls angetroffen”. Bei manchen Säugern fehlt er; so wird er in den Beschreibungen des Primordialeraniums von Echidna, Kaninchen, Maulwurf, Hund nicht erwähnt. FRrETs? beschreibt als Proc. lacrimalis an dem embryonalen Nasenskelet von platyrrhinen Affen einen Fortsatz, der, wie er angibt, dem Processus paranasalis entspricht. Bei Mycetes ist er nieht mit der knorpeligen Nasenkapsel verbunden, sondern bildet einen Knorpelkern im Ha- mulus lacrimalis. Beim Menschen und bei Manatus ist er mit breiter Basis an der Seitenwand der Nasenkapsel befestigt. Demgegenüber stellt er bei. Balaenoptera, besonders links, ein fast selbständiges Knorpelstück dar. Über sein weiteres Schicksal bei Balaenoptera läßt sich vorläufig nichts aussagen. Es ist jetzt über Fortsatzbildungen zu sprechen, welche an der Seitenwand weiter nach hinten gelegen sind. Etwas schematisch kann man sie als drei übereinander liegende Knorpelstäbe betrachten (Fig. 27, S. 162), die ungefähr in der Richtung der Nasenachse ver- laufen. Der am meisten dorsal gelegene ist der kürzeste, der mitt- lere ist der längste. Der oberste ist nicht mit der Seitenwand, aber wohl mit dem mittleren Knorpelstab verbunden. Letzterer ist über den größten Teil seiner Länge ebenfalls frei von der Seitenwand, besitzt aber einige Knorpelverbindungen mit derselben. Sein distales 1 17. Taf. X. Fig. 61. 2 15. 8. 495. Fig. 3. 3 6.11. 8. 728. Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. III. 165 Ende ist außerdem mit dem untersten der drei Stäbe verbunden. Bei diesem letzteren ist die Bezeichnung »Stab« am wenigsten an- wendbar. Er erstreckt sich entlang dem hinteren Abschnitte der Kante, wo die Seitenwand der Nasenkapsel in die Bodenplatte um- biegt. An dieser Umbiegungsstelle ist, wie man auf den Quer- schnitten erkennt, eine lateral- und dorsalwärts gerichtete Knorpel- lamelle befestigt, welche, da sie an manchen Stellen nur eine dünne Verbindung mit der Seitenwand der Kapsel aufweist, hier als dritter Stab angeführt wird. Sein distales Ende, welches bis zur Cupula posterior reicht, ist frei. Daran schließt sich nach vorn ein Ab- schnitt, welcher mit breiter Basis an der Seitenwand befestigt ist; schließlich folgt ein Abschnitt, welcher nur mit schmaler Brücke an der Kapsel befestigt ist. Wie erwähnt, besteht eine Verbindung zwischen dem mittleren und unteren Stabe. Diese Darstellung, welche man durch die Betrachtung der Fig. 27, S. 162 ergänzen mag, bezieht sich auf die rechte Seite. Die linke Seite stimmt in den Hauptzügen hiermit überein, nur die Verbindungen der drei »Stäbe« mit der Kapsel verhalten sich ein wenig anders. An manchen Stellen, wo die Stäbe nicht mit der Knorpeloberfläche der Seiten- wand in Berührung stehen, zeigt diese Oberfläche leistenförmige Er- hebungen, welche ungefähr der Ausdehnung der Stäbe entsprechen. An ähnlicher Stelle sind am Primordialeranium des öfteren Fortsatzbildungen beschrieben. In den Arbeiten SpönpLis! und DECKERS? wird am Knorpelschädel von Schwein, Rind und Schaf als »Processus uncinatus« ein Fortsatz beschrieben, welcher in späteren Arbeiten als Processus maxillaris posterior aufgeführt wird (SOLGER®). Dieser bei Säugern angetroffene Fortsatz wird als ho- molog den bei Amphibien und Reptilien am hinteren Ende der Nasen- kapsel vorkommenden Fortsatzbildungen, Proc. maxillaris anterior und posterior, aufgefaßt?. Reste dieses Fortsatzes fand u. a. auch FRETS5 bei Chrysothrix, aber auch am Primordialeranium von brady- pus sind sie vorhanden. Die Bezeichnung »Proc. maxillaris« läßt auf Beziehungen zum knöchernen Oberkiefer schließen; diese sind jedoch nicht konstant. Bei Balaenoptera sind die Knorpelstücke dem 1 24. 8:21. 2 3. 8.16. Fig. 5. 323. 48. 8.145, 161. 9. 8.574. 12. 8.722. 16. S. 201. 5 6. I. S. 621. 166 H. M. de Burlet Os frontale an- und eingelagert; auch sind Beziehungen des Fort- satzes zum Lacrimale beschrieben worden. Solum nasi. Als Teile des Bodens der Nasenkapsel er- kennen wir am vorliegenden Schädel die folgenden. Ein länglicher Knorpelstreifen (Fig. 25, S. 160; 26, S. 161; 28, S.163; 29; 30; 31, S. 169), welcher seitlich dem Septum und dessen Fortsetzung (Rostrum) angelagert ist, stellt in seinem hinteren Abschnitt das knorpelige Paraseptale dar; sein vorderer Teil ist als Cartilago due- Fig. 29. Schnitt 292. tus naso-palatini aufzufassen!. Als Grenze dieser beiden Abteilungen ist die Anheftungsstelle der Lamina transversalis anterior an den Knorpelbalken zu bezeichnen (Fig. 29). Nur durch diese Knorpel- lamelle ist derselbe mit anderen Teilen der Nasenkapsel verbunden, da eine Verbindung mit dem Septum fehlt. Die Fenestra narina bleibt somit durch einen schmalen Spalt medial vom Paraseptal- knorpel mit der Fenestra basalis in Verbindung. Distalwärts er- streckt sich der Paraseptalknorpel ungefähr so weit, wie der prä- 1 Da in dieser Region über eine kurze Strecke die Schnitte bedauerns- werterweise fehlen, kann leider nicht festgestellt werden, wie weit sich der Knorpel in proximaler Richtung erstreckt und ob er weiter nach vorn mit dem Rostrum verbunden ist. “ Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. III. 167 cerebrale Teil der Nasenkapsel reicht. Die Lamina transversalis anterior wurde bei Besprechung der Paries nasi schon erwähnt, da sie, obwohl morphologisch zum Boden der Kapsel zu rechnen, der Lage nach einen Teil der Seitenwand darstellt. Der Boden des subcerebralen Teiles der Nasenkapsel ist ziemlich vollständig. Er besteht hinten aus der Lamina transversalis posterior, weiter vorn aus dem nach innen eingerollten unteren Teil der Paries nasi (Fig. 33, S. 172). Letzterer Bodenabschnitt, welcher den später zu besprechenden Recessus lateralis von unten begrenzt, ist mit dem Teetum nasi durch eine Knorpelbrücke verbunden, welche die distale Fig. 30. Die Nasenkapsel von innen gesehen. Fortsetzung der Pars praecerebralis der Paries nasi bildet, dort, wo diese selbst sich lateralwärts umbiegt. Diese Knorpelbrücke bildet die mediale Begrenzung des vorderen Abschnittes des Recessus la- teralis; ihr oberer Teil ist als Crista semicireularis, ihr unterer Teil als Maxillo-turbinale zu bezeichnen. Die Verwachsung dieser beiden Teile ist nicht vollständig, wenn auch nahezu. Vor dem Verwach- sungsgebiet ist während einer kurzen Strecke noch ein selbständiger Teil des Maxillo-turbinale vorhanden (Fig. 30); daran schließt sich ein Gebiet, wo die obere Kante des Maxillo-turbinale mittels der Crista semieircularis mit dem Dache zusammenhängt. Endlich be- sitzt das Maxillo-turbinale in seinem hinteren Abschnitte einen freien oberen (Fig. 33, S. 172) und hinteren Rand. Das Relief des Inneren der Nasenkapsel erheischt eine ein- 168 H. M. de Burlet gehende Betrachtung. Die Aufgabe liegt vor, die Muschelbildungen, welche bei Balaenoptera angetroffen werden, mit den gleichwertigen Teilen anderer Säuger zu homologisieren. Es ist dabei einerseits die vergleichende Anatomie der Nasenhöhle zu Rate zu ziehen; andererseits ist zu beachten, wie die Muschelbildung am Primordial- eranium verschiedener Tiere stattfindet. Was letzteres betrifft, so hat sich herausgestellt, daß die Muscheln dadurch entstehen, daß in der Nasenschleimhaut Falten auftreten. In diesen kann dann ein zuerst knorpeliges, später knöchernes Gerüst sich einstellen. Unter Muschel (Turbinale) ist das knöcherne oder knorpelige Gerüst mit- samt der es überziehenden Schleimhaut zu verstehen. Im folgenden wird jedoch manchmal das Skelet allein als Turbinale bezeichnet werden. Der Umstand, daß in manchen Muscheln ein stützendes Skelet spät oder überhaupt nicht auftritt, während in einer anderen Tier- gruppe bei derselben Muschel dieses wohl der Fall ist, macht es notwendig, bei der Feststellung von Homologien nicht nur das Skelet der Nasenkapsel, sondern auch das Verhalten der Nasenschleimhaut ins Auge zu fassen. Erst nachdem man durch die Betrachtung der Falten des Schleim- hautbezuges die einzelnen Muscheln bestimmt hat, läßt sich fest- stellen, welche von diesen eine knorpelige Stütze besitzen. Dadurch erst wird der Bau des Knorpelskeletes verständlich. Es ist daher notwendig, bevor wir zur Besprechung des Knorpelskeletes übergehen, einiges über den epithelialen Nasensack vorauszuschicken. Ausgehend von der Apertura nasalis externa!, bildet der Epithel- schlauch eine zuerst nach unten (Fig. 31), dann nach hinten ver- laufende spaltförmige Röhre (Pars anterior). Im vordersten Teil derselben erhebt sich vom Boden eine Schleimhautfalte (Fig. 31), welche nach hinten am Septum verstreicht. Über die Natur dieser Falte gewinnt man am besten einen Eindruck durch die Betrachtung von einigen Querschnitten dieser Region. Der am meisten nach vorn gelegene (Fig. 29, S. 166) zeigt rechts noch den Zusammenhang des Epithels der Körperoberfläche mit der Auskleidung der Nasen- höhle. Es ist daraus zu entnehmen, daß der Schnitt gerade hinter der Apertura nasalis externa gelegen ist. Man erkennt nun, wie vom Boden aus beiderseits sich ein Schleimhautwulst erhebt. Der Gipfel dieses Wulstes setzt sich als eine Leiste nach hinten fort. 1 10. S. 280. Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. III. 169 Sie nähert sich dabei dem Septum, wie ein weiter distalwärts ge- legener Schnitt zeigt (Fig. 26, S. 161). Die Vorwölbung ist hier ganz auf das Septum gerückt, von welchem sie sich mit breiter Basis er- hebt. Noch weiter nach hinten verstreicht der Wulst. Eine Anzahl Schnitte zeigt als letzte Andeutung seines Vorhandenseins eine Kerbe in dem Schleimhautbezug des Septums (Fig. 25, S. 160). Diese für sich allein betrachtet, erinnert an das Bild des JacoBsonschen Organs dort, wo es mit der Nasenhöhle in Verbindung ist. In der Tat Fig. 31. Schnitt 282. halte ich es auch für wahrscheinlich, daß die Rinne, welche sich zur medialen Seite des beschriebenen Wulstes befindet, als ein rudi- mentäres JAcoBsoNsches Organ aufzufassen ist. Nach der Definition, welche v. MıHALkovics! vom Organon vomero-nasale gibt, versteht man unter demselben »einen in der Pars respiratoria der Nasen- höhle in der Nasenscheidewand unten und vorn gelegenen Sinnes- epithelbezirk, der in vollkommener Form als ein Schlauch oder Sack mit enger Mündung, in weniger vollkommener Form als bloße Ein- Bi; 8: 3. 170 H. M. de Burlet buchtung oder triehterförmige Vertiefung der Schleimhaut erscheint«. Wir hätten es demnach hier mit einer unvollkommenen Form zu tun, da das Organ hier eine nach oben offene Rinne darstellt, welche an keiner Stelle die Gestalt eines Blindsacks annimmt, wie das gewöhnlich bei Säugern der Fall ist. Die Ausdehnung der Rinne entspricht ungefähr derjenigen des Paraseptalknorpels, wenn sie auch von diesem Knorpelstab weit entfernt liegt. Diese letztere Tat- sache ist jedoch nicht als gegen unsere Deutung sprechend anzu- führen, weil die Lagebeziehungen des Epithelrohres zum Paraseptal- knorpel bei Säugern überhaupt sehr verschieden sind. Über die Rudimente der Srensonschen Gänge von Balaenoptera rostrata hat M. WEBER! berichtet. Die hier als JacoBsonsches Organ bezeichnete Rinne steht mit denselben nicht in Verbindung. In der Pars anterior der Nasenhöhle läßt sich außer der beschriebenen Vor- wölbung noch ein anderer Wulst unterscheiden, welcher sich an der lateralen und oberen Seite befindet. Er ist auf den vorderen Teil der Nasenhöhle beschränkt und verliert sich vor der Stelle, wo der epitheliale Sack im subcerebralen Teil der Kapsel eine Verbreiterung erfährt. Der Wulst ist vermutlich als die Anlage eines Naso-turbi- nale zu bezeichnen (Fig. 26, S. 161). Von der Paries nasi aus ragt eine Knorpelleiste in das Bindegewebe der Falte hinein, welche am Knorpelskelet die Stelle dieser Muschel bezeichnet. Ein Duetus nasolacrimalis fehlt. Im subeerebralen Teil der Nasenkapsel besitzt das Innere der Nasenhöhle ein komplizierteres Relief im dorsalen Teil. Der ven- trale Teil hat, wie im präcerebralen Abschnitt, die Gestalt eines sa- gittal abgeplatteten Spaltes, welcher medianwärts durch das Septum nasi begrenzt wird, lateralwärts aber nicht von Knorpel bedeckt ist. Der dorsale Teil zerfällt in eine Anzahl verschiedener Kammern, welche in zwei Gruppen einzuteilen sind. Die erste, mehr nach vorn gelegene Gruppe, ist durch eine schräg von medial vorn nach lateral hinten verlaufende Wand von der zweiten hinteren Gruppe getrennt (Fig. 32). Die letztere ist als Pars posterior s. ethmo-turbinalis, die erstere als Recessus lateralis der Nasenhöhle zu bezeiehnen. Die Unterverteilung in Kammern kommt durch Schleimhautfalten, welche sicb von der Wand erheben, zustande. Manche dieser Falten be- 1 27, 8. 145; siehe auch 14, S. 349. Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. III. tt sitzen eine knorpelige Stütze, die mit der knorpeligen Wand der Kapsel zusammenhängen kann. Betrachten wir zunächst den Recessus lateralis. Vorn und seitlich wird er durch die knorpelige Paries nasi begrenzt (Fig. 32). Ein knorpeliges Dach ist nur ganz vorn vorhanden; weiter nach Schematischer Horizontalschnitt durch die Pars subcerebralis der Nasenkapsel. hinten wird es durch die Schleimhaut und das Bindegewebe, welches die Fenestra eribrosa abschließt, nach oben zu bedeckt. Der Boden des Recessus lateralis wird durch den vorderen Teil des Bodens der Nasenkapsel gebildet, welcher in das knorpelige Gerüst des Maxillo-turbinale übergeht (Fig. 30, S. 167; 33, S. 172). Seine mediale Wand besteht vorn aus der Schleimhautfalte, welche die Knorpelverbindung, Boden, Maxillo-turbinale, Crista semieircularis 172 H. M. de Burlet und Dach, überzieht. Diese Schleimhautfalte formt die Grenze. zwi- schen Pars anterior und Recessus lateralis der Nasenhöhle; zugleich bildet sie die vordere Begrenzung der Öffnung, durch welche man zum Innenraume des Recessus lateralis Zutritt gewinnt. Hinter dieser Öffnung bildet die Scheidewand gegenüber der Pars posterior die mediale Begrenzung. Dieser Hohlraum nun wird durch eine von der lateralen Wand ausgehende Knorpelleiste in zwei Teile getrennt, einen oberen und einen unteren (Fig. 30, S. 167; 33). Der untere Teil wird zwischen dem Fig. 33. Co | Series aka Concho Frentabe. SE Schnitt 370. Maxilloturbinale und der genannten Knorpelleiste, welche wir als Sammelleiste (O. SEYDEL) bezeichnen wollen, eingefaßt. Er entspricht dem Recessus lateralis inferior posterior + Recessus glandularis + Recessus lateralis inferior anterior der Kaninchenkapsel!. Dieser Raum ist hier ein einheitlicher geworden, und zwar dadurch, daß die Crista semieireularis mit dem Maxillo-turbinale verwachsen ist (Fig. 30, S. 167). Auf seinem Boden liegt unter der Schleimhaut ein gefäß- reiches Gewebe, das vielleicht als Anlage der seitlichen Nasendrüse zu betrachten ist. 1 26, 8. 69. Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. III. 173 Der obere Teil ist als Recessus lateralis superior zu be- zeichnen. Er ist erheblich größer als der untere Teil. Sein Boden wird durch die Sammelleiste gebildet. Durch vertikal stehende Schleimhautfalten (Conchae frontales, Fig. 33; 32, S. 171) wird der Recessus lateralis superior in Unterabteilungen zerlegt. In keiner dieser Falten ist ein knorpeliges Gerüst vorhanden, so daß am Modell von diesen Conchae frontales nichts angetroffen wird, der Raum also einheitlich erscheint. | Wir kommen nun zur Besprechung der Pars posterior s. ethmo- turbinalis der Nasenhöhle, deren Umwandungen wir zunächst fest- zustellen haben. Lateralwärts (Fig. 32, S. 171) besteht die Wand hinten aus dem distalen Abschnitt der knorpeligen Paries nasi, mehr nach vorn aus der Schleimhautfalte, welche oben schon einige Male genannt worden ist und welche als Scheidewand zwischen dem Re- cessus lateralis superior und der Pars posterior bezeichnet wurde. In derselben erblicken wir das Ethmo-turbinale I (Fig. 32, S. 171). Sein vorderes Ende ist am Modell durch ein Knorpelstück bezeich- net, welches im Bindegewebe zwischen den Schleimhautbezügen auftritt, jedoch nicht mit anderen Knorpelteilen der Nasenkapsel verbunden ist (Fig. 30, S. 167). Das größtenteils häutige Ethmo- turbinale I ist oben mit dem die Fenestra cribrosa verschließenden‘ Bindegewebe verbunden und hängt unten mit der Sammelleiste zu- sammen. Diese bildet vorn den Boden der Pars posterior, hinten geht sie in die Lamina transversalis posterior über. Dieses Knorpel- gerüst des Bodens, mitsamt der es überziehenden Schleimhaut, wird als Lamina terminalis bezeichnet. Der vordere Rand derselben ist in Fig. 32 angegeben. Unter der Lamina terminalis setzt sich der Nasengang zum Rachen, Choane, fort. Der hintere Abschluß der Pars posterior wird durch die schon erwähnte Oupula posterior ge- bildet, während ein Teil des Septum nasi die mediale Begrenzung der Pars posterior liefert. Die Hohlräume der Pars posterior sind durch eine nach vorn sehende Öffnung zugänglich, deren untere Begrenzung durch den Vorderrand der Lamina terminalis gebildet wird (Fig. 32, S. 171). Über die Verteilung der Pars superior des Recessus lateralis läßt sich ein Eindruck gewinnen durch Betrachtung der schema- ‚tischen Figur 32, S. 171. Dieselbe stellt einen Schnitt durch den sub- cerebralen Teil der Nasenkapsel dar, welcher ungefähr parallel zur Fenestra eribrosa verläuft. An derselben läßt sich u. a. die vordere seitliche und mediale Begrenzung des oberen Teiles des Recessus 174 H. M. de Burlet lateralis erkennen. Die einzelnen Kammern des Recessus lateralis liegen teilweise übereinander, was durch Strichelung der Schleim- hautgrenzen angedeutet ist. Wie aus der Figur ersichtlich, lassen sich fünf derartige Nischen, welche alle nach außen durch die knor- pelige Paries nasi begrenzt werden, unterscheiden. Die einzelnen Kammern der Pars posterior werden voneinander getrennt durch nahezu vertikal und sagittal gestellte Schleimhaut- duplicaturen, welche sich von der oberen bis zur unteren Wand er- strecken und von der hinteren Wand ausgehen (Fig. 32, S. 171). Diese Falten stellen Ethmo-turbinalia dar; sie sind in der Figur als I, II und III bezeichnet. Im Ethmo-turbinale I kommt ein Knorpel- stück vor, wie oben bereits erwähnt. Es bildet ein sehr unvollstän- diges Skelet desselben. Das Knorpelstück zeigt eine nach hinten gerichtete, mit Schleimhaut überzogene kleine Nische, wohl die An- deutung einer Zweiteilung des ersten Ethmo-turbinale, wie sie auch bei anderen Säugern angetroffen wird. Auch im dritten Ethmo- turbinale ist ein unvollständiges Knorpelgerüst vorhanden, und zwar in Gestalt einer Knorpelleiste, welche, von der Kapselwand aus- gehend, in die Schleimhautfalte des Ethmo-turbinale III sich er- streckt. Am hinteren Ende der dritten Kammer, welche lateral vom Ethmo-turbinale III, medial vom Septum begrenzt wird, ragt noch eine kleine Schleimhautfalte vor (Fig. 32, S. 171), welche vielleicht als ein Eeto-turbinale zu deuten ist. Nachdem wir das Verhalten des epithelialen Nasensackes kennen gelernt haben, wird es nun eine einfache Aufgabe, am Knorpel- modell die einzelnen Teile, welche als Stütze desselben vorhanden sind, zu erkennen (Fig. 27, S. 162; Fig. 30, S. 167). In der Pars anterior erhebt sich hinter der Abgangsstelle der Lamina transversalis anterior die schwache Knorpelleiste, welche als Stütze des vermutlichen Naso-turbinale (vgl. auch Fig. 26, S. 161) beschrieben wurde. Weiter nach hinten tritt das vordere Ende des Knorpelgerüstes des Maxillo-turbinale auf, dessen mittlerer Teil mit der knorpeligen Crista semieireularis verbunden ist. Durch diese Verbindungsleiste wird die Pars anterior von den weiter nach hinten gelegenen sub- cerebralen Teilen der Nasenhöhle abgegrenzt. Als wichtigstes Knorpel- stück im Inneren des subeerebralen Teiles der Kapsel ist die Sammel- leiste zu betrachten, eine Platte, welche in nach hinten absteigendem Verlauf von vorn nach hinten durch diesen Kapselabschnitt verläuft. Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. IH. 175 Sie ist an der Paries nasi befestigt; wenn auch nicht über ihre ganze Länge, und ragt nach innen frei vor. Sie geht hinten in die Lamina transversalis posterior über, erhebt sich aber im Gebiet des Recessus lateralis vom Boden der Kapsel, wodurch eben der Recessus lateralis in einen oberen und unteren Teil zerlegt wird. Zwischen Sammel- leiste und Dach sind die oben beschriebenen Schleimhautfalten aus- gespannt. Das Knorpelstück, welches sich im ersten Ethmo-turbinale befindet, bezeichnet am Skelet eine Grenzmarke zwischen Recessus lateralis und Pars posterior der Kapsel. Die Fenestra eribrosa wird durch den oberen Rand des Ethmo- turbinale I in einen vorderen und hinteren Teil zerlegt. Das obere Ende des Knorpelstückes im Ethmo-turbinale I ist dementsprechend als dem medialen Teil der Crista intereribrosa des Kaninchenschädels gleichwertig zu betrachten. Olfactoriusfasern treten sowohl an der Schleimhaut des Recessus lateralis als auch an dem hinter dem oberen Rande des Ethmo-turbinale I gelegenen Schleimhautbezirke der Pars posterior auf. Über den Verlauf des N. ethmoidalis sind noch einige Worte hinzuzufügen. Es befindet sich ein Kanal im Grenzgebiet von subcerebraler und präcerebraler Region der Nasenkapsel (Fig. 33, S. 172). Die Eintrittsöffnung wird im vorderen Randgebiet der Fenestra eribrosa angetroffen. Die Austrittsöffnung liegt im hintersten Teil des Daches der präcerebralen Region. Es ist verführerisch, diese Aus- trittsöffnung als Foramen epiphaniale zu bezeichnen, und ich halte es auch für wahrscheinlich, daß der Kanal für den N. ethmoidalis bestimmt ist. Leider läßt sich aber nicht mit Bestimmtheit aus- sagen, ob wirklich ein Nerv durch den Kanal verläuft. Daß dieser - ein Blutgefäß enthält, läßt sich mit Leichtigkeit feststellen. Die wichtige Frage über den Verlauf des N. ethmoidalis muß also offen bleiben. Ergebnisse. Nachdem wir bei Betrachtung des Knorpelschädels einer Zahn- walform2 zu der Ansicht gekommen sind, daß die wichtigsten Eigenarten des erwachsenen Phocaena-Schädels sich während der individuellen Entwicklung erst ausbilden, wundert es uns weniger, daß das Primordialeranium, welches dem Bartenwal-Schädel zugrunde liegt, ebenfalls sich als ein typisches Säugerprimordialeranium zeigt. Es ist nicht die Absicht, die zahlreichen kleineren übereinstim- 11, 8. 140. 2 Siehe meine Arbeiten im Morphol. Jahrb. Bd. XLV und XLVII. 176 H. M. de Burlet menden Züge hier zu wiederholen. Der Sachkundige wird sie der Beschreibung der einzelnen Regionen entnehmen können. Einige Bemerkungen, welche den Primordialschädel als Ganzes betreffen, sind hier zum Schlusse noch anzufügen. So ist auch hier wieder zu betonen, daß die Gesamtform der Hirnkapsel in Länge und Breite mit derjenigen anderer Säuger im wesentlichen übereinstimmt. Die gedrungene, ungefähr sphärische Gestalt der erwachsenen Hirnkapsel entsteht demnach auch hier erst während der Entwicklung. Sie ist als eine Anpassung an das Wasserleben aufzufassen, welche erst später erworben wurde. Sie bietet der äußeren Nasenapertur die Gelegenheit, sich distalwärts zu verschieben. Die Tatsache, daß die Ethmoidalregion beim Prim- ordialeranium von Phocaena weit mehr rückgebildet ist als am Prim- ordialeranium von Dalaenoptera, läßt vermuten, daß die Zahnwale die älteren Wasserbewohner sind. Die Rückwärtsverschiebung der äußeren Nasenapertur gibt sich kund durch die Rückbildung des vorderen Abschnittes des Tectum und Septum nasi. Die Verkürzung der Hirnkapsel während der Entwicklung ist durch Wachstumsverhältnisse bedingt, von denen einige der Beobach- tung zugänglich sind. Als solche Faktoren sind zu bezeichnen: 1. Die Rückbildung des Riechhirns während der ÖOntogenese, welches bekanntlich bei Zahnwalen zu gänzlichem Schwund dieses Organs führen kann; 2. Die Lageveränderung der Ohrkapsel während der Entwick- lung, wodurch dem Boden der Hirnkapsel ein in frühen Stadien sehr ansehnlicher Teil desselben entzogen wird. Diese Verschiebung ist in doppeltem Sinne als eine Anpassungserscheinung zu erkennen. Einmal kommt dadurch die Ohrkapsel in eine physiologisch an das Wasserleben am besten angepaßte Lage (Isolierung des Petro- tympanicum von den übrigen Schädelknochen, BOENNINGHAUS). Zwei- tens bewirkt das Austreten der Ohrkapsel eine Verkürzung des Bodens der Hirnkapsel, wodurch das Verhältnis der Länge zur Breite sich zugunsten der Breite verschiebt. Spezifische Züge der Cetaceennatur finden sich am Primordial- cranium der Wale eigentlich nur im vorderen Abschnitt. Sie be- treffen die Rückbildungserscheinungen der Nasenkapsel und die starke Entwicklung des Nasenseptum, welches sich schon frühzeitig nicht nur als eine Scheidewand der Nasenhöhle, sondern gleichzeitig als Achse für den rostralen Teil des Schädels zu entwickeln beginnt. Diese Entwicklung zu einem kräftigen Knorpelstab betrifft auch die Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. III. 177 Gegend des Septum interorbitale, welches durch diesen Faktor seinen Septum-Charakter gleichfalls mehr oder weniger einbüßt. In der Serie folgen sich die in dieser Arbeit abgebildeten Schnitte von hinten nach vorn in dieser Reihenfolge: Schnitt 858 ist auf Seite 122 abgebildet als Fig. 1. - 806 - - - 123 - SBDSEHNDE, u CR - 126 5 ee ls =, = - 128 - Ga a Sp yo: een - 1838 - a - 24 - - - 155 - > 2.40) Ey 13 > Bien - 137 - el: el - = - 136 - a WB = - 134 - BUNT: - 698 - - - 139 - en - 6897 - - - 132 - ST HT: - 68 - - - 13 - Ne = - - 13 - En IHatlre: 603.20". - 180 - Seh EB: - 652 - - - 140 - ee 65} - 63 - - - 143 - en We 2630-4 = - 141 - = =: 16: GEN == - 152 - - 00-22. u 0) 1 - 154 - Anm 28; - 608 - - - 149 - el: EEE BEN = = - 148 - ae) - 568 - - or tal - er - 23 - - - 146 - Sn FERalS: EAINANDN = - - 15 - = 13,184, =. 310. -..,172 - 0-33. - 342 - - - 163 - = 28. - .32- - - 160 - - - 25. 20, = 2 - 161 - - 26. - 292 - - - 166 - Se a 3.282, = lee - 169 - N Literatur. 1) 1882. Arten, H. On a revision of the ethmoid bone in the Mammalia. Bullet. of the Museum of comp. Zoology at Harvard College. Vol. X.3. 2) 1903. 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Morph. Jahrb. Bd. XLIV. II. Morph. Jahrb. Bd. XLV. FREUND, B. Beiträge zur Entw.-Gesch. d. Schäd. von Halicore dugong. Jen. Denkschr. Bd. VII. GAuppr, E. Primordialeran. u. Kieferbogen von Rana fusca. Morph. Arbeiten SCHWALBE. Bd. Il. 2. —— Das Chondrocranium von Lacerta agilis. Anat. Hefte. Abt. I. Bd. XIV. —— Neue Deutungen auf dem Gebiete der Lehre vom Säugetier- schädel. Anat. Anz. Bd. XXVI. —— Die Entwicklung des Kopfskeletes. Herrtw. Handbuch d. Entw.- Gesch. Bd. II. 2. —— Zur Entwicklungsgesch. und vergl. Morphologie des Schädels von Echidna ac. Jen. Denkschr. Bd. VI. —— Über Entwicklung und Bau der beiden ersten Wirbel von Echidna ac. Jen. Denkschr. Bd. VI. 2. KÜKENTHAL, W. Untersuchungen an Walthieren. MaArTHEs, E. Zur Entw.-Gesch. des Kopfskeletes der Sirenen. Jen. Zeitschr. f. Naturw. Bd. XLVIH. MEAD, CH. $. The Chondrocranium of an embryo pig. American Journal of Anatomy. Vol. IX. MıHALKovics. Nasenhöhle und JAcoBSonsches Organ. Anat. Hefte. Abt. I. Bd. ;XT. MÜLLER, A. Über das Bruchstück vom Schädel eines Finnwales. Schriften d. Phys. oek. Ges. zu Königsberg. Jahrg. 1863. OLMSTEAD, M. P. Das Primordialeran. eines Hundeembryo. Anat. Hefte. Abt. I. Bd. XLIH. PAuLLı, $. Über die Pneumatieität des Schädels bei den Säugethieren. Morph. Jahrb. Bd. XXVII. PETER, K. Entw. d. Geruchsorgans in der Reihe der Wirbeltiere. HEerTwıGs Handbuch. I. 2. SeypEr, 0. Über die Nasenhöhle der höheren Säugetiere und des Menschen. Morph. Jahrb. Bd. XVII. SOLGER, B. Beitr. z. Kenntn. d. Nasenwandung und besonders der Nasenmuscheln d. Reptilien. Morph. Jahrb. Bd. 1. Spönpuı, H. Über den Primordialschädel der Säugetiere und des Menschen. Zürich 1846. SPURGAT, Fr. Beitr. z. vergl. Anat. d. Nasen- und Schnauzenknorpel d. Menschen und d. Tiere. Morph. Arbeiten SCHWALBE. Bd. V. Voıt, M. Das Primordialeran. d. Kaninchens. Anat. Hefte. Abt.IL Bd. XXXVII. WEBER, Max. Studien über Säugethiere. I. —— Die Säugetiere. ZUCKERKANDL, E. Geruchsorgan. Ergebn, d. Anat. u. Entw.-Gesch. Abt. II. Ba. 2. Morphologisches Jahrbuch. Bd. XLIX. Tafel V. Primordialeranium von Balaenoptera rostrata. Das Modell von oben gesehen. J.Prijs del. de Burlet, Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig und Berlin. Morphologisches Jahrbuch. Bd. XLIN. Tafel VI. Primordialeranium von Balaenoptera rostrata. Das Modell von unten gesehen. J.Prijs del. de Burlet. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig und Berlin. Fr r r ‘ e ! x . ö ’ i OR ; { h j j j ‘ 1 ‘ « & B a N D) A Ä / 4 J vr : ; a 3 ! - r wir \ i . h r . \ . i ‘ . Fr i v fi \ f \ r “ ’ | IF « r . iN RE 7 . , BE HH e £ * + = { = u ö A h « I u 22 FB & R 5 D { k . E 5 i + y 0 BEA a A I ee a u Tafel VII. Bd. XLIX. Morphologisches Jahrbuch. "DIDAISOL n49dousnng uoA STUNTUEIOTEIPIOUULIT sap SIJOPOW SOUTg YU9ISUBU9NIS | | | | | | m nz ee | (yraimmupe) ou ung | ago omnlo- ==, | ' (per pe) ee way un) ae 4419) C | be ya ang ame)! uno Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig und Berlin. J. Prijs del. /de Burlet. Die Antiklinie der Wirbelsäule der Säugetiere. | Von Hedwig Gottlieb (Wien). Mit 2 Figuren im Text und Tafel VIII—-XIIl. Einleitung und allgemeine Übersicht über die Literatur. - Die Antiklinie ist eine Eigenschaft der Wirbelsäule der Säuge- tiere, welche an verschiedenen Teilen der Wirbel zum Ausdruck kommt, hauptsächlich aber an den Wirbelkörpern und an den Dorn- fortsätzen. Die Wirbelkörper nehmen nämlich vom ersten Rücken- wirbel angefangen an Größe allmählich ab und erreichen ihre Mi- nimalgröße in einem Wirbel, der ungefähr in der Mitte des Rumpf- abschnittes gelegen ist. Von hier an wachsen sie dann wieder bis zum letzten Lendenwirbel an. Die Dornfortsätze nehmen gleicher- weise vom ersten Rückenwirbel angefangen an Länge ab und sind im typischen Falle an dem oben genannten kleinsten Wirbel am kürzesten, während hinter diesem wieder ein Längenwachstum zu verzeichnen ist. Außerdem aber (und das ist das wichtigere Mo- ment) neigen sie sich gleichzeitig bis zu diesem Wirbel nach rück- wärts, dann aber nach vorn. Der Grenzwirbel, an welchem diese Umkehr erfolgt, hat in der Literatur verschiedene Namen gefunden, und die Erscheinung der Antiklinie gab schon seit langer Zeit zu der Frage nach ihrer Entstehung und Bedeutung Anlaß. Die Unter- suchungen waren jedoch nie eingehend genug, um eine befriedi- gende Erklärung zuzulassen, und die in der Literatur verstreut sich findenden Angaben sind nicht geeignet, ein Bild von der Häufigkeit und Art des Auftretens der Antiklinie sowie von ihren Abänderungen in den einzelnen Ordnungen des Säugetierstammes zu geben. Die ältesten Angaben über die Antiklinie dürften die von STRAUSS- DÜRCKHEIM in der »Anatomie der Katze« (1845) sein. STRAUSS-D. geht bereits ungefähr auf die funktionelle Bedeutung Morpholog. Jahrbuch. 49. 13 180 Hedwig Gottlieb der Antiklinie ein und spricht davon, daß der Wirbel, an welchem die eben geschilderten Umkehrungen stattfinden, und welchen wir als antiklinischen bezeichnen wollen, einem »n@ud du mouvement« entspreche. Einige Bemerkungen finden sich auch in der »Anatomie com- paree« von CuVIER. Er sagt hier über die Säugetiere: »Les apo- physes &pineuses des premieres dorsales qui sont les plus longues, excepte dans les cetaces, sont generalement dirigees en arriere. A mesure qu’elles se recourrissent, elles se redressent de sorte que l’une des dernieres est verticale, et que les autres sont dirigees en avant, comme celles des lombaires. Les chauves-souris n’ont point du tout d’apophyses &pineuses. Dans les ornithorinques les apo- physes epineuses existent, mais elles sont absolument renversdes en arriere et imbriquees les unes sur les autres.« Ferner sagt er über den Menschen: »Les apophyses epineuses sont plus longues, en prisme trian- gulaire, et dirigees obliquement en bas.« Die Antiklinie der Wirbelkörper habe ich nicht ebenso ausführ- lich zum Gegenstand eigener Untersuchungen gemacht. Doch steht wohl soviel fest, daß die von GIEBEL gemachten Beobachtungen nicht in allen Punkten genau sind. GIEBEL bezeichnet in seinen »Klassen und Ordnungen des Tierreiches« den antiklinischen Wirbel als diaphragmatischen und gibt folgende Definition: »Die Gegen- sätzlichkeit der Rumpfwirbelsäule zeigt sich darin, daß die Rücken- wirbel nach hinten an Größe abnehmen bis zu einem kleinsten, daß dann die Lendenwirbel wieder größer werden bis zu einem größten letzten; ferner auch darin, daß die Dornfortsätze der Rückenwirbel nach hinten an Länge abnehmen und entsprechend vom ersten bis zum letzten sich aufrichten. Auch die Querfortsätze zeigen ein ent- sprechendes Verhalten, indem die der Rückenwirbel sich allmählich, wenn auch wenig, verkürzen, die der Lendenwirbel dagegen vom ersten bis zum letzten auffällig an Länge zunehmen und zugleich nach vorne gerichtet sind. Alle diese Unterschiede von Rücken- und Lendenwirbel sind nun in einem mittleren kleinsten Wirbel auf- gehoben, so daß dieser weder als Rücken- noch als Lendenwirbel bezeichnet werden kann, vielmehr die Eigentümlichkeiten beider in sich vereinigt, d.h. vorne als Rücken-, rückwärts als Lendenwirbel ausgebildet ist. Ihn kann man daher als natürliche Grenze der kücken- und Lendenwirbel ansehen und ich nenne ihn den dia- phragmatischen, zähle daher die Rückenwirbel nur bis zu ihm, und Die Antiklinie der Wirbelsäule der Säugetiere. 181 rechne alle dahinter als Lendenwirbel, deren erster gewöhnlich auch noch Rippen trägt.« Dazu muß zunächst bemerkt werden, daß der antiklinische Wirbel bei manchen Gattungen nieht konstant ist, sondern der Zahl nach in der Reihe verschieden liegen kann, und STROMER hebt in seiner Arbeit über »Die Wirbel der Landraubtiere« hervor, daß die Wirbelkörper bei den Raubtieren in der antiklinen Region keines- wegs kleiner werden, sondern daß nur ihre Breite normalerweise geringer wird, dafür aber die Dieke und Länge zunimmt. Selbst bei Hyaena und Protele, wo der antiklinische Wirbel kürzer als der erste Brustwirbel ist, bildet er doch nicht den kürzesten Brust- wirbel, denn dieser befindet sich einige Wirbel weiter rostral. Cau- dalwärts vom antiklinischen Wirbel nimmt allerdings das Volumen der Wirbelkörper meist deutlicher als früher zu. STROMER betrachtet außer der Größe des Wirbelkörpers und der Richtung des Dornfortsatzes noch eine ganze Reihe von anderen Merkmalen als für den antiklinischen Wirbel charakteristisch. Er sagt: »Ein wirkliches Anzeichen der antiklinen Region besteht am Wirbelkörper insoferne, als von hier an die caudalen Rippenfacetten fehlen und an ihre Stelle die Tubercula psoatica treten. In der Regel ist ja der antiklinische Wirbel frei von beiden, doch gibt es davon zahlreiche Ausnahmen. Wie wir ferner sahen, bietet das vor allem als Merkmal benutzte Verhalten des Processus spinosus auch keinen sicheren Anhalt, indem nicht nur bei den Bären die Rück- neigung andauert und allmählich verschwindet, sondern auch sonst sich oft Übergänge finden. Im typischen Falle allerdings befindet er sich ganz hinten oben am Dache, ist rückgeneigt und besonders klein. Im typischen Falle also besitzt ein bestimmter Brustwirbel weder caudale Rippenfacetten noch Tubereula psoatica, ein caudal- wärts ansteigendes oder eben verschmälertes Neuraldach, einen meist kleinen, rückgeneigten oder eben senkrecht stehenden Processus spi- nosus, der ganz hinten oben am Dache steht, während sein Rostral- rand nach vorne verläuft. Ferner eine kurze, kleine, mit flacher, kreisförmiger Fossa transversa und mit Metapophyse und Anapo- physe versehene Diapophyse. Endlich sind hier die rostralen Fa- cetten wie bisher flach, nach oben gerichtet und sitzen in der Haupt- achse auf dem Dache, während die caudalen schon nach außen ge- dreht sind und die Postzygapophysen neben der Basis des Processus spinosus ohrförmig hervortreten. Speziell in seinen Gelenken bildet also dieser Wirbel eine Art Übergang zwischen den Brust- und den 13* 182 Hedwig Gottlieb Lendenwirbeln, und deshalb nenne ich ihn ‚Übergangswirbel‘, GIEBELS diaphragmatischer Wirbel entsprieht, wie ein Vergleich der Wirbelzahl-Tabellen zeigt, in der Regel der ersten Vertebra thoraco- lumbalis, die sich normalerweise durch nichts besonderes von den weiteren Thoracolumbalwirbeln auszeichnet. Letztere sind identisch mit den vertebres lombaires costiniferes in StrAuss-Dürckheim.« Es ist richtig, daß StRoMER den Begriff des antiklinischen Wir- bels genauer faßt. Doch sind die von ihm angeführten Charakteri- stika durchaus nicht in allen Ordnungen der Säugetiere in derselben Weise zu verfolgen und daher für ausgedehntere Untersuchungen nicht verwertbar. Es fallen vielmehr diese Merkmale nicht immer in einem Wirbel zusammen, und es läßt sich daher auch von hier aus kein sicheres Kriterium dafür finden, welcher Wirbel als anti- klinischer anzusprechen ist. Weitere Angaben über die Antiklinie sind in verschiedenen Osteologien ziemlich häufig, so in FLowErs Östeologie, in den ana- tomischen Studien von Hasse, in Mıvarrs Werk »The Cat«. Letz- terer z. B. gibt an: »In the eleventh dorsal vertebra the neural spine projects more or less forwards, instead of backwards, abutting against that of the tenth vertebra, which it may, or may not, slightly exceed in length. It has no transverse process, but there are two eonspieuous processes on each side, which evidently answer to the processes (one at each end) which terminate the transverse process of the tenth vertebra, but which, in the eleventh vertebra, are quite separated the one from the other.« FLOweEr sagt folgendes: »Mit Ausnahme der menschenähnlichen und einiger anderer Affen biegen sich die Dornfortsätze der vor- deren Brustwirbel nach hinten und die der Lendenwirbel, aber auch einiger vorderer Thoracolumbalwirbel nach vorne, so daß sie nach einem, nahe dem hinteren Teil der Brustregion gelegenen, bis- weilen das ‚Bewegungszentrum der Wirbelsäule‘ genannten Punkte hin konvergieren, besonders deutlich bei Landraubtieren. Dieses Bewegungszentrum kann zwischen zwei Wirbel fallen, aber öfter betrifft es einen Wirbel selbst, dessen Dornfortsatz sich gerade in die Höhe richtet, und nach diesem, dem sog. antiklinischen Wirbel, zu konvergieren die übrigen Dornfortsätze. Von dieser Stelle an ändern die Brustwirbel ihren typischen Charakter und nehmen den der Lendenwirbel an, und von hier an lösen sich die einfachen Querfortsätze in Metapophysen, Anapophysen und eigentliche Quer- fortsätze auf.« Die Antiklinie der Wirbelsäule der Säugetiere. 183 Daraus ist deutlich ersichtlich, daß in der Literatur die ver- schiedensten Ansichten herrschen. Während GIEBEL von einem »dia- phragmatischen« Wirbel spricht, der vorn als Brust- und rückwärts als Lendenwirbel ausgebildet sein und die Grenze zwischen Brust- region und Lendenregion bilden soll, sagt FLOowEr, daß die Brust- wirbel, von der Stelle, wo die Dornfortsätze konvergieren, ihren Charakter ändern und allmählich den von Lendenwirbeln an- nehmen. Außerdem erwähnt er ganz richtig, daß das sog. »Be- wegungszentrum« auch zwischen zwei Wirbel fallen kann. Alle diese Widersprüche rühren daher, daß die Frage hier überall viel zu eng gefaßt erscheint. Es kann sich nicht darum handeln, einen bestimmten Wirbel als Grenz- oder Übergangswirbel festzulegen, und einen solchen bei allen Formen und in allen Ordnungen in gleicher Weise auffinden zu wollen, vielmehr wird man, über die anatomischen Merkmale hinausgehend, die Frage vom Standpunkt der funktionellen Bedeutung der Antiklinie überhaupt zu beleuchten haben. Die gründlichste Erörterung des antiklinischen Wirbels findet sich noch in LucaEs Werke »Die Robbe und die Otter«. LUCAES Ansichten gehen von einem viel weiteren Gesichtspunkt aus und kommen daher einer allgemeingültigen und umfassenden Beurtei- lung am nächsten. Sie sollen bei Besprechung der funktionellen Bedeutung der Antiklinie auseinandergesetzt werden. Doch ist zu bemerken, daß auch er den antiklinischen Wirbel (oder die »Ver- tebra intermedia«, wie er ihn nennt) als jenen Wirbel charakteri- siert, an welchem nicht nur eine Änderung in der Gestalt des Dorns, sondern auch in der Richtung der Gelenkflächen stattfindet. Es kommt dies daher, daß auch er sich nur mit der Untersuchung von Raubtieren beschäftigte, bei welchen, wie erwähnt, die Verhältnisse tatsächlich so liegen. Nach Abschluß meiner Arbeit erschien eine Abhandlung von S. MorıtA (Tokio), welche eine Bestätigung für die von mir ge- wonnenen Resultate bildet und an späterer Stelle erörtert werden soll. Gewiß aber können neuere Untersuchungen nur an eine Arbeit anknüpfen, die vor allem die statischen und mechanischen Ursachen dieser Erscheinungen am deutlichsten zu präzisieren imstande ist, und müssen außerdem die Methoden der morphologisch-ethologischen Richtung berücksichtigen. 184 } Hedwig Gottlieb Eigene Untersuchungen. I. Abschnitt: Die Antiklinie der Dornfortsätze. Wie bereits erwähnt, stößt die strenge Fassung irgendeines Wirbels als antiklinischen sehr oft auf großen Widerstand und wird immer mehr oder weniger Sache des persönlichen Geschmackes bleiben; denn die von STROMER aufgeführten Charakteristika sind nur für die Raubtiere gültig. Ich habe bei Beobachtung aller ana- tomischen Merkmale zum Zwecke einer vergleichend-morphologischen Beschreibung versucht, die richtunggebenden Faktoren in den eben genannten Erscheinungen aufzudecken und die funktionelle Bedeu- tung der Antiklinie klarzulegen. Es wird dann vielleicht möglich sein, auch die Wirbelsäule bei der Beurteilung der Lebensweise eines Tieres mehr in Betracht zu ziehen, als dies bisher immer der Fall war. Zu diesem Zwecke war es notwendig, die oben genannten Widerstände als unwesentlich außer acht zu lassen. Ich lasse nunmehr eine kurze Beschreibung der einzelnen Ord- nungen der Säugetiere folgen und greife dabei hauptsächlich die für die Bestimmung der funktionellen Bedeutung der Antiklinie wichtigen Formen heraus. I. Monotremata. Die Monotremen zeigen eine sehr primitive Form der Dorn- fortsätze. Bei Echidna sind sie kurz, vierkantig abgestumpft und behalten im Verlaufe der ganzen Wirbelsäule dieselbe Richtung bei. Sie sind leicht nach rückwärts geneigt und erinnern in dieser Be- ziehung sehr an die Dornen der Reptilien und Amphibien. Die Dornen des Ornithorhynchus sind gleichfalls von primitiver Form, jedoch nach rückwärts hakenartig ausgezogen, ähnlich wie wir dies bei manchen Känguruhs finden. Es fällt auf, daß die drei letzten Dornen der Lendenwirbelsäule sich plötzlich aufrichten, daß also hier ganz rückwärts in der Wirbelsäule eine Art von Antiklinie- punkt auftritt. Im Schwanz sehen wir ferner eine ganz abweichende Form der Dornen. Sie sind breit, schaufelförmig und sitzen auf den stark verlängerten Postzygapophysen, gleichsam wie eingeschaltet zwischen je zwei Wirbel (s. Fig. I. Die Querfortsätze sind stark verlängert und verbreitert und die Hämapophysen gut entwickelt. Die Antiklinie der Wirbelsäule der Säugetiere. 185 II. Marsupialia. Bei den Springern dieser Gruppe ist die Antiklinie entweder gar nicht nachweisbar und es sind sämtliche Dornen hakenartig übergebogen, oder es erfolgt im Lendenteile der Wirbelsäule eine schwache Vorneigung der Dornen. Ein bestimmter Wirbel ist aber gewöhnlich nicht als antikliniseher zu bezeichnen, vielmehr ist die Antiklinie meist verwischt (s. Fig. II). Bei den kletternden Formen ist Antiklinie niemals nachweisbar. Manchmal erfolgt im Lendenteile der Wirbelsäule eine Aufrichtung der Dornen (Phalangista). Das Vorhandensein einer Aufrichtung der Dornen im rückwärtigen Teile der Wirbelsäule ist öfter zu konsta- tieren (s. Fig. II). II. Monodelphia. 1. Insectivora. Die Inseetivoren haben, trotz der primitiven Stufe, auf welche sie zu stellen sind, die Antiklinie doch größtenteils schon erworben. Es zeigen sich in dieser Ordnung verschiedene Varianten, welche ich, wie in den späteren Ausführungen begründet ist, durchaus nicht immer mit dem Namen »Antiklinie« bezeichnen möchte. Offen- bar hängt diese verschiedenartige Ausbildung mit der Verschieden- artigkeit der Lebensweise zusammen. Bei den nach Art des Igels lebenden, also langsam laufenden und manchmal grabenden Formen, zu welchen besonders noch Centetes gehört, zeigt sich im allgemeinen ein Fehlen der Antiklinie s. striet. Die Dornfortsätze ändern ihre Richtung entweder gar nicht oder es stehen die hinteren eben nor- mal, ohne sich jedoch geradezu nach vorn zu neigen. Meist ist aber ein Wirbel durch das plötzliche Auftreten einer breiteren Form des Dornfortsatzes, sowie das Erscheinen einer Met- und Anapo- physe ausgezeichnet, was immerhin eine gewisse Verschiedenheit des rostralen und caudalen Abschnittes der Rumpfwirbelsäule ergibt (s. Fig. IV). Tupata zeigt in der Form der Fortsätze ein ähnliches Bild wie Serurus, doch sind die Dornen in der antiklinen Region derart verkümmert, daß die strikte Bestimmung eines Wirbels als »anti- klinischer« nieht möglich wird. Eine Teilung der Diapophysen tritt erst hinter dieser Region auf. Die grabenden Maulwürfe besitzen zarte Dornfortsätze und eine deutliche Antiklinie. Das Bild erinnert etwas an die Springmäuse (s. Fig. V). Die hüpfenden Inseetivoren zeigen Ähnlichkeit mit den Mäusen. In der antiklinen Region ist Jedoch auch hier eine starke Verkümmerung der Dornen zu ver- 186 Hedwig Gottlieb zeichnen und die Bestimmung des antiklinischen Wirbels macht große Schwierigkeiten. Ericulus ist insofern merkwürdig, als hier der antiklinische Punkt sehr weit nach rückwärts verlegt ist. Erst der 14. Wirbel! ist als antiklinischer zu bezeichnen. An diesem Wirbel tritt auch die Teilung der Diapophyse auf. Bei Scalops ist zu bemerken, daß der Antikliniepunkt zwi- schen den 10. und 11. Wirbel fällt. Möglicherweise verhält sich dies aber nicht bei allen Exemplaren gleich. 2. Chiroptera. Die Mehrzahl der Fledermäuse besitzt keine Antiklinie. Die Dornfortsätze sind meist sehr verkümmert und treten bei manchen Formen überhaupt erst in der Lendenwirbelsäule hervor. Bei an- deren wieder (z. B. Vesperugo) zeigen die Dornen einen wiederholten Wechsel in der Länge. Auch die seitlichen Fortsätze sind meist ver- kümmert. Von Antiklinie kann nur bei einigen großen Formen ge- sprochen werden, jedoch nicht im gewöhnlichen Sinne (s. Fig. VI). 3. Rodentia. ‚Die umfangreiche Ordnung der Rodentier bietet natürlich auch in bezug auf die Antiklinie der Dornen sehr große Verschieden- heiten. Häufig ist der 10. oder 11. Wirbel mehr oder weniger antiklinisch ausgebildet, manchmal auch ein weiter rückwärts ge- legener. Oft ist die Antiklinie sehr undeutlich, insbesondere bei den kleinen Spezies. Der Dornfortsatz des antiklinischen Wirbels ist gewöhnlich dreieckig und symmetrisch. Manche Formen zeigen in bezug auf die Ausbildung der Dornfortsätze große Variabilität. Ich fand ein Exemplar von Arcitomys marmota, bei welchem die ersten zehn Dornen rückgeneigt waren, der elfte aber breit und in der Form mit den nachfolgenden übereinstimmend. Man könnte diesen seiner Stellung nach etwa als antiklinischen bezeichnen. Ein anderes Exemplar derselben Art hatte nur die ersten 9 Dornen rückgeneigt, den 10. plötzlich von viel breiterer Form, während der 11. wieder schlank war und sich in dieser Beziehung vollkommen an den 9. anschloß. Die Bestimmung eines ant. Wirbels war hier kaum durchzuführen, doch mußte man bei ausschließlicher Berück- sichtigung der Richtung” der Dornfortsätze den 11. als ant. be- zeichnen. Ein junges Exemplar von Arctomys marmota wieder zeigte eine Rückneigung der ersten 9 Dornen. Der 10. war plötzlich ab- geflacht, fast kuppelförmig und 11, 12 und 13 schlossen sich ihm Die Antiklinie der Wirbelsäule der Säugetiere. 187 in der Form an. Der 14. jedoch erhob sich wieder, was bei den folgenden immer deutlicher wurde. Diese waren auch vorgeneigt. Die Antiklinie war hier also über mehrere Wirbel ausgedehnt. Es ist möglich, daß dies mit der Jugend des Tieres zusammenhängt. Ein weiteres Exemplar dieser Spezies zeigte die Abflachung der Dornen schon bei 8, und 9 war ungefähr normal. 10 leitete in der Form nieht gut zu den folgenden über. Er war schlank und ein- geschnürt. Der Übergang lag hier offenbar bei 9 und 10. Dies nur um zu zeigen, wie es sich in Wahrheit mit den Merkmalen verhält, nach welchen ein ant. Wirbel bei einer bestimmten Spezies festgelegt werden soll. Met- und Anapophyse sind bei den Nagern oft schon weit vor dem ant. Wirbel deutlich ausgebildet, so daß auch dieses Merkmal, welches in STROMERs Charakteristik des ant. Wirbels hervorgehoben wird, hier bei der Bestimmung unbrauchbar ist. -Bei dem schwimmenden Biber sind die rückwärtigen Dornen des Rumpfes steil aufgerichtet und stark verbreitert. Sie nehmen am Becken an Höhe immer mehr ab und an Breite zu, und eine Strecke weit hinter dem Becken erfolgt eine vollständige Umkehr in ihrer Richtung. Das Verhalten ist also ein etwas anderes als bei Ormithorhynchus. Die Diapophysen sind aber auch hier stark und besitzen Schaufelform, die Hämapophysen sind gut entwickelt (s. Fig. VII). Auch bei Myopotamus treten diese Erscheinungen auf, jedoch bedeutend schwächer. Denn weder richten die Dornen der Lendenwirbelsäule sich auf, noch sind die Seitenfortsätze des Schwanzes so stark entwickelt. Es ist nur eine Umkehr in der Riehtung der Dornen im Schwanz angedeutet, und die Hämapo- physen sind ziemlich groß und verbreitert. 4. Edentata. Nomathra und Xenarthra bieten, was die Antiklinie anbelangt, keine Verschiedenheiten. In dieser Gruppe finden sich die mannig- fachsten Arten der Skeletverstärkung. Ist doch die xenarthrale Ge- lenkverbindung allein schon ein Moment, welches die Beweglichkeit einschränkt und der Versteifung dient. Hier sei vorläufig nur einiges über die Dornfortsätze erwähnt. Sie sind bei den Edentaten ent- weder sämtlich rückgeneigt oder sämtlich normal, können aber auch von der hückneigung zur aufrechten Stellung übergehen. Die Form kann dabei sehr verschieden sein, breit oder länglich, bei Dasypus stark übergekrümmt (s. Fig. VII). In der Mitte der Wirbelsäule 188 Hedwig Gottlieb nehmen sie häufig eine andere Gestalt an. Die Dornen der Lenden- wirbelsäule sind manchmal ziemlich klein und verkümmert (z. B. Bradypus). Die starke Verlängerung der Dornen dient besonders dem Tragen des Panzers, während dieselben bei panzerlosen Tieren verkümmert sind. Beim Steppenschuppentier fand ich die merkwürdige Erschei- nung, daß die Richtung der Dornen fast von einem Wirbel zum anderen immer wieder wechselt, so daß die ganze Wirbelsäule den Eindruck macht, unregelmäßig zu stehen. Die Seitenfortsätze zeigen oft Spaltung in Met- und Anapophyse, doch ist ihr Verhalten ein sehr verschiedenes. Dasypus zeigt eine exzessive Entwicklung der Metapophysen. Diese nehmen in der Lendenwirbelsäule eine bedeutende Länge an und ragen zu beiden Seiten der Dornen schräg in die Höhe. Ihre Bedeutung liegt offen- bar in einer weiteren Verstärkung der Wirbelsäule zum Zwecke des Tragens des schweren Panzers. Auch im Schwanz zeigen sich Ver- stärkungseinrichtungen, ganz abgesehen von der starren Verschmel- zung der Beckenregion. 5. Carnivora. Die Carnivoren bieten das Musterbeispiel für die Antiklinie. Insbesondere die Katzen besitzen immer einen Wirbel, der ganz ausgesprochen antiklinisch ist (s. Fig. IX), und auf den tatsächlich alle Merkmale der Srromzrschen Charakteristik passen. Merkwürdig aber ist es, daß trotz dieser gut ausgeprägten Antiklinie der Nu- merus des ant. Wirbels bei der Gattung Fels schwankt und bald der 10., bald der 11., manchmal aber auch beide antiklinisch sind. Man sieht da am deutlichsten, daß selbst unter diesen’ günstigen Umständen die Bestimmung eines ant. Wirbels nicht ganz einfach ist und daß es keineswegs angeht, nach der Art GIEBELS eine Zäh- lung der Brust- und Lendenwirbel nach dem »diaphragmatischen« Wirbel zu unternehmen. Schon bei den Hunden ist die Antiklinie eine viel weniger ausgesprochene, indem erstens eine Vorneigung der rückwärts gelegenen Dornen nicht immer vorhanden ist, wenn auch ein Dorn der Form nach gewöhnlich von den übrigen unter- schieden ist, und zweitens das Auftreten von Met- und Anapophyse nicht immer an einem’und demselben Wirbel erfolgt. Es fällt daher tatsächlich der ant. Punkt manchmal zwischen zwei Wirbel. Auch bei allen übrigen Gattungen der Fissipedier ist Antiklinie vorhanden. Der Numerus ist oft schwankend und ich finde über- Die Antiklinie der Wirbelsäule der Säugetiere. 189 dies nicht immer denselben wie STROMER und besonders Owen. Es ergeben sich oft bei verschiedenen Exemplaren derselben Spezies individuelle Variationen, wie z. B. bei Mustela putorius. Besonders zu beachten ist bei den Carnivoren, daß der Proc. spinosus des ant. Wirbels oft nicht nur der Richtung nach unterschieden, sondern auch stark verkleinert ist, so daß er zwischen den sich gegeneinander- neigenden Dornfortsätzen des ihm vorangehenden und ihm folgenden Wirbels fast verschwindet. Am besten ist dies bei den Katzen zu sehen und ich werde auf diesen Umstand später noch ausführlicher zu sprechen kommen. Die Bären besitzen meist keine Antiklinie. Die schwimmende Pieronura zeigt in der Aufrichtung und Form der Dornen eine frappante Ähnlichkeit mit dem Biber. Bei manchen anderen Schwimmern unter den Raubtieren können wir dieselben Erscheinungen nicht in gleicher Weise beobachten, was auf später näher zu erörternde Ursachen zurückzuführen sein dürfte. Bei den an das Wasserleben angepaßten Pinnipediern liegen sehr interessante Verhältnisse vor. Hier sei als morphologische An- gabe nur erwähnt, daß bei Phoca sämtliche Dornfortsätze gleich- mäßig nach rückwärts geneigt sind, während bei Trichechus die Rückneigung nach hinten zu immer schwächer wird und bei Otaria in der Mitte der Wirbelsäule sogar einer starken Aufrichtung der Dornen Platz macht. 6. Cetacea. In Übereinstimmung mit den für die Pinnipedier gewonnenen Resultaten zeigen auch diese Wassertiere keine Antiklinie. Dies geht in dieser Ordnung sogar noch weiter, indem auch von einer Drehung der Zygapophysen wegen der eigentümlichen Stellung der- selben nicht die Rede sein kann. Die Dornfortsätze sind sämtlich sehr hoch und gleichmäßig geneigt. Kleine Variationen kommen vor. Eine Art von Antiklinie findet sich bei Formen mit stark ge- wölbter Wirbelsäule, so bei Phocaena und beim Pottwal. 7. Ungulata. Für diese Ordnung gilt als Regel, daß keine Antiklinie vor- handen ist. Insbesondere fehlt sie allen großen, schweren Tieren und ist bei den gracileren mehr oder weniger deutlich ausgebildet. Ein ant. Punkt läßt sich bei den großen Formen nur insofern kon- statieren, als oft ein bestimmter Dornfortsatz normal steht und sym- metrisch ausgebildet ist. Eine Vorneigung der rückwärtigen Dornen 190 Hedwig Gottlieb erfolgt aber meist nicht. Zu beachten ist, daß die Dornen bei der Mehrzahl der Ungulaten sehr breit sind und in der Lendenwirbel- säule oft eine axtförmige Gestalt annehmen (s. Fig. XII). Außerdem sind sie gewöhnlich so stark geneigt, daß sie völlig übereinander zu liegen kommen, was noch durch ihre bedeutende Länge unter- stützt wird. Bei einem Exemplar von Elephas africanus fand ich die ersten Dornfortsätze mittelhoch und oben kolbig verdickt. Die Rücknei- sung dauerte, schwächer werdend, bis über das Sacrum hinaus an. Dabei legten sich aber die Dornen in der Mitte der Wirbelsäule ganz nieder und richteten sich dahinter wieder auf, so daß die obere Kontur dieser Fortsätze eine Wellenlinie bildete, die in der Mitte am stärksten abfiel.e. Die Bedeutung dieser Erscheinung soll später erörtert werden. Die geringe Beweglichkeit der Elefanten kommt übrigens auch in der nur sehr schwachen und allmählichen Drehung der Zygapophysen zum Ausdruck. Im allgemeinen läßt sich nur sagen, daß auch da, wo ein bestimmter Dornfortsatz normal steht, die Vorneigung der rückwärtigen Dornen nur sehr schwach ist, daß also eine Antiklinie, wie sie den Raubtieren zukommt, in dieser Ord- nung nicht zu finden ist. Die Ayracoidea zeigen in der Ausbildung der Antiklinie viel Ähnlichkeit mit den übrigen Ungulaten, nur ist die Vorneigung der rückwärtigen Dornen eine ausgesprochenere, was mit ihrer bedeu- tend größeren Beweglichkeit zusammenhängt. Der ant. Wirbel ist dem Numerus nach schwankend. 8. Sirenia. Bei diesen findet sich keine Antiklinie. Die Dornen sind ziem- lich breit und kräftig, aber kurz. Sie sind gleichmäßig und nur schwach geneigt. Wir sehen also ein übereinstimmendes Verhalten mit den übrigen Wassersäugern. 9. Primates. Bei den Prosimiern ist im allgemeinen die Antiklinie deutlich ausgeprägt. Die Dornen sind gewöhnlich im vorderen Abschnitt der Wirbelsäule ziemlich lang, im rückwärtigen breiter und von einer Form, die für die weiter unten erörterte Funktion derselben charakteristisch ist. Im hinteren Teile des Rumpfes läßt sich bei Formen mit Wickelschwanz oft eine Aufrichtung der Dornen nach- weisen (8. Fig. XIV). Lichanotus, Perodietieus potto und Loris gra- ceilis besitzen keine Antiklinie (s. Fig. XV u. XV]). Die Antiklinie der Wirbelsäule der Säugetiere. 191 Bei den Simiern finden wir sehr verschiedene Verhältnisse. Im allgemeinen läßt sich aber sagen, daß die baumbewohnenden Formen Antiklinie besitzen, die bodenbewohnenden nicht. Ursachen des Auftretens und physiologische Bedeutung der Antiklinie, Sollen die oben skizzierten Resultate meiner morphologischen Untersuchungen zu Schlußfolgerungen herangezogen werden, so er- gibt sich zunächst die Notwendigkeit, eine Antiklinie sensu str. von einigen anderen Abänderungen, welche die Wirbel im Verlaufe der Wirbelsäule erfahren, abzutrennen, da dieselben offenbar zum Teil ganz unabhängig voneinander sind und verschiedene physiologische Bedeutung haben. Es ist dies die Änderung der Form der Dornen, die Spaltung der Seitenfortsätze in eine Met- und Anapophyse und die Drehung der Zygapophysen. Diese Merkmale stehen allerdings alle in Beziehung zu der Bewegung, können aber, wie die Unter- suchungen zeigten, sowohl zusammen als auch unabhängig vonein- ander auftreten oder auch an der Wirbelsäule eines Tieres über- haupt nicht in Erscheinung treten. Es sind dabei folgende haupt- sächliche Fälle möglich: 1. In bezug auf die Formänderung der Dornen: a) Die Form ändert sich im ant. Wirbel (häufiger Fall). b) Nach dem ant. Wirbel (z. B. Crocidura). c) Ohne Vorhandensein einer Antiklinie (z. B. Dasypus, Her- barctos). d) Überhaupt nicht (Echidna, Ornithorhynchus, Myrmedon usw.). 2. In bezug auf die Spaltung der Seitenfortsätze: a) Met- und Anapophyse treten vor dem ant. Wirbel auf (z. B. meiste Nager, Moschus). b) Im ant. Wirbel (viele Raubtiere). c) Nach dem ant. Wirbel (Hunde zum Teil). d) Eine von beiden nur schwach angedeutet oder fehlend (Caprına, Capra, Antilope usw.). e) Eine von beiden tritt früher auf als die andere (Hunde zum Teil, Herbarctos, Antilope usw.). f) Beide fehlen überhaupt (Myogale pyrenaica, Scalops, Rhi- nolophus und viele andere Fledermäuse usw.). 3. In bezug auf die Drehung der Postzygapophyse: a) Die Postzygapophyse dreht sich vor dem ant. Wirbel (Err- culus, Moschus usw.). 192 Hedwig Gottlieb b) Im ant. Wirbel (Katzen usw.). c) Nach dem ant. Wirbel (Crocidura usw.). d) Auch ohne Vorhandensein einer Antiklinie (Herbarctos, Dasypus, Bradypus, Pinnipedier u. a.). e) Überhaupt nicht (Myogale pyr. usw.). Daraus ist deutlich ersichtlich, daß eine Bestimmung des ant. Wirbels nach allen diesen Merkmalen zusammen unmöglich ist. Auf die physiologische Bedeutung jeder dieser Erscheinungen soll noch später eingegangen werden. Im Verlaufe der Phylogenie erscheint die Antiklinie zum ersten Male bei den Säugetieren. Bei Fischen, Amphibien und Reptilien ist sie nicht vorhanden. Bei den Fischen ist vor allem der Bau- plan ein ganz anderer. Die Fischextremitäten sind nicht so aufzu- fassen wie die der höheren Wirbeltiere, denn die Fortbewegung wird hier mit wenigen Ausnahmen durch den Schwanz besorgt. Es ist daher die Muskulatur des Körpers besonders stark entwickelt, was überhaupt für alle Tiere gilt, denen die Extremitäten entweder ganz fehlen oder bei welchen sie rudimentär sind (Azolotl, Lepido- siren usw., vgl. PETTIGREW: »Die Ortsbewegung der Tiere«). Am- phibien und Reptilien sind für das Leben im Wasser und auf dem Lande eingerichtet. Auf dem Lande ist ihre Bewegung gewöhnlich eine schlängelnde (s. Fig. XXI), die auch durch Bewegungen des Schwanzes unterstützt wird. MEYER sagt über diese Tiere in seiner »Statik und Mechanik«: »Eine sonderbare Mischform der Fortbewe- gung findet sich bei Sauriern, Urodelen und verwandten Formen. Eigentlich haben sie, und zwar sowohl in den hinteren als auch in den vorderen Extremitäten die Fortbewegung mittels der horizon- talen Bogen und doch setzen sie die Füße nach Art der Quadru- peden auf den Boden. Aber der Oberschenkel liegt ebenso wie der Oberarm horizontal nach außen und ist im Knie und Ellbogen stark gebeugt, desgleichen ist der Fuß stark gegen den Unter- schenkel gebeugt. Der Oberschenkel und Oberarm ist dadurch in den Stand gesetzt, den horizontalen Bogen auszuführen. Die Schwere wird dabei entweder, wie bei den Eidechsen, federnd durch die Beine getragen, oder der Rumpf rutscht, wie bei den Salamandern, auch wohl auf dem Boden hin« (vgl. hierzu Fig. XXI). Im Wasser bewegen sich Reptilien und Amphibien mittels Ruder- füßen (Frosch), mit Hilfe von medianen Flossensäumen oder mit voll- kommen ausgebildetem Ruderschwanz (Krokodil, Platurus). Außer diesen Formen der Bewegung finden wir noch Springer Die Antiklinie der Wirbelsäule der Säugetiere. 193 mit stark verkürzter Wirbelsäule. Alle diese Bewegungsmodi machen das Auftreten der Antiklinie, wie aus den späteren Erörterungen hervorgeht, überflüssig. Was besonders die großen fossilen Repti- lien anbetrifft, ist die Frage nicht ohne weiteres zu entscheiden, ob ihre Größe und die Art der Bewegung in allen Fällen für das Fehlen der Antiklinie verantwortlich zu machen ist, oder ob dieses Merkmal von den Reptilien überhaupt nie erworben wurde. Jeden- falls scheint die Antiklinie bei ihnen durch andere Einrichtungen ersetzt zu sein. Es steht also soviel fest, daß die Antiklinie eine Eigenschaft der Säugetiere ist und wahrscheinlich erst im Laufe der Phylogenie im Zusammenhange mit bestimmten Arten der Bewegung erworben wurde. Wenn wir uns nun die Frage vorlegen, warum Antiklinie erst bei den Säugetieren auftritt, müssen wir den Bau der niederen Tiere einer Betrachtung unterziehen. Ich folge hier hauptsächlich den An- gaben, welche H. MEYEr in seiner »Statik und Mechanik des mensch- lichen Knochengerüstes« macht. Er führt aus: »In der ersten Grundform hat das Knochengerüst gar nichts zu tragen und besitzt deshalb auch nicht eine darauf gerichtete Ge- staltung. Schlange und Fisch sind die hierfür typischen Tierformen. Die Schlange liegt mit der Bauchwandung auf dem Boden und die ganze Körperlast wird deshalb von diesem allein getragen; die Rumpfknochen kommen dabei nur insofern in Rechnung, als die Gesamtheit der sehr zahlreichen Rippen mit ihren Enden als Teil der Leibeswand auf dem Boden aufgestützt ist und durch ihre Starr- - heit das Einsinken der von ihnen umgebenen Leibeshöhle verhindert. Sie haben dabei allerdings den entsprechenden Teil der Wirbelsäule zu tragen, indessen ist die Last eine so geringe und dabei ist sie so verteilt, daß die Belastung der einzelnen Rippen kaum erwähnens- wert ist. Die Wirbelsäule ist bei allen diesen Tieren ohne eine andere Gestaltung, als daß sie eine langgestreckte Reihe von Wirbeln ist, die wegen ihrer Beweglichkeit leicht jede Gestalt annimmt, welche eine Bewegung oder die Oberfläche des stützenden Bodens ihr mitteilt. Bei den Fischen sind die Verhält- nisse insofern verwandt, als bei ihnen die Wirbelsäule ebenfalls nicht in nennenswerter Weise belastet ist. Indessen ist der Grund hierfür ein anderer, weil er in der fast vollständigen Gleichheit des spezifischen Gewichtes des Fischleibes mit dem des umgebenden Wassers zu finden ist. Man findet übrigens doch denjenigen Teil 194 Hedwig Gottlieb der Wirbelsäule, welcher der Leibeshöhle entsprieht, häufig so ge- wölbt, daß die Konkavität nach unten gerichtet ist. Man könnte denken, daß diese Gestaltung die Bedeutung haben soll, die Schwere der Eingeweide zu tragen. Indes kann dieselbe doch auch dahin erklärt werden, daß sie nur die Folge der Rundung der Leibeshöhle unter dem Gegendruck der Eingeweide ist, und daß vielleicht na- mentlich der Druck der aufwärts drängenden Schwimmblase dafür erzeugend einwirken kann.« MEyER stellt nun dieser Art von Wirbelsäule die tragende Wirbelsäule gegenüber, welche als gewölbeartige (bei den Quadru- peden) und als federnde (bei den Bipeden) vorkommt. Die Wirbel- säule der Quadrupeden (ohne Hals und Schwanz) bildet ein voll- ständiges Gewölbe, welches dazu dient, die Last des Rumpfes und der Eingeweide zu tragen. Als Gewölbesäulen dienen die Extremi- täten. Sie sind in vollständiger Symmetrie aufgebaut. Das der Wirbelsäule zunächst liegende Stück der Extremität, von welchen das Hüftbein direkt und das Schulter- blatt indirekt (durch seine Anlagerung an den Brustkorb) mit der Wirbelsäule verbunden ist, liegt nach unten zu divergent, den Gewölbebogen gewisser- maßen fortsetzend. Das folgende Glied, Oberarm und Oberschenkel, liegt wieder nach unten divergierend. Unterarm und Unterschenkel dann wieder divergierend und dann Hand und Fuß mehr oder weniger senkrecht nach unten. »Die Belastung, welche der Gewölbebogen der Wirbelsäule erfährt, ist teilweise eine direkte dadurch, daß die Eingeweide an derselben aufgehangen sind und daß die Wirbelsäule als der einzige feste longitudinale Teil an dem oberen Teile des Rumpfes angebracht ist und deswegen die Schwere des Rumpfes überhaupt zu tragen hat. Teilweise ist sie aber auch eine indirekte, indem ein Teil der Eingeweide, und gerade die schwersten derselben, zunächst von dem Brustkorb getragen wird und dieser dann erst die Belastung der Wirbelsäule überträgt. Die zweite Form, in welcher die Gleichgewichtslage der tragen- den Wirbelsäule erscheinen kann, ist die der mehrfach gebogenen Feder. In einfachster” Gestalt erscheint diese Form an der Hals- wirbelsäule langhalsiger Tiere; typisch ist dieses der Fall bei den Vögeln, indessen zeigen auch Säugetiere diese Form, unter diesen vor allem das Kamel. Bei einem Hals dieser Art ist der untere Fig. 1. Die Antiklinie der Wirbelsäule der Säugetiere. 195 Teil nach vorn und der obere nach hinten konvex. In diesen Bie- gungen wird die Elastizität der Zwischenwirbelbänder in Anspruch genommen, und zwar an der konkaven Seite deren Kompressions- elastizität, an der konvexen deren Tensionselastizität. Gleichgewicht ist hergestellt, sobald die Rückwirkung der Elastizität imstande ist, die Belastung zu tragen; stärkere Belastung fordert daher auch stärkere Beanspruchung der Elastizität und die Biegung wird des- halb stärker in dem Verhältnisse, in welchem die Belastung zu- nimmt. Hiermit ist denn auch stets Gleichgewicht zwischen Be- lastung und Spannung gegeben. Eine solche Feder ist auch die menschliche Wirbelsäule. « Es ist nun auffallend, daß Antiklinie erst bei Tieren mit stark gewölbter, tragender Wirbelsäule auftritt und zwar bei jenen, deren Wirbelsäule außerdem bei der Ausführung von Bewegungen der Ex- tremitäten besonders beansprucht wird. Bei den niederen Tieren erweist sich nicht nur die Ausbildung eines Gewölbes gewöhnlich als überflüssig, sondern es sind auch die Bewegungen relativ ein- fache, weil die Extremitäten entweder nicht oder nur mangelhaft entwickelt sind. Das Prinzip der Lokomotion der extremitätenlosen Tiere ist immer das gleiche. An das fixierte vordere Ende wird das hintere Ende genähert, dann wird das hintere Ende fixiert und von demselben das vordere entfernt usw. (Blutegel, Spannerraupe). Die Schlange verwendet hierfür die Bildung mehrerer horizontaler Bogen (vgl. Meyer). Die Bewegung der Saurier und Urodelen ist, abgesehen von dem Auftreten der kurzen Extremitäten, deren eigen- tümlicher Bau bereits beschrieben wurde, wesentlich auch eine Schlängelung. Fig. XXI, welche ich dem Werke »Tierleben und Tierbau« von Hesse und DorLEın entnehme, soll dies erläutern. Die Anuren verwenden ihre Vorderextremitäten meistens zum Schwim- men, indem sie dieselben in horizontalen seitlichen Bogen bewegen, gleichzeitig aber machen sie mit den mächtigen Hinterbeinen Sprung- bewegungen. Wir finden hier »eine interessante Vereinigung eigent- licher Schwimmbewegungen mit Bewegungen, welche für den festen Boden bestimmt sind«e. Trotzdem wird hier kein Gewölbebogen auf- treten, da eine wesentliche Erhebung des Rumpfes über den Boden nieht stattfindet und die Wirbelsäule überdies so verkürzt ist, daß ein Bogen überflüssig wäre. Die Antiklinie und alle ihre Modifika- tionen treten also tatsächlich erst bei den Tieren mit tragender Wirbelsäule auf. Die Bogenform bewirkt hier, wie bei einer Brücke, eine günstigere Verteilung des Gewichtes und verhindert ein Durch- Morpholog. Jahrbuch. 49, 14 196 Hedwig Gottlieb biegen der Wirbelsäule. Wenn wir uns nun vorstellen, daß der Gewölbebogen die Last der Eingeweide und des Rumpfes zu tragen hat und daß außerdem Stöße, welche durch die Fortbewegung ent- stehen, von diesem Gewölbe aufgefangen werden müssen, so wird es begreiflich erscheinen, daß dasselbe einer bedeutenden Festig- keit bedarf, um diesen Kräften genügenden Widerstand leisten zu können. Man könnte zunächst annehmen, daß die Ursache der Krümmung der Wirbelsäule in der Gestalt der Wirbelkörper oder in der der Zwischenwirbelscheiben selbst liege, und daß diese Ge- stalt durch die Spannung der Bänder genügend fixiert werde. Nun zeigt sich aber deutlich, daß die Wirbelsäule Neugeborener keine Wölbung besitzt und daß dieser Umstand, abgesehen von den tiefer als die Säuger stehenden Wirbeltieren, auch bei Wassersäugern und bei solehen Landsäugern mehr oder weniger dauernd ist, welche sich langsam und schwerfällig bewegen. So sehen wir dies bei Walen und beim Faultier. Der Bogen entsteht erst durch frei- willige Muskeltätigkeit und bleibt dann als habituelle Haltung er- halten. H. MEYER erwähnt dies gleichfalls in seiner »Statik und Mechanik« und sagt darüber folgendes: »Junge Quadrupeden haben eine gerade Wirbelsäule. Junge Hunde und Katzen schleifen beim Kriechen den Bauch auf dem Boden hin und erst wenn sie die ersten kräftigeren und bewußteren Gehversuche machen, beginnen sie die bogenförmige Gewölbegestalt der Wirbelsäule anzunehmen. Man kann häufig junge Hunde diese Biegung übertreiben sehen. Auch bei den erwachsenen Quadrupreden kann man eine Vermeh- rung der Gewölbekrümmung durch freiwillige Muskeltätigkeit nicht selten wahrnehmen, wenn die Ansprüche an die Tragfähigkeit für dieselbe vorübergehend gesteigert wird. Ein Pferd hebt im Augen- blicke der Belastung, z. B. durch einen Reiter, den Rücken in stär- kerer Wölbung der Last entgegen, und bei den verschiedensten Tieren, namentlich den schlankeren (Katzen, Mustela, langgebaute Hunde) sieht man im Sprunglauf eine stärkere Wölbung des Rückens eintreten, welche geeignet ist, den Ruck auszuhalten, den im Augen- blicke des Aufspringens die Schwere des Rumpfes und namentlich der Eingeweide der Wirbelsäule geben muß.« Daß die wiederholt durch Muskelwirkung hervorgebrachten Krüm- mungen zu dauernden werden, liegt nach MEvEr daran, daß die Bänder sich dort, wo sie stark gedehnt werden, auch stark ent- wiekeln, hingegen an den konkaven Seiten der Krümmungen sich wenig in der Längsrichtung entwiekeln. Infolgedessen wird schließ- Die Antiklinie der Wirbelsäule der Säugetiere. 197 lieh eine dauernde Form der Wirbelsäule geschaffen, welehe durch Muskeltätigkeit gebildet und durch die Bänder fixiert wird. Gleichzeitig mit der stärkeren Ausbildung des Gewölbes tritt auch die Antiklinie immer schärfer hervor, welche bei Neugeborenen, soviel ich an dem mir zur Verfügung stehenden Material ersehen konnte, stets sehr undeutlich ist. Sie hängt demnach offenbar mit der funktionellen Vollausbildung eng zusammen und hat die Bedeutung, die Festigkeit des Gewölbes zu erhöhen. Wenn auch die Bänder den größten Teil dieser Arbeit übernehmen, so geht doch aus dem eben Gesagten deutlich hervor, daß diese Ausbildung der Bänder erstin Abhängigkeit von der gesuchten geeignetsten Form der Wirbel- säule entsteht und daß zunächst Muskelwirkungen diese Form hervor- bringen. Ebenso werden nun auch Einrichtungen auftreten, welche geeignet sind, die Festigkeit des Gewölbes zu sichern und ein Durch- biegen desselben zu verhindern, Einrichtungen, welche später zwar durch die Bänder zum Teil ersetzt werden, welche aber doch eine zu starke Belastung und Zerrung derselben zu verhindern imstande sind. Wenn wir uns vorstellen, daß das Gewölbe der Wirbelsäule plötzlich stark belastet wird, so ist es klar, daß ein Durchbiegen desselben verhindert wird, wenn die Dornen entweder durch starkes Übereinanderlegen oder durch große Breite in sehr naher Berührung stehen, oder wenn sie, wie dies bei den Raubtieren der Fall ist, antiklinisch angeordnet sind. Welches von diesen Prinzipien zur Anwendung gelangt, hängt von verschiedenen Umständen ab. Zu- nächst müssen wir bedenken, daß eine plötzliche Belastung der Wirbelsäule, abgesehen von jenen Tieren, welche als Reittiere ver- wendet werden, gewöhnlich nur bei rascher Bewegung und da haupt- sächlich beim Springen und Laufen eintritt. Im Moment des Auf- springens auf den Boden erleidet die Wirbelsäule einen Stoß, wel- cher in der Gegend der Extremitäten am stärksten sein und sich gegen die Mitte immer mehr abschwächen wird. MEYER spricht von der besonders starken Rückenwölbung der langgebauten Tiere, ohne daß er sich mit der Frage der Antiklinie zu beschäftigen hatte. Jedenfalls sind es gerade diese Tiere, bei welchen die Wölbung der Wirbelsäule am notwendigsten und ein Durchbiegen am leichtesten möglich ist. Würden nun diese Tiere eng aneinandergereihte Dorn- fortsätze besitzen, so wäre damit der Durehbiegung allerdings be- gegnet, gleichzeitig aber die Biegsamkeit der Wirbelsäule beein- trächtigt. Die Antiklinie ist hier das einzig mögliche Prinzip, wel- ches die Durchbiegung verhindern kann, ohne die Beweglichkeit zu 14* 198 Hedwig Gottlieb stören. Parallel gestellte Dornen würden sich, wenn zwischen ihnen der für die Bewegung nötige Zwischenraum bleiben soll, einander kaum nähern, während die antiklinisch angeordneten, auch noch bei ziemlich bedeutender Entfernung voneinander, eine ziemlich feste Stütze gewähren können. Eine bedeutende Körperlänge, starke Wölbung der Wirbelsäule und besonders rasche Bewegungen besitzen nur einige Gruppen von Tieren. Das beste Beispiel bieten die Katzen. Bei ihnen ist die Antiklinie soweit vorgeschritten, daß sie bereits eine Reduktion in der Länge des Dornfortsatzes des antiklinischen Wirbels notwendig machte. Die Neigung der ihm benachbarten Dornen gegeneinander ist bereits so stark, daß der Dornfortsatz des antiklinischen Wirbels selbst für seine volle Entwicklung keinen Platz findet. Es erscheint also hier das Prinzip der Antiklinie bis ins Extrem verfolgt (vgl. Fig. IX). Dagegen sehen wir überall da, wo es auf eine besondere Biegsamkeit der Wirbelsäule nicht ankommt, andere Einrichtungen verschiedener Art zur Verfestigung derselben auftreten, die später zusammenhängend besprochen werden sollen. Ich möchte nun, be- vor ich zur Besprechung der einzelnen Lokomotionstypen übergehe, noch einiges über die Wirkungen der Muskulatur auf die Ausbildung der Antiklinie einfügen. Wenn GIEBEL in seinen »Klassen und Ord- nungen« sagt: »Die Dornfortsätze der Brustwirbel sind nicht bloß nach hinten gerichtet, weil sie in dieser Stellung den Sehnen der Nackenmuskel einen kräftigeren Ansatzpunkt gewähren, und umge- kehrt die Dornfortsätze der Lendenwirbel nach vorn gerichtet wegen der. Anheftung’ der Schwanzmuskel, sondern dieser Gegensatz ist zugleich in der Vollkommenheit des Säugetierskeletes begründet«, — so müssen wir dagegen die Vollkommenheit des Skeletes, von der wir übrigens in diesen Erörterungen nichts Näheres erfahren, als das einzig maßgebende Moment ansehen. Denn die Stellung der Dornen daraus zu erklären, daß sie durch ihre Art für den Ansatz der Muskulatur günstiger sei, geht wohl nicht an. Der Knochen kann dem Zuge der Muskeln folgen und unter ihrem Einfluß be- stimmte Formen annehmen, niemals aber sich den Muskeln ent- gegenstellen. Die Vollkommenheit des Säugetieres besteht vor allem in der mannigfaltigeren Ausbildung der Muskulatur, die zu den verschie- densten Bewegungen befähigt und unter deren Einfluß auch das Skelet bestimmte Abänderungen erfahren hat. Für die Ausbildung der Antiklinie ist nicht die Nackenmuskulatur und Schwanzmusku- Die Antiklinie der Wirbelsäule der Säugetiere. 199 latur maßgebend, sondern offenbar jene Muskeln, die an den Dornen ansetzend, direkt oder indirekt mit den Extremitäten in Zusammen- hang stehen, den Rumpf zu tragen haben oder die Biegsamkeit der Wirbelsäule beherrschen, so daß die Antiklinie wirklich durch die Bewegungsweise beeinflußt wird. Zu diesen Muskeln gehören der Cueullaris, der Latissimus dorsi, der Multifidus, der Levator caudae, der Rhomboideus. Die Funktion dieser Muskeln ist von der Bewe- sungsweise und der Schwere beeinflußt. Ich möchte dies an dem Beispiel des Rhomboideus erläutern. Dieser hat bei Land- und Wassertieren ganz verschiedene Aufgaben. LucAE sagt hierüber: »Bei den Wassertieren hat dieser Muskel, ebenso wie der Levator anguli scapulae und der Serratus nur die Aufgabe, die Extremität am Rumpfe zu befestigen und zu bewegen. Bei den Landtieren aber muß dieser Muskel und der Cucullaris umgekehrt den Rumpf an die beim Gehen und Stehen stützenden Extremitäten befestigen und schwebend erhalten. Von oben faßt der Cueullaris gleich einer Spange die beiden Schulterblätter außen an der Spina scapulae und hilft den Raubtieren den Rumpf schwebend erhalten; ähnlich die Rhomboidei. Von unten aber fassen die Zacken des Serratus und tragen, gleich einer Hängematte, den Rumpf und schützen ihn bei rascher Bewegung vor Stoß und Druck.« Aus diesem einen Beispiel ist bereits ersichtlich, daß aus der verschiedenen Beanspruchung der Muskulatur (und damit der Kno- chen) bei den verschiedenen Bewegungsmodi gewiß eine große Diffe- renz in der Ausbildung der Antiklinie sich ergeben muß. Selbst- verständlich lassen sich im Rahmen dieser Arbeit die Wirkungs- weisen der einzelnen Muskeln nicht ins Detail verfolgen, weil dies nur bei einer eingehenden und für jedes Tier speziellen Unter- suchung des Muskelsystems möglich wäre. Es soll hier nur noch die Bedeutung des antiklinischen Wirbels im Zusammenhang mit der Bogenkonstruktion beim Stehen und im Sprunge erörtert werden. Ich folge darin den Ausführungen LucAes. Nach ihm ist der anti- klinische Wirbel (oder die Vertebra intermedia, wie er ihn nennt) ein Analogon des letzten menschlichen Brustwirbels. Er leitet dies aus der Stellung der Gelenkflächen ab, was aber, wie bereits oben ausgeführt, nicht für alle Fälle gilt. Der Schwerpunkt des tierischen Körpers, der nach WeEBErs Methode bestimmt wurde, liegt gerade in der Gegend der Vertebra intermedia. Gegen diese scheint beim Stehen von der vorderen und hinteren Körperhälfte ein gegenseitiger Druck stattzufinden, woher auch hier die größte Wölbung der Wirbel- 200 Hedwig Gottlieb säule nach oben entstanden sein dürfte. LucAe führt nun auch das von H. MEyEr gegebene Beispiel des noch nicht geschulten Pferdes an, welches beim Besteigen durch den Reiter den Rücken nach oben krümmt und fragt sich, wodurch das Pferd diese Krümmung des Riückens vollbringt. »Das Pferd stellt zunächst sein Becken steil und bekommt dadurch günstigere Angriffspunkte für die über das Becken zu den Lenden laufenden Muskel. Dadurch werden die M. interspinales gedehnt, die Spitzen der Dornfortsätze aus- einandergezogen und das Ligamentum nuchae, welches sieh über den ganzen Rücken ausbreitet, in Spannung versetzt. Liegt nun die Last auf dem Rücken, so nähern sich alle Dornen gegen- einander und bei zu großem Druck entsteht an ihren Spitzen eine gegenseitige Berührung, welche ein weiteres Einsinken der Wirbel- säule verhindert. Dieses Gegeneinanderstemmen der Spitzen der Proc. spinosi wird aber besonders durch die entgegengesetzte Rich- tung der vorderen und hinteren Dornen erleichtert und ein Ein- brechen der Wirbelsäule durch das stark gespannte Ligamentum long. anticum unmöglich gemacht.< Ganz ebenso wie plötzliche starke Belastung wirkt aber jeder bei der Bewegung erzeugte Stoß, der sich immer in bedeutend stärkerem Maße geltend machen wird als eine, wenn auch sehr bedeutende, ruhende Belastung. Infolge- dessen wird sich also die Einrichtung der Antiklinie gerade bei rasch und besonders bei sprungweise sich bewegenden Tieren not- wendig erweisen und zur höchsten Ausbildung gelangen. Von be- sonderer Wichtigkeit sind dabei die Rückenmuskeln, nämlich Spinalis und Longissimus, welche selbstverständlich auf die Dornen den größten Einfluß üben müssen. Der Sprung wird, wie LucAE aus- führt, durch die Kontraktion der gemeinsamen Rückenstrecker und die hinteren Becken-, Oberschenkel- und Unterschenkelmuskeln ein- geleitet. Diese Muskeln heben den Rumpf vorn in die Höhe. Durch den Cueullaris und den Serratus wird das Schulterblatt nach hinten herabgezogen, durch den Supraspinatus, den Infraspinatus und Sub- scapularis das Schultergelenk festgestellt, und der Oberarm endlich durch Deltoideus, Clavieularis, Acromialis, Spinalis und die vordere Lage des Pectoralis senkrecht gerichtet. Die Kontraktionen des Biceps und Brachialis lagern den Vorderarm horizontal und die vorn und hinten über den Carpus gespannten Muskeln geben der Gruppe der terminalen Glieder durch Anpressen an den Vorderarm die gleiche Richtung. Der Körper stürzt auf die elastischen Fuß- ballen und die Köpfehen der Metatarsen und sein Gewicht wird Die Antiklinie der Wirbelsäule der Säugetiere. 201 vom Oberarm aufgenommen. Dieser ist durch die am Ellbogen- gelenk ansetzenden Muskeln (Trieeps, Biceps, Brachialis) elastisch befestigt, am oberen Ende ebenso durch die an der Clavicula ver- knüpften Muskeln (Pectoralis, Cueullaris, Deltoideus) und den Latissi- mus. Von diesen Muskeln wird der stürzende Rumpf »in vielseitig elastischer Schlinge« aufgefangen und vor dem Stoße bewahrt. Wir sehen daraus, daß die direkt an den Dornen befestigten Rücken- muskeln durch ihren Zusammenhang mit den Extremitäten beim Auf- fangen des durch den Sprung oder raschen Lauf erzeugten StoBes eine große Rolle spielen und im Moment des Auffallens die Dornen ebenso auseinanderpressen, wie wir dies für eine plötzliche Be- lastung des Körpers beschrieben. Die Untersuchungen von MorITA »Über die Ursachen der Rich- tung und Gestalt der thoracalen Dornfortsätze der Säugetierwirbel- säule«, welche erst nach Abschluß meiner Arbeit erschienen, be- stätigen die obigen Behauptungen in allen wesentlichen Punkten. MoRrITA untersuchte Kaninchen, welchen er die an der Wirbelsäule inserierenden Bänder und Muskeln durchschnitt, um den Einfluß der- selben auf die Dornfortsätze zu studieren. Er fand: 1. Bei Verletzung der thoracalen Interspinalligamente: Umbiegung der proximalen (und distalen?) thoracalen Dorn- fortsätze in eranialer Richtung. Diese betrifft nur die apicalen En- den, während die basalen Teile caudal gerichtet bleiben. 2. Bei totaler Exzision (Entfernung der Interspinalligamente und der Muskeln): : Stärkere Neigung der thoracalen Dornfortsätze in caudaler Rich- tung als normal. Der erste Dornfortsatz der Brustregion, welcher mit Bändern und Muskeln versehen blieb, war nach jeder dieser Operationen stark ceranial geneigt. Daraus folgert MorıtA, daß die caudale Neigung der Dornen der 9 ersten Brustwirbel der Hauptsache nach durch im Keimplasma enthaltene, also vererbte Funktionen (der Gestaltungsperiode I nach Roux) hergestellt wird, und daß diese vererbte caudale Neigung durch die Wirkung der Muskeln und Bänder (in Periode II Roux) etwas mehr cephal gerichtet, also vermindert wird. »Die Muskeln tun dies bei den 4 cephalen Brustwirbeln viel stärker als die Bän- der, denn wenn die Bänder gemeinsam mit den Muskeln erhalten sind, bleiben die Dornen gerade, während nach Durchschneidung der Bänder die apicalen Teile cephal umgebogen werden. Die re- 202 Hedwig Gottlieb sultierende Wirkung der Bänder hemmt somit geradezu die cephal ablenkende Wirkung der Muskeln; sie ziehen somit gemeinsam über- wiegend caudal.« Diese Untersuchungen bestätigen daher die von mir aufgestellten Behauptungen. Die ursprüngliche Form der Wirbelsäule dürfte die mit fast gleichsinnig gerichteten Dornfortsätzen der gesamten Wirbel- säule gewesen sein, ganz ebenso wie diejenige eines jungen Tieres. Die Muskeln geben der Wirbelsäule die Gewölbeform, und da, wo die Bewegungen rasch und stoßweise sind, folgen die Dornen dieser Konstruktion. Die Bänder fixieren später diese Formung, während aber auch gewisse Muskelpartien dieser Gestaltung entgegenwirken, wie z. B. die Nackenmuskulatur durch die Schwere des Kopfes. Dies geht besonders daraus hervor, daß bei den von MoRrITA untersuchten Tieren nur die 4 ersten Dornen der Brustregion cephal gebogen waren, während die folgenden von der Biegung nicht berührt wurden. Daß der 10. Wirbel (= antiklinische), der nur auf der cephalen Seite der Bänder beraubt wurde, keine Neigungszunahme nach der cau- dalen Seite zeigte, beweist gleichfalls, daß es die Muskeln sind, welche die Richtung der Dornen zunächst bestimmen. Leider fehlen in der Arbeit von MorırA Untersuchungen über die Dornfortsätze der Lendenwirbelsäule. Es erübrigt nunmehr, die verschiedenen Lokomotionstypen der Mammalia und deren Zusammenhang mit der Ausbildung der Anti- klinie von diesem Gesichtspunkt aus zu prüfen. Wir werden dabei finden, daß wir im großen und ganzen zwei Arten von Wirbelsäulen zu unterscheiden haben: die an plötzliche Belastung angepaßte, welche wie ein elastischer Stab wirkt, und die an ruhende Be- lastung angepaßte, welche festgestellt wirkt. Es sind folgende Haupttypen der Lokomotion zu berücksich- tigen: 1. Gänger und Läufer. 2. Kletterer. 3. Springer. 4. Graber. 5. Schwimmer. 6. Flieger. l. Gänger und Läufer. Bei den Gängern fehlt im allgemeinen die Antiklinie. Ins- besondere gilt das für alle großen, schwerbeweglichen Tiere mit langer Thoracal- und kurzer Lendenregion, für die weiters ein ton- nenförmiger Querschnitt des. Thorax und breite Stellung der Ex- tremitäten charakteristisch sind. Hierher gehören eine Reihe von Ungulaten wie Elephas (Fig. XIII), Hippopotamus, sowie die Ursiden Die Antiklinie der Wirbelsäule der Säugetiere. 203 unter den Carnivoren. Bei den genannten Ungulaten wird die Ver- steifung der Wirbelsäule durch die große Länge und starke Nei- gung der Dornfortsätze erreicht. Der S. 1% zitierte Elephas afri- canus bietet hierfür ein gutes Beispiel. Bei den schlankbeinigen Huftieren, die sich durch eine größere oder sogar bedeutende Be- weglichkeit auszeichnen, ist ein antiklinischer Wirbel vorhanden. Die Vorneigung der Dornen der Lendenregion bleibt aber auf jeden Fall schwach und wird durch eine beilartige Verbreiterung der Dornen ersetzt, wie dies Fig. XII zeigt. Dasselbe läßt sich bei den Ursiden beobachten. Unter den Raubtieren sind als Läufer die Hunde anzusehen, die Antiklinie aufweisen, aber stets eine bedeutend geringere Vor- neigung der rückwärtigen Dornen besitzen als die Katzen. Letztere lassen sich, ebensowenig wie die Marder, nicht in eine andere Gruppe einreihen, obwohl sie auch springen und klettern. Sie können aber nicht als Springer oder Kletterer s. str. bezeichnet werden. Das Springen der Raubtiere ist dem Auffallen eines elastischen Stabes zu vergleichen, das durch eine Krümmung der Wirbelsäule hervor- gebracht wird (vgl. GRABER: » Werkzeuge«). Diese Wirkungsweise der Wirbelsäule beim Sprunge läßt uns die besonders starke Ausbildung der Antiklinie bei diesen Tieren verstehen (s. Fig.IX). Die Wirbelsäule muß sehr biegsam und elastisch sein und trotzdem dem auffallen- den Körper genügend Widerstand bieten. — Das Klettern der Raub- tiere läßt sich gleichfalls nicht mit verschiedenen anderen Arten des Kletterns, wie sie unten besprochen werden sollen, vergleichen. Es ist ein Krallenkletteın (ABEL) und besteht in einem Festhaken mit den Krallen. Wir finden bei diesen Tieren im Zusammenhang mit der allgemeinen bedeutenden Biegsamkeit und Beweglichkeit des Körpers eine deutliche Antiklinie. Unter den Nagern kennen wir eine ganze Reihe von laufenden Formen, die aber zum Teil auch eine mehr hüpfende Bewegungs- weise haben. Ausgesprochen hüpfende Tiere, wie Lepus, Dasy- proecta, besitzen eine deutliche Antiklinie, obzwar die relativ große Breite und weitere Entfernung der Dornen bei diesen Tieren ohne weiteres erkennen läßt, daß die antiklinische Anpassung hier nicht so weit geht wie bei den springenden Raubtieren. Es handelt sich eben in diesen Fällen um eine ganz andere Inanspruchnahme der Wirbelsäule. Am meisten raubtierähnlich ist die Ausbildung der Antiklinie bei Dipus, die ja auch am extremsten an das Springen angepaßt erscheint. 204 Hedwig Gottlieb Die übrigen laufenden und hüpfenden Formen zeigen eine mehr oder weniger undeutliche Antiklinie. Zum Teil dürfte dies mit der Kleinheit der Formen zusammenhängen, da alle funktionellen An- passungen des Skeletes erst da zum vollen Ausdruck kommen, wo die Inanspruchnahme ein gewisses absolutes Maß der Größe er- reicht. Denn die Festigkeit des Knochens ist nicht der Masse und Wirkung der Muskulatur proportional, vielmehr muß dieselbe bei kleineren Tieren als eine relativ viel höhere angesehen werden. Sind doch auch die trajektoriellen Strukturen bei kleinen Formen nicht so ausgesprochen und in derselben Vollendung zu finden wie bei den großen, da offenbar das Prinzip der Materialersparnis nicht bis unter eine bestimmte Grenze verfolgt werden kann und eine ge- wisse Minimalmenge an Knochensubstanz unbedingt nötig ist. In- folgedessen ist dann der Knochen eines kleinen Tieres relativ stärker und weniger plastisch, und wir können manche Anpassungserschei- nungen nur an großen Formen deutlich beobachten. ; Kehren wir nun zu den Nagern zurück. Wir sehen unter ihnen außer Läufern auch Schwimmer und Kletterer. Bei den letzteren handelt es sich, wie bei den Raubtieren, um ein Krallenklettern (Seiurus, Spermophilus, Tamias). Die Tiere sind also nicht eigent- lich als Kletterer zu beurteilen, sondern als Läufer und geschickte Springer. Als solche besitzen sie auch eine deutlich ausgeprägte Antiklinie. Für die kleinen laufenden und hüpfenden Insectivoren gilt das- selbe wie für die Nager. Tupaia zeigt eine ähnliche Ausbildung der Antiklinie wie Sciurus. Die langsameren Formen, wie Erinaceus (Fig. IV) und Centetes, zeigen alle die Erscheinung, daß die Dorn- fortsätze ihre Riehtung entweder gar nicht ändern, oder daß minde- stens die Dornen der Lendenregion sich nicht nach vorn neigen, so daß von einer Antiklinie nicht gesprochen werden kann. Die Läufer unter den Edentaten sollen in anderem Zusammen- hang besprochen werden. Die Läufer und Gänger unter den Marsupialiern besitzen keine Antiklinie. Ebenso Echrdna unter den Monotremen. Beim Beutelwolf jedoch ist die Antiklinie in einer Weise aus- gebildet, die lebhaft an.die Carnivoren erinnert. Die Gänger und Läufer unter den Primaten zeigen Mangel an Antiklinie im Zusammenhang mit dem aufrechten Gang und der Ausbildung einer doppelt gekrümmten »federnden« Wirbelsäule. Die Antiklinie der Wirbelsäule der Säugetiere. 205 2. Kletterer. Als Klettern bezeichnet man sehr verschiedene Arten der Be- wegung, die selbstverständlich wieder ganz verschiedene Ausbil- dungsweisen der Extremitäten und der Wirbelsäule zur Folge haben. Ich schließe mich im folgenden der Einteilung ABELs an, der außer dem bereits erwähnten Krallenklettern noch das Hänge-, Zangen- und Schwingklettern unterscheidet. Außerdem haben wir es bei den Kletterern sehr oft mit Springern zu tun. Die Hängekletterer halten sich mit den Krallen an den Zweigen fest und lassen den Körper nach unten herabhängen. Bei Dradypus und Oyeloturus sehen wir in der Wirbelsäule Veränderungen des Halsskeletes und Verkümmerung der beiden ersten Rippen. Es ist keine Antiklinie vorhanden, die Dornen sind niedrig und breit und berühren sich vollständig. Sie scheinen für die Verfestigung der Wirbelsäule nicht von großer Bedeutung zu sein und sind bei manchen Arten, z. B.. Bradypus gularis, in der Lendenwirbelsäule stark verkümmert. Die Zangenkletterer bewegen sich durch Umklammerung der Zweige. Zu diesen gehören unter den Marsupialiern Didelphis, Phalanger, Tarsipes. Bei sämtlichen kletternden Marsupialiern, die ich untersuchen konnte, fehlt die Antiklinie (s. Fig. III). Alle diese sind jedenfalls langsame Kletterer (Opossum, Trichosurus, Phasco- laretos, Phalanger usw.). Wie sich die rasch beweglichen, z. B. Pe- Zaurus, verhalten, konnte ich nicht untersuchen. Unter den Primaten können wir mit Moruıson als Haupttypen der Lokomotion den Springer, den Kletterer, den Gänger und den Hangeler unterscheiden. Unter diesen sind Springer und Kletterer . nicht scharf voneinander zu trennen, während die Hangeler zu den Schwingkletterern ABers zu zählen sind. Springer und Kletterer besitzen Antiklinie mit Ausnahme jener, die mit den Zangenklette- rern und Schwingkletterern ABELs identisch sind. Es hat sich im Laufe meiner Untersuchuugen gezeigt, daß eine Korrelation zwi- schen der Ausbildung der Antiklinie, der Größe des Intermembral- index und der Länge des Schwanzes besteht. Der Schwanz dient den Affen in sehr verschiedener Weise zur Unterstützung der Be- wegung: den Springern als Steuer, den Kletterern zur Balance und als Greiforgan. Endlich haben wir auch jene Formen zu betrachten, die einen rudimentären Schwanz besitzen, sich daher ohne seine Mithilfe bewegen. Charakteristisch für die Bewegungsweise einer Form ist zunächst der Intermembralindex, d. h. das Verhältnis der vorderen zur hinteren Extremität. Mit diesem steht wieder die 206 Hedwig Gottlieb Schwanzlänge in gewisser Korrelation. Für die Hangeler mit stark verlängerter Vorderextremität ist der verkümmerte Schwanz charak- teristisch, für die langbeinigen und kurzarmigen Kletterer und Springer der lange Schwanz (vgl. MorLısoxn). Von diesen Verhält- nissen hängt natürlich auch die Raschheit und Leichtigkeit der Be- wegung ab. Daher die Beziehung dieser Verhältnisse zur Anti- klinie. Langbeinige und langschwänzige Formen besitzen deutliche Antiklinie, kurzbeinige und kurzschwänzige keine. Als Beispiel für den ersten Typus möge unter den Prosimiern Lemur fuscus (Fig. XIV) angeführt werden. Bei diesem findet sich noch als besondere Ver- steifungseinrichtung eine Spaltung der Dornen der Lendenregion im Fig. 2. Springer Gänger Hletterer caudalen Teile. In den Spalt des einen Dornes paßt immer der nächstfolgende mit seiner rostralen Kante hinein. Als Beispiele für die kurzbeinigen (»kurzbeinig« immer im Verhältnis zur Länge der Arme) und kurzschwänzigen Formen dienen die »Zangenkletterer« ABELs, von welchen Perodietieus (Fig. XVI), Lichanotus Indris (Fig.XV) und Loris gracılis genannt sein mögen. Diese Tiere sind langsame Kletterer und zeigen alle Mangel der Antiklinie.e BREHM sagt z. B. über Perodietieus potto, daß er träge wie ein Faultier sei und von den Holländern in Guinea deshalb der »Faulenzer« genannt werde. Es liegt dies in der ganzen Art des Zangenkletterns. Unter den Platyrrhinen finden wir eine Verlängerung der vorderen Extremität im Verhältnis zur rifekwärtigen, die am stärksten bei Aieles ist. Callithrix zeigt noch alle Merkmale des Springers, seine vorderen Extremitäten sind nicht besonders verlängert, der Schwanz hat noch bedeutende Länge, die Antiklinie ist deutlich. Wir finden auch, Die Antiklinie der Wirbelsäule der Säugetiere. 207 ähnlich wie bei Lemur fuscus, eine Spaltung der Dornen in der Lendenregion. Cebus (Fig. XVII) besitzt schon etwas längere Vorder- extremitäten, sein Schwanz ist etwas kürzer, die Antiklinie nicht bei allen Exemplaren gleich ausgebildet, bei manchen schwer zu bestimmen. Wir sehen eine Abschrägung der rückwärtigen Dornen, welche die Annäherung erleichtert, ohne die Beweglichkeit zu hindern. Ateles endlich (Fig. XVII) besitzt die längsten Vorderextremi- täten und keine Antiklinie (nur bei Ateles belxebut schwach ausge- bildet. Nun bildet aber Ateles insofern eine Ausnahme, als sein Schwanz ungemein lang ist. Er repräsentiert den Typus des Han- gelers (MorLLıson) oder Schwingkletterers (ABEL). Er bewegt sich durch Schwingen von einem Ast zum anderen. Die Länge seines Schwanzes läßt sich dahin erklären, daß derselbe in Anpassung an die Funktion des Greifschwanzes so stark verlängert wurde. Gleich- zeitig scheint bier für die fehlende Antiklinie ein anderer Ersatz geschaffen worden zu sein. Die Dornen greifen nämlich durch je eine zahnartige Spitze und eine passende Ausbuchtung ähnlich in- einander wie Prä- und Postzygapophyse der Wirbelkörper und geben so der Wirbelsäule eine bedeutende Festigkeit. Diese dient wahr- scheinlich dazu, den Zug aufzufangen, der durch die Benutzung des Schwanzes und das Aufhängen des ganzen Körpers an demselben auf den hinteren Abschnitt der Wirbelsäule ausgeübt wird. Es erübrigt, noch die Cynocephalen zu besprechen, die nicht als reine Kletterer, sondern als Bodenbewohner zu betrachten sind. Bei diesen erscheint der Abstand der Extremitäten bereits vergrößert, die Vorderextremität verlängert, der Schwanz verkürzt. Die Anti- “ klinie ist verwischt oder gar nicht nachweisbar (Fig. XVII). 3. Springer. Die Springer unter den Primaten wurden bereits besprochen. Es sind Formen mit langem Schwanz, langer Hinterextremität und deutlicher Antiklinie.e Ebenso wurden die springenden Raubtiere, Nager und Inseetivoren zum Teil an anderer Stelle eingereiht. Als eigentliche Springer haben wir nur noch hauptsächlich bipede For- men anzusehen. Unter diesen zeigen Dipus, Pedetes usw. eine deut- liche Antiklinie, während bei den springenden Marsupialiern die Antiklinie nicht sehr deutlich, in manchen Fällen kaum nachweisbar ist (s. Fig. I). Für diesen Umstand kann als Erklärung heran- gezogen werden, daß diese Formen von arborieolen Vorfahren ab- stammen, die keine Antiklinie besaßen. 208 Hedwig Gottlieb 4. Graber. Ich lasse eine Aufzählung der grabenden Formen überhaupt vorangehen, wie sie ABEL in seiner »Paläobiologie« gibt: Marsupialier: Phascolomys, Perameles, Noteryctes. Inseetivora: Talpa, Chrysochloris, Condylura, Scalops, Crosso- pus, Myogale, Erinaceus, Solenodon. Rodentia: Pedetes, Ctenomys, Bathyergus, Siphneus, Coelo- genys, Spalax, Arctomys, Spermophilus, Cerco- labes, COricetus. Edentata: Myrmecophaga, Tamandua, Oyeloturus, Tatusia, Dasypus, Xenurus, Priodon, Tolypeutes, Manıs, Oryeteropus. Carnivora: Meles taxus. Auch als Graber werden verschiedene Typen zusammengefaßt, deren Bewegungsweise sich nicht ohne weiteres vergleichen läßt. Vor allem nehmen diejenigen Tiere eine ganz andere Stellung ein, die nur gelegentlich graben, sonst aber von einem anderen Gesichts- punkte anzusehen sind, wie z. B. Perameles, Erinaceus, Oycloturus usw. Ferner müssen wir, um zu klaren Begriffen zu kommen, die ganz kleinen Tiere, wie Scalops, Crossopus, Ctenomys, Arctomys usw. aus- - nehmen. Wir haben dann immer noch eine Reihe von Formen vor uns, die sich in der Art des Grabens bedeutend unterscheiden. Vor allem kommt es darauf an, ob die Tiere hauptsächlich mit den Extremitäten arbeiten, wie Myrmecophaga, der mit seinen Krallen Termitenhügel aufreißt, oder ob sie vollkommen unterirdisch leben und somit den ganzen Körper mehr oder weniger beim Graben mit in Anspruch nehmen. Außerdem wird auf die Abstammung Rück- “sicht zu nehmen sein. Die Xenarthra sind ausgesprochene Grabtiere. Sie stammen jedenfalls alle von grabenden Vorfahren ab, wenn auch heute eine Reihe von ihnen andere Lebensweisen angenommen haben. Cyelo- turus ist ein Baumbewohner geworden, der sich ähnlich bewegt wie das Faultier, Tolypeutes ist Läufer geworden, Tamandua »ist im Begriffe, von der terrestrischen Lebensweise zur arboricolen über- zu gehen« (ABEL). Aber auch unter den grabenden Formen selbst besteht, wie erwähnt, ein Unterschied und die oberirdisch lebenden unterscheiden sich von den unterirdisch lebenden, obwohl eine strenge Grenze sich nicht ziehen läßt. Die Anpassungen der Wirbelsäule an die grabende Lebensweise wurden für die Edentaten bereits aufgezählt und es muß selbstver- Die Antiklinie der Wirbelsäule der Säugetiere. 209 ständlich erscheinen, daß bei einer Ausbildung, die eine ganz geringe Beweglichkeit des Rumpfes bedingt, Antiklinie fehlt. Ich möchte hier nur nur noch darauf hinweisen, daß bei fast allen Xenarthra, besonders aber bei einigen Arten (Pröodon, Myrmecophaga) eine starke Verbreiterung der Rippen Platz greift, so daß diese sich ganz oder beinahe vollständig berühren. Eine ganz ähnliche Ausbildung zeigt unter den Insectivoren Chrysochloris. Es handelt sich offenbar um eine Anpassung an die grabende Lebensweise. ABEL erwähnt in seiner »Paläobiologie« einen Bartenwal des südlichen Eismeeres, Neobalaena marginata, und beschreibt bei diesem dünne, stark ver- breiterte Rippen, die in der Form auffallend an die von Myrmeco- phaga, besonders aber Priodon, erinnern (s. Fig. XXIV, XXV). Nach der Deutung AgeLs und DorLos haben diese Rippen den Zweck, ein Eindrücken des Rumpfes durch die Eisschollen zu ver- hindern. Wenn wir bedenken, daß die unterirdisch grabenden Tiere einem Eindrücken des Rumpfes durch die umgebenden Erdschollen in ähnlicher Weise ausgesetzt sind, so gewinnt diese Deutung viel an Wahrscheinlichkeit und läßt sich auch auf die Grabtiere über- tragen. Im übrigen finden wir ähnliches auch bei Scelidotherium. (Aus dem Pampaslöß Argentiniens.) Die Ausbildung der Wirbelsäule bei den Nomarthra unterscheidet sich wenig von der bei den Xenarthra. Manis besitzt ähnlich ver- breiterte Rippen wie die oben aufgezählten Xenarthra. Anders als die Xenarthra und Nomarthra graben die Insecti- voren und Notoryctes. Diese Tiere sind ausgesprochene Erdbewohner, die vollständig unterirdisch leben. Es sind sehr bewegliche Tiere, die beim Graben den Kopf stark mitbenutzen, indem sie ihn gegen die Erdmassen stoßen. Unter ihnen besitzen Talpa und Chrysochloris Antiklinie, Notoryctes keine. Dazu ist vor allem zu bemerken, daß Notoryctes von Kletterern abstammt. Seine Art zu graben dürfte sich von derjenigen der genannten Insectivoren unterscheiden, was aus den Verschiedenheiten im Skelet und der Muskulatur hervorgeht. CARLSSON gibt in der Arbeit über Notoryctes eine Zusammen- stellung der Unterschiede zwischen diesem Tier und Chrysochloris. Zunächst sind bei Notoryctes 5 Halswirbel verwachsen, bei Chryso- chloris sämtliche frei. Die Dornen der Brustwirbel nehmen bei Chrysochloris caudalwärts an Länge ab (und sind, wie ich gleich hinzufügen will, sämtlich gleich geneigt), bei Chrysochloris sind sie in der Mitte der Brustregion am größten (und antiklinisch.. An den Brustwirbeln sind bei Notoryctes Hypophysen vorhanden, bei 210 Hedwig Gottlieb Chrysochloris nicht. Die Metapopbysen der Lendenwirbel sowie die ganze Sacralregion sind bei Notoryctes stark entwickelt, bei Ohryso- chloris beide Merkmale von gewöhnlicher Ausbildung. Endlich be- sitzt N. 12 kräftige Schwanzwirbel, Chr. 8—9 verkümmerte. Es ist daher wahrscheinlich, daß Notoryctes besonders mit dem Kopfe und den Extremitäten arbeitet, ohne die Rumpfwirbelsäule stark zu biegen, die vielmehr steif gehalten wird, während Talpa und COhrysochloris den ganzen Rumpf wie einen elastischen Stab mit beanspruchen. Diese Unterschiede dürften sich schon daraus ergeben, daß Notoryctes in hartem Sande gräbt, während Talpa in weichem Boden lebt. Chrysochloris dürfte in dieser Beziehung eine Mittelform bilden. Wir sehen also bei den Grabtieren dieselben Prinzipien wirk- sam, die für das Auftreten oder Fehlen der Antiklinie bei anderen Lokomotionstypen gelten. 5. Schwimmer. Auch unter diesen haben wir Tiere zu- unterscheiden, die nur gelegentlich schwimmen und außerdem an das Leben auf dem Lande angepaßt sind, und Formen, die geradezu als Wasserbewohner zu bezeichnen sind und sich auf dem Lande nicht oder nur sehr schwer fortbewegen können. Wir wollen die erste Gruppe an anderer Stelle besprechen und uns hier nur mit den Wassersäugern beschäftigen. Wenn wir bedenken, daß bei einem Wassersäuger der Rumpf, welcher vom Wasser getragen wird, den mechanischen Einwirkungen der Schwere und des Stoßes entzogen ist, und daß zudem die Ex- tremitäten eine ganz andere Rolle spielen, können wir nur ein Fehlen der Antiklinie bei Sireniern, Cetaceen und Pinnipediern er- warten. Dies ist auch tatsächlich der Fall. Mit der andersartigen Benützung der Extremitäten geht eine entsprechende Vereinfachung der Muskulatur Hand in Hand. LucAE sagt in seinem Werke »Die Robbe und die Otter«, daß die bei den übrigen Raubtieren differenzierten Haut-, Rücken-, Brust- und Kapu- zinermuskel bei der Robbe vollkommen verknüpft sind, während Lutra in dieser Beziehung eine Mittelform bildet, und nach den An- gaben GIEBELS ist bei den Cetaceen die Muskulatur in der Lender- gegend massenhaft entwickelt, weil der Rumpf die Ortsbewegung übernimmt, welche die verkümmerten Extremitäten nicht mehr be- sorgen. Es liegt hier eine Vereinfachung und Analogie mit den Fischen vor, was sich auch im Skelet zeigen muß. Infolge aller dieser Umstände sehen wir nun eine mehr oder Die Antiklinie der Wirbelsäule der Säugetiere. 211 weniger mangelhafte Ausbildung des Gewölbebogens und ein Fehlen der Antiklinie bei den Wassersäugern. Eine Ausnahme macht in gewisser Beziehung Delphinus pho- caena (Fig. XI und X). Dieser, mit seiner außergewöhnlich großen Beweglichkeit, zeigt sowohl Antiklinie als auch ein deutlich ausge- bildetes Gewölbe der Wirbelsäule. Aus BrEHMm entnehme ich über die Bewegungsweise dieses Tieres folgendes: »Er ist ein vorzüglicher Schwimmer, teilt mit großer Kraft und überraschender Schnelligkeit die Wellen und ist imstande, sich springend über diese zu er- heben. Seine Gewohnheit ist, mehr oder minder dicht unter der Oberfläche dahinzuschwimmen, für einen Augenblick emporzukommen, Luft zu wechseln und kopfvorn wieder in der Tiefe zu verschwinden. Hierbei krümmt sich sein Leib so stark, daß er förmlich kugelig aussieht, und wenn er rasch nacheinander auftaucht, ge- winnt es den Anschein, als ob er ununterbrochen Purzelbäume schlage. « Delphinus phocaena benützt also seine Wirbelsäule offenbar auch nach Art eines elastischen Stabes, wobei jedoch wegen des geringeren Widerstandes des Mediums die Ausbildung der Antiklinie nicht den Grad erreicht wie bei Landtieren. Ich komme nunmehr zur Besprechung der Pinnipedier. Diese vollständig an das Wasserleben angepaßten Raubtiere sind durch die Mittelform der Erhydris mit den landlebenden Carnivoren verbunden. Enhydris kann sich auf dem Lande noch sehr gut bewegen und besitzt auch die für viele Raubtiere charakteristische Antiklinie, aber sehon in bedeutend abgeschwächter Form (Fig. X). Luca hebt in seinem Werke: »Die Robbe und die Otter« die besonderen Eigenschaften der beiden Schwimmer, Zutra und Enhydris, hervor. Er sagt: Die Brustwirbel der Zutra und Enhydris bilden eine Mittelform zwischen denen der Phoca und den übrigen Raubtieren. Bei den Raubtieren sind sie schmal mit sehr langen Dornen. Die Gelenkfortsätze sind noch nicht frei wie bei den Ottern. Bei Zutra und Enhydris tritt der Gelenkfortsatz des 12. Brustwirbels aus der Fläche der Deckplatte heraus, der stumpfe Dornfortsatz nimmt seine Richtung nach vorn und an der Hinterseite des Bogenstückes tritt ein Processus accessorius (= Anapophyse) auf. Diese Fortsätze sind auch bei der Phoca vorhanden, sind aber bei den Ottern schärfer ausgesprochen und treten bei den Dachsen, Katzen und Hunden noch deutlicher hervor. Die Lendenwirbel der Zutra haben, ebenso wie die der Raubtiere, nach vorn gerichtete Dornen und Proe. accessorii, die Morpholog. Jahrbuch. 49. 15 212 Hedwig Gottlieb Gelenkfortsätze sind jedoch weniger frei als bei Phoca, die Wirbel- körper weniger lang und die Bogenstücke weniger kurz. Der Wirbel- kanal ist daher mehr gedeckt, jedoch weniger als bei den Raubtieren.« LucAe führt noch verschiedene andere Merkmale an, welche diese Form zu einer Mittelform machen, so das Becken, die Ex- tremitäten usw. Außerdem erwähnt er: »Bei Robben und Ottern ist der Thorax am längsten und die Lendengegend im Vergleich zu den übrigen Raubtieren am kürzesten.« Es soll gleich hier darauf hingewiesen werden, daß eine solche Verteilung von Brust- und Lendenregion für eine geringere Beweg- lichkeit in gewissen Richtungen spricht, wie besonders die großen und sehwerfälligen Ungulaten beweisen. Betrachten wir nun die Pinnipedier näher. Phoca besorgt die Fortbewegung mit dem Schwanz und besonders mit den hinteren Extremitäten, welche ein Äquivalent der Schwanzflosse bilden, wäh- rend die vorderen zum Balancieren und Wenden dienen (PETTIGREW: »Die Ortsbewegung der Tiere«). Die Extremitäten sind vollkom- mener als beim Wal, Tümmler, Dugong und Manatus, doch ist die allgemeine Form der Schwimmbewegung, wegen der geringen Größe der vorderen Extremitäten, im wesentlichen fischartig. Bei Otaria erreichen die vorderen Extremitäten genügende Größe und Stärke, daß das Tier allein mittels ihrer Hilfe sich fortbewegen kann, wäh- rend die Hinterfüße und der hintere Abschnitt des Körpers nur be- nutzt werden, um den eingeschlagenen Kurs einzuhalten, zu ver- bessern und zu verändern. Die vorderen Extremitäten sind breit abgeplattet und gleichen im großen ganzen Flügeln, besonders denen der Pinguine und Alken, die rudimentär sind. Das Walroß hingegen schwimmt mit Hilfe einer gemischten Bewegung, indem die vorderen und hinteren Extremitäten in beinahe gleicher Weise sich beteiligen. Die vorderen Extremitäten des Walrosses sind der Form nach denen des Seehundes, physiologisch denen des Seelöwen gleichzustellen, während die Hinterbeine viele von den Eigentümlichkeiten des See- löwen bieten, aber Bewegungen vollführen, die denen des Seehundes gleichen. Es zeigt sich nun, daß bei Phoca, welche fischartig schwimmt, sämtliche Dornfortsätze gleichmäßig nach rückwärts ge- richtet sind, während diese Rückneigung bei Trichechus, welcher beide Extremitätenpaare gleichartig benützt, nach rückwärts immer schwä- cher wird und bei Otaria, welche hauptsächlich mit den Vorder- extremitäten arbeitet, in der Mitte der Wirbelsäule einer ziemlich starken Aufrichtung Platz macht. Die Antiklinie der Wirbelsäule der Säugetiere. 913 In Übereinstimmung mit den Pinnipediern zeigen auch die Ceta- ceen und Sirenier keine Antiklinie.e Dies geht bei den Cetaceen sogar so weit, daß auch von einer Drehung der Zygapophysen wegen der eigentümlichen Stellung derselben nicht die Rede sein kann. 6. Flieger. Ähnlich wie die Schwimmer werden auch die Flieger von dem Medium, in dem sie leben, derart getragen, daß sie dem Einfluß der Schwerkraft entzogen sind. Wir finden auch bei ihnen die nämliche Erscheinung: Mangel der Antiklinie. Die Dornen der Brustregion sind stets verkümmert. Wenn wir trotzdem bei einigen größeren Formen eine schwache Vorneigung der Dornen der Lendenregion beobachten können, so mag dies seine Ursache darin haben, daß die Tiere durch lange Zeiträume hindurch an den Hinterextremitäten aufgehängt sind und dadurch ein be- trächtlicher Zug auf den rückwärtigen Teil der Wirbelsäule aus- geübt wird. Anhang. Einige Bemerkungen über Schwanzversteifungen. Soweit der Schwanz bei der Lokomotion in auffälliger Weise benützt wird, können wir erwarten, ähnliche Erscheinungen im Schwanzskelet aufzufinden, wie sie für die Rumpfwirbelsäule festge- stellt wurden. Vor. allem finden wir im Schwanz eine Reihe von Versteifungseinrichtungen. Die hauptsächlichsten von ihnen bestehen in der Gewölbekonstruktion, der Verbreiterung der Hämapophysen und Diapophysen und in antiklinischer Stellung der Dornen bei Ruderschwänzen. Solche Einrichtungen finden sieh schon bei Reptilien. So sind bei Platurus die Querfortsätze der Schwanzwirbel nach unten herabgedrückt und die Dornen in der Mitte des Schwanzes stark erhöht. Auch beim Krokodil ist der Schwanz abgeknickt, die Häma- pophysen sind sehr lang, berühren sich aber in diesem Falle nicht, wahrscheinlich weil der häutige Flossensaum (also nicht die Schwanz- muskulatur), bei der Lokomotion noch die Hauptrolle spielt. Bei Geosaurus suevicus ist der Schwanz stark abgeknickt. Die an der Knickungsstelle liegenden Schwanzwirbel besitzen die Form von Gewölbeschlußsteinen, indem ihre Endflächen stark nach unten kon- vergieren, während hinter der Knickungsstelle diese Flächen nach oben konvergieren. Hämapophysen und Dornen sind verstärkt, die letzteren antiklinisch angeordnet. Wir sehen also auch hier Anti- 19# 214 Hedwig Gottlieb klinie im Zusammenhang mit Bogenkonstruktion. Die Stellung der Dornen ist also nicht, wie ABEL meint, eine Folge der Abknickung, sondern sie erweist sich im Zusammenhang mit den vorhergegan- genen Untersuchungen als eine weitere Versteifungseinrichtung. Ein weiteres Beispiel für Antiklinie im Schwanze bildet ein Ichthyo- saurier, Mexosaurus Cornelianus Bassam. Beide Formen sind nach der »Paläobiologie« von ABEL in Fig. XXIV und XXV abgebildet. Dasselbe Verhalten finden wir bei Ornzthorhynchus. Im Schwanz sehen wir bei diesem Tier eine ganz abweichende Form der Dornen. Sie sind breit, schaufelförmig und sitzen auf den stark verlängerten Postzygapophysen gleichsam wie eingeschaltet zwischen je zwei Wirbel. Die Querfortsätze sind stark verlängert und verbreitert und die Hämapophysen gut entwickelt (s. Fig. 1.). Auf das Vorhandensein eines zweiten kinetischen Centrums in der hinteren Rumpfregion weist bei verschiedenen Schwimmern und Kletterern die starke Aufrichtung der Dornen in der Lendenregion hin, die öfters mit Antiklinie verbunden ist. Beim Biber sind die Dornen in dieser Gegend steil aufgerichtet. Sie nehmen am Becken an Höhe immer mehr ab und an Breite zu und eine Strecke weit hinter dem Becken erfolgt eine vollständige Umkehr in der Rich- tung, also Antiklinie.e Die Diapophysen sind stark und besitzen Schaufelform, die Hämapophysen sind gut entwickelt (Fig. VII). Auch bei Myopotamus treten diese Erscheinungen auf, jedoch bedeutend schwächer. Denn weder richten die Dornen der Lenden- wirbelsäule sich auf, noch sind die Seitenfortsätze des Schwanzes so stark entwickelt. Es ist nur eine Umkehr in der Richtung der Dornen im Schwanz angedeutet und die Hämapophysen sind ziem- lich groß und verbreitert. Vergleichen wir die Angaben, welche Brenn über das Schwimmen des Bibers und des Myopotamus macht, so finden wir allerdings für diese Unterschiede eine genügende Er- klärung. BREHM gibt an: »Bei Castor geschieht die Fortbewegung durch Stöße der Hinterfüße, die Steuerung durch den Schwanz, welcher oft in entsprechender Richtung kräftig und stoßweise be- wegt wird. Die Vorderfüße nehmen am Schwimmen keinen Anteil.« Für Myopotamus hingegen: »Seinen Namen ‚Biber‘ trägt der Myo- potamus nicht ganz mit Recht; denn er ähnelt in der Art und Weise seines Schwimmens mehr den Wasserratten als dem Biber. Die Hinterfüße haben allein die Arbeit des Ruderns zu übernehmen und die Vorderpfoten werden ebensowenig wie bei den Bibern zur Mit- hilfe gebraucht; aber auch der Schwanz scheint nicht als eigentliches Die Antiklinie der Wirbelsäule der Säugetiere. 215 Ruder zu dienen und wird wenigstens selten und wohl kaum in auffallender Weise bewegt. « Es ist daher begreiflich, daß, da das kinetische Centrum nicht hinter dem Rumpfe gelegen ist, eine ausgesprochene Verfestigung des Schwanzes fehlt. Die schwimmende Pfieronura unter den Carnivoren zeigt in der Aufriehtung und Form der Dornen eine frappante Ähnlichkeit mit Castor. Die Bewegungsweise ist offenbar dieselbe. Auch bei anderen Schwimmern aus dieser Ordnung zeigen sich solche Erscheinungen. Daß bei Zutra vulgaris, Putorius lutreola und einigen anderen dies nicht der Fall ist, kann nicht befremden, da der bedeutend zartere Bau dieser Tiere und ihre große Beweglichkeit eine derartige Festig- keit des Schwanzes, der als Ruderorgan nicht ausschließlich in Be- tracht kommt, überflüssig macht. — Beim Kletterschwanz findet sich öfters eine Antiklinie der Häm- apophysen im obersten Abschnitt. Der Springschwanz bietet im wesentlichen dasselbe Aussehen. Nicht ganz aufgeklärt scheint die Funktion des Schwanzes bei einer Reihe von Edentaten, wenn man ihn nicht durchaus als Ver- teidigungsorgan ansehen will. II. Abschnitt. Die Antiklinie der Wirbelkörper. Unter »Antiklinie« der Wirbelkörper verstanden GIEBEL und einige andere Autoren die Erscheinung, daß die Wirbelkörper in der Mitte der Wirbelsäule die kleinsten Durchmesser besitzen, und zwar sollte wieder ein Wirbel, der die ‚allerkleinsten Durchmesser besitzt, mit dem in bezug auf die Dornen antiklinischen Wirbel zusammen- fallen. Abgesehen davon, daß der Name Antiklinie für diese Erschei- nung nicht passend gewählt ist, können wir die erwähnte Form der Wirbelsäule nur bei sehr wenigen Tieren tatsächlich finden. Gleich wie die Antiklinie der Dornen, hängt auch die Antiklinie der Wirbel- körper offenbar von der Bewegungsweise ab. Im folgenden ist der Versuch gemacht, die Hauptgesetze dieser Ausbildung der Wirbel- körper in ihrem Zusammenhang mit dem Bewegungsmodus aufzufinden. Zur Darstellung derselben wurden die auf Tafel XI, XII und XIII gegebenen Kurven hergestellt. Sie wurden aus mehreren Meßpunkten gewonnen und können wegen der Art des Materials nur als relativ 216 Hedwig Gottlieb genau angesehen werden. Auf der Ordinatenachse sind die Wirbel- durchmesser in natürlicher Größe aufgetragen, als Abseissen sind die fortlaufenden Nummern der Wirbel angenommen. Die rot gezeich- neten Kurven veranschaulichen den Breitendurchmesser. Die Längen- durchmesser wurden außerdem als schwarz gestrichelte Linien ein- gezeichnet. Mit a wurde der in bezug auf die Dornen antiklinische Wirbel bezeichnet. l. Gänger und Läufer. Schon bei diesen Formen, die, wie man annehmen würde, beide Extremitätenpaare gleichmäßig benützen, zeigt sich, daß die Wirbel- säule am caudalen Ende mehr verstärkt ist als am rostralen. Die dünnste Stelle der Wirbelsäule befindet sich in der Gegend des 3.—8. Wirbels, was natürlich variiert (Tafel XI, 1,2). Allerdings finden wir auch Formen, die jene Erscheinungen repräsentieren, welche von GIEBEL angeführt werden. Zu diesen gehört z. B. Mu- stela foina (Tafel XI, 3). Wir finden eben bei den Raubtieren Anti- klinie der Dornen und der Wirbelkörper öfters vereinigt. Soviel aus meinen bisherigen Untersuchungen hervorgeht, ist diese Art der Aus- bildung mit dem Klettern im Zusammenhang, denn jene Formen, die Krallenkletterer sind, zeigen diese Erscheinung öfter (Tafel XI, 4). Offenbar wird auch bei Gängern und Läufern die hintere Extremität stärker beansprucht als die vordere, während bei den Krallen- kletterern das Anklammern mit beiden Extremitätenpaaren ungefähr gleichmäßig erfolgen dürfte. 2. Kletterer und Springer. Die Kletterer zeigen im allgemeinen nur eine Verstärkung der Wirbelsäule am ceaudalen Ende. Die Wirbelsäule wird dabei von vorn nach rückwärts gleichmäßig dicker (Tafel XII, 2). Auch Oynocephalus (Tafel XII, 3) zeigt dieses Bild, obwohl er auch Boden- bewohner ist. Es hat sich bei ihm jedoch eine Verstärkung vorn nieht gebildet. Wir finden unter den Kletterern aber auch andere Ausbildungen, die an die Gänger und Läufer erinnern. Die Wirbelsäule zeigt eine dünnste Stelle in der Gegend des 3.—7. Wirbels, vorn und rück- wärts eine Verstärkung, von welchen die vordere schwächer ist (Tafel XII, 4, 6, 7, 8). Auch gibt es einen Typus, bei welchem die Wirbelsäule vorn und rückwärts gleich verstärkt, in der Mitte durch eine lange Strecke hin dünner ist. Diese Befunde lassen sich nicht ’ _ | -- u PER PEEEREDN un 2 une a ae BER . + + ’ dem ——ut + \ i I R 2 genen BapEh DEREN Buy Ey BRBNE NEE H 4 ———— Be Bi | i I —— | # _—— - -- —- -—- — -—- - -- -— — -- -—-7 BE Je on \ v z 'a Be Hr A Ba EHER BER EUNER (2 Spnbhns n bänandnn }. Yun nme. | EEE } _—— 1 1 i :arn mi ee ER 2.Dieotyles torgualtus. /.Halmaturus Parryi 8.Pteropus aegrpliacus. | | | PT} 4. Seiurus vulgaris 3.Coelogenys Paca. 6. Lepus silvaticus 3.Mustela loina. | En = SS Fre - 79 T=üJ 18 18 17 ._ -._ —_ 76 ee 75 15 ——— eu E i Die Antiklinie der Wirbelsäule der Säugetiere. 217 leicht deuten (Tafel XII, 5). Es läßt sich eine Erklärung dahin geben, daß die Formen mit zwei Verstärkungen der Wirbelsäule die Vorderextremitäten beim Klettern stärker beanspruchen als die übrigen, weil sie träge Kletterer sind, die sich nach Aıt der Gänger und Läufer bewegen (Phalangista, Phascolaretus). Bei manchen von den Formen mit doppelt verstärkter Wirbelsäule ist die Verdünnung vorn so minimal, daß man sie auch vernachlässigen kann. Dies ist der Fall bei Perameles und Lemur (Tafel XII, 7, 4). Diese beanspruchen offenbar die Vorderextremitäten wieder weniger, weil sie auch Sprin- ger sind, deren Hinterextremität stärker entwickelt ist. Am schwer- sten fällt die Deutung für Perodietieus (Tafel XII, 5). Es ist mög- lich, daß dieses Tier beide Extremitätenpaare vollständig gleichmäßig beansprucht. Etwas anders nimmt sich wieder das Bild der Wirbelsäule von Bradypus aus (Tafel XII, 1). Auch hier scheint die Hinterextremität etwas stärker benützt zu werden. Tatsächlich ist dies aber sicher- lich nicht der Fall, da die bedeutende Verlängerung der Vorder- extremität auf des Gegenteil schließen läßt. Die Verstärkung ist also vielleicht ein von den bodenbewohnenden Ahnen ererbtes Merk- mal. Eine Eigentümlichkeit bietet die in der Gegend des 12. bis 16. Wirbels sich findende Verdünnung, deren Bedeutung noch durch eingehendere Untersuchungen ermittelt werden müßte. — Die Springer haben entsprechend der starken Beanspruchung der Hinterextremität eine bedeutendereVerstärkung des caudalen Endes der Wirbelsäule (Tafel XI, 6, 7 [5). Formen mit stark entwickeltem Hinterkörper zeigen gewöhnlich überhaupt nur eine Verstärkung des eaudalen Endes, wie Lepus, Coelogenys. Die Känguruhs besitzen _ jedoch auch eine Verdiekung des rostralen Endes, die allerdings an die des caudalen bei weitem nicht heranreicht und jedenfalls als ein Erbe der arborieolen Vorfahren anzusehen ist (TalelXI: 7). 3. Schwimmer. Die Schwimmer zeigen jedenfalls ganz charakteristische Ab- weichungen von den bisher betrachteten Wirbelsäulenformen, und das um so mehr, je besser sie an das Schwimmen angepaßt sind. Lutra, Castor (Tafel XII, 1, 2) zeigen als Gänger die beiden Ver- stärkungen am caudalen und rostralen Ende, sowie die Verdünnung in der Gegend des 3.—8. Wirbels. Daneben fällt aber bereits eine Verdiekung in der Gegend des antiklinischen Wirbels auf. Aller- dings finden wir eine solche auch bei anderen Läufern oder Gängern 218 Hedwig Gottlieb (vgl. Canis und Dicotyles, Tafel XI), doch scheint das Wesentliche darin zu liegen, daß bei den Schwimmern diese Verdiekung in der Gegend des antiklinischen Wirbels liegt und überdies nicht mit der Verstärkung des Caudalendes in Zusammenhang steht, sondern von dieser dadureh gesondert erscheint, daß die Dicke der Wirbelkörper vom antiklinischen Wirbel an nicht sofort wieder weiter zunimmt, sondern dureh eine größere Anzahl von Wirbeln gleich bleibt. Die Wirbelsäule von Pieronura (Tafel XIII, 3) zeigt den Mangel einer besonderen rostralen Verstärkung und zugleich eine Verdiekung in der Gegend des 2.—6. Wirbels, die nicht ohne weitere’ Unter- suchungen erklärt werden können. Die zweite Verstärkung in der Gegend des 14. Wirbels, der als antiklinischer gilt, hängt offenbar wieder mit der schwimmenden Bewegungsweise zusammen. Am ausgesprochensten jedoch sehen wir die Verdickung der mitt- leren Partie der Wirbelsäule bei den Wassersäugern. Tafel XII, 4 zeigt die Wirbelsäulenkurve für Phoca vitulina, an der diese Ver- hältnisse deutlich zu sehen sind, besonders da hier eine Verstärkung des eaudalen und rostralen Endes, mangels irgendeiner Belastung der Extremitäten, vollständig fehlt. 4. Flieger. Einen schönen Beweis für die Riehtigkeit des Gesichtspunktes, von dem aus diese Zusammenstellungen gemacht wurden, bieten die Flieger. Bei den Chiropteren dienen Thorax, Schultergürtel und Wirbelsäule dem Ansatz der mächtigen Muskelmassen zur Be- _ wegung des Flugapparates. Die Folge ist jene Verbreiterung des Thorax, die ihn der Form nach einem menschlichen so ähnlich macht (vgl. MorLısox), sowie auch .eine besondere Verstärkung der Wirbelsäule in der Thoracalgegend. Wir finden daher bei den Fledermäusen ein ganz anderes Verhalten der Wirbelsäule als bei allen anderen Säugern. Sie ist vorn verdickt, rückwärts aber viel dünner (Tafel XI, 8). Wir sehen also die Grundzüge der Betrachtungsweise unbedingt gesichert. Für Details müßten allerdings noch bedeutend mehr und senauere Messungen ‚vorgenommen werden. In den Tafeln sind auch die Längendurehmesser der Wirbel- körper bezeichnet. Sie sind jedenfalls nicht so charakteristisch wie die Breitendurchmesser. Es ist nur ersichtlich, daß sie, einschließ- lich der Zwischenwirbelscheiben, gegen das caudale Ende hin ge- r 1 . is E f Bu “ F ! 5 re y a 2 Ber Te — ———— — | un I ee u 5 E . E vr = . 4 = er B B , - e Bus s En E ’ ’ “ r 2.4 j 2 j B 5 ’ f == & ® . > © 5 { | | D » ”T r d . » “. ) - N Em > A > 4 > u \ n u \ i r ku ' i on ‘ D 3 1 - f 4 f " . E 4 B gu “ " er, 4 - 72 - 5 f s s ' ‚ - M u r 7 >; Morphologisches Jahrbuch Bd. XLIX. i j 2 Ener 08: —n I | - _——-—-- z ö _ .—— _—— RES MEER MIRHEHEE MERHIEENE BEHERELEN BEBSEEREER MIBEEIFER MEHLELEEEE DEREN EBRE RU EN BEER une Si: ä 2 5 > Taf. Xll. S : x R i Q R s F— F S $ D N AHES SER Ieissealn den St S S S: N Ss Sn | AR I } 1 4 IS N N | l IH | EEREEHREHHEFFEEEHER RS) ‚kasası i bl HE Ein Be Fe EEE LE } I “ H B: SEHE | | = En Be Ey ! 4 I 4. Lemur fuscus. ————————— m —— mn u — —— Sm ' g m [ln 3. Perodicticus polo. 76 zoom n- -2. 6. Phascolarclus cinercus. 78 AR 15 /. Perameles 6. Fhalangista vulpina. © 76 77 75 0 2: I ae Jahrbuch Bd. XLIX. | t I I | I _t En ae RE EBEN VE 2 de I 1 l i N R I | 2 } ze LLEIDIIEREE ns Wi ni I I t Di | | t \ N I t | + Bemeelien BB BSEHESEHERNNEST: ESEERBESERERBnENE HEESEEHHERE: BEER FEEE en a ii, FEHEHEEe BE EB EHER Be Verlag v Wilhelm En. 30 & ai a a a . ee Di HH > a =. BREI IN IE BER IE IE II I I RE EI EEE EEE EEE EIER EREE 3 EES EEF er HP EEE Enin SEE EHER HEREN EN BEE BE HE EEE RR BE SEE DEE EHRE BEER SER REIFE EHRE HEBEB BE hapäe BE BEN EEE Fe IIE E RREE EHEEE EE | e BIEE FEEHF EHR ES EFSP FE FES ESF HE BT BER FERBHIHN EI BER BEE EHE He HE BER EEE I IEH ER IEEN Pen HEN HEHE | DR EEE BEE RE EEE BEER EHRE FRI FERNE FE INT AH EU EEE DI RE RES FRI EER ESF EFEN AEERERS3 EN HEN IE Bea Haan BO E EEHEER | EEE ENG HERE I FE ER RI RE DES IE RE ERS IE EI REED PIE EIG BSEFERE Ba EHE HEEHRENEHE SER Be EEE EEE TEE DET is ER HITE SR REES FMTIEN FIEBEHBRE EHE EEE HERREN EHREHEB HEHE EHER IH] Bl BEE IE RB GE EEE ER III PEIFEIS Dir Een ER HIRE HERE | EHE BEN HE ai EREHHRENAE news unwen vn oomsersees SRRER PERES Hera) IeTy eure vannn 5 mu erene v PELBS UERSS 2... EB BENIE SRSER AENER EEED 'AHEZE mEBmE Renee uoune Lith.AnstvE.A.Funke, Leipzig. 4 ‘ m unaberim Die Antiklinie der Wirbelsäule der Säugetiere. 219 wöhnlich bedeutend zunehmen. Der letzte Wirbel speziell erweist sich öfters wieder kürzer als die vorangehenden. — / Somit wären die Untersuchungen über den Zusammenhang der Ausbildung der Rumpf- und Sehwanzwirbelsäule mit dem Bewegungs- modus als durchaus aussichtsreich zu betrachten und den Unter- suchungen über die Ausbildung der Extremitäten jedenfalls an- zureihen. Literaturverzeichnis. Aser, 0. Paläobiologie. Stuttgart 1912. BrREHM. Tierleben. CARLSson. Zur Anatomie des Notoryctes typhlops. Zoolog. Jahrbücher. XX. Bd. 1904. CuvIER. Anatomie compar£e. Dogsox. A monograph of Insectivora. FLOWER. Einleitung in die Osteologie d. Säugetiere. Leipzig 1888. FLOWER and LYDEKKER. Mammals living and extinet. London 1891. GIEBEL. Klassen und Ordnungen d, Tierreiches. Leipzig 1877. GRABER. Die Werkzeuge der Tiere. HaAssE und SCHWARK. Anatomische Studien. Hesse und DorLeim. Tierbau und Tierleben. LucAeE. Die Robbe u. die Otter in ihrem Knochen- u. Muskelsystem. Frank- furt 1876. MEYER, v. Die Statik u. 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Schwanzende von Mixo- - XI. Phocaena phocaena. saurus Nordenskjöldi. - XU. Cervus. - XXIV. Priodon. -XIII. Elephas indieus. - XXV. Neobalaena marginata -XIV. Lemur fuseus. Erklärung der Kurven-Tafeln XI, XII und XIII siehe Seite 215—219. Morphologisches Jahrbuch. Bd. XLIX. Gottlieb Verlag von Wilhelm % Tafel VI. ‚ann in Leipzig und Berlin. } i si ee rn rn energie menu u im 2m rn u ann Mn ie nee ge) Morphologisches Jahrbuch. Bd. XLIX. Gottlieb. Verlag von Wilhelm En Tafel IX. Fig. 16 ‚ in Leipzig und Berlin. ' . h “ #* % e BE >. N IN Fig. 21 Morphologisches Jahrbuch. Dd. XLIN. i e ” | .. be = s i 7 N h Ä NN A IR" E a / N RER - Ä r, IN = e fü © 4 /, \ i Ä ; 22 7 & EN \ et 7A ; 2a x & r n 2 ! 4 3% . = : N z = \ = € \ . . E \ H \ b 2 | 4 Gottlieb. Verlag von Wilhelm Engelman! Tafel X. Fig. 25 eipzig und Berlin. Über die Wirbelsäule und den Brustkorb zweier Finnen. Von Professor Dr. med. Hermann Adolphi, Direktor des Anatomischen Instituts der Universität Jurjew-Dorpat. Mit 2 Figuren im Text. Die letzten Fälle von Variationen der Cervicothoraealgrenze des Menschen, die mir im Präpariersaal zu Gesicht gekommen sind, fanden sich auffallenderweise beide an Leichen finnischer Herkunft. Beide, ein Mann und eine Frau, waren im Juni 1912 in St. Peters- burg im Obuchowhospital gestorben. Fall I. Finnische Bäuerin aus dem Gouvernement Wiborg, Kirchspiel Jakimvaara, 54 Jahre alt. Wirbelsäule und Brustkorb sind in Figur 1 in orthogonaler Projektion in der Ansicht von vorn wiedergegeben. | Das Tuberculum carotideum gehört beiderseits Wirbel 5 an. Die Querfortsätze des Wirbels 6 haben beide ein ganz kleines Tuber- eulum anterius. Wirbel 6 ist der vorspringende Wirbel. Es sind beiderseits 13 freie Rippen vorhanden, die den Wir- beln 7—19 angehören. Die rechte Rippe des Wirbels 7 hat an der Konkavität gemessen eine Länge von 49 mm. Sie besteht aus Köpfehen, Hals, Höcker- chen und Körper. Das Rippenköpfehen artikuliert nur mit dem Körper des Wirbels 7. Das Vorderende des Rippenkörpers ist ver- diekt und mit einem Höcker am Innenrande der folgenden Rippe gelenkig verbunden. Die linke Rippe des Wirbels 7 ist kleiner, sie hat an der Kon- kavität gemessen nur eine Länge von 41 mm. Ihr Köpfchen ist wie rechts nur mit dem Körper des Wirbels 7 gelenkig verbunden. Der Rippenkörper endet zugespitzt, und von dieser Spitze geht ein Band 222 Hermann Adolphi von 43 mm Länge zum Ende des Innenrandes vom knöchernen Teile der folgenden Rippe. Beide Rippen des Wirbels 7 haben einen deutlichen Suleus sub- clavius, über den die Arteria subelavia hinwegzieht. Museuli inter- Fig. 1: costales externi und interni sind beiderseits zwischen den Rippen der Wirbel 7 und 8 vorhanden und der 8. Spinalnerv gibt beider- seits einen Ramus intercostalis an diese Muskeln ab. Die Museculi scaleni zeigen folgendes Verhalten: rechts geht der vordere an das verdickte Ende der Rippe des Wirbels 7 und an den anstoßenden Teil der folgen- den Rippe, der mittlere geht an dieselben beiden Rippen und der hintere an die Rippen der Wirbel 8 und 9. Links geht der Mus- culus scalenus anterior an die Rippe des Wirbels 8, einige Sehnenfasern von seinem Hinter- rande gehen zur Spitze der Rippe des Wirbels 7”. Der mittlere und der hintere Scalenus verhalten sich wie rechts. Ein Musculus scalenus minimus ist weder rechts noch links vorhanden. An der Bildung des Plexus brachialis beteiligen sich links die vorderen Äste des 4. bis 9. Spinalnerven. Die Dicke dieser Plexuswurzeln ist wie folgt: 1,5, 3, 4,5, 5, 5,2 und 2 mm. Rechts war die Plexuswurzel des 8. Nerven 5 mm dick, die des 9. 1,2 mm. Nerv 10 gab weder rechts noch links eine Plexus- wurzel ab. Die proximalen Plexuswurzeln waren zur Zeit, da ich auf den Fall aufmerksam wurde, an der als Muskelpräparat be- arbeiteten Leiche schon entfernt worden. Über die Wirbelsäule und den Brustkorb zweier Finnen. 223 Das Brustbein ist an der gewöhnlichen Stelle in Handgriff und Körper geteilt. Der Schwertfortsatz ist mit dem Brustbeinkörper beweglich verbunden. An das Sternum treten rechts die Rippen der Wirbel 8—14, links die der Wirbel 8-13. Die Rippen des Wirbels 16 schließen sich als letzte locker dem Rippenbogen an. Artieulationes interchondrales gibt es rechts an den Rippen der Wirbel 11—14, links an denen der Wirbel 12—15. Die Rippen der Wirbel 17 und 18 sind fluktuierend, sie haben keine Artieulatio costo-transversalis. Die Rippen des Wirbels 19 sind ganz kurz: die rechte ist 13 mm, die linke 12 mm lang. Sie sind bis ans Ende verknöchert, besitzen also keinen Rippenknorpel. Die Fovea eostalis superior, an der sie eingelenkt sind, ist bis auf den Querfortsatz nach hinten verschoben. Wirbel 20—23 sind Lendenwirbel. Wirbel 24—29 sind synostotisch zum Sacrum verbunden, wobei sich alle 6 Wirbel beiderseits an der Bildung der Pars lateralis be- teiligen. An der Facies pelvina stoßen die Körper der Wirbel 24 und 25 unter einem Winkel von 155° zusammen, sie bilden so ein zweites Promontorium. An der Bildung der Facies auricularis be- teiligen sich die Wirbel 24—26, wobei Wirbel 25 den Hauptanteil hat und den vorspringenden Winkel der Gelenkfläche bildet. Das Steißbein besteht aus 3 Wirbeln, 30—32. Der erste dieser Wirbel ist frei, er hat ganz kurze Cornua coccygea und kaum an- gedeutete Querfortsätze. Wirbel 31 und 32 sind synostotisch mit- einander verbunden. Fall II. Finnischer Bauer aus einem der Finnendörfer des Peterhofer Kreises des Gouvernements Petersburg, 49 Jahre alt. An dieser Leiche wurden Nerven und Gefäße präpariert. Am linken Arm bestand eine hohe Teilung der Arterie. Die Verästelung dieser Arterie ist von meinem Assistenten Herrn Dr. G. MicHELSsoN auf das sorgfältigste präpariert worden und soll von ihm besonders ver- öffentlicht werden. Bei Besichtigung der Arteria subelavia bemerkte ich, die linke erste Rippe sei entsprechend dem Suleus subelavius unterbrochen. Daraufhin untersuchte ich die Wirbelsäule und den Brustkorb näher. Das Tubereulum carotideum gehört beiderseits dem Wirbel 6 an. Die Querfortsätze des Wirbels 7 haben beide ein kleines Tubereulum anterius. Der Dornfortsatz dieses Wirbels ist kurz und gabelt sich am Ende. Wirbel 8 ist der vorspringende Wirbel. 224 Hermann Adolphi Es sind beiderseits 13 freie Rippen vorhanden, die den Wirbeln 8—20 angehören. Das Köpfchen der Rippen des Wirbels 8 artikuliert nur mit dem Körper dieses Wirbels. Die rechte Rippe des Wirbels 8 ist auffallend schlank. Die Breite der Rippe beträgt im hinteren Teile des Körpers bloß 9 mm, das ist für einen Mann sehr schlank. Sonst ist an dieser Rippe nichts Auffälliges zu bemerken. Die Länge des knöchernen Teils beträgt an der Konkavität gemessen 85 mm. . Die linke Rippe des Wirbels 8 hat an der Konkavität gemessen eine Gesamtlänge von 108 mm. Die Breite der Rippe beträgt im hinteren Teile des Körpers 10 mm. Hart unter der Arteria sub- elavia ist die Rippe durch eine breite Bandmasse ersetzt. Die Länge dieser Bandmasse beträgt am Innenrande der Rippe 10 mm, in der Mitte 12 mm und am Außenrande der Rippe 2 mm. Die Breite des Bandes ist 13 mm. Der Rippenknorpel ist mit dem Sternum gelenkig verbunden. Der Musculus scalenus anterior setzte sich an den vor- deren Teil der Rippe, der gut ausgebildete M. scalenus minimus an ein Höckerchen am Innenrande des hinteren Teils der Rippe. Weiter hinten inserierte der M. scalenus medius. Zwischen den Ansätzen der beiden letzten Muskeln findet sich am Innenrande der Rippe eine tiefe Rinne, in der die letzte Wurzel des Plexus brachialis dahinzieht. An der Bildung des Plexus brachialis beteiligten sich links die vorderen Äste des 4. bis 10. Spinalnerven. Das Ästchen, das Nerv 4 als oberste Wurzel zum Plexus abgibt, ist ganz dünn, 0,2 mm. Die übrigen Wurzeln haben eine Dicke wie folgt: 2, 3,7, 4, 5,5 4,5 und 3 mm. Nerv 8 gibt somit die dickste Plexuswurzel ab, Nerv 9 (der 1. Thoracalnerv) entgegen dem gewöhnlichen Verhalten die zweit- diekste Plexuswurzel und Nerv 10 (der 2. Thoracalnerv), der sich nur inkonstant an der Bildung des Plexus beteiligt, eine Wurzel von erheblicher Dieke ab. Die untere Grenze und der Schwerpunkt des Plexus sind somit gegen die Norm deutlich distal verschoben. Rechts gibt Nerv 7 die dickste und Nerv 8 die zweitdickste Wurzel zum Plexus brachialis ab. Am Sternum läuft der Schwertfortsatz in zwei kurze Knorpel- stücke aus, im übrigen ist das ganze Sternum zu einem einheitlichen Knochen verschmolzen. Von den queren Linien des Sternums ist die, welche die Ansatzstellen des dritten Rippenpaares verbindet, bei weitem die ausgeprägteste, sie springt an der Vorderseite und auch an der Rückseite stark vor. Der Querwulst zwischen den Ansatz- Über die Wirbelsäule und den Brustkorb zweier Finnen. 225 stellen des zweiten Rippenpaares ist ganz unbedeutend, während doch diese Stelle in der Norm auch bei Synostose von Manubrium und Corpus den stärksten Querwulst zeigt. Die letzten an das Sternum herantretenden Rippen gehören Wirbel 15 an. Die Rippen des Wirbels 17 schließen sich als letzte dem Rippenbogen an. Articulationes interchondrales verbinden rechts die Rippen der Wirbel 13—16 und links die der Wirbel 14—17. Die Rippen der Wirbel 18 und 19 sind fluktuierend, sie haben keine Artieulatio costo-transversalis. Die rechte Rippe des Wirbels 19 (12. Rippe) ist an der Kon- kavität gemessen 178 mm lang, wovon 8 mm auf den Rippenknorpel entfallen. Die linke Rippe dieses Wirbels ist 183 mm lang, wovon 9 mm auf den Knorpel entfallen. Die Rippen des Wirbels 20 sind _ ganz kurz: die rechte ist 13 mm lang, die linke 23 mm. Sie sind bis ans Ende verknöchert, besitzen also keinen Rippenknorpel. Wirbel 21—24 sind Lendenwirbel. Wirbel 25—30 sind synostotisch zum Sacrum verbunden, wobei alle 6 Wirbel sich beiderseits an der Bildung der Pars lateralis be- teiligen. An der Facies pelvina stoßen die Körper der Wirbel 25 und 26 unter einem Winkel von 149° zusammen, sie bilden so ein zweites Promontorium, An der Bildung der Facies aurieularis sind beiderseits Wirbel 25—27 beteiligt, wobei Wirbel 26 den Hauptanteil hat und den vorspringenden Winkel der Gelenkfläche bildet. Das Steißbein war, wie das mit Leichenteilen bisweilen ge- schieht, zu Unrecht entfernt worden. Vergleicht man diese beiden Fälle untereinander und mit der Norm, so ergibt sich: im Falle I ist die Cervicothoracalgrenze proxi- mal verschoben, im Falle II linksseitig distal. Die letzte, das Sternum erreichende Rippe gehört im Falle I links Wirbel 13, rechts (wie in der Norm) Wirbel 14, im Falle II beiderseits Wirbel 15 an. Articulationes interchondrales gibt es im Falle I zwischen den Rippen der Wirbel rechts 11—14, links 12— 15, im Falle II rechts 15—16, links 14—17. Die erste fluktuierende Rippe gehört im Falle I, dem Wirbel 17 an, im Falle II dem Wirbel 18. Die Rippen des Wirbels 19 sind im Falle I mit 13 und 12 mm weit unter, im Falle II mit 178 und 183 mm erheblich über der mittleren Länge, die an unserem Material bei Frauen 9—131/, cm, bei Männern 111/,—151/, em beträgt. Das letzte Rippenpaar gehört im Falle I Wirbel 19, im Falle II Wirbel 20 an, in beiden Fällen waren diese Rippen sehr kurz. 226 Hermann Adolphi Das Sacrum hat beidemal ein doppeltes Promontorium und be- steht, wie stets bei unserem Material, wenn ein doppeltes Promon- torium vorhanden ist, aus 6 Wirbeln. Es umfaßt im Falle I Wirbel 24—29, im Falle II Wirbel 23—30. Das zweite Promontorium liegt im Falle I zwischen Wirbel 24 und 25, im Falle II zwischen Wirbel 25 und 26. An der Bildung der Facies auricularis beteiligen sich im Falle I die Wirbel 24—26, im Falle II die Wirbel 25—27. Den vorspringenden Winkel der Gelenkfläche bildet im Falle I Wirbel 25, im Falle II Wirbel 26. ; Die Sacra und das distale Thoraxende sind somit in beiden Fällen außerordentlich ähnlich gebaut, nur ist im Falle II alles um ein Segment weiter distal gelegen als im Falle I. Die Norm steht in der Mitte zwischen beiden Fällen. Die Verschiebung der Cervicothoracalgrenze ist demnach in beiden Fällen mit einer gleichgerichteten Verschiebung der unteren Thoraxgrenze und des Sacrum verbunden. Die beiden linken Plexus brachiales sind von erheblich ver- schiedener Zusammensetzung. Mit der Verschiebung der Cervico- thoracalgrenze ist auch eine gleichgerichtete Ver- Fig. 2. schiebung des Plexus verbunden. Um den Vergleich zu erleichtern, habe ich in Fig. 2 die Wurzeln beider Plexus in ihrer natürlichen Breite! anein- andergereiht, links die des Falles I, rechts die des Falles II. Nerv 5 gibt zwar in beiden Fällen die diekste Plexuswurzel ab, die zweitdiekste gibt aber im Falle I Nerv 7 ab, im Falle II Nerv 9. Die drittdiekste Wurzel gibt im Falle I Nerv 6 ab, im Breite der Wurzeln ass Falle II Nerv 7. Der Dicke nach die 4. Wurzel Te in oibt im Falle I Nerv 5, im Falle II Nerv 6 ab. Der Dicke nach die 5. Wurzel gibt im Falle I Nerv 9, im Falle II Nerv 10 ab. Der Dicke nach die 6. Wurzel gibt im Falle I Nerv 4, im Falle II Nerv 5 ab. Im großen und ganzen liegt also der Plexus brachialis im Falle II um ein Segment weiter distal als im Falle I. Daß Nerv 4 auch im Falle II ein Fädchen zum Plexus abgibt, ändert nur wenig an diesem Bilde, denn dieses Fädchen ist sehr dünn (0,2 mm), während im Falle I die vom Nerv 4 abgegebene Plexuswurzel eine Dicke von 1,5 mm hat. Noch auffälliger wird der Unterschied, wenn man die Quer- ı Fig. 2 ist in Leipzig umgezeichnet worden, wobei Nerv 4 im Falle IH zu breit geraten. Über die Wirbelsäule und den Brustkorb zweier Finnen. 2397 schnitte beider Plexuswurzeln vergleicht. Bei so dünnen Nerven kann man annehmen, der Querschnitt sei kreisförmig und da der Flächeninhalt zweier Kreise sich zueinander verhält wie das Quadrat der Durchmesser, so verhalten sich die Stärken der beiden Plexus- wurzeln wie 4 zu 225 oder wie 1 zu 56. Im Falle I gibt also Nerv 4 eine etwa fünfzigmal so dieke Wurzel zum Plexus brachialis ab wie im Falle II. v. SCHUMACHER Spricht sich in seiner schönen Arbeit über die segmentale Innervation der oberen Extremität des Menschen (1908 S. 150) dahin aus, er vermöge in den individuellen Variationen des Plexus und seiner Äste keinen Hinweis auf die phylogenetische Wanderung der Extremität zu erblicken. Gewiß, der Plexus bra- chialis ist nicht in lebhafter Wanderung begriffen, und doch zeigen die von V. SCHUMACHER untersuchten 10 Fälle, obgleich sich Nerv 10 in keinem derselben an der Bildung des Plexus brachialis beteiligte, schon eine deutliche segmentale Verschiebung (S. 147). Der Nervus musculo-ceutaneus bestand: lmal aus den Nerven 4, 5, 6 5 - - = - 5 4 - - - - 5 Der Nervus medianus bestand: lmal aus den Nerven 5, 6, 7,8 7- Dee ee) 2 - - - - 6,7,8,8% Es besteht also für diese beiden Nerven eine gleichsinnige Verschiebung beider Randsegmente. Hätte v. SCHUMACHER Gelegenheit gehabt, einen der seltenen Fälle aufzufasern, in denen Nerv 10 eine ganz dicke Wurzel zum Plexus brachialis abgibt, wie hier im Falle II, so wäre damit mindestens der Hinweis auf eine wirkliche segmentale Verschiebung des Plexus gegeben. An unserem Materiale gibt, wie ich in einer früheren Arbeit (1905 S. 49) gezeigt habe, Nerv 10 in16% aller Fälle eine Plexus- wurzel ab. Die Korrelation zwischen dem Vorkommen dieser Plexus- wurzel und der Lage der unteren Thoraxgrenze und des Sacrum geht aus den Tabellen 4, 7, 9 und 10 auf Seite 51—53 jener Arbeit auf das deutlichste hervor. Je weiter die untere Thoraxgrenze und das Sacrum distal liegen, um so häufiger gibt auch Nerv 10 eine Plexus- wurzel ab, um so häufiger ist also die untere Grenze des Plexus brachialis distal verschoben. Zum Schluß möchte ich noch kurz auf die aus dem Heidelberger Morpholog. Jahrbuch. 49. 16 0 6 ? ’ % 238 Hermann Adolphi, Über die Wirbelsäule u. d. Brustkorb zweier Finnen. anatomischen Institute stammende Arbeit von Frers (1908) eingehen. Es freut mich, in der am Schluß gegebenen Zusammenfassung (S. 648 und 649) die Meinung ausgesprochen zu finden, es bestehe in den meisten Fällen ein innerer Zusammenhang zwischen der Verkürzung des distalen Thoraxendes und dem Auftreten von freien Rippen am Wirbel 7. Es steht zu hoffen, daß die Erkenntnis des innern Zu- sammenhanges zwischen der Verlängerung des distalen Thoraxendes und der Reduktion der Rippen des Wirbels 8 sieh mit der Zeit auch durchsetzt. Ob man dabei die Reduktion dieser Rippen als patho- logisch auffaßt, wie FıscheL (1906 S. 580) es tut, oder nicht, ist zunächst ganz gleichgültig, die Tatsache des inneren Zusammen- hanges der Verschiebung beider Thoraxgrenzen und des Sacrum - soll anerkannt werden. Einen kleinen Beitrag zum Tatsachenmaterial hoffe ich hier geliefert zu haben. Wenn aber Frers (1903 S. 644 und 645) sagt, meine »Hypothese« verlasse ganz und gar den Boden vergleichend-anatomischer Deutung, so muß ich diesen Vorwurf zurückweisen, da ich mich stets bemüht habe, die vergleichende Anatomie der Variationen der Wirbelsäule, des Brustkorbes und der Extremitätenplexus klarzulegen. Ich habe darauf hingewiesen, wie die Umbildung der Wirbelsäule bei anderen Säugetieren von den gleichen Oscillationen begleitet wird wie beim Menschen. Ich habe Massenuntersuchungen an Amphibien und Vögeln angestellt und meinen Schüler K. Künne zu Massenunter- suchungen an Reptilien veranlaßt. Meine Auffassung von der Um- formung der menschlichen Wirbelsäule gründet sich zu einem guten Teile auf meine Erfahrungen in der vergleichenden Anatomie. Jurjew-Dorpat, 14. Februar 1914. Zitierte Literatur. 1905. Avoupnı, H. Über die Variationen des Brustkorbes und der Wirbelsäule des Menschen. Morphologisches Jahrbuch. Bd. XXXUIL S. 39—86. 1906. FıscHeL, A. Untersuchungen über die Wirbelsäule und den Brustkorb des Menschen. Anatomische Hefte von MERKEL und BonneET. Bd. XXXI. S. 459—588. 1903. SCHUMACHER, v. Zur Kenntnis der segmentalen (insbesondere motorischen) Innervation der oberen Extremität des Menschen. Sitzungsberichte der Kais. Akademie d. Wissenschaften. Wien. Bd. CXVH. S. 131—209. 1908. Frers, G. F. Über die Entwickelung der Wirbelsäule von Echidna hystrix. Morphologisches Jahrbuch. Bd. XXXVII. S. 608-653. Die Sehläfenüberdachung und das Palatoquadratum in ihrem Verhältnis zum übrigen Schädel bei den Dipnoern und den terrestren Wirbeltieren. “_ Von J. E. V. Boas (Kopenhagen). Mit 100 Figuren im Text. Die vorliegende kleine Arbeit stellt sich die Aufgabe, das wechselnde Verhalten zweier wichtiger Komponenten des definitiven Schädels durch die Wirbeltierreihe von den Dipnoern an zu verfolgen und in seinem Zusammenhang vorzuführen, Die Darstellung hat einigermaßen den Charakter einer Skizze; von einer mehr ins ein- zelne gehenden Bearbeitung ist vorderhand Abstand genommen. Auch von einer speziellen Behandlung der einschlägigen Literatur wurde abgesehen. Der Wert der Arbeit — falls sie einen hat — dürfte darin liegen, daß der Vergleich gleichmäßig durchgeführt ist; an einigen Punkten habe ich wohl auch direkt Neues gefunden. Ich bin aber darüber ganz klar, daß sehr viel bereits von anderen gesehen ist; in bezug auf die Schläfenüberdachung hebe ich z. B. die Arbeiten von Wo0oDwAarD!, OSBORN?, GAupp®, FucHhs* und Gapow5 hervor. Auch bezüglich des Palatoquadratum kann natürlich ı Qutlines of Vertebrate Paleontology, 1898, p. 142—144. 2 The Reptilian Subelasses Diaspida and Synaspida; in: Mem. Amer. Mus. Nat. Hist. Vol. 1, Part 8, 1903, p. 449 ff. 3 Z. vergl. Anat. d. Schläfengegend am knöchernen Wirbelthier-Schädel; in: Morph. Arbeit., herausg. v. SCHWALBE. 4. Bd., 1895, S. 77 ff. 4 Betracht. ü. d. Schläfengegend am Schädel d. Quadrupeda; in: Anat. Anzeiger, 35. Bd., 1909, S. 113ff. 5 Cambridge Natural History, Vol. 8, 1901. Amphibia a. Reptilia, by H. GADow. 16* 230 J. E. V. Boas manches aus der Literatur herausgelesen werden. Trotzdem habe ich den Eindruck, daß eine derartige zusammenfassende Bearbeitung wie die vorliegende wünschenswert und keineswegs überflüssig ist. Um einen Teil des einschlägigen paläontologischen Materials aus eigener Anschauung besser kennen zu lernen, als es durch die Literatur möglich ist, und somit dasselbe für die Arbeit besser ver- wertbar zu machen, habe ich eine Anzahl paläontologischer Museen besucht und wurde überall freundlich aufgenommen. Von beson- derer Bedeutung waren mir die Besuche in München, Stuttgart und London; an allen drei Stellen habe ich für meine Studien reiche Ausbeute gehabt. Ich spreche den Herren Professoren ROTH- PLETZ und BroıLı in München, Prof. E. FrAAs in Stuttgart, Dr. A. SMITH WOODWARD und Dr. AnpREwWS in London meinen aufrich- tigsten Dank aus für die Liberalität, womit sie mir die ihnen unter- stellten Sammlungen geöffnet, mir ihre kostbaren Schätze vertraut und meine Arbeit auch anderweitig unterstützt haben. Für freund- liche Unterstützung bei meinem Besuch in London danke ich auch noch Mr. Warson und Dr. BRoom. In bezug auf die gegenseitige Verwandtschaft der hier behan- delten Formen verweise ich auf den von mir ausgearbeiteten, neulich Vögel erschienenen Abschnitt der TEUBNERschen»Kultur der Gegenwart«, Teil III, Vivipare Säugetiere Omithischia Crocodilien Abteil. IV, 4, S. 530— Pterosaur. 605 (Phylogenie der Monotremen Meleosaura ann Wirbeltiere). Meine Auf- Schlangen Saurischia fassung von der Phylo- ®, lonte > z . . . . ODER Saurier Y genie der Wirbeltiere ist Anomod. natürlich maßgebend für Plesiosauri . 2 Schildkröten\ Rhynchocephalen en die ausgeführten Ver- gleiche zwischen den ver- Nothosaurier Ä schiedenen Formen. Na - Nebenstehendgebeichden Cotylosaurier »Stammbaum« derhierbe- Anuren Urodelen : ER handelten Formen so, wie oecilien - . Ste&ocephalen Knochenfische ich mir denselben vor- . [0 i1 = Dipnoi Knochenganoiden stelle; WEST ders | __Knorpelgaiitlen dung desselben muß aber Chimaera x X= mit Knorpelganoidn auf die genannte Arbeit Br | verwandte Formen Unbekannte Chimaeroiden hingewiesen werden. Die Sehläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 231 1. Dipnoi. Das Kopfskelet von Ceratodus zeichnet sich — unter anderem — durch zwei Eigentümlichkeiten den meisten Fischen gegenüber aus. Schädel von Ceratodus von der Unterseite; Unterkiefer und einige zarte Knorpelfäden in der Um- gebung der Nasengrube sind weggenonmen; vorn an der rechten Seite des Kopfes (links in der Figur) sind die Weichteile übriggelassen. Knorpel überall punktiert. an vorderes Nasenloch; bo, Borste, durch den vorderen Kanal zwischen Palatoquadratum und Schädel geführt; boz Borste, durch den Kanal der Jugular-Vene geführt; d' unterster Teil des Schläfendaches, wo es sich der Außenseite des knorpeligen Palatoquadratum anlegt; dr’ Rand des Schläfendaches unterhalb des Auges (besteht hier aus kleineren Knochenplättchen); y Kiefergelenkfläche; kn vorderster Teil des knorpeligen Schädels; kn’ hinterer, abgeplatteter Teil des knorpeligen Schädels; n Choane; ng Nasengrube; oÖffnung im Schläfendach für das Auge; pg Palatoquadratum ;ps Parasphenoid; zı vorderer, z2 hinterer Zahn. Das Schläfendach ist die ganze Platte zwischen der Borste 5o2 und deren Rand dr. Die eine betrifft das Palatoquadratum. Bei der Mehrzahl der Fische (Fig. 4, ,) ist das Verhalten des Palatoqg. zum Schädel 232 | J. E, V. Boas bekanntlich derart, daß es an der Seite der Basis eranii, bzw. seit- lich dem Parasphenoid, wenn ein solches vorhanden, gelagert ist; zwischen dem Palatoq. und der Schädelbasis ist eine breitere oder engere Spalte vorhanden. Hinten kann diese Spalte, wenn das Palatog. hinten aufsteigt, sich weiter zwischen demselben und dem Oceipitalteil des Schädels fortsetzen. Das Palatoq. ist bei einigen, z. B. den Notidaniden, selbständig dem Schädel hinten oben ein- gelenkt, bei der Mehrzahl aber nur mittels einer Verbindung mit dem Hyoidbogen inniger an den Schädel befestigt, im übrigen loser mit diesem verbunden. Ceratodus verhält sich in bezug auf die Verbindung des Palatogq. mit dem Schädel insofern anders als die erstgenannten (Notidaniden usw.) als das Palatoq. ohne Hilfe des Hyoidbogens mit dem Schädel verbunden ist. Die Einlenkung ist aber zu einer ausgedehnten Ver- wachsung übergegangen und zwar dermaßen, daß die oben ge- nannte Spalte zwischen Schädel und Palatoqg. scheinbar völlig ver- schwunden ist, so daß es schwierig ist zu entscheiden, was dem Palatog. und was dem Schädel angehört, und die Entscheidung ist um so schwieriger, weil der Schädel größtenteils knorpelig ist. Dem Palatog. angehörig ist jedenfalls die Knorpelpartie, welche die Ge- lenkfläche für den Unterkiefer trägt; weiter der zahntragende, vorn mit dem Gegenüber zusammentreffende Palatoquadratknochen, der sich von der genannten Gelenkfläche nach vorn erstreckt, seitlich dem Parasphenoid angelagert, das sich demselben eng anschmiegt. Wie weit von der Gelenkfläche aufwärts wir uns vorzustellen haben, daß das Palatoq. hinaufreicht, ob z. B. die große halbdachförmige seitliche Knorpelpartie am hinteren Teil des Schädels dem Palatog. oder dem eigentlichen Schädel angehört, ist ungewiß. Von Interesse ist die Beantwortung der Frage, ob die Spalte zwischen Schädel und Palatoq. völlig verschwunden ist oder ob noch Überreste davon persistieren. Letzteres ist der Fall. Ein zweifel- loser Überrest der Spalte befindet sich vorn beim zahntragenden Ende des Palatoquadratknochens, dieht beim Zusammentreffen des rechten und linken Knochens; hier findet sich ein spaltförmiges Loch von etwa Smm Länge, das in einen kurzen (lcm langen) Kanal hineinführt, der bequem eine dicke Borste durchläßt; der kurze Kanal ist hinten vom Palatoquadratknochen und Parasphenoid begrenzt, vorn tritt die Borste zwischen ersterem und dem Schädel- knorpel hervor. Ein anderer Kanal, den ich ebenfalls als Überrest jener Spalte in Anspruch zu nehmen geneigt bin, befindet sich im Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 233 hinteren knorpeligen Teil des vereinigten Schädel + ralatoq., un- gefähr mitten zwischen der Medianfläche des Kopfes und dem Unter- kiefergelenk. Der Kanal verläuft folgendermaßen: Auf der Unterseite des knorpeligen Halbdaches des Hinterschädels findet sich seitlich ganz hinten eine tiefe horizontale Rinne, die von einer bindegewe- bigen Membran überbrückt ist und sich nach vorn in den Knorpel hinein mit einem ebenfalls horizontalen Kanal fortsetzt, der schließ- lich unterhalb der Trigeminusöffnungen ausmündet; der Knorpel- kanal ist etwa 2!/,cm lang. Durch denselben verläuft nach van WıuE! die Jugularvene, Da diese bei den Fischen lateral dem Schädel entlang verläuft?, ist es offenbar, daß wir es in dem Kanal mit einem Überrest der Spalte zwischen Schädel und Palatogq. zu tun haben. Die oben als Pzlatog. bezeichnete mit dem Schädel völlig verwachsene Partie ist lediglich das vbere Stück des Kieferbogens; kein Teil des Hyoid- Linker Hyoidbogen und Öpercularknochen von Ceratodus von der Innenseite gesehen, einigermaßen in natürlicher Lage. Knorpel punktiert. Ayı-ı Hyoidbogen; hys Hauptstück; Ayss mutmaßl'ch ab- getrennte Teile des Hyoidbogens; op Operculum; sop Suboperculum. bogens ist mit einbezogen, wie man manchmal geglaubt hat. Der Hyoid- bogen hat die folgende Zusammensetzung’: ventral ein kurzes starkes Knorpel- ı Ü.d. Visceralskelett u. d. Nerven des Kopfes d. Ganoiden u. v. Ceratodus; in: Niederländ. Archiv f. Zool., 5. Bd. (1879—82), Taf. 16, Fig. 15. 2 Vgl.: T. JuFFERY PARKER, Blood-Vessels of Mustelus Antareticus; in: Philos. Trans. f. the year 1886 (Vol. 177) p. 711, Pl. 35, Fig. 10. SıLvEster, Blood- Vascular System of the Tile-Fish; in: Bull. of the Bureau of Fisheries for 1904, Vol. 24, p. 108. 3 Vgl. die nicht ganz übereinstimmende Darstellung von W. G. RıDEwooD, On the Hyoid Arch of Ceratodus; in: Proceed. Zool. Soc. 1894 p. 632—640. Der 234 J. E. V. Boas glied (Fig. 2, hys), an das sich das Hauptstück des Hyoidbogens (Ays) anschließt, das lang, kräftig entwickelt, zusammengedrückt, teilweise verknöchert ist. An letzteres schließt sich ein dünner knorpeliger nach oben breiter werdender Strang (hy), der dem Hinterrand des Palatoq. unten angelagert und mit dem- selben durch Bindegewebe verbunden ist. An das obere Ende dieses Knorpels schließt sich weiter eine größere Knorpelplatte (hyı), der außen die weit größere knöcherne Opereularplatte (op) dicht angelagert ist; die genannte Knorpelplatte ist durch einen kurzen Muskel an dem Rande der hinteren abgeplatteten Partie des knorpeligen Schädels festgehalten. Die große Opercularplatte ist mit ihrem schrägen Vorderrande beweglich mit dem seitlichen Rande des Schläfendaches verbunden. Unterhalb der letztgenannten Knorpelplatte, aber durch einen Ab- stand getrennt, liegt eine kleinere Knorpelplatte (hy;) und einige mehr rundliche Knorpelinselchen (%ye), denen außen eine kleine längliche knöcherne Suboper- eularplatte (sop) angelagert ist. Ich denke mir, daß auch diese letzteren kleinen Knorpelstücke dem Hyoidbogen angehören. In den geschilderten Befunden liegt, wie man sieht, nichts vor, das von einer Beteiligung des Hyoidbogens an der von uns als Palatog. bezeichneten Partie sprechen könnte; im Gegenteil, der Hyoidbogen erscheint als durchaus separat. Die andere Eigentümlichkeit betrifft die dorsale Decke des Schädels. Auf der Oberseite des Schädels liegt vorn eine unpaare Knochenplatte (Ethmoid) dem Knorpel an. Hinter derselben folgt eine Querreihe von fünf großen, dünnen Knochen, die eine zusam- menhängende gewölbte Platte bilden. Diese Platte ist aber nur ganz vorn auf einer kleinen Strecke mit dem Knoirpel in Kontakt, während sonst zwischen der Platte und dem Knorpel ein zusammen- hängender Raum (Fig. 3 und Fig. 5) übrig bleibt, der in der Mitte, und hinten — wo der knorpelige Schädel jederseits dachförmig aus- gebreitet ist — auch nach der Seite zu, spaltförmig ist, während der Abstand zwischen Knochendach und Knorpel vorn seitlich größer ist; hier erstreckt sich auch das Knochendach weiter lateral als der Knorpel und bildet das Dach der Augenhöhle. Vorn — oberhalb des großen Zahnes — geht vom Knochendach ein knöcherner Pfeiler zum Palatoq.; hinten verbindet der Seitenrand des Knochendaches sich mit dem Rand der oben erwähnten dachförmigen Verbreiterung des knorpeligen Schädels und entsendet nach unten einen starken Fortsatz, der sich der Außenseite der hinteren Partie des knorpe- ligen Palatoq. eng anschmiegt. Der ganze hintere Rand des Daches sowie der Rand oberhalb des Auges ist dagegen frei. Unterhalb des Auges liegt eine Bogenreihe von unregelmäßigen Knochen- untere dünnere Teil von meinem Ay» ist in den Figuren von RıDEwooD durch ein Band vertreten; an dem von mir untersuchten Exemplar war er ganz un- zweifelhaft knorpelig. Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 235 plättchen, die mit dem Rande des Daches zusammen einen Ring um das Auge bilden; auch diese kleinen Knochen sind natürlich mit zu dem Dach zu rechnen. Das beschriebene Dach bezeichnen wir als das Schläfendach, den Raum unterhalb desselben als die Schlä- fenhöhle, deren hintere Öffnung als Hintere Schläfenöffnung; die große Öffnung, die von der Unterseite in die Schläfenhöhle hineinführt, heißt die Untere Schläfenöffnung. Die Schläfen- höhle ist besonders von Muskulatur (die den Unterkiefer bewegt) An Schädel von Cerafodus von der linken Seite. Der größte Teil der linken Hälfte des Schläfendaches ist weggenommen, so daß man die Spalte zwischen letzterem und dem Knorpelschädel sieht; die Ränder des weggenommenen Schläfendaches sind durch eine gebrochene Linie hinten und unten angedeutet (von den kleinen Knochenstücken unterhalb des Auges wurde dabei abgesehen). bo2 Borste durch den Kanal der Jugular-Vene; d Schläfendach; d’ unterster Teil desselben an der Außenseite des knorpeligen Palatoquadratum; g Kiefergelenkfläche; kn vorderster, kn’ıhinterer Teil des knorpeligen Schädels; ng Nasengrube; pg knöchernes, pgk knorpeliges Palatoquadratum; ps Parasphenoid ; zı vor- derer, z2 hinterer Zahn, erfüllt; hinten hängen diese Muskeln mit den oberen Rumpfmuskeln zusammen, die sich an den Rand des Schläfendaches und an den Kopfknorpel anheften. Auch das Auge hat, wie bereits berührt, in diesem überdachten Raum seinen Platz; die Augenhöhle ist von der Schläfenhöhle nicht abgegrenzt. Wenn wir die soeben geschilderten Verhältnisse von Ceratodus mit denen anderer Fische vergleichen (über andere Dipnoi vgl. unten), so ist die Differenz sehr augenfällig. Für den vorderen Teil des Schädels liegen die Verhältnisse ähnlich bei Ceratodus und den anderen: die Deckknochen liegen dem Knorpel eng an. Auch be- züglich der Augenhöhlendecke sind die Verhältnisse insofern ähnlich als ein aus Deckknochen gebildetes knöchernes Dach das Auge 236 J. E. V. Boas überwölbt. Daß aber die dorsalen Deckknochen frei, mit erheb- lichem Abstand, über den ganzen hinteren knorpeligen Schädel hin- wegziehen, ist etwas Einziges. Die Deckknochen legen sich sonst immer dem Knorpel an, wenn auch stellenweise ein Abstand zwischen beiden vorhanden sein kann. Beim Stör z. B. liegen die hinteren Teile der knöchernen Decke nur in der Mitte und in einem seit- lichen Streifen dem Knorpelschädel an, es erstrecken sieh von hinten nach vorn zwei tiefe mit fetthaltigem Bindegewebe gefüllte Höh- lungen und ganz hinten ist das Knochendach sogar frei, nicht an den Knorpel gebunden. Von dem Verhalten beim Stör zu dem beim Ceratodus ist aber trotzdem ein großer Abstand: Knochenplatten und Knorpel sind im übrigen beim Stör längs der ganzen Oberseite des Schädels dem Knorpel eng angeschmiegt; nur an einer einzelnen Stelle finde ich eine durch fetthaltiges Bindegewebe ausgefüllte größere Lücke zwischen beiden. Und ähnlich wie der Stör ver- halten sieh andere Fische mit knöchern-knorpeligem Kopfskelet. Anderer Art als das Schläfendach von Ceratodus ist die knöcherne Über- dachung der Schlüfenpartie, die sich bei den Knochenganoiden, z. B. bei Poly- pterus, findet; es ist dies als ein Gebilde aufzufassen, das sich im Anschluß an die Opereularplatten als deren vordere Fortsetzung ausgebildet hat. Bei den dem Ceratodus näherstehenden Knorpelganoiden ist die entsprechende Partie noch häutig, und aller Wahrscheinlichkeit nach haben sich die genannten Ver- knöcherungen bei den dem Ceratodus recht fernstehenden Knochenganoiden (vgl. das phylogenetische Schema S. 230) unabhängig entwickelt und haben mit dem Schläfendach von Ceratodus nichts zu tun. Eine gewisse Ahnlichkeit ist aber unleugbar und noch größer ist die Ähnlichkeit der Schläfenregion der Knochenganoiden mit den bei gewissen Amphibien vorhandenen Verhältnissen, was auch zu Vergleichen zwischen dem Schädel jener Knochenganoiden nnd dem der Amphibien Anlaß gegeben hat. Wir beurteilen also diese Ahnlichkeit als oberflächliche Konvergenzerscheinung. Von den anderen, jetzt lebenden Dipnoern, Protopterus und Lepidosiren, habe ich nur ersteren untersucht; es liegt aber eine eingehende Darstellung des letzteren vor!, aus welcher es unschwer ist das Nötige zu entnehmen; die beiden Gattungen stehen übrigens einander im Schädelbau nahe. Das Verhalten des Palatog. ist ein ähnliches wie bei Ceratodus. Der Hyoidbogen mit dem Öperceulum und Subopereulum ist im Ver- gleich mit dem von Ceratodus etwas rückgebildet, namentlich ist das Opereulum klein (ein schmaler Stab); die Verbindung mit dem Pa- latog. usw. ist eine ähnliche wie bei Ceratodus. Wesentlicher sind 1 BRiDGE, Morph. of the Skull in the Paraguayan Lepidosiren; in: Trans. Z.00l. Soc. London Vol. 14 (1898) p. 325—376, Pl. 28—29. EEE EEE EERBEBEOBEEELEOBLZRRE DE WE EEE UTWEN Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 237 die Unterschiede in bezug auf das Schläfendach, das stark rückge- bildet ist. Oben längs der Mitte ist eine längliche Lücke in dem- selben vorhanden, und die seitlichen Partien fehlen völlig bis auf den untersten Teil, der dem Palatoq. angeschmiegt ist, so daß die große Schläfenhöhle fast ganz offen liegt und das freie Schläfendach durch zwei platte, splintförmige, längliche, hinten zugespitzte Knochenplatten vertreten ist; der untere abgetrennte, dem Palatog. angeschmiegte Teil (»Squamosum«) ist etwas mehr über den Knorpel ausgedehnt als bei Ceratodus. Die Suborbitalknochen fehlen. Auf der Oberseite des knorpeligen Schädels unterhalb des Daches und von diesem ganz unabhängig liegt dem Knorpel ein großer platter Deekknochen an, von dem bei Ceratodus keine Spur vorhanden ist. 2. Allgemeines über die terrestren Wirbeltiere. Indem wir von den Fischen zu den terrestren Wirbeltieren übergehen, sind zunächst folgende allgemeine Bemerkungen zu machen. Allgemein finden wir bei den terrestren Wirbeltieren dasselbe Schläfendach wie bei Ceratodus und in ähnlicher Ausdehnung wie bei diesem, nur stets in der Mitte mit dem Schädel verwachsen, in einigen Fällen sonst in engem Anschluß an die Verhältnisse bei Oeratodus, in anderen (meistens) jedoch mehr oder weniger modi- fiziert, namentlich durch Lückenbildungen »rarefiziert«, wie wir es unten des näheren sehen werden. An seinem hinteren äußeren Winkel verbindet es sich mit dem seitlichen hinteren Teil (Paroc- eipitalteil) des Schädels und mit dem hinteren Ende des Palatogq. — ebenfalls wie bei Ceratodus. Während somit die Verhältnisse des Schläfendaches ungezwungen von denen bei Oeratodus abgeleitet werden können, ist dasselbe nicht mit denen des Palatoquadratum der Fall. Wir müssen vielmehr bei der Beurteilung dieser von einem Zustand ausgehen, in welchem zwar — wie bei Ceratodus — das Palatoq. dem Schädel ange- wachsen war, in welchem aber ebenso wie bei den meisten Fischen noch eine große Spalte zwischen Schädel und Palatogq. bestand, nicht nur bescheidene Überreste einer solchen wie bei Ceratodus. Bei den terrestren Wirbeltieren ist durchweg das Palatoq. dem Schädel hinten angewachsen — die bei gewissen Formen vorhan- dene freiere Verbindung beruht auf einer sekundären Loslösung. Im Vergleich mit den Fischen ist es weiter charakteristisch, daß b . Jisth ediopa ermaxillare; 22 lateral rg Palatoquadratum; ptl Ptero ‚ von unten und von hinten ypothetisch, zur Illustration Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 239 das Palatoq. an einer begrenzten Stelle — die sich weiter aus- dehnen kann — sich der Schädelbasis angelegt hat, wodurch die große Spalte in zwei, die Mediopalatinlücke und die Pteroe- eipitallücke, geteilt wird. Von ersterer kann sich, wie wir später sehen werden, wieder eine dritte Lücke, die Laterale Gaumen- lücke, abtrennen. Zwischen dem Palatog. einerseits und dem Inter- maxillare und Maxillare andererseits liegt vorn die Choane. Hinter derselben legt sich das Palatog. dem Maxillare an. Mit dem beschriebenen Typus haben wir überall im folgenden zu arbeiten. 3. Amphibien. Die Verhältnisse des Schädels der Stegocephalen lehnen sich noch recht eng denen von Ceratodus an, wenn auch der Schädel Schädel von Eryops sp.” einem Stegocephalen (Perm). an Nasenloch; d Schläfendach, eine große zusammenhängende Platte; hö hintere Schläfenöffnung; «m Intermaxillare; mx Maxillare; o Augen- öffnung; « Unterkiefer. — Nach Case, Revision of the Amphibia and Pisces of the Permian of N. America, Wash. 1911, Publ. b. the Carnegie Instit., Fig. 26. in mehreren Punkten Charaktere darbietet, die wir nicht bei Cera- todus fanden. Gemeinschaftlich mit Ceratodus ist das Vorhandensein des Schläfendaches und zwar in wesentlich derselben Form als ein großes zusammenhängendes Dach über dem hinteren Teil des Schädels und den auf letzterem angebrachten Muskeln, sowie über den Augen, die auch unten von demselben umrandet sind, indem die kleinen Suborbitalknochen von Ceratodus sich mit dem Schläfen- dach vereinigt haben. Daß das Dach bei den Stegocephalen von einer größeren Anzahl Knochenplatten zusammengesetzt ist als bei Oeratodus, ist ohne Belang; es läßt sich überhaupt nur innerhalb sehr eng verwandter Formen ein spezieller Vergleich derartiger Ver- 240 J. E. V. Boas knöcherungen durchführen. Ein Unterschied liegt aber darin, daß das Dach längs der Mitte mit dem unterliegenden Schädel in einem recht breiten Längsband verwachsen ist und somit die Überdachung in ein rechtes und ein linkes Halbdach zerfällt. Seitlich verbindet sich der Rand des Daches hinten mit dem Palatoq. (das ebenso wie bei Ceratodus mit dem Schädel verwachsen ist) und mit dem Fig. 6. Schädel von Ceratodus von hinten gesehen, Schema (nach einem Exemplar gezeichnet, an welchem noch ein Stück des Rückgrates mit dem Schädel zusammenhing, so daß das Foramen magnum will- kürlich eingetragen ist). Fig. 7. Schädel eines Stegocephalen von hinten, Schema. c Condylus oeeipitalis; d Schläfendach; f Hinterhauptsloch ; 9 Kiefergelenkfläche; Rö hintere Schläfen- öffnung; po Paroceipitalteil; pgq Palatoquadratum; ptl Pteroccipitallücke (in Fig. 6 der Eingang zu dem $. 232—233 beschriebenen Kanal, durch welchen die Jugular-Vene verläuft); s Schädel; v/k her- vorspringende Kante des knorpeligen Schädels bei Ceratodus. Paroceipitalteil des Schädels. Letzterer ist von dem Palatog. durch eine ansehnliche Pteroeeipitallücke getrennt, welche derartig liegt, daß man sie sowohl in Hinter- als in Unteransicht des Schä- dels sieht. Bei einigen Stegocephalen können bereits Lückenbildungen des Schläfen- daches vorkommen, welche an diejenigen erinnern, die wir später bei anderen .Formen sehen werden. An-die hinteren Einschnitte im Schläfendach beim Anuren Ceratophrys (vgl. S. 250) erinnern die sogenannten Ohrenschlitze mancher Stegocephalen; aber auch anderweitige Durchbrechungen können zu- Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 241 weilen vorkommen (vgl. z.B. Broıuı, Unser Wissen ü. d. ältesten Tetrapoden; in: Fortschr. d. Naturwiss. Forsch. 8. Bd. S.56, Fig.18, Os, und S. 57, Fig. 21 Os). Auf der Unterseite des Stegocephalenschädels findet man die folgenden Öffnungen: Choane, untere Schläfenöffnung, Mediopalatin- lücke und Pteroceipitallücke. Bei den meisten Stegocephalen sind die Mediopalatinlücken von sehr ansehnlicher Größe, bei den von Schädel von Eryops megacephalus von hinten. c Condylus oceip.; d Schläfendach; d’ der den Par- oceipitalteil und das Palatoquadratum deckende Teil desselben; f Hinterhauptsloch; g Kiefergelenk- fläche; Rö hintere Schläfenöffnung; po Paroceipitalteil; pq Palatoquadratum; pil Pteroceipitallücke. — Nach Case (Revision of the Amphibia a. Pisces of the Permian of North America, Wash. 1911, Publ. b. the Carnegie Inst.), mit anderer Bezeichnung. Fig. 9. pt c Schädel eines Stegocephalen von der Unterseite. Schema. c Condylus oceip.; g Kiefergelenk- fläche; ml Mediopalatinlücke; mx Maxillare; n Choane; po Paroceipitalteil; pq Palatoquadratum; ps Parasphenoid; ptl Pteroceipital-Lücke; «ö untere Schläfenöffnung. Watson! beschriebenen Loxomma und Pteroplax von »the Coal Measures and Lower Carboniferous« dagegen enge Spalten. 1 Watson, The larger Coal Measure Amphibia; in: Memoirs a. Proceed. of the Manchester Lit. a. Philos. Soc. Vol. 57 (1912) No. 1. 242 J. E. V. Boas Neu im Vergleich mit den Dipnoi ist das Vorhandensein eines Inter- maxillare und eines Maxillare, die in der Brücke zwischen der äußeren Nasen- öffnung und der Choane und in den benachbarten Partien entwickelt worden sind. Bei den Dipnoi ist die genannte Brücke bereits vorhanden, Verknöche- rungen sind aber noch keine in derselben entwickelt. Auch bei den Knorpel- ganoiden fehlen Intermaxillare und Maxillarei, welche demnach scheinbar eine Neubildung der Stegocephalen darstellen. Allerdings finden wir bei den Tele- ostiern (und Knochenganoiden) ein »Intermaxillare< und ein »Maxillare«, schein- bar in ähnlicher Lage wie bei den Stegocephalen, und es läge demnach die Vermutung nahe, daß ein Intermaxillare und ein Maxillare bereits bei den ge- meinsamen Vorfahren der Knochenganoiden und Dipnoi vorhanden und bei letzteren — und bei den jetzt lebenden Knorpelganoiden — sekundär wieder verschwunden wären. Näher betrachtet, verhalten die genannten Knochenstücke der Teleostier sich aber ganz anders als bei den Tetrapoden: sie durchsetzen nicht die Brücke zwischen vorderem und hinterem Nasenloch, sondern liegen ganz hinter den Riechorganen und können demgemäß wohl kaum den Zwischen- und Oberkieferknochen der Tetrapoden entsprechen, sondern sind eher Knochen, die unabhängig entstanden sind — was nichts Wunderbares an sich hat, da solche Bindegewebeknochen überhaupt in reicher Fülle bei den Fischen auf- tauchen. Von dem Maxillare der terrestren Wirbeltiere ist noch zu bemerken, daß es sich bereits bei den Stegocephalen weit nach hinten ausdehnt, den oberen Mundrand größtenteils bildet und sich auch mit dem ventralen Rande des Schläfendaches verbindet, so daß esein Bestandteil des letzteren wird; es bildet z. B. manchmal die ventrale Begrenzung der Augenöffnung, indem diejenigen Elemente des Schläfendaches, die sonst die Begrenzung bilden, rückgebildet wurden. Von den jetzt lebenden Am- phibien erwähnen wir zunächst die j Gymnophionen. Die meisten von Schädel von Ichthyophis glutinosus, einem Gym- nophionen, von hinten. Auf der linken Seite ist ihnen, z. B. der von mir und Ö n die = nr a Er ae anderen untersuchte Jehthy op his oceip.; co Gehörknochen; f Hinterhauptsloch; glutinosus, erinnern in den uns hier oKierchulache; go Per MT intoressierenden Punkten schr an die Stegocephalen?. Es findet sich bei ihnen dasselbe Schläfendach, dessen Hinterrand aber mit dem Paroceipitalteil des Schädels verwachsen ist, so daß die hintere Schläfenöffnung sich gänzlich geschlossen hat. Das Schläfendach ı Was bei Knorpelganoiden als Maxillare bezeichnet wurde, ist ein Deck- knochen des Palatoquadratum. 2 Vgl. außer den hier gegebenen Figuren auch z.B. die von PETERS in den Monatsber. d. Berl. Akad. 1879, S. 942, und WIEDERSHEIM, Anat. d. Gymno- phionen, Jena 1879. Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 243 ist übrigens sehr wohl entwickelt und bildet jederseits ein großes zusammenhängendes Gewölbe über die ganze Schläfenregion bis an das Auge, ähnlich wie bei den Stegocephalen. Die Strecke, in welcher das Schläfendach oben mit der Schädeldecke vereinigt ist, ist eine ziemlich breite. Wenn man den Schädel von hinten betrachtet, bemerkt man die wohlentwickelte Pteroceipitallücke; durch die große dieke Colu- mella, die mit ihrem distalen Ende dem Palatoq. an- gelenkt ist, wird die Lücke in zwei geteilt (Fig. 10, rechts). Auf der Schädel- unterseite bemerkt man auf jeder Seite des breiten Para- sphenoids die Mediopalatin- lücke, die ebenso wie die ‚hinter und außerhalb der- selben gelegene große untere Schläfenöffnung in die Schläfenhöhle hineinführt. Die Mediopalatinlücke ist zwar vonansehnlicherGröße, aber doch bedeutend kleiner als im allgemeinen bei den Stegocephalen. Hinter der unteren Schläfenöffnung A die hereits oben’ Arakll ron Trtynkt aitunent yon der Taten genannte Pteroceipitallücke, daches; g Kiefergelenkfläche ; im Intermaxillare ; ml Medio- . palatin-Lücke; mx Maxillare; n Choane; pg Palatoquadra- von welcher eme enge Spalte tum; ps Parasphenoid (hier nicht separat); «ö untere nach vorn bis in die Medio- Sehläfenöffnung; v Vomer. Die nicht bezeichnete Pter- palatinlücke führt: Pa oceipital-Lücke ist der schwarze Fleck links von g. latoq. ist etwas beweglich und liegt hier nur recht lose dem Schädel an; auch die seitlichen Teile des Schläfendaches sind etwas be- weglich. Abweichend von dem oben Beschriebenen findet man bei einigen Gymnophionen, wenigstens bei der Gattung Chthonerpeton, von’ der 1 Auch bei der Gattung Uraeotyphlus sind nach BOULENGER (Catalogue of Batrachia Gradientia and Apoda 1882, p. 91) »Squamosals free from parietals«, derselbe Ausdruck, womit er den Zustand von Chthonerpeton bezeichnet. Morpholog. Jahrbuch. 49. 17 244 J. E. V. Boas ich eine Art untersuchen konnte!, eine partielle Rückbildung des Sehläfendaches, derart, daß oben jederseits eine große Lücke ent- steht, so daß von dem freien, dem Schädel nicht angewachsenen Teil des Schläfendaches jederseits nur ein »Jochbogen«, ähnlich wie bei Schildkröten und anderen, übrig bleibt. In anderen Beziehungen schließen sich die betreffenden Formen an die oben beschriebenen an. Fig. 12. BJ; Fig. 12. Schädel von Ichthyophis glutinosus von der linken Seite. Gehörknochen weggenommen. Fig. 13. Dasselbe von Chihonerpeton sp. Gehörknochen bewahrt. an Nasenloch; co Gehörknochen ; d Schläfendach; dr unterer Rand desselben; y Kiefergelenkfläche; j Jochbogen (übriggebliebener Rest des Schläfendaches); o Augenhöhle; pg Palatoquadratum; ı» binde- gewebiger Streifen im Schläfendach. Unter den Anuren betrachten wir zuerst die Hemiphractiden, von denen ich — leider jedoch nur äußerlich — die Arten Hemi- phractus scutatus und Ceratohyla fasciata untersuchen konnte? Bei Hemiphractus sceutatus ist ein ähnliches Schläfendach wie bei den ı Der Schädel von einer Art dieser Gattung wurde auch von WIEDERS- HEIM, Anat. d. Gymnophionen, Taf. 2, Fig. 15 abgebildet (»Siphonops indis- tinetus«). 2 Es wurden mir gütigst von Herrn Prof. R. v. HERTwIG die seinerzeit von P£TeErs beschriebenen Exemplare dieser seltenen Formen, die im Münchener Museum aufgehoben sind, zur Inspektion zugesandt. Vgl. PETERS, Über die Batrachiergattung Hemiphractus; in: Monatsber. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1862, S. 144—152, Taf. 1—2. Die Sehläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 245 Stegocephalen vorhanden; in einem winkeligen Einschnitt hinten liegt jederseits das Trommelfell. Das Schläfendach ist — wovon ich mich mit aller Sicherheit überzeugen konnte — völlig ohne seitliche Fenster. Auf beiden Seiten der Mittellinie ist das Dach Fig. 14. Linke Hälfte des Schädels von Hemiphractus scutatus (Spix), Orig, von der Seite und etwas von oben gesehen. Der Schädel noch mit der Haut (dünn) bedeckt. Etwas vergr. d Schläfendach; ; o Augenhöhle; # Trommelfell. bis zu etwa 5 mm jederseits von der Mitte mit dem Schädel ver- wachsen, der übrige, bedeutend größere Teil des Schläfendaches scheint aber hinten bis zum Winkel, worin das Trommelfeil liegt, Schädel von Ceratohyla fascıata (Peters), Orig., von der Seite und von oben gesehen. Schädel noch mit Hant bedeckt; das Fenster ließ sich mit Sicherheit von außen konstatieren. Etwas vergrößert. d Schläfendach; fe Fenster im Schläfendach; o Augenhöhle; # Trommelfell. frei zu sein, so daß eine große hintere Schläfenöffnung vorhanden ist; da aber die Weichteile nicht entfernt werden durften, ist die Angabe mit aller Reservation gemacht. Die Oberfläche des Schläfen- 1 fe 246 J. E. V. Boas daches ebenso wie auch der anderen Knochen der Oberseite ist fast überall grubig vertieft, von einer dünnen Hautlage gedeckt, die übrigens an dem vorliegenden Stück den Knochen nicht anhaftet. Bei Ceratohyla liegen die Verhältnisse in den meisten Hinsichten ähnlich, es ist aber — wie ich konstatieren konnte — der wesent- liche Unterschied zu verzeichnen, daß in demjenigen Teil des Schläfendaches, der vor dem Trommelfell liegt, ein seitliches Fenster vorhanden ist!. Ein ähnliches Verhalten wie Ceratohyla bietet auch ein euro- Fig. 16. Fig. 17. Fig. 16. Linke Hälfte des Schädels von Pelobates cultripes von der Seite und etwas von hinten gesehen. Fig. 17. Dasselbe von Pelobates fuscus. ao hintere Öffnung des Kanals für die Art. oceip.; bo Borste durch diesen Kanal geführt; ce Condylus oceip.; d Schläfendach; fe Fenster im Schläfendach; g Kiefergelenkfläche; hö hintere Schläfenöffnung; o Augenhöhle; ob Brücke zwischen Augenhöhle und Schläfendachfenster fe. i Wie sich der Schädel bei den den Hemiphractiden nahestehenden Am- phignathodontiden verhält, ist mir nicht bekannt. Nach den Ausdrücken von BOULENGER (Catalogue of Batrachia Salientia 1882, p. 450): »Head ... bony, rough, the derm involved in the ceranial ossification« ist es sehr wahrscheinlich, daß der Schädel ähnlich wie bei den Hemiphractiden ausgebildet ist. — So- wohl die Hemiphractiden wie die Amphignathodontiden zeichnen sich durch den Besitz von Unterkieferzähnen aus. Es könnte aussehen, als ob wir es hier mit einem ursprünglichen Charakter zu tun hätten. Es war mir aber gleich bei der Betrachtung der Unterkieferzähne von Hemiphractus — und ebenso fand ich sie später auch bei Ceratohyla — auffallend, daß sie von den Oberkiefer- zähnen ganz abweichend waren und mehr als niedrige Auswüchse des Kiefer- randes denn als Zähne erschienen; und in BOULENGERs Catalogue of Batrachia salientia (1882) fand ich dann auch die Angabe (p. 451), daß »Dr. BROCcCHI, ... having studied the structure of the mandibular teeth of Hemiphraetus, ex- presses the opinion that these must be considered odontoids rather than true teeth«, was ganz meiner Beobachtung entspricht. Demnach dürften die »Unter- kieferzähne« keine Zähne sein, "sondern lediglich zahnähnliche Vorsprünge des Kieferrandes völlig sekundärer Art; für die Auffassung der Hemiphractiden als besonders ursprüngliche Formen geben sie keine Stütze ab. Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 247 päisches Anur dar, nämlich Pelobates cultripes', von welchem ich einen Schädel habe untersuchen können. Es ist bei dieser Art ein ebensolches Schläfendach vorhanden (nur fehlen die hörnerartigen Verlängerungen hinten oben), von einem kleinen Fenster hinten Fig. 18. Pelobates fuscus. Ceratophrys dorsata. Calyptocephalus G@ayi. Fig. 18—21. Schädel verschiedener Anuren von hinten gesehen; der größte Teil der rechten Hälfte fort- gelassen. «ao Eingang zu dem Kanal, durch den die Arteria oceip. hindurch verläuft; in Fig. 20 ist in den linken eine Borste eingesteckt; bo Borste durch die Pteroceipital-Lücke geführt; ce Condylus oecip.; d Schläfendach; f Hinterhauptsloch; 9 Kiefergelenkfläche; hö hintere Schläfenöffnung ; hy Stück des Hyoidbogens (nur in Fig. 20 angegeben, in den übrigen weggenommen); op Operculum (vgl. Anm, 8.251); pl Plectrum (vgl. ebd.; fehlt bei Pelobates); po Paroceipitalteil; pl Pteroceipital- Lücke; £ Trommelfell. unten unterbrochen; das Fenster ist kleiner als bei Ceratohyla. Unter das Schläfendach führt hinten eine ansehnliche hintere ‚1 Ich verdanke der verchrten Kollegin Mme. PnrsAauıx in Paris (durch freundliche Vermittlung von Prof. CAULLERY) die Gelegenheit, diesen Schädel hier in Kopenhagen untersuchen zu können, nachdem ich an verschiedenen großen Museen und anderswo vergeblich um Material von der Art gefragt habe — ob- gleich dieselbe in Frankreich usw. an gewissen Stellen gemein sein soll. Ich spreche Mme. PrısALıx und meinem geehrten Freunde CAULLERY meinen besten Dank aus. 248 J. E. V. Boas Schläfenöffnung hinein (Fig. 18); die Breite, in welcher das Schläfen- dach mit dem Schädel oben verwachsen ist, kann etwa der Breite der hinteren Schläfenöffnungen zusammen gleichgestellt werden. Beiderseits von der Mitte — etwa lmm von derselben entfernt — sieht man aber noch eine feine Öffnung, die in einen Kanal hinein- führt, der unter dem festgewachsenen Teil des Schläfendaches nach vorn verläuft und in die Schläfenhöhle mündet. Dieser Kanal be- herbergt — wie ich an einem anderen Anur konstatieren konnte — die Arteria oceipitalis und muß als ein Rest des sonst durch die Anwachsung verschlossenen Teiles der Schläfenhöhle aufgefaßt Schädel von Pelobates cultripes von der Unterseite und etwas von Linten gesehen. ao’ vordere Öf- nung des Kanals für die Arteria oceip.; ce Condylus oceip.; d Schläfendach; g Kiefergelenkfläche; im Intermaxillare; ml Mediopalatinlücke; mx Maxillare; » Choane; op Operculum (vgl. Anmerkung S. 251); po Paroceipitalteil; pg Palatoquadratum; p£l Pteroceipital-Lücke; gm Quadrato-Maxillare; «ö untere Schläfenöffnung. werden. Das Schläfendach ist ebenso wie fast die ganze übrige obere und seitliche Oberfläche des Schädels mit kleinen Knochen- warzen bedeckt; nur die hintere Begrenzung des Fensters, wo das Dach sich dem hinteren Teil des Palatoq. anlegt, ist glatt. Im Vergleich mit Ceratohyla und Hemiphractus ist die Augenhöhle, wie bei den meisten Anuren, vergrößert und das Schläfendach erscheint deshalb weniger ansehnlich als bei jenen. Wie bei den meisten anderen Anuren bietet die untere Ansicht des Schädels eine auffällige Ähnlichkeit mit derjenigen der meisten Stegocephalen dar, was namentlich auf die Rechnung der enormen Mediopalatinlücken kommt. Das größtenteils knöcherne Palatog. Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 249 erstreckt sich, wenn wir von der Gelenkfläche für den Unterkiefer ausgehen, zunächst nach innen, wo es sich der hier stark verbrei- terten Schädelbasis anlegt, biegt sich dann nach außen und umgibt in einem großen Bogen die Mediopalatinlücke; das vordere Ende des Palatoq. (Gaumenbein) liegt quer vor der Lücke und heftet sich an den Schädel. Die untere Schläfenöffnung ist bei Pelobates cultripes ziemlich klein, viel kleiner als die Mediopalatinlücke, liegt lateral vom hinteren Teil derselben. Die Pteroceipital-Lücke hat im Vergleich mit den Verhältnissen bei den Stegocephalen eine starke Verkleinerung erfahren, ist aber vollkommen deutlich; es ist eine kleine dreieckige Lücke zwischen dem Paroeeipitalteil und dem Palatog., die in der ventralen Ansicht vom letzteren verdeckt ist (in Fig. 22 ist sie allerdings zu sehen, der Schädel ist aber auch etwas von hinten gesehen); medial von der Lücke sieht man das von einem knorpeligen Operculum gedeckte Foramen ovale. Bei Pelobates fuscus (Fig. 17 und 19) hat die wesentliche Ände- rung stattgefunden, daß derjenige Teil des Schläfendaches, unter welehen die hintere Schläfenöffnung bei cultripes hineinführt, weg- gefallen ist, der Knochenring um das Auge somit unvollständig ge- worden und die Temporalmuskulatur oben nur von der Haut über- deckt ist. Übrigens sind die Verhältnisse ähnlich wie bei cultripes: der Arterienkanal ist unverändert, die Skulptur der Knochen ähn- lieh, das Seitenfenster ist ein wenig größer geworden, die Pterocei- pitallücke dagegen noch kleiner als bei cultripes. Bei Ceratophrys dorsata (Fig. 20 und 23) liegen die Verhält- nisse im ganzen Ähnlich wie bei Pelobates cultripes. Es ist aber der Unterschied, daß derjenige Teil des Schläfendaches, welcher die hintere Schläfenöffnung begrenzt, stark ausgerandet ist, es streckt sich hier eine recht tiefe Bucht in das Schläfendach hinein, die von der ziemlich kleinen Augenöffnung nur durch eine mäßig breite Brücke getrennt ist. Das seitliche Schläfenfenster ist viel größer als bei Pel. cultripes, bedeutend größer als die Augenöffnung, von welcher es durch eine breite Brücke geschieden ist; auch die untere Schläfenöffnung ist größer als bei cultripes, die Pteroceipital-Lücke dagegen winzig klein, aber deutlich. Skulptur, Arterienkanal usw. verhalten sich ähnlich wie bei cultripes. — Bei einer anderen Art derselben Gattung, Ceratophrys Bovei (Fig. 24) ist die Rückbildung des Schläfendaches weitergeschritten. Die Brücke zwischen der Aus- randung und der Augenöffnung ist weggefallen, so daß letztere oben keine hintere Begrenzung mehr hat. Die Brücke zwischen der Augen- 250 J. E. V. Boas Fig. 24. Ceratophrys Boiei. Fig. 2. Rana mugiens, Trommelfell und Gehörknöchelchen weggenommen. Fig. 23—25. Linke Hälfte des Schädels dreier Anuren, alle von der Seite und ein wenig von oben gesehen. bo Borste durch den Kanal der Art. oceip. geführt; bo' Borste durch die Pteroccipital-Lücke; d Schläfendach; dr übriggebliebener Rand des Schläfendaches; e Einschnitt von hinten in das Schläfendach; fe Fenster im Schläfendach 7 g Kiefergelenkfläche; kr knorpeliger Rahmen des Trom- melfelles; o Augenhöhle; ob knöcherne Brücke (Überrest des Schläfendaches) zwischen Augenhöhle und Fenster fe; fehlt (bis auf einen Rest, obr) in Fig. 25, wo dieselbe durch eine punktierte Linie (05) angedeutet ist; op Operculum; pq Palatoquadratum; pt! Pteroceipital-Lücke; 2 Trommelfell. Schädel von Calyptocephalus Gayi von der Unterseite; die großen Öffnungen mit Masse ausgefüllt gedacht. Knorpelige Partien punktiert. c Condylus oceip.; g Kiefergelenkfläche; hy Hyoidbogen (nur das obere Ende dargestellt; der Knick ist ein natürlicher; an der linken Hälfte ist der Hyoidbogen weggenommen); Ay' Anheftungsstelle des- selben am Schädel; wm Intermaxillare; m! Mediopalatinlücke; mx Maxillare; »» Choane; op Operculum!; pl Plectrum!; po Paroceipitalteil; pg Palatoquadratum; pZl Pteroceipital-Lücke; qm Quadrato-Maxillare; «ö untere Schläfenöffnung. t Bezüglich der Bezeichnungen Operculum und Plectrum siehe GAUPpP, ECKERS und WIEDERSHEIMS Anatomie d. Frosches. 2. Aufl. 3. Abt. S. 736 ff. 352 J. E. V. Boas öffnung und dem Seitenfenster ist schmäler geworden. Die Skulptur ist größtenteils verschwunden. Der Arterienkanal ist noch immer vorhanden, ebenso die kleine Pteroceipital-Lücke. Eine sehr stattliche Ausbildung hat das Schläfendach bei Calypto- cephalus Gayi (Fig. 21, 27, 28), der unter den von mir näher unter- suchten Anuren in gewisser Hinsicht dasjenige ist, das am meisten Fig. 28. d o ; ie a EEE NEE EN — bo > io: Schädel von Calyptocephalus Gayi von der linken Seite. Fig. 29. Schädel von Bufo agua von der linken Seite (und etwas von oben). Die fehlende Brücke zwischen Augenhöhle und Fenster ist durch eine punktierte Linie angedeutet. Gemeinsame Bezeichnung: «n Nasenloch;, bo Borste durch den im Text erwähnten Arterienkanal; bo’ Borste durch die Pteroceipital-Lücke; d Schläfendach; dr unterer Rand des Schläfendaches (= 5); je Fenster in dem Schläfendach; g Kiefergelenkfläche; 5 Jochbogen (= dr); kr Knorpelrahmen des Trommelfelles; o Augenhöhle; od Brücke zwischen Augenhöhle und Fenster fe; Trommelfell. an die Stegocephalen erinnert. Namentlich imponiert die bedeutende Ausdehnung des Schläfendaches vorn-hinten; die Ausrandung von Ceratophrys findet sich auch nicht hier. Weniger ursprünglich ver- hält sich der Calyptocephalus aber in der Beziehung, daß der ganze Hinterrand des Schläfendaches mit dem Schädel verwachsen ist, so daß eine hintere Schläfenöffnung völlig fehlt. In den meisten anderen Punkten schließt er sich an Pelobates cultripes und Üera- Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 253 tophrys dorsata: Arterienkanal, Skulptur usw. Seitenfenster größer als bei P. ceultripes, kleiner als bei C©. dorsata, Augenöffnung umge- kehrt; Pteroceipital-Lücke größer als bei beiden. An den Calyptocephalus-Schädel läßt sich ungezwungen der von Bufo agua (Fig. 29) anreihen. Auch hier ist das Schläfendach hinten mit dem Schädel verwachsen, so daß eine hintere Schläfenöffnung fehlt, und ein ansehnlicher Teil des Schläfendaches ist bewahrt. Der oben hinter dem Auge gelegene Teil desselben verhält sich — abgesehen davon, daß er kürzer ist — eigentlich noch ganz wie bei Calyptocephalus; er ist völlig erhalten, es geht der Arterienkanal zwischen ihm und dem Schädel hindurch, und von der Unterseite entspringt der Muse. temporalis. Dagegen ist die — sogar bei Cera- tophrys Bovei und Pelobates fuscus noch vorhandene — Brücke zwi- schen der Augenöffnung und dem seitlichen Fenster hier unter- brochen, nur das obere Ende als ein Fortsatz bewahrt, so daß Augenöffnung und seitliches Fenster zusammenlaufen. DBufo vulgaris (Fig. 30) verhält sich im Grunde wesentlich wie D. agua; der Muse. temporalis entspringt von der Unter- seite des sehr verkürzten Schläfen- daches; der Musc. rhomboideus ant.! (vgl. unten) heftet sich in einer recht tiefen Grube (mrh) an der Oberseite des mit dem Paroceipitalteil des Schädels verwachsenen hinteren Tei- les des Schläfendaches (bei agua N heftet er sich an derselben Stelle an, a : ea die Grube ist aber seichter); zwischen Schläfendaches (siehe Text); ml Anhef- dem vorderen Ende der Anheftungs- une; od» Nest der Drücke zwischen Augen fläche und der Insertion des M. tem- Höhle und Fenster; pg Palatoquadratum; ri Rinne für die Art. oceip.; links ist das poralis findet man eine schmale hintere Ende des Kanals überbrückt. Kante (ka), an welche sich kein Muskel heftet: der Rest der freien Oberfläche des Schläfendaches. Der Arterienkanal ist oben geöffnet, aber als Rinne bewahrt (das Schläfendach also hier weggefallen; an einem vorliegenden Schädel — Fig. 30 — ist die linke Rinne hinten überbrückt, also hier ein Rest des Schläfendaches bewahrt). 1 GAuPpP, Anat. d. Frosches 1. Abt., S. 103. 954 J. E. V. Boas Bei Rana endlich (Fig. 25 und 31) und vielen anderen Gat- tungen (wohl den meisten) ist das Schläfendach sozusagen völlig verschwunden. Der Muse. temporalis ist unbedeckt (wie schon bei Pelobates fuscus und Ceratophrys Boivei), das Dach über demselben verloren gegangen; der Muse. rhomb. ant. heftet sich an eine Fascie, die über den Muse. temporalis hinwegzieht und gewissermaßen das Schläfendach vertritt; der Arterienkanal existiert nicht mehr, nicht einmal als Rinne. Sowohl die hintere-obere als auch die hintere- untere Umgrenzung der Augenöffnung sind weggefallen. Übrig sind nur geblieben: der untere Rand des Schläfendaches als Jochbogen; der untere Teil des Schläfendach-Hinterrandes, der das Palatog. seit- lich bedeckt (»Tympanieum«); endlich auch das obere Ende der Brücke zwischen der Augenöffnung und dem seitlichen Fenster Fig. 31. Schädel von Rana mugiens von hinten. Auf der linken Seite sind das Plectrum und das Operculum weggenommen. Auf der rechten Seite verdeckt das Plectrum die Pteroceipital-Lücke. ce Condylus oceip.; d das verschwundene Schläfendach durch eine punktierte Linie angedeutet; d’ der den Par- oceipitalteil und das Palatoquadratum deckende Teil des Schläfendaches; f Hinterhauptsloch; g Kiefer- gelenkfläche; op Opereulum; pl Pleetrum ;po Paroceipitalteil;pg Palatoquadratum ; pil Pteroceipital-Lücke. (»Processus zygomatieus Tympaniei«), das ebenso wie bei Dufo er- halten ist. — Die Pteroceipital-Lücke war bei der untersuchten großen Rana-Art ganz wohl ausgebildet. Bezüglich der Verbindung des Palatoq. mit der Schädelbasis hinten ist zu bemerken, daß dieselbe bei manchen Anuren eine un- bewegliche ist, bei anderen ist aber an der Verbindungsstelle eine gewisse Beweglichkeit vorhanden, das Palatoq. kann sich etwas verschieben oder es ist gar wie bei der untersuchten großen Rana eine Gelenkverbindung ausgebildet — und das obgleich das Palatog. sowohl vorn wie hinten-oben mit dem Schädel fest verbunden ist. Ich fand bei dem von mir untersuchten Material die genannte be- wegliche Verbindung bei Rana, Oystignathus, Ceratophrys Bovei (aber nicht bei C©. dorsata), bei einer unbestimmten Bufo-Art (aber nicht bei B. agua). a Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 255 Nach der hier gegebenen Darstellung sind also die bei den Hemiphractiden, dann die bei Pelobates eultripes, Ceratophrys dorsata und Calyptocephalus gefundenen Zustände des Schläfendaches als die ursprünglicheren, die der anderen als von letzteren abgeleitete, mehr oder weniger rückgebildete aufzufassen. Hiergegen wird wahr- scheinlich Einsprache erhoben werden. Die allgemeine bisherige Auffassung, die ich auch zunächst geteilt habe, dürfte die sein, dab das stark ausgebildete Schläfendach, das man bei einigen Anuren findet, einen sekundären Zustand repräsentiert, der sich von solchen Zuständen wie der von Rana durch Hinzuziehung von Hautver- knöcherungen ausgebildet hat. Diese Auffassung entbehrt aber in der Tat jeder Grundlage. Daß das Schläfendach der betreffenden Formen äußerlich grubig ver- tieft bzw. höckerig erscheint und manchmal mehr oder weniger innig mit der Haut zusammenhängt, kann diese Auffassung nicht be- gründen: dasselbe ist bei den betreffenden Formen mit fast allen äußeren Knochenflächen des Schädels der Fall; Knochen, die sonst glatt und mehr lose mit der Haut verbunden sind, sind bei Cera- tophrys dorsata u. a. grubig an der Oberfläche und hängen inniger mit der Haut zusammen; dieser Charakter spricht also weder für noch gegen die Annahme, daß das Schläfendach aus Hautknochen sekundär entstanden sein sollte. Weiter: die zweifellosen sekun- dären Hautverknöcherungen, die sich bei einigen Anuren finden, haben — jedenfalls soweit ich sie habe untersuchen können — einen ganz anderen Charakter als das Schläfendach. Es sind kleine platte Knochenstücke, die zu einem unregelmäßigen Mosaik zusammen- gefügt sind, wie bei Oeratophrys dorsata, bei welcher eine solche Gruppe vorn auf dem Rücken sich findet, oder bei Megalophrys, bei welcher mehrere solche vorhanden sind, von denen eine sich über die dorsale Seite des Kopfes erstreckt. Oder es sind kleinste Knochen- körnchen, wie ich sie bei einer Dufo sp. aus Venezuela in der Kopf- haut fand. Häufig sind die Hautverknöcherungen vom Skelet völlig unabhängig wie die genannten Verknöcherungen bei Ceratophrys und Megalophrys; in anderen Fällen können sie sich mit der Ober- fläche gewisser Knochen verbinden, wie es mit einigen der Knochen- körnchen der erwähnten Dufo-Art oder mit dem Rückenschild des von mir nicht untersuchten Drachycephalus der Fall ist. Ganz an- derer Art als diese Hautverknöcherungen sind die Knochen des Schläfendaches: es sind einige der gewöhnlichen Elemente des Schädels, die eine größere Ausdehnung als die gewöhnliche haben, 256 J. E. V. Boas keine neuen eingeflickten Knochenstücke, wie man erwarten mußte, wenn es sich um Hautverknöcherungen handelte; von solchen unter- scheiden sie sich auch durch ihre manchmal sehr massive Ausbil- dung. Eine andere Sache ist, daß ihre oberflächlichen Partien durch Verbindung mit in der Haut entstandenen Knochenkörnehen einen rauhen Charakter bekommen können, was aber mit der Abstammung des ganzen Gebildes nichts zu tun hat! und ebenso bei anderen Kopfknochen stattfinden kann. Als Stütze für die hier ne Auffassung ist auch her- vorzuheben, daß alle Fälle eines Schläfendaches, die sich über die Rana-Stufe erheben, innerhalb der areiferen Anuren gefunden werden, die offenbar der anderen Gruppe, den firmisternen, gegen- über die ursprünglicheren sind. Vorläufig scheint somit nichts der Auffassung hinderlich zu sein, daß das Schläfendach .der Hemiphractiden ein Erbstück von den Stegocephalen darstellt, das bei anderen Anuren manchmal recht wohl erhalten, meistens jedoch recht stark rückgebildet ist. Die Urodelen sind diejenige Amphibienabteilung, bei welcher von dem Schläfendach am wenigsten übrigen geblieben ist. Die Rückbildung hat in etwas eigenartiger Weise stattgefunden. Bei denjenigen Formen, z. B. den von mir untersuchten Salaman- drina und Diemyctilus viridescens u. a.2, bei denen am meisten vom Schädeldach übrig geblieben ist, können wir die Verhältnisse von einem Zustand wie bei COalyptocephalus ableiten?. Ich erinnere zu- nächst daran, daß eine hintere Schläfenöffnung bei Calyptocephalus fehlt; das ist ebenso bei den Urodelen. Denken wir uns nun, daß das Schläfendach von Calyptocephalus oben von einem länglichen Fenster durchbrochen wird; denken wir uns ferner, daß die breite Brücke zwischen der Augenöffinung und dem seitlichen Fenster in Wegfall kommt, so daß beide zusammenfließen; denken wir uns endlich, daß der Jochbogen, wo er hinten an das Palatoq. stößt, ebenfalls wegfällt, so daß die große Öffnung, die durch die Ver- ae der Augenöffnung und des seitlichen Fensters entstanden 1 Dbemanı dürfte man bei der Beurteilung mancher Knochen häufig zu rasch dazu gegangen sein, sie als »Hautknochen« zu bezeichnen. 2 Vgl. die Figuren auf Taf. 27 bei WIEDERSHEIM, Kopfskelet d. Urodelen; in: Morph. Jahrb., 3. Bd., 1877. 3 Es ist natürlich nur zur Verständigung, daß ich diesen Vergleich an- stelle; es fällt mir selbstverständlich nicht ein, die Urodelen von Calypto- cephalus abzuleiten. Der Zustand ihres Schädels kann aber wohl von einem ähnlichen Zustand wie bei diesem hergeleitet sein. Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 257 ist, unten offen wird — so haben wir den Zustand, den wir bei Salamandrina, Diemyctilus u. a. finden. Bei diesen Formen geht demnach, als untere (äußere) Begrenzung des oberen Schläfenfensters, Fig. 32. Schädel von Culyptocephalus Gayi von der linken Seite (Bezeichnung S. 252). Zum Vergleich mit Fig. 33 u. 34. Fig. 33. 0b v2 2 7 | Schema zur Erklärung der Entstehung des Urodelen-Schädels aus einem ähnlichen Schädel wie Fig. 32. Fig. 34. dd Schädel von Diemyctilus viridescens (Urodel) von der linken Seite und etwas von oben. Bezeichnung für Fig. 33 u. 34. cn Nasenloch; bo’ Borste durch die Pteroceipital-Lücke; db Knochen- balken, übriggebliebener Rest des Schläfendaches zwischen fe' und o-+- fe; fe unteres Fenster (ähnlich dem fe von Calyptocephalus), mit o zusammenfließend; fe’ oberes Fenster; g Kiefergelenkfläche; 5 Joch- bogen; o Augenhöhle; od Brücke zwischen Augenhöhle und Fenster fe (Teil des Schläfendaches); pq Palatoquadratum (in Fig. 32 u. 33 verdeckt von j). 258 J. E. V. Boas eine Knochenbrücke von dem oberen Rande der Augenöffnung nach dem Palatoq. hin. Bei den meisten Urodelen, z. B. bei Salaman- dra und bei unseren Tritonen, fehlt diese Brücke, während die Ver- Fig. 35. Schädel von Oryptobranchus japonicus von hinten. Die knorpeligen Teile sind punktiert. c Cond, oceip. (die beiden Condyli sind unterhalb des Hinterhauptloches verbunden, so daß hier tatsächlich nur ein Condylus vorhanden ist); co Gehörknochen; d das verschwundene Schläfendach durch eine punktierte Linie angedeutet; d’ der den Paroceipitalteil und das Palatoquadratum außen deckende Teil des Schläfendaches; f Hinterhauptsloch; y Kiefergelenkfläche; po Paroceipitalteil; »q knorpeliger, pq' knöcherner Teil des Palatoquadratum; ptl Pteroceipital-Lücke, hältnisse sonst dieselben sind; das Schläfendach ist bei diesen fast völlig verschwunden. In bezug auf das Palatoq. der Urodelen ist folgendes zu be- / ZA, N GR, > Schädel von Oryptobranchus japonicus von der Unterseite. ce Condylus oceip.; co Gehörknochen; d deutet den Rand des fehlenden Schläfendaches an; g Kiefergelenkfläche; «m Intermaxillare; ml Mediopalatinlücke; mx Maxillare; n Choane; pq Palatoquadratum; pgk knorpeliger Abschnitt des Palatoquadratum, der bis zum Maxitlare reicht; ps Parasphenoid; ptl Pteroceipital-Lücke; der Par- oceipitalteil, der hinter derselben liegen sollte, wird hier von dem Gehörknochen gedeckt; «6 untere Schläfenöffnung (hier nur eine Bucht); v Vomer. — Die knorpeligen Teile sind in dieser Figur über- all punktiert. Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 259 merken. Dasselbe ist wie bei den Anuren oben dem Schädel an- gewachsen und legt sich in gewohnter Weise der Schädelbasis an, häufig ohne mit dieser verwachsen zu sein; es ist wie bei den Anuren eine kleine Pteroceipital-Lücke vorhanden. Von der Be- rührungsstelle mit der Basis eranii erstreckt sich das Palatoq. nach außen und vorn; der vordere Teil des Palatoq. der Anuren fehlt jedoch, das Palatog. endigt mit einer freien Spitze, gewöhnlich halb- wegs zwischen Vorder- und Hinterende des Schädels. Bei den Larven (und den Perennibranchiaten, die bekanntlich persistente Larven sind) kann das Palatoq. sich vorn bis an die Schädelunter- seite erstrecken und somit eine Mediopalatinlücke abgrenzen; bei den erwachsenen Urodelen ist letztere dagegen fast stets vorn offen!. 4. Sauropsiden. Eng au die Stegocephalen schließt sich in den Punkten, mit denen wir hier zu tun haben, die niedrigste Abteilung der Reptilien, die Cotylosaurier?. Es ist hier dasselbe Schläfendach vorhanden und es verhält sich ganz wie bei den Stegocephalen. Es ist in ähn- licher Weise oben mit den dorsalen medianen Partien des Schädels verwachsen — bei Pareiasaurus fand ich die Verbindung recht schmal — und ventral mit dem Palatog. und mit dem Paroceipitalteil des Schädels verbunden; hinten führt eine große hintere Schläfenöffnung unter das Dach hinein; das Dach ist ganz einheitlich, ohne Lücken. 1 Nur bei der Gattung Ranodon ist nach den Angaben und Figuren von WIEDERSHEIM (Kopfskelet d. Urodelen; in: Morph. Jahrb. 3. Bd., S. 474, Taf. 23, Fig. 69—70) eine Verbindung des Palatoq. mit dem vorderen Teil des Schädels vorhanden und zwar ist es die knorpelige Grundlage des Palatoq., das sich mit dem knorpeligen Schädel (Nasenknorpel), ähnlich wie bei den Anuren, verbindet, während die oben ‚genannte vordere Schädelverbindung des Palatog. bei den Larven mittelst des Pterygoids stattfindet, und der Knorpel dabei unbeteiligt bleibt. Bei der Beurteilung, ob der Zustand von Ranodon im Vergleich mit dem anderer Urodelen ein ursprünglicher ist oder ob es sich um eine ganz sekundäre Errungenschaft dreht, ist es natürlich nicht entscheidend, daß bei allen be- kannten Urodelenlarven eine solche Verbindung nicht vorhanden ist. Ich halte es keineswegs für ausgeschlossen, daß es sich um einen ursprünglichen Charakter erwachsener Urodelen handelt, der bei Ranodon bewahrt wurde, während er sonst verloren ging, d.h. daß die dünne Brücke, worum es sich dreht, allgemein durchbrochen wurde. 2 Vgl. u. a. CAsE, Revision of the Cotylosauria of North America. Wash. 1911 (Publ. by the Carnegie Institution). Weiter für diese und andere fossilen Reptilien die Literaturangaben in: ZITTEL, Grundzüge d. Paläont., 2. Abt., Vertebrata, 2. Aufl., 1911. Morpholog. Jahrbuch. 49, 18 260 J. E. V. Boas Auf der Unterseite des Schädels sind dieselben großen Öffnungen wie bei den Stegocephalen vorhanden: die Choanen, die Mediopalatin- lücken, die untere Schläfenöffnung, die Pteroeeipital-Lücke. Die Medio- palatinlücken sind aber enger als im allgemeinen bei den Stegoce- Fig. 37. B Pelycosaurier. {2 7% C Rhynchocephale. Schemata des Schädels verschiedener Reptilien, von der Seite und schräg von hinten gesehen; Unter- kiefer fortgelassen. an Nasenloch; dp Basipterygoidfortsatz; c Condylus occip.; d Schläfendach; f Hinterhauptsloch; g Kiefergelenkfläche ; Aö hintere Schläfenöffnung; &b unterer Schläfenbogen; 7 Joch- bogen; o Augenhöhle; ob Orbito-Temporalbogen; ol obere Schläfenlücke; pb Posttemporalbogen ; po Paroceipitalteil; pg Palatoquadratum; pl Pteroceipital-Lücke; s Schädel; sd oberer Schläfenbogen; s) seitliche Schläfenlücke. phalen und in der Mitte fast miteinander verschmolzen, indem der Teil der Schädelbasis, durch welchen sie getrennt sind, ganz schmal geworden ist. Und in einem wesentliehen Punkt unterscheiden sieh die Coty- losaurier von den Stegocephalen: es hat sich eine neue Lücke in dem Gaumendach gebildet, die laterale Gaumenlücke. Über die a ' BR “ | \ Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 261 Existenz dieser Lücke, die wir nachher fast bei sämtlichen Reptilien und bei den Vögeln und Säugetieren wiederfinden werden, habe ich mich bei Pareiasaurus überzeugen können. An dem von SEELEY! abgebildeten Exemplar von Pareiasaurus bombidens, das ich im British Museum untersuchen konnte, ist eine solche Lücke vorhanden, deren Natürlichkeit mir jedoch nicht zweifellos erschien, d. h. es Fig. 38. ODO OH. Be. vseove&% decero 0 tnocnu n © H c © ö u v . u ° u 00.0 2009 NE Fig. 33. Schädel von Pareiasaurus (Cotylosaurier) von der Unterseite, etwas schemntisiert. Fig. 39. Schädel von Zdaphosaurus (Pelyeosaurier) von der Unterseite. — Nach Broom, A Com- parison of the Permian Reptiles of N. Amer. with those of S. Afr.; in: Bull. Amer. Mus. Nat. Hist. Vol. XXVIII. 1910. p. 224. bp Basipterygoidfortsatz (die Stelle, wo das pg sich der Schädelbasis anlegt); ce Condylus oceip.; d Rand des Schläfendaches; g Kieferge!enkfläche; 1! laterale Gaumenlücke; mi Mediopalatinlücke ; n Choane; po Paroceipitalfortsatz; pq Palatoquadratum; pg2 Pterygoid; p£l Pteroceipital-Lücke; rs Rostrum sphenoidale; «ö untere Schläfenöffnung. war mir unsicher, ob dieselbe nicht bei der »development« des Stückes künstlich erzeugt war. Mr. WArson hat mir aber an einem von ihm gesammelten Stück eine ganz zweifellose laterale Gaumen- lücke demonstriert, so daß über die Existenz einer solchen bei Pareiasaurus kein Zweifel obwalten kann. Die Lücke ist nicht sehr i Philos. Transaet. 1888, B, p. 59. 18* 262 J. E. V. Boas groß; sie hat ihren Platz zwischen der Choane und der unteren Sehläfenöffnung. Bei einem anderen Öotylosaurier, Procolophon, von dem ich tadellose Schädel im British Museum untersuchte, habe ich allerdings die laterale Gaumenlücke nicht konstatieren können (habe aber ausdrücklich in meinen Aufzeichnungen bemerkt, daß es damit nicht ausgeschlossen ist, daß eine solehe bei Procolophon vor- handen war); auch habe ich sie nicht an dem von mir im Münchner Museum untersuchten schönen Labidosaurus-Schädel gefunden, an dem jedoch der Unterkiefer einen Teil der Schädelunterseite deckt, so daß die Mögliehkeit nicht auszuschließen ist, daß eine laterale Gaumenlücke in dem überdeckten Teil liegen könnte. Aus der Literatur erinnere ich mich nicht — abgesehen von Pareiasaurus — an Figuren von Cotylosaur-Schädeln die Lücke gesehen zu haben — gut erhaltene Gaumenflächen von Cotylosauriern gibt es aber sehr wenig, und eine positive Beobachtung ist wertvoller als hundert negative. Eine Lücke, der lateralen Gaumenlücke rezenter Reptilien täuschend ähnlich, ist also innerhalb der Cotylosaurier nachgewiesen. Über die laterale Gaumenlücke vergleiche übrigens unten bei den Rhynehocephalen. Bei den Pelycosauriern!, die ebenfalls zu den ältesten Rep- tilien gehören, liegen die Verhältnisse in den meisten Stücken wie bei den Cotylosauriern. Nach den Figuren von Broom?ist bei ver- schiedenen Pelycosauriern (Edaphosaurus, Dimetrodon) eine laterale Gaumenlücke konstatiert. Es ist aber am Pelycosaur-Schädel die wesentliche Änderung eingetreten, daß das Schläfendach seitlich von einem großen Fenster durchbrochen ist, das unten von einem breiten Jochbogen begrenzt wird (Fig. 37.D). Als nächstes Glied der Reihe betrachten wir Sphenodon, der bekanntlich einen rezenten Überrest der bereits im Perm repräsen- tierten Rhynchocephalen darstellt. Das Schläfendach besitzt die- selbe Durchbrechung wie bei den Pelycosauriern und dazu noch jederseits eine zweite, so daß wir eine obere und eine seitliche Schläfenlücke haben; das Schläfendach ist sozusagen nur ein Rahmen mit einer Quersprosse: das vordere Randstück des Rahmens stellt den Hinterrand der Augenhöhle dar; das obere Randstück ist ı Vgl. u.a. Case, Revision of the Pelycosauria of North America. Wash. 1907 (Publ. by the Carnegie Institution). Die Angabe von CAsE, daß zwei Schläfenfenster vorhanden sein sollten, hat sich nieht bewahrheitet. 2 A Comparison of the Permian Reptiles of N. America with those of S. Africa; in: Amer. Museum of Nat. Hist. Vol. 28, p. 224 und 227. Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 263 der mit dem Schädel verwachsene Teil des Schläfendaches; an das hintere Randstück heften sich unten der Paroceipitalteil des Schädels und das hintere Ende des Palatog. Die (Quersprosse nennen wir den oberen Schläfenbogen, das untere Randstück den unteren Schläfenbogen, das vordere Randstück den Orbitotemporal- bogen, das hintere Randstück den Posttemporalbogen. Am Fig. 40. 67 Schädel von Sphenodon, von der Seite, ohne Unterkiefer. Fig. 4. Schädel eines großen Leguans, von der Seite. Die Augen- und die Schläfenhöhle sind wie an einem Fossil mit Masse ausgefüllt. an Nasenloch; co Gehörknochen; g Kiefergelenkfläche; id unterer Schläfenbogen; o Augenhöhle; ob Orbito-Temporal- bogen; ol obere Schläfenlücke; pb Posttemporalbogen; pgı Quadratum (in Fig. 40 mit einem Loch); pg2 Pterygoid; sb oberer Schläfenbogen ; sl seitliche Schläfenlücke (in Fig. 41 unten offen); tr Trans- versum; % Unterkiefer. Posttemporalbogen kann man passend unterscheiden: einen unteren Abschnitt, dem das Palatoq. (Quadratum) anliegt und welcher die seitliche Schläfenlücke hinten begrenzt, und einen oberen, der die hintere Begrenzung der oberen Schläfenlücke bildet; an der Grenze beider heftet sich das Ende des Paroceipitalteiles an. An der Unterseite des Schädels bemerkt man dieselben Öffnungen 264 J. E. V. Boas wie bei den Cotylosauriern und Pelycosauriern. Die Pteroceipital- lücke ist eine enge Spalte. Die Mediopalatinlücken sind mäßig groß, durch eine schmale Basisphenoidkante getrennt. Die bereits bei den Cotylosauriern und Pelycosauriern erwähnte laterale Gaumenlücke ist als eine ziemlich enge Spalte jederseits ent- wickelt; sie ist seitlich vom Maxillare, mediad vom Palatinum, hinten vom Transversum begrenzt. Ich war zunächst der Auffassung, daß m Mn. N | I; \ | | | a TAN N INN NUN Schädel von Sphenodon von der Unterseite. bp Basipterygoidfortsatz; c Condylus oceip.; co Gehör- knochen; d unterer Rand des{Schläfendaches; g Kiefergelenkfläche; «db unterer Schläfenbogen; im Inter- maxillare; 2! laterale Gaumenlücke; m! Mediopalatinlücke; mx Maxillare; an Choane; po Paroceipitalteil; pgı Quadratbein; pg2 Flügelbein; pg3 Gaumenbein; p£l Pteroceipital-Lücke; tr Transversum; «ö untere Schläfenöffnung; vo Vomer. diese Lücke als eine neue, selbständige Durchbrechung des Gaumen- daches aufzufassen wäre. Aber durch diese Öffnung tritt bei den Reptilien — soweit Untersuchungen vorliegen; für Sphenodon sind mir keine bekannt — ein sich in der Gaumenhaut verästelnder Zweig des zweiten Trigeminusastes, der Gaumennerv, der bei den Anurent durch die große Gaumenöffnung, die Mediopalatin- lücke, passiert, und die neue Lücke der Reptilien muß demnach als 1 Es ist der von GAUPP (ECKER-WIEDERSHEIM, Anat. d. Frosches, 2. Aufl., 2. Bd., 5.139) als Ramus communicans c. N. palat. bezeichnete Trigeminusast. Der N. palatinus von Gaupr ist ein Facialisast, der uns weiter nicht angeht. ee ee ee Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 265 ein abgetrennter Teil der Fig. 43. Mediopalatinlücke aufgefaßt werden!. Überraschend ist es allerdings, daß die late- rale Gaumenlücke meist stark laterad gerückt ist — wenn sie auch bisweilen im Palatoq. liegt, nicht wie bei Sphenodon und an- deren auf der Grenze von Palatog.. und Maxillare; und irgendeine Andeutung von dem ursprünglichen Zusammenhang mit .der Mediopalatinlücke scheint Schädel (ohne Unterkiefer) von hinten von Fig. 43. Sphenodon. Fig. 44. Saurier. Fig. 45. Boa constrictor. bp Basipterygoidfortsatz (erreicht bei der Schlange nicht das Pterygoid); c Con- dylus oceip.; co Gehörknochen; f Hinter- hauptsloch; g Kiefergelenkfläche ; Aö hin- tere Schläfenöffnung; 2 Loch im Qua- dratum bei Sphenodon ; pb Posttemporal- bogen; poParoceipitalteil ; pgı Quadratum ; pq2 Pterygoid; pg'z seitlich und ventral gerichteter Fortsatz desselben (liegt weit vorn); ptl Pteroceipital-Lücke (in Fig, 43 zu deutlich dargestellt; um dieselbe so deutlich zu sehen, muß man das Präparat mehr von unten betrachten); sb oberer Schläfenbogen (ganz verkürzt gesehen). 1 Über den (zuweilen durch mehrere Ästchen vertretenen) Gaumennerv, den ich bei Repräsentanten der Reptilien und Vögel untersucht habe, ist an dieser Stelle folgendes zu bemerken: Bei Metapoceros (Saurier) gehen vom Infraorbitalnerv (FISCHER) — der unterhalb des Auges ungefähr horizontal von hinten nach vorn verläuft — zwei Gaumennerven zur Gaumenhaut durch die laterale Gaumenlücke (was FISCHER, Gehirnnerven der Saurier, als Ramus palatinus bezeichnet, ist nicht unser Nerv, sondern ein Facialis-Ast). Bei Chelydra (Schildkröte) ist unser Gaumennerv durch einen feinen durch die kleine laterale Gaumenlücke hindurchtretenden Trigeminus-Zweig re- präsentiert. — BoJanus, Anatome Test. Europ., sagt über unseren Gaumennerv 266 J. E. V. Boas nirgends nachweisbar zu sein. Das Verhalten der Nerven dürfte aber schwierig eine andere Deutung zulassen. — Die mutmaßliche allmähliche Entstehung derselben ist durch die Fig. 4 3; illustriert. An Sphenodon schließen sich im ganzen die Saurier an, die aber dadurch abweichen, daß der untere Schläfenbogen verschwunden Fig. 46, Fig. 47. Schädel von Varanus arenarius, von der Schädel von Amphisbaena alba, von der Unterseite. Unterseite. an äußere Nasenöffnung; bp Basipterygoidfortsatz; c Condylus oceip.; co Gehörknochen (in Fig. 47 ist nur der knöcherne Teil gezeichnet, der größere knorpelige Abschnitt fortgelassen); g Kiefergelenk- fläche; m Intermaxillare; ll laterale Gaumenlücke; mi Mediopalatinlücke; mx Maxillare; » Choane; ob Orbito-Temporalbogen ; po Paroceipitalteil; pgı Quadratum; pg2 Pterygoid; pg3 Palatinum; pZl Pter- oceipital-Lücke; Zr Transversum; vo Vomer. folgendes. Tab. X, Fig. 25B: »n Foramen palatinum posterius [= Laterale Gaumenlücke]; nervum palatiuum, e quinto pari ... transmittens«. Tab. XXVI, Fig.130 und 147: »% 6. Ramus palatinus posterior. Per foramen palatinum posterior ... descendens atque ramis pluribus in palati membrana sparsis, ad in- eisivam usque regionem excurrens«. Bei Orocodilus entspringen von dem zweiten Trigeminus-Ast mehrere feine Zweige, die nach unten um die große Muskelmasse herum verlaufen, welche die laterale Gaumenlücke ausfüllt; nachher vereinigen sich diese Zweige zu einem Nerv, unserem Gaumennerv, der sich nach vorn begibt; der Nerv verläuft dicht an der Zahnreihe, zuerst zwischen der Schleimhaut und der Muskelmasse, später zwischen der Schleimhaut und der ventralen Seite des Maxillare. Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 267 ist. Der untere Abschnitt des Posttemporalbogens, an den sich bei Sphenodon das Quadratum legt, fehlt ebenfalls, das Quadratum und das Ende des Paroeeipitalfortsatzes heften sich an das untere Ende des oberen Abschnittes des Posttemporalbogens. Die Medio- palatinlücke ist bei einigen Formen ebenso bescheiden entwickelt wie bei Sphenodon oder noch enger, bei anderen dagegen ist es eine sehr große Öffnung. Die schmale Sphenoidalkante, welche die Mediopalatinlücken trennt, liegt manchmal, bei Betrachtung des Sehädels von der Unterseite, etwas tiefer als die Palatoquadrata, so daß beide Lücken gewissermaßen zu einer unpaaren zusammenfließen. Die laterale Gaumenlücke und auch die Pteroceipital-Lücke sind srößer als bei Sphenodon. Nicht unwesentliche Modifikationen des beschriebenen Typus findet man bei manchen Sauriern. Bei nicht wenigen Formen ist die obere Schläfenlücke völlig, oder fast völlig, durch eine knöcherne Platte ausgefüllt, die durch eine Verbreiterung des oberen Schläfenbogens und des Post- temporalbogens sowie der die f 1% obere Schläfenlücke medial begrenzenden Teile des Schä- dels entstanden ist; die Kno- chen, die hierbei in Frage kommen, sind Parietale und Postfrontale. Die Ausfüllung der oberen Schläfenlücke ist an den von mir untersuchten Formen meist keine völlige; 06 AFEERS LJRUNN® bei Lacerta ist z. B. meist eine kleine Lücke dicht bei der hinteren lateralen Ecke der Platte offen bewahrt; ein ähn- liches Loch fand ich auch bei Tracehysaurus. Größer noch MB Schädel von Lacerta ocellata von der Seite und etwas von oben. Trommelfell ist sitzen geblieben. cc Columella eranii; co Ende des Gehörknöchelehens im Trommelfell; ob Orbito- Temporalbogen: ol’ Rest der oberen Schläfenlücke; pa Parie- tale; pf Postfrontale; pgı Rand des Quadratum (Rahmen des Trommelfelles); pg2 Pterygoid; pg3 Palatinum; 9) Quadrato- jugale; sg Squamosum; # Trommelfell. Die Furchen auf der ist der Lückenrest bei Seancus und auch bei Pseudopus und bei Anguwis. Dagegen ist die obere Schläfenlücke vollständig geschlossen bei Oyelodus. Ich kann nicht daran zweifeln, daß wir es in dem genannten Verschluß der oberen Schläfenlücke mit einer sekundären Erscheinung zu tun haben, d.h. daß die Gattungen, die einen solchen besitzen, von Formen mit offener oberer Schläfenlücke abstammen: eine große obere Schläfenlücke ist ja schon bei den Rhynchocephalen, von denen die Saurier ohne Zweifel abzuleiten sind, ausgebildet. Mit Hautverknöche- rungen hat dieser sekundäre Verschluß der Schläfenlücke nichts zu tun; er ist durch selbständige Verbreitung gewisser, auch bei anderen Sauriern vorhandener Knochen entstanden. Bei allen oben erwähnten Formen mit sekundärem Schläfendach ist letzteres wieder mit Hautverknöcherungen überdeckt, die je einer Schuppe oder einem Schild angehören. Bei einigen — ich fand es derart Oberfläche der Schädelknochen entsprechen den Grenzen der Schilder. 268 J. E. V. Boas bei Traehysaurus, bei Sceineus und Cyelodus — liegen die betreffenden Haut- knöchelehen den uns interessierenden Teilen des Kopfskeletes einfach an und können von denselben abgelöst werden, wenn sie auch manchmal recht innig anhaften; in anderen Fällen, bei Laceria, sind sie aber mit den Knochen des sekundären Daches verschmolzen, bilden eine oberflächliche Schicht der- selben. Eine andere Modifikation, die bei einigen Sauriern vorkommt, ist eine Rückbildung gewisser Schläfenbogen. Bei den Varanen hat der Orbito- temporalbogen eine Unterbrechung, ist jedoch in seiner größten Ausdehnung erhalten. Bei den Geckonen fehlt er fast völlig, und hier ist auch der obere Schläfenbogen weggefallen, so daß von den Schläfenbogen nur noch der Post- temporalbogen übriggeblieben ist. Über das Verhalten der Schläfenbogen bei den Amphisbänen vgl. unten. Eigenartig ist das Verhalten des Posttemporalbogens bei Chamaeleon. Ge- wöhnlich ist derselbe bei den Sauriern größtenteils von einem mächtigen seitlichen Fortsatz des Parietale gebildet, der nach außen und hinten gerichtet ist und Fig. 49. Ir A: % 12 Schädel von Chamaeleon pumilus, von der Seite. Derselbe von hinten. bp Basipterygoidfortsatz; c Condylus oceip.; co Gehörknöchelchen, distales Ende abgeschnitten; f Fo- ramen magnum; g Gelenkfläche für den Unterkiefer; pa Parietale; pa’ seitlicher Fortsatz desselben (Teil des Posttemporalbogens); pa" splitterförmige Fortsetzung des letzteren innerhalb des Quadrato- jugale; pb Posttemporalbogen; po Paroceipitalfortsatz; pgı Quadratum; pg2 Pterygoid; gj Quadrato- jugale; sb oberer Schläfenbogen; sqg Squamosum; Zr Transversum. sich fast bis an das Quadratum erstreckt, und dem sich unten das nicht be- sonders stark ausgebildete Squamosum anlegt. Bei Chamaeleon vulgaris und anderen Arten der Gattung (nicht bei allen, vgl. unten) ist dieser Fortsatz des Parietale gänzlich verschwunden und an dessen Stelle ist ein mächtiger Fortsatz des Quadratojugale — das sich sonst nur bis an das Quadratum erstreekt — eingerückt; dieser Fortsatz ist nach oben und hinten gerichtet und heftet sich an einen langen unpaaren, bald platten, bald zusammengedrückten Fortsatz des Parietale, der sich nach hinten oder nach oben und hinten erstreckt. Dem Fortsatz des Quadratojugale legt sich unten das Squamosum an. Es besteht also beim Chamäleon der Posttemporalbogen; ein anderer Deckknochen ist aber an Stelle desjenigen eingerückt, der gewöhnlich die Hauptmasse des Bogens bildet. Es ist dies ein interessantes Beispiel von der untergeordneten mor- Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 269 phologischen Bedeutung der einzelnen Deckknochen: dasselbe morphologische Element, in diesem Falle der Posttemporalbogen, enthält in dem einen Fall einen, in dem anderen einen ganz anderen Deckknochen; ähnliches, wenn auch weniger augenfällig, sieht man übrigens mannigfach. Bei der zu den Chamaeleon- tiden gehörenden Gattung Brookesia — die ich leider nicht selbst untersuchen konnte, sondern nach der Beschreibung SIEBENROCKs! beurteilen muß —, ist das Parietale hinten fast gar nicht verlängert, sein hinterer Teil ist fast ebenso breit wie das übrige und seine hinteren Ecken sind in ein Paar Fortsätze verlängert wie bei anderen Sauriern. Diese Fortsätze (p.p. in SIEBENROCKS Figuren) verbinden sich distal mit dem Fortsatz des Quadratojugale (von S. un- richtig als Jugale, j, bezeichnet), so daß der Posttemporalbogen also hier nur halbwegs von dem Quadratojugale eingenommen wird. Bei gewissen Ohamaeleon- Arten findet man ähnliches. Bei Ch. pumilus?, den ich selbst habe untersuchen können (Fig. 49—50), entsendet das Parietale, das an der betreffenden Stelle fast ebenso breit ist wie weiter vorn>, seitlich einen Fortsatz, der sich mit dem Qua- dratojugale verbindet, so daß der Posttemporalbogen von denselben Teilen zu- sammengesetzt ist wie bei Drookesia; der Fortsatz ist beim ersten Anblick kürzer als bei letzterer, indem die Außenseite des Posttemporalbogens zum größeren Teil von dem Quadratojugale gebildet wird; in der Tat erstreckt sich jedoch der Parietalfortsatz fast bis zum unteren Ende des Posttemporalbogens, indem er als ein starker Knochensplitter die Innenseite des Quadratojugale bekleidet. Von Ch. pumilus kann man somit sagen, daß der Posttemporalbogen wie bei anderen Sauriern fast in seiner ganzen Ausdehnung vom Parietalfortsatz ge- bildet ist, nur ist dieser größtenteils von dem Quadratojugale außen bedeckt. Es ist unschwer zu verstehen, wie aus einem solchen Zustand derjenige der ge- wöhnlichen Chamäleonten sich ausbilden konnte. Innerhalb dieser finde ich übrigens bei einer von mir untersuchten Art (Ch. dilepis oder einer verwandten) insofern einen leisen Anklang an das ursprüngliche Verhalten bewahrt, als der unpaare Fortsatz des Parietale, der platt, nicht wie bei Ch. vulgaris seitlich zusammengedrückt ist, sich hinten in zwei ganz kurze seitliche Fortsätzchen ausdehnt, die sich mit dem Quadratojugale verbinden, das übrigens hier den ganzen Posttemporalbogen bildet. — Von anderen Eigentümlichkeiten des Cha- mäleontiden-Schädels nennen wir, daß das Pterygoid weniger innig mit dem Quadratum als gewöhnlich verbunden ist (ein bindegewebiger Streifen trennt beide, übrigens ist der Abstand zwischen ihnen nicht groß). Weitaus am größten unter den von mir untersuchten Sauriern ist die Eigentümlichkeit des Schädels bei den Amphisbänen (ich untersuchte Amphes- baena alba, Fig. 47 u. 52). Sämtliche Schläfenbogen sind hier geschleift: Orbitotemporalbogen (von welchem unten ein Fortsätzchen übriggeblieben ist), oberer Schläfenbogen und Posttemporalbogen spurlos; das ganze Schläfendach ist also verschwunden. Der Paroceipitalfortsatz, mit dem das Quadratum sich so- 1 Das Skelet von Brookesia supereiliaris, in: Sitzungsber. d. K. Akad. Wien, Math.-nat. Cl., Bd. CII, Abt. 1 (Jahrg. 1893), S. 71. 2 Vgl. die sehr schön gezeichneten, wissenschaftlich aber trotzdem nicht ganz genügenden Figuren in KITCHEN PARKERs Abhandlung über den Cha- mäleontiden-Schädel in Trans. Zool. Soc. Vol. XI, Pl. 15. 3 Hinter dieser Stelle setzt sich das Parietale bei Ch. pumilus mit einer sich allmählich verschmälernden Endpartie fort (Fig. 49), die für uns ohne In- teresse ist; sie fehlt bei den übrigen. 270 J. E. V. Boas mit allein verbindet, ist sehr kurz; das Quadratum ist mit seinem distalen Ende nach vorn (nicht wie sonst nach unten) gerichtet; der Basipterygoidfortsatz ist ganz verkürzt, die Verbindung desselben mit dem Palatoquadratum jedoch die gewöhnliche; es ist eine kleine, aber sehr wohl ausgeprägte Pteroceipital-Lücke vorhanden, desgleichen eine deutliche spaltförmige Mediopalatinlücke; auch die laterale Gaumenlücke fehlt nicht, ist aber nur ein feines Loch. Schädel eines großen Leguans nach Entfernung des Orbito- Temporalbogens, des oberen und des unteren Schläfenbogens. Erklärung siehe Fig.53. Hier abgedruckt zum Vergleich mit c9 [2 Schädel von Amphisbaena alba von der linken Seite. Außer den in Fig. 51 weggenommenen Bogen ist noch der Posttemporalbogen in Wegfall gekommen. c Condylus oceip.; co Gehörknochen (knorpeliger Teil fortgelassen); fr Frontale; y Kiefergelenkfläche; os Occipitale superius; pa Parietale; po Par- oceipitalteil; pgı Quadratum; pq2 Pterygoid; ptl Pteroceipital-Lücke; ir Transversum. Die den Sauriern eng verwandten Schlangen sind im Vergleich mit dem gewöhnlichen Sauriertypus bedeutend modifiziert. Das Schläfendach ist weiter rückgebildet: außer dem unteren Schläfen- bogen, der ebenso wie bei den Sauriern weggefallen ist, fehlt auch der obere Schläfenbogen. Dagegen ist der Posttemporalbogen als Träger des Palatog. übrig geblieben, eine Verbindung des Posttem- poralbogens oder des Quadratum mit dem Paroceipitalteil ist aber bei den Schlangen nicht mehr vorhanden, indem letzterer stark verkürzt wurde und jene nicht erreicht (Fig. 45). Außer dem Posttemporal- bogen ist auch der Orbitötemporalbogen (die hintere Umgrenzung der Augenhöhle) bewahrt, der aber unten unvollständig sein kann. Indem die Verbindung der Paroceipitalpartie mit dem Post- Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 271 temporalbogen weggefallen ist, läuft die hintere Schläfenöffnung bei den Schlangen mit der Pteroceipital-Lücke zusammen (Fig. 56). Letztere, die sehr weit und offen ist, steht nach vorn zu wieder mit der Mediopalatinlücke in offenem Zusammenhang, da das Palatoq. sich nicht der Schädelbasis anlegt; auch die Choanen laufen mit den Mediopalatinlücken zusammen, indem die bei den Sauriern vor- Fig. 53. Schädel eines großen Leguans (vgl. Fir. 41) nach Entfernung des Unterkiefers, des Orbito-Tem- poralbogens, des oberen und des unteren Schläfenbogens (sn Schnittflächen). Fig. 54. TI Schädel (ohne Unterkiefer) von Boa constrictor. Gemeinsame Bezeichnung: an Nasenloch; b Bindegewebe; cc Columella eranii; co Gehörknochen; g Kiefergelenkfläche; kn Nasenknorpel; ob Orbito-Temporalbogen; os Oecipitale superius; pb Posttem- poralbogen; po Paroeccipitalteil; pq; Quadratum; pga Pterygoid; rs Rostrum sphen.; sn Schnittfläche; tr Transversum; ve Verkalkungen bezw. Verknöcherungen in der Interorbitalplatte und in der Vorder- wand der Schädelhöhle. handene Verbindung des Gaumenbeins mit dem Vomer fehlt. Die laterale Gaumenlücke verhält sich dagegen bei den Schlangen im allgemeinen ähnlich wie bei den Sauriern. Ein Vergleich der jetzt lebenden Krokodile mit Sphenodon er- gibt bezüglich der uns interessierenden Punkte des Schädels zwar einen sehr hübschen Anschluß, andererseits aber manche eigentümliche Ausbildung. Die Schläfenbogen sind alle vorhanden. Der untere Abschnitt des Orbitotemporalbogens ist ein kräftiger Knochenpfeiler, dessen laterale Fläche etwas tiefer liegt als die Oberfläche der angrenzen- 12 J. E. V. Boas den Knochenpartien. Der obere Abschnitt desselben Schläfenbogens (ob’) ist ganz kurz unl breit, liegt in demselben Niveau wie die angrenzenden Knochenflächen. Auch der obere Schläfenbogen ist sehr kurz, der untere Schläfenbogen dagegen länger. Der obere Abschnitt des Posttemporalbogens ist eine kurze breite Brücke und die von demselben oben begrenzte hintere Schläfenöffnung Fig. 56. Schädelvon Varanusarenarius von der Unterseite. Schädel von Boa constrictor von der Unterseite. Beide ohne Unterkiefer. bp PBasipterygoidfertsatz; ce Condylus oceip.; co Gehörknochen; g Kiefergelenkfläche; zın Inter- maxillare; 1} laterale Gaumenlücke; ml Mediopalatinlücke; »nx Maxillare; » Choane; ob Orbito-Tem- poralbogen; pb Posttemporalbogen (bei dem Saurier ist dieser Bogen von dem bei den Schlangen fehlen- den Paroceipitalfortsatz gedeckt); po Paroceipitalteil; pgı,3,,3 Quadratum, Pterygoid, Palatinum; ptl Pteroceipital-Lücka; rs Rostrum sphenoidale; sp Spalte; &r Transversum; 6 untere Schläfenöffnung, hier eine Bucht, indem die äußere Begrenzung (der untere Schläfenbogen) fehlt; v Vomer. — Die Choane, die Mediopalatinlücke und die Pteroceipital-Lücke fließen bei der Schlange alle zusammen, erstere außerdem noch mit einer Spalte sp zwischen dem Palatinum und dem Maxillare und zwischen letzterem und dem Vomer. „ ist klein und von oben nach unten stark zusammengekniffen, so daß man selbst an recht großen Schädeln nur eine Borste durch dieselbe hineinführen kann. Etwas komplizierter, aber schließlich doch sehr klar, liegen die Verhältnisse in bezug auf die Pteroceipital-Lücke, von welcher man zunächst den Eindruck hat, daß sie bei den Krokodilen völlig verschwunden ist. Wir müssen zuerst sehen, wie sich Sphenodor und die Saurier in bezug auf die genannte Region verhalten. Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 273 Wenn man den Sphenodon-Schädel von hinten betrachtet (Fig. 58), hat man oben jederseits den Posttemporalbogen, dann, durch die große hintere Schläfenöffnung davon getrennt, die Paroceipitalfortsätze, die sich an ihrem distalen Ende mit dem Posttemporalbogen ver- binden. Unterhalb des Paroceipitalfortsatzes haben wir die Colu- mella auris liegen; vor letzterer liegt das Quadratum, dessen äußerer Rand den vordersten Teil des Rahmens bildet, der das Trommelfell umgibt, an welches sich das distale Ende der Columella heftet; die Pteroceipital-Lücke ist eine ziemlich enge Spalte. Bei den Sauriern (Fig. 59) liegen die Verhältnisse sehr ähnlich; die unterhalb des Paroceipitalfortsatzes befindliche Schädelpartie springt aber stärker hervor und verdeckt den proximalen Teil der Columella; die Pter- oceipital-Lücke ist größer. Fig. 57. Schädel (ohne Unterkiefer) eines Alligators, von der Seite. au Nasenloch; bo Borste, die unter- halb des Posttemporalbogens durch die hintere Schläfenöffuung und die obere Schläfenlücke geführt ist; g Kiefergelenkfläche; b unterer Schläfenbogen; o Augenhöhle; ob unterer, ob’ oberer Abschnitt des Orbito-Temporalbogens; ol obere Schläfenlücke; pb Posttemporalbogen; po Paroceipitalteil; pgı Quadratum; pg2 Pterygoid; sb oberer Schläfenbogen; sl seitliche Schläfenlücke; Zr Transve.sum. Bei den Krokodilen (Fig. 61) hat nun folgendes stattgefunden. Es hat sich der Paroeeipitalfortsatz abwärts, hinter der Columella, aus- gedehnt und sich an das Quadratbein und das Basisphenoid derartig gelegt, daß die Columella von hinten gar nicht zu sehen ist. Nur ein kleines Loch — also ein Überrest der Pteroeeipital-Lücke — ist zwischen dem Paroceipalfortsatz und dem Quadratum übrig geblieben, in welchem ein kleiner Muskel liegt, der vom Schädel entspringt und sich an den Unterkiefer hinter dem Gelenk heftet; der Muskel ist hauptsächlich sehnenartig, enthält nur oben eine geringe Menge Muskelfasern (also ein rudimentärer »Depressor mandibulae«). Bei Sphenodon ist die Pteroceipital-Lücke auch sehr eng, das Quadratum nähert sich aber hier dem Paroceipitalfortsatz vor der Columella auris. Von den großen Offnungen auf der Unterseite des Schädels RN 1 Q je P ? Ih H Pr Van Schädel von: Fig. 58 Sphenodon, Fig.59 Saurier, Fig. 60 Belodon (nach Me GrEcor, The Phyto- sauria; in: Mem. Amer. Mus. Nat. Hist. Vol. IX, Part 2), Fig. 61 Alligator, alle von hinten und et- was von oben gesehen. bp Basipterygoidfortsatz ; ce Condylus oceip.; co Co- lumella; y Kiefergelenk- fläche; Rö hintere Schlä- fenöffnung; 7 Loch im Quadratum; ob Orbito- Temporalbogen; ol obere Schläfenlücke; pb Post- temporalbogen; po Par- oceipitalteil; pgı Quadra- tum; pge Flügelbein (ein Teil des Flügelbeines ist bei den Krokodilen den hinteren Schädels und somit von hinten Partien des angeschmiegt nicht zu sehen) ; pg’z seit- licher Fortsatz des Flügelbeines; pil Pter- oceipital-Lücke (ist bei Sphenodon in der gewähl- ten Stellung nicht zu Quadrato- jugale; s Schädel; sb sehen); gj oberer Schläfenbogen; t Trommelfell; Zr Trans- versum. Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 275 fehlen die Mediopalatinlücken gänzlich, indem die beiderseitigen Gaumenbeine und Flügelbeine in der Mitte zusammengetreten sind. Weiter haben die Zwischen- und Oberkieferbeine, die Vomera, die Gaumen- und Flügelbeine eine doppelte, von dem Primordialschädel unabhängige, unterhalb des letzteren gelegene Röhre gebildet, die die Choanen aufgenommen haben, so daß die inneren Nasenöffnungen sich ganz hinten befinden. Die lateralen Gaumen- öffnungen sind groß wie bei manchen Sauriern, die unteren Schläfenöffnungen verhalten sich wie bei Sphe- nodon. Wie zu erwarten, ver- halten sich die Teleosauri- den in bezug auf die hier hervorgehobenen Punkte, wenn sie sich auch im ganzen den jetzt lebenden Kroko- dilen anschließen, doch et- was ursprünglicher als letz- tere. An Pelagosaurus-Schä- deln, die ich in München und in London untersuchte, war die Pteroceipital-Lücke bedeutend größer als bei den rezenten Krokodilen, ebenso wie die obere Schlä- fenlücke weitaus größer war; und es ist ja längst bekannt, Schädel von Hystriosuchus planirostris (Parasuchia) von ß [ .. S 2 der Unterseite; vorderstes Ende fortgelassen. bp Basi- da die Flügelbeine der pterygoidfortsatz; ce Condylus oceip.; d unterer Rand des Teleosauriden nicht an der Schläfendaches; y Kiefergelenkfläche; «d unterer Schläfen- £ ‚2 bogen; im Intermaxillare; 22 laterale Gaumenlücke; Begrenzung der Nasenröhren ml Mediopalatinlücke; mx Maxillare,; n Choane; po Par- teilnehmen; auch kann an- oceipitalteil; pgı 3 Quadratum, Pterygoid, Palatinum; füh sd d ß der ptl Pteroceipital-Lücke; rs Rostrum sphenoidale; Zr Trans- seru rt werc en, a er versum; «6 untere Schläfenöffnung; vo Vomer. — Nach untere Teil des Orbitotempo- Me GREGOR, The Phytosauria; in: Mem. Amer, Mus. Nat. A x h - Hist. Vol. IX. Part 2. ralbogens nicht wie bei den Krokodilen sich von dem oberen Teil abweichend verhält, sondern in demselben Niveau mit diesem liegt und dieselbe grubige Ober- fläche besitzt. In der Öbliteration der Mediopalatinlücken stimmen Morpholog. Jahrbuch. 49. 19 Fig. 62. 276 J. E. V. Boas die Teleosauriden aber mit den Krokodilen überein; auch ist die hintere Schläfenöffnung ebenso eng wie bei den Krokodilen. Noch viel näher dem Sphenodon-Schädel steht der Schädel der Parasuchiat (Fig. 62), den ich im Stuttgarter Museum untersuchen konnte? Namentlich ist hervorzuheben, daß die Mediopalatin- lücke hier vorhanden, nicht von dem Palatoq. gedeckt ist; die Lücke ist allerdings klein, aber deutlich genug. Die Choanen sind ganz frei, nicht von den Gaumenbeinen gedeckt. Übereinstimmend mit den Crocodilien ist die sehr geringe Größe und spaltenförmige Gestalt der hinteren Schläfenöffnung (Fig. 60). Die Pteroceipital- Lücke ist recht wohlentwickelt, die lateralen Gaumenlücken sind kleiner als bei den Crocodilien. Bei den wenigen Dinosauriern, bei denen die Unterseite des Schädels ordentlich bekannt ist, schließt der Schädel sich in den uns hier interessierenden Punkten an Sphenodon an. Es sind dieselben Lücken oben und unten vorhanden. Ein Unterschied liegt darin, daß dieChoanen unter gleichzeitiger starker Ausdehnung desSchnauzen- teiles des Schädels sich weiter nach hinten verschoben haben, so daß sie zwischen den lateralen Gaumenlücken Platz gefunden haben. Auch ist die Pteroceipital-Lücke ebenso wie bei den Sauriern größer als bei Sphenodon (Fig. 63). Bei den von den Dinosauriern abzuleitenden Vögeln? sind die Choanen ebenso wie bei diesen nach hinten gerückt und liegen zwischen den lateralen Gaumenlücken; der Schnauzenteil des Schädels ist mächtig verlängert. Die laterale Gaumenlücke ist mit der unteren Schläfenöffnung vereinigt‘, unter Wegfall der Os transversum. Im übrigen verhält sich die Unterfläche wesentlich wie bei den Dino- 1 Wenn ich diese Gruppe hier in Verbindung mit den Crocodilien behandle, geschieht es, weil ich vorläufig nieht den Gedanken einer Verwandtschaft mit letzterer Abteilung aufgeben kann — ein Gedanke, der bekanntlich nicht mehr in Kurs ist. 2 Vgl. auch die prächtigen Figuren in der z. T. auf Stuttgarter Material ausgearbeiteten Abhandlung von Me. GREGOR, The Phytosauria with esp. Refer. to Mystriosuchus and Rhytidiodon; in: Mem. Amer. Mus. Nat. Hist. Vol. IX, Part 2, 1906, p. 29ff. 3 Vgl. meine Ausführungen in »Kultur der Gegenwart«, oben S. 230 zitiert. 4 Daß die laterale Gaumenlücke mit der unteren Schläfenöffnung vereinigt ist, ergibt sich auch daraus, daß durch die große Öffnung der Gaumennerv hindurchtritt. (Von mir bei Rhea untersucht, bei welcher ein starker Gaumen- nerv sich weit hinten von dem Infraorbitalnerv abzweigt und durch die große Öffnung nach der Gaumenhaut hinaus begibt, um sich in letzterer zu verzweigen.) Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 277 sauriern: es sind große oder jedenfalls deutliche Mediopalatinlücken vorhanden; ebenfalls große Pteroceipital-Lücken, von jenen durch kürzere oder längere Basipterygoid-Fortsätze geschieden bzw., wenn die Basipterygoid-Fortsätze fehlen, mit den Mediopalatinlücken zu- sammenfließend. Dagegen sind die auf das Schläfendach bezüglichen Verhältnisse sehr modifiziert (Fig. 66). Die hintere Schläfenöffnung ist geschlossen! und damit der obere Abschnitt des Posttemporalbogens Fig. 63. Fig. 64. Fig. 63. Schädel eines Dinosauriers, Diplodocus longus, von der Unterseite. — Nach MaAzsu, The Dinosaurs of N. America; in: 16th Annual Report of the U.S. Geolog. Survey, Part I, p. 177. Fig. 64. Schädel eines Tinamu, Rhynchotus rufescens, von der Unterseite, bp Basipterygoidfortsatz; c Condylus oceip.; d unterer Rand des Schläfendaches; g Kiefergelenk- fläche; ?b unterer Schläfenbogen; im Intermaxillare; 12 laterale Gaumenlücke; ml Mediopalatinlücke; mx Maxillare; » Choane; po Paroceipitalteil; pgı Quadratum; pg2 Pterygoid; pgs Palatinum; pil Pter- ocejpital-Lücke; rs Rostrum sphenoidale; fr Transversum; «ö untere Schläfenöffnung; v» Vomer. ı Es könnte eventuell fraglich erscheinen, ob es nicht richtiger wäre, zu sagen, daß der obere Abschnitt des Posttemporalbogens weggefallen sei. Ich glaube aber, daß in der Tat die hintere Schläfenöffnung geschlossen ist, oder — was dasselbe ist — daß der obere Abschnitt des Posttemporalbogens an- gewachsen ist, da das Squamosum, das z.B. bei Sphenodon, und wohl auch bei den Dinosauriern, einen wesentlichen Teil des oberen Abschnittes des Post- temporalbogens ausmacht, bei den Vögeln, wohl entwickelt, dem Schädel an- geschmiegt ist. 19% 278 L i Schädel von Anchisaurus colurus, von der Seite. — Nach Marsı, The Dinosaurs of N. America; in: 16th Annual Report of the U.S. Geolog. Survey, Part I, Pl. 2. Fig. 66. Fig. 67. £ ZÜG; u AWARPOE 2 an \ KL GR? UTW \ HH ; N G H Y NY, TER WIND, DIDÄTEE, GEZEN N a an 2nE ng m är ee N Ri: g [" Pla: p% [# db Schädel (ohne Unterkiefer) von Rhynchotus rufescens, von der Seite. Gemeinsame Bezeichnung: an Nasenloch; 9 Kiefergelenkfläche; «b unterer Schläfenbogen; o Augen- höhle; ob Orbito-Temporalbogen;, ol obere Schläfenlücke; ol -+sl obere und seitliche Schläfenlücke, miteinander verschmolzen; pbı oberer, pbz unterer Abschnitt des Posttemporalbogens; pgı Quadratum; pg2 Pterygoid; pgs Palatinum; pr Prüorbital-Lücke; sb oberer Schläfenbogen; sl seitliche Schläfen- lücke; ir Transversum; % Unterkiefer. Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw, bei den Dipnoern usw. 279 als selbständiger Bogen verschwunden. Auch fehlt der obere Schläfenbogen und von dem Orbito-Temporalbogen ist nur das obere Ende als ein frei hervorragender kürzerer oder längerer Fortsatz vorhanden. Der untere Abschnitt des Posttemporalbogens (ein Fort- satz des Squamosum), der bei den Dinosauriern vor dem Quadratum, diesem angelagert, liegt, ist auch bei manchen Vögeln vorhanden, aber dem Quadratum nicht so eng angelagert, und erstreckt sich nicht bis an den unteren Schläfenbogen; bei Arhea erreicht er üb- rigens fast diesen und andererseits gibt es Dinosaurier, bei denen er den unteren Schläfenbogen nicht erreicht. Der untere Schläfen- bogen ist als ein dünner Stab erhalten; der vordere Teil des als un- terer Schläfenbogen imponierenden Stabes ist übrigens in der Tat die äußere Begrenzung der lateralen Gaumenlücke (die mit der unteren Temporalöffnung verschmolzen ist). Vor der Augenhöhle findet sich eine Präorbital-Lücke wie bei den Dinosauriern; bei den Tinamus, den Straußen usw. ist ihre hintere Begrenzung vollständig, erreicht den unteren Schläfenbogen, bei anderen endigt der betreffende Knochenfortsatz unten frei, ohne den Schläfenbogen zu erreichen!. 1 Sekundär ist bei den Papageien dieser Knochenfortsatz mit dem Über- rest des Orbito-Temporalbogens verwachsen, so daß bei diesen ein vollständiger Knochenring das Auge umgibt — unabhängig von dem Schläfenbogen. Auch das untere Ende des Posttem- poralbogens ist bei den Papa- Fig. 68. geien mit diesem Knochenring verwachsen, so daß die Schläfen- grube auch von einem geschlosse- nen Ring umgeben ist. Ähnlich verhält sich Scolopax rusticola. — Bei Tetrao und anderen Hühner- vögeln sind die unteren Enden des Orbito-Temporalbogens und des Posttemporalbogens ebenfalls miteinander verwachsen; der Posttemporalbogen ist bei diesen weiter vom Quadratum abgebogen und schräg nach vorn gerichtet, Schädel (ohne Unterkiefer) von einem Papagei. a BE Free Fre ein Veranlassung gegeben hat, daß a obere und seitliche Se Dar union wir es hier mit einem »Oberen Abschnitt des Posttemporalbogens, hier mit dem hp und Schläfenbogen< zu tun haben; dem od zu einem Ring um das Auge verbunden; pgı Qua- bei den ursprünglichsten unter dratum ; pg2Pterygoid; pqz Palatinum; pr Präorbital-Lücke. den jetzt lebenden Vögeln, den Tinamus und den Straußvögeln, z. B. Rhea, ist dieser Fortsatz aber dem Quadratum enger angelagert und abwärts gerichtet und verhält sich ähnlich 280 J. E. V. Boas Die noch zu erwähnenden Sauropsiden haben alle, ebenso wie unter den vorhin erwähnten Gruppen die Pelycosaurier, nur eine Schläfenlücke. Bei den Ichthyosauren ist der unterhalb der großen Schläfen- lücke liegende Jochbogen sehr hoch und kurz (d. h. Abstand vorn — hinten gering). Es ist eine recht große hintere Schläfen- öffnung vorhanden, oben von einem Posttemporalbogen begrenzt. Unterhalb des Paroceipitalfortsatzes eine kleine Pteroceipitallücke. Die Mediopalatinlücken sind mächtig groß, durch ein schmales Sphenoidalrostrum voneinander getrennt. Die laterale Gaumenlücke ist mit der unteren Schläfen- öffnung zu einer Öffnung zu- sammengeflossen, die an dem dieser Darstellung zugrunde liegenden schönen Stück (33157 des Brit. Mus.) hinten breit, vorn schmal ist. Durch die exzessive Entwicklung der Zwischenkieferbeine sind die Choanen der Ichthyosauren scheinbar weiter als gewöhn- lich nach hinten gerückt. — Abgesehen von der Ver- schmelzung der lateralen Gaumenlücke mit der unteren Schläfenöffnung halten sich Schädel von Ichthyosaurus longifrons. ce Condylus oceip.; dr Rand des Schläfendaches; g Kiefergelenkfläche; die Ichthyosauren somit streng Il laterale Gaumenlücke ; ml Mediopalatinlücke; n Choane; an den Typus. po Paroceipitalfortsatz; pg2 Pterygoid; ptl Pteroceipital- E £ Lücke; wö untere Schläfenöffnung. — Nach Owen, A Der Schädel von Plesio- History of British Fossil Reptiles. London 1849—84. saurus hat ebenso wie der Vol. IV. P1.21. der Ichthyosauren nur ein Schläfenfenster. Die hintere Schläfenöffnung und die Pteroceipital- lücke sind wohlentwickelt. Die Mediopalatinlücken sind weit kleiner wie der untere Abschnitt des” Posttemporalbogens z. B. bei dem Dinosaurier Anchisaurus (Fig. 65), so daß es sicher kein oberer Schläfenbogen ist. Daß er sich bei einer mehr abgeleiteten Gruppe wie die Hühnervögel anders verhält, kann natürlich nicht entscheidend sein. Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 281 als bei den Ichthyosauren. An den von mir im British Museum untersuchten Stücken war es mir nicht möglich, mit Sicherheit zu entscheiden, ob eine gesonderte laterale Gaumenlücke vorhanden war oder nicht — d. h. ob eine Verschmelzung mit der großen unteren Sehläfenöffnung stattgefunden hat oder nicht —. Die Verhältnisse liegen somit auch bei den Plesiosauren recht einfach. Bei Nothosaurus habe ich an sehr gut erhaltenem Material weder eine laterale Gaumenlücke noch eine Mediopalatinlücke finden können; auch weisen die vorliegenden Abbildungen keine solche auf. Die hintere Schläfenöffnung und die Pteroceipital-Lücke haben sich ebenfalls geschlossen. — Falls diese Charaktere bei allen Nothosauriden vorhanden sind, können letztere nicht die direkten Ahnen der Plesiosauren sein, bei denen jedenfalls die Mehrzahl der genannten Öffnungen erhalten ist, so daß die Plesiosauren hierin ursprünglichere Verhältnisse darbieten als die Nothosauren. — Es ist wie bei den Plesiosauren nur ein Schläfenfenster vorhanden, dessen Größe enorm ist. Die Therapsiden, zu denen wir jetzt übergehen, schließen sich den Pelycosauriern an und haben ebenso wie diese nur eine Lücke im Schläfendach. In manchen Beziehungen sind sie aber weiter umgebildet. Fig. 70. Schädel eines Cynodonten, Cynognathus platyceps, von der Seite. an Nasenloch; hö hintere Schläfenöffnung; 5 Jochbogen; o Ausenhöhle; ol obere (einzige) Schläfenlücke; pb Posttemporalbogen. — Nach Broom, Struct. of the Skull in Cynodont Rept. in: Proc. Zool. Soc. 1911, Vol. 2. Wir betrachten zunächst die Cynodonten!. Den Üynodonten charakteristisch ist es, daß die Palatoquadrata sich 'der Unterseite des Schädels überall eng angelagert haben, so daß die Mediopalatin- i Vgl. Watson, Skull of Diademodon; in: Annals a. Magazine of Nat. Hist. 8. Ser. Vol. VIII, 1911, p. 293ff., und Broom, Struct. of the Skull in Cynodont Rept.; in: Proc. Zool. Soc. 1911. Vol. 2, p. 893£f. 282 J. E. V. Boas lücken geschlossen sind. Auch die Pteroceipital-Lücken sind klein geworden, sind aber immer noch vorhanden. Das Quadratbein ist stark rückgebildet; es liefert zwar den größeren Teil der Gelenk- fläche für den Unterkiefer, ein Teil der Gelenkverbindung wird 1 EA, \ % N N - \ TG A ii IL ls DIN pl Schädel eines Cynodonten, Diademodon Browni Watson (Gomphognathus minor Broom), von der Unterseite. c Condyli occipitales; d unterer Rand des Schläfendaches (Jochbogen); im Intermaxillare; li laterale Gaumenlücke; mx Maxillare; n Choane; pgı Quadratum; pg> Pterygoid; pgs Palatinum; pt Pteroceipital-Lücke; sg Squamosum; «ö untere Schläfenöffnung; v» Vomer. — Nach Broos, Skullin Cynodont Reptiles, in: Proc. Zool. Soc. Lond. 1911, Vol. 2. Fig. 72. I «IP RE REIIIy I\ III [% [22 Schädel von Diademodon Browni, von hinten. ce Condylus oceip.; cl Crista lambdoidalis (vgl. die Säuge- tiere); hö hintere Schläfenöffnung; j« Jugale (vorderes Ende des Jochbogens); o Augenhöhle (die ge- brochene Linie von o sollte sich bis zur senkrecht schraffierten Partie fortsetzen); pb Posttemporal- bogen; pgı Quadratum; pg2 seitlicher Fortsatz des Flügelbeines; sg Squamosum. — Nach demselben, Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 283 aber von dem Squamosum geliefert!. Die lateralen Gaumenöffnungen sind klein. Hervorzuheben ist noch, daß die Choanen von zwei in der Mitte zusammentreffenden Platten überdacht sind, die von den Oberkiefer-- und Gaumenbeinen entspringen und somit eine Strecke nach hinten gerückt sind. Es ist, wie bereits erwähnt, nur eine Schläfenlücke vorhanden; dieselbe entspricht der oberen Schläfenlücke derjenigen Reptilien, die zwei haben. Die Lücke ist hinten von einem, z. B. bei Cynognathus und Diademodon sehr mächtigen, hohen, plattenförmigen Post- Fig. 73. -' -Spoh 1, Schädel von Cynognathus crateronotus, halb von hinten und halb von unten gesehen. — Nach einer Skizze nach dem Original im Brit. Museum (verglichen wurde auch Serter in: Philos. Trans. Vol. CLXXXVI (B), p. 59ff.). ce Condylus oceip.; dr Rand des Schläfendaches; Aö hintere Schläfen- öffnung; pgı Quadratum; pgz2 Pterygoid; ptl Pteroceipital-Lücke; sph Sphenoid; sph + pq2 Sphenoid und Pterygoidea zusammengelegt; { mutmaßlicher Platz des Trommelfelles. temporalbogen, unten von einer breiten Platte, dem Jochbogen, begrenzt, welch letzterer dem oberen + dem unteren Schläfen- bogen von Sphenodon gleichkommt; vorn wird die Schläfenlücke 1 Nach Broom sollte das Pterygoid hinten unvollständig sein und das « Quadratum nicht erreichen. Ich halte das entschieden für nicht richtig. Ein Vergleich verschiedener Cynodonten-Schädel, darunter auch des von WATSON beschriebenen Diademodon-Schädels, z. B. mit Sphenodon, ergibt, daß die Kante, die BRoom als einen Teil vom Sphenoid in Anspruch nimmt, in der Tat — wie auch von WATson angenommen — der hintere Teil des Pterygoids ist. Sichere Suturen sind nicht an den betreffenden Stücken zu erkennen; daß aber die fragliche Partie ein Teil des Palatoq. ist, steht für mich außer Zweifel. 284 J. E. V. Boas von einem ÖOrbitotemporalbogen begrenzt. Während die untere Schläfenöffnung eine gewaltige Ausdehnung hat, ist die hintere Sehläfenöffnung, unterhalb des soeben erwähnten Posttemporal- bogens, eine recht bescheidene Öffnung: der Posttemporalbogen ist zum größten Teil an den Schädel festgewachsen. Bei den sich in manchen Beziehungen den Cynodonten an- schließenden, primitiveren Therocephaliern! ist nach dem, was ich durch Warson mündlich erfahren habe, noch die bei den Cyno- donten fehlende Mediopalatinlücke, wenn auch von bescheidener Fig. 75. zn AA En ON FURL NEN. Al ‚ii IN | au N " ol IA ZZ Fig. 74. Schädel von Zycosuchus (Therocephalier) von der Unterseite. Nach einer unpublizierten Skizze von Warson. c Condylus oceip.; d Rand des Schläfendaches; ll laterale Gaumenlücke; ml Mediopalatinlücke; n Choane; ptl Pteroccipital-Lücke; vö untere Schläfenöffnung. Fig. 75. Schädel eines Dieynodonten. Schema. Nach originalen Skizzen und älteren Figuren, c Condylus oceip.; g Kiefergelenkfläche; 1 laterale Gaumenlücke; m! Mediopalatinlücke; » Choane; pgı Quadratum; pg2 Pterygoid; p£l Pterocceipital-Lücke; vö untere Schläfenöffnung. Größe, vorhanden, ebenso wie auch die lateralen Gaumenlücken weit, größer sind als bei den Cynodonten. Solehes gilt jedenfalls der von Warson bearbeiteten Gattung ZLycosuchus; auch sind die Choanen nicht von einem sekundären Gaumendach wie bei jenen verdeckt. 1 Vgl. Watson, On some Features of the Structure of the Therocephalian Skull; in: Ann. Mag. Nat. Hist. 8. Ser., Vol. XI, p. 65—79, 1913. Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 285 Der Schädel der Anomodontia (Dieynodontia)!, die einen durch Reduktion des Gebisses usw. ausgezeichneten Seitenzweig des älteren Teiles des Therapsidenstammes bilden, schließt sich zu- nächst den Therocephaliern an. Es ist eine (kleine) Mediopalatin- lücke vorhanden und die Pteroceipital-Lücke ist größer als bei den Cynodonten. Auch eine laterale Gaumenlücke habe ich in einigen Fällen mit völliger Sicherheit konstatieren können und zwar ist sie ein etwas größeres Loch als bei den Uynodonten; sie hat ihren Platz zwischen der Choane und der unteren Schläfenöffnung; in den Fällen, wo sie an gut erhaltenen Schädeln sich nicht hat konstatieren lassen, ist die Möglichkeit da, daß sie sich mit der unteren Schläfenöffnung vereinigt hat (vgl. die Schildkröten, unten S. 288). Eine hintere Schläfenöffnung von bescheidener Größe, ähnlich wie bei den Cynodonten, habe ich an mehreren Stücken des Materials im British Museum sehen können; auch die übrige Hinterhauptsfläche verhält sich ähnlich wie bei den Cynodonten. Abweichend von diesen besitzen die Anomodontia kein sekundäres Gaumendach oder richtiger nur den allervordersten Teil desselben; die Choanen setzen sich nach hinten mit einer gemeinsamen tiefen Aushöhlung fort, die von einer (wenigstens bei einigen) stark her- vortretenden medianen Platte in zwei getrennt wird; diese Platte, die sich vorn mit dem kurzen Gaumendach verbindet, wird nach hinten, gegen die Mediopalatinlücke zu, allmählich niedriger. Den Anomodontia eigen ist es, daß der vordere laterale Fortsatz des Pterygoids, der bei den Cynodonten und auch bei den Therocephalen stark entwickelt ist, rückgebildet worden ist. Unter den jetzt lebenden Reptilien gibt es eine Gruppe, die zahlreiche Anschlüsse an die Therapsiden darbietet und auch in bezug auf die uns interessierenden Punkte sich den Therapsiden eng anschließt. Es sind dies die Schildkröten. Was das Schläfendach betrifft, so hat dieses bei den Schildkröten ebenso wie bei den Therapsiden nur eine Lücke, der aber die hin- tere Begrenzung, der Posttemporalbogen, abgeht, so daß die Lücke eine hinten offene Bucht geworden ist. Der Jochbogen ist eine kurze breite Brücke zwischen dem Quadratum und dem Orbito- Temporalbogen; letzterer ist von sehr verschiedener Stärke: bei einigen ganz schmal, bei anderen breiter, bei anderen wieder 1 van HoEPpEn, Bijdragen tot de kennis der Reptielen van de Karroo- formatie. 1. Schedel van Lystrosaurus latirostris; in: Annals of the Transvaal Museum. Vol. IV, No.1, p. 1—46, 4 Tafeln. 286 J. E. V. Boas so breit, daß er mit dem Jochbogen zusammen, von dem er in solchen Fällen nicht zu unterscheiden ist, als ein zusammen- hängendes Dach sich fast über die ganze Schläfengrube hinaus erstreckt und beinahe den Eindruck des lückenlosen Schläfen- daches der Cotylosaurier macht!. Am unteren Rande des Joch- Fig. 76. A Eine Reihe von Schildkröten-Schädeln (ohne Unterkiefer) von der linken Seite. Schema zur Illustration der Entstehung des Pseudo-Posttemporalbogens. Fig. A stellt das ursprüngliche, bei den Schildkröten (sowohl Pleurodiren als Cryptodiren) gewöhnliche Verhalten dar (manchmal ist auch der Jochbogen niedriger). Fig. 3 stellt ein davon ableitbares Verhalten dar, charakterisiert durch die starke Verbreitung des Jochbogens nach oben (etwa wie bei Chelydra und Chelonia). In Fig. € (die einem vorliegenden Podocnemis-Schädel entspricht) hat sich die Bucht des unteren Randes stark nach oben ausgedehnt, in Fig. D und E ist dies noch weiter gegangen; in E, die dem Pleurodiren Platemys Spixii entspricht, ist ein Psendo-Posttemporalbogen zustande gekommen. In Fig. # ist auch dieser zugrunde gegangen. c Condylus oceip.; J Jochbogen; ob Orbito-Temporalbogen; pgı Qua- dratum. bogens, zwischen dem unteren Ende des Quadratum und dem Maxillare, findet sich eine breite Einbuchtung in den Rand, die üb- rigens schon bei Sphenodon nachweisbar und auch bei den Cyno- ı Diese starke Ausdehnung des vereinigten Orbito-Temporalbogens und Jochbogens trifft man bei sehr verschiedenen Schildkröten: innerhalb der Pleuro- dira bei Podoenemis; innerhalb der Cryptodira bei Chelydra, Platysternum, Chelonia, Sphargis. Eine mäßige Entwicklung des Orbito-Temporalibogens und des Joch- bogens ist aber weitaus das gewöhnlichere. Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 287 donten vorhanden ist. Diese Einbuchtung ist bei einigen Schild- kröten (Chelydra z. B.) sehr seicht, gewöhnlich ist es aber eine recht tiefe Bucht. Bei einigen Schildkröten hat sich nun diese Bucht weit nach oben in das vom Joch- und Orbito-Temporalbogen gebildete Dach hinein ausgedehnt, so daß von dem Dach nur die hintere Um- grenzung der Augenhöhle und dann noch ein hinterer Bogen übrig geblieben, der unten dem Quadratum, oben dem Schädel angeheftet ist (Fig. 76, E). Es macht dieser Bogen beim ersten Anblick den Eindruck, daß er dem Posttemporalbogen von Sphenodon usw. entspricht, und derart habe ich ihn auch selbst zunächst gedeutet. Der Umstand aber, daß ein Vorhandensein dieses Pseudo-Posttemporalbogens, wie ich ihn nennen werde, stets mit dem Abhandensein des Jochbogens ein- hergeht, hat mir es klar gemacht, daß wir in demselben einen Über- rest des bei gewissen Schildkröten sekundär über die Schläfengrube hinaus ausgedehnten Daches sehen müssen, entstanden durch eine starke Ausdehnung der unteren Einbuchtung des Jochbogens. Wir haben uns also die Sache derart vorzustellen, daß bei der Urform aller bekannten Schildkröten der echte Posttemporalbogen bereits fehlte, die Schläfenlücke bereits hinten offen war. Es hat sich nachher der vereinigte Orbito-Temporalbogen und Jochbogen bei manchen Schildkröten über die Schläfengrube ausgedehnt und in dieses Dach hat sieh also die untere Einbuchtung des Jochbogens in einigen Fällen so weit eingesenkt, daß der Pseudo-Posttemporal- bogen entstand; bei noch weiterer Ausdehnung der Einsenkung fällt auch dieser weg, so daß bei einigen Formen nur noch der Orbito- temporalbogen übrig geblieben, die Schläfengrube also ganz offen geworden ist!. 1 Sowohl von Fuchs (Schläfengegend am Schädel d. Quadrup.; in: Anat. Anz., Bd. XXXV, 1909, S. 142ff.) wie von RAgL (Ü. einice Probleme d Morph.; in: Ergänzungsheft z. XXIII. Bd. d. Anat. Anzeigers, 1903, 8. 167 ff.), die beide sich mit der Morphologie des Schildkrötenschädels befaßt haben, wird der »stegocrotaphe< Chelonia-Schädel als Ausgangspunkt genommen und die Schild- kröten als eine Gruppe aufgefaßt, innerhalb welcher noch das Stegocephal- Schläfendach in seiner Ursprünglichkeit bewahrt worden ist. Ich sehe bei dieser Gelegenheit davon ab, daß Chelonia jedenfalls ein sehr unglücklicher Ausgangs- punkt ist, da wir es hier ganz deutlich mit wenig primitiven Formen zu tun haben, die von Land- oder Süßwasser-Schildkröten abstammen; es gibt aber auch unter den Land- bezw. Süßwasserformen einige, die ein großes Schläfen- dach besitzen, und von denen man allenfalls ausgehen könnte. Es sind aber dabei zwei Momente zu beachten. Erstens ist der allgemeine Charakter der Schildkröten nicht derart, daß es wahrscheinlich ist, daß sie mit den echten stegocrotaphen Reptilien, den Cotylosauriern, nahe verwandt seien; ihre Cha- raktere weisen im Gegenteil nach den Therapsiden hin, bei denen bereits eine 288 JS SV-2B0gs Auf der Unterseite des Schädels finden wir die Palatoquadrata dem Schädel ebenso eng angeschmiegt wie bei den Öynodonten und die Mediopalatinlücken sind ebenso wie bei diesen gänzlich durch die Palatoquadrata geschlossen. Die auch bei den Cynodonten vor- handenen lateralen Gaumenlücken finden sich auch hier wieder und zwar in ähnlicher Lage an der Grenze von Palatinum, Pterygoid und Maxillare (ein Transversum fehlt bei den Schildkröten wie bei den Cynodonten!). Die laterale Gaumenlücke ist von sehr ver- schiedener Größe; an ein paar unbestimmten Schädeln in unserer Sammlung ist sie sehr groß, so groß etwa wie die Choane; bei anderen ist sie kleiner, manchmal eine recht kleine Öffnung; bei Chelonia fehlt sie, d. h. es ist die knöcherne Randpartie, in welcher das Loch bei den anderen liegt, bei Chelonia atrophiert, die laterale Gaumenlücke somit mit der unteren Schläfenöffnung vereinigt (wie bei den Vögeln). Daß diese Auffassung das Richtige trifft, hat eine Untersuchung des Verhaltens des Nervus palatinus ergeben; derselbe geht bei anderen Schildkröten durch die laterale Gaumenlücke zur Gaumenhaut, bei Chelonia dagegen durch den vordersten Teil der großen unteren Schläfenöffnung dicht hinter dem knöchernen Gaumenrand: was als untere Schläfenöffnung bei Chelonia erscheint, ist also letztere und die laterale Gaumenlücke, die mit- einander verschmolzen sind. Ebenso wie bei den Öynodonten ist die Pteroceipital-Lücke sehr verengt, — sie ist aber da. Die Paroceipitalpartie und das Palatogq. (Quadratbein) legen sich sehr eng aneinander und die Verbindungs- große Schläfenlücke vorhanden ist. Zweitens sind die Schildkrötengattungen, die ein breites Schläfendach besitzen, sonst absolut keine primitiven Formen; die starke Überdachung tritt innerhalb der Schildkrötenordnung hier und da auf, ohne von sonstigen Merkmalen begleitet zu sein, die auf eine speziell pri- mitive Stellung der betreffenden Formen hinweisen könnten; und der Charakter findet sich innerhalb der beiden großen natürlichen Abteilungen der Schild- kröten. Dazu kommt noch, daß eine mäßige Ausbildung des Orbito-Temporal- bogens und des Jochbogens unter den Schildkröten das weitaus allgemeiner Vorkommende ist. Wenn wir all dies zusammen betrachten, wird die oben ge- gebene Darstellung, nach welcher das ausgedehnte Schläfendach von Chelonia und anderen eine sekundäre Errungenschaft ist, die einzig annehmbare. Be- merkenswert ist auch, daß während bei größeren Exemplaren von Chelonia der vereinigte Orbito-Temporal- und Jochbogen den ganzen Schädel hinten über- ragt, was keineswegs bei ganz jugendlichen Exemplaren der Fall ist: bei solchen ist ein ansehnlicher hinterer Teil des Schädels von dem genannten Bogen un- bedeckt, steht hinter dem Rande desselben frei hervor. 1 BRooM, Skull in Cynod. Rept.; in: Proc. Zool. Soc. 1911. Vol. 2, p. 904. Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 289 N \\ | Schädel von Chelydra serpentina von der Unterseite. bo schwarze Borste, welche durch die enge Pteroceipital-Lücke geführt ist; ce Condylus occip.; d unterer Rand des Schläfendaches; g Kiefer- gelenkfläche; I} laterale Gaumenlücke; mx Maxillare; » Choane; po Paroceipitalteil; pgı 3 Quadratum, Pterygoid, Palatinum; «6 untere Schläfenöffnung; » Vomer, Schädel von Diademodon, zum Vergleich mit Fig. 77 wieder abgedruckt. (Vgl. Fig. 71.) 290 J. E. V. Boas flächen greifen mit Zacken ineinander ein; es bleiben aber von der Pteroceipital-Lücke meist zwei Kanäle übrig. Der eine hat eine wagerechte Lage, geht von hinten nach vorn hindurch und öffnet sich neben dem Foramen sphenoidale; der andere geht von dem ersteren direkt nach oben und dessen Öffnung liegt auf dem Boden der Schläfengrube; es ist die von BoJAnus, Anatome Testud. Europ. Tab. X, Fig. 26 mit y bezeichnete Öffnung. Es können aber auch, Fig. 79. Hinterer Teil des Schädels einer unbestimmten Schildkröte (wahrscheinlich 7estudo), an dem das Quadratum abgenommen ist, in etwa fünffacher Vergr. Das Präparat zeigt die kanalförmige Pter- oceipital-Lücke in ihrer ganzen Länge geöffnet. c Condylus oceip.; fl grubige Flächen des Opisthoticum und Prooticum, wo das Quadratum denselben angelegen hat; fo Foramen ovale (Gehör- knochen abgefallen); op Opisthoticum; pa Parietale; pga Pterygoid; pro Prooticum; p£l Pteroceipital- Lücke; p£l’ und pil" zwei Kanälchen, die von derselben nach oben abgehen; so Supraoceipitale; tri Trigeminus-Loch. wie bei dem in Fig. 79 abgebildeten Schädel der Fall, zwei Kanäle nach oben abgehen. Abweichend von den Cynodonten ist es, daß das Quadratbein sehr wohl ausgebildet, nicht etwa rückgebildet ist. Bezüglich des Gaumendaches ist hervorzuheben, daß bei den Schildkröten die von knorpeligen Wandungen umgebenen Nasen- kapseln selten, wie bei den Sauriern und Schlangen der Fall, direkt nach unten münden. Meistens werden sie vielmehr nach hinten von einer doppelten knöchernen Nasenröhre fortgesetzt, die ventral von Vomer, Maxillare und, wenn stärker ausgebildet, auch noch von Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 291 Fig. 80. Vorderer Teil der Unterseite des Schädels von Pelomedusa galeata (Fig. 80) und von Damonia Reevesii (Fig. 81). Bei ersterer liegt die knorpelige Nasenkapsel und die primären Choanen frei, bei der anderen ist eine knöcherne Nasenröhre hinzugekommen, die ventral von einem sekundären Gaumendach begrenzt ist, das von Teilen des Maxillare und des Vomer gebildet ist. m Intermaxillare; mx Maxillare; rn sekun- däre, n'! primäre Choane; »k vorderer, nk‘ hinterer Teil der knorpeligen Nasenkapsel; pg2 Pterygoid; 2g3 Palatinum. Fig. 82. Sagittalschnitt durch den Kopf einer Chelonia; Gehirn entfernt. Etwas schematisch; der größere Teil der Schnittfläche liegt links von der Medianfläche; am vorderen Ende geht der Schnitt dagegen durch die rechte Nasenhöhle und deren Ausführungsgang in die Mundhöhle, also rechts von der Medianfläche. Durchgeschnittene Knorpelpartien punktiert. Knochen weiß. an Nasenloch; gd sekun- däres Gaumendach; «0 Interorbitalplatte; n» Choane; n’ echte hintere Nasenöffnung, d.h. hintere Öft- nung der ursprünglichen Nasenhöhle nAh; nr sekundäre Nasenröhre ; oba Occipitale basilare; pgz Ptery- goid; pgs3 Palatinum; sk Schädelhöhle; sp Spalte zwischen Basis cranii und Palatoquadratum, mit Weichteilen ausgefüllt; sp Sphenoid. Morpholog. Jahrbuch. 49, 20 292 J. E. V. Boas Palatinum begrenzt wird — also Verhältnisse ähnlich wie bei den Therapsiden. Bei Formen, wo von dieser knöchernen Röhre nur wenig vorhanden ist, liegen manchmal die Choanen trotzdem recht weit hinten, indem eine doppelte häutige Nasenröhre ausgebildet ist; derart habe ich die Verhältnisse z. B. bei gewissen Testudo- Arten gefunden. Eine stark entwickelte knöcherne Nasenröhre findet man z. B. bei Chelonia, Damonia, nach einer Figur von BOULENGER! auch bei Hardella (beide letzteren zu den Testudiniden gehörig) u. a. 5. Säugetiere, Das Schläfendach verhält sich bei Ormithorhynchus noch unge- fähr wie bei den Cynodonten: es ist (wie auch bereits von anderer Seite hervorgehoben) ein kurzer Posttemporalbogen (unter- halb dessen ein Zipfel des Temporalmuskels Platz hat) und ein Jochbogen vorhanden; der Orbito-Temporalbogen ist unvollständig, was übrigens auch bei gewissen Cynodonten der Fall ist. Bei Echidna sind die Verhältnisse wesentlich ebenso; aber während der Posttemporalbogen bei Ornethorhynchus als eine kurze schmale Brücke zwischen dem hinteren Ende des Jochbogens und der seitlichen Schädelwand erscheint, ist die Brücke bei Echidna derartig in die Breite (d. h. von vorn nach hinten) ausgedehnt worden, daß das von derselben begrenzte Loch zu einer langen Röhre geworden ist — in welcher übrigens dieselbe Muskelportion ihren Platz hat. — Bei allen anderen Säugetieren fehlt die Posttemporalbrücke, das Loch unterhalb derselben hat sich völlig geschlossen. Dagegen bleibt bekanntlich der Jochbogen bestehen und der Orbito-Temporalbogen ist manchmal vollständig. Bei der Betrachtung des Verhaltens des Palatoquadratum bei den Säugetieren ist zunächst an gewisse Verhältnisse bei den Reptilien zu erinnern. Sowohl bei Sphenodon wie bei den Sauriern und bei den Schildkröten bildet das Quadratum einen wesentlichen Teil der Umrahmung des Trommelfelles?, indem es deren vorderen Rand ı Catal. of Chelonians ete. in the Brit. Mus. New Ed. (BOULENGER) 1889. p. 64. 2 Bereits bei den Amphibien ist das Trommelfell von dem Quadratum umrahmt. Der bekannte Knorpelring, der bei den Anuren — den einzigen jetzt lebenden Amphibien, die ein Trommelfell bewahrt haben — den Rahmen des Trommelfelles bildet, ist nämlich in der Tat ein Teil des Quadratum: »das Zellenmaterial, aus dem sich der Annulus tympanicus bildet, wird in sehr früher Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 293 bildet; bei manchen Schildkröten hat der Außenrand des Quadratum sich sogar zu einem in sich geschlossenen Ring geformt, der das Be; Kur; fr hör ATSN „ AR M " BEN ji IWL h> N er \ Ay) j \ W i el) | v) _ In ®% mau “ ’ n f9, 2 Trommelfell umrahmt. Wir be- merken weiter, daß bei den Schild- kröten sich dem Quadratbein oben, vorn und außen die hinteren ven- tralen Partien des Schläfendaches, bestehend aus dem Squamosum und dem Quadratojugale, anlegen. Bei den Cynodonten ist das Quadratum, wie bereits vorhin er- wähnt, stark verkleinert; ebenso wie bei den Schildkröten ist es Fig. 86. Fig. 83. Schädel von Ornithorhynchus, von hinten gesehen. Fig. S4. Desgleichen von Diademodon, einem Cynodonten (vgl. Fig. 72). Fig. 85. Hinterer Teil des Schädels von Didelphys von hinten (man hat sich den Schädel dicht vor den Pterygoiden durchschnitten zu denken — deshalb sieht man nichts von den Gaumenbeinen). Der fehlende Orbito-Temporalbogen rechts durch punktierte Linien angedeutet. Fig. 86. Desgleichen von einer Hauskatze, an dem links ein vollständiger Orbito-Temporalbogen (wie bei Diademodon) vorhanden ist, während derselbe rechts unterbrochen ist. bw Bulla ossea der Katze (teilweise = Quadratum); ce Condylus oeeipitalis; cl Crista lambdoidalis; /r Frontale; hö hintere Schläfenöffnung; Ay Anheftungsstelle des Hyoidbogens; jw Jugale; o Augen- .höhle; pb Posttemporalbogen; pgı Quadratum; pg'z Fortsatz des Flügelbeines; sg Squamosum; ug Ge- lenkfläche am Squamosum für den Unterkiefer. Larvenperiode vom Quadratum geliefert.« (GAuPpPp in: ECKER-WIEDERSHEIM, Anat. d. Frosches, 3. Aufl., Bd. I, S. 42.) Die Umrahmung des Trommelfelles durch das Quadratum stammt offenbar von dem ersten Auftreten des Trommelfelles. 20* 294 J. E. V. Boas mit den benachbarten Knochen unbeweglich verbunden. Was das Trommelfell betrifft, so ist es wohl kaum zweifelhaft, daß das Quadra- tum wie bei anderen Reptilien einen Teil des Rahmens gebildet hat. Neu für die Cynodonten im Vergleich mit den Schildkröten (und auch mit den Anomodontia) ist es, daß das Squamosum (und das mit ihm offenbar vereinigte Quadratojugale!) sich lateral vom Quadratum ausgebreitet hat, so daß das Quadratum scheinbar von seiner Lage am Flügel des Schädels eine Strecke weit in mediader Richtung gerückt ist. Gleichzeitig hat eine andere gewichtige Neuerung statt- gefunden: der Unterkiefergelenkknopf ist teilweise von dem Quadra- tum auf die benachbarte Squamosumfläche hinüber gerutscht; die Gelenkfläche für den Unterkiefer befindet sich nur zum Teil auf dem Quadratum, zum Teil aber auf dem Squamosum. Dieser Entwicklungsgang hat sich nun weiter fortgesetzt bei den Säugetieren. Der Unterkiefer — an dem das Dentale, das be- reits bei den Cynodonten das Übergewicht über die anderen er- erbten Bestandteile hatte, die letzten Überreste derselben in sich auf- genommen hat — der Unterkiefer ist völlig vom Quadratum abge- glitten und artikuliert allein mit dem Squamosum, und das Qua- dratum hat nunmehr allein seine Funktion als Träger des Trommel- felles übrig behalten — es ist der als Tympanicum bekannte Knochen, dessen Funktion es eben ist, das Trommelfell zu umrahmen. Wir haben hiermit das unheimliche Gebiet der Ohrknochen- homologie betreten. Der Standpunkt, dem wir uns aus vergleichen- den und topographischen Gründen anschließen müssen, ist also der, daß das Quadratum der Reptilien als Tympanicum persistiert — gegenüber der allgeinein angenommenen Deutung, daß das Quadratum der Reptilien bei den Säugetieren in die Paukenhöhle aufgenommen und zu einem der Ohrknöchelchen wurde. Diese phantastische The- orie wurde — sehr charakteristisch — zuerst von einem der alten Naturphilosophen, ©. G. Carus, aufgestellt und nachher von REICHERT »definitiv begründet«(!). Sie wird namentlich gestützt auf Tatsachen der Ontogenese, die einen Zusammenhang der Ohrknöchelehen-Anlage und des ersten Visceralbogens während der Entwicklung ergeben. Es müssen hier ein paar Worte gesagt werden über den Wert der Daten der embryonalen Entwicklungsgeschichte für die morpho- logische Bestimmung eines organischen Elementes. Allgemein ist wohl, mehr oder weniger bestimmt ausgesprochen, 1 Ein gesondertes Quadratojugale geht den Cynodonten ab. Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 295 die Auffassung herrschend, daß die Ontogenie für alle morphologischen Fragen maßgebend ist. Ich kann in dieser Auffassung nur einen traurigen wissenschaftlichen Aberglauben sehen, einen Überrest der versehollenen Naturphilosophie des Anfangs des 19. Jahrhunderts, der zu unserer sonstigen wissenschaftlichen Stufe wenig paßt und baldigst zu verlassen ist. Wir haben natürlich alles zu beachten und die Daten der frühen Entwicklungsstadien sollen uns ebenso lieb sein wie die des erwachsenen Zustandes; es ist aber angelegent- lichst zu erinnern, daß während der phylogenetischen Entwicklung alle Lebensstadien der Tiere von der Umänderung ergriffen wurden, und es ist eine Einbildung, daß die frühen ontogenetischen Stadien sich dabei durchgängig konservativer benommen haben als die späteren Stufen. Es ergibt sich vielmehr, daß in manchen Fällen die Endstadien sich konservativ verhalten haben, während frühere ontogenetische Stadien stark abgeändert wurden. Die Crustaceen liefern uns zahlreiche derartige Beispiele; besonders schlagend ist das Beispiel mit Palaemonetes varians, der in zwei Formen auftritt, die so wenig im erwachsenen Zustand verschieden sind, daß man sie als bloße Varietäten auffassen muß, während die Entwicklung sich durchaus verschieden gestaltet. Daran ist festzuhalten: die Onto- genese beweist an und für sich nichts, ihre Daten sind zu beachten, sind aber selbst ganz ebenso einer Auslegung bedürftig wie die Daten der Anatomie des ausgebildeten Tieres. Was speziell die vorliegenden embryologischen Daten betrifft, so können sie ungezwungen in der Weise ausgelegt werden, daß der Zusammenhang der Ohrknöchelchen-Reihe mit dem Meckelschen Knorpel ein sekundärer ist. Es können eben erwiesenermaßen allerlei sekundäre Verbindungen während der embryonalen Entwick- lung auftreten: bei den Krokodilembryonen geht der Hyoidbogen, der oben wie bei anderen Reptilembryonen mit der Columella zu- sammenhängt, in den Unterkieferknorpel über also eine Verbin- dung des zweiten mit dem ersten Visceralbogen, die selbstverständ- lich nur als eine sekundäre aufgefaßt werden kann. Weiter: bei einigen Sauriern tritt die Columellarplatte zunächst als integrierender Teil der Schädelwand auf, bei anderen ist sie vom ersten Anfang an separat: eins muß jedenfalls sekundär sein!. In dem vorliegenden Falle trifft es sich aber so, daß auch die Ontogenie, jedenfalls nach 1 VERSLUYS, Entw. d. Columella auris b. d. Lacertil.; in: Zool. Jhrb., Anat. Abt Bd. XIX. 194. S:107M. 296 ne den Angaben von Fuchs, für unsere Auffassung spricht, indem er bei Kaninchenembryonen gefunden hat!, daß die Hammer-Amboß- Anlage zunächst separat ist und erst später mit dem Meckelschen Knorpel verwächst. Aber selbst wenn die Fuchssche Beobachtung nicht vorgelegen hätte, würde ich nicht daran gezweifelt haben, daß jener Zusammenhang ein sekundärer ist. Die Sache ist, daß die Ontogenie derartige Fragen gar nicht entscheiden kann; das kann eben nur der Vergleich, der in diesem Falle deutlich genug spricht. Ein weiterer Punkt, auf welchen von GAupp? viel Gewicht ge- legt wurde, ist das Verhalten der »Chorda tympani«, deren Lage zur Ohrknochenkette der Säugetiere eine andere ist als zur Colu- mella der Saurier, weshalb beide — die Ohrknochenkette und die Columella — nicht identisch sein könnten. Es ist dazu einfach zu bemerken, daß die »Chorda tympani« der Saurier ein anderer Nerv ist als die »Chorda tympani« der Säugetiere: es dreht sich um eine falsche Benennung. In beiden Fällen — bei den Sauriern und bei den Säugetieren — haben wir es zwar mit einem Ast des N. facialis zu tin; schon eine flüchtige Untersuchung zeigt aber, daß es sich um ganz Verschiedenes handelt. Bei den Sauriern — bei denen ich die Verhältnisse auch persönlich untersucht habe — ist die so- genannte »Chorda tympani« ein Ast des Facialis, der in der Rich- tung nach hinten neben dem hinteren Hauptstamm (FIscHER®) des Faecialis verläuft; sie kreuzt zuerst die Columella (liegt oberhalb derselben), läuft dann eine Strecke weit an der Wand der Pauken- höhle hinter der Columella, kreuzt nachher die Extracolumella (liegt oberhalb letzterer) und begibt sich nach unten in das hintere Ende des Unterkiefers hinein. Die echte Chorda tympani der Säuge- tiere ist ein Facialisast, der sich nach vorn begibt und unter- halb der Ohrknochenkette in einen Ast des N. trigeminus ein- mündet. Der gleichbenannte Nerv der Saurier hat also einen ganz anderen Verlauf und es ist durchaus unmöglich, beide aufeinander i Herkunft u. Entwickl. d. Gehörknöchelchen; in: Arch. f. Anat. u. Phys. Jahrg. 1905, Suppl.-Bd. VII. Anat. Abt. S. 152 usw. 2 In: Anatom. Hefte, 2. Abt., Bd. VII. 1898. S.1136. — Die neueste Publikation GAupps über das vorliegende Thema: Die REICHErTsche Theorie; in: Arch. f. Anat. u. Physiol., Jahrg. 1912, Suppl.-Bd. zur Anat. Abt. (1913), habe ich erst lange nach der Einsendung der Arbeit zur Redaktion erhalten, und dieselbe konnte nicht mehr berücksichtigt werden. 3 J. G. FiSCHER, Gehirnnerven’ d. Saurier; in: Abhandl. a. d. Geb. d. Naturwiss. Herausg. v. d. Naturw. Ver. in Hamburg. Bd. II, Abth. 2, 1852, S. 115—212. Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 297 Fig. 87. Rechte Hälfte des durchsägten Kopfes von Varanus exunthematicus, von innen gesehen, derartig prä- pariert, daß der Ursprung von N. trigeminus und facialis sichtbar wurde, um das Verhalten der Nerven zum Gehörknochen zu illustrieren. Nur die uns interessierenden Verhältnisse sind gezeichnet, chp falsche Chorda tympani; co Gehörknochen; fo Foramen ovale; yh Gehirnhöhle; nf hinterer Haupt- stamm des N. facialis ; # Trommelfell; Zriz dritter Ast des N. trigeminus; « Unterkiefer. Fig. 88. Rechte Hältte des durchsägten Kopfes eines Hundes, von innen gesehen, ähnlich wie das in Fig. 87 dargestellte Präparat behandelt und gezeichnet. ch Chorda tympani; co Gehörknochenreihe; gh Ge- hirnhöhle; nf Nervus facialis; # Trommelfell; ir” Aste des Nervus trigeminus; % Unterkiefer. 298 J. E. V. Boas zurückzuführen; ob wir die eine oder die andere Theorie in bezug auf die Ohrknöchelehen akzeptieren, ist für den Vergleich dieser Nerven ganz gleichgültig; sie sind eben ganz verschiedene Nerven und es ist einigermaßen unbegreiflich, wie man darauf verfallen ist, sie mit demselben Namen zu bezeichnen; es ist wohl der Verlauf an der Wand der Paukenhöhle in beiden Fällen, der die ersten Unter- sucher der Saurier-Kopfnerven auf diesen unglücklichen Namen ge- führt hat. Daß die falsche Chorda tympani der Saurier nach den An- gaben von FISCHER sich im Unterkieferkanal mit einem Ast des Trige- minus verbindet, kann keine Homologie mit der echten Chorda tympani konstituieren, der Verlauf beider Nerven ist eben derartig verschieden, daß der eine nicht auf den anderen zurückgeführt werden kann, Mit der »Chorda tympani« ist also nichts zu machen. Weiter kann gegen die Homologisierung des Quadratum der Reptilien und des Tympanicum der Säugetiere der Einwand erhoben werden, daß wir esin jenem mit einem knorpelig präformierten, in diesem mit einem reinen Deckknochen zu tun haben. In der Tat hat das Tympanicum, soweit man die Entwicklung desselben kennt, meistens den Charakter eines reinen Decekknochens, der sich an dem knorpeligen ersten Visceralbogen anliegend entwickelt; in einigen Fällen scheint die Verknöcherung allerdings Beziehungen zu an- grenzenden Knorpelpartien (Endotympanicum) zu haben, derart, daß die Verknöcherung in die genannte Knorpelmasse hineinwächst?. Wir sehen aber von diesen nicht geklärten Sachen ab und halten uns allein an die gewöhnliche Entwicklung des Tympanicum. In dieser ist aber kein wirklicher Widerstreit mit der Anschauung, daß das Tympanicum ein Äquivalent des Quadratum ist. Bei der Verknöche- rung eines knorpelig präformierten Elementes bildet sich sehr all- gemein zunächst eine Knochenlamelle auf der Oberfläche des Knorpels; nachher erst dringt die Knochenbildung unter gleichzeitiger teilweiser Auflösung des Knorpels in letzteren hinein. Dieser letztgenannte Prozeß ist hier ausgeblieben, so daß aus dem ursprünglichen Knorpel- knochen ein Deckknochen entstanden ist. Ähnliches ist auch andern- orts bekannt: dem knorpelig präformierten Ethmoid des Dorsches ı Es sei hier noch erwähnt, daß nach der Untersuchung von NOACK (Ü.d. Entw. d. Mittelohres v. Emys europ. nebst Bemerk. z. Neurologie dieser Schild- kröte; in: Arch. f. mikr. Anat, -Bd. LXIX, 1907, S. 457ff.) die »>Chorda tympani« der Schildkröten sich ähnlich wie bei den Sauriern verhält. 2 v. KAmpEn, Tympanalgegend; in: Morph. Jahrb. Bd. XXXIV, S. 524 (Hund); vgl. auch denselben $. 354 ff. Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 299 und anderer Knochenfische entspricht ein reiner Deckknochen des Lachses. Und in dem vorliegenden Falle ist diese Degradation des Knochens als Folgeerscheinung des ganzen rückgebildeten Zustandes des Quadratum ganz naheliegend. Zu welchen »Konsequenzen« die Idee von der Ungleichwertig- keit der Columella der Reptilien und der Gehörknöchelchen der Säugetiere führen kann, davon liefert GAupp — der doch sonst absolut keinen phantastischen Eindruck macht — ein eharakteristisches Beispiel: » Bei dieser Auffassung ist es unmöglich, das Säuger-Trommel- fell direkt an das der Sauropsiden anzuschließen, es wird mit mehr Berechtigung als eine selbständige Bildung aufzufassen sein« also das Trommelfell der Reptilien und das der Säuge- tiere sollten nicht-homologe Gebilde sein! Anstatt solcher Theorien, die alle morphologische Wissenschaft aufzulösen drohen, haben wir als Resultat des schlichten Vergleiches: der Unterkiefer der Reptilien ist aus dem Verband mit dem Quadratum allmählich ausgeglitten, indem letzteres seine Funktion als Träger des Trommelfelles bewahrt hat, die es vom ersten Anfang an gehabt. Die Columella geht bei allen von der Fenestra ovalis zum Trommel- fell; bei verschiedenen Gruppen kann sie sich verschieden gliedern. Der übrige Teil des Palatoq. schließt sich bei den Säugetieren ganz eng an die Verhältnisse der Cynodonten. Ebenso wie bei diesen schmiegt sich das Palatoq. der Schädelunterseite eng an und die Mediopalatinlücken sind geschlossen. Die bei den Cyno- donten schon sehr klein gewordenen Pteroceipitallücken sind bei den Säugetieren völlig geschlossen. Dagegen ist eine kleine laterale Gaumenlücke? bei den Säugetieren wie bei den Cyno- donten entwickelt (Canalis pterygopalatinus der menschlichen Anatomie; derselbe kann in mehrere Löchelchen geteilt sein). Das bereits bei den Cynodonten vorhandene sekundäre Gaumendach, 1 Die Auffassung, der wir uns oben in bezug auf die Gehörknöchelchen und das Tympanicum angeschlossen haben, wurde u. a. von KADOW energisch verteidigt (The Evolution of the Auditory Ossicles; in: Anat. Anzeiger. Bd. XIX, 1901, S. 396 ff.; weiter eine ältere Abhandl. von demselben in: Philos. Trans. Vol. CLXXIXB, 1888, p. 451ff.); vgl. auch FucHs an der oben $. 296 zitierten Stelle. — Die Auffassung des Tympanieum als dem Quadratum gleichwertig ist übrigens alt; ein Anatom aus Gottes Gnaden wie STANNIUS bezeichnet ohne weiteres das Quadratum der Reptilien als »Os tympanicum« bezw. als »Os tym- panieum s. quadratum« (vgl. beide Auflagen seiner Vergleich. Anatomie). ?2 Durch die laterale Gaumenlücke tritt auch bei den Säugetieren der Gaumennerv hindurch. 300 J. E. V. Boas gebildet von Teilen des Maxillare und Palatinum, ist auch hier vor- handen, meistensnoch weiter nach hinten sich erstreckend als bei jenen. HE Oh y SS 4 N \ Ss MN: ge N \ Aare p> Bun < AU Schädel von Ornithorhynchus, von der Unterseite (Unter- kiefer weggenommen); am vorderen Teile sind die Weich- teile noch vorhanden. c Condylus oceip.; Ay Anheftungs- stelle des Hyoidbogens; Il laterale Gaumenlücke; mx Maxillare; pgı Quadratum (sog. Tympanicum); pg2 Ptery- goid; pgs Palatinum; st Öffnung des Stensonschen Nasen- ganges; «ug Gelenkfläche am Schädel für den Unterkiefer; z Hornzähne, Bei Ornithorhynchus haben wir noch die Knochen- kette des Palatoquadratum, bestehend aus Quadratum (Tympanicum), Pterygoid und Palatinum, als eine zu- sammenhängende Einheit bewahrt, in weleher sich der eine dieser Knochen an den anderen fügt; und dasselbe ist auch bei Echidna der Fall. Bei den übrigen Säugetieren ist meistens die Kette unterbrochen, das Quadratum durch einen Ab- stand — größer oder klei- ner — von dem hinteren Ende des Pterygoids ge- trennt. Während in dem soeben hervorgehobenen wichtigen Punkt die Monotremen die- jenigen Säugetiere sind, die sich am nächsten den Cyno- donten anschließen, ist es nicht zu verkennen, daß es Säugetiere gibt, deren Gaumenbild vollkommen so sehr dem der Cynodonten ähnlich sieht; namentlich ist es die ungemein starke Ausdehnung der Gaumen- beine nach hinten bei den Monotremen, welche die Ähnlichkeit mit dem Cyno- dontenschädel verringert. Als Beispiel eines Säugetieres, dessen Schädelunterseite eine über- raschende Ahnlichkeit mit derjenigen eines Cynodonten darbietet, Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 301 kann Didelphys genannt werden (vgl. Fig. 90 und 91); ich hebe z. B. den seitlich ausgebogenen Fortsatz des Pterygoids hervor, der bei Didelphys sowohl wie bei den Cynodonten gefunden wird, wenn er auch am stärksten bei den Cynodonten ausgebildet ist; das ähnliche Gaumendach, das sich bei dem Säugetier nur etwas weiter naeh hinten erstreckt, usw. Ein wichtiger Charakter des Säugetierschädels, der allerdings nicht direkt auf die hier hervorgehobenen Punkte Bezug hat, ist i IN \zp3 ——— ARE N N MR Fig. 90. Schädel von Didelphys von der Unterseite. c Condylus oceip.; /p Fissura palatina; ge Gelenk- Bäche am Squamosum für den Unterkiefer; Il laterale Gaumenlücke; mx Maxillare; pgı Quadratum (»Tympanicum« autt.); pg2 Pterygoid; pgsz Palatinum; r Rand des knöchernen sekundären Gaumens; uö untere Schläfenöffnung. Fig. 91. Schädel von Diademodon, zum Vergleich mit Fig. 90 wiederum abgedruckt. (Vgl. Fig. 71.) noch kurz zu erwähnen. Bei den Amnioten ist es durchweg so, daß der vorderste Abschnitt des ursprünglichen Schädels, der Riech- schädel, mit dem hintersten Abschnitt, dem Gehirnschädel, durch eine senkrechte dünne, knorpelige Interorbitalplatte verbunden ist; oberhalb der Interorbitalplatte setzt sich die Höhlung des Gehirn- schädels mit einer Röhre fort, in welcher die Riechkolben Platz haben. Bei den Säugetieren hat nun die wichtige Änderung statt- Fig. 92. Querschnitt des Schädels eines Varans durch die Augen- höhle; Augen durch einen Umriß angedeutet. Der Schnitt geht ge- rade durch die Stelle, wo Pterygoid und Palatinum zusammentreffen. Fig. 93. Querschnitt des Schädels einer Boa durch die Augenhöhle, Fig. 94. Querschnitt des Schädels einer Testudo durch die Augenhöhle. Fig. 95. Querschnitt des Schädels einesAlligators durch die Augen- höhle. Der Supra-Orbitalknochen ist nach dem vorhergehenden Sehnitt eingefügt. Knochen schwarz, Knorpel punk- tiert. fr Frontale; io Inter-Orbital- platte ;jw Jugale; kn (nur in Fig. 9%) knorpeliger Streifen an jeder Seite des Rostrum sphenoidale; sie ent- sprechen zusammen der Interorbi- talplatte der Saurier; Il laterale Gaumenlücke; ml Mediopalatin- lücke; mx Maxillare, nr (nur in Fig. 95) sekundäre Nasenröhre; oc Auge; pf Praefrontale; pq2 Ptery- goid; pgs Palatinum; P92+3 Ptery- goid und Palatinum ineinander- greifend; rs Rostrum sphenoidale:; sh Schädelhöhle; so Supra-Orbital- knochen; tr Transversum; v Vomer. (7 Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 303 gefunden, daß die Nasenhöhlen sich an beiden Seiten der Interor- bitalplatte nach hinten ausgedehnt haben bis an die Gehirnkapsel; Schädel eines Hundes von der Unterseite, das hintere Ende fortgelassen. Von dem Gaumendach ist der größere Teil abgemeißelt, auf der linken Schädelhälfte ist jedoch der vordere Teil desselben übriggelassen. Man sieht somit die großen primitiven Choanen, denen z. B. der Saurier entsprechend, und aus denselben ragen z. T. die Nasenmuscheln hervor (die ganze dunkle Partie ist also der Choane eines Sauriers gleichzusetzen). d unterer Rand des Schläfendaches (Jochbogen); fp Fissura palatina, vorderstes Ende der primitiven Choane, die hier nicht von dem sekundären Gaumendach gedeckt wurde; ge Gelenkfläche für den Unterkiefer am Squamosum; 4m Intermaxillare; ll laterale Gaumen- lücke, deren ventrales Ende in zwei Gänge geteilt ist; mw Nasenmuscheln; mx Maxillare; n Rand der primitiven Choane; pga Pterygoid; pgs Pulatinum; sp Präsphenoid; sq Squamosum; «ö untere Schläfenöffnung; v Vomer. die Interorbitalplatte haben wir in der Platte hinten zwischen den hinteren Teilen der rechten und linken Nasenhöhle zu suchen. Die betreffenden Verhältnisse der Nasenhöhle werden vielleicht beim ersten Anblick durch das Vorhandensein des sekundären Gaumen- 304 J. E. V. Boas daches (harter Gaumen) etwas verschleiert. Betrachten wir die Ver- hältnisse etwas näher. Wir wählen zur Untersuchung den Schädel eines Hundes und meißeln an demselben den harten Gaumen weg. Es kommt dann die primäre Gaumenfläche zum Vorschein. Sie ist zum größten Teil von zwei gewaltigen Öffnungen ausgefüllt, die den Choanen der Reptilien entsprechen (ich bitte, am besten gewisse Saurier zu vergleichen). Diese primären Choanen liegen wie bei den Sau- riern an beiden Seiten des bei den Säugetieren unpaaren, stark zu- sammengedrückten Vomer, das hinten allmählich breiter wird; vorn Längsschnitt durch den Schädel von Canis vulpes, dicht rechts von der Nasenscheidewand, bod hori- zontale Knochenplatte, welche den Boden des hinteren Teiles der primären Nasenhöhle bildet; fr Frontale; ga harter Gaumen; ga’ Hinterrand desselben; la Lamina cribrosa; mu Nasenmuscheln: mu, Maxilloturbinale, mu2 Nasoturbinale, mus Ethmoturbinalia; » Hinterrand der primären Choane (vgl. Fig. 96); na Nasenbein, erstrecken sie sich bis zu den Foramina ineisiva (Fissurae palatinae), die als deren vorderstes Ende aufzufassen sind (jedes Foramen ineisivum ist ein kleines Stückchen der primären Choane, das von dem harten Gaumen nicht überdeckt wurde); in die primären Choanen ragen die verknöcherten Faltenbildungen der Nasenhöhlen, die Nasenmuschelr, teilweise hinein. Derartig verhalten sich etwa 3 der primären Gaumenfläche. Der hintere Teil derselben bildet aber eine ebene horizontale Knochenplatte (Lamina transversalis autt.) hinter den primären Choanen; diese Platte ist von dem hier stark verbreiterten Vomer und von den Gaumenbeinen gebildet; und oberhalb dieser Platte dehnen sich die mit den Ethmoturbinalien erfüllten Nasen- höhlen noch eine ansehnliche Strecke weiter nach hinten zwischen den Augenhöhlen aus, so daß die Augen an jeder Seite des hinteren Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 305 Teiles der Nasenhöhlen Platz haben. Die Riech- kolben liegen oberhalb dieses Teiles der Nasen- höhlen, die, wie bereits hervorgehoben, die Inter- orbitalplattezwischensich nehmen, sie liegen also in der Tat wie bei den Rep- tilien oberhalb der Inter- orbitalplatte. Ähnlich wie der Hund verhalten sich zahlreiche Säugetiere. Ganz ebenso wie beim Hund habe ich die Verhältnisse bei Eri- naceus, Dasypus, Echidna gefunden. Bei Dasypus ist die horizontale Knochen- platte sogar länger als die primäre Choane, d.h. der oberhalb derselben liegende Teil der Nasen- höhle hat etwa die halbe Länge von der ganzen Nasenhöhle. Bei deren ist die horizontale Knochenplatte stark ver- kürzt, so daß nur wenig von derselben übrig ge- blieben ist — derartig fand ich es beim Schaf — oder sie kann völlig fehlen (Affen). Vom Vomer, der die primären Choanen trennt, geht bei den meisten Säugetieren ein senk- rechter, medianer Kiel ventrad und verbindet sich an- Fig. 98. f / Fig. 98. Querschnitt des Schädels eines Säugetieres durch die Augenhöhle; Augen durch einen‘ Umriß angedeutet, Knochen schwarz, Knorpel punktiert. Schema. Fig. 99. Derselbe Schädel nach Wegnahme des hinteren Teiles der Nasenhöhle und der unteren Wand der sekundären Nasenröhre. Querschnitt durch einen Schildkröten-Schädel, zum Vergleich mit Fig. 99. (Vgl. Fig. 94.) Gemeinsame Bezeichnung: /r Frontale; io Interorbitalplatte; li laterale Gaumenlücke; mw Nasenmuscheln; mx Maxillare; nh hinterer Teil der Nasenhöhle an beiden Seiten der Inter- orbitalplatte und oberhalb der Lamina transversalis; nr se- kundäre Nasenröhre; oc Auge; pgs Palatinum; s%" Schädel- höhle; v Vomer. Fig. 100, 306 J. E. V. Boas mit der Mittellinie des harten Gaumens, der ihm mit einem niedrigen Längskiel begegnet. Bei Dasypus sind beide Kiele vorhanden, sie erreichen aber nieht einander, sondern sind durch eine Spalte ge- trennt (auch wenn die Weichteile aufsitzen, ist es ebenso), so daß der Raum oberhalb des harten Gaumens nicht derart wie bei den meisten Säugetieren einfach als ein Teil der Nasenhöhlen imponiert. Nur ganz vorn hängen die Kiele zusammen. Im Anschluß an die obigen Bemerkungen über die Interorbital- platte der Säugetiere seien hier einige Bemerkungen gemacht über die der Schlangen (Fig. 9). Bei diesen wird ebenfalls angegeben, daß eine Interorbitalplatte fehlt. Natürlich liegen aber die Verhält- nisse durchaus anders bei den Schlangen als bei den Säugetieren. Bei den Sauriern ist die Interorbitalplatte eine Knorpelplatte, deren unterem Rande das Sphenoidalrostrum anliegt. Letzteres ist auch bei den Schlangen kräftig entwickelt, oberhalb desselben liegt aber keine Knorpelplatte, sondern es legt sich direkt demjenigen Teile des Schädels an, der die Lobi olfactorii umschließt; der Knorpel ist lediglich in Gestalt zweier dünner Balken, einer an jeder Seite des Sphenoidalrostrum, übrig geblieben. Fragen wir nach der Ur- sache dieser Rückbildung der Interorbitalplatte bei den Schlangen, so liegt dieselbe offenbar in dem durchgeführten »Bestreben«, die Mundhöhle der Schlangen so geräumig wie möglich zu machen; auch ist hervorzuheben, daß der eigentliche Schädel der Schlangen weitaus stärker gebaut ist als der der Saurier — natürlich im An- schluß an die große Beweglichkeit der übrigen Schädelteile —, und das Zugrundegehen der Augenhöhlenplatte macht eben den ganzen Schädel stärker, konzentrierter. 6. Schluß. Das im vorhergehenden erwähnte kann kurz folgendermaßen resümiert werden. Bei den meisten Fischen tritt der ursprüngliche Schädel in kein näheres Verhältnis zu anderen ursprünglichen Skeletteilen des Kopfes, und die sekundär aufgetretenen Deckknochen schmiegen sich in der Hauptsache dem knorpeligen Schädel eng an, erscheinen nicht als etwas Besonderes. Von den Dipnoern an ändert sich aber das Bild: Es bildet sich eine aus Deckknochen zusammengesetzte, mit dem Schädel nur vorn verbundene Überdachung der Schläfenregion, die fortan bei den terrestren Wirbeltieren bestehen bleibt, wenn auch unter Die Schläfenüberdachung u. d. Palatoquadratum usw. bei den Dipnoern usw. 307 mannigfacher Modifizierung, namentlich Löcherbildung des Daches, die zu ausgedehnter Reduktion derselben führen kann. Aber noch bei den Säugetieren besteht als Jochbogen ein ansehnlicher Über- rest des Schläfendaches, der wesentlich zum Charakter des Schädels beiträgt. Das Schläfendach hängt stets hinten unten jederseits mit den hinteren seitlichen Teilen des Schädels, den Paroceipitalpartien, zusammen. . Gleichzeitig mit der Ausbildung des Schläfendaches ist der obere Abschnitt des ersten Visceralbogens, das Palatoquadratum, in nähere Verbindung mit dem Schädel getreten, eine Verbindung, die ebenfalls fortan bei den terrestren Wirbeltieren bewahrt wird, wenn auch bei gewissen Formen eine teilweise oder gänzliche sekun- däre Loslösung stattfinden kann. Auch diese Aufnahme des Palatog. in den Schädel trägt zur Ausgestaltung des Schädels in hohem Maße bei. Das hintere äußere Ende des Palatog. heftet sich an den unteren hinteren Teil des oben erwähnten Schläfendaches, unterhalb des Paroceipitalteiles, von dem es durch eine Öffnung, die Pteroe- eipitallücke, getrennt ist. Der innere Rand des Palatoq. verbindet sich in größerer oder geringerer Ausdehnung mit den ventralen Teilen des Schädels, jedoch derart, daß meist eine zunächst sehr große Lücke, die Mediopalatinlücke, zwischen dem Sphenoid und dem Palatoq. übrig bleibt. Von dieser Lücke wird bei den Reptilien durch eine Knochenbrücke eine seitliche Öffnung abgetrennt, die laterale Gaumenlücke. Die wechselnde Ausbildung der ver- schiedenen Lücken stempelt in charakteristischer Weise die verschie- denen Abteilungen, was oben im einzelnen dargestellt wurde. Bemerkung bezüglich der Figuren. An einigen Figuren von rezenten Schädeln sind die Augen- und Schläfenöffnungen, die Lücken an der Unterseite des Kopfes, das Hinterhauptsloch derartig dargestellt, als ob die Objekte fossile Schädel wären, an denen die betreffenden Öffnungen mit Gesteinsmasse aus- gefüllt wären; es geschah dies der besseren Anschaulichkeit der uns interes- sierenden Punkte wegen. Es ist dies z. B. der Fall mit Fig. 27, 36, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 56, 57, 58, 59, 61, 64, 66, 67, 77, 83, 90. Kopenhagen, 2. Februar 1914. Morpholog. Jahrbuch. 49. 91 ER EHE a TR BES SELD 1 ee 2043 S Takt = h..: re a ch RT A r % q a } ki TE | ee. Hr TER A ; > 1: PR re; Brick, ri fh: :@ re BE le aA MARS he ’ nr h Ya ee PR . £ j . » vu Sa BUENRETIHNRE BR BR I a sh a Fa ar Be: . ’ x :; 5 - a er) - . 5 “ + « ’z Ba fi 4 fe: RT Kai » 2 : Lö aaa Fis er PER L et a ® . e ’ Harfe A j arme Ir . ie 2 L' * [1 r E i LICH ‘ a [4 v [} B % s v AR R v_ x H % F Pr 4 D +6} 2 » - = - Die Magengegend der Wirbeltiere. Morphologische Studien. Von Dr. Albert Fleischmann, Professor der Zoologie und vergl. Anatomie in Erlangen. Die Mannigfaltigkeit der Magenform unter den Amnioten ist bisher hauptsächlich an erwachsenen Tieren verfolgt worden. Es ist leicht, sich über das Aussehen, die grobe Form, den histolo- gischen Bau des Magens zu unterrichten, aber wir finden in der Literatur wenig Aufklärung, sobald unser Interesse auf die Genese der differenten Magenbeispiele gerichtet wird. Schon lange schien es mir bedenklich, daß die Bezeichnung: »Magen« ohne Einschrän- kung für einen Darmabschnitt gebraucht wird, der innerhalb der Ordnungen und noch mehr innerhalb der Klassen eine solche Fülle von Sonderart aufweist; denn wer eine genügende Anzahl von Bei- spielen durch eigene Sektion kennen gelernt hat, wird schließlich selbst verlegen, soll er anderen die gemeinsamen Merkmale des Magens erklären. Daher hielt ich es für wünschenswert, dem Wege zu folgen, auf welchem der Magen aus dem primitiven Darmrohre früher Embryonalzeit zu seiner taxonomisch wichtigen Form geführt wird. Solche Studien würden die heute hauptsächlich auf die Be- trachtung von Ähnlichkeitsreihen gegründeten Deutungen der Magen- abschnitte einmal von einem noch wenig ausgenützten Gesichts- punkte beurteilen, sowie einen besseren Anhalt gewähren, um die einander wirklich homologen Abschnitte des Vorderdarmes sicher festzustellen. Es ist jetzt z. B. unmöglich, eine klare Antwort auf die Frage zu geben, inwiefern der Drüsen- und Muskelmagen der Vögel dem einfachen oder mehrkammerigen Magen der Säugetiere ähnlich ist, bzw. welche Bezirke der einfachen Magenwand dem doppelt gegliederten Magen entsprechen. Da aber beide Kontraste . aus dem Teile des primitiren Darmrohres an und hinter dem Herz- schlauche entstehen, hoffte ich durch Sammlung der embryonalen FA N 310 A. Fleischmann, Die Magengegend der Wirbeltiere. Wachstumsstadien dieses Abschnittes einen Maßstab für die Erörte- rung der Homologien zu finden. Als ich vor einem Jahre wieder einmal solche Überlegungen aussprach, erklärte sich der Amtstierarzt Hans Karl aus Bamberg, der damals allgemeine embryologische Studien im hiesigen Institute trieb, rasch bereit, einen Anfang zu versuchen. Mit Rücksicht auf seine amtliche Tätigkeit habe ich ihn veranlaßt, die Ontogenie des Magens bei einem Wiederkäuer zu bearbeiten und als erstes Beispiel die Vorgänge beim Schafe (Ovis aries) gewählt, weil ich gerade von dieser Art ein reichhal- tiges Material angesammelt hatte. Da es sich um die Genese eines sehr komplizierten Magens mit den bekannten vier Abteilungen handelte, gab ich am Beginne der Arbeit den Rat, statt der äußeren Wand die Ausgestaltung der Innenhöhle durch einseitige Entoderm- modelle darzustellen. Die ersten orientierenden Rekonstruktionen bestätigten den Vorteil dieses Verfahrens, so daß ich eine große Anzahl von Magenmodellen aus der Wachstumsperiode von 0,97 bis 4 cm. Schstl. ausführen ließ. Dieselben lehrten uns die konsequente Durehbildung des zum Aufbau dienenden Zellmaterials in so klarer Weise verstehen, daß ich mich freue, die Früchte unserer gemein- samen Mühe jetzt einem weiteren Kreise unterbreiten zu können. Bald sollen ergänzende Beiträge über die Entwicklung des Magens bei anderen Säugetieren und den Sauropsiden folgen! Erlangen, 20. Februar 1914. I. Die Entwicklung des Magens beim Schafe (Ovis aries). Von Dr. Hans Karl, städt. Amtstierarzte in Bamberg. Mit 57 Figuren im Text und auf Tafel XIV u. XV. I. Historische Übersicht der Vorarbeiten. Bevor ich das Ergebnis eigener Forschung darlege, gebe ich eine Übersicht der Resultate, welche bisher durch embryologische Studien am Magen der Wiederkäuer gewonnen wurden. Schon im Jahre 1817 interessierte sich J. F. MEcker für die Entwicklungs- geschichte des zusammengesetzten Magens der Schafe, Ziegen und Rinder. Seine mit den schlechten technischen Mitteln seiner Zeit durchgeführten Untersuchungen konnten freilich nur das allergröbste Detail feststellen, doch zeugt die Abhandlung von der Tüchtigkeit des Verfassers. Bei Schafembryonen von 5 Linien Länge steht der Magen senkrecht. Sein vorderer, zugleich etwas nach rechts gewandter Rand ist fast gerade, wenig ausgehöhlt, der hintere linke ziemlich stark gewölbt. Er steigt von der Speise- röhre gerade nach unten und ist durch zwei quere Einschnürungen in drei übereinanderliegende Taschen abgeteilt, von welchen die obere, etwas zugespitzte die mittlere größte nach hinten etwas überragt. Bei 8-9 Linien langen Em- bryonen rückt der Magen auf die linke Seite, so daß er schief von oben links nach unten rechts herabsteigt. Zugleich ist seine Gestalt bedeutend verändert. Die oberste, immer noch kleinste Abteilung ist von der Speiseröhre nach außen oben, hinten links gerichtet und von der mittleren durch eine den ganzen Magen umgreifende Vertiefung abgeschnürt. Oft ist ihr freies Blindende einfach, nicht selten auch durch eine flache Vertiefung zweigespitzt. Die Speiseröhre öffnet sich mehr rechts in die mittlere Abteilung. Diese ist nicht stärker von ihr ab- geschnürt, zugleich ist der rechte Rand nicht mehr ausgehöhlt, sondern etwas gewölbt. Die unterste dritte Abteilung ist jetzt am größten und bildet einen nach unten gewölbten, nach oben ausgehöhlten, so stark gekrümmten Bogen, daß die beiden Hälften seines oberen Randes dicht aneinander liegen. 312 A. Fleischmann, Die Magengegend der Wirbeltiere. Bei älteren Schafsembryonen von 1 Zoll 2 Linien Länge ist die linke oberste Abteilung vorn noch weit stärker als vorher durch einen sehr tiefen Einschnitt von der darauffolgenden abgesondert, indessen senkt sich die Speise- röhre näher an dieser rechten Abteilung in die zweite. Außer dem queren Ein- schnitte im linken Rande, wodurch dieser in einen oberen und unteren Ab- schnitt geteilt wird, ist ein zweiter entstanden, welcher vom unteren Rande emportsteigt, so daß die linke Magenabteilung dreigezackt erscheint. Die mitt- lere Abteilung scheint in eine linke und eine rechte Kammer zu zerfallen. Die linke, etwas größere und stärker vorspringende Kammer nimmt den größten linken Teil der Speiseröhre auf und wird an der vorderen Fläche oben durch eine flache Vertiefung, in ihrer unteren Hälfte durch einen sehr starken Ein- schnitt von der rechten und der letzten, jetzt vierten Abteilung abgegrenzt. Sie hat die Gestalt eines länglich runden Beutels. Die rechte etwas kleinere Hälfte, jetzt die dritte Abteilung, ist länglich rundlich, nimmt den kleinsten rechten Teil der Speiseröhre auf und führt von der Speiseröhre und der zweiten Abteilung unten rechts in die vierte Abteilung, welche sie nach rechts etwas überragt und hier einen kleinen Blindsack bildet. Sie schlägt sich von da aus nach oben und geht in den Zwölffingerdarm über. Die ferneren Veränderungen bewirken die allmähliche Vergrößerung des ersten und dritten Magens und das Rundlichwerden des letzteren. Schon lange vor der Geburt ist der Pansen weit größer als die übrigen Mägen und der dritte größer als der zweite. Wenn man bei den säugenden Jungen der Wiederkäuer den Labmagen größer als die übrigen findet, so ist dies nur in einer zufälligen Ausdehnung desselben durch die Milch begründet, ist diese daher noch nicht eingetreten, so findet man immer das während des ganzen Lebens bestehende Verhältnis. MECKEL konnte nicht bestimmen, ob der Magen anfangs einfach ist, weil bei dem frühesten Embryo schon eine doppelte Einschnürung vorhanden war. Gewiß aber sei der Wiederkäuermagen nicht vierfach, sondern höchstens drei- fach; der zweite und dritte Magen entsteht durch von oben nach unten sich bildende Einschnürungen. Die Abteilungen sind verhältnismäßig weit, weniger stark voneinander abgesondert, der dritte Magen ist lange nicht nur verhältnis- mäßig, sondern absolut viel kleiner als die übrigen und weit einfacher. Hier- aus ergibt sich, daß der Wiederkäuermagen die bleibenden Formen mehrerer Tiermägen durchläuft. Ganz besonders nimmt er nach und nach die Form des Magens mehrerer Nager und verschiedener Arten des Schweinegeschlechtes an. Offenbar ist der kleine linke Blindanhang am Magen der Schweine eine An- deutung des Pansens. Dieser ist bei den meisten einfach, beim Pekari aber spaltet er sich wie der Pansen der Wiederkäuer. Zugleich ist der rechte Teil des Pekarimagens auf ähnliche Art abgeteilt wie der rechte Teil des Wieder- käuermagens. Unter den Wiederkäuern selbst gibt es wieder Verschiedenheiten, welche den aufeinanderfolgenden Entwicklungsverschiedenheiten des Magens der Schafe entsprechen. Namentlich bildet der Magen des Lama eine solch niedere Stufe, indem die dritte Abteilung eine darmähnliche Gestalt hat. Wie beim Schwein springt auch hier in den Pförtner ein starker Wulst vor. Aus den Entwicklungsverschiedenheiten des Wiederkäuermagens ergibt sich deutlich, daß seine zusammengesetzte Form allmählich entsteht. Daher ist die Vermutung nicht unwahrscheinlich, daß die bisweilen bei Tieren mit ein- fachem Magen, namentlich beim Menschen, vorkommenden Einschnürungen, wodurch der Magen mehr oder weniger in zwei, oder weit seltener in drei Hans Karl, I. Die Entwicklung des Magens beim Schafe (Ovis aries). 313 Abteilungen geteilt wird, wenigstens nicht immer in einem Stehenbleiben der ein- geschnürten Stelle auf einer früheren Bildungsstufe, sofern sie nicht gleich- mäßig mit dem übrigen Teile des Magens wüchse, sondern darin begründet sind, daß der anfangs einfache Magen später die höhere Ausbildung des tie- rischen nachahmt. Einen größeren Einfluß auf die gelehrte Welt hatten die Unter- suchungen von JOH. MÜLLER im Jahre 1830 über den Ursprung der Netze, obwohl sie sich eigentlich nicht auf den Magen der Wieder- käuer bezogen. Aber JoH. MÜLLER sprach in der Abhandlung auch über die Drehung des embryonalen Magens so klar und mit Beigabe von so gut anschaulichen schematischen Zeichnungen, daß seine Be- hauptung rasch Anklang fand und dank seiner großen Autorität ein unerschütterliches Besitztum mehrerer Generationen wurde, das in alle Lehrbücher Aufnahme fand. Ich füge daher einen kurzen Aus- zug seiner Abhandlung an dieser Stelle ein. JoH. MÜLLER war durch Zweifel an die ältere Lehre von J. F. MECKEL zu der Beschäftigung mit der Frage geführt worden. Letzterer hatte im Jahre 1817 angegeben, daß das große Netz anfangs fehlt. Im zweiten Monat erscheine es als kleine Hervorragung am großen Bogen des Magens und vergrößere sich allmählich vorzüglich in seinem unteren Teile, habe aber noch lange keine Be- rührung mit dem Quergrimmdarme oder seinem Gekröse. Am Anfange des dritten Monats sehe man das untere Blatt von der Bauchspeicheldrüse ent- stehen, während das obere sich an den großen Bogen des Magens hefte. All- mählich rücke der Grimmdarm aufwärts; während sich in demselben Maße ein Quergrimmdarmgekröse bilde, gehe anfänglich das Netz an dem oberen Rande seines unteren Blattes unter einem spitzen Winkel auf die Bauchspeicheldrüse. Dann rücke das bisher ganz freie Netz herab. Sein unteres Blatt verwachse von oben nach unten mit dem Quergrimmdarmgekröse, bis es zuletzt den Quer- grimmdarm erreiche. Die Verwachsung geschehe im vierten Monat, sei aber noch einige Zeit äußerst locker, so daß das Netz leicht vom Darm und Gekröse getrennt werden kann. JOH. MÜLLER hatte anfangs an der Verwachsung zwischen Netz und Meso- colon transversum gezweifelt, sah sich aber nach der Augenscheinnahme vieler Präparate gezwungen, ihr beizupflichten. Er glaubte damals die eigentliche Ur- sache der Bildung des großen Netzes erkannt zu haben. Unter innerer Lamelle des Netzes versteht er die von der hinteren Fläche des Magens kommende Lamelle, welche den Netzbeutel innen auskleidet und beim Erwachsenen vom Colon iransversum in das obere Blatt des Mesocolon transversum übergeht. Die " äußere Lamelle des Netzbeutels kommt von der vorderen Fläche des Magens und geht in das untere Blatt des Mesocolon transversum über. Es hat also sowohl der vom Magen herabsteigende, als der zum Colon transversum wieder aufsteigende Teil des Netzbeutels zwei Lamellen, eine äußere und eine innere, so daß der beim Erwachsenen kollabierte und verwachsene Netzbeutel ursprüng- lich aus vier Lamellen besteht, welche doppelblättrig gegen die große Kurvatur des Magens und gegen das Colon transversum auseinanderweichen, beim Fötus und Kind aber einen aus zwei Lamellen bestehenden Beutel bilden, in dessen Höhle das Foramen Winslowii führt. 314 A. Fleischmann, Die Magengegend der Wirbeltiere. MECKEL und KIEsER haben die Tatsache festgestellt, daß der Magen in der vierten und fünften Woche des Embryonallebens noch ganz senkrecht steht, indem er eine bloß halbkreisförmig ausgebogene Erweiterung der Speiseröhre bildet, daß der gerade gestreekte Darm fast unmittelbar vom Magen aus dem Unterleibe in den Nabelstrang tritt, hier unter einem sehr spitzen Winkel um- biegt und in den Unterleib zurückkehrend ebenso gerade zum After umbiegt. Auch bei einem Embryo von 7 Linien Länge liegt der Magen noch ganz senk- recht wie eine halbmondförmige Erweiterung der Speiseröhre (die große Kur- vatur links, die kleine Kurvatur nach rechts gekehrt). Seine Befestigung an die hintere Bauchwand ist noch eine senkrechte Falte, welehe von der Wirbelsäule ausgeht, sich nach links gegen die große Kurvatur des senkrechten Magens wendet und hier ansetzt, um mit ihren zwei Blättern den Magen zwischen sich zu nehmen, so daß sich das linke Blatt dieser Falte über die vordere, das rechte Blatt über die hintere Fläche des Magens umbiegend fortsetzt. An dem oberen Teile der kleinen Kurvatur treten die Blätter wieder zusammen und bilden vereinigt eine Falte zur Leber. Diese doppelblättrige Falte des Bauch- felles ist ein wahres Magengekröse = Mesogastrium. Diese neue Beobachtung ist der Schlüssel zur Bildungsgeschichte des großen Netzes. Da das Magengekröse noch #on der Mittellinie der hinteren Bauchwand ausgeht, das Mesogastrium aber, um die große Kurvatur des senk- rechten Magens zu erreichen, sich nach links wendet, so entsteht durch das Mesogastrium hinter dem Magen ein halbmondförmiger Beutel, dessen Eingang an dem unteren Teile der kleinen Kurvatur rechts liegt, dessen vordere Wand der Magen selbst, dessen hintere Wand das Mesogastrium ist. Der Eingang in diesen Beutel des Mesogastrium rechts unter der Leber, unter der Falte, welche vom oberen Teile der kleinen Kurvatur an die Leber geht, ist noch sehr groß; er ist das spätere Foramen Winslowii. Nach oben wird er etwas bedeckt da- durch, daß das Peritoneum von der Gegend der späteren Fossa hepatis trans- versa faltenförmig als Ligamentum gastrohepaticum zur kleinen Kurvatur des Magens tritt, um sich über dem Magen in die Blätter des Mesogastrium fort- zusetzen. Indem der Magen sich sehr früh platt legt, wird die Richtung des Meso- gastrium von der des Mesenterium verschieden; denn das senkrechte Mesen- terium trennt die Bauchhöhle hinten in einen rechten und linken gleichen Teil; das Mesogastrium geht zwar auch senkrecht von der Mittellinie aus, tritt aber nach links an die große Kurvatur des Magens und bildet, statt auf beiden Seiten des Magens gleiche Räume, vielmehr an seiner rechten Seite hinter dem Magen einen blinden Beutel mit rechter Öffnung, während die der linken Seite des Darmes entsprechende Seite des Magens zur vorderen geworden ist. Meso- gastrium und Mesenterium bestehen aus denselben Blättern, haben aber eine deutliche Grenze, weil das Mesogastrium nur der großen Kurvatur des Magens entsprechend ausgezogen ist, am Anfang des Darmes aber aufhört und das Mesenterium hier selbständig beginnt. Die Unterbrechung zwischen Meso- gastrium und Mesenterium ist dieselbe Stelle, wo später der Anfang des Dünn- darmes ohne Mesenterium hinter dem Bauchfellsack sich zurückgezogen hat. In der senkrechten Stellung des Magens und Darmkanals tritt nun eine Veränderung insofern ein, als der Magen eine mehr schiefe Lage einnimmt und der Fundus sich ausbildet, während die in den Nabelstrang eintretende Schlinge des Darmes sich innerhalb des Nabelstranges windet. Der hinter dem Magen befindliche Beutel des Mesogastrium behält seine Form, nur wird sein Eingang Hans Karl, I. Die Entwicklung des Magens beim Schafe (Ovis aries). 315 auf der rechten Seite unter der Leber kleiner, je mehr die von der Leber zur kleinen Kurvatur gehende Falte des Peritoneum sich herabzieht, der Pylorus aber sich gegen die Leber aufrichtet, überhaupt der Magen aus seiner senk- rechten Lage in eine schiefe übergeht. Solange der Magen senkrecht steht, ist die hintere Insertion des Mesogastrium auch senkrecht in der Mittellinie vor der Wirbelsäule; von hier wendet es sich links nach der großen Kurvatur des Magens und läßt rechts den beschriebenen Peritonealbeutel. Wenn aber die große Kurvatur allmählich mehr zur unteren, die kleine Kurvatur zur oberen wird und die Portio pylorica sich aufrichtet, verändert auch das Mesogastrium allmählich seine Insertion_in der hinteren Bauchwand und rückt aus der mitt- leren senkrechten in eine schiefe Richtung nach links. Zugleich wird der durch das Mesogastrium gebildete Beutel da, wo er mit seinen Lamellen an die große Kurvatur des Magens tritt, unten etwas verlängert und runzlig. Dies ist der erste Ursprung des großen Netzes. Das große Netz ist also der sich herab- senkende Teil des beutelförmigen Mesogastrium. Wenn sich mit der Lageveränderung des Magens die Insertion des Meso- gastrium aus der senkrechten Richtung schief nach links gewendet hat und zum Teil quer wird, rückt der in dem Peritonealbeutel des Mesogastrium und Netzes eingeschlossene Raum ebenfalls immer mehr nach der linken Seite und in die Quere und es entsteht der obere hintere Peritonealraum hinter dem Magen, während dieser Raum früher ganz zur rechten Seite des beutelförmigen Meso- gastrium war. Das quer gewordene Mesogastrium tritt in Beziehung zum Colon trans- versum, so daß das große Netz zuletzt mit seinem aufsteigenden Teile oder dessen zwei Lamellen ans Colon transversum und in die Lamellen des Meso- eolon transversum sich fortsetzt. Das Netz unterscheidet sich also von dem Mesogastrium nur dadurch, daß es beutelförmig herabsinkt, während das Mesogastrium der übrigen Wirbeltiere len Magen straff an die hintere Bauchwand heftet, wie beim Salamander und Frosch. Auch beim Fötus der höheren Tiere wird der Raum rechts vom Meso- gastrium beutelförmig erweitert, indem das Mesogastrium, um den plattliegenden Magen an seiner großen Kurvatur zu erreichen, sich links wendet und der da- durch entstandene Beutel sich verlängert. Lange Jahrzehnte ruhten die Studien über die Magenentwick- lung. Erst im Jahre 1880 wurden sie von neuem aufgenommen und zwar durch VincEenz KrAZowskı mit Untersuchungen über die Ent- wicklung des Omasus. Krazowskı, der seine Schnittserien noch mit dem Rasiermesser ange- fertigt hat, demonstrierte am jüngsten Stadium einen fast symmetrisch gele- genen Magen, der ein verhältnismäßig großes, auf dem Querschnitt annähernd senkrecht ovales Lumen besitzt, nur wenig schräg gestellt ist und dessen dor- sale Wandzone am weitesten links von der Medianebene abweicht. Bei einem etwas älteren Embryo bemerkte er, daß die dorsale Partie des Magens in ihrem ganzen Verlauf sich noch stärker nach links zu wenden und sich gleichzeitig nach links und etwas dorsal auszubuchten beginnt. -Dadurch erscheint der Querschnitt des Lumens anfangs beinahe C-förmig, später jedoch lagert sich auch der übrige Teil des Magens mehr nach links und nur die ursprünglich 316 A. Fleischmann, Die Magengegend der Wirbeltiere. ventrale Wandzone bleibt in der Medianebene und begrenzt nunmehr das Magen- lumen von rechts her. Die Magenanlage ist in der Mitte ihres Verlaufes am meisten ausgedehnt und hat hier das größte Lumen. In ihrem vorderen Teil schreitet die Aus- buchtung der ursprünglich dorsal gelegenen Wand nach links und oben weiter fort und bildet so den Beginn der Pansen-Haubenanlage, während die mehr hinten liegende Magenpartie, aus der die Anlage des Omasus und des Lab- magenfundus hervorgehen wird, vorzugsweise dorsal sich ausbuchtet. Vom Ösophagus aus bilden sich an der oberen und ebenso an der unteren Wand der Pansen-Haubenanlage die provisorischen Schlundlippen, d.h. leisten- förmige Erhebungen der Mucosa, und verlängern sich bald weiter nach hinten an der dorsalen und ventralen Wand des unmittelbar auf die Pansen-Hauben- anlage folgenden Magenabschnittes, aus welchem die Anlage des Omasus her- vorgeht. Sie erscheinen am mächtigsten in der Pansen-Haubenanlage, während sie in der Omasusanlage als »Brückenlippen« allmählich schwächer und schmäler werden. Der Omasus ist zuerst verhältnismäßig lang und gerade, wird allmählich enger und geht ohne deutliche Abgrenzung in den Labmagenfundus über. Durch die Fortsetzung der provisorischen Sehlundlippen wird die Lichtung des Omasus in zwei fast gleich große rechte und linke Längshälften geteilt. Die rechte Abteilung ist die direkte Fortsetzung der Schlundrinne, aber weiter als letztere. Die linke Abteilung kommuniziert vorn mit der Pansen-Haubenanlage, die Grenze zwischen beiden ist erst wenig ausgesprochen. Im späteren Stadium treten die Brückenlippen stärker hervor und nehmen nach und nach die ganze obere und untere Wand der linken Abteilung ein. Rückwärts laufen die Brücken- lippen in die dorsale und ventrale Wand des Labmagenfundus aus. Die linke Abteilung des Omasus beginnt allmählich vom Netzmagen aus sich abzuflachen und die auf ihren Wänden sitzenden Lippen in die rechte Ab- teilung vorzuschieben. Durch diese Abflachung entsteht die Psalterbrücke und der vordere Teil des Omasus wird annähernd (I-förmig. Auf der linken Wand sitzen die großen, in der Mitte der Wand aneinanderstoßenden Brückenlippen und füllen zunächst fast das ganze Lumen der rechten Abteilung aus. Allmählich werden die Brückenlippen auf der abgeflachten Wand der Omasusanlage vom vorderen der Haube zugekehrten Ende aus flacher, so daß die Psalterbrücke breiter und gegen den Labmagen verlängert wird, bis endlich das definitive Verhalten erreicht ist. Gleichzeitig beginnt die rechte Abteilung des Omasus vom vorderen Psalterende aus die ersten Blätter zu bilden. Die ventrale Brückenlippe wird von hinten aus bis zur abgeflachten Omasus- wand flacher, während die gegenüberliegende dorsale Lippe noch mächtiger ins Lumen wuchert; gleichzeitig erweitert sich der Labmagenfundus nach vorn, unterhalb und links von der stark entwickelten Dorsallippe, welche in die dor- . sale Grenzlippe zwischen Omasus und Abomasus übergeht. Die ventrale Grenz- lippe entwickelt sieh später parallel der dorsalen Grenzlippe von der ventralen Brückenlippe aus nach hinten, um von der unteren Seite die Grenze zwischen den beiden Magenabteilungen an der Innenfläche zu bilden. Beide Grenzlippen sind gleich den Brückenlippen persistierende Anteile bzw. Fortsetzungen der provisorischen Schlundlippen. Im Omasus entwickeln sich die Hauptblätter zuerst. Schon in der Zeit, in welcher der Psalter vom Labmagen äußerlich noch nicht durch eine Ein- schnürung abgegrenzt und die dorsale linke Grenzlippe im Entstehen begriffen Hans Karl, I. Die Entwicklung des Magens beim Schafe (Ovis aries). 317 ist, treten die beiden ersten Hauptblätter gegenüber der Psalterbrücke im vor- deren Teil des Omasus auf. Das Stroma der Schleimhaut beginnt breit leisten- förmig zu wuchern und schiebt das geschichtete Epithel vor sich her. So ent- stehen nach und nach zehn Leisten, die Anlagen der Hauptblätter und ent- wickeln sich um so stärker, je weiter sie von der Psalterbrücke entfernt sind, d.h. je früher sie angelegt waren. Wenn fast alle Hauptblätter entwickelt sind, ist der Omasus äußerlich noch nicht definitiv vom Labmagen abgegrenzt. Erst auf der Dorsalseite ist eine Einschnürung der Magenwand zwischen beiden sichtbar. Die vorhandenen Blätter sind relativ sehr stark und niedrig und erscheinen deshalb sehr plump. Aber kaum ist der Omasus vom Labmagen abgegrenzt, so erfolgt die Entwicklung der Mittelblätter, indem das Stroma der Schleimhaut zwischen je zwei Hauptbiättern leistenförmig wuchert. Die ersten Mittelblätter entwickeln sich wieder am weitesten von den Brückenlippen entfernt an der großen Kurvatur. Wenn alle Mittelblätter entwickelt und die ersten derselben auf eine gewisse Größe gestiegen sind, erfolgt die Bildung der dritten Kate- gorie der Zwischenblätter, jedoch nicht gleichzeitig; die den Brückenlippen näheren Zwischenblätter sind in der Regel jünger als die der Psalterbrücke gegenüberliegenden. Beim Schaf entwickeln sich zuletzt die Blätter der vierten Kategorie (Nebenblätter) als leistenförmige Wucherungen der Mucosa. Also werden nicht alle Blätterkategorien zu gleicher Zeit angelegt, die Hauptblätter entstehen zuerst, darauf die Mittelblätter, dann die Zwischenblätter, endlich die Nebenblätter, denen beim Rinde noch die Linienblätter folgen. Für alle Kate- gorien gilt die Regel, daß die der Psalterbrücke gegenüberliegenden Blätter älter sind als die Nachbarn der Brückenlippen. Die größeren im ausgebildeten Omasus auf dem der Haubenöffnung be- nachbarten Teile und am freien Rande des Blattes sitzenden Papillen treten früher auf als die kleineren an der Basis des Blattes näher der Labmagen- öffnung. Durch die fortschreitende Ausbuchtung der blättertragenden Wand und vielleicht auch durch die Erweiterung des Labmagenfundus nach vorn unter die Grenzlippen krümmt sich der Omasus so lange retortenförmig, bis die Brücke endlich einen rechten Winkel mit den Grenzlippen bildet. Die Grenzlippenkommissuren an der Innenfliäche zwischen Omasus und Abomasus treten sehr spät auf. Endlich muß die konvexe bisher nach rechts sehende Wand des Blättermagens sich dvrsal wenden, wodurch der vordere Teil des Labmagenfundus von links ventralwärts sich mitdrehen muß, was aus der defini- tiven Lage der Magenabteilungen zueinander zu folgern ist. Die Pansen-Haubenanlage buchtet sich vorn immer mehr aus und zwar zieht sie sich nach links, oben und etwas vorn aus, während sie hinten vorzugsweise nach links und oben erweitert wird. Die ventrale Wand in der Haubengegend sackt sich allmählich zur Haube aus, gleichzeitig entwickelt sich der Pansen- teil der Pansen-Haubenanlage immer weiter dorsalwärts, nach links und vorn und bildet die miteinander zusammenhängenden Abschnitte des »Haupt-« und »Nebenpansens<. Der Hauptpansen kommuniziert vermittels des Pansenhalses mit der Haube; er liegt jetzt noch mehr nach rechts, hinten und ventral vom Nebenpansen, der als Ausstülpung aus dem Hauptpansen sich entwickelt zu haben scheint, mithin jünger wäre als dieser. Die Lage des Pansens ist also im Vergleich zum definitiven Verhalten noch ganz anders, abgesehen davon, daß beide Abteilungen so stehen, daß ihre blinden Enden, die Anlagen der späteren Pansenblindsäcke, schräg nach vorn ziehen, anstatt wie beim ausge- 318 A. Fleischmann, Die Magengegend der Wirbeltiere. bildeten Pansen bis zur Beckenhöhle zu reichen. Deshalb hat Krazowskı die Bezeichnung »rechter« und »linker« Pansensack vermieden. Die Haube behält relativ am meisten ihre ursprüngliche Lage, sie braucht sich nur so lange ventral und nach rechts zu erweitern, bis die Schlundlippen an ihrer oberen Wand liegen. Die provisorischen Schlundlippen, welche lange Zeit die Schlundrinne als mächtige Wülste begrenzt haben, atrophieren vom Ösophagus aus, stehen aber bis zuletzt mit den auf der linken Wand der Omasusanlage sitzenden Brücken- lippen in Verbindung; endlich bilden sie sich zurück, dann erst treten die viel miichtigeren definitiven Schlundlippen auf durch eine Duplikatur aller Magen- häute (mit Ausnahme des Peritoneums). Die Faltenbildung erscheint zuerst an der Grenze zwischen der Haube und dem Omasus, wodurch zunächst die mäch- tige Kommissur der definitiven Schlundlippen gebildet wird. Die definitiven Schlundlippen selbst werden später angelegt, und zwar erreicht die ventrale Schlundlippe viel früher den Ösophagus als die dorsale. Eine Omasusanlage tritt frühzeitig auf und hat die engste Beziehung zum Abomasus, von dem die vollkommene Abgrenzung zuletzt, nachdem die beiden anderen Magenabschnitte lange sich differenziert haben, erfolgt. Es ist deshalb richtig, bei der Gruppierung Rumen und Reticulum einerseits, Omasus und Abemasus andererseits zusammenzufassen. Möglicherweise liegt bei Tylopoden und Tragulinen ein frühes Stadium der Psalterentwieklung vor. Der Psalter durchläuft in seiner Ontogenese Stadien, welche mit dem gegenwärtig bei weniger weit differenzierten Wiederkäuerformen persistierenden Zustande über- einstimmen. Nach Krazowskı widmeten sich Ende der achtziger Jahre zwei Veterinäranatomen, P. Marrın und A. Sross, eingehenden Studien über die Magenentwicklung. P. Marrın begann im Jahre 1889 Untersuchungen des Wiederkäuermagens, um ein zusammenhängendes Bild seines ganzen Entwicklungsganges, besonders seiner eigentüm- lichen Lagerungsverhältnisse zu gewinnen und dadurch die ver- wiekelten Verhältnisse des ausgebildeten Zustandes übersichtlicher zu machen. Er kam zu der Überzeugung, daß die Grundzüge der Entwicklung so ziemlich dieselben wie bei anderen Säugetieren seien, so verschieden auch die schließliche Gestalt beim Wieder- käuer erscheint. Ursprünglich bildet das Darmrohr des Wiederkäuers wie der Tiere mit einfachem Magen einen Schlauch, dessen erste Veränderungen in der Bildung des Magens und einer großen Darmschlinge bestehen. Der Magen liegt oben an der Wirbelsäule. Seine große Kurvatur schaut beim Menschen und anderen Tieren dorsal und ist durch ein kurzes Gekröse mit der Wirbelsäule verbunden. Die kleine Kurvatur stellt noch eine mehr oder weniger gerade Linie dar und hängt frei in die Bauchhöhle hinein. Eine zweifache Drehung bringt den Magen in eine der definitiven nahezu entsprechende Lage. Durch die eine Drehung wird die ursprünglich median liegende Cardia auf die linke Seite, durch die zweite wird die große Kurvatur abwärts und die linke Seite nach vorn verlagert. Das vorher kurze Gekröse wird zu einer großen Platte Hans Karl, I. Die Entwicklung des Magens beim Schafe (Ovis aries. 319 ausgezogen; die linke Magenseite wickelt sich sozusagen in die Platte ein, so entsteht die Tasche des Netzbeutels. Bei Wiederkäuern fällt die erste Drehung des menschlichen Magens voll- ständig aus, daher bleibt die Magenachse in frühen Stadien der Sagittalebene des Körpers mehr parallel, die Schlundeinmündung nasal, der Pylorus caudal. Eine der großen Kurvatur des Pferdes entsprechende Krümmung bildet sich nur am Labmagen aus, im übrigen stellt der Gesamtmagen einen ziemlich langen S-förmig gewundenen, von vorn nach hinten verjüngten Schlauch dar. Später findet eine Umwälzung und Senkung der einzelnen Magenabteilungen statt, von denen die Verschiebung des Pansens am wichtigsten ist. Spezielle Angaben machte MARTIN über diese frühen Stadien nieht. Ausführlich ging er bloß auf den Befund bei einem 32tägigen Rindsembryo ein, dessen Magen noch S-föürmig gewunden ist, aber bereits sämtliche Haupt- abteilungen besitzt. An die trichterförmige Schlundeinmün- Fig. A. dung (Vorhof) schließt sich die spindelförmige, caudal a und dorsal gekrümmte Haube an; links davon liegt der c b Pansen als relativ weiter, doppelbuchtiger Blindsack; eine d leistenartige Erhabenheit gegenüber der Vorhofsöffnung, welche die beiden Buchten (Blindsäcke) voneinander trennt, deutet den hinteren Hauptpfeiler an. Äußerlich ist die f Gliederung des Magenschlauches kaum zu bemerken, da die Wandung zu dick ist. Von der Haube führt ein 2 5 £ R £ £ R 2 agen-Darmanlage eines ziemlich langer Gang in das leicht spindelförmig erweiterte ftinderembryos, 32 Tage Buch. Ein zweiter ziemlich langer Gang verbindet das alt, 1,35 cm 1. Schema- Buch mit dem Labmagen, der am meisten entwickelt ist tische Darstellung nach und schon eine der fertigen Form ähnliche Gestalt hat. 2 ee R ae Mit ziemlich starker Erweiterung beginnend, verjüngt sich u i Ba. = Pas der Labmagen nach hinten und biegt S-förmig von der magen. linken nach der rechten Seite hinüber; er hat die am meisten ventrale Lage, wogegen der Zwölffingerdarm an seiner ursprünglichen Stelle verblieben und durch ein kurzes Gekröse mit der Wirbelsäule verbunden ist. Ohne Zweifel hat in diesem Stadium schon die Achsendrehung begonnen und die ganze Magenmasse eine Wendung um ihre Längsachse nach links ge- macht. Dadurch hat sie sich auf der linken Seite in das Bauchfell eingewickelt. Die an den Pansen von der Wirbelsäule herüberspringende Gekrösplatte ver- läuft nieht senkrecht, sondern schief nach links. Marrın machte sich von den vorhergehenden Stadien folgendes Bild: Anfangs ist der Pansen ein einfacher, dorsal von der Schlundeinmündung liegender Blindsack; rechts und links vom Ansatze des Gekröses bilden sich zwei kleine Buchten; die rechte vergrößert sich stärker und drängt die linke allmählich weiter nach links hinüber, zugleich ventral und etwas nach vorn. Die große Kurvatur des Labmagens ist von ihrem dorsalen Standpunkte ziemlich weit ventral und nach links herab- gesunken, während die beiden übrigen Mägen noch keine wesentliche Orts- veränderung aufweisen. Die hier eingeleitete Drehung um die Längsachse der Gesamtmägen ist beim Schafembryo von 3,7 cm Länge vollendet. Der Pansen hat eine vollstän- dig ventrale Lage angenommen, doch sind seine durch eine Einschnürung deutlich getrennten Blindsäcke nach vorn und etwas nach rechts gerichtet. Die Verschiebung von der linken Seite nach rechts erklärte MAarrın dadurch, daß der ursprünglich rechts vom Gekrösansatz und auch auf die linke Seite 320 A. Fleischmann, Die Magengegend der Wirbeltiere. herübergekommene Sack den anderen immer weiter vor sich hergedrängt und schließlich auf die rechte Seite hinübergeschoben hat, was einer Achsendrehung des Pansens gleichkomme. Der jetzt linke Sack hat sich durch die Drehung in das Gekröse eingewickelt, die Haube und der Labmagen sind ebenfalls durch Achsendrehung vollständig auf die rechte Seite herübergetreten, indem sie auf ihrem Wege von oben herab erst die linke Seite passierten. Die Haube bildet ein großes sackartiges Anhängsel der Schlundeinmündung, der konvexe Bogen des Buches ist nach oben gewandt; die große Kurvatur des Labmagens, welche früher von links nach rechts zog, verläuft nun gerade entgegengesetzt. Diese frühe Umlagerung des Labmagens scheint dem Schafe eigen zu sein, beim Rindsembryo von 8cm Länge ist der große Bogen des Labmagens noch nach links gewendet. Das Gekröse, welches sich bei der Umwälzung der Mägen ver- längert, bildet auf der linken Seite eine Tasche, in welche jene eingewickelt sind und in welche man über die Mägen hinweg von der rechten Seite aus gelangt. Bis jetzt war die Längsachse des Pansens nahezu parallel der Sagittal- ebene gerichtet. Nun schickt sich der Pansen an, eine vollständig andere Stellung einzunehmen. Er wendet sich zuerst nach unten und dann mit seine Fig. B. Fig. C. b a c d Fig. B. Magen-Darmanlage eines Schafembryos von 3,7 cm Länge, Fig. C eines Rinderembryos von 9 Wochen. Schematische Darstellung von P. Marrın. a Schlund, d Vorhof, c Pansen, d Haube, e Buch, f Labmagen. vorderen Partie nach hinten, wodurch er zugleich in seine endgültige Lage rückt. Bei Rinderembryonen von 9 Wochen ist die Umlagerung bereits voll- zogen. Die beiden nunmehr hinteren Blindsäcke sind sehr stark ausgebildet; das dem Pansen ansitzende Gekröse bildet zwischen ihm einerseits und dem Labmagen, Buch und der Haube auf der anderen Seite den großen Netzbeutel; der linke Pansensack aber ist nicht vom Gekröse bedeckt, weil er sich durch die Umwendung nach hinten aus der Tasche, in welcher er lag, herausgewickelt hat. Die Kommunikation des Pansens mit dem Schlunde wird durch eine relativ enge Öffnung hergestellt. Die direkte Fortsetzung des Schlundes bildet die Haube, an deren rechter Wand die Schlundrinne entlang führt; dieselbe liegt jetzt bedeutend tiefer als später. Das Buch ist stark entwickelt, es liegt weit unten auf der rechten Seite (mit der großen Kurvatur nach außen) und geht in gleicher Höhe mit der Haubenöffnung in den Labmagen über, der fast ganz auf der linken Seite des Buches liegt; beim Übergang in den Zwölffingerdarm biegt er sich auf die rechte Seite, so daß er in seiner ganzen Länge fast horizon- tal liegt. Hans Karl, I. Die Entwicklung des Magens beim Schafe (Ovis aries). 321 Die übrigen Formänderungen scheinen sich ziemlich rasch abzuspielen, in- dem bei Rinderembryonen von 10!/; Wochen (12 cm) die äußere Magengestalt im ganzen der Form beim neugeborenen Kalbe sehr ähnlich ist. Der Labmagen ist zwar gegen den sehr weiten Pansen immer noch zurück und gewinnt erst bei Embryonen von 26 und 30 cm eine größere Ausdehnung; dann findet der Übergang in die definitive Lage statt, indem sich die große Kurvatur noch mehr ventral und rechts Fig. D. wendet; das Buch erleidet damit eine nochmalige Drehung, so daß sein großer Bogen nun dorsal ge- richtet ist. Die Größe des Labmagens nimmt stetig bis zur Geburt zu, wo er einen bedeutend größeren Umfang als der Pansen erreicht hat. Beim Über- gang von der Milchnahrung zur festen Fütterung verschiebt sich dies Verhältnis in umgekehrter Weise. Durch die Vergrößerung des Pansens nach hinten kommen Schlundeinmündung, Haube und Buch scheinbar immer mehr nach vorn zu liegen. Dre lar es eies Kuno Die Haube wendet ihre große Kurvatur gegen das embryos von 101/, Wochen. Zwerchfell. Beim Schafe, wo sie anfangs ganz auf Schematische Darstellung von der rechten Seite liegt, rückt sie weit nach links: an sie. verliert ihre frühere sackartige Gestalt nach und nach. Der Pansen wendet sich nach hinten um, während die übrigen Magen- abteilungen nach vorn gegen das Zwerchfell rücken; weil er bei seiner Ver- größerung durch das Zwerchfell und die Leber verhindert wird, sich weiter nach vorn auszudehnen, muß er sich nach hinten umstülpen. Die Einmündungsstelle des Schlundes bleibt, da letzterer sich nicht mehr im Verhältnis zur Vergröße- rung des Pansens verlängert, an das Zwerchfell fixiert und damit rücken eben die hinteren Magenabteilungen scheinbar weiter nach vorn. Bei Rindsembryonen hat MArTıNn niemals die ausgesprochene Sackform der Haube wie beim Schafe beobachten können. Das Buch ist beim Rinde verhält- nismäßig früher und stärker entwickelt als beim Schafe, endlich nimmt der Lab- magen bei letzterem früher seine definitive Lage an als beim Rind. Das voll- ständige Hinübertreten auf die rechte Seite dürfte aber unschwer mit der Ver- größerung des Pansens nach hinten in Zusammenhang zu bringen sein, welcher bei seiner Ausdehnung alles von der linken Seite nach rechts hinüberdrängt. Einen Grund für das Hinabsinken der Mägen auf der linken Seite konnte MARTIN nicht finden. Er bemerkte zwar das Längerwerden des Gekröses, aber warum wird es gerade hier länger? Man könne doch nicht die Schwere der betreffenden Teile verantwortlich machen, dazu fehle jeder Anhaltspunkt, ab- gesehen davon, daß der Embryo ja nicht in einer typischen Weise zur Erdachse orientiert ist. A. Stoss versuchte bald darauf (1892) durch Studien an jün- geren Schafembryonen die erste Anlage des Darmes und der blei- benden Verhältnisse klarzulegen. Er kam dabei zu folgenden Vor- stellungen: Der primitive Darmkanal von der Rachenhöhle bis zum Dottergang tritt als ein ventro-dorsal hohes (säbelscheidenähnliches) Rohr auf und differenziert 322 A. Fleischmann, Die Magengegend der Wirbeltiere. sich bald in Schlund, Magen und Darm. Bei Zwillingsembryonen (3 bzw. 4 mm Durchmesser, 17—18 Tage alt) macht sich hinter der Lungenanlage eine ganz allmähliche Zunahme seines dorso-ventralen Durchmessers bemerkbar. Die Lage und Gestalt des Darmquerschnittes wird zugleich asymmetrisch. Das von rechts nach links in einem Winkel von 125° eingebogene Magenlumen liegt fast ganz in der linken Körperhälfte. Der dorsale und ventrale Rand steht der Median- ebene am nächsten, weil er am besten fixiert und der Druckwirkung am wenigsten ausgesetzt ist. Die primitive Magenanlage stellt keine spindelförmige Erweite- rung des Gesamtkanales dar, sondern zeigt nur caudal bis zur Einmündung der beiden vereinigten primären Lebergänge eine geringe Zunahme ihres Höhen- durchmessers. Von hier senkt sich der Ventralrand des Darmes bis zum cau- dalen Ende der Leber tief in dieselbe ein. Die Darmstrecke zwischen der Mündung des Ductus hepatieus und der vorderen Darmpforte mit hohem dorso- ventralem Durchmesser bezeichnete Stoss als »primitives Duodenum«, da nur ein kleiner Teil derselben zum definitiven Duodenum wird. Sie erscheint als direkte Fortsetzung der ventralen Hälfte des geknickten Magenlumens, behält auch die schiefe Neigung nahezu bei und liegt in der Mitte des auf dem Quer- schnitt F-fürmig gebogenen Anfangsteiles des primitiven Duodenums. Die dor- sale Hälfte des Magenlumens wird in ihrer Fortsetzung auf das primitive Duo- denum zunächst kleiner. Bald aber treten zu beiden Seiten die Ausbuchtungen der ersten paarigen Pankreasanlage auf. Ein 5,5 mm langer, wenige Stunden älterer Embryo zeigt den Verdauungskanal bereits in seine Hauptabschnitte differenziert. Die Form des fast !/; mm langen Magens hat sich bei einem 5 mm großen Embryo wesentlich geändert. Während am kleineren Embryo die Höhe des Magens caudal allmählich zunimmt, ist sie hier nahe dem eranialen Ende am größten und nimmt caudal um fast zwei Drittel ab. Die nun ausgesprochene Spindelform des Magens ist das Resultat des gleichmäßigen Wachstums nach allen Dimensionen und der Rückbildung der dorsalen Hälfte in eaudo-cranialer Richtung vom ceranialen Ende der dorsalen Pankreasanlage aus. Hierdureh ist die dorsale Hälfte des Magenquerschnittes caudal ganz geschwunden und zum Pylorus, bzw. Anfangsteil des Duodenum geworden. Von der stärksten Magen- erweiterung nimmt die dorso-ventrale Länge des Dorsalgekröses schnell zu. Im Verlauf der eaudalen Verjüngung der spindelförmigen Magenerweiterung hält die Ventralkante des Darmrohres von der Chorda ziemlich gleichen Abstand, ebenso das primitive Duodenum. Die Neigung der ventralen Hälfte des Magen- lumens zur Medianebene setzt sich durch das ganze Duodenum im engeren Sinne fort. Somit besteht neben einer Knickung des Magenlumens eine Linksdrehung des Duodenums um seine Längsachse und zwar um 25°. Das primitive Duo- denum hat sich von der spindelförmigen Magenerweiterung durch das eingeengte Lumen des Pylorusteiles deutlich abgesetzt. Die Abtrennung des gemeinsamen Ductus hepaticus vom primitiven Duodenum in caudaler Richtung hat ziemlich langsam stattgefunden. Bei nächst älteren Embryonen (4,6—4,8—5 mm, 19 und 20 Tage alt) hebt sich der spindelförmig erweiterte Magen mit einer größeren dorsalen und einer geringeren ventralen Konvexität vom übrigen Verdauungskanal ab, sein größtes Lumen und seine stärkste Krümmung (nahezu 90°) liegen in der eranialen Hälfte, caudal nimmt das Magenlumen wieder ab. Durch die Magenknickung wird die Achsendrehung des Duodenums eingeleitet. Im Anfangsteile des Duodenums beträgt sie 45°, steigt bis zur Mitte des ventralen Pankreas auf 80° und nimmt caudal davon wieder ab. Die Zunahme der Torsion caudalwärts glaubte Stoss Hans Karl, I. Die Entwicklung des Magens beim Schafe (Ovis aries). 323 auf die Zugwirkung der den Darm von links rach rechts umkreisenden Dotter- vene beziehen zu dürfen. Der Darmkanal eines Embryo von 5,5 mm N. S.-Länge besitzt bis zur Pliea venae eavae spaltförmiges Lumen und sehr kurzes Gekröse und wird durch den Recessus sacei omenti und die Plica Venae cavae aus der Medianebene nach links verdrängt. Die Rückbildung der dorsalen Hälfte des geknickten Magenquerschnittes hat sich beim Embryo 6 mm N. S.-Länge bis zum cranialen Magenende aus- gebreitet, so daß auch dessen dorsaler Winkel nicht mehr in der Medianebene liegt, ja sie scheint sogar auf den Dorsalrand des Schlundes zu reichen. Da das Wachstum der ventralen Hälfte mit der Rückbildung der dorsalen Hälfte ziemlich gleichen Schritt hielt, kommt die Höhe des Magens derjenigen des viel weniger entwiekelten Embryos von 5mm Größe gleich. Die Stelle, in welcher die zurückgebildete Magenpartie lag, ist nun nicht mehr als Magenwand, sondern als Dorsalgekrös des Magens zu betrachten, das infolgedessen weit mehr ver- längert und im stumpfen Winkel nach links gewendet ist. Das restierende Magenlumen wurde weiter und mit dem ventralen Rand etwas nach links ge- wendet, so daß sein Querschnitt bei caudo-cranialer Betrachtung schwach F-förmig erscheint. Man kann nun von einer Magendrehung, nicht mehr von einer Magenkniekung sprechen. Die Magendrehung hat sich lediglich durch Wachs- tumsdifferenzen des Entodermrohres vollzogen; erst später tritt durch Ver- lingerung des Dorsalgekröses eine wirkliche Linksdrehung des Gesamt- magens ein. Die Leber ist anfangs mit ihrer Längsachse schief von.vorn oben nach hinten unten gerichtet und überragt das Ende der Lungenanlage im ventralen Darmgekrös. Allmählich stellt sie sich mit ihrer vorderen Fläche mehr senkrecht und überragt die Lungenanlage nicht mehr. Der Recessus sacci omenti und die Erweiterung des Schlundes zum Magen, welche anfangs in einer Querschnitts- ebene mit der Trachealteilung lagen, finden sich ebenfalls erst gegen das Ende der Lungenanlage vor. Der Magen wird aus der Medianebene nach links verdrängt und um seine Längsachse nach links gedreht (bei einem 10 mm langen Embryo um 45°). Diese Drehung wird fortschreiten, bis sein dorsaler Rand zum ventralen Rande (große Kurvatur des einfachen Magens) und sein Dorsalgekrös zum großen Netz wird. Die Leber liegt mit ihrer Längsachse von oben-vorn nach hinten-unten, später von hinten-oben nach vorn-unten. Das kurze Ventralgekrös, später kleines Netz genannt (Leberschlund-, Lebermagen-, Leberzwölffiingerdarmband), zwingen Masen und Duodenum, der veränderten Lage der Leber zu folgen. Die ursprünglich rechte Seite des Magens wird zur linken und dann zur hinteren Seite. Sie ist von dem stark wuchernden Mesogastrium dorsale (großes Netz) überzogen. Die Magendrehung setzt sich auch noch auf die Brustportion des Schlundes fort, wodurch der rechte Vagus, der sich auf der hinteren Magenwand verzweigt, über den Schlund, der linke unter denselben zu liegen kommt. So liegen die bleibenden Verhältnisse bei den Carnivoren. Bei den übrigen Tieren komplizieren sie sich dadurch, daß das Netz mit den dahinterliegenden Gedärmen (Colon transversum und Reetum und deren Gekröse) verwächst. Der Magen von Embryonen 9 mm N. S.-Länge ist 1 mm lang, sein Dorsal- gekrös hat sich bedeutend verlängert und verläuft fast horizontal (75° zur Morpholog. Jahrbuch, 4). 22 324 A. Fleischmann, Die Magengegend der Wirbeltiere. Medianebene) von rechts nach links. Durch die Verlängerung des Dorsalge- kröses tritt eine wirkliche Drehung des Gesamtmagens ein, jetzt ist die Links- drehung des Magens auf nahezu 65° gestiegen. Der dorsale Winkel des Magen- lumens ist in die verdickte linke Seitenwand des Magens vorgedrungen. Der Lumenquerschnitt stellt infolgedessen einen seiner früheren Bildung gerade ent- gegengesetzt gelagerten stumpfen Winkel dar. Wie das Mesogastrium dorsale in fast rechtem Winkel nach links ge- wendet ist, so zeigt auch seine caudale Fortsetzung, das Duodenalgekrös infolge der Achsendrehung des Duodenums anfangs denselben Verlauf. Dorsal- und Ventralgekrös haben sich durch die nun zum Abschluß gekommene 90° be- tragende Achsendrehung des Duodenums von ursprünglich 180° auf 0° genähert, so daß die rechte Gekrösseite die ursprünglich rechte Darmwand fast berührt. In der starken Verdiekung der linken Magenwand eines 26 Tage alten Embryos von 10,5 mm N. S.-Länge tritt bald der horizontale Schenkel des auf dem Querschnitt rechtwinklig gebogenen Magenlumens auf. Der Magen stellt keine ganz allmähliche Erweiterung des Schlundes mehr dar, sondern setzt sich von demselben bereits deutlich ab. Der Übergang in den Darm ist mehr all- mählich. Das nun ganz horizontal von rechts nach links verlaufende dorsale Magengekröse zeigt die spindelförmige Verdiekung der Milzanlage. Der Magen des Embryos 13,5 mm N. S.-Länge hat sich links vom Schlund vorwärts bis zur Lunge ausgebuchtet. Der nahezu um 90° gedrehte Magen wurde durch die Leber allmählich aufwärts geschoben, so daß sein Gekröse anfangs schief von oben nach links unten, später horizontal nach links und schließlich sogar. nach links oben verläuft. Der schon 1 mm lange Magenblindsack des Embryos 14,5 mm N. S.-Länge wird vom linken Lungenflügel durch den linken ventralen Pfeiler getrennt. Rückwärts senkt sich der Schlund in das massige, in der Mitte der Leberober- fläche befindliche Bindegewebe, welches die ventrale Zwerchfellanlage und den Ursprungsort des ventralen Pfeilers bildet. Rechts vom Schlund ist der Quer- schnitt des sehr reduzierten Recessus sacci omenti. Mit diesem Bindegewebe ist der Magen ea. 300 u vor- und rückwärts verwachsen, so daß er sich dadurch ein direktes Dorsalgekröse schafft. Wenn der Embryo 16 mm N. S.-Länge erreicht, wird der länglich sack- artige Magen durch zwei seichte Einschnürungen in drei Abschnitte geteilt. In den mittleren mündet der Schlund, der hintere geht rechts von der Median- ebene in den Zwölffingerdarm über. Über die Entwieklung der Magenform machte A. Srtoss folgende Angaben: Das Magenlumen wird durch alternierende Seiten- Ausbuchtungen der Wandung kompliziert. Die Mittellinie der Gesamtmagenanlage zeigt bald einen schlangenförmigen Verlauf, sie verhält sich somit wie das infolge starken Längen- wachstums sich windende Darmrohr. Da jedoch große Kapazität des Magens notwendig ist, treten gleichzeitig starke Ausbuchtungen am Konvexbogen der einzelnen Windungen auf. Zunächst buchtet sich am Vorderende des Magens (Fig. E) die linke Seitenwand zur Haube (b) aus, während die rechte Wand als direkte Fortsetzung des Schlundes (oes) in Gestalt der Schlundrinne noch dem ausgebildeten Magen erhalten bleibt. Gleichzeitig wächst links die Pansenanlage (a) als Blindsack vom Schlunde nach vorn aus. Da die linksseitigen Aus- buehtungen (Pansen und Haub&) des primitiven Magens von Anfang an in weiter Kommunikation stehen, ziemlich gleichzeitig und früher als die übrigen Magen- abteilungen auftreten, faßte sie Sross als Vordermagen zusammen. Hinter Hans Karl, I. Die Entwicklung des Magens beim Schafe (Ovis aries). 325 demselben folgt der Mittelmagen (c) als rechtsseitige Ausbuchtung der primi- tiven Magenwand, endlich die linksseitige Ausbuchtung des Labmagens (d). Die Anlage sämtlicher Abteilungen des Wiederkäuermagens geschieht also auf die denkbar einfachste Weise durch Bildung eines Schlauches mit fünf Win- dungen (fünf konvexe und fünf konkave Bögen). Die linke Begrenzungslinie der Gesamtmagenanlage d.i. die große Kurvatur des Vordermagens (a,b), die kleine Kurvatur des Mittelmagens (c) und die große Kurvatur des Hintermagens (d), der ursprüngliche Fig. E. Dorsalrand und somit die Ansatzlinie des Dorsal- E gekröses (= großes Netz) entspricht der großen Kur- vatur des Hunde- oder Pferdemagens, während die rechte Begrenzungslinie, d. i. kleiner Bogen der Haube, großer Bogen des Buches und kleiner Bogen des Lab- magens als Anatzlinie des Ventralgekröses (= Leber- Magenband) der kleinen Kurvatur des Hunde- oder Pferdemagens entspricht. Der rasch wachsende Blind- sack der Pansenanlage wird durch das zur selben Zeit auftretende Zwerchfellin seiner Ausdehnung beschränkt und muß sich in Windungen legen, so daß er dem Buchstaben S gleicht. Die Windung « 3 der Pansen- Schematische Darstellung der Magenform von Schafembry- A. Stoss. Der Magen ist bereits um 90° ge- dreht, die linke punktierte Linie gibt den ursprünglichen onen nach windung wird zum Pansenhals bzw. Hauptpansen. Der konkave Bogen zwischen « und y wird zur Einschnü- rung zwischen den sog. vorderen Blindsäcken und die zusammengedrängte Wandung zum vorderen Pfeiler. dorsalen Rand an, die Ansatz- stelle des Dorsalgekröses, die rechte punktierte Linie gibt die Ansatzstelle des Ventral- = 2 Pi gekröses (= Magen-Leber- Die Windung y wird Nebenpansen und der konkave Band) an. a Be Bogen 3—0d Einschnürung zwischen den beiden hinteren d Haube, c Mittelmagen, Blindsäcken bzw. hinterer Pfeiler. Die letzte Win- d Labmagen. dung d endlich wird caudaler Blindsack des Neben- pansens. Rechts findet sich bekanntlich eine durchgehende Längsfurche. Die linke, der konkaven Bauchwand anliegende Pansenseite ist konvexer als die rechte, an welcher sich eine Verbindungsfurche beider konkaver Bögen bildet. Die Magenabteilungen b, e, d sind 90° um ihre Längs- achse gedreht, ebenso der Pansenschlauch, weil er aus dem gedrehten Vordermagen herausgewachsen ist; doch liegt er nicht in einer Horizontal-Ebene mit den üb- rigen Magenwindungen, sondern nahezu in einer darauf senkrechten Sagittalebene. Der Wiederkäuermagen folgt dem bei allen übrigen Säugern gültigen Gesetz der Magendrehung und dreht sich noch weitere 90° um seine Längsachse, so daß die dem großen Bogen des Hunde- oder Pferdemagens entsprechende linke Kon- turlinie der Magenabteilungen b, c, d ventral zu liegen kommen. Sross machte den Vorgang durch folgendes Experiment klar: Die Figur F wird auf ein Stück Papier gezeichnet, das quer über den Pansenhals («) rechtwinklig abgeknickt wird, so daß der Pansenumriß senkrecht steht. Wenn dann das Blatt um die gedachte Achse i—k um 90° gedreht wird, sind die großen Bögen von b und d nach unten gerichtet. Man überzeugt sich dadurch, daß der Pansen, indem er dem allgemeinen Gesetz der Magendrehung folgt, in seine definitive Lage (Hauptpansen dorsal, Nebenpansen ventral) kommt. Die Mägen der übrigen Säugetiere sind aber nicht nur gedreht, sondern 22* Fig. F. Umriß des Schafmagens nach A. Stoss, um die Magen- drehung zu demonstrieren, i—k Drehungsachse. 326 A. Fleischmann, Die Magengegend der Wirbeltiere. auch quer zur ursprünglichen Längsrichtung gestellt. Diesem Gesetz der Quer- stellung kann beim Wiederkäuer der räumlichen Verhältnisse halber nur die Haube Folge leisten. An dem Papiermodell braucht man bloß die Achse i—k zwischen b und c einwärts abzubiegen, um Buch und Labmagen dem Pansen parallel gestellt und ein den natürlichen Lageverhältnissen des ausgebildeten Magens vollständig entsprechendes Bild zu sehen. Hauptsächlich mit älteren Stadien über 2cm hat sich im Jahre 1896 R. GROTE beschäftigt und eine sehr ausführliche Beschreibung der Drehbewegungen des Pansens geliefert, ohne einen wesentlichen Fortschritt zu erzielen. Das kleinste Untersuchungsobjekt war ein Rehembryo mit drei Paar Kiemenbögen. Die Magenanlage ist eine spindelförmige Auftreibung des Darm- rohres. Dazu gesellt sich ein geringgradiges Herausweichen der Magenspindel aus der Medianebene als erster Schritt zur asymmetrischen Lage des definitiven Magens. Bei drei bis vier Wochen alten Rinderembryonen (2 em Länge) ist die Exenteration der Magenanlage notwendig. Der Pansen besitzt etwa die Hälfte der Länge des Gesamtmagens, liegt in der linken Unterrippengegend und ist durch eine Einschnürung von der Haube getrennt. Von dem blindsackförmigen Ende zieht auf der vorderen Fläche der Pansenanlage eine seichte Furche in der Längsrichtung des Pansens nach unten bis etwa zur Mitte des Organs. Die caudal gewandte Fläche zeigt eine entsprechende Furche und an der medialen Fläche macht sich ebenfalls eine seichte Furche bemerkbar, die transversal zur Längsachse der Pansenanlage verläuft. -Durch diese Furchen werden die Unter- abteilungen bedingt. Aus den Querschnitten ist ersichtlich, daß der lateral und etwas nach hinten liegende Teil mit der Haube kommuniziert und als die dem linken Wanstsacke entsprechende Abteilung aufzufassen ist, während der in der Abschnürung begriffene mediale Teil dem späteren rechten Wanstsacke entspricht. Von der ventralen Seite gesehen, schließt sich an die Pansenanlage nach hinten und rechts der Netzmagen an, bereits deutlich nach beiden Seiten hin abgesetzt. Er liegt in der Medianlinie des Körpers, wie beim ausgebildeten Tiere. Dann folgt die Psalter-Labmagenanlage. An der äußeren Oberfläche jedoch läßt sich noch nirgends eine Einschnürung als Zeichen der beginnenden Differenzierung von Psalter und Labmagen erkennen. Der vordere aus dem Netzmagen hervorgehende Teil des Organs übertrifft etwas den Umfang des Pansens; der pyloriale Teil verengt sich allmählich, um ohne Grenzen in den zur Leber emporsteigenden Dünndarm überzugehen. Die große Kurvatur der Psalter-Labmagenanlage ist nach hinten und etwas ventral, die kleine nach vorn und ein wenig dorsal gerichtet. Wie die Haube, hat also auch der Labmagen fast die definitive Lage an- genommen, Es bleibt ihm nur eine geringgradige Drehung um die Längsachse auszuführen übrig (mit der großen Kurvatur vorwiegend ventral, mit der kleinen sich dorsal zu richten), um den definitiven Zustand zu erreichen. Dagegen liegt der Pansen höchst eigenartig und verschieden von dem definitiven Verhalten. Beim Erwachsenen nimmt er fast die ganze linke Bauchhälfte ein und zieht vom Zwerchfell nach hinten. -Seine Blindsäcke liegen nahe der Beckenhöhle; seine Längsachse bildet mit der Achse des Labmagens einen spitzen Winkel. Hier liegt aber die ganze Masse des Pansens im linken Hypochondrium, sein Hans Karl, I. Die Entwicklung des Magens beim Schafe (Ovis aries). 327 blindes Ende am Zwerchfell und seine Längsachse bildet mit der Achse des Labmagens einen annähernd geraden Winkel. Der cardiale Teil des Pferdemagens (sog. Saccus coecus) und die embryo- nale Pansenanlage zeigen eine fast vollkommen gleiche Lage. Ihre blinden Enden stoßen an dieselbe weit dorsal gelegene Stelle des Zwerchfells und wenden sich von hier aus zur Mittellinie. Auch die eylindrische Form des Pansens hat eine unverkennbare Ähnlichkeit mit dem cardialen Teil des Pferde- magens. Ein weiteres Vergleichsmoment bildet die Richtung der Längsachse der Pansenanlage, welche der Labmagenachse gleich ist, und der Verlauf des eine gerade Fortsetzung des einfachen Magens bildenden Saccus coecus. Somit gibt der Pansen des vorliegenden Entwicklungsstadiums topologisch und mor- phologisch eine charakteristische ontogenetische Illustration für seine phylogene- tische Herkunft von dem Saccus coecus des einfachen Magens. Die Abgrenzung zwischen Omasus und Abomasus, soweit die äußere Wan- dung in Betracht kommt, hat nicht stattgefunden. Dagegen ist die Separierung der Anlage im Innern schon fast vollendet, indem von der Innenwand des hinteren Magenabschnittes rechts und links mächtige Leisten in das Lumen vorspringen. Von der Basis bis zur Mitte von gleicher Querschnittsstärke wulsten sie sich nach dem freien Rande hin etwas auf; sie sind nicht senkrecht zur Magenwand gerichtet, sondern so, daß ihre obere Fläche mit der Wand des Omasus einen spitzen, ihre untere mit der Wand des Labmagens einen stumpfen Winkel bildet. Die Lippen erscheinen also aufgerichtet und der oberen Wand des Omasus zugeneigt. In den Querschnitten durch den vorderen Teil der Psalter-Labmagenanlage erhebt sich die untere Wand der letzteren allmählich gegen die mehrfach er- wähnten Lippen, so daß das Magenlumen unterhalb dieser Lippen bis auf etwa ein Drittel der sonstigen Ausdehnung sich verjüngt. An der relativ weiten Haubenöffnung ist die Erhebung und Einschnürung der Wand schon so weit gediehen, daß sie in das horizontale Niveau der Lippen eingerückt und an letztere angelegt ist. An der eingeschnürten, verjüngten Stelle haben sich die Lippen derart genähert, daß zwischen ihnen nur ein schmaler Schlitz bleibt, vermittels dessen der verengte Teil der Psalter-Labmagenanlage mit dem darüber- liegenden Teile kommuniziert. Bei einem etwas älteren Embryo erscheint die untere Wand der Psalter- Labmagenanlage an der verengten Stelle abgeflacht und gegen die Lippen noch mehr gehoben, besonders nahe der Öffnung zum Netzmagen. Die Lippen sind auseinandergewichen und schließen die abgeflachte Wand zwischen sich. Damit wird die Psalterbrücke fast vollendet; sie entstand durch Abflachung der ur- sprünglich nach unten vorgewölbten unteren Wand der Labmagen-Psalteranlage und entwickelte sich später als die Brückenlippen, die zunächst frei längs der Wand der Labmagen-Psalteranlage hinziehen und an der Grenze von Haube und Psalter in die Lippen der Schlundrinne derartig übergehen, daß morpho- logisch das Ende der Brückenlippen und der Beginn der Schlundlippen nicht zu bestimmen ist. Krazowskı hat ähnliche Verhältnisse gefunden. Die Brücken- lippen sind also den Schlundlippen äquivalent; sie entstehen gleichzeitig mit ihnen, bevor der Blättermagen sich als ein selbständiges Organ konstituiert und ein weitergehender Abschluß zwischen Vor- und Hintermagen stattgefunden hat. Der Omasus verdankt seinen Ursprung der Schlundrinne. Daß er morpho- genetisch als Teil der letzteren zu gelten hat, bezeugt die bemerkenswerte Übereinstimmung zwischen Blättermagen und Schlundrinne in Form und Größen- 328 A. Fleischmann, Die Magengegend der Wirbeltiere. verhältnissen noch nach der Brückenbildung. Auch die Grenzlippen besitzen um diese Zeit fast dieselbe Gestalt und Größe wie die Schlundlippen. Der unmittelbare Übergang der Brückenlippen in die Schlundlippen ist noch bis in relativ späte Embryonalzeit zu konstatieren. Die Brücken- bzw. Grenzlippen spielen die Rolle eines Sphinkter der Labmagen-Psalteröffnung. Die Schaffung dieses Sphinkter war aber nicht die maßgebende Tendenz bei der Anlage der Lippen; denn die Vereinigung der Lippen durch eine Commissur findet erst in einer verhältnismäßig späten Entwicklungsperiode statt. Die nahen Beziehungen zwischen den Schlundlippen und Brückenlippen dokumentieren sich noch im postembryonalen Leben, wenn auch die Größen- und Massenverhältnisse sehr zu Ungunsten der Brückenlippen verschoben sind. Die Brückenlippen entspringen an den Schlundlippen, ein großer Teil der Schlundlippenmuskelfasern geht auf die Muskulatur der Brückenlippen über. Nach der Schrägstellung erhält die Magenanlage eine Einschnürung der ventralen Wand, durch welche der Pansen-Haubenteil und Psalter-Labmagen getrennt werden. Hand in Hand damit geht die Entwicklung der Schlundrinne, welche die der Einschnürung gegenüberliegende Wand einnimmt und über den Vordermagen hinaus in den Hintermagen reicht. Wenn die Einschnürung stärker wird, sind die beiden Magenabschnitte schließlich so vollständig wie beim er- wachsenen Tiere getrennt. Damit hat die Wand an der eingeschnürten Stelle die Schlundlippen erreicht und verwächst mit ihnen. Danach flacht sich die untere Wand der Labmagen-Psalteranlage ab und legt sich den Schlundlippen an, um die Psalterbrücke zu bilden. Bei einem 5 em langen Rindsembryo zeigt eine seichte Furche zwischen dem ersten und zweiten Drittel der Psalter-Labmagenanlage äußerlich die Trennung des Labmagens vom Blättermagen an. In gleicher Weise ist der Gliederungsprozeß der Pansenanlage fortgeschritten. Die früher äußerst schwach markierten Furchen sind starke tiefe Einschnürungen geworden. Das Blindende des Pansens, welches früher nach oben und vorn dem Zwerchfell anlag, berührt jetzt die linke Bauchwand, hat sich also derart caudal verschoben, daß die Pansenachse fast einen rechten Winkel mit der Richtung des Schlundes bildet. Ebenso ist die Lage der beiden Blindsäcke gegeneinander verändert, indem der früher in gleichem horizontalen Niveau liegende rechte Sack etwas ventral gesenkt ist, so daß der linke in der dorsalen Ansicht mehr zur Gel- tung komnit. Infolge der Drehung und Ausbuchtung des Pansens wird die Haube, die sich auch nach vorn verschoben hat, jetzt nur wenig von der dorsalen Seite aus sichtbar. Die Hintermägen haben sich an den topologischen Verschiebungen eben- falls beteiligt, insofern die kleine Kurvatur des Labmagens dorsal aufge- richtet wurde, während der letztere mehr unter den Blättermagen geschoben erscheint. Bei einem Rindsembryo von 6 cm Länge sind die Blindsäcke des Pansens direkt nach hinten gerichtet, die Achse des Pansens spitzwinklig gegen die Achse des Labmagens gestellt, so daß lediglich der linke Wanstsack der Seitenwand des Bauches anlagert. Der rechte Wanstsack hat sich noch weiter ventral geschoben; der Pansenhals, welcher früher dorsal und caudal stark hervortrat, erscheint nach unten ventral gerückt. Im weiteren Verlauf der Entwicklung buchten sich die beiden Pansensäcke Hans Karl, I. Die Entwicklung des Magens beim Schafe (Ovis aries). 329 nach der Seite und hinten aus; der rechte legt sich noch mehr ventral, der Pansenhals gerät gänzlich ventral und nach vorn. Der Entwicklungsgang des Panseus verläuft so, daß zunächst eine eylin- drische Ausstülpung der Magenanlage entsteht, links vom Schlunde, nach vorn und dorsal gerichtet. Wenn ihr Blindende am Zwerchfell anlangt, buchtet sich die primitive Pansenanlage seitlich aus und erhält eine rundliche Form. Zu- gleich erscheinen eine longitudinale und transversale Furche, welche die Gliede- rung in den rechten und linken Blindsack und Pansenhals bedingen. Dadurch, daß das Wachstum besonders an den beiden Blindsäcken stattfindet, tritt der Pansenhals mit seiner Masse mehr und mehr zurück. Allmählich erfährt die Pansenanlage eine andere Lage, einmal durch eine Drehbewegung nach rechts um die eigene Längsachse. Durch sie wird die mediale und dorsale Lage des rechten Wanstsackes dem linken gegenüber allmählich in eine ventrale ver- wandelt, wogegen der letztere eine dorsale Lage erhält. Die Drehbewegung gelangt durch den Umstand zum Ausbruch, daß der zunächst medial liegende Pansenhals ventral und oral orientiert wird. Die zweite Bewegung kommt einer Pendelbewegung gleich. Der Pansen ist festgeheftet an der Schlundeinpflanzung, hier befindet sich der fixe Punkt des Pendels. Um ihn bewegt sich die Längsachse der Pansenanlage im Laufe der Entwicklung etwas über 90°, indem das zunächst nach vorn gerichtete und das Zwerchfell berührende Blindende sich lateral wendet, zeitweilig die Bauch- wand berührt und schiießlich völlig nach hinten gerichtet an das Becken stößt. Die Längsachse der Pansenanlage ist also zunächst spitzwinklig, danach rechtwinklig und schließlich stumpgwinklig auf den Schlund gerichtet. In seinem Lehrbuche »Anatomie der Haustiere« führte MAR- TIn 1902 aus: Auf den Anfangsstufen der Magenentwicklung besteht die grüßte Überein- stimmung in der Form der einfach und der verwickelt gebauten Mägen. An der Magenerweiterung tritt bald ein dorsaler Bogen, die spätere Curvatura major auf, an welcher sich das Mesogastrium dorsale festsetzt. Dasselbe geht cranial in das dorsale Schlundgekröse, caudal in das Dorsalgekröse des Darmes über. Das Mesogastrium ventrale läuft ebenfalls am Schlund und Darm weiter, hört aber an letzterem schon im Gebiete des Duodenum auf. Es setzt sich an der ventralen Magenkante fest. Caudal vom Magen entwickelt sich im Dorsal- gekröse ein Teil der Bauchspeicheldrüse, während der andere Teil dieses Organs und die Leber im Ventralgekröse entstehen. Nach der Ausbildung des großen Bogens erfährt der Magen eine zweifache Lageveränderung. Seine zuerst der Wirbelsäule gleichlaufende mediane Längs- achse nimmt eine schiefe Richtung an und zwar so, daß die Cardia mehr nach links und caudal rückt, während der Pylorus etwas nach rechts und eranio- ventral sich verlagert. Zugleich legt sich der Magenschlauch auf die linke Seite um. Der große Bogen, welcher ursprünglich dorsal und median sich befand, kommt so nach links und mehr caudal zu liegen, der kleine ursprünglich ventrale Bogen aber nach rechts und cranial. Das dorsale Magengekröse verlängert sich hierbei beträchtlich, wogegen das ventrale sich ziemlich gleiehbleibt. Die Ver- längerung des Dorsalgekröses führt im Zusammenhang mit der Linkswendung des Magenschlauches zur Bildung eines Spaltraumes. Derselbe, zwischen dem Dorsalgekröse und der nunmehr dorsalen (vorher rechten) Magenfläche gelegen, ist ein Teil des Bauchhöhlenraumes und wird als primitive Bursa omenti bezeichnet. 330 A. Fleischmann, Die Magengegend der Wirbeltiere. Bemerkenswert ist, daß die erste Magenanlage ursprünglich bedeutend weiter kopfwärts gelegen ist, als später. Wir finden sie zuerst ungefähr auf der Höhe der Schultergliedmaßenstummel. Mit dem Herzen und der Lunge rückt auch der Magen caudal. Als wesentlichen Grund für die Linkswendung des Magens haben wir seine Verlängerung und Ausweitung zu betrachten, durch welche die ursprüngliche, mediane Lage unmöglich wird. Die Linkswendung des Magens erstreckt sich auch auf das Ende des Schlundes, so daß die beiden Nervi vagi, welche den Schlund anfangs rechts und links begleiten, nun dorsal und ventral von diesem zu liegen kommen. Für die weiteren Lageveränderungen des Magens ist namentlich die ver- hältnismäßige (nicht absolute) Verkleinerung der Leber verantwortlich zu machen. Dieselbe gestattet erstens die Linksbewegung des Magens, zweitens aber zwingt sie den Magen, der Verschiebung ihrer ursprünglich dorsalen Fläche zu folgen; denn mit dieser ist der kleine Bogen des Magens durch das kurze Ventral- gekröse verbunden. Auf der Höhe ihrer Anlage füllt die Leber den größten Teil der Bauchhöhle aus. Die dorsale Fläche ist für das Magen- und Darmrohr vertieft. Nach und nach bleibt die Leber jedoch diesen Organen gegenüber im Wachstum zurück und flacht sich stark ab. Ihre ursprünglich dorsal, d. h. parallel der Längsachse des Tieres liegende Fläche kommt allmählich caudal, senkrecht zur Längsachse des Tieres und nach der Bildung des Zwerchfelles bei manchen Tieren sogar eaudoventral zu liegen. Durch das kurze Ventral- gekröse mit dieser Leberfläche verbunden, _ auch der Magen entsprechende Lageveränderungen durchmachen. So wie eben geschildert, verhält sich der einfache Magen des Fleisch- fressers, Schweines und Pferdes. Bei letzteren beiden bezieht sich die Zugehörig- keit zur einfachen Magenform aber nur auf die Gestalt; denn im Bau zeigen sich durch das Übergreifen von Schlundschleimhaut ins Mageninnere schon An- deutungen der zusammengesetzten Magenform, wie sie bei den Wiederkäuern zur höchsten Ausbildung gelangt. Die Entwicklung des Wiederkäuermagens stimmt in ihren Anfangszuständen mit jener der einfachen Mägen überein. Bald nach seinem ersten Auftreten wird auch der Wiederkäuermagen spindel- förmig mit größerer dorsaler und kleinerer ventraler Wölbung; sein Querschnitt ist anfangs senkrecht oval und fast symmetrisch, nur die Dorsalwand weicht etwas nach links ab. Die erste äußerlich erkennbare Eigenheit des Wiederkäuermagens ist die Ausbuchtung der Haubenpansenanlage dicht an der Schlundeinmündung. Quer- schnitte lehren, daß dieser linksseitigen Ausbuchtung ein Hohlraum zugrunde liegt, welcher mit der senkrecht ovalen übrigen Magenlichtung einen rechten Winkel bildet. Später schiebt sich der linke Rand der Haubenpansenbucht auch dorsal vor, so daß der Querschnitt der Magenlichtung S-Gestalt bekommt. Von dem rechten Teil der Magenlichtung, welcher die Anlage der Schlundrinne dar- stellt, wird die linksseitige Bucht später durch eine ventrale Leiste schärfer abgesetzt. Die Haubenpansenbucht teilt sich in der Folge in die Anlage der Haube und jene des Pansens. Die Haube sackt sich zuerst mehr ventral, später aber auch nach links und dorsal aus. Sie bildet so einen links und etwas cau- dal von der Schlundeinmündung gelegenen Sack, welcher später dem inzwischen entstandenen Zwerchfell nahe rückt. Der Pansen wächst zuerst eraniodorsal als schlauchförmige Verlängerung der Haubenpansenbucht links neben dem Schlunde hin. Von dieser Richtung Hans Karl, I. Die Entwicklung des Magens beim Schafe (Ovis aries). 331 wird er jedoch durch das Auftreten des Zwerchfelles abgelenkt, welches seine Spitze zur Umkehr zwingt. Er wendet sich nun eine Zeitlang caudal, aber auch nach dieser Seite stellt sich ihm bald ein Hindernis in Form der Keim- drüse entgegen. Der Erfolg ist eine letzte Umwendung des Pansenschlauches in eranialer Richtung. Vom Schlund an gerechnet bildet derselbe also eine 1!/afache S-Windung, deren Bögen senkrecht übereinander stehen. Der Scheitel des ersten oder Pansenhalsbogens sieht caudal, der des zweiten oder Hauptpansen- bogens cranial, derjenige des dritten oder Nebenpansenbogens wieder caudal. Das letzte dorsal gelegene, mit der Spitze eranial sehende Schlauchstück bildet den späteren caudalen Blindsack des Nebenpansens. Fast zu gleicher Zeit sproßt dorsal am Hauptpansenbogen ein kleines Anhängsel hervor, der spätere caudale Blindsack des Hauptpansens. Er zeigt den Übergang zwischen dem Gebiete des Haupt- und Nebenpansens schärfer an, als bisher zu bemerken war. Nach der Anlage dieser verschiedenen Pansenteile, durch deren weitere Umge- staltung sich allmählich die endgültige Pansenform herausschält, beginnt die folgenschwere Pansendrehung. Durch diese kommen die bisher eraniodorsal gelegenen Pansenabschnitte caudal zu liegen. Sie ist demnach eine Umwälzung der Pansenanlage in sagittaler Richtung. Der Drehpunkt liegt ungefähr in dem Anfangsteile des Pansenschlauches, welcher dem Schlunde am nächsten liegt. Als Ursache dieser Umwendung haben wir vor allem die mächtige Ausweitung und das Längenwachstum des zweiten Bogens, d.h. der Hauptpansenanlage zu betrachten. Da ihr das Zwerchfell jeden Ausweg nach der cranialen Seite hin versperrt, muß sie sich samt ihrem Blindsacke caudal umlegen. Der Neben- pansen wird dadurch ebenfalls caudal und später ventral gedrängt und der eaudal stark ausgewölbte, dem Drehpunkte zunächst gelegene Pansenhals wird durch den anpressenden Nebenpansen dorsoventral zusammengedrückt. Der Pansenhals liegt etwas mehr rechts als der Nebenpansen. Hier schiebt sich daher der letztere zwischen Pansenhals und Hauptpansen ein und bildet eine Bucht (früher unpassend als vorderer Nebenpansenblindsack bezeichnet). Der ursprünglich noch hakenförmig gebogene, mit der Spitze dorsal gerichtete, nunmehrige caudale Nebenpansenblindsack wird später von der dorsalen Seite her durch den sich ausdehnenden Hauptpansenblindsack flacher gedrückt. P. Marrıw ließ später (1907) durch seine Schüler K. WÖLFEL und G. SPAMER die Lehre von der Pansendrehung nochmals dar- stellen. K. WÖLFEL schilderte im einzelnen all die Hindernisse, welche andere Organe, nämlich Lunge, Leber, Zwerchfell, Urniere und bleibende Niere dem wachsenden Pansen entgegenstellen und legte dar, welchen Einfluß dieselben nach seiner Meinung auf die Form und Lage des Pansens haben. Der Magen der Wiederkäuer legt sich als spindelförmige Erweiterung des Schlunddarmes an und dreht sich zunächst nach links. Der anfangs gerade Magenschlauch erhält eine laterale (linke), dann eine mediale (rechte), später wieder eine laterale (linke) Ausbuchtung und ist somit S-förmig gewunden. Seine Achse bildet mit der Körperachse etwa einen Winkel von 45°, später aber wird dieser Winkel wieder spitzer. An seinem eranialen Ende wächst der Pansen hervor. Bald darauf entsteht links etwas mehr caudal die erste An- deutung der Haube. Am caudalen Ende zeigt sich bald der Labmagen, später 332 A. Fleischmann, Die Magengegend der Wirbeltiere. an der medialen rechten Seite das Buch. Da der stark cranial wachsende Pansen zunächst auf die Lungen stößt, wendet er sich schräg dorsal, um cranio- dorsal in die Pleurahöhle hineinzuwachsen. Bald schiebt die Leber den ven- tralen Schenkel des Urnierenbandes, in den sie hineinwächst, und sich selbst zwischen Lunge und Pansen ein und zwingt ihn, sich weiter dorsal aufzurichten, indem sie ihm zugleich mit dem Urnierenband den Weg in die Pleurahöhlen verlegt. Durch den sich schließenden dorsocaudalen Teil des caudal rückenden Zwerchfelles wird der Pansen, da sein ventrales Ende vom Schlunde festge- halten wird, aufgerichtet und sein dorsales Ende gezwungen, caudal zu wachsen. Zu dieser Zeit stellt der Pansen ein sackförmiges Gebilde dar, an dessen S-förmiger Krümmung man Pansenhals, Haupt- und Nebenpansen unter- scheiden kann. Die linke Urniere hindert bald das caudale Wachstum des dorsalen Pansenendes (Nebenpansen). Die Cranialenden der Urnieren, welche dem Ge- biete der Brusthöhle angehörten, sind zwar verschwunden, caudal vom Zwerch- fell aber fangen sie an, sich in dorsoventraler Richtung auszudehnen. Daher zwingt die Urniere den caudal wachsenden Nebenpansen, sich wieder eranio- dorsal umzuschlagen und so seinen späteren Blindsack zu bilden. Ventral und lateral verlegt ihm die Leber, medial die Keimdrüse den Weg. So bleibt nur der Raum zwischen Urniere und Zwerchfell übrig, in den er hineinwachsen kann. Diese Stelle ist um so günstiger, da sich jetzt auch hier die Urniere weiter zurückbildet. Der Blindsack des Hauptpansens wächst als dorsal gerichtete, gipfelähnliche Hervorwölbung ebenfalls in den Winkel zwischen Urniere und Zwerchfell hinein. Der Pansen sondert sich nunmehr in den Pansenhals, Hauptpansen und Nebenpansen, die letzten beiden mit eraniodorsal gerichteten Blindsäcken. Die Haube hat sich ventral vom Pansen an der ventrolateralen Wand des Magen- schlauches als rundlicher Sack ausgebuchtet; tiefe Furchen trennen sie scharf vom Pansen und Buche. Das Buch liegt medioventral, seine große Kurvatur zeigt nach der medialen rechten Seite. Der Labmagen ist deutlicher abgesetzt in Form einer Fischblase, deren großer Bogen anfangs dorsolateral, d. h. links zeigt; später schiebt sich sein caudales Ende nach der rechten Körperseite hinüber, um schließlich eranial umzubiegen. Damit rückt der große Bogen des Labmagens caudal und ventral, bis er endlich caudal zeigt. Jetzt beginnt der Pansen sich verhältnismäßig viel stärker zu vergrößern, und es fängt jene Lage- veränderung an, welche Marrın als Pansendrehung bezeichnet hat. Gleich- zeitig mit dem Voraneilen des Pansenwachstumes verschwindet nämlich die Ur- niere in der Magengegend und an ihre Stelle tritt die bleibende Niere. Den freiwerdenden Platz füllt der Pansen bald aus. Nachdem er in seinen Hauptteilen angelegt ist, wendet er sich, der weichenden Urniere folgend, caudal. Die Blind- sicke kommen dadurch aus ihrer eraniodorsalen Richtung in eine caudale. Ebenso wird der anfangs caudodorsal vom Hauptpansen liegende Nebenpansen caudoventral verschoben, so daß er caudoventral von jenem liegt. Durch fortschreitendes Wachstum kommt der Pansen mit der eranioven- tralen Fläche der bleibenden Niere in Berührung und folgt derselben caudo- ventral. Der Pansen befindet sich so mitten in der Pansendrehung (MArTın), durch die er schließlich, allerdings sehr spät lateral und links von Buch und Labmagen zu liegen kommt, während die Haube cranioventral verschoben wird. Die Rückwärtsverschiebung des Pansens kommt nicht, wie Srtoss meinte, dadurch zustande, daß der Pansen der allgemeinen Magendrehung nach links Hans Karl, I. Die Entwicklung des Magens beim Schafe (Ovis aries).. 333 folgt. Der Pansen hat schon längst angefangen, sich caudal zu wenden, ohne daß die übrigen Magenabteilungen sich weiter links gedreht haben. Erst am Ende der »Pansendrehung« werden Haube, Buch und Labmagen nach rechts verschoben und dabei um ungefähr 45° weiter links gedreht. Diese letzte Drehung von Haube, Buch und Labmagen ist also eine Folge der Pansen- drehung, nicht umgekehrt, wie Sross annimmt. K. WÖLFEL glaubte also, daß sich die Pansenanlage zunächst an der Lunge dorsal aufstülpt. Dann wird sie von der Leber gezwungen, dorsal weiter zu wachsen, hierauf gibt das inzwischen gebildete Zwerchfell eine caudale Rich- tung. Die Urniere bringt caudal den Pansen dazu, sich dorsal umzuschlagen, während die Keimdrüse nur eine untergeordnete Rolle spielt. Die Pansen- drehung MARrTINs wird durch folgende Umstände eingeleitet: Einmal wird der Pansen durch seine starke Vergrößerung gezwungen, sich Platz zu suchen; dann zwingt ihn das Zwerchfell, welches immer noch caudal verschoben wird, sich caudal zu wenden; zugleich macht ihm caudal die verschwindende Urniere Platz. Bei dem weiteren Caudalwachsen des Pansens zwingt die bleibende Niere den Pansen, sich caudoventral zu wenden. G. SPAMER baute auf der WÖLFELschen Abhandlung weiter und erörterte die Folgen, welche die durch den Raummangel erzwungene Pansendrehung auf die drei anderen Abschnitte des Wiederkäuer- magens ausübt, so daß Haube, Buch und Labmagen nach rechts verschoben werden. Er bestätigte zunächst die Angaben von MArTIn und WÖLFEL bezüglich der Pansendrehung. Der Pansen bereitet sich zur Drehung in sagittaler und caudaler Richtung vor. Die Pansenblindsäcke sind anfangs eraniodorsal, später dorsal, dann caudodorsal und schließlich rein caudal gerichtet. Also findet eine »Pansendrehung« in sagittaler Richtung um die Querachse bis etwa 150° statt, dagegen kommt eine Drehung des Pansens in lateraler Richtung um die Längsachse, wie sie GROTE beschrieben hat, nicht vor. Mit der Drehung der Ge- samtmagenachse, die Stoss annahm, hat die Pansendrehung nichts zu tun. Ebensowenig sind die auf die Pansendrehung folgenden Lageveränderungen der zweiten, dritten und vierten Magenabteilung mit der Drehung der einfachen Mägen um ihre Gesamtachse zu vergleichen; denn sie sind in den eigenartigen Wachstumsverhältnissen des Wiederkäuermagens begründet. Sowohl zur Zeit der Pansendrehung als auch eine Zeitlang nachher schaut der große Bogen der Haube nach links, der große Bogen des Buches nach rechts etwas ventral, der große Bogen des Labmagens nach links etwas dorsal. Durch den Druck des Nebenpansens, dessen Ventralende an das Dorsalende des Labmagens anstößt, werden später Buch und Labmagen verschoben, so daß der große Bogen des Labmagens eine Zeitlang rein links und das Buch rein rechts gerichtet ist. Abnahme des Leberdurchmessers, sowie starkes Wachstum der Pansen- anlage bedingen ferner die Verschiebung der Haube in cranioventraler Rich- tung. Dieselbe gibt sich in einer immer stärkeren Knieckung der Magenachse kund, welche durch die Pansendrehung bedeutend vermehrt wird. Schließlich liest die Haube dem Herzen gegenüber der Bauchhöhlenfläche des Zwerch- felles an. 334 A. Fleischmann, Die Magengegend der Wirbeltiere. Die Magenabteilungen behalten die eben beschriebene Lage bis wenige Wochen vor der Geburt bei. Dann beginnt der Labmagen, der bisher kleiner als der Pansen war, ungemein stark zu wachsen. Dem Labmagen ist es nicht möglich, sich auf der linken Seite, auf der er bis dahin lag, auszudehnen, da ihm der inzwischen mächtig gewordene Pansen den Platz versperrt; er ist da- her gezwungen, sich nach rechts zu schieben, so daß sein großer Bogen schließ- lich ventral auf der rechten Seite der Bauchhöhle liegt. Die Verschiebung nach rechts hat im Vereine mit der starken Ausdehnung des Labmagens auf dieser Seite eine dorsale Verschiebung und eine Quer- bzw. Schiefstellung des Buches zur Folge. Die Gesamtanordnung der Magenabteilungen auf diesem Stadium hat Martın treffend einem Hufeisen verglichen, dessen linken Schenkel der Pansen, dessen Querteil die Haube und das Buch, dessen rechten Schenkel der Labmagen bildet. Beim Schafe sind die Magenabteilungen anfangs nahezu gleichgroß. Bald tritt ein stärkeres Wachstum des Labmagens ein, so daß er frühzeitig den Pansen an Größe übertrifft, trotzdem dieser eine stärkere Umfangszunahme als Haube und Buch erfahren hat. Das stärkere Wachstum des Labmagens gegen- über dem Pansen dauert bis zur Geburt. Das Buch bleibt der Haube gegen- über bald im Wachstum zurück. Am stärksten ausgeprägt ist der Größen- unterschied beim erwachsenen Schafe, wo das Buch kaum die Größe einer menschlichen Faust erreicht. Im allgemeinen vollzieht sich das Wachstum der einzelnen Magenabteilungen beim Schafe bedeutend gleichmäßiger und die Größenverhältnisse derselben bleiben einander viel mehr gleich als beim Rinde. Il. Eigene Untersuchungen. Zum Zwecke eigener Untersuchung stand mir im Zoologischen - Institut reiches Material zur Verfügung, so daß es mir möglich war, die Entwicklung des Wiederkäuermagens von der frühesten Embry- onalzeit bis zum fertigen Zustand zu verfolgen und auf eine mög- lichst breite Basis zahlreicher Schnittserien zu begründen. Für die Ausnützung der Schnittserien ist die rationelle Orien- tierung der Objekte notwendig, um unabhängig von der jeweiligen Größe der Embryonen immer gleiehsinnig gelegte Schnitte zum ver- gleichenden Studium zu erhalten. Hier sowohl, wie überhaupt bei der ganzen Arbeit, durfte ich mich der unermüdlichen Hilfe und des sicheren, zielbewußten Rates meines hochverehrten Lehrers, Prof. Dr. A. FLeiscuhmAnn, in hervorragendem Maße erfreuen, wofür ich ihm an dieser Stelle meinen herzlichen Dank ausspreche. Jeder Schafembryo wurde vor dem Schneiden gezeichnet, die gewünschte Sehnittriehtung in die Umrisse eingetragen und danach das Objekt im Mikrotom eingestellt. Nach den Schnittserien habe ich viele Wachsrekonstruktionen vom Relief der Entodermwand im Maßstabe 50:1 ausgeführt. Als Richtungsordinate für den peinlich genauen Aufbau der Wachsplatten benutzte ich bei älteren Embry- onen die Wirbelkörper, bei jüngeren das Medullarrohr. Hans Karl, I. Die Entwicklung des Magens beim Schafe (Ovis aries. 335 Die Entwicklung der Magenform wird an den Modellen in einer unerwarteten Weise gezeigt. Während wir sonst gewohnt sind, den Magen aus dem Körper herauszunehmen und entweder frisch oder nach Konservierung mit irgendeiner erhärtenden Flüssigkeit so zu untersuchen, daß Fenster in die Wand geschnitten und das Innen- relief von der Magenhöhle aus betrachtet wird, geben meine Modelle gewissermaßen einen Ausguß der Lichtung einschließlich des Epithels wieder. Sie zeigen also das, was man sonst ausgehöhlt, d. h. konkav sieht, in konvexer Krümmung und umgekehrt die in das Magen-- lumen einspringenden Falten und Pfeiler als Furchen der Epithel- wand. Es tritt uns demnach das sonst am geöffneten Magen wahr- zunehmende Relief in negativer Plastik entgegen. Diesen einleitenden Ausführungen über die technische Seite meiner Untersuchungen lasse ich die Beschreibung der Modelle folgen. g; Bei kleinsten Embryonen von 0,57 em und 0,66 em 8. St.-L. ist die Magenanlage nicht bloß in minimalen Dimensionen, sondern auch ganz einfachen Formen befangen (Fig. 1). Laut der Schnitt- folge (Fig. 21—26) erweitert sich beim Embryo 0,57 cm das fast kreis- runde Epithelrohr des Ösophagus hinter den Lungen zur Magen- anlage durch einseitige Ausdehnung der Entodermanlage samt Lumen und der Mesodermwand nach links. So wird ein schmaler, zur Medianebene leicht geneigter Abschnitt gebildet, dessen dorsoven- traler Querdurchmesser orocaudal gleichmäßig gegen die Mitte zu- nimmt, um von da nahezu ebenso stetig auf den ursprünglichen Querschnitt des Epithelrohres zurückzusinken. Die uns zugekehrte Fläche (Fig. 1) stellt die ventrolaterale Breitwand dar, die abgewandte Fläche die dorsolaterale Wand vor, die zugleich in ihrer ganzen Länge leicht konkav gebogen ist. Die beiden dorsal und ventral verlaufenden abgerundeten Schmalkanten sind entsprechend dem Anwachsen und Abnehmen des dorsoventralen Querdurchmessers leicht konvex gekrümmt. Abgesehen von der nach allen Dimensionen waltenden Größen- zunahme zeigt der Embryo 0,66 em S. St.-L. fast das gleiche Bild (Fig. 2). Lediglich die Neigung des Magens zur Medianebene ist etwas stärker geworden, so daß die beiden Kanten nieht mehr dorsal und ventral, sondern links dorsolateral, rechts ventrolateral gerichtet sind (Fig. 27”—33); gleichzeitig haben die beiden Breitwände an Aus- dehnung gewonnen, die linke Schmalkante ist dadurch stärker kon- 336 A. Fleischmann, Die Magengegend der Wirbeltiere. vex gebogen, infolgedessen gleicht sie den beiden Katheten eines sehr stumpfwinkligen Dreieckes. Das primitive Magenentodermrohr des Schafembryos 0,57 em und 0,66 em besitzt also eine typische Spindelform (Fig. 1, 2). 10 Morphologische Gründe zwingen mich, die vier nächsten Modelle von Schafembryonen, welche im ganzen nur 0,25 cm Differenz der Scheitelsteißlänge haben, gemeinsam zu betrachten (Fig. 3—7). Beim Embryo 0,87 em 8. St.-L. (Fig. 3) ist die spindelförmige Entodermlage ungefähr auf das Doppelte vergrößert, einesteils durch Längenwachstum in der Richtung der Hauptachse, andernteils durch transversale Verbreiterung, weil die schwache Ausbuchtung der linken Seite, welehe bei Schaf 0,66 cm (Fig. 2) eben in ihrem Beginnen angedeutet war, bedeutend entfaltet wird, indem der schräg lateral ziehenden Ventralwand des Embryos 0,66 cm ein linker, ungefähr dreieckiger Bezirk zugefügt ist, der aber nicht in der Ebene der rechten Hälfte, sondern in einer unter einem stumpfen Winkel ge- neigten Transversalebene liegt. Damit ist der Grund zu neuem Relief gelegt. Durch Ausgestaltung der rechten Schmalkante zu einem länglichen Wulste hat sich auf der ventralen Breitwand eine seichte, doch deutlich einsinkende orocaudal verlaufende Furche (f) gebildet, deren Grund nahezu median liegt. Die dorsale Breitwand wurde leicht konvex gekrümmt. Die beginnende Differenzierung des Magens tritt an diesem Modelle schon merkbar in Erscheinung. Die Form seines äußeren Umrisses gleicht einem rechtwinkligen Dreieck, dessen rechter Winkel orolateral liegt. Die aus der modellierten Querschnittserie des Embryos 0,87 em ausgewählten Schnitte (Fig. 34—44) geben einen noch besseren Über- blick über die Form des Entoderms samt dem Mesodermmantel, welcher mit dem dorsalen Mesoderm der Urnierenzone durch das transversal links ziehende Mesogastrium (e) zusammenhängt. Figur 44 trifft noch die Speiseröhre in dem Mesodermpfeiler, welcher die Lungen trägt. An den folgenden Bildern kann man deutlich lesen, wie das Ento- dermrohr nach links gestreckt ist, so daß sein Mesodermmantel in die schwarz angegebene Leibeshöhle einspringt, ferner wie rechts der schmale Cölomspalt des Netzbeutels zunächst in seinem oralen Blindende getroffen ist, gleich einer schmalen Lücke, allmählich größer wird und halbmondförmig die rechte Hälfte des Magenmeso- derms umfaßt, so daß der Zusammenhang mit dem Lebermesoderm | Hans Karl, I. Die Entwicklung des Magens beim Schafe (Ovis aries). 337 nur an zwei Stellen am dorsalen Lig. hepatorenale und dem Lig. gastrohepatieum besteht. Der Magen des Embryos 0,97 em S. St.-L. (Fig. 4) ist über die Konfiguration des vorigen Modells hinausgewachsen. Die linke Ausbuehtung ist in lateroeranialer Richtung mit leicht dorsaler Bie- gung noch stärker ausgewölbt (Fig. 19a), so daß eine Blindecke ent- stand. Der dorsoventrale Durchmesser derselben hat gleichzeitig zugenommen. Von der caudalen Grenze der linken Blindecke bis zum oralen Beginn des nunmehr differenzierten Duodenum hat sich die linke Schmalkante des Magensackes in einer neuen konvexen Krümmung lateral schwach ausgebogen, während die Wulstform der rechten Schmalkante mäßig gestiegen ist. Die Verstärkung der - beiden ursprünglichen Schmalkanten ruft auch an der dorsalen Wand des Magensackes die Andeutung einer ganz seiechten orocaudal und der vorderen medianen Furche gleichsinnig parallel laufenden Rinne hervor. Der Umriß des Magenentoderms zeigt wie beim Embryo 0,87 em die Form des rechtwinkligen Dreiecks, doch ist der drei- eckige Bezirk schon etwas schärfer gegen den übrigen länglich ge- streckten Bezirk der Entodermanlage abgesetzt. Das Modell (Fig. 5) des Embryos 1,04 cm S. St.-L. hat den rechtwinklig dreieckigen Umriß verloren, da die linke Blindecke bereits zu einem wirklichen eraniolateralen Blindsack geformt ist, dessen ventrale Wand (Fig. 19b) sichtbar ausgewölbt ist. Die rechte, nun wulstförmig vorspringende Kante des Magensackes ist in ihrer ganzen Länge verstärkt und in der Mitte ihres Verlaufes auf eine kurze Strecke knollenförmig ausgebuchtet. Durch die dorsale und ventrale Auswölbung der lateralen Zone des Magens hat sich die beim Embryo 0,97 em (Fig. 4) seicht angedeutete dorsale Rinne zu einer ausgesprochenen Furche entwickelt und die ventrale Furche (f) intensiver eingegraben. Beide Längsfurchen scheiden das Magen- entoderm jetzt deutlich in eine rechte und linke, freilich ungleich große Hälfte. Unverkennbar ziehen die Furchen, wenn auch nicht direkt in der Medianebene, so doch der Medianebene parallel. Wir können sie daher als mediane Differenzierungen beurteilen und weiter- hin von einer rechten und linken Hälfte der Magenanlage sprechen. Wenn man auf die jüngeren Modelle der Embryonen 0,97 cm (Fig. 4) und 0,37 em (Fig. 3) zurückblickt, läßt sich dort die erste Spur der medianen Furchung nicht verkennen, weil eben dieser Formcharakter, welcher die Weitergestaltung beherrscht, nicht unmotiviert erscheint, sondern langsam vorbereitet wird. Man kann sogar die oben erwähnte 338 A. Fleischmann, Die Magengegend der Wirbeltiere. Schrägstellung der ventralen Breitwand bei Schaf 0,66 em (Fig. 2) als den ersten Schritt zur Differenzierung der Furchen ansehen. Der Embryo 1,13 em S. St.-L. (Fig. 6, 7) zeigt eine kräftigere Ausprägung der einzelnen Abschnitte infolge des mittlerweile vor- geschrittenen Wachstumes. Besonders die rechte, ursprünglich schmale Seitenkante des Entodermsackes hat sich zu einer breiten, lateral leicht konvexen und in der Mitte ventral vorspringenden Ausweitung umgebildet; die ventrale und dorsale Furche sind noch tiefer geworden. Die ventrale Wand des linken Blindsackes (Fig. 19e) ladet mehr aus als beim Embryo 1,04 em. Der eaudale Abschnitt des Magens erweitert sich zu einem länglichen, spindeligen Gebilde, dessen hinterer Schenkel quer in das Duodenum (d) übergeht. Bei näherer Betrachtung der drei letztgenannten Modelle (Fig. 4, 5, 6) fällt die allmähliche Umbildung der rechten Schmalwand in eine nach rechts konvex gekrümmte Breitwand auf, die beim Embryo 1,13 em zur deutlichen Anlage des Buchmagens (0) geworden ist. Das Bildexzerpt der Modellserie vom Embryo 1,13 cm (Fig. 45—51) beleuchtet die allgemeine Vergrößerung und Komplikation der Magen- anlage, sowohl des Lumens als des Mesodermmantels. Das Meso- gastrium hat transversal, der Netzbeutel an Weite zugenommen, so daß der Magen jetzt an zwei einander ungefähr gegerüberliegenden Punkten, dem Mesogastrium dorsal und dem Lig. hepatogastrieum ventral befestigt und dem größten Teile seiner Wand durch die an- grenzenden Cölomteile die für die spätere Füllung und Entleerung notwendige Bewegungsfreiheit gegeben ist. II. Der Embryo 1,7 em S. St.-L. (Fig. 8, 9) zeigt die vier typischen Magenabschnitte des Wiederkäuers schon deutlich differenziert. Der linke Blindsack (p) ist noch weiter laterocranial ausgewachsen, sein Lumen zugleich erweiternd und sein Blindende leicht hakig um- biegend (Fig. 19d), anderseits ist an der ventralen Wand der beim Embryo 1,13 em bereits ausladende Teil (r) ventrocaudal ballonartig vorgebuchtet, so daß an dem primitiven Vormagen ein seitlicher Pansenteil mit lateroeranialer Richtung und der mediale Haubenteil mit ventrocaudaler Wölbung unterschieden werden kann. Beide hängen dem sagittalen Hauptgange der Gesamtmagenanlage mit ge- meinsamer Basis an und zwar längs der tief eingeschnittenen ven- tralen (f) bzw. dorsalen (7) Hauptfurche. Zur rechten Seite der ventralen Furche hat sich die ursprünglich gerade Schmalwand konvex ent- Hans Karl, I. Die Entwicklung des Magens beim Schafe (Ovis aries). 339 wiekelt zu der breiten, halbschalenförmigen Wölbung des Buches (0), dessen dorsoventraler Durchmesser von der Haube‘ orocaudal zu- nimmt und bis zum Beginn des links anschließenden vierten Magen- abschnittes (@) sich rasch wieder verjüngt. Infolge des einseitigen Wachstums zeigt die Buchanlage (Fig. 20b) eine rechte, stark kon- vex gekrümmte Begrenzungsfläche und eine durch die ventrale bzw. dorsale Hauptfurche eingebuchtete Medianfläche. Am caudalen Ende der Buchzone baucht sich die Labzone (a) sackartig nach links aus und geht mit einem quer rechts laufenden, sich allmählich ver- jüngenden Schenkel in das Duodenum d über. Das rastlose Embryonalwachstum hat die nach Lage und Rich- tung endgültig festgelegten Abschnitte des vorigen Modells beim Embryo 2,0 em S.St.-L. deutlicher geformt und mit spezifischen Form- charakteren ausgestattet (Fig. 10, 11). Der Pansen p ragt jetzt als ein langer Schmalsack nach links, sein laterales Stück ist zu einem Blind- sack erweitert mit einer ventralen und dorsalen Querfläche. Sein latero- eraniales Ende ist ausgesprochen ecaudal umgebogen (Fig. 19e). Die Haube ist ventral, lateral und caudal stark gewachsen und hat eine ventrolaterale linke Ausbuchtung (Fig. 19e) erhalten, so daß ihre ein- fache runde Form in einen kegelförmigen Sack gewandelt wurde, der schräg zur medianen Längsachse des Hauptganges steht. Es wäre irrig, wollte man nach dem Aussehen des Modelles die Haube als einfache Blase betrachten; denn die Haube enthält ein enges Lumen und läßt (Fig. 10) ebenso wie der Pansen. eine sehr stark konvexe Ventralwand und eine entsprechend konkave Dorsalfläche unterscheiden. Die am Bilde (Fig. 10) allein sichtbare Ventralfläche der Haube geht über der linken Grenzfurche in die ventrale Fläche des Pansenteils über. Der nach allen Dimensionen intensiv geweitete Buchmagen o hat seine Längsachse wenig gesteigert, aber dorsoventral seine Wölbung ausgedehnt. Vier parallele, orocaudal in gleichmäßigen Abständen voneinander streichende Furchen bzw. fünf Kämme ver- leihen seiner lateralen Konvexfläche ein radiär gefaltetes Aussehen (Fig. 11, 206). Die mediane Fläche dagegen ist abgesehen von der proportionalen Vergrößerung plastisch nicht fortgebildet worden. Auch der mittlerweile größer gewordene Labmagen a hat ein gefal- tetes Relief gewonnen durch zwei orocaudal verlaufende Parallel- furchen an seiner konvex gekrümmten linken Lateralfläche. Die beiden ventral und dorsal gelegenen Hauptfurchen (f, 7} erscheinen an dem infolge des allgemeinen Wachstums stärker modellierten Magenrelief noch tiefer eingeschnitten. Morpholog. Jahrbuch. 49. 23 340 A. Fleischmann, Die Magengegend der Wirbeltiere. IV. Die Gleichförmigkeit und der Mangel an prinzipiellen Ver- schiedenheiten geben mir Veranlassung, das Entodermrelief der ver- schieden großen Embryonen 2,6 em und 3,7 em S. St.-L. gemeinsam zu schildern. Beim Embryo 2,6 cm (Fig. 12, 13) erscheinen die vier Magenabteilungen in geschlossener und deutlicher Abgrenzung: Pan- sen p und Haube r links schief hintereinander ventrodorsal, das Buch o rechts neben und hinter der Haube und die Labkammer a direkt hinter der Haube ventrolateral. Neben den vier Kammern fallen die fundamentalen, schon am Modell 1,04 cm (Fig.5) eingegrabenen Furchen, die von Anfang an die Bildung des Magenreliefs be- herrschen und den Magen in eine rechte und linke Hälfte teilen, am meisten auf. Von innen betrachtet (Fig. 19e), sind sie längsgestreckte Wülste und begrenzen die Schlundrinne; einer zieht an der ven- tralen Wand längs der vorderen Hälfte des Magens als ventrale Lippe der Schlundrinne hin, während der Wulst an der dorsalen Wand des Magenrohres als dorsale Lippe anzusprechen ist. Haube und Pansen stellen eigentlich eine einheitliche, freilich sekundär stark modellierte und gewundene Ausbuchtung dar. Wenn man das Modell von vorn betrachtet, erscheint die Haube allerdings durch ein tiefes Tal vom Pansen getrennt. Doch ist das nur Täuschung; denn bei dieser Stellung sieht man eben nicht die rückläufige von der ventralen Wand verdeckte Strecke des Haubenteils, die in den Pansen übergeht. Der Pansen wendet sich stark S-förmig gewunden als ein flachgedrückter Schmalsack eraniolateral und verdickt seinen hinteren Schenkel zu einem Knollen mit spitzem Fortsatze. Seine ventrale bzw. dorsale Breitwand hat geringen Abstand, weil das Pansenlumen klein ist. Auf der Fig. 12 ist die vordere Breitwand unserem Blicke zugekehrt. Der Haubenteil ist ebenfalls ein flach- gedrückter Schmalsack mit einer ventralen konvex gebogenen und einer dorsalen konkav gekrümmten Fläche, so daß er einem kegel- förmig ausladenden Glockenmantel zu vergleichen ist, der in etlicher Entfernung über dem Labmagen hängt. Haube und Pansen sacken sich von einer orocaudal verlaufenden gemeinsamen Strecke längs der beiden Lippenfurchen aus dem Magen heraus. Das Modell be- stätigt dadurch in überzeugender Weise die von Stoss und anderen ausgesprochene Ansicht, daß die Unterscheidung in Haube und Pansen nur eine praktische, keine genetische Berechtigung hat; denn beide sind Abschnitte einer primitiven Gesamtanlage (Vor- magen), welche mit der fortschreitenden Vergrößerung des Lumens Hans Karl, I. Die Entwicklung des Magens beim Schafe (Ovis aries. 341 besser abgehoben werden und jetzt schon die dem erwachsenen Tiere zukommende Eigenschaft des Fressens auf Vorrat und Wieder- käuens morphologisch anzeigen. Das Buch ist an der rechten Magenwand in ganzer Länge dorsoventral entfaltet. Seine rechts konvexe Wölbung erstreckt sich über einen Umfang von mehr als 180°. An seiner spiraligen Lateralfläche sind nunmehr acht parallele und in gleichmäßigen, ziemlich engen Abständen voneinander oro- caudal verlaufende, tief einschneidende Furehen (bzw. neun fächer- artig gereihte Kämme) entstanden (Fig. 20d), so daß die radiäre Fältelung, die im Niveau der Haubengrenze beginnt, bedeutend mannigfaltiger und stärker als beim Embryo 2,0 cm ist. An seiner medialen Fläche schließen die den beiden Schlundrinnenlippen ent- sprechenden Hauptfurchen einen von dem Haubenteil des Vormagens bis zum Labmagen ziehenden Kamm zwischen sich, welcher der Brücke entspricht. Am caudalen Ende des Buches und in einem fast der Länge der Brücke gleichkommenden Abstand direkt unter dem Haubenteil beginnt der Labmagen a, anfangs als kurzer Schmalsack, dann aber stark halbmondförmig ausladend und sich in seinen quer zum Duodenum d führenden Schenkel verjüngend. Der Labmagen ist somit einer Birne zu vergleichen. Seine radiär gefaltete Wand ist durch das Auftreten zweier weiterer Furchen an der links konvex gekrümmten Lateralfläche mannigfaltiger geworden. Das Modell des Embryos 3,7 cm SSt.-L. entspricht, abgesehen von der mit der Größe zunehmenden reichen Fältelung des Buch- und Labmagens dem Rekonstruktionsbilde des Magens vom Embryo 2,6 cm; es hat lediglich ein starkes Wachstum eingesetzt (Fig. 14, 15), das den bedeutenden Größenunterschied hervorbrachte. Die Zahl der radiären Furchen bzw. Kämme ist am Buchmagen auf 10 bzw. 11 gestiegen und die Furchen sind noch tiefer eingeschnitten (Fig. 20e). Daneben haben sich die Kämme an ihrer lateralen Konvexkrümmung verbreitert und durch neue seichte Furehen zu Doppelkämmen um- gebildet, so daß die reiche Fächerung des späteren Zustandes wohl vorbereitet ist. Die radialen Falten beginnen schon in einem Niveau, das der halben Höhe des Haubenteils » entspricht, und strahlen mit geringer Spiraldrehung gegen den Labmagen a, wobei sie immer mehr nach rechts ausladen, so daß die Lichtung des Buches zunimmt. Nahe dem unteren Ende ziehen die Falten mit ziemlich starker Kniekung quer nach links an die Grenze des Labmagens. Die tief einschneidenden Furchen entsprechen den primären, die seichten auf den Kämmen den sekundären Blättern des erwachsenen Tieres. 23* 342 A. Fleischmann, Die Magengegend der Wirbeltiere. Am Labmagen «a hat sich die Zahl der Furchen auf 12 erhöht und so die Fältelung gleichfalls verstärkt. Hier zeigen die Furchen die Entstehung der Schleimhautfalten des Labmagens an. Ein weiterer Unterschied dieses Modelles von dem Modelle des Embryos 2,6 em ist eine Veränderung des laterocranialen Endstückes des Pansen- teiles. Der spitze Fortsatz desselben hat sich in einen scheiben- förmigen umgebildet und diesem gegenüber ist ein kleiner Blind- sack aus der dorsalen Pansenfläche herausgestülpt. Aus Rücksicht auf den verfügbaren Tafelraum mußte ich davon absehen, eine Auswahl von Querschnitten der älteren Magenstadien beizufügen. Als Ersatz soll die caudale Ansicht des Modelles 3,7 cm (Fig. 15) dienen, an welcher das Lageverhältnis des Buch- und Lab- magens und die starke transversale Entfaltung des Pansens sichtbar ist, der wie eine vom Winde getriebene Fahne über den axialen Grundstock des Magens (Buch und Labkammer) hinausflattert. Die fortschreitende Komplikation des Pansenhaubenteiles und des Buches zeigen die ausgewählten Querschnitte der Fig. 19 und 20. Ill. Allgemeine Betrachtungen. Nach der Schilderung der Einzelbefunde werfe ich einen sum- marischen Rückblick auf den Verlauf der Magenentwieklung, um daran allgemeine Betrachtungen zu knüpfen. Am Anfang gleicht der Entodermkern des Schafmagens einem langen, flachgedrückten, transversal im Mesoderm liegenden Schlauche (Fig. 1). Dieser wächst in die Länge und Breite (Fig. 2—4) und ge- winnt bald den Umriß eines Dreieckes, dessen linke orale Ecke nasenartig ausgezogen wird. Zugleich erfolgt eine Krümmung der ventralen und dorsalen Entodermwand. Auf der Ventralfläche der Modelle (Fig. 4—6) wird der Vorgang durch die Längsfurche f kennt- lich. Die Zonen zu beiden Seiten derselben erhalten entgegenge- setzte Formcharaktere. Links wächst die orale Ecke blindsackartig (Fig. 6, 8), erhält eine sekundäre Nebenbucht und ihr Blindsack wird hakenartig abgekrümmt (Fig. 11). So entsteht die Gesamtanlage des Pansenhaubenepithels. Rechts dagegen wird der verhältnismäßig schmale cardial-pylorial ziehende Epithelstreifen in eine rechts kon- vex gekrümmte Halbrinne gestaltet, welche nahe dem Ösophagus niedrig bleibt und sich caudal mandolinenartig erweitert, um lang- sam die Anlage des Buchepithels zu entwickeln. Hinter ihr folgt der hakenartig gekrümmte Abschnitt des künftigen Labmagens und verjüngt sich in das Duodenum. Jede Einzelzone gewinnt mit Hans Karl, I. Die Entwicklung des Magens beim Schafe (Ovis aries). 343 steigender Größe ein zusehends sich belebendes Relief, das an den Entodermmodellen sehr klar zu erkennen ist. Die oben in der Literaturübersicht angeführteu Vorarbeiten konnten die frühe Gestalt der Magenhöhle nicht aufdecken, weil sie meist ältere Embryonen in Betracht gezogen, andererseits die ganze Magenanlage, d. h. das Entodermmaterial samt dem Mesoderm- überzug untersucht haben. Ich dagegen habe auf den Rat meines Lehrers das Entoderm allein verfolgt, weil der Magen ein Hohlge- bilde ist und die Komplikation seiner Binnenhöhle durch Wachstum und Ausformung des künftigen Magenepithels geschieht. Die Reihe der Modelle (Fig. 1—15) erhellt den eigenartigen Verlauf der Magenbildung. Die aus der menschlichen Anatomie be- kannte Retortenform mit dem linken Fundus, der links ziehenden sroßen Kurvatur und der rechts konkaven kleinen Kurvatur kommt hier gar nicht zur Erscheinung. Schon in frühen Stadien ist das Entodermmaterial des Schafmagens langgestreckt und dadurch von vornherein auf eine andere Formriehtung gelenkt. Bloß in der Cardia- und Pylorusgegend klingen Ähnlichkeiten an die einfache Retortenform an. Von der Speiseröhre baucht sich das Entoderm mit einem flach konkaven Bogen gegen die orale Blindecke fast so aus, wie in den Fundus eines einfachen Magens (Fig. 4), nahe dem Pylorus biegt es nach rechts in caudal konvexer Krümmung gleich dem Übergang der großen Kurvatur in das Duodenum. Die zwischen- liegende Mittelzone dagegen läßt sich mit der Mittelgegend des ein- fachen Magens nicht vergleichen; denn ihre rechte Kante zieht fast als gerade Verlängerung der Speiseröhre hin, während die linke Kante zwar von der fundusähnlichen Blindbucht schräg median ge- richtet ist, doch eine geraume Strecke der rechten Kante ziemlich parallel läuft, bis die weiche hufeisenförmige Biegung gegen das Duodenum erfolgt. Daher ist die Mittelzone ein gerade gestreckter Abschnitt der Magenanlage, welcher im Gegensatz zu dem einfachen Magen der anmutigen Wölbung entbehrt. Durch ein spezifisches Relief, das dem einfachen Magensacke durchaus fremd ist, wird die Mittelzone zur Differenzierung in die Form des Wiederkäuermagens vorbereitet. Zwei sagittale Haupt- furchen der dorsalen und ventralen Fläche künden an, daß das Entodermmaterial eines kleineren rechten und des großen linken Bezirkes ungleichmäßig wachsen wird. Die erst schwach, später deutlicher auffallenden Längsfurchen der Modelle (Fig. 4, 5, 6, 8) entstehen durch eine Buchtung der ventralen und dorsalen Entoderm- 344 A. Fleischmann, Die Magengegend der Wirbeltiere. wand und leiten die Gliederung in die später großen Magenabtei- lungen ein. Im Gegensatz zu dem Verhalten des Magens der meisten Säugetierordnungen wird dadurch eine asymmetrische Zerlegung des Zellmaterials in die linke Pansenhaubenkammer und die rechte Buchkammer bedingt. An den Modellen junger Embry- onen (Fig. 2, 3, 4) sind sie kaum ausgeprägt, allein das hängt mit der Kleinheit der gesamten Anlage zusammen, welche ein deutliches Relief überhaupt ausschließt. Je größer der Embryo wird, um so mehr verschärft sich die Verschiedenheit auf beiden Seiten; bald (Fig. 10) ist die Plastik so kräftig ausgearbeitet, daß die Haupt- furchen in den Hintergrund treten. Daher wurde bisher ihre mor- phogenetische Bedeutung zu wenig beachtet. Nichtsdestoweniger erblicke ich in der Existenz der beiden Hauptfurchen (oder Haupt- wülste vom Lumen aus betrachtet) den wichtigsten Formcharakter für die Entwicklung des zusammengesetzten Wiederkäuermagens. Die kleinen Dimensionen der Stadien bis 1 cm SStl. (Fig. 1—4) lassen, wenn ich so sagen darf, die spätere Plastik nicht zur Geltung kommen. In das embryonale Bildungsmaterial wird erst die allge- meinste Gliederung eingeschrieben, bis der nötige Raum geschaffen ist, in welchem sich die kompliziertere Modellierung der späteren Stadien (1,7 cem—2,6 cm SStl., Fig. 8—13) entfalten kann. Wenn man die Rekonstruktionen recht genau studiert und mit der lebhaften Erinnerung an die größeren Modelle (Fig. 12—15) die kleinen Stadien ins Auge faßt, wird man die morphologische Verwandtschaft aller Phasen immer besser verstehen. Es ist nicht bloß eine Asymmetrie der Größe, sondern auch der Lage, welche zwischen der rechten und linken Hälfte herrscht; denn die auf beiden Seiten auftretenden Erweiterungen stehen ein- ander nicht direkt gegenüber. Links tritt die Erweiterung mehr oral auf und führt durch asymmetrische Steigerung allmählich zur Bildung des linken Blindsackes, rechts wird ein mehr caudal liegender Abschnitt zur Anlage des Buches verwendet, so daß (Fig. 8) beide schräg hintereinander liegen. Später (Fig. 14), wenn die Kammern eilig an Ausdehnung gewinnen, streckt sich der Pansenhaubenteil tiefer gegen das Buch herab und man faßt beim Anblick der Mo- delle oder größerer exenterierter Mägen die Lagebeziehung nicht gleich richtig auf. Doch ist immer noch die frühembryonale Lage- regel gültig. Da das Wachstum der rechten und linken Entoderm- hälfte auch fernerhin ungleichmäßig vonstatten geht, werden die beiden Magenhälften in höherem Grade verschieden. Wie schon von Hans Karl, I. Die Entwicklung des Magens beim Schafe (Ovis aries). 345 Anfang an die linke Hälfte größer war als die rechte, so behält sie den Vorrang auch ferner bei, bis sie am erwachsenen Tiere als mächtiger Pansenhaubenteil das Buch ganz in den Schatten stellt. Die zugleich erscheinende Komplikation in der Plastik des Ento- dermmaterials hängt unzweifelhaft von dem verfügbaren Raume, vom Volumen des ganzen Embryos und seiner Leibeshöhle ab. Darüber braucht man kein Wort zu verlieren. Die Abbildungen reden eine überzeugende Sprache. Das Magenentoderm des Embryos 3,7 cm 8. St.-L. (Fig. 14, 15) mit seiner mäandrisch verzierten Außenfläche ist ungefähr fünfmal länger als das kleinste Modell des Embryos 0,57 cm 8. St.-L. (Fig. 1). Die Vergrößerung des Ento- dermmaterials geschieht mittels Ausbuchtung, Faltung und wirklicher Blähung so, daß das Lumen vorerst enge bleibt, während das Epithel flächenhaft wächst und seine Zellmassen in Form von Buchten und Falten ordnet. Ganz allmählich hebt später die Erweiterung der Binnen- höhle an und gibt dem Magen sein Fassungsvermögen für die auf- genommene bzw. wiedergekaute Nahrung. Die bessere Bekanntschaft mit der frühembryonalen Plastik widerlegt ohne ausführliche Diskussion die Meinung des alten MEcKEL, daß »der Wiederkäuermagen von seinem ersten Erscheinen an die bleipenden Formen des Magens mehrerer Nager und ver- schiedener Arten des Schweinegeschlechts durchlaufe«. Denn meine Modelle zeigen sehr deutlich die typische, durch Ausbildung der langen Mittelzone und der sagittalen Hauptfurchen gekennzeichnete Ausgangsform sowie ihre konsequente Metamorphose. Angesichts derselben darf man die Idee, daß die Embryonalentwicklung ge- wissermaßen flackernd von der Magenform einer Säugetierordnung zur Magenform einer anderen Ordnung springe, ehe sie den defi- nitiven Zustand erreicht, ruhig den Historikern überlassen. Nach allem, was ich bisher ausgeführt habe, scheinen mir die beiden sagittalen Hauptfurchen die wichtigste Besonderheit der früh- embryonalen Magenform und die hauptsächlichste Bedingung für alle weiteren morphologischen Konsequenzen zu sein. Die Vorarbeiten haben sich damit nicht beschäftigt, weil die Modelliermethode nicht ausgiebig benutzt wurde, obwohl man sich nicht leicht ein Objekt denken kann, das die Anwendung der plastischen Rekonstruktion so notwendig fordert, wie der komplizierte Magen der Wiederkäuer. Dagegen wird in den Vorarbeiten so viel von der Drehung des Magens gesprochen, daß ich jetzt zu dieser Ansicht Stellung nehmen muß. Sie stammt aus den Kinderjahren der embryologischen 346 A. Fleischmann, Die Magengegend der Wirbeltiere. Forschung und beherrschte alle Lehrbücher des vorigen Jahrhunderts. Als meine ehemaligen Lehrer P. MArrın und A. Sross ihre Studien über die Magenentwicklung begannen, haben sie die Lehre der Magendrehung von der menschlichen Anatomie als sichere Grund- lage übernommen und demgemäß für die Wiederkäuer bestätigt. Beide dissonieren nur insofern, als P. Marrın die Achsendrehung bei kleinen Embryonen nicht weiter verfolgte, sondern hauptsächlich die älteren Stadien untersuchend, die von ihm als » Pansendrehung« bezeichnete Lageveränderung bearbeitete, während A. Sross den Einzelheiten des »allgemeinen Gesetzes der Drehung« an kleinen Embryonen von 5—16 mm nachspürte und angab, daß der Magen der Wiederkäuer sich 180° um seine Längsachse, bei den übrigen Säugetieren bloß 90° drehe. Um ein eigenes Urteil darüber zu gewinnen, habe ich seit Be- ginn meiner Studien im zoologischen Institut zu Erlangen die Quer- schnittsserien sehr genau darauf verfolgt, ob wirklich eine Drehung stattfindet, und die Modelle so eingerichtet, daß sie zur Entscheidung der Frage brauchbar wurden, indem ich mit dem. Magenentoderm stets das Medullarrohr oder bei älteren Embryonen die Wirbelsäule‘ darstellte. So erhielt ich einen sicheren Anhalt für die Lagebe- stimmung des Entoderms gegen die Medianebene. Doch hat sich der Nachweis einer Drehung der Magenanlage nicht erbringen lassen. Das Entoderm liegt in einer zur Medianebene nicht rein senkrechten, sondern wenig schräg geneigten Ebene und behält diese Lage, mag es nun in kleinen oder großen Dimensionen entwickelt sein. Die Figuren der Tafel XIV sind so photographiert, daß die Ordinaten- ebene der Wirbelsäule bzw. des Medullarrohres ungefähr varallel der Tafelebene steht. Infolgedessen läßt sich auch an den Bildern ablesen, daß der Magen keine Drehung erfährt. Der Einwand, daß die Richtung des Entoderms allein nicht maßgebend sei, ist hinfällig; denn wenn der ganze Magen gedreht würde, müßte man das auch an den Epithelmodellen wahrnehmen, da das dorso-ventral komprimierte Entoderm eine breite Beobach- tungsfläche darbietet. Noch überzeugender aber sind die ausge- wählten Querschnitte (Fig. 21—51) der Tafel XV. Der Platzersparnis halber wurde nur eine mediane Zone der ursprünglich vollständig gezeichneten Schnittbilder wiedergegeben. Man sieht an den Fig. 34 —51 der Embryonen 0,87 em und 1,13 em den Magen wirklich schief liegen, besonders wenn man die beiden Befestigungsstellen der Magenwand an den sog. Magenbändern ins Auge faßt. : Ventral' Hans Karl,.I. Die Entwicklung des Magens beim Schafe (Ovis aries). 347 unterhalb der beiden Urnieren geht der mesenteriale Mesoderm- pfeiler nach rechts in das Darmleberband, nach links in das Meso- gastrium e über, welches in allen Figuren 27—51 nicht vertikal, son- dern links transversal gewendet ist. Solche Bilder lagen Sross vor und haben seine Überzeugung von der Magendrehung bestärkt. Sobald man aber die ausgewählten Querschnitte (Fig. 21—33) der Embryonen 0,57 em und 0,66 em untersucht, wird die auf die älteren Stadien (Fig.34—51) begründete Ansicht widerlegt; denn die Magenanlage ver- hält sich zu den Mesodermbrücken an die Nachbarorgane genau so, wie auf späteren Stufen. Der Mesodermpfeiler zwischen den Urnieren gabelt sich, wie die Fig. 22—25 zeigen, in die beiden zur Leber und zum Magen führenden Bänder, und ventral zieht das Magenleberband zur Leber. An die linke Magenwand grenzt das Cölom der Leibeshöhle, an die rechte Magenwand die Höhle des Netzbeutels an. Die vier nebeneinander stehenden Schnittreihen beweisen nun, daß der spätere Zustand der Serien (Fig. 27—51) nicht ein prinzipiell neues Verhalten bedeutet, sondern die einfache Folge des Wachstums ist. Da alle Organe der Embryonen lebhaft an Größe zunehmen, steigt auch der Umfang des Magens. Mit der Formwandlung seiner Lich- tung bzw. Epithelwand, die wir oben verfolgt haben, erfährt der Mesodermmantel eine Weiterbildung zunächst weniger der Dicke als der Ausdehnung nach. Die Bilder beweisen ganz klar, daß vornehm- lieh die rechte und linke Seitenwand, welche dureh die beiden Ver- bindungsbrücken mit dem Mesoderm des Mesenteriums dorsal und des Magenleberbandes ventral deutlich begrenzt werden, in zunehmendem Grade ausgewölbt werden entsprechend der Ausdehnung des inneren Entodermkernes samt seiner Binnenhöhle. Da die Krümmung der rechten (medianen) Magenwand einen höheren Grad als links er- reicht, wächst die von Anfang an schräg gerichtete Brücke des Mesogastriums e stärker. Auf diese Weise kommt das Aussehen der Bilder (37—41, 46—50) zustande, welche die ältere Behauptung, daß die Magenanlage gedreht würde, so anschaulich zu stützen scheinen. Ich glaube jedoch durch meine Betrachtung die Grundlosigkeit der Annahme bewiesen zu haben, daß der Schenkel des Mesogastriums ursprünglich anders lag und erst in einer gewissen Embryonalzeit nach links ausgeschwungen wurde. Nach meiner festen Überzeugung wird der Magen überhaupt nicht gedreht, noch in das Netz ein- gewickelt. Wenn man die auf die Drehung bezüglichen Stellen bei MaAR- TIn und Sross genau nachliest, wird man bald gewahr, daß die’ 348 A. Fleischmann, Die Magengegend der Wirbeltiere. beiden Autoren die Tagesmeinung ihrer Zeit teilten, aber keine neuen Beobachtungen zum Beweise derselben angeführt haben. Was beide an den Schnittserien sahen, wurde so gedeutet, als ob die Drehung stattfinde, ohne daß ein wirklich schlagender Beweis ge- führt wurde. Ich setze die in Betracht kommenden Sätze von MARTIN und Sross hierher, um mein Urteil zu rechtfertigen. Am wenigsten beweisend sind die Angaben Marrıns, weil ihm das Material für die Klärung der Frage fehlte. Denn er hat neben einem jungen Rinderembryo von 32 Tagen nur einen Schafembryo von 3,7 em Länge studieren können. Seine Angaben sind auch sehr lakonisch: »Die ganze Magenmasse des kleinen Embryos macht eine Wendung nach links um ihre Längsachse und wickelt sich in das Bauchfell ein. Die Gekrösplatte des Pansens verläuft schief nach links. Beim Schafembryo 3,7 cm ist die Drehung der Gesamt- mägen vollendet, der Pansen liegt vollständig, ventral.« Aus dem Wortlaut geht deutlich hervor, daß die Überzeugung von der Magendrehung bei MArrın feststand, er hat darüber wie von etwas Selbstverständlichem gesprochen, ohne eigentliche Be- obachtungen ins Feld zu führen. A. Sross hat ähnlich gedacht. Er sah die Verschiedenheit der Form und Größe des Magengekröses und beschrieb sie in einer stilistischen Fassung, als fände eine wirkliche Umdrehung statt, wie man überhaupt in jener Zeit viel- mehr geneigt war, von Umlagerungen und mechanischen Verschie- bungen zu sprechen als heutzutage. Beim nüchternen Überlesen der nun folgenden Stellen wird man einsehen, daß eine konventionelle Sprechweise für die Schilderung der Schnittbilder gewählt ist: A. Stoss fand beim Embryo (6 mm lang) das Dorsalgekröse des Magens stumpfwinklig nach links gewendet, meinte aber, erst später trete durch Ver- längerung des Gekröses eine wirkliche Linksdrehung ein. Der Magen des Embryos (10 mm lang) ist um 45° gedreht und wird noch weiter gedreht, bis sein Dorsalrand ventral liegt und sein Dorsalgekröse zum großen Netze wird. Beim Embryo (9 mm lang) ist der Magen auf nahezu 65° gedreht, das Dorsal- gekröse läuft fast horizontal (75° zur Medianebene. Das dorsale Magengekröse des Embryos (10,5 mm lang) zieht ganz horizontal von rechts nach links. Wer möchte auf Grund dieser Aussprüche behaupten, daß MARTIN und Stoss die Drehung wirklich gesehen haben? Wo sind die Präparate, welche zeigen, daß der Magen zuerst vertikal am Mesenterium hängt, wie.z. B. der Enddarm? Marrın und Srtoss haben nur die Tatsache registriert, daß das Gekröse des Magens anders gerichtet ist, als weiter hinten gegen das Rectum und haben darum an das Walten einer Drehung geglaubt. Sie waren davon so Hans Karl, I. Die Entwicklung des Magens beim Schafe (Ovis aries). 349 sicher überzeugt, daß sie gar nicht die Frage aufwarfen, ob dievon ihnen beobachteten Eigentümlichkeiten nicht vielleicht ein charakteristisches Merkmal des Magenabschnittes allein sein könnten und eine Drehung zur Herstellung derselben überflüssig ist. Letzteres scheint mir in der Tat der Fall zu sein. Alles erklärt sich auf diese Weise sehr einfach. Das Entodermrohr verläuft in einem median unter der Chorda und dem Medullarrohre liegenden Mesodermstreifen durch die Brustgegend; hinter den Lungen bzw. dem Zwerchfell kommen Komplikationen dadurch zustande, daß in dem vom Cölom beider- seitig umfaßten Mesoderm Leber und Magen entwickelt werden. Das Magenentoderm liegt hier nicht median, sondern links, die Drüsenschläuche der Leber rechts. Der Zusammenhang des Magen- mesoderms mit dem Rumpfmesoderm unter der Wirbelsäule wird längs des Magens durch ein quer verlaufendes Mesodermstück ver- mittelt, das sich mit der Vergrößerung des Magens schärfer abhebt. An den Serien ist das Mesoderm nahe der Cardia solid, weiter caudal tritt das Lumen des Netzbeutels auf; so entsteht der Gegen- satz zwischen dem Gekröse und der eigentlichen Magenwand. Schon bei jungen Embryonen sind die Verhältnisse genau so wie später. Es besteht also kein Gegensatz. Der definitive Zustand ist sehr früh gegeben, er wird langsam vergrößert und ausgebaut. MARTIN und Sross haben eine große Verschiedenheit zwischen den früheren und späteren Stadien angenommen, ich dagegen finde keinen Kon- trast, sondern eine gewisse Ähnlichkeit des Baues und die allmäh- liche Entfaltung. Später hat das Mesenterium an Breite zugenommen, es biegt sich links über den Magen wie ein Vorhang, aber in den frühen Stadien ist der gleiche Zustand gegeben (Fig. 21—51). Marrın hat durch seinen Schüler K. WÖLFEL die spätere Ent- wicklung des Pansens (oben S. 331—333), durch SPAMER der übrigen Magenabteilungen (S. 333—334) auch unter der Voraussetzung einer lebhaften Bewegung darstellen lassen. WÖLFEL entwarf folgendes Bild: Der Pansen wächst ceraniodorsal in die Pleurahöhle. Die Leber verlegt zugleich mit dem Urnierenbande dem Pansen den Weg in die Pleurahöhle und zwingt ihn, sich weiter dorsal aufzurichten. Sein Dorsalende wird durch das Zwerchfell gezwungen, caudal zu wachsen. Aber die linke Urniere ist ein neues Hindernis, sie zwingt den caudal wachsenden Pansen, sich wieder eranio- dorsal umzuschlagen und seine späteren Blindsäcke zu bilden. Da Leber und Keimdrüse ihm den Weg verlegen, kann er nur in den Raum zwischen Urniere und Zwerchfell hineinwachsen. Später verschwindet die Urniere in der Magen- gegend. Der weichenden Urniere folgend, wendet sich der Pansen caudal, kommt mit der bleibenden Niere in Berührung und folgt derselben caudoventral. 350 A. Fleischmann, Die Magengegend der Wirbeltiere. Der Pansen befindet sich jetzt mitten in der Drehung. Als Folge der Pansen- drehung werden Haube, Buch und Labmagen nach rechts verschoben. Die Verschiebung der letzteren hat dann SPAMER in einem be- sonderen Aufsatze geschildert. Ihre Schilderung hört sich so an, als würde ein wütender Kampf ums Dasein in der Bauchhöhle geführt, gleich als wollten alle anderen Organe dem Magen seine Existenzberechtigung abstreiten, so daß es ihm nur durch eine Reihe von Krümmungen und Richtungsänderungen möglich würde, sein bescheidenes Plätzchen zu finden. Es klingt, als könnte der Pansen wie ein belebtes Wesen sein Blindende nach Umständen beliebig da und dorthin wenden. Ich meine jedoch, wir können den Be- obachtungen von WÖLFEL und MArTIıNn volles Recht widerfahren lassen und ihre Richtigkeit unbestritten anerkennen, ohne die stili- stische Form der Beschreibung zu übernehmen. Denn sachlich hat WÖLFEL nur die Lagebeziehung des Magens zu seinen Nachbar- organen in der Leibeshöhle geschildert, welche, wie jedermann weiß, sehr innig sind. Der Magen entwickelt sich vom frühesten Stadium an innerhalb dieser Gemeinschaft. Mögen auch die Anlagen aller Organe sehr klein sein, ihr nachbarliches Verhältnis besteht jederzeit und wird als Gesamtheit von Lage und Form ausgestaltet. Darum spiegelt ein Organ, das man in Gedanken isoliert und in seinem Schieksal verfolgt, die Lageabhängigkeit der umliegenden Bezirke. Man hat nach meiner Meinung keinen Grund, die Form des Magens als direkte Folge eines von den anderen Organen aus- seübten Zwanges zu beurteilen; denn jedes Organ hat seinen eigenen, die spätere Funktion ermöglichenden morphologischen Charakter. Er ist die Hauptsache und wird nur bis zu einem ge- wissen Grade von den anliegenden Organen beeinflußt. Es war sehr dankenswert, daß Marrın durch WÖLFEL und SPAMER diese Beziehungen verfolgen ließ. Literaturverzeichnis. 1) R. GroTE. Beiträge zur Entwicklung des Wiederkäuermagens. Zeitschr. £. Naturwiss. 1896. Bd. LXIX. 8. 387—479. . 2) Krazowskı, Entwicklung des Omasus. Diss. Dorpat 1880. 3a) P. Marrım. Die Entwicklung des Wiederkäuermagens und -Darmes. 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Über den Ursprung der Netze und ihr Verhältnis zum Peritoneal- sacke beim Menschen, aus anatom. Untersuchungen an Embryonen. MEcKELs Arch. f. Anat. u. Phys. 1850. 8. 395—411. 6) G. SPAMER. Beiträge zur Entwicklung des Wiederkäuermagens. Dissert. Gießen 1907. 7a) A. Stoss. Untersuchungen über die Entwicklung der Verdauungsorgane, vorgenommen an Schafembryonen. Dissert. Erlangen 1892. Zeitschr. f. Tiermedizin u. vergl. Pathol. 1893. Bd. XIX. S.1—32. 7b) —— Vergl. anat. Untersuchungen über die Entwicklung des Verdauungs- kanales der Wiederkäuer. Zeitschr. f. Tiermedizin u. vergl. Pathol. Bd. XVI. S. 96—124. 7e) — Über die Entwicklung des Wiederkäuermagens nebst Demonstration eines Lama-Magens. Wochenschrift für Tierheilkunde und Viehzucht. Jahrg. 38. 1894. 8. 453—458. 8) Kurt WÖLFEL. Beiträge zur Entwicklung des Zwerchfells und des Magens bei Wiederkäuern. Anat. Anzeiger 1907. Bd. XXX. 8. 233—255 u. 27 —270. Figurenerklärung. A) Textfiguren. Fig. A. Magen-Darmanlage eines Rinderembryos, 32 Tage alt, 1,35 eml. Sche- matische Darstellung nach P. MARTIN. Fig. B. Magen-Darmanlage eines Schafembryos von 3,7cm Länge. Schematische Darstellung von P. Marrın. Fig. C. Magen-Darmanlage eines Rinderembryos von 9 Wochen. Schematische Darstellung von P. MArTın. Fig. D. Magen-Darmanlage eines Rinderembryos von 10!/; Wochen. Sche- matische Darstellung von P. MArrın. Fig. E. Schematische Darstellung der Magenform von Schafembryonen nach A. Stoss. Fig. F. Umriß des Schafmagens nach A. Srtoss, um die Magendrehung zu de- monstrieren. 352 A. Fleischmann, Die Magengegend der Wirbeltiere. B) Tafelfiguren. Buchstabenerklärung. a Labmagen, Abomasus. o Buchmagen, Omasus. d Duodenum. p Pansen, Rumen. e Mesogastrium. r Haube, Reticulum. f ventrale Hauptfurche. s Speiseröhre, Osophagus. h dorsale Hauptfurche. u Urniere, Mesonephros. ! Leber (Hepar). Tafel XIV. Fig. 1—15. Modelle des Magenentoderms verschiedener Schafembryonen. Ver- größerung 17/1. Fig. 1. Embryo, 0,57 cm Schstl., Ventralansicht. Ei} E = = 03 - 0,87 - - - ed, - 0,97 - - - =, - 1,04 - 5 = er 0 - Ina = - - N. - ala? - Dorsalansicht. Sr: - IE - Ventralansicht. SUERN): - = - Dorsalansicht. 10: - 20 - - Ventralansicht. = ul - 20ER - Dorsalansicht. 12, - 2,6. - 5 Ventralansicht. -.. 18. - 26 - - von vorn und oben gesehen. - 14. - Bu e - Ventralansicht. -. 15: - Et ER - von hinten caudal gesehen. Fig. 16—18. Modelle des Magenmesoderms dreier Schafembryonen. Fig. 16. Embryo, 0,87 cm Schstl., Ventralansicht. sen ce i - 18. - BO RIITE - Fig. 19. Querschnitte des Vormagens von fünf Schafembryonen. a) 0,97 em Schstl., b) 1,04cem Schstl., c) 1,13 cm Schstl., d) 1,7 cm Schstl., e) 2,0 em Schstl. Fig. 20. Querschnitte des Buches von fünf Schafembryonen. a) 1,13 cm Schstl., b) 1,7 em Schstl., c) 2,0 cm Schstl., d) 2,6 cm Schstl., e) 3,7 em Schstl. Tafel XV. Fig. 21—51. Ausgewählte Querschnitte durch die Magengegend von Schaf- embryonen verschiedenen Alters. Vergrößerung 12/1. Fig. 21—26. Schafembryo 0,57 em Schstl. 2733, - DE - 34-44. \ DB re - 45-81. - IE ae Abstand: Fig. 21—22 = 140 u, Fig. 22—23 = 140 u, Fig. 23—24 = 80 u, Fig. 24 —25 = 80 u, Fig. 25—26 = 80 u. Fig. 27—28 = 140 u, Fig. 23—29 = 140 u, Fig. 29—30 = 60 u, Fig. 30 —31 = 160 u, Fig. 31—32 = 100 u, Fig. 32—33 = 160 u. Fig. 31—35 = 200 u, Fig. 35—36 — 80 u, Fig. 36—37 — 40 u, Fig. 37 —38 = 80 u, Fig. 38—39 = 100 u, Fig. 39—40 = 80 u, Fig. 40—41 = 100 u, Fig. 41-42 = 80 u, Fig. 42—43 = 100 u, Fig. 43 —44 = 100 u. Fig. 45—46 = 280 u, Fig. 46—47 = 240 u, Fig. 47—48 = 200 u, Fig. 48 —49 = 160 u, Fig. 49—50 = 160 u, Fig. 50—51 = 200 u. m urjJag pun 3:zdıa] ur uuewjsdug wjauJı/gy UoA Zefa ED E KON E51 B : pP & > EIE De u / ER 1A >] BR | aı + (a + ‚5 r- u [et r pe SI en Tue en "uugwgosıo]J 7 gE ZI h & | 95 214 cE 14 TE >19 R 08'214 dgl R Bu . 82 214 2a 214 =] "AX lafnı NIAXPI | "yong.iypp say9sıbojoydxot En "uıpsag pun 3ızdıa7 ur ı "AIX Ray [pdug wjayjıyy uoA dejuoy "uugwyosıo]g E | \ 2 =) XTIX PT yong«ynp sayasıbojoyd.+opr (Aus dem Tierärztl. Institut der K. K. deutsch. Universität Prag.) Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Sirenen. Von Privatdozent Dr. Ludwig Freund (Prag). Mit 22 Figuren im Text und Tafel XVI. Die nachfolgende Darstellung stellt die Fortsetzung einer Publi- kation dar, die vor fünf Jahren erschienen ist und die Entwieklungs- geschichte des Schädels von Halicore dugong zum Gegenstand hatte'. Es liegen ihr, wie es in der Einleitung der genannten Arbeit des näheren ausgeführt wurde, ebenfalls die von Professor Dr. R. SEMON freundlichst überlassenen Halicore-Embryonen zugrunde und sie bringt die Ergebnisse der Untersuchung der übrigen Organe, soweit sie eine solehe noch gestatteten. Naturgemäß hat da das Skeletsystem bei der schleehten Erhaltung der Weichteile den Hauptanteil. Es sei nur kurz daran erinnert, daß die drei Embryonen fol- gende Hauptmaße aufwiesen: I. 42 em direkte Körperlänge, 72 cm über den Rücken, J'. I. 49 - - - IN 3, K- - oO. Ill. 62 - - - 162: - a BiscHorr verdanken wir einige hierher gehörige Angaben über einen jungen männlichen Dugong von 3 Pariser Fuß = 97,5 em Länge, der also unserem mittleren Stadium gleichkäme, während Krauss verschiedentlich Mitteilungen über ein jugendliches g' In- dividuum von 131 cm Skeletlänge (Nr. XI) produziert, das in die Nähe unseres dritten Stadiums einzurangieren wäre. Die Angaben BıscHnorrs sind leider sehr dürftig, die von Krauss etwas detail- lierter. Auf andere einschlägige Literatur wird noch im Texte viel- fach verwiesen werden. | 1 FREUND, L., Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Schädels von Halicore dugong Erxl. Semon, zool. Forschgsreis. Austral. malay. Arch. 4, Denkschr. Jen. med. natw. Ges. 7, 1908, $. 559-626, 50 Fig. — Ders., Der Nasen- knorpel der Sirenen. Verh. Ges. D. Naturf. Ärzte. 79. Vers. 1907 (1908) 3 8. Morpholog. Jahrbuch. 49. 24 554 Ludwig Freund Skeletsystem. A. Wirbelsäule (Taf. XVI). Die Wirbelsäule setzt sich bei Habk- core zusammen aus: 7 Cervical-, 18, manchmal 19 Thoracal-, 3, seltener 4 Lumbal-, 1 Sacral- und 29, seltener 26—27 Coceygeal- wirbeln. Die Gesamtzahl der Wirbel beträgt daher meistens 58—59, seltener etwas weniger Wirbel. Die Wirbel der Erwachsenen sind be- reits von BRAnDT ausführlich, zum Teil auch von Krauss geschildert worden, so daß für vieles auf jenen verwiesen werden kann. Hier interessieren uns vor allem die Veränderungen während der Ontogenese, ‚soweit sie durch die vorliegenden drei Stadien zum Ausdruck gelangen. Während die Halswirbel von allen Autoren in gleicher Zahl angegeben werden, ergibt sich bei den Brustwirbeln manchmal eine Überschreitung um einen Wirbel, entsprechend der Vermehrung um ein Rippenpaar. Die Überschreitung der Lendenwirbelzahl ist so selten, daß sie vielleicht auf einer irrtümlichen Skeletmontierung beruhen könnte. Dasselbe ist von der selten erwähnten Mehrzahl von Sacralwirbeln zu sagen. Daß die Zahl der Coceygealwirbel schwankt, ist auch bei anderen Formen festgestellt worden. Im folgenden sind die Angaben einzelner Autoren zusammengestellt: Autor. sical- eg da en ae Summe Sun Anmerkung le ae s|zı0| 1 Covier, 1835—37 ...|7| 38 3 1 Pr 5 Rıarp, 1837. RT, 19 3 1 29,59 ı 19 BiscHorr, 1847, &. 7.719 8.| .7-| =, sogen BRONN (GIEBEL-LECHE), | 1874—1900 7 18 3 1 28 57 18 Ders. 2 al Ze a8: 932 2 ae MER 7 19 | <—« 26 »—> 52 19 Krauss, 1870. 7 19 3 1 29 59 19 | 7 Skelete gezählt Braxpr, 1861—68 . . . || 7 118—19) 3 1 26-32 55—61| 18 Weber, 1904 . : . . „|| 7 118—19)3—4| 1 |ca. 26 55-5718—19 Eigene Zählungen: Embryo iker. ee at 19 3 d 28 58 19 - 11: WEEK ze 9 en - 1: ee NN 19 978 29 59 19 Bekannt ist das Auftreten von Epiphysenscheiben an den Wirbel- körpern bei Sirenen im postembryonalen Leben (ALBRECHT). Diese verschmelzen bald mit den Körpern. Natürlich ist hier nichts da- von zu berichten. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Sirenen. 355 Über die Weite des Wirbelkanals beim ausgebildeten Dugong findet sich eine genaue Tabelle der Maße in den einzelnen Seg- menten bei DEXLER. a) Cervicalwirbel (Taf. XVI Cv, Fig. 1—4). Der Atlas zeigt beim jüngsten Embryo eine dem ausgebildeten ganz ähnliche Form, ist aber viel höher als dieser, die Schenkel des Neuralbogens sind steiler, die Seitenfortsätze wenig ausgebildet. Die Gelenkflächen, ausgenommen die kreisrunde für den Epistropheuszahn, sind nieren- förmig, besonders aber die caudalen schmäler und länger als die am ausgewachsenen Tiere. Verknöcherungen sind vorhanden: in den beiden Neuralbogenschenkeln, diese fast ganz erfüllend und ventral bis zu den Gelenkflächen reichend. In der ventralen Spange liegt medial ein Knochenkern, oberflächlich in einem kleinen querovalen Bezirk sichtbar. Alles übrige ist knorpelig, auch die mediane, im Neuraldorn ge- legene Partie. Zum Austritt des ersten Cervicalnerven dienen zwei gerundete Ausschnitte (Fig. 1, $SN) dorsal von den oralen Gelenkflächen. In der Mitte der oralen Gelenkflächen über- brückt dasLig. transversum (Fig. 1, Zi) ER EN, Fa RE den Wirbelhohlraum, so den Ring um Oralansicht. Nat. Größe. SN Suleus für den Dens epistrophei schließend. Der en S en Sa Epistropheus (Fig. 2, Ep) ist eben- falls höher als im ausgebildeten Zustande, die Gelenkflächen ent- sprechend denen des Atlas lang schmal nierenförmig, ausgenommen die kreisrunde an der Oralfläche des Dens (Fig. 1, DE), welcher über den Atlas hervorragt. Verknöchert sind bloß die Schenkel des Neuralbogens, sie lassen aber dorsal zwischen sich eine größere Knorpelpartie frei als beim Atlas. Ventral reichen die Knochen- spangen bis zu den Gelenkflächen. Im massiven Körper ist äußer- lich kein Knochenkern zu sehen. Als Seitenfortsätze sind jederseits zwei kleine Knorpeizapfen vorhanden, die die Arteria vertebralis zwischen sich fassen. In der Mitte der Bogenstücke sitzen caudal die Proc. art. posteriores mit ventralen Gelenkflächen auf. Die nun folgenden fünf Halswirbel haben die für die Sirenen charakteristische caudo-oral stark abgeplattete Form, die besonders im Körper auf- fallend ist, aber auch die Bogen dünn spangenförmig erscheinen läßt. Auffallend ist auch das dorsale Vorstehen des Epistropheusbogens 24* Fig. 1. 356 Ludwig Freund über den des dritten Wirbels, während die folgenden wieder all- mählich an Höhe zunehmen. Die vom dritten Wirbel oral und caudal vorhandenen, nur schwach ausgeprägten Processus articulares be- dingen die merkwürdig stufenförmige quere Abkniekung der Neural- bogen, welche wiederum bis "auf eine breite mediane Dorsalpartie und die erwähnte Region der Processus articulares bis an ihre Basis verknöchert sind. Wirbelkörper und Seitenfortsätze sind noch knor- pelig, letztere alle für die Arteria vertebralis durchbohrt. Die Dorn- fortsätze und die dorsalen Hälften der Neuralbogen sind bei den drei letzten Wirbeln caudal geneigt. Zwischen den Wirbeln bleiben hier Intervertebral-Lücken (Fig. 2, 3, fiv) bestehen, die nicht als Foramina, sondern als hohe Spalten geformt sind, entsprechend der dorsalen Verlagerung der Processus Fig. 2. Fig. 3. Fig. 2. Halswirbelsäule von Stadium II. Linke Lateralansicht. 11/3 nat. Größe. At Atlas, Ep Epi- stropheus, Fiv Fissura interyertebralis, Zyg Zygapophysen, Prc Processus costarius, Fet Foramen sototransyersarium, J£ Incisura transversaria, Dap Diapophyse, Pap Parapophyse. Fig. 3. Halswirbelsäule von Stadium IL, Rechte Lateralansicht. 11/3 nat. Größe. Bezeichnungen wie in Fig. 2. articulares (Fig. 2, 3, Zyg) und der spangenförmigen Verdünnung der Neuralbogen. Ventrocaudal vom Proe. art. des 7. Wirbels liegt jeder- seits die halbe Gelenkfacette für die 1. Brustrippe. Im zweiten Stadium zeigt sich keine wesentliche Veränderung der geschilderten Verhältnisse, abgesehen von der Größenzunahme und der weiter gegangenen ÖOssifikation der einzelnen Teile. Im Atlas (Fig. 2, 3, At) ist der Processus transversus etwas deutlicher, beim Epistropheus (Fig. 2, 3, #p) der Neuralbogen etwas schräger Dap I Fch ERS Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Sirenen. 357 und daher breiter. Die Proe. transv. (Fig. 2, 3, Pap, Dap) der üb- rigen Halswirbel sind relativ größer geworden, aber wiederum nicht allgemein durchbohrt, sondern häufig mit einem Ausschnitt (Fig. 2, 3, It) versehen, wobei die Formation der flankierenden platten Knorpelzacken sehr variiert. Interessant ist nur das Verhalten der Proe. transv. beim 7. Wirbel, da hier beiderseits starke platte Zapfen als Halsrippenreste (Fig. 2, 3, Prc) ausgebildet sind. Es handelt sich um die erhebliche Massenzunahme des Proe. costarius, der selbständig srößtenteils ossifiziert ist, durch eine Knorpelplatte mit dem Wirbel- körper, durch eine zweite mit dem Proc. transversus i. e. S. ver- bunden erscheint und so das kleine Foramen transversarium (Fig. 2, 3, Fet) umschließt. Das laterale Ende dieses Rippenrestes ist kolbig aufgetrieben. Im Inneren der Wirbelkörper beginnen Ossifikations- zentra aufzutreten von caudal nach oral. Das 3. Stadium ist an Größe und Ossifikation erheblich weiter gediehen, entsprechend dem viel größeren Altersunterschied gegen- über den zwei beschrie- benen Stadien. Im Atlas (Fig. 4, At) ist die Ossi- fikation des Corpus als breite ovale Zone ventral sichtbar. Die Verknöche- rungen in den Seitenteilen haben sich stark dorsal genähert, innen fast bis zur Berührung gelangend. "2 Ebenso findet sich im Epi- Da Be Pop stropheus (Fig. 4, Ep) eine ? erhebliche Verknöche- rung, und zwar als kleine rundliche Zone auf der Ventral- und Dorsalseite, als querer Sattelstreifen von den genannten ge- Halswirbelsäule und 1. Brustwirbel von Stadium III. Rechte trennt im Hals des Dens. Lateralansicht. Nat. Größe. At Atlas, Ep Epistropheus, Fiv Fissura intervertebralis, Pap Parapophyse, Dap Diapo- Die Neuralbogen sind physe, Fcc Fossa articularis capitis costae, Fe Fovea articu- massive Knochenspangen, laris tubereuli costae. welche die Gelenkflächen innen und außen zur Hälfte umfassen. Dorsal ist die kleine Knorpelmasse des Neuraldorns durch eine Fissur getrennt. Den Proe. art. bildet ein kleiner Knorpelzapfen, ebenso wie fcc "Th 358 Ludwig Freund die Proc. transversi. In den übrigen Halswirbeln zeigt der Körper eben- falls Ossifikationszentra auf der Ventralfläche als querovale, caudal an Größe zunehmende Flächen. Im Inneren dagegen haben sich knöcherne Körper und Neuralbogen bis auf Knorpelfugen genähert. Die Proe. transv. (Fig. 4, Pap, Dap) haben an Größe zugenommen, sind aber noch völlig knorpelig, weisen manchmal ein Foramen transversarium (Fig. 4, iv) auf, manchmal aber nur einen rundlichen Ausschnitt. Die Partien zwischen den beiden Facies articulares jedes Wirbels sind noch knorpelig, werden aber von den knöchernen Spangen der Neuralbogen, die sie umfassen, ziemlich stark durch- setzt. Auch die kleinen Neuraldornen bestehen noch aus Knorpel. Die Ossifikation der Halswirbelsäule zeigt im allgemeinen Über- einstimmung mit den übrigen Säugetieren, vornehmlich von drei Ossifikationszentren ausgehend, wobei solche auch hier früher in den Bogen auftreten als in den Körpern. Dabei geht der Knochenkern in der Ventralspange des Atlas der Bildung solcher in den übrigen Körpern voran. Accessorische Knochenkerne in den Neuraldornen treten nicht auf. Dagegen finden sich solche in den Processus costarii, falls Halsrippen zur Ausbildung kommen, wie beim 7. Wirbel im 2. Stadium. Ein weiterer separater Knochenkern wird im Dens epistrophei des 3. Stadiums sichtbar. Die Verknöcherung der drei Hauptbestandteile nimmt nun all- mählich zu, bis sie im 3. Stadium in Knorpelfugen zusammenstoßen, wobei aber die Körper immer noch von einem Knorpelmantel umhüllt bleiben. Von den Bogen aus ossifizieren unter Bewahrung von bogenförmigen Knorpelpartien und der Gelenkknorpel die Processus articulares, die Processus transversi bleiben knorpelig. Dasselbe ist der Fall mit den Dorsalenden der Neuralbogenstücke. Accessorische Kerne bleiben durch Knorpelpartien getrennt. Weiterhin scheinen nun die Bogen und Körper der 5 letzten Wirbel zuerst miteinander zu verschmelzen, bei den ersten zwei erst später, wie aus der Angabe von Krauss hervorgeht, der bei seinem Exemplar Nr. XI Bogen und Körper von Atlas und Epistropheus unter sich und mit dem Körper noch nicht verschmolzen fand. Dann verschmelzen die Bogen untereinander dorsal, aber außerordentlich spät, und nicht ganz regelmäßig, denn Krauss fand bei seinen Exem- plaren II und III (erwachsene Tiere) diese vom 4.—6. Wirbel ge- trennt. Übrigens sind, wie ich an der Halswirbelsäule eines mir vorliegenden Tieres sehen kann, die dorsalen Grenzen der Bogen- stücke in Form einer Rinne häufig erhalten. Von den Bogen erfolgt Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Sirenen. 359 auch, wohl erst nach der Verschmelzung mit dem Körper, die Ossi- fikation der Processus transversi, früher die der Processus artieulares, letztere mit Ausnahme der erhaltenen Gelenkknorpel. Bei der Ossi- fikation der Proc. transv. ist auf das Erscheinen besonderer Knochen- kerne im Falle der Ausbildung von Halsrippen schon hingewiesen worden. Freilich findet man manchmal als Andeutung solcher zapfen- förmige Vorragungen an den Processus costales, wie überhaupt die Proe. transv. in ziemlich weiten Grenzen variieren. Das ergibt sich auch in der Ausbildung der Foramina transversaria oder bloß rund- lieher Ausschnitte, die beiderseits auf einem Wirbel oder in den aufeinanderfolgenden Wirbeln in bunter Abwechslung vorkommen können, abgesehen vom Atlas, der stets massiv ist und dem Epi- stropheus, der nur rundliche Ausschnitte aufweist. Auch Krauss beschreibt die einzelnen Vorkommnisse dieser Art, was nur für die Konstatierung der Variabilität von Interesse ist. Rapp und BiscHorr fanden bei den 5 letzten Wirbeln stets Foramina transversaria in dem knorpeligen Processus, Krauss bei seinem Exemplar XI nur seichte Ausschnitte daselbst, was alles aber kaum exakt sein dürfte. Die bei Halicore zur gelegentlichen Ausbildung von Halsrippen führende Variabilität der Processus costarii findet sich auch bei Manatus mit dem Erfolge, daß dort der 7. Halswirbel den Brust- wirbeln zugerechnet wird!. Es war daher ganz müßig, wie MurıE und GARROD es taten, danach zu suchen, welcher Halswirbel bei Manatus ausgefallen sein könnte, und bezüglich des 3. oder 4. diesen Verdacht auszusprechen. Es kam sogar zu einer genauen Untersuchung der abgehenden Halsnerven, deren Verhalten diese Annahme stützen sollte. Es ist kein Zweifel, daß hier eine gewisse Flüssigkeit in der Hals-Brustwirbelgrenze besteht, wie sie sonst bei anderen Säugern von den übrigen Grenzregionen der Wirbelsäule bekannt ist. Es ist ausgeschlossen, daß ein Wirbel zum Ausfall gelangen kann. Der Wirbelkanal ist auffallend weit (Fig. 1), wobei zu erinnern ist, daß beim Atlas die ventrale Hälfte des Lumens, durch das Liga- mentum transversum vom eigentlichen Kanal abgeschlossen, für den Dens epistrophei bestimmt ist. Im Laufe der Entwicklung wird der Kanal relativ höher und erlangt an Stelle eines querovalen einen mehr dreieckigen Querschnitt. Begründet ist die Weite dadurch, daB neben dem verhältnismäßig dünnen Halsmark noch mächtige ! Über die Zahl der Halswirbel bei Sirenen haben sich seinerzeit speziell BrAanpr (1863) und FLower (1864) geäußert. Über Halsrippen existiert eine neuere Arbeit von STAPLEY. 360 Ludwig Freund arterielle Wundernetze nebst den teilweise strangartig verschmolzenen Halsganglien eingelagert sind (Dexter, siehe dort, Fig. 1!). Man wird sich also bei der Beurteilung auffallend weiter Wirbelkanäle bei anderen Tieren diese Tatsache wohl vor Augen halten müssen und niemals aus der Weite des Kanals auf die Dicke des Rücken- markes schließen dürfen. Dasselbe gilt für das Verhältnis von Schädelhöhle zu Hirnvolumen. Bekannt ist die relative Verkürzung der Halswirbelsäule gegen- über den Verhältnissen bei den Landtieren, die sich hier durch ein starkes Flachwerden und Zusammenschieben der einzelnen Wirbel in sagittaler Richtung kundgibt. Freilich zu einer Verschmelzung einzelner Wirbel, wie dies bei den Walen statthat, kommt es hier nieht, abgesehen von seltenen Ausnahmen bei Halitherium und Manatus (Age). Immerhin gehört die Erscheinung in die inter- essante Gruppe der durch das Wasserleben bedingten Anpassungen. b) Thoracalwirbel. (Taf. XVI, Th.) Die ersten zwei Brust- wirbel (Fig. 4, 7h1.) schließen sich im Aussehen an die Halswirbel und gehen erst vom 3. oder 4. in die Form der eigentlichen Brust- wirbel über. Die anfangs kleinen Dornfortsätze werden bald breiter und höher und behalten dann ihre Form bis zum letzten bei. Sie sind in Übereinstimmung mit den letzten Halswirbeln anfangs mit den Neuralbogen stark caudal abgebogen, riehten sich aber allmäh- lich auf und stehen etwa vom 8. an vertikal. Seitenfortsätze sind vom 1. bis zum 9. Wirbel gut entwickelt und bis zur halben Höhe der Neuralbogen hinauf geschoben, rücken aber vom 9. an allmäh- lich auf den Körper herab, werden dabei breit und niedrig, bis zum letzten Brustwirbel fast verschwindend. Die Gelenkfortsätze sind nur schwach ausgebildet. Erst vom 6. Wirbel werden sie deutlicher, wobei die oralen als eckige Fortsätze gegenüber den caudalen aus- gerundeten Vorragungen früher und deutlicher ausgebildet sind. Erstere werden von den letzteren anfangs lateral umfaßt, vom 12. an wird das Gelenk zur schräg aufsteigenden flachen Spalte. Die Wurzeln der Neuralbogen sind bis zum 5. orocaudal verdünnt und werden erst dann allmählich breiter. An den Seiten der Körper finden sich die Gelenkflächen für die Capitula der Rippen (Fig. 4, Fee.) u. z. bis zum 10. beiderseits der Intervertebralscheibe, bis zum 19. auf je einem Körper allein. An den Seitenfortsätzen des 1.—10., liegen ventral dann die Gelenkflächen für die gesonderten Tubereula der Rippen (Fig.4, Fe). Die Wirbelkörper sind anfangs ähnlich denen derHalswirbel orocaudal zusammengedrückt, nehmen dann zu, sind an- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Sirenen. 361 fangs ventral flach, vom 10. an mit einem ventralen Mediankiel ver- sehen. Die Verknöcherungen in den Schenkeln der Neuralbogen werden anfangs als spangenförmige, dann plattenförmige caudal mehr ovale Gebilde sichtbar, welche aber Seiten-, Dorn- und Gelenkfortsätze frei- lassen. Erstere sind außen mit dem Körper, mit letzteren oral und eaudal im knorpeligen Zusammenhang, so daß die Verknöcherung bloß innen die Schenkelbasis erfaßt hat. Die Verknöcherungen im Wirbelkörper werden in Form eines querovalen Bezirkes in der Mitte der Ventral- fläche siehtbar, bis zum 10. an Größe zunehmend, um von da in zwei zu beiden Seiten des Mediankieles gelegene Abschnitte zu zer- fallen. Daß die ersten 3—4 Intervertebrallücken eher längliche Spalten als rundliche Foramina darstellen, ergibt sich aus der den Hals- wirbeln ähnlichen Konfiguration. Eine wesentliche Zunahme der Verknöcherung im Gefolge des Größenwachstums, verbunden mit einer besseren Ausprägung der Gelenkfortsätze, sind die wesentlichsten Veränderungen in der Brust- wirbelsäule des 2. Stadiums. Die Verknöcherung der Neuralbogen hat die knorpelige Region der Dornfortsätze eingeschränkt und sich auch bis zum letzten Wirbel in die Processus artieulares aus- gebreitet. Die seitliche Umfassung der oralen seitens der caudalen hört schon beim 10. etwa auf, während die Gelenkbildung unter diesen selbst bereits beim 17. beendet ist. Knorpelreste finden sich aber noch caudal zunehmend an den oralen Gelenkfortsätzen. Auch die Processus transversi zeigen erhebliche Knorpelanteile. Die Ossi- fikation der Wirbelkörper ist weiter vorgeschritten, doch ist vom 11. immer noch der Mediankiel knorpelig zwischen den beiden seitlich zutage tretenden Knochenfeldern. Beim 3. Stadium sind die Wirbel größtenteils ossifiziert und nur noch Knorpelreste vorhanden. An den ersten 4 Wirbeln haben sich die Neuralbogen nur bis zur Berührung genähert, in den folgenden aber sind sie in der Basis der Dornfortsätze bereits verschmolzen, der übrige wenn auch geringe Teil derselben ist noch knorpelig. An den caudalen Gelenkfortsätzen ist nur noch der dünne Überzug der bleibenden Gelenkfläche knorpelig, während an den oralen, die ja überhaupt mehr der Charakter von wirklichen Fortsätzen auf- weisen, vom 8. an noch Knorpelkegel aufsitzen. An den Processus transversi sind nur die äußersten Kuppen knorpelig, doch zieht vom 10. an noch ein Knorpelstreifen auf der oralen Seite zum Wirbel- körper. Dieser Streifen wird caudal im Zusammenhang mit dem 362 Ludwig Freund Herabrücken der Processus transversi immer breiter, bis im 18. und 19. Processus und Körper miteinander verschmelzen. Es liegt näm- lich ein keilförmiger Knorpelrest zwischen den Basen der knöcher- nen Neuralbogen und dem knöchernen Zentrum des Körpers, wäh- rend sich im Innern des Wirbelkanals nur eine Knorpelfuge zwischen beiden befindet. Dieser Knorpelkeil steht im Zusammenhang mit dünnen Knorpelplatten, die oral und eaudal jeden Körper überkleiden und vom 8. wie erwähnt mit den Processus transversi verbinden, während vom 13.—16. noch ein Knorpelrest im ventralen Median- kiel des Körpers dazu kommt. Hier sind also jederseits noch zwei Knochenflächen zu sehen, in den übrigen sind die Körper eben- sowohl ossifiziert wie in den Bögen. ec) Lenden-, Kreuz- und Schwanzwirbel (Taf.XVI, Z, 8, Ce) können im Zusammenhang besprochen werden. Die Neuraldornen behalten in der ersten Hälfte des Abschnittes ihre frühere Form, nehmen aber dann rasch an Höhe und Breite ab. Vom 11. cocey- gealen etwa sind sie ganz niedrig, zerfallen vom 15. in zwei immer kleiner werdende Zapfen, die vom 21. zum Verschwinden kommen. Hoch hinaufgeschobene Gelenkfortsätze mit schmalen, ganz schrägen Gelenkflächen finden sich noch bis zum 1. eoceygealen Wirbel und verschwinden dann. Die Seitenfortsätze sind auf die Seitenfläche der Körper, entfernt von den Basen der Neuralbogen, abgerückt, als lange stabförmige horizontale Gebilde vorhanden, am 2. und 3. Lumbalen vorwärts gebogen, dann wieder gestreckt. Aufden Cocey- gealen werden sie allmählich kürzer, schmäler, vom 6. oder 7. immer mehr caudal abgebogen, sich erst vom 22. wieder quer streckend. Dabei werden sie schlank und zugespitz. An den letzten Öoceygealen erst verschwinden sie. Hinter dem 1. Coceygealen beginnen intervertebral die Hämapophysen als schlanke Stäbe, die sich ventral im spitzen Winkel mit einer breiteren querovalen Knorpelmasse aneinanderlegen. Das erste Paar ist noch getrennt und legt sich jederseits an das zweite an. Sie werden nach rück- wärts niedriger und breiter, hinter dem 12. tritt ventral eine Tren- nung auf, worauf die beiden Teile mit dem Kleinerwerden immer mehr klaffen. Im 17. sind die letzten Reste zu sehen. Es öffnet sich also der Kanal der Hämapophysen am 18., der Neuralkanal vom 16. oder 17., wobei ersterer viel breiter ist als letzterer. Ver- knöcherungen sind in den Neuralbogen als immer mehr sich ab- rundende Plättchen, die den Neuraldorn wie die Processus articu- lares knorpelig lassen und, am Hinterrand liegend, allmählich kleiner [>] Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Sirenen. 363 werden. Am 14. sind sie fast verschwunden. In den Seitenfort- sätzen ist die Verknöcherung im Lumbalteil sehr bedeutend, nur Basis und Spitze sind knorpelig. In den Coeeygealen werden die Knochenkerne rasch kleiner und sind im 3. verschwunden. Im Wirbelkörper ist die Verknöcherung in je zwei ventralen Feldern von ovaler Form noch siehtbar im Lumbalteil, wieder zu einem medialen querovalen Feld verschmolzen vom sacralen durch alle Coceygealen, aber immer an Größe abnehmend und fast bis zum letzten Coceygealen zu verfolgen. Beim 2. Stadium hat vornehmlich die Ossifikation und Größe zugenommen, ohne daß besondere Formveränderungen aufgetreten wären. In den Neuralbogen bleibt eine erhebliche Partie der Dorn- fortsätze knorpelig, wobei die platte Verknöcherung die Bogenstücke nur bis zum 9. Coceygealen in der ganzen Breite erfaßt, weiterhin aber am Caudalrande immer kleiner wird. Auch die Caudalneigung nimmt vom 5. Coceygealen immer mehr zu, unter Erhaltung der Processus artieulares anteriores als deutliche Zacken. Im 20. Cocey- sealen verschwinden die letzten Reste der Neuralbogen, nachdem sie sich kurz vorher gespalten haben. In den Processus transversi hat die Verknöcherung im Lumbal- und Saeralteil um ein geringes zu- genommen, eine Knocheninsel im 2. Coceygealen ist hinzugekommen. Vom 7. Coceygealen tritt die Caudalbiegung ein, die im 13. ihr Maximum erreicht, dann zur Querrichtung zurückkehrend, diese im 24. erreicht. Dabei werden sie ganz schlank und verkürzen sich entsprechend dem Caudalende. Bei den Hämapophysen hat die Össifikation zugenommen, die ventrale gemeinsame Knorpelplatte ist aber noch immer erheblich, eaudal natürlich zunehmend. In den Wirbelkörpern der ersten 3 Lumbalen finden sich noch die medianen Knorpelkiele, welche die zutage tretenden Verknöcherungen in zwei Felder teilen, beim Sacralen ist keine Spur mehr. Auch dorsal im Wirbelkanal ist die Verknöcherung in Form kleiner Querfelder sicht- bar geworden. Das 3. Stadium zeigt besonders im Lumbal- und vorderen Coceygealteil ausgedehnte Verknöcherung. Die Neuralbogen sind in den Lumbalen größtenteils verschmolzen und ossifiziert bis auf eine kleine Knorpelkappe im«Dorn und kleinere Knorpelkappen an den Processus articulares. Vom Sacralen an gelenken die Neuralbogen, deren Caudalbiesung immer zunimmt, nicht mehr miteinander. Die Knorpelkappen der Dornen werden erst vom 10. Coceygealen etwas größer, doch wird vom 13. der Neuralbogen ohnehin kleiner 364 Ludwig Freund und unansehnlicher, um im 18. zu verschwinden. Die oralen Ge- lenkfortsätze bleiben auch hier bis weit caudal deutlich. Die Pro- cessus transversi sind im Lumbalteil fast ganz verknöchert bis auf kleine Lateralkappen, erst im 7. Coceygealen wird der Knochenkern rundlich, um im 10. zu verschwinden. Von da ist wieder Überein- stimmung mit den früheren Verhältnissen. Auch bei den Hämal- bogen ist die Verknöcherung bis auf kleine Ventralkappen vor- handen, wird vom 12. Coceygealen etwa in den Schenkeln mehr rundlich und nimmt dann mit dem schnellen Kleinerwerden der Fortsätze überhaupt ab. Letztere verschwinden zwischen 18. und 19. Wirbel. Die Wirbelkörper sind größtenteils verknöchert. Dünne Knorpelscheiben über der oralen und caudalen Fläche, sowie keil- förmige Knorpelpartien zwischen Körper und Processus transversus beziehungsweise Neuralbogen nehmen nach rückwärts an Masse zu. Der ventrale Mediankiel ist im 1. und 2. Lumbalwirbel deutlich, bei ersterem noch teilweise knorpelig. Zwischen den Hämal- und Neuralbogenteilen ist im Kanal je eine flache Längsrinne aus- gebildet. Daß sich die Beckenknochen an das Ende der Processus trans- versi des einzigen Sacralwirbels anheften, wurde schon von älteren Autoren wie BiSCHOFF und Krauss festgestellt und eine abweichende _ Angabe Raps, die er nach Rürren macht, von BiıscHorr als Irr- tum gekennzeichnet. Was BIscHoFF von den Lenden- und Schwanz- wirbeln, sowie von den Quer- und Hämalfortsätzen erwähnt, ist nicht mehr als die Feststellung ihres Vorhandenseins. Bei Krauss können wir einiges über die Verschmelzung der Wirbelbestandteile heraus- lesen. So sind bei seinem jüngsten Expl. XI die Processus trans- versi noch nicht mit dem Körper der Lendenwirbel verschmolzen, bei seinen drei größten V, III, II ist der Processus transversus einer Seite im ersten Lendenwirbel noch vom Körper getrennt, da- gegen bei den drei kleineren VII, VIII und IX völlig verschmolzen. Daß auch die Querfortsätze des Sacralwirbels beim kleinsten XI noch nicht mit dem Körper verwachsen sind, ist selbstverständlich. Bemerkenswert ist nur noch, daß er eine ziemliche Variation in dem Vorhandensein der kleinen stabförmigen, getrennten Hämapo- physen zwischen 1. und 2. Coceygealwirbel fand, derart daß sie manchmal fehlten und ‚erst zwischen 2. und 3. auftraten. Es würde das vielleicht auf eine größere Anzahl von Sacralwirbeln in der Phyle hindeuten. Als allgemein auffallend könnte die beträchtliche Entwicklung Beiträge zur Entwieklungsgeschichte der Sirenen. 365 der Processus transversi in den Lumbal-, namentlich aber in den Schwanzwirbeln bezeichnet werden. Demgegenüber verschwinden hier Dorsal- und Ventralfortsätze vollkommen. Dies dürfte wohl mit der Ausbildung der horizontalen Schwanzflosse zusammenhängen, deren Gewebe an jenen seine Insertion findet, zumal sich ähnliche Wahrnehmungen auch an den Schwanzwirbeln der Wale machen lassen. Die Längenmaße der einzelnen Abschnitte sind mit einigen An- gaben dieser Art nach anderen Autoren in nachfolgender Tabelle zusammengestellt. Längenmaße der Wirbelsäulenabschnitte von Halicore dugong bei den vorliegenden 3 Stadien und nach Krauss bei 7 von ihm ge- messenen Exemplaren und eines Manatus nach VROLIK. 16) ot ro - a m S - vo Wirbelsäulen- ee: Aa = Mg|= SEE IE 5 ze: are IE "abschnitt ERS Bo | pa on = larlcozs or og as Sz = Sa | 2A | EI ISA 5“ .a|cea|ı zalsa Sat =) = 1: > = | ® = = = = S | Rs: | Far RG Cervicalteil ... | 3,0 | 90 | 52 | 5,0j10,7 110,0 11,0 110,4 |10,0 | 11,3| 13 Thoracalteil. . 15,7 21,0 |34,0 | 40,0 67,7 |69,5 69,3 72,8 |745.| 79 | 100 Lumbalteil ..| 31 | 46 | 68 $) 7) 2 / R Suerakteit a1 | 15 | 25 ;S@|1a9 I1sa 11a [151 [152 | 154135 Coceygealteil . 119,5 |27,6 [45,1 | 54,0 |78,5 |79,5 |82,5 |87,0 |83,0 | 89,0| 93 B. Rippen (Taf. XVI, Co.). Von Rippen! finden sich 19 Paare, von denen die ersten drei direkt mit dem Sternum zusammenhängen, während das 4. sieh an den Sternalknorpeln des 3. anlegt, die rest- lichen aber enden frei. Es handelt sich bei allen um größtenteils rundliche Stäbe, die parallel im Halbbogen den Thorax umwanden. Eigentlich ist die dorsale Hälfte stärker gekrümmt, die ventrale mehr gestreckt. Sie sind alle schräg nach caudal gerichtet, die letzten sind sogar noch etwas stärker caudal abgebogen. Die ven- tralen Enden liegen in einer horizontalen Linie, es zeigen also die Rippen keine wesentliche Verkürzung caudalwärts. Bei den ersten 11 ist Capitulum und Tubereulum weiter voneinander entfernt, doch nähern sie sich bald und liegen dann bei den folgenden 5—6 ganz nahe beisammen. Dabei ist das Capitulum bei den ersten 5 Paaren auf einem stark orocaudal abgeplatteten und dorsoventral verbreiterten Collum angebracht. Die Capitula artikulieren bei den 1 Eine vergleichende Darstellung über Sirenenrippen, fossiler wie rezenter, stammt von DOLLo. 366 Ludwig Freund ersten 11 Paaren mit je zwei Wirbelkörpern, weswegen sich auch schon eine Halbfacette auf dem letzten Halswirbelkörper findet, dann rückt die Gelenkfläche auf den caudalen Körper. Die Tuber- cula artikulieren in Gelenkflächen auf der Unterseite der Seiten- fortsätze, solange sie von den Öapitula deutlich getrennt sind. Die Ver- knöcherung hat den größten Teil der Rippen eıfaßt. Nur bei den ersten 4 Rippenpaaren ist eine größere sternale Partie knorpelig. Die übrigen haben nur die ventralen Spitzen knorpelig, ferner finden sich überall kleine Partien, die das Capitulum und das Tubereulum bekrönen. Beim 2. Stadium ist abgesehen von einer Zunahme in den Größenverhältnissen fast keine Formveränderung wahrzunehmen. Auf der Außenfläche sind zwei Reihen von Rauhigkeiten zu unter- scheiden. Bei der 1. Rippe liegt eine rundliche Rauhigkeit etwa 1 cm lateral vom Tubereulum und findet sich dann auch auf den folgenden Rippen in einer horizontalen Linie auf den Hinterrand rückend bis zur vorletzten. Dorsal davon beginnt auf der 5. Rippe eine zweite Rauhigkeit aufzutreten, die in einer Entfernung von etwa 2 cm lateral vom Tubereulum auf der Lateralfläche bis zur letzten Rippe zu finden ist. Die Länge der Rippen nimmt bis zur 6. zu und bleibt dann bis zur drittletzten ziemlich gleich, um dann bei diesen etwas abzunehmen. Im 3. Stadium haben die Rippen noch mehr an Länge und Dieke zugenommen. Von Knorpelpartien finden sich außer den sternalen Anteilen die Reste auf Capitulum und Tuberculum, sowie an den ventralen Enden. Capitulum und Tubereulum sind von der 1.—10. Rippe von etwa 2cm abnehmend voneinander entfernt, von da ab benachbart bis zur 16., miteinander verschmolzen auf den letzten. Der Hals ist orocaudal zusammengedrückt bei den ersten 4 Rippen, dann rundlich. Lateral sitzt neben dem Tuber- culum eine rauhe Vertiefung auf, die lateral ausläuft, von der 8. aber ein geschlossenes Grübchen darstellt, das bis zur 16. Rippe deutlich ist. Diese Grübchen waren übrigens schon im vorigen Stadium angelegt. Die bei diesem erwähnten 2 Reihen von Rauhig- keiten auf der Lateral- bezw. Caudalfläche sind auch hier ausge- prägt, nur weiter lateral abgerückt. Die Caudalbiegung der La- teralenden ist schon an den oralen Rippen bemerkbar. Hingewiesen sei auf den beinahe stabförmigen Charakter der embryonalen Rippen. Sie nehmen im ausgewachsenen Zustande ungemein an Masse zu und werden sehr breit, wenn sie auch nicht Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Sirenen. 367 jenen excessiven Grad erreichen, wie die fossilen Sirenen der Mittelmeerregion. Diese embryonale Schlankheit kann sicher als ein primäres Merkmal aufgefaßt werden. Auf die zweifache Inser- tion an der Wirbelsäule hat ABeL aufmerksam gemacht und daraus auf eine geringe Beweglichkeit des Brustkorbes geschlossen. Wie das mit der Lebensweise zusammenhängt, ist noch nicht klar. C. Brustbein (Taf. XVI, St., Fig. 5—11). Das Brustbein des 1. Stadiums (Fig. 5) ist ein längliches Gebilde in der Mitte der vor- dersten Brustwand. Die dorsoventral abgeplatteten Sternalabschnitte Fig. 5. Fig. 6. Fig. 5. Sternum von Stadium I. Ventralansicht. Nat. Größe. M Manubrium, Z, ZZ, 111 Rippen- knorpel, X Processus xiphoideus. Fig. 6. Sternum des Stadium II. Ventralansicht. 2/3 nat. Größe. Bezeichnungen wie bei Fig. 5. der Rippen erfahren eine orale Biegung und fließen in einer un- paaren Knorpelplatte zusammen, die oral und caudal zungenförmig verlängert erscheint. Die orale Partie ist das Manubrium (Fig. 5, M) die caudale das Xiphisternum (Fig. 5,X), während die mittlere das Corpus sterni darstellt. Das Xiphisternum ist in zwei schmale la- teral ausgebogene Zungen von ungleicher Länge gespalten. Die oralste Partie fehlt leider. Die Ossifikation hat das Manubrium bis auf die eben genannte Partie und einen schmalen Streifen gegen die Artikulation der ersten Rippenknorpel (Fig. 5, Z) erfaßt. Mit dem stark gerundeten Hinterrand reicht die Ossifikation eaudal bis zu den zweiten Rippen in den Mittelteil. Das Xiphisternum ist 368 Ludwig Freund ebenfalls bis auf die caudalste Partie ossifiziert und reicht oral bis kurz hinter die Insertion des 3. Rippenpaares. Die mittlere Knorpel- platte zeigt Spuren einer medianen Rinne. Das 2. Stadium (Fig. 6) ist zwar größer als das erste, aber in der Ossifikation nicht wesentlich weiter gediehen. Im Manubrium (Fig. 6, M) ist der oralste Knorpelabschnitt erhalten und zeigt zwei kurze stumpf ab- gerundete ungleiche Lappen. Der verknöcherte Anteil reicht mit caudal konvexem Rande nur bis in die Mitte der beiden ersten Rippen (Fig. 6, /). Das ‚Xipbisternum (Fig. 6, X) ist Fig. 7. Fig. 8. ae Fig. 7. Sternum des Sen Il. Ventralausicht. 2/3 nat. Größe. Bezeichnungen wie bei Fig. 5. Fig. 8. Sternum von Halicore dugong nach E. Houe (Phil. Transact. 1820, Pl. 31, f.1). 1/3 nat. Größe. caudal abermals in zwei Spitzen von ungleicher Länge mit lateraler Ausbauchung gegabelt, doch ist der Zwischenausschnitt breit und stark gerundet. Die Ossifikation geht in die Zacken hinein, oral reicht sie bis zu den letzten Rippen. Der Mittelkörper ist knorpe- lig, die Rippenansätze etwas unregelmäßig und durch flache Furchen angedeutet. Diese sind nur beim ersten Rippenpaar ‘quergestellt, bei den andern spitzwinkelig in den Körper vorspringend (Fig. 6, I--II). Beim 3. Stadium (Fig. 7) endlich ist wieder ‚eine wesentliche Vergrößerung vorhanden, die Ossifikation aber relativ fast. stationär geblieben. Im Manubrium (Fig. 7, M) ist der oralste Knorpel- absehnitt mit seinen zwei rundlichen Lappen kürzer, die Ossifikation Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Sirenen. 369 also weiter vorgedrungen, am eaudalen Rand aber an der früheren Grenze verblieben. Im Xiphisternum (Fig.7, X) ist das gegabelte Caudalende, dessen Äste diesmal zwei zugespitzte Lappen mit spitz- winkeligem Einschnitt darstellen, noch knorpelig, der konvexe Ossi- fikationsrand vom Einschnitt noch entfernt. Der Körper ist knor- pelig, die Rippenansätze ähnlich denen des früheren Stadiums (Fig. 7, I—III). Über das Sternum im allgemeinen habe ich bereits vor einigen Jahren in einer kleinen Arbeit berichtet. Es ist dem dort Ge- äußerten auch auf Grund des vorliegenden Materiales nichts Wesent- liches hinzuzufügen. Dort sind auch die Angaben der Literatur Fig. 9. Fig. 9. Sternum von Halicore dugong juv. nach H. FLower (1888, S.45, Fig. 42. Orig. im Leidener Museum). 1/3 nat. Größe. Fig. 10. Sternum von Halicore dugong juv. nach BramvirLe. 1/2 nat. Größe. Fig. 11. Sternum von Halicore dugong, erwachsen, nach L. Freusp (1905, Ztschr. Morph. Anthr. $, Taf. 28, Fig. 1). 1/4 nat. Größe, verzeichnet, insbesondere über jene von anderen beschriebene Stadien, welche wie die vorliegenden jugendlichen Formen ange- hören, aber auch jene Formen, die das ausgewachsene Tier dar- bietet. Von den ersteren wäre folgendes zu erwähnen. Das von Home beschriebene Brustbein (Fig. 8) wäre zwischen unserem 1. und 2. Stadium einzuschalten, das FLowersche (Fig. 9) unserem 3. an- zuschließen, worauf das BrLamvirvesche (Fig. 10) folgen würde. Von der ausgebildeten Form habe ich selbst eine Darstellung (Fig. 11) gegeben. Ich habe hier die genannten Stadien, soweit von Morpholog. Jahrbuch, 49. 25 370 Ludwig Freund ihnen Abbildungen vorliegen, wiedergegeben und den oben be- schriebenen angefügt, wodurch eine schöne Reihe jugendlicher Ha- licore-Sterna zustande kommt. Man ersieht daraus die relativ lang- same Ossifikation des Sternums, fermer, wie ich schon seinerzeit er- wähnte, den Mangel eines besonderen Ossifikationszentrums für das Corpus sterni, welches vielmehr von dem Manubrium aus, das allein neben dem Xiphisternum einen Ossifikationsherd aufweist, ossifiziert wird. Die Verschmelzung beider Teile erfolgt jedenfalls erst, wenn die Gesamtlänge von etwa 21 cm überschritten wird, da ein solches, von Lersıus beschrieben, noch die Trennung aufweist. Fig. 12. Fig. 13. Fig. 12. Beckenknochen von Halicore dugong-Embryonen. Rechte Lateralansicht. Stadium I (a), II (d), UI (ce). Nat. Größe, I! Ilium, /s Ischium. Fig. 13. Dasselbe. Linke Lateralansicht. Eine Literaturangabe ist in meiner erwähnten Arbeit vergessen worden, nämlich die von RÜPPEL, betrifft aber ein ausgewachsenes Tier. Die Länge betrug 27,6 cm, es bestand aus einem viereckigen Mittelteil mit zungenförmigem Manubrium und Xiphisternum ohne Caudalknorpel. D. Becken (Fig.12,13). Das Becken ist an den Enden der Seitenfortsätze des einzigen Sacralwirbels mittels eines kurzen seh- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Sirenen. 371 nigen Bandes angeheftet und hängt als dorsal stabförmiges, dann ventral schaufelförmig sich verbreiterndes Gebilde schräg caudal und medial herab (Taf. XVI, P). Die Entfernung der oberen Inser- tionen beträgt 5,2 em, die der ventralsten Punkte 1,9 cm. Das pro- ximale Ende ist etwas verdickt und schwach oral gebogen, das ven- trale Ende ist abgerundet, der verbreiterte Teil außerdem schwach caudal abgebogen. Ossifiziert ist der schlanke drehrunde stab- förmige Stiel, der das Ilium repräsentiert, (Fig.12,/!) bis auf eine kurze proximale Partie, während in der Mitte der ventralen abge- platteten Hälfte, die das Ischium (Fig. 12, Is) darstellt, etwas mehr als ein Drittel von einer rundlichen Knochenplatte eingenommen wird, die einen Teil des Hinterrandes okkupiert, den Vorderrand aber noch nicht erreicht hat. In der Nähe des Hinterrandes der mittleren Knorpelpartie liegt beiderseits eine schwache Verdiekung, die auf der rechten Seite eine kleine Delle trägt, was als Rest eines Acetabulums gedeutet werden kann. ‘Beim 2. Stadium (Fig. 12, 13,5) finden wir abgesehen von einer mäßigen Größenzunahme im Wesen die gleichen Formationen. Die ventral verbreiterte Partie ist jedoch relativ nicht so breit wie im vorigen Stadium, auch findet sich an ihr nicht die gleichmäßige Caudalabbiegung, sondern eine direkte Abkniekung in der Mitte derselben, die rechts stärker ausgebildet ist als links. Die Ossifi- kation im Ischium hat den Hinterrand fast erreicht, ohne in der Längsachse besonders zugenommen zu haben. Die Verdickung der mittleren Knorpelpartie findet sich wieder. Die Entfernung der ventralsten Punkte beträgt 2,5 em, so daß bei einer Beckenwirbel- breite von 8cm eine ziemlich schräge Lage resultiert. Das Becken des 3. Stadiums (Fig. 12, 13c) ist erheblich ge- wachsen, die Ossifikation schon bedeutend weiter gegangen. Der proximalste Teil ist eine niedrige Knorpelkappe, deren Kuppel cau- dal verzogen ist. Dann folgt ein langer schlanker Knochen mit taillenförmiger Einziehung in der Mitte und Verbreiterung an den beiden Enden. Er repräsentiert den größten Teil des Ilium. Er ist durch eine breite Knorpelzone vom knöchernen Ischium getrennt, welches als allmählich sich verbreiternde Platte nur wenig von der Längsachse des Beckens nach caudal abgebogen erscheint. Der Distalrand derselben ist flach gerundet und trägt noch einen mäßi- gen Knorpelüberzug, dessen größter Teil als dieker stumpfer Zipfel caudal gerichtet ist. Er wird später durch die Tuberositas ossis ischii ersetzt werden. 25* 312 Ludwig Freund Später verschmelzen die beiden knöchernen Teile des Beckens zu einem einheitlichen Gebilde und auch die beiden peripheren Knorpelmassen verknöchern, doch bleibt die mittlere Trennungs- region als etwas dickere Knoechenauftreibung erhalten. Eine genaue Beschreibung des ausgebildeten Zustandes verdanken wir v. LORENZ, auf den auch für die bezügliche Literatur verwiesen sei. Für die ältere Literatur ist BrAnprs Darstellung erschöpfend. Die falschen Angaben RÜPPpELs, die Rapp übernommen, wurden schon von BISCHOFF korrigiert. Wie aus den Literaturangaben hervorgeht, sind bereits mehrfach jugendliche Beckenstadien beschrieben worden, wie ja auch BIscHoOFF, FLOWER und WEBER die ursprüngliche Zweiteilung und spätere Verschmelzung erwähnen, letzterer bei fehlendem Zwischenknorpel abbildet. Solche . Stadien ließen sich zwischen unsere und das ausgebildete einschieben. Leider stimmen sie aber vielfach, wie schon v. LoRENnZ bemerkte, in der Form nieht überein. Das gilt so von dem publizierten von v. LORENZ beschriebenen jugend- lichen Becken. Er meint, daß diese Unterschiede auf das verschie- dene Geschlecht oder auf den Speziescharakter von Hakcore zu- rückgeführt werden könnten. In der Tat ist das erwähnte Becken von Halicore tabernaculi aus dem Roten Meere, wie auch ABEL die Schlankheit des letzteren gegenüber dem ersteren hervorhebt. Aber abgesehen davon, daß die drei Hakcore-Arten, von denen immer die Rede ist, noch niemals scharf voneinander abgegrenzt worden sind, bedürfen auch die Geschlechtsunterschiede noch einer genauen Unter- suchung. Bei Manatus sind zwar solche im Becken durch Krauss festgestellt worden — wenigstens bei denen von Surinam —, Spezies- unterschiede sind aber auch da noch herauszusuchen, wiewohl es sich hier um wohlbekannte und gut unterschiedene Spezies handelt. ABEL verdanken wir die Aufstellung einer schönen Reihe von Eotherium bis Halicore, welche die Umbildung der Beckenknochen unter Ausschaltung des Os pubis, des Foramen obturatorium und des Acetabulums schön darstellt. Manatus steht ganz abseits dieser Reihe. v. LORENZ erwähnt von dem jugendlichen Halcore tabernaeuli- Becken das Vorhandensein einer keilförmigen Knorpelpartie zwischen Ilium und Ischium. Dieser Keil ist »wie es scheint, erst teilweise verknöchert« gewesen. Er hält dies für das Äquivalent des Os acetabuli. Es müßte sich wohl durch eine Röntgenaufnahme fest- 1 Auch WArp wäre hier zu erwähnen, zumal er bei von LORENZ nicht angeführt erscheint. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Sirenen. 373 stellen lassen, ob ein eigner Knochenherd hier vorhanden ist oder die Verknöcherung, die übrigens nicht sicher zu stehen scheint, von der Nachbarschaft ausgeht. Die Keilform des Knorpelrestes wäre vielleicht noch nicht beweisend. Jedenfalls bedarf es noch weiterer Untersuehungen. | Daß die Ventralenden der Beckenknöchen nicht in einer Sym- physe zusammenstoßen, ist von Lorenz abermals und ausreichend dargestellt worden. Hier finden sich bei den ersten zwei Stadien, bei denen die Weichteile des Genitalsystems noch an den Beckenknochen befestigt waren, Distanzen zwischen den Distalenden von 1,9 bezw. 2,5 cm. Bei dem 3. Stadium waren die Beckenknochen ausgelöst gewesen. Für die ausgebildete Form nimmt v. LORENZ etwa 7cm an. Bei fossilen Formen der Sirenen haben sich vielfach Acetabula in absteigender Ausbildung nachweisen lassen (ABEL). Reste von solchen finden sich gelegentlich auch bei Manatus. Bei letzterem ist sogar ein Femur-Rest im Zusammenhang mit dem Acetabulum ge- funden worden (AgeL). Auch vom Dugong kennt man Acetabular- reste als seltene Befunde. Bei den vorliegenden fetalen Becken- knochen war nur an dem jüngsten die Andeutung eines Acetabulums nachweisbar, bei den beiden älteren war nichts mehr davon zu sehen. Ich muß hier auf eine Notiz von ANNANDALE zu sprechen kommen, die dieser über das Becken veröffentlicht hat. Ausgehend von der irreführenden Figur WEBERS, die jenes aus zwei Knochen bestehen läßt, berichtet er über einen Befund an einem männlichen austra- lischen Dugong und einem von der Madrasküste, bei welchen er außerdem noch am distalen Ende des 2. Knochens ein abgeplattetes, nagelförmiges, 15 mm langes und 6 mm breites 3. Knöchelchen ge- funden hat. Er registriert es als Beispiel besonderer Variation. Die beigegebene Figur kann unmöglich richtig sein und dürfte auf falscher Montierung beruhen. Dadurch wird auch die Deutung des Befundes erschwert, wenn nicht undurchführbar. E. Schulterblatt. Das Schulterblatt liegt beim 1. Stadium (Taf. XVI, Se, Fig. 14) mit seinem oberen Teil schräg auf den dor- salen gewölbten Abschnitten der ersten 4—5 Rippenpaare. Es ist langgestreckt, dorso-ventral nach außen schwach gewölbt und in der Ebene nach vorn schwach ausgebogen. Durch zwei Drittel seiner unteren Länge zieht dem konkaven Hinterrande genähert eine gut ausgebildete Spina scapulae (Fig. 14, Sp) die unweit der Fossa glen- oidalis mit einem stumpfen Acromion (Fig. 14, Acr) endet. Der stark 374 Cor Ludwig Freund geschweifte Vorderrand endet an einer halsartigen Einschnürung in der Nähe der Fossa, woselbst oral das einen kurzen stumpfeylindri- schen Fortsatz bildende Coracoid (Fig. 14, Cor) aufsitzt. Die Ver- knöcherung hat den größten Teil des Schulterblattes erfaßt. Dorsal bleibt eine große sichelförmige Partie knorpelig, den Suprascapu- larknorpel bildend, mit einem cau- dal gerichteten Zipfel. Ventral ist eine dieke Partie um die Fossa samt dem Coracoid, im Zusammen- hang mit dem Acromion der Crista knorpelig. Fig. 16. Fig. 14. Rechtes Schulterblatt von Halicore dugong-Embryonen. Stadium I. Lateralansicht. $p Spina scapulae, Acr Acromion, Cor Coracoid. Fig. 15. Dasselbe von Stadium II. Nat. Größe. Fig. 16. Dasselbe von Stadium III. 2/3 nat. Größe. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Sirenen. 375 Die Scapula des 2. Stadiums (Fig. 15) hat sich mehr in die Länge gestreckt, aber ihre Biegung in der Sagittalebene ist geringer. Der Suprascapularknorpel und der um die Fossa glenoidalis herum sind schmäler geworden. Der Zipfel des ersteren ist mehr dorsal gerichtet und verbreitert. Die Basis des Acromions ist breit ver- knöchert und dadurch der Knorpelrest desselben vom Glenoidal- knorpel geschieden. Das Coracoid ist niedriger und daher stumpf. Im 3. Stadium (Fig. 16) ist die Scapula noch mehr in die Länge gezogen, Krümmung und Wölbung ziemlich gleich geblieben. Der Suprascapularknorpel ist von der Össifikation noch mehr zurück- gedrängt und dorsal völlig abgerundet. Dasselbe gilt vom Glenoi- dalknorpel, dem der niedrige Stumpf des Coracoids aufsitzt. Das Aeromion ist völlig verknöchert und von dem Glenoidalknorpel noch weiter abgerückt. Der ausgebildete Zustand der Scapula ist im Detail von BRAnDT und im Vergleich mit den andern Sirenen von ihm und LecHE geschildert worden. Was die allgemeine Form der Scapula anlangt, so erhellt aus der gegebenen Darstellung die auffallende Verlängerung des ganzen Gebildes von dem einem Dreieck ähnelnden jüngsten Stadium zu dem gestreckten des ausgebildeten. Jedenfalls kommt die juvenilste Scapula der von Rhytina und Manatus viel näher als die. erwachsene. Die Ossifikation zeigt uns nur ein großes Knochenfeld in der Hauptplatte, von dem auch die Verknöcherung der Spina scapulae und schließlich des Acromions, das in der Ver- knöcherung etwas retardiert erscheint, besorgt wird. Sicherlich tritt kein besonderer Knochenkern in ihm auf. Wie die Verknöcherung im Glenoidalknorpel und im Coracoid erfolgt, entzieht sich unserer Kenntnis. Es muß die Frage offen bleiben, ob hier wie anderwärts besondere und wie viele Knochenkerne auftreten. Bemerkenswert ist auch die spätere Herausarbeitung der Crista seapulae mit der Zuspitzung des Acromions, wodurch dann auch die Fossa prae- und postspinata stärker ausgebildet werden. F. Humerus. Mit dem Schulterblatt gelenkt im 1. Stadium (Taf.XVI, H, Fig. 17) der kurze Humerus von 4—7 cm Länge durch das große halbkugelige caudomedial gerichtete Caput (Fig. 17, Op), das nur mittelst einer seichten Einschnürung vom Halse abgesetzt ist. Am dorsalen Ende des Schaftes sitzt oral und medial eine mächtige Erhebung, die von dem abgerundeten, das Caput proximal überragenden, aber von ihm durch einen tiefen Einschnitt getrennten Kegel, das Tubereulum majus (Fig. 17, 7m) bekrönt wird. Durch 376 Ludwig Freund einen tiefen Einschnitt (Suleus intertubereularis für den Biceps) von ihm geschieden sitzt dem Schaft, dem Caput genähert, medial und auch medial gerichtet der kleine stumpfe Höcker des Tubereulum minus (Tig.17, Tmi) auf, vom Caput nur durch eine seichte Furche getrennt. Durch die vom dem Tuberculum ausgehenden keilförmigen Leisten, von denen die Deltaleiste des Tub. maj. die weit bedeutendere ist, wird der in der Mitte stark verdünnte Schaft dreikantig und ver- breitert sich distal erheblich zu einer transversal gestellten oral Fig. 17. Fig. 18. Fig. 19. Fig. 17. Linker Humerus von Halicore dugong-Embryonen. Stadium I. Medialansicht. Nat. Größe. In Tuberculum majus, Cp Caput humeri, Z'mi Tuberculum minus, Zpm Epicondylus medialis (ulnaris), Ir Trochlea. Fig. 18. Dasselbe von Stadium II. Nat. Größe. Fig. 19. Dasselbe von Stadium III. 2/3 nat. Größe. aufgebogenen Rolle (Fig. 17, 7r) mit zwei halbkegeligen Gelenkflächen vornehmlich für die caudale Ulna und den ihr oral und etwas medial anliegenden Radius. Der laterale Condylus externus ist massiver, stärker entwickelt, der mediale Condylus internus kleiner und deutlich vom lateralen in der Rolle abgesetzt. Dafür ist der mediale Epieondylus (Fig.17, Epm) deutlicher, stärker hervor- stehend, als der laterale ganz flache. Die caudale Fossa anconaea ist flach, ebenso die orale. Die Ossifikation hat den Schaft ergriffen, aber den Kopf samt Hals und den beiden Tubereula in einer ge- schlossenen Knorpelmasse frei gelassen. Außerdem ist das ganze distale Ende eine Knorpelmasse samt Epieondylen und der Gelenk- rolle. Beiträge zur Entwieklungsgeschichte der Sirenen. 377 Was die erwähnte Rotation des unteren Humerusendes gegen das obere anlangt, so beträgt der nach außen und vorn offene Winkel, den die Trochleaachse mit der des Caput einschließt, etwa 70°, Da erstere beinahe transversal gestellt ist, so verläuft die letztere von orolateral nach eaudomedial etwas nach aufwärts gerichtet. Der Humerus des 2. Stadiums (Fig.18) von 6 cm Länge zeigt eine allgemeine Größenzunahme bei ganz kongruenten Formen. Der Einsehnitt zwischen Tubereulum majus und Caput ist seichter, ersteres etwas zugespitzt, was aber individuell sein kann. Auch die Distanz vom Caput bezw. Tubereculum majus ist größer, die Bicepsgrube daher flacher. Distal ist der Epicondylus medialis stärker hervor- getreten, die caudale Fossa anconaea etwas vertieft. Auch die Aufbiegung der Trochlea ist namentlich lateral stärker geworden. Beim 3. Stadium (Fig.19) ist der Humerus 8,5 em lang und zeigt abgesehen von einer allgemeinen Vergrößerung nur eine Zu- nahme der eben erwähnten Besonderheiten. Es ist also die Grube zwischen Caput und Tuberceulum majus seichter, ebenso die Biceps- grube, die Basis des Tuberculum majus ist stärker abgestumpft, der Epieondylus medialis von der Trochlea stärker abgesetzt, die Fossa anconaea deutlich ausgehöhlt. Bei beiden Stadien hat sich die Torsion zwischen proximalem und distalem Ende nicht geändert und ist bei 70° geblieben. Die Ossifikation ist relativ nur wenig weiter gegangen. Erst beim 3. Stadium ist die proximale Grenze zwischen Tubereulum minus und die halbe Bicepsgrube hinaufgerückt, während distal kaum ein Unterschied gegen die frühere zu bemerken ist. G. Radius und Ulna. Im Unterarm des 1. Stadiums (Taf. XVI, R, U) liegt der stabförmige, 3,6 em lange Radius oral vor der in der Mitte schlanken, an beiden Enden stark aufgetriebenen 4,3 cm langen Ulna. Zwischen beiden bleibt infolge einer schwachen Oralbiegung des Radius und der erwähnten eingeschnürten Form der Ulna ein an beiden Enden zugespitztes Spatium interosseum (Fig. 20, Sp%). Proximal legen sich die beiden Enden dicht aneinander, so daß eine einheitliche Gelenkfläche gegen den Humerus entsteht. Freilich schimmert durch die glatte Gelenkfläche ein querer feiner Streifen Bindegewebe als Grenze zwischen den beiden Knorpelmassen. Ent- sprechend der Trochlea des Humerus gibt es eine größere laterale Konkavfläche und von ihr durch einen scharfen sagittalen Grat ge- trennt eine kleinere schmälere mediale. Das orale Drittel wird vom Radius beigestellt, die sich aufbiegenden beiden caudalen Drittel von den Ulna bezw. vom stark ausgebildeten Oleceranon derselben. 378 Ludwig Freund Distal überragt der schmälere Radius das breitere Ulnaende um etwas, wobei beide Enden ein erheblicheres Stück als oral fest an- einandergelagert sind, aber doch durch Bindegewebe deutlich von- einander geschieden bleiben. Der Radius bildet distal eine schwach konvexe Gelenkfläche für das Radiale und Intermedium, während die Ulna einen median gedrehten schwachen Sattel für das Ulnare anfweist. Sie überragt dabei letzteres lateral und caudal. Es kommt auf diese Weise eine torquierte S-fürmige Gelenkfläche zu- stande. Die Ossifikation hat die Diaphyse erfaßt, läßt dagegen die proximalen und distalen Teile (Epiphysen) von Radius und Ulna frei. Bei der Ulna sind diese größer, proximal infolge des mächtigen knorpeligen Oleeranons, während distal die Knochengrenze erheb- lich höher liegt als beim Radius. Beim 2. Stadium (Fig.20) ist der Radius (Fig. 20, Rd) 4,9 cm lang, die Ulna (Fig. 20, U7) 5,7 em. Inder einheitlichen Gelenkfläche gegen die Trochlea ist keine Trennungsspur mehr zu sehen. Dagegen ist die distale Gelenkfläche des Radius durch einen transversalen er- habenen Grat in zwei Facetten geteilt, von denen die orale horizontal, die caudale etwas aufgebogen ist. Diese beiden Flächen sind für die hier getrennten Carpalelemente Radiale und Intermedium be- stimmt. Die distale Gelenkfläche der Ulna ist in gleicher Weise wie früher gebogen und dient wieder der Gelenkung mit dem Ulnare. Auf den Außenseiten der Enden von Radius und Ulna wird je ein caudal gelegener Knoten deutlich, wobei sich von der Ulna vermöge ihrer konkaven Gelenkfläche ein oraler Fortsatz zum Inter- medium schiebt. Die Ossifikation ist kaum weiter fortgeschritten, viel- leicht daß im Oleeranon (Fig. 20,0!) caudal die Grenze etwas weiter hinaufgerückt ist. Beim 3. Stadium (Fig. 21) hat der Radius 7,6 em (Fig. 21, Rad), die Ulna 9,1 cm (Fig.21, Ul) erreicht. Der Radius ist etwas mehr gekrümmt, das Spatium interosseum daher etwas klaffender. Die proximale Verbindung von Radius und Ulna ist bis auf die gemeinsame Gelenkknorpelplatte deutlich bindegewebig, wobei der Radius an die Ulna zum Teil angelehnt ist. Das Ende des Radius ist verbreitert, ebenso das der Ulna mit Ausnahme des schmäleren Olecranon (Fig.28, Ol). Distal sind die Enden bloß aneinandergelegt und durch ein festes Bindegewebe verbunden, der Radius wieder länger als die Ulna. Die distale Gelenkfläche des Radius ist durch den deutlicher ge- wordenen Grat in zwei Facetten geteilt, die der Ulna medianwärts gebogen. Auch die lateralen Höcker sind caudal deutlicher ge- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Sirenen. 379 Fig. 20. Bei RM Fig. 21. ol Jpi Ms ——:3 % et -EPh Neu Fig. 20. Rechte Flosse von Stadium II. Lateralansicht. 2/3 nat. Größe. Ol Olecranon, Spi Spatium interosseum, U} Ulna, « Ulnare, Mc5 Metacarpale quintum, EPh Endphalange, Mc 7 Metacarpale pri- mum, Cı—C; Carpalia 1—4, i Intermedium, » Radiale, Rd Radius. Fig. 21. Rechte Flosse von Stadium III. Lateralansicht, 1/2 nat. Größe. H Humerus, Ol Olecranon, Ul Ulna, « Ulnare, Mc; Metacarpale quintum, Mcı Metacarpale primum, Cı—C; Carpalia 1—4, r-Fi Ra- diale plus Intermedium, Rd Radius. 380 Ludwig Freund worden, ebenso steht die Ulna caudal über den Carpus vor. Lateral schiebt sich die Ulna mit einer Spitze gegen das Intermedium, ohne es zu erreichen, medial bleibt sie weiter zurück. Die Ossifikation ist an den proximalen Enden von Radius und Ulna nur medial bis zur Gelenkknorpelplatte vorgedrungen, läßt aber bei der Ulna das Oleeranon knorpelig, ebenso auf der lateralen Seite eine breitere Partie, so daß dieEpiphysenknorpel keilförmig nach außen abschrägen. Distal sind beide Epiphysen noch ziemlich breit. In meiner Arbeit über die Dugong-Flosse habe ich in einer kleinen Tabelle die Maße der ausgebildeten Ober- und Unterarm- knochen zusammengestellt. Es erhellt daraus, daß die Längen- differenzen relativ ziemlich gleich bleiben. ABEL hat darauf hin- gewiesen, daß bei den Sirenen der Unterarm zur Flossenbildung dadurch beigetragen hat, daß durch Hintereinanderlagerung von kadius und Ulna, sowie durch Vergrößerung des Spatium interosseum eine wesentliche Flossenverbreiterung zustande gebracht wurde. Die vorliegenden Embryonen zeigen insofern primitive Verhältnisse, als die Verbreiterung des Spatium interosseum und die orale Bie- gung des Radius erst ontogenetisch zur Ausbildung kommt. Bei Manatus scheinen nach VROLIK Ähnliche ontogenetische Veränderun- gen vorzukommen. Der Verlust der primären Achsenkreuzung, welcher zur Hintereinanderlagerung und Ankylosierung von Radius und Ulna führte, ist jedenfalls sehr alt, da dies schon beim jüngsten Stadium ausgebildet ist. Damit entfiel natürlich die Möglichkeit von Pronation und Supination (WEBER). H. Carpus. Die Carpalelemente sind in zwei Reihen angeordnet, wovon die proximale mit den distalen Gelenkflächen von Radius und Ulna gelenkt, Mit dem Radius gelenken die Procarpalia: Ra- diale und Intermedium, mit der Ulna das Ulnare, während distal diesen wieder ein einheitlicher Skeletteil vorgelagert ist, welcher die Mesocarpalia birgt. Bei allen drei Stadien sind die in Rede stehenden Elemente noch völlig knorpelig. Beim 1. Stadium (Taf. XVI, Cp) sind Radiale und Intermedium ein Knorpelgebilde, das aber durch eine quere proximo-distale Ein- schnürung seine Doppelnatur anzeigt. Dabei ist das Radiale oral dicker, aber schmäler, das Intermedium breiter und dünner. Gegen den Radius ist eine einheitliche konkave Gelenkfläche vorhanden, gegen die Mesocarpalmasse sind zwei runde Facetten deutlich zu sehen. Das caudal anstoßende Ulnare hat proximal eine lang- gestreckte konkave, sattelartige Gelenkfläche, welche der distalen Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Sirenen. 381 der Ulna entspricht. Die Konkavität ist von oral nach caudal ge- streckt, eine schwache Konvexität geht schräg von eaudomedial nach orolateral. Dabei ist die ganze Fläche lateralwärts geneigt, d.h. das Ulnare steht medial vor dem distalen Ulnaende vor. Caudo- medial und aufwärts entsendet es einen abgerundeten Höcker, der Fig. 22, Rechte Flosse von Stadium III. Röntgenaufnahme. 1/2 nat. Größe. gerade gegenüber dem caudalen Ulnavorsprung eine kleine Zacke trägt. Der aufgebogene Höcker hat distal eine schräge Gelenkfläche für den 5. Finger, dürfte also das Carpale quintum, die spitze Zacke das Pisiforme aufgenommen haben. Im stumpfen Winkel zur Ge- lenkfläche des 5. Fingers steht die transversale Gelenkfläche gegen 382 Ludwig Freund die übrige Carpalmasse. Die laterale Fläche ist in der Horizontalen stark konvex, die mediale etwas konkav gebogen. Die große Knorpel- masse, welche den Mesocarpus darstellt, hat etwa dieselbe Dicke wie der Procarpus, ist aber nicht so breit wie dieser, weil sie caudal nur bis zum 5. Finger reicht. Proximal verfügt sie über zwei kleine rundliche Gelenkflächen gegen Radiale-Intermedium, daran an- schließend eine größere etwa ovale gegen das Ulnare, wobei zwischen und lateral von den Gelenkflächen Bindegewebsfüllung vorhanden ist. Die erstgenannten Flächen sind deshalb so klein, weil durch eine schräge Einsenkung der Lateralfläche dieser Stelle der Meso- carpus verdünnt ist. Caudal ist eine kleine konkave Gelenkfläche gegen den 5. Finger, weshalb auch die Möglichkeit nicht aus- geschlossen wurde, daß das CarpaleV. mit den übrigen Carpalia ver- schmolzen sein könnte. Auf der distalen Fläche findet sich caudal im Anschluß an die Gelenkfläche für den 5. Finger noch etwas schräg gestellt die für den 4., daneben die deutlich konkave für den 3., dann die flachen für den 2. und 1. Finger. Auch der Meso- carpus ist abgesehen von der erwähnten oral gelegenen Ein- senkung im ganzen und großen nach außen vorgewölbt, innen etwas eingebaucht. Der Carpus des 2. Stadiums zeigt vor allem die interessante Erscheinung, daß Radiale (Fig. 20, r) und Intermedium (Fig.20, :) tatsächlich durch eine Bindegewebsschicht getrennt sind, wenn auch ihre Gelenkhöhle mit dem Radius eine gemeinsame ist, aber doch durch den oben geschilderten Kiel desselben die Trennung zum Ausdruck gebracht wird. Die Trennungsschicht geht durch die ver- dünnte Stelle der beim 1. Stadium verschmolzenen Knorpelmasse. Das vadiale ist etwas größer als das Intermedium, mit dreieckiger Außenfläche, vorn mit gerundeter Längskante, einer rundlichen Ge- lenkfläche gegen den Radius und kleiner rundlicher 'Gelenkfläche gegen den Mesocarpus. Caudal neben ihm liegt dasIntermedium etwa von Würfelform, die laterale Fläche vertikal konvex, als proximale Gelenkfläche eine quergestellte Hohlrinne, ebenso die distale. Das Ulnare (Fig. 20, «) ist ebenso wie im vorigen Stadium geformt, nur viel größer, insbesondere fällt der caudale Fortsatz wegen seiner erheblichen Verdiekung gegenüber der Hauptmasse auf. Auch der Mesoearpus (Fig. 20, ,—c,) bietet keine wesentliche Veränderung. Nur die Abdachung der oralen Partie ist deutlich, so daß gegen Radiale-Intermedium ein breiter, tiefer Spalt entsteht. Dann ist lateral von der Gelenkfläche mit dem Ulnare eine größere Ecke Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Sirenen. 383 entsprechend dem größeren Fortsatz des letzteren ausgebildet, von diesem durch Bindegewebe getrennt, das am 5. Finger angeheftet ist, so daß dieser zwei getrennte Gelenkflächen erhält. Über die Gelenkung mit den andern 4 Fingern ist nichs Abweichendes zu sagen. Im 3. Stadium sind Radiale und Intermedium (Fig. 21, r-+?) wieder vereinigt, freilich zeigt ein Bindegewebseinschnitt auf der late- ralen Fläche neben einer beträchtlichen Verdünnung zwischen beiden die ursprüngliche Trennung noch an. Im übrigen sind alle drei Bestandteile des Carpus entsprechend größer geworden. Besonders gilt dies vom caudalen Fortsatz des Ulnare (Fig. 21, «), der auf der medialen Fläche stark vorgewulstet ist, so daß die Gelenkfläche für den 5. Finger medial weit hinaufreicht. Der Zacken des Pisi- forme ist immer noch klein. In den übrigen relativen Verhältnissen und Gelenkungen ist keine Änderung aufgetreten. Beim 3. Finger wäre nur zu bemerken, daß die Sattelform des Gelenkes einer flachen Platz gemacht hat. In der Schilderung der Halicore-Flosse hat sich ABEL meiner über diesen Gegenstand publizierten Arbeit im wesentlichen an- geschlossen. Eine Abweichung zeigen unsere Anschauungen nur in der Deutung der Lage von Carpale V. ABEL schreibt mir leider die Meinung zu, daß es »mit dem Metacarpale V. verschmolzen sei, wozu doch keine zwingenden Gründe vorlägen«. Da muß ein Schreib- oder Gedächtnisfehler seinerseits mitspielen, da ich dies nirgends behauptet habe. Dagegen vermutete ich, daß es in das Ulnare auf- gegangen Sei, was übrigens ABEL eigentlich als zu bekämpfen ge- meint haben dürfte. Ich stützte mich auf die Anschauungen KÜkEn- THALS bezüglich der ähnlichen Verhältnisse bei Deluga leucas, Orca gladiator und Monodon monoceros. ABEL läßt das fragliche Carpale mit der übrigen Masse des Mesocarpus verschmelzen, so daß zu schreiben wäre: C7+02-+03+C4+4C05. Ich kann natürlich meine Vermutung mit keinem Befunde belegen, aber auch Age kann das nicht für seine Deutung. Sollte einmal ein separater Knochenkern für das C5 gefunden werden, wie mir dies einmal für das 04 ge- lungen ist, dann wird dessen Lage die Frage entscheiden. Vorder- hand ist doch die breite Artikulation mit dem Ulnare, welches einen ganz besonderen Fortsatz für das Med ausgebildet hat, sehr auffallend. Daß Teile des Mesocarpus mit dem Procarpus verschmelzen können, zeigt ein Fall aus meiner Arbeit, wo C1 mit dem Radiale ver- schmolzen gefunden wurde. . 384 Ludwig Freund ANNANDALE zeigt uns bei einem jugendlichen Exemplar die Trennung von knöchernem Radiale und Intermedium, was auch schon von LEPSIUS und mir und im vorliegenden Stadium II in der Knorpelbasis selbst berichtet werden konnte. Der Mesocarpus ist auch bei AnnAnDALE ein einheitlicher Knochen, wie hier bei uns ein solcher Knorpel. Das wird man wohl als Regel, alles andere (Trennung) als Ausnahme hinzustellen haben, die auf getrennte Ossifikation zurückzuführen ist. Von zwei Knorpeln im Mesocarpus wäre also wohl kaum zu sprechen, wie dies bei ABEL der Fall ist. I. Finger. Die Zahl der Fingerstrahlen (Taf. XVI, Me, Ph; Fig. 20—22) beträgt 5, welche alle mit Carpus und Unterarm in einer ge- meinsamen Flossenhaut eingehüllt sind. Infolgedessen sind die Finger lateromedial abgeplattet, was besonders an den Phalangen zum Ausdrucke kommt. Die Flossenkontur folgt den Spitzen der Finger, die dementsprechend verschieden lang sind. Der längste ist der 4., dessen Endphalanx vom Flossendistalrand umzogen wird. Von ihm nimmt oralwärts die Länge bis zum kürzesten 1. Finger ab. Der 5. Finger nimmt eine Ausnahmestellung ein, indem sein Metacarpale (Fig. 20, 21, Me 5) in einem Winkel von 40 Grad eaudal- wärts abgebogen ist, während die andern ziemlich parallel angeordnet sind. Die Phalangen der ersten 4 Finger liegen in den Achsen . der Metacarpalia, während die des 5. wieder oral abgeknickt mit den andern ziemlich parallel gerichtet sind. Durch diese Abspreizung des 5. Fingers kommt es zur Bildung eines Flossenzwickels (Schwimm- hautbildung), der größtenteils von den sich aneinanderlegenden Flossenhäuten dargestellt wird. Zwischen den Endphalangen des 4. und 5. Fingers ist der Flossenrand flach konkav eingezogen. Auch zwischen 5. Finger und Unterarm bis zum Olecranon ist die laterale und mediale Flossenhaut größtenteils miteinander verschmolzen und bildet so eine Schwimmhaut. Die Längen der einzelnen Finger- bestandteile sind in folgender Tabelle (in mm) zusammengestellt. I. Stadium II. Stadium III. Stadium Finger. 1 2 3 4 d 11 Aa 26) 1-5, 4 Me.... 13 205 23 237 2157 18 730733 33 30, 2SCHTeRTEer Phal.I. — 7 9 10295 35. 10.13 15 13; ss Phal.II. — 5 7 9 #2 — . 7.10. 12 10; :— Bea Phal.II — . — .5 6,5 —; — 6 10.11_7;7 —SIbEeEe ’ d Summe. 13 32,5 44,5 485 37; 215 53 66 71 60; 23 72 91 102 82 Beim jüngsten Stadium (Taf. XVI) sind die Metacarpalia schwach ausstrahlend angeordnet. Die proximalen Enden stoßen dieht an- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Sirenen. 385 einander und haben abgeplattete Berührungsflächen. Die basale Gelenkfläche des 4. Me ist bereits schräg aufwärts steigend, was in noch höherem Grade beim 5. der Fall ist. Wie schon erwähnt, artikuliert letzteres zum kleinen Teil mit dem Mesocarpus, größten- teils mit dem Ulnare, mit einer kleinen Facette das Me 4 berührend. Die distalen Enden von 2—5, welche sich nicht berühren und stark verbreitert sind, weisen Gelenkköpfe auf, deren Gelenkflächen beim 2.—5. Finger erheblich auf die Lateralfläche hinaufreichen. Die distale Gelenkfläche des 5. Me ist noch schräg gestellt, die der andern transversal. Die Ossifikation umfaßt den Diaphysenteil und läßt proximal wie distal erhebliche knorpelige Epiphysen frei. Den Metacarpalien sitzen abgesehen vom 1. Finger Phalangen (Taf. XVI, Fig.20, 21,22) aufund zwar dem 2.und 5. Finger je zwei, dem 3. und 4. je drei. Die Phalangen sind seitlich stark abgeplattet, proxi- mal und distal etwas verbreitert, in der Mitte etwas eingeschnürt. Ab- weichend sind natürlich die Endphalangen gestaltet, da sie ein ab- gerundetes Distalende aufweisen. Beim 4. Finger ist sie schaufel- förmig verbreitert. Ossifiziert sind die Diaphysen der Grundphalangen der Finger 2—5, der Mittelphalangen 3—4 und der Endphalange von 5. Die Phalangenreihen von 2 und 3 sind bereits ein wenig oral ausgebogen. Beim 2. und 3. Stadium (Fig. 20—22) ist keine Veränderung in der Formation und Lagerung von Metarcarpalia und Phalangen ge- genüber dem ersten zu verzeichnen. Abweichend sind nur die Größenverhältnisse infolge des Wachstums, der sehr langsamen Zu- nahme der Verknöcherung und einige kleinere Details. Was das Wachstum anlangt, so ist es auf Grund der Tabellenmaße ulnar- wärts relativ etwas beschleunigter als radial, was besonders an den Metacarpalia zum Ausdruck kommt. Es ist auch in den Grund- und Mittelphalangen etwas größer als in den Metacarpalia, in den End- phalangen dem gegenüber sehr langsam. Die einzelnen Teile nehmen aber auch an Dicke zu und ver- lieren so von proximal nach distal ihren abgeplatteten Charakter, der nur noch in den Mittel- und Endphalangen deutlicher wahr- nehmbar bleibt. Die Össifikation nimmt in den Diaphysen etwas zu, läßt aber noch immer erhebliche Knorpelepiphysen bestehen. Neue Knochen- kerne sind aufgetreten beim 2. Stadium (Fig. 20.) in der Mittelphalanx von 3 und in den Endphalangen von 3 und 4, beim 3. Stadium (Fig. 21, 22) auch in der Endphalange von 2. Was die Zahl der Morpholog. Jahrbuch. 49. 26 386 Ludwig Freund Phalangen anlangt, so findet man eine solche am 1. Finger beim 2. Stadium, beim 3. fehlt es wieder wie beim 1. Am 2. Finger sind 3 Phalangen im 2. Stadium, wobei die Mittelphalanx keine Ossifi- kation aufweist, während beim 3. Stadium nur 2 vorhanden sind. Dagegen hat der 5. Finger beim 2. und 3. Stadium 3 Phalangen. Die orale Ausbuchtung der 3. und 4. Finger ist deutlicher und zeigt sich auch beim 2. Über die weiteren Schicksale der Metacarpalia und Phalangen finden sich Angaben in meiner Flossenarbeit. Dazu bringen die Notizen ANNANDALES, welche die Variabilität erweisen sollen, wenig Neues. Auch ihm ist die Abspreizung des 5. Fingers nicht ent- sangen, die er von den Autoren oft vernachlässigt findet. Sie ge- hört zu den auf Verbreiterung der Flosse hinzielenden aquatilen Anpassungen, wozu ABEL noch die erwähnte Verbreiterung des Unterarms und die Schwimmhaut des Caudalteiles rechnet. Erschei- nungen der Flossenverlängerung sind hier nicht vorhanden. Dagegen sind solche zu registrieren, die auf eine Versteifung hinweisen. Dazu gehört das Verschwinden der sagittalen Gelenke durch Coalescenz im Carpus. Die transversalen Gelenke zwischen Metacarpus und Phalangen, sowie zwischen den Phalangen bleiben in Funktion und gestatten tatsächtich eine ziemliche Beugung der Hand, wie ich dies an lebenden Manatus gut sehen und photographieren konnte. Man sieht dies auch an der starken Ausdehnung der distalen Metacarpal- Gelenkflächen. ABEL rechnet zu den Versteifungen auch die Ver- dickung des Vorderrandes. Eine solche ist bei den Sirenenflossen ebenfalls deutlich wahrnehmbar. Der Oralrand ist von der Ellbogen- beuge abwärts abnehmend verdickt, abgerundet, der Distal- und Caudalrand zugeschärft. Das Skelet trägt insofern dazu bei, als es vom Carpus an dem Vorderrand dicht angelagert ist, der 1. Finger ganz nahe an den 2., dieser an den 3. und 4. herangeschoben er- scheint. Demgegenüber ist die caudale Hälfte der Flosse nur vom 5. Finger gestützt, der dementsprechend abgespreizt wurde. Literatur. AzEL, O0. Die Sirenen der mediterranen Tertiärbildungen Österreichs. Abh. Geol. 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Natw. 40, 1905, S. 150—252, 31 Fig. Rürper, E. Beschreibung des im Roten Meer vorkommenden Dugong (Halicore). Mus. Senckenberg. Frankfurt, 1. 1834, H. 2, S. 95—114. 26* 388 Ludwig Freund, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Sirenen. STArLEY, W. The Occurence and Development of cervical Ribs in Man and some of the Mammals, that have abandoned quadrupedal Progression. Proc. Roy. Soc. Victoria, N.S. 25, 1912, p. 82—104. VROLIK, W. Bijdrage tot de natuur- en ontledkundige Kennis van den Manatus americanus. Bijdr. tot de Dierk. Amsterdam, Afl.4, D.1, 1851, Afd.2, p- 53—80. WARrD, H. The Pelvis of the Dugong. Science 9, 1887, p. 536, fig. WEBER, M. Die Säugetiere. Jena 1894. Tafelerklärung. Tafel XVI. Halicore dugong Erxl., Embryo I. Skeletsystem. 5/s nat. Größe, Knorpel ge- körnt, Knochen schraffiert. I. Dorsalansicht der Wirbelsäule, II. Ventralansicht der Wirbelsäule, III. Linke Lateralansicht des Skeletes. Co Cervical-, 7% Thoracal-, L Lumbal-, Ce Coceygealwirbel, Se Scapula, HZ Humerus, R Radius, Cp Carpus, Me Metacarpus, Ph Phalangen, U Ulna, $? Sternum, Co Rippen, P Beckenknochen. Morphologisches Jahrbuch. Bd. NLIX. Taf. AV. ) Es ‚u ld k\ N 0 a ® PR ER; Freund. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig und Berlin. (Aus dem anatomischen Institut Zürich.) Ein vertebro-clavieularer Muskel aus der Gruppe der supraclavicularen Gebilde. Von Dr. Hedwig Frey. Mit 2 Figuren im Text. Die Leiche einer 74jähr. Frau zeigte auf der rechten Seite folgende bemerkenswerte Muskelanomalie. Ein 51/, em langes Muskelbündel zieht aus der Schicht der hin- teren Halsmuskeln zur Clavieula. Seine orale Anheftung erfolgt in Fig. 1. Fig. 2. "Proc. transı. allantis Lerator scapulae Plexus X . brachialıs AbnormerMuskeX , "y, N \ N r Nas Fig. 1. Muskeln des Halses von vorn und von der Seite. Der abnorme Muskel läßt den Zusammen- hang mit dem M. longus capitis und seine ventrale Lage zum M. omo-hyoideus erkennen. Fig. 2. Die Beziehungen des abnormen Muskels zum Skelet und zum M. longus capitis; allmählicher Übergang der Anheftungssehne in die Fascia praevertebralis. Schematisch. der Höhe des Proc. transversus des 6. Halswirbels, und zwar be- festigen sich die mittleren muskulösen Partien des Muskels vermittelst einer kurzen Endsehne am Tuberceulum caroticum. Kopfwärts strahlt 390 Hedwig Frey der Muskel in unmittelbarem Anschluß an diese Anheftung in eine sehnige Ausbreitung aus, die in die Fascie des M. longus capitis übergeht und auf dieser oralwärts verfolgbar ist (Fig. 1 und 2). Weiter eranialwärts schließt sich ebenfalls eine Sehnenausbreitung an, welche in die Fascie des M. longus colli und z. T. in die Fascia praevertebralis sich verfolgen läßt. Die Anheftung an der Wirbel- säule erfolgt oral in einem lateralwärts, aboral in einem abwärts offenen, medialen Bogen. Die Befestigung des Muskels am Schlüsselbein wird durch eine kurze Endsehne vermittelt, welche für die lateralen Muskelbündel kaum nennenswert ist, für die medialen Bündel aber bedeutender wird. Die elavieulare Anheftung ist 1,7 cm breit und 5,5 cm von der Artieulatio sterno-elavicularis entfernt. Die Länge der Ulavieula beträgt 14 cm. Der Verlauf des Muskels aus dem Gebiete der hinteren Hals- muskeln zur oberflächlichen Clavieula läßt ihn bedeutsam erscheinen. Dadurch, daß er den M. omo-hyoideus auf dessen Ventralfläche kreuzt und am Schlüsselbein sich anheftet, muß er den supraclavi- cularen Muskeln zugezählt werden. Leider war es nicht mehr möglich, die Innervation des Muskels festzustellen. Mit großer Wahr- scheinlichkeit würde eine solche auf nahe Beziehungen zur Pars spinata der Mm. trapezius et sterno-cleido-mastoideus hingewiesen haben. Die Funktion des abnormen Muskels kann je nach der An- nahme des Punktum fixum wohl eine verschiedene gewesen sein. Entweder hat er als Beuger der Halswirbelsäule gewirkt, wenn wir die Anheftung an der Clavicula als P. fixum ansprechen, oder er hat als Levator elaviculae funktioniert, wenn der Ursprung auf den Querfortsatz des 6. Halswirbels verlegt wird. Ein Fall von THeEIıLE (Eneyel. anat. t. III, p. 152, zitiert von LE DougLe ’97, p. 156) scheint sich mit dem beschriebenen Muskel zu decken. Ich möchte ihn aber nicht als Varietät des Scalenus anticus, wie THEILE es tut, auffassen. Die Lage ventral vom Omo- hyoideus verbietet diese Deutung. Auf Grund vergleichend-ana- tomischer Tatsachen möchte ich ihn vielmehr jener Gruppe von Muskeln zuzählen, die in der Literatur etwa als Levator clavieulae (Woonp), Omo-trachelien (LE DOUBLE), Omo-cervicalis (BISCHOFF) be- kannt sind, und welche in verwandtschaftlicher Beziehung zum Omo- cervicalis der Säugetiere stehen. Dieser ist bei den meisten Säugern ein typischer Muskel; er tritt beim Menschen aber nur noch in etwa Ein vertebro-clavicularer Muskel a. d. Gruppe d. supraclavieularen Gebilde. 391 20/, auf (Woop und MACALISTER, nach EısLer). Er entstammt einer tiefen Sehieht, von der auch Teile des Trapezius und Sterno-eleido- mastoideus herstammen (EısLer ’12, S. 243). Sein Ursprung liegt bei Affen noch regelmäßig am Processus transversus des Atlas (Schück '13, S. 375); aber sein Ansatz variiert bei ihnen, indem Clavieula, Aeromion und Spina scapulae ihm Anheftungspunkte dar- bieten. Es ist einleuchtend, daß das Ursprungsgebiet des abnormen Muskels beim Menschen, wo er in der Regel einer vollständigen Reduktion anheimgefallen ist und nur noch ganz selten sich wieder einstellt, eine große Variationsbreite aufweisen wird. Seine weit herabreichende Anheftung am Tubereulum earoticum des 6. Wirbels kann deshalb kein Grund gegen die Ableitung des Muskels vom Omo-eervicalis sein, zumal die in den Longus capitis oralwärts fort- gesetzte Sehnenplatte als der Rest eines anfangs weiter eranialwärts reichenden Ursprungs gelten darf. Vergleichen wir unseren Fall mit den in der Literatur auf- geführten Befunden (LE Dousuek ’97, EısLer ’12), so können wir den abnormen Muskel ungezwungen in die von EIsLER angeführte Gruppe des Omo-cervicalis einfügen, auch ohne seine Innervation zu kennen. Das Gemeinsame dieser abnormen Muskeln ist die Anhef- tung am Schultergürtel; schwankend dagegen sind deren eraniale Anheftungen. Sie können sich befinden am Tuberculum posterius des Querfortsatzes des Atlas, des Atlas und des Epistropheus, des 3., des 1. bis 4, des 4. und 5. oder des 6. Halswirbels. Ferner kann die Anheftung stattfinden am Tubereulum ant. des Querfort- satzes des Atlas oder des Epistropheus, am 3. Halsquerfortsatz, an der Fascie des M. levator scapulae und der Schaltsehne des M. longus capitis (EisLEr). Letzteres ist auch bei unserem Muskel der Fall. Bei ihm hat sich aber noch eine etwas weiter caudalwärts reichende Anheftung eingestellt. Literatur. LE DougLe, ’97. 'Traite des variations du Systeme museculaire de l’homme. 1897. EISLER, P., ’12. Die Muskeln des Stammes. Aus BARDELEBEN, Handbuch der Anatomie. Jena 1912. ScHÜück, A., ’13. Beiträge zur Myologie der Primaten. II. Morph. Jahrbuch. Bd. XLVU. Heft 3/4. h N hihi yr ki E HRS KH Bi 5 Au D re DIT A B- FIR Ns Be br TIER Est: Ben Aida PH Sea , Pa eh Hirn ‚7 “a = ” LE W853 BEN DIPAK T H i Pr 14 p . Pr ) % BER BAPR 3097 155 “RN [3 At L W nt... ij r Kıly Br 2 j “ alaze Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. IV, Über das Primordialeranium eines Embryo von Lagenorhynchus albirostris.‘ Von H. M. de Burlet, Utrecht (Holland). Mit 9 Figuren im Text. Einleitung. Die Schnittserie des Kopfes eines Zahnwalembryos, welche ich der Liebenswürdigkeit des Herrn Dr. med. JENsEn aus Thorshavn verdanke, zeigt in mancher Beziehung Abweichungen von den bei Phocaena angetroffenen Verhältnissen. Es scheint mir gerechtfertigt, über diese Befunde, im Anschluß an das im ersten! und zweiten? Aufsatz dieser Serie Mitgeteilte, kurz zu berichten. Es sollen dabei die Merkmale des Primordialeraniums von Lagenorkynchus, durch welche dieses sich von demjenigen von Phocaena unterscheidet, her- vorgehoben werden. Zunächst ist über Herkunft und Diagnose des Embryos einiges zu berichten. Auf den Fxrsern werden, wie bekannt, Zahnwale herdenweise auf die Küste getrieben und dort getötet?. Diese Herden bestehen zum allergrößten Teil aus Exemplaren der Gattung Globio- cephalus melas, jedoch sind fast jeder Herde (»Grind«) in wechseln- der Zahl auch Exemplare einer anderen Gattung, welche der Insu- laner »Springer« nennt, beigemischt. Vom Fangort mitgebrachte Schädel dieser »Springer« konnte ich als Lagenorhynchus albirostris angehörig bestimmen. 1 Morph. Jahrb. Bd. XLV. 4. 1913. 2 Morph. Jahrb. Bd. XLVII. 3. 4. 1913. 3 Über den Fang dieser Wale siehe u. a. die lebhafte Darstellung SCHREIBERS in der Zeitschrift Natur 1913. Heft 15. 394 H. M. de Burlet Wie Herr Dr. JENsEn die Freundlichkeit hatte, mir mitzuteilen, entstammt der hier zu beschreibende Embryo einem Springer, welcher gleichzeitig mit mehreren Grindwalen (Globiocephalus) in einer Bucht an der Nordküste der Insel Stroms gefangen wurde. Damit stimmt überein, daß der Embryo, wie die äußere Betrachtung und der Ver- gleich mit Embryonen von Globiocephalus lehrt, sicher nicht dieser letzteren Gattung zuzurechnen ist. Ich halte mich daher für be- rechtigt anzunehmen, daß wir es hier mit einem Embryo von Lageno- rhynchus albirostris zu tun haben. Im folgenden sollen nun die einzelnen Regionen des Primordial- craniums, insofern sie vom Phocaena-Schädel abweichende Verhält- nisse zeigen, durchgenommen werden. Die Occipitalregion. Diese ist aus dem hinteren Abschnitt der Basalplatte und den beiden Oceipitalpfeilern zusammengesetzt. Oben bildet ein knorpeliges Tectum posterius den Abschluß. Die Chorda dorsalis. Der Verlauf der Rückenseite ist im Gebiet des Schädels bis zur Hypophyse sehr deutlich zu erkennen, auf denselben soll hier etwas näher eingegangen werden. In der Fig. 1. 4b 419 487 586 548 568 Schema des Verhaltens der Chorda zur Basalplatte. schematischen Figur 1 erkennt man, wie die Chorda nahe dem hin- teren Ende der Basalplatte an der unteren Seite in diese eindringt. Auch hier liegt also der distale Abschnitt der Basalplatte epichordal; dieser Teil ist jedoch kurz. Die Chorda tritt in Schnitt 536 an die dorsale Fläche der Basalplatte, nachdem sie dieselbe in schräg an- steigendem Verlauf durchbohrt hat. Auf einer Reihe von Schnitten bleibt dieser Zustand bestehen, bis Schnitt 487 zeigt die Basalplatte eine hypochordale Lage. Darauf sinkt die Chorda wieder in den Knorpel ein, tritt erst in 419 von neuem an die Oberfläche, wo sie sich alsbald in das Gebiet verliert, wo die Hypophyse in den Schnitten auftritt. Der untere Teil des Oceipitalpfeilers setzt sich nach vorn in eine Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. IV. 395 Lamina alaris fort, welche an ihrem medialen Rande einen proxi- malwärts gerichteten, scharf zugespitzten Processus paracondyloideus trägt. Die Lamina alaris beteiligt sich an der Begrenzung des Fo- ramen jugulare, welches in gewöhnlicher Weise zum Durehtritt der Glossopharyngeus-Vagusgruppe bestimmt ist. Das Foramen hypoglossi zeigt linkerseits eine Verdoppelung, während rechts, wie bei Phocaena, eine einheitliche Öffnung ange- troffen wird. Die hintere der beiden Öffnungen an der linken Seite Schnitt 522. entspricht in Größe und Lage der rechtseitigen; die vordere (Fig. 2) ist ein schmaler Spalt, welcher durch eine dünne, teilweise ver- knöcherte Knorpelplatte vom Foramen jugulare abgetrennt ist. Dem hinteren größeren Abschnitt des linken Nerv. hypoglossus ist ein Ganglion angelagert, ebenso dem rechten Nerv. hypoglossus (Fig. 3). Auch der erste Cervicalnerv, der beiderseits zwischen dem Oeceipitalabschnitt des Schädels und dem Atlas (also nicht durch den Atlas) austritt, ist mit einem sensiblen Ganglion versehen. Die Condyli oceipitales sind an der unteren Seite des Schä- dels nicht voneinander getrennt, sie bilden die Anlage eines ein- 396 H. M. de .Burlet heitlichen Hinterhauptfortsatzes. Dieser großen Gelenkfläche ist über ihre ganze Ausdehnung der Atlas angelagert. Ein Gelenkspalt hat sieh noch nicht entwickelt, es wäre zu erwarten, daß auch dieser einheitlich geworden wäre. Fig. 3. Sin gm. Schnitt 547. Die Oticalregion. Die Orbito-Temporalregion. Die Ohrkapsel stimmt in ihren Formverhältnissen wesentlich mit derjenigen von Phocaena überein, eine verhältnismäßig kleine Pars canalieularis liegt dorsal, distal und lateral von einer großen Pars ceochlearis. Diese letztere ist höher, hat einen größeren dorso- ventralen Durchmesser als die Cochlea von Phocaena, dementsprechend liegen die Windungen nicht in einer Fläche, sondern auf verschie- denem Niveau. Bevor wir weiteres von der ÖOhrkapsel erörtern, soll zunächst das Verhalten derselben zur Basalplatte besprochen werden. Auch hier werden wieder Verbindungen angetroffen, welehe einen homo- kontinuierlichen Zusammenhang zwischen diesen beiden Knorpelteilen zustande bringen. Es sind deren zwei vorhanden: eine distale Commissura basicochlearis posterior und eine weiter nach Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. IV. 397 vorn gelegene Commissura basicochlearis anterior. Sie ent- sprechen, was ihre Lage anbetrifft, den ebenso benannten Commis- suren des Phocaena-Primordialeraniums. Die hintere Commissur stellt eine nur schmale Verbindung dar, vor derselben sind Ohrkapsel und Basalplatte durch die Fissura basicochlearis vollständig vonein- ander getrennt. Die vordere Verbindung hat einen anderen Charakter als die hintere, diesbezüglich ist an den Zustand, wie er am Primordial- eranium von Balaenoptera rostrata angetroffen wurde, anzuknüpfen. Fig. 4. Schnitt 422, Wie dort, so ist auch hier die Basalplatte oberhalb des Cochlear- abschnittes der Ohrkapsel durch zwei seitlich ausladende, als La- minae supracochleares bezeichnete Knorpelplatten verbreitert. Diese Laminae liegen lose auf dem vorderen Teil der Cochlea, nur ihr lateraler Rand ist teilweise mit dem Knorpel der Ohrkapsel ver- bunden; eben diese Verbindung stellt die Commissura basicochlearis anterior dar (Fig. 4). Diese Verbindung betrifft jedoch nicht den lateralen Rand der Lamina supracochlearis in seiner totalen Aus- dehnung, vor der Commissur folgen Schnitte, wo die Lamina lose 398 H. M. de Burlet der Cochlea aufliegt, ohne daß seitlich eine Verbindung bestände (Fig. 5). Weiter nach vorn läßt sich der Übergang der Lamina supracochlearis in das Wurzelgebiet der Ala temporalis verfolgen. In diesem Übergangsgebiet ist die Knorpelplatte, welche hier ein wenig schmäler ist, durch die Arteria carotis interna durchbohrt (Fig. 6). Dieses Gefäß verläuft, in nach vorn konvexem Bogen, um das vordere Ende der Cochlea herum. Derjenige Teil der Knorpel- platte, welcher lateral von der Arterie liegt, ist in gewissem Sinne als eine Commissura alicochlearis zu bezeichnen, sie entspricht Fig. 5. yv eıoym LominasupracaHl Pasahplakle. _ BR, N Sf U v ii . | ’ Schnitt 417. jedoch nicht vollkommen derjenigen z. B. des Kaninchens, da sie mit der Ohrkapsel nicht unmittelbar, sondern durch Vermittlung der Lamina supracochlearis in Verbindung steht. Man könnte geneigt sein, den vorliegenden Zustand, welcher mit dem bei Dalaenoptera beschriebenen Befund übereinstimmt, als einen primitiven zu be- trachten, welcher eine Andeutung enthält, in welcher Weise eine Commissura alicochlearis ‘im gewöhnlichen Sinne, also eine Verbin- dung zwischen Pars ceochlearis und Ala temporalis, zustande kommt. Der laterale Teil der Ala temporalis, welchen wir bei Phocaena als eine Lamina ascendens deuteten, ist hier kräftiger als dort ent- Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. IV. 399 Schnitt 394. 400 H. M. de Burlet wickelt (Fig. 7). Die Lamina ascendens hat bekanntlich die Tendenz, sehr frühzeitig zu verknöchern. Damit stimmt überein, daß auch hier, am lateralen oberen Ende des Orbitalflügels, Verknöcherung auftritt in der Form von Knochenbalken, welche sich, besonders an der unteren Seite, bereits entwickelt haben. Fassen wir das Gesagte über die Verbindungen noch einmal zusammen, so folgt aus dem oben Mitgeteilten, daß die Ohrkapsel im wesentlichen unabhängig von der Basalplatte sich zu entwickeln scheint; hinten ist eine schmale Verbindung vorhanden, vorn hängt sie, mittels einer Verbindung durch die Lamina supracochlearis, in- direkt mit der Basalplatte und dem Temporalflügel zusammen. Wie verhält es sich nun mit der Selbständigkeit der Ohrkapsel anderen benachbarten Knorpelgebieten gegenüber ? Da ist zunächst ein Blick auf die knorpelige Seitenwand des Schädels zu werfen, um die begrenzenden Teile der Öhrkapsel kennen zu lernen. Wie man auf der Figur 8 angegeben sieht, setzt sich der breite Oceipitalpfeiler über die Ohrkapsel als eine weit dorsalwärts rei- chende Knorpelplatte nach vorn fort. Dieselbe ist als eine Lamina supracapsularis zu bezeichnen. Diese geht proximalwärts, noch oberhalb der Ohrkapsel, in die Lamina parietalis über, welcher das Parietale angelagert ist. Die Lamina parietalis hat einen un- regelmäßigen oberen Rand, sie trägt beiderseits einen ungefähr drei- eckigen, nach hinten gerichteten Fortsatz. Vor demselben ist die Platte durch eine längliche Öffnung unterbrochen, auch diese Öffnung wird beiderseits, in nahezu gleicher Ausdehnung, angetroffen. In dieser Gegend findet auch die Verbindung des Orbitalflügels mit der Parietalplatte durch eine ziemlich breite Commissura orbito- parietalis statt. Der obere Rand der Ohrkapsel nun ist über eine kurze Strecke mit der Parietalplatte, über eine größere mit der Lamina supra- capsularis, und, weiter hinten, mit der Lamina alaris des Oceipital- pfeilers verbunden. Diese Verbindung ist jedoch derartig, daß man auf den Sehnitten stets genau die Stelle, bis wo die Ohrkapsel reicht, angeben kann. An einer Stelle bildet eine spaltförmige Öffnung die Grenze, sie trennt die Ohrkapsel vom oberen Ende der Lamina alaris. Auf die Formverhältnisse des häutigen Labyrinthes ist hier nicht näher einzugehen. Auch für diesen Zahnwal trifft wieder zu, daß das äußere Relief der knorpeligen Ohrkapsel die Gestalt ihres Inhaltes kaum verrät; die Lage der Bogengänge ist an der Ober- Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. IV. 40} fläche nicht durch entsprechende Vorwölbungen gekennzeichnet. Hervorgehoben wurde oben schon, daß der im Vergleich zur Pars canalieularis große Cochlearabschnitt der Ohrkapsel höher ist, als dieses bei Phocaena der Fall war. Erwähnenswert ist auch die Tat- sache, daß, ähnlich wie bei Phocaena und Balaenoptera, eine Fossa subareuata vorhanden ist, welche von außen her zwischen den Der Eingang zu dieser Fossa ist in Fig. 8 Bogengängen eindringt. Fig. 8. Lam. pariebalis Sam. Siyfracap sul. SAN SD > NS — III >= SS SS N N N N NIX AT II NUN N NN IN SS N NR IN \\T N TUN N IN IS IN Q N N NUN NÜÜ ; Gr. 7 mm. Cond. occhp. “2 Ansicht des Primordialeraniums von lateral, ventral und distal. angegeben. Die Öffnungen der Ohrkapsel bieten nichts Abweichendes. Nach dem Sehädelinneren gewendet, findet man die beiden Foramina acustica sowie das Foramen endolymphaticum. Das Foramen peri- Iymphaticum sieht nach hinten in das Foramen jugulare, während die Fenestra ovalis, in der Figur 8 von der Crista parotica verdeckt, nach außen und unten sieht. Der Faeialiskanal besteht aus zwei Abteilungen, wovon die am Morpholog. Jahrbuch. 49. 27 402 H. M. de Burlet meisten mediale als primärer Facialiskanal zu bezeichnen ist. An seinem Ausgang befindet sich das Ganglion geniculi, von wo aus sich der Nervus petrosus superficialis major nach vorn begibt. Der Nerv. facialis verfolgt darauf seinen Weg zur künftigen Paukenhöhle durch einen zweiten, allseitig von Knorpel umgebenen Kanal, wel- cher als Apertura tympanica mündet. Durch diese Öffnung, welche lateralwärts durch das vordere Ende der Crista parotica verdeckt wird, verläßt der Nerv den Knorpel und verläuft nun in einer Rinne, Sulecus facialis, nach hinten. Die vordere und obere Knorpelwand des medialen Kanalab- schnittes wird durch eine Commissura suprafacialis gebildet. Der laterale, gleich anschließende Kanalabschnitt wird durch eine un- regelmäßige Knorpelmasse begrenzt, welche nach vorn und seitlich als Anlage des Tegmen tympani aufzufassen ist, während sie nach hinten mit der Crista parotica zusammenhängt. Das Hyale steht mit der Crista parotica ebenfalls in homokontinuierlichem Zusammen- hang, wie aus der Figur 8 ersichtlich ist. Ein Processus mastoideus ist nicht vorhanden. Die Trabekelplatte ist in dorsoventraler Richtung von dem Canalis eraniopharyngeus durchbohrt. Sie trägt seitlich die schon erwähnte Ala temporalis, welche in distaler Richtung in die Lamina supra- cochlearis übergeht. Die Knorpelspange, welche, vor der Arteria carotis verlaufend, den Temporalflügel mit der Lamina trabecularis verbindet, ist außerordentlich schwach. Der schmale Orbitalflügel ist nur durch eine Knorpelbrücke mit der Trabekelplatte verbunden. Diese liegt vor dem N. optieus, ist also als Taenia prooptica zu bezeichnen. Das Foramen opticum ist demnach von der Fissura orbitalis superior nicht getrennt. Der Sehnerv liegt dort, wo er austritt, auf einer seitlich austretenden Knorpelplatte, welche auch am Primordialeranium anderer Säuger beobachtet wurde. Die Fissura orbitalis superior ist von dem Rest der Fenestra sphenoparietalis nicht abgegrenzt. Der Verlauf der Nerven durch das Cavum epipterieum bietet nichts von Phocaena Abweichendes. Die beiden ersten Trigeminusäste verlaufen über die Ala tem- poralis, der dritte verläßt den Schädel hinter dem Temporalflügel. Der N. trochlearis und der N. oculomotorius verlaufen dorsal vom Trigeminusganglion zur Orbita, während der N. abducens an dessen medialer Seite bleibt. Zur Entwieklungsgeschichte des Walschädels. IV. 403 Letzterer Nerv liegt zuerst auf der oberen Fläche der Cochlea lateral von der Pars otica der Basalplatte, weiter nach vorn wird er auf dem lateralen Rande der Lamina supracochlearis angetroffen. Wo diese von der Art. carotis durchbohrt wird, bleibt der Nerv an der lateralen Seite der Gefäßöffnung. Die Arteria earotis geht im Bogen an der vorderen Kuppel der knorpeligen Cochlea vorbei und gelangt durch das Foramen caroti- eum unmittelbar in die Hirnkapsel. Die Regio ethmoidalis bietet im Vergleich zu dieser Gegend beim Braunfischembryo eben- falls einige Abweichungen, welche erwähnt zu werden verdienen. Fig. 9. Seitenansicht der Ethmoidalregion. Mittels graphischer Rekonstruktion wurde eine Seitenansicht des vordersten knorpeligen Schädelabschnittes hergestellt, an welcher die wichtigsten jetzt zu besprechenden Formverhältnisse abzulesen sind (Fig. 9). Die hochgradige Rückbildung, welche die Nasenkapsel auch hier wiederum zeigt, verrät sofort, daß ein jugendliches Sta- dium eines Zahnwales vorliegt, das Gesamtbild gleicht in vieler Be- ziehung der Nasenregion des Phocaena-Primordialeraniums!, viel weniger der wohlerhaltenen Nasenkapsel von Balaenoptera?. 1 Morph. Jahrb. Bd. XLV, S. 523. Bd. XLVII, S. 645. 2 Morph. Jahrb. Bd. XLIX. H.1. 404 H. M. de Burlet Die Verbindung der Regio ethmoidalis mit der distalwärts sich anschließenden Regio orbito-temporalis wird durch zwei Knorpel- brücken zustande gebracht. Die mittlere dieser Brücken, Trabekel- platte— Septum interorbitale— Septum nasi (Rostrum) ist uns vom Braunfisch-Primordialeranium her bekannt, sie bildet dort die einzige Verbindung der beiden Regionen. Sie ist auch hier die wichtigste und stärkste und stellt einen, auf dem Querschnitt seitlich zusammen- gedrückten, kräftigen Knorpelstab dar. Außerdem ist hier die dem Braunfisch fehlende Commissura sphenoethmoidalis vorhanden, welche jedoch nur einerseits das vordere Ende des Orbitalflügels mit seitlichen Teilen der Nasenkapsel verbindet. Das Vorhandensein dieser Brücke bezeugt, daß auch in dieser Beziehung ein wesentlicher Gegensatz zwischen dem Knorpel- schädel der Zahnwale und demjenigen anderer Säuger nicht besteht. Die Fissura orbitonasalis, welche Nasenkapsel und Vorder- rand des Orbitalflügels voneinander trennt, hat links die Gestalt einer großen runden Öffnung. Diese Form ist bedingt durch die Rückbildung der seitlichen und hinteren Teile der Nasenhöhle, sowie durch die große Länge des Septum interorbitale.. Rechts ist die Fissur nach oben nicht durch eine Knorpelspange abgeschlossen. Das Septum nasi stellt eine hohe, oben dünne, unten dickere Knorpelplatte dar, deren unterer Teil sich proximalwärts als Rostrum fortsetzt. Das Rostrum ist bei dem vorliegenden Stadium noch ver- hältnismäßig kurz, auf dem Querschnitt ist seine Umgrenzung unten und seitlich scharf, dagegen dorsal weniger scharf; es hat den Anschein, als ob ein weiteres Wachstum vom dorsalen Rande aus stattfinden würde. Der vordere Teil des Rostrum ist ventralwärts gekrümmt. Im dor- salen dünnen Teile des Septum befindet sich eine Öffnung, welche nach oben durch eine schmale Knorpelspange abgeschlossen ist. In dieser Gegend ist das schmale Tectum nasi an das Septum befestigt. Diese Befestigungslinie verläuft nicht geradlinig, da das- Dach in seinem hinteren Abschnitt eine kurze mediane Rinne, Sulcus supraseptalis, zeigt. Der hintere Rand des Septum besitzt auch hier, wie das bei vielen Walen der Fall zu sein scheint, oben eine dorsal- und distal- wärts gerichtete Verlängerung, die Spina mesethmoidea (FREUND). Dieser Fortsatz ist hier kurz. Das Tectum nasi. Bei einer Nasenkapsel, wie sie beim Jugendlichen Zahnwal sich zeigt, hat es wenig Sinn, von einem prä- cerebralen und subcerebralen Abschnitt derselben zu reden. Alles, Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. IV. 405 was von der Nasenkapsel übriggeblieben ist, liegt ja im topographi- schen Sinne präcerebral. So ist auch als Nasendach hier nur der schmale Knorpelstreifen anzuführen, welcher am oberen Rande des Septum befestigt, sich von da aus lateralwärts begibt und in die ebenfalls rückgebildete Seitenwand der Kapsel übergeht. Dieser Knorpelstreifen entspricht, vergleichend embryologisch, nur einem Teil, und zwar dem präcerebralen Teil des Nasendaches, während der subcerebrale Abschnitt hier als eine senkrechte Knorpelplatte auftritt, welche den vorderen Abschluß der Hirnkapsel bildet. Diese Knorpelplatte, welche der Lamina eribrosa entspricht, ist in der Me- dianlinie am hinteren Rande des Septum nasi befestigt, lateralwärts geht sie in die Seitenwand der Nasenkapsel über. Die Lamina eribrosa kann hier nicht als ein hinterer Abschnitt des Daches be- zeichnet werden, weil sie durch ihre Steilstellung nicht mehr als eine die Nasenkapsel dorsalwärts abschließende Bedeckung gelten kann. Diese Erscheinung, die Steilstellung der Lamina cribrosa, welche wir auch vom erwachsenen Walschädel kennen, gibt also schon sehr frühzeitig der Nasenregion ihr für die Zahnwale cha- rakteristisches Gepräge. Die Seitenwand der Nasenkapsel (Paries nasi) hat die Gestalt einer schmalen Knorpelplatte, welche sich ventral- und ein wenig distalwärts erstreckt. Im oberen Teile dünn, nimmt sie nach unten an Dicke zu. Die äußere Oberfläche der Seitenwand zeigt unten eine tiefe Rinne, welche von einer Knorpelspange überbrückt wird, auf dem Boden dieser Rinne ist eine Öffnung im Knorpel vorhanden. Das Gebiet der Nasenkapsel, welches an der Außenseite die erwähnte überbrückte Rinne zeigt, ist als das Homologon der Pars subcerebralis der Nasenkapsel anderer Säuger aufzufassen. Sein hinteres massives Ende entspricht einer Cupula posterior. Im vor- liegenden Falle besteht dieser Teil der Kapsel aus verschiedenen unregelmäßig gebildeten Knorpelstücken, die wohl als rückgebildete Muschelbildungen zu betrachten sind, jedoch sich nicht näher deter- minieren lassen. Schleimhautfalten reichen in dieses Gebiet nicht hinein. Ähnlich wie beim Braunfisch ist also auch hier der sub- cerebrale Teil der Nasenkapsel einer besonders starken Rückbildung unterworfen, was ohne Zweifel mit der mangelhaften oder fehlenden Ausbildung des Geruchssinnes zusammenhängt. Der Boden der Nasenkapsel und seine Derivate. Die beim Braunfisch angetroffenen Verhältnisse wiederholen sich hier, jedoch in etwas anderer Gestalt, 406 H. M. de Burlet, Zur Entwicklungsgeschichte des Walschädels. IV, Vom vorderen Rande der Seitenwand begibt sich ein Knorpel- streifen in proximal- und medianwärts gerichtetem Verlaufe bis in die Nähe des Septum. Hier geht der Knorpelstreifen in eine Platte über, welche dem Septum angelagert ist und sich nach unten und vorn erstreckt. Hinter dieser Platte ist ein anderes Knorpelstück dem Septum seitlich angelagert. Dasselbe ist nicht mit anderen Teilen des Knorpelschädels verbunden, es hat einen unregelmäßigen Rand und zeigt zahlreiche Durchlöcherungen. Über seine Ausdeh- nung belehrt das Bild der Seitenansicht (Fig. 9). Zwei weitere Knorpelstücke sind zu erwähnen. Ein sehr kleines, welches lateral vom oberen Teile der zuerst erwähnten Knorpel- platte liegt (Cart. palatina?), ein größeres, welches proximal von dem- selben dem Septum unmittelbar angelagert ist. In mancher Beziehung liegt die Deutung, im Anschluß an das bei Phocaena Erörterte, auf der Hand. So ist der Knorpelstreifen, welcher von der Seitenwand ausgeht, sowie der obere Teil der dem Septum angelagerten, mit ihm verbundenen Knorpelplatte als Lamina transversa anterior aufzufassen. Ob das nach vorn und unten ragende Ende dieser Platte, oder das lose vor und oberhalb desselben liegende Knorpelstück als Cartilago ductus nasopalatini zu bezeichnen ist, wage ich nicht zu entscheiden. Das hinter der Knorpelplatte gelegene, nicht mit derselben zu- sammenhängende, durchlöcherte Knorpelstück stellt ein Cartilago paraseptale vor. In seiner Selbständigkeit zeigt es einen Unterschied gegenüber dem Zustand bei Phocaena, im vorliegenden Schädel scheint es in Rückbildung begriffen zu sein. Als primitiv ist anzu- sehen, daß es hier so viel weiter nach hinten reicht als beim Braun- fischschädel, es reicht sogar weiter distalwärts als das hintere Ende der Nasenkapsel selbst. Als eine Eigentümlichkeit, welche das hier beschriebene Pri- mordialeranium als Ganzes kennzeichnet, verdient die hier deutlich vorhandene Asymmetrie hervorgehoben zu werden. Die linke Seite ist als die im allgemeinen kräftiger ausfebildete zu bezeichnen. Links wird die Commissura sphenoethmoidalis angetroffen, während sie rechterseits fehlt. Die linke Lamina supracochlearis ist breiter, reicht weiter lateralwärts über die Pars cochlearis caps. aud. als die rechte. Auch die Lamina supracapsularis reicht links höher dorsal- wärts als rechts. Wahrscheinlich gehört die linkerseits angetroffene Verdoppelung des Foramen Nervi hypoglossi ebenfalls in diese Er- scheinungsreihe. Aus dem Anatomischen Institut der Kaiserlichen Universität Jurjew-Dorpat. Direktor: Prof. Dr. H. Adolphi. Über die Variationen der Wirbelsäule, des Brust- korbes und der Extremitätenplexus bei Lacerta muralis Dum. u. Bibr. und Lacerta vivipara Jacq. Von Konrad Kühne. Mit 29 Figuren im Text. Als Fortsetzung meiner im 46. Bande des Morphologischen Jahr- buches veröffentlichten Arbeit: »Über die Variationen der Wirbel- säule und der Extremitätenplexus bei Lacerta viridis Gessn. und Lacerta agelis L.« folgt hier eine Darstellung der Ergebnisse, die ich betreffs dieser Frage an einem bedeutend größeren Material anderer Eidechsenarten gewonnen habe. In meiner vorigen Arbeit habe ich nachzuweisen versucht, welche Variationen an der Wirbelsäule und den Extremitätenplexus bei Reptilien vorkommen und in welchem gegenseitigen Zusammen- hange sich dieselben befinden. Es ließ sich schon bei dem relativ geringen Material (5l Exem- plare von Lacerta viridıs und 15 Exemplare von Lacerta agılis) eine ausgedehnte Variabilität einzelner Regionen der Wirbelsäule und der brachialen, sowie lumbosaeralen Nervengeflechte konstatieren. Außer- dem machte sich auch bei diesen Tieren in voller Analogie mit den Befunden von H. ApoLpuı an einer Reihe von Amphibien (212 Exemplare von Bufo variabilis — 1892, 65 Exemplare von Pelobates fuscus und 117 Exemplare von Rana esculenta — 1895, 200 Exem- plare von Triton taeniatus und 9 Exemplare von Siredon pisciformis — 1898) und am Menschen (1905) ein merkwürdiger Zusammenhang zwischen den einzelnen Variationen deutlich bemerkbar, indem sie alle die Tendenz zeigten, die gleiche Richtung einzuhalten. Lag das 408 Konrad Kühne Armgeflecht bei diesen Eidechsen mehr distal (caudal), so lagen _ auch Plexus lumbo-sacralis, Sacrum und die letzte lange Dorsalrippe, hinter der die Lumbaleinschnürung des Rumpfes beginnt, in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle mehr distal. Lag das Arm- geflecht dagegen mehr proximal (rostral), so zeigten auch Plexus lumbo-sacralis, Sacrum und der Beginn der Lumbaleinschnürung des Rumpfes das Bestreben, eine mehr proximale Lage einzunehmen. Allerdings wurde die Tatsache der Korrelation seitens einiger Autoren in Abrede gestellt. 1897 erschien eine Arbeit von WAITE, in welcher er die Ergebnisse seiner Untersuchungen der Wirbelsäule, des Plexus brachialis und des Plexus lumbosacralis bei 30 Exem- plaren von Necturus maculosus mitteilt und zum Schlusse gelangt (S. 89), daß »the nerve relations in Necturus show, that variations of girdle and plexus nearly parallel«; er fand keinen Zusammen- hang »between the displacement of the strength-centre in the bra- chial and lumbosacral plexi respectively«.. Da aber das von WAıtE untersuchte Material, im Vergleich zu der soeben angegebenen An- zahl der von ADOoLPHI untersuchten Exemplare von Amphibien, gering ist, so können seine Resultate die Ergebnisse von ADoLpHI nicht beeinflussen. In einzelnen Fällen ließen sich auch Ausnahmen finden. So fand Aporrnı (1892, S. 316) bei Bufo variabilis (Ex.9) einen proxi- mal gelegenen Plexus brachialis mit einem mehr distalen Plexus sacralis kombiniert, während Exemplar 10 das umgekehrte Ver- halten zeigte. Solche einzelne Ausnahmen sind auch für den Menschen bekannt, im allgemeinen aber, wo ein größeres Material in Betracht gezogen wurde, ließ sich der korrelative Zusammenhang zwischen den Variationen am proximalen und distalen Ende der Wirbelsäule deutlich erkennen. Auf den Zusammenhang zwischen den Veränderungen an den Extremitäten und den Nervengeflechten einerseits und der Wirbel- säule andererseits wurde schon früher seitens einiger Autoren hin- gewiesen. 1888 schreibt FÜRBRINGER (I. Teil, S.108), daß »für alle Wirbeltiere mit ansehnlich entwickelten Extremitäten sich generali- sieren lasse, daß die Wirbelsäule vorn und hinten von den Ver- schiebungen beider Extremitäten beeinflußt wird«. Außerdem hat es sieh, wie schon erwähnt, herausgestellt, daß auch die beiden Extremitäten, die vordere und die hinter sich, was ihre segmentale Lage anbetrifft, in einem Zusammhange befinden und sich gegenseitig beeinflussen. Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 409 Somit schien es mir von Interesse, eine möglichst große Anzahl von Tieren einer Art auf alle hier in Betracht kommenden anato- mischen Verhältnisse zu prüfen und festzustellen, welcher Zusammen- hang zwischen ihnen besteht. Eine nach allen Richtungen vorgenommene Vergleiehung der Tatsachen, die an einer größeren Anzahl von Exemplaren einer Art gewonnen worden sind, könnte meines Erachtens vielleicht noch neue Anhaltspunkte liefern zur Entscheidung mancher Fragen, die mit der Variabilität der Wirbelsäule verbunden sind. Zur vorliegenden Untersuchung dienten mir 200 Exemplare von Lacerta muralis und 95 Exemplare von Lacerta vivipara. Lacerta muralis wurde in Dalmatien gesammelt. Je eines der Exemplare von Lacerta muralis und Lacerta vivipara zeigten einen derartig asymmetrischen Bau der präsacralen Segmente (einseitiges Vorhanden- sein von zwei Rippen an einem Wirbel), daß die Zählung der Seg- mente auf große Schwierigkeiten stieß. Diese Fälle will ich an anderer Stelle beschreiben. Lacerta muralis. Die Wirbelsäule von Lacerta muralis gliedert sich in die Re- gionen: Hals, Rumpf, Kreuzbein und Schwanz und ist im allgemeinen so gebaut wie bei Lacerta virıdis und agalis. Die Halswirbelsäule besitzt, wenn man nach Srannxıus (1856) denjenigen Wirbel, dessen Rippen mittels Sternocostalleisten mit dem Sternum in Verbindung stehen, als ersten Rumpfwirbel und die vor ihm liegenden als Halswirbel ansieht, acht Wirbel. Rechnet man aber zu den Halswirbeln nur diejenigen Wirbel, die überhaupt keine freien Rippen besitzen, so beschränkt sich die Halswirbelsäule, wie es bei den allermeisten Sauriern der Fall ist, auf die drei ersten Wirbel. Diese letzte Auffassung scheint mir aus vergleichend-anato- mischen Gründen den anderen gegenüber mehr gerechtfertigt zu sein, wenigstens für die Saurier. Die Teilung von Hals und Rumpf nach der Verbindung der ersten Sternocostalleistee mit dem Brustbein kann nur bei denjenigen Tieren ohne Zweifel durchgeführt werden, die mit einem vollständigen Schultergürtel ausgestattet sind. Bei solchen Arten aber, deren Schultergürtel so. weit reduziert oder so unvollständig ist, daß eine Verbindung der Rippen mit dem Brust- beine fehlt, wie zum Beispiel bei Angwis fragilis, Pseudopus Pallasii usw., fällt dieses Prinzip von selbst weg und es müssen neue An- haltspunkte zur Abgrenzung beider Regionen geschaffen werden. 410 Konrad Kühne In solchen Fällen werden von den meisten Autoren, wie zum Beispiel Cuvıer (1835), JoH. MÜLLER (1831) und einer Reihe jüngerer Forscher, diejenigen Wirbel als Halswirbel bezeichnet, die überhaupt keine freien Rippen tragen. Diesen beiden Prinzipien der Einteilung von Hals und Rumpf nach dem Verhalten der Rippen steht noch eine dritte Auffassung zur Seite, welche die Rippen gar nicht berücksichtigt, sondern die Halswirbel durch Vorhandensein medianer unterer Fortsätze (Hypa- pophysen, Owen) charakterisiert sein läßt. Dieses Einteilungsprinzip fand ich zuerst bei de NAarTALE (1853) für Seincus variegatus (S. 378) und CaAuorı (1858) für Zacerta ocellata (5. 346) angewandt. In jüngerer Zeit wurde dieser Standpunkt von CopE (1892) und Baur (1894) vertreten. Solche untere Fortsätze kommen bei den Lacertiliern meist an den ersten 5—7 Wirbeln vor, können sich aber auch auf die weiteren Wirbel fortsetzen. Man findet sie ebenfalls bei den Crocodilen und Schlangen. Bei manchen Vögeln können sie eine sehr starke Aus- bildung erfahren (zum Beispiel bei Colymbus und Podiceps). GEGENBAUR (1898, S. 250) faßt diese Fortsätze als sekundäre Anpassungen an die Muskulatur auf und spricht ihnen die Bedeutung unterer Dornfortsätze ab, und in der Tat bieten sie ausgedehnte An- satzpunkte für die Halsmuskulatur. Diese Fortsätze als ein prinzipielles Unterscheidungsmerkmal der Halswirbelsäule anzunehmen, ist direkt unmöglich, denn erstens kommen sie nicht bei allen Wirbeltieren vor und zweitens findet man sie, wie zum Beispiel bei manchen Vögeln (z. B. Colymbus septentrionalis) an allen freien Brustwirbeln und noch am ersten der- jenigen Brustwirbel, die in das Synsacrum aufgenommen sind. Glaubt man daran, daß die Regionen der Wirbelsäule das Pro- dukt eines phylogenetischen Umformungsprozesses sind und will man sie zum Objekt vergleichend-anatomischer Forschungen machen, so ist es mißlich, für ihre Definition bei verschiedenen Tiergruppen verschiedene und zum Teil nebensächliche Unterscheidungsmerkmale zu wählen. Es müssen nach Möglichkeit einheitliche, für alle Wirbel- tiere geltende Verhältnisse aufgesucht werden, von deren Veränderung die verschiedene Gestaltung der Regionen der Wirbelsäule abgeleitet werden kann. Und solche Verhältnisse sind: die Verteilung der Rippen an der Wirbelsäule und die Angliederung des Beckengürtels an die Wirbelsäule. Bei Lacerta muralis ist, wie bei den meisten Sauriern, die Ver- Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 411 teilung der Rippen folgende. Die ersten drei Wirbel, Atlas, Epi- stropheus und dritter Wirbel, besitzen keine selbständigen Rippen. Das erste freie Rippenpaar erscheint gewöhnlich am vierten Wirbel!. Der 4.—8. Wirbel tragen in der Norm beiderseits je eine freie Rippe, die jedoch das Sternum nicht erreichen. Die Rippen des 4., 5. und 6. Wirbels unterscheiden sich in Form und Größe stark von den nächstfolgenden, indem sie kurz und abgeplattet sind. Das proximale Ende ist verschmälert und geht in eine kleine Verdiekung aus, die eine Vertiefung zur Artieulation mit dem Querfortsatze des Wirbels besitzt. Das distale oder laterale Ende ist flach verbreitert und bleibt knorpelig. Der knorpelige Teil geht in zwei, fast recht- winklig zueinander stehende Äste aus, von denen der eine nach außen und unten, der andere nach hinten gerichtet ist. Der hintere Ast kann in manchen Fällen die nächstfolgende Rippe von außen überdeeken, so daß er hier leicht an einen Processus uneinatus er- innert, wie es zum Beispiel bei den Crocodilen an den ersten fünf Rippen und bei Sphenedon gewöhnlich von der 4. oder 5. Rippe an der Fall ist. Meist ist aber diese Teilung des Knorpels eine sehr schwache. Die Rippen des vierten Wirbels sind die allerkürzesten, diejenigen des 5. und 6. Wirbels nehmen etwas an Länge zu. Die Rippen des 7. und 8. Wirbels sind meist unvermittelt dop- pelt so lang als die vorhergehenden und bilden schlanke Knochen- spangen, die in ihrer Form den folgenden Rippen gleichen. Diese zwei Rippen, die zwar das Sternum nicht erreichen, aber ihrer Größe wegen den Brustkorb wesentlich bilden helfen, werden von einigen Autoren als Dorsalrippen aufgefaßt, gegenüber den vor- hergehenden, die als Halsrippen bezeichnet werden (z. B. CarLorı 1858). Eine solche Einteilung ist aber nur in den Fällen möglich, wo die Abgrenzung zwischen beiden Rippenformen so deutlich ist, daß sie ohne Zweifel erkannt werden kann. Es gibt aber auch Fälle, wo ein allmählicher Übergang zwischen beiden Rippenformen besteht, was eine solche strenge Abgrenzung direkt unmöglich macht. Der gleichen Schwierigkeit begegnen wir, und zwar in noch höherem Maße, bei den fußlosen Sauriern, wie zum Beispiel Angwzs und Pseudopus. Bressı6, der bei E. ROsENBERG gearbeitet, (1885, S.9), bezeichnet 1 Merkwürdigerweise werden von Cuvier (1835, $. 221) zwei rippenlose Wirbel für Lezard vert ocelle (Lacerta ocellata), Leiolepis gutiatus, Cameleon d’Egypte (Chamaeleo vulgaris?), Orvet (Anguis fragilis), Acontias und Amphisbene enfumee (Amphisboena fuliginosa) angegeben. 412 Konrad Kühne alle Wirbel am proximalen Ende der Wirbelsäule, deren Quer- fortsätze selbständige, frei bewegliche, gelenkig mit ihnen verbundene Rippen tragen, welche jedoch nicht mit dem Sternum in Beziehung stehen, sondern frei zwischen den sie umgebenden Weichteilen enden, als vertebrae dorsocervieales. Ich möchte auf diesem Gebiete Be- zeichnungen vermeiden und mich auf die Beschreibung beschränken. Von den 199 untersuchten Exemplaren von Lacerta muralis trug bei 198. Exemplaren Wirbel 4 das erste freie Rippenpaar. Nur ein Exemplar (Ex. 160) zeigte in dieser Hinsicht ein abweichendes Verhalten, indem Wirbel 4 nur auf der rechten Seite eine freie, bewegliche Rippe zeigte, auf der linken Seite aber sich wie die vor- hergehenden Halswirbel verhielt. In der Figur 1 ist der betreffende Fall dargestellt. Die Rippen des 5. und 6. Wirbels sind beiderseits kurz und enden verbreitert. Der 7. Wirbel hat rechterseits eine lange schlanke Rippe, wie es auch nor- malerweise der Fall ist, linkerseits aberistdiekippekurzundentsprichtin Form und Größe den vorhergehenden Rippen. Die Rippen des 8. Wirbels sind beiderseits normal, sowie auch die des 9., welche als erste das Wirbel 1—8 von einem Exemplar von Zacerta BISEnUU IR 2 le ee Wirbel 5 besaß stets kurze | flache Rippen. Die Rippen des 6. Wirbels waren in der überwiegenden Mehr- zahl der Fälle (197 von 199) kurz und flach, in zwei Fällen aber (Ex. 68 und Ex. 15) entsprach ihre Form und Größe nicht diesem normalen Verhalten. Beim Exemplar 68 sind die Rippen des 6. Wirbels zwar nur etwas länger als die des 5., haben aber eine schlanke, nach außen gekrümmte Gestalt, wodurch sie sich einer- seits von den vorhergehenden Rippen unterscheiden und andererseits den folgenden gleichen. Somit zeigen die Rippen des 6. Wirbels in diesem Falle die Tendenz, den mehr für die Brustrippen typischen Charakter anzu- nehmen. Eine noch weitere Umbildung in dieser Riehtung zeigt Exem- Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 413 plar 15. Im betreffenden Falle gleichen die Rippen des 6. Wirbels in der Form und Länge ganz den folgenden Rippen. Das erste Rippenpaar artieuliertin diesem Falle, wie gewöhnlich, am 4. Wirbel, so daß hier nur im ganzen zwei Wirbel mit kurzen Rippen versehen sind. Erste Sternalrippen waren in beiden Fällen die Rippen des 9. Wirbels. Die Rippen des 7. Wirbels waren in allen Fällen, außer dem erwähnten Fall 160 (Abb. 1) lang. Das gleiche Verhalten zeigten auch die Rippen des 8. Wirbels. Die Rippen des 9. Wirbels erreichten allemal mit ihren Rippen- knorpeln als erste das Brustbein. Die Berippung an der Hals-Thoraxgrenze und im proximalen Gebiete des Brustkorbes zeigte somit folgende Variationen: Die erste freie Rippe saß 198 mal beiderseits am Wirbel 4, einmal einerseits am Wirbel 4, andererseits am Wirbel 5. Die erste längere schlanke Rippe saß 2 mal beiderseits am Wirbel 6, 196 mal beiderseits am Wirbel 7 und einmal einerseits am Wirbel 7 und andererseits am Wirbel 8. Die erste Sternalrippe gehörte allemal dem Wirbel 9 an. Von den 199 Exemplaren von Laceria muralis haben 196 Exem- plare beiderseits fünf Sternalrippen, ein Exemplar (Ex. 63) einerseits fünf, andererseits sechs, und zwei Exemplare (Ex. 97 und 105) haben beiderseits sechs Sternalrippen. Betrachtet man jede Seite einzeln, so ergibt es sich, daß von den 398 Fällen 395 (98,7 %/, aller Fälle) fünf und 5 (1,3%, aller Fälle) sechs Sternaliippen besitzen oder daß 395 mal die Rippe des 13. und 5 mal die Rippe des 14. Wirbels die letzten Sternalrippen waren. Von den fünf in der Norm vorkommenden Rippen, die mit dem Brustbeine in Beziehung stehen, verbinden sich drei durch ihre Sternocostalleisten mit dem lateralen Rande der rhom- bischen Sternalplatte. Die Knorpelleisten der Rippen des 13. Wirbels oder das fünfte Paar der Sternalrippen begeben sich ebenfalls gegen die Mitte der Brust, biegen dann, meist ohne sich zu berühren, nach vorn um und verbinden sich gelenkig mit dem distalen Ende der Sternalplatte. In einzelnen Fällen können die beiden Knorpel sich an der Umbiegungsstelle berühren, in einem Falle (Fig. 2) waren sie sogar verwachsen. So entstand in diesem Falle ein Fenster, wie das bei zahlreichen Seincidae und Zonosaurus als Regel vor- kommt: Das vierte Sternalrippenpaar schließt sich nicht unmittelbar an 414 Konrad Kühne das Brustbein an, sondern verbindet sich, worauf FR. SIEBENROCK zuerst hingewiesen hat (1894, S. 273 und 1895, S. 28) gelenkig mit einem kurzen Fortsatze des Knorpels des fünften Rippenpaares. Diese beiden Knorpelstücke, Xiphisternum von W. K. PARKER, von Ü. GEGENBAUR Metasternum genannt, in die sich sozusagen die Sternalplatte fortsetzt, umschließen einen länglich ovalen Raum, welcher von einer bindegewebigen Membran ausgefüllt ist. Un- mittelbar mit dem Sternum verbinden sich somit eigentlich nur vier Rippenpaare. So verhielt es sich in allen Fällen, wo nur fünf Sternalrippen vorhanden waren. In den Fällen, wo es beiderseits oder nur einerseits sechs Ster- nalrippen gab, erfolgte die Verbindung der Sternocostalleisten mit dem Brustbein in etwas abweichender Weise. Fig. 2. Sternalapparat von einem Exemplar von Lacerta muralis, 5hı. e.st. Episternum, fe. Fenster im Prästernum, p.st. Prästernum, x.st. Xiphisternum, c. e.. IX—XIV Cartilago costae IXN—XIV. Die Rippen sind nach den Wirbeln, zu denen sie gehören, numeriert. Fig. 3. Sternalapparat von einem Exemplar von Zacerta muralis, 5ı. Exemplar 97 (Figur 3). Das erste Rippenknorpelpaar setzt sich, wie gewöhnlich, unmittelbar unter der lateralen oberen Ecke der Sternalplatte gelenkig an. Das 2. und 3. Paar liegen beiderseits symmetrisch. Der Knorpel der vierten rechten Sternalrippe setzt sich noch am lateralen hinteren Winkel der Sternalplatte an, während der betreffende Knorpel der linken Seite sich mit einem Fortsatze des von der 6. Sternalrippe ausgehenden Xiphisternum gelenkig. verbindet, an welches auch das 5. Sternalrippenpaar her- antritt. Somit verbinden sich in diesem Falle mit der Sternalplatte Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 415 auf der rechten Seite 5 und auf der linken Seite 4 Rippen und an das Xiphisternum treten rechts eine und links zwei Rippen. Ein fast analoges Verhalten sehen wir bei Exemplar 105 (Fig. 5). Auf der rechten Seite sind hier auch sechs Knorpelpaare vor- handen, welche mit dem Brustbeine in Beziehung stehen, nur setzt sich die vierte Sternocostalleiste hier nicht, wie bei Exemplar 97, direkt an die Sternalplatte, sondern verbindet sich mit dem Xiphi- sternum. Die linke Seite entspricht sonst völlig der rechten, nur zeigt die 6. Sternocostalleiste oder der Rippenknorpel des 14. Wirbels eine etwa 2 mm lange Unterbrechung der Knorpelsubstanz, welche Fig. 4. Sternalapparat von einem Exemplar von Zacerta muralis, 5hı. e.st. Episternum, fe. Fenster im Prästernum, p.st. Prästernum, x. st. Xiphisternum, c.c. IX—XIVCartilago costae IX—XIV, Lig. Ligament. Fig. 5. Sternalapparat von einem Exemplar von Lacerta muralis, 5h. durch einen feinen bindegewebigen Strang ersetzt wird. Wir haben es hier mit einer teilweisen Reduktion der 6. Sternocostalleiste zu tun. Es werden somit distal mehr Sternalrippen angelegt als aus- gebildet. Diese Tatsache bietet eine Stütze für die von FÜRBRINGER (1900, S.538) ausgesprochene Annahme, daß die Ausbildung des Ster- num bei den Lacertiliern schon frühzeitig ihren Höhepunkt erreichte und jetzt zum Teil wieder im Hinblick auf die mit ihm verbundenen Rippen sich im retrograden Entwicklungsgange befindet. Einen Fall, wo auf der einen Seite ebenfalls 6, auf der anderen aber nur 5 Sternalrippen vorhanden sind, repräsentiert Exemplar 64 (Figur 5.) In allen drei Fällen ist demnach die hintere Grenze der Sternal- 416 Konrad Kühne region einer- oder beiderseits um ein Segment nach hinten zu ver- schoben.“ Es ist das eine Teilerscheinung der Verschiebung des ganzen Brustkorbes nach hinten. Wie wir weiter sehen werden, ist in allen diesen Fällen der Plexus brachialis, die Lage der letzten langen Rippe oder der Beginn der sogenannten Lumbaleinschnürung des Rumpfes und auch dasSacrum mit dem Plexus lumbosaeralis gleich- falls um 1—2 Segmente weiter als in der Norm nach hinten gelegen. Als eine Eigentümlichkeit der Dorsalrippen der Lacertiden be- zeichnet SIEBENROcK (1894, 5.273) den Umstand, daß sie nicht, wie die Rippen vieler Saurier, nur aus zwei Stücken, nämlich aus der Rippe und dem Rippenknorpel, bestehen, sondern daß zwischen diesen beiden, wie es in ähnlicher Weise bei den Crocodilen und Hatteria vorkommt, noch ein drittes kleines Knorpelstückchen eingefügt ist, welches sowohl mit dem Rippenende als auch mit dem Rippenknorpel in beweglicher Verbindung steht. Diese Beobachtung SIEBENROCKS konnte ich bei einigen Exemplaren von Lacerta muralis für die _ Rippen, die das Sternaum erreichen, bestätigen. Auf die Sternalrippen folgen 6—10 Rippenpaare, die in ihrer Form genau den Sternalrippen gleichen, jedoch frei enden. Bis zum 19. Wirbel waren die Rippen stets lang. Vom 20., 21., 22., 23. oder auch 24. Wirbel beginnend, werden die Rippen plötzlich wesentlich kürzer. Die letzte lange Rippe gehörte in zwei Fällen (0,5 /, aller Fälle) dem Wirbel 19, in 163 Fällen (41,0°/, aller Fälle) dem Wirbel 20, in 117 Fällen (29,4 °/, aller Fälle) dem Wirbel 21, in 102 Fällen (25,6 %/, aller Fälle) dem Wirbel 22 und in 14 Fällen (3,6%), aller Fälle) dem Wirbel 23 an. Die Rippen der folgenden Wirbel sind alle kurz, haben eine mehr horizontale Lage und nehmen nach hinten zu etwas an Länge ab. Es findet sich sozusagen eine Einschnürung des Rumpfskeletes, die in der Rumpfwirbelsäule einen dorsalen und einen lumbalen Abschnitt unterscheiden läßt. Topographisch und funktionell sind diese kurzen Rippen den langen Querfortsätzen der Lumbalwirbel- säule der Crocodile analog. Von diesem Standpunkte entsprechen die betreffenden Wirbel den Lumbalwirbeln, morphologisch aber sind es Dorsalwirbel. Eigentliche Lumbalwirbel, d.h. solche, die tatsächlich freie Rippen entbehren, kommen sehr selten vor. Unter allen 199 Fällen hatte nur ein Exemplar einen solehen Lendenwirbel. Der Umstand, daß diese (Querfortsätze fast so lang wie die vorhergehende Rippe waren, während die rippentragenden Querfortsätze sehr kurz sind, Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 417 macht die Annahme wahrscheinlich, daß in diesem Falle die be- treffenden Rippen von den Querfortsätzen assimiliert worden. sind. Die Saeralwirbel, von welchen meist zwei vorhanden sind (192 von 199 untersuchten Fällen), zeichnen sich durch ihre besonders starken seitlichen Fortsätze aus. Diese Seitenfortsätze, von denen ein- mal die des ersten, ein anderes die des zweiten Sacralwirbels die stärksten sein können, treten, ein Foramen sacrale freilassend, mit ihren lateralen Teilen dicht aneinander, um sich in der Tiefe syno- stotisch zu verbinden. Die Gelenkfortsätze und die Körper der Sacralwirbel scheinen nicht immer zu verwachsen. Beide Wirbel sind ganz unbeweglich verbunden, so daß man hier mit vollem Recht von einem Os-Sacrum sprechen kann. Trennt man die Querfortsätze vorsichtig von ein- ander, so stellt sich bisweilen eine geringe Beweglichkeit des Ge- lenkkopfes des vorderen Sacralwirbels in der Gelenkpfanne des hinteren Sacralwirbels ein. Der Gelenkknorpel für das Hio-Sacral- gelenk ist einheitlich. Die Körper der Sacralwirbel sind in der Regel kürzer als die der vor und hinter ihnen liegenden Wirbel. Die Seitenfortsätze entspringen vom vorderen Teil des Wirbelkörpers und können die Hälfte oder sogar drei Viertel seiner Länge in An- spruch nehmen. Die segmentale Lage des Sacrums kann in breiten Grenzen variieren. Die Lage des ersten Sacralwirbels variiert zwischen Wirbel 27 und 31, die des letzten zwischen Wirbel 28 und 32. Selbst die Zusammensetzung des Sacrums ist sehr verschieden. Es sind im ganzen elf verschiedene Formen, die ich bei den von mir untersuchten 199 Exemplaren von Lacerta muralis gefunden habe. Ich habe sie in Fig. 6—16 auf Seite 418 halbschematisch in abstei- gender (von vorn nach hinten) Reihenfolge dargestellt, ohne dieser Reihenfolge zunächst eine bestimmte Bedeutung beizumessen. I. Fig.6. 2 Fälle (1,0°/,). Das Saecrum besteht aus Wirbel 27 und 28, deren laterale Fortsätze beiderseits die Sacralflügel bilden. Es ist die proximalste Lage des Sacrums, die ich bei Lacerta muralis beobachtet habe. Angaben, die auf eine noch proximalere Lage hinweisen, habe ich auch in der mir zugänglichen Literatur nicht gefunden. SIEBENROCK (1894, S. 266) gibt in seiner Tabelle für Lacerta muralis 27 präsacrale Wirbel (12 Dorsal- und, 7 Dorso- lumbalwirbel bei 8 Halswirbeln) an. II. Fig.7. 1 Fall (0,5%). Ebenfalls 26 präsacrale Wirbel. Die lateralen Fortsätze der Wirbel 27 und 28 sind beiderseits sacral Morpholog. Jahrbuch. 49. 28 418 Konrad Kühne entwickelt. Wirbel 29 beteiligt sich nur auf der rechten Seite an der Bildung des Sacralflügels. Der linke laterale Fortsatz des 29. Wirbels ist viel schwächer und kürzer als der rechte und erreicht nicht mehr das Ilium; er verbält sich genau wie ein Querfort- satz der folgenden Caudalwirbel. Der Beckengürtel wird somit rechts von drei Wirbeln, nämlich Wirbel 27, 28 und 29 getragen, links hingegen nur von den ersten beiden. Fig. 6. SE Rie- 7. Fig. 8. Fig. 9. Ra Fig. 6—16. Ventrale Ansicht der Wirbel 27—32 bei elf verschiedenen Exemplaren von Lacerta muralis- III. Fig. 8. 95mal bestand das Saerum aus Wirbel 28 und 29, was eine Häufigkeit von 47,7°/, darstellt, also fast die Hälfte aller Fälle. IV. Fig.9. 1 Fall (0,5 °/,). 27 präsacrale Wirbel. Der rechte laterale Fortsatz des 28. Wirbels entspricht völlig einem, in normaler Weise entwickelten, Querfortsatze eines Sacralwirbels.. Auf der linken Seite aber nimmt der 28. Wirbel an der Bildung des Kreuz- beinflügels nicht mit einem mit dem Wirbelkörper fest verwachsenen Querfortsatze teil, sondern hilft den Beckengürtel mit einer mit dem Wirbel gelenkig verbundenen Rippe tragen, welche schräg nach hinten zieht und sich mit dem lateralen Fortsatze des 29. Wirbels synostotisch verbindet. Der Gelenkknorpel für das Ilio-Sacral- gelenk ist einheitlich. Die lateralen Fortsätze des 29. Wirbels sind beiderseits sacral entwickelt. Der linke laterale Fortsatz des 30. Wirbels ist viel stärker als der rechte und verbindet sich mit dem betreffenden Fortsatze des. 29. Wirbels, um somit auch mit dem Becken in Beziehung zu treten. Der rechte laterale Fortsatz des 30. Wirbels ist mehr nach hinten gewendet und kommt mit dem Becken nicht in Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 419 Berührung, er gleicht in Form und Größe den lateralen Fortsätzen der Caudalwirbel. Der Beckengürtel wird somit links von drei Wirbeln, Wirbel 28, 29 und 30 getragen, hingegen rechts nur von Wirbel 28 und 29. Das Beeken ist stark asymmetrisch. Zwei analoge Fälle habe ich Gelegenheit gehabt für Lacerta viridis (1913, S. 565) und Lacerta agilis (1913, 8.581) zu beschreiben. Ähnliche Fälle sind von Hyrkrı (1864) für Chrysolamprus ocellatus Fitz. = Lacerta ocellata Daud. (S. 267) und von SIEBENROcCK (1892) für Hoplocercus spinosus Fitz. (S. 374) und Lacerta Simonyi Steind. (5.377) beschrieben worden. Diese wenn auch selten vorkommenden Fälle sind für die morphologische Beurteilung der Querfortsätze an den Sacralwirbeln der Saurier von größter Bedeutung. Sie erlauben uns in diesen Fortsätzen eine mit dem Wirbel verbundene Rippe zu sehen und das Darmbein, wie bei den Urodelen, als durch eine Rippe mit der Wirbelsäule verbunden zu betrachten. V. Fig.10. 1 Fall (0,5%). Einen sehr seltenen Fall stellt das in Fig. 10 abgebildete Sacrum vor, dessen Flügel beiderseits aus den lateralen Fortsätzen dreier Wirbel, nämlich Wirbel 28, 29 und 30 gebildet werden. Die lateralen Fortsätze des 28. Wirbels oder des ersten Sacralwirbels sind verhältnismäßig schwächer als die folgenden entwickelt. Sie sind stark nach hinten gerichtet und legen sich mit ihren etwas verbreiterten Enden an die lateralen Fortsätze des zweiten Sacralwirbels an. Die lateralen Fortsätze des 29. Wirbels oder des zweiten Sacralwirbels sind normal ent- wickelt, haben eine zum Wirbelkörper senkrechte Lage und bilden die Hauptstütze für den Beckengürtel. Die Querfortsätze des 30. Wirbels sind stark nach vorn gekehrt und legen sich an das äußere Ende des lateralen Fortsatzes des zweiten Sacralwirbels an. Alle drei Querfortsätze sind miteinander synostotisch verbunden. Der Gelenkknorpel für das Ilio-Sacralgelenk ist einheitlich. Die Quer- fortsätze des 30. Wirbels erscheinen von hinten nach vorn etwas abgeplattet und nähern sich ihrer Form nach den Querfortsätzen der Caudalwirbel, während die lateralen Fortsätze des ersten Sacral- wirbels eine mehr rundliche Gestalt haben und somit in gewisser Hinsicht den Rippen ähnlich sind. Dieser Fall ist dem von SIEBEN- ROCK (1892, S. 375) für Uromastix spinipes Merr. beschriebenen sehr ähnlich, nur daß hier die Querfortsätze des ersten Sacralwirbels mit dem Wirbelkörper verwachsen sind, während sie im Falle SıEBEN- ROCKS als freie mit dem Wirbel gelenkig verbundene Rippen er- scheinen. 28* 420 Konrad Kühne Drei Sacralwirbel sind bei den Sauriern noch von CuUVIER und Owen beobachtet worden. CuvıEr (1835, 8.221) führt drei Saurier- arten an, welche nach ihm drei Sacralwirbel besitzen. Es sind Stellion du Levant—= Agama stellio Latr., Scingue ocelle—= Chaleides ocel- latus Forsk. und Bipes lineatus. Owen (1866) gibt drei Sacralwirbel für die Chamaeleonten an, indem er sagt (S.60): »There are two lumbar and three sacral vertebrae.« Weitere Angaben über Fälle mit drei Sacralwirbeln sind mir aus der Literatur nicht bekannt. Für die soeben genannten Arten werden sonst nur zwei Sacralwirbel angegeben. Es ist deswegen anzunehmen, daß CuvIEr, wie auch Owen zufällig auf eine solche individuelle Varietät gestoßen sind und dieselbe als Norm für die betreffende Art angenommen haben. VI Fig.11. 2Fälle (1,0 %,). 27 präsacrale Wirbel. ‘Vom 28. Wirbel der Reihe ist nur der rechte laterale Fortsatz sacral ent- wickelt und bildet gemeinsam mit jenem des 29. Wirbels den rechten Sacralllügel. Auf der linken Seite aber trägt Wirbel 28 eine ganz normal entwickelte, mit ihm gelenkig verbundene Rippe, welche frei in den sie umgebenden Weichteilen endet. Die lateralen Fortsätze des 29. Wirbels sind beiderseits sacral entwickelt. Der rechte laterale Fortsatz des 30. Wirbels ist bedeutend schwächer als der linke und verhält sich ganz wie die lateralen Fortsätze der Caudalwirbel. Der linke laterale Fortsatz dieses Wirbels ist sacral entwickelt und bildet mit dem lateralen Fortsatze des 29. Wirbels den rechten Sacralflügel. Ähnliche Fälle werden von Hyrtı, ]. e. (5. 266 und 267) für Oplurus torquatus Cuv. und Grammatophora barbata Dum. Bibr. = Amphibolurus barbatus Cuv. und von SIEBEN- Rock (1892, S. 373 und 374) für Iguana tuberculata Laur. und Tro- pidurus torguatus Wiegm. beschrieben. VII. Fig. 12. 39 Fälle (19,6°/,). 28 präsacrale Wirbel. Das Saerum ist symmetrisch und besteht aus Wirbel 29 und 30. vIl. Fig. 13. 1 Fall (0,5%,). Der Sacralflügel besteht rechts aus den lateralen Fortsätzen der Wirbel 29 und 30, links aber aus denen der Wirbel 30 und 31. Dieses Sacrum zeigt genau dasselbe Ver- halten, wie das in Fig. 11 abgebildete und schon geschilderte (VI.) Sacrum, nur daß alles um einen Wirbel weiter nach hinten ver- schoben ist. F IX. Fig. 14. 55 Fälle (27,6 °/,). 29 präsacrale Wirbel. Das Sacrum ist symmetrisch’ und besteht aus Wirbel 30 und 31. X. Fig. 15. 1 Fall (0,5%). Ebenfalls 29 präsacrale Wirbel. Der rechte laterale Fortsatz des 30. Wirbels ist sacral entwickelt Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 421 und trägt mit jenem des 31. Wirbels das rechte Darmbein, während der linke viel schmächtiger ist und das Becken nicht mehr erreicht. Es ist nicht, wie in den vorigen Fällen, eine mit dem Wirbel ge- lenkig verbundene Rippe, sondern ein mit dem Wirbelkörper fest verwachsener Fortsatz. An der Basis breit, spitzt sich dieser Fort- satz am lateralen Ende scharf zu und verbindet sich durch ein straffes bindegewebiges Ligament mit dem lateralen Fortsatze des 31. Wirbels. Die lateralen Fortsätze des 31. Wirbels sind beiderseits sacral entwickelt. Der linke laterale Fortsatz des 32. Wirbels ist stark entwickelt und bildet mit dem lateralen Fortsatze des 31. Wirbels den linken Sacralflügel. Der rechte laterale Fortsatz aber ist weit schwächer entwickelt, nach hinten gerichtet, hat gar keinen Anteil an der Bildung des Sacralflügels und verhält sich genau wie die lateralen Fortsätze der Caudalwirbel. Denken wir uns nun das Ligament, welches zwischen dem linken lateralen Fortsatze des 30. Wirbels und demjenigen des 31. Wirbels ausgespannt ist, verknöchert, so bekommen wir auf der betreffenden Seite einen dritten Sacralwirbel. Die Größe des Fortsatzes des 30. Wirbels und das Vorhandensein solcher Fälle, wo Rippen ohne Zweifel an der Bildung der lateralen Fortsätze des Sacrums teilnehmen, geben auch im betreffenden Falle das Recht, diesen Fortsatz als Resultat einer Verschmelzung von Rippe und Querfortsatz (Para- pophyse) anzuschen. Über ähnliche Fälle, wie den soeben von mir beschriebenen, berichten Hyrrz (1864, S. 265) von Otenodon nigropunctatus Wagl. — Tupinambıs nigropunctatus Gray und SIEBEN- ROCK (1892, S. 374—377) von Lacerta agilis Linne, Phrynosoma Douglası? Gray und Molochus horridus Gray. XI Fig. 16. 1. Fall (0,5 %/,). 30 präsacrale Wirbel. Das Saerum ist symmetrisch und besteht aus zwei Wirbeln, nämlich Wirbel 31 und 32. Es ist das am meisten distal gelegene Sacrum, welches ich bei Lacerta muralis gefunden habe. Ein so weit distal gelegenes Sacrum habe ich bisher bei keiner anderen Eidechse gefunden, und aus der Literatur ist mir auch kein derartiger Fall bekannt geworden. Betrachtet man die Körperhälften einzeln, so ergibt sich, daß der Kreuzbeinflügel 5mal (1,3%, aller Fälle) von Wirbel 27 und 28, lmal (0,3%, aller Fälle) von Wirbel 27, 28 und 29, 193 mal (48,5 %/, aller Fälle) von Wirbel 28 und 29, 3mal (0,7, aller Fälle) von Wirbel 28, 29 und 30, 81mal (20,4), aller Fälle) von Wirbel 29 und 30, 112mal (28,1 °/, aller Fälle) von Wirbel 30 und 31 und 3mal (0,7 0, aller Fälle) von Wirbel 31 und 32 gebildet wird. 422 Konrad Kühne Dem letzten Kreuzbeinwirbel folgt eine größere Anzahl von Caudalwirbeln. Es ist schwer, die Zahl der letzteren ganz genau zu bestimmen. Bei ganz intakten Schwänzen liegt ihre Zahl zwischen 50 und 55. Allerdings scheint die Zahl der Caudalwirbel nicht an allzu enge Grenzen gebunden zu sein. Die vordersten, dem Sacrum unmittelbar folgenden Caudalwirbel sind die größten und sind, was Körper, obere Bögen und Dornfort- sätze anbetrifft, den Sacralwirbeln ähnlich. Sie zeichnen sich durch lange, in dorsoventraler Richtung abgeplattete Querfortsätze aus, die jedoch viel schwächer als die lateralen Fortsätze der Sacralwirbel sind. Nach hinten zu werden die Wirbelkörper allmählich dünner, nehmen aber in gleicher Weise an Länge zu, bis sie am Ende des Schwanzes als ganz dünne längliche Stäbchen erscheinen. In gleichem Grade nimmt auch die Länge der Quer- und Dornfortsätze nach hinten zu an Stärke ab. Die unteren Bögen, die sogenannten Hämapophysen (Owen), welche, wie bekannt, bei den meisten! lebenden Sauriern an der Schwanzwirbelsäule vorkommen, beginnen bei ZLacerta muralis zwischen den dritten und vierten oder vierten und fünften, selten zwischen den zweiten und dritten Caudalwirbeln. Wie auch bei Lacerta viridis gehört der untere Bogen dem hinteren der beiden Wirbel, zwischen welchen er anscheinend liegt. Die beiden Schenkel dieser Knochenbögen vereinigen sich unten zu einem nach hinten und unten ragenden Dorn, welcher an den ersten Wirbeln sehr lang ist, an den folgenden aber immer kürzer wird, bis er am Ende ganz verschwindet und die beiden Bogenhälften der Hämapophyse ge- trennt erscheinen. Die Lage des ersten unteren Bogens ist, wie wir weiter sehen werden, stark von der Lage des Sacrums beeinflußt. 3mal (1,5%, aller Fälle) gehörte der erste untere Bogen dem dritten Caudalwirbel, 166mal (83,4 /, aller Fälle) dem vierten Caudalwirbel und 30 mal (15,1°/, aller Fälle) dem fünften Caudalwirbel an. In der Gesamt- reihe der Wirbel war es 1mal (0,5 %,) Wirbel 32, 82 mal (41,2 0/,) ! Eine Ausnahme in dieser Hinsicht bildet zum Beispiel die von SIEBEN- ROCK (1893) beschriebene Brogkesia supereiliaris Kuhl, deren Caudalwirbelsäule keine Hämapophysen besitzt. Auf $.104 sagt Siebenrock: »Um so merkwür- diger ist es nun, daß bei der, den C’hamaeleon-Arten so nahe stehenden Broo- kesta die unteren Bogen an der ganzen Caudalwirbelsäule fehlen und dadurch ein weiteres Merkmal zutage tritt, welches Drookesia von allen übrigen lebenden Sauriern unterscheidet.« Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 423 Wirbel 33, 53mal (26,6 %/,) Wirbel 34, 56mal (28,1 %/,) Wirbel 35 und 7mal (3,5 %/,) Wirbel 36, welcher den ersten unteren Bogen trug. Eine besondere Eigentümlichkeit der Schwanzwirbel, die ich nieht unerwähnt lassen will, ist die Querteilung der Wirbelkörper. Wie bekannt, bestehen nur die vordersten Caudalwirbel aus einem Stücke. Die hinteren aber sind durch eine senkrechte Fuge in einen vorderen etwas kürzeren und einen hinteren längeren Abschnitt ge- teil. Die Querteilung der Saurierwirbel wurde 1853 von HYRrTL eingehend behandelt, doch war sie schon früher Cuvıer bekannt. Bei Zacerta muralis, deren Caudalwirbelsäule ich auf die Quer- teilung der Wirbel genau geprüft habe, war 15mal (7,5 %/,) der fünfte, 172 mal (86,4 °/,) der sechste und 12 mal (6,0 %,) der siebente Caudalwirbel als erster geteilt. In der Gesamtreihe der Wirbel war es 5mal (2,5 °/,) Wirbel 34, 86mal (43,2 %/,) Wirbel 35, 59 mal (29,6 °/,) Wirbel 36, 45mal (22,6 °/,) Wirbel 37 und 4mal (2,0 °/,) Wirbel 38. Nachdem nun die einzelnen anatomischen Tatsachen, die sich bei der Untersuchung des Rumpfskeletes an 199 Exemplaren von Lacerta muralis ergaben, kurz geschildert sind und ein genügend reichliches Material von Varietäten vorliegt, ist die Frage zu erörtern, ob die einzelnen Teile der Wirbelsäule in gegenseitiger Abhängig- keit variieren. Um diese Frage zu beantworten, und zu sehen, in welcher Richtung . und in welchem Grade sich die einzelnen Variationen gegenseitig be- einflussen, habe ich, wie in meiner vorigen Arbeit, mein Beobachtungs- material in Korrelationstabellen geordnet. Nur einige Exemplare mit sehr selten vorkommenden Variationen sollen außerdem noch einzeln für sich und zwar im Zusammenhange mit den Extremitätenplexus geschildert werden. Es sind das diejenigen Fälle, bei denen Varia- tionen am Sternum und am proximalen Teil der Wirbelsäule ange- troffen wurden. In der umstehenden Tabelle 1 ist das Verhalten der letzten langen Rippe dem ersten Sacralwirbel gegenüber dargestellt. Da die letzte lange Rippe bei ein und demselben Tiere auf beiden Seiten eine verschiedene Lage haben kann, so wird jede Körperhälfte für sich einzeln betrachtet, so daß die Gesamtzahl der Beobachtungen 398 ist. Die Tabelle gibt zunächst in absoluten Zahlen an, wie oft bei jeder Lage der letzten langen Rippe die verschiedenen Lagen des ersten Sacralwirbels vorkommen. Nebenbei ist zugleich auch die prozentische Häufigkeit der Fälle in Klammern gesetzt. Gehört die letzte lange Rippe dem Wirbel 19 an, so ist stets (100,0 °/,) Wirbel 27 494 Konrad Kühne der erste Sacralwirbel. Gehört die letzte lange Rippe dem Wirbel 20 an, so ist in der allergrößten Mehrzahl der Fälle (92,0°/,) Wirbel 28 erster Sacralwirbel. Die Lage der letzten langen Rippe am 21. Wirbel ist meist (46,2°/,) mit 28 präsacralen Wirbeln, d.h. dem Beginne des Saerums vom 29. Wirbel verbunden, doch ist in einem bedeutenden Teil der Fälle (39,3°/,) auch Wirbel 28 erster Sacralwirbel. Gehört die letzte lange Rippe dem Wirbel 22 oder 23, so ist der erste Sacral- wirbel meist (80,4 0/, und 92,90/,) Wirbel 30, es kann hier aber auch Wirbel 31 erster Sacralwirbel sein. Aus den angegebenen Zahlen geht deutlich hervor, daß, wenn die letzte lange Rippe mehr nach hinten liegt, auch das Sacrum sich mehr nach hinten verschiebt. Es ist also eine Tendenz vorhanden, Tabelle 1. Die letzte Erster Sacralwirbel ist Wirbel: lange Rippe 27 28 29 30 gehört dem || | nzanı san Anzahl ea Wirbel: der | 0, | aer | 09 | der | 0 | der Beob Beob. Beob. Beob 19 332100:0). ae zu 20 ı 0e5| 10 a0) 9 59| — 21 _ "(| 046898) 54 de) 17 22 N EEK RN: 23 EN a ee 13 (9 Summe d | Benbarziuneseill 76 DI OB 402) er (20,4), 112 (28,1) das Intervall zwischen der letzten langen Rippe und dem Sacrum bei allen Variationen relativ konstant zu erhalten, das heißt also die Lumbaleinschnürung des Rumpfes, welche topographisch und physiologisch der Lumbalwirbelsäule anderer Wirbeltiere analog ist, auf eine bestimmte Zahl von Segmenten zu beschränken. Die Zahl der Wirbel, welche den lumbalen Abschnitt der Dorsal- wirbelsäule repräsentierten, betrug 81mal (20,4°/, aller Fälle) sechs Wirbel, 289 mal (72,6°/, aller Fälle) sieben Wirbel und 28mal (7,0%, aller Fälle) acht Wirbel. Wie sich die Anzahl der Wirbel des Lumbal- abschnittes bei den verschiedenen Lagen des Sacrums verhielt, zeigt Tabelle 2. In den vertikalen Reihen ist die absolute sowie prozentische Häufigkeit der verschiedenen Wirbelzahlen des Lumbalabschnittes bei verschiedenen Lagen des Sacrums angegeben. Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 4295 Aus Tabelle 2 ist zu ersehen, daß der Lumbalabschnitt in einem Fünftel aller Fälle (20,4°,) sechs Wirbel enthält, in nahezu drei Viertel aller Fälle (72,6°/,) sieben Wirbel und in etwa einem Vier- zehntel aller Fälle (7,0°/,) acht Wirbel. Bei aller aus Tabelle 1 sich ergebenden Korrelation zwischen der Lage der letzten langen Rippe und des Sacrums wird hier (Tabelle 2) eine zweite Tendenz deutlich: je länger der präsacrale Abschnitt, um so länger pflegt auch der lumbale Abschnitt der Wirbelsäule zu sein. Ein kurzer, aus sechs Wirbeln bestehender Lumbalabschnitt wird, je weiter das Sacrum abrückt, um so seltener (66,6/,, 23,50%, 22,2°/,, 11,6°,) und wurde bei der distalsten Lage des Sacrums gar nicht angetroffen. Ein langer, aus acht Wirbeln bestehender Lumbalabschnitt wurde bei Tabelle 2. Erster Die Wirbelzahl des Lumbalabschnittes ist: Sacralwirbel 6 7 Ss ist Wirbel: | Anzahl Anzahl Anzahl Summe der 0 d der 0 d der 0 od der Beobachteg. Beob. Beob. Beoh. Summe der Beobachtungen den die Hälfte aller Fälle umfassenden proximalen Lagen des Sacrums gar nieht angetroffen, bei weiterem Abrücken des Sacrums dagegen mit steigender Häufigkeit (11,1°/,, 15,2°/, und 66,6 %/,). Tabelle 3 zeigt die Beziehungen zwischen den Variationen der Lage des ersten unteren Bogens und der Lage des ersten! Sacral- wirbels. Da der erste untere Bogen stets symmetrisch angelegt ist, so werde ich hier, sowie auch bei der Feststellung der gegenseitigen Beziehungen zwischen den Variationen des Sacrums und der Lage des ersten quergeteilten Wirbels nicht jede Körperhälfte einzeln, sondern beide Hälften als Ganzes betrachten. Die Gesamtzahl der Beobachtungen ist demgemäß 199. Die Lage des Sacrums wird, 1 Als ersten Sacralwirbel bezeichne ich in der Tabelle 3 denjenigen Wirbel, welcher beider- oder nur einerseits mit dem Ilium als erster in Beziehung steht. 426 Konrad Kühne wie in Tabelle 1, durch die Lage des ersten Sacralwirbels repräsen- tiert. Jede einzelne von den elf Sacrumformen für sich in die Tabelle aufzunehmen, würde die Zahlen sehr zerstreuen und den allgemeinen Überblick bedeutend erschweren. Tabellen, welche nach dem Wirbel geordnet waren, der als erster beiderseits sacralen Charakter hatte, wie auch Tabellen, welche den letzten Wirbel zum Ausgangspunkt hatten, der ein- oder beiderseits sacralem Charakter hatte, zeigten so außerordentlich geringe Differenzen, daß sie in keiner Weise die Vorstellung über den Grad und den Sinn der gegenseitigen Be- ziehungen zwischen den Variationen änderten. Tabelle 3. Der erste | Erster Sacralwirbel ist Wirbel: untere 27 28 29 30 31 Bogen ge- Anzahl | Anzahl | Anzahl | Anzahl | | Anzahl hört dem | aer 0/g der | 0/, | der | 0 | der | Wirbel: || Beob. | Beob. Beob. | | Beob 2 1 100 - HI - | - 33 I 2 aa 78 Mana oo 34 Inn] ar ee Bor en 35. an | 2 ee ae O0 36 IE le 2 ME re Summe der | 3 | Bean 3, do) #90: Naaız) 40 20.0 ob Tabelle 3 gibt auf den ersten Blick die deutliche Vorstellung einer Korrelation. Gehört der erste untere Bogen Wirbel 32, so ist Wirbel 27 der erste Saeralwirbel. Trägt Wirbel 33 den ersten unteren Bogen, so ist in den allermeisten Fällen (95,1%,) Wirbel 28 erster Saeralwirbel; Wirbel 27 und 29 kommen nur in je 2,4°/, vor. Gehört der erste untere Bogen Wirbel 34, so ist in der überwiegenden Mehr- zahl der Fälle (60,4°%,) Wirbel 29 erster Sacralwirbel, doch fallen hier 39,6°/, auf solche Fälle, wo Wirbel 28 der erste Sacralwirbel ist. Es ist genau dasselbe Bild, wie in Tabelle 1, welche die Be- ziehungen zwischen Sacrum und der letzten langen Rippe zeigt. Gehört der erste untere Bogen Wirbel 35, so ist meist (89,3%) Wirbel 30 erster Saeralwirbel und nur 10,70, aller Fälle waren mit einer proximaleren Saerumform kombiniert. Die distalste Lage des ersten unteren Bogens (Wirbel 36) ist mit den zwei distalsten Lagen des Saerums verbunden. Es ist hier wiederum eine positive Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 427 Korrelation vorhanden, d. h. eine solche, wo beide Charaktere in gleicher Richtung variieren, also ein Bestreben seitens des Organismus, den ersten unteren Bogen in einer bestimmten Entfernung vom Sacrum entstehen zu lassen. Das gleiche Verhalten des ersten unteren Bogens gegenüber dem Sacrum konnte ich auch für Lacerta viridis und agılks (1913, S. 567) konstatieren. Das steht im vollen Einklange mit den Angaben von Cuaus (1876) für Salamandra maculosa, PARKER (1896) für Necturus und E. ROSENBERG (1896) für Myrmecophaga jubata. Wie sich die Entfernung des ersten unteren Bogens vom Sacrum bei den verschiedenen Lagen des letzteren gestaltet, zeigt Tabelle 4. Tabelle 4. Erster Der erste untere Bogen gehört dem Caudalwirbel: Saceralwirbel 3 4 5 i i ie ist Wirbel Anzahl | Anzahl Anzahl | Summe der | 0% der | A der | 0 | der Beob. | | Beob. Beob. Beobachtg. 27 LS er 2 28 —-— | 832 (88| 17 29 az 33 zd) 6 30 ee ea 5 31 —-— | 1100| — Summe der 3 it 1e6, (834, | 30 Beobachtungen Man sieht, daß hier nur eine sehr schwache Korrelation vorhanden ist. Am dritten Caudalwirbel kommen untere Bögen sehr selten vor (1,5%,). Am allermeisten kommt der erste untere Bogen am vierten Caudalwirbel vor (83,4°%/,) und ist mit allen verschiedenen Lagen des Saerums ohne besondere Auswahl kombiniert. Es ist also das normale Verhalten. Das zweite Extrem, wo der erste untere Bogen erst am fünften Caudalwirbel vorkommt, wird von 30 Fällen repräsen- tiert. Ist Wirbel 27 erster Sacralwirbel, so kommt der erste untere Bogen in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle (66,6 °/,) am fünften Caudalwirbel vor. Mit einer Rückwärtsschiebung des Sacrums nimmt die Häufigkeit des Vorkommens des ersten unteren Bogens am fünften Caudalwirbel stark ab, bis sie am 31. Wirbel Null erreicht. Die Lage des ersten unteren Bogens zeigt somit ein gewisses Zurück- bleiben bei den Verschiebungen des Sacrums, ebenso wie wir es schon bei der letzten langen Rippe aus Tabelle 2 gesehen haben. 428 Konrad Kühne In der Korrelationstabelle 5 sind die Variationen der Wirbel- säule in bezug auf die Lage des ersten quergeteilten Wirbels und die Lage des Sacrums dargestellt. Diese Tabelle zeigt schon bei einfacher Betrachtung, daß zwischen beiden Charakteren eine positive Korrelation mit einem ziemlich hohen Korrelationskoeffizienten vor- handen ist. Ist Wirbel 34 der erste quergeteilte Wirbel, so ist meist (60,0 %/,) Wirbel 27 der erste Sacralwirbel. Findet sich die erste Quer- teilung am Wirbel 35, so ist fast immer (96,5 /,) Wirbel 28 erster Sacralwirbel. Ist Wirbel 36 der erste quergeteilte Wirbel, so ist meist (62,70%/,) Wirbel 29 erster Sacralwirbel, 23,70, aber fallen auf Tabelle 5. Der erste Erster Sacralwirbel ist Wirbel: quergeteilte 27 28 29 30 31 Wirbel Ist | Anzahl Anzahl Aus! Anzahl Anzahl Summe Wirbel: | der 0/9 der 0/y der 0% der 0/9 der 0% der Beob. | Beoh. | Beob. | Beob. Beob. Beob. 34 33600: |-82...400)| 2-3 ee 35 euere — 36 — —) | 14 837)| 37 (62,7) 8 136)| — Sr —— —) | — I (100,0) | — 3 |- o|- o|- o| 3 89) 1 Beobachtungen || -3.. 5) | 99 1487| 40 @on| 56 wun| 1 die nächste proximale und 13,6°/, auf die nächste distale Form des Sacrums. Ist der erste quergeteilte Wirbel Wirbel 37, so ist stets (100,0°/,) Wirbel 30 erster Saeralwirbel. Das Vorkommen der ersten Querteilung am 38. Wirbel kombiniert sich mit dem Beginne des Sacrums vom 30. (75,0°%,) und 31. (25,0°/,) Wirbel. Wie sich die Zahl der ungeteilten Caudalwirbel oder die Lage des ersten geteilten Wirbels in der Caudalwirbelsäule bei den ver- schiedenen Lagen des Sacrums verhält, ist aus Tabelle 6 zu ersehen. Schon ein Bliek auf diese Tabelle genügt, um zu zeigen, daß hier von einer sichergestellten Korrelation nicht die Rede sein kann. Letzteres ist ja auch klar, wenn man berücksichtigt, wie stark die Korrelation zwischen der Lage des Sacrums und der Lage des ersten quergeteilten Wirbels ist (vgl. Tabelle 5). Die Korrelationstabelle 7 zeigt, in welcher gegenseitigen Be- Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 429 ziehung sich die Lage der letzten langen Rippe und die Lage des ersten unteren Bogens befinden. Tabelle 6. Erster | Die Zahl der ungeteilten Caudalwirbel ist: Sacralwirbel, 4 5 6 ist Wirbel: Anzahl | Anzahl | Anzahl | | Summe der 0% der 0/p der | 0), | der Beob. Beob. | Beob. | Beobachtg 27 1.0 BB ee ee 3 | 28 2 (2,0) | 87° (88,0) | 10 (10) 99 29 4 (10,0) | 836 (90,0) | - 4 |.0 30 87, (a Aa 2,56) | 56 31 re ee (100,0). - oO) 1 Summe der | ; | Beobachtungen | 15 (75) | 172 864 | 12 (60) | 199 Tabelle 7. Die letzte Der erste untere Bogen gehört dem Wirbel: langeRippe 32 33 34 35 36 gehört dem Anzahl Anzahl Anzahl | Anzahl Anzahl Summe Wirbel: der 0/g der v7) der 0/n der 0 ) der Beob Beob. Beob. Beob, Beob. 19 ee ee | 20 — (—) 671 81,7%)| 25 1833| — (—) — 21 — (—) 15 8859| 30 51,79)| 3 24 — 22 — (—) _- —)!.8 (57) 38 (45) 5 23 al Bee ee | Summe der | Beobachtungen Man sieht deutlich, daß die Variationen in der Lage der letzten . langen Rippe und des ersten unteren Bogens, wie es schon aus den Beziehungen des Sacrums zu diesen Gebilden (Tabelle 1 und 3) zu erwarten war, die gleiche Richtung einhalten. Das gleiche Verhalten 2 Unter diesen 67 Fällen, bei welchen die letzte lange Rippe dem 20. Wirbel angehört, befindet sich auch ein Fall, wo die letzte lange Rippe einerseits dem 20., andererseits. aber dem 21. Wirbel angehört. Da der Lage des ersten unteren Bogens am 33. Wirbel in den allermeisten Fällen eine Lage der letzten langen Rippe am 20. Wirbel entspricht, so habe ich den betreffenden Fall in diese Rubrik aufgenommen. Konrad Kühne 430 würden wir auch zwischen den Beziehungen der Lagen der letzten langen Rippe und des ersten quergeteilten Wirbels finden. Eine sehr intensive Korrelation besteht, wie aus Tabelle 8 zu ersehen ist, zwischen der Lage des ersten unteren Bogens und dem ersten quergeteilten Wirbel. Nachdem nun die am häufigsten vorkommenden Variationen in ihrem gegenseitigen Zusammenhange dargestellt sind, will ich hier, bevor ich das Skelet verlasse, noch diejenigen Fälle mit den sehr selten vorkommenden Variationen am vorderen Ende der Wirbelsäule, welehe in den gegebenen Tabellen nicht berücksichtigt sind, im Zusammenhange mit den übrigen Verhältnissen am Achsenskelete Tabelle 8. Der erste Der erste quergeteilte Wirbel ist Wirbel: untere 34 35 36 37 38 Bogen Ber ern Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl Summe hört dem der 0% der 0/p der 0/g der 0/, der 0/, der Wirbel: Beob. Beob. | Beob. | Beob Beob. Beob, | l | 32 ı WO reatte e| eTS See 33 I! 49) 75 015) .3.827.|.—.. (mL au 2 34 | — (—) 1 2083| 42 (92)| — —) | — 35 Ile (—) _ -)! 14 380) 42 (0))| — s |=- oa|=- e|ı=- o| sg) 4 en) 5 wol 5 ar 9 wo #5 Ba A schildern. Bevor ich aber zu diesen Fällen übergehe, halte ich es für notwendig, eine kurze Definition der zurzeit normalen Wirbel- säule von Lacerta muralis zu geben, um dann jede Abweichung von der Norm als proximale oder distale Variation bezeichnen zu können. Die normale Wirbelsäule von Lacerta muralis zeigt auf Grund meiner Beobachtungen folgendes Verhalten: Die ersten drei Wirbel besitzen keine freien Rippen. Das erste freie Rippenpaar gehört dem vierten Wirbel an. Die Rippen des 4., 5. und 6. Wirbels sind kurz und flach. Die Rippen des 7. und 8. Wirbels sind lang und haben die Form typischer Dorsalrippen; sie enden frei. Die Rippen des 9.—13. Wirbels verbinden sich mit dem Brustbein. Das letzte lange Rippenpaar gehört Wirbel 20 an. Das Sacrum besteht aus zwei Wirbeln, Wirbel 28 und 29. Dem letzten Sacralwirbel folgen 50—55 Schwanzwirbel. Der erste untere Bogen gehört dem vierten Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 431 Caudalwirbel oder dem 33. Wirbel der Reihe an. Die Querteilung der Caudalwirbel beginnt vom 6. Caudalwirbel oder vom 35. Wirbel der Gesamtreihe. Ein solches Zusammentreffen dieser einzelnen Ver- hältnisse habe ich bei 58 Exemplaren von Lacerta muralis angetroffen, also in 29,10/, aller Fälle, was zugleich auch die allerhäufigste Kombi- nation war. Einzeln sollen nun noch folgende Fälle mit Variationen am vorderen Teil der Wirbelsäule und am Brustkorbe erwähnt werden: Exemplar 160 (vgl. Textfigur 1 auf S. 412). Wirbel 4 besitzt nur auf der rechten Seite eine freie bewegliche Rippe, welche auf der linken Seite ganz fehlt. Die Rippen des 5. und 6. Wirbels sind beiderseits kurz und enden verbreitert. Der 7. Wirbel trägt auf der rechten Seite, wie in der Norm, eine lange schlanke Rippe, die linke Rippe dieses Wirbels ist aber kurz und verhält sich wie die der vorhergehenden Rippen. Bis zum Beginne der Lumbaleinschnürung des Rumpfes ist alles normal. Die letzte lange Rippe gehört Wirbel 21 an und der Beginn der Lumbaleinschnürung ist demnach um ein Segment mehr nach hinten verlegt als in der Norm. Das Sacrum ‚besteht normalerweise aus Wirbel 28 und 29. Die Halsregion zeigt in diesem Falle, was die linke Seite anbetrifft, die Tendenz, sich mehr nach hinten zu verlängern. Im Einklange damit ist auch der Beginn der Lumbaleinschnürung des Rumpfes um ein Segment gegen die Norm nach hinten zu verschoben. Das Saerum ist weder nach vorn noch nach hinten verschoben und hat seine normale Lage. Allerdings ist die normale Lage des Sacrums (Wirbel 28 und 29) auch zugleich eine der proximalsten Lagen, denn ein noch mehr rostral gelegenes Sacrum habe ich unter allen 199 untersuchten Exemplaren nur in drei Fällen angetroffen, während distalere Formen in 101 Fällen angetroffen worden sind. Man könnte nun erwarten, daß im betreffenden Falle ein mehr distales Sacrum vor- handen sein sollte, und das Zusammentreffen von einer distalen Variation im vorderen Abschnitte der Wirbelsäule mit einem proxi- mal gelegenen Sacrum würde demnach als ein Ausdruck einer nega- tiven Korrelation erscheinen, wenn nicht andere Gründe für die entgegengesetzte Auffassung sprechen würden. Die Abweichungen am vorderen Ende der Wirbelsäule sind nur auf der linken Seite vorhanden, während auf der rechten Seite alles normal ist. Die Abweichung ist somit, im allgemeinen genommen, sehr gering und konnte deswegen, sogar bei Vorhandensein einer intensiven Wechselbeziehung, nicht einen großen Einfluß auf die 432 Konrad Kühne “ weiter gelegenen Teile der Wirbelsäule ausüben. Die vordere Grenze der Lumbaleinschnürung ist um ein Segment von der Norm nach hinten verschoben, was schon als Ausdruck einer gewissen Korre- lation gelten kann. Wenden wir unseren Blick vom Sacrum auf den Plexus lumbosaecralis, so finden wir wohl eine für das betreffende Sacrum gewöhnliche vordere Grenze des Plexus lumbosacralis (Nerv 25), die hintere Grenze ist aber um ein Segment weiter nach hinten ge- rückt. Im vollen Einklange mit diesem Verhalten ist auch der Schwerpunkt des Plexus lumbosacralis gegenüber dem Sacrum stark nach hinten verlegt. Es ist also eine deutliche Reaktion seitens des Plexus lumbosacralis bemerkbar, welche aber nicht genügte, um auch das Saecrum zu einer weiteren Verschiebung nach hinten zu zwingen. Nachdem wir die Nervengeflechte der vorderen und hinteren Extremi- täten betrachtet haben, werde ich nochmals auf diesen Fall zurück- kommen. Exemplar 15 und Exemplar 68 (vgl. S. 412). In beiden Fällen trägt Wirbel 4 die erste freie Rippe. Die Rippen des 5. Wirbels sind kurz und flach. Die Rippen des 6. Wirbels sind nicht wie in der Norm kurz und abgeplattet, sondern haben eine längliche und schlanke Gestalt, wie es für die typischen Dorsalrippen charakte- ristisch ist. Diese Rippen, welche bei Exemplar 15 etwas länger sind als bei Exemplar 68, nehmen, ihrer Größe wegen, einen wesent- lichen Anteil an der Bildung des Brustkorbes. Es ist somit in beiden Fällen, besonders aber bei Exemplar 15, ein Vordringen des Brust- korbes ganz evident. Wie sind nun die Verhältnisse am distalen Abschnitte der Wirbelsäule? Die Lumbaleinschnürung des Rumpfes beginnt in beiden Fällen am 20. Wirbel, also auch sehr proximal. Das Sacrum besteht bei Exemplar 15 aus Wirbel 27 und 28 und hat somit die allerproximalste Lage, welche überhaupt bei Lacerta muralis angetroffen worden ist. Das Saerum von Exemplar 68 hat ebenfalls eine proximale Lage und besteht aus Wirbel 28 und 29. Die Tat- sache der Korrelation, welche aus den gegebenen Tabellen ganz deutlich hervorgetreten ist, wird durch diese einzelnen Fälle nur bestätigt. Es sind noch drei Fälle (Exemplar 63, 97 und 105) zu erwähnen, wo die Zahl der Sternalrippen durch die Rippe des Wirbels 14 einer- oder beiderseits‘ vergrößert (vgl. Fig. 3, 4 und 5) und der Brust- korb somit mehr nach hinten zu verlängert ist. Exemplar 63. Mit dem Brustbeine verbinden sich rechts (Fig. 5) normalerweise die Rippen des 9.—13. Wirbels. Auf der linken Seite Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 433 tritt noch die 14. Rippe mit dem Brustbeine in Beziehung. Die letzte lange Rippe gehört Wirbel 22 an, so daß der Beginn der Lumbal- einschnürung des Rumpfes eine sehr distale Lage hat. Das Saerum besteht aus Wirbel 30 und 31, was nahezu die distalste Lage des Kreuzbeins von Lacerta muralis ist. Exemplar 97. Mit dem Brustbein treten beiderseits die Rippen des 9.—14. Wirbels in Verbindung. Der Brustkorb ist demnach auch in diesem Falle nach hinten verlängert. In vollem Einklange damit ist auch der Beginn der Lumbaleinschnürung und das Sacrum weit nach hinten verschoben; sie zeigen genau dasselbe Verhalten wie bei Exemplar 63: Wirbel 23 erster der Lumbaleinschnürung, Wirbel 30 und 31 sind Sacralwirbel. Exemplar 105. An das Brustbein treten, wie im vorigen Falle, beiderseits die Rippen des 9.—14. Wirbels heran. Die letzte lange Rippe gehört, wie auch bei Exemplar 63 und 97, dem 22. Wirbel an, das Sacrum aber besteht aus Wirbel 31 und 32 und hat somit die allerdistalste Lage, welche überhaupt bei Lacerta muralis an- getroffen worden ist. Somit liefern auch die letzten drei Fälle den einstimmigen Be- weis dafür, daß alle Teile der Wirbelsäule von Lacerta muralis die Tendenz haben, in gleicher Riehtung zu variieren. Um ein einheitliches Bild über die Wechselbeziehungen zwischen den proximalen und distalen Variationen am vordern Thoraxgebiete und den Variationen in der Lage der letzten langen Rippe und des Saerums zu geben, habe ich die betreffenden Befunde tabellarisch zusammengestellt. Tabelle 9 zeigt die Beziehungen zwischen den Variationen im vorderen Thoraxgebiet und den Variationen in der Lage der letzten langen Rippe. Ist das vordere Thoraxgebiet proximal verschoben, so gehört die letzte lange Rippe stets dem 20. Wirbel an und ist demnach sehr proximal gelegen. Eine noch proximalere Lage der letzten langen Rippe wurde von mir nur an einem Exemplar beob- achtet, wobei in diesem Falle das vordere Thoraxgebiet ein normales Verhalten zeigte. Bei den Fällen, bei welchen die vordere Thorax- . grenze distale Variationen zeigte, gehörte die letzte lange Rippe in 16,70, der Fälle Wirbel 21 und in 83,3%, der Fälle Wirbel 22 und zeigte demnach auch eine Verschiebung in distaler Richtung. Tabelle 10 zeigt die Beziehungen zwischen den Variationen im vorderen Thoraxgebiet und den Variationen in der Lage des Sacrums. Morpholog. Jahrbuch. 49. 2 29 434 Konrad Kühne Man sieht deutlich, daß auch hier eine gleichsinnige Verschiebung stattfindet. Plexus brachialis. An der Bildung des Plexus brachialis von Lacerta muralis beteiligen sich meistens (47,9°/, aller Fälle) die ventralen Äste des 6. bis 9. Spinalnerven, häufig die des 6. bis 10. Spinalnerven (38,7°/, aller Fälle), seltener die des 5. bis 9. Spinal- Tabelle 9. Das vordere Die letzte lange Rippe gehört dem Wirbel: Thorax - 19 20 21 22 23 gebiet ist: Anzahl Anzahl Anzahl | Anzahl Anzahl der /o | der der 0/g der %/o | der Beob, Beob. Beob. Beob. Beob. proximal Fe a +4 verschoben 4 (100,0) u) normal 2 159 (41,0)| 116 (29,9) distal verschoben — el) 1, d6, (0,5) | 163 (41,0)| 117 (29,4) | 102 Summe der Beobachtungen Tabelle 10. Das vordere Erster Sacralwirbel ist Wirbel: Thorax- 27 28 29 30 31 gebiet Ist: Anzahl | Anzahl | | Anzahl | | Anzahl | Anzahl | Summe der 0% | der | 0) der 0) der 0% der | 0/ der Beob. | | Beob. | Beob. Beob. Beob. | Beob. [ I I a F | 2; | proximal Ei Be er, 2 ee: = hen 2 (50,0) | 2 (50,0) Ca = = 4 normal 4 (10) |193 (4,7) 81 (20,9 109 @81)| 1 (0,3)]| 388 distal | | varscHobn e=\ I 36 ee) | 3 (50,0) 2 (33,3) 6 ee 6 (15)1196 (492)| 81 20 112 281) 3 0,8) | 398 nerven (11,8°/, aller Fälle), und ganz selten (1,5°, aller Fälle) ist der Plexus brachialis vom 5. bis 10. Spinalnerven gebildet. Nur einmal habe ich einen Plexus brachialis von Lacerta muralis beob- achtet, welcher von den ventralen Ästen des 6. bis 11. Spinalnerven gebildet wurde. Hier war ein Wirbel mit drei Rippen versehen, und diesen Fall will ich, wie bereits eingangs erwähnt, an anderer Stelle Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 435 beschreiben, Somit lassen sich bei Lacerta muralis folgende Ver- hältnisse in betreff der segmentalen Zusammensetzung des Plexus brachialis (Hauptplexus) feststellen (siehe untenstehende Tabelle) !, Zusammensetzung des Plexusbrachialis bei Lacerta muralis: vV VI VO VIOH IX . . . 47 Fälle (11,8%). Wie auch bei Tarentola annu- larıs (Platydactylus aegyptieus) (F.), Zonurus giganteus (S.), Phrynosoma cornutum (F.),und individuell bei Luacerta viridis und Lacerta agilis (K.). DENIEyI VII IX X. , 6 Fälle (1,5%). Eine sonst bei den Reptilien nie beobachtete Zusammen- setzung des Plexus brachialis. VI vH VIH IX . . . 191 Fälle (47,9%). Wie auch bei der überwiegen- den Mehrzahl der kionokranen Lacertilier (F., v. Jh.), bei Chaleides tridactylus (C.), Zo- nurus sp. (v. Jh.), Zonurus cordylus (F.), Calotes jubatus (F.), Varanus Salator und Ascalabotes fascieularis?. vI VO VII IX X. . 154 Fälle (38,70%). Wie auch bei @ecko verti- eillatus (guttatus) (v. Jh.), He- midactylus mabonia (F.), Uro- plates fimbriatus (F.), Lygo- somasmaragdinum (F.), Colotes oristatellus (v. Jh.), Agama atra (v. Jh.), Draco volans (F.), Draco lineatus (F.), Sphenodon punctatus (O., F.) und indivi- duell bei Lacerta viridis und Lacerta agilis (K.). WENN IX X XI. 1 Fall. Wie auch bei Sphenodon punctatus (P.). 1 Die allermeisten Angaben über den Plexus brachialis anderer Reptilien habe ich im betreffenden Falle der bekannten Arbeit FÜRBRINGERs entnommen (1900, S. 369). Die in Klammern gesetzten Buchstaben bedeuten: C.: CARLSON, F.: FÜRBRINGER, v. Jh.: v. JHERING, K.: KÜHNE, 0.: OsawA, S.: SAUVAGE. 2 v. JHERING (1878, S. 90) und nach ihm FÜRBRINGER (1900, S. 369) geben für den Plexus brachialis von Ascalobotes fascicularis an, er sei vom 6. bis 10. Spinalnerven gebildet. Dagegen lassen die Angaben SoBoLEws (1913, S. 406) darauf schließen, daß der Plexus brachialis von Ascalobotes aus 4 Wurzeln, nämlich denjenigen des 6. bis 9. Spinalnerven besteht. An einer anderen Stelle (S. 92) gibt JHERING für Ascalabotes auch einen aus den 6. bis 9. Spinalnerven bestehenden Plexus brachialis an. Es handelt sich hier gewiß um individuelle Varietäten. | 29* 456 Konrad Kühne Das normale Verhalten ist demnach eine Zusammensetzung des Plexus brachialis aus den ventralen Ästen des 6. bis 9. Spinalnerven, welches fast in der Hälfte aller Fälle (47,90%/,) beobachtet wurde. Von diesem normalen Zustande breitet sich der Plexus brachialis entweder nach vorn oder nach hinten zu aus. Sehr selten (1,5%, aller Fälle) findet sich zugleich eine Beteiligung des 5. sowie auch des 10. Spinalnerven am Plexus brachialis und somit eine Zusammen- setzung des Geflechtes aus sechs Wurzeln. Eine solche Zusammen- setzung des Plexus brachialis habe ich sonst nie bei Reptilien beob- achtet und auch keine Angaben darüber in der Literatur gefunden. Einen aus sechs Wurzeln bestehenden Plexus brachialis, an welchem aber die ventralen Äste des 6. bis 11. Spinalnerven Anteil nehmen, gibt FÜRBRINGER für Hatteria (Sphenodon punctatus) an und bemerkt dabei (1900, S. 574), daß mit der Zahl von sechs Wurzeln der Plexus brachialis von Sphenodon zugleich das höchste bei den lebenden Sauropsiden vorkommende Maß erreicht. Nach FÜRBRINGER zeigt kein anderes untersuchtes lebendes Reptil mehr als fünf Wurzeln für den Hauptplexus, und nur einzelne Vögel (Charadrius, Columba) erreichen auch die Sechszahl der Wurzeln. Einen solchen Plexus brachialis habe ich bei Lacerta muralis beobachtet und den Fall, wegen einer Reihe von seltenen Anomalien, welche das Skelet des betreffenden Tieres zeigte, anderweitig beschrieben. Dieser Fall zeigt somit der Norm gegenüber eine stark nach hinten (um zwei Nerven) gehende Ausbreitung des Plexus brachialis unter Erhaltung der normalen proximalen Grenze (Nerv VI). Solche Fälle sind sehr selten, im allgemeinen aber verschieben sich die Grenzen des Plexus brachialis in gleicher Richtung. Nimmt der 5. Spinalnerv Anteil an der Bildung des Plexus brachialis, so bleibt der 10. Spinalnerv meist frei, verbindet sich, umgekehrt, der 10. Nerv mit dem Plexus, so findet man meist keine Beteiligung des 5. Spinalnerven am Arm- geflecht. Dadurch kommt es zustande, daß Nervengeflechte, welche ihr segmentales Nervenmaterial aus verschiedenen Segmenten be- ziehen, in ihrer Zusammensetzung doch immer eine große Ähnlich- keit zeigen (imitatorische Homodynamie oder Parhomologie der Plexus von FÜRBRINGER). Die relative Stärke der einzelnen Plexuswurzeln wechselt je nach der segmentalen Zusammensetzung des Geflechtes, meist ist aber die Wurzel des achten Spinalnerven die stärkste Plexuswurzel. Die diekste Wurzel des Plexus brachialis war 2mal Nerv 7, 4mal .Nerv 7 und 8, 288mal Nerv 8, 75mal Nerv 8 und 9 und 29mal Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 437 Nerv 9. Wie sich die Lage der stärksten Nerven des Plexus brachialis bei der verschiedenen segmentalen Zusammensetzung des Geflechtes verteilt, zeigt nebenstehende Tabelle 11. Tabelle 11. Der Plexus | Die stärksten Plexuswurzeln sind die Nerven: brachialis | 7 en 8 8u9 9 ist gebildet I hl | Ansahl | Anzahl | | Anzahl | Anzahl S nzah nza | nzah nzahl | nzah Dumme von den der | 0/g der | 0/, der 0 der | 0/, der 0, | Nerven: Beob. | Beob | Beob. | Beob. | Beob. za 5-9 Be NEE 691 1 0)| .ı 05|lı71 .868| 20 doY| A 6—10 — (—) —_ (—) | 75. (487) 54 B5,1)|: 25 = en : z eobapitungen | 2 05 | 4 (Lo) 28 za| 75 (188)! 20 Man sieht, daß mit der Verschiebung der Plexusgrenzen der Schwerpunkt des Plexus brachialis sich im gleichen Sinne verschiebt. Der ventrale Ast des 5. Spinalnerven zeigt in den Fällen, wo er an der Bildung des Plexus brachialis teilnimmt, folgendes Ver- halten. Kurz nach dem Erscheinen aus dem Foramen intervertebrale teilt er sich in zwei Äste, einen proximalen und einen distalen oder caudalen. Der proximale Ast versorgt die hypaxonische und ventrale Rumpfmuskulatur, den M. sphineter colli und die Haut des Halses. Der N. thoracicus sup. V und der N. thoracieus ant. V gehen meist noch vor der Teilung des Hauptstammes ab, können aber auch von jedem der beiden Äste abgehen. Der distal verlaufende Ast begibt sich meist direkt zum Plexus- ast des 6. Spinalnerven, mit welchem er sich spitzwinklig verbindet. Er überkreuzt dabei den proximalen Ast des 6. Spinalnerven, welcher sich zur ventralen Rumpfmuskulatur begibt, ohne sich mit ihm irgend- wie zu verbinden. In einigen Fällen verbinden sich die beiden Nervenäste an der Kreuzungsstelle, so daß sie voneinander nicht abzulösen sind, wobei dann der proximale Ast des 6. Spinalnerven sich nicht direkt zu der von ihm versorgten Muskulatur begibt, sondern sich vorher mit dem proximalen Ast des 5. Spinalnerven verbindet. Es findet sozusagen ein Faseraustausch zwischen den 5. und 6. Spinalnerven statt. Der Plexusast des 5. Spinalnerven 1 Unter diesen 197 Fällen befinden sich auch sechs Fälle, in welchen der Plexus brachialis aus den 5.—10. Spinalnerven gebildet ist. 438 Konrad Kühne ist immer ein sehr dünnes Fädehen, bedeutend schwächer als der Plexusast des 10. Spinalnerven, falls ein solcher vorhanden ist. Der ventrale Ast des 6. Spinalnerven beteiligt sich stets an der Bildung des Plexus brachialis und ist, abgesehen von den Plexus- ästen des 5. und 10. Spinalnerven, dessen schwächster Ast. Bald nach dem Austritt aus dem Wirbelkanal teilt er sich in zwei Haupt- äste, einen proximalen, von welchem schon die Rede war, und einen distalen, welcher sich zum Plexus begibt und mit dem 7. Spinal- nerven zur Ansa cervicalis VI (oder V + VI) spitzwinklig verbindet. Vom Plexusast des 6. Spinalnerven entspringen einige sehr feine Ästehen, die Nn. thoraciei sup. VI. Letztere können auch vom Hauptstamme des 6. Spinalnerven vor dessen Teilung abgehen. Der ventrale Ast des 7. Spinalnerven nimmt mit dem Haupt- bestande seiner Fasern stets an der Bildung des Plexus brachialis teil. Er ist immer stärker als der 6. Spinalnerv und ist meist der drittstärkste Ast des Plexus brachialis. 2mal (0,5%, aller Fälle) war er allein und 4mal (1,0%, aller Fälle) mit Nerv 8 die stärkste Wurzel des Plexus brachialis. Bald nach dem Erscheinen aus dem Foramen intervertebrale versorgt er durch ein dünnes Fädchen die ventral von ihm gelegene hypaxonische Rumpfmuskulatur, gibt dann einige inkonstante Äste an die Muskulatur der Rumpfwand und einen relativ starken Ast für den M. serratus, den N. thoraecicus sup. VII ab und verbindet sich dann mit dem Plexusast des 6. Spinal- nerven. Der N. thoracieus sup. VII kann auch nach der Verbindung des 6. und 7. Spinalnerven abgehen. Das weitere Verhalten der Plexuswurzel des Nervus spinalis VII (oder VI+ VI oder auch V+VI+ VI) ist sehr verschieden bei verschiedenen Individuen, und ich will an dieser Stelle nicht auf die mannigfaltigen Arten der Ansenbildung eingehen. Das Verhalten der aus dem Plexus brachialis hervorgehenden Endäste ist von FÜRBRINGER in sehr ge- nauer Weise mit bezug auf die von ihnen innervierten Muskeln beschrieben (1875 und 1900), weswegen eine Wiederholung erspart werden kann. Der ventrale Ast des 8. Spinalnerven ist, wie schon erwähnt, in der allergrößten Mehrzahl der Fälle die stärkste Plexuswurzel. In 288 Fällen (74,2°/, aller Fälle) war er für sich allein, in 4 Fällen (1,0°/, aller Fälle) mit Nerv 7 und in 75 Fällen (18,8°/, aller Fälle) mit Nerv 9 die stärkste Wurzel des Plexus brachialis. Die Fälle, wo der 8. Spinalnerv die stärkste Plexuswurzel bildet, nehmen, wie aus Tabelle 9 zu ersehen ist, mit der Verschiebung der Grenzen des Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 439 Plexus brachialis nach hinten an Häufigkeit ab. Gleich nach dem Erscheinen aus dem Foramen intervertebrale gibt der ventrale Ast des 8. Spinalnerven kleine Ästchen an die hypaxonische Rumpf- muskulatur, sowie auch an die Muskulatur der Rumpfwand ab und begibt sich sodann zum Plexus brachialis. Der ventrale Ast des 9. Spinalnerven ist meist der letzte Ast des Plexus. In der Regel bedeutend schwächer als der 8. Spinal- nerv, ist er meist die zweitstärkste Wurzel des Plexus, gegenüber dem 7. Spinalnerven, welcher, wie schon erwähnt, meist die dritt- stärkste Wurzel des Plexus brachialis darstellt. Oft kann Nerv 9 allein oder mit Nerv 8 die stärkste Plexuswurzel sein. So war der ventrale Ast (des Nervus spinalis IX 29mal (7,30%, aller Fälle) für sich allein und 75mal (18,8°/, aller Fälle) mit Nerv 8 die stärkste Plexuswurzel. Mit der Verschiebung der Grenzen des Plexus brachialis nach hinten nimmt die Wurzel des 9. Spinalnerven gegen- über den anderen Plexuswurzeln bedeutend an Stärke zu. In der Mehrzahl der Fälle gibt der 9. Spinalnerv nur einige äußerst feine Fädehen an die Muskulatur der Thoraxwand ab und begibt sich mit seinem ganzen übrigen Bestande zum Plexus brachialis. Es kommt aber vor, daß sich der ventrale Ast des 9. Spinalnerven kurz nach dem Erscheinen aus dem Foramen intervertebrale in zwei Äste teilt. Der eine Ast verläuft proximalwärts zum Plexus brachialis und verbindet sich mit dem Stamm des 8. Spinalnerven. Der zweite Ast des 9. Spinalnerven verfolgt die Richtung des Hauptstammes und verhält sich genau wie die folgenden Intercostalnerven. Solche Fälle, wo der 9. Spinalnerv als Plexuswurzel so weit reduziert ist, daß er nur einen geringen Anteil an der Bildung des Plexus brachialis nimmt, zeigen stets auf der anderen proximalen Grenze des Geflechtes eine Teilnahme des 5. Spinalnerven an der Bildung des letzteren. Der ventrale Ast des 10. Spinalnerven beteiligte sich 154mal (38,7°/, aller Fälle) an der Bildung des Plexus brachialis, indem er sofort nach dem Erscheinen aus dem Foramen intervertebrale ein meist dünnes Fädchen zum Plexus entsendet, welches sich mit dem Plexusast des 9. Spinalnerven zur Ansa spinalis IX verbindet. Die Hauptmasse des Nerven dient meist zur Versorgung der Thorax- wand. In einigen Fällen aber kann die Beteiligung des 10. Spinal- nerven am Plexus brachialis sehr bedeutend sein, indem er mehr als die Hälfte seiner Fasern zum Plexus brachialis sendet. In dem Falle, wo der 11. Spinalnerv am Plexus brachialis teilnahm, war der 10. Spinalnerv besonders stark entwickelt. 440 Konrad Kühne Der ventrale Ast des 11. Spinalnerven. Eine Teilnahme des 11. Spinalnerven am Plexus brachialis habe ich nur einmal bei einem ausgewachsenen männlichen Exemplar von Lacerta muralis beobachtet. Diesen Fall habe ich wegen einiger Abnormitäten am Skelete nicht in die Tabellen aufgenommen und, wie schon erwähnt, an anderer Stelle beschrieben. Da dieser Plexus brachialis als höchst selten vorkommende Variation von Interesse ist, so scheint es mir berechtigt zu sein, diesen Fall auch an dieser Stelle näher zu erwähnen. Die Verbindung des 11. Spinalnerven mit dem Plexus brachialis fand dadurch statt, daß der Nerv ein mittelstarkes Ästchen in proximalwärts verlaufender Riehtung entsandte, welch letzteres sich mit der Plexuswurzel des 10. Spinalnerven zur Ansa spinalis X vereinigte. Dieser Plexus brachialis ist in seiner segmentalen Zu- sammensetzung dem von FÜRBRINGER (1900) beschriebenen und abgebildeten (Taf. 14, Fig. 117) Plexus brachialis von Sphenodon punctatus sehr ähnlich. Es sei hier noch kurz erwähnt, daß, während die Hauptrichtung (oder die Längsachse) des Plexus brachialis meist etwas schräg nach hinten gewandt ist, sie im betreffenden Falle eine zur Wirbelsäule fast senkrechte oder sogar ein wenig proximal- wärts gerichtete Lage hat. Die Verschiebung der hinteren Grenze des Plexus brachialis um zwei Segmente distalwärts vom normalen Verhalten (Nerv IX) braucht somit keine Lageveränderung der vorderen Extremität hervorzurufen. In diesem Falle haben wir nur eine einfache, aber ganz deutliche Richtungsveränderung der Nerven- stämme,. die den Plexus brachialis zusammensetzen. Fassen wir nun die Tatsachen, welche sich bei der Untersuchung des Plexus brachialis von Lacerta muralis ergaben, kurz zusammen, so erhalten wir folgendes: 1. Relativ am häufigsten wird der Plexus brachialis vom 6. bis 9. Spinalnerven gebildet. 2. Von diesem, als Norm zu betrachtenden Verhalten kann sich der Plexus brachialis entweder rostralwärts oder caudalwärts ausbreiten. a) Die proximal- oder rostralwärts gerichtete Ausbreitung oder Bewegung des Plexus brachialis führt zur Teilnahme des 5. Spinal- nerven am Plexus brachialis (Hauptplexus) unter bedeutender Re- duktion des 9. Spinalnerven und unter vorwiegender Verlegung des Schwerpunktes des Plexus in den Bereich des 7. und 8. Spinalnerven. b) Die distal- oder caudalwärts gerichtete Ausbreitung oder Bewegung äußert sich durch die Teilnahme des 10. Spinalnerven an der Bildung des Plexus brachialis unter Verlegung des Schwer- - er * Üb. d. Variat.d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 441 punktes des Plexus auf den 9. Spinalnerven. Das höchste Maß einer caudalwärts gehenden Verschiebung wird durch die Teilnahme des 11. Spinalnerven am Plexus brachialis unter bedeutender Ver- stärkung der Plexuswurzel des 10. Spinalnerven erreicht. Der proximale Anfang des Plexus brachialis bleibt in allen diesen Fällen an normaler Stelle (Nerv VI) erhalten. Plexus lumbo-sacralis. Er zeigt bei Zacerta muralis sowohl in seiner segmentalen Zusammensetzung als auch im Verhalten zum Saerum eine außerordentliche Mannigfaltigkeit. Genauere Kenntnisse über den Plexus lumbo-sacralis von Lacer- tiliern verdanken wir GEGENBAUR (1871), Horrmann (1876), MivArr and ÜULARrkKE (1877) sowie GApDow (1881). Die genannten Autoren haben nur einzelne Exemplare untersucht und es ist klar, daß bei der großen Mannigfaltigkeit des Plexus lumbo-sacralis die Be- schreibungen voneinander abweichen müssen. GApDow gibt eine genaue Darstellung des Verhaltens der aus dem Plexus lumbo- sacralis hervorgehenden Endäste mit Bezugnahme auf die von ihnen innervierten Muskeln. Die Beschreibung der übrigen Autoren be- schränkt sich auf den proximalen Teil des Plexus. Eine auf eine größere Anzahl von Beobachtungen sieh stützende Darstellung des Plexus lumbo-sacralis, in bezug auf seine segmentale Zusammen- setzung, habe ich für Lacerta viridis und agelis in meiner früheren Arbeit über die Variationen der Wirbelsäule und der Extremitäten- piexus dieser Tiere gegeben. Im vorliegenden Falle habe ich 398 Plexus lumbo-sacrales von Lacerta muralis untersucht, wobei sich folgendes ergab: Der Plexus war 7Omal (17,6°/, aller Fälle) aus 5 Wurzeln, 322 mal (80,9%, aller Fälle) aus 6 Wurzeln und nur 6mal (1,5%, aller Fälle) aus 7 Wurzeln gebildet. Damit unterscheidet sich der Plexus lumbo-sacralis von Zacerta muralis von denjenigen von Lacerta viridis, indem letzterer meist (64°/, aller Fälle) aus 5 Wurzeln ge- bildet wurde und nur in etwa einem Drittel der Fälle (35°,) aus 6 Wurzeln bestand. Das Vorkommen von 7 Plexuswurzeln war bei Lacerta viridis auch selten (1,0%, aller Fälle). Der Plexus lumbo-sacralis von Lacerta muralis bestand 2 mal (0,5%, aller Fälle) aus den Nerven 25—29, 142 mal (35,6%, aller Fälle) aus den Nerven 25—30, 4mal (1,0%, aller Fälle) aus den Nerven 25—31, 34mal (8,5°/, aller Fälle) aus den Nerven 26—30, 82 mal (20,7°/, aller Fälle) aus den Nerven 26—31, 19mal (4,8%, aller Fälle) aus den Nerven 27—31, 94 mal (23,5%, aller Fälle) aus 442 Konrad Kühne den Nerven 27—32, 2 mal (0,5 /, aller Fälle) aus den Nerven 27—33, 15mal (3,8°/, aller Fälle) aus den Nerven 28—32 und 4mal (1,0%, aller Fälle) aus den Nerven 28—33. Ein klares Bild der segmen- talen Zusammensetzung des Plexus lumbo-saeralis gibt unten- stehende Tabelle, in welcher die verschiedenen Plexusformen in caudalwärts schreitender Reihenfolge zusammengestellt sind. Der Plexus lumbo-sacralis besteht aus den Spinalnerven: AXV.XXVI RRV Hd RRVH RR — — _ 2 Fälle XXV XxXVI XXVII XXVII XXIX XXxX — u _ 1422 - XXV XXVI XXVI XXVIUI XXIX XXx XXXI — —_ 4 - — XXVI XXVI XxXVUl XXIX XXX — — — 34 - — XXVI XXVIU XxXVIOI XXIX XXX XXXI — — 32 - — — XXVU XXVII XXIX XXX XXXI — — 19 - — — XXVII XXVII XXIX XXX XXXl XXX 2 — 9 - — — XXVII XXVII XXIX XXX XXXI XXXI XXXUIl 2 - _ —_ — XXVUI XXIX XXX XXXI XXX — 15 - —_ — — XXVIU XxXIX XXX XXXI XXXI XXXOI 4 - Man sieht, die rostrale und die caudale Grenze des Plexus lumbo-sacralis verschieben sich in der gleichen Richtung, wobei die vordere Grenze sich um 3 Segmente, die hintere um 4 Segmente verschieben kann. Die erste Plexuswurzel war 148mal Nerv 25, 116mal Nerv 26, 115mal Nerv 27 und 19mal Nerv 28, die letzte Plexuswurzel war 2mal Nerv 29, 176mal Nerv 30, 105mal Nerv 31, 109 mal Nerv 32 und 6mal Nerv 33. Unter den Plexuswurzeln war in 55,3%, aller Fälle eine deut- lich die stärkste Wurzel des Plexus, in den übrigen 44,70%/, der Fälle waren es zwei Wurzeln, wobei diese beiden stets neben- einander lagen. Die stärkste bzw. stärksten Wurzeln des Plexus lumbo-sacralis waren 4mal Nerv 27, 36mal Nerv 27 und 28, 107 mal Nerv 28, 76mal Nerv 28 und 29, 49mal Nerv 29, 55 mal Nerv 29 und 30, 59mal Nerv 30, 1lmal Nerv 30 und 31 und 1mal Nery 31. Wie sich die Lage der stärksten Plexuswurzeln bei der ver- schiedenen Zusammensetzung des Plexus lumbo-sacralis verhält, zeigt nachstehende Tabelle 12. Aus der Tabelle ist auch die prozentische Häufigkeit der Fälle, in welchen die verschiedenen Nerven die stärksten Wurzeln des Plexus lumbo-sacralis waren, zu ersehen. Man sieht, daß mit der- Verschiebung der vorderen und hinteren Grenze des Plexus lumbo-saecralis, ganz wie beim Plexus brachialis, eine in gleicher Richtung gehende Verschiebung der stärksten Plexus- wurzeln oder des Schwerpunktes des Plexus (»strength-centre< der "uoylo] UATENTNIOA U9I2I9] IOMZ UHPp UI Tal nz yaıs uoployIoA aIg 'opına FopJga3 waAlsupeurdg 'gg—',g UP UOA SNXOLT A9p om ‘oJIRT z puıs uo]]E I ZT UOSOIP 10Juf) z ‘(65 0 8Z pun 9z ıoyun) Syray uoeytyI0A °F pun 'g op ur z ol nz yoIs uajlayleA 9Ig "purjsoq USAIDULUIdg 'TE—'CZ UP sn® SIwIows-oqung snxoLf I0p om Yonposnzumg Oz F pus 9sı 32}0s0Juomwwesnz U9AIDUBUIdS '0E—'9g UP sne sıpaoes-oqumng SNXOIT IHp Om ‘uofgg uep nz; Ub. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 443 ‘ ‘ |(n‘ ‘ -Sygoegoag 67 | Ten 92 |(69e .or | EU 9 | euuen le ae ee 2e—-88 en er al ee N il et gallma) 00 lg) .z Ge 2e-18 6 I) leo) leo) ld) — IE 3@ ee Tre: Ge m I) —- | -— TE—92 reed zero - | — || 108-9 1 Ne ae le Medi 9; 0803 Er Te — — 6888 "q09q og | "qooq "q004 "q00g "q02g "q09g “qoag ‚aoag | goal: I9p | I9p 0% I9p I9p 0/5 I9p 0/, A9p 0% Ip 0% | I9p 0, I9p op Ban mung | Iyezuy [yezuy Ifezuy Iqezuy T1T®?zuy Iqezuy Iuezuy ]UezZuVy IUezuy yoprrqe& =—— ——— — s1 sıpeaors TE TE n08 08 08 06% 65 65.088 3 sgen25 23 -oquung :U9AION 9Ip PUIS UJOZIMASNXOIT UHFSYIRIS OL suxopg ı9q Tr ‘st ?II9q® L 444 Konrad Kühne Engländer) verbunden ist. Letzteres liegt ja auch in der Natur der Sache, aber ich habe es dennoch besonders hervorgehoben, um den Vergleich meiner Resultate mit denjenigen anderer Autoren (zum Beispiel ApoLpHı, WAıtE), welche nieht die Grenzen der Plexus berücksichtigten, sondern die Lage der stärksten Plexuswurzeln für die Bestimmung der Variationen in der Lage der Extremitätenplexus benutzten, zu ermöglichen. Da aber, wie wir sehen, die Verschiebung der Grenzen des Plexus brachialis sowie des Plexus lumbo-sacralis mit einer gleichsinnigen Verschiebung des Schwerpunktes der Ge- flechte eng verbunden ist, so besteht zwischen mir und den genannten Autoren nur ein Unterschied in bezug auf die Methode. Die Unter- suchungsergebnisse können als, im gewissen Maße, gleichwertige Dinge betrachtet werden. Die Beziehungen des Plexus lumbo-sacralis zum Saerum sind in den Tabellen 153—18 dargestellt. Tabelle 13 zeigt, wie sich die verschiedene segmentale Zusammen- setzung des Plexus lumbo-sacralis zu den verschiedenen Lagen des Sacıums verhält. Die Lagen des Sacrums werden in der Tabelle durch die Lagen des ersten Sacralwirbels angegeben. Man sieht, daß mit der Verschiebung des Saerums auch eine gleichgerichtete Verschiebung des Plexus lumbo-sacralis verbunden ist. Ungeachtet der intensiven Korrelation zwischen der Lage des Sacrums und der segmentalen Zusammensetzung des Plexus lumbo-saeralis, welche sich aus Tabelle 13 ergibt, findet sich doch, wie aus derselben Tabelle zu ersehen ist, eine gewisse Unabhängigkeit oder Selbständig- keit der Variationen des Plexus lumbo-sacralis gegenüber den Varia- tionen des Saerums. Daß eine Verschiebung des Plexus lumbo- sacralis bei gleichbleibender Lage des Sacrums vorkommt und die Umbildung des Plexus somit der Umbildung des Sacrums gegenüber eine relative Selbständigkeit besitzt, glaube ich bereits für Lacerta viridis nachgewiesen zu haben (1913, S. 576 und 577, vgl. auch Taf. XIV, Fig. 4-8). Das gleiche Verhalten des Plexus lumbo- sacralis dem Saerum gegenüber wurde bereits von DAvIDorF bei den Amphibien für Salamandra maculosa konstatiert (1883). Diese gewisse Freiheit der individuellen Variierungen in der relativen Lage des Plexus lumbo-sacralis zur Lage des Sacrums finden wir auch bei Zacerta muralis, und ich könnte in gleicher Weise, wie es für Zacerta viridis geschehen ist, eine Serie von verschiedenen lumbo-sacralen Plexus bei gleichbleibender Lage des Saerums zur Illustration dieser Tatsache aufstellen, glaube aber, daß schon die LOL ‚Aypegoag ı9p ouumg 445 85 TG 6 L L6 qoaq aop awung || m em es. |ege 6 |(0‘0e) — |(g%) le — I) -q09g zp | % Iyezuy "qoag ıop qezuy qezuy %/ %o "qoag 19p IUCZuVy ITezuv ‘qoag || :Togaım 981 gta IE N08 'ErF 'S uw ZT ojpqe]L nz z Sunyuuy 'Sz 08 08 026% 66 188 :U9AION PIP PuIs UJOZINMENXOIT UP4BY.1YIS ALT EEE mn L — — — ‘vr OITI9qge L 6 sonLo -[8.I088 ACHT-AcE ‘epp 'S ne Z[ OJfpquL nz [ Sunypuuy 'S ; uedunyorgoag ıap ouumg ule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. ä Üb. d. Variat. d. Wirbels :U9AION U9P SUR 4404894 FIBIors-oqumf SNXOIT I9A EL PITOIBL, s6£ ı |eed) 6 |En 6 28 (ee) EHI g ) —; (—) — (—) — = ; == aıı on Zr Nee N - En — = 18 20.6 — I(eed) 6IT 19 — — 96T ae di 18 (F0 sel 9 . - 1 O9), — (2.9 F "qoag "qoag "qoag ‘qoog gqoeq "good 19p ı9p Oo ı9p 0/o ı9p ı9p %fo op sunung) Iqezuy Iqezuy INezuy Iqrzuy Iyqezuy iqrzuy 368-858 58 -18.7: 18713 18-98 0883 :TOGILM 981 [Pq1A[BIOeS 104817 446 Konrad Kühne gegebenen Tabellen imstande sind, genügende Auskünfte darüber zu geben. Auf die Frage, welche Nerven bei den verschiedenen Lagen des Saerums die stärksten Wurzeln des Plexus lumbo-sacralis bilden, gibt Tabelle 14 Antwort. Man sieht, daß auch hier eine gleich- sinnige Verschiebung stattfindet. Die Zahl der an dem Plexus lumbo-sacralis teilnehmenden Spinalnerven schwankt, wie schon oben erwähnt wurde, zwischen 5 und”. Wie sich die Zahl der Plexuswurzeln bei den verschiedenen Lagen des Saerums verteilt, zeigt Tabelle 15. Tabelle 15, Erster Die Anzahl der Wurzeln des Plexus lumbo- Sacralwirbel sacralis beträgt: ist Wirbel: 7 6 5 Anzahl | Anzahl Anzahl | Summe der 0/, der 0, der 0% | der Beob. | Beob | Beob. | Beobachtg. 27 a ae | 2 83) 6 28 4 (2,0) | 161 (80,6) | 31 (173) | 196 29 — ) Bo aa ae & 30 2 (1,8) 7.95: 2 (83,0). | "15. 115,2) 12 31 ee) 3 do) ee 3 en 6 (a5) |s22 mas) | To ‚88 | 398 Beobachtungen | Irgend ein Zusammenhang zwischen der Zahl der Wurzeln, welche den Plexus lumbo-sacralis zusammensetzen, und der Lage des Saerums ist aus Tabelle 13 nicht zu ersehen. Bevor wir nun zur weiteren Betrachtung der gegenseitigen Be- ziehungen des Plexus lumbo-saeralis und des Saerums schreiten, will ich noch einige Worte über die im folgenden von mir gebrauchten Bezeichnungen sagen. Der Nerv, weleher zwischen den beiden in der Norm einzigen Saeralwirbeln hinaustritt, wird nach GEGENBAUR (1871, S. 201) als Saeralnerv bezeichnet (Intersacralnerv von MIVART and ÜLARKE, 1877). Die proximal (rostral) vom Sacralnerv liegenden Spinalnerven werden als präsacrale Nerven bezeichnet, wobei als 1., 2. usw. Präsaeralnerv der 1., 2. usw. vor dem Sacralnerv liegende Spinalnerv bezeichnet wird. Die Zählung der präsacralen Plexuswurzeln findet somit von hinten nach vorn statt. Die hinter Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 447 dem Saeralnery liegenden Spinalnerven werden als 1. und 2. Post- sacralnerv bezeichnet. Am Plexus lumbo-sacralis von Lacerta kann man einen Plexus eruralis und einen Plexus ischiadieus unterscheiden; letzterem kann sich noch ein Plexus pudendus anschließen. Der Plexus ceruralis besteht aus den 2 bis 3 vorderen Plexus- wurzeln. Aus den Fasern der zwei vorderen Plexuswurzeln bildet sich der Nervus obturatoris, welcher das Os pubis durchbohrt und zu den Adductoren verläuft. Die Verbindung zwischen Plexus eru- ralis und Plexus ischiadieus bildet meist allein der erste oder zweite Präsaeralnerv, indem sich einer von ihnen in zwei Äste teilt, von denen der vordere zum Plexus cruralis, der hintere zum Plexus ischiadieus verläuft (Nervus furcalis von H. v. JHERING). Diese Ver- bindung kann auch gleichzeitig von beiden Nerven vermittelt werden, indem sich ihre Verbindungsäste überkreuzen. Wir finden hier das gleiche Verhalten, wie ich es schon für Lacerta viridis beschrieben habe (1913, 8.576). Der Plexus ischiadieus besteht meist aus drei Wurzeln, dem ersten Präsacralnerven, dem Sacralnerven und dem ersten Postsacralnerven. Die Zahl der Wurzeln des Plexus ischia- dieus kann sich noch um eine Wurzel vermehren, indem sich öfter der zweite Präsacralnerv, seltener der zweite Postsacralnery an der Bildung dieses Plexus beteiligen. Eine gleichzeitige Beteiligung von 5 Wurzeln am Plexus ischiadieus habe ich nicht beobachten können. Ein postsacraler Nerv, welcher sich am Plexus ischiadieus bezw. Plexus lumbo-saeralis beteiligt, ist fast stets vorhanden (vgl. Tabelle 17). Das stimmt nicht mit den Angaben von GEGENBAUR (1871 S. 201) und Horrumann (1876, S. 178) überein, welche die Beteiligung eines postsaeralen Nerven am Plexus lumbo-sacralis von Lacerta als gänzlich aufgehoben bezeichnen. Es handelt sich hier gewiß um individuelle Varietäten. Die Anzahl der am Plexus lumbo-sacralis beteiligten Präsaeral- nerven betrug meistens (75,6%, aller Fälle) 4, seltener (24,4 0), aller Fälle)3. Wie sich die verschiedene Anzahl der am Plexus lumbo- sacralis beteiligten Präsacralnerven bei den verschiedenen Lagen ‘des Saerums verteilte, zeigt nachstebende Tabelle 16. Ist Wirbel 27 erster Sacralwirbel, so sind stets (100,0 %,) nur 3 präsacrale Plexuswurzeln vorhanden. Mit der Verschiebung des Saerums nach hinten werden die Fälle mit drei präsacralen Plexus- wurzeln immer seltener, bis sie bei der allerdistalsten Lage des Saecrums gänzlich verschwinden. Umgekehrt nimmt die Häufigkeit 448 Konrad Kühne von 4 präsacralen Plexuswurzeln, welche bei der allerproximalsten Lage des Sacrums überhaupt nicht vorkommen, mit der Verschiebung des Saerums nach hinten stark zu, bis sie bei der allerdistalsten Lage des Saerums 100,0°/, erreicht. Es ist zu bemerken, daß La- certa viridis in dieser Hinsicht, merkwürdigerweise, gerade das ent- gegengesetzte Verhalten zeigt, indem die Anzahl der präsacralen Plexuswurzeln mit der Verschiebung des Sacrums proximalwärts zunahm!. Tabelle 16. Erster Anzahl der präsacralen Plexuswurzein: Sacralwirbel 3 4 ist Wirbel: Anzahl | Anzahl | | Summe ÄBEr Kt ur Dil, ee)? der Beobachtg. Beobachtg. | | Beob. 27 6 (100,0) — (—) 6 28 54 (27,6) 142 (72,4) 196 29 21 (25,9) 60 (74,1) || 8 30 16 (14,3) 96 (85,7) || - 412 31 _ (—) 3 (100,0) || 3 Summe der Beobachtungen Tabelle 17. Erster Anzahl der postsacralen Plexuswurzeln: Sacralwirbel 2 1 1) ist Wirbel: Anzahl Anzahl | ‚ Anzahl | Summe der 0 der | 0, der 0% N der Beob. | Beoh. Beob. | Beobachtg. 27 3 (50,0) 3 58001 — () 6 28 211 109115 89)|.— (—) 196 29 —_ —) 80 (98,8) 1 (1,2) & 30 3 (2,7) | 107 (95,5) 2.2758) 112 31 — (—) 3 1000) 1 — () ı| 3 Summe der Beobachtungen / \ | 398 | Die Anzahl der an der Bildung des Plexus lumbo-saeralis be- teiligten postsacralen Nerven betrug 368 mal (92,5°/, aller Fälle)1, 1 Vgl. Tabelle 7 auf S. 574 im Morphol. Jahrb., Bd. XLVI. Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 449 27 mal (6,8°/, aller Fälle) 2 und nur 3 mal (0,8°/, aller Fälle) fehlte die Beteiligung postsacraler Nerven am Plexus lumbo-sacralis gänz- lich. Wie sich die verschiedene Anzahl der am Plexus lumbo-sacralis beteiligten postsacralen Nerven bei den verschiedenen Lagen des Sacrums verteilt, zeigt vorliegende Tabelle 17. Aus Tabelle 17 geht deutlich hervor, daß die Häufigkeit des Vorkommens von 2 postsacralen Nerven mit den distaleren Lagen des Sacrums geringer wird, das Vorkommen von nur einem postsacralen Plexusnerven nimmt mit der Verschiebung des Sacrums nach hinten an Häufigkeit zu. Eine gänzliche Nichtbeteiligung postsacraler Nerven am Plexus lumbo-saeralis habe ich nur 3 mal beobachtet; sie war einmal mit einer mittleren Lage des Sacrums (Wirbel 29 erster Saeralwirbel) und zweimal mit einer distalen (Wirbel 30 erster Sacralwirbel) verbunden. In etwa der Hälfte aller Fälle (48,2°/,) war der erste Präsaeral- nerv die einzige stärkste Plexuswurzel, in 23,4 %/, aller Fälle war er es in Verbindung mit dem Sacralnerven und in 21,4°/, in Verbindung mit dem zweiten Präsaeralnerven. In 3,5%, aller Fälle war der zweite Präsacralnerv die einzige stärkste Plexuswurzel und in nur 2,0 %/, aller Fälle war es der Sacralnerv. Ganz selten waren der zweite mit dem dritten Präsacralnerven (1°, aller Fälle) und der dritte allein (0,5%, aller Fälle) die stärksten Wurzeln des Plexus lumbo-sacralis. Wie sich die verschiedenen Lagen der stärksten Plexuswurzeln bei den verschiedenen Lagen des Sacrums verteilen, zeigt nach- stehende Tabelle 18. Tabelle 18 zeigt, daß die Beziehungen der stärksten ;Plexus- wurzeln zum Sacrum sich bei den verschiedenen Lagen des letzteren in regelmäßiger Weise verändern. Man sieht, daß die stärksten Plexuswurzeln um so weiter vom Sacralnerv nach vorn zu liegen, je weiter das Saecrum hinten liegt. Der dritte Präsacralnerv allein oder in Verbindung mit dem zweiten Präsacralnerven kommt als stärkste Plexuswurzel nur bei einer sehr distalen Lage des Sacrums (Wirbel 30 erster Sacralwirbel) vor. Die Häufigkeit der Fälle, wo der zweite Präsacralnerv für sich allein die stärkste Plexuswurzel ist, nimmt bei der Verschiebung des Saerums nach hinten bedeutend zu. Ist Wirbel 28 erster Saeralwirbel, so ist der zweite Präsacral- nerv in 1,5°%/, der Fälle allein die stärkste Wurzel des Plexus lumbo-sacralis, ist Wirbel 29 oder 30 erster Saeralwirbel, so ist der zweite Präsacralwirbel in 3,70/, bezw. 6,3%, der Fälle die stärkste Morpholog, Jahrbuch. 49. 30 UOAHATRIOBS g Au OLE zZ SIIRJUOAL] £ -pürgsaq upqlM g Sn® wnIorg sup uoo79m 10q ‘OKT g PUIS UOIIET 26 UOSOIP aoyuf) z ‚SILIOBS-OqWN] SNXOLT SOp [OZINM SYS1EIS IP olu EA AldUpLIORS ‘zZ 10] "Pupıozaq AIHULRIORS 'T TOP UPOALALIOBS g AU UOpET P UOLOPUR up ur yons oIM “Toy 981 AlsuBadeg SIY ESEL UAATDUWIOTg Z Jıos pun opına PpI!gdS uppqum g nu ospw ‘Hz pun gg ‘27 TaqlM Sne wnIoVg SEP 0M ‘BA T YDIS opuyogq wopmT g uosoıp ao9uf] ı | (0‘) 8 (men 56 (gap). ect | Fi age re 0) p (co) z I I) Ze = | de) - WO) 8 a ı (ee) — = — IE E = ee) 2,08) 6 Ken 2 ce | Ede FT | (de L (g'8) v (87) 2 | 08 = Ekel a I RT Dre I ee 62 3 Id 9: te een lee ale el -|I|H —- 82 5 (u ze NONE ee 8 ID u 1 (=) la) — a: 2 —- 12 Syypegoag qoagq qoag qoag qoag q09q qoagq qoag |» 19p | 0% 10p 0/, ıop 0/y aop 0 ıop % aop Oo op 0) E zop suung | Iqezuy Iqtzuy [UezuV | [IUeZuUYy Iqezuvy ITtzuy | DIRV i Alu Aloujr.ıorg "n AIIOU } AIOU[B.IOUS Alou 2 AIOUJB.IOTS > on ) | TEIDBS 19T | -TRIORSBIT TE | -TEIDESRIT T | "ALLG | -TEDRSRIG GE -RILETNG | -TRIOBSBIT RE | -TOQIIM 381 | | PqIARIORS :puIs SI[EIOBS-OqUNT SUXOIT SOP UJOZIMASNXOLT 9ISYırıg | aouug "ST 3IIS29eL 450 Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 451 Plexuswurzel, und ist Wirbel 31 erster Sacralwirbel, so steigt die Häufigkeit auf 33,3%,. Im gleichen Sinne verändert sich auch die Häufigkeit der Fälle, wo der zweite Präsacralnerv in Verbindung mit dem ersten die stärksten Wurzeln des Plexus lumbo-sacralis repräsentiert. Der erste Präsacralnerv ist die relativ am häufig- sten vorkommende stärkste Plexuswurzel, wobei die Häufigkeit des Vorkommens bei den verschiedenen Lagen des Sacrums in gewissem Grade gleich bleibt. Die Häufigkeit der Fälle, wo der Sacralnerv allein für sich oder in Verbindung mit dem ersten Präsacralnerven die stärkste Wurzel des Plexus lumbo-sacralis ist, nimmt hin- gegen mit den distaleren Lagen des Sacrums bedeutend ab. Es ist also ein gewisses Zurückbleiben der stärksten Plexuswurzeln bei den Lageveränderungen des Saerums zu konstatieren. Die gleiche Tendenz machte sich auch bei der Veränderung der verschiedenen Zahl der prä- und postsaeralen Plexuswurzeln bemerkbar (vergl. Ta- belle 16 und 17). Das gleiche Verhalten des Plexus lumbo-saecralis gegenüber dem Sacrum (bezw. dem Sacralwirbel) hat auch ApoLpnHı (1898, S. 552) bei Triton taemiatus konstatieren können: wenn Wirbel XV Sacralwirbel war, so lag der Schwerpunkt des Plexus fast immer vor dem Saerum, wenn aber Wirbel XIV Sacralwirbel war, so lag dieser Schwerpunkt meist hinter dem Sacrum. ADOLPHI sieht in dieser Tatsache eine Stütze für die Annahme einer Wan- derung von Sacrum und Plexus im Gegensatze zur Theorie der Um- teilung, welche dieses Verhalten nicht zu erklären vermag. Wie sich der Plexus lumbo-sacralis bei den verschiedenen Lagen der letzten langen Rippe oder dem Beginn der Lumbaleinschnürung verhält, zeigt Tabelle 19. Man sieht deutlich, daß auch hier eine gleichsinnige Verschiebung des Plexus und der vorderen Grenze der Lumbaleinschnürung stattfindet. Nachdem wir nun das Verhalten der ar sowie lumbo- sacralen Nervenplexus von Lacerta muralis kennen gelernt haben und auch hier eine Fülle von variablen Verhältnissen nachweisen konnten, stehen wir nun vor der Frage, ob irgendwelche gegen- seitigen Wechselbeziehungen zwischen den Variationen des Plexus brachialis einerseits und des Plexus lumbo-sacralis, des Sacrums und dem Beginne der Lumbaleinschnürung andererseits vorhanden sind, sowie auch zwischen diesen und den seltenen Variationen am vorderen Ende des Brustkorbes. Sind die Variationen an den vor- deren und hinteren Extremitäten voneinander abhängig oder nicht? Nachstehende Tabelle 20 zeigt das Verhalten des Plexus lumbo- 30* ‚Chr 'S.me z[ ApqRL nz g 'azq [ Sunyaouuy Sg nz ‘gps ae [I ofPqRL nz Sunyıowuy 'S se on ss oe a ee WIE fr ee | Fe Fr ko 8 a ag h Fiß ‘ | ‘ [3 [4 ‘ Er Io 7 er reed are Ele a Fe oe |) — 01-9 u | A 7 100 ı ie Fr ar dern Fr (Te ST TER 91 (—- 169 ıF J)..- |ıH —- | Jen de era m neo Ba (ame 68 Bo | en | ‚qa09g ae ’ | "q0o9g F a 2 ler Ai es j ! es er Oo | ap | %o I ze | %o | zn | Yo | ap | % | am | %o | am | Yo | mp | %o | 2m |.uoaon uop Erle 2 22 ra ler Re RAR BI Pr EB Luc 88-85 88885 88-18 18-323 TE-98 08-98 0888 68-83 SITBIUOBIA :u9AION UP SNE 4494894 SITEIOBS-oqun] SUXOLT 19q SnXOIg 0A © ‘05 >TIIPAEL = 2 ‚pp 'S ne ZI OJPqeL, nz z Sunyuuy 'Sz 'epp 'S ne ZI ojfequ, nz [ Sunyawuy Sı rs 5 ea Nom: # en. zu ee. v6 Er le ce Een re" nme = Br >|‘ ee > B Ber SQ = Belle. —_.._ = N DITR ERTE ee RR = sr |leEemM 8 de 9 Bm 9 —ı rl ae —).. nl.) ee 20T |(0'%) NEN 1 N a a Se) 9 VE a u el 26 um | - |) —- em u \09 ı he) m IF 1 RN ale] DR > ee Ts Fe EC re a Ni 72) ar (gone na am) zei ee vo 0% 8 El he Em za He Edle SEE 2 U 0) Sal a ne 1 Ei | dor ee "109g "109g "094 I "qoag | Be 3 "qoag ||| op % 1op 9% ı9p 0/o 19p 9/0 19p Oo ToD % 23 '/o War 9 Dr | :7PPqIIM uns) RN o de a a E28 Iqezuy Iqezuy AN a. u | | wop Yıoyo8 8888 2338-83 38-18 1828 18-93 10898 08-83 6545 |oddry asur] a :uU9AI9N UP ENE 7499894 FSITBIOBS-OQWNT SNXOIT OA || 9920] O1 + GL STILE] Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 453 sacralis in bezug auf die verschiedene segmentale Lage des Plexus brachialis. Aus der Tabelle ist zu ersehen, daß, wenn der Plexus brachialis von dem 5.—9. Spinalnerven gebildet wird und somit seine proximalste Lage hat, der Plexus lumbo-saeralis 2 mal (4,3), der Fälle) von den Nerven 25—29 gebildet wird, was auch die allerproximalste Lage des Plexus lumbo-sacralis ist. Ein gleich- falls stark proximal gelegener aus dem 25.—30. Spinalnerven ge- bildeter Plexus lumbo-sacralis kommt besonders häufig (55,3°/, der Fälle) vor. Die distaleren Lagen des Plexus (Nerv 26—30, 26—31 und 27—31) kommen dabei bedeutend seltener vor, während die allerdistalsten Lagen (Nerv 27-—-32, 28—32 und 28—33) ganz fehlen. Bei den mehr distalen Lagen des Plexus brachialis (Nerv 6—9 und Nerv 6--10) wurde die allerproximalste Lage des Plexus lumbo- sacralis (Nerv 25—29) gar nieht beobachtet, die nächstfolgende (Nerv 25—50) relativ seltener (39,1 °/, bezw. 26,0°/, der Fälle). Die distalen Lagen des Plexus lumbo-sacralis nehmen dagegen bei den distalen Lagen des Plexus brachialis deutlich an Häufigkeit zu, wobei die allerdistalste Lage des Plexus lumbo-sacralis (Nerv 28—33) sich stets mit der allerdistalsten Lage des Plexus brachialis (Nerv 6—10) kom- binierte. Hier variieren also der Plexus brachialis und der Plexus lumbo-sacralis im allgemeinen in gleicher Richtung. Hat der Plexus brachialis eine mehr proximale Lage, so zeigt auch der Plexus lumbo- sacralis die Tendenz zu einer mehr proximalen Lage. Hat der Plexus brachialis eine mehr distale Lage, so macht sich auch am Plexus lumbo- sacralis die Tendenz zu einer mehr distalen Lage deutlich bemerkbar. Als Detailergänzungen der Tabelle 20 sind nachstehende Ta- bellen 21—24 gegeben. Tabelle 21 zeigt die Beziehungen zwischen der Lage der ersten Wurzel des Plexus lumbo-saeralis und der Lage der ersten Wurzel des Plexus brachialis. Ist Nerv 5 die erste Wurzel des Plexus brachialis, so ist Nerv 25 in 60,4°/, der Fälle die erste Wurzel des Plexus lumbo-sacralis, ist aber Nerv 6 die erste Wurzel des Plexus brachialis, so findet sich der 25. Spinalnerv nur in 33,6 %/, der Fälle am Plexus lumbo-sacralis beteiligt. Die Häufigkeit der Fälle, wo Nerv 26 die erste Wurzel des Plexus lumbo-sacralis ist, nimmt ebenfalls bei dem distaleren Anfang des Plexus brachialis bemerk- bar ab (35,8 %/, und 28,1 %/,). Die Fälle, wo der Plexus lumbo- sacralis einen distalen Beginn zeigt (Nerv 27 und 28) nehmen hin- gegen bei dem distaleren Beginn des Plexus brachialis (Nerv 6) be- deutend an Häufigkeit zu. 454 Tabelle 21. Die erste || Die erste Wurzel des Plexus lumbo-sacralis ist Nerv: Wurzel des 25 26 27 28 Plexus Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl | Summe | brachialis der 0% der 0), der 0/9, der 0/o der ist Nerv: Beob. Beob. Beob. Beob. | Beobachtg. 5 32 (604) 19 735,8) 2 (3,8).| — (—) | 53 6 116 86| 7 San)lı3 323)| 1 65)| 345 Be 148 (372) 116 29,1) 115 (@89)| 19 (48) | 398 | Tabelle 22. Die erste | Die letzte Wurzel des Plexus lumbo-sacralis ist Nerv: Wurzel des 29 30 Sl 32 33 Hessen Anzahl | Anzahl | | Anzahl | Kuza | Summe brachialis der 0), der | 0 | der | 0 der | 0 der | 0%, | der ist Nerv: || Beob. | Beob. | Beob. | Beob. | | 'Beob. || Beob. 5: |.2 7788. 86” Buell. is ses r . Ce 6 |- ©) |140 (406| 90 261109 10) 6 S =: | 2 | nen 72 (08). 176° 184,2) u5 26,4 109 2749| 6 Tabelle 23. Die letzte || Die erste Wurzel des Plexus lumbo-sacralis ist Nerv: Wurzel des 25 36 27 28 | Plexus ananı ae Anzahl | Anzahl | Anzahl | | Summe brachialis | der 0% der | 0/9 der 0% | der | 0/g I! der ist Nerv: | Beob. Beob. | Beob. | Beob. | Beobachtg. 9 | 111 424| 75 (815) | 61 (25,6) 1 (0,4) | 238 10 47 (294) | 41 (25,6) | 54 (33,8) | 18 | 160 S d | | Beobschtungen| 148 (88,9 | 116 (279) 115 289)| 19 (48) || 388 Tabelle 24. Die letzte | Die letzte Wurzel des Plexus lumbo-sacralis ist Nerv: Wurzel des | 29 30 31 32 33 | Plexus ee Anzahl | | Anzahl | Anzahl | \ Anzahl | Summe brachialis | der | 0/g der 0/, | der | 0/9 der | Um der 0) ı| der ist Nerv: || Beob. | Beob. j Beoh. | | Beob. | | Beot. | Beob. 9 2 os|ım wn| 73 807) 46 93! — | 288 10 | - | 5 "869)| 32 20,0,| 63 (39,4) | 6 58) 160 Summe der | | | L Beobachtungen! 2 (05) | 176 Maa| 105 (@64| 109 274) 6 1,5)| 398 | Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 455 Tabelle 22 zeigt die Beziehungen zwischen der Lage der ersten Wurzel des Plexus brachialis und der letzten Wurzel des Plexus lumbo-sacralis. Man sieht, daß, während sich die vordere Grenze des Plexus brachialis mehr nach hinten verschiebt, auch die hintere Grenze des Plexus lumbo-sacralis die Tendenz zeigt, sich mehr nach hinten zu verschieben. Tabelle 23 zeigt die Beziehungen zwischen der Lage der letzten Wurzel des Plexus brachialis und der ersten Wurzel des Plexus lumbo-saeralis. Aus dieser. Tabelle, sowie auch aus der nächsten Tabelle 24 geht deutlich hervor, daß die hintere Grenze des Plexus brachialis einerseits und sowohl die vordere als auch die hintere Grenze des Plexus lumbo-saeralis andererseits die unverkennbare Tendenz zeigen, sich in gleicher Richtung zu verschieben. Um die Frage nach den Wechselbeziehungen zwischen den Variationen, welche sich an den vorderen und den hinteren Extre- mitäten vorfinden, in der uns interessierenden Richtung zu erledigen, sind noch die Variationen in der Lage des Sacrums in bezug auf die Variationen des Plexus brachialis zu betrachten. Tabelle 25. Der Plexus | Erster Sacralwirbel ist Wirbel: brachialis | 97 28 29 30 31 ist gebildet Ban - Anzahl | Anzahl Anzahl | Anzahl | | von den der | 0/, der 0% der 0/, der 0% der 0/0 Nerven: Beob. | \ | Beob. | Beob. Beob. | Beob. | 5—9 4 85) | 320 8 3 MT —- | —- | 6-4 | 2 aolıa I 5 al a7 9 — | 0 | - „| 8 wsg| 3 mal 5 aa| 3 (19 R | | m Beobachtungen] 6 (1196 492] sı Boa 112 eu] 3 (8) 388 | Tabelle 25 zeigt, wie oft jede von den verschiedenen Lagen des Saerums bei den verschiedenen Lagen des Plexus brachialis vor- kommt. Aus der Tabelle ist zu ersehen, daß, wenn der Plexus brachialis mehr distal liegt, auch die Fälle, wo das Sacrum eine mehr distale Lage hat, an Häufigkeit zunehmen. Proximalere Lagen des Plexus brachialis sind dagegen meist mit proximaleren Lagen des Sacrums verbunden. 1 S. Anmerkung zu Tabelle 11 auf S. 437. 456 Konrad Kühne Es kann somit für Lacerta muralis als nachgewiesen gelten, daß einerseits die mehr proximalen Lagen des Plexus brachialis mit den mehr proximalen Lagen des Plexus lumbo-sacralis und des Saerums verbunden sind, während andererseits die mehr distalen Lagen des Plexus brachialis sich meist mit den mehr distalen Lagen des Plexus lumbo-sacralis und des Sacrums kombinieren. Zwischen den Lagen beider Extremitäten (der vorderen und der hinteren) be- steht also eine sich in gleicher Richtung vollziehende korrelative Variabilität. Tabelle 26. Der Plexus Die letzte lange Rippe gehört dem Wirbel: brachialis 19 20 31 22 23 ist gebildet | 1 Anzahl | Anzahl Anzahl | Anzahl Anzahl Summe von den der 0/, der Oo der 0/p | der 0 der 0/o der Nerven: Beob. ‚Beob. Beob. | Beob. Beob. || Beoh, 5-9 2 0) 38 5896| 16 MO 1 u — A| 4 6-91 —_ (—) 84 (42,6)| 60 (30,5)| 49 (24,9) 4 (2,0)|| 197 6—10 — —) | 51 (3,1)]| 41 (26,6) | 52 (3838| 10 (6,5) 154 Summe d f | | | | N u. 92 (0,5) 163 (41,0) | az! 2) 102 (25,6)| 14 (3,5)|| 398 | Tabelle 26 zeigt die Beziehungen zwischen den Variationen des Plexus brachialis und den Variationen in der Lage der letzten langen Rippe oder dem Beginne der Lumbaleinschnürung des Rumpfes. Die proximalste Lage] der letzten langen Rippe (Wirbel 19) kommt nur bei der allerproximalsten Lage des Plexus brachialis (Nerv 5—9) vor. Die Fälle, bei welchen die letzte lange Rippe dem 20. Wirbel angehört, kommen auch besonders häufig (59,6°%, der Fälle) bei der allerproximalsten Lage des Plexus brachialis vor. Bei den distaleren Lagen des Plexus brachialis nimmt die Häufigkeit des Vorkommens der letzten langen Rippe am 20. Wirbel bemerkbar ab. Die gleiche Tendenz, aber nur in einem schwächeren Grade, sehen wir auch in dem Verhalten derjenigen Fälle, bei welchen die letzte lange Rippe dem 21. Wirbel angehört. Das Vorkommen der letzten langen Rippe am 22. Wirbel wird hingegen um so häufiger, je mehr distal der Plexus brachialis gelegen ist. Fälle, bei welchen die letzte lange tippe dem 23. Wirbel angehört und somit die allerdistalste Lage hat, kommen bei der proximalsten Lage des Plexus brachialis über- 1 S. Anmerkung zu Tabelle 11 auf S. 437. Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 457 haupt nicht vor und nehmen an Häufigkeit zu, je mehr der Plexus brachialis distal liest. Es besteht also auch hier zwischen den Variationen des Plexus brachialis und des Beginns der Lumbal- einschnürung des Rumpfes eine positive Korrelation. Tabelle 27. Der Plexus | Der erste untere Bogen gehört Wirbel: brachialis | 32 33 34 35 36 Su | ah Anzahl ® [Aozaki | | | Anzahl Summe | der 0 der 0 | der 0 der 0 der 0 der Nerven: || Beob. Io Beob. 1 Beob. Io Beob. | Io | Beob. | Io Beob. 5-9 | 2 «3| 31 6090| 1 a9) 3 69 — (|| 4 6-91 | — (—) 87 (442)| 56 1284| 52 (264 2 (1,0) 197 6—10 = (—) 46 (299)| 39 (25,3)| 57 (37,0) 12 (7,9) || 154 Beobachtungen 2 10,5) | 164 (a1,2)| 106 @6,6)| 112 28; 14 (3,5) | 398 | In Tabelle 27 sind die Variationen in der Lage des ersten unteren Bogens in bezug auf die Variationen des Plexus brachialis dargestellt. Eine kurze Betrachtung dieser Tabelle genügt schon, um den Eindruck über eine sichere positive Korrelation zwischen den Variationen in der Lage des Plexus brachialis und derjenigen des ersten unteren Bogens zu gewinnen. Wir sehen hiermit, wie weit- greifend die Wechselbeziehungen zwischen den verschiedenen Varia- tionen an der Wirbelsäule und den Extremitätenplexus sind, so daß gar kein Zweifel über ihre Existenz bestehen kann. Zum Sehluß sind noch die schon eingangs bei der Betrachtung des Skeletes genauer beschriebenen seltenen Variationen am vor- deren Ende der Wirbelsäule und des Brustkorbes im Zusammenhange mit den Extremitätenplexus zu betrachten. Exemplar 15. Während normalerweise die Rippen des 4., 5. und 6. Wirbels kurz und flach sind und sich durch ihre Gestalt stark von den folgenden Rippen unterscheiden, sind die Rippen des 6. Wirbels bei Exemplar 15 lang und haben die Gestalt typischer Dorsalrippen. Es ist dieses, wie schon auf Seite 432 hervorgehoben, als ein Vordringen des Brustkorbes in rostraler Richtung zu be- trachten. Der Plexus brachialis besteht beiderseits aus dem 5.—9. Spinal- nerven und hat somit seine allerproximalste Lage. Auch der 1 S. Anmerkung zu Tabelle 11 auf S. 437. 458 Konrad Kühne Schwerpunkt des Plexus brachialis ist mehr nach vorn verschoben, indem Nerv 7 und 8 die beiden stärksten Wurzeln des Plexus sind, Der Plexus lumbo-sacralis besteht aus dem 25.—29. Spinal- nerven und hat somit die allerproximalste Lage, welche der Plexus lumbo-sacralis bei den von mir untersuchten Exemplaren von Lacerta muralis erreichte. Exemplar 68. Das gleiche Verhalten der Rippen des sechsten Wirbels, wie wir es bei Exemplar 15 gesehen haben, finden wir, nur in einem etwas schwächeren Grade, bei Exemplar 68 (Vergl. Seite 412). Die Rippen des sechsten Wirbels waren in diesem Falle auch länger als die des fünften Wirbels und hatten die Gestalt typischer Dorsalrippen. Es ist somit auch hier ein gewisses Vor- dringen des Brustkorbes in rostraler Riehtung zu statuieren. Der Plexus brachialis wird im betreffenden Falle vom 5.—9. Spinalnerven gebildet und hat somit seine allerproximalste Lage. Der Plexus lumbo-saeralis ist von den 25.—30. Spinalnerven ge- bildet und ist somit auch sehr proximal gelegen. In den soeben beschriebenen zwei Fällen begegneten uns zwei proximale Variationen am vorderen Ende der Wirbelsäule. Jetzt sollen noch einige selten vorkommende distale Abweichungen von der Norm, welche am vorderen Ende der Wirbelsäule, sowie auch am Brustkorbe bei Lacerta muralis angetroffen wurden, mit Bezug auf die Extremitätenplexus erwähnt werden. Exemplar 160. Fig.1 (vergl. S.412 und S. 431). Auf der linken Seite erscheint die erste freie Rippe erst am fünften Wirbel, wäh- rend auf der rechten Seite der vierte Wirbel normalerweise eine freie Rippe trägt. Außerdem ist auf der linken Seite die Rippe des 7. Wirbels kurz und flach, während sie in der Norm, wie es auch auf der rechten Seite der Fall ist, lang und schmal ist. Wir sehen somit auf der linken Seite ein gewisses Zurückdrängen des Brustkorbes und eine Verlängerung des Halses. Der Plexus brachialis besteht rechts aus dem 6.—10. Spinal- nerven, links aus dem 6.—9. Spinalnerven. Der Plexus lumbo-sacralis besteht beiderseits aus dem 25.— 31. Spinalnerven, wobei der Sacralnerv der 29. Spinalnerv ist. Es sind somit 2 postsaerale Nerven vorhanden. Die stärksten Wurzeln des Plexus lumbo-sacralis sind der Sacral- und der erste Präsacralnerv. Das Nervengeflecht ist somit dem Sacrum gegenüber, welches aus Wirbel 28 und 29 besteht, stark nach hinten verschoben. Exemplar 63. Am vorderen Ende der Wirbelsäule ist alles Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 459 normal. Mit dem Brustbein verbinden sieh rechts (Fig. 5 auf S.415), wie in der Norm, die Rippen des 9.—15. Wirbels, links aber ist die Zahl der Sternalrippen durch die Teilnahme der Rippen des 14. Wirbels am Sternum um eine vergrößert. Der Plexus brachialis besteht aus dem 6.—10. Spinalnerven und hat somit die distalste Lage. Der Plexus lumbo-sacralis ist von dem 27.—32. Spinalnerven gebildet und ist demnach auch weit distal gelegen. Exemplar 105. Wie auch bei Exemplar 97 beteiligen sich am Sternum die Rippen des 9.—14. Wirbels (Fig. 4 auf Seite 415), und die hintere Sternalgrenze ist demnach um ein Segment weiter eaudalwärts verschoben. Der Plexus brachialis ist von dem 6.—10. Spinalnerven gebildet und hat somit seine distalste Lage. Der Plexus lumbo-sacralis wird gebildet von den Nerven 28—33 und erreicht in diesem Falle seine allerdistalste Lage. Die soeben erwähnten Fälle liefern somit einen weiteren Be- weis für die von uns auf statistischem Wege statuierte Tatsache einer positiven Korrelation zwischen den verschiedenen Variationen der Wirbelsäule und der Extremitätenplexus. Lacerta vivipara. Von Lacerta vivipara habe ich 94 Exemplare untersuchen können. Die Gliederung der Wirbelsäule in Regionen entspricht in der Norm völlig derjenigen von Lacerta muralis. Die ersten drei Wirbel besaßen in 93 Fällen keine freien beweglichen Rippen. Nur in einem einzigen Falle (Exemplar 45) ließ sich auch am 3. Wirbel beider- seits ein kleines freies, mit dem Wirbel gelenkig verbundenes Ripp- chen finden. Das Vorhandensein einer freien Rippe am dritten Wirbel ist bereits von Buessıs (1885) bei Embryonen von Lacerta vivipara nachgewiesen worden. Indessen fand Bressıg auch an einem erwachsenen Exemplar von Lacerta vivipara, welches er auf Schnittserien untersucht hat, Andeutungen des Vorhandenseins einer reduzierten Rippe am 3. Wirbel. Er sagt (l. e.8.12): »Nur an einem auf Schnitten untersuchten Exemplar zeigten die Querfort- sätze des 3. Wirbels eine Form, welche annehmen ließ, daß hier eine reduzierte Rippe mit dem Querfortsatze verwachsen sei.« Auch bei Leyvıs (1872, S. 57) finden wir eine sich auf die Wirbelsäule der Eidechsen überhaupt beziehende Angabe: »Die Halsrippen be- 460 Konrad Kihne ginnen am 1. Wirbel hinter dem Epistropheus, also am dritten Halswirbel.« Die Allgemeinheit, mit welcher LeyvıG diese Angabe macht, entspricht gewiß nicht den Tatsachen. Das Vorkommen einer freien beweglichen Rippe am 3. Wirbel erwachsener Eidech- sen ist eine große Seltenheit. Der 4.—8. Wirbel tragen normalerweise beiderseits freie Rippen, welche jedoch das Brustbein nicht erreichen, sondern frei in den sie umgebenden Weichteilen enden. Die Rippen des 4., 5. und 6. Wirbels unterscheiden sich, wie auch bei den übrigen Eidechsen, stark von den folgenden Rippen. Sie sind kurz, in querer Richtung abgeplattet und enden verbreitert. Der 4. Wirbel besaß stets beiderseits freie Rippen. In einem Falle (Exemplar 36) war die Rippe des 4. Wirbels auf der linken Seite fast völlig reduziert. Bei der Präparation schien es, als ob die an diesem Wirbel normalerweise vorkommende Rippe gänzlich fehlte. Eine genauere Untersuchung unter stärkerer Lupenver- srößerung (!6/,) ergab aber, daß auf der betreffenden Seite des 4. Wirbels ein sehr kleiner, aber ganz deutlich als freie Rippe zu unterscheidender Fortsatz vorhanden sei. Die Länge dieses Ripp- leins betrug kaum mehr als 1 mm. Die Rippen des 5. Wirbels waren stets kurz und flach und zeigten somit immer das normale Verhalten. Die Rippen des 6. Wirbels waren in 93 Fällen kurz und flach, also für den 6. Wirbel von normaler Gestaltung. Einmal, bei Exem- plar 45, welches, wie wir schon gesehen haben, auch am 3. Wirbel ‚eine freie bewegliche Rippe besaß, waren die Rippen des 6. Wirbels beiderseits verlängert und von schlanker Gestalt, hatten also die Form typischer Dorsalrippen. Die Rippen des 7. und 8. Wirbels sind meist um das Doppelte länger als die vorhergehenden Rippen und bilden schlanke an der ventralen Seite konkave Knochenspangen. Sie haben die Form typi- scher Dorsalrippen. Nur in einem Falle (Exemplar 15) waren die Rippen des 7. Wirbels kurz und von der Gestalt der vorhergehenden Rippen. Damit war auch, wie wir weiter sehen werden, eine Ver- lagerung des gesamten Brustbeins um ein Segment nach hinten verbunden. Die Rippen des 8. Wirbels zeigten in allen 94 Fällen ihr nor- males Verhalten: lang, schlank, das Brustbein nicht erreichend. Die Rippen des 9. Wirbels erreichten in 95 Fällen als erste Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 461 das Brustbein. Einmal (Exemplar 13) endeten sie frei in den sie umgebenden Weichteilen, ohne das Brustbein zu erreichen. Von den 94 von mir untersuchten Exemplaren von Lacerta vi- vipara hatte ein Exemplar beiderseits vier Sternalrippen, 91 Exem- plare beiderseits fünf Sternalrippen und 2 Exemplare hatten deren beiderseits sechs, wobei sich an das Sternum in 1 Falle die Rip- pen des 9.—12. Wirbels, in 90 Fällen die "Rippen des 9.—13. Wirbels, in 2 Fällen die Rippen des 9.—14. Wirbels und in 1 Falle die Rippen des 10.—14. Wirbels ansetzten. Vorliegende Tabelle gibt eine Übersicht der verschiedenen Variationen der Sternalrippen, welche von mir bei ZLacerta vivipara beobachtet worden sind. Mit dem Brustbein verbinden sich die Rippen des Wirbels: Bee xXT Xu BE u BE BEE RT: XIX 90 Fälle = %,7%/, BR ERT RITRENM XIV 2Palle= 2,70, BE RL AI ORTE & REV WE Fall =, Die Verbindung der Rippen mit dem Brustbein findet im normalen Zustande in derselben Weise statt, wie es schon für Zacerta muralis ) Ele &.L. LU Fig. 17. Sternalapparat von einem Exemplar von Lacerta vivipara. 5/1. Ventralansicht. e.st. Epi- sternum, fe. Fenster im Prästernum, p.st. Prästernum, x.st. Xiphisternun, c.c. IX—XIV. Cartilago Costae IXN—XIV. Fig. 18. Sternalapparat von einem Exemplar von Zacerta vivipara. Ventralansicht. beschrieben worden ist, so daß eine Schilderung dieser Zustände eine genaue Wiederholung des von Lacerta muralis Gesagten sein würde. Ich werde hier nur auf die von der Norm abweichenden Fälle näher eingehen. Exemplar 93. Fig.17. An das Sternum setzen sich die Rippen 462 Konrad Kühne des 9.—12. Wirbels an. Die vorderen Ränder der Sternalplatte sind nicht, wie gewöhnlich, etwas konkav, sondern bilden eine ziemlich starke Konvexität. Der hintere Rand der Sternalplatte ist tief ge- spalten, wobei der Spalt bis zum Sternalfenster hindurchzieht. An das Prästernum setzen sich vier Rippenpaare an. Drei Paar Rip- pen, Wirbel 9—11 angehörend, setzen sich an den lateralen hinteren Rand der Sternalplatte und ein Paar, dem 12. Wirbel angehörend, an ihren hinteren Rand. Die beiden Knorpelstäbe der Rippen des 12. Wirbels bilden zugleich auch das sogenannte Xiphisternum. Im betreffenden Falle haben wir es also mit einer Reduktion an der hinteren Grenze des Sternums zu tun, indem das Rippenpaar des 13. Wirbels nicht mehr das Brustbein erreicht. Exemplar 53 (Fig. 18) und 82 (Fig. 19). An das Brustbein setzen sich beiderseits sechs Rippenpaare, dem Wirbel 9—14 ange- hörend, an. Die vier vorderen Rippenpaare setzen sich an den Fig. 19. Sternalapparat von einem Exemplar von Lacerta vivipara, 5fı. Ventralansicht. e.sz. Epi- sternum, fe. Fenster im Prästernum, p.st. Prästernum, x.st. Xiphisternum, c.c. IX—XIYV Cartilago Costae IX—XIV. Fig. 20. Sternalapparat von einem Exemplar von Zacerta vivipara, 5fı. Ventralansicht. lateralen hinteren Rand der Sternalplatte an, die Knorpel der Rippen des 14. Wirbels an ihren hinteren Rand. Das fünfte Sternalrippen- paar, dem 13. Wirbel angehörend, setzt sich an den Knorpelstab der Rippe des Wirbels 14 an. In beiden Fällen ist demnach die hintere Grenze der Sternalregion beiderseits um ein Segment nach hinten zu verschoben bei Erhaltung ihrer normalen vorderen Grenze. Einen Fall, wo beide Grenzen der Sternalregion, die vordere sowohl als auch die hintere, um ein Segment nach hinten zu ver- Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 463 schoben sind, repräsentiert Exemplar 13 (Fig. 20). An die lateralen hinteren Ränder der Sternalplatte setzen sich die Knorpel dreier Rippenpaare an, dem 10.—12, Wirbel angehörend. Die Knorpel- leisten der Rippen des 13. Wirbels setzen sich an einem kurzen Fortsatz des folgenden 14. Rippenpaares an. Die Sternalplatte ist ganz normal gestaltet. Das Xiphisternum ist etwas kürzer als in der Norm, indem die Rippenknorpel der Rippen des 14. Wirbels sich früher lateralwärts umbiegen, wodurch die Gestalt des Brust- beins etwas gedrungen erscheint. Auf die Sternalrippen folgen 7—10 Rippenpaare, welehe ihrer Gestalt nach den Sternalrippen sehr ähnlich sind. Bis zum 20. Wirbel waren die Rippen stets lang, im äußersten Falle bis zum 23. Wirbel. Vom 21., 22., 23. oder auch 24. Wirbel beginnend, werden die Rip- pen ganz unvermittelt fast um die Hälfte kürzer. Die letzte lange Rippe gehörte 32 mal! (17,00), aller Fälle) dem Wirbel 20, .90 mal (47,90/,) dem Wirbel 21, 49mal (26,1°/,) dem Wirbel 22 und 17 mal (9,0%) dem Wirbel 23 an. In einem Falle (Ex. 91) begann die Lumbaleinschnürung asymmetrisch, indem die lezte lange Rippe rechts Wirbel 23, links aber Wirbel 22 angehörte. Die folgenden Rippen sind alle kurz und verhalten sich in gleicher Weise, wie es schon für Lacerta muralis geschildert worden ist. Sacralwirbel waren bei Lacerta vivipara jederseits stets nur zwei vorhanden. Der Bau und die Beschaffenheit des Sacrums ent- sprechen im allgemeinen dem Verhalten von Lacerta muralis. Die segmentale Lage des Sacrums variiert sehr stark. Die Lage des ersten Saeralwirbels variiert von Wirbel 27 bis 30, die des letzten von Wirbel 28 bis 3l. Auch asymmetrische Formen des Sacrums waren bei Lacerta vivipara vorhanden. Es fanden sich bei den von mir untersuchten 94 Exemplaren von Lacerta vivipara im ganzen, was ihre segmentale Lage anbetrifft, acht verschiedene Formen des Sacrums, welche in Fig. 21—28 in ähnlicher Weise, wie es bei Lacerta muralis geschehen ist, dargestellt sind. I. Fig. 21. 1Fall (1,1%,). Das Saerum besteht beiderseits aus Wirbel 27 und 28. Es ist die proximalste Lage des Sacrums, welche ich bei den von mir untersuchten Exemplaren von Lacerta vivipara angetroffen habe. II. Fig. 22. 1 Fall (1,1%). 26 präsaerale Wirbel. Der 27. Wirbel besitzt nur auf der rechten Seite einen sacral entwickelten ı Jede Körperhälfte ist für sich gezählt. 464 Konrad Kühne lateralen Fortsatz, welcher an der Bildung des rechten Saeralflügels Anteil nimmt. Auf der linken Seite trägt dieser Wirbel eine freie bewegliche mit dem Wirbelkörper gelenkig verbundene Rippe, welche in keiner Beziehung zum Darmbein steht. Die lateralen Fortsätze des 28. Wirbels sind beiderseits stark entwickelt und bilden die Hauptstütze des Beckengürtels. Der rechte laterale Fortsatz des 29. Wirbels ist schräg nach hinten gerichtet und beteiligt sich nicht an der Bildung des Sacralflügels. Er verhält sich, wie die lateralen Fortsätze der Caudalwirbel. Der linke laterale Fortsatz des 29. Wirbels ist hingegen schräg nach vorn zu gerichtet und verbindet sich mit dem linken lateralen Fortsatze des 28. Wirbels, mit welchem er den linken Saeralflügel bildet. Fig. 21—28. Ventrale Ansicht der Wirbel 27—31 bei acht verschiedenen Exemplaren von Zacerta vivipara. III. Fig. 23. 44 Fälle (46,8%,). Das Saerum besteht beiderseits aus Wirbel 283 und 29. Es ist die am häufigsten vorkommende Zusammensetzung des Sacrums bei Lacerta vivipara. Auch bei La- certa muralis war es die, häufigste Form des Sacrums, indem sie von mir in 47,7%), aller Fälle angetroffen wurde. IV. Fig. 24. 1 Fall (1,1 %,). 27 präsacrale Wirbel. Der 28. Wirbel besitzt nur auf seiner rechten Seite einen sacral entwickelten und mit dem Wirbelkörper fest verwachsenen lateralen Fortsatz, welcher Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 465 mit dem rechten lateralen Fortsatze des 29. Wirbels den rechten Kreuz- beinflügel bildet. Auf der linken Seite trägt der Wirbel 28 eine mit ihm gelenkig verbundene kurze Rippe, welche frei endet. Der linke Saecralflügel wird von den lateralen Fortsätzen des 29. und 30. Wirbels gebildet. Der rechte laterale Fortsatz des 30. Wirbels ist viel schwächer als der linke und verhält sich wie die Ba Fortsätze der Caudalwirbel. V. Fig. 25. 1 Fall (1,1°/,). In diesem Falle werden die Sacral- flügel rechts von den lateralen Fortsätzen der Wirbel 29 und 30, links von denjenigen der Wirbel 28 und 29 gebildet. Es ist sozu- sagen das Spiegelbild des soeben beschriebenen Falles IV. VI. Fig. 26. 23 Fälle (24,5%,). 28 präsacrale Wirbel. Das Saerum ist symmetrisch und besteht aus Wirbel 29 und 30. vo. Fig. 27. 1 Fall (1,1%,). 28 präsacrale Wirbel. Wirbel 29 trägt nur auf der linken Seite einen saeral entwickelten lateralen Fortsatz, welcher mit dem linken Fortsatze des 30, Wirbels den Sacralflügel bildet. Auf der rechten Seite trägt Wirbel 29 eine ge- lenkig verbundene Rippe, welche frei endet. Der Sacralflügel der rechten Seite wird von den lateralen Fortsätzen der Wirbel 30 und 31 gebildet. Der linke laterale Fortsatz des 31. Wirbels ist be- deutend schwächer entwickelt und verhält sich wie der laterale Fortsatz eines Caudalwirbels. VII. Fig.28. 22 Fälle (23,4 °/,). Das Saerum ist symmetrisch und besteht aus den Wirbeln 30 und 31. Es ist die distalste Lage des Saerums, die ich bei den von mir untersuchten Individuen von Lacerta vivipara angetroffen habe. Betrachtet man die Körperbälften einzeln, so findet man den Kreuzbeinflügel 3 mal (1,6%, aller Fälle) von Wirbel 27 und 28, 91 mal (48,4 0/,) von Wirbel 28 und 29, 49 mal (26,1%,) von Wirbel 29 und 30 und 45 mal (23,9 °/,) von Wirbel 30 und 31 gebildet, Die dem Sacrum folgenden Caudalwirbel verhalten sich im all- gemeinen ganz wie diejenigen von Lacerta muralis. Der erste untere Bogen gehörte 60 mal (63,8 %, aller Fälle) dem 4. Caudalwirbel und 34 mal (36,2°/,) dem 5. Caudalwirbel an, wobei in den 4 Fällen von asymmetrischem Sacrum vom ersten reinen Caudalwirbel an gezählt wurde. In der Gesamtreihe der Wirbel war es 22 mal (23,4%, aller Fälle) Wirbel 33, 40 mal (42,6°/,) Wirbel 34, 31 mal (33,0%,) Wirbel 35 und 1 mal (1,1°/,) Wirbel 36, welcher den ersten unteren Bogen trug. Die Querteilung der Caudalwirbel begann in 55,3°/, aller Fälle Morpholog. Jahrbuch. 49. Sl 466 Konrad Kühne am 6. Caudalwirbel und in 44,7°/, aller Fälle am 7. Caudalwirbel. In der Gesamtreihe der Wirbel war es 1mal (1,1°/, aller Fälle) Wirbel 34, 10 mal (10,6°/,) Wirbel 35, 53 mal (56,4°/,) Wirbel 36, 29 mal (30,9%/,) Wirbel 37 und 1mal (1,1°,) Wirbel 38, weleber als erster aus zwei Teilen bestand. In welcher Wechselbeziehung die verschiedenen Variationen an der Wirbelsäule und dem Brustkorbe von Lacerta vivipara stehen, soll nun im folgenden dargestellt werden. Nachstehende Korrelationstabelle 28 zeigt die Beziehungen zwischen der Lage der letzten langen Rippe oder dem Beginn der Lumbaleinschnürung und der Lage des Saerums, welche durch die Lage des ersten Sacralwirbels angegeben ist. In dieser und in einigen der folgenden Tabellen sind die Körperhälften getrennt be- trachtet. Tabelle 28. Die letzte Erster Sacralwirbel ist Wirbel: lange Rippe 27 28 29 30 gehört dem Anzahl | Anzahl Anzahl | Anzahl Summe Wirbel: der | 0, | der | 0, | der | 0%, | der | 9, der Beob. | Beob Beob. | Beob. | Beobachtg. | 20 3. 1194)" >29:..90;6) k — sn. ee 32 21 -— 48 6889| 8 Bl - Oo) WM 22 =. () |, —:., 6) .|.21, 029) 3 Bo BB | een | | = = Sı FE = = — = ee == — — = = -- | Hecbaktunn s as| 9 awn| a Psn| a5 (83,9 | | Aus der Tabelle ist zu ersehen, daß wenn die letzte lange Rippe dem Wirbel 20 angehört, in 9,4°/, der Fälle Wirbel 27 und in 90,6%, Wirbel 28 erster Sacralwirbel ist. Gehört die letzte lange Rippe Wirbel 21 an, so kommt die allerproximalste Lage des Saerums überhaupt nicht vor, die Fälle, bei welehen das Sacrum mit dem 28. Wirbel beginnt, nehmen an Häufigkeit ab (68,9°/,) und in fast einem Drittel der Fälle (31,1%,) beginnt das Sacrum mit dem 29. Wirbel. Gehört die letzte lange Rippe dem Wirbel 22 an, so beginnt das Saerum in #2,90%/, der Fälle mit dem 29. und in 57,1%, der Fälle mit dem 30. Wirbel. Bei der allerdistalsten Lage der letzten langen Rippe fand sich nur (100,00/, der Fälle) die aller- distalste Lage des Sacrums (Wirbel 30 erster Sacralwirbel). Eine Üb. d. Variat.d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 467 positive Korrelation zwischen der Lage des Sacrums und der Lage der letzten langen Rippe ist somit ganz evident. Die Zahl der hinteren Dorsalwirbel, welche kurze Rippen be- saßen und den sog. Lumbalabsehnitt der Dorsalwirbelsäule reprä- sentierten, betrug 103 mal (54,8%, aller Fälle) 6 Wirbel und 85 mal (45,2%/,) 7 Wirbel. Wie sich die Anzahl der Wirbel des Lumbal- abschnittes der Wirbelsäule bei den verschiedenen Lagen des Sa- erums verhielt, zeigt vorliegende Korrelationstabelle 29. Tabelle 29. Erster | Die Wirbelzahl des Lumbalabschnittes ist: Sacralwirbel 6 7 * * . Hl ine Wirbel: || Anzahl | Anzahl Summe |} der 0 der 0% der || Beobachtg. Beobachtg. Beobachtg. | | l | Be 3a eu 28 Be: (681) | 29 (31,9) 91 2] ug) | 38 (57,1) 49 | » ı mn wall » ea| =» zu ei: 108 548 | 85 45,2) | | Beobachtungen | Wie es auch bei Lacerta muralis der Fall gewesen ist (vergl. Tabelle 2), sehen wir bei Lacerta vivipara ebenfalls einen gewissen Zusammenhang zwischen der Lage des Saerums und der Länge des Lumbalabschnittes. Tabelle 29 zeigt, daß, wenn das Saecrum mehr distal gelegen ist, die Fälle, in welchen der Lumbalabschnitt aus 6 Wirbeln gebildet wird, immer seltener werden (100,0°/,, 68,1%, 42,9°%/, und 37,8°/,), während 7 solcher Wirbel immer häufiger auf- treten (0,0%,, 31,9°%/,, 57,1%, und 62,2 %/,). Tabelle 30 zeigt die gegenseitigen Beziehungen zwischen den Variationen in der Lage des ersten unteren Bogens und der Lage des Sacrums. Aus der Tabelle ist ganz deutlich zu ersehen, daß mit einer Verschiebung des Sacrums eine gleichgerichtete Verschiebung der Lage des ersten unteren Bogens stattfindet. In dem einzigen Falle, wo Wirbel 27 erster Sacralwirbel ist, gehört der erste untere Bogen dem Wirbel 33 an. Ist Wirbel 28 erster Saeralwirbel, so gehört der erste untere Bogen in 45,50%, der Fälle Wirbel 33 und in 54,5%, der Fälle Wirbel 34 an. Ist Wirbel 29 erster Sacral- 31* 468 Konrad Kühne wirbel, so gehört der erste untere Bogen in etwa zwei Dritteln der Fälle (65,2°/,) Wirbel 34 und in etwa einem Drittel der Fälle (34,8%/,) dem Wirbel 35 an. Die allerdistalste Lage des Sacrums kombiniert sich mit den beiden allerdistalsten Lagen des ersten unteren Bogens (Wirbel 34 und 55). Somit finden wir bei Lacerta vivipara in dieser Hinsicht das gleiche Verhalten, wie wir es schon bei Zacerta muralis aus Tabelle 3 ersehen haben. Tabelle 30. Erster Der erste untere Bogen gehört dem Wirbel: Sacral- 33 34 35 36 wirbel ist ||, nzanı Anzahl Anzahl Anzahl | Summe | Wirbel: der | 0/9 | der.| 0, | der | 0 | der | 0% der Beob. Beob. Beob. Beob. | Beobachtg. 27 17.410000) FE ae 1 28 20 (55 | 2A (545) | — (—) _ (—) 44 29 — (—) 15 _ (65,2) 8 (MI) — —) 23 30 -- (—) —_ (—) 21 (95,5) 1 (45) 22 Summe der || | Beobachtungen || 2l Wie sich der erste untere Bogen in betreff seiner Entfernung vom Sacrum bei den verschiedenen Lagen des letzteren verhält, zeigt vorliegende Korrelationstabelle 31. Tabelle 31. Erster Der erste untere Bogen gehört dem Sacralwirbel Caudalwirbel: ist Wirbel: 4 5 Anzahl Anzahl En Summe der 0 der 0/, | der Beobachtg. | Beobachtg. Beobachtg. 27 F ei 1 (100,0) | 1 28 | 20 (45,5) 24 (54,5) 44 29 15 (65,2) 8 (34,8) 23 30 | 21 (95,5) | 1 (4,5) 22 1 Sieger 3) se =” TI BB: zu l Beobachtungen | 96 . (62,2) 34 (37,8) || 90 ! In den Tabellen 30—33 sind diejenigen vier Fälle, bei welchen das Sacrum asymmetrisch gebaut ist, nicht aufgenommen. In den 90 in die Tabellen auf- genommenen Fällen bestand das Sacrum allemal aus zwei Wirbeln. Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 469 Aus Tabelle 31 ist zu ersehen, daß die unteren Bögen bei Zacerta vivipara meist (62,2%/,) vom 4., seltener (37,8 °/,) vom 5. Caudalwirbel an beginnen. In dem einen Falle, in welchem Wirbel 27 erster Saeralwirbel war und das Sacrum somit seine allerproximalste Lage hatte, gehörte der erste untere Bogen dem 5. Caudalwirbel an. Rückt das Saerum weiter distalwärts, so nehmen diejenigen Fälle, bei welchen der erste untere Bogen dem 4. Caudalwirbel angehört, bedeutend an Häufigkeit zu (0,0%,, 45,5%, 69,2%, 9,5%), die- jenigen Fälle aber, wo der erste untere Bogen dem 5. Caudalwirbel angehört, nehmen mit der Rückwärtsschiebung des Sacrums deutlich an Häufigkeit ab (100,0°/,, 54,5 %,, 34,8%,, 4,5%,). Wir sehen hier das gleiche Verhalten, welches sich für Lacerta muralis aus Tabelle 4 ergab. Tabelle 32. Erster | Der erste quergeteilte Wirbel ist Wirbel: Sacral- 34 35 36 37 38 wirbel In Anzahl Anzahl | Anzahl | Anzahl | Anzahl Wirbel: der 0), der | 0/p | der UN) der | 0/0 der | Beob. Beob. | Beob. Beot. | Beob. | 27 1 BES [0 02) Dan Bu u) De nn a ee 2 Eu Ba 28 2 le ee ee 29 =. 0|- o|m w9a| 6 | — ea. 1 | | Ss d 2 en | 1 1720 „AL |, BL86,7) | 27 (30,0) | ER) | Tabelle 32 zeigt die gegenseitigen Beziehungen zwischen der Lage des Saecrums und der Lage des ersten quergeteilten Wirbels. Schon ein Blick auf Tabelle 32 genügt, um die deutliche Vor- stellung einer positiven Korrelation zwischen der Lage des Sacrums und der Lage des ersten quergeteilten Caudalwirbels zu gewinnen. In dem Falle, wo der erste Saeralwirbel Wirbel 27 ist und das Sacrum seine allerproximalste Lage hat, hat auch der erste quergeteilte Wirbel seine allerproximalste Lage (Wirbel 34). Ist Wirbel 28 erster Saeralwirbel, so ist in 22,70%/, der Fälle Wirbel 35 und in 77,30/, Wirbel 36 der erste quergeteilte Caudalwirbel. Ist Wirbel 29 erster Saeralwirbel, so ist in 73,9%, der Fälle auch Wirbel 36 der erste quergeteilte Caudalwirbel, in 26,1°/, der Fälle aber ist es Wirbel 37. Mit der allerdistalsten Lage des Sacrums 4709 Konrad Kühne sind die zwei allerdistalsten Lagen des ersten quergeteilten Caudal- wirbels verbunden. Aus den hier gegebenen Zahlen geht nun klar hervor, daß die Lage des Saecrums und die Lage des ersten quergeteilten Caudal- wirbels die Tendenz zeigen, in gleicher Richtung zu variieren. Das gleiche Verhalten ließ sich auch für Zacerta muralis aus Tabelle 5 konstatieren. Wie sich die Entfernung des ersten quergeteilten Wirbels vom Sacrum oder die Anzahl der ungeteilten Caudalwirbel bei den ver- schiedenen Lagen des Sacrums verhält, zeigt vorliegende Tabelle 33. Tabelle 33. Erster |Die Zahl der ungeteilten ist: Sacralwirbel b) ist Wirbel: Anzahl | Anzahl | Summe der 0% der 0), | der Beobachtg. | Beobachtg. | || Beobachtg. 27 1 (100,0) — Ce 1 28 10 (22,7) 34 773) || 4 29 7 (73,9) 6 (26,1) |) 23 a re 95,5) 1 45) | 22 Summe der | RR | Bi | 49 (54,4) | 41 (45,6) | ”| Während bei Lacerta muralis (vergl. Tabelle 6) sich kein Zu- sammenhang zwischen der Zahl der ungeteilten Caudalwirbel und der Lage des Sacrums ermitteln ließ, finden wir einen solchen, wie aus Tabelle 33 zu ersehen ist, bei Lacerta vivipara. Die Zahl der zwischen dem Saecrum und dem ersten quergeteilten Caudalwirbel befindliehen Wirbel kann, wie aus Tabelle 33 zu ersehen ist, fünf oder sechs betragen. Die Häufigkeit des Vorkommens von nur fünf ungeteilten Wirbeln nimmt (abgesehen von dem einzigen Fall, bei welchem der erste Saeralwirbel Wirbel 27 ist) mit der Verschiebung des Sacrums nach hinten bemerkbar zu (22,70%, 73,9%, 9,9%). Diejenigen Fälle, wo der erste quergeteilte Wirbel der 7. Caudal- wirbel ist und die Zahl der ungeteilten Caudalwirbel somit 6 be- trägt, nimmt dementsprechend ab (77,3%), 26,1°/,, 4,5%). Wir sehen hier also das gleiche Verhalten, welches sich bereits in den Be- ziehungen zwischen der Lage des Sacrums, der letzten langen Rippe und des ersten unteren Bogens aus den Tabellen 29 und 31 erkennen Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 471 ließ: der erste quergeteilte Wirbel zeigt gleich der letzten langen Rippe und dem ersten unteren Bogen das Bestreben, seine Stellung in der Gesamtreihe der Wirbel, trotz aller Korrelation mit der Lage des Sacrums, bei der Verschiebung des letzteren in gewissem Grade beizubehalten. Tabelle 34. Die letzte Der erste untere Bogen gehört dem Wirbel: lange Rippe 35 34 35 36 gehört dem || Anzahl | Anzahl | Kai Anzahl | Summe | Wirbel: der 0/y | der 0 der 0/ der | 06 | der 0 /o 0 o| Beob. | Beob, Beo! Beob. | Beobachtg. 20 aaa oa einer Yean|: 32 21 21 &%6%)| 4 00| 2 133)| — (—) 90 22 - (—) |. 14 (28,6) | 34 (69,4) 1 (2,0) | 49 23 = (—) _ (—) 16 (94,1) 1 (5,9) | 17 Ss d | > = ar = 3 I Beobachtungen | 44° (28,4) | 80 ume)| 62 8293| 2 (1) 188 | Tabelle 35. Der erste E Der erste quergeteilte Wirbel ist Wirbel: untere 34 35 36 37 38 Bogen ge Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl Summe höre dem || aer | 0, | aer | 05 | der | 0 | der | 0% | aer | 0, || der Wirbel: Beob. | Beob. Beob. Beob. Beob. Beob 33 a ee re ne 34 - -J|I|- 0|38 8090| 2 6860| — | 35 m (—) — (-) 4 125) | 26 (83,9) 17782) 31 36 Ne) 1) AUDI) 1 aREe.| 1 an | 10 d06) | 53 6649| 29 B09)| 1 (|| 9 Tabelle 34 zeigt die Beziehungen zwischen der Lage der letzten langen Rippe und der Lage des ersten unteren Bogens, Tabelle 35 diejenigen zwischen der Lage des ersten unteren Bogens und der Lage des ersten quergeteilten Caudalwirbels.. In beiden Fällen macht sich eine positive Korrelation deutlich bemerkbar. 1 Da die beiden in Tabelle 35 zu betrachtenden Charaktere stets symme- trisch sind, so wird hier nicht jede Körperhälfte einzeln, sondern beide Seiten . Jedes Individuums als Ganzes betrachtet. Die Gesamtzahl der Beobachtungen beträgt demnach 9. 472 Konrad Kühne Nachdem nun die am häufigsten vorkommenden Variationen des Rumpfskeletes vom Standpunkt ihrer gegenseitigen Wechselbeziehun- gen dargestellt sind, sind noch fünf Fälle mit einigen selteneren Variationen am vorderen Ende der Wirbelsäule und am Brustkorbe in Zusammenhang mit den übrigen Verhältnissen am Rumpfskelete zu betrachten. Exemplar 45. Während normalerweise das erste freie Rippen- paar am 4. Wirbel erscheint, besitzt Exemplar 45 auch am dritten Wirbel ein Paar kurze freie, mit dem Wirbelkörper gelenkig ver- bundene Rippchen. Die Rippen des 4. und 5. Wirbels sind beiderseits kurz und zeigen ein für diese Wirbel normales Verhalten. Die Rippen des 6. Wirbels, welche normalerweise auch kurz und flach sind, haben in diesem Falle eine schlanke Gestalt, wodurch sie den Charakter typischer Dorsalrippen bekommen. Die Grenze zwischen den rippenlosen und mit Rippen versehenen Wirbeln, sowie die bei den Eidechsen so deutlich markierte Grenze zwischen dem Ge- biete der kurzen und langen Prästernalrippen sind in diesem Falle beide um einen Wirbel nach vorn zu verschoben. Wie steht es nun mit den übrigen Verhältnissen an dieser Wirbelsäule? Das letzte lange Rippenpaar gehört dem 20. Wirbel an und hat somit seine allerproximalste Lage. Das Sacrum besteht aus Wirbel 28 und 29, was, abgesehen von dem ganz seltenen, aus Wirbel 27 und 25 bestehenden Sacrum die proximalste Lage darstellt. Der erste untere Bogen gehört dem Wirbel 33 an. Erster quergeteilter Wirbel ist Wirbel 36. Exemplar 93. Ebenfalls eine proximale Variation. Wie schon bekannt, sind die Rippen des 9.—13. Wirbels bei Zacerta in der Norm Sternalrippen. In diesem Falle setzen sich an das Sternum nur die Rippen des 9.—12. Wirbels an (vergl. Fig. 17). Das 13. Rip- penpaar erreicht das Sternum nicht und endet frei. Wir haben hier also eine Verlegung der hinteren Sternalgrenze um ein Segment nach vorn zu bei Erhaltensein der normalen vorderen Grenze. Das letzte lange Rippenpaar gehört dem Wirbel 20 an, hat somit seine allerproximalste Lage. Das Sacrum besteht rechts aus Wirbel 27 und 28, links aus Wirbel 28 und 29 und hat somit eine der aller- proximalsten Lagen. Der erste untere Bogen gehört Wirbel 33 an. Erster quergeteilter Caudalwirbel ist Wirbel 36. Die soeben geschilderten zwei Fälle zeigen beide proximale Variationen am vorderen Abschnitte des Rumpfskeletes. Dement- sprechend sind auch die am mittleren und distalen Teil der Wirbel- Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 473 säule haftenden Merkmale, die letzte lange Rippe, das Sacrum, der erste untere Bogen und der erste quergeteilte Caudalwirbel alle sehr proximal gelegen. Weiter sind noch drei Fälle mit distalen Variationen am Brust- korbe zu betrachten. Exemplar 53 (vergl. Figur 18). An das Brustbein setzen sich beiderseits die Rippen des 9.—14. Wirbels an. Die hintere Grenze der Sternalregion ist in diesem Falle um ein Segment nach hinten zu verschoben, bei normaler vorderer Grenze. Das letzte lange Rippenpaar gehört dem Wirbel 22 an, was eine distale Lage des letzteren darstellt. Das Saerum ist symmetrisch und besteht aus Wirbel 29 und 30. Diese Lage nimmt zwischen den Extremen eine mittlere Stellung ein, vom normalen (allerhäufigsten) Verhalten ab ist es aber eine distale Variation. Der erste untere Bogen gehört Wirbel 35 an. Erster quergeteilter Wirbel ist Wirbel 37. Exemplar 82 (vgl. Fig. 19). An das Sternum setzen sich eben- falls, wie bei Exemplar 53, sechs Rippenpaare, dem Wirbel 9—14 angehörend, an. Die hintere Grenze der Sternalregion ist demnach auch hier um ein Segment nach hinten verschoben, bei Erhaltensein der normalen vorderen Grenze. Das letzte lange Rippenpaar gehört dem Wirbel 23 an und hat somit seine allerdistalste Lage. Das Sacrum ist symmetrisch und besteht aus Wirbel 30 und 31, was die allerdistalste Lage des Sacrums von Lacerta vivipara ist. Der erste untere Bogen gehört Wirbel 35 an. Erster quergeteilter Wirbel ist Wirbel 37. Exemplar 13. Einen sehr seltenen Fall bildet Exemplar 13. Während in der Norm Wirbel 4—6 kurze Rippen tragen, tragen in diesem Falle Wirbel 4—7 kurze Rippen. Wirbel 8 trägt das erste lange Rippenpaar. Die Rippen des 9. Wirbels, welche sonst stets als erste das Sternum erreichen, enden in diesem Falle frei in den Weichteilen. An das Sternum gelangt als erstes das Rippenpaar des 10. Wirbels, als letztes das des 14. Wirbels. Das Sternum erscheint somit in seiner vorderen sowohl als auch in seiner hinteren Grenze um ein Segment nach hinten zu verschoben. Die letzte lange Rippe gehört dem Wirbel 21 an. Es ist die mittlere und die allerhäufigste Lage der letzten langen Rippe. Das Sacrum besteht, wie auch bei Exemplar 53, aus Wirbel 29 und 30. Dieses ist, wie schon erwähnt, bei Lacerta vivipara eine mehr distale Lage des Sacrums. Der erste untere 474 Konrad Kühne Bogen gehört dem Wirbel 34 an. Erster quergeteilter Wirbel ist Wirbel 36. Eine allgemeine Übersicht über die soeben geschilderten Be- ziehungen zwischen den Variationen im vorderen Gebiet des Thorax und den Variationen in der Lage der letzten langen Rippe und des Saerums geben nebenstehende Tabellen 36 und 37. Tabelle 36. „ Das Die letzte lange Rippe gehört dem Wirbel: vordere 20 1 22 23 en Anzahl | Anzahl Anzahl | Summe gebiet ist: der 0% der | 0/o der 0/g der | 0% der Beob. | Beoh. | | Beob. | Beob. | | Beobachtg. proximal 2 2 “ De % verschoben 4 (100,0) | ) ) Ver 4 normal 28 1509| 8 (494| 47 (264) | 15 (8,4) | 178 distal | aa | hoben (—) | 2 (33,3) | 2 (33,3) 2 (33,3) | 6 m der || 2 Bestens 32 (70) 90 (79)| 9 (61 | 17 (90) 188 | Tabelle 37. Das Erster Sacralwirbel ist Wirbel: vordere 27 28 29 30 Thorax- F | Anzahl Anzahl | Anzahl) | Anzahl N Summe gebiet ist: || ger 0), der | 0, der | 0%, der | 0 der Beob. Beob. | Beob. Beob Beobachtg. proximal e e 5 a | € verschoben 1 (5,0) 3 (15,0) = | normal 2STD 88T: 349) ed ME2D NEE distal verschoben a a) 4 (66,9) 2 rahmen! 3 A| 9 MB) 9 wu | 4 Beobachtungen Tabelle 36 zeigt die Beziehungen zwischen den Variationen im vorderen Thoraxgebiet und den Variationen in der Lage der letzten langen Rippe. War das vordere Thoraxgebiet proximal verschoben, so gehörte die letzte lange Rippe stets dem Wirbel 20 an und hatte somit ihre allerproximalste Lage. Bei den distalen Variationen des vorderen Thoraxgebietes gehörte die letzte lange Rippe in 33,3% Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 475 der Fälle dem 21. Wirbel an und zeigte somit ihr normales Ver- halten, in 66,7%, der Fälle gehörte sie aber den zwei weiter distal liegenden Wirbeln an und war somit stark nach hinten verschoben. Tabelle 37 zeigt, daß in Fällen mit proximalen Variationen im vorderen Thoraxgebiet das Sacrum nur proximale Lagen und in Fällen mit distalen Variationen im vorderen Thoraxgebiet nur distale Lagen besitzt. Plexus brachialis. Der Plexus brachialis von Lacerta vivipara wird, wie auch bei Zacerta muralis und überhaupt bei der über- wiegenden Mehrzahl der kionokranen Lacertilier, meist (92,7 /, aller Fälle) von den ventralen Ästen des 6. bis 9. Spinalnerven gebildet. In den übrigen in Summa 47,3%, der Fälle wird der Plexus brachialis von den ventralen Ästen des 5. bis 9., 5. bis 10,, 6. bis 10. und 6. bis 11. Spinalnerven gebildet. Über die segmentale Zusammensetzung des Plexus brachialis und die Häufigkeit des Vorkommens der verschiedenen Formen orientiert nebenstehende Tabelle. Zusammensetzung des Plexus brachialis bei Lacerta vivipara: BEN VI VOR IX 15 Fälle 8,00), Be NIT NIL IK X TEN Be VIr- NIT IX aa ae, Bed WIT.IX X ZI ang ZEN. VID: IX -X . XI 1 Fall 05% Vergleicht man vorliegende Tabelle mit derjenigen für Lacerta muralis (S. 435), so findet man zwischen beiden eine große Ähnlich- keit. Das normale Verhalten bildet ein aus dem 6.—9. Spinalnerven bestehender Plexus brachialis. Von diesem Verhalten ausgehend, kann sich der Plexus brachialis entweder proximalwärts oder distal- wärts, in sehr seltenen Fällen nach beiden Seiten zugleich ver- breitern. Eine Verbreiterung in proximaler Richtung kommt durch die Teilnahme des 5. Spinalnerven am Plexus brachialis zustande, eine distalwärts schreitende Verbreiterung des Plexus brachialis wird durch die Teilnahme des 10. und selten auch noch des 11. Spinal- nerven hervorgerufen. Der Plexus brachialis variiert somit, was seine segmentale Lage anbetrifft, um eine Mittellage, welche von den 6.—9. Spinalnerven repräsentiert wird. Die Variabilität in der Beteiligung des segmentalen Nervenmaterials am Plexus brachialis, welche sich an den Grenzen des Plexus bemerkbar macht, ist auch mit Veränderungen an den mittleren, am Plexus brachialis konstant 476 Konrad Kühne beteiligten Plexuswurzeln verbunden. Je nach der verschiedenen segmentalen Zusammensetzung des Plexus brachialis ändert sich auch die relative Stärke der einzelnen Plexuswurzeln. Die dickste Wurzel des Plexus brachialis von Lacerta vivipara war in 105 Fällen (55,9%/,) die des 8. Spinalnerven, in 43 Fällen (22,90/,) die des 8. und des 9. und in 40 Fällen (21,3°/,) die des 9. Spinalnerven. Wie sich die Lage der stärksten Plexuswurzeln bei der ver- schiedenen segmentalen Zusammensetzung des Plexus brachialis verteilt, zeigt vorliegende Tabelle 38. Tabelle 38. Der Plexus Die stärksten Plexuswurzeln sind die brachialis Nerven: ist gebildet 8 8u9 9 Anzahl Anzahl | Anzahl | | RO N der 0/9 der 0% der | 0/ | der Beob. Beob. | Beob. l Beobachtg. 5—9 15 (1000) | — (—) — —) | 15 6-91 9 al 8 rs) A (40) AOL 6-10 al (15,5) | 25 (35,2) 35 (49,3) 71 6—11 — (—) — (—) 1 (100,0) | 1 Summe der | Beobachtungen 2 \ | Aus Tabelle 33 ist zu ersehen, daß, wenn der Plexus brachialis aus den 5.—9. Spinalnerven besteht, Nerv 8 stets die stärkste Plexus- wurzel bildet. Wird der Plexus brachialis von den 6.—9. Spinal- nerven gebildet, so ist in 78,20, der Fälle Nerv 8, in 17,80/, Nerv 8 und 9 und in 4,00°/, Nerv 9 die stärkste Wurzel des Plexus brachialis. Besteht der Plexus brachialis aus den ventralen Ästen des6.—10.Spinal- nerven, so ist Nerv 8 nur relativ selten (15,5°/,) die einzig stärkste Plexuswurzel, in 35,2°/, der Fälle ist er es in Verbindung mit Nerv 9 und in 49,30/, der Fälle ist es Nerv 9 allein, welcher die stärkste Wurzel des Plexus brachialis bildet. In dem einzigen Falle, bei welchem der Plexus brachialis aus den 6.—11. Spinalnerven bestand, gab Nerv 9 die allerstärkste Plexuswurzel ab. Mit einer Verschiebung ı Zu dieser Gruppe sind auch die beiden Fälle gestellt, bei welchen der Plexus brachialis aus den 5.—10. Spinalnerven gebildet ist. Die stärksten Plexus- wurzeln waren in diesen beiden Fällen diejenigen des 8. und 9. Spinalnerven. Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 477 der Grenzen des Plexus brachialis findet also auch eine gleich- gerichtete Verschiebung des Schwerpunktes des Plexus statt. Das allgemeine Verhalten der einzelnen Plexuswurzeln entspricht völlig demjenigen von Lacerta muralis und braucht demnach nicht besonders beschrieben zu werden. In dem Falle, bei welehem der Plexus brachialis aus dem 6.—11. Spinalnerven bestand, fand die Verbindung des 11. Spinalnerven mit dem Plexus brachialis, wie in nebenstehender Fig. 29 dargestellt ist, statt. Die stärkste Plexuswurzel wird in diesem Falle vom 9. Spinalnerven gebildet. Der Plexusast des 10. Spinalnerven ist die drittstärkste Wurzel des Plexus brachialis, sie ist stärker als die Plexuswurzeln des 6. und 7. Spinalnerven. Der zweite, distal verlaufende, Ast des 10. Spinal- nerven verhält sich wie ein gewöhnlicher Inter- costalnerv. Der 11. Spinalnerv gibt bald nach seinem Erscheinen aus dem Foramen interverte- ; brale ein dünnes Ästchen ab, welches mit dem e Be Plexusast des 10. Spinalnerven in Verbindung Seite eines Exemplars von tritt. Dieser Plexus brachialis von Lacerta "*'* "ine Vera vivipara zeigt in seinem proximalen Teil das gleiche Verhalten, wie der auch aus den 6.—11. Spinalnerven Be stehende und sehun beschriebene Plexus brachialis von ZLacerta muralis. Plexus lumbo-sacralis. Der Plexus lumbo-sacralis von Lacerta vivipara zeigt, gleich dem von Lacerta muralis, sowohl in seiner segmentalen Zusammensetzung, als auch in seinen Beziehungen zum Saerum eine große Variationsbreite. In den von mir beobachteten 183 Fällen bestand der Plexus lumbo-sacralis von Zacerta vivipara 77 mal (41,00%, aller Fälle) aus 5 Wurzeln, 110mal (58,5%,) aus 6 Wurzeln und 1mal (0,5%,) aus 7 Wurzeln. Was die segmentale Zusammensetzung des Plexus lumbo-sacralis von Lacerta vivipara anbetrifft, so bestand er Imal (0,5°/, aller Fälle) aus den Nerven 25—29, 33mal (17,6%,) aus den Nerven 25—30, 1mal (0,5%,) aus den Nerven 25—31, 52mal (27,7%/,) aus den Nerven 26—30, 38mal (20,2%/,) aus den Nerven 26—31, 16mal (8,5°/,) aus den Nerven 27—31, 39 mal (20,7 °/,) aus den Nerven 27—32 und Smal (4,30/,) aus den Nerven 28—32. Zur näheren Orientierung über diese Verhältnisse dient vorliegende Tabelle, in welcher die -11199899 uoArsupruldg "TE—'gz UP Sn SITWIOBS-oqumn] SNXaJg T9p moyopoM 19q anposnzumy EI I yoou gs 9sı I2}0808usmmwsnz usAraupzurdg '0g—'95 Up FNe SITEIOBs-oqum] SnXojg Jop UDO 194 ‘uoppeg uop nz ı ‘ ‘ ‘ ‘ ‘ ‘ ‘ ‘ uodunyyorqoag 88T |(TND ze keen) ..0g °| (9:6) st Ihe 28 on : ze \lkod sa Fl st ıFD 6 10p owung 8 oa) 2 oa) 9 ae) —e lee le | le E88 6€ er ever. st ce Firmen 29 ee ee ZEIG = 9L ee ee en Or ee er TE-13 = [7 ‘ [3 [9 Z 88 es) — =) — |! - Ihm) a | u \(kd 2 \eq ® Ce ne 18-98 "= gg re Ze re 2. lea) note (ge gem. (ee 10898 E eg Faden re | (0) el (0'8) T 0863 nA E (Al Be el u ea en er (00ODIEET 6863 IL — —— „UPAION ‚qoad -q09q7 qoag "qoag -qoag -q09g -qoag -qoaq "qoag uop uoA Ten | 9% | zen I %o | zen | % | mn | %o | am |: | an | % | zn | %o | am | %0 | sp || Hoppgas auung B era en Iqezuy Kay Imeauy SIHOZICN: ‚ [qeZUY Tqezuy | 981 sımaons Tg 208 08 08 068 68 65 088 sg sgen25 13 -oqun] :U9AION 9Ip PULS UJZINMSNXOIT USFFNIRIS OL snxofgd DA SeanedeT 478 479 is usw al Lacerta mur i ustkorbes usw. be d. Br . Wirbelsäule, d t arıa v Ub. d. ser | IM a |Een cs We er |Wen 28 |oın ze | .E he Fon Ba in 3 | ea Tr led F Ge ee lee: 6 ) - | —- |(8 ” ea. 087 |era 21208 FE) 3 Fee — 683 16 er — ( — a ei) g (Dies) 08. 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Zusammensetzung des Plexus lumbo-sacralis bei Lacerta vivipara : KXV ı RRVTE RNXVT SRRAWVIN ERIK — — — 1 Fall ARV FRXVI: RR VIE ERRUVULEORRIK I RI —_ — 33 Fälle AXV XXVI XXVU XXVIH! XXIX XXX I RRRT — 1 Fall ==" SRRVE >ARVH KR VIE HERRIN I X RE — —_ 52 Fälle =) ERKVI: -RRVU= RK VIE RK REN — 3 - —_ — XXVII XxXVUl XXIX XXx XXxXl _— 16 - —_ — XXVIU: 'XXVHl. XXIX| XXX XXX RRIB az — — — XXVII XXIX XXX XXxXI XI Man sieht, sowohl die vordere als auch die hintere Grenze des Plexus lumbo-sacralis variieren beide um je drei Segmente, wobei sich beide Grenzen im allgemeinen in gleicher Richtung verschieben. Wie sich die Lage der stärksten Plexuswurzeln bei der ver- schiedenen segmentalen Zusammensetzung des Plexus lumbo-sacralis verhält, zeigt vorstehende Korrelationstabelle 39. Schon ein Blick auf die Tabelle genügt, um den innigen Zusammenhang zwischen den Veränderungen beider Charaktere zu erkennen. In den Tabellen 40—45 sind die Beziehungen zwischen den Variationen des Plexus lumbo-sacralis und des Saerums dargestellt. Wie sich die verschiedene segmentale Zusammensetzung des Plexus lumbo-sacralis bei den verschiedenen Lagen des Sacrums gestaltet, zeigt vorstehende Tabelle 40. Aus Tabelle 40 ist zu ersehen, daß das Sacrum und der Plexus lumbo-saeralis sich in einer sehr bedeutenden gegenseitigen Ab- hängigkeit befinden und stark aneinander gebunden sind. Tabelle 41 zeigt, welche Nerven bei den verschiedenen Lagen des Sacrums die stärksten Wurzeln des Plexus lumbo-sacralis ab- geben. Man sieht, das Sacrum und der Schwerpunkt des Plexus lumbo-sacralis verschieben sich in gleicher Richtung. Die Gesamtzahl der Wurzeln des Plexus lumbo-sacralis kann 5—7 betragen. Tabelle 42 zeigt, wie sich die verschiedene Anzahl der Wurzeln des Plexus auf die verschiedenen Lagen des Sacrums verteilt. Aus den bei Wirbel 28, 29 und 30 als ersten Sacralwirbel gefundenen Zahlen scheint hervorzugehen, daß mit dem Rückwärtsverschieben des Sacrums eine Vermehrung der Plexuswurzeln verbunden ist. Das allgemeine Verhalten des Plexus lumbo-sacralis, seine Ein- teilung in einen Plexus eruralis und Plexus ischiadieus und die Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 481 Verbindungsweise dieser beiden Plexus, entspricht dem schon ge- schilderten Verhalten des Plexus lumbo-sacralis von Lacerta muralıs. Der Plexus besteht aus 3—4 Wurzeln, welche vor dem Sacrum liegen (Präsaeralnerven), einer Wurzel, welche zwischen den beiden Saeralwirbeln austritt (Saeralnery) und aus 1—2 Wurzeln, welche hinter dem Sacrum liegen (Postsacralnerven). Tabelle 42. Erster Die Anzahl der’ Wurzeln des Plexus lumbo- Sacral- sacralis beträgt: wirbel ist 7 6 5 Wirbel: Anzahl 0 /o der Beob. Summe 0 /o der Beobachtg. Anzahl der Beob. 0, der Summe der Beobachtungen Die Anzahl der am Plexus lumbo-saeralis beteiligten Präsacral- nerven betrug 88mal (46,8°/, aller Fälle) drei und 100 mal (53,2 %,) vier Wurzeln. Wie sich die verschiedene Anzahl der am Plexus lumbo-sacralis beteiligten Präsacralnerven bei den verschiedenen Lagen des Sacrums verteilt, zeigt umstehende Tabelle 43.) Aus Tabelle 43 ist zu ersehen, daß, wenn das Sacrum mit dem 27. Wirbel beginnt und somit am allerproximalsten gelegen ist, der Plexus lumbo-sacralis in allen drei beobachteten Fällen nur drei präsaerale Plexuswurzeln besaß. Ist Wirbel 28 erster Sacralwirbel, so sind in 64,8%, der Fälle drei und in 35,2%, der Fälle vier präsacrale Plexuswurzeln vorhanden. Ist Wirbel 29 erster Sacral- wirbel, so kommen drei präsacrale Plexuswurzeln in 36,7%, der Fälle, vier präsacrale Plexuswurzeln in 63,3°/, der Fälle vor. Ist Wirbel 30 erster Sacralwirbel, so nimmt die Häufigkeit des Vor- kommens von nur drei präsacralen Plexuswurzeln bedeutend ab, indem sie nur noch 17,8°/, der Fälle erreicht, die Häufigkeit der Fälle mit vier präsacralen Plexuswurzeln ist dagegen auf 82,20%, gestiegen. Aus diesen Zahlen ist zu ersehen, daß drei präsacrale Plexuswurzeln um so seltener vorkommen, je weiter distal das Morpholog. Jahrbuch. 49. 33 482 Konrad Kühne Sacrum gelegen ist (100,0°%/,, 64,8%,, 36,7°/, und 17,8%,), Fälle mit vier präsacralen Plexuswurzeln nehmen dementsprechend an Häufigkeit zu. Trotz aller Korrelation zwischen den Variationen des Plexus lumbo-sacralis und den Variationen des Sacrums (vgl. Tabelle 40) sehen wir hier, wie auch bei Lacerta muralis (Tabelle 16), eine gewisse Retardation der vorderen Grenze des Plexus lumbo- sacralis bei den Verschiebungen des Sacrums. Tabelle 43. Erster | Die Anzahl der präsacralen Wurzeln Sacral- des Plexus lumbo-sacralis beträgt: wirbel ist 3 4 Wirbel: || Anzahl | Anzahl Summe der 0% der 0/o | der | Beobachtg. Beobachtg. | Beobachtg. 27 3 (100,0) —_ | 3 28 59 (64,8) 32 (35,2) 91 29 18 (36,7) 31 (63,3) 49 30 8 17,8) 37 (82,2) 45 Summe der Beobachtungen 88 (46,8) 100 Tabelle 44. Erster | Die Anzahl der postsacralen Wurzeln Sacral- des Plexus lumbo-sacralis beträgt: wirbel ist 9 1 Wirbel: Anzahl Anzahl | Summe der 0/9, der | 0/9 der Beobachtg. Beobachtg. | | Beobachtg. RE | ge (66,7), 1 28 | 8 (8,8) 83 29 | 2 a) | Ar 30 | = a 4b E der | E Beobachtungen | 12 (6,4) 176 An der Bildung des Plexus lumbo-sacralis beteiligten sich 176mal (93,6°/, aller Fälle) 1 postsacraler Nerv und 12mal (6,4/,) deren 2. Wie sich die verschiedene Zahl der am Plexus lumbo-sacralis be- teiligten postsacralen Nerven bei den verschiedenen Lagen des; Sacrums verhält, ist aus vorstehender Tabelle 44 zu ersehen. Sacral- wirbel imme der || eobachtg. Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 483 Tabelle 44 zeigt, daß mit der Verschiebung des Sacrums nach hinten die Häufigkeit der Fälle, bei welchen sich zwei postsacrale Nerven am Plexus lumbo-sacralis beteiligen, stark abnimmt (66,7 /,, 8,80%/,, 4,1%/, 0,0%). Demgemäß nehmen die Fälle mit einer post- sacralen Plexuswurzel an Häufigkeit zu. Wie auch die vordere Grenze des Plexus lumbo-sacralis, zeigt die hintere Grenze des- selben ein gewisses Zurückbleiben gegenüber den Verschiebungen des Sacrums. Tabelle 45. Erster | Stärkste Wurzeln des Plexus lumbo-sacralis sind: 2.u.3.Prä-| 2. Prä- 2.u.1.Prä-| 1. Prä- |1. Präsacral-| Der sacralnerv | sacralnerv | sacralnerv | sacralnerv ju. Saeralnerv| Sacralnerv Virbel: | Anzahl Anzahl Anzahl | Da Anzahl | | Anzahl | der 0) der 0 der | 0 der | 0% der | 0yg der %, | Beob. | Beob. Beob. Beob. Beob. | Beob. | Ze (| oe... 1 (33,3) 2. ,(66,7)| "— =) | — (J) (1,1)| 10 (11,0)| 57 (62,6) | 20 (22,0) 3 (83) | 3 Ye | 2,0)]| 12 (24,5)! 30 (61,2) 4 82) — ( | an) ea 1er al Bbrbben| Dr aa er | 2 11) 6 B2| 36 Mn! 113 (K01)| 28 (a9| 3 Die gleiche Tendenz macht sich, wie vorliegende Tabelle 45 zeigt, auch zwischen den Variationen in der Lage der stärksten Wurzeln des Plexus lumbo-sacralis und den Variationen in der Lage des Saerums bemerkbar. Aus der Tabelle ist zu ersehen, daß in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle (60,1/,) der erste Präsacral- nerv für sich allein die stärkste Plexuswurzel abgibt, in 19,1%, mit dem zweiten Präsacralnerven zusammen und in 14,9°/, in Verbindung mit dem Sacralnerven. In 3,2°%/, aller Fälle ist der zweite Präsacral- nery für sich allein und in 1,1°%, in Verbindung mit dem dritten Präsacralnerven die stärkste Plexuswurzel. In 1,6%, aller Fälle war der Sacralnerv für sich allein die stärkste Plexuswurzel. Den Schwerpunkt des Plexus lumbo-sacralis bildet somit in der Norm der erste Präsacralnerv. Die Entfernung des Schwerpunktes des Plexus lumbo-sacralis vom Sacrum ändert sich, je nachdem das Sacrum mehr proximal oder mehr distal liegt. Man sieht aus Tabelle 45, daß der Schwerpunkt des Plexus die Tendenz zeigt, um so weiter vor dem Sacrum zu liegen, je weiter das Sacrum hinten liegt. Aus 32* 484 Konrad Kühne den Tabellen 40—45 ist somit zu ersehen, daß der Plexus lumbo- sacralis den Variationen des Saerums folgt, aber mit einer gewissen Retardierung. Wie sich der Plexus lumbo-sacralis bei den verschiedenen Lagen der letzten langen Rippe verhält, zeigt Tabelle 46. Man sieht, daß, je weiter die vordere Grenze der Lumbaleinschnürung distal liegt, um so häufiger auch der Plexus lumbo-sacralis distal gelegen ist. Der Beginn der Lumbaleinschnürung des Rumpfes und der Plexus lumbo-sacralis verschieben sich demnach in gleicher Richtung. Über die gegenseitigen Beziehungen zwischen den Variationen des Plexus brachialis und des Plexus lumbo-sacralis geben die Tabellen 47—51 Auskunft. Tabelle 47 zeigt die Beziehungen zwischen der verschiedenen segmentalen Zusammensetzung des Plexus brachialis und der Zu- sammensetzung des Plexus lumbo-sacralis. Aus der Tabelle ist zu ersehen, daß wenn der Plexus brachialis von den 5.—9. Spinal- nerven gebildet wird und somit seine proximalste Lage hat, der Plexus lumbo-sacralis in 6,70, der Fälle auch seine allerproximalste Lage hat (Nerv 25—29). Die nächstproximalste Form des Plexus lumbo-sacralis (Nerv 25—30) kommt dabei in 53,3°/, der Fälle, und die zwei distaleren Formen (Nerv 26—30 und Nerv 26—31) in je 20,0%), der Fälle vor. Die drei allerdistalsten Formen des Plexus lumbo-sacralis kommen bei der proximalsten Lage des Plexus brachialis überhaupt nicht vor. Bei den zwei distaleren Lagen des Plexus brachialis (Nerv 6—9 und Nerv 6—10) kam die aller- proximalste Lage des Plexus lumbo-sacralis überhaupt nicht vor, die nächstproximalste Lage des Plexus aber nimmt bedeutend an Häufigkeit ab (53,3%,, 22,8%,, 2,8%). Die distalen Lagen des Plexus lumbo-sacralis (Nerv 27—31, Nerv 27—32 und Nerv 28—32) nehmen dagegen bei der Rückwärtsschiebung des Plexus brachialis deutlich an Häufigkeit zu. Dem einzigen Falle, bei welchem der Plexus brachialis aus dem 6.—11. Spinalnerven gebildet war, ent- sprach ein aus den 26.—31. Spinainerven bestehender Plexus lumbo- sacralis. Man sieht, der Plexus brachialis und der Plexus lumbo- sacralis variieren im allgemeinen in gleicher Richtung. Ist der Plexus brachialis mehr-proximal gelegen, so liegt auch der Plexus lumbo-saeralis besonders häufig mehr proximal, ist hingegen der Plexus brachialis distal gelegen, so zeigt auch der Plexus lumbo- sacralis die Tendenz, sich mehr nach hinten zu verschieben. 485 Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 'gıF 'S me gg OTTgeL nz JunyIomuy 'Sz '9,5.'8 ne gg ofeqeL nz Sanyıomuy 'S ı f ‘ ( Were ‘ ‘ f uosunggoegoag 88T (e'9) 8 vod GE | (ed 97 | (208) se | (dd). €q | gun €e co) L a N ee. el = | ee. Tı | em 8 OTE 22 |. (el) IT | 8a a ) == 01-9 TOT (—) — ı eg) u | 02 & 0) oe de Flex (—) — 169 GL —) _ (—) — (—) —E 1008 & (od) - € ee) 8 9) T 64 Sorgoog =: "qoag "qoag "qoag "goog "good | "qoag "good :U9AIO ap 1 % 20p fo 10p %o 10p 0/o 1ap %o z0p %o 1op 0fo | z0p uop se euungs Iqezuy IyUezuvy a BR ER Iyezuvy Iyezuv Iyezuy [qezuv yyogsoq 32-13 18-23 TE 93 08-98 08-83 63—83 SITeIyoR.1q ur OTIegEL :U9AION UP snE I40489q SI[BIORS-oqunf SUXOJd A9q SNXOIT OA ‘68 OTPARL nz g,7 'S ne Sunyromuy 'g ı "97 >II24%L :UHAION U9P EN® 404894 SIBaous-oqun] SNXOIT IPA | ‘ ‘ ‘ ‘ ‘ ‘ ß uodungargoag I (€) 8 vo 6 | (de 97. |7e02 Ben laisa “ea gm zer | (CO) ji _ z0p omung N a BE re: | BE 1) ec (Tee) > 292. | (Feed) :- IT| Word 07 —) —_ (—) — (—) = 26 —) u 4) & (g‘e) q (az)? oz ill) 27 AED. >07 —) nn Te —) — (—) wi (—) — | (z'9) ® sen 9 (ST -€B 9) ji 08 -Sgyougoag "qoag "qoag "qoog qoag "qoagl | "100g "qoagl 19p 0% ıop 0/9 19p 0% 10p 0% et) ) 0/o 19p Oo a9p 0/o op :ppquM auung | Iyezuy [qezuy [Uezuy IUezuy Iyezuy | IUezuy [Uezuy wop y1ayo8 38-85 BE—-15 TI8e—18 TE -98 10893 08-85 6883 oddıy dur] 94230] Od 486 Konrad Kühne Tabelle 48 zeigt die Beziehungen zwischen den Veränderungen in derLage der ersten Wurzel des Plexus brachialis und derLage der ersten Wurzel desPlexus lumbo-sacralis. Ist Nerv 5 die erste Wurzel des Ple- xus brachialis, so ist Nerv 25 in 52,9°/, der Fälle die erste Wurzel des Plexus lumbo-sacralis, ist aber Nerv 6 die erste Wurzel des Plexus brachialis, so ist der 25. Spinalnerv nur in 15,20/, der Fälle die erste Wurzel des Plexus lumbo-sacralis. Die Häufigkeit des Vor- kommens des 26. Spinalnerven als erste Wurzel des Plexus lumbo- sacralis ist bei den verschiedenen Anfängen des Plexus brachialis fast gleich. Fälle, wo der Plexus lumbo-sacralis distal beginnt (Nerv 27 und 28), kommen nur vor, wenn der Plexus brachialis vom 6. Spinalnerven beginnt. Tabelle 48. Die erste || Die erste Wurzel des Plexus lumbo-sacralis ist Nerv: Wurzel 25 236 27 238 des Plexus | | ; a SER Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl | | Summe brachialis der 0, der 0/g | der Q/, | der 0 | der | ist Nerv: Beob. | Beob. Beob. | Beob. | Bi 3 5 3= (529) 8 47) — (—) -- 6 5 (152)| 2 480)| 5 (BA | 8 Summe der 35 (186)| 90 (79 | 55 5 8 Beobachtungen || Tabelle 49. Die erste | Die letzte Wurzel des Plexus lumbo-sacralis ist Nerv: Wurzel 29 30 31 32 dep F lexus Anzahl | | Anzahl | Anzahl | Anzahl | | Summe braehialis | ger 0) der 0), der %/o der | 0/g || der ist Nerv: || Beob. | Beob. | Beob. | Beob. | Beobachtg. £ | EA EEE er 6 I- | % (433| 50 (292) | 47 Summe der © 5 Be ' . Beobachtungen | 1 (0,5) 85 (45,2) | [079] (29,3) 47 Tabelle 49 zeigt die Wechselbeziehungen zwischen den Ver- änderungen in der Lage der ersten Wurzel des Plexus brachialis und der Lage der letzten Wurzel des Plexus lumbo-saeralis. Aus der Tabelle ist zu ersehen, daß wenn sich die vordere Grenze des Plexus brachialis mehr nach hinten verschiebt, auch die hintere Grenze des Plexus lumbo-sacralis mehr distal gelegen ist. Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 487 Tabelle 50 zeigt die Beziehungen zwischen der Lage der letzten Wurzel des Plexus brachialis und der ersten Wurzel des Plexus lumbo-sacralis, Tabelle 51 die Beziehungen zwischen der Lage der letzten Wurzel des Plexus brachialis und der letzten Wurzel des Plexus lumbo-sacralis. Aus beiden Tabellen geht deutlich hervor, daß die hintere Grenze des Plexus brachialis einerseits und die vordere und hintere Grenze des Plexus lumbo-sacralis andererseits im allgemeinen das Bestreben zeigen, in gleicher Richtung zu variieren. Tabelle 50. Die letzte | | Wurzel 239 30 31 32 Pl | | vo] des Du Anzahl | Anzahl | Anzahl | Anzahl | Summe brachialis || ger 0/5 | der | 0% | der ! 0, | der | 0%, der ist Nerv: Beob. | Beob. | Beob. | Beoh. Beobachtg. I 10 +1. Tabelle 51. Die letzte Wurzel des Plexus lumbo-sacralis ist Nerv: Die letzte | Die erste Wurzel des Plexus lumbo-saecralis ist Nerv: Wurzel 35 236 27 238 des Plexus Anzahl | | Anzahl | Anzahl | | Anzahl l Summe brachialis || ger | 0, | der | 0 | der | 0, | der | 0% der ist Nerv: Beob. | Beob. | Beob. | Beob. Beobachtg. 9 33 (286) | 64. »1(6552) 1 19 . (16,4) |. — ah | 10 2 2,8) I 25 (35,2) | 36 al — (—) 1 (1000) | — | I S d E | r, | 35 (86) | 90 479 | 55 Summe der Beobachtungen Wie sich die gegenseitigen Beziehungen zwischen. der Lage des Plexus brachialis und der Lage des Sacrums gestalten, zeigt vor- liegende Tabelle 52. Aus Tabelle 52 ist zu ersehen, daß die allerproximalste Lage des Sacrums (Wirbel 27 erster Saeralwirbel) sich nur mit den beiden proximaleren Lagen des Plexus brachialis kombiniert. Die nächst- folgende Lage des Sacrums (Wirbel 28 erster Sacralwirbel) fand sich A888 Konrad Kühne bei der allerproximalsten Lage des Plexus brachialis in 73,30%), der Fälle und nahm um so mehr an Häufigkeit ab, je weiter der Plexus brachialis distal gelegen war. Die zwei distaleren Lagen des Saerums (Wirbel 29 und 30 erster Sacralwirbel) finden sich um so häufiger, je weiter der Plexus brachialis distal rückt. Tabelle 52. Der Plexus Erster Sacralwirbel ist Wirbel: brachialis 27 28 29 30 ist gebildet anzenı Anzahl Anzahl Anzahl | Summe von den der 0% der 0/9 der 0), der | 0% der Nerven: Beob. | Beob. Beob. | Beob, | Beobachtg. 59 1a a) 3700 | 6-91 2 (2,0) 6 653)| 18 (178) 15 6-10 _— (—) 14 (19,7) 27 (380) 30 6—11 — el. A Rn S d > | I Se Mae | 9 861) | 4 Aus der gegebenen Darstellung geht nun hervor, daß auch bei Lacerta vivipara sowohl die vordere als auch die hintere Extremität die unverkennbare Tendenz zeigen, in gleieber Richtung zu variieren. Ist der Plexus brachialis mehr proximal gelegen, so sind auch die Fälle mit mehr proximal gelegenem Plexus lumbo-sacralis und Sa- erum um so häufiger. Den distaleren Formen des Plexus brachialis entsprechen hingegen ‘meist distalere Formen des Plexus lumbo- sacralis und des Sacrums. Die Beziehungen zwischen den Variationen am Plexus brachialis und den Variationen in der Lage der letzten langen Rippe sind aus Tabelle 53 zu ersehen. Ist der Plexus brachialis von den 5.—9. Spinalnerven gebildet, so trägt in 60,0°%/, der Fälle Wirbel 20 und in 40,0°/, Wirbel 21 die letzte lange Rippe. Liegt aber der Plexus brachialis mehr distal, so werden die proximalen Lagen der letzten langen Rippe immer seltener, die distalen Lagen nehmen hingegen an Häufigkeit zu. Zwischen den Verschiebungen des Plexus brachialis und den ver- schiedenen Lagen der letzten langen Rippe besteht somit eine deut- liche positive Korrelation. 1 S. Anmerkung zu Tabelle 38 auf S. 476. Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 489 Tabelle 54 zeigt die Beziehungen zwischen den Variationen in der Lage des Plexus brachialis und den Variationen in der Lage des ersten unteren Bogens. Das Vorkommen des ersten unteren Bogens am 33. Wirbel findet sich am häufigsten bei einer Zusammen- setzung des Plexus brachialis aus den 5.—9. Spinalnerven. Mit der Rückwärtsverschiebung des Plexus brachialis nimmt die Häufigkeit des Vorkommens des ersten unteren Bogens am 33. Wirbel stark ab (60,0%), 34,70%), 2,8%, 0,09%,)- Tabelle 53. Der Plexus Die letzte lange Rippe gehört dem Wirbel: brachialis 20 21 22 23 ist gebildet a | Anzahl | Anzahl Anzahl | a Summe von den der 77 der 0/p der 0), der 0%, der Nerven: Beob, | Beob. | Beob. Beob Beobachtg. 5—9 9 (60,0) 6 (40,0) ı — —) — —) | 6—91 212.208) | ..65 + (62,4) |, 14 (13,9) 3 (3,0) | 6-10 2 a | 21 WE | 3 a7! 1a (19,7 ur = O:.—-..0 le I Summe der 2 wo| 0 aa| 9 Bu 7 WO Beobachtungen Tabelle 54. Der Plexus Der erste untere Bogen gehört dem Wirbel: Beobachtungen brachialis 33 34 35 36 ist gebildet Anzahl | Anzahl | Anzahl | | Anzahl Summe von den der % der 0, der 0, der 77 der Nerven: Beob. | Beobh. Beob, | Beob. Beobachtg. 5-9 9 (600) 5 (83,3 eo) m 691 5 MD)| 2 Mo| 2 Q|ı 2 6—10 3 aa 30 ae 39 54 cu Zeh 1 re | EB St | ss as)l& 3830| 2 DasVorkommen des ersten unteren Bogens am 34. und 35. Wirbel nimmt hingegen mit der Rückwärtsverschiebung des Plexus brachialis an Häufigkeit zu. Am 36. Wirbel kommt der erste untere Bogen nur in 1,10, aller Fälle vor, wobei in diesem Falle der Plexus bra- chialis vom 6.—9. Spinalnerven gebildet wurde. Aus den gegebenen. 1 S. Anmerkung zu Tabelle 38, S. 476. 490 Konrad Kühne Zahlen ist nun zu ersehen, daß zwischen der Lage des Plexus brachialis und der Lage des ersten unteren Bogens der Caudal- wirbelsäule eine deutlich erkennbare positive Korrelation besteht. Um nun die Betrachtung der gegenseitigen Beziehungen zwischen den Variationen der Wirbelsäule, des Brustkorbes und der Extre- mitätenplexus von Lacerta vivipara abzuschließen, sind noch die schon erwähnten fünf Fälle mit selteneren Variationen am vorderen Ende der Wirbelsäule und am Brustkorbe in bezug auf das Ver- halten der Extremitätenplexus zu prüfen. Exemplar 45. Wie schon auf Seite 472 beschrieben, ist in diesem Falle die Grenze zwischen den rippenlosen und den mit Rippen ver- sehenen Wirbeln, sowie die Grenze zwischen dem Gebiete der kurzen und langen Rippen am vorderen Ende der Wirbelsäule um einen Wirbel nach vorn zu verschoben. Wir sehen in diesem Falle ein Vor- dringen des Rumpfes auf Kosten der Halswirbelsäule. Der Plexus brachialis besteht aus den 6.—9.Spinalnerven und hat somit seine mitt- lere und allerhäufigste Lage. DerPlexus lumbo-saeralis hat eine seiner proximalen Lagen und besteht aus den 26.—30. Spinalnerven. Exemplar 93. An das Sternum setzen sich in diesem Falle die Rippen des 9.—12. Wirbels an. Die hintere Sternalgrenze ist so- mit um ein Segment proximalwärts verschoben, bei Erhaltensein der normalen vorderen Grenze. Der Plexus brachialis besteht aus den Nerven 5—9 und hat somit seine allerproximalste Lage. Der Ple- xus lumbo-sacralis besteht rechts aus den 25.—29., links aus den 25.—30. Spinalnerven und hat demnach rechts seine allerproximalste, links eine sehr proximale Lage. Exemplar 53. Mit dem Sternum verbinden sich in diesem Falle die Rippen des 9.—14. Wirbels, die hintere Grenze der Sternalregion ist demnach um ein Segment nach hinten zu verschoben. Der Plexus brachialis hat eine seiner distalsten Lagen und besteht aus dem 6.—10. Spinalnerven. Der Plexus lumbo-sacralis wird von den 27.—31. Spinalnerven gebildet, was auch eine distale Lage des letzteren ist. Exemplar 82. Wie auch bei Exemplar 53, ist in diesem Falle die hintere Grenze der Sternalregion um ein Segment nach hinten zu verschoben, indem sich dem Sternum die Rippen des 9.—14. Wir- bels anschließen. Der Plexus brachialis besteht aus den 6.—10. Spinalnerven und ist demnach stark distal gelegen. Der Plexus lumbo-sacralis besteht aus den 27.—32. Spinalnerven und hat somit eine seiner allerdistalsten Lagen. Üb, d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 491 Exemplar 13. In diesem Falle ist das Sternum sowohl in seiner proximalen als auch in seiner distalen Grenze um ein Segment nach hinten verschoben. Der Plexus brachialis ist sehr distal gelegen und wird von dem 6.—10. Spinalnerven gebildet. Der 10. Spinal- nery nimmt mit seiner ganzen Masse Anteil am Plexus brachialis und ist mit Nerv 8 die zweitstärkste Wurzel des Plexus, stärker als die Plexuswurzeln des 7. und 6. Spinalnerven. Die allerstärkste Plexuswurzel wurde von Nerv 9 geliefert. Der Plexus lumbo-sacralis wird von dem 27.—31. Spinalnerven gebildet und hat somit auch eine seiner distaleren Lagen. Im Vorstehenden habe ich an einem möglichst großen Unter- suchungsmaterial zu zeigen versucht, welche Variationen an der Wirbelsäule, am Brustkorbe und an den Extremitätenplexus (dem vorderen und hinteren) bei den oben genannten zwei Eidechsenarten vorkommen. Es hat sich sowohl bei ZLacerta muralis als auch bei Lacerta vivipara herausgestellt, daß die einzelnen Regionen der Wirbelsäule und die beiden Extremitätenplexus verschiedenartigen und zum Teil nieht unbeträehtlichen Variationen unterworfen sein können. Außerdem ließ sich in deutlichster Weise die Tatsache statuieren, daß alle Variationen in der Zusammensetzung und Abgrenzung der einzelnen Regionen der Wirbelsäule in engster Weise mit den Ver- änderungen in der Lage beider Extremitäten verbunden sind und von ihnen beeinflußt werden. Die verschiedene segmentale Lage der spezialisierten Merkmale der Rumpfwirbelsäule und zum größten Teil auch der Hals- und Caudalwirbelsäule werden durch die ver- schiedene segmentale Lage der Extremitäten bedingt. Daß die Lageveränderungen der Extremitäten die wichtigsten gestaltenden Momente der Wirbelsäule darstellen, braucht zurzeit wohl kaum hervorgehoben zu werden. Für die Ursachen der Heterometamerie der Extremitäten bei den verschiedenen Klassen und Arten der Wirbeltiere und selbst bei Individuen ein und derselben Art sind im Laufe der Zeit ver- schiedene Erklärungen versucht worden. Eine Einigung ist in dieser Frage bisher nicht erzielt worden. Der Umstand, daß die Lage der Extremitätenplexus und der spezialisierten Teile der Wirbelsäule variieren kann, ohne daß da- durch die Ähnlichkeit dieser Merkmale beeinflußt wird, hat H.v. 492 Konrad Kühne JHERINnG (1878) zur Annahme einer Ein- oder Ausschaltung von ganzen Körpersegmenten veranlaßt. Als einen fixen Punkt für die Ver- gleichung sieht er den Nervus furcalis an, »welcher sowohl zum N.cruralis als auch zum N. obturatorius und dem N. ischiadicus Fa- sern sendet« und sich »von den Amphibien bis zum Menschen über- all im Plexus lumbo-sacralis an der Grenze zwischen dem lumbalen und dem sacralen Abschnitte nachweisen läßt«. Die Auffassung JHERINGSs fand nur wenige vereinzelte Anhänger!. Eine ganze Reihe von Untersuchungen, es seien hier nur diejenigen von FÜRBRINGER, ROSENBERG, RUGE und DAVIDOFF genannt, erwiesen in deutlichster Weise die Unhaltbarkeit der JuERINnGschen Hypothese. Von großem Einfluß, welcher sich noch bis heute in der ver- gleichenden Anatomie der Wirbelsäule geltend macht, erwies sich die bahnbrechende Untersuchung E. ROSENBERGS (1875) über die Entwicklung der Wirbelsäule des Menschen. ROSENBERG spricht sich in seiner Arbeit auf Grund embryolo- gischer und vergleichend-anatomischer Befunde für eine proximal gerichtete Verschiebung des menschlichen Darmbeins im Laufe der Ontogenese längs der Wirbelsäule aus, Die Ähnlichkeit in der An- ordnung der Nerven läßt ROSENBERG in sekundärer Weise und zwar dadurch zustande gekommen sein, »daß Hand in Hand mit der Umformung der Wirbelsäule auch eine Umformung der Plexus statt- gehabt, und zwar in dem Sinne, daß in die Zusammensetzung der genannten Plexus successive weiter proximalwärts gelegene Spinal- nerven eingehen und damit auch die aus den Plexus austretenden, peripheren Nerven auf weiter proximalwärts gelegene Spinalnerven übertragen werden« (1875, S. 150). Damit war der Erklärung der Variierungen in der metameren Lage der Extremitätenplexus ein neuer Weg gewiesen und FÜr- BRINGER gebührt das Verdienst (1879), den Gedanken der metame- ren Umbildung der Extremitätenplexus, welcher von ROSENBERG für den Plexus sacralis der Primaten ausgesprochen wurde, durch Untersuchungen am Plexus brachialis der Reptilien und Vögel auch auf die vordere Extremität dieser Wirbeltiergruppen ausgedehnt zu haben. 1 Von letzteren seien ALBRECHT (1883), Baur (1891) und BArEson (1895) erwähnt. Die Beobachtungen dieser Autoren können ja als Beispiele einer Ver- mehrung von Segmenten durch Spaltung gelten, aber sie sind selbstverständlich nie imstande, die Tatsachen zu erklären, auf deren Erklärung die JHERINGSche Hypothese Anspruch erhebt. Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 493 Bei den beiden von mir untersuchten Arten von Lacerta wird der Plexus brachialis, wie wir im Obigen gesehen haben, meist von den 6.—9. Spinalnerven gebildet, zu welchen sich noch vorn der 5. und hinten der 10. oder 11. Spinalnerv anschließen kann. Mit der Ver- schiebung der Grenzen des Plexus brachialis verschob sich auch in regelmäßiger Weise der Schwerpunkt des Plexus auf mehr proximale oder distale Plexuswurzeln, je nachdem in welcher Richtung sich das Geflecht bewegte. Wir sehen hier somit eine deutlich vor sich gehende metamerische Bewegung des Plexus brachialis. Nach den Untersuchungen von MOoLLIER über die paarigen Extremitäten der Wirbeltiere (1895) wird der embryonale Plexus - brachialis von Lacerta muralis aus sechs Nerven, nämlich den 4.—9. zusammengesetzt. Die Beteiligung des 3. Nerven an der Plexusbildung wurde von MOLLIER nur ausnahmsweise beobachtet. Der embryonale Plexus ist demnach gegenüber dem des erwachsenen Tieres ein polymeres Gebilde und zeigt außerdem eine so proximale Lage, wie sie bei einem erwachsenen Tiere nie beobachtet worden ist. (Vergleiche meine Übersichtstabellen auf Seite 435 und 475 dieser Arbeit.) Das gleiche Verhalten ist auch von SEWERTZOFF in seinen bekannten »Studien über die Entwickelung der Muskeln, Nerven und des Skeletts der Extremitäten der niederen Tetrapoda« (1908) für Ascalabotes fascieularis nachgewiesen worden. So wird die vor- dere Extremität bei Ascalabotes fascicularis an den unmittelbar hinter den Hypoglossus gelegenen Segmenten angelegt, wobei sich sieben Muskelsprossen (Segmente 2—8) an ihrer Basis vorfinden. Der em- bryonale Plexus brachialis von Ascalabotes wird nach SEWERTZOFF von 7 Spinalnerven, dem 4,—10. Segment angehörend, zusammen- gesetzt. In einer ganz frühen Zeit schließen sich dem Plexus auch die von SEwERTZoFF als Rami posteriores bezeichneten Äste des 2. und 3. Spinalnerven an. Bei erwachsenen Individuen von Ascalabotes wird, wie wir schon im vorigen gesehen haben, der Plexus brachialis von den 6.—9. oder 6.—10. Spinalnerven gebildet. Man kann also sagen, daß während der ontogenetischen Ent- wieklung von Lacerta und Ascalabotes die vordere Grenze des Plexus brachialis sich um mindestens 3 Segmente caudalwärts verschiebt. Wie es sich mit der hinteren Grenze verhält, läßt sich aus den bisher bekannt gewordenen Tatsachen schwieriger beurteilen, es ist aber anzunehmen, daß auch diese Grenze sich während der Onto- genese nach hinten verschiebt, indem weiter distal gelegene Spinal- nerven allmählich in den Bereich des Extremitätenplexus hinein- 494 Konrad Kühne gezogen werden. Die Annahme findet ihre Stütze in der von mir für beide Zacerta-Arten konstatierten Tatsache, daß beide Grenzen des Plexus brachialis in gleicher Richtung variieren. Es erwies sieh als ein sehr seltenes Vorkommen, daß an der Bildung des Plexus brachialis vorn der 5. und zugleich hinten der 10. Spinalnerv teil- nahmen. Im übrigen verhielten sich diese beiden Nerven immer so, daß wenn der eine einen Anteil an der Bildung des Plexus hatte, die Beteiligung des anderen ausblieb. Auch nach der neuer- dings erschienenen Publikation von SoBoLEW (1913) über seine Beob- achtungen an Ascalabotes fascicularis, Emys lutaria und Cotyle riparia findet eine Verschiebung des gesamten Plexus sowohl in seiner vorderen, als auch in seiner hinteren Grenze statt. Bei allen diesen Tieren verschieben sich nach SoBoLEW beide Grenzen des Plexus brachialis während der ontogenetischen Entwicklung in cau- daler Richtung. Leider liegt bis jetzt nur eine vorläufige Mitteilung über diese Untersuchungen vor, aus welcher nicht die Anzahl der Beobachtungen und auch nieht die Häufigkeit des Vorkommens der verschiedenen Lagen des Plexus brachialis zu ersehen ist. Die Ver- schiebungsbreite der hinteren Grenze des Plexus brachialis von Ascalabotes und Cotyle beträgt nach SOBOLEW (S. 406) bei den von ihm untersuchten Entwieklungsstadien nur ein Segment, was auch bei erwachsenen Individuen noch in den Grenzen individueller Varia- bilität liegt. Die Ergebnisse über Emys lutaria scheinen in dieser Hinsicht etwas mehr überzeugend zu sein. Während bisher von ontogenetischer Seite kein sicherer Beweis für die Verschiebung der hinteren Grenze des Plexus brachialis ge- liefert worden ist, sprechen die vergleichend-anatomischen Tatsachen durchaus für eine solche Verschiebung. Ich habe schon darauf hin- gewiesen, daß sich bei verschiedenen Individuen von Lacerta Plexus finden, welehe sich aus den Nerven Y vi VII Mil IX oder VI VII VII IX x oder yı vu VI IX x xl zusammensetzen und somit schon bei Vertretern einer Art sich eine deutliche Verschiebung des Plexus brachialis bemerkbar macht. Auch der Vergleich des Verhaltens des Plexus brachialis bei den verschiedenen Vertretern der Autosaurier und der Crocodilier liefert einen Beweis für die metamerische Verschiebung des ganzen Plexus. Die auf Seite 495 gegebene Tabelle, welche mit Benutzung FÜR- Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 495 BRINGERScher Angaben zusammengestellt ist (1900, S. 359) gibt eine deutliche Illustration dafür. Es ist, wie SEWERTZOFF meint, »sehr wahrscheinlich, daß die Extremität der Vorfahren der rezenten Reptilien (und wahrscheinlich aller Tetrapoda) aus einer größeren Anzahl von Segmenten, als wir bei den rezenten Reptilien und Amphibien vorfinden, bestand und daß diese Zahl bei den rezenten Autosauriern sich durch Reduktion der vorderen Segmente vermindert hat«. Die Verringerung der Anzalıl der Wurzeln des Plexus brachialis ist aber nicht auf eine einfache Konzentration des Plexus (im Sinne MOLLIERS) zurückzuführen, son- dern dadurch entstanden, daß am Hinterrande der Extremität weniger Segmente neu hinzutraten, als am Vorderende entlassen wurden. Der Plexus brachialis wird gebildet von den Nerven: BEEENENT .. . .2...0....0. Chamaeleo vulgaris, Ch. verrucosus. BE yT Vi... . . ... Ohamaeleo vulgarıs. — — VVIVUO VII. . . . .. Heloderma suspectum. — — V VI VI VOIIX . . . Platydactilus aegypt., Zonurus gig. u. a. ; (vgl. Tab. auf S. 435). — — —"VI VII VII IX .. . Überwiegende Mehrzahl d. kionokranen Lacertilier (vgl. Tab. auf S. 435). — — — VI VI VIII X. . Gecko vertieil., Ascalabots (vgl. Tab. auf S. 435). . — — -— VI VO VOII IX X XI Sphenodon punctatus, Lacerta (indiv.). — — — — VI VII IX X -— Draco lineatus, Draco volans (viridis). Agama stellio, allermeiste untersuchte Varanidae. — — — — VII VII IX X XI Alle bisher untersuchten Crocodilier. Im Kapitel über die metamerische Lage des Plexus brachialis der Reptilien spricht sich FÜRBRINGER (1900, S. 576) folgender- maßen über letztere aus: »Den Ausgang für die ganze Reihe bildet der von VI—X oder VI—XI gebildete Hauptplexus der kiono- kranen Lacertilier und von Sphenodon und die aus 8 Wirbeln be- stehende Halswirbelsäule dieser Tiere. Ob hierbei der Schwerpunkt des Plexus ursprünglich auf der an erster oder zweiter Stelle ge- gebenen Zusammensetzung lag, ob Sphenodon oder die Lacertilier die primitivere Stufe einnehmen, ist mit den zurzeit gegebenen Materialien nicht zu entscheiden. 1 Dabei bemerkt FÜRBRINGER (Anm. 3, S. 576), daß er »selbstverständlich die bereits Reptilien gewordenen Vorfahren dieser Tiere im Auge habe; die noch früheren (amphibienartigen) Vorstufen derselben hatten vermutlich einen mehr rostral liegenden Plexus, der mit der vorderen Extremität successive caudalwärts wanderte«. 496 Konrad Kühne Von da aus geschah nach FÜRBRINGER »entweder die caudal- wärts gehende (progressive) oder rostralwärts gerichtete (regressive) Wanderung und Umbildung«. »Die caudalwärts gehende Wanderung repräsentiert die weitere Fortsetzung des von Anfang an eingeschlagenen Weges der vorderen Extremität der Reptilien und bietet mit der Eroberung des 11. Spinal- nerven (Sphenodon, Crocodilier), mit dem Verluste des 5. Nerven und mit der durch die Umbildung des bisherigen 1. Dorsalwirbels in einen Cervicalwirbel und der damit bedingten Verlängerung der Halswirbelsäule auf 9 Wirbel (Varanidae, Crocodilia) verschiedene Etappen dieses Weges dar.« Die rostralwärts gehende, also regressive Bewegung des Plexus brachialis wird nach FÜRBRINGER durch die Aufnahme des 5. Spinal- nerven in den Hauptplexus bei den einzelnen kionokranen Lacer- tiliern und mit der weiter nach vorn bis zum 3. Spinalnerven ge- gangenen Umbildung des Plexus brachialis der Chamaeleontia und verschiedener schlangenartiger Lacertilier und Amphisbaenier reprä- sentiert. Was nun Lacerta anbetrifft, so ist auf Grund der oben erwähnten ontogenetischen Tatsachen anzunehmen, daß die Beteiligung des 5. Spinalnerven am Plexus brachialis kein Merkmal einer regressiven, in rostraler Richtung schreitenden Bewegung des Plexus brachialis darstellt, sondern ein Erhalten eines früheren Zustandes, welcher als im Verschwinden begriffen zu deuten ist, Demnach würde die vordere Extremität von Lacerta nach hinten wandern. Der Höhe- punkt dieser caudalwärts schreitenden Bewegung wird durch be- deutende Verstärkung des Plexusastes desIX. Spinalnerven und durch Hinzukommen des X. und XI. Spinalnerven und einer vom 10. Wirbel beginnenden Sternalregion (Exemplar 13 von Lacerta vivipara) re- präsentiert. Infolgedessen ist die Zusammensetzung des Plexus brachialis von Sphenodon aus dem VI—XI. Spinalnerven auf eine höhere Stufe zu stellen und diejenige der Lacertilier als primitiver zu betrachten. Eine genaue Parallele zu den Veränderungen! am Plexus brachialis bilden in ontogenetischer und vergleichend-anatomischer Hinsicht die Verhältnisse am vorderen Ende der Wirbelsäule und am Brustkorbe. Buessıg (1885) hat, wie schon erwähnt, den positiven Nachweis geliefert, daß bei Lacerta vivipara während der individuellen Ent- Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 497 wicklung am 3. Wirbel ein freies Rippenpaar angelegt wird, welches jedoch während der weiteren Entwicklung der Reduktion verfällt. Außerdem haben auch Raruke (1853) und GoETTE (1878) die Tatsache festgestellt, daß sich mit dem vorderen Teil des Sternums während der Entwicklung bei den Sauriern Rippen verbinden, welche nachher durch Rückbildung diese Verbindung einbüßen und beim erwachsenen Tiere frei enden. | Über die Beziehungen zwischen den Variationen des Plexus brachialis und den Variationen im vorderen Thoraxgebiet von La- certa muralis gibt vorliegende Tabelle 55 Aufschlub. Tabelle 55. Das Der Plexus brachialis besteht aus den Nerven: vordere 5—9 6—91 6—10 ae £ Anzahl , Anzahl Anzahl | | Summe 7 gebiet 1st: der 0/o | der 0/9 der | 0/0 | der Beob. Beoh. Beob. Beobachtg. proximal | Er di IE Br | verschoben # (100,0) Ga =) | 4 normal 43 (11,1) | 197° (51,0) | 146 (37,8) | 386 distal | verschoben | =) | er et 8 (100,0) 8 S d | | IE | gen| 47 LE 197 Wa | 152 (887 Aus dieser Tabelle ist zu ersehen, daß die proximalen Varia- tionen am vorderen Thoraxgebiet ausnahmslos mit den proximalen Variationen des Plexus brachialis und die distalen Variationen aus- nahmslos mit den distalen Variationen des Plexus verbunden sind. Die gleiche Wechselbeziehung besteht auch zwischen den Variationen des Plexus brachialis und des vorderen Thoraxgebietes bei Zacerta vivipara, wie aus der Zusammenstellung auf Seite 490 und 491 zu ersehen ist. Wegen der metameren Lage des Brustbeins bei Zacerta sei auf das auf Seite 413 und 461 Gesagte hingewiesen. Fassen wir nur das soeben Gesagte kurz zusammen, so finden wir folgendes: Als Richtung, in welcher die vordere Extremität von Lacerta wandert, ist die distale anzunehmen. Mit der distalen Verschiebung der vorderen Extremität findet 1 S. Anmerkung zu Tabelle 38 auf S. 476. Morpholog. Jahrbuch. 49, 33 498 Konrad Kühne auch eine Verlängerung des Halses statt, indem die an den vorderen Wirbeln vorhandenen kurzen Rippen gänzlich reduziert werden, die weiter hinten liegenden asternalen Rippen eine kurze und flache Gestalt bekommen und die erste mit dem Sternum verbundene Rippe diese Verbindung verliert und frei endet. Am hinteren Ende der Sternalregion werden hingegen poststernale Rippen in den Bereich des Sternums hineingezogen. Wird die Ausscheidung der vorderen Sternalrippen durch Hinzukommen hinterer gleichmäßig gedeckt, so bekommen wir wieder das frühere Bild, nur mit dem Unterschiede, daß alles um ein Segment weiter distal liegt. Findet aber diese Ausgleichung nicht völlig statt, so kann die Zahl der Sternalrippen dadurch vermehrt oder vermindert werden, wie wir dergleichen Beispiele auch bei Lacerta muralis und vivipara gesehen haben. Eine große Mannigfaltigkeit bietet bei den von mir untersuchten Arten von Lacerta die metamere Lage des Plexus lumbo-sacralis (vergl. Tabelle auf S.442 und 480). In engem Zusammenhange mit den Lageveränderungen des Plexus lumbo-sacralis stehen auch die- jenigen des Saerums (Tabelle 13 und 40). Die metamere Lage des Saerums kann, wie wir gesehen haben, bei Zacerta muralis um 4, bei Zacerta vivipara um 3 Segmente variieren, wobei sich zwischen den symmetrischen Lagen des Sacrums auch allerlei verbindende Zwischenstufen finden ließen, indem es Fälle gab, wo das Saerum asymmetrisch gebaut war (vergl. Fig.6 —16 auf S. 418 und Fig. 21—28 auf S. 464). Die Variationen in der metameren Lage des Plexus lumbo- sacralis können entweder dadurch entstanden gedacht werden, daß die hintere Extremität schon von Anfang an von verschiedenen Seg- menten angelegt wird und während der weiteren individuellen Ent- wieklung ihre Lage nicht ändert, mit anderen Worten gesagt, daß die Variationsbreite in der Lage der Extremität sowohl beim Embryo als auch beim Erwachsenen gleich ist, oder dadurch, daß die hin- tere Extremität von gleichen Segmenten angelegt wird, sich während der individuellen Entwicklung verschiebt (proximal- oder distalwärts), wobei der frühere oder spätere Abschluß dieses Verschiebungs- prozesses die verschiedenen Variationen in der hinteren Extremität hervorruft. Mir scheint es, beide Vorgänge spielen eine Rolle, so- wohl die individuell verschiedene Anlage, als auch die ontogenetische Umbildung und damit Verschiebung des Plexus lumbo-saeralis. Die zur- zeit bekannten embryologischen Tatsachen lassen diese Frage zwar nicht für Lacerta definitiv entscheiden, aber es ist schon mit Rück- Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 499 sieht auf die Vorgänge, welche sich während der ÖOntogenese an der vorderen Extremität abspielen (MoLLIER 1895, SEWERTZOFF 1907), anzunehmen, daß auch die hintere Extremität während der indivi- duellen Entwicklung eine irgendwie gerichtete Wanderung durch- macht. Aus der schon erwähnten Mitteilung von SosoLew (1913) über segmentale Lageveränderungen der Extremitäten während der Entwicklung ist zu ersehen, daß sich der Plexus lumbo-sacralis von Ascalabotes faseicularis bei den von ihm untersuchten Stadien in seiner vorderen Grenze um 4 und in seiner hinteren Grenze um 3 Segmente nach hinten verschiebt. Die maximale Differenz in der Lage des Plexus lumbo-sacralis bei den von SOBOLEW beschriebenen Altersstufen von Eimys lutaria beträgt sowohl an der vorderen als auch an der hinteren Grenze 3 Segmente, wobei die Verschiebung, wie bei Ascalabotes, in distaler Richtung erfolgte. Leider liegt, wie schon erwähnt wurde, nur eine vorläufige Mitteilung über die Beob- achtungen SOBOLEWS vor, welche sich nur mit großer Vorsicht zu irgendwelchen Schlüssen verwerten läßt. Während die Tatsache der ontogenetischen Verschiebung bezw. Umbildung des Plexus lumbo-sacralis wohl kaum einem. Zweifel unterliegen kann, so unterliegt einem solchen die Frage nach der ontogenetischen Umbildung des Sacrums. Nach RosEnBErR«G (1875) besteht das frühembryonale menschliche Kreuzbein aus mehr caudal- wärts gelegenen Wirbeln als beim Erwachsenen, wobei sich während der Ontogenese das Darmbein längs der Wirbelsäule cranialwärts verschiebt!. Gegen die. Auffassung ROSENBERGS haben sich auf Grund eigener Untersuchungen eine Reihe von Forschern aus- 1 CREDNER (1886) beschreibt im IV. Teil seiner bekannten Monographie über die Stegocephalen aus dem Rotliegenden des Plauenschen Grundes bei Dresden eine Reihe von Skeleten von Branchiosaurus amblystomus Cred. ver- schiedener Größe, wobei die Zahl der präsacralen Wirbel bei den Larven ge- ringer ist, als bei den reifen Exemplaren. CREDNER kommt auf Grund dieser Beobachtungen zu dem Schlusse, daß sich die Zahl der Rumpfwirbel bei diesen Stegocephalen mit fortschreitender Entwicklung der Tiere vermehrt, mit anderen Worten gesagt, daß während der Ontogenese eine in caudaler Richtung fort- schreitende Umbildung des Sacrums stattfindet. Die Zahl der Präsacralwirbel variiert bei den von CREDNER untersuchten Exemplaren zwischen 20 und 26, Wie aus den gegebenen Abbildungen zu sehen ist (Tafel XVI, Fig. 1—11), läßt sich die Zahl der Wirbel nicht mit absoluter Sicherheit feststellen und es ist klar, daß bei den ganz kleinen (z. B. mit 19 mm Rumpflänge) Exemplaren Wirbel leichter gänzlich verschwinden könnten als bei den größeren; ein Fehler von dieser Seite ist sehr wohl möglich. Außerdem kann es sich hier auch um individuelle Variationen in der Anlage des Sacrums handeln. 33* 500 Konrad Kühne gesprochen, wie z. B. Horn (1882), PArerson (1893) und BARDEEN (1904). BARDEEN vertritt die Ansicht, daB die Variationsbreiten in den Lagen des embryonalen und definitiven Kreuzbeins gleich sind. Eine endgültige Entseheidung dieser Frage gehört somit noch der Zukunft. Was nun die Frage über die phylogenetische Wanderung der hinteren Extremität der Reptilien anbetrifft, so läßt sie sich auf Grund der bisher bekannt gewordenen Tatsachen nicht mit Sicherheit fest- stellen. Es ist aber anzunehmen, daß die Wanderung bei verschie- denen Gruppen in verschiedener Richtung stattfindet. Eine Übersicht über die metamere Lage des Sacrums bei einer Reihe verschiedener Reptilien gibt die tabellarische Zusammen- stellung auf Seite 5011. Am proximalsten ist das Sacrum der Schildkröten gelegen, bei welchen die Verkürzung bis auf 16 Präsacralwirbel stattgefunden hat. Die proximale Lage der hinteren Extremität der Schildkröten ist als eine sekundäre Erscheinung zu betrachten, indem sich hier ein in rostraler Richtung erfolgter Wanderungsprozeß geltend ge- macht hat. x Derselbe Vorgang einer rostralwärts schreitenden Wanderung der hinteren Extremität und des Plexus lumbo-sacralis hat auch bei den Chamaeleonten mit 19—20 Präsaeralwirbeln und bei den Cro- eodiliernmit23—24 Präsacralwirbeln stattgefunden. Einem sehr großen Wechsel ist die metamere Lage des Sacrums von Lacerta unter- worfen, wobei die proximalste Lage (24 Präsacralwirbel) bei Lacerta ocellata und die distalste Lage (30 Präsacralwirbel) bei Lacerta muralis beobachtet wurde. Im allgemeinen zeigt die hintere Extre- mität bei Lacerta innerhalb der Reptilien mit wohlentwickelten Extremitäten eine mehr distale Lage. Die noch weiter distalen Lagen des Sacrums und des Plexus lumbo-sacralis verbinden sich schon mit gewissen Merkmalen einer Rückbildung der Extremitäten (Chaleidea, Seincoidea), wobei im 1 In der Tabelle sind die verschiedenen Lagen des Sacrums zwischen Wirbel 17 und 32 auf Grund eigener Beobachtungen und Literaturangaben in proximo-distaler Richtung zusammengestellt. Hinter jeder Form sind die Tier- arten angegeben, bei welchen die betreffende Form beobachtet wurde. Die Tabelle macht keinen Anspruch auf Vollständigkeit und soll nur eine ganz all- gemeine Übersicht geben. Die in Klammern gesetzten Buchstaben bedeuten: Cuv.: CuviER; G.: GADOWw; Gt.: GÜNTHER; v. Jh.: v. JHERING; K.: KÜHNE;. S.: SIEBENROCK; W.: WERNER. 501 Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 8) aow wwosobhrg ‘"]) Suym.ımuu O74090r] CS) Woprauyogı ssoaung *S) wunmuso mwosobhr] ‘(9) snow «opuopr *("$) wnıdars 9748907 ‘() p.ındıaa pun sıpı.maa ‘sıyp.ımw 'sııbn D}4990] CM) Ssepa.aa 071090] °(S) uHPLINBSOULIAKH HYyansIoyun 9sIeu pun ("H) snm.aou.ımu snıyohzog '(S) vrypaus vwosobliT ‘S) m401]990 97.199 DIT HS) syıbn 'sıpa.aa D]49DT7 'M) spam nandaara 97.1090] "Cy) Spm.unu 97.1907 (8) sappwmarljo snowags ‘UL 'A) snmaou.ımu snayahjog (SH) SEsua4ospu DJ mMT CS "N) suyp.anım DUIMDT N 9) sopı.aa m74090T *N) Pundıara 7 ‘sıyubn D.4390] "C) Sopw.anmıu D]490T :(s]) Dındaara pun sım.ınmu 'sıpbo D74990T ‘('S) asabng waryunym yoyoHn Hhuoung nMWT *S) xopa swrwasz wnbın SDUWasz ‘eg) snywpoundo4bm somo.ahy “S) sub snwoupowupsg ‘(S) ayıyy mwusbzg 'S) 229704407 pun Dmuus "Dı.ıma |sısu940o0d 'pppuasn/umu wıngog '(S) aımansoz pun umumpboımus vhonf) »auosobhrj ‘(S) ‘ds snaoydoprusun ‘(up A) smuopru snyhionprwar ‘(yp a) sngmynb (snyfgonphymg) 04395 ‘“yg'A) sı.ımmarasn] sojognwasy °C) sopabn D74000T '(S) dhuouast D}499DT .g) vhuowas ©7190 'S) Poydaahxo 79007 *N]) sıpbn 2409907 *S) sunbapo sdorydo ‘(9) "pauodns »ssoohunydg "uf A) snyfip.ıoo snainuoz *S) Pmma4agny wunnby ‘yp Aa) waun o9mag “CM 39) (smimgaumd uopouayds)) warn] ‘(g) sodunds ayspwoın ‘Aang) (917990 j490 P.mxaT) 07017990 m]190T "(Of A) szjpoup ‘yp A) "Ang snoımzw snaoydhing ‘(S) snumasog smyhonpoyyunay (9) "up A) 'qnz vunndy ‘Cqp A) "Any sıımbjna) Aeıx) snunfip.09 omas *yp 'A) sdo.soj9s 9.m9nF "UL 'A) SMINID SN]7P0904) '('yf A) snypuohr.q ununmy ‘9, "ssassreu aopabımy °(g) snsounds sn9«43007dorf °(g) "usa smywnb.o7 sn.ınpıdo4z ‘S) "zyı] snsounds sn940907dorf ‘Cyp A) snppopojsı49 (89703705)) 5970 8) asmybnog wwosouhsyg ‘(qp A) "waoIM 9umpmarqgso wwosouhsuyg *(9)) SmMaD sm7LP0904) °(g) sRp1.410y SNY9OW US) asppbnog Bwosouhsuy] ‘\)) "40.409 mwosouhayg (9) "ds opwumyD 9 "up Aa) nun 09amwnyg CS) ERPAAOYy SMAIOLOM -(Aang) spphw opnsaL, "(Up 'A) sns09Nn.«U10A 09790Uumwy) ‘Cup A) ondsna shawwany ‘Up 'A) Boonıb opnIsa], "(up A) snsoon.«400 0979muny 7) ‘up 'a) madoıma shauszy -"yp 'A) wado.na shaug es 16 TE 18 08 08 or gr Balser 66 86 66 .86 66 86 ec "86 LG 96 96 :ujoqaıty up Sn® 4y9J80q wnıoeg seq 502 Konrad Kühne allgemeinen die hintere Extremität um so weiter distal liegt, je mehr sie reduziert ist. Nach der allgemein herrschenden Auffassung stammen die- jenigen Reptilienarten, bei welchen die Extremitäten reduziert oder auch gänzlich verschwunden sind, von solchen Formen ab, welche wohlentwickelte Extremitäten besaßen. Die Reduktion der Extremi- täten gilt somit als eine sekundäre Erscheinung, welche zugleich auch mit einer sehr starken Verschiebung der Hintergliedmaßen nach hinten verbunden ist. Für die fußlosen Eidechsen und für die Schlangen ist eine Rückwärtswanderung der hinteren Extremität, respektive ihrer Rudimente evident. An welcher Stelle sich der Ausgangspunkt des Reptiliensacrums befand, läßt sich auf Grund der bisher bekannt gewordenen Tat- sachen nicht mit Sicherheit angeben, ich möchte hier aber doch meine frühere Vermutung wiederholen, Wirbel 30 und 31 oder 31 und 32 seien die beiden ältesten Sacralwirbel gewesen, von wo aus dann die proximalwärts oder distalwärts gerichtete Verschiebung erfolgte. An dieser Stelle finden wir das Sacrum noch bei einigen unserer Eidechsen, welche im allgemeinen noch sehr primitive Züge aufweisen. Bei Sphenodon wird das Sacrum nach GÜNTHER von 2 Wirbeln, Wirbel 26 und 27, gebildet. Leider sind nur wenige Exemplare von Hatteria in dieser Hinsicht untersucht, es läßt sich aber mit Wahrscheinlichkeit annehmen, daß bei Untersuchung einer größeren Anzahl von Exemplaren sich auch noch viel weiter distal gelegene Formen des Sacrums werden finden lassen. Als Richtung, in welcher die hintere Extremität von Zacerta wandert, ist demnach die proximale anzunehmen. Es findet also, wie ich schon für Lacerta viridis und agelis dargelegt habe, ein Ent- gsegenwandern beider Extremitäten, bei gleichsinniger Abweichung der individuellen Varietäten von der Mittellage statt. Das gleiche Phänomen hat Aporruı in einer Reihe von Arbeiten für den Menschen nachgewiesen und für andere Säugetiere wahr- scheinlich gemacht. Was Homo anbetrifft, so nimmt ROSENBERG auch ein phylogene- tisches Entgegenwandern der vorderen und hinteren Extremitäten an, indem er die Anschauung vertritt (1899, 5.95) »daß eine jede der mannigfachen Formen der Wirbelsäule im Hinblick auf die an ı Für Palaeohatteria gibt CREDNER (1886, S. 491) 25—27 Präsacralwirbel an. Ein bemerkbarer Unterschied ist also zwischen der rezenten und paläozoischen Hatteria nieht vorhanden. “ Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 503 ihr bestehende Gliederung in Regionen anzusehen ist als das Re- sultat der Wirksamkeit zweier Hauptfaktoreu, die gleichzeitig und in gewissem Sinne auch gleichartig, aber dennoch in entgegen- gesetzter Richtung auf die Wirbelsäule einwirken. Diese Faktoren sind die beiden Umformungsprozesse, von denen der am kleineren, „proximalen Abschnitt der Wirbelsäule wirksame distalwärts gerichtet ist, während der an dem größeren distalen Abschnitt der Gesamt- wirbelsäule zum Ausdruck kommende proximalwärts fortschreitet«. »Der distalwärts fortschreitende Umformungsprozeß hat die Cerviealregion in Erscheinung treten lassen.« »Der proximalwärts fortschreitende Umformungsprozeß beherrscht alle distalwärts von der Dorsalregion liegenden Abschnitte der Wirbel- säule; er dehnt sich auch auf die Rippen aus, die am Rippenbogen beteiligt sind, sowie auf den distalen Abschnitt des Sternums mit den ihm anhaftenden Rippen. Das Sternum und die mit ihm ver- bundenen Rippen sind das Gebiet, auf welchem die Wirkungsbezirke beider Umformungsprozesse einander nahe berühren, während eine Anzahl von Wirbeln, die der Dorsalregion angehören, ein Terrain bildet, durch welches die Wirkungsbezirke beider Prozesse noch geschieden sind. Dieses Terrain ist der relativ primitivste Teil des Gesamtorganismus.« Die Untersuchungen von ADOLPHI, welche an größerem Material unternommen wurden, haben jedoch gezeigt, daß die Abweichungen an der vorderen und hinteren Thoraxgrenze und in der Zusammen- setzung des Plexus brachialis, sowie die Abweichungen in der Lage des Sacrums die unverkennbare Tendenz zeigen, die gleiche Rich- tung einzuhalten. ApoLpHı (1905), welcher auch zwei entgegen- gesetzte Umformungsprozesse im Sinne ROSENBERGS auf die Wirbel- säule des Menschen wirken sieht, versucht die Tatsache der Korre- lation zwischen den Verschiebungen der vorderen und hinteren Thoraxgrenze und des Sacrums dadurch zu erklären, daß (S. 80) »diese individuellen Variationen dem allgemeinen Verlaufe des Phänomens gegenüber nur den Charakter von Öseillationen um die jeweilige Norm als Mittellage haben, wobei die Tendenz besteht, daß die Oseillationen an allen Regionsgrenzen die gleiche Richtung einhalten«. Anders lassen sich die Tatsachen auch gar nicht erklären und die Theorie ROSENBERGs über den Modus des Zustandekommens der Regionen der menschlichen Wirbelsäule ist meines Erachtens nur dann denkbar, wenn man sie mit der Ergänzung ADOLPHIS an- 504 Konrad Kühne nimmt. Es hat sich auf Grund ausgedehnter Untersuchungen heraus- gestellt, daß das Vorhandensein einer freien Rippe am 7. Wirbel meist mit einer Verkürzung der Rippe des 19. Wirbels und mit einem Vorrücken des Sacrums verbunden ist, und von Tag zu Tag mehren sich die Beobachtungen (z. B. KorToxpo HAszEgBeE, 1913, S.338 und H. Apournı, 1914) welehe darauf hinweisen, daß auch mit der Re- duktion der Rippe des 8. Wirbels, also mit einer Verschiebung der vorderen Thoraxgrenze nach hinten, gleichgerichtete Vorgänge am distalen Ende der Wirbelsäule in Zusammenhang stehen. Dieser merkwürdige Zusammenhang zwischen den Variationen der Wirbelsäule, welcher sich auf ihrer ganzen Strecke geltend macht, scheint für alle Wirbeltiere, oder wenigstens für jene mit wohl- entwickelten Extremitäten charakteristisch zu sein. FÜRBRINGER (1888, II, S. 977) sucht diese Tatsache rein mechanisch zu erklären, indem er sagt: »die Verschiebung der vorderen Extremität beherrseht selbstverständlich auch zu einem gewissen Grade die der hinteren Extremität, indem der durch die Distalwanderung der ersteren auf Brust und Bauch mit ihrem Inhalte, von vorn her ausgeübte Druck zu einer Verschiebung dieser beiden Körperregionen nach hinten führen und damit auch mittelbar auf die hintere Extremität sich fortpflanzen muß. Doch kommen für diese noch andere Bewegungen in Frage, die sich unabhängig von denen der vorderen Extremität vollziehen. « Wir haben aber gesehen, daß mit den Variationen in der Lage der Extremitäten auch Verhältnisse im Zusammenhange stehen, welche nicht auf eine einfache Verschiebung zurückzuführen sind (wie z.B. die verschiedene Lage des ersten unteren Bogens und des ersten quergeteilten Wirbels je nach der verschiedenen Lage des Sacrums), sondern auf viel kompliziertere Vorgänge hinweisen. Eine genauere Erklärung dieser Erscheinung läßt sich auf Grund der bis jetzt bekannten Tatsachen noch nicht geben und ich begnüge mich vorläufig mit der Feststellung der im Obigen mit- geteilten Tatsachen. Zum Schluß ist es mir eine angenehme Pflicht, meinem hoch- verehrten Lehrer Herrn Professor Dr. H. ApoLpHı für den mir im Anatomischen Institut angewiesenen Arbeitsplatz und für die mir bei Erfüllung dieser Arbeit geleistete Hilfe meinen wärmsten Dank auszusprechen. Jurgew-Dorpat (Livland) Frühling 1914. Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 505 1892. 1895. 1896. 1898. 1899. 1902. 1905. 1914. 1883. 1904. 1891. 1894. 1885. 1858. 1876. 1892. 1886. 1888. 1835. 1833. Verzeichnis der zitierten Literatur. Avorenı, H. Über Variationen der Spinalnerven und der Wirbelsäule anurer Amphibien. I. Bufo variabilis. Morpholog. Jahrb. Bd. XIX, S.313—375. 1 Tafel, 4 Figuren. —— —— II. (Pelobates fuscus und Rana esculenta). Ebenda. Bd. XXII, S. 449—490. 1 Tafel, 4 Figuren. — —— II. (Bufo einereus Schneid.) Ebenda. Bd. XXV, S. 115—142. T Tafel. —— Über das Wandern der Extremitätenplexus und des Sacrum bei Triton taeniatus. Ebenda. Bd. XXV, 8. 544—554. 8 Figuren. —— Über die Wirbelsäule und den Brustkorb zweier Hunde. Ebenda. Bd. XXVII, S. 299—308. 1 Figur. —— Über ein Hundeskelet mit sogenannten »Halsrippen« bei nur 26 Prä- sacralwirbeln. Ebenda. Bd. XXX, S. 374—375. —— Über dis Variationen des Brustkorbes und der Wirbelsäule des Menschen. Ebenda. Bd. XXXII, S. 39—87. 2 Figuren. —— Über die Wirbelsäule und den Brustkorb zweier Finnen. Ebenda. Bd. IL, S. 221—228. 2 Figuren. ALBRECHT, P. Notes sur une h&mivertebre gauche surnum6raire de Python Sebae Dum. Bull. d. Muse Royal d’hist. natur. de Belgique. 771. Mars 1833. p. 21-38 Pl. I. BARDEEN, C. R. Numerical vertebral Variation in the human Adult and Embryo. Anat. Anzeiger. Bd. XXV, S. 497—519. BAUR, G. On intercalation of vertebrae. Journal of Morphology. Vol. IV, No. 3. January 1891. p. 331—336. —— The Relationship of the Lacertilian Genus Anniella Gray. Procee- dings of the United States National Museum. Vol. XVII. BuessiG, E. Eine morphologische Untersuchung über die Halswirbelsäule der Lacerta vivipara Jacq. Inaugural-Dissertation. Dorpat. CALoRI, L. Sulla Scheletrografia de’ Saurii. Nota II. Sullo scheletro della Lacerta viridis Linn. 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IX, S. 401—414. 1 Tafel. 1900. 1882. 1871, 1898. 1878. 1867. 1913. 1876. 1882. 1853. 1864. 1878. 1913. 1872. 1877. Konrad Kühne FÜRBRINGER, M. Zur vergleichenden Anatomie der Schultermuskeln. III. Teil. Morpholog. Jahrbuch. Bd. I, S. 636—816. Mit 5 Tafeln. —— Zur Lehre von den Umbildungen der Nervenplexus. Morpholog. Jahrb. Bd. V, S. 324—39. Mit 2 Tafeln. —— Untersuchungen zur Morphologie und Systematik der Vögel. I. Spe- zieller Teil. II. Allgemeiner Teil. Resultate und Reflexionen auf morphologischem Gebiete. Systematische Ergebnisse und Folgerungen. Amsterdam. 30 Tafeln. —— Zur vergleichenden Anatomie des Brustschulterapparates und der Schultermuskeln. IV. Teil. Jenaische Zeitschrift f. Naturwissenschaft. Bd. XXXIV. N.F. Bd. XXVIL 8. 215—718. Mit 5 Tafeln und 141 Figuren im Text. GAapow, H. Beiträge zur Myologie der hinteren Extremität der Reptilien. Morpholog. Jahrbuch. Bd. VII, S. 329—466. Mit 5 Tafeln und 4 Fig. im Text. | GEGENBAUR, C. Beiträge zur Kenntnis des Beckens der Vögel. Jenaische Zeitschrift f. Mediz. u. Naturwissenschaft. Bd. VI, S. 157—220. Mit 2 Tafeln und 5 Holzschnitten im Text. ’ —— Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere. Leipzig. GoETTE, A. Beiträge zur vergleichenden Morphologie des Skeletsystems der Wirbeltiere. Archiv f. mikroskop. Anatomie. Bd. XIV. S. 507—536. GÜNTHER, A. Contribution to the Anatomy of Hatteria (Rhynehocephalus Owen). Phil. Trans. Roy. Soc. CLVII. P.2. p. 595—629. HASEBE, KoTonpo. Die Wirbelsäule der Japaner. Zeitschrift für Mor- phologie und Anthropologie. Bd. XV, 8. 259—572. Mit 3 Tafeln und 27 Textfiguren. HOFFMANN, C. K. Beiträge zur Kenntnis des Beckens der Amphibien und Reptilien. Niederländisches Archiv f. Zoologie. Bd.III. Leiden und Leipzig 1876—1877. S. 143—194. Mit 2 Tafeln und 15 Figuren im Text. Hort, M. Über die richtige Deutung der Querfortsätze der Lendenwirbel und die Entwicklung der Wirbelsäule des Menschen. Sitzungsberichte der Kaiserl. Akademie der Wissenschaften. Math.-naturwiss. Klasse. Bd. LXXXV. Abt. III. S. 181—233. Mit 4 Tafeln u. 2 Tabellen. Wien. HYRTL, J. Über normale Querteilung der Saurierwirbel. Sitzungsberichte der Kaiserl. Akademie der Wissensch. Math.-naturwiss. Klasse. Bd. X. S. 185—192. Wien. —— Über Wirbelassimilation bei Amphibien. Ebenda. Bd. XLIX. Abt. I. S. 264—272. 1 Tafel. JHERING, H. v. Das peripherische Nervensystem der Wirbeltiere als Grund- lage für die Kenntnis der Regionenbildung der Wirbelsäule. Mit 5 Tafeln und 36 Holzschnitten. Leipzig. Künse, K. Über die Variationen der Wirbelsäule und der Extremitäten- plexus bei Lacerta viridis Gessn. und Lacerta agilis L. Morpholog. Jahrbuch. Bd. XLVI, S. 563—592. Mit 1 Tafel u. 13 Figuren im Text. LeyoviıG. Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier. Tübingen. MIVART, ST. GEORGE, and CLARKE, R. On the sacral Plexus and sacral Vertebrae of Lizards and other Vertebrata. Transaect. Linn. Society 25. Zool. Vol. I. p. 513—532.. Mit 2 Tafeln und 9 Figuren im Text. Üb. d. Variat. d. Wirbelsäule, d. Brustkorbes usw. bei Lacerta muralis usw. 507 183. 1831. 1853. 1866. 1896. 1893. 1853. 1875. 18%. 1899. 1907. 1892. 183. 1894. 189. 1913. 1897. MOLLIER, $. Die paarigen Extremitäten der Wirbeltiere. II. Das Chei- ropterigium. Anatomische Hefte. Erste Abteilung. XVI. Heft (V. Bd., Heft 3. S. 433—529) 8 Tafeln, MÜLLER, J. Zur Anatomie der Blindschleiche im Vergleiche mit Bipes, Pseudopus und Ophisaurus; in TIEDEMAN und TREVIRANUS’ Zeitschrift für Physiologie (Untersuchungen über die Natur des Menschen, der Tiere usw.). Bd. IV. NATALE, G. DE. Ricerche anatomiche sullo Seineo variegato in rapporto ai prineipali tipi d’organizzazione dei Rettili. Memorie della Reale Accademia delle seienze di Torino. Tom XII. ser. 2. p. 371—436. 2 Tafeln. Owen, R. On the Anatomy of Vertebrates, Vol. I, Fishes and Reptiles. PARKER, G. Variations in the vertebral Column of Necturus. Anatom. Anz. Bd. XI, S. 711—17. PATERSoN, A. 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Über Wirbelassimilation bei den Sauriern. Annalen des K. K. naturhist. Hofmuseums. Bd. VII, S. 373—378. Mit 2 Figuren im Text. Wien. —— Das Skelet von Brookesia supereiliaris Kuhl. Sitzungsberichte der Kaiserl. Akademie der Wissenschaften. Math.-naturwiss. Klasse. Bd. CU. Abt. I. S.71—118. 4 Tafeln. Wien. —— Das Skelet der Lacerta Simonyi Steind. und der Lacertidenfamilie überhaupt. Ebenda. Bd. CII. Abt. I. S. 205-292. 4 Tafeln. —— Zur Kenntnis des Rumpfskelettes der Seincoiden, Anguiden und Gerrhosauriden. Annalen des K. K. naturhist. Hofmuseums. Bd. X. S. 17—41. 1 Tafel und 4 Figuren im Text. SoBOLEW, J. G. Über gewisse Lageveränderungen der Extremitäten wäh- rend der Entwicklung. Anat. Anz. Bd. XLIV, S. 402—411. WAITE, F.C. Variations in the brachial and lumbo-sacral Plexi of Nec- turus maculosus Rafinisque. Bull. of the Museum of Comp. Zool. at Harvard College. Vol. XXI. No. 4 p. 71—92. 2 Tafeln. Zur Morphologie der Sehzentren der Knochenfische, Von Dr. Em. Rädl (in Prag). Mit 14 Figuren im Text. In meiner »Neuen Lehre vom zentralen Nervensystem« suchte ich den Nachweis zu führen, daß man das Nervensystem aller Tiere in spezifisch gebaute Ganglien als die letzten morphologischen und physiologischen Elementareinheiten analysieren kann. Unter einem Ganglion faßte ich eine Masse von Nervenfilz (grauer Substanz, Punktsubstanz) zusammen, die aus gesetzmäßig verlaufenden Ner- venbahnen besteht. Ich habe dabei auf die Ganglien als charak- teristisch gebaute Einheiten hingewiesen. Die heute gültige ato- mitische Auffassung des Nervensystems, wonach dasselbe eine kom- plizierte Ansammlung von Nervenzellen und Nervenfasern darstellen soll, habe ich verlassen: der Plan, nach dem die elementaren Nervenbahnen innerhalb einzelner Zentren verlaufen, wurde von mir betont. Ich habe also z. B. die Netzhaut für eine morphologische Einheit genommen und ihre Form, ihre Krümmungen, ihre Asym- metrie studiert. Diese Eigenschaften der Netzhaut sind für dieselbe ebenso charakteristisch, wie für eine Blüte die Anordnung ihrer einzelnen Teile. Für die Bestandteile der Netzhaut halte ich nicht Stäbchen, Bipolaren, Ganglienzellen u. ä, sondern die Stäbchen- schicht als ein Ganzes, ferner die äußere und die innere plexiforme Schicht, die ich als zwei Einheiten (als das erste und das zweite Ganglion) auffasse und deren Bauplan ich zu erraten suche. Und ich bin überzeugt, daß diese morphologischen Einheiten auch funk- tionelle Einheiten darstellen. In der erwähnten Schrift suchte ich meine Idee durch die Analyse der Sehzentren der Wirbellosen zu stützen. Den Wirbel- tieren widmete ich erst an zweiter Stelle die Aufmerksamkeit. Der Morpholog. Jahrbuch. 49. 34 510 Em. Rädl verhältnismäßig einfache Bau der Nervenzentren bei wirbellosen Tieren erlaubte mir bestimmte Strukturgesetze für denselben auf- zustellen, die sich zwar bei den Wirbeltieren ebenfalls bewahrheiten, wegen der Kompliziertheit ihres Zentralnervensystems aber weniger leicht aufzudecken sind. Denn ich habe die These aufgestellt und verteidigt, daß dieselben Strukturgesetze den Bau der Nerven- zentren bei allen Organismen beherrschen; durch diese These habe ich die gangbare Methode, den Bau des Nervensystems phylogene- tisch erklären zu wollen, verlassen. Ich möchte jetzt in einer Reihe von Arbeiten die Sehzentren der Wirbeltiere nach den von mir aufgestellten Prinzipien analy- sieren und womöglich das von mir Ermittelte vertiefen. Bis- her habe ich zwar m.E. den Nachweis zu führen vermocht, daß die Sehzentren gesetzmäßig gebaut sind, die dabei herrschenden Ge- setze konnte ich jedoch nur im allgemeinen skizzieren; insbesondere weiß ich nicht, welche Rolle jedes einzelne Ganglion spielt, warum deren mehre aufeinander folgen müssen, woher ihre Asymmetrie kommt, was ihre Schichtung bedeutet, wozu die Kaskaden dienen usw. Ich möchte durch fortgesetzte Arbeiten diese Fragen wenig- stens teilweise beantworten; denn ich erhoffe mir von der Beant- wortung derselben eine ganz neue Einsicht in das Wesen des Zentral- nervensystems. In dieser Arbeit werden die Sehzentren des Knochenfisches Leuceiscus (Weißfisch) beschrieben; es wird da der Nachweis ge- führt, daß die von mir aufgestellten Grundsätze vom Bau des Zentralnervensystems auf diesen Fall angewendet werden können. Die Bedeutung des Ermittelten wird erst der Vergleich mit den Sehzentren der anderen Wirbeltierklassen beleuchten. Die Analyse der Netzhaut soll übergangen werden; ich beginne mit dem Mittel- hirndach. I. Die gegenseitige Orientierung der Sehzentren. 1. Die Form des Mittelhirndaches. Das Mittelhirndach der Knochenfische (Teetum opticum, corpora bigemina) entspricht den vorderen Vierhügeln des Gehirnes der Säuge- tiere; es stellt jederseits ein großes, angenähert einem hohlen Kugel- segment ähnliches, nach außen konvexes, nach innen konkaves Ganglion dar. Beide Dächer stoßen in der Mittellinie des Körpers zusammen und sind, ihrer äußeren Form nach, einigermaßen den Zur Morphologie der Sehzentren der Knochenfische. 511 Großhirnhemisphären niederer Säuger ähnlich. Das Mittelhirndach des Weißfisches würde, aufgerollt, angenähert einer runden, aus ab- wechselnd hellen und dunklen, mit der Oberfläche parallelen La- mellen bestehenden Platte ähnlich sein; die große Kreisfläche auf der schematischen Fig. 1 zeigt die Umrisse des von oben betrach- teten Mittelhirndaches. Tatsächlich ist jedoch das Dach schalen- förmig gekrümmt. An jener Stelle, wo die Nummern 1 stehen, liegt seine vordere, dort, wo die Bezeichnungen »genieulatum« und »torus long.« stehen, liegt seine innere Seite; an diese letztere grenzt un- mittelbar das Dach der anderen Körperseite. Fig. 1. PR = _ - ._ . HERE ..."rorus long Schema des aufgerollten Mittelhirndaches der Fische. 7 Opticusfasern, 7’ erwartete, aber nicht ver- wirklichte Verlaufsweise der Opticusfasern, 2 Nervenfasern zwischen dem Dache und dem Torus longitudinalis 3 »tiefes Mark«, genic. Geniculatum, Zorus long. Torus longitudinalis, forus sem. Torus semicircularis projiziert auf das aufgerollte Mittelhirndach. Senkreeht zur flächenhaften Ausdehnung durchschnitten, zeigt das Dach unter dem Mikroskop einzelne Schichten oder Lamellen, aus denen es zusammengesetzt ist. Die schematische Fig. 2 ver- anschaulicht einen solehen Querschnitt; am hinteren Ende sind die 34* ® 512 Em. Rädl Sehichten mit Nummern I—V bezeichnet. Die dunklen Schichten des Daches bestehen aus Nervenfilz, d. h. aus mehr oder weniger dichtem Geflecht von Nervenfäserchen, deren Verlaufsweise sich von Ort zu Ort verändert. Jede Schicht zerfällt jedoch wiederum in feinere Schichten, die durch die mit der Außenfläche parallele Ver- laufsweise gewisser Nervenfibrillen bedingt werden. In den hellen Zwischenschichten verlaufen Nervenfaserbündel; als eigentliche Zen- tren sind also die Nervenfilzschiehten zu betrachten, während die hellen Schiehten nur Lücken darstellen, durch welche die Nerven- bahnen nach ihrem Bestimmungsort eilen. Schematischer Querschnitt durch das Mittelbirndach der Knochenfische nebst den angrenzenden Ganglien. (Nicht alle Leitungsbahnen sind in das Schema eingezeichnet.) I—Y Nervenfilzschichten des Daches, Tectum = Mittelhirndach, @enic. Geniculatum, praetect. Nucleus praetectalis, anter. Nuel. anterior, Zor.l. Torus longitudinalis; die arabischen Ziffern bedeuten verschiedene Leitungsbahnen und zwar 7 Opticusfasern, 2 Geniculatum-Tectum, 3 Geniculatum-Thalamus, 4 Genieulatum-N. prae- tectalis, 5 N. praetectalis-Tectum, 6 N. praetectalis-Thalamus, 7 N. praetecetalis-Torus semieireularis, & Commissur des ersten Ganglions des N. praetectalis, 9 Commissur des zweiten Ganglions des N. p., 10 Opticusfasern zum Nucl. anterior, 27 Tecetum-Nucl. anterior, 22 Commissur des Daches, 73 Torus longit.-Tecetum, 74 N. praetectalis-Tectum, 75 tiefes Mark, 276 Tectum-Torus semieireularis. 1. Am Außenrande des Daches liegt eine, bei verschiedenen Fischen verschieden dicke sehr dunkle Schicht. Besonders stark ist sie bei Leuciscus und offenbar überall dort entwickelt, wo das »Torus longitudinalis« genannte Ganglion eine bedeutendere Größe erreicht. 2. Die zweite, sehr dünne Nervenfilzschicht scheint nicht bei allen Knochenfischen vorhanden zu sein. Dieselbe und die oben genannte Schicht sind offenbar nur den Knochenfischen eigen; denn der eigentliche Sehnerv verbreitet sich erst unterhalb dieser Schich- ten, während er (nach der Darstellung der Autoren) bei anderen Wirbeltieren die Oberfläche des Daches (des vorderen Vierhügels) Zur Morphologie der Sehzentren der Knochenfische. 513 einnimmt. Damit wird offenbar im Zusammenhange stehen, daß man den Torus longitudinalis außerhalb der Knochenfische nicht kennt; erst ein vergleichendes Studium wird uns belehren können, in welchen Gehirnteilen der höheren Wirbeltiere diese Zentren, nämlich die beiden ersten Schichten des Daches und der Torus lon- gitudinalis, zu suchen wären. 3. Es folgt eine dicke, etwas hellere Schicht, welche als die eigentliche Endstation des Sehnerven zu betrachten ist; sie kommt bei allen Fischen in derselben Ausbildung vor und bildet den wesent- lichsten Bestandteil des Mittelhirndaches. 4. Ebenfalls allen Knochenfischen (sofern ich sie untersucht habe) eigen ist die vierte, dunklere, ebenfalls dicke Nervenfilzschicht, welche namentlich mit dem T'halamus in Verbindung steht. 5. Schließlich folgt eine dünne Nervenfilzschicht auf der kon- kaven Seite des Daches, unter der die zum Dache zugehörigen Ganglienzellen liegen. Die äußere Form des Mittelhirndaches hängt von der Größe der einzelnen Schichten und von ihrer inneren Struktur ab. Bei einzelnen Gattungen (nach V. Franz!) bei Thynnus, Scomber, Caranı, Pleuronectes) ist das Dach nach der Mitte eingefaltet; es scheint mir, daß diese Einfaltung mit der Verteilung der Faserbündel des »tiefen Markes« zusammenhängt; auf unserer Fig. 2 müßte dann die Einfaltung an jene Stelle kommen, der gegenüber die drei Nerven- fasern Nr. 15 als Stellvertreter eines mächtigen Bündels das Dach verlassen. 2. Asymmetrie des Mittelhirndaches. Das Mittelhirndach der Knochenfische sieht der (embryonalen) Netzhaut ähnlich, deren Seiten noch nicht verwachsen sind, so daß der Sehnerv noch nicht nahe der Mitte derselben, sondern an ihrem unteren Rande herauskommt. Eine symmetrisch gebaute Netzhaut und ein symmetrisches Dach würden durch den Sehnerven auf die auf der Fig.3 dargestellte Art zusammenhängen. Die Netzhaut (@) würde in der Mitte durchbohrt sein; der Sehnerv würde durch dieses Loch hindurchdringen und an den Scheitel des Daches (2) herantreten, wo er sich radiär ver- zweigen würde. Anscheinend hindert nichts die Netzhaut und das Dach, diese gegenseitige Orientierung vorzunehmen; tatsächlich ist 1 V. Franz, Beitr. z. Kenntnis des Mittelhirns u. Zwischenhirns d. Knochen- fische. Folia neurobiologica V, 1912, p. 405—406. 514 Em. Rädl sie aber nicht realisiert. Erstens ist die Netzhaut asymmetrisch und ihr Bau folgt dem auf Fig. 4 dargestellten Typus (a), was ich in meiner zitierten Schrift erörtert habe. Und das Dach ist auf eine analoge Art orientiert. Der Sehnerv tritt seitwärts an das gegen das Auge und gegen den Sehnerv geneigte Dach heran. Man wird hundert zufällige Ursachen ins Feld führen können, um diese von der regulären Form abweichende Orientierung der Netzhaut und des Daches zu erklären, nur wird man durch keine dieser Ursachen erklären können, daß dieselbe Asymmetrie bei allen Sehzentren aller Tiere vorkommt. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 3. Schema der nervösen Verbindung zwischen der Netzhaut und dem Mittelhirndach, wenn diese beiden Zentren symmetrisch gebaut wären. a Netzhaut, o Sehnerv, Z Mittelhirndach, Fig. 4 Schema der wirklich vorhandenen (asymmetrischen) Verbindung zwischen der Netzhaut und dem Mittelhirndach. «a Netzhaut, o Sehnerv, Z Mittelhirndach. Die Asymmetrie dieses Zentrums läßt sich übrigens auch aus der Verlaufsweise der Sehnervenfasern im Dache selbst heraus- lesen. Dieselben laufen nämlich eine Strecke weit parallel zu der Oberfläche des Daches, um sich dann in einzelne Schichten des- selben zu versenken. Unter diesen Umständen wäre jene Verlaufs- weise am natürlichsten, die auf der Fig. 1 durch punktierte Linien (1’) angedeutet wird. Die Nervenfasern würden auf kürzesten Bahnen den Ort erreichen, wo sie nach innen umbiegen und sich in den dunklen Schichten des Daches verlieren. Tatsächlich dagegen ver- laufen die Sehnervenfasern auf beiden Hälften des Daches ver- schieden, im ganzen so, als ob das ganze Dach aus einer plastischen Masse bestände und um einen Punkt gedreht würde, der exzentrisch im oberen äußeren Winkel des Daches liegt. Zweifellos steht diese Asymmetrie mit einer Asymmetrischen Orientierung der Fibrillen innerhalb des Daches in Verbindung; denn die Nervenfasern, die das Dach mit anderen Zentren verbinden, verlaufen ebenfalls auf- fallend asymmetrisch, so auf Fig.1 die in den Torus semieireularis .- nun...” Me u rue Ar rue Zur Morphologie der Sehzentren der Knochenfische. 515 führende Bahn (3) und die in den Torus longitudinalis führenden Fasern (2). Eine geometrisch regelmäßige Verteilung der Nervenbahnen inner- halb des Daches würde desto natürlicher sein, weil unter dieser Be- dingung die größte Menge der Nervenfasern den kleinsten Raum ein- nehmen kann und weil auch die Masse der Nervensubstanz erspart wird. Werden diese beiden für die Verteilung der Nervenfasern gewiß nicht zu übersehenden Prinzipien so ganz auffallend außer acht gelassen, wie es im Dache tatsächlich der Fall ist, so müssen ganz gewichtige Gründe dafür im Spiele sein. Noch auffallender ist, daß die angegebene Störung in der symmetrischen Verteilung der Nervenbahnen in allen Sehzentren aller Tiere konstatiert wer- den kann. Welehe Erklärung wäre für diese asymmetrische Lage der Sehzentren anzuführen? Ich glaube, daß sie mit der Verteilung der Nevenbahnen innerhalb der Sehzentren zusammenhängt, daß nämlich diese Verteilung vom Grund aus asymmetrisch ist, und dar- aus erfolgt die Asymmetrie des ganzen Komplexes der Nerven- fibrillen, des Ganglions. Aus demselben Grunde ist z. B. auch ein Pianoforte asymmetrisch gebaut, weil die Länge der einzelnen Saiten von einem Ende zum andern stetig zunimmt. Es ist nicht aus- geschlossen, daß auch innerhalb der Sehzentren die Länge der ein- zelnen (innerhalb der Ganglien verlaufenden) Nervenbahnen von Be- deutung ist, es kann aber auch die gegenseitige Orientierung der Nervenfibrillen mit im Spiele sein. Wir werden übrigens noch auf dieses Problem zurückkommen. 3. Asymmetrie des Geniculatum. Vor dem Mittelhirndach der Knochenfische liegt jederseits ein kleines, bei verschiedenen Gattungen verschieden hoch entwickeltes Ganglion, das sog. Genieulatum laterale. Im Verhältnis zum ana- logen Gebilde der Säugetiere ist dieses Zentrum bei den Knochen- fischen schwach entwickelt. Nach den Beschreibungen von E. H. Caroıs und von V. Franz? dringt der Sehnerv durch dieses Zentrum hindurch und sendet nur einige Kollateralen in dasselbe hinein. CAroıs hält das Geniculatum ı E.H. Caroıs, Rech. sur l!’histologie et l’anat. mierosc. de l’encephale chez les poissons. Bull. seientif. de la France 1901, S. 94, 9. 2 V. FRANZ 2.2.0. S. 411. 516 Em. Radl der Fische für eine Art »Relais, eingeschoben zwischen den Verlauf der auf- und absteigender Sehnervenfasern und die verschieden- artigen Zentren«, die im Gehirn liegen!. Franz nimmt wiederum an, daß die Wirksamkeit des Geniceulatum »vielleicht in der Mit- wirkung beim Akkomodationsakte zum Teil liegt« 2. Die äußere Form des Genieulatum der Knochenfische ist kom- pliziert; es scheint einem hufeisenförmig gebogenen dünnen Bänd- chen ähnlich; beide Arme des Hufeisens, namentlich aber der innere, sind wiederum wellenförmig gekrümmt. Infolge dieses Baues ist das Geniculatum äußerst asymmetrisch, obwohl der Verlaufsweise seiner Nervenbahnen ein symmetrischer (kugeliger) Bau am besten ent- sprechen würde. Warum muß es eben hufeisenförmig sein? Warum ist die offene Seite des Hufeisens immer gegen das Auge hin gerichtet? Warum sind die beiden Arme des Hufeisens eben lamellenförmig? Geben wir zu, daß die Wellenform des Geniculatum den Zweck ‘ hat, seine Oberfläche zu vergrößern; warum ist immer der äußere Arm des Geniculatum weniger als der innere gewellt? Es kommt noch hinzu, daß die Nervenbahnen, die in das Geniculatum ein- münden und dasselbe verlassen, komplizierte Bögen umschreiben, ehe sie sich im Ganglion verlieren, so daß es unmöglich ist, den Schnitt durch das Geniculatum so zu führen, daß ein größerer Teil der Sehnervenfasern oder anderer im Geniculatum einmündender Bahnen ihrer Länge nach getroffen wäre; immer treten die meisten Fasern aus der Schnittebene heraus. Alle diese Eigenschaften des Genieulatum haben nur dann einen Sinn, wenn sie durch die innere Struktur des Geniculatum diktiert werden. Offenbar müssen die Nervenbahnen innerhalb dieses Zentrums so angeordnet werden, daß das letztere nur hufeisenförmig, nur lamellenförmig, nur asym- metrisch gebaut sein muß, und daß die Nervenbahnen vor ihrer Einmündung in dieses Zentrum geschwungene Bahnen beschreiben müssen. Zwischen beiden Dächern des Mittelhirns und unter den Geni- culata liegen mehrere kleine Ganglien, die wir nach der Terminologie EDINGERs Nucleus praetectalis (aus zwei Zentren bestehend) und Nuc- leus anterior nennen wollen (Fig. 2). Auch diese Zentren sind asym- metrisch; da jedoch ihre Asymmetrie weniger auffallend ist, wollen wir von deren Analyse abstehen. 12.2.0. 8. 97. 259.29..0, 28- Alle Pe Zur Morphologie der Sehzentren der Knochenfische. 517 4. Asymmetrie des Torus semicircularis. In der »Neuen Lehre vom Zentralnervensystem« habe ich darauf hingewiesen, daß je komplizierter ein Tier organisiert ist, desto zahlreichere optische Zentren zwischen das Auge und das Gehirn eingeschoben sind. Diese Zentren folgen einander wie die Glieder einer Kette: bei den Fischen stehen hintereinander die lichtempfind- liche Schieht der Netzhaut, die innere und die äußere plexiforme Schieht, das Mittelhirndach, Torus semieireularis. Nach dem letzt- senannten Ganglion folgen bereits Zentren, deren Struktur von den- jenigen der optischen Ganglien wesentlich verschieden ist. Der Torus semicireularis wird von den Histologen aus begreif- lichen Gründen wenig beachtet. Die Histologen folgen dem Schema der einander übergeordneten sensitiven und motorischen Zentren und unterscheiden infolgedessen innerhalb der Sehbahnen den Auf- nahmeapparat für den Lichtreiz (Netzhaut), die primären Seh- zentren (Mittelhirndach, Geniculatum, Pulvinar), in denen der Seh- nerv endigt und die als Reflexzentren für Lichtperzeption dienen, und drittens das sekundäre Sehzentrum im Großhirn, wo die Liehtperzeption sozusagen vergeistigt wird. Die Tatsache, daß im Mittelhirn eine größere Menge von Zentren mit dem Dache oder direkt mit dem Sehnerven im Zusammenhange steht, ist ihnen zwar bekannt, doch suchen sie ihr dadurch gerecht zu werden, daß sie unter diesen Ganglien Zentren für Pupillenbewegung, für Akkommodation usw. suchen. Ich habe in meiner früheren Arbeit die oben erwähnte und, wie ich sehe, allgemein angenommene Dreiteilung der Sehzentren fallen gelassen. Ich suchte durch das vergleichende Studium der Seh- zentren der verschiedensten Tiere die Lehre zu begründen, daß die Sehzentren eine kettenförmige Reihe von Ganglien bilden, deren erstes Glied die lichtempfindliche Schicht der Netzhaut bildet, dar- auf folgen als erstes Ganglion die äußere, als zweites die innere plexiforme Schicht, als drittes das Mittelhirndach (resp. vordere Vierhügel) usw. In jedem dieser Zentren geschieht ein nervöser Vorgang unbekannter Beschaffenheit, und erst alle zusammen machen den vollen Sehakt möglich. Zu diesem Schlusse führt mich erstens die Tatsache, daß schon bei physiologisch ziemlich einfachen Wesen, wie es die Crustaceen sind, vier Sehzentren hintereinander folgen, die sich dem Schema vom » Aufnahmeapparat, primärem, sekundärem 518 Em. Rädl Sehzentrum« durchaus nicht fügen, und zweitens die Annahme, daß diese Zentren den Sehzentren der Wirbeltiere morphologisch und gewiß z. T. auch physiologisch gleichwertig sind. Die Anatomen halten, wie gesagt, das Mittelhirndach für ein primäres, bestimmte Großhirnteile für ein sekundäres Zentrum. Da- bei übersehen sie gänzlich, daß die Reihe der Sehzentren mit dem Dache keineswegs endigt, sondern daß noch ein Sehzentrum, das vierte optische Ganglion, von den Anatomen Torus semieircularis genannt, folgt, an das erst wesentlich anders gebaute Zentren sich anschließen. Da der Torus semicireularis in die herrschenden Theorien vom Wesen des Sehvorganges nicht hineinpaßt, berück- sichtigen ihn die Anatomen nicht. L. EDInGEr führt dieses große Ganglion nur dem Namen nach auf und scheint anzunehmen, daß es nur einen an sich bedeutungslosen Durchgangsort für die vom Mittelhirn zum Nachhirn und zum Rückenmarke führenden Bahnen (Traetus tectobulbates et tectospinales) darstellt. V. Franz, ein Schüler EDINGERS, bespricht eingehender alle ihm bekannten Zentren des Mittelhirns, schweigt aber über den Torus semi- eireularis, obwohl er denselben auf den Abbildungen zeichnet. E. Caroıs beschreibt dieses Zentrum und unterscheidet in dem- selben fünf Arten von Nervenbahnen; dieselben verbinden den Torus mit dem Dache, mit dem Nucleus praetectalis, mit dem Torus der anderen Seite, mit dem Hypothalamus. Caroıs sieht im Torus ein wichtiges Relais zwischen den Sehzentren und den nachfolgenden Teilen des Nervensystems, das von der Netzhaut ausgehende Reize einerseits über das Mittelbirndach, anderseits (auf kürzerem Wege) über den Nucleus praetectalis aufnimmt und dieselben weiter be- fördert 2. Man betrachte zuerst die verhältnismäßige Größe und die Kom- plexität dieses Zentrums. Auf Fig. 5 ist nach der Camera ein Horizontalschnitt durch den unteren Teil dieses Ganglions dar- gestellt; zum Vergleich sind die Umrisse des Mittelhirndaches punk- tiert angegeben. Auf Fig. 6 ist bei derselben schwachen Vergrößerung die hintere Hälfte des Daches und der darunter liegende Torus semi- eircularis im Frontalschnitte dargestellt. Man bemerkt auch sofort, wie ganz verschieden dasselbe Ganglion auf zwei gegeneinander 1 V. FRANZ 2.2.0. 2 E. CAToıs a. a. 0. S. 136. -. =. - . nn are EN Ra Fe - ost . S Bi ns . Sn + > R £ 2% N Dainese... N 2 ehe EUR atnıtian san x SE . . > e ‚Den RL TER? h Q Z SCH \ ET LANG he SR Fig.5. Horizontal-frontaler Schnitt durch den unteren Teil des Torus semieircularis; über demselben sind die Umrisse des Daches punktiert angegeben. Fig. 6. Frontalschnitt durch den Torus semieircularis; vom Mittelhirndach fehlt die vordere Hälfte. 520 Ein. Rädl senkrechten Schnitten aussehen kann. Auch zeigen die beiden Fi- guren, wie ungeheuer kompliziert der innere Bau dieses Ganglions ist. Es ist geschichtet (wie alle Sehzentren) und Nervenfilzschichten wechseln mit Nervenfaserbündeln ab. er & S : N „= SO S = ——E0ompp fs. SI —F—->L iB Ze NER ED “ > A) Sn S LER o D N SR ef S Sl; = RI mE oO Ri = Ss 2 \S N Ss I o a Ss 192) 8 R I © L Torus semieircularis (Schema). ant. vordere und innere, post. hintere und äußere Seite des Daches, I—IV Schichten des Torus. Die Asymmetrie dieses Zentrums ist an beiden Figuren (Fig. 5 und 6) deutlich erkennbar; wir wollen sie nach der schematischen Figur 7 analysieren. Kein wie immer geführter Schnitt ist imstande, dieses Zentrum so zu treffen, daß alle seine wesentlichen Bestand- Zur Morphologie der Sehzentren der Knochenfische. 521 teile symmetrisch getroffen wären, weil das Ganglion in verschie- denen Richtungen verschieden gekrümmt erscheint. Unser Schema ist aus horizontalen und sagittalen Schnitten kombiniert. Oben liegt die untere Grenze des Mittelhirndaches (Teetum) mit dem vorderen (ant.) und hinteren (post.) Ende. Unter dem Dache liegt der Torus semieireularis und ist, wie die Abbildung zeigt, wenigstens aus vier untergeordneten Zentren (I—IV) zu- sammengesetzt. Diese Zentren liegen nicht einfach untereinander, sondern sind alle gegeneinander geneigt. Auffallend ist zuerst die Neigung des gesamten Torus gegen das Dach (vergl. auch Fig. 6), Am natürlichsten wäre es jedenfalls, wenn sich der Torus direkt an das Dach anschmiegen würde oder wenigstens (weil in der Lücke zwischen beiden ein loses Geflecht von Nervenfäserchen und ferner der Ventrikel eingeschoben ist), wenn beide Zentren wie zwei konzentrische Kugelschalen symmetrisch gegen und parallel miteinander liegen würden. Tatsächlich liegt aber die konvexe Außenseite des Torus tiefer als die konkave des Daches. Vergleichen wir das Dach mit einem Hut, den Torus mit dem Kopfe; dann bedeckt das Dach den Torus etwa so, wie gewisse Damenstrohhüte aus der letzten Zeit, die nach vorn zu kurz, nach hinten zu lang sind und schief auf dem Kopfe sitzen. Wir sehen auf der Abbildung, daß der Torus dem Dache hinten näher als vorn liegt, auf einem Frontschnitte würde wiederum der Torus mehr nach außen verschoben liegen. Würden beide Ganglien sym- metrisch gegeneinander orientiert sein, so würden die mächtigen Verbindungsbahnen zwischen denselben (das sog. tiefe Mark, das auf der Fig. 6 in natürlicher Lage dargestellt ist), strahlenförmig ver- laufen können und hätten alle die gleiche Länge. Mit der Asymmetrie hängt zusammen, daß die betreffenden Nervenbahnen von sehr ungleicher Länge sein müssen, wie es auch die Abbildung zeigt. Einzelne Schichten des Torus sind kugelschalenförmig, jedoch ist wiederum jede einzelne für sich asymmetrisch, und immer ist die eine Schicht gegen die andere asymmetrisch geneigt, als ob sie sich um einen exzentrisch liegenden Mittelpunkt drehen würden. In der groben Organisation dieses Zentrums liegt keine merkliche äußere Ursache, durch welche sich die Asymmetrie dieses Zentrums er- klären könnte. Nach den bestehenden Theorien sollte dieses Gan- glion annähernd kugelförmig sein oder eine unregelmäßige Textur besitzen; es sollte in der Mitte unter dem Dach liegen; mit dem Dache sollte es durch möglichst einfach und symmetrisch verteilte 522 Em. Rädl Nervenbahnen zusammenhängen. Ist dies nicht der Fall, so muß in der inneren Beschaffenheit dieses Zentrums der Grund für die Asymmetrie desselben gesucht werden. Ein uns noch unbekannter Grund nötigt die Fasern des »tiefen Markes« (Fig.6), in langen Bögen nur die Außenseite des Torus aufzusuchen und die Innen- seite zu meiden; vielleicht ist es derselbe Grund, der die gegen- seitige Neigung einzelner Schichten des Torus bedingt. Wir werden später versuchen, diesen Grund anzudeuten. 5. Asymmetrie des Torus longitudinalis, Torus longitudinalis der Knochenfische ist ein Adnex des Mittelhirndaches. Bei dem Weißfisch gleicht er ungefähr einer dreiseitigen, mit der Basis schief nach unten vorn, mit dem Scheitel nach hinten oben gerichteten Pyramide. Unsere schematische Fig. 8 Fig. 8. S BE 2 Er an III \ N er 6 \ \ EAN DEN .., fecfum Ss SE SI kom.feck . IIAN “8. ainaed se mnNN EEE een a eh rer ‚s ‘ ® IR EI ZN ie. Ss % A ZN I kom at . A = 77 N ». eo. ‘e ig De. ; forus 1. ee) del B- ‘eo "oae Torus longitudinalis (Schema), horizontal-frontal durchschnitten. Bei b Grenzfasern der Leitungs- bahn Torus-Mittelhirndach. Die schwarzen Punkte bedeuten Zellen. stellt einen Horizontalschnitt durch diese letztere dar. (Man vergl. auch Fig. 2.) An.der Stelle, wo die Kommissurfasern (kom.) aus derselben heraustreten, grenzt dieser Torus unmittelbar an die Medianebene des Körpers und an den Torus der anderen Seite an; mit der Fläche, in die die Nervenfasern eindringen, ist der Torus Zur Morphologie der Sehzentren der Knochenfische. 523 nach vorn gerichtet. Er besteht aus geschichtetem, von Ganglien- zellen durchsetztem Nervenfilz, wie das Dach. Bei verschiedenen Fischen ist dieser Torus verschieden groß (bei dem Weibßfisch ist er sehr stark entwickelt). Nach V. Franz geht seine Stärke meist ungefähr derjenigen des Mittelhirndaches parallel. Torus longitudinalis scheint ein bloß bei den Knochenfischen vorkommendes Zentrum darzustellen. Fehlt es gänzlich bei anderen Wirbeltieren? Welche Rolle spielt es dann aber bei den Fischen? Es scheint, daß es einen integrierenden Bestandteil des Daches bildet, oder umgekehrt, daß die äußerste Schicht des Daches, die mit diesem Torus in Verbindung steht, eigentlich nicht zum Dache, sondern zum Torus gehört. Weil auch diese Schicht bei den höheren Wirbeltieren zu fehlen scheint, liegt der Gedanke nahe, daß diese Schicht in Verbindung mit dem Torus ein besonderes, bei anderen Wirbeltieren fehlendes optisches Zentrum darstellt. Die Asymmetrie dieses Torus ist leicht zu bemerken; dieses Ganglion ist (auf der Abbildung) schief nach vorn rechts, also vom Dache weg, geneigt, obwohl es doch den Verhältnissen augenschein- lich besser entsprechen würde, wenn es gegen das Dach, das Nerven- fasern aus dem Torus aufnimmt, geneigt wäre. Die wirkliche Lage des Torus macht es nötig, daß die zwischen demselben und dem Dache verlaufenden Nervenbahnen, scheinbar ohne Grund, verschieden lang sein müssen. Sollte diese Orientierung des Toorus durch Zufall zu erklären sein? Wenn wir dieselbe Art der Asymmetrie am Mittelhirndach, am Genieulatum, am Torus semieircularis und am Torus longitu- dinalis konstatiert haben, so ist es ausgeschlossen, daß die Koinzi- denz durch eine Reihe von Zufällen verursacht werden könnte. Die asymmetrische Lage ist für die Sehzentren der Knochenfische ebenso charakteristisch, wie für die Sehzentren aller wirbellosen Tiere; in der inneren Beschaffenheit dieser Zentren muß der Grund gesucht werden. Il. Die Verteilung der Nervenbahnen innerhalb der Sehzentren. In der »Neuen Lehre< habe ich den Grundsatz aufgestellt, daß die Verteilungsart der Nervenbahnen innerhalb der Sehzentren und der Ort, wo sie die Sehzentren verlassen, für jede bestimmte Nerven- bahn charakteristisch sind. So muß z. B. eine Nervenbahn, die das 12.2.0. 8. 407. 524 Em. Rädl. Mittelhirndach mit dem Geniculatum verbindet, innerhalb des ersten Ganglions andere Wege einschlagen (auf eine andere Art seine Struktur bedingen) als die das Mittelhirndach mit dem Torus semi- eircularis verbindende Bahn. Diese Tatsache wird von den Neu- rologen nicht beachtet (obwohl sie vorübergehend auf dieselbe ge- stoßen sind). Die Neurologen unterscheiden die Nervenbahnen bloß nach den Zentren, die durch sie verbunden werden, und ferner da- nach, ob sie zentripetal oder zentrifugal leiten. Die Nervenbahn Teetum-Geniculatum unterscheidet sich also, den gangbaren An- schauungen nach, von der Bahn Teetum-Torus semieireularis bloß da- durch, daß sie zwischen anderen Endstationen verläuft. Könnte man beide Nervenbahnen gegeneinander vertauschen, es würde sich (so glaubt man) nichts Auffallendes in den Sehzentren verändern. Meiner Ansicht nach dagegen kann man diese Nervenbahnen ebensowenig gegen- einander vertauschen, wie man auf einer Zeichnung einzelne Linien miteinander vertauschen kann, da jede derselben eben durch ihre Lage den Plan der Zeichnung bedingt. Ebensowenig kann man in einem Pianoforte einzelne Saiten gegeneinander vertauschen, ohne dadurch die richtige Wiedergabe der Akkorde zu vereiteln. Ich nehme also an, daß von der charakteristischen Verteilung einzelner Nervenbahnen in jedem Zentrum auch dessen (morphologische und physiologische) Bedeutung abhängig ist, und ich hoffe, daß man durch eingehendes vergleichendes Studium jener Verteilung diese Bedeutung wird ermitteln können. 1. Mittelhirndach, Die äußere Form des Mittelhirndaches haben wir beschrieben. Es stellt ein mächtiges Zentrum dar, in welches namentlich die Seh- nervenfasern einmünden, und es besteht, wie alle Sehzentren, aus geschichtetem Nervenfilz; bei dem Weißfisch kann man fünf Nerven- filzschichten unterscheiden. Auf Fig. 9 sind diese Schichten schema- tisch dargestellt und in jede Schicht sind die ihr gehörenden Ner- venbahnen eingezeichnet (vergl. auch Fig. 2 und Fig. 6). Die Regel- mäßigkeit in der Verteilung dieser Bahnen ist ohne weiteres klar. Diese Nervenfilzschichten stellen sozusagen Zentren zweiten Ranges oder Glieder des Mittelhirndaches dar. Jede Schicht scheint eine andere Rolle zu spielen, denn in jede münden Nervenbahnen anderer Art ein. Deutlicher treten drei Schichten hervor: eine zu äußerst liegende sehr dunkle Schicht (1), eine hellere dicke Schicht (3), und eine dunklere ebenfalls dieke Schicht (4); nebstdem kommen Zur Morphologie der Sehzentren der Knochenfische. 525 noch zwei weniger bedeutende Schichten vor. In die äußerste dunkle und beim Weißfisch ziemlich dieke Nervenfilzsehicht münden Nervenbahnen, die aus dem Torus longitudinalis (Fig. 2, S.512 Fig. 8, S.522 herkommen und sich in dieser Schicht in feinste Fäserchen besen- artig zersplittern. Die letzteren laufen dann parallel zur konvexen Oberfläche des Daches. Die erste Nervenfilzschicht des Daches steht also im innigsten Zusammenhange mit dem Torus longitudinalis. torus longil. forus semic.I. gericulatum corpus glomerulosum nucl. praefectalis (optieus) retina 3 thalamuslsupen) Ihalamus(infer) 4 commis intertect thalamus 5 torus semie.Z. Vorderes und inneres Ende des Mittelhirndaches (schematisch) zur Veranschaulichung der in dem- selben einmündenden Leitungsbahnen, Man beachte die gegenseitige Lage dieser beiden Zentren auf Fig.2 (S. 512). Ist es nicht auffallend, daß sie so weit voneinander liegen, daß die sie verbindende Nervenbahn erst auf langem Umwege ihr Ziel findet? Handelte es sich bloß um leitende Verbindung zwischen dem Dache und dem Torus, so würde gewiß die betreffende Bahn Morpholog. Jahrbuch. 49, 35 526 Em. Rädl geradewegs in das Dach, gewiß in der Nähe von dessen innerer, konkaver Seite eindringen. Tut sie es nicht, so müssen gewisse Gründe vorhanden sein, die ihr ihren Umweg vorschreiben. Offen- bar hat die erste Schicht des Mittelhirndaches eine besondere Aufgabe und kann diese Aufgabe nur dann vollführen, wenn sie eben auf der konvexen Seite des Daches liegt. Ich habe in meiner mehrmals erwähnten Schrift darauf hingewiesen, daß die Richtung, in der eine Nervenbahn in ein Zentrum eindringt, nicht irrelevant ist; vielleicht spielt diese Richtung hier eine Rolle. Die erste Nervenfilzschicht steht nämlich mit den nachfolgenden in leitender Verbindung; sie kann wahrscheinlich nur dann die ihr zugewiesene Rolle spielen, wenn diese Verbindungsbahnen von außen in das Dach eindringen. Ein Vergleich mit den Sehzentren höherer Wirbel- tiere, wo diese Schicht (an dieser Stelle) zu fehlen scheint, könnte hier Aufklärung bringen. In der Lücke zwischen der ersten und der zweiten Nervenfilz- schicht des Daches mündet die Leitungsbahn, die aus den äußeren Schichten des Torus semieireularis herkommt (Fig. 9, torus semice.].). Fig.7 (teetum) veranschaulicht die Herkunft dieser Bahn; auf Fig.5 er- scheint sie als ein Nervenbündel, das von rechts nach links an Dicke zunimmt und unter dem links liegenden Ende des Daches den Torus semiecircularis verläßt und sich nach oben zu wenden beginnt. Die Endigung dieser Nervenbahn in der ersten Nervenfilzschicht des Daches habe ich nicht sicherstellen können; doch scheint es mir, daß sie dorthin zielt. Über die Verlaufsweise dieser Nervenbahn gilt dieselbe Be- trachtung wie über die der früher besprochenen Bahnen. Wäre diese Verlaufsweise nicht durch die Organisation der Ganglien diktiert, so würde sie nicht verständlich. Betrachten wir, um dies zu erkennen, Fig.2 (S.512) und Fig.7 (8.520). Auf der ersteren Figur sehen wir, daß das Dach (Teetum) mit dem Torus semieircularis durch zwei verschiedene Bahnen in Verbindung steht: durch das »tiefe Mark«, das direkt aus der konkaven Seite des Daches heraustritt (Nr.15), und durch unsere Bahn, die auf Umwegen das Dach aufsucht (Nr.16). Auf Fig. 7 ist nun ihr Anfang im Torus dargestellt, ihre Fortsetzung sehen wir auf Fig.2 (S. 512), wo sie die Nummer 16 trägt (während da das tiefe Mark mit Nr. 15 bezeichnet ist). Diese Bahn geht um das Dach herum, um an der vorderen Seite in dasselbe eindringen zu können. Würden die Leitungsbahnen wirklich nichts anderes als bloße Leitungsbahnen sein, so wäre es nicht verständlich, warum Zur Morphologie der Sehzentren der Knochenfische. 597 es da zwei ihrer Verlaufsweise nach verschiedene Verbindungs- bahnen zwischen dem Dache und unserem Torus gibt. Eine Bahn würde dasselbe leisten. Zwei Bahnen haben dagegen einen Sinn, wenn jede auf eine andere Art zur Organisation des Daches beiträgt, was offenbar hier der Fall ist. Dieselben Betrachtungen könnten, mutatis mutandis, über die anderen Leitungsbahnen des Mittelhirndaches angestellt werden. Die aus dem Geniculatum ankommende Bahn mündet in das Dach in dem Spalt zwischen der ersten und zweiten Nervenfilzschicht (Fig. 9), obwohl es anscheinend einfacher wäre, wenn sie von außen in das Mittelhirndach eindringen würde, Nach dieser Bahn folgt diejenige aus dem Corpus glomerulosum, einem Teil des Nucleus praetectalis. Dieser letztere ist mit dem Mittelhirndach durch eine Bahn ver- bunden, die in die zweite Nervenfilzschicht einmündet. Erst jetzt kommen die Opticusfasern an die Reihe. Unter denselben kann man jedoch wiederum nach der Einmündungsart dreierlei Fasern unterscheiden. Ein mächtiges Bündel derselben verläuft im Spalte zwischen der zweiten und der dritten Nervenfilzschicht. Andere, ebenfalls zahlreiche Fasern dringen in die dritte Nervenfilzschicht vom inneren und vorderen Rande des Mittelhirndaches hinein. Wie- derum andere, weniger zahlreiche, verlaufen in tieferen Schichten der dritten Nervenfilzschicht. Es folgen Fasern, die das Mittelhirn- dach mit dem Nucleus anterior verbinden (Fig. 9, thalamus super.), ‘ferner Nervenfasern, die durch ihre Bauart den Nervenfasern aus - der ersten Schicht des Daches ähnlich sehen und aus der vierten Nervenfilzschicht des Daches in den eigentlichen Thalamus führen. Im Spalte, der zwischen der vierten und fünften Nervenfilzschicht des Daches klafft, verlaufen erstens Kommissurfasern, die nach dem Dache der anderen Seite laufen (und Kollateralen in den Torus longitudinalis abgeben), und ferner Nervenfasern, die in nicht näher bestimmte Teile des Thalamus eindringen. Senkrecht zu den Schichten des Mittelhirndaches verlaufen endlich die Nervenfasern des tiefen Markes, die in den Torus semieireularis führen, und die Ependymfasern. Wahrscheinlich ist es mir nicht gelungen, alle Nervenbahnen des Mittelhirndaches isoliert darzustellen; das Angeführte genügt aber vollauf zum Nachweise, wie regelmäßig die Nervenbahnen in diesem großen Ganglion verteilt sind. Ihrer Verteilung verdankt das Ganglion seine Form, besonders seine Schichtung. Gewiß. wird es einer feineren Analyse gelingen, auch innerhalb des Nervenfilzes 35* 528 Em. Rädl selbst noch Regelmäßigkeiten zu entdecken und schließlich ein Ge- setz zu ermitteln, das die Verlaufsweise eines jeden Fäserchens auf der ganzen Strecke innerhalb des Ganglions voraussagt. Daß uns ein solches Gesetz auch Bedeutendes über die physiologische Rolle des Ganglions lehren wird, bezweifle ich nicht. Fig. 10. wn,J0al ll N m Ai LES Q /halamus : COMmIsSsurg Ganglien, die zwischen und unter den beiden Dächern des Mittelhirns liegen (schematisch). 2. Geniculatum. Das Genieulatum der Knochenfische ist ein kleines Ganglion, an dem man drei besonders hervorstehende Nervenbahnen unter- scheiden kann (Fig. 10); die Sehnervenfasern (Optieus), die in das Dach führende Bahn (Teetum) und die Nervenbahnen Genieulatum- Thalamus, resp. Geniculatum-Cerebellum. Nebstdem steht dieses Ganglion durch kurze Bahnen in Verbindung mit beiden Teilen des Nucleus praecentralis. P. Caroıs erkannte nebstdem im Genicula- tum besondere Kommissurfasern, die innerhalb der Commissura posterior verlaufen sollen. Zur Morphologie der Sehzentren der Knochenfische. 529 Wenn wir bei den am deutlichsten hervortretenden Nerven- bahnen des Geniculatum stehen bleiben, so ist es leicht, sich zu über- zeugen, daß jede derselben einen charakteristischen Verlauf inner- halb dieses Ganglions aufweist. Es ist oben, bei der Analyse der Asymmetrie des Geniculatum erwähnt worden, daß die Nervenbahnen nicht geradewegs aus demselben heraustreten, sondern eigenartige, in ihrer Verlaufsweise sich von Ort zu Ort verändernde Kurven be- schreiben, so daß es unmöglich ist, auf einem Schnitt eine Bahn in größerer Ausdehnung zu treffen. Deshalb gibt unser Schema (Fig. 10) se nur ungenügend die wahre Orien- tierung dieser Bahnen wieder. Immerhin zeigt es, daß die Opti- eusfasern nur von unten nnd von innen aus an das Ganglion heran- Sehema der Einmündung der Nervenfasern in das Geniculatum. treten, während die Bahn Genicu- latum-Mittelhirndach das Geniculatum auf der Außenseite verläßt. Die in den Thalamus führenden Nervenfasern treten aus der Innen- seite des Geniculatum aus. Die schematische Fig. 11 gibt die gegen- seitige Orientierung dieser drei Nervenbahnen innerhalb des Geni- eulatum an. Eine eingehende Vergleichung der Struktur dieses Genieulatum der Fische mit demjenigen der höheren Wirbeltiere wäre sehr nötig, um die Bedeutung dieses Zentrums aufzuklären. refing mn - ce anmnenn 3. Torus semicircularis. Die regelmäßige Verteilung der Nervenbahnen innerhalb des Torus longitudinalis ist aus der Fig.8 (S.522) ersichtlich. Auch die zwischen diesem Torus und dem Geniculatum liegenden Zentren zeigen eine, wenn auch weniger deutliche Regelmäßigkeit ihres Aufbaues aus einzelnen Nervenbahnen. Wir wollen aber sofort zur Analyse des Torus semieireularis schreiten, dessen Bau besonders charakteristisch ist. Dieses Ganglion besteht aus wenigstens vier untergeordneten Abteilungen (Fig.7, I—IV, S. 520); jede derselben ist aus besonderen Nerverbahnen aufgebaut. Den kompliziertesten Verlauf zeigt das sog. »tiefe Mark«. Diese mächtige Nervenbahn beginnt im Dache; ihre Fasern durchsetzen das Dach radiär und sammeln sich an der. inneren (konkaven) Seite desselben zu Bündeln, die ganz sonderbar 530 Em. Rädl verteilt sind. Ein Bündel verläßt das Dach vorn, die übrigen sammeln sich in hinteren Teilen des Daches und sind dort, von der Fläche aus betrachtet, spiralförmig verteilt. Das innerste Bündel ist am dicksten, die äußeren sind am dünnsten. Auf der Abbildung sind diese sich im Raume entwickelnden Bauverhältnisse schwer dar- zustellen; und auch der nachherige Verlauf des tiefen Markes ist nichts weniger als leicht zu verfolgen. Fig. 6 (S. 519) stellt den Ver- lauf des tiefen Markes nach einem Frontalschnitt dar. Die Nerven- bündel gelangen an den Torus semicircularis (Fig. 7, S. 520). Es scheint aber, daß keine Nervenfaser in die erste Schicht desselben (I) eindringt, sondern daß alle dieselbe durchsetzen oder umgehen (vergl. Fig.6) und erst in die zweite und in nachfolgende Schichten unter der Bildung von komplizierten Kaskaden eindringen. Jeden- falls durchsetzt diese Nervenbahn den Torus in radiärer Rich- tung. Es scheint, daß einzelne Bündel des tiefen Markes den Torus bloß durchsetzen, ohne daselbst zu endigen. Sie führen dann in die hinteren Teile des Gehirnes, resp. in das Rückenmark. L. EDINGER und andere Autoren geben wohl an, daß das ganze tiefe Mark vom Mittelhirndache direkt zu den hinteren Teilen des Gehirns führt (Traetus teeto-spinales et teeto-bulbales). Dieser Irrtum ist offenbar dadurch ent- standen, daß jene Autoren, von den Hypothesen über die physiolo- gische Hierarchie der Nervenzentren verführt, dem Torus keine phy- siologische Rolle zuzuschreiben wußten und folglich denselben nicht berücksichtigt haben. Wohl ist es, wie gesagt, nicht ausgeschlossen, daß einzelne Nervenbahnen den Torus semieireularis durchsetzen, ohne in demselben zu endigen. Die äußerst komplizierte Verlaufsweise des tiefen Markes (von den Kaskaden, die es innerhalb des Torus bildet, wird später die Rede sein) ist nur dann verständlich, wenn der Torus semieircularis ein Organ, einen komplizierten Apparat darstellt, an dessen Auf- bau sich das tiefe Mark gerade durch seine Verteilung innerhalb desselben beteiligt. Deshalb muß es in das Ganglion in radiärer Rich- tung eindringen und einen Umweg suchen, um den Bau der ersten Schieht des Torus nicht zu stören. Deshalb muß es auch in eine Reihe von Bündeln zerfallen. Neben dieser fortschreitenden Bahn treten im Torus semi- circularis sehr deutlich quere Bahnen auf. Die äußerste Bahn liegt auf der konvexen Seite des Torus, wohl aber asymmetrisch nach der Außenseite desselben verschoben (Fig, 7, Fasern nach dem Tec- Zur Morphologie der Sehzentren der Knochenfische. 531 tum). Ihre Nervenfasern laufen im Torus in entgegengesetzter Rich- tung als das »tiefe Mark«, d. h. von unten nach oben, kreuzen sich auf der Oberfläche des Torus mit den Fasern des tiefen Markes und, nachdem sie den Torus verlassen haben, führen sie nach vorn, verlaufen zwischen dem Torus longitudinalis und der vorderen Ecke des Daches und dringen, wie bereits erwähnt, in den Spalt zwischen der ersten und der zweiten Nervenfilzschicht des Daches ein. (Fig. 2, Nr. 16). Aus den tieferen Schichten des Torus semieircularis sammelt sich ein ebenfalls mächtiges Faserbündel (Fig. 7), das parallel zum ersteren verläuft und im Nucleus praecentralis endigt. Noch tiefer liegt eine andere quere Bahn, die sich in den Thalamus begibt. Etwa in derselben Höhe, jedoch in einem Winkel zu der letzteren Bahn orientiert, verlaufen die Kommissurfasern, die beide Tori mit- einander verbinden. Ein drittes System von Nervenbahnen verbindet den Torus semieireularis mit tiefer liegenden Zentren. Die Verlaufsweise dieser Bahnen ist höchst kompliziert; sie beginnen als Kaskaden und bilden dann fächerförmig angeordnete Bögen; erst unter dem Torus sammeln sie sich zu gewöhnlichen Nervenbündeln. Man kann leicht mehrere voneinander verschiedene Bahnen unterscheiden: auf der Außenseite der ersten Nervenfilzschicht beginnen die äußeren ungekreuzt nach dem Rückenmarke verlaufenden Fasern; auf der Innenseite derselben Schicht (also ganz anders orientiert) beginnt der innere Ast der (aus zwei Bündeln bestehenden) nach dem Rückenmarke führenden Bahn; aus der zweiten Nervenfilzschicht entstammt die gekreuzte nach dem Rückenmark führende Bahn. Aus der dritten und vierten Nervenfilzschicht führen Nervenfasern ins Kleinhirn. Es sind also die Nervenbahnen im Torus semieireularis regel- mäßig verteilt, d. h. jede besondere Nervenbahn zeigt innerhalb des Torus eine eigenartige Verlaufsweise und eben durch das System dieser Bahnen ist die Textur des Torus bedingt. Wohl ist diese Regelmäßigkeit des Torus keine einfache; im Gegenteil, es gibt kaum ein so kompliziert gebautes Zentrum, wie dieses Ganglion. Was im Vorangehenden angeführt wurde, beansprucht auch nicht, die Struk- tur des Torus in allen Einzelheiten zu analysieren. Dazu wäre es vor allem nötig, die Verlaufsweise der Kaskaden in diesem Gan- glion kennen zu lernen, deren Gesetzmäßigkeiten zu erraten mir die histologischen Mittel nicht erlauben. Das Angeführte genügt aber 532 Em. Rädl zum Nachweis, daß die Nervenbahnen auch in diesem Ganglion nach festen Regeln verteilt sind. Ich schließe also dieses Kapitel mit dem allgemeinen Satze: Die Sehzentren stellen aus Nervenbahnen aufgebaute Strukturen dar; die Verlaufsweise jeder Nervenfaser innerhalb des Sehzentrums steht in strenger Abhängkeit von der Verlaufsweise der übrigen Nerven- fasern; von der Art der Anordnung dieser Nervenbahnen scheint die physiologische Bedeutung der Nervenzentren abhängig zu sein. Ill. Kaskadenfasern. Die optischen Bahnen haben die Eigentümlichkeit, daß sie, meistens innerhalb der Ganglien, oft aber auch in ihrem Verlauf zwischen denselben, eigenartige geschlängelte Linien bilden, die ich Kaskaden benannt habe. Fig. 12. Schema der Kaskadenfasern; bei a, b, ce Kaskadenebenen. Nach der schematischen Fig. 12 können wir uns eine Vorstellung vom Wesen der Kaskaden bilden. Die Nervenbahnen verändern plötzlich, an einer bestimmten Fläche (die in Querschnitte durch die punktierten Linien a, b, ce angedeutet ist) angelangt, ihre Richtung, laufen dann eine kurze Strecke weit innerhalb der betreffenden Fläche, um wiederum die ursprüngliche Richtung einzuschlagen. Fol- gen mehrere Kaskaden hintereinander, so sind die Ebenen der- selben gegeneinander geneigt, wie es unsere Fig. 12 darstellt. Es scheint, daß der innere Bau der Ganglien und besonders ihre Asymmetrie auf eine gesetzmäßige Art mit der Anzahl und der gegenseitigen Orientierung der Kaskadenflächen im Zusammenhange stehen. Über die physiologische Bedeutung der Kaskaden wage ich keine Vermutung auszusprechen. Zur Morphologie der Sehzentren der Knochenfische. 533 Die Kaskaden habe ich in den Sehzentren aller Tierkreise be- obaechten können; sie sind auch in den Sehzentren der Knochenfische Aus dem Frontalschnitte durch den Torus semieireularis. Starke Vergr. Kaskadenfasern; bei a, b, c, d Kaskadenebenen. vorhanden. Ich habe sie früher aus der Netzhaut des Seepferdchens be- schrieben und fand sie seitdem in der Netzhaut verschiedener anderer Fische. Namentlich zwi- schen dem ersten und zweiten optischen Ganglion von Pleuronectes (Plattfisch) sind sie gut entwickelt. Deut- liche Kaskaden sind ferner im Mittelhirndach anzu- treffen. Klar treten sie auch im Torus semicircularis auf. Fig. 13 ist mit der Camera lueida nach einem Horizon- talschnitt durch den äußeren und hinteren Rand des Torus semieircularis gezeichnet. Die stark vergrößerten Fibrillen verlaufen da in Kaskaden, die in vier gegen- Innere Parlie aus einem Frontalschnitt durch den Torus einander geneigten Ebenen _semicireularis: Kaskadenfasern; in den dunkleren Streifen (a, b, c, d) angeordnet un liegen Kaskadenebenen. (Vgl. auch Fig. 6.) Diese Kaskaden können weder zufällig sein noch als Kunstprodukte gedeutet werden, denn sie kommen ganz regelmäßig an bestimmten Fig. 14. 534 Em. Raädl Stellen des zentralen Nervensystems vor und sind zu regelmäßig angeordnet, um etwa durch Schrumpfung der Gewebe gedeutet werden zu können. Bei stärkeren Vergrößerungen finde ich, wenig- stens in einigen Fällen, daß innerhalb der eigentlichen Kaskade quer zur Richtung der Nervenfibrillen andere Nervenfasern verlaufen. Auch finde ich da ein blasses Netz von feinen Fäserchen, unbe- kannten Ursprungs. Es ist wahrscheinlich, daß eben an diesen Stellen, d. h. dort, wo die Nervenfasern plötzlich umbiegen, etwas pbysiologisch Bedeutsames geschieht, und daß die Kaskadenflächen die wichtigsten Bestandteile der Sehzentren bilden. Fig. 14 führt mehrere Schichten (Kaskadenflächen) vom Torus semieireularis bei starker Vergrößerung vor. Man sieht deutlich die Kaskadenfasern und die feineren, innerhalb der Kaskadenebenen liegenden Fibrillen- netze. IV. Schluß. In den vorangehenden Kapiteln suchte ich den Nachweis zu führen, daß die Sehzentren der Knochenfische nach den von mir früher aufgestellten Grundsätzen gebaut sind. Die Sehzentren sind asymmetrisch gebaut, die Nervenbahnen sind innerhalb derselben charakteristisch verteilt und die Nervenfibrillen beschreiben innerhalb der Sehzentren Kaskaden. Eine Reihe anderer Eigentümlichkeiten habe ich nicht erwähnt. Ich ging nicht auf das Homologisieren einzelner Sehganglien und einzelner Leitungsbahnen ein. Ich hoffe, daß ich eine bessere Ge- legenheit dazu finden werde, wenn ich die Sehzentren anderer Wirbeltiere mit denjenigen der Knochenfische werde vergleichen können. Eine Annahme halte ich für fest begründet: die Sehzentren stellen so charakteristisch, so gesetzmäßig und in ihren Grundzügen so konstant aufgebaute Gebilde dar, daß die gangbare Idee, sie stellten nur Massen von Nervenzellen und Nervenfasern dar, nur Übergangsstationen, wo die Nervenreize gesammelt, verzweigt, resp. weiterbefördert werden, unhaltbar erscheint. Das optische Gan- slion des marinen Wurmes Vanadis sieht dem dritten Sehganglion eines Insekts und dem Torus semieircularis der Knochenfische so auffallend ähnlich, daß man in Anbetracht der ungeheuren Ver- schiedenheit des Bauplanes eines Wurmes, eines Arthropoden und eines Wirbeltieres unbedingt annehmen muß, jene Analogie komme daher, daß die Sehzentren aller Tiere spezifische Leistungen voll- führen. Diese uns ganz unbekannten Leistungen hängen offenbar urn Zur Morphologie der Sehzentren der Knochenfische. 535 mit der Struktur der Sehzentren ebenso zusammen, wie die Bild- perzeption mit dem Baue des Auges, oder wie die Verdauung mit dem Bau der Verdauungsröhre. Diese Tatsache hat man bisher unberücksichtigt gelassen. Man glaubt alles Wesentliche über das zentrale Nervensystem bereits zu kennen und man sucht das Nervensystem nur im Einzelnen zu durch- forschen. Man erhofft alles von der Erkenntnis jeder einzelnen Leitungsbahn, der Nervenfaser, der Nervenfibrille, jeder einzelnen Ganglienzelle, und man ist geneigt, durch einfache Summation dieser Einzelerkenntnisse das Ganze erkennen zu können. Man vergißt aber, daß in dem gesetzmäßig angeordneten Ganzen mehr verborgen liegt als in den Teilen, nämlich das Gesetz der Anordnung. Und wahrscheinlich ist es eben dieses Gesetz, das auch für die Er- mittelung der Funktion der Nervenzentren die entscheidende Rolle spielt. (Aus der Anatomischen Anstalt in Leipzig.) Eine an primitive Verhältnisse anklingende Variation der menschlichen Wirbelsäule !. Von Dr. Felix Sieglbauer. Mit 7 Figuren im Text und Taf. XVII. Auf der 11. Versammlung der Anat. Gesellschaft in Gent, 1897, zeigte EmIL ROSENBERG die Photographien einer erwachsenen Wirbel- säule mit 26 präsacralen Wirbeln. Sie war ihm von J. ZAAIYER in Leiden zur Verfügung gestellt worden mit der bestimmten Ver- sicherung, daß die losen Elemente alle einem und demselben Indi- viduum angehörten. In der Diskussion zu dem Vortrage erhob K. v. BARDELEBEN Bedenken speziell wegen des 13. Wirbels und meinte, ob nicht »Interpolation eines Wirbels, nicht im Sinne JHERINGS, sondern etwa durch die Hand des Präparators vorliege«. ROSENBERG hat dann 1899 in der ausführlichen Schilderung des Falles dadurch, daß eine Kyphoskoliose im Dorsalteil der Wirbel- säule vorlag, die Zusammengehörigkeit der Elemente mit absoluter Sicherheit nachweisen können. Er sprach auch die Hoffnung aus, daß ein ähnlicher Fall beim Menschen nochmals beobachtet werde. Nur meinte er, S. 89, daß neben den 26 präsacralen Wirbeln und dem gleichen Verhalten des 18.—33. Segmentes nicht »notwendiger- weise« auch das primitive Verhalten an den 8 ersten Halswirbeln sich darbieten müsse. Die im folgenden zu beschreibende Wirbelsäule eines Neuge- borenen ist in vielem ein Seitenstück zur oben angegebenen. Sie zeigt links eine deutliche Halsrippe, sie hat 26 präsacrale Wirbel und besitzt im 27. Segment einen lumbosacralen Übergangswirbel i Ein kurzer Bericht über den unter gleichem Titel auf der Versammlung der Anat. Ges. in Innsbruck 1914 gehaltenen Vortrag erschien in den Ver- handlungen der Anat. Ges. 538 Felix Sieglbauer oder Zwischenwirbel (Dürr) derart, daß auf der linken Seite das Hüftbein um ein Segment weiter caudal die Hauptverbindung mit der Wirbelsäule gefunden hat als rechts. In der Entwicklung haben für den 27. Wirbel wahrscheinlich Verhältnisse vorgelegen, wie sie ROSENBERG für den 26. eines etwa 9 Wochen alten Embryo ange- geben hat und die ihn zu seiner ganzen Auffassung von einer in der individuellen Entwicklung vor sich gehenden cranialen Ver- schiebung gebracht haben. Die zu schildernde Wirbelsäule stammt von einem neugeborenen, normal gebauten Mädchen mit etwa 48 cm Standhöhe. Das Objekt diente zunächst den Studenten als Muskelpräparat. Beim Zählen der Rippen fiel eine Vermehrung auf. Nun fehlten bereits das Brustbein, der Kopf und die Extremitäten, und ich ersuchte Herrn Mechaniker R. ARNOLD, die Wirbelsäule nach der Methode von Prof. SPALTEHOLZ zu bleichen, zu färben und aufzuhellen. Aufge- hellt zeigte sich, welch wertvolles Objekt vorlag. Ich brachte die Wirbelsäule wieder zurück in Alkohol und konnte nun, ein nicht zu unterschätzender Vorteil dieser Aufhellungsmethode, bei gefärbten, klar gegen Bindegewebe und Knorpel differenzierten Knochenkernen eine genaue Präparation des Knorpelskelets vornehmen. Zugleich stellte sich aber die Notwendigkeit heraus, Vergleichsobjekte zu haben, vor allem eine sogenannte normale Wirbelsäule zu bekommen, von gleichem Alter und Größe und Geschlecht, welche die am häufigsten heute vorkommende Zusammensetzung der menschlichen Wirbelsäule zeigt. Es mag Zufall sein, aber ich mußte erfahren, wie sehr die Wirbelsäule variiert: unter 5 weiteren, die wenigstens einigermaßen an Größe der abnormen entsprachen, war nur eine sogenannte normale. Über die Vergleichsobjekte wird im Anhang zusammenfassend berichtet werden. Die abnorme Wirbelsäule mit 26 präsacralen Wirbeln mißt 219 mm. Davon entfallen im Alkohol gemessen: 41 mm auf die Hals-, 87 mm auf die Brust-, 50 mm auf die Lendenwirbelsäule und 41 mm auf das Kreuzsteißbein. Maße für die einzelnen Wirbelkörper können nicht angegeben werden, da das Objekt begreiflieherweise im ganzen aufbewahrt wird. Die Höhen und Breiten der Wirbel- körper-Knochenkerne betragen nach Messungen an der ventralen Fläche am aufgehellten Objekt: für den 1. Halswirbel 6x 9 mm, für den 2. 5x 7,5 mm, für die weiteren Halswirbel 2—3 X 7 mm; für die Brustwirbel nehmen die Maße von 3,5%xX8 mm oben zu bis 6,5xX 13,5 mm am 14.; für die Lendenwirbel ist am 24. und 25. Seg- Eine an primitive Verhältn. anklingende Variat. der menschl. Wirbelsäule. 539 ment, also dem 3. und 4. Lendenwirbel, das größte Durchmesser- paar mit 7X15 mm anzugeben, während der 1. und 2. Körperkern ebenso wie der 5. kleiner sind und sich den Nachbarwirbeln in der Größe anschließen. Der Kern des 27. Segments, des Körpers des 1. Saeralwirbels, beträgt 6X 13mm. Dann nehmen die Körper- kerne der weiteren 4 Sacralwirbel ab bis auf 3X 7 mm am letzten. Die Rippenknochenkerne, an der Brustfellfläche gemessen, be- tragen: Rechts; Links: Rippe: (11 7 mm Rippe: (1)1 15 mm - 2 37 - - 2 26 - - 3 4 - - 5 41,5 - 4 34 - - | 4 55 B) 53 - 5 65 6 13,5 - | - 6 714 - - 7 74 - 7 5 - 8 78 I - 8 79 19 nn - | - 9 ner 10 74 - | - 10 14 - , 11 64 - - Weit 69 - 12 53 - - 12 60 - - 13 43 - B 13 48 - - 14 35 - | 5 14 36 - - 15 IB - 15 20 - Die Formel der Wirbelsäule nach der Schreibweise von E. ROsEN- BERG lautet: (1.—6.) cv; (7.) dev; (8.—21.) d; (22.—26.) I; (27.) Is; (28.—31.) s; (32.) sed + (33.—84.) cd. Siehe auch die Figur 1 auf Tafel XVII, welche ein Photogramm des ganzen Objektes in der Ansicht von der ventralen Seite her zeigt. Die Aufnahme ist wie die anderen Figuren der Tafel von dem im Gaultheriaöl befindlichen Objekt hergestellt. Ich bin für die stundenlange Expositionszeit erfordernden Negative Herrn Mechaniker ArnoLD zu großem Dank verpflichtet. Ob die Gesamtzahl der Segmente vermehrt gewesen ist, kann leider nicht bestimmt werden, da das Ende der Wirbelsäule vom 32. Segment an von einem auffallenderweise völlig unsegmentierten Knorpelstab gebildet wird. Nur schätzungsweise, aus der Größe des Knorpelstückes und aus dem Vergleich mit anderen neugeborenen Steißkeinen, wurde die oben angegebene Zahl der Steißwirbel be- 1 (1) bedeutet die Halsrippe des 7. Segments. 540 Felix Sieglbauer stimmt. Sie ist auffallend gering, und man wirft die Frage auf, ist sie es nur durch die weiter caudale Anlagerung des Becken- gürtels geworden, oder hat man doch in dem unsegmentierten Stück mehrere Segmente zu suchen, die nur kleiner als gewöhnlich gewesen wären? Schon BArEson betont, wie die Variation in der Gesamtzahl der Segmente eines Individuums schwer zu bestimmen ist, weil das caudale Ende häufig unvollständig erhalten ist oder Verschmelzungen zeigt. Und bei menschlichen Embryonen ist die genaue Bestimmung der Ursegmente gerade in der Schwanzwirbelsäule auch mit großen Schwierigkeiten verbunden. Andererseits wissen wir durch die Untersuchungen FRORIEPS an Säugetierembryonen, durch die viel- fach beobachteten Oceipitalwirbel — erst jüngst hat A. W. VERHOEFF auf sehr interessante Ursprünge des M. splenius- und longissimus cervieis vom Proc. paracondyloideus beim Menschen als Symptome von Oceipitalwirbelmanifestationen hingewiesen, die auch am mace- rierten Objekt eine Bestätigung fanden —, daß auch die craniale Segmentgruppe keine tnveränderliche ist. Nach BoLk kann sie sogar eins der gewöhnlich freien Halssegmente an das oceipitale abgeben, so daß wir Halswirbelsäulen mit nur 6 Segmenten be- kommen. Auch die ganze Länge der Wirbelsäule ist, mit der von gleich großen und gleichgeschlechtlichen Feten verglichen, nicht auffallend vermehrt. Nur der lumbodorsale Teil ist auf Kosten des Hals- und Kreuzsteißbeinteiles vermehrt, wenn ich zum Vergleich eine gleich lange, allerdings männliche Wirbelsäule heranziehe, bei der ein lumbosacraler Übergangswirbel besteht — sie wird später noch unter der Bezeichnung IV geschildert. Ich habe bei beiden Wirbel- säulen den Zwischenwirbel beim Messen zum Kreuzsteißbein ge- rechnet, und da ergibt sich bei der mit IV bezeichneten eine Länge des lumbodorsalen Teiles von 125 mm. Dieses Minus an 12 mm gegenüber den 137 mm der abnormen verteilt sich auf die Hals- wirbelsäule und das Kreuzsteißbein, die bei Nr. IV 44 und 50 mm betragen. Aus der am Schlusse noch angeführten Maßtabelle der untersuchten Wirbelsäulen kann eine leichtere Übersicht gewonnen werden. Die folgende Beschreibung der einzelnen Abschnitte der Wirbel- säule verweist immer auch auf die von ROSENBERG veröffentlichte Säule mit 26 präsaeralen Wirbeln und versucht einen Vergleich durchzuführen, soweit ein solcher zwischen einer neugeborenen und einer erwachsenen möglich ist. Eine an primitive Verhältn. anklingende Variat. der menschl. Wirbelsäule. 541 Von den sechs ersten Segmenten, den eigentlichen Halswirbeln, ist nur das eine zu bemerken, daß in der rechten neurozentralen Naht an der ventralen Seite des Epistropheus sich ein kleiner Knochenkern findet. Schon von Nesgirr und MEcKEL sind an dieser Stelle gelagerte aecessorische Knochenkerne des Wirbel- körpers beschrieben worden, und RaumBAuD et REnAULT bilden sie im Epistropheus gleichfalls ab. An dem Epistropheus eines 42 em Standhöhe messenden weiblichen Fetus habe ich einen kleinen, gleichgelagerten Knochenkern gefunden, wesentlich größer an dem 2. Halswirbel eines etwa einjährigen Kindes. Dann aber — und das ist, glaube ich, für die morphologische Auffassung dieser acces- sorischen Knochenkerne von Bedeutung — zeigt gerade der er- wähnte 42 cm lange weibliche Fetus am 6. Halswirbel beiderseits im vorderen Anteil der neuro- HR 2 ee: zentralen Naht einen rundlichen __- & Sa Knochenkern. Ferner zeigt de \\L- re N Halswirbelsäule eines einjährigen v: en ee) u Knaben (siehe Textfigur 1), bei SC =: =S, dem die Wirbelentwieklung so SE LIED “ “ weit fortgeschritten ist, daß die SE = knöchernen Neuralbogenhälften A» =o ); sich berühren und daß am 3. Hals- ID —— = a les) 3 wirbel das Foramen transversa- = rium vollkommen knöchern um- ‚ _) 5%) randet ist, am 5. Wirbel rechts SR z ? und aın 6. beiderseits ın der an- Halswirbelsäule eines Jungen mit 60 cm Stand- gegebenen Lage Knochenkerne, höhe. Pause nach einem Photogramm in natür- di d wi a licher Größe, Die Knochenkerne in der neuro- 18 an en genannten irbeln zentralen Naht des 5. und 6. Halswirbels, ebenso rechts in dem Neurozentrum ZU- wie die der Halsrippen schraffiert. Ansicht von der ventralen Seite. gewandten Dellen der Parapc- physe, wie LEeBoucQ die ventrale Querfortsatzspange nennt, liegen. Der linke Knochenkern des sechsten Halswirbels aber ist sehr groß, erfüllt die Basis des Tubereulum caroticum und vertritt vollkommen die Stelle einer Parapophyse, so daß also die ventrale knöcherne Spange des Querfortsatzes durch einen selbständigen Knochenkern vertreten ist. Von SZAWLOWSKY und FISCHEL sind die sehr seltenen und bisher einzigen Fälle von freien Halsrippen am 4. Halswirbel beschrieben worden. Und der das linke Tubereul. earotie. ausfüllende Knochen- Morpholog. Jahrbuch. 49. 36 .-—-— —_ u once 542 Felix Sieglbauer kern ist wohl auch als Halsrippe in dem in Rede stehenden Falle zu deuten. LEBoUcCQ gibt an, daß am 5. und 6. Halswirbel »aus- nahmsweise« Halsrippen vorkommen. Es ist nur die Frage, ob auch die anderen, in der neurozentralen Naht liegenden Knochen- kerne als Halsrippenrudimente zu deuten sind, etwa wie beim Ornithorrhynchus noch im erwachsenen Zustande an allen Hals- wirbeln selbständige Rippen, Krokodilrippen nicht unähnlich, sich finden. Einer solchen Auffassung, die durch die cranialwärts ge- richtete Größenabnahme der Kernpaare genährt wird, scheint die Lage zwischen ventraler Querfortsatzspange und Wirbelkörper in den meisten Fällen zu widersprechen. Während LeBoucg sich Hasse anschließend nur den Proc. costarius der Diapophyse, also die Knochenspange, welche den Suleus n. spinalis bildet, als Rippen- rudiment ansieht, ist FISCHEL wieder in jüngster Zeit für die all- gemeinere Auffassung eingetreten, daß man »zum mindesten auch den größeren, lateralen Abschnitt der vorderen Spange als der Halsrippe zugehörig aufzufassen hate. Die Dornfortsätze des 1.—6. Halswirbels sind, soweit die knorpe- lige Anlage das beurteilen läßt, geteilt; der des 7. ist ungeteilt. ROSENBERGS Fall hatte wenig geteilten 2.—5. Dorn und ungeteilten 6. CUNNINGHAM hat darauf hingewiesen, daß ungeteilte Dornen des 3.—6. bei primitiven Rassen häufiger sein sollen, ähnlich denen der Anthropomorphen. Das siebente Segment ist ein »Dorsocerviealwirbel« im Sinne ROSENBERGs. Er trägt auf der rechten Seite (Tafel XVII, Fig. 2) eine Halsrippenanlage von der Größe und Gestalt, wie sie nur selten dem 7. Halswirbel von Feten dieses Alters fehlt. Bei Embryonen von 13,5 mm g. L. ist die Rippenanlage ein selbständiger Knorpel- kern, den LEBoucgQ zuerst beschrieben hat. Die ” mm lange dünne Knochenspange wird von einer gut ausgebildeten Parapophyse ge- tragen und wäre wohl sicher in der weiteren Entwicklung mit der dorsalen Querfortsatzhälfte, der Diapophyse, verwachsen. Anders links. Hier beginnt die Reihe der Asymmetrien, die für diese ganze Wirbelsäule charakteristisch sind. An der linken neurozentralen Naht sitzt eine wohlausgebildete Parapophyse (LuscHKA nannte sie Eminentia eostaria), die eine 18 mm lange kräftige Halsrippe mit Köpfehen, Hals und -Höckerehen in derselben Ausbildung wie an den folgenden Brustrippen trägt. Tafel XVII, Fig. 3 und Fig. 5. Das Tubereulum stützt sich in einer deutlichen Fovea costalis transv. des großen Proc. transversus (Diapophyse) des 7. Halswirbels, Eine an primitive Verhältn. anklingende Variat. der menschl. Wirbelsäule. 543 der so breit wie der des 1. Brustwirbels ausladet. Besonders bei der Betrachtung von der dorsalen Seite her fällt die asymmetrische Ausbildung der beiden Diapophysen des 7. Halswirbels auf. Das von der Halsrippe ventral abgeschlossene, einfache linke Foramen transversarium septimum wird von der linken Art. vertebralis zum Eintritt in den Kanal der Querfortsätze benützt, während die rechte Art. vertebr. unter dem Tubereulum carotie. (ÖmAssAIGnAc) durch das 6. Foramen transvers. eintritt. Der Eintritt der Art. vertebralis durch das Foramen transvers. VII ist sehr selten und muß darum hier besonders betont werden. Der Körper der linken Halsrippe ist in ganzer Ausdehnung mit dem der ersten Brustrippe verwachsen, so daß hier eine »bieipital rib« im Sinne TUrRNERSs vorliegt, der sie speziell für die Bartenwale als charakteristisch beschrieb. Bei der von ROSENBERG beschriebenen erwachsenen Wirbelsäule besitzt der 7. Halswirbel rechts wie links eine Fovea costalis. — Die rechte »war nicht sek ausgeprägt«. Dem Präparat fehlen alle Rippen, so daß diese selbst nicht zum Vergleich herangezogen werden können. Leider fehlte bei ROSENBERG ebenso wie im vorliegenden Falle das Sternum, so daß gerade über die ventrale Ausbildung des Thoraxskeletes nichts ausgesagt werden kann; und doch sind gerade auch die Verhältnisse an den Rippenknorpeln, wie BARDELEBENS und Ruges Untersuchungen gezeigt haben, für die Beurteilung der Stammsegmentierung von großer Bedeutung. Das 8. Segment, der 1. Brustwirbel, trägt die erste Brustrippe vertebral. Beim Erwachsenen konnte allenfalls ein Hinüberreichen auf die nächsthöhere Bandscheibe stattfinden. ROSENBERG, der einen allmählichen Umbildungsprozeß der Wirbelsäule annimmt, legt bei vorhandener Halsrippe auf die intervertebrale Artikulation der ersten Rippe Wert; denn schon GEGENBAUR und dann vor allem FiscHEL betonen die Influenz, welche Übergangswirbel auf die Nachbarwirbel ausüben, so daß ein wellenartiges Abklingen der Merkmale an den Wirbeln statthat. Von den folgenden 13 Segmenten, die gut ausgebildete Rippen tragen, ist hervorzuheben: die 3. rechte Brustrippe ist schmächtig, auffallend kürzer als die linke (34 mm rechts gegen 55 mm links) und etwa von der vorderen Axillarlinie angefangen vollkommen mit dem Körper der 4. Rippe verwachsen (Tafel XVII, Fig. 4). Der ent- sprechende Brustwirbel hat verschieden entwickelte Proc. transv., nicht nur der 7. rechte Proc. transv., sondern auch die folgenden 36* 544 Felix Sieglbauer 8., 9., 10. und 11. sind rechts schwächer entwickelt als links, vor allem der 10. Es sind wohl auch die Körper asymmetrisch gebaut und davon abhängig das Entstehen der linksseitigen Dorsalskoliose, welche etwa vom 7.—13. Segment reicht und die höchste Stelle der nach links sehenden Konvexität am 10. Segment, also am 3. Brust- wirbel, hat, wo rechts die rudimentäre Rippe sitzt. ROSENBERGS Wirbelsäule besaß eine beträchtliche Kyphose zwischen 8.—15. Segment und hatte eine links gerichtete Dorsal- skoliose vom 9.—11. Segment im Anschluß an eine starke recht- seitige Skoliose im 12.—14. Segment. Die Verwachsung der 3. und 4. Rippe ist wohl aus einer schon aus der Zeit der Sternalleisten herrührenden Knorpelverschmelzung abzuleiten, eine Auffassung, für die als Beleg ein männlicher erwachsener Thorax der Anatomischen Anstalt in Leipzig genannt sein mag, dessen 4. linke Rippe in ähn- licher Weise dünn und grazil gebaut ist, deren Knorpel noch eine Strecke selbständig mit dem der 5. Rippe verschmilzt, die dann gemeinsam, zwischen und gegenüber dem rechten 4. und 5. Knorpel am Sternalrand ansetzen. Die Maße der Rippenknochenkerne in der früher angegebenen Tabelle zeigen ein Überwiegen der linken Seite, manchmal in Werten, die auf Messungsfehler zurückgeführt werden können. | Das 18. Segment, der 11. Brustwirbel, besitzt noch eine Fovea costalis am Querfortsatz, links deutlicher als rechts. Die 11. Rippe artikuliert mit dem Köpfchen intervertebral. Das 19. Segment, der 12. Brustwirbel, hat einen ungeteilten Proc. transversus, der links undeutlich eine Gelenkfläche für das Tubereulum der 12. Rippe trägt, rechts aber nur durch Binde- gewebe mit dem Höckerchen der rechten 12. Rippe in Verbindung steht. Auch diese Rippen stehen mit dem Köpfchen an der Band- scheibe, also intervertebral. In RosEnBErGs Fall waren sie schon vertebral eingelenkt, hatten aber noch eine Gelenkverbindung mit der Diapophyse, woraus ROSENBERG den Schluß zog, daß die Quer- fortsatzverbindung länger erhalten bleibe als die intervertebrale Anlagerung. Das 20. Segment, der 13. Brustwirbel, hat eine an den cranialen Rand des Körpers gerückte einfache Fovea costalis. Die Proc. trans- versi, deren Abstand auf 15 mm gegen 35 mm am 1. Brustwirbel abgesunken ist, sind schon leicht geteilt und ohne Verbindung mit der Rippe. Die Länge der 13. Rippe beträgt noch 35 und 36 mm, Das 21. Segment, der 14. Brustwirbel, trägt das entsprechende Eine an primitive Verhältn. anklingende Variat. der menschl. Wirbelsäule. 545 Rippenpaar gleichfalls am eranialen Körperrande — es ist nicht zu sagen, ob sich diese Verhältnisse nicht beim Erwachsenen ändern — und hat einen geteilten Proc. transvers. Die Rippen sind noch 18 und 20 mm lang und wären, wenn auch beim individuellen Wachs- tum stark zurückbleibend, doch sicher auch beim Erwachsenen nach- weisbar gewesen. FiscHEL beschreibt eine erwachsene weibliche Wirbelsäule mit 14 dorsalen Rippenpaaren, die 25 präsacrale Wirbel aufweist — Atlas und Epistropheus fehlen. — Die Länge der -12. Rippen dieses Falles betrug rechts 180 mm, links 165 mm, der 13. Rippen rechts 80 mm, links 90 mm, der 14. etwa 10 mm. Es sind also bei dem in Rede stehenden neugeborenen Mädchen die letzten Rippenpaare (14. bez. 15.) fast doppelt so lang als bei dem von FiscHeun be- schriebenen Erwachsenen. Von den freien Rippen bleiben als rudi- mentär gewordene Gebilde die caudalen mehr im Wachstum zurück als die cranialen. Das zeigen die Zahlen bei dem neugeborenen Kinde an den letzten rei Rippenpaaren, die rechts 43:35:18, links 48:36:20 betragen; verglichen mit den der erwachsenen Wirbelsäule: rechts 150:80:10, links 160:90:10. Bei dem Kinde ist das letzte Rippenpaar absolut länger und wäre es wohl auch beim Erwachsenen gewesen, was der Wirbel- säule einen gewissen primitiven Charakter aufprägt. ROSENBERG betont, daß er auch bei den von ihm untersuchten Embryonen Rippenanlagen am 21. Wirbel nur selten fand. Ein Embryo, IV.1A, zeigte beiderseits isolierte Knorpelherde, ein anderer, II. 2, zeigte bereits eine in geringer Ausdehnung zustande gekommene Verschmelzung der reduzierten Rippen mit dem Bogen und dem Querfortsatz. Freie Rippenbildungen am 21. Wirbel sind also immerhin selten, vor allem im Zusammenhange mit Halsrippen. Und dies ist inso- fern zu betonen, als ADoLPHI, der sich auch noch in letzter Zeit, 1912, ganz entschieden für die RosEnBERGsche Hypothese ausge- sprochen hat, nicht mit Unrecht angibt, daß »sehr häufig« eraniale und caudale Thoraxgrenze eine gleichsinnige Verschiebung zeigen. Auch DwisHt hat sich in ähnlichem Sinne ausgesprochen. ADOLPHI wendet sich damit vor allem gegen die Ansicht RoSENBERGS über die Veränderungen am cranialen Ende des Thorax, insofern als ROSENBERG meint, daß die eraniale Verschiebung des Beckens einer- seits eine Rückbildung caudaler Rippen bedingen soll, andererseits in unmittelbarem Zusammenhang damit auch eraniale Rippen einer 546 Felix Sieglbauer Reduktion anheimfallen, so daß der Thorax von zwei Seiten ver- kürzt wird: vom Halse durch Umbildung von Brust- in Halswirbel, von der Lendenregion durch Umwandlung von Dorsal- in Lenden- wirbel. Eine menschliche Wirbelsäule mit 23 präsacralen Wirbeln und 11 Brust-Rippenpaaren, von welchen das erste rudimentär wäre, ist bisher nicht beschrieben worden; sie wäre der Idealfall für RosEx- BERGS Theorie. Beide Fälle von Wirbelsäulen mit 26 präsacralen Wirbeln, der von ROSENBERG und der von mir, zeigen aber das Gegenteil, inso- fern als die caudale Lage des Beckens verbunden ist mit vermehrter Brust-Rippenanlage und Ausbildung von Rippen am letzten Hals- wirbel.e Gerade darin prägt sich der primitive Charakter dieser Wirbelsäulenvariation aus. Das 22.—26. Segment umfaßt die fünf typisch ausgebildeten Lendenwirbel. Die Gelenkfortsätze stehen, darauf hat schon RosEx- BERG als charakteristisch für die fetale und kindliche Wirbelsäule hingewiesen, rein frontal, die oberen die unteren von hinten her deckend. Sie sind einer reinen Seitwärtsbeugung der Wirbelsäule angepaßt. Knorpeliger Seitenfortsatz und Proc. mamillaris bilden eine knorpelig ausgekleidete Rinne für den dorsalen Ast des Spinalnerven. Die ganze Lendenwirbelsäule ist rechts skoliotisch, wohl infolge der Verhältnisse am Sacrum, auf die sogleich einzugehen ist. Der rechte Proc. transv. des 5. Lendenwirbels steht der rechten Darm- beinschaufel viel näher als der linke der linken. Dort ist auch die Stelle des Übergangs in die Kreuzbeinskoliose, die leicht links konvex ist. Zum Vergleich mit ROSENBERGs Fall sei hier nur bemerkt, daß in dieser erwachsenen Wirbelsäule die distalen Proc. artie. des 20. Wirbels eine leichte Abschwenkung aus der frontalen in die sagittale Ebene zeigen, aber an keinem Lendenwirbel vollkommen die sonst normale sagittale Stellung zeigen. Das Kreuzsteißbein Tafel XVII, Fig. 6 setzt sich in folgender Art zusammen: 27.—31. Segment bilden das eigentliche Sacrum, das aber ohne deutliche Grenze in das Steißbein übergeht, indem der Körperkern des letzten Kreuzwirbels mit einem knöchernen Fortsatz in den unsegmentierten knorpeligen Stab hineinreicht, der das caudale Ende dieser Wirbelsäule bildet. Am aufgehellten Präparat war das am Saerum Auffallendste die ungleiche Größe der Sacralrippen, wie GEGENBAUR die ventralen Eine an primitive Verhältn. anklingende Variat. der menschl. Wirbelsäule. 547 Knochenkerne in den Seitenteilen der Kreuzwirbel nannte, die Tu. KErkRInG schon 1670 gekannt hat, ohne sie aber morphologisch zu deuten, was durch GEGENBAUR zuerst geschah. Während die ihnen entsprechenden Knochenkerne rechts im 1. Kreuzwirbel 6x55mm, im 2. 3X 3,75mm in der Flächenansicht messen, also Größenverhältnisse aufweisen, wie sie auch sonst bei neuge- borenen Wirbelsäulen an den beiden Sacralrippen sich zeigen, ist links das Größenverhältnis gerade umgekehrt. Die erste linke Saeralrippe ist etwa hanfkorngroß (2X 1 mm), die zweite mißt 4%xX5mm. Erst Vergleiche mit den anderen fetalen Wirbelsäulen gaben mir das Verständnis für dieses verschiedene, nicht zufällige Verhalten. Das 27. Segment ist als lumbosacraler Übergangswirbel oder Zwischenwirbel im Sinne Dürrs aufzufassen, der ebenso wie im Knorpelstadium auch beim Erwachsenen eine asymmetrische Assimilation gezeigt hätte. Nach genauer Präparation des Knorpel- skeletes zeigte sich die rechte P. lateralis des 1. Kreuzwirbels viel kräftiger, entsprechend der größeren Knocheneinlage, entwickelt wie links. Umgekehrt ist am 2. Kreuzwirbel die linke Massa lateralis prominenter — wieder in Abhängigkeit von der größeren Sacralrippe — derart, daß die Linea terminalis des Beckens vom Promontorium her links auf den Flügel des 2. Kreuzwirbels über- springt. Zugleich ist das rechte Darmbein tiefer stehend als das linke, an das Saerum näher herangerückt als das linke, die rechte Beckenhälfte enger als die linke. Ein vor mir liegendes männliches Becken des Anatomischen Museums in Leipzig (E. 156) zeigt, wie beim Erwachsenen etwa die Verhältnisse geworden wären. Der erste von 6 Sacralwirbeln ist lumbosacraler Übergangswirbel. Der wievielte er ist, kann nicht angegeben werden, da die Wirbelsäule fehlt. Sein rechter Flügel ist Hauptträger des Darmbeins, dessen Facies auricularis noch den 3. Kreuzwirbel beansprucht. Der Körper, durch eine Bandscheibe mit dem 2. Kreuzwirbelkörper verbunden, ist in der linken Hälfte schmächtiger als rechts. Er ist leicht gedreht gegen den II. Körper, wie die nach rechts gerückte Dornspitze erkennen läßt. Der linke Querfortsatz ist vollkommen frei zapfenförmig wie an einem 5. Lendenwirbel, und eine kleine Ecke am ventralen Rande läßt ein Rippenrudiment ahnen. Das erste Foramen sacrale anterius ist rechts typisch, links öffnet es sich am macerierten Objekt in eine weite Spalte. Die Linea terminalis ist auf der linken Seite entsprechend dem fehlenden 548 Felix Sieglbauer 1. Flügel unterbrochen. Leichte Andeutung eines II. Promontoriums zwischen I. und II. Kreuzwirbel ist vorhanden. Der erste Deventer mißt 11, der zweite 11,5 em. Die beträchtlichere Weite der linken Beckenhälfte ist damit gekennzeichnet und bei Betrachtung des Beckeneingangs von oben her sofort zu sehen. E 240 g' und E 241 1 der anatom. Sammlung sind weitere Belege dafür, daß auf der Seite der stärkeren Assimilation die Beckenhälfte enger, das Darmbein durch die stärkere Entwicklung der Massa lateralis ossis sacri näher herangezogen wurde. Und H. BAvEr bildet Frontalschnitte durch ein erwachsenes Becken mit Defekt des linken Rippenelementes im 1. Kreuzwirbel ab, das in der Spongiosastruktur die auffallende Belastung der rechten Beckenhälfte und damit des rechten Beines, also die ungleiche Verteilung der Rumpflast, deutlich erkennen läßt. Über die verschiedene Weite des Beckenraumes wird keine Angabe gemacht. Hier bei dem neugeborenen Becken ist nun vor Einwirkung von Belastungsmomenten die asymmetrische Beckenform schon zu er- kennen, und man fragt, wo ist dafür die Ursache zu suchen. Ist es der Druck des an sich asymmetrisch gebauten Uterus, der bei bestimmter Lage (der Frucht) und Haltung der Frucht asymmetrische Ausbildung des ganzen Körpers zur Folge hat, wie Hasse meint, oder kommt dazu noch die numerische Variation der Wirbelsäule in Betracht, die M. Böum, besonders wenn sie asymmetrisch auf- tritt, für die erst im 2. Jahrzehnt nach Ausbildung des Gelenkum- schlages in der Lendenregion und zunehmendem Rippenbreitenwachs- tum eintretende juvenile idiopathische Skoliose verantwortlich macht? Jedenfalls sind diese intrauterin, ganz unabhängig von der eigenen Körperbelastung entstandenen Asymmetrien des Beckens, ebenso wie die ganze Skoliose der Wirbelsäule sehr bemerkens- wert. Der Uterusdruck, auf den Hasse so großen Wert für die Beurteilung der Körperasymmetrien legt, hat hier zusammen mit der abnormen Segmentierung verschieden modellierend auf die rechte und linke Körperhälfte eingewirkt. Während also rechts der Hauptträger für das Hüftbein in der Sacralrippe des 1. Kreuzwirbels zu suchen ist, hat das linke Hüft- bein sich offenbar mit dem Seitenteil des 2. Kreuzwirbels zunächst fest verbunden und dadurch hier im Sinne PATErsons, zur Zeit des Beginns der Extremitätenbewegungen um die Mitte der- Schwanger- schaft, auch die Anregung zur stärkeren Ausbildung der 2. Sacral- rippe links gegeben. Eine an primitive Verhältn. anklingende Variat. der menschl. Wirbelsäule. 549 Das 27. Segment ist eine halbe Vertebra fuleralis, wie WELCKER solche Zwischenwirbel an zwei erwachsenen Becken abgebildet und genannt hat. Und das ist wiederum von großer Bedeutung gerade mit Rücksicht auf die RosEnBEr6sche Theorie. ROSENBERG stützt sich für seine Auffassung der im Sinne des biogenetischen Grundgesetzes HÄckers (der ontogenetischen Rekapitulationsregel Roux’) phylo- und ontogenet. im gleichen Sinne gerichteten Verschiebung des Becken- gürtels vergleichend anatomisch auf die Verhältnisse bei den niederen Affen, entwicklungsgeschichtlich aber auf Schnitte durch das Saerum von zwei menschlichen Embryonen aus der 8. und 9. Woche, die Spalten zwischen den knorpeligen Seitenteilen des 25. und 26. in dem einen Falle, des 26. und 27. Segments in dem anderen Falle zeigen. Zugleich sind in dem ersten Falle die Seitenteile des 30. und des 31. Segmentes, letzteres mit der rechten Hälfte, noch in knorpeligem Continuum mit den vorhergehenden Kreuzwirbeln. ROSENBERG schloß daraus, daß das 27. Segment ursprünglich erster Kreuzwirbel war und die Darmbeine allmählich eranial bis an die Seiten des 25., in manchen Fällen des 24. Segmentes, ge- rückt sind. Unser Fall zeigt zunächst auf der linken Seite, daß das Darm- bein auch noch an einem weiter caudal gelegenen Wirbel als dem 27. sich hauptsächlich anlegen kann. Vielleicht hat das Kreuzbein im linken Flügel, ähnlich wie in den von ROSENBERG untersuchten Fällen, in der 9. Woche eine Trennungsspur zwischen dem 27. und 28. Segment gezeigt. Dann wird man wohl nicht annehmen können, daß sich das rechte gegen das linke Darmbein verschieden um ein Segment an der Wirbelsäule verschoben habe. Viel einfacher ist da zur Erklärung die Variabilität in der Anlagerung des Becken- gürtels an die Achse heranzuziehen. Der Extremitätengürtel bedingt nach BARDEEN durch seine Anlagerung an die Achse die Entwick- lung der Seitenflügel an den entsprechenden Segmenten. Diese Anlagerung kann rechts und links an verschiedenen Segmenten stattfinden, wofür die urodelen Amphibien Beispiele liefern. CuviEr gibt beispielsweise in den Ossements fossiles bei Salamandra atra an, daß rechts das 16., links das 17. Segment als Sacralwirbel aus- gebildet war. A. S. ScHuLzE beschreibt im MECKEL-Ärchiv für Triton eristatus Ähnliches. G. H. Parker hat unter 27 Necturus einen gefunden, bei dem rechts das 20., links das 19. Segment den Beckengürtel trug, und einen zweiten, bei dem dasselbe für den 20. und 21. Wirbel gilt. Auch Menopoma variiert ähnlich. Und 550 Felix Sieglbauer von der Stelle, da es den Hauptstützpunkt gefunden hat, greift das Darmbein bei den höheren Wirbeltieren auf den cranialen oder caudalen Nachbarwirbel über. Das letztere ist das normale, das erstere führt zu einem lumbosacralen Übergangswirbel. Und ist die Anlage asymmetrisch, dann wird durch den Zwischenwirbel eine gewisse Korrektur geschaffen, indem das caudalere Darmbein den nächsten eranialen Wirbel noch engagiert. Mit Rücksicht auf die weiteren Elemente des Kreuzsteißbeins ist noch folgendes zu bemerken: Der Sacralkanal ist vom 3. Kreuzwirbel an weit offen. Der 5. Kreuzwirbel entsendet von seinem Körperkerne an der linken Seite einen Fortsatz in das knorpelige unsegmentierte Ende der Wirbelsäule. Hinter den Bogenrudimenten dieses Wirbels, die be- reits von Knochenkernen gestützt sind, liegt noch ein Paar knorpe- liger, die dem zapfenförmigen Fortsatz des letzten Wirbelkörper- kerns entsprechen. Damit ist noch ein 32. Segment unvollständig und ganz verschmolzen mit dem letzten Kreuzwirbel zu erkennen, ein Saerocaudalwirbel im Sinne ROSENBERGs, der zwei solcher an der von ihm beschriebenen abnormen Wirbelsäule hervorhebt. Zwischen den beiden erwähnten Bogenpaaren ging der letzte Sacral- nerv, der 32. der ganzen Reihe durch. Ein Steißnerv wird wohl auch vorhanden gewesen sein, ich konnte ihn, der auch sonst nur schwierig darzustellen ist, nicht nachweisen. Es sind also nicht nur die Elemente der Wirbelsäule im präsacralen Abschnitt ver- mehrt, sondern alle Segmente des Körpers, Nerven-, Muskel-, Haut- segmente um zwei vermehrt gewesen, indem 33 der gewöhn- lichen Zahl von 31 gegenüberstehen. Nun fehlt leider der genauere Befund der Extremitätenplexus, von welchen wir allerdings wissen, daß sie, speziell der Plex. lumbo-sacralis, eine gewisse Unabhängig- keit in der Ausbildung gegenüber den Variationen der Wirbelsäule zeigen. Aber doch mußte die Tatsache der Vermehrung der Spinal- nerven um sicher 1, wenn ein Steißnerv vorhanden war, um 2, hervorgehoben werden. Die unsegmentierte knorpelige Beschaffenheit des Wirbelsäulen- endes wurde schon einigemale hervorgehoben. Der rudimentäre Charakter ist damit diesem Abschnitt besonders aufgeprägt, und man wird an die Befunde von OSKAR SCHULTZE, CHARLOTTE MÜLLER und FRETS erinnert, die angeben, wie, ganz vorübergehend nur, die knorpeligen Körper der menschlichen Wirbelsäule ein einheit- liches Ganzes bilden. Eine an primitive Verhältn. anklingende Variat. der menschl. Wirbelsäule. 551 Auch die leichte Skoliose, und zwar linkseitig konvex, des ganzen Kreuzsteißbeins wurde schon betont. Als Hauptcharaktere der beschriebenen Wirbelsäule ist also hervorzuheben: die Vermehrung der Zahl der präsacralen Segmente um 2, die Ausbildung von 14 Brustrippenpaaren, zum Teil asym- metrisch, indem das rechte 3. bedeutend kleiner ist, eine linkseitige Halsrippe am 7. Segment zweiten Grades nach der Einteilung WENZEL GRUBERS, ein Jumbosacraler Übergangswirbel, durch die verschiedene Größe der Sacralrippenkerne vor allem charakterisiert. Von ihm abhängig zunächst eine rechts konvexe Lendenwirbelsäule. Daran schließt sich, in Abhängigkeit wohl von der verschiedenen Ausbildung der 3. Brustrippen und der Halsrippen, eine links kon- vexe Skoliose der Brustwirbelsäule und die ganz unbedeutende, links konvexe Skoliose des Kreuzsteißbeins. Es hat Max Bönn! zuerst darauf hingewiesen, wie numerische und vor allem asymmetrische Variationen der Wirbelsäule Ursache von Skoliosenbildung sein können. Allerdings schloß BöHm aus dem DwıcHtschen Material, daß erst nach dauernder Beanspruchung des Skelets und in Abhängigkeit davon im 7.—8. Lebensjahre die Skoliose zur Ausbildung komme. Und für die gewöhnliche Form von lumbosacralen Übergangs- wirbeln beispielsweise ist das sicher der Fall, da die gleich zu beschreibenden Feten solche Skoliosen wahrscheinlich nicht gezeigt haben. Ich habe leider erst später auf die Tatsache meine Auf- merksamkeit gelenkt und die Wirbelkanäle vor der Härtung mit einem Glasstab ausgefüllt. Dadurch können natürlich geringe Grade von Skoliosen ausgeglichen worden sein. Wohl aber zeigt der vor- liegende Fall, daß auch intrauterin Skoliosenbildung auftreten kann, eine Tatsache, auf die Hasse schon aufmerksam gemacht hat. Die weiteren untersuchten Feten sollen zunächst bezüglich der in Millimetern angegebenen Maßverhältnisse zusammen mit den eben beschriebenen in eine Tabelle gestellt werden: Feten in Standhöhe er Halsw. | Brustw. Lendenw, ne I. @ etwa 480 219 41 87 50 41 1.9 - 440 | 200 36 78 44 42 mI,0 02-500 | 233 45 87 | 49 52 EINS 5... 500. ||) 219 44 82 43 50 Bir. 200 .||...182 37 TR RET, 38 BIS °-,500 .| 230 45 | 94 | 39 52 1 Die Arbeit verdanke ich der Liebenswürdigkeit von Prof. SPALTEHOLZ, der sie mir oftmals bereitwilligst zur Verfügung stellte. 552 Felix Sieglbauer Bei der geringen Zahl der untersuchten Fälle kann natürlich diese Tabelle statistisch in keiner Weise verwertet werden. Und sie soll es auch nicht, schon mit Rücksicht darauf, daß, wie mir wiederholte Messungen zeigten, die einzelnen Maße bei demselben Fetus immer wieder etwas anders ausfallen, auch wenn man die Zirkelspitzen oder den messenden Draht immer scheinbar an die- selbe Stelle legt. Nur das eine soll sie zeigen: die auffallende Länge der Lendenwirbelsäule bei dem mit I bezeichneten Falle, also dem mit 26 präsacralen Wirbeln, aber doch der normalen Zahl von Lendenwirbeln. Falls ein lumbosacraler Übergangswirbel vorhanden war, ist er in diesem und in den anderen Fällen zum Kreuzsteißbein in der Messung hinzugeschlagen worden. — Die bedeutendere Länge der Lendenwirbelsäule hängt zusammen mit größeren und auch breiteren Körperkernen. Zum Vergleich kann der männliche Fetus IV heran- gezogen werden, der zwar einen lumbosaeralen Übergangswirbel besitzt, aber gleiche Wirbelsäulenlänge wie der von I aufweist. Die Durchmesser der Körperkerne an der vorderen Fläche der Lendenwirbelkörper, am aufgehellten Präparat gemessen, betragen bei IV 4-5 x 15, während sie 6,5 x 13,5 bis 7 x 15 bei I betragen. Dagegen sind die Körperkerne der Hals- und Brustsäule bei I kleiner und damit wohl auch die Segmente kleiner. Sie betragen nur 3X 7 bis 35x 8 im oberen Teile, während IV Maße von 35xX7 bis 4% 10 im gleichen Abschnitt aufweist. Es sind also bei I die Körperkerne im Brust- und Halsteil niedriger und auch schmäler als bei anderen gleichalterigen und gleichgroßen, d. h. genauer ge- sagt, sie nehmen von den hohen Lendenwirbelkernen her rascher an Größe gegen den Hals zu ab äls bei anderen Säulen, bei welchen die Körperkerne im Hals- und Brustteil verhältnismäßig größer sind. Daß bei VI die Halswirbelsäule an Länge die Lendenwirbel- säule übertrifft, während, abgesehen von V, bei allen anderen das umgekehrte Verhalten statthat, hängt mit der Ausbildung eines 13. Rippenpaares zusammen. So viel über die Tabelle. Die einzelnen Säulen zeigten folgende kurz zusammengefaßte Charaktere: s I. ©. Standhöhe des Fetus 440 mm. Wirbelsäule mit Brust- bein und Becken wurden nach LunpvAaLL gefärbt und in Gaul- theriaöl aufgehellt. Eine an primitive Verhältn. anklingende Variat. der menschl. Wirbelsäule. 553 Formel: (1.—7.) ev; (8.—19.) d; (20.—24.) 1; (25.) Is; (26.—29.) s; (30.—33.) cd. Der 7. Halswirbel trägt die typischen Halsrippenkerne. Von den 12 Brustrippen ist hervorzuheben, daß das 7. Paar sich hinter dem distalen Ende des Brustbeinkörpers, im Winkel zwischen diesem und dem Schwertfortsatz, trifft und damit auf der Basis des letzteren liegt. Rippenknorpelgelenke beginnen erst an der 6. Rippe. Der 25. Wirbel ist ein lumbo-sacraler Übergangswirbel, und zwar ein Kreuzwirbel, dessen Seitenteile rechts und links symme- trisch schwächer sind als normal. Es überragen die massae laterales ©. Standhöhe 44 cm. Knorpel punktiert, Sacralrippen schraffiert. 25. Segment = lumbo-sacraler : Übergangswirbel. des 2. Kreuzwirbels deutlich gegen den Beckeneingang hin die Flügel des ersten. Es besteht ein doppeltes Promontorium. Im rechten Flügel des 1. Kreuzwirbels findet sich, wie die nach einem Photo- gramm gewonnene Textfigur 2 erkennen läßt, eine kleine nagel- förmige saerale Rippenanlage, links fehlt ein entsprechender Knochen- kern vollkommen. Dagegen tragen beide Seitenteile des 2. Kreuz- wirbels symmetrisch hanfkorngroße ventrale Knochenkerne. Es finden sich noch 3 weitere Kreuzwirbelkörperkerne und 4 knorpelige Steiß- segmente. Die Darmbeine haben also ihre Hauptstütze am 26. Seg- ment gefunden. Es sind 25 präsacrale Wirbel vorhanden, und die künftige asymmetrische Ausbildung des 25. ist durch den nur recht- 554 Felix Sieglbauer seitigen Sacralrippenkern charakterisiert. Die Knorpelanlage ist annähernd symmetrisch entwickelt. Bereits im Jahre 1873 hat GEGENBAUR an der Wirbelsäule eines 3jährigen Kindes, dessen 5. Lendenwirbel linkerseits »sacralwirbel- artige Beschaffenheit« hatte, den Nachweis geliefert, daß »die lumbo- sacralen Übergangswirbel durch die Ausbildung ihrer — nämlich der Lendenwirbel — in der Regel gänzlich fehlenden Rippenrudi- mente hervorgehen«. PATERSoN bildet in den Fig. 41, 49 und 52 seiner Kreuzbein- arbeit typische Fälle von lumbo-sacralen Übergangswirbeln bei Feten ab. Es spricht allerdings nur bei Fig. 41 von einem Zwischen- wirbel.e Die anderen Figuren nennt er 6wirbelige Kreuzbeine. Sicher hat aber auch an ihnen das 1. Kreuzbeinsegment neben den fehlenden Costalelementen die anderen Charaktere des Zwischen- wirbels: doppeltes Promontorium, Zurückbleiben der Seitenflügel hinter der Linea terminalis des Beckens, aufgewiesen. Sie zeigten also hochgradige symmetrische Assimilation des letzten Lendenwirbels oder umgekehrt geringste Grade der Umformung des 1. Kreuzwirbels in den cranialen Nachbar. Dürr hat allerdings Lumbosacralwirbel oder Zwischenwirbel solehe Segmente genannt, die »auf der einen Seite einem Kreuzwirbel, auf der andern Seite einem Bauchwirbel gleichen. Und doch stellte er eine kontinuierliche Reihe von Über- gängen symmetrischer und asymmetrischer Natur zwischen Lenden- und Kreuzwirbeln und umgekehrt auf, so daß ich glaube, daß man lumbo-sacral auch symmetrisch gebaute Zwischenwirbel nennen kann. Es ist damit nur das wellenförmige Abklingen der Charaktere eines Wirbelsäulenabschnittes in die des andern angegeben. RAMBAUD und RENAULT bringen in der Fig. 1 der 5. Tafel ihres bekannten Atlasses die Abbildung eines wohl neugeborenen Sa- crums mit 3 Sacralrippenpaaren, von denen das 1. eraniale, auf beiden Seiten gleich groß, aber kleiner als das 2., sicher einem lumbo- sacralen Übergangswirbel angehört. Im Text konnte ich keine darauf bezügliche Bemerkung finden. PosrHu gibt in seiner mit Illustrationen überaus reich aus- gestatteten Doktordissertation Quer- und Längsschnittbilder von 21 Kreuzbeinen aus dem 4. Fetalmonat bis zum 3. Lebensjahr. Diese Bilder zeigen eine große Zahl von interessanten Variationen. Die Fig. 81—86 auf S. 105 lassen an einem Smonatlichen männlichen Saecrum 2 Paar Sacralrippen im 2. und 3. Kreuzwirbel erkennen; im 1. fehlen sie. Die Gelenkspalte des Kreuzdarmbeingelenkes Eine an primitive Verhältn. anklingende Variat. der menschl. Wirbelsäule. 555 reicht nur bis zu den Seitenteilen des 2. Sacralwirbels. PostH nennt in der Legende zur Abbildung den 1. Kreuzwirbel »lombaire sacra- lisee«.. Wohl nur die Betrachtung der ganzen Wirbelsäule könnte diese Diagnose verifizieren. Ferner bringt er auf Seite 117 Schnitte durch das Kreuzbein eines 3 monatlichen Jungen, dessen 1. Kreuz- wirbel links kein Costalelement besitzt. Das entsprechende rechte ist kleiner als das des zweiten. Autor meint, daß die Form des Kreuzbeines ein Nägelebecken hätte entstehen lassen können. Der Gedanke ist nicht von der Hand zu weisen, denn es ist auffallend, wie bei gering ausgebildeter Knorpelasymmetrie die Hemmungsbil- dungen in den Rippenelementen zu weitgehenden Asymmetrien des knöchernen Beckens führen können. Die Fig. 123—129 auf S. 119 geben Schnitte durch die 6 Kreuzwirbel eines 6 monatlichen Knaben. Es sind 4 Sacralrippenpaare vorhanden, das 1. eraniale kleiner als die folgenden 2. und 3. Der Autor nennt auch hier den 1. »lombaire sacralisee«. Das Darmbein hatte auf beiden Seiten nur die 2 ersten Kreuzwirbel zur Anlagerung benützt, und troizdem tragen auch der 3. und 4. noch Rippenanlagen. Es können also hinter dem Kreuz- 'darmbeingelenk und unabhängig von ihm noch Rippen auftreten. Ähnliches kommt auch bei den Amphibien vor. III. ©. Standhöhe des Fetus 500 mm. Wirbelsäule, Brustkorb und Becken nach Luxp- VALL gefärbt und in. Glyzerin aufgehellt. So- genannte »normale« Wirbelsäule mit der ty- pischen Formel. Hals- rippenanlagen beider- seits 8 mm in der für den Neugeborenen häu- figsten Form und Größe. Die Sacralrippenanlagen Q. Standhöhe 50 cm. Craniale Ansicht der beiden ersten von- . . . E einander getrennten Kreuzwirbel. sind, wie die mit dem Prisma gewonnene Textfigur 3 zeigt, rechts und links gleich groß, im 1, Kreuzwirbel $>< 6 mm messend, im 2. 5x 4,75 messend, die Keilform zeigend, wie sie für das Stadium charakteristisch ist. Im 3. Kreuzwirbel sind noch keine Sacralrippenkerne vorhanden. Sie treten, soweit ich an Präparaten gesehen habe, erst nach der 556 Felix Sieglbauer Geburt auf. Textfigur 4 zeigt sie von einem halbjährigen Knaben, Standhöhe 60 cm, gezeichnet nach einem Photogramm in natürlicher Größe. Posru bildet auf S. 103 seiner Arbeit das Kreuzbein eines ‘ monatlichen g' Fetus ab mit 3 Sacralrippenpaaren und ebenso in den Fig. 93—98 auf S. 109 ein neugeborenes männliches Kreuzbein mit 3 Paar Knochenkernen an der entsprechenden Stelle. Ferner zeigte er auf S. 115 ein 2 Monate altes © Kreuzbein mit nur 2Paar Costalelementen im 1. und 2. Kreuzwirbel. Es herrscht offenbar Fig. 4. ö. 60 em Standhöhe. Sacralrippen schraffiert. eine große Variabilität in dem Auftreten dieser Knochenkerne. Da- rum betonen GEGENBAUR und RABL, letzterer besonders für die morphologische Beurteilung der Carpus- und Tarsuselemente, daß aus dem Fehlen oder Auftreten von Knochenkernen keine weit- gehenden morphologischen Schlüsse zu ziehen sind. Trotzdem kann man an den Rippenanlagen des 1. Kreuzwirbels mit Sicherheit er- kennen, ob man es mit einem Zwischenwirbel zu tun hat oder nicht. . IV. g. 50cm Standhöhe. Wirbekäule, Rippen und Becken. Brustbein fehlt. Nach LunpvALL gefärbt und in Kalilauge Glyzerin nach OSKAR SCHULTZE aufgehellt. Eine an primitive Verhältn. anklingende Variat. der menschl. Wirbelsäule. 557 Formel: (1.—7.) ev; (8.—19.) d; (20.—24.) I. (25.) Is. (26.—30.) s. (31.—33.) cd. Halsrippenanlagen am 7. Segment fehlen vollkommen beider- seits. Die vordere Knorpelanlage ist sehr schwach. Der 25. Wirbel ist ein Zwischenwirbel, seine Flügel liegen zurück hinter der Linea terminalis des Beckens. Ein deutliches Promontorium ist zwischen 25. und 26. Wirbelkörper ausgebildet. Die Sacralrippen des 25.Seg- ments, deren Form und Größe aus der Textfigur 5, die mit dem Prisma im auffallenden Licht und in natürlicher Größe ge- zeichnet wurde, entnommen werden kann, messen 2 mm, sind also Fig. 5. ö- Standhöhe 50 cm. 25.Segment = lumbo-sacraler Übergangswirbel. etwa hanfkorngroß, die rechte etwas größer. Dieselben Kerne in den Flügeln des II. Kreuzwirbels messen 5x6, die des III. etwa 3>x2mm. Es ist zu erkennen, daß, wenn drei Paare von Sacral- rippen vorhanden sind, und das erste craniale Paar kleiner ist als das folgende caudale, wir es mit einem Übergangswirbel zu tun haben. Es müssen in den künftigen kleineren Seitenflügeln auch die Darmbein tragenden Rippenkerne kleiner sein. Der 28. und 29. Wirbel sind typische Saeralwirbel. Der 30. ist als ein saerocaudaler Übergangswirbel nach ROSENBERG zu be- zeichnen. Er besitzt schon einen Körperkern, eine häufige Erschei- nung an diesem Segment für den Neugeborenen, aber keine Bogen- kerne. Dagegen beteiligt er sich noch an der Bildung der Seiten- teile der P. perinealis des Saerums. Es folgen dann noch 3 Steiß- knorpel. Morpholog. Jahrbuch, 49, 37 558 Felix Sieglbauer V. ©. Betrifft die normale Wirbelsäule eines 42cm Standhöhe messenden Fetus. Sie wurde nach LunpvALL gefärbt und. nach OSKAR SCHULTZE aufgehellt. Es sind 2 Sacralrippenpaare vorhanden von gleicher Form und Größe, wie sie für die zweite Hälfte der Schwangerschaft typiseh sind. Das erste craniale Paar ist größer als das folgende. VI. g‘. Standhöhe des Fetus 50 em. Wirbelsäule, Brustkorb und Becken gefärbt und aufgehellt nach der Methode von SPALTE- HOLZ. Formel: (1.—7.) cv; (8.—20.) d; (21.—24.) 1; (25) Is; (26—30) s; (31.—34.) cd. Im Atlas ein deutliches Hypocentrum, beim Neugeborenen ein häufiger Befund. Halsrippenanlage rechts 2mm, links 7mm. 13 Brustrippenpaare. 8. linke Rippe trifft das Brustbein im Winkel zwischen distalem Körperende und Schwertfortsatzbasis. Rippen- knorpelgelenke finden sich rechts zwischen 6. und 7. und 7. und 8. Rippe, links aber zwischen 7. und 8. und 8. und 9. 11.—13. Rippe zeigen keine Gelenkfläche am Tubereulum. Die Teilung des Proc. transversus ist am 13. Brustwirbel deutlich. Länge der 13. Rippe 13 mm, links 15 mm. Wie die Textfigur 6 zeigt, sind 3 Sacralrippenpaare — nach einem Photogramm gepauste Zeichnung — in Form und Größe ähnlich denen des Fetus IV vorhanden. Der 25. Wirbel ist ein lumbo-sacraler Übergangswirbel mit denselben Charakteren wie in IV. Links zeigt er einen deutlichen, selbständigen Proe. transversus, der bei den anderen untersuchten Übergangswirbeln nie so scharf von dem an der Bildung der Facies aurieularis beteiligten knorpe- ligen Kreuzbeinflügel getrennt war und in diesem Falle wohl auf eine später asymmetrische Ausbildung des Zwischenwirbels hin- deutet. | Bei den drei Fällen II, IV, Vlist der 25. Wirbel erster Kreuz- wirbel mit unvollständig ausgebildeten Flügeln. Das Becken hat sich caudaler als in der Mehrzahl der Fälle an die Wirbelsäule an- gelagert. Damit bestätigen diese Fälle zunächst die Angaben von PArErson und Fischer, daß die caudalere Lage des Beckens an der Wirbelsäule unter den Variationen häufiger ist als die eraniale. Sie zeigen aber auch, wie bei den Fällen IV und VI, die aus der fast gleichen Größe des rechten und linken Sacralrippenkerns auf eine beim Erwachsenen symmetrische Assimilation schließen lassen, Eine an primitive Verhältn. anklingende Variat, der menschl. Wirbelsäule. 559 daß das 30. Segment noch in die Sacrumbildung einbezogen ist, also 6 Kreuzwirbel vorhanden sind, sowie umgekehrt bei Assimilation des 5. Lendenwirbels der erste Steißwirbel gewöhnlich frei oder höchstens im Körper verwachsen ist, wie E. 171 © der anatomischen Sammlung in Leipzig zeigt. Das sind die geburtshilflich wichtigen Fälle mit hochstehendem oder doppeltem Promontorium und bis ins späte Alter persistierender Bandscheibe, die ScHhAurTA schon betont. H. Bayer gibt an, wie man bei doppelseitiger Assimilation 5 Kreuz- wirbellöcher am häufigsten beobachtet, und ich möchte da noch = z Ss z Fig. 6. 5. Standhöhe 50 cm, 25. S. = lumbo-sacraler Übergangswirbel. Fig. 7. 5. 50cm Standhöhe. 1. Kreuzwirbel = lumbo-sacraler Übergangswirbel. 6. Kreuzwirbel = sacro-caudaler Übergangswirbel. Sacralrippen schraffiert. auf nebenstehende Textfigur 7 hinweisen, die das Sacrum eines 50cm langen Knaben nach einer Prismenzeichnung in der Ansicht von der Beckenseite her wiedergibt. Es sind 6 Sacralwirbel vorhanden. Der erste ist ein typischer Zwischenwirbel, die ersten Sacralrippen sind kleiner als die zweiten und dabei auf beiden Seiten ungleich groß. Der 3. Kreuzwirbel weist aber nicht, wie die gleichlangen und gleichgeschlechtlichen Feten IV und VI, besondere Sacralrippen- kerne auf. Es sind also nur 2 Paar Sacralrippen ‚vorhanden. Die Facies auricularis reicht bis zum 3. Kreuzwirbelflügel abwärts. Immerhin könnten im 1. Lebensjahre noch dritte Sacralrippenkerne aufgetreten sein. 37* 560 Felix Sieglbauer Fehlt aber, wiein Fall II, der Sacralrippenkern ganz, dann kommt es wohl in ähnlicher Weise wie im Falle 1 beim Erwachsenen zur asymmetrischen Assimilation. Interessant ist nur, daß der Unter- schied im knorpeligen Seitenflügel auf beiden Seiten keineswegs so auffallend ist wie dann beim knöchernen, insofern, als der knorpe- lige Seitenteil auf beiden Seiten sich gleichmäßig an der Bildung der Facies auricularis beteiligt, also das Darmbein trägt, während am knöchernen Becken bei asymmetrischer Assimilation der des Rippenelementes entbehrende Seitenflügel des ersten Kreuzwirbels an der Gelenkbildung der Artie. sacroiliaca sich nicht beteiligt. Costalelement und Darmbeingelenk gehören aber nicht unbedingt zusammen, wie die Schnitte von PostH vielfach zeigen, in denen bei Kindern aus dem 1. Lebensjahre 3 Sacralrippenpaare vorhanden sind, die Gelenkspalte aber nur bis zum 2. Paar reichte. Oder ein schöner Fall mit 4 Sacralrippenpaaren an einem 2jährigen männlichen Kreuzbein, S. 133, an dem die Gelenkspalte nur bis zum 3. Sacralrippenpaar reichte. In anderen Fällen wieder zeigt sich das Darmbein noch mit dem 3. Paar gelenkig verbunden. Es spricht das eigentlich gegen PATERSoNs Auffassung von der Ur- sache für das Auftreten der ventralen Knochenkerne in den Seiten- teilen des Kreuzbeins. Er meint, daß ihr Auftreten in der 2. Hälfte der Schwangerschaft mit den Bewegungen der hinteren Extremität und dem dadurch vermehrten Reiz zusammenhänge, der infolge- dessen auf das Beckengürtelgelenk ausgeübt würde. Auch sehen wir wieder, was ebenso für die Beurteilung der ganzen Beckenform gilt, daß die mechanischen Momente an dem werdenden Indivi- duum selbst nicht allein, sondern auch von der Phylogenie her er- erbte formbildende Wirkungen für die Gestaltung des neuen Or- ganismus von Bedeutung sind, Wirkungen, die natürlich zuletzt auch wieder auf mechanische Ursache hinführen, aber bei den weit zu- rückliegenden Vorfahren entsprechend der anderen Lebensweise ganz anderen physiologischen Aufgaben gerecht wurden. Die Beschaffenheit der Rippenkerne in Zwischenwirbeln mußte hier kurz zusammengestellt werden, da ich erst aus dem Vergleich mit ihnen ein Verständnis für die verschiedene Größe der Saecral- rippenanlagen bei der erstbeschriebenen Wirbelsäule mit 26 bezw. 27 präsaeralen Wirbeln gewann. Es ist der 27. Wirbel eine »halbe vertebra fuleralis«, wie WELCKER solche Übergangswirbel genannt hat. Und GEGENBAUR (1875), dann auch PaArerson (1893) und Postu (1897) haben die Bedeutung der verschiedenen Größe der Eine an primitive Verhältn. anklingende Variat. der menschl. Wirbelsäule. 561 Sacralrippen für die Entwicklung der Zwischenwirbel erkannt. PATERSON hat sich gerade mit Rücksicht darauf, daß das 1. Sacral- rippenpaar gewöhnlich das größte ist, HoLL in der Auffassung der Wirbelsäulenvariationen angeschlossen: nicht, wie ROSENBERG meint, durch eine ontogenetische Verschiebung des Beckengürtels wird die Variation erst ausgebildet, sondern schon in der ersten Anlagerung des Gürtels an die Wirbelsäule ist die Variation gegeben und bleibt so auch beim Erwachsenen. Variationen in der Zahl der präsacralen Elemente sind bei ver- schiedenen Formen tetrapoder Wirbeltiere bekannt, wenn auch nicht solche Massenuntersuchungen vorliegen wie für den Menschen, von dem wir eine Variationsstatistik von weit über 2000 Fällen, aller- dings verschiedener Rassen, besitzen. Sobald man eine größere Zahl von Skeleten einer Art untersucht, kommt man auch auf Wirbelsäulenvariationen. Von 14 dem Geschlecht nach nicht besonders bestimmten In- dividuen des kleinen Triton alpestris, die alle aus derselben Ört- lichkeit stammten, wiesen 11 die gewöhnliche Zahl von 12 präsa- eralen Wirbeln auf; 3 aber besaßen 13. — Die Exemplare waren alle zugleich nach der Methode von Prof. SPALTEHOLZ gefärbt und aufgehellt von dem Mechaniker des Instituts, Herrn ARNOLD. Ge- rade bei solchen variationsstatistischen Untersuchungen der Wirbel- säule zeigt sich diese Methode an Sicherheit allen anderen über- legen. — Craus hat bei derselben Form unter 4 Exemplaren 1 Mal 13 Rip- pen gefunden, und wenn es nicht Zufall ist, so liegt der Gedanke nahe, daß die Anlagerung des Beckengürtels zu den mendelnden Charakteren gehören könnte, so wie wir durch EuGEn FISCHER wissen, daß eine ganze Reihe von Organmerkmalen des Menschen den MEenpeELschen Vererbungsregeln unterworfen ist. Das Schwein zeigt nach M. LESBRE eine besonders reiche Variation der Wirbel- säule. Er sagt: >»... le nombre des vertebres est sujet & va- rier comme celui de tous les organes qui se repetent en serie... « Der Mensch steht also mit seiner Variation der Wirbelsäule nicht allein. Und vor allem sind es die Primaten, die auch RosEn- BERG für seine Theorie zu verwenden bestrebt war und die nach KeEıtH sehr interessante Variationen zeigen. Ich setze seine vielsagende Tabelle aus der 1902 erschienenen Arbeit auszugsweise hierher: 562 Felix Sieglbauer | Zahl der Vertebra fuleralis [untersucht.| 23.5. | 24.8. | 25.8. | 26.8. | 2.8.18. 8 Individ, | Bimia sat. 2 .|| - 46 |54%5| 70, lizso,| — ee Gorilla gin. . ..) 27 ]740%| 3709155,6% | — ne Troglodytes n. . . . . | 38 2,6 %/, | 19,7 0/, | 55,2 0%, | 22,30% | — — 358 = 30) 920) 5%) — _ TE EDD: Be in 850/,|:7,50 | | BARDEEN | Hylobates 2... =) 59 — — 1520%,| 7809,6,8%| — Aleles ist. bon -Alete) ref) 6 — — 10%): 80%, 10% | — RE 197 > — _ 450/,| 53%, | 2,8.0/0 Oynocephalus . . . .|\ 8 | — — = — "137,505 | 5000) 20, Semnopiütheeus . . . - 15 _ _. _ 40, | 60h, | — Cobalt: 2 — | —: | 10%|'50%%t 400%, Die Tabelle zeigt zunächst, wie der Mensch in der Variations- weise der Vertebra fuleralis die Mitte einnimmt zwischen Orang, Gorilla, Schimpanse einerseits und dem Gibbon und den übrigen Primaten andererseits. In der häufigsten Ausbildung des 25. Seg- ments als 1. Kreuzwirbel steht er unmittelbar neben Gorilla und Schimpanse. Die äußerste eraniale Variation, wie sie den beiden letztgenannten und dem Orang zukommt, ist beim Menschen bisher noch nicht beschrieben worden. In die Tabelle nicht aufgenommen sind der RoSENBERGsche Fall mit 26 und mein Fall mit 26, bez. 27 präsaeralen Wirbeln. Diese beiden stehen den in 6,8 %/ der Fälle vorkommenden caudalen Variationen der Aylobates-Wirbelsäule mit 26 präsacralen Wirbeln nahe, eine Variation, die auch das Hylobates-Skelet der Anatomischen Sammlung in Leipzig zeigt, das noch darum bemerkenswert ist, weil die erste linke Brustrippe ru- dimentär ist und Form und Größe besitzt, wie die Hulnpire am 7. Halswirbel beim neugeborenen Menschen. Die präsacrale Wirbelzahl, von 26 ist die bei den Säugätieren am häufigsten vorkommende. Das hebt WELCKER schon hervor, und eine statistische Behandlung der großen Tabellen von FLOWER und GIEBEL ergibt es überzeugend. Für die Vögel kann man, die beiden Acetabularwirbel nach GEGENBAUR als die ursprünglichen Sacral- wirbel gezählt, 25 als die häufigste Zahl angeben. Allerdings ist dazu zu bemerken, daß die Passeres mit ihrem Formenreiehtum den Ausschlag geben. Bei den Reptilien ist die Zahl 24, wenn man die Chelonier mit durchschnittlieh 19 und Hatteria mit 36 beiseite läßt, die reichlichst vertretene. Am schwierigsten ist es, für die. Amphibien eine Mittelzahl Eine an primitive Verhältn. anklingende Variat. der menschl. Wirbelsäule. 563 anzugeben, da die Schwankungen 9 (Rana) und 63 (Amphiuma) zu groß sind. Speziell der von mir beschriebene Fall mit halber Vertebra ful- eralis rückt wenigstens auf der linken Seite an die äußerste caudale Variationsgrenze, die bei den Primaten überhaupt beobachtet ist. Denn auf der linken Seite der abnormen Wirbelsäule haben wir eigentlich 27 präsacrale Wirbel zu zählen, also eine Wirbelzahl, wie sie Cebus immerhin in 40°, der Fälle aufweist. Die Tabelle bestätigt nun scheinbar ROSENBERGS Auffassung von der phylogenetischen Wanderung des Beckengürtels, indem die tiefer stehenden Affen tatsächlich ein caudaler liegendes Becken besitzen. Und doch sehen wir nicht den Menschen, sondern die höchststehen- den Primaten die eraniale Grenze der bekannten Variationen er- reichen, trotzdem in dem aufrechten Gange, wie RuGE überzeu- genddargetan hat, einesder Momente für die Verkürzung des Rumpfes, namentlich des Thoraxskeletes, gegeben ist. KeitH sagt, Rippen- reduktion und Sacrumverschiebung sind zwei Dinge, die miteinander nichts zu tun haben. Die erste hängt zusammen mit der größeren Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule, die letztere hat im aufrechten Gange wohl nicht die alleinige Ursache. So bleibt nur die Frage: Kann die größere Zahl der präsacralen Wirbel als primitives Merk- mal gelten, so wie es für die Rippen durch Ruge sicher nachge- wiesen ist? ROSENBERG bejaht die Frage. Dabei ist auf das »größere« als Vergleichsmoment der Ton zu legen. Denn eine an und für sich große kann nicht maßgebend sein, sonst müßte Hyrax capensis mit 38 präsacralen als besonders primitiv gelten, ein Ein- wurf, den WELCKER schon macht. Vergleichsweise kann man also, wie ROSENBERG es getan hat, der die Prosimier zum Vergleich mit den Primaten herangezogen hat, sagen, daß 26 präsacrale primi- tiver sind als 24. Aber daran muß sich nicht die Vorstellung knüpfen, die ROSENBERG in seiner Theorie ausdrückt, daß eine dauernde craniale Verschiebung des Beckengürtels stattfinde. Varia- tion und Vererbung sind die fortschrittlichen und konservativen Elemente, welche den Organismus beherrschen. Sie beeinflussen, be- dingen einander, indem die Variationen häufig atavistisch sind. Für die Wirbelsäule wesentlich ist, daß die Variationen nie eine Region allein betreffen, sondern immer mehrere, aber daß sie auch verschieden auf beiden Seiten auftreten. Für beides bringt der abnorme Fall Belege. Aber die Variation besitzt auch eine gewisse Selbständigkeit, 564 Felix Sieglbauer indem sie in Abständen sich bewegt, die, wie JOHANNSEN betont, umso größer werden, je größer unsere Beobachtungsreihen sind. Das zeigt auch die Beobachtung an der abnormen Wirbelsäule: die von ROSENBERG angenommene Grenze von 26 präsacralen ist um ein Segment, zunächst einseitig weiter caudal gerückt auf 27. Und es ist, wie ich glaube, nicht ausgeschlossen, daß die Grenze von 24 präsacralen, die bisher bekannt ist, auch einmal über- schritten wird. Wir kennen noch nicht alle Variationsmöglichkeiten und können nie die Variationsweite scharf begrenzen. So fasse ich die beschriebene Wirbelsäule nicht als ein Stehen- bleiben auf frühen Stadien in der Entwicklung, etwa als eine Art von Hemmungsbildung, sondern als eine caudale Variation auf, die caudalste, die beim Menschen bisher bekannt wurde. Ich habe sie als an primitive Verhältnisse anklingend genannt, weil diese caudale Variation wohl von der Kraft der Vererbung abhängig sein wird. Aber schon in der ersten Anlage war diese Variation gegeben, und ich schließe mich ganz der Auffassung von HoLL an, der sagt: »RosEn- BERGS geschilderte embryonale Zustände sind nichtÜbergänge, sondern jede Wirbelsäule stellt für sich allein ein Ganzes dar, welches im er- wachsenen Zustande dieselben Verhältnisse gezeigt hätte, als in dem von ROSENBERG angeführten Stadium.« Literatur. 1) ApourHı, H. Über das Wandern des Extremitätenplexus und das Sacrum bei Triton taeniatus. Morph. Jahrb. Bd. XXV, 1898, S. 544—554. 2) —— Über den Ursprung des M. piriformis am Körper des menschlichen Kreuzbeins. Anat. Anz. Bd. XXII, 1902, S. 239—248. 3) — Über den Bau des menschlichen Kreuzbeins und die Verschiedenheit seiner Zusammensetzung in Prag und Jurjew-Dorpat. Morph. Jahrb. Bd. 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Alle sechs Photogramme betreffen die abnorme Wirbelsäule mit 26 prä- sacralen Wirbeln. Die Figuren sind um ca. 1/ı der natürlichen Größe verkleinert. Figur 1: Aufnahme des ganzen Objektes in der Ventralansicht. -. 2: - der rechten Thoraxseite Ba < - der linken Thoraxseite. - 4: .- der Halswirbelsäule mit dem rechten normalen Halsrippen- rudiment. - 5: Aufnahme der Halswirbelsäule mit der linken »bieipital rib«. - 6: - des Beckens in der Ventralansicht. (Aus dem xoologischen Institute der Univ. Breslau.) Die Zungenpapillen der Primaten. Von Dr. Gustav Kunze. Mit Tafel XVIII—XX und 34 Figuren im Texte. Einleitung. Unsere Kenntnisse von den Zungenpapillen der Affen waren bisher, ungeachtet zahlreicher Einzelbeobachtungen an einer großen Anzahl von Arten, als recht lückenhaft zu bezeichnen, da die rein makroskopische Betrachtungsweise, welche die Autoren meist an- gewandt haben, in vielen Fällen ganz unzureichend ist. Mehrere Säugetierordnungen sind in bezug auf ihre Zungenpapillen schon viel exakter durchforscht worden. Ich erinnere hier, um nur einige zu nennen, an die Monotremen und Marsupialier, deren Zunge OPPEL sehr genau geschildert hat, an die Zungenpapillen der Haussäuge- tiere und die von WOLF untersuchten Zungenpapillen der Wale und anderer wasserbewohnender Säugetiere. In der reichen, alle Säugetierordnungen umfassenden Zungen- sammlung des Breslauer Zoologischen Instituts war, wie eine Durch- musterung ergab, eine beträchtliche Anzahl von Primatenzungen vorhanden, darunter Arten, die auf ihre Papillenverhältnisse hin überhaupt noch nicht untersucht und beschrieben worden waren. Es erwies sich also schon in dieser Hinsicht meine Aufgabe als lohnend. Die Zunge der Affen steht hinsichtlich ihrer Ausstattung mit Geschmackspapillen auf hoher Stufe. Stets sind alle vier Haupt- arten von Papillen in trefflicher Ausbildung vorhanden. Die mindestens in der Dreizahl vorhandenen Papillae vallatae liegen an der hinteren Grenze der papillentragenden Zungenfläche. Sie sind in der Mehrzahl der Fälle in einer scharf ausgeprägten 570 Gustav Kunze Figur angeordnet, nämlich meist in einem nach vorn zu offenen Winkel, selten in einem »Y«. Daneben kommen auch noch andere Gruppierungen vor, z. B. Papillen auf der Medianlinie innerhalb des Winkels sowie Papillenanordnungen, die sich überhaupt nicht auf bestimmte Leitlinien zurückführen lassen. Die hinterste Papille liegt ungefähr in der Gegend des Arcus palatoglossus. Die Papillae foliatae erstrecken sich jederseits am Zungen- rande von den Ansatzstellen des Arcus palatoglossus aus eine Strecke weit nach vorn. Niemals sind sie rudimentär wie bei manchen Tierordnungen; gelegentlich ist die Zahl der sie zusammensetzen- den Elemente so groß, daß die Gesamtzahl ihrer Geschmacks- knospen zweifellos größer ist als die der Papillae vallatae. Die Papillae fungiformes liegen zerstreut auf der vorderen Zungenfläche; in der Mitte des Zungenrückens können sie fehlen. Die hintere Grenze ihres Gebietes bilden im allgemeinen die Pa- pillae vallatae und zwei Linien, die von den flankierenden Wall- papillen zu den Vorderenden der entsprechenden Papillae foliatae ziehen. Es muß aber hervorgehoben werden, daß auch dahinter Pilzpapillen noch vorhanden sein können. In der Bezeichnung der Papillae vallatae bin ich der von Münch aufgestellten und von den meisten Autoren angenommenen Nomenklatur nur zum Teil gefolgt. Im Gegensatz zu Münch habe ich als Papillae vallatae laterales stets die beiden vordersten Pa- pillen des Papillenwinkels bezeichnet. Münch nennt die der Vallata centralis zunächst liegenden Papillen Laterales und die auf den Winkelschenkeln noch weiter vorhandenen, also weiter vorn liegen- den Vallatae accessoriae laterales. Daß diese Bezeichnung unge- eignet ist, ergibt eine einfache Betrachtung. Von allen auf den Schenkeln des Winkels vorhandenen Papillen sind außer der Centralis stets die flankierenden Papillen die konstantesten, meist sind sie auch die größten des Winkels nächst der Centralpapille. Jedenfalls liegen sie fast stets in ein und derselben Transversalebene, bilden also einen deutlich erkennbaren Abschluß der ganzen Papillenfigur. Ich bin deshalb der Ansicht, daß diese flankierenden Papillen als Fixpunkte anzunehmen und die übrigen als accessorisch zu bezeichnen sind. Wenn z. B. auf einem linken Winkelschenkel außer der Centralis noch zwei Papillen, auf dem rechten aber nur eine vorhanden ist, so wäre es doch ganz unrationell, die der rechten Lateralis auf der anderen Seite entsprechende als Accessoria lateralis zu bezeichnen, Mancherlei Schwierigkeiten bot der Versuch, die an den einzelnen Die Zungenpapillen der Primaten. 571 Zungen gemachten Beobachtungen zu Schlüssen allgemeinerer Art zusammenzufassen. Es verhalten sich z. B. die Papillae vallatae in bezug auf Zahl, Größe, Ausbildung des Walles usw. selbst inner- halb ein und derselben Spezies ganz außerordentlich verschieden, während die Grundfigur, in der sich die Papillen anordnen, die gleiche bleibt. Die Folge davon ist, daß unter Umständen zwei Zungen verschiedener Gattungen in Beziehung auf die Wallpapillen einander ähnlicher sein können als die zweier Exemplare der- selben Art. Beim Randorgan und den Papillae fungiformes liegen die Verhältnisse etwas besser, vor allen Dingen scheint bei ersterem wenigstens die Streichrichtung einen konstanteren Faktor darzu- stellen, der bei der Diagnose einzelner Arten, bzw. Familien besser zu verwerten ist. Jedenfalls sind Schlüsse allgemeinerer Natur vorsichtiger zu ziehen, als das bisher von manchen Autoren geschehen ist, die aus der Untersuchung einiger weniger Primatenzungen recht weitgehende phylogenetische Zusammenhänge konstruiert haben. Gleich am Anfang meiner Untersuchungen ergab sich, daß mein Material ausreichte, um auf ein vielumstrittenes Problem etwas näher einzugehen, das Problem von den Beziehungen und Übergängen zwischen den Papillae fungiformes und vallatae. Diese Übergänge, gegen die sich manche Autoren noch immer ablehnend verhalten, lassen sich bei den Affen deshalb mit größerer Genauigkeit behandeln, weil hier die Gruppierung der Papillae vallatae im Verhältnis zu anderen daraufhin genauer untersuchten Ordnungen, z.B. den Un- gulaten, einfach und klar ist. In engem Zusammenhang hiermit stehen die Beziehungen, die zwischen Papillae vallatae und fungiformes in der gegenseitigen Stellung zum Ausdruck kommen. Auch diesen Punkt habe ich ein- gehend erörtert, da sich manches hierfür Wertvolle bei meinem Material vorfand. Noch eine Besonderheit, die bisher bei Primaten nur einmal, nämlich von TUCKERMAN bei Ateles ater, beobachtet worden zu sein scheint, war an manchen Papillae vallatae zu finden. Sie sind nämlich gelegentlich vollständig in die Tiefe verlagert, so daß nur ihr Scheitel die Zungenfläche erreicht. Diese bei niederen Säuge- tieren. häufig vorkommende Eigentümlichkeit konnte ich nur bei Platyrrhinen beobachten. Ich habe sie deshalb im Anschluß an diese erörtert. Schließlich mußte versucht werden, die bei den einzelnen Gat- 572 Gustav Kunze tungen eruierten Verhältnisse der Zungenpapillen mit deren phylo- genetischen Beziehungen in Zusammenhang zu bringen. Es ergab sich somit ungezwungen folgende Anordnung des Stoffes: A. Platyrrhinen. I. Besehreibender Teil. 1. Genus Lagothrix. 2. Genus Ateles, II. Die Höhlenstellung der Papillae vallatae. B. Catarrhinen. (Beschreibender Teil.) 3. Genus Papvo. 4. » Oymopithecus. 5. » Macacus. OR © Cercocebus. 14873 Cercopithecus. 8.» ‚Semmopithecus. 9,..0%..: . Hylobates. C. Vergleichend-anatomischer Teil, I. Über die Beziehungen zwischen den Papillae val- latae und den Papillae fungiformes. II. Die sich aus der gegenseitigen Stellung ergeben- den Beziehungen zwischen den Papillae fungi- formes und den Papillae vallatae. £ IH. Die Übergangsformen zwischen den Papillae val- latae und den Papillae fungiformes. IV. Das Verhältnis der verschiedenen Papillenforma- tionen zum System. V. Zusammenfassung. Die dem Text beigegebenen Übersichtsbilder der bei den ein- zelnen Zungen vorhandenen Papillengruppierungen sind genau in natürlicher Größe gezeichnet. Die Abstände der Papillae vallatae und deren Größe stimmen mit der Wirklichkeit durchaus überein. Am Rande natürlich sind, da die Krümmung berücksichtigt werden mußte, Verzerrungen und Verkürzungen eingetreten, die besonders die Papillae foliatae betroffen haben, welche mitunter überhaupt nur zum Teil noch aufs Bild gekommen sind. Die Zungenpapillen der Primaten. 573 A. Platyrrhinen. I. Beschreibender Teil. 1. Genus Lagothrix. Die beiden Zungen von ZLagothrix, die mir zur Verfügung standen, sind die ersten aus dieser Gattung, bei denen Geschmackspapillen einer Bearbeitung unterzogen worden sind. Lagothrix infumatus Spix. Die Zunge ist 5,2 em lang und 2,3 cm breit; die vom Frenulum ab freie Spitze hat eine Länge von 8 mm. Auf der vorderen Hälfte der Oberfläche hat die Zunge eine ganze Reihe von Längsspalten, die, unregelmäßig angeordnet, wahr- scheinlich durch postmortale Schrumpfung hervorgerufen worden sind und auf die Papillae fungiformes und deren Verteilung keinen Ein- fluß ausüben. Sie sind die einzigen derartig gelagerten Gebilde, die ich bei Primatenzungen antraf, und haben schwerlich eine besondere Bedeutung. Die Papillae vallatae (Textfig. 1, Tafelfig. 9) sind zum Teil recht auffallend gestaltet. Es sind drei vorhanden, von denen aber nur die hin- terste dem üblichen Typus entspricht. Diese ovaie Papille ragt mitsamt ihrem sehr umfangreichen Wall, der eigentlich schon mehr ein kleiner, ohne scharfe Grenze in die umgebende Zungenober- fläche übergehender Wulst ist, über ihre Umgebung hervor und hat einen Längs- durchmesser von 1!/; mm. Das gleich- schenkelige Dreieck, das die Papillen bil- den, hatan der Spitze einen Scheitelwinkel s4:,,0 der Papillenverteilung auf dem von etwa 50°. Die beiden Papillae val- hinterenAbschnittdes Zungenrückens. latae laterales sind anders gestaltet, als — umiien auf dem Zungen- man sonst bei Wallpapillen gewohnt ist. Die Betrachtung mit bloßem Auge oder der Lupe läßt einen ganz im Unklaren darüber, inwieweit diese schwach elliptischen Gebilde überhaupt mit Papillae vallatae verglichen werden können. Auf der rechten Seite hat die eigentliche Papille, soweit sie zu sehen ist, kaum die Größe einer Papilla fungiformis, auf der linken aber Morpholog. Jahrbuch. 49. 38 Fig.1. Pr Lagothrix infumatus. 574 Gustav Kunze kommt ein mittlerer Hauptteil überhaupt nicht mehr recht zum Vor- schein. Umgeben sind beide Gebilde von einer anscheinend unver- hältnismäßig breiten, wallartigen Zone von 1—1!/, mm Durchmesser, die nach außen hin ziemlich unregelmäßig begrenzt ist. Diese Zone nun ist nach allen Richtungen hin von zahlreichen Rissen durch- zogen und sieht infolgedessen total zerteilt aus; dabei herrschen radiale Sprünge etwas vor, besonders bei der linken Papille. Das Randorgan ist gut ausgebildet. Die Spalten, die es zu- sammensetzen, sind verhältnismäßig sehr lang und treten hinten weit auf die Zungenoberfläche über. Es ist das eine Eigentümlichkeit, die sich bei so vielen Zungen aus den Gattungen Lagothrix und Ateles beobachten läßt. Sie hängt wohl damit zusammen, daß die Ansatzstellen des Arcus palatoglossus in diesen Fällen geradezu auf den seitlichen Teilen der eigentlichen Zungenoberfläche entspringen, während sie sonst viel weiter am Rande liegen. Nun reicht aber die Papilla foliata nach hinten fast stets bis unmittelbar an die Eekpfeiler des Areus palatoglossus heran, und infolgedessen muß sie in den eben beschriebenen Fällen mit ihrem Hinterende auf die Zungenoberfläche selbst zu liegen kommen. In Textfigur 1 und Tafelfıgur 9 sind diese Verhältnisse ganz gut zu erkennen. Die Papillae fungiformes werden weiter unten, gemein- schaftlich mit denen von Lagothrix lagotrica beschrieben. Eine Schnittserie durch die Vallata lateralis sinistra zeigt ein hoch entwickeltes, nicht etwa rudimentäres Organ. Es ist auch so- fort zu erkennen, warum dieses von außen einen solch unbedeutenden Eindruck machen mußte. Die Papille liegt nämlich in ihrem ganzen Umfange vollkommen in der Tiefe, geradezu in einer Höhle, ganz ähnlich wie so oft die Wallpapillen der Marsupialier. Der Graben reicht weit hinab und nimmt eine beträchtliche Anzahl von Aus- führgängen seröser Drüsen auf. Der Wall ist mikroskopisch durch hohe und breite Vorsprünge des Bindegewebes charakterisiert, die eben die Grundlage für die breite, zerklüftete, außen sichtbare Zone liefern. Die Papille selbst ragt als ziemlich regelmäßig geformter, spitzer Kegel so weit empor, daß ihr Scheitel die Zungenoberfläche knapp erreicht. An der Basis beträgt ihr Durchmesser 1!/, mm; die dureh- schnittliche Höhe bleibt wenig hinter diesem Maß zurück. Geschmacks- knospen, meist länglich geformt und bis zu 0,07 mm lang, bedecken auf allen Seiten die Papille ohne wesentliche Unterbrechung und reichen etwa bis zu */, der Gesamthöhe hinauf. Bis zu 16 Stück Die Zungenpapillen der Primaten. 575 liegen dabei übereinander. An der Wallseite des Grabens befindet sich gleichfalls eine große Menge von Knospen, die aber nicht ganz so kontinuierlich rund herum stehen und auch nicht so hoch hinauf- steigen. Immerhin sind auch hier bis zu acht übereinander zu zählen. Das Epithel ist an beiden Seiten des Grabens außerordent- lich dünn, nicht dieker als die Sinnesknospen lang sind, so daß diese sämtlich dem glatt angrenzenden Bindegewebe ohne Ver- mittelung irgendwelcher Sekundärpapillen aufsitzen. Fettzellen und Schleimdrüsen scheinen zu fehlen, dagegen sind Lymphzellen zahl- reich vorhanden, besonders in nächster Nähe der Papille, wenngleich sie auch anderswo nicht ganz fehlen. Im Bindegewebsgrundstock der Papille finden sich einige beträchtliche Infiltrationen, die größte Ansammlung aber liegt außerhalb des Grabens, rechts vorn, und stellt einen vollständigen Lymphknoten dar. Diese Verhältnisse sind zum größten Teil aus Tafelfig. 1 mit Deutlichkeit zu erkennen. Lagothrix lagotrica Humb. Die Länge der Zunge von der Basis der Epiglottis bis zur Spitze beträgt 5 cm, ihre Breite am Vorderende der Papillae foliatae 2,2 cm. Die freie Spitze ist 8 mm lang. Die Zunge ist im hinteren Teile durch ‚Druck ein wenig defor- miert. Das linke Randorgan hat dabei etwas gelitten und die Vallata lateralis sinistra ist nach vorn verschoben worden, so daß also der linke Wallpapillenschenkel in diesem Falle ein ganzes Stück länger ist als der rechte. Eine Eigentümlichkeit zeichnet diese Zunge vor allen von mir untersuchten Primatenzungen aus; sie ist fast in ihrer ganzen Aus- dehnung gleichmäßig bläulich grau pigmentiert, und nur wenige Stellen, die im großen und ganzen eine symmetrische Anordnung zeigen, sind davon ausgenommen. Solch ein heller, unpigmentierter, länglicher Fleck beginnt am Zungengrunde, der ebenfalls weiß ge- blieben ist, umfaßt die Vallata centralis und erstreckt sich nach vorn zu fast bis zur Verbindungslinie der beiden Laterales. Die Vallata centralis ist gleichfalls nicht pigmentiert, ebensowenig die anderen beiden Wallpapillen und die Fungiformes. Alle Papillen heben sich infolgedessen mit größter Deutlichkeit vom Untergrunde ab, Ein heller Streifen umsäumt weiterhin die Zunge ununterbrochen überall da, wo sie mit der Umgebung verwachsen ist; er erstreckt sich also von der Epiglottis bei den Ansatzstellen des Arcus palato- glossus vorbei nach vorn bis zum Frenulum linguae, wobei die 38* 576 Gustav Kunze langen Furchen der Randorgane zu drei Vierteln in sein Gebiet fallen, während der Rest, wie die übrige Zungenoberfläche, dunkel gefärbt ist. Auch der eigentliche freie Rand des Zungenkörpers ist mehr oder weniger weiß geblieben, vor allen Dingen in seinem vordersten Abschnitt. An den unteren Seitenpartien ist die Pigmen- tierung rechts und links ebenfalls gelegentlich von hellen Flecken unterbrochen. Auch hier ist eine gewisse Symmetrie unverkennbar. Wie aus dem Gesagten schon hervorgeht, sind drei Papillae vallatae vorhanden. Von ihnen ist die hinterste weitaus die größte. Der nach vorn zu offene Winkel, den sie bilden, beträgt etwa 50°. Die Vallata centralis ragt weit über die Umgebung empor, ihr Längs- durchmesser beträgt 2 mm, der Querdurchmesser ist etwas kleiner. Ein ansehnlicher Wall umgibt sie, der aber nicht scharf begrenzt ist, sondern sich allmählich in die umgebende Zungenoberfläche ab- flacht. Die beiden gleichfalls ovalen Vallatae laterales sind mit einem Längsdurchmesser von 1 mm ziemlich klein und entbehren eines ausgeprägten Walles. Diesem entspricht nur ein schwach an- gedeutetes, ringförmiges Feld, das eine Spur heller gefärbt erscheint als die dunkelpigmentierten Papillae filiformes ringsherum. Das Randorgan ist dem von Lagothrix infumatus sehr ähnlich. Auch hier liegen die hintersten Spalten, etwa auf der Höhe der Vallata centralis, beinahe in ihrer ganzen Ausdehnung auf der Zungenoberfläche, wobei ihre Riehtung annähernd der Medianlinie parallel ist. Nach vorn zu reicht das Organ aber nicht so weit wie bei Lagothrix infumatus. Die einzelnen Spalten, deren Zahl, etwa acht bis neun, sich makroskopisch nicht ganz genau feststellen lassen konnte, erreichen die verhältnismäßig sehr beträchtliche Länge von 4mm. Die ganze Foliata ist ungefähr lem lang. Neben- furchen sind vorhanden, aber selten der ganzen Länge nach durch- gehend und überhaupt recht schwach. In einigen Fällen reichen Zwischenfurchen ein kurzes Stück weit von oben her zwischen zwei Hauptspalten hinein, ungefähr so weit, als die Pigmentierung vor- handen ist, die ja, wie schon erwähnt, noch eine Strecke weit auf die Papillae foliatae übergreift. Die linke Vallata lateralis, welche mikroskopisch untersucht wurde, erwies sich, wie man ja nach ihrer äußeren Erscheinung annehmen konnte, als echte und wohlausgebildete Wallpapille (Textfig. 2). Ihre Gestalt ist allerdings etwas vom Schema ab- weichend. Aus der Tiefe ragt der in der unteren Hälfte diesmal mehr säulen- als kegelförmige Sockel der Papille etwa 1!/, mm weit ee) Mr, , Die Zungenpapillen der Primaten. 577 empor, an den Seiten mit zahlreichen Geschmacksknospen besetzt, die bis zu zwölf übereinander oft sehr dicht stehen, aber nicht überall gleichmäßig verteilt sind; ihre Gestalt ist häufig birnen- förmig; an Größe stehen sie denen von Lagothrix infumatus kaum nach. Die Epidermis ist hier so dünn, daß die Knospen ohne Ver- mittelung sekundärer Fortsätze der Cutis dieser aufsitzen können. Diese ganze knospenhaltige Zone reicht bis über die halbe Höhe der Papille hinaus. Dann ändert sich mit einem Schlage die Struktur. Die Epidermis wird mächtiger, sendet Fortsätze in die Tiefe, wird also der Zungenoberfläche ähnlicher. Sinnesknospen fehlen diesem Abschnitt durchaus. Auf der Außenseite des Grabens kommen auch Fig. 2. Lagothrix lagotrica. Schnitt durch die Vallata lateralis sinistra. Knospen vor, aber nur einige wenige. Von den serösen Drüsen münden auffallend viele Gänge an den Seiten des Grabens, sowohl außen wie innen. Ein Drüsengang durchzieht sogar die ganze Pa- pille und mündet an ihrer Oberfläche nahe der rechten Seite. Die Verteilung der Papillae fungiformes ist bei beiden Arten von Lagothrix so übereinstimmend, daß die Beschreibung, die ich jetzt davon gebe, für beide beschriebenen Zungen gilt. Ein Teil der Zungenrückenmitte mit dem sich nach hinten un- mittelbar anschließenden Gebiet zwischen den drei Wallpapillen bleibt fast völlig frei von ihnen; ebenso fehlen sie unmittelbar vor den Randorganen. Dagegen sind sie von den Vallatae laterales 578 Gustav Kunze durch keinen merklichen Zwischenraum getrennt. Besonders große Pilzpapillen stehen vereinzelt auf den seitlichen Teilen des Zungen- rückens, am Rande und unter der Zungenspitze, aber nicht ganz vorn, sondern etwas seitlich, rechts und links. Die Gesamtzahl der Papillae fungiformes ist bei beiden Zungen nicht sehr bedeutend. Nach vorn zu und selbst an der Spitze stehen sie nur wenig dichter als weiter hinten. Das Gemeinsame, was bis jetzt für das Genus Lagothrix her- vorzuheben wäre, läßt sich mit wenigen Worten sagen. Da die von mir beschriebenen beiden Zungen die ersten dieser Gattung sind und bei beiden die Dreizahl der Wallpapillen fest- zustellen war, so ist nur zu sagen, daß dieser in bezug auf die Zahl primitive Zustand vorkommt, ob aber immer, ist eine andere Frage. Das gleiche gilt für die Tatsache, daß bei beiden Zungen die Vallata centralis etwas größer ist als die Laterales. Wichtiger ist aber die Feststellung, daß hier bei einer Zunge die Eigentümlichkeit vorhanden ist, daß der Hauptpapillenteil sehr tief liegt und nur mit dem Scheitel die Oberfläche erreicht. Ein analoges Verhalten findet sich, wie ich weiterhin an meinem Material zeigen kann, häufig bei amerikanischen Affen und, unter allen Pri- maten, nur bei ihnen. In einem späteren Abschnitt wird auf diese Erscheinung ge- nauer eingegangen werden. Für das Randorgan ergibt sich bis jetzt als gemeinsames Merkmal die relativ sehr große Länge der Spalten und das weite Übergreifen des Hinterendes auf die Zungenfläche. Nach vorn zu reicht es nicht weit, höchstens bis zur Höhe der Vallatae late- rales. Eine gemeinsame Schilderung der Papillae fungiformes ist bereits gegeben worden, so daß ich diesen Punkt hier nicht mehr zu berücksichtigen brauche. 2. Genus Aleles. Bei Ateles melanochir beschreibt FLOWER nur zwei Papillae val- latae, eine sehr unwahrscheinliche Angabe, die sich vielleicht aus der sehr versteckten Lage mancher Wallpapillen bei der Gattung Ateles erklären läßt. Übrigens ist es unklar, welehe Art mit Ateles melanochir gemeint ist. Nach Trouzssarr (Catalogus Mammalium) ist diese Bezeichnung für zwei verschiedene Arten verwertet worden, Die Zungenpapillen der Primaten. 579 die jetzt Ateles variegatus und Ateles Geoffroyi genannt werden. Wichtig ist die genaue Feststellung ja nicht, da der Befund von nur zwei Papillae vallatae sowieso nicht glaubhaft ist. Keine der bisher genauer untersuchten Affenzungen war mit weniger als drei Wallpapillen ausgestattet. Bei Ateles paniscus beschreibt F. I. ©. MAvEr drei Wallpapillen. Münch fand bei zwei Zungen von Aleles vellerosus eine erheb- lich größere Anzahl von Papillen, nämlich bei einer sieben, bei der anderen acht. Dreimal schlossen sich dabei je zwei zu Doppel- papillen zusammen. Die Papilla centralis fehlte in beiden Fällen, dagegen hatte eine Zunge noch eine Papille auf der Medianlinie innerhalb des Papillenwinkels. Sehr genau beschreibt TUCKERMAN die Zunge von Ateles ater. Ich gebe das Wichtigste davon wieder. Die Länge der Zunge be- trägt 54 mm, ihre Breite 20 mm, die Spitze ist auf eine Strecke von 12 mm hin frei. Die Maße stimmen also mit den von mir er- haltenen sehr gut überein. Die Wallpapillen setzen sich aus einem vorderen und einem hinteren Paar zusammen. Innerhalb des von den vier Papillen be- grenzten Raumes sind drei Übergangsformen vorhanden. Die Scheitel des vorderen Paares ragen nicht aus den Öffnungen der Gräben hervor und sind deshalb geschützter als die des hinteren Paares. Einige wenige versprengte Knospen kommen auch auf der freien Oberfläche und, sehr selten, an der Außenseite des Grabens vor. Die Randorgane sind 8 mm lang und 41/; mm breit; die Falten sind schön gleichmäßig in der Größe, und zwölf von den 15 vor- handenen sind mit Geschmacksknospen ausgestattet. Die Papillae fungiformes sind nur an der Spitze zahlreich. Eigene Untersuchungen. Von den mir zur Verfügung stehenden Zungen sind die von Ateles hybridus und Ateles @eoffroyi überhaupt noch nieht untersucht worden, vorausgesetzt, daß mit letzterer Art nicht etwa FLOWERS Ateles melanochir identisch ist. Auch für Ateles paniscus sind die bis jetzt vorhandenen Angaben äußerst dürftig. Ateles Geoffroy: Kuhl. Die Länge der Zunge von der Epiglottis bis zur Spitze beträgt 51 mm, ihre Breite 22 mm. In welcher Ausdehnung die Zungen- spitze als frei zu bezeichnen ist, konnte nicht mehr festgestellt 580 Gustav Kunze werden, da das Frenulum mitsamt der Stelle, wo es mit dem Zungen- körper verwachsen ist, bei der Sektion entfernt worden war. Beim ersten Anblick dieser Zunge bekommt man den Eindruck, als hätte maw es hier mit einem ausnahmsweise wallpapillenarmen Exemplar zu tun. Nur eine, die ovale Vallata centralis, ist mit bloßem Auge als Wallpapille zu bestimmen. Auch sie ist mit einem Längsdurchmesser von reichlich 1 mm nicht sehr groß, wird aber von einem ansehnlichen, wenn auch nicht ordentlich begrenzten Wall eingefaßt, der eigentlich von einer ringförmigen Falte des auch sonst an starken, glatten Falten reichen Zungengrundes ge- bildet wird. Inmitten dieses Wulstes ragt die Papille empor, ohne dessen Höhe ganz zu erreichen. An der Stelle, wo wir sonst die Vallatae laterales zu finden gewohnt sind, ist bei dieser Zunge keine Papille zu finden, der wir diesen Charakter mit Sicherheit zusprechen möchten. An ihrer Stelle entdeeken wir jederseits ein paar regellos angeordnete Grübchen (Textfig. 3). In diesen kommt bei einigen ein kleines das den Eindruck einer kleinen Papilla fungiformis macht, die in die Tiefe verlagert Skizze der Papillenverteilung auf 5 . ‚ dem hinteren Abschnitt des Zungen. Worden ist. In dieser Anschauung wird man rückens. KPv kleine Papillae vallata. nochdurch den Umstand bestärkt, daß in der Nähe große, echte Pilzpapillen vorhanden sind, die in derselben unregelmäßigen Gruppierung und mit dem- selben durchsehnittlichen Abstande voneinander und von den eben erwähnten Vertiefungen sich letzteren ohne jede Unterbrechung an- schließen. Aus Textfig. 3 sind auch diese Verhältnisse sehr gut erkennbar. Das Randorgan, welches jederseits aus etwa 13 ziemlich dicht stehenden, nicht zu langen Furchen zusammengesetzt wird, verläuft von den Ansatzstellen des Arcus palatoglossus aus erst ziemlich geradlinig schräg nach vorn und unten, erleidet dann aber eine plötzliche Kniekung, welche bewirkt, daß das letzte Viertel schräg nach oben gerichtet ist. Die Spalten scheinen alle tief und knospenhaltig zu sein; von seichten Zwischenfurchen ist keine Spur vorhanden. Die hintersten, wenigstens die auf der linken Seite, haben die auch bei anderen Zungen bereits bemerkte Eigentümlich- papillenähnliches Gebilde zum Vorschein, a in a en u Die Zungenpapillen der Primaten. 581 keit, daß sie sich nach oben zu noch eine ganze Strecke weit als seichte Rillen fortsetzen, wobei sie in unserem Falle nach vorn zu umbiegen. Die Gesamtlänge des Organs beträgt etwa lem, die Durehschnittslänge der Spalten 1 mm. Die Verteilung der ansehnlich großen Papillae fungiformes zeichnet sich dadurch aus, daß kaum irgendwo der Übergang zwischen pilzpapillenfreien und pilzpapillenbedeckten Regionen all- mählich, sondern fast überall recht schroff ist. Die Papillen ver- teilen sich auf einen um die Zungenoberfläche herumführenden 1/y—3/, em breiten Streifen, dessen hinteren Abschluß jederseits die an Stelle der Laterales vorhandene Gruppe von Vertiefungen bildet. Es bleibt so ein ansehnlicher Teil des mittleren Zungenrückens von Pilzpapillen frei. Am Zungenrande selbst werden die Papillae fungi- formes nach hinten zu seltener, unmittelbar vor den Foliaten sind keine mehr vorhanden. Auf dem vordersten Zungenabschnitt häufen sie sich, wie gewöhnlich, etwas, wobei sie an Größe abnehmen. Erwähnenswert ist eine einfache Reihe zum Teil großer Papillen direkt unter der Zungenspitze, an der Grenze der papillären Fläche. Diese Reihe ist im ganzen 1,5 cm lang und bricht plötzlich rechts und links ab, da die Pilzpapillen im übrigen am Zungenrande nicht so weit unten vorkommen. Die mikroskopische Untersuchung des gesamten rechtseitigen Ge- bietes, auf welchem die oben beschriebenen zweifelhaften Bildungen zu finden waren, ergab nicht weniger als fünf echte Papillae vallatae von verschiedener Größe. Nur deshalb sind sie äußerlich so wenig sichtbar, weil sie ganz in der Tiefe liegen und selbst mit dem Scheitel ihrer Kuppe das Niveau der Zungenfläche nicht immer erreichen. Die Öffnung, die die Verbindung mit der Zungenoberfläche herstellt, ist meist nieht sehr sroß, immer erheblich kleiner als der Durch- messer der Papille an ihrer Basis. Vorn werden diese fünf Wall- papillen von echten Papillae fungiformes, die über die Zungenfläche hervorragen, abgelöst, ohne daß die gemeinsame Gruppierung beider Formen irgendwelche Störung erlitte. Die mikroskopische Unter- suchung bestätigt auch in dieser Hinsicht den makroskopischen Be- fund. Auf der linken Zungenseite sind die Verhältnisse ganz die- selben. Es sind indessen nur vier Papillae vallatae zu finden, von denen aber die hinterste nicht allseitig ausgebildet ist. Medial von dieser letzten Papille und außerdem eine Spur weiter vorn liegt an Stelle einer fünften Wallpapille eine regelrechte Fungiformis. Die Grundzüge in der Gestaltung sind bei allen diesen Papillen 582 Gustav Kunze die gleichen. Ich beschreibe zunächst eine der vollentwickelten, umfangreichsten Papillen der rechten Seite, die als Typus der hier vorhandenen Papillae vallatae aufgefaßt werden kann (Tafelfig. 2). Der Graben und damit die Epithelschicht, die seine Wandungen bildet, reicht sehr tief hinab. In ihn münden eine Anzahl seröser Drüsen, von denen größere Bezirke gleich in nächster Nähe der Mündungen, aber auch in der Tiefe zwischen den Muskelzügen vorkommen. Gelegentlich sind sie auch etwas in den Papillen- srundstock hinein verlagert, indessen mündet auch dann ihr Aus- führungsgang am Grunde des Grabens. Einige sehr kleine Schleim- drüsenkomplexe haben mit den serösen Drüsen gemeinsame Aus- führgänge. Die Hauptmenge der Geschmacksknospen konzentriert sich auf den unteren Teil der Papillenwandung, unweit der Drüsenmündungen. Sie treten dort aber keineswegs etwa zu einer lückenlosen Zone um die ganze Papille herum zusammen. Im Gegenteil. Papillenreiche Gegenden wechseln mit sehr papillenarmen ab, so daß die Anzahl der Knospen, die man auf verschiedenen Schnitten übereinander vorfindet, sehr verschieden ausfällt. Mehr als neun sind es nie, fast stets erheblich weniger. In den oberen Regionen kommen Sinnesknospen keineswegs selten, aber mehr isoliert stehend vor; auch auf dem Scheitel finden sich einige, ein Umstand, der bei der tiefen Lage der Papille nicht in Erstaunen setzen kann. Die Außen- wandungen des Grabens beherbergen gleichfalls Geschmacksknospen, und zwar in ziemlicher Anzahl. Die Knospen selbst sind vortrefflich ausgebildet; die Kerne der sie zusammensetzenden Sinnes- und Stützzellen liegen oft sämtlich in gleichem Niveau, so daß ein breites, dunkles Band um die ganze Knospe in halber Höhe herumzuführen scheint. Das Epithel ist auf der Papille in ihrem ganzen Umfange recht dünn, wenn man es mit den angrenzenden, mächtigen Zellschichten vergleicht. Immerhin aber hat es eine derartige Breite, daß fast stets die Sinnesknospen der Vermittelung kleiner Bindegewebsfort- sätze bedürfen, um die Oberfläche zu erreichen. Alle übrigen Papillae vallatae sind der eben beschriebenen in allen wesentlichen Stücken so ähnlich, daß sich eine Bespre- chung jeder einzelnen erübrigt. Auf drei Papillen muß aber doch noch mit ein paar Worten eingegangen werden, da bei ihnen Ab- weichungen vom Schema zu konstatieren sind, die hervorgehoben werden müssen. Die Zungenpapillen der Primaten. 583 Da ist zunächst die wichtige Tatsache festzustellen, daß die vorderste Papilla vallata der rechten Seite, also die in nächster Nähe der Pilzpapillen gelegene, sehr klein und knospenarm ist. In Textfig. 4 ist diese Papille zusammen mit der weiter rückwärts lie- genden, vorhin genau beschriebenen Wallpapille abgebildet. Ihre Höhe und der ungefähr gleich große Durchmesser ihrer Basis beträgt etwa 3/, mm. Die Anzahl der Geschmacksknospen ist mit ungefähr 20 Stück nur wenig größer als die der in nächster Nachbarschaft befindlichen echten großen Papilla fungiformis, deren freie Ober- fläche ungefähr 15 Knospen beherbergt. Weiterhin ist beachtenswert, daß hier, wie so oft, die serösen Fig. 4. Ateles Geofroyi. Sehnitt durch die vordere kleine Papilla vallata der rechten Seite und die dahinter liegende größere Papilla vallata. Drüsen in der Gegend der vordersten Wallpapille ihre vordere Grenze erreichen. Sie können also bei dieser Zunge gerade noch die eben beschriebene kleine Wallpapille versorgen. Noch kleiner als die vorderste ist die letzte Papilla vallata der ganzen rechten Gruppe. Sie ist mit nur wenigen Sinnesknospen versehen, von denen zwei auf den Scheitel plaziert sind. Weiterhin muß die hinterste Papille auf der linken Seite, die ich in Textfig. 5 abgebildet habe, erwähnt werden, da bei ihr nur etwas mehr als die Hälfte des Grabens zur Ausbildung gelangt ist. Auf der einen Seite geht also die Papille selbst in das angrenzende Gewebe über. Nur eine schwache Furche ist dort als Abgrenzung 584 Gustav Kunze vorhanden, die die Papille als solehe wenig hervortreten läßt. Die Knospen, von denen einige auch an der Außenwand des Grabens sitzen, bevorzugen wie gewöhnlich die tieferen Regionen der Papille, kommen aber auch weiter oben vereinzelt vor; sie fehlen indessen auf der Spitze. Eine medial von der eben beschriebenen halben Vallata ge- legene Papille, die aber durchaus noch zu der linken Wallpapillen- Ateles Geofroyi. Schnitt durch die einseitig ausgebildete Papilla vallata der linken Seite. gruppe gehörte (Textfig. 3), erwies sich bei der mikroskopischen Untersuchung als echte Papilla fungiformis. Ateles hybridus Is. Geoft. Die Entfernung von der Epiglottis bis zur Zungenspitze beträgt 6,1 cm, die Breite am Vorderrande der Randorgane gemessen 2,2 cm. Die Spitze ist vom Frenulum ab auf eine Strecke von 1,2 cm frei. Von der Mitte der Zunge bis zur Spitze ist ein Suleus medialis schwach angedeutet. Die sich nach vorn zu ziemlich stark verjüngende Zunge ist mit fünf Papillae vallatae ausgestattet, die, an Größe außer- ordentlich verschieden, derartig auf den Schenkeln des üblichen, in diesem Falle etwa 50° betragenden Papillenwinkels gruppiert sind, daß auf den rechten nur zwei, auf den linken aber drei zu liegen Die Zungenpapillen der Primaten. 585 kommen, während eine Zentralpapille an der Spitze des Schenkels fehlt (Textfig. 6). Ein scharf ausgeprägter Wall findet sich bei keiner, weder vorn, wo je eine ringförmige, im Verhältnis zu den daneben liegenden Filiformes sehr glatte Zone die etwas einge- sunkenen Mittelteile umgibt, noch hinten, wo der Wall von den an dieser Stelle auch sonst vorhandenen glatten Schleimhautfalten be- stritten wird. Auch die kleine Papille des linken Schenkels hat nur ein schmales, ringförmiges Gebiet glatterer Haut als Andeutung eines Walles. Die Verteilung der Papillae vallatae auf den Schenkeln des Winkels ist derart, daß zwei von ihnen, eine größere rechte und eine kleinere linke, ziemlich nahe beieinander dieht am Scheitel- winkel auf je einem Schenkel liegen, also wie so oft ein ab- schließendes Papillenpaar bilden, während zwei andere Wallpapillen ein vorderes Paar bilden und die Laterales darstellen, welche hier die übrigen an Größe erheblich über- treffen. Sie sind schwach oval und ihre 5/, mm lange Längsachse liegt in der Richtung der Winkelschenkel. Die fünfte, sehr kleine Papille liegt ungefähr in der Mitte des linken Schenkels; neben ihr liegt eine kleine Papille, deren Identifizierung an dieser Stelle durch Lupenbetrachtung allein zu keinem Ergebnis führen konnte. a Bine: A . A : Skizze der Papillenverteilung. PFDPapille Sie hatte durchaus den Habitus einer ER, Papilla fungiformis. Hier käme also die von StAHR so sehr hervorgehobene Sym- metrie der Variation voll zur Geltung. Der Nachteil, welchen der rechte Papillenschenkel dadurch zu haben scheint, daß er eine Wallpapille weniger hat, wird vollständig dadurch ausgeglichen, daß seine hintere Papille größer ist als die daneben liegende des linken Schenkels. Das in seiner Gesamtheit etwa 1 cm lange Randorgan setzt sich aus ungefähr 14 Spalten von durchschnittlich 1!/, mm Länge zusammen, die in ihrer Größe nicht allzusehr variieren. Es erstreckt sich von der Einpflanzungsstelle des Arcus palatoglossus aus, auf die es übergreift, zunächst nach vorn unten, biegt dann mit der vor- deren Hälfte allmählich nach vorn und zum Schluß sogar nach oben um und endigt etwa auf der Höhe der Vallatae laterales. Alle 586 Gustav Kunze Furchen dürften Hauptfurchen sein; sekundäre seichte Zwischen- furchen sind kaum merklich angedeutet. Die Pilzpapillen fehlen bis auf ganz wenige Exemplare in der Mitte des Zungenrückens und im Gebiete der Wallpapillen. Im vorderen Abschnitt der Zunge stehen sie etwas gedrängter, am dich- testen unter der Zungenspitze. Etwas rückwärts von dieser finden sich auf dem nach unten übergreifenden Saum der papillären Zungen- bedeckung einige besonders große, ziemlich isolierte Fungiformes mit einem Durchmesser von fast 1 mm. Seitlich schließen sich die Pilz- papillen unmittelbar an die Vallatae laterales an; ebensowenig fehlen sie am Vorderende der Randorgane und oberhalb der vordersten Furchen derselben. Auf der rechten Seite findet sich an dieser Stelle eine auf- fällige papillenartige Bildung, die einer Pilzpapille ähnlich ist, aber so tief eingesenkt liegt, daß sie das Niveau der Zungenoberfläche nieht erreicht. Die mikroskopische Untersuchung des eben erwähnten Gebildes ergibt folgendes: Am Grunde einer Einsenkung findet sich eine papillenartige Vorwölbung. Es kommt also eine Art Furche zustande, die aber nur an einer Seite ein ziemliches Stück weit hinab reicht. Das ganze Papillengebilde ist zum großen Teil mit keines- wegs kleinen Geschmacksknospen besetzt und ebenso die gegenüber- liegende Wand; diese aber nur an der Stelle, wo die Furche am weitesten nach unten reicht. Alle Knospen sitzen auf kurzen Se- kundärpapillen des Bindegewebsstockes. Tief unten am Grunde der Furche mündet ein ganz ansehnlicher Komplex seröser Drüsen, zwischen deren Alveolen hier und da kleine Einsprenglinge von Schleimdrüsen zu finden sind. Die Ausführwege, von denen mehrere vorhanden sind, dienen beiden Sekreten gemeinsam. Tafelfigur 3 gibt einen Schnitt durch diese Papille wieder, der fast alle Befunde gut erkennen läßt. Die eine dieht neben der Lateralis sinistra liegende Papilla fungiformis erwies sich bei der mikroskopischen Untersuchung als echte Pilzpapille, trotz der Nähe der Wallpapillen. Der wegen des enorm hohen Epithels ansehnlich lange Bindegewebsstock trägt auf Sekundärfortsätzen einige Knospen. Unter der Papille liegt ein kleiner Komplex seröser Drüsen. Sein Vorkommen hat an dieser Stelle nichts Bemerkenswertes; die Durchsicht der Schnittserie er- gibt, daß nirgendwo um den Grundstock der Papille herum ein Ausführgang zu finden ist. Die Zungenpapillen der Primaten. 587 Zwei medial vom oberen Ende der linken Foliata liegende Papillae fungiformes wurden gleichfalls mikroskopisch geprüft, um Gewißheit zu erlangen, ob die abweichende papilläre Bildung der rechten Seite mehr als zufällig war. Es ergab sich, daß es sich tatsächlich nur um Pilzpapillen han- delte. Die mehr nach der Mitte zu liegende Papille ist hoch und gleicht der eben beschriebenen, hat aber kaum eine Geschmacks- knospe. Die dem Randorgan näher liegende Papille erhebt sich nicht über das umgebende Niveau. Ihre Oberfläche ist breit und mit einigen Knospen versehen, die kurzen Fortsätzen des Bindegewebs- stockes aufsitzen. Unter der Papille liegt eine kleine Schleim- drüsenanhäufung, mit einer am Papillenrande liegenden Mündung, welche die charakteristische Weite der Schleimdrüsenausführgänge erkennen läßt. Die kleine zweifelhafte Papille, nahe der auf dem linken Schenkel eingeschobenen kleinen Wallpapille, wurde, da ihre Zugehörigkeit unsicher war, mikroskopisch untersucht und stellte sich ebenfalls als echte Pilzpapille heraus. Das Vorderende der rechten Foliata zeigt bei der mikrosko- pischen Betrachtung nur tiefe Hauptfurchen, ganz so wie es zu er- warten war. Die zahlreichen, ansehnlichen Knospen rücken gelegent- lich fast bis zum oberen Rande der Spalten hinauf. Von Lympho- eyten finden sich an den Wandungen fast aller Furchen kolossale Ansammlungen vor, in verschiedener Höhe. In ihrer Verteilung auf die verschiedenen Leisten des Randorganes ist nicht im geringsten . eine Bevorzugung der hinteren oder vorderen Furchen festzustellen. Zur Beurteilung der zweifelhaften Geschmackspapillenbildung oberhalb des rechten Randorganes ist vor allen Dingen die Tatsache zu beachten, daß die Eigentümliehkeiten, welche einen höchstent- wickelten Geschmackspapillentypus charakterisieren, nämlich reicher Knospenbesatz an einer Furche und seröse Drüsen, durchaus vor- handen sind. Ich glaube deshalb, daß hier von einer Übergangs- form in irgendeinem Sinne nicht die Rede sein kann. Späterhin werde ich nachzuweisen versuchen, daß gewisse Papillenformen als Zwischenstufen zwischen Papillae fungiformes und vallatae aufgefaßt werden können oder vielleicht sogar müssen. In vorliegendem Falle aber kann ich mich zu dieser Deutung nicht entschließen und gebe daher StAHr recht, der eine ganz ähnliche Papille mit reichlichem Knospenbesatz und serösen Drüsen, die von außen gleichfalls einer 588 Gustav Kunze Fungiformis ähnlich sah, nicht als Zwischenform gelten lassen will. Er fand sie auf der Zunge eines Orang-Utan zwischen der Val- lata lateralis sinistra und dem Vorderende des linken Randorganes, also in einer ganz ähnlichen Stellung. Trotz der Nähe der Papilla foliata möchte ich die versenkte Papille nicht als zu ihr gehörig betrachten, schon deshalb nicht, weil der Fall durchaus denkbar ist, daß einmal eine solche Papille ge- rade in die Mitte zwischen Vallata lateralis und Randorgan zu liegen kommt. Ich glaube, daß diese Bildungen eine Sonderstellung bean- spruchen und nicht ohne weiteres zu den Randorganen oder den Wallpapillen in Beziehung zu bringen sind, wenn sie auch zufällig in deren Nähe liegen. Die Unregelmäßigkeit ihres Vorkommens und ihrer Stellung und ihre relative Kleinheit gestatten nicht, daß sie mit einem wohlentwickelten Wallpapillenorgan, das regelmäßig in einer bestimmten Figur auftritt, und einem Randorgan, das sich aus scharf ausgeprägten, aneinandergereihten Furchen zusammensetzt, in Zusammenhang gebracht werden. Daran kann, glaube ich, auch der Umstand nichts ändern, daß ihre Entwicklungshöhe im Prinzip dieselbe ist. Ateles pamiscus L. Die Zunge ist 4,9 cm lang und an den Vorderenden der Pa- pillae foliatae 2,3 em breit. Die Länge der freien Spitze war, da das Frenulum fehlte, nicht genau festzustellen. ie Neun Papillae vallatae (vgl. INYIZ Ü Textfig. 7) liegen auf den Schenkeln eines je Winkels von etwa 60°, dem der Scheitel ee / in Gestalt einer Vallata centralis fehlt. Ri In. iM An der Bildung des rechten, kürzeren Deere ne => Schenkels beteiligen sich vier, an der = An des linken fünf Papillen, alle fast gleich a EL . : > S h ort Fr 1 weit voneinander abstehend; nur rechts zwischen der letzten und vorletzten ist Skizze der Papillenverteilung. pppa. CM größerer Zwischenraum vorhan- pille ohne Graben mit serösen Drüsen. den. Merkwürdig gering ist auch die Schwankung in der Größe der vielen elliptisch geformten Papillen. Ein Wall fehlt durchaus, dagegen liegen die Papillen selbgt alle verhältnismäßig tief; nur die hintersten erreichen knapp das Niveau der Zungenoberfläche. Also auch hier die charakteristische »Höhlenstellung« der Papillae vallatae. Eine gewisse Beziehung zu den pilzförmigen Papillen ist schon äußerlich Ateles paniscus. ar Die Zungenpapillen der Primaten. 589 unverkennbar. Es steht nämlich am Vorderende jedes Wallpapillen- schenkels eine Papilla fungiformis ungefähr in dem Abstande, in dem man eine weitere Wallpapille zu erwarten hätte, und diese so gestellten Papillen ragen im Gegensatz zu den benachbarten Fungi- formes über die Zungenoberfläche hervor. Die Lage des gesamten Randorganes jederseits zeigt die bei Platyrrhinen so oft beobachtete Eigentümlichkeit, daß nämlich der hintere Abschnitt weit auf die obere Fläche der Zunge übergreift, sich bis zu den Ansatzstellen des Arcus palatoglossus hinziehend, die auch hier wieder stark nach der Mitte zu verrückt liegen. Die Spalten dieses Teils stehen nicht mehr quer, sondern erstrecken sich beinahe schon in der Längsrichtung der Zunge. Demgegenüber ist der vorderste Teil, die letzten zwei bis drei Furchen, schroff nach vorn und sogar etwas nach oben umgebogen, mit Spalten, die hier senkrecht zur Streichrichtung des Gesamt- organes gestellt sind. Nach vorn zu reicht die Papilla foliata nicht einmal so weit wie die Wallpapillen. Vielleicht ist es erwähnens- wert, daß der aufgebogene Vorderteil gerade auf die Pilzpapille hin- zeigt, auf deren Besonderheiten in bezug auf ihr Verhältnis zu deu Vallaten oben hingewiesen worden ist. Die Zahl der Furchen beträgt jederseits etwa 14, doch ist es fraglich, ob diese Angabe genau stimmt, da man an einigen Stellen durchaus im Zweifel sein kann, ob man manche sehr kurze, unbe- deutende Furche dazurechnen soll. Sehr wichtig ist ja die genaue Feststellung nicht, da ja gelegentlich die Zahl bei verschiedenen Zungen derselben Art oder sogar bei demselben Exemplar rechts - und links ungleich sein kann. Alle Spalten scheinen knospen- tragende Hauptspalten zu sein, da von dazwischen liegenden seichten Nebenfurchen nichts zu bemerken ist. Das gesamte Randorgan ist nicht ganz 1 cm lang, die Einzel- furchen ungefähr 1 mm. Die Verteilung der Papillae fungiformes ist ganz ähnlich wie bei den übrigen Vertretern der Gattung Adele. Der mittelste Teil des Zungenrückens und das Gebiet zwischen den beiden Wall- papillenreihen bleibt fast ganz frei. Am Rande der papillären Zungen- fläche, die mit dem eigentlichen Zungenrande ungefähr zusammen- fällt, sind sie beinahe zu einer Reihe geordnet und auch verhältnis- mäßig groß; die größten stehen unter der Zungenspitze im Verein mit kleineren so dicht, daß sie sich gegenseitig fast berühren. Ein Anschluß an die Papillae foliatae ist nicht vorhanden. Morpholog. Jahrbuch. 49. 39 590 Gustav Kunze Zwischen den Wallpapillenreihen und den Randorganen wurden bei der Untersuchung jederseits noch ein paar papillenähnliche Pro- minenzen gefunden, von denen einige sehr kleinen Fungiformes slichen, während andere, breit und flach, es als zweifelhaft erscheinen ließen, ob sie überhaupt papillärer Natur wären. Ihre unregelmäßige Verteilung ist am besten aus Textfig. 7 zu ersehen. Die mikroskopische Untersuchung ergibt, daß bei dieser Zunge die äußere Struktur durchaus die inneren morphologischen Ver- schiedenheiten der beiden Papillensorten, Fungiformes und Vallatae, entsprechend zum Ausdruck bringt, d. h. so deutlich wie sie äußerlich geschieden scheinen, sind sie es auch in Wirklichkeit. Übergangs- formen sind nicht vorhanden. Die am Ende jeder Wallpapillenreihe stehende Papilla fungi- formis ist auch nur mit allen Eigenschaften einer solchen ausge- stattet und zeigt in ihrem Aufbau nicht etwa eine Annäherung an die Wallpapillen. Der Unterschied zwischen ihr und den übrigen Pilzpapillen besteht, wie schon rein äußerlich ersichtlich ist, in einem stärkeren Hervorragen über die Oberfläche. Dabei ist die typische Pilzform ziemlich erreicht. Der unten schmale Stiel verbreitert sich nach oben zu stark und trägt auf der freien Oberseite zahl- reiche Sekundärfortsätze, die am Stiel nur sehr vereinzelt festzu- stellen sind. Eine weiter nach der Zungenspitze zu gelegene Pilzpapiile, die äußerlich in keiner Weise von den übrigen abwich, zeigte einen ganz ähnlichen Aufbau; nur ist sie nicht so groß, ihr breiteres Köpfchen tritt nicht weit über die Oberfläche hervor, sondern bildet nur eine schwache Vorwölbung. Die Epithelschicht ist an dieser Stelle, zwischen den Sekundärfortsätzen, dünn, während sie sonst zwischen den Fadenpapillen eine höchst respektable Mächtigkeit, bis 1/, mm, erreicht. Geschmacksknospen sind auf beiden Papillen zu finden. Die Wallpapillen, von denen die vordersten jeder Reihe unter- sucht worden sind, haben als Hauptkennzeichen eine Verlagerung in die Tiefe, wie wir sie in ähnlicher Weise schon bei Lagothrix und At. Geoffroyi kennen gelernt haben. Indessen bleibt hier noch, im Gegensatz zu jenen Arten, ein sehr beträchtliches Stück von dem Papillenhauptteil von -außen her sichtbar. Der Graben reicht weit hinab und ist immer gut ausgebildet, er verbreitert sich nach oben hin allmählich, was mit der Gestalt der eigentlichen Papille zu- sammenhängt, die im Querschnitt etwas flacher gewölbt erscheint Die Zungenpapillen der Primaten. 91 als der ihr zur Verfügung stehende Raum. Die Papille bildet einen Kugelabschnitt, dessen Scheitel beinahe die freie Oberfläche der Zunge erreicht; die Öffnung der Grube, in der sie liegt, ist ein wenig kleiner als die Basis der Papille, so daß die äußeren Wände des Grabens überhängen. Die Höhe dieses Gebildes erreicht 0,4 mm, der Querschnitt an der Basis beträgt 1 mm (Tafelfig. 4). Geschmacksknospen sind in mäßiger Anzahl vorhanden. Sie liegen aber nicht auf der ganzen Oberfläche der Papille, obgleich diese doch sehr gut geschützt ist, sondern nur in den tieferen Re- gionen, bilden also in ihrer Gesamtheit beinahe ein Band, das aber nicht vollständig, sondern an einigen Stellen vollkommen unter- brochen ist. An der Außenseite des Grabens sind Knospen nicht festzustellen gewesen. Die serösen Drüsen, deren Ausführungsgänge zahlreich vor- handen sind, bilden große Massen schon in der Submucosa, an der Grenze der Muskelschicht, desgleichen, wie fast stets, zwischen den Muskelbündeln selbst, die bei dieser Zunge sehr kompakt aussehen, woran auch das Auftreten kleiner Grüppchen von Fettzellen nichts ändert. Bemerkenswert ist das mehrfache Auftreten von mukösen Drüsenzellen zwischen den serösen. Zum Teil besitzen beide Drüsen- sorten, wie sich sicher nachweisen läßt, denselben Ausführgang, der dann, dem diekeren Sekret entsprechend, ein sehr umfangreiches Lumen hat. Lymphoeyten spielen keine Rolle. Die beiden am weitesten hinten liegenden zweifelhaften Hervor- ragungen auf der rechten Seite der Wallpapillen (vgl. Textfig. 7) stellen sich als wirkliche Papillen, aber von verschiedener Art, heraus. Die den Wallpapillen am nächsten liegende kann wohl immer- hin als Papilla fungiformis bezeichnet werden. Die Oberfläche trägt eine ganze Reihe von Knospen, die ohne Vermittlung von Binde- gewebsfortsätzen die Oberfläche erreichen, da das Epithel sehr dünn ist. Geschmacksknospen an den Seiten und seröse Drüsen sind nicht vorhanden. Die Gestalt ist nicht ausgeprägt pilzföürmig, da die Basis stellenweise breiter ist als der darüber liegende Abschnitt; indessen spielt das ja bei der Bestimmung der Zugehörigkeit keine sroße Rolle. Die in Textfig. 8 abgebildete Papille ist etwa 0,7 mm hoch und ebenso breit. Die mehr nach dem Randorgan zu liegende Bildung erweist sich nun aber als eine erheblich höher organisierte Papille. Es ist 39*+ 592 Gustav Kunze zwar kein tiefer Graben vorhanden, wohl aber ein Ausführgang seröser Drüsen, von denen eine kleine Ansammlung in nächster Fig. 8. Schnitt durch eine zwischen der letzten rechten Wallpapille und dem rechten Randorgan gelegene Papilla fungiformis. Nähe, andere, damit vielleicht in Verbindung stehende Massen in größerer Tiefe liegen. Fig. 9. Schnitt durch eine zwischen der letzten rechten Wallpapille und dem rechten Randorgan gelegene Papille. Nur geringe Mengen .von serösen Drüsen sind vorhanden. Ein Graben fehlt; Ge- schmacksknospen kommen nur auf der Oberseite der Papille vor. Geschmacksknospen vermag ich nur auf der Oberfläche des Organs, nicht aber an den Seitenwänden etwa in der Nähe der Die Zungenpapillen der Primaten. 593 Drüsenmündungen zu entdecken. Bemerkenswert sind große Mengen von Fettzellen, die überall in der Tiefe zu finden sind. Textfig. 9 läßt alle Besonderheiten dieser Papille klar erkennen. Ich kann mich nicht dazu entschließen, diese Papille als Papilla vallata oder als Übergangsform zwischen Pilz- und Wallpapille zu bezeichnen. Es fehlt der Graben mit den dazugehörigen Geschmacks- knospen; und außerdem ist nur ein einziger Ausführgang von serösen Drüsen, die aber an sich vollständig ausgebildet sind, vorhanden. Die Papille ist eigentlich eine reguläre Fungiformis, der nur gleich- sam zufällig ein kleiner Komplex seröser Drüsen beigegeben worden ist. Auch Schleimdrüsen münden ja, wie ich beobachten konnte mitunter direkt an einer Papilla fungiformis (Ateles hybridus), ohne daß deshalb eine innere Beziehung zwischen ihnen bestünde. Es ist ferner zu beachten, daß diese Papille seitwärts von der regu- lären Wallpapillenfigur liegt, an einer Stelle, wo ihr Vorhandensein offenbar ein relativ zufälliges ist. Ateles (spec. ?). Die Zunge mißt in der Länge 4,3 cm, in der Breite, an den Vallatae laterales gemessen, 1,7 cm. Die freie Spitze ist 1,1 em lang. Der Winkel, den die Papillae vallatae bilden, beträgt nicht ganz 50°. Die Frage, mit wieviel Wallpapillen wir es hier zu tun haben, ist mit bloßem Auge nicht ohne weiteres zu entscheiden. Am Hinterende der Figur (Textfig. 10) stehen, wie so oft, zwei an Größe nicht Fig. 10. . sehr differente Papillen in sehr ge- 7} ) ringer Entfernung voneinander. Die zwei oz weiteren Papillen des linken Schenkels \ sind auch eindeutig bestimmt. Die größere ul von beiden bildet das Ende, ist also als | Lateralis sinistra zu bezeichnen, während 77"? 25 die kleinere nur wenig von ihr entfernt nA “ ist. Der ganze lange übrige Teil des Schenkels ist papillenfrei. Ateles spec, Anders auf dem rechten Schenkel. ee RE DS eeilüne, Dort bilden zwar ebenfalls zwei dicht hintereinander stehende Papillen den vorderen Abschluß des sonst freien Schenkels, aber die letzte Papille ist so klein, daß sie ohne weiteres den Fungiformes zuzuzählen wäre, wenn sie sich nicht 594 Gustav Kunze durch eine tiefe sie umgebende Furche von den übrigen unter- schiede. Der Wall der hinteren beiden Papillen ist leidlich ausgebildet, aber schlecht begrenzt und verschwindet überhaupt mitunter fast ganz. Bei den vorderen Papillen ist er noch schwächer entwickelt; meist wird er nur von Papillae filiformes bestritten, mit Ausnahme der etwas eingesenkten größeren Papille des rechten Schenkels, wo er durch einen schmalen, helleren Streifen dargestellt wird. Das Randorgan greift hinten auf die Zungenfläche über, da es wie gewöhnlich direkt bis zu den Ansatzstellen des Arcus palato- glossus reicht. Diese aber liegen auch in diesem Falle auf der Zungenoberfläche selbst, und zwar auf der Höhe der hinteren paa- rigen Wallpapillen. Die 11—15 Furchen stehen am Vorderende viel dichter als hinten und sind dabei kürzer. Der vorderste Abschnitt der Papilla foliata macht eine kleine Biegung nach oben und erreicht sein Ende noch hinter den Vallatae laterales.. Hier stehen die Spalten senk- recht zur Streichrichtung des Gesamtorganes, weiter nach dem Zungengrunde zu sind sie durchweg nach vorn übergeneigt. Ob alle diese Furchen knospentragende Hauptfurchen sind, erscheint . nicht ganz sicher. Die Papillae fungiformes reichen an den Seiten der Zungen- oberfläche bis zu den Vallatae laterales.. Ob zwischen den Wall- papillen welche vorkommen, ist zweifelhaft. Auf der Mitte des Zungenrückens findet sich kaum eine; an die Vorderenden der Rand- organe schließen sie sich nicht direkt an. Auf dem unter die Zungen- spitze übergreifenden Teile der papillären Zungenbedeckung finden sich rechts und links nahe der Spitze einige bemerkenswert große Papillen. Die mikroskopische Untersuchung der zweifelhaften Papille am Vorderende des rechten Schenkels, deren Charakter als Wallpapille nachzuweisen war, ergibt, daß es sich wirklich um eine solche handelt. Ihre höchste Höhe beträgt 3/, mm, der Durchmesser ihrer Basis ist ungefähr ebenso groß. Das mehr als halbkugelige Gebilde ist mit zahlreichen Geschmaeksknospen versehen, die auf der freien Oberfläche, die bis zum Niveau der umgebenden Zungenfläche an- steigt, nicht vorkommen und auch den gegenüberliegenden Seiten des Grabens fehlen. Drüsengänge münden in Menge. Auf allen Seiten entsendet der bindegewebige Grundstock Sekundärpapillen, a A ir a o Die Zungenpapillen der Primaten. 595 die aber keineswegs lang sind. Lymphoeyten finden sich an keiner Stelle in bemerkenswerter Anzahl. Der Versuch, aus allen bis jetzt bekannten Angaben über die Geschmaekspapillen der Gattung Ateles das Gemeinsame heraus- zuheben, stößt auf erhebliche Schwierigkeiten. Das gilt insbeson- dere von den wichtigsten Zungenpapillen, den Papillae vallatae; die anderen sind einer zusammenfassenden Behandlung viel zugäng- licher. Eine Wallpapillenanordnung wie die bei At. Geoffroyi läßt kaum einen Vergleich mit den sonst bei Affen und auch bei der Gattung Ateles vorhandenen Gruppierung zu. Ohne diese Zunge wäre eine Zusammenfassung immerhin möglich, da es aber natürlich nicht angeht, sie einfach wegzulassen, so müssen wir uns vorläufig darauf beschränken festzustellen, in weleher Anordnung, Zahl und morphologischen Beschaffenheit die Papillen am häufigsten vor- kommen, und weiterhin, durch welche Eigenschaften sie sich von den Wallpapillen anderer Gattungen unterscheiden. Die Angaben der früheren Autoren sind allerdings, soweit diese nicht mikroskopische Untersuchungen angestellt haben, mit einiger Vorsicht zu gebrauchen (vgl. die auf diesen Punkt bezügliche Kritik von OrrEL); beim Genus Aieles kommt nun noch ein Umstand hinzu, der die strengste Befolgung dieser Maßregel nötig macht. Es sind nämlich gelegentlich die Papillen, ähnlich wie bei Zagothrix, ganz in die Tiefe versenkt und äußerlich als Vallatae überhaupt nicht zu bestimmen. Die früheren Angaben, die in der Literatur über die ähnlich gebauten Wallpapillen der Marsupialier zu finden sind, zeigen ja, zu welchen Irrtümern das leicht mögliche Übersehen derartig ge- bauter Organe führen kann. Bei den meisten Exemplaren ist allerdings die Betrachtung mit bloßem Auge zur Entscheidung über die Wallpapillennatur genügend und wahrscheinlich ist bei den meisten Zungen die Zahl von den Autoren richtig angegeben worden, aber da beide Papillensorten, versteckte und freiliegende, auf ein und derselben Zunge vorkommen können, so ist immer noch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß eine Anzahl von ihnen übersehen worden ist. Nicht einmal die An- gaben TUCKERMANS, des sonst so exakten Untersuchers, können dies- mal ohne Vorbehalt zum Vergleich herangezogen werden. Denn leider macht dieser Autor gerade über die interessantesten seiner Be- funde an einer Zunge von At. ater, nämlich die zwischen den Wall- papillen gefundenen Übergangsformen, keine näheren Mitteilungen. 596 Gustav Kunze Was also die Zahl der bei Ateles vorhandenen Papillae vallatae anlangt, so bilden bei den von mir untersuchten Zungen die Zahlen 5 (At. hybridus) und 10 (At. Geoffroye) die Grenze. Dazwischen liegt At. paniscus mit 9 und At. (spec?) mit 6 Papillen. Die Angaben MüncHs (7 und 8 Papillen) würden also nicht aus dem Rahmen dieser Befunde fallen, wohl aber die von TUCKERMAN, der bei At. ater nur 4 Papillae vallatae beschreibt. Indessen ist die Zahl der Wallpapillen nicht allzu wichtig. Be- deutsamer ist die Figur, zu der sie sich zusammenstellen. Diese läßt sich in den meisten Fällen, vorausgesetzt, daß mehrere Exem- p’are untersucht werden, ganz gut konstruieren. Aber diese Regel, die für fast alle Arten von Primatenzungen gilt, führt bei Adeles ebenfalls zu keinem Resultat. Auch dieser konservativste Zug der Papillae vallatae wird durch die völlig atypische Figur bei Ateles Geoffroye vollkommen verwischt. Die Wallpapillen dieser Art lassen sich ihrer ungeordneten Lage wegen überhaupt nicht auf bestimmte Leitlinien anordnen. Was die Besetzung des Winkels mit Papillen anlangt, so ist zu sagen, daß auch in dieser Beziehung die schroffsten Gegensätze zu konstatieren sind, ganz gleich, ob man At. Geoffroy: dazu nimmt oder nicht. Die Gleiehmäßigkeit in der Verteilung, wie sie bei At. - paniscus zu finden ist, kann kaum noch übertroffen werden, wohin- gegen bei anderen Arten der Raum zwischen Zentralpapille und den flankierenden Papillen völlig frei ist. Auch die Form der Papillae vallatae und ihre Lage zur Zungen- oberfläche sind so verschieden wie bei irgendeiner Gattung. Es kommen Wallpapillen vom üblichen Typus vor, die über das Niveau der Zungenfläche hervortreten, daneben andere, verschieden gestal- tete, die ganz versteckt in Höhlen liegen. Oft finden sich beide Sorten zusammen auf einer Zunge. Die bedeutenden Größenunterschiede, die mitunter auf ein und derselben Zunge bei den Wallpapillen vorhanden sind, und die außerordentliche Kleinheit mancher Papillen sind ja allerdings keine Besonderheit der Gattung Ateles. Ein wichtiger Umstand findet sich bei dieser aber doch wieder im Gegensatz zu anderen Gattungen. Sonst nämlich sind die kleineren Papillen im allgemeinen accesso- rische Papillen, die auf den Schenkeln des Winkels interponiert sind; bei Aieles aber sind die kleinsten Wallpapillen (vgl. At. Geof- froyi) mitunter gerade die, welche an der Grenze der Figur liegen, z. B. dort, wo die Papillae fungiformes sich unmittelbar anschließen. Die Zungenpapillen der Primaten. 597 Ich erwähne diese Erscheinung hier nur und werde später noch ein- mal etwas eingehender darauf zurückkommen. Alles in allem läßt sich also bis jetzt für die Wallpapillen über- haupt kein gemeinsames Merkmal ausfindig machen, außer ihrer durch die Gesamtheit der einzelnen Elemente repräsentierten Ent- wieklungshöhe, die hinter der bei anderen Affen festzustellenden schwerlich zurückbleibt. Die Randorgane verhalten sich viel konstanter als die Wall- papillen. Sie rücken hinten meist, aber nicht immer bis auf die Zungenfläche vor und erreichen mit dem anderen Ende höchstens die Höhe der vordersten Wallpapille. Die Zahl der Furchen beträgt 11—15. Auch die Pilzpapillen sind in ihrer Anordnung ganz gut zu charakterisieren. >MSie lassen die Gegend zwischen den Wall- papillen und ein beträchtliches sich daran anschließendes Gebiet auf der Mitte des Zungenrückens so ziemlich frei. An die Vallatae laterales schließen sie sich unmittelbar an, nicht immer aber an die Randorgane. Die Häufung der Papillen gegen die Zungenspitze hin ist nicht sehr beträchtlich. II: Die Höhlenstellung der Papillae vallatae. Nachdem ich jetzt die Anordnung der Geschmackspapillen bei den von mir untersuchten Gattungen der Platyırhinen Ateles und Lagothrix dargestellt habe, halte ich es für angebracht, auf die bei beiden Genera beobachtete Eigenschaft der Papillae vallatae, sich in die Tiefe zu verlagern, einzugehen. Ich behandle dieses Thema an dieser Stelle, weil, soweit bis jetzt bekannt ist, unter allen Affen einzig und allein bei den amerikanischen Arten diese »Crypto- vallaten« anzutreffen sind. Von den Autoren, die sich mit ähn- lichen, in Höhlen eingeschlossenen Papillae vallatae der niederen Säugetiere befaßt haben, ist vor allen Dingen OPPEL zu nennen, der alle Punkte, in denen sich diese Gebilde von den Wallpapillen höherer Säugetiere unterscheiden, kritisch behandelt hat. Ich halte es daher für riehtig, mich mit diesen eingehenden Erörterungen zu beschäftigen, die über die dort vorhandene Tieflagerung der Pa- pillae vallatae und die anderen damit in Verbindung auftretenden Eigentümlichkeiten angestellt worden sind. Die in Frage stehenden Wallpapillen der Platyrrhinen haben, ungeachtet einiger Abweichungen, gerade die wesentlichsten Merk- 598 Gustav Kunze male mit den Papillen niederer Formen gemeinsam, und infolge- dessen haben fast alle Betrachtungen, die OrpEL über jene anstellt, auch für diese Geltung. Die gemeinschaftlichen Eigenschaften nun, um die es sich handelt, sind folgende: 1. Verlagerung der Papillae vallatae in die Tiefe, 2. abweichende Gestalt, 3. das Vorhandensein von Gern ospen auf dem Scheitel der Papille. Die gleichfalls in die Tiefe verlagerten Wallpapillen der Wale und anderer wasserbewohnender Säugetiere sind so abweichend ge- baut, daß ein Vergleich mit ihnen aussichtslos ist. OrrEt gelangt zu dem Schlusse, daß alle diese veränderten Papillen im Grunde genommen nur in unwesentlichen Zügen von den typischen abweichen, und daß die Sonderformen bei den Papillen niederer Säugetiere, den Monotremen, Marsupialiern und Manıs, se- kundär umgebildete, nicht aber die Stammformen der übrigen Wall- papillen darstellen. Da seine Folgerungen natürlich auch für die in ähnlicher Weise abgeänderten Papillen der Platyrrhinen große Bedeutung haben, gebe ich das Wichtigste davon mit seinen eigenen Worten wieder. Über die Höhlenstellung der Papillae vallatae äußert er sich folgendermaßen: »Wir haben nach meiner Ansicht in der Höhlen- stellung der Papillae vallatae eine sekundäre Erwerbung und nichts Ursprüngliches zu sehen. Das heißt, ich glaube nicht, daß die Pa- pillae vallatae der Säugetiere in Höhlen entstanden sind, bei den Monotremen und bestimmten Edentaten in Höhlen verblieben, bei den übrigen Säugetieren zur Oberfläche getreten sind. Vielmehr glaube ich, daß die Papillae vallatae der Säugetiere an der Ober- fläche der Zunge entstanden sind, bei der Mehrzahl der Säugetiere an der Oberfläche verblieben und nur bei einigen wenigen, so bei den Monotremen und bestimmten Edentaten unter Höhlenbildung in die Schleimhaut eingesunken sind.« ÖPPEL stellt dieses Einsinken in Höhlen auch bei anderen Ge- weben niederer Säugetiere fest. »Alle diese Einrichtungen zeigen das Gemeinschaftliche, daß im Anfangsteile des Verdauungsrohres der Monotremen zarte, ‚lädierbare Gewebe, wie z. B. Cylinderepithel tragende Schleimhaut und Geschmacksknospen an der Schleimhaut nicht bestehen können und, wenn sie sich erhalten sollen, in schützende Höhlen zurücksinken müssen. Alle diese Befunde sind Die Zungenpapillen der Primaten. 599 sekundäre Erwerbungen, welche bei bestimmten niederen Säuge- tieren entstanden sind, und welche keinerlei Schlüsse auf die ur- sprüngliche Genese der betreffenden Organe gestatten.« Seine Ansichten über die abweichende Gestalt mancher Papillen faßt er folgendermaßen zusammen: »Was endlich den letzten Punkt, die äußere Gestalt der Papillae vallatae betrifft, so belehrt uns ein Blick auf verschiedene Säugetiere, daß auch bei diesen die Form der Papillae vallatae nicht immer dieselbe ist. Wenn wir die nach oben spitz znlaufende Form mit der kugeligen, bei manchen Carni- voren (z. B. beim Dachs) oder mit der gelappten Form beim Igel vergleichen, so wird neben diese auch die bei Monotremen sich findende Form gestellt werden können, ohne daß wir deshalb an- nehmen müßten, daß es sich in letzteren um von den ersteren grund- verschiedene Dinge handelt.« Das Hinaufrücken von Knospen auf die Oberseite der Wall- papillen schreibt Orpen dem Umstande zu, daß sie dort bei den tiefliegenden Papillae vallatae so geschützt liegen, daß sie von äußeren Einwirkungen nicht angegriffen werden können. »Bei höheren Säugetieren liegen die Knospen der Papillae vallatae da, wo sie den größten Schutz genießen, also an den Seitenwänden der Papillen. Bei Monotremen dagegen genießen die Papillen, in Höhlen liegend, diesen Schutz allseitig, warum sollten sie da nicht auch allseitig, also auch an ihrer Oberfläche Knospen tragen können?« Weiterhin erwähnt er die im Hinblick auf meine Befunde wichtige Tatsache, daß bei Ornithorhynchus und in höherem Maße bei Echidna auf dem Teil der Papillenoberfläche Knospen fehlen, der der Mün- dung des zur Zungenoberfläche führenden Kanals am nächsten liegt. Er kommt zuletzt zu dem Schluß, daß er Befunde von Knospen auf der Oberfläche der Papillae vallatae nicht als Beweis gelten lassen könne, daß wir es in diesem Falle mit einem ursprünglichen Typus zu tun hätten, daß sie andererseits aber auch nicht dagegen sprächen. Ich kann der Ansicht, daß das Bedürfnis nach Schutz der Hauptfaktor für die Verlagerung der Papillen in die Tiefe ist, nicht ohne weiteres beipflichten. Mindestens muß hier noch ein Zusatz gemacht werden. Ich glaube, daß die Geschmacksknospen in erster Linie deshalb in so tiefe und enge Gräben verlagert werden, damit das von den serösen Drüsen gelieferte Sekret vollkommen ausge- nutzt wird. Das geschieht aber bei Papillen, die aus irgendeinem 600 Gustav Kunze Grunde in die Tiefe verlagert worden sind, auch noch auf der Oberseite, wo sie also ebenfalls noch mit Knospen versehen sein können. Zu dieser Auffassung führt mich der Befund, daß eine kurze Strecke vor einer gänzlich in die Tiefe verlagerten Wall- papille (bei Ateles Geoffroyi) eine umfangreiche Papilla fungiformis zu finden war, deren ganze freie Fläche Sinnesknospen trug. So verschieden können hier an dieser Stelle, auf der Seite der Zungen- fläche, die Existenzbedingungen für Geschmacksknospen nicht sein, daß diese das eine Mal ganz frei stehen könnten und das andere Mal besonders geschützt sein müßten. Ich glaube also nicht, daß das Schutzbedürfnis allein oder vor allen Dingen die Knospen in die Tiefe treibt. Die Gestalt der Papillae vallatae sehe auch ich als einen für ihre Beurteilung unwesentlichen Faktor an und stimme den Bemer- kungen OPrELS über diesen Punkt vollkommen bei. Die bei den von mir untersuchten Arten vorhandenen abgeänderten Formen, spitzer Kegel, Kugelsegment und Paraboloid, sind ja überdies noch nicht einmal so abweichend gebaut wie manche von OPPEL ange- führte Wallpapillen. Was aber den wichtigsten Punkt anlangt, die Höhlenstellung der Papillae vallatae, so erscheint mir, wie auch OPPEL, die An- sicht, daß wir es dabei mit einer sekundären Abänderung zu tun haben, nach den Befunden an meinem Material nur als wahrschein- lich, aber nicht als bewiesen. Ich will hier nur kurz einige Erscheinungen anführen, die dieses Problem bei den amerikanischen Affen etwas komplizierter erscheinen lassen. Bei zwei von den drei Zungen, wo Tieflagerung der Papillae vallatae vorkam, nämlich bei zwei Zungen der Gattung Ateles, sind die derartig abgeänderten Papillen meist sehr knospen- arm, oft selbst sehr klein und zeigen überdies, wie sehon erwähnt, ein bestimmtes Verhalten zu den benachbarten Papillae fungiformes. Bei Ateles paniscus beteiligt sich am Aufbau der Wallpapillenfigur je eine Fungiformis, indem sie sich vorn an die Schenkel des Wall- papillenwinkels in demselben Abstande anschließt, in dem eine weitere Vallata zu erwarten wäre. Bei Aieles Geoffroye sind über- haupt die Papillae vallatae wie Fungiformes angeordnet, dabei oft sehr klein, und wie die Beschreibung weiter oben zeigt, gelegent- lich durch echte Papillae fungiformes ersetzt. Auf die engen Beziehungen, die zwischen Papillae fungiformes und vallatae durch die gegenseitige Stellung zum Ausdruck kommen, Die Zungenpapillen der Primaten. 601 wird später noch genauer eingegangen werden. Ich will hier nur bemerken, daß, wenn man auf dem nicht ganz unbegründeten Stand- punkt steht, daß die Papillae vallatae aus Papillen hervorgegangen sind, die den heutigen Fungiformes nahestehen, eine äußerlich so unverkennbare Beziehung zwischen beiden Sorten, wie sie bei Ateles Geoffroyi und paniscus zu finden ist, als Zeichen einer noch bestehenden engeren Verwandtschaft und also geringerer Diffe- renzierung anzusehen wäre. Die Grenzwallpapillen sind ja bei Ateles Geoffroyi gelegentlich recht klein, und auch die Wall- papillen von Ateles paniscus sind sämtlich verhältnismäßig knospen- arm. Beide Erscheinungen können recht wohl zusammenhängen. Daß die Höhlenstellung damit in Verbindung zu bringen ist, kann ich bis jetzt nur als möglich, aber nicht als bewiesen ansehen. Jedenfalls ist das mehrfache Zusammentreffen aller drei Eigentüm- lichkeiten nicht unbeachtet zu lassen. B. Catarrhinen. (Beschreibender Teil.) 3. Genus Papio. Die meisten Angaben über die Gattung Papeio stammen wieder von Münch, der zwölf Zungen verschiedener Arten untersuchte und dabei sechsmal drei Papillae vallatae im Dreieck stehend fand und zwar bei je einem Exemplar, dem einzigen untersuchten, von Cyno- cephalus mormon, leucophaeus, entellus und sphinxz, bei einer von zwei untersuchten Zungen des Hamadryas und bei einer von vier Zungen des Babuins. Bei Cynocephalus sphinz standen die Längs- achsen der vorderen, elliptischen Papillen senkrecht auf den Schen- keln des Winkels. Welche Art mit Cynocephalus entellus gemeint ist, ist übrigens nicht ganz klar. Bei den übrigen Zungen fand Münch noch weitere kleine Pa- pillen zwischen Lateralpapillen und Centralis, welch letztere keiner der von den Autoren beschriebenen Arten fehlt. Alle kleineren Papillen ordnet Münch auf einen Winkel an, der innerhalb des ersten Papillenwinkels liegt. Die Schenkel beider Winkel laufen parallel in geringem Abstande voneinander. Je eine derartig ge- lagerte, kleine accessorische Papille findet sich bei Cynocephalus hamadryas und zwei Zungen des Babuins. Bei einer der letzteren sind noch zwei auffällig große Fungiformes in der Nähe der Vallatae 602 Gustav Kunze laterales zu erwähnen und bei der anderen eine Fungiformis nahe der Vallata centralis, wo ihr Vorkommen gleichfalls ungewöhnlich ist. Bei einer weiteren Zunge von COynocephalus babuin stand eine kleine Papille vor der Centralis, zwei auf dem linken, eine auf dem rechten Schenkel des Nebenwinkels; bei einem Exemplar von Uynocephalus porcarius standen je zwei kleine Wallpapillen auf den beiden Schenkeln des inneren Winkels. Weiterhin haben wir noch eine Angabe über Cynocephalus sphin& von BRÜCHER, der außer den drei Hauptpapillen noch eine kleinere auf dem linken und zwei kleinere auf dem rechten Schenkel in seiner Abbildung wiedergibt, ohne einen zweiten Winkel zu Hilfe zu nehmen. Auch seine Abbildung läßt keine Hinneigung zu einer solchen Gruppierung erkennen. Schließlich beschreibt STAHR bei Cynocephalus rufescens, der wohl mit Oynocephalus sphinx identisch ist, drei Hauptwallpapillen in einem Dreieck, neben deren linker Lateralis er eine kleine Pa- pille auf dem Schenkel des Winkels findet, deren gut ausgeprägten Wall er erwähnt. Diese‘ Zunge hat auch, wie er sagt, besonders schöne, große Fungiformes in reichlicher Anzahl. An der Zungen- spitze stehen diese sehr dicht. Auf dem Zungenrücken und zwischen den Vallatae stehen die größten Exemplare dieser Art. Eigene Untersuchungen. Papio sphinz E. Geoft. Die Länge der Zunge von der Epiglottis bis zur Spitze beträgt 4,5. cm, die Breite, bei den Vallatae laterales gemessen, 1,8 cm. Die freie Spitze ist ebenfalls 1,8 cm lang. Die Angabe der Zahl der Wallpapillen — vier oder fünf — wird sich danach richten, ob man die zentrale Doppelpapille als einfache aber geteilte, oder als zwei Papillen rechnen will. Die beiden Teile erscheinen durchaus selbständig, obwohl sie ohne Zwischenraum nebeneinander liegen. Die Trennungslinie verläuft nicht sagittal, sondern schräg nach links vorn, so daß der vordere, srößere Abschnitt dem rechten Schenkel zuzuweisen ist, während der kleinere hintere Teil wohl als Vallata centralis gelten könnte. Die kleine Benachteiligung, welche die linke Seite hierdurch er- fährt, wird durch eine weitere linke Papille ausgeglichen. Die beiden kreisrunden Vallatae laterales sind mit 11/, mm Durchmesser recht groß und ragen außerdem weit über das Niveau der Zungen- Die Zungenpapillen der Primaten. 605 fläche hervor; auch bei den übrigen Papillen ist das mehr oder weniger, der Größe entsprechend abgestuft, der Fall. Alle Papillen zusammen bilden einen nach dem Zungengrunde zu gerichteten Winkel von etwa 70°, Diese Befunde scheinen bei Betrachtung mit bloßem Auge alle ganz unzweifelhaft zu sein. Ich bin aber durch die mikroskopische Untersuchung dahin gelangt, die eingeschobene kleine Papille des linken Schenkels als eine den echten Wallpapillen nicht gleich- wertige zu betrachten. Die angegebene Zahl der Papillae vallatae muß also um eins vermindert werden. Von einem Wall ist bei keiner Papille die Rede, nur ordnen sich bei den vorderen an einigen Stellen die nächstliegenden Faden- papillen zu einer einfachen, die Wallpapille umgebenden Reihe. Das Randorgan setzt sich jederseits aus etwa elf kurzen Spalten zusammen, die auf der linken Seite hinten durch je eine Nebenfurche getrennt sind. Diese Erscheinung, die um so undeutlicher wird, je weiter wir nach vorn gehen, ist zwischen den fünf vordersten Spalten überhaupt nicht mehr festzustellen. Rechts sind diese Ver- hältnisse nicht ganz so klar wie links; ein derartig regelmäßiges Abwechseln von az { . r Er Skizze der Papillenverteilung. Haupt- und Nebenfurchen ist äußerlich EDER eine Caahen mit nicht zu konstatieren. Ganz am Ende jedes serösen Drüsen. Randorganes liegt eine merkwürdige kleine Vorwölbung, die so aussieht, als ob einige Papillenleisten in der Mitte verschmolzen wären und nur noch ihre letzten Endehen frei hätten, die am Rande des Gebildes gelegen dieses undeutlich sternförmig gestalteten. Ich glaube nicht, daß dieser Bildung, die links viel kleiner und undeutlicher ist als rechts, eine besondere Bedeutung beizumessen ist. Nach hinten erstreckt sich die Papilla foliata in ziemlich ge- rader Richtung nicht ganz bis zur Höhe der Doppelwallpapille und nach vorn zu nicht so weit, daß die verlängerten Schenkel des Wallpapillenwinkels sie treffen würden. Die Papillae fungiformes sind in kolossaler Anzahl vor- handen. Sie lassen keinen Teil des Zungenrückens unbedeckt und häufen sich außerdem noch in beträchtlichem Maße, je näher sie der Zungenspitze stehen. 604 Gustav Kunze Hervorzuheben ist das Vordringen einiger Papillen, die sich äußerlich in keiner Weise von den übrigen Papillae fungiformes unterscheiden, in den Wallpapillenwinkel hinein bis an Stellen, wo sie sonst selten sind. Es sind in dieser Gegend. fünf Papillen zu finden (s. Textfig. 11). Eine davon liegt direkt auf dem rechten Schenkel des Wallpapillenwinkels, ungefähr korrespondierend zu der accessorischen Papille des linken Schenkels, zwei andere stehen dicht vor der letzten Doppelpapille und die beiden letzten weiter vorn, unregelmäßig angeordnet. Die mikroskopische Untersuchung der zwischen den Wall- Fig. 12. Papio sphinz. Schnitt durch die Zwischenpapille des linken Wallpapillenschenkels. Ein Graben ist nicht vor- handen, wohl aber seröse Drüsen. papillen liegenden Fungiformes, einschließlich der auf dem linken Schenkel eingeschobenen Papille, ergab ein unerwartetes Resul- tat. Zwei von den vermeintlichen Pilzpapillen sind mit serösen Drüsen versehen, so daß sie nicht als regelrechte Fungiformes gelten können. Weiterhin ist die große Zwischenpapille des linken Schenkels auch keine echte Wallpapille (vgl. Textfig. 12). Die Einsenkung um diese Papille herum ist ganz seicht und kann nicht als Graben bezeichnet werden. Gesehmacksknospen kommen an den Seiten der Papille überhaupt nicht vor, sondern nur auf der freien Oberfläche. Häufig sind sie dort auch nicht; nur etwa zehn sind vorhanden, eine geringe Anzahl in Anbetracht des großen ihnen zur Verfügung Die Zungenpapillen der Primaten. 605 stehenden Raumes. Die Papille hat einen Durchmesser von 1 mm und eine Höhe von 0,7 mm. Die zwei dicht vor der Doppelwallpapille gelegenen Papillen sind echte Fungiformes, die sich in keiner Weise von anderen der- selben Art unterscheiden. Bei ihnen münden keine serösen Drüsen; dasselbe gilt für die vor ihnen stehende Papille. Anders verhält es sich mit den beiden am weitesten nach rechts gelagerten Papillen, von denen ja die hintere direkt auf dem rechten Schenkel der Wallpapillenfigur liegt. Bei beiden münden seröse Drüsen, die sehr zahlreich an der oberen Grenze der Muskelschicht liegen und an einigen Stellen tief in diese hinabreichen. Die hintere Fig. 13. . es =—. u = 7 > I I > = Ne N Papio sphinz. Schnitt durch zwei grabenlose, aber mit serösen Drüsen ausgestattete Papillen innerhalb der Wallpapillenfigur (vgl. Textfig. 11). Papille ist eine Kleinigkeit größer als die vordere und nur auf der Oberseite ganz wie die korrespondierende des anderen Schenkels mit Geschmacksknospen besetzt. Bei der vorderen sind letztere mit Sicherheit nicht festzustellen. Der bindegewebige Grundstock der beiden Papillen ist mit sekundären Fortsätzen versehen und im Ober- teil reichlich mit Lymphocyten angefüllt, die aber nirgends kom- pakte Massen bilden. Beide Papillen gleichen also der größeren, auf dem linken Schenkel des Winkels gelegenen Papille in allen wesentlichen Merk- malen (vgl. Textfig. 13). Der wichtigste gemeinsame Zug dieser drei Papillen ist das Fehlen eines Grabens mit darin enthaltenen Geschmacksknospen. Da ein Graben nun aber als ein wesentliches Merkmal einer Ge- Morpholog. Jahrbuch. 49. 40 606 Gustav Kunze sehmackspapille höheren Grades anzusehen ist, so kann ich diese Papillen nicht mit echten Papillae vallatae auf eine Stufe stellen, trotzdem sie seröse Drüsen besitzen. Eher könnte man sie als mit serösen Drüsen ausgestattete Papillae fungiformes bezeichnen. Aber diese Benennung besagt sehr wenig. Eine Übergangsform liegt auch nicht vor, wenigstens wenn man diese Bezeichnung im strengsten Sinne anwendet. Die serösen Drüsen sind ja vollständig ausgebildet. Man könnte vielleicht sagen, daß wir es hier mit einer Papillen- form zu tun haben, die in geringem Grade über das Stadium der Papilla fungiformis hinausgelangt ist, da sich bei ihr seröse Drüsen angelegt haben, die aber den Graben und damit die darin enthal- tenen Knospen aus irgend einem unbekannten Grunde noch nicht erworben hat. Diese so angelegte Papille konnte dann weiterhin noch eine gewisse Entwicklung durchmachen und sogar eine erheb- liche Größe erreichen. Wir werden später noch mehrere ähnliche Papillen, darunter solche von recht ansehnlichem Umfange kennen lernen. Die mikroskopische Untersuchung des zweifelhaften Gebildes am Ende der rechten Papilla foliata ergibt nichts Bemerkenswertes. Es sind eben nur die hier sehr kurzen Furchen anders angeordnet. Knospen kommen in ihnen nur spärlich vor, während sie in einer danebenliegenden größeren Spalte in großer Anzahl- auftreten. Seröse Drüsen münden an verschiedenen Stellen; Lymphoeyten kommen dicht unter dem Epithel der Haupthervorwölbung in größerer Anzahl vor, ohne sich jemals zu dichten Massen zusammenzu- schließen. Papio mormon L. Die Länge der Zunge von der Epiglottis bis zur Spitze beträgt 7,6 em, die Breite in der Gegend der Vallatae laterales 2,5 cm, weiter vorn, wo sie noch breiter ist, 2,8 cm. Drei elliptische Wallpapillen, deren Hauptachsen in der Längsrichtung verlaufen, bilden in der üblichen Weise ein gleich- schenkliges Dreieck; bei keiner von ihnen ist eine erwähnenswerte Wallbildung aufzufinden. Die Vallata centralis, mit einem Längs- durchmesser von 11); mm die größte von allen, ragt etwas über die Umgebung hervor, während die beiden nur wenig kleineren Late- rales knapp die Oberfläche erreichen. Die etwa 1,3 em lange Papilla foliata beginnt hinten an den Ansatzstellen des Arcus palatoglossus, die genau auf der Höhe der Die Zungenpapillen der Primaten. 607 Vallata centralis liegen, und setzt sich aus 12—14 kurzen Spalten zusammen, zwischen denen mitunter seichte Nebenfurchen erkenn- bar sind. Das Gesamtorgan erstreckt sich jederseits geradlinig nach vorn unten und, den in diesem Falle etwas divergierenden Zungen- rändern folgend, so weit nach außen, daß die Verlängerung der Schenkel des Wallpapillenwinkels in beträchtlicher Entfernung an seinem Vorderende vorbeigeht. Die Papillae fungiformes häufen sich ganz vorn in außer- ordentlichem Maße und bilden auch vor der Wallpapillenfigur eine größere Ansammlung. Weiter vorn sind sie in der Mitte des Zungen- rückens spärlicher, fehlen aber nicht ganz. An den Seiten, ganz nahe am Zungenrande, stehen ein paar hervorragend große; an die Randorgane schließen sie sich nicht unmittelbar an. Zwischen letzteren und den flankierenden Wallpapillen kommen gar keine Fungiformes vor, und diese papillenlose Zone erstreckt sich jeder- seits ein Stück weit nach vorn über die Papillae foliatae hinaus. Alle bisher von den Autoren beschriebenen Zungen der Gat- tung Papio sind, mit einer schlecht beglaubigten Ausnahme, im Be- sitze einer Vallata centralis, die — daran lassen die Beschreibungen keinen Zweifel — ungeteilt war. Eine der beiden Zungen aber, die mir zu Untersuchung vorlagen, die von Papio sphinx, hatte an Stelle der Centralis zwei Papillen, die allerdings ebensogut als ein- zige Doppelpapille aufgefaßt werden können. Ein grundlegender Unterschied gegen die vorher beschriebenen Zungen offenbart sich in diesem Befunde natürlich nicht. Auch das Auffinden &iner weiteren Papille von "zweifelhafter Zugehörigkeit auf dem linken Schenkel bei Papio sphinx stellt keinen Gegensatz zu den früheren Angaben dar, denn accessorische kleine Papillen sind oft beschrieben worden, und man kann wohl vermuten, daß manche davon einen ähnlichen Bau wie die von mir untersuchte gezeigt hätten, wenn man sie nur mikroskopisch geprüft hätte. Hervorheben aber muß ich, daß ich so wenig wie offenbar STAHR und auch BrRÜCHER das Vorhandensein eines zweiten, innen gelegenen Papillenwinkels als Ort für die kleineren, hinzukommen- den Papillen wahrgenommen habe. Vielleicht hängt diese merk- würdige Erscheinung mit der Tatsache zusammen, daß die Papillae fungiformes, wie ich bei Papio sphin« feststellen konnte, bis an jeden beliebigen Platz innerhalb der Wallpapillenfigur vorzudringen geneigt sind und dabei, was allerdings bisher noch nicht bekannt war, durch Erwerbung seröser Drüsen eine Annäherung an die 40* 608 Gustav Kunze Papillae vallatae dokumentieren. Auch die Angabe STAHRs, der die größte Papilla fungiformis zwischen den Wallpapillen fand, könnte hiermit vielleicht in Zusammenhang gebracht werden. Daß Münch falsch beobachtet hat, halte ich für ganz unwahr- scheinlich, vor allen Dingen deshalb, weil offenbar sein Schema 34, wo auf dem inneren Winkel außer anderen Papillen sogar eine am Scheitel vorhanden ist, eine falsche Deutung vollkommen ausschließt. Überdies habe ich ja selbst ähnliches bei Macacus rhesus vor- gefunden. Es ist nur eigenartig, daß er ganz alleın und noch da- zu in allen Fällen, wo er überhaupt accessorische Papillen beschreibt, diese Stellung angetroffen hat. Daß die kleineren Papillen, welche die Schenkel der Winkelfigur bereichern, direkt auf diese zu liegen kommen können, wie es sonst allgemein der Fall ist, ist durch BRÜCHER, STAHR und mich bewiesen. Die Dreizahl, also eine wenigstens in gewissem Sinne ursprüng- liche Entwicklungsstufe, kommt bei den Vallatae des Genus Papio jedenfalls noch oft vor, und es verdient weiterhin hervorgehoben zu werden, daß alle bisher erwähnten accessorischen Wallpapillen als beträchtlich kleiner denn die drei Hauptpapillen geschildert worden sind; und dabei steht es noch gar nicht einmal fest, daß es über- - haupt sämtlich echte Papillae vallatae waren. Der Grundtypus der einfachen Dreiecksfigur wird also nur un- wesentlich modifiziert, aber noch nieht verwischt. ‘Über die Papilla foliata läßt sich bis jetzt nur sagen, daß sie sich aus 11—14 kurzen Spalten zusammensetzt und nach vorn zu nicht so weit reicht, daß sie von den verlängerten Schenkeln des .‚Wallpapillenwinkels getroffen werden könnte. Die Angabe Staurs, daß die Papillae fungiformes in guter Ausprägung und sehr reichlich den Zungenrücken bedecken, kann ich nur bestätigen. Sie kommen in der Tat auf allen Teilen des Zungenrückens in größter Anzahl vor, auch in der Mitte, bis wo- hin sie sonst nieht immer vordringen. Auch die Eigentümlichkeit, sich nach der Zungenspitze hin in großer Menge zusammenzu- drängen, ist hier vortrefflich ausgeprägt. Über die morphologischen Merkmale der drei Papillen, die weder zu den Fungiformes nach zu den Vallatae gerechnet werden können, ist das Wichtigste schon mitgeteilt worden. Später werde ich diese und alle ähnlichen Papillen noch einmal im Zusammenhange be- handeln. Die Zungenpapillen der Primaten. 609 4. Genus ÜUynopithecus. Die von mir beschriebene Zunge von Cynopithecus ist, soweit ich feststellen konnte, die erste der ganzen Gattung, welche über- haupt untersucht worden ist. Uynopithecus niger Desm. Die Zunge ist 7,7 cm lang und an den Vallatae laterales 2,4 em breit. Der vorderste Abschnitt ist vom Frenulum ab auf eine Strecke von 1,6 em hin frei. Vor der Epiglottis liegen zwei stark hervortretende Längs- wülste, die, auf glatter Oberfläche eine große Menge der an dieser Stelle stets vorhandenen Schleimdrüsen- öffnungen zeigend, eine mediane Furche zwischen sich fassen. Die Papillae vallatae sind in stattlicher Anzahl vorhanden (s. Textfig.14 und Tafelfig. 10. Von zehn Stück ver- teilen sich fünf auf den rechten, vier auf den linken Schenkel des 55° großen Winkels, während die zehnte innerhalb der so entstandenen Figur liegt. Am um- fangreichsten sind die beinahe kreis- runden Vallatae laterales, die unter sich Emiikeens mager: selbst eine ausgeprägte Größendifferenz Skizas}der Papillenverteilung. 2 , h x HZ Helle Zone d. Zungenoberfläche. zeigen, wie man sie sonst nicht allzu w Willele om Zankenbrunde, häufig findet, denn die rechte, welche von einer Einkerbung zum Teil durchschnitten wird, hat einen Durchmesser von 2 mm, die linke einen von nur 1!/; mm. Die beiden ovalen Schlußpapillen der Schenkel — eine Centralis fehlt nämlich — stehen mit einem Längsdurchmesser von knapp 1!/, mm keiner der noch übrigen Papillen an Größe nach, werden aber von einer mitten auf dem rechten Schenkel plazierten erreicht. Kleiner sind die beiden Wallpapillen des linken Schenkels, während ‚die beiden kleinsten auf dem rechten Schenkel zu finden sind, wo je eine in den beiden Zwischenräumen liegt, welche die drei größeren Vallaten trennen. Die Papille innerhalb des Wallpapillenwinkels ist nicht sehr groß. Der längste Durchmesser ihres annähernd birnenförmigen Umrisses beträgt, soweit sich von außen feststellen läßt, etwa 1?/, mm. 610 Gustav Kunze Von Symmetrie ist in der Anordnung der Papillae vallatae nichts zu merken. Alle Papillen haben als Wall eine glattere, hellere, nur wenig erhöhte ringförmige Partie der angrenzenden Zungenfläche, welche einer schärferen Abgrenzung entbehrt. Die Schenkel des Winkels sind auf das deutlichste markiert, nicht nur durch die mitunter ein- tretende Verschmelzung der wallersetzenden Zonen, sondern wirk- lich durch ein wenig hellere Streifen der papillären Zungenober- fläche. Auf diese Weise werden die Hauptlinien der Wallpapillen- figur z. B. auf dem größeren Zwischenraum des linken Schenkels gekennzeichnet, und ganz deutlich hebt sich auch ein Streifen ab, der von der mittleren, isolierten Papille nach hinten bis zum Zu- sammentreffen der beiden Schenkel des Winkels führt. Diese auf der Medianlinie liegende Zwischenpapille entbehrt übrigens mit Ausnahme der eben beschriebenen hellen, von der Rückseite ausgehenden Zone jeder wallähnlichen Bildung im Gegen- satz zu den anderen Papillen. Vorn schließt sich an sie sofort die mit Papillae filiformes bedeckte Fläche an; nicht einmal ein Graben ist dort mit bloßem Auge zu erkennen. Das Randorgan erstreckt sich, kaum gebogen, rechts knapp, links reichlich 1!/;, cm weit. Die einzelnen, etwas nach vorn ge- neigten Furchen, deren Zahl rechts zehn, links zwölf beträgt, haben eine Länge von etwa 5/, mm. Ihre Länge nimmt nach vorn eher etwas zu als ab, die Spalten stehen nicht sehr dicht und sind von zwei flachen Wülsten eingeschlossen, von denen wie gewöhnlich jeder den Nachbarwulst der folgenden Spalte berührt und so Ver- anlassung zum Entstehen der allgemein verbreiteten Nebenfurchen gibt, die hier gelegentlich recht breit werden. In diesem Falle liegen alle diese Verhältnisse äußerst klar zutage. Das Organ endigt hinten am Arcus palatoglossus noch vor den abschließenden beiden Wallpapillen und erreicht vorn nicht die Verlängerungen der Schenkel des Wallpapillenwinkels. Sehr verdiekte Wülste fassen die letzte Furche ein und erzeugen dadurch Bildungen, die ein wenig an die bei Papio sphinx an der- selben Stelle vorhandenen erinnern. Die Papillae fungiformes fehlen dem mittleren Zungenrücken durchaus, während sie an den Seiten, wo einige recht große stehen, das übliche Verhalten zeigen. Nach vorn zu drängen sie sich dicht zusammen, ohne an Größe allzusehr abzunehmen. Am Rande finden sich nur wenig mehr als sonst, unmittelbar vor den Foliaten fast Die Zungenpapillen der Primaten. 611 gar keine; auch hinten, rückwärts von der papillenfreien Fläche kommen nur noch ein paar ganz unbedeutende Exemplare zwischen den Papillae vallatae vor. Im allgemeinen sind die Papillen als groß zu bezeichnen; überall heben sie sich durch ihre Helligkeit außerordentlich gut von der dunkelgelben Fläche der Faden- papillen ab. Das mikroskopische Bild der isoliert zwischen den Schenkeln stehenden Papille — an der Wallpapillennatur der übrigen ist wohl nicht zu zweifeln — zeigt, wenn wir zunächst einen Längsschnitt, der ungefähr durch die Mitte geht, nehmen, eine Papillenoberfläche, die von einer sehr seichten hinteren Einsenkung ab nach vorn all- mählich ansteigt, sich dann plötzlich nach unten zu einer seichten vorderen Grabenbildung senkt und dabei erheblich zurücktritt, so daß die ganze Papille nach vorn übergeneigt erscheint. Der Binde- gewebsstock sendet Fortsätze in nicht sehr großer Anzahl in die darüber liegende Epidermis. An der Rückwand des hinteren Graben- teils ist ein außergewöhnlich großer Lymphknoten mit Keimcentrum zu sehen. Geschmacksknospen sind nirgends zu entdecken. Seröse Drüsen liegen bis tief zwischen die Muskeln hinab. Ihre Gänge sind auf diesem Schnitt noch ziemlich weit von der Oberfläche entfernt. Ganz anders ist der Anblick, wenn wir uns bei der Durchsicht der Schnitte der linken Seite nähern und so weit gelangt sind, daß von dem bindegewebigen Papillenstock meist nur noch die Sekundär- fortsätze geschnitten werden. Dann erst ergibt sich, daß die hintere Einsenkung ein echter, tieferer Wallpapillengraben ist. Die Papille reicht dort natürlich tiefer als sonst hinab und biegt sich mit ihrem unteren Abschnitt sogar wieder etwas nach vorn um, so daß auch hier der Papillenstock etwas überhängt. Am Grunde münden die Ausführgänge seröser Drüsen; die Papillenseite des Grabens ist dicht mit Knospen besetzt, von denen einige weiterhin auch auf der Wall- seite zu finden sind. Der innerhalb des auf der Rückseite des Walles gelegene Lymphoeytenknoten ist verschwunden, dafür finden sich ungeheure Haufen zwischen den tiefer liegenden Drüsenkom- plexen, wo sie gelegentlich ganz an die Stelle früherer Drüsen- massen getreten zu sein scheinen. Die Papille ist im ganzen 1!/; mm lang und °/, mm hoch; Textfigur 15 gibt einen Schnitt durch sie wieder, der zwischen den beiden eben beschriebenen liegt. Einen Übergang zwischen Pilz- und Wallpapillen kann man in 612 Gustav Kunze ihr wohl kaum sehen; sie ist eine nur eben einseitig entwickelte Papilla vallata. Kompakte Lymphocytenhaufen, die sich gelegentlich zu wirk- lichen Lymphknoten verdichten, sind auch vor der Papille, weiter nach der Zungenspitze zu, noch zu finden. Es läßt sich nach Untersuchung einer einzigen Zunge einer Gattung natürlich in keiner Weise sagen, bis zu welchem Grade N, 2 M fi Fa DR ii ; ® E 32 HAN, un vs er 7 De niger. Längsschnitt durch die auf der Medianlinie liegende einseitig ausgebildete Papilla vallata. ABF Angeschnittene Bindegewebsfortsätze. die dabei erhaltenen Befunde als typisch angesehen werden dürfen. Ich will deshalb nur erwähnen, daß bei Cynopithecus die große Anzahl der Papillae vallatae in Verbindung mit dem Umstand, daß die accessorischen Papillen keineswegs klein sind, keine große Hin- neigung zum Typus der sonst nahe verwandten Gattung Papio er- kennen läßt und ebensöwenig das Auftreten einer innerhalb des Wallpapillenwinkels auf der Medianlinie gelegenen echten, wenn auch einseitigen Papilla vallata. Die Zungenpapillen der Primaten. 613 5. Genus Macacus. CHarın beschreibt bei Macacus ecaudatus drei Papillae vallatae; diese Zahl geben BouLArr und PırLıEr als die normale an. Münch fand diese Anordnung bei der Untersuchung von 13 Makakenzungen nur einmal und zwar wie UHATIN bei Macacus ecaudatus. F.J.C. MAYER beschreibt bei Simia nemestrina (Macacus nemestrinus) vier Wallpapillen und bei Cercopitheeus cynomolgus (Macacus cynomolgus) eine größere und zwei bis drei kleinere Wallpapillen. Bei vier Zungen von Macacus rhesus fand Münch zweimal zwei Papillenpaare allein; das dritte Mal war diese Figur durch eine fünfte kleine Papille auf dem linken Schenkel bereichert; bei der vierten Zunge kamen zu den zwei Papillenpaaren noch drei weitere Papillen hinzu, von denen eine große auf dem rechten, zwei kleine auf dem linken Schenkel lagen. TUCKERMAN konstatierte bei Ma- cacus rhesus Dreiecksfigur. Die von ihm genau beschriebene Zunge war 41mm lang, 15 mm breit, die freie Spitze hatte eine Länge von 13 mm. Das Dreieck, in dem die Papillae vallatae angeordnet waren, war natürlich gleichschenkelig. Die Papillen selbst zeigten einen ovalen Umriß und hatten eine glatte Oberfläche. Die aus wenigen Falten zusammengesetzten Randorgane standen ziemlich schräg. Ihr Hinterende lag mit der Zungenfläche fast in einer Ebene. Die Pa- pillae fungiformes standen dicht auf dem ganzen Zungenrücken und den Seiten bis zum Rande der papillären Fläche, besonders eng an der Spitze. Von vier Exemplaren der Zunge von Macacus cynomolgus hatte bei Münch nur die Hälfte zwei Papillenpaare ohne Zwischenpapillen, die dritte Zunge war mit einer kleinen Mediana anterior versehen, die vierte mit einer kleinen accessorischen Papille auf dem rechten Schenkel. Bei dieser Zunge waren die Vallatae laterales elliptisch geformt, und die Längsachse dieser Ellipse stand senkrecht auf dem Schenkel des Papillenwinkels. TucKERMAN fand bei dieser Art nur ein vorderes und ein hinteres Papillenpaar. Die von ihm untersuchte Zunge war 50 mm lang, 16 mm breit und von dem Frenulum ab auf eine Strecke von 15 mm hin frei. Die Wallpapillen, von denen die hinteren beiden nur 1 mm voneinander entfernt waren, hatten sämt- lich ungefähr gleiche Größe. Das 6 mm lange Randorgan bestand aus sieben bis acht Knospen tragenden Falten. Die Papillae fungi- formes standen in Menge auf dem ganzen Zungenrücken, besonders dicht natürlich an der Spitze. 614 Gustav Kunze Bei Macacus speciosus fand Münch fünf Papillen, zwei auf dem linken, drei auf dem rechten Schenkel; von letzteren war merk- würdigerweise die mittlere weitaus die größte. Bei Macacus silenus beschreibt derselbe Autor sieben Papillen, von denen eine im Scheitel des Winkels steht; sie sind ziemlich regelmäßig angeordnet. Dieselbe Gruppierung fand sich bei einer Zunge von Macacus nemestrinus, nur fällt Münch hier noch eine durch ihre Größe aus- gezeichnete Fungiformis auf der Medianlinie auf. Auf einer zweiten Zunge derselben Art fehlt die Vallata centralis, dafür stehen auf der Medianlinie zwei Fungiformes hintereinander. Bei einer dritten Zunge von Macacus nemestrinus fand Münch neun Papillen; davon waren sieben an der Bildung der Winkelfigur — mit Centralis — beteiligt, und zwei standen auf der Medianlinie hintereinander un- gefähr an derselben Stelle, wo bei der vorigen Zunge die Pilzpapillen vorhanden waren. Eine Beschreibung von zwei Makakenzungen hat schließlich noch STAHrR beigesteuert. Die erste Zunge, von Macacus rhesus, trägt vier gleich große Papillae vallatae, hinten zwei nahe beiein- ander, vorn die beiden Lateralpapillen in beträchtlicher Entfernung. Die andere Zunge, von Inuus cynomolgus, zeigt dieselbe Anordnung, nur in der Klarheit etwas beeinträchtigt durch vier große Exem- plare von Papillae fungiformes, von denen sehr beachtenswerter- weise je eine auf den Schenkeln des Winkels, nahe den Vallatae laterales, die dritte auf der Medianlinie, eine kurze Strecke vor dem hinteren Papillenpaar liegt. Die vierte Pilzpapille liegt auf der äußeren Seite der Lateralis dextra in nächster Nähe derselben und hat zu den Leitlinien der Wallpapillenfigur offenbar keine engeren Beziehungen. Bei beiden Arten hebt Staur außerdem die Größe der Papillae fungiformes hervor; bei Inzus eymomolgus findet er die umfangreichsten auf dem hintersten Abschnitt der Zungenfläche. Eigene Untersuchungen. Eine der in dem mir zur Verfügung stehenden Zungenmaterial vertretenen Arten, nämlich Macacus peleatus, ist bisher auf ihre Pa- pillenverhältnisse hin noch nicht untersucht worden. Macacus (Nemestrinus) nemestrinus L. (l. Exemplar). Die Zunge ist von der Epiglottis bis zur Spitze 5,7 em lang und in der Gegend der Vallatae laterales 2,3 cm breit. Die Länge der vom Frenulum ab freien Spitze beträgt I em. Die Zungenpapillen der Primaten. 615 Über die Anzahl der Papillae vallatae ist von außen her, auch bei Lupenuntersuchung, keine Klarheit zu erlangen. Eine Vallata ceentralis fehlt. Auf dem rechten Schenkel des etwa 80° weiten Papillenwinkels stehen vier Papillae vallatae, von denen allerdings die vorletzte sehr schwach entwickelt ist; auf dem linken Schenkel sind drei Papillen mit Sicherheit festzustellen; es ergibt sich aber aus dem ganzen Aussehen dieses Teils der Zungenober- fläche, daß auch dort noch eine weitere Papille, wenigstens der An- lage nach, vorhanden sein muß, die sich indessen nach außen hin nur indirekt durch eine für sie bestimmte wallähnliche Bildung be- merkbar macht. Eine letzte Papille liegt zwischen den Schenkeln des Winkels auf der Medianlinie. In der Verteilung auf die beiden Schenkel tritt eine gewisse Symmetrie deutlich hervor, insofern als jede Papille des einen Schenkels eine ihr korrespondierende auf dem anderen Schenkel hat. Das Fig. 16. gilt sowohl in bezug auf die Lage als auf die Größe; ganz genau ist die Übereinstimmung aber nicht (Text- fig. 16). Die Enden der beiden Winkel- schenkel sind am reichlichsten mit Papillenmaterial ausgestattet. Die Vallatae laterales sind mit I mm Durchmesser die größten der eigent- Skizze der Papillenverteilung. UP» Unent- lichen Winkelfigur. Es folgen die der wickelte Pr. Lateralis dextra zunächst liegende und dann die beiden, welche je einen Schenkel hinten abschließen. Von den übrigen beiden noch deutlich erkennbaren Papillen ist nur die der Lateralis sinistra benachbarte noch vollständig entwickelt, während bei der rechten, die unweit der Schlußpapille liegt, der Graben nur zur Hälfte vorhanden ist. Was die Anlage eines Walles betrifft, so sind alle bis jetzt er- wähnten Papillen in reichstem Maße damit ausgestattet. Jede ist von einer breiten, platten Wallzone umgeben, die auch ein wenig höher liegt als die benachbarte Zungenfläche; selbst für die, wie schon erwähnt, äußerlich kaum angedeutete Papille steht eine der- artige Zone zur Verfügung. Da die Papillen meist nieht sehr weit auseinanderstehen, so gehen die einzelnen Wallgebiete mehr oder weniger ineinander über, und infolgedessen heben sich beide Schen- Macacus memestrinus (I). 616 Gustav Kunze kel als einheitliche Gebilde deutlich von den angrenzenden Teilen der Zungenfläche ab. Hinten aber bleiben sie streng voneinander getrennt. Die letzte Papille zwischen den Schenkeln des Winkels unter- scheidet sich in wesentlichen Punkten von den übrigen. Sie steht bei dieser Zunge den Vallatae laterales an Größe nicht nach und ragt mit beinahe halbkugeliger Oberfläche beträchtlich hervor, im Gegensatz zu den übrigen, bei denen das nur in sehr geringem Maße stattfindet. Man sieht mit vollkommener Deutlichkeit, daß sie zu der Winkelfigur keine Beziehung hat. Isoliert steht sie inmitten der anderen Papillen und kann deshalb auch nicht etwa als Vallata centralis betrachtet werden, denn diese, in unserem Falle fehlende müßte dort liegen, wo die beiden Schenkel des Winkels zusammen- treffen, und der Verlauf dieser letzteren ist bei dieser Zunge zu deutlich markiert, als daß über diesen Punkt Zweifel herrschen könnte. Diese Papille entbehrt auch eines eigentlichen Walles; nur ein wenig zeigt sich ihre Umgebung gegen sie hin aufgetrieben. Das Randorgan wird von hervorragend gut ausgeprägten Furchen zusammengesetzt, die ohne seichte Zwischenfurchen so weit auseinanderstehen, daß der blätterige Charakter des Organs voll- kommen verloren gegangen ist. Die Zahl der Furchen beträgt rechts 10, links 8; vorn stehen sie etwas enger beieinander; nach hinten zu reichen sie lange nicht bis zum Ansatz des Arcus palatoglossus, sondern endigen ungefähr auf der Höhe der mittleren, isolierten Wallpapille, während die Einpflanzungsstellen des Arcus palato- slossus wie gewöhnlich ungefähr bei den letzten beiden Wallpapillen zu liegen kommen. Das vorderste Ende der Papilla foliata würde ziemlich genau von der Verlängerung der Schenkel des Wallpapillen- winkels getroffen werden. Die meist kleinen Papillae fungiformes liegen um ein mitt- leres, ziemlich papillenfreies Feld herum. Vor der Wallpapillen- figur ist ihre Anzahl beträchtlich, ganz vorn natürlich auch. Hervor- zuheben ist das Vorkommen einer großen Anzahl von Papillen, die nach kurzem papillenfreiem Zwischenraum das Randorgan nach vorn fortsetzen. Sie liegen ohne Ordnung in etwa drei Reihen überein- ander. Mit größter Schärfe hebt sich diese Zone von der papillen- armen Gegend darüber ab, die sich von hinten aus zwischen sie und die auf den Seiten der Zungenfläche stehenden Papillae fungi- formes eine kurze Strecke weit einschaltet. Die mikroskopische Untersuchung des linken Papillenschenkels Die Zungenpapillen der Primaten. 617 an der Stelle, wo eine neunte, kleinste Wallpapille vermutet werden konnte, ergibt, daß diese An ahme richtig war. Die in Textfig. 17 wiedergegebene Papilla vallata ist außerordentlich klein und ein Graben kaum entwickelt. Auch die damit verbundene Epithel- einsenkung in die Cutis ist äußerst unbedeutend. Schwach ent- wiekeltes papilläres Eindringen des Epithels in das darunter lie- gende Bindegewebe ist überhaupt in der nächsten Umgebung die Regel gegenüber entfernteren, mehr nach der Mitte der Zunge zu liegenden Gebieten, wo Cutis und Epidermis wie gewöhnlich tief ineinander vordringen. Es dokumentiert sich hierin der Gegensatz zwischen dem auch äußerlich glatteren Streifen, welcher die Winkel- schenkel bzw. die Wallzone der Papille bezeichnet, und der übrigen UN... a Macacus nemestrinus (I). Schnitt durch die unentwickelte Papilla vallata des linken Schenkels. rauheren Zungenoberfläche. Die Hauptsache ist, daß sowohl vorn als hinten an der Papille Gänge sich öffnen, die zumeist zerstreut in ziemlicher Tiefe liegenden serösen Drüsenmassen angehören. Doch kommen letztere in geringem Maße auch weiter oben im Bindegewebe vor. Bemerkenswerterweise benutzt ein kleiner Schleim- drüsenkomplex einen der vorderen Ausführungsgänge der serösen Drüsen mit als Sekretionsweg. Geschmacksknospen kommen nur auf der freien Oberfläche vor, sehr natürlich, da ein wirklicher Graben kaum vorhanden ist. Ihre Natur ist zweifellos festgestellt, da gelegentlich der Geschmacksporus noch vorhanden ist; ihr Zu- 618 Gustav Kunze stand aber ist ganz verändert. Vielleicht sind sie im Verhornen begriffen. Lymphoeytenanhäufungen kommen hier und da unter dem Epi- thel vor; sie sind aber sehr unbedeutend. Ich möchte diese Papille lediglich für eine noch ganz unent- wickelte Wallpapille ansehen. Ihre Ahnlichkeit mit einer Papilla fungiformis ist zu gering und das ganze Gebilde überhaupt noch zu wenig entwickelt, als daß man darin eine Art Übergangsform er- blicken könnte. Knospen kommen zwar nur auf der freien Ober- fläche und nicht an den Seiten vor; indessen darf nicht außer acht gelassen werden, daß sich ja der Graben vielleicht erst in den frü- hesten Stadien seiner Ausbildung befindet. Daß sich Papillae val- latae noch nach der Geburt bilden können, ist wohl als sichergestellt zu betrachten. Macacus (Nemestrinus) nemestrinus L. (II. Exemplar). Die Zunge ist von der Epiglottis bis zur Spitze 4,7 cm lang und an den Papillae laterales 1,3 em breit; der freie Vorderabschnitt hat eine Länge von 1,1 cm. Vier Papillae vallatae sind vorhanden. Die beiden Laterales von etwa 3/, mm Durchmesser bilden mit der großen, ovalen Centralis, bei welcher der etwas größere Längsdurchmesser eine Länge von etwa 1!/;, mm hat, ein gleich- schenkeliges Dreieck mit einem nach dem Zungengrunde zu gerichteten Scheitel von 70°, Gerade vor der großen Scheitelpapille, 2 mm von ihr entfernt, liegt die vierte, kleinste Wall- papille (Textfig. 18). Von einem Wall ist bei keiner Papille viel are, erkennen. Er wird bei den Seitenpapillen ae dadurch angedeutet, daß die einfassenden Papillae filiformes etwas niedriger sind als die übrigen. Bei den beiden medianen Papillen ist selbst diese Veränderung der Umgebung kaum wahrzunehmen. Das Randorgan zieht sich jederseits am Rande der papillären Fläche in einem ganz schwach nach außen gekrümmten Bogen etwa so weit nach vorn hin, daß die Verlängerung der Schenkel des Wall- papillenwinkels dicht vor dem Ende vorbeigehen würde. Die Länge des Gesamtorgans beträgt etwa 8 mm, die der einzelnen Furchen, von denen acht bis zehn vorhanden sind, höchstens 3/, mm, so daß Fig. 18. Mucacus nemestrinus (ll). Die Zungenpapillen der Primaten. 619 diese relativ weit voneinander entfernt sind. Auch die Anfangs- und Endfurchen sind deutlich wie selten erkennbar. Die hinterste Furche ist die kleinste; bei den übrigen ist eine schwache Größenzunahme nach vorn unverkennbar. Die Stellung der Spalten ist nicht immer senkrecht zur Richtung des Gesamtorgans; sehr häufig liegen sie sehr schräg, nach vorn oben ansteigend. Nach oben zu setzen sich, wie so oft, manche Furchen, vor allem im mittleren Teil, in untiefe Rillen fort, von denen je eine zwischen zwei Reihen von Papillae filiformes liegt. Das gleiche ist an den bei dieser Zunge nur an- deutungsweise vorhandenen Zwischenfurchen wahrzunehmen. Die Papillae fungiformes sind in einigen wenigen Exem- plaren sogar auf der Mitte des Zungenrückens zu finden. Nach hinten zu dringen sie bis zu der kleinen medianen Vallata vor, sind also auch innerhalb des Papillenwinkels noch vorhanden. Sehr aus- geprägt ist die nach der Zungenspitze zu eintretende Häufung. Die mikroskopische Untersuchung der vor der Vallata centralis liegenden Papille ergibt, daß diese eigentlich nur zum Teil als Wall- papille zu bezeichnen ist (vgl. Tafelfig. 5). Vorder- und Rückseite sind, wie bei so vielen Papillen, an der entsprechenden Stelle nicht ganz gleichmäßig ausgebildet. Die eigentliche Papille erscheint nach vorn zu, wo sie etwas höher ist als hinten, ein wenig übergeneigt. Der im allgemeinen sehr wenig tiefe Graben ist dagegen hinten besser ausgebildet. Geschmacksknospen sind mit Sicherheit nur auf der Rückseite der Papille festzustellen. Sie stehen dort in sehr ge- ringer Anzahl, meist an der Stelle wo der sich allmählich nach hinten zu senkende Papillenrücken in den eigentlichen Graben über- geht. Ein paar kommen noch weiter unten vor. An der Vorder- wand und der Oberfläche der Papille waren Knospen nicht zu finden. Die Ausführgänge seröser Drüsen münden sowohl vorn als hinten in den Graben. Der bindegewebige Grundstock der Papille trägt mit Ausnahme der Basis und der unmittelbar darüber befindlichen Ge- biete allseitig Sekundärpapillen. Er enthält außerdem zahlreiche Lymphocyten, die sich auf der Rückseite zu einer diehteren Ansamm- lung zusammendrängen. Auch diese Papille ist wie die entsprechende von Cynopithecus nur auf einer Seite als echte Vallata ausgebildet. Ein kleiner Unter- schied besteht aber doch. Es münden hier die Gänge seröser Drüsen auch auf der Vorderseite der Papille, wo Geschmacksknospen ab- solut fehlen. Das war bei Oynopethecus nieht der Fall. Dort hatte der vordere Papillenabschnitt noch nichts mit Drüsen zu tun, stand 620 Gustav Kunze also etwa auf dem Stadium einer Papilla fungiformis; hier hingegen könnte der mit Drüsengängen ausgestattete und dabei knospenlose Teil vielleicht mit jenen drei Papillen von Papio sphin& verglichen werden, die den Charakter von Wall- und Pilzpapillen vereinen, worüber weiter oben schon das Nötige gesagt worden ist. Die rechte Papilla foliata wurde in Schnitte zerlegt. Ihre Unter- suchung ergab eine fast voliständige Übereinstimmung der inneren Verhältnisse mit der äußeren Ausprägung. Fast alle Furchen sind mit Knospen reich besetzt, auch die vorderste und hinterste. Nur die vorletzte, schon äußerlich die unbedeutendste, ließ Sinnesknospen vollkommen vermissen. Zwischen den serösen Drüsen, die in leidlicher Menge vor- handen waren, fanden sich auch sehr kleine Mengen von Schleim- drüsen. Lymphocyten sammeln sich am diehtesten im oberen Teile der Wandungen der Spalten, ohne ausgesprochene Lymphknoten zu bilden. Eine Bevorzugung des vorderen oder hinteren Abschnittes des Randorganes ist dabei nicht zu bemerken. Macacus (spec?). (Javaaffe). Aus der der Zunge beigegebenen Artangabe »Javaaffe« kann man nur schließen, daß von den häufigeren Arten nicht Macacus rhesus gemeint sein kann. Ich beschreibe diese Zunge im Anschluß an die beiden Zungen von Macacus nemestrinus Fig. 19. deshalb, weil sie in allen wesentlichen Punkten eine große Übereinstimmung mit diesen er- kennen läßt. Die Zunge ist 4,8 em lang und an den Val- latae laterales 1,6 cm breit; die Länge der freien Spitze beträgt 0,8 cm. Sie ist sehr gut mit Papillae vallatae ausgestattet, da sie deren sechs besitzt (vgl. Textfig. 19), von denen keine klein ist. Fünf ee TON ihnen bilden, in jeder Beziehung symme- lung. trisch gelagert, den in diesem Falle etwa 85° weiten Papillenwinkel. Zwischen ihnen, auf der Medianlinie, etwas hinter den flankierenden Wallpapillen, liegt die sechste. Die Verteilung der Papillen ist derart, daß hinten drei Papillen, die Vallata centralis und je eine auf einem Schenkel des Winkels, dicht beieinander liegen. Dann sind die Schenkel bis zu den Late- Macacus spec. Die Zungenpapillen der Primaten. 621 rales frei. Nur eine ganz schwache Stufe der Zungenoberfläche, außen von der Winkelfigur gelegen, deutet den Zusammenhang an. Die beiden Vallatae laterales sind mit 5/,mm Durchmesser die größten, dabei ziemlich kreisrund und wenig über die Umgebung hervor- ragend, im Gegensatz zu allen übrigen Papillen, bei denen das in beträchtlichem Maße der Fall ist. Etwas kleiner als die Laterales sind die beiden der Centralis benachbarten, welch letztere noch etwas mehr an Größe zurücksteht. Alle diese fünf Papillen sind mit einem Wall verseben, der zwar bei den hinteren mehr angedeutet, bei den lateralen aber durch ein äußerst scharf begrenztes, glattes, ring- förmiges Feld dargestellt wird, das indessen nur ganz wenig über die Zungenoberfläche emporragt. Die sechste Papille ist in mancher Beziehung von den Papillen verschieden, welche sich an der Bildung der Winkelfigur beteiligen; sie ist die kleinste von allen und entbehrt gänzlich einer wallartigen Bildung. Das 9 mm lange Randorgan setzt sich aus etwa zwölf Furchen zusammen, die 5/, mm hoch werden können. Rechts stehen, wie so oft, die Furchen vorn dichter als hinten, wo sich Zwischenfurchen einschieben. Links sind diese Verhältnisse nicht so klar. Gelegent- lich teilt sich eine Furche in zwei Äste. Hinten beginnt das Rand- organ etwas vor der Vallata centralis; vorn endigt es da, wo die Verbindungslinie der isolierten medianen Wallpapille mit den Vallatae laterales seine Streichriehtung schneidet. Die Verteilung der Papillae fungiformes ist ganz ähnlich wie bei Macacus nemestrinus Il. Nur sind die Papillen an den Seiten und selbst weiter vorn, abgesehen vom allerletzten Abschnitt, recht groß. Um eine mediane, sehr papillenarme Längszone herum stehen die Fungiformes in beträchtlicher Anzahl. Am Rande stehen vor den Foliaten nach kurzem Zwischenraum zahlreiche kleinere Papillen sehr dicht, beinahe in zwei Reihen, aber ohne Ordnung, in nächster Nähe des Grenzsaumes der papillären Fläche. Weiter vorn, ausgenommen die Spitze natürlich, übertrifft die Papillenzahl des Randes kaum die der oberen Fläche. Eine Schnittserie durch die Papille zwischen den Wallpapillen- schenkeln ergibt, wie zu erwarten war, den Befund einer echten Wallpapille, deren Graben aber ziemlich seicht ist und nur auf der Rückseite tiefer hinabreicht. Bezeichnenderweise ist diese Papille wie so viele an der entsprechenden Stelle nur auf der Rückseite mit Geschmacksknospen besetzt (vgl. Textfig. 20). Allzuviele sind Morpholog. Jahrbuch. 49. 41 622 Gustav Kunze es nicht; bis zu sieben liegen übereinander; keineswegs aber reichen sie um die ganze hückseite herum. An der Außenseite des Grabens fehlen Geschmacksknospen vollkommen. Die Mündungen seröser Drüsen sind nicht auf die hintere Seite der Papille beschränkt, sondern kommen auch vorn vor. Trotzdem pezeichnet diese Papille in der Mitte der Zunge annähernd die vor- dere Grenze der serösen Drüsenmassen. Sie reichen nur wenig über sie hinaus. Fettzellen sind sehr häufig; sie kommen aber nicht so sehr an den Drüsen vor, etwa als Ersatz dieser, als allenthalben zwischen den subeutanen Muskelmassen. Lymphocyten sind häufig, diffus verteilt oder in Haufen, niemals aber in der Gestalt echter Lymphknoten. Die dichtesten Ansamm- Macacus spec. Längsschnitt durch die auf der Medianlinie liegende einseitig ausgebildete Papilla vallata. lungen sind an einzelnen Stellen unter der Epidermis zu finden, je- doch nieht im Papillengrundstock, wo nur die nach dem Zungen- gsrunde zu liegende Seite reichlich mit ihnen versehen ist. Die hintere, unpaare Vallata zeigt auch mikroskopisch nichts, was vom Typus abwiche; auf der äußeren Seite des Grabens fehlen Knospen. Eine kurze Strecke hinter der Papille beginnt das Gebiet der Schleimdrüsen. - Zur Charakteristik der eben beschriebenen halbseitig entwickelten Papilla vallata kann das dienen, was ich über die entsprechende Papille bei Macacus nemestrinus Il. gesagt habe. Es ist derselbe Die Zungenpapillen der Primaten. 623 Typus; nur ist bei dieser Papille der Knospenbesatz etwas reich- licher. Macacus rhesus Audeb. Die Zunge ist von der Epiglottis bis zur Spitze 7,4 cm lang und 2,8 cm breit; die freie Spitze hat eine Länge von 1,5 cm. Es sind fünf Papillae vallatae vorhanden (s. Textfig. 21). Die größte von ihnen steht hinten als Centralis. Ihr Längsdurchmesser beträgt 2, ihr Querdurchmesser 1!/;, mm. Die nächsten in der Größe sind die mehr runden Lateralpapillen mit knapp 1!/;, mm Durch- messer. Die beiden übrigen Papillen stehen in der Nähe je eines der Winkelschenkel. Es erscheint sehr zweifelhaft, ob man sie auf die Schenkel selbst verlegen darf. Die Strecke zwischen der hin- tersten Papille nämlich und den Lateralpapillen ist glatter als die papilläre Fläche innerhalb und außer- halb der Winkelfigur, deutet also die Schenkel des Winkels an und ist weiterhin noch dadurch charakteri- siert, daß die an Stelle der Papillae filiformes stehenden sehr niedrigen Prominenzen in der Richtung Zentral- papille—Lateralpapille gestreckt er- scheinen. Fig. 21. Die beiden accessorischen Wall- papillen, von denen die rechte, größere einen Durchmesser von etwa 1 mm hat, stehen aber nicht auf der abweichend gestalteten Strecke, welche den Schenkeln des Winkels entspricht, sondern innen davon, so daß man also im Zweifel sein kann, ob sie hier die Schenkel des Winkels repräsen- tieren. Eher könnte man sie dadurch einordnen, daß man einen zweiten Winkel innerhalb des ersten zu Hilfe nimmt, wie dies schon bei manchen Zungen von Münch geschehen ist. Macacus rhesus. Skizze der Papillenveıteilung. Die weit hervorragende Vallata centralis besitzt als Wall einen allmählich ansteigenden Wulst glatterer Zungenhaut; die auch noch beträchtlich hervorragenden Lateralpapillen sind von einem mehr als 1/, mm breiten deutlich begrenzten Wall umgeben, der ebenfalls höher liegt als die Umgebung. Bei den kleinen Wallpapillen sind höchstens die angrenzenden Filiformes etwas verändert. Das Randorgan setzt sich aus etwa elf Furchen zusammen, 41* 624 Gustav Kunze deren längste etwa 1!/;, mm lang sind. Nach vorn zu nimmt ihre Größe ziemlich allmählich ab. Das Organ erstreckt sich von den Ansatzstellen des Arcus palatoglossus aus, deren rechte auf der Höhe der mittleren Wallpapillen und deren linke etwas weiter zurückliegt, nach vorn zu in einem schwach nach außen zu ge- krümmten Bogen so weit, daß wenigstens links die Verlängerung der Schenkel des Wallpapillenwinkels das Ende annähernd treffen würde, wenn die Krümmung der Zunge berücksichtigt wird. Neben- furchen sind allgemein vorhanden, aber sehr seicht, da ja die Haupt- furchen weit voneinander abstehen. Oft kommen noch weitere schwache Fältelungen vor. Auf der Mitte des Zungenrückens sind nicht viele Papillae fungiformes vorhanden, auch nicht vor den Randorganen. Vorn ist ihre Verteilung die übliche. Recht viele aber stehen vor den Wallpapillen und zwischen ihnen. Macacus (Zati) pileatus Shaw. Die Länge der Zunge von der Epiglottis bis zur Spitze beträgt 4,2 cm, die Breite 1,45 cm. Die Länge der freien Spitze war, da das Frenulum fehlte, nicht festzustellen. Bei makroskopischer Betrachtung sind höchstens fünf Papillae vallatae zu finden (Textfig. 22), von denen an die elliptische Centralis mit 1 mm Längs- z durchmesser die beiden kreisrunden Late- N rales an Größe nicht übertrifft. Auf beiden ee Schenkeln des Winkels scheint noch je eine Erz s“ “5772 weitere, sehr undeutliche Papille vorhanden zu sein; auf dem rechten steht diese ziem- lich in der Mitte zwischen Centralis und Macacas pileatus. Lateralis dextra, an Größe letzterer beinahe Skizze der Papillenverteilug. oleich. Auf dem linken Schenkel liegt die PD Papillen ohne Graben mit F : : o as - EEE EIER, Zwischenpapille, die nicht größer ist als eine gewöhnliche Fungiformis, etwas näher der Sinistra lateralis; dieht daneben findet sich auf der Innenseite eine Papille, die äußerlich einer P. fungiformis gleicht. Bei Besprechung der mikroskopischen Untersuchung wird es sich zeigen, daß die auf dem linken Schenkel liegende Zwischen- papille keine echte Vallata ist, so daß also im ganzen nur vier Wallpapillen vorhanden sind. Wallähnliche Bildungen, die aber weder deutlich ausgeprägt Die Zungenpapillen der Primaten. 625 noch besonders gut begrenzt sind, weisen nur die flankierenden Papillen auf; relativ am besten entwickelt ist der Wall bei der linken Lateralis. Die Schenkel des 90° großen Winkels sind nicht wie gewöhnlich geradlinig, sondern zeigen, natürlich nur bei Be- rücksichtigung der zwischengestellten Papillen, eine schwache Biegung nach innen. Die Zentralpapille trägt auf der rechten Seite eine pilzpapillen- ähnliche Bildung, desgleichen trägt die mittlere Papille des rechten Schenkels eine ganz schwache Bildung ähnlicher Art auf der me- dialen Seite. Die 9mm lange Papilla foliata setzt sich aus etwa neun Furchen von höchstens 2/; mm Länge zusammen, die mit Ausnahme der vordersten etwas nach vorn übergeneigt sind. Vorn stehen die Furchen nahe beieinander, hinten verhältnismäßig weit; dabei sind die letzten von je zwei Wülsten eingefaßt, wodurch in sehr deutlicher Weise die üblichen Zwischenfurchen zustande kommen. Das Organ erstreckt sich von der Höhe der Vallata centralis nach vorn in einem ganz schwach nach außen gekrümmten Bogen so weit, daß die ver- längerten Wallpapillenreihen bei Berücksichtigung ihrer Biegung die Vorderenden treffen würden. Die Papillae fungiformes sind ungemein schwer zu er- kennen. Etwas Besonderes ist in ihrer Anordnung nicht festzu- stellen. Vor den Papillae foliatae häufen sie sich in keiner Weise, wohl aber stehen mehrere vor den Wallpapillen und einige wenige zwischen diesen. Die mikroskopische Untersuchung ergibt, daß die beiden auf den Schenkeln vorhandenen accessorischen Papillen und noch dazu die der kleineren von beiden benachbarte scheinbare Fungiformis mit serösen Drüsen ausgestattet sind. Die auf dem rechten Schenkel gelegene Papille ist eine echte Wallpapille, mit zahlreichen Drüsen und einer entsprechenden An- zahl von Geschmacksknospen versehen, die mit erheblichen Unter- brechungen rund herum an der Wand der eigentlichen Papille gelagert sind. Auf der Oberseite, in deren Epithel lange Binde- . gewebsfortsätze hineinragen, und an der Außenseite des Grabens sind Knospen nicht zu finden. Sehr bemerkenswert ist nun der Zustand im entsprechenden Teil des linken Schenkels. Dort stehen, wie schon erwähnt, zwei Papillen, von denen die eine direkt auf dem Schenkel des Winkels, die andere in geringer Entfernung davon mehr nach der Median- 626 Gustav Kunze linie zu gelegen ist. Beide wären ihrer Gestalt nach wohl unter die Papillae fungiformes einzureihen, ohne daß sie den entwickeltsten dieser Art gleichkämen. Die äußere, deutlichere Papille steht ziem- lich frei; um den mit vielen Sekundärpapillen besetzten Grundstock ist das Epithel tiefer eingesenkt als sonst zwischen den Papillae filiformes. Bei der anderen, mehr innen stehenden Papille fehlt über- haupt jede Andeutung einer Furche; die in Verhornung begriffene Epidermis geht glatt darüber hinweg, und die ganze papilläre Vor- wölbung über die Umgebung ist sehr unbedeutend. Bei beiden Papillen sind die Mündungen von Geschmacksdrüsen zu finden, die immerhin in nicht geringer Menge vorhanden sind, Fig. 23. AsD 2 2 028 u) on Macacus riet Querschnitt durch die kleine accessorische Wallpapille des rechten Schenkels und die beiden kleinen auf bzw. neben dem linken Schenkel gelegenen Papillen. Letztere (auf diesem Schnitt nur am Rande getroffen) besitzen keinen Graben, sind aber mit serösen Drüsen ausgestattet. trotzdem bei jeder Papille nur ein Gang zu konstatieren ist, in dem ein, wenn auch nur enges Lumen sichtbar wird. Geschmacksknospen kommen, höchst vereinzelt, nur am Ende irgendeines Bindegewebsfortsatzes bei beiden Papillen vor. Diesen Papillen den ihnen gebührenden Platz unter den ver- schiedenen Papillen-Sondertypen anzuweisen, dürfte keine Schwierig- keiten bereiten. Es sind Papillen, die mit ihrer Knospenarmut und dem Fehlen eines echten Grabens prinzipiell von derselben Be- schaffenheit sind wie die drei bei Papio sphinz erwähnten. Nur sind sie hier viel unbedeutender. Die Textfig. 23 gibt einen Aderkanie wieder, der die echte Wallpapille des rechten Schenkels schneidet und die beiden eben behandelten Papillen wenigstens noch trifft. Die Zungenpapillen der Primaten. 627 Macacus (Vetulus) silenus L. Die Länge der Zunge beträgt 7,8 cm, ihre Breite 2,9 em; die freie Spitze ist 1,9 cm lang. Es sind sieben Papillae vallatae von recht verschiedener Größe vorhanden (vgl. Textfig. 24). Die rechte Lateralis teilt sich offenbar; die Vallata centralis wird durch zwei Papillen ersetzt, die kleinsten von allen, die so nahe beieinander liegen, daß sie sich be- rühren. Je eine von ihnen ist dem rechten und dem linken Schenkel zuzurechnen. Von accessorischen Papillen steht auf dem rechten Schenkel nur noch eine Papille, die mit 1!/, mm Durchmesser nur wenig kleiner ist als die etwas mehr ovale Lateralis sinistra. Auf dem linken Schenkel sind noch zwei Papillen zwischengestellt, von denen die hintere, etwas kleinere, der eben erwähnten zweiten großen Papille des rechten Schenkels gerade gegenüber liegt. Ihr Durch- messer beträgt etwa 1 mm. Ein Wall fehlt nur den letzten kleinen Papillen; alle übrigen haben ihn in deut- licher Ausprägung, gut hervortretend, aber oft unterbrochen oder durch die anstoßenden Fadenpapillen ersetzt. Die Struktur des Randorgans ist auf beiden Seiten von außerordentlicher Klarheit. Rechts finden sich 13, links zehn Furchen; im letzteren Falie kann allerdings noch je eine am Vorder- und Hinterende dazukommen. Die größeren Furchen des hinteren Abschnittes sind ungefähr 1!/, mm lang und fassen eine oder auch zwei weitere sehr seichte Längsvertiefungen zwischen sich; sie stehen etwa 1 mm voneinander ab. Bei den kürzeren vorderen ‘Spalten sind Zwischenfurchen nicht zu erkennen; sie stehen auch enger beieinander als die weiter hinten. Das Organ beginnt etwa auf der halben Höhe der Wallpapillenfigur und erstreckt sich, ganz unmerklich nach außen gebogen, nach vorn zu sehr weit über diese kinaus. Dennoch würde es von den Schenkelverlängerungen des sehr spitzen Wallpapillenwinkels nicht getroffen werden. Die Verteilung der Papillae fungiformes läßt keine Besonder- heiten erkennen. Auf der Mitte des Zungenrückens kommt kaum noch eine vor, am Rande der papillären Fläche, die mit dem Zungen- rande beinahe zusammenfällt, stehen sie ebenso dicht wie anderswo Fig. 24. Macacus silenus. Skizze der Papillenverteilung 628 Gustav Kunze Vorn ist die übliche Häufung zu konstatieren. Im Bereich der Wall- papillenfigur sind die Pilzpapillen nicht selten. Die hinterste an diesem Orte ist eine Kleinigkeit größer als die übrigen. Die bis jetzt vorhandenen Literaturangaben zusammen mit meinen Untersuchungen sind immerhin ausreichend, um erkennen zu lassen, daß bei den Papillae vallatae der Makaken ein Modus der Gruppierung als Regel auftritt, der bei den bis jetzt besprochenen Gattungen nur vereinzelt oder andeutungsweise festzustellen war, nämlich die Besetzung der Medianlinie vor dem Scheitel des Pa- pillenwinkels mit echten Wallpapillen. Diese Anordnung ist so oft konstatiert worden, daß sie zu den wesentlichen Merkmalen der Makakenzunge gerechnet werden muß, wenngleich sie bis jetzt nur bei Macacus nemestrinus häufig zu finden war. Die einfache Dreiecksfigur kommt noch vor; TUCKERMAN fand sie bei Macacus rhesus. Auch die aus der Dreiecksfigur unmittel- bar abzuleitende Anordnung in Gestalt zweier Papillenpaare findet sich. Weiterhin können die beiden nach dem Zungengrunde zu sich zusammenschließenden Dreiecksseiten, also die Winkelschenkel von einer oder mehreren accessorischen Wallpapillen besetzt werden. Dabei kann natürlich entweder eine Vallata centralis oder ein Papillenpaar den Abschluß bilden. Die Erweiterung der Figur durch mediane Wallpapillen kann schon dann stattfinden, wenn im übrigen nur drei Wallpapillen vorhanden sind; häufiger ist, bis jetzt wenig- stens, der Fall, daß dabei auf den Schenkeln des Winkels noch eine oder mehrere Papillen hinzukommen. Die Bereicherung, welche das Wallpapillenorgan durch die »Me- dianae anteriores« erfährt, darf nicht überschätzt werden. Nur im Prinzip sind diese Papillen den übrigen gleich; graduell stehen sie tief unter jenen, da ein Graben meist nur ein kurzes Stück weit vorhanden ist und die Gesamtzahl der Knospen dementsprechend gering ausfällt. Schon äußerlich sind diese Papillen von den übrigen, allseitig ausgebildeten Papillae vallatae verschieden. Sie haben eine rundliche Kuppe an Stelle der flacheren Oberseite jener und er- mangeln fast stets eines Walles, was vielleicht mit der relativen Armut an serösen Drüsen zusammenhängt, welch letztere aber im übrigen voll entwickelt sind. Die früheren Literaturangaben passen insofern gut zu diesen Befunden, als sie eine gewisse Unsicherheit in der Beurteilung der auf der Medianlinie vorhandenen Papillen erkennen lassen. Münch, Die Zungenpapillen der Primaten. 629 der Papillen an dieser Stelle bei Macacus memestrinus beschreibt, findet dort das eine Mal eine große Fungiformis, bei der zweiten Zunge zwei große Papillae fungiformes hintereinander, und das dritte Mal zwei Wallpapillen in derselben Anordnung. Die schwankende Bestimmung dieser Papillen zeigt schon, daß sich hier die Papillae fungiformes und die Papillae vallatae zu ähnlich werden, als daß man sie rein äußerlich scharf unterscheiden könnte. MüncH und auch STAHr beschreiben noch bei einer anderen Art, nämlich bei .Macacus eynomolgus eine Papille auf der Medianlinie vor dem letzten Wallpapillenpaar. Ersterer sieht in ihr eine kleine Vallata, letzterer eine große Fungiformis. Den mikroskopischen Be- weis haben die Autoren nicht angetreten; es spielt ja aber in diesem Falle keine allzugroße Rolle, ob ihre Angaben exakt sind. Jeden- falls darf: man aus allen diesen Beobachtungen wohl den Schluß ziehen, daß die betreffende Stelle nicht mehr das Reservat einer bestimmten Papillensorte ist. Im allgemeinen zeigt sich also bei den Makaken eine große Mannigfaltigkeit in bezug auf Zahl und Gruppierung der Papillae vallatae. Von der einfachen Dreiecksfigur, die noch beibehalten wird, kompliziert sich die Anordnung und steigt die Zahl bis zu reich besetzten Winkelschenkeln nebst Neuerwerbungen auf der Medianlinie. Die Papillae fungiformes lassen fast stets ein mittleres Längsfeld auf dem Zungenrücken frei. Gegen die Vallatae laterales verhalten sie sich vollkommen indifferent; auch innerhalb der Wall- papillenfigur, wo sie nicht spärlicher stehen als anderswo, ist äußer- lich oft keine Veränderung an ihnen wahrzunehmen. Innerlich aber hat sich bei ihnen doch gelegentlich ein sehr bedeutsamer Wandel vollzogen, indem sie durch Annahme seröser Drüsen eine Hinneigung zum Wallpapillentypus erkennen lassen. Die Beobachtungen früherer Autoren, wie MüncH und STAHR, machen es indessen wahrscheinlich, daß die Papillae fungiformes in der Nähe der Wallpapillen mitunter schon rein äußerlich ihren Habitus ändern und letzteren ähnlicher werden können. Das Verhalten am Vorderende der Papillae foliatae ist durchaus wechselnd. Mitunter gibt es dort fast gar keine Pilz- papillen, mitunter aber nach kurzer Unterbrechung so viel, daß sie auf eine kurze Strecke hin geradezu eine Art Band bilden. Das aus 8—13 Furchen zusammengesetzte Randorgan erstreckt sich in gerader Richtung oder schwach nach unten gebogen selten so weit nach vorn, daß es von den verlängerten Schenkeln des 630 Gustav Kunze Wallpapillenwinkels getroffen werden könnte. Wohl aber hört es gelegentlich dort auf, wo seine Streichrichtung die Verbindungslinie der Vallata mediana anterior mit den Laterales schneidet. Zwischen- farehen kommen meist nur im hinteren Teile der Papillae foliatae vor, während sie vorn, wo die Hauptspalten enger beieinander stehen, fehlen. 6. Genus Oercocebus (Geoff.) Münch findet bei Cercopithecus (Cercocebus) fuliginosus drei Pa- pillae vallatae. Bei Cercopithecus (Cercocebus) aethiops beschreibt F. J. C. MAyErR drei Wallpapillen in einem Dreieck und, was im Hinblick auf den analogen Befund bei einer von mir untersuchten Zunge sehr interessant ist, zwei kleinere Papillen zwischen den drei sroßen. Derselbe Autor erwähnt, daß die Papillae fungiformes zahl- reich sind und die Randorgane aus 12 Spalten bestehen. Eigene Untersuchungen. Cercocebus (Cercopithecus) aethiops L. (I. Exemplar.) Die Zunge ist 7,8 cm lang und an den Vallatae laterales 2,5 em breit. Die Länge der freien Spitze war, da das Frenulum fehlte, nicht mehr mit Sicherheit festzustellen. Drei Papillae vallatae sind vorhanden, von denen die hintere, schwach elliptische Centralis mit einem Längsdurchmesser von 2 mm weit größer ist und erheblich weiter über die Umgebung hervorragt als die beiden Laterales. Der Wall der letzteren ist nur angedeutet. An manchen Stellen bleiben die angrenzenden Pa- pillae filiformes in ihrer Größe hinter den übrigen zurück und bringen so eine Ringzone zustande, die etwas anders aussieht als die umgebende Zungenfläche. Der Wall der Vallata a centralis ist in jeder Hinsicht gut pillen ohne Graben mit serösen Drüsen. ausgebildet und hinten viel breiter als . vorn. Auf den Schenkeln des 70° großen Winkels zeigt sich die Oberfläche der Zunge in keiner Weise verändert. Von accessorischen Papillen ist auch nicht die geringste Spur vorhanden. Fig. 25. Cercocebus aethiops. Die Zungenpapillen der Primaten. 631 Hinter der Centralpapille befindet sich ein äußerlich bemerkens- wert erscheinendes Gebilde. Aus der an dieser Stelle höckerigen Zungenfläche erhebt sich eine erheblich glattere Partie zu nicht sehr bedeutender Höhe. Auf ihr liegt ein sehr unklares Gebilde, das aber papillärer Natur zu sein scheint und so dicht hinter der Vallata centralis jedenfalls an eine veränderte Mediana posterior denken ließe. Das etwa 1,2 cm lange Randorgan setzt sich rechts aus 14, links aus 12 Furchen von höchstens 1!/; mm Länge zusammen, die an Größe sehr wenig variieren. Die Spalten stehen auf beiden Seiten am Vorderende dichter als weiter hinten. Zwischenfurchen sind nicht vorhanden. Die Begrenzung des Gesamtorgans ist deutlich, obgleich sich nach vorn zu einige kleine, senkrechte Falten der Zungenhaut anschließen. Die Papilla foliata macht jederseits ein paar regellose Biegungen, die aber die im allgemeinen geradlinige Riehtung nicht besonders stören. Die Papillae fungiformes sind in nicht sehr großer Anzahl vorhanden. Größere Mengen finden sich nur vorn, eine leidliche Anzahl auch am Zungenrande. In der Mitte des Zungenrückens gibt es überhaupt keine, dagegen mehrere vor und zwischen den Vallatae laterales, wo sie aber mit Ausnahme der noch zu erwäh- nenden Riesenpapillen meist klein sind und im Gegensatz zu den vorderen Papillae fungiformes teilweise etwas eingesenkt liegen. Die hintersten drei Papillae fungiformes, die ohne etwa den Zu- sammenhang mit den übrigen zu verlieren in den Wallpapillenwinkel hinein zu liegen kommen, sind durch ihre Größe auffällig. Zwei von ihnen könnten trotzdem noch ohne weiteres als Fungiformes gelten, die dritte aber (vgl. Textfig. 25) ist mit 1!/, mm Durch- messer und fast halbkugelig hervorragender Oberfläche zu ab- weichend gestaltet, als daß man sich zur Entscheidung über ihre Natur auf die Betrachtung mit bloßem Auge hätte verlassen dürfen (Tafelfig. 11). Von diesen eben beschriebenen Papillen wurden die beiden am weitesten nach dem Zungengrunde zu liegenden mikroskopisch unter- sucht. Es ergab sich folgender interessanter Befund. Beiden Pa- pillen, sowohl der hinteren kleineren als auch der sehr großen vor- deren, kommt eine wirklich grabenartige Bildung nicht zu, denn sie sind lediglich von einer zusammenhängenden schmalen Depres- sion umgeben, die aber nichts anderes ist als die schmale Rinne, die zwischen diesen Papillen und den angrenzenden Papillae fili- 632 Gustav Kunze formes notwendigerweise zustande kommen muß. In diese seichte Rinne münden bei beiden Papillen die Ausführgänge seröser Drüsen, die in leidlicher Menge vorhanden sind. Bei der hinteren Papille liegen zwei Ausführgänge auf der vorderen, einer auf der Rückseite der Papille; die vordere hat nur einen auf der Vorderseite (Text- figur 26, Tafelfig. 6). Das Bemerkenswerteste ist, daß diesen beiden Papillen Ge- schmacksknospen vollständig fehlen. Ihre Abwesenheit an der freien Oberfläche der Papille ist erklärlich, da an dieser stark exponierten Stelle eine Tendenz zur Verhornung besteht. Sie sind aber auch an den geschützteren unteren Regionen der Seitenwände, in der Nähe der Drüsenausführungsgänge nicht zu finden. Ansammlungen von Lymphoeyten sind in ausgedehntem Maße vorhanden, vor allem im Bereich der letzten, kleineren Papille, wo sie besonders massenhaft im unteren Teil des bindegewebigen Pa- pillengrundstockes auf der der Zungenspitze zugekehrten Seite liegen. Bei der großen, vorderen Papille sind die Lymphocytenansamm- lungen ebenfalls noch sehr bedeutend, wenn auch nicht in dem Maße wie bei der anderen Papille, sie liegen hier mehr im zentralen und oberen Teile des Bindegewebsstockes. | Auch sonst finden sich in der Nähe unter der Epidermis stärkere oder schwächere Lymphocytenmassen, an einer Stelle zwischen beiden Papillen sogar eine knotenähnliche Bildung mit angedeutetem Keim- zentrum. Hervorzuheben ist weiterhin die außerordentliche Ausdehnung des Fettgewebes (Textfig. 26, Tafelfig. 6). Schon in der Tunica pro- pria kommen nicht nur in unmittelbarer Nachbarschaft der Papillen, sondern auch weiter entfernt, überall unter der Epidermis Ansamm- lungen von Fettzellen vor. Dieses vereinzelte Vorkommen ist aber von verschwindender Bedeutung gegenüber den enormen kompakten Massen, die sich in den tieferen Regionen im Bereich der Muskeln und der Hauptkomplexe der serösen Drüsen befinden. Sehr oft hat es den Anschein, als wären große Partien der Drüsen durch Fett- sewebe ersetzt worden. Auch Muskeln haben nach ziemlich unver- mitteltem Aufhören oft Stränge von Fettzellen als Fortsetzung. Es ist klar, daß eins von djesen beiden Geweben, Muskeln oder Drüsen, oder beide den Platz für das Fettgewebe geliefert haben müssen. Im einzelnen ist der Anteil an diesem Prozeß allerdings schwer fest- zustellen. Nun liegt der Gedanke nahe, daß es sich hier um Ersatz Die Zungenpapillen der Primaten. 633 der aus irgendeinem Grunde rudimentär werdenden Drüsenkomplexe handeln könnte; der enorme Lymphoeytenreichtum ließe sich damit vereinen. Wenn dieser Umstand die vorgefundenen Gewebsverände- rungen hervorgerufen hätte, dann müßten diese aber lokal be- schränkt auftreten, und über diesen Punkt kann eine Untersuchung des weiter vorn und hinten liegenden Zungengewebes Aufschluß geben. Die mikroskopische Untersuchung der weiter vorn liegenden Gewebspartien zeigt sofort, daß diese Erklärung nicht zutrifft. Auch Fig. 26. Cercocebus aethiops. Schnitt durch die hinterste der innerhalb der Wallpapillenfigur liegenden Papillen (vgl. Text- fig. 25 und Tafelfig. 11), Es ist kein Graben vorhanden, wohl aber seröse Drüsen, dort, wo gar keine Drüsen vorhanden sind und offenbar auch nie vorhanden waren, sind die Muskelstränge mit Fettmassen durchsetzt. Hinten, im Bereiche der großen Vallata centralis, an deren tief hinabreichendem Graben die Geschmacksknospen bis zu 22 über- einanderstehen, haben wir ganz dieselbe Erscheinung. Auch hier finden sich Lymphoeytenansammlungen in reichem Maße, diffus verteilt im bindegewebigen Grundstock der Papille, wo sie sich nur in der Nähe der Rückwand zu einer kompakten Masse zusammenschließen, die ‚beinahe als Lymphknoten bezeichnet werden kann. Auch in der 634 Gustav Kunze Umgegend der Papille gibt es sowohl vorn als hinten Lymphoeyten- haufen, kleine Ansammlungen und dichte Massen, die von ausge- bildeten Lymphknoten nicht mehr weit entfernt sind. Und was das Fettgewebe anlangt, so dürften die an dieser Stelle vorkommenden Massen den weiter vorn vorhandenen an Ausdehnung wohl nichts nachgeben. Die Gewebsveränderung ist offenbar ein allgemeiner Zustand. Die zwar mit Drüsen ausgestatteten, aber graben- und völlig knospenlosen Papillen wären also eigentlich wieder eine neue Kate- gorie, da die bis jetzt erwähnten Papillen ähnlicher Art wenigstens ein paar Sinnesknospen auf ihrer Oberseite aufzuweisen hatten. Ich glaube aber, daß sich dieser Typus wohl unschwer auf den schon mehrfach dargestellten zurückführen läßt, der durch. den Mangel eines Grabens, das Vorhandensein von serösen Drüsen und von nur auf der Oberseite stehenden Knospen ausgezeichnet war. Die Papillen ragen bei dieser Zunge sehr weit hervor und dürften des- halb für Einflüsse, die auf die Knospen schädigend wirken könnten, recht zugänglich sein. Es muß hierbei auch in Betracht gezogen werden, daß das Tier, dem diese große Zunge gehörte, nicht sehr jung gewesen sein kann, und die von STAHR für die Papillae fungi- formes festgestellte Neigung mit zunehmendem Alter die Knospen einzubüßen, dürfte wohl auch für diese Papillen Geltung haben, die mit Pilzpapillen doch mindestens ebenso verwandt sind wie mit Papillae vallatae. Das Gebilde hinter der Vallata centralis, in dem man eine um- gebildete Mediana, posterior hätte vermuten können, erwies sich bei der mikroskopischen Untersuchung als eine durchaus äußerliche und bedeutungslose Auftreibung. Cercocebus (Cercopithecus) aethiops L. (II. Exemplar.) Die Zunge ist von der Epiglottis bis zur Spitze 7,7 em lang und an den Vorderenden der Papillae foliatae 3,3 cm breit. Die freie Spitze hat eine Länge von 2 cm. Drei Papillae vallatae bilden ein gleichschenkliges Dreieck, dessen an der Papilla centralis liegender Scheitelwinkel etwa 50° sroß ist. Die Zentralpapille hat die Form einer Ellipse, deren un- gefähr 11/, mm lange Hauptachse in der Längsrichtung liegt; die beiden etwas kleineren Lateralpapillen sind fast kreisrund. Auf den Winkelschenkeln finden sich keinerlei Andeutungen weiterer Papillen. Ein Wall ist bei keiner der drei Papillen vorhanden. Die Zungenpapillen der Primaten. 635 Das ziemlich geradlinige Randorgan setzt sich rechts aus elf, links aus sieben Furchen von reichlich lmm Länge Zusammen, zwischen denen nur manchmal die bei dieser Zunge durchweg sehr wenig tiefen Zwischenfurchen erkennbar sind. Das 1,3 cm lange Organ beginnt hinten ein ganzes Stück vor der Vallata centralis und reicht nach vorn zu lange nicht so weit, daß es von den verlän- gerten Schenkeln des spitzen Wallpapillenwinkels geschnitten werden könnte. Die Papillae fungiformes sind nicht sehr zahlreich vor- handen. Zwischen und vor den Papillae vallatae stehen mehrere, eine davon sehr nahe der Lateralis dextra, auf deren medialer Seite. Auf den Seitenteilen der Zungenoberfläche sind sie ausnahmsweise spärlich, nicht aber am Rande, wo sie in leidlicher Anzahl bis dicht an die Papillae foliatae heranreichen. Auf einem ausgedehnten Ge- biet der Zungenrückenmitte fehlen sie ganz. An der Zungenspitze aber findet eine sehr beträchtliche Häufung statt. Die kleine Papille nahe der Lateralis dextra, über deren Natur man wegen der Wallpapillennähe im Zweifel sein konnte, stellte sich bei der mikroskopischen Untersuchung als eine echte Fungi- formis heraus; in ihrem Bereiche sind bedeutende Massen seröser Drüsen festzustellen, die natürlich zu der benachbarten Wallpapille gehören; auch Fettzellen sind nicht selten. Lymphocyten spielen keine Rolle. Zur Entscheidung der Frage, welche Wallpapillenverhältnisse für Cercocebus gültig sind, genügen natürlich die bis jetzt vorhandenen Angaben nicht. Der Umstand aber, daß F. J. ©. MavYEr zwischen den drei Papillae vallatae zwei kleinere fand, kann vielleicht immerhin als ein Hinweis aufgefaßt werden, daß die auffälligen Papillen, die ich an dieser Stelle fand, wenigstens nicht als Aus- nahmen zu betrachten sind. Das Randorgan verläuft bei beiden von mir untersuchten Zungen in gerader Richtung; die zwischen zwei Hauptfurchen vor- handenen Nebenfurchen sind, soweit sie überhaupt auftreten, höchst unbedeutend. Bemerkenswert ist die geringe Anzahl der Papillae fungi- formes. Eine ähnliche Armut an Pilzpapillen findet Staur bei der Zunge einer unbekannten Art aus der Gattung Cercopithecus. Viel- leicht lag gar keine Zunge dieser Gattung vor, sondern eine von Cercocebus; die Übereinstimmung mancher Eigenschaften der von 636 . Gustav Kunze STAHR untersuchten Zunge mit solchen, die ich bei beiden Zungen von Oercopithecus feststellen konnte, darf immerhin nicht unbe- achtet bleiben. Beide Gattungen werden ja nicht immer durch be- sondere Bezeiehnung unterschieden, wie die Namen Cercopithecus aethiops und Üercopithecus fuliginosus zeigen. Auch die große, vor der Vallata centralis stehende Pilzpapille, die STAHr erwähnt, würde zur Gattung Cercocebus mindestens ebensogut passen wie zur Gat- tung ÜCercopithecus. 7. Genus ÜOercopithecus. TUCKERMAN beschreibt bei Cercopithecus (Diana) diana drei Pa- pillae vallatae. Die Zunge hatte eine Länge von 55 mm, war 21 mm breit und vom Frenulum ab auf 15 cm frei. Die Scheitel der Pa- pillen waren glatt und abgeplattet. Das Randorgan maß 12,5 mm in der Länge und 2,5.mm in der Breite. Acht oder neun Falten waren vorhanden. Die über den Zungenrücken zerstreuten Papillae fungiformes standen ganz vorn besonders dicht. Drei Papillae vallatae beschreibt auch Münch bei Cercopithecus (Rhinostietieus) petaurista und drei Exemplaren von Cercopithecus (Mona) mona. Bei Cercopithecus petaurista hebt Münch die Größe und Ähnlichkeit der drei Papillen hervor, bei Cercopithecus mona die Ellipsenform der Papillen, deren Hauptachse bei der hinteren Papille in der Längsrichtung, bei den vorderen Papillen aber parallel zu den Schenkeln des Winkels orientiert war. Die Wallpapillen der Zunge von Cercopithecus sabaeus sind von mehreren Autoren beschrieben worden. F. J. ©. MAyEr beschreibt zwei Papillenpaare, ebenso MÜüncH an zwei von fünf untersuchten Zungen. Von den übrigen Exemplaren war bei einer einzigen reine Dreiecksfigur vorhanden, wobei die beiden Lateralpapillen wiederum durch elliptische Gestalt mit dem Längsdurchmesser parallel den Schenkeln des Winkels ausgezeichnet waren. Etwas abweichend verhielten sich die beiden letzten Zungen, deren eine noch je auf einem Schenkel eine weitere kleine Vallata hatte, während bei der anderen die reine Dreiecksanordnung dadurch gestört war, daß sich auf dem rechten Schenkel eine kleine Papille fand, über deren Natur, ob Fungiformis oder Vallata, der Autor selbst seinen Zweifel äußert. ? HALLER schildert bei derselben Art die so häufige Anordnung in zwei Papillenpaaren, die auf die zwei Äste zu liegen kommen, in die sich der breite »Sagittalwulst« gabelt, der sich zwischen Die Zungenpapillen der Primaten. 637 Wallpapillenfigur und Epiglottis auf der Medianlinie entlang zieht. Die hinteren beiden Papillen liegen auf der Gabelungsstelle dieses Wulstes. STAHR gibt bei der Zunge einer nicht näher bekannten Aıt der Gattung Cercopithecus die übliche Dreizahl der Papillae vallatae an. Die folgenden Angaben habe ich schon bei der zusammenfassenden Besprechung der Gattung Cercocebus erwähnt. Vor der Centralis war eine große Fungiformis vorhanden, im übrigen waren die Pa- pillae fungiformes an allen Teilen der Zunge zu finden und relativ groß, aber spärlich an Zahl. Eigene Untersuchungen. Cercopithecus sabaeus L. Die Zunge, bei der die sehr stark ausgebildeten Papillae fili- formes einige durch die Leisten des harten Gaumens hervorgerufene Querfurchen auf dem vorderen Teil nur sehr undeutlich hervortreten lassen, ist von der Epiglottis bis zur Spitze 6,5 cm lang und an den Papillae vallatae 2,2 cm breit. Die freie Spitze hat eine Länge von 1,1 em. Eine Vallata centralis fehlt. Sie ist durch zwei Wallpapillen ersetzt, die nur l mm voneinander entfernt sind und etwa gleiche Größe haben. Der Wall ist bei ihnen nur sehr schwach durch all- mähliches Kleinerwerden der umgebenden Papillae filiformes ange- deutet. Die beiden flankierenden Papillen sind größer und lassen sar keinen Wall erkennen. Von allen Seiten her reichen die Faden- papillen mit ihren ausnahmsweise langen Fortsätzen bis an den Hauptteil der Papille heran. Beide Papillenpaare sind natürlich auf den Schenkeln eines Winkels liegend zu denken, der in diesem Falle etwa 80° weit ist. Das Randorgan setzt sich aus etwa acht Furchen zusammen, deren größte etwa 1!/; mm lang sind. Fast alle sind gegen die Streichrichtung des Gesamtorgans geneigt; vorn macht die Papilla foliata mit den letzten kurzen Furchen eine plötzliche Biegung nach oben. Die zahlreich vorhandenen Nebenfurchen sind von den Haupt- furchen oft schwer zu unterscheiden. Das ganze etwa 1,3 cm lange Organ beginnt hinten auf der Höhe des abschließenden Wallpapillen- paares und reicht nach vorn zu nicht ganz so weit, daß es von den verlängerten Schenkeln des Winkels getroffen wird. Morpholog. Jahrbuch. 49. 42 638 Gustav Kunze Die Papillae fungiformes fehlen auf der Mitte des Zungen- rückens nicht ganz; vor der Wallpapillenfigur findet sich sogar eine ganze Anzahl, zwischen den Papillae vallatae selbst aber nur sehr wenige. Im Gegensatz zu diesen Papillen, die zwischen den an- grenzenden Papillae filiformes ziemlich tief eingebettet liegen, ragen die übrigen weiter vorn und am Rande stehenden doch noch über die Umgebung hervor. Am Rande der papillären Fläche beginnt hinten nach kurzer Unterbrechung vor den Papillae foliatae ein kurzer, aus kleinen Fungiformes gebildeter Streifen, der allmählich verschwindet, worauf dann Pilzpapillen in der gewöhnlichen regellosen Gruppierung folgen. Über dem bezeichneten Papillenstreifen ist eine kurze Strecke weit eine papillenfreie schmale Längszone vorhanden. Cercopithecus (Mona) mona Schreb. (I. Exemplar.) Die Zunge mißt in der Länge 4,1 cm, in der Breite, an den Vallatae laterales gemessen, 1,7 cm. Die freie Spitze ist 8 mm lang. Auf dem Vorderteil der Oberfläche haben rechts und links die Querleisten des harten Gaumens eine Reihe von schwach’ gebogenen Furchen eingeprägt. Die Zungenspitze und der ganze letzte Ab- schnitt von den Vallatae laterales ab bleiben von dieser Defor- mierung verschont, die auf die Papillenbedeekung nicht den ge- ringsten Einfluß ausübt. Die drei Papillae vallatae, welche etwas über die Umgebung hervorragen, bilden zusammen einen Winkel von etwa 95°. Der Wall selbst erscheint nur als glatte, schmale, ringförmige Zone um den Mittelteil herum. Bei der Vallata centralis ist er besser aus- gebildet als bei den Vallatae laterales. Alle drei Papillen haben schwach elliptische Gestalt; bei der Centralis liegt die 11/;, mm lange Hauptachse in der Längsrichtung, bei den flankierenden Papillen steht sie senkrecht auf der Medianlinie. Diese beiden Papillen sind von verschiedener Größe; die rechte hat eine Hauptachse von etwa 1!/; mm Länge, während die kleinere linke die Vallata centralis an Umfang kaum übertrifft. Die Symmetrie erscheint also wenigstens äußerlich nieht vollständig bewahrt; groß ist aber die Differenz beider Seiten nicht. Auf den Schenkeln des Winkels zwischen den einzelnen Papillen sind nicht die geringsten Andeutungen weiterer kleinerer Elemente vorhanden. Das Randorgan besteht aus etwa zehn Spalten, die vorn kleiner sind und etwas dichter stehen als hinten, wo fast stets eine Die Zungenpapillen der Primaten. 639 untiefe Zwischenfurche wahrzunehmen ist. Der vorderste Teil des wie gewöhnlich sich nach vorn zu etwas senkenden Organs ist nur andeutungsweise nach vorn, nicht aber nach oben gebogen. Die Papilla foliata reicht nach vorn zu lange nicht so weit, daß sie von den verlängerten Schenkeln des Wallpapillenwinkels getroffen würde, und endigt hinten weit vor der Vallata centralis. Die Papillae fungiformes sind sehr ungleichmäßig verteilt. Vorn ist die Anhäufung kleinerer Papillen sehr beträchtlich; da- gegen sind die Seiten der Oberfläche, also bei dieser Zunge das Ge- biet der Querfurchen, mäßig besetzt bis auf die Gegend vor den Papillae vallatae laterales, wo die Dichte wieder etwas zunimmt und auch ein paar besonders große Exemplare zu finden sind. Hier vor den Laterales trennen die auf die Zungenrückenmitte übertre- tenden Fungiformes ein kleines vorderes von Pilzpapillen freies Längsfeld von dem gleichfalls bis auf ein kleines Exemplar pilz- papillenlosen Gebiet zwischen den Wallpapillen. An dem recht scharfen Zungenrande gibt es eine ganze Anzahl von Pilzpapillen, darunter recht große; nach hinten zu reichen sie nicht ganz bis an die Papillae foliatae heran. Oercopithecus (Mona) mona Schreb. (II. Exemplar.) Die Zunge mißt von der Epiglottis bis zur Spitze 5,5 em; ihre Breite beträgt 2 em, die Länge der vom Frenulum ab freien Spitze 1,3 cm. Von den drei Papillae vallatae ist die kreisrunde Centralis mit 11/;, mm Durchmesser die weitaus größte; sie ragt erheblich über die Zungenoberfläche empor, die beiden gleich- falls kreisrunden Vallatae laterales aber nur ganz wenig. Bei letzteren beträgt der Durch- messer 11/, mm. Der Wall wird bei allen durch ein mäßig breites, glattes Ringfeld gebildet, das sich allein bei der Zentral- PIERRE. papille etwas zum Mittelteil hin emporwölbt. skizze der Papillenverteilung. Die Zungenoberfläche ist im Bereich ?€@D Papille mit beginnender 5 f x Grabenentwicklung und einem der drei Wallpapillen nicht ganz unverändert Ausführgang seröser Drüsen. geblieben. Die Schenkel des 95° weiten Papillenwinkels kennzeichnen sich schon äußerlich durch eine nach außen hin abfallende geringe Niveaustufe, welche außerhalb des Papillenwinkels, neben den Schenkeln desselben von der Cen- 42* Fig. 27. -- Hl 640 Gustav Kunze tralis bis zu je einer Lateralis auf der Zungenoberfläche entlang zieht (Textfig. 27). Das Randorgan endigt hinten jederseits ein ganzes Stück vor den Ansatzstellen des Arcus palatoglossus, die ungefähr auf der Höhe der Vallata centralis liegen. Die Verlängerung der Schenkel des Wallpapillenwinkels würde das Randorgan an seinem Vorderende treffen, wo es mit den letzten beiden Furchen nach oben umbiegt. Rechts sind sieben, links neun Spalten zu zählen, fast alle etwa l mm lang und von unübertrefflicher Deutlichkeit. Sie stehen, da die Gesamtlänge des Organs 1,1 cm beträgt, weit voneinander ab und mit ihnen die sie einfassenden kleinen Auftreibungen, so daß nirgends eine Zwischenfurche zustande kommt. Die Zahl der Papillae fungiformes ist nicht besonders groß. Die Mitte des Zungenrückens bleibt frei; ganz vorn häufen sie sich aber nicht im Übermaß. Auch vor den Vallatae laterales stehen ein paar, darunter einige von den größeren, etwas dichter beieinander; eine steht dicht neben der Lateralis sinistra in der Verlängerung des linken Wallpapillenschenkels. Erwähnenswert ist eine Reihe von Pilzpapillen, welche die Foliaten nach vorn zu ohne jede Unter- brechung ein Stück weit fortsetzen. Von den wenigen Papillae fungiformes, die zwischen den Wall-_ papillen liegen, verdient die am weitesten nach hinten gerückte besondere Beachtung, denn sie erscheint mit einer deutlichen Ring- furche versehen, die sie vor allen übrigen Pilzpapillen auszeichnet. Schon mit bloßem Auge ist leicht zu erkennen, daß diese Vertiefung auf der Rückseite der Papille breiter ist als vorn (Textfig. 27). Eine Schnittserie durch die eben erwähnte Papille läßt er- kennen, daß es sich nicht um eine Papilla fungiformis handelt, denn es mündet bei ihr ein aus der Tiefe aufsteigender Gang mit stellen- weise deutlich sichtbarem, engem Lumen, der natürlich nichts anderes als der Ausführweg von serösen Drüsen sein kann, die aber so tief liegen, daß sie auf den Schnitten nicht mehr vorhanden sind (Text- figur 28). Die Form der Papille ist beinahe die einer kleinen Vallata. Die mäßig gut entwickelte Grabenbildung ist überall ungefähr gleich tief, aber auf der Rückseite breiter als vorn. Sie reicht ungefähr 1/, mm weit hinab. Geschmacksknospen sind an den Seitenwänden sicherlich nicht vorhanden, ob auch auf der Oberseite nicht, vermag ich mit Sicherheit nieht anzugeben, da diese Zunge eine der gauz wenigen aus meinem Material war, die sich zu histologischen Fest- u en ee en ee Me Die Zungenpapillen der Primaten. 641 stellungen nur noch in geringem Grade eigneten. Textfigur 28 gibt einen Längsschnitt durch diese Papille wieder. Die Papille ist von den bisher besprochenen Ausnahmeformen etwas verschieden. Ihr Graben ist noch nicht sehr tief, aber um die ganze Papille herum ausgebildet. In dieser Hinsicht würde die Papille ganz gut den Anforderungen entsprechen, die man an eine echte Übergangsform stellen könnte. Ob hier eine solche vorliegt, kann aber, da ein Ausführungsgang von serösen Drüsen nur ein Stück weit zu verfolgen war, nicht entschieden werden. Die mikroskopische Untersuchung der rechten Papilla foliata zeigt, daß alle sieben Furchen auf beiden Seiten mit Geschmacks- Fig. 28. j \ A AsD wi m N 7 N,% a I \ \\\, a Z RAT Nein Cercopithecus mona. Längsschnitt durch die mit einer seichten Ringfurche versehene Papille innerhalb der Wall- papillenfigur (vgl. Textfig. 27). Ein Ausführgang seröser Drüsen ist vorhanden. knospen besetzt sind, und daß die Papillae fungiformes, welche die Fortsetzung des Randorgans nach vorn zu bilden, echte Pilzpapillen sind, die in keiner Weise vom Typus abweichen. Cercopithecus ruber. (Erythrocebus pyrrhonotus Hemp. et Ehrenb. oder patas Schreb.) Die Zunge ist 4,2 cm lang und an den Vallatae laterales 1,7 cm breit. Die Ausdehnung der freien Spitze war, da das Frenulum fehlte, nicht mehr genau festzustellen. Durch die Konservierungsflüssigkeit hat die Zunge eine etwas glasige Beschaffenheit angenommen, die auf die äußerliche Deut- lichkeit ihrer papillären Bedeckung eine ungünstige Wirkung aus- 642 Gustav Kunze übt. Die Wallpapillen, alle Papillae fungiformes und die Fortsätze der Papillae filiformes sind nur schwer als solche zu erkennen. Von den höchstens fünf Papillae vallatae, die auf einem Winkel von etwa 85° angeordnet sind, ist die Papilla centralis, die nur durch einen deutlichen, tiefen Graben ausgezeichnet, aber nicht im Besitz eines Walles ist, mit 1 mm Durchmesser die größte. Die nächstfolgenden in der Größe sind die beiden schwach elliptischen Laterales, bei denen der Wall nur durch eine glattere, im innersten Teil hellere Ringzone dargestellt wird. Ihre senkrecht zur Richtung der Medianlinie orientierte Hauptachse ist nicht ganz 1 mm lang. Von den beiden sehr undeutlichen Zwischenpapillen, über deren wahre Natur ohne mikroskopische Untersuchung keine Gewißheit zu erlangen war, liegt je eine auf einem der Winkelschenkel. Die des rechten nähert sich sehr der Centralis, während die auf dem linken Schenkel, die kleinste von allen, etwas näher an die Lateralis sinistra herangerückt liegt. Ich will gleich im voraus bemerken, daß sich diese beiden Papillen als echte Papillae fungiformes erwiesen, so daß also auch bei dieser Zunge die übliche Dreizahl der Wallpapillen nicht überschritten wurde (Textfig. 29). Das Randorgan setzt sich aus etwa sieben Spalten zusammen, die weit aus- ee einander stehen und trotz der allge- Skizze der Papillenverteilung, Meinen Undeutlichkeit Zwischenfurchen, allerdings meist ungemein seichte und breite, erkennen lassen. Erst bei der letzten vorderen Furche ungefähr ist eine Biegung des Gesamtorganes nach oben angedeutet. Das Hinter- ende der Papillae foliatae liegt ein ganzes Stück vor der Vallata centralis, das Vorderende reicht nicht so weit, daß es von der Ver- längerung der Schenkel des Wallpapillenwinkels getroffen wird. Über die Papillae fungiformes ist wegen ihrer Undeutlich- keit nicht viel zu sagen. Indessen sind in Wallpapillennähe schon mit bloßem Auge einige erkennbar. Besonders ausgeprägt ist eine einzelne Reihe keineswegs weit auseinander stehender Papillen am Rande der Zunge, der mit dem der papillären Fläche ungefähr zu- sammenfällt. Nach hinten zu scheint diese Reihe aber schon eine kurze Strecke vor den Papillae foliatae ihr Ende zu finden. Die mikroskopische Untersuchung der Wallpapillengegend ergab, daß die kleine auf dem rechten Schenkel zwischen Centralis und Fig. 29. Die Zungenpapillen der Primaten. 643 Lateralis eingeschobene Papille keine Wallpapille, sondern eine re- guläre Papilla fungiformis war. Sie ragt sehr wenig hervor und ein Graben fehlt durehaus; nur ganz wenig ist ringsum das Epithel etwas tiefer in die Cutis eingesenkt als an anderen Stellen. Der obere Teil der Papille ist stark von Lymphoeyten erfüllt. Das Fehlen von Geschmacksknospen ist nicht verwunderlich, da die obersten Epithelschiehten zu verhornen beginnen. Drüsen sind in der Umgegend vorhanden, sie liegen aber tief, an der Grenze von Tunica propria und Muskelschicht, und senden keine Ausführungs- gänge zur Papille empor. Die kleinere Papille des linken Schenkels gleicht der eben be- schriebenen bis auf die geringere Größe in allen Stücken. Die Wallpapillenverhältnisse bei dem Genus Üercopithecus ergeben sich aus den bisherigen Untersuchungen mit ziemlicher Klarheit. Als charakteristisch ist bis jetzt vor allem die primitive Anordnung in drei Papillen oder in Doppelpaaren zu bezeichnen. Die Papillenindividuen sind stets gut ausgebildet, kreisrund oder elliptisch geformt, wobei die Hauptachse in sehr verschiedenen Rich- tungen orientiert sein kann. Eine Neigung, die Medianlinie mit Wallpapillen zu besetzen, ist bis jetzt nur andeutungsweise festzustellen gewesen. Die wall- papillenartig umgewandelte Papille, die ich an dieser Stelle bei Cercopithecus mona auf der Medianlinie fand, kann immerhin als Beweis dafür gelten, daß eine solche Neigung überhaupt vorhanden ist. Die Angabe StAaHrs, der an dieser Stelle eine große Fungi- formis fand, könnte wohl ebenfalls in diesem Sinne verwertet werden, wenn es sicher wäre, daß die von ihm beschriebene Zunge wirklich zur Gattung Cercopithecus gehörte. Denn es ist ja, da eine mikroskopische Untersuchung nicht stattgefunden hat, nicht ausge- macht, daß bei dieser schon äußerlich auffälligen Papille nicht auch schon innerlich eine Annäherung an den Wallpapillentypus bestanden hat. Das Auftreten accessorischer Papillen auf den Schenkeln des Winkels ist noch nicht bewiesen, denn da die mikroskopische Unter- suchung der mir zur Verfügung stehenden Zunge von Cercopithecus ruber die auf den Schenkeln zwischengestellten Papillen als Fungi- formes erwies, so können bis jetzt die abweichenden Angaben von Münch bezüglich einer Zunge von Cercopithecus sabaeus nicht für stichhaltig gelten. 644 Gustav Kunze Bis jetzt ist kein beglaubigter Fall vorhanden, daß die An- ordnung von drei Papillen im Dreieck oder von zwei Papillenpaaren durch weitere echte Wallpapillen kompliziert worden wäre. Die Randorgane haben, nach den von mir untersuchten Exem- plaren zu urteilen, sämtlich eine charakteristische Biegung des vor- deren Endes nach oben. Indessen sind hieran nur die letzten paar Furchen, unter Umständen auch bloß eine beteiligt. Zwischenfurchen scheinen meist vorhanden zu sein, wenn nämlich die Hauptspalten nicht so weit auseinander stehen, daß ihre Bildung nicht mehr zu- stande kommt. Wie so oft, treten sie auch hier meist nur im hin- teren Abschnitt des Organs auf. Die Zahl der Hauptfurchen beträgt 7—10, ist also mäßig groß. Das Vorderende der Papilla foliata erreicht mitunter die Verlängerung der Schenkel des Wallpapillen- winkels. Die Papillae fungiformes können bis auf die Mitte des Zungenrückens vordringen, fehlen dort aber auch gelegentlich ganz. Vor den Vallatae laterales sind sie mitunter recht zahlreich und durch große Exemplare vertreten. Am Rande der Zunge ist Reihen- bildung der Papillae fungiformes nicht ausgeschlossen. Unmittelbar vor den Papillae foliatae können sie vorhanden sein oder fehlen. Besonders charakteristisch ist also, soweit sich bis jetzt feststellen läßt, die Verteilung der Pilzpapillen nicht. 8. Genus Semmopithecus. Außer BouLArT und PıLLıET, die für Semnopithecus drei Wall- papillen angeben, hat nur HALLEr die Beschreibung einer Zunge von Semnopithecus entellus geliefert, die von den übrigen Schilde- rungen, auch von meiner, total abweicht. Er findet nämlich nicht weniger als zwölf Papillae vallatae von der verschiedensten Größe, die auf den Schenkeln eines spitzen Winkels so verteilt sind, daß keine allzu großen Lücken übrig bleiben. Das Randorgan bestand aus 17 Elementen; die Papillae fungiformes bedeckten auch die Mitte des Zungenrückens, reichten aber nach hinten zu nur gerade bis an die Wallpapillenfigur heran. Eine Häufung auf dem vordersten Zungenabschnitt war nicht zu er- kennen. Eigene Untersuchungen. Die Zunge von Presbypithecus cephalopterus ist bisher, wenigstens auf ihre Papillenverhältnisse hin, noch nicht untersucht worden. Die Zungenpapillen der Primaten. 645 Presbypithecus cephalopterus Zimm. Die Länge der Zunge beträgt 4,8 cm, die Breite 1,5 cm. Die Ausdehnung der freien Spitze war, da das Frenulum fehlte, nicht mehr genau festzustellen. Der mittlere Teil der Zungenoberfläche wölbt sich zu einem ausgeprägten Tubereulum, wie es sonst bei Primaten nicht anzu- treffen ist. Nach keiner Seite hin aber ist diese Erhebung, die vielleicht erst postmortal bei der Konservierung entstanden ist, scharf begrenzt, auch übt sie keinerlei Einfluß auf die Papillenverteilung oder -gestaltung aus, denn an ihrem Hinterende steigen die Papillae fungiformes rechts und links fast bis oben hinauf, und nirgendwo zeigen die Papillae filiformes ein verändertes Aussehen. Auch das Fehlen von Pilzpapillen auf dem größten Teil der Wölbung ist nicht dieser zuzuschreiben, da die äußerst ähnliche Zunge von Semno- pithecus entellus an der entsprechenden Stelle ebenfalls keine Fungi- formes trägt, obgleich sie vollkommen glatt ist. Die Papillae vallatae sind in der Dreizahl vorhanden und müssen als sehr gut ausgebildet bezeichnet werden, obgleich der Wall überhaupt nur bei den beiden vorderen, welche mit etwa 11/, mm Durchmesser eine Kleinigkeit größer sind als die Centralis, angedeutet ist. Alle ragen über die Zungenoberfläche empor. Auf den Schenkeln des Papillenwinkels, der etwa 95° groß ist, findet sich nieht die geringste Andeutung weiterer unentwickelter Papillen (Tafelfig. 12). Auf der Höhe der hinteren Wallpapille beginnt das Rand- organ, sich jederseits in fast gerader Richtung so weit an dem Zungenrande hinziehend, daß es die Verlängerung der Schenkel des Wallpapillenwinkels erreicht. Die für Semnopithecus so bezeichnende Regelmäßigkeit und Klarheit in der Anordnung und Gestaltung der einzelnen Elemente ist auch bei diesem Papillenorgan anzutreffen. Rechts sind 14, links 12 Spalten vorhanden, die im hinteren Ab- schnitt des Gesamtorgans von je zwei kleinen Auftreibungen flankiert werden, die ihrerseits natürlich durch Zwischenfurchen von den Er- hebungen an der Nachbarspalte geschieden sind. Bei den vordersten Furchen tritt diese Eigentümlichkeit nicht mehr hervor. Die Länge des ganzen Organs beträgt etwa ll mm, die einzelnen Elemente sind ungefähr 1 mm lang. Die Papillae fungiformes lassen, wie schon erwähnt, den vorgewölbten Mittelteil frei, während sie an allen übrigen Stellen, 646 Gustav Kunze mit Awsnahme des Papillenwinkels, recht häufig sind. An den Seiten und besonders vor den Vallatae laterales sind sie zahlreicher als auf dem Vorderteil der Zungenfläche. Nur die der Zungenspitze zunächst liegende Gegend macht auch hier insofern eine Ausnahme, als die Papillen in geringem Grade dichter stehen. Am Rande sind die Papillae fungiformes nicht besonders häufig; links bilden vier von ihnen vor den Papillae foliatae nach kurzem Zwischenraum eine Art Reihe; auch rechts stehen an dieser Stelle ein paar, aber ohne besondere Ordnung. Das Bild, welches eine Schnittserie durch das rechte Randorgan unter dem Mikroskop darbietet, läßt eine innere Struktur erkennen, die der äußeren Erscheinung des Organs durchaus entspricht. So- weit sich die Furchen äußerlich dem Auge als Hauptfurchen dar- stellen, reichen sie tief hinab und sind ausgiebig mit Knospen besetzt, fast stets auf beiden Seiten. Die Nebenfurchen erweisen sich als seichte, knospenlose Einsenkungen, unter denen das Epithel aber verhältnismäßig tief in das Bindegewebe hinabreieht. Nicht aus dem Grunde fehlen sie vorn, weil sie verschwinden, sondern weil sie allmählich tiefer werden, wobei sie gleichzeitig anfangen Knospen zu tragen. Schließlich reichen sie so weit hinab wie die Hauptspalten und sind diesen dann in allen Eigenschaften gleich; vor allen Dingen enthalten sie in demselben Maße Geschmacks- knospen. Die Leisten, die zwei derartige Spalten trennen, ‘welche naturgemäß viel enger beieinander liegen als die im hinteren Ab- schnitt des Organs, besitzen dementsprechend keine Sekundärver- tiefung auf ihrer freien Oberfläche. Die erste und die letzte Furche der Papilla foliata stehen an Knospenreichtum schwerlich hinter einer der übrigen zurück. Semnopithecus entellus Dufresne (juv.). Die Zunge ist 4,8 em lang und an den flankierenden Wall- papillen 1,7 em breit. Die Länge der freien Spitze war, da das Frenulum fehlte, nicht festzustellen. Drei Papillae vallatae sind vorhanden, die etwas über die Umgebung hervorragen, einen nach vorn zu offenen Winkel von 90° bilden und bis auf ganz schwache Andeutungen bei den beiden Laterales ohne Wall, sonst aber mit vollkommener Klarheit ausge- bildet sind. Auch hier übertreffen die beiden flankierenden Papillen mit 1'/;, mm Durchmesser die Centralis etwas an Größe. Alle Pa- pillen weichen von der kreisförmigen Gestalt in sehr geringem Die Zungenpapillen der Primaten. 647 Grade ab; die Längsachse ist durchweg etwas länger als die Quer- achse. Die Papillae foliatae sind etwas anders gestaltet als bei Presbypithecus cephalopterus. Auf der linken Seite sind zwölf, auf der rechten elf Furchen von etwa 1'!/, mm Länge vorhanden. Die je zwei Hauptspalten trennenden Zwischenfurchen aber sind so un- entwickelt, daß sie kaum noch wahrzunehmen sind. Nach hinten zu reicht das Organ bis annähernd an die Zentralpapille, nach vorn zu aber, fast geradlinig verlaufend, nicht ganz so weit, daß es die Verlängerung der Schenkel des Wallpapillenwinkels erreicht. Die Gesamtlänge beträgt 1,3 em. Die Anordnung der Papillae fungiformes auf der Oberfläche der Zunge ist fast genau dieselbe wie bei Presbypithecus. In dem Wallpapillenwinkel steht eine kleine, isolierte Papille. Von einer Anhäufung am vordersten Zungenabschnitt ist sehr wenig zu merken. Sehr erwähnenswert ist eine Reihe ganz außerordentlich großer, wohlentwickelter Papillen, die am Rande die Papillae foliatae nach vorn zu ohne Unterbrechung fortsetzen und auf eine ganze Strecke hin in regelmäßigster Anordnung aufeinander folgen. Semnopithecus (Trachypithecus) maurus Schreb. Die Länge der Zunge von der Epiglottis bis zur Spitze beträgt 4,3cm, die Breite, an den Vallatae laterales, 1,3 cm. Die freie Spitze ist 1 cm lang. Die drei mit fast 1!/, mm Durchmesser verhältnismäßig großen Papillae vallatae weichen nicht sehr von der kreisrunden Gestalt ab. Die Ausbildung eines Walles ist gering, besonders bei der Centralis. Die Größe des Papillenwinkels, an dessen Scheitel sie gelegen ist, beträgt etwa 85°. Das Randorgan erstreckt sich von der Höhe der Vallata cen- tralis ab, schwach nach außen gebogen, so weit nach vorn, daß sein Ende von der Verlängerung der Schenkel des Wallpapillenwinkels ungefähr getroffen würde. Von den etwa 13—15 dicht stehenden Spalten sind die mittelsten die größten, bis 11/; mm lang. Die Ge- samtlänge des Organs beträgt 1 cm. Gelegentlich sind Zwischen- furchen zu erkennen. Die Papillae fungiformes sind in großer Anzahl und oft bedeutender Größe vorhanden. Sie fehlen aber vollständig auf einem großen Längsfeld entlang dem Zungenrücken, an das sieh nach hinten fast ohne Unterbrechung das pilzpapillenfreie Gebiet zwischen 648 Gustav Kunze den Papillae vallatae anschließt. An den Stellen, wo sie vorhanden sind, nämlich vor den Vallatae laterales auf den seitlichen Teilen der Zungenfläche und am Rande, wo sie sich an die Papillae foliatae ohne merkliche Unterbrechung anschließen, stehen sie überall etwa gleich dicht, nur vorn schließen sie sich etwas enger zusammen. Ein paar besonders große Fungiformes stehen seitlich in der Nähe des Randes. Fasse ich die an den drei Zungen von Semnopithecus gemachten Befunde zusammen, so ergibt sich folgendes: die Papillae vallatae sind stets vorzüglich ausgebildet und oft verhältnismäßig groß. Sie kommen ausschließlich in der Dreizahl vor und das von ihnen ge- bildete Dreieck hat einen Scheitelwinkel von 85° bis 95°. Das geradlinige oder ganz schwach nach unten konvexe Rand- organ wird von 11—15 kurzen Spalten gebildet. Zwischenfurchen kommen nicht regelmäßig vor. Das Vorderende kann so weit nach vorn zu liegen kommen, daß es die Verlängerung der Schenkel des Wallpapillenwinkels erreicht. Die Papillae fungiformes lassen ein längliches Gebiet auf dem Zungenrücken und das Gebiet innerhalb des Wallpapillen- dreiecks fast völlig frei, unmittelbar vor den Vallatae laterales sind sie immer in leidlicher Anzahl zu finden; auf dem vorderen Ab- schnitt der Zunge ist eine Häufung nur sehr schwach ausgesprochen, mit Ausnahme natürlich der Spitze, wo ihre Dichte zwar etwas größer ist als anderswo, aber doch nicht so beträchtlich, wie es sonst bei Affen der Fall zu sein pflegt. Ich habe die von HALLER beschriebene Zunge von Semno- pithecus entellus nicht in die Vergleichung einbezogen. Sie verhält sich nicht nur hinsichtlich der Papillae vallatae, sondern auch in bezug auf die Gruppierung der Papillae fungiformes total abweichend, und dabei zeigen gerade die drei von mir untersuchten Zungen ver- schiedener Arten eine seltene Übereinstimmung in dieser Hinsicht. Sollte es sich in diesem Falle nicht um eine Verwechslung handeln ? Falsche Signaturen sind in keiner Sammlung völlig ausgeschlossen. Ist diese Zunge aber wirklich richtig bestimmt gewesen, dann ist die Variationsbreite in bezug auf sämtliche Papillenverhältnisse bei Semnopithecus zu groß, als daß sich aus einer Zusammenfassung der Befunde von nur vier Zungen ein einigermaßen bezeichnendes Bild dieser Verhältnisse ergeben könnte. Die Zungenpapillen der Primaten. 649 9. Genus Hylobates. Außer FLower, der bei Hylobates agilis Y-Form der Wall- papillen beschreibt, hat bisher nur F. J. C. MAyEr eine Zunge aus der Gattung Aylobates auf ihre Papillen hin untersucht. Er be- schreibt bei Sömzia leucisca (Hylobates leuweiseus) vier Papillae vallatae, von denen zwei hintereinander, zwei nebeneinander lagen. Eigene Untersuchungen. Zungen von Hiylobates lar und Siamanga syndactylus sind bis- her auf ihre Papillen hin noch nicht untersucht worden. Hylobates lar L. Di Zunge ist von der Epiglottis bis zur Spitze 6,5 em lang und an den Vorderenden der Randorgane 2,3 em breit. Die vom Frenulum ab freie Spitze ist 1,5 em lang. Sieben Papillae vallatae setzen sich zu einer »Y«-ähnlichen Bildung zusammen. Unter ihnen sind die beiden kreisrunden Late- rales mit 1 mm Durchmesser die größten. Von den vier mehr oder weniger elliptischen Papillen, welche sich an der Bildung des un- paaren, medianen Abschnittes der Figur beteiligen, hat die vorderste, wohl als Centralis aufzufassende einen Längsdurchmesser von 1 mm. Noch etwas größer ist die letzte dieser Papillen. Kleiner sind die beiden dazwischen, die mehr neben- als hintereinander liegen, doch so, daß Fig. 30. die rechte Papille etwas nach vorn Aarpt zu verschoben ist. Auf dem linken 2 Schenkel der Figur liegt noch eine weitere kleine Vallata. Der Winkel, den die Laterales mit der Centralis bilden, beträgt etwa 100° (Textfig. 30). Die Vallatae laterales haben einen ausgeprägten Wall, der meist, aber nicht immer gut begrenzt, an Höhe hinter den umgebenden Papillae fili- Hylobalte tar; formes zurückbleibt. Diese sind zwar Skizze der Papillenverteilung. im Gebiet der Wallpapillen noch nicht allzu groß, erreichen dagegen weiter vorn auf dem Zungenrücken eine das bei Affen übliche Maß übersteigende Ausbildung. Sao 650 Gustav Kunze Bei der kleinen Zwischenpapille des linken Schenkels ist ein Wall nur angedeutet. Von den vier in der Medianlinie gelegenen Papillen ist nur die letzte mit einem breiten flachen Wulst als Wall umgeben, der nach vorn in ein breites, mehr durch seine helle Farbe als durch einen Niveauuntersehied abgegrenztes Feld übergeht, das sich bis an die Papilla centralis erstreekt. Dabei schließt es die beiden mittleren Vallatae medianae posteriores in seinen Bereich ein. Diese beiden Papillen werden durch eine kleine Furche von- einander getrennt; im übrigen ist kein wirklich ausgeprägter Wall, sondern nur die schwache Andeutung eines solchen vorhanden. Am schlechtesten ist die vorderste der median gelegenen Papillen mit einer wallartigen Bildung bedacht; an ihre Vorderseite grenzt das Gebiet der Papillae filiformes, die ihren Charakter bis dahin nicht im geringsten verändert haben. Die als Gesamtorgan ausnehmend gut, nämlich als einheitliches, glattes, gegen die papillöse Zungenfläche scharf abgegrenztexs Feld hervortretenden Randorgane beschreiben einen nach der Median- linie der Zunge zu gekrümmten Bogen, der gerade an der Stelle am weitesten auf die Zungenfläche übergreift, wo die Vallatae late- rales stehen. Das Hinterende der Papilla foliata liegt auf der Höhe der als Centralis anzusehenden Wallpapille. Das Vorderende kommt durch die Biegung so zu liegen, daß die Verlängerung der Wall- papillenschenkel die obersten Enden der vorderen Furchen berührt. Die Gesamtlänge des Randorgans beträgt ungefähr 1 cm. Die Zahl der radial angeordneten Spalten scheint rechts 15, links 12 zu be- tragen. Die genaue Bestimmung wird dadurch erschwert, daß kleine Furehen auftreten, die vom oberen Rande her nur eine kurze Strecke weit nach unten reichen. Eine der Spalten teilt sich nach oben zu in zwei Fortsätze. Die längsten, in der Mitte des Organs liegenden Furchen erreichen eine Länge von etwa 2!/, mm. Nach hinten zu nimmt ihre Größe allmählich ab; vorn ist erst dicht am Ende ein merkliches Kleinerwerden zu konstatieren. Sekundärfurchen finden sich nur am Hinterende der linken Papilla foliata. Die Papillae fungiformes fehlen an keiner Stelle des Zungen- rückens und sind äußerst gleichmäßig verteilt. Nur die unter den Zungenrändern gelegene Randzone der papillären Fläche scheint stärker bedacht zu sein, ebenso die Gegend vor den Randorganen. Auf dem Vorderabschnitt der Zungenoberfläche ist von einer Häufung kaum etwas wahrzunehmen. In bezug auf die Größe besteht insofern ein Unterschied, als ® Die Zungenpapillen der Primaten. 651 die Papillen der vorderen Zungenoberfläche ein wenig größer sind als die des hinteren Abschnittes, die überdies etwas versteckt liegen. An den Seiten sind sie im allgemeinen nicht größer als anderswo, nur weiter vorn steht gelegentlich eine besonders große. Un- mittelbar an der Zungenspitze drängen sich ein paar Papillen dicht zusammen. Hwylobates leueiscus Schreb. Die Zunge ist 4,5 cm lang, 2 cm breit und hat eine freie Spitze von 1,5 em Länge. Die sechs Papillae vallatae sind in einem »Y« angeordnet (Textfig. 31). Drei von ihnen stehen hintereinander auf dem un- paaren medianen Teil der Figur, zwei weitere fungieren als Laterales; die sechste ist auf dem rechten Schenkel untergebracht und hat kein korrespondie- Fig. 31. rendes Element auf dem anderen Schenkel. Ob die vorderste Vallata mediana als Centralis anzusehen ist, kann bezweifelt werden. Die Verbindungslinie der Late- ralis dextra mit der zweiten Papille © des rechten Schenkels trifft die Median- 2A «a linie zwischen der ersten und zweiten | Medianpapille. Der Größe nach stehen die beiden Hylobates leuciscus. N N EN Schema der Papillenverteilung. Vallatae laterales obenan. Die rechte hat PFR Papilla fungiformis mit Ring- einen Durchmesser von etwa 11/; mm, furche, die linke ist noch etwas größer. Indessen wird diese Ungleichheit durch die zweite, keineswegs kleine Papille des rechten Schenkels, deren Durchmesser etwa 2%; mm beträgt, mehr als kompensiert. Letztere ist von allen Papillen überhaupt die einzige, welche alle einer Wallpapille zukommenden äußerlichen Merkmale, einen geschlossenen Ringgraben und einen deutlich hervortretenden Wall mit scharfer Begrenzung, in guter Ausbildung besitzt. Die ganz im Niveau der Zungenfläche liegen- den Lateralpapillen haben als Wall einen von der Umgebung sich wenig abhebenden Streifen, der keineswegs deutlich begrenzt und an einzelnen Stellen von den umgebenden Papillae filiformes kaum zu unterscheiden ist. Von den Medianpapillen hat merk- würdigerweise keine auch nur einen vollständigen Graben. Bei der mittleren bildet dieser ein nach vorn offenes Hufeisen. Der 652 Gastay Kunze Wall rings herum ist aber vorhanden und ragt wie das Mittelstück, mit dem er also auf einer Seite zusammenhängt, deutlich hervor, Bei der kleinen vorderen Papille ist vom Graben nur ein kurzes Stück zu sehen; auch ist auf der entsprechenden Seite der Wall zwar deutlich erkennbar, aber doch sehr unbedeutend. Bei der hintersten Wallpapille ist nur das linke Grabenstück vorhanden und von einem besonderen Wall eingefaßt. Rechts ist der Wall vom Mittelteile nicht geschieden. Das ganze Gebilde ergibt eine sehr deutliche Hervorragung. Alle drei Papillen haben eine schwach elliptische Form mit der Hauptachse in der Längsrichtung. Das Randorgan umfaßt jederseits etwa zehn Furchen und er- streckt sich von der Innenseite des Arcus palatoglossus nach vorn zu so weit, daß die Verlängerung der Schenkel des Wallpapillen- winkels das Vorderende beinahe berührt. Dabei beschreibt das ganze Organ einen schwachen Bogen, dessen Mitte nach einem kurz vor der Vallata lateralis liegenden Punkt zu gerichtet ist. Die Länge des Gesamtorganes beträgt 7—8 mm. Die ziemlich dicht stehenden Spalten werden im Mittelteil bis 2 mm lang. Was die Furchen selbst anlangt, so sind sie hinten gut als Einzelgebilde ausgeprägt, weiter vorn aber läßt die makroskopische Betrachtung im Zweifel darüber, ob alle als knospentragende Hauptspalten an- zusehen sind. Gelegentlich ist auch eine ganz kurze Spalte zwischen die übrigen eingeschaltet. Die Papillae fungiformes stehen dicht und sind ungemein gleichmäßig verteilt. Sie fehlen beinahe nur am Vorderende der Papillae foliatae. An den Seiten stehen sie kaum dichter als in der Mitte des Zungenrückens, auch nach vorn zu ist die Häufung sehr gering. Die Zungenspitze bietet das übliche Bild. Alle Papillen sind verhältnismäßig groß und treten mit größter Klarheit hervor; die letzten vor den Vallatae laterales sind sehr groß. Ihr Durch- messer beträgt 1 mm. Eine große Papille liegt außerdem genau vor den medianen Wallpapillen und zwar in demselben Abstand von der vordersten, in dem diese Papillen voneinander entfernt sind (Textfig. 31). Bei dieser Papille ist eine ringförmige, grabenartige Vertiefung wahrzunehmen. Die mikroskopische Untersuchung dieser Papille ergab, daß sie zur Kategorie der Fungiformes zu rechnen ist, da keine serösen Drüsen bei ihr münden. Allerdings ist sie, wie Textfigur 32 zeigt, im Besitze einer ansehnlichen Ringfurche, aber diese reicht nicht weit genug in die Tiefe, um als wirklicher Graben aufgefaßt wer- Die Zungenpapillen der Primaten. 653 den zu können. Beim. bindegewebigen Grundstock der Papille ist die ?/, mm hohe Längsachse größer als der Querdurchmesser. Auf allen Seiten sendet das Bindegewebe kleine sekundäre Papillen ins Epithel, die oben etwas kürzer sind als an der Seitenwand. Ge- schmacksknospen sind nirgendwo festzustellen. Die vorderste der drei medianen Wallpapillen stellte sich bei der mikroskopischen Untersuchung als echte Vallata heraus, die aber nur einseitig, nämlich im hinteren Teile entwickelt ist, ganz so, wie man aus ihrem makroskopischen Aussehen schließen konnte. Der Graben reicht dort tief hinunter, etwa ®/, mm weit. An seinem Fig. 32. N j} 7 EU I) 7 Längsschnitt durch die große, mit einer Ringfurche versehene, auf der Medianlinie liegende Papilla fungiformis (vgl. Tafelfig. 7). SDZ Ein paar seröse Drüsenzellen die Schleimdrüsen- komplexen angelagert sind. Hylobates leuciscus. Grunde münden die Ausführgänge seröser Drüsen, die teils von einer nieht sehr umfangreichen vorderen Drüsenmasse, die unter der eigent- lichen Papille liegt, teils von ansehnlichen weiter rückwärts liegen- den Drüsenkomplexen stammen. Auch an der dem Zungengrund zugekehrten Wandung des Grabens mündet ein Ausführgang (Tafel- fig. 7). Mit dem eben erwähnten kleinen Drüsenhaufen unter der Papille hat das Gebiet der serösen Drüsen, wenigstens in der Zungen- mitte, seine vorderste Grenze erreicht. Die Geschmaeksknospen sind zahlreich; beide Seiten des Grabens sind bis zu etwa zwei Drittel ihrer Höhe mit ihnen besetzt. Bis zu zehn stehen übereinander. Lymphoeyten sind häufig und kommen Morpholog. Jahrbuch. 49. 43 654 Gustav Kunze sowohl vereinzelt als auch in größeren Mengen vor, die zu dichten Haufen, selbst zu ausgebildeten Lymphknötchen mit Keimcentrum an beliebigen Stellen unter der Epidermis zusammentreten können. Die Schleimdrüsen finden sich allenthalben in der Tunica propria und in der Muskelschicht und gehen viel weiter nach vorn als die serösen Drüsen. An mehreren Stellen öffnen sich ihre breiten Aus- führgänge an der Zungenoberfläche, ohne zu Papillen in nähere Beziehung zu treten. An einzelnen Schleimdrüsenanhäufungen lagern sich kleinste Mengen seröser Drüsen an, deren Sekret einen Aus- führgang der Schleimdrüsen offenbar mit benutzt. Die vorhin beschriebene halbseitige Wallpapille ist natürlich keine Übergangsform im strengsten Sinne. Sie ist eine Zwitter- bildung; ihre hintere Hälfte hat durch Erwerbung eines echten Grabens mit den dazugehörigen Drüsengängen die Umwandlung zur Wallpapille durchgemacht; die vordere Hälfte ist noch auf dem Pilzpapillenstadium stehen geblieben. Siamanga syndactylus Desmar. Die Zunge ist von der Epiglottis bis zur Spitze 6,8 cm lang, an den Vorderenden der Papillae foliatae 2,3 em breit; die Länge der freien Spitze beträgt 2 cm. Fig. 33. Die Papillae vallatae sind in einem NER »Y« angeordnet, dessen nach vorn zu ge- \ richtete paarige Bestandteile einen Winkel | von ungefähr 100° einschließen. Wieviel | echte Wallpapillen vorhanden sind, dar- über ist durch die makroskopische Betrach- tung allein keine Gewißheit zu erlangen. Bes yor ao Von den beiden schwach ovalen Lateral- we papillen ist die rechte mit 2 mm Längs- durchmesser etwas größer als die linke. Von den anderen ziemlich kleinen Papillen, die hintereinander auf der Medianlinie Siamanga syndactylus. stehen, sind die hinteren beiden elliptischen an, Mit Imm Durchmesser unter sich gleich vall. und Pap. fung. ; und größer als die zwei dicht hinterein- ander stehenden, gleichfalls ovalen vorderen Papillen, deren Zugehörigkeit zu den Papillae vallatae erst die mikro- skopische Untersuchung zu erweisen hat. Eine weitere kleine Papille Die Zungenpapillen der Primaten. 655 liegt auf dem linken Schenkel des Winkels, nahe der Lateralis. Inihrem Aussehen gleicht sie einer Fungiformis, doch genügt an dieser Stelle zu ihrer Bestimmung natürlich die makroskopische Untersuchung nicht (Textfig. 33). Was die Entwicklung eines Walles anbetrifft, so ist dieser bei den Seitenpapillen in durchaus genügender Form vorhanden. Er ist zwar nicht sehr hoch, aber die Begrenzung ist fast überall deut- lich. Seine Breite ist bei der linken Papille wesentlich größer als bei der rechten. Die beiden hinteren medianen Wallpapillen liegen in einem gemeinsamen, verhältnismäßig sehr lang gestreckten Wallfeld, das, vorn und besonders hinten der scharfen Abgrenzung entbehrend, von einer Rinne durchzogen wird, die beide Papillenhauptteile verbindet. Es erseheint nicht ausgeschlossen, daß hierdurch ein früherer Zu- sammenhang der beiden zum Ausdruck kommt. Die zwei vorderen kleinen Medianpapillen werden ebenfalls von einem gemeinsamen, vorn sehr schlecht begrenzten Gebiet ohne regelmäßige Gestalt ein- gefaßt, das von der Umgebung etwas absticht. Das etwa l1cm lange Randorgan zeigt die für Hylobatiden charakteristische Krümmung nach der Medianlinie zu, die hier schon mehr einer schwachen Knickung ähnlich ist. Die Spalten, 12—15 an der Zahl, sind in der Mitte am längsten (2!/, mm) und nehmen nach hinten zu allmählich an Länge ab. Gelegentlich teilt sich eine Furche nach oben hin in zwei weitere, entweder schon in der Nähe des unteren Endes oder erst weiter oben. Besonders ist das bei der rechten Papilla. foliata der Fall. Sekundärfurchen sind äußerst schwach ausgebildet und nur am Vorderende des rechten Randorgans deutlich. Die Papillae foliatae reichen hinten bis zur zweiten medianen Wallpapille (von hinten aus gerechnet). Die Ver- bindungslinien dieser Wallpapille mit den Laterales würden in ihrer Verlängerung dicht an den oberen Enden der vorderen Spalten vor- beistreichen. Die Papillae fungiformes lassen keine Stelle der Zungen- oberfläche unbedeckt. Sie reichen hinten bis unmittelbar an die Papillae vallatae und foliatae heran. Zunahme der Dichtigkeit nach den Rändern und der Spitze zu ist nur in geringstem Maße festzu- stellen. Nur unter der Zungenspitze findet sich auf eine kurze Strecke eine Anzahl dichtstehender größerer Papillen. Größere Fungiformes stehen außerdem an den Seiten der mittleren Zungen- fläche und gelegentlich auch am Rande. Eine kurze Strecke. vor der vordersten der vier medianen Papillen liegt eine Papilla fungi- 43* 656 Gustav Kunze formis, die an Aussehen und Größe sich kaum von jener unter- scheidet. Der Übergang von regelrechten Papillae vallatae zu Pilzpapillen, den die makroskopische Untersuchung auf der Medianlinie als mög- lich erscheinen ließ, wird durch die Untersuchung mit dem Mikroskop sichergestellt. In Betracht kommen hierfür die beiden nahe bei- einander stehenden kleinen Papillen zwischen den Laterales, also die dritte und vierte Papille auf der Medianlinie (von hinten aus gerechnet). An dieser Stelle vollzieht sich der Übergang. Die vorderste der beiden Papillen muß als Fungiformis bezeichnet wer- den (Tafelfig. 8), obwohl sie mit ihrer breiten Basis vom üblichen Typus etwas abweicht. Nirgendwo münden Drüsen in die kaum angedeutete Ringfurche. Geschmacksknospen kommen nur auf der abgeplatteten freien Oberfläche vor, gut ausgebildet und zahlreich, etwa 16 Stück. Die hintere der beiden ‚Papillen zeigt im Profil kaum ein anderes Bild als die erste, nur ist sie eine Kleinigkeit größer. Dennoch stellt sie etwas durchaus anderes dar; in ihren gleichfalls nur angedeuteten Graben münden nämlich die Ausführgänge seröser Drüsen, sowohl an der Vorderseite, wie auch besonders hinten, wo drei Mündungen vorhanden sind, zwischen denen noch die breite Öffnung einer kleinen Schleimdrüsenanhäufung gesondert in den Graben führt. Alle serösen Drüsenmassen sind aber in ihrer Aus- bildung höchst unbedeutend und in ihrer Ausdehnung auf die nächste Umgebung der Papille beschränkt (Tafelfig. 3). Die freie Oberfläche ist wie bei der anderen Papille mit Sinnes- knospen besetzt. An den Seitenwänden aber und in der Nähe der Drüsenmündungen fehlen Knospen gänzlich. Lymphoeyten spielen keine Rolle; sie sind meist sehr spärlich vorhanden. Auch Fett- gewebe ist nicht zu finden. Erwähnenswert ist die starke Ausbreitung der Schleimdrüsen. Sie liegen in der Tunica propria, aber auch tief unten zwischen den Muskelfaserzügen und reichen nach vorn so weit, daß sie so- gar über die drüsenlose, vorhin beschriebene Medianpapille hinaus- gehen. Das Gebiet der serösen Drüsen fängt, wenigstens in der Zungenmitte, erst dahinter an. Es sei daran erinnert, daß ein derartig weites Vordringen der Schleimdrüsen in der Gegend der Medianlinie auch beim Menschen durch OPrEL festgestellt worden ist. Außer der schon erwähnten Mündung eines Schleimdrüsenkom- Die Zungenpapillen der Primaten. 657 plexes in den Graben der zweiten Papille sind weitere sowohl hinter als auch vor den beschriebenen Papillen anzutreffen. An beliebigen Stellen der Zungenoberfläche öffnen sich die durch ihr weites Lumen charakteristischen Gänge. Eine Schnittserie durch die kleine Papille des linken Schenkels ergibt, daß es sich um eine reguläre Papilla fungiformis handelt (Textfig. 34). Sie ist den beiden oben beschriebenen medianen Papillen außerordentlich ähnlich. Wie bei diesen ist die Ringfurche sehr seicht und die Ausdehnung der Papille in die Höhe kleiner als der Querdurchmesser. Keine seröse oder Schleimdrüse mündet bei ihr; überhaupt werden seröse Drüsen auch in tieferen Regionen vollkommen vermißt, während Schleimdrüsen häufig sind. Auf der flachen Oberfläche der Papille sind etwa acht Knospen verteilt, ganz Fig. 34. Siamanga syndactylus. s Schnitt durch die auf dem linken Wallpapillenschenkel gelegene Papilla fungiformis. ähnlich wie bei den anderen beiden Papillen. Lymphocyten sind nur in geringer Anzahl vorhanden, ebenso Fettzellen. Einer besonderen Charakteristik bedarf nur die hinterste der beiden kleinen, nahe beieinander stehenden Medianpapillen. Ein wirklicher Graben ist bei ihr nicht vorhanden, wohl aber die Aus- führgänge seröser Drüsen. Doch sind diese nur in äußerst geringer Ausdehnung angelegt. Wir haben hier eine sehr niedrige Entwick- lungsstufe einer mit Drüsen ausgestatteten Papille vor uns. Ich sehe sie für ein echtes Übergangsstadium an, da die serösen Drüsen über die ersten Anfänge ihrer Bildung kaum hinaus sind. Über die Papillae vallatae der Hylobatiden wäre zusammen- fassend folgendes zu sagen: 658 Gustav Kunze Die Figur, in der sie angeordnet sind, ist ein V (FLower)(?) oder ‘ein sehr gut ausgeprägtes »Y«. Eine Tendenz, die Wallpapillen auf die Medianlinie vor der Vallata centralis oder den Ort, wo sie stehen müßte, auszudehnen, scheint nicht vorzuliegen. Steht die erste Medianpapille, bei der noch seröse Drüsen münden, zu weit vorn, um als Centralis gelten zu können, so ist entweder nur der nach dem Zungengrund zu liegende Teil als Wallpapille ausgebildet wie bei Hylobates leuciscus, oder die Masse der Drüsen ist so gering und die Ausbildungsstufe der ganzen Papille wie bei Siamanga syndactylus so niedrig, daß diese Papille den übrigen wohlent- wickelten Papillae vallatae keineswegs gleichgestellt werden kann. Also sind die Faktoren, welche einer Papille die charakteristischen Merkmale einer Vallata verleihen, nur bis zu einer bestimmten Stelle vorhanden. Die Papillen selbst aber gehen mit verändertem Ge- präge ungestört darüber hinaus; dieser Übergang kann schroff oder allmählich sein. Der unpaare Teil der Figur ist im übrigen mit Papillen gut ausgestattet. Bis zu vier Stück sind hier zu zählen, aber es sind nie die größten ihrer Art. Die Schenkel des Winkels sind im Ver- gleich hierzu sehr spärlich mit Wallpapillen ausgestattet, da außer den Laterales höchstens noch eine accessorische Papille anzutreffen ist, deren relative Größe bei den einzelnen Arten variiert. Zum Ausgleich dafür sind die Vallatae laterales die größten der ganzen Zunge. Die Papillae foliatae sind gleichfalls wohleharakterisiert. Sie beschreiben bei allen drei Arten einen nach oben, d. h. dem Zungenrücken zu gekrümmten Bogen. Gerade die Höhe der Vallatae laterales ist die Stelle, wo dieser am weitesten auf die Zungenfläche vordringt. Die verhältnismäßig langen, oft nicht sehr regelmäßig angeordneten Furchen (10—15 an der Zahl), erreichen etwa in der Mitte des Organs ihre größte Länge. Die Verlängerung der Schenkel des Wallpapillenwinkels würde die Papillae foliatae nicht treffen, sondern höchstens die oberen Enden der vordersten Spalten streifen, da das Randorgan durch seine Biegung geradezu ausweicht. Die Papillae fungiformes, über deren Beziehungen zu den Wallpapillen, wie sie hier auf der Medianlinie zutage treten, an anderer Stelle noch abgehandelt werden wird, besetzen in bemerkens- wert gleichmäßiger Verteilung die Zungenfläche. Auf dem ganzen vordersten Abschnitt stehen sie kaum dichter als anderswo, nur un- mittelbar an der Spitze drängen sich wie gewöhnlich ein paar eng Die Zungenpapillen der Primaten. 659 zusammen. Der mittlere Teil des Zungenrückens ist ebenso dicht besetzt wie die übrigen Gegenden. Bis an die Vallatae laterales reichen die Pilzpapillen meist nicht ganz heran; ihr Verhalten am Vorderende der Papillae foliatae ist verschieden. C. Vergleichend -anatomischer Teil. I. Über die Beziehungen zwischen den Papillae vallatae und den Papillae fungiformes. Wie schon aus den vorangegangenen Beschreibungen der Zungen- papillen bei den einzelnen Arten zu entnehmen ist, verhalten sich die Papillae fungiformes und die Papillae vallatae zueinander nicht immer indifferent. Manches deutet darauf hin, daß zwischen beiden Papillen bestimmte Beziehungen bestehen. Das macht sich zunächst schon rein äußerlich bemerkbar. Mitunter sind Papillen der einen Sorte ganz offensichtlich an der Vervollständigung bzw. Erweiterung der-Figur beteiligt, welche die Papillen der anderen Sorte bilden, oder beide Papillenarten sind genau nach demselben Prinzip ange- ordnet. Weiterhin wird dann aber auch durch die mikroskopische Untersuchung erwiesen, daß auch im inneren Bau mancher Papillen enge Beziehungen zutage treten können, indem Exemplare der einen Papillenart in ihrer inneren Struktur und allen charakteristischen Merkmalen eine Annäherung an die andere Art erkennen lassen, die so weit gehen kann, daß man manchmal im Zweifel ist, zu welcher Sorte man eine Papille zu rechnen hat. Ich hatte also das geeignete Material zur Verfügung, um auf das umstrittene Problem der Verwandtschaft zwischen den Vallatae und Fungiformes und die Frage der Übergangsformen zwischen beiden Papillenarten näher eingehen zu können. Diese Probleme sind von fast allen Autoren, die sich mit den Zungenpapillen der Säugetiere beschäftigt haben, mehr oder weniger ausführlich erörtert worden. Die Meinungen waren bis vor kurzem noch sehr geteilt. Selbst die Frage, ob die Papillae fungiformes und vallatae in phylo- genetischer Hinsicht etwas miteinander zu tun hätten, konnte noch nicht als gelöst betrachtet werden, und es gab Bearbeiter, die eine Entstehung der Wallpapillen aus Pilzpapillen für unwahrscheinlich hielten. Andere Forscher leiteten zwar die Papillae vallatae aus Pilzpapillen oder pilzpapillenähnlichen früheren Formen ab, vertraten jedoch die Ansicht, daß bei den jetzt lebenden Tierarten Übergangs- 660 Gustav Kunze formen zwischen beiden Papillensorten nicht mehr vorkämen. Meiner Ansicht nach haben aber nunmehr die 1908 und 1909 erschienenen Arbeiten von BECKER und HALLER, vor allen Dingen die letztere, nahezu einwandfreie Übergangsformen nachgewiesen und zur bes- seren Begründung der Ansicht beigetragen, daß die Wallpapillen in phylogenetischen Beziehungen zu den Pilzpapillen stehen. Nur bei jenen Autoren will ich etwas verweilen, deren An- sichten mehr als bloße Vermutungen sind und die ihre Forderungen genauer formuliert haben. Alle für diese Probleme in Frage kom- menden Forscher sind überdies schon in den meisten größeren Zungenarbeiten aufgezählt worden. TUCKERMAN ist der Ansicht, daß die Papillae vallatae im all- gemeinen nicht aus Pilzpapillen entstanden wären, einige vielleicht, sicher nicht alle. Auch GmELIn und Münch nehmen einen ablehnenden Stand- punkt ein. Die Begründung des ersteren ist im Hinblick auf die später gemachten Befunde interessant: »Eine Verschmelzung beider Papillenformen wäre leichter denkbar, wenn der Standort der einen oder der anderen Papille einmal sich ändern würde, in der Art, daß eine Papilla vallata innerhalb des Bezirks der Papillae fungiformes zu stehen käme, oder wenn die Papillae fungiformes auch rückwärts von den umwallten Wärzchen angetroffen würden. Dieses ist aber, wie weiter unten gezeigt werden soll, an keiner der mir zu Gebote stehenden Zungen der Fall.«e »In Anbetracht dieser Tatsachen muß also wohl die Ansicht eines allmählichen Übergangs der niederen Form in die höhere, der Papilla fungiformis in die vallata fallen gelassen werden. Vielmehr ist zu sagen, daß die Papilla vallata in ihrer Bildung von der Fungiformis unabhängig ist und ein Organ eigenen Ursprungs darstellt. « Sehr bemerkenswert sind in Anbetracht dessen, daß ich in Wallpapillennähe häufig grabenlose, aber mit serösen Drüsen aus- gestattete Papillen vorfand, die äußerlich von Fungiformes oft nieht zu unterscheiden waren, folgende Sätze: »— — und man könnte erwarten, daß die Papillae fungiformes, zumal wenn sie in nächster Nachbarschaft der umwallten Wärzehen stehen, als ein Zeichen der Verwandtschaft mit diesen gleichfalls mit serösen Drüsen ausgestattet wären.« Die Beobachtungen von BECKER, HALLER und mir haben alle die Einwände dieses Autors hinfällig gemacht. Es sind Pilz- papillen rückwärts von den Wallpapillen gefunden worden, ebenso Die Zungenpapillen der Primaten. 661 Wallpapillen, die man immerhin dem Bezirke der Papillae fungi- formes zureehnen muß (Ateles Geoffroyi), und Papillen, die als mit serösen Drüsen versehene Papillae fungiformes bezeichnet werden können. Stanr hat bei seinen Untersuchungen an Menschen- und Affen- zungen nie echte Übergangsformen feststellen können. OrpEu betrachtet die Papillae vallatae als weitergebildete Fungi- formes, meint aber, daß bei den jetzt lebenden Arten wohl kaum Übergänge zwischen beiden mehr zu finden sein würden. Seine oft zitierte Forderung in bezug auf Übergangsformen lautet: »Ganz anders verhält es sich mit der Frage, ob auch heute noch aus den vorhandenen Pilzpapillen Wallpapillen hervorgehen. Diese Frage möchte ich entschieden mit nein beantworten, und zwar vor allem deshalb, weil wir keine Übergangsformen finden. Als solche könnte ich nur anerkennen mit den ersten Anlagen der Geschmacksdrüsen versehene Papillen, nicht etwa besonders große Pilzpapillen.« MAYER, von Wyss, BRÜCHER, HOENIGSCHMIED und ÜSoKOR glauben Übergänge festgestellt zu haben, indessen ist der endgültige Nachweis dieser HALLER und bis zu einem gewissen Grade auch BECKER zu verdanken. Beide Autoren haben auch ihre Ansicht, daß sieh die Wallpapillen aus Pilzpapillen entwickelt haben, ein- gehender dargelegt. Die Ansicht BECKERS gebe ich so wieder, wie er sie in der Zusammenstellung seiner Resultate formuliert. »Die Papillae vallatae haben sich aus den präexistierenden Zungenpapillen, in erster Linie aus den Papillae fungiformes durch das Hinzutreten von Geschmacksdrüsen gebildet. Ihrer Zusammen- setzung nach kann man sie in drei Ordnungen einteilen. Eine Wallpapille I. Ordnung ist hervorgegangen aus einer ein- fachen Papilla fungiformis, eine Wallpapille II. Ordnung ist hervor- gegangen aus zwei oder mehreren Papillae fungiformes, eine Wall- papille III. Ordnung ist hervorgegangen aus der Vereinigung. von Papillae filiformes und fungiformes. Eine Wallpapille III. Ordnung kann auch als ein durch einen tiefen Graben abgegrenzter Teil der Zungenschleimhaut angesehen werden. Übergangsformen von den Papillae fungiformes kommen auch noch rückwärts von den Vallatae vor. Die serösen Drüsen sind ureigene Gebilde und entstehen nicht in Abhängigkeit oder als ein Produkt von Papillen. Sie vereinigen sich aber mit solchen aus Zweckmäßigkeitsgründen. « 662 Gustav Kunze Die Ergebnisse der Untersuchungen HALLERs sind folgende. Bei Besprechung der Papillenverliältnisse von Hapale penicillata sagt er: »So liegt denn die Genese einer Wallpapille hier vor uns. Sie ist aus einer Pilzpapille geworden. Dafür sprechen u. a. noch die Übergänge an den kleinen, seitlich gelegenen Papillen; sie erwarben die serösen Drüsen spontan, wobei dann sowohl zufällig angrenzende Pilz- als Zähnchenpapillen das Material zu einem zukünftigen Wall liefern. « Seine Befunde an Ungulatenzungen lassen ihn zu folgendem Urteil in dieser Frage gelangen: 1. »Es wandelt sich eine Pilzpapille durch Ausbildung eines Walles und nach erfolgter Erwerbung der serösen Drüsen zu einer Wallpapille um. 2. Nur ein Teil einer Pilzpapille gestaltet sich zur Wallpapille, sie aber wird zu einem Teil des Walles. 3. Es kombinieren sich diese beiden Arten der Vermehrung, indem eine Pilzpapille, nachdem sie zur Wallpapille eigener Art wurde, aus sich eine Tochterpapille sprossen läßt, wodurch ver- senkte Doppelwallpapillen entstehen.« Weiter vorn stehende Doppelwallpapillen bei Cavicorniern, bei denen die Sinnesknospen weiter auf die dorsale Fläche übergreifen als bei den übrigen, erklärt HALLER für phylogenetisch jüngere Wallpapillen. Er konstatiert, daß es eine ganze Reihe von verschiedenen Übergangsformen zwischen den Papillae vallatae und fungiformes gibt. II. Die sich aus der gegenseitigen Stellung ergebenden 3eziehungen zwischen den Papillae fungiformes und den Papillae vallatae. Ich gehe jetzt zur Besprechung der Beziehungen zwischen den Papillae fungiformes und vallatae über, soweit sie in der gegen- seitigen Stellung zum Ausdruck kommen. Diese ist zu bezeich- nend, als daß sie bei Erörterungen der Verwandtschaftsverhältnisse beider Papillenarten vernachlässigt werden dürfte. Bisher ist dieser Zug von den Autoren nur wenig beachtet worden. Die Verhält- nisse lagen allerdings bei einigen der Zungen, die mir zu Gebote standen, besonders klar zutage. Indessen findet sich auch schon in den Arbeiten von Münch, BECKER und HALLER eine ganze An- Die Zungenpapillen der Primaten. 665 zahl von Beobachtungen verzeichnet, die ganz ähnliche Beziehungen erkennen lassen. Die Schemata, die Münch von der Stellung der Papillae vallatae bei Aflen gegeben hat, lassen (vgl. Mac. nemestrinus) Beziehungen zwischen Wallpapillen und Fungiformes sehr deutlich erkennen. Die an ein und derselben Stelle gelegenen Papillen werden z. B- das eine Mal als Fungiformes, das andere Mal als Vallatae bezeichnet. Er sagt selbst in der Zusammenfassung: »Es tritt an einer sonst freien Stelle eines Winkelschenkels eine große Fungiformis auf; auf einer anderen, verwandten Zunge finden wir eine kleine Vallata, und schließlich auf einer dritten eine vollkommen ausgebildete Val- lata.« Auch für die Medianlinie können diese Sätze gelten, wie ich aus seinen Abbildungen entnehme. Es ist allerdings aus seiner rein makroskopischen Betrachtungs- weise nicht recht ersichtlich, warum er die eine Papille diesem, die andere jenem Typus zugezählt hat. Aber so viel geht aus diesen Angaben hervor: Viele Papillen, solche auf der Medianlinie und solche auf den Schenkeln des Winkels, sind mit bloßem Auge nicht mehr sicher als zu dieser oder jener Art gehörig zu bestimmen. Ob die mikroskopische Untersuchung Münchs Entscheidung bestätigt hätte, ist natürlich fraglich; immerhin muß ich nach meinen Be- funden sagen, daß seine Angaben wenigstens durchaus möglich sind. Die Ansicht des Autors von der genetischen Verschiedenheit der Vallatae und Fungiformes haben derartige Beobachtungen nicht ins Wanken gebracht. Reichhaltiges Material für das vorliegende Problem liefert auch die Arbeit BEcKERs. Beim Schwein und beim Pferd findet er an Stelle einer Vallata centralis große, eine Wallpapille vortäuschende Pilzpapillen, die also drüsenlos sind und, wie er sagt, als »Pseudovallatae« bezeichnet werden könnten. An derselben Stelle finden sich aber auch echte Wallpapillen mit Drüsen und Geschmacksknospen, häufiger beim Pferd, ungemein selten beim Schwein. Eine dieser Papillen beim Pferd konnte als Übergangsform aufgefaßt werden. Er kommt zu dem Resultat: »In der Art ihrer Anlagerung folgen die Wallpapillen, sobald mehrere derselben auf einer sagittalen Zungenhälfte vorhanden sind, derjenigen der Pilzpapillen, d. h. sie liegen in Reihen geordnet, die beiderseits vom Zungenrande rück- wärts gegen die Mittellinie der Zunge verlaufen.« Bei Katzen und Hunden findet er: »daß in gleichen Abständen 664 Gustav Kunze der Wallpapillen gegen den Zungenrand hin Pilzpapillen die un- mittelbare Fortsetzung der Wallpapillen bilden.= 3 r . - % R P 2 » u e ” . “ ‘ ” ” R . 2 os - > I je “ u ‘ [ u R B Morphologisches Jahrbuch. Bd. XLIX. H. Limpricht del. Verlag von Wilhelm | Tafel XVIH. Fig. 2. Imann in Leipzig. B 5 u = a; R ae - a u EZ f * “ e R 2 - a I ö Morphologisches Jahrbuch. Bd. XLIX. N \ Rn (2 x H. Limpricht del. Verlag von Wilhelm ‚elmann in Leipzig. Fig. 8. Tafel XIX. w Mor phologisches Jahrbuch. Bd. XNLINX. x ER: r EP ehe rt, Br > Die Zungenpapillen der Primaten. 681 Fig. 5. Längsschnitt durch die auf der Medianlinie vor der Vallata centralis gelegene Wallpapille von Macacus nemestrinus. (I). Sie ist nur auf der Rück- seite mit einem gut ausgebildeten Graben und mit Geschmacksknospen ver- sehen. Fig. 6. Schnitt durch die größte der innerhalb der Wallpapillenfigur ge- legenen Papillen von Cereocebus aethiops (I). Sie besitzt keinen Graben und keine Geschmacksknospen, ist aber mit serösen Drüsen ausgestattet. Fig. 7. Längsschnitt durch die auf der Medianlinie liegende, halbseitige Papilla vallata und die davor liegende Papilla fungiformis von Hylobates leueis- eus. Die Papilla fungiformis (rechts) ist nur tangential angeschnitten. Fig. 8. Längsschnitt durch die auf der Medianlinie liegende Übergangs- form zwischen Papilla vallata und Papilla fungiformis von Siamanga syndactylus. Die davor liegende Papilla fungiformis (links) ist nur angeschnitten. Fig. 9. Zunge von Lagothrix infumatus. Fig. 10. Zunge von Cynopitheeus niger. Fig. 11. Zunge von Cercocebus aethiops (D). Fig. 12. Zunge von Presbypithecus cephalopterus. Zum Schluß möchte ich mir gestatten, meinem hochverehrten Lehrer Herrn Prof. Dr. KükENTHAL für die vielfachen Anregungen und Ratschläge sowie für die Überlassung des wertvollen Materials meinen tiefempfundenen Dank auszusprechen. Auch den Assistenten des Zool. Instituts, insbesondere Herrn Dr. A. SCHELLENBERG und dem Kustos Herrn Dr. F. Pax bin ich für manchen wertvollen Rat zu Dank verpflichtet. Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. ” . N . > ‘ En r N r = . a + > si t “ D * x . « y E Pe 5 £ r - f a t n » . . Pe ed . v - - r - “ “ rphölogisches i 4 be ei fun I Binden F ir % veyyH Id. [B PETE ende ' ‘ hl Verein ‘ \ ‘ Fe . “u f ne F 24 che ‘ Rinne Shared . j ur « 5 F als erte ch Ä 1 #: Art, P jr “ s 2 ud ’ ‚Er ar ven h e Alan nn‘ “s wen‘ ll AMNH LIBRARY vorn Ü a 100130375 dar imenearne li: Were ’ + % “ x san 342447 Erbe yinın [rer }