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eorg Daniel Teutld).

Geſchichte ſeines Lebens

von

Friedrich Teutſch.

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„Die Erinnerung an die Tugenden Beim gegangener ift auch eine Wurzel des Lebens für die Geſchlechter, die noch im Licht und Streit des Tages wandeln, für uns ins⸗ beſondere, denen wohin wir auch blicken mögen allüberall der Segen der Väter das

Haus gebaut.“ G. D. Geutſch.

———

Hermannſtadt.

Druck und Verlag von W. Krafft. / 1909.

ALBERT LINGNBER Schässburg -Segesvär

4 1094 -.

Der hochwürdigen

thevlogiſchen Fakultät der Univerſität Jena

als Zeichen des Dankes für die einſt Biſchof G. D. Ceutſch, dann dem Derfaffer verliehene

theologiſche Doktorwürde.

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Inhaltsverzeichnis.

Aus der Heimat in die Heimat. 1817— 1849.

Im Vaterhaus

2. Auf der Univerfität .

3. Der junge Lehrer

Die Revolution von 1848/40

Der Schüßburger Rektor. 1850 —1868.

5. Die Schule .

3. Auf dem Feld der Wiſsenſchaft 5 . Im Dienft der Kirche 8 5 In Stadt- und Landgeſchäften .

Auf dem Pfarrhof in Agnetheln. 1863 —1807. Für Volk und Vaterland . . Pfarrer und Dechant

Der evangeliſch⸗ſüchſiſche Biſchof.

1867—1898. Im Kampf Vom innern Aufbau .Das Haus und ſeine Freunde Auf hoher Warte. „Der ſinkenden Sonne nach

Anhang.

„Denkſchrift der ſächſiſchen Landtagsdeputierten in Betreff der Union, 20. Juni 1848 8

Repräſentation der ſüchſichen Nationsuniverfität ı vom 3. März 1866

3. Alleruntertänigſte Bitte des Landeskonſiſtoriums betreffend den neuen e über die Mittelſchulen und die . der Lehrer derſelben, 5. Februar 1888

Vorläufige Erwägungen anläßlich des Miniſterialerlaſſes vom ers De zember 1892, der das Geſuch des Landeskonſiſtoriums um Belaſſung der deutſchen Lehramtsprüfung auf weitere zehn Jahre für die Kandidaten unſerer Kirche abſchlägig beſcheidet 8

5. Repräſentation an das Geſamtminiſterium in Angelegenheit he Feen politiſchen Geſetze, 17. April 1893 . de

Namen- und Sachregiſter .

*in

Aus der Heimat in die Heimat.

1817— 1849.

Georg Daniel Teutſch.

1. Im Paterhaus.

Das Haus, dem Georg Daniel Teutſch entſtammte, iſt ſeit der Väter Zeiten in Schäßburg anſäſſig geweſen. Alle Familienerinnerung haftete an der Kokelſtadt im Sachſenland in Siebenbürgen, die in der Geſchichte des ſächſiſchen Volkes keine unbedeutende Rolle geſpielt hat. Sie liegt ungewöhnlich reizend zwiſchen Bergen eingelagert, deren wald— gekrönte Spitzen und rebenbedeckte Abhänge das Bild gar freundlich ein- rahmen. In der Mitte erhebt ſich „der Schulberg“, von dem drei Gebäude ins Tal hinunterſehen, die evang. Bergkirche, ein ſchöner Bau aus dem 15. Jahrhundert, die niedere ehmals ſchindelgedeckte „alte Schule“ aus dem Jahre 1619 und die „neue Schule“, das am Anfang des 19. Jahr⸗ hunderts erbaute Gymnaſium, das 1901 dem jetzigen Gebäude Platz machte und an derſelben Stelle ſtand wie dieſes. Wenig tiefer, gleichfalls auf dem Berge überragt die „Burg“ (die Oberſtadt) die im Tal liegenden Gaſſen, die ſich bald tiefer ins Tal hinaufziehen, bald wieder an den Bergen emporklettern. In ihnen zeigen die zum Teil hochgiebeligen Häuſer ungeſuchte Verſchiedenheit, bald breite Torwege mit geräumigem Erdgeſchoß bald ſparſamen Flur und weiſe Benützung der Sonne. Am Anfang des 19. Jahrhunderts ſtand noch der größere Teil der alten Befeſtigung, die heute noch am Schulberg und einem Teil der Burg in den Mauern mit den Schießſcharten und den ſtarken Türmen ſichtbar iſt, damals aber auch noch die Unterſtadt umſchloß. Es war ein Land— ſtädtchen mit 4000 meiſt deutſchen Einwohnern (heute 8700), in dem das Gewerbe blühte, 1818 die erſte Materialwarenhandlung eröffnet wurde, in dem jeder „Bürger“ und jeder Beamte ſeine Landwirtſchaft trieb. Wer Geld hatte kaufte im Herbſt vom guten Moſt, den das Land in guten Jahren in vorzüglichſter Art hervorbrachte, denn er war ficher, ihn in den folgenden Jahren mit Gewinn zu verkaufen.

Das Geburtshaus ſtand in der Baiergaſſe. Es war ein kleines Haus mit zwei Fenſtern gegen die Gaſſe, aus denen der Ausblick aus dem einen Gaſſenzimmer nicht nur was unmittelbar vor dem Hauſe

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vorging ſah, ſondern zum Schulberg führte, der hochragend mit feinen Gebäuden den Blick von ſelbſt auf ſich zog. Ein Seitenfenſter eröffnete die Ausſicht weit in die Gaſſe hinunter, jedes Haus war ein wenig tiefer in die Gaſſe hineingerückt als das des Nachbars, um jenes Seiten fenſter zu gewähren, aus der zur Not bei Feindesüberfall in kriegeriicher Zeit die Gaſſe mit dem Gewehr beſtrichen werden konnte. Das Haus war alt, wie viele damals mit Schindeln gedeckt. Beim Umbau ſpäter fanden ſich in neueren Teilen Münzen aus den Zeiten Sigismunds; es ging wohl in das 14. Jahrhundert hinauf. Es war urſprünglich eine ſtädtiſche Badeſtube geweſen, im 17. Jahrhundert von einem Seifen- ſieder Martin Teutſch erworben worden und nun hatten die Söhne, Namen, Haus und Geſchäft des Vaters übernehmend, mehrere Geſchlechter hindurch dort gehauſt. Perſönliche Züge ſind von keinem der Vorfahren überliefert. Die Kirchenbücher weiſen aus, daß ein Martin Teutſch am 14. Auguſt 1709 ſtarb, einen Tag darauf ſeine Frau Katharina, daß einer ſeiner Enkel gleichen Namens aus dritter Ehe drei Kinder hatte, von denen der mittlere Daniel Teutſch (geb. 1760, geſt. 1803) der Groß⸗ vater G. D. Teutſchs war, dem er den zweiten Namen verdankte. Daniel Teutſch war in zweiter Ehe mit Suſanna Eliſabeth Schönauer, einer Pfarrerstochter aus Zuckmanteln verheiratet; aus dieſer Ehe ſtammte ein Knabenzwillingspaar (geb. 6. Januar 1788), von dem der eine Martin Benjamin der Vater Georg Daniel Teutſchs wurde. Die Tradition führt die Familie nach Hundertbücheln hinauf, von da ſei der Stammvater nach Schäßburg eingewandert, doch läßt ſich nichts Sicheres darüber feſtſtellen. Der Vater Martin Benjamin Teutſch galt unter ſeinen Mitbürgern etwas, er wurde gern um Rat gefragt, war Mitglied der Hundert⸗ mannſchaft, war aufmerkſam und freundlich beſonders gegen die Frauen des Hauſes und der Verwandtſchaft, las gern gute Bücher, urteilte mild über die Schwächen anderer, war arbeitſam und ehrlich und von durchaus ſittlich reinem Weſen. Seine Frau Maria Katharina Weiß, von nie ruhender Emſigkeit, voll Verſtand und Liebe zu den Ihrigen, mußte den Mann auch im Beruf wie im Haus oft vertreten, da er eines Bruches wegen ſchwerere Arbeiten nicht machen durfte. Ein beſonderes Verſtändnis für Würde und Anſtand war ihr eigen; fie galt in der Verwandtſchaft, als die zierliche und feine. Noch in ſpäteren Mannesjahren dachte der Sohn, wenn er an die Schweſter ſchrieb, beſonders am Namenstag tief⸗ ergriffenen Herzens „der milden Mutter“, „ihrer Stärke und jener nie weichenden Chriſtenhoffnung, durch die die teure Entſchlafene ihr Leben bei manchem ſchweren Schickſalsſchlag doch zu einem innerlich ſo be—

friedigten Dafein mit Gottes Hilfe zu geftalten vermochte“. Mann und Frau waren ohne ererbtes Vermögen in die Ehe eingetreten, das klein⸗ bürgerliche Haus mußte durch harte Arbeit im Handwerk der Hausvater war Seifenſieder wie fein Vater und Großvater durch Anbau im Feld und Garten erwerben, was der Tag verlangte und „der Alle Tag kommt gar häufig“ lautete ein oft gehörter Spruch der Mutter im Haufe. Wohl gab die ſchwere Arbeit geringen Ertrag, der auf Jahrmärkten im ganzen Land auf unglaublich ſchlechten Straßen geſucht werden mußte, aber auch die Bedürfniſſe waren gering. Das junge Paar fand im ganzen Haus nur ein Zimmer, in das der Eintretende durch das „Vorhaus“ gelangte, in dem der Backofen ſtand, in einem Hofzimmer wohnte die verwitwete Mutter Martin Teutſchs. Ein „Kanapee“ aus Eichenholz war der größte Schmuck des Zimmers, ein eichener Aus⸗ zugtiſch, ein Schubladkaſten, eine Bettſtatt, eine große Truhe aus dem Jahre 1692 waren neben dem Lutherofen die Einrichtungsſtücke. Hier wurde am 12. Dezember 1817 dem Ehepaar der zweite Sohn geboren, der in der Taufe den Namen Georg Daniel erhielt; ein älterer Bruder war wenige Wochen alt geſtorben, ein um 12 Jahre jüngerer ſtarb 35 Tage alt, ſo daß Georg das war ſein Rufname, der in den Knabenjahren in die mundartlich gebräuchliche Koſeform Tſchick ver⸗ wandelt wurde mit einer Schweſter Katharina (geb. 1820) die einzigen Kinder des Hauſes blieben. Es war ein munteres Kinderpaar, das im engen Haushalt heranwuchs. Die Eltern hielten keinen Geſellen, nur eine Magd, zuweilen einen Arbeiter, der beim Seifekochen half, das hinten in der Seifenſiederei im Hof vorgenommen wurde. Die Kerzen machte man im Zimmer, dort wohnten, aßen und ſchliefen alle, zu Zeiten wohnte auch ein fremder Koſtſchüler da; kam Soldateneinquartierung, ſo mußte Raum auch für dieſe geſchaffen werden. Die erſten Erinnerungen des Knaben gingen ungefähr in das vierte Jahr zurück. Er ſah ſich im Kinderkleid, das er getragen, im „Kellerſchanz“ ein Eingang in den Keller von der Gaſſe, ſo eingerichtet, daß er bei Waſſersgefahr mit Brettern und Lehm „verſchanzt“ werden konnte ſitzen und einen Arbeiter, der öfter im Haus beſchäftigt war, mit ſich reden. Es ſcheint dem kleinen Knaben an Unternehmungsgeiſt anfangs gefehlt zu haben. Vor dem Hauſe floß durch die Gaſſe der Schaaſer Bach, der wenige Schritte oberhalb ſich in zwei Arme teilte. Faſt alle Jahre, beſonders im Frühjahr gabs Überſchwemmungen der ganzen Gaſſe. Auf der anderen Seite des Bachs wohnten Verwandte, zu denen der Knabe gern ging, aber niemals allein, immer nur mit der Mutter oder der Magd. Da

kam eines Tages der Hilfsarbeiter, ein alter Ungar vom Galtberg, it Zimmer geeilt: „Herr Vater, ich ſoll euch was ſagen. Der Tiſchick i allein über die Gaſſe gegangen.“ So wuchs der Knabe in liebevoller Pflege auf. Haus, Hof, dara anſchließend der Garten, der ſich am Berg hinaufzog, in dem der Vater die Bäume verſtändnisvoll pflegte, waren ſeine Welt. Mit den Kindern der Nachbarſchaft und Verwandtſchaft im Siedehaus zu ſpielen, in die Weinleſe in dem Bottich hinauszufahren, der zur Aufnahme des Moſtes beſtimmt war, den Eltern bei der Arbeit zuzuſehen, das waren die kindlichen Freuden. Einen beſonderen Einfluß auf das Kind nahm neben den Eltern die Großmutter, des Vaters Mutter, die im Hofzimmer in langem Witwenſtand wohnte. Eine ungewöhnlich geſcheite Frau trieb ſie nach dem Tode des Gatten das Handwerk weiter. Sie ließ ſich durch Arbeiter von Zeit zu Zeit in der Siederei Seife kochen, verkaufte dieſe im Haufe und lebte von dieſem Verdienſt. War der Vorrat zu Ende, ſo kochte man wieder. Die Kerzen goß ſie ſelbſt mit ihrer Dienſtmagd. Sie wachte eiferſüchtig über ihren Verkauf. Wollte jemand eine Groſchen⸗ kerze, ſo mußte er von ihr kaufen; ſie konnte unwillig werden, wenn jemand ins vordere Zimmer zum Sohn ging ſtatt von ihr zu kaufen. Sie war der Mittelpunkt des Hauſes. An den erſten Feiertagen ſah ihr Zimmer die ganze Familie verſammelt, die Kinder, Schwiegertöchter und Enkel. Dann gabs die altherkömmlichen Speiſen: Kraut und Hanklich, die verſchiedenen „Beltſchen“ (Kuchenarten); Tochter und Schwiegertöchter richteten die Fetthühner und Gänſe zu, da die Großmutter an kurzem Atem litt. Es kam vor, daß in beiden Wirtſchaften im Haus nicht ſoviele Stühle als Gäſte waren; dann legte man das Bügelbrett auf zwei Stühle und machte Sitzplätze. Der Chriftahend ſelbſt gehörte zu den ſtimmungsvollſten Ereigniſſen im Jahr. In der Regel war wieder die ganze Familie bei Martin Teutſch beiſammen. Der Hausherr ſchob den Frauen zuvorkommend die Bänkchen unter die Füße, dann ſaßen ſie in traulichem Geſpräch bis die große Glocke von der Bergkirche um 10 Uhr geläutet wurde und lauſchten andächtig den Tönen aus der Höhe. Die Großmutter brachte „Reteſchken“ auch ein ſtehendes Gebäck und der Hauswirt legte den „Chräſtgrumpes“ (ein dickes Stück Holz), den er ſich im Herbſt aus dem Holz im Hof aufgeleſen und beiſeite gebracht, in den Ofen. Am frühen Morgen des erſten Weihnachtstages gings in die Frühe kirche, den Knaben an der Hand, dem in der hellerleuchteten Kirche zuerſt die Ahnung des Göttlichen die junge Seele durchſchauerte, deren erſte Keime im frommen Gebet der Mutter im Herzen aufgegangen waren.

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Aber auch an anderen Tagen war das Haus Martin Teutſchs Mittelpunkt der ganzen Familie. An manchem Winterabend kam fie dort zuſammen, es waren die traulichſten Stunden. Dann erzählten ſie aus ihrem Leben, ein Mutterbruder (G. Weiß) ſprach lachend zum Knaben, der aufmerkſam zuhörte und Flöte blaſen lernte: „Georg komm und blas uns eins; man hat es gern, wenn man einen guten Jahrmarkt gehabt hat.“ Dann blies der Knabe die Flöte und Frau Adleff, eine Schweſter der Mutter Georg Daniel Teutſchs, trat das Spinnrad auf den Takt dazu.

Ein neues Leben begann für den Knaben, als er 1822 ſchon mit fünf Jahren in die Schule geſchickt wurde; ein Vetter von ihm wollte allein nicht gehen und ſo ſollte er als Kamerad es ihm erleichtern. Es gab damals in Schäßburg noch keine Elementarſchule. Die „Schülleraner“ ſo hießen die kleinen Anfänger gingen zu den Seminariſten auf die Schule, die in ihren Wohnzimmern Kammern genannt den Unterricht erteilten, für ſie ein Erſatz der mangelnden Übungsſchule. Sein erſter Lehrer war Mich. Schuller, der 1849 als Pfarrer in Kreiſch in der Revolution den Tod fand, ſein zweiter Martin Keul, der ſpäter in den Staatsdienſt trat und dort ſich eine ſchöne Lebensſtellung geſchaffen. In Schäßburg war eben die Buchſtabiermethode aufgekommen, in allen Zimmern hingen die Wandtafeln mit den großen Buchſtaben. Der Junge lernte ſchnell die Anfangsgründe, der gute Seminariſt legte ihn, wenn er im heißen Sommer ſchläfrig wurde, auf das eigene Bett än de ſchaß und der aufwachende Knabe ſah den Lehrer vor ſich, wie dieſer in der einen Hand den Homer, in der anderen die ſauere Gurke hielt, Körper und Geiſt zugleich zu erfriſchen. Die gewiſſenhafteſte Aus⸗ führung der aufgegebenen Arbeiten, die noch rührend aus den vielen vorhandenen Heften erſichtlich iſt, charakteriſierte ſchon den Anfänger. Zu Hauſe lehrte der Vater ihn weiter, was die Schulſtunde begonnen. Der Eintritt in das Gymnaſium erfolgte wahrſcheinlich 1828. Die Schule begann früh. Im Dunkeln weckte der polniſche Soldat, der bei ihnen im Quartier lag, den Jungen: „Schorſch, ſteh auf!“ Mit einigen ausgeſchnittenen Apfeln in der Taſche gings dann zur Schule; der Vater pflegte nichts zu frühſtücken, die Mutter trank in einer Ecke ſitzend raſch und allein den Kaffee. Kam der Junge nach Hauſe, dann wurde nachgeſehn, was die Großmutter kochte. Sie kochte für ſich allein beſſer als im Eltern— haus, buck ſich weißeres Brot in dem kleinen Backofen, den ſie ſich neben den großen im Vorhaus hatte ſetzen laſſen und brachte im grünen Seitels- fännchen aus dem kleinen Füßchen im Keller den Labetrunk täglich zum

Mittagstiſch. Und wie fie auch häufig abwehrte, fie ſah wenn der Enkel bei ihr zu Tiſche blieb. Beſonders ging er a ihr hinunter, um zu leſen. Da fand er Hübners Zweimal 52 Geſchichten und wurde nicht ſatt, fie immer wieder zu leſen, Erzählungen des alten Teſtaments tieferen Eindruck auf ihn machte die aus dem neuen. Kam ihm etwas Unverſtändliches vor, dann fr er die Großmutter und die erklärte es. Daneben war dem Jungen beſondere Freude, der Arbeit des Vaters im Garten zuzuſehen, ihn in den Weingarten, den Baumgarten zu begleiten und wie man die Bäume ſetzt pfropfte, behandelte ſelbſt zu lernen. Mit der Schweſter den Hof ſonnabendlich zu kehren, Tiſch zu decken u. dgl. war ihm eine Freude, minder angenehm das Helfen beim Handwerk. Die Großmutter ſuchte ihn durch mancherlei Verſprechungen dazu zu bewegen, öfter tadelte fie, daß er immer über den Büchern fige, „du ſollſt ja nicht Biſchof werden“.

Auf den Knaben machte tiefen Eindruck, da er im Elternhaus ſah, wie ſchwer doch das Leben ſei. Wenn in frühen Morgenſtunden des Winters der vermeintlich ſchlafende Knabe die nie raſtenden Eltern die Koſten der Haushaltung berechnen hörte, oder wenn er gar die Er⸗ zählung der Großmutter vernahm, wie ſie den geliebten Mann nach 16 jähriger Ehe verloren und mit den unmündigen Kindern allein, und mit Gottes Hilfe doch nicht allein geblieben ſei, da floſſen dem weichen Knaben oft heiße Tränen über die Wange und es erwuchs im Herzen das Gelübde, den Lieben ſolche Schmerzen und ſolche Treue in irgend einer Weiſe zu vergelten.

In den unteren Klaſſen des Gymnaſiums waren ihm bejonders W. Seiwerth und Joh. Binder fördernde Lehrer, der letztere mit der Kraft, die Schüler zu begeiſtern. Von dieſem hörte der Knabe zuerſt den Namen Goethe, von dem der Lehrer den Tod mitteilte und erzählte, was für ein großer Dichter der Mann geweſen ſei. Auf den höheren Stufen feſſelten Mich. Schuller und Carl Gooß, beide in erſter Reihe durch ihre geſchichtlichen Vorträge. Schuller (geb. 1802) gehörte zu den geliebteſten Lehrern, es hätte kein Schüler gewagt, etwas zu tun was ihn beleidigte, ſo gern hatten ihn alle. „Wenn in der Abendſtunde von 4—5 Uhr in dem großen Hörſaal, wo nach der damaligen Schul- ordnung zu dieſem den Tag abſchließenden Unterricht immer der ganze Cötus verſammelt war, der jugendſchöne Mann den Lehrſtuhl beſtieg und den leuchtenden Blick des großen blauen Auges über den in er— wartungsvoller Stille harrenden Kreis der jungen Hörer erhebend, in freiem Vortrag die großen Entwicklungen der Völker und Staaten in

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ſprechendſten Geftalten zur Anſchauung brachte, da ſchlug die Stunde jedem immer zu ſchnell und alle, die jenes Glückes teilhaftig waren, ſpürten im innerſten Herzen was erziehender und begeiſternder Unterricht ſei. So war Schullers geſamte auf dem Boden gründlicher wiſſen— ſchaftlicher Bildung ſich aufbauende Lehrertätigkeit; die reinigende Macht einer edelſten Perſönlichkeit, die durch ihre Pflichttreue und Liebe un- widerſtehlich wirkte, trat in ihm durchwegs geradezu wohltuend und erhebend auf. Es war nicht anders möglich, als daß ſeines Geiſtes Hauch in den jungen Geiſtern die Flamme idealer Weltanſchauung dauernd entzündete“ ſo ſchildert Teutſch ſpäter, da er ſelbſt ſchon auf der Höhe des Lebens ſtand, den Einfluß dieſes Lehrers. Und nicht geringer war der des anderen C. Gooß (geb. 1814), „ein Mann von großen Gaben und Gnaden, von reichſter wiſſenſchaftlicher Bildung, faſt unüber- trefflicher Meiſter des Wortes in Schrift und Rede, reinen ſelbſtſucht⸗ loſen, immer dem Idealen zugewandten Geiſtes, daher auf alle, die ihm nahe kamen, von tiefem überwältigendem Eindruck“. Seit er 1835 an das Gymnaſium berufen war, ſetzte er weſentlich das Werk G. P. Binders, des ſpäteren Biſchofs, fort und brachte den lebendigen Hauch der deutſchen Wiſſenſchaft auf die lindenbekränzte Höhe der Schule und prägte der Lehranſtalt den Charakter des Ernſtes auf, den Teutſch ſpäter weiter ausbildete. Wer erkennt nicht in den Zügen, die ein Schüler von C. Gooß von dieſem entwirft, den ſpäteren Lehrer und Rektor Teutſch wieder: „Jede Fiber ſeines Weſens war Geiſt und Gewiſſen und ſeine Rede ein erfriſchender lebenweckender Quell. Er war ſtrenge gegen ſich ſelbſt und ſeine Schüler und durfte mit Cato ſagen: der ich mir niemals irgend einen Fehler zugute halte, ich habe auch nicht leicht der Leidenſchaft eines anderen das Schlechte verziehen. Aber ſeine Schüler hielten an ihm; denn ſie hatten das Bewußtſein, daß ſie ſeiner Führung ſicher vertrauen könnten.“

Die damalige Schule ließ der freien Arbeit des Einzelnen weiten Spielraum und war in feine Feſſeln geengt. Wenn ein beſonders ſchöner Tag war, dann trat der Primus der Klaſſe vor den Lehrer und bat in lateiniſcher Anſprache um Freigabe des Nachmittags zum Spiel und war der Lehrer mit der Klaſſe zufrieden, ſo gewährte er die Bitte und ging mit den Knaben „auf den Berg“ und ſpielte mit oder ſah zu wie die Jungen den Ball ſchlugen, für den in der ſteilen „Schußkeule“ eine eigene Art des Spiels ſich entwickelt hatte. Die Umgebung des Gymnaſiums auf dem Berg oben war wild und wenig gepflegt, der Stadt zu faſt ein Urwald, neben der Bergkirche und hinter der alten Schule ein wüſter Platz, der zerfallene Goldſchmiedturm auf der anderen

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Seite ein romantiſcher Spielplatz, nicht ohne Gefahr, da nirgen! ſondere Wege waren. Nur die alten Linden vor der alten Schule ve rieten die Menſchenhand.

Im Vordergrund des Studiums ſtand natürlich die Philt doch auch die Geſchichte fand beſonders in Gooß einen begeiſternd Lehrer, auf deutſche Aufſätze und Gedichte wurde Wert gelegt, Theo ernſt getrieben, nahezu alles nach Heften, die der Schüler ſchrieb, au ö Geographie und Naturgeſchichte und Phyſik. *

Durch Gooß und Schuller wurde die Neigung Teutſchs entſchieden. Es kam dazu die ſchöne Verehrung, die der tüchtige Lehrer damals im ſächſiſchen Bürgerhaus genoß. Der Lehrer war ſelbſtverſtändlich Haus⸗ freund, man ſprach von ihm nie anders als vom „Herrn Lehrer“ und jedes Feſt des Hauſes ſah ihn unter den Gäſten. Das Haus ſelbſt er⸗ blickte in ihm die Verkörperung der Pflicht und war dankbar für das, was er den Kindern bot. Die Lehrer zählten Teutſch zu den beſten Schülern. Dem lärmenden Treiben mancher Genoſſen fern, war er ein munterer Kamerad, die Vergnügen des Winters, im Sommer das Bad in der gelben Kokel, wobei ſie auf den Flößen die Kleider ablegten, übte er wie irgendeiner, und er lebte in den Gedanken und Bildern, die die Schule in der Seele erweckte. Als er einmal zufällig im Weingarten unter alten Büchern eine Ausgabe des Orbis pietus fand, da war ihm der wertvoller als alle Trauben, die er ſehr liebte. Dem jungen Stu- denten beſſeren Unterſchlupf zu ſchaffen, ließ der Vater über dem Tor eine Inslichtkammer zum Studierſtübchen herrichten, mit Fenſtern und Fußboden verſehen und nun war das Arbeiten doppelt angenehm und freudig. Ihm gegenüber auf der anderen Seite der Gaſſe wohnte ein Schulkamerad, mit dem er nun in die Wette arbeitete, wobei das er— leuchtete Fenſter am Abend und in die Nacht hinein anzeigte, ob der Genoſſe noch bei den Büchern ſitze. Einmal, als der Kamerad drüben nicht ſchließen wollte, ließ Teutſch das Licht die ganze Nacht brennen, während er ſanft ſchlief und der andere, um nicht übertroffen zu werden, arbeitete wirklich die ganze Nacht hindurch.

Schon als 13 jähriger Junge fing er ein Tagebuch an, das er bis zur Heimkehr von der Univerſität fortgeführt hat, ein ſchönes Zeichen des reifenden Geiſtes. Die erſten Aufzeichnungen ſind charakteriſtiſch. Sie berichten bloß Tatſachen, keine unreifen Empfindungen, kein Beiwerk ſtört die kurzen Sätze, die wie aus einer alten Chronik herausgeſchnitten er⸗ ſcheinen: 1830. Am Tage Petri und Pauli erſchlug der Blitz in Trappold Frau Neuſtädterin und Frau Meltzerin.

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Den 18. Juli ertrank ein Schloſſergeſell uff.

Auf der Univerſität ſtellt ſich dann der Überſchwang der Gefühle ein, um zuletzt wieder in ruhigere Bahnen überzugehen.

Noch als Gymnaſiaſt durfte er einen Teil des Vaterlandes kennen lernen. Zu Pfingſten 1836 wanderte er zu Fuß nach Reps „welche herrliche Tage verlebe ich daſelbſt“ und die Ernteferien führten ihn nach Kronſtadt, wo er die Bekanntſchaft der gleichzeitigen Schulgenofjen machte: Kraft, Foith, Fr. Schiel, Horvath, Schmidts, „alle find biedere Sachſen und hochbegeiftert für Recht, Freiheit und Aufklärung.“ Es mag die Gedankenwelt des Kreiſes kennzeichnen, daß Horvath dem Schäß⸗ burger Landsmann ein Heftchen ſelbſtgeſchriebener Lieder widmete, die alle durchaus ſächſiſchen Geiſt atmeten:

An die jungen Sachſen. Darum Brüder laßt uns mutig ringen, Unſerm Volk den alten Ruhm verleihn, Endlich, endlich muß es doch gelingen, Unſer Volk muß wieder edel ſein.

Und das Sachſenvolk ſoll wieder blühen, Männer follen dann aus ihm erſtehn, In des nahen Tages Frührotglühen, Wie die Vorzeit unter uns geſehn.

Sachſentroſt, Wer iſt ein Sachs, Trinklied für Sachſen, Gelübde der jungen Sachſen, ſo gehts durch das Büchlein, eine warme Begeiſterung, im voraus ein Hauch des Geiſtes aus den vierziger Jahren: So ſoll das Sachſenvolk aufs neu erblühen Zu der verwelkten alten Herrlichkeit, Und ſeine Tag' in neuer Pracht erglühen Und nie ſich neigen bis in ferne Zeit. Ja, dieſes zu erfüllen, Iſt unſer feſter Willen. Und darum ſchwören wir im Hochverein, Bis in den Tod den Sachſen treu zu ſein.

Und nicht weniger charakteriſtiſch iſt, daß Kraft dem Scheidenden die „Spaziergänge eines Wiener Poeten,“ eine Abſchrift des verbotenen Buchs, zum Andenken ſchenkte. Ein wenig früher iſt er einmal mit der Mutter nach Hermannſtadt gefahren. Es iſt ihm unvergeßlich geblieben, was für einen Eindruck der Anblick der Gebirge auf ihn machte, da er auf der alten Straße über die Stolzenburger Höhe dem Wagen voraus zu Fuß ging und aufſchauend plötzlich die ganze Kette der Karpathen vor ſich ſah.

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In den letzten Jahren des Gymnaſiums mußte die 6 getroffen werden, was aus dem Knaben werden ſolle. Er hatte eine lang daran gedacht, das Gewerbe des Vaters zu erlernen, doch w die Eltern das nicht, weil der Erwerb doch gar zu gering ſei, auch Junge hatte keine Neigung dazu. Ihm ſchien das Keßlerhandwerk weil die Arbeit reiner war, er hatte fie bei einem Oheim kennen gele Hier erhoben wieder die Eltern Einſprache, weil die Keßlerei für geſund galt. Nun dachte er daran Soldat zu werden. Ein Bruder Großmutter, Schönauer, lebte als penſionierter Rittmeiſter in Schäßbur, hatte den letzten Türkenkrieg mitgemacht und durch feine Erzählungen in dem Jungen die Luſt zu dieſem Stand erweckt. Das ſchien aber der ge⸗ ſamten Verwandtſchaft zu gefährlich. Ihm iſt eine Vorliebe für den Soldatenſtand geblieben und er konnte öfter in ſpäteren Jahren lachend ſagen: ich hätte einen guten General gegeben! Der Rat der Lehrer, des Stadtpfarrers Müller, entſchied zuletzt für das Studium. Dem Knaben war ſchon in den letzten Jahren ſeiner Gymnaſialzeit klar geworden, daß ſeine Neigung ausſchließlich dem Lehramt, Geſchichte und Philologie und der Theologie gehörte. Das Vorbild ungewöhnlicher Lehrer, der ſchöne Wirkungskreis, den der Beruf darbot, der innige Wunſch durch Verbreitung von Bildung und Aufklärung dem Volk und Vaterland zu nützen, zuletzt eben der Zug des Herzens beſtimmten zu dieſer Wahl, bei der die Eltern nur wegen den Koſten Sorge hatten, wie die auf⸗ gebracht werden könnten.

Den erſten ſchweren Kummer bereitete dem 19 jährigen Jüngling der Tod der Großmutter, die 73 Jahre alt am 12. November 1836 ſtarb; ſie war ihm eine zweite Mutter geweſen.

Am 31. Juli und 1. Auguſt 1837 beſtand Teutſch die Maturitäts⸗ prüfung mit Auszeichnung, die Schlußperoration hielt er lateiniſch über das Thema: Gentes Germanorum. Als er fertig war, trat Gooß ver⸗ traulich an ihn heran: Gratulor! und reichte ihm herzlich die Hand. Die Lehrer ſtellten ihm das Zeugnis aus, daß nur ein Schüler der Anſtalt es ihm gleich, vielleicht in einigem zuvorgetan hätte, eben C. Gooß. Er nahm vom Gymnaſium ein tüchtiges Wiſſen, idealen Sinn und reines Weſen, ernſte Lebensauffaſſung, das Bewußtſein der Pflicht und die Kraft der Arbeit mit und das frohe Herz, das an Gottes ſchöner Welt und den edeln Freuden des Lebens ſich erheben konnte.

Am 8. Auguſt verließ er mit einigen Studiengenoſſen Schäßburg, um nach Wien zu ziehen. In herkömmlicher Weiſe begleiteten die Kameraden die Abziehenden mit Sang und Klang durch die Gaſſen,

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auf der Steilau, von wo der Blick ins ſchöne Kokeltal ſo tief zum Herzen ſpricht, klang es noch einmal, „nun denn ihr Brüder, ſeis weils muß, das letzte Glas, den letzten Kuß,“ dann kam der Abſchied von den Kameraden, von den Verwandten und Eltern, die bis dorthin mit⸗ gekommen waren. Die Mutter weinte, es ſei doch eine weite Reiſe, man wiſſe nicht, welche Gefahren den Menſchen treffen könnten; der Vater tröſtete ſie in ſeiner milden Weiſe: „Die Erde iſt überall des Herrn“. Vater und Sohn ahnten nicht, daß ſie ſich dort auf dieſer Erde zum letztenmal geſehen.

Zehn Tage dauerte die Fahrt mit dem Schäßburger Kaufmann Wagner bis Peſt, von wo er am 21. Auguſt den Eltern die glückliche Ankunft meldete. Am 10. Auguſt waren fie von Hermannſtadt fort⸗ gefahren, am 13. Auguſt überſchritten ſie die Grenze Siebenbürgens. „Ungefähr 500 Schritte vom Dorfe Zam, dem letzten Ort in Sieben— bürgen, fließt ein klarer Bach, der die Grenze zwiſchen dieſem und Ungarn bildet. Mit welchen Gefühlen wir über den Fluß gegangen und vom teuern Vaterlande Abſchied genommen, das, liebe Eltern ſchreibt er läßt ſich nur fühlen, nicht beſchreiben.“ „Von Arad“ ſo ſchildert er den Eltern die weitere Reiſe „beginnt die unüber⸗ ſehbare Pußta, die unſereinen, der gewohnt iſt an Berge und Täler, an Wälder und Flüſſe, faſt zur Verzweiflung bringt. Tagelang ſieht das Auge nichts als ebenes Land, hin und wieder ein einſames Wirtshaus oder ein elendes Dorf, bewohnt von rohen und ungebildeten Menſchen, die nicht einmal den Acker zu bauen verſtehen, der ihnen deſſenungeachtet alles in üppigſter Fülle darbringt und auch in dieſem Jahr dargebracht hat. Eine andere, erfreulichere Geſtalt nimmt das Land in der Nähe von Peſth an. Peſth ſelbſt, welch' eine Stadt! Man erſtirbt faſt vor Erſtaunen bei dem Anblick des endloſen Häuſermeeres, aus dem hin und wieder einzelne Türme hervorſtehen, wie die Schiffe und Inſeln aus der offenen See hervorragen aus der unüberſehbaren Häuſermaſſe. Die Waizener Gaſſe mit ihren herrlichen Auslagen vor den Gewölben der Kaufleute und die Donauzeile mit ihren Gebäuden, angeſichts des erhabenen Stromes, haben mir vor allem anderen gefallen. Und all dieſe Herrlichkeiten angeſehen von dem Ofener Schloſſe, welch einen Eindruck müſſen fie nicht auf jeden machen! Morgen früh 8 Uhr reiſen wir mit dem Dampfſchiff nach Wien. In zwei Tagen ſind wir da. Was werden wir da erſt ſehen! Die Fahrt koſtet 6 fl. C-M.“ Und dahinter der be— zeichnende Satz: „Auf der Reiſe erſt iſt es mir eingefallen, daß ich mich von Georg, dem Geſellen des Schwager Adleff, nicht beurlaubt

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habe. Bittet ihn in meinem Namen um Vergebung und begrüßet herzlich“.

Am 22. Auguſt führte das Dampfſchiff ſie ſtromaufwärts 24. Auguſt landeten ſie bei Wien, die von der Dampfſchiffahrtsgeſellſchaft beigeſtellten Fiaker nahmen die Reiſenden auf, es war gegen 8 Uhr abends, als die Inſaſſen auf dem Stephansplatz im lauteſten Gewühl der Großſtadt ſich abgeſetzt ſahen, ſich ſelbſt, ihrem Staunen, bald dem Gefühl der Einſamkeit überlaffen. *

Die Landsleute von der Kokel waren in Wien.

2. Ruf der Hniverftät,

Es war ein neues großes Leben, das dem Sohn der kleinen Landſtadt in der Reſidenzſtadt entgegentrat. Tauſend Eindrücke ſtürmten auf ihn ein; was Kunſt, Theater uff. boten, genoß er in vollen Zügen, ſoviel der ſchmale Beutel und der ſparſame Sinn zuließ, das ſtudentiſche Leben erfriſchte ihn, er ſtellte auf der Kneipe in Berlin ſpäter auf dem Fechtboden ſeinen Mann und betrachtete die Stunden dort nicht als verloren, wenn in geiſtvollem Geſpräch Fragen des Lebens und der Wiſſenſchaft berührt wurden und die Herzen der Freunde ſich öffneten. Auch hier war ihm jede Schlaffheit zuwider und ein Mittun von Herzen ſeiner Natur entſprechend. Für ſein inneres Leben war die Erinnerung an die Heimat, an die Lieben dort, die ihn überall hin begleitete, bezeichnend. Aus der Ferne ſchwärmte er für ein Mädchen, das ihm als Ideal erſchien aber die Grundſtimmung der Seele war bald tiefer Mißmut, faſt Verzweiflung. Er war begeiſtert für ſeinen Beruf nach Wien gekommen, nach dem Bild der Schäßburger Lehrer hatte er ſich voll Erwartung die Profeſſoren der Fakultät zurecht gelegt, aber was er an der theologiſchen Fakultät fand, das blieb hinter allen Erwartungen zurück. Es iſt ergreifend, den innern Kampf noch nach⸗ träglich in den Briefen und Aufzeichnungen zu verfolgen. Er wohnte zunächſt mit ſeinem Freund Elges zuſammen, in einem Zimmer, das 5 fl. E-M. auf den Monat koſtete, aber jo ſchlecht war, abgeſehen davon, daß es für andere Studenten als Durchgang diente, daß Beide nach einigen Wochen umzogen. Aber ihre Anſprüche waren beſcheiden. Das Mittageſſen beſtand aus Suppe, Rindfleisch und Zuſpeiſe, koſtete 21 Kr. W. W., das Abendeſſen „ebenſoviel, oft auch noch mehr“, das ſie in einem Gaſthaus nahmen. „Das Frühſtück ift hier nicht in der Mode, Doch fällt einem anfangs der Verluſt der Speckkammer und des Obſt⸗

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gartens gewaltig ſchwer“, meldet er nach Hauſe. Als das Eſſen im Gaſthaus zu teuer zu ſtehen kam, nahmen fie für 9 fl. 12 Kr. C.⸗M. Mittag⸗ und Abendeſſen in einem Privathaus. „Ich wollte zwar anfangs keine Abendkoſt nehmen und mit einem Semmel und einem Seitel Bier mich abends begnügen; aber alle Landsleute haben mir es widerraten; es würde mir, ſagten ſie, wie ihnen gehen; ich würde es nicht aushalten können.“

Die Hauptſache war freilich eine andere: „Was unſere Vorleſungen betrifft, ſo ſind dieſelben unter aller Kritik und gar nicht geeignet, uns für unſeren künftigen Stand, d. h. zu Gymnaſiallehrern, zu bilden. Außer Herrn Wenrich [der ein gebürtiger Schäßburger war], der in jeder Hinſicht ein braver, achtungswerter Mann iſt (und dem wir unſere Beſuche abgeftattet haben), iſt an der ganzen Fakultät nichts Ordentliches mehr zu finden. Hätte ich dieſen Stand der Dinge drunten ſo gewußt, wie ich ihn jetzt weiß, ich wäre nie nach Wien gekommen, da man hier nur Zeit und Geld verſchwendet.“ Teutſch verſuchte auch unter den mißlichen Verhältniſſen etwas zu lernen die Univerſität zu beſuchen war unmöglich, da die Stunden kollidierten, abgeſehn von der räumlichen Trennung der beiden Anſtalten er empfand immer wieder, daß es faſt nicht möglich ſei, hier viel zu lernen. Aber wie ſollte er den Eltern die höheren Ausgaben, die das Studium in Berlin erforderte, zumuten? Der Vater tröſtete den ſchwankenden Sohn, daß doch auch von Wien tüchtige Männer hervorgegangen ſeien, doch der Sohn hatte die Ein⸗ wendung, das ſei nicht durch die Fakultät, ſondern trotz derſelben geichehen. Die Ausflüge in die wunderbare Umgebung Wiens, die luſtigen Abende bei „Sperl, Apoll, Elyſium“, die Erhebungen im Burgtheater, der Verkehr mit den Freunden, Klebeck, Klöß, Göbbel, Gottſchling, Elges, mit den auswärtigen Schuſter, Harth, Schmidt, C. Fuß, die Lektüre der Zſchokke'ſchen Novellen, philoſophiſche und hiſtoriſche Studien konnten über die Hauptſache nicht tröſten, den Mangel an geiſtigem Leben in der Fakultät. Daß ſich der junge Student, deſſen Lieblingsſtudium Geſchichte war und der ſchon auf dem Gymnaſium aus Rotteck u. A. ſich Auszüge gemacht hatte, als Rotteck in Wien war, den Meiſter beſuchte, iſt natürlich (13. Auguft 1838). „Es iſt ein mehr kleiner als großer Mann mit ſchon ergrauenden Haaren und ſanftem blauen Auge. Das Schwabenland hört man ihm an, das er kann er nicht gut ausſprechen. Die Aufnahme war bieder, herzlich, teutſch, eines Rotteck würdig. Über drei Viertelſtunden ſprachen wir mit ihm über ſtändiſche Verfaſſung und wie ſie ſelbſt in Teutſchland ſo tief geſunken. Sogar in Wien „ſpricht er wie er denkt“. Er entließ uns mit dem herzlichſten Dank für den Beſuch, der ihm ſichtbar Freude

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gemacht. Wir ſchieden mit teutſchem Händedrucke von dem Nie werde ich dieſe Stunde vergeſſen.“

Das waren Lichtpunkte. Im ganzen gabs wenig helle die Armſeligkeit der Fakultät erdrückte alles andere. An die Tagebuches, das er zu führen beſchloſſen hatte, hatte er geſchrieben: !

Was ich als Jüngling getan, was ich gefühlt und gehoffet,

Traute Blätter, bewahrt mirs, euch geb ich es, 15

Daß ihr den kräftigen Mann, den hinwankenden Greis einſt b

Was er als Jüngling getan, was er gefühlt und gehofft.

Was er zunächſt eintrug, zeigte Sorge, Zweifel und Kar

1. Februar 1838. So wäre denn endlich einer meiner ſeh Wünſche erreicht; ich wohne allein. Werde ich aber den Zweck, um willen ich es tat, auch erreichen? Werde ich mehr ſtudieren, als verfloſſenen Semeſter? Jetzt hoffe ich es wenigſtens und will, io ( hilft, die Hoffnung auch verwirklichen. Nur meine und der Mein Geſundheit und keine den Geiſt drückende Nahrungsſorgen!

8. Februar. Heute war nach langer Zeit wieder einmal Kneiperei. Das koſtet zwar Geld, entzieht einen Abend dem Studium und eine Nacht dem Schlaf, macht auch wohl für den andern Tag müde Beine; aber dafür gewährt es auch wieder mannigfache Vorteile. Andert ſich doch dadürch das dem regen Jünglingsgeiſte unerträgliche Einerlei auf eine höchſt wohltuende Weiſe, verſchwindet doch Kummer und Sorge wie Nebel vor dem Sonnenblick, wenn im frohen Kreis „Rundgeſang und Rebenſaft“ ertönt und daß man nicht auch an Erfahrung und Menſchenkenntnis gewinne, laſſe ich mir nicht ausreden.

14. Februar. Düſtere Gedanken haben mich heute erfüllt. Hedrichs Brief von Berlin hat mir abermals das traurige Elend meiner Lage in ſeiner vollen Schwere vor die Seele geführt. O daß ich hinüberfliegen könnte in die Hörſäle Berlins. Hilf du Alliebender, lenke meiner Eltern Sinn, unterſtütze ihre ſchwache Kraft und ich will dir danken durch die ſtrengſte Pflichterfüllung, will Euch danken, geliebte Eltern, durch die gewiſſenhafteſte Benützung aller mir dargebotenen Gelegenheiten zum Lernen, daß ich mich bilde zum nützlichen, tatkräftigen Bürger und Ihr Freude erlebet an dem Sohn, der Euch gewiß Kummer und Sorge genug bereitet!

15. Februar. Wenn ich zurückdenke auf die unausſprechliche Arm⸗ ſeligkeit unſerer Anſtalt, wenn ich erwäge, daß ich an ihr die ſchönſten Jahre meines Lebens faſt nutzlos zubringen ſoll, da dünkt mir kein

Be

Opfer zu groß, da bin ich feſt entſchloſſen, Wien zu verlaſſen. Aber wenn ich mich dann wieder erinnere an des Vaters beſchränkte Vermögens umſtände, wenn ich bedenke, daß ich durch vermehrte Ausgaben den lieben Eltern neuen Kummer, neue Sorgen zuziehe, da wankt der gefaßte Entſchluß wieder in mir und ich weiß nicht, was ich tun ſoll. O daß mich Jemand dieſem qualvollen ſchwankenden Zuſtand entzöge!

1. April. Wie iſt es doch ſo öde und einſam, wenn man abends in das dunkle Zimmer kommt. Faſt möchte ich ſagen, mit einem Gefühl des Bangens träte ich ſtets hinein in die Finſternis. Nie fühle ich es tiefer, als wenn ich abends im matterleuchteten Stübchen am einſamen Tiſch ſitze, wie not es dem Menſchen tue, daß er wenn auch nur ein Herz auf der weiten Erde beſitzt, welches liebend für ihn ſchlage und Teil nehme an feinen Leiden und Freuden. Ich habe ſolch kbſtliches Gut an meinen Eltern und Verwandten. Dank, herzlichen Dank Euch, All Ihr Teuern! ...

25. April. Geſtern wars, als wenn irgend ein wohltätiger Menſch mit geheimer Hand den Kummer von meiner Seele genommen und ich ſehe wieder, zum erſtenmal, ſeit langer Zeit, froh und friſch ins Leben hinein, mit der feſten Überzeugung, daß wohl noch alles gut ſein werde. Geſtern folgte dem regneriſchen Morgen ein ſchöner Frühlingstag; ſollte dies vielleicht ein Bild meines Lebens ſein?

Zuletzt wagte er es doch, die Eltern um die Erlaubnis zu bitten, nach Berlin zu gehen. Und das lang Erſehnte geſchah. Die Eltern gaben ihre Zuſtimmung und das Schäßburger Konſiſtorium verſprach auch unter dieſen Umſtänden Anſtellung.

Die Freude und der Jubel kannte keine Grenzen. Die Dankbarkeit gegen die Eltern fand tiefe Worte und zeitigte die beſten Vorſätze. Die Vorleſungen gab er nun ziemlich auf, trieb aber dafür Griechiſch und Lateiniſch, ſah ſich Wien und die Umgebung mit den Freunden an „ich bin mit mehreren Freunden von Wien bis Wagram auf der Eijen- bahn gefahren, eine Strecke, die man mit Pferden in vier Stunden, mit dem Dampfwagen in 28—30 Minuten zurücklegt. Eine Schwalbe iſt nicht imſtande ſchneller zu fliegen“ und rüſtete ſich „nach dem heiligen teutſchen Land“ zu ziehen. Aber es gab noch endloſe Plackereien, zunächſt mit der Fakultät, die jeden Stipendiſten verpflichtete, den ganzen Kurs in Wien zu machen. Teutſch hatte die Verpflichtung auch über- nommen und die Fakultät wollte ihn davon nicht entbinden. Erſt die niederöſterreichiſche Landesregierung ſprach ihn von der Verpflichtung frei, zum großen Arger des Rektors und gegen das Konſiſtorium, das

Georg Daniel Teutſch. 2

re fie abgewieſen hatte. Nun ſtand aber der Paß noch aus.

burger Magiſtrat bis zum Hofagenten wurde alles in Bew

und als alles nichts half, bewirkte endlich Metternich, zu dem

ging, wobei der hohe Herr den Studenten freundlich empfing,

ſtellung der Päſſe. 10 Ihr dumpfen Säle groß und klein Fr. Mich kriegt ihr jetzt nicht mehr hinein

ſangen ſie jubelnd und am 19. Oktober gings „ins heilige teutſche hinein. 3

Wien war für ihn doch eine Schule innerer Selbſtzucht gerade durch das was ihn forttrieb. Dabei hatte er privatim und Lateiniſch, vor allem Weltgeſchichte, nicht viel Theologie ftu hatte an ſich gearbeitet, den Jähzorn zu überwinden, ein größeres kennen gelernt, Freundſchaft und Liebe empfunden und lechzte nach tiefgehender geiſtiger Anregung. Die Grundſtimmung feiner Seele n Dank, tiefer Dank gegen Gott und die Eltern, die ihm dieſes größte Glück ermöglicht, nach Berlin zu gehen und Freude atmete ſein ganzes Weſen. al Die Reife führte ihn durch Böhmen, über Prag, Teplitz, im engen Elbtal mit ſeinen Schönheiten, über den Königſtein, durch einen Teil der ſächſiſchen Schweiz nach Dresden.

Der größere Teil der Reiſe wurde zu Fuß gemacht. In der ſäch⸗ ſiſchen Schweiz entzückte ihn beſonders die Baſtei. Sie noch einmal zu ſehen, verließ er die Reiſegefährten und kehrte um; ſie ſollten ſich in Pillnitz wieder treffen. Wind und Regen aber hinderten nicht nur den Marſch, er verirrte ſich auch und mußte in einem Gaſthaus bei der Elbüberfahrt nach Pirna übernachten, wo die Wirtsleute ihn ſo freundlich aufnahmen, wie ſelten Jemand. Im Gaſthaus fielen ihm das Pirnaer Wochenblatt‘ und die Ameiſe“ in die Hand, „Blätter, über die ich mich ſchreibt er ins Tagebuch herzlich gefreut, einmal wegen des Geiſtes, in dem fie geſchrieben, dann weil fie zeugen, daß Bürger und Land⸗ mann auf einer weit höheren Stufe der Bildung ſtehen als bei uns. Doch ſollen, jo Gott will, die Sachſen in Siebenbürgen ihren teutſchen Brüdern bald nicht viel nachſtehen, wozu das in Schäßburg zu erſcheinende Wochenblatt künftigſt mitwirken ſoll. Es muß in ähnlichem Geiſt wie dieſe geſchrieben ſein.“

In Dresden feſſelten ihn die Bildergalerie und das grüne Gewölbe, hier vor allem das alte Kaiſerſchwert. „Alle Reichtümer, die das Gewölbe

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birgt, ließe ich liegen und nähme dafür, ſtünde mir die Wahl frei, das alte teutſche Kaiſerſchwert, das ebenfalls hier aufbewahrt iſt. Sein Anblick erfüllte mich mit Schmerz und tiefer Wehmut. Ich gedachte der Männer, denen es einſt als Herrſcher vorgetragen worden, gedachte des Reichs, das dieſe einſt regiert, und ſiehe Herrſcher und Reich ſind untergegangen, das gewaltige Schwert aber beſteht noch, um die folgenden Geſchlechter zu mahnen an der Väter Kraft und Würde, die leider mehr den Enkeln entſchwinden. In Aachen ſollte man es aufſtellen, auf dem Markt der alten Kaiſerſtadt, oder zu Frankfurt auf dem Römer öffentlich bewahren, damit alle Welt ſie ſehen könne, die gewaltige Waffe, eine heilige Reliquie, die faſt allein übrig geblieben aus den Trümmern des mächtigen Reiches.“ Abends bewunderten ſie ein Feuerwerk an der Elbe, das die ſächſiſche Artillerie als Prüfung abbrannte. Der König und die Königin waren dabei und bewegten ſich zwanglos unter der Menſchenmenge „in Oſterreich hätte man Grenadiere zu beiden Seiten aufgeſtellt, um den armen Kaiſer zu ſchützen.“

Überall waren es die hiſtoriſchen Erinnerungen, die den jungen Studenten anzogen, der von Dresden weiter mit zwei Landsleuten, Elges und Draſer, über Meißen nach Leipzig fuhr; dort erfreuten ſie ſich an dem großen Fackelzug zu Ehren des neuen Rektors, hörten bei Wiener und Hermann ein Kolleg, fuhren nach Halle und hoſpitierten bei Thilo, Tholuck, Geſenius, Wegſcheider, die Franckeſchen Stiftungen erfüllten ſie mit Ehrfurcht, ſie ſind „ein deutlicher Beweis, daß dem Menſchen, der erfüllt iſt von Liebe und Glaube und Vertrauen auf höhere Hülfe, nichts unmöglich iſt“. Kameraden nahmen ſie dort auch ſonſt gar freundlich auf, ſo daß die zwei Tage in Halle ihm unvergeßlich blieben. Am 5. November brachte die Fahrpoſt ſie nach Berlin: „ſei mir gegrüßt du Muſenſtadt, ſo lange Ziel aller meiner Hoffnungen und Wünſche“. „Und ſo wäre ich denn in Berlin. Meine Ahnungen haben mich nicht getäuscht, meine Wünſche und Hoffnungen ſind erfüllt. Daß dieſes auch mit meinen Vorſätzen der Fall ſei, dazu Kraft von oben und der guten Eltern Geſundheit!“

Inzwiſchen war zu Hauſe der ſchwere Schlag ſchon gefallen, der ver- düſternd auf all dieſe Freuden und das letzte Jahr fiel am 31. Oktober war der treue Vater, kaum 50 Jahre alt, auf einer Geſchäftsreiſe in Hermanns ſtadt plötzlich geſtorben, alſo während der Sohn die frohe Fahrt nach Berlin machte. Es war ſeltſam, daß bange Träume vom Tode der Eltern den Böſes Ahnenden lange quälten, bis er die volle Schmerzens- kunde erhielt, erſt am 30. Dezember und nachher erſt die ſchmerzlichen

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Einzelheiten, daß der Tod den Vater fern vom Haufe ere dort ſein Grab gefunden. Tiefergreifend iſt der Schmer; junge Student wochenlang ringt; zu dem Leid um den Sorge um das weitere Studium. Aber „der äußere Schmerz der Seele Kraft bezwungen werden“. Ein ſtarkes Gottvertrauen tr ihn: „Dein Wille Vater im Himmel geſchehe. Tröſte Du die teur und laß mich ſie wenigſtens geſund finden“, aber „des Vaters 2 wird ewig dauern“. Und ein zweiter Schlag folgte. Der bef mit dem fie zuſammen die Heimat verlaſſen, Elges ſtarb i Typhus, und der neue Schmerz riß die kaum vernarbte Wunde wie Unter ſolchen Umſtänden ſchwebte über den Berliner Kummers finſtere Wolke. Aber wo Freunde helfen konnten, da ſie. In Schäßburg trugen unaufgefordert treffliche Männer der witweten Mutter Geld zur Beendigung der Studien für den Sohn die Landsleute in Berlin, Severinus, Kiſch, Schwarz nahmen ſich Vereinſamten an, der ſo oft ihn ſchwere Schickſalsſchläge trafen, an ſehr, ſehr ſchwer darunter litt, aber ſtark genug war, fie zu überwini und den herben Schmerz allmählich in Wehmut zu verwandeln und innerlich daran zu wachſen. Die Briefe an die Mutter verſuchten ſie zu tröſten, er bedauerte, nicht des Vaters Handwerk erlernt zu haben, 0 er dann der Mutter ſofort hätte helfen können, während er jetzt ihre Hülfe brauche, und den eigenen Schmerz verſuchte er in der Arbeit zurück zudrängen. 1 Eines hatte nicht getäuſcht: welch ein Leben gewährte doch die Univerſität, die Bibliothek, das Studium. Ranke und Ritter, Zumpt und Bopp, Beneke und von der Hagen, Tweſten und Strauß, nicht die berühmten Namen machten es, ſondern was ſie wirklich boten. Theologie, Geographie, Philologie und vor allem Geſchichte beſchäftigten ihn, Rankes und Ritters Einfluß ſind die nachhaltigſten geworden. Soweit die knappen Gelder reichten, wurden die von Haus mit⸗ gebrachten Bücher vermehrt. In Wien hatte er außer der Bibel (in ver- ſchiedenen Ausgaben griechiſch und deutſch) die lat. Schulklaſſiker gekauft, dann Dräſeckes Predigten für denkende Verehrer Jeſu, Haſes Kirchen⸗ geſchichte, Ammons Sittenlehre, Förſtemann die chriſtl. Geißlergeſell⸗ ſchaften, Schillers ſämtliche Werke, Burkhardts Geſchichte der neueſten Zeit. Daneben Hoffmann Die Erde und ihre Bewohner u. a. In Berlin kamen dazu weitere Klaſſiker, darunter Pindar, aus Theologie die Stunden der Andacht, Büchners Concordanz, Haſes Dogmatit, Hüffels Weſen und Beruf eines chriſtl. ev. Geiſtlichen, Meyers Exegeſe der vier Evangelien,

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Dräſeckes Predigtentwürfe, aus Geſchichte Kortüms und Ludens Werke. Auch franzöſiſch begann er da zu treiben. Mehr boten die Bibliotheken. Den Winter 1838 —39 arbeitete er Möſers Osnabrückiſche Geſchichte, Pfiſters Deutſche Geſchichte, Eichhorns Staats- und Rechtsgeſchichte durch, Ludens Geſchichte der Völker und Staaten, Hüllmanns Städteweſen des Mittelalters, Zſchokkes Schweizergeſchichte. Im Frühjahr Reſes Geſchichte des Mittelalters, Schloſſers Weltgeſchichte, Ludens und Riehs, im Sommer Voigt Geſchichte Preußens, Engel Geſchichte des ungariſchen Reichs, Warnkönigs Flandriſche Staats- und Rechtsgeſchichte, Görres Teutſchland und die Revolution, Johannes Müllers Vierundzwanzig Bücher all- gemeiner Geſchichte, Maylaths Oſterreichiſche Geſchichte. Daneben Herders Ideen zur Philoſophie der Geſchichte der Menſchheit, Rankes Hiſtoriſch— politiſche Zeitſchrift und Hengſtenbergs Evang. Kirchenzeitung. In freien Stunden beſuchte er das Beſſeriſche Leſezimmer, das vierteljährlich 1 Thl. 15 Gr. koſtete.

Die Studien liefen zum Teil parallel mit den Vorleſungen. Er hörte im Winterſemeſter 1838/39: Geſchichte des Mittelalters bei Ranke, Pſychologie und kritiſche Einleitung in die geſamte Philoſophie bei Beneke, altdeutſche und altnordiſche Mythologie bei von der Hagen, Auserleſene Gedichte des Catull bei Heyſe, Hermeneutik des N. T. bei Tweſten, alte Geographie Griechenlands bei Ritter und Chriſtliche Glaubenslehre bei Neander. Das Sommerſemeſter 1839 bot: Geſchichte der neueren Zeit ſeit dem Anfang des 16. Jahrhunderts bei Ranke, Einige Reden Ciceros bei Zumpt, Gregorius Hartmanns von der Aue bei Höfer, Griech. und lat. Etymologie bei Bopp, Homiletiſche Kunſt bei Strauß (2), Jeſaias bei Uhlemann.

Noch in ſpäterer Zeit leuchteten ihm die Augen, wenn er von dem Geiſtesleben jener Tage redete.

Die hiſtoriſchen Studien ſetzte er ſchon in ſteten inneren Zuſammen⸗ hang mit der Geſchichte des eigenen Volkes.

Unter den Landsleuten fand er wie in der freien Vereinigung der „Lothringer“ einige treffliche Freunde, die etwas ähnliches wie den Jenaer Bierſtaat konſtituiert hatten, in dem Herm. Wollheim eine leitende Rolle ſpielte, Teutſch beſonders befreundet. In dieſem Kreis entſtanden die prächtigen Lieder, die jetzt noch im Kommersbuch und in froher Studentenrunde leben: „Jetzt kenn ich das gelobte Land“, „Sind wir nicht zur Herrlichkeit geboren“, alle von Wollheim, der den ſächſiſchen Kameraden zu Ehren auch das hübſche Lied auf unſere Farben (blau und rot) dichtete:

za Seht her wie ſtolz ich um mich Die Bruft geichmüct und t Die Treu iſt blau, 192 20 zum Tod.

Die Farben lieb ich bi

Tragt ihr mich einſt ins Grab

So ſchmückt den Sarg, ihr Brüder m Mit einem Bande blau und rot, Die Farben lieb ich jelft im Tod

Ein mächtiges Gefühl für Freundſchaft, eine e Deutſchtum, eine heilige Liebe für Volk und Vaterland k dem Treiben jener Tage immer durch. Leicht war Gedanken in Worte zu faſſen und in lesbaren Verf bringen. Ein wunderbarer Schwung der Seele war dem weichen Stimmungen leicht zugänglich war er doch ſt und für ſein Volk zu wirken das Ziel ſeines Lebens. von Berlin ſchrieb er einem Landsmann ins Stammbu

Wenn uns Ein Geiſt durchglühet, Der Geiſt der Brudertreu,

Dem Sachſenvolk erblühet

Die alte Kraft aufs neu.

Die Väter ſehn hernieder

Auf unſre heil'gen Reihn,

Wie wir als deutſche Brüder Dem ſchönſten Ziel uns weihn!

Und einem andern „. . . So ſoll auch, was wir als das Gute erfa fich ſofort in freier, friſcher Tat ausſprechen“. Er war ein hoch wachſener junger Mann, im großen blauen Auge lag tiefer Ernſt, eine gewiſſe Weichheit iſt darin nicht zu verkennen, in welligen Locken fiel das reiche blonde Haar über die hohe Stirne, unter der eine ſtarke Naſe den Ausdruck der Energie vermehrte, das Grübchen im Kinn die Milde dazu fügte. Nach damaliger Studentenſitte die Bruſt offen, bot er das Bild eines jungen Mannes, der mit idealen Zielen ins Leben eintrat.

Am 9. Auguſt 1839 verließ er Berlin mit ſchwerem Herzen. Ein drittes Studienjahr wäre nicht zu erſchwingen geweſen.

In das Tagebuch ſchrieb er:

„Bemoſter Burſche zieh ich aus, Behüt dich Gott Philiſterhaus. Zur alten Heimat kehr ich ein, Muß ſelber nun Philiſter ſein.“

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„So hab ich nun die Stadt verlaſſen, wo ich gelebet lange Zeit.“ Des Lebens ſchönſte Tage ſind alſo zu Ende. Die köſtliche Zeit der Ideale, die nie von der rauhen Hand der Wirklichkeit unzart berührt und verſchüchtert, fort und fort den Jüngling umſchwebte fie iſt verſchwunden, ein neues Wirken, und neues Leben beginnt. Solche Betrachtungen, die in den letzten Tagen nicht nur, ſondern ſeit lange schon, mich beſchäftigten, haben mir den Abſchied aus der wiſſenſchaft— lichen Spreeſtadt ſehr erſchwert. Nimm meinen Dank hin du teure für alles, was du dem ſtrebenden Jüngling gewährt; nehmt auch ihr ihn hin, den wärmſten beſten, den das volle Herz auszuſtrömen vermag, ihr Geliebten, die ihr in Freud und Leid mir treu zur Seite ſtandet, und ausgeharrt habt in der Liebe und Freundſchaft bis zum letzten Augenblick. Trennung war unſer Los, Wiederſehen iſt unſere Hoffnung.“ Eine größere Reiſe, die ſich von ſelbſt ergab und zu der er ſich gewiſſenhaft vorbereitet hatte, führte ihn mit dem Stubengenoſſen Schwarz über Witten⸗ berg, Halle, Jena, wo Schwarz krank zurückbleiben mußte, Weimar, Gotha, Erfurt, Eiſenach, Meiningen, Würzburg, Kiſſingen, Erlangen, Nürnberg, Regensburg zurück nach Wien, eine genußreiche Fahrt, faſt immer zu Fuß mit dem Ränzchen auf dem Rücken. Es waren wieder die großen hiſtoriſchen Erinnerungen, die ihn feſſelten, daneben Bauten und Kunſt⸗ denkmäler, für die er zunächſt auf dieſem Wege Verſtändnis gewann. Auf dem Schlachtfeld von Lützen ſtellte er die Betrachtung an: „Wie, wenn jetzt die alten Toten plötzlich aufſtünden, die zerhauenen Helme auf den blutenden Häuptern, die kampfzerſtückelten Schwerter in den wunden Händen, wie wenn ſie ſich jetzt urplötzlich erhöben, und hin⸗ träten vor die Könige und Großen dieſer Erde, wor die Fürſtenräth' und Hofmarſchälle, mit trübem Stern auf kalter Bruſt' und fragten, wo ſind ſie die Güter, für die wir geblutet, zeigt uns die Saat, die aus unſerem Heldentod entſproſſen? Und ſiehe da rauſchte der Wind in den Bäumen, daß ſie wie zürnend die hohen Häupter ſchüttelten und die Blumen hinter dem Denkmal ſchienen ihre leiſen Klagen hineinzumiſchen, dieweil nicht genügende Antwort auf der Toten Frage geworden. Die Sonne aber ging blutrot im Weſten unter, dunkle Wolken umzogen rings den Himmel, und nur das Kreuz des Denkmals ſchimmerte einige Augen» blicke noch im Schein des Abendlichts. Tief ergriffen und ſinnend ging ich nach Lützen zurück.“ In Jena ſah er zum erſten Male Haſe, deſſen Kirchengeſchichte er bejuchte, ebenſo Schwarz ktatechetiſche Ubungen. Es ift bezeichnend für ihn, wenn er bei der Wartburg bemerkt: „Die ſchöne Ausſicht aus ſeinem (Luthers) Zimmer mag den hohen Mann wohl

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geſtärkt haben bei dem ſchwierigen Werk, das die F Aufenthaltes.“ Beſonders tiefen Eindruck machte! Wanderer, der dort im Elternhaus eines Univerfität freundlich aufgenommen wurde. In Wien überlegte er e nicht eine Hauslehrerſtelle annehmen ſolle, doch entſchi Mutter für die Heimreiſe. 8 Am 3. Oktober fuhr er mit den Landsleuten Gutt, K Kiſch mit einem Kronſtädter Fuhrmann, der eine grie hinaufgeführt hatte, von Wien fort, nach einem Tag „über die öde ungariſche Haide, die ebenſo reizlos wie die burg, leider kein ſo reiches geiſtiges Leben beherbergt“, der 5 Wunderbar bewegt betraten ſie ihren Boden mit dem Sang an mit hellem hohem Klang“, und ſchoſſen ihre Piſtolen i das Herz weitete ſich beim Anblick der Schönheiten des 2 an deſſen Bergen die frohe Weinleſe im Gang war; am langten ſie in Hermannſtadt an. „Mich empfing ſogleich die auf dem Schäßburger Hofe, die teuere Mutter warte in der ( ſehnlich meiner Rückkunft ſchon ſeit zwei Tagen ich eilte jo klopfendem Herzen ſie aufzuſuchen und fand, daß ſie an baldigen Ankunft verzweifelnd, da ich fie brieflich auf den 25. und von Geſchäften gedrängt vor einigen Stunden abgereiſt war.

mußte ich denn bis Freitag in Hermannſtadt verweilen. Faſt keine

Freunde und Studiengenoſſen traf ich daſelbſt an wohl aber teuerſten Vaters Grab! Freitag verließ ich Hermannſtadt und gela Sonnabend den 19. Oktober, abends 7 Uhr, in Schäßburg an. 1 meine Lieben fand ich geſund nur Ihn den Geliebteſten kann ich nicht mehr ſehen.“

3. Der junge Lehrer, h

Durch die Heimkehr des Sohnes kam neues Leben in das Haus 1

der verwitweten Mutter in der Baiergaſſe. Er bezog wieder das Studenten⸗ ſtübchen über dem Tore, und als die erſten Wochen der Begrüßung und des frohen Wiederſehens raſch verfloſſen waren, begann er ſofort mit der Fortſetzung ſeiner Studien. Sie waren auf die vaterländiſche Ger ſchichte gerichtet. „Merke zu einer Geſchichte der Sachſen in Sieben- bürgen“ überſchrieb er das Heft, das er Ende Dezember 1839 anlegte und in das er zunächſt Auszüge aus Eder und Schlözer eintrug, die Grundlage der vaterländiſchen hiſtoriſchen Studien. Ihm ſchwebte von Anfang an eine Geſchichte der Siebenbürger Sachſen vor und

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wollte jemandem der Gedanke zu kühn vorkommen, ſo entſchuldigte er ihn mit dem Sängerwort:

Es geht der Jugend Streben

Nach manchem ſchönen Traum.

Da in Schäßburg im Augenblick keine Stelle frei war, nahm er (1. Juni 1840) eine Hauslehrerſtelle in Karlsburg in einem wohlhabenden Bürger- haus Megay an, in dem er die beiden Knaben, die das katholiſche Gym- naſium beſuchten, beaufſichtigen ſollte. Der Hausherr war ein vielbe— ſchäftigter Geſchäftsmann, die Frau eine Preßburgerin von ungewöhnlicher Bildung, mit tiefem Gemütsleben. Der junge Kandidat empfand dankbar, daß hier das Vorurteil der meiſten adeligen Häuſer über den Unterſchied der adeligen und freien Geburt nicht vorhanden war, daß das Haus ihn als Freund ſchätzte. So war ihm der Aufenthalt dort nach vielen Richtungen wertvoll. Mit den Freunden, vor allem Klöß, C. Fuß und den Schäßburger Kameraden unterhielt er lebhaften Briefwechsel, ließ fie an ſeinen Studien Anteil nehmen und ſchrieb ſich die Briefe, die er ihnen ſchickte, in ein eigenes Büchlein zuſammen, aber am wertvollſten war ihm der Aufenthalt durch die Förderung, die die biſchöfliche die Batthyaniſche Bibliothek ihm bot. Vom katholiſchen Biſchof Batthyany am Ende des 18. Jahrhunderts angelegt, zur ſelben Zeit da Teleki in Vaſarhely, Brukenthal in Hermann⸗ ſtadt ihre großen Bücherſammlungen zum Dienſt für die vaterländiſche Wiſſenſchaft zuſammentrugen, iſt ſie beſonders reich an Werken und Handſchriften über ſiebenbürgiſche Geſchichte. Das gab neue, ungekannte und wertvollſte Beiträge zu „Merke zu einer Geſchichte der Sachſen“, die Hefte wuchſen, die Kenntniſſe mehrten ſich und ungeſtört genoß er in dem ſonſt nicht beſuchten, für ihn eingerichteten Leſezimmer die ſtillen Stunden wiſſenſchaftlicher Arbeit, unterſtützt durch eine nie gehoffte Ge⸗ fälligkeit des Aufſehers. Die Rundſicht von der Feſtung, beſonders die nordweſtliche Ausſicht auf das im Halbkreis von ſchönen Bergen begrenzte Ampolytal und der Blick auf die fernen ſüdlichen Hochgebirge entzückten ihn. Wanderte er im Abendſchatten dort herum, dann ſtiegen die alten Geſtalten aus der Väter Zeit vor den Augen des jungen Hiſtorikers empor, er hörte die Stimme der Altvordern auf dem Landtag in Weihen- burg, er ſah wie die Sachſen gegen unmäßige biſchöfliche Beſteuerung (1270) ſich erhoben, die biſchöfliche Kirche mit Feuer und Schwert verwüſteten, ſo daß Biſchof und Kapitel noch nach vielen Jahren über die Wut und Wildheit des ſächſiſchen Volkes klagten.

Daß der Geſchichtsſchreiber auf die Quellen zurückgehen müſſe, um eine Geſchichte des ſächſiſchen Volkes zu gewinnen, war dem Schüler

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Rankes von vornherein klar. Aber auch die Not zw Bücher waren keine vorhanden, die eine zujammenhäi der Sachſen und des Landes geboten hätten. Neben den er Zeit zu allerlei anderem. Die gejelligen Freuden und die Umgebung waren ihm immer eine Erholung; dann p den Pfarrer, ſuchte eifrig nach neuen Formen für den Lich Werkſtatt der Mutter, erkundigte ſich für einen Vetter um! von Kalbfellen, ohne jegliches Verſtändnis für die Sache, am blühenden Roſenſtock im Garten und dachte an die V des Sommers in der lieben Vaterſtadt, bat die Mutter, und daran zu denken, daß fie ein Recht habe, ſich nun auch zi was die arbeitſame Frau nicht zugeben wollte. ö

Am 7. April 1842 vertauſchte Teutſch, nach ſchwerem das Megay'ſche Haus mit dem Haus des Provinzialkommi Bartſchai, einem Brukenthaliſchen Schwiegerſohn, wo er den ji Jungen im Leſen und Schreiben unterrichten ſollte. Der La in Solymos bei Deva, im Haus der hochgebildeten Familie, war ſehr angenehm, die Gegend in dem reichen Miereſchtal ent; Benützung der Brukenthaliſchen Bibliothek für die Studien aber allmählich empfand er doch ſtarke Sehnſucht nach größerer nach der Anſtellung am Gymnaſium. Zur erſten Generalver des Vereins für ſiebenbürgiſche Landeskunde, die in Schäßburg De tag nach Pfingſten abgehalten wurde, kam er in die Vaterſtadt und Eindruck jener erſten Verſammlung mit ihrer Begeiſterung, mit ſtärkenden Gefühl erhebender Gemeinſamkeit, mit der Empfindung, das ſächſiſche Leben einen Teil ſeiner Feſſeln geſprengt, neuen edeln Inhalt gefunden, iſt ihm unvergeſſen geblieben. Wenig ſpäter (10. Juli 1842) ſtellte ihn das Schäßburger Lokalkonſiſtorium als 3. Lektor an, mit einem Gehalt von 56 Gulden W. W. Am 3. und 4. Januar des folgenden Jahres verteidigte er ſeine Differtation über den Zollſtreit der Sachſen mit dem Wardeiner Kapitel und einige Theſen, von denen die hiſtoriſchen dem Andreaniſchen Freibrief galten, die pädagogiſchen für Erſatz des Lateinunterrichts in den Elementarklaſſen durch deutſch und magyariſch eintraten, die theologiſche Theſe den ſymboliſchen Büchern die Eigenſchaft Glaubensnorm zu ſein abſprach und den Beweis führte, daß das Daſein des Teufels mit Recht geleugnet würde. Die Behörde erkannte die ehrenvolle Tüchtigkeit der Kandidaten an es hatten ſich mit Teutſch noch zwei zur Prüfung geſtellt und ſprach die definitive An⸗ ſtellung aus.

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Das Kollegium des Schäßburger Gymnaſiums beftand damals aus dem Rektor C. Gooß, dem Konrektor M. A. Schuſter und den Lehrern Göbbel (zugleich Bergprediger), G. Binder, D. Gottſchling, Teutſch und J. Weiß. Gooß, ehmals der Lehrer auch Teutſchs, der geiſtesgewaltige Mann, trat nun dem jungen Kollegen auch als Freund näher. Und Gooß war eine ungewöhnliche Perſönlichkeit, reich an Wiſſen, liebenswürdig in ſeinem Weſen und von einer faſt dämoniſchen Beredſamkeit. Dabei aber litt der bedeutende Mann ſeltſamerweiſe unter dem Mangel an Selbſtvertrauen. Nie zufrieden mit ſich und ſeinen Arbeiten, verfiel er bisweilen in Schwermut. Er hatte ein jugendliches Gähren nie ganz überwunden, aber wer ihm nahe kam, verfiel dem Zauber ſeines Weſens. Nach kurzem Rektorat (184245) folgte ihm im Amt M. A. Schuſter (184548), eine zugreifende und rührige Natur, die immer mit größter Entſchiedenheit eintrat, wo er meinte, handeln zu müſſen, ruhelos tätig und erfüllt vom guten Glauben, daß er den rechten Weg gehe. Gooß der Hiſtoriker, Schuſter der Mathematiker, Gegenſätze und Freunde zugleich, jeder intereſſant und eine ausgeſprochene Perſönlichkeit. Von den andern ſtand G. Binder ihm am nächſten, ein Mann, der das neuerwachte geiftige Leben rüſtig ſchüren half, dem naturhiſtoriſchen Unterricht zuerſt eine beſſere Stellung am Gymnaſium eroberte, als Mitbegründer der heimiſchen Statiſtik das Intereſſe für Geographie in Ritters Geiſt, deſſen Schüler er geweſen, in weitere Kreiſe trug, voll Verſtändnis für die Schönheiten des ſächſiſchen Dialekts, der erſte Herausgeber eines Kalenders, in dem zuerſt erkennbar war, daß die gebildeten Kreiſe die Verpflichtung empfanden, eine Literatur für das Volk zu ſchaffen, ein Mann, bei allen ſeltſamen Eigentümlichkeiten geeignet geiſtige Anregung zu bieten, der nie müde wurde, die Kollegen anzuſpornen, ſie ſollten Bücher ſchreiben. Er hätte den neuen Genoſſen am liebſten für die Naturwiſſenſchaft gewonnen: auf dem Gebiet der Geſchichte ſei doch nicht viel zu holen, die Urkunden würden bald erſchöpft ſein und dann ſtehe man am Ende. Aber er ſah bald, daß Steine und Pflanzennamen bei dem jungen Lehrer nicht hafteten, doch bedauerte Teutſch immer, auch ſpäter, daß man im all⸗ gemeinen von dieſen Dingen ſo wenig wiſſe. Seinem Weſen und ſeiner Natur war die von Gooß näherſtehend, nicht nur die allgemeine Lebens— auffaſſung, die mit wunderbarem Idealismus alles unter den Gedanken der Pflicht ordnete, ſondern auch die Anſicht über die Geſchichte und deren Bedeutung für das ſächſiſche Volk, daß ſie ein Mittel ſei, die Grundſteine des Beſtandes des ſächſiſchen Volkes neu zu befeſtigen. Das Schäßburger Kollegium ſah ſeine Stellung und Aufgabe wie die unſerer

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Schulen überhaupt nicht nur für ſich allein an, es brachte hang mit dem ganzen Volksleben, den neuen Aufgaben, erwuchſen. x Eine neue Zeit bereitete ſich vor. Die Julirevolution Europa die Empfindung geweckt, daß die alten Zuſtände unt Bildungen entgegen gingen. Das neue Leben hatte beſond ungariſchen Landtag von 1825 auch in Ungarn höhere W die Führer begannen die Arbeit, Ungarn wirtſchaftlich, geifti die politiſche Erhebung, der Kampf für das Recht des Landes magyariiche Sprache, ging damit Hand in Hand. Das wirkte a Siebenbürgen herüber. Dumpftoſend ſchlug die Brandung an die Burg des ſächſiſchen nationalen Eigenlebens, und das in Schlaf verſunkene Volk. Denn auf die geiſtig jo regſame wirrenreiche Zeit der Joſefiniſchen Periode am Ende des 18. Ja waren ſtille Jahre gefolgt. Zunächſt hatte der Klaufenburger | 1790/1 die alte Verfaſſung wieder hergeſtellt, mit neuen 1 umgeben, auch das Recht des ſächſiſchen Volkes war dabei worden, es blieb die dritte ſtändiſche Nation des Landes, die a durch Einführung der Abſtimmung nach Köpfen auf dem Landtag ihrem alten Einfluß vieles verloren hatte, deren Zuſtimmung als N aber zu den wichtigſten Geſetzen notwendig war; durch Verwei dieſer konnte jenes Zuſtandekommen verhindert werden. Aber bald n dem Klauſenburger Landtag war die, wie man meinte, eben neug Verfaſſung durch die ſogenannte „Regulation“ (Regulativpunkte), ı geſetzliche Verordnungen der Regierung in den Jahren 1795 abermals verändert und vielfach umgeſtürzt worden. Sie waren v einer Gruppe rachſüchtiger Menſchen bei der Hofkanzlei ausgegangen, d ihren Zorn an einzelnen ſächſiſchen Beamten und Orten kühlen wollten und hatten zuletzt die vollſtändige Abhängigkeit der Beamten und der Vertretungskörper von oben erreicht. Gegen die alten Landesgeſetze wurde der Komes der Sachſen von der Regierung ernannt; er kandidierte zu den Beamtenſtellen in den Städten, die Senatoren in den Magiſtraten und den Bürgermeiſter, die Magiſtrate kandidierten zu den Kommunitäten, die ſich ſelbſt ergänzten; in den Stuhlsverſammlungen führten die ſtädtiſchen Beamten das große Wort, das politiſche Leben war in einer Bureaukratie erſtorben, die zum Teil aus höchſt achtungswerten Männern beſtand, im ganzen aber wie ein Alp auf dem Volk laſtete. Sie glaubten die Weisheit gepachtet zu haben, die Sorge für das Volkswohl am ſicherſten bei ſich und waren von vornherein gegen jede Beſprechung

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öffentlicher Angelegenheiten, dabei überempfindlich, als ob alles gegen die Perſon gerichtet ſei. Und dieſe Bureaukratie hatte zur Förderung des wirt⸗ ſchaftlichen, geiſtigen, fittlichen Lebens nahezu nichts getan. In behaglichem Wohlleben hatten ſie dahingedämmert, ſicher in den Mauern des eigenen Volksrechtes und mitten in den ſächſiſchen Gemeinden hatten die fremd⸗ ſprachigen Rumänen (Walachen) an Zahl und Beſitz zugenommen und verlangten Gleichberechtigung. Überall hatte das wirtſchaftliche Leben rieſige Fortſchritte zu verzeichnen, hier hackte und pflügte der Bauer wie ſeine Väter vor 700 Jahren; keine Straßen, keine Fabriken und doch verlor das Handwerk zuſehends den Boden unter den Füßen. Auch das geiftige Leben war ftillgeftanden. Eine politiſche Zeitung, der „Sieben bürger Bote“, hatte das deutſche Leſepublikum mit Nachrichten aus dem Ausland verſorgt, denn aus dem Inland brachte er faſt gar nichts. Im Jahre 1837 war ein zweites Blatt in Kronſtadt entſtanden, das „Sieben- bürgiſche Wochenblatt“, mit den verſchiedenen Beilagen: Satellit, Blätter für Geiſt, Gemüt und Vaterlandskunde u. a, das Zeichen, daß auch hier die Geiſter zu erwachen anfingen. Die „Transſilvania“ in Hermann⸗ ſtadt ſeit 1833 hatte zuerſt die Vaterlandskunde in den Bereich der Publiziſtik gezogen. Bedeutende Bücher abgejehen von einigen Diſſer⸗ tationen waren von 1813 —40 im Sachſenland überhaupt keine erſchienen.

Aber auch hier begann es nun zu tagen. Die Beſten empfanden den Stillftand ſchmerzlich und begannen ihn zu überwinden. Ein Zeichen dafür war die Gründung des Vereins für ſiebenbürgiſche Landeskunde. Schon in den dreißiger Jahren war die Anregung dazu ausgegangen, den letzten Anſtoß hatte Joh. C. Schuller gegeben, der 1839 die Freunde der Sache aufforderte, „das Sedezbändchen vaterländiſchen Wiſſens, das Jeder ſich zuſammengeleſen hat“, zuſammenzunehmen und jährlich etliche Meilen weit zum gemeinſamen Feſt zu tragen „und wäre es auch nur um des Lebensgenuſſes willen und um die Vorurteile, die wir gegenein⸗ ander haben, weil wir uns nicht kennen, abzulegen“. Damit iſt das Stenn- zeichen der geſamten Zeit berührt, Zuſammenfaſſung der Kräfte, ihr Hinlenken auf ein Ziel, das kein anderes ſein konnte als: Erhaltung des Volkes in ſeiner deutſchen Eigenart und in ſeinem Rechte! Das führte von ſelbſt auf die Unterſuchung des verſchütteten Rechtes, auf die Frage nach den Quellen der Volksſtärke und die Antwort konnte keine andere ſein als Fortſchritt auf allen Gebieten, aus allen Kräften darnach ſtreben, daß das Volk wie bis dahin wirtſchaftlich, geiſtig, ſittlich über den Mit⸗ bewohnern des Landes ſtehe, um ſeine Stellung auch weiterhin zu be⸗

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wahren. Und jo entwickelte ſich wie im Frühling ein n Hebung des Bauernſtandes ſchrieb der ſiebenbürgiſch— ſchaftsverein auf ſeine Fahne, der 1845 gegründet wu Gewerbes ſetzten ſich die Gewerbevereine, des Kredits die Ziele; Geiſt, Gemüt, Charakter wollte die Publiziſtik bild Arbeit ſtand im Dienſt des nationalen Gedankens, war recht eine politiſche Arbeit. Denn zuletzt ſollte alles dazu dienen, das ſtark zu machen zur Verteidigung ſeines Rechtes, zur Erh deutſchnationalen Lebens. v

In dieſen Kampf um die Verjüngung des Volkes trat Schäßburger Lehrer ſofort begeiſtert ein, für feine ſchwung ein geeignetes Feld der Tätigkeit. Und er betrat es mit dem der damals überhaupt die jungen Seelen hob und die ſeine ga Er hatte die Überzeugung, daß fein Volk dem auffteigenden entgegenjauchzen könne, und an der Verwirklichung deſſen, ı Notwendigkeit einmal erkannt ſei, dürfe die Seele nicht verzweil

Die Schäßburger Genoſſen ſchloſſen ſich an das Kronſtädter blatt an, Teutſch wurde ein eifriger Korreſpondent desſelben, wieder ſandte er auch an den Michaelis'ſchen „Volksfreund“ in Heri ſtadt Artikel. In den Artikeln verfocht er den Fortſchritt auf Gebieten; für beſſere Bodenbebauung und gegen die Viehdiebſtä eine tüchtige Feldpolizei und beſſere Schulen fand er das Wort. allem zog er gegen die Geheimniskrämerei in den Kommunitäten Stuhlsverſammlungen und der Univerſität zu Felde, ein damals v umſtrittener Punkt. Vergangene Zuſtände und politiſche Gründe, und Spott wurden ins Feld geführt und ſcharf flogen die Hiebe, „2 verfloſſenen Montag ſchreibt er einmal hat der Schäßburger Stuhl Stuhlsverſammlung gehalten. Schon einige Tage früher wußten von der bevorſtehenden Tagfahrt gewiß wenigſtens 30 Menſchen von den 21.500 en, die dieſen Kreis bewohnen. Du ſiehſt, lieber Leſer, über Mangel an Offentlichkeit kann im Sachſenlande nur der Unverſtand klagen. Die Schäßburger ſelber dachten es ſich ſchon Montag frühe, als ſie zu allen Stadttoren die wackern Brüder, Abgeordnete der Ortſchaften auf den offenen Wagen, von vier ſtattlichen Roſſen gezogen, hereinkommen ſahen. Wie nun die ehrenwerten Männer, denen die ſchwere Verpflichtung ge⸗ worden, des Stuhles Wohl und Wehe zu beraten, ſo daß andere nichts davon wiſſen, ſich verſammelt, wie die Verhandlungen gefloſſen, wer für, wer gegen einen, was jo ſelten vorkommen ſoll, Vorſchlag geſprochen und vieles andere, was dem nahen und fernen ſächſiſchen Bruder gewiß

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am Herzen läge zu hören, das Alles ſollteſt du, freundlicher Leſer, hier finden, wenn ich es wüßte. Wünſchteſt du freilich zu erfahren, was die braven Kölner in der gerechten Freude über die Verwerfung des neuen Strafgeſetzes in Düſſeldorf zu ihren Landtagsvorſchlägen rühmlich ge- ſprochen, oder was das Unterhaus in England über die iriſche Waffen- bill ſagt, auch was der Kongreß in Nordamerika über die Oregonfrage meldet, das Alles und noch Manches aus den Markalkongregationen unſerer magyariſchen Brüder wollte ich dir ſagen mit ſolcher Gewißheit, als ob ich ſelbſt dabei geweſen, aber über die Schäßburger Stuhls verſammlung, „ins Innere der Natur dringt kein erſchaffener Geiſt“. In die vier Wände, wo jene Sitzungen gehalten werden, kommt außer den Beamten Niemand, der nicht ſo glücklich iſt, Abgeordneter von Stadt oder Land zu fein, ein Glück, das bekanntlich ſehr ausſchließlich iſt und eine beſtimmte Volksklaſſe von vornherein nie werden kann, obwohl wir bisweilen ſo frei ſind, uns frei zu heißen.“ Dieſe geheimnisvollen Werkſtätten der nationalen Zukunft zu öffnen, den in den Stuhlsver— ſammlungen glänzend vertretenen politiſchen Unverſtand durch Zutritt größerer Intelligenz zu beſeitigen, ging freilich ſchwer. Die Bureaukratie wehrte ſich mit paſſivem Widerſtand dagegen. Vergebens beſchloſſen ver- ſchiedene Kommunitäten die Offentlichkeit der Sitzungen, die Magiſtrate führten ſie nicht durch, vergebens hatte man von Seite des Komitiates (1844) befohlen, alle Verhandlungsgegenſtände der Stuhlsverſammlung ſollten vorher der Kommunität mitgeteilt werden, daß ſie ſie berate, es geſchah nicht. Der Schäßburger Magiſtrat tat Schritte zur Verſchärfung der Zenſur und in der Tat unterlagen die ſächſiſchen Blätter, beſonders das „Wochenblatt“, allen möglichen Chikanen, denen magyariſche Blätter nicht ausgeſetzt waren. Wie oft ſchrieb Gött aus Kronſtadt, der Ver— leger des „Wochenblattes“, verzweifelt, dieſer oder jener Aufſatz von Teutſch, oder ein Stück aus dem einen oder anderen ſei der Zenſur zum Opfer gefallen. Die Repſer hatten beſchloſſen nur Stuhlskinder zu Lehrern anzuſtellen, Teutſch ſchrieb dagegen einen jo geharniſchten Artikel, daß auf preßpolizeilichem Weg der Verfaſſer erforſcht werden ſollte, aber Gött blieb tapfer und lieferte zuletzt nicht das Manuſkript, ſondern nur eine Abſchrift aus und die Sache verlief im Sande. Zu den Tagesfragen gehörten: die Zulaſſung der Lehrer zu den Kommunitäten, die freie Wahl der Univerfitäts- und Landtagsabgeordneten, die Sprachenfrage, die Rechtsſtellung der Rumänen auf Sachſenboden, die Neuſchaffung einer Pfarrwahlordnung; die Wahl war an die Promotionskreiſe gebunden, ſo daß Niemand aus einem in den andern übergehen konnte. Zu allen

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Fragen nahm der junge Publiziſt Stellung. Für die das Recht, in die Vertretungskörper gewählt zu werden nach dem Geſetz und nach den Forderungen der Gerechti Wahl der Abgeordneten verlangte er, weil das Gegenteil Sachſenrecht ſei und die Nation ſcheide. In der Sprache er „Geharniſchte Blätter“, denen er das Motto aus 9

Schließt eure Glieder zu vereinter Kette Und ruft mithadernd in dem großen Hader Erſt: Waffen, Waffen und dann Rette, Rette!

Recht und Geſetz, Gerechtigkeit und Gleichberechtigung, nationale 9 und des Landes Wohlfahrt ließen ihn für die deutſche S Volkes nicht nur inmitten desſelben eintreten, ſondern auch im mit den Ständen. Den Rumänen gab er den auch vom Standpunkt anfechtbaren, jedenfalls ſtark verſpäteten Rat zu werden und damit in die volle Gleichberechtigung einzutreten. E damals der Glaube an die Aufrechthaltung der alten ſtändiſchen faſſung des Landes aufrecht, der bis in die ſechziger Jahre noch ne wirkte. Schon in den vierziger Jahren fand man, daß man den R die Gleichberechtigung nicht weiter verſagen könne. In bezug Pfarrerwahl wollte er mehr Raum für freie Bewegung, der „Wü ſollte den Vorzug haben, der Gedanke der kirchlichen Einheit maßg ſein und werden. „Wer möchte Veranlaſſung geben zu der Klage: 5. Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts zerriſſen die freien Sachſen, eben fie davon ſprachen, wie fie die Walachen ihrer Rechte teilhaftig machen könnten, das Band der kirchlichen Einheit, das ſie bisher mit ihren unfreien Volks- und Glaubensgenoſſen auf Adelsboden verknüpfte, damit hinfort keiner ihrer Söhne und Enkel befürchten müſſe, eine Beförderung an einen jener zu verlieren. Das Blut vergeſſe das Blut nicht. Alſo das alte Recht der Kapitel gewahrt; fort mit den trennenden Schranken des Haupt- und Nebenkreiſes; freifinnig dem Geiſt der alten kirchlichen Verfaſſung gemäße Erklärung und Umgeſtaltung der Paragraphe des jetzigen Wahlnormativs.“ Er ſah damals ſchon in der Kirche zugleich »die Heilsanſtalt, die für das „ewige“ Leben unſeres Volkes in mehr als einer Beziehung Sorge trägt“. Auch kleinere Fragen ſpielten in den großen Kampf hinein, ſo die Schaffung einer Amtstracht für die ſächſiſchen Beamten, gegen die Teutſch entſchieden Stellung nahm, man brauche eine ſolche „nicht Jedermann zu tragen erlaubte Dienſtkleidung“ wie der Vorſchlag in ſchrecklichem Deutſch lautete nicht, ſchon zu

ſehr ſeien die Beamten vom Volk geſchieden. Sie ſollten die Volkstracht als Amtstracht anziehen, am beſten ſei gar keine Dienſtkleidung.

Das Charakteriſtiſche in Teutſchs Ausführungen iſt immer, ſchon in jener erſten Zeit, die Verbindung der Gegenwart mit der Vergangen— heit. Immer wieder werden in all den Fragen des Rechtes, der Politik die alten Zeiten zu Zeugen und Stützen aufgerufen und der Fortbildung, dem Fortſchritt im Geiſt der beſten Tage der Väter das Wort geredet. Das ganze Volksleben wird als eine Einheit aufgefaßt, in dem jede einzelne Beſtrebung dem Wohl des Ganzen dienen ſoll.

Auf dieſe ganze Arbeit im Dienſt des Volkes hat Joſef Andreas Zimmermann maßgebenden Einfluß genommen, damals Profeſſor an der neugegründeten juridiſchen Fakultät in Hermannſtadt, die auch ein Glied in den Veranſtaltungen zur Volkserziehung und Verjüngung war. Um ſieben Jahre älter als Teutſch hatte der Landsmann auch Zimmer- mann ſtammte aus einem kleinbürgerlichen Haufe in Schäßburg Ein- fluß auf den Jüngern gewonnen, und die Freundſchaft, die ſich daraus entwickelte, iſt dem Volk zugute gekommen. Zimmermann war ein Mann von umfaſſendſter Bildung, mit einer ausgebreiteten Kenntnis der Literatur, von ungewöhnlichem Gedächtnis, von ſeltenem politiſchem Scharfblick. Er betrachtete die Entwicklung des ſächſiſchen Volkes in Vergangenheit und Gegenwart als ein Ganzes, wußte die Erſcheinungen des politiſchen Lebens bei den Mitſtänden wie im Ausland für ſein Volk zu deuten und alle, die mit ihm in Berührung kamen, zur Arbeit für die Fort— bildung des Volkes zu begeiſtern. Nicht geneigt ſelbſt hervorzutreten und ohne den Ehrgeiz des Strebenden war er zufrieden, wenn das Not— wendige geſchah und fragte nicht darnach, ob die Welt wußte, was er getan. Wenn er ſelbſt eine Sache im Weſen durchgeführt, ſo wußte er es regelmäßig zu verhüllen. Im verborgenen das Wichtige vorbereiten, alle Wege vorſichtig zu erwägen, durch kluge Ausnützung der Perſonen und Verhältniſſe dafür zu ſorgen, daß zuletzt das Gewünſchte als reife Frucht herabfallen mußte, wobei der Fernerſtehende von der Mühſal und der Arbeit, die dabei notwendig geweſen, keine Ahnung hatte, nichts zu überſtürzen, jo war er recht ein Typus des alten providus ac circum- speetus und hat zuerſt das damalige Geſchlecht die Rechtsentwicklung unſeres Volkes mit politiſchem Blick ſehen gelehrt, die Approbaten und Kompilaten, die alten Landesgeſetze, für uns zu neuem Leben erweckt. Er brachte den Zeitgenoſſen den Rechtsboden, auf den das Volk ſich ſtellen müſſe, zum Bewußtſein, er fand, daß das poſitive Recht unſerem Volk in dem ſchweren Kampf um ſein Daſein zur Seite ſtehe. Wie

Georg Daniel Teutſch. 1

ſehr gerade dieſe Anſchauungen aber den hiſtoriſchen kamen und dazu drängten, das liegt auf der Hand. fluß dieſer Gedanken, daß die Erziehung des Volkes zu! Denken, zur Tüchtigkeit für die Zukunft, zu arbeitsfroher hervorragender Weiſe durch die Geſchichte geſchehen nicht ſo, daß ſie Tendenzgeſchichte wurde, ſondern indem Gegenwart zu verſtehen.

Für die hiſtoriſchen Arbeiten bildete der Verein für Landeskunde den natürlichen Mittelpunkt, der ſchon 18 ſeinen Ausſchuß wählte. An geſchichtlichen Arbeiten hat es im ſä Volk kaum jemals gefehlt. Aber der rechte Zug kam erſt d griffe der Thereſianiſchen und Joſefiniſchen Zeit in dieſe 2 gewannen dadurch von vornherein eine politiſche Bedeutung. V der Sachſengraf Albert Huet 1591 im Kampf um das Recht des Volkes auf die Urkunden, die königl. Sendſchreiben ſich b wir mit großen Laden voll haben und auf dem Rathaus zu u und der Nachkommen Gedächtnis aufbewahren“, ſo war es ſeit des 18. Jahrhunderts noch klarer geworden, daß die Geſchichte z teidigung der Rechtsſtellung des Volkes das Rüſtzeug biete. hatte 1795 das weitſchallende Wort ergriffen, J. C. Eder in tiefg Unterſuchungen den Weg gewieſen, den man gehen müſſe, lich den Quellen, den Urkunden ſteigen müſſe, tüchtige Jünger betraten h die Bahn, da kam ein raſcher Stillſtand, der im Zuſammenhang den Regulationen auch das geiſtige Leben hemmte, die hiſtoriſchen © lahm legte. Das Verbot der deutſchen Univerſitäten, gegen das Landesgeſetz ausgeſprochen, vergrößerte den geiſtigen Stillſtand. allgemein neuerwachte Leben brach ihn erſt. Im Jahre 1840 er das erſte Heft der „Umriſſe und kritiſche Studien zur Geſchichte Siebenbürgen“ von J. C. Schuller, im ſelben Jahr ſein „Archiv für Kenntnis von Siebenbürgens Vorzeit und Gegenwart“ und damit wa die Fäden der Forſchung wieder an Eder und Schlözer angeknüpft. hier griff Teutſchs hiſtoriſche Arbeit ein. Die Rankeiſche Quellenforſchu ig, die Methode der deutſchen Wiſſenſchaft ſollte die Grundlage der heimischen. Hiſtoriographie werden, jene ſollte mit herangezogen werden, wenn es ſich um Aufhellung dunkler Fragen hier handelte. Und Teutſch faßte ſofort eine ſelbſtändige Geſchichte der Sachſen ins Auge, nicht losgelöſt von der ſiebenbürgiſchen und ungariſchen Geſchichte, aber innerhalb der⸗ ſelben doch ein ſelbſtändiges Gebiet. So erſchien ſchon 1844 als Beigabe zur zweiten Auflage von G. Binders Geographie ſein „Abriß der Geſchichte

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Siebenbürgens“, ein kleines Büchlein, das auf 38 Seiten die Entwicklung des Landes bis 1805 führte. Das Motto aus Zſchokkes Schweizergeichichte ihm vorgeſetzt: „Die Geſchichte verfloſſener Zeiten iſt ein Baum der Erkenntnis des Guten und Böſen“ iſt ein Zeichen, aus welchem Geiſt es geboren iſt. Es ruhte auf tiefſten Quellenſtudien, berührte auch die innere Entwicklung des Volkes, ſuchte den Maßſtab für die Zeit in dieſer ſelbſt und dieſe ſollte erhebend, lehrend, weiſend und mahnend zum Volk reden. Daneben führten die tiefgehenden Studien für die Sachſengeſchichte zu einer Reihe kleinerer Unterſuchungen, die zunächſt alle im Archiv des Vereins für ſiebenbürgiſche Landeskunde veröffentlicht wurden. Neben ſolchen wiſſenſchaftlichen Unterſuchungen traf er doch auch den Ton der Plauderei, wenn er von den „Geheimniſſen des Kalenders“ erzählte, nicht ohne Seitenblick auf die Geheimniſſe, die das politiſche Leben umhüllten.

Dabei trieb es den jungen Hiſtoriker, das Vaterland mit eigenen Augen kennen zu lernen. Im Jahre 1841 hatte der Kandidat eine Fahrt nach Talmeſch gemacht, wo Pfarrer Reſchner mit ſeinen reichen Urkunden— abſchriften ihm freundliche Belehrung gewährt, die Landskrone in ihren Trümmern tiefen Eindruck auf ihn gemacht hatte. Pfingſten führte ihn faſt alljährlich zu den „Vereinstagen“, der Verſammlung des Landes kundevereins in die verſchiedenen Orte, wo die Verſammlung eben tagte, ſo 1843 nach Kronſtadt, bei welcher Gelegenheit er zum erſtenmal in Keisd mit dem damaligen Pfarrer, dem ſpätern Biſchof Binder, als Gaſt des Hauſes beim ſtattlichen Mittageſſen ſprach und des belehrenden Geſpräches, der gewaltigen Predigt, des ſchönen Anblicks der Gemeinde in der Kirche froh wurde. Bei der Rückkehr vom Kronſtädter Verein traf es ſich, daß der junge Lektor beim Hinaufſteigen am Keisder Berg den Biſtritzer Gymnaſiaſten Heinrich Wittſtock traf, der auch mit dem Ränzchen auf dem Rücken den Weg machte. Sie ahnten beide nicht, wie oft ſich ihr Lebensweg berühren ſollte und wie oft fie gemeinſam manchen Berg beſteigen ſollten. Im Sommer 1843 hinderte ihn die Ferien⸗ ordnung der Telekiſchen Bibliothek in Vaſarhely, dort Studien zu machen, doch ſchloß er mit dem „ſachſenberühmten“ Profeſſor Dozſa freundliche Bekanntſchaft und ging über Klauſenburg nach S. Regen.

Die Hauptarbeit galt doch der Schule. Das Gymnaſium der damaligen Zeit unterſchied ſich vom heutigen in vieler Hinſicht. Zunächſt im allgemeinen durch die faſt ſouveräne Unabhängigkeit; es gab kaum eine höhere Kontrolle, da das Oberkonſiſtorium, dem die Oberaufſicht zuſtand, nicht die Macht hatte, irgend etwas zu tun, infolgedeſſen machte

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jedes Gymnaſium feine Sache jo gut als es konnte. Dann da Lehrplan uff. auch ganz individuell und örtlich verſchieden In Schäßburg erhielten die Anfänger noch ſo, wie Teu erlebt hatte, von ältern Schülern den Unterricht im Leſen und In zwei Jahren lernten ſie das Notwendige, um dann in das einzutreten. Die erſte Klaſſe war „die kleine Periodologie“ Anfangsgründen der deutſchen, lateiniſchen und griechiſchen daneben Religion, Rechnen, „kleine Geſchichte“ (bis zur Völkerwo und Geographie. Die zweite Klaſſe, „die große Periodologie“ vorjährigen Anfänge fort, war auch in einigen Gegenftänden jüngern Klaſſe verbunden. Wer den Anſchluß an die nächſte K Poeſie nicht traf (denn dieſe war zweijährig), blieb in der P event. drei Jahre. Die zwei obern Klaſſen Poeſie und Rheto waren zweijährig. Die Hauptſache darin Latein und Griechiſch, Geſchichte und etwas Phyſik, Naturgeſchichte und Mathematik, im Jahr auch Philoſophie.

Mit dem Gymnaſium war auch ein Seminar für Volfsj verbunden, das 1837 reorganiſiert worden war, dreijährig eingeri und vielfach die Stunden mit dem Gymnaſium teilend. Seit 1841 eine zweijährige Realſchule (Bürgerſchule) dazugekommen und übe in das ganze Schulleben ein friſcherer Zug, beſonders ſeit 1836 Konrektorſtelle errichtet und damit die Zahl der Lehrer vermehrt

In dieſes friſche Leben trat der junge Lehrer freudig ein, vornherein in der Lage, es ſelbſt zu heben und zu mehren. Bei p lichſter ſchriftlicher Vorbereitung für jede Stunde kam er bald zu eim vollſtändigen Beherrſchung des Stoffes und doch hat er ſich jene Vor⸗ bereitung nie geſchenkt. Er lehrte zunächſt die klaſſiſchen Sprachen und Geographie und Geſchichte. Die Wucht der Perſönlichkeit, der Idealismus der Seele, die Hingabe an die Sache ließen kaum einen Schüler un⸗ berührt. Er dachte hoch von der Schule, verlangte viel vom Schüler und ernſte Strenge in der Stunde ließ zu keinem Allotria Platz. Aber er packte die Schüler in Herzen und Gewiſſen und mochten ihn anfangs auch manche fürchten die Liebe iſt bei wenigen ausgeblieben.

Die wiſſenſchaftliche und geiſtige Arbeit hatte immer zugleich die eigene Fortbildung im Auge. Die pädagogiſche Literatur jener Tage verfolgte er aufmerkſam. Magers Schriften bildeten eine Fundgrube trefflicher Gedanken und boten viel Anregungen, daneben Diſterweg, die „Allgemeine Lehrerzeitung“, Döderlein. Dabei erſtreckte ſich ſeine Lektüre auch auf weitere Gebiete. Arndts und Raumers Schriften, Rückerts

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Weisheit der Brahmanen, Geibel und Uhland, Goethe und Immermann, dazu Fallmerayers Fragmente aus dem Orient, Humboldts Kosmos es iſt die Atmoſphäre eines Mannes, der dem geiſtigen Leben ſeiner Zeit nicht fremd gegenüber ſteht. Die vaterländiſche Literatur zu ver— folgen, verſtand ſich von ſelber. Ihm blieb charakteriſtiſch, alles was er las, auf die heimiſchen Verhältniſſe zu beziehen. Wenn er las, daß die Tiroler am Anfang des 16. Jahrhunderts verlangten, es ſollten alle Burgen niedergelegt und alle Städte zu Dörfern gemacht werden, fragte er ſich: ob nicht auch im Sachſenland die Städte den Untergang der alten Verfaſſung herbeigeführt und ob die Juriſten als Stand ſie ſchirmten? Und an eine Darſtellung der Veränderung in der Volksgeſinnung ſchloß er die Frage: welches find die Urſachen der veränderten ſächſiſchen Volks-. geſinnung?

Die neue Zeit kannte ſich allmählich auch in Schäßburg. Der Ge⸗ werbeverein wurde gegründet, eine zweite Leſegeſellſchaft, deren Kaſſier und Schreiber nach Gooß Fortgang (1845) Teutſch wurde. Bei allen Fortſchritten mußten natürlich die Lehrer mittun, ein gut Teil jener Fortſchritte ging ja von ihnen aus.

Das Lehrerleben jener Zeit aber wie arm an äußern Gütern war es doch! Die Gehalte waren erbärmlich und kamen höchſt unregelmäßig zur Aus⸗ zahlung. Teutſch bekam als Konrektor 1845 10] fl. Gehalt. Noch waren die Lehrer verpflichtet, die Leichenbegängniſſe zu beſuchen, Rektor und Kon⸗ rektor verfertigten gegen ein feſtes Honorar die „Leichencharten“, das waren Lebensbeſchreibungen der Verſtorbenen mit einigen troſtreichen Verſen und erbaulichen Betrachtungen. Wenn in kurzer Zeit die Stellung der Lehrer im Sachſenland eine andere geworden iſt, ſo iſt die perſönliche Bedeutung der Träger des Amtes, wie Teutſch einer war, ein Haupt⸗ grund dafür. Noch bis tief ins 19. Jahrhundert herein hatten die Lehrer oben auf der Schule die aus den Bürgerhäusern der Stadt reihum hinauf⸗ geſchickte „Coquin“ gemeinſam gegeſſen, jetzt hatte das aufgehört. In der Erinnerung hatte ſich um dieſe „Sympoſien“, denen Binder durch ſeinen Geiſt allerdings Inhalt gegeben, ein verſchönernder Schimmer gelegt, in Wirklichkeit hatten ſie doch u. a. dem Familienleben Abbruch getan. Dieſe gemeinſamen Mahlzeiten waren weggefallen, aber der Zuſammen⸗ hang der Lehrer blieb. Als im Jahre 1846 eine Luſtrierung des Schäß⸗ burger Gymnaſiums durch die Lehrer der andern Gymnaſien ſtattfand, da konnten alle bei dem Bedauern über die beſchränkten Mittel und damit zuſammenhängenden Übelſtände die Tüchtigkeit der Anſtalt und das Nachahmungswerte, das fie dort gefunden hatten, rühmen.

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Im Jahre 1845 hatte Teutſch als Konrektor Ch eine Tochter des verftorbenen Pupillarinſpektors in Schäßt Es iſt ein ſonniger Frühling geweſen, dem bald der ftarrı Kaum ein Jahr ſpäter ſtarb die Frau, nachdem fie ei Leben geſchenkt hatte. Der noch nicht Dreißigjährige hat unter dem Schlag gelitten. Eine entſetzliche Ode legte ſich und in der Tiefe des Jammers er war immer ein hielt ihn, wie einft beim Tode des Vaters der Glaube aufr bezog die Mutter, die bei der Heirat des Sohnes in die Hoff die Wohnung verlegt hatte, das Gaſſenzimmer, und das beſtens gedieh und als Ebenbild und Erbe der Mutter do) wurde, nahm die Schwiegermutter und Schwägerin in Pflege. wußte was den Schmerz banne, der Aufhli zur Höhe, die an die teuere Heimgegangene und eine große Arbeit, die alle die Kraft haben, den vernichtenden Schmerz in jene ſtille, heilige 2 zu verwandeln, mit der jedes gewaltige Geſchick die beſſere Seel und verklären ſoll.

Die große Arbeit aber war die Sachſengeſchichte. Am 2 1846 begann er mit ihr, nicht ohne auf dem Eingangsblatt der Erinn an die Heimgegangene auch äußerlich Ausdruck zu geben.

Und ſo überwand er den Jammer. Seine ſtarke Natur geſchaffen zum Hinbrüten, aber die Wunde hat ſich nur langſam geht

Inzwiſchen gingen die Wogen des öffentlichen Lebens immer Der Landtag von 1846/47 hatte in der Frage des Urbariums, d. Untertanenverhältniſſe, völlig ungenügende Beſchlüſſe gefaßt, in der Spra frage wohl die Berechtigung der deutſchen Sprache für die Sachſen au erhalten, aber die Anſprüche der Magyaren auf Ausdehnung ihrer Sprache waren gewachſen, die Union Siebenbürgens mit Ungarn war als eine poli⸗ tiſche Hauptforderung von ihnen auf die Tagesordnung geſtellt worden, neue ſchwere Fragen für das ſächſiſche Volk.

Der Schäßburger Konrektor lebte ſeinen Studien, zu denen er eifrig, ſoweit der karge Gehalt reichte, Bücher kaufte; für Schloſſers Weltgeſchichte gab er den ganzen Vierteljahrsgehalt auf einmal hin. Gewiſſenhaftigkeit und Pflichttreue, ernſte Lebensauffaſſung und Lebens⸗ führung zeichneten ihn aus. Die Mitbürger ſahen auf ihn, der Verein für ſiebenbürgiſche Landeskunde vertraute ihm wiſſenſchaftliche Arbeiten an, die Schule wußte, was ſie an ihm hatte, aber den maßgebenden Perſonen in Schäßburg, den politiſchen Beamten war er mit ſeinem Freimut und ſeiner eigenen Überzeugung nicht angenehm. Im Jahr 1848

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übergingen fie ihn bei der Beſetzung des Rektorats, eine Zurückſetzung, die er raſch überwand, er ſtellte ſich dem vorgezogenen Kollegen (Göbbel) zur Verfügung und ſie ſind gute Freunde geblieben.

Es bezeichnet das wiederhergeſtellte Gleichgewicht ſeiner Seele, daß er am 5. März 1848 der Schweſter der verſtorbenen Frau, Wilhelmine Berwerth, die Hand zum neuen Lebensbunde reichte, den er als einen Gottesſegen ſein Leben lang betrachtet hat. Er lebte wieder auf, er fand den Schwung der Seele wieder, wie die Gabe, all das Schöne, das das Leben bot, in edelſten Formen zu genießen und an Welt und Menſchen ſich zu freuen. Das Volk ſah er im Aufſchwung begriffen, ein neuer Geiſt zog durch die Lande, das Sachſenvolk erſchien ihm geſund in ſeinem Kern, „lern dieſes Volk erſt kennen“ rief er jenen zu, die verzweifeln wollten, er ſelbſt ſtand in den Reihen der Beſten, die dieſer Nation die Zukunft erobern, die Gegenwart ſichern wollten wie ſollte der Erfolg ausbleiben?

4. Dir Revolution von 1848/49.

Am 8. März 1848 feierten fie in Schäßburg einen frohen Aſcher⸗ mittwoch. Der Faſching war zu Ende, mit Spannung ſah man auf die

bevorſtehende Rekrutierung, in Schäßburg hatte eine Dilettantengeſellſchaft wacker Theater geſpielt, um Geld zur Erbauung einer Schwimmſchule zuſammen zu bekommen, in jüngeren Kreiſen war das Turnen als ein Mittel zur nationalen Stärkung aufgenommen worden, Eifrige agitierten mit allen Mitteln dafür. Teutſch hatte am Anfang des Jahres den Ge— danken erwogen, auf welche Weiſe eine ſächſiſche Zeitſchrift zur Auf klärung des Auslandes gegründet werden könne, die ſo dringend nötig erſchien. Das junge Ehepaar, das am 5. März Hochzeit gehabt hatte, war an jenem Aſchermittwoch gleichfalls im frohen Freundeskreis, von allen Seiten beglückwünſcht, alle entzückt über die Nachricht von der Revolution in Paris am 24. Februar und den Veränderungen, die ſie herbeigeführt. Beſonders die Jugend hoffte, daß auch hier die liberalen Ideen, für die ſie ſeit Jahren kämpfte, ſiegen müßten, daß dem ſächſiſchen Volk das Morgenrot einer ſchöneren Zeit aufgehen werde.

Und die Revolution griff weiter. In Deutſchland erfaßte ſie das Volk, in Wien fegte ſie Metternich hinweg, in Peſt führte ſie zur Forderung einer konſtitutionellen Regierung, eines eigenen Miniſteriums für Ungarn, zum Begehren der Union Siebenbürgens mit Ungarn, Ver⸗ langen, die in Klauſenburg bald ein Echo fanden. Schon im März regte es ſich auch in den ſächſiſchen Orten. Von Schäßburg ging eine

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Petition an die ſächſiſche Nationsuniverſität, die von der der Beſtand Sſterreichs erſchüttert erſcheine, Veranlaſſung z es möchte der Ausdruck der in dem ſächſiſchen Volk lebende allerhöchſten Herrſcherhaus dem Throne zur Kenntnis zugleich verlangte ſie eine Bewaffnung des ſächſiſchen Vo Tage der Not. „Wenn an derſelben alle zwiſchen dem 20, ı ſtehenden, auf Sachſenboden lebenden wiſſenſchaftlich Künſtler, Gewerbe- und Handeltreibenden, alle die ein fe von Grundbeſitz hätten, mit freier Wahl der Offiziere würde dadurch eine Macht entſtehen, ſtark genug zum Schutz landes gegen innere und äußere Feinde und geeignet zum Wahrheit, daß die alte ehrenvolle Beſtimmung unſeres Volkes ad r dam coronam nicht bloß nur noch in Urkunden lebe.“

Aber die Abſender der Petition Verfaſſer iſt Teutſch gen richteten den Blick auch auf das Innerleben der Sachſen: „Für notwendig als die Bewaffnung des ſächſiſchen Volkes ſehen die Ge die Heilung jener Übelſtände und Schäden an, die durch Verlaſſung alten geſchichtlichen Grundes ſich in dem ſächſiſchen Volksleben fi und innerer Kräftigung des ſächſiſchen Volkstums hemmend im ſtehen; deren ſchleunigſte Entfernung von der Zeit und dem erf Volksbewußtſein dringend gefordert wird, durch deren Feſthaltung dat unſer Volk des Rechtes auf ehrenvolles Beſtehen unter den gebild Völkern der Gegenwart verluſtig gehen würde. Die Gefertigten bezeichn im folgenden die, nach ihrer Überzeugung gründlicher Heilung am meif bedürftigen Schäden in unſeren jetzigen Zuſtänden und verbinden d die geziemende Bitte: die löbliche Univerſität wolle baldigſt im geſe lichen Wege im Sinne unſerer alten Verfaſſung und der fortgejchritte Zeitbildung feſtſetzen:

1. Durchgängige Trennung der Adminiſtration von der Juſtiz; eine ſolche Zuſammenſetzung jener adminiſtrativen Behörden, daß da⸗ durch der Bureaukratie möglichſt vorgebeugt werde; geregelte Juſtiz mit Geſchwornengericht;

2. Preßfreiheit;

3. Unbedingte Offentlichkeit;

4. eine den nationalen Beſtand gewährleiſtende, die Rechte des Einzelnen und der Gemeinde achtende, auf breiter Grundlage errichtete Repräſentativverfaſſung mit nicht lebenslänglichen Vertretern.“

Einiges davon ergab ſich von ſelbſt. Am 15. März war in Wien für das ganze Reich die Preßfreiheit und die Aufhebung der Zenſur

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verkündigt worden, Ende März und Anfang April organiſierten ſich im ganzen Sachſenland die Bürgerwehren. Auch in Schäßburg geſchah es. Die Schüler des Gymnaſiums hatten um die Erlaubnis gebeten, ſich ihr als Freiſchar anzuſchließen und bildeten deren 6. Kompagnie. Teutſch wurde zum Hauptmann der Bürgerwehr gewählt. Nun konnte ſeine ſtramme Art ſich im Dienſt der neuen Pflicht, im Dienſt ſeiner Mitbürger entfalten. Die hohe Geſtalt des jungen Mannes in der ein— fachen dunkeln Uniform, der Rock mit ſchwarzen Knöpfen beſetzt, auf dem Haupt die Mütze, aus den großen blauen Augen der ernſte Blick gaben ihm auch äußerlich militäriſches Ausſehn; neben dem Schreib⸗ tiſch hing der Säbel und Tagesbefehle traten an Stelle urkundlicher Forſchungen. In Hermannſtadt hatte Sigerus den Witz gemacht, Teutſch habe in Schäßburg die Republik ausgerufen, den Bürgermeiſter Stern- heim entthront und ſich an deſſen Stelle geſetzt.

Die Hauptfrage, die immer mehr in den Vordergrund rückte, war die Union Siebenbürgens mit Ungarn. Der ungariſche Reichstag hatte die Union mit Siebenbürgen ſchon beſchloſſen, der König den Beſchluß beſtätigt. Ungarn war nach jenem Geſetz bereit, „alle beſondern Geſetze und Freiheiten Siebenbürgens, welche nebſt dem, daß ſie die vollſtändige Vereinigung nicht hindern, die Nationalfreiheit und Rechtsgleichheit begünſtigen, anzunehmen und aufrecht zu erhalten.“ Der ſiebenbürgiſche Landtag, der die Entſcheidung geben ſollte, war auf den 30. Mai nach Klauſenburg einberufen worden.

Die Frage der Union Siebenbürgens mit Ungarn war nicht neu. Sie bildete, wenigſtens für die ungariſchen Reichstage, ein bald hundert⸗ jähriges Inventarſtück.

Als partes regni Hungariae die ſiebenbürgiſchen Teile Ungarns hatte das kleine Land einen Teil ſeiner Bewohner von Ungarn aus erhalten, hatte frühe ſeine Vertreter auf den ungariſchen Reichstag ge— ſchickt und an dem politiſchen Leben Anteil gehabt. Aber Siebenbürgen entwickelte frühe ſchon ein eigenes Leben, das ſich weſentlich von Ungarn unterſchied. Dort war der Adel die ausſchließlich berechtigte „Nation“, kaum daß die Städte eine Vertretung auf dem Reichstag hatten, während in Siebenbürgen die drei ſtändiſchen Nationen, der Adel, die Szekler und die Sachſen die politiſche Gleichberechtigung gewannen. Als Sieben- bürgen nach der Schlacht bei Mohatſch (1526) ſich von Ungarn trennte und im Laufe der Entwicklung ein ſelbſtändiges Fürſtentum wurde, kam als ein neues Moment die Gleichberechtigung der vier rezipierten Kon feſſionen hinzu (der ref., ev. A. B., röm. kath. und unitar.), während

in Ungarn die katholiſche Kirche, mit Vorrechten herrſchende blieb. Als 1691 Siebenbürgen zur ungariſchen kehrte, geſchah es unter Aufrechthaltung feiner Selbftä ſeiner geſetzlichen Einrichtungen. Die ungariſchen Stände 1741 auf dem Preßburger Reichstag zum erftenmal Siebenbürgen mit Ungarn zu vereinigen. Maria T Anſinnen zurück mit der Begründung, die Union jchlü Ungerechtigkeit für Siebenbürgen in ſich.

Der Joſefiniſche Umſturz am Ende des 18. Jahrhu zuerſt in Siebenbürgen die Frage zur Beſprechung, und Geſichtspunkte aus, ob nicht durch eine Union der Rechtsſt bürgens gegen derartige Vorgänge, wie das vergangene Jahrz bis 1790) fie gebracht hatte, geſichert werden könne? Das Nachbarland ſollte eine Art Garantie bieten. Daß dabei de der Inkorporation, des völligen Aufgehens Siebenbürgens überhaupt fern lag, war klar. Im Landtag von 1790/91 fand di wenig Anhänger, wenn auch die katholiſche Partei durch eine Beziehung der beiden Länder eine Stärkung für ſich und ihre Int erhoffte, und die Reformierten aus nationalen Geſichtspunkten jene Berührung nicht abwieſen. Der Hof war unbedingt gegen jede einigung, ebenſo die Sachſen, die für Siebenbürgen und für ſich Unheil darin ſahen. So beſchloß der Landtag auch nur eine tei Vereinigung der beiden Hofkanzleien; doch wies der Hof auch dieſe zu

Das neuerwachte politiſche Leben in Ungarn mit ſeinem Ziel Stärkung des magyariſchen Volksſtammes griff nun, beſonders eifrig den vierziger Jahren, von dieſem Geſichtspunkt den Gedanken der Uni friſch auf. Die Magyaren Siebenbürgens, reſp. der Adel, der allein zählte, ſahen in Ungarn den feſten Rückhalt für ihre Beſtrebungen, die politiſche „Nation“ Ungarns wieder der ungariſche Adel erwartete durch den ſiebenbürgiſchen Adel eine Unterſtützung ſeiner Pläne.

Für die Sachſen konnte dieſe Erwägung nicht verlockend ſein, für ſie fiel anderes in die Wagſchale.

In Schäßburg waren die Meinungen, welche Stellung das ſächſiſche Volk zur Unionsfrage einzunehmen habe, wie auch ſonſt im Sachſenland geteilt. Die Beamten, die vielbekämpfte „Bureaukratie“, ſtanden gegen die Union. Sie fürchteten die Zerreißung Oſterreichs, die Unterdrückung der Nichtmagyaren in dem neuen Ungarn durch die Magyaren, ins⸗ beſonders ſchwerſte Gefahr für das Deutſchtum und die nationale Ent wicklung des ſächſiſchen Volkes. Die jüngere Generation unter der Führung

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von C. Gooß war der Union geneigt. Sie ſah in den Vorgängen in Ungarn den Beweis, daß dort eine vernünftige Freiheit und Gleich⸗ berechtigung Wurzel faſſe, der konſtitutionelle Geiſt dort ſei eine Bürgſchaft dafür, daß die bureaukratiſchen Gelüſte auch in unſerer Mitte zurück gedrängt würden. Die Magyaren könnten nicht, was ſie für ſich in Anſpruch nähmen, andern verweigern. Dabei ſollte allerdings dieſe Union auf beſtimmte Bedingungen hin eingegangen werden, in denen den Sachſen die Aufrechthaltung ihres Munizipiums, die deutſche Sprache in Amt und Kirche und Schule, die Autonomie der Kirche zugeſichert würde. Wenn die Gegner der Union meinten, ſolche Bedingungen würden, auch wenn ſie eingegangen würden, nicht gehalten werden, ſo wieſen ihre Freunde auf die Vergangenheit hin, ob man etwa von Wien aus die Sachſen gut behandelt habe. Auch Teutſch neigte ſich der Union zu. Aus der Vergangenheit meinte er den Schluß ableiten zu können, daß das damalige Öfterreich nicht die Kraft der Selbſterneuerung beſitze, falls nicht eine Neuordnung die morſchen Stützen des alten Staates durch ein ver⸗ faſſungsmäßiges Leben erſetze. Das neuerwachte Leben Ungarns ſchien ihm die Segnungen größerer Freiheit auch für die Sachſen zu verbürgen und ſelbſt die nationalen Gegenſätze einer Ausſöhnung auf dem Boden des ſiebenbürgiſchen Staatsrechts fähig, beſonders eben im Licht der Grundſätze, die die neue Bewegung auch in Ungarn aufgeſtellt hatte.

Unter dieſen widerſprechenden Anſchauungen wuchs das Bedürfnis der Verſtändigung unter den Volksgenoſſen. So ſchickten die Schäßburger anfangs Mai Teutſch nach Hermannſtadt, wo die entſchiedenſten Gegner der Union immer mehr die Oberhand bekamen. Als Teutſch hinkam, war die Sache in Hermannſtadt entſchieden: fie hatten ſich gegen die Union erklärt und das Aufhiſſen der ſchwarzgelben Fahne war ein Ausdruck dafür, daß die Unionsfrage hier ſchon als das aufgefaßt wurde, wozu ſie ſich ſpäter entwickelte, als die Entſcheidung für oder gegen den Kaiſer, für oder gegen Oſterreich. Eine Verſtändigung war nicht möglich. Doch fuhr Teutſch mit den eifrigſten Unionsgegnern Konrad Schmidt und Eugen v. Friedenfels am 7. Mai nach Kronſtadt, um dort An— knüpfung zu ſuchen. Dort war die Stimmung der Union noch günſtiger als in Schäßburg. Das hatte die Beſprechung doch erreicht, daß beide Teile die beſten Abſichten der Gegner zugeben mußten und die jeden politiſchen Kampf vergiftenden perſönlichen Seiten zunächſt außer Spiel blieben. Die Wahl zum Landtag fiel in Schäßburg auf C. Gooß und G. Teutſch. Die Inſtruktion lautete auf Eingehung der Union unter beſtimmten Bedingungen Sie war nicht ohne Gegenſatz zuſtande gekommen.

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In Schäßburg hatte eine Zuſchrift des Udvarhelyer Erörterung der Unionsfrage in der Kommunität gege Hin- und Herreden hatte die Kommunität eine gem dem Magiſtrat verlangt, in der nach umſtändlicher wurde: J. Man ſolle dem Udvarhelyer Stuhl erwiedern: reich Ungarn in der jüngſten Vergangenheit ſo vielverſp Herzen gewinnende Schritte zu ſeiner vollſtändigen poli geburt getan habe, jo ſei die Kommunität grundſätzlich einigung Siebenbürgens mit Ungarn. Jedoch müſſe fie, in Sorge für die eigene „Volkstümlichkeit“ und die Aufr eigenen Munizipallebens, beſtimmte Bedingungen ſtellen, bedingung ſei die Aufrechthaltung der pragmatiſchen Santti die Einheit der Monarchie. Im übrigen ſehe man dem Landtag 2. Dieſe Antwort ſollte der Nationsuniverſität mitg die aufgefordert werde, eine Verſtändigung zwiſchen den ein; In ſiſchen Kreiſen herbeizuführen; die Außerung der Univerfität | den ſächſiſchen Kreiſen zur Begutachtung vorgelegt werden. Als der Landtag nun zuſammengerufen worden war, Kommunität für die Abgeordneten die Inſtruktion feſtſtellen Bürgermeiſter Sternheim eindringlich auf die Gefahren der Union die fie für die ſächſiſche Nation in ſich ſchlöſſe, war die K 1 doch unionsfreundlich gefinnt. Am 24. Mai gab ſie Teutſch den trag, auf Grund der gepflogenen Verhandlungen die Inſtrukti entwerfen. Schon am folgenden Tag beriet die Kommunität ſein lage, die angenommen wurde und im weſentlichen folgenden Inhalt 1. Die Abgeordneten haben ſich mit Emporhaltung der prag⸗ matiſchen Sanktion für eine bedingte Union zu erklären. Als Bedingungen ſind zu ſtellen: a) das Territorium des Sachſenlandes bleibt ein geſchloſſenes Ganze, das ohne Zuſtimmung der Nationsuniverſität nicht verändert werde darf doch wird ſchon gegenwärtig eine mit Zuſtimmung der⸗ ſelben den nationalen Verhältniſſen entſprechende Neueinteilung des Landes nicht für ausgeſchloſſen erklärt; b) die Nationsuniverſität behält ſowohl die Verwaltungs- als die ge⸗ richtlichen Agenden mit gefondertem Perſonenſtande für beide, der Komes wird frei gewählt; c) freie Selbſtverwaltung in Kreis und Gemeinde, freie Wahl der Beamten in denſelben;

ch in allen äußeren und inneren Angelegenheiten des Sachſenvolkes und Sachſenlandes deutſche Amts- und Geſchäftsſprache, doch ſollen Private ungariſcher oder wallachiſcher Nationalität ſich mündlich und ſchriftlich in ihrer Mutterſprache an die ſächſiſchen Behörden wenden können;

e) freies Kirchen- und Schulleben ſämtlicher Konfeſſionen mit grund⸗ ſätzlicher Anerkennung des ſtaatlichen Aufſichtsrechtes;

f) Repräſentative Verfaſſung auf der weiteſten Baſis;

g) ſächſiſches Bürgerrecht (Aufrechthaltung des Eigen-Landrechts).

2. Werden dieſe Bedingungen aber nicht angenommen oder fehlen die nötigen Garantien für die Einhaltung derſelben, jo haben die Ab- geordneten ihre Sondermeinung gegen die Union zu geben und dieſelbe in geſetzlichem Wege vor den Allerhöchſten Thron zu bringen.

3. Dabei haben die Abgeordneten ſich der Mehrheit der ſächſiſchen Abgeordneten zu unterordnen; ihre unterlegene Meinung „nach ver— geblicher Anwendung aller geſetzlichen Mittel“, ſie zur geltenden zu erheben, ſollen ſie zu ihrer eigenen Deckung zu Protokoll geben.

4. Alle haben für die Redefreiheit der Abgeordneten einzutreten und dieſe, wenn es not tut, für ſich in Anſpruch zu nehmen.

Ahnliche Inſtruktionen hatten Kronſtadt und Biſtritz gegeben, die von Mediaſch und Hermannſtadt lauteten gegen jede Union.

Die beiden Schäßburger Abgeordneten fuhren über Hermannſtadt nach Klauſenburg. In Hermannſtadt ſah es kriegeriſch aus. Vor dem Heltauertor wurden Palliſaden aufgerichtet, der Kriegerrock verdrängte das Bürgerkleid. Noch kriegeriſcher erſchien Klauſenburg. Am 16. Mai hatte das Gubernium das Standrecht verkündigen laſſen, von allen Häuſern wehten die trikoloren Unionsfahnen, vom Rathaus die größte. Was der Gouverneur in Hermannſtadt anfang Mai verkündigt hatte: die Union ſei eine beſchloſſene Sache, Bedingungen werde man keine annehmen, das galt in Klauſenburg noch mehr, die Menge hatte die Union ſchon ausgerufen. Am 29. Mai erklärten die Szekler und der Adel in der Nationalverſammlung, in der auch die Sachſen anweſend waren, es falle niemandem ein, ſich von Oſterreich zu löſen, ſie gaben das heilige Verſprechen der Achtung jeder Nationalität; ſie wollten die Union um jeden Preis und würden nie um der Sachſen willen davon ablaſſen. Ihre Führer verſprachen insbeſonders die Rechte der Sachſen zu achten, ihr Gebiet aufrecht zu erhalten, Bedingungen würden ſie nicht annehmen. Und als ſie die Frage auf das Gebiet perſönlicher Ehre hinüberſpielten: die Sachſen müßten der Loyalität des ungariſchen Volkes,

dem Geiſt der neuen Zeit vertrauen, da wurde die Inſtruktion gebundenen Sachſen in der Tat ſchwierig. In einer achtſtündigen Sitzung am Abend des 29. Entſcheidung der Sachſen. Die ſächſiſchen Abgeordneten alle erſchienen, der von Broos fehlte, da er ein 9 Union anzunehmen entſchloſſen war, die Vertreter von waren noch nicht angekommen. K. Schmidt führte de Nationalverſammlung und verlangte, die Abgeordneten ſtruktionen bekanntgeben. Dem gegenüber wies Gooß die Inſtruktionen nicht aus der gegenwärtigen Sachlage ſeien, daß die Abgeordneten bei den unabſehbaren Folgen der ſich nicht an den Buchſtaben binden dürften, ſondern nur an i Überzeugung ſich halten könnten und beantragte auszuſprech Abgeordneten nicht an die Inſtruktion gebunden ſeien. Der wollte dieſen Antrag gar nicht zur Verhandlung zulaſſen, einigte ſich endlich dahin, jedem freizuftellen, wie er es mit der In halten wolle. Da beantragte Gooß die Annahme der Union, d man der Hoffnung und dem Vertrauen Ausdruck geben, würden in den ihnen nach dem Naturrecht und pofitiven Ge ſtehenden nationalen und munizipalen Rechten erhalten werden.! trat vor allem Konrad Schmidt dagegen auf und da er glaubte, bei einigen Unionsfreunden auch die Furcht vor der aufgeregten in Klauſenburg mitwirke, erklärte er mit ſeinem Genoſſen (J. Schne ſich bereit, im Landtag die Ablehnung der Union zu vertreten, un vor allem, weil fie die Magyariſierung bringen werde, den Zerfall öſterreichiſchen Monarchie und die größte Gefahr von Seite der Rumä wenn dieſe ſich gegen die Union erklärten. ' Es war gegen 2 Uhr morgens, als es zur Abſtimmung kam: ob für oder gegen die Union. Hermannſtadt ſtimmte gegen die Union, Schäßburg für dieſe, Mediaſch gegen die Union, Biſtritz, Kronſtadt, Mühlbach dafür, Reußmarkt dafür, ein Abgeordneter von Leſchkirch für die Union, der andere dagegen. Von den 15 anweſenden Abgeordneten hatten 10 für die Union, 5 dagegen geſtimmt, da aber die Minderheit ſich der Mehrheit nach dem beſtehenden Geſetz zu fügen hatte, wurde der Antrag Gooß angenommen, am nächſten Tag im Landtag die Zuſtimmung der Sachſen zur Union auszuſprechen, die Bedingungen, auf deren Annahme man nicht rechnen könne, nicht zu ſtellen, jedoch mit einem Vorbehalt, der die Geltendmachung der nationalen Rechte ermögliche. Das iſt dann unter ſtürmiſcher Zuftimmung des Landtages am nächſten Tage geſchehen;

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die von Gooß verfaßte, von den Sachſen gebilligte Erklärung gab Elias Roth im Landtag ab. Es hieß in der Erklärung, daß die Sachſen ſich „zur Gewährleiſtung der Emporhaltung unſerer auf Vernunft und poſitive Geſetze ſich gründenden Rechte, unſerer Volkstümlichkeit, unſerer Mutter— ſprache, der Einteilung unſerer Gerichtsbarkeit, unſerer beſtehenden geſetz— lichen Munizipaleinrichtungen“ vorbehielten, „ihre diesfälligen geſetzlichen Verlangen“ dem ungariſchen Reichstag „zur gerechten und billigen Berück— ſichtigung unter dem Zutritt der in der geſtrigen Nationalverſammlung verſprochenen Unterſtützung der löblichen Stände im Gefühl ihrer gejeß- lichen Rechte“ zu überweiſen. Teutſch hatte mit Gooß geſtimmt, mit dem er in jenen Tagen auch zuſammen wohnte. Es war Beider Überzeugung, was die Abgeordneten an die Univerſität berichteten, ſie hätten „in einem unverkennbar großen Augenblick gehandelt nach beſtem Wiſſen und Gewiſſen. Die Union erſchien ihnen, wie fie die Verhältniſſe hier fanden, als eine Naturnotwendigkeit. Wie die Zukunft ſich geſtalten werde, kann niemand vorausſehen. Wir hoffen auf den Allwaltenden und auf den deutſchen Geiſt unſeres Volkes“.

Teutſch war bei der Abſtimmung für die Union durch folgende Erwägungen beſtimmt worden: die Union erſchien unvermeidlich. Der Kaiſer hatte den ungariſchen Landtagsartikel, der fie beſchloß, beſtätigt, Adel und Szekler wollten ſie unter allen Umſtänden, die Walachen ſchienen dafür gewonnen zu ſein, der unierte walachiſche Biſchof Lemeny hatte ſeine Zustimmung erklärt, von Schaguna hoffte man es. Die Verwerfung der Union hätte ſofort den Bürgerkrieg zur Folge gehabt. Die Union erſchien alſo zum Schutz des Volkstums notwendig. Bedingungen wollten die Magyaren nicht annehmen; auch Teutſch war es nicht unklar warum; ſie trauten den Sachſen nicht und ein Teil haßte ſie. Unter ſolchen Umſtänden ſchien es klüger, die Bedingungen ſich vorzubehalten und als günſtigeren Kampfplatz zu deren Erlangung den ungariſchen Reichstag zu wählen.

Der Form nach lag die Sache freilich ſo, daß die Union zuerſt Geſetzeskraft erlangte, der ungariſche Reichstag aber jene Bedingungen nur ſpäter erfüllen ſollte. Aber niemand von den Sachſen hat die Union als Übergabe auf Gnade und Ungnade angeſehen. Zeuge deſſen ins— beſonders die Denkſchrift, die die ſächſiſchen Landtagsabgeordneten am 20. Juni in betreff der Union dem Landtag übergaben; ſie hat Teutſch zum Verfaſſer. Sie führt aus: „Volkstümlichkeit und Selbſtregierung nehmen die Sachſen, indem ſie der Wiedervereinigung Siebenbürgens mit der Krone Ungarns als dritte ſtändiſche Nation ihre Beiſtimmung

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gaben, als Lebensbedingung für ſich in Anſpruch, zweifelnd, daß ſowohl die Rückſicht auf das öffent Rechtſinn ihrer jetzigen und künftigen Brüder und weil ebenſo begründet in dem poſitiven ſiebenbü ewigen Naturrecht für unverletzlich anerkennen und vertrag mit dem neuen Staats- und Völkerleben gewähr „Als die aus den bereits angegebenen Grundſätzen des ſächſiſchen Volkes, die es in ſeiner Beiſtimmung vorbehalten“, wurden bezeichnet: die Aufrechthaltung Territoriums, der ſächſiſchen Nationsuniverſität unter Komes, Selbſtverwaltung der Kreiſe und Gemeinde mit Beamten, in allen inneren und äußeren Angelegenheiten landes die deutſche Sprache als Amts- und Geſchäftsſpra in Kirchen- und Schulangelegenheiten. !) 1

Inmitten der arbeitsreichen und verantwortungsich die heitere Ruhe bezeichnend, mit der Teutſch, leidenſchaftl, das teuerſte, um ſein Volk, im Herzen, mit der jungen Schäßburg beſorgt um ihn zurückgeblieben war, Briefe wech auf Kirſchen und Erdbeeren“ ſchreibt er nach Haufe 3. 3 rät der Frau ab, die Zimmer ausweißen zu laſſen, bevor er komme und Schonung bei der Gartenarbeit. „Ob bei de gelben Rüben ein Unkraut mehr oder weniger, iſt gleichviel. Klauſenburg ſieht es ſehr kriegeriſch aus, d. h. man ſieht Menge Leute mit militäriſcher Kopfbedeckung und leinenen Röcken. nach derſelben Art wie die meinige, ſind in großen Ehren, Adlige beſuchen darin ſogar die Landtagsſitzung und als ich vorg des Regens wegen ihn als Überrock trug, war ich in großer Pa Die Nationalgarden exerzieren hier ſehr fleißig; ich hoffe, die burger und namentlich die 9. Kompagnie tun desgleichen. . ..“ den zu Grüßenden wird der Knabe aus erſter Ehe (damals zwei Jahn alt) nicht vergeſſen: „Lehre ihn früh ‚habt Acht: machen; er kann es brauchen.“

Zunächſt ſollte die Kunſt dem Vater zugut kommen, freilich wie es traurig ſchien, im Kampf mit dem eigenen Volk.

Im Sachſenland nahm man die Vorgänge in Klausenburg ſehr ernſt. Der Eindruck war ein niederſchmetternder. Die Mehrzahl der Sachſen hatte die Empfindung, jener Landtagsbeſchluß habe ſie der

) Die Denkichrift wird im Anhang I vollinhaltlich mitgeteilt.

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Großmut der Magyaren preisgegeben, aber die Aufrichtigkeit und Humanität der ſächſiſchen Deputierten werde kein Verſtändnis bei den Führern der Magyaren finden; treue Hand geht durch das ganze Land ſei nur ein deutſches Sprichwort. Wohl zweifelte in Schäßburg Niemand daran, daß Gooß und Teutſch einzig und allein das Wohl der Nation im Auge gehabt, daß ſie nach beſtem Wiſſen und Gewiſſen gehandelt, aber man hielt ihr Verhalten doch für einen Fehler und vor allem auch für einen Verſtoß gegen die Inſtruktion. Die beſten Freunde beklagten das Geſchehene, andere waren zu härterem Urteil bereit. Es war an ſich doch ſchon ſchmerzlich, daß die Freunde verſicherten, das Vertrauen auf die Ned: lichkeit und die ſächſiſche Geſinnung der beiden Abgeordneten nicht verloren zu haben. Die Schäßburger Kommunität proteſtierte gegen das Vorgehen der Deputierten. Am 6. Juni trat die Stuhlsverſammlung zuſammen. Auch hier zweifelte niemand an der Ehrenhaftigkeit und nationalen Geſinnung der Ab- geordneten; ein Brief Teutſchs, in dem er die Vorgänge in Klauſenburg, die Motive, die zu der angefochtenen Haltung geführt, darlegte wurde vorgeleſen, in vielen Augen glänzten Tränen, und viele empfanden die Schwierigkeit der Stellung der Abgeordneten und daß ſie für die ſächſiſche Sache ſich bemüht hätten. Dennoch meinte die Stuhlsverſammlung ſich dem Proteſt der Kommunität anſchließen zu müſſen und ſandte mittelſt Staffette den Beſchluß an die Univerſität nach Hermannſtadt. Von einer Abberufung der Deputierten, die u. a. Hermannſtadt beſchloſſen hatte, war keine Rede. In der Kommunität am 7. Juni neigte ſich jedoch die Meinung ſehr zur Abberufung, es wurde aber die Beſchluß⸗ faſſung der Stuhlsverſammlung überlaſſen, die am 8. Juni nochmals zuſammentrat. Eine Zuſchrift der Univerfität, Nachrichten aus Her⸗ mannſtadt, unüberlegte Demonſtrationen von Freunden der Union hatten die Gemüter aufgeregt. In der Verſammlung ging es laut her, man ſchalt die Deputierten offen Verräter und ſtellte den Antrag auf Ab— berufung. Fr. Marienburg und G. Binder ſuchten die Leute zu be ruhigen, es gelang nicht. Doch ſcheute ſich die Verſammlung, entſchieden die Zurückberufung auszusprechen und beſchloß, eine Abſchrift der Pro- teftation an die Abgeordneten nach Klauſenburg zu ſchicken und ihnen jede fernere Funktion in Sachen der Union zu verbieten. Doch ging die Poſt an jenem Tag nicht ab und von Hermannſtadt kam die Nachricht, daß die Univerſität von der Proteſtation keinen Gebrauch machen könne, weil nur zwei eingelaufen ſeien. Am 9. Juni nachmittags erſtattete Gull, der von Klausenburg herübergekommen war, in der Spitalskirche vor Magiſtrat, Kommunität und Volk nochmals Bericht über die Vor⸗

Georg Daniel Teutſch 4

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gänge, der ſehr befriedigte. Abends ließ man die Ernſtiſchen Garten hoch leben und die Stuhlsverſam am 10. Juni die Beſchlüſſe von vorgeſtern zu widerrufe Inzwiſchen nahmen die Verhandlungen in Klauſenb Fortgang, die Hörigen wurden frei erklärt, die Robotten! abgeſchafft, der Unionsartikel der Krone zur Beſtätigung die Hermannſtädter Deputierten abberufen worden waren, das National⸗Siegel Teutſch zur einſtweiligen Aufbewa lichen Verwendung. Er kam übrigens vor dem formell Landtags nach Schäßburg zurück, ſchon ſtark erſchüttert it auf die Ehrlichkeit der gegebenen Verſprechungen. Er fühl! daß die leitenden Männer der Magyaren alles im kleinſten K machten und dann mit fertigen Tatſachen kamen und ſah mi wie das Selbſtgefühl der Magyaren in einer Weiſe ſtieg, Schlimmſte befürchten ließ. * In Schäßburg exerzierte er fleißig mit ſeiner Kompagnie, hältniſſe verſprachen keinen friedlichen Ausgang. Mit ſteigendem willen hörte man, wie trotz aller Bemühungen der ſächſiſchen 2 neten, den Mitgliedern der Landesdeputation, den Abgeordneten ungariſchen Reichstag in Peſt, darunter vor allem Karl Gooß, den Wünſchen des ſächſiſchen Volkes kein einziger erfüllt wu der Reichstag nun gar einige Geſetze über die Union mit Siebenbii über die gar nicht abgeſtimmt worden war, für angenommen er Geſetze, die alles, was das ſächſiſche Volk als Bedingungen des nalen Beſtandes anſah, in Frage ftellten, wenn nicht aufhoben, eine Anzahl Abgeordneter aus dem Reichstag aus und Koſſuth d mit verſtändlichem Seitenblick auf die Sachſen, mit Hülfe der die Reaktion in ihrer Wiege zu erwürgen. Ende September fin die ſächſiſchen Stühle dem ungariſchen Miniſterium den Gehorſam, 4. Oktober löſte Kaiſer Ferdinand den Reichstag auf und ſtellte Truppen unter Jellachich, was der ungariſche Reichstag mit der Nichtigkei erklärung obiger Verfügungen beantwortete. Am 18. Oktober forderte der kommandierende General Puchner die Bevölkerung Siebenbürgens auf, ſich unter den Kaiſer zu ſtellen, die Rumänen erhoben ſich gei die Edelleute der Bürgerkrieg war da. Er fand Unioniſten und ihre Gegner unter den Sachſen geeint. Die Sorge für die Erhaltung des Volks⸗ tums, in der ſie immer einig geweſen, hatte ſie wieder zuſammengeführt. Bevor es zu dem ungewohnten Kriegsſpiel kam, lenkte eine fried⸗ lichere Beſchäftigung den Blick auch Teutſchs auf Fragen des Innere

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lebens, ſpeziell der Schule. Daß die ſächſiſchen Schulen einer Ver: beſſerung dringend bedürftig waren, war inmitten der Nation allgemein anerkannt, insbeſonders galt das auch von den Gymnaſien, die einer einheitlichen Regelung ermangelten. Im Jahr 1844 war aus Kreiſen der Lehrer der Gedanke beim Oberkonſiſtorium angeregt worden, die einzelnen Gymnaſien zur Zeit der Jahresprüfungen durch Mitglieder der anderen Schulen beſuchen zu laſſen (luſtrieren), um Gedanken und Vorſchläge über Mängel und Vorzüge auszutauſchen und ſo eine Beſſerung herbeizuführen. Am Schluß des Schuljahres 1848 fand dieſe Luſtrierung in Mediaſch ſtatt, die Vertreter von Schäßburg waren Konrektor Teutſch und Kollaborator Marienburg. Es waren geiſtig ungewöhnlich angeregte Tage, wo Gedanken nicht nur über Schulfragen ausgetauſcht wurden, mitten im Sturm der Gegenwart wurden die Lebensfragen des Volkes erwogen. Daß man ſie tief faßte, darauf deutete eine zweite Aufgabe, die den Lehrern geſtellt war, es ſolle unter dem Vorſitz von Biſchof Binder eine Schulkonferenz zur Beſprechung und Ausarbeitung eines Schulplanes abgehalten werden. Da das unmöglich war, weil Biſchof Binder in kirchlich-politiſcher Sendung am Kaiſerhof abweſend war, vergaßen die Schäßburger Kollegen nicht, die Oberbehörde zu bitten, die unterbliebene Konferenz bald einzuberufen. Auch der Beſuch des Mediaſcher Gymnaſiums hatte die Dringlichkeit des neuen Schulplanes gezeigt. Das neue Schuljahr begann unter dem Exerzieren der Bürger⸗ garden; was der Tag brachte, die Zeitungen meldeten, das deutete auf Sturm. Für Schäßburg war insbeſonders die Nähe des Szeklerlandes gefährlich. Als ſie am 16. Oktober auf der Wieſe bei Agyagfalva „über die Gefahr des Vaterlandes und der Freiheit“ berieten und dem kaiſer⸗ lichen Generalkommando den Gehorſam kündigten, beſchloſſen fie zuerft Schäßburg anzugreifen. Zum Glück für die Stadt kam auf einer Rekognoszierungsfahrt Oberſtleutnant Gläſſer einige Tage vor jener Verſammlung nach Schäßburg. Er erlangte von Puchner Verſtärkung an Truppen, Geſchütz und Munition, betrieb die Befeſtigungsarbeiten der Stadt und ſetzte ſie in Verteidigungszuſtand. Als die Szekler einige Tage nach jener Verſammlung etwa 10.000 Mann ſtark eine halbe Meile von Schäßburg in Weißkirch lagerten, fanden ſie die Stadt bereit, ſie zu empfangen; 1159 Mann Linientruppen und 934 Mann Bürgerwehr ſchützten ſie. Eine halbe ſechspfündige Fuß batterie, vier ſechspfündige eiſerne Poſitionskanonen, 56 Doppelhacken ſtanden zur Verfügung. Bis zum 28. Oktober ſtand Beſatzung und Bürgerwehr unausgeſetzt unter den Waffen, freudigen Mutes unter allen Entbehrungen. 4*

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Am 21. Oktober ſprach Gläſſer im Tagesbefehl das Herzen kommende Wort: „Treu unſerm Schwur kennen Panier als den mächtigen Doppelaar; unter dieſem Thron und für die Freiheit der Monarchie ſiegen Bürgerwehrhauptmann hat weſentlich mitgeholfen, Bürgerſchaft zu erhalten, an deren Wachſamkeit die Feinde ſcheiterte. Den 26. Oktober wurde das vom Marienburg angegriffen und genommen, den 28. Oktob Angriff auf Weißkirch, das der Feind in der Nacht geräumt hatte. Gläſſer, dem die Ehre dieſer Erfolge ge über die Truppen und die Nationalgarde: „Die Truppen wa gerechten Sache treu ergeben und fanden in ihren Offizieren e haftes Beiſpiel für wahre Soldatenehre und freudige Hinge Kaiſer und Vaterland. Die Nationalgarde wetteiferte mit Tatkraft und opferte mit Bereitwilligkeit ihre Familien Augenblick, wo es galt den rechtmäßigen Kaiſer und die 8 r. Sachſenlandes zu ſchützen und zu verteidigen.“ Denſelben Geiſt bi die Stadt, als an die Nation die Aufforderung erging, ein bataillon auszurüſten. Als am 2. November bei der Mitteilm Stadtpfarrer Schuller ergreifende Worte daran knüpfte, da einer Stunde die doppelte Anzahl der von Schäßburg zu Ste freiwillig unter die kaiſerlichen Fahnen, aus allen Kreiſen völkerung, aus einem Hauſe drei Brüder. Von dem Gymnaſium traten 27 Schüler in die Reihen der kaiſerlichen Truppen, Theodor und Ludwig Fabini! h Mit Bems Erſcheinen auf dem ſiebenbürgiſchen Kriegsſchau wandte ſich das Kriegsglück und auch für Schäßburg kamen dam Gefahren. Als Bem im Januar 1849 Hermannſtadt bedrängte, wi die k. Truppen von allen Seiten in Eilmärſchen dorthin gezo Schäßburg ſollte aufgegeben werden. Nur auf die einmütige und ſchiedene Erklärung der Stadtbehörde und der Bürgerwehr, den Platz bis auf den letzten Blutstropfen zu halten, blieb die Beſatzung zurück. Ein Teil der Bürgerwehr nahm am Gefecht bei Eliſabethſtadt (26. Januar) tapfern Anteil und drängte den Feind zurück. - Was die folgenden Wochen brachten, das ſoll Teutſch mit eigen Worten erzählen, wie er es im April 1849, unter dem unmittelbaren

Eindruck des Erlebten aufgeichrieben. Es iſt darnach auch im einzelnen zu beurteilen. 1

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Der 14. Februar 1849 hatte den Mitgliedern des Schäßburger Kaſinos einen ſehr vergnügten Abend gebracht. Man erzählte, weiß Gott aus welcher Quelle, daß Leiningen an des Vaterlandes Grenze ſtehe, ſprach mit Entzücken von feiner bedeutenden Macht, den Uhlanen— eskadronen, den rotmänteligen Sereſchanern, den totbringenden Raketen— batterien. Nahe Beendigung des verderblichen Krieges ſtand in heiterer Ausſicht.

Da rief mich ein Ordonanzkorporal zum Majoren. Ich möge eilen; die andern Hauptleute ſeien längſt verſammelt. Was ich dort erfuhr, klang zwar nicht ſo tröſtlich wie die Kaſinomitteilung, beugte aber doch den heiteren Sinn nicht. Die Anordnung der Majore Nipp und Heydte, die einen Überfall befürchteten, gebot der Kompagnie, die Vorpoſten Schaas zu zu beziehen und durch ſtete Patrouillen den Wald am Knopf rein zu erhalten.

Der Befehl wurde vollzogen; die ſchnell verſammelte Kompagnie rückte 10 Uhr abends aus. In tiefem Schnee, in heftigem Wind und Schneegeſtöber taten die jungen Leute ihre Schuldigkeit; feindliche Spuren zeigten ſich nirgends. Doch kam Donnerstag, den 15. Februar, der Befehl, auch die nächſten 24 Stunden mit geſchärfter Wachſamkeit die Vorpoſten beſetzt zu halten.

Den Vormittag des 15. verkürzte Freund Binder aus Wolkendorf mit einem Beſuch. Er kam von Heydte. „Ich bleibe in Schäßburg zur Beſchützung der Stadt“, hatte dieſer ausdrücklich geſagt. Das klang bei bereits mehrfach auftauchenden düſtern Gerüchten troſtvoll.

Neue Freude brachte der Nachmittag. Militär zur Verſtärkung kam in die Stadt in langen Reihen, Geſchütz, Kavallerie, Infanterie. Mit der Bürgerwehr mochte die Beſatzung nahe an 3000 Mann zählen; wo hätte da Furcht für uns herkommen ſollen? Wußten wir doch nichts von einem Feinde.

Ich ging abends in die Stadt. Da hörte ich zu meinem Er⸗ ſtaunen, wie ſeit geſtern ſchon vor allen Offtziersquartieren die Wägen fertig gepackt und angeſchirrt ſtünden und Hauptmann Haufer die nicht fertigen Jägeruniformen den Schneidern abgefordert habe. Der war jüngſt aus Hermannſtadt gekommen, wie es hieß mit ſchlechten Nach⸗ richten; ſchon anfangs Januar, nach dem Falle Medwiſchs, hatte er eifrig für Aufgeben der Stadt geſprochen. Viele andere Offiziere waren ſchon damals desſelben Sinnes geweſen; nur die energiſche

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Erklärung der Bürgerwehr: ſich bis auf den verteidigen zu wollen, hatte die Herren zurüc ſprächen fie, jo flüfterten ſich einzelne Unterrichte der Feind mit Übermacht von allen Seiten. Männer liege wenig Hoffnung für die Stadt. Ich konnte es kaum glauben. Der Feind konn Seiten nicht ſo nahe ſein, daß man nicht auch wüßte, und unter dem kaiſerlichen Rocke müßte, jo wa doch bei den Führern ein mutiges Herz ſchlagen. Tag angekommen; die Barrikaden der Stadt gemacht, die Verteidigung derſelben eingeübt, für die Burg verproviantiert, die ſchwachen Stellen Wehr, Waffen, Schießbedarf war genügend vorhaı von dem beſten Geiſte beſeelt und bereit das Leben die gute Sache zu laſſen wo war da etwas zu Und in der Tat, die Bürger ahnten nicht eim Seit lange hatten fie jo hoffnungsvoll und ſorglos de nicht überlaſſen. Heydte war ja noch da und Verſtärkung Welche Täuſchung! N Gegen Mitternacht berief mich eine Ordonanz von quartier der Vorpoſten auf die Hauptwache. Auch die andere! jeien von dem Major dahin beordert. Ich ließ die frohen die mit heiterm Sang die Zeit kürzten, erwartungsvoll zur zur Hauptwache. Da fand ich bange Beſorgnis. Die kaiſerlicher der Magiſtrat und der Major der Bürgerwehr ſeien im Kriegs ro Schrecklichſte ſtehe in Ausſicht. Wir erfuhren es bald. Der es da geheißen, rücke von drei Seiten heran und werde ü mit Tagesanbruch die Stadt umringen. Beſatzung und Bürgerweh ihm nicht gewachſen; bloß ſchneller Abzug könne retten, ehe der über Henndorf unmöglich werde. Einſtimmig gegen alles B Beſchwören des Rates und des Majors hatten die kaiſerlichen O den Abzug beſchloſſen. f Wir trauten unſern Ohren nicht. „Zu Heydte gehen und mit ih ſprechen“, klang es von allen Seiten. Wir gingen mit welchen fühlen läßt ſich denken. Er beſtätigte was wir gehört und ſetz mehreren Dragoneroffizieren umgeben, auseinander, wie der Feind in Marienburg und Epeſchdorf Quartier gemacht, auch von dem Ud helyer Stuhl nahe ſei und Abzug das einzige Rettungsmittel ſei. Wir beſchworen ihn im Namen der Ehre der kaiſerlichen Waffen, der Wohle

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fahrt unſerer Stadt und des jetzt davon abhangenden bedeutenden Teils des Sachſenlandes, im Namen der guten Sache, der wir ſeit einem halben Jahre Alles geopfert, vom Entſchluß abzuſtehen. Er möge Nipp, der ſchon bei dem erſten Ausbruch der Wirren ſich in die Burg hinaufgezogen und von Flucht geſprochen, er möge alle Feigen ziehen laſſen und nur ſelber mit ſeiner Truppe bleiben, vereint mit den Bürgern könne er auf Sieg hoffen. Denn dieſe ſeien zum Außerſten entſchloſſen. Und habe er doch vor wenigen Tagen noch die feſte Lage Schäßburgs gerühmt; wenn anders keine Rettung wolle man die Unter— ſtadt niederbrennen, um wenigſtens die Burg zu halten, bis Hülfe käme. Welche Schmach für die kaiſerlichen Truppen zu fliehen ohne den Feind geſehen zu haben; welche Schande für die Stadt, in deren Burg nie ein Feind mit Gewalt eingedrungen; welcher Eindruck auf Alle, die da ſähen, daß ſolche Treue ſo belohnt würde, welcher Gewinn für den Feind, wenn er mühlos Schäßburg und damit den Schlüſſel zu ſchönen, früher noch nicht ausgeſogenen Sachſenſtühlen und was eben- ſoviel das Tor zum Süden der Szeklerlande bekäme!

Doch alles war vergeblich, ſelbſt die Bitte: wenigſtens die Bürger⸗ wehr mit den Waffen da zu laſſen, fie werde allein die Verteidigung wagen. Hülfe, ſagte Heydte, ſei nach ausdrücklicher Erklärung des Ge⸗ neralkommandos nicht zu erwarten einige Tage ſpäter erfuhren wir, daß Major Riebel mit bedeutender Unterſtützung, darunter Leſchkircher Freiwillige, unter Wegs geweſen. Gegen die Übermacht könne man ſich nicht halten. Auf die Entgegnung, daß nicht immer in der Zahl der Sieg liege Salzburg in jüngſter Zeit habe es gezeigt erwiderte ein Offizier: in allen Schlachten und auch dort ſeien die Kaiſerlichen die Mehrzahl geweſen. Er zwar für ſeine Perſon, ſprach Heydte, wolle da bleiben und das Schickſal der Stadt teilen. Auch er mit all' den Seinen ſei gern zum Tode bereit, wenn er dadurch etwas nütze. Das aber ſei hier nicht der Fall. Und wenn die edle Aufwallung des ehren- vollen Gefühls für Volk und Fürſt zum Kampfe treibe, die ruhige Überlegung müſſe anders ſprechen. Was würde es helfen, wenn wir tot vor der Stadt lägen? Die würde doch genommen und was würde dann das Schickſal der Überlebenden ſein? Verſuche man aber den fruchtloſen Widerſtand nicht, ſo werde die Stadt mit der aus den Gütern der Rebellen leicht zu erſetzenden Brandſchatzung davon kommen, Schaden und Verwüſtung einer blutigen Einnahme ihr erſpart werden. In wenigen Tagen werde die k. Truppe verftärkt wiederkehren und den Feind, der ſich ebenſowenig werde halten können, davonjagen,

So ſprach Heydte. Wer die Waffen behalten dem k. Heer anſchließen. Wer daheim bleibe, müſſe um vielleicht in den Reihen des Feindes gezwut Brüder zu kämpfen. Auch die Häupter der Stadt danken des Widerſtandes ab; ſchon war es 1 Uhr; die im Sturm entſetzlicher Gefühle. Dem ſtolzen Feind ſi konnte kein edleres Gemüt ertragen und ſchien u Pflicht für die gute Sache; auf der anderen Seite ſt und die Angehörigen. 095

„Punkt 4 Uhr marſchieren wir“, war das letzte bei den Führern der Bürgerwehr damit die Sache ent ihre Perſon wollten ſich anſchließen und eilten, den K Entſetzliche mitzuteilen, damit auch ſie ſich entſchieden.

2.

Es war Freitag den 16. Februar frühe. Seit drei die Stadt wie verwandelt. Die Ruhe der Nacht war gewich en. $ glanz ſchimmerte aus allen Häuſern. Stumm, atemlos flogen und Weiber durch die Straßen; wo ein Kerzenſtrahl die 5 traf, ſah man das entſetzte bleiche Antlitz Verzweifelnder. Marktplatz, auf dem Weg zur Burg vielſtimmiger Lärm Die Kanonen und Munitionswägen wurden fortgeſchafft. f

Da ſchlug es 4 Uhr. Der Schmerz des Abſchieds, des ſchütternden, war überftanden. Mutter und Gattin mit dem fünf w alten Säugling an der Bruſt blieben zurück in der männerlofen zurück was wir Teures beſaßen, Haus, Hof, Habe, Kirche, der Gräber. Die Bürger von Schäßburg opferten es, ihrer Pflicht un guten Sache treu zu bleiben. Manche Hausfrau hat in jener den Gatten angeeifert, der k. Fahne zu folgen und ſich nicht dem zu ergeben. \

Die Kompagnie war geſtellt. Als fie die jammervolle Sachlage erfahren, war ſie ſchnell entſchloſſen, die Waffen nicht niederzuleg n, dem Feind ſich nicht zu ergeben. Da ſprengte Heydte heran mit dem Gebot, dem Majoren der Bürgerwehr zu melden, den Rückzug über die Höhen zu decken; er mit dem Geſchütz nehme den Weg im Tal. Auf die Frage, ob wir im nächsten Dorf (Trappold) auf die Truppe zu warten, verneinte er; „wir müſſen jo raſch als möglich nach Henn⸗ dorf, wo wir ein für unſere Kavallerie günſtiges Terrain haben; ich fürchte, der Feind wird uns abjchneiden“,

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Auch für die Bürgerwehr erſcholl das Kommandowort zum Abzug. Der Weg durch die Stadt wer beſchreibt ihn? „Es iſt“, wie Georg Krauß von ähnlicher entſetzlicher Zeit ſagt, „an allen Orten nur Heulen und Weinen, Jammer und Wehklagen geweſen.“

Die Truppen verließen die Stadt Freitag, den 16. Februar früh 4 Uhr. Zu derſelben Stunde war von dem in Dunesdorf liegenden Landſturm eine Abteilung in Epeſchdorf patrouillieren; von einem Feinde war keine Spur, Quartiermacher waren keine da geweſen, eben— ſowenig in Marienburg.

„Im erſten Morgenlicht werden Sie den Feind rings auf allen Bergen ſehen“, hatten die faif. Offiziere geſagt Freitag abends erſt kamen die erſten ungariſchen Huſaren als Kundſchafter in die Stadt und Samstag vormittag (30 Stunden nach dem Abzug!) kamen von Neumarkt zwei Kompagnien, um nach kurzem Aufenthalt die erſten 30.000 Gulden C.-M. von den Wehrloſen als Brandſchatzung zu erheben.

So wurde Schäßburg preisgegeben, eine Stadt, die nach dem Zeugnis der Kaiſerlichen ſelbſt ſeit Monaten faſt unglaubliche Opfer für die gute Sache unverdroſſen gebracht. Das kaiſ. Militär floh, ehe es noch einen Feind geſehen. Hohnlachend haben ſich des die Szekler in den Straßen der Stadt täglich gerühmt und einſtimmig verſichert, daß es ihnen nicht in den Sinn gekommen, gegen Schäßburg zu ziehen. Waren fie doch im Oktober viele Tage lang mit großer Macht ver- geblich vor der Stadt gelegen! Den mutigen Sinn der Bürger hatten fie ſeitdes mehrfach kennen gelernt und jetzt war dazu Heydte mit Kanonen in der Stadt! Wer an dem traurigen Abzug, der für das ganze Land die unglücklichſten Folgen gehabt, Schuld geweſen, wird eine unparteiiſche Unterſuchung hoffentlich ans Licht ftellen. Die Volks- meinung gibt dem Major Nipp, dem Hauptmann Hauſer den größten Teil der Schuld; auch Heydte, der nach Einigen den Befehl vom Generalkommando dazu gehabt haben ſoll, geht nicht leer aus. Er als der Tüchtigſte hätte bleiben ſollen; gegen ſein Wort hätten die Anderen nichts einwenden können; zum Rückzug blieb noch Zeit genug.

Mit der Stadt hatten die Szekler den nächſten Weg freien Zuzugs zu den Rebellen erhalten; der moraliſche Eindruck auf das wankelmütige, durch Schäßburgs bisherigen Widerſtand zur höchſten Wut gegen dieſe Stadt entflammte Volk mußte der bedeutendſte ſein. Der Feind erhielt neue Quellen ſeiner Macht; nur an Waffen fielen ihm in Schäßburg unter anderem nahe an 300 Wallbüchſen in die Hände. Zehn Zentner Pulver blieb zurück. Major Nipp floh in ſolcher Beſtürzung und Eile,

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daß er eine Kiſte voll verpfändeten Kirchenſilbers aus Elif ſeinen eigenen Wagen und ſein Siegel zurückließ.

Heydtes Befehl zufolge zog die Bürgerwehr ü Ungefug“. Schweigend, lautlos bewegte ſich der 8 trübe Morgenhimmel vermehrte das Unheimliche. Wie da nicht tagen! Und wenn der Blick ſehnſüchtig im Osten d Licht geſucht, ftreifte er ſcheu und bange in die Gegend Stadt, ob dort nicht die Feuerflamme ſchon den Hi Tag endlich angebrochen, welch' langer trauriger Zug! Di Knaben, die vom Vater nicht hatten laſſen wollen und oder jenes trugen, die Gattinnen, die gemeinſame ſamem Zurückbleiben vorgezogen und den ſchlafenden S Arme hatten; an allen die Spuren der Eile, die kaum Augenblick Notdürftigſte gerettet! Wie füllte ſich bei fol das Auge ſelbſt des Mannhafteſten mit Tränen, ſprechen Wort, wie griff krampfhaft die Hand zur Büchſe oder zum Der Gedanke folder (wenn auch von uns unverſchuldeter) felſenſchwer und vernichtend auf dem Herzen eines jede wohl lange noch manchen nicht zu ſeiner früheren geiſtigen kommen laſſen.

Ja, es wäre nicht dazu gekommen, hätte man das 2 . und bewaffnet und geübt, wie es hätte geſchehen follen, ſeit die wolken an unſerem politiſchen Himmel ſich erhoben. Doch jo am weiteſten und klarſten hätten ſehen ſollen, lächelten, wenn ma Gefahr ſprach und vergaßen, daß in Zeiten ſolcher Umwälzung das Volk ſtark iſt, das ſich ſelbſt zu ſchützen vermag, daß n. der Grund unſeres Beſtandes ſeit 700 Jahren geweſen iſt unſer Hätte man, wie Einſichtsvolle noch im Frühjahre mahnten, die geſan Jugend unſeres Volkes (vom 18.— 35. Jahre) zu einer mobilen Garde geſchart und geübt, die dageblieben wäre, auch wenn das Militär abgezogen, folcher Jammer wäre nicht über uns gekommen. Denn daß der Väter Heldenſinn noch lebt unter uns, beweiſen die ſächſiſchen Jäger. Jetzt aber ſitzt das geſamte Sachſenvolk waffenlos hinter dem Ofen und klagt das Nachbarvolk der Szekler ſteht ganz unter den Waffen, Jüngling, Mann, Knabe, Greis und

Doch wir wollen keine Vorwürfe machen. Das Unglück iſt da; möchten wir es wenigſtens mit Würde tragen! Wir wollen die Opfer, die es uns gekoſtet, gern verſchmerzen, wenn wir aus ihm lernen, was es wahrlich eindringlich genug lehrt! Durchgängige Volksbewaffnung,

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wie zu der Väter Zeiten, unausgeſetzte Übung in Abteilungen nach Alters- klaſſen, tüchtige Führer und ſolche Einrichtung in allen Zweigen des Staats- und Volkslebens, daß die Würde und Schönheit dieſes allen zum Bewußtſein komme. Dann wird er fern fein von uns jener Söldner finn, der die eigene Sicherheit ſelbſt auf Koſten der Ehre erkauft, jene Feigheit, die ſchmachvolles Leben ehrenvollem Tod vorzieht, jener Krämer— geiſt, der Frieden um jeden Preis will, jene Tollheit endlich, die lieber das Wohl des Landes als einige Kanonen aufs Spiel ſetzt oder über 600 geretteten Musketen den Untergang ganzer Kreiſe nicht ſieht. Mag dann das Militär gehen oder laufen wohin es will: wir werden uns ſchützen.

Durch Trappold hindurch gings ohne Aufenthalt zum nahen Berg. Da erreichten wir die vorangegangene Truppe und ſtellte man uns in Schlachtordnung! Vom Feinde nirgends eine Spur wäre er doch gekommen! Über die Waſſerſcheide zwiſchen Kukel und Alt marſchierten, nein liefen wir in Wind- und Schneegeſtöber, als brenne es hinter uns. In Henndorf endlich war kurze Raſt. Während der gaſtliche Pfarrhof zahlreichen Freunden willkommene Labung bot, erlebte eine Schäßburger Frau die Kränkung, ihre Bitte um Zwirn und Nadel von einer Sächſin des Dorfes mit der Frage abgewieſen zu ſehen: warum habe ſie ſich feine mitgebracht? Sie käme ja von Hauſe! Andere haben zu der⸗ ſelben Zeit dort ähnliche Erfahrungen gemacht und um Weiterbeförderung zu Wagen für kurze Strecken ſchweres Geld zahlen müſſen.

Am Harbach aufwärts Reteſchdorf zu ging nach einer kurzen halben Stunde der Zug. Müde erreichten wir nachmittag Bekokten; viele hielt nur die Hoffnung, die Nacht über dort bleiben zu können, aufrecht. Eben ſahen wir auf dem Pfarrhof dem ſtärkenden Mahl entgegen, als Hauptmann Hauſer jählings hereinſtürzte: „Wir werden verfolgt“, rief er Heydten zu, „Koſſuthhuſaren rings auf allen Bergen“. Wir unkundige Laien ſchüttelten ungläubig lächelnd die Köpfe, als Heydte nach aufmerk⸗ ſamem Blick durch das Fernrohr die Ausſage des ritterlichen Jäger⸗ hauptmanns beſtätigte. „Seh'n Sie dort, dort, dort“ und zeigte auf ferne Bergpunkte, „es find wirklich Koſſuthhuſaren“ „aber mit Helmen“, entgegnete eine Stimme, die jedoch von den Offizieren unbeachtet blieb, da Heydte gleichzeitig auch eine Kolonne feindlichen Fußvolkes ſah. Was konnte man da weiter, als die Flucht fortſetzen; Widerſtand zu verſuchen, falls wirklich der Feind nahe, kam nur den „Laien“ in den Sinn.

So riefen alſo die Trompeten und wirbelten die Trommeln zum schnellen Weitermarſch. Mit Mühe mußte ſich das Fußvolk zwiſchen Geſchütz und Bagage den Berg hinaufdrängen. Das Ganze fing an den Charakter

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einer ordnungsloſen Flucht anzunehmen. Da zeigte Koſſuthhuſaren Dragonerpatrouillen geweſen; was die Fußvolkes geweſen, weiß bis jetzt noch keine Seele. Auf dem Weg von Reteſchdorf hatte Heydte Bürgermeiſter die briefliche Mitteilung erhalten, de 9 Uhr noch kein Feind nach Schäßburg gekon demſelben die fichere Nachricht, daß auch bis nachmittag feindliche Spuren gezeigt. Auf die Mitteilung davon Bürgerwehr der natürliche Wunſch nach Umkehr aus. Teilnahme für Schäßburgs Schicksal nicht abzuſprechen, g den Gedanken ein. Nach kurzer Unterredung mit Nipp Kolonne verkehren und wieder gings der Heimat zu. Das und Körper der Bürgerwehr eine Anderung! Mit donner wurde Heydte begrüßt. Vergeſſen war aller Jammer aus jedes Angeſicht; niemand fühlte Ermüdung. Auch teilten die Gefühle der Bürger. Denn die Verlaſſung Sch auch ſie nieder und Kampf vor oder in den Mauern d auch ihnen allen lieber geweſen als die ſchmähliche Flucht. der wackeren Jägerkompagnie beſonders ſtand in geradem zu der ihres Hauptmanns. Die Soldaten blieben in Bekokten zurück; die Bürgerwehr m nach Reteſchdorf, das um 8 Uhr abends erreicht wurde. Der Marſch koſtete faſt übermenſchliche Anſtrengung gegen Wind, bis an die Knöchel im Waſſer, auf dem faſt ganz mit © überzogenen Weg, in ſtarkem Hagelgeſtöber, das in jedem A wie mit 100 Nadelſtichen Hände und Geſicht traf. Nur der Gedanke, daß es wieder der Heimat zu gehe und dringendſt not tue, hinderte die gänzliche Erſchöpfung. Mit dieſer zeugung ſchliefen die armen, ohne ihre Schuld des eigenen Beraubten unter dem fremden Strohdach, heiterer Hoffnung voll, ein; der nächſte Morgen ſollte fie traurig enttäuſchen.

3.

Es hatte Samstag den 17. Februar ſchon lange getagt und no immer tönte der erſehnte Trommelruf zum Abmarſch nicht. Befehle von Heydte ſollten erwartet werden. Der aber hatte inzwiſchen Nachricht erhalten, daß Freitag abends fünf Wilhelmhuſaren in Schäßburg geweſen und 17 Tauſende (1) für den nächſten Morgen angeſagt. Vom Marſch des Militärs nach Schäßburg könne daher keine Rede ſein. Die Bürger⸗

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wehr aber, jo lautete Heydtes Befehl, möge ſich erklären, ob fie die Waffen niederlegen und nach Hauſe gehen, oder mit den Waffen den kaiſerlichen Fahnen folgen wolle. „Den kaiſerlichen Fahnen folgen“, war einſtimmiger Beſchluß der Kompagnien.

Hätte die Streitmacht Heydtes nach gehöriger Raſt in Bekokten und Reteſchdorf mit möglichſter Eile den Weg nach Schäßburg eingeſchlagen, jo wäre fie früher als die zwei Kompagnien der Feinde von Mediaſch angekommen. Die Feinde aber hätten in der Entfernung und dem plötz— lichen Wiedererſcheinen Heydtes eine wohlberechnete Kriegsliſt geſehen (was ſie lange gefürchtet) und den Angriff auf Schäßburg nicht einmal gewagt, oder wären, falls fie es getan, mit blutigen Köpfen zurück gewieſen worden. Während Heydte flüchtig im Lande herumzog, führte Bem mit feiner Kerntruppe (unbeirrt von der Hauptmacht in Hermann⸗ ſtadt) den Schlag gegen Urban, und die Szekler, die zum Teil mit Schäßburger Gewehren und Lanzen bewaffnet erſt in Schäßburg gerade ſtehen und halblinks und halbrechts machen lernten, hätte damals Heydtes Namen allein fortgejagt. Doch es ſollte anders ſein.

Statt nach Schäßburg marſchierte die Bürgerwehr nach Agnetheln. Das war der Anfang einer Irrfahrt, deren Schilderung uns der Leſer billig erläßt, ſo viel anziehenden und lehrreichen Stoff ſie auch liefern mag. Wozu ſie noch einmal heraufbeſchwören die traurigen Gefühle, die da erwachten, wenn Männer und Frauen am Wege bei dem Anblick der Marſchierenden wehmütig ſtaunend ausriefen: „So viele und doch laufen“; wozu erneuern die Empfindungen, die herzzerreißenden, die uns mehr als einmal gepeinigt bei den Nachrichten aus Schäßburg? Und die Mühen, die namentlich für die älteren oft an eine ſitzende Lebensart gewohnten Männer faſt unerträglich waren der häufig forcierten Märſche wegen, auf denen die walachiſchen Grenzer öfters fuhren; die Beſchwerden der vielen Vorpoſtendienſte in Schnee und Regen und Kälte und oft schlechter Kleidung fie find überſtanden, wozu, ſei es auch nur in der Erzählung, fie noch einmal durchmachen? Nicht verſchweigen aber kann dieſe die herzliche Teilnahme, die wir in Freundes Haus in Fogaraſch fanden, die Bruderliebe, die ſich der Bürgerwehr in der Ein— ladung der wackeren Kronſtädter offenbarte und die wahrhaft freundliche Aufnahme und Pflege, die derſelben überall im Schenker, Leſchkircher und Medwiſcher Stuhl zuteil wurde.

Von jenen Irrfahrten ſelbſt ausführlich nur einzelnes:

Als Anknüpfungspunkt der Erinnerung für die Teilnehmer diene folgende Überſicht: Samstag, 17., von Reteſchdorf nach Schönberg und

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Agnetheln; Sonntag, 18., von Agnetheln über ſchenk; Montag, 19., von Kleinſchenk nach Fogaraſch Fogaraſch nach Mundra und Po .. .; Donnerstag, von Mundra nach Großſchenk, 2. Kompagnie von ſchenk, 1. Kompagnie nach Rukur; Sonntag, 25., das nach Maierpot; Donnerstag, 1. März, die 1. Kompag andern nach Martinsberg; Freitag, 2. März, die 1. nach Reichesdorf, die 3. und 4. nach Martinsdorf, Mardiſch; Samstag, 3. März, die ?... nach Martins die 1. nach Reichesdorf, die übrigen nach Birthälm Waldhütten; Mittwoch, 7., Bivouac bei der Halvelagener bei den Laßler Weingärten; Donnerstag, 8. nach Pold; auf die Breite; Samstag, 10., nach Schäßburg.

Nach mehrtägigem Aufenthalt im gaſtlichen Maier wir endlich den 1. März ab. Über die grünen Ko Berg hinan ging es mühſam zum Gipfel, der die freu nach Leſchkirch bot. Nach ſchwierigem Übergang über den Harbach erhielten wir im Ort den Befehl, Heydte nach kommen. Aber der kleine furchtbar fotige Ort hatte nicht 9 und jo mußte, mit Ausnahme der 1. Kompagnie, das Batail einigen walachiſchen Grenzerkompagnien über den Berg nach Man Wir erreichten das Dorf müde nach hereingebrochener Nacht. hielten mit großer Schwierigkeit Quartier, da die Grenzer ohne alle wild durcheinander liefen und ſich die beſten Häuſer heraus

Geſtärkt durch Schlaf, Speiſe und Trank rückten wir 2. März, dem Kukeltal näher. Während des Marſches donnerten demſelben die Kanonen herüber, für uns langerſehnte Töne hoff, Entſcheidung. Heydte rückte mit der Artillerie und Truppenmel nach Almen; von der Bürgerwehr ging eine Divifion nach Reichesd eine nach Mortesdorf, eine nach Muordeſch. Noch donnerten drüben die Kanonen und ſpannten unſere Erwartung, als Heydte plötzlich mit ſeinen Truppen ebenfalls in Muordeſch erſchien. Der Kanonendonner drüben hatte ihm die minder vorgeſchobene Stellung für etwaigen Rückzug annehmlicher gemacht.

Nachricht über das Treffen und weitern Befehl zu erhalten ſchickte Heydte nachts 10 Uhr den Kommandanten des an die Bürgergarde an⸗ geſchloſſenen berittenen Landſturmkorps zu Van der Null nach Arbegen oder wo er ihn treffe. Ein Zug oder ½ Eskadron Dragoner hätten uns zu dem Zwecke beſſer geſchienen. Y

es

Erwartungsvoll rückten wir Sonnabend, den 3. März, mit Tages- anbruch aus. Wir hatten gehört, das geſtrige Gefecht ſei für die Unſrigen nicht günſtig ausgefallen und hofften, man werde uns durch das Meſchner Tal oder auf einem andern Weg zum Kampfplatz führen, damit bei abermaligem Verſuche, der nicht lang ausbleiben könne, wir mithülfen. Des Führers Name, unter dem wir ſtanden, ſeine bedeutende Truppen— zahl, die Nähe des Schlachtfeldes, ſo meinten wir, berechtige zu ſolcher Anſicht.

Mit dieſen Gedanken und Wünſchen marſchierten wir in herr— lichem Frühlingswetter in dem freundlichen Tal Almen zu. Da wurde plötzlich Halt gemacht. Der Vortrab der walachiſchen Grenzer hatte Feinde geſehen. Sofort ſtellte ſich die Truppe in Schlachtordnung. Mit kundigem Blick hatte Heydte jenſeits des Baches am Bergabhang rechts eine treffliche Stellung gefunden, die das Tal beherrſchte. Mühſam wurden die zum Teil mit Ochſen beſpannten Kanonen hingebracht, während eine Diviſion Bürgerwehr und eine Abteilung Dragoner weiter zurück am Waldrand neben dem Meſchner Seitental Stellung nahmen.

Doch der Feind kam lange nicht. So griffen wir denn, den drän— genden Magen zu beſchwichtigen, zu Speck und Brot und harrten in freudig geſpannter Stimmung der Dinge, die da kommen ſollten. In— zwiſchen rückte auch die Diviſion von Reichesdorf heran und umfing manchen, da die Geſchichte ſo gar lang nicht zum Ausbruch kam, nach dem trefflichen Frühſtück wohltuender Schlaf, wobei Trommel oder Baumwurzel zu nicht hartem Polſter dienten. Während der Zeit wechjelten vorn die Plänkler einige Kugeln; die anderthalb Kompagnien Honved, die da waren, liefen ſchnell davon und wir rückten endlich vor. Da kam vor Almen der Befehl umzukehren und nach Martinsdorf zu gehen. Dasſelbe taten die Übrigen. So machten etwa 2000 Mann rechtsum und zogen wir mißmutig nach Martinsdorf.

Es war gerade Mittag, als wir dort ankamen. Wir hatten uns kaum mit unſerem wackeren früheren Wirten, J. Müller, dem vor kurzem unter den ſächſiſchen Jägern ein Sohn bei Piski gefallen, wieder begrüßt, da begannen drüben bei Mediaſch die Kanonen wieder zu donnern. Der Donner dauerte mit ſtets wachſender Heftigkeit fort bis an den Abend. Wir, wenige Stunden von dem Kampfplatz, dem wir vor kurzem jo viel näher geweſen, ſaßen „wie auf Kohlen“ und meinten jeden Augenblick die Trommel zu hören, die uns hinüberrufe auf das Feld der Ent⸗ scheidung. Doch fie wurde nicht geſchlagen; wir blieben den langen Nach⸗ mittag in Martinsdorf und nahmen an dem Kampfe, in dem man jo

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= A

ſehr auf Heydte gerechnet hatte, nicht teil. Wäre er r linken Flanke des Feindes erſchienen, ſo wäre deſſen ſtändig geweſen und Bem hätte den Rückzug nicht nehmen können, was daran Schreckliches ſich knüpft, u Heydte aber erhielt den Befehl dazu durch den abg kommandanten erſt abends; einfacher Laienſinn meinte, auch ohne Befehl von ſelbſt verſtanden.

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Ungewiß über den Ausgang der jenſeits der Berge Schlacht, aber nach dem Gang des Kanonendonners ſchliefen wir ein. Bald nach Mitternacht weckte uns die marſchierten in tiefſter Dunkelheit ab. Am Rockſchoß mußt mann ergreifen, wer ihn nicht verlieren wollte. Der Weg über nach Almen, namentlich durch den Wald im Kote bis über gehört zu den beſchwerlichſten Strecken unſerer Irrfahrt. Die machten ſichs leichter; ſie brachen erſt beim Morgengrauen

In Almen trafen wir mit Heydte zuſammen. Während 3 Raſt, die zu ſtärkendem Frühſtück benützt wurde, kam die zuſammen; die Kunde des geſtern erfochtenen großen Sieges alle neu. Sollte es doch endlich ernſtlich vorwärts gehen!

Auf der Höhe des Reichesdorfer Hohlweges wurde Halt Die Kavallerie war etwa 2000 Schritte hinter uns. Heydte vor und ließ eine Abteilung der Bürgergarde nach Reichesdorf rücken, um zu ſehen, ob der Ort von Feinden frei ſei. Dann auch wir, die Kavallerie hinter uns, ein. Zwei Stunden früher, w wir in Almen ſaßen, waren etwa 200 verſprengte Wilhelmhuſaren 2 Kanonen hier durch; einer nur etwas lebhaften Verfolgung ſie ſchwerlich entgangen ſein.

Nach abermaliger Raſt brachte uns der ſchöne Sonntag nach⸗ mittag nach Birthälm. Der Aufenthalt daſelbſt bis Dienstag Iden 7. März, Mittag) war für Körper und Geiſt vielfach labend. Hier erhielten wir die Gewißheit, daß Bem ſich nach Schäßburg gezogen.

Dahin endlich, meinten wir, gehe nun geradeswegs der Zug, als wir Dienstag abmarſchierten. Die Sache, hätte man denken ſollen, müſſe gut ausfallen, da man im Hauptquartier in Mediaſch am Montag drei Pläne hinter einander gemacht. Wie das nun eigentlich anzuſtellen ſei, überließen wir gern den Kunſtverſtändigen; darüber aber ſtimmten wir alle überein, daß es unbeſchadet aller Trefflichteit etwas ſchneller gehen

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könne. Denn auch in Waldhütten, wohin wir von Birthälm aus gingen, brachen wir Mittwoch, den 7. wieder erſt mittags auf. Vielfache Kunde von zerſtörten Brücken und namentlich ſtarken Verſchanzungen des Feindes unter der „Attilshill“ drang zu uns. Die letzteren ſchienen dem Militär beſonders bedenklich. Einfältiger Laienſinn meinte, die könne man mit dem Bajonett nehmen, oder rechts durch den Wald umgehen.

Eins von beiden ſchien uns werde Mittwoch nachmittag verſucht werden. Bei dem Laßler Wirtshaus nämlich bezogen wir eine Stellung; oben bei dem Bache taten es die Feinde. Auf beiden Seiten wurden Plänkler ausgeſchickt.

So ſahen wir denn nach langer Zeit die Berge der Vaterſtadt wieder. Das Herz ſchlug uns höher; die nahe Kukel ſchien Grüße zu bringen von unſern Lieben. Obwohl rings nirgends, wie wir erwartet hatten, kaiſerliche Truppen, ſahen wir doch voll freudigen Mutes dem Anfang des Treffens entgegen.

Doch er erfolgte nicht. Von unſerer Seite wurde der Angriff nicht gemacht; die Feinde griffen auch nicht an. Das Ganze geſchah, wie wir ſpäter merkten, unſererſeits nur zum Schein, um den Feind zu täuſchen und ſeine Aufmerkſamkeit ungeteilt hieher zu lenken.

Als der Abend kam, loderten luſtig die Wachfeuer auf, während gegenüber auf den heimiſchen Bergen die feindlichen brannten. Das Bivouak war heiter; ringsum Sang und Klang, an Speiſe und Trank durch der Halvelagener Gaſtlichkeit kein Mangel.

Eben hatten wir das an den Säbeln gebratene Fleiſch verzehrt und verſuchsweiſe uns zum Schlaf auf das herbeigejchaffte Stroh nieder- gelegt, als die in geringer Entfernung von uns haltenden Dragoner fortſprengten. Die Überraſchung für uns wurde noch größer, als bald auch wir in Reih und Glied traten und, nachdem wir durch friſches Holz die Wachfeuer vergrößert, abmarſchierten wieder Waldhütten zu. Wir kamen ſpät nachts in Kopiſch an, eben als die Kavallerie ab- marſchierte. Nach 4ſtündiger Ruhe brachen wir wieder auf (Donnerstag, den 8.); ein höchſt beſchwerlicher Marſch brachte uns über Jakobsdorf bis ſpät abends nach Trappold. Hier und in Henndorf wimmelte es von Truppen; auf die Frage: wer denn im Kukeltale ſtehe, konnten wir keine Auskunft erhalten.

Doch brachen wir Freitag, den 9. März, wieder nur mittags auf. Drüben in Henndorf hatten ſie den Plan zum Angriff gemacht. Die Schäßburger Bürgerwehr, mit Ausnahme der 1. Kompagnie, die bei Peſchendorf mit Heydtes Korps vereinigt war, ſollte verſtärkt durch

Georg Daniel Teutſch, 7

einige Kordoniſten über die „Breite“ vorrücken Rückzug aus feinen Verſchanzungen an der „Attil l; abſchneiden. „eee Da erfuhren wir in Schaas, der Feind habe Geſtern Abend noch ſeien die ungariſchen Vorpoſten 0 hätten in den patrouillierenden Dragonern Heydtes K die Hauptmacht von dieſer Seite anrücke, hätten fie ni und in dem (ordremäßigen) Zurückziehen jener, Ver Hohn gefunden. Was wir nur für leeres Gerücht gehalten, bewa ſtießen auf keinen Feind. Bem war nach der Niede Sonntag, den 4. März, nach Schäßburg gekommen, jeine einzelt, totmüde, ohne Munition, mutlos, in völliger Auf Augenblick hatten die Schäßburger den Angriff der Kaiſt er endliche Befreiung gehofft. Hätte man in den nächſten Tagen ſo iſt die allgemeine Überzeugung auch Sachverſtändiger in der Feind wäre ohne Widerſtand auseinander geſtäubt. Aber in dem lämtlichen ?) Bericht der Hermannſtädter Zeitung Feind wird lebhaft verfolgt, brauchte Puchner von Mediaſch burg ſechs Tage. Inzwiſchen erhielt Bem Verſtärkung von! und Schießbedarf aus dem Szeklerland, richtete den Mut auf, grub die den Kaiſerlichen ſo ſchreckhaften Verſchanzungen als Puchner noch immer nicht kam, den Entſchluß, ihn zu ſuchen. ſie mich bis Freitag nicht angreifen“, ſprach er, „jo gehe ich nach

mannſtadt.“

zogen Bems letzte Truppen aus, aber nicht eher, als fie den geſehen hatten. „Bis ſpäteſtens 13. find wir in Hermannſtadt“ n das Abſchiedswort vieler Offiziere zu ihren Wirten.

Während die Bürgerwehr im Tal vorrückte, drang Van der N über die Höhe. Nirgends ein Feind. Wenn wir doch nur wüßten, wie es in der Stadt ſtünde, hatte der Obriſt mehrmals geäußert; ein Offizier der Bürgerwehr und der Kommandant des berittenen Korps ſprengten hinein und brachten nun die ſichere Nachricht, daß der Feind abgezogen. Doch durften wir nicht einrücken. Vor der Stadt erhielten wir den Befehl, das Bivouak auf der Breite zu beziehen. Als wir die ſteile Höhe erfletterten, glänzten in ungeheuerem Halbfreije hinter uns bis

1

weit an die Polder Höhe die Wachfeuer der Kaiſerlichen indes Bem unverfolgt und ungehindert auf der Straße nach Hermannſtadt vorrückte.

In Regen und Schneegeſtöber harrten wir bis 1 Uhr nachts auf der Breite aus. Da kam der Befehl hinunterzurücken und den Feind zu verfolgen. Wir aber zogen mit ſpäterer voller Billigung der Höhern in die Stadt. Nachts zogen wir ein, wie wir nachts ausgezogen. „Was für große Freud' allda geſchehen, laß ich Einem über zu beherzigen.“

Puchner hielt Samstag, den 10., mit ſeinen Truppen in der Stadt und der nächſten Umgebung Raſttag. Die kaiſerlichen Offiziere lachten, wenn ſie hörten, Bem ſei nach Hermannſtadt; „ſie könnten ihn nicht für ſo dumm halten“ war ihre Antwort. Sonntag brach das Heer auf; es ſchlug den Weg über Birthälm ein, wo Van der Null zu Mittag ſpeiſte. Viele Stunden lang brauchte die Artillerie, bis ſie nur über den Kopiſcher Hohlweg kam. Puchner zog abends von Reichesdorf fort, während die Schlacht bei Hermannſtadt tobte und die geängſteten Her— mannſtädter auf ihn, wie auf ihren Schutzengel warteten; er mag in Eibesdorf geweſen ſein, als Bem in Hermannſtadt einzog, nachdem dort die kaiſerlichen Generale zuerſt den Platz geräumt.

Mit Hermannſtadt war Schäßburg zum zweitenmal gefallen. Und wer war Schuld, daß Hermannſtadt, das Haupt der Nation, der Mittel- punkt der Treue gegen den Kaiſer, fiel, ſie, die früher achtjährige Belagerung ausgehalten hatte?

Die Geſchichte wird richten!

Palmſonntag, 1. April 1849.

Die allgemeine Entwicklung ſtand inzwiſchen nicht ſtill. Die gegen- ſeitige Erbitterung ſtieg, Koſſuth verhehlte nicht feinen Haß gegen die Sachſen, das Land entſetzte ſich über die grauſamen Taten, die die Gerüchte noch vergrößerten. Schäßburg verſuchte mit den anderen Städten das traurige Schickſal Sächſiſch⸗Regens, das dem Erdboden gleich gemacht worden war, zu mildern. Schäßburg ſelbſt hatte ſchwer unter der Herrſchaft der Aufſtändiſchen vier Monate lang zu leiden. Teutſch fand bei ſeiner Ankunft Frau und Kind wohl; ſein Haus hatten die Szekler geplündert, alle Kleider waren weg und das wenige Silber des Hauſes war auch ver- ſchwunden. Stadt und Stuhl mußten die faſt unerſchwingliche Brand— ſchatzung von 87.233 fl. 26 kr. C-M., meiſt in Silber und Gold, zahlen. Das Gymnaſium wurde von Szeklerhaufen verwüſtet, das Fernrohr hatten fie zerſchlagen, da fie es für eine kleine Kanone hielten, die Sammlungen zerſtört, einen Teil der Bibliothek zerriſſen und verſchleppt, in der Kirche

br

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Altar und Orgel zertrümmert. Dafür hatten Schäß aus dem nahen Kreiſch die Gräfin Bethlen mit den die Stadt gebracht und dem Tode durch walachiſche &

Am 29. Juli erſt kam wieder ruſſiſches und Schäßburg unter Lüders. Am 31. Juli machte Bem Angriff auf die ruſſiſche Macht. Von Weißkirch her ſeiner erſten Kugeln traf den rekognoszierenden G als er den Ort für die Artillerie auswählte, am Bergesa linken Kokelſeite. Nach ſechsſtündigem Kampf erhielten die den Befehl zum Angriff. Der größere Teil der feindli war ſchon demontiert, von der Höhe ſtürzten die Jäger Bataillone traten den Rückzug an, da ſtürmten die Uh Windsbraut einher und die blanken Lanzen lichteten ı ; Weißkirch die Reihen des umringten feindlichen Bataillons. Höhen bei Schäßburg hörte man das Hurrah der Sieger und d geſchrei der Fallenden. Mehr als tauſend Leichen hat die folgenden Tag begraben. Bem ſelbſt war mit Mühe entkomme ſeiner Umgebung hat Petöfi dort den Tod gefunden.

In jener Zeit iſt Teutſch in Schäßburg geweſen, beſtr. der Mitbürger zu heben, voll Hoffnung mit den Volksgenoſſen, Reichsverfaſſung vom 4. März nun das verbürgen werde, was die zu vernichten gedroht hatte, das nationale Leben. Furcht hat gekannt. Als Stefan Ludwig Roth auf ſeinem Pfarrhof in am 21. April aus den Armen ſeiner fünf kleinen Kinder, denen Mutter früher ſchon geſtorben war, geriſſen wurde und auf dem nach Klauſenburg einige Tage in Schäßburg feſtgehalten wurde, da h Teutſch ihn faſt täglich beſucht und ſie haben gegenſeitig ſich zu gewußt. „Sie werden mich töten hatte Roth zu ihm geſagt ſie tun es. Es iſt ihnen daran gelegen, Schrecken zu verbreiten.“ 11. Mai erfüllte ſich die traurige Vorausſicht.

Nach der Schlacht bei Schäßburg ging der Kampf im Land ſeinem Ende entgegen. Einen Tag nach der Waffenſtreckung bei Vilagos entließ Clam⸗Gallas die Nationalgarden der Stadt Schäßburg mit folgendem Tagesbefehl: „Ihr habt Euch als Männer von Ehre bewährt. In dieſer traurigen Zeit, wo die Geſinnungen der Menſchen ſo ſehr wanken, wo Unbeſtechlichkeit und Feſtigkeit des Charakters ſo ſelten ſind, in dieſer traurigen Zeit habt Ihr ſchöne Beweiſe beharrlichen ungeheuchelten Gefühls für die Sache der Ordnung, der Geſetzlichkeit gegeben. In Tagen des Unglücks habt Ihr Euere Heimat, Euere Familie verlaſſen, um mit

Be

uns die Drangſale, Beſchwerden und Entbehrungen des Krieges zu teilen, ohne daß Euere Treue erſchüttert wurde. Ihr ſeid dann wieder unſeren fiegreichen Fahnen gefolgt und kehrtet nun unter Euer väterliches Obdach zurück mit dem ſüßen Troſt im Herzen, daß Ihr Euere Pflicht getan und daß Ihr zur Rettung des Vaterlandes nach Möglichkeit beigetragen habt. Schäßburger Nationalgarden! Im Namen unſeres geliebten Kaiſers danke ich Euch für Eure männlichen Geſinnungen!“ Dem Bürgerwehrhaupt⸗ mann Teutſch aber ſtellte Heydte das Zeugnis aus, daß er ſich ſtets als warmen Patrioten und ſo eifrigen Förderer der guten Sache Oſterreichs bewies, daß er auf den Geiſt ſeiner Truppe den vorzüglichſten Einfluß nahm, bei jeder Gelegenheit Takt, Ausdauer und vor dem Feind auch die vollſte Entſchiedenheit an den Tag legte.“

Schon im Sommer 1849 war Teutſch wieder mit wiſſenſchaftlichen Studien beſchäftigt. Freund Binder, der inzwiſchen auf die Pfarre nach Wolkendorf überfiedelt war, drängte, fie ſollten Wärme-, Wetter⸗ und Windbeobachtungen machen, in etlichen nicht gerade ſeichten Brunnen die Wärme des friſchgeſchöpften Waſſers recht genau ermitteln und früh um 7 oder 8 Uhr die Wärme der Kokel meſſen. Teutſchs Sinn ſtand mehr nach Dahlmanns Politik, die er im Mai 1848 bei Konrad Schmidt in Klauſenburg geſehen hatte und deren er nur nach langem Suchen habhaft wurde. Die beſten Gedanken des bedeutſamen Buches ſchrieb er ſich heraus, was er auch mit anderen Büchern lange Jahre hindurch getan; es gab gerade dieſes Buch ſoviele Beziehungen zu Erfahrungen der letzten Monate. Dann las er Schmidts Allg. Zeitſchrift, Raumers England im Jahr 1835 u. a., A. v. Humboldts Kritiſche Unterſuchungen über die Hiftorifche Entwicklung der geographiſchen Kenntniſſe und ſchrieb weiter an der Sachſengeſchichte.

Zunächſt war das Reſultat auch in politiſcher Beziehung eine große Enttäuſchung, für ihn und für ſein Volk. Die Freunde der Union hatten von ihr Stärkung unſeres Volkstums erhofft; ſtatt deſſen hatten die ſchwerſten Angriffe auf den nationalen Beſtand zum Kampf gegen ſie gezwungen. Die Erfahrungen blieben für die Zukunft unvergeßlich. Im Vertrauen das Deutſchtum des ſächſiſchen Volkes zu ſichern, hatten ſie ſich auf die Seite Oſterreichs geftellt und was fie von da nun erfuhren, das ließ wieder das Schlimmſte befürchten. Eins folgte aus allem: daß dieſes kleine Volk nur auf ſich ſelbſt angewieſen ſei, nur ſich vertrauen dürfe.

Aber abgeſehen von den inneren Erfahrungen, die den Mann reifer machten, hatten die Jahre, als Erſatz für den Schaden, den ſein Haus an äußerem Beſitz erlitten, einen Gewinn für das Leben gebracht, die

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Freundſchaft dreier Männer, die ſeither in guten zuſammen geſtanden find, mit Joſef Gull, Friedrich Haltrich. Gull um weniges jünger, durch die Politik z zuſammengeführt, war damals ein junger Landesadv ragender Juriſt, ein Mann der keine Furcht kannte, und Vaterland fühlte und mit weitem Blick Verſtändnis gemeinen Verhältniſſe hatte, eine biedere Natur voll tiefen einer Bonhomie ausgeſtattet, die am Leben und feiner am wenigſten den Frauen, fich gern mit anderen freute eine Eiche, treu und zuverläffig, wußte er die Dinge und M zu erkennen. Um faſt elf Jahre jünger als Teutſch war F auch ein Schäßburger Kind, am Gymnaſium ein Schüler 20 Jahren an der Schule der Vaterſtadt angeſtellt, ein bleicher der ſchwächlicher ausſah als er war, ergriff er ſofort, da er in zurückgekehrt war, die Waffen mit den Beſten feines Volkes zu d ein Mann von ungewöhnlich ſcharfer Dialektik, immer bereit dieſe des Denkens auch bei andern vorauszuſetzen, bei allem Ernſt voll ff Laune und heitern Scherzes, mit reichen Studien auf dem Geſchichte und Philologie. Er ſchloß ſich an Teutſch an, der nachſtrebend dem Altern, und gehoben durch fein Wiſſen und 2 einer gemeinſamen Lebensarbeit geführt, die dem Volk zugute foı ſollte. Joſef Haltrich war ein Reener Kind, nur fünf Jahre als Teutſch, ihm gleichfalls als Schüler bekannt. Ein Mann, der ſein Leb g lang ſich ein kindliches Gemüt bewahrte, rein im Herzen, allem Böſen ſo völlig fremd, daß er niemals Lüge und Bosheit, auch wo ſie ihn ſelber traf, begreifen konnte. In feiner Kindheit hatte er ſich an den Märchen erhoben, die ſie dem aufhorchenden Knaben erzählten, auf der Univerſität hatte er ſich mit Schuſter und Müller das Wort gegeben, er jolle die Märchen, Schuſter die Lieder, Müller die Sagen des Volkes in der fernen Heimat ſammeln, ein Hauch des Märchens ift feinem Weſen immer eigen geblieben. Die Arbeit Beider wurde durch Teutſch in den Dienſt des Gedankens geſtellt, daß ſie mitzuhelfen habe, die erſchütterten Grundlagen des Volkslebens neu zu befeſtigen.

Ihre nächſte Arbeit galt der Schule. Teutſch ſchrieb hoffnungs⸗ ſtark aus Raumer, im Hinblick auf das eigene Volk, ſich die Stelle ab: „Ich leugne die Notwendigkeit, daß ein Volk ſterbe. Der Glaube an ein ewiges Daſein, die Pflicht dieſes Daſein zu erhalten, iſt für ein Volk der erſte Artikel feiner Glaubens— und Rechtslehre.“ Nil desperandum!

Der Schäßburger Rektor.

1850-1865.

5. Die Schule.

Je unerquicklicher die öffentlichen Verhältniſſe ſich nach der Re— volution geſtalteten, um ſo notwendiger erſchien es, die Arbeit auf die geiſtig-ſittlichen Güter zu lenken, die zuletzt doch allein dem Volksleben Halt und Dauer geben konnten. Für Teutſch war die Arbeit an der Schule und für ſie von ſelbſt gegeben.

Das neu erſtehende Öfterreich nahm die Thereſianiſchen Gedanken über die Schule wieder auf, wornach die Schule „ein politicum“ ſei. Nachdem ſich der Staat ein halbes Jahrhundert lang wenig um die Schulen bekümmert hatte, erinnerte er ſich wieder ihrer. Das geſamte Schulweſen ſollte der Oberaufſicht des Staates unterworfen und die Organiſation nach einheitlichen größeren Geſichtspunkten vorgenommen werden. Unter der hervorragenden Mitwirkung von Bonitz und Exner war der „Entwurf einer Organiſation der Gymnaſien und Realſchulen in Öfterreich“ entſtanden, deſſen Grundſätze eine neue Entwicklung des Gymnaſialweſens in Oſterreich bedeuteten. Sofort nach deſſen Erſcheinen (1849) veranlaßte Teutſch die Schäßburger Konferenz, ſich an den Nations— grafen Franz v. Salmen zu wenden, mit der Bitte, der Konferenz ein Exemplar zu verſchaffen. Als das geſchehen, erörterte das Lehrer— kollegium und ſpäter das Domeſtikalkonſiſtorium den Entwurf nach allen Seiten und die Reſultate der Konferenzbeſprechungen konnten ſchon Februar 1850 dem Miniſterium unterbreitet werden. Sie begrüßten den Organiſationsentwurf als einen großen Fortſchritt und erkannten ſofort die große Bedeutung desſelben. Nach dem Organiſationsentwurf ſollte für das Gymnaſium die wechſelſeitige Beziehung aller Unterrichtsgegen⸗ ſtände auf einander maßgebend ſein, der mathematiſch-naturwiſſen⸗ schaftliche Unterricht neben den philologiſch-hiſtoriſchen treten, an Stelle des zweckloſen Lateinredens ſollte ausgedehnte Lektüre klaſſiſcher Schrift- ſteller kommen, das Griechiſche intenſiver getrieben, die Geographie mit der Geſchichte vereinigt werden, Metaphyſik und Moralphiloſophie fielen weg, Unter- und Obergymnaſium bildeten einander ergänzende Kurſe,

die Maturitätsprüfung ſollte den Abſchluß des bilden; die Aufgabe des Gymnaſiums wurde darin g richt zu erziehen.

Manches was der Organiſationsentwurf verlanı ſächſiſchen Gymnaſien ſchon vorhanden, ſpeziell auch in daß der Übergang nicht ſchwer erſchien. Immerhin war eine bedeutende. In Schäßburg war ein Teil der Klaſſen bedurfte das Gymnaſium faſt doppelt ſo vieler Lehrer und viel mehr Mittel, da die unzureichenden Gehalte nicht mehr zu Die Schäßburger Stadtgemeinde bewilligte am 29. Mai 185 mit dem Stuhl) mindeſtens 6000 fl. jährlich zur Erhalt naſiums, „das ſeit undenklichen Zeiten immer eine der anſtalten des Landes geweſen“, ſtellte aber, als die flüſſig wurde, die Unterſtützung leider ein.

Die Reorganiſation konnte übrigens in keinem Fauſt durchgeführt werden, es war eine Sache, die die ganze!

Für fie bedeutete die Annahme des Organiſations Neuaufnahme jener Arbeiten, die durch die Revolutio worden waren, allerdings mit tieferer Erkenntnis deſſen, wa:

Seit der 1823 geſchaffene Schulplan 1834 eingeführt wo war ſofort ein Doppeltes bitter empfunden worden: daß gleichförmige Einrichtung der Gymnaſien erreicht ſei, denn al ſich die Freiheit aller möglichen, mehr oder weniger begründeten weichungen, dann die Unzulänglichkeit der verfügbaren Mittel. den vierziger Jahren unter den politiſchen Kämpfen und der natio Bedrängnis jener Tage das Bedürfnis nach geiſtiger Kräftigung nationaler Einigung mehr und mehr wuchs, hatte J. Bedeus, d eine maßgebende Perſönlichkeit im Oberkonſiſtorium, 1844 den An geftellt, die ſächſiſchen Gymnaſien ſollten gleichförmig eingerichtet n und Hermannſtadt und Schäßburg ausgiebiger aus Mitteln der ſächſt Nation unterſtützt werden, damit für die Hauptfächer ſtabile Fach angeftellt werden könnten. Es ift verſtändlich, wenn der Gedanke une durchführbar war; warum hätten die übrigen ſächſiſchen Gymnaſien auf eine ähnliche Unterſtützung, die ſie auch brauchten, verzichten ſollen? Die gleichförmige Einrichtung aber war ohne neue Mittel nicht durchführbar. Der Organiſationsentwurf bot zunächſt die Grundlage für die gleich⸗ förmige Einrichtung. Das Oberkonſiſtorium war wohl geneigt, ihn an⸗ zunehmen, aber zugleich bereit, die ſächſiſchen Gymnaſien bis auf eine oder zwei Anſtalten aufzulaſſen, weil die Mittel zu ihrer Erhaltung

nicht vorhanden ſeien. Der Mangel an großen Gedanken, den die Körperſchaft unvorteilhaft auszeichnete, zeigte ſich auch bei dieſer Ge- legenheit. Daß die Anſtalten nicht verſtaatlicht werden dürften, daß ſie deutſch und evangeliſch bleiben müßten, davon war auch das Ober— konſiſtorium überzeugt.

Zur Ordnung der Angelegenheiten ſandte das Miniſterium im Jahr 1850 den Miniſterialſetretär L. v. Heufler nach Siebenbürgen. Er beſuchte auch die einzelnen Gymnaſien. Bei Teutſch in Schäßburg hörte er eine Geſchichtsſtunde an, in der Teutſch Friedrich II. und Maria Thereſia behandelte. Dann gingen fie zuſammen in die Turn— ſtunde, wo Heufler im Geſpräch über mancherlei zwei Stunden weilte. „Ich beneide Sie um dieſes ſchöne Leben“, ſprach er, als die Turn- übungen wie gewöhnlich mit Geſang geſchloſſen wurden. Seine An— weſenheit fiel in die Tage des Skopationsfeſtes. Heufler ging mit hinauf „auf die Breite“, in den alten ſchönen Eichenwald, hatte Freude am bunten Treiben im prächtigen Schatten, unterhielt ſich in der Laube der Lehrer voll Gemüt und Teilnahme und verſchmähte es nicht, auf dem Tanzplatz der Chlamydaten ſich in den Reigen zu miſchen.

Als die Aufgabe ſeiner Sendung bezeichnete er, das hieſige Unterrichts- weſen jenem des öſterreichiſchen Geſamtſtaates anzupaſſen und konnte dabei wahrheitsgemäß anerkennen, daß es dem Konſiſtorium gelungen ſei, auf dem Gebiet der Schule mit kleinen Mitteln Großes zu leiſten, und hier deutſche Ziviliſation und Wiſſenſchaft nahezu auf gleicher Stufe mit dem Mutterlande zu erhalten. Für die Volksſchule wünſchte der Kommiſſär Anſtellung der Lehrer auf Lebenszeit, nicht wie bis dahin auf vier Jahre und Trennung der Seminarien von den Gymnaſien, Wünſche, die leicht erfüllt werden konnten.

In bezug auf die Gymnaſien ging ſeine Anſchauung dahin: eine Verminderung der Anſtalten werde notwendig ſich ergeben und er wünſchte Antwort auf die Fragen: welche Gymnaſien öffentliche bleiben ſollten, welches paritätiſch einzurichten ſei und welches vom Staat übernommen werden ſolle? Er hielt die Aufnahme aller drei Landesſprachen (deutich, magyariſch, rumäniſch) unter die Unterrichtsgegenſtände für notwendig, zur Bewältigung dieſer Aufgabe wollte er Verlängerung des Gymnaſial⸗ kurſes um 1 Jahr (9 Jahre) und Einſchränkung des griechiſchen Unter⸗ richtes. Die juridiſche Fakultät in Hermannſtadt jollte nach ſeiner An⸗ ſchauung erweitert werden.

Bevor das Konſiſtorium Antwort auf all dieſe Fragen gab, rief es eine Kommiſſion zuſammen, beſtehend aus dem Schäßburger Stadt⸗

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pfarrer M. Schuller, den Lehrern J. G. Gieſel aus Krı

aus Hermannſtadt, C. Brandſch aus Mediaſch, Ko 0 Schäßburg und Rektor Gräſer aus Mediaſch, fie ſolle il

über die Organiſationsfrage abgeben. Man kann politik des nächſten Menſchenalters iſt in jener das ſächſiſche Volk zum Ausdruck gekommen und iſt Teutſch geweſen, dem das Referat über die Er ging von der Überzeugung aus, daß nach Annal verfaſſung vom 4. März auch deren Grundſatz in Kauf gen. müſſe, daß der Staat die Aufſicht über das Unterrichten in dieſes hineinrede. Die ſo häufig gerühmte Autonomie in ſei vielfach eine Selbſttäuſchung geweſen, und bei dem früher ſei im Grunde der Willkür Tor und Tür geöffnet geweſen. ausgeſprochen, das höhere Unterrichtsweſen ſei Staatsſache, wüßten wir, wo wir dran ſeien und ſeien der Einwirkung auf wegen entrückt. Im übrigen ſei eben die Verfaſſung eine Garı für uns und unſere Schulen. Er fürchtete, wir ſeien nicht alle fünf Gymnaſien aus eigenen Mitteln zu erhalten vier aber für unbedingt notwendig man werde alſo wohl © annehmen müſſen, ja ſei verpflichtet ſie anzuſprechen, „werden unſeren Steuern mit katholiſche Anſtalten erhalten“. Könnten unſere Anſtalten aus eigenen Mitteln erhalten, ſo wären ſie doch der Verfaſſung und dem Organiſationsentwurf unter der Aufſicht Einwirkung des Staates. Darum müſſe die Hauptſorge ſein, daß der Staat wahrhaft konſtitutionell ſei, dann ſchwände jede Gefahr. wir vier Gymnaſien der Grundſatz der Konfeſſionalität iſt mit Stütze unſeres Volkstums dann fort mit allen Untergymnaſien, ſie das Oberkonſiſtorium in Reps uff. will. Tüchtige Realſchulen!

narien müſſen den Gymnaſien verbunden bleiben, ſo daß ſie nicht ſelben Vorleſungen beſuchen, ſondern als eigene Studienkörper u eigener Leitung in denſelben Orten beſtehen wie die Gymnaſien, ihre Vorleſungen in demſelben Gebäude haben, mit dem Gymnaſium zur ſammen turnen, wodurch große Vorteile erreicht werden, daß unſer Volk nicht beſondere Lokalitäten bauen darf, daß Lehrer und Schüler des Seminars in geiſtiger Atmoſphäre ſind, die Sammlungen des Gym⸗ naſiums benützen und an beiden Anſtalten ein um ſo regerer Sachſengeiſt ſich bilden kann.“ Die Frage ſchien ihm nicht die zu ſein: ſollen wir dem Staat Einfluß auf unſere Schulen geſtatten oder nicht, denn die war durch die Reichsverfaſſung entſchieden, ſondern: was haben wir

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bei der gegebenen Sachlage zu tun, daß unſere heiligſten Güter nicht Schaden leiden?

Es iſt die Grundfrage ſeines Lebens geworden.

Er kämpfte dabei in ſeiner Bruſt den großen Kampf durch, den im Grund ſein Völkchen ſeit 1848 kämpft, „in der vormärzlichen Bucht autonomer (21) Abgeſondertheit und unabhängiger (21) Selbſtregierung (?!) können wir nicht bleiben; der Sturm der Revolution hat die Anker gekappt; alſo was iſt zu tun, daß wir auf der hohen See des Staats- lebens unſer Schiff vorwärts bringen und unſerer Flagge Ehre machen?“

Die dargelegten Anſchauungen erfuhren nach zwei Richtungen eine Anderung: durch die Ausficht auf die Nationaldotation entfiel die Not- wendigkeit der Staatshülfe für unſere Gymnaſien und es entſtand die Möglichkeit, alle fünf Gymnaſien zu erhalten.

So trat er denn in die Kommiſſion ein mit der Überzeugung, daß wenn die ſächſiſchen Gymnaſien bisher ſchon für die Nation, das Land, den Staat, wichtige Anſtalten geweſen ſeien, ſie es für die Zukunft nur noch mehr ſein würden. Alle fünf Gymnaſien ſeien not⸗ wendig für den Beſtand des Volkes, eines ſeiner Gymnaſien weniger heiße eine der Hauptwurzeln weniger, aus welchen das Volkstum ſeine Nahrung gezogen. Zugleich ſollten alle fünf Gymnaſien Anftalten der Kirche bleiben, d. h. von ihr erhalten werden, ſie ſolle die Lehrer anſtellen, Ordnung, Plan innerhalb der allgemeinen Normen feſtſtellen, feines dem Staat übergeben werden. Das Griechiſche dürfe nicht dem magyariſchen und rumäniſchen geopfert werden, die bloß als fakultative Gegenſtände zu behandeln ſeien. Geſang, Zeichnen, Turnen, ſieben— bürgiſche Geſchichte ſollte dafür obligat ſein. Das Oberkonſiſtorium hat die hier ausgeſprochenen, von der Kommiſſion angenommenen An⸗ ſchauungen gebilligt und die Antwort an Heufler in dieſem Sinne erteilt. Die Gedanken ſind ſofort allgemein angenommen worden und die Entwicklung der ſächſiſchen Gymnaſien ſtand bis 1883 völlig unter ihrem Einfluß. Einer war beſonders dem Volk in Fleiſch und Blut übergegangen, daß die Gymnaſien als Pflege- und Schirmſtätten deutſchen Geiſtes und feiner reichen Schätze von Gefittung und Geſinnung unſer Volkstum in erſter Reihe erhalten hätten und daß dieſe Aufgabe ihnen auch für die Zukunft zufalle.

Die Neuorganiſation der Gymnaſien und des geſamten Schul— weſens aber war unmöglich ohne ausgiebige neue Mittel. Es iſt eine der ſchwerſten Unterlaſſungen der Generation aus den Jahren 1820 bis 1348 geweſen, daß fie bei der Möglichkeit, für Kirche und Schule in

den ſächſiſchen Orten zu forgen, nahezu nichts dafür die Lehrergehalte völlig ungenügend waren. Die für die Neuorganiſation ſollte die ſächſiſche N für welche die Zeit auch veränderte Verhältni berufen, bei dem Aufenthalt in Hermannſtadt ai zugreifen. A

Die ſächſiſche Nationsuniverſität d. i. die ob Sachſenlandes in Siebenbürgen verfügte über ein Vermögen, das aus Schenkungen alter ungariſcher K werbungen, aus ſparſamem Haushalt allmählich z 1850 dazu gedient hatte, die Verwaltungskoſten in den und Diftriften zu decken. Als nun der Staat dieſe übernahm, wurde das Nationalvermögen frei. Und da Zimmermann, der ältere Freund Teutſchs, der vora geweſen, der den Gedanken anregte und nach ſeiner At hervorzutreten, zuletzt verwirklichte: aus dem National Stiftung zu ev. Schulzwecken, das bedeutete zugleich zur deutſchen Schulweſens in Siebenbürgen zu ſchaffen.

Der Gedanke iſt in dieſer weitausgreifenden Geſta geweſen. Anknüpfungspunkte fand er in der Vergangendei 16. Jahrhundert hatte die Univerſität auf ihre Koſten Lehrer land nach Hermannſtadt gerufen, im 17. Jahrhundert darü wie man die Schulen wieder mit gemeinſamer Kraft hebe. Im hundert hatte die Univerſität dem Hermannſtädter und Gymnaſium kleinere Beihülfen gewährt, 1844 hatte Bedeus giebige Unterſtützung aus derſelben Quelle beantragt. Neu war, geſamte Vermögen zu dieſem Zweck zu verwenden ſei und daß allen Gymnaſien auch die Seminarien Lehrerbildungsanſtalten Hauptvolksſchulen unterftügt werden ſollten. Das Oberkonſiſtorium nicht ſchwer für die Idee zu gewinnen. Teutſch war zu den Si gleichfalls zugezogen worden und aus feiner Feder ſtammt die 12. Juli beſchloſſene Bitte an die Univerſität, eine Dotation 500.000 fl. C.-M. zur Unterſtützung des höheren ſächſiſchen Schu und namentlich der Gymnaſien zu begründen, die aufrecht zu ebenſo ſehr zum Schutz unſeres gefährdeten Volkstums wie im Intere des Staates notwendig ſei. „Die Bedeutung von jeher in all ihr Wichtigkeit erkannt und daher das höhere ſächſiſche Schulweſen ſt eifrig gefördert zu haben, gehört ſeit Jahrhunderten zu den ſchön dem deutſchen Charakter eigentümlichen Zierden der Väter unſeres Volke

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Jetzt wo die Not am dringendften, werden fie die unterftügende Hand nicht abziehen von den Anſtalten, auf welchen unſere und mit des Staates Zukunft beruht. Kann doch das nationale Vermögen eine beſſere Ver— wendung nicht finden, eine Verwendung, die wie der letzte Strahl der Abendſonne das Hochgebirge mit den ſchönſten Farben ſchmückt, jo der in der alten Weiſe wohl zum letztenmal verſammelten Univerſität ein der Väter würdiges Denkmal ſetzen würde, daß ſie wie deutſche Männer die Bildung geachtet, ſo viel an ihnen gelegen, für ſie und die höchſten Intereſſen des Volkes und des Staates für alle Zukunft geſorgt. Die Fortdauer unſerer höheren Bildungsanſtalten liegt in den Händen Einer löblichen Nationsuniverſität; entſcheiden Sie als Väter, als Vertreter eines Volkes, deſſen Beſtand und Blüte von jeher auf ſeiner Bildung beruhte.“

Bis die Univerſität zu dieſer Entſcheidung kam, war allerdings noch manches Hindernis zu überwinden; der Klugheit und raſtloſen Arbeit Zimmermanns iſt es gelungen. Und Teutſch iſt ihm wacker zur Seite geſtanden. Er war anfang Auguſt wieder nach Hermannſtadt gerufen worden, um dort den Beratungen über die Errichtung des Unterrichts— weſens beizuwohnen. In jenen Tagen galt es auch der Nationaldotation den Weg zu bahnen. Den letzten Ausſchlag gab ein Memorandum, das Teutſch am 18. Auguſt auf Zimmermanns Anregung und mit ſeinen Gedanken an den Vorſitzer der Univerſität, Komes Salmen, richtete, in dem die Dotation, wie ſie in Zimmermanns Geiſt fertig war, ſelbſt mit den einzelnen Ziffern, eingehend erörtert und dem Mann ans Herz gelegt wurde, der an der Spitze ſtand. Dadurch iſt Salmen endgültig gewonnen worden und am 22. Auguſt beſchloß die Univerſität einſtimmig, das geſamte Erträgnis des Nationalvermögens, jährlich 50.000 fl. C-M. evang.⸗deutſchen Schulzwecken zu widmen, und zwar für jedes Gymnaſium 5000 fl., für Gymnaſialſtipendien 4950 fl., für die Seminarien 7000 fl., für ſechs Hauptvolksſchulen 8000 fl. für Seminarſtipendien 2000 fl., zur Unterſtützung armer Volksſchulen 3050 fl. Die Widmung wurde am 16. Auguſt 1851 vom Kaiſer beſtätigt, indem Se. Majeftüt die Stiftung mit Wohlgefallen zur Kenntnis nahm, „die ein ehrendes Zeugnis von dem hohen Wert gibt, den eine Nation der Bildung und Geſittung beizulegen gewohnt ſein muß, deren Vertreter das Nationalvermögen nicht zweckmäßiger und fruchtbringender verwenden zu können erklären, als wie ſie es den Schulanſtalten widmen“. Noch heute fühlen wir die Freude nach, die das Geſchlecht darüber empfand, daß für eine längere Zeit deren Dauer man freilich überſchätzte das evangeliſche Schulweſen in ſeinem Beſtande geſichert jei.

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Einen großen Teil des Auguſt hielt die Heufler zuſammengerufen war, Teutſch in Herman dings eine ſeltſame Kommiſſion: von Seite der aus Hermannſtadt, Lehrer am Waiſenhaus, von Profeſſor Salamon aus Enyed, die Evangeliſchen verſchieden waren nicht nur die Bedürfniſſe der ein verſchieden Bildungsgang und Lebensanſchauungen il gangsbeſtimmungen für die Einführung des Organifi Errichtung einer Univerſität in Siebenbürgen u. ä. iſt bi die erſteren tatſächlich von Bedeutung. Heufler fand gro Teutſch, war voll Aufmerkſamkeiten gegen ihn und ließ wolle ihn zum Schulrat vorſchlagen. Durch den Beſuch der geſtalteten ſich die Tage beſonders freundlich, das zu Ehren des kaiſ. Geburtstags beim Kommandierenden f Ball mit und genoß die Freundlichkeit der Freunde mit i Herzen, aber die Tage ſtellten Teutſch zugleich vor e Dilemma. Die evangeliſche Kirche, beſſer die evangeliſche hatte eine Deputation nach Wien geſendet, um dort bejonders | frage, deren glückliche Löſung für die Kirche eine Lebensfragen. betreiben. Biſchof Binder, der Führer der Deputation, 24. Juli Teutſch auf, als Aktuar der Deputation nach Wien zu Alles lockte, den Antrag anzunehmen: die Ausſicht, unter Biſch zu arbeiten, die archivaliſchen Schätze und die hiſtoriſchen Freunde, die ihn dort erwarteten und die hier zur Annahme Heufler ſelbſt rief, da er davon erfuhr: Sie werden mich doch n Stiche laſſen. So hielt er ſich gebunden, den früher ang Antrag nicht von ſich zu weiſen und blieb mit dem Gefühl, ein zu bringen, in Hermannſtadt. Ein wenig verletzt antwortete Biſchof Binder auf dieſe Entſcheidung, nicht ohne Hinweis darauf, daß die Schul⸗ kommiſſion der Autonomie der Kirche ſchaden könne. Das war wohl nicht der Fall, aber Teutſch machte hier bald die Erfahrung, wie | und raſch das freundliche Wohlwollen hochſtehender Herrn in Gleich⸗ gültigkeit und Herablaſſung ſich verwandeln könne. Heufler begann, unter dem Einfluß der nichtdeutſchen Mitglieder der Kommiſſion die deutſche Geſinnung des evangeliſchen Sachſen läſtig zu empfinden und machte kein Hehl daraus; Teutſch erwiderte ihm, daß die nationale Geſinnung ebenſo auf der anderen Seite zu weit gehen könne, aber das alte Ein- vernehmen war geſtört und Teutſchs Teilnahme an der Kommiſſions⸗ arbeit zu Ende, als Heufler ſeine Abberufung veranlaßte.

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Da inzwiſchen die Arbeit der geiſtlichen Deputation in Wien noch nicht beendigt war, wurde er neuerdings hinberufen und ſtellte ſich am 9. September Biſchof Binder dort vor.

Der Aufenthalt in Wien (9. September 11. November 1850) war für das Volk und die Kirche, mehr vielleicht noch für ihn ſelbſt, von Bedeutung. Die nächſte Aufgabe der Deputation war die Behnt- entſchädigung für die ev. Geiſtlichen zu erreichen. Der ſiebenbürgiſche Landtag von 1848 hatte den Zehnten aufgehoben und das k. Patent vom 7. September 1848 für die Grundlaſten eine „billige Ent- schädigung“ in Ausſicht geſtellt. Und um dieſe handelte es ſich nun auch für die evang. ſächſiſche Geiſtlichkeit. Es gab in manchen Kreiſen des Landes eine Anſchauung, wornach der Zehnte überhaupt nicht zu entſchädigen ſei und eine andere, dieſe Entſchädigung müſſe dem Sachſen⸗ land oder den evang. Gemeinden überlaſſen bleiben, die doch zur Ent- schädigung des Adelszehnten, den es im Sachſenland nie gegeben, gleichfalls beigezogen wurden. Nun war es Aufgabe der Deputation, in den maß⸗ gebenden Kreiſen in Wien die Anſchauung zu befeſtigen: der Zehnte der ev. Geiſtlichen ſei eine Reallaſt geweſen, nicht nur der ev. Beſitzer war zehntpflichtig geweſen, ſondern jeder, der auf Sachſenboden wohnte und die Entſchädigung ſei eine Landespflicht. Nach langwierigen Ver⸗ handlungen kam es am 26. Oktober endlich in der Sitzung der Ver⸗ trauensmänner, zu denen auch die in Wien befindliche Deputation gehörte, weſentlich auf Grund der Ausführungen des Grafen Kemeny, der die ſiebenbürgiſchen und ſächſiſchen Verhältniſſe wie kein Zweiter kannte, zum Beſchluß, der jenen beiden Anſchauungen Rechnung trug. Dann hat ſich die endgültige Austragung der Sache allerdings noch Jahre lang hinausgezogen, aber die Sache ſelbſt war doch gewonnen.

Es war übrigens natürlich, daß die Arbeiten der Männer, die das Vertrauen der Kirche und des Volkes beſaßen, ſich auch auf andere Gebiete erſtreckten. Die brennendſten Fragen waren die der Landesorganiſation, dabei vor allem das Schickſal und die Geſtaltung des Sachſenlandes, die Entwicklung des Schulweſens, der wiſſenſchaftlichen Arbeiten. Durch J. C. Schuller knüpfte Teutſch Verbindungen mit den leitenden Perſonen der Akademie der Wiſſenſchaften an. Der Vermittlung Schullers war die Aufnahme der Arbeit: Beiträge zur Geſchichte Siebenbürgens unter K. Ludwig I. in die Schriften der Akademie zu verdanken. Vom Kultusminiſter Thun gelang es, für das Schäßburger Gymnaſium eine Entſchädigung von 2000 fl. zu erwirken für die Verluſte durch die Plünderung der Szekler, wofür Teutſch ſofort in Wien neue phyſikaliſche Apparate kaufte.

Georg Daniel Teutſch. 6

Teutſch perſönlich verdankte dem Wiener 2 ſeines Geſichtskreiſes, vermehrte perſönliche Erhebung und Erfriſchung. Wie mutete ihn £ die er ſeit 1839 nicht mehr gejehen. Er verſtand es was er ſah zu ſeiner eigenen Fortbildung zu theater und der Geſang des Wiener Männergeſangv trachtung der Bauwerke und Gartenanlagen, Ausflüge und der Umgang mit Freunden, das alles immer und andauernder Arbeit, konnte er genießen und ſich! größte eigene Förderung fand er in den Studien und de die er kennen lernte. Das geheime Haus-, Hof⸗ aus dem Joh. C. Schuller jo manches ſchon veröffentli ihm ſeine Geheimniſſe, die k. Hofbibliothek ihre reid waren es die ſächſiſchen Verhältniſſe, die ſiebenbürgiſchen die ihn am meiſten anzogen und die hiſtoriſchen Art beſten Gewinn davon. 8

Er wohnte in Wien bei Rannicher. Dieſer hatte getragen, daß Binder Teutſch nach Wien gerufen hatte Kultus- und Unterrichtsminifterium angeſtellt, galt er | bedeutende Perſönlichkeit. Nicht mit Unrecht. Er war ein einheitlichen Reichsgedankens, der Schaffung eines öſt ſamtſtaates auf deutſcher Grundlage, ein Mann von glücklicher Al von eiſernem Fleiß, von umfaſſenden Kenntniſſen, die er vermehrte, konnte ſcharf und klar ſeine Gedanken entwickeln, schreiben und ſprechen, fein Ziel rückſichtslos verfolgen und feine Empfindung für die politiſche Witterung, die Vielen ab war für die Entwicklung der kirchlichen Verhältniſſe ſpäter \ ſonderer Bedeutung, daß dieje beiden Männer miteinander bekannt Freunde waren. Den Biſchof Binder aber hat damals Teutſch näher kennen gelernt, dem es unvergeſſen blieb, wie der um 33 8 ältere hochwürdige Mann ihn den jüngeren freundlich an ſich zog, ſein Inneres erſchloß, das ſo reich an den edelſten göttlichen un menſchlichen Gedanken war, an Wiſſenſchaft und Bildung, Gottesfurc t und tiefen Blicken in die Entwicklung der Geſchichte der Menſchhei und des Gottesreiches. a

Im Archiv hatte er einen jungen Mann kennen gelernt, r gleichfalls hiſtoriſchen Studien nachging, Dr. G. M. Thomas, damals Lehrer an der Kadettenſchule, ſpäter Bibliothekar in München, ein

ſpezieller Freund von Fallmereyer, ein begeiſterter Arbeiter für deutid

Ehre und Tüchtigkeit und wenig erbaut über die Wendung der deutſchen Politik. Es hat ſich eine Männerfreundſchaft aus dieſen Beziehungen entwickelt, die herzlich warm gedauert hat, bis der Tod ſie löſte.

Teutſch hatte damals ſchon die ſeltene Gabe, wohin er kam, Intereſſe für Siebenbürgen, für ſein Volk, für Vergangenheit und Gegenwart der Sachſen zu erwecken und wußte jede Beziehung nach dieſer Seite auszunützen. Bei Bonitz, Exner, Helfert boten Schulfragen den An— knüpfungspunkt zur Bekanntſchaft, bei Andern anderes, mit den Lands⸗ leuten war der Verkehr von ſelbſt gegeben, ſo daß der Kreis ſeiner Beziehungen damals ſchon ein nicht kleiner war.

Die Zugehörigkeit zur Deputation führte ihn am 23. September zur erſten Audienz zum Kaiſer. Der Biſchof wollte für den bewilligten Vorſchuß auf die Zehntentſchädigung danken und um baldige definitive Entſcheidung der Angelegenheit bitten; Teutſch begleitete ihn. Der Kaiſer empfing fie mit dem Orden des goldenen Vließes auf der Bruſt, den aufgeſtützten Säbel mit beiden Händen links vor ſich haltend. Die an- fängliche Schüchternheit verlor ſich ſpäter beim Sprechen. Den Blick, den er unverwandt auf den Biſchof richtete, ließ er einmal blitzend auf ſeinen Begleiter fallen er hat ihn ſpäter noch oft geſehen. Der Kaiſer hatte freundliche Worte und troſtreiche Verheißungen: die Geiſtlichen hätten durch ihre Treue den Vorſchuß verdient und die Hauptfrage ſolle bald entſchieden werden.

Aus ſolchen Arbeiten, Anregungen und Mühen flogen die Ge- danken doch immer wieder in die Heimat. In ausführlichen Briefen wußte er die Eindrücke des Tages, Empfindungen der Seele mitzuteilen und den Fernen Nachricht zu geben. Wenn er den Beſuch bei den Benediktinern ſchildert, die ihn nach der Hospitierung des Gymnaſiums zum Mittageſſen geladen, wo er neben dem Abt an Suppe und Braten, vor allem an den prächtigen Trauben ſich erfreute, jeder ein Seitel Wein vor ſich, bloß der Gaſt zwei, und ihnen von Siebenbürgen erzählte, über Zivilehe und deutſche Sprachforſchung ſich unterhielt, wenn er von den Kunſtſchätzen Wiens, den Ausflügen Mitteilung macht, Anordnung trifft, daß Wildlinge zum Pfropfen fürs Frühjahr in den Garten geſetzt werden, immer iſt er ſich bewußt, was für ein Glück doch das geſellige, gemütvolle Leben zu Hauſe, vor allem das Familienleben in ſich ſchließe, zu dem es ihn zieht, zu Frau und Kind nach Haufe. „Vor fünf Jahren war dieſer Abend ſchreibt er am 30. September an die Frau der Vorabend eines mir neu aufgehenden Lebensglückes, das der Sturm ſo schnell brach, als Sie zu den Engeln ging, welchen Sie angehörte.

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Da ſtieg in den Tagen unnennbaren Jammers Ihr Liebe herab auf Dich und das Leid verflärte ſich Herrn Milde zu neuem Segen. Darum rufe ich in zugleich heute aus des Herzens Tiefen: Sein Name ſe Segen mit Ihr, mit Dir, Teuere, mit uns Allen.“ In Wien brachte ihm ein Landsmann und Schüle dort Medizin ſtudierte, die erſte Nachricht, daß er im ( 29. September zum Gymnaſialdirektor gewählt worden feierten die Botſchaft nach einem Ausflug nach Schönbru lendem Rheinwein. Er aber ſchrieb an Stadtpfarrer Schuller burg tiefe Dankesworte, nicht ohne Beſorgnis, ob es ihm g das Schifflein der Bildungsanſtalt in neues Fahrwaſſer oder richtiger auf der neuen Bahn in dem alten zu ſorgen, daß es in dem bevorſtehenden Wettlauf die alten die alte Ehre, die Gewogenheit der Vorgeſetzten, das Vertrauen ſeiner Schüler nicht verliere. Die Notwendigkeit der Neuo ſtand feſt, manches warnte vor Übereilung. Weil er aber ganz davon überzeugt war, ob auf die Länge alle fünf erhalten werden könnten, mußte um jo mehr alles aufgewendet! daß das Schäßburger das möglichſt Tüchtige leiſte. An die ſchrieb er: „Mit dem neuen Wein iſt alſo ein neuer Rektor in burg geworden! Ich nehme es als ein gutes Omen, daß zuerſt Schüler mir die Nachricht mitteilten und wünſche, daß das wenigſtens die Ahnlichkeit mit dem Weine habe, daß es ebenfalls anfangs ſüß und je älter deſto beſſer werde. Mit Dir iſt dadurch Veränderung vorgegangen; Du warſt ſchon ſeit je Rektorin; Gott daß Du es ſtets bleibeſt mit der alten Liebe zum neuen Rektor \ Dein Regiment wie bisher ſtets milde und gnädig ſei.“ ER 9 An Müller aber ſandte er mit demſelben Humor (12. Oktober) die Zeilen: „Ja das l. Konſiſtorium. Daran erkenn ich meine Pappen⸗ heimer! Nicht einmal hier iſt man vor ihnen ſicher. In das wiſſen⸗ ſchaftliche Stilleben meines Wiener Aufenthaltes haben ſie den Sturm des neuen Amtes gejagt und die politiſchen Sterne, zu denen der Blick ſich erheben muß, mit dunkeln Rektorwolken mir verhüllt. Umgewandelt haben ſie mich mit einem Schlage. In den Briefen Petrus Hallers ſeh ich Petitionen unzufriedener Studenten, in den ernften Zuſchriften Ferdinands an Georg Martinuzzi und den türkiſchen Tſchaus bei ebendemſelben eine Vorbedeutung, wie Kollegium und Publikum den armen „Pereximius“ (Titel des Rektors in Schäßburg) hieher und dorthin zieht und er

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es keinem Recht macht; ſelbſt durch die Zauberweiſen der Hugenotten klingen die Schmerzenstöne der Schüler hindurch, die der würdige Kantor nicht mehr veredeln helfen will, ohne allen Zweifel nur dem zum Trotze, der jetzt für alles dieſes „verantwortlich“ ſein ſoll. Und die Organiſation des Sachſenlandes, was iſt fie gegen die Schulreform? Wahrlich » post rectorem sedet atra curac. Und unterdeſſen hiſſen fie unten die neue Flagge auf und ſchreien, als ob morgen ſchon alles grad werden müßte, was bis jetzt ungrad und die Bäume gradezu in Himmel wachſen ſollten.

„In der Tat manches ſcheint mir ſehr bedenklich. Siehe gerade die jetzigen plötzlichen dicken Freunde werden vielleicht bald nicht Worte des herben Tadels genug haben. Und wenn ich denn doch „mit leidlichem Geld (der Hoffnung) und friſchem Mut“ die neue Bahn betrete, geſchieht es im Vertrauen auf die gute Sache und Euch, ich meine Dich, Haltrich und Hain zunächſt. Wir müſſen aber und wollen um ſo feſter zuſammenhalten und um ſo unermüdeteren Schrittes dem erkannten Ziele zugehen, als mehrfache Erfahrungen der letzten Zeit mich zu der traurigen Überzeugung hindrängen, daß das heilige Feuer wiſſenſchaftlich⸗ſittlicher Bildung in den meiſten Tempeln unſeres Volkes nur ſchwach brenne und nur trügeriſches Scheinlicht ausſtrahle.“

Damals (Juni 1850) ſchilderte Stadtpfarrer Schuller, der Vor⸗ geſetzte des Schäßburger Gymnaſiums in einem Bericht an Heufler Teutſch alſo: „Seit ſeiner Anſtellung am Gymnaſium hat er ſich große Verdienſte um dieſe Lehranſtalt erworben. Ihm gebührt die Ehre einer jener Muſterlehrer dieſer Anſtalt zu ſein, welche den ſeit alten Zeiten in ihr waltenden guten Geiſt wiſſenſchaftlicher Gründlichkeit, beſonders aber gewiſſenhaft fleißigen ſittlichreligiöſen uneigennützigen Strebens erhalten haben. Die Schulbehörde erkannte ſeinen Wert und machte ihn im Jahre 1845 außer der Ordnung zum Konrektor. Dieſes ſowie ſeine rege Teilnahme am politiſchen Leben, dazu ſein raſches und entſchiedenes Weſen erweckten ihm viele Feinde. Die Geſchichte hatte ihn gelehrt, wie es früher geweſen und wie es ſein ſollte; kein Wunder, daß ſein Freimut hie und da an Vorurteilen etwas unliebſam anſtieß. Wie ihn übrigens ſeine Gegner auch verunglimpft haben, ſo war doch häufig er es, der da gebraucht wurde, ſo oft es ungewöhnlichen, tatkräftigen Wirkens bedurfte .. . Unermüdet tätig, eine tüchtige vaterländiſche Geſinnung zu pflegen und zu erziehen, iſt er gegenwärtig unſtreitig der wertvollſte Lehrer, ja der Hauptträger dieſer Anſtalt.“

Erſt am 20. November traf er wieder in Schäßburg ein; die lange Fahrt von Wien mit Biſchof Binder in die ferne Heimat, zwang ſie

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zum letzten Nachtlager in das Wirtshaus, das bei ſtand, es war nicht möglich, auch nur Mediaſch In Schäßburg hatte man ſchwer auf ihn jenigen, die ihn am wenigſten mochten, die ihn bei de wahl zurückgeſetzt hatten, waren am ungeduldigſten. Menſchen und Verhältniſſe beſſer kennen gelernt, er zeugung zurück, daß unſerm Volk große Aufgaben bei glaubte an deſſen Zukunft und war entſchloſſen, für fie t Ein Grundgedanke ſeines Lebens rief ihn jetzt mehr noch Arbeit: daß das ſächſiſche Volk ſein Volkstum nur h bewahren könne. Es trat aljo die Arbeit an der mittelbar in den Dienft der Volkserhaltung, die Schule ein Glied des nationalen Lebens, was um ſo bedeutender äußern Stützen fielen, die bis dahin dem Volkstum Er gab dieſen Gedanken bei ſeiner Inſtallation am 2. ſprechenden Ausdruck und da die Inſtallationsrede ein ſeines Lebens enthält, mag ſie hier folgen:

Aber die Notwendigkeit häherer Bildung unferes Volkes.

Wenn der anmutreiche Sänger heiteren Lebensgenuſſes im ug Zeitalter behauptet, auch die Bücher hätten ihre Schickſale, fo mit noch größerem Rechte hinzufügen, daß auch die Begriffe, dieſelben haben. Oder wer, der nicht nur die Außenſeite der Ent! des Menſchengeſchlechtes kennt, wüßte nicht, wie manche Zeiten oder jenem Gedanken gleichſam verſchloſſen ſchienen, bis er, mühſ Bahn brechend, erſt in einzelnen Geiſtern zu vollem Verſtändnis nach harten Kämpfen Schritt vor Schritt ein viel beſtrittenes erobernd, endlich Überzeugung und Willen der Mehrheit gewinnend, Loſungswort des Tages wurde und für Streben und Tatkraft ga Geſchlechter Bahn und Richtung zeichnete. So ſchlägt die nie raf Welle anfangs vergeblich an den ſtarren Fels, deſſen hartes Geft ihrer Strömung im Wege ſteht, bis dem ſtets wiederkehrenden Anp endlich die ſpröde Maſſe weicht und über fie hindurch und hinweg wallende Flut die länderverbindende Straße bricht und zu fernen ſtaden das fröhliche Schiff mit den reichen Schätzen der Natur und des Geiſtes trägt. * In der Reihe jener Ideen ſteht voran die der „Bildung“. Wie bisweilen die Nacht lang und dunkel auf dem Lande liegt, ehe der Morgen tagt, jo hat es Zeiten gegeben und Menſchengeſchlechter, welche im Schoße

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tiefer Finſternis keine Ahnung des Lichtes hatten und keine Sehnſucht nach ihm, bis einzelne Sterne die Wolken durchbrechend die ſchlummernden Keime im Menſchenherzen erweckten, das heilige Bedürfnis nach Ver⸗ edelung in ihm entſtand und der entzündete, nun nicht mehr zu bändigende Drang darnach die ſtrahlende Sonne der Bildung am Himmel des Volks- lebens heraufführte. So ſind auf die Zeiten der Barbarei und Rohheit die der Aufklärung und Bildung gefolgt, in welcher Könige und Fürſten es nicht verſchmäht haben, mit ſchirmender Hand die zarte Pflanze der Humanität und Kultur zu pflegen, bis ein eigentümlicher Charakterzug unſeres Zeitalters ſich gerade darin ausſpricht, das Leben durch einen größeren Reichtum von Ideen zu verſchönern, durch immer höher ſteigende und tiefer gehende Bildung zu veredeln. Iſt doch das Bedürfnis darnach ſo durchgängig unter den Völkern Weſteuropas erwacht, daß in den letzten Tagen allgemeiner Bewegung der Ruf nach Bildung mit zum Feldgeſchrei geworden iſt, unter dem man an die, in die Gegenwart hereinragenden Trümmer des Mittelalters die zürnende Hand gelegt hat. Wenn die unterirdiſchen geheimnisvollen Kräfte weithin die Lande erſchüttern, ſo kann, während der mächtige Gebirgsſtock erzittert, ſich auch das kleine, abgeſchiedene Alpentälchen dem unwillkürlichen Beben nicht entziehen. So iſt jene Sehnſucht höherer Bildung und Aufklärung nach langem Schlafe auch in unſer Ländchen, auch in unſer Volk gekommen, obwohl es weit, weit abliegt von dem Herde der Kultur und getrennt von ihm durch wilde Lande und faſt noch wildere Menſchen. Daß hiebei auch hier wie ſonſtwo Stimmen laut geworden, die dieſes Streben nach höherer Bildung in weiteren Kreiſen beklagen und die dadurch bedingte Veränderung auf ſo vielen Gebieten des Lebens bedauern, ja ſogar die Übel der Gegenwart, deren jede Zeit mit ſich bringt, auf ihre Rechnung ſchreiben, iſt ebenſo natürlich als vergeblich. Klagt doch nach jenem alten deutungsvollen Mythus auch der Mond mit den Sternen, wann die Morgenröte das Tor des Oſtens öffnet und ihren Glanz erbleichen macht: die Sonne fteigt darum doch empor und ſendet ihre ſegnenden Strahlen leuchtend aus über Land und Meer. Wenn ich dagegen, hochgeehrte Anweſende, Ihre Aufmerkſamkeit einige Augenblicke in Anſpruch nehme, um das Gegenteil zu erweiſen, daß gerade in der Gegenwart unſerem Volke höhere Bildung mehr als je not tue, ſo hoffe ich nicht nur, in jenen Zeitverhältniſſen die Entſchuldigung zu finden, gerade dieſen Gegenſtand zur heutigen Beſprechung gewählt zu haben, und erbitte der durch Zeit und Kraft beſchränkten Darſtellung Ihre freundliche Nachſicht.

Die häufige Unbeſtimmtheit und Vi „Bildung“ wird es notwendig machen, zuerft zu zu verſtehen ſei. Es iſt zum Behufe tieferen angemefjen, den Geſamtbegriff in den der Fal Bildung zu trennen und ſie einzeln kennen zu Fall etwas Vollkommeneres darunter zu verſtehen ſei, bedeutung, und wir werden die Übereinſtimmung aller haben, wenn wir die erſtere, die Fachbildung, in den Bef niffe, Fertigkeiten und Geſchicklichkeiten ſetzen, deren Aus Beruf nach den vorgeſchrittenen Forderungen der Zeit er die allgemeine Bildung bedingt wird durch die Aneig im Laufe der Zeit lebendig gewordenen Ideen, in allgemein Menſchliche am würdigſten darſtellt, reinen Willen und der durch ihn gehobenen und g ihrer Verwirklichung nach Möglichkeit beizutragen.

Daß dieſe Bildung einer und der anderen Art in als je unſerem Volke jetzt notwendig ſei, lehrt zunächſt die des Auslandes. In welch raſchem, faſt betäubend fch dieſes die Bahn des Fortſchrittes verfolge, zeigt ſogar uns, Entfernten, jeder Tag. Ich darf vor Ihren Augen, geehrte das Gemälde nicht entrollen, welches die gebildete Weſthälfte Erdteiles darbietet: die Kräfte der Natur dienſtbar dem Menf als ob er in Wahrheit ihr Herr wäre, mit ihrer Hilfe die veredelt zu ſtaunenerregender Feinheit, Zeit und Raum in ihren h Eigentümlichkeiten faſt nicht mehr vorhanden; durch all dieſes zur Verſchönerung und Veredlung des Lebens vermehrt in einem wie es vor Jahrzehnten noch kaum denkbar war; dadurch die g Welt- und Lebensanſchauung oft in ihrem Weſen verändert und auf ſie gegründeten Einrichtungen in einem Zuſtand der Umwa begriffen, aber bereits auf einem Abſchnitt derſelben angelangt, daß Stelle des Alten ein ganz Neues getreten. Wollen wir nun neben j höher Geſtiegenen nicht als Barbaren und Kulturfeinde erſcheinen, wollen wir der Segnungen ihres Fortſchrittes teilhaftig werden, ſo müſſen wir zu derſelben Bildungsſtufe hinanklimmen, wie ſie, müſſen auf demſelben, wenn auch nach ihrem Vorgang leichteren Weg der Mühe und der Anſtrengung die goldene Frucht zu brechen ſuchen, die der Wille der Götter eben nur als Preis der Arbeit verleiht. Tun wir es nicht, ſo werden wir dem Schickſal des Zweiges verfallen, der mit dem Wachstum des Baumes nicht zum Aſt werden will, er verdorrt und fällt ab. Denn

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„mit dem Lebensgeſchick der Menſchheit ift es“, nach dem tiefen Wort Alexanders v. Humboldt, „wie in der Natur, für die es im Bewegen und Werden kein Bleiben gibt und die ihren Fluch gehängt hat an das Stilleſtehen.“

Wie aber der ſegnende Strahl der Sonne neben der duftenden Blüte auch den Giftjaft der Pflanze dem Erdenſchoß entlockt, ſo hat die raſche Entwicklung unſerer Zeit neben dem Segen der Bildung auch den Fluch der Verbildung hervorgebracht. Denn leider gibt es eine, nur den Weiſen und Glücklichen erſparte Stufe in der Entwicklung des Menſchengeſchlechtes, wo wahre Bildung zur Scheinbildung wird, dadurch, daß die Sittlichkeit ſich von ihr trennt, die doch ihrem Weſen nach von gleicher Art ſind, die ſich unter einander bedingen und in Wahrheit zuſammenfallen. Dann werden jene zerſetzenden Elemente tätig, die den Bau der Geſellſchaft untergraben, die innere Rohheit mit dem trügeriſchen Firnis veredelter Natur übertünchen und durch den Schein jo leicht die Herzen der Menge gewinnen und täuſchen. Dann entſteht jener Leichtſinn, der nur nach dem Glanz haſcht, jene Halbheit, die nichts mit Ernſt treibt, jene Zweifelſucht, die nichts mehr für groß und wahr hält, jene Unzufriedenheit mit allem außer ſich, die zuſammen jenen traurigen Krankheitsſtoff bilden, an dem ein Teil unſerer Gegenwart ſo ſchwer darniederliegt.

Es iſt kein Zweifel, dieſes Gift unſerer Zeit wird auch zu uns den Weg finden, ja es iſt bereits zum Teil geſchehen. Die ſo erſtaunlich vermehrten Verkehrsmittel unſerer Tage rücken den ſtillen Winkel unſerer Heimat plötzlich hinaus auf den Markt des Lebens, ja führen die geräuſchvolle Straße ſeines Treibens mitten durch ſie. Wir können uns ihr nicht entziehen und wollen es um jo weniger, als auf ihr uns mit kommen joll, was dort in heißer Mühe die vorgeſchrittene Entwicklung gezeitigt hat. Aber ſiehe, mitten unter ihren Lichtgeſtalten ſchreiten auch die dunkeln Schattenbilder einher und der Schlagbaum hebt ſich für die einen und für die anderen. Sollen dieſe nicht einziehen in die Ge— müter des Volkes und den Sinn ihm vergiften, ſo öffnet früher jenen die Tore und laſſet ſie Wohnung machen unter uns. Lehret unſer Volk die wahre höhere Bildung lieben und erwerben, ſo wird die Verbildung keinen Platz finden. Die Lüge kann man nur bekämpfen und abwehren mit der Wahrheit. Darum tut gerade in unſeren Tagen höhere Bildung dem Volk ſo not.

Sie tut ihm nicht minder not, wenn es ferner ſein Volkstum bewahren will. Die ehrwürdigen äußeren Schranken, welche es jaht-

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hundertelang vor der Überflutung fremder Elemente u durch ſie geſchirmt haben, fallen. Die uralte Wei dieſer Lande wird verdrängt von der Klugheit des bis jetzt unter dem abgeſchloſſenen Schirmdach des faltet, ſolle fortan allen gemein ſein wie die Luft des dem großen Haufe des Staates dürfe der einzelne S wohnung für ſich haben, jo jagen fie. Der Gewa weſende, hat Recht. Wir können nicht widerſtehen freuen, wenn die Güter, die uns bis jetzt beglückt werden alles Volkes. Wohl aber ziemt es uns, zu Schutz der gefallenen äußeren Schranken erſetzen könne, ! hehre Erbteil unſeres Volkstums, wie unſere heilige Pf künftigen Geſchlechtern erhalten. 3 Die Geſchichte lehrt, daß es hiezu nur ein Mittel 9 ſeitige höhere Bildung. Die Welt wird auf die Dauer nu von Geiſtern; und untergehen kann nur das Geiſtloſe. Sind wi fortan in dem geiſtigen Wettkampf die Erſten, find wir träger wahrhaft menſchheitlich-ſchöner Entwicklung, ſo wird Volkstum dauern, unter deſſen Agide dieſe einhergeht, es was doch kaum denkbar ift der ungünftigfte Zuſammenſtoß Verhältniſſe unter feiner Wucht alle gewordenen Bildungen Wenn jener große Kriegsfürſt und Kenner der Bedingungen des! lebens die wahrhafte Macht ſeines Volkes darin ſetzt, nicht zuzu daß irgend eine neue Idee ihm nicht angehöre, jo kann wohl auch u Völkchen nicht untergehen, wenn es an der Spitze alles Schönen ı Edlen in dieſen Landen ſteht. So durchbricht der Palmbaum innere Kraft das ihn umdrängende Gebüſch und hebt weithin über grüne Laubdach des Waldes die ſtolze Blätterkrone; ſo bezwingt kleine Schale voll ÖL den Sturm der Wogen, daß ſie ſich fri niederlegen und das Edlere tragen. Wohl unſerem Volk, verehrte Anweſende, daß gerade ihm jener lebenverlängernden Mittel eine größere Fülle zu Gebote ſteht. Hat doch das deutſche Muttervolk in ſeiner Entwicklung einen ſolchen Reichtum von Bildung jeder Art auch für uns, ſeine Stamm- und Sprachgenoſſen, erworben, daß wir nur mit reinem und feſtem Willen zu ſchöpfen brauchen aus jenem Strome ewigen Lebens, um unſeren Geiſt und alle unſere Verhältniſſe neu zu verjüngen und unſer Daſein zum ſegen⸗ ſpendenden Quell höherer Bildung zu machen für viele Geſchlechter des Aufgangs. Jenen Willen freilich und die damit verbundene Arbeit

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müſſen wir mitbringen; tun wir es nicht, dann hätten uns auch jene früheren Schranken nicht gerettet; dann wird aber die Geſchichte, wenn fie von unſerem Untergang erzählt, zugleich auch von unſerer Schuld erzählen, und mit Recht werden von unſerem Daſein, wie von dem jenes ſpurlos verſchwundenen Völkerſtammes im Süden der neuen Welt, bald nur unſere Gräber zeugen.

Daß unſer Volk jenen Willen habe, wer könnte daran zweifeln? Hat es doch nach faſt unſäglichen Verluſten, kaum entronnen dem feindlichen Geſchick, in richtiger Würdigung der Zeit viele Hunderttauſende geopfert auf dem Altar der Bildung! Hat doch unſere Gemeinde, die ausgeplünderte und ausgeraubte, ungebeugten Sinnes die freundliche Stätte, die uns jetzt umfängt, aus dem Trümmergrab erhoben, in welches verbrecheriſche Wut, verblendete Leidenſchaft ſie geſtürzt hatte! Iſt ſie doch, umgeben und bedrängt von der ſchweren Not des Tages, nicht müde geworden, voll edeln Sinnes alle jene Opfer zu bringen, die die Neuzeit erheiſchte, um dieſe Höhe zu einem würdigen Sitz der Bildung zu machen, damit von ihr aus auch ferner ſegnend ausſtrahle das milde Licht in nahe und ferne Täler und ſie eine Stütze bleibe und werde alles Wahren, Guten und Schönen auch in dem neu be⸗ ginnenden halben Jahrhundert und für alle Zeiten.

Möge es alſo geſchehen, verehrte Anweſende, und die geringe Kraft des Sprechers mit dazu beitragen können, daß es alſo geſchehe! Das ehrenvolle Vertrauen der Väter dieſer Anſtalt hat mir ihre Leitung übertragen auf der Grenzſcheide der alten und der neuen Zeit, in einem Augenblick, wo die Bedeutung auch unſerer Bildungsſtätte für unſer Volk jo geſtiegen iſt, wo ſelbſt die Lenker des Staates den Anteil, den ſie daran nehmen, durch die aufmunternde Unterſtützung, die ſie ihr gewährt, in ſo erhebender Weiſe bekunden. Wenn ich daher nicht ohne Beſorgnis in die neue Stellung eintrete, die der würdigen, kaum zu erreichenden Männer ſo viele gezählt hat, ſchreiben Sie es dem guten Willen gerade für dieſe Anſtalt zu und werden Sie, verehrte Väter und Gönner derselben, nicht müde in Ihrer Teilnahme und in der Förderung ihres Wohls.

Das Vertrauen hierauf iſt es, das neben jener Beſorgnis als milder Stern mir leuchtet. Und jo trete ich voll diejer Zuverſicht in die ehren- und arbeitvolle Stelle, ich trete in ſie voll Vertrauen, daß meine verehrten Freunde und Amtsgenoſſen, fie, die nicht müde ge- worden ſind, unter Trümmern Schule zu halten, mit denen gleich reines Streben und Wollen mich verbindet, das ehrende Wohlwollen, das ſie

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mir bis jetzt geſchenkt, mir auch fortan bewahren und du willige Unterſtützung und begeiſterte Kraft das heilige auf dieſer Höhe werden nähren helfen; ich trete in das Zuverſicht, daß auch an dem Geiſte der Schüler dieſer deutungsvolle Zeit nicht wirkungslos vorübergegangen, derſelben eine neue Aufforderung finden werden, in Leben ſich ſo zu zeigen, wie es den Söhnen ihres Volk der Wiſſenſchaft ziemt; ich trete in das neue Amt endlich trauen, daß der Allwaltende, der mit Vaterhuld j gnädig über unſerer Anſtalt gewacht und ſie auch jüngſt Untergang faſt wunderbar bewahrt hat, die ſchirmende § entziehen und auch der ſchwachen, doch redlichen Kraft nicht

Von ſolchem Geiſt iſt die neue Arbeit erfüllt geweſen, die nun die Schule einzog. Zunächſt handelte es ſich um die Durchfül Organiſationsentwurfes, damit um Vermehrung der Lehrkrä Klaſſen, um Erhöhung der Gehalte, um innere Neuordnung des richtes. Es wurden ſofort vier neue Lehrer angeftellt, alle acht einjährig eingerichtet, eine neue Verteilung des Lehrſtoffes vo Latein aus der Elementarſchule entfernt und eine eigene di Elementarſchule errichtet, in der nicht mehr Seminariſten, ſondern ſtellte Lehrer den Unterricht übernahmen, ſo daß nun ein ſyſte Fortſchritt von der erſten bis zur letzten Klaſſe möglich war. Die b Lehrbücher, die die deutſche Literatur damals beſaß, in Latein auch Griechiſch Kühner, Deutſch Mager, Theologie Niemeyer, C Schmidt, ſpäter Weber, wurden eingeführt es war ein neues Leben, das in die Schulräume einzog. Vielleicht niemals iſt in unſeren Schulen ſo freudig gearbeitet worden als damals, wo die Empfindung des großen Fortichrittes auch den Schwächern die Kraft mehrte und die Begeiſterung beflügelte. Kein Gebiet, keine Schulfrage, die nicht eingehende und nutz⸗ bringende Beſprechung in den wöchentlichen Mittwoch - Konferenzen gefunden, gar oft zum Verdruß der Hausfrauen, denn die Sitzung dauerte immer über 1 Uhr. Auch das Seminar (die Volksſchullehrer⸗ Bildungsanſtalt) wurde neu eingerichtet, mit eigenen Lehrern, vom Gym. naſium getrennt und es ſind aus ihm ungewöhnlich tüchtige Lehrer hervor⸗ gegangen. Teutſch zeigte feine treffliche Eignung zur Leitung einer ſolchen Geſamtanſtalt. Die Lehrer vertrauten ihm, denn er war immer der erſte, wo es eine Arbeit galt, die Schüler ſahen zu ihm empor, denn er hatte die Gabe, fie zu feſſeln und zu erheben. Zwei Eigenſchaften ſeines Weſens

Pt

mußten gerade in der Schule unwiderſtehlich wirken, ſein Pflichtbewußt⸗ ſein und der Schwung ſeiner Seele. Nun zahlte er der Schule heim, was fie dem Knaben und Jüngling einſt geweſen. Der Gedanke „du ſollſt“, den Binder und Gooß ſchon der Schäßburger Schule aufgeprägt. er war in ihm aufs neue verkörpert. Wie er in dieſer Beziehung bei ſich keine Schwäche duldete, ſo wollte er ſie bei keinem andern dulden und die ſittliche Hoheit dieſes Pflichtbewußtſeins hat nur ganz gemeine Naturen kalt gelaſſen. Und der Schwung der Seele nahm die Jungen und Alten gefangen; er war nicht hohle Phraſe, ſondern Ausdruck eines reinen Herzens, das am Schönen in der Welt ſich freute und dankbar nahm, was das Leben brachte, überzeugt, daß nur das Wahre und Gute zuletzt den Sieg davon tragen könne!

Gerade dieſe Eigenſchaften machten ihn auch zum guten Lehrer, der mit unermüdlichem Fleiß ſich für die einzelne Stunde zuſchickte, bis in die letzten Jahre immer ſchriftlich und der in dem Gegenſtand lebte. Er hat die verſchiedenartigſten Gegenſtände vorgetragen, zuletzt in Oktava Latein, Religion, Geſchichte, früher auch Griechiſch und Deutſch, Hebräiſch und Philoſophie, einer von tieferer Wirkung als der andere. Mit Tacitus verband ihn Geiſtesverwandtſchaft, er hielt ihn für den „Oberſten“ der Geſchichtsſchreiber, und es war in der Tat für die Schüler überraſchend, wenn er der Überſetzung durch eine Wendung einen neuen Inhalt, eine packende Form gab und damit in den Geiſt des Altertums einen Ein— blick eröffnete, der trotz der vielen Redensarten jo ſelten in einem Gym— naſium erreicht wird. Das horaziſche Versmaß konnte er ſelbſt handhaben und er wußte den Dichter auch in jenen Weiſen, die uns fern liegen, dem Leſer nahe zu bringen. Aber ſein Hauptfeld war die Geſchichte und da vor allem die vaterländiſche. Da leuchtete dann ſein blaues Auge, wenn er von den Heldentaten der Väter erzählte, von ihren Leiden, ihren Irrungen, ihren Kämpfen. In breitem Strom floß die Erzählung dahin, nirgends geſtört durch ungehörige Beimiſchungen, und der Hörer empfand in jedem Augenblick, mit welcher Liebe der Sprecher an den Geſchicken des Volkes hing, wie er mit den Geſtalten aus der Vergangenheit mitlebte, die in ſeinen Worten wieder Leben empfingen. Es kam vor, daß Schüler anderer Klaſſen um die Erlaubnis baten, dieſen Stunden auch beiwohnen zu dürfen.

Daß durch dieſe Vorträge der nationale Gedanke in den Herzen der Schüler erweckt wurde, daß der Entſchluß in den Beſten reifte, den Ahnen gleich zu werden, wem wird es verwunderlich vorkommen? Das große Geheimnis der Schäßburger Schule damals war, daß ſie nicht

EYE: bloß unterrichtete, ſondern erzog. Feſten Willen, reines Herzen der Heranwachſenden zu wecken, den Gedanken di

der Arbeit in die jungen Seelen zu ſenken, das war das, Hunderte geben davon Zeugnis, wie es gelungen! Die ſtreng, aber nie launiſch oder willkürlich und wußte lichem Übermut und gemeiner Geſinnung wohl zu „Coetus“ ſtand nach altem Humaniſtenbrauch unter Beamten mit weitgehendem Selbſtregierungsrecht und jo hieß der erſte Vorgeſetzte etwas im eigenen geſchlichtet hatte, dann war die Sache auch für den bereximie lautete ſeine Anrede abgetan. Man hütete ziplinarfragen vor ihn zu kommen. Der Gedanke an das Judicium, in dem er nie anders als im ſchwarzen Frack erſch dem Schuldbewußten die ganze Woche unbehaglich machen. damals ein Grundzug ſeines Weſens geweſen. Auch die Bilder Jahre laſſen ſie erkennen. Wenn er im Dienſt war und die er ſo an, dann lagerte ein faſt düſterer Zug auf dem ſcharfgeſchnit glattraſierten Antlitz, den ſelbſt das tiefe Grübchen im Kinn nicht m und den die ſchlanke Geſtalt erhöhte. Aber der Schüler, der ihn kannte, wußte, daß in dem Manne auch das Herz auf dem rech war. Stürmiſch in ſeinem Weſen hatte er die Leidenſchaft bändigen g jede Not erweckte tiefes Mitleid in ihm und er konnte den v Schüler, der aus Mangel an Mitteln daran war, die Studien unterbre zu müſſen, in ſein Haus nehmen, der Zuſtimmung der Hausfrau fid Ihm hatte allerdings das Schickſal Mitarbeiter an die Seite geben, wie keinem der andern bedeutenden Rektoren jener Zeit im Sach land. Eine ganze Reihe kamen und gingen, der Rektor bildete de Mittelpunkt, es war kaum einer unter ihnen, der nicht ſein S geweſen. Der um drei Jahre jüngere Genoſſe G. Fr. Marienbi (f 1881) war ſchon 1848 zur Pfarre übergegangen, aber der beſcheidene Mann mit dem Fichtekopf ſtand in fortwährender Verbindung mit Schäßburg und der engere Freundeskreis begrüßte den Stillen um ſo herzlicher, da ſie wußten, wie er an edler Geſelligkeit ſich freute, verſtändnisvoll den Zeichen der Zeit folgte, unpraktiſch im täglichen Leben voll lauterer Treue für die Güter des deutſch-evangeliſchen Lebens, durch ſeine hiſtoriſchen und philologiſchen Studien Einzelfragen unſerer alten Geſchichte mit ſeltenem Geiſt zu beleuchten verſtand und deſſen

milder Humor die Lehrer in Schäßburg auch in den erſten Jahren der neuen Ara noch zuweilen tröſten mußte:

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's gibt kein ſchöner Leben

Als Lektorenleben

Mit dreihundert Gulden Honorär, Taler und Dukaten

Bringen die Privaten

Und doch ift der Beutel niemals ſchwer.

Durch Studien und Gemüt Marienburg vielfach verwandt war Joſef Haltrich (F 1886), den das Sturmjahr 1848 nach Schäßburg gebracht. Er wohnte eine Zeit lang auf der Schule oben und konnte an schönen Sommertagen Seifenblaſen machen und an ihrem Farbenſpiel ſich erquicken, begeiſtert für die Volkskunde der Sachſen, die durch ihn auf einen neuen Boden geſtellt wurde, mit dem hohen Ziel des ſächſiſchen Wörterbuchs im Herzen und ſtetig dafür ſammelnd, erfüllt von der Tiefe und Schönheit des Volkslebens, dem Getriebe der Welt mit ihren Leiden ſchaften völlig fern, aber doch voll Verſtändnis für die treibenden Kräfte der Zeit. Kindlich anſpruchslos und doch ſo ſtreng gegen die Modegötzen des Tages, vielfach unerfahren im gemeinen Leben und doch ſicher im Urteil über alles Gemachte und Unwahre, offen und heiter, der vom hohen Schulberg in Schäßburg mit dem wunderbaren Rundblick lachenden Auges den entzückten Beſchauer fragen konnte: wie hoch er dieſen Blick als Zuſchlag zum Gehalt der Schäßburger Lehrer wohl anſchlage, ein Lehrer der die Schüler durch ſein Wiſſen und ſein reines Gemüt feſſelte, das immer durchbrach, ob er mit tiefer Kenntnis die griechiſchen Dichter oder die lateiniſchen Autoren las, oder die Hoheit deutſcher Dichtkunſt, beſonders Schiller den Schülern vorführte. Auf Grimmiſchen Anſchauungen fußend, beſchäftigte er ſich damals mit den Tiermärchen, die er wie einen neuen Schatz gefunden und an dem er ſich freute. Geiſtig der hervorragendſte war neben dem Rektor Fr. Müller. Auch er mit hiſtoriſchen und volkskundlichen Studien beſchäftigt er ſammelte die Sagen hatte er einen ſcharfen Blick für das Ganze und wußte jede Einzelfrage unter allgemeine Geſichtspunkte zu ſtellen. Welt und Menſchen gegenüber kritiſcher als die andern, war er ſchon in verhältnismäßig jungen Jahren dazu gekommen, nichts Überſchwängliches vom Leben und den Ereigniſſen zu erwarten, immer gefaßt, daß ein böſer Sturm die ſchönſten Hoffnungen vernichten könne, aber gerade darum zur angeſtrengteſten Pflichterfüllung immer bereit. Weil er die Schwächen der Menſchen kannte und die Gebrechlichkeit der Inſtitutionen mit ſcharfem Blick ſah, verlangte er Feſtigkeit und Zuverläſſigkeit des Charakters, Kräftigung des Volkes in erſter Reihe, damit es ſtark genug werde, den anſtürmenden Gewalten aus eigner Kraft Widerſtand zu leiſten. Wie alle Genannten

bedürfnislos für ſich, barg er hinter äußerer Kälte ei konnte der heiterſte Geſellſchafter ſein, und trug in ſich, Einfluß auf andere verleiht, die Überlegenheit des ( heit der Überzeugung. Aus liebenswürdigerem Holz geſchnitzt (F 1886), der geiſtvolle Vertreter der 9 Gymnaſium, dem die Beſchäftigung mit den Blumen e n gegen alles Rohe und Gewalttätige im Herzen geſtärkt ſcharfe Gegenſätze und heftigen Anſturm geſchaffen, ein ſtarker Zug zur Ausgleichung und Versöhnung. n fahrten ins Gebirge, das er vielfach befuchte, brachte er mit, was auch andere erfreute und vor allem hatte er das Volksleben wie wenige. Er ſchaute ihm ins Herz ihm willig öffnete; nur er konnte ſpäter die prächtigen ſächſiſchen Bauernleben zeichnen, die dem Leben entnomm Hauches nicht entbehren und den köſtlichen Humor an der Gt der dem Verfaſſer das Leben ſchmückte. Damals führte er unter der Volksgenoſſen in den Litterae obscurorum virorum mit Laune den vernichtenden Kampf gegen die unerträglichen kleinen des Abſolutismus. Neben ihnen ſtand Karl Fabritius, dam geiſterter Anhänger des einheitlichen Oſterreich und hoffnungsvo auf dem Feld heimiſcher Geſchichtsforſchung (F 1881), Joh. & landwirtſchaftlichem Gebiet beſonders bewandert, Joh. Mätz, ein Männchen mit ſcharfem Geiſt und ſcharfen Bemerkungen, g die volkskundliche Forſchung gewonnen und feſtliche Anläſſe in Verſen zu feiern bereit und kundig (T 19011. Dazu kamen W ein Schwager Teutſchs (F 1868), D. Hain (11894), in ſpätern Fr. Ernſt (F 1896) mit umfaſſenden juridiſchen Kenntniſſen, Ruhe und gediegener Gewiſſenhaftigkeit, Johann Teutſch, der ſpäter Schäßburger Stadtpfarrer im Geiſt der alten Tradition und voll V ſtändnis für die Forderungen der Gegenwart, auf dem gut vorberei Boden Großes geſchaffen, dann G. Orendi, G. Bell, G. Schuller, Jo Ziegler, M. Albert (F 1893), kein einziger, an dem das Wort des alten römiſchen Schriftſtellers ſich nicht erfüllt hätte: vitam silentio ne transeant. Es war ein Kreis von Männern, nicht immer einer Meinung, aber immer eines Sinnes im Eintreten für alles Gute, für Kräftigung von Volk und Kirche, einig darin, daß die Schule eine Säule des Volksbeſtandes ſei und gerade durch dieſe Gedanken über die Not des Tages hinüber gehoben. Der junge Rektor wußte ſie nicht nur in der Schule für deren Ziele und Arbeiten zuſammen zu faſſen, ſondern auch zu geiftiger und

Be

gemütlicher Anregung außer ihr. Sie hatten ſich zu einer zwanglojen Geſellſchaft, der Narragonia, zuſammengetan, die der „Staatswirt“ ſo hieß der Rektor an beſtimmten Tagen zu ſich lud; auch Freunde außerhalb des Kollegiums gehörten dazu: Gull, Sternheim, J. B. Teutſch u. A. Dabei laſen ſie etwas gemeinſam, beſprachen die Tagesfragen und was eben allen am Herzen lag. Eine handſchriftliche Zeitung hatte ſich von ſelbſt ergeben, in der, ein Nachklang der Univerſitätszeit, bald die Schwächen Einzelner beſpottet wurden, bald im Scherz und Ernſt wieder Lebensfragen der Schule, der Stadt, des Volkes behandelt wurden. Der Grundton auch dieſer Unterhaltung war doch immer die Sorge für das ſächſiſche Volk, wie es in einem von Teutſch verfaßten Gedichte hieß:

Auf dich, du Schar der Sachſen, mit deiner Burgen Kranz,

Mit deinen ſchmucken Dörfern, mit deiner Städte Glanz,

Auf dich iſts abgeſehen und warnend durch die Nacht,

Horch, tönt Honterus Stimme: o ſchlaft nicht, rüſtet, betet, wacht!

Zu dem Begräbnis St. L. Roths ging ein großer Teil des Kollegiums zu Fuß nach Mediaſch. Die Schäßburger Mädchen hatten Kränze gewunden, die aufs Grab gelegt wurden. Gedichte von Müller und Haltrich in der Narragonia hielten den tiefen Eindruck feſt.

Es iſt klar, wie ein ſolches Kollegium und ein ſolches Zuſammen⸗ ſtehn die Schule in den Mittelpunkt des Lebens in der kleinen Stadt ſtellen mußte, wie die Lehrer alsbald auch für die anderen ſtädtiſchen Fragen maßgebend wurden. Freilich iſts nicht leicht geworden. Der alte Gegenſatz der leitenden politiſchen Beamten beſonders gegen Teutſch, deſſen Wahrhaftigkeit und Freimut und unabhängige Denkweiſe ihnen un⸗ angenehm war, wollte lange nicht zugeben, daß die Lehrer Mitglieder der ſtädtiſchen Vertretungen (der Kommunitäten) werden könnten. Am 24. September 1851 wendeten ſie ſich in einer tiefernſten Eingabe aus Teutſchs Feder an den Sachſengrafen Salmen mit der Bitte um Abhilfe: „Welcher Beſſere wird ſich zu einer Stellung hergeben, die ihn politiſch ins Zigeuner- und Walachentum der früheren Zeit ſtürzt, während anderswo ſo lockende Ausſichten winken, davon zu geſchweigen, daß es unmöglich iſt, Jünglinge für ein Bürger- und Volkstum zu erziehen und zu begeiſtern, das den Erzieher und Lehrer ſtieſmütterlich von ſich ſtößt.“ Auch die Mitgliedſchaft im Lokalkonſiſtorium, wohin der Rektor nach dem Geſetz mindeſtens bei Verhandlungen von Schulangelegenheiten gehörte, wurde ihm ſtreitig gemacht, bis er endlich dem Geſetz Achtung verſchaffte. In dem Lokalkonſiſtorium ſaßen vor allem die Senatoren

Georg Daniel Teutſch. 7

ne

und kämpften zum Teil mit ſehr wenig lautern Mittel Ihnen war es zu verdanken, daß die von der Ki Dotation der Schule wieder zurückgezogen wurde, als d bewilligt wurde, weil jene Senatoren Lehrergehalte von ſchon für exzeſſiv hielten und vor allem Schonung der 3 wollten, da ſie hieraus Penſionen hofften.

Im Zuſammenhang damit ſtand der unerquickliche $ Realſchule. Sie beſtand in Schäßburg feit 1841, ſeit 1 Die Neuorganiſation des Schulweſens 1850 führte auch zu geſtaltung dieſer Schule. Auch zu ihrer Erhaltung war die beſtimmt, die die Schäßburger Kommunität 1850 bewilligte für berechtigt hielt, fie einzuftellen und trotz allem Drängen Unterſtützung ſich nicht verſtehen wollte, ſperrte das Lofa auf Teutſchs Andrängen, die ganze Realſchule (1855). Es einzig mögliche Antwort auf ein Verhalten der leitenden J Magiſtrats, das der Vergangenheit der Stadt unwürdig war, den niedrigen Gehalten der Lehrer den traurigen Mut fanden „zeitgemäße Reducierung der Lehrergehalte“, auf Vermehrung Unterrichtsſtunden zu dringen und kein Verſtändnis hatten, eine Sünde ſie auf ſich luden, als ſie auf ungeraden Wegen unde perſönlicher Gegnerſchaft die Sache der Bildung jo empfindlich ji digten. Erſt 1859 erſtand die Realſchule nun in drei Klaſſen wieder. Es wiederholte ſich nicht zum erſtenmal: das raſche und entſchiedene erweckte Teutſch manche Feinde und fein Freimut ſtieß an Vorurteilen öfter unliebſam an. Das hat feine Gegner natürlich nicht gehindert, wenn ſie eines tatkräftigen Mannes bedurften, ihn um ſeine Dienſte anzugehn. Und er hat ſich nie verſagt. Insbeſonders ging er immer! voran, wenn es ſich um ſelbſtſuchtloſe Arbeit auch in der Schule handelte, Es iſt kaum ein Jahr vergangen, ohne daß zum Teil viele Monate lang Lehrer ſuppliert werden mußten ; die Kollegen haben die Arbeit nicht nur willig getan, ſondern auch auf die Honorare verzichtet, zu⸗ gunſten der Erbauung einer Turnhalle. Aus ihrer Armut brachten fie eine Gooß- und eine Binderſtiftung zuſammen, ſammelten für das Platen- und Uhlanddenkmal uff. Es gehört auch zum Ehrenkranz jener Männer, die dort um Gottes Willen dienten und aus Pflichtbewußtſein immer bereit waren, mehr zu tun als der Buchſtabe von ihnen verlangte, weil ſie nicht um irdiſchen Lohn arbeiteten.

Auch ſonſt ſind jene Jahre für Teutſch perſönlich von manchen Bitterniſſen erfüllt geweſen. Den einen war er zu deutſch, zu evangeliſch

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den andern. Der Schäßburger Bezirkskommiſſär Strohmeier verlangte die ev. Seminariſten ſollten beim Frohnleichnamsfeſt Muſik machen. Als ihm das rundweg abgeſchlagen wurde, machte er beim Gouverneur die Anzeige, Teutſch ſei ein Feind der katholiſchen Kirche damals eine ſchwere Anklage. Der Gouverneur verlangte ſofort Verweis gegen den Angeklagten und das ev. Oberkonſiſtorium war ſo ſchwach, ohne die geringſte Unterſuchung Teutſch den Verweis wirklich zu erteilen (1853). Die tiefernſte Antwort Teutſchs darauf an das Konſiſtorium, an der ſein ängſtlicher Vorſitzer Bedeus allerlei auszusetzen hatte, wies den Vorwurf als unbegründet ſehr energiſch zurück. In Augenblicken des Mißmutes konnte er hin und wieder daran denken, Schäßburg zu verlaſſen, aber er war zu ſehr mit dem Herzen bei der Arbeit der Schule, um es wirklich zu tun.

Heiterer war, daß derſelbe Strohmeier plötzlich eines ſchönen Tages auf der Schule erſchien, in jeder Klaſſe einen kurzen Satz diktierte, wie ſich herausſtellte, um die Handſchrift herauszubekommen, mit der ein Pasquille geſchrieben war, das ihm ans Tor geheftet worden war. Es amüſierte die Jungen köſtlich, als ſie merkten, daß der geſtrenge Herr nicht gut deutſch konnte und das Diktat ſelbſt nicht ohne Fehler war.

Im Jahre 1853 beſuchte Fürſt Schwarzenberg das Gymnaſium. Die Schüler hatten ihre beſondere Freude daran, daß der große Mann ſich auf die Schulbank neben ſie ſetzte und in Latein und Griechiſch zeigte, daß er in den alten Sprachen bewandert war. Bei der Über- ſetzung der erſten Verſe der Ilias, bei der der aufgerufene Schüler ſich ziemlich eng an Voß hielt, bemerkte es der Fürſt ſofort und wies darauf hin. In übermäßiger Unterwürfigkeit verehrte das Lokalkonſiſtorium dem Gouverneur den von Gottfried Henning dem Gymnaſium geſchenkten Hirſchgeweihleuchter, der im Auditorium hing, die Sage erzählt, es ſtamme von dem Hirſch, der auf dem Schulberg vor der Erbauung des Gymnaſiums geſchoſſen worden ſei zum großen Arger des Kollegiums und ſeines Rektors, der am 29. September 1853 nun das Lokalkonſi⸗ ſtorium erſuchte, Leuchter für das Auditorium anzuſchaffen.

Auch an niederdrückendem Leid im häuslichen Leben fehlte es nicht. Am 2. Januar 1852 ſtarb die Mutter, nicht ganz 59 Jahre alt. Im Vorjahre war die Kokel wieder einmal aus ihren Ufern getreten und hatte die ganze Baiergaſſe unter Waſſer geſetzt. Das Teutſchiſche Haus erſchien wegen ſeiner tiefen Lage beſonders gefährdet. Die ver⸗ witwete Mutter lag krank darnieder. Es galt, ſie aus dem gefährdeten Haus in einen ſicheren Zufluchtsort zu retten. Dazu ſchien das höher

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gelegene, dem Bruder der Kranten gehörige Nachbar! ſein. Während nun Sohn und Bruder die Art ihrer Unterbringung verabredeten ſie wollten ſie durch die tragen, weil ein Verkehr über die Gaſſe ſchon nicht mehr brach das auf der anderen Seite des Teutſchiſchen Hauſes zuſammen; das Waſſer flutete nun auch von rückwärts

hinein und ſchnitt die Flucht durch die Gärten ab. Da legte der Kranken eine lange, ſtarke, auf der unteren Seite aufgenageltes Brett geficherte Leiter von Seitenfenſter zu der beiden Nachbarhäuſer quer über den Hof, befeſtigte f Enden mit Stricken und ſtützte fie im Verein mit einem! Ermangelung anderer Stützen mit den Armen. Und dann Sohn ſeine kranke Mutter über dieſe ſchwankende Brücke g das Nachbarhaus hinüber. Die Nimmermüde war im letzten J den Sohn faſt mit Gewalt abgehalten worden, weiter die beſuchen in ihrem Nachlaß fand ſich eine Einlage in die 4 ſtädter Sparkaſſe von 300 fl., die ſie mit ihrer Hände Arbeit er und ſich abgeſpart hatte, um ſie den Kindern zu hinterlaſſen. ihren Tod tröſtete den tieftraurigen Sohn der Hermannſtädte K. Fuß mit dem ſchönen Wort: „Ein Band weniger hier, Faden mehr ins Jenſeits.“ Zwei Jahre ſpäter (am 12. Februa ſtarb der achtjährige Knabe aus der erſten Ehe, an dem der Vater unbegrenzter Liebe hing. „Er ruht in dem Grab ſeiner Mutter, Erde hat ſie beide vereinigt und der Himmel. Hat uns der ihn nur darum geſchenkt und ſo ſchnell entriſſen, daß ein neues } uns an die Vorangegangene knüpfe?“ „Hüter, ift die Nacht ſchier hin?“ Die Wunde iſt ſchwer vernarbt. Als der Frühling kam und des Ku Bild im Herzen neu erſtand, ſchrieb Teutſch ſich das ſchöne Ei dorffiſche Gedicht ab, in dem Buſch und Bach, Blumen und Schm ? ling, Kuckuck und Baum fic erkundigen: Warum fommft du jo allein?

Da ich aber ſchwieg, da rührt er Wunderbar fein dunkles Haupt, Und ein Flüſtern konnt ich ſpüren Zwiſchen Vöglein, Blüt und Laub. Tränen in dem Graſe hingen, Durch die abendliche Rund

Klagend nun die Quellen gingen Und ich weint aus Herzensgrund.

Und in eigenen Worten lieh er dem Schmerz und Troſt Ausdruck: Ja ſie ſank die irdiſche Hülle Und der Leib zerfällt in Staub, Doch der Geiſt, der edle Wille Wird nicht der Zerſtörung Raub.

101 In des Vaters heiligen Reichen Gibt es Wandlung nur, nicht Tod,

Sieh der Frucht die Blüte weichen Und aus Nacht bricht Morgenrot.

Darum ſtill ihr heißen Tränen, Die das Herz jetzt blutend weint, Gottwärts immer ging ſein Sehnen Und in Gott ſeid ihr vereint!

Im ſelben Jahre (20. April 1852) ſtarb auch ein Jahr altes Mädchen, das zweite Kind aus der zweiten Ehe, dem das erſte, nicht ein Jahr alt ſchon Dezember 1849 vorangegangen war. Die Macht der heilkräftigen Arbeit, der Aufblick nach oben haben auch dieſes Leid langſam im Herzen zurückgedrängt.

An Arbeit insbeſonders fehlte es nie. Nach altem Recht war der Rektor Schreiber der erſten Burgnachbarſchaft, daneben war er Kaſſier und Schreiber der Leſegeſellſchaft, Sekretär im Domeſtikalkonſiſtorium, Verwalter zweier arbeitsreicher Vormundſchaften. Die vielbewunderte Leiſtungsfähigkeit ſpäterer Zeit war damals ſchon bei ihm vorhanden. Daneben hat er Zeit gefunden, die Einnahmen und Ausgaben des eigenen Haushaltes Jahr für Jahr genau aufzuzeichnen, wichtigere Briefe und Eingaben ſich abzuſchreiben, Aufzeichnungen aus ſeinem Leben zu machen, aus der Lektüre ſich „Denkſteine“ aufzuſchreiben, bei feſtlichem Anlaß das Wort zu paſſenden Verſen zu fügen. Und das alles neben den hiſtoriſchen Arbeiten.

Die Anregungen dieſes Kollegiums mußten auch in weitere Kreiſe dringen. Auf ſein Andrängen, das Teutſch auch in brieflichem und perſönlichem Verkehr vor allem mit Joh. C. Schuller und Bedeus immer aufs neue aufnahm, gelang es endlich, der ſiebenbürgiſchen Geſchichte im Gymnaſium den ihr gebührenden Platz zu erobern. Das Jahr 1853 führte Teutſch aus Anlaß der Luſtrierung des Biſtritzer Gymnaſiums nach Biſtritz, wo die Freundſchaft mit Budaker und Wittſtock neuen Gewinn brachte; das Gymnaſium dort iſt durch jene Luſtrierung ein neues geworden. Von ihr ging die Anregung zur Feſtſtellung einer gemeinſamen Klaſſifikation, einer neuen Ordnung der Kandidaten prüfungen aus.

An die arbeitsfrohen Tage der Luſtrierung ſchloß ſich ein Ausflug mit einigen Freunden auf das Kuhhorn, der Teutſch in dauernder Erinnerung geblieben, wie er überhaupt für ſolche Fahrten friſcheſte Genußfähigkeit beſaß. Als ſie an der kalten Quelle unter der Spitze

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des Kuhhorns lagerten, kam von der Bukowina her ein Fremdling auf ſie zu und bald war zwiſchen ihm und Michael Fuß ein botaniſches Geſpräch im Gang. Fuß zog eine Pflanze aus der Botaniſierbüchſe heraus und ſprach: was gäb ich drum, wenn ich wüßte, ob dieſe Pflanze Senecio carpat. Herbich. iſt und entwickelte, was dafür und dagegen ſprach. Der andere entgegnete, er könne es ihm ſagen und führte aus, warum die Pflanze die vermutete ſei. Dann müſſen ſie fuhr Fuß fort ſelbſt Herbich ſein, der die Pflanze beſtimmt hat; und ich entgegnete dieſer kann niemand andern vor mir haben als Fuß aus Hermannſtadt. Sie hatten ſich bis dahin nie geſehen. Die Freunde aber ſtießen unter dem Jubel der Genoſſen in goldenem Steiniger auf die Macht der Wiſſenſchaft an, die die Geiſter zuſammenführt und einigt. Dann beſtiegen ſie die Spitze des Bergrieſen (7159 Fuß hoch) und ſangen nicht ohne Bewegung: „Stoßt an mit hellem hohem Klang“ ein Gruß und ein Gelübde an die Heimat.

Die Wirkung der Schäßburger Schule aber zeigte ſich in ſchönſter Weiſe an den Schülern. Vielleicht keinem unſerer Gymnaſien ſind die ehemaligen Schüler in einer ſo faſt ſchwärmeriſch hervortretenden Liebe verbunden wie dem Schäßburger. Das kam davon, daß die Schule das Herz der Jungen zu packen verſtand. Sie fühlten, daß dieſe Lehrer alle miteinander für die Schule lebten, daß was ſie ſonſt taten ſich dieſem Gedanken ein- und unterordnete. Wohl ſpotteten ſie in einem dem Lied „Mein Lebenslauf iſt Lieb und Luſt“ hinzugedichteten Vers der ſtrengen Schulordnung und ſangen fröhlich:

Der .. geht im Rieſenſchritt

Zu ſpionieren aus;

Er hat en Rock nach neueſtem Schnitt Aus dunkelgrünem Flaus.

Er meldet Sr. Exzellenz:

's ſteht Alles nach Manier

Und die geehrte Konferenz

Zahlt ihm nen Schnaps dafür,

aber in der harmloſen Fröhlichkeit empfanden fie, daß die Schule fie arbeiten lehre und nahmen als beſten Gewinn den Gedanken der Pflicht mit, der Zahlloſen das Leben geadelt hat.

Auch die äußere Umgebung der Schule war freilich ſo, daß ihnen das Leben dort lieblich eingehen mußte. Von ſtolzer Bergeshöhe neben der Kirche ſieht ſie ins weite Land hinein, ein deutungsvolles Bild für deren Stellung in der Vergangenheit und Gegenwart des ſächſiſchen

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Volkes. Ringsum war ſie damals von den alten Mauern und Türmen der Befeſtigung umſchloſſen, die Burg und Schulberg umzogen. Und dazwiſchen nun Bäume, Blüten, Garten. Mit Hülfe der Lehrer und Schüler war die Umgebung der Schule zu einem Park umgewandelt worden, deſſen Hauptſchmuck alte Linden und junge Kaſtanienbäume waren. Auf der einen Seite zog das „Kollegiengärtchen“ ſich hin, an den alten Mauern rankten ſich die Reben empor und grüßten die Apri⸗ koſen, an der Kirche hatte der Präfekt ein eigenes Plätzchen, im Schatten des zerfallenden Goldſchmiedturms erhoben ſich die erſten Turngeräte, an der Seite der alten Schule lernten die Seminariſten Obſt⸗ und Gartenbau, vor der neuen Schule wölbte allmählich die große Eſche ihre langen Aſte zur ſchattigen Laube, auf der Mauer blühte der Flieder und man konnte in den Viertelſtunden den Jungen oben lernen hören: amo, amas, amat, der ſich vor den lärmenden Scharen, die in allen Gängen ſpielten, dorthin zurückgezogen hatte. Auf der anderen Seite ſtimmungsvoll der Friedhof, hier Leben dort Tod, dem Zauber des Gegenſatzes und des Ineinanderwebens von Tod und Leben mußte ſich auch das junge Herz hingeben. Die Lehrer aber und der Rektor hatten für dieſes Naturleben der Schule, wie es ſich in Spiel und Scherz, im Verkehr der Schüler, in ihren Neigungen und Eigenarten entwickelte, ein tiefes Verſtändnis und es blieb dem Individualismus Raum zur Entfaltung. Da die Seminarſchüler auf der Schule wohnten, ging der Rektor häufig aus der Stadt zur Viſitation hinauf, zu den ſeltenſten Stunden, von abends bis nach Mitternacht und ein ganzer Anekdoten⸗ ſchatz knüpfte ſich daran, zuweilen der Wirklichkeit entnommen. Einſt kam er im Winter ſpät abends die Schultreppe hinauf; im „Umweg“ fo hieß der Fahrweg auf die Schule war ein ungewöhnliches Leben, ein lautes Rennen, Lachen und Jagen, die „Togaten“ die auf der Schule Wohnenden, die damals als Dienſtkleid die Toga trugen fuhren den ſteilen Berg hinunter auf den Schulbänken und Tiſchen Schlitten. Da entdeckt einer den kommenden Rektor. Im Nu ſind Tiſche und Bänke im Stich gelaſſen und wie der Rektor einige Augenblicke ſpäter in die Wohnzimmer tritt, iſts überall dunkel und alles ſchläft.

Ein andermal kam er wieder nach zehn Uhr „auf den Berg“. In der „Oratorkammer“ iſt das luſtige Völkchen zur Aufführung der „Stillen Muſik“ bei einander. Alles iſt im beſten Gang: am Spazierſtock bläſt der Klarinettiſt, an einem langen Holz der Fagottiſt, an einer Ofenröhre der Flügelhorniſt, der Paukenſchläger ſchlägt mit einem zus ſammengerollten Polſter auf eine aufgeſpannte Bettdecke, der Organiſt

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ſpielt auf dem Rücken eines Gebückten, der Kapellmeiſter ſchneidet ſeine Grimaſſen und der einzige Zuſchauer ſperrt Mund und Augen auf und ſchlägt die Hände über dem Kopf zuſammen da kommt der Rektor; doch um die lautloſe Muſik nicht durch ein herzliches Lachen zu ſtören, ging er ſtill wieder aus der Kammer hinaus. Im

1858 fand das Seminar in Schäßburg ungewöhnlichen Zulauf. Jeder Schüler war vom Militärdienft befreit und nun kamen gediente Kantoren und Glöckner, alte Knechte mit langen Bärten und alten Sünden zur Schule. Man merkte es bald an dem Geiſt der „Togaten“. Da am Ende eines Judiciums, das regelmäßig am Sonnabend ſtattfand, ſprach der Rektor mit bebender, trauriger Stimme: „Im Zuſammenhang damit, was ich über die Zuſtände im Coetus weiß, leſe ich zur Warnung und Mahnung Allen ein Kapitel aus dem Corintherbrief“ und nun las er die Flammenworte des 6. Kapitels, den 9.—20. Vers. Das machte einen ſolchen Eindruck, daß faſt zwei Dutzend der Schüler ſich beim Direktor meldeten und ihre Fehler bekannten. Einige mußten von der Schule entfernt werden, die andern wurden unter ſtrenge Aufſicht geſtellt und alle ſind redliche Menſchen und brave Familienväter geworden.

Ein Zug, der den geborenen Schulmeiſter zeigte, war, daß er in manchen verkannten Schülern durch ein Wort zur rechten Zeit das Be- wußtſein ihrer Kraft erweckte und fie auch vor andern zu Anſehn brachte.

Ja, auch die dort oben auf dem Schulberg Wohnenden hielt des Rektors Auge von unten er wohnte in der Stadt in Zucht, oder wie er einmal auf die erſtaunte Frage eines Kronſtädter Kollegen, wer denn da oben über die Schüler wache, entſchieden antwortete: das Geſetz. Und wenn nun gar die ganze Schule das Maifeſt feierte, dort ſeit alter Zeit Skopation genannt lehmals Auszug in den Wald, um Beſen zu binden), und mit Trommeln und Fahnen in kriegeriſcher Weiſe hinauszog und der Rektor beim Aufbruch auf der Schule, beim Wettlauf im Wald, bei der Ver⸗ teilung der Preiſe, bei der Begrüßung in der Laube der Chlamydaten und Togaten, die ihm den Becher Wein kredenzten, freudiggehobenen Herzens zur jungen Schar redete, ſo gab das immer neue Fäden des Zuſammenhangs, der Hochachtung, der Liebe.

Teutſch verſtand es insbeſonders meiſterhaft, Schulfeſte in den Mittelpunkt nicht nur des Schullebens, ſondern der Stadt zu ſtellen. In tiefernſter Vorbereitung wurde der Abendmahlsfeier der Schule jährlich, nur im Kreis der Schüler, die rechte Weihe gegeben. Aber am Schluß des Schuljahres, in Anweſenheit der Spitzen der Stadt, des Kapitels, der Lehrer und Eltern der Schüler wußte er Töne anzuſchlagen,

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die lange nachhallten. Am liebſten ſprach er über allgemeine große Ge— danken: 1853 was das Gedeihen einer Lehranſtalt an die Lehrer fordere: wiſſenſchaftliche, pädagogiſche, chriſtliche Bildung; 1854 was das Gedeihen einer Lehranſtalt an Geiſt und Richtung der Zeit fordere: Teilnahme, Ernſt und Tiefe, 1857 vom Elternhaus, wo ausgeführt wurde, daß die Beſtimmung der Schule zweierlei in ſich ſchließe, Unterricht und Er- ziehung, über die Aufgaben der Realſchule (1856), des Seminars (1861). Bei beſondern Veranlaſſungen veranſtaltete die Schule beſondere Feiern, es geſchah da, wo es große Gedanken der deutſchen Bildung, des evang. Glaubens, heimiſcher Entwicklung zu feiern galt. Am 25. Juni 1858 wurde das 50 jährige Dienſtjubiläum des Biſchofs Dr. G. P. Binder in der Landeskirche gefeiert, am innigſten in Schäßburg, deſſen Lehrer und Schüler er geweſen war. Der Rektor, der die Feſtrede hielt, ſprach dabei von dem, was eines Geſchlechtes Würde und Dauer begründe, von der Bildung, der Schule, der Kirche und führte auch hier von der Perſon auf die idealen Gedanken, die jenes Leben verkörperte. Am 10. November 1859 feierte das ſächſiſche Volk um ſeine Gymnaſien ges ſchart den hundertjährigen Geburtstag Schillers. Der Schäßburger Feſtredner wußte die ganze Glut nationaler Empfindung in die Worte hineinzulegen, mit denen er den Dichter als den Hoheprieſter vater» ländiſchen Sinnes, der Freiheit und reiner ſchöner Menſchlichkeit pries, um deſſentwillen das deutſche Volk in Schiller ſeinen Lieblingsdichter verehre, und in dem Spruch, mit dem er die „Schillerfahne“ des Gym— naſiums weihte und beim Feſtmahl auf die Erinnerung des Dichters den Becher hob, klang das Gelübde durch, daß wir den Gütern des deutſchen Geiſteslebens treu bleiben wollten. Am 22. April 1860 wurde der dritte Säkulartag von Melanchthons Tod zur Erinnerung an ihn und ſein Lebenswerk benützt. In jener Zeit, wo auf dem politiſchen und geiſtigen Leben der Sachſen der beengende Druck des Abſolutismus lag, wo evangeliſches und deutſches Leben in gleicher Weiſe beargwöhnt und verdächtigt wurde, wurden auch ſolche Reden zu Taten. Die Erinnerung an ſie iſt heute noch nicht aus dem Gedächtnis der Zeit genoſſen entſchwunden.

Aber damals ſchon reichten die Beziehungen Teutſchs über die Vaterſtadt hinaus. Im nahen Mediaſch, damals freilich faſt eine Tages- reiſe von Schäßburg, lenkte der liebe Freund Karl Brandſch in ähnlichem Geiſt die Schulen wie der Schäßburger Rektor. Rückſichtslos hatte er einmal den ganzen „Cötus“ das Jahr wiederholen laſſen, keinen einzigen Schüler promoviert und hatte damit mit einem Mal Disziplin und

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Fleiß hergeſtellt. Dort ſchrieb Franz Obert das erſte heimiſche Leſebuch, das einem Bedürfnis entſprach und freudig aufgenommen wurde. In Kron- ſtadt waren die Brüder Schiel, Maager, Wilhelm Schmidt gleichſtrebende Genoſſen, J. Hintz und Dr. Fabritius Kameraden der Schäßburger Schule, E. v. Trauſchenfels ein junger neugefundener Freund, der in Publiziſtil, Politik und Wiſſenſchaft anfing durch Wiſſen und Charakter eine an geſehene Stellung ſich zu erringen. In Biſtritz waren G. Budaker und H. Wittſtock die Träger der neuen Gedanken, die mit den Genoſſen im „Niederland“ an der Wiedergeburt des ſächſiſchen Volkes hoffnungsfroh arbeiteten. In Mühlbach war Fr. W. Schuſter (geb. 1824) Rektor des Untergymnaſiums gleichfalls ein Freund Teutſchs; er war kurze Zeit ſein Schüler geweſen. Schuſter ſtand ihm vielleicht gerade darum jo nah, weil er ſich nie an ihn gedrängt hatte. Ein Mann, der ſeine eigenen Wege ging, über Politik und Literatur, Poeſie und Muſik ſeine eigenen Gedanken hatte, auf germaniſtiſchem Gebiet ein Gelehrter erſten Ranges unter uns, dabei ein wirklicher Dichter, der größte, den wir gehabt haben, ſpäter als Stadtpfarrer in Broos einer unſerer beften Kanzelredner, gedankenvoll, ſprachgewaltig und formgewandt, eine in ſich geſchloſſene Perſönlichkeit mit Kanten und Ecken, aber ein Mann, dem alle krummen Wege verhaßt, alles Unwahre ein Greuel, alles Windige und Schwankende ein Eckel war. Mit ſouveräner Verachtung dachte und ſprach er von allem Schablonenhaften, von Tagesſchlagworten und dem Parteigetriebe, das ſo oft das Denken mancher Genoſſen in Bande ſchlug, eine Welt für ſich, wahr, treu und fromm. Die erſte Ausgabe ſeiner Gedichte (1858) widmete er Teutſch und ſchon früher hatte er an Haltrich einmal geſchrieben: was macht Teutſch, unſer Stolz, unſere Hoffnung, unſere Zukunft?

Auch in Hermannſtadt waren von Altern Baron Bedeus (+ 1858), Johann C. Schuller (F 1865), von den Jüngern die Brüder Fuß, J. Michaelis, Ad. Bergleiter, C. Harth, L. Reiſſenberger, dann Konrad Schmidt, C. Sigerus, G. Seiwert, H. Schmidt, Fr. Hann, der übrigens 1850 nach Wien ging, alte Bekannte und Freunde, mit denen der Verkehr nie unterbrochen wurde.

Dazu kamen in wachſender Zahl die heranwachſenden Schüler, die er auch auf der Univerſität in ihren Studien förderte, mit Rat und Tat ihnen half und die mit treuer Freundſchaft die empfangenen Wohl- taten erwiderten.

Auch die Hausfrau half freundlich und gütig mit, wenn es galt, einem armen oder plötzlich verwaiſten Studenten Mittagstiſch oder ſonſt

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Hülfe zuzuwenden. An ihr Urteil wies der Rektor die „Togaten“, wenn ſie klagen kamen, daß die aus der Stadt auf die Schule täglich hinauf— getragene „Coquin“ nicht gut zubereitet ſei.

In welcher Weiſe Teutſch und ſeine Kollegen in Schäßburg die Schüler förderten, das ſoll einer hier ſelbſt erzählen, Georg Schuller, der ein Bauernſohn aus Halvelagen, wo er es zum Jung-Altknecht gebracht hatte, das Schäßburger Seminar beſuchte, um Volksſchullehrer zu werden. Beim Leſen der deutſchen Klaſſiker empfand er ſchmerzlich, daß er die mythologiſchen Namen und Beziehungen nicht verſtand und bat Teutſch, der damals (1849) Konrektor war, und im Obergymnaſium griechiſche und römiſche Mythologie und Altertümer vortrug, er möge ihn an dieſer Vorleſung teilnehmen laſſen. Und Schuller ſelbſt erzählt nun:

„Gern wurde mir dieſe Bitte gewährt, und der Supernumerarius entwickelte bald ein lebhaftes Intereſſe an dem Lehrgegenſtande. Nach einigen Wochen hielt mich der Lehrer am Schluß der Stunde im Lehr- zimmer zurück und machte mich unter Anerkennung meines Fleißes darauf aufmerkſam, daß die Mythologie doch nur ein geringer Teil deſſen ſei, was das klaſſiſche Altertum denen biete, die durch eingehendes Studium ſich damit beſchäftigen, alſo durch gründliche Gymnaſialſtudien die Pforten desſelben betreten. Er rate mir daher zu überlegen, ob ich nicht durch Privatſtudien die lateiniſche und griechiſche Sprache mir ſoweit aneignen wolle, daß mir der Übertritt ins Gymnaſium noch möglich werde. Zwar ſei es bei meinen 19 Jahren nun ein wenig ſpät damit, aber bei ausdauerndem Fleiß und gewiß wohlwollender Förderung ſeitens der betreffenden Lehrer wäre das wünſchenswerte Ziel doch wohl noch zu erreichen. Und welch eine viel ſchönere Lebensbahn täte ſich mir durch Abſolvierung des Gymnasiums auf! Tiefen Eindruck machte dieſer wohlgemeinte Vorſchlag, und was der verehrte Mann zu ſeiner Begründung weiter anführte, auf mich.

Die Eltern gaben ihre Zuſtimmung und Luſt und Liebe zur unter— nommenen Sache errangen den Erfolg, daß der Seminariſt im folgenden Schuljahr, abgeſehen vom Griechiſchen, als ordentlicher Schüler in die ſechſte Gymnaſialklaſſe aufgenommen wurde, wo ich nun nach zwölf— monatlichen lateiniſchen Studien bereits den Livius zu überſetzen bekam und nach der erforderlichen Einübung von Proſodie und Metrik auch Abſchnitte der Aeneis von Vergil, wo ich weiterhin in lateiniſcher Proſa Aufſätze zu verfaſſen hatte, ja nach einigen Monaten ſogar die „Auſtria“ in Hexametern, den „Laokoon“ in Diſtichen und die „Sappho“ in ihrem eigenen Metrum in der Sprache Roms zu beſingen veranlaßt wurde,

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allerdings unter milder Beurteilung feitens des Lehrers, der aber weder grammatiſche, noch proſodiſche Verſtöße nachſah und es fo trefflich ver⸗ ſtand, minder geübte Kräfte zu immer beſſern Leiſtungen anzufpornen (Profeſſor Müller, der nachmalige Biſchof). Gleichzeitig wurde nun in dieſem Schuljahr das Griechiſche mit aller Energie privatim in Angriff genommen und mit dem Erfolg, daß in der folgenden (VII) Klaſſe der geweſene Seminariſt ordnungsgemäß die Ilias von Homer mitleſen konnte, wenn auch die Vokabeln ihm noch ſehr viel zu ſchaffen machten.

In dieſer, der ſiebenten und auch in der achten Klaſſe lag der lateiniſche Unterricht nun in G. D. Teutſchs Händen, der inzwiſchen Direktor des Gymnasiums geworden war. Sein Betrieb dieſes Unter- richts, inſonderheit die Interpretation der großen römiſchen Schrift ſteller, erfüllte die Schüler mit freudigem Eifer für die Sache. Gediegene Überſetzungen wurden in den Lehrſtunden zuſtande gebracht, fo z. B. von der ſchönen ciceronianiſchen Rede pro Archia poeta und von Tacitus gehaltvoller Germania und Teilen ſeiner markigen Hiſtorien, es waren Lektüren, die auch von ſpäter über dieſelben Materien gehörten Uni- verſitätsvorleſungen nicht verdunkelt wurden. Unvergeßlich klang manches Wort in den Ohren und Gemütern der Schüler nach, ſo u. a. das vom Lehrer mit ergreifender Emphaſe rekapitulierte Zornwort des Tacitus: »Solitudinem faciunt, pacem appellant.« Reich an bleibenden Ein- drücken waren aber auch die beiden anderen Vorleſungen, welche die Klaſſe zwei Schuljahre hindurch bei dieſem Lehrer zu beſuchen das Glück hatte: Religion und Geſchichte, geläuterter, in Schrift und Vernunft fundierter Proteſtantismus dort, hier das großartige Bild der vater⸗ ländiſchen Geſchichte, von der quellenkundigen Hand des Forſchers vor den Augen der horchenden Schüler entrollt. Freilich, ſo groß der Genuß des Anhörens war, ſo ſchwierig die verlangte gründliche Wiedergabe in den Wiederholungen.

Doch endlich ſtand die kleine Zahl von ſechs Kommilitonen am Ziele; ſie beſtanden die Maturitätsprüfung alle, ob auch in Einzel⸗ ergebniſſen unterſchiedlich, „mit Auszeichnung“ (1853). Der Weg zur Hochſchule ſtand ihnen offen; drei von ihnen wählten den Beruf des Theologen in Verbindung mit dem Lehramt, unter ihnen auf Anraten meiner Lehrer, insbeſondere des Direktors Teutſch, und nach eigener Neigung auch ich, freilich erſt, nachdem die ſchwierige Frage wegen Be⸗ ſtreitung der Koſten vorläufig beſchwichtigt war. Auch hierzu bot mein Berater und Gönner die helfende Hand. Er ſagte den Eltern im Bedarfs- falle Aushilfe mit verzinslichen Darlehen aus von ihm verwalteten Fonds

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zu. Und tatſächlich find zumeiſt aus dieſer Quelle die laufenden Koſten der Univerſitätsſtudien beſtritten worden.

Dann kam der Tag des Abſchieds von Lehrern und Mitſchülern, am ergreifendſten vom Direktor Teutſch beim letzten Gang zu ihm. Mit einem Zitat aus Tacitus ſprachen ſie ihren Dank aus für alles, was er für ſie getan, und gelobten unter Handſchlag Treue in Streben und Wandel. »Quod Deus bene vertate, lautete unter Segenswünſchen ſeine Erwiderung und dann »Valete!« Sodann noch ein wehmütiger Abſchied vom Geburtsort, von Eltern und Angehörigen beim Antritt der Reiſe nach Deutſchland. Sie ging über Hermannftadt, Klauſenburg, wo St. L. Roths gedacht wurde, nach Szolnok, denn da erſt begann dazumal die Eiſenbahn; dann über Peſt nach Wien, wo ich zwei Wochen hindurch mit Paßſchwierigkeiten zu kämpfen hatte, denen erſt die erbetene Intervention des württembergiſchen Geſandten abhalf. Die unfreiwillige Muße gewährte mir Zeit, die Reſidenz und einen beträchtlichen Teil ihrer Sehenswürdigkeiten in Augenſchein zu nehmen. Der nächſte Auf- enthalt war in dem ſchönen Salzburg, dann in Bayerns Hauptſtadt München, wo ich von Direktor Teutſch an den ihm befreundeten Pro⸗ feſſor der Militärakademie Thomas empfohlen war und bei dieſem eine ſehr freundliche Aufnahme und Führung zu den hervorragendſten Sehens— würdigkeiten fand.

Am 19. Oktober erreichte ich Tübingen. Da ſaß nun der Neuling in dem berühmten „Stift“ zu den Füßen des großen Kirchenhiſtorikers v. Baur und hörte auch altteſtamentliche Gegenſtände bei Profeſſor Meier im Univerſitätsgebäude, philoſophiſche bei Profeſſor Reiff und Viſcher und philologiſche bei Profeſſor Schwegler und Roßbach. Von der Auswahl der Kollegien ſetzte ich Direktor Teutſch in Kenntnis, was dieſem Anlaß zu lehrreichen Außerungen gab, aus denen ſich ein anregender Brief- wechſel entwickelte, der bis zum Ende der Univerſitätsſtudien ſeines Schützlings fortdauerte und allerlei Studienangelegenheiten und Vor⸗ kommniſſe auch an der heimiſchen Schulanftalt betraf, nicht minder die häufigen Geldbedürfniſſe des Studenten, für deren Befriedigung jener im Einverſtändnis mit den Eltern des letztern umſichtig und unermüdlich Sorge trug.

Zwanzig iſt die Zahl der Briefe, die ich in dieſen zwei Jahren von dem verehrten Manne empfing; ſie ſind alle noch vorhanden, und zum Beweiſe deſſen, wie ſie lehrreich orientierenden, ermunternden und tröſtlichen Inhaltes voll ſind, ſei es geſtattet, einige Stellen daraus hier wörtlich folgen zu laſſen.

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Gleich der erſte beginnt: „Lieber Freund! Ihr freundliches Schreiben vom 3. Jänner iſt mir der zweite angenehme Bote zum neuen Jahre aus dem teuren deutſchen Mutterland geweſen. Einige Tage früher erhielt ich einen lieben Brief von Thomas, und was Sie mir von dem Treff: lichen ſchreiben, war mir eine wohltuende Ergänzung zu dem, was er mir von Ihrem Beſuch ſchreibt. Ja, es gibt der wackern Herzen noch viele, viele, und in Deutſchland ſchlagen ſie höher und reiner als irgendwo! Sie haben recht, daß Sie ſich glücklich preiſen, jetzt an der Quelle ſeines reichen Lebens trinken zu können; genießen Sie die fo kurze Zeit, die Ihnen dort zu bleiben vergönnt ſein wird, wie Sie begonnen, in ernſter Hingabe an die Studien, quae adolescentiam alunt, senectutem oblectant.“

Mit der getroffenen erſten Auswahl der Kollegien war er nicht ganz einverſtanden. „Wir wiſſen, daß man in der Auswahl der Kollegien an einer kleinen Univerſität ſtets mehr oder weniger gebunden iſt und manches nehmen muß, wann und wie es kommt. So wird es Ihnen mit Viſcher gegangen ſein. Das iſt ein ſehr geſcheuter Mann und eine anregende Perſönlichkeit was bei einem Lehrer ebenſo viel heißt als jenes und jo werden Sie jeine Aſthetik gewiß nicht ohne Nuten hören, wenn Sie auch vielleicht das Kapital Ihrer Zeit, abſolut betrachtet, auf reichere Zinſen hätten legen können. Denn die Aſthetik gerade nad) Viſchers geiſtreicher Betreibung fordert ein enormes Maß literariſcher und kunſthiſtoriſcher Kenntniſſe. Ohne eine ziemlich genaue Bekanntſchaft mit Shakeſpeare, den Malerſchulen ꝛc. geht es ſchwer ... Ahnlich wird es ſich vielleicht mit der Geſchichte der Philoſophie verhalten. Man hört ſie mit unverhältnismäßig größerem Nutzen, wenn man irgend ein Syſtem gründlich bereits ſtudiert hat. Dazu werden Sie weder Zeit noch Luft haben und ich würde es keinesfalls raten. Aus jedem vorurteilsfreien, gründlichen Studium einer Wiſſenſchaft entwickelt ſich von ſelbſt jene Philoſophie, ohne die die wahre Wiſſenſchaft überhaupt und alſo auch Theologie nicht denkbar iſt. Gerade in Deutſchland verſteht man unter Philoſophie oft nur das Beſtreben, die gerade herrſchende Tagesmeinung in Staat und Kirche mit um jo glänzenderem Flitter hohler Rede zu umkleiden, je nichtiger und unhaltbarer der Kern iſt, und gerade jetzt taucht dort an vielen Orten die Bemühung auf, unter jenem Namen auf dem Gebiet der proteſtantiſchen Entwicklung altdogmatiſche Anfichten wieder zur Geltung zu bringen, die hiſtoriſch und echtphiloſophiſch bereits überwunden ſind. Ihr nüchterner Sinn wird Sie von jenem Abweg gewiß fern halten und erkennen laſſen, daß die, gewöhnlich bei

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ihrer Geburt ſchon erſtarrenden häufigen Schulformen der Philoſophie ſich zur echten Philoſophie dem nimmermüden Beſtreben des Menſchen— geiftes, ſich über die höchſten Güter klar zu werden und alle Ergebniſſe der Entwicklung miteinander in Zuſammenhang und Übereinſtimmung zu bringen ſo verhalten, wie das Ollämpchen, um nicht zu jagen das Irrlicht zum Sonnenlicht.

Darum bedauere ich es nicht, daß Sie nicht Logik hören. Sie brauchen es auch in den ſpäteren Semeſtern nicht zu tun. Der Kern der Logik, die Auseinanderlegung der Denkformen, iſt namentlich für den pſychologiſch Gebildeten ein Kinderſpiel, das man an einem Nach— mittag an der Hand eines klugen Buches weg hat, oder wohin ſchon eigenes Nachdenken führt.

Dagegen müſſen Sie ſich entſchieden gleich jetzt zu einem Fach— ſtudium wenden. Erſchrecken Sie mir aber ja nicht darüber! Wenn Sie ſich für eines entſcheiden, ſo heißt das nicht, ſie müſſen bis zum Abgang von der Univerſität Meiſter desſelben werden. Wem gelingt das in unſeren Verhältniſſen auch bis zum Abgang aus dem Leben? Sondern: daß Sie neben Theologie insbeſondere jene Wiſſenſchaft und überhaupt alles mit bezug auf dieſe treiben. Und da rate ich Ihnen dringend lateiniſche, deutſche Philologie und Geſchichte zu wählen.

Die erſte und die letzte von dieſen ſind ja faſt Schweſtern der Theologie, die ſelbſt weſentlich philologiſch und geſchichtlich iſt; Ihre Vorbildung und Ihre Neigung kommt dieſer Richtung fördernd entgegen. Sorgen Sie nicht, es wird Raum ſein an unſerer Lehranſtalt auch für Ihre Kraft, da der Weinberg ſo groß und der Arbeiter ſo wenig. Ich würde mich ſehr freuen, wenn Sie bereits auf die nächſten Semeſtral⸗ wahlen dieſe Geſichtspunkte Einfluß nehmen ließen. Kollidiert ein jefun- däres thevlogiſches Kolleg mit einem primären der Fachſtudien, ſo laſſen Sie das erſtere fahren. Sie werden dies gewiß nicht mißverſtehen; die Eigentümlichteit unſerer Verhältniſſe bedingt es mit und unſere Kirche hat ſich bisher dabei nicht ſchlecht befunden.“

Charakteriſtiſch iſt auch der Schluß des Briefes:

„Erfreuen Sie mich bald wieder mit Ihrem Schreiben; was Ihnen immerhin aufſtößt in Ihrem Geiſtes- und Gemütsleben, es iſt mir und allen Ihren Freunden hier nicht gleichgiltig. In allen zukünftigen Briefen aber laſſen Sie jede ſteife Titulatur aus und weiſen Sie dem „Wohl- geboren“ mir gegenüber die Rumpelkammer an.

Und ſo bleiben Sie geſund und Gott befohlen! Mit herzlichem Gruß Ihr aufrichtiger Freund T.“

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Der nächſte Brief, eine Beilage zu einer Geldſendung, enthält mit Bezug auf die, durch den damals tobenden Krimkrieg bewirkte enorme Höhe des Agios beim Umwechſeln überſandter Banknoten (bis zu 28 ) u. a. den Paſſus:

„So find die europäiſchen Verhältniſſe ein Rechnungsfattor in dem Leben eines armen ſächſiſchen studiosus theologiae, und ich hoffe, Sie entbehren des Hochgefühls nicht, das für Sie aus dieſem Bewußtſein Ihrer Solidarität mit Europas höchſten Intereſſen hervorgehen muß.“

Wenn nur nicht dies Hochgefühl dem armen Kerl und andern Leidens⸗ genoſſen durch den großen Geldverluſt Entbehrungen auferlegt hätte!

Ein ſpäteres Antwortſchreiben beginnt mit den Worten:

„Ihr letztes Schreiben voll tiefer Wehmutsklänge (die durch trübe Nachrichten der Eltern hervorgerufen worden waren) habe ich vor wenigen Tagen erhalten und beeile mich, es zu beantworten. Wenn es über den

hoffnungsreichen Frühlingsknoſpen Ihrer Entwicklung die trüben Wolken

ſchatten der Sorge zeigt, jo iſt es natürlich, daß ich bei der tiefen Teil⸗ nahme, welche ich für Sie hege, hier verſuche, durch Hinweiſung auf andere Standpunkte der Betrachtung die drohenden Nebelgeftalten auf ein richtiges Maß zurückzuführen .. . Ihre Eltern find entſchieden brave, ſehr brave Leute; aber wenn die Briefe derſelben nun Klagen enthalten über die Koſten des Univerſitätslebens, ſo iſt das doch nicht ſo gemeint, wie Sie es nehmen. Daß bei den kleinlichen Geldverhältniffen, in welchen wir uns alle bewegen, ſolche Summen ihnen noch höher erſcheinen, als ſie in der Tat ſind, iſt natürlich; die Schwierigkeit der Herbeiſchaffung derſelben wird fie wohl ebenjo vergrößern, als das Sie ehrende Kindesherz, das die Sorge der trefflichen Eltern doppelt fühlt. Laſſen Sie durch ſolche Verhältniſſe ihren Lebensmut ja nicht über Gebühr herabſtimmen. So oft ich Ihren Vater oder Ihre Mutter ſpreche, kümmern ſie ſich nicht jo ſehr um die Koften, als um die Geſundheit des fernen Sohnes; ſorgen Sie ſich auf die in geiſtiger und leiblicher Beziehung auch durch Maßhalten in der Studienzeit und das Übrige wird von ſelbſt kommen. So darf Ihnen dann auch vor der Zukunft nicht ‚bangen‘. So wenig Ihre Jugendzeit ‚freudenlos‘ war gehörten Sie doch einem braven Familienkreis an, hatten Freunde und Lehrer, die Sie liebten, empfänglichen Sinn für das Schöne und die reine Luft, die aus dem Leben in der Wiſſenſchaft, ſeien es auch nur ihre Anfänge, ſtammt! wird Ihre Zukunft kummervoll ſein. „Der Menſch lebt nicht vom Brot allein.“ Ich könnte Ihnen nicht Einzelne, ſondern eine Reihe Trefflicher nennen, die unter weit drückenderen

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Verhältniſſen den friſchen Mut und das freie Herz bewahrt. Wenn Sie in die Ernte über ein Jahr nach Hauſe kommen, ſo haben Sie hier ſogleich eine Lehrerſtelle mit 300 fl. E-M., Quartier ſollen Sie, wenn es Ihnen gefällt, in meinem hinteren Zimmer unentgeltlich haben; nein, nicht unentgeltlich, ſondern um den Hauszins einer jährlich zu schreibenden Abhandlung aus meinen Urkundenſammlungen; Brot ſchickt Ihnen der Vater; die Freude der Mutter um den zurückgekehrten Sohn wird es würzen und Sie ſprechen noch von kummervoller Zukunft. Allerdings wird es Ihnen auch an Sorgen nicht fehlen. Aber Sie werden aus ganz anderen Quellen ſtammen, als Sie jetzt meinen. Es wird die Sorge ſein, die gerade der Gewiſſenhaftigkeit und der Er— füllung des unendlich ſchweren Lebensberufes zur Seite geht; der Kummer, wenn Sie innere Fäulnis und Verfall ſehen in Kreiſen und auf Lebens gebieten, wo man das Recht hat, Geiſt und Tatkraft zu erwarten ... Sorgen, die auch Sie erwarten, die auch Sie ertragen werden im Hinblick auf den, der neues Leben ſelbſt aus den Gräbern ruft ...

Bezüglich Berlins nehmen Sie die Sache in reife Überlegung. Sie gewinnen für Ihr geiſtiges Leben doppelt, dreifach durch zwei zuſammenhängende Semeſter ...

Ihrem Wunſche um Geldſendung entſprechen Ihre Eltern durch mich. Ich ſchicke Ihnen mit dem morgigen Poſtwagen fl. 100 C.- M., zunächſt freilich nur 50 fl. in Zwanzigern. Ich habe fie um 28 % gekauft. Nach der heutigen Zeitung ſteht das Agio in Augsburg 38; ſo haben Sie 10%, reinen Profit und wollen noch klagen!

Und nun ſegne Sie Gott! Bleiben Sie wacker und ſchreiben Sie bald! ...“

In ſolcher Weiſe ſuchte der großmütige Gönner den zeitweilig Gedrückten und Verſtimmten aufzurichten. Seinen Wunſch, daß ich ſchon zum nächſten Winterſemeſter nach Berlin gehe, wirkten äußere Umſtände entgegen, beſonders der, daß ich ſeit Beginn des Jahres ein, wenn auch beſcheidenes, Stipendium von der Univerſität bezog und daß ich im Begriff ſtand, mit Hilfe desſelben im September eine Reiſe in die nahe Schweiz zu unternehmen.

Der Abgang von Tübingen gelang mir erſt im nächſten Frühling.

Über Berlin, auf deſſen Empfehlung Teutſch wiederholt zurückkam, äußerte er ſich übrigens in einem ſpäteren Schreiben, nachdem er hervor⸗ gehoben, daß dort „gerade die Hauptrichtungen, die der gewaltige Strom der neuen Wiſſenſchaften eingeſchlagen, vertreten“ ſeien, wie folgt: „Da ift nun die theologiſche Fakultät allerdings ohne einen Baur (der an

Georg Daniel Teutſch. 8

a

anderer Stelle ‚der tüchtigſte unter den Theologen wird), aber zu Hengſtenberg & Konſorten bra zu gehen. Wie der Beſuch von Tübingen, historia te keine Theologen, ja wenn, nicht immer rationaliſtiſche, . jagen chriſtliche Theologen macht, alſo auch nicht opere ſo wird an und für ſich das Entgegengeſetzte auch Berlin ni

„Mitteilungen über Ihre Reiſe, Ihre Studien, den pſychologiſch-metaphyſiſchen Anſichten (die durch betreffende Profeſſor Reiffs ein wenig ins Wanken gekommen waren, geſchrieben hatte) ſehe ich gerne entgegen und freue mich „Grenzboten“ haben wir nicht, würden Ihnen alſo für uns Literariſches daraus dankbar ſein ...“ 2

In einem Briefe aus dem September 1854 wird m die Abiturienten, die Theologie ſtudieren wollen, „zunächſt Tübingen gehen“, das er ihnen für das erſte Halbjahr empfohlen hauptſächlich wegen der Geringfügigkeit der theologiſchen Vorleſ im nächſten Semeſter in Berlin, wie der Katalog ausweiſe, den er habe kommen laſſen. „Und fo empfehle ich fie denn Ihrer Freundſchaft. Die Anfänge des Univerſitätslebens haben gerade für den ſtrebſamen Jüngling, für den regen Geiſt ebenſoviel Reiz als Gefahren und gerade in der kleinen U HEINE TANE nicht wenige. Auch ein verlorenes Semeſter wiegt jchwer .

„Für das nächſte Halbjahr möchte ich Ihnen noch ſehr dringend Kunſtgeſchichte, inſonderheit aber kirchliche Kunſtarchäologie empfehlen. Ich bedauere es unendlich (und mehrern meiner Kollegen geht es gerade ſo), daß ich dergleichen nicht ſchon in Deutſchland getrieben. So bin ich vor dem Regensburger Dom, vor den Prachtwerken Nürnbergs, ſo vor St. Stefan und vor hundert andern geſtanden, allerdings nicht ohne im Augenblick davon entzückt zu ſein, aber doch ohne jenes tiefere Verſtändnis, das auch den Stein reden macht und dem denkenden Geiſt eine der edelſten und großartigſten Sprachen erſchließt. Wie nahe jene Studien zugleich mit Kirche und Geſchichte, mit Poeſie und dem geſamten National- leben zuſammenhängen, iſt auf den erſten Blick klar. Ich empfehle Ihnen dazu Kuglers Werk iſt für Ihre engbemeſſene Zeit zu umfangreich Förſters Deutſche Kunſtgeſchichte oder faſt noch mehr Otte, Handbuch der kirchlichen Kunſtarchäologie. Doch kaufen Sie keines davon, da wir ſie bereits haben. Auch der Guhlſche Atlas wird Ihnen manche Belehrung bringen. Mit ſolchen Kenntniſſen werden Ihre Reiſen in Deutſchland, Ihr Aufenthalt in Berlin Ihnen doppelt ſchön und Sie

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werden auf ein, Sie gewiß auch anziehendes, unter uns erſt ſeit geſtern und vorgeſtern angebautes Feld der Forſchung mit doppeltem Eifer und Erfolg treten ...“

Daneben geht ſeine herzliche Teilnahme für das Wohl und Wehe der fernen Schützlinge weiter fort. In einem ſpätern Schreiben heißt es: „Inzwiſchen haben mich die wiederholten Nachrichten Ihres Wohl- befindens gefreut und ich bin mit meinen Gedanken oft in der ſaxotrans— ſilwaniſchen Kolonie am grünen Neckar geweſen. Weilt doch ein Teil der Zukunft unſerer Schule und Kirche dort! Die Saat, die dort geſät wird, reift in wenigen Jahreswochen am Alt und an der Kukel; wie natürlich, daß, wer an des oft ſchlimm beſtellten Feldes Gedeihen Anteil nimmt, das Auge teilnahmvoll hinwendet auf das Geſchlecht der künftigen Pfleger. . .. Ihre Stellung unter den jüngeren Kommilitonen muß des Anziehenden und Lehrreichen ſehr vieles haben. Wenn es wahr iſt, „daß man ſie an ihren Früchten erkennt“, ſo wird ſich aus Charakter und Bildung der Schüler fo verſchiedener Gymnaſien unſeres Vaterlandes mancher Schluß auf Geiſt, Richtung und Tiefe der Lehranſtalten machen laſſen. Unſere Schäßburger ſelbſt, wie verſchieden ſind ſie nicht! Möchte nur keiner ſich durch den ſprühenden Glanz des neuen Studentenlebens vom Weg ernſter Studien wenn auch nur zeitweilig ablenken laſſen! Gewiß iſt's, daß eine jammervollere Erſcheinung kaum denkbar als ein unvorbereiteter Lehrer, dem dazu noch der rechte Ernſt mangelt. . ..“

Eine Apertur im Kirchenbezirk gibt ihm den Anlaß zu folgender Bemerkung: „Das gibt in letzter Inſtanz eine Lücke am Gymnaſium, deren Ausfüllung Ihnen die Anſtellung gibt. Nach alter Weiſe müßten Sie flugs Ihre Sachen zuſammenpacken und die Studien im Stich laſſen; die Gnadenfriſt bis zur Ernte wird Ihnen dadurch noch kürzer und lieber werden. Durch Sorgen für das, was Sie brauchen, verbittern Sie ſich dieſelbe ja nicht. . . . Sie ſollen mir feinen Mangel leiden, ſo lange ich noch über Etwas zu verfügen habe; ich trage dadurch einen geringen Teil des Dankes ab, den ich bei vielem Jammer der überaus gnädigen Leitung der Vorſehung während meiner eigenen Studienzeit ſchulde. Schreiben Sie alſo Ihre Bedürfniſſe nur herunter; den Dank, um deſſen Gefühl ich Sie achte, werden Sie im Dienſt der guten Sache abtragen. . . .“

Zur Reiſe nach Berlin kam es nun erſt zu Anfang April des folgenden Jahres (1855).

Zum häuslichen Studium empfahl mir Direktor Teutſch die damals in deutſcher Überſetzung ausgegebene Geſchichte von England von Macaulay,

gr

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die er „als eines der großartigſten Werke“, die er kenne, unmittelbar neben Thukydides, Tacitus und Ranke ſtellte. „Verſäumen Sie das Studium desſelben ja nicht; es wird Sie entzücken und erheben.“

So gingen dieſe Sommermonate, in denen auch mehrere Ausflüge in die Umgebung Berlins gemacht wurden (Potsdam, Pichelsberge, Treptow ꝛc.), im Fluge dahin, und als ſich der Student darüber, im Gefühl deſſen, was ihm an geiſtiger Zurüſtung noch fehle, beklagte, da rief ihm ſein Gönner auch diesbezüglich ein »nil desperandume« zu, hinzufügend: „Ans Ende gelangt man auch in der doppelten Zeit nicht; Grund legen, Ziele auserſehen, in Richtungen feſt werden, Mittel kennen und handhaben lernen, vor allem fich zur Geſinnungsſtärke, zur Über⸗ zeugungstreue, zu opferwilliger Hingabe an die erkannte Beſtimmung emporarbeiten: dafür kann auch in jener Spanne Zeit viel geſchehen, und wo es der Fall, da tut dann die Zukunft das ihre.“

Anläßlich einer neuerlichen Erledigung einer Lehrerſtelle am Schäß⸗ burger Gymnaſium ſchreibt er: „Wir ſupplieren ſomit zwei erledigte Stellen und im günſtigen Falle keiner weiteren Promotion ſind in der Ernte drei Stellen zu beſetzen, wenn, wie leicht möglich, eine dritte Realklaſſe errichtet wird. Ja, wenn wir ſo glücklich wären, eine reichere Dotation zu haben, ſo brächten Sie deutſche Kandidaten mit und dem Übelſtand wäre abgeholfen!“

In einem anderen Briefe heißt es: „Ihr Brief von Köln hat mich gefreut und ich ſehe der Fortſetzung mit Spannung entgegen. Es liegt in meinen ſehnſuchtsvollſten, noch nicht aufgegebenen Wünſchen, jenen klaſſiſchen Strom Deutſchlands, an dem unſerer Väter Wiege ſich geſchwungen, zu ſehen und aus der Kenntnis ſeines Landes und Volles neues Verſtändnis für Vergangenheit und Zukunft zu ſchöpfen.“

Anläßlich der Rheinreiſe des Studenten hatte nämlich der Direktor ihm Grüße an den „Vater“ Rhein und das „heilige Köln“ aufgetragen mit dem Erſuchen: „Wenn es Ihnen möglich, erkundigen Sie ſich doch auf der Bibliothek (in Köln) nach jenem Briefe, den um 1150 ein Aus⸗ wanderer ultra silvas an die Zurückgebliebenen geſchrieben. Wenn ich nicht irre, hat Ihnen Haltrich einmal davon mitgeteilt. Es wäre un⸗ endlich viel gewonnen, wenn man ſich von ſeinem Vorhandenſein wirklich überzeugen könnte. Ich glaube nicht daran und doch ſpuckt er wie ein neckendes Geſpenſt fortwährend in unſerer Literatur bis auf den heutigen Tag.“

Im Laufe des Semeſters gab mir Profeſſor Haltrich dankenswerte Veranlaſſung, Jakob Grimm, den berühmten Verfaſſer des deutſchen

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Wörterbuches, zu beſuchen. Der teuere Mann nahm mich überaus freundlich auf, ſetzte ſich mir gegenüber, legte mir beide Hände auf die Knie und richtete mehrfache Fragen über unſer Volk, ſowie über meine Studien an mich, entbot auch Profeſſor Haltrich freundlichen Gruß mit der Zuſage, daß er ſich für den Druck der neuen Auflage ſeiner Märchen gerne verwenden wolle.

Einen anderen Beſuch machte ich im Laufe des Semeſters bei Profeſſor Ritter, dem berühmten Geographen. Direktor Teutſch hatte mich dazu ermuntert, indem er ſchrieb: „Ritter freut ſich gleichfalls über ſtrebſame Landsleute; er iſt einmal in Hermannſtadt geweſen und hat ſeitdes der Sachſen Wohl in Berlin ſtets gern gefördert.“ Der alte Herr empfing den Beſuch ebenfalls freundlich in ſeinem geographiſch großartig ausgeſtatteten Arbeitszimmer und unterhielt ſich mit mir über unſere Heimat. Auf die Bitte, mir ein für den Gymnaſialunterricht geeignetes Buch zu bezeichnen, holte Ritter von hoher Bücherſtellage mit einer eigentümlichen Vorrichtung das „Lehrbuch der vergleichenden Erd— beſchreibung“ von dem Kölner Oberlehrer W. Pütz herab und empfahl es als eines der beſten, nach den zurzeit geltenden Grundſätzen der geographiſchen Wiſſenſchaft verfaßten Bücher. Es hat ſich trefflich bewährt und mich als Schäßburger Lehrer mit dem Verfaſſer im fernen Stammlande, dem ich bei einer neuen Auflage einige ſtatiſtiſche und ethnographiſche Verbeſſerungen darbot, in eine liebe literariſche Verbindung gebracht.

Auf Anraten Direktor Teutſchs wurde eines Tages auch in einem Berliner Gymnaſium, und zwar im „Kölniſchen Realgymnaſium“ in Begleitung des Studienfreundes Roſt aus Oldenburg in mehreren Klaſſen hoſpitiert; es war beiden in didaktiſcher und disziplinariſcher Beziehung ſehr lehrreich, was ſie dort zu ſehen und zu hören bekamen.

Einen Tadel von Direktor Teutſch trug mir die Überſendung des kurz zuvor erſchienenen lehrreichen Buches von Dr. Baur in Tübingen, „Die Epochen der kirchlichen Geſchichtſchreibung“ (Tübingen, Fues) ein. Er ſchrieb mir: „Es kann Sie nicht Wunder nehmen, wenn ich mich in dieſem Augenblick als Ihren alten Lehrer fühle und die jugendliche Unbeſonnenheit ſolcher Verſchwendung ſtreng tadele. Ihr Glück, daß der überaus anziehende Inhalt und die durch die Sendung ſich ausſprechende Teilnahme an unſerer Kultur Ihr Vergehen mildert, unter der Bedingung, daß es nicht mehr geſchehe. Alſo gratias agimus maximas.“ O, der kleine, für das Buch ausgegebene Betrag machte ja nicht den zwanzigſten Teil deſſen aus, was Teutſch nur an Brief- und Geldporto für den fernen Schützling geopfert hatte!

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Dieſem aber gingen die Tage wie das raftloje Getriebe raſch dahin. Schon zu Anfang des Auguſt ſchloſſen die Vorleſungen kurzen Sommerſemeſters, und ſchon erklang auch der Heimruf. Direktor Teutſch ſchrieb dem Studenten in dieſen Tagen: „So ſchreibe ich Ihnen denn den letzten Brief in das teure Mutterland! Wie raſch fin zwei Jahre entflohen, welch' eine Fülle der Ereigniſſe liegt in ihrem Schoße! Sie kommen von der ſegnenden Quelle, um die fernen Fluren des verwandten Lebens mit pflegen und beſtellen zu helfen. Erhalten Sie ſich den offenen Sinn für friſche Tat, den Geiſt der Wackerheit, der auch hinter Wolken die Himmelsbläue ſieht und am Berg gerade die Höhe und Steilheit ſchätzt, er iſt nicht hoch genug anzuſchlagen für jede Wirkſamkeit und für Schulmeiſtertätigkeit insbeſondere. Das ſei Gruß und Segen, der von unſerem heiligen Berge Sie beim Eintritt ins Vaterland empfange!“

Denn fo hieß es im vorhergehenden Brief im Zusammenhang mit neuerlichen Mitteilungen über obwaltenden Lehrermangel in der Heimat „für Sie, mein Lieber, geht als Endreſultat aus allem hervor, daß Sie eben zurückkommen müſſen, jo gerne ich Ihnen die goldene Univerſitätszeit auch länger gönnte.“ Ich hatte nämlich den Wunſch ausgeſprochen, wenn nur möglich, noch ein drittes Jahr, vielleicht in Wien, zubringen zu dürfen, wo ein Schulfreund von mir mit ſehr geringen Koſten noch ein Jahr zubrachte.

Dagegen kam Direktor Teutſch einem anderen Wunſch freundlich entgegen, betreffend eine Reiſe ans Meer am Schluß des Semeſters. „Die Reiſe ans Meer aber ja nicht unterlaſſen Sie. Rügen iſt jedenfalls die angezeigte heilige dre; das wird weder viel Zeit noch übermäßig viel Geld koſten. Mich hat von jener Reiſe der in die einzig freie Zeit fallende Tod meines Freundes E, abgehalten; jo habe ich die See... nicht geſehen, um fo mehr freue ich mich, daß es Ihnen vergönnt ift. Doch richten Sie alles ſo ein, daß Sie möglichſt früh im September hieher ankommen.“

Die Reiſe fand in den erſten Tagen des September ſtatt und ging über Stettin und Swinemünde bei im ganzen zehnſtündiger, zum Teil ſtürmiſcher Seefahrt glücklich vor ſich. Ich ſah in Bergen eine intereſſante Sammlung von Altertümern, ſaß andachtsvoll am Herthaſee des Tacitus und ſchaute auf Stubbenkammer bewegt auf das wogende unendliche Meer hinaus.

Dem Auftrage Teutſchs, möglichſt bald die Zeugniſſe ſamt Geſuch um eine der erledigten Lehrerſtellen an das Lokalkonſiſtorium ftilifiert

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an ihn gelangen zu laſſen, war ich ſchon vorher nachgekommen, nicht ohne im Geſuch dem Gefühl Ausdruck zu geben, daß mir zu erfolg⸗ reicher Lehrerwirkſamkeit noch Vieles an Wiſſen und Können mangele, daß ich aber der Hoffnung lebe, es werde ſich mir im täglichen Verkehr mit erprobten Schulmännern zur eigenen Weiterbildung vielfache Gelegenheit darbieten, wie es denn auch in zehnjährigem Schuldienſte, darunter acht Jahre lang unter Direktor Teutſchs Leitung, wirklich geſchah.

Meine Anſtellung war am 13. September erfolgt; am 15. traf ich über Wittenberg (Lutherreminiszenzen), Halle, Leipzig, Dresden (mit Abſtecher in die ſächſiſche Schweiz), Prag, Wien kommend, in Schäßburg ein und begann am 17. die übertragenen Vorleſungen am Gymnaſium und Seminarium in Religion, deutſcher, lateiniſcher, hebräiſcher (auf beſonderen Wunſch des Kollegiums auch) griechiſcher Sprache und Welt⸗ geſchichte.

So war denn die Metamorphoſe des ehemaligen Bauernburſchen zum akademiſchen Lehrer vollzogen, als welcher ich dann 48 Jahre lang auf Katheder und Kanzel meinen Dank hiefür bis zum Eintritt ſchwerer Leibesgebrechen darzubringen beſtrebt war. Den Dank hiefür aber ſchulde ich, wie aus dem Vorangegangenen erſichtlich, vornehmlich dem groß⸗ mütigen Manne, der mir dabei Berater, Helfer, Führer war. Geſegnet ſei deſſen Andenken!

Soweit der Bericht Schullers, dem Teutſch auch ſpäter ein treuer Freund blieb.

Allmählich mußten auch die Gegner, die Teutſch nicht liebten, zugeſtehen, daß eine ſolche Perſönlichkeit ſich Hochachtung erzwinge. Bei wiederholten Kandidationen auf Pfarreien in die Umgegend von Schäß⸗ burg nahm die Behörde von ſeiner Aufnahme in die Liſte Abſtand, weil das Gymnaſium durch ſeinen Weggang die beſte Stütze verlieren würde. Auch im Ausland begann ſein Name bekannt zu werden. Die mähriſch⸗ſchleſiſche Geſellſchaft für Ackerbau und Landeskunde ernannte ihn 1853 zum Ehrenmitglied, das germaniſche Nationalmuſeum berief ihn 1855 in den Gelehrtenausſchuß. Die Univerſität Jena verlieh ihm 1858 das Ehrendoktorat der Philoſophie, der Leipziger Schillerverein 1861 die Ehrenmitgliedſchaft. Er hat dieſe Ehren nicht auf ſeine Perſon bezogen, ſondern auf ſein Volk und ſeine Kirche und darum daran ſich gefreut. Als das Konſiſtorium 1855 ſeinen Gehalt auf 900 fl. erhöhte, weil er auf die Kandidation nach Keisd verzichtet hatte, ſchrieb er an Haltrich: „Wie iſt doch ſo vielen faſt das Verſtändnis entſchwunden, daß man auch aus Pflicht handeln könne!“

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6. Auf dem Feld der Wiſſenſchaft.

Das wiſſenſchaftliche Leben hat unter den Siebenbürger zu allen Zeiten eine Rolle geſpielt. Es hing mit dem ſchweren um die nationale Exiſtenz des Volkes zuſammen, daß die Geſchichte bevorzugte Stellung einnahm. Das Ende des 18. Jahrhunderts und vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts bezeichnen parallele Bewegungen, die beide einen gewiſſen Höhepunkt darſtellen. Beidemal waren die hiſtoriſchen Studien berufen, den Kampf um die Rechte des Volkes zu unterſtützen, beidemal den nationalen Gedanken im Volk zu wecken und zu ſtärken. Das Jahr 1848 und die ſtürmiſche Revolution hatte dieſe Arbeit unterbrochen, in die Teutſch nach der Rückkehr von der Univerfität mit friſcher Tatkraft eingetreten war. g

Der Friede mahnte von ſelbſt daran, in dieſe Arbeit wieder ein⸗ zutreten, die große Erziehungsarbeit des ſächſiſchen Volkes wieder auf zunehmen. Und in dieſer Erziehungsarbeit kam ſpeziell der Geſchichte und den hiſtoriſchen Studien im weiteren Sinn eine wichtige Rolle zu. Es ließe ſich auch ſagen: die Männer, die dieſen Wiſſenszweig vertraten, ſicherten ihr eben jene hervorragende Stelle. Es wiederholte ſich, was ſich auch ſonſt gerade in der Geſchichte des deutſchen Volkes häufig beobachten läßt: die trübe Gegenwart trieb zur Einkehr in die Vergangen⸗ heit; die Gegenwart brachte nicht, was das Herz von ihr erwartete, vielleicht fand die Sehnſucht nach beſſeren Zuſtänden Befriedigung in der Vergangenheit. Aber dieſes Verſenken in die Vergangenheit hat nichts von dem entſagenden Sinn an ſich, der nichts vom Leben wiſſen, will, ſondern es geſchieht gerade mit der Abſicht, auf das Leben zu wirken, es zu beeinflußen und umzugeſtalten. Die Geſchichte ſoll vater⸗ ländiſchen Sinn, Kraft, Mut, kurz jene Tugenden erziehen, die ein Volk bedarf, um ſchwere Zeiten zu überwinden. Aber es hieße den Männern Unrecht tun, die damals Träger dieſer Wiſſenſchaft waren, wollte man ihre Arbeiten in erſter Reihe in den Dienſt des Tages und ſeiner Beſtrebungen ſtellen. Das höchſte Ziel war doch, der Wiſſenſchaft als ſolcher zu dienen. Das war ja eben das Große, daß dieſer Dienſt zu⸗ gleich den deutſchen Geiſt hier förderte und ſtützte, daß er die fittlichen Kräfte im Volk hob und daß er von ſelbſt auch die Fragen des Tages in neue Beleuchtung ſetzte, daß er Einfluß auf deren Entwicklung und Entſcheidung nahm. Es ſind immer ungeſunde Zuſtände, wenn Wiſſen⸗ ſchaft und Leben in keiner Beziehung zu einander ſtehen; daß das Leben die Wiſſenſchaft, den Gang ihrer Entwicklung beeinflußt, iſt ebenſo ſicher

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wie das Umgekehrte. Daß Politik und Geſchichte in einem inneren Zusammenhang ſtehen, iſt bekannt. Denn ſo erklärt Ranke ihre Verbindung das öffentliche Leben in der Vergangenheit, welches darzuftellen die Aufgabe des Hiſtorikers iſt, hat eine innere Beziehung zu dem öffentlichen Leben der Gegenwart. Und wo dieſe Beziehungen ſo innige ſind, wie ſie es im Leben des ſächſiſchen Volkes waren, da darf jene Verbindung am wenigſten Wunder nehmen.

Die Entwicklung der Geſchichtsforſchung im Sachſenland war in den vierziger Jahren bedeutend vorwärts geſchritten. Der Träger des Fortſchrittes iſt in erſter Reihe Joh. C. Schuller geweſen. Der unge⸗ wöhnlich geiſtreiche Mann verband Tiefe der Forſchung, zutreffende Benützung der Quellen mit edler Darſtellung. Es iſt der erſte geſchmack⸗ volle Erzähler der vergangenen Ereigniſſe geweſen, bei dem Feinheit und eine gewiſſe vornehme Ruhe den Leſer anziehen. Er litt zuweilen ſchwer unter einer düſteren Melancholie, die ihn heimſuchte, aber in feinem Weſen lag ein Zug feinen Humors. Seine Bedeutung liegt nicht nur auf dem hiſtoriſchen Gebiet, wie es früher umgrenzt wurde. Er erweiterte deſſen Umkreis; das innere Leben des Volkes, wie es ſich in Sitle und Sage, in Brauch und Sprache widerſpiegelte, hat er geiftvoll zu behandeln gewußt. Daß aus den Tiefen des Volkstums ein reicher Born geiſtiger Verjüngung quelle, hatte er an ſich erfahren; ihn auch andern zugänglich zu machen, war ſein eifrigſtes Beſtreben. So hatte er in die Publiziſtik der vierziger Jahre die Landeskunde, Darſtellungen aus dem Innerleben des Volkes in feiner geiſtwollen Weiſe eingeführt und viel Anregung auf dieſen Gebieten geboten. Ihm war es zu verdanken, daß in weiteren Streifen das Verſtändnis für dieſe Fragen und das Intereſſe dafür ſich einbürgerte.

An Schullers Arbeiten, den er als princeps historiae patriae bezeichnet, ſchließen Teutſchs Arbeiten an, an Schlözer und Eder, auf deren Schultern auch Schuller ſtand. Schuller hatte einzelne Urkunden veröffentlicht und behandelt, Teutſch legte Hand an ein Urkundenbuch Siebenbürgens an, Schuller hat die ſelbſtändige Geſchichte der Sachſen als eines eigenberechtigten Stammes aus den reichen Wurzeln des ſieben⸗ bürgiſch-geſchichtlichen Lebens vorbereitet, Teutſch hat ſie ausgeführt, Schuller hat Sitte und Sage, Brauch und Sprache in den Bereich der hiſtoriſchen Betrachtung einbezogen, Teutſch die Kulturgeſchichte in viel umfaſſenderem Sinn, vor allem auch Bau- und Kunſtgeſchichte, Schuller hat durch zahlreiche Einzelarbeiten weitgehende Anregungen geboten, Teutſch durch feine wuchtigere Perſönlichkeit Schule gemacht; der ältere

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Vorgänger hat vorwiegend ältere Zeiten unterfucht und dargeſtelt, Jüngere zuletzt auch die Gegenwart hiſtoriſcher Betrachtung u Die ganze wiſſenſchaftliche Arbeit Teutſchs aber iſt bewußter als Schuller aus dem Leben und ſeinen Aufgaben emporgewachſen und ſie dieſes Volksleben durchdrang und mit ihrem Strahl Bu, adelte und feftigte fie dieſes Leben ſelber wieder.

Und noch eines tritt in Teutſchs Arbeiten bewußter hervor als es früher geſchah: dieſe wiſſenſchaftlichen Studien ſollten mit dazu bei tragen, neue Fäden geiftigen Zuſammenhangs mit dem deutſchen Mutter⸗ land zu knüpfen, dort an die nationale Pflicht mahnen, des lang vergeſſenen Bruderſtammes ſich wieder zu erinnern. Denn jeder geiſtige Faden, der zwiſchen hier und dort gewoben wurde, war eine Stärkung des nationalen Lebens hier. Er vertraute auf die ſtille Macht der Wiſſenſchaft, wie auf die des Geiſtes überhaupt. Daß unſere Wiſſen⸗ ſchaft in die deutſche eingefügt werde, von dieſer als ein Teil ihrer ſelbſt als ihrer wert anerkannt werde, das war auch eines der Ziele, das er ihr ſteckte. Das tiefe Wort des Freundes Thomas aus München war ganz aus ſeiner Seele geſprochen: „In auflöſenden und zehrenden Perioden iſt das Amt der Wiſſenſchaft ein doppelt herrliches, denn es ſchafft zugleich und bewahrt und erhält.“ Es gilt nicht bloß für den einzelnen Menſchen ſondern für ganze Völker.

Der Verein für ſiebenbürgiſche Landeskunde hatte von Anfang an ein Urkundenbuch für die Geſchichte Siebenbürgens ins Auge gefaßt. Im Jahr 1844 ſchon beſchloß die Generalverſammlung an die Sammlung Hand anzulegen. Es wurde damit ein alter Gedanke neu aufgenommen. Schon A. L. Schlözer hatte 1795 als erſtes Stück ſeiner Kritiſchen Sammlungen zur Geſchichte der Deutſchen in Siebenbürgen ein Urkunden⸗ buch drucken laſſen, „ſo gut ſich ſolches noch zur Zeit tun ließe“, denn die Urkunden ſeien nicht nur die wichtigſte und reichſte Quelle der Ge— ſchichte, ſondern für die Sachſen bis in die Reformationszeit die einzige. Was Schlözer bieten konnte, war bloß ein kleines Bruchſtück. Aber der Gedanke hatte hier doch gezündet. Komes Michael Brukenthal ordnete am Anfang des 19. Jahrhunderts das Abſchreiben und Sammeln aller wichtigen Urkunden an und wenn er auch nicht an eine Publikation dachte, ſo war doch ein Ziel „die richtige Bekanntwerdung alles deſſen, was man hat“. Im Jahr 1828 wandten ſich Schaſer und Reſchner und Neugeboren an die ſächſiſche Nationsuniverſität mit der Bitte, ſie bei der Bearbeitung und Herausgabe eines kritiſchen Urkundenbuches zur Geſchichte der Siebenbürger Sachſen zu unterſtützen. Die Univerfität

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nahm ſich des Gedankens warm an. Die Spitzen der Kirche griffen fördernd ein und doch mißlang der Anlauf. Die Furcht war zu groß, die Veröffentlichung mancher Urkunde werde ſchaden. Hier erinnerte ein Magiſtrat an die Hattertprozeſſe, dort behauptete ein anderer gar „die Publicität von derlei Nationalurkunden verſpreche wenigen allgemeinen Nutzen, im Gegenteil eine nicht zu berechnende Gefahr drohe zur Unter⸗ grabung der Nationalgerechtſame“. Bei ſolchen Anſchauungen in den Städten iſt's begreiflich, daß die Stuhlsortſchaften ſtrenge über die Geheimhaltung ihrer Urkunden wachten und die Anſchauung allgemein war, ſie würden „in Güte nie zu bewegen ſein“, die Zuſtimmung zur Veröffentlichung zu geben.

Ein Menſchenalter hatte genügt, in dieſen Anſchauungen Wandel zu ſchaffen. Die Zeit erkannte, daß gerade für die Aufrechthaltung der Nationalgerechtſame nichts wertvoller ſei als ihre Grundlagen möglichſt bekannt zu machen. So ſammelte der Verein eifrigſt nach allen Seiten und übertrug zuletzt die Abfaſſung des Urkundenbuchs Teutſch. Unterſtützt von den Schäßburger Freunden vermehrte er die Sammlung auch die eigene wuchs dabei alle Stühle und Kapitel, Dorfsarchive und Univerſität öffneten ihre Schätze und am Anfang der fünfziger Jahre waren bloß noch die, allerdings höchſt wichtigen, Archive in Karlsburg und Klauſenburg zu durchforſchen. Beide waren nämlich ſogenannte loca eredibilia d. h. Orte, wo Urkunden hinterlegt und woher beglaubigte Abſchriften bezogen werden konnten, und beide waren wiſſen⸗ ſchaftlicher Forſchung nicht zugänglich. Nur über amtlichen Auftrag waren ſie berechtigt und verpflichtet, Einblick in die Urkunden zu ger währen. Das Gouvernement in Hermanuſtadt erteilte jenen Auftrag und gab Teutſch die erforderlichen Weiſungen. Mit zuvorkommender Bereitwilligkeit öffnete das Kapitulararchiv in Karlsburg die Schätze. Teutſch war mit dem Freund und Kollegen Fr. Müller 1852 nach Karlsburg gefahren, um gemeinſam die Abſchriften zu beſorgen. Als Biſchof Haynald, dem fie natürlich ihre Auf wartung machten, hörte, ſie ſeien im Gaſthof abgeſtiegen, lud er fie ſofort freundlichſt ein, ſeine Gäſte zu ſein. Die Fremdenzimmer der biſchöflichen Reſidenz wurden ihnen eingeräumt, beim Mittageſſen ſpeiſten fie mit dem Hausherrn zuſammen, der voll Liebenswürdigkeit war. Auch auf das Tanzen kam dabei die Rede und als der junge Schäßburger Rektor erklärte, er tanze ſelbſt ſehr gern, da lächelte der kath. Biſchof und zitierte das Cicero— nianiſche Wort: nemo fere saltat sobrius.

Nicht ſo freundlich war die Aufnahme in Klauſenburg. Dort ver⸗

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ſuchten die „Konſervatoren“ in der kleinlichſten Art ihrem G. Regierung und zum Gouvernement Ausdruck zu geben, indem Zutritt anfangs verweigerten und nur auf wiederholten Befehl jefta auch dann noch der Arbeit allerlei unwürdige Hinderniſſe in dei Weg Dreiundſechzig neue Urkunden ergaben die Arbeiten und Nach dort, faſt ſechzig konnten zuverläſſiger mitgeteilt werden. Im S } 1854 legte Teutſch das druckfertige Buch dem Ausſchuß des Landeskunde vereines vor, voll Freude, „daß der langerſehnte Tag der Erſcheinung eines Codex diplomaticus für unſer Vaterland nun endlich gekommen“. Der Verein hatte Schritte getan, die Urkunden in den Quellenſchriſten der Wiener Akademie der Wiſſenſchaften zu publizieren, doch dauerte es noch volle drei Jahre, bis die Veröffentlichung endlich erfolgte. Die Akademie hatte durch Firnhaber, der infolgedeſſen auch als Herausgeber erſcheint, einige unweſentliche Anderungen vornehmen laſſen, die das von der Akademie zum Teil veränderte Vorwort unrichtig als „gänzliche Um⸗ arbeitung des Manuffriptes“ bezeichnet.

Der Band enthält die Urkunden bis 1300, dem damaligen Stand der Wiſſenſchaft entiprechend und hat den feſten Grund zur urkundlichen Geſchichte Siebenbürgens gelegt. Teutſch ſah in den Urkunden „die reichſte Quelle der Erkenntnis der Vergangenheit unſeres Volkes, ſeines wenn es von uns ſelbſt erkannt wird unbezwinglichen Rechts⸗ grundes, die reichſte Quelle ſtärkenden Selbſtbewußtſeins und edler Begeiſterung für die höchſten Güter des Daſeins.“ Er konnte an einer Urkunde ſich freuen, ols ob es perſönliches Leben ſei, ſie beſorgen und deuten. Für ihn perſönlich war die Arbeit darum von größter Ber deutung, weil er durch ſie zur völligen Beherrſchung des Urkunden⸗ materials nicht nur der genannten Periode gelangte; ob er in großen Zügen die Entwicklung des Volkes nun darftellt oder in kleineren Unter- ſuchungen kürzere Perioden, er ſtand auf dem feſten Boden der Urkunden,

Für die Fortſetzung des Urkundenbuches ſammelte er eifrig. Die Veröffentlichung unterblieb zunächſt, weil andere Arbeiten dazwiſchen kamen. Später wurde die Arbeit in anderer Form von jüngeren Kräften aufgenommen, die er freudig unterſtützte und die der Verein für ſieben⸗ bürgiſche Landeskunde, da er ſchon lange ſein Vorſtand war, herausgab.

Die am tiefſten wirkende Arbeit dieſer Periode ift die Geſchichte der Siebenbürger Sachſen geweſen, die er 1846 begann, deren Druck in die Jahre 1852 1858 fällt. Der Verein für ſiebenbürgiſche Landes⸗ kunde hatte auch dieſe als ein Ziel aufgeſtellt und einen Preis aus- geſchrieben. Teutſch errang den Preis damit. Die Frucht einer zwölf

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jährigen Arbeit ift fie zugleich ein Beweis für das innere Wachſen des Verfaſſers, deſſen Kraft gerade dieſe Arbeit mehrte. Der Verein hatte als Muſter Zſchokkes Schweizergeſchichte aufgeſtellt und der Einfluß dieſes Vorbildes iſt in der erſten Auflage, vor allem in den erſten Heften erkennbar. Der hie und da bemerkbare gemachte Volkston, dem man das Gekünſtelte anhört, ift darauf zurückzuführen. Doch daneben bricht von vorneherein auch das natürliche Gefühl des Verfaſſers durch, der Leſer ahnt ſofort, daß dahinter eine bedeutende Perſönlichkeit ſteht. Es ſind nicht gerade leichte Perioden, in denen die Erzählung dahin- fließt, aber auch der nicht gelehrte Leſer empfindet die einfache Erhabenheit der alten Zeiten, eine Würde und Hoheit, die ihn erhebt. Die Dar- ſtellung in den folgenden Heften ift leichter und freier, ein Beweis dafür, daß der Verfaſſer des Stoffes innerlich mehr Herr geworden iſt. Dabei fehlt es nicht an Taciteiſchen Wendungen, in denen Seitenblicke auf die Gegenwart das perſönliche Urteil des Verfaſſers erkennen laſſen, in dem ſein Empfinden mitklingt und ein Herz ſchlägt, das den Er- eigniffen auch der Vergangenheit nicht kalt und fremd gegenüberſteht, ſondern mitempfindet wie bei einem Lebenden. Von ſeinem Lehrer Ranke hatte er ebenſo den Wert der Quellen kennen gelernt, wie in großen Zügen die Entwicklung darzustellen, auch die einzelnen Ereigniſſe zu ihrem Recht kommen zu laſſen und dann wieder zu einem Geſamtbilde zuſammenfaſſen.

Das Buch aber ift für die ſächſiſche Wiſſenſchaft und das ſächſiſche Volk bedeutend geworden. Es war die erſte aus den Quellen geſchöpfte Sachſengeſchichte, überhaupt die erſte ſelbſtändige Darſtellung der Ge ſchichte dieſes Volkes. Die geſamte Arbeit auf dem Feld hiſtoriſcher Forſchung erhielt damit eine neue Grundlage, die Einzelunterſuchung den allgemeinen Boden, ohne den ſie ſich nicht entwickeln kann. Das Buch endigte mit dem Jahr 1699; damit war als Ziel die Fortſetzung bis zur Gegenwart gegeben. Was in Einzelarbeiten, vor allem auch von Teutſch ſelbſt, zutage gefördert worden war, hier hatte es ſeinen Platz gefunden in der Geſamtentwicklung des Volkes.

Für das ſächſiſche Volk bedeutete es in bedrängter Zeit eine Er- hebung und Erfriſchung der Volksseele, einen labenden Trank in der Gefahr zu verſchmachten. Wieder war die Nation als politiſcher Körper zerſchlagen und aufgehoben worden, ja ſo viele wollten ſie als gar kein „Volt“ mehr gelten laſſen und nun erſtand in dieſem Buch das un beſtreitbare Zeugnis dafür, daß wir trotz alledem ein Volk ſeien, reich an Taten und Leiden und berechtigt, an Gegenwart und Zukunft nicht

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zu verzweifeln. Die ganze Geſchichte war ja ein großes namenloſen Leiden und von heldenhaftem Ringen für Au und Verteidigung der Güter des deutſchen Lebens, fpäter evangeliſchen Glaubens, ein ergreifender Aufruf an das Volk, an dem, was die Väter errungen und auszuharren wie jene. Die geſchichte hat die Überzeugung, daß dieſes Volk nicht anders den alten Gütern treu zu ſein, ihm unverlierbar ins Herz geſenkt, Erkenntnis von der Größe und Heiligkeit des Erbes in die weite Kreiſe hineingetragen und zur Arbeit für dieſe Güter aufgerufen.

Wenn alle untreu werden,

So bleiben wir doch treu

jo klang es aus allen Zeiten und aus jedem Kapitel des Buches wii der Vergangenheit.

Das ſächſiſche Volk iſt immer ein hiſtoriſches geweſen; die Sachſen⸗ geſchichte hat es noch mehr dazu gemacht. Es ſieht ſeine Vergangenheit im Licht, das ſie darüber ausgebreitet hat, es beurteilt einzelne Ereigniſſe und ganze Perioden nach ihrem Bild.

Aber auch in Deutſchland blieb ſie nicht unbeachtet, wenn ſie auch leider nicht die Verbreitung fand, die ſie und das Volk, dem ſie galt, verdienten. Wattenbach empfahl es jofort im Literariſchen Zentralblatt und ſchrieb ſpäter: „Es war ein unſcheinbares kleines Heft, aber kaum hatte ich begonnen, es zu leſen, als es mir lebhaft entgegentrat, daß hier etwas ganz anders vorliege als die mühſam zuſammengeſtoppelten Lokal⸗ geſchichten, wie fie ſonſt oft vorkamen. Hier war tüchtige hiſtoriſche Kenntnis, auf ernſten Studien beruhend, hier aber auch die dichteriſch⸗ ſchöpferiſche Kraft, welche allein vermag, die ferne Vergangenheit wieder zu beleben und dem Leſer anſchaulich vor Augen zu führen“, Und L. Häuſſer ſchrieb an den Verfaſſer: „Dieſe friſche und anmutige Ver⸗ arbeitung des Quellenmaterials zu einer ebenſo belehrenden wie unter⸗ haltenden Volkslektüre hat mir einen hohen Genuß gewährt und ich habe dabei nur das eine wehmütige Bedauern empfunden, daß wir nicht eine ähnliche Geſchichte des geſamten deutſchen Vaterlandes für das Volk beſitzen. Ich weiß nicht, ob es die Verpflanzung auf ein anderes Terrain oder das Gefühl der Vereinzelung iſt, was dieſe Energie und Unmittelbarkeit des Volksgeiſtes weckt; aber es kommt mir immer vor, als ſei das deutſche Weſen, je weiter es an die Grenzmarken der Kultur und Nationalität als vereinzelter Poſten vorgeſchoben iſt, deſto markiger und urſprünglicher als bei uns im Binnenlande, wo die Reibung

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und die Anſpornung fehlt. Die Lektüre Ihres trefflich angelegten und ausgearbeiteten Volksbuches hat mir dieſe Gedanken von neuem geweckt“.

Der große deutſche Hiſtoriker hatte mit feiner Empfindung den Herzſchlag des Buches und damit des Verfaſſers verſtanden, „die Energie und Unmittelbarkeit des Volksgeiſtes“, die hier lebendig geworden waren.

Es gibt kein rechtes hiſtoriſches Werk, das nicht die Zeichen ſeiner Entſtehungszeit an ſich trägt, denn jeder Verfaſſer ſchreibt aus ſeiner Zeit heraus. Auch der Sachſengeſchichte kennt man an, daß ihr Verfaſſer unter dem Eindruck ſtand, das politiſche Heil der Sachſen ſei von Oſter⸗ reich zu erwarten. Die Darftellung der Thronkämpfe zwiſchen Zapolya und Ferdinand ſpiegeln die Auffaſſung zum Teil wider.

Neben dieſen großen Arbeiten gingen noch eine ganze Reihe kleinerer einher, zum Teil Vorarbeiten für die Sachſengeſchichte, zum Teil Er- gebniſſe der Studien für dieſe, die ſich dort nicht im einzelnen hatten verwerten laſſen. Die Geſchichte des Schäßburger Gymnaſiums war die erſte Geſchichte eines unſerer Gymnaſien, ein neues Gebiet unſerer Kulturgeſchichte, das damit eröffnet wurde. Die kleineren Arbeiten, die das Archiv des Vereins für ſiebenbürgiſche Landeskunde zum größten Teil veröffentlichte, haben das Verdienſt, mehr als es bis dahin geſchehen, die Kulturgeſchichte in den Vordergrund gerückt zu haben, auf deren Quellen er wiederholt aufmerkſam machte. So trat allmählich neben die Betrachtung des ſtaatsrechtlichen Verhältniſſes der Sachſen zur Krone und den Mitſtänden, neben die politiſche Geſchichte im engeren Sinn auch die Erforſchung des Innerlebens der Sachſen; zur Sammlung der Materialien die Gemeinde- und Rechtsverfaſſung betreffend erließ er 1856 für den Landeskundeverein einen Aufruf. Alle Arbeiten aber zeigen, was Goethe vom Hiſtoriker verlangt, die Fähigkeit das Wahre und Falſche, das Gewiſſe und Ungewiſſe, das Zweifelhafte und Verwerfliche zu unterſcheiden.

Eine beſondere Erwähnung verdient „die Reformation im Sieben⸗ bürger Sachſenland“, die 1852 erſchien und ſechs Auflagen erlebte. In jener Zeit des Konkordats und der wachſenden Macht der angreifenden katholiſchen Kirche auch hierzulande, wurde das Büchlein mit Beſchlag belegt und dem Verleger der Prozeß gemacht. Es mußte allerdings wieder freigegeben werden; es ließ ſich unmöglich eine unhiſtoriſche Tatſache nachweiſen. Die Anklage des Verfaſſers beim Gouverneur als eines Gegners der katholiſchen Kirche hing mit dieſen Vorgängen zuſammen. Die Anklage hatte nicht den Verfaſſer, wohl aber den Ausſchuß des Landes tundevereins und deffen Vorſitzer jo ängſtlich gemacht, daß ſie gegen die

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Darſtellung dieſer Periode in der Sachſer wendungen machten. Alles erſchien ihnen zu wendig nur nachgeben lautete von da die Parole. in der Form konnten ſie dem Verfaſſer abringen, jede Leiſetreterei ein Greuel.

Die kirchlichen Fragen der fünfziger Jahre fül Teutſchs auch auf ſpeziell kirchenhiſtoriſches Gebiet. er ſofort auf die Quellen. Schon 1857 veröffentlichte Prot. Jahrbüchern für Oſterreich „Rechtsquellen der in Siebenbürgen“, darin zuerſt das Reformatio \ das damit der Vergeſſenheit wieder entriffen wurde. der Zehntentſchädigung und die Arbeiten in Wien hiefür Arbeit: Zehntrecht der ev. Landeskirche A. B. in Sieb erſchien, eine mit Quellen belegte, mit einem Anhang verſehene Darſtellung dieſes Rechts, das viel angefochten gangenheit doch ſonnenklar war und die Wiſſenſchaft dieſem Recht zur Anerkennung und zum Sieg zu verhelfi

Die kirchenrechtlichen und kirchenhiſtoriſchen Arbeiten | unmittelbarem Zuſammenhang mit den Tagesfragen. Sie ſollt dienen, jene frei nach ihrer Entwicklung, alſo gerecht beurteilen zu Im Jahre 1858 übertrug die kirchliche Oberbehörde ihm die He eines Codex ecclesiasticus, des Urkundenbuchs der ev. Landes der Arbeit um die neue Verfaſſung hielt jene Behörde es für wünſchens⸗ wert, eine genaue und verläßliche Kenntnis der geſchichtlichen Entwicklung der Kirchenverfaſſung und des Kirchenrechts zu erleichtern, um für den neuen Weiterbau die hiſtoriſchen Stützpfeiler zu finden. Mit der ihm eigenen Energie nahm Teutſch die Arbeiten auf und 1862 konnte der J. Band des Urkundenbuchs erſcheinen. Es ermöglichte einen genauen Einblick in die Rechtslage der Kirche und ihre Entwicklung, die er in einzelnen Arbeiten auch zur Darſtellung brachte: Eine Kirchenviſitation im 17. Jahrhundert (1858), zur Geſchichte der Pfarrerswahlen (1862), die Biſchöfe der ev. Landeskirche (1863).

Hand in Hand mit dieſen wiſſenſchaftlichen Arbeiten hier gingen einige Publikationen in Deutſchland. In Herzogs Theol. Realeneyklopädie gab er 1861 eine Darſtellung der kirchlichen Entwicklung in Sieben⸗ bürgen und 1863 in Doves Zeitſchrift für Kirchenrecht eine ſolche über die Rechtslage der ev. Landeskirche A. B. in Siebenbürgen. So wurde dem deutſchen Mutterland oder zunächſt einigen Kreiſen dort zu einer Zeit die Kenntnis der kirchlichen ſächſiſchen Verhältniſſe näher gebracht,

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als fie in einer Umbildung begriffen am Anfang einer neuen Entwicklung ſtanden. 3 Für Teutſch waren gerade dieſe kirchengeſchichtlichen Studien von ungewohnter Wichtigkeit ſo ſeltſam verſchlingen ſich in einem Menſchen⸗ leben die Fäden ſeiner Entwicklung. Es iſt keine Frage, daß dieſe Studien ihn mit befähigt haben, ſpäter der bedeutende Biſchof zu werden.

All dieſe Studien und Arbeiten hatten ihn allmählich in den Mittel» punkt der wiſſenſchaftlichen Arbeit im ſächſiſchen Volk geſtellt. Einem Teil des Hermannſtädter Kreiſes, der bisher nahezu ausſchließlich ton⸗ angebend war, war es nicht recht und nur allmählich gewöhnten fie ſich daran. Der bedeutendſte von ihnen, Joh. C. Schuller, verfolgte neidlos und voll Teilnahme die aufſteigenden Leiſtungen und freute ſich daran.

In Schäßburg ſelbſt war gerade an der Schule und um den Rektor geſchart ein junger Kreis begeiſterter Jünger der Wiſſenſchaft entſtanden. Auch ſolche, die ſonſt nicht zu derartigen Arbeiten gekommen wären, ſtellten ſich in Reih und Glied und konnten mithelfen. Von dem Umfang und dem Ziel ihrer wiſſenſchaftlichen Beſtrebungen legen die Programm abhandlungen jener Jahre das beſte Zeugnis ab. Alle behandeln, jolang Teutſch Rektor war, ausſchließlich Fragen der Volks- und Landeskunde und keines bleibt unter dem Mittelmaß. Dieſe Arbeiten hatten die nächſte Bedeutung für die Schule ſelbſt. Sie haben jenes Kollegium jung erhalten; wo die wiſſenſchaftliche Arbeit dem Lehrer fehlt, da gewinnt der Unterricht gar leicht die öde Gleichmäßigkeit, die Jahr für Jahr im ſelben Geleiſe ſich fortbewegt und innerliche Unbefriedigung zurückläßt. Der Kreis der Schäßburger Freunde iſt es weſentlich geweſen, der die wiſſenſchaftlichen Fäden ins Ausland knüpfte, die uns dort zuerſt wieder die Herzen gewannen. Mit den Gelehrten des Germaniſchen National⸗ museums in Nürnberg ſtanden fie in naher Verbindung, Haltrich arbeitete eifrig an Frommanns Zeitſchrift für deutſche Mundarten, Teutſch ſandte Beiträge in den „Anzeiger für die Kunde deutſcher Vorzeit“. Aufmunternde Worte der Brüder Grimm, Wachsmuths uff. waren hierher gerichtet und dieſe wiſſenſchaftlichen Arbeiten hatte K. Simrock im Auge, als er 1856 an Haltrich ſchrieb: „Wir unſererſeits müßten, wenn wir uns nicht längſt hätten verwälſchen laſſen, ſtolz darauf ſein, jenſeits der Marken unſeres Vaterlandes noch Vettern zu haben, die nicht nur an deutſcher Bildung feſthalten, ſondern auch die eigentlich deutſchen Studien mit ſoviel Liebe, Fleiß und Sorgfalt betreiben. Neben mancher beun- ruhigenden iſt dies eine tröſtliche Erſcheinung, denn wo ein Baum abſtirbt, dorren die äußerſten zarteften Zweige zuerſt. Die deutſche Nationalität

Georg Daniel Teutſch 9

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muß noch nicht jo nahe jein dem Untergang, als es oft jd wenn das Bewußtſein des Zuſammenhangs ſich in ſolcher 8 unter Fremden wach erhält.“ ; Für dieſe Arbeiten aber bot der Verein für fiebenbürgii kunde den Mittelpunkt. Durch das Jahr 1848 49 in ſeinem Wir unterbrochen, in ſeinem Beſtand erſchüttert, hatten ſeine Jünger ihn 1850, von allen Seiten lebhaft und mit Freuden begrüßt, wieder neu aufleben laſſen. Überall bildeten ſich Zweigvereine, einer der tätigften in Schäß⸗ burg. Sofort nachdem Teutſch 1850 von Wien heimgekehrt war, begann der Zweigverein ſeine Tätigkeit, er trat monatlich einmal regelmäßig zuſammen. Stadtpfarrer Schuller führte den Vorſitz, die Pfarrer aus der Umgebung nahmen Anteil daran. „Es bot ein eigenes Bild, wenn das Häuflein im alten Dominikanerkloſter, dem damaligen Rathaus, wo ein Zimmer ihnen eingeräumt war, am langen Winterabend beim trüben Schein der Talgkerzen, die der Vorſitzer ſpendete, zuſammenſaß und nun jeder darlegte, was er im Laufe des Monats auf dem Feld der Landes⸗ kunde in Vergangenheit und Gegenwart wahrgenommen und erarbeitet hatte. Nie fehlte es an reichem Stoffe, nie an zündenden Funken, an wiſſenſchaftlich reiner Freude, die wieder auch für die Schule Frucht und Blüte ſchuf; es war eine Luft zu leben!“ ſo ſchreibt Teutſch ein Menſchenalter ſpäter in der Erinnerung an jene Tage. Er ſelbſt trug zu dem Stoff am meiſten bei; dort find die einzelnen Abſchnitte der Sachſengeſchichte, wie ſie entſtanden, zuerſt zur Vorleſung gelangt. Die wiſſenſchaftliche Arbeit wurde aber auch ein einigendes Band unter dem Volke ſelbſt. Die zahlreichen perſönlichen Bekanntſchaften Teutſchs trugen nicht wenig dazu bei. Kaum ein Jahr verging, ohne daß ſeine Forſchungen ihn nicht in der Heimat umher geführt hätten. Bald geſellle ſich hier bald dort ein Freund dazu. Mit Rannicher war er einſt in Zenderſch, mit Haltrich und Müller in den Dörfern um Schäßburg und Mediaſch geweſen, er ſammelte Urkunden, Haltrich Märchen, Müller Sagen und alle lernten Land und Leute kennen und freuten ſich an, Menſchen, an der Natur, am Volksleben und an der Wiſſenſchaftl Im Jahr 1854 war er bei Kemeny in Gyeres, der ihm freundlich ſeine reichen Schätze öffnete. Und wenn dann in der Woche zu Pfingſten oder jeit 1854 im Auguſt die Generalverſammlung des Landeskundevereins am wechſelnden Ort zuſammentrat, dann fehlte er kaum einmal dabei und in der Regel brachte er etwas mit. Unter den 20 wiſſenſchaftlichen Arbeiten, die 1851 in Reps vorlagen, war auch ſein Anfang der Sachſen⸗ geſchichte, den er dort vorlas. Vom Eindruck, den fie machte, legt Ackners

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Mitteilung Zeugnis ab: für Siebenbürgen ſei ein junger Herodot Brei Aus der Fahrt, die er mit Müller zuſammen Dorthin an antiproßten die erſten Blüten unſerer kirchlichen Kunſtarchaologie. Die Generalverſammlung 1852 ſah ihn in Broos. Er las den zahlreich Erſchienenen den Abſchnitt aus der Sachſengeſchichte, in dem der Sachſen Kampf für Habsburg geſchildert wird, die Treue und Ausdauer Pemfflingers. Komes Salmen, unter dem Schein der Beförderung nach Wien berufen, war gerade auf der Reiſe dorthin auch anweſend. Bei der ergreifenden Stelle, wie den Sachſengrafen, da er die Nation von Krieg und Hunger dahingerafft und immer mehr allein gelaſſen ſehen mußte, die Sorge um jein Volk grau gemacht, wandten ſich plötzlich aller Augen auf Salmen, der in ähnlicher Sorge gleichfalls früh ergraut ſinnenden Hauptes daſaß; es war ein Abſchied tief in die Seele ſchneidend auch ohne Worte. Bei der Generalverſammlung in Hermannſtadt 1859 las er die Skizze: Vor 300 Jahren, Züge aus der Geſchichte Hermannſtadts im 16. Jahrhundert, denen man anmerkt, daß ſie in jener Stadt, wo das neue Bureaukratentum ſich breit machte und nichts mehr Berechtigtes neben ſich anerkennen wollte, das Selbſtgefühl und die Eigenachtung des ſächſiſchen Volks aufftiſchen wollten, was in Gegenwart all der hohen Gäſte (Gouverneur uff.) in der Tat gelang. So knüpften ſich für Teutſch an jede einzelne dieſer Ver— ſammlungen perſönliche Erinnerungen. Er ſelbſt verwuchs mit diefen Veranſtaltungen, in denen das Volk ſeine ideale und nationale Einheit fand und wurde auf dieſem Gebiet ein Träger jener Einheit.

Im Jahre 1858 fand der große 18. Philologentag in Wien (25. bis 28. September) ſtatt. Das Honorar der Sachſengeſchichte, die nun fertig vorlag, ermöglichte Teutſch den Herzenswunſch ſich zu erfüllen und jene Tage mitzumachen. Daran ſollte ſich eine Reiſe nach Deutſchland ſchließen. In Hermannſtadt ließ „Fuß Mich“ ſich bereden mitzugehen, auf der Fahrt trafen fie Budaker und Frau; ſelten find ſächſiſche Schulmeiſter mit reicheren Hoffnungen auf eine glückliche Zukunft, mit mehr Vertrauen auf die Blüte und Ernte deutſcher Bildung in dieſen Landen in die Welt Hinausgefahren wie dieſes Freundes-Dreipaar. Und in der Tat, die Hoffnungen waren nicht unberechtigt. Zum erſtenmal in der langen Reihe der Jahrhunderte öſterreichiſcher Entwicklung hatte die Regierung in der Schulpolitik das Ziel aufgeſtellt, deutſche Bildung in den vielen Landen des Reiches ſyſtematiſch einzubürgern. Wenn auch Katholiſterungsgedanken nebenbei mitlieſen, die Annaherung des öfter teichifchen Schulweſens an das deutſche wurde erſtrebt, der deutiche Gen Jollte lebenſchaffend feinen Einzug halten. Die nie verhehlten Herzeus

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trafen einmal zuſammen mit den wei der al gen insbeſonders den Kreis, der ſich um Teutſch geiſterung erfüllte, daß die deutſche Wiſſenſchaft eine gehöre, ob ſie an der Iſar, an der Spree oder werde, das war jetzt auch die Überzeugung an hi

zu gehören ſchien. So machten die Freunde jene V mit gehobenen Herzen mit. Teutſch freute ſich zunächſt des mit Thomas, knüpfte perſönliche Bekanntſchaft mit einer g

kam und beim 1 neben ſich den Platz anwies. Er dem Verkehr mit Landsleuten in Leipzig viel von S den Sachſen und nahm Anteil an deren Schickſal. Als g aber ſah Teutſch aus dieſen Tagen die perſönliche Bekanniſchaft Wattenbach an, damals Bibliothekar in Breslau, aus der ſich Männerfreundſchaft entwickelt hat, die nur der Tod löſte. Die K Bekanntſchaften anzuknüpfen führte ihn mit zahlloſen Menſchen zufammen, mit vielen nicht nur für den Augenblick. Ein Höhepunkt des Feſtes war, als beim Feſtmahl der Kultusminiſter Graf Leo Thun das Glas erhob: er ſprach über die Notwendigkeit einer beſonders tüchtigen Vertretung der Philologie, welche neben der Religion und Philoſophie vor allem die Geiſter über das Gemeine zu erheben berufen ſei, und daß ſie eine beſondere Aufgabe im vielſprachigen Oſterreich habe, rühmte die Gemein⸗ ſamkeit wiſſenſchaftlicher Beſtrebungen in Deutſchland und Oſterreich als eine Idee, deren fortſchreitende Entwicklung er mit Freuden begrüßte und nannte dabei rühmend als Träger deutſchen Geiſtes die Sachſen in Siebenbürgen. Am nächſten Tag fand auch der Schäßburger Rektor Gelegenheit zu einigen Worten. Die Tafel war bereits etwas unruhig geworden, aber ſchon die erſten Worte errangen ihm Gehör. Er ſprach vom Heimatsgefühl in dieſer Verſammlung, von der Bedeutung der Philologie für die Erziehung, ihre Frucht ſei auch nach Siebenbürgen gedrungen, von den Hoffnungen, die man im Sachſenland im Herzen trage. Eine rührende Begeiſterung folgte den Worten.

Studien und Ausflüge verſchönten die Tage; wenn ſie Abends heimkehrten ſtand, ein Wunderanblick, der große Komet am Himmel; für Teutſch waren ſolche Erſcheinungen immer gar eindrucksvoll. In jenen Tagen kaufte er auf Beſtellung eines Freundes Silber für deſſen Haus;

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die Nachforſchungen nach neuen Möbeln, deren die eigene Wirtſchaft dringend bedurfte, ergaben, daß ſie für diesmal zu teuer ſeien.

Am 7. Oktober trat er die Reiſe nach Deutſchland an. Zimmer- mann hatte in eingehendem Geſpräch ihm mancherlei ans Herz gelegt.

Über dieſe Tage aber ſoll er ſelbſt berichten. Es ſind Auszüge aus Briefen, vor allem an ſeine Frau, die hier zuſammengeſtellt ein beſſeres Bild vom Manne, feinen Gedanken, Beziehungen, ſeiner Art und feinem Weſen geben als lange Erörterungen. So ſchreibt er:

22. September 1858. Wir reiſten Freitag den 17. September mit Fuß Miſch im Poſtwagen von Hermannſtadt ab. Der Abendhimmel und die Gebirge waren überaus ſchön beleuchtet: “/, auf 1 waren wir in Mühlbach; mit Hülfe der Nachtwächter gelang es mir Schuſtern zu erwecken; kaum hatte ich einige Worte mit ihm geſprochen, ſo tönte das Poſthorn und weiter gings. Als ich morgens erwachte, glänzte die Devaer Burg im Frühſchein. Auf der Straße der Grenze zu labte ich mich aufs neue im Anblick der ſchönen Gegend, auf deren ſtaubigen Wagen walachiſche gatchenbekleidete Banderien in zum Teil ganz erbärmlichem Aufzug des neuen Fürſten-Gouverneurs (Lichtenſtein] harrten. Nicht weit von Dobra brauſte ſein Wagen an uns vorüber; ich fürchte ſehr, die Triumphbogen, deren Gerüfte wir den vorigen Tag geſehen, find bei feinem Einzug nicht fertig geweſen. Nahe an der Grenze trafen wir einen jungen Mann, der mit ganz erſchrecklichen Vorſtellungen nach Hermannſtadt ging, um eine Profeſſur der klaſſiſchen Sprachen am Staatsgymnaſium zu über⸗ nehmen. Sonnabend abends aßen wir in Lugos die erſten Trauben; die darauf folgende Nachtfahrt zeigte uns bei der mildeſten Luft, die jeden Mantel unnötig machte, eine zauberiſch ſchöne Mondſcheinland⸗ ſchaft, deren nicht geringſten Reiz eine Menge von hochauflodernden Feuern nach allen Richtungen des faſt unbegränzten Horizontes erzeugte. Nachts 1 ſchon waren wir in dem netten Temesvar, Sonntag morgens um 6 Uhr auf der Eiſenbahn. Welch ein Segen die doch iſt! Mittags ſpeiſten wir in Szegedin an der Theiß die 6 bogenige Brücke wird in ihrer Art die Peſter übertreffen abends in Peſt an der Donau. In der Nähe der Stadt wurde der Wagenzug (Fuß Miſch maß ihn) 300 Schritte lang. Im ſchönen Mondlicht begrüßte ich von der Königin von England aus den prächtigen Fluß. In Czegled hatten wir auf der Bahn Budaker mit ſeiner Frau getroffen; von Temesvar an hatte Lutſch von Reen ſich uns angeſchloſſen. Montag verging in Peſt pfeil⸗ ſchnell. Ich ſuchte Hornyansky auf und lernte in ihm einen ſehr geiſtigen, beſonnenen, die Zuſtände überaus umſichtig würdigenden jungen Mann

kennen. Er begleitete mich ins 9 in Augenſchein nahm; Bronzealte mer hämmer, wohlerhaltene Schwerter; Dr. Münzen; vier Hefteln aus derſelben derſelben Werkſtatt, weil dieſelbe gotiſche enthaltend, waren mir unter den anderen! eſſant. Dr. Erdy verſprach bei der im Augenblick nicht tun mir die ( laſſen. Große Freude machte es mir, | traf, mit dem und Hornyansky wir einen Ofen zubrachten. Wennrich kömmt nach der Mu Tagen, auf acht Wochen nach Schäßburg und den Gaben unſerer neueſten geſchichtlichen Literat

Dienstag 21. September brachte uns das Teil ſehr ſchöne Gegend nach Wien. Auf dem Bah mich Dr. Schenker, der mich zu Zimmermaun führte, u. lang vermißten Geſprächen nach 1 Uhr niederlegte. Die die mir eben viele Grüße aufträgt, iſt mit dem mein Pate ein prächtiger Junge und ich fühle mich

Heute vormittag bin ich ſchon viel gelaufen und werde wieder auf den Beinen fein, Unſere Schäßburger Studenten in der Stadt London geſucht, wo Fuß und Budaker wohnen; ( ich ſie noch nicht getroffen. Dein Kleid iſt bereits beſtellt. wie ich an Dich denke. 1

1. Oktober. Zu den angenehmſten Momenten aus meinem Leben gehört das Wiederſehen mit Thomas und die Bekanntſchaft mit Wattenbach, Pott, Weinhold, Bergmann, Rödiger, Eckſtein, Wieſe, g 1 Halder, Schuberth (aus Oberſchützen) und vielen anderen darunter Ipoly⸗Stummer und Julius Schröer. Sonntag den 26. September fuhren wir auf den Semmering; die Großartigkeit der Natur, über. troffen noch durch die unglaubliche Großartigkeit der Bauten; das heitere Gewühl von 400 frohen Menſchen dort oben an der Grenze von Steiet- mark und Oſterreich; die erhebenden Geſänge der Wiener Liedertafel, die das gemütliche Mahl gegenüber der maleriſchen Gruppe des Sonnwend⸗ ſteins mit ihrer Kunſt würzte, bis ein hundertſtimmiges »Gaudeamus igiture fie ablöſte; daneben in vier Stunden, die wir oben zubrachten ſechs oder acht Züge vom ſchnaubenden Dampfroß geführt, von deren zweien ungariſche Soldaten, die nach Italien gingen, den deutſchen Gelehrten ein jubelndes Eljen zuriefen: das alles gab ein Bild, welches

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ſich in ſeinem anregenden Farbenreichtum kaum der Wirklichkeit gemäß beſchreiben läßt.

Montag den 27. September war nach einer ſehr lehrreichen öffent⸗ lichen und pädagogiſchen Sitzung „Feſttafel“ im Sophienbad, wozu die Schulmeiſter ſich weiße Halsbinden anſchaffen mußten. Der Unterrichts- miniſter Graf Leo Thun brachte dabei einen Trinkſpruch aus, der wohl eine Viertelſtunde dauerte, die Beziehungen des verjüngten Oſterreich zur deutſchen Wiſſenſchaft beleuchtete und dabei als Träger derſelben der Sachſen in Siebenbürgen ehrenvoll erwähnte. Nach Tiſch, wobei ungezählte Flaſchen echten Champagners oft ein wahres Pelotonfeuer eröffneten, ging die ganze Verſammlung zur Feſtvorſtellung ins Kärnthner- theater worüber ein andersmal.

Den Kindern, die ich ſamt Dir im Geiſt küſſe, ſag, ich wollte ihnen, wenn ſie artig ſeien, erzählen wie die Kinder in Wien ſpielen und den Drachen fliegen laſſen. y

7. Oktober. Ich bin Sonnabend, Sonntag, Montag in Odenburg geweſen und habe dort der Einweihung des Seminars beigewohnt, das die Opferwilligkeit des Odenburger ev. Diſtrikts, die hilfreiche Unter⸗ ſtützung der Glaubensgenoſſen in Deutſchland, England und Frankreich und vor allem die nicht genug zu ehrende Begeiſterung von drei Männern für das Gottesreich gebaut hat. Dieſe Männer ſind Palſy, Kiraly und Kolbenheyer; die Bekanntſchaft mit dem letzteren namentlich iſt mir überaus anregend und lehrreich geweſen.

Von Odenburg machten wir mit Friedenfels, bei dem ich und Wattenbach wohnten, einen Ausflug auf den Neuſiedler See, auf den übrigens ſchon die Ausſicht von der Ferdinandshöhe bei Odenburg überaus lohnend iſt.

Sieht der Komet bei Euch ſchön aus? Hier iſt er prachtvoll und ich denke oft abends, wenn ich mich an ſeinem Glanz erfreue, daß vielleicht Euere Blicke auch dahin gerichtet ſind.

Leipzig 10. Oktober. So iſt denn der ſehnliche, langgehegte Wunſch erfüllt ich bin wieder in Deutſchland.

Donnerstag 7. Oktober verließ ich Wien. Die lieben Freunde Thomas und Fuß brachten den Abend mit mir bei Zimmermann zu; halb 8 Uhr ging der Zug aus dem Bahnhof fort, wo ein Gedränge ähnlich dem des jüngſten Tages tobte, da wenige Minuten früher der Zug nach Peſt geht. Es iſt die erſte eigentliche Nachtfahrt, die ich gemacht, nicht ohne eine Fülle mannigfaltigſter Empfindungen, die den nun allein Reiſenden bei dem Anfang des neuen Zuges in unſer geiftiges

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Heimatland bewegten. Links am & hat zeichen entzündet, rechts brauſte Dampfroß vorüber, von deſſen vorderſtem wie glühende Augen ſchon aus der Ferne 12 nachts waren wir in Brünn, es iſt u Hermannſtadt von Schäßburg.

Den folgenden Morgen ſuchte ich zuerft ; bekannten) Freunde auf. Im mähriſchen Stä⸗ zuvorkommend empfangen, eine ſehr lehrreiche S graphiſchen Urkundenabdrücke von Sickel, die ich ke in Wien nicht hatte zu Geſicht bekommen können, Treppen deshalb geſtiegen, überraſchten mich durch ihre

Von Brünn, das bei der Ferdinandstorbaſtei ſehr hat, ging ich mit dem Mittagszug fort. Die Bahn Zwittava, von deſſen landſchaftlicher Schönheit mir gekommen. Um ſo mehr erſtaunte ich darüber. Der klare durch enge Felſen den Weg bahnen müſſen; zwiſchen die oft durch die kühnſten Sprengungen nur ermöglicht; oft springende Klippen in ganz abgeſchloſſene Schlucht gleichſam genommen, findet der feuerſchnaubende Drache nur durch Tunnels Ausgang, deren auf kurzer Strecke nicht weniger als neun ſind. waren die Waldeshänge von der mildwehmütigen Farbenpracht Herbſtes ſo wundervoll übergoſſen, daß einzelne Partien unter den bg blauen Himmel ein nicht zu beſchreibendes ſchönes Bild geben. Freilich einen Augenblick und vorüber war es geflogen. Gegen acht uns weitherſchimmernd der Lichterglanz von Prag und bei dem Ausſtei, die Stadt ſelbſt ungaſtlich mit dicken Regentropfen, die mich jedoch nicht abhielten, durch die impoſanten gaserleuchteten Straßen einen Gang an die windgepeitſchte dunkle Moldau zu machen.

Den anderen Tag (Sonnabend 9. Oktober) hingen ſchwere Nebel über dem Hradſchin. Doch brach ſich die Sonne wieder Bahn, ſo daß ſie wenigſtens dann und wann den Wolkenſchleier lüftete und gerade dadurch der Gegend ein ganz eigentümliches Herbſtkolorit gab. Es trug mit dazu bei, bei dem Flug durch das Moldau- und Elbetal, richtiger den Elbedurchbruch überaus viel Reiz zu geben. Die Berge von den maunigfaltigſten ſchönen Formen, treten bekanntlich hart an den Strom, oben von dem dunkelgrünen Nadelholz bekränzt, die tieferen Abhänge mit dem gelbroten Blätterſchmuck des Oktobers überſtreut; der Fluß von weißen Segeln belebt oder vom wellenſchlagenden Dampfſchiff durch⸗

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brauſt; an den Ufern, auch wenn nur fauſtbreit Raum ſich bietet, Obſt⸗ pflanzungen mit einer Fülle roter lockender Apfel, dabei mit jeder Wendung des Stromes und der Bahn ein neues Bild im raſchen Wechſel von Dörfern, Städten, Burgen ich habe mich nicht ſatt ſehen können! Dabei ſtand im Hintergrund aller jener Anſchauungen unverrückt ein Bild vor zwanzig Jahren her. Damals ging ich, es war zu derſelben Jahreszeit, ein leichter Jüngling mit dem Ränzchen auf dem Rücken jenen Fluß entlang und in das reizende Gewirr jener Berge hinein, ſtundenlang den Blick an der Fernſicht von jenen Höhen labend und nun flog der gereifte Mann vorüber, deſſen Haar bereits ergraut und der ſo manche Hoffnung der friſchen Jünglingsbruſt faſt noch welker am Baum des Lebens ſieht als jene gelben Blätter an den jähen Berg⸗ hängen rings herum. Aber dafür hat er denn doch, was der Jüngling nicht hatte, ein Plätzchen zur Arbeit, daß jenem Baum der Lebensquell nicht abgegraben wird, hat treue mithelfende Freunde und Deine Liebe. Gott ſegne Dich und die Kinder!

Nachmittag 2 Uhr waren wir in Dresden, der patenten Stadt des ſtillen Anſtandes und ruhiger Würde, hinzuzuſetzen auch freundlicher Mädchen, deren ein ſehr intereſſantes mir den Weg zur Wohnung des Verfaſſers der Ritter vom Geiſt Gutzkow zeigte. Ich brachte eine ſehr an⸗ regende Stunde bei ihm zu und einen ſehr angenehmen Abend im Theater.

Heute von / 7 bis 10 hat mich der Dampfwagen nach Leipzig geführt. Profeſſor Wachsmuth hat mich ſehr freundlich (ich beſuchte ihn zuerſt) empfangen; ich werde morgen bei ihm ſpeiſen; fein Sohn iſt in dieſen Tagen Bräutigam mit einer Tochter von Profeſſor Pöppig geworden. Nachmittags habe ich die Umgebungen Leipzigs beſucht und dabei oft der Freunde, die hier ſtudiert, gedacht, bin dann bei dem Bürgerſchuldirektor Dr. Vogel geweſen, deſſen Schule ich morgen beſuche und habe bei dem Direktor des Nikolaigymnaſiums Dr. Nobbe den Abend zugebracht in ſehr lehrreichen Geſprächen über Schulſachen, des Tees, den uns ſeine hübſche Tochter ſervierte, nicht zu gedenken.

Lernt Fritz, erkundigt er ſich nach dem Vater? Gevatter Haltrich ſoll ihm auf der Karte den Weg zeigen, den ich mache; verſteht ers auch nicht, ſo wird es ihn doch freuen.

Hamburg 15. Oktober. Ich habe Montag den 11. Oktober zwei Stunden, die zu den Iuhrreichften und angenehmsten meines Lebens gehören, in Leipzig in Dr. Vogels Schulen zugebracht. Eine ſolche Elementarſchule gibt es auf der Erde schwerlich mehr. Du ſollſt mündlich mehr davon hören, was würden unſere Kinder erſt für eine Freude am

Lernen haben, wenn ſie das Glück ſolcher Le Anſtalt iſt übrigens vorzüglich und es trat lebhaft die Schönheit des deutſchen Bürgertum in ſolchen Schöpfungen ſucht und die Zufun| Grund baut.

Die weitere Zeit des Tages verfloß i nehm, Profeſſor H. Wuttke war zwar leider Julius Weißke und ſah die Univerſität unter E Mittagstiſch bei Wachsmuth, wo die Profeſſoren Zarncke und einige andere Herrn geladen waren, regungen; Zarncke namentlich, ein junger Mann v eine überaus angenehme Erſcheinung, deſſen Bekannt

Als es dunkel wurde, fuhr ich mit der Eiſenb N Dienstag 12. Oktober war ich um 10 Uhr in Jena. ‚Hafe, den Würdigen, ohne leider ſeiner Einladung Folge hörte da zu großer Befriedigung, daß Herr Biſchof Bi diplom wirklich ausgeſtellt erhalten hat, d. h. daß es aus und an mich im Juli abgegangen und traf weitere bezüglich desſelben, brachte dann eine unvergeßliche Stu zu, ſah darauf im ſchönen neuen Bibliotheksgebäude die die Univerſität zu ihrem Jubiläum bekommen hat, darunter die Büſte Fichtes, ſprach mit den ſtudierenden Landsleuten und fuhr 1 2 Uhr nach Apolda zurück. Von dort brachte mich die Eiſenbahn bis 7 Uhr nach Halle. 55 4

Den andern Morgen (13. Oktober) lernte ich unter des trefflichen Dr. Eckſtein Führung das Frankeſche Waiſenhaus und die damit ver⸗ bundenen Anſtalten kennen, ſprach Dr. Dümmler, einen überaus tüchtigen Mann, der in einer wunderſchönen, von Rauch urſprünglich für ſich gebauten Wohnung wohnt, machte noch einige intereſſante Beſuche und fuhr 1 Uhr von Halle fort. Donnerstag 10 Uhr nachdem der Dampf⸗ wagen abſcheulich langſam (15 Meilen in 4 Stunden) gefahren, und ein zweiſtündiger Aufenthalt in Magdeburg mir die Herrlichkeit des dortigen Domes gezeigt, die Nacht inzwiſchen bei ſchlechtem Ineinandergreifen der | Züge hatte im Gaſthaus zugebracht werden müſſen, war ich in Hamburg. |

Das alles find ſchwache äußere Umriſſe jener Tage. Die Fülle J des Geſehenen und innerlich Erlebten uff. iſt in geſchriebene Worte nicht zu faſſen.

Hier wohne ich nun bei Dr. Alt, der mich mit unbeſchreiblicher Herzlichkeit und Freude aufgenommen und in deſſen trefflichem Haus

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ich ſchnell einheimiſch mich fühlte [Alt war 1856 bei einem Beſuch Siebenbürgens in Teutſchs Hauſe Gaſt geweſen]. Ich ſah geſtern an ſeiner Seite einen Teil des leider in Nebel gehüllten Hamburg, das am Alſterbaſſin, in Börſe, Bazar alle meine Vorſtellungen übertrifft. Heute, nachdem ich in 24 Stunden eine Menge vielgenannter Männer kennen gelernt, habe ich im altberühmten Johanneum, einem Gymnaſium, Vorleſungen beſucht und Manches gemerkt morgen gehe ich nach Kiel.

Kiel 17. Oktober. Durch eine Einladung eines Profeſſors am Johanneum, Dr. Ulrichs, an der auf Sonnabend feſtgeſetzten Reiſe nach Kiel verhindert, bin ich heute erft hieher gelangt. Das Meer, das Ziel vieljähriger Wünſche, hat mich im Glanze der Kieler Gasflammen begrüßt; morgen hoffe ich es zu befahren.

Mit dem überaus trefflichen Dr. Alt, an deſſen Predigt ich mich heute erbaut: er ſprach über das Wort der Epiſtel: ſchicket Euch in die Zeit, denn es iſt böſe Zeit ſtießen wir auf der ſchönen Höhe an der Elbe in Wintzels Hotel, woher der Blick ſich am Maſtenwald von 500 Schiffen erfreut, heute Mittags beim Auſternfrühſtück in engliſchem Porter auf Euer Wohl an.

An Haltrich und Müller: Ich habe heute Abends nach drei ſtündiger Fahrt von Hamburg im Widerſchein der hundert Gas flammen

Kiels die Oſtſee geſ hen und ſende von ihrem Geſtade an Euch, ihr Teuern, Worte der Freundſchaft und des Grußes. Indem ich durch Deutſchland reiſe, vergeht keine Stunde, ohne daß ich bei den hundert anregenden Erfahrungen, die jeder Tag bringt, meines Volkes, meiner Kirche, meiner Freunde gedächte! Ich habe dabei in allen Teilen des teuern Mutter⸗ landes eine Aufnahme gefunden und für den fernen Stamm im Karpathen⸗ gebirge eine Teilnahme, die es dringendſt wünſchenswert macht, daß man ernſtlich daran denke, wie es möglich zu machen, daß man das entgegen⸗ kommende Streben der achtungswerteſten deutſchen Männer nach Kenntnis unſerer Zuſtände gründlicher als es bis jetzt der Fall geweſen befriedige. Unſer Buchhandel trägt die ſchwere Schuld in ſeiner gewiſſenloſen ſelbſt⸗ mörderiſchen Nachläſſigkeit; nicht einmal in Wien iſt ein Vereinsarchivheft oder eins der Sachſengeſchichte oder etwas anderes aus ſiebenbürgiſchem Verlag zu bekommen; Gersdorf in Leipzig klagt bitter, daß er weder für ſein Repertorium noch für die Univerſitätsbibliothek etwas Siebenbürgiſches auftreiben könne; der Bücherſchrank der ſiebenbürgiſchen Geſchichte, den er mir zeigte, hat die ältern Werke ziemlich vollſtändig, von den neuern außer Schullers Umriſſen, nicht eins. Auch unſere Reiſenden tun ihre Schuldigkeit wenig; es vergeht doch kaum ein Sommer, daß nicht eine

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bedeutende Zahl herauspilgern; aber die Schwellen jener Männer, die fo voll Teilnahme ihre Blicke nach Oſterreich und Siebenbürgen kehren, werden von ihnen nicht betreten.

Doch nirgends habe ich herzlichere Aufnahme gefunden als in Dr. Alts Haus. In feiner Bibliothek nimmt die ſiebenbürgiſche Literatur ein eigenes, nicht unbeträchtliches Fach ein; ſein Kreis, und es ift ein nicht unbedeutender, iſt von den Verhältniſſen dort „nahe an der Türkei“ gar wohl unterrichtet und insbeſonders in ſeiner Familie, mit feiner vortrefflichen Frau und ebenſo trefflichen Töchtern kann man von Perſonen, Zuständen, Strebungen des Heimatlandes ſprechen, wie hie und da in Juda und Israel mit nichten. In das Hamburger Leben und ſeine Strömungen habe ich durch ihn überaus belehrende Blicke getan; er vermittelte ſogleich, daß ich das Johanneum beſuchen konnte, in deſſen Scholarchat er ſitzt und ihm danke ich es, daß mir in vierſtündigem Hoſpitieren einiger Vorleſungen in Prima und Sekunda derſelben das Weſen der norddeutſchen Gymnaſien klarer geworden iſt als durch 100 Programme. Bei dem Lehrer des Griechiſchen in jener Schule Dr. Ulrich brachte ich geſtern was die Urſache war, daß ich erſt heute nach Kiel kommen konnte einen ſehr anregenden Abend zu; Dr. Oppert aus Paris, der viele Monate in Babylon und Ninive die dort auf Koſten der franzöſiſchen Regierung vorgenommenen Ausgrabungen geleitet hat und in Asien lartariſche Stämme und Sprache aus Autopfie kennen lernte, erzählte mir Intereſſantes über den Zuſammenhang des Tartariſchen und Magyariſchen.

Doch von alle dem mündlich mehr. Morgen hoffe, ich den Kreis meiner Bekannten durch Fricke, Nitzſch, Curtius, Forchhammer, Klaus Grooth (Müllenhoff iſt in Berlin) uff. zu erweitern.

Was macht man unten in re deeimali? Ich hoffe, man gibt die Sache nicht verloren. Hätten wir nur eine Landeskirchenver⸗ tretung; jo wird nichts anderes übrig bleiben, als daß die Bezirks⸗ kirchenverſammlungen eine Deputation von Weltlichen oder doch Weltliche darunter, am beſten wohl zwei Weltliche und der Biſchof wählen und nach Wien ſchicken. Es macht mir eigene Unruhe, daß ich in dieſer Sache ſo wenig aus der Heimat weiß.

Morgen gehe ich nach Hamburg zurück, werde Dienstag und Mittwoch einen Flug nach Cuxhafen machen, dann über Berlin nach Wien eilen und hoffe bis zum Ablauf der Ferien bei Euch zu fein. Ich wollte urſprünglich den 20. Oktober bei der Eröffnung der Kammern in Berlin ſein; aber es iſt nicht gegangen. Die neue Wendung der Dinge in Preußen findet hier überall unausſprechlich freudige Teilnahme;

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ich erfuhr fie in Jena und von da an war auf allen Bahnhöfen, an allen Wegen, wohin man nur kam, das ein Gegenſtand des Geſpräches, das immer wiederkehrte. Man konnte viel daraus lernen!

12. Januar 1860 an W. Watten bach. Aus Hamburg brachte mich das Dampfroß nach Berlin; wie ſprach mich die Stadt, die ich in 20 Jahren, ſeit ich dort Student geweſen, nicht geſehen, jo edel, jo würdig an; wie wurden ſo tauſend Erinnerungen wach, hinausgehend in ein Gefühl der Dankbarkeit gegen die deutſchen Güter, die Männer, die Inſtitute, die auch jo weit verſchlagene Söhne, wie die Sachſen in Siebenbürgen, vor nationaler Verkümmerung bewahren und ſie des Segens deutſcher Bildung teilhaftig werden laſſen. Von den alten teuern Lehrern traf ich leider Ranke nicht er war in Venedig —; mit Böckh und Ritter ſprach ich; der letzte treffliche iſt ſeitdes hinüber⸗ gegangen, quo divus Tullus et Ancus! Zu dem wertvollften meiner Reiſe rechne ich, daß ich Mommſen kennen lernte, mit dem ich während des kurzen Aufenthaltes wiederholt ſprach, wie ich überhaupt von den „Tagen in Berlin“ Blätter füllen könnte. Daß auch Mommſen, auch Dümmler Ihrer freundlichſt gedacht, brauche ich wohl nicht beſonders zu bemerken. Leider zwang die vorgerückte Jahreszeit und die Pflichten, die in der Heimat auf mich warteten, zu ſchnell zur Abreiſe, die ich nicht ohne Hoffnung, denn doch noch einmal jene Stätten beſuchen zu können, antrat. Wie bedauerte ich, nicht den Sprung nach Breslau machen zu können; doch mußte ich für das Gewährte ſchon dem Geſchick aufs herzlichſte danken. Ich habe eine Belehrung und Erhebung aus jenen Tagen mitgebracht, deren belebende Mächte noch lange lange mich mit ihrem Troſt erfreuen werden.

In Wien wurde er bei der Heimkehr unwohl. Die Kälte der letzten Tage, mehr noch die Überanſtrengung der Reiſe trug die Schuld. die Arzte fürchteten den Ausbruch eines Typhus und drangen auf raſche Heimfahrt. Mühſam, nach ſchlechteſter Fahrt kam er krank zu Hauſe an. Doch überwand es den Anfall raſch und mit friſchen Kräften ging es dann

zu neuer Arbeit. 7. Im Dienſt der Kirche.

Während des Philologentages in Wien hatten die drei Freunde Fuß, Teutſch und Budaker ein eingehendes Geſpräch miteinander über die Lage unſerer Kirche. Das Reſultat über ihre künftige Geſtaltung war, die Kirche müſſe dem Staat gegenüber den alten geſetzlichen Boden wieder gewinnen, wie er in den Approbaten, dem alten Landesgeſetz

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von 1653 und in den Beſchlüſſen des Klauſenburger Landtags von 1790/91 gegeben ſei, der Staat ſolle die ihm dort gegebenen Aufſich rechte nur durch Evangeliſche ausüben. Vor allem aber ſei die mögl innere Belebung ins Auge zu faſſen, darum die Hereinziehung des weltlichen Elementes ins Kirchenregiment und in die Verwaltung. Das Ziel verbürge die vollkommene Durchführung des Presbyterialſyſtems und Abſchaffung alles rein Kapitularen und Klerikalen. Bei der Geift- lichkeit könne es hie und da auf Widerſpruch ſtoßen, das Volk werde ſich mit Freuden auf die Seite des Presbyterialſyſtems ftellen.

Es find damit die Ziele gezeichnet, welche für die Kirche und beſonders für den Kreis, dem auch die drei angehörten, maßgebend geweſen ſind.

Die Lage der ev. Kirche im Jahre 1850 war eine verzweifelte, Die Verfaſſung beruhte auf der „Allerhöchſt begnehmigten Vorſchrift“ vom Jahre 1807, die damals im Zuſammenhang mit der auf politiſchem Gebiet erfolgten Regulation der ſächſiſchen Nation auch der Kirche aufgezwungen wurde. Es war ein tiefgreifender Eingriff in die ge- ſetzliche Stellung der Kirche, eine Vernichtung ihrer Autonomie geweſen, ein Widerſpruch mit den Grundgeſetzen des Landes. Jene „Vorſchrift“ wies gegen die alten Landesgeſetze dem Fürſten die Stellung eines summus arbiter zu, gab den politiſchen Behörden als ſolchen Einfluß auf die kirchlichen Angelegenheiten, nahm der Kirche das Recht der Selbſtgeſetzgebung, gab das Recht der Taxen und Dispenſe dem Fürſten reſpektive dem Staat, verlangte die Vorlage der Oberkonſiſtorial⸗ protokolle an das Gubernium und die Hofkanzlei und hatte ſelbſt die Rechtsgleichheit mit den übrigen Kirchen des Landes tatſächlich außer Kraft geſetzt. Es war die vollſtändige Anwendung der Lehre des Terri- torialſyſtems auch auf die ev. Kirche in Siebenbürgen, die nach den alten Landesgeſetzen das ausgedehnteſte Selbſtbeſtimmungsrecht und Autonomie beſaß, eine Anwendung, die ſich auch die anderen Kirchen im Lande gefallen laſſen mußten.

Das Oberkonſiſtorium nahm dieſe Regulierung hin, ließ die Kirche vom Rechtsboden verdrängen, die nun auf der einen Seite bureaukraliſch, auf der anderen hierarchiſch regiert wurde. Denn nach jener Vorſchrift von 1807 waren die weltlichen Beamten nach den Stufen der Gemeinde, des Bezirks, der Geſamtheit (Nation, Land) Mitglieder des Orts-, Domeftifal- und Oberkonſiſtoriums und es iſt erklärlich, wenn die Regierung den Einfluß des politiſchen Regiments auf die Kirche ber günſtigte und, da dieſes vollftändig von der Regierung abhängig war,

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ſorgſam zu erhalten beſtrebt war. Daneben trug das beſondere geiſtliche Kirchenregiment in den Kapiteln und der Synode einen hierarchiſchen Charakter an ſich. Das Doppelregiment war an ſich ein Unglück, noch mehr hier, wo die kirchliche Gemeinde durch das Überwiegen der po— litichen Beamten jeden Einfluß auf die Verwaltung ihrer Angelegen— heiten verlor. Dazu kam, daß dieſes Konſiſtorialregiment die Zucht unter Geiſtlichen und Weltlichen verfallen ließ ſich um das innere Leben der Kirche nicht kümmerte, das evangeliſche Bewußtſein kaum lebendig zu erhalten wußte. Als der Abſolutismus 1850 die alte politiſche Verfaſſung aufhob, da ging auch die Kirchenverfaſſung aus allen Fugen. Es fehlten nun, bei den vom Staat ernannten Beamten, die weltlichen Elemente in allen Inſtanzen und wenn ſie doch beſonders im Oberkonſiſtorium das Regiment weiter führten, ſo konnte dieſe Behörde auf Geſetzmäßigkeit keinen Anſpruch machen.

Das erkannte das Oberkonſiſtorium ſelbſt und verſuchte ernſtlich, der Kirche eine neue Verfaſſung zu geben. Unter Mitwirkung der Generalſynode kam ſchon 1850 eine „Proviſoriſche Kirchenverfaſſung“ zuſtande. Sie hatte ihre ſofortige Einführung ins Auge gefaßt; erſt nach nochmaliger Prüfung ſollte die Beſtätigung der Regierung nach⸗ geſucht werden. Die Regierung verlangte aber die Vorlage vor der Durchführung der Verfaſſung. Da ließ das Oberkonſiſtorium dieſe Arbeit vollſtändig fallen und arbeitete einen neuen Entwurf aus, der am 28. Mai 1851 der Regierung vorgelegt wurde, mit der Bitte um Beſtätigung, damit keine Stockung „in dieſem hochwichtigen Ver⸗ waltungszweige“ einträte. Auch ein Beweis, wie gering die Ahnung des Rechtsſtandpunktes im Oberkonſiſtorium ſelbſt war. Die vorgeſchlagene Verfaſſung ſelbſt war ein unbedeutendes Werk. In Erledigung dieſer Bitte um Beſtätigung der Verfaſſung erfolgte zunächſt am 27. Dezember 1854 eine kaiſerliche Entſchließung, wornach der Amtsſitz des Superinten⸗ denten nach Hermannſtadt zu verlegen ſei und er den Vorſitz in der Landeskirchenverſammlung führen ſolle. Am 27. Februar 1855 erſchien die Verordnung der Regierung, womit eine „Proviſoriſche Vorſchrift für die Vertretung und Verwaltung der ev. Landeskirche A. B. in Siebenbürgen“ kundgemacht wurde, die vorläufig, bis zu der nach weiterer Vernehmung der ev. Landeskirche zu erfolgenden definitiven Entſcheidung des Kaiſers, in Wirkſamkeit zu treten habe. Das Oberkonſiſtorium nahm dieſe „Proviſoriſche Vorſchrift“ dankbar an und auf ihrem Grund wurden 1856 die Ortsgemeinden und Bezirksgemeinden organiſiert. Wenn man auch formell die Proviſoriſche Vorſchrift als Erledigung der kirchlichen

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Bitte vom 28. Mai 1851 anſehen kann, innerlich geht es doch nicht an. Im Gegenteil: dieſe Proviſoriſche Vorſchrift iſt etwas ganz anderes als der Verfaſſungsentwurf des Oberkonſiſtoriums und vor allem es war abermals ein neues Oktroi der Regierung. Und doch blieb nichts anderes übrig als es anzunehmen, denn es bot den Anfang, um endlich zu geſetzmäßigen Zuſtänden zu gelangen. Wohl war zunächſt nur die „weitere Vernehmung der Landeskirche“ in Ausſicht geſtellt, aber immerhin war es jetzt möglich, der Kirche Organe zu ſchaffen, die „lediglich durch das Vertrauen der Glaubensgenoſſen zur Vertretung und zur Teilnahme an der Verwaltung der Kirche berufen“ wurden, denen dann vertrauensvoll die weitere Arbeit auch in bezug auf die Verfaſſung überlaſſen werden konnte.

Daß unter ſolchen Umſtänden das kirchliche Leben auch der Orts- gemeinden vielfach zu leiden hatte, iſt nur natürlich. Die Lehrer unferer Gymnaſien aber ftanden durch die uralte Verbindung der Schule mit der Kirche mit dem kirchlichen Leben ſelbſt in innigſtem Zuſammenhang. Auch in Schäßburg war es wie überall, daß die bureaukratiſche Ver⸗ waltung vor allem der weltlichen Konſiſtorialmitglieder in vielen Fällen, insbeſonders bei den Kandidationen zu den Pfarreien ein reines Willkür⸗ regiment war. Ein Glück für die Stadt, daß an der Spitze der Kirchen⸗ gemeinde als Stadtpfarrer ſeit 1845 M. G. Schuller ſtand. Teutſch mußte ſich die Mitgliedſchaft im Lokalkonſiſtorium den weltlichen Mit⸗ gliedern gegenüber, die ihn nicht mochten, geradezu erkämpfen, obwohl das Geſetz die Mitgliedſchaft des Direktors, mindeſtens bei Verhand⸗ lungen über Schulangelegenheiten vorſchrieb. Von 1852 —58 verſah er das Amt eines Aktuars im Domeſtikalkonſiſtorium, bei der Organiſation der Bezirkskonſiſtorien wählte der Bezirk ihn ſofort zum Mitglied der neuen Behörde. Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge ſtand ihm nun eine Pfarre in dem Schäßburger Promotionskreis in Ausſicht. Es ift auch ein Beweis für die Bedeutung ſeiner Perſönlichkeit, daß ſie allmählich auch die Widerwilligen zu ihrer Anerkennung zwang. Ein Ausdruck deſſen war es, daß das Domeſtikalkonſiſtorium von ſeiner Kandidation in die erledigten Pfarreien (Trappold, Meſchendorf, Neithauſen, Wolken⸗ dorf, Keisd) Abſtand nahm, weil er beim Gymnaſium nicht zu entbehren ſei.

Gewiß konnte er zunächſt dort auch für die Kirche mehr wirken als ſonſtwo. In Schäßburg gelang es weſentlich ſeiner und Müllers Tätigkeit, das alte Dominikanerkloſter, das die Stadt ſäkulariſiert hatte, für die Kirche zurückzugewinnen; es iſt ſpäter zu Schulzwecken verwendet worden. Vor allem aber trat Teutſch in den großen Kampf ein, der Kirche den Rechtsboden, eine neue autonome Verfaſſung zu gewinnen,

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Die Beziehungen zu Rannicher und Zimmermann, der inzwiſchen ins Kultusminiſterium nach Wien berufen, ſeinen Wohnſitz auch dorthin verlegt hatte und der nun den maßgebenden Einfluß auf die Entwicklung dieſer Angelegenheit gewann, haben in dieſer Frage dazu gedient, das Ganze zu fördern. Denn die Kirchenfrage geriet ins Stocken. Vergebens mahnte das Oberkonſiſtorium, vergeblich drängten die Gemeinden und Bezirkskonſiſtorien zum weitern Ausbau die Regierung ließ die Landes- kirchenverſammlung nicht zuſammentreten.

Den Zeitgenoſſen war das rätſelhaft, und es war eine Erſchwerung der Entwicklung, daß ſie nicht wußten, was im geheimen vorging.

Am 14. Dezember 1852 hatte J. A. Zimmermann, nach voran- gegangenen umfaſſenden Studien, in einem „allerunterthänigſten Vortrag“ dem Kaiſer die Grundlinien dargelegt für eine neue Organiſierung und Zuſammenfaſſung der ev. Kirche in den Ländern Oſterreichs und Ungarns zu einem ganzen. Als Ziel wurde aufgeſtellt die Rückgabe des Selbſt⸗ beſtimmungsrechts und der Selbſtbeſtimmung an die ev Kirchen ſowohl in Ungarn wie in Siebenbürgen, dort auf Grund und im Umfang der geſetzlichen Beſtimmungen von 1790 —91, hier der Approbaten und Kompi⸗ laten. Für dieſe Organiſation wurden als Grundſätze aufgeftellt, daß die Kirchengemeinden ihre Angelegenheiten durch gewählte Vertretungen verwalten, daß die kirchliche Gerichtsbarkeit kirchlichen Behörden zustehen ſolle, den Synoden das Recht der Geſetzgebung zukomme. Die Kirche habe das Recht der Selbſtbeſtimmung. Für alle ev. Kirchen ſollte ein Ober⸗ tirchenrat in Wien eingerichtet werden, der die Oberaufſicht uff. ausübe.

Die Schwierigkeit lag darin, wie die Überleitung aus den beſtehenden Zuſtänden auf den alten Rechtsboden geſchehen ſolle. Die Regierung dachte ſich den Gang ſo, daß ſie zunächſt neue Verfaſſungen oktroyiere, damit die Kirchen ſich neu konſtituierten und dieſe dann auf Grund der Autonomie zur alten Selbſtbeſtimmung zurückkämen. Jene Oktroyierung aber ſchien der kürzeſte Weg zu ſein, daß überhaupt zunächſt eine Organiſation der Kirche erfolge.

In dieſem Gang der Ereigniſſe begreift man die Eingriffe der Regierung in die kirchlichen Angelegenheiten.

Aber ebenſo, daß die ev. Kirche in Ungarn davon nichts wiſſen wollte. Mit blutigen Lettern war in ihre Geſchichte das Eingreifen der Regierung eingeſchrieben, die Kirche konnte auf jahrhundertlange böſe Erfahrungen und Mißhandlungen ſich berufen, wenn ſie unbedingtes Mißtrauen und unbedingte Ablehnung zeigte, das um jo mehr, als die letzten Ziele der Regierung ihr verhüllt waren.

Georg Daniel Teutſch. or

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Als ihm Jahr 1856 ein „Entwurf zu einem Geſetze über die tretung und Verwaltung der Kirchenangelegenheiten der & beider Bekenntniſſe im Königreich Ungarn, in der ſerbiſchen Woin und dem Temeſcher Banate“ erſchien, mit der Aufforderung an Superintendenzen, in eine unbedingt freie Meinungsäußerung einzutreten, blieben ſie auf dem ablehnenden Standpunkt: di habe dieſe Frage in der Art zu regeln, daß die Synode den Ver vorſchlag mache! >

In Siebenbürgen aber mußte die ev. Kirche von ſelbſt die Provifori Vorſchrift und dieſen Verfaſſungsentwurf für die ungar.⸗ev. Kirche mit einander vergleichen. Dabei ſtellte ſich heraus, daß der letztere auf den⸗ ſelben Grundlagen beruhte wie die Proviſoriſche Vorſchrift, im einzelnen aber viel freier war und dem Geiſt des Fortſchritts mehr Rechn trug, indem er das presbyterial-ſynodale Syſtem weiter ausbildete. Bi G. P. Binder gab in einer Eingabe an das Kultusminiſterium (5. vember 1858) offen dieſer ungarländiſchen Kirchenverfaſſung den Vorzug Zugleich lag es nahe, was in Ungarn als Einleitung zur weiteren Ent⸗ wicklung angeſehen wurde auch für Siebenbürgen als wünſchenswert anzuſehen, und daß doch in erſter Reihe die Kirche gehört werden möge. So war es wieder Biſchof Binder, der in einer Denkſchrift vom | 29. November 1858 dem Kultusminiſter nahe legte, Vertrauensmänner ein- zuberufen, die die Wünſche der Kirche vorzubringen hätten; dieſes Vor⸗ gehen werde von der Kirche dankbar angenommen werden und zur Be⸗ ruhigung der evangeliſchen Glaubensgenoſſen dienen. Binder war augen⸗ ſcheinlich von Zimmermann über die letzten Ziele aufgeklärt und darum beruhigt über das Endergebnis. Auch das Oberkonſiſtorium drang 1857 (30. Juni) auf Einberufung von Vertrauensmännern, um den Ausbau der Kirchenverfaſſung endlich zu vollenden. In der Tat wurde die Lage der Kirche immer verzweifelter. Das Oberkonſiſtorium war keine legale Behörde mehr, in der Kirche drohte Anarchie, vor allem in der Ober⸗ behörde ſelbſt. Der einzige Mann in dieſer, der mit Klugheit und Energie die Verfaſſungsfrage zu behandeln begann, war Rannicher, damals noch nicht 30 Jahre alt und von Wien als Statthaltereiſekretär nach Hermannſtadt geſchickt, wo er zugleich Referenten- und Aktuars⸗ dienfte beim Oberkonſiſtorium verſah. Mit feinem Eintritt, der gleich⸗ falls um Zimmermanns Pläne wußte, begann man dort endlich die Rechtsfrage in ihrer Bedeutung zu erfaſſen. In der Kirche ſelbſt herrſchte, bei aller Hochachtung vor den einzelnen Mitgliedern des Oberkonſiſtoriums, dieſer Behörde gegenüber ein Gefühl, das in den Briefen jener Zeit

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ſich draſtiſch Luft machte und in den Refrain Catos Carthago gegenüber regelmäßig ausklang. Und in ſolcher Lage nichts als Zögerung und Verzögerung von oben. Einzelne Bezirkskirchenverſammlungen, ſo die von Schäßburg, wo Teutſch einer der Dränger war, ließen es nicht an immer dringenderen Mahnrufen fehlen, endlich die Proviſoriſche Vor⸗ ſchrift mindeſtens durchzuführen, um die Verfaſſungsfrage zu beendigen. Das Oberkonſiſtorium erklärte entſchieden, ſeine Stellung werde immer unhaltbarer und gegenüber den Presbyterien und Bezirkskonſiſtorien, die aus freier Wahl hervorgegangen ſeien, müſſe es ſich ſelbſt die Ber rechtigung abſprechen, in Angelegenheiten von grundſätzlicher Tragweite Stellung zu nehmen. Die Schäßburger Bezirkskirchenverſammlung ſchrieb: Solange der wichtige Teil der Proviſoriſchen Vorſchrift, der Ausbau der Oberbehörde fehle, „ſind der Kirche in der Tat die Lebensadern unter- bunden, und es werden, wenn dieſer Zuſtand der Schwäche und Ab⸗ mattung noch länger andauert, Gefahren entſtehen, welche höchſt nach⸗ teilig auf die ſittlich-religiöſen Grundlagen der Geſellſchaft zurückwirken müſſen, während man doch in des Staates eigenſtem Intereſſe, alle Nerven einer lebensvollen, in freudiger Wirkſamkeit arbeitenden Tätigkeit anſpannen jollte, damit die ev. Landeskirche fort und fort mit dem ge— hobenen Mute auch die wachſende Kraft behalte, die Miffion der Treue, des Deutſchtums, der Bildung und Geſittung auf einem der wichtigſten Grenzpoſten der öſterreichiſchen Monarchie immer wirkſamer erfüllen zu können.“

Es nützte alles nichts. Die Urſache dieſer leidigen Verzögerungen lag nicht nur in der zögernden Art des Mannes, der die große Aufgabe in der Hand hatte, ſondern auch in den Verhältniſſen. Zunächſt: die Provi⸗ ſoriſche Vorſchrift hatte doch allerlei Mängel, die um ſo deutlicher zutage traten, wenn ſie mit der für Ungarn herausgegebenen Kirchenverfaſſung von 1856 verglichen wurde. Sollte hier das Minderwertige durchgeführt werden? Wenn nicht, wie ſollte es gebeſſert werden? Dann aber rückte die Frage in Ungarn nicht von der Stelle, da die Kirchen dort einfach proteſtierten. Endlich war auch in der ſiebenbürgiſchen Landeskirche das vollere Verſtändnis für die alte Rechtsſtellung erwacht und mit wachſender Entſchiedenheit berief ſich endlich auch das Oberkonſiſtorium auf Approb. 1, 1, 3, das Leopoldiniſche Diplom und die Landtags- beſchlüſſe von 1791, wo überall die volle Autonomie und die Gleich— berechtigung auch der ev. Kirche gewährleiſtet war.

Der Krieg in Italien mußte mit dem Unglück Oſterreichs auf

den Schlachtfeldern von Solferino und Magenta endigen, damit allgemein 10*

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zeitgemäße Verbeſſerungen in Geſetzgebung und Verwaltung in Au geſtellt wurden. Unter den Lbſung heiſchenden Aufgaben wurde a die Sicherung der Autonomie der nichtkatholiſchen Religionen auf und am 1. September 1859 erſchienen das k. Patent über die Ordn der Innerangelegenheiten der ev. Kirche in Ungarn und im Zuſammen. hang damit Proviſoriſche Beſtimmungen über die Vertretung und % waltung der Kirchenangelegenheiten eben dieſer Kirche in Ungarn. Es hat neuen energiſchen Drängens ſeitens der ev. Kirche in Siebenbürgen bedurft, um endlich 1860 einen Schritt weiter zu kommen.

Die ungar. ev. Kirche erklärte mit fteigender Erbitterung, daß ſie das „Proteſtantenpatent“ unter keinen Umſtänden annehme und beharrte auf ihrem Recht, daß die Kirche ſich ſelbſt organiſiere. Die ev. Kirche in Siebenbürgen, deren leitende Männer durch die perſönlichen Beziehungen zu Zimmermann das Mißtrauen überwunden hatten, verſuchte auf dem angebotenen Weg zu einer Verfaſſung zu kommen.

Als die Regierung ſich entſchloß, den Miniſterialrat Joſef Andreas Zimmermann, der inzwiſchen Leiter des ev. Konſiſtoriums in Wien geworden war, als Miniſterialkommiſſär nach Hermannſtadt zu ſenden, um mit Vertrauensmännern die ev. Kirchenangelegenheit zu beſprechen, gingen dieſe auf den Plan ein. Als ſolche waren einberufen worden: Budaker aus Biſtritz, Teutſch, Gräſer aus Wurmloch, Schiel aus Kronſtadt, Phleps aus Großau, Konrad Schmidt und Rannicher aus Hermannſtadt und Biſchof Binder, der aber nur an einer Sitzung teilgenommen hat. Die Vertrauensmänner ſollten nicht im Auftrag der Landeskirche reden und handeln, ſondern bloß ihre Privatanſchauungen vertreten. Und dieſe verlangte die Regierung über die Proviſoriſche Vorſchrift, über deren Verbeſſerung und Ergänzung. Kein Zweifel, die Kirche ſtand vor einem wichtigen Wendepunkt. Wie es bei ſolchem Anlaß kaum anders möglich iſt, waren die Meinungen auch inmitten dieſer Kirche nicht auf einen Ton geſtimmt. Das allzulange Warten hatte die Gemüter erregt, viele trauten auch hier der Regierung nicht recht. Dazu ver⸗ wirrte die Haltung der ungar ev. Kirche auch hier die Geiſter. Es mußte doch auch hier Eindruck machen, daß dieſe von dem September⸗ (Proteſtanten) patent nichts wiſſen wollte und jede ſtaatliche Einmiſchung ganz entſchieden ablehnte, ſelbſt auf die Gefahr, zunächſt überhaupt keine kirchliche Ordnung und Organiſation zu erhalten. Es waren übrigens dort, wie zu anderen Zeiten auch damals, für jene Haltung weſentlich nicht kirchliche oder gar religibſe Geſichtspunkte maßgebend geweſen, ſondern was nicht zu verwundern iſt vor allem politiſche und

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nationale. Gerade das aber war eine Gefahr, wenn unſere Kirche verſucht hätte, jene Haltung nachzuahmen. An Geneigtheit hat es in manchen Kreiſen nicht gefehlt. In der Kirche waren drei Parteien vorhanden, die ſich jahrelang neben und gegen einander verfolgen laſſen, die beiden Oppoſitionsparteien aber fielen im Handeln zuſammen; ſie ſind zunächſt in der Mehrheit geweſen. Die eine, man könnte ſie die kapitular⸗klerikale nennen, wollte von der Proviſoriſchen Vorſchrift und den Grundgedanken, von denen ſie ausging, ebenſowenig wiſſen wie von den Prinzipien der Proviſoriſchen Beſtimmungen für die ungariſche Kirche. Sie verabſcheute das ganze presbyteriale Syſtem, das hier zur Anwendung kam und fürchtete eine Schädigung des geiſtlichen Einfluſſes, ja feine völlige Ver— drängung aus der Kirche. Sie war allerdings in einem großen Irrtum befangen. Es war Täuſchung anzunehmen, die Geiſtlichen regierten damals die Kirche. Wenn man abſieht von der Ehegerichtsbarkeit, die in den Kapiteln in den Händen der Geiſtlichen lag, jo regierte damals ausſchließlich der weltliche Stand. Aber in ſolchen Fragen entſcheiden nicht die tatſächlichen Verhältniſſe, ſondern die Empfindungen und Gefühle, die die Menſchen darüber haben. Und in vielen geiſtlichen Kreiſen ſtand als Dogma jene Anſchauung feſt, ſie hatte im Burzenland und im Kisder Kapitel ihre eifrigſten Verfechter. In dieſe Partei flüchteten auch jene, die überhaupt eine ſtrammere Zuſammenfaſſung der Kirche nicht wollten, weil ſie die Läſſigkeit des damaligen Regiments, im Grunde vielfach eine völlige Regimentsloſigkeit angenehm empfanden. Eine zweite oppoſitionelle Schattierung, weſentlich von Weltlichen getragen, war Gegner dieſer ganzen Art, der Kirche zu einer Verfaſſung zu helfen. Sie verabſcheute Proviſoriſche Vorſchrift und Proviſoriſche Beſtimmungen (für Ungarn) als eine Oktroyierung der Regierung und wollte aus dieſem formellen Grund von beiden ebenſowenig etwas wiſſen wie von der Beratung der Vertrauensmänner. Die Kirche ſollte ſich nach ihrer Meinung ſelbſt eine Verfaſſung geben, dem Hingezogenwerden und Sich⸗ hinhaltenlaſſen ein Ende machen.

Dieſen gegenüber ſtand zunächſt ein kleiner Kreis auf der Anſchauung: eintreten in die Beratung der Proviſoriſchen Vorſchrift und Verbeſſerung derſelben, dann auf Grund dieſer verbeſſerten Verfaſſung Beſitzergreifung der Autonomie, die die Regierung ſelbſt dann anerkenne, fie ſei ja auf dem beſten Wege dazu, während in dieſem Stadium der Sache ein, dazu noch zweifel⸗ hafter, Kampf erforderlich wäre, um auf anderm Weg in den Beſitz der Autonomie zu gelangen. Teutſch ſtand auf dieſer letzten Anſchauung. Er wußte von Zimmermann und Rannicher und Konrad Schmidt, daß

fie nie die Hand zu einem Vorgang bieten würden, der die Kirche Abhängigkeit vom Staat bringe und hatte die Überzeugung, daß dem eingeſchlagenen Wege dieſe Autonomie am erſten wieder zu ſei. So trat er in die Vertrauensmännerkommiſſion ein. Es war um fo bedeutenderer Schritt, als auch die nächſten Freunde fürchteten, die) ganze Beratung ſei nur ein weiteres Mittel, die eigentliche Entſcheid noch weiter hinauszuſchieben. Zwei Briefe aus jener Zeit mögen verſchiedenen Anſchauungen am beſten und unmittelbarſten widerſpieg So ſchrieben in einem gemeinſamen Brief die zwei nächſten Schäßbu Freunde (Müller und Haltrich) an Teutſch, er zeigte zugleich, was man von Teutſch hoffte und erwartete: „Da Du Deinen Ausſagen gemäß der Regierung das Recht der Initiative oder gar des willkürlichen Befehlens in kirchlichen Hauptfragen nicht einräumſt; da die Kirche ſelbſt in den verſchiedenſten Teilen des Landes ſich gegen eine ſolche Maßregelung ohne Ende ſträubt und alle diejenigen, welche dazu die Hand bieten, zu ihren Gegnern (bewußten oder unbewußten) rechnen wird; da die Regierung unzweifelhaft die Abſicht einer ſolchen fortgeſetzten Oktroyierung beſitzt, und um ihr die Folie der Volkstümlichkeit und Liberalität aufzu⸗ kleben, die Vertrauensmänner (von verdientem und unverdientem Ruf! benützen will; da ebenſo unzweifelhaft die Kirche ſich allem ſo ohne ihre Aufforderung und Vorarbeit Befohlenen als offenbarem Angriff auf ihr gutes Recht entgegenſtellen, es von ſich weiſen und ſich wehren muß, wozu ihr alle Guten, alſo auch Dul, Hand und Herz widmen müſſen: ſo halte ich dafür, daß für alle Diejenigen, welche dieſem Verfahren grundſätzlich abhold find, mögen fie auch in der Vertrauenskommiſſion geſeſſen haben, nichts anders übrig bleibt, als ihr Mandat niederzulegen und ſich für unvermögend zu erklären, ihren guten Namen auch nur im Entfernteſten an dieſe kirchenfeindlichen und gemeinſchädlichen Ordonanz⸗ vorarbeiten hängen zu laſſen.

„Ein ſolcher Schritt, ich verkenne das nicht, wird nach oben hin, weil er von Sachſen ausgeht, großes Aufſehen machen und die roten Kreuze um eines vermehren; aber frage Dich ſelber, wirſt Du je, ſolange dieſes Syſtem dauert, ohne rote Kreuze ehrlicherweiſe beſtehen können? Und da ich weiß, daß Du an Deine Perſon weniger zu denken gewohnt biſt als an das gemeine Beſte: kann dieſes gemeine Beſte gewinnen, wenn wir auch die Kirche in die Hände des Staates kommen laſſen, fie, die meiner feſten Überzeugung nach, mögen ſich die politiſchen Zuftände auch noch ſo ſehr zum Beſſern kehren, dennoch auch in Zukunft die einzig fichere Stütze unſeres Volkstums und unſerer Freiheit bilden wird

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und zu dieſen Zwecken die Dienſtbarkeit des Staates fliehen muß. Ich ſehe in dieſem von oben eingeſchlagenen Wege nur Unfreiheit für, Zwiſt unter uns und dabei wieder eine glückliche Ernte für den höhniſch lachenden Mephiſto. Wenn unter dieſer „Ordnung“ von oben nichts litte als Dein guter, mit Mühe und Arbeit erworbener, nach unten geachteter, nach oben geſcheuter Name, ſo wäre der Gewinn für dieſe oben zu groß und das Opfer für jene unten zu beklagenswert. Wie ſchwer ſchwingt ſich unter unſern kleinlichen Verhältniſſen ein Mann zu ſolcher Popularität empor und wie muß ebendeshalb ſein Fall den Mächten der Hölle ein Jubel ſein. Und Du fällſt, wenn Du Deine Hand zu dieſen Attentaten weiterhin bieteſt. Die Einen lächeln ſchon und die Andern weinen. Darum ſiehe, daß Du ſteheſt. Ich ſehe, daß man kluge genug unſere beſten Namen uns rauben will, um das ſo führerlos gewordene Schiff dann deſto leichter abzutakeln. Denn wenn Ihr euch weiter einlaſſet, wenn Ihr gar euere Feder ihnen leihet, ſo wird es unten heißen: „ſie haben uns verlaſſen und ſich mundtot machen laſſen“; oben: „Sie dürfen nicht gegen ung fein, denn fie find für uns geweſen“. Ich ſehe, daß der Laienſtolz gern ans Ruder kommen möchte, daß junge Kandidaten gern den Alten in den Pfarren den Rang abliefen und Leute, die unſicher im Denken und Fühlen ſind und nur den miſerabeln „guten Willen“ haben, von jenen ſich an der Leine führen laſſen. Darum tritt Du jetzt nach Deiner Rückkehr von Biſtritz noch einmal vor die Kommiſſion, ſage ihr, daß Du auf Deiner Reiſe mit Männern aus den verſchiedenſten Teilen des Landes geredet und den Widerwillen gegen dieſes Willkür⸗ verfahren der Regierung unſrer Kirche gegenüber ſo heftig gefunden, daß Du Dich in Deinem Gewiſſen noch einmal gedrungen fühlteſt, den Grund und Kern der Sache zur Sprache zu bringen und an die Einhaltung der geſetzlichen Baſis zu mahnen. Wollen ſie wieder nicht, dann wirf ihnen ehrlich den Handschuh hin und tritt aus. Du retteſt dadurch Dir Deinen Namen und die Freiheit Deines ſpätern Handelns, der Kirche Deine Kraft. Ich kann mir das Zeugnis geben, daß ich ſchon manches Wort zu Deiner Ehre geſprochen, nicht ſo um unſrer Freund⸗ ſchaft willen als weil ich es mit gutem Gewiſſen tun zu können meinte; es würde mich unendlich ſchmerzen, hier in einem der allerwichtigſten Punkte in die Lage zu kommen, Dich nicht nur nicht verteidigen zu können, ſondern Dich gar angreifen zu müſſen. Du lachſt vielleicht über meinen Eifer, der wie eine halbe Drohung klingt, ich wünſchte aber, Du ſäheſt daraus die Liebe des Freundes, dem Deine Ehre nicht minder teuer iſt als die ſeine und der Dich für das Rüſtzeug hält, welches Gott

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ſich vor vielen andern auserwählt zu feinem, nicht zum Dien Fineſſenpolitiker. Stelle Dich über ſie und wenn ſie es nicht mögen, außerhalb ihrer Rotte!“ ?

Den Nachlebenden verſchwimmen leicht im Rückblick auf ein v Werk die perſönlichen Gegenſätze, aus deren Reibung es gegangen; der Mithandelnde fühlt ſie am ſchmerzlichſten und dann, wenn der Freund gegen den Freund ſteht.

Auch Trauſchenfels aus Kronſtadt hatte ähnliche Bedenken ge Teutſch antwortete auf das Schreiben der Schäßburger Freunde: „2 N Schreiben vom 10. Auguſt ift mir überaus lieb geweſen ebenſoſehr um der Sache willen als wegen der Freundſchaft gegen mich, die darin ſo warmen Ausdruck gefunden und von der Du weißt, wie ſehr teuer ſie mir iſt. Es hat mich in Entſchlüſſen beſtärkt, die bereits bis dahin vielfach rege geworden. Ich kann Dir heute (20. Auguſt) mitteilen, daß nach einem ſchweren vor- und nachmittägigen Kampf mein Bleiben bi möglich geworden iſt. Die Arbeit hält ſich ſtrenge in den Aufgaben, welche ich mit „Ermöglichung der Einführung des, nach den von uns mehrfach beſprochenen Richtungen zu verbeſſernden, dritten Teiles bezeichne“.

Seine Stellung in dieſer Lebensfrage der Kirche hat Teutſch in einer außerordentlich klaren Darlegung wie es ſcheint zu feiner eignen Orientierung unter dem Titel: „Was iſt die Aufgabe der Vertrauens⸗ männer?“ feſtgehalten. Er antwortet auf die geſtellte Frage: Unter Wahrung der Rechte der Kirche anbahnen zu helfen einen Zuſtand

in dem ſie ſich auf dem Grund der ihr naturgemäß und rechtlich zuſtehenden Selbſtbeſtimmung in Ordnung entwickeln kann;

der eben deßhalb ſie befriedigt und in Eintracht erhält;

der ihr Vertrauen gegen die Regierung befeſtigt und wahrt.

Das wird auf dem Wege einer Ausarbeitung und Einführung der geſamten Kirchenordnung nicht erreicht. Denn dann kommt die Be⸗ ſtimmung ihrer Lebensentwicklung von außen; und wenn in dieſem Fall unzweifelhaft auch die beſte Abſicht obwaltet, ſo iſt das Prinzip präjudiziell.

Schon darum wird der Vorgang viele Gegner haben, noch mehr weil durch jene Einführung weſentliche Teile des bisherigen Kirchen— rechts umgeſtoßen werden, ohne daß man die Kirche hört und die Ver- letzten unzweifelhaft das nicht ſtillſchweigend hinnehmen.

Grade dadurch aber wird das ſchon erſchütterte Vertrauen gegen die Regierung noch wankender; es ſteht bei der Wahlverwandtſchaft aller

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Intereſſen ein „ungarländiſcher Zuſtand“ bevor, der auch politiſch die nachteiligſten Folgen haben muß.

Das Alles wird vermieden, wenn man nur den 3. Teil verhandelt und die damit im Zuſammenhang ſtehenden Beſtimmungen der beiden erſten Teile.

Da wird das Selbſtbeſtimmungsrecht der Kirche in allem übrigen gewahrt und von der Regierung der überaus gehäßige Verdacht fort- währender Oktroyierungsgelüſte ferngehalten;

da kommt keine Zwietracht in die Kirche;

das Vertrauen gegen die Regierung muß wachſen, wenn man ſieht, wie ſie den 3. Teil von ſelbſt verbeſſernd, bona fide vorgeht; dieſes aber iſt nach den ungar. Vorgängen grade für die betreffenden Organe ſehr wünſchenswert.

Man wendet ein:

Wenn nicht Alles umgearbeitet wird, ſo werden weſentliche, der Anderung bedürftige Teile (Wahlen, Eherecht) nicht verbeſſert oder doch nur nach innerem Zwiſt.

Der letztere ift gewiß, wenn hieran de me sine me Hand angelegt wird und gewiß erbitterter.

Die Verbeſſerung tritt aber durch die Legislative der Kirche un⸗ zweifelhaft ein und zwar dann auf dem Wege der legalen Reform.

Man ſagt ferner:

Wird dieſe Gelegenheit nicht benützt, ſo wird der Staat keine Dotation gewähren.

Aber er iſt dieſe ſchuldig durch die Verfügung des Kaiſers bez. des Superintendentialſitzes,

durch die Behandlung der römiſchen Kirche und

durch die Zugeſtändniſſe an die ungar. und erbländiſchen Prote- ſtanten. Man weiſt endlich hin, daß in einem etwaigen Kampf mit dem Staat diefer unſre Anteakten produzieren werde, die unſerm Rechte abträglich ſeien.

Wir entgegnen: er wird das nicht tun, wenn wie wir nicht zweifeln er bona fide gegen uns vorgeht; im entgegengeſetzten Fall werden wir den Beweis führen, daß

die Rechte der Kirche auf eine, der Natur und dem ſiebenbürgiſchen Rechtsprinzip gemäße Verfaſſung nie verjähren fangen doch die deutſchen Regenten an ſie zu achten, ebenſo Oſterreich den Erbländern gegenüber und im Konkordat

daher können fie auch durch ſolche Anteakten um ſo weniger er⸗ ſchüttert werden, als der Beweis wieder nicht ſchwer zu führen iſt, daß

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grade die Maßregeln der Regierung es ſtets waren, die 8 führten, in denen alle Begriffe über Staats- und $ verwirrten. 2 Daher nur 3. Teil doch verbeſſerter 3. Teil.

Das nötigt aber auch in den zwei andern Manches zu individuelle Abſtimmung.

Dieſes in einer Vollzugsvorſchrift zu tun und ſo in in derſelben Sache vor der Welt Verbeſſerungen zu prokla gibt ſich der Miniſter nicht her (Reichsrat 1850: der P. nährt die Revolution).

Dagegen würde er auf Verlangen in die einfache Vollzieh 3. Teils willigen. Doch mit dieſer und ohne Dotation (NB. zuſtändigen Behörde) iſt nichts geholfen.

Es gibt überhaupt nur drei Modalitäten, zur endlichen Konſti zu kommen: editio completior, einfach 3. Teil, Befragung der vertretungen, oder restitutio in den frühern Status.

Man muß alſo den Weg der editio completior betreten. intendent und Oberkonſiſtorium haben gebeten, daß eine Vorlage an de Kirche gemacht werde.

Da hat nun der Miniſter vom Kaiſer den Auftrag, daß was it der ungariſchen Vorſchrift ſtehe, auch hier keinem Anſtand unterli Die Dotation iſt alſo auf dieſem Wege prinzipiell im voraus gewäl Alles was dort ſteht, bedarf keines weitern Vortrags an den Kaiſer, die Miniſterialkonferenz und den Reichsrat.

Daher zu überlegen, ob in der editio altera nicht Beſtimmungen aufgenommen werden mögen, die einem wirklichen Bedürfnis entgeg gen kommen, evangeliſch ſind und ſpäter nicht durchgehen werden, da ſie an den Leidenſchaften der Korporationen und der, in den Kreiſen oben herrſchenden Liebe für ihre Erhaltung ſcheitern.

In summa: wenn die editio altera wirkliche Verbeſſerungen und namentlich die aufgenommenen Wahrungen des Rechts der Kirche hat, ſo werden die Freunde derſelben ſich zufrieden geben. Hartnäckig an dem Wort der Proviſoriſchen Vorſchrift zu halten und an ihren Mängeln, wenn dieſe in der obigen Weiſe behoben werden können, ſpäter aber höchſtwahrſcheinlich nicht iſt wohlfeil.

Mit dieſen Anſchauungen trat Teutſch in die Kommiſſionsberatungen ein. Dieſe ſollten alſo zunächſt nach ſeinen Anſchauungen den Weg zur Wiedererlangung der Autonomie ebnen, zu dem Zweck Verbeſſerungs⸗ vorſchläge für den 3. Teil der Proviſoriſchen Vorſchrift machen, das

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waren die Beſtimmungen über die Landeskirchenverſammlung und das Landeskonſiſtorium, die noch nicht eingeführt waren und was damit untrennbar notwendig zuſammenhing. Dabei dann ſelbſtverſtändlich neuerliches Erſuchen an die Regierung, der Kirche ihre Rechte zurück- zugeben. In der Kommiſſion ſelbſt vertrat Rannicher einen teilweiſe anderen Standpunkt. Er wollte Reviſion des ganzen Verfaſſungswerkes, vor allem auch Hineinziehen von neuen Fragen: Prüfung und Anſtellung der Lehrer und Pfarrer, Eheordnung, die jedenfalls die Durchführung erſchwerten und vor allem die Gefahr in ſich ſchloſſen, daß der Staat auch über dieſe Angelegenheiten Verordnungen erließ. Sie find tatſächlich im Vorſchlag der Vertrauensmänner enthalten, aber es wurde ausdrücklich hervorgehoben, fie ſeien nicht einzuführen, ſondern als beachtenswerte Vorlagen an die Landeskirchenverſammlung zu leiten. Erſt nach heftigſtem Kampf erhielt dieſe von Teutſch vertretene Auffaſſung die Mehrheit der Kommiſſion, Rannicher war tief verletzt, als beſchloſſen wurde, es ſolle nur der 3. Teil und was dazu gehörte in Verhandlung genommen werden. Doch fand Teutſch am Schluß der Verhandlungen ein Wort, das die Brücke zur Aufrechthaltung der Freundſchaft bildete. Er ſtreckte ihm die Hand entgegen mit dem bibliſchen Zitat: „Laſſe die Sonne nicht untergehen über deinem Zorn. Es tut mir leid, ich habe dich nie kränken wollen“ und Rannicher erkannte, daß es ſich hier nicht um Perſönliches handelte.

Die Arbeit der Kommiſſion, die in einer ausführlichen Eingabe an den Kultusminiſter zuſammenfaßte, was die weitere Entwicklung in die neue Bahn der freien Entwicklung leiten ſollte, iſt außerordentlich intereſſant. Es läßt ſich im einzelnen nachweiſen, wie die Kommiſſion die für Ungarn herausgegebene Proviſoriſche Vorſchrift benützte und auf völlige Durchführung der Presbyterial⸗Synodalverfaſſung ihr Augen- merk richtete. Daneben war die zweite gleichwichtige Aufgabe, den alten Boden der ſiebenbürgiſchen Religionargeſetze, die Gleichberechtigung und Autonomie der ev. Landeskirche zurückzugewinnen. Über die rechtliche und gesetzliche Lage ließ die Eingabe keinen Zweifel. Aber man kann doch an einzelnen Beſtimmungen verfolgen, wie die Kommiſſion die letzten Konſequenzen nicht in allen Stücken zog. Offenbar meinte ſie, es ſei beſſer nicht zu weit zu gehen, bis der Rechtsboden von der Re⸗ gierung anerkannt worden ſei. So blieb die Beſtätigung der Geſetze durch die Majeſtät und noch einiges andere, was die Kirche ſpäter als gegen das alte Landrecht fallen ließ. Es iſt nicht nur ein Nachklang der großöſterreichiſchen Gedanken, ſondern auch in der Hoffnung auf

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Stärkung des Proteſtantismus geſchehn, daß unter gewiſſen Einſcht die Unterſtellung der Landeskirche unter den Oberkirchenrat in Auge gefaßt wurde, eine Idee, die Rannicher ſehr am Herzen Teutſch bekämpfte. Die Eingabe ans Miniſterium gipfelte im . es möchte dieſe verbeſſerte Kirchenverfaſſung als „Proviſor ſtimmungen für die Vertretung und Verwaltung der ev. Lan A. B. in Siebenbürgen“ kundgemacht werden, auf Grund de g Landeskirchenverſammlung zuſammentreten und dieſe das endgültige W über die Verfaſſung ſprechen, ein Wunſch, dem die Regierung nach Damit handelte es ſich um den letzten Schritt, die Kirche ſich wiederzugeben, den alten Rechtsboden zu gewinnen. In den Wo zum Zuſammentritt der Landeskirchenverſammlung bildete die Fr. ob dieſe die Proviſoriſchen Beſtimmungen annehmen oder ablehnen den großen Gegenſtand der lebhaften öffentlichen Diskuſſion. Was eine glückliche Zeit, wo eine ſolche wirklich zu einer Verſtändigung führ Es waren die oben bezeichneten Parteien, die auch hier ſich noch entg

unerreichbar ſchien. So ſchreibt er am 9. März 1861: Ä

„Die endliche Organiſierung unſerer Kirche iſt meiner Überzeugung 1 nach der erſte und feſteſte Grundſtein für die edelſten Güter unſeres Volkstums; ja der Fortbeſtand unſerer Nationalität beruht weſentlich auf einer Konſtituierung unſerer Kirche (und Schule), die die Kräfte dieſer zu ſammeln, zu erhalten, zu ſtärken Raum und Möglichkeit biete. Denn alle politiſche restitutio in integrum, fo eifrig ich auch dafür kämpfen helfe, wird uns jene Freiheit der Bewegung, die wir früher hatten, nicht mehr geben, eben weil der „Königsboden“ nicht mehr bloß „Sachſenboden“ iſt. Für jene Konſtituierung der Kirche hat es aber eine günſtigere Zeit als die jetzige nie gegeben; die Regierung, mit der wir ein Jahrzehnt fruchtlos verhandelt haben, iſt endlich teils infolge gelungener ſtrategiſcher Züge unſererſeits, teils infolge ihrer Schwäche dahin gebracht worden, daß ſie von dem Kirchenrecht, welches ſie in anderthalb Jahrhunderten an ſich geriſſen, ſoviel herausgegeben, wie viele vor uns und unter uns nie gehofft. Der materielle Teil der „Proviſoriſchen Beſtimmungen“ iſt zwar nicht vollkommen und entſpricht

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nicht allen berechtigten Wünſchen; aber er bietet die Poſition, von der aus das, was fehlt, leichter errungen werden kann als von jedem anderen Standpunkt. Wäre nicht der formelle Mangel, das „Oktroy“ dabei, es würde kaum ein Menſch Anſtoß nehmen, da ja eben nach den „Proviſoriſchen Beſtimmungen“ ſofort nach der Erklärung, daß man Beſitz davon nehme, alles Mißfällige geändert werden kann. Warum wollen wir nun nicht auch einmal politiſch ſein von den Ungarn könnten wir es doch lernen und bezüglich der „Proviſoriſchen Beſtimmungen“ erklären: Wir ſprechen es mit Befriedigung aus, daß die Regierung, wie einſt der verſtorbene preußiſche König ſagte, den Tag glücklich preiſt, an dem ſie die kirchlichen Rechte demjenigen zur Übung und zur Benützung zurüdgibt, dem fie gehören; den Anfang des Tages jehen wir in der letzten Enunziation des Kultusminiſteriums und ergreifen dann nach Approb. 1, 1, 3 das was unſere Väter ſo lang und ſo ſchmerzlich entbehrt haben. Das oder eine ähnliche Stiliſation, durch die man ſeine Autonomie wahrt, ließe ſich jedenfalls leicht finden; man käme auf den feften Boden einer tatſächlichen Beſitzergreifung und änderte dann, wie man wollte, wie denn gleich von vorneherein der achte Abſchnitt z. B. gar nicht angenommen zu werden brauchte, da er nach den Vorakten eigentlich nicht hingehört und ein von der früheren legalen () Behörde gemachtes, vom Kaiſer ſanktioniertes Geſetz umſtößt, ohne daß dieſes durch die Macht der eingetretenen Verhältniſſe unmöglich geworden. Da aber eine Anderung des Kandidationsnormativs aus innern Gründen geboten ift, jo wäre einer Kommiſſion der Auftrag zum Entwurf einer Pfarrwahlordnung bis zu einem feftgejegten Termin zu erteilen.

„Der von mir überaus hoch angeſchlagene Gewinn einer ſolchen Beſitzergreifung wäre nun, daß man eigentlich in integrum juris antiqui oder wenigſtens in partem illius reſtituiert würde und Boden unter den Füßen bekäme, ohne Kampf mit einem Gegner. Ich ſcheue dieſen nicht und hoffe, Du glaubſt mir das; aber was ich vom Gang und Erfolg derartiger Streitigkeiten auf dem Gebiete der ev. Kirche diesseits und jenſeits des „Kiralyhago“ kenne, macht mir die möglichſte Vermeidung desſelben wünſchenswert, namentlich wenn ich unſere Kräfte und die bisher bewieſene Ausdauer in ſolchen Gefechten erwäge. Wenn wir nun die „Proviſoriſchen Beſtimmungen“ mindeſtens ihren weſent⸗ lichen Teilen nach nicht annehmen, in welche Lage kommen wir? „Wir geben uns eine Verfaſſung“ haltet Ihr denn im Ernſt dafür, daß für ein ſolches Geſetz uns die Allerhöchſte Sanktion erſpart bleiben könnte? (Euer Votum: Kronſt. Zeit. S. 184 unten). Allen Reſpekt vor Approb,

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1,1, 3; aber ift das jemals jo geweſen, ſeit ein Staat im des Worts exiſtiert und haltet Ihr es mit dem Begriff und desſelben vereinbar? Hat irgend eine Kirche in Oſterreich monarchiſchen Europa dieſes Recht und da unſere in den letzten anz hundert Jahren es nicht gehabt, mindeſtens nicht geübt hat, Ihr es ihr vindizieren? Soll aber der Staat das aus unſerer gefloſſene Verfaſſungsgeſetz ſanktionieren d. h. anerkennen Teuern, darüber nach, ob wir nicht beſſer fahren, das von anerkannte (unter jeder notwendigen Rechtsverwahrung) anzu Gilt nicht auch von uns

0 navis, referent in mare te novi

Fluctus? 0 quid agis? Fortiter occupa

Portum usw. usw.

Ich habe da namentlich zwei Bedenken. Einmal: dann verhande mit der Hofkanzlei; die wird in ihren Anteakten nachſehen und es ſei ja gar keine Veranlaſſung, von dem alten „Recht“, das ji Herrin der Kirche machte, abzugehen; restitutio zum Jahre 1807 wird zweitens unſerer bald wieder erwachenden Bureaukratie, der die „Proviſoriſche Vorſchrift“ ein Dorn im Auge iſt, Waſſer a Mühle fein; ihre Reihen werden raſch durch die malkontente Kleri partei verſtärkt werden und „dem allgemeinen Wunſche na ſo wie im Prinzip des 20. Oktober gegründet“ wird die Hofkanzlei uns mit dem Oktroy von 1807 . . der Konſiſtorialverfaſſung eines Tages über⸗ raſchen und dadurch der Kirche wie dem Deutſchtum die Schwindſucht an den Hals werfen.

„Womit wollt Ihr den Kampf hiegegen führen? Oder liegt ein ſolcher Gang der Dinge außer den Grenzen der Möglichkeit ich jage trauernd, der Wahrſcheinlichkeit?

„Das ſind etwa die Gedanken, möchte ich mich doch klar machen können die mich auf die Seite der „Proviſoriſchen Beſtimmungen! ſtellen. Ich bin nicht blind gegen ihre Mängel, nicht blind gegen das „Oktroy“; aber wir ſind Menſchenalter lang krank geweſen an Maß⸗ regelungen und haben ſie alle ſchweigend, ja bis zu ihrer Verehrung als „Legalitäten“ hingenommen; nun wollen wir den Akt der Regierung, der doch mehr als jeder andere ähnliche eine Folge unſerer Initiative ift, mehr als jeder andere ähnliche [die Grundlage] unſeres Rechtes uns zurückgibt und die Möglichkeit feiner autonomen Fortbildung ſicherk, von uns weiſen, weil die Doktrin des Selbſtgeſetzgebungsrechtes und . . . das Beispiel der Ungarn das zu gebieten ſcheint. Dafür aber werden

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dieſe auch noch in 100 Jahren keine Kirchenordnung haben und haben was ſie taten nicht aus kirchlichen Motiven getan.

„Wie tief mich bei ſolcher Überzeugung die blinde Oppoſition gegen die Beſtimmungen ſchmerzt, liegt nahe. Doch habe ich die ſanseu— lottiſchen Auslaſſungen der „Gegenwart“ ruhig ertragen; wer Augen hat und Ohren wird hören und ſehen. Von „Aufregung“ und „Unwillen“, wie Dein Brief ihn vielleicht andeutet, iſt nicht die Rede. Gött aber wollte ich zu Gemüt führen, daß er ſolchem unevangeliſch-klerikalem Geſchrei fein Blatt nicht öffne; denn wenn derartiges in dieſem käme, das in hundert berufenen und unberufenen Händen iſt, ſo müßte man endlich das ſchwere Geſchütz aus Kapitular- und Synodalakten ſelbſt gegen ſolches Weſen ins Feld führen und das gäbe ein böſes Kapitel zu unſerer eigenen Schande... Man kann mit vielen Teilen des Gutachtens Eurer Gemeindevertretung zufrieden ſein, da es in mehr als einem Falle (Öffentlichkeit, Korreſpondenz der Presbyterien 2c.) ſtatuiert, wofür ich in der Siebenerkommiſſion hart gekämpft habe. Wenn man aber über jeden Punkt, in dem man majoriſiert wird, austräte, ſo käme nie ein Operat mehrerer zuſtande. Auch daß das Operat ſich ſo entſchieden für das Prinzip des Verfaſſungswerkes ausſpricht, verdient Dank im Namen der Sache, die konſtitutionelle Geſinnung ſeiner Träger und Urheber alle Anerkennung; aber abgeſehen von manchem andern, die Veröffentlichung kommt mir innerlich nicht gerechtfertigt vor, weil fie gerade die Gegner des vom Operat gebilligten Verfaſſungsprinzips ſtärken wird die konſiſtorialiſchen Bureaukraten und den Teil des Klerus, der die ev. Kirchenverfaſſung mit dem Maß des Tridentinums mißt und aus der Auguſtana die Berechtigung des Zopfes in den Kapiteln herleiten will.“

Für dieſe Gedanken warb er unermüdlich in der Publiziſtik, in Briefen, im Privatverkehr, wußte aufzuklären, zu beruhigen, die ſiegreiche Gewalt ſeiner perſönlichen Überzeugung, die ſpäter immer bedeutender wurde, zeigte ſich hier bei einer Lebensfrage unſerer geſamten Ent- wicklung.

Am 12. April 1861 trat auf Grund der Proviſoriſchen Beſtim⸗ mungen die 1. Landeskirchenverſammlung in Hermannſtadt zuſammen, um über die Annahme jener und damit über die Verfaſſungsfrage der Kirche zu entſcheiden.

Der Zuſammentritt an ſich war eine Tatſache von ungewöhnlicher Bedeutung. So ſichtbar war die Einheit der Kirche noch nie zutage getreten. Es war von überwältigendem Eindruck, als Biſchof Binder im

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Nationalhaus, wo im Sitzungsſaal die Wappen aller angebracht find, mit dem Goetheiſchen Wort die Verſamml Kennſt du das Haus, auf Säulen ruht das Dach; es glänzt der Saal, es ſchimmert das Gemach, und Ahnenbilder ſtehn und ſehn dich an: was hat man dir, du armes Kind, getan?

Solche Gefühle hätten noch vor kurzer Zeit das Gemüt in Saal bewegt; jetzt ſähen die Ahnenbilder wohl freundlicher Verſammlung herunter; zu dem Feſt der Auferſtehung, das vor Tagen die Chriſtenheit gefeiert, das in der Natur ſich vorbe mit Gottes Hilfe auch eine Auferſtehung unſeres Volkstums, Kirche kommen. In der Landeskirchenverſammlung waren die Mei inſofern ſchon geklärt, daß die formalen Bedenken gegen die An der Proviſoriſchen Beſtimmungen, weil ſie ein Oktroy ſeien, üb waren. Dagegen war die Oppoſition von geistlicher Seite nicht heftig. Sie fand ihren Vertreter im Mediaſcher Stadtpfarrer J der aus reinſten Motiven die Nichtannahme befürwortete und vor eine Vereinbarung mit der Synode wollte. Die Synode ſelbſt war ſammengetreten und aus dem Schriftenwechſel mit der Landeskirchen ſammlung klingt, wenn man auch beiderſeits bemüht war, alle Schär zu verhüllen, doch bei der Synode die ſchmerzliche Empfindung d daß man ihr und dem geiſtlichen Stande vielfach Unrecht zu tun anſchicke wie ſich ſofort im Lauf der nächſten Jahre herausſt eine durchaus irrige Anſicht, und bei der Landeskirchenverſammlung der Entſchluß, nichts nachzugeben von dem, was ſie für die geſunde Organiſation für notwendig hielt. Im übrigen ging ſie auf einige ver⸗ mittelnde Vorſchläge der Synode ein, andere verwarf fie ebenſo entſchieden. Teutſch war Referent der Kommiſſion, die von der Landeskirchenver⸗ ſammlung für die Verfaſſungsfrage eingeſetzt worden war. Am 18. April wurden nach deren Antrag nahezu einftimmig die Proviſoriſchen Ber ſtimmungen als der Anfang der Rückkehr ſeitens des Staates auf den geſetzlichen Boden der ev. Landeskirche angenommen, im Sinne des nad) Approb. 1, 1, 3, dieſer Kirche geſetzlich zuſtehenden Selbſtbeſtimmungs⸗ rechtes und ohne jede aus dem Urſprung oder dem Inhalt der Provi⸗ ſoriſchen Beſtimmungen im einzelnen und ganzen etwaige nachteilige Folgerung für dieſes Geſetzgebungsrecht der Kirche, endlich mit der aus⸗ drücklichen verwahrenden Erklärung, „daß fie die Norm über die Beſtätigung und Einführung des Biſchofs auf Grundlage von Approb. 1, 1, 9 in der bisherigen kirchenordnungsmäßigen Weiſe verſteht und fortan ver⸗

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ftehen und vollziehen wird“. Von dieſem Selbſtgeſetzgebungsrecht machte die Landeskirchenverſammlung zugleich den ausgiebigſten Gebrauch, nahm zum Teil weſentliche Anderungen an den Proviſoriſchen Beſtimmungen fofort vor und lehnte den 8. Abſchnitt über die Wahl der Pfarrer ganz ab. Die neue Verfaſſung aber wurde vom neugewählten erſten Landes- fonfiftorium, deſſen Mitglied Teutſch war, am 24. Mai publiziert und trat mit 1. Juli 1861 ins Leben. Der Fortſchritt war ein gewaltiger. Das Verhältnis der ev. Landeskirche zum Staat war wieder auf die geſetzlche Grundlage zurückgeführt, die Autonomie der Kirche anerkannt und feſt begründet, die Vertretungs- und Verwaltungsorgane der Kirche waren unabhängig von den politiſchen Schwankungen der Selbſtbeſtimmung der Kirche, der freien Wahl überlaſſen, von den Presbyterien bis zum Biſchof, Geiſtliche und Weltliche in den neuen Behörden gleichmäßig vertreten; die Gerichtsbarkeit war der Kirche zurückgegeben worden, Taxen und Dispenſe, die ihr entzogen worden waren, waren ihr wieder zuge⸗ wendet worden. Der alte Dualismus im Kirchenregiment war gebrochen, mit einem Male verſchwand der Gegenſatzzwiſchen Geiſtlichen und Weltlichen, ein neues Leben zog in die Kirche ein. Die letzten Jahrhunderte haben einen ähulichen Fortſchritt dem ſächſiſchen Volk nicht gebracht. Es war in der Tat wie eine göttliche Fügung, daß im ſelben Augenblick, wo die politische Zuſammengehörigkeit von neuen ſchweren Erſchütterungen heimgeſucht wurde, daß ſie zuletzt in Trümmer ging, die Kirche die Einheit fand und nun zugleich eine ſtärkere Schutzwehr auch des nationalen Lebens wurde.

Die Arbeiten im Landeskonſiſtorium riefen Teutſch jährlich etliche Mal auf längere Zeit nach Hermannſtadt; bei aller Anſtrengung, die ſie brachten, waren ſie ihm immer eine Erfriſchung. Wenn er die Nacht hindurch mit dem Poſtwagen die 12 Meilen von Schäßburg nach Her⸗ mannſtadt gefahren war oder umgekehrt, wobei er immer ſehr gut ſchlief, dann konnte er am nächſten Tag vom Morgen bis zum Abend arbeiten als käme er von einer Erholung. Das Landeskonſiſtorium betraute ihn mit dem Entwurf des Pfarrwahlgeſetzes, das an Stelle des abgelehnten 8. Abſchnittes der Kirchenverfaſſung treten ſollte. Sein Entwurf hat in der Tat die Grundlage für dieſes Geſetz abgegeben, das von der 2. Landeskirchenverſammlung 1862 er war wieder Referent in der Angelegenheit angenommen wurde. Allerdings hatte zuerſt das Kon⸗ ſiſtorium, dann die Landeskirchenverſammlung viel daran geändert. Teutſch wollte den Kandidaten ein Recht auf Anſtellung wahren, wollte das vielfach unangenehme ſich Melden vermeiden, die Wahl aus einem Vorſchlag von ſechs Kandidaten vornehmen laſſen, von denen drei die

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Georg Daniel Teutſch

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Wegen ſei. „Es ſind für mich arbeitsvolle Tage geweſen ſchreibt er an Haltrich bis zum Frühſtück Schreiben und Vorbereitung, wenn nicht Kommiſſionen, dann Sitzung bis 1 oder ½ 2 Uhr. Darauf Mittag ſofort Sitzung bis 8 Uhr, dann Abendeſſen bis 11 Uhr und Schreiben bis mindeſtens 1 Uhr nach Mitternacht. In den Sitzungen Schlachten bald mit Sieg bald mit Rückzug; dann und wann auch Abfall von Freunden und Angriff von Seiten, woher man es nicht ahnte; immer aber die Notwendigkeit, in der Linie zu ſtehen, oft eenturio und legionarius zugleich zu ſein. Doch hat es an Genüſſen nicht gefehlt, abgeſehen von den, die in der Arbeit ſelbſt liegen. Die Stunden des Mahles ſind namentlich heiter geweſen. Auch war reiche Gelegenheit zu lernen, zu erfahren, in die Seelen zu ſehen. Es hat Stunden großer Erhebung gegeben. Wir ſind doch etwas und werden noch mehr werden. Wenn nicht alles gleich jo geht, wie die Blütenträume“ wünſchen humanum est. Das iſt das allgemeine Gefühl.“

In dieſe hoffnungsfrohe Stimmung fiel im Dezember 1862 ein dunkler Schatten durch den Tod eines lieben Freundes und Mitkämpfers, Wilhelm Schmidt, Senators in Kronſtadt. Er war ein Führer dort auf dem politiſchen und kirchlichen Gebiet, war Mitglied des erſten Landes- fonfiftoriums geworden und Teutſch ein lieber Freund. „Je mehr ich bedenke, was er nach ſeinem ganzen Weſen für unſere höchſten Intereſſen war, ſeine Einſicht, feine Leidenſchaftsloſigkeit, ſeine Unabhängigkeit, ſeine tiefe innige Teilnahme ſo ſchrieb Teutſch an Trauſchenfels am 4. Dezember 1862 deſto ſchmerzlicher ift es, daß er gerade in einem Augenblick, wo man der ganzen Männer bald wieder jo ſehr bedürfen wird, die Seinen verlaſſen mußte. Wir ſind arm geworden an Geiſtern und Charakteren!“

Mit der praktiſchen Arbeit an der Schaffung und am Ausbau der Kirchenverfaſſung ging die wiſſenſchaftliche Arbeit bei Teutſch Hand in Hand. Sie iſt bei ihm immer eine Begleiterin des Lebens geweſen. Mitten in den Sorgen um die Proviſoriſchen Beſtimmungen, Anfang 1861 ſchrieb er den Artikel über Siebenbürgen in Herzogs Theologiſcher Realenzyklopädie, „freilich in drängendſter Eile in einigen Nächten“, „falls der Hagel hier, was ich übrigens noch nicht befürchte, die Saat zerſchlägt, vielleicht tragen gütige Winde einen Keim in beſſeres Land.“ Gerade mit Rückſicht auf die großen praktiſchen Kirchenfragen erſchien 1862 das Urkundenbuch der ev. Landeskirche, das aus dem Bedürfnis hervorgegangen war, inmitten der Neugeſtaltung des kirchlichen Lebens „einem möglichſt großen Kreiſe wiſſenſchaftlich Befähigter es möglich

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Gemeinde, drei das Bezirkskonſiſtorium benenne uff. Wenn die freie W. hin und wieder auch Auswüchſe zeitigte, nicht ohne Schuld der daten, ſo hat ſie ſich doch im ganzen bewährt. Die drei großen ſätze des Geſetzes find übrigens in der urſprünglichen Vorlage e Die Verbindung zwiſchen Kirche und Schule, die aus der Ve beibehalten wurde, ſo daß alſo jeder Lehramtskandidat zugleich amtskandidat war, die Aufhebung der Promotionskreiſe, die die Frei innerhalb der ganzen Kirche wieder herſtellte, die in der Reformai jo belebend auf die Kirche gewirkt hatte, und die Beſtellung des Pfi durch die Gemeinde. Alle drei ſtanden feſt auf hiſtoriſchem Boden. T Einheit der Kirche iſt erſt durch dieſes Geſetz völlig hergeſtellt wo Die Macht der Tatſachen und die Idee an ſich find ſo bei geweſen, daß bei allem Gegenſatz gerade wieder auch in geiſtlichen K gegen dieſe Neuordnung niemand nach Wiederherſtellung der trenne Schranken der Promotionskreiſe und der nepotiſchen Kandidation alten Domeſtikalkonſiſtorien ſich zurückſehnte.

Die 2. Landeskirchenverſammlung, die vom 17. September b 1. Oktober 1862 tagte, ſah Teutſch auch in einer anderen Frage a Referenten, die damals viel Staub aufwirbelte, in der Auspfarrung d Bartholomäer Gemeinde aus der Kronſtädter Stadtpfarrgemeinde, di | ſolches nicht zugeben wollte. Die Bartholomäer Vorſtadt war in alten Zeiten die eigentliche Pfarrgemeinde und die dem h. Bartholomäus geweihte Kirche die Pfarrkirche der Stadt. Später, als die Gemeinde tiefer ins Gebirge ſich zurückgezogen und allmählich die „Schwarzkirche“ Pfarrkirche geworden war, erneuerte ſich in ſchöner Symbolik die Er⸗ innerung daran. An jedem erſten Sonntag nach Bartholomäi führte ein Sechsgeſpann aus der Altſtadt (eben Bartholomäi) den Stadtpfarrer in die altehrwürdige, wohlerhaltene, bei ihrer Gründung dem Apoftel Bartholomäus geweihte Kirche; dort hielt er im Hauptgottesdienſt des Tages die Predigt und empfing darauf die Ehrengabe der Gemeinde, ein Goldſtück und friſches Backwerk aus Korn, das in jenem Jahr gewachſen war. Die Gemeinde, die alle Bedingungen der Selbſtändigkeit hatte, hatte dieſe ſchon 1845 erſtrebt. Die Landeskirchenverſammlung ſprach ſie ihr 1862 zu, Teutſch nahm an Ort und Stelle nachher im Auftrag des Landeskonſiſtoriums die Auspfarrung vor und hatte ſeine Freude an dem aufſtrebenden Gedeihen der Gemeinde, das insbeſonders nach ihrer ſelbſtändigen Organiſation ſichtlich wuchs.

Die Herbſttage während der Landeskirchenverſammlung in Her⸗ mannſtadt ſtärkten ihm die frohe Empfindung, daß die Kirche auf guten

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zu machen, die Grundlagen der Rechtslage der Kirche kennen zu lernen und durch eigenen Einblick in den Gang i riſchen Entwicklung ſich das tiefere Verſtändnis derſelben zugleich auch die Befähigung zu ihrer geſunden Fortbildung ſchaffen. Erkenntnis und Stärke, das ſah man, lag an einem Wiſſen konnte auch hier nur Macht geben.“ Es iſt bezeichnend ganzes Weſen: als ihm der Entwurf eines Pfarrwahlgeſetzes «ai wurde, fühlte er zuerſt das Bedürfnis, ſich ſelbſt volle Klarheit hiſtoriſche Entwicklung der Frage zu verſchaffen. Aus dieſen Studien das auch ſchon erwähnte hübſche Büchlein „Zur Geſchichte der wahlen.“ So wurde ihm und war ihm die Geſchichte in jedem blick eine Lehrmeiſterin des Lebens. Er zeichnete feine Grundau in den Worten: „Wer nicht weiß, welche Ziele die Väter gehabt welchem Boden ſie geſtanden, welche Wege ſie gewandelt, in Maße ihre Aufgaben und Strebungen Förderung oder Widerſtand Geiſt der Zeit gefunden, der entbehrt eine der edelſten Früchte mi licher Erkenntnis und iſt beinahe dem Manne gleich, der in der Fi wandelnd, die durchmeſſene Bahn nicht kennt.“ Aber nicht minder zeichnend iſt die Kraft, aus dem hiſtoriſch Gewordenen das heraus finden, was für die Gegenwart brauchbar war und das Vergangene im Geiſt der Gegenwart fortzubilden. Bei ihm ſetzte ſich das Geſchichts liche in perſönliches Leben um.

In das Jahr 1861 fiel für Teutſch auch eine neue Aufgabe, zu⸗ nächſt kirchlicher Art, aber auch national von weittragender Bedeutung und nicht weniger entſcheidend für Teutſch ſelbſt. Joſef Fabini, ein Mann „von jener Überzeugungstreue, die nicht ruht und abläßt, bis das Wort, das als Gottes Wille im Herzen lebt, Wirklichkeit geworden, vor keiner Schwierigkeit zurückſchreckt und wo das Gewiſſen entſchieden hat, unbeugſam ſteht vor dem Gericht der Menſchen, ſich ſeinem Gotte allein verantwortlich wiſſend,“ hatte ſchon 1859 einen Aufruf an die ev. Landeskirche in Siebenbürgen erlaſſen zum Anſchluß an den deutschen Guſtav⸗Adolf-Verein. Doch machten die Staatsbehörden ſolche Schwierig keiten, daß die Sache nicht vorwärts wollte. Fabini wohnte 1860 der Hauptverſammlung in Ulm als Privatperſon bei und fand eine ſehr kühle Aufnahme. Die magyariſche Emigration hatte damals ihre wort⸗ und geldreiche Agitation für die „liberalen Ideen“, für die ſie ſich als Märtyrer ausgaben und für die man in Deutſchland ſchwärmte, mit Erfolg ſoweit getrieben, daß nicht nur der öſterreichiſche Abſolutismus, ſondern alle „Gegner der ungariſchen Freiheit“ von 1848 als Reaktionäre

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verſchrieen waren und im beſten Fall bemitleidet wurden. Darunter hatten insbeſonders die Sachſen zu leiden, obwohl ſie unter dieſem Abſolutismus am meiſten litten und ihn, ſoweit es damals überhaupt möglich war, entſchieden und offen bekämpften. Es war auch eine Folge der neuen Kirchenverfaſſung, daß ſofort im Sommer 1861 der Guſtav⸗ Adolf⸗Verein ſich in Mediaſch (7. Auguſt) konſtituierte. Am 8. Auguſt erfolgte die erſte Wahl eines Deputierten zur Generalverſammlung des Geſamtvereines, die nach Hannover auf den 27.—29. Auguſt einge⸗ laden war. Fabini und Teutſch hatten beide gleich viele Stimmen er⸗ halten. „Da ſo berichtet das Protokoll macht der Vorſitzer (Fabini) unter freundlicher Zuſtimmung der Verſammlung von der ihm zukommenden Schiedsſtimme Gebrauch und überträgt die Vertretung des Vereines Herrn Dr. G. D. Teutſch, da er aus Alters- und Familien⸗ rückſichten dem ihn ehrenden Auftrage nicht entſprechen könne.“

„Dieſer Wahlakt bezeichnet ſo ſchildert nach dem Tode Teutſchs Biſchof Müller feine Bedeutung einen Abſchnitt in unſerem kirch⸗ lichen und nationalen Leben, wie in der öffentlichen Stellung des Ge⸗ wählten ſelbſt. Damit iſt ſeine Aufgabe hinausgerückt über die Grenzen des Vaterlandes, und ihm durch ſeines Volkes Stimme die Miſſion anvertraut, zu ſchaffen, daß die Stammheimat uns wieder als nicht unwerte, im Geiſte ihr verbundene Glieder erkenne, achte und behandle. Dieſe Aufgabe, in dreißigjähriger Arbeit hat er zumeiſt ſie für uns getan. Wenn heute einer von uns die Stammheimat betritt, ſo wird er empfangen wie ein Kind des Hauſes, das in der Ferne ſich den eigenen Herd gegründet, und während es dem neuen Vaterland ſtete Treue hält, nicht aufhört, mit der Mutter geiſtig verbunden zu ſein und wenn der gebildete Reichsdeutſche zu uns kommt, ſo empfindet ers wohltuend, daß er hier nicht als ein Fremder weilt, daß bei allen Beſonderheiten, die Zeit und Leben zuwege gebracht, kerndeutſches Weſen unverfälſcht und nicht in Worten bloß und gleißendem Ge— pränge, die Sinne täuschend, ihm den Willkomm bietet.

„Das iſt Teutſchs Werk und es iſt gewiß nicht das geringſte, das er getan.“

Er ſelbſt hat die Reiſe nach Hannover nach dieſer Richtung in der vollen Größe und Bedeutung gewürdigt. 0

Sie führte ihn zunächſt nach Birthälm und Mediaſch, wo er die Aufgaben mit Biſchof Binder und Fabini beſprach, über Hermannſtadt nach Wien, dann über Prag, Dresden nach Leipzig, wo er Wachsmuth vergeblich ſuchte, aber Lipſius und Dr. Stephani kennen lernte. Das

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mittelalterliche ſpitzgiebelige Braunſchweig entzückte ihn, am war er in Hannover, wo er bei Hofbuchhändler Mierniesky lichſte Aufnahme fand und das deutſche Bürgertum in ſeiner ihm ſchön entgegentrat. Aus dem raſchgewonnenen neuen Freund ſagte ihm erſtaunt einer: „aber Sie reden ja ſo wie wir.“ der öffentlichen Verſammlung hatte er ſich die Herzen einer g Bekannter erobert. Als fie am 27. Auguſt in der Börſe zuf aßen und auf Oſterreichs Söhne ein Hoch ausgebracht worden antwortete Teutſch mit ergreifenden Worten, die im Spruch ausklange Deutſchland über Alles und der alte Großmann ſtand auf u küßte ihn vor der ganzen Geſellſchaft. \

Nun ſoll er ſelbſt erzählen, was er erlebte ; er hat es von Reiſe unter dem friſchen Eindruck der Hermannſtädter Beitun ſchrieben. Es werden hier die Mitteilungen über den äußeren 9 der beiden Verſammlungen übergangen. So ſchreibt er:

Es war Montag den 26. Auguſt (1861) kurz vor 2 Uhr, das laute Pfeifen des Dampfwagens das Zeichen gab, die Station erreicht. Nach einem ungemein lehrreichen und vielfach anregenden, auch nur einige Stunden dauernden Aufenthalt in Braunſchweig, noch immer im Schmuck des vor kurzem gefeierten Jubelfeſtes ſeines tauſendjährigen Beſtandes prangte, betrat denn der Schreiber dieſes, dem der erhebende Auftrag geworden, den ſiebenbürgiſchen Haupt⸗ verein der Guſtav-Adolf-Stiftung auf der 18. Hauptverfammlung zu vertreten, die Stadt Hannover, in der fie diesmal tagen ſollte. Welch ein Leben im Bahnhof! Aus allen Teilen Deutſchlands und vieler anderer Länder waren mit dieſem Zuge Vereinsgenoſſen gekommen; im Reſtau⸗ rationsſaale des Bahnhofes war ein Bureau geöffnet zur Anmeldung der Deputierten und Gäſte, zur Empfangnahme von Karten, Nachweisung von Wohnungen uſw. Da gabs ein Sehen, ein Erkennen ſolcher, die früher ſchon ſich ins treue Auge geblickt und ſolcher, die nur dem Namen nach einander bekannt, ſich jetzt zum erſtenmal die Hand drückten; es war eine Stunde, deren Erhebung nur der ermeſſen mag, der am Anfang der vierziger Jahre den Verſammlungen des Vereins für ſiebenbürgiſche Landeskunde beigewohnt! Dem Vertreter Sieben⸗ bürgens, ſowie dem zugleich angekommenen Abgeordneten des öſter⸗ reichiſchen Hauptvereins wurde, wir müſſen es mit Dank betonen, die herzlichſte Aufnahme zuteil und es war nur eine erhebende Fortſetzung derſelben, als am Abend desſelben Tages die bereits zahlreich erſchienenen

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Gäſte und Vereinsabgeordneten im Saal der Börſe zu gemeinſchaftlichem Abendeſſen zuſammentraten.

Während Dienstag 27. Auguſt der Zentralvorſtand, dem die auf der Poſt vorgefundenen und vom hohen Landeskonſiſtorium befürwortend einbegleiteten beſtätigten Satzungen des ev. Vereins der Guſtav-Adolf— Stiftung in Siebenbürgen eingereicht worden, ſeine Sitzungen hielt, war einige Zeit und Gelegenheit, die Stadt und ihre Männer kennen zu lernen. Die königl. Bibliothek, die Sammlungen des Muſeums und des hiſtoriſchen Vereins für Niederſachſen ſehr ſehenswert und lehrreich U. a. auch zahlreiche Gräberfunde wurden beſucht; das gemeinſchaftliche Mittageſſen auf der Börſe, die Begrüßung in Bella Viſta, die Vorver⸗ ſammlung der Deputierten zur Legitimationsprüfung, Wahl des Präſidenten und der Sekretäre boten von Mittag an wieder des Angenehmen und Lehrreichen gleich viel dar. Insbeſonders erhebend war der Abendgottes⸗ dienſt in der Marktkirche, wo Dr. Ehrenfeuchter aus Göttingen die Predigt hielt. Er ſprach über Joh. 6, 28, 29: was ſollen wir tun, wenn wir Werke Gottes wirken wollen, in überaus erhebender und begeiſternder Weiſe. Ein Ständchen, das die fünf Liedertafeln und Männergeſangvereine Hannovers dem Vorſtand brachten, mit Fackeln und Fahnen in feſtlichem Zug, endigte den Tag. Präſident Hoffmann ſprach begeiſternde Worte des Dankes und der Ermahnung dazu. Die Sänger antworteten mit: „Ein fefte Burg iſt unſer Gott“ und das ungemein zahlreiche, auf dem weiten Bahnhofsplatze verſammelte Volk fiel in das herrliche Lied mit ein. Es war eine großartige Erhebung der Gemüter und während die Wogen des herrlichen Liedes ſich zu den Wolken hoben, brauſte der Dampfzug heran, der immer neue Teilnehmer dem Feſte brachte.

Ja, „Ein feſte Burg iſt unſer Gott“!

Das vervollſtändigte Verzeichnis der zur 18. Hauptverſammlung des Guſtav-Adolf-Vereines in Hannover erſchienenen Deputierten und Gäſte, das den 27. Auguſt ausgegeben wurde, führte 333 Namen auf. Aus Siebenbürgen waren außer dem Schreiber dieſes, Prediger Traugott Schuſter aus Mediaſch anweſend, aus Ungarn Pfarrer Kolbenheyer aus Odenburg, Dr. Sillem, Gymnaſialdirektor aus Oberſchützen, Lindner, Profeſſor aus Eperies, Dr. Hurban, Pfarrer aus Hlubek; aus den andern Ländern Sſterreichs Pfarrer Porubsky, Dr. Schenker und Rittmeiſter Louis v. Haber aus Wien, Lichtenſtettiner, Pfarrer aus Mitterbach, Trautenberger, Pfarrer aus Brünn, Tetzner, Fabrikant aus Görkau; von den übrigen nennen wir noch Pfarrer von Cölle aus Belgrad,

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Neumeiſter aus Galatz, dann Bruhe aus Gothenburg, Ep: Göttingen, Fricke aus Kiel, Geffken aus Hamburg, Heſſenmi Braunſchweig, Hoffmann, Howard, Stephani und Tempel aus Krauſe aus Hamburg, Stoy aus Jena, Voigdt aus Königsberg. mann aus Darmſtadt, Bertheau aus Göttingen, Brückner aus Zittel aus Heidelberg, Burger aus München, Ebert aus Caſſel, aus Breslau, Großmann aus Grimma [Nach eingehender der Verſammlung fährt der Bericht fort.. J worauf Pfarrer Por Wien ſeine Freude ausſprach, daß er als öſterreichiſcher Proteſtant Abgeordneter eines öſterreichiſchen Guſtav-Adolf⸗Vereins hier habe ſcheinen können, denn nun ſei die proteſtantiſche Kirche nicht mehr e geduldete, ſondern durch des Kaiſers Rechtsſinn eine berechtigte ar

Oſterreich. Das Alte ſei vergangen und das Neue werde hoffentlich immer beſſer geſtalten. Mit dem Dank um vielfache Hülfe, die ſie erhalten, bringe er die Bitte um den Anſchluß des öſterreichiſchen vereins, daß daraus mit erwachſe eine geiſtige Stütze, um die die ſtreuten Elemente ſich ſammeln könnten.

„Die hocherfreuliche Mitteilung, die Sie uns, Herr Pfarrer, ge haben, erwiderte Präſident Hoffmann, ſteht in fo engem Zuſamn mit der, die wir aus der ev. Kirche Siebenbürgens erwarten, daß wohl am geeignetſten die Antwort auf beide zugleich gebe. So erj ich den Herrn Gymnaſialdirektor Dr. Teutſch aus Schäßburg uns ſeine Mitteilung zu machen.“

So erhob ſich denn der Aufgeforderte, beſtieg die ſinnig mit Blumen geſchmückte Rednerbühne und ſprach:

„Mit unausſprechlicher Erhebung des Gemütes, verehrte Anweſende, teure Volks- und Glaubensgenoſſen, und mit freudigem Danke gegen den Herrn, der da nicht will, daß auch nur das Kleinſte der Seinen verloren gehe, betrete ich, ein Sohn des ſiebenbürgiſchen Sachſenlandes dieſe Stätte, um ihnen den warmen Brudergruß ſeines Volkes zu bieten, die Segens⸗ wünſche ſeiner ev. Kirche zu bringen, eine lange in treuem Herzen getragene Bitte auszuſprechen. Denn der, von fo vielen erſehnte Tag ift endlich angebrochen, der es uns, den fernen vereinſamten Söhnen des deutſchen Volkes und der ev. Kirche, möglich gemacht, die treue Mutter um die Aufnahme in den Liebesbund der Guſtav-Adolf⸗Stiftung zu bitten. Daß dieſes geſchehen kann, iſt in der Reihe jener Segnungen, mit welchen der Herr ſeine Kirche in den letzten Monden begnadigt hat, gewiß nicht die letzte. Und doch können dieſe von Großem und Bedeutendem berichten; geſtatten Sie, daß ich Einiges davon zur Kennzeichnung der

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jetzigen Lage dieſer Kirche hier in Kürze mitteile. So iſt eine Frage, die länger als ein Jahrzehnt die Gemüter aller aufrichtigen Freunde unſrer Kirche mit Furcht erfüllte, die Frage um das tägliche Brot unfrer Geiſtlichkeit, durch die durchgeführte Zehententſchädigung in einer Weiſe gelöſt, die auch für die Befriedigung der auf dieſem Gebiete noch übrigen berechtigten Wünſche einen gerechten Ausgang in Ausſicht ſtellt. Die Dotation ferner, die der Staat, einem ſchon in der geſetzlichen Gleich⸗ berechtigung der ſiebenbürgiſchen Landeskirchen begründeten Verlangen der ev. Kirche Rechnung tragend, derſelben in jüngſter Zeit gewährt hat, wird drängenden Bedürfniſſen derſelben abhelfen und insbeſondere auch dadurch, daß ſie zeitweilig mindeſtens eine Unterſtützung armer Studierender an deutſchen Hochſchulen ermöglicht, eine reiche Segensquelle werden. Vor allem aber heben wir hervor, daß die Regierung endlich, nachdem auf dem Feld der Verfaſſung unſerer ev. Kirche ſeit Menſchen⸗ altern der legale Boden vielfach verlaſſen worden, in den jüngſt erſchienenen „Proviſoriſchen Beſtimmungen für die Vertretung und Verfaſſung der ev. Landeskirche in Siebenbürgen“ den berechtigten, oft ausgeſprochenen Wünſchen derſelben folgend gerecht und wohlwollend entgegen gekommen, um das Verhältnis der Kirche zur Staatsgewalt wieder auf die alte landesgeſetzliche Grundlage zurückzuführen, und dieſelbe durch Herſtellung der geſetzlichen Autonomie in die lang erſtrebte Lage zu ſetzen, fortan die Ordnung ihrer Angelegenheiten aus ſich ſelbſt heraus feſtzuſtellen.

So, verehrte Volks- und Glaubensbrüder, iſt die ev. Kirche „Siebenbürgens nach einer zehnjährigen, mit innerer Auflöſung drohenden Desorganiſation, in ungehinderter Ausübung des ihr ſeit uralten Zeiten geſetzlich zuſtehenden Selbſtbeſtimmungsrechtes durch Annahme und teilweiſe Modifizierung der ihr von dem Staate dargebotenen neuen Otganiſation in den Beſitz einer Verfaſſung gekommen, die auf echt evangelischer Grundlage die geſamte Vertretung und alle Verwaltungs- organe der Kirche bloß aus der freien Wahl hervorgehen läßt, die dieſelbe von dem Einfluß und den Schwankungen wechſelvoller politiſcher Einrichtungen unabhängig macht und zu lebensvoller Entwicklung freien Raum gewährt.

Ein erfreulicher Beſtandteil dieſer Verfaſſung iſt die Befreiung des kirchlichen Vereinsweſens von den bisherigen Feſſeln, indem dieſes fortan bloß der Genehmigung des, aus den Wahlen der Kirche hervor gehenden Landeskonſiſtoriums unterſteht.

Belebt von dem Geiſte dieſer evangeliſchen Freiheit hat denn die ev. Landeskirche Siebenbürgens die erſten Wochen ihres neuen Ver⸗

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faſſungslebens nicht würdiger benützen zu können geglaubt, als daf ſich in zahlreichen Gliedern zu zehn Zweigvereinen und in einem Hauptvereine des ev. Vereines der Guſtav-Adolf⸗Stiftung zufa geſchloſſen. Anfangs Auguſt trat auf den Ruf des unermüdeten dieſer guten Sache, des Superintendentialvikars und Mediaſcher pfarrers Joſef Fabini, eine konſtituierende Verſammlung in zuſammen und entwarf die Satzungen für ihr Vereinsleben; ) Namen und Auftrag bin ich hier, um Ihnen, hochanſehnliche ſammlung, den wärmſten Dank darzubringen für all die Liel die fie der ev. Kirche und Schule Siebenbürgens bisher zugewe unausſprechlicher Stärkung ihres Mutes, ihres Vertrauens und Selbſtbewußtſeins, dann aber um Sie zu bitten, daß Sie dem Hauptverein der Guſtav-Adolf-Stiftung in Siebenbürgen, den

doppelt heiligen Bande der Volks- und Glaubensgemeinſchaft ziehen, geſtatten, ſich als lebendiges Glied dem Körper, der ſcho viel des Segens wirkte, einzufügen.

Entſchuldigen Sie es, verehrte Volks- und Glaubensbrüder, der Kürze der Zeit, daß unſer Verein diesmal noch ohne jene unter Sie getreten, wie der evangeliſche Sinn und unſere Satzungen erheiſchen. Weil aber das Herz nicht umhin kann, das, was es auch in äußeren Zeichen auszudrücken, ſo erachten Sie es nicht unan⸗ gemeſſen, daß derſelbe ſeiner Freude, feiner Liebe und feiner Hoffnung; mindeſtens dadurch Ausdruck zu geben verſucht hat, daß er unſerem Herrn Präſidenten einige Schriften aus den deutſchen Südoſt⸗Karpathen⸗ tälern überreicht, welche über die Entwicklung und den Zuſtand unferer Kirche und unſeres Volkes einigen Aufſchluß zu geben geeignet ſind, mit dem Erſuchen, dieſelben an Freunde feines Strebens zu verteilen.

Empfangen Sie denn in jenen Blättern nochmals den herzlich freudigen Gruß der ev. Kirche des Siebenbürger Sachſenlandes, die ſich alle Zeit, insbeſondere aber in unſeren Tagen tief bewußt iſt, daß ihre Zukunft und ihre Fortbildung mitberuht auf dem unauflöslichen geiftigen Zuſammenhang mit der teueren deutſchen Mutterkirche, ihrer Glaubens⸗ tiefe, ihrer Bildung und ihrer herrlichen Wiſſenſchaft. Und genehmigen Sie mit jenem Geiſte zugleich die nochmalige herzliche Bitte: die ferne ev. Landeskirche Siebenbürgens in Ihre wohlwollende Teilnahme, in Ihre fördernde Liebe, in Ihr Gebet allezeit einzuſchließen.“

Der Präſident, Kirchenrat Hoffmann, erwiderte auf die beiden vorausgegangenen Vorträge ſehr freundlich. Ohne einem Beſchluſſe, der nur morgen gefaßt werden könne vorzugreifen, könne er doch nicht

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umhin, gewiß im Namen Aller nochmals die Freude auszuſprechen, daß fortan auch den ev. Brüdern aus Oſterreich unverwehrt ſei, lebendigen Anteil an dem Liebesdienſt der Guſtav-Adolf⸗Stiftung zu nehmen und jener vielfachen innern Stärkung teilhaftig zu werden, die aus jenem ev. Dienfte notwendig erwachſe.

Ja er könne, ſprach er zur Verſammlung gewendet, noch eine andere Mitteilung machen. Mit durch Unterſtützung des Guſtav-Adolf-Vereins werde jetzt im Banat eine ev. Kirche in Ferdinandsberg gebaut..

Gewiß es war ein erhebender Moment nicht nur für die ſieben⸗ bürgiſche und öſterreichiſche ev. Kirche.

(Nach Schilderung des weiteren Verlaufs der Verſammlung am 28. und 29. fährt er bei Donnerstag den 29. Auguſt fort:

Darauf (nach der Rechnungslegung) beftieg Pfarrer Voigdt aus Königsberg die Rednerbühne, um über die Geſuche des neugegründeten ſiebenbürgiſchen und des öſterreichiſchen Hauptvereins, betreffend die Auf- nahme derſelben in den Geſamtverein, zu referieren. „So erfüllt es ſich denn aufs neue“, begann er mit vor Rührung faſt zitternder Stimme, „daß die Wege des Herrn wunderbar ſind, Er es aber am Ende herrlich herausführt. Aus dem kleinen Samenkorn, das die gläubige Zuverſicht cvangeliſchen Gottvertrauens ausſtreute, iſt der Baum erwachſen, deſſen Früchte ſchon Tauſende laben, und immer aufs neue treten Arbeiter heran zum Liebesdienſt ſeiner Pflege. Siehe, auch das Land, das bisher derſelben verſchloſſen war, eröffnet die Pforten. Aus dem fernen Süd⸗ often der öſterreichiſchen Monarchie kommt die deutſche ev. Kirche, ſie, die ſchon in den erſten Jahren der Reformation durch Kaufleute von der Leipziger Meſſe das Evangelium erhellet und feft gegründet durch den großen Reformator Honterus allezeit treu bewahrt; ſie, die von Anfang her unter dem Schutze des Geſetzes frei und berechtigt bei jedem Angriff an ihm das ſtarke Bollwerk fand; ſie, in deren Mitte die Tätigkeit des uns von Ulm fo wohlbekannten Freundes unſrer Stiftung, Fabini, für unſern Verein jo ſchöne Früchte trug und an deren Spitze die würdigen Häupter, Biſchof Binder und Landeskirchenkurator K. Schmidt in ſo edlem ev. Geiſte wirken; zum Liebesdienſt der Kirche tritt heran auch die ev. Kirche Oſterreichs; fie, aus deren Mitte bisher faſt nur Worte der Klage hieher kamen, der aber nun nach langer Nacht der Duldung ein neuer Tag des Rechtes aufgegangen.“ So und noch manches andere erhebende Wort ſprach der treffliche Redner und erſuchte, da die vorgelegten Statuten ordnungsgemäß geprüft und entſprechend

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gefunden worden, den Präſidenten die Frage an die Verf ſtellen, betreffend die Aufnahme des öſterreichiſchen Haup des ſiebenbürgiſchen Hauptvereines der Guſtav⸗Adolf⸗Stiftun Geſamtverein mit je 1 Stimme. Die ſofort vom Präſiden Frage, ob die Aufnahme der beiden Vereine ftattfinden ſolle, n. der Verſammlung einftimmig bejaht, worauf dann Präſident in warmen Worten ſie ausſprach und für vollzogen erklärte. des öſterreichiſchen Hauptvereines dankte dafür in tief empfu Dr. Schenker, im Namen des ſiebenbürgiſch-ſächſiſchen Vereines treter desſelben mit folgenden Worten:

„Wie wenn ein Sohn nach langer, langer Abweſenheit i haus zurückkehre, fo ſei es dem ſächſiſchen Volke, das ſeit fiel Jahren an der Grenze der abendländiſchen Bildung für dieſe zu und zu leiden die Beſtimmung habe, ſo ſeiner ev. Kirche be neuen Bande, das ſich zum Mutterland, zur Mutterkirche Hinüberf Wie einſt wenige Jahre vor Luthers Tod, als das Geſchick en ſollte, ob Siebenbürgen dem Wege abendländiſcher Geſittung fo dürfe, oder unter dem vernichtenden Schirm des Halbmondes allmäh Untergange preisgegeben werden ſolle; wie damals die Sachſen an ihrer Spitze der Hermannſtädter Bürgermeiſter Petrus Haller, Nürnberg entſtammte, zum deutſchen König, der zugleich die ungarische Krone getragen, geſendet hätten, um ihm zu ſagen „daß ſie mit ganzem Herzen hieher ſeien!“ ſo könne er als Ausdruck des Dankes im Namen ſeiner Kirche nichts anders ſagen als jenes alte Wort: ſie ſind mit ganzem Herzen hieher! „Helfen ſie,“ ſchloß er, „daß dieſe ferne ev. Kirche Siebenbürgens durch Ihre Bruderliebe immer ſtärker und kräftiger werde, den großen Zielen ihrer Aufgabe ſtets würdiger nachzukommen und immer feſter und heimiſcher zu werden auf dem Grunde, den niemand anders legen kann. Das walte Gott!“

Die Verſammlung ſprach darauf ein freundiges Amen.

„Und manches Auge ſah' ich flammen Und klopfen hört ich manches Herz!“

[Den weitern Verlauf der Verſammlung übergehen wir hier.]

Der Nachmittag vereinigte die Hauptverſammlung noch einmal zu einer Fahrt in den königlichen Garten nach Herrenhauſen, wo der Bericht⸗ erſtatter unter den wundervollen Palmen im Palmenhauſe und im Anblick der eben an jenem Tage aufgeblühten victoria regia, auf deren einem

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auf dem Waſſer ſchwimmenden Blatt ein neunjähriger Knabe furchtlos umherging, warm der botaniſchen Freunde im fernen Heimatland gedachte.

Ein Konzert abends vom königlichen Hof- und Kirchenchor führte in ausgewählten Stücken von Paleſtrina angefangen die Entwicklung des Kirchengeſangs ſeit dem 16. Jahrhundert vor überaus erhebend und genußreich. In das Schlußlied: Ein feſte Burg iſt unſer Gott ſtimmte die ganze Verſammlung ſtehend ein.

Dann vergingen im Fluge im Kreiſe der neugewonnenen Freunde die Stunden bis 1 Uhr nachts; hundert herzlichen Einladungen konnte man nicht Folge leiſten; wenige Minuten nach jener Zeit flog das Dampfroß dem Rheine zu.

Das war ein Sonntagsmorgen, der den 1. September am Anfang des neuen Schuljahres in der Heimat dem Wandrer aus dem Sachſenland auf der Terraſſe hinter dem hohen Münſter in Baſel aus dem grünen Rhein, der dort unten ſo klar und raſch dahinſchoß, entgegen⸗ leuchtete! Da, im Saal an der Kirche, über deren Weſtpforte der heilige Georg den Drachen erſticht, hatten fie getagt die Vertreter der Chriſtenheit und die kühnen Worte geſprochen, die bald ſelbſt in den fernen deutſchen Karpathentälern von den ſchlichten Kanzeln der Dorfkirchen widerhallten, fo daß ſogar Papſt Eugen IV. fie ſeiner zürnenden Warnung würdigte. Und ein Jahrhundert ſpäter holte Honterus von dort einen Teil ſeiner Wiſſenſchaft, von dort die geifterbefreiende Kunſt des Buchdrucks und die Gedanken, die damals die Welt bewegten, und die auf der Stelle, wo der Wanderer jetzt ſtand, im Anblick des herrlichen Stromes ihm wohl auch oft die Seele erfüllten; fie wurden zu Wort und Tat in den geſegneten Tälern des fernen Heimatlandes. Ob doch über ſeine Studienzeit in Baſel in den Akten der Hochſchule ſich etwas findet? Nun, der Wanderer hofft es bald ſagen zu können, wenn auch eigenes Nachforſchen damals nicht möglich war, da ſich ihm an jenem Tag die letzten Strahlen der ſcheidenden Sonne vom Montblanc zurückgeworfen im Genfer See ſpiegelten.

Hier tagte vom 2. September angefangen der evang. Bund. Er verdankt ſeine Entſtehung dem durch einen ſo bedeutenden Teil der ev. Kirche ſeit geraumer Zeit gehenden Zuge nach innerlicher Einigung auf dem Grunde des Gemeinſamen. Auf das Schmerzlichſte von dem Hader unter Chriſten ergriffen, traten engliſche Männer im Jahr 1845 zu Liverpool und Birmingham zuſammen, um einen Weg zu bahnen, der aus dem Streit zur Liebe führe; infolge davon wurde im Auguſt 1846 in London eine große Versammlung ev. Chriſten aus England,

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Frankreich, Amerika, Deutſchland und anderen Ländern gehalten und von ihnen der ev. Bund gegründet. Derſelbe wollte und will äußere Verſchmelzung der Kirchen, die in verſchiedenen Sprachen, Sit und Ländern in ihrer beſonderen Weiſe dienen, wohl aber in allen das Bewußtſein beleben, daß ſie alle dem einen Herrn angehören und treuer Liebe zu ſeinem Dienſte unter einander verbunden fein fi Die zu dieſem Zwecke zuſammentretenden Verſammlungen des ev. Bund im Jahr 1851 in London, 1855 in Paris, 1857 in Berlin erfreuten ſich großer Teilnahme. a

Die gegenwärtige in Genf nicht minder. Unter den zahlreichen Mitgliedern über 1000 (der gaſtlichen Aufnahme derſelben hier fowii der Guſtav-Adolf-Vereinsglieder in Hannover muß ausdrücklich dankbar gedacht werden) befanden ſich der preußiſche Kultusminiſter Bethmann⸗ Hollweg, Hofprediger Dr. Krummacher aus Potsdam, Profeſſor Dorner aus Göttingen, Direktor Flashar aus Berlin, Profeſſor Gelzer aus Berlin, Profeſſor Herzog aus Erlangen, Profeſſor Holgmann aus Baden, Pfarrer Legrand aus Baſel, Profeſſor Riggenbach aus Baſel, Staatsrat Chriſt aus Baſel, Profeſſor Heppe aus Marburg; aus England... aus Siebenbürgen waren gegenwärtig außer dem Schreiber Prediger Schuſter aus Mediaſch, Dr. Müller aus Hermannſtadt und aus Wien Pfarrer Porubsky und Dr. Schenker. In der Tat „Männer aus allerlei Volk“, nach einem ſchönen Worte, das Krummacher auf der Verſammlung in Berlin geſprochen; Franzoſen mit ihrem feuerigen Eifer im Dienſte des Herrn, Italiener mit ihrer Märtyrer- und Todesfreudigkeit für das Evangelium, Briten mit der apoſtoliſchen Tatkraft und dem chriſtlichen Welteroberungsmut, Schotten mit ihrer Glaubensganzheit, und ihrem ſittlich-religibſen Ernſte, Amerikaner mit ihrer Ehrfurcht vor dem Buch- ſtaben des göttlichen Lebenswortes, Holländer mit ihrer Nüchternheit in Tagen, wo Tauſende taumeln und geiſtig berauſcht ſind und fügen wir hinzu Deutſche mit ihrem nie raſtenden Streben in die Tiefen des Göttlichen zu dringen. Und daß nun namentlich hier, auf einem Verbindungspunkte germaniſchen und romaniſchen Lebens, die proteſtantiſche Kirche Frankreichs und der neu aufgehende Tag des Evangeliums in Italien mit dem engliſchen und deutschen Weſen zu gemeinſamer Stärkung für den Kampf gegen alles Unevangeliſche ſich zuſammenfand, iſt gewiß kein unbedeutendes Ereignis.

Eine ausführliche Darſtellung der Verhandlungen, die vom 2. bis 12. September dauerten, kann natürlich nicht Aufgabe dieſer Mit teilung ſein ....

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In der den Deutſchen vorbehaltenen Sitzung vom 10. September, wo Profeſſor Dorner aus Göttingen in einer Rede voll deutſcher Tiefe und Wiſſenſchaftlichkeit über Recht und Grenzen der Individualität und Individualismus auf dem Gebiet des Religiöſen und der Theologie ſprach denſelben Gegenſtand erörterten in trefflicher Weiſe Krummacher aus Potsdam und Flashar aus Berlin erhielt auch der Schreiber dieſes das Wort zu einem Gruße aus der ev. Landeskirche Sieben- bürgens. Der Präſident Naville hatte es ihm ſchon für die Eröffnungs⸗ ſitzung gewährt; aber die große Zahl der bereits ſeit Wochen einge⸗ ſchriebenen Redner und die karg zugemeſſene Zeit ließen es damals nicht an ihn gelangen. Jetzt ſprach er, anknüpfend an einige von Dr. Herzog am Anfang der Sitzung geſprochene Worte:

„Vor wenigen Wochen hat das achte Jahrhundert begonnen, ſeit jener ungariſche König Geiſa II. geſtorben, der vom Mittel- und Nieder⸗ rhein deutſche Einwanderer zum Anbau und zum Schutz des Landes an die ſüdöſtliche Grenze ſeines Reiches, in das heutige Siebenbürgen gerufen. Zwei Menſchenalter ſpäter kamen in dasſelbe Land unter dem Schutze des deutſchen Ritterordens, der bekanntlich, ehe er das Werk der Bekehrung in Preußen begann, von der ungariſchen Krone den ſüd⸗ öſtlichen Teil Siebenbürgens, zur Verteidigung gegen die Kumanen erhalten hatte, deutſche Anſiedler: aus ihnen ift die „Nation“ der Sachſen in Siebenbürgen erwachſen, die mitten unter unausgeſetztem Andrang vielfacher, ihrem Volkstum entgegengeſetzten Elemente, in Sprache, Ge⸗ ſittung und Glaubensinnigkeit deutſch geblieben ift bis auf dieſen Tag und dieſen ihren tiefen Zuſammenhang mit deutſchem Weſen auch dadurch bewährt hat, daß ſie gleich von der erſten Zeit der Reformation dem Lichte derſelben ſich zuwandte und in ihrer Geſamtheit zur ev. Kirche übertrat.

Es iſt ein Segen, der nicht allen Ländern zuteil geworden iſt, daß ſich dieſer Übergang zur gereinigten Lehre und die Anerkennung der- ſelben zu geſetzlicher Rechtsſtellung in Siebenbürgen vollziehen konnte auf friedlichem Wege. Als in dem dieſer trefflichen Stadt benachbarten Lande das Schwert wegen der Glaubensverſchiedenheit der Bürger Menſchenalter lang nicht in die Scheide kam, ſprachen die Stände Sieben⸗ bürgens, deren ein Teil die Sachſen waren, das ſchöne Wort, daß der Glaube der Chriſten nur einer ſei, wenn auch verſchiedene kirchliche Formen herrſchten. Ja, als bitterer Hader das Leben der Evangeliſchen A. und H. B. gegenſeitig vergiftete, hat die deutſche ev. Kirche Sieben- bürgens dem bedrängten Genf Liebesgaben geſandt und ſich der Dant- ſchreiben Theodor Bezas erfreut.

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Es konnte nicht anders fein, als daß in einer $ ſolche Vergangenheit hat, der Gedanke, der den ev. Bund rief, vielfach freudigen Anklang fand. So entbietet Ihnen d Herren und Freunde, und durch Sie dem ev. Bunde die e Landeskirche Siebenbürgens den Brudergruß und ſpricht ihre nahme aus der Idee der Alliance: Vereinigung der Herzen an die Grundwahrheiten des Chriſtentums durch den Geiſt der lichen Liebe, und das mit Notwendigkeit daraus hervorgehende Stre eben mit dieſem Geiſte der Liebe die Gegenſätze des Lebens 1 Grunde des Gemeinſamen der ev. Heilslehre zu überwinden. Sie zugleich die Verſicherung, daß dieſe Kirche nie aufhören zu ſtehen auf dem Grunde des Evangeliums, und hören Sie, nie auf, derſelben als einem, wenn auch nur kleinen ſo doch lebend Gliede des ev. Bundes Ihre brüderliche Teilnahme und Ihre zu gewähren.“ 5

Ahnliche Grüße ihrer Kirchen und Glaubensgenoſſen brachten in erhebenden Worten in dieſer Sitzung Staatsrat v. Schwebs aus Lie und Dr. Schenker aus Oſterreich, welcher insbeſondere auf die n. wonnene Rechtslage der ev. Kirche Oſterreichs hinwies. Die Verſammlun ſchloß in gehobener Stimmung mit: Ein feſte Burg iſt unſer Gott.

Auch außer den ordentlichen Sitzungen boten ſich vielfache legenheiten zu Berührungen und Gedankenaustauſch dar, ſo das tägliche gemeinſchaftliche Mittagsmahl. Der Abend des 8. September in der Wohnung Herrn Sillems, eines Hamburgers, der die „deutſchen Brüder“ zu ſich geladen, wird vielen lang in ſchöner Erinnerung ſein. In den Prachtgärten der Frau Einard, der Herren Laſſerre und Naville fanden wiederholte Zuſammenkünfte ftatt, wo unter anderem zugleich Gelegenheit war, die Äußerungen religibſer Stimmungen des ſüdländiſchen, ja auch zum Teil des deutſchen hier vertretenen Proteſtantismus in einer, dem nüchternen Sohn der Karpathentäler überraſchenden Weiſe kennen zu lernen, wie denn überhaupt die, ſcheinbar faſt mit einer gewiſſen Abſichtlichkeit ſich geltend machende Richtung einiger Kreiſe, welche nicht die Totalität der veligiöfen und theologiſchen Entwicklungsſtufen umfaßt, ja namentlich eine prinzipiell ausſchließt, geeignet war, die Aufmerkſamkeit auf ſich zu ziehen.

Die Verſammlung endigte den 12. September mit einer Zuſammen⸗ kunft zu Gebet und Abſchied; Pfarrer Demole aus Genf ſprach die Schlußworte. Die nächſte Verſammlung wird wahrſcheinlich in Edinburg ſtattfinden.

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Über die Reiſe von Genf heimwärts ſchrieb er aus München am 21. September an ſeine Frau:

. . . Die Reife iſt für mich zwar bisweilen mühevoll, aber unendlich anregend und lehrreich, wohl auch für die Zwecke, die ſie eigentlich hat, vielleicht nicht ohne allen Erfolg geweſen. Ich habe eine große Menge trefflichſter Menſchen geſprochen, manche, mit welchen ich bereits lange in literariſchem Verkehr ſtand, in oft überraſchender Weiſe nun perſönlich kennen lernen mit einem Wort eine Fülle der erhebendſten Anſchauungen und Belehrungen gewonnen. Es geht ein großartiger, neuer Geiſt voll Tiefe, Ernſt und Schwung durch Deutſchland und die Früchte werden nicht lang ausbleiben.

Doch ich will Dir einige Andeutungen über die Reiſe von Genf hieher mitteilen.

Den 12. September ging ich mit einer Anzahl deutſcher Freunde auf dem Dampfichiff ab. Die Fahrt über den wundervollen blauen See, die Lieblichkeit der Rebenpflanzungen, Orte (Lauſanne) und Land⸗ häuſer am nördlichen, die Erhabenheit der unmittelbar aus den Wellen aufſteigenden Savoyer Alpen auf dem ſüdlichen Ufer läßt ſich nicht beschreiben. Übernachtet wurde in Vevey, den andern Tag die Fahrt mit der Poſt, immer in großartigſter Gegend, bis Freiburg, von da mit der Eiſenbahn bis Bern fortgeſetzt. Da entzückte uns der Anblick der Berner Oberlands-Gebirgskette, noch mehr aber, als wir an demſelben Tag nach Thun gingen und den Thuner See entlang nach Interlaken fuhren. Wie ragte da das blendend weiße Haupt der Jungfrau in die Lüfte und warf das ſchwarze Stockhorn die dunkeln Schatten auf die Gletſcher der Blümlisalp. Eine Fuß wanderung mit dem Geographen Kiepert brachte uns nach Interlaken ein Dorf von Villen, das jährlich hunderte von Fremden, namentlich Engländer zum Sommeraufenthalt wählen. Dem heiter verplauderten Abend folgte Sonntag ein regnerischer Morgen. Doch gings früh 6 Uhr fort auf dem Brienzer See, dann über die Gebirgsſcheide des Brünig den Sarner See entlang auf den Vierwaldſtätter See bekannt aus Tell! Zwiſchen den ragenden wind- und woltenumbrauſten Häuptern des Pilatus und des Rigi an Luzern vorbei durch die „hohle Gaſſe“ bei Küßnacht auf den Zuger See, von da über Zug auf den Züricher See in ſchönem Mondſchein auf den ſchaukelnden Wogen nach Zürich, das weither im Lichterglanz ſtrahlte gewiß eine ſchöne Tagwanderung!

Von Zürich brachte mich der Dampfwagen den 16. September nach Lauffen zum Rheinfall, einem Naturwunder, das ſich weder in

EN f g Georg Daniel Teutſch. 5

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Worten noch in Gemälden treu wiedergeben läßt, Bodenſee in ſtürmiſchem, das Schiff prächtig fd Conſtanz nach Friedrichshafen und von dort die nach Stuttgart. Der 18. und halbe 19. September di Stuttgart; abends war ich in Augsburg. Der halbe T wieder Beſuchen in Augsburg gewidmet; abends g München, von dem lieben trefflichen Thomas mit wahrh empfangen. Mein erſter, ich muß ſagen, ängſtlicher Poſt, von der ich heute oder morgen noch die Antn Brief an Dich von Genf zu erhalten hoffe.

Ich werde nämlich von hier vor Montag Be dieſem Fall aber Dienstag in Wien fein. Die unvorherge Dauer der Genfer Verſammlung, vor deren Schluß ich nicht fort konnte, weil ich erſt ſpät zu Worte kam, hat nun Reiſeroute geftört. Ich habe weder nach Heidelberg noch nach! gelangen können, weil das meine Heimkunft um viele Tage hätte.. .. Daß Müller in Mühlbach geweſen, hat mich ſehr ich erfuhr es zuerſt vor dem Schillerſtandbild in Stuttgart, unvermutet Gaſtwirt Binder aus Mediaſch begegnete, der von

Nach Empfang dieſes Briefes ſchreibt mir noch einmal f nach Wien. ..“

Am 4. Oktober traf er wieder in Schäßburg ein. In dem offizie Bericht an den Guſtav-Adolf-Verein hob er nochmals hervor, daß „die herzlichſte Teilnahme zuteil wurde“ und ſchloß boffnungefreuigs

„Überhaupt habe ich auf der ganzen Reiſe, in und außerhalb Oſterreich im perſönlichen Verkehr mit einer großen Zahl, durch ihre Stellung und Bildung hervorragender Männer, eine überaus erfreuliche wohlwollende Teilnahme für unſer Kirchen- und Volkstum und überall die lebhafteſte Freude über unſere Beteiligung am ev. deutſchen Vereinsweſen gefunden, ſo daß kein Zweifel iſt, es werde das Beharren auf dieſem Wege den höchſten Gütern unſeres Volks- und Kirchenlebens reichen Segen bringen.“

Die Charakterzüge ſeiner Perſönlichkeit, die ſchon die Reiſe von 1858 gezeigt, traten hier ebenſo hervor und ſie ſind ihm ſein Leben lang eigen geblieben: das Bedürfnis ſich fortzubilden, das ſich im Intereſſe für alles äußerte, was ihm entgegentrat, Bibliotheken, Museen und Archive, Denkmäler und Vereine, Gärten und Menſchen, Natur und Kunſt, es iſt ebenſo erſtaunlich wie die außergewöhnliche Begabung,

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Bekanntſchaften anzuknüpfen. Nahezu mit allen, deren Namen er auf zählt, iſt er in perſönliche Berührung gekommen und mit vielen von ihnen wurde aus der Bekanntſchaſt dauernde Freundſchaft, ſo mit Fricke, Stephani, Voigdt, Zimmermann, Burger, Großmann. „Jeder dieſer Namen bedeutet nicht nur für Teutſch allein, ſondern die Sache, die er vertrat, fortan einen Freund.“

Wie hat gerade die Guſtav⸗Adolf-Vereinsarbeit ſpäter noch Teutſch erhoben, welch ein Segen iſt daraus für unſere Kirche, unſer Volk erwachſen.

Es war die hoffnungsreichſte Zeit in Teutſchs Leben, denn wie er an Haltrich ſchrieb: wir find doch etwas und werden noch mehr werden! Das Urteil über ihn aber hatte ein Freund im Schäßburger Kollegium in den freundlichen Vers gefaßt:

„Will es und du wirſt gewißlich deinem Volk ein Joſua, Und von deinem Arm gehalten ſtrahlt die Sonne reifend milde Auch auf unſers Vaterlandes ährenreiche Saatgefilde!“

8. In Stadt- und Tandgeſchäften.

Es bezeichnet in unſerem Volksleben den Anbruch einer neuen Zeit, als und daß es möglich wurde, daß der Rektor eines Gymnaſiums im öffentlichen Leben der Stadt und der Nation eine maßgebende Stelle erhalten konnte. Bei Teutſch ergab ſich die Tatſache aus jeiner Arbeits- kraft und der Bereitwilligkeit, ſich jedesmal zur Verfügung zu ſtellen, wenn man ihn brauchte und aus der Fähigkeit, all die Fragen auch des öffentlichen Lebens nach ihrem Weſen zu beurteilen. Das Schöne bei dieſer Stellung war, fie iſt ihm ungejucht zugefallen, das Ergebnis ſeiner Perſönlichkeit.

Der Abſolutismus der fünfziger Jahre ließ für das öffentliche Leben geringen Spielraum, aber bald ergab ſich von ſelbſt die Notwendigkeit, gerade gegenüber den unverſtändigen Beſtrebungen einer allgemeinen Gleichmacherei, das ſächſiſche Leben und die ſächſiſchen Einrichtungen vielfach zu verteidigen. Dabei iſt Teutſch mit ſeinem ganzen Volk von vorneherein ein Gegner des Abſolutismus geweſen, doch wußte er Perſonen und die Sache von einander zu ſcheiden.

Das Jahr 1850 ließ noch den Aufbau eines konſtitutionellen einheit lichen Reiches erwarten; Teutſch hoffte und vertraute darauf. Für dieſes waren die Sachſen bereit, Opfer zu bringen, weil es für den Beſtand des Volkes zu bürgen ſchien. Die Frage nach der Stellung des Sachſen⸗

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landes im Geſamtreich war eine Hauptfrage, die zunächſt die bewegte. Die Stellung Teutſchs zu all dieſen Fragen war Weſen gegeben: die hiſtoriſche und rechtliche Seite war für ihn und nicht weniger fiel die Rückſicht auf Beſtand und

des ſächſiſchen Volkes in die Wagſchale. Er iſt ein eifriger der „Markgrafſchaft Sachſenland“ geweſen, über die ſpäter geſpöttelt worden ift. Aus jener Zeit und der Vergangenheit!

läßt fie ſich wohl erklären, zunächſt weil fie hofften, die Reichsverf von 1849 werde durchgeführt werden. Das war ja zunächſt der den die Niederwerfung der Revolution gebracht, daß die Opfer der 1848 49 nicht vergebliche geweſen ſeien und die Reichseinheit f deutſche Charakter des Reichs gerettet worden ſei. Jener Einheit zul man bereit geweſen, von alten Rechten einiges fahren zu laſſen, bei weil jene Einheit als eine Garantie dafür angeſehen wurde, deutſche Charakter des Sachſenlandes, die Entwicklung des fi Volkes als eines deutſchen Stammes geſichert ſei. Jene Markgra Sachſenland ſchien zunächſt in der Vergangenheit begründet. Sie nämlich darin beſtehen, daß das Sachſenland, das mit ſeiner Autonomie die inneren Angelegenheiten ſich zu ordnen hätte, direkt Krone reſp. den Miniſtern unterſtellt würde. Das war im Grunde alte Rechtsſtellung. Es war zugleich der beſte Schutz für die Bewah der deutſchen Eigenart und ihrer Weiterentwicklung. Darunter h 2 die Nation vielfach gelitten, daß die zwei anderen Stände (der Adel und die Szekler) Einfluß auf fie gewonnen hatten und ſich in Dinge mifchten, die jene eigentlich nichts angingen. Um die Gefahr ſolcher Eingriffe möglichſt zu verringern, ſollte eine gemeinſchaftliche ſiebenbürgiſche Landes⸗ verwaltung und Vertretung nicht ſtattfinden. Schon die Rückſicht auf die Verſchiedenheit der Völker in Sprache, Bildung, auf die Verſchieden⸗ artigkeit ihrer Bedürfniſſe bei Ackerbau und Gewerbe, in Kirche und Schule mußte ebenſo davon abmahnen wie die Schwierigkeit der Ver⸗ handlung. „Oder ſoll auch unter der Agide der Reichsverfaſſung ſchrieb Teutſch die unheilvolle Suprematie Einer Nationalität die unveräußer⸗ lichen Rechte der übrigen mit Vernichtung bedrohen? Soll die erdrückende Laſt der früheren Siebenbürgiſchen Landtage für die Entwicklung und Kräftigung der Kultur im Oſten auch unter dem konſtitutionellen Oſterreich fortdauern? Soll jene durch die früheren Siebenbürgiſchen Landtage erzeugte Gehäſſigkeit und gegenſeitige Erbitterung verewigt werden, die das Land von jeher zu einem unfruchtbaren Gliede Oſterreichs gemacht und mit dazu beigetragen, es endlich in Blut und Flammen zu ſtürzen? Soll

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es demjenigen Volke, das durch ſeine ganze Geſchichte zum Träger der Idee des Einheitsſtaates in dieſem Lande beſtimmt iſt, mit Verkümmerung ſeines alten und neuen Rechtes (durch einen gemeinſchaftlichen fieben- bürgiſchen Mittelpunkt) fortan unmöglich werden, für Oſterreich das zu leiſten, was es bisher getan?“ So verlangte man, dem alten Recht und der Reichsverfaſſung entſprechend die abgeſonderte, autonome Verwaltung und Vertretung der ſächſiſchen Nation und die unmittelbare Unterſtellung unter die Krone, die der Kaiſer 1848 ſchon zugeſagt hatte.

Mit dieſer Frage hing eine andere eng zuſammen, die Gebiets- frage des Sachſenlandes. Hier ftanden ſich zwei Meinungen ziemlich ſchroff gegenüber. Die einen hielten ſtarr an der hiſtoriſchen Entwicklung und wollten eben das alte Sachſenland in die neue Zeit herübernehmen. Dem gegenüber meinte eine andere Partei, es ſei angezeigt, bei dieſer Gelegenheit was möglich ſei von nichtſächſiſchem Gebiet aus dem Sachſen⸗ land auszuſcheiden und damit jeinen deutſchnationalen Charakter feſter zu ſichern. So ſollten der Talmeſcher und Szeliſchter Stuhl, die Cſangos bei Kronſtadt, ſelbſt Broos abgetrennt werden, dafür ſolle das neue Sachſenland S.⸗Reen und die 13 Dörfer mit umſchließen. Teutſch ſtand auf Seite der letzteren, mit Rückſicht auf den nationalen Geſichtspunkt und in der Hoffnung, dadurch einer Menge Streit und Anlaß zu Reibungen den Grund zu nehmen. Als die Univerſität das erſtere beſchloſſen, richtete die Schäßburger Kommunität wie es ſcheint aus Teutſchs Feder, obwohl er nicht Mitglied der Kommunität war, eine Vorſtellung dagegen, in der die Gründe für ihre Anſicht eingehend dargelegt wurden.

Sie trug der Kommunität einen ſcharfen Verweis des Komes Salmen ein, der im März 1850 Schäßburg beſuchte. Teutſch ſchildert in einem launigen Brief an Maager in Kronſtadt die ganze Affäre, die ſich in der Kommunitätsſitzung vom 26. März abjpielte: „Ein dunkles Gerücht von dem Gewitter, das in derſelben ſich entladen würde, lief ſchon Tags vorher durch die Stadt und ließ einige ſchuldbeladene Juriſten⸗ herzen, die an jenem „Volksmorde“ ſich beteiligt, die ganze Nacht nicht ſchlafen, da erſchien endlich die bange Stunde. Der Kommunitätsſaal voll; ich und Müller Fritz das „Publikum“ drin, plötzlich die Türe auf und

„Herein mit bedächtigem Schritt

der Komes tritt“, gefolgt von der Wohlweiſen Schar und dem Diſtriktsdragoner, der in ehrwürdiger Haltung hinter der Türe ſtehen bleibt. Stelle dir da den großen Fehler vor, die Kommunität war ſo gerührt, daß nicht ein einziger Mund ein „Hoch“ rief. Nicht umſonſt, oder beſſer umſonſt hatte der

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Herr Graf zu den Felſenherzen bei der Empfangsviſite f der Nation wegen ſo viel Leiden ausgeſtanden, daß er mit d. h. wegen ſeiner Wahl ihr keinen Dank mehr ſchulde. a Gewitter in der Natur die Totenſtille vorhergeht, ſo im S Kommunitätsſaal

Conticuere omnes, intentique ora tenebant, Cum pater Comes toro sie orsus ab alto:

„Ich habe während der Zeit, daß mich das Vertrauen des auch das der Schäßburger Kommunität zu dieſem Amte nie das Glück gehabt, dieſe mir ſo liebe Stadt beſuchen zu Auch jetzt bin ich nicht gekommen um die Wahl vorzunehmen; A zuſtände, in bezug auf das Sachſenvolk unverdient, geftatten es Dieſe Ausnahmszuſtände legen mir aber eine Pflicht auf, die a Geſetz mir überträgt, die Kreiſe zu bereiſen und die Verwalt vifitieren. Deswegen bin ich hier. Ich benütze dieſe Gelegenheit 7 Verſtändigung mit Magiſtrat und Kommunität, dieſe letzte insbeſo über manches und vorzüglich den allein richtigen Standpunkt aufzu von dem aus der ſächſiſche Patriot die Lage der Dinge zu beurk hat, und geſtatten Sie den Ausdruck zu belehren. Die letzte uns jo unheilvolle Zeit hat doch unſer Volk mit einem neuen Andre erfreut. Als die Regierung ſchwach und ſchwankend war; als fie Jellachi der für ſie kämpfte, einen Verräter hieß und ächtete, wußte doch und Einige mit mir, in welchem Geiſt man handeln müßte: So erwirkten Patrioten, denen man nicht genug danken kann (auch Schäßburg war darunter), kurz vor dem Erlaß der Reichsverfaſſung, die jo ſchön und freiſinnig, für uns aber zum Teil faſt nur zu weltbürgerlich iſt, einen neuen goldenen Freibrief des Inhalts uſw. Während nach Beendigung des Krieges die Regierung in Ungarn tabula rasa ſieht, ja in den deutſchen Ländern oktroyiert, ſollen wir vereinbaren, daher trat die Univerfität zuſammen, nach großer Mühe, die aus Männern beſteht, welche das Wohl des Volkes ebenſo gut wollen, als wer immer. Gegen dieſe Univerſität hat ſich nun die Kommunität erklärt, die ſchon in der Unionsfrage ſich der unglückſeligen Kronſtädter Kommunität anſchloß in einer Richtung, welche die Nation an den Rand des Verderbens gebracht. Als der verhängnisvolle Schritt damals geſchehen war, wollte der hieſige wackere Magiſtrat in Erkenntnis der Sachlage den Fehler gut machen, indem er die Rückberufung der Deputierten anſtrebte, welches Streben in dem halsſtarrigen Widerſtand dieſer Kommunität einem unüberwindlichen Hindernis begegnete. Dieſe Kommunität hat ſich jetzt wieder gegen die

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Univerſität erklärt in der Territorialfrage. Nun auch die Univerſität wollte gern ein reines Sachſenland, aber mit allen Organen der Regierung in reger Verbindung, wußte ſie was zu tun und rettete, was möglich. Wäre man vom Sachſenland abgegangen, ſo hätte man den Boden unter den Füßen verloren, denn dieſes iſt im Manifeſt vom 21. Dezember 1848 und in der Reichsverfaſſung garantiert. Was hat aber die Schäß⸗ burger Kommunität getan? Sie hat das Tun der Univerſität desavouieren wollen, hat geſagt, daß die Univerſität das Vertrauen des Volkes nicht beſtze, den Willen des Volkes nicht ausgeſprochen. Dafür ſpreche ich hier den rechten wohlverdienten Verweis aus. Hätte nicht die Hermann⸗ ſtädter Kommunität und die hierin ſich redlich anſchließende Kronſtädter erklärt, daß die Deputierten das Vertrauen des Volkes beſäßen und die Schüßburger Kommunität Unrecht habe, ſo hätte das Miniſterium die Univerſität aufheben und oktroyieren müſſen. Wiſſen Sie, was oktroyieren iſt? Eine Verfaſſung befehlen! Dieſe Gefahr iſt nun glücklich abge⸗ wendet. Darum verſteige ſich die Kommunität fortan nicht in Räume, die fie nicht kennt. Die Univerfität iſt aber gewiß ebenfo patriotiſch als Sie und dazu klüger. Sie mit Ihrer kurzſichtigen Politik müſſen vor⸗ ſichtger ſein, den kühnen Flug einiger Schreier niederhalten und ſich nicht von denſelben verführen laſſen.“

Alſo ſprach der Herr Graf mit einer Betonung, wie wenn er keine Widerrede erwarte, und fuhr nach geziemender Pauſe fort:

„Ein zweiter Gegenſtand iſt der Beſchluß der Kommunität in Quartiersangelegenheiten. Wer hat fie verleitet zu dieſem Beſchluß (daß jeder Quartier geben ſolle)? Welches Recht hat die Schäßburger Kommunität zu beſchließen, daß fie nicht wolle, bes ſolle jemand frei ſein) und noch dazu im Ausnahmszuſtand? Oder denken Sie, Sie ſeien eine Markal⸗ verſammlung? Meine Herren, wiſſen Sie, daß ich zwingen kann, wenn Sie nicht wollen. Die Beamten ſind ſelbſt Einquartierung! Wie wäre das, wenn der Hauptmann in ſeiner Kompetenz von ſo und ſo viel Zimmer noch Gemeine zur Einquartierung bekäme? Wir müſſen an unſerer alten Verfaſſung feſthalten, jo lange die Vorſchläge der Univerſität die Beſtätigung der hohen Regierung nicht erhalten haben. Nach ihr iſt jedes Haus, merken Sie wohl, jedes Haus, in welchem ein Beamter wohnt, frei von Einquartierung. Und dann welche Undankbarkeit! Der Beamtenftand hat 700 Jahre die Nation erhalten und gerettet. Immer hat man Beamten vorangeſtellt. Und in der letzten Zeit, ſind nicht wieder die Beamten die Stützen geweſen? Während die Bürger ruhig d Hauſe bleiben konnten, was hat nur der Herr Bürgermeiſter gelitten? Dazu

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der ſchmähliche Gehalt! In anderen Teilen erhalten die 9 6 800 fl. Gehalt, 200 fl. Reiſegeld, 80 fl. Schreibpauſchale, Darum wollen ſie dieſe Immunität nicht fahren laſſen. Und dagegen ftreiten, jegen Sie das Amt herab. Denken Sie, ı Bureau des Herrn Stuhlrichters 3—4 Mann am Tiſch ſitzen u Wer wird Sie dann gegen Übergriffe des Militärs ſchützen? nicht immer gegen Ihre Beamten. Sie werden den Verluſt der Beamten noch ſchwer genug empfinden, wenn nun Kroaten kon Polaken oder Magyaren und warum ſollte das jetzt nicht ſe daher Seine Exzellenz der Herr Gouverneur Wohlgemuth in ſichtigung der Gleichberechtigung jene Verordnung erlaſſen, hatte ich Mut ihm vorzuſtellen, daß unſere alte Verfaſſung aufrecht bleiben mil nach dem Patent, ſo lange nicht vereinbart. Daher hat er jenen modifiziert. Jedes Haus iſt nach dem neuen Geſetz quartiers aber der Beamte ſelbſt iſt eine Einquartierung. Wer dagegen e ſprechen hat, der tue es jetzt; ich werde es hören. Die Regula geben der Kommunität nur einen kleinen auf Öfonomie bejchrä Wirkungskreis, die Nachſicht der Beamten hat ihn ohne Not erw man fragte ſie um alles. Jetzt aber ſprechen Sie!“ Es ff Einige, natürlich kein Beamter, deren die Kommunität doch ſo viele ze und die Beamten ſind frei von Einquartierung bis auf den heuti Tag. Mir aber iſt's nie ſo leid geweſen, daß ich nicht Kommun mitglied, als in jener Sitzung.“ g Für die ſchwebenden Angelegenheiten, die Löſung der Territorial- frage im angedeuteten Sinn und für die Unterſtellung unter die Krone, wirkte Teutſch beſonders auch während des Wiener Aufenthalts 1850. Es zeigte ſich bald, daß alles eigentlich umſonſt geweſen war. Der Zwang des ſtarrſten Abſolutismus begrub bald alle dieſe Fragen. Gerade dieſer Abſolutismus aber und was damit zuſammenhing, die Aufhebung jeder Verfaſſung, der Verſuch alles über einen Leiſten zu ſchlagen, überraſchte die Sachſen mehr als andere und traf ſie härter als andere. Denn ſie hatten nichts getan, um deſſentwillen nun auch ihre Freiheit verpönt und ihr Recht in gleicher Weiſe unterdrückt wurde. Dieſer Abſolutismus zwang zur entſchiedenſten Verteidigung. Auch dieſe freilich war nicht leicht. Denn bald war jedes freie Wort verboten, die Preſſe geknebelt, die Schreibenden beargwohnt, die Bevormundung der vormärzlichen Zeit lebte in neuer unheimlicherer Form auf. Da war für öffentliche politiſche Tätigkeit wenig Raum. Teutſch iſt auch in jener Zeit ein eifriger Publiziſt geweſen und ſchrieb beſonders in die Allgemeine

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Zeitung, die freilich oft durch verſchiedenſte perſönliche Einflüſſe beſtimmt werden mußte, die eine oder andere Einſendung zu veröffentlichen. Das Ver⸗ ſtändnis unſerer Lage bei den Zeitungsredaktionen in Deutſchland, von denen faſt jede glaubt, die Zukunft hänge von ihren Lettern ab und jede in der Politik das Gras wachſen hört und die meiſten bereit ſind, aus der Ferne Ratſchläge zu erteilen, die durch keine Sachkenntnis getrübt find, ift immer ein gar geringes geweſen. Die ſächſiſchen Korreſpondenten können zu allen Zeiten davon erzählen.

Die Zeit wies von ſelbſt auf die Arbeiten im engeren Kreis hin. In jenen Jahren hat die Vaterſtadt Schäßburg vor allem immer wieder auch in Teutſch den opferwilligen Sohn gefunden, der ſich keiner Aufgabe entzog.

Als das Schäßburger Presbyterium ſpäter (1892) dem Fünfundſiebzig⸗ jährigen zum vollendeten 50. Dienſtjahr ſeinen Glückwunſch darbrachte, ure teilte es über dieſe Zeit: „Wo immer in jenem Zeitraum Dauerndgemein⸗ nütziges, das Maß des Alltäglichen Überragendes inmitten der Vaterſtadt geſchaffen worden iſt, ſobald man tiefer gräbt, trifft man auf den vorausſchauenden, die Anregung gebenden und weiſe abwägenden Rat, auf die über alle ſich entgegenſtellenden Hinderniſſe ſicher zum Ziel hinführende Tätigkeit Euer Hochwürden. . Wir gedenken insbeſonders deſſen, daß es weſentlich ein Verdienſt Euer Hochwürden iſt, daß die Vaterſtadt von der jährlich wiederkehrenden, ihren Wohlſtand ſchädigenden Plage der Überſchwemmungen befreit worden und dadurch erſt die Möglichteit geſchaffen worden ift, für die ſeither stattgefundene ſchmuck⸗ reichere und anmutigere Ausgeſtaltung ihrer Gaſſen und ihrer Umgebung.“ Die hier berührte Überſchwemmungsplage hatte ihre Urſache in dem Bach, der mitten durch die Stadt floß. Wenn die Kokel groß kam, dann ſchwellte ſie das Waſſer des Bachs hoch auf, auch ein anderer Seitenbach, der bei heftigen Regen unglaubliche Mengen Waſſer ins Tal herabführte, ſchwoll dann auf und ganze Gaſſen, alle Keller in den Häuſern ſtanden unter Waſſer. Wohl war jeder Hausbeſitzer zum „Schanzen“ vorgeſehen, Tor und Türen gegen die Gaſſe wurden verrammelt, zwiſchen eingefügte Bretter Lehm geſtampft, aber die Fluten kamen oft ſo plötzlich, daß es nicht möglich war, der Gefahr zuvorzukommen. Da regte Teutſch nach der großen Überſchwemmung 1851 die Ableitung des Schaaſer Bachs an, der nach Durchſtechung eines Berges oberhalb Schäßburg gegen Schaas zu direkt in die Kokel geleitet werden ſollte, jo daß er die Stadt nicht mehr berührte. Die Kommunität nahm den Antrag an und die Arbeit iſt mit einem Koſtenaufwand von faſt 50.000 fl. in den Jahren

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1858—1862 in der Tat durchgeführt worden. Zur B. Hinderniſſe bei Schaffung der Geldmittel wurde Teutſch Anſpruch genommen; Geſuche und Abordnungen an den (1858), die Statthalterei uff. wurden wiederholt ihm a

Aber auch anderer Angelegenheiten mußte er ſich So ſchrieb er für den Gewerbeverein 1857 das Gutachten „Entwurf einer proviſoriſchen Regelung der Gewerbs-⸗ und $ verhältniſſe“, der vom Handelsminiſterium zur Begutachtung he worden war. Auch hier intereſſiert die Grundlage, von der Arbeit machte, der Standpunkt des Rechts und der hiftorifchen wicklung ſpeziell des ſächſiſchen Gewerbes. Noch ſchien ihm ei belebung der Zünfte möglich, die übermäßige Bevormundung d Behörde lehnte er ab. Daß die ſeltſame Beſtimmung, worn der Schule verbundene Turnanſtalten von der Konzeſſion der 6 behörde abhängen ſollten, feinen Beifall nicht fand, ift jelbftverfi daß er dringend eine Beſchränkung der zahlloſen Jahrmärkte wir ein Zeichen des geſunden Blickes für das Leben. In großen und Dingen ſahen die Mitbürger auf ihn. Als 1858 der Eisgang Eisrampler in Schäßburg genannt übergab der Magiſtrat für die Baiergaſſe die Leitung der Arbeiter, die beſtimmt waren, de zu ſorgen, jede Stauung zu verhindern, damit die Eisſchollen ohne Hemmung abflößen. Im Jahre 1855 erbaten die beiden Gemeinden Denndorf und Trappold ſich ihn zum Schiedsrichter in einem langwierigen Hattertprozeß und er hatte die Freude, daß es ihm gelang, eine Einigung herbeizuführen. Solche Berührungen mit dem „Volk“ ſtärkten ſeine feſte Zuverſicht, daß deſſen Kern geſund ſei und daß die Beſten ſich nur ſeiner annehmen müßten, um etwas aus ihm zu machen. Wenn bei der Bes gehung des ſtrittigen Bodens in jenem Prozeß ſcharfe Worte von der einen Seite fielen und die andere nichts ſchuldig blieb, dann freute er ſich, wenn die Gegner ſoviel Selbſtzucht beſaßen, einzulenken, wenn er mahnend den Finger hob oder ſein blitzendes Auge warnend auf die Erregten fiel. Auch in jenen öden Tagen hielt ihn die Hoffnung aufrecht, „daß der Strom deutſchen Lebens befruchtend ſeine Wogen ſende bis an die Felſendämme der Karpathen“.

Es brauchte freilich feinen Optimismus, um auch in jenen Tagen nicht zu verzagen.

Denn mit rückſichtsloſer Fauſt wurde alles politiſche Leben nieder- gehalten. Organiſationen wurden durch Organiſationen verdrängt, bis endlich auch formell die Reichsverfaſſung aufgehoben wurde, mit bleierner

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Schwere erdrückten die Befehle von oben und fremder Beamtenhochmut jede freie Regung. In Schäßburg kommandierte eine Zeit lang als Bezirkskommiſſär Strohmeier, ein ungebildeter Mann, der nach Branntwein roch, schlecht deutſch redete, die Leute mit Er und Ihr anfuhr, am Jahrmarkt im „Schattert“ die neuen Stiefel probierte und mit der Mütze auf dem Kopf in die Wohnungen eintrat. Schlechtere Apoftel konnte die neue Regierungsweisheit ſich nicht ausſuchen. Die fremden Beamten hatten keine Ahnung von dem ſächſiſchen Volk und feinem Weſen, auch nicht den Drang es kennen zu lernen und gerade die Chikanen dieſer „Hergelaufenen“ trugen den Haß und die Erbitterung gegen das Syſtem, das ſich in den kleinlichſten Maßregeln und Ver⸗ folgungen gefiel, wie in der Forderung, zum Tanz im eigenen Haus Lizenzen zu löſen, bis in die letzte Hütte.

Alles drängte die Treuen zum Krafteinſatz auf dem Gebiet der unmittelbaren Berufsarbeit, hier der Kirche und Schule.

Aber gegen Ende der fünfziger Jahre merkten die Völker auch hier, daß eine Anderung im Anzug ſei.

Der Krieg Öfterreich in Italien 1859, die ſchwere Niederlage des wankenden Staates zwang zu einer Syſtemänderung; auch die Regierenden erkannten, daß es mit dem Abſolutismus nicht mehr ging. Im November 1859 ſchrieb Teutſch an Trauſchenfels nach Kronſtadt, „es bereitet ſich etwas vor: mir ſcheint, auf dem nahen Kongreß will der empereur einen neuen Schrei einer unterdrückten Nationalität‘ gegen Oſterreich in Szene ſetzen (der Magyaren). Und dieſes arbeitet ihm mit ſeinem galliziſchen Bureaukratentum ſo kläglich vor, als ob es im Sold des Galliers ſtehe. Wer wird doch den Blinden die Augen öffnen?“ Er ſah mit Bedauern, wie es dem Magyarismus gelang, „ſich wieder mit dem Schein des Liberalismus zur Täuſchung des deutschen Michels aufzuputzen“. Ihm entging nicht, wie die Altkonſer⸗ vativen mit ihren Anſchauungen über Wiederherſtellung des 1848 er Ungarn an Boden und Einfluß gewannen, und er ſah in dieſen Zielen eines von Öfterreich unabhängigen Ungarns ſchwerſte Gefahr für das deutſche Leben, für Fortſchritt und Kultur in Siebenbürgen. Daraus aber folgte ihm der Schluß: „Wir müſſen an der deutſchen (Wiener) Re— gierung halten, wiewohl und das iſt das Tieftragiſche dabei dieſe Regierung bisweilen ſo gar erbärmlich und ſelbſtmörderiſch gerade die Intereſſen fortwährend mit Füßen tritt, um deretwillen wir auf ihrer Seite ftehen. Darum iſt unſere Aufgabe nicht die restitutio in integrum bezüglich der alten Landesverfaſſung; wer die Geſchichte der fieben-

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bürgiſchen Landtage kennt, kann ahnen, was für eine G Deutſchtum jetzt daraus entſtehen müßte, ſondern Reichs Reichstag im Sinn des 4. März, aus dieſem hervorgehende g Landesordnungen und liberale Gemeindeverfaſſung. Ver

ſtädtiſchen Kommunitäten ihre Stellung, jo müßten ſie ſich Denkſchrift an den Miniſterrat über die Gefahren, die dem wieder drohen, ausſprechen, und die Mittel der Hülfe, Grundſatz der Märzverfaſſung, dabei für das Sachſenland wirklichung jener Vorſchläge, ſoviel ich weiß überaus treffliche For! von Gemeindeautonomie, Öffentlichkeit, Mündlichkeit in

Rechtsverfahren uff, in Anſpruch nehmen, die die letzte gemacht. So gäbe man ein Lebenszeichen, erinnerte daran, d nur magyariſcher Adel extremſter Opposition im Lande ſei u was ich bedeutenden Wert lege, ſtellte ein Programm auf, um Gleichgeſinnte in Preſſe und Leben ſcharen könnten, damit die kommenden Ereigniſſe uns nicht ſo ganz unvorbereitet und zer überraſchten“. Gegenüber der national-magyarifchen Oppoſition Oſterreich ſah er „das einzige radikale Hülfsmittel, Befriedigung rechtigter Verfaſſungsanſprüche ganz Oſterreichs“ (9. März 1860) „leider nicht angewendet wird“. FRE

In den obigen Gedanken find zugleich die politiſchen Ziele und einige Mittel zu ihrer Erreichung angedeutet, es iſt eine Art Programm, das Teutſch und die Mehrzahl der Sachſen die nächſten acht Jahre feſtgehalten haben.

Am 31. Mai 1860 trat der verſtärkte Reichsrat zur Prüfung des Voranſchlags für das nächſte Jahr zuſammen. Aber man wußte aus der ganzen Art der Zuſammenberufung und Zuſammenſetzung, daß es ſich um Erörterung der Lebensbedingungen Oſterreichs handle. Aus Siebenbürgen war der Kronſtädter Handelskammerpräſident Karl Maager in den verſtärkten Reichsrat einberufen worden, in jenen Jahren ein intimer Freund Teutſchs. Die Verhandlungen des verſtärkten Reichsrats ließen die Schwierigkeiten der Entwicklung Oſterreichs erkennen: eine mächtige feudal⸗klerikale Partei, die im Konkordat das Heil der Völker erblickte und der die Entwicklung Europas ſeit 1790 ein Greuel war und die Forderung der Freiheit unverſtändlich blieb, ein kleinliches Bürgertum, das ſich kaum getraute, ſich ſelbſt für etwas zu halten und vor jeder tatkräftigen Entſchiedenheit zurückſchreckte, die Magyaren, die auch im Reichsrat von vorneherein keinen Zweifel übrig ließen, daß ſie für Ungarn eine Sonderſtellung auf Grund der 1848 er Geſetze ver⸗

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langten. Reichseinheit und Dualismus die große Frage der folgenden Jahre war damit ſchon aufgerollt. Dabei war, mindeſtens unter den Sachſen in Siebenbürgen, darüber Klarheit, daß Oſterreich einer, den modernen Anforderungen entsprechenden konſtitutionellen Verfaſſung nicht lünger ausweichen könne. Es waren aljo wirklich allgemeine ſächſiſche Gedanken, die Maager ausſprach, als er Gleichberechtigung der Kon— feſſionen, Anderung des Konkordats, Preßfreiheit und zuletzt eine Kon- ſtitution für Oſterreich verlangte. Es klingt uns heute wie ein Märchen aus alten Zeiten, wenn wir hören und leſen, welch fabelhaftes Aufſehen die Reden und Anträge Maagers machten. Er iſt Wochen hindurch der populärſte Mann in Oſterreich geweſen. Städte wetteiferten, ihn zum Ehrenbürger zu ernennen, die Mode brachte Maager-Hüte, Krawatten, Uhren, Pfeifen in Handel, in allen Buchhandlungen war ſein Bild zu ſehen, Ehrengaben wurden geſammelt, Feſteſſen und Trinkſprüche ehrten ihn als denjenigen, der das erlöſende Wort geſprochen. Auch Teutſch freute ſich der tapferen Haltung. Bei der Rückkehr von Wien wohnte Maager in Schäßburg bei Teutſch. Als Trauſchenfels ihm einen Anteil an Maagers Haltung zuſchrieb, antwortete Teutſch: „Du ſchreibſt mir an des Freundes Tätigkeit einen zu großen Anteil zu; ſie iſt vielmehr ein erhebender Beweis, bis zu welcher Höhe natürliche Einſicht und Charakterſtärke durch den bildenden Einfluß der ſächſiſchen Verfaſſung ſich erheben kann. Er hat, und ich lege darauf großes Gewicht, mit einem Schlag unſere Volksehre in Deutſchland rekonſtruiert. Benützen wir das recht, ſo muß es unſere Stellung in den wichtigſten Fragen oben bedeutend ſtärken.“ Die rechte Benützung das war eben die Frage der kommenden Wochen. Teutſch drängte immer wieder, man ſolle doch den Verſuch machen, unter den Sachſen eine Einigung herbei⸗ zuführen.

Die großen Fragen der Politik begannen wieder auch in unſer Leben hineinzuſpielen. Die Haltung der Magyaren im verſtärkten Reichsrat und außerhalb desſelben hatte ihre letzten Ziele deutlich enthüllt: mit der Anerkennung der 1848 er Geſetze jollte auch die Union Sieben- bürgens mit Ungarn wieder ins Leben treten. Das berührte aber eine Lebensfrage der Sachſen überhaupt und gerade über dieſe gingen ihre Meinungen von Anfang an ſchroff auseinander. In Kronſtadt lebten die alten unionsfreundlichen Gedanken wieder auf und fanden einen Mittelpunkt im Schützenverein, in Schäßburg ſcharte ſich eine Partei von Unzufriedenen um die Unionsfahne, ſie fehlten auch an den anderen Orten nirgends. Zugleich begann das Liebeswerben der Magyaren

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um Rumänen und Sachſen. Baron Eötvös machte eine R Siebenbürgen; der feingebildete Mann gewann perſönlich Herzen und hinterließ den Eindruck, wenn die Magyar führende Geiſter hätten, würden auch die Sachſen mit kommen. In Hermannſtadt war auch Teutſch mit ihm z machte den Ausflug nach Michelsberg mit einer größeren mit. Vom Felsgeſtein, auf dem die Kirchenburg aus hundert ſich erhebt, ſah Ebtvös hinein in die wunderſchöne die im Hintergrund das beſchneite Gebirge abſchließt, das und Auge in die dämmerige Ferne zieht und ſprach ſtill f traumverloren: wie wunderbar iſt das Land ... wir können laſſen, wir können nicht. Der Verein für ſiebenbürgiſche der in jenem Jahr (1860) in Biſtritz tagte, war von den Mag erſehen, im großen den Sturm auf die Sachſen zu unternehi Eötvös wurde erwartet. Was die vornehme ungariſche

Männer und Frauen, an Geiſt und Feinheit der Lebens Liebenswürdigkeit und Herablaſſung zur Verfügung hatte, das ſpielen gelaffen und es iſt noch heute intereſſant, die tiefſten G

in den feinſten Formen und unter dem Schein des Einverftän ſich dort treffen zu ſehen. Auch Teutſch war nach Biſtritz geg auf die Komödie denn eine ſolche iſts ja doch zum Teil gew vorbereitet. Die Rollen waren geſchickt verteilt. Eötvös ſtellte in dem geiftvollen Bild vom Berg, dem die Wiſſenſchaft gleiche, die Einigkeit als hohes Ziel hin: „von verſchiedenen Seiten fteigen Mehrere hinauf. Je höher ſie ſteigen, deſto größer, freier wird ihr Geſichtskreis, deſto mehr nähern ſie ſich und auf dem Gipfel des Berges angelangt, ſind ſie bei einander und reichen ſich die Hände. Ich erhebe mein Glas mit dem Wunſche, der Himmel führe die beiden Kulturvölker dieſes Landes möglichjt bald auf die Spitze und laſſe fie Hand in Hand einträchtig der Löſung ihrer gemeinſamen rühmlichen Aufgabe leben. Ein Hoch der biederen ſächſiſchen Nation“. Teutſch erwiderte mit einem Hoch auf die ungariſche Wiſſenſchaft. Aber auch die Gegenſätze klangen durch. Mito erhob ſein Glas auf die Eintracht und deutete unverſchleiert auf die Union Siebenbürgens mit Ungarn, Teutſch erwiderte mit einem „Hoch auf die auf gegenſeitiger Rechtsachtung beruhenden Eintracht und Bruder⸗ liebe aller Völker Oſterreichs.“ Den Trinkſpruch auf die Stadt Biſtritz, der Teutſch zugewieſen war, ſchloß er in ein Hoch auf den Geiſt dieſer Stadt, „ich muß Zeuge der Geſchichte ſagen, des deutſchen Geiſtes dieſer Stadt, der die Väter ſtark machte, daß fie hier in der Wüſte

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ſich eine Heimat ſchufen und ein Haus der Freiheit gründeten, in das ſie die Tugenden der alten Heimat mitbrachten und was noch mehr iſt erhielten; daß ſie Stürme überdauerten, von deren Heftigkeit die Gegenwart kaum eine Vorſtellung hat... daß ſie, die einfachen Bürger der fernen Stadt, ſaßen im Rat des Reiches und ihre Banner hoch flatterten im Kampf für Krone und Recht, daß ſie immer ſtanden auf den Höhen der Zeit, und ihren beſten Errungenſchaften in Schule und Kirche, in Haus und Gemeinde ſtets eine dauernde Stätte bereiteten, daß ihr Mannesmut nie ermattete und ihr Gemeinſinn nie wich, ſo daß ſie ſelbſt aus dem wildeſten Sturm feindlicher Elemente wie ein Phönix ſtets neu verjüngt hervorgingen.“ Finaly antwortete ziemlich ſpitz mit einem pereat auf die böſen Geiſter.

Es war ein geiſtvolles, intereſſantes Redeturnier geweſen, eine Einigung wird in ſolchen ernſten Sachen nicht beim Becherklang und nicht durch Trinkſprüche herbeigeführt. Und noch wogten die Meinungen im Sachſenland wirr durcheinander. Für das einheitliche Großöſterreich trat energiſch, oft mit giftgetränkter Waffe, H. Schmidts Siebenbürgiſche Quartalsſchrift in die Schranken, zu deren Mitarbeiter auch Teutſch gehörte, während die Unionsfreunde ein ſchwankendes Blatt in der Kron⸗ ſtädter Zeitung fanden. Die oft höchſt perſönliche Fehde der beiden Blätter hat viel dazu beigetragen, daß der Gegenſatz zwiſchen Hermannſtadt und Kronſtadt zu einem ſchmerzlichen Riß wurde, deſſen Wunden ſchwer vernarbten.

Das Oktoberdiplom (20. Oktober) 1860 brachte zunächſt den neuen Boden der ſtaatsrechtlichen Grundlage, auf die ſich die Freunde einer lonſtitutionellen Entwicklung ſtellen konnten. Es ſtellte die Verfaſſungen der einzelnen Länder her, doch dauerte es lang, bis es an die Wiederauf⸗ richtung der ſächſiſchen Verfaſſung kam. Die kommenden Monate boten überhaupt das ſeltſame Schauſpiel, daß das wieder hergeſtellte Gubernium von Siebenbürgen mit ſeinem weſentlich magyarijchen Anſtrich und die Hofkanzlei dem ausgeſprochenen Willen der Regierung fort und fort opponierten und ihre Pläne zu durchkreuzen verſuchten und das beſonders auch gegenüber den Sachſen in Anwendung brachten. Zunächſt hatte das Oktoberdiplom gerade die föderaliſtiſchen Gelüſte der „Länder und Königreiche“ zu froher Hoffnung aufgerufen. Den Einheitsſtaat in konſtitutionellen Formen ſetzte das Februarpatent (26. Februar 1861) auf die Tagesordnung. Schmerling machte damit den Verſuch, im Reichsrat eine Geſamtvertretung zu ſchaffen, die einen einigenden Mittel- punkt biete, deren Kompetenz einer geſetzlich umſchriebenen Vergrößerung

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fähig war, während den einzelnen Landtagen die beſonderen angelegenheiten vorbehalten blieben. 7

Dem gegenüber ſtellte Ungarn den Anſpruch auf Ant 1848er Geſetze auf und verlangte damit die neuerliche Uni bürgens mit Ungarn. Teutſchs Rechtsanſchauungen zwangen wie die Rückſicht auf die Zukunft ſeines Volkes für den Ein gegen die dualiſtiſchen Pläne in die Schranken zu treten. der J. Artikel von 1848 nicht Geſetz, ſonſt würde ich eben können als trauern und ſchweigen.“ Den Vertretern der 9 man ſolle auf Bedingungen hin die Union eingehen, „Bedingungen, wie wir ſie ſetzen würden und müßten, nehmen an. Soll durch die Vereinigung beider Länder die ſtaa Grundlage Siebenbürgens der Krone gegenüber, wie ſie auf dem poldiniſchen Diplom unerſchütterlich beruht, umgeſtoßen werden; die jahrhundertalten Religionargeſetze des Landes, die bewährten, die unſichere Garantie ſchwankender Landtagsmajoritäten aufgeg werden; ſoll ſpeziell die Autonomie der Sachſen von dem Schi des § 1 des XVI. Artikels von 1848 abhängen; ſoll der ge Zehent der ev. Kirche Siebenbürgens auch unter die Beſtimmungen XIII. Artikels fallen der denſelben „unentgeltlich“ aufhebt und die Verſorgung des Klerus“ das ungariſche Miniſterium einen Geſetz⸗ entwurf ausarbeiten laſſen will; ſoll die ſächſiſche Nation nicht das Recht haben, allen Staatsbehörden gegenüber ſich der deutſchen Sprache zu bedienen und deren Erläſſe gleichfalls in dieſer Sprache erhalten.“ All dieſe Erwägungen führten zum Schluß: „Käme die Union, ſo hielte ich das für ein großes Unglück. Denn ſie iſt ein Rückſchritt, ein immenſer, vom Standpunkt der politiſchen Verfaſſung einer Magnatentafel mit allen Biſchöfen uff., des Kirchenlebens und der Nationalität; das Übel aber, deſſen Befürchtung Viele unioniſtiſch gemacht hat, die Walachenfrage, wird dadurch nicht gelöſt. Denn die brennende Wunde ſind die unter uns Wohnenden und die nimmt die Union nicht weg.“

Wenn es zunächſt nur möglich geweſen wäre, die Sachſen auf einen Ton zu ſtimmen!

Aber auch das ſchien nicht möglich. Die Wiederherſtellung der Verfaſſung Siebenbürgens und des Sachſenlandes war in der alten Form doch unmöglich. Was das Jahr 1848 an neuen Rechtsgrundſätzen und Anſchauungen gebracht, was der Abſolutismus der fünfziger Jahre verdorben und geſchaffen hatte, das waren Tatſachen, die nicht über-

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ſehen werden konnten. Alle Lebensfragen des Landes und der Nation waren ähnlich wie 1790 mit einem Schlage aufgerührt: wie ſoll der Landtag konſtituiert werden, in welchem Verhältnis ſollen die Nationalitäten im Lande zu einander ſtehen, wie ſollen die Rumänen in die Gleich⸗ berechtigung eingefügt werden, welches ſoll die Sprache der Verwaltung und Geſetzgebung ſein? Soviele Fragen, ſoviele Steine des Anſtoßes und der Zwietracht. Dazu kam, daß die Regierung in den vergangenen zehn Jahren eine ſolche Fülle des Haſſes und der Erbitterung gegen alles deutſche Weſen heraufbeſchworen hatte, daß gerade dadurch die Stellung der Sachſen eine doppelt ſchwere wurde. Die Erfahrung, die die Sachſen in den Jahren des Abſolutismus gemacht, daß die Regierung ſie immer wieder im Stich ließ, daß fie dem Ungeſtüm der magyariſchen adligen Dränger immer nachzugeben bereit war, trug mit dazu bei, einen Teil der Sachſen der Union mit Ungarn nicht abgeneigt zu machen. Maager in Kronftadt lud für den 11. November 1860 aus allen ſächſiſchen Orten Vertrauensmänner ein, in gemeinſamer Beratung Grundſätze für die politiſche Haltung feſtzuſtellen. Es gelang in der Tat einiges feſt⸗ zuſtellen, aber in anderem zeigte die vorſichtige Formulierung, daß das Streben vorhanden war, nicht entſchiedene Anſchauungen zu äußern, um die Gegenſätze in der eignen Mitte nicht zu ſteigern. Die Hauptfrage der Beratung bildete: was iſt zu tun, daß die ſächſiſche Nation ihre früheren Rechte wieder erlange und ſie darin zu ſichern? Die Antwort war, es ſolle ſofort bei der Regierung um die Herſtellung der ſächſiſchen Verfaſſung petitioniert werden und vor allem auf die Vertrauenskommiſſion eingewirkt werden, die zuſammenberufen worden war, um über die Zuſammenberufung des ſiebenbürgiſchen Landtags zu beraten. Die Union mit Ungarn ſollte als eine offene Frage angeſehen werden und der Verſuch gemacht werden, mit den Mitnationen ſich ins Einvernehmen zu ſetzen. Daß gerade die Hauptfrage eine „offene“ blieb, beweiſt, daß der Gegenſatz hier vorhanden war. Um jo lange als möglich den Schein geeinigten Vorgehens zu bewahren und die politiſchen Gegner nicht in die eigene Schwäche hineinſehen zu laſſen, wurde die Entſcheidung ver⸗ schoben, die ſofort, als fie notwendig wurde, die Gemüter auseinander riß. „Der Solidarität der Intereſſen wegen“ wurde gewünſcht, daß allen Landesvertretungen des öſterreichiſchen Staates jene Teilnahme an der Geſetzgebung zukommen möge, wie ſie dem ſiebenbürgiſchen Landtag nach den Geſetzen von 1790 zuſtand, ferner daß dieſe auf konſtitutioneller Grundlage und mit größerer Berückſichtigung des Bürgerſtandes zuſammen⸗ geſetzt würden. Für den ſiebenbürgiſchen Landtag wurde eine Intereſſen⸗ Georg Daniel Teutſch. 13

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vertretung als gerecht erkannt, die Unterordnung der mitten der Nation als patriotiſche Pflicht angeſehen und genommen, durch fleißige Benützung der ausländiſchen Ideen zu wirken. 0

Viel war es nicht, worüber man ſich geeinigt hatte Schuſter hatte Recht, als er an Teutſch ſchrieb: „Was wir Haufen Erbſen, die ein paar Phyſiker vergebens durch Rühren Verbindung zu bringen ſuchen, ſie laufen immer auseinander.“

Eines hatte doch gerade jene Kronſtädter Beſprechung err daß von allen ſtädtiſchen Kommunitäten Repräſentationen Kaiſer gingen, mit der Bitte, die ſächſiſche Verfaſſung herzu die Nationsuniverſität, die durch den Abſolutismus gleich gehoben worden war, zuſammen zu rufen. Dem Drängen folgend, kam eine Verſammlung von Vertrauensmännern der | Kommunitäten der Vororte zuſammen, die vom 31. Januar bis 2. 1861 in Hermannſtadt beſchloß, die Einberufung der Unive betreiben, gegen die geplante Erneuerung der Beamten ſich zu wahren und deren Wahl auf dem geſetzlichen Boden zu v zugleich wurde das „einverſtändliche Handeln aller Publika als notwe anerkannt“.

Bei dieſer Beratung fehlte Schäßburg. Dort hatte eine offen die ungariſche Flagge aufgehißt. Es war die Partei der „f Bürger,“ die von ehrgeizigen Strebern mißbraucht wurde. Sie im Sommer 1860 eine Adreſſe an Eötvös abgeſchickt, nun begannen ſie Unionsbälle zu geben und der Parteikampf ſchlug in hellen Flammen auf. Dem „ſchlichten Bürger“ ſtellten ihre Führer eine neue Auflage der Schreckniſſe von 1849 in Ausſicht, wenn ſie zum „Reich“ hielten und die Beſonnenen und Ruhigen ließen die Schreier anfangs gewähren, weil ſie das Treiben für ungefährlich hielten, bis jene allmählich eine Macht wurden. Dieſe ſetzten durch, daß die Kommunität beſchloß, die Verſammlung in Hermannſtadt am 31. Januar nicht zu beſchicken. Vergebens traten Teutſch und Müller energiſch dafür ein, es war alles umſonſt. Alles, was ſie durchſetzen konnten, beſtand darin, daß auch Schäßburg die Herftellung der ſächſiſchen Verfaſſung urgierte und gegen die Ernennung der Oberbeamten ſich verwahrte. Wie es in kleinen Verhältniſſen zu gehen pflegt, wurden dieſe Gegenſätze ſehr bald auf das perſönliche Gebiet hinübergeſpielt, um ſo mehr als ſie zum Teil aus ſolchen Gegenſätzen heraus entſtanden waren. Teutſch war beſonders die Zielſcheibe ihrer Angriffe und Verläumdungen. „Ich lebe hier

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nicht ohne Unbilden ſchreibt er am 9. März 1861 an Traufchen- ſels. Man hat mir in dieſem Jahr zwar nur zweimal die Fenſter eingeworfen, aber wem das in feinem ganzen Leben noch nie geſchehen, der ift auch damit zufrieden.. Statt daß ſich ſchon bei der Adreſſe an Eötvös die Beſonnenen, der achtungswerte größere Teil der Bürger und „Honoratioren“, energiſch dagegen erklärt hätte, ließ man auch die neue Veranlaſſung, als dieſelbe Partei durch Einſchüchterung die Beſchickung von Hermannſtadt zerſchlug, ſtillſchweigend hingehen und heute früh iſt an meinem Tor ein halber Bogen angeheftet, auf dem ich von einem Mitglied einer geheimen Geſellſchaft“ aufgefordert werde, wegen ‚meiner der Negierung geleifteten treuen Dienſte“ innerhalb dreier Tage die Stadt zu verlaſſen, widrigenfalls mir „höflichſte Belohnung‘ in Ausficht geſtellt wird, ‚bezahlte Spione dulden wir nicht unter uns“ Ich habe den Wiſch dem Bürgermeiſter getragen und bin auf Grund desselben um die Erlaubnis einen Revolver zu tragen eingekommen, um den niederzuſchießen, der Hand an mich legt. Und das geſchieht in einer deutſchen Stadt. An ihren Früchten ſollt ihr ſie erkennen!“

Im Februar 1861 trat, vom Hofkanzler Baron Franz Kemeny zuſammenberufen, eine Notabelnkonferenz in Karlsburg zuſammen, um über die Organiſierung des künftigen ſiebenbürgiſchen Landtages ein Gutachten abzugeben, 24 Magyaren, je 8 Sachſen und Rumänen. Die Verſammlung war ein Spiegelbild der Stimmungen im Lande. Der kath. Biſchof Haynald beantragte die 1848 er Geſetze anzuerkennen, Konrad Schmidt die Zuſammenberufung eines ſiebenbürgiſchen Land⸗ tages, der noch einmal über die 1848 er Geſetze berate und beſchließe und legte zugleich den Entwurf einer Zuſammenſetzung des Landtages vor. Erzbiſchof Sterka-Sulutz ſtellte den Antrag, die Rumänen als 4. Nation im Lande zu konſtituieren und machte gleichfalls den Vor⸗ ſchlag zu einem neuen Wahlgeſetz. Der Antrag Haynalds fand die Unterſtützung von 27 Stimmen, darunter drei ſächſiſche, der Antrag Konrad Schmidts 5 Stimmen und der Sulutzs 8 Stimmen. Die Anträge wurden dem Kaiſer vorgelegt und die Krone berief für den 4. November 1861 den Landtag nach Karlsburg zuſammen. Doch wurde der Plan unter dem Einfluß der neuen entſchiedenen Politik der Reichseinheit fallen gelaſſen, die durch das Februarpatent eröffnet wurde. Im Laufe des Sommers 1861 wurden die ſächſiſchen Städte, Stühle und Diſtrikte organiſiert, Komes Salmen war wieder ins Amt eingeſetzt worden. Die Organiſation machte nicht viele Schwierigkeiten, obwohl ein Teil der alten Beamten, die aus dem „Vormärz“ ſtammten, nicht gerade freudig

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aufgenommen wurde und vor allem die rechtliche Grundlage Organiſation, die Regulativpunkte aus den Jahren 1795 Anforderungen der Zeit nicht genügten. Daß auf die

zurückgegriffen werden mußte, daran war wieder die ſchuld, die keiner der organiſatoriſchen Arbeiten, die die 1850 für die Neuordnung des Sachſenlandes geſchaffen Beſtätigung hatte zuteil werden laſſen. Auch Salmen war gaben nicht gewachſen. Es war ein Sieg der zentraliſtiſchen daß er als Hofrat zur Hofkanzlei verſetzt wurde und an feine Konrad Schmidt trat, ein Mann von klaren, ſicheren Zielen, ſchiedener Charakter und ein Hauptvertreter der Reichseinheit, fi mit Teutſch eng befreundet. Die Nationsuniverſität wählte Komes und ſchon Ende März 1862 hatte ſie zur ſtaatsrechtlichen Stellung genommen. Es iſt ein Anknüpfen an die Gedanken von gegen die Union, für die Reichseinheit. Nach den Anſchauun Univerſität ſollte Siebenbürgen ein ſelbſtändiger unabhängiger Beſt der untrennbaren und unteilbaren öſterreichiſchen Geſamtmonarchie und bleiben dieſe ſelbſtändige Stellung hatte ſchon der Landtag 1790/91 als Grundgeſetz aufgeſtellt —, die ſtaatsrechtliche Stel ſollte nur in und mit dem Reichsrat verfaſſungsmäßig geändert u können, der ſiebenbürgiſche Landtag ſollte in allen Angelegenheiten ent- ſcheiden, die nicht dem Reichsrat vorbehalten blieben. Innerhalb dieſes Rahmens blieb die ſächſiſche Nation im Beſitz ihrer Univerſität, der Statutargeſetzgebung uff. Dieſe Beſchlüſſe ſollten durch eine Deputation dem Kaiſer zur Kenntnis gebracht werden. Als das Gubernium das nicht zulaſſen wollte, weil es über die Kompetenz der Univerſität hinausgehe, tatſächlich weil dort Gegner der Reichseinheit und Freunde der Union re— gierten, erfolgte der Befehl von Wien, den Akt vorzulegen und die Deputation, K. Schmidt, J. Gull, Jakob Rannicher wurden aufs beſte empfangen. Der Kaiſer belobte die patriotiſche und loyale Haltung der Sachſen, die ihren Traditionen treu geblieben ſeien, der Reichsrat veranſtaltete zu Ehren der Deputation ein Feſtbankett und Schmerling erklärte dabei dieſen Tag für einen der ſchönſten feiner Miniſterſchaft. Der Einfluß der Reichspartei war groß genug, die offen oder geheim gegen die Reichseinheit arbeitenden Männer im Gubernium und in der Hofkanzlei zu beſeitigen und mit Freunden der neuen Ziele zu beſetzen: Reichenſtein und Friedenfels kamen zur Hofkanzlei, Rannicher zum Gubernium, ſelbſt Haynald wurde entfernt und zum Erzbiſchof von Carthago in partibus ernannt. Zuſammengehalten mit den Vorgängen in Ungarn mußte man

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in alle dem Zeichen ſehen, daß es der Regierung ernſt ſei mit der Durchführung der Reichsverfaſſung.

Wohl hatte die Reſtauration in Ungarn den tiefen Gegenſatz gegen das neue Syſtem gezeigt, alles ging dort darauf hinaus, die 1848 er Geſetze zu verwirklichen. Der ungariſche Reichstag, der für den 2. April 1861 einberufen war, wollte den Kaiſer nicht als geſetzlichen König von Ungarn anerkennen und faßte die erſte Adreſſe an die Krone in einer Weiſe ab, daß dieſe deren Annahme verweigerte. In der Adreſſe vom 6. Juli ſtellte der Reichstag die „Rechtskontinuität“ als Prinzip auf und verlangte, bevor er ſich auf weiteres einlaſſe, die völlige und faktiſche Anerkennung der 1848er Geſetze. Die Krone erklärte, die Grundſätze jener Geſete, die Beſeitigung der Adelsvorrechte, Aufhebung der Frohnden, Einführung der allgemeinen Wehr⸗ und Steuerpflicht habe ſie anerkannt, anderes könne ſie nicht anerkennen, denn ſie verletzten die pragmatiſche Sanktion, die Rechte der übrigen Länder, und einen großen Teil der Bevölkerung der ungarischen Länder in ihren nationalen Intereſſen. Sie kam zum Schluß, „daß wir zur Anerkennung derjenigen Artikel dieſer Geſetze, welche mit der nötigen Wahrung der untrennbaren Intereſſen unſeres Geſamtreiches und namentlich mit den Entſchließungen vom 20. Oktober 1860 und 26. Februar 1861 in offenem Widerſpruch ſtehen, jo wie wir fie bisher überhaupt nicht anerkannt haben, ſo auch in Zukunft, da wir zur Anerkennung derſelben uns perſönlich nicht ver⸗ pflichtet erachten, uns nie beſtimmt finden werden.“ Sie verlangte zuerſt eine Reviſion der Geſetze von 1848, bevor ſie eine Verhandlung über das Krönungsdiplom geſtatten könne. Als der ungariſche Reichstag bei ſeinen Anſchauungen blieb, wurde er aufgelöſt. Mit der Rechtsanſchauung über die 1848 er Geſetze hing es zuſammen, daß jener die Wieder⸗ herſtellung der Union Siebenbürgens mit Ungarn verlangte. Er ſah die Union als geſetzlich vollzogen an und meinte, es könnten die ſieben⸗ bürgiſchen Abgeordneten ſofort in den ungariſchen Reichstag berufen werden. Dem gegenüber erwiderte die Krone: „daß dieſe Union mit voller Geſetzeskraft niemals zuſtande gekommen ift, auch faktiſch gleich nach der Verkündigung des einſeitigen Beſchluſſes auseinanderfiel und als unausführbar zu betrachten iſt, ſolange Siebenbürgens Bewohner nicht ungariſcher Zunge ihre Nationalintereſſen durch eine ſolche bedroht ſehen und solange nicht auch den Intereſſen und Forderungen des Geſamtreiches hiebei die nötige Garantie geleiftet iſt.“ Als dem öſterreichiſchen Reichsrat Mitteilung gemacht wurde von der Auflöſung des ungarischen Reichstages, entwickelte die Regierung die Grundſätze ihrer Politik: „Ungarns Ver⸗

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faſſung war durch die revolutionäre Gewalt nicht nur geb von Rechts wegen verwirkt, ſondern auch faktiſch befeitigt von 1848 enthielten eine Verletzung der Souveränitätsrechte des Geſamtſtaates, der Völker nichtmagyarifcher Zunge; die werde Oktoberdiplom und Februarpatent aufrecht erhalten Anderung dieſer Verfaſſung können und wollen Se. Majeſtät anderen als verfaſſungsmäßigen Wege, alſo in und mit dem nicht zulaſſen.“

Die Mehrheit in Siebenbürgen ſtand auf der Seite der und ihrer Anſchauungen. Daß die Sachſen in ihrer Mehrheit dieſen Boden ſtellten, iſt erklärlich. Die Geſetze von 1848 Union Siebenbürgens mit Ungarn hatten ihnen den Bürge gebracht, der ungariſche Reichstag hatte alles, was man als 2 für den Beſtand des eigenen Volkes anſah, einfach in Frage g die national-magyarifche Herrſchaft in Ungarn trat überall ſo zutage, daß die Gefahr für die nationale Entwicklung der Se für den Fall der Union mit Ungarn offen dalag. Formell hi ſie ſich für berechtigt zu dieſer Stellung, denn die Union fei rechtskräftig zuftande gekommen es fehlt die von dem damal Staatsrecht geforderte Authentikation des Beſchluſſes und Publ desſelben und ſachlich bot der Geſamtſtaat eine Garantie gerade 7 die nationale Entwicklung nicht nur der Sachſen, ſondern jedes der vielſprachigen Völker in Oſterreich. Unter den Sachſen waren die Gegen⸗ ſätze minder ſcharf geworden, auch die Kronſtädter Zeitung befreundete ſich mit der neuen Entwicklung und fand vom 1. Januar 1863 an in Eugen v. Trauſchenfels den Leiter, der ſie zu Anſehen brachte.

Infolge des Kampfes zwiſchen Gubernium und Regierung dauerte es in Siebenbürgen lange, bis die Vorbereitungen zum Zuſammentritt des Landtags beendigt waren. Wie dieſer zuſammenzuſetzen ſei und ver⸗ handeln ſolle, das hat auch den Sachſen viel Kopfzerbrechens gemacht. Ihnen mußte vor allem daran liegen, daß die Vertretung der Sachſen, eine gerechte und entſprechende ſei. Im übrigen meinte man, es werde am beſten fein, aus der alten ſiebenbürgiſchen Verfaſſung den Grundjaß herüber zu nehmen, der einen Schutz gegen jede Vergewaltigung bot, daß in Innerangelegenheiten einer Nation ohne deren Einwilligung auch der Landtag nichts ſolle beſchließen können und an der alten Gleichbe⸗ rechtigung der Kirchen, die griechiſche nun mit eingeſchloſſen, ſolle gleichfalls nicht durch Majoritätsbeſchluß etwas geändert werden. Die Durchführung

1) S. oben S. 50.

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der Gleichberechtigung der rumäniſchen Nation dachte man ſich gleichfalls in den Formen des alten ſiebenbürgiſchen Staatsrechts. Zu den alten drei Ständen (Adel, Szekler und Sachſen) ſollten nun eben als vierter Landſtand die Rumänen treten. Zu dem Zweck ſollte ihnen ein Terri⸗ torium ausgeſchieden werden und die Sachſen waren bereit, von ihrem Gebiet Teile abzutreten, verlangten aber dafür die von Sachſen bewohnten Komitatsgebiete. In allen Fragen übrigens, in denen man beſonderer Hülfe bedurfte, ſtand eine „Deputation an das Allerhöchſte Hoflager“ im Hintergrund, das Erbe einer vergangenen Zeit, an dem man noch feſthielt.

Die Nationsuniverſität, die 1861/62 tagte, ſtand gleichfalls auf dieſen Anſchauungen, allerdings nicht ohne daß auch von ſächſiſcher Seite die völlige Außerachtlaſſung der Union von 1848 und die geplante Landeseinteilung Widerſpruch gefunden hätte. Im großen und ganzen waren es doch glückliche und hoffnungsreiche Tage, wie ſie dem ſächſiſchen Volk ſeit Jahrhunderten nicht beſchert geweſen waren. Das Volk ſchien, auch angeſichts des Abſchluſſes der kirchlichen Verfaſſungsfrage, in einen ſicheren Hafen eingelaufen zu ſein.

Dieſes Gefühl war mit eingehender Arbeit an der inneren Regeneration verbunden. Die Kirche war vorangegangen, jetzt folgte die Univerſität, die eine Fülle trefflicher Vorlagen über zeitgemäße Umgeſtaltung des innerpolitiſchen Lebens im Sachſenland der Regierung vorlegte; die wenigsten haben eine Erledigung gefunden. Der Komes wurde zum Kurator der ev. Landeskirche gewählt, kirchliche und politiſche Organi⸗ ſation ſollte ſich die Hand zum Bund reichen, um in gemeinſamer Arbeit das ſächſiſche Volk ſtark zu machen im Kampf für ſeinen Beſtand.

Für den 1. Juli 1863 war der ſiebenbürgiſche Landtag endlich nach Hermannſtadt einberufen worden.

Dieſe Monate brachten für Teutſch, der unermüdlich in Wort und Schrift, in brieflichem und perſönlichem Verkehr, in Artikeln in und außer Landes für die neue politiſche Entwicklung Verſtändnis und Freunde warb, eine tiefgehende Veränderung. Am 21. April 1863 wählte die Marktgemeinde Agnetheln ihn zum Pfarrer, am 2. Juni ordinierte ihn Bischof Binder in Birthälm; es iſt ihm von unvergeßlichem Eindruck geblieben, daß ihn der hochwürdige Mann bei jener Gelegenheit „mein junger geiſtesverwandter Freund“ nannte. Es ift bezeichnend für ihn, daß er dieſes erſt beim Tode Binders der eigenen Frau ſchrieb und viel ſpäter tief ergriffen einmal dem Sohn erzählte. Die Überſiedlung nach Agnetheln erfolgte am 25. Juni und damit war das Haus von der Kokel an den Harbach verlegt.

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Der Abſchied ift ihm und dem Haus von er ſpäter ſagte zu ſchwer geworden. Allerdings galt es alte allem die mit der Schule zu löſen; das ganze Leben w der ſchönen Kokelſtadt. Im Haus wuchjen ſechs Kinder heran, und vier Töchter, das jüngſte Mädchen ein halbes Jahr al Haus ſcharte ſich der große Freundeskreis, der regelmäßig ordentlich zu geiſtiger und gemütlicher Erhebung ſich häufig fand; ſolcher Verkehr war Teutſch beſonders ein Bedürfnis. Eine Freude machte Teutſch der Schillerabend, den er mit befreundeten 9 1858/59 ins Leben gerufen hatte, um Schiller zu leſen, eine Vorb für die Säkularfeier 1859, Männer und Frauen, voll geiſtiger die ſich beim einfachen Mahl auch nach der Lektüre fortſetzt gehörte auch der damalige Bezirksvorſteher Mikſicsek mit feiner Frau, mit deſſen Haus, voll Bildung und Güte, die erſten Sd Familien Verkehr und Freundſchaft hielten, nicht zuletzt auch Te

Die Verwandten ſelbſt fanden einen Mittelpunkt im Haus des vaters der Berwerthiſchen Kinder, Hauptmann i. P. Friedrich Wultſ Er war 1805 Kadett geworden und hatte 1809 und 1813 im Jägerbataillon gedient. So machte er die Befreiungskriege mit, az 1831 den Feldzug in Italien, trug die patriotiſchen Erinnerungen N En Jahre tief im Herzen und ſchwärmte für Radetzky. An den hohen Feier⸗ tagen und am Friedrichstag war die ganze Verwandtſchaft, die Kinder und die Enkel dort zum Eſſen, im Sommer verſammelte der nahe Garten fie zu frohem Beiſammenſein. Er ift der erſte in Schäßburg und Umgebung geweſen, der 1835 die Augsburger Allgemeine Zeitung für ſich zu leſen begann; er iſt am 11. Auguſt 1867 geſtorben, 79 Jahre alt, den Stief⸗ kindern immer ein treuer liebevoller Vater.

Von den Verwandten ſtand Teutſch der Schwager 9. Haltrich am nächſten, der 1860 eine Schweſter von Teutſchs Frau geheiratet hatte, dann ein anderer Schwager W. Berwerth, der früh auf die Pfarre in Klosdorf, dann nach Trappold kam. Mehr als einmal zogen ſie dorthin hinaus, unter den Blütenbäumen, die die Gärten und Gaſſen der freundlichen Gemeinden ſchmücken, des Tages und edler Geſelligkeit ſich zu erfreuen. In Klosdorf beſonders ſchweifte dann der Blick in die Vergangenheit zurück und ſie ſahen im Geiſte, wie die frommen Mönche der Ziſterzienſerabtei Kerz das ſtille Tal zu einem Sitz für Menſchen umgeſtalteten, ſtudierten das Gotteshaus, das jene gegründet, die Gewänder und Gefäße, die ſie zurückgelaſſen und redeten dann über Fragen der Gegenwart oder ſuchten im nahen Walde in den „Hünen⸗

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gräbern“, alten römiſch-dakiſchen Gräberftätten, nad) aufklärenden Funden. Einmal ritten ſie nach Arkeden hinüber, wo ſeit 1859 Fronius ſaß, die Familien kamen auf dem Ochſenwagen nach. Wenn der Freund ſie von Schäßburg holen ließ, dann ſandte er neben dem Knecht, der die Pferde lenkte, einen Mann zu Roß mit Axt und Stricken mit, damit dieſer den Wagen beſſere und binde, falls ihm auf der ſchlechten Straße ein Übel zuſtoße. Ponimus tria ligna ſchrieb er heiter et dieimus pontem sed vinum habemus valde bonum. Nicht weniger ſchön war es im alten Pfarrhaus in Trappold, vor dem auf dem „Kirchberg“ die ſchöne Verteidigungskirche ſich erhob, die im Schatten der Bäume ein gar reizendes Bild bot. Im Pfarrersgarten gab es lauſchige Plätze, die nicht nur den Kindern lieb und vertraut waren; auch die Altern freuten ſich an den wachſenden und tragenden Bäumen und den ſchönen Blumen, die dort gezogen wurden. An der neuen Schule, die unter herzlicher Teilnahme der Schäßburger Freunde erbaut und eingeweiht wurde, freute ſich die ganze Umgebung mit der Gemeinde. Am Aſcher— mittwoch fanden ſich in Schäßburg die Befreundeten, Männer und Frauen, altem Brauch folgend, zu beſonders frohen Stunden zuſammen. Es iſt vorgekommen, daß die Nachricht, der Bach trete aus, die Verſammelten nach Hauſe ſcheuchte, auch Teutſch war darunter; dann „ſchanzten“ ſie, ſicherten das Tor und den Keller gegen die Waſſerfluten und gingen hierauf wieder zum Aſchermittwoch zurück. In dieſem Kreis war Kaufmann J. B. Teutſch ( 1895), ein weitſchichtiger Verwandter G. D. Teutſchs, mit ſeiner geiſtvollen Frau ein belebendes Element. Sein großer praktiſcher Blick überſchaute die materiellen und geiſtigen Intereſſen des Volks, er ſah auch die wirtſchaftliche Arbeit von nationalem Standpunkt an, ein edler Humor war ihm eigen, mit ihm konnte man auch allgemeine Fragen von höherem Standpunkt durchſprechen. J. Gull (51899) gehörte dazu, nicht nur ein großer Politiker, ſondern auch ein großer Jäger, der vergebens versuchte, Teutſch für dieſe Kunſt zu erwärmen. Aber neben den ſtaatsrechtlichen und national kirchlichen Fragen gab es noch ein Gebiet, das beide vereinigte, die edle Obſtzucht. Die beſten Sorten kannte Gull und verſchaffte fie dem Freunde. Alle drei ſchwärmten von einem ſchönen arbeitsloſen Tage auf „Sandesfeld“, wo Gull ein großes Grund- ſtück beſaß und im „Fuchsloch“, wo J. B. Teutſch einen Weingarten pflegte, aber es kam fo ſelten dazu, ſich ſolche Tage zu gönnen. Die Spannkraft Teutſchs bedurfte ſie auch nahezu nicht. Der Gang auf die Schule bot Bewegung, ſelten ein Gang in den Garten, Baum- oder Weingarten eine Unterbrechung der Arbeit, Gerade jene Jahre erforderten

alle Kräfte. Denn überall galt es Kirche, der Schule, der Politik und f eine glückliche und dauerhafte Zukunft des $ feſtigen. Und nun dazu die neue Arbeit Sie wurde von den Volksgenoſſen als angeſehen, er nahm ſie auf, wie alles Pflichterfüllung. Der Mann, der aus der Heimat Ehrenbürgerrecht verlieh, in den politiſchen ihm allerdings der Beſchluß nie mitgeteilt worden nachjagte, „fie habe nicht Worte, um dem ( 5 Nachruf zu weihn“, hatte die Jugend hinter ſich Kirche hoffte auf ihn. +

Auf dem Pfarrhof in Agnetheln.

1863— 1867.

9, Für Volk und Paterland.

Die Agnethler viereinhalb Jahre (1863— 1867) müſſen in Teutſchs Leben als Kriegsjahre doppelt gezählt werden. Denn ſie brachten neben den neuen Arbeiten im neuen Amt ſoviele andere Aufgaben, daß es in der Tat der ganzen Spannkraft bedurfte, nicht zu erliegen.

Zunächſt traten politiſche Aufgaben an ihn heran.

Es hatte in Siebenbürgen lange gedauert, bis die Verhältniſſe in Verfaſſungsbahnen einlenkten. Das Sachſenland war endlich wieder konſtituiert, die ſächſiſche Verfaſſung in Gemeinde, Stuhl und Univerfität wieder ins Leben gerufen worden, aber der Landtag ließ auf ſich warten. Es hing nicht nur daran, daß Gubernium und Hofkanzlei dem Zu⸗ ſammentritt Schwierigkeiten bereiteten, weil ſie einen ſiebenbürgiſchen Landtag überhaupt nicht wollten und offen und geheim für die Union Siebenbürgens mit Ungarn arbeiteten, ſondern auch an der Schwierigkeit, dieſen Landtag auf einen geſetzlichen Boden zu ſtellen.

Dieſer war ſtreng genommen unmöglich zu finden. Denn die Geſetze des Jahres 1848 hatten das alte ſtändiſche Siebenbürgen, die Alleinberechti- gung der drei politiſchen Nationen des Adels, der Szekler und Sachſen, über den Haufen geworfen; ein Landtag, der bloß die alten ſtändiſchen Nationen umfaßte, war rechtlich ebenſo unmöglich als es tatſächlich nicht anging, die nun gleichberechtigten Rumänen davon auszuſchließen. Für dieſen neuen Landtag aber gab es keine Ordnung, die nur der Landtag machen konnte. Wollte man ihn haben und er war not⸗ wendig, weil er allein rechtlich Stellung nehmen konnte zum Oktober— diplom und Februarpatent ſo mußte einfeitig von der Regierung für dieſen Fall eine Ordnung gegeben werden.

Das geſchah denn endlich, indem was brauchbar aus der alten Verfaſſung ſchien herübergenommen wurde und die Rumänen mit den gleichen Rechten wie die anderen ausgeſtattet wurden.

Die Regierung ging bei der Zuſammenberufung des Landtags, der in Hermannſtadt tagen ſollte, von der Anſchauung aus, daß die

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1848 zuſtande gekommene Union Siebenbürgens mit Un rechtskräftig ſei, tatſächlich nicht durchgeführt worden ſei Intereſſen des Landes wie den berechtigten Forderungen feiner Bev nicht entſprochen habe. Auf Grund der Rechtsbaſis des 1790er } burger Landtags, nach deſſen Beſchlüſſen Siebenbürgen, ob . ungariſchen Krone gehörig, doch ein ſelbſtändiges Land u anderen unterworfen ſei, ſollte Siebenbürgen ſeine politiſche ſelbſt beſtimmen. 8

Der Kaiſer hatte Teutſch für den Hermannſtädter Land Regaliſten ernannt und als ſolcher hat er an deſſen Arbeiten nommen. Nach altem ſiebenbürgiſchem Staatsrecht hatte die Recht, zu den Landtagen ſoviele Männer, die auf irgend ein des Lebens hervorragend waren, zu berufen wie ſie wollte. Hermannſtädter Landtag hatte die Krone die Regaliſten beib aber von dem Recht der Ernennung nur maßvollen Gebrauch

Die Aufgabe des Landtags war die Einfügung Sieb in den neuen fonftitutionellen Einheitsſtaat, die Schaffung von auf denen die Weiterentwicklung möglich war. Die wichtigften betrafen eine Landtagsordnung, ein Geſetz über die Gleichberechtig der Rumänen, über den Gebrauch der drei Landesſprachen im öffen 0 amtlichen Verkehr, über die Wahl der Abgeordneten zum Reichsrat nach Wien, über die Gerichtsorganiſation, die Verwaltung des Landes uff. Es war in der Tat das große Werk der politiſchen Neugeſtaltung Siebenbürgens, als deren Ziel Teutſch anſah: „es ſoll uns in den Reichsrat nach Wien führen, dadurch Öfterreich auf der Grundlage verfaſſungsmäßigen Lebens konſolidieren helfen und unſerem Volk ſelbſt eine neue Bürgſchaft für ſein deutſches Leben und ſeine deutſche Geſittung geben“. Es waren hoffnungsfrohe Tage.

In Hermannſtadt traf Teutſch in der Tat die Elite des ſüchſiſchen Volkes. Der bedeutendſte Politiker von allen war zweifellos Joſ. Andr. Zimmermann, umfichtig, klug, vorſchauend, niemals vorſchnell, den raſcheren Genoſſen oft zu ſehr Zauderer aus Grundſatz, der aber nichts ohne tiefen Grund und ohne Abſicht tat. Neben ihm vor allen Konrad Schmidt und dann Gull und Rannicher, die mit Teutſch zuſammen wohl als Generalſtab anzuſehen waren. Konrad Schmidt war eben zum Komes beſtätigt worden. Das Gubernium in ſeiner Mehrheit, die Hofkanzlei in ihrer Mehrzahl war dagegen geweſen, man brauche keinen ſächſiſchen Komes mehr, aber der Kaiſer erklärte entſchieden, er wolle den ſächſiſchen Komes endlich haben und beſtätigte die Wahl. Der Landtag

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wurde mit einer kirchlichen Feier eröffnet. In der ev. Kirche ſprach Viſchof Binder in ſeiner großartigen Weiſe über „Gerechtigkeit erhöhet ein Volk“. Der kath. Biſchof Haynald zelebrierte in der kath. Kirche die Meffe, erſchien aber nicht im Landtag und leiſtete die Angelobung, die von jedem Mitglied verlangt wurde, nicht.

Es waren die Schatten der kommenden Exeigniſſe. Die Magyaren Siebenbürgens ſtanden der neuen Entwicklung der Dinge ſchroff ab⸗ lehnend gegenüber. Sie ſtanden auf dem Boden von 1848, der rechts⸗ kräftigen Union Siebenbürgens mit Ungarn und verlangten vor allem deren Anerkennung. Es war ein eigenes Bild, das die Straßen Her- mannſtadts boten. Die Sachſen in Frack und hohem Hut, voll Freude, daß der Landtag endlich zuſammengetreten, die Magyaren in ihrer Nationaltracht, oft in Gruppen ſtehend, tief ernſten oft verbitterten Aus- ſehens, der hohe griechiſche Klerus mit feiner farbenreichen ſeiden⸗ rauschenden Kleidung bedächtig über das Pflaſter wandelnd, ein feſt⸗ geſchloſſenes Korps, das blind dem allmächtigen „Kirchenfürſten“ dem Bischof, ſpäter Erzbiſchof Schaguna gehorchte, auf deſſen Zeichen ſie im Landtagsſaal Beifall und Mißfallen kundgaben, der dem läſtigen Redner kurz zurief: ſchweig und der Betreffende ſetzte ſich. Die Magyaren waren in Hermannſtadt erſchienen, um zunächſt Erfahrungen zu ſammeln. Sie fragten kurz vor der Eröffnung des Landtages bei den Sachſen an, was ſie endgiltig wollten, und hofften auf der Grundlage von 1848 mit ihnen verhandeln zu können. Die entſchiedene Erklärung ſächſiſcherſeits, daß davon keine Rede ſein könne und daß kein einziger ſächſiſcher Ab⸗ geordneter gegen den Reichsrat ſtimmen werde, dazu die Einwirkung der ungarländiſchen Magyaren, die Kol. Tißa nach Hermannſtadt geſchickt hatten, beſtimmte fie zum Entſchluß, in den Landtag nicht einzutreten, der infolgedeſſen von Anfang an ein Rumpf war. Außer dem Präſidenten Groiß hatten nur Gubernialrat Graf Nemes, Finanzdirektor Graf Beldi und der Bürgermeiſter von Sz-Ujvar Laßloffy und 3—4 Abgeordnete, ſpüter auch Biſchof Fogaraſſy, das vorgeſchriebene Gelöbnis abgelegt und ihre Sitze eingenommen; 51 Regaliſten und Abgeordnete magyariſcher Nationalität zeigten in einer Kollektiveingabe an, daß ſie nicht einträten.

Die ſächſiſchen Landtagsmitglieder ſtellten ſich Creneville, dem t. Bevollmächtigten vor. Konrad Schmidt führte fie und ſprach treffliche Worte und wie fie in langer Doppelreihe zuſammenſtanden, da hatten fie ſelbſt die frohe Empfindung, daß doch diesmal eine andere Schar zum entſcheidenden Kampf ausgerückt ſei als früher. Am 16. Juli gab Creneville große Tafel im Auditorium des ev. Gymnaſiums.

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Teutſch wohnte in der Reiſpergaſſe bei Kaufmann Freund Guſtav Seiwert ihm ein freundliches Zimmer hatte, mit der Ausſicht auf den kleinen Ring. Die Tageso im ganzen ziemlich regelmäßig und einfach: ¼ 7 Uhr Auf auf Dr. Irtls Anraten Baden, darauf Frühſtück und A 10 Uhr; ſofort Landtagsſitzung, oft bis 2 Uhr; Mittageſſen im römiſchen Kaiſer, wo auch der Landtagsſaal ſich befand, Zeitungsleſen bis gegen 4 Uhr verzog. Dann folgte Arbeit, verſammlung oder Abteilungsſitzung bis in die Nacht, ſo daß oft! Zeit zu Spaziergang und Erholung übrig blieb. Kam ein freier? ſo benutzte er ihn gern auch zu weiteren Ausflügen, was er auch äh! der früheren Anweſenheit in Hermannſtadt gern tat. Beſonders nahen Pfarrhöfe, wo nahezu überall liebe Freunde hauſten, wa ein liebes Ziel. In Neppendorf bei Adolf Bergleiter überfiel ihn ein abſcheulicher Regen. Da keine Pferde im Dorf aufzutreiben mußte er am Abend in den Stiefeln des Pfarrers nach Herman ft zurückſpazieren. Übrigens blieben ihm ſolche Ereigniſſe immer in h Erinnerung.

Die Arbeiten des Landtages waren noch nicht weit vorg: da wurde Teutſch krank. Dr. Irtl in Hermannſtadt ſah böſe kommen und riet zu ſchleuniger Heimkehr. Freund G. Seiwert b den von hohem Fieber Geröteten im Auguſt nach Agnetheln. Als der älteſte Knabe mit der Violine in die Muſikſtunde gehen wollte, fuhr der Wagen zum Tor hinein. Der Junge ſprang raſch ins Haus zurück, der Mutter die frohe Botſchaft zu bringen, der Vater ſei da und war ſehr überraſcht, als ſie erſchreckt ausrief: das bedeutet nichts Gutes, er muß krank ſein. Ein ſchwerer Typhus entwickelte ſich, eine Darmblutung brachte für Wochen ſchwerſte Lebensgefahr. Dr. Karl Binder, ein Schüler Teutſchs in Schäßburg, ein Sohn ſeines Lehrers Binder, der eben als junger Arzt in Agnetheln jeine Praxis begann, hat damals ſeine Dankesſchuld in aufopfernder Weiſe abgetragen, Dr. Schwarz aus Großſchenk, Dr. Bürſt aus Schäßburg, Dr. Irtl aus Hermannſtadt kamen und rieten und ſuchten zu helfen; es ſchien ſelbſt die beſte Pflege der Frau und des Hauſes, der Schäßburger Freunde, die abwechſelnd hinüberkamen, ver- geblich zu ſein. Den älteren Kindern iſt unvergeſſen geblieben, wie die Mutter am Morgen nach der Blutung verſtört und bleich ins Zimmer wankte, wo die Kinder noch in den Betten lagen und tonlos jagte: Kinder, wenn wir ohne Vater bleiben! Doch Gott half und ſeine ſtarke Natur überwand den Anfall. Aus den ſchlimmſten Tagen, wo er vielfach

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nicht bei Beſinnung war, die aber regelmäßig beim Anreden wieder- kehrte, hatte er eine merkwürdige traumhafte Erinnerung bewahrt. Zur Auffriſchung der ſchwindenden Lebensgeiſter hatte der Arzt alten ſtarken Wein verordnet. Löffelweiſe wurde ihm 1834er eingeflößt. Da iſt ihm vorgekommen, als ziehe ſich eine Flamme an der Bruſt vom Munde bis zum Herzen. Ein Freund Fronius hatte glaubensſtark geſagt: „wir dürfen ihn nicht verlieren, denn wir brauchen ihn noch“ und das Wort ſtärkte die Zaghaften. Rührend war die Teilnahme, nicht nur in Agnetheln, ſondern im ganzen Land. Als die Trauben zu reifen begannen, ſandte Biſchof Binder und andere Freunde die ausgeſuchteſten dem Rekonvaleszenten und dem ganzen Haus blieb eine dankbare Er- innerung an die Freundlichkeit der Menſchen aus jenen Tagen und an die Aufmerkſamkeit der Agnethler. Wenn die Burſchen und Mädchen an den lauen Sommerabenden ſingend durch die Gaſſen gingen, unter⸗ brachen ſie in angemeſſener Entfernung vom Pfarrhof den Geſang, gingen lautlos an der beleuchteten Krankenſtube vorüber und fern erſt nahmen ſie das Lied von neuem auf. Nach Wochen erſt war es ihm möglich aufzuftehen, anfangs nur mit fremder Hülfe, bis die Kräfte langſam wiederkehrten. Die Umgebung wollte ihn nicht aufklären, daß die überſtandene Krankheit Typhus geweſen ſei. Dr. Binder ſagte es ihm zuletzt, mit dem Zuſatz: es wird Ihnen ja nicht gehen wie dem Reiter über den Bodenſee. Die feine literariſche Erinnerung, die allerlei Gedanken weckte und Teutſch gefangen nahm, half über die Überraſchung des Augenblicks hinüber und blieb Teutſch in tiefer Erinnerung. Das ſchöne Herbſtwetter geftattete den Beſuch des Gartens, über den er an Traujchen- fels ſchrieb: „Da ſitze ich nun in dem wundervollen Herbſtwetter täglich wenigſtens zweimal im Garten und kann viertelſtundenlang in den tief⸗ blauen Himmel ftarren oder die vor mir, trotz Reif- und Nachtkälte noch immer blühenden Roſenſtöcke betrachten. Welch ein nie ſchwindender Reiz liegt doch in der Natur. An die ewigen Geſetze gebunden, vollendet ſie ihren Kreislauf unabhängig von „Majoritäten“ ihrer Kinder und das ſtille Walten derſelben iſt immer eine Quelle des Segens und des Genuſſes.“ Der Arzt hatte jede geiftige Arbeit unterſagt; was auf dem Landtag geſchah und was ſonſt in den Zeitungen ſtand, blieb ihm vor- enthalten. Auch daß der älteſte 11 jährige Knabe vom Krankenbett des Vaters ſich den Typhus geholt und in Schäßburg, wo er die Schule beſuchte, gleichfalls ſchwer krank lag, durfte ihm nicht mitgeteilt werden. Doch nach Wochen gings auch dort beſſer und endlich konnte auch die langentbehrte Arbeit, zunächſt im Beruf, wieder aufgenommen werden, zu Georg Daniel Teutſch. 14

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der „die ſüße Luft mit der ſteigenden Geneſung doppelt freudig kehrte.“ Aber erſt gegen das Frühjahr erlaubte der Arzt di Arbeit wieder. ö

In die politiſche Arbeit trat er erſt im Sommer 1864 Der Landtag hatte bis zum Oktober 1863 vor allem das die Gleichberechtigung der Rumänen mit den andern alten drei fti Nationen und der griechiſch-orientaliſchen Kirche mit den vier rezi Konfeſſionen geſchaffen, das Oktoberdiplom und Februarpatent unt Landesgeſetze aufgenommen als eine Fortentwicklung des Leopolk Diploms (von 1691), desgleichen ein Geſetz über die Gleichbere der drei Landesſprachen (deutſch, magyariſch, rumäniſch) beſchloſſen. Oktober war der Landtag vertagt worden, weil inzwiſchen der 9 in Wien zuſammentrat. Mit großer Freude hatte Teutſch, damal im Beginn der Geneſung, die Wahl der Abgeordneten nach Wien erfah) Am 20. Oktober 1863 hatte Konrad Schmidt zum erſtenmal im Reichsrat geſprochen, Rannicher hatte das Kommen der ſächſiſchen Abgeordneten nach Wien telegraphiſch gemeldet: „Wir eilen jubelnd zu Euch“ und Schmerling begrüßte die Erſchienenen mit den Worten in offener Sitzung: „Das ſchöne Land Siebenbürgen wird es erfahren, was es heißt zum Reiche halten. So Gott will wird in kürzeſter Zeit das geflügelte Dampfroß von Wien nach Hermannſtadt eilen“; Konrad Schmidt wurde zum Vize⸗ präſidenten des Hauſes ernannt. In der Tat wurde die Eiſenbahn } Arad.—Alvincz Anfang Januar 1864 beſchloſſen, doch nicht die Weiter- führung bis Hermannſtadt, weil Klauſenburg und die Magyaren, Kron⸗ ſtadt und ein Teil der Sachſen dagegen offen und geheim arbeiteten. Als der Kaiſer am 15. Februar 1864 die erſte Seſſion ſchloß, gab er ſeiner Freude darüber Ausdruck, daß die Vertreter Siebenbürgens im Reichsrat erſchienen ſeien und dem Bedauern, daß die Eiſenbahn nicht beſchloſſen worden ſei.

Am 23. Mai 1864 wurde die zweite Seſſion des Hermannſtädter Landtages eröffnet. Teutſch war ſoweit hergeſtellt, daß er an deſſen Arbeiten wieder teilnahm. Die Hauptfragen betrafen die Errichtung eines oberſten Gerichtshofs für das Land, die Einteilung des Landes, die Landtagsordnung, nicht zuletzt die Eiſenbahnfrage. Es waren zum Teil höchſt aufregende Verhandlungen, aus denen er in Gedanken ſich immer wieder zu den Lieben zu Hauſe rettete. Wenige Tage nach ſeiner Ankunft in Hermannſtadt ſchrieb er an ſeine Frau: „Es iſt morgen (28. Mai) der erſte Namenstag, den Du nicht in Deiner Geburtsftadt feiern kannſt. Eine höhere Führung hat Dir ferne derſelben eine neue

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Heimatsſtätte gewieſen und gerade morgen kann nicht einmal ich Dir ins liebe Auge blicken und Kuß und Handdruck Dir ſagen, was ich Dir wünſche. So mag denn dieſes Blatt Dir einen Ausdruck meiner Liebe und meiner Dankbarkeit bringen. Ich ſehe es als einen beſonderen Weg der göttlichen Gnade an, daß er mich zu Dir geführt und mir Dein Herz geſchenkt. Vor ſechzehn Jahren nach ſchwerem Kummer ging mir in ihm ein neuer Stern der Freude und Hoffnung am Leben auf und im verfloſſenen Sommer hat nächſt Gottes gnädiger Hülfe Deine treue Pflege ſorgen helfen, daß der glimmende Docht nicht verloſch. Du biſt mir die liebe Mutter blühender Kinder geworden und vertrittſt taujend- mal an ihnen auch des fernen oder vielbeſchäftigten Vaters Stelle. Wie ſoll ich Dir das Alles danken? So ſegne Dich Gott, meine liebe Frau, und mache es mir möglich, Dir das Leben immer edler und freundlicher zu geſtalten.“

Auch die Teilnahme an den Landtagsarbeiten zeigte die zwei Eigen⸗ ſchaften, die ſein Weſen charakteriſierten: das Verſtändnis für das Neue und die Fähigkeit, es an das Alte anzuſchließen, jo daß im Volks⸗ leben kein Bruch mit der Vergangenheit, ſondern Fortentwicklung ein- trete. Es lag in der Natur der damaligen Verhältniſſe, daß rechts⸗ hiſtoriſche Darlegungen eine große Rolle ſpielten. Sie paßten auch zu Teutſchs Studien. So hat auch er wiederholt das Wort ergriffen, um die rechtshiſtoriſche Seite dieſer oder jener Frage zu beleuchten. Dabei war ihm der flache Liberalismus, der das Leben der Staaten und Völker nach Schlagworten und nach der Schablone beurteilt, und der auch unter den Sachſen Anhänger hatte, höchſt unſympathiſch. Er legte den hiſtoriſchen Maßſtab an und fragte ſich jedesmal, ob eine beſtimmte Sache für das ſächſiſche Volk und die ev. Kirche gute oder böſe Folgen habe. So konnte er das vielfach angegriffene Inſtitut der Regaliſten verteidigen, indem er ihnen die Aufgabe zuwies, „die großen Prinzipien der Staats⸗ verwaltung, Regierung und Staatsentwicklung leidenſchaftslos und vor⸗ urteilsfrei und ruhig zu beleuchten und zu verteidigen.“ Den Minoritäten wollte er in einem Lande wie Siebenbürgen für einen Angehörigen des ſächſiſchen Volksſtammes ſelbſtverſtändlich Schutz verſchaffen, ſie ſollten das Recht haben, ihre abweichende Meinung der Krone zur Kenntnis zu bringen, „denn wer gleiches Recht und gleiche Freiheit für Alle will, wer ſich der Einſicht nicht verſchließt, daß Majoritäten wechſeln, wer jo billig iſt, das Totſchweigen einer Minorität nicht zu wünſchen, und zugleich ſo einſichtig, daß er verſteht, ein ſolches Totſchweigen, auch wenn es möglich wäre, ſei doch dem Frieden, der Ruhe, der geſetzlichen

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Entwicklung des Rechts und der Freiheit Aller nicht zi muß dieſe in dem uralten Staatsrecht Siebenbürgens bei in den tiefſten Ideen des Rechts und der Freiheit wurzelnde freudig begrüßen.“

Eine eigentliche Parteigruppierung gab es im Landtag Mitglieder ſtanden alle auf dem Boden des konſtitutionellen ftaates, dem Siebenbürgen eingefügt werden ſollte, dabei zugleich dem Boden der Autonomie der einzelnen Völkerſchaften, die für die Sachſen zu erhalten für die ſächſiſchen Abgeordneten eine immer leichte Aufgabe war. Das ſchloß nicht aus, daß eine Fülle Meinungsverſchiedenheiten in Einzelfällen auftauchte und am wenigſten fehlte es an Reden, wie das bei jungen parlamentarif Körperſchaften zu gehen pflegt. Sachſen und Rumänen hielten dem Landtag eigene Nationalverſammlungen ab, in denen die Angelegen⸗ heiten vorberaten wurden. Doch war es ſchwer Disziplin zu halten hüben und drüben. Bald lockte dieſen die Ausſicht zu einer ſchönen Rede, dort aufzutreten, wo eigentlich ſchweigen klüger geweſen wäre und den andern ließen die Lorbeeren eines Dritten nicht ruhen und veranlaßten ihn eigene Wege zu gehen. Es waren eben Lehrjahre des parlamen⸗ tariſchen Lebens.

Die Gemüter regte die Eiſenbahnfrage ſehr auf. Hier ſtanden ſich leider die beiden Schweſterſtädte Kronſtadt und Hermannſtadt ſchroff gegenüber, die beide die Bahn haben wollten. Weil Kronſtadt ſie mit Hülfe Klauſenburgs erhalten wollte, ging ein Teil Kronſtadts unioniſtiſche Wege und der politiſche Zwieſpalt der folgenden Jahre hat eine ſeiner Urſachen hierin gefunden. Für Teutſch ſelbſt war dieſe Frage mit vielen Unannehmlichkeiten verbunden; ſeine Haltung hat ihn jahrelang in Kronſtadt zum unpopulärſten Mann gemacht. Sie koſtete ihn die Freund⸗ ſchaft Maagers.

Maager hatte mit Klauſenburg und mit den Magyaren Verbindungen angeknüpft, um mit ihrer Hülfe die Bahn nach Kronſtadt zu bringen. Schon im Juni ſchrieb Teutſch: „Er iſt hier bereits auf dem Punkt, wo er mit den Superis nichts mehr zu tun hat, ſondern Acheronta moviert. Ich ſage es mit blutendem Herzen: Er geht nicht fincer vor. „Perſönlich engagiert“ mit Klauſenburg dient er jenem Streben.“ Die Frage wurde natürlich zuerſt in der Nationalverſammlung verhandelt. Dort vertrat Teutſch den Standpunkt, auf keinen Fall ſolle man die Inangriffnahme des Baues verhindern. Sei die Bahn einmal im Lande, ſo werde der Ausgangspunkt oder die Ausgangspunkte ſich von ſelbſt

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und naturgemäß ergeben; gegen die Bezeichnung eines derſelben bei Kronſtadt werde niemand etwas einwenden. Nach dem Beſchluß der Nationalverſammlung ſollte auch er in den Ausſchuß zur Behandlung dieſer Frage gewählt werden. Auf geheime ſächſiſche Umtriebe wurden am folgenden Tag im Landtag er und Gull ausgelaſſen und zwei andere Sachſen (Laſſel und Budaker, die an jenen Umtrieben natürlich keinen Anteil hatten), gewählt. Der Ausſchuß nahm die Sache vor. Maager hatte es auf ein Doppeltes abgeſehen: auf einen wenn möglich ſtarken Proteſt gegen die Inangriffnahme des Baues Arad Karlsburg, dann auf die ausdrückliche Betonung: nur Kronſtadt Ausgangspunkt der Bahn. Er wollte lieber keine Bahn als Hermannſtadt Roter Turm. Doch war der Ausſchuß dafür nicht zu haben, ſondern begnügte ſich mit „vorzugsweiſe Kronſtadt“ und mit dem überſchwänglichen Lob der Linie Großwardein Klauſenburg, das in die Repräſentation hineinkam, während für die Linie Hermannſtadt faſt kein Wort der Anerkennung gefunden wurde. Die Nationalverſammlung betrachtete die vom Ausſchuß vorgelegte Repräſentation als vollendete Tatſache, einigte ſich in deren Annahme und beſchloß, im Landtag es zu keiner Debatte darüber kommen zu laſſen. Nach dem Berichterſtatter (Maager) ſolle jemand den Antrag auf unverkürzte Annahme der Repräſentation ſtellen, worauf ſofort Abſtimmung und Schlußfaſſung erfolgt wäre. Zum Schluß fragte man Maager, was er als Berichterſtatter ſprechen werde. Er erklärte ſich kurz zu faſſen und nichts erwähnen zu wollen, was nicht im Sinne des Ausſchuſſes ſei, außer die „Verfaſſungsfrage“, wobei er das inkonſtitutio⸗ nelle Vorgehen der Regierung charakteriſieren wolle. Das gab einen großen Sturm, indem alle ſeine Freunde erklärten, dann gegen ihn aufzutreten. Maager ließ ſich nur dazu herbei, dieſe Dinge nicht am Anfang ſondern ſpäter zu ſagen. N

So kams zur Verhandlung. Nach dem Berichterſtatter ergriff Obert das Wort; er ſprach wacker und trug die Rede, wie ſeine Art war, effektvoll vor, aber es war gegen die Verabredung in der National- verſammlung. Nach ihm ſprach Budaker, darauf in ſeiner ſpitzen Weiſe Heinrich Schmidt gegen den Entwurf, ebenſo Orator Schneider von Hermannſtadt. Gegen beide replizierte geiſtreich und ſcharf Wittſtock, matt Schnell. Von Seite der Rumänen, die gleichfalls beſchloſſen hatten, keine Debatte zu provozieren, ſprach Dr. Ratiu für die Repräſentation. Es war kein Zweifel: die Linie Arad Karlsburg Kokeltal Kronſtadt war allgemein onerkannt als Hauptlinie, in die Klauſenburg und Hermann⸗ ſtadt einbezogen werden ſollten. Deſſen ungeachtet, auch im letzten Augenblick

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noch gebeten und gewarnt, mit den bisherigen Erfolgen zufrieden ftand Maager bei der Verhandlung auf und „ritt das Verfaſſt Er wollte damit der Klauſenburger Partei jagen: daß ich mi ftändig gefiegt (Maufenburg —Kronſtadt), hat die Regierung durch faſſungsbruch bewirkt und wie ich die öſterreichiſche Verfaſſung g ſo bin ich auch hier allein konſtitutionell. \

Da ſah auch Teutſch fich veranlaßt, das Wort zu ergreifen. Er erklärte ſich für die Repräſentation, zeigte in wenigen Ausführungen, daß eine Verfaſſungsverletzung nicht vorliege und wie Maager, der den Kaiſer im Januar 1863 in der Frage Großwardein Klausenburg gerade dazu habe drängen wollen, keine Berechtigung habe, hierüber auch nur zu reden. Die Repräſentation wurde hierauf faſt einftimmig angenommen,

Für Teutſch war die Folge ſeines Auftretens, daß Maager ihm die Freundſchaft kündigte, feine Briefe verbrannte, das Bild zurück⸗ ſchickte und ſolche Erfahrungen ſind ihm immer gar ſchmerzlich geweſen. In Kronſtadt ſelbſt erhob ſich, vom Schützenverein und magyhariſchen Kaſino geſchürt, ein Sturm der Entrüftung, der in offenem Haß gegen Teutſch ſich kehrte. Guſtav-Adolf-Verein und Landeskundeverein ſollten in jenem Jahr in Kronſtadt ihre Jahresverſammlungen halten; der beſorgte Freund Samuel Schiel bat, die Verſammlung überhaupt fallen zu laſſen und Teutſch, der die Predigt beim erſten Verein halten ſollte, erfuchte, er möge von der Aufgabe entbunden werden. Solche Sachen erſcheinen ſpäter vielfach klein, faſt kleinlich. Aber den Beteiligten haben ſie jahrelang das Herz ſchwer gemacht.

Beſondere Schwierigkeiten bereiteten die Vorlagen über die politiſche Verwaltung und Gerichtsorganiſation. Darnach ſollte an Verwaltung und Gericht von der Regierung ernannte Beamte übergehen. Die Autonomie der Gemeinde und Univerſität ſollte bleiben. Teutſch hatte Bedenken u. a. auch dagegen, daß der Landtag in dieſer Beziehung Grundſätze aufſtelle, denn das widerſpräche der ſächſiſchen Autonomie. Dazu kamen immer neue Erfahrungen über die Unzuverläſſigkeit der Rumänen, die ſich damit ausredeten, fie hätten ihre Leute nicht gehörig in der Gewalt. Über eine ſolcher Sitzungen ſoll Teutſch ſelbſt einmal berichten. So ſchreibt er an einen Freund: „Das waren wieder ſcharfe Sitzungen am 14. und 15. Juni ... Wir hatten gehört, daß die Linke gelegentlich von $ 4 bei Erwähnung der „zwei Obergericht“ das in Hermannſtadt und damit die Autonomie der Sachſen angreifen wollte. In zwei bewegten Nationalſitzungen beſchloß die Majorität natürlich, ſelbſtverſtändlich das Sachſenrecht zu verteidigen und die Inkompetenz des Landtags in ſächſiſchen

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Juſtizangelegenheiten nachzuweiſen, eventuell aber, wenn ein die Kom⸗ petenz desſelben geradezu ausſprechender Antrag die Mehrheit erhalte, ſich der Abſtimmung zu enthalten und dem im Protokoll Ausdruck zu geben. Die Linke wollte es doch darauf nicht ankommen laſſen, ſondern erklärte, fie werde von allen Angriffen abſtehen und jenen Paragraphen in einer nach keiner Seite präjudizierenden Faſſung beantragen. So stellten wir unſere Rüstungen ein und gingen voll Friedenszuverſicht in die Landtagsſitzung. Da trauten wir unſeren Ohren kaum, als Herr Puskar in nomine omen gelegentlich jenes Antrages eine Fülle von Gift und Galle über die ſächſiſche Autonomie ſchüttete, wie es nicht einmal der Fiskaldirektor je getan und auf Schritt und Tritt unter dem sd träiasch feiner Schildknappen der Wahrheit und der Wiſſenſchaft in die Augen ſchlug. Hei wie flogen wir da zu den Waffen, in pessima forma überrumpelt. Nun ich meine, ſie werden denken daran! Zuerſt ging Brandſch in den Kampf; er hatte am Schreibtiſch ſich vorbereitet und darum entbehrt ſeine Rede etwas der Wärme und des Anhauchs der Stunde, war im übrigen eingehend und scharf zugeſpitzt und hieb ſchonunglos ein. Dann kam ich Ihr werdet die Worte leſen dann Gull, der Rieſe, der mit Mühlſteinen wirft und wohin er trifft, da wächſt kein Gras mehr, zum Schluſſe der Sachſengraf, den andern Tag noch einmal Gull in wahrhaft großartiger Rede, brennend bis auf die Knochen. Im Bild von den Strohdächern repliziert er Koronka, der da meinte, man ſolle nicht nach glänzenden neuen Paläſten ſtreben, ſondern ſich mit dem altehrwürdigen Strohdach der ſiebenbürgiſchen Verfaſſung begnügen... Die Verteidigung und der Angriff muß doch auch in Wien Eindruck gemacht haben; denn an demſelben Tage (15. Juni) erklärte der Regierungsvertreter, daß die Autonomie der Sachſen eben ſo feſt ſtehe als die Autonomie des Landes, beide gleich- mäßig gegründet ſeien im Oftoberdiplom und man nicht die letztere aus demſelben akzeptieren, die erſtere aber über Bord werden könne. Wir fielen mit 40 gegen 48 Stimmen ...“

Sache und Darſtellung zeigen, daß Teutſch immer als Hauptſache anſah, die Lebensbedingungen ſeines Volkes zu ſichern. Übrigens machte es ihm nicht wenig Sorgen zu ſehen, wie wenige von den Landsleuten dieſe wirklich erkannten, wie ſelten der tiefere Einblick in die treibenden Kräfte des Tages und der Geſamtentwicklung war.

Von ſolchen Sorgen und Arbeiten erhob ihn dann immer aufs neue, was das Leben doch Schönes bot. Der Umgang mit den Freunden war ihm eine Freude, der Beſuch einer Liedertafel in einem der Gärten

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am warmen Sommerabend, der Gang ins Freie, wo er an den pracht— vollen Gebirgen mit ihrer wechſelnden, bald lieblich heiteren dunkeln Beleuchtung ſich nicht fatt ſehen konnte, der Beſuch und auswärtiger Freunde alles diente ihm dazu, die ſtärken, eine Ermattung nicht aufkommen zu laſſen. Im t jedem Augenblick die Sorge um die Gemeinde, um Haus und Garten, das Gedeihen der Kinder, konnte er vom Kaktus im Benkneriſchen der eine Blume hatte, die nur eine einzige Nacht blühte, wie ein der Wertherzeit wehmütig⸗freudig, faſt gerührt nach Hauſe ber Was ihn insbeſonders trug war die freudige Empfindung, daß es um Großes handle, daß Großes erreicht ſei und daß er mit einigen Freunden ehrlich und mit Erfolg dafür kämpfe. 4

Im Oktober wurde der Landtag abermals vertagt, die Abteilung der Regaliſten wählte ihn am 11. Oktober auch in den Reichsrat nach Wien. Teutſch ſchwankte, ob er dem Ruf folgen ſolle. Der Gedanke an Haus und Gemeinde und Amt machten in der Tat die Entſcheidung ſchwer. Zuletzt meinte er, die höhere Pflicht gebiete die Annahme. Am 11. November 1864 kam er in Wien an, mit Trauſchenfels, Binder, Gull, Obert, Konrad Schmidt (der einen Tag in Temeſchvar blieb), die die lange Fahrt, bis Temeſchvar mit der Poſt, gemeinſam gemacht hatten. Freund Schenker hatte in der Freiſingergaſſe ein freundliches Zimmer gemietet, wo Teutſch ſich ſofort heimiſch einrichtete. Die groß⸗ ſtädtiſchen Eindrücke, die Eröffnung des Reichsrats mit dem gewohnten Pomp, die Soiree bei Schmerling, der Beſuch bei lieben Freunden, vor allem Zimmermann, der ſelbſtverſtändlich auch in den Reichsrat gewählt worden war, Gänge durch die Straßen, bei denen die ſpielenden Kinder an die eigenen erinnerten, füllten die erſten Tage.

Die ſächſiſchen Abgeordneten kamen nun in größere Verhältniſſe hinein, in die Werkſtätte des neuen Oſterreich. Bei den wirklichen Politikern wich die erſte frohe Erwartung bald einer bitteren Enttäuſchung, die zuverſichtliche Hoffnung banger Sorge.

Schmerling hatte den Höhepunkt ſeiner Macht damals ſchon über⸗ ſchritten. Die Erwartungen, die auch die Sachſen auf die freiheitliche konſtitutionelle Entwicklung Großöſterreichs geſetzt hatten, hatten ſich nicht erfüllt, das Konkordat lag ſchwer auf dem Lande, Ungarn war nicht zum Eintritt in den Reichsrat zu bewegen geweſen, die ſlawiſchen Elemente wollten von der neuen Geſtaltung nichts wiſſen, die hochſtehenden feudal- ultramontanen Kreiſe ſetzten ihre Unterminierarbeit erfolgreich fort, die letzten Stützen, die dieſen „neuen Kurs“ gehalten hatten, der Wille des

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Kaiſers und die Sympathie des deutſchen Elementes in den Erblanden, fingen an zu verſagen. Das letztere war augenſcheinlich, die „Linke“ hatte die Majorität im Reichsrat und genügenden Grund, der Regierung den Mangel an wirklichem Liberalismus vorzuwerfen. Daß der Kaiſer anfing, ſich von Schmerling abzuwenden, wußte die öffentliche Meinung damals noch nicht.

Die Sachſen waren nach der ganzen Natur der Verhältniſſe darauf angewieſen, die Regierung zu unterſtützen. Für ſie mußte die Hauptſache fein, daß Reichsrat und Geſamtreich ſich einbürgerten; aber ein Teil der ſächſiſchen Abgeordneten ſtellte die unmittelbaren Forderungen frei⸗ heitlicher Entwicklung höher und neigte der Oppofition zu. Teutſch gehörte nicht zu ihnen. Auf dem ſchweren Unterbau feines hiſtoriſchen Wiſſens hatte ſich ihm die Überzeugung ergeben, daß die politiſche Freiheit nicht weſentlich in den Formen der Verfaſſung liege, daß die notwendigen Lebens- und Freiheitsbedingungen ſich durch die natürliche Kraft, die in ihnen liegt, von ſelbſt Bahn brechen würden; erſt ſolle man das Haus bauen, dann die Einrichtung ſchaffen. Der Zynismus, mit dem die Linke die Tagesfragen behandelte, die maßloſe Eitelkeit der Herbſt und Giskra widerten ihn an. Als Herbſt ſehr verſtändlich erklärte, weil die Siebenbürger nicht mit ihnen ſtimmten, wolle ſeine Partei dem Lande keine Eiſenbahn geben, ſchrieb Teutſch: „Wenn das nicht politiſche Unreife oder Konſtitutionalismus in den Flegeljahren iſt, dann hört alles auf.“ Er erblickte, trotz allem Freiheitsgeflunker, in ihren Reihen ein Stück Romanismus, das eine ſchmerzliche Kluft zwiſchen ihrer und unſerer proteſtantiſchen Lebensanſchauung bedeute und kam mit keinem ihrer Wortführer in ein näheres Verhältnis. Er war in den Finanz⸗ ausſchuß gewählt worden und hatte dort das Münzreferat zugewieſen erhalten. Er verdankte den vielen Ausſchußſitzungen vielfach beſſere Einſicht in die komplizierte Staatsmaſchine und in das Menſchen⸗ herz. „Es iſt überall dasſelbe eitle trotzige Ding; ob hoch oder niedrig, die Geiſter ſind ſelten, die nur auf die Sache ſehen und über perſönliche Neigungen und Leidenſchaften erhaben ſind.“ Sein Münzreferat war den Linken unbequem, die die Münze in Venedig aufheben wollten. „Wie ſie auf meine Hinweiſung auf den Sachverhalt, den aktenmäßigen, nichts Meritoriſches einwenden konnten, da beſchloſſen ſie, den Teil über die Venetianer Münze mindeſtens wegzulaſſen, weil er doch zu ſtahlfeſt gegen jede Oppoſition war. Auch die Darſtellung des Piſetums, die ich übrigens in bewußter feſter Abſicht ſo gründlich gemacht, war ihnen unbequem. Doch gings da über ſtilles Murren nicht hinaus. An den

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Ziffern ſelbſt haben fie nicht eine einzige geſtrichen; es iſt v einzige Fall.“ Schon in den erſten vierzehn Tagen des Wiener hatte er den Eindruck einer wüſten, zum Teil | Se, der einzelne Nachen, von liftigen Händen gelenkt, im Trüben | wollten. Namentlich die Tagespreſſe mit ihrer Oberflächlichkeit, ihrer abſichtlichen Entftellung der nicht in ihren Kram paſſenden ſachen, in die „Neue freie Preſſe“ ſchrieb beſonders Giskra Berichte über die Sitzungen des Finanzausſchuſſes kam kläglich vor. L

Unter ſolchen Umſtänden bot der Verkehr in der Landsmannſe beſonders anfangs, viel Troſt. Dem Sachſenkomes Konrad S brachten fie zum Namenstag im November 1864 eine Pfeife zum Geſc und Teutſch begleitete die Gabe im Kreis der Genoſſen mit folgenden Verſen:

Graf Konrad.

Graf Konrad fuhr zur Kaiſerſtadt Mit ſeinen zehn Genoſſen,

Wo in des Reiches hohem Rat Sie ſchlagen ſich und ſtoßen.

Und ſieh, da kams aus Ungarland Auf finſtern Sturmeswogen

Und von der Tſchechenberge Rand Wie Wetter hergezogen.

Da ſprach des Hauſes Zimmermann: „Ich kann wohl fechten und ſchirmen;

Der Väter ſtarker Geiſt hält Stand Auch dieſen Wellen und Stürmen.“

Da ſprach der „Herr Freund“ aus dem Sebusland: „Ich mag wohl Piano ſchlagen;

Was hilft mir das, wenn alſo ſtark Die Wind und Wellen jagen?“

Herr Friedenfels war auch nicht froh, Das Herz ihm pochte ſehre;

„Es iſt mir um mich ſelbſt nicht ſo, Als um die Hofratsehre.“

Der Dechant aus dem Harbachtal: „Sind wir nicht Sachſenſtreiter?

Komm Huets Geiſt jetzt allzumal Und führ uns mutig weiter.“

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Da hub der „grimme Hagen“ an: „Das geht uns ſtark zu Felle;

Doch hab ichs im Keltenland getan, Ich helf auch jetzt von der Stelle.“

Der Kanzler dieſen Ausſpruch tat: „Schon viele folgten mir heuer; Doch in des Reichs käſpänigem“ Rat

Sind ſie mir nicht geheuer.“

Da ſprach Herr Schuler ſchwarzgelockt: „Ich bin kein biegſamer Degen;

Drum geh ich, wie Ihr auch ſitzt und hockt Auf liberalen Wegen.“

Es war Herr Obert, ein Pfarrer fein, Der hub wohl an zu ſingen:

„Ich wollt, ich wär ein Vögelein, Wollt hin nach Schaal mich ſchwingen.“

Da ſprach der Rat aus dem Obergericht: „Iſt das die Not die ſchwere;

Darum doch kamen wir hieher nicht, Daß man trotz Hegel uns lehre.“

Herr Trauſchenfels, ein Jüngling friſch: „Gott woll uns nicht vergeſſen;

Hier muß auch ich am Ende mich Des Redens noch vermeſſen.“

Graf Konrad als er das gehört: „So ſoll es denn geſchehen;

Des Schweißes iſt's der Edlen wert, Wir wollen zuſammen ſtehen.“

„Uns ruft das Lied aus alter Zeit,

Der Väter Ehre zu wahren, Und weichen wir nicht, der Pflicht bereit, So weichen die Gefahren.“

Epilogus. Ja fo ſolls fein; wir ſtehen feſt Und daß der Friede folgt dem Streit, Wie die Väter in alten Tagen; Sei Dir zum guten Zeichen Sei Führer Du, das Wort teil aus, Die kleine Gabe, die wir heut Du ſollſt über uns nicht klagen! Zum guten Tag Dir reichen.

Und wenn des Rauches Säule weht, Ein Bild dem Menſchenleben,

So ſprech es Dir: Eins doch bleibt ſtät: Des feſten Willens Streben.

Wien, 26. November 1864. Die Freunde und Genaſſen.

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Aber „das Wetter aus Ungarland“ nahm immer düfterere an. Teutſch hatte Weihnachten 1864 zu Haufe zugebracht; als er y nach Wien zurückkehrte, fand er die Lage unheilvoller. „Ich habe Gefühl, ſchrieb er an Haltrich wie die an den feu Bergen Südamerikas Wohnenden, wenn die Rauchwolke aus dem ſteigt und tief im Innern der Erde dumpfes Grollen zieht, das behagliche Gefühl allgemeiner Unficherheit, ſtets möglicher und d Gefährdung unſerer beſten Errungenſchaften“. Noch im Dezember k der Kaiſer, als Teutſch für die Ernennung zum Mitglied in Unterrichtsrat in einer Audienz dankte, ſehr befriedigende Worte den ſiebenbürgiſchen Landtag und hatte auch dem Komes gegenüber „Verhalten der Herrn aus dem Sachſenlande“ gelobt; noch im J ſchrieb Teutſch: „wie menſchlich es auch im Reichsrat zugehen mag, es iſt doch eine große Inſtitution und wird in naturgemäßer Befeſtigung und Fortbildung dem Reiche vielen Segen bringen.“ Es war doch jo, daß der Wunſch, es möge auf der eingeſchlagenen Bahn vorwärts gehen, manches anders anſehen ließ, als es in der Tat war. Auch ein anderes fällt auf: ſo viele Beziehungen zu hohen und höchſten Stellen, zu maß⸗ gebenden Perſönlichkeiten die Sachſen gerade damals hatten, der eigent⸗ lichen Werkſtatt, wo das Schickſal des Reiches geſchmiedet wurde, ſtanden fie fern. Der ſächſiſche Nachen fuhr im Augenblick in günſtiger Strömung mit; die Strömung ſelbſt zu lenken vermochte niemand von der Beſatzung.

Nach welcher Richtung die ganze Strömung ging, das merkten doch allmählich auch die weiteren Kreiſe. Deaks Oſterartikel im Jahre 1865, vor allem die Kaiſerreiſe Anfang Juni nach Peſt beleuchteten die Lage mit hellem Licht. Es gehörte der ganze Optimismus vertrauensſeliger Herzen dazu, der Glaube, daß die leitenden Kreiſe feſt entſchloſſen ſeien, die Verfaſſung durchzuführen, daß die Sachſen teilweiſe auch jetzt noch glaubten, die Reiſe ſei zu dem Zweck unternommen worden, um die letzte perſönliche Einwirkung auf Ungarn zu verſuchen, bevor die Regierung ſich zu entſcheidenden Schritten behufs Durchführung der Februarverfaſſung entſchließe. Immerhin ſahen fie, daß Ungarns Einfluß im Steigen begriffen war. Im Juni fürchtete Teutſch, daß die Regierung unter gewiſſen Umſtänden zur Union Siebenbürgens mit Ungarn bereit ſei. Aber ihn tröſtete zugleich, daß der ſiebenbürgiſche Landtag und der Reichsrat das nimmermehr in ihrer damaligen Zuſammenſetzung zugeben würden.

Aber eine dieſer Hoffnungen brach nach der anderen zuſammen. Zuerſt mußten doch die ſächſiſchen Vertreter an der Regierung ſelbſt

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irre werden, die es mit den konſtitutionellen Formen nicht ehrlich meinte. So ſah ſich zuletzt auch Teutſch in die Oppoſition gedrängt. In bezug auf die Vorlagen über die Kreditbewilligungsgeſetze, die der großen Finanznot abhelfen ſollten, machte er der Regierung den Vorwurf der Unehrlichkeit, „auf dem Wege muß die Sündflut, u. zw. nicht erſt nach uns‘ hereinbrechen“. Bei der Verhandlung über den § 13 der Verfaſſung, wo der Reichsrat ſich gegen deſſen Mißbrauch ſichern wollte und dahin gehende Beſchlüſſe faßte, ſtimmte er mit allen (außer zwei gouvernementalen) Sachſen gegen die Regierung, die in unbegreiflichem Eigenſinn auf jene loyalen Reſolutionen nicht eingehen wollte. Aber auch das Vertrauen auf das „Haus“ ſelbſt wurde allgemach erſchüttert. Die geringe politiſche Reife der Linken, das völlige Unverſtändnis den ungariſch-ſiebenbürgiſchen Verhältniſſen gegenüber, die Erklärung Kaiſerfelds, Ungarns Haltung ſei berechtigt, Giskras Antrag ſchon in der Adreßdebatte, Umkehr jei notwendig, die Kundgebungen der Autonomiſten im Reichsrat mußten allmählich ſtutzig machen.

So war Teutſch denn weniger als andere überraſcht, als Schmerling fiel. Wohl ſchrieb er an Haltrich: „Für uns kann die ganze neue Ent- wicklung wieder neuen Kampf und friſches Leid bringen“ aber weder er noch ein anderer der ſächſiſchen Reichsratsabgeordneten hat das ganze Ungemach der kommenden Jahre vorausgeſehen. Sie meinten, daß eine Anderung der Reichsverfaſſung, nach den wiederholten Äußerungen von höchſter Stelle, nur in und mit dem Reichsrat geſchehen könne und daß demnach die ſächſiſchen Abgeordneten dabei auch ein Wort mitreden würden. Daß man ſie dorthin nicht mehr rufen werde, hielten fie für ausgeſchloſſen. Bei dem großen Durcheinander, das durch Schmerlings Sturz an die Tagesordnung kam, ſchrieb Teutſch: „Das Ab- geordnetenhaus ſelbſt beträgt ſich kläglich. Der Mangel an ſtaats⸗ männiſchen Charakteren tritt faſt entſetzlich wieder hervor; wir haben es noch (14. Juli) zu keiner Beſprechung in einem auserwählten engeren Kreiſe über die „Umkehr“, die den Rufern im Streit nun über den Kopf gewachjen, bringen können. Die Zeitungen ſelbſt ſind der ſchweren Hauptfrage gegenüber entweder feig, oder unwiſſend oder erkauft. Die Allgemeine Zeitung ſogar hat Artikel zurückgewieſen und die Oſtdeutſche Poſt zögert mit andern ſeit Wochen. Für den Grundgedanken des Februar- patents und demnach die Untrennbarkeit Siebenbürgens vom „Reich“ geſchieht von uns, was bei der Lage der Dinge geſchehen kann, wenn auch in vollkommen unauffälliger und ſelbſt im engſten Kreiſe nicht allen offenkundiger Weiſe. Meine Überzeugung, daß trotz alledem Oſterreich

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dennoch ein konſtitutioneller Einheitsſtaat wird, iſt ungeſchwächt, wohl ich mir die Gefahr des gegenwärtigen ſchweren, doch vorhergeſehenen dualiſtiſchen Verſuchs gering nicht vorſtellen darf, Wir müſſen eben noch treuer und feſter an der Sache halten‘ hätte mit einigen ſächſiſchen Genoſſen gern im Reichsrat eine Ef gerade nach der Seite hin, daß das Haus die dualiſtiſchen abweiſe, provoziert. Andere meinten, dazu ſei der richtigere wenn das Haus wieder zuſammentrete, und ſo unterblieb die führung.

Eins muß nachträglich geſagt werden: Teutſch war mit führenden ſächſiſchen Männern der Überzeugung, daß die Wandlung vorübergehend ſei und die dualiſtiſche Geſtaltung nicht von Dauer fein werde. Erſt die Macht der Verhältniſſe wiederlegte dieſen Irrtum. Wir aber fragen heute billig: wie kamen die Sachſen, wie Teutſch dazu, dieſe Stellung zu der Entwicklung einzunehmen?

Da muß vor allem darauf hingewieſen werden, daß das Bewußtſein der Zugehörigkeit Siebenbürgens zu Ungarn hier im Lande völlig ge⸗ ſchwunden war. Es iſt richtig, daß die Blütezeit des ſächſiſchen Volkes in die Zeit der ungariſchen Könige fiel. Aber die Schlacht bei Mohatſch 1526 hatte Siebenbürgen von Ungarn losgelöſt und ein eigenes ſieben⸗ bürgiſches Bewußtſein war hier großgewachſen. Als Siebenbürgen 1691 zur ungariſchen Krone zurückkehrte, war es nicht eine Anknüpfung der Entwicklung an die Zeit vor Mohatich, ſondern in den Augen der Zeitgenoſſen bedeutete es die Unterſtellung unter das Haus Habsburg, das deutſche Kaiſerhaus, für das das Land ſoviel geblutet hatte. Bei den Sachſen war vor allem der nationale Gedanke maßgebend. Die Erhebung Siebenbürgens zu einem Großfürſtentum unter Maria Therefia (1765), die tatſächliche eigentümliche Entwicklung des Landes, die auf der Gleichberechtigung der drei Nationen (Adel, Szekler und Sachſen) und der vier rezipierten Konfeſſionen (ev.-ref., ev. A. B., röm. Kath. und unitariſch) beruhte, durchaus verſchieden von den Grundlagen der ungariſchen Verfaſſung, ſtärkte natürlich das Bewußtſein, das auch in den Geſetzen zum Ausdruck kam, es ſei Siebenbürgen ein ſelbſtändiges Reich, niemandem unterworfen und von keinem anderen Land abhängig. Der Abſolutismus, der auf die Umſturzbewegungen unter Joſef II. folgte, tat das Seine, um den letzten Reſt der Erinnerung an die Zu⸗ gehörigkeit zu Ungarn vergeſſen zu machen. Die Richtung, welche die Verbindung wieder aufnehmen wollte und ſeit 1790, mehr ſeit 1825, dieſe in der Form der Union der beiden Länder als politiſches Programm

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aufſtellte, erſchien als national-magyariſche gerade vom ſächſiſchen Standpunkt aus als gefährlich. Sie hatte im Jahre 1848 zum Siege gelangt, gezeigt, was insbeſonders die Sachſen zu erwarten hatten. Sie hatte das Land in den Bürgerkrieg geſtürzt, eine Fülle von Jammer und Enttäuschung gebracht. Sie ſchien abgetan zu jein.

Der Verſuch Schmerlings, einen Einheitsſtaat auf konſtitutioneller Grundlage aufzubauen, war in dieſer Form allerdings unhiſtoriſch. Aber Anknüpfungspunkte in der Vergangenheit fand er die Menge. Es ließ ſich ein Zug zum Einheitsſtaat gerade ſeit 1526 in der Geſchichte der öſterreichiſch-ungariſchen Länder ungekünſtelt nachweiſen, den Sachſen beſonders ſympathiſch, weil er mit dem deutſchen Weſen Hand in Hand ging und der Einheitsgedanke Steigerung des Einfluſſes deutſchen Geiſteslebens hoffen ließ. Dieſer neue Einheitsſtaat verbürgte Siebenbürgen ſeine individuelle Entwicklung, ſicherte die Sachſen in ihren nationalen Bahnen und er ſchien nicht ausſichtslos, wenn die gehörige intellektuelle und moraliſche Kraft zur Durchführung des Ge— dankens ſich fand. Je größer ſie nach beiden Richtungen war, um ſo mehr durfte man auf Gerechtigkeit auch allen nichtdeutſchen Völkern gegenüber rechnen. Dieſe intellektuelle und moraliſche Kraft aber, ſie iſt von den Sachſen, auch von Teutſch, überſchätzt worden; ſie fand ſich in Wien nicht. Darin liegt auch ein Grund für das Scheitern der Schmerlingiſchen Pläne. Das Bild, das ſich die Sachſen vom „Deutſchtum“ Wiens und Öfterreich® gemacht hatten, ſtimmte nicht mit der Wirklichkeit, war ein ideales und enthielt nicht, was ſie hineinlegten.

Ein anderer Grund lag in der überragenden politiſchen Bildung der Ungarn, die den Oſterreichern turmhoch überlegen waren. Und dazu kam nicht am wenigſten kraftvoll die Macht der Rechtsüberzeugung, die in Ungarns leitenden Kreiſen vorhanden war. Das hiſtoriſche Recht wurde hier in die Schranken gerufen und die Verteidiger dieſes Rechts fanden Töne, die tief zum Herzen ſprachen. Alle Liebe zum Volk und zum Vaterland, aller Schmerz über die Unterdrückung, die ſie erfahren, klang aus den Reden im Reichstag 1861 und 1865 und aus der Publiziſtit Ungarns. Das blieb nicht ohne Verſtändnis in Siebenbürgen.

Wie ſo oft gerade in entſcheidenden Augenblicken das Beiſpiel Ungarns für Siebenbürgen in bezug auf Ziele, Haltung und Methode des politiſchen Kampfes maßgebend geweſen war, ſo geſchah es jetzt. Für das hiſtoriſche Recht hatte Ungarn ſich erhoben, mit dem Schild des hiſtoriſchen Rechts wehrte es alle Forderungen ab, die das Aufgeben des einen oder anderen Anſpruchs dem „Reich“ gegenüber verlangten

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hatte denn Siebenbürgen, hatten die Sachſen nicht ein das ebenſo alt, ebenſo heilig, ebenſo ehrwürdig war wie das ut

Ungarns Recht lebte 1860 auf, es war nicht anders daß beſonders die Sachſen jo wie die Magyaren nach dem ihren f

Das Urteil ging nur darin auseinander, wo die neu, anzuknüpfen habe. Was bei den Magyaren für 1848 ſprach, bei den Sachſen dagegen. Im Kampf um hiſtoriſche Rechte Volk nach dem Recht, das ihm am günſtigſten geweſen iſt. Die ſtändigkeit Siebenbürgens, die Unabhängigkeit von Ungarn, die Ein! in das „Reich“ ſchien das alte Recht der ſächſiſchen Nation auf eigene nationale Entwicklung ganz anders zu ſichern und zu gewäh als Ungarn es konnte und wollte.

Denn auch am Willen zweifelten die Sachſen, trotz aller gro Reden und Verſprechungen jener Jahre. Gerade das Jahr 1848 e wieder als Beweis herangezogen. Die für Ungarns Freiheit begeiſterten Völker darunter auch die unionsfreundlichen Sachſen, mit ihnen auch Teutſch hatten es nicht für möglich gehalten, daß die Magyaren, die Vorkämpfer für nationale Rechte, die das Recht der freien Entwicklung für ſich in Anſpruch nahmen und alles dafür zu opfern bereit waren, allen anderen Völkern des vielſprachigen Landes dieſe Rechte verweigern würden. Und doch war es 1848/49 geſchehen. Vor allem hatte der ungariſche Reichstag 1849 den Sachſen nahezu nichts gelafjen, was fie als notwendig für die weitere Entwicklung anſahen, und derſelbe Reichstag den Nationalitäten ſo kümmerliche Zugeſtändniſſe gemacht, daß dieſe eine nationale Entwicklung unmöglich machten.

Es müßte demnach auch den politiſchen Gegnern verſtändlich erſcheinen, wie die Sachſen dazu kamen, das konſtitutionelle Großöſterreich dem Ungarn von 1848 vorzuziehen. Sie konnten ſich dabei auf ungarische maßgebende Anſchauungen berufen, wie die Altkonſervativen, die in ihrem berühmten Memorandum von 1850 an den Kaiſer geſchrieben hatten: daß die k. Macht ſich beſtimmt geſehen habe, 1848 „zur Ge⸗ fährdung des Verbandes mit der Monarchie“ Zugeſtändniſſe zu machen, „welche ſchon im Augenblick ihrer abgedrungenen Gewährung weit über die wirklichen Wünſche und Bedürfniſſe der Völker Ungarns hinaus⸗ gegangen ſind“, und die ungariſchen Notabilitäten, die 1857 in er⸗ ſterbender Ehrfurcht eine Adreſſe an den Kaiſer geſchrieben hatten, in der es heißt: „Die Herrſchaft des durchlauchtigſten Erzhauſes Ofterreich und die Verbindung Ungarns mit der öſterreichiſchen Geſamtmonarchie verbürgt alles jenes am nachhaltigſten, was die Nation als das teuerfte

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Ergebnis ihrer ganzen geſchichtlichen Entwicklung betrachtet: die Möglichkeit nämlich ... mit der Zeit fortzuſchreiten, ihre Nationalität zu bewahren und die Territorial-Integrität ihres Landes . aufrecht zu erhalten ... Das Land fühlt es und wir fühlen es mit ihm, daß die Ereigniſſe von 1848/49 immer Trauerblätter in unſerer Geſchichte bleiben werden. Unſere Erinnerungen trüben unſere Einſicht nicht. Wir haben es begriffen, was die notwendige Konſequenz dieſer Ereigniſſe iſt. Wir beteiligen uns bereitwillig mit allen Untertanen Ew. Majeſtät an allem, was die Aufrechthaltung, Mehrung und Kräftigung des Anſehens, der Sicherheit, der Macht der Geſamtmonarchie erheiſcht. Die Macht Ew. Majeſtät und die Kraft der Monarchie iſt unſere Sicherheit, die allgemeine Wohlfahrt der Monarchie iſt unſer Gedeihen. Die Einheit der Monarchie iſt der Erwerb von Jahrhunderten.“

Die augenblickliche Lage bot nichts, was die Sachſen abhalten mußte, zur Stärkung der Monarchie mitzuhelfen oder die Einheit, die ihre Entwicklung zu gewährleiſten verſprach, zu fördern.

Daß es mit all den politiſchen Zielen des einheitlichen Oſterreich nicht ernſt ſei, das haben ſie freilich erſt erfahren, als es zu ſpät war.

So iſt der ganze Wiener Aufenthalt nicht ſoſehr für die politiſche Entwicklung Siebenbürgens und unſerer Verhältniſſe bedeutend geweſen als für die Perſonen, die dort waren. Für Teutſch insbeſonders. Er hatte doch wieder eine Menge Leute kennen gelernt und neue tiefe Ein⸗ drücke empfangen, Menſchen⸗ und Weltkenntnis weſentlich erweitert. Von den perſönlichen Beziehungen war ihm die Bekanntſchaft mit dem Mölker Abt Eder (Fals Erzbiſchof von Salzburg), mit Anaſtaſius Grün (Graf A. Auersperg), Berger wertvoll. Vom letzteren, dem ſarkaſtiſchen Geſinnungsgenoſſen und Freund Giskras, schreibt er einmal folgende Verſe, die ihn ſehr amüſierten: „Szene des Abgeordnetenhaus. Debatte langweilig. Während einzelne Kreiſe der Deputierten unbekümmert um den Redner (was weitaus die Regel) ſich unterhalten, nickt der Kriegs- miniſter auf der Miniſterbank verſtohlen ein. Den Moment ſchildert das Gedicht:

Es ſteht eine Haſelſtaude So einſam auf ferner Höh; Sie träumt vom Kriegsminiſter Und von fünfundzwanzig 0 weh!

Und auch der Kriegsminiſter

Er träumt von der Haſelſtaud; Er hört ihr leiſes Geflüſter

Und ſieht wie ſie Giskra haut.“

Georg Daniel Teutich.

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Wenn nicht Sitzungen waren, boten die wundervollen in der Umgebung Wiens, die fleißig beſucht wurden, eine Erfriſchung; ſie waren ihm ſeit ſeiner Studentenzeit vertraut, nun wurden fie noch lieber. Am meiſten freute er ſich, daß er fie feiner Frau . konnte, die auf ſein Drängen zur weiten Reiſe ſich entſchloß und nun ſelbſt einige Wochen herrlichſter Eindrücke für ihr Leben mi

Theater und Muſeen, Kunſt und Wiſſenſchaft, Natur und Men dienten ihm immer wieder zur inneren Fortbildung. Auf der Hofbibliothel fand er ein Exemplar des Reformatio ecelesiae Coronensis ac totius Barcensis provinciae mit der Melanchthoniſchen Vorrede von 1543; er gab fie mit einigen Freunden neu heraus und widmeten ſie Joſef Zimmermann, dem vielverdienten Mann, der auch im Reichsrat unter den Sachſen eine führende Rolle inne hatte. In denſelben Tagen wurde die zweite Auflage des Abriſſes der Geſchichte Siebenbürgens vollendet, die zuerſt die Studierenden im Auge hatte; ſie ging bis 1526, ein fol- gendes Heft ſollte ſie bis zur Gegenwart führen und zugleich Vorarbeit für die Weiterführung der Sachſengeſchichte fein. Er widmete ſie „dem Schäßburger Gymnaſium in treuer Erinnerung an glückliche Schüler⸗ und Lehrerjahre zu herzlichem Dank und Segensgruß“.

Die Erinnerung an die Heimat, an die Lieben zu Haufe, schwebte überhaupt verklärend auch über den Wiener Tagen. Kein Tag, wo er nicht frohbewegt oder beſorgt der Seinen dachte, an jedem Kind einzeln hing und nach ihm ſich erkundigte; die Blumen in den Auslagen mahnten an die im Garten zu Hauſe, „ſie ſind mir lieber als alle Gewächshäuſer Wiens ſchrieb er an die Frau ſchon weil Deine Augen daneben lachen und darum die Kinder ſpielen,“ der Beſuch des Theaters bei Fichtners Abſchied mahnte an den eigenen wehmütigen Abſchied von Schäßburg, alles aber immer daran, daß das Glück des Lebens nicht in äußern Dingen liege und daß es im großen und kleinen zuletzt darauf ankomme, feine fittlichen Wurzeln zu ſtärken. Je trüber die Erfahrungen des politiſchen Lebens waren, in um ſo hellerem Licht erſchien ihm Amt und Beruf, um ſo reiner und ehrwürdiger und um ſo lieber ward er ihm. Mit den Freunden in der Heimat ſtand er in fortwährendem Verkehr, nicht nur was in der Politik geſchah, auch was ihn ſonſt bewegte, trug das fliegende Blatt beſonders den Freunden an der Kokel, Müller und Haltrich, zu. An Haltrich ſandte er als Zeichen des Dankes für die treue Hülfe in den Tagen der ſchweren Krankheit ein Siegel: „Der auf dem Adler im Wolkengrau thronende Gott mit dem leuchtenden Strahl in der Hand iſt ja zugleich Sinnbild des neuen friſchen phyſiſchen Lebens,

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das von oben kommt. Und der Adler insbeſonders mahnt an die ſchöne Stelle im Jeſaia, „daß ſie auffahren mit Flügeln wie die jungen Adler.“ Und das Siegel, das namenloſe, können auch die Kinder gebrauchen für meinen Sohn ſollen dann die Buchſtaben auf dem meinen bedeuten Gott Dein Troſt und die Erinnerung an ſeinen Urſprung ſoll dann auch ſie mahnen feſtzuhalten an einander, wie die Väter getan.“

In der Heimat ſelbſt war die Wirkſamkeit der Abgeordneten in Wien, wie das kaum anders zu erwarten ſtand, ſehr verſchieden beurteilt worden. Schon im Februar hatte er an Haltrich geſchrieben: „Alſo die Leute unten find je nach ihrer Richtung mit uns und ſpeziell mit mir ſchadenfroh zufrieden oder finden ſich bona fide in ihren Hoffnungen getäuſcht? Das erſtere namentlich habe ich auf ein Haar vorausgewußt. .. Nun, den im öffentlichen Beruf Stehenden gilt das Horaziſche laudatur ab his, culpatur ab illis mehr als jedem. Von mir aber werden die, die mich und meine Strebungen kennen und die da wiſſen, daß ich 47 Jahre alt bin, hoffentlich nicht erwartet haben, daß ich meine Abgeordnetenaufgaben darin ſetze, ohne innere Notwendigkeit ſogenannte ſchöne Reden zu halten, bloß damit es in den Kreiſen unten heiße: er hat geredet. Nisi utile est, quod facimus, stulta est gloria das Utile natürlich nicht im gemeinen Sinne genommen.“ „Ich muß mich bei allem, das auf den Tiſch des Hauſes kömmt, fragen ſo ſchrieb er um dieſelbe Zeit an Müller was nützt oder ſchadet es meinem Volke, meiner Kirche, meinem Heimatland, dem Reich und der Erſtarkung des konſtitutionellen Lebens in ihm. Mit doktrinären Redensarten wäre freilich leichter auszu⸗ kommen. In denen find die andern (die Linke) allerdings ſtark.“

So kehrte er im Juli 1865 nach Agnetheln zurück. Die nächſten politiſchen Ereigniſſe mußten ihn tief angreifen. Was ſich nun raſch vollzog, das war eine gründliche „Umkehr“. Das Miniſterium Beleredi⸗ Maylath räumte in kurzer Zeit nicht bloß mit den Grundſätzen, ſondern auch den Taten der vergangenen Jahre ſo auf wie der Winterſturm mit den grünen Blättern. Es war offenkundig, daß das neue Syſtem auf den Dualismus ausging. Am 1. September ſchon wurde der Hermann ſtädter Landtag aufgelöſt, die ſchon ſanktionierten Geſetze wurden außer Kraft geſetzt, das Gubernium wurde nach Klauſenburg verlegt und ein neuer Landtag auf den 19. November dorthin ausgeſchrieben, deſſen einziger Gegenſtand die neuerliche Beratung, die Reviſion des Unions— geſetzes von 1848 war. Am 20. September 1865 hatte die Regierung die „freie Bahn“ verkündigt, welche „mit Beachtung des legitimen Rechts zur Verſtändigung führen“ ſollte und die Reichsverfaſſung ſiſtiert. Es

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war klar, daß damit Siebenbürgen Ungarn überliefert wurde, um 0 klarer bei der Zuſammenſetzung des Klauſenburger Landtags. Sie fol auf Grund der 1791 Landtagsgeſetze geſchehen. Da dieſe aber nur ? drei Stände des Adels, der Szekler und der Sachſen kannten und nach dieſer Zuſammenſetzung die Rumänen leer ausgegangen wären, jo mußte man doch willkürlich daran ändern; die „legale Baſis“, deren Fehlen dem Hermannſtädter Landtag zum Vorwurf gemacht wurde, war auch hier ebenſowenig vorhanden. Die Abſicht, den Magyaren von vorne⸗ herein die Mehrheit zu ſichern, trat klar zutage. Unter den 190 tönig⸗ lichen Regaliſten (dazu auch das Gubernium, die königliche Tafel, die Obergeſpäne gerechnet) befanden ſich 20 Sachſen. Den 190 Regaliſten ſtanden 108 Deputierte entgegen, darunter 30 Sachſen.

Auch Teutſch war wieder unter den Regaliſten. Doch ging er nicht nach Klauſenburg. In einem Schreiben vom 17. November 1865 an den Landtagskommiſſär Graf Crenneville entſchuldigte er ſein Aus⸗ bleiben mit Amtsgeſchäften. Wohl fielen auch fie in die Wagſchale. Aber mehr wog die Rückſicht, daß es ihm wünſchenswert vorkam, es ſollten ſich in dieſer politiſchen Aktion nicht Männer der Kirche in die erſte Reihe ſtellen. Er ſah damals trübe in die Zukunft. „Man darf ſich nicht täuſchen ſchrieb er 11. Oktober 1865 an Müller es kann gar longae litis processus werden. Je mäßiger in Worten die Ungarn ſind, deſto ſchlimmer für uns. Iſt doch ein Teil der deutſchen Preſſe über den milden Eötvös geradezu entzückt. Und wenn dieſe ſo klug und ſelbſtbeherrſchend find, eine gemeinſame parlamentariſche Behandlung gemeinſamer Angelegenheiten, wenn auch nur in den engſten Schranken zuzugeben und dazu den deutſchen „Liberalen“ zu einem engeren Reichs- rat“ zu helfen, wo die Herrn Giskra und Herbſt wieder weiterhin als von Prag und Brünn aus leuchten können, ſo ſind jene imſtande, unter Lachen und Singen jede Union der ‚ungarijchen Kronländer“ zuzugeben und ſich ihrer deutſchen Gerechtigkeit männiglich zu rühmen und zu freuen ... Wir müſſen ſehr ernſt, ſehr beſonnen ſein, möglichſt Spaltung unter uns vermeiden und verſuchen, wenigſtens die Ehre zu retten.“

Aber gerade die Spaltung unter den Sachſen trat mit der politiſchen Wendung immer ſtärker hervor. In Kronſtadt bildete der Schützenverein den Kern für die immer mehr um ſich greifende jungſächſiſche Partei, die auch Reps in ihre Arme zog, in Schäßburg bekam fie die Herrſchaft in die Hand, in Hermannſtadt fing ſie an, eine größere Anzahl von Anhängern zu finden. Die verſchiedenſten Gründe halfen, die Partei zu ſtärken und bald loderte der offene Krieg über die Frage Union mit

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Ungarn oder Reichsgedanke überall auf. Komes Konrad Schmidt legte in einem ausführlichen Memorandum an den Kaiſer die Bedenken und Gefahren des neuen Kurſes dar, die Nationsuniverſität, die im November 1865 zuſammentrat auch Teutſch war gegen feinen Wunſch Mit glied richtete eine Repräſentation an den Kaiſer, in der die Zuſammen⸗ ſetzug des Klauſenburger Landtags kritiſiert, die von der Regierung bisher gebilligte Haltung der Sachſen als im Einverſtändnis mit den Zielen der Regierung dargelegt und ausgeführt wurde, daß die endgültige Regelung der engern Verbindung Siebenbürgens mit Ungarn nicht zuläſſig ſei, bis nicht die Frage der ftaatsrechtlichen Stellung des Königreichs Ungarn zur Geſamtmonarchie eine befriedigende Löſung gefunden habe. Die ſächſiſche Nation müſſe die feſte Gewährleiſtung für ihren Beſtand, und die Wirkſamkeit ihrer Munizipalverfaſſung, das Komeswahlrecht, die Autonomie in ihren Innerangelegenheiten verlangen. Als Vorbe⸗ dingung der Union ſtellte ſie den Grundſatz auf, daß deren tatſächliche Durchführung nur dann begonnen würde, wenn ein gegenſeitiges Überein- kommen zwiſchen Ungarn und Siebenbürgen in Form eines Geſetzes, unter der Sanktion der Krone, die Verhältniſſe endgültig geordnet habe.

Inzwiſchen war die Sache ſchon in ein Stadium getreten, wo rechtshiſtoriſche Erklärungen und Berufung auf etwas, was nach 1848 geſchehen war, nichts mehr galten. Der Klauſenburger Landtag hatte beſchloſſen, da dem Unionsartikel die volle Geſetzlichkeit zukomme, dem- nach ein ſiebenbürgiſcher Landtag nicht mehr exiſtiere, fo könne er fi) auf feine Reviſion einlaffen. Dagegen wurde die Krone gebeten, die Abgeordneten Siebenbürgens auf den ungariſchen Reichstag zu rufen, der allein befugt ſei, in dieſer Frage die endgültigen Geſetze zu geben.

Die ſächſiſchen Vertreter auf dem Klauſenburger Landtag waren wieder einmal geteilter Meinung. Sechs von ihnen ſahen die Union von 1848 als rechtskräftig an, verlangten aber, es ſolle der Landtag die „Wünſche, Forderungen und Bedingungen der Sachſen“ zur eigenen Sache machen und dem Peſter Reichstag „zur Berückſichtigung“ em⸗ pfehlen. Zu dieſen rechneten ſie: die Aufrechterhaltung der ſächſiſchen Munizipalverfaſſung, einſchließlich des Wirkungskreiſes der Nations- univerſität, die Unantaſtbarkeit des Territoriums, die Belaſſung der deutſchen Amtssprache bei allen ihren Behörden ſowohl im Innern als nach außen, volle Gleichberechtigung, Freiheit und Autonomie der ev. Kirche und Schule wie der anderen Konfeſſionen, die Unantaſt⸗ barkeit des ſächſiſchen Nationalvermögens, die Anerkennung des Zehntens, der abgelöſt worden war, als einer Grundlaſt.

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Der Vergleich mit 1848 fällt von ſelbſt ein. Damals hatten die Sachſen ganz dieſelben „Wünſche, Forderungen und Bedingungen“ durch den Landtag dem ungariſchen Reichstag vorlegen laſſen und keine einzige war auch nur beachtet worden. Wenn jetzt wieder das Gleiche geſchah?

Dieſe Erfahrungen, die Kenntnis des magyarifchen Volkscharakters und die Anſchauung über die Rechtsfrage beſtimmten die ſächſiſche Majorität, deren Führer J. Gull, Jakob Rannicher und G. Kapp waren, in einer Sondermeinung ihre Anſchauung darzulegen: weil der Unions artikel niemals volle Legalität erlangt, weil er keine Rückſicht auf das Leopoldiniſche Diplom nehme, die pragmatiſche Sanktion in feiner Aus⸗ führung tatſächlich gefährde, weil die Mehrzahl der Bewohner Sieben- bürgens darin ernſte Gefahren für die Bewahrung und Pflege ihrer Nation, Sprache und Religion erblicke, weil ein auf dem ſiebenbürgiſchen Landtag zuſtande gekommenes Geſetz nur auf einem ſolchen Landtag abgeändert werden könne, verlangten ſie die Bedingungen der Union durch einen Staatsvertrag zwiſchen Ungarn und Siebenbürgen feſt⸗ geſtellt und verbürgt. Darüber beſtand alſo kein Meinungsunterſchied, was als Vorbedingung für den Beſtand des ſächſiſchen Volkes anzuſehen ſei, nur darüber, wie dieſer zu ſichern ſei.

Teutſch ſtand mit ſeinen Anſchauungen ganz auf dem Boden der ſächſiſchen Mehrheit, die in der Sondermeinung Ausdruck gefunden hatte.

Die Krone „geſtattete“ wie es in der Erledigung der Repräſen⸗ tation des ſiebenbürgiſchen Landtags vom 25. Dezember 1865 hieß die Beſchickung des ungariſchen Reichstags von Siebenbürgen, zunächſt allerdings mit der ausdrücklichen Erklärung, daß hiedurch die Rechts- beſtändigkeit der bisher erlaſſenen Geſetze keineswegs erſchüttert werde und machte die definitive Union „von der gehörigen Berückſichtigung der ſpeziellen Landesintereſſen Siebenbürgens und von der Gewähr⸗ leiftung der Rechtsanſprüche der verſchiedenen Nationalitäten und Kon⸗ feſſionen, von der zweckmäßigen Regelung der adminiſtrativen Fragen dieſes Landes abhängig“.

Auch ſonſt hielt man es für nötig, die Sachſen zu beruhigen. Beim Schluß des Klauſenburger Landtags am 9. Januar 1866 erklärte der Ständepräſident Baron Kemeny: „es dürfte kaum ein nüchtern urteilender Bürger in unſerem Vaterland ſein, in deſſen Sinn es gelegen wäre, die Inſtitutionen, welche ſich aus den eigentümlichen Verhältniſſen Siebenbürgens entwickelt haben, die Vereinigung nicht behindern und welche ſeit mehr als drei Jahrhunderten mit unſeren altehrwürdigen Gebräuchen in unſer Fleiſch und Blut übergegangen ſind, mit einem

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Male zu vernichten oder die mit der Vereinigung beider Länder ver— einbarlichen Wünſche der verſchiedenen Nationen unſeres Vaterlandes nicht zu erfüllen ... Wenn die ſächſiſche Nation dieſes erwägt, ſo kann ſie für ſich keinen Nachteil darin erblicken, wenn fie ſich unter den un- mittelbaren Schutz der ungariſchen Krone begibt und wenn ſie ihre Stellung nüchtern ins Auge faſt, jo kann ſie auch keine Urſache zu Beſorgniſſen haben, denn ihr Munizipium bleibt auch bei der Union intakt; ja dadurch, daß ihr Recht von ganz Ungarn geſtützt wird, wird ſie jene glänzende Epoche ſich erneuern ſehen, welche in die Zeit vor der Trennung unter den ungariſchen Königen fällt, aus welcher Zeit ihre ſchönſten Privilegien und die feſten Grundlagen ihres bürgerlichen Wohlſtandes herrühren.“

Die Freunde der Union konnten auch auf etwas anderes noch hinweiſen als geeignet zur Beruhigung, auf die Grundſätze, die der ungariſche Reichstag 1860/61 und 1865 gerade auch in bezug auf die nationalen Verhältniſſe ausgeſprochen hatte. Die Adreſſe des Reichstags an den Kaiſer vom 8. Auguſt 1861 ſagte ausdrücklich: „Wir werden nicht vergeſſen, daß Ungarns Bewohner nicht magyariſcher Zunge eben⸗ falls Ungarns Bürger ſind und wollen durch ein Geſetz alles das garan— tieren, was in dieſem Teile ihr und des Vaterlandes Intereſſe fordert.“ Ahnlich hatten die Reden der Wortführer in dem Reichstag geklungen. „Wer möchte die Superiorität der magyariſchen Nation auf die Ver⸗ nichtung der berechtigten Forderungen anderer Nationen begründen?“ hatte Baron Ebtvös gefragt. „Unſere Sache iſt eins mit den Fort⸗ ſchrittsbeſtrebungen aller Völker der Monarchie, eins mit der Sache jener Nationalitäten, die die Monarchie in ihren Grenzen bewohnen.“ Koloman Tiſza hatte verſprochen: „daß wir die Abſicht hegen, allen Nationalitäten auf Grund der Gleichberechtigung alles zu gewähren, was mit der Integrität des Vaterlandes nicht im Widerſpruch ſteht; wir wollen, daß ſowie es in unſerem Vaterland keine privilegierte Klaſſe gibt, jedermann auch gleich ſei, damit jeder das Vaterland in gleichem Maß lieben könne, weshalb wir von unſeren Geſetzen alles zu ſtreichen wünſchen, was mit der Gleichberechtigung in Widerſpruch iſt. . Man möge Sorge tragen, daß jedem die Möglichkeit an die Hand gegeben werde, ſeine Kinder in eigener nationaler Richtung erziehen zu laſſen.“ Der ſpätere Kultusminiſter A. v. Trefort redete vom Reich Hungaria, „das gegen die verſchiedenen Nationalitäten gerecht zu ſein verſteht“ und ſtellte in ſichere Ausſicht, „daß die Serben, Rumänen, Deutſchen, Slawen und Ruthenen ihre Munizipalangelegenheiten in ihrer Sprache

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führen mögen, in den Schulen die Sprache gebrauchen mögen, di ſie wollen“. *

Das alles hinderte nicht, daß die ſächſiſche Majorität, di Sondermeinung unter Rannichers Führung in Klauſenburg be hatte, Teutſchs Geſinnungsgenoſſen, der durch Kenntnis der Geſchichte und Perſonen befeftigten Überzeugung war, die Durchführung der Union berge ſchwerſte Gefahren für ihr Volk in ſich und gegebenenfalls würden ſich alle Zuſicherungen als leere Worte herausſtellen. j

In der Tat ſtanden fie vor der ſchweren Frage, angefichts der Berufung zum Peſter Reichstag und der ausgeſchriebenen Wahlen, was zu tun ſei? Das natürlichſte wäre geweſen, nicht zu wählen und paſſiven Widerſtand der neuen Entwicklung entgegenzuſtellen, von der ſie alle mit einander überzeugt waren, ſie ſei ein kurzer Übergang und habe keine lange Dauer. Es iſt dieſer Weg in der Tat ernſt erwogen worden. Sie betraten ihn nicht, weil angeſichts der zunehmenden Spaltung ſicher war, daß überall Minoritäten wählen würden und dann hätte man doch eine Vertretung gehabt und gerade Leute, die man nicht brauchte. So ſind denn die Wahlen in allen ſächſiſchen Kreiſen vollzogen worden, allerdings mit der Rechtsverwahrung, es dürfe die Beſchickung des Reichstags nicht als Beginn des Unionsvollzugs aufgefaßt werden, ſie proteſtierten gegen jede Schädigung der Selbſtändigkeit Siebenbürgens, der Rechtsſtellung der einzelnen Nationen und Kirchen, welche etwa der Peſter Reichstag ſchaffe und verlangten nochmals, die Union jei durch einen Staatsvertrag zu regeln.

Im Februar 1866 trat die ſächſiſche Nationsuniverſität zuſammen; Teutſch war auch in ſie gewählt worden und kam in den Ausſchuß, der in dieſer Lebensfrage der Nation nochmals eine Außerung ausarbeiten ſollte. Die von der Univerſität am 3. März 1866 beſchloſſene Reprä⸗ ſentation an den Kaiſer rührt von Teutſch her. Sie führt mit großem hiſtoriſchem Apparat und von erſchütterndem Ernſt getragen die ſtaats⸗ rechtliche Entwicklung Siebenbürgens vor, um zu zeigen, daß die geſtattete Beſchickung des ungariſchen Reichstags eine Ungeſetzlichkeit ſei und im Widerſpruch ſtehe mit allen bisherigen Außerungen der Krone. Sie gipfelte in der Verwahrung gegen jeden Beſchluß, der das Rechtsgebiet der Univerſität oder ihre ſtaatsrechtliche Stellung berühre oder ſchädige. “) Zugleich wählte die Univerſität eine Deputation, beſtehend aus J. Gull und Teutſch, zur Überreichung der Repräſentation an den Kaiſer. Es war ein Zeichen der völlig veränderten Lage, daß die Abſendung der

9) S. Anhang Nr. 2.

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Deputation, zu der erſt die Genehmigung bei Hof nachgeſucht werden mußte, nicht geſtattet wurde und die Beſchlüſſe der Univerſität ſowohl aus dem November als aus dem März als unberechtigt aufgehoben und zurückgewieſen wurden. Eine Begründung fehlt, iſt auch unmöglich, da nach dem damaligen Staatsrecht der Nationsuniverſität das Recht zuſtand, in dieſen Fragen Beſchlüſſe zu faſſen; das Recht iſt ihr bis 1866 auch nie beſtritten worden.

Der Schenker Stuhl wählte Teutſch in den ungariſchen Reichstag. Und nun zeigte ſich, wie die Macht der Verhältniſſe größer war als die der Menſchen. Die bedeutenderen ſächſiſchen Abgeordneten wollten anfangs nicht in den Reichstag eintreten, dann ſich nicht an den Verhandlungen beteiligen; zum einen und zum andern zwang die Entwicklung. Teutſch ſelbſt ging im November 1866 nach Peſt. Dort wohnte er mit Zimmermann zuſammen, „ein Leben doppelten geiſtigen Genuſſes;“ aber die po⸗ litichen Sorgen und Gefahren wurden immer größer. Der Krieg im Sommer 1866 hatte in Wien den Gedanken des Dualismus völlig reifen laſſen, Beuſt führte ihn durch und die Krönung im Juni 1867 beſiegelte das neue ſtaatsrechtliche Verhältnis Oſterreichs und Ungarns. Bei der Krönung in Peſt war er auch anweſend, mit zwei anderen ſächſiſchen Deputierten die einzigen in Frack, weißer Krawatte und hohem Hut, ſie galten als „deutſche Kleidungsſtücke“ und waren verpönt; die Zylinder mußte man von Wien bringen laſſen.

Damit war die große ftaatsrechtliche Frage entſchieden. Teutſch und feine Geſinnungsgenoſſen hatten mit allen ehrlichen Mitteln gegen den Dualismus gekämpft, in dem ſie eine Schwächung des Staates und die größte Gefahr für die Sachſen erblickten. Nun, da die Sache ent- ſchieden war, ſtellten ſie ſich ehrlich, wie es deutſchem Weſen eigen iſt, auf den Boden des neuen Rechtes und ſahen ihre Aufgabe darin, in den leitenden Kreiſen der Anſchauung Geltung zu verſchaffen, daß das ſächſiſche Volk als eigenberechtigte deutſche Volksindividualität hier nicht nur keine Gefahr für Ungarn in ſich ſchließe, ſondern daß es gerade eine Stütze des Staates zu ſein berufen ſei und wie die Sachſen vor Mohatſch „ein befonderer Zweig der ungarifchen Krone“ geweſen, deren Schirm hier an den Grenzen, ſo ſei die alte Aufgabe auch unter neuen Verhältniſſen dieſelbe. Dabei ließen ſie nicht ab zu mahnen, daß nun in Taten umgeſetzt werde, was die leitenden Politiker Ungarns ſeit 1860 immer verſprochen hatten: gerecht zu ſein gegen die Nationalitäten in Ungarn. Einer größeren Wirksamkeit Teulſchs im Reichstag ſtand ſchon feine ungenügende Beherrſchung der magyarijchen Sprache im Wege, die

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er nie ſich in dem Umfang anzueignen Gelegenheit gehabt hatte, um fi im Parlament frei ſprechen zu können. Er behielt das Mandat Abgeordneter bis Ende 1868 und war in kürzeren Zeiträumen anweſend. Es begann dort ſofort der Kampf um die Lebensbeding des ſächſiſchen Volkes.

Dieſer Kampf ſelbſt fand das Volk noch immer geteilt. „Unioniſten“ (die Jungſachſen, wie ſie genannt wurden) vergaßen, 5 ſie auf dem Klauſenburger Landtag eine ganze Reihe von Forderungen und Wünſchen für den Beſtand des ſächſiſchen Volkes als notwendig angeſehen hatten und ließen bald eine nach der anderen fallen. Ja ein Teil war unter dem Aufgebot liberaler Phraſen bereit, jeden Streich gegen ſächſiſches Recht gutzuheißen und mitzuhelfen, daß er verletzend geführt werde. Die leitenden ungariſchen Staatsmänner kannten Sieben⸗ bürgen nicht genau, ließen ſich von den ſiebenbürgiſchen Adligen, den alten Feinden der Sachſen oder von den Jungſachſen beraten, und die Folge war, daß ſofort der Sturmlauf gegen die ſüchſiſche Ver⸗ faſſung, gegen das durch Geſetz und Recht gewährleiſtete Eigenleben, gegen die deutſche Kultur der Sachſen begann, ein harter Kampf, mark⸗ verzehrend, erſchütternd und ſchwer gerade für die Führer. Dabei rührten die Jungſachſen nicht nur an wirkliche Schäden im Volksleben, die zweifellos vorhanden waren das alte patriarchaliſche Regiment in den Stühlen und Magiſtraten war vielfach nichts wert, ſondern richteten den Sturm gegen manches, was bisher als Heiligtum gegolten. Ja mehr noch, der Kampf wurde allmählich ein durchaus perſönlicher, der den Gegner mit Haß und Verleumdung verfolgte und kaum jemand entging ihnen, am wenigſten Teutſch. Es hat ihn oft tief geſchmerzt, beſonders daß der Kampf am heftigſten und perſönlichſten gerade in Schäßburg tobte, wo die böſeſten Worte gerade gegen ihn fielen. Auch ſonſt, meinte er, habe das ſächſiſche Volk ſchon böſe Zeiten überſtanden, aber immer ſei Einſicht in die Vergangenheit und Pietät vor ihr zu finden geweſen; von beiden fand er bei dem Gegner nicht die Spur. So konnte er, dem ſolches ſeiner Natur nach ganz fern lag, zuweilen den Schmerz empfinden, den er in die Worte faßte: „Das iſt das Tiefſchmerzliche, daß man allmählich die Menſchen erbarmen oder ver— achten lernt, während man ſie doch ſo gern achten und lieben möchte.“

Im Sommer 1867 erfüllten ſich 25 Jahre, daß er im Dienſt der Kirche und Schule ſtand. Damals ſchrieb er an J. Haltrich, der ihm zu dem Tage das Heftchen „Zur Kulturgeſchichte der Siebenbürger Sachſen“ gewidmet hatte: „Mitten unter den Kämpfen und Sorgen der

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ſchweren Gegenwart habe ich des Tages gedacht, dem Du in Deiner ſchönen Gabe ein bleibendes Erinnerungsmal geſetzt haſt. Neulich, mit dem lieben Freunde, bei dem ich wohne, am Ufer der Donau hinwandelnd, ſprachen wir davon; welch eine Reihe von Bildern ging an der Seele vorüber! Und wie fühlte ich und wie innig den Dank gegen Gott und nicht am wenigſten dafür, daß er mich des unausſprechlichen Segens gewürdigt hat, jene Lebensbahn in der Mitte und an der Seite der Beſten meiner Zeit und meines Volkes zurückzulegen. Was Ihr, Du und Müller, mir dabei geweſen ſeid, ſeit das Jahr der Umwälzung uns raſch zuſammenführte und das gemeinſchaftliche Friedenswerk der Schule und das gemeinſchaftliche Ringen für die höheren Güter des Lebens von da an immer inniger verband, trage ich tief in treuem Herzen. Gott ſegne Euch für Euere Liebe und Freundſchaft und laſſe uns und unſere Häuſer uns bleiben, was wir waren. Mir aber wolle er gnädig den Geiſt friſch und das Herz frei erhalten und die Meinen wohl; dann will ich verſuchen, in dem Gliede fortzugehen, impavidus et si fractus illabatur orbis, in das eine höhere Hand mich geftellt hat.“

In dieſem Sinn iſt er „im Glied“ geſtanden auch als Pfarrer in Agnetheln.

10. Pfarrer und Dechant.

Die Überſiedlung von Schäßburg nach Agnetheln fand am 25. Juni 1863, nach der Präſentation am 9. Juni, ſtatt, mit dem Pomp, der als ein Nachklang an alte Zeiten und Sitten unter uns bei ſolcher Gelegenheit Brauch iſt. Im ſechsſpännigen Wagen der neue Pfarrer mit den Kirchenvätern, im vierſpännigen die Familie, von Freunden und Bekannten durch die Stadt begleitet, hier nun zugleich von der ganzen Schule, die ganze Bevölkerung auf der Gaſſe und in den Fenſtern; das alles machte dem Haus den Abſchied nur ſchwerer. In Trappold, beim Schwager W. Berwerth auf dem alten Pfarrhof war Mittagsraſt, dann gings hinüber ins Harbachtal. In den durchziehenden Gemeinden freundlicher Willkommgruß, in Agnetheln Empfang an der Hattertgrenze von zahlreichen Wagen und der berittenen Bruderſchaft, im Ort von den Zünften mit ihren Fahnen, von Alt und Jung, die ganze Gemeinde auf den Füßen und alles ſtrömte dem Pfarrhof zu. Nach wiederholter freundlicher Rede und Gegenrede war man endlich wieder „zu Hauſe“. Aber freilich, noch fehlte gar vieles zum Heimatsgefühl. In den Zimmern ſtanden die gepackten Truhen und Kiſten, erſt allmählich kam Ordnung in die Wüſtenei und mit der Ordnung zog auch das Behagen ein, be⸗

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ſonders angeſichts all der Liebe und Freundlichkeit, die dem neuer haus von allen Seiten entgegenkam.

Der Pfarrhof war vor dem Einzug wohnlich hergerichtet Zu den drei Zimmern, die er beſaß, war als viertes größtes die eh große Küche gekommen, ein anderer Raum mit beſonderem Eingang Küche umgeſtaltet worden. Wer aus dem Ort auf den Pfarrhof mußte durch einen großen Hof, deſſen eine Seite die Ställe, die die Scheune einnahmen, am Schwengelbrunnen vorbei, dann umb um das Haus durch einen kleinen Hof, um von rückwärts in das ſelbſt einzutreten. Im kleineren Hof wurde ſchöner Raſen gezogen, erhob ſich darin eine Sommerküche, die unvermeidliche Zugabe 5 ſächſiſchen Pfarrhofes, ein neuer „Frieden“ grenzte ihn gegen den großen Hof und Garten ab. Auf einigen Stufen, an deren Seiten im Sommer rotblühende Oleander dufteten, deren Sorge den heranwachſenden Töchtern anvertraut war, ſtieg man in ein großes Vorhaus, von wo die Treppe zum Aufboden führte. Rechts vom Vorhaus war des Pfarrers Arbeitszimmer, aus dem er in den Hof und Garten ſehen konnte, links das Wohnzimmer der Familie, anfangs zugleich Schlafzimmer für alle. Auch das alte Klavier fand noch Platz darin, bis ein neues von Wien im Zimmer gegen die Gaſſe aufgeſtellt wurde, das bei den heran⸗ wachſenden Kindern, beſonders in den Ferien, nun auch als Schlaf- und Wohnzimmer, hie und da als Gaſtzimmer benützt wurde. Das „blaue Zimmer“ an der Ecke gegen die Gaſſe war das beſſere (Beſuchs-) Zimmer, immer noch ſehr beſcheiden ausgeſtattet, aber das Beſte des Hauſes ſtand dort. Die Wohnung war nicht groß, aber freundlich und lag in gar freundlicher Umgebung. Vor dem Hauſe blühten im kleinen Garten, der gegen die Gaſſe mit einer durchbrochenen Mauer verſehen wurde und über die Breite des Hauſes hinüber erweitert wurde, die alten ſächſiſchen Lieblingsblumen Nelke und Roſe und Levkoi; die rotblühenden Akazien am Brunnen, der auch dort war, wurden im Frühjahr von allen bewundert. Der Stolz des Pfarrhofes aber war der große Garten, der hinter dem Pfarrhof ſich den Berg hinaufzog, hinter Scheune und Stall ſich ausdehnte und Platz für alles bot. Die Pfarrerin zog dort treffliches Gemüſe, die Kinder fanden ganze Büſche von Himbeeren, Johannis- und Stachelbeeren, ſelbſt Schwämme wuchſen an ſchattiger Stelle, der Pfarrer konnte die beſten Apfel- und Birnenſorten pflanzen, in einem Jahr 60 Stück in friſchgeſtürztem Boden, auf die Schnur und im Viereck, daß es nach allen Seiten gerade Wege gab. Die vorhandenen Wege wurden alle erweitert, eine beſondere Freude war dem ganzen

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Haus die immerblühende Roſe, die noch der November voll mit Knoſpen fand. Unter den Weichſelbäumen war ein ſchattiges Plätzchen, wo ſich fo gut ſitzen und leſen und arbeiten ließ, weiter oben im Garten ſtand ein alter Eichbaum mit weitem Ausblick, nicht zu ſchwierig zu erklettern und für die Kinder verlockend, darunter auch tiefer Schatten, wo der Pfarrer mit dem älteren Knaben zuerſt Schillers Dramen las. Nicht weit davon ein Platz mit dreifachem Echo, dann hinter dem Garten auf dem Berge oben ein wunderbarer Blick auf die ſüdliche Karpathen- fette, im Frühling und Herbſt mit der glänzenden Schneekrone ein immer neuer, immer tiefer Eindruck. Und dazu nun all das, was damals mehr als heute zum Pfarrhof gehörte: die Schweine und das Hühner— volt und Büffel und Pferde, die Arbeiter, die im Mondſchein im freien tafelten, wenn fie von der Arbeit auf dem Felde heimkehrten, das neue Leben des Dorfes mit ſeinen neuen Sorgen, ſeinen neuen Eindrücken, mit dem tieferen Blick in das Herz des Volkes. Der Pfarrhof war, wie der richtige evangeliſche und ſächſiſche Pfarrhof es auch heute iſt, Mittelpunkt der Gemeinde, der Sorge und der Freude auch des einzelnen in der Gemeinde. Bald war das neue Leben bemerkbar, das vom Pfarrhof ausging. Zunächſt in der Schule. Die Schule umfaßte eine vierklaſſige Knaben- und zweiklaſſige Mädchenſchule, überfüllte Klaſſen in un⸗ zulänglichen Räumen und von den ſechs Lehrern hatten vier keine fachliche Vorbildung. Es wurde ſofort ein neuer Schulbau und eine Reorgani— ſation ins Auge gefaßt. An Stelle der alten Umfaſſungsmauer der Kirche ſollte das neue Gebäude treten, für das 1867 der Grundſtein gelegt wurde, daran ſollte der Schulgarten angelegt werden, den der Nachfolger (Fr. Fronius) in muſtergültiger Weiſe ſpäter tatſächlich mit der nur ihm in ſolcher Weiſe eigenen Kenntnis und dem Schönheitsſinn des Aſthetikers anlegte. Jetzt fuhren die Jungen allerdings den Berg hinunter im Winter noch fröhlich Schlitten. Eine Hauptvolksſchule mit einem akademiſchen Rektor, mit vereinigten Geſchlechtern, zog in das neue Haus ein und erzog ein neues Geſchlecht.

Auch das damals lebende war aller Ehren wert. Das Haupt⸗ verdienſt hatten die Männer, die an der Spitze ſtanden, an denen Teutſch trefflichſte Helfer und Mitarbeiter fand, verftändige, tüchtige, treue Leute. Kurator der Kirchengemeinde war Johann Fabritius, eine Autorität in der Gemeinde, damals ſchon krank; er war der erſte, dem der neue Pfarrer das heilige Abendmahl reichte und den er begrub. An ſeine Stelle wurde Martin Breckner geſetzt, ein hagerer großer Mann mit einem Wiſſen wie nicht viele ſeines Standes beſaßen, der das Wort

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vorzüglich handhabte, milde in ſeinem Weſen aber doch entſc es galt, das Gute zu fördern. Dann die große Familie der an deren Spitze damals der ältere Kirchenvater Joh. Hager, ein in den tiefen Sechzigern, ſtand, wohlhabend, voll Energie und ſchloſſenheit. Auch im weltlichen Amt an der Spitze der Gemeinde Beſten, M. Breckner, Lutſch, Rehner u. A., die im Einverſtändnis der Kirche das Gute zu fördern beftrebt waren. Das Haus des Ap Knall und Dr. Binder, deſſen Schwiegereltern (Breckner) und noch lange Reihe anderer traten ſofort in freundſchaftliche Beziehungen zum neuen Pfarrhof und empfanden das friſche Leben, das von da ausgin Der Gedanke eines Neubaues der Schule wurde ſofort freudig genommen. Die Mitglieder der Gemeinde ſchätzten ſich ſelber ein ſetzten Klaſſen feſt, nach denen eine Umlage eingehoben wurde, von 5 fl. bis zu 12 fl. der Wirt, dazu die gewöhnlichen Spanndienſte (es wurden 1389 Fuhren). Als beim ſpäter begonnenen Bau einmal kein Sand für den Mörtel da war, ſchickte der Pfarrer den eigenen Wagen und in wenig Augenblicken fuhr ein Dutzend hinaus, das Vermißte zu holen. Es wurde ein Vorſchußverein gegründet, eine Liedertafel ins Leben gerufen, Teutſch kaufte in die eigene Wirtſchaft die erſte Häckſelſchneid-⸗ maſchine, dachte daran, im Stuhl eine Muſterwirtſchaft zu gründen und konnte für Agnetheln die freie Benützung eines Salzbrunnens auf dem Hattert bei der Regierung erlangen, die dieſes wertvolle Recht damals auch anderen Gemeinden zugeſtand. Im Winter wurden Leſeabende für Männer und Frauen veranſtaltet, in denen er den aufhorchenden Zuhörern vaterländiſche Geſchichte erzählte, für ihn ſelbſt auch eine Erhebung. Eine Schwimmſchule wurde im Sommer eingerichtet und ſofort viel benützt, wobei die Badenden die von Dr. Binder in fließenden Diſtichen verfaßten Baderegeln nicht immer beachteten.

Es geht aus alle dem hervor, wie ſehr das Pfarramt auch in Agnetheln, damals einer Marktgemeinde von 2203 Seelen, im Mittel⸗ punkt des Lebens ſtand. Dieſes hatte noch viel dörflichen Charakter an ſich. Die Leute waren Bauern, Männer und Frauen unaufhörlich fleißig. Viele trieben daneben auch ein kleines Gewerbe, das ſeit Jahrhunderten dort heimiſch war; der alte Gegenſatz zum Vorort des Stuhles, Groß⸗ Schenk, hatte eine ſeiner Urſachen in alten Handwerks- und Zunftſtreitig⸗ keiten. Die Agnethler Schuſter waren auf allen Jahrmärkten des Landes zu finden. Es war ein unternehmungsluſtiger friſcher Menſchenſchlag, rührig und ſelbſtbewußt, auch die Frauen tätig und neuen Gedanken zugänglich. Noch gehörte das Spinnen in jedem Haus zur Winter⸗

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beſchäftigung. Den Hanf und den Flachs bereiteten die Hausfrauen ſich ſelber und in den hellen Mondnächten des Sommers klang das Klappern der einfachen Holzmaſchine, mit der ſie den geröſteten Hanf und Flachs „brachen“, bis zum frühen Morgen durch die ganze Gemeinde. Die Ordnung der Bruder- und Schweſterſchaften, die Nachbarſchaften und Zunftordnungen ſtanden in Kraft und Anſehen, die alte Volkstracht in Ehren. Die Männer trugen am Sonntag die Marderhüte und den Gürtel, die Frauen die ländliche Tracht, wenn auch eben der Übergang zur Entwicklung zum Landſtädtchen begann. Am Morgen holten die Männer, nicht die Frauen, das Fleiſch aus der Fleiſchbank und brachten es auf der flachen Hand, höchſtens auf einem Papier nach Haufe. Den Speck hielten fie wie ſonſt in den Dörfern in den alten Türmen rings um die Kirche. Jedem Lehrer war einer zugewieſen. An die Treppe ſtellte er am Sonnabend einen Schulknaben mit der Schüſſel, der zum Herabkommenden ſagte: Der Herr Kantor (Rektor uff.) läßt bitten um ein Stück Speck; dann ſchnitt der Eigentümer von dem Stück, das er ſich aus dem Turm geholt, ein Stückchen und legte es in die Schüſſel. Täglich holte der Schulknabe die Coquin auf die Schule und von Zeit zu Zeit die Jahrbrote, die den Lehrern zukamen.

Das Dorfsleben mit ſeinem vielen Neuen war für die Kinder beſonders wertvoll und lehrreich. Die Mädchen begannen in Haus und Wirtſchaft ſich umzusehen, fie lernten mit der Spindel ſpinnen, die Pfarrerin ſpann ſelbſt mit dem Rädchen, der jüngſte Junge kannte alle Pferde und Büffel der ganzen Herde. Die Freundlichkeit aller gegen die Pfarrerskinder blieb allen eine liebe Erinnerung.

An den Pfarrer wurden weitgehende Anſprüche geſtellt. Man verlangte gerade in jenem Jahrzehnt, daß er auf allen Gebieten mit gutem Beiſpiel vorangehe, in Wirtſchaft und Politik. Es mag ein Zeichen dafür fein, wie ſehr hier die Kirche mit dem ganzen Volksleben verwachſen war, auch für das Vertrauen, das ihr entgegengebracht wurde, in einzelnen Fällen auch für die umfaſſende Arbeitskraft einzelner Pfarrer, im großen und ganzen doch zuletzt auch für die eigentlich religiöſe und kirchliche Arbeit ein Vorteil, beſonders bei glücklich ver- anlagten Männern, die dadurch in die Lage kamen, das ganze Leben nur um ſo mehr unter dem Geſichtspunkt des Evangeliums zu be⸗ trachten, alle Verhältniſſe auch von religiöſen Anſchauungen durch⸗ dringen zu laſſen. Das iſt bei Teutſch in hervorragendem Maß der Fall geweſen. Er war eine durchaus fromme Natur, der das Walten Gottes ebenſo in den Geſchicken der Welt, wie des eigenen Volkes und

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im eigenen Leben ſowie dem ſeines Hauſes dankbar als eine erkannte, deſſen Pflichtgefühl und Rechtsbewußſein im letzten auf ſeiner Frömmigkeit beruhte.

Zweierlei iſt von Anfang an bei ihm charakteriſtiſch, das die kirchliche Bildung auf die Höhe der weltlichen zu bringen, und höchſte Bildung zu vereinigen und dann, nicht nur in der ſondern auch im eigenen Leben zu zeigen, daß das Chriſtentus Leben ſei. Die rechte wahre Bildung mit ihren Höhen und ihren erſchien ihm auch als eine Offenbarung Gottes, die geiſte Wiſſenſchaft als ein Bote Gottes und ein Führer zu ihm. So ko fein freier Geiſt allen Lebensäußerungen Intereſſe und Vi entgegen bringen, die Sehnſucht nach dem Ewigen vereinigte ſich der Freude an der Schönheit der Welt und fand edeln Lebensge nicht nur erlaubt, ſondern ſah im Gegenteil Einſeitigkeit. Dem Hi konnte nicht verborgen bleiben, wie die unfruchtbarſten Perioden d chriſtlichen Kirche jene geweſen find, wo das Chriſtentum Glaul und Lehrſatz und nicht lebenſpendende Kraft war. Schon von dieſem Standpunkt aus mußte Teutſch zu jener Anſchauung gelangen, daß das Chriſtentum ſich in Leben umſetzen müſſe. Und wenn er nun das Chriſtentum Chriſti in der urſprünglichen Form, in der ie älteſten Schriften des Neuen Teſtamentes überliefern, mit den Mitteln der modernen Wiſſenſchaft prüfte, da fand er, daß dort gerade dieſer Gedanke immer wieder in den Vordergrund tritt. Ein hervorſtechender Zug des Chriſtentums iſt, daß es in den verſchiedenen Zeiten die entgegengeſetzteſten Bildungsmomente hat aufnehmen und verarbeiten können und daß es! nichts von ſeinem Wert und ſeinem Weſen eingebüßt hat. Das ganze Leben ſoll chriſtlicher, erſt chriſtlich werden; das iſt das Ziel der Entwicklung. Zu dieſem Ziel iſt der Leitſtern der Heiland ſelbſt; daß er der Weg und die Wahrheit und das Leben ſei, das erkannte der älter werdende Pfarrer immer mehr und ſo rückte ihm allmählich das Bild des Heilands mehr in den Vordergrund. Zu dieſem Ziel hin aber bezeichnet die Reformation den größten Schritt. Sie war ihm die Wieder⸗ herſtellerin der Geiſtes- und Gewiſſensfreiheit, die das Chriſtentum zu den reinen Quellen ſeines Urſprunges zurückgeführt, die Befreiung von Menſchenſatzungen, die das Evangelium überwuchert hatten, die neue Grundlage für die geſamte Entwicklung der Völker.

Dieſe Anſchauungen traten in ſeinen Predigten deutlich zutage. Die Predigten ſind ihm ſtets eine liebe und ernſte Arbeit geweſen. Er arbeitete jede ſchriftlich aus, ohne Abkürzung, ſauber, nahezu ohne jegliche

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Korrektur und lernte ſie auswendig. Von Predigern ſtellte er Dräſecke beſonders hoch, von dem Tholuck urteilt, daß ihm unter den erſten deutſchen Kanzelrednern eine Stelle anzuweiſen ſei. Der Zuhörer hatte die Empfindung der ungewöhnlichen Perſönlichkeit, die vor ihm ſtand, einer urſprünglichen Gewalt und Hoheit, die zu ihm redete; die Fülle der Gedanken, die Bilder, die dem Redner ungeſucht zuſtrömten, der wunderbare Schwung der Seele, die in der edeln Sprache ihren Ausdruck fand, machten ihn zum geborenen Redner. Es lag überhaupt in ſeiner Natur, auch das Alltägliche in reinere Höhen hinaufzuheben, mit dem Adel feiner Seele das zu veredeln, woran er die Hand legte. Der religiöſe Gehalt der Predigten iſt umfaſſend. Auch die Sünde findet ihre Behandlung, allerdings iſt der Glaube an die Gnade nie durch die Empfindung der Schuld verdrängt. Wer die dogmatiſche Haltung charakteriſieren wollte, tönnte vielleicht am beſten jagen: es iſt der Rationalismus der damaligen Jenaer Fakultät, es iſt ein Chriſtentum Haſes, dem er innerlich verwandt war. Von ſeiner Theologie galt überhaupt, was Haſe beim Jubelfeſt der Univerſität Jena von dieſer hohen Schule des Proteſtantismus ſagte, daß ſie die Konſequenz des Proteſtantismus gezogen, nämlich Verſöhnung der Geſchichte mit der Vernunft, der heiligen Überlieferung mit der wahrhaften Geiſtesbildung der Gegenwart, der freien Perſönlichkeit mit der chriſtlichen Gemeinſchaft. Über den Rationalismus hatte er in den fünfziger Jahren ſchon geſchrieben: „Es iſt fein Zweifel, daß es einen tadelnswerten Rationalismus gibt, jenes Prinzip, wornach nur das verſtandesmäßig zu faſſende für wahr gilt und recht hat, und nur darum, weil es ein ſcheinbar Nützliches iſt Ziel des Strebens. Daraus ſind Pfarrer hervorgegangen, welche über das Evangelium am erſten Oſtertag vom Nutzen des Frühaufſtehens gepredigt haben. Es gibt aber auch einen anderen Rationalismus, das Prinzip, welches der Vernunft, als dem dem Menſchen von Gott geſchenkten Strahl feines Geiſtes, das Recht der Prüfung einräumt in allen Verhältniſſen, die demnach auch alle hiſtoriſch in dem Menſchengeſchlecht entwickelten Formen der Religion, alſo auch die chriſtliche, nach der Forderung des Apoſtels ſelbſt der Prüfung unterwirft. Dieſer Rationalismus, das Prinzip der Geiſtes⸗ freiheit gegen die Feſſeln jeder äußeren Auktorität iſt die Mutter des Proteſtantismus und ich ſtehe nicht an Luthern, der in Worms nur Zeugniſſen der heiligen Schrift oder hellen klaren Gründen weichen wollte, der den Jakobusbrief eine ſtroherne Epiftel‘ nennen konnte, für den größten Rationaliſten zu halten. Das letzte Jahrzehnt mit ſeiner abſonderlichen Entwicklung auf dem Gebiet der Theologie hat den Namen Georg Daniel Teutich, 16

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bekanntlich in Verruf gebracht. Es gibt Modenamen und Treib pflanzen eben überall. Wenn nicht alle Zeichen trügen, bereitet eine Wandlung vor. Im übrigen verweiſe ich über Rationalismus was damit zuſammenhängt, auf Haſes Dogmatik, die ſelber der Rationalismus iſt.“

In dieſem Sinn iſt er Rationaliſt geweſen, aber wie er in de Politik über den Liberalismus vulgaris ſcharfe Worte hatte, fo in de Theologie über den verflachenden Rationalismus der alten Zeit. war das religibſe Leben Gemütsleben, das den ganzen Menſchen erfaffe und umwandeln ſolle. Darum drang er immer auf das Innerleben, aus dem, wenn es wirklich aus Gott und in Gott iſt, von ſelbſt die Früchte reifen, die das Evangelium als Frucht zum ewigen Leben bezeichnet. Dabei ift charakteriſtiſch, wie ſeine Theologie und Religion im Volksleben, in den Zeitverhältniſſen drin ſtand und das Örtliche, und Zeitliche unter dem Geſichtspunkt des Ewigen zu betrachten verftand. Es iſt eben eine Religion, die das Leben veredeln will. Ein bezeichnende Anknüpfungspunkt für den Redner war ſtets die Vergangenheit. Der Hiſtoriker mit ſeiner umfaſſenden Kenntnis der Geſchichte vor allem des eigenen Volkes zeigte, wie die Gegenwart aus der Vergangenheit erwachſen, aus dem Hinweis auf das Leben der Väter und ihr Wirken ſollte das Verſtändnis der Gegenwart Nahrung ziehen und die Be⸗ deutung des religiöſen Lebens immer aufs neue hervortreten. Das Volksleben in feinen Einzelheiten erſchien ihm unter dem religibſen Geſichtspunkt, der Faſching mit ſeinen Freuden, die alten Ordnungen der Bruder- und Schweſterſchaft, der Nachbarſchaft, der Bußtag uff, und damit hängt eng zuſammen, daß der nationale Gedanke mit dieſen Gedankenreihen verbunden iſt und immer wieder mitklingt. Daß die Schule und die höhere Bildung, die Frömmigkeit, der Ernſt und die Tiefe des religibſen Lebens, die ſittlichen Gedanken in Haus und Gemeinde es geweſen ſind, die dem ſächſiſchen Volkstum hier Dauer gegeben haben, das ſind Gedanken, die heute mit durch jene Predigten und die Arbeit Teutſchs Gemeingut geworden ſind. Der Einzelne ein Glied des nationalen und kirchlichen Ganzen, dieſem gegenüber verpflichtet, ſein Beſtes zu geben, das Bewußtſein der Pflicht gegen Volk und Kirche ein Maßſtab für den ſittlichen Wert des Menſchen, angeſichts des Ernſtes der Zeit gefteigerte Forderungen an die Opferwilligkeit des Einzelnen das ſind Töne, die ſeither in unſerem Volk und in der Kirche nicht mehr ver⸗ klungen ſind. Wie das Einzelleben anzuſchließen ſei an das Ganze, auch in die beſchränkte Enge des Einzeldaſeins große allgemeine Ideen

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hineinzuleuchten und das Herz zu erwärmen beſtimmt ſeien, das rauſchte durch alle Predigten hindurch. Er fand in der Regel Anknüpfungspunkte an den Anſchauungskreis und Willenskreis der Hörer und wenn hie und da von Freunden die Bemerkung fiel, die Predigten ſchienen ihnen zu hoch für die Zuhörer, den Genoſſen der Marktgemeinde, ſo hatte er darauf die richtige Antwort, die die Empfindung auch des Leſers ſeiner Predigten widergibt: ſie zögen den Hörer empor. Wenn der erſte Teil der einzelnen Predigt ſich häufig noch mit dem Evangelium des vergangenen Sonntags beſchäftigte, ſo entſprang dieſer Mangel in bezug auf die Einheitlichkeit der Predigt aus dem Beſtreben, den bedeutſamen inneren Zuſammenhang der Evangelien feſtzuhalten und dann dem Gedankenreichtum, der in einer Ausführung den Inhalt nicht erſchöpfte und gern noch etwas dazufügen wollte. So find dieſe Predigten mit dem ernften zeitgeſchichtlichen Hintergrund, den ewigen Gedanken des Gottesreiches ein Ausdruck unſerer geſamten Entwicklung und dabei ein neuer Faktor in ihr geworden. Auch der religiöſen Entwicklung. Denn was in den letzten Lebensjahren des Biſchofs, mit getragen von ihm, zur Überzeugung weiterer Kreiſe wurde, daß eine Vertiefung des religiöſen Lebens mithelfen müſſe, unſer Innerleben zu verjüngen, das hat der Agnethler Pfarrer ſchon in der Praxis begonnen und dabei den Boden für die neue Saat kennen gelernt, die Volksſeele, die zu den neuen Geſtaden geführt werden ſollte.

Ihm erſchien dieſe Volksſeele geſund, fähig zum Höchſten und Schönſten und jo ſchrieb er, ſolcher Eindrücke voll: „Es iſt ein Kern des Edelſten und Trefflichſten in unſerem Volke; wehe denen, die ihn zu vernichten ſuchen; Heil ihnen, die den Schatz zu heben und zum Leben zu bringen ſuchen und Lehrer und Geiſtliche ſtehen da in erſter Reihe.“ So lernte er in der eigenen Arbeit das Weſen und die Wirkſamkeit des Pfarr⸗ amts genauer kennen, es als ein „köſtlich Amt“ hochſchätzen und ſeine Bedeutung für die Erhaltung unſeres Volkes überhaupt würdigen.

Eine Vorbedingung für dieſe Wirkung ſah er allerdings darin, daß der Pfarrer ſelbſt ein Träger des Geiſtes ſei. Bildung und wiſſen⸗ schaftliche Arbeit auf irgend einem Gebiet ſchien ihm unumgänglich zu ſein, wenn der Pfarrer nicht ein Mietling werden ſollte. Sich ſelbſt auf der Höhe zu erhalten, ſorgte er geradezu ängſtlich. Die Schäßburger Freunde, Trauſchenfels von Kronſtadt ſchickten, immer wieder darum gebeten, die neuen literariſchen Erſcheinungen nach Agnetheln, darunter auch Belletriſtik, in der er auch gern ſich im Laufenden erhielt; beſonders hiſtoriſche Romane las er gern. Aber auch jeinem Bildungsgang weiter⸗

liegende Sachen, Humboldts Reiſen u. a., las er aufmerkſam mit 16*

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Auszügen daraus u. m. a., beſonders nach der ſchweren K \ der Arzt ernſtere Arbeit lange verbot. f

Bei ſolchen umfaſſenden Intereſſen empfand er freilich nichts der Enge des Landlebens. Dieſes ſpürt allerdings nur ein enger e Dem weiterſchauenden gewährt grade der ſächſiſche Pfarrhof Befriedigung. Dort hört man die Volksſeele atmen und er iſt von die Pflegeftätte innern Lebens geweſen. Allerdings bot Agnetheln geſelligem Leben Manches. Es war u. a. damals dort Uhlaneng Die Offiziere verkehrten gern auf dem Pfarrhof. Unter ihnen befand damals als Rittmeiſter, (er wurde dort Major) Anton Haizinger, Sohn der bekannten Hofſchauſpielerin in Wien, mit feiner prachtt Stimme, ſeinem Witz und feiner Lebenslust. Er iſt bis zu ſeinem 2 mit dem Haus in freundſchaftlicher Beziehung geſtanden. 5

Dabei war Agnetheln ein kleiner Mittelpunkt auch für die Umgebung, aus der nahezu alle Pfarrer auch mit dem Pfarrhaus in nähere Berührut 9 kamen. Da war in der kleinen Nachbargemeinde Zied Joſef Schullerus (1904), der jung auf die Pfarre gekommen, bei kleiner Rente und wachſender Familie ein Mann von Geiſt, tiefer Lebensauffaſſung und ſeltener Anſpruchsloſigkeit an das Leben. Er hatte Teutſch präſentiert, er kam öfter zum Beſuch, wurde dem Pfarrhaus Gevatter und Freund und war auch ſpäter ein immer gern geſehener Gaſt. In Jakobsdorf war bis 1864 Friedsmann Pfarrer, älter als Teutſch, im Bezirk durch ſein tüchtiges Wiffen, feine Gewiſſenhaftigkeit und Treue eine Autorität, Er hatte von langen Reiſen und vieljähriger Hauslehrerſchaft in hohen Häuſern moderne Sprachkenntniſſe und feine Umgangsformen mitgebracht und dem ftillen Pfarrhof einen vornehmen Anſtrich gegeben. Ihm folgte dort nach ſeinem frühen Tod W. Kauffmann, mit außerordentlich glück⸗ lichem Humor begabt, bei allen Verſammlungen der erwartete heitere Redner. In Schönberg das alte Ehepaar Bertleff, unter deſſen Schutz die Frau die lange Reiſe nach Wien 1865 machte, im nahen Mergeln J. Gottſchling, ein Mann von tiefſtem Gemütsleben, dabei von einer ſonnigen Heiterkeit, aus der eine reine Seele hell herausſah. Seine Frau, die früh ſtarb, war eine hervorragende Schönheit, voll Geiſt und Anmut und früher jahrelang auf den Bällen bei den Jahresverſamm⸗ lungen des Vereins für ſiebenbürgiſche Landeskunde die erſte Quadrill⸗ tänzerin Teutſchs. In Großſchenk ſaß auf dem alten Pfarrhof der „alte Schullerus“, der Vater eines geiſtvollen Kinderkreiſes, der mildfromme Greis, der für ſich zur Erbauung einer Wiederlegung des Straußiſchen Lebens Jeſu geſchrieben hatte, ein Mann voll Gedanken und unendlicher

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Zerſtreutheit, von der viele Schwänke im Bezirk erzählt wurden. Er hatte als Student in Jena noch die große Weimarer Zeit erlebt, unter den Fenſtern Goethes und im Schloßpark des Großherzogs ſtolz den klaſſiſchen Boden unter den Füßen gefühlt. Ringsum das Geſchlecht der Capeſius, eine ausgebreitete Freundſchaft, eng zuſammenhängend, alle von ſchöner Herzensgüte, einige davon wie der Martinsberger philoſophiſche Köpfe, der Schorſcher mit ſeinen treuen Augen, dem warmen Herzen und den geiſt- und humorvollen Töchtern, der Braller ein alter Jung geſelle, der auf dem langmähnigen Schimmel in die Kapitelsverſammlung ritt und wenn er Leſeabende mit der Gemeinde halten wollte, mit der er innig verwachſen war, eine Fahne am Turm herausſtecken ließ und zu Haufe ein Bild hinter dunkelm Vorhang wie ein heiliges Geheimnis vor profanen Augen ſchützte man erzählte ſich von einer unglücklichen Liebe. In Kleinſchenk hatte Seraphin in der verlotterten Gemeinde ein neues Leben geſchaffen, indem er in gemeinſamer Arbeit fie zuſammen⸗ faßte und ſelbſt mit dem Stock in der Hand den Beſuch des Wirts⸗ hauſes wehrte. Tapfer ſtand ihm bei dem Kulturwerk ſeine treffliche Frau zur Seite, über die er beim Hinweis auf die Erfolge in der Gemeinde lachend ſagen konnte: es würde noch weit beſſer gegangen ſein, wenn ſie Pfarrer und er Hann geweſen wäre. In Rohrbach und Seligſtadt waren die alten Kollegen von Schäßburg Mätz und Steilner, in Bekokten Eitel, ein Univerſitätsfreund Teutſchs, ihm auch durch einen wackern Sohn, der in Schäßburg die Schule beſucht hatte, bekannt. Im nahen Fogaraſch weckte und jammelte der geiftvolle G. A. Schullerus eb. ⸗ſächſiſches Leben und ſchuf die Gemeinde neu.

Dazu kam eine ſtattliche Anzahl weltlicher Männer, die in öffent⸗ lichen Angelegenheiten im Dienſt des Volkes ſtanden. Schenk war Vorort des Schenker Stuhls, einer jener kleineren Verwaltungsbezirke inmitten der ſächſiſchen Nation, die einſt ein Segen bei den veränderten Verhält- niſſen der neuen Zeit doch als zu klein empfunden wurden. Immerhin lonnten die leitenden politiſchen Beamten in dieſen kleinen Kreiſen durch wirkliche Fürſorge für die Einzelgemeinde außerordentlich viel Gutes tun. Wäre es nur überall fo geſchehen wie in Schenk. Das Regiment führte als Bürgermeiſter Schmidt, der ſeit einem Menſchenalter auf Landtagen und Univerfität feinen Mann geftellt hatte, eine energiſche Natur, die das häusliche Unglück, Krankheiten ſeiner Angehörigen, chriſtlich trug und Mut und Humor nicht verlor. Er war ein großer Jäger, dem im Frühjahr der Bote vom Gebirge die Hahnenfeder brachte als Zeichen, daß der Auerhahn balze; dann gings zu mehrtägigem Jagen

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ins Gebirg hinein. Neben ihm als Königsrichter Eitel, eine weiche Natur und nicht für ſtarke Gegenſätze geſchaffen, dann H. Häner, als Jüngling den Schleswig-Holſteiner Feldzug mitgemacht hatte nun als Mann der Feder, die er ebenſogut handhabte wie die auch der Kirche diente, indem er lange Jahre das Amt des konſiſtorialʒ⸗Aktuars verwaltete. Als Autorität auf pomologiſchem der Obſtbau ſpielte damals ſchon in Schenk eine große Rolle galt mit Recht G. Hann, der auch in ſpitzen Verſen Meiſter war, dur die er einſt Leſchkirch jo beleidigt hatte, daß er ſich nicht gei durfte, die Straße durch den Markt zu nehmen. Über der ganzen ſchaft ſchwebte der Abendſchein der verſinkenden alten Zeit, des lebens, das doch unwiderbringlich verloren war. Noch amüfierte fie fi prächtig Sommers und Winters, dort mit Ausflügen zum Baden i Alttal, hier mit Schlittenpartien, harmloſe Geſelligkeit verſchönte Leben, noch herrſchte kaum auf einem Pfarrhof wirklicher Mangel, wenn man auch mit dem Einkommen haushalten mußte, noch war die Apotheke auf dem Markt in Schenk der Mittelpunkt der Neuigkeiten und des Klatſches, noch hatte man viel Zeit zu Kartenſpiel und Jagd, aber die Beſten fühlten zugleich, daß das Leben neue Anforderungen an unſer Volk ſtellte. Ihr Verſtändnis zu mehren, die rechten Mittel zu ihrer Befriedigung finden zu helfen, dazu war nun in der Tat Teutſch der rechte Mann.

Schon im Juli 1864 wählte der Bezirk ihn zum Bezirksdechanten. Er war ein geborener Führer. Vor keiner Arbeit zurückſchreckend, wußte er allſeitig anzuregen, die rechten Leute heranzuziehen, zu erwärmen, etwas vom Schwung ſeiner Seele auch anderen mitzuteilen. So wurde denn zunächſt das Rechnungsweſen in den Kirchengemeinden geordnet, den Pfarrkonferenzen und Lehrerverſammlungen ein neuer Inhalt gegeben, die Bezirkskirchenverſammlungen ſo eingerichtet, daß eine Ahnung von evangeliſchem Geiſt auch in die Seelen der bäuerlichen Teilnehmer hinein⸗ kam. Eine Bezirkskirchenbibliothek wurde gegründet, in die nun die beften Bücher angeſchafft wurden, beſtimmt den Geiſt zu nähren und zu erhalten. Bei Präſentationen, Viſitationen und Guſtav-Adolf-Vereins⸗Verſamm⸗ lungen griff der neue Dechant ins volle Leben hinein und keine ſolcher Veranſtaltungen blieb ohne Eindruck. Er freute ſich und rühmte dankbar, daß er in den geiſtlichen und weltlichen Kreiſen ſo freundliche Aufnahme, ſo allſeitige Unterſtützung fand.

Der Pfarrhof von Agnetheln aber zog nun die Freunde nicht weniger an als einſt das Schäßburger Rektorhaus. Wenn der Komes

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Konrad Schmidt zuweilen nach Schenk fuhr, dann unterließ er nie, in der alten Heimat einige Stunden auszuruhen und öfter erſahen die Freunde den Agnethler Pfarrhof als den Ort aus, wo ſie in den ſchweren politiſchen und kirchlichen Fragen zu vertraulicher Beratung zufammen- kamen. Im Sommer 1864 kam Charles Boner angefahren und blieb zu mehrtägigem Aufenthalt dort. Sein Urteil über Teutſch lautet: „Es iſt der Stolz ſeiner Landsleute und mit vollem Recht, denn er würde in jedem Lande jeder Geſellſchaft zur Zierde gereichen.“ Teutſch hatte Veranlaſſung und Gelegenheit, die ſächſiſchen Verhältniſſe, politiſche und lirchliche Zuſtände dem Engländer in anderem Licht zu zeigen, als die Klauſenburger Magnaten es getan, wo Boner ſich gleichfalls orientiert hatte. In Agnetheln traf er es ſo gut, daß die Liedertafel einen Abend auf dem „Krähenneſt“ feierte, zu dem ſie den fernen Gaſt einlud. Wie dort beim Fackelſchein das deutſche Lied erklang, mehrere Bauern nach einander in fließendem Deutſch ihr Glas erhoben und auch des Gaſtes gedachten, das hat auf dieſen nicht weniger Eindruck gemacht als die Erfahrungen in Schenk, die Begegnungen mit Pfarrern und Lehrern, der Einblick in ein Geiſtes- und Gemütsleben mitten in fremder Umgebung, „eine Oaſe in der Wüſte“.

Auf dem Pfarrhof ſelbſt war zu den zwei Knaben und vier Mädchen noch ein dritter Knabe geboren worden (Georg Konrad geb. 17. März 1866, f 6. September 1907), und vier von den Kindern beſuchten die Schule, der älteſte Knabe das Gymnaſium in Schäßburg. Meiſterhaft verſtand es der Vater, brieflich auf ihn einzuwirken und den vollen Ernſt des Lebens das junge Gemüt ahnen zu laſſen. So ſchrieb er am 8. Dezember 1866 an den Vierzehnjährigen: „Ich trete am 12. Dezember in mein fünfzigſtes Lebensjahr; das fünfundzwanzigſte wird in dem Sommer voll, ſeit ich im öffentlichen Dienſt unſerer Landeskirche ſtehe. Das heißt, der Strom meines Lebens iſt mehr als zur Hälfte hinabgefloſſen. Es kann nach ſeinem heiligen Ratſchluß die Zeit kommen, wo Du als der älteſte Sohn des Hauſes mit für dasſelbe denken, ſorgen, arbeiten müßteſt. Ich will Dir hiemit nicht das Herz ſchwer machen; vielmehr hoffe und bete ich zu Gott, der in ſeiner Gnade faſt wunderbar mir neulich den Quell meines Lebens erneuert hat, daß er mich Euch und der Arbeit für ſein Reich erhalte: aber Du biſt nun in dem Alter, in dem auch der Ernſt des Dafeins an den denkenden Geiſt herantreten ſoll und kann, damit er die jungen Flügel ſtärke zum Aufſchwung zum Licht. Und auch das halte Dir immer gegenwärtig, daß denen, die nach uns kommen, das Leben eine eigene Aufgabe in Arbeit und Kampf für die höheren Güter

bereitet haben wird und die Vergangenheit und Ehre der % Jugend fordert, daß fie ihn recht beſtehe. So erhalte Dich mein liebes Kind, rein und brav und fleißig. Denke bei allem tuft, was würde der Vater dazu ſagen und daß Gott es weiß ui Und wenn der Knabe in den Ferien nach Hauſe kam, dann Vater, der vielbeſchäftigte, doch immer Zeit auch für ihn, zuſammen lateiniſch und deutſch, ſprachen über Schule und 9 ritten zuſammen aus, immer an Orte, woher die Gebirge ſichtbar war und der Knabe fühlte, wie der Vater ihn „zur Höhe“ führte.

Es war ein befriedetes Heim auf dem Pfarrhof in Agnethelt Der Agnethler und der freinde Beſucher empfand, wie der fi Pfarrer die großen Gedanken der Welt und des Idealen den kl Lebenskreiſen vermittelte und die Gedanken des Alltags an das E knüpfte.

An der Schönheit dieſes Pfarrhofes aber hatte den beſten A die „tugendſame Frau Mutter“, die junge Pfarrerin. Auf ihr lag Bürde des Haufes, auf ihr die unmittelbare Laſt der Kindererziehu wenn der Mann wochen- und monatelang vom Haufe fern war. nimmermüder Rührigkeit wußte ſie den großen Garten und den Ho mit allem, was darin war in Ordnung zu halten, die Korreſpondenz mit dem Mann zu führen, ſtets freundlich und gut gegen Freunde und Fremde und für die Kinder, denen ſie die Schularbeiten durchſah und überhörte, vor allem das lebendige tief wirkende Vorbild mit ihrer Fürſorge und ihrem Fleiß, mit ihrer Arbeit und Güte, mit der Forderung der Wahrhaftigkeit und Folgſamkeit und der Verträglichkeit der Geſchwiſter.

So ſind die Agnethler Jahre dem ganzen Haus eine gar liebe Erinnerung geweſen. Teutſch ſchrieb einmal an Haltrich (Dezember 1863): „Sie haben immer geſagt, wie bleiern und langweilig der Winter außer der Stadt ſei, mir fliegt er davon und es fehlt mir die Muße zu hunderterlei Notwendigem“ und noch ſpäter, wenn die Schneeflocken vom Himmel wirbelten, gedachte er gern „der ſegensreichen Stille, die insbeſonders zu ſolcher Zeit auf dem Pfarrhof die arbeitsfreudige Seele ſtärkt.“

Wenn nur die politischen Verhältniſſe nicht fo wirr geworden und ſo trübe Ausſichten geboten. Ihre Entwicklung iſt in dem vorigen Kapitel gezeichnet worden.

Aber gerade jene Jahre brachten neue Sorgen auch für die Kirche und Arbeiten in ihrem Dienſte.

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Der 8. Abſchnitt der Kirchenverfaſſung, der 1862 von der Landes⸗ kirchenverſammlung beſchloſſen worden war und die Beſtimmungen über die Prüfung und Anſtellung der Kandidaten, dann die Wahl der Pfarrer enthielt, hatte u. a. die Einſetzung einer Prüfungskommiſſion für die Kandidaten des Lehramts und der Theologie zur Folge. Die Prüfung ſelbſt beſtand aus einer Fachprüfung (ſchriftlich und mündlich), wo zwei zuſammengehörige Fächer geprüft wurden, dann aus der theol. Prüfung, die jeder ablegen mußte. Teutſch wurde gleich anfangs zum Vorſitzer dieſer Prüfungskommiſſion ernannt, vertrat auch das Fach der Geſchichte und des Kirchenrechts und hat den Vorſitz bis zu ſeinem Tode geführt. Das an ſich nicht angenehme Amt wurde dadurch noch drückender, daß Teutſch dadurch in allen Fällen auch gemütlich in Anſpruch genommen wurde. Die Notwendigkeit, einen Kandidaten zurückzuweiſen, tat ihm bei aller Strenge ſeines Weſens weh und machte ihm ſehr unbehagliche Stunden. Dann fand das ganze Inſtitut der Prüfung als etwas Neues nicht nur bei den Kandidaten wenig Sympathie. Die Kandidatenprüfungen in Hermannſtadt galten als eine große nationale Angelegenheit, die die ganze Kirche ängſtlich verfolgte. Nicht nur die Mütter und Bräute durchgefallener Kandidaten meinten gerne, die Schuld des Unfalls liege mehr beim Kommiſſär und dem Vorſitzer als beim Herrn Kandidaten, ſondern auch das „Volk“ ſuchte die Urſache häufig nicht da wo ſie lag, ſondern darin, daß der Kommiſſär ein Schäßburger und der arme Kandidat ein Mediaſcher, oder der erſte ein Hermannſtädter und das Opfer ein Kronſtädter war! Dieſe Prüfungen haben trotz alledem Boden gefaßt und fie haben mitgeholfen, daß die Lehrer an unſeren Schulen in wiſſenſchaftlicher Beziehung doch im Durchschnitt ihren Mann ſtellten.

Ein Anderes in der Kirche wog ſchwerer. Die neue Kirchenver⸗ faſſung war gegen den Widerſpruch eines Teils der Geiſtlichen geſchaffen worden. Ihm war die ausgedehnte Mitarbeit des weltlichen Standes unſympathiſch und die Beſeitigung des kapitularen Regiments wie die Verdrängung der Synode durch Landeskonſiſtorium und Landeskirchen⸗ verſammlung ſchmerzlich. So unternahm er den Verſuch, noch zu retten, was möglich ſei, alle durchwegs in beſter Abſicht, aber in völliger Ver⸗ kennung nicht nur der neugeſchaffenen Geſetzeslage, ſondern auch der tatſächlichen Verhältniſſe. Die Unfähigkeit in der Kirche Ordnung zu erhalten und Leben zu erwecken war ja der innere Grund für die neue presbyterial⸗ſynodale Verfaſſung geweſen, die Verſteinerung der alten Formen ließ ein neues Leben nicht mehr zu. Dieſer klerikalen Richtung war insbeſonders die neue Stellung des Biſchofs, feine Wahl durch die

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Landeskirchenverſammlung, die in Ausſicht ſtehende Überſiedlung

Hermannſtadt ein Greuel. Sie fürchtete ein ſtrammeres Regiment un das beſonders, wenn ſie daran dachten, daß Teutſch etwa der folger des alternden Biſchofs Binder ſein könne, was in der ſelbſt vielfach erörtert und gewünſcht wurde. So erlebte die Kirche der Tat das ſeltene Schauſpiel, daß ein Belebungsverſuch der begrabenen Verfaſſung durch die Synode zu einer Zeit gemacht wurde, als es ſchon zu ſpät war und dieſe Verſuche geradezu als ein Angriff, als eine Konſpiration gegen die zurecht beſtehende Verfaſſung angeſehen werden mußten, was die Veranſtalter der Exhumierung zum Teil gar nicht ahnten. Im Jahr 1864 hatte die Synode eine Kommiſſion eingeſetzt, die eine Vorlage über die Abrundung der Kapitel und eine Synodal⸗ ordnung ausarbeiten ſollte. Am 17. Mai 1865 trat die Synode zur Beratung dieſer Fragen in Hermannftadt zuſammen. Biſchof Binder, dem dem achtzigjährigen die Zügel aus den Händen entfielen, war nicht zugegen. In der Tat beſchloß die Synode die Zuſammen⸗ legung der Kapitel in 12 und ein Synodalſtatut, in dem u. a. die Wirkſamkeit der Synode dahin beſtimmt wurde: ſie habe anzuſtreben die Erhaltung und Förderung der ſchriftmäßigen Reinheit der evangeliſchen Lehre, die brüderliche Disziplin der Geiſtlichen durch geiſtliche Mittel, die gewiſſenhafte Handhabung des Eherechts und der Ehegerichtsbarkeit, die Wahrung der Rechte der Geiſtlichkeit uff. Es waren lauter Undinge, denn nach der Verfaſſung hatte für die Reinheit der Lehre die Landes⸗ kirchenverſammlung zu ſorgen, die Disziplin, die ſich leider „durch geiſtliche Mittel“ allein überhaupt nicht erhalten läßt, ſtand dem Pres⸗ byterium, dem Bezirks- und Landeskonſiſtorium zu, der Entwurf eines neuen Eherechts lag im Auftrag des Landeskonſiſtoriums ausgearbeitet ſeit 1863 ſchon vor, alſo das Ganze war ein Flattern mit gelähmten Flügeln, ein ausſichtsloſes Beginnen von vorneherein. In der Tat ift gar nichts von all den Beſchlüſſen ins Leben getreten und der Spuck zerrann, indem die Landeskirchenverſammlung einfach die von der Ver⸗ faſſung vorgeſchriebenen Wege ging. Aber all das wirbelte doch viel Staub auf und die Schöpfer der neuen Kirchenverfaſſung ſahen ſich in die Notwendigkeit geſetzt, Stellung dagegen zu nehmen. Auch einzelne Bezirkskirchenverſammlungen ſahen ſich in den Strudel hineingezogen und begannen mit Proteſten gegen die Abſicht der Landeskirchenver⸗ ſammlung, über das Intervall zu verfügen, das Eherecht zu ordnen u. ä. und Teutſch hat ſchwere Sorgen gehabt, es könne der Sturm die ſchwer errungene Einheit der Kirche am Ende wieder ſprengen. Die Bekämpfung

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des unfeligen Beginnens vollzog ſich aber mehr im ſtillen als in der Offentlichkeit. Es hing mit jenem Gegenſatz gegen die neue Verfaſſung zuſammen, daß die Synode zwar den von der Landeskirchenverſammlung gewählten Biſchof anerkennen wollte, aber nur als primus inter pares, bei Beſchwerden einzelner Kapitel oder Geiſtlicher gegen ihn ſollte die Synode entſcheiden. Am liebſten hätte ſie die Verlegung des Biſchofs⸗ fies nach Hermannſtadt verhindert. Manche fürchteten oder gaben ſich den Anſchein als fürchteten fie, es könne ein „Kirchenfürſt“ aus ihm werden und eine bureaukratiſche Regierung, die der Freiheit ſchade. So wurde Birthälm veranlaßt, Schritte zu tun, auch weiterhin Biſchofsſitz zu bleiben, es wollte ſelbſt auf das Recht der Pfarrerswahl verzichten. Ein letzter Sturm in dieſer Richtung wurde nach dem Tode Binders allerdings nicht von klerikaler Seite ſondern von überliberaler unter- nommen, die ſich ins Schlepptau der anderen hatte nehmen laſſen zum Glück auch ohne Erfolg.

Dazu kam, daß das Landeskonſiſtorium, das 1861 gewählt worden war, auch nicht ſofort überall Ordnung machen konnte, daß die Regiments⸗ loſigkeit überhaupt ſolange nicht weichen konnte, als von Hermannftadt durch das Landeskonſiſtorium und von Birthälm durch den Biſchof ein zwieſpältiges Regiment ausgeübt wurde. Biſchof Binder aber war nicht zu bewegen, ſeinen Sitz nach Hermannſtadt zu verlegen. „Die Laſt der Jahre“, ſo ſchreibt ſpäter das Landeskonſiſtorium, „hatte ein greiſes und dreimal ehrwürdiges Haupt in Birthälm gebeugt und ihm nicht die Größe der Seele allein die Fähigkeit zum Entſchluſſe, die Spann⸗ kraft der Tat genommen. In dieſen wenigen Worten liegt das ganze Geheimnis der Vollziehung und Nichtvollziehung der Beſtimmungen über den Amtsſitz des Superintendenten; ſie allein erklären es, weshalb ein jo langes Interregnum eintreten, weshalb die ganze Laſt der Leitung der Kirche durch mehr als ſechs Jahre beinahe ausſchließlich auf die Schultern des Kurators der Landeskirche ſich wälzen mußte.“

Das Landeskonſiſtorium konnte unter ſolchen Umſtänden nichts anderes als noch pflichtgetreuer tun, was die Verfaſſung ihm in die Hand gab und ihren Ausbau vorbereiten. Teutſch half tapfer mit. Seit 1863 lag wie erwähnt der Entwurf einer Eheordnung, den er im Auftrag des Konſiſtoriums gemacht, auch im Druck vor, doch unterblieb die Beratung angeſichts der allgemeinen Lage der Kirche. Mit Bedeus und Schiel war ihm der Auftrag geworden, den Entwurf einer Penſionsanſtalt zu beraten, ein ſegensreiches Werk, das ſchon 1865 von der 3. Landeskirchenverſammlung auf Grund weſentlich der

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Bedeusiſchen Arbeiten beſchloſſen und begründet werden konn ſtand Teutſch im Mittelpunkt der Arbeiten des Konſiſtoriums Vorarbeit für die Schulordnung war ihm übertragen worden 1 die Landeskirchenverſammlung von 1865 wählte ihn faſt zum © 0 dentialvikar. Er hatte beim erſten Wahlgang mit Schuller gleiche und eine Stichwahl mußte entſcheiden, „Ich bekam“ ſo ſchreibt an Haltrich „zu meiner Freude einige Stimmen weniger als er. feinem Danke an die Verſammlung ging mir mit hervor, wie fc ihm ein Unterliegen geweſen wäre; ich bin denn, auch um der Willen, doppelt froh, daß es ſo gekommen. Natürlich ſtellte ich ſofort meine Kraft im neuen Amte zur Verfügung und erfreute nun der alten wohltuenden Wärme ſeines Weſens“. Biſchof Bi rief ihn 1864 einmal zum Ehegericht nach Birthälm und dort tat Teutf die erſten Blicke in den Wirrwar kapitularen Eherechts und Bi was hie und da dafür galt. Bei all den Sorgen und Arbeiten hatte Teutſch doch auch immer

Zeit für das Haus und die Freunde. Er hat noch zu jenen gehört, die wirklich Briefe ſchrieben, in denen ſich ſein inneres Leben, ſein Denken und Empfinden ſpiegelt. Sinnige Aufmerkſamkeit gegen die Seinen war ihm immer eigen. Am 12. Dezember 1865 brachte er die letzte Roſenknoſpe aus dem Garten es war ſein Geburtstag und überreichte ſie der Frau:

An dem Tag des erſten Schnees Und mit 48 Jahren

Bring ich dir die Roſenknoſpe Zu des Mannes grauen Haaren.

Bleibe du die ſchöne Blume Im vereinten Weiterfahren,

Dann liegt nichts am Strom der Zeiten, Nichts an meinen grauen Haaren.

Inniger faſt wie in der alten Heimat ſchien Weihnachten, des Hauſes ſchönſtes Feſt, gefeiert zu werden. Von Schäßburg wurde mit vieler Mühe der Chriſtbaum gebracht und auch Freunde des Hauſes dazu geladen. Altem Brauche folgend begleitete er jedes Geſchenk mit einem kleinen Vers. So ſchrieb er 1863. „der Hausfrau“:

Zum erſtenmal der Heimat fern

Strahlt dir der Weihnacht heilger Stern, Dank Ihm, daß wir uns allzumal Erfreun an feinem Himmelsſtrahl.

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Doch Dank auch Deiner Liebe Kraft, Die heimiſch uns die Fremde ſchafft, Die in des Trübſals dunkler Nacht Voll Treue für die Ihren wacht.

Die erſten Schlittſchuhe, die das Chriſtkind dem älteſten Knaben brachte, begleitete der Vers:

Auf beſchwingtem Fuße fortzufliegen |

Welch Vergnügen! | Wohl, der Chriſtmann gibt es gern. | ||

Auf des Eiſes glatter Bahn, N

Auf dem Weg zum Licht hinan 1 Leuchte dir ein guter Stern.

Zum Kirchenvater Hager ſprach das Chriſtkind:

Wenn um den grünen Weihnachtsbaum Die frohen Kinder ſtehen,

Dann mag der lichterfüllte Raum | So gerne Freunde ſehen, | Die offen hielten noch das Herz | Für Kinderluſt und Kinderſchmerz.

Drum bringt er auch den alten Treuen Gern ein Erinnerungszeichen dar, Die alte Zeit mit zu erneuen, | Wo auch der Greis ein Kind noch war. | Und um zu deuten, daß ein Herz Nie altert, ſtrebt es himmelwärts. 1

Wie ſpiegelt ſich unſer Leben in den Worten, die er dem Rektor

Haydl ſchrieb: | Am Ende der Geifter | Steht der Schulmeifter : Das iſt in dieſem Geſchlecht Das alte Unrecht. Doch viele haben es ertragen, 1 Auch er wird nicht verzagen. Denn wenn die Erde ihn von ſich weiſt, Iſt ihm erſchloſſen zumeiſt N Des ewigen Geiſtes heilig Gebiet, Das der Erde Schatten nicht durchzieht.

Und immer wenn dahin die Jugend er führt, | Einen Hauch des Friedens auch an ſich er ſpürt. IN Darum will von des Chriſtbaums Zweigen Zu ihm auch eine Gabe ſich neigen, Zurufend ihm: Glückauf zu frohem Wandern, Zu treuer Müh an Dir und Andern! |

WW

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Das hat er ja überhaupt jo meiſterlich verſtanden, das auch ins Kleine hineinzulegen und dadurch ſich und andern das zu verſchönern. Wenn er unter den wachſenden Bäumchen ſeines Ga, die trefflich gediehen, an der Natur ſich erfreute, dann dachte er an di junge Saat im Volk: „was iſt zu tun, daß eine reichere junge Sag gedeihe? Immer wieder kommt man zum drückenden Ergebnis großen Armut an Männern.“ Der Gedanke, eine tüchtige Zeitung d Vereinigung der Beſten zu gründen, wurde in Geſprächen der 9 oft erörtert und beſonders mit Franz Gebbel auch brieflich Der Mangel an ſolidem Wiſſen auch an Stellen, wo man es vermutete, die Beobachtung, „daß wir immer wieder fragen, was P konveniert, nicht was die Sache will“, machte ihm oft Sorgen. jo ſchrieb er bin ich allmählich über den Gang der Dinge Makaulyſcher Objektivität und großer Gemütsruhe gelangt. Wir ſind eben mitten im Sturm der Dinge, der eine Neugeftaltung an allen Enden bringen wird, die weit über die Häupter derer hinauswachſen muß, die ſich jetzt die Leitenden rühmen er hatte dabei die politischen Verhältniſſe im Auge —. Bleiben wird, was aus ſittlichen Wurzeln jeine Nahrung zieht.“

Im Sommer 1867 wurde der Grundſtein zur Agnethler Schule gelegt. Die Freunde aus Schenk und Schäßburg waren dazu gekommen; es war ein Feſt großer Erhebung und von dauerndem Eindruck. Der Pfarrer predigte über das Sonntagsevangelium (X. nach Trin., Luk. 19, 41—48: Jeſus ſah die Stadt und weinte über fie) und ſchloß daran „unſeres Grundſteines Mahnungen an das, was zu unſerem Frieden dient“: „Wachſet in der Erkenntnis, in Eintracht und Gemeinfinn, in der Gottesfurcht.“

Am 12. Juni ſtarb in Birthälm Biſchof Binder, ein müder Greis im 83. Lebensjahr. Teutſch weilte damals in Peſt. Tiefergriffen ſprach er es gegen die Nächſten aus, was er dem hochwürdigen Manne alles an Erhebung und Belehrung verdanke, der ihn ſeit 1850 unausgeſetzt väterlichen Wohlwollens würdigte, wie er ihm mehr als anderen ſeine Seele aufſchloß. „Wie gerne hätte ich ihm noch einmal die, wenn auch kalte Hand gedrückt.“ Ende April hatte er ihn noch einmal geſehen. „Wie freue ich mich des. Welche Schätze von Einficht, Kenntnis, Herzens⸗ adel, ſind durch ſeinen Heimgang uns entriſſen. Wie viele ſind an ihm gewachſen.“ Er wandte das Dichterwort auf ihn an: „Und mir war er mehr.“ In der Gedächtnisrede aber, die er im Trauergottesdienſt in Agnetheln der Kirchenverfaſſung entſprechend hielt, rauſchte die

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tiefherzliche Teilnahme an dem abgeſchloſſenen Leben in gewaltigen Aftorden dahin und man ſpürt, wie der Redner das eigene Ideal zeichnet, wenn er den verſtorbenen Biſchof als Hoheprieſter des Lichts ſchildert, reich an Früchten der Berufstreue und der Liebe, die auf dem tiefften Grund der Gottesfurcht ruhte. „Die Liebe machte den großen Mann, der an der Spitze der Kirche ſtand, deſſen Name weithin geehrt, durch den halben Erdteil genannt wurde, demütig wie ein Kind, gefällig im tiefften Ernſte, heiter bei allen Mühen; ſie geſellte zu dem Geiſte, der alle Reiche des Wiſſens beherrſchte, jenes reine tiefe Gemüt, das am Einfachen und Lieblichen ſeine Freude hatte und nichts wahrhaft Menſch⸗ liches ſich fremd erachtete.“

Nun ſollte die ev. Kirche zum erſtenmal nach der neuen Ver⸗ faſſung ſich den Biſchof wählen, den neunundzwanzigſten ſeit der Refor⸗ mation. In der Kirche war immer deutlicher Teutſch als derjenige bezeichnet worden, der zur Führung berufen ſei. Als Binder geſtorben war, richtete ein Freund (Dr. Irtl) an Teutſch die Bitte, da die politiſchen Gegner, die damals ſehr zahlreich waren, an ſeiner Tätigkeit als Abgeordneter Anſtoß nahmen, er ſolle ſofort das Mandat als Abgeordneter nieder- legen und ſo etwas aus dem Wege räumen, was bei manchen ein Hindernis ſeiner Wahl werden könne. Die Antwort auf jenen Brief, aus dem Juni 1867, mag hier eine Stelle finden. So ſchreibt er: „Sie wiſſen bereits ſeit längerer Zeit, welch ein Opfer mir die Mitwirkung ift, zu der ich ohne mein Zutun auf dem politiſchen Felde gekommen bin und wie ſehr ich mich ſehne, ungeteilt meinem Amt und meiner Wiſſenſchaft leben zu können; daß all die Gründe, die bereits früher dieſes Verlangen in mir rege gemacht, durch die neue politiſche Wendung verſtärkt ſein müſſen, liegt nahe. Auch liegt die Zeit nicht mehr ferne, wo es geſchieht. Ich kann keinen Winter außerhalb meiner Gemeinde zubringen. Wenn ich aber Ihrem Wunſche augenblicklicher Niederlegung des Mandates nicht entſprechen kann, ſo bitte ich das freundlichſt damit zu entſchuldigen, daß ich um keinen Preis der Welt auch nur den Schein auf mich laden möchte, ich ſtrebe nach einer anderen Amtsſtellung, als ich ſie jetzt inne habe. Gerade Sie, lieber Freund und Vetter, müßten ja, wenn auch nur im Stillen, denken: er wird feinen eigenen Lehrer⸗ prinzipien und den Idealen, mit denen und für welche er einſt dich begeiſterte, untreu .. . ob vitam vivendi perdere causds . Die Kirche ſoll den Mann an ihre Spitze ſtellen, qui melius videbitur expedire; wo ich immerhin ſtehe, ich ſtelle ihr in jedem Augenblick meines Lebens alle meine Kraft zur Verfügung, kann aber ich bitte mir das zu

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entſchuldigen —, Fi weil ich die Verantwortlichkeit jenes Amtes, dopp groß in unſeren Tagen, kenne und weil ich ſpreche Ihnen gegeni ohne Hehl ein jeder jener Verantwortlichkeit gegenüber das ſeiner Kräfte, ſein Alter uſw. gewiſſenhaft ermeſſen muß, tun, der als ein Streben darnach ausgelegt werden könnte.

„Es iſt der Ausfluß meiner tiefſten ſittlichen Weltanſchauung muß dieſe Wahl der höheren Leitung und Fügung überlaſſen. und namentlich gegenüber etwaigen Kandidaten, die dieſes getan, ke was immer die Zukunft bringe, ein berechtigter Vorwurf nicht

Bevor es zur Wahl kam, war inmitten der Kirche noch einmal Verſuch gemacht worden, den Kampf gegen die Verlegung der intendentur nach Hermannſtadt aufzunehmen. Das Mediaſcher Bezirks ſiſtorium wollte die Birthälmer Pfarre nicht beſetzen laſſen, weil Verlegung des Amtsſitzes noch nicht endgültig ſei, das „Honterusk bewog das Kronſtädter Bezirkskonſiſtorium in einer geharniſchten Verwahrung gegen die Beſetzung der Birthälmer Pfarre einzulegen drohte offen mit Sezeſſion von der Landeskirche. In der Preſſe ſich Ultraliberale, dann Leute, die ſich vor der Ordnung fi zuletzt auch eine klerikale Richtung die Hand und eine Zeit lang ſchien es, als ob in letzter Stunde der Schlußſtein der Verfaſſung ane werden ſolle.

Nach der Kirchenverfaſſung hat jedes Presbyterium „drei durch ihren vorleuchtenden, muſterhaft chriſtlichen Lebenswandel, wie durch theologiſche Gelehrſamkeit ausgezeichnete Männer“ zu Kandidaten zu wählen, jede Bezirkskirchenverſammlung aus dieſen ſechs, aus denen die Landeskirchenverſammlung den Biſchof wählt. Von 190 Presbyterien (von 256) war Teutſch gewählt worden, von acht Bezirken kandidiert von allen mit Ausnahme von Kronſtadt und Reps, wo vor allem der politiſche Gegenſatz maßgebend war. Es war ein eindrucksvolles Bild, als die Landeskirchenverſammlung in Hermannſtadt (19. Sept. 1867) in feier⸗ lichem Zug zur Kirche ging, dort im Chor Platz nahm und der Kurator Konrad Schmidt die Wahlſitzung eröffnete. Die Kandidationen der Bezirke hatten 20 Namen ergeben, tatſächlich handelte es ſich um Michael Schuller und G. D. Teutſch. Nach feierlichem Gebet, das der Hermannſtädter Stadtpfarrer C. Fuß ſprach, trat jedes Mitglied der Landeskirchen⸗ verſammlung vor den Altar, ſchrieb den Namen, auf den es ſtimmte, auf einen vom Vorſitzer ihm gereichten Zettel und legte ihn in die Urne. Dann begann der Vorſitzer die Zettel vorzuleſen und zu zählen. Als die 27. Stimme auf Teutſch fiel, ertönte aus dem Schiff der Kirche

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ein lautes Lebehoch. Die ganze Verſammlung erhob ſich, als nach beendeter Zählung Konrad Schmidt Teutſch, mit 38 von 53 Stimmen zum Biſchof gewählt, als neuen Oberhirten der Kirche ausrief und ihn aufforderte, dem Ruf zu folgen: „Sie haben auch bisher ſprach er in den Angelegenheiten unſerer Kirche eine hervorragende Wirkſamkeit betätigt. Gott erhalte Ihnen die Kraft, die ſich auf dieſem Gebiet jo glänzend bewährte, zu langer ſegensreicher Wirkſamkeit in Ihrer hohen Amtswürde, zu der Sie durch das Vertrauen der Landeskirche berufen wurden. Seine Hochwürden der neue Superintendent Dr. G. D. Teutſch lebe hoch.“

Nachdem die begeiſterten Zurufe fo ſteht im Protokoll jener Sitzung von denen das Gotteshaus wiederhallt, verklungen, antwortete der neugewählte Biſchof mit ungefähr folgenden Worten:

„So wird mir denn, edelnamhaftweiſer Herr, verehrter Herr Landeskirchenkurator, nach Ihrer erhebenden und ermutigenden Anſprache fein anderes Wort übrig bleiben als daß ich ſchließe: „es geſchehe wie du geſagt haſt“. Denn wenn auch altbewährte Weisheit von dem Glück eines ſtillen verborgenen Lebens, wenn eine, Geiſt und Herz nach allen Seiten hin befriedigende Amtsſtellung inmitten einer aufſtrebenden Ge— meinde, noch gehoben von dem fördernden Entgegenkommen eines würdigen Kirchenbezirkes, wenn eigene Erfahrung von den „Stürmen der hohen See“ mahnen, die Ruhe des gewonnenen Hafens, wo zu ſo ſegensreicher Tätigkeit für die edelſten Güter des Lebens Raum iſt, nicht aufzugeben: ſo wird doch weder dem Manne der Pflicht, noch dem Diener der Kirche geftattet ſein, einem Rufe nicht zu folgen, den gerade ihre heilige Lehre mit dem bedeutungsvollen Namen vocatio divina bezeichnet.

„Und wenn das allerdings nicht ohne manchen bangen Herzens⸗ ſchlag geſchehen kann, fo werden Sie, verehrter Herr Landeskirchenkurator, das ebenſo entſchuldigen als begreiflich finden. Denn wie erhebend es auch ſein mag, es iſt noch ſchwerer, Nachfolger des Mannes zu fein, deſſen großes Lebensbild aus ſeinen beften Tagen eben geſtern wieder vor unſern Seelen vorüberging, der nach der Tiefe ſeiner Erkenntnis, nach der Höhe ſeiner Bildung, nach der Reinheit ſeines Willens, nach dem Adel und der Frömmigkeit ſeines Herzens vorleuchtete vor allen andern und vorleuchten wird immerdar, ſo lange ſie in unſerer Kirche dem Verdienſte ſeine Krone geben werden. Und dieſe Schwierigkeit, wird ſie nicht vermehrt durch die Zeit darin wir heimgeſucht find, den Wider⸗ ftand der tauſend Strömungen, die ſich darin durchkreuzen, die natur⸗ gemäß hohe Anforderung, welche ſie an alle ſtellt, die an der Spitze ſtehn? Ja, laſſen Sie mich hinzufügen, vermehrt dadurch, daß gerade

Georg Daniel Teutſch. 17

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das Amt, zu dem Sie jetzt feinen Diener berufen, zurückk Stätte, woher es einſt ausgegangen, eine neue Entwicklungsreihe und weniger gebahnte Wege vor ſich hat, als früher!

„Doch alle Zeit und alle Entwicklung ſteht unter ihm, dem! Herrn. So will ich im Aufblick und im Vertrauen zu ihm de folgen, der nach feinem Willen durch die Stimme feiner Kirche an m ergangen iſt. Indem ich das tue, lebe ich der Überzeugung, daß in unſerer Zeit und gerade für uns dieſe unſere Kirche, wenn es iſt das ſo zu bezeichnen, eine noch tiefere und heiligere Aufgabe als je. Soll ſie doch, unbeirrt von dem Streit und Staub des das Auge gerichtet auf das Eine was Not tut, und wachſend in Treue gerade mit den Stürmen der Gegenwart, Mutter und P und Schirmerin ſein der ewigen Güter des Göttlichen, die dem Voll und Einzelleben erſt den wahren Wert verleihen! Feſtſtehend auf Grunde, den niemand anders legen kann, ſoll fie aus jenem unerſc lichen, wenn auch von der Leidenſchaft und Beſchränktheit des Erdenſt jo oft getrübten oder verkannten Quell der Gotteserkenntnis ſchö was das Daſein reinige, erhebe, beglücke, verkläre, was die kämpfend Gegenſätze auf dem Boden des Ewigwahren verſöhne und einige; i joll die edeln Entwicklungen und Fortſchritte der Zeit, die auch Teile des Gottesreichs find, auch hier zum Verſtändnis und zur Herrſchaſt bringen helfen, der Selbſtſucht, der Sünde, dem Abfall von Gott wehren und alſo erlöſend dazu beitragen, daß ein Band des Friedens und der Liebe alle Geſchlechter der Menſchen umſchlinge, das Gottesreich, um das wir beten, immer mehr und mehr komme und, wie es ſeine Be ſtimmung iſt, hienieden ſchon anfange, Heil und Segen zu verbreiten,

„Heil unſerer Kirche, daß ſie für dieſe ihre Ziele ſteht auf dem Boden eines altehrwürdigen ftaatlichen Geſetzes und Rechtes, daß fie für dieſe Arbeit als Anfang und Ende all ihres Strebens mitbringt das reine Wort Gottes, daß zu dieſen Zwecken die evangeliſche Wiſſenſchaft, und Schule, die Gott ſegne, ihr helfend zur Seite ſteht und daß endlich eine Verfaſſung dem evangeliſchen Geiſte entſprechend und jeder Fort bildung in ſeiner Wahrheit fähig, jede Kraft, die in den Dienſt des Göttlichen treten will und kann, dazu heranzieht!

„Und wenn das Schiff unſerer Kirche Sie wiſſen, daß die alte Kunſt es liebte, fie unter dieſem Bilde darzuſtellen das unverfälichte Gotteswort zum Leitftern, mit der evangeliſchen Wiſſenſchaft und Schule und Gemeindeverfaſſung im Bunde, den Zielen ihrer Beſtimmung ent⸗ gegenfährt, ſo können wohl die Wellen hoch gehn und die Stürme brauſen,

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aber das Schiff wird nicht verſinken und die Güter, die es trägt, werden nicht untergehn. Denn der Herr auch der Stürme und der Wellen iſt Gott und die in ſeinem Dienſte ſtehn und ihm und ſich treu bleiben, die läßt er nicht.

„Ich aber kann nicht anders als gehoben von dieſer Überzeugung die Hand legen an das Steuerruder des Schiffes unſerer teueren Kirche. Und wenn es wahr iſt, was ein Weiſer unſerer Tage ſagt, daß der Menſch ſelbſt wächſt mit ſeinen größeren Zwecken, ſo darf ich wohl hoffen, daß dieſe Hand an jener Arbeit fortan erſtarken werde. Ich weiß, wie ſehr das Not tut im „Amte, das da nicht des Buchſtabens iſt, ſondern des Geiſtes“. Daß Ihre fördernde Unterſtützung, Verehrter, die bisher erprobte, daß das aufrichtende Vertrauen und die Hülfe der Kirche mir darin zur Seite ſtehen werden, deß darf ich mich nach dem heutigen Tage wohl getröſten, nach dem heutigen Tage, der mich ebenſo zur Demut ruft, als zu getroſter Hoffnung ſtimmt.

„Und in dieſer Hoffnung laſſen Sie mich ſchließen mit dem Wunſche und Gebet des Mannes, der unſerer ev. Landeskirche Begründer und größter Lehrer geweſen: Gott erwecke die Geiſter ſeiner Auserwählten und wolle allezeit getreue Arbeiter in ſeine Ernte ſenden!

„Er helfe, daß ich einer dieſer Arbeiter ſei!“

Dem Geſetz und altem Brauch entſprechend wurde der neue Biſchof ſofort eingejegnet, C. Fuß ſprach das Weihegebet über ihn und ins Amt eingeſetzt. Zugleich erging an ihn die Aufforderung, es möglichſt bald anzutreten. Die Landeskirchenverſammlung ſetzte zugleich die Eides⸗ formel feſt, nach der der neue Biſchof den kirchlichen Amtseid und den Untertaneneid abzulegen habe.

Der kirchliche Amtseid lautete:

Ich N. N., von der evangeliſchen Landeskirche Augsburger Be⸗ tenntniſſes in Siebenbürgen geſetzmäßig erwählter und von Seiner kaiſerlichen königlichen Apoſtoliſchen Majeſtät mit der Allerhöchſten Entſchließung vom ———— Mllergnädigit beſtätigter, Superintendent der evangeliſchen Landestirche Augsburger Bekenntniſſes in Siebenbürgen, ſchwöre vor Gott dem Allwiſſenden und Allheiligen, daß ich als einzige Richtſchnur für die Lehre und für die Verwaltung der Sakramente das in der Heiligen Schrift enthaltene lautere Gotteswort, wie es die gewiſſenhafte Forſchung nach dem Geiſt und den Grundſätzen der evangeliſchen Kirche, deren erſtes Bekenntnis in der Augsburgiſchen Konfeſſion enthalten iſt, darlegt, befolgen und lehren, befolgen und lehren laſſen werde; ingleichen ſchwöre ich, das Beſte der evangeliſchen Landeskirche Augsburger Bekenntniſſes in Sieben- bürgen, ihrer Schulen und Aunſtalten, ihrer Pfarrer, Prediger, Lehrer, Beamten und Diener, ſo wie aller ihrer Gläubigen aus allen meinen Kräften zu befördern, ihre Rechte zu vertreten und zu wahren, insbeſondre

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we

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ihre Geſetze und die zu Recht beſtehende Kirchenverfaſſung obachten und aufrecht zu erhalten; auch ſchwöre ich, alle durch die Kirchenordnung dem Superintendenten auferlegten Amtspflichten, Können, Wiſſen und Gewiſſen zu erfüllen und dabei, frei von der Perſon, der Freundſchaft oder Verwandtſchaft, frei von Mißgunſt, frei von Selbſtſucht und Menſchenfurcht, lediglich das Kirche im Auge zu behalten, auf daß dieſe in allen Stücken dem, der das Haupt iſt, Chriſtus. So wahr helfe mir Gott! Amen!

Der Untertaneneid lautete: Ich N. N., von der evangeliſchen Landeskirche Augsbur kenntniſſes in Siebenbürgen geſetzmäßig erwählter und von Seiner Hair königlichen Apoſtoliſchen Majeſtät mit der Allerhöchſten Entſchließung A aAllergnädigſt beſtätigter, Superintendent der evangelisch Landeskirche Augsburger Bekenntniſſes in Siebenbürgen, ſchwöre vor dem Allwiſſenden und Allheiligen, Seiner kaiserlichen königlichen Apoſtoliſe Majeſtät Franz Joſeph dem Erſten, von Gottes Gnaden Ka von Öfterreich, König von Ungarn u. |. w., Großfürſten von Sieb bürgen u. ſ. w., meinem rechtmäßigen Landesfürſten und Herrn und Allerhöchſtdemſelben den aus deſſen Stamme und Geblüte nachfolgen geſetzlichen Throneserben unverbrüchlich treu und gehorſam zu ſein; ich ſchwöre ferner, die Geſetze und geſetzlichen Einrichtungen der ſtaatlichen Ordnung zu befolgen und zu beobachten und keine Gemeinſchaft oder Ver⸗ bindung, ſei es innerhalb oder außerhalb Landes, zu unterhalten, welche der öffentlichen Sicherheit gefährlich ſein könnte, vielmehr zur Abwendung der dem Staate etwa drohenden Gefahren nichts zu unterlaſſen. So wahr helfe mir Gott! Amen!

Vor der Wahl hatte ein Freund geſchrieben: „Der 19. September wird über die Ausſicht auf Regeneration und die Gefahr der Verſumpfung beſtimmen. Ich glaube an das Walten der Vorſehung.“ Teutſch aber ſchrieb an ſeine Frau am 20. September: „Meine Seele ift voll von den erhebenden und erſchütternden Eindrücken der Wahl und deſſen, was in ihrem Gefolge war. Ich beuge mich demütig dem, was ſein Wille durch die Wahl ſeiner Kirche über mich verhängt, wiewohl ich nicht dafür kann, daß mein Herz bei dem Hinblick darauf, was jetzt meiner wartet, voll banger Beſorgnis ſchlägt. Mein Leben in Unruh wird fortan noch mehr als früher von mir gelten. Doch ſein Wille geſchehe,“ und an Haltrich zog er, getroſten Mutes angeſichts der unerwarteten vielen Zeichen der Teilnahme das Bibelwort an: feine Hoffnung ſei, wie es beim Propheten ſteht: „meine Gnade, ſo ich mich erweiſen will, wird ſein wie eine Tauwolke des morgens und wie ein Abendregen“. An den alten Freund J. A. Zimmermann aber ſchrieb er (21. September

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1867): „In der tiefen Erſchütterung und Erhebung der letzten drei Tage ſind meine Gedanken oft und oft hinübergeflogen zu Dir. Die Zeit vor mehr denn 20 Jahren, wo ich ſo oft aus Deinen Worten und Briefen und Büchern und Zielen und Idealen mich erhob und geiſtig und ſittlich wuchs: wie ſtand ſie lebhaft vor der Seele. Wenn das Ergebnis jener bedeutfamen Wahl am Donnerstag zum Heil der Kirche ausſchlägt, ſie hat mit Dir es zu danken. Macte virtute tua!

„Den Zuſtand, in dem ich mich befinde, kann ich Dir nur ſchwer anſchaulich machen. Neben der Beſorgnis, num humeri valeant ferre, was das große Amt mit ſich bringt, neben der Erhebung über ſeine begeiſternden Aufgaben, ſteht unmittelbar und immer wiederkehrend die tiefe Wehmut, daß ich aus einem Lebenskreiſe ſcheiden ſoll, der mich mehr befriedigt hat, als ich je hoffen durfte und deſſen nun ſchwindende freundliche Stille mir ein ſchwerer Verluſt ſein wird. Doch fiat voluntus ua! Du aber, Teuerſter, bleibe dem Freunde, der nun ungewohnte Wege zu den ſchwerſten Zielen wandeln ſoll, und der Kirche, die jo koſtbare Güter auch ſeiner Leitung anvertraut, was Du ihm bisher warſt und hilf auch weiter.“

Die nächſten Wochen waren voll gemütlicher Aufregung. Es galt die liebgewordenen Beziehungen zu Agnetheln abzubrechen, zum zweitenmal die Heimat zu verlegen, das neue Amt unter völlig neuen Verhältniſſen zu übernehmen.

Am 17. November 1867 hielt er die Abſchiedspredigt: der Abſchieds⸗ ſegen des ſcheidenden Seelſorgers im Anſchluß an 1 Theſſ. 5, 5ff., die auch im kunſtvollen Aufbau ein Meiſterſtück im Anſchluß an Erntefeſt, Reformationsfeſt und den Abſchied die Fülle der Gedanken zu einem großen Dreiklang ergreifend zuſammenfaßte. Er gab ſie mit zwei frühern Predigten als Gedenkblatt heraus und verteilte ſie zur Erinnerung beim Abſchied in der Gemeinde. Ende November überſiedelte die Familie auf zweimal nach Hermannftadt.

Die Überſiedlung von Agnetheln hat Teutſch in einem Brief vom 1. Dezember 1867 an den älteſten Knaben, der in Schäßburg das Gymnaſium beſuchte, geſchildert, darin das ſchönſte Bild auch der eignen Frau gezeichnet. So ſchreibt er:

„Wie Ihr ſchon aus den Zeitungen wiſſen werdet, ſind wir denn am 28. November glücklich in Hermannſtadt angelangt. Es war für die zurückbleibenden Kinder, es war für die fortziehende Mutter ein ſchwerer Tag und doch ein Tag voll Erhebung. Mittwoch Abend gab unſre Liedertafel einen Feſtabend, eigentlich der Mutter zu Ehren, die aber

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von den Vorbereitungen zur Reiſe nach allen Richtungen in A genommen, leider nicht daran teilnehmen konnte. Einige in übernachtende Mediaſcher Freunde, die von der Schenker 9 kamen, wohnten derſelben dafür bei und ſpendeten den Leiſtungen und wohlverdienten Beifall. Donnerstag, etwa ¼ 10 Uhr, verſammelte ſich Presbyterium, Kommunität, Gemeindevertretung auf dem Pfarrhof und nahm d mehrere Sprecher, zunächſt Herrn Kurator, dann den Richter, den Predi den ältern Kirchenvater wahrhaft rührenden Abſchied von der M Sie dankten ihr ergreifend für das gute Beiſpiel, das ſie durch Kindererziehung, durch ihre Frömmigkeit, durch ihren häuslichen durch ihre Prunkloſigkeit gegeben und wünſchten ihr dafür des Himmels reichſten Segen. h Es wurde mir unter innigem Dank gegen Gott wieder einmal recht klar, wie jedes gewiſſenhafte pflichtmäßige Walten ein Keim des Lebens iſt für viele. Als wir zur Reiſe angekleidet hinaustraten, ſah man wie in ein Kriegslager hinaus. Um den Wagen, an dem ſechs ſtattliche Pferde angeſchirrt waren, hielten in langen Reihen hüben und drüben im Hofe die Reiter, die der Mutter das Ehrengeleite geben wollten; vor dem Pfarrhauſe ftanden die Schulkinder, daran ſchloſſen ſich die Zünfte mit ihren Fahnen bis über den Markt hinaus. Das Schulchor mit Muſil ging voran, ein langer Wagenzug folgte. Von allen Seiten, aus allen Fenſtern Worte des Grußes, des Segens. Es war beinahe erſchütternd und doch voll Erhebung. Welch eine Treue liegt doch in den Herzen dieſes trefflichen Volkes! Wie fühlen ſie es, wo man ihnen wohl will, wo man gerecht gegen ſie iſt und ihnen hilft zum Heil. Welch eine große Gnade liegt darin, wenn man es durch pflichtmäßiges Tun, ohne Haſchen und Schein, erreicht, daß ſie warm und dankbar für uns ſchlagen! Am Tore nahm die Mutter noch einmal Abſchied vom Volke dann gings weiter. Die Reiter, etwa 100 zu zwei und zwei voran, die lange Wagenreihe hinter uns. So bis zum Hirel; dann noch ein Wort des Abſchieds, ein Druck der Hand die Mutter war aus Agnetheln fort. Geſegnet ſei die Liebe, die fie dort genoſſen! Die Reife bis Hermannſtadt ging ohne Hindernis fort. Wir kamen 7 Uhr abends an; unſre Zimmer waren geheizt und empfingen uns mit wohltuender Wärme und freundlichem Licht. Der Herr Komes Konrad Schmidt war ſo gütig geweſen, ein Abendeſſen für uns zu beſorgen; Will Balthes half abpacken und blieb den Abend bei uns.

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So find wir nun, wenn auch nur zu einem Teile, hier. Ich habe, da der Herr Kurator-Komes von tauſend Sorgen und Geſchäften in Anſpruch genommen iſt, das Amt nun doch jetzt ſchon angetreten, wiewohl ich es erſt nach meiner gänzlichen Überſiedlung zu tun gedachte. Gott helfe mir!“

In Hermannſtadt wurde am 20. Dezember 1867 ein vierter Sohn geboren (Guftav). Die Familie hatte in einem gemieteten Haus auf dem großen Ring freundliche Wohnung gefunden. Zwiſchen den Fremdlingen und den Hausleuten, Ingenieur Czekelius mit feiner ungewöhnlich ge- bildeten temperamentvollen Frau und drei geift- und gemütvollen Töchtern, erwuchs ein freundſchaftliches Verhältnis, das allen Beteiligten viele ſchöne Stunden beſcherte und ein Erwerb für das Leben war. Erſt 1868 fand die Überſiedlung in das von der Landeskirche inzwiſchen gekaufte Haus (Sporergaſſe) ſtatt, wo nun in der Tat eine biſchöfliche Amtswohnung geſchaffen wurde, die den Anſprüchen der Stellung entſprach. Das Amt trat er am 28. November 1867 an. Im Rundſchreiben, worin er es der Kirche ankündigte, ſchrieb er: „Indem ich dem Rufe und dem Geſetze unſerer Landeskirche folgend, die Amtsführung als Superintendent derjelben übernehme, kann ich nicht anders, als voll Dankbarkeit und Erhebung zu dem wahrhaft hochwürdigen Manne aufzublicken, der bei⸗ nahe ein Vierteljahrhundert hindurch jenes Amtes Zierde geweſen. Möge der Geiſt ſeiner Erkenntnis und Weisheit, ſeiner Überzeugungstreue, ſeiner Stärke und Liebe auch fortan ſegnend über dieſe Stelle walten!

„So iſt denn mit dem 28. November d. J. die Superintendentur der ev. Landeskirche A. B. nach 296 Jahren wieder zu jener Stätte zurückgekehrt, woher ſie in den Tagen der eben eingeführten Reformation faft ein Menſchenalter lang jo ſegensreich gewirkt. Wie damals, ſo bedarf jetzt der Träger des Amtes neben der Kraft, die nur von oben kommen kann, für die unwandelbaren und doch mit dem Wechſel der Zeiten immer neuen und ſchweren Aufgaben desſelben des fortgeſetzten Vertrauens der Kirche und der, eben daraus die beſten Wurzeln ziehenden fördernden Mitwirkung ihrer Behörden und Vertretungen. Um dieſe bitte ich denn aus vollem Herzen, damit durch gemeinſames, feſtes wohlwollendes Zu⸗ ſammenwirken Aller, die dazu berufen ſind, unſere Kirche je mehr und mehr reich werde an den Gütern des Glaubens, der Liebe, der Hoffnung; damit fie auf dem Boden des Geſetzes im Frieden mit ſich und allen Kirchen des Vaterlandes gewiſſenhaft ringe nach den vom Herrn geſetzten Zielen des Heils und durch die läuternde, veredelnde, beſeligende Kraft des Evangeliums ‚wachje in allen Stücken an dem, der das Haupt iſt, Chriftus‘, Das walte Gott!“

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Wenig früher war er in Peſt geweſen, wo er ſich den Männern vorſtellte, und war im Zuſammenhang mit diefen pflichten auf einige Tage auch nach Wien gegangen. Von da ſeinem älteſten Knaben den Brief, der bezeichnend für das G des Mannes gerade in jenen Wochen, alſo lautet:

„Ich ſchreibe Dir als Erwiderung auf Deine mir u freulichen Zeilen vom 20. Oktober einige Worte aus Wien, wo zwei Tagen weile. Schon dachte ich nämlich in Peſt an den Tag m Heimreiſe, als ſich die Notwendigkeit herausſtellte, meine Reife bis h auszudehnen. So benützte ich Dienstag, 29. Oktober, den Abendzug Eiſenbahn, der mich in gutem Schlafe bis den nächſten Morgen 7 L nach Wien brachte.

Die Erinnerung an meine Jugend hat mich in dieſer Stadt mi ſo ſehr ergriffen als jetzt. Denn vor einigen Wochen hat ſich das 30. erfüllt, ſeit ich ſie zum erſtenmal betrat. Es war im Jahre 1837 Auguſt, als ich nach pflichtgemäß beſtandener Maturitätsprüfung an d hieſige k. k. ev. theologiſche Lehranſtalt kam. Das war eine lange Rei 20 Tage dauerte die Fahrt mit dem Schäßburger Kaufmann Wa bis Peſt; von dort brachte mich das freudig angeſtaunte Dampfſchiff hieher. Die frohen Erwartungen, die ich an die Univerſitätszeit geknüpft, zerrannen bald in ſchmerzlicher Enttäuſchung; denn die Lehranſtalt war gar ſchwach und entſprach den Hoffnungen, mit welchen ich, getragen von aufſtrebenden, durch treffliche Lehrer in Schäßburg genährten Ideen, zur Hochſchule in freudiger Lernluſt gekommen, nicht im mindeſten. Für Philologie und Geſchichte, Fächer an welchen ich voll reiner Jugendglut hing, war gar nichts zu tun. Das iſt der erſte ſchwere Schmerz geweſen, der herbe in mein Leben hineingriff; es gab lange bange Wochen, in welchen ich mühſam nach Faſſung rang und nach Kraft, auch an jener ſchwachen Anſtalt etwas zu lernen. Am Ende aber konnte ich nicht anders, als die Eltern bitten, mir zu erlauben, daß ich nach Berlin, an die damals allein erlaubte deutſche Univerſität, ziehe.

Ich tat das erſt nach vielem bittern Seelenkampf. Deun mein Vater, Dein Großvater, war, wie Du weißt, Seifenſieder, wie ſein Vater und Groß⸗ vater geweſen und ſein Vermögen, wenn es ihm auch bei Fleiß und Anz ſtrengung ein beſcheidenes Auskommen gewährte, doch nicht derart, daß ihm die Beſtreitung von Univerfitätsftudien in Berlin, die dort mindeſtens noch einmal ſo viel koſteten als in Wien, ein leichtes geweſen wäre. Und weil ich wußte, wie ſchwer das den Eltern werde, wurde es mir ſo ſchwer, die Bitte darum zu ſtellen. Als ich es aber doch, wie ich

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nicht anders konnte, getan, war meine Freude um ſo größer, da endlich des Vaters Einwilligung kam und ich zum Winterſemeſter 1838 nach Berlin gehen konnte. Mit welcher Gewalt ergriff mich da das wiſſen⸗ ſchaftliche Leben an der, damals in ſchönſter Blüte ſtehenden trefflichen, mit allen Wiſſensſchätzen reich ausgeſtatteten Univerſität! Mit welchem Eifer beſuchte ich die Kollegien, namentlich Geſchichte bei Ranke, Geo» graphie bei Ritter! Das war ein Geiſtesleben im ſtillen Studenten- ſtübchen unter den von der Bibliothek gebrachten, bis dahin nur dem Namen nach gekannten Büchern! Schöne Zeit der Jugendbegeiſterung!

Aber auch ſie, mein liebes Kind, brachte eine dunkle, dunkle Wolke. Ich zog im Oktober 1838 von Wien fort und bekam in Berlin lange, lange keine Nachricht von Hauſe. Endlich kam ein Brief, aber nicht von des Vaters Hand; Onkel Friedr. Weiß hatte ihn geſchrieben; er teilte mir mit, der Vater ſei krank, doch hoffe man Beſſerung. Ach, welche schwere Wochen entſetzlichſter Ungewißheit brachen da an, bis ich endlich, erſt im Dezember, die ganze volle Schmerzenskunde erfuhr, der treue Vater ſei nach dem Herbſte nach Hermannſtadt gefahren, um Unſchlitt für ſein Gewerbe zu kaufen, dort an den Folgen eines Bruches, den er hatte, erkrankt und geſtorben. Es war den 31. Oktober geweſen; auf dem Friedhof dort liegt er begraben; wenn wir hinübergezogen, will ich Dich zur Stätte führen.

Wie lebt ſein Bild noch vor meiner Seele! Er war kleiner als ich, ſein Angeſicht ſtets der Ausdruck herzgewinnender Freundlichkeit. Sein ganzes Weſen war hülfreich, wohlwollend und darum hatte ihn jedermann gerne. In der Schule hatte er brav gelernt, war eine Zeit lang Chlamidat geweſen; alles Wiſſenswürdige machte ihm Freude; er las fortwährend gerne lehrreiche Bücher. In der Kommunität, deren Mitglied er war, füllte er ſeinen Platz aus. Ich erinnere mich lebhaft, wie er mich, wenn ich als „Schülleraner“ aus der Schule kam, daheim im Schreiben und Rechnen unterrichtete. Ich bin mit durch ihn und an ihm geworden, was ich bin Gott ſegne ſeinen Staub noch!

Siehſt Du, mein Kind, das alles habe ich in dieſen Tagen in den Straßen von Wien aufs neue durchgelebt. Traf mich doch in der⸗ ſelben der Jahrestag vom Heimgang des Vaters nach 30 Jahren, da ich als Jüngling in ſie gekommen, ohne zu ahnen, daß ich damals dort bei dem Türmchen auf der „Steilau“ zum letztenmal auf der Erde mit ihm geſprochen.

Das alles aber habe ich Dir geſchrieben, nicht um Dich ſchmerzlich zu berühren, oder Deinen friſchen Jugendmut zu trüben, ſondern weil

und was mir am teuerften ift, das, was ich Dir vom Vater würden das zweite Wort erſticken. die mir ſo nahe geſtanden, mit nie Siehe aber, auch dieſer ſchwere

immer nahe iſt. Wie meine arme 9 nun den fernen Sohn in ſo kurzer Zeit ſolle, trugen ihr unaufgefordert der damal

der Herr Bürgermeiſter Köhler, Herr Doktor vor, was ich brauchte. Wir haben es den Danke zurückgezahlt und dieſe dankbare erlöſchen.“

N i | | Der evangelifch-fächftiche Biſchof. 1867— 1893. | | || | I |

11. Im Kampf.

Nach der Verfaſſung der ev. Landeskirche und den alten fieben- bürgiſchen Religionargeſetzen ſoll der neugewählte Biſchof vom Landes⸗ fürſten beſtätigt werden. Es iſt im Sinne der alten Landesgeſetze eigentlich eine feierliche Kenntnisnahme der Wahl und es iſt nie vorgekommen, daß gegen einen ev. Biſchof, den die Kirche ſich gewählt, Einſprache erhoben worden wäre. Auch hier iſt in den Streifen der Regierung nicht daran gedacht worden. Das Gubernium, das damals noch beſtand, ſtellte fi) auf den geſetzlichen Standpunkt und die Regierung tat dasſelbe. Über ihren Vorſchlag beſtätigte Se. Majeſtät am 6. Januar 1868 die Wahl und am 4. Juni hatte der neue Biſchof Gelegenheit, beim Kaiſer-König für die Beſtätigung zu danken. Auf die freundlichen Worte des Monarchen, er freue ſich, Teutſch wieder zu ſehen, ſprach Teutſch ſolgendes: „Eure k. k. apoſt. Majeſtät haben die Gnade gehabt, mit Allerh. Entſchließung vom 6. Januar die Wahl der ev. Landeskirche A. B. in Siebenbürgen, die mich zum Superintendenten berufen, Allergnädigſt zu beſtätigen. Es iſt damit in ihrem geſamten Umfang ins Leben getreten jene Kirchen⸗ verfaſſung, die wir den Auſpizien Allerh. Euerer Majeſtät verdanken und deren Gerechtigkeit und Freiſinn die Namen ihrer Mitbegründer weit über die Grenzen unſeres Vaterlandes getragen hat. Um jo ehrfurchts⸗ voller und lebendiger iſt der Dank, den ich in meinem und im Namen unſerer Kirche in homagialer Treue Euerer Majeſtät darzubringen mich gedrungen fühle. Ich kann dabei nicht anders als die Verſicherung hinzufügen, daß dieſe Kirche und das fie umfaſſende Volk unter allen Wandlungen der Verhältniſſe in altererbter Hingabe nie aufhören wird, dahin zu ſtreben, daß es ſtets würdiger werde der erhabenen Worte, die Euerer Majeſtät erlauchter Ahnher Kaiſer Rudolf am Schluſſe des 16. Jahrhunderts zu ihnen geſprochen: vos, qui et origine et linqua et quod caput est avita animi integritate Germani, nostrum seilicet genus estis. Und das bitte ich zugleich, Euere Majeſtät wolle aller⸗ gnädigſt die Bitte genehmigen, dieſe Kirche und den erſten Superintendenten nach der neuen Verfaſſung des Allerh. Wohlwollens zu würdigen.“

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„Ich freue mich, erwiderte Se. Majeſtät, daß die Wahl kirche Sie an dieſe Stelle berufen hat; fie hätte feinen können. Ich habe daher mit rechter Freude dieſelbe beſtätigt überzeugt, daß das ſächſiſche Volk, von dem wir es nicht anders ſind, die alte Treue zu meinem Haus bewähren wird.“ Der K kundigte ſich, ob die Verfaſſung nun ganz durchgeführt ſei und ſich bewähre. Auf die Antwort Teutſchs, mit der Wahl des Bi ſie nun ganz durchgeführt, ſie bewähre ſich vorzüglich, neues erwache, der Unterricht in den Schulen mache Fortſchritte, ſagte Kaiſer mit ungemein großer Freundlichkeit: „Wir wiſſen, daß die © voran ſind. Ich werde auch fortan der Kirche und den Sachſen ganze Sorge zuwenden.“

Teutſch: „Wir hoffen, daß auch die neuen ſtaatsrechtlichen Ve hältniſſe ihre Exiſtenzbedingungen unangetaſtet laſſen werden.“

„Gewiß, gewiß“ antwortete Se. Majeſtät und mit der erneuert Verſicherung der Allh. Huld wurde Teutſch entlaſſen.

Im November trat die 5. Landeskirchenverſammlung zuſamme um die feierliche Einführung des beſtätigten Biſchofs in das Amt nehmen. Er predigte im Anſchluß an Mark. 4, 26—29 „Das Gottes hat ſich alſo, als wenn ein Menſch Samen aufs Land wirft. über das Thema: was unſere Zuverficht auf die Zukunft unſrer Ki begründe und ſah ſie darin, daß die Kirche unter dem Schutze des Geſetzes ſtehe, daß ſie auf Gottes Wort ruhend mit der Freiheit und dem Fortſchritt des Geiſtes verbündet ſei und daß ihre Entwicklung in die treue Mitarbeit der Gemeinde gelegt ſei. Es ſind große Grund⸗ prinzipien, die einen Teil ſeiner Lebensanſchauung ausmachten und auf denen zweifellos die Entwicklung unſrer Kirche nicht nur im letzten Menſchenalter ruht. Beim Feſtmahl, das der Biſchof im „römiſchen Kaiſer“ gab, klangen die Hoffnungen, die Erwartungen, die man alle gemein an dieſen Tag knüpfte, in erhebenden Worten aus.

Nun begann die Arbeit im Kampf und in innerem Aufbau.

Die ev. Landeskirche Augsburger Bekenntniſſes in Siebenbürgen ſo lautete damals ihr Name, ſeither geändert „in den ſiebenbürgiſchen Landesteilen Ungarns“ erfreute ſich auf Grund der alten Landesgeſetze und der neuen Verſaſſung einer vollftändigen Autonomie. Sie umfaßte 268 Pfarrgemeinden, in 10 Bezirke gegliedert, davon 250 ausſchließlich deutſch (ächſiſch); es fällt eben das ev. Bekenntnis mit der ſächſiſchen Nation nahezu vollſtändig zuſammen. In der Reformationszeit waren die ſächſiſchen Gemeinden zur ev. Kirche übergetreten und ſie hatte, in

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jener Zeit vielfach auch die „ſächſiſche Kirche“ genannt, ſofort Gleich- berechtigung mit den drei andern „rezipierten Religionen“ der refor⸗ mierten, römiſch-katholiſchen und unitariſchen erhalten, daneben den geſetzlich geſicherten Beſtand und freie Übung ihres Glaubens, endlich autonome Selbſtändigkeit und Unabhängigkeit in ihrem Verhältnis zum Staat. Auf Grund der alten Landtagsartikel hatte das Approbatalgeſetz, das Landesgeſetz von 1653, I. 1, 3 die grundlegende Beſtimmung auf⸗ genommen: „An dem kirchlichen Regiment und den Gebräuchen zu reformieren, oder zu ändern war den Kirchen hier von Anfang an erlaubt, welche chriſtliche Freiheit auch künftighin nicht benommen noch verboten wird, ſo jedoch wie man in andern chriſtlichen Ländern und auch in diefem, dem unſrigen, gelebt hat und auch jetzt lebt, nämlich: daß in geringern Angelegenheiten und was nur die geiſtlichen Stände betrifft, die geiſtlichen Stände auch ſollen beſchließen und Konſtitutionen machen tonnen, doch auch dieſe auf allgemeinen Generalverſammlungen. In Ans gelegenheiten aber, die fie mit den Zuhörern und weltlichen Ständen gemeinſchaftlich haben, oder die auch dieſe betreffen, nicht anders, als mit dieſen in gemeinſamem Einverſtändnis d. i. ein jeder mit der Zu⸗ ſtimmung der oberſten Amtleute und Patrone ſeiner Religion.

„Hiedurch wird auch das nicht ausgeſchloſſen, daß wenn jemand feine, auf die Erbauung der Kirche zielenden, mit der h. Schrift über⸗ einſtimmenden Anſichten mitteilen wollte, dieſes auf die Art zugelaſſen wird, daß er gehalten ſei, dieſelben auf den allgemeinen Verſammlungen der Kirche vorzulegen und ſich und ſeine Meinungen der Prüfung der allgemeinen Verſammlung zu unterwerfen, welche dieſelben, wenn ſie in der Wagſchale der h. Schrift gerecht, ohne Privatrückſichten gewogen, und dem oberſten und den auf dieſe folgenden weltlichen Amtleuten und Patronen ihrer Religion mitgeteilt, falls ſie ſowohl nützlich als auch notwendig erfunden worden, kraft gemeinſchaftlich gefaßten Beſchluſſes auch in Gebrauch ſetzen mag. Auf dieſe Weiſe ſoll in ritibus externis directioneque ecelesiastica eine Verbeſſerung oder Anderung ſtattfinden können, ohne daß der Grund und die Artikel des Glaubens und der Religion in etwas angetaſtet werden.“

Kirchenrechtlich ausgedrückt hat dieſem Geſetz nach der Staat und die Regierung weder ein jus in sacra noch eiren sacra, ſondern es befigt die Kirche die unbeſchränkteſte Autonomie. Dieſe Stellung ift rechtlich auch in der folgenden Zeit nicht geändert worden. Als Siebenbürgen nach der Fürſtenzeit zu Ungarn zurückkehrte und unter das Haus Habs⸗ burg ſich ftellte (1691), gewährte das Leopoldiniſche Diplom, der Grund⸗

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vertrag zwiſchen dem Herrſcherhaus und dem Lande, in der unzweideutigſten Weiſe, die Zuſicherung aller be auch für die Kirche, was der Szathmarer Friede von Wenn es dem 18. Jahrhundert allerdings gelang, tatjäd ſtand auch der ev. Kirche vielfach zu ſchmälern, fo blieb er de in Kraft und die Religionargeſetze wurden in den Artikeln vom Landtag 1790/91 neuerdings in ihrem ganzen U erhalten und bez. der Aufficht der Regierung beſtimmte der ausdrücklich, daß dieſes Recht ſich bloß auf die from beziehe. Bei der Umgeſtaltung der ſtaatsrechtlichen Ve der 43. Geſetzartikel von 1868 ausdrücklich feſt, daß alle „unberührt aufrecht erhalten werden“. So galt auch beim Amtes, was Teutſch 1863 als Endreſultat der hiſtoriſchen dieſer Frage in die Sätze zuſammenfaßte: „So ſteht die ev. kirche A. B. in Siebenbürgen unter dem Schutze der ſieben rechtsbeſtändigen diesbezüglichen Staatsverträge und Geſetze auf ſtaatsrechtlicher Anerkennung mit dem vollen Rechte öffentlicher übung; vollkommen gleichberechtigt mit allen andern Kirchen das Recht der Autonomie oder das Selbſtbeſtimmungsrecht in Umfang, das für eine ftete gedeihliche Entwicklung und Ordnung Verhältniſſe vertrauenerregende Gewähr leiſtet.“

Es war aber vorauszuſehn, daß mit der Entwicklung der Staat lichkeit Ungarns Angriffe auf dieſen Rechtsſtand nicht ausbleiben würde 1 Zunächſt weil der ungeſunde Drang, die Staatsallmacht auf alle Leben: gebiete auszudehnen hier wie im übrigen Europa ſehr entſchieden z trat, dann weil die Autonomie der Kirche hier zugleich ein Schutz die nationale Entwicklung des ſächſiſchen Volkes war und gerade dieſe ſchweren Angriffen entgegen ging. Es war wie eine Vorbedeutung für die kommenden Jahre, daß ſchon die Landeskirchenverſammlung (die 5), die die Einführung des Biſchofs in das neue Amt vornahm, ſich an die Regierung wenden mußte mit der vertrauensvollen Bitte, die fieben- bürgiſchen Religionargeſetze aufrecht zu erhalten, als der Staat ſich an- ſchickte, über die Miſchehen und die Gegenſeitigkeit der Kirchen geſetzliche Beſtimmungen zu ſchaffen. In jener Eingabe hieß es u. a. „Wir müſſen der Überzeugung Ausdruck verleihen, daß es nach vielen Zeugniſſen der geichichtlichen Erfahrung gerade auf dem religiöſen Gebiet am wenigſten erſprießlich und auch für das Staatswohl ſelten förderlich ſei, die innere Berechtigung einer Mannigfaltigkeit von Kräften und Formen nicht anzu⸗ erkennen und zugunſten einer äußerlichen Einheit die oft ſchwankenden

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politiſchen Mojoritäten ohne äußere oder innere Nötigung zu weltlichem Zwange zu veranlaſſen, ſtatt die Hülfe an dem Punkte zu leiſten, wo fie notwendig iſt und ſeit langer Zeit und laut genug angerufen wurde“. Damals ging die Gefahr vorüber, ja der 43. Geſetzartikel von 1868 bekräftigte die ſiebenbürgiſchen Religionargeſetze. Es kam in jenen Jahren vor, daß Einzelperſonen labgeſetzte Pfarrer, abgewieſene Stipendien⸗ pewerber) ſich an den Miniſter wandten; er wies ſie ſtets zurück mit dem Hinweis auf die Autonomie der ev. Landeskirche.

So lange Baron J. Eötvös an der Spitze des Kultusminiſteriums ſtand, iſt die Kirche in ihren Rechten auch tatſächlich geſchützt worden. Im Jahr 1869 beſuchte der Kultusminiſter Hermannſtadt, dabei auch den ſächſiſchen Biſchof, der ihm die Sehenswürdigkeiten der Stadt zeigte. Eötvös nahm den Dank der Kirche unter Führung des Biſchofs entgegen für den Schutz, den er ihr gewährte und der Miniſter rühmte die Leistungen der Sachſen auf dem Gebiet der Kirche und Schule und gab die Verſicherung, daß er das Recht der Kirche und das Streben ihrer im Dienſt der Kultur und Wiſſenſchaften ſtehenden Schulen zu achten wiſſe. So konnte noch 1870 das Landeskonſiſtorium in ſeinem Amts⸗ bericht zuverſichtlich ſchreiben: „Das Geſetz iſt es, das unſern Rechts⸗ ſtand bleibend gewährleiſtet hat; an dieſem unveräußerlichen Beſitz unerſchütterlich feſtzuhalten iſt die Bedingung unſerer Gegenwart und Zukunft. . .. So ruht denn das Recht der Geſamtgemeinde für und für ſicherer denn je auf dieſem teuerſten Erbe der Väter, den ſiebenbürgiſchen Religionargeſetzen“. Als Eötvös wenig ſpäter (1871) ſtarb, ſchrieb Teutſch an Haltrich: „Eötvös hat unſere Kirche gut behandelt und war mir perſönlich gar freundlich geſinnt.“

Das erſtere änderte ſich nach dem Tode Eötvös’, als A. v. Trefort an ſeine Stelle trat und überhaupt das Miniſterium Tiſza die Leitung Ungarns in die Hand nahm.

Die Geſchicke der ev. Kirche hier ſind nur im Zusammenhang mit der geſamten Entwicklung des ſächſiſchen Volkes in jenen Jahren zu verſtehen und dieſe iſt ein Teil der Geſchichte Ungarns geworden.

Der größere Teil des ſächſiſchen Volkes war mit Sorge und voll banger Ahnungen in die neue Staatsform des Dualismus eingetreten. Zunächſt ſchien allerdings nicht nur das Wort des Ständepräſidenten des Klauſenburger Landtags Baron Kemeny beruhigend, auch ſonſt lag den Machthabern daran, Beruhigung zu verbreiten. Die Taten freilich bewirkten das Gegenteil. Noch bevor die Union Siebenbürgens mit Ungarn rechtlich durchgeführt war das Unionsgeſetz über die detaillierte

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Georg Daniel Teutſch e

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Regelung der Verhältniſſe folgte erſt ſpäter wurde der! ſächſiſchen Nation, Konrad Schmidt, ſeines Amtes entho! 1868) und ein willenloſes Werkzeug der Regierung an ſeine Es war ein ſchwerer Gang, den Teutſch machte, als er von dem Schritt erfahren hatte, um dem Freunde die Enthebung, von noch keine Kenntnis hatte, mitzuteilen. Die ganze Schwere d Gefahren ſtand Beiden vor der Seele. „Als ich Sonntag aus kam ſo ſchrieb er am 18. Februar 1868 an Haltrich Nachricht vom Janhagel eifrig verbreitet durch die Stadt g teilte ſie mich beſuchend Prediger Stenzel ein Charakter Ich ging zum Komes er wußte nichts und erfuhr das Geri meinem Munde. Denn das Schwerſte muß Einem der Freun damit nicht der Hohn oder die Bosheit damit die ſchändliche Luft Ihr mögt ermeſſen, wie mir im Herzen war. Er blieb wie ich gefaßt, lächelnd, hohen Hauptes: ‚ich ſah es ſeit lange kom Schlechtigkeit und Albernheit gleichmäßig gefördert. Mir perjüni man Glück wünſchen, denn die Angriffe der Gegner erfüllt ehrliche Seele ſchon lang mit Ekel; aber wenn ich ans Recht, Nation, an die Zukunft denke ..“ Ein enragierter Jungſt Hermannſtadt hatte bei der Nachricht von der Penſionierung des K jubelnd den Hut zur Erde geworfen: den Komes haben wir weg jetzt kommt der Biſchof dran. Man fühlte bei Freund und Feind, Angriffen auf die Nation werde der Angriff auf die Kirche folgen. In Peſt begann nun eine ſeltſame Politik, die zunächſt ſich den Anſchein gab, als wolle man die nationale und munizipale Einheit des Sachſenlandes aufrecht erhalten, während ihr das Todesurteil ſchon geiprochen war. Am 8. März 1867 ermächtigte das Abgeordnetenhaus gegen das energiſche und ernſte Eintreten ſächſiſcherſeits, wobei Zimmer⸗ mann gewaltige Worte ſprach, das Miniſterium, in Siebenbürgen nach Gutdünken bezüglich der Regierung, Verwaltung und Rechtspflege zu verfügen und damit war auch das Sachſenland außer Geſetz und Recht geſtellt. Der 43. Geſetzartikel von 1868 brachte endlich das Unionsgeſetz. Es nahm der ſächſiſchen Nation das Recht der Komeswahl und ver⸗ längerte die „freie Hand“ des Ministers, bis der Reichstag ein Muni⸗ zipalgeſetz für das Sachſenland ſchaffen werde. Jenes Munizipalgeſetz ſollte „die auf Geſetzen und Verträgen beruhenden Rechte“ des Sachſenlandes berückſichtigen. Das Sachſenland ſollte eine munizipale Einheit bilden und im $ 11 des 43. Geſetzartikels von 1868 hieß es wörtlich: „Die ſächſiſche Nationsuniverſität wird auch weiterhin in dem, mit dem ſiebenbürgiſchen

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Geſetzartikel XIII: 1791 in Einklang ſtehenden Wirkungskreis mit Aufrechterhaltung der Sr. Majeſtät zuſtehenden und im Wege des ungarischen verantwortlichen Miniſteriums auszuübenden Aufſichtsrechts belaſſen, mit der Ausnahme, daß die Univerſitätsverſammlung infolge der Anderungen im Organismus des Juſtizweſens weiterhin keine richter⸗ liche Funktion ausüben kann“. Der angezogene 13. Geſetzartikel von 1791 aber lautet: „Mit gnädiger Genehmigung Sr. Majeſtät werden auch die ſächſiſche Nation, ihre Univerfität wie auch die Kommunitäten der Stühle und Diftrikte, k. Freiſtädte und privilegierten Märkte, die Magi⸗ ſtrate ſowohl was die nach dem Geſetz ihnen zukommende Wahl von Beamten als die politiſche, ökonomiſche und juridiſche Verwaltung be⸗ trifft, in ihrem geſetzmäßigen, mit dem Leopoldiniſchen Diplom überein ftimmenden Zuſtande erhalten“. Im Leopoldiniſchen Diplom von 1691 aber war ihr geſamter alter Rechtsſtand, vor allem alſo ihr Beſtand gewährleiſtet. Und noch einmal verhieß § 88 des Geſetzes über die Regelung der Munizipien (42. Artikel von 1870) ausdrücklich die Erfüllung der Verheißung, die das Unionsgeſetz gegeben hatte. Da trat 1872 der Miniſter mit einem Geſetzentwurf auf, der die Neueinteilung des Landes zu Zwecken der Verwaltung vorſchlug. Darnach ſollte das Sachſenland auseinandergeriſſen werden und deſſen Teile mit rumäniſchen und magpa⸗ riſchen Landſtrichen ſo verbunden werden, daß die Sachſen darin nicht mehr die Mehrheit bildeten. „Politiſche Rückſichten“ waren nach dem offenen Geſtändnis der Regierung die Motive dazu. Eine große Anzahl ungariſcher Munizipien proteftierte aus verſchiedenen Gründen dagegen; als die ſächſiſche Nationsuniverſität ihre Pflicht erfüllen wollte und das Gleiche vorbereitete, verbot der Miniſter ihr gegen alles Recht die Ver⸗ handlung. Die ſächſiſchen Munizipien baten darauf um Verſetzung des Miniſters in Anklageſtand wegen Verletzung beſtehender Geſetze. Das Abgeordnetenhaus aber hatte nichts als Hohn für die tief verletzten Gemüter, denen Koloman Tiſza, da fie ihr Recht forderten, zurief: „Sie ſollen kommen und ſichs nehmen, wenn fie können.“

Nun wurde der Gedanke einer allgemeinen neuen Landeseinteilung fallen gelaſſen, aber von Koloman Tiſza, der 1875 die Rolle eines Oppoſitionsführers mit der Miniſterpräſidentſchaft vertauſcht hatte, in der beſchräntten Form der Neueinteilung Siebenbürgens wieder auf- genommen. Der ungariſche Reichstag verhandelte in den Tagen vom 22.—27. März 1876 den „Geſetzentwurf über den Königsboden, ferner über die Regelung der Sachſenuniverſität und von dem Vermögen der Univerſität. Von den Rechten des Sachſenlandes war darin keine Rede

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mehr. Der Geſetzentwurf gab ſich als Ausführung des des 43. Geſetzartikels von 1868 und war das Gegenteil. die Einheit des Sachſenlandes gewährleiſtet, hier in Trün dort die Univerſität in ihrem alten Wirkungskreis aufrecht Ausnahme der gerichtlichen Befugniſſe), hier nur als walterin beibehalten uff. Es iſt ein tapferes, ehrenvolles das Recht geweſen, das die volkstreuen ſächſiſchen Abgeord Reichstag aufnahmen. Die Niederlage war vorauszuſehen, denn dieſes eigenberechtigte deutſche Munizipium, das gewiſſe auf und Verträgen beruhende Rechte hatte, aus der Welt zu ji das dankbare Volk ſchrieb an die Abgeordneten: „Zu ihrem 2 ſie mannhaft geſtanden, wie dieſes Volk zu Ihnen ſteht. So wir denn auch aus dieſen Tagen, gehoben und geſtärkt durch ſpiel und Ihre einmütige Tat, retten die Hoffnung auf die unſeres Volks“. So wurde nun das Sachſenland zerſchlagen, 1876 wurden die neuen Komitate organiſiert und an die des Hermannſtädter Komitats ſchickte die Regierung, zum Unglüc noch die Schmach zu fügen, wenigſtens empfanden es die Sachſen Fr. Wächter, der im Abgeordnetenhaus als Referent den Geſetze verteidigt hatte. Gemieden von allen Treuen iſt er in Hermannſtadt ein ſeines Weges gegangen, hat durch Heftigkeit und geringe Eignung zum! das Anſehen des Staates tief geſchädigt und ift verlaſſen geftorben.

Nun begann in den neuen Komitaten und in der Univerſität ſchwere Kampf um die Rechte, die nach dem Geſetz eben dem Kom und der Univerſität zuftehen ſollten, und zwar um fo erbitterter, als die Sachſen ſahen, wie in den maßgebenden Kreiſen in Peſt Vorurteil und Unkenntnis in ſiebenbürgiſchen Dingen gleich groß war und eine Reihe von Maßregeln ſich nur durch den Haß erklären ließen, obwohl die Sachſen in Worten und Taten bezeugt hatten, ſich auf den Boden der geſchaffenen Geſetze zu ſtellen, ſo weh ſie ihnen taten.

Die Aufregung und Erbitterung in den ſächſiſchen Kreiſen war ſo groß, daß man es für angezeigt hielt, den König ſelbſt ein Wort reden zu laſſen. Im September 1876 kam Se, Majeſtät nach Her⸗ mannſtadt und ſprach es ſelbſt aus: ſtaatliche Jutereſſen hätten die Anderung in der Einteilung Siebenbürgens notwendig gemacht. Im Verkehr aber mit den Sachſen, deren altererbte Treue keinen Augenblick wankend geworden war, zeigte der Herrſcher die gewohnte Güte und Leutſeligkeit, die die Herzen immer aufs neue gewann. Teutſch ſtellte die Vertretung der Kirche vor und wurde perſönlich mit ausgeſuchter

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Freundlichkeit behandelt. Nach der Hoftafel am 10. September ſprach der König beim Cercle lange mit Teutſch, der es meiſterhaft verſtand, grundlegende Dinge auch bei dieſer Unterhaltung zu behandeln. Nach einigen Bemerkungen über die rumäniſche Sprache und Grammatik, der Schilderung des ſächſiſchen Kantors in der ſerbiſch-rumäniſchen evangeliſchen Gemeinde mit dem Lied aus dem graduale bulgaricum, wußte er den Über- gang zu finden zur Schilderung der Lage, aus der die Beſitzergreifung des Hauses Habsburg das Land gerettet, was nur dem ſiegreichen Flug des Doppeladlers zu verdanken ſei. Darum habe niemand tiefer als unſere Väter verſtanden, sub umbra alarum Tuarum, worauf der König ergriffen erwiderte: Ja, dieſe Flügel, ſie ſind noch nicht ſtumpf geworden und die umſtehenden hohen Offiziere mit Tränen im Auge ſprachen, ſolche Sprache hätten ſie noch nie gehört. Am folgenden Tag beſuchte der König das ev. Gymnaſium, wo wieder der Biſchof die Führung machte und die Gelegenheit benützte, über die Nationaldotation und die Brukenthalſchen Stiftungen, über die Unterſtützung der Real— ſchule, über unſere Kandidatenprüfungen Aufklärendes mitzuteilen. Auf ſeine Bitte beſichtigte Se. Majeſtät auch die ev. Kirche, wo die Bau⸗ geſchichte und die alten Grabdenkmäler beſte Gelegenheit zu einem Überblick über die ganze ſächſiſche Geſchichte boten, von der Einwanderung ange⸗ fangen, ſo daß der Kaiſer ſtaunend ſprach: „Es iſt doch wunderbar, wie ſich die Nation hier ſo ganz deutſch in dieſer Entfernung und Um⸗ gebung erhalten hat.“

Wenckheim (Miniſter a latere): Und wie deutſch, Ew. Majeſtät, bis zum kleinſten Dorf in Sprache, Sitte, Kleidung, Hausbau, und Allem.

Teutſch: Das iſt mit die Folge des von der Krone unſerem deutſchen Partikularrecht ſo wirkſam gewährten Schutzes.

Beim Abſchied auf dem Bahnhof dankte der Kaiſer für den herz⸗ lichen Empfang, den Hermannſtadt ihm bereitet habe. Teutſch erwiderte: Es waren Feſttage für die Stadt und wir haben zu danken, daß Ew. Majeſtät uns die Huld derſelben geſchenkt haben.

Majeſtät: Es war mir eine Freude, es tun zu können.

Teutſch: Wir haben nur noch die Bitte, daß es uns bald wieder vergönnt ſei, sub umbra alarum Tuarum ſolche Feſttage zu feiern.

Majeſtät: An meinem Schutze ſoll es Ihnen nie fehlen. Es freut mich, daß ich den guten altſächſiſchen Geiſt hier gefunden habe.

Teutſch: Gott ſegne Ew. Majeſtät auch dafür.

Solche Stunden und Tage waren ein Troſt nicht nur für die Einzelnen, ſondern für das ganze Volk,

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Der politiſche Kampf aber ging ungehindert weiter. politiſche Einheit des ſächſiſchen Volkes zerſchlagen Angriff auf die deutſche Mutterſprache. Aus Amt und ( zudrängen, arbeiteten hohe und niedere Organe und zur war jede politiſche Frage geworden. Zugleich wurde, da hi trümmert war, der Sturmlauf auf die Schule und Kirche nommen. An Tiſzas und Treforts Namen knüpft dieſer damalige Regierungsweisheit ftellte in Gegenſatz zum Geſetz ſpruch mit allen Außerungen des Reichstags im Jahre 1861 wo Tiſza und Trefort beredte Wortführer geweſen waren, die A auf, daß in Ungarn im öffentlichen Leben ausſchließlich das Wort Geltung haben dürfe und es begann der Verſuch einer ſierung durch den Staat und die Geſellſchaft, wie man fie möglich gehalten hatte. Dabei ift klar, warum der heftigſte ſich gegen die Sachſen richtete. Ihr Recht war das feſteſte, fie hartnäckigſten Verteidiger der Mutterſprache; unterlagen ſie, am erſten die Sache ſelbſt.

Der Sturm auf die Schulen begann mit dem Geſetzentwurf ii die Einführung der magyariſchen Sprache in alle Volksſchulen ( Der weſentliche Inhalt ging darauf hin: daß in den nichtmagy konfeſſionellen Lehrerſeminarien die magyariſche Sprache in Umfang unterrichtet werde, daß ihre Erlernung „in Wort und ( jedem Schüler möglich ſei; daß nach 3 Jahren niemand als L angeſtellt werden dürfe, der nicht magyarifch könne, um es in der Vol ſchule zu lehren. Jeder Lehrer, der ſeit 1876 das Seminar abjolv hatte, mußte nachträglich ſich die Kenntnis der magvyariſchen Sprache aneignen. In ſämtlichen Volksſchulen war das Magyariſche als obligater Unterrichtsgegenſtand einzuführen; die Stundenzahl ſetzte der Unterrichts⸗ miniſter im Verordnungsweg feſt. Vom Jahre 1883 an ſollten nur ſolche Lehrer angeſtellt werden dürfen, die der magyariſchen Sprache mächtig wären. Als Begründung führte der Motivenbericht an: nachdem das Magyariſche die Staatsſprache ſei, jo ſei es nötig, jedem Staats⸗ bürger „Gelegenheit zu bieten“, fie zu erlernen. Der Geſetzentwurf wurde in magyariſchen Kreiſen mit ungeteiltem Jubel aufgenommen. Es war damals das Miniſterium Tiſza wegen der Okkupation Bosniens in Ungarn wenig populär; der Geſetzentwurf erwarb ihm ſofort die Popularität bei den Magyaren, worauf es von vornherein auch abgeſehen war. Ein einziger Magyare, Ludwig Mocjary, fand den Mut, dagegen aufzutreten und auszusprechen, was die Nichtmagyaren empfinden müßten. Gegenüber

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der Leugnung der Magyarifierungstendenz des Geſetzes führte er ſcharf aus: „Ich muß es ausſprechen, daß ich einen ſolchen Mangel an Auf— richtigkeit weder der magyariſchen Raſſe noch des Staates würdig halte. Denn es iſt uns allen ſehr wohl bekannt, daß wir unter der Aus- breitung der magyariſchen Sprache nichts anderes verſtehen, als die tunlichſte Beſeitigung des großen Übelſtandes, daß nämlich jene 15 Millionen Menſchen, die dieſes Vaterland bewohnen, nicht ſämtlich ihrem Urſtamme nach Magyaren find. Aber dieſe Intention, dieſe Tendenz, welche ſei es mit ſei es ohne Willen, in dieſer Aktion ſich jedenfalls offenbart, begreifen auch die nichtmagyariſchen Nationalitäten ſehr gut. Und nachdem es zweifellos iſt, daß man den Perſonalſtand der magyariſchen Raſſe anders nicht vermehren kann als auf Koſten des Perſonalſtandes der übrigen Nationalitäten, ſo iſt es ſehr natürlich, daß die übrigen Natio- nalitäten in dieſem Beſtreben, in dieſer Tendenz notwendig in gewiſſer Hinſicht den Angriff auf die Grundlage ihrer eigenen Exiſtenz erblicken, was wieder nur die eine Folge haben kann, daß wir abermals die beklagens⸗ werten Zeiten von 1848 zurückführen, in welchen die Nationalitäten⸗ bewegungen eine ſo böſe und ſchließlich ſo gefährliche Richtung nahmen. Iſt es rätlich, den Nationalitätenhader jetzt anzufachen, gerade in dieſem Augenblick, wo wir am meiſten darauf anſtehen, daß jeder Bewohner dieſes Landes mit Einem Herzen und Sinn dabei ſei, daß dieſes Land erhalten werde?“

Die ev. Landeskirche in Siebenbürgen konnte zu dieſem Geſetz nicht schweigen. Unter dem 1. März 1879 richtete das Landeskonſiſtorium eine Vorftellung an den Kultusminiſter, die zugleich für den König beſtimmt war, in der auseinandergeſetzt wurde, warum die ev. Kirche gegen dieſes Geſetz Stellung nehmen müſſe: das Geſetz ſei gegen die bisherigen Geſetze, die insbeſonders auch den Nationen Siebenbürgens die Beſorgnis hätten nehmen wollen, als gefährde die Union Sieben- bürgens mit Ungarn ihren nationalen Beſtand und die Fortdauer ihrer Lebens- und Kulturbedingungen in Zukunft; der Geſetzentwurf wider⸗ ſpreche den ſiebenbürgiſchen Religionargeſetzen, er ſei eine Gefährdung des Bildungsfortſchrittes jener Bevölkerung, die er träfe, ſpeziell der Sachſen in Siebenbürgen und nicht am wenigſten ſei vom Standpunkt des ungariſchen Staates davon abzuraten, denn die Annahme bedeute einen Sprachenzwang und welch eine Erbitterung ein ſolcher gerade auf dieſem Gebiet zur Folge habe, das habe die Vergangenheit wiederholt gezeigt. „Der projektierte Geſetzentwurf ſo faßt die Vorſtellung zum Schluß alles zuſammen ſteht in direktem Gegenſatz zu den Prinzipien,

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die bei der Gründung des ungariſchen Staates vorwiegend deren Proklamierung er bei ſeiner Wiederherſtellung i die wohlwollende Teilnahme Europas erwarb, und d Zuſicherung für die Behandlung Siebenbürgens die Bevölkerung dieſes Landes bei der Union desſelben beruhigen geeignet war. 5 „Der projektierte Geſetzentwurf iſt unvereinbar mit wärtigen Rechtsſtand, der in der Gleichberechtigung wurzelt, namentlich mit der durch jahrhundertalte Staatsverträge, ſchlüſſe, Geſetze, unter dieſen auch durch das Unionsgeſetz der kirche A. B. verbürgten Autonomie bezüglich ihres Schulwej in dem Krönungseid Allerhöchſt Sr. k. u. k. apoſtoliſchen heiligſte und unverletzlichſte Gewährleiſtung beſitzt. „Jener Geſetzentwurf würde in ſeiner Durchführung, überhaupt tatſächlich und pädagogiſch möglich wäre, die höchſten intereſſen der nicht ungariſchen Bevölkerung auf das ſchwerſte und dieſe auf dem Felde jedes Kulturfortſchrittes zum Zurück hinter der magyariſchen Bevölkerung, die kein Hindernis einer anbefohlenen Sprache in der Volksſchule hemmt, verurteilen. „So, falls je verwirklicht, gewiß der ſchwerſte Unſegen des ſtört der Geſetzentwurf ſchon bei ſeinem erſten Erſcheinen als den inneren Frieden und ſchädigt die Erſtarkung des Staatsg in einem polyglotten Land, deſſen Nationalitäten ſprachlichen Zwo in ihren Volksſchulen dank der Gerechtigkeit der Krone nie ert die aber ſeit einem Jahrhundert von der Sprachenfrage in Aufregt erhalten werden und in jedem Falle, wenn dieſe aufs neue das Haupt erhebt, für die nationalen Güter des Lebens fürchten, zu deren un- gehinderter Pflege ſie doch ein ebenſo natürliches wie poſitives Recht haben.“ Das Landeskonſiſtorium erſuchte zugleich den Biſchof, perſönlich die Angelegenheit zu unterſtützen. Schon am 7. März reiſte Teutſch nach Peſt. Die Winterlandſchaft im Schmuck des friſchgefallenen Schnees gewährte einen ſchönen Anblick. Der Kultusminiſter Trefort hatte bei allen dieſen perſönlichen Begegnungen ſtets Freundlichkeit und Ver⸗ ſprechungen und beruhigende Worte zur Verfügung, denen die Taten widerſprachen. Auf der Treppe, auf dem Gang zum Miniſterrat, traf ihn Teutſch. Der Minifter kam ſofort auf den Geſetzentwurf zu ſprechen: man wolle niemanden bedrücken, keine Nationalität ſchädigen. Sowie in dem ehemaligen Grenzdiſtrikt faſt jeder einige Worte deutſch könne, ſo möchte man es in Ungarn mit dem Magyariſchen erreichen. Deutſchland

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mache es in Polen, Frankreich in feinen nichtfranzöſiſchen Grenz- bezirken ſo. Das dürfe niemanden beunruhigen. Am folgenden Tag bat er den Biſchof zu ſich in die Wohnung, um ungeſtört zu fein. Die Ausführungen des Miniſters waren im weſentlichen die vom Vortag: es werde immer dringender, das ſtaatliche Oberaufſichtsrecht in eine beſtimmte Form zu bringen. Die traurigen Verhältniſſe in Nordungarn machten es notwendig. Der Autonomie ſolle möglichſt wenig nahe getreten werden. Er ſei bereit, für die Sachſen eine Fakultät in Hermannſtadt zu machen. Jeder Staat habe gegen feine Glieder das Recht, in dieſer Weiſe ſeinen Einfluß zu regeln. Am wenigſten ſei das Geſetz gegen die Sachſen gerichtet.

Teutſch ſetzte, indem er die Vorſtellung des Landeskonſiſtoriums dem Miniſter vorlas und eingehend begründete und erklärte, unter mancher Einrede und Gegenrede des Miniſters, ſeine und ſeiner Kirche Bedenken auseinander. „Ich verſtehe, verſtehe es erwiderte der Miniſter und kann es würdigen; aber es wird auf die Ausführung ankommen und da gebe ich Ihnen mein Ehrenwort, es ſoll ihnen kein Zwang angetan werden. Die Lehrer, die nicht magyariſch können, ſollen unbehelligt bleiben. Aber es muß etwas geſchehen. Wir haben den Gedanken nicht gehabt; die Opposition hat es gegen Bosnien ausgeſpielt; wir mußten es ihr aus der Hand nehmen; auch Se. Majeftät hat lang die ſchwerſten Bedenken gehabt, aber die äußerſte Linke hätte einen Geſetzentwurf ein- gebracht und er wäre ſelbſt gegen uns im Oberhauſe durchgegangen.“ Der Biſchof ſetzte noch einmal in umfaſſender Weiſe die pädagogiſche Unmöglichkeit auseinander, was aber nur den Erfolg hatte, daß der Minifter ſeinen Rat und feine Mithilfe bei der Organiſation des Unterrichts erbat. Auf die wiederholte Bitte, die Vorſtellung dem König zur Kenntnis zu bringen, wie die der Ruthenen, erwiderte der Miniſter lächelnd: Ja, die war anderen Inhalts. Um jo mehr, meinte Teutſch, ſolle auch dieſe Anſchauung nicht unbekannt bleiben. Da rückte der Miniſter zögernd heraus: „Es ift fait accomplie, der Geſetzentwurf wird morgen eingebracht. Das wird der Aufregung ein Ende machen und allerlei Agitationen. Doch Ihrer Kirche, fie find ja die Kultur, ſoll nichts geſchehen.“

So wurde der Geſetzentwurf denn in der Tat eingebracht und im Reichstag vom 29. April bis 7. Mai verhandelt. Wie ein Mann ſtanden die ſächſiſchen Abgeordneten zuſammen und bekämpften den Ent⸗ wurf vom pädagogiſchen, rechtlichen, ſtaatlichen, nationalen, konfeſſio⸗ nellen Standpunkt, und wieſen nach, daß er weder zweckmäßig noch not⸗

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wendig ſei natürlich ohne Erfolg. Auch das Magnatı am 13. und 14. Mai an; in den nichtmagyariſchen aber blieb der Eindruck, den der ſächſiſche Abgeordnete der Debatte im Reichstag ausgeſprochen hatte, das Geſetz neue Art des ſchon in Vergeſſenheit geratenen grundherrliche tänigen Verhältniſſes, die geiftige Leibeigenſchaft, deren Objekte magyariſchen Nationalitäten wären, deren Verpflichtung ab lernung der Sprache der „Herrn“ die traurige Rolle des recognitionem dominii directi darſtelle! Und ſchon zog die drohende Wolke des Mittelſchulgeſt herauf. Auf den 5. Juni 1879, wenige Tage nachdem der oben Geſetzentwurf ſanktioniert worden war, hatte der Unterrichts Enquete zuſammengerufen, die Oberhäupter der ev., ref. und Kirche, um ihre Meinung über dieſe Angelegenheit zu hören, war dazu geladen. Die Geladenen ſollten ihre perſönlichen An darlegen, die Kirche dadurch nicht gebunden ſein. Der Minifter Tiſza, der auch erſchienen war, zugleich Kurator der reformiert führte aus: einige Konfeſſionen gebrauchten ihre Autonomie ji nährten einen ſtaatsfeindlichen Geiſt in ihren Mittelſchulen; ſel ev. Kirche, mehr noch bei Serben und Rumänen ſei es der? gäbe es keinen geſetzlichen Anhaltspunkt, um einzuſchreiten. geſchaffen werden. Kein Rechtſchaffener brauche ſich zu fürch Ausführungen überzeugten die Geſellſchaft Török, Vay, Reveß, Na Pronay darunter erſt recht von der Gefahr, die der Autonomie Kirche überhaupt auf dieſem Wege drohte. Törbk, Vay, Pronay die Notwendigkeit dar, die Kirchen zu fragen, man ſolle die S feindlichen büßen laſſen, nicht der Kirche ihr Recht nehmen, das einſt ſchwer errungene, kurzum niemand wollte auch nur in die Erörterung, der Frage eingehen, ſo daß Trefort ungeduldig die Enquete einfach aufhob. Bei ſolchen Aufenthalten in Peſt ift immer wieder charakteriſtiſch, mit wie vielen Leuten Teutſch zuſammenkam, wie vielſeitig ſein Intereſſe nach allen Richtungen ſich ausdehnte. Wenn er hinkam, ſammelten ſich ſofort die ſächſiſchen Reichstagsdeputierten, die vielfach Auseinandergehenden und ſelten Zuſammenzuhaltenden, um ihn. Mit den Peſter Gelehrten hatten die hiſtoriſchen Arbeiten ihn zuſammengeführt, vor allem mit Dr. A. Szilagyi, der gern irgend etwas Neues bereit hatte, den lang⸗ jährigen Fachgenoſſen damit zu erfreuen. Auch Pulßky beſuchte er regel⸗ mäßig, immer verwundert, wie deſſen Haus Mittelpunkt für allerlei Leute war, in dem es wie in einem Taubenſchlag zuging. Die arge

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Gegnerſchaft gegen die Sachſen hielt Teutſch nicht ab, mit Al. Jakab freundlich zu verkehren. Cſontoſy, Hunfalvy, Fraknoi uff. ſuchten ſeine Bekanntſchaft. Mit den führenden Männern auf dem Gebiet der Kirche, der Politik, den einflußreichen Beamten im Miniſterium ergab ſich der Verkehr von ſelbſt, aber auch der Antiquitätenhändler Egger und der Buchhändler Heckenaſt boten Anlaß zu Studien und was immer in ſeiner Art lag Gelegenheit, Intereſſe für Siebenbürgen, für die Sachſen zu erwecken. So läßt ſich in der Tat ſagen, es gab ſelten einen Mann von Bedeutung in Peſt, mit dem er nicht in Berührung gekommen. Ein liebes Haus war ihm das Glatziſche, defjen liebenswürdige Tochter an Steinacker verheiratet war, der lange Jahre ſächſiſcher Reichstags⸗ abgeordneter war. Dabei fand er Zeit, täglich Aufzeichnungen über all das Geſehene und Erfahrene zu machen, wobei charakteriſtiſch, daß er zuweilen ins Lateiniſche übergeht: Pechy will Anſchluß an Hermannſtadt und Retourkarten nach Schäßburg, ſowie ermäßigte Preiſe machen. Vay ausgefahren. Szlavy: optimum colloquium de autonomia, de lingua hungarica et de pastore Trapoldino. Cardinalis novus domui non est. Pauler in sessione. Domus Glatziana.

An das Geſetz über die Einführung der magyariſchen Sprache in allen Volksſchulen ſchloß ſich, wie das Landeskonſiſtorium es voraus⸗ geſagt und vorausgeſehen hatte, ſofort ein neuer ſchwerer Kampf an um die Durchführung des Geſetzes. Der Miniſter erließ ſchon am 29. Juni 1879 einen „Lehrplan für die Volksſchulen mit nichtmagyariſcher Unter- richtsſprache“, der dem ganzen Geſetz eine andere Deutung und Bedeutung gab. Es war nicht zum erſtenmal, daß eine Verordnung den Geſetzen ſchnurſtracks entgegenlief. Der 38. Geſetzartikel von 1868 (das Volks- ſchulgeſetz) gibt den Konfeſſionen das Recht, Schulen zu errichten und das Lehrſyſtem feſtzuſtellen; es iſt eine der Grundbeſtimmungen, durch welche auch die nationale Bildung gewährleiftet wird, da in Ungarn bloß die Konfeſſionen das Recht haben, nichtmagyariſche Lehranſtalten zu errichten, indem der Staat ſich der geſetzlichen Verpflichtung (8 17 des 44. Geſetzartikels von 1868) „in den Staatslehranſtalten möglichſt dafür zu ſorgen, daß die Bürger einer jeden Nationalität des Landes, wenn ſie in größeren Maſſen zuſammenleben, in der Nähe der von ihnen bewohnten Gegend ſich in ihrer Mutterſprache bilden können bis dahin, wo die höhere atademiſche Bildung beginnt“ völlig entſchlagen hat. Jene grundlegende geſetzliche Beſtimmung wurde durch dieſe Verordnung einfach nicht beachtet, ja völlig aufgehoben. Denn ſie beſtimmte, daß die magyariſche Sprache in Verbindung mit der Muttersprache gelehrt werden ſolle und

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ſetzte das Stundenausmaß ſo hoch, daß die ganze Schul in den Dienſt des magyariſchen Unterrichts geſtellt wurde. war wie die N. Ung. Schulzeitung, ein nicht in ſcheinendes Blatt, ſchrieb: „daß Kinder nichtmagyarifchen eine Schule mit gemiſchter Sprache bis zum vollendete) bi beſucht haben, nicht in einer einzigen Sprache erklecklich leſen, weniger ſchreiben können, ja im Erkennen und Benennen der noch Schwierigkeiten finden, das aus den Schulbüchern verſtehen, einfach erweiterte Sätze nicht fehlerlos auszufpre ſind, ja nicht einmal den Artikel ihrer Mutterſprache richtig können und die magyariſche Sprache noch unvollkommener als il ſprache ſprechen.“ N Pädagogiſch erfüllte ſich, was Teutſch und das Landes befürchtet und politiſch noch viel mehr. Das erſte Um ſofort ein weiteres. Das Geſetz hatte die Frage vorgeſehen, was Schulen zu geſchehen habe, in denen die Lehrer nicht magyariſch die vor 1872 angeftellten Lehrer waren nicht verpflichtet, wenn magypariſch konnten, den Unterricht zu erteilen. Da trat wieder bereite Verordnung ein: im Juni 1885 verordnete der Unterri Trefort, in all den Schulen, wo der Lehrer nicht magyariſch für dieſen Unterricht ein Hülfslehrer angeſtellt werden. Es hat ſchwerſte Arbeit und Teutſchs wiederholtes perſönliches Dazwiſ bedurft, um den Miniſter vom neuen Unrecht zu überzeugen, endlich die Vorſtellung der Kirche dahin erledigte, nur jene Gemeit ſollten Hülfslehrer anſtellen, die das Geld dafür hätten; es war verdeckter Rückzug, der angetreten wurde. Und nun begann ein ı ies böſes Spiel. In einigen Komitaten, beſonders Biſtritz und Groß-Kofeln, taten ſich Obergeſpan und Schulinſpektor zuſammen, um das Ziel zu erreichen: die ältern Lehrer wurden auf die Proffriptionslifte gesetzt, ihre Stellen für erledigt erklärt, in Biſtritz ſogar eine Steuer auf jene Gemeinden aufgelegt, die Lehrer aus der Zeit vor 1872 hatten, um Hülfslehrer anzuſtellen und es hat wieder gerade für das Landeskon⸗ ſiſtorium eine Menge Eingaben und Klagen und Schritte bedurft, un⸗ endliche Arbeit ſpeziell für den Biſchof, bis auch hier endlich dem Geſetz Anerkennung erkämpft wurde. Scharenweiſe wurden die ältern Lehrer in magyariſche Sprachkurſe getrieben, um das Zeugnis zu erwerben, fie ſeien für den maghariſchen Unterricht befähigt, zuletzt ja doch nur ein Schein und der Unterricht eine Qual und eine Zeitverſchwendung; aber der Chauvinismus begnügte ſich vorläufig auch mit dem Schein und hoffte

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bei ſpäterer Gelegenheit mehr zu erreichen. Das alles aber geſchah auf Grund des Geſetzes, in deſſen Motivenbericht die Regierung geſagt hatte: „Es iſt nicht die Abſicht des Staates oder der Geſetzgebung, die Nationali- täten ihrer Sprache zu berauben oder ſie auch nur darin einzuſchränken“ und der Miniſter ſein Wort verpfändet hatte, der ev. Kirche werde nichts geſchehn! In Siebenbürgen gelang es der raſtloſen Fürſorge des Landeskonſiſtoriums, die Zahl der deutſchen Schulen unvermindert zu er» halten, in Ungarn aber verminderte fie ſich von 1869 —1880 um 365, bis 1883 um weitere 170; faſt zwei Drittel ſämtlicher deutſcher Schulen ift feit 1867 eingegangen! Der Kampf bedeutete für die ev. Landeskirche in Siebenbürgen bloß eine Epiſode. Für diejenigen, die ihn führten und beſonders den Biſchof, dem auch das Wohl der einzelnen Lehrerfamilien, das auf dem Spiel ſtand, nicht gleichgültig war, ſind es harte Jahre geweſen.

Um dieſelbe Zeit begann auf die ſächſiſche Volksſchule ein andrer Angriff. Das ungariſche Staatsgeſetz kennt bloß eine ſechsjährige Schul⸗ pflicht; die ev. Landeskirche in Siebenbürgen hat eine acht⸗ bis neun- jährige in ihren Geſetzen, die ſie auf Grund ihrer Autonomie ſich gemacht und man ſollte annehmen, daß ein mehr auf dieſem Gebiet niemandem Schaden brächte. Wieder war es die Verwaltung des Biſtritzer Komitats, die unter dem Obergeſpan Banffy die längere Schulpflicht nicht anerkennen wollte und verfügte, es dürften die Kinder nur ſechs Jahre zur Schule verhalten werden.

Die ev. Kirche mußte darin eine Böswilligkeit ſehen. Durch den magyariſchen Sprachunterricht war das Bildungsniveau in unſeren Schulen herunterzuſinken mindeſtens in größter Gefahr; nun auch die Schulzeit einzuſchränken, das hätte jene Gefahr bedeutend vermehrt. Mit der Verminderung der Bildung aber ſtand die größere Zugänglichkeit für die Magyariſierung in unmittelbarem Zuſammenhang und jo enthielt auch dieſer Angriff zuletzt eine nationale Spitze. Es gelang, den Angriff abzuwehren und das Recht der Kirche auf die längere Schulpflicht zu retten, aber viel Kraft, viel Zeit und Argernis hat auch dieſes gekoſtet. Die unangenehme Empfindung in der ev. Kirche war eben, daß man ihr feine Ruhe gönnen wolle und fie auf Schritt und Tritt ſchädige: Schon am 5. Februar 1876 ſah ſich das Landeskonſiſtorium genötigt, an den Kaiſer und König eine Bitte vorzulegen, in der die Beſchwerden der Kirche zuſammenfaſſend dargelegt wurden: die Zehntrente der Geistlichen werde doppelt beſteuert, die Bitte um Anſtellung ev. Militär- geiftlicher abgewieſen, während katholiſche Militärgeiſtliche bei gemiſchten Ehen die ungeſetzlichen Reverſe verlangten und die Zugehörigkeit zur

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ev. Kirche als „geſetzliches Hindernis“ der Eheſchließung „Es ift ſchon traurig, heißt es darin daß faſt nur die kirche A. B. in Siebenbürgen und ihre Tätigkeit und ihre ſogar in jenen öffentlichen Blättern, welche allgemein als organe angeſehen werden, mit einem ſolchen Übelwollen b daß nicht die Beſtreitung von Anſichten, ſondern die Verhöt Denunziation derſelben faſt eine ſtehende Rubrik in ihnen bilden. noch, daß im amtlichen Verkehr höchſter Staatsorgane mit ihr Zeit ſelbſt die Beobachtung jener Geſetze nicht immer Platz gi die Wohlanſtändigkeit zu allen Zeiten diktiert, jo daß vor k Landeskonſiſtorium ſich genötigt geſehen hat, bei Sr. Herrn Miniſter für Kultus und Unterricht durch eine darüber Beſchwerde zu führen, daß es in Hochdesſelben Umgebu ſolchen Männern zu fehlen ſcheine, welche außer ihrem nicht zweifelnden Intereſſe für den Staat auch diejenigen pofitiven der beſtehenden, beſonders die Religionarverhältniſſe betreffenden Staatsgeſetze und Kirchenverfaſſungen und ſönliche Achtung dieſer Geſetze und Verfaſſungen beſäßen, Sr. Exzellenz möglich machten, ſich ihres Rats und ihrer Arbei Gefährdung des Anſehens der hohen Staatsregierung zu bedienen. muß es allerdings nicht weniger ſchmerzlich berühren, daß, entgegen dem, durch die ſiebenbürgiſchen Religionargeſetze ja Grundſatz der Gleichberechtigung aller Konfeſſionen, doch immerhin jetzt beſtehenden Geſetzen gemäß, bloß die geiftlichen Oberhäupter evangeliſcher Kirchen auch aus Siebenbürgen Sitz und Stimme in der hohen Magnatentafel beſitzen, ſelbſt im hohen Minifterium für Kultus und Unterricht alle die ev. Landeskirche A. B. in Siebenbürgen be⸗ treffenden Angelegenheiten ohne jede Mitwirkung ſolcher Beamten aus⸗ gearbeitet und erledigt werden, denen eine gründliche Kenntnis ihrer Geſetze und Ordnungen zu Gebote ſtünde; daß ſelbſt in Sachen des öffentlichen Unterrichts bezüglich deren doch zahlreiche Beweiſe der Befähigung zur Mitwirkung für ſie ſprechen, faſt nur ihr allein niemals noch Gelegenheit geboten wurde, vor Schaffung von Verordnungen oder Geſetzentwürfen, auch ihre Anſchauungen zum Ausdruck zu bringen, ein Vorgang, der ſie wiederholt in die unangenehme Lage drängte, ihre Anſichten, Bedenken und Verwahrungen dann erſt ausſprechen zu können, wenn der Erfolg zweifelhaft und die geſchaffene Tatſache der vorurteils⸗

loſen Beachtung des klarſten Rechtes oder der verſtändigſten Meinung hinderlich im Wege ſtand.“

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Die hier angedeuteten Denunziationen und Verunglimpfungen richteten ſich in erſter Reihe gegen Teutſch, der jahrelang ſich ihnen ſchutzlos preisgegeben ſah. Er hat es oft bitter empfunden, hin und wieder auch den Gedanken an gerichtliche Schritte erwogen, zuletzt aber die Kläffer bellen laſſen und ſich mit dem Zeugnis des Gewiſſens getröſtet.

Das Geſpenſt des Mittelſchulgeſetzentwurfes wich nicht mehr. Der Entwurf, den Eötvös 1869, dann ſein Nachfolger Pauler hatte aus⸗ arbeiten laſſen, war gar nicht zur Verhandlung gekommen, der dritte von Trefort kam über die Beratungen des Ausſchuſſes nicht hinaus, der vierte fiel im Ausſchuß ſchon. Die ev. Kirche mußte grundſätzlich gegen alle Stellung nehmen. Denn jeder verſuchte die Oberaufſicht der Regierung, die die ev. Kirche nie beſtritten hat, in ein Verfügungsrecht zu verwandeln und ſchädigte, gegen die beſtehenden Religionargeſetze, die Autonomie der Kirche.

Es muß bei dieſer Gelegenheit wieder betont werden, daß das Recht der Konfeſſionen in Ungarn, Schulen zu gründen, zu erhalten, die Einrichtung derſelben zu beſtimmen u. a. darum ein ſo wertvolles iſt, weil fie allein nicht magyariſche Schulen errichten dürfen. So find denn auch die einzigen deutſchen Gymnaſien in Ungarn die von der ev. Landeskirche in Siebenbürgen erhaltenen ſächſiſchen Gymnaſien. Die Verteidigung des alten Rechtsſtandes bedeutete alſo auch hier die Ver⸗ teidigung des nationalen Lebens. Hier liegt überhaupt der Schlüſſel zum Verſtändnis dieſes Kampfes. Es war eine Frage der Politik und der Staat ſah im Mittelſchulgeſetz auch ein Mittel der Magyariſierung. Auch darum mußte ſich die Kirche mit aller Kraft wehren und das hat Teutſch in erſter Reihe beſtimmt, ſo energiſch den Kampf aufzunehmen. Ein fünfter Geſetzentwurf wurde am 19. März 1880 eingebracht, aber am 11. Mai plötzlich von der Tagesordnung abgeſetzt. Dem ſechſten, ein- gebracht am 6. Oktober 1881, war erſt beſchieden, Geſetz zu werden.

Zunächſt erhob ſich auch gegen dieſen allgemeiner Widerſpruch. Die ungarländiſche ev. Kirche bezeichnete ihn am 4. Februar 1882 als ein „Gravamen“ ihrer Autonomie gegenüber, der Kardinal-Erzbiſchof von Kalotſa Dr. L. Haynald wies ihn im Namen des kath. Epiſkopats am 9. Februar 1882 zurück als ein Werk, das auf unhaltbarer und zweifellos nichtiger Grundlage aufgebaut ſei, der röm.-fath. Status von Siebenbürgen erhob am 23. Januar ernſte Beſchwerde dagegen, das griech-kath. erzbiſchöfliche Oberkonſiſtorium in Blaſendorf erklärte ihn am 3. Februar 1882 als unvereinbar mit den beſtehenden Geſetzen, die griech.-orient. rumäniſche Kirche ſah in ihm (20. Februar 1882)

nicht nur eine ſchwere Verletzung des auch ihr gewä Rechtsſtandes, ſondern auch eine Gefährdung des der Kirchen nichtmagyariſcher Zunge. Auch die ev. den Kampf auf. Im ganzen ſind in dieſer Ange Vorſtellungen an den Reichstag und an den König alle in die Bitte ausgehend, den Geſetzentwurf abzu zahl dieſer Eingaben und Bitten iſt von Teutſch ſelbſt

Es klingt aus ihnen die Beſorgnis um all die h er und die Kirche bedroht wähnten, zuweilen in er durch. Dabei iſt die offene Sprache, die Wucht der Ausfi große Blick für die ſtaatsrechtlichen Fragen und Seiten Weſen und Perſönlichkeit ſo bezeichnend, daß die letzte g an Se. Majeſtät aus dem Jahre 1883 im Anhang!) wörtlich mi wird. Sie überhebt zugleich der Notwendigkeit, über den fra Geſetzentwurf ſelbſt noch ein weiteres zu ſagen.

Die Bitte wurde in einer perſönlichen Audienz ü Aufgabe war um jo ſchwieriger, als das Landeskonſiſtoriu überaus wichtigen Angelegenheit wiederholt zum Thron gege Am 21. Februar 1876 war Teutſch mit dem Landeskir Joſef Bedeus in einer Audienz, wo auch dieſe Fragen berührt Am 21. Mai 1880 überreichte Teutſch als Biſchof in ſeinem? König die Bitte gegen den Entwurf, „der alle Keime in ſich dem autonomen Recht der Landeskirche zur ſelbſtändigen, de Kulturbedürfnis wie dem des Staates entſprechenden Geſtaltung Mittelſchulweſens zugleich die weitere gedeihliche Entwicklung dieſes mehr als einer Richtung zu ſchädigen und infolge davon den weil Bildungsfortſchritten und Lebensbedingungen dieſer Kirche in Grade abträglich zu ſein“, am 9. Dezember desſelben Jahres eine im Namen des Konſiſtoriums, am 14. Dezember 1881 noch Ai Der Herrſcher war wie immer huldvoll und gnädigft. In der Vorſtelung blätternd ſprach er: „Ich werde mich aufs neue mit dem Gegenſtand eingehend beſchäftigen und dann ſehen, daß alles was möglich getan werde. Dabei muß ich ſagen, daß die Sache eine ſehr ſchwierige iſt. In der modernen Entwicklung des Staates treten überall dieſe Fragen hervor, überall verteidigen die Kirchen ihre Rechte und ihre Schulen; aber es muß doch einmal eine Ordnung ſich finden. Der Gegenſtand iſt außerordentlich verwickelt und ſchwierig.“

5) E Anhang 3.

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Biſchof Teutſch: Auch wir überſehen die neue Entwicklung des Staatslebens nicht, find aber zugleich der Überzeugung, daß es weder den ungariſchen Staatsgedanken noch weniger den viel höheren Reichs— gedanken der Monarchie ſchädige, wenn unſere Mittelſchule jo deutſch bleibt wie ſie war. Es muß uns doch ſchwer fallen, wenn man uns in einer Sache, die durch vielfach gewährleiſtete Fundamentalrechte ge- ordnet iſt, gar nicht hört, ſondern fie einfach ändert. So ſoll nach dem Geſetzentwurf die Lehramtsprüfung auch für die deutſchen Mittelſchulen der Sachſen ungariſch ſein, was unſere künftigen Kandidaten vom Beſuch der öſterreichiſchen oder anderer deutſchen Univerſitäten ausſchließen müßte.

Se. Majeſtät: Das doch wohl nicht. Die Sachſen können ja meiſt ungariſch, ſprechen die Sprache gut; man ſiehts ja an den Abgeordneten.

Biſchof: Auch dieſe ſind aber nicht alle der Sprache mächtig und dann erfordert die Ablegung einer wiſſenſchaftlichen Prüfung wohl noch größere Beherrſchung derſelben, die in dieſem Fall die Wiſſenſchaſt doch nicht fördert.

Se. Majeſtät: Ja, es iſt eine ſchwierige Sache; es ſoll geſchehen, was möglich iſt.

Biſchof: Wir hören nie auf, auf Ew. Majeſtät ſtarken Schutz zu hoffen, wie unſere Väter.

Bei aller Huld hatte Teutſch ſofort die Empfindung, daß alles vergebens ſei. Wie klang doch aus den Worten des Herrſchers die Auf- faffung des Miniſters durch, mit dem Teutſch über dieſe Angelegenheit fortwährend mündlich und ſchriftlich verhandelte. Immer wieder, wenn Teutſch den Standpunkt der ſiebenbürgiſchen Religionargeſetze vertrat, erwiderte Trefort: das ſei ja eine überſtandene Sache. Der Staat habe das Recht, durch ſein Parlament das alles zu ändern. Unſere Kirche aber und unſer Volk mußte ſich ſagen: auf der Grundlage ſei Sieben⸗ bürgen die Union mit Ungarn nicht eingegangen. Der Miniſter ſpielte fort den Beſchwichtigungshofrat, ließ alles viel unſchädlicher und un⸗ gefährlicher erſcheinen als es war, nicht gegen die Sachſen gerichtet, denen nichts geſchehe, die ſchlechten reformierten und walachiſchen Schulen machten das Geſetz nötig und was dgl. mehr war. „Wir ziehen immer Geſetze an ſprach Teutſch einmal man antwortet uns einfach, dus ſtreite mit dem Staatsbegriff. Auf dieſe Weiſe wurde Profeſſor Szaß von Enyed verdrängt und ſuspendierte Haynau die Kirchenverfaſſung“. Noch einmal mußte der ev. Biſchof mit der im Anhang mitgeteilten Bitt- ſchrift zum König in derſelben Sache. In den Fällen, wo die Pflicht gebot und das Gewiſſen geſprochen, da gabs für ihn keine andere Rückſicht. Der

Georg Daniel Teutſch. *

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Ausſchuß des Reichstages hatte an dem Entwurf vorgenommen, daß ſich vorausſetzen ließ, die N ſtimmung nicht gegeben. So ſuchte Teutſch im bru nochmalige Audienz nach.

Man ſagt, die Bedienten hätten ein feines der höchſten Herrſchaften; als Teutſch am 20. Feb wegen der Audienz vorſprach, fragte ein Sekretär m traulichkeit nach dem Begehren. Als das mitgeteilt das ginge doch nicht an, Teutſch ſei ja deshalb Kaiſer geweſen. Auf die Auseinanderſetzung des Auftrag der Kirche komme, behauptete der Sekretär, er ı Bevollmächtigung zur Zulaſſung einholen. Teutſch war römischen Biſchof gegenüber bemerkt er in den 9 hätte er andere Saiten aufgezogen. Wie man doch fa den Händen der Feinde iſt. Ihr „Ring“ verwehrt eventu zum Kaiſer und man hat kein Mittel, es ihn wiſſen zu folgenden Tag ſagte der Sekretär mit gezwungenem Läche ſich, daß die Audienz ohne Anſtand bewilligt ſei, und ſchuldigung, er habe eben ſeine Weiſungen. Am 22. Februar 1 Teutſch zur Audienz, wobei der Kaiſer ihn freundlich b freue mich, Sie wieder zu ſehen.“

Teutſch: „Ich würde es nicht gewagt haben, von Aller Majeſtät abermals die Gnade einer Audienz zu erbitten, wenn von Ew. Majeſtät nie genehmigte, in dieſen Tagen vom Unte ausſchuß des ung. Abgeordnetenhauſes verhandelte, neue Gef über die Mittelſchulen den Rechtsſtand der ev. Kirche nicht m. mehr ſchädigte als die frühern Vorlagen und in feiner Richtung unſere deutſchen Gymnaſien noch mehr verſchärft worden wäre. So bietet derſelbe für die Zukunft, daß eine Gemeinde, ein Verein, Privater ein deutſches Gymnaſium errichte; ja die Unterrichtsſprache beſtehenden deutſchen Gymnaſien es ſind bekanntlich nur u ſächſiſchen wird für einen Gegenſtand, ungariſche Literatur, in oberſten Klaſſen jetzt ſchon in die ungariſche umgewandelt, die geſamte Lehramtsprüfung wird Regierungsorganen übertragen und dafür als Regel die ungariſche Sprache, mit ausnahmsweiſem Dispens für wenige Jahre beſtimmt, ja es ollen ſelbſt jene Prüfungen, die auf Grund unſerer, unter Allerhöchſt Ew. Majeſtät Genehmigung entſtandenen Kirchenor⸗ ganiſation, nach dem Vorbild der öſterreichiſchen, abgehalten worden ſind, ungültig ſein und zum zweitenmal vor der neuen Kommiſſion gegeben

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werden, wenn der Geprüfte nicht mindeſtens fünf Jahre bereits im Lehrer- dienſt geftanden.

„In dieſer Not, da es fi um die Exiſtenz der deutſchen Mittel- ſchulen in Siebenbürgen und die Organiſation unſerer Kirche handelt, angeſichts des Angriffs auf die letzten Bollwerke der Nationalität der Allerhöchſt Ew. Majeſtät erlauchten Ahnherrn, Ew. Majeftät ſelbſt immer unverbrüchlich treuen Siebenbürger Sachſen, hat das treugehorſamſte Landeskonſiſtorium der ev. Kirche für feine loyale Pflicht erachtet, dieſes alleruntertänigfte Bittgeſuch Ew. Majeſtät zu Füßen zu legen und damit um den allergnädigſten k. Schutz zu flehen, der unſerer Kirche und unſerem Volk ich ſage es mit gehobener Seele gerade ſeit 200 Jahren, da die Türken vor Wien ſo glorreich zurückgeſchlagen wurden, jo oft rettend zur Seite ſtand.“

Se. Majeſtät die Schriften nehmend und darin blätternd (freund⸗ lichſt': „Ich werde mich mit dem Gegenſtand wieder beſchäftigen und ſehen, was ſich tun läßt. Der Gegenſtand iſt ſchwierig. Auch die andern proteſtantiſchen Kirchen ſind in demſelben Falle, auch ihre Autonomie leidet durch den Mittelſchulgeſetzentwurf, er iſt ja nicht ausſchließlich gegen die Sachſen gerichtet. Es iſt ſehr ſchwer.“

Teutſch: „Geſtatten Allerhöchſt Ew. Majeſtät, daß ich doch darauf hinweiſe, wie verſchieden unſere Lage von der der Schweſterkirchen ift. Dieſe ſind weſentlich ungariſch und haben ungariſche Schulen. Wir ſind Deutſche mit deutſchen Schulen und eben gegen das deutſche Weſen derselben richtet ſich mit aller Schärfe der neue Entwurf. Nun find wir der Überzeugung, daß eine Umgeſtaltung derſelben in ungariſche Anſtalten mit ungariſchem Geiſt, abgeſehen vom Unrecht, weder ein Kultur- noch ein Landes- noch ein Reichsintereſſe ſei. Eben durch unſer deutſches Volkstum find wir Ew. Majeſtät erlauchten Ahnherrn, Ew. Majeſtät ſelbſt jene Reichsglieder und Untertanen geweſen, die die Aller höͤchſt ehrende Anerkennung jo oft ausgezeichnet hat.“

Majeſtät: „Ich werde mich der Sache annehmen und tun, was möglich iſt.“

Der Geſetzentwurf kam denn in der Tat vom 5.— 17. März und 2.— 16. April 1883 im Abgeordnetenhaus zur Verhandlung.

Es war nach der letzten Audienz nicht mehr fraglich, welchen

Lauf die Sache nehmen werde. Teutſch hatte auch ſonſt den Eindruck

erhalten, fie laſſe ſich nicht aufhalten. Er bemerkte, daß die reformierte

Kirche zurückwich. Als er am 24. Februar mit Vay ſprach, hatte auch

der die Sache aufgegeben: Tiſza wolle nicht und die Mehrzahl der 19*

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reformierten Deputierten gehorche ihm. Aus den erzählte man, wenn man vom Linzer und denen die Autonomie der Kirche beruhe, ſo (. die Staatsallmacht ſei jetzt das alleinſeligma die katholiſche Kirche gab den Widerſtand auf, ſollte der Primas Simor die Andeutung empfangen keinen Kulturkampf in Ungarn. Haynald redete im Innern geſpalten, einige Biſchöfe trauten ſich zu kommen, fo werde von ihrer Seite nichts geſchehen auch den Generalinſpektor der ev. Kirche, Baron D. } er denn in dieſer Sache eine unglaubliche Menge und neue Bekannte, ins Mittel zog, um Informationen und vielleicht die Sache zu wenden. Pronay wollte die Legislative befugt ſei, den Proteſtanten den Wiener und ſowie die Siebenbürgiſchen Religionargeſetze de nobis s nehmen, nicht bejahen, in bezug auf die Ausdehnung der hielt er den Geſetzentwurf für zu weit gehend, doch ı „er meint, es ſei eben zweierlei zu bedenken, die Recht Nationalitätenfrage. Da iſt's denn zweifellos, wohin das Wage ſich neigen wird.“ - Und jo geſchah es in der Tat. Der Widerſtand der Kirche iſt mit dem Hinweis auf die Nationalitätenfrage gebroche und durch die Ausnahmsſtellung, die das Geſetz den Ordens gyr einräumte, der Widerſtand der Reformierten und Evangeli durch die „nationale“, will heißen magyariſche Seite des & durch die Ausſicht, die beiden Konfeſſionen eröffnet wurde, Schulen Staatsunterſtützungen zu erhalten, was denn auch ſo ausgiebigſter Weiſe geſchah. Der katholiſchen Kirche konnte es net nur angenehm ſein, wenn Calviner und Lutheraner den Boden des und Linzer Friedens felbft aufgaben. Für das perſönliche Weſen 2 iſt's charakteriſtiſch, daß er dieſe ſchwerſten Sorgen im Herzen doch und Kraft hatte, in den Wiener und Peſter Archiven und Biblioth hiſtoriſchen Studien nachzugehen, beſonders nach Honterus ſuchte er damals und ſammelte die Daten zu einer grundlegenden Arbeit über ihn, die neuen und alten Kunſtwerke zu bewundern, an den ſpielenden Kindern auf der Gaſſe und im Haus der Bekannten wie an den Blumen⸗ anlagen und an guten Theaterſtücken ſich zu erfreuen. Daneben arbeiteten im Gemüt die alten Erinnerungen, am Dorotheen- und Suſannentag ger dachte er der Kinderzeit, da ſie im Haus die Tage als Namenstage

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lieber Verwandten feierten, am 24. April „Blick nach rückwärts, heimwärts, aufwärts“; da ihm mitten in den aufregenden Arbeiten in Angelegen— heit des Mittelſchulgeſetzes die Nachricht zukam, daß die alte Schweſter ſeiner Mutter geſtorben ſei, ſchrieb er 10. Mai 1880: „Es iſt eine gnädige Erlöſung und doch mir wehe! Der letzte liebevolle Zeuge meiner Kindheit, der letzte Zweig am Stamm des väterlichen Hauſes. Dank, Dank für viele Liebe! Selig, die im Herrn ruhen.“

Nach all den Erfahrungen war es nicht überraſchend, daß die Verhandlungen über das Mittelſchulgeſetz die Sachſen und Rumänen allein als Gegner fanden. Noch einmal ftellten die Sachſen in der großen parlamentariſchen Schlacht ihren Mann, man kann jene Debatte auch heute nicht ohne Erhebung leſen. Scharf und doch ſachlich, vom Standpunkt des Rechts und der Politik, mit Rückſicht auf Pädagogik und Nationalität bekämpften unſere Abgeordneten das Geſetz und durch unſer Volk ging die Empfindung, daß man um ein Lebensgut, wie die Pflicht es geboten, gekämpft habe. Die ev.-ſächſiſchen Gymnaſien waren eine Schöpfung der Reformationszeit, während die Volksſchule bis ins 14. Jahrhundert hinaufgeht. Im Anſchluß an Deutſchland hatten ſie ſich entwickelt, die einzelne Stadt, das einzelne Kapitel ſorgte für fie, ihr Zuftand hing weſentlich von der Perſönlichkeit des Rektors ab. Eine Einheit hatte der Organifationsplan von 1834 herbeizuführen geſucht, ziemlich erfolglos, doch war ſie durch Einführung des Thuniſchen Organiſationsentwurfes 1850 erreicht worden, der die ſächſiſchen Gymnaſien den öſterreichiſchen im ganzen gleichſtellte. Die Lehrer ſtudierten drei Jahre in Wien und Deutſchland ein Lehrfach und Theologie, legten vor einer von der Kirche eingeſetzten Kommiſſion eine Fach- und die theologiſche Prüfung ab und gingen nach einer Reihe von Jahren aus dem Schuldienſt in eine Pfarre über. Schule und Kirche war gut dabei gefahren, die Schule konnte den Bedürfniſſen des Lebens ſich anpaſſen, das Landeskonſiſtorium hatte die Aufſicht geübt, ſchablonenhafte Uniformität herbeizuführen lag ihm fern. Das Mittelſchulgeſetz zerſtörte die Grundlagen dieſer Ein⸗ richtung. Die Lehrgegenſtände und Klaſſenziele beſtimmte das neue Geſetz und der Miniſter, ſtaatliche Kommiſſäre überwachten den Unterricht, beſonders den ausgedehnt vorgeſchriebenen in der magyariſchen Sprache, ein ſtaatlicher Kommiſſär war bei den Maturitätsprüfungen anweſend und unterſchrieb die Protokolle, die Kandidaten mußten ausſchließlich in magyarifcher Sprache die Lehramtsprüfung in Peſt oder Klauſen⸗ burg vor einer ſtaatlichen Kommiſſion ablegen.

Und nun geſchah dasſelbe, was die Kirche beim Geſetz aus dem

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Jahre 1879 erlebt hatte, es entbrannte ein neuer Durchführung. Zweierlei geſtattete der Miniſter d Kandidaten, die vor 1883 abſolviert hatten, noch zu prüfen und denjenigen, die nun vom Staat zu erlaubt, bis 1893 die Prüfung in deutſcher Spr: das Magyariſche natürlich ausgiebig auch Prüfung übrigen zeigte ſich eben die „nationale“ Seite des geradezu unwürdiger Weiſe wurde eine Hetze nach „ft büchern“ veranſtaltet und was galt nicht als „ſtaat

Pütz und Weber, Seydlitz und Kirchhoff, Mager uff. u Landkarten, die nicht ausſchließlich magyariſche Ortsben,

dem Wahn zum Opfer, als ob das Lehrbuch den Geiſt

beſtimmen und als ob der Geiſt einer Schule überhaupt durch befohlen werden könne. Es iſt den Sachſen niemals eing den Staat zu konſpirieren weder in der Schule noch a

ſelben, aber wenn man einmal anfing, jedes deutſche Wort a verrat aufzufaſſen, jede Außerung deutſchen Geiſtes- und als Verbrechen anzuſehen, dann waren wir allerdings auf Tritt Verbrecher und Verräter. Ein kleinlicher Geiſt der U griff um ſich, nicht durch die berufenen ſtaatlichen Organe, die gebildete und billig denkende Männer im großen und ganzen haben, ſondern durch ſtreberhafte Denunzianten, denen nur zu oft geſchenkt und Wert beigelegt wurde. Wurde doch vom Minift: eine ſolche Anzeige hin, daß nach der Schulordnung von S.-9 Nichtdeutſchreden in der Schule zu beftrafen fei, dieſe Beftimmun gegen den Gebrauch des ſächſiſchen Dialekts in der Schule gerichtet als „ſtaatsfeindlich“ erklärt und kaſſiert! Die ſtaatlichen Organe

zugeben, daß es an unſeren Anſtalten an Ordnung und Gewi haftigkeit, an Ernſt und Pflichtgefühl nicht mangele aber um mehr fanden ſie an anderem auszuſetzen. Zuerſt an den Schulgebäuder Nicht als ob an keinem etwas auszuſetzen geweſen wäre; aber ſie waren mit keinem zufrieden, auch mit jenen nicht, die beſſer waren als manche ftaatliche Schule, und öfter hatte man den Eindruck, als ſolle unſere Schule auf dieſem Umweg ruiniert werden. In der Tat ſind ſämtliche ſtädtiſche ev. Gemeinden, die Schulerhalter, veranlaßt worden, große Opfer zum Zweck größerer Bauherſtellungen auf ſich zu nehmen, das Gym⸗ naſium in Schäßburg und S. Reen ift neu gebaut worden, in Hermannſtadt reſtauriert, die übrigen Orte ſtehen vor einem Neubau. Und dann kamen die Bemängelungen wegen des Geiſtes in den Schulen, Zu deutſch, zu

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wenig ungariſch das war der Refrain von allen Seiten. Da ſchieden ſich eben die Wege. Die ev. Kirche war der Meinung, auch heute noch ein Recht zu haben, daß ihre Schulen deutſch ſeien und ſie iſt der Über⸗ zeugung, ſolches vertrage ſich ganz wohl mit richtig verſtandenem Patrio— tiemus; Vaterlandsliebe hat fie ſtets erzogen und erzieht fie ſtets, ungariſchen Geiſt kann und will ſie pflegen, magyariſchen Geiſt in ihre deutſchen Schulen zu pflanzen ſieht fie als Unrecht und Unmöglichkeit an. Unſere Gymnaſien hatten die Empfindung, daß das Mittelſchulgeſetz ſie innerlich vielfach ſchädigte: die hochgeſchraubten Forderungen der magyariſchen Sprache hindern bei den Kandidaten die Vertiefung der Fachausbildung, in der Schule drücken ſie die Leiſtungen in den anderen Gegenſtänden, das Griechiſche iſt auf vier Jahre eingeengt worden, infolgedeſſen die Leiſtungen naturgemäß geringer jind und das Beſtreben, die Studienzeit der Kandidaten in Deutſchland einzuſchränken, geht zuletzt auf die Unterbindung eines Lebensnervs der ev. Kirche.

Teutſch hat an dieſen Sorgen ſchwer getragen. Aber er beſaß einen jo glücklichen Optimismus, einen jo wunderbaren Schwung der Seele, zuletzt ein ſolches Gottvertrauen, daß er doch nicht aufhörte, zu hoffen.

In unmittelbarer Verbindung mit dem Mittelſchulgeſetz ſtand eine andere Frage, die auch jahrelang Mühe und Sorge machte. Der Staat wollte unſere Mittelſchullehrer nach dem Jahre 1883, früher noch alle unſere Volksſchullehrer in die ſtaatliche Penſionsanſtalt zwingen. Damit wären fie vollſtändig dem Staat und feinen Einflüſſen preis⸗ gegeben geweſen, bei der herrſchenden Strömung die Preisgebung der wangeliſchen Schule. Da hat es nun wieder jahrelang Eingaben und Bitten, Berufung aufs Recht, Audienzen bei Miniſtern, Verhand⸗ lungen mit den Staatsſekretären bedurft, zuletzt namhafte Opfer von Seile der Kirche, um den Angehörigen der Penſionsanſtalt diejelben Vorteile zu ſichern wie die ſtaatliche Anſtalt es tut, bis die Anerkennung der ev. kirchlichen Penſionsanſtalt erreicht und deren Beſtand geſichert wurde. Da verlangten die Steuerbehörden auch von dieſer Anſtalt, auch von anderen kirchlichen Fonden, die bisher ſteuerfrei geweſen waren (Stipendienfond), Steuern, was aufs neue Laufereien und Schreibereien und kirchenrechtliche und finanzpolitiſche Auseinanderſetzungen gab, bis man endlich die Steuerfreiheit erreichte. Gewiß war vieles auf Rechnung der untergeordneten Organe zu ſetzen, aber die Kirche empfand dieſe Chikanen oft als böſen Willen. Denn der ganze große Verwaltungs⸗ apparat ſchien gegen die Sachſen losgelaſſen zu ſein, es gab kaum ein Geſetz, das ihnen gegenüber gehalten wurde. Im Großkokler Komitat

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regierte der Obergeſpan Graf Gabriel Bethlen Stuhlrichter ließen ſich, wie einſt der Edelma von den freien ſächſiſchen Bauern Heu machen wobei fie dieſe Tage ihnen an der Straßenarbeit kümmerte ſich Banffy um kein Geſetz und Recht, der wurde das Verfügungsrecht über ihr Vermögen Miniſter beſtätigte den Rekurs eines Einzigen Beſchluß der Univerſität. Die Verwaltungsau

ev. Schulen Verordnungen über den magyariſchen Dorfshannen konfiszierten Landkarten; es war ein der ſeine Erklärung darin fand, man ſah „oben“ die an. Darin beſtärkten den Leſer die maghariſchen Zeit damals Hon und Ellenör, Magyar Polgar und Peſti nur einige zu nennen an Hohn und Spott, an Gift Unwahrheiten und Verläumdung in ihren Blättern g. Sachſen aufgeſpeichert, das iſt geradezu unglaublich.

Der Rückſchauende, der in der Lage iſt, alle beiſeite zu laſſen und von hiſtoriſcher Warte das Urteil a den ganzen Kampf der Sachſen für ihr Recht ins Auge Urteil nicht ungerecht ausfallen.

Jeder Kampf um das Recht hat eine formale und Formal darüber kann heute kein Streit mehr ſein Sachſen das Recht auf ihrer Seite, ſowohl bei dem Kai Aufrechthaltung des Sachſenlandes als gegen das Volks- und geſetz. Die Paragraphe, die ins Feld geführt wurden, f unwiderlegliche Sprache.

Sachlich läßt ſich die Frage nicht in allen drei Richtungen mäßig beantworten. Die alten ſächſiſchen Stühle ließen ſich in der lieferten Kleinheit und Enge nicht aufrechthalten. Die Gegenwart a auf allen Gebieten mit größeren Einheiten. Daß hier eine Ande nötig war, das muß zugegeben werden. Aber dieſe Anderung erfort nicht das Zerſchlagen des Sachſenlandes, die Aufhebung der munizipalen Einheit des Königsbodens, am allerwenigſten den magyariſchen Sprachen⸗ zwang, der über das ganze Land verhängt wurde. Und daß dieſe Löſung der Frage dem rechtverſtandenen Intereſſe des ungariſchen Staates nicht entſprach, das ſehen heute viele ein, die es ehemals nicht verſtehen wollten. Damit aber iſt die Haltung der Sachſen gerechtfertigt.

Das muß ſachlich auch von dem Kampf gegen das Volksſchulgeſetz zugegeben werden; beſonders nach alle dem, was auf dieſem Gebiet

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either geſchehen iſt. Es bleibt ein ſchweres Unrecht, wenn der Staat unter dem Vorwand, jedem Gelegenheit zu bieten, die Staatsſprache kennen zu lernen, jedes Kind zwingt, in der Volksſchule, deren Natur das nicht verträgt, eine andere als die Mutterſprache zu lernen und dadurch die Bildung ſelbſt herabzudrücken. Der ganze Vorgang hat ver- geſſen, was die Magyaren im Kampf gegen Joſef II. unwiderleglich ausgeführt, daß die Bürger nicht wegen der Sprache da ſeien!

Die Befürchtungen, die gegen das Mittelſchulgeſetz ſeinerzeit ins Feld geführt wurden, haben ſich nicht in dem Umfang erfüllt als fie aus. geſprochen wurden. Auch in früheren Zeiten haben die „ſtudierten“ Kreiſe der Sachſen, Juriſten wie Theologen, magyvariſch gelernt. Doch iſt auch hier viel über das Ziel hinausgegangen worden und anderes, was befürchtet wurde, iſt eingetroffen, vor allem die langſame Lockerung des Verbandes zwiſchen Kirche und Schule, was für beide unter den hiefigen Umſtänden einen Schaden bedeutet, nicht am wenigſten gerade für die Gymnaſien, deren Lehrerkollegien in kurzer Zeit, wie Biſchof Teutſch es ſchon ausführte, in Gefahr find „Veteranenkolonien“ zu werden, wenn die Lehrer nicht mehr ins Pfarramt übergehen.

Der ganze Kampf aber auf dem politiſchen wie auf dem Schul⸗ gebiet war ein Kampf großer Prinzipien, was die Sachſen nie über⸗ ſehen haben: es handelte ſich um Staatsmacht und Minoritäts recht und dann im nationalen Kampf um den Beſtand des Deutſchtums der Sachſen.

Es iſt Zeitgeiſt beſſer vielleicht Zeitanſchauung, daß der Staat feine Machtbefugniſſe über Gebiete ausdehnt, die ihm früher gleichgültig waren. Die Grenzen dieſer Macht und die Zugeſtändniſſe, die er an die Gemeinden und andere Zuſammenfaſſungen der Bürger macht, laſſen ſich ſchwer definieren und gewiß ſchickt eines ſich nicht für alle. Die Sachſen bekämpften die Staatsallmacht, die in Ungarn um ſo qualvoller empfunden wurde, als ſie jede Autonomie zu verdrängen beſtrebt war und als der Staat hier ausſchließlich als Förderer magyariſcher Lebens- Äußerungen erſchien.

So ſpitzte ſich der Kampf zu einem nationalen zu. Wäre mit der Munizipalfrage und den Schulfragen nicht die Sprachenfrage ſo innig verknüpft, hätten die Sachſen und die ev. Kirche nicht das Be. wußtſein gehabt, daß das Aufgeben des Rechts der Selbſtbeſtimmung auf irgend einem Lebensgebiet zugleich das Aufgeben eines Schirms und Schutzes des nationalen Eigenlebens, des deutſchen, bedeutete, jo hätte der Kampf kaum die Erbitterung angenommen, die ihn leider kennzeichnet.

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Dieſe Erbitterung hatte ihren Grund darin, Charakter und das Weſen aller Lebensgebiete v waltung ſoll verwalten und ſoll das Wohl und haben hier wurde ſie zu einem Mittel der Ma Die Schule ſoll lehren und erziehen hier wi zuchtmeiſter gemacht, während das beſte Leben a wurde. Die Aufſicht des Staates, die fördern und wurde zum Polizeidiener erniedrigt, der nach Auf feindlichkeit“ ſucht, die niemandem ferner liegt, als

Dazu kommt: in vielſprachigen Ländern, wo ein Sonderleben der Volksſplitter großgezogen hat, ander wohnen, wo die Volksunterſchiede jo groß fi jahrhundertlange Berührung keine Vermiſchung h bedeutet Schabloniſierung Tyrannei und da gedeiht inſofern, als den kleineren Lebenskreiſen, ebenſo auf polit kirchlichem Gebiet, eine gewiffe Bewegungsfreiheit gegeben dem nationalen Leben Gelegenheit zur Entwicklung un

Nicht allein Selbſtſucht iſt es geweſen, wenn auch \ auf die eigene Entwicklung bei jedem Volk in jedem Kampf die die Sachſen dazu veranlaßte, den ſchweren Kampf zu zugleich der Gedanke, daß es ſich hier um den großen Grun den Minoritäten das Daſein zu ermöglichen, den konſtitutionellen zu retten auch für jene, die nicht zu den Herrſchenden g damit zugleich den hiſtoriſchen Charakter Ungarns zu ben niemals eine ſprachliche Einheit geweſen iſt. Eine ſpätere mit dem flachen Liberalismus und der großen Lüge gebrochen wird, daß die zufällige Mehrheit der Stimmen das Recht der drückung gebe, wird erſt den vollen fittlichen Wert dieſes Kan Seite der Sachſen voll würdigen.

Der Biſchof aber, der vielfach in erſter Reihe ſtand, führte Kampf nicht nur aus Pflicht, nicht nur um fein Volk vor Entdeu zu bewahren, ſondern weil er überzeugt war, daß die Staatsallmacht zuletzt die ſittlichen Grundlagen des Staates ſelbſt zerſtöre. *

Es konnte nicht ausbleiben, daß diefe Vorgänge auch in Deutſchland Aufſehen machten. Der Zusammenhang Ungarns mit dem Weſten offen barte fid) eben auch darin, daß die öffentliche Meinung Europas, die ſich um die Innerangelegenheiten Ungarns ſtets bekümmert hatte, die in den zwei letzten Menſchenaltern weſentlich mitgeholfen hatte, Ungarn ſeine Rechte und ſeine politiſche Stellung zu gewinnen, den Ereigniſſen

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hier nicht ſtillſchweigend zuſah. Schon im Dezember 1881 war von Berlin aus ein Aufruf ausgegangen, den hervorragendſte Männer unter- zeichnet hatten, der auf die Gefahr hinwies, die den Deutſchen in Ungarn und Siebenbürgen drohe und zu tatkräftiger Unterſtützung des Deutſchtums mahnte. Zur Unterftügung der deutſchen Schulen im Auslande wurde in Deutſchland der Allgemeine deutſche Schulverein gegründet, Flug— blätter „Dem Deutſchtum zu Schutz und Trutz“ mahnten an die nationalen Pflichten gegen die Deutſchen im Ausland, wie die Magyaren ſie lang ſchon gegen die in den Nachbarſtaaten lebenden Magvaren für ſelbſt⸗ verſtändlich hielten, die deutſchen Blätter nahmen ſich einmal energiſch der Rechte der Deutſchen im Auslande an, nationale Vereine neben dem Schulverein förderten das Intereſſe für dieſe Fragen und vom Heidel⸗ berger Profeſſor Dr. R. Heinze erſchien unter dem Titel „Hungarica, eine Anklageſchrift“, ein gewaltiger Auffchrei des nationalen Gewiſſens, der in ſyſtematiſcher, umfaſſender und gründlicher Weiſe all die Leiden und all das Unrecht, das ſeit Jahren dem deutſchen Leben in Ungarn und Siebenbürgen angetan war, zuſammenfaßte. C. Ludolf gab in ſeinem an das Volk gerichteten Buch: Vom Sprach- und Völkerſtreit in Ungarn ein tief erſchütterndes und ergreifendes Bild von der Vergangenheit und gegenwärtigen ſchweren Stellung des Deutſchtums hierzulande und rührte in tiefen Herzenstönen die Gewiſſen. Franz v. Löher hatte in ſeinem Werk: Die Magyaren und andere Ungarn wenig früher das Gleiche getan. In allen Zeitungen hallte es wider, ſoviel war nicht mehr über die Deutſchen in Ungarn und die Sachſen in Siebenbürgen gejchrieben worden. Im ungariſchen Reichstag brachte ein Abgeordneter am 13. Februar 1882 dieſe Angelegenheit in einer Interpellation an den Minifterpräfi- denten zur Sprache und am 27. Januar war bei Verhandlung des Dispoſitionsfondes eine große Deutſchendebatte entſtanden, die zu einer großartigen Darlegung des Unrechts führte, das die Sachſen ſeit Jahren zu erdulden hatten und in der die ſächſiſchen Vertreter Dr. Wolff, Gull, day für die Wahrheit und ihr Volk eintraten. Wer heute vorurteilslos die Debatte lieſt, muß zugeben: es war ein Ehrentag der Sachſen, aller rm und aller Widerſinn, der von gegneriſcher Seite zutage gefördert wurde, konnte die wahre Lage der Dinge nicht verhüllen. Im Anſchluß an all die Verläumdungen, von Staatsverrat und Vaterlandsloſigkeit die den Sachſen entgegengeſchleudert wurden, ergriff das ſächſiſche Volk elbſt das Wort. Am 16. April 1882 ging Hermannſtadt voran und nun folgten die andern Orte in ununterbrochener Reihenfolge nach; es waren wunderbare Frühlingstage, in denen das ſächſiſche Volk wie ein

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Mann und in gehobener Stimmung erklärte, daß treue ſich nicht widerſpreche. „Wir verwahren Hermannſtädter Erklärung gegen jede Vei treue und weiſen mit Entrüſtung jeden Berfu Sachſen in Siebenbürgen überhaupt als Feinde hinzuſtellen. Unſere Treue gehört den Geſetzen die rechtmäßigen Herrſcher, unſere Liebe dem Vat

„Aber wir, die wir Bürger Ungarns und weiſen mit derſelben Entſchiedenheit zurück auch und je länger deſto ungerechter und zudringlicher Gewiſſen richtenden Beſtrebungen, welche mißachtend Grundgeſetze eben dieſes Staates, in dem Feſthalten nalität, ſofern dieſe nicht die maghariſche iſt, und in loyalen Bemühen, die Bedingungen des Beſtandes dieſer ihrer Kultur in dieſem Lande zu erhalten, nur den ſeligkeit gegen den ungariſchen Staat oder Mitbürger ander wollen und durch ſolche Verkennung und Verleumdung dem Vaterlande ſchwere Wunden ſchlagen und die Ruhe und unter ſeinen Bewohnern verſchiedener Sprache hemmen

„Wir wünſchen dieſen Frieden von Herzen und den möglichen Segen für Alle. Beide werden nicht geſtört weder Verhalten unſerer Reichstagsabgeordneten in dieſer Sache, hiemit unſere dankbare Zuſtimmung freudig ausſprechen, noch in ſeinen Statuten ausgeſprochene Abſicht des „Deutſchen in Berlin, die Deutſchen außerhalb des Deutſchen Reiches dem zu erhalten, da er dieſe Erhaltung nirgends anders wünſcht als gegen den Staat, dem ſie angehören; und darum beklagen Tatſachen, welche den Anlaß feiner Erklärungen boten a können den Ausdruck ſeiner Sympathien nur dankbar empfangen.

„Eintracht und Segen werden da ſein in unſerm Lande, diejenigen, welchen die Macht in die Hand gelegt ward, ſich für pflichtet halten, fie auch zum Schutze derjenigen Geſetze und geſetzlichen Beſtimmungen anzuwenden, welche die Weisheit der Geſetzgeber noch vor kurzem geſchaffen, damit in dem Lande, in dem nun einmal nach dem Willen der Vorſehung mehr als eine Sprache lebt und mehr als ein Volksſtamm wohnt, jeder dieſe Eigenart behalten und dennoch das Land lieb haben könne, in allen ein Gefühl der Zufammengehörigkeit und das Bewußtſein der Pflicht gemeinſamer Arbeit zu gemeinſamer Wohlfahrt geweckt und unauslöſchlich erhalten werde.

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„Dieſe Ideen erhalten jeden Staat, ſie haben ſich auch in dem ungarischen als die erhaltenden in der Vergangenheit erwieſen. Wir, die wir noch an ſeine Zukunft und an unſere Zukunft in ihm glauben, laſſen die Zuverſicht, daß ſie wieder zu Ehren kommen werden, nicht fahren.“

Die tapfere und gedankenreiche Brooſer Erklärung fagt: „Über unſere Vaterlandsliebe und Staatstreue uns zu äußern, halten wir für vollkommen überflüſſig. Unſere Vergangenheit und Gegenwart zeugt für uns. Es lebt niemand in dieſem Reiche, der in dieſer Beziehung weniger der Belehrung bedürftig wäre als wir. Wir erwarten nur, daß auch andere, zumal die Lenker des Staates ſich erinnern, was uns dieſes Vaterland und dieſer Staat ſchuldig iſt und daß uns die Möglichkeit gelaffen werde, uns jo wie wir hier find in unſerer volkstümlichen Eigenart, hier im Vaterland und in einem Rechtsſtaat zu fühlen. Denn unbeſchadet unjerer Vaterlandsliebe und Staatstreue wollen wir auch mit aller Liebe und Treue feſthalten an den hohen Idealgütern, die ein unantaftbares Eigentum jedes Menſchen find, an welches keine Macht der Welt zu rühren berechtigt iſt. Zu dieſen Idealgütern rechnen wir auch die angeſtammte Nationalität und Sprache, wir an unſerem Teil unfer Deutſchtum und unſere deutſche Sprache mit all den unermeßlichen Schätzen, die uns in ihr und mit ihr vererbt ſind. Wir beklagen jeden, der durch eigene oder fremde Schuld um das Bewußtſein und die Wert⸗ ſchitzung dieſer Güter gekommen ift, wir beklagen jede Beſchränkung, die uns in der Pflege dieſer Güter beengen möchte, und uns graut auch nur vor dem Gedanken, daß wir oder unſere Nachkommen jemals dieſe Güter aufzugeben verächtlich genug ſein könnten. In dieſem Sinn begrüßen wir freudig und dankbar den Deutſchen Schulverein“, welcher von edeln, hochgeſiunten, jeder Verunglimpfung unnahbaren Männern gegründet, fit) zur Aufgabe gemacht hat, auch uns in der Pflege unſerer Sprache und in der Erhaltung unſeres Deutſchtums zu unterſtützen und zu er⸗ mutigen. Wir ſehen in der Teilnahme unſerer fernen, wohl auch durch Reichsgrenzen von uns geſchiedenen Stammverwandten nur eine längſt gehegte berechtigte Erwartung erfüllt, und wiffen ihnen keinen natür- lieren Dank dafür als das Gelöbnis, daß an uns ſolche Teilnahme nicht vergeudet ſein ſoll, als wären wir des Deutſchtums ſchon un- würdig geworden.“

Zu Hunderten und Tauſenden ſtrömten die Volksgenoſſen zuſammen, un einmütig überall ähnliche Erklärungen abzugeben. Die Tage jener „Schulvereinsdemonſtrationen“ ſind bis heute mit ihrer nachwirkenden Erhebung unvergeſſen geblieben. Dabei hat unſer Volk ſein politiſches

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Glaubensbekenntnis abgelegt und für dieſes gekämpft und gelitten. Teutſch war bei den verſtändlich nicht beteiligt, aber es war auch 7 offen bekannt wurde und ſeine Seele erhob ſich und der Begeiſterung des Volkes. Dieſer ganze Kampf um die Exiſtenz als D Auge gefaßt werden, wenn man die Zeit und die zelnen verſtehen will. Da gewinnen auch Klein { Als Glied in dem großen Kampf haben aber jene doppelte Bedeutung. Sie waren angeſichts der allgemei der Sachſen, angeſichts der geſinnungsloſen Haltung der en in Ungarn, die ſich zu Demonſtrationen gegen den brauchen ließen, eine Tat. Einen Teil der Männer, die an der Spitze der Bewegung ſtanden, kannte Teutſch von anderen hat er ſpäter kennen gelernt. Ihn ſelbſt beſchäftigte damals mit dem Landeskon andere ernſte Frage, die wieder ohne unſere Schuld der ſchweren Kampf aufzwang. Sie hat jahrelang die Kirche in gehalten und Teutſch fpeziell viel Sorge gemacht. Sie muß führlicher erörtert werden. 0 Zur ev. Landeskirche gehörten außer den 251 ſächſiſchen G auch noch 16 ev. magyarifche Gemeinden, darunter auch die 10 meinden des Kronſtädter Kirchenbezirkes: Apatza, Krisba, Ujfalu, falu, Cſernatfalu-Türkös, Hoßufalu, Tatrang, Pürkeretz und Ebenſo hatte die Stadt Kronſtadt eine magyariſche Diakonatsgen in der Stadtpfarrgemeinde. Dieſe magyariſchen Gemeinden (gegenwärtig mit 17.173 evangeliſche Seelen) waren, die Kronſtädter Diakonatsgemeinde ausgenommen, bi 1848 untertänig. Sie gehörten von alters her zum „Dominium“ des königlichen Grenzſchloſſes Törzburg. Durch Verpfändung und Verkauf ging di von 1498 an mit all ſeinen Beſitzungen und Nutzungen an die St Kronſtadt über. Der letzte und vollſtändigſte Rechtsakt betreffend das Eigentumsrecht Kronſtadts auf dieſe Dörfer iſt im dritten Teil, in 82. Titel als einziger Artikel des ſiebenbürgiſchen Landesgeſetzbuches der „Approbaten“ (1653) feierlich inartifuliert; Kronſtadt beſaß jene Gemeinden mit demſelben Rechte, wie der ſiebenbürgiſche Adel die feinen. Es gehört auch zum großen Kapitel des Kampfes der Sachſen um ihr Recht, daß man das Eigentumsrecht der Stadt Kronſtadt auf ihren

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Beſitz 1869 ftreitig machte. Die Stadt Kronftadt übte als Grund- herrſchaft auch das Patronatsrecht über die Kirchen aus; die Geift- lichen dieſer die Gemeinden waren in der Reformationszeit mit der Grundherrſchaft zum Proteſtantismus übergetreten galten als Prediger (diaconi) des Kronſtädter Stadtpfarrers; das Kronſtädter „Patronat“ beſetzte die Stellen. Wenn ſich in den vierziger Jahren des 19. Jahr⸗ hunderts unter ihnen das Beſtreben äußerte, in den Verband des Kron— ſtädter Domeſtikal-Konſiſtorialkreiſes und des Kapitels aufgenommen zu werden, um als gleichberechtigte Glieder der Ordnung und des Segens dieſer kirchlichen Einrichtungen teilhaftig zu werden, ſo iſt das erklärlich. Dagegen war es gegen das damalige Kirchenrecht, als einzelne Glieder jener Gemeinden 1844 bei dem k. Landesgubernium in einer Beſchwerde um Lostrennung von der evangelischen Landeskirche, ſowie um Unter ftellung unter das Oberkonſiſtorium der ev.-reformierten Kirche baten. Dem Geſetz entſprechend wies das Gubernium fie an die zuftändigen Behörden der ev. Landeskirche. Das Werk dieſer iſt es geweſen, daß jene Gemeinden und deren Pfarrämter die volle Gleichberechtigung mit N allen übrigen Gemeinden und Pfarren der ev. Landeskirche A. B. erhalten | haben, als eine frohbegrüßte Wohltat zu einer Zeit, da das Untertanenver- N | hältnis in Siebenbürgen dieſen Gemeinden noch die Hörigkeit nicht ab- genommen hatte. Als dieſes 1848 geſchah, waren ſie in der Kirche | ſchon mit den ehemals freien Gemeinden gleichberechtigt und man durfte, | da feine Klagen vorkamen, ſchließen, fie befänden ſich nicht unwohl. N Da, erſt im Jahre 1874 wandten ſich mehrere Perſonen geiſt⸗ N lichen und weltlichen Standes aus acht magyariichen Kirchengemeinden des Kronſtädter Bezirkes, nämlich aus Hoßufalu, Tatrang, Baesfalu, Zaizon, Cſernatfalu-Türkös, Pürkeretz, Apacza an den Kultusminiſter A. v. Trefort, indem ſie im Namen ihrer Kirchengemeinden eine Anzahl Klagen gegen die ev. Landeskirche A. B. in Sieben bürgen, beziehungs⸗ N weile ihre Behörden vorbrachten, mit der Bitte: da fie „in der Ein- | |

verleibung als geſondertes Dekanat in eine andere vaterländiſche evange- liſche Dibzeſe A. B. die Garantien für die Möglichkeit der kirchlichen ſowohl als auch nationalen Entwicklung ſuchen“, möge der Miniſter dieſe „Abſicht des Abfalls“ der evangeliſchen Landeskirche anzeigen und | die Errichtung eines eigenen, einer anderen Diözeje einzuverleibenden Dekanats, „durch den hohen Reichstag“ durchführen laſſen. Eine ähnlich lautende Klage- und Abſageſchrift war vom ſelben Tag (3. September 1874), 1 doch ohne die Unterſchrift der Apaczaer Mitglieder, dem Kronſtädter 1 Bezirkskonſiſtorium vorgelegt worden. Die Klagen betrafen folgende N 9

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Punkte: fie hätten im geſetzgebenden Körper der Ki die Beſtimmungen über die Pfarrerswahlen ſeien ern für ſie, ihre Studierenden erhielten keine Unterſtützung, zurückgeſetzt und im Bezirkskonſiſtorium ſei kein Mag

Aus dem allem zog die Klageſchrift den einer Trennung nicht weiter zurückſchrecken, „ohne daß lität verleugnen, auf unſere Selbſtachtung verzichten gefährden“. Eine Deputation überreichte dieſe Einga beſonderer Audienz dem Kultusminiſter, und am folgenden ? tember 1874) ſchon fand dieſer für gut, „da die U ſeits ohne Anhörung des Oberkirchenrates (d. i. des La nicht endgiltig entſchieden werden kann, andererſeits aber iſt, um an Ort und Stelle gründlich unterſucht zu werden“, de Karl Szaß als Kommiſſär zu entſenden und ihm die Unt Gegenſtandes zu übertragen.

Das war der Anfang ſchwerer Irrungen. a

Zunächſt muß bemerkt werden, daß weder Einzelne d ſchriebenen Perſonen, noch der Kirchengemeinden, in deren klagend auftraten, vorher jemals auch nur den Verſuch gel 0 eine Abhilfe irgend einer ſogenannten Beſchwerde beim K Bezirks- oder beim Landeskonſiſtorium zu ſuchen. Wenn Miniſter die Tatſache jener Klage bei ihm und nicht bei der fir Behörde damit begründete, daß die Klagenden „bei der Ver ihrer wegen Abhilfe ihrer Beſchwerden bisher bei dem Bezirks⸗ Kirchendiſtrikts-Konſiſtorium getanen Schritte, von dieſen die hilfe überhaupt nicht erwarten könnten“, ſo iſt der Beweis ſagter Gerechtigkeit“ nirgends erbracht, weder in den Schriftſtücken Kläger, noch in der Aufſtellung des Miniſters, beziehungsweiſe fi Kommiſſärs.

Die Entſendung des Kommiſſärs bezeichnete den Anfang ſchweren Kampfes. Vergebens hatte Biſchof Teutſch in einer Vorſtellung vom 1. Oktober 1874 dem Miniſter den obigen Sachverhalt dargelegt, vergebens darauf hingewieſen, daß nach dem 43. Geſetzartikel von 1868 (über die detaillierte Regelung der Vereinigung Ungarns und Sieben⸗ bürgens“), der die „Selbſtregierung der Kirchen“ und den „Wirkungs- kreis der Kirchenbehörden“ den alten ſiebenbürgiſchen Religionargeſetzen gemäß aufrecht erhält, die Austragung jener Beſchwerden und die Unter⸗ ſuchung von Klagen, die nicht einmal zur Kenntnis der zuſtändigen Kirchenbehörde gekommen, vor die Behörden dieſer Kirche gehöre und

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ein außerordentlicher Regierungskommiſſär ſowohl die Staatsgeſetze als das Recht dieſer Kirche verletze.

Der Kommiſſär kam. Biſchof Teutſch empfing ihn mit ſtaatsmänniſcher Höflichkeit, weigerte ſich aber ſeinem Begehren zu entſprechen und ein amtliches Begleitſchreiben an das Kronſtädter Bezirkskonſiſtorium mitzu- geben, ebenſo wie eine Vertretung des Landeskonſiſtoriums bei „der Unter- ſuchung“. Er ließ überhaupt darüber keinen Zweifel, daß er die Sendung als ein Unrecht anſehe. Am 5. Oktober war der Kommiſſär in Her⸗ mannſtadt, bereits am 20. Oktober überreichte er ſeinen Bericht dem Miniſter. Was darin ſtand, läßt der folgende Schritt des Miniſters ſchließen. In einem ausführlichen Erlaß vom 12. November 1874 wurde der Miniſter ſeinerſeits, auf Grund des einſeitigen Berichtes ſeines Kommiſſärs, der keiner Kirchenbehörde je zur Außerung mitgeteilt worden war, zum Ankläger. „Aus der Unterſuchung“ (ö), die dieſer gepflogen, ſei ihm „mit einer jeden Zweifel ausſchließenden Gewißheit hervorge— gangen“, daß die klagenden magyariſchen Gemeinden im Gebrauch ihrer Mutterſprache gehindert und unterdrückt würden, daß fie der Mög- lichkeit beraubt ſeien, ihre kirchlichen Jurisdiktionsrechte und namentlich ihren Einfluß auf die Selbſtregierung auszuüben, daß ſie materiell nicht gehörig unterſtützt würden, daß das Kirchenregiment eine unge— rechte Verkürzung der Seelſorger- und Lehrerbezüge zulaſſe, die Seel- ſorge vernachläſſige, das Schulvermögen preisgebe; daß das Wahlgeſetz für die Beſetzung der Pfarrersſtellen erniedrigend und gefährlich ſei, indem die Gemeinden gezwungen ſeien, Pfarrer zu nehmen, welche nicht magyariſch können. Darum verlangte der Minifter „erſchöpfenden Bericht“ über die „beſchwerenden Tatſachen“ und eine Außerung darüber, ob das Landeskonſiſtorium gegen den Abfall und das Ausſcheiden der magya- riſchen Gemeinden aus der ſiebenbürgiſchen ev. Kirche eine Einwendung habe? Wenn ja, ob es die Abſicht habe, energiſche Verfügungen zu treffen, daß derartige Kränkungen in Zukunft dieſen Gemeinden nicht mehr angetan würden?

Das Recht zu allen dieſen Verfügungen nahm der Miniſter für ſich kraft des, von ihm weiter nicht definierten, auch durch keine Geſetzes⸗ ſtelle begründeten, ſondern nur allgemein angerufenen „landesfürſtlichen Oberaufſichtsrechtes“ in Anſpruch, das auch ſonſt häufig ſächſiſchen und wangeliichen Rechtsfragen gegenüber von der Regierung und ihren Organen zitiert wurde. Der miniſterielle Kommiſſär, der gegen Recht und Geſetz zur Unterſuchung einer innerkirchlichen Angelegenheit entjendet wurde, war der nicht dieſer Kirche angehörige damalige Sektionsrat

Georg Daniel Teutſch. 20

K. Szaß; der Referent des Minifters, der auf ( ſuchung“ dieſes Kommiſſärs zu den miniſteriellen Angelegenheit verwendet wurde, war derſelbe Sektions evangeliſche Kirche mußte ſich fragen: Was würde di oder die reformierte Kirche wohl über einen ähnlichen geſagt haben? *

Wenn die Klagen der Gemeinden und die Beha ſeitig unterſuchenden Miniſterialkommiſſärs richtig und dann lagen hier allerdings Mißbräuche vor, die abgeſtellt So konnte denn das Landeskonſiſtorium der ev. Kirche n tun, als in Pflicht ſeines Amtes die tatſächlichen Verhältniſſe feſtſtellen und gewiſſenhaft darüber an den Miniſter be umfangreiche Vorſtellung des Landeskonſiſtoriums vom 30 an denſelben verdient in hohem Grade geleſen zu werden Verhandlungen der IX. Landeskirchenverſammlung. Hermannftad Anhang. Seite XXXIII- LXXXI.) Bis auf den tiefften Grun die Anklagen beleuchtet; das Endergebnis war ſonnenklar un nichtend.

Die Darlegung geht von dem, allem Mißverſtändnis und falſchen Auslegungskunſt entrückten $ 14 des 43. Geſetzartike 1868 „von der detaillierten Regelung der Vereinigung Unga Siebenbürgens“ aus, der in der amtlichen deutſchen Überſetzung „Alle jene Gejege Siebenbürgens, welche auf ſiebenbürgiſchem und in den ehemals ſogenannten ungariſchen Teilen die Religi übungs⸗ und Selbſtregierungsfreiheit der geſetzlich inartikulierten Relig genoſſenſchaften, Kirchen und Kirchenbehörden, ſonach deren Gleichber gung, gegenſeitigen Verhältniſſe und beziehungsweiſe deren Wirkungskrei⸗ gewährleiſten, werden nicht nur unberührt aufrecht erhalten, ſondern gleichzeitig auf die griechiſch- und armeniſch katholiſche, jo auch auf die griechiſch orientalische Kirche ausgedehnt.“ Auf Grund dieſes Fundamental⸗ geſetzes der Geſetzartikel, der es enthält, iſt ja überhaupt derjenige, der dem Kultusminiſter Ungarns ermöglicht, auch die Kirchen Sieben⸗ bürgens in ſeinen Wirkungskreis einzubeziehen wird dann nach den, Beſtimmungen der alten ſiebenbürgiſchen Religionargeſetze, und insbe- ſondere der von 1790/91 nachgewieſen, daß die Regierung zu einem Ein- ſchreiten, wie es ihr im vorliegenden Falle beliebte, ein Recht nicht habe, daß die miniſterielle Auffaſſung des Oberaufſichtsrechts der Regierung eine durchaus ungeſetzliche iſt, demnach ebenſo ungeſetzlich, daß der Miniſter ſofort, ohne das Sandesfonfiftorium auch nur zu hören, einen

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Kommiſſär entſandte, um Unterſuchungen zu pflegen, der dazu über eine ganze Reihe, in der Eingabe der Kläger gar nicht berührte Vor— gänge inquiſitionsmäßig und eigenmächtig Erhebungen gemacht habe. „Sind ſo faßte die Vorſtellung an den Miniſter das Ergebnis der ernſten rechtsgeſchichtlichen Unterſuchung zuſammen innerkirchliche Angelegenheiten in unſerem Vaterlande Sache des Staates geworden? Iſt das der Sinn des oberſten Aufſichtsrechts der Krone?“ „Unendliches Unheil iſt nach dem Zeugnis der Geſchichte daraus entſprungen, ſo oft der Staat innere Angelegenheiten der Kirche in ſein Machtgebiet ein- zubeziehen verſuchte. Das Kirchentum, durch die Eingriffe des Staates in der gedeihlichen Entfaltung feiner eigenſten Aufgaben geſtört, ſchrumpfte zum geiſtloſen Werkzeug fremder Gewalten zuſammen und verlor die Kraft, jene heiligſten Güter rein zu bewahren, deren Gefäß alles Kirchen⸗ tum ſein ſoll, die Religion. Der übergreifende Staat aber, der ſich Aufgaben anmaßte, die ihm nicht verheißen ſind, blähte ſich zum eigenen Schaden in ſolchen Fällen gar oft auf zu jener widerlichen Form der bureaukratiſchen Theokratie, welche unfähig iſt, die Rechtsidee zu ver⸗ wirklichen, weil ſie die Freiheit der Gewiſſen zerſtört hat und unfähiger noch das Gottesreich anzubahnen, weil ihr der Glaube fehlt.“ „Was aber anders, als der Beginn zu ſolchen Übergriffen wäre gegeben, wenn der Staat das Recht ſich beilegte, ſich in welche Kirchenangelegenheiten immer einzumiſchen; wenn es ihm freiſtünde, jeden Übelſtand im Innern eines Kirchenweſens in jedem Augenblick, vielleicht auf bloßen Verdacht hin durch eigene Organe unterſuchen zu laſſen; wenn er ſonach das Recht hätte, die eigenſten Funktionen, für welche das Kirchenregiment verordnet iſt, nach Belieben an ſich zu ziehen und ſich, den Staat, an Stelle des Kirchenregiments zu ſetzen; ja, welche Aufgabe bleibt dem Kirchenregiment noch übrig, wenn der Staat es iſt, der darüber zu entſcheiden hat, ob auf innerkirchlichem Gebiet Mißbräuche vorkommen, wenn er es iſt, der den Umfang ſolcher Mißbräuche feſtzuſtellen, wenn er es iſt, der für ihre Abſtellung Sorge zu tragen berufen iſt? Wie weit iſt es da noch von der völligen Ablöſung des Kirchen regiments durch den Staat und wie viele Schritte find noch übrig, um die Auf- ſtellung von Glaubensſätzen für ein Majeſtätsrecht zu erklären?“ Zugleich wies das Landeskonſiſtorium im Anſchluß an ein, am 12. September 1842 vor dem ſiebenbürgiſchen Landtag erhobenes „Gra⸗ vamen“ der reformierten Landeskirche nach, wie es den vaterländiſchen Geſetzen zuwider ſei, wenn der Weg eröffnet würde, daß einer Kirche angehörige Räte auf die Verwaltung einer anderen Kirche eh 20

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nehmen und ſchrieb: „Was würde, und mit Recht, Landeskirche vollkommen gleichberechtigte röm.⸗kath. Zar bürgens dazu jagen, wenn das Majeftätsrecht der ob ſie durch eine, in ihrer Mehrheit aus Evangeliſchen b ausgeübt werden wollte?“ N Ebenſo eingehend und überzeugend ift die Kritik Regierung befolgten Methode in dem ganzen Vorgang. herausgeſtellt, daß von den acht Gemeinden, die auf de gabe unterſchrieben waren, fünf am Tage der Ausſtellung von dieſer und ihren Zielen nicht die geringſte Kenntnis Eingabe ſelbſt war nicht von den einzig berechtigten V. der Gemeinden, den Presbyterien, unterſchrieben und eine ſolche Eingabe zum Ausgangspunkt einer ſtaatlichen U 0 zur Herabſendung eines kön. Kommiſſärs gemacht. Dazu kam, daß d ſeinen Wirkungskreis durchaus überſchritt. Angelegenheiten, die Bittſtellern gar nicht berührt worden waren, zog er in den K Unterſuchung“, dehnte dieſe auch auf Angelegenheiten der Krizba aus, die jene Eingabe an den Minifter gar nicht mitunte hatte; ja „mehr als das, der Bericht des Miniſterial⸗Komm den Miniſter verallgemeinert die vorgebrachten Beſchwerden, er dieſelben als berechtigten Schmerzensſchrei nicht der Beſchw allein, ſondern des geſamten zu unſerer Landeskirche ge rigen „Ungartums' darſtellt“. „Damit wäre denn die unſelige Natio tätenfrage auch auf dem Gebiet der Kirche in der beften Form geſt Indem das Landeskonſiſtorium ſodann die vorgebrachten digungen ſelbſt eingehend beleuchtete, kam es zu folgenden Ergebr Was die ſprachliche Zurückſetzung jener magyari \ Gemeinden anbelangte, der Miniſterialerlaß vom 12. November 1874 0 hatte auf Grund der Unterſuchung des Miniſterialkommiſſärs behauptet: | „ſeine Nationalſprache, welche zugleich die Amtsſprache des Staates iſt, kann das Ungartum in jenem ſächſiſchen Kirchendiſtrikt nicht zur Geltung bringen“; „die beſchwerdeführenden ungariſchen Gemeinden ſind von jeglichem Gebrauch ihrer Mutterſprache, welche zugleich die Amtssprache des Staates iſt, in dem Kreis ihrer Kirchenbehörden ausgeſchloſſen“ ſo wies das Landeskonſiſtorium nach: daß jeder Gläubige der evang. Kirche Siebenbürgens innerhalb derſelben in allen Kirchenangelegenheiten ſchrankenlos ſich jeiner Mutterſprache bedienen könne, vor allen Behörden, in allen Vertretungskörpern, in allen Eingaben, die dann die unmittelbar vorgeſetzte Gemeindebehörde (Pfarramt, Presbyterium) in derſelben

Sprache beantwortet. Die Behörden der magyariſchen Gemeinden können ſich in den Eingaben an die höheren Kirchenbehörden ausſchließlich der magyariſchen Sprache bedienen und müſſen eine andere nicht einmal wie die Kirchen in dem Schriftenwechſel mit dem Staat „ſpalten⸗ weiſe“ gebrauchen. In der Bezirkskirchenverſammlung ſprechen die Ver— treter der magyariſchen Kirchengemeinden magyarifch, Anträge und Frage- ſtellungen werden in ihrer Sprache mitgeteilt; vor dem kirchlichen Ehegerichte verhandeln die Parteien in ihrer Mutterſprache und das Gericht ſelbſt verkehrt in dieſer mit ihnen mündlich. Es bleibt alſo von der ſprachlichen Zurückſetzung weſentlich bloß übrig, daß die Geſetze, Protokolle und Erläſſe der höhern Behörden und insbeſonders des oberſten Kirchenregiments deutſch find und die ehegerichtlichen Erkenntniſſe gleich— falls. Erſteres iſt für die Gemeinden keine Bedrückung, da dieſe doch vor allem die Behörden angehen und die Pfarrer auch der magyariſchen Gemeinden das Deutſche bisher ausnahmslos immer verſtanden. In der Tat war aus der Mitte der magyariſchen Gemeinden bis dahin niemals eine Beſchwerde wegen ſprachlicher Zurückſetzung laut geworden. Jener Gebrauch der Sprachen aber iſt dem Staatsgeſetz Geſetzartikel 44 von 1868 (über die Gleichberechtigung der Nationalitäten) durchaus ent⸗ ſprechend, denn § 15 lautet: „Die höhern kirchlichen Körperſchaften und Behörden beſtimmen ſelbſt ihre Beratungs, Protofolls-, Amtsführungs⸗ und Verkehrsſprache mit ihren Kirchengemeinden“ und § 10: „Die kirch⸗ lichen Gerichte beſtimmen ihre Amtsſprache ſelbſt.“

Die zweite Beſchuldigung betraf die Zurückſetzung im Kirchen— regiment. In den Einzelgemeinden der ev. Landeskirche geht das Kirchen⸗ regiment aus der freien Wahl der Gläubigen hervor; da kann von einer Zurückſetzung keine Rede ſein. Im Bezirk wählt die Bezirkskirchen⸗ verſammlung, beſtehend aus dem Bezirkskonſiſtorium, aus den Pfarrern und je einem weltlichen Abgeordneten jedes Presbyteriums, das Kirchen— regiment der zweiten Stufe (das Bezirkskonſiſtorium), da entſcheidet eben wieder die Wahl, die Mehrheit, und iſt demnach die Klage einer Zurüd- ſezung formal völlig unberechtigt. Sachlich ftellte ſich die Angelegenheit damals ſo, daß jene zwei magyariſchen Pfarrer, die bis dahin infolge Wahl Mitglieder des Bezirkskonſiſtoriums geweſen, nicht wiedergewählt worden waren, weil die öffentliche Meinung fie und andere magyariſche Pfarrer des Burzenlandes ob mit Recht oder Unrecht kann hier nicht unterſucht werden für diejenigen hielt, die dem bekannten Blaſius Orban das Material zu ſeinen ſchwer qualifizierbaren Schmähungen der Kronſtädter Deutſchen geliefert, welche dieſer eben damals in ſeinem

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Werk: „Beſchreibung des Seklerlandes“ in die Welt iſt es, daß die Beſchwerdeführer als entſcheidende unn laſſung ihrer Eingabe an den Miniſter in dieſer die Ta daß bei der letzten Erneuerung des Kronſtädter Bezirks November 1873) kein Magyare in dieſes gewählt wi

Wollte man aber nicht perſönliche Verſtimmungen keiten, die nun hier, wie die Tatſache zeigte, allerdings zum punkt leidenſchaftlicher und erbitterter Agitation für die wurden, zu grundſätzlicher Bedeutung fälſchlich hinaufſchrau ſich eine ungeſetzliche Beſchränkung der Selbſtregierung auch nie im kleinſten Maße behaupten. ,

Ebenſo grundlos ſtand es mit der Klage, daß bei Laſten höchſt ungleiche Vorteile geboten würden. Wie „gleichen Laſten“ ſtand, ging daraus hervor, daß von 186174 fi des Bezirks und der Landeskirche die 10 magyariſchen Pfarr, des Burzenlandes 2119 fl. 29 kr. geleiſtet hatten, die 16 Gemeinden 39.764 fl. 53 ½ kr. d. h. nahezu das Zwanzi Teil der magyariſchen Gemeinden nicht weniger als fünf haupt von der Umlage zu allgemeinen Kirchenzwecken befreit. Unterſtützungen dafür jenen (volkreichen) Gemeinden für ihre $ und Schulfonde ſeitens der Landeskirche gewährt wurden, das das Landeskonſiſtorium aus ſeinen Rechnungen leicht nachwei war ſo viel, daß das Landeskonſiſtorium ſchrieb: „Es widerſtrebt uf Gefühl, mit Glaubensgenoſſen kreuzerweiſe Abrechnung zu halten. man uns aber den Vorwurf macht, daß wir uns auf Koſten ihrer bereichern, ſo ſei es uns erlaubt, wenigſtens ſoviel zu erwähnen, daß a durch Unterſtützungsgaben aus der übrigen Landeskirche den unga: F Gemeinden des Kronſtädter Bezirks von jeher, aber namentlich ſeit 1881 weit, weit mehr zugefloſſen ift, als fie an Beiträgen für gemeinſane Zwecke des Bezirks und der Landeskirche während derſelben Zeit geleiſtet haben. Und neben dieſem Überſchuß der rückſtrömenden Gaben hätten ſie bei ſolcher Abrechnung die geſamte höhere Kirchenverwaltung umſonſt gehabt.“

Es ſtellte fi alſo die Beſchuldigung vom „gänzlichen Mangel an Billigkeitsgefühl und väterlicher Geſinnung“ bei den „ſächſiſchen Kon⸗ ſiſtorien“, die der Unterſuchungsbericht des Sektionsrates Karl Szaß erhob, als Unwahrheit heraus.

In ähnlicher Weiſe ſtellten ſich die Beſchuldigungen über Pflicht- verſäumnis im Kirchenregiment, die der Miniſterialerlaß vom

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12. November 1874 auf Grund des Berichtes des genannten ent- ſendeten Kommiſſärs gegen die „ſächſiſchen Konſiſtorien“ bitter erhob, als unbegründet heraus. Zunächſt ſollte eine ungerechte Ver— kürzung der Pfarrer- und Lehrerbezüge zugelaſſen worden fein. Tatſache iſt, daß die Zehntrenten von Apacza, Cſernatfalu, Krizba im Jahre 1865 durch willkürliche Verfügung der königlichen ſiebenbürgiſchen Grundentlaſtungsfondsdirektion beträchtlich geſchmälert worden waren, aber ebenſo Tatſache, deren Belege in den Minifterial- archiven in zahlreichen Akten vorlagen, daß dieſe ungerechte Schmälerung jener Pfarrbezüge nach jahrelangen Bemühungen und Vorſtellungen des Landeskonſiſtoriums und nur infolge dieſer aufhörte und die alte Zehntrente wieder hergeſtellt wurde, mehr noch, daß in der Zwiſchen— zeit jenen, nahezu um die Hälfte ihrer Bezüge verkürzten Pfarrern jahrelang aus Landeskirchenmitteln unverzinsliche Vorſchüſſe flüſſig ge— macht wurden. Darüber hatte allerdings der Miniſterialkommiſſär ſeinem Sender nichts zu berichten befunden. Was er dagegen als „Zulaſſung ungerechter Verkürzung der Seelſorger- und Lehrerbezüge“ in den „magyariſchen Gemeinden“ den „ſächſiſchen Konſiſtorien“ zur Laſt legte, das erwies ſich nach genauen amtlichen Erhebungen als unbegründet, und wo tatſächlich Verkürzungen ſtattgefunden z. B. in Tatrang, wo 20 Kübel Mautfrucht aus der Mühle vom Pfarreinkommen an die ev. Gemeinde übergegangen, da war in erſter Reihe entweder der betreffende Pfarrer daran Schuld geweſen, oder es hatte die Gleich⸗ giltigkeit, ja die Widerſpenſtigkeit und der Eigennutz der Gemeinde nicht nur ernſter Belehrung und aller Weiſung des Bezirkskonſiſtoriums, ondern ſelbſt der Einwirkung der zur Hilfe aufgerufenen Behörden zu ſpotten gewußt. Die den evangeliſchen Kirchenbehörden gegenüber weiter erhobene minifterielle Beſchuldigung über Vernachläſſigung der Seelſorge ſtellte fi) in ganz gleicher Weiſe als völlig unbegründet heraus. Es andelte ſich um die Subſtituierung der Pfarrer in Apacza, Krizba und Pürkeretz. Die eingehende aktenmäßige Erörterung dieſer, zum Teil durch ganz ungewöhnliche Verhältniſſe hervorgerufenen Zuſtände zeigte, daß mit vollem Recht von vorſichtiger Fürſorge, nie aber von einer Vernach⸗ Äffigung der Seelſorge ſeitens des vorgeſetzten Bezirkskonſiſtoriums ges prochen werden könne.

Geradezu ſchlagend war in der Vorſtellung des Landeskonſiſtoriums an den Minifter die Widerlegung der Beſchuldigung, es ſei das kon⸗ feſſionelle Schulvermögen preisgegeben worden. Es war dem

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damaligen k. Schulinſpektor im Kronſtädter Komitat, L. welchen das Landeskonſiſtorium wiederholt ſich genötigt ſah, b miniſterium Klage zu erheben wegen geſetzwidriger Übe einen Teil der evangeliſch-magyariſchen Gemeinden zu bewe gehung der kirchlichen Oberbehörden, ihre konfeſſionellen (konfeſſionsloſe) Gemeindeſchulen umzuwandeln. Es geſchah Eile, daß das Bezirkskonſiſtorium, wie es zur Kenntnis durch Schuld der ungariſchen Pfarrer und Presbyterien Tatſachen vorfand. Sofort gab es genaue Weiſungen hinaus für die Sicherſtellung der kirchlichen Intereſſen. Aber nur bei führte die Bemühung zu einem befriedigenden Erfolge. übrigen, unter dem Einfluß Rethyſcher Bemühungen ſich geſetzten Kirchenregiment mehr und mehr abwendenden Gemei zogen die erhaltenen Weiſungen gar nicht, oder nur lückenh ſetzten auch einem vom Bezirkskonſiſtorium gemachten letzten durch kommiſſionelle Verhandlung (unter der Leitung des Pfar Hoßufalu V. Molnar) eine gleichmäßige Sicherſtellung der Intereſſen allenthalben zu erzielen, unbeſieglichen pajfiven entgegen. Waren doch, als das Bezirkskonſiſtorium zuletzt ſeine u und befehlende Stimme erhob, die konfeſſionellen Schulen längſt von Herrn v. Rethy, unbekümmert um das Recht der vorgeſetzten Kir behörde namens des Staates übernommen worden! Und wo h man äußere Hülfe ſuchen ſollen, die Gemeinden zu ihrer Pflicht zur zuführen? Trug doch ihr Vorgehen die Legitimation der Mit! eines ſtaatlichen Organes!“ Es ſei übrigens bemerkt, daß dieſe der „Vernachläſſigung“ von den Gemeinden in ihrer Eingabe an d Miniſter nicht erwähnt worden; denn ſie wußten ja, wer Schuld jene Fälle ſind lediglich vom k. Kommiſſär aufgefunden worden. Der letzte Punkt ſeiner Beſchuldigungen betraf die „Mängel der Pfarrerwahl-Vorſchriften“. Nach dieſen ſollten die magyar - riſchen Gemeinden gezwungen ſein, ſächſiſche Pfarrer zu wählen. Tat⸗ ſächlich wählt jede Gemeinde der ev. Landeskirche ſich den Pfarrer frei aus jenen Kandidaten, die ſich zu der Pfarre melden. Das Recht, ſich zu melden, gibt außer den vorgeſchriebenen Studien und den be— ſtandenen Prüfungen eine Anzahl Dienſtjahre, nach dem Einkommen der Pfarre feſtgeſtellt. Die deutſchen Kandidaten mußten auf deutſchen Hoch⸗ ſchulen ftudiert und die Prüfung vor der durch das Landeskonſiſtorium be⸗ ſtimmten Kommiſſion abgelegt haben; für die magyariſchen Gemeinden gilt 5 212 der Kirchenverfaſſung: „Bezüglich der ungariſchen Pfarrgemeinden

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der ev. Landeskirche gewährt auch der Beſuch einer ungariſchen theologiſchen Fakultät A. B. und die, nach den Vorſchriften derſelben dort mit entſprechendem Erfolg abgelegte Prüfung die Rechte eines nach dieſen Beſtimmungen zur Erlangung eines Pfarramts geeigneten akademiſchen Kandidaten.“ Was in ſolchen Geſetzesbeſtimmungen „Gefährliches“ oder „Erniedrigendes“ liegen ſollte, war nicht einzuſehen; war doch geradezu der Nationalität jener Gemeinden entgegenkommend Rechnung getragen. Es war undenkbar, daß ein Kandidat, der nicht magyariſch konnte, ſich um eine magyariſche Pfarre bewerbe, undenkbar, daß eine maghariſche Gemeinde einen ſolchen wähle, und ein ſolcher Fall iſt tatſächlich nie vorgekommen. Eine Klage über dieſe Beſtimmung des Pfarrwahlgeſetzes oder ein Verbeſſerungsvorſchlag war von den magyarifchen Gemeinden nie eingebracht worden.

Was blieb alſo von den Klagen und Anklagen, die der Minifteriat- Erlaß vom 12. November 1874 „aus dem Berichte“ des entſendeten Unterſuchungskommiſſärs gegen die „ſächſiſchen Konſiſtorien“ erhob, übrig? „Nicht das natürliche Recht ihrer Mutterſprache, nicht ihr proteſtantiſches Selbſtregierungsrecht iſt ihnen verkümmert worden und alles, was als Pflichtverſäumnis, Ungerechtigkeit des Kirchenregiments, als Vernach⸗ läſſgung und Preisgebung der magyariſchen Gemeinden, ihrer materiellen und geiſtigen Intereſſen in grellen Farben dargeſtellt worden iſt, haben wir als grundloſe Verdächtigungen bloßzulegen vermocht“ ſchrieb das Landeskonſiſtorium in feiner Berichterſtattung, bezüglich in feiner umfangreichen aktenmäßigen Widerlegung jener Beſchuldigungen unter dem 30. Juli 1875 an den Kultusminiſter. Wir hätten ungleich weitergehen und durch eine weitere Reihe unumſtößlicher Tatſachen den Beweis führen können, daß gerade umgekehrt das Kirchenregiment, in erſter Reihe das Kronſtädter Bezirkskonſiſtorium, namentlich in den lezten Jahrzehnten, ein ungewöhnliches Maß von Arbeit, Sorge und Pfichttreue für jene Gemeinden aufgewendet hat.

„Iſt es doch faſt ausſchließlich den fortdauernden Bemühungen des Bezirkskonſiſtoriums zu danken, daß feit dem Beginn des letzten Jahr— zehnts in faſt allen dieſen Gemeinden neue Schulklaſſen errichtet, und die einklaſſigen Schulen in zwei- und dreiklaſſige umgewandelt wurden. der Wachſamkeit und Strenge des Bezirkskonſiſtoriums verdankt mehr als eine dieſer Gemeinden die Erhaltung ihres Kirchenvermögens, die Verteidigung desſelben gegen Angriffe, die aus der Mitte der eigenen Gemeindegenoſſen gegen dasſelbe erhoben wurden. Gar manches, fürwahr, ſtünde in dieſen Gemeinden heute ganz anders, wenn

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nicht das Bezirkskonſiſtorium für fie geſorgt und get d geſchaffen hätte, wo durch ihre eigene Fahrläſſigkeit oder und Eigennutz die größte Verwirrung und Unordnung

Unter ſolchen Umſtänden war denn nur noch zu Stellung die ev. Landeskirche zu den Trennungsgelüſten Gemeinden einzunehmen habe. Das Landeskonſiſtorium ausführlichen Bericht vom 30. Juli 1875 an den Kuß darauf Antwort. Indem es den hiſtoriſchen Verla beleuchtete, zeigte es, daß ſie ihren Ausgangspunkt von Selbſtgefühl eines einzelnen Mannes genommen, daß fie mit größtem Eifer und dauernd auf alle Kronſtädter u Gemeinden ſich erſtreckte, von den zehn Landgemeinden drei mit offenbarer Bereitwilligkeit der Bewegung angef folgten nur ſpät und zögernd, die andern gar nicht. Die „Filialgemeinde“ in Kronſtadt nahm an dieſen Bewegungen Teil. Dabei wies das Landeskonſiſtorium darauf hin, wi Geſetz nicht begründete Entſendung eines ſtaatlichen Unt kommiſſärs erſt die Glut recht angefacht habe. „In den Aus welche die Bewegung leiteten, mußte dieſe Entſendung, ohne kirchliche Behörde auch nur gehört worden, von vornherein a liche Sanktionierung ihrer Beſtrebungen begrüßt werden; mit dem ſolcher Unterſtützung ließ ſich dann auch dem ſchwerhörigen Volke begreiflich machen, welchen unendlichen Bedrückungen es bisher au geweſen, da ſelbſt der Staat ſeinen Arm willig ausgeſtreckt hal \ es davon zu befreien.“ 5

Bei ſolcher Parteinahme des „Staates“ lag es nach der Anf des Landeskonſiſtoriums nahe, daß vom Standpunkt des Intereſſes der ev. Landeskirche und des Kronſtädter Bezirkes die Ausſcheidun jener Gemeinden ruhig hingenommen werden könne. „Der entſchi geſetzliche Wille des Abfalls bei jenen Gemeinden müßte für E unter den obwaltenden Verhältniſſen ein vollkommen zureichender Grund ſein, der geſetzlichen, unſerer Kirchenverfaſſung gemäßen Ausführung derſelben nicht das geringſte Hindernis in den Weg zu ſtellen.“

Anders ftelle ſich die Frage vom Standpunkt jener magyariſchen Gemeinden. Wenn es noch eines Beweiſes bedurfte, um die pflichtgemäße Fürſorge des „ſächſiſchen“ Kirchenregiments für dieſe Gemeinden dar⸗ zutun, dieſe Erörterung, mit ihrem Ernſt und ihrer Tiefe, gab ihn ganz: „Denn noch gehören jene Gemeinden zu unſerer Landeskirche, und noch haftet auf unſerem Gewiſſen die Verantwortung, jene nach Kräften

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vor allem zu behüten, was ihrem Kirchentum und den hohen Gütern, deren Pflege dieſem anvertraut iſt, nachteilig ſein kann“, erklärte das Landeskonſiſtorium und wies darauf hin, daß die magyariſchen Gemeinden geiſtig und materiell nicht ſtark genug ſeien, um ein eigenes Dekanat, Seniorat oder wie man es nennen wolle, zu bilden. „Je ſchwächer die geiftig-fittliche Bildung, je machtloſer das eigene örtliche Kirchenregiment in der einzelnen Pfarrgemeinde ift, deſto dringender iſt dieſe auf ein kräftiges, geiftig belebtes und belebendes höheres Kirchenregiment angewieſen. Ein ſolches ſich aus ihren Mitteln allein zu geben, ſind dieſe Gemeinden mindeſtens noch für Jahrzehnte unvermögend.“ Wie vielfache Schwierig- keiten brächte eine Unterſtellung unter eine magyariſche Superintendenz mit ſich. „Schon die große Rechtsverſchiedenheit der ev. Kirche A. B. in Ungarn von der ſiebenbürgiſchen erſcheint faſt als unüberſteigliches Hindernis ſolcher Unterſtellung“; weiter „ob dieſe angeſichts des Staats- grundgeſetzes „über die detaillierte Regelung der Union Siebenbürgens“ mit Ungarn (43. Geſetzartikel von 1868) und insbeſonders auch im Hinblick auf § 16 desſelben überhaupt ſtaatsrechtlich zuläſſig ſei, und weiter „welche Folgen ſolches Durcheinanderwerfen kirchenregimentlicher Be- ziehungen nach lediglich ſprachlichen, in der Leidenſchaft des Augenblicks zur Geltung gebrachten Geſichtspunkten für die Kirchen überhaupt, und welche es mittelbar auch für den Staat haben würde!“

Unter ſolchen Umſtänden ſchien es dem Landeskonſiſtorium nicht geraten, die Loslöſung zu befürworten und es ſchloß darum ſeine Aus— einanderſetzung mit dem Antrag, es möge der Miniſter durch das Landeskonſiſtorium den Bittſtellern den Beſcheid erteilen laſſen: „daß ihnen dringend empfohlen werde, dem für fie verderblichen Trennungs- begehren zu entſagen und in gewiſſenhafter Einordnung in ihre zu Recht beſtehende Kirchenverfaſſung, in der Benützung der ihnen durch dieſe gebotenen Segnungen und in unerſchütterlicher Anhänglichkeit an die ſiebenbürgiſchen Religionargeſetze nach jenen Gütern des Glaubens, der Geſittung und der Nationalität zu ringen, welche fie außerhalb dieſes Verbandes nur gefährden würden.“

Das Landeskonſiſtorium bezeichnete dabei als „unerläßliches Er- fordernis“: „So lange jene Gemeinden und ihre Führer des Glaubens ſein dürfen, der Staat begünſtige ihre Trennungsbeſtrebungen; jo lange fie hoffen dürfen, für jede rein innerkirchliche, ſei es auch noch jo un- erwieſene oder geringfügige Klage bei der, außer der Kirche ſtehenden Staatsmacht ein williges Ohr und einen bereiten Arm zu finden; jo lange fie mit einem Worte ihr oberſtes Kirchenregiment im kön. ung.

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Miniſterjum für Kultus und Unterricht, oder gar des hohen Reichstages ſuchen zu dürfen meinen und ſo der ſiebenbürgiſchen Religionargeſetze und unſerer zu Kirchenverfaſſung adminiſtratives Belieben des Staates ſehen jo lange freilich wäre jeder Verſuch, fie ihrer kirche neu zu verbinden, ein Spiel für Phantaſten und die Wiederherſtellung des unbedingten Glaubens an di Herrſchaft der ſiebenbürgiſchen Religionargeſetze kann den von dem aus die Herſtellung inneren Friedens mit einem glimmenden Fünklein der Hoffnung noch verſucht werden fa

Die Regierung war es wieder, die dieſen Boden nicht

Die Gemeinden hätten ihn, wenn nicht unermüdliche fie irre geführt, vielleicht noch gefunden. Denn da hatten d gelüſte doch nur langſam und nicht überall tiefe Wurzel Der Ausgangspunkt war der verletzte Ehrgeiz eines, in d konſiſtorium 1873 nicht wiedergewählten magyariſchen Pfar rückſichtsloſe, zielbewußte Agitation wurde von ihm eingeleitet; Rundſchreiben an die magyarifchen Gemeinden des Burzen 21. Auguſt 1874 forderte er ſie auf, zuſammenzutreten und „vielleicht“ der Losreißung und der Bildung eines g magyariſchen Defanates ins Auge zu faſſen, „daß wir ſein (des unſerer heiligen Mutterkirche) in dieſem Diſtrikt hin und her gewor magyariſches Schiff, die Untiefen und Klippen vermeidend und Störung ſeines inneren Friedens, in den unſere Intereſſen ſich Hafen hineinführen.“ So waren von einem Teil der Gemeinden Pfarrer, begleitet von einigen ihrer Gemeindeglieder, zuſammengekon und hatten ihren Abſagebrief vom 3. September 1874 an das Ki ſtädter Bezirkskonſiſtorium und ihr Geſuch an den Miniſter geſandl. Aber der Erfolg dieſer Agitation entſprach den Erwartungen ihrer Ur heber doch nicht ganz; es iſt oben dargelegt, wie nicht alle magyariſchen Gemeinden dabei waren. Die Heeresfolge war doch im ganzen zögernd, auch bei den gehorchenden von Zweifeln befangen, bedingt, der Abfall ſolle nichts kosten! Da kam jene von Chauvinismus getragene und dieſen aufſtachelnde Entſendung des Miniſterialkommiſſärs, damit fand der Hang zur Unbotmäßigkeit neue Nahrung; in jedem Widerſtand gegen das Kirchenregiment glaubte man Halt an der Regierung zu finden und unter Berufung auf die Zuſtimmung des Staates kündigten im Januar 1875 Hoßufalu und Bacsfalu dem Kronſtädter Bezirkskonſi⸗ ſtorium offen den Gehorſam.

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Doch machte die tiefernfte Vorſtellung des Landeskonſiſtoriums vom 30. Juli 1875 ſcheinbar auch auf das Kultusminiſterium Eindruck. Allerdings konnte, da derſelbe K. Szaß, welcher Unterſuchungskommiſſär geweſen war, auch weiter Referent der Angelegenheit war und der doch die Empfindung hatte, wie er hier plötzlich zum Angeklagten wurde, der Kultusminiſter nicht umhin, gegen einzelne Darlegungen des Landes⸗ konſiſtoriums zu polemiſieren und in Einzelfällen nochmals den matten Verſuch zu machen, den Vorwurf der Vernachläſſigung der magyariſchen Gemeinden aufrecht zu erhalten, allein in einem Erlaß vom 2. No- vember 1875 gab er doch zu: „Bezüglich aller dieſer Punkte nehme ich die in der Vorſtellung (vom 30. Juli 1875) gegebenen Aufklärungen beziehungsweiſe auch Entſchuldigungen an und ... will in dieſer Be- ziehung die Beſchwerden und Anklagen hinſichtlich der Vergangenheit nicht weiter aufrechthalten und premieren.“ Im Zuſammenhang damit erklärte er: „daß ich das Ausſcheiden dieſer Kirchengemeinden aus dem ganzen ſiebenbürgiſchen Kirchendiſtrikt A. B. und deren Einverleibung in einen ungarländiſchen Kirchendiſtrikt A. B. weder mit dem wohl⸗ verſtandenen Intereſſe dieſer Kirchengemeinden ſelbſt, noch mit der Staats- ordnung für vereinbar anſehe.“

Dagegen forderte der Minifter in derſelben Zuſchrift das Landes- konſiſtorium auf, die erforderlichen Schritte zu tun, damit jene magya⸗ riſchen Gemeinden zu einem beſonderen Dekanat der ev. Landeskirche A. B. in Siebenbürgen erhoben würden. Für dieſes Dekanat verlangte er, der Kirchenverfaſſung ſchnurſtracks zuwider, eine eigene Vertretung im „Ober⸗ konſiſtorium“, auf die doch kein anderes Dekanat als ſolches einen geſetz— lichen Anſpruch hat, da die Mitglieder der oberſten Kirchenbehörde von der Vertretung der Geſamtkirche, der Landeskirchenverſammlung, frei gewählt werden.

Alſo ein neuer Gedanke, der im Geſuch jener Gemeinden an den Miniſter vom 3. September 1874 nicht enthalten war, ein neues un⸗ berechtigtes Eingreifen der Staatsgewalt in innerkirchliche Angelegen- heiten. Dieſes letztere wiederholte ſich in ſpäteren Schriftſtücken, und zwar in ſo wenig würdiger Weiſe, daß das Landeskonſiſtorium in ſeiner Vorftellung vom 1. Februar 1876 es für feine Pflicht hielt, auf die „unverkennbare, ſelbſt in der Wahl der Ausdrücke deutlich hervor- tretende Gereiztheit“ Sr. Exzellenz hinzuweiſen und nicht ohne Schmerz hinzufügt: „So lange es im Perſonal des h. k. Miniſteriums für Kultus und Unterricht an ſolchen, der evangeliſchen Kirche A. B. angehörigen Männern zu fehlen ſcheint, welche außer ihrem nicht be—

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zweifelten Intereſſe für den Staat auch diejenigen po der beſtehenden, beſonders die Religionarverhältniſſe treffenden Staatsgeſetze und Kirchenverfaſſungen und Achtung dieſer Geſetze und Verfaſſungen beſäßen, welche möglich machten, ſich ihres Rates und ihrer Arbeit des Anſehens der hohen Staatsbehörde in dieſen A bedienen ſo lang wird es dieſer Landeskirche ſchwer danken von ſich fernzuhalten, daß ſie ſich des Schutzes Seite her nicht mehr zu erfreuen habe, auf den das treue Kulturarbeit auch ihr ein Recht geben.“ 5

In ſolcher Lage der Dinge trat es unabweislich hervor das Landeskonſiſtorium es in ſeiner Zuſchrift an den 1. Februar 1876 offen aus: „daß der Kirche für die rein innerkirchlichen Aufgabe durch das beharrliche Eing: Exzellenz die nötige Freiheit benommen iſt“. Da aber, zum infolge der Einmiſchung der Staatsgewalt, in jenen magy meinden ſich ein halb anarchiſcher Zuſtand herausgebildet hatte, Ende gemacht werden mußte und „durch die der Kirche allein zu fügung ſtehenden Mittel der Belehrung und Überredung ein ( lange nicht gemacht werden kann, als die entgegengeſetzte durch fortgeſetzte Einmiſchung der Staatsgewalt Nahrung fi ſah ſich die oberſte Kirchenbehörde genötigt, die Schritte zu tu zur Bildung eines magyarifchen Dekanats auf verfaſſungsmäßigem führen konnten.

Dazu gehörte in erſter Reihe die Einholung der Erklärungen magyariſchen Gemeinden ſelber. Sie waren ſehr lehrreich. Die Kr ſtädter magyariſche Filialgemeinde hielt die Trennung dermalen fi nicht wünſchenswert, um ſo weniger, als der bisherige Ver⸗ band nicht nur nicht den leiſeſten Druck auf die Gemeinde ausgeübt, vielmehr derſelben die größte Ordnung ges ſichert habe“; Ujfalu hielt die Bildung eines eigenen Kirchenbezirkes weder für wünſchenswert, noch für ausführbar, das Losreißungsgelüſte vielmehr für zweckwidrig; Krizba erachtete einen eigenen magyarijchen Kirchenbezirk für wünſchenswert, aber für unausführbar aus materiellen Gründen; Cſernatfalu-Türkös hielten aus denſelben Gründen den Gedanken für unausführbar und verwahrten ſich entſchieden gegen neue Laſten; Pürkeretz, Zaizon, Tatrang hielten die Trennung für zweckmäßig, Baesfalu und Hoßufalu desgleichen; alle aber verwahrten ſich gegen neue Belaſtungen ausdrücklich und feierlich.

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Nach der Kirchenverfaſſung wurde nun das Gutachten des Kron— ſtädter Bezirkskonſiſtoriums und der Bezirkskirchenverſammlung eingeholt. Beide sprachen ſich im Mai 1876 dahin aus, daß fie der beabſichtigten Trennung keine Hinderniſſe in den Weg legen wollten. Beide wollten die nicht ausſcheidenden Gemeinden: Kronſtadt (magyariſche Filiale) und Ujfalu im Verband behalten. Beide wieſen aber auch darauf hin, daß die gekränkte Eitelkeit ſelbſtſüchtiger Agitatoren die Bewegung herauf- beſchworen, daß das Eingreifen der Staatsorgane ſie gefördert, da ſie ſachlich durchaus unbegründet ſei. Die Bezirkskirchenverſammlung ſprach die Hoffnung aus, „daß vielleicht noch eine Zeit kommen werde, wo die magyariſchen Gemeinden zur Erkenntnis gelangen dürften, daß zur Verwirklichung eines Schrittes von ſolcher Tragweite denn doch kein hinreichender und gegründeter Anlaß vorhanden geweſen jei“,

Ein ſeltenes Schlaglicht auf die Agitation warf die Anzeige des Krizbaer Notärs, der unter dem 24. April 1876 an das Bezirkskon⸗ ſiſtorium ſchrieb: „Dem finſtern, eigennützigen und dem proteſtantiſchen Geiſte zuwiderhandelnden Treiben unſerer ungariſchen Geiſtlichkeit“ „muß ein Ende gemacht werden“. „Ich will von der mit Eigennutz verbundenen Herrſchaftsbeſtrebung unſerer ungariſchen Geiſtlichkeit nicht reden; auch will ich das, daß unſere ungariſche Geiſtlichkeit mit der Trennung auf dem kirchlichen Gebiete eine Nationalitätenfrage heraufbeſchworen hat, nicht berühren . . . . Soviel kann ich aber behaupten, daß die Trennung nicht des Volkes Wille iſt.“

Die Entſcheidung in der Angelegenheit lag nach der Kirchenver— faſſung bei der Landeskirchenverſammlung.

Die Landeskirchenverſammlung, die über die Angelegenheit der Trennung der magyariſchen Gemeinden des Kronſtädter Bezirks oder, um es mit einem Wort des kanoniſchen Rechts zu bezeichnen, über die Dismembration der evangeliſchen Landeskirche beraten und beſchließen jollte, trat am 18. September 1877 in Hermannſtadt zuſammen.

Der Ausschuß, der verfaſſungsmäßig zur Vorberatung und Antrag- ſtellung über dieſen Gegenſtand eingeſetzt wurde, umfaßte 15 Mitglieder und wurde ordnungsgemäß durch die von der Landeskirchenvertretung vollzogene Wahl beſtellt. Alle Mitglieder dieſer hatten das geſamte in Druck gelegte Aktenmaterial zur Hand. Der umfaſſende Bericht, den der Ausſchuß erftattete, kam nach eingehender Erwägung der Sachlage und der Rechtsfrage zu dem Schluß: Die betreffenden Gemeinden haben unter dem 3. September 1874 unter offener Mißachtung der Kirchenverfaſſung ſofort das Eingreifen der oberſten Staatsregierung angerufen und dieſe

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hat, ohne die ſo ſchwer Angeſchuldigten auch nur zu Folge gegeben. Es iſt der auf dem Boden der Kir des Staatsrechts ſich haltenden pflichtgemäßen Abwehr konſiſtoriums nicht gelungen, den Austrag der Sache auf geſetzlichen Weg zurückzuführen. Der, nach der feſtbegri zeugung des Ausſchuſſes, übel unterrichtete Herr Miniſter und Unterricht hat mit dem Machtgebot ſtaatlicher Auto gehen jener Gemeinden ſanktioniert und durch ſeine An, eine rein innerkirchliche Frage eingegriffen, die nach allen Vaterlandes eben an die verfaſſungsmäßige Löſung durch die k kirchlichen Organe gewieſen iſt. So iſt es erklärlich, wenn konſiſtorium wiederholt die Klage erheben muß, daß ihm d wiederholte Eingreifen des Herrn Miniſters die nötige Löſung dieſer rein kirchlichen Aufgabe benommen ſei. In ſammenhang hat es ſich genötigt geſehen, Verfügungen zu treff verfaſſungsmäßig zur Bildung eines magyariſchen Kronſtädter bezirks führen können. Dem gegenüber gibt der Ausſchuß der Ul Ausdruck, daß durch jene Einmiſchung der Staatsgewalt in innerkirchliche Angelegenheit die der Kirche geſetzlich zuſtehende autonomer Selbſtbeſtimmung unberührt bleibe und nimmt di ein unveräußerliches Gut, als die erſte Grundbedingung ihres Bei auch für die Entſcheidung dieſer Frage in ihrem vollen Un Anſpruch. Die Landeskirchenverſammlung darf, jo führt der Ausſchuß⸗ bericht aus, bei keiner ihrer Beratungen und Schlußfaſſungen von de Vorausſetzung ausgehen, fie befinde ſich nicht im ungeſchmälerten Ge der ihr geſetzlich zuftchenden freien Selbſtbeſtimmung, will fie nicht ſelbſt an der Kirche ein ſchweres Unrecht verüben. Doch auch der Miniſter ſelbſt ſei ohne Zweifel nicht gewillt, dieſe volle Freiheit der Ent⸗ ſchließung unſerer Kirche zu beeinträchtigen. Hiefür bürge nicht nur der oberſte Grundſatz allen konſtitutionellen Staatslebens, das ſelbſt der höchſten Spitze der Regierung kein anderes Recht gebe, als das Geſetz zu vollziehen, ſondern auch die im Erlaß vom 1. März 1876 neuerdings ausgeſprochene Verſicherung der vollen Achtung der zu Recht beſtehenden Verfaſſung und Autonomie der Kirche. Dieſen Rechtsſtand ſichere zugleich 8 14 des 43. Geſetzartikels von 1868; er ſei ein Teil des öffentlichen Rechtes unſeres Staates.

Feſtſtehend auf dem Boden dieſes Rechtes, prüfte der Ausſchuß „mit jener Ruhe, die er jenen Gemeinden und dem Wohl der ganzen Kirche ſchuldig iſt“, die Frage und kam zum Ergebnis: daß das Begehren

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der betreffenden Gemeinden um Ausſcheidung aus der ev. Landeskirche urſprünglich nicht aus dem ſpontanen Willen jener Gemeinden hervor⸗ gegangen, ſondern weſentlich die Folge der Unzufriedenheit einzelner ſei, daß die Gemeinden ſelbſt geiſtig und materiell nicht imftande ſeien, einen eigenen Kirchenbezirk zu bilden, insbeſonders da ſie ſich alle gegen eine daraus erwachſende Belaſtung ausdrücklich verwahrten, daß die erhobenen Beſchwerden weder in den Kirchen-, noch in den Landes⸗ gelegen ihre Berechtigung fänden. „Die immer wiederkehrende bittere Beſchuldigung, daß die ‚nationale Entwicklung jener Gemeinden von den ſſächſiſchen Konfiftorien‘ geſchädigt werde, die Betonung eines, beſondere Rechte beanſpruchenden Ungartums' in der ev. Landeskirche, die doch, wie die Kirche überhaupt, über nationalen Gegenſätzen und Verbitterungen ſtehen ſoll, zeige nicht undeutlich auf die Quelle jener Beſchuldigungen.“

Zu alledem komme, daß die magyariſchen Gemeinden erklären, auch in Zukunft ſich an Recht und Verfaſſung der ev. Landeskirche nicht halten zu wollen. Sie begehrten eigene Vertretung im Landeskonſiſtorium, die kein Bezirk als ſolcher zu verlangen ein Recht hat, da das Landes⸗ konſiſtorium in freier Wahl von der Landeskirchenverſammlung berufen wird, ohne an die Kirchenbezirke gebunden zu ſein. Auf Grund alles deffen gelangte der Ausſchuß in vollftändiger Anerkennung und Billigung alles deſſen, was das Landeskonſiſtorium in dieſer Angelegenheit getan, zum Antrag: es könne in die Bildung eines, aus den magyariſchen Gemeinden des Kronſtädter Kirchenbezirks beſtehenden, beſonderen und neuen Kirchenbezirks als eines integrierenden Beſtandteiles der evangeliſchen Landeskirche nicht eingegangen werden. Denjenigen jener Gemeinden aber, in welchen die Trennungsgelüſte wirklich bis zur „Unheilbarkeit“ gediehen, werde nach dem großen Grundſatz der Confessio Augustana, daß ſolche Angelegenheiten nicht vi humana zu erzwingen ſeien, im Sinne ihres urſprünglichen Begehrens ein Hindernis ihres Austrittes aus dem Verband der ev. Landeskirche A. B. in Siebenbürgen, ſei es für den Eintritt in eine andere Superintendenz, ſei es zur Bildung einer ſelbſtändigen kirchlichen Korporation, nicht in den Weg gelegt. Mit der Ordnung dieſer Angelegenheit in dieſem Sinne wurde das Landeskonſiſtorium beauftragt und ihm der Vorgang hiernach zur ver⸗ antwortlichen Pflicht gemacht.

Dieſe Anträge erhob die Landeskirchenverſammlung in ihrer Sitzung r 1877 vollinhaltlich und einhellig zum Beſchluß, der im onſtädter Bezirkskonſiſtoriums den betreffenden Gemeinden gleichzeitig dem Kultusminiſter zur Kenntnis gebracht wurde. usch 21

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Das weitere Verhalten dieſer Gemeinden, Führer war ebenſo bezeichnend, als überraſchend. N Begehren, um Ausſcheidung aus dem Verband der hatte dieſe nicht leicht und nur mit ſchmerzlicher B jetzt klagten ſie, man weiſe ſie lieblos und illoyal aus der Kirche, man ſtoße ſie hinaus, man dränge ſie fort!

Das geſchah in einer ungewöhnlich leidenſchaftliche heftigen Anſchuldigungen gegen die Kirchenbehörden über gabe an den Kultusminiſter vom 8. Januar 1878. Im Namen“ der Gemeinden Hoßufalu, Baesfalu, Zaizon, Bürf falu-Türkös, Tatrang, Apacza und Krizba (Ujfalu und di magyariſche „Filial“-Gemeinde fehlen) will das Schriftſtück ablegen von der „tiefen Entrüſtung jedes Patrioten“, die der Landeskirchenverſammlung wach gerufen, der es liegt Widerſpruch darin „die ſo ſehnlich erwartete Frucht der v Trennung zur Reife gebracht.“ Aufs neue ſtellten fie die Bil Miniſter, ihre vollſtändige Ausſcheidung aus der evangeli Siebenbürgens zu geſtatten, und zwar jo, „daß wir uns enti ein, unter der Verwaltung irgend einer fernern oder nähern, Exzellenz geneigteſt in Vorſchlag zu bringenden, an unſeren Angeleg; undunſerer Zukunft brüderlich teilnehmenden proteſtantiſchen S ſtehendes evangeliſches ungariſches Bezirksdekanat oder als ſelbſt kirchliche evangeliſche Korporation A. B. oder als ſelbſtändiges ung evangeliſches Dekanat A. B. mit erweitertem Rechtskreiſe und zwar mi Erforderniſſen der Geſetzlichkeit konſtituieren können.“ -

Als „Zweck“ dieſer beabſichtigten Trennung und künftigen Sell ſtändigkeit gaben ſie an: „Da der Zweck dieſes unſeres untertänig Geſuches nicht der iſt, daß wir um jeden Preis fo oder jo konſtituiert 5 vielleicht nur vegetieren, ſondern der, daß dieſes zu konſtituierende Dekanat, oder dieſe kirchliche Korporation auch den nationalen Beruf erfüllen und als ſolche zu einem lebendigen und Leben gebenden Zweig am aus⸗ gebreiteten grünen Baum der glorreichen magyariſchen Nation ſich entwickeln ... ja ſogar vielleicht auch den Samen zu einem, alle magpariſchen Kirchengemeinden A. B. in Siebenbürgen in ſich ſchließenden Dekanate bilden kann, ſo iſt es unſere Aufgabe, Sorge zu tragen, daß ſchon im voraus alle Hinderniſſe einer ſolchen Entwicklung, eines ſolchen Berufes entfernt werden.“

Dazu ſei es notwendig, daß ihrer unverſchuldeten „Sowohl geiftigen als materiellen Armut“ die notwendige Unterſtützung nicht fehle.

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Dieſes Bedürfnis wurde insbeſondere nach zwei Richtungen dar⸗ gelegt: es gingen ihnen ſolche weltliche Mitglieder ab „jetzt können wir uns nur eines einzigen rühmen“ —, welche zu Mitgliedern des „Dekanatskonſiſtoriums“ geeignet ſeien und infolge ihrer geſellſchaftlichen Stellung das Anſehen des Kirchenbezirkes zu heben, infolge ihrer wiſſen⸗ ſchaftlichen Bildung und ihres nationalen Gefühls den Erfolg zu gewährleiſten vermöchten.

Weiter: es fehle ihnen, da ſie zur Tragung größerer kirchlicher Laſten unfähig ſeien, an den zu Verwaltungs- und Bildungszwecken unumgänglich erforderlichen Geldmitteln.

Darum erhoben fie verhältnismäßigen Anſpruch auf die der evan- geliſchen Landeskirche zuſtehende Staatsdotation von jährlichen 16.000 fl., ſowie auf das anderweitige Vermögen der Landeskirche, des Kronſtädter Kirchenbezirks und des Burzenländer Kapitels, wünſchten Sicherung des ungeſchmälerten Fortbezugs der bei dem Landeskonſiſtorium in Ver⸗ wahrung liegenden Zehntrente einiger ihrer Pfarren und Fürſorge, daß auch in bezug auf die Eheprozeſſe aus jenen Gemeinden „keine Verſchleppung“ Platz greife.

„Deshalb“, ſo ſchloß die Eingabe, „halten wir es in allen dieſen Richtungen für unſere heilige Pflicht, unſere Angelegenheit Eurer Exzellenz bisher ſo ausgezeichnet bewieſenem gnädigen guten Willen zu empfehlen; wir halten es für unſere Pflicht und wagen untertänigſt zu bitten, geruhen Ew. Exzellenz auch mit Bezug auf all dieſes uns mit ſolchen, ſo überaus gnädigen Verfügungen zu beglücken, daß dieſes zu gründende Dekanat, oder dieſe kirchliche Korporation unter den verſchiedenartigen fremden und zahlreichen Elementen nicht nur mit Reinheit beſtehen, ſondern auch ſeinen bezeichneten Beruf erfüllen könne und ſo Ew. Exzellenz andere großartige Schöpfungen vermehre, mit welchen Sie die Nation zu beglücken wünſchten und wofür Euere Exzellenz der Segen jetzt und immerdar begleiten möge.“

Der ev. ſiebenbürgiſchen Kirche mußte in bezug auf die Innerver⸗ hältniſſe der aus ſlawiſchen, deutſchen und magyariſchen Gläubigen be⸗ ſtehenden ungarländiſchen evangeliſchen Kirche, die Frage faſt unab⸗ weisbar nahe treten, was die ungariſche Regierung wohl tun würde, wenn ähnliche Beſtrebungen etwa aus den Kreiſen der ſlaviſchen oder deutſchen Gemeinden jener Kirche ihren „gnädigen guten Willen“ zu Hülfe nehmen wollten.

Die Eingabe jener maghariſchen Gemeinden vom 8. Januar 1878 wies der Miniſter am 24. Februar 1878 dem Landeskonſiſtorium zur

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Außerung zu, „insbeſondere auch deswegen, weil d Kirchen um einen verhältnismäßigen Anteil an evangeliſchen Landeskirche), dann um unverkürzte Gew Pfarren gehörigen) Bezüge aus der Zehntentſchädigung . Zukunft gebeten haben.“

Die geforderte Außerung erftattete das Lande ſeiner Sitzung am 10. Mai 1878. Es ſah ſich nach ihm zugeſtellten Eingabe der, aufs neue die Staat Gemeinden wieder genötigt, darauf hinzuweiſen, daß in k der in dieſer Angelegenheit vorliegenden Akt der Kirche, Gemeinden ausſcheiden wollten, irgend eine Gejegesverlep: in einem ſolchen Fall doch unerläßlichen Anführung des b Geſetzes nachgewieſen ſei; daß ſeitens jener Gemeinde nie ir Klage über jene angeblichen „schreienden Rechtsverletzungen⸗ kompetenten Kirchenbehörden erhoben oder zur Sprache geb ſei, ſelbſt da nicht, wo magyariſche Pfarrer, darunter ein an der Bewegung stehender, ordentliche Mitglieder des Kronſtädter konſiſtoriums waren; daß demnach nicht die Landeskirche es jene Gemeinden von fich weile, ſondern daß dieſe jelbft und willkürlich ſich von ihr trennen wollten.

Was das in der Eingabe an den Miniſter vom 8. Januar erhobene Begehren auf einen verhältnismäßigen Anſpruch auf die dotation betrifft, jo wies das Landeskonſiſtorium nach, daß ein anſpruch darauf jenen Gemeinden nicht zuſtehe. Seine k. u. k. ap Majeſtät habe mit Allerhöchſter Entſchließung vom 19. Februar „der evangeliſchen Landeskirche A. B. in Siebenbürgen“ eine jäh Dotation aus dem Staatsſchatz in dem jährlichen Geſamtbetrag v 16.000 fl. allergnädigſt bewilligt und dieſes „Unterſtützungspauſchale“ von jährlichen 16.000 fl. habe, laut Mitteilung des k. ſiebenbürgiſchen Landesguberniums vom 21. Mai 1861 nach der Allerhöchſten Ent⸗ ſchließung „zur Erhaltung der ſiebenbürgiſchen Landeskirche A. B.“ zu dienen. Es könnten daher Gemeinden, die freiwillig aus dem Verband dieſer Landeskirche ausſcheiden, ein Recht auf einen Teil dieſer Dotation im Sinne jener Allerhöchſten Entſchließung um ſo weniger beanſpruchen, als dieſe nach mehrjährigen Verhandlungen der evangeliſchen Landes- kirche mit der Staatsregierung von Sr. Majeſtät eben für die Geſamk⸗ kirche, nicht für einzelne gar aus ihr ausſcheidende Gemeinden gewährt wurde und jene Allerhöchſte Entſchließung die Verwendung dieſer Dotation genau und ziffermäßig bis ins einzelnſte beſtimmte.

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Ebenſo entſchieden als die Allerhöchſte Entſchließung vom 19. Februar

1861, auf welcher dieſe Dotation als auf ihrem tiefſten Grunde und

unantaſtbaren Prinzip beruhte, wies das allgemeine Kirchenrecht jene

Gemeinden, wenn ſie aus dem Verband dieſer Landeskirche in der von

ihnen beabsichtigten Weiſe austraten, mit jedem Anſpruch auf irgend

einen Teil des Geſamtvermögens dieſer Kirche, demnach auch auf Teile

der Staatsdotation, die zum Geſamtvermögen der Kirche gehört, zurück.

Es iſt ein jahrhundertalter geheiligter oberſter Rechtsgrundſatz des Kirchenrechts, daß jede Veränderung in der kirchlichen Amtsſphäre, N namentlich aber jede „Dismembration“, das ift jede Teilung eines zu Recht beſtehenden Kirchenverbandes, wohlerworbene Rechte achten müſſe und dieſe nicht verletzen dürfe, insbeſondere auch das Geſamtvermögen ohne Ein⸗ willigung des Eigentümers oder Bezugsberechtigten nicht ſchmälern könne.

Bedeutungsvolle Beiſpiele, wie bisher in Ungarn und Sieben— | bürgen dieſer Rechtsgrundſatz geachtet wurde, find zahlreich. Als 1804 | das Kaſchauer Bistum aus der Erlauer Dibzeſe ausgeſchieden wurde, N fiel von dem Vermögen dieſer nichts an jenes, vielmehr dotierte das j Patronat (die Krone) das neue Bistum, das auf ihren Wunſch errichtet | | | wurde (Bulle Papſt Pius VII. vom 9. Auguſt 1804). 1 Durch die „Dismembration“ der erzbiſchöflichen Sprengel von Gran und Kalotſcha, die 1852 durch die Erhebung von Agram zum | Erzbistum erfolgte, erlitten jene beiden keine Einbuße an ihren Fundationen N Bulle Pius IX. vom 11. Dezember 1852). Als 1853 das Lugoſcher 1 Bistum aus Teilen des Großwardeiner und Fogaraſcher Bistums mit | freier Zuſtimmung dieſer beiden errichtet wurde, blieben dieſelben unan- 1 getaſtet im Beſitz ihrer bisherigen Dotationen (Bulle Papſt Pius IX. 1$ vom 26. November 1853.) Derſelbe Fall fand ftatt bei der gleichzeitigen N Errichtung des Szamoſch-Ujvarer Bistums. Und endlich, als 1874 auf j Veranlaſſung des reformierten Oberkonſiſtoriums die bis dahin der evang. Landeskirche A. B. in Siebenbürgen einverleibten reformierten Gemeinden 1 N Broos, Tordas, Salzburg, Kobor aus dem Verband dieſer Kirche aus⸗ 4 |

ſchieden und vollftändig in den Verband der reformierten Kirche über» IM traten, da blieben die der evang. Kirche A. B. gehörigen Dotationen und ihr geſamtes Vermögen völlig unangetaſtet und ungeſchmälert. | Dafür, daß dieſer Rechtsſtand auch durch die ſtaatliche Geſetz⸗ 0 gebung gewährleiſtet wurde, konnte das Landeskonſiſtorium auf den ungar⸗ | | | 9 ländiſchen Geſetzartikel 26: 1791 und die ſiebenbürgiſchen Approbatae Bl eonstitutiones regni Transilvaniae (1653) I. 1. 10., ſowie den 54. und 1 9 55. Artikel von 1791 hinweiſen, wie auf den Krönungseid. |

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Noch weniger aber durfte man es vom Standpun prinzips für möglich halten, den abfallenden Gemeinden auf das Vermögen der Kirche, aus der ſie eigenwillig erkennen. Denn das hieße tatſächlich einen Preis ſetzen von dieſer Kirche und jenem Beſtreben förderſamſt 2 das in der Anerkennung eines verhältnismäßigen Anſp Vermögen dieſer Kirche geradezu wie ja die Geſu Eingabe vom 8. Januar 1874 an den Miniſter offen Mittel zu weiterer Arbeit für den „Abfall“ ſich verſchaf N

„Es iſt aber rechtlich und fittlich nicht möglich,“ fo ſchl. konſiſtorium dieſen Teil feiner Erörterung im Bericht an vom 10. Mai 1878, „daß der Staat eine ſolche Schädigung Eigentums- und Vermögensrechtes (ſei dieſes welcher Art im Wort oder Tat zulaſſe oder gar fördere. In Ungarn am aller Denn was für ein Zeichen der Zerſtörung wäre damit für Kirchen in ſeiner Mitte gegeben, welche national gemiſcht find, ſolchen Gemeinden, die im Verband ihrer Diözeſe oder Sup nicht länger bleiben wollten, ein Rechtsanſpruch auf das Verm zuerkannt würde, ſelbſt dann, wenn fie offen erklären, daß fie da die Mittel verſchaffen wollen zu weiterer Zerbröckelung der ausschließlich nationale Gemeinſchaften!“

Anders verhalte es ſich, erklärte das Landeskonſiſtorium in angezogenen Vorſtellung, mit den Anſprüchen auf die Zehntrente in Ap Krizba, Cſernatfalu, Ujfalu nur dieſe vier Pfarren beſitzen eine ſolche Sie bildeten ein beſonderes Eigentum zur Erhaltung der evangel Pfarre in dieſen Kirchengemeinden. Schieden dieſe aus dem Vi der ev. Landeskirche aus, jo ſtünde nichts im Wege, daß die ſieben⸗ bürgiſchen Orundentlaftungs-Obligationen, welche die Kapitalien jener Zehntrenten ausmachen, von der ev. Kirchenbehörde an die zuſtändige neue kirchliche Oberbehörde hinausgegeben würden.

Indem das Landeskonſiſtorium ſchließlich die Erklärung abgab, daß es durch Schluß und Auftrag der Landeskirchenverſammlung gebunden ſei, nur im Sinne der entwickelten Rechtsgrundſätze zum Ausſcheiden der betreffenden Gemeinden mitzuwirken, wies es pflichtgemäß darauf hin, daß das neue Einſchreiten derſelben vom 8. Januar 1878 bei der Staatsregierung vom Rechtsſtandpunkt aus unzuläſſig erſcheine, da es kein Geſetz gebe, welches einen ſolchen Akt innerkirchlicher Verwaltung in den Wirkungskreis der Staatsbehörden verlege, jenes Einſchreiten vielmehr dem Geſetz entſprechend darunter § 14 des 48. Geſetzartikels

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von 1868 „über die detaillierte Regelung der Vereinigung Ungarns mit Siebenbürgen“ bei der kompetenten Kirchenbehörde hätte erfolgen ſollen, weshalb das Landeskonſiſtorium um jo mehr der Erwartung ſich hingab, das Miniſterium werde die Sache der verfaſſungsmäßigen Er⸗ ledigung zuweiſen.

Es folgten nun einige Jahre ſcheinbarer Ruhe. Als Biſchof Teutſch 1879 die Generalkirchenviſitation im Burzenland hielt, wurden auch die magyariſchen Gemeinden derſelben unterzogen; fie haben Alle den ſäch— ſiſchen Biſchof, der im Auftrag der Kirche ſie beſuchte, mit äußeren Ehren und innerer Teilnahme empfangen. Der Biſchof predigte überall in den magyariſchen Gemeinden maghariſch und in dieſer Sprache wurden die Verhandlungen mit den Gemeindevertretungen geführt. Nur in drei Gemeinden zwei derſelben waren immer die „Rufer“ in dieſem Streit wurden Klagen laut: daß man im Konſiſtorium und Dekanat nicht vertreten ſei. Seitdes hatte übrigens die Kronſtädter Bezirkskirchen⸗ verſammlung, zur frühern, freiwillig von ihr beobachteten Ordnung zurücktehrend, abermals Pfarrer der magpariſchen Gemeinden in das Bezirkskonſiſtorium und Bezirksehegericht gewählt; die Gemeinden ſchickten ihre Vertreter in die Bezirkskirchenverſammlung.

Es ſchien eine Zeit lang, als ob auf dem Boden der kirchlichen Ordnung, der Gemeinſamkeit der ev. Aufgaben und bei gegenſeitiger Geſetzesachtung der Friede dauernd gefunden werden könne. Wiederholte Mißhelligkeiten und Störungen der Ordnung im Innern jener ma⸗ gyariſchen Kirchengemeinden ſelbſt wurden durch die im Sinne der Geſetze angerufene Unterſuchung und Entſcheidung der höhern Kirchenbehörden beigelegt.

Aber die Friedenshoffnung erwies ſich als irrig. Das geſteigerte magyariich-nationale Bewußtſein in den Führern jener Gemeinden zeigte ſich ſtärker as das mehrhundertjährige Band, das fie bis dahin in einem kirchlichen Verfaſſungs- und Verwaltungsorganismus mit einer Mehrheit andersſprachiger Glaubensgenoſſen vereinigt hatte. Sie ſelbſt ſagten in ihrer Zuſchrift vom 9. April 1886 an das Kronſtädter Bezirks⸗ tonfiftorium: „Seit wir im Jahre 1844 und 1847 unſer erſtes Geſuch um Bildung eines eigenen Dekanats eingereicht haben, hat der mächtige Strom der Weltgeſchichte die Lage der Dinge, die Tatſachen bedeutend geändert. Damals waren wir Teile eines mit eigener Machtſphäre, mit eigener Verfaſſung bekleideten Großfürſtentums; heute find wir die, auf unſern nationalen Beſtand, auf unſere nationale Selbſtändigkeit ſtolzen Bürger des nach außen und innen mächtigen ungariſchen Staates. Wenn

eine Kirche berufen ift, nationale Kirche zu fein, Kirche, die in allen Phaſen ihrer Entwicklung mit 1 Entwicklung ſo eng verknüpft iſt.“ 4

Sie bezeichneten damit ſelbſt die treibenden Ruhe kommen ließen. So wurden die Unzufriedene wieder an den Miniſter zu gehen, bis dieſer, wie d terium in ſeinem Protokoll vom 10. Januar 1886 Erlaß vom 3. Mai 1883 erklärt, einerſeits, daß gegen dem bisherigen ev. Kirchendiſtrikt ein Hindernis nicht ſeits, daß dieſe Angelegenheit die geſetzliche Erledigung Weg erhalten könne.“

Im Zusammenhang hiemit brachte denn im neunt dem Beſchluß der Landeskirchenverſammlung vom 3. Oktober faſt drei Jahren jener Miniſterialerklärung das Presbyterium die Bewegung wieder in den Fluß, indem es am 3. Januar Austritt der Gemeinde aus dem Verband der ev. Landes bürgens einhellig ausſprach und ſich für die Bildung eines j magwariſchen Dekanats, beziehungsweiſe Kirchendiſtrikts (d. ſich beſtehenden beſondern kirchlichen Verwaltungs- und Verfaſſun erklärte. Dieſer Beſchluß ſolle zunächſt der größern Gemeinden unterbreitet, ſodann an ſämtliche magyariſche ev. Kirchengemei Burzenlandes geleitet werden. 1

Die Tatranger Gemeindevertretung nahm den Antrag des byteriums einhellig an, doch unter der Bedingung, daß durch die ſcheidung aus dem Organismus der ev. Landeskirche der ( größere Laſten, als die bisherigen, nicht erwüchſen.

Sofort gingen dieſe Beſchlüſſe an die andern magyariſchen Gemei des Burzenlandes und riefen in allen ähnliche Schlußfaſſungen bet die Ausſcheidung aus dem bisherigen Verband und Errichtung evangeliſch-magyariſchen Dekanates hervor. Mit Tatrang hoben Bacs⸗ falu, Cſernatfalu, Türkös, Krizba, Pürkerecz, Ujfalu, Zaizon insbeſondere auch das hervor, daß ſie mit jener Ausſcheidung größere Koſten für die kirchliche Verwaltung, als bisher, nicht übernehmen wollten, ja Pürkerecz betonte mit außergewöhnlichem Nachdruck, daß unter keinem Titel neue materielle Leiſtungen von der Gemeinde von irgend jemandem weder in der nächſten Zukunft, noch nach Jahrzehnten erbeten werden ſollen. Auch ſollte die Erledigung der Eheprozeſſe weder koſtſpieliger, noch ſchwieriger gemacht werden.

Auf Grund dieſes Beſchluſſes traten dann die Abgeordneten jener

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Gemeinden über Einladung des Tatranger Pfarrers Joſef Török am 25. März 1886 in Kronſtadt im Hotel „Europa“ zuſammen, faßten Beſchlüſſe, ſich als magyariſches Dekanat zu konſtituieren und der Theißer Superintendenz ſich anzuſchließen und vollzogen die Wahlen ihres neuen Konſiſtoriums. Das Schriftſtück, in welchem der „Rat des Kronſtädter evangeliſchen proviſoriſchen magyariſchen Kirchen bezirs A. B.“ aus feiner Sitzung vom 9. April das Kronſtädter Bezirkskonſiſtorium von jenen Beſchlüſſen in Kenntnis ſetzte, iſt ein ganz eigentümlicher Akt. Er erklärt: „Die im genannten Konvent vertretenen Gemeinden haben beſchloſſen, nachdem ſie hiezu durch den Beſchluß der hochlöblichen Landeskirchenverſammlung vom 3. Oktober 1877 bevoll- mächtigt und berechtigt waren, daß fie aus der ſiebenbürgiſchen Landes- kirche A. B. austreten und als ſelbſtändiges Dekanat um ihre Aufnahme in die ungarländiſche evangeliſche Landeskirche A. B. reſpektive in den Theißer Diſtrikt (Superintendenz) nachſuchen werden.“ Sie erklärten damit zugleich die endgiltige Löſung der Bande, welche fie an die jieben- bürgiſche evangeliſche Landeskirche ſeit Jahrhunderten geknüpft, nicht ohne „innigen Dank dafür, daß ſie uns den Weg gewieſen und eröffnet, auf den wir aus einer, mit unſeren Prinzipien im Widerſpruch ſtehenden Opposition in welche die ev. Landeskirche Siebenbürgens mit der fortſchreitenden Zeit und den bleibenden Schöpfungen der Geſchichte gegen⸗ über geraten () heraustreten können.“ Neben dieſen und anderen weicheren Tönen, ja ſelbſt in ihnen klang doch immer wieder der alte Streit und der ſchroffe Gegenſatz, in den ſie ſich hineingelebt hatten, aus ihrem letzten Gruß heraus; ſie können nicht ſcheiden, ohne die alten bitteren Beſchuldigungen wieder zu berühren, wozu ſie eine unerhörte neue hinzufügten, nämlich: daß, „wenn die ſiebenbürgiſche evangeliſche Landes⸗ kirche A. B. außerhalb der ungarländiſchen evangeliſchen Geſamtkirche ſtehend eine partikulare Stellung einnehme, fie damit faktiſch die Idee der Staats- einheit negiere, wenn fie dieſelbe mit Worten auch anerkenne“. Eine größere Liebloſigkeit, ein tieferes Unrecht konnte es doch nicht geben!...

Dem Geſetz gemäß konnte die Ausſcheidung aus der ev. Landes- lirche Siebenbürgens erſt mit der betreffenden Erklärung des Landes- tonfiftoriums, dem die Landeskirchenverſammlung durch ihren Beſchluß vom 3. Oktober 1877 die endgiltige Ordnung dieſer Angelegenheit über⸗ tragen hatte, perfekt werden. Noch bevor dieſe erfolgte, nahm die General- verſammlung des Theißer Kirchendiſtrikts zwei Gemeinden, die hier noch nicht entlaſſen waren, in ihre Gemeinſchaft auf. Der Vorgang iſt wieder lehrreich. Der Konvent fand am 18, und 19. Auguſt in Käsmark ſtatt.

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Dort legten die „magyarifchen Evangeliſchen A. B. Komitates, welche in den vaterländiſchen Blättern meiſt u ‚die Cſangos der Siebendörfer‘ erwähnt werden und welche Seelenzahl von 17.173 teils in Kronſtadt (900), teils auf der in der Umgebung dieſer Stadt liegenden Dörfer Ujfalu (851), Krizba (1360), Bacsfalu (1252), Türkös (1864) falu (1782), Hoßufalu (2775), Tatrang (2317), Zaizon (120 (1716), gegenwärtig 11 beſondere Kirchengemeinden bildend, dem Theißer Diſtrikt das Geſuch um Aufnahme vor. Im ſtellten fie dar, wie fie ihren Austritt aus dem Verband de kirche A. B. in Siebenbürgen und „ihren Anſchluß an den Kirchendiſtrikt als beſonderes Dekanat ausgeſprochen“ und die Aufnahme in dieſen an, unter gleichzeitiger Darlegung de welche ſie in betreff des Anſchluſſes hegten.

Das Schriftſtück, unterfertigt Kronſtadt den 22. Juli der Sitzung des magyariſch-evangeliſchen Bezirkskirchenrates A. B.“ eine lange unglaubliche Reihe unrichtiger, unerwieſener und u barer Behauptungen, betreffend die geſchichtliche und die wicklung jener Gemeinden und iſt ebenſo voll von chauviniſtiſchen wie von wenig gewiſſenhaften Beſchuldigungen „der Sachſen“, i (Beſchuldigungen) wiederholt mit häßlichem Hohn gemiſcht ſich ſelbſt bis zu der, doch gewiß bewußten Unwahrheit verſtiegen, daß in „Blutſtürmen“ der „ungariſchen Revolution“ „mehr als ein unge ſcher Pfarrer und Lehrer als Märtyrer der blinden Wut der von den ſächſiſchen Glaubensgenoſſen aufgehetzten Walachen zum Opfer fiel.“ Solche Mittel hielt man für notwendig, in jenen Kreiſen, auf welche man es abgeſehen hatte, zu wirken.

Aber die Generalverſammlung des Theißer Kirchendiſtrikts fand ſich nach der Darſtellung des Protokolls nicht veranlaßt, tiefer in die Sache einzudringen; ſie empfand kein Bedürfnis angeſichts der, gegen eine Schweſterkirche vorgebrachten unerhörten Anſchuldigungen auch nur die, in ihrem eigenen Archiv vorhandenen Akten zu Rate zu ziehen und das Vorgebrachte vom Standpunkt der beglaubigten Geſchichte, des Rechtes, oder auf die Stichhältigkeit der behaupteten Tatſachen in irgend einer Weiſe zu prüfen: wie das Präſidium des Kirchendiſtrikts die petitionierenden Gemeinden über deren Geſuch vom 9. April bereits mit Verfügung vom 15. Mai 1886 proviſoriſch in den Verband des Theißer Kirchendiſtrikts aufgenommen und die Verwaltung derſelben faktiſch begonnen hatte, ſo beſchloß jetzt die Generalverſammlung die „ernfte

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und eingehende Verhandlung“, deren das Protokoll bei dieſem Anlaß erwähnt, iſt in demſelben leider nicht enthalten —:

„Die Generalverſammlung des ev. Theißer Kirchendiſtrikts A. B. vernimmt mit lebhafter Teilnahme von den Kämpfen, welche unſere ſiebenbürgiſchen magyariſchen Glaubensgenoſſen behufs Emporhaltung ihres Glaubens und ihrer magyariſchen Nationalität, der Anerkennung und Geltendmachung ihrer kirchlichen und individuellen Rechte gegen ihre eigenen, die Oberhoheit über fie ausübenden ſächſiſchen Glaubens- genoſſen lange Zeit hindurch führen mußten;

„erſieht weiter mit Bedauern aus den vorgelegten Daten, daß der ſiebenbürgiſche evangeliſch-ſächſiſche Kirchendiſtrikt trotz der geänderten Verhältniſſe, den wiederholten Bitten und Vorſtellungen der magpariſchen Kirchen und den ernſten Mahnungen der Regierung gegenüber dieſen Kirchen konſequent ein ſolches Verfahren an den Tag gelegt hat und noch legt, welches nicht nur in geradem Widerſpruch zu dem Geſetz der brüderlichen Liebe und der, das Grundprinzip des echten Proteſtantismus bildenden Gleichberechtigung ſteht, ſondern auch die wichtigſten geiftigen und materiellen Lebensintereſſen dieſer Kirchen unbeachtet läßt und gefährdet;

„indem fie deshalb den Austritt der bittſtelleriſchen Kirchen aus dem kirchlichen Verbande, welcher ſich ſowohl für ihr proteſtantiſches Glaubensleben, als auch für ihr Magyarentum als ſchädlich erwieſen hat, und ihr, in geſetzlicher Form erklärtes Verlangen, ſich an unſern Kirchendiſtrikt anzuſchließen, vollkommen würdigt, und indem ſie die, die Zuſtimmung zum Austritt in ſich begreifenden Erklärungen des ſiebenbürgiſchen evangeliſchen Landeskonſiſtoriums vom 4. Oktober 1877, 3. 1710, und vom 16. Juni 1886, Z. 1138, ) zur Kenntnis nimmt:

„nimmt fie unter einhelliger Zuſtimmung der Dekanate die bitt- ftellerifchen Gemeinden in den Verband des evangeliſchen Theißer Kirchen diſtritts hiemit auf, und genehmigt und beſtätigt die hinſichtlich des Anſchluſſes getroffenen Verfügungen des Präſidiums vom 15. Mai l. J., 3. 967.“

Keiner der evang. Männer des Theißer Kirchendiſtrikts fragte ſich, was doch der Theißer Kirchendiſtrikt ſagen würde, wenn z. B. einige

) Sie betreffen den Beſchluß der Landeskirchenverſammlung vom 3. Oktober 1877, der den zum Ausſcheiden berechtigten Gemeinden ein Hindernis nicht in den Weg legen will und mit der endgültigen Ordnung dieſer Angelegenheit das Landes⸗ tonfiftorium betraut, dann die Erklärung dieſes, welche Nachweiſe ſeitens jener Gemeinden kirchenrechtlich behufs Ausſcheidung notwendig ſeien.

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deutſche oder ſlaviſche Gemeinden aus feiner Mitte ſchuldigungen in einen andern Kirchendiſtrikt ü dieſer ſofort jene Beſchuldigungen für Wahrheit fangener fand ſich, der, wenn auch nur um des Se Weſen und Form einen Weg geſucht hätte, auf welchem bürgiſchen Gemeinden die nachgeſuchte Aufnahme in den diſtrikt zuteil geworden wäre, ohne daß dieſer die ſchuldigungen, welche jene vorbrachten, auch zu den fein hätte. Aber es zeigte ſich die alte Wahrheit: die Leidenſchaft, die an dem Feuer des, das Land damals zerftörenden, Nat haders immer verderblicher auflodernde Leidenſchaft machte ungerecht.

Es gehört nicht hieher, was für Bedingungen der Kom ſtellte für das neue „Dekanat“, wie die Wünſche dieſes in vielen nicht berückſichtigt wurden. Hier intereſſiert bloß ein anderes. verſammlung des Theißer Kirchendiſtriktes pflanzte ſofort bei nahme der Burzenländer Gemeinden eine neue Kriegsfahne g ſie beſchloß:

„Bis dahin, wo die Angelegenheit der Staatsdotation g dem ſiebenbürgiſchen Kirchendiſtrikt (der evang. Landeskirche A Siebenbürgen) zugunſten der ungarländiſch-evangeliſchen Kirche Weg der Geſetzgebung eine gerechte Löſung findet, wird das des Kirchendiſtriktes erſucht, die geeigneten Schritte zu tun, damit der Staatsdotation von 16.000 fl., welche der ſiebenbürgiſche Kirchen⸗ diſtrikt genießt, die Summe, die auf die von dort ausgeſchiedenen und in unſern Kirchendiſtrikt eingetretenen 17.173 Seelen verhältnismäßig entfällt, unſerem Kirchendiſtrikt für das Kronſtädter magyariſche Dekanat überlaſſen und flüſſig gemacht werde“;

weiter:

„Das Kronſtädter magyariſche Dekanat wird angewieſen, Schritte zu tun, damit aus den, von den ſächſiſchen Kirchenbehörden und von der ſächſiſchen Nationsuniverſität verwalteten Fonden der, den ausge ſchiedenen Kirchengemeinden rechtmäßig zuſtehende Teil zu Zwecken der⸗ ſelben verwendet werde und von dem Ergebnis dieſer Schritte dem Diſtriktspräſidium Bericht zu erſtatten“;

endlich:

„Das Kronſtädter evangeliſch-magyariſche Dekanat wird angewieſen, die in den Landesteilen jenſeits des Königsſteiges befindlichen evangeliſch⸗ magyariſchen Kirchengemeinden A. B. von ſeiner Konſtituierung zu ver⸗

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ſtändigen, dieſelben zum Anſchluß an dieſes Dekanat aufzufordern, ſodann ſeine Aufmerkſamkeit auf die ohne jede religiös-ſittliche Obſorge lebenden, in der Zerſtreuung wohnenden ev. Gläubigen auszudehnen und zu ver— fuchen, dieſelben in den Verband dieſer Kirche einzubeziehen.“

Und in der Stunde, da ſie dort in der altdeutſchen Stadt Käsmark ſolches gegen „die Sachſen“ beſchloſſen, regte ſich abermals in niemandem das Gewiſſen, daß er gedacht hätte des ernſten Wortes von Moſe: Laß dich nicht gelüſten!

Es war in der Tat ein Zeichen der Zeit: auf die 16.000 fl. der Staatsdotation konnte der ausſcheidende Teil rechtlich keinen Anſpruch machen, denn dieſe Dotation war der Kirche als ganzes gegeben, auf Fonde, welche die ſächſiſche Univerſität verwaltete, konnte trotz aller wachsenden Begehrlichkeit noch viel weniger irgend ein Anſpruch geltend gemacht werden. Wie dieſe beiden Beſchlüſſe die Hand nach fremdem Gut ausſtreckten, noch feindlicher war der letzte Beſchluß, er ſchleuderte den Feuerbrand weiterer Agitation in die ev. Kirche hinein, ein uner- hörter Angriff der „Schweſterkirche“ gegen die ſiebenbürgiſche Landes⸗ lirche, wie die Kirchengeſchichte ihn nie wieder aufweiſt.

Das Landeskonſiſtorium tat ſofort die nötigen Schritte, die zur legalen Ausſcheidung und Entlaſſung der Gemeinden führte, wobei noch neue Irrungen dadurch unterliefen, daß auch die nicht ſelbſtändige magyariſche Filialgemeinde in Kronſtadt ganz ungeſetzlich mit ausgeſchieden war, aber es konnte die neuen Angriffe, die in den Be⸗ ſchlüſſen des Konvents lagen, nicht überſehen. Es verwahrte ſich ernſtlich und ſofort gegen die Beſchlüſſe und erklärte, daß dieſe „weit über den Gegenſtand der bisherigen Abfallsgelüſte hinausgreifen und einen ſyſte⸗ matiſchen Feldzug der einen gegen die andere Schweſterkirche eröffnen“, wozu nach ſeiner Überzeugung weder ein gerechter noch ein ſittlicher und Grund vorhanden ſei. Es machte alſo das formelle Aus- ſprechen der Entlaſſung ſeinerſeits davon abhängig, daß die Ausſcheidenden auf das Geſamtvermögen der Kirche verzichteten, die Agitation zum Zweck der Verleitung zu weiterem Abfall von dieſer Landeskirche unbe dingt einſtellten. Der Theißer Diſtrikt hat darauf nichts geantwortet, aber der Miniſter verſtändigte das Landeskonſiſtorium, daß durch eine Allerh. Entſchließung vom 22. Auguſt 1887 die Ausſcheidung endgültig vollzogen ſei. Die Landeskirchenverſammlung konnte am 20. Dezember 1887 nur dem Bedauern Ausdruck geben, daß das Ausſcheiden unter Miß⸗ achtung und Verletzung des autonomen Rechts der Landeskirche in Voll- zug geſetzt worden ſei und Rechtsverwahrung gegen alle etwa entſtehenden

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Ansprüche auf das Vermögen der Kirche einlegen. Landeskonſiſtorium beauftragt, den aktenmäßigen Rechtsverwahrung zur Kenntnis der Krone zu bringen geſchehn. Das Ergebnis war, daß der Kultusminiſter die erhielt, 654 fl 44 kr. von der 16.000 fl. betragenden S ev. Landeskirche abzuziehn und den Ausgeſchiedenen z perſönliche Intervention des Biſchofs beim Miniſterpräſi Kultusminiſter hatte nichts genützt. In den Jahren 1886 —89 war außerdem von den 16.000 fl. der S 5% iger Abzug gemacht worden unter dem Titel der Staatsſchatzes; auch in dieſer Frage war die Intervention in Anſpruch genommen worden und dieſer iſt es wohl zu daß jener Abzug von 5% 1881 und dann von 1890 an Die andere Schmälerung iſt bis zur Erhöhung der Dotation im J geblieben.

Auch ſonſt hatte die Kirche wiederholt die Erfahrung daß die Regierung ihr gegenüber einen anderen Maßſtab hand! bei den anderen Kirchen. Das zeigte ſich bei der Frage der Neuo des Magnatenhauſes. Das ungariſche Magnatenhaus war ein mittelalterlichen Staatsbaues, der in die Gegenwart nicht mehr paßte. Es beſtand aus den in Ungarn begüterten Erzherzogen k. Hauſes, aus ſämtlichen römiſch- und griechiſch-katholiſchen, f orientaliſchen Erzbiſchöfen und Biſchöfen (ſogar den ka Titularbiſchöfen) und drei Ordensprälaten, den Bannerherrn un Trägern der oberſten Hofämter, den Obergeſpänen der Komitate, fämk⸗ lichen 24 Jahr alten Fürſten, Grafen, Baronen Ungarns und Sieben⸗ bürgens, wenn ſie in Ungarn begütert waren, den ausländiſchen Fürſten, Grafen und Baronen, die in Ungarn begütert waren und das Indigenat bejaßen, zwei Delegierten des kroatiſchen Landtags und den noch lebenden, Regaliſten des 1848er ſiebenbürgiſchen Landtags.

Das Miniſterium Tißa plante aus verſchiedenen Gründen die Neuorganiſation dieſes Oberhauſes. Nach dem 1884 eingebrachten Geſetz⸗ entwurf ſollten die Prälaten der römiſchen Kirche lateiniſchen und griechiſchen Ritus, der ſerbiſche Patriarch, der rumäniſche Metropolit und die Dibzeſanbiſchöfe Mitglieder des Magnatenhauſes fein, von der ev. Kirche die drei amtsälteſten Biſchöfe der reformierten und ev. Augsburgiſchen Kirche, dann die drei amtsälteſten Oberkuratoren der reformierten Kirche, der | Generalinſpektor der ev. Augsburgiſchen Kirche und ihre beiden amtsälteſten | Oberinſpektoren, endlich der Biſchof oder der Oberkurator der unitariſchen

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Kirche, je der amtsälteſte. Demnach ſollten alle Kirchen unter allen Umſtänden im Magnatenhaus vertreten ſein nur die ev. Landes- kirche in Siebenbürgen war dem Zufall überlaſſen, ob nämlich ihr Biſchof oder Kurator zu den Amtsälteſten gehörte, die allein zum Ober— haus gehören ſollten. Das Landeskonſiſtorium hielt ſich für verpflichtet, dagegen Vorſtellungen zu machen und die Behandlung nach gleichen Rechtsgrundſätzen zu verlangen. Auch im Reichstag ſelbſt traten ſächſiſche Abgeordnete dafür ein; bei der Stellung der Regierung, die alles durch- setzt, was fie den Sachſen gegenüber plante, natürlich erfolglos. Als einer der drei amtsälteſten Biſchöfe kam übrigens Teutſch ſofort ins Magnatenhaus. Trefort hatte im Geſpräch ſeit lange behauptet, das werde geſchehn und auf Teutſchs ungläubige Einrede drei Flaſchen Champagner dafür eingeſetzt. Man konnte ſtreng genommen fragen, ob der Miniſter gewonnen habe, da doch Teutſch nur zufällig ſofort Magnatenhausmitglied wurde. Auch bei den entſchiedenſten Gegenſätzen iſt der Verkehr mit Trefort ein ſtets freundlicher geweſen mit Tißa kam er über die konventionellen Formen nicht hinaus. Tißa arbeitete nach Teutſchs Empfinden nicht mit den fittlichen Kräften des Staates und des Volks⸗ lebens, die zuletzt auch in der Politik maßgebend bleiben müſſen und Teutſch hielt keine Lebensarbeit für berechtigt, die von dieſem Boden ſich entfernte, auch davon völlig überzeugt, daß ſolche Politik nicht nur Ungarn, dem Staat und der Monarchie gefährlich ſei, ſondern auch das magyariſche Volk in ſeinen Lebenswurzeln ſchädige.

Der Kultusminiſter Trefort brachte im Jahr 1885 einige der brennendſten Schulfragen, die er mit politiſchen Fragen verband, zu eingehenderer öffentlicher Diskuſſion, indem er an Biſchof Teutſch einen „Offenen Brief“ ſchrieb, der durch die Zeitungshetze, die ſich daran knüpfte, zu einer cause celebre wurde. Das Landeskonſiſtorium hatte für den Unterricht in der magyariſchen Sprache einen Lehrplan auf Grund des 18. Geſetzartikels von 1879 feſtgeſtellt und da vom Miniſter dagegen keine Einwendung erhoben wurde, ihn 1883 auch eingeführt. Nun verlangte der Miniſter im Januar 1885, das Landeskonſiſtorium folle Verfügung treffen, daß die magyariſche Sprache in unſern Schulen in demſelben Umfang gelehrt werde, wie der Miniſter ihn in einem „Lehrplan für die nichtmagyariſchen Volksſchulen“ vorgeſchrieben hatte. Darin wurde nichts Geringeres verlangt als die Zweiſprachigkeit des Unterrichts, das Lehren der magyariſchen Sprache „in Verbindung mit der Mutterſprache“ in einem Umfang, die den geſamten Unterricht ſchwer ſchädigen mußte. Das Landeskonſiſtorium machte Einwendungen dagegen und

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Biſchof Teutſch gab dem Miniſter im Juni ein Prot Der Kultusminiſter erklärte in einer eingehenden V am 16. Juni 1885, er könne von der Verordnung nich alte Rede, daß er unſere Schulen nicht ſchädigen wolle gut haben könnten, wenn wir uns fügten, kehrte wieder. Ihnen einen Antrag ſprach er in ſeiner raſchen We Sie die Realſchule in Hermannſtadt auf, ich ſetze an wie in Kronſtadt. Ihren Gymnaſien gebe ich dieſelbe Reformierten, ganz jo; mit dem, was Sie da erſparen, u theol.-philoſ. Fakultät in Hermannſtadt mit einem pädagogi für männliche und weibliche Lehrkräfte. Ich helfe, ich helfe.“ wendungen des Biſchofs erwiderte er: „Ich ſchreibe Ihnen über alles dieſes nächſtens einen offenen Brief.“ Der offene 9. Juli datiert, erſchien in der Tat im Peſter Lloyd am 21. Juli. darin im weſentlichen, was der Minifter im angeführten Geſpr hatte, allerdings für die öffentliche Meinung in Ungarn z Sachſen bekamen den guten Rat, ſich nicht durch agitatoriſt worte beirren zu laſſen, dem ungariſchen Staatsgedanken v hinzugeben, die Leſer wurden belehrt, daß die ſächſiſchen Stud Deutſchland ſtaatsfeindliche Geſinnungen mitbrächten und die zu Akademie nun das Heilmittel ſein ſolle. Das war ein Jubel magyariſchen Zeitungen die Sachſen waren wieder einmal und der ſächſiſche Biſchof trug einen Teil der Koſten: „G. 2 der lutheriſche Biſchof, fo ſchrieb das Peſti Naplo iſt der jäd Stroßmeyer; er iſt der Führer der deutſchen Nationalitätsagitation gegen den ungariſchen Staat, das Haupt der ſächſiſchen Opposition gegen die ungariſche Verfaſſung, Staatsorganiſation, Kultur und Geſellſchaft, mit einem Wort gegen alles, was magyariſch iſt. Er ift der Hauptveran⸗ ſtalter jener Denuntiation, welche Deutſchland gegen Ungarn ſyſtematiſch aufzuwiegeln in der Preſſe und in Vereinen ſich beftrebt. Ein gescheiter, gebildeter, kluger Mann, aber ein fanatiſcher Sachſe, welcher haſſen kann, wie Pfaffen haſſen können.“ Ahnlich liebevoll klang es aus allen magvariſchen Zeitungen. Teutſch war jo klug, die Zeitungen um das Vergnügen einer Antwort zu bringen; es wäre, wie ſie immer ausfiel, nur Ol ins Feuer geweſen. Im September ſprach er wieder mit Trefort: eine Verſtändigung über all die trennenden Unterſchiede war nicht möglich. Der Miniſter ſelbſt hatte für ſeine Anklagen keinen einzigen Beweis, keinen einzigen Akt gegeben es waren rein aus der Luft gegriffene Behauptungen, daß unſere Studenten aus Deutſchland „Tendenzen und

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Anſichten“ mitbrächten, die „zu dem Staatsintereſſe in ſchroffſtem Gegenſatz“ ſtünden; es war unmöglich nachzuweiſen, daß unſere Lehrer die Schüler „in exkluſivem und feindſeligem Geiſt“ erzögen und das ſächſiſche Volk ließ ſich nicht überzeugen, daß die Forderung des Miniſters nach dem zweiſprachigen Unterricht nicht direkt gegen das Geſetz von 1879 ſei. Und wenn die Errichtung einer theologiſchen Fakultät ftill- schweigend abgelehnt wurde, ſo hatte daran die Erkenntnis, was wir an dem Beſuch der deutſchen Hochſchulen haben, ebenſo ihren Anteil als die Ausführung des Miniſters: „Es iſt ein Axiom meiner Unterrichts⸗ politit, daß wir in dieſer Frage auf dem Wege, den Geſetzgebung und Regierung eingeſchlagen haben, fortſchreiten. Es handelt ſich um die Verallgemeinerung der Kenntnis und des Gebrauchs der magyariſchen Sprache“. Der ev. Kirche zuzumuten, daß ſie zu dieſem Zweck eine eigene theologiſche Fakultät errichte, verriet zum mindeſten geringe Kennt- niſſe der beſtehenden Verhältniſſe. Trefort betonte übrigens im münd⸗ lichen Verkehr wiederholt, man dürfe ihm die Dummheit doch nicht zutrauen, daß er an der von ihm angeregten Fakultät magyariſche Unter⸗ richtsſprache verlangen werde.

In all den Kämpfen galt Teutſch als der eigentliche Repräſentant des Widerſtandes. Gewiß war er einer ſeiner Träger, denn er nahm es ernſt mit dem Eid, den er geſchworen, die Rechte ſeiner Kirche zu verteidigen. Aber die Fernerſtehenden wiſſen nicht, wie groß der Indi⸗ vidualismus gerade im ſächſiſchen Volk ift und daß ein jahrelanger ſchwerer Kampf, wie ihn Volk und Kirche geführt haben, nur geführt werden konnte, wenn die Überzeugung von deſſen Notwendigkeit eine allgemeine war.

Dieſe Kämpfe, in denen es ſich in der Tat um die Grundlagen des evangeliſchen und deutſchen Lebens in Siebenbürgen handelte, hätte ein Einzelner nicht führen können und nicht dürfen. Neben Teutſch ſtand das Landeskonſiſtorium als Vertretung der Kirche, aus den Wahlen der Landestirchenverſammlung hervorgegangen, Schulter an Schulter mit ihm und wie er überzeugt, daß es Pflicht ſei, die Rechte der Kirche und des Volkstums zu verteidigen. Das Landeskonſiſtorium beſteht aus 14 Mitgliedern, den Biſchof eingeſchloſſen, ſieben Geiſtlichen und ſieben Weltlichen, die die Landeskirchenverſammlung periodisch wählt, und Teutic) hat das Glück gehabt, die Mehrzahl von ihnen eine lange Reihe von Jahren in der gemeinſamen Arbeit mit zu ſehen, einige auch mit tiefem Schmerz begraben helfen. Von den Mitbegründern der Verfaſſung ſchied J. Rannicher durch Berufung nach Peſt zuerft aus, ebenſo A. Laſſel

Georg Daniel Teutjch *

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aus demſelben Grunde, dann Michael Schuller, der ſpäter Freund und Genoſſe, eine Zeit lang 1865 70 Sup vikar, durch ſein Alter veranlaßt; bis zum Schluß die milde vers Natur, eine chriſtliche Perſönlichkeit, die glaubensſtark auch menſchlicher Leidenſchaften das Vertrauen auf das Gute, Leitung nie verlor. An ſeine Stelle trat 1870 Michael Fuß, F in Gierelsau, von 1878 in Groß-Scheuern (F 1883). Der al des Biſchofs aus jungen Lehrertagen, Mithelfer beim Bau dei verfaſſung, der bedeutendſte Botaniker unſeres Volkes, dabei licher Philologe, der hebräiſch, lateiniſch und griechiſch in gl. beherrſchte. „Doch hinter dem Mann der Wiſſenſchaft ſo Teutſch ſelbſt ihn trat in Fuß der Menſch nicht zurück, ſofort alle empfanden, die ihm nahe kamen. Denn er war eine und edel angelegte und ausgereifte Natur, von der des alten Sängers Wort im beſten Sinn galt: Nil humani a me alienum Dabei war er fern von jeder Überhebung, aber auch von jedem um Gunſt, von jenem gemeinen Spähen nach rechts und I Beifall und Händeklatſchen. Am weiteſten lag ihm die Fachpolitik die krummen Wege des freiwilligen und unfreiwilligen Trugs, Unwahrhaftigkeit und Liſt, die fie jo oft wandelt, waren ſeinem faſt lichen Gemüt ein Greuel. Sein Volk und ſeines Volkes Recht liebte dabei von ganzem Herzen und hatte für ſein tiefſtes Weſen, ſein Seelen- leben, für Sprache, Sitte und Brauch in feiner Mitte, für ſeine Luſt und ſein Leid ein überaus feines Verſtändnis, dem er in anziehendſter Weiſe in Zügen aus dem Volksleben Ausdruck zu geben wußte. Die volkstümliche Einfachheit, die Lauterkeit und Geradheit ſeines ganzen Weſens, wohl vereint mit edelm Anſtand, ſeine umfaſſende Bildung, der leuchtende Humor an rechter Stelle, der Zug der Milde und Güte, der in Wort und Tat bei ihm überall natürlich und ungekünſtelt hervor⸗ trat: das alles machte ihn zu Einem der, unter uns ſo ſeltenen Menſchen, der nur zu erſcheinen brauchte, um zu erwärmen, welchem ſofort alle Herzen in freudigem Wohlwollen entgegenſchlugen. Er war der treuefte Freund, der hülfreichſte Genoſſe. Niemand, auch der über ſeinen Irrtum oder ſeine Schwäche denn er war ein Menſch und Irrtum und Schwäche wurzelten bei ihm in zu großer Güte im Augenblick unwillig wurde, konnte ihm, dem Redlichen, dem Liebenswürdigen gram ſein, wenn er ihm in die tiefen, freundlich blauen Augen ſah. Er ſelbſt bei allem innern und äußern Leid, das auch ihn traf, erhielt ſich immer das Gleichmaß der Seele, daß der Schlag des Schickſals, der Gegenſatz

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zwiſchen Ideal und Leben, die harte Wirklichkeit der Dinge ihm die Harmonie und ruhige Heiterkeit des Geiſtes nicht rauben konnten.“ An feine Stelle als Superintendentialvifar trat 1883 Fr. Müller, der langjährige Kollege von der Schäßburger Schule, dann Rektor nach Teutſchs Fortgang, 1869 —1874 Pfarrer in Leſchkirch, dann Stadtpfarrer von Hermannſtadt. An geiſtiger Schärfe ſeine Umgebung bedeutend über- ragend, mit ſcharf ausgeprägtem Willen, mit großen Gedanken und hohen Zielen, deren letztes Ende er gern auch vor Freunden geheim hielt, war er ein maßgebender Mitarbeiter auf kirchlichem und politiſchem Gebiet, ein Geiſt, der das Weſen der Dinge erfaßte. Als er in die Pfarre nach Hermannſtadt berufen wurde, ſprach er aus, was er Teutſch ver⸗ danke. „Überall war es dein zuverſichtlich blickendes Auge und deine treue Hand, die mich aufrichtete, wo ich allzutrübe auf eigenes und öffent⸗ liches Geſchick blickend und müde geworden im Kampf mit der eignen Not, mehr als die Pflicht erlaubt zu zagen begann und ſo nur blieb ich mir ſelbſt und der Sache, für die wir ſtreiten, erhalten. Du und dein Haus mit der raſtlos und fügſam in manche Entſagung und ſtark in jeglichem Leide waltenden Hausfrau, ihr habt viel Wohltat an mir getan, vielleicht mehr als ihr ahnet.“ Als Bundesgenoſſe bedeutete er in jedem Kampf mit der dialektiſchen Schärfe feines Geiſtes, der Wucht feiner Perſönlichkeit den halben Sieg, als Gegner die Wahrſcheinlichkeit der Niederlage. Er ift der nächſte Mitarbeiter Teutſchs in jenen Jahren geweſen. Es verging kaum ein Tag, wo fie nicht gemeinſam Aufgaben des Tags und Ziele der Zukunft beſprachen, es gab nichts von Bedeutung für die Kirche, das ſie nicht gemeinſam erwogen. Aus der Reihe der geiſtlichen Mitglieder ſchied aus Geſundheitsrückſichten Joſef Schneider aus (Pfarrer in Urwegen f 1874), durch die Lauterkeit ſeines Weſens, den Ernſt ſeiner Lebensauffaſſung, die reichen Erfahrungen als Schul⸗ mann, eine ſchätzbare Kraft im Konſiſtorium. Weniger durch die Schärfe des Geiſtes als die Eigenſchaften des Gemütes hatte der Kronſtädter Stadtpfarrer Samuel Schiel ſeine Bedeutung (F 1881). Voll reiner Begeiſterung für alles Edle, war er beweglichen und leichtentzündlichen Herzens immer bereit für das Gute einzuſtehen. Lauter in ſeinem Weſen, allem Gemeinen abhold, wandte er ſich an die idealen Seiten im Menſchen, ſelbſtſuchtlos und arbeitsfreudig, haßte er das eigenſüchtige Parteigetriebe, fremd aller Überhebung ordnete er ſich ſtets in das Ganze ein und ihm war es weſentlich zu danken, daß die neue Kirchenverfaſſung und damit das Bewußtſein der kirchlichen Einheit in Kronſtadt feſte Wurzeln ſchlug. Nie müde in warmer Sorge half er, durch keine 22˙

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Täuſchung zurückgeſchreckt, wo Hülfe Not tat, gläubig, begeifterter Prediger des Gotteswortes, nicht eine führen! aber im Gefolge Stärkerer geeignet, andere beim Guten zu Sein Nachfolger in der Kronſtädter Pfarre (jeit 1881) (7 1908) gehörte ſeit jungen Jahren dem Landeskonſiſtorium beweglichſten Naturen, die unſer Volk hervorgebracht hat, ver meiſterhaft, mit Schlagworten zu arbeiten und Anregungen Auf dem Gebiet der Volksſchule mit anerkannten Verdienf er im Leben und im Landeskonſiſtorium ſtets den äußerſten mus, der ſich nicht viel um die beſtehenden Verhältniſſe kün darum ſelten Zuſtimmung fand. Immer geneigt Oppoſition zu n iſt er mehr als einmal der Hecht im Karpfenteich geweſen. Eine anders geartete Natur war Pfarrer Friedr. Ernſt (r Pfarrer in Schaas). Eine ſchwerflüſſige Natur, von unendlicher und Ausdauer, mit ſcharfer Dialektik er hatte auch Jura ſt das einmal Begonnene und Erkannte feſthaltend, allem ſpringenden abhold, von einer ſeltenen Ruhe und kühler Überlegung, aber zuve treu, feſt, allem Schein und aller unehrlichen Art geſchworener Das Nösner Gelände vertraten G. Budaker, ſeit 1875 Sta; von Biſtritz, und H. Wittſtock, ſeit 1869 Pfarrer in Heltau. W heute das Nösner Land ſich eins fühlt mit dem ſächſiſchen Volk, Leben einen Teil des ſächſiſchen Geſamtlebens bildet, ſo iſt das in erſter Reihe das Verdienſt dieſer beiden Männer. Der ältere Gottlieb Budaker war ſchon in ſehr jungen Jahren in das öffentliche Leben hineingezogen 4 worden. Bei den entſcheidenden Wendepunkten in unſerer Entwicklung iſt er immer beteiligt geweſen. Einer der Vertrauensmänner in der kirchlichen Verfaſſungsfrage 1860, war er ein Träger der neuen Ver⸗ faſſung, beſonders in Biſtritz, und ſeit 1867 Mitglied des Landes- konſiſtoriums. So müſſen die echten Rheinfranken geweſen fein: geifte reich und ſchwungvoll, liebenswürdig und humoriſtiſch, elaſtiſch und genußfähig, auch unter dem Ernſt des Lebens nicht zu Boden gedrückt, mit der ſchönen Gabe beſchenkt, das Leben von der ſchönſten Seite zu nehmen, auch den Wegen, die die Kinder dieſer Welt wandeln nicht fremd und zuweilen, wenns vorteilhaft erſchien, natürlich nicht für die eigene Perſon, ſondern für die Sache, die es galt, bereit auch Krummes gerade ſein zu laſſen, bis ins hohe Alter jung und fähig, das Neue zu verſtehen und bereit es zu fördern, war er darin Michael Fuß ähnlich, daß man ihn liebte, wohin er kam (1902). Ein Stück ernſtern Weſens, ein Erbe des preußiſchen Landes, aus dem der Großvater erſt nach Sieben⸗

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bürgen eingewandert war, trug H. Wittſtock in fich, ſeit 1880 Konſiſtorial⸗ mitglied. Sein Weſen lag verkörpert in ſeiner Treue und Redlichkeit. Daß der Mann nur ſeiner Überzeugung folge, daß das gegebene Wort felſenfeſt fein müſſe, war eine Grundanſchauung ſeines Lebens. Alles Phraſengeſchwirr und Geflunker war ihm ein Greuel, Recht und Sittlich⸗ leit die Grundlagen des Lebens, unermüdliche Arbeit im Dienſt der Kirche und des Volks ſeines Lebens Inhalt. In jüngern Jahren raſch aufbrauſend, ging er zuweilen in wichtigſten Fragen eigene Wege, die die Freunde als irrig bezeichneten, aber ſie wußten zugleich, daß an ſeinem Charakter kein Makel zu finden ſei. Er hatte die ſchöne Gabe zum Gemüt zu reden und das Herz zu packen. Mehr als einmal in heftigſter Oppofition gegen Ziele und Vorlagen des Konſiſtoriums, ift von Freund und Gegner die Reinheit ſeiner Überzeugung nie angezweifelt worden und wer ihn nur einmal reden und ſo von Herzen lachen hörte, erkannte den klaren Kopf, das warme Herz, das zarte Gewiſſen des Mannes (F 1901).

Etwas älter als die Beiden, früher nach einander Rektoren in Biſtritz, war Karl Brandſch, Rektor in Mediaſch, ſpäter Pfarrer in Groß⸗Schenk und dort am 8. Oktober 1894 geſtorben, ein Jahr jünger als Biſchof Teutſch, alte Freunde, ſchon da ſie Rektoren in den Nachbarſtädten Schäßburg und Mediaſch waren. In jüngern Jahren eine ungewöhnlich aktive Natur, war er ſtets der ſtrenge Mathematiker, Logiker und Philoſoph, dabei vorzüglicher Lateiner, der an Disputationen ſeine Freude hatte; wenn Söhne und Schwiegerſöhne zu Haufe waren, ſammelte er fie um ſich und forderte fie auf, mit ihm und mit einander „zu thädigen.“ Wenn er eine Sache verteidigte, dann konnte er wie ein Reitergeneral daherſtürmen und der Kampf war ihm eine Freude. Aber nie war ihm der Kampf eine perſönliche Sache, bei allen Meinungsverſchiedenheiten blieb bei ihm nie ein Bodenſatz auch nur der Verſtimmung zurück. In ihm lebte das Frohgefühl, daß eine gute Sache auch verſchiedene Meinungen vertrage. Wenn die Sitzungen zu Ende waren, konnte er fröhlich mit feinem Humor die Runde der Freunde beleben und war immer bereit, die Nachſitzung um eine Stunde zu ver⸗ längern. Zum Namenstag gratulierte er dem alten Freunde, feinem Biſchof, regelmäßig in fließenden lateiniſchen Diſtichen, die dieſer ebenſo erwiderte.

Gleichwertig traten neben die geiftlichen Mitglieder die weltlichen. Der Landeskirchenkurator Komes Konrad Schmidt, eine hervorragende politiſche Perſönlichkeit, an der Schaffung der Kirchenverfaſſung weſentlich

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beteiligt, der Jahre lang, da Biſchof Binder alt war, die Kirche re hatte, ſchied 1868 aus, als er nach der rechtswidrigen Entheb ſeinem Amt als Komes nach Wien überſiedelte. An ſeine Joſef v. Bedeus, eine jener ſtillen Naturen, die mehr ſind, a ſcheinen. Er hatte früh erkannt, daß in der Stärkung der wirt! Verhältniſſe, in der Hebung des Wohlſtandes eine neue große die Sicherung der Zukunft unſeres Volkes vor den leitenden ſtehe und er nahm ſich dieſer Arbeit an. Dabei vereinigte er in ji Weiſe mit dieſen volkswirtſchaftlichen Neigungen tiefes Verftändn: die kirchlichen Fragen und ſpeziell gerade auch die religiöjen. Im Kamp ums Recht ſtand er in der erſten Reihe, niemals geneigt, auch nur

Geringſte aufzugeben, ausdauernd, zäh, unabbringbar, wenn er für gut erkannt hatte. Sparſam und mit dem Kreuzer rechnen er bereit, für Großes Großes zu wagen und ſein idealer Sinn ſah den geſchaffenen Gütern Mittel das Gute zu fördern. Als Konrad Se Nachfolger war er 1868 —1877 Kurator der ev. Landeskirche (F Ihm zur Seite ſtand Karl Gebbel, zuletzt Sektionsrat i. P., 187780 Landeskirchenkurator, eine jener fleißigen, ſtillen Naturen, deren ganzen reichen Inhalt, wie er auch an Kunſt und Muſik ſich erfreute, nur die Naheſtehenden kannten. Er beherrſchte das Magyariſche wie das Deutſche, kannte die Verhältniſſe auch der ungariſchen Landeskirchen, arbeitete in den Stunden ſeiner Muße an der eigenen Fortbildung weiter, und war im Konſiſtorium einer jener Referenten, die ſtets zur Verfügung ftanden und nie verſagten. Auch bei ihm galt nur die Sache, nie perſönliche Rück⸗ ſichten, während er im Verkehr die Anſpruchloſigkeit ſelbſt war (T 1901). Joſef Gull (F 1899), der alte Schäßburger Freund, war gleichfalls ſeit Jahren Mitglied des Landeskonſiſtoriums; ſeine kampfesfrohe Natur war allmählich ſtiller geworden, ſeine Darlegungen konnte er auch hier zuweilen ſo einhüllen, daß es ſchwer war, dahinter zu kommen, was er eigentlich meinte, aber welterfahren und angeſehen, gehörte er zu der Garde, die in der Kirche auch die Güter des Volkstums verteidigte. Im ſelben Glied ſtand Heinrich Käſtner, von 1880 bis zu ſeinem Tode 1894 Kurator der Landeskirche und der geiſtvolle Wilhelm Löw (geb. 1810), der einſt Abgeordneter auf dem ungariſchen Reichstag die Kollegen in witzigen Diſtichen ſcharf charakteriſiert hatte. Als langjähriger Kirchen⸗ meiſter verdiente M. Herbert (+ 1889) ſich den Dank der Kirche, Spar⸗ kaſſadirektor in Hermannſtadt, der das Inſtitut eigentlich gegründet und groß gemacht hatte, das den ganzen Reingewinn für ev. deutſche Bildungszwecke gab. Als jüngfter kam in den letzten Jahren Karl Albrich

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ins Konſiſtorium, Direktor des Hermannſtädter Gymnaſiums, ein ſcharfer Mathematiker, mit tiefem Gemütsleben, der nicht nur im Rechnungsfach feinen Mann ſtellte, auch vortreffliche hiſtoriſche Unterſuchungen ſchrieb. Kurze Zeit gehörte der oberſten Kirchen- und Schulbehörde auch Hofrat L. v. Greißing von Kronſtadt an (11883), einer der Männer, die die Bedeutung der Kirche für uns in ihrem vollen Umfange erkannte und der Bürgermeiſter von S. Regen Dr. J. Kaiſer, längere Zeit, einige Jahre auch als Sekretär, Fr. Schuler-Libloy (F 1900), ein Mann von umfaſſender Kenntnis des ſiebenbürgiſchen Kirchen- und Staatsrechtes.

Mitten unter ihnen ſtand, neben dem Biſchof ein zweiter einigender und zuſammenhaltender Mittelpunkt, der Sekretär der ev. Landeskirche Franz Gebbel. Bei ſeinem Tode, der den Zweiundvierzigjährigen nach anger Krankheit am 16. Mai 1877 dahinraffte, ſchrieb das Sieben- bürgiſch⸗Deutſche Tageblatt, daß er überall, wohin er gekommen wäre, einer der Erſten geworden wäre und Biſchof Teutſch: „ein Mann von jo vielfeitigem und reichem Wiſſen, jo edler Bildung, ſo idealem Schwung, io reinem Charakter, daß die Lücke, die uns ſein Heimgang gelaſſen, nie ſich ſchließen wird“. „Wie ſteht ſein Bild ſprach derſelbe bei Eröff— nung der 9. Landeskirchenverſammlung und die Größe ſeines Ver⸗ uftes gerade in dieſem Augenblick wieder lebendig vor uns und wie in Israel einſt um den ſtarken Kämpfer, ſo ſpricht um ihn die Klage aller Guten: ach, daß der Held umgekommen iſt““! Seine Selbſtloſigkeit, eine Bedürfnisloſigkeit, ſeine Strenge gegen ſich und Andere mahnte an antike Naturen. Seiner Logik, der Schärfe ſeiner Beweisführung konnte ſelten jemand ſtandhalten. Sein ſcharfes Auge, das den vor ihm Stehenden zu durchbohren ſchien, durchſah auch die Menſchen und erkannte fie in ihrer Schwäche. Die Elenden und Nichtsnutzigen haben vor ihm ſich wirklich gefürchtet. Wie er ſelbſt auffallend gerade ging und ſtand, ſo waren ſeine Wege gerade und alles Bücken und Winden, alle Hintertüren haßte er, ſein Wahlſpruch war das Bibelwort: unſer Ruhm ift der nämlich das Zeugnis unſeres Gewiſſens. Seine faſt herbe Auffaſſung der Pflicht kannte keine Schonung für Nachläſſigkeit und das Gemeine verachtete er von Grund ſeiner Seele. Nach Zimmermann der bedeutendſte Kenner des ſiebenbürgiſchen Rechtes, ein kühler Beur⸗ leiler der Menſchen, mit einem Herzen wie ein Kind für alle Freundlich⸗ keiten empfänglich, der treueſte Freund mit prächtigem Humor und durch⸗ bohrendem Sarkasmus, wenn er wollte, jo ſtand er neben dem Biſchof, beide einander gleich an Schwung der Seele, in hingebender Begeiſterung

für die höchſten Güter des Deutſchtums und Proteſtantismus, an Rein⸗

heit des Charakters, an Liebe zum Volk, an Zuverfich des Rechts und des Guten, in der Verachtung alles Hohlen Das altgermaniſche Treuverhältnis zwiſchen Häuptling ſchien hier verklärte Geſtalt gewonnen zu haben. Umſonſt feſtzuſtellen, wer mehr gearbeitet. Redete man mit dem B der Sekretär, ſprach man mit dem Sekretär, jo wars der 9 war des Andern Freund, ſie vertrauten auf einander und ha nichts zu verbergen. Als er ſtarb, trat an feine Stelle die tre r Karl Fritſchs. Br, Im Jahr 1892 wurde Albert Arz von Straußenburg konſiſtorium gewählt, ſeit langen Jahren ein Genoſſe jeglicher Arbeit. Als Staatsanwalt in Hermannſtadt nach Dees verj die Stellung auf und ergriff die Advokatur. Damals ſchrieb 2 an Franz Gebbel: er halte ſein Weggehn von Hermannſtadt öffentliches Übel für Volk und Kirche und riet, aus dem S auszutreten. Vielleicht ſei ihm wertvoll, in jo ſchwerem Augen Stimme eines ihn überaus hochachtenden Freundes zu vernehmen“, dieſe geiſtige und ſittliche Kraft für uns bewahren wolle. Einer der ſeltenen Männer, die durch angeborene vornehme Li würdigkeit bei der erſten Begegnung gefangen nehmen, ein Eindruck, bes 5 näherer Bekanntſchaft noch tiefer wurde, ſetzte er von den Menſchen immer das Beſſere voraus und der alte römiſche Grundſatz: quisquis praesumitur bonus hatte in ihm gemütvolle Verkörperung gefunden. Er verſtand meiſterlich das Perſönliche und Sachliche auseinanderzuhalten, die Fragen ſcharf zu beleuchten und ihre politiſche Seite richtig zu beurteilen. Immer bereit ſich unterzuordnen, vertrat er nie verletzend die eigene Meinung; ohne den Ehrgeiz die eigene Anſchauung zur Anerkennung zu bringen, fiel ihm ein Teil der Führerſchaft in kommunalen, nationalen und politiſchen Fragen, in der Hermannſtädter Kirchengemeinde auch in kirchlichen Angelegenheiten ungeſucht von ſelber zu, weil die Lauterkeit, ſeines Weſens, die Beſonnenheit und Sicherheit ſeines Urteils, die Zu⸗ verläſſigkeit ſeines Charakters auch dem Gegner Hochachtung abnötigte. Leutſelig und geſellig, heiter und ungezwungen in froher Stunde, hatte er ſeit Jahren mit Franz Gebbel, G. Kapp, Karl Wolff hervorragenden Anteil an jeder wichtigen Arbeit inmitten des ſächſiſchen Volkes genommen. Ihn mußte lieben, wer ihn kannte. Als er, ſeit 1894 auch Landes⸗ kirchenkurator, erſt 68 Jahre alt am 16. Februar 1901 ſtarb, da hatte Kirche und Volk die Empfindung, daß ſie einen der Beſten verloren hatten. Es war ſo eine Beruhigung geweſen, wenn man wußte, Albert

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Arz ift dieſer oder jener Meinung, man fühlte ſich dann ſicher auf rechtem Wege. In ſeiner ſelbſtloſen Art, nie an ſich zu denken und keine Arbeit abzuweiſen, die man ihm oft übermäßig zumutete, in der hin— gebenden Treue und schlichten Frömmigkeit, in der herzlichen gemütvollen Freundlichkeit, mit der Reinheit ſeines Herzens, erhob er die Seelen, hielt die Schwankenden und ſtärkte die Mutigen, immer ein Beiſpiel edelſter Pflichterfüllung. Er iſt der letzte große Juriſt geweſen, der ein Nach wuchs an dem Stamme der unabhängigen ſächſiſchen Beamten war, die in der vorachtundvierziger Zeit Träger des Volkstums und ſeiner edelſten Arbeit, in der Gegenwart unter uns ſo ſchwer vermißt werden. Denn er war Juriſt in ſeinem ganzen Weſen, darum aber auch im Kampf um das Recht, den Volk und Kirche führten, der berufene Mitſtreiter, der an entſcheidenden Wendepunkten die rechten Wege finden half. Auch äußerlich mit dem Kopf des Weiſen und dem Herzen eines Kindes, der edeln Geſtalt, den freundlichen milden Augen, ſeiner weltmänniſchen und liebenswürdigen Art, in jeder Bewegung der vornehme Zug einer edeln Perſönlichkeit, konnte er als ein Abglanz der Zeit erſcheinen, in der einſt alle Sachſen in der Freiheit, die ſie genoſſen, Adelsrechte beſaßen.

Daß der Kampf für die nationalen Güter geführt werden konnte, daran hatte auch die neu geſchaffene Publiziſtik weſentlichen Anteil.

Die erſte moderne Zeitung unter uns hatte Heinrich Schmidt 1859 in der Siebenbürgiſchen Quartalſchrift gegründet, die ſpäter unter dem Titel Hermannſtädter Zeitung bis 1862, dann 1863—65 vereinigt mit dem Sieben⸗ bürger Boten unter ſeiner Leitung erſchien. Die Zeitung wollte nicht nur Nachrichten mitteilen, ſondern politiſche Gedanken vermitteln und Richtung geben. Sie war, wie ihr Redakteur, ſcharf, oft zu ſcharf, aber entſchieden und ging jeder Halbheit entſchloſſen auf den Leib. Von 1863 bis 20. Februar 1867 redigierte Eugen v. Trauſchenfels die Kronſtädter Zeitung, und machte fie nach langer charakterloſer Zeit, in der Gbtt, wie Trauſchenfels grimmig meinte, Kronſtadt mit der Miſtgabel zu lenken ſich einbildete, wieder zur Vertreterin einer zielbewußten Politik. Als er von der Redaktion zurücktrat und Heinrich Schmidt ſchon früher gleich⸗ falls zurückgetreten war, waren die eigentlichen ſächſiſchen Intereſſen völlig unvertreten. Schon 1865 ſchrieb Teutſch an Haltrich, „unſere ſiebenbürgiſch-deutſchen Zeitungen find ein gemeinſchädliches Übel“ und die Freundeskreiſe erwogen die Schaffung eines neuen nationalen Blattes. Am 28. Oktober 1866 ſchrieb Franz Gebbel an Teutſch: „Ein täglich erſcheinendes Blatt zu gründen, wäre freilich zunächit unmöglich; wohl

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aber könnte ein ſolches durch eine Wochenſchrift vorbereitet Das Blatt würde etwa bieten: eine umſichtig gearbeitete 2 einen redaktionellen Leitartikel; 13 Abhandlungen; in Kor aus allen Teilen des Sachſenlandes ein Spiegelbild feiner Zufi eventuell einiges anregende Beiwerk für den Unterhaltungsfüchti für Weiber; endlich auf dem letzten Blatte eine fortlaufende von Aktenſtücken aus der Zeit und für die Zeit.“ Es iſt das Programm des Siebenbürgiſch-Deutſchen Wochenb) das 1868 (Juni) tatſächlich ins Leben trat, eine Schöpfung des Kre der um Franz Gebbel und Biſchof Teutſch ſich ſcharte. Es iſt heute unbekannt, daß Gebbel die Seele des Wochenblattes war, ſein und Teutſch einer der eifrigſten Mitarbeiter. Die Aufgabe, die das Blat ſich ſetzte, war die Verteidigung des ſächſiſchen Eigenlebens inmitten der veränderten politiſchen Verhältniſſe, der Nachweis, daß dieſes deutſche Eigenleben nicht nur keine Gefahr für Ungarn in ſich ſchließe, ſondern eine politiſche Notwendigkeit ſei, Erziehung eines politiſchen Denkens, das auf der reichen Geſchichte und ihre Erfahrung aufgebaut, dem Volk die Wege weiſe, die es zum ſicheren Beſtand führe, die ſittliche Erziehung des Volks, die Überwindung des inneren Haders und die Herbeiführung gemeinſamen politiſchen Handelns. „Deutſche ſind wir und Deutſche wollen wir bleiben. Seit Jahrhunderten ſtehen wir hier als Bürger eines viel⸗ ſprachigen, der überwiegenden Mehrzahl ſeiner Bewohner nach nicht⸗ deutſchen Staatsweſens. Und ungeachtet der Stürme der Jahrhunderte hat die Weisheit und Kraft der Väter es verſtanden, hier ein beſcheidenes deutſches Gemeinweſen aufzurichten und zu erhalten bis auf den heutigen Tag. Fluch der Hand, die es wagen könnte, dies heilige Erbe der Väter gering zu halten, es anzutaſten oder leichtfinnig zu verpraſſen. „Halte was du haſt, iſt das Loſungswort jedes ehrlichen Deutſchen in Siebenbürgen.“ Und mit einer feinen Wendung, in der zugleich ein politiſches Glaubens⸗ bekenntnis, das Ergebnis einer jahrhundertlangen Kulturentwicklung liegt, erklärte das Wochenblatt am Beginn feines Erſcheinens: „Deutſchland! wunderbares Wort! Deutſchland, Mutter unſerer Väter, Mutter unſerer Sprache, unſeres Glaubens, unſerer Bildung ... unſer bürgerliches Heimatland biſt du nicht und wirſt es niemals werden. Eine andere Heimat hat uns Gott gegeben, ihr zu leben, ſie zu lieben und in ihr zu ſterben. Fern von dem deutſchen Vaterland‘ ſtehen wir hier an den Oſtmarken des Ungarlandes, wir die Siebenbürger Deutſchen, die letzten Ausläufer des deutſchen Namens.“ Als erſte und alles beherrſchende Pflicht ſah das Wochenblatt „den heiligen Kampf für die Erhaltung

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deutſchen Rechtes, deutſcher Bildung und Geſittung auf dieſem Flecken Erde“ an und es reichte dem „Volk den Anker, ihn auszuwerfen in den Sturm und einzutreiben in den Glauben an ſich ſelbſt.“

Das Wochenblatt hat in erſter Reihe mitgeholfen, daß der nationale Kampf in ſeiner ganzen Bedeutung erkannt wurde, daß die ſittlichen Grundlagen für ihn geſtärkt wurden.

Die wachſenden Angriffe auf die nationalen Güter veranlaßten die Umwandlung des Wochenblattes 1874 in das „Siebenbürgiſch⸗Deutſche Tageblatt“. Dieſelben Kreiſe ſtanden dahinter, die das Wochenblatt ge— gründet hatten. Zu ſeinem Leiter beriefen fie Dr. Karl Wolff, der Ende 1873 in Hermannſtadt eintraf und in kurzem einen maßgebenden Einfluß auf die ſächſiſche Entwickelung, ſeit 1877 ſeit Gebbels Tod die führende Perſönlichkeit auf dem politiſchen und wirtſchaftlichen Gebiet wurde.

Es war in der Tat eine ſeltene Perſönlichkeit, die mit junger Kraft, er war eben 24 Jahre alt geweſen (geb. 1849) in die öffentliche Arbeit eintrat. Hiſtoriſch, juridiſch, publiziſtiſch vorgebildet, rachte er die frohe Zuverſicht mit: „Der Deutſche in dieſen Landen darf an dem Erfolg ſeiner Arbeit nicht verzagen, ſie ſchreitet vorwärts, wenn auch langſam, häufig unterbrochen und reich an Opfern.“ Mit ihm gewannen wir den erſten modernen Publiziſten, der dieſem Beruf ebte und dabei jo kenntnisreich, fo umfaſſend gebildet, daß er ſofort noch eine Reihe anderer voll hätte ausfüllen können. Mit ſicherem ick konnte er den ſpringenden Punkt in der Erſcheinungen Flucht herausfinden, die wechſelnden Tageserſcheinungen unter allgemeine Ge⸗ ichtspunkte faſſen, den Wurzeln der Dinge nachgehen; in gleicher Weiſe vermochte er in ruhigem Fluß der Darſtellung politiſche Ziele und Ge- danken überzeugend zu bieten wie mit hinreißender Glut nationale Em⸗ pfindungen in den Herzen zu wecken. Die Vergangenheit war ihm eine Lehrmeiſterin des Lebens, niemals aber ein Hindernis für das Ver⸗ tändnis der Gegenwart. Von Anfang an ſtellte er neben den Kampf für die nationalen Güter und die politiſche Freiheit die Sorge für die Hebung des wirtſchaftlichen Lebens, deſſen Dürſtigkeit, Enge und Zer⸗ ſpliterung ihm für den Beſtand des Volkes gefahrvoller erſchien als der Anſturm auf unſer Recht. So nahm er die wirtſchaftliche Stärkung des ſächſiſchen Volkes im großen auf, beſonders ſeit ex (1885) Direktor der Hermannſtädter Sparkaſſa geworden war, in der Überzeugung, daß die feſte wirtschaftliche Grundlage des Volkes die Vorbedingung auch einer dauernden politiſchen Stärke ſei. Schwierigkeiten ſchreckten ihn

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von keiner Aufgabe zurück. Zäh und ausdauernd, ſcharf wo er das Rechte ergriffen zu haben glaubte, lebte in Gemüt, das niemals ſich verſchloß, wenn an dieſe Saiten g die Überzeugung, daß das Evangelium der Arbeit das deu gemacht habe und daß es auch uns retten werde. Ein zu immer neuer ſelbſtloſer Arbeit, in der er den Zeitgenof b gebend war, blieb kein Gebiet nationaler Aufgaben ihm fremd u iſt von ihm mit neuen Zielen bereichert worden. Die hohen Kirche und Schule erkannte er in ihrem vollen Wert und wachſende Kraft auch in ihren Dienſt. Nicht minder das 2 gerade dadurch, daß die leitenden Perſonen mit ſeinem Leiter freundet und in ſteter Beziehung waren, der einigende Mit Volkes wurde. Auch Wolff ſtand, der Nachbarſohn aus der in Schäßburg, Quintaner, als Teutſch aus dem Rektorat Teutſch in freundſchaftlichſtem Verkehr.

Bedeutſam aber war, daß damals die leitenden Männer i und Wahrheit ein ganzes bildeten, und daß was in jenen Jahren g nicht willkürliches und zufälliges Ergebnis ſchneller oder langſa ſchlüſſe Einzelner war, ſondern das gemeinſame Reſultat der Solid die alle mit einander verband.

Und dabei ſtanden alle dieſe Männer nicht nur im Vord ſondern zählten zu den Erſten in der Volksarbeit überhaupt. Fraz 1 Gebbel hat jahrelang unſere Politik geleitet, Bedeus, Gull, C. Gebbel haben als die Tapferſten im großen Kampf um die politiſche Stellung und die verbürgten Rechte unſeres Volkes im Glied geſtanden, Wittſtock und Budaker haben nie gefehlt, wo es eine Entſcheidung auch im öffentlichen Leben zu erkämpfen galt, Müller war einer der erſten Schul⸗ männer und reicherfahren und vielerprobt auf dem Feld der Wiſſenſchaſt, Publigiftit und Politik, Dr. Wolff nicht nur im politiſchen Kampf bald der Erſte, es war Keiner da, der nicht ſonſtwo feinen Mann geſtellt hatte, keiner, der nicht auf Land- und Reichstagen, in der Nations⸗ univerſität, in Kommunitäten und Stuhls- oder Komitatsverfammlungen für die vielangegriffenen Rechte des Volkes und der Kirche eingetreten wäre. Das gab auch dem Landeskonſiſtorium doppelte Bedeutung, in ihm war wirklich neben der Kirche das Volk, die ſächſiſche Nation repräſentiert und Kirche und Volk war ſtolz darauf. Nicht jeder einzelne Schritt des Konſiſtoriums hat allgemeine Billigung gefunden, aber es galt von der ganzen Körperſchaft, was Fr. Müller von ihrem Vorſitzer jagte: „Die deutſche eigenwillige Natur bäumt ſich hin und wieder auf gegen

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ſolche Übermacht eines Einzelnen und nimmt ſich vor, ihn nicht immer Recht behalten zu laſſen. Aber Auge in Auge mit dieſem Mann, dem Gewicht ſeiner Gründe gegenüber und vor der Reinheit ſeiner Geſinnung und der Kraft ſeines ſittlichen Ernſtes haben wir zuletzt uns doch alle gebeugt und hoffentlich nicht bloß für heute erkannt, daß wir verloren find, ſobald wir die Einheit einer ſolchen umſichtigen, aber auch unver⸗ zagten ehrlichen allezeit aufrechten Führung nicht mehr ertragen können.“ In der Stellung der einzelnen Mitglieder ſpiegelt ſich ebenſo wie im Bischof Weſen und Bedeutung der Kirche ab. Sie iſt bei uns nicht bloß die Verkündigerin des Gottesreiches, die Führerin zum Heiland geweſen, ſie verteidigte auch die höchſten irdiſchen Güter, die der Menſch haben kann, Wiſſen und Volkstum, das nationale Daſein, das in all ſeinen Lebensäußerungen bald keinen andern Platz hatte, als eben die Kirche. Das iſt ihre Stärke geweſen und das drohte ſpäter ein Grund ihrer Schwäche zu werden.

Der Arbeit des Landeskonſiſtoriums aber und nicht in letzter Reihe der des Biſchofs iſt es zu verdanken geweſen, daß die Kirche nicht größere Verluſte erlitten. Die Grundlage der geſetzlichen Autonomie war, trotz vielfacher Schädigung im einzelnen, gerettet worden, die Schule war bei aller Störung und Hinderung ihrer Arbeit, deutſch geblieben, der geiftige Zuſammenhang mit dem Mutterland der Reformation aufrecht erhalten worden. Der Faden der hiſtoriſchen Entwicklung war nicht zerriſſen, der Zuſammenhang der Gegenwart mit der Vergangenheit war gerettet und gerade im innern Aufbau der Kirche war es notwendig nun das zu erſetzen, was das Volk auf anderen Gebieten verloren hatte.

12. Vom innern Aufbau.

Das altteſtamentliche Wort: „mit der einen Hand taten fie die Arbeit, mit der andern hielten ſie die Waffen,“ iſt ſo recht das Zeichen auch für unſere Kirche nahezu zu allen Zeiten geweſen, am ausge⸗ ſprochenſten in dem Zeitraum, da Teutſch als Biſchof das Steuer führte. Oft klagte er darüber, daß der markverzehrende Kampf ſoviel Zeit und Kraft brauche, die wir nötiger für die innere Arbeit hätten. Wenn ſie jahrelang in den Hintergrund gedrängt ſchien, ſo war nicht etwa der Mangel an der Erkenntnis ihrer Bedeutung Schuld, ſondern eben jener harte Kampf. In den fünfziger Jahren hatte die Kirche weder im Kampf noch in der inneren Arbeit etwas leiſten können, weil die politiſchen Umgeſtaltungen den ganzen Organismus der Kirche er⸗

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ſchütterten und das Kirchenregiment vernichteten, diesmal Kampf zuletzt die Kirche ſtärken, weil die Verfaſſung in der ( wurzelte und die freudige Mitwirkung Aller das ganze trug.

Die inneren Aufgaben waren rieſige. Zunächſt galt es, de Kirchenverfaſſung eigentlich erſt Leben und Inhalt zu geben, das innere Leben in Kirche und Schule, in Gemeinden und rechter religiöſer Tiefe zu feſtigen. Was das Landestonfift dem äußeren Zuſtand ſeiner Kanzlei aus dem Anfang der Jahre berichtete, war ein Abbild auch mancher andern Seiten de maligen kirchlichen Lebens. „Zur Zeit ſeines Amtsantrittes bi eigene Kanzleiperſonal dieſes Landeskonſiſtoriums, über das es ſchränkt verfügen konnte, einzig und allein aus dem Sekretär der kirche. Einreichungsprotokoll und Index, ſo wie die Reinſchriften w wie jeit Jahrzehnten, von zwei Beamten der ſächſiſchen Nationsuniv in ihren dienſtfreien Amtsſtunden beſorgt. Dienergeſchäfte verſah Amtsdiener der Univerſität. Ein eigenes Amts- und Archivlokal die Landeskirche nicht. Die Sitzungen des Landeskonſiſtoriums wie Landeskirchenverſammlung wurden in dem Sitzungsſaal der Nations⸗ univerſität abgehalten. Der Sekretär arbeitete in einem ihm vom Landes⸗ kirchenkurator angewieſenen, zur Wohnung des letzteren gehörigen Zimmer. Der in Hermannſtadt befindliche Teil des Archivs der Landeskirche und die beſcheidenen Anfänge einer Bibliothek waren über alle Stockwerke des Nationalhauſes zerſtreut oder befanden ſich gar auf dem Stadtpfarrhofe, Außer einigen Aktenkäſten und ſeinem Siegel (dieſes ohne Prägeſtock) beſaß das Landeskonſiſtorium kein einziges Kanzleieinrichtungsſtück.“ Auch der Biſchof ſelbſt wohnte anfangs in einem gemieteten Hauſe.

Das wurde nun bald anders. Von zwei Seiten zugleich wurde ſchon in der Landeskirchenverſammlung 1868 die Anregung zu einem Hauskauf gegeben. J. Haltrich und M. Emerich aus S. Regen legten mit einer Geldſpende den Grundſtock zur Kaufſumme, die Landeskirche ſammelte bei ihren Gläubigen zu dem Zweck, der Reſt wurde in Jahres⸗ raten getilgt und jo gelang es, von der Univerſität das jetzige biſchöf⸗ liche Amtsgebäude zu erwerben, wo unten die Bibliothek, im 1. Stock die Amtswohnung des Biſchofs, im 2. Stock Kanzlei und Archiv unter⸗ gebracht ſind, der Landeskirche würdig. Überhaupt iſt die Arbeit, die äußeren Mittel für die Kirche zu ſchaffen, nicht gering anzuſchlagen und von Erfolg begleitet geweſen. Als Teutſch den Amtsſiß in Hermannſtadt einnahm, beſaß die Kirche einen Landeskirchenfond mit einem großen Paſſivum und die Kaſſe war „notoriſch nicht in der Lage, Geldanwei⸗

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jungen zu honorieren“, einen Stipendienfond, den geiſtlichen Almojen- fond, deſſen Kapitalien, wie die der Jak. Aur. Mülleriſchen Stipen- dienftiftung in kleinen Schuldbeträgen in Birthälm und Groß-Kopiſch verzettelt waren und die Anfänge der Penſionsanſtalt. Als Teutſch ſtarb, war die Kirche im Beſitz eines an ſich bedeutenden Vermögens, das durch unendliche Umſicht und Sparſamkeit zuſammengebracht worden war und wenn es auch für die inzwiſchen ſehr gewachſenen Bedürfniſſe nicht überall ausreichte, ſo war doch für das dringendſte geſorgt. Die Kirche empfand bei dieſer Sorge um die äußern Mittel immer aufs neue die Wahrheit des Wortes, das Biſchof Binder bei Eröffnung der erſten Landeskirchenverſammlung geſprochen, daß die Kirche, wiewohl ſie nicht von dieſer Welt, doch berufen ſei, in ihr zu wirken und zu ſchaffen, und daß ſie der äußeren Mittel darum um ſo weniger entbehren kann, als die fatholiiche Kirche einen Teil ihrer Erfolge dieſen verdankt.

Neunmal iſt die Landeskirchenverſammlung unter Teutſchs Amts⸗ waltung zuſammengetreten, ſtets unter ſeinem Vorſitz und er hat auf die Beſchlüſſe maßgebenden Einfluß genommen. Er ſah ſeine Stellung dort und als Vorſitzer des Landeskonſiſtoriums nicht als die eines unbeteiligten Leiters an, ſondern hielt ſich für verpflichtet, mit der ganzen Wucht ſeiner Perſon und ſeines Amtes für das einzutreten, was er für Recht erkannt und für gut hielt. Den Gegnern wars natürlich nicht recht, er hielt es für ſeine Pflicht. Als die 10. Landeskirchen⸗ verſammlung im Jahre 1880 über das Intervall beraten ſollte, deutete ſchon die Eröffnungsrede mit voller Energie ſeinen, übrigens allgemein gekannten, Standpunkt an: „Die Beratung“ ſprach er „und Schluß⸗ faſſung wird zunächſt Zeugnis ablegen von einem Doppelten: einmal wie ſtark die proteſtantiſche Wiſſenſchaft in unſeren führenden Kreiſen iſt, wenn es gilt das Gewordene in ihrem Lichte zu verſtehen und ihre zweifel⸗ loſen Ergebniſſe zu neuen Rechtsgeſtaltungen für den Aufbau der Kirche zu benützen, dann wie ſtark der Geiſt der vielgeprieſenen proteſtantiſchen Prinzipien unter uns ift, wenn er Einlaß fordernd an jene Verhältniſſe herantritt, welche zum Teil, weil fie nicht entſprechend gekannt waren, zum Teil weil die Kirche gerne durch die ſtille Macht der Überzeugung dem Recht zum Siege und ihrer Verfaſſung zur Vollendung helfen wollte, allein als einſame Reſte eines alten anderen Baues in das neue, mit dieſem unvereinbaren Verfaſſungsleben hereinragen. Jene Ber ratung und Schlußfaſſung wird aber weiter die Probe auch dafür ablegen, welchen Wert die Landestirchenvertretung auf die Verfaſſung der Kirche, auf ihre eigenen, wiederholt ausgeſprochenen Rechtsüberzeugungen legt,

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und was fie demnach für die Achtung derſelben außerhalb Kreiſe zu fordern und zu erwarten das Recht hat; freudigen oder entmutigenden Gefühl ihre eigene oberſte Hinblick auf die Feſtigkeit dieſer Vertretung an die pflichtgemäß obliegenden Rechtsſchutzes, die Aufrechthaltung wirklichung der Verfaſſung ſelbſt in Zukunft wird gehen k in die Debatte griff er entſchieden ein, allerdings niemals, die Rechte des Präſidiums mißbrauchte.

Schon die Landeskirchenverſammlung von 1868 bert großen Teil der wichtigſten Arbeiten, auf die die Kirche folgenden haben fie ausgeführt. Teutſch und die Kirche he die frohe Überzeugung fördernd empfunden, der er ſchon 1868 gab: „Mitten in den, oft hochgehenden Strömungen einer nach Fortſchritt und neuen Formen des Lebens ringenden Zeit gerade unſere Kirche in glücklicherer Lage. Wornach mehr als unſerer Schweſterkirchen eben gegenwärtig in ſchweren Kämpfen nach dem klaren Verhältnis zum Staate, nach dem, eine der e Lebensbedingungen bildenden Rechte der Selbſtbeſtimmung, nach freiſinnigen Entwicklung der inneren Ordnung auf dem Boden evangeliſcher Gemeindeverfaſſung, unſere Kirche hat im natürlichen Gan ihrer geſchichtlichen Fortbildung dieſe Schritte bereits getan. Hier hande ſich nicht um das Prinzip, um das der Kampf an anderen Orten ſo heiß brennt; wenn an dieſe oder jene Form die beſſernde Hand zu legen Not tut, die Bahn iſt frei. Und wo fo reiche Mittel geſetzlicher Einwirkung auf Unterricht, Schule, Bildung, auf die fittliche Zucht des häuslichen Lebens und der Gemeinde da ſind, da darf, wenn der rechte Geiſt waltet, keine ängſtliche Beſorgnis für die Zukunft die Kraft lähmen. Sie iſt in den weſentlichſten Dingen in unſere Hand gegeben.“

Die Landeskirchenverſammlung iſt nach der Verfaſſung aus den Bezirksdechanten und Kuratoren, dann einem geiſtlichen und weltlichen, Abgeordneten aus jedem Bezirk zuſammengeſetzt, dazu kommen die Mit- glieder des Landeskonſiſtoriums und die Gymnaſialdirektoren (ſeit 1892 auch der Seminardirektor von Hermannſtadt und ſeit 1906 der Direktor der Lehrerinnenbildungsanſtalt in Schäßburg). Ihre Wirkſamkeit erſtreckt ſich auf das Kirchenregiment und die kirchliche Geſetzgebung. Die kirchen⸗ regimentlichen Angelegenheiten wiederholen ſich natürlich zum Teil, die laufenden Angelegenheiten wie Kenntnisnahme der Fondsverwaltungen, Wahlen des Landeskonſiſtoriums uff, kommen periodiſch wieder. Die Akte der Geſetzgebung nehmen die Verſammlung ſeltener in Anspruch).

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Grundlegende Geſetze ſchuf zunächſt die 6. Landeskirchenverſammlung im Jahre 1870, eine Eheordnung, Disziplinarordnung, Schulordnung.

Als Teutſch Biſchof wurde, fand er in bezug auf die Ehe die alte Ordnung vor, die in die reformatoriſche und vorreformatoriſche Zeit hinaufging. Die Ehegerichtsbarkeit war in den Händen des geiſt— lichen Standes, in den Kapiteln urteilten die Kapitularehegerichte über die Eheprozeſſe auf Grund von Carpzow und des kanonischen Rechts, als Oberinſtanz fungierte das biſchöfliche Oberehegericht, deſſen Vorſitzer der Biſchof war, der ſich die Beiſitzer ſelbſt ernannte. Das Hermannſtädter und Burzenländer Kapitel ſchieden die Ehe endgiltig, aus den übrigen Kapiteln mußten die Prozeſſe dem Oberehegericht vorgelegt werden. In den Kapiteln ſelbſt wieder war die Prapis eine verſchiedene, im ganzen ſchieden ſie nicht ſchwer, die unverhältnismäßig große Zahl der Ehe⸗ progeffe, ein Krebsſchaden im Volk, hatte gewiß auch darin ihren Grund. Das Bedürfnis nach einer gründlichen Neuordnung war dringend. Das Landeskonſiſtorium hatte ſchon 1861 Teutſch den Auftrag gegeben, den Entwurf zu einer Eheordnung zu machen. Er war dem Auftrag nach⸗ gekommen und die Arbeit vom Konſiſtorium 1863 in Druck gelegt worden. Doch hatte das Konſiſtorium es vorgezogen, angeſichts der ſchwankenden Verhältniſſe Biſchof Binder alt und in der Landeskirchen⸗ verſammlung und im Konſiſtorium nicht mehr anweſend die Ver— handlung zu verſchieben. Die Landeskirchenverſammlung im Jahre 1868 beſchloß, der Biſchof ſolle bis zur Regelung des Eherechts in der alten Weiſe die Gerichtsbarkeit mit dem Oberehegericht ausüben. So hat denn Teutſch als Vorſitzer des Gerichts, das er zuſammenſetzte, 1867— 1870 des Amtes gewaltet. Im Jahre 1870 kodiftzierte die Landeskirchen⸗ verſammlung das Eherecht, weſentlich auf Teutſchs Vorarbeiten fußend und faßte Beſchlüſſe über die Ehegerichtsbarkeit.

Es waren intereſſante Verhandlungen. Das Burzenland wollte von ſeinem alten Recht (2), die Eheprozeſſe endgiltig zu erledigen, nicht laſſen, Hermannſtadt die Vorlage der geſchiedenen Ehen zur letzten Entſcheidung vor das Oberehegericht nicht zugeben, darum bekämpften die Burzenländer Vertreter die ganze Vorlage und wieſen ſie von vorne⸗ herein ab. Der Dechant des Burzenlandes J. Fr. Philippi, Pfarrer in Tartlau, eine der bedeutendſten Perſönlichkeiten des Burzenlandes, ein zuverläſſiger und charaktervoller Mann, deutete ſogar die Gefahr einer Sezeſſion des Burzenlandes an für den Fall, als die Vorlage angenommen werde. Vor der Abſtimmung ergriff der vorſitzende Biſchof das Wort und trat für die Vorlage ein. Dieſe ſei notwendig; auf dem

Georg Daniel Teutſch. 23

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Gebiet der Eherechtspflege in unſerer Kirche ſei irgend Nirgends kämen ſo viele Eheſcheidungen vor wie bei uns, die haftigkeit unſeres Volkes ſei in Gefahr, wenn nicht Hilfe gebr Die Reorganiſation der Ehegerichte ſei auch ein Mittel. Dieſe unanfechtbar, das Unhaltbare müſſe fallen, der nötige Fo Geiſt der Zeit getan werden. Was die Gefahr der Sezeſſion im land anbelange, ſo vertraue er ſolcher Gefahr gegenüber auf! des Proteſtantismus und auf das in allen Herzen doch der Zuſammengehbrigkeit und das durch die Ereigniſſe des Ta und mehr an die Gewiſſen klopfende Bewußtſein von der Notn dieſer Zuſammengehörigkeit. In der Aufwallung des Augenblickes f man oft ein ſchweres Wort gelaſſen aus, vor deſſen Verwirklichung bei ruhigem Blut zurückbebe. Er habe das Vertrauen, wenn Die der Intelligenz dem Volke ſagten: der Zweck des Geſetzes ſei, die zu heiligen, das Familien- und Eheweſen zu reinigen und zu heben, daß dann auch die Burzenländer aus innerer Überzeugung der L kirche jagen würden: fiat voluntas tua! und wer da mit dem Evan, rufe [Philippi hatte es getan], „was wollte ich lieber, denn es b ſchon“, der möge ſelbſt die Scheiter zuſammentragen und ſchüren reine Flamme der Erkenntnis und der Wahrheit.

Die Vorlage wurde angenommen, ebenſo die neue Organiſation der Ehegerichte. Die Eheordnung hielt die alte Einrichtung unſerer Kirche mit der verbindlichen Kraft der Verlobung bei, nahm unter die Scheidungsgründe unheilbare Geiſteskrankheit und Übertritt eines Ehe⸗ gatten zu einem anderen Bekenntnis auf, ſtrich aber die ſo viel mißbrauchte „unüberwindliche Abneigung“. Die Ehegerichte wurden aus Geiſtlichen und Weltlichen zuſammengeſetzt und eine einheitliche Rechtſprechung angebahnt. Die geſchiedenen Ehen mußten von Amts wegen dem Ober⸗ ehegericht vorgelegt werden, die Appellation ging aus allen Bezirken dorthin. Der große Fortſchritt der Reorganiſation war, daß die Einheit der Kirche auf dieſes Gebiet ausgedehnt wurde, wo bisher viel individuelle Willkür geherrſcht, daß das Laienelement, vor allem die Juriſten bei der Rechtſprechung nun mithalfen, daß in der Tat der Gedanke an die Heiligkeit der Ehe dem Volk auch in den Eheprozeſſen immer wieder vor die Seele geführt wurde. Der Biſchof war von Amts wegen Vor⸗ ſitzer des Oberehegerichts. Deſſen Sitzungen, für die er die einzelnen Prozeſſe immer im voraus außer den Referenten ſelbſt durchnahm, waren ihm ſeeliſch in der Regel ſehr deprimierend. Er fühlte all das Leid und all den Jammer, der dabei zutage trat, tief mit, der viele

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Unverſtand, die Bosheit und Gemeinheit, die ſich in den Einzelfällen zeigten, taten ihm weh. Die Juriſten ſchüttelten zuweilen die Köpfe, wenn der Biſchof beim Verhör die ſeelſorgeriſche Seite hervorkehrte und den Parteien energiſch ins Gewiſſen redete. Gern wollte er auch dieſer Arbeit einen erziehlichen Inhalt geben. Wenn ein Ehepaar oft nach jahrelangem Hader endlich geſchieden wurde, dann verlangte er, ſie ſollten nun vergeben und vergeſſen, was alles geſchehen ſei und zum Zeichen deſſen ſich die Hand reichen. Es war doch oft ein äußerlicher Abſchluß, dem der rechte Inhalt fehlte. Bezeichnete es irgendwo den erſten Schritt zur wirklichen Verſöhnung, ſo war es ihm eine beſondere Freude. Gerade auf dem Gebiete des Eherechts arbeitete er auch wiſſenſchaftlich weiter; die neuen Erſcheinungen und Anſchauungen, die beſonders in Deutſchland fi entwickelten, verfolgte er aufmerkſam. Den Schaden ſelbſt abzu- ſtellen, die vielen Eheprozeſſe zu vermindern, gelang nicht. Man mußte ſich damit tröſten, beſſere Schulbildung, tiefere Einwirkung der Kirche werde es langſam erreichen. In welcher Weiſe er dieſe ganze Aufgabe auffaßte, zeigte ein Erlaß an die Bezirksdechanten aus dem Jahre 1871, der von der Tatſache ausging, daß die neuen Bezirksehegerichte das neue Ehegeſetz vielfach anders handhabten als das Oberehegericht und die Anſchauungen darlegte, von denen das Oberehegericht ſich leiten laſſe. Dabei war wieder der Geſichtspunkt maßgebend, die richterliche Handhabung des Ehegeſetzes und namentlich der Eheprozeßordnung ſoll fittlich erziehend auf die intellektuelle und moraliſche Schwerfälligkeit und Hartfühligkeit einwirken und beitragen, daß zur Schließung der Ehen immer mehr die von Gott gebotene Überlegung und Sittlichkeit mit⸗ wirke; ſie ſoll dort, wo es Not tut, zum Bewußtſein bringen, daß die geichloffene Ehe es mag ein „Unbefangener“, der große Rechtsgelehrte und Rechtslehrer L. Am. Richter ſprechen „eine Stätte nicht bloß des geiſtigen und gemütlichen Behagens, ſondern auch der Übung ſeliger Pflichten, eine Schule des Ernſtes, der Geduld, der Selbſtzucht und der aufopfernden Liebe ſein fol.“ Er hatte die Abſicht „ehegerichtliche Blätter der ev. Landeskirche“ ins Leben zu rufen, die in zwanglosen Heften zum internen Gebrauch bedeutendere ehegerichtliche Fälle mit den gerichtlichen Entſcheidungen und deren Beurteilung enthalten ſollten, die Einheitlichkeit in der Eherechtspflege zu fördern. Zur Ausführung iſt der Gedanke nicht gekommen.

Die 6. Landeskirchenverſammlung von 1870 ſchuf weiter eine Disziplinarordnung, die gleichfalls die Kirche in neuer Einheit zuſammen⸗ ſaßte. Gerade dieſer Erfolg ift nicht gering anzuſchlagen. Darin beſtand

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zum Teil die Durchführung der neuen Verfaſſung, gegei und da auseinanderſtrebenden Elementen, der von Zeit tauchenden Kapitelsherrlichkeit, die neugefundene Einheit der zu machen. A Es gelang der Landeskirchenverſammlung von 1870 u. a. auc dem Gebiet der Schule durch die neue Schulordnung. 3 konſiſtorium hatte, bevor Teutſch Biſchof wurde, ihm auch die dieſer zugewieſen. Nun fiel ſie an Schneider. Auch hier galt es, und Einheit durch ſie zu ſchaffen und die Schule, wie 2 ausdrückte, „den unheilvollen Mächten der Zufälligkeit zu Die Schule ſelbſt iſt im Siebenbürger Sachſenland Schöpfung, ſchon das 14. Jahrhundert findet ſie faſt in j als einen Teil des Organismus des ſächſiſchen Volkes, in dem und politiſche Gemeinſchaft zuſammenfiel. Das Dorf wählte Schulmeiſter, der Pfarrer hatte ein maßgebendes Wort drei Die Reformation, die es beklagen mußte, daß die Schule „in di ungnädigen Zeiten“ vielfach zugrunde gegangen ſei, brachte neues L in fie. Die Kapitel, die alte kirchliche Einteilung, die aus der Kirche in die proteſtantiſche herübergenommen worden war, hatten Die Aufſicht über fie, im großen und ganzen machte jeder Lehrer, was en wollte und der Pfarrer erlaubte. Alle Jahre mußte der erſtere „um die Schule bitten“ und die Übergabe auf ein weiteres Jahr mit einem Mahl bezahlen, das oft das Einkommen des Jahres aufzehrte. Das Einkommen beſtand in den alten Abgaben, die jedes Gemeindeglied zu leiſten hatte, im Schullohn, Korn, Hafer und Wein, daneben 1 Jahr⸗ brot von jedem Wirten und „die Coquin“, die reihum ging, in alter Zeit genügend für die ererbte Anſpruchsloſigkeit der Schulmeiſter. Die Viſitationsartikel von 1818 hatten die alten Rechte und Pflichten der Lehrer in neue Paragraphe gefaßt, die weſentlich das Herkommen und alte Statute kodifiziert hatten, dabei war nicht ausgeblieben, daß der Schulmeiſter ſich die Gehilfen dinge und beide dem Pfarrer bei der Verzehntung in der Ernte und in der Weinleſe zu helfen verpflichtet ſeien. Im Jahre 1821 war die erſte allgemeine Schulordnung für die ganze Kirche geſchaffen worden, die für jene Zeit einen großen Fortichritt bedeutete. Biſchof Neugeboren war der Verfaſſer. Das Schmerzliche war, daß ſie nirgends in ganzem Umfang eingeführt wurde, kaum hie und da ſtückweiſe, für eine beſſere Vorbildung der Lehrer war nicht geſorgt worden und weder Kapitel noch Konſiſtorium kümmerten ſich viel um die Schule. Bei der großen Schulreorganiſation 1850/51 war

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ein neuer Plan für die Seminarien, in denen die Volksſchullehrer erzogen wurden, gemacht und die Vorbedingung für den Fortſchritt in der Schule geichaffen worden; es iſt aus jenen Anſtalten ein neues Geſchlecht von Schulmeiſtern hervorgegangen. Die neue Organiſation der Volksſchulen war immer wieder verſchoben worden; die 6. Landeskirchenverſammlung löſte eben mit der „Schulordnung“ den alten Rückſtand ein.

Dieſe Schulordnung hat zuerſt endlich uns eine einheitliche Schule geſchaffen, in der Plan und Ordnung eine Erziehung ermöglichten. Jede Gemeinde hatte darnach ihre Schule, die nach den Bedürfniſſen des Ortes und der Zahl der Schüler einen Lehrer oder mehrere haben ſollte. Die Mehrzahl unſerer Dorfſchulen iſt 2—4klaſſig, doch haben einzelne Gemeinden auch 6 8Lehrer. Die Volksſchulordnung von 1870 unterſcheidet gewöhnliche und Hauptvolksſchulen, an den letzteren ſollte als Rektor ein Akademiker angeſtellt ſein. Die Schulpflicht umfaßt 8 —9 Jahre, an dieſe ſchließt ſich die Fortbildungsſchule an, die bis zum 18.— 19. Jahr beſucht werden muß. Die Lehrer, die nach einer Reihe von Jahren Hilfsgeiſt⸗ liche und Pfarrer auf kleineren Gemeinden werden können, werden auf Lebenszeit gewählt und vom Presbyterium angeftellt. Die Aufſicht führt der Pfarrer, der ſelbſt Lehrer geweſen ift, dann das Bezirkskonſiſtorium durch einen beſtellten Schulkommiſſär, zuletzt das Landeskonſiſtorium. Die Einführung von Lehrbüchern iſt an die Genehmigung der Behörde gebunden, Lehrerverſammlungen und Bibliotheken wollen die Fortbildung fördern.

Es iſt eine Schöpfung aus einem Guß, die von den ſegensreichſten Folgen begleitet geweſen iſt. Im Zusammenhang damit ift die ganze Amtswaltung Teutſchs eine nie unterbrochene Arbeit geweſen, gerade für die Schule weiter zu ſorgen. Kaum eine Seite des Unterrichtes und der Erziehung, die dabei nicht berührt worden wäre. Daß die Schul⸗ gebäude in ordentlichem Zuſtand ſeien, die Sommerſchulen gehalten würden, die Klaſſifikation eine einheitliche ſei, bildete ebenſo den Gegen⸗ ftand der Verordnungen, wie Turn-, Geſang⸗, Religionsunterricht, Baumſchulen und Fortbildungsſchulen, Schaffung neuer Lehrbücher, Bestimmung über Entſchuldbarkeit und Beſtrafung der Schulverſäumniſse, die Sorge für die Gehaltsbezüge der Lehrer, die Gehaltserhöhungen uff. Dabei wußte er freilich am beſten, wenn er die, auch ihm nur allzu⸗ lange Reihe all der Verordnungen überſah, daß nicht dieſe es ſind, die da Leben geben, ſondern der Geiſt und das Herz, die im Lehrer lebendig ſind. Bei all dieſen Fragen war er immer der alte Schulmeiſter, der Luft und Leid, Anſtrengung und Erhebung dieſes Berufes gekoſtet und

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getragen, wie Einer, dem an der Tüchtigkeit der Schule ein S Tüchtigkeit unſeres Volkes hing.

Der Eindruck der Landeskirchenverſammlung von 1870 we der Kirche ein nachhaltiger. Sie wuchs ſelbſt an dieſer Leiſt iſt ein charakteriſtiſches Bild, das Franz Gebbel von ihr entwa: Landeskirchenverſammlung hat bisher ſolche Rieſenaufgabe gehabt; dennoch war Fleiß und Eifer von Anfang bis zu dauerte vom 17. Februar bis 17. März ſo intenſiv, wie 3—10tägiger Dauer; nur in den letzten 8—10 Tagen wurde gemeine Erſchöpfung fühlbar; ſie äußerte ſich nicht durch Hudeln,

arbeitete darum doch nicht ſchlechter. Die Maſſe des bewältigten N iſt ſo groß, wie ich es niemals für möglich gehalten hätte; die Qu keineswegs tadellos, aber im ganzen gut, nach vielen Richtungen vorzüglich und höchſtens in untergeordneten Dingen ungenügend. giltiges iſt nicht geſchaffen worden aber Gutes. Der Ton der 2 ſammlung war ein vorwiegend geſchäftsmäßiger, ſtellenweiſe, ſo bei Frage der Organiſation der Ehegerichte, der Reviſion von Amts 55 der Organiſation der Seminare hob er ſich, ſo zwar, daß ich ernſtere,

ſachlichere, tiefere Debatten hier noch nie gehört habe. Dabei iſt nicht zu leugnen, daß die Geiſtlichen die Weltlichen um Turmeshöhe überragen; wohl nicht nur deshalb, weil es die beſten Kräfte ſind, die ſich dem Lehrſtand zuwenden, ſondern auch weil den Geiſtlichen keine Abzugs⸗ kanäle für ihre Spitzen nach Ofen und anderwärts zu Gebote ſtehen. Teutſch hat ſeine Sache im ganzen ſehr gut gemacht; ſeinem natürlichen Pathos auferlegte er die nötigen Dämpfer, leitete die Verhandlungen beſſer als 1868 und wußte ſich, mit wenigen Ausnahmen, ftörender Herbheiten zu enthalten. Müller erwies ſich als den bedeutendſten Denker und den zweitbeſten Redner der Verſammlung. Joſef Schneider hat wiederholt mit einer Energie, charaktervollen Tiefe, logiſchen Durchſichtigkeit und erwärmender Würde geſprochen, wie ichs einſt von ihm erwartete und ſo lange enttäuſcht vermißte; er war als Vikar aufgelegt, wollte aber unbedingt austreten; ſein Scheiden iſt mir geradezu ſchmerzlich. Fuß Miſch hat ſich jo bedeutend, ſo geiſtvoll, jo honett gegeben wie nie zuvor, er war nach Schneiders Austritt der beſte unter den möglichen Vikaren. Obert Franz gab einige Volksreden mit bedenklichem Schwulſt zum beſten; letzterer imponierte indefjen manchem Schwachkopf. Bedeus war mehr als einmal in ſeiner Art trefflich aber wenig wirkſam. Libloy hatte nur ſelten glückliche Momente, Löw nie, Laſſel Auguſt half nach

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Kräften. Käſtner ſchwieg. Moritz Conrad redete viel, je mehr, zu ſeinem deſto größeren Schaden; ſeine am Tage liegenden Anſtrengungen, ſich ein Vertrauensvotum zu erſchwindeln, wurden zu Schanden.“

Über Biſchof Teutſch ſchrieb Gebbel: Teutſch hat beinahe aus- nahmslos die Erwartungen glänzend gerechtfertigt, die an jeine Wahl geknüpft wurden!

Die Landeskirchenverſammlung von 1870 reihte ſich ebenbürtig an die beiden großen erſten von 1861 und 1862 an. Was ſie u. a. auf dem Gebiet des Schulweſens begann, das iſt ſpäter fortgeführt worden. Insbeſonders trat die Frage nach der Heranbildung der Lehrer für die Volksſchule nicht mehr von der Tagesordnung ab.

Der Biſchof legte gerade hierauf großen Wert. Die Sache ſelbſt und das Urteil der Kirche machte ſeit 1867 große Wandlungen durch. Wiederholt iſt die Landeskirchenverſammlung mit ihr beſchäftigt geweſen.

Urſprünglich hatten die Volksſchullehrer einen Teil des Gymnaſiums beſucht und es hat viele gegeben, die nur, wie der Lehrjunge beim Meiſter, als Diskantiſten und Kantoren bei einem Schulmeiſter in der Lehre waren. Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts begann die Kirche die Pflicht zu fühlen, auch für die zukünftigen Volksſchullehrer beſonders vorzuſorgen, da tauchte der Name Seminar zuerſt in der Bedeutung auf, in der wir es gebrauchen, als Erziehungsanſtalt für die Volks⸗ ſchullehrer. Der Lehrplan von 1821 reſp. 1834 zweigte es vom Gymnaſium ab, doch wurde die Anſtalt nirgends vollſtändig organifiert. Die vorzügliche Seminarorganiſation von 1851 wurde aus Mangel an Mitteln auch nirgends völlig durchgeführt, ſo daß die Landeskirchenverſammlung 1870 auch für das Seminar eine neue Grundlage ſchaffen mußte. Es ſtellte ſich als nötig heraus, das Niveau der Anſtalten, für deren Unterbau 1870 die zwei erſten Klaſſen des Untergymnaſiums und der Unterreal⸗ ſchule als genügend angeſehn wurden, zuletzt durch Aufſetzung auf das Untergymnaſium zu heben. Teutſchs Stellung zu dieſer Frage war durch die Tatſache beſtimmt, daß auch ein Teil der Geiſtlichen und die Land- prediger aus dieſen Anſtalten hervorgingen und er beſonderen Wert auf die beſſere theologiſche Schulung der Seminariſten legte. Mit Rückſicht auf den geiſtlichen Beruf und beſtimmt durch das, was er dem Studium der lateiniſchen Sprache verdankte, trat er allen Einwendungen gegenüber bei jeder Gelegenheit für das Latein im Seminar ein und ſo wurde und blieb es Lehrgegenſtand. Früher war mit jedem Gymnaſium auch ein Seminar ver⸗ bunden geweſen. Als Rektor in Schäßburg hatte er die dortige Anſtalt geleitet, an 60 Schüler waren darin, faſt alle zugleich Interniſten. Die erziehende Macht

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eines gut geleiteten Internats hatte er dabei kennen gelernt. und nicht ohne inneres Leid trat er dem Gedanken näher, in eine große Anſtalt zu konzentrieren und die äußerlich und i den Zeitanforderungen nicht mehr entſprechenden Anſtalten aufh helfen. Freilich war der Gegenſatz gegen dieſe Abſicht a allgemein. Allgemeine Rückſichten und lokale Intereſſen fielen in die Wagſchale. Es kam in der 8. Landeskirchenverſammlung der ſeltene Fall vor, daß alle Anträge, die in der Seminar geſtellt wurden, abgelehnt wurden. Einige Jahre ſpäter gelang es, das Hermannſtädter Seminar in die unmittelbare Aufficht des konſiſtoriums zu übernehmen, 1878 wurde die Anſtalt in dieſer neu organiſiert und auch örtlich vom Gymnaſium getrennt. Der un und perſönliche Einblick in die engen Verhältniſſe der in einem Pri untergebrachten Anſtalt, trugen mit dazu bei, daß Teutſch ein entſchiedener Vertreter der Anſicht wurde, es ſei kein Heil, bis eine große, den Anſprüchen der Gegenwart genügende Zentralanſt Hermannſtadt geſchaffen werde. Bis es dazu kam, ließ das Lande konſiſtorium das Innerleben der Anſtalten nicht aus dem Auge förderte es, ſoweit es durch Verordnungen möglich war. Eines auch hier erreicht, die Anſtalten waren nicht mehr ſich ſelbſt überla 5 ſondern in unſer geſamtes Schulleben eingefügt und die Oberbehörde kümmerte ſich um ſie. Schwerer noch als in der Seminarfrage war der Kampf in der Landeskirchenverſammlung von 1880 um das Intervall in der Kirche, d. i. um den Zehntrentenanteil, der auf die Zeit der Erledigung eines Pfarramtes entfällt. Seit der Zehntablöſung und der neuen Kirchen⸗ verfaſſung, die bei der Wahl der Pfarrer einen Vorgang feſtſetzte, nach dem die Beſetzung bei ordnungsmäßigem Verlauf 3 —4 Monate dauern konnte, war die Frage über die Verwendung des Intervalls auf der Tagesordnung geſtanden. Die Landeskirchenverſammlung ſelbſt hatte wiederholt ſich damit beſchäftigt. Tatſächlich hatten die Kapitel fich dieſe Intervalle angeeignet und zum großen Teil für Errichtung von Witwen⸗ fafjen oder ähnliche Zwecke verwendet, viel war auch einfach unter die Kapitelsbrüder als Entlohnung für die Dienſte in der Zeit der Sedisvakanz verteilt worden. Teutſch kam zur Überzeugung, daß hier ein Unrecht vor⸗ liege und daß es unverantwortlich ſei, das auf dieſe Weiſe vielfach nutzlos verwendete Geld nicht für dringendſte Bedürfniſſe der Kirche flüſſig zu machen. Er ſuchte nach feiner Art der Frage hiſtoriſch beizu⸗ kommen. Die eingehenden archivaliſchen Studien über die Intervallfrage,

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die ihm vom hiſtoriſchen Standpunkt außerordentlich intereſſant waren und die ein neues Gebiet unſeres Kirchenrechts friſch erſchloſſen, führten ihn zum Ergebnis, daß die Kapitel an dem Intervall gar kein Eigen- tumsrecht hatten, daß ſie ſich nur in hiſtoriſch nachweisbarer Zeit als Inhaber des Kirchenregiments in den Beſitz des Intervalls geſetzt und dafür keine rechtliche Begründung vorliege. Der tatjächliche Urſprung und die rechtliche Natur des Intervalls machten eine geſetzliche Regelung unabweisbar. Nach unſerem Kirchenrecht könne das nur die Landeskirchenverſammlung, die das unbeſtreitbare Recht dazu habe. So ſchlug denn das Landeskonſiſtorium auf des Biſchofs Antrag vor: das Intervall, nach Abzug der Koſten für Führung des Pfarramts in der Zeit der Erledigung, ſei zu verwenden zur Unterſtützung der Pfarrerswitwen und zur Aufbeſſerung unzureichender Pfarrdotationen in der ev. Landeskirche. Zu letzterem Zweck ſei ein Fond unter der Verwaltung des Landeskonſiſtoriums zu bilden.

Gegen dieſe Vorlage erhob ſich in der Landeskirche ein großer Sturm. H. Wittſtock von Heltau und D. Kraſſer von Großpold, die alten Freunde Teutſchs, waren die Rufer im Streit und die Kapitel mobiliſierten. Es kommt immer wieder vor, daß abſterbende und abge— ſtorbene Inſtitutionen vor dem letzten Ausatmen noch einmal tun, als ob ſie lebendig wären und ein traumhaftes Daſein für kurze Zeit beginnen. So hier die Kapitel. Dadurch aber ſpitzte ſich die Frage zu einer großen Rechtsfrage zu. Die Kapitel behaupteten nicht bloß, fie ſeien die Bezugs⸗ berechtigten und ſeien nicht nur infolge des kirchlichen Jurisdiktions⸗ rechts im Beſitz des Intervalls, ſondern ſie beſtritten das Recht der Landeskirchenverſammlung über das Intervall zu entſcheiden und wollten, es ſolle durch Verhandlungen mit den Kapiteln, eventuell mit den Gemeinden die Landeskirchenverſammlung das Verfügungsrecht erwerben, ein Weg, der rechtlich und praktiſch völlig undenkbar war; im übrigen waren fie bereit, einen Teil der Geſamtkirche zur Aufbeſſerung der ſchwachdotierten Pfarreien zu überlaſſen. Schon vor dem Zuſammentritt der Landeskirchenverſammlung war der Streit ein heftiger, in den Kapiteln, in den Bezirkskirchenverſammlungen, in der Publiziſtik. Kraſſer ſchickte an die Kapitel ein Zirkular, das der Biſchof als eine Organiſierung des Kampfes auf verfaſſungswidrigem Boden anſah und dem Verfaſſer ſchwer verhob, wofür der Hermannſtädter Kapitelsdechant C. Harth dem Hermannſtädter Stadtpfarrer Fr. Müller eine Rüge erteilte, weil er gegen die Kapitelsbeſchlüſſe ſich für die Landeskonſiſtorialvorlage erklärte und in der Landeskirche erzählten ſie das grimmige Wort: nur zwei

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Männer hätten es gewagt, den ſächſiſchen Zehnten anzugreifen, G Bathory und Biſchof Teutſch.

In der Landeskirchenverſammlung ſelbſt übernahm Vertretung der Konſiſtorialvorlage und überließ das P g Superintendentialvikar M. Fuß. Es ift unvergeſſen geblieben, Dreiundſechzigjährige mit jugendlicher Friſche den Kampf auf im Frack, wie es früher Sitte war, wie zu einem Feſt in der erſchien und nachdem die lange Reihe der Gegner ihre Gründe hatte, nun ſelbſt begann: „Poseimur! Dieſes Wort des alten Sängers vernehme ich denn. Man fordert mich, die Pflicht folge.“ Und nun entwickelte er in großangelegter Rede, in geſamte hiſtoriſche Rüſtzeug verarbeitet in jedem Augenblick Verfügung ſtand, hie und da mit tiefen, gemütvollen Klängen Erinnerung an alte Zeiten, wie er das meiſterhaft konnte, die Hifton die rechtliche, die praktiſche Grundlage der Vorlage, wies alle Ein zurück, um zum Schluß zu zeigen, daß der zwanzigjährige Bau Kirchenverfaſſung, der vielgerühmten, mit einem Schlag in Tri geſtürzt würde, wenn man der Landeskirchenverſammlung nicht Recht zuſpreche, über das Intervall zu entſcheiden und ſchloß mit einem ſcharfen Ausfall gegen das Biſtritzer Kapitel, das „feierlichſt Verwahrung“ gegen dieſe Löſung eingelegt, „weil das die Würde des geiſtlichen Standes erfordere“: „Ich finde nirgends, daß die geiſtliche Würde an die Träger des geiſtlichen Amtes den Gegenſatz gegen die Verfaſſung der eigenen Kirche und Hinwegſetzung über die geſetzlichen Beſchlüſſe, der oberſten Kirchenvertretung verlangt oder verlangen kann. Noch, nachdrücklicher aber muß ich darauf hinweiſen, daß es geradezu unrichtig und mir unbegreiflich, was das Biſtritzer Kapitel in derſelben Erklärung ungeſcheut hat drucken laſſen, daß jedem ev. Geiſtlichen unſerer Kirche bei der Ordination die Wahrung und Förderung der auf ihn übertragenen Standes- und Amtsrechte auf das wärmſte an das Herz gelegt wird‘, In einer proteſtantiſchen Kirche! Es wird wohl genügen, wenn ich erkläre, daß das in unſerer Kirche nicht der Fall iſt, wie der Amtseid der Ordinierten beweiſt.“

Mehrere Tage wogte die Debatte hin und her, denn leider kommt heutzutage zu allen Verſammlungen die Mehrzahl der Vertreter ſo oft nicht um ſich überzeugen zu laſſen, ſondern um die fertige Meinung zu vertreten. Wiederholt ergriff Teutſch das Wort. Es zeichnet den ganzen Gang der Debatte und zugleich die Rhetorik Teutſchs, was er im Schluß- wort der Öeneraldebatte ſagte: „So hat denn auch in dieſer Verhandlung

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das alte dogmatiſche Wort von der ecclesia militans ſich erfüllt. Ich darf wohl hoffen, wie ich es wünſche, daß, da doch aller Kampf nur den Frieden zum Ziel hat, auch das rechte Friedenswort einmal in alle Herzen und Gemüter Einzug halten wird. Wenn ich aber den Gang der Verhandlung überſehe und das Ergebnis des Kampfes um wieder an die Anſchauung des Kronſtädter Herrn Abgeordneten von geſtern anzuknüpfen ins Auge faſſe, jo ift die Poſition der Kapitel und des Majoritätsgutachtens ohne Zweifel genommen. Die Mauern des Eigentums» oder Beſitzrechts auf den Zehnten, die jene aufzurichten und zu verteidigen ſich bemüht, ſind zuſammengeſtürzt; die Palliſaden, die ſie aus dem dürren Walde der Verjährung im letzten Augenblick um den wankenden Mauerring herzuſtellen verſucht, haben die Kämpfer ſelbſt aufgegeben und der Graben, den mitten im Rauch und Getümmel der Schlacht der Herr Abgeordnete von Schenk an der Stelle jener mit den Paragraphen des allgemeinen bürgerlichen Geſetzbuchs über den Beſitz zu ziehen verſuchte, hat ſich jo ſeicht erwieſen, daß die von dem geehrten Mitglied hier zur Rechten raſch gehauenen Faſchinen ihn ſofort ausfüllten und die unter feiner ſturmkundigen Leitung vorgehende Schar die Breſche gangbar gefunden hat. Die ganze ſo feſt geglaubte Burg iſt zerfallen, iſt zu einem eiteln Luftgebilde geworden, das die harte Prüfung der Wirklichkeit nicht aushält und zurückweicht, wo man nach ihm greift.“ Und nach einigen weitern ſachlichen Ausführungen ſchloß er: „Ich teile vollſtändig die hohe Achtung, die der geiſtliche Herr Abgeordnete von Hermannſtadt vor dem hiſtoriſchen Boden und vor dem hiſtoriſchen Recht ausgeſprochen hat. Es iſt mir das aus der Seele geſprochen. Ja „hier ſind die ſtarken Wurzeln unſerer Kraft; dort in der fremden Welt ſtehn wir allein, ein ſchwankes Rohr, das jeder Sturm zerknickt.“ Auch ich, auch das Landes⸗ fonfiftorium find der feften Überzeugung, daß Organiſches, Lebensfähiges, Dauerndes ſich nur in geſchichtlicher Entwicklung vom hiſtoriſchen Boden aus herausbilden kann. Aber die Vorlage des Landeskonſiſtoriums ſteht ja eben auf einem ſolchen hiſtoriſchen Boden im eminenteſten Sinne. Der Kampf der Kapitel für die Intervalle iſt ein Kampf für die Erhaltung von Sinekuren; das iſt keine rechte hiſtoriſche Entwicklung. Die Vorlage des Landeskonſiſtoriums aber ſtellt ſich auf jenen gott⸗ geſegneten hiſtoriſchen Boden, auf dem die reformatio ecelesiarum Saxonicarum ſtand, ſtellt ſich mit Bewußtſein in den großen lebendigen Fluß jener hiſtoriſchen Entwicklung, aus der die große Organiſation unſerer Kirche von 1861 und 1862 hervorgegangen iſt. Da kann die Wahl nicht zweifelhaft ſein.“

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Die Landeskirchenverſammlung nahm die Vo 17 Stimmen als Grundlage der Beratung an und b f des Intervalls ſei den Kirchenbezirken zu überweiſen zur für die Führung des Pfarramts in der Zeit der Erledigun ſtützung von Pfarrerswitwen und -Waiſen, zur Fördern dürfniſſe der erledigten Pfarreien, die andere Hälfte ſei zur ſchwachdotierter Pfarreien in der Landeskirche zu verwenden, ein Fond unter der Verwaltung des Landeskonſiſtoriums auch der letzte Anhaltspunkt für die Kapitel auf Eigen falle, wurde die Auszahlung der Rente den Kapiteln ab den Bezirken übertragen. Die Kirche hatte die Freude, daß der Fond 1893 faſt 27.000 fl. beſaß, ebenſoviel war den Bezirken z Teutſch aber war es eine beſonders liebe und tröſtliche E von der Gegnerſchaft in dieſer Frage kein Bodenſatz zurückblieb. Landeskirchenverſammlung, die Wittſtocks Anſchauung verwor wählte ihn ins Landeskonſiſtorium und er ſtellte ſich unver Reihe der Mitarbeiter unter des Biſchofs Führung und Kraf Großpold ſchickte dem alten Freund nach Hermannſtadt nach mit fließenden Knüttelverſen aus dem Pfarrersgarten im H reifenden Pfirſiche und Birnen als Gruß von Haus zu Haus.

Dieſe Landeskirchenverſammlungen ſind überhaupt, ſeit ſie zum erſtenmal zuſammentraten, für Volk und Kirche von unſchätz Bedeutung geweſen. Es iſt keine auseinander gegangen, ohne das Gef der Zuſammengehbörigkeit geſtärkt zu haben, ohne den Mut auch in zagenden Herzen neu belebt zu haben. Dazu hat der Biſchof in erſter Reihe beigetragen. Das war ja eine Stärke ſeines Weſens, daß er auf⸗ richten, ſtärken, ermutigen konnte, die Seelen hob, die mit ihm in Berührung traten. Ein deutſcher Freund (G. Thomas in München) ſchrieb von ihm das ſchöne Wort, ſein Erſcheinen ſei ihm geweſen „wie Maienlicht auf grüner Flur“ und gerade in ſolchen Tagen empfanden alle, was Heinze ſpäter bei feinem Tode ausſprach: „Wohin er den Fuß ſetzte, gewann er die Herzen, wenn er den Mund öffnete, erhob er die Geiſter, woran er die Hand legte, dem drückte er den Stempel der Weihe auf.“ Bei dieſen Verſammlungen unterließ er nie, mit den Einzelnen in perſönliche Be⸗ ziehung zu treten; in kleineren Gruppen lud er fie zum gaſtlichen Tiſch und manche dauernde Anregungen ſind von jenen Stunden ausgegangen. Es tat ihm leid, daß es nicht anging, die Abende mit den Abgeordneten im Gaſthaus zuzubringen, da ihm die Stellung ſolches verbiete; früher war ihm das eine Erhebung geweſen. Jetzt ließ er ſich wenigſtens erzählen,

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wie um die Freunde Fuß, Schiel, Müller, Budaker, Brandſch und Wittſtock die ernſte und frohe Runde ſich zuſammenſchloß und lachte von Herzen über die Federzeichnungen des geiſtvollen A. Schullerus, wo jeder einzelne Abgeordnete charakteriſtiſch wiedergegeben war, oft nur an dem, wie er das Haar trug, und über die Satyre, die derſelbe in die Sixtiniſche Madonna hineingelegt, wo der Biſchof als Madonna die Kirchenverfaſſung auf dem Arm trug, Müller und Brandſch zu ſeiner Rechten und Linken knieten und S. Schiel und St. Kelp als Englein die Augen zum Biſchof aufſchlugen.

Am inneren Aufbau half neben der Landeskirchenverſammlung des Landeskonſiſtorium treulich mit. Keine Seite des Innerlebens in Kirche und Schule iſt unbeachtet geblieben. Nicht alles, was da geſchah, iſt vom Biſchof ſelbſt ausgegangen, gefördert hat er alles. Neben die Volks⸗ ſchule gehörte in erſter Reihe das Gymnaſialweſen dazu, deſſen Referat er lange Zeit auch als Biſchof ſelbſt hatte, bis es an Fr. Müller über⸗ ging, der insbeſonders bei der Überführung in die neuen Verhältniſſe des ungariſchen Mittelſchulgeſetzes ſich das Verdienſt erwarb, dieſen Übergang ohne Erſchütterungen zu ermöglichen.

Unſere Gymnaſien ruhten ſeit 1850 auf dem öſterr. Organiſations⸗ entwurf, an deſſen Einführung einſt Teutſch hervorragenden Anteil gehabt. Auf dieſem Grunde wurde weiter gebaut. Auch hier wurde zunächſt die äußere Einheitlichkeit gefördert, indem Gleichmäßigkeit in bezug auf Klaſſifikation, Zeugniſſe uff eingeführt wurde. Aber auch das innere Leben fand eingehende Beachtung. Anfangs wurde der Gedanke einer eingehenden Reorganiſation der Gymnaſien erwogen, allerdings auf Grund des Organiſationsentwurfs und dabei an die Errichtung eines 9. Jahrgangs gedacht; doch kamen die Pläne über Vorbereitungen nicht hinaus, die u. a. in Gutachten beftanden, die von den Konferenzen eingeholt wurden, da der fortwährende Kampf um die Grundlagen der Autonomie in Kirche und Schule und vor allem das ſtets drohende ſtaatliche Mittelſchulgeſetz

tiefeinfchneidende Anderungen nicht ratſam erſcheinen ließen. So mußte man ſich mit einzelnem begnügen. Im Jahre 1875 wurde die magyariſche Sprache als obligater Unterrichtsgegenſtand ins Gymnaſium und in die Realſchule eingeführt. Im Jahre 1877 wurden die dreiklaſſigen Real⸗ chulen aufgehoben und teils in vierklaſſige, teils in Bürgerſchulen umge“ wandelt. An jenen Gymnaſien, die keine Oberrealſchulen neben ſich hatten, ſollte die Möglichkeit geboten werden, für diejenigen Schüler, die ſich einem techniſchen Berufe zuwenden wollten, jtatt der griechiſchen Sprache ausgiebiger Mathematik, Zeichnen und Chemie zu lehren, doch

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ift dieſes praktiſch wenig benützt worden. Von beſonderem daß der Superintendentialvikar zur Viſitation der Gymnaſten wurde und durch dieſe perſönliche Beziehung des Land zu allen Anſtalten eine neue Zuſammenfaſſung und vielſeitige möglich wurde. Teutſch ſelbſt hat die Gymnaſien bei den Ger viſitationen eingehend viſitiert. Sie erſchienen ihm ſoſehr als Säulen unſeres kirchlichen und nationalen Lebens, daß es ihm weh tat, wenn er zu bemerken glaubte, es gehe nicht vorwärts da und jedesmal hocherfreut, wenn er den alten idealen Lehrern und Schülern wiederfand. Im Jahre 1869 war er Luſtrierung des Kronſtädter Gymnaſiums auch anweſend. Trotz facher Anregung hatte er doch den Eindruck, daß dieſe Form der Vi nicht mehr recht paßte, und das um ſo weniger, als die S Viſitationen bald ein Übermaß hatten, da zu dem konfeſſionellen Kom auch noch der ſtaatliche hinzukam. Die neue Form gegenſeitiger 8 fand ſich in den vom Konſiſtorium zuſammenberufenen Kon die dreimal tagten, zweimal Mittelſchulkonferenzen und eine Volk konferenz. Allen präfidierte der Biſchof. .

Die erſte Mittelſchulkonferenz fand vom 16.—19. Mai 1883 in Hermannſtadt ſtatt. Die Beratungsgegenſtände waren: die Aufgabe des Religionsunterrichtes an unſeren Mittelſchulen und die Mittel, ſie entſprechend zu löſen; Zweck und Ziel des deutſchen Unterrichts an unſeren Mittelſchulen. Wie zu erreichen? Zweck und Ziel des magyariſchen Unter⸗ richts an unſeren Mittelſchulen. Wie zu erreichen? Die Wahl der Themen war keine zufällige, die Beratung außerordentlich eingehend und die gewonnenen Reſultate nicht vergebliche. Die zweite Mittelſchulkonferenz tagte vom 24.— 27. Mai 1886 und beriet über die Methodik des lateiniſchen und griechiſchen Sprachunterrichts mit Rückſicht auf den veränderten Lehrplan am Gymnaſium, dann Feſtſtellung einer einheitlichen, grammatiſchen Terminologie; weiter über die Aufgabe und zweckmäßige Einrichtung der Seminarübungsſchule. Es handelte ſich bei der Methodik des klaſſiſchen Sprachunterrichts vor allem auch um Stellungnahme gegenüber der „Perthesſchen Methode“, worüber die Debatte höͤchſt intereſſant geführt wurde und die Anhänger der neuen Methode in der Minderheit blieben. Die Hauptſache war auch hier, daß dauernde Anre⸗ gungen gegeben und empfangen wurden und die perſönliche Berührung all der Teilnehmer ihre Lebens- und Arbeitsfreude vielfach ſtärkte.

Ein Zeichen für die neue Stellung der Volksſchule war die Zuſammenberufung der erſten Volksſchullehrerkonferenz 12. 15. Juni

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1889. In den Begrüßungsworten ſprach der vorſitzende Biſchof vom gemeinſamen Arbeiten auch der Lehrer: „Wir Alteren wiſſen noch davon zu erzählen, wie vor nicht gar langer Zeit jede Volksſchule tatſächlich eigentlich eine Anſtalt für ſich war, von der der Nachbargemeinde vielleicht in weſentlichſten Dingen verſchieden, deren Lehrer ſich nur ſahen, wenn fie die Amtsbriefe über Berg und Tal trugen, oder am nebelgrauen Herbſtmorgen auf der Hattertſcheide den Dachs gemeinſam aus ſeinem Bau trieben, ja wo an einer und derſelben Schule die Lehrer oft kaum mehr Gemeinſames hatten als die gemeinſame Amtstracht, im übrigen vereinzelte, für ſich alleinſtehende, organiſch kaum verbundene, Schule haltende, oft auch nicht haltende Individualitäten, die mit Sorge dem nächſten Bartholomäustag entgegenſahen, wo ſie den unſteten Fuß vielleicht flüchtig wieder weiter ſetzen mußten.

„Wie hat ſich das alles doch zum Beſſern geändert!“

Die Beratung erſtreckte ſich auf die beiden Themen: die Aufgabe des Religionsunterrichtes in unſeren Volksſchulen; Umfang und Lehrgang desſelben für die 1—5 klaſſige Volkschule; die namentlich auch in dem Lehrer liegenden Bedingungen des Unterrichtserfolges ſowie die anderweiten Mittel, jene Aufgabe entſprechend zu löſen, ſodann Aufgabe und Lehrgang des deutſchen Unterrichts in unſerer Volksſchule, die namentlich auch in dem Lehrer liegenden Bedingungen des Unterrichtserfolges.

Die Teilnehmer nahmen auch von hier dauernde Eindrücke mit, insbeſonders die Volksſchullehrer auch vom Biſchof ſelbſt, der ſie zu Tiſche lud, mit den Einzelnen, die er ja wieder alle von früher her perſönlich kannte, verkehrte und auch in den Verhandlungen wiederholt warm zum Herzen ſprach. Er ſchloß die Verſammlung mit dem Wunſche, „daß Ihr ſpäteres Leben getragen werde immer von idealer Auffaſſung des Lehrer⸗ berufes, und daß die daraus fließende Berufsfreudigkeit, Begeiſterung und innere Beglückung Sie fort und fort ſegne“.

Beſondere Schwierigkeiten erwuchſen unſern Gymnaſien durch das Mittelſchulgeſetz von 1883. Der Lehrplan mußte neu geſchaffen werden, das Griechiſche aus dem Untergymnaſium weggelaſſen, das Magyariſche ausgiebiger berückſichtigt werden. Die ſtaatliche Oberaufſicht machte ſich mehr geltend und die ſelbſtändige Entwicklung der Gymnaſien war vielfach unterbunden und gehindert. Es galt von unſerer Seite feſtzuhalten, daß die Anſtalten konfeſſionelle ſeien und daß fie deutſch blieben. Gerade das letztere wurde vielfach angefeindet. Eine neue Aufgabe erſtand dem Konſiſtortum, bei der wachsenden Beanſtandung der deutſchländiſchen

Leh

Lehrbücher für neue aus unſerer Mitte zu ſorgen. Eine Anzahl

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derſelben: Orendi für Ethik, Werner für vaterländiſche Geog Geſchichte, J. Wolff Deutſches Leſebuch verdanken ihre der unmittelbaren Anregung Teutſchs. Gerade die In Mittelſchulen zeigte, wie ſie ein Glied in der nationalen ihre Erhaltung eine nationale Aufgabe. Teutſch empfand schmerzlich, daß die Gymnaſien nicht mehr jo wie früher allen 9 genügen konnten, daß insbeſonders der ſtädtiſche Handwerker, der f Bürger, eine andere Vorbildung brauche. Die Landeskirche ſch eine Organiſation für ſtädtiſche Bürgerſchulen. Doch kam man über Anſätze nicht hinaus. 2 Am tiefſten war der Schnitt, den das Mitelſchulgeſez Vorbildung und in die Prüfung unſerer Kandidaten machte. Kirchenverfaſſung mußte jeder Kandidat ſich für das Leh Gymnaſium oder der Realſchule, für ein beſtimmtes Fach und für die Theologie vorbereiten, und zwar durch dreijähriges davon 2 Jahre in Deutſchland. Der Kandidat mußte dann a Fach die Lehramtsprüfung und ſpäter die theologiſche Prüfung beides vor einer vom Landeskonſiſtorium beſtimmten Kommi deren Vorſitzer ſeit der Einrichtung dieſer Prüfungsart (1862) Teu war. Von Zeit zu Zeit entſtand, vor allem in Kronſtadt, der Ver die Verpflichtung der theologiſchen Prüfung abzuſchütteln, und de . Freigebung zu verlangen. Der Biſchof iſt jedesmal mit der ganzen Wucht ſeiner Perſönlichkeit und ſeines Amtes dagegen aufgetreten. Er ſah vor allem auch eine Gefahr für die Gymnaſien dabei, wenn der Lehrer nicht mehr in den Dienſt der Kirche treten könne und die Gymnaſien Kollegien von Invaliden hätten. Insbeſonders nach dem Mittelſchulgeſetz lag es nahe, an die Trennung von Kirche und Schule zu denken. Denn nun ſollte der Kandidat vier Jahre ſtudieren, u. zw. ein Jahr in Ungarn und die Fachprüfung von 1893 an in magyariſcher Sprache vor der ſtaatlichen Kommiſſion ablegen, wobei dort von vorne⸗ herein das Beſtreben vorhanden war, durch geſteigerte Forderungen des Fachs das Studium der Theologie einzuſchränken. Teutſch hielt feſt, die Verbindung müſſe zunächſt bleiben. Zu dem Zweck wurde da die Lehr⸗ amtsprüfung der Kirche völlig genommen wurde die theologiſche Prüfung ein wenig anders eingerichtet, eine Prüfung aus deutſcher Literatur dazu gefügt und alles getan, um den Beſuch der deutſchen Hochſchulen für uns auch weiterhin offen zu halten. Er ſah darin mit Recht eine Lebens- wurzel unſerer Kraft. Ihm ſchien, als ob die Tatſache, daß der Gym⸗ naſiallehrer auch Theologe ſei, dieſen Beſuch in erſter Reihe garantiere.

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Gerade die theologiſchen Prüfungen aber ließen Teutſch erkennen, daß die Arbeit zur Hebung des religibſen Lebens auch beim theologiſchen Studium einſetzen müſſe. Es war eine eigentümliche Entwicklung, die unſere Kirche im letzten Menſchenalter durchgemacht hatte. Mit der neuen Kirchenverfaſſung und den geſteigerten Forderungen der Lehramts- prüfung, der erhöhten Bedeutung, die man den Gymnaſien beilegte, dem Aufſchwung, den die wiſſenſchaftlichen Beſtrebungen damals unter uns fanden, hing es eng zuſammen, daß das Studium für das Fach das theologiſche Studium in den Hintergrund drängte. Bis zum Jahre 1862 hatten wir Theologen, die nach Anlage und Neigung bald mehr bald weniger auch für das Lehramt und die fachwiſſenſchaftliche Ausbildung auf der Univerſität gearbeitet hatten; jetzt kehrte ſich das Verhältnis völlig um. Die ſinkende Neigung für das theologiſche Studium fand eine weitere Erklärung oder gern geſuchte Entſchuldigung in der in größern Kreiſen hier überhandnehmenden Anſchauung, daß der Geiſtliche, wenn er nur ſonſt ein tüchtiger und verſtändiger Mann ſei, ſpeziell Theologiſches nicht viel brauche. Dazu kam ein Anderes. Die Kirche war die auf dieſe Weiſe neuorganiſierte Volksgemeinſchaft. Die nationale Seite, die Erhaltung des Volkes in ſeiner hiſtoriſch gewordenen Eigenart, war auch hier in den Vordergrund gerückt. Da verlangte man vom Geiſtlichen, er ſolle überall an der Spitze des Fortſchrittes in ſeiner Gemeinde ſtehn, ſie wirtſchaftlich vorwärts bringen, bei den Wahlen ſie bei der Volks⸗ gemeinſchaft halten, die politiſche Führung auf ſich nehmen. Aus dieſer Entwicklung erſtanden uns jene Pfarrer, die auf allen landwirtſchaftlichen und politiſchen Verſammlungen das große Wort führten, aber ſich mehr in der Wechſelwirtſchaft und der Fruchtfolge auskannten als in der Bibel und in der menſchlichen Seele, achtungswerte Männer, aber alles andere nur nicht Pfarrer. Teutſch ſah dieſe Entwicklung mit großem Leid. Er trat ihr entgegen wo er konnte. Zuerſt in der theologiſchen Prüfung ſelbſt, deren Forderungen immer ernſter genommen wurden; man empfahl den Kandidaten Literatur und gab ihnen Fingerzeige für die Vorbereitung. Dann überall, wo ſich ſonſt Gelegenheit dazu ergab, bei Viſitationen und Ordinationen, im Verkehr und im Amt. Der Zugang ins Pfarramt mußte erleichtert werden, da die wirtſchaftlichen Verhältniſſe ſich jeit 1862 jo ſehr geändert hatten. Damals verlangte die Verfaſſung 15 Dienſtjahre für die höchſten Renten und keine Dienſtjahre für eine Rente von 300 fl., die Dienſtjahre wurden bedeutend herabgeſetzt und doch ſtieg die Zahl der nichtakademiſchen Pfarrer ſo ſehr, daß nicht nur Teutſch eine Gefahr darin für die ganze Kirche ſah, ſo tüchtig einzelne Kräfte ſein mochten.

en ß Georg Daniel Teutſch. =

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Aber alle dieſe zuletzt ja doch äußeren Mittel mußten, gera gewünſchte Heilung nur zum Teil brachten, immer wieder auf d drängen, auf die Vertiefung der theologiſchen Studien und die der Arbeit des Pfarrers im Amte. „Trachtet am erſten nach Gottes“, das mußte in neuer Weiſe erſt dem Pfarramte, Gemeinden klar werden, damit ſich die daran geknüpfte 2 erfülle, „dann wird euch alles andere von ſelber zufallen, Vertiefung hat Teutſch die Wege gewieſen. Im Jahre 1880 f er bei Eröffnung der 10. Landeskirchenverſammlung das jchi „Darauf kommt es an, daß die Kraft göttlichen Lebens je mehr eine offene Bahn unter uns finde; alle Verfaſſungsforn Verwaltungsarbeiten ſind nur ein Außerliches, Wechſelndes, liches; in jenem liegt das ewige Ziel und das höchſte; im Erde aber und in der Aufwallung des Augenblicks mag es leicht geſchehen, daß wir im herben Kampf um die Mittel das wiewohl es ſonſt ſo ganz und gern die Seele füllt, aus dem verlieren; wohl uns, wenn wir zur rechten Stunde immer wieder rechten Zeichen zurückkehren, und das Ringen um die heiligen nicht allzu tiefe und allzu ſchmerzliche Spuren des Erden zurückläßt.“ 1

Dieſe „Kraft göttlichen Lebens“ im Volk zu wecken ift ja Lebensarbeit des ſächſiſchen Biſchofs geweſen. Ihr dienten zuletzt d auch die auf äußerliches gerichteten Anordnungen. Auch an ſolchen konnte es natürlich, beſonders am Anfang, nicht fehlen. So wurden Normen erlaſſen über die Einrichtung und Aufbewahrung der Pfarr⸗ archive, die Teutſch immer zugleich als Hiſtoriker betrachtete, über die Form der Jahresberichte, die Führung des Verordnungsprotokolles, die Reinhaltung der Friedhöfe und Schulgebäude, Führung des Protokolls über die Gottesdienſte, Anlegung von Gedenkbüchern in jeder Gemeinde, Sorge für die richtige Kaſſagebarung, Anlegung von Bibliotheken für die Lehrer, Schüler und die Gemeindeglieder. In unſerem papiernen Zeitalter gings eben nicht ohne bureaukratiſche Einrichtungen und es war nicht zu verwundern, daß ein Pfarrer ſich einmal beim Biſchof beklagte, wie viel er ihnen zu tun gäbe, worauf er mit guter Laune erwiderte, ſie ſollten nur daran denken, wieviel mehr die Pfarrer dem Biſchof zu ſchaffen machten.

Dem einen und dem andern machte mehr als das äußere das innere Leben zu tun. Daß die Kinderlehre überall gehalten werde, der Konfirmandenunterricht verbeſſert und vertieft werde, was zu fun

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ſei, um die Veſper fruchtbarer zu machen, wie die alte Ordnung der Bruder- und Schweſterſchaften aufrecht zu halten und dem ſittlichen und religibſen Leben dienſtbarer zu machen ſei, das waren nicht nur immer wieder Gegenſtände der Erwägung, ſondern auch wiederholter Verordnungen. Auf des Biſchofs Anregung geht es zurück und ſeinem unabläſſigen Drängen iſt es zu verdanken, daß die regelmäßigen Winter⸗ zuſammenkünfte in den Dörfern, mindeſtens mit den Männern, bald überall als ſelbſtverſtändlich galten und den Pfarrer in neue Beziehungen zu der Gemeinde ſetzten. Im Jahre 1874 wurde eine neue Perikopenreihe herausgegeben, das innere Leben in der Kirche zu ſtärken. In der Begründung hatte das Landeskonſiſtorium geſchrieben: „So groß und berechtigt die Achtung vor der alten Perikopenreihe ift, wie fie namentlich auch in unſeren Gemeinden lebt, darf man ſich doch der Wahrnehmung nicht verſchließen, daß jene, vor jo vielen Jahrhunderten abgejchlofjene Auswahl von Bibelabſchnitten bedeutungsvolle Züge zum Bilde des Gottesreichs, das jene Auswahl gründen helfen ſoll, nicht enthält und mehr als einen Grund- und Eckſtein, den die Schrift zum Fortbau desſelben darbietet, weggelaſſen hat. Je größer aber die Aufgabe der Kirche gerade in der Gegenwart iſt, eine der Entwicklung des chriſtlichen Geiſtes entſprechende und dieſe möglichſt fördernde Bekanntſchaft mit der Bibel zu vermitteln und in das rechte Verſtändnis derſelben einzuführen, ein je bedeutſameres Mittel hiezu die Perikopen in ihrer doppelten Eigenſchaft als Predigttext und Leſeabſchnitt für den Gottesdienſt find, um ſo gerechtfertigter iſt der Wunſch aller Denkenden ſowohl in der Gemeinde, als auch wie das insbeſonders in den abgehaltenen Generalkirchenviſitationen hervor⸗ getreten des geiſtlichen Amtes nach einer zweiten, an die Seite der bisherigen tretenden Perikopenreihe“. Daß damit die freie Textwahl nicht gehindert werden ſollte, war ſelbſtverſtändlich. Ein neues Geſangbuch wurde vorbereitet, Teutſch ſelbſt hatte zu dieſem Zwecke eine Reihe eingehender Studien gemacht. Eine neue Auflage und die Erweiterung des Handbuches der ev. Landeskirche, die Fortführung des Urkundenbuchs wurde geplant, die Herausgabe eines Jahrgangs Predigten aus der Mitte der Landeskirche angeregt, die Sammlung und Veröffentlichung von paſſenden Kirchenmuſikſtücken für den Gottesdienſt in Angriff genommen, das „Jahrbuch für die Vertretung und Verwaltung der ev. Landeskirche“ herausgegeben (ſeit 1875). Vieles hievon iſt, gerade infolge des nie ruhenden Kampfes, in den Vorarbeiten ſtecken ger blieben, aber für die Erkenntnis deſſen, was Not tat, ift die Aufnahme jelbft bezeichnend. Sie beweiſt zugleich, wie hoch das Ziel geſteckt war, 24˙

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das der Biſchof bei der Eröffnung der 9. Landeskirche 1877 alſo zeichnete: „Die ſtille Arbeit der Kirche hat in allen 9 eine Ziel: den religiöſen und ſittlichen Aufbau unſerer Kirche ; der ſeligmachenden Kraft des Evangeliums in ihr eine Bahn zu ſchaffen, die in ihr ruhenden Kräfte je mehr und Mitarbeit an ſeinem Reich zu begeiſtigen und zu einigen, di Fortſchritte ihres Schulweſens zu mehren, auf daß alle in 8 und edler Sitte, in chriſtlicher Erkenntnis und Bildung fo wachſen an dem einen, was Not tut. Und Sie werden diefe tun auf jenem Grunde ſtehend, von dem Petrus einſt ſprach erfahre ich mit der Wahrheit, daß Gott die Perſon nicht anſieht, in allerlei Volk, wer ihn fürchtet und recht tut, der iſt ihm ang Das iſt ja ein unſchätzbarer Segen der Kirche, auch unſerer der eva Kirche, daß was ſonſt im Vorurteil und gemeinem Gegenſatz des gänglichen Tages die Gemüter ſo leicht trennt, vor der rein und Gemeinſamkeit ihrer heiligen Ziele dahinſinkt und überw wird, oder doch überwunden werden ſoll, von der Macht der Liebe der alle beleben ſoll, des evangeliſchen Geiſtes.“

Dieſem ev. Geiſt eine Stätte zu bereiten, ſah Teutſch vor auch als ſeine Aufgabe bei den Ordinationen an. Er hätte dabei ſein Beſtes gegeben, um den neuen Sendboten der Kirche in jener Feierſtunde nicht nur das Herz zu erwärmen, ſondern auch etwas mit⸗ zugeben, was die flüchtige Stunde des Tages überdauere. Sie war ihm eine mindeſtens jo ernſte Sache wie dem Ordinanden jelber. Er hatte der Ordination eine neue Form gegeben, weil er meinte, es laſſe ſich dabei tiefer auf den jungen Geiſtlichen einwirken. Ehmals hatte der Ordinand ſein lateiniſches Curriculum vitae vorgeleſen und dann über einige lateiniſche Theſen aus den verſchiedenen Gebieten der Theologie, die der Biſchof am Vortag dem Ordinanden gegeben, disputiert, dann folgte in der Kirche die Ordination, nach vorherigem Abendmahl. Teutſch ſetzte an Stelle des lateiniſchen Curriculum ein deutſches, gab am Vortag dem Ordinanden eine Stelle der Bibel als Aufgabe für die Exegeſe, dann ein Thema, über das der Ordinand bis den nächſten Tag eine kurze Arbeit, am beſten Theſen zu liefern hatte, die dann bei dem Colloquium beſprochen wurden. Der Biſchof ſelbſt bereitete ſich eingehend dafür vor, immer ſchriftlich, wie er auch jede Ordinationsrede ſchrieb und lernte. Dann benützte er beim Colloquium die Gelegenheit, was er auf dem Herzen hatte, dem Ordinanden zu fagen, umfaſſende große Gedanken mit reichen lokalen und perſönlicheu Anknüpfungen über die Aufgaben

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des geiftlichen Amtes, über Religion und Kirche, das Weſen des Proteſtan— tismus, ſeine ewigen und zeitlichen Aufgaben, die in der Ordinationg- rede nach einer oder der anderen Richtung dann häufig weiter ausgeführt wurden. Zweierlei kam ihm dabei zu Statten: die außerordentliche Kenntnis der ſächſiſchen Vergangenheit er hatte bei jedem Ort hiſtoriſche Anknüpfungepunkte und die unvergleichliche Bibelkenntnis. Altes und Neues Teſtament ſtanden ihm jo zur Verfügung, daß er in jedem Augenblick für Lebensſchickſale und Ereigniffe, für Behauptungen und Anſchauungen die paſſende Stelle wußte und fie in einer Weiſe anzuwenden verſtand, daß der Hörer einen unvergeßlichen Eindruck mitnahm. Wenn der Kandidat bei dem Colloquium nicht viel zu ſagen wußte, ſei es in der Ergriffenheit des Augenblicks, ſei es aus anderen Urſachen, das eine wußte er, daß der Biſchof das Wort finde, u. zw. immer jo unge— zwungen, daß der Ordinand zuweilen ſelbſt glaubte, er habe manches geſagt und gewußt, dem der Biſchof Ausdruck verliehen. Wo ihm allerdings bei dieſer Gelegenheit Dünkel und Großſprecherei, liebloſes Urteil über Menſchen entgegentrat, da wurde er ſcharf.

Als eine Vorbedingung für den geiſtlichen Beruf ſah er die wiſſen— ſchaftliche Bildung an. „Ehmals Dienerin, ja faſt weniger noch, einer alle Geiſter feſſelnden Kirche, die mit allen Künſten der Gegenwart die Knechtſchaft der Vergangenheit gerne verewigen möchte, iſt ſeit der Reformation die Wiſſenſchaft die ebenbürtige Schweſter und natürliche Bundesgenoſſin der Religion geworden. Schon darum kann und darf der auf dem Boden der Reformation ſtehende Geiſtliche derſelben nicht entraten, wie die Kirche, die Licht von ihrem Licht, Geiſt von ihrem Geiſte fein will, untrennbar mit der Wiſſenſchaft verbunden ift. Und da tritt nun allerdings an den ev. Geiſtlichen zunächſt die Religions- wiſſenſchaft heran, die in dem letzten Menjchenalter Fortſchritte gemacht hat, wie auf dem ganzen großen Gebiete menſchlicher Erkenntnis größere und von weittragender Bedeutung keine. Für das Verſtändnis des Urchriſtentums, insbeſondere für den Einblick in die Entſtehung des neuen Teſtaments und das Leben und die Lehre jenes Einzigen, der eine neue Zeit für die Menſchheit heraufgeführt, hat die raſt⸗ loſe Forſchung geradezu neue, faſt ungeahnte Gebiete erſchloſſen und Licht gebracht und Einfachheit und Geſetzmäßigkeit in Verhältniſſe, die früher faſt beängſtigend dunkel vor dem Geiſte da lagen. Von jener erſten tiefen Rede chriſtlicher Schriftaufzeichnung, die der Galaterbrief enthält, bis zu jener geiſtigſten Frucht einer mehr als hundertjährigen Entwicklung, die uns im vierten Evangelium vorliegt, ſehen wir das

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Neue Teſtament heute anders an, doch nicht weniger als einſt Luther und Melanchthon; an der Hand der wi Forſchung tritt uns in und aus demſelben entgegen, wor Seelen ſo lang ſich geſehnt, das Chriſtentum Chriſti und an der iſt es, das neugewonnene Geiſteslicht in der Klärung und des ſittlich-religibſen Lebens in dem weiteren Auf- und Fortbau verwerten. Und eben darum muß der ev. Geiſtliche der treue Wiſſenſchaft, zunächſt diefer ſeiner Wiſſenſchaft ſein, will er bald ſelbſt unbrauchbar machen für den Dienſt des Göttl neben dieſer Wiſſenſchaft ſoll der ev. Geiſtliche ein treuer Wiſſenſchaft fein, zu der ihn Beruf und Neigung im Lehre „Ihre Pflege hilft uns, die wunderbaren Wege und Führungen in dem Geſchick der Zeiten und Völker tiefer verſtehen, den unerſt Ideengehalt feines heiligen Wortes klarer erkennen, die Bedi Menſchenherzens, ſeine Wünſche, Ziele und Abwege richtiger wür dem was der Herr durch uns lehren und mehren und ſtrafen tröſten will, das treffendere Wort verleihen. An dem einen Licht das andere ſich an; aus dem Geiſte wird der Geiſt geboren und Kraft genährt, an die die Schrift ſich wendet, wenn fie uns zuruft: aber ſei wacker und ſtärke das Andere, das ſterben will.“ So es die Beſten unſeres Berufes von jeher getan. Welchen Segen ban ſie damit für unſer Volk geſchaffen! Denn, um nicht zu ſprechen von der Friſche und Lebensfreude und erhöhten Tatkraft, die fie dadurch, für ihren eigentlichen Beruf gewonnen, wer darf es verkennen, daß auf jene ftille Tätigkeit ein gut Teil jener Bildung, jener erhöhten Erkenntnis zurückzuführen iſt, die unſer Volksleben vor andern kennzeichnet. Der Liebe zur Wiſſenſchaft, die in unſeren geiſtlichen Amtsſtuben nie fehlte, danken wir es, daß mehr als ein Lebensbild, das heute erhebend, mahnend, warnend vor die Seelen dieſes Geſchlechtes tritt, in den Sturmwogen, der Vergangenheit nicht ſpurlos verſunken; dem Zug zum Höhern, der dort ſeine Heimat hatte, daß mehr als ein Geiſt vom Hauch des Edleren berührt, glücklich die Wege zu dieſem Ziel betrat; was in unſerem Volks⸗ leben Beſſeres und Schöneres ſich findet, hat einen Grund mit in jener Tatſache.“ (Ordinationsrede aus dem Jahre 1872.)

Darum ſah er im geiſtigen Stillſtand eine Verſuchung, die mit ſchwerer Gefahr an das geiſtliche Amt trete. „Sie hängt zum Teil mit der äußern Notlage zuſammen, wird aber durch manche andere Umſtände noch viel drohender. Es iſt ein tiefer Zug der finnlichen Menſchennatur, bei einem erreichten Ziele der Ruhe ſich hinzugeben.

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Und wo dieſes Ziel mehr oder weniger über die Kreiſe der nächſten Umgebung hinausführt, ſo daß dieſe auf das Wort des dort Stehenden vertrauensvoll hört, auf feine Führung in wichtigſten Dingen angewiejen ift, da kann leicht zu jener Freude an der Ruhe die irrige und eitle Meinung kommen, es genüge der vorhandene geiftige Beſitz, eine Weiter- führung der eigenen Bildung ſei nicht mehr vonnöten. Nicht ſelten vereinigt ſich damit die Abgeſchiedenheit des Lebens fern da draußen im entlegenen Tale, wohin vom großen Markt der Welt nur ſpärlich und verworren die Stimmen dringen, und wo jene tauſendfache Anregung fehlt, die die offene Heerſtraße des Verkehrs oder der reiche Mittelpunkt der Wiſſenſchaft dem Geiſte geradezu aufdrängt. So kann es geſchehen, daß der einſt raſche Strom edlern Strebens allmählich erſtarrt, die nicht mehr in Übung erhaltene Kraft der Erkenntnis zuerſt ſtill ſteht, dann abnimmt, daß was die Gegenwart bewegt dem Zurückgebliebenen ein unver⸗ ſtandenes Rätſel wird, ſein geiſtiger Geſichtskreis ſich immer mehr verengert und ſeine lebendige Einwirkung auf die, das Gottesreich fördernden oder hemmenden Kräfte geradezu aufhört. Ein Gang auch durch unſere Kirche lehrt, ach oft zu tiefem Schmerze, wie manche beſſere Kraft auf dieſem Wege verkümmert, in ihrem äußern Weſen ſogar nur das Bedauern weckend, der Würde ev. Lebens abträglich. Es gibt ein naheliegendes Mittel gegen ſolchen Verfall. Das iſt das immer wache Bewußtſein, daß das Evangelium Geiſt iſt, höchſter göttlicher Geiſt, und wieder, daß es eine Welt des Geiſtes iſt, die von ihm befruchtet werden ſoll. Dieſer Geiſt aber leuchtet mit ſeinen Strahlen überall hin und hat nach allen Richtungen menſchlicher Entwicklung ein Licht angezündet, das jeinen immer volleren Ausdruck in der Wiſſenſchaft findet, deren Einwir⸗ lungen das religibſe Leben, die Geſtaltung der Kirche ſich nicht entziehen kann. Wer ihr ſich abtut, der ſcheidet damit von dem Prinzip der ev. Kirche ſelbſt, verurteilt ſich ſelbſt zur Unfähigkeit; wer aber dieſe Überzeugung im tiefen Herzen trägt, der wird zugleich Sorge tragen, daß er nicht dem Tode geiſtigen Stillſtandes verfalle.“ (188 1.)

Darum ift ein immer wiederkehrender Gedanke: der Buchſtabe tötet, aber der Geiſt macht lebendig, „auf allen Lebensgebieten, auf dem unſeres Amtes in erſter Reihe. Denn das Evangelium, das dieſes Amt helfen ſoll, zu einer „Kraft Gottes, ſelig zu machen“ in der Menſchenſeele iu geſtalten, iſt als eine geſchichtliche Erſcheinung in die Wirklichkeit getreten. Als ſolche haben die wechſelnden Menſchengeſchlechter es zu rſaſſen und zu verſtehen verſucht und die neue Gottes- und Weltanſicht, mit der es die Geiſter zu ſich und zu ſeinem Frieden zog, mit ihrem

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Wiſſen und Denken in Einklang zu bringen und auf zugleich Erkenntnis und Lebensgeſtaltung einheitlich fi unabläſſiger ernſter Arbeit gerungen, wie eben das unabwei⸗ des Menſchengeiſtes ununterbrochen hiezu drängt. Aber jede ji he die einer beſtimmten Zeit, einem beſtimmten Geſchlecht damit zugleich eine endliche und beſchränkte; fie vermag die un Fülle der Wahrheit, die uns in Chriſtus aufgegangen, nie in ganzen und vollen Klarheit zur Erſcheinung zu bringen. aber was in der Zeit und für die Zeit entſtand den Anſpru für alle Zeit fein zu wollen, wenn die Form, die einſt Lel ſich an die Stelle des Weſens ſetzt, ſo ſelbſt abtrünnig wer Geiſt, der ſie einſt geſchaffen, vielleicht ſogar auf äußere Mitte auf Macht, auf alten Beſtand, um die Weiterentwicklung zu nun da erfüllt ſich eben des Apoſtels Wort: „der Buchſtabe t „Gegenüber dieſem tötenden Buchſtaben hat eben „der da lebendig macht“, geradezu in ſich und durch ſich das unverg Recht, das da begründet iſt in dem Recht des Lebens gegen den Die ernſte Frage iſt nur: welches ift denn jener lebendig machende Denn es gibt vielerlei Geiſter, Geiſter die zur Höhe führen, ſolche, die in die Tiefe reißen. Darum mahnt der Apoſtel Johan ſo ernſt: „Glaubt nicht einem jeglichen Geiſt; ſondern prüfet die Geiſter, N ob ſie von Gott ſind“; ja Paulus bezeichnet ihn geradezu, wenn er ſpricht: „der Herr iſt der Geiſt; wo aber der Geiſt des Herrn ift, da iſt Freiheit“. Siehe da hat die ev. Kirche und ihr „Amt des Geiſtes“ die unverfiegliche Quelle ewiger Verjüngung und unwandelbaren Lebens! Er iſt es, unſer Herr und Meiſter mit ſeiner heiligen Gottesliebe, mit ſeinem warmen Herzen gegen die Brüder, mit ſeinen heiligen Zielen göttlicher Vollkommenheit, in deren ſelbſtſuchtloſem Dienſt der ſtaub⸗ geborene Erdenſohn ſeine Würde, feine Freiheit findet. Ihn denn immer tiefer erkennen, mit ihm immer mehr eins werden, das iſt für den Träger unſeres Amtes Bedingung und Wurzel, woraus ihm allein der Geiſt wächſt, der lebendig macht. Daraus fließt das Verſtändnis deſſen, was bleibend ift und vergänglich in den Erſcheinungen der Zeit, bleibend und vergänglich auch in all den Anſtalten, durch die nach des Herrn Willen das von ihm gegründete Gottesreich kommen ſoll. Daraus jene ruhige Erhabenheit über den Staub der Erde und die Verſuchungen, die nun einmal von dem, was der Welt gehört, unzertrennlich ſind, die, wenn die Zeit erfüllt iſt, die Kirche mit ihren Dienern immer erkennen läßt, was „zu ihrem Frieden dient“, (1881)

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Darum ſoll aber nicht nur der Geiftliche, ſondern auch die Gemeinde „anlegen die Waffen des Lichts“. „Es find ja christliche, u. zw. durch die Reformation zu ev. Freiheit wiedergeborene Gemeinden, in welchen Sie die Lehre des Herrn verkünden ſollen, das nach dem tiefen Worte der Schrift der Geiſt iſt. Und dieſer Gemeinden Glieder, Menſchen nach Gottes Ebenbild geſchaffen, ſie ſollen vollkommen werden, wie der Vater im Himmel vollkommen iſt. Und wie aus dieſem, durch das Chriſtentum der Menſchheit gebrachten, neuen ewigen Lebenskeim alles Große und Edle gewachſen iſt, was die Jahrhunderte ſeither weiter geführt und beglückt hat, wie alle Geſittung und Bildung in ihm die tiefften Wurzeln hat, jo kann die ev. Kirche ſich nie in Gegenſatz ſetzen zu dem Kulturfortſchritt der Zeit, der doch nichts anders ſein kann, als die Vollziehung der ewigen Gottesgedanken. Und das Amt, das die Kirche geſchaffen hat, dieſen Gottesgedanken auf dem Grunde, den der Herr gelegt, eine ebene Bahn zu ſchaffen, ſteht damit in erſter Reihe in dem Dienſt jenes Lichts, mit der nun allerdings doppelt ernſten Pflicht zu ſorgen, daß das eigene Auge ſehe und dem Strahl aus der Höhe gerne ſich zuende. Denn nur dann kann es hoffend hinabſteigen in das große Arbeitsfeld: die Gemeinde zu ſammeln unter dem Zeichen anzulegen die Waffen des Lichts‘, zu wachen und zu ſorgen, daß ſie wachſe an rechter Gotteserkenntnis, zunehme im Verſtändnis der Welt- geſetze, reicher werde an der Einſicht, die der rechte Blick in die Vergangenheit und die ſittliche Ordnung gewährt und damit Macht erhalte, die Kräfte der Natur in den eigenen Dienſt zu ſtellen und ſelbſt feſt zu bleiben in dem ewigen Wechſel des Vergänglichen.

„Das war unſers Amtes Aufgabe an unſern Gemeinden ſeit der Reformation: wie das Gotteshaus in ihrer Mitte am höchſten ragt, immer begrüßt vom erſten Strahl des Morgenlichts, jo ſollte es allen rechten geiftigen Lebens Träger und Prophet fein, damit alle je mehr anlegten die Waffen des Lichts. Wie hätten ſie ſich ſonſt erhalten mögen in langer böfer Zeit! Ein Häuflein nur, umwogt von wilder Brandung: aber ſieh', die Rüſtung des Geiſtes, die es trug, hat es ſtark gemacht, daß es nach mehr als einer ſchweren Nacht doch immer wieder den Tag leuchten ſah. Und fol dieſer ihm nicht untergehn, wohlan unſer Amt, das geiſtliche, muß auch ferner jener hohen Aufgabe warten, unbekümmert darum, daß fie ſchwerer geworden ift in unſern Tagen“. (1877).

Die Grundlage unſeres geſamten Glaubenslebens aber iſt das Gotteswort in der Bibel. „Allerdings wir wiſſen, daß Er, der Allwaltende, Alleilige, in vielen und verſchiedenen Stimmen mit ſeinen Menſchen⸗

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kindern redet. Die Himmel erzählen ja ſeine Ehre und w ihm ſchweigt, ſpricht ſo oft das klopfende Herz am lauteſten. hat ſchon Luther es erkannt und gerühmt: ‚Alfo iſt unſer Acker, Garten und Alles voll Bibel‘. Aber herrlicher als ül doch ſeine heilige Offenbarung in dieſem Buch der Bücher. des Herrn und ſeiner Apoſtel, das die Kirche gegründet, ihm gerettet und beſchloſſen und was ſie vorbereitete, Israels bewußtſein mit ſeinen Kämpfen und ſeinem Ringen zur Höhe, zum Vorbild und zur Warnung gejchrieben‘, es erhebt aus feinen zu uns die ernſte Stimme. Und wie die Reformation, als das g religibſe Leben, von den freſſenden Wellen der angenommenen zerſtört, allen feſten Halt zu verlieren drohte, jenes nur mit dem wort der Bibel zu reinigen und gewiſſermaßen neu zu gründen wer von uns wüßte es nicht?“

„So wurde in der, durch ſeines Geiſtes Macht frei gewo Kirche die Bibel aufs neue der Grund- und Eckſtein und durch große Tat des Reformators, der nach dem tiefen Wort im Volke die Apoſtel und Propheten deutſch reden lehrte, zugleich ein Haus⸗ Volksbuch, das in Aller Händen und was mehr iſt in Aller Herzen Auch in unſerm Volke, dem vom alten Heimatsland ſo fern verſchlag Stamme! Wie gilt in vollem Umfang auch von ihm, was der große deutſche Geſchichtsforſcher unſerer Tage ſagt: daß das deutſche Volk, das Jahr⸗ hunderte hindurch ſo furchtbar heimgeſuchte ſich doch einen unverwüſtlichen Kern von religiöſer und ſittlicher Nationalbildung erhalten hat, das kam daher, daß bei uns keine Hütte ſo klein, kein Hausſtand ſo arm war, wo dies Buch nicht hinkam, daß Luthers Bibel für das Volk nicht bloß Gebets- und Andachtsbuch, ſondern Leſe- und Familienbuch, die ganze geiſtige Welt ward, in der die Jungen aufwuchſen, zu der die Alten zurückkehrten, in das der Hausvater feine Familiengeſchichte, die Gedenktage der Seinen aufſchrieb, aus deſſen Inhalt die Mühjfeligen und Beladenen Troſt und Linderung ſchöpften in der Not des Tages“ Die wechſelnde Strömung des Tages möchte die Bibel von jener heiligen Stätte, auf der ſie bisher ſtand, herabſtoßen und faſt noch ſchmerzlicher, bisweilen iſt es ſelbſt ihrer Freunde Unverſtand, der die gerechte Ehrfurcht vor ihr ſo ſchwer ſchädigt. Um ſo ernſter iſt auch Ihre Aufgabe, daß das wunderbare Buch bleibe oder doch wieder und immer mehr werde, was es war und ſein ſoll, der Kirche Grundſtein und rechten religiöſen Lebens ewig reiner und friſch ſprudelnder Quell. Wir haben nichts anderes an ſeine Stelle zu ſetzen“, (1874).

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„Alles, was der Apoſtel ſo begeiſtert von des geiſtlichen Amtes 1 Herrlichkeit rühmt, daß es die Gerechtigkeit predige, daß es im Dienſt IH | flehe des lebendig machenden Geiſtes, daß es „Erleuchtung ſchaſſe von 1 der Erkenntnis der Klarheit Gottes“, das alles gilt in erſter Reihe von 1

jenen heiligen Offenbarungen, die niedergelegt ſind im Buch der Bücher. N 1 Da findet jeder, der mit rechtem Ernſte ſucht, das rechte Wort des Lebens. Mit ſeiner Rüſtung allein vermochte die Reformation die Freiheit | ! des Gewiſſens aus dem Bann der römischen Satzungen zu retten. An i \ | | h

dem Wort und an dem Geift der Schrift hat ſich ſeit Jahrtauſenden Bil das religiöfe Leben vorzugsweiſe genährt und iſt aus jeder Verdunkelung ‚| immer wieder gereinigt erſtanden; die wiſſenſchaftliche Arbeit zur Erforſchung ihres Inhalts und ihres Urſprunges hat in erſter Reihe den Grund gelegt zur Geiftesfreiheit und zum Fortſchritt unſerer Tage.

Und von welcher Bedeutung die Kenntnis und das Verſtändnis der 115 | Schrift für die Erhaltung unſeres Volksweſens in ſchwerſter ſturmvollſter 14 geit geweſen, das bezeugen, wenn alles ſchwiege, jene Bollwerke von

Stein, auf welche die treuen Väter jene gewaltigen Stellen der Bibel 14 ſchrieben, um fort und fort auch von ihnen die Mahnung zu empfangen, 14 daß es für die Sicherung der edelſten Lebensgüter noch eine höhere 0 Macht gebe, als den ragenden Mauerring und die Stärke des Menſchen⸗ N |

werkes.“ (1875.) 14 „In der Offenbarung des Gotteswortes in der Bibel hat ja die | 14 chriſtlich-gläubige Perſönlichkeit des Amtsträgers Richtſchnur und Ziel IN für die eigene Lebensgeſtaltung. Wir wiſſen, wie die Schrift der feſteſte 100 | Boden war, auf dem Luther ftand, das Wort der Offenbarung in der IH Bibel die Waffe, welche des Papſtes Herrſchaft brach und wie er mit \ | der auf dieſes Gotteswort gegründeten Predigt die ev. Kirche gründete. 4 So war es auch in unſerm Heimatlande. Man braucht nur Honterus' Kirchenordnung zu leſen, oder die Predigten des treuen Pfarrherrn 14 Damaſus Dürr zu hören, die das neue evangeliſche Leben in ſeiner | Gemeinde zu rechter Geſtalt bringen ſollen, um inne zu werden, wie die | Bibel mit ihrem Gotteswort der Grund- und Eeckſtein iſt, auf dem ſich hier ausſchließlich die neue Kirche erbaut. Und die Bibel iſt es geweſen, die I} Bibel im Gotteshaus, die Bibel in der Schule, die Bibel in der Familie, | welche fie in ſchweren Zeiten erhalten hat, erhalten hat auch damals, als | | die Nacht lange lag und die Gewalten der Finſternis in ben Werken der | Gegenreformation alles evangeliſche Leben zu erdrücken verſuchten. | 14

„Welche Gefahren dieſem evangeliſchen Leben heute drohen, wer wüßte es nicht? Allüberall ertönt der Ruf: „Zeit und Stunde iſt da

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aufzuſtehen vom Schlafe.“ Unter den „Waffen des Licht heute die ſchärfſte Gottes Wort in der Bibel. Darum ver \ immer aufs neue, fie feinen Gläubigen ferne zu halten. Welche M für uns, zu wachen und zu ſorgen, daß fie um ſo reicher die Hände ſondern auch in die Herzen der Unſern komme, fo mit dem „tötenden Buchſtaben“, ſondern mit dem „Geiſte, der macht,“ überallhin mit jener Erleuchtung, wie fie das Maß der fordert, überallhin mit jener Wahrheit, die da frei macht Herrn führt. Und wenn das Verſtändnis der Bibel, wie n müſſen unſerm' Volk heute fremder iſt als früher, wenn die dort ſeltener Rat, Erhebung und Troſt ſucht, wo die Väter ihn fanden, wenn das geſamte Leben dadurch an innerer Kraft und ärmer geworden iſt, o jo laſſen Sie uns doch mit einander art helfen, daß es bald heiße: „Die Nacht iſt vergangen, der Tag iſt hi gekommen.“ 16

„Allerdings, da iſt eines die unerläßliche Bedingung hiezu, ſelbſt, des geiſtlichen Amtes Träger müſſen vertraut ſein mit ihr, Bibel, ſie kennen und lieben. Und da ſteht neben den großen Geſt und Entwicklungen des Alten Teſtamentes, als die Zeit erfüllt war, Mittelpunkt aller Zeiten, Er, der Erlöſer, unſer Herr und Heiland; 8 iſt eine Geſchichte des werdenden Gottesreiches, die lange Jahrhunderte umſchließt; es iſt die ernſte verantwortungsſchwere Aufgabe des geiſtlichen Amtes, die zum Höchſten fortſchreitende religiöſe Welt- und Lebensan⸗ ſchauung darin zu verſtehen, und für das Wachstum evangeliſchen Lebens fruchtbar zu machen nach der tiefen Mahnung des Apoſtels: „Alles ift euer, ihr ſelbſt aber ſeid Chriſti.“ (1886.)

Darum ſteht im Mittelpunkt unſeres geſamten religidfen Lebens Gott und unſer Heiland Jeſus Chriſtus. „Lehren Sie ihre Gemeinden ihn erkennen. Den Vater und den Sohn, den er geſandt hat, „daß ſie erhalten bleiben in ſeinem Namen“: zweifeln Sie nicht, Sie werden des rechten Weges wandeln. Denn die Gotteserkenntnis, der Gottes⸗ glaube, das Gottesbewußtſein find jene Mächte geweſen, die das Menſchen⸗ geſchlecht von der Stufe tieriſchen Daſeins hinaufgeführt haben in das Reich geiſtig-ſittlichen Lebens und unvergänglichen Lichtes. Es gibt nichts, was im einzelnen Menſchenherzen oder in ganzen Gemeinden und Volks- gemeinſchaften imſtande wäre, Wurzeln ſo ſtarker Kraft zu ſchaffen, als tief im Grund der Seele die unerſch ütterliche Überzeugung, daß der heilige ewige Gottesgeiſt alles Seins Urſprung iſt, daß die Menſchenſeele Hauch ſeines Odems, daß ſeine Vollkommenheit ihre Beſtimmung, die

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Freiheit feiner Kindſchaft ihr Geſetz, Ewigkeit ihre Dauer und Liebe aller Gebote Erfüllung; daß es in ſeiner Liebe und Verzeihung einen Troſt gibt für alle, die ſich aufmachen und zum Vater gehen, und daß Wahrheit und Gerechtigkeit dort immer ſiegreich ſind, wo die es verdienen, die für ſie kämpfen. Allerdings, dieſe Welt und Gottesanſchauung in dieſem Geſchlecht zu erhalten und wie er fie gelehrt zu immer höherer Reinheit zu erklären, iſt eine ſchwerere Aufgabe als je... Da gibt es nur eines, eines nur, das Not tut. „Das iſt das ewige Leben, daß ſie dich, daß du allein wahrer Gott biſt und den du geſandt haſt, Jeſum Chriſtum erkennen.“ Dem Glauben an ihn, den allmächtigen und allgütigen Gott, wie er, ſein Geſandter, der Herr und Heiland ihn verkündigt, erſchließen Sie immer tiefer, in ihm befeſtigen Sie immer ſtärker die Herzen ihrer Gemeinden. Und zu dieſem Zweck ſchließen Sie ihnen doch auf jenes große, gewaltige, wunderſame Buch der Bücher, in dem des Gottes⸗ reiches ewiger Grund gelegt iſt und greifen Sie hinein in den reichen Schatz des Lebens, das ſeither in dem Strom der Jahrhunderte offen vor dem Aug des Sehenden ſich ausbreitet, immer aufs neue mit tauſend Stimmen verkündigend, daß überall, wo der Gottesglaube die Herzen verlaſſen, im einzelnen und ganzen Gemeinweſen, Unſegen und Tod ſolcher Sünde Sold geweſen. Der Tod nicht ohne Schuld derer, die da die Boten des Lebens hätten ſein ſollen, die aber hier durch Mangel eigener Erkenntnis, dort durch Schwäche des eigenen Glaubens oder durch die Sünde des eigenen Herzens, durch Gleichgültigkeit und Trägheit nicht die Werke wirkten daß, der ſie gejandt. (1876.)

Und ſo iſt der Heiland „gewiſſermaßen die Zentralſonne, der tiefſte Kern und Mittelpunkt, in dem alle Strahlen des unſerm Amt gebotenen Wirkens ſich zuſammenſchließen ſollen. Das Chriſtentum iſt ſeinerzeit als eine neue Weltanſchauung in die Menſchheit eingetreten. Gottes Weſen, aller ſinnlichen Zutat entkleidet, er der Allheilige in freier Liebestat Schöpfer der Welt, der Menſch ein Hauch ſeines Geiſtes, darum in Gotteskindſchaft und Bruderliebe zu ewigen heiligen Zielen beſtimmt, in der Sünde der Abfall vom Vater und das eigene Verderben, in der Verſöhnung durch die Liebe des Heilandes und die Hingabe an ihn Rücktehr zu Heil und Frieden, daß alle Entwicklung hienieden unter den leitenden Strahlen einer ſittlich-religibſen Weltordnung fein Reich zum Ziele habe: in der Tat, es erfüllte ſich des Apoſtels Wort: „das Alte iſt vergangen, ſiehe, es iſt alles neu geworden.“ Die Welt der antiken Gedanken ſank dahin; mit der neuen Gottes- und Weltan⸗ ſchauung kam eine neue Geiſtes- und Lebensmacht zur Herrſchaft. Sie

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hat, durch die Reformation aus dem Todesſchlaf wieder Welt umgeſtaltet.

„Und das Licht, deſſen Siegesſtrahlen das alles auch heute noch iſt er es der Herr und Heiland. Und heute in den Erſchütterungen und Zerſtörungen, dort in den Heils! der Zeit lehrt ſie mit Flammenſchrift die Wahrheit des rechtes und dauerndes Leben nur dort, wo ſie ihn erkennen, wahren Gott und den er geſandt hat, Jeſum Chriſtum.“ d. h. nicht durch äußerliches Lernen ſein Leben und feine & Gedächtnis haben, ſondern die heiligende Kraft ſeines Weſens a in die eigene Perſönlichkeit, in Glauben und Liebe und Hof mehr und mehr eins werden mit ihm, wie der Apoſtel das ausdri Chriſto ſein“ und damit eine „neue Kreatur“ werden, wiedergel ſeiner Wahrheit zu ſeiner Herrlichkeit.

„Die Sturmwogen einer ſchweren Zeit branden je mehr un zerſtörend in das ehmals ſo ſicher geglaubte Eiland unſeres Volk kirchlichen Lebens, daß zaghafte Herzen faſt klagen: „es kommt Nacht, da niemand wirken kann.“ Siehe, da tröſtet der Herr: „Ich das Licht der Welt.“ Und wo ſein Strahl leuchtet, ſein Geiſt die und Gebiete des Lebens erfüllt, das Haus, die Schule, die Gemeinde, die Kirche, das Volk, da kann es nicht Nacht werden. Und wenn es ſcheint, der Tag wolle ſich neigen, da tritt immer wieder der Herr zu den Seinen ein und führt fie mit ſeinem Lichte und erhält fie in der; Kraft ſeines ewigen Lebens.“ (1889.)

„Das iſt das Bedeutungsvolle, das Einzigartige, daß in Ihm nicht eine bloße Lehre, ein äußerlicher Brauch, eine tote Ordnung an das Menſchenherz herantritt, ſondern ein volles perſönliches Leben, das eins iſt mit Gott und in dieſer Einheit Möglichkeit und Wirklichkeit der Gotteskindſchaft, damit aber alles Menſchenſtrebens Vollendung und Befriedigung, Gnade und Erlöſung gewährleiſtet.“ (1891.)

Darum „einen andern Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt iſt, welcher iſt Jeſus Chriſtus.“ „Eine ganze Welt von Gedanken, eine unerſchöpfliche Fülle der Wahrheit liegt in dieſem kurzen Worte. Wie oft hat man ſie im Lauf der Jahrhunderte überſehen, da ſie im Irrtum der Zeit einen kalten Lehrbegriff von Chriſto an die Stelle des Lebens in Chriſto ſetzten. Und doch iſt er der einzige und rechte Grund, Er, Chriſtus ſelbſt, ſein Weſen, ſeine Perſönlichkeit, ſein Leben, das ganz und voll bewußter Ausdruck ſeiner Gotteskindſchaft, in unvergleichliche göttlicher Hoheit und Reinheit, in einer Welt voll Sünde ſündenlos,

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in ſelbſtloſer Aufopferung ſich, dem Willen des Vaters folgend, hingibt zur Erlöſung der Brüder. Und dieſes heiligen Werkes Wiederſchein, mit ein Zeugnis deſſen, was er gewollt und wozu er gekommen war, iſt das Wort, das er geſprochen, unverſtändlich ohne jenes Leben und jene Perſönlichkeit beide zuſammen eine neue Welt- und Gotteserkenntnis gründend und damit eine Lebensmacht ſchaffend, die ſeither die Menſchheit trägt und zur Höhe führt, indem fie im Rufe zu Gottes- und Nächſten⸗ liebe, im Hinweis auf die ewige Beſtimmung, auf die unvergänglichen Güter, auf die tragende Vaterliebe, die auch dem verlorenen Sohn rettend nachgeht, auf die einzig wahre Freiheit, die da wurzelt in der Gotteskindſchaft und in der Gebundenheit in Gott, den tiefſten Bedürfniſſen des Menſchenherzens erlöſend entgegenkommt und das irdiſche Daſein weihend zum Anfang des Gottesreiches ausgeſtaltet, das Erde und Himmel, Zeit und Ewigkeit zu einer heiligen Einheit verbindet. Das iſt der Grund, der in Chriſto gelegt iſt und alle Jahrhunderte nach ihm haben an ſeiner Stelle ein Anderes, Dauerndes nicht zu ſetzen vermocht. Wie viele Heilkünſtler haben das Haupt erhoben und die alten Rätſel löſen wollen mit der Lehre vom Zufall oder der bewußten Naturkraft oder wie ſonſt die vergänglichen Namen lauten: aber ſein ſieghaftes Wort: „ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben,“ iſt nicht überwunden. Alles was an Lebens- und Segenskräften den Völkern innewohnt, in Haus und Staat, in Schule, in Kunſt und Wiſſenſchaft iſt aus jenem Grunde erwachſen und die tauſend ſchweren Forderungen, mit welchen die Gegenwart auf eine Neugeſtaltung des Lebens drängt, fie laſſen ſich nicht löſen außer auf dem Grunde: „Einen andern kann niemand legen.“ Auch wir wollen denn daran feſthalten!

„Überall iſt aller Fragen tieffte: ob mit oder ohne Chriſtus, das iſt zugleich ob mit oder ohne Gott. Und überall bewährt es ſich, im Daſein der Völker, wie in den Geſchicken des Einzelnen, daß dort das Werk, an dem fie arbeiten, die Dauer, die ihm gegeben ift, die Macht, die es ſchafft, der Segen und der Friede, den es bringt, von dem Verhältnis bedingt iſt, in dem es zu Chriſtus ſteht, ob es auf dem Grunde erbaut iſt, den er gelegt hat. Auch unſeres Volkes Zukunft hängt davon ab. Es können alle äußeren Stützen dahinfallen, die bisher ſeinen Beſtand geſichert haben: wenn ſein Glauben und ſein Leben in Chriſto ſteht, wenn Er in ſeinem Willen und ſeiner Arbeit Geſtalt gewinnt, dann erwächſt aus dieſem Grunde zugleich das rechte Verſtändnis der geit, jene innere und äußere Tatkraft, welche fie zu überwinden vermag und neue ſchirmende Formen des Daſeins zu ſchaffen imſtande iſt.

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„Darum iſt es mehr als je die Aufgabe unſeres An zu lehren und zu predigen und nicht zu weichen von dem Er gelegt hat, weder zur Rechten noch zur Linken. Und kommt uns da zu Hilfe die evangeliſche Wiſſenſchaft der Summer tiefer in den Grund der Evangelien dringt die Heilige mit immer neuen Mitteln erſchließt ſie das Verſtändnis immer klarer, immer ergreifender tritt das Lebensbild unſeres unſere Seele. Wir haben keine Entſchuldigung: wir wiſſen der Geiſt Gottes wohnt“ und haben, was wir auf den „einigen bauen können, wenn wir wollen, „daß unſer Werk bleibe,“ zu bleibe.“ (1892.)

So konnten denn die Ordinationsreden immer wieder „Ziehet an den Herrn Jeſum Chriſtum, darin iſt der Anfa die Vollendung des Chriſtentums begriffen. Iſt es doch der Ausdruck für die volle Lebens und Liebesgemeinſchaft mit Herrn und Heiland, das Aufnehmen ſeiner heiligenden Macht eigene Denken, Fühlen und Wollen, daß alles Tun und alles L alles Sinnen und Streben eins werde mit feinen göttlichen & So iſt dieſe Bedingung eigentlich die erſte und tiefſte, die allem chrif Leben geſetzt iſt; wer fie erfüllt, dem fällt alles andere von je Der kann nicht anders als ablegen die Werke der Finſternis, anz 1 die Waffen des Lichts und ehrbarlich wandeln als am Tage, Der ſtellt das Gelüſten des Herzens, wenn es mit eitler Entſchuldigung die Selbſtſucht groß ziehen möchte, unter die Zucht des Gewiſſens, hält ſich dem Nächſten gegenüber in Gerechtigkeit und Liebe und lernt je mehr und mehr in den Wechſeln des Endlichen ihn erkennen, ihn ſuchen, ihn lieben den Unendlichen, in deſſen Geſetz und Ordnung er den Frieden findet, den die Welt nicht geben kann . .. So werden Sie nicht müde, das ebenſo von den Strahlen reinſter Menſchlichkeit, wie von dem Licht göttlichen Lebens umkreiſte Lebens- und Liebesbild des Herrn ihren Gemeinden vor die Seele zu führen, daß ſie je mehr und mehr ſein Weſen verſtehen, das Einzigartige ſeiner Erſcheinung erkennen, das. wahrhaft Göttliche ſeines Evangeliums begreifen und lieben lernen, eben damit aber tief in ihre Herzen aufnehmen, daß dieſes nicht eine bloße Lehre ſei, ſondern eine Gotteskraft zum Leben, die ſich eben im Leben bewährt“. (1877).

Dieſe Gotteskraft des Chriſtentums hat die Reformation aus dem Schutt der Menſchenſatzungen neu ausgegraben. Im Proteſtantismus ſah er die Grundlage des Fortſchritts in der Gegenwart, in ihm den

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Weg zur Erlöſung. Die Reformation hat nicht nur das religibſe Leben zu feinen urſprünglichen Quellen zurückgeführt, ſondern das ganze Leben erneuert. Das Beſte und Edelſte in Schule und Gemeinde, Staat und Geſellſchaft, Literatur und Leben verdanken wir ihr. Unſer Volk hat ihr geradezu ſeine Erhaltung zu verdanken.

Daneben aber ſchien ihm zweierlei als beſonders charakteriſtiſch für unſere ev. Landeskirche, bedeutſam für Vergangenheit und Gegenwart, daß ſie eine Gemeindekirche ſei und daß in ihr unſer Volk zu einer Einheit zuſammengefaßt ſei. Daß unſere Kirche Gemeindekirche ift: „Sie war das nach des Herrn Willen bereits vor der Reformation. Daß ſie es immer mehr werde, im Sinne des Apoſtels, da er ſpricht, Einer iſt euer Meiſter, ihr alle aber ſeid Brüder‘, das hat die Re⸗ formation gewollt, das ihre Fortbildung bis auf dieſen Tag. Denn die ev. Kirche iſt nicht eine äußere Heilsanſtalt, in der die Vermittlung göttlicher Gnade in den Händen eines über und außer der Gemeinde ſtehenden Prieſterſtandes ruht, ſie iſt eine innere Heilsgemeinſchaft, deren geordnete Gemeinden, zuſammengeſchloſſen unter dem aus eigener Beſtellung hervorgegangenen Lehramt in allen einzelnen Gliedern in ſittlich⸗freier Selbſttätigkeit wachſen ſollen, an dem, der das Haupt iſt, Chriſtus. Das ſchließt geradezu aus jenen bloßen toten Gehorſam, dem die Kirche in einer ſtarr geſchiedenen, hier lehrende, dort folgende, hier gnadenſpendende, dort empfangende zerfällt; nein, alle find berufen, jeder an ſeiner Stelle und nach ſeinem Vermögen ſowohl zu geben als zu empfangen, alle ſollen wie aus der Verkündigung des Gotteswortes, ſo aus der Mithülfe zur Erhaltung der äußern Kirchenordnungen ihren Segensanteil davontragen können.

„Das iſt der tiefe Heilsgedanke, der auch unſerer Kirchenverfaſſung zugrunde liegt. Die Kirche gehört nicht einer Berufsklaſſe, ſie gehört der Gemeinde an und das geſamte chriſtliche Tugend- und Gemein ſchaftsleben ſoll aus dieſem Bewußtſein durch alle Anſtalten, in welchen ſie ſich verkörpert, ſeine Pflege und Nahrung ziehen. Von dieſem Standpunkt aus betrachten und fördern Sie fortan das Verfaſſungs⸗ und Verwaltungsleben Ihrer Gemeinden mit den Mitteln Ihrer Amts- ftellung. Wie die zunehmende Kenntnis und Liebe der Bibel, das immer vollere Heimiſchwerden in ihrem Reichtum eine der Wurzeln ift, die den Diener des geiftlichen Amtes zu rechter Predigt befähigt, ja ohne welche dieſe nicht denkbar iſt: ſo bewahrt ihn jene Überzeugung von dem Weſen der Kirche vor jener Abſchließung und Vereinſamung, die nirgends verderblicher wirkt als in unſerm Beruf, der losgelöſt von der Gemeinde

Georg Daniel Teutſch. 2⁵

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nichts ift. Und für dieſe wieder ift eine Verwirklichung jener proteſtantiſchen Anſchauung ein Erziehungsmittel zum Gotte kaum ein zweites zur Seite ſteht. In wie vielen Herzen iſt Mitarbeit auf dem äußern Lebensgebiet der Kirche die Liebe höhern Gütern wieder erwacht! Und zu einer Zeit, wo jo Gemeinſchaftsleben böſen Mächten der Zerſtörung weichen wertvoll iſt es, daß mindeſtens das Arbeitsfeld der Kirche die kann und ſoll, die ein Vaterland und ein Ziel des höchſten haben“. (1874).

Aber unſere ſächſiſche ev. Kirche iſt zugleich „die Zuſammenf unſers Volkes als ſolchen zur edelſten Einheit. Ja unſere Kirch iſt auch unſere Volksburg; die Stätte, wo unſer religibſes Leben Wurzeln und ſeine Quellen hat, iſt zugleich gegenwärtig faſt die ei Schirm» und Pflegeſtätte unſeres nationalen Lebens. So hat es Gang der geſchichtlichen Entwicklung mit ſich gebracht und erkennt der Chriſt auch eine göttliche Ordnung. Zwar erſcheint auf den erſten Anblick faſt wie ein Widerſpruch. Iſt doch des Herrn Lehre nicht zur Abgrenzung von Volksgenoſſenſchaften beſtimmt, ſondern eine Kraft Gottes, alle ſelig zu machen; hier iſt nicht Jude noch Grieche ſprach einſt der Apoſtel Paulus. Und doch iſt es, insbeſondere ſeit der Reformation hier alſo geworden. Denn dieſes deutſche Volk hier hatte für das neu aufgehende Licht des Evangeliums offenere Herzen; die große ſittliche Bewegung der Geiſter gewann in ihm, ſeinem Wejen entſprechend, eine eigene Geſtalt und hatte die mächtige Wirkung, daß die Häuflein, die „verſchmachtet waren und zerſtreut wie die Schafe, die keinen Hirten hatten“, ſich zuſammenſchloſſen zu einer Einheit, der auf dem Grunde des Evangeliums eben die volkstümliche Eigenart das weſentliche Gepräge aufdrückte, die innere Ordnung gab, die weiteren Ziele ſetzte. Seitdes reden die Geſetze und die alten Bücher des Vater⸗ landes von einem „ſächſiſchen Glauben“ und iſt die ev. Kirche gleich⸗ bedeutend mit unſerm Volkstum, eine Entwicklung, der die Gegenwart eine nach mehr als einer Richtung hin noch engere ſchmerzliche Ber ſchränkung aufgezwungen hat, ſo daß das ergreifende Wort des Sängers, das er vom Anſchluß an das Vaterland ſpricht, hier faſt mehr noch von unſerer Kirche gilt: „hier ſind die ſtarken Wurzeln deiner Kraft; dort in der fremden Welt ſtehſt du allein, ein ſchwankes Rohr, das jeder Sturm zerbricht.“

„Und Heil uns, daß dieſe Kirche zur Pflege und Übung der edelften Kräfte unſerer Volksſeele vollen Raum gewährt, daß ſie die Arbeit dafür

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in ihre Aufgaben aufgenommen hat, daß ihre innere Ordnung die Pflege derjelben geradezu fordert! Siehe, dieſe Kirche will nicht einen herrſchen⸗ den Stand und einen zu totem Gehorſam verurteilten Haufen: ihre Ver⸗ faſſung zieht eine jede geeignete Kraft zu ſelbſttätiger Mithülfe für den Bau am Gottesreich, damit zugleich zur Mitwirkung für die immer reichere und edlere Entfaltung des eignen Volksweſens heran. Zu Arbeitern für ſeine Ernte ruft ſie alle Treuen, die da hören wollen. Zum Schutz für Zucht und gute Sitte hat ſie Ordnungen geſchaffen, die da wehren ſollen, daß der Feind nicht Unkraut zwiſchen den Weizen ſäe und ver- traut ihre Obhut der Sorge der Gewiſſenhafteſten an. In der Schule der Kleinen und in der Fortbildung der Erwachſenen ſucht fie die Er- füllung des heiligen Schöpfungswortes: Es werde Licht und die Ver⸗ waltung und Pflege dieſer Bildungsſtätten legt ſie in die Hände und an das Gewiſſen der Beſten, die das Vertrauen der Gemeinde dazu beruft. Für jede Kulturarbeit, die die Entwicklung der Zeit bringt, hat fie Herz und Auge offen; für jede ſammelt fie ihres Volkes Glieder, die ſonſt „zerſtreuet“ wie „in der Irre“ wandeln, daß ſich erfülle das Wort der Schrift: „dem Volk Gottes iſt doch noch eine Ruhe vor⸗ handen“ und „der Vogel hat ein Haus gefunden und die Schwalbe ihr Neſt, nämlich deine Altäre, Herr Zebaoth, mein König und mein Gott“. (1881).

Von dieſen Gedanken getragen hat er 315 neuen Amtsgenoſſen die Ordination erteilt und kaum Einer iſt nicht von dem Moment er⸗ griffen geweſen.

Dieſelben Gedanken trugen die Kirchenviſitationen in die größern Kreiſe des Volks hinaus. Es iſt ein einzigartiges Bild und wert, daß es feſtgehalten werde, der ſächſiſche Biſchof, der Repräſentant nicht nur der Einheit der Kirche ſondern allmählich auch des Volkes, inmitten feiner Gemeinden in der Predigt, im Verkehr, in den Beſprechungen mit den Vertretungen der Gemeinde, des Bezirks, den Lehrern, mit jedem Einzelnen die Güter des ev. Glaubens und des deutſchen Lebens ſtärkend und ſtützend, die Kleinmütigen aufrichtend, die Verzagten tröſtend, im Licht des Evangeliums neue Ziele ſetzend. Er iſt der erſte ev. Biſchof geweſen, der ſämtliche Gemeinden der Landeskirche perſönlich beſucht hat, nur Klein-Laßeln ausgenommen, wo eine Epidemie die Viſitation verhinderte.

Die Kirchenverfaſſung bezeichnet die Vornahme der „Generalkirchen⸗ viſitation“ als eine der vorzüglichſten Obliegenheiten des Biſchofs. Die zwei erſten Jahre des Amtes waren ſoſehr mit andern Arbeiten des

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neuen Wirkungskreiſes angefüllt, daß Teutſch erſt im Hab; die Viſitation gehen konnte. Im Lauf der Jahre hat er dann Landeskirche viſitiert: vom 5. Juli bis 12. Auguſt 1870 den Bezirk, vom 12. September bis 3. Oktober 1871 den Repſer, 1873 in fünf Abſchnitten den Hermannſtädter, 1874 S. Reg. und 1876 Mühlbach, 1877 und 1878 Schelk, 1879 vom 30, 19. Auguſt den Kronſtädter Bezirk, 1880 und 1881 Med und 1882 Schenk, 1884 1886 Schäßburg. Wenn manche bei der Viſitationen meinten, der Biſchof komme als der Vorgeſetzte, allem nach Fehlern ſuchen, rügen und ſtrafen werde, ſo überz Gang durch die Landeskirche bald, wie viel tiefer und ganz ande die Aufgabe faßte. Ihm lag daran, ein tieferes Bewußtſein der gaben in Pfarramt und Schule und Gemeinde zu begründen, in wenn es gehoben werden könnte durch Freude am Erreichten, höl für die Arbeit im Dienſt des Evangeliums und des Volks zu neue Wege dazu zu öffnen, neue Saat zu neuer Ernte ausz An ſich ſelber erfuhr er dieſe Eindrücke der Viſitation; mehr haben es die Tauſende erfahren, die dabei beteiligt waren. f Außerlich zeigte ſich dabei allerdings die Gemeinde im Feſtkleid. Den Biſchof begleitete in der Regel ein Mitglied des Landeskonſiſtoriums, dann der Dechant des Bezirks und ein weiteres weltliches Mitglied des Bezirkskonſiſtoriums, ſowie ein Schriftführer. In allen Gemeinden feſtlicher Empfang. Allmählich hatte ſich ein ſtehender Brauch herausgebildet. An der Grenze des Hatterts Empfang durch die Bruderſchaft zu Pferde, vom Altknecht oder dem Knechtvater geführt, die den erſten Gruß brachten. Dann gings in der Regel wie die Windsbraut dem Dorfe zu, der ſechsſpännige Wagen mit Kränzen geſchmückt. Am Ende des Dorfs oder auf dem Pfarrhof Willkommenrede vom Pfarrer und neuerlicher Gruß der geſamten Gemeinde, wobei Muſik und Blumen, Glockengeläute und Lieder niemals fehlten, dann folgte kurze Vorſtellung des Presbyteriums uff., wobei natürlich die Antwort des Biſchofs nie fehlte; nach halbſtündiger Pauſe riefen die Glocken zur Kirche. Dort predigte der Biſchof und verſuchte im Licht des Evangeliums Vergangenheit und Gegenwart der Gemeinde zu beleuchten, die Sorgen und Sünden, die Strebungen und Irrungen ins rechte Licht zu ſtellen, an der Hand einer gewaltigen, oft überraſchenden Bibelſtelle die treibenden Kräfte ihres innern Lebens ihr vor die Seele zu führen, an der Forderung jener das Erreichte meſſend und die weitern Ziele zeichnend, um die Herzen aufwärts zu lenken. Darauf folgte Prüfung der Schulkinder, ſowie der Bruder- und Schweſterſchaften, dann Sitzung

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mit der Gemeindevertretung, wenn nur möglich in Anweſenheit der geſamten Gemeinde. Ungefähr um zwei Uhr kams zum Mittageſſen, für das der „tugendſamen Frau Pfarrerin“ ſchon früher vom Dechanten die Anweiſung gegeben war, drei Gänge nicht zu überſchreiten. Hatte ſie übermäßige Laſten auf den Tiſch geſtellt und nicht recht glauben wollen, daß es mit jener Weiſung Ernſt ſei, ſo belehrte ſie die ſchmerzliche Tatſache bald eines beſſeren der Biſchof rührte das „zuviel“ nicht an und nun ſorgte das wachſende Gerücht für Einhaltung der Ordnung. Bei Tiſch ſetzte er überall die Hausfrau an die Spitze und die ängſtliche Scheu der weltunkundigen Pfarrerin wich bald der Unbe— fangenheit, wenn fie ſah, wie freundlich „der hohe Herr“ mit den Kindern redete, am Hausgarten ſich freute, ein Herz für Alles hatte, was ſchön und gut war. Nach Tiſch gings an die Beſichtigung der Gebäude, zuerft der Kirche, wo nun die Kunſtgeſchichte in ihr Recht trat, dann der übrigen Gebäude wie Schule und Predigerhof uff. Nachmittag folgte die Prüfung des Schularchivs, der Büchlein, Konferenz mit den Lehrern, abends die Prüfung der ſpeziellen Pfarramts Tätigkeit, während die Begleiter das Rechnungsweſen prüften. Zuletzt kamen noch die alten Urkunden dran, nach denen er ſtets beſorgte Nachfrage hielt und ſich an jeder freute, die Kelche und Kannen, deren Inſchriften entziffert wurden. Es war ſelten vor 10 Uhr, daß die Hausfrau zum Abendtiſch rufen konnte, den in der Regel ein Ständchen unterbrach, Geſang oder Muſik, wobei das dankende Wort wieder der ganzen aufhorchenden Gemeinde galt und von ihr gehört wurde. So war für jede Gemeinde ein Tag beſtimmt, für die größten mehr; er war imſtande, das wochenlang fortzuſetzen, ohne Ermüdung zu ſpüren und über die jüngern Genoſſen zu ſcherzen, die dabei ſo müde wurden, daß ſie zuweilen nicht mehr mittun konnten. Bei der Beſichtigung der Kirche und der alten Burgen und Türme hatte die Begleitung immer Angſt, denn er ſcheute ſich nicht, auch auf berüchtigten, ſchwankenden Treppen empor zu ſteigen, wenn es ein romaniſches vermauertes Fenſter feſtzuſtellen galt oder eine Inſchrift auf der Glocke abzuſchreiben oder eine Jahrzahl zu leſen war. Die alten Burgen in der Nähe, prähiſtoriſche Fundſtätten wurden in der Regel beſucht, wenns nicht anders ging zu Pferde, und es war ihm eine beſondere Freude, wenn aus einer Gemeinde, wo er nach ſolchen Funden gefragt hatte, päter der Lehrer die Broncekette oder Steinwerkzeuge, die man ge⸗ unden, ihm brachte und er daran dem Erſtaunten das alte Leben einer untergegangenen Welt vorführte. Seiner unmittelbaren Schenkung und Anregung dazu verdankt das Brukenthaliſche Muſeum einen ſchönen

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Teil feiner archäologiihen Sammlung. Ihm ſelbſt erwuchs aus Viſitationen eine ſolche Fülle von Kenntniſſen, wie ſie ſonſt zu e unmöglich war. Jeder Kelch mit feiner Form und Inſchrift, jet mit ihrem Stil, das Altarbild und jede Urkunde der vielen Kir waren ihm vertraut, das hiſtoriſche Bild vergangener Tage ha die Gegenwart eine eigenartige Färbung erhalten und die Ken Gegenwart mit all ihren aufbauenden und zerſtörenden Mäc wieder den Bildern der Vergangenheit ſo lebhafte Farben, Eindruck auf die Gemüter, der bei jeder Verbindung der Geg: mit einem würdigen Bild der Vergangenheit fo natürlich ift“, er dieſes Bild entwarf, noch nachhaltiger und tiefergehend wurde. all den Reden und Anſprachen an den Viſitationstagen mochte empfinden was es heißt, das Evangelium und die Vergangenheit Volks, ſeine Sorgen und Kämpfe der Gegenwart in den Dienft Erziehung zum Göttlichen zu ſtellen. *

Für das eine und das andere bereitete er ſich eingehend vor. Alles was an Material ihm aus dem zu viſitierenden Bezirk und über denſelben, an Berichten, die beſonders eingefordert wurden oder alten Viſitationsakten und hiſtoriſchen Dokumenten zugänglich war, nahm er genau für jede einzelne Gemeinde durch und für die gewonnenen Einblicke in deren religibsſittliche Zuſtände fand er unſchwer, zunächſt in den dem Viſitationstag naheliegenden Sonntagsperikopen, das Wort der Schrift, unter deſſen Lichtſtrahl er die Gemeinde zur Höhe zu führen, zu heben, zu läutern verſuchte, und den Blick ihr in das eigene Leben und das Gottesreich eröffnete. Für ſpätere Zeit mag die Predigt für die Gemeinde, in der ſie gehalten wurde, ein Kulturbild dieſer Zeit ſelbſt fein. In Michelsberg predigte er über Pf. 103, 15: „die Stimme zweier Zeugniſſe von des Herrn Gnade in eurer Mitte“ (die alte Burg und die neue Schule), Heltau das ſchönaufſtrebende mahnte er im Anſchluß an 1 Chron. 17, 34—36 „wie du gottgeſegnete Gemeinde am würdigten dem Herrn deinem Gotte dankeſt“, in Thalheim, einer an Zahl kleinen und abnehmenden Gemeinde ſprach die Predigt über Hebr. 10, 35—38 ein ermutigendes Wort an eine verwelkende Gemeinde. Im Burzenland in Wolkendorf bot Pf. 129, 1—3: „Sie haben mich oft gedränget von meiner Jugend auf, aber ſie haben mich nicht übermocht,“ den Text zur Frage: Was hat die Väter in den Stand geſetzt, daß ſie ſo ſchwere Zeiten überwinden konnten und zur Antwort: ihr chriſtliches Familienleben, ihre überlegene Bildung und Geſittung, ihre Gottesfurcht und Gottesliebe. In Zeiden war das Thema im Anſchluß an Mrk. 12, 28-34 Du biſt nicht fern von

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dem Reiche Gottes und der Nachweis der Wege, die dazuführen. Überall waren auch die momentanen Eindrücke neben den hiſtoriſchen Erinnerungen verarbeitet, es ſpiegelte ſich in jeder Rede Zeit und Ewigkeit.

Die Arbeit der Viſitation erſtreckte ſich auf das geſamte Leben, die Aufrechthaltung der alten Ordnungen in Nachbarſchaft, Bruder- und Schweſterſchaft, die zu- und abnehmende Zahl der Gemeindebevölkerung, Mehrung oder Minderung ihres Beſitzes, die religiös-fittlichen Zuſtände, die Bibeln im Haus, Gottesdienſt, beſondere Schäden uff. Es blieb kaum etwas unberührt. Der Grundgedanke war immer: wo Gottesfurcht und Frömmigkeit ſchwindet, da geht die Gemeinde zugrunde.

Das Pfarramt in ſeiner Arbeit zu ſtärken, war ein überall hervortretendes Ziel. Teutſch wußte aus eigener Erfahrung die Schwere und die Bedeutung des Amtes, kannte aber auch, wie kaum ein Zweiter, deſſen Hoheit und Schönheit. Mit der theologiſchen Literatur eingehend vertraut und mit den neueſten Erſcheinungen auf dem laufenden, konnte er auch auf dieſem Gebiet Führer und Wegweiſer ſein. Beſondern Wert legte er auf die Predigt, das Wort, das die chriſtliche Kirche gegründet und ſie allein zuletzt zu erhalten imſtande iſt. Überall fragte er nach den Predigten, ließ ſich die vorhandenen vorlegen und knüpfte daran eingehende Bemerkungen. Es kamen zuweilen ſeltſame Predigtmethoden zum Vorſchein. „Auf einem Pfarrhof wurde mir die peinliche Über⸗ raſchung zuteil, daß man den vollſtändig zuſammengeſtellten Jahrgang als ganz neu und dem letzten Jahr angehörig auszugeben verſuchte, als ob das an Schriften und Schriftmitteln verſchiedener Zeiten gewöhnte Auge nicht ſofort zwiſchen den friſchen Büchlein und den ftaubgedunfelten ältern die, wenn auch mit gutem Meſſer radierten und zum Teil mit viel ſchwärzerer Dinte geänderten Jahrzahlen hätte erkennen müſſen.“ Die Bedeutung der Predigt in unſerer unkirchlichen Zeit, der begeiſterten, aus dem Herzen kommenden, fort und fort an Studien ſich ſtärkenden, dem jeweiligen Bedürfnis der Gemeinde gerecht werdenden, und immer das möglichſt Beſte bietenden, ſchriftlich vorbereiteten, Predigt legte er immer aufs neue dar, auch in ihrer Bedeutung für den Predigenden ſelbſt. Wohl kannte er die Schwierigkeit einer ſolchen Predigt Sonntag für Sonntag, aber von dieſer idealen Forderung wich er niemals, um ſo weniger als er an manchen Orten die Folgen ſah, wo die behagliche Selbit- überhebung oder die Gewiſſenloſigkeit des Pfarrers von dieſer Pflicht ſich entbunden hatte. Mit dem Hinweis auf die alten Synodalbeſtimmungen und den Forderungen der Neuzeit und der Natur der Sache eiferte er energiſch gegen das Leſen der Predigt, gegen die „Cartacei“, die das Blatt

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vor ſich hielten und es iſt ficher, daß gerade nach dieſer Rich die Viſitationen von nachhaltiger Wirkung geweſen ſind. 7

Es waren überhaupt nicht nur roſige Bilder, die er ſah, ein Auge gerade für des Lebens Schwere und Not und für den unter dem es vielerorts ſtand. Aber gerade dort empfanden dieſe Glieder es ſtärkend und tröſtend, daß endlich die Kirche erinnerte. Hatte doch eine Gemeinde, die im abgelegenen Seite für ſich lebte, es überhaupt nicht glauben wollen, daß der ihr komme und gemeint, das ſei undenkbar.

Daß er überall hinkam, förderte man kann in viele ſagen begründete erſt die Einheit der Kirche. Zuerſt in der in der Durchführung der Schulordnung, indem langſam die bunte ordnung und das planloſe Durcheinander wich, in das die Bil Viſitation vor allem Einblick verſchaffte, da erſt zu Oſtern 1870 neue Schulordnung ins Leben getreten war, alſo eigentlich überall die alten Zuſtände herrſchten. Aber die Kirche kam überhaupt erſt du dieſe Viſitationen zur Kenntnis der in ihr herrſchenden Zuſtände. 8 fand ſich natürlich, daß Edelſtes und Schönſtes neben Traurigem und Erbärmlichem ſtand. Im Jahr 1895 gab es unter den 258 Gemeinden der Landeskirche 38 Gemeinden, die unter 300 Seelen zählten, darunter 22 nicht über 200; vor zwanzig Jahren war das Verhältnis noch ungünſtiger geweſen. Aber auch in größern Gemeinden war zuweilen die Not und die Schwere des Lebens, oft nicht ohne eigene Schuld, noch drückender. Es ſind öfter düſtere Bilder, die die Viſitation zurückließ. Für den ganzen Mediaſcher Bezirk klagte Biſchof Teutſch über die Mattigkeit der Volksſeele, die es zu keiner Lebensfreude, zu keiner Tatkraft kommen laſſe, trotz einiger aufſtrebenden Gemeinden und wünſchte, wenn jemand die Kraft hätte, „Eiſen ins Blut“ zu geben. Welch ein Bild, wenn es im Bericht über die Hermannſtädter Viſitation heißt: „Wenn der Beller die Umfriedigung um ſeine friſchhergeſtellte ſauber gehaltene Kirche endlich aufgeben muß, weil der walachiſche Nachbar fie jeden Winter zerſtört, wiewohl der im Dorf wohnende Komitatsbeamte die fortſchreitende Zerſtörung alle Tage aus ſeinem Fenſter ſieht; wenn die Gemeinde Michelsdorf mit all dem Adel, der drin Hof hält, keinen Steg über den Kalbach herzuſtellen imſtande iſt oder verhalten wird, daß die Evangeliſchen dort bei jedem kleinen An— ſchwellen des Wäſſerleins ihre wohlerhaltene alte Steinkirche nicht beſuchen können, wenn die Girelsauer ihre Baumgärten und eine Weinhalde auf⸗ laſſen müſſen, weil die Frucht regelmäßig eine Beute der Diebe wird,

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wenn der ſächſiſche Bauer dort alle 14 Tage im Dunkel der Nacht hinaus zur Herde muß, die Pferde zu hüten, damit er ſie des folgenden Tags am Pflug haben könne, wenn alle Tage ſechs hinaus zum Schutze des Waldes gehen müſſen, damit er nicht unter der Räuberaxt der Nachbardörfer falle: jo find das eben nicht mehr europäiſche Zuſtände, wo die Kultur leicht und gern Wohnung macht. Aber eben um ſo bedeutungsvoller iſt hier für dieſe das ev. Pfarramt.“

Reich an „Greuel der Verwüſtung“ war der Mühlbächer Kirchen⸗ bezirk, die alte Trümmerſtätte deutſchen Lebens, die unter den Türkenein⸗ fällen ſo furchtbar gelitten, wie kein anderer Landesteil. „Wir ſind faſt nur wie das Moos auf dem Felſen“, klagte ein Pfarrer bei der Begrüßung, „wie der Edelroſt auf der alten Bronce.“ In Blutrot ſtand „auf mäßig gehobenem Bergplateau an der Abendſeite des Dorfes die Kirche, mit gerade geſchloſſenem Chor, deſſen beide Ecken in weitklaffenden Riſſen ſich geſenkt haben, und nur durch gewaltige unſchöne Pfeilerkoloſſe vom Sturze aufgehalten werden. Wenig links hinter der Kirche ſteht die alte Predigerwohnung, jetzt Rektorwohnung und Rektorklaſſe, ein Gebäude aus Bohlen mit Lehmanwurf, außer der Laube, deren Backofen zuſammen⸗ geſtürzt regenzerwejcht dalag, zwei Räume von je etwa 5 Geviertklafter enthaltend, ſchiefwändig, mit kleinſten Fenſtern, kaum 6 Fuß hoch, nicht gedielt, deren nur am vorigen Tage vollzogene Lehmreparaturen mit ihrem friſchen Kalküberzug den Eintretenden dem Atem ſtocken machten. Da ſollen Kinder lernen ich ſah nirgends weder Tiſche noch Bänke da ein über Troglodytenbedürfniſſe hinausgekommener Menſch wohnen! Alerdings war auch der Rektor eben im Ausziehen begriffen, weil man ihm zweimal kurz hintereinander in der Zeit von der Dämmerung bis 8 Uhr abends durch Einbruch ſämtliches Bettzeug und alle Wäſche geſtohlen hatte. Nicht beſſer iſt das zweite Schulgebäude, das ſüdlich der Kirche gerade ge⸗ genüber ſteht. Zwar iſt darin die Kantorwohnung, zugleich Lehrzimmer, durch das Verdienſt der Hausfrau wohnlicher gemacht, aber in den daran- ſtoßenden ehemaligen zwei Klaſſenräumen, die jetzt eine Schafhürde bilden, iſt die Holzdecke zuſammengebrochen, das Dach darüber hängt nur noch in Fetzen; das Ganze gewährt einen troſtlos unbeſchreiblichen Anblick. Er wurde nicht gemildert durch das alle Zäune des Hofs in dichten Strecken krönende Unkraut, das übelriechend und verwelkend dalag, da ſie es erſt den Abend vorher gemäht; wie es in dem weiten Hof wuchert, davon über⸗ zeugte den ſtaunenden Blick der Platz auf der Nordſeite der Kirche, wohin die Senſe nicht gedrungen und wo ſeine üppige Höhe undurchdringlich und breitblättrig dem Sonnenſtrahl den Zugang zur Erde wehrte.“

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Es gab viele Gemeinden, wo der Pfarrer mit Recht ı ohne ſeine Schuld über ſchlechten Kirchenbeſuch klagte, über . der Bruderſchaft, über Zank und zielloſen Hader wüſter Partei „Im Gedenkbuch der Gemeinde Pien führte der Pfarrer ei Verbrecherchronik. Darin waren aus 10 Jahren 15 Einbruch auf dem Pfarrhof aufgezeichnet, deren Täter zum Teil auf ertappt, bekannt find; vor gerichtlicher Verfolgung ſichert fie Hahn, der ſonſt aufs Dach fliegt. In jenem Gedenkbuch fin aus 17 Jahren 9 Fälle von Mord und Totſchlag aus der eingetragen; die Winterzuſammenkünfte des Pfarrers an Aben Altern ſeien nicht möglich, ſo hieß es ohne irgend eine W weil der Mann das Haus dann nicht verlaſſen dürfe. So f dort dem deutſchen Stamm das Leben. Die Mehrzahl jener Ver fällt nicht den Evangeliſchen zur Laſt, ſondern den Rumänen, bi wohnen. Aber wie muß es das Leben beeinflußen“! Welch ein des Lebens, wenn in der ſerbiſchen ev. Gemeinde Klein⸗Schergied Viſitationskommiſſion „die walachiſche Predigt“ des Pfarrers an und mit wenig Erbauung die unmelodiſchen Lieder, die der ſächſiſche Kantor der, unter Zeichen tiefer Inbrunſt mitſingenden, Gemeinde aus dem abgegriffenen handſchriftlichen Graduale bulgaricum anftimmt. Um ſo freundlicher hoben ſich dann Gemeinden ab wie das wachſende Groß⸗ pold, das opferbereite Urwegen mit ſeinen gewaltigen Burgen und den ſchönen Trümmern der Bergkirche, wo Guſtav Arz auf dem gaftlichen Pfarr⸗ hof den Biſchof wiederholt als Gaſt begrüßte, der zu dieſem Haus und Ort beſondern Zug hatte. Die „Teutſchquelle“ im ſchattigen Wald unter der Burg, zur Erinnerung an den Beſuch bei der Viſitation jo getauft, iſt ein äußeres Erinnerungszeichen an jene erhebenden Tage.

Auch in anderen Bezirken fehlte es nicht an traurigen Erfahrungen. In Gergeſchdorf hatte „das Pfarrhaus ein bewohnbares Zimmer, aber ungedielt, klein, dunkel, alle Wände von der Einrichtung bedeckt, neben dem viereckigen Tiſch in der Mitte kein Raum, mühſam nur die ſchwarze Schultafel für das eine Schulkind daneben. Die zur Kammer benützte Stube daran ſtand nicht mehr wagrecht und drohte dem Einſturz; es iſt nicht glaublich, daß ein gebildeter Menſch dort Lebensmut und Berufs⸗ freudigkeit ſich erhalten könne“. Dieſem nahe in bezug auf Trümmer⸗ haftigkeit ſtand der Reußdorfer Pfarrhof. Auch der Belleſchdorfer ah kläglich aus. In Ludwigsdorf war der Pfarrhof ein Trümmerhaufe. Drei Tage nach der letzten Spezialviſitation (1872) war die eine Wand zuſammengebrochen, an der das Bett des Viſitators geſtanden. „Mühſelig

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hatte man fie wieder hergeſtellt. Aus Fachwerk mit Lehm beworfen lehnte der morſche Bau ſich an den Bergabhang, von dem der langhalſige Heberkürbiß bis auf das morſche ſchwarze Bretterdach die leuchtenden Blüten geſenkt hatte, die ſchiefe, halb in die Erde geſunkene Wand mit ſeinem grünen Blätterſchmuck milde verdeckend. Die Holzgallerie, die auf zwei Seiten an den niedrigen kleinen Fenſtern vorbei um die Wohnung lief, die leiterartigen Treppen, die windſchief zu den klaffenden Türen führten, ſahen alle dieſes Weges ungewohnte graden Glieder geradezu gefahrdrohend an. Und drinnen da war das gegen Oſten zu gekehrte Wohnzimmer der Länge nach durch eine, nahe bis zum Ofen reichende Bretterwand geſchieden und der kleinere, zum Teil nicht gedielte, ſondern nur aus Lehm ausgeſchlagene Raum, dunkel und feucht, erfreute ſich unter den Hausgenoſſen des Namens „Studierzimmer“. Drinnen ſtanden auf altſtaubigem Tiſche Bücher und Papiere in bunter Reihe und darüber hing ſymmetriſch geordnet neben dem gewaltigen Jägerhorn die rieſige Jagdtaſche jetzt nur ſelten gebraucht wie ihr Herr faſt klagend meinte. Aber die Wand des Nachbarraumes ſchmückte doch ein Bild des Wormſer Lutherdenkmals und erfreute dieſes ſelbſt durch ſorgſame Sauberkeit das Auge. Das Ganze bot auch in den Bewohnern einen ſolchen Ausdruck der Zufriedenheit dar, wäre dieſe auch ſonſt nur immer berechtigt geweſen daß wir unwillkürlich des alten Sänger⸗ wortes gedachten: Vivitur parvo bene, cui paternum Splendet in mensa tenui salinum.“

Und welch ein Bild boten u. a. einige Schulen im Nösnerland, die kläglichſten in Tatſch und Kirieleis. „Schiefe Wände aus Bollwerk, die den Umſturz drohen, ein Dach aus Stroh geſchwärzt von Rauch, den fein Rauchfang hinausführt, Fenſter, die kein Licht hineinlaſſen, der Fußboden von Lehm, dazu die kleinen Zimmer bisweilen von der ungehobelten Bretterwand durchſchnitten, die dem Lehrer, ſeiner Frau und ſeinen Kindern den ihnen gehörigen Raum abgrenzt, und wenn dieſer, wie im zweiten Klaſſenzimmer in Kirieleis dunkel iſt, die trotz alledem wohlbeleibte Frau Kantorin in dem einzigen lichteinlaſſenden Türraum ſitzend, während die Kinder in der Dämmerung der Kantor⸗ kammer und unter ihrem Gerumpel ſich kichernd des Lebens freuen,“ das war das tief erſchütternde Bild jener Schulen.

Gerade ſolche Zuſtände bewieſen die Notwendigkeit der Viſitation und ſie hat mitgeholfen, jene aus der Welt zu ſchaffen. Daneben bot fie Teutſchimmer neue Erhebung und Stärkung. Denn bei allen Fehlern,

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die er fand, bei allen Sünden, die fo häufig der Leute V. hier Trunkſucht dort Verſchwendung, hier Herzenshärte d hier Prozeßſucht dort Schwäche, hier Mangel an Kindern, d mäßige Sorge auf das irdiſche Gut, alle Fehler einer vo bäuerlichen Bevölkerung fanden ſich auch hier im ganzen hatte die Empfindung von der Geſundheit unſeres Volkslebens, ſeiner ſeiner unverwüſtlichen Dauer, der Zähigkeit des ſächſiſchen der Geneigtheit dem Guten zu dienen, insbeſonders wo nicht ü zielbewußte und uneigennützige Leitung die Gemeinden füh geordneten Reiterſcharen, die wie die Pappenheimer ausſahen, in ihren ſchweren Kirchenpelzen daherbrauſten, die in der V verſammelte Gemeinde, wie ein Bild aus Dürers Zeit, hoben ihm Herz und er wurde nicht müde, leuchtenden Auges davon zu er; und an Freunde in Briefen zu berichten, wie es ſeine Seele gel In der Tat, es iſt kein Kleines, wie dieſe zum Teil eben ſchwer dem Leben ringenden Gemeinden immer wieder bereit waren und ſind, für die höheren Güter der Kirche und des Volkstums Opfer bringen. Alle dieſe Gemeinden haben nicht nur Schule und Kirche aus eigenen Mitteln erhalten; in den Jahren 1850 1867 find außerdem 20 Kirchen, 89 Schulen, 39 Pfarr- und Predigerhäuſer mit einem Aufwand von 633.374 fl. 30 ¼ kr. neugebaut worden, während faſt dieſelbe Summe für bedeutendere Reparaturen ausgegeben wurde. Daneben zahlten ſie jährlich an 800.000 fl. Staatsſteuern. In den Jahren 1867-1886 betrug der jährliche Aufwand für die Volksſchulen, von den Gemeinden aufgebracht 211.611 fl. 23 kr. An außerordentlichen Leiſtungen für Kirchen- und Schulzwecke hatten in derſelben Zeit die Dorfsgemeinden aufgebracht: an Kirchenſteuer 316.450 fl. 31 kr., an Geſchenken und Stiftungen 283.332 fl. 09 kr., für Kirchen und Schulbauten 1.095,610 fl. 67 kr.

1886 90 betrugen die Ausgaben für Kirchenbauten 286.116 fl. 34 kr., für Schulbauten 188.214 fl. 55 kr. auf den Dörfern, 64.973 fl. 91 kr. in den Städten, während die Steuern um ein namhaftes geſtiegen waren! Und wenn dazu gezählt wird, was an Stiftungen und Ge- ſchenken für öffentliche Zwecke aus ev. Kreiſen und für ev. Zwecke aufgebracht wurde, ſo iſt das in der Tat das Zeugnis eines guten Geiſtes. Den Biſchof freute mit Recht, wenn neben den großen auch ſonſt vorleuchtenden Gemeinden wie Heltau und Agnetheln die kleinen ſich ſtellten, wie das kleine Kirtſch (mit 400 Seelen), wo im Jahre 1870 einige wackere Männer eine Fortſchrittsgeſellſchaft „Vorwärts“ gegründet

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hatten „zur Erinnerung an die große Begebenheit, wo unſere Stamm⸗ genoſſen die vereinigten Deutſchen gegen Frankreich zwei ſiegreiche Schlachten bei Wörth und Saarbrücken im raſchen Vorwärtsſchritt gewonnen“, mit dem Zweck einen Fond zur Ablöſung des Schullohnes zu ſchaffen und das allgemeine Wohl der Gemeinde zu fördern. Der Verein hatte im Jahre 1879 faſt 1000 fl. Vermögen! Aus ſolchen kleinen Zügen etzt ſich das Leben zuſammen und die Viſitationserfahrungen waren reich an ſolchen.

Eine Fülle von Sagen und Anekdoten hat ſich an dieſe Fahrten geheftet, die mytenbildende Kraft des Volksgemüts bewährte ſich auch bei dieſem Anlaß. In der Tat war es zu verlockend, all das Neue, das damit ins Dorfsleben eintrat, in ſolcher Weiſe zum Volkseigentum zu machen. Veranlaſſung gaben die Erlebniſſe ſelbſt gar vielfach. Wenn der Biſchof ein Dorf überraſchte, bevor auch nur der Pfarrer recht auf- geftanden war und der Knechtvater ſich eben langſam die Bruderſchafts⸗ fahne aufs Pferd reichen ließ, um ihm entgegen zu reiten, als der Biſchof eben in den Pfarrhof einfuhr, wenn ein andermal die ganze Kommiſſion den Ochſenwagen beſteigen mußte, um im glühenden Sonnenbrand den unwegſamen Berg nach Engenthal zu überſteigen, oder der Biſchof ſelbſt das Pferd beſtieg, um eine prähiſtoriſche Fundſtätte zu beſuchen, oder wenn im Biſtritzer Bezirk der ausgeſandte Kundſchafter, der die Botſchaft vom Eintreffen des Biſchofs auf der Bergeshöhe durch einen Schuß ins Tal melden ſollte, fürſorglich ſich bei den Inſaſſen des Wagens erkundigte, ob auch der Biſchof darunter ſich befinde und dann bat, ſie ſollten ſich nicht erſchrecken, er ſolle ſchießen, oder die Mädchen, die in naſſeſtem Weg dem Biſchof entgegen gekommen waren und nicht vor dem Wagen gehen konnten, nun auf den Seiten ſich den Steg ſuchten und plötzlich anfingen zu ſingen: „was hab ich denn meinem Feinsliebchen getan“, wenn der Kantor in Talmeſch den Unterricht nicht beginnen wollte, ohne den Katalog verleſen zu haben und ein andrer hartnäckig erklärte, „die Kinder können nichts“, ſo war nur zu viel Anlaß zu weiterer Ausſchmückung. Überall wo noch der alte Aberglaube herrſchte, gegen das Wetter zu läuten, wurde ernſt dagegen geredet und dem Presbyterium empfohlen, das Läuten abzustellen. In Radeln zog, kurz nach der Sitzung mit der Gemeindevertretung, wo der Gegenſtand beſprochen worden war, ein ſchweres Unwetter herauf es wurde nicht geläutet. Zum Glück ging nur ein ſtarker Regen nieder, ohne Schaden anzurichten. Hätte es gehagelt, ſo wäre der Aberglaube aufs neue auf Menſchenalter hinaus gefeſtigt geweſen.

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Der Erfolg dieſer Viſitationen iſt nicht hoch genug zu v Der Gedanke der Zufammengehörigfeit, der kirchlichen und Einheit, iſt durch ſie mächtig geſtärkt und in den breiteſten des Volkes erweckt und die Arbeit für ſie gemehrt worden; d ſächliche Einheit, die ihren Ausdruck in der Gleichförmigkeit der e in der allgemeinen Durchführung der Verfaſſung fand, iſt er fie geſchaffen worden. Und wie Teutſch über die Biſtritzer Viſ 1870 ſchrieb: „Wenn ich die prächtigen Männer- und Fra im leuchtenden Feierkleid vor mir hatte und auf die ernſte „ehrbaren Mannes des Gräfen“ antwortete, oder in der Dorf gemiſchten Knaben- und Mädchenchor ſingen hörte: O Straß Straßburg und wieder: Sah ein Knab ein Röslein ſtehn oder Ich nicht, was ſoll es bedeuten, da iſt mir die unermeßliche Kraft un 1 deutſchen Volkslebens in friſchem Bilde aufgegangen und dabei zug unſere prächtige Kirchenverfaſſung aufs neue wert geworden“ ſo g auch andern ähnlich dabei und dieſes deutſche und evangeliſche Volks und die Kirchenverfaſſung wurden dadurch gehoben und gekräftigt. mußte auch ein anderes wirken, das unverhüllt immer wieder hervortrat, ſein hiſtoriſcher Sinn, der die Vergangenheit nicht als etwas totes anſah, ſondern als ein Lebendiges, geeignet neues Leben zu erzeugen. Wir ſind immer ein hiſtoriſches Volk geweſen, in dem der Vergangenheit eine große Bedeutung beigemeſſen wurde, durch Teutſch wurde dieſer Zug unſerer Volksſeele weiter verſtärkt. Wer in ſeiner Begleitung auch nur einige dieſer Fahrten mitgemacht, der mußte von der Gewalt dieſer Stimmung mit ergriffen werden; ſie klang aus allen Berichten, aus allen Briefen, wo er darüber ſprach, heraus, am ergreifendſten vielleicht auf dem alten Totenfeld unſeres Volkes, nach den Eindrücken im Mühlbächer Bezirk. „An einem der Herbſtnachmittage ſchrieb er 1875 an Wattenbach ſtand ich in Petersdorf im Burgring der alten Kirche, den ſie ſeit Jahren ſchon zum Friedhof umgewandelt; durch die gekuppelten Rundbogen⸗ fenſter des gewaltigen Turmes, an deſſen Fuß noch Henningus de villa Petri (Sachſengeſchichte 109) geſpielt, flog kreiſchend der Falke, während der Strahl der ſinkenden Sonne den moosbedeckten Grabſtein bes leuchtete, der dem Leſenden faſt wehmütig vergegenwärtigte, wie raſch der Humanismus des 16 Jahrhunderts auch hier friſche Wurzeln geſchlagen. Denn ſein Geiſt ſpricht aus der Grabſchrift des Pfarrers, der dort feit 1523 ruht:

Oro, Severini saxo tumulata sub isto Dieito, qui graderis, molliter ossa eubant ! i

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Oder wenn der Nachbarſtein, nach den Schriftzügen ganz aus derſelben Zeit ſpricht: 1 8 Si fletu lacrimisque hominum defuncta redirent Corpora, Te pridem restituisset humus

Und wenige Schritte davon jenſeits des alten Burggrabens zieht ſich im langen Bergſturz weithin kenntlich ein uraltes Gräberfeld mit ſeinen Aſchenſchichten und zerbröckelnden Urnenſcherben und daran reiht die Römerſtraße am Mühlbach hinunter die gerade Linie ihres heute noch unzerſtörbaren Dammes, die nach Apulum führte. So viele Geſchlechter der fterblichen Menſchen haben hier an der großen Aufgabe gearbeitet, die dem Ganzen geſetzt iſt und die Gegenwart arbeitet ſo eifrig, um neue Trümmer zu ſchaffen.“ Dazu dann immer in Erhebung der Seele und der jugendliche Mut und die tiefe Frömmigkeit, die ſich mit dem 129. Pſalm tröſtete: „Sie haben mich oft gedrängt von meiner Jugend an, aber ſie haben mich nicht übermocht.“

Ein Anderes war das Mitklingen ſeines Herzens bei all dieſen Eindrücken. Wenn er im Schenker Bezirk die vielen Genoſſen alter Arbeit wieder fand, dann hörte er überall das ergreifende Schriftwort in bald leiſeren bald lauteren Tönen: „ich denke der alten Zeit, der vorigen Jahre.“ Und nun erſt im Schäßburger Bezirk: „Die Sommerſonne ſtand noch hoch am Himmel, als wir auf dem Bahnhof in Schäßburg ausſtiegen. Es war ‚viel Volk. da; das Bezirkskonſiſtorium empfing mit warmem Gruß den Ankommenden in ſeiner Vaterſtadt; nicht nur in ſeinen Herzen wurde die Erinnerung lebendig, wie er vor 21 Jahren nach 21Jjährigem Schuldienſt aus ihrer Mitte fortgezogen und nun, wie zum Anſchluß an jene Arbeit im Auftrag der Kirche wieder zu ihr komme. Auch viele andere Gedanken erwachten im Bild der alten lieben Land⸗ ſchaft, im Blick von hundert treuen Augen, in den Blumenſträußen, die freundliche Hände reichten; das tiefe Wort des deutſchen Sängers klang in der Seele:

Die Stätten meiner Jugend ſeh ich wieder, Doch zeigen ſie mir faſt ein fremd Geſicht,

Rings wuchſen Giebel, ſanken Häuſer nieder, Ja ſelbſt das Flußbett iſt das alte nicht;

Ja, Freund, den Hauch, der unterm Schlag der Glocken Die Welt durchſchauert, ſpür ich doppelt hier,

Er blies nicht bloß das Braun aus unſern Locken, Verwandelt war die Zeit und wir mit ihr.“

In dem Wandel der Zeit das Ewige feſtzuhalten, war die höchſte Aufgabe der Viſitationen. Das verſuchten auch die Schlußſitzungen, die

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überall mit den Bezirkskonſiſtorien, Pfarrern und Lehrern wo Teutſch unter den unmittelbaren Eindrücken der Vi gebniſſe in großem Bilde entrollte und für die geſamte Arbeit Ziele ſetzte. Sie erwuchſen ihm ſelbſt neu in ſolcher Arbeit. Eine empfundene Erkenntnis war, daß unſerer Kirche die Seelſo und Krankenbeſuche, faſt vollſtändig fehlte und nirgends hat ernſten Mahnung an die Geiſtlichen gefehlt, dieſe Arbeit a Die Begleiter dieſer Viſitationsfahrten ſahen ſtaunend, was ein Geiſt und ein warmes Herz andern geben und wie fie die S Höhe führen können. Aus den Erfahrungen der Viſitation Erkenntnis der Notwendigkeit, die Seminarbildung neu zu ſieren, der Entſchluß die äußere Einheit und das innere Leben in Kirche neu zu ſtärken u. a. durch Schaffung einer neuen Agende. Die Arbeit an der letzten hat Teutſch viele Jahre beſchäfti, In der Reformationszeit hielten ſich unſere Gemeinden zu die „Wittenberger Agende“, d. i. an die dort 1539 gedruckte ordnunge zum anfang, für die Pfarherrn in Hertzog Heinrichs zu v. g. h. Fürſtenthum“; dazu kam die von Honterus 1547 herausgegebe „Agende für die Seelſorger und Kirchendiener in Sybenbürgen“, die eng an die Wittenberger Kirchenordnung anſchloß. Eine größere Arbeit aus der Mitte der Kirche erſchien 1653 die „Agenda sacra d. i. Kirchen⸗ ordnung“ in Hermannſtadt, die nahezu ein Jahrhundert dem Bedürfnis entſprach. Es war weſentlich eine Vermehrung dieſer und eine Über⸗ arbeitung, die wohl von Biſchof Jac. Schunn bearbeitet 1748 in Her⸗ mannſtadt erſchien. In den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts entſtand, im Zuſammenhang mit der „Aufklärung“, die auch hieher drang, das Bedürfnis einer Verbeſſerung der Agende. Die Synode ver⸗ traute dieſes „wichtige Geſchäft“ 1789 Andr. Funk an und faßte auch die Herausgabe eines neuen Geſangbuchs ins Auge. Das letztere lag in der Tat ſchon 1793 gedruckt vor, die Arbeit an der Agende wurde mit gutem Mut begonnen, 1795 lag ein Entwurf vom Hermannſtädter Stadtpfarrer Daniel Filtſch handſchriftlich der Synode vor, da begrub die „Regulation“ die Arbeit auf Menſchenalter hinaus. Biſchof Berg⸗ leiter brachte ſie 1834 wieder zur Sprache und nahm die Mithülfe aller Kapitel in Ausſicht, zu der es nie kam und als ſein Nachfolger Biſchof Binder 1844 fragend daran erinnerte, beſchloß die Synode „es ſich zum Geſchäft zu machen, auch dieſen wichtigen Gegenſtand genauer zu durch⸗ denken und ſodann gleich Hand an das wichtige Werk zu legen“. Als er 1854 noch einmal an die Aufgabe erinnerte, ſetzte die Synode eine

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Kommiſſion ein zur Ausarbeitung einer neuen Agende. In der Tat legte Pfarrer J. Fabini 1863 dem Landeskonſiſtorium den druckfertigen Entwurf einer Agende vor. So fand Teutſch die Sachlage. Das Landes- konſiſtorium meinte in einer der erſten Sitzungen, der er präſidierte, daß eine Umarbeitung des Entwurfs nötig ſei und übergab die Arbeit dem Kronſtädter Stadtpfarrer S. Schiel, deſſen Arbeit, da er inzwiſchen ftarb, 1882 dem Brooſer Stadtpfarrer Fr. W. Schuſter übertragen wurde, der in der Tat die ſeinerſeits fertiggeſtellte Agende 1883 dem Landeskonſiſtorium vorlegte. Nach eingehender Prüfung und weitern Ver⸗ beſſerungen, die insbeſonders Teutſch vornahm, legte das Konſiſtorium das Werk 1885 der Landeskirchenverſammlung zur Schlußfaſſung vor. Den Einbegleitungsbericht hat Teutſch geſchrieben, darin eine eingehende Geſchichte der Agende in unſerer Landeskirche. Er hielt fie für ein dringendes Bedürfnis nach all den Erfahrungen auch der Viſitationen. Der Zuſtand war in der Tat faſt ein anarchiſcher. Die alte offizielle Hermannſtädter Agende von 1748 war tatſächlich veraltet und kaum irgendwo noch im Gebrauch. Dafür hatte nun jeder Pfarrer nach Ge⸗ ſchmack und Willkür die Agende genommen, die ihm am beſten paßte und vieles aus eigenem ſich zurechtgelegt. Teutſch konnte heftig werden, wenn er dieſe Unordnung anſah. Die Landeskirchenverſammlung erkannte die Agende als geeignet an, „durch edle Form, Gedankenfülle und eine, allen chriſtlich berechtigten theologiſchen Richtungen und religiöſen Grundſtimmungen Rechnung tragende Vielſeitigkeit, die Würde und den Gehalt des Gottesdienſtes zu heben, ſeine erbauliche Wirkung zu ver⸗ tiefen und damit rechtes ev. Leben gedeihlich zu fördern“, hielt aber noch einige Ergänzungen für wünſchenswert und beſchloß die neue Agende nach einer letzten Redaktion als Kirchenbuch an die Gemeinden hinaus⸗ zugeben. Dieſe letzte Redaktion übernahm der Biſchof. Zunächſt trat, durch andere Arbeiten veranlaßt, wieder ein kleiner Stillſtand ein, aber dann griff er fie an, nicht ohne die Schwierigkeit der Aufgabe zu em⸗ pſinden, „die an und für ſich immer groß, nicht geringer iſt in einer geit, welche bei jo vielen ſtürmiſchen Anforderungen des äußern Lebens wenig Stille und Muße und noch wenigere Weiheſtunden zu ſolcher Arbeit gewährt“. Die Arbeit wuchs ihm unter den Händen, als er die neue reiche Literatur der deutſchen ev. Kirche zu dieſem Zweck aufs neue einſah.

Bezüglich der Einführung der neuen Agende dachte Teutſch an eine obligatoriſche Einführung. Es iſt charakteriſtiſch für ſeine Auf- faſſung, was er in der Landeskirchenverſammlung am 23. April 1885

Georg Daniel Teutſch *

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auf die Anfrage erwiderte, ob das K weiſe einzuführen gedenke: es müſſe jeder und dem Inhalt der neuen Agende für kirche, ausgeſchloſſen ſein, ob dieſelbe zu ja auch die Agende von 1748 im erſten gebraucht worden ſei. Von Zwang oder N hier nicht zu ſprechen, ſondern im Vertrauen Landeskirche und ihrer Geiſtlichen der Zuverſicht zu |

bei den gottesdienftlichen Handlungen nach dieſer Agend Von dieſem Geſichtspunkt aus ſei eine Vermehrung einige Formulare nach gewiſſen Richtungen wünſche Hoffnung, daß auch uns das Vertrauen auf den Verwaltung leiten werde, der Geift, der nicht in Z dürfe oder den Anſchein erwecken müßte, als ſeien wir eine heute mehr morgen weniger zählende Anzahl i Individuen.

Bevor die Agende fertig war, gelang es einzelne zu erledigen. Von 1874 an wurden die Gymnaſien der % den Superintendentialvifar unterſtellt, eine heilſame Einr ig Unterricht und die gleichmäßigere Entwicklung der Anſtalten. 3 1877 wurde eine Hülfslehrerprüfung für Volksſchulkandidate richtet, bejtimmt dem Lehrermangel abzuhelfen, doch hat fie Bedeutung gewonnen; im ſelben Jahr wurde eine Urlaubsn die Lehrer und Pfarrer erlaſſen, die ſich als notwendig h hatte, 1880 eine Rehabilitierungsnorm, die die Möglichkeit jd ſetzte Lehrer und Pfarrer unter gewiſſen Vorausſetzungen wi ein Amt für zuläſſig zu erklären; 1884 wurde der Allgemeine Fre verein der ev. Landeskirche gegründet, der die Frau zielbewußt au den Dienſt der kirchlichen Arbeit ſtellte, im weſentlichen ein V Fr. Müllers. Ebenſo wurde, wieder auf Müllers Anregung der Anfan mit der Organiſierung der Diaſpora gemacht und zu ihrer beſſern Paſto⸗ rierung 1887 ein Reiſeprediger angeſtellt. Von nicht geringerer Bedeutung war die Schaffung einer Präſentationsnorm, um Einheit und Ordnung in die Einführung ins Pfarramt zu bringen und dabei die bald uner⸗ ſchwinglich gewordenen Koſten zu vermindern und in gewiſſe Grenzen zu bannen. Auch gelang es nach vielen vergeblichen Mühen, für die ey. Soldaten die Anſtellung eines ev. Militärgeiſtlichen in Hermannſtadt zu erreichen. Daß die Belaſſung der von Zimmermann ſeinerzeit ge⸗ gründeten Bibliothek der 1887 aufgehobenen Hermannſtädter Rechts⸗

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akademie gelang, fie wurde der Brukenthaliſchen Bibliothek zugewieſen, war weſentlich den Verhandlungen Teutſchs mit Trefort zu verdanken.

Bei den Viſitationen hatte der Biſchof mehr noch als er es ſchon kannte und wußte geſehen, welch unverantwortlicher Luxus im großen und ganzen mit den Stellen in Kirche und Schule getrieben wurde. Als er Biſchof wurde, gab es nur in den allerkleinſten Gemeinden neben dem Pfarrer nicht auch einen Prediger (Hülfsgeiſtlichen) und einen Lehrer, alſo drei Mann, während die Gemeinde zu ſchwach war, auch nur einen einzigen ordentlich zu beſolden. Es war klar, daß bei den ſteigenden Lebensanſprüchen dieſe verſchwenderiſche Armut nicht zu halten war. So iſt denn von Anfang an als Ziel die Verminderung der Stellen und Beſſerſtellung der Angeſtellten aufgeſtellt worden, ein Ziel, das langſam erreicht wurde. Nicht nur die äußere Not zwang dazu. Teutſch wies überall, wo es ſich ergab, darauf hin, daß jede Stelle, die die Gemeinde aufrecht erhalte, auch ſoviel Arbeit bieten müſſe, daß eine Manneskraft wirklich beſchäftigt ſei; unſere Landprediger litten unter dem Mangel an Beſchäftigung. Am liebſten hätte er das ganze Inſtitut, ein Überreſt des Kaplanentums aus der katholiſchen Zeit, aufgehoben, wie es denn in der Tat im Nösner Land, mit ſehr geringen Aus⸗ nahmen, nicht beſtand.

Es hätte ſich auch im Innerleben der Kirche gar manches beſſer und leichter machen laſſen, wenn die Kirche mehr Mittel gehabt hätte. Sie nahm dankbar den Anteil an, der ihr durch die Stiftung eines ungariſchen Adligen Anton v. Baldaciy zufiel, der ſein Vermögen ſämtlichen ev. Kirchen Ungarns vermachte auf unſere Kirche entfielen jährlich etwa 3000 fl. (der Anteil iſt ſpäter gewachſen), aber der Bedürfniſſe waren ſoviele, daß die Aufſchließung neuer Quellen unvermeidlich wurde. Teutſch meinte eine ſolche in dem Erſatz des in den fünfziger Jahren „indebite geleifteten Zehntens“ gefunden zu haben und da dieſe Sache ihn ſein Leben lang beſchäftigt hat, mag ſie hier im Zuſammenhang kurz berührt werden, um ſo mehr, als das Intereſſe daran in der ganzen Kirche ein ungewöhnlich großes war und fie die ganze Sachlage als ſchweres Unrecht empfand.

Die ev. Geiſtlichkeit bezog bekanntlich bis 1848 den Naturalzehnt, und zwar nicht nur von den ev. Gliedern der Gemeinde, ſondern vom geſamten Boden der Gemeinde, der zehntpflichtig war, auch wenn nicht evangeliſche Bürger ihn im Beſitz hatten. Der Klauſenburger Landtag von 1848 hob den Naturalzehnten auf, nur für das Jahr 1848 ſollten die ev. Geiſtlichen noch den Zehnten von den Gläubigen ihrer Kirche

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beziehen. Trotzdem wurden die Evangeliſchen halten (Erlaß vom 1. Dezember 1849), „daß der 8 künftig inſolange von den ſächſiſchen Gemeinden in natura oder deſſen Aquivalent in barem Gelde al der Unterhalt der ev. Geiſtlichkeit in geſetzlicher Dieſe geſetzliche Regelung zog ſich in die Länge, ſo d bis 1856 dieſe unrechtmäßig von ihnen geforderte während die andersgläubigen Beſitzer des auch Grundes und Bodens den Zehnten nicht mehr gaben. Zehntgeber auf eine ſpätere Entſchädigung. Als die Angeleg bürgen durch das kaiſerliche Patent vom 15. September 18 war darin von einer diesfallſigen Entſchädigung keine Re 1861 endlich wurden die Zehntentſchädigungserkenntniſſe Pfarren afdgeftellt, der Betrag des von den ev. Gemeinden entrichteten Zehntens wurde den Pfarrern natürlich ar nicht noch einmal ausgezahlt; dort wo ſie ihn nicht er kam der Grundentlaſtungsfond dafür auf. Mit andern Grundentlaſtungsfond profitierte einfach den von den ev. Gem mäßig erhobenen Zehnten. =

Die Kirche hat es immer als Unrecht empfunden. Am 17. D je 1869 wandte ſich das Landeskonſiſtorium an die Regierung, dieſ Enſchädigung endlich zu gewähren. In der Zwiſchenzeit hatten ei jah jener, die den Zehnten gegeben und die Vertretungen von 162 C dieſe zu erwartende Entſchädigung, die rund auf eine Million berechnet war, zu Kirchen- und Schulzwecken gewidmet; um ſo mehr das Landeskonſiſtorium, die Sache vertreten zu ſollen. Teutſch na der Sache beſonders eifrig an, indem er bei aller Schwierigkeit d Rechtsfrage immer hoffte, die Billigkeit werde beitragen, der Forderung zum Sieg zu verhelfen. Die Antwort der Regierung (vom 4. November 1870) war eine abweiſende: das Patent ſpreche nur von der Entſchädigung der Zehntberechtigten, nicht auch der Zehntpflichtigen, dieſe treffe den Grundentlaſtungsfond überhaupt nicht. Nach dem ſtrengen Buchſtaben des Rechts läßt ſich an dieſer Entſcheidung nichts ausſetzen. Aber das Unrecht ſelbſt bleibt darum, auch dann, wenn die weitere Einwendung gegen die Forderung erhoben wurde, daß die Gemeinden als ſolche gar kein Recht gehabt hätten, die Entſchädigung zu Kirchenzwecken zu widmen, weil der Anſpruch darauf den Zehntpflichtigen zuſtünde und von dieſen nur ein geringer Teil die zu erhoffende Entſchädigung an die Kirche geſchenkt hätte. Trotzdem ließ das Konſiſtorium die Angelegenheit nicht

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aus den Augen. Bei verſchiedenen Gelegenheiten verſuchte Teutſch darauf hinzuarbeiten, einer andern Auffaſſung die Wege zu ebnen. Als eine nachträgliche Entſchädigung der adligen Beſitzer durch ein neues Geſetz vorbereitet wurde, ihnen waren die Zinſen nur von 1858 an berechnet und ¼ unter dem Titel Verwaltungskoſten abgezogen worden, wofür nun ein Erſatz zu geben beſchloſſen wurde wurde die Sache neuerdings mit Energie aufgenommen, um bei dieſer Ge⸗ legenheit den Schaden gutmachen zu laſſen. Es ſchien anfangs nicht ohne Hoffnung; zuletzt wurde doch nichts draus, einmal weil es ſich doch um bedeutende Summen handelte, dann weil die Regierung, auf die es doch ankam, dieſer Frage gegenüber nicht dieſelbe Billigkeit em⸗ pfand, wie dem ungariſchen Adel gegenüber.

Aufgegeben hat die Kirche die Hoffnung nicht, daß ſich doch eine Ausgleichung des Unrechts erreichen laſſe.

In die neue Kirchenverfaſſung ragten und ragen als Reſte des alten Verfaſſungsbaues die Trümmer der Kapitel und der Synode herein, die letztere die Vertretung der Kapitel und der Geiſtlichkeit. Die Kapitel ſelbſt waren die alten kirchlichen Verwaltungsbezirke, die aus der vor⸗ reformatoriſchen Zeit in die ev. Kirche herübergenommen worden und Träger des Kirchenregiments waren. Alle dieſe Aufgaben entfielen mit dem Jahr 1861. Teutſch verſuchte der alten Form neues Leben ein⸗ zuhauchen, neuen Inhalt zu geben.

In den Tagen, da er zum Biſchof gewählt wurde, war auch die Synode nach Hermannſtadt berufen worden. Sie gab damals dem Schenker Abgeordneten, als welcher Teutſch anweſend war, den Auftrag, die Geſchichte der Synode von 1790—1861 zu ſchreiben, vor allem auch darum, daß die Geiſtlichen ſelbſt über ſie ins klare kämen und für die Zukunft Richtpunkte der Arbeit fänden. Im Jahr 1870 rief Teutſch nun ſelbſt die Synode zuſammen und legte ihr, nicht eine ausführliche Geſchichte ihrer Wirkſamkeit, aber „einige Züge aus dem Lebensbild unſerer Synode im letzten Jahrhundert“ vor, die er in der Er öffnungsrede zeichnete. Die Arbeiten der Synode gingen über laufende Angelegenheiten nicht hinaus und zeigten durchaus die Unſicherheit in bezug auf die eigentlichen Aufgaben. Es wetterleuchtete darin ſchon die Intervallfrage, aber zu Beſchlüſſen kam es nicht. Da iſt es nun von Bedeutung, daß der Biſchof ſchon in der erwähnten Eröffnungsrede die neuen Ziele zum erſtenmal aufftellte und zeichnete. „Frei von der Pflicht kirchenregimentlicher oder gerichtlicher Tätigkeit werden Kapitel und Synode nach einem edlern Ziel mit vollerer Kraft und geſegneterem

Erfolg ringen können. Das ift, in den Gliedern des g ſelbſt durch geordnetere Zuſammenkünfte das Ben gehörigkeit heben, das wiſſenſchaftliche Streben Aufgaben nahe bringen und ihr Verſtändnis N einzelnen Erfahrung bereichern, die oft vereinſamt ſich durch die Anſchauung des gemeinſamen Strebens ſt die Pflicht und Berufsfreudigkeit, dieſe Wurzeln alles und alſo in wiſſenſchaftlicher, fittlicher und beruflicher lichen Standes dieſen immer mehr befähigen, zum ev. Geiſtes zu werden und denſelben auch im Verfaf b Regiment der Kirche, zu immer vollerem und würdigerem 2 bringen. Dahin, vorwärts nicht rückwärts wende ſich Geiſt ! So ließ er auf derſelben Synode aus den einzelnen Kapitel was für dieſes Innerleben getan worden ſei. Es müſſe

der wiederkehrende Gedanke ein neuer Licht- und Ruftftror Kapitel⸗ und Synodalleben kommen. Es zu fördern beſchloß auf ſeinen Antrag: ſie anerkenne die Notwendigkeit eines ern! ſchaftlichen Lebens und gegenſeitiger amtsbrüderlichen An Förderung für die Aufgaben des Berufes und ſehe als Boden I insbeſonders die Kapitular- und Synodalverhandlungen an und ei einſtimmig: die Synode erwartet, daß die einzelnen Kapitel der kirche jährlich mindeſtens viermal in regelmäßigen Zuſammenkün geordneter wiſſenſchaftlicher Beſprechung und Verhandlung über ſtände, welche auf die Führung des geiſtlichen Amtes in ſeinem g Umfang Bezug haben, mit beſonderer Berückſichtigung der eignen örtlichen Entwicklungen und Bedürfniſſe zuſammentreten. Aufgabe der Synode wird es ſein, in ihren Zusammenkünften den geſamten Kreis der geiſt⸗ lichen Berufstätigkeit, nötigenfalls mit Berückſichtigung der Ergebniſſe jener Kapitularverhandlungen, vom Standpunkt der geſamten Kirche zu allſeitiger Förderung des religiös-ſittlichen Lebens derſelben, zur För⸗ derung des wiſſenſchaftlichen Lebens der Geiſtlichen und ihrer beruflichen und ſittlichen Tüchtigkeit zum Gegenſtand geordneter Beſprechung zu machen und die Ergebniſſe der geſamten Geiſtlichkeit zur Kenntnis zu bringen.“ Er ſelbſt warf als Beispiel, was ſich alles für die Beſprechung

eigne, eine Reihe von Fragen in die Verſammlung: Was hat der

ev. Pfarrer zu tun, damit er ſeiner Pflicht, Schulinſpektor zu fein, immer

mehr entſpreche? Was ift zu tun, damit die Predigt des göttlichen

Wortes immer fruchtbarer werde? Was haben wir zu tun mit unſern

in vielen Teilen der Landeskirche beſtehenden Frühkirchen und Veſpern,

zäh

die hie und da immer mehr ein opus operatum zu werden beginnen ? Was ift zu tun, daß die Kinderlehre aus ihrer Unfruchtbarkeit, Starrheit oder ihrem Tode erlöſet werde und ob nicht die ganze Art des Unter⸗ richts als nicht mehr zeitgemäß mit einem beſſern zu vertauſchen ſei? Wie ſoll der Konfirmandenunterricht beſchaffen fein, wie hat man ſich bei den Adiaphoris zu verhalten, was iſt zu tun, daß der Geiſtliche wiſsenſchaftlich nicht zurückbleibt? Zum Schluß der Synode richtete er noch einmal die Aufmerkſamkeit der Mitglieder auf die Förderung der Bezirksbibliotheken, die Verbreitung der Bibel, die Ordnung der Archive, eventuell deren Überführung ins Archiv der Landeskirche, die Rückſicht auf die äußere Erſcheinung der Geiſtlichen, die Sauberkeit der Pfarr- und Schulhöfe, der Umgebung der Kirchen. Es war ein Hauch des neuen Luft⸗ und Lichtſtroms, der von ihm ausging. Doch iſt er ſelbſt nur noch einmal dazu gekommen, die Synode um ſich zu verſammeln, im Jahr 1879; die folgenden Kampfesjahre haben ein weiteres verhindert. Auf dieſer zweiten Synode entwarf er zum erſtenmal das Bild von der Entwicklung des Intervalls in der Kirche, es war die Vorbereitung für die Entſcheidung der bedeutſamen Frage und die Synode enthielt ſich, angeſichts der Fülle des neuen Materials, einer Beſchlußfaſſung in der Angelegenheit. Daneben aber bildete wieder das Hinlenken der Aufmerksamkeit auf die innere Arbeit, die aufbauende Tätigkeit des geiſt⸗ lichen Amtes einen Gegenſtand der Tagesordnung. Es lag der Synode eine Zuſammenſtellung darüber vor, was in den letzten Jahren nach dieſer Richtung, beſonders auch auf den Wegen, die die Synode von 1870 gezeigt, geſchehen war. Im Anſchluß daran wies der vorſitzende Viſchof am Schluß der Synode nochmals auf dieſe Aufgaben hin: „Ich gehe von der Überzeugung aus ſprach er einmal, daß die Wirk⸗ ſamkeit der Kirche im allgemeinen für unſer Volk, aber namentlich in diefer unſerer Zeit, in der uns der Herr heimgeſucht hat, noch eine weit bedeutendere und tiefer gehende zu ſein habe als je; und daß diejenigen, denen die Kirche das geiftliche Amt, insbeſondere das Pfarramt in der Gegenwart anvertraut hat, wie eine würdigere und edlere Stellung, ſo andrerſeits eine ſehr, ſehr bedeutend ſchwierigere Aufgabe haben. Wie Luther in ſeiner nicht genug zu würdigenden Vorrede zum kleinen Kate⸗ chismus ſagt: Unſer Amt ift nun ein ander Ding geworden, denn es war in der päpſtlichen Zeit, ſo müſſen wir ſagen: unſer Amt iſt ein ander Ding geworden als es war nur vor einem Jahrhundert, ja vor einem Menſchenalter. Da, wo unſer Leben im friedlichen Gleichmaß der Tage ſich bewegte, wo eine Menge erhaltender Kräfte für unſere Volks⸗

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feele tätig war, da konnte auch unſer Amt ſich im Kahr wie auf den ſtillen Wellen eines Fluſſes in mildem V friedlicher Dämmerung des Abends ruhig dahintragen l wo Stürme von allen Seiten heraufziehn und } äußere Kämpfe wären das Kleinſte nein! Kämp Wurzeln des innern Lebens annagen und feſſeln Amt eine Aufgabe höher und ſchwerer als je. Und ſo immer vorbildlich, wenn ich in unſere in das enge Tal Dörfer Einzug halte, und die Gaſſen ringsum gelagert ſehe um die Kirchenburg und an dieſe Kirchenburg ſich das alte friedliche Pfarrhaus, und dieſes alte, von A trümmerhaft ausſehende Pfarrhaus, im Innern aber jo Räume birgt und um fie den ſorgſam gepflegten Garten eine wenn auch nicht überreiche, doch die Heroen des G Bibliothek dem Fremden und Pilger darbietet. So ießt mehr als je unſer fittlich-geiftiges, religibſes Leben um dieje $ Kirchenburg und das Pfarrhaus, das durch den Pfarrer das und die rechte Stärke zu bringen berufen iſt.

„Indem ich denn von dieſer Anſchauung ausgehe und d Erſuchen an Sie richte, in dieſem hohen Amte, das in unferen ein ganz anderes geworden iſt als früher, alles zu tun, was n um denjenigen, die hinter uns kommen, nicht ein an geiſtig⸗ſittlicher K und ev. Leben geſchmälertes Erbe zu hinterlaſſen im Verhältnis zu das wir überkommen haben, gedenke ich des Wortes eines Päda daß 300 gute Pfarrherrn eine größere Macht in ſich ſchließen als 60.000 7 wackere Soldaten, ſo notwendig dieſe auch an ihrer Stelle ſind. Denn der ſtillen treuen Tätigkeit des Pfarramtes, gekräftigt durch den ſteten Hinblick auf die höchſten christlichen Ziele, kann das Menſchenherz auf die Dauer nicht widerſtehen, es muß zum Beſſern, zum Höhern geführt werden.“ In der Abſicht, zu ſolcher Arbeit zu ſtärken teilte er einige Ergebniſſe aus den letzten Pfarramtsberichten mit, gab Winke für die Führung des Pfarramtes, Andeutungen über Matrikelführung, die wiſſenſchaftliche Tätigkeit des Pfarrers, die Ordnung der Archive, Anlage von Volksſchulbibliotheken, Pflege der Winterleſeabende, über die Be⸗ deutung der äußern Erſcheinung des Geiſtlichen, „vor allem aber möge die Sorge der Kirche ſelbſt der Weckung und Förderung des religiöſen Lebens zugewendet werden,“ wobei er den religiöſen Unterricht in der Schule, die Bedeutung der Predigt und des Kultus, das etwaige Bedürfnis religiöſer Vorträge eingehender erörterte. Es ſind lauter Geſichtspunkte,

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die er bei allen Gelegenheiten in den Vordergrund rückte. Es galt von ihm, es ging ein Säemann aus zu jäen feinen Samen.

Er ſtreute ihn mit vollen Händen aus. Als beſondere Gelegenheiten benützte er dazu, wenn unſer Volk in gehobener Stimmung ſich zufammen- fand und ſolchen Anlaß ihm zu bieten ergab von ſelbſt das Lutherjahr. Von Teutſch ging der Gedanke aus, es in großem Stil zu feiern. Schon im Januar 1883 traf das Landeskonſiſtorium vorbereitende Anordnungen und jo iſt denn das Lutherfeſt in allen unſeren Kirchen und Schulen in einer Weiſe gefeiert worden, wie kein anderes Feſt. Es war zum erſtenmal, daß der Geburtstag Luthers in unſerer Kirche feſtlich begangen wurde. Vor hundert Jahren wäre es kaum möglich geweſen, denn eine völlige Umwälzung erſchütterte damals die Grundlagen unſeres Beſtandes und die dunklen Schatten der „Aufhebung der Nation“, die 1784 erfolgte, flogen den Ereigniſſen bereits voraus. Im Jahre 1683 ſahen ſich die ev. Bekenner gezwungen, mit den Türken ins Feld zu ziehen, ſo ſeltſam verſchlungen ſind zuweilen die Wege, die Gott ein Volk führt und das erſte Jahrhundert nach Luthers Geburt (1583) fand das Land in innern Wirren, in denen zum erſtenmal die Jeſuiten ihre friedenſtörende Tätigkeit entwickelten. Im Jahre 1817 hatte die ev. Landeskirche die 300 jährige Wiederkehr der Reformation gefeiert, aber es fehlte dabei das Bewußtſein der Einheit der Kirche, das 1883 der ganzen Feier das Gepräge auf- drückte. Nachdem am 4. November in allen Kirchen und in den Tagen in allen Schulen der Geburtstag Luthers gefeiert worden war, fand die Feier am 10. und 11. November als Feier der Landeskirche in Hermannſtadt ſtatt. An die Schulfeier am 10. November ſchloß ſich am ſelben Tag die Einweihung des neugebauten Waiſenhauſes in Hermannſtadt mit der Johanniskirche, die der Biſchof vollzog und die ganze Anſtalt mit glücklichem Griff Lutherhaus benannte. Ein Kirchenkonzert ſchloß den Tag. Am 11. November fand der Feſtgottesdienſt ſtatt, in dem der Biſchof die Feſtpredigt hielt. Im Anſchluß an 1 Moſ. 12, 1— 3 „Ich will dich ſegnen und du ſollſt ein Segen ſein“ feierte er Luther als Erneuerer rechter chriſtlicher Freiheit, als Bahnbrecher und Vorkämpfer für alle Wahrheit und als Apoſtel neuen religibſen Lebens, der dem Chriſtentum wieder feine Reinheit und Tiefe gegeben. Die Predigt führte aus, daß das Gebundenſein in Gott die tiefſte Lebensquelle und die einzig wahre Freiheit des Chriſten iſt, daß des Proteſtantismus ſchwergewichtige Mitgift die freie Wiſſenſchaft iſt, auf der nicht zuletzt die Stellung beruht, die das deutſche Volk im Reich des Geiſtes und damit auf allen Machtgebieten des Lebens einnimmt, daß das durch Luther erneuerte ev. Chriſtentum

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nicht ein Inbegriff toter kalter Lehren, äußerer wirkſamer, ſchaffender Geiſt, tätiges Leben, Leben in Got liege in Luthers Werk nicht nur eine Reformation der K alle göttlichen Ordnungen, Religion, Staat, Fami das Leben auf allen Gebieten und in allen 9 geläutert, gehoben worden von der befreienden Mach ſeines, Gott ſuchenden und Chriſto dienenden Geiſtes. allen Teilen der Rede das Herz des ſächſiſchen Geſchichtsſch Zahlreiche Einzelzüge aus der Geſchichte unſeres Volkes, ſind in die Predigt hineingewoben, auch für uns hat die Verheißung bewährt: „Du ſollſt ein Segen ſein.“ In war der Biſchof, nicht nur durch das Amt, dem er 0 eine hervorragende Stellung gab, ſondern als Perſönlichkeit recht als einigender Mittelpunkt der Kirche und des V worden. Ihm ſelbſt waren die Tage unvergeßlich. Innerl ihn gefördert, in dem er in den vorangehenden Monaten Luth und die bedeutenderen Biographien (Köſtlin, Rade, Freytag, wieder las und aus den Feſttagen ſelbſt nahm er die erfriſchende Übe mit, daß wir doch noch etwas ſeien und mehr noch werden Tage klangen lang in ihm nach. Bei der Ordination im 2 1883 ſprach er über „Luthers Mahnung am Ordinationstag“ | über die Feier jenes Tages: „Ströme heiliger Erhebung ſind ausgegangen viele Monden lang. Welch ein Wehen des Geiſtes Höhe war es, als im Auguſt in Erfurt, dort auf der Stätte, da der? einſt durch ſchweren Seelenkampf zum Licht des erlöſenden Glaul durchgedrungen, die Blüte der deutſchen Univerſitäten ſich vereinigte, das Herz den Geiſtesſtimmen jener großen Vergangenheit zu öffnen und am folgenden Tag auf dem geweihten Boden der Wartburg aufs neue in tiefſter Seele inne zu werden, wie der Geiſt aus Gott doch alle Zeit jene „feſte Burg“ iſt, die der „Fürſt dieſer Welt“ nimmermehr zerftören kann. Und als im September darauf aus allen Kreiſen deutſch-evangeliſcher Geiſtesarbeit eine treue Männerſchar in Wittenberg zuſammentrat, und nach ernſter Sammlung am Grabe des großen Reformators Rückſchau hielt auf den Segen ſeines weltgeſchichtlichen Lebens, als ſelbſt des deutſchen Reiches Häupter, Vater und Sohn, dort ergreifendes Zeugnis ablegten, wie ihr Herz für „Martin Luthers Geiſt und Wirken“ fühle: ging da nicht wie eine neue Kraft aus der Höhe durch alles ev. Volk die friſche Heldenzuverſicht: „Das Reich muß uns doch bleiben.“

„Und nun hat der Herbſt die gottgeſegnete Feier uns Allen gebracht;

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in allen Schulen, in allen Kirchen, in jeder Gemeinde hat ſie die Herzen von jung und alt erhoben und gewiß nicht ihre kleinſte Gnade gerade in dieſem Gotteshaus in herzergreifender Weiſe zur Anſchauung gebracht, wie wir in Nation und Kirche „ein einig Volk von Brüdern“ ſind und ſein ſollen. Nach langen, langen Jahren noch werden die Lutherbüchlein und die Luthereichen und die Lutherlinden und die Lutherſtiftungen vom Geiſt verkünden, der in dieſen Tagen vor ſeinem Heldenbild in Millionen Seelen neu erwacht oder bekräftigt worden iſt: „ich will nicht ſterben ſondern leben und des Herrn Werk verkündigen“. Und ein Jahr ſpäter (November 1884) ſprach er gleichfalls bei einer Ordination: „Ein Lied im höhern Chor“ das wird einmal die Ülberſchrift fein über der Geſchichte des Jahres, das in dieſen Tagen feinen Ring ſchließt. Feierte doch eben vor Jahresfriſt unſer Volk und unſere Kirche ihre Lutherwoche; welcher Denkende wäre unter uns, dem die Erinnerung daran nicht in dieſen Tagen die Seele höher höbe. Ach, nach langen, langen Jahren ſchwerſter, zur Tiefe ziehender Arbeit, nach vielen, vielen „böſen Tagen“ aufgedrungenen Kampfes, in dem kaum ein Sieg zu verzeichnen, wiewohl die Schlachten alle unter dem Banner der Pflicht und des Rechts geſchlagen wurden, endlich eine Woche von Feſtfrieden und Feſtfreude; nach dem dunkeln Sturmgewölk wieder der alte Himmel mit ſeinen reinen Sternen, mit ſeiner leuchten⸗ den Sonne, deren Strahlenſchrift aufs neue verkündete: „ſie haben mich doch nicht übermocht“ und „die mit Tränen ſäen, werden mit Freuden ernten“. Welch ein Strom von Begeiſterung hob da die Seele unſeres Volkes, ach, dem die Quellen derſelben ſo ſchwer ſich auftun; welch eine Fülle idealer Lebensmächte pochte da aufs neue an die geöffnete Pforte ſeines Herzens, hinweiſend auf „den Herrn, der gerecht iſt“. Und wenn auch nicht alle Lutherlinden und Luthereichen Wurzeln geſchlagen haben, die Treue, die fie geſetzt, wird fie wieder pflanzen und an mehr als einer Stätte ſteht die Saat, die jene Woche geſät, in freudigem Wachstum“.

Was der Biſchof in großem Umfang in den Luthertagen erreichte, die idealen Lebensmächte zu ſtärken, die Quellen der Begeiſterung zu öffnen, „die uns ach jo ſchwer fließen“, das hat er bei andern ämt- lichen Gelegenheiten, wie Einweihungen von Kirchen und Schulen, die er, wenn nur möglich, ſelbſt vornahm, in kleineren Kreisen wiederholt. Der Eindruck, den er machte, blieb der gleiche in der Stadt und auf dem Dorf. Der Gebildete und Ungebildete, der Gleichſtehende und der leine Mann, fie alle empfanden, daß hier eine ausgereifte Perſönlichkeit vor ihnen ſtand, die an ſich ſelber unausgeſett arbeitete, die im Gedanken

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der Pflicht und der Arbeit für das Ganze Gott die Kraft gab, auch in Leid und $ . und deren Schwung der Seele den Staub des hatte. In naiver Freude ſprach der Schulmeiſter a würde er doch in der Schule leiſten, wenn geworden wäre und der Dorfshann: der Biſchof richter gegeben! Er war mit den Jahren ruhiger nicht weniger allem Gemeinen feind; rückſichtsvoll gege in den Dienft des Volkes und der Kirche ſich ſtellen Schwachen, ſtärkte die Kräftigen, ſeine ſich immer Weisheit, ſein warmes Herz, ſein reiches Wiſſen, fie und in der Ferne, in Kirche und Volk nicht weniger; bau beigetragen als die großen reformatoriſchen Arb Perſönlich wußte er überall die erlahmende Kraft zu heb und Mut zu beleben, Treue und Pflichterfüllung, G i Arbeitsluſt, Frömmigkeit und Gottvertrauen zu mehren. Er hat niemals überſehen, wie viel nach allen den Volk und Kirche zu wünſchen übrig blieb. Aber gerade w wie viel in jeder Beziehung unter ihm beſſer geworden, muß keit des Urteils zugeben, das im Bericht des 2. Landes! über ſeine Amtswirkſamkeit in die Worte gefaßt wird: daß die der Superintendentur nach Hermannſtadt eine epochale Tat ihr datiert ſich erft in der Tat und in der Wahrheit eine organi gemeinde der ev. Landeskirche A. B. in Siebenbürgen“. Das dabei hat die Perſon ihres Biſchofs getan. 8 Neben dem Amt fand Teutſch Zeit auch zur weitern Beſchä mit der Wiſſenſchaft, die ihm das Herz gewonnen hatte, vor allem Geſchichte. Er hat es am meiſten bedauert, daß „des Dienſtes N gleich geſtellte Uhr“ wie er gern zitierte nicht erlaubte, mehr ſich mit ihr zu beſchäftigen. „Ja, dieſe alte liebgewordene Arbeit ſchrieb er einſt dem Freunde Thomas nach München wer könnte ſie miſſen im drückenden Gleichmaß des immer mehr ins Gemeine herabſinkenden Tages. Nur mich drängt die herbe Notwendigkeit des immer heißer werdenden Kampfes um edelſte Lebensgüter immer weiter vom ſtillen Boden jener Arbeit ab.“ Doch hat auch der heißeſte Kampf ihn nicht ganz von ihr verdrängen können. Insbeſonders war ihm vergönnt, zwei weitere große Arbeiten ſeinem Volk zu bieten, eine 2. Auflage der Sachſen⸗ geſchichte und den 2. Band des Urkundenbuchs der ev. Landeskirche, die Synodalverhandlungen dieſer Kirche im Reformationsjahrhundert.

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Die 1. Auflage der Sachſengeſchichte war nur langſam aufgekauft worden. Wir ſind ein wenig Bücher verzehrendes Volk und Deutſchland hatte nicht viel Notiz von jenem Buch genommen trotz Häuſſers und Wattenbachs Empfehlung. Das Bewußtſein der Pflicht, ſich um die fernen Deutſchen zu bekümmern und ihr Leiden und Kämpfen mindeſtens kennen zu lernen, iſt bis heute auf gar kleine Kreiſe beſchränkt geblieben. Mit dem äußern Anlaß zur Neubearbeitung fiel ein anderes zuſammen, was noch mehr von Bedeutung war. Die erſte Auflage war in einer Zeit der geiſtigen Wiedergeburt des ſächſiſchen Volkes entſtanden und in einer Zeit ſchwerſten Kampfes um den Beſtand des Volkes. Mit den ſiebziger Jahren brach ein Kampf ähnlicher Art, wenn auch gegen ganz andere Mächte, aus und es war nicht zu verwundern, daß das Bedürfnis nach vertiefter Kenntnis der Vergangenheit wieder empfunden wurde. S. Hirzel in Leipzig nahm auf Wattenbachs Veranlaſſung das Buch in Verlag und ſo trat es 1874 ſeine zweite Wanderung an, hier froh begrüßt, in Deutſchland noch immer zu wenig gewürdigt, wenn auch mehr beachtet als die erſte Auflage. Im Verhältnis zur erſten Auflage in vielen Teilen völlig umgeändert, war es ein Beweis für das Wachstum des Verfaſſers ſelbſt. Zunächſt war die Darſtellung von allem Gekünſtelten freigemacht worden, auch da, wo ehemals die Anklänge an Zſchokke ſtörten; das Buch war reifer geworden. Dabei blieben die Mottos, gegen die Hirzel ſich anfangs wehrte. Sie hatten bei der erſten Auflage Eindruck gemacht und Teutſch meinte, fie ſeien eine gute Gelegenheit, u. a. dem einfachen Leſer Schillers inhaltreiche Worte die Mehrzahl ſind aus ſeinen Werken nahe zu bringen. Der Inhalt zeigte nicht minder einen Fortschritt. Zunächſt war alles hineinverarbeitet, was die Forſchung in dem Menſchenalter ſeit der erſten Auflage weiter gefunden und es iſt nicht wenig geweſen; einen guten Teil hatte er ſelbſt zutage gefördert; dann war der Kulturgeſchichte ein bedeutend größerer Platz eingeräumt, Dieſe Kapitel ſind völlig neue. Da kamen ihm die hundert Einzelheiten zu gut, die er aus Urkunden und alten Rechnungen, aus den Quellen der Geſchichte und dem Einblick in das Leben in Stadt und Land wie fein Zweiter kannte, und die er fo bezeichnend in das Ganze einzufügen wußte. Dabei klang aus der ganzen Darſtellung wie bei der erſten Auflage das perſönliche Fühlen und Denken lebendig heraus. Wenn er von den Inkunabeln ſpricht, den beſtaubten wurmzerfreſſenen Bänden, dann ſpricht er es aus, daß es unmöglich ſei, bei dieſem Anblick, der jo viele Erinnerungen an das Mittelalter wachrufe, ſich eines Gefühls freudiger Rührung zu erwehren, „denn ſo wie ſie ſind, waren dieſe Bücher Boten

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414 eines neuen Tages“ und wenn er von den Ver dann klingt wieder das Gemüt mit, das ſich fo ı freute, „wenn aus den Bäumen des grünen Hüg Dorf gelagert iſt, die graue Burgmauer h Spitzbogenfenſter des Gotteshauſes in der 9 letzten leuchtenden Strahlen durch die Schießſcharten de von dem die Glocke eben zur Ruhe läutet. Ihre deuten erſt recht, was einſt alles ihre alte Inſchri der Ehren komm mit dem Frieden“.

Er war älter geworden, aber ihm war nicht Angelegenheiten des eigenen Volkes ohne herzliche 2 Dieſe iſt immer bemerkbar, zuweilen durch ein charal manchmal wie bei Tacitus zwiſchen den Zeilen zu leſen, die Geſchicke des Vaterlandes wie ſelbſterlebtes Glück und ſchlug warm wie in jungen Jahren und gibt der E Wahrheit. Dabei auch hier überall ein Zurückgehen a aus deren unmittelbaren Studien das Buch erwachſen worden iſt. Das Buch endigte leider, wie die erſte Auflage, „Eine ſolche Arbeit hebt den Mut“, ſchrieb der treue der Iſar und das galt von der „Sachſengeſchichte“ nach Sie hat dem ſächſiſchen Volk den Mut gerade in den kommenden Jahren der Not und der Bedrohung der höchſten Lebensgüter g ſie hat mitgeholfen, daß in der allgemeinen Erſchütterung, die tiſchen Einrichtungen über den Haufen warf, das Bewußtſein des Zuſa hanges mit der Vergangenheit nicht verloren ging, daß der Üb ſich ohne innere Einbuße an unſerem Weſen vollziehen konnte. aus dieſem Geſichtspunkte ſchien ihm die Weiterführung der G bis in die neueſte Zeit, vor allem auch von 1848 herwärts eine bi Notwendigkeit; „hätte ich drei Monate Zeit, ich ſchriebe die Geſchichte“. Einen vorläufigen Erſatz ſollte die Fortführung des „Abriſſes der Ge⸗ ſchichte Siebenbürgens“ bieten, der Ende der ſiebziger Jahre in Arbeit war. Aber auch dieſen gelang es nicht, fertig zu ſtellen, der ſchwere Kampf für die Rechte der Kirche hat ihn daran gehindert. Erſt aus dem Nachlaß iſt das Büchlein herausgegeben worden, leider auch nur bis 1691 fortgeführt.

Die Arbeit an der 2. Auflage der Sachſengeſchichte hatte der Verfaſſer begonnen, um ſich ſelbſt den Mut zu ſtärken. Es war ein eigenes Zusammentreffen; er hatte die Geſchichte feines Volkes einſt in Angriff genommen, um des tiefen Wehes Herr zu werden, da ihm die

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Frau nach kurzer Ehe entriſſen worden war; an die 2. Auflage legte er Hand, um den Schmerz über den Tod eines Knaben zu überwinden, der 1873 ſtarb. Er meinte, neben dem Aufblick zu Gott ſei eine große Arbeit am geeigneteſten, über ſolches Leid hinüber zu helfen und auch diesmal verſagte das Mittel nicht.

Die andere große Arbeit dieſes Zeitraumes war die Herausgabe des zweiten Bandes des „Urkundenbuches der ev. Landeskirche“, ent- haltend „die Synodalverhandlungen der ev. Landeskirche im Reformations⸗ jahrhundert“. Den unmittelbaren Anſtoß dazu gab das Lutherjahr. Teutſch hielt es für der geſamten Kirche würdig, daß auch ſie mit einer Publikation als Feſtſchrift dem Tag ein dauerndes Erinnerungszeichen ſetze; er ſelbſt wollte es aufrichten. In der Vorrede rauſcht die volle Begeiſterung des Lutherjahres, die ausführt, das Buch wolle den Manen Luthers den geringen Zoll der Dankbarkeit unſerer Kirche abſtatten und „Zeugnis ablegen von dem lebendigen Bewußtsein ihrer inneren Zuge⸗ hörigkeit zu jener heiligen chriſtlichen Kirche, von der die Augsburger Konfeſſion jo gewaltig redet. Denn als die Zeit erfüllt war, hat das in dieſer fernen Landeskirche lebende und in ihr ſeiner Seele Frieden ſuchendes Volk durch Gottes Gnade auch einen Hauch ſeines Geiſtes geſpürt und iſt, eintretend in den Segen der von ſeiner Geiſtes⸗ und Gewiſſensarbeit ausgegangenen Kirchenverbeſſerung, teilhaftig geworden der reichen Schätze, der Gaben und Gnaden, die davon nun einmal unzertrennlich find.“ „Es find die innerſten Regungen der Volksſeele, die ſich in den Verhandlungen und Beſchlüſſen unſerer Synoden im Reformationsjahrhundert widerſpiegeln jo ſchreibt er über ihre Be⸗ deutung —, der tiefere Gang jener großen geiſtigen und ſittlich⸗religibſen Wiedergeburt, die auch in unſerem Volke den Staat, die Geſellſchaft, die Familie umgeſtaltet, dem Leben einen neuen edleren Inhalt gab, ihm neue höhere Ziele wies, es zu den ewig frifchen Quellen wahr⸗ hafter Frömmigkeit führte, erhält in ihnen vielfache, das rechte Ver⸗ ſtändnis überaus fördernde Beleuchtung; in dem ergreifenden Ringen der erhaltenden und zerſtörenden Mächte, das in jenen Urkunden ſeinen Ausdruck findet, in der ſtillen pflichtfreudigen, tiefernſten Arbeit der Geiſter und Gewiſſen für die höchſten anerkannten Güter des Lebens, die dort überall hervortritt, ſtellt ſich uns das große geſchichtliche Geſetz unſeres Volkslebens dar; das mit unſerem Reformator ſpricht: Hier ſtehe ich und kann nicht anders“!

Dieſe beiden großen Arbeiten bezeichneten zugleich die beiden Richtungen feiner hiſtoriſchen Arbeiten überhaupt: er hatte immer die ganze Volks⸗

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geſchichte im Auge und dabei mit dem Volk in erfter die mit ihr verbundene Schule. Das zeigte ſich kleineren Arbeiten auf dem Gebiete der heimiſchen Allg. kirchlicher Zeitſchrift erſchien 1869 die 9 der ev. Landeskirche A. B. in Siebenbürgen“, die doch ſo vielfach abweichende Entwicklung dem de legte. Die anderen zahlreichen Abhandlungen ſind aus unſerer Vergangenheit, immer voll Leben und nie a Straße einhergehend, dabei ein Beiſpiel der feinſten 2 vorhandenen Quellen. Bahnbrechend ſind vor allem worden: Über die älteſten Schulanfänge und damit glei zuſtände in Hermannſtadt, die den Nachweis des 9 Schule ſchon im 14. Jahrhundert führte, und zwar nicht einzelten Erſcheinung, ſondern als organiſchen Beſtandteils Sodann die Arbeiten über Honterus (im Archiv des Verei bürgiſche Landeskunde und in Herzogs Theol. Realenzyk iſt durch ihn auferſtanden, er hat den Grund zu deſſen gelegt, er hat ihn in ſeine Zeit hineingeſtellt und einen Menſchen aus ihm gemacht. Der geiſtesgewaltige, ſittenreine unſere Kirche gegründet hat, war ihm ganz beſonders wert Die dritte Abhandlung über den „Generaldechanten“ legte ein Kapitel aus unſerer Kirchengeſchichte klar und zeigte zugleich die des Zuſammenwachſens der einzelnen Kapitel zur einheitlichen Am tiefſten aber wirkten neben der Sachſengeſchichte die die als Beiträge zur Geſchichte der neueren Zeit beſonders werti Es iſt damit ein eigener Zweig in unſerer Literatur geſchaffen der dem lebenden Geſchlecht das Andenken an ſeine Beſten zu erh beſtimmt ift. Aus welcher Stimmung fie bei ihm erwuchſen, das er in der erſten Rede auf Joh. K. Schuller ausgeſprochen: „Unbekümmert um die Seinen“, ſo lautet die Klage, die der große römiſche Geſchichts⸗ ſchreiber gegen ſein Volk erhob, als er daran ging, demſelben das er⸗ hebende Bild eines ſeiner bedeutendſten Zeitgenoſſen vor die Seele zu führen. Jenes ſchmerzliche Wort ift mir oft lebhaft ins Bewußtsein ge⸗ treten, wenn ich ſehen mußte, wie unſer Volk und unſere Zeit ihre beſten Männer jo raſch vergeſſen, und wie ſo gar wenig geſchieht, das Andenken ihres Wirkens und ihres Charakters in weiteren Kreiſen zu erhalten, damit ihr Bild auch den nachkommenden Geſchlechtern Er⸗ friſchung und Belehrung biete. Denn, ſei es nun, daß die Sorge des Tages unſere Blicke mit allzu zwingender Macht an die enge Scholle

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feffele, ſei es daß die jähe Haft bedeutſamer Ereigniſſe in der Gegenwart die einſeitge Anwendung des Dichterwortes „der Lebende hat Recht“ gerade hier zu verſuchend nahe lege: gewiß iſt es, »incuriosa suorum aetas« gilt von der Gegenwart unter uns mehr als je.

„Das aber iſt eine Schuld, die fi) an unſerer künftigen Ent- wicklung ſchwer rächen müßte, denn ein Volk, das gleichgültig wird gegen ſeine eigene Gegenwart und Vergangenheit, legt ſich ſelbſt zu den Toten. Unſere Burgen, ſo ſprechende Zeugen früherer Tatkraft zerfallen dank den geänderten Bedürfniſſen friedlicherer Tage; unſere Urkunden, einſt mit die Stützen unſeres Rechtes und reiche Ruhmesblätter im Kranz einer ehrenvollen Geſchichte werden bald noch wenigere leſen: ſollen wir es zulaſſen, daß auch das Andenken der Beſten unſerer Tage, ſobald der erſte Schmerz um ihren Verluſt verſtummt iſt, von den Wellen der Vergeſſenheit bedeckt werde?“ „Die Erinnerung an die Tugenden Heimgegangener iſt auch eine Wurzel des Lebens für die Geſchlechter, die noch im Licht und Streit des Tages wandeln, jo ſprach er 1874 bei der Eröffnung der 8. Landeskirchenverſammlung für uns insbeſondere, denen wohin wir auch blicken mögen allüberall der Segen der Väter das Haus gebaut.“

Die Wurzeln des Lebens in der Gegenwart ſtärken das iſt das Ziel auch ſeiner hiſtoriſchen Arbeiten zuletzt geweſen. Die Denkreden, die er zur Eröffnung der Generalverſammlungen des Vereins für ſieben⸗ bürgiſche Landeskunde hielt, haben dazu in erſter Reihe beigetragen. Sie behandelten, abgeſehn von Chriſt. Scheſäus (F 1585) und Johann Seiwert (+ 1787), lauter Zeitgenoſſen, die ältern Martin Reſchner (f 1872) und Joſef Trauſch (F 1871), dann die Genoſſen der Arbeit vor allem in Kirche und Schule und Wiſſenſchaft: Karl Fuß (T 1874), Guſtav Seiwert (T 1875), Joſef Fabini (T 1877), G. P. Binder (T 1867), Joſef Wächter (T 1880), Samuel Schiel ( 1881), C. Gooß (f 1881), Michael Schuller (T 1882), G. Fr. Marienburg (F 1881), Michael Fuß ( 1883), Fr. Fr. Fronius (T 1886), Joſef Haltrich ( 1886). Welch eine Fülle von Lebensbeziehungen ſie enthalten, das liegt zum Teil auch darin begründet, daß in ſo kleinen Verhältniſſen, wie die unſern kaum Einer nur nach einer Seite beſchäftigt iſt, die Meiſten in der Regel hier und dort mithelfen müfjen. Sie enthalten in ſich nicht nur die vollen Lebens- und Charakterbilder der genannten Männer nur bei G. P. Binder ſind bloß Züge zum Lebensbild gegeben und bei J. K. Schuller, ift bloß der Hiſtoriker behandelt ſondern immer zugleich ein Stück Kultur und Zeitgeſchichte. Die Entwicklung unſers geiſtigen und

Georg Daniel Teutſch. =

wiſenſchaftlchen Lebens wird der fpätere Hi

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Denkreden darſtellen, die dieſes Leben ſelbſt ſo ſe Für den Verfaſſer war bezeichnend, daß er neben den g Fragen des Lebens, die bei jedem Einzelnen in . treten, auch den Blick für die kleinen Züge des Lebens Stilleben in den großen Fluß der Zeitſchilderung hi ſchildert er bei Michael Fuß, wie der unermüdliche auf das Gebirge jeden Stein umdrehte, um einen Car: nach jedem Blümchen griff, um ſeinen Bau zu erforſchen und Abend beim Feuer, das auf der ſtillen Alpenhöhe loderte, ſichel am blauen Himmel dahinzog, den Genoſſen die darlegte oder über die Geſetze der Sternenwelt ſprach, in der der klaſſiſchen Literatur ſich erging, wo er überall heimiſch theologiſchen Behauptungen mit Bibelſtellen im Urtext ve in heiterer Scherzrede bezeichnende Züge aus dem Volk er tiefe Blicke getan hatte, zum Beſten gab. Wie tritt die 3 Gärtchens auf dem Schäßburger Pfarrhof dem Leſer vor die ſich an den altersgrauen Burgmauernturm auf dem hinaus Schänzchen anſchmiegt und im Schatten des breiten Mau das Bild der geſchäftigen Stadt mit dem dunkeln Waldesgrün im grund jo entzückend genießen läßt, und das, ſeit C. Gooß die To des Stadtpfarrers heimgeführt, nun zu Zweien gepflegt wurde. ganze Schönheit der Landſchaft ſteht dem Kenner vor dem Auge, er in der Denkrede auf Haltrich von der Schäßburger Schule „Wenn der Sommer dort das graue Gemäuer mit dem Blütenduft alten Linden durchhauchte, und der Blick entzückt über die Giebel und Türme der unter ihm liegenden, an geſchichtlichen Erinnerungen fo reichen „Burg“ hinüberflog zum formſchönen, mit Rebengrün und dunkelm Laubwald geſchmückten Bergzug, an deſſen Fuß durch wohl⸗ gepflegtes Talgelände ſich windungsreich die Kokel hindurchſchlängelt, da fragte er (Haltrich) wohl mit herzlicher Freude lachenden Auges den, von ſolcher landſchaftlicher Schönheit überraſchten Gaſt, wie hoch doch der Wert ſolcher Zugabe zu ſeinem Gehalt anzuſchlagen ſei?“ Ahnlich die Schilderung des Kronſtädter Pfarrhofs in der Denkrede auf Schiel: „Mitten in der handelsfrohen Stadt und dem lauten Verkehr ihrer Straßen in der Zurückgezogenheit des Kirchhofs“ geborgen, vor ſich täglich zweimal auf dem Gange in die ringsum gelegenen Schulen das reich aufblühende Leben der Jugend und gerade im Angeſicht den gewaltigen Bau der altersgrauen Kirche, die mit der Sprache von bald

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ſechs Jahrhunderten zum Denkenden ſpricht, von deren mafjigen Strebe⸗ pfeilern die von Brand und Zeit geſchwärzten Bildſäulen der Heiligen jo ernſt herabſehen, während auf den Konſolen die ſächſiſchen Wappen die gekreuzten Schwerter von Hermannſtadt und das Dreieck mit dem Seeblumenblatt (2) allmählich verwittern ; auf der entgegengeſetzten Seite nach Süden die ragende Zinne mit dem wunderbaren, im Wechſel der Stunden immer ſo reizvollen Spiele des Lichts, zur Sommerzeit auf der grünen Waldeswand, im Winter auf der leuchtenden Schneehalde, doppelt ergreifend, wenn der Vollmond hinter dem langgeſtreckten Fels⸗ grat heraufſteigt und unter den Apfelblüten des Gärtchens der Silber⸗ ſtrahl des Röhrenbrunnens plätſchert; in ſolcher Lage iſt der Pfarr⸗ hof wie beſonders beſtimmt dazu, eine Heimſtätte innerlich befriedigter Menſchen zu werden und jene dauernde Seelenſtimmung zu erzeugen, die den Kampf für die höchſten Güter des Lebens ohne Verbitterung, mild, freudig und hoffnungsſtark kämpft“.

Neben dieſen großen Arbeiten fand er Zeit zu einer Menge kleinerer Anregungen im Korreſpondenzblatt des Vereins für ſiebenb. Landeskunde, Archäblogiſches und zur Glockenkunde, zur Zunft und Kunſtgeſchichte, über Honterus uff. und zur Bearbeitung der meiſten Namen, die aus unſerm Volk in der Allgemeinen Deutſchen Biographie Aufnahme fanden. Ein Handbuch unſerer neueſten Geſchichte nannte er ſie. Gerade die Beziehungen dorthin waren ihm eine beſondere Freude, er ſah darin praktiſch und ſymboliſch unſern geiſtigen Zuſammenhang mit dem Mutter⸗ land ausgedrückt und dieſen aufrecht zu erhalten, zu mehren und zu ſtärken war, ſeit er überhaupt wiſſenſchaftlich tätig war, in gleicher Weiſe ein Ziel ſeiner Arbeit wie die Stärkung des Volkstums hier. Dieſes hehre Doppelantlig zeigte die Geſchichte ihm ſein Leben lang. Er meinte, der Menſch könne nicht hoch genug von der Wiſſenſchaft denken. Ihm füllte ſie ſeine Seele. Aber nicht nur perſönliche Erhebung verdankte er ihr, zu ihr kehrte er zur Erholung zurück, wenn ihn monate lang Amtsgeſchäfte ermüdet hatten, ſie war ihm ein weſentlicher Teil der Arbeit am inneren Aufbau des Volkes. Es war ihm aus der Seele geſchrieben, was Treitſchke in einem Brief an ihn aussprach, die Wiſſenſchaft jei einer jener Anker, die unſer Volksſchiff jetzt halten bis auf beſſere Tage. Und wie die Blicke in die alte Zeit ihm die Kraft zum Kampf mit der neuen ſtärkten, ſo ſollten ſie es auch im Volke tun. Die Kenntnis unſerer wiſſenſchaftlichen Beſtrebungen, wie unſerer Verhältniſſe überhaupt ſollte dazu dienen, die fernen Volksgenoſſen an die Pflicht erinnern, dem Bruderſtamm Teilnahme zu erweiſen. Weil er jo hoch von der Wiſſenſchaft

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dachte, fo hohe Ziele ihr ſetzte, verlangte er vi die Beſchäftigung mit ihr und niemand konnte ihm aber forderte er, daß auch weitere Kreiſe dieſe ſollten, und er ſah darin einen Maßſtab für die 2 Wenn in der Tat die Achtung vor Schule und Wifjen! Schichten des ſächſiſchen Volkes erzogen wurde, wenn der deutſchen Wiſſenſchaft auf uns zu lenken nicht Feſtſchrift zum Luthertage, die Synodalverhandlun kirche, „den ſeit Jahrhunderten aus Siebenbürgen bei Univerſitäten“ gewidmet „zu einem Zeichen tief- herzlichen

Segensfülle in Wiſſenſchaft, Glauben und *

nicht ſein geringſtes Verdienſt. Seine wiſſenſchaftliche Glauben und Geſittung mitgeſtärkt und wenn die eine H hielt, die andere ſtützte ſich auf die Urkunden des Volks, Recht; die hiſtoriſche Wiſſenſchaft, die dieſes Recht verteidigte das Volk ſich ſelbſt und ſeine Aufgaben kennen lehrte, Geiſter frei zu machen, erhielt durch ihn den Anteil, der geſunden Volk am inneren Aufbau gebührt.

13. Das Baus und ſeine Freunde.

Das deutſche Volk hat eine beſondere Freude daran, ſeine führen Männer im befriedeten Heim zu ſehen, der öffentlichen Sorgen I menſchlich mit guten Menſchen ſich zu fühlen, wo ſie am Kinder, am Glück des Hauſes ſich erfreuen und aus dieſem Br: Kraft und Ausdauer für die Kämpfe des Lebens ſchöpfen. Auch Teutſch war das Glück des Hauſes, dem nach Menſchenart auch die Sorgen nicht fehlten, der feſte Grund, auf dem er ſtand, ein Teil ſeiner vielſeitigen Perſönlichkeit kam hier erſt zu freundlicher Geltung.

Das Haus hatte ſich merklich geändert, ſeit der Konrektor in Schäßburg die junge Gattin heimgeführt hatte. Wenig war vom geringen alten Hausrat übrig geblieben, ein Kaſten aus Eichenholz, ein alter Auszugstiſch, der nun wieder zum Gebrauch und zu Ehren kam, hie und da ein lederüberzogener Stuhl, aber der Geiſt des Hauſes war der alte geblieben, einfach und bürgerlich, ſchlicht und prunklos, der Hauptwert lag eben in anderm als in gleißendem Schein. Aber auch das Außere wurde nun in Hermannſtadt entſprechend umgeſtaltet. Bei der Überſiedlung nach dem neuen Amtsſitz 1867 hatte eine Mietswohnung auf dem großen Ring, (Ecke des großen Rings und der Reiſpergaſſe,

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damals Czeleliusiſches Haus), die Familie aufgenommen. Über dem Tore war das Amtszimmer des Biſchofs, ſchmal und eng, auch auf dem Boden lagen die Bücher und Zeitungen, die ſonſt keinen Platz fanden, in den andern 4 Zimmern wohnte die Familie, die dort den vierten Knaben (Guſtav, geb. 20. Dezember 1867) begrüßte, der kurz nach der Überſiedlung nach Hermannſtadt geboren wurde. Ihm folgten in den nächſten ſieben Jahren noch 3 Geſchwiſter, zwei Mädchen Berta und Hilda und ein Knabe Georg Traugott, der 1873 ſtarb, ſo daß zuletzt 10 Kinder das Haus belebten. Die Überſiedlung in das, ſpäter von der Landeskirche gekaufte Haus, die jetzige biſchöfliche Amtswohnung, wo oben die Kanzleien, unten die Bibliothek untergebracht wurden, brachte eine entſprechende, würdige Wohnung. Sie bot Raum zu allem: für Arbeits- und Empfangs⸗ zimmer, einen Saal für zahlreiche Gäſte, Wohn- und Familienräume, für die allmählich herangewachſenen Kinder beſondere Gelaſſe, Gaſtzimmer für nähere oder fernere Freunde. Einheimiſche und Fremde hatten ihre Freude daran, daß hier ein neuer geſellſchaftlicher und geiſtiger Mittel» punkt für das ſächſiſche Volk entſtanden war. Der Hausherr war immer zu treffen, vom Morgen bis zum ſpäten Abend, die Hausfrau unermüdlich ſchaffend, immer tätig, raſtlos, gut, niemals um ſich, ſtets für die andern ſorgend.

Am Hauſe war ein kleines Gärtchen, ein geringer Erſatz für den großen Pfarrersgarten in Agnetheln und den Hausgarten in Schäßburg. Für die Kinder war es ein unheimlich anziehender Gedanke, daß der im Haus Hartenecks ermordete Hans Adam in dem Garten verſcharrt geweſen war, bis er in den Alt geführt wurde. Es wurde nun freundlich hergerichtet. An den zwei Ecken ſtanden ſchattige Bäume, ein alter Kaſtanienbaum und ein Nußbaum, die breitäſtig das halbe Gärtchen, nicht zu ſeinem Vorteil überdeckten, bis der Nußbaum in einem ſtrengen Winter erfror. Dann kam an ſeine Stelle auch ein Kaſtanienbaum. An die ſonnige Mauer gegen die Gaſſe wurden Aprikoſen geſetzt, deren frühe Blüte und ſaftige Frucht das Haus ergötzten, eine ſchöne Trauerweide ließ die langen Aſte über Garten und Gafje hängen, auch ſie erfror einmal und mußte entfernt werden. Die Hauptfreude des Beſitzers waren die ſchönen Roſen und die Reben am Hauſe. Beide hatte er ſelbſt geſetzt, pflegte fie, band fie, ſchnitt fie, oft im Schweiß jeines Angeſichts und mit ſcheuer Rückſicht, als ob es lebende Weſen ſeien. Wenn er die Roſe jegte, dann legte er ängſtlich die kleinen Wurzelchen zurecht und fürchtete, ihnen wehe zu tun. Wenn fie dann blühten er ſuchte die ſchönſten Arten aus hatte er daran eine kindliche Freude. Jeden Morgen

= u ſchnitt er friſche Blüten ab und ſtellte fie gern, wenn auch der Beſucher darauf aufmerkſam War jemand krank im Haufe, dann brachte abgeſchnittene Blume und ſprach freundliche Worte Herrlichkeit. Auch den Flieder im Garten, die Forf gelben Blüten, die Stiefmütterchen, die er beſonders li hatte er gerne und in dürren Sommertagen ſorgte er, d wurden. An des „Kaiſers und Königs Geburtstag“ (18. ſelbſt die erften Frühtrauben aus dem Garten auf eine ſtille Feier des Tages. Als durch Schenkung aus Freiin Luiſe v. Brukenthal die Kirche in den Beſiz Gartens kam, iſt er gern auch dorthin gegangen, pfropfte wie in jungen Tagen beſte Sorten und labte am Anblick der Gebirge.

Die Freude an der Natur war ihm angeboren. Den der Jahreszeiten verfolgte er mit gleicher Aufmerkſamkeit, wenn Wein, den eine Tochter in den Hof geſetzt hatte, die Sommerglut 1 Gang abzuhalten, die Knoſpen im Frühling ſprangen und d Spitze ſichtbar wurde er zeichnete den Tag jährlich auf, an

gar, wie 1891, Jupiter, Venus und Mars in ſeltener Stellung ander das Auge anzogen. Jedesmal gab er ſeiner Freude darüber druck, wenn die Mondſichel wieder am Himmel ſichtbar wurde und Vollmond milden Glanz zur Erde ſtreute. In ſeinen Briefen wie Geſpräch kam er gern auf dieſe Erſcheinungen. Immer bot ihm Spaziergang unter die Erlen eine Erhebung, nur kam er nicht ſo dazu, als die Angehörigen und der Arzt es wünſchten. Seine eiſerne Natur ſchien das Bedürfnis nach Ausſpannung kaum zu kennen. Auf dem Gang unter den Erlen aber konnte er an der formſchönen Mauer der Gebirge ſich nicht ſatt ſehen, wenn ſie im Silberglanz des friſchen Schnees leuchtete und insbeſonders abends vom Roſenſchimmer des ſinkenden Sonnenlichts beſtrahlt wurde; bei der Heimkehr vom Spazier⸗ gang ſtand er „auf den Brettern“ noch eine Weile ſtill, um den letzten Blick hinüber zu verlängern. Die Kätzchen an der Weide im Frühling, der ſeine liebſte Jahreszeit war, die erſten Veilchen, alle Erſcheinungen des neuerwachenden Lebens beachtete er freudig und als im Hausgärtchen

die Grasmücke einige Jahre hinter einander in den Jasminſträuchern ihr Neft baute, konnte man im Zweifel ſein, ob die Freude der Kinder

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größer war ober die ſeine, die freilich auch an der Freude der Kinder ſich hob, die ſtrahlenden Auges erzählten, daß das Vöglein über vier Eiern brüte. Ging er in heißen Sommertagen abends aus, ſo nahm er im Schatten gern den Hut ab. Als er es einſt bei einer epidemiſchen Krankheit bei einem Gang durch Neppendorf machte, wo er gern den alten Freund, Pfarrer Harth, beſuchte, an der alten Linde hinter dem Haus ſich freute und von dem Gängchen an der Mauer die Gebirge bewunderte, da meinten die Leute, denen der Anblick ungewohnt war, er bete gegen die Krankheit. In der Umgebung Hermannſtadts war ihm beſonders Heltau und Michelsberg lieb. In Heltau war ſeit 1869 der alte Freund H. Wittſtock Pfarrer, wohin der Ausflug oft geplant und ſeltener unternommen wurde, wo alte Bücher und Urkunden der Kirchen⸗ lade, die wunderbare Natur mit dem Blick auf das Gebirge, der alte Kirchenſchatz und die gute Freundſchaft des Hauſes alles boten, woran das Herz ſich freuen konnte. Und wenn er dann von der Michelsberger Burg ins weite Land hinausſehn konnte, nachdem das alte Rundbogenportal der Kirche genügend bewundert worden war, dann wars eine Luſt, ihm zuzu⸗ hören, wenn er die Vergangenheit, die um die Burg ſchwebte, zurückrief oder der Bewunderung des nahen Waldes und der fernen Gebirge Ausdruck gab, das Glas mit dem alten Wein, der fürſorglich mitgenommen war, hob und alten und neuen Strebens und Leidens gedachte. Auf den Götzenberg, der ſich über Heltau und Michelsberg erhebt, iſt er einige⸗ mal mit guten Freunden hinaufgeſtiegen und hat an Waldesluft und Rundblick in das ſchöne Land wie am vielſeitigen Geſpräch, das ein folder Tag bot und am Lungenbraten ſich erfreut, der landesüblich am langen Holzſpieß gebraten wurde und am Speck, den er auf der ſelbſtgeſchnittenen und geſpitzten Gabel über der Flamme „geperlt“ (gebraten) hatte, auch durch heftigen Regenguß, der wiederholt die Gejell- ſchaft überraſchte, ſich die gute Laune nicht verderben laſſen. Auch an ſchönen Tieren hatte er Gefallen, jo beſonders an ſchönen Pferden; nur Hunde waren ihm durchaus zuwider. Ihr unnützes Gebell und die unangenehme Möglichkeit, den zottigen Kläffer, auch den gutgezogenen, im unbewachten Augenblick zwiſchen den Beinen zu ſpüren, mehrte die Abneigung.

Das Leben im Haus blieb einfach wie früher. Er ſelbſt nur dreimal am Tage, der Kaffee am Morgen ſchmeckte ihm eigentlich nicht, um fo beſſer das Mittageſſen (um 1 Uhr) und vor allem das Abend- eſſen, das er am liebſten ſehr jpät genommen hätte. Er ſah den ein⸗ fachen Tiſch gern mit edelm Obſt beſetzt, das er ſehr liebte; er trank

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zur Mahlzeit regelmäßig etwas Wein, den heißen

niemals Waſſer. Eine eigentliche Arbeitspause, die gehalten, gab es nicht. Er arbeitete den 3

er in den Garten, im Frühjahr nach dem Eſſen, zeiten zu verſchiedenen Stunden, nicht alle Tage und weiſe ſpazieren, im Sommer gern ins Freie baden. B arbeitete er gern und lang und bis zum letzten Tag ohne für die Ferne brauchte. Es iſt oft Mitternacht g

Ruhe ging und man kannte in Hermannſtadt das Zimmers, an dem der Schreibtiſch ſtand und wo das wenn es ſonſt im Hauſe und bei den Nachbarn lang ſchon du

Die Arbeit am Tage er ſtand nicht gern früh auf, ſchſ vorzüglich und hatte u. a. die Gabe, wann immer zu ſchlafen, u den zahlloſen Berufsgeſchäften, theologiſchen und hiſtoriſchen S Zeitungslektüre, der er mit Aufzeichnungen folgte, der Lektt Bücher auch belletriſtiſchen Inhaltes geteilt. Daneben liefen Beſuche, die er machte und empfing. Er hatte die Gabe, Beſuche Störungen zu empfinden, ſondern ſofort im alten Geleiſe arbeiten. Dazu kam eine außerordentlich ausgedehnte Korri im Lande und außerhalb desſelben. Wie die Briefe, die er empfing alle aufbewahrte, ſelbſt die unbedeutendſten Karten, nach tauſenden z ſo hat er ſelbſt unzählige Briefe geſchrieben, und zwar wirklich? nicht bloß Mitteilungen und Karten. Seine Briefe ſind ein Nach an vergangene Zeiten, wo der Brief das Geſpräch erſetzte und innern Leben Kunde gab. All feine Korreſpondenten erklärten, we Freude und Erhebung der Briefwechſel ihnen geboten und Watten 6 ſchrieb aus Berlin nach ſeinem Tod: dieſe Briefe ſeien ein wahrer Schatz und das ganze Haus habe ſeine große Freude gehabt, wenn ein ſolcher angekommen. Sie haben draußen mit dazu beigetragen, unſere Freunde und das Verſtändnis unſerer Lage zu mehren und hier, uns zu einem Ganzen zuſammen zu binden. Wenn an irgend einem Pfarrhof, die er nach den Viſitationen alle kannte, ein freudiges oder trauriges Ereignis anklopfte, ſo fehlte das fliegende Blatt des Biſchofs nicht, um ſeine Teilnahme auszudrücken.

Die Mahlzeiten im Haus waren, mit Ausnahme des Frühſtücks, das die Kinder, die zur Schule gingen, früher nahmen, gemeinſame. Als die Kinder klein waren, wurde darauf gehalten, daß fie ftill ſäßen und nicht viel redeten, als ſie älter wurden, wurde die Unterhaltung lebhaft. Beſonders nach dem Abendeſſen ſaß der Kreis am Tiſch noch

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länger beiſammen, auch der Vater kam öfter zu längerer Unterhaltung in das Familienzimmer. Dort war ein heiteres Völklein beiſammen, als die Kinder nun allmählich erwachſen, ſelbſtändigen Anteil am Geſpräch nahmen und jedes nach ſeiner Art ſich harmlos gehen ließ. Er konnte gar herzlich lachen, wenn die Geſchwiſter eifrig wurden und ihre An⸗ ſchauungen energiſch verteidigten und beſonders, wenn die drei lebhafteſten ihren Standpunkt, wie jedes meinte, ſiegreich verteidigten. So lang die Kinder jung waren, hatten ſie vom Vater den überwiegenden Eindruck ſtrengen Ernſtes. Als ſie größer wurden, lernten ſie ſein Herz kennen. Er hing mit zärtlicher Neigung an allen, ohne eines der Kinder zu bevorzugen. Wenn eines größerer Sorge bedurfte, wandte ſie ſich ihm zu. Die Erziehung lag unmittelbar in der Hand der Frau, ſpäter half von ſelbſt der Einfluß der älteren Geſchwiſter mit, aber des Vaters Pflicht⸗ gefühl, fein ganzes Weſen, feine Perſon hat an der ganzen Erziehungs- arbeit den gleichen Anteil. Er wurde größer bei den Söhnen, die aus dem Elternhaus hinauszogen, um ſich für den Lebensberuf vorzubereiten. Der Alteſte wandte ſich des Vaters Beruf zu, Theologie und Geſchichte, und am Wachſen der jungen Seele hatte er den größten Anteil. Als der Sohn in Heidelberg, Leipzig und Berlin ſtudierte, lebte der Vater die Zeit geiſtig mit ihm durch und half auch aus der Ferne leitend, führend zum Guten. Sowie dem Knaben gegenüber, ſo traf er dem heranreifenden Jüngling gegenüber das richtige, zog den älter werdenden allmählich zu ſich empor, wuchs mit ihm zuſammen, ſie wurden Freunde und Genoſſen der Arbeit und was ihn im öffentlichen Leben, in der wiſſen— ſchaftlichen Arbeit bewegte, erwog er ſpäter mit ihm. Er bezeichnete einmal als das Schönſte, wenn Eltern und Kinder zuletzt als Freunde zuſammen arbeiten könnten. Der nächſte Wilhelm) und jüngſte Sohn Guftav widmeten ſich der militäriſchen Laufbahn, an der Teutſch ſelbſt große Freude fand und das Intereſſe, das er ſo wie ſo für den Soldatenſtand hatte, wuchs dadurch noch mehr. Der dritte Sohn Konrad wurde Juriſt; auch da konnte ihn der Vater, beſonders beim Studium des vaterländiſchen Rechtes führen helfen. Man konnte ſtaunen, wie er auch über dieſes Gebiet ein Urteil hatte und vieles wußte, was ſonſt nur dem Fachmann eigen iſt.

Nichts ſchöner aber als die Briefe, die die Söhne auf der Univerſität, oder wenn fie ſonſt fern vom Vaterhaus weilten, von Vater und Mutter empfingen, auch von der letzteren, die trotz der vielen Arbeit im Haus zuweilen die Vertretung des überlaſteten Gatten im Briefſchreiben über⸗ nehmen mußte. Teutſch verſtand es meifterhaft, der Seele Flügel zu geben, Großes und Kleines den Söhnen ans Herz zu legen, ſie zu ſtärken und

zu feſtigen. „Bleibe fromm“, ſagte er dem Alteſten | „Gehe mit Gott und Sorge auf Dein Geld Wache über die Reinheit deines Leibes und Konrad, da dieſer zur Univerſität ging. Und an die Univerfität Leipzig bezogen hatte, ſchrieb er am 2 „Je inniger ich überzeugt bin, daß Gott einem u eine größere Gnade nicht erzeigen kann, als daß er einer deutſchen Univerſität öffnet, je tiefer ich fühle, ihr verdanken, um ſo mehr erfriſcht es mich und uns Alle Dir vernehmen, daß die Eindrücke, die Du dort empfängſt, Seele dieſelben ſind, geeignet, auch Deinen Geiſt zur und ihn immer mehr im Reich des Reinen, des Idealen, der heimiſch zu machen.“ Dann folgen Fragen nach der Lebens⸗ einteilung, „natürlich wollen ſie Dich nicht ſchülerhaft oder kontrollieren, aber Du wirſt verſtehen, welche Freude Beantwortung mir in der Erinnerung an meine eigene Unt machen würde und wie ich glaube, daß jene Dir ſelbſt einige verſchaffen werde. Wie geht es Dir weiter mit dem wach ſe N Deiner Kommilitonen? Mit tüchtigen geift- und herzfriſchen deutſch Studenten Freund zu werden, iſt ein großer Segen, der fürs gan; dauert. Die Kollegien und Arion bieten, abgeſehen von vielen Veranlaſſungen, dazu reiche Gelegenheit; wohl dem, dem der ei Geiſt hier ſichere Führung gibt, vor unheilvollem Irrtum ihn bewah Dann folgt der Rat, die Leſehalle zu beſuchen, regelmäßig ein gr Blatt zu leſen, endlich die Frage nach dem Gelde, „schreibe wie viel Dir für jeden Monat ſchicken fol. Du wirſt dabei jener Sparſan it nicht vergeſſen, die an und für fich eine ſittliche Pflicht, von uns Sachſen insbeſondere zu beachten iſt. Denn Du wirſt ſchon bis jetzt wahrgenommen haben, wie viel größer der Wohlſtand in Deutſchland iſt als bei uns; jeder Einblick, auch der geringſte, in das Familienleben dort führt zu der für uns geradezu erſtaunlichen Erfahrung.

„Daß Du bei Wachsmuth warſt, ift mir lieb... ich lege auch einige andere Karten an mir befreundete Häuſer bei; ich hoffe ſie ſollen Dir freundliche Aufnahme verſchaffen, gib ſie bald ab, ſo namentlich bei Dr. Pank.“

Der Sohn iſt leider früh, zuerſt von ſeinen Brüdern, deren froheſter und lebhafteſter er war, 1907 geſtorben.

In dieſes friſchblühende Leben fielen dreimal, ſeit der Überſiedlung nach Hermannſtadt, dunkle Schatten. Teutſch hat dankbar immer es

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bekannt, welche Gnade Gottes doch über dem reichgejegneten Haufe waltete. Im Jahre 1873 ſtarb der jüngſte Knabe (3. März) an Diphtheritis, am Vortag des 25 jährigen Hochzeitsfeſtes ſenkten die Eltern ihn in das Grab des Großvaters, der auf dem Hermannſtädter Friedhof begraben liegt. Teutſch hat ſchwer darunter gelitten, wie in allen ſolchen Fällen. In ſein Hausbuch ſchrieb er tiefempfundene Worte des Leides und der Erinnerung: „Zu dem Lebensbild eines lieben Kindes, das auf den erſten Blättern dieſes Buches enthalten iſt, füge ich heute voll tiefen Herze⸗ leides ein zweites.

„Am 15. Februar 1870 ward uns das neunte lebende Kind, der fünfte Knabe geboren. Als Hauptnamen erhielt er den ſeines Vaters, als zweiten den ſeines Geburtstages. Von allem Anfang an gedieh das Kind in faſt überraſchender Weiſe. Wenn auch nicht ſo froh begrüßt wie die erſten, wurde es in ſeinem fröhlichen Wachstum bald der Liebling des Hauſes. Der kleine Georg lernte faſt von ſelbſt gehen, ebenſo mit überraſchender Leichtigkeit ſprechen. Er ſelbſt nannte ſich anfangs „Loſch“ und wurde raſch der frohe Genoſſe der größeren. Mit wundervoll ſchönen tiefen braunen Augen, Perlenzähnen, blühendſter Geſichtsfarbe, leichteſter Auffaſſung, herzerweckendem Lachen, ſchnell aufwallend nach Kinder Art, doch noch ſchneller beſänftigt, jo daß nie eine Strafe bei ihm nötig war, früh, ſchon bewußt gern ſcherzend fo angelegt gewann er ſofort die Herzen aller, die ins Haus kamen.

„Vor allem beſuchte er des Vaters Zimmer gerne. Wenn zu keiner andern Zeit kam er mindeſtens abends mit Guſt und Konrad „Bilder zu ſehen.“ Das war eine Luft, ihm ins lachende Auge zu blicken und ihn die einzelnen Züge der O. Pletſchiſchen Zeichnungen ſuchen und finden zu laſſen und ſich dabei an ſeinem hellen herzlichen Lachen zu erquicken.

„Nun freute er ſich gar ſehr auf den Beſuch des Kindergartens für das nahe Frühjahr.

„Da bekam er in der Nacht vom 19. auf den 20. Februar Hitze. Nach eingehender Krankheitsgeſchichte, es war Diphtheritis): Doch es war nur das letzte Aufflackern der ſtarken Lebenskraft; ſie brach nach ſchwerem Kampfe. . Wann werden wir die flehenden Rufe, die wehmutsvoll⸗ bittenden Blicke der großen leuchtenden Augen vergeſſen . ſtand das arme Herz ſtill Montag den 3. März nachmittags 3 ¼ Uhr. > „Dienstag darauf begruben wir das teuere Kind, das mit dem feinem Leben fremden Schmerzenszug unter Roſen und Kamelien im weichen Bettchen ſeines Metallſarges im großen Zimmer, wo es immer

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ſo freudig geweſen, ſo bleich dalag, in ö das nach 35 Jahren dem kleinen Enkelchen ſich öffı

„Ach, wir müſſen es hinziehen laſſen, n und Trauern!“

An den Sohn aber, der in Leipzig wehmütige Zug im Antlitz des ſchlafenden Kindes mir die Ruhe.

„Am Grabe ſprach Prediger Klein tiefem Worte des Gebetes und auf den friſchen Hügel ſpitzen des Südgebirges die ſcheidenden Son wie zum letzten Gruße. Uns vermehrt den S gegangenen Liebling denn der war er im ganzen Gedanke, welch ein Schlag dieſe Nachricht auch für Doch habe ich Dir ſie ſofort ungeſchminkt mitzuteilen für der Überzeugung, daß die volle und ganze Wahrheit i zu tragen ſei; der Hoffnung, daß die Gemeinſamkeit mit helfen werde, ihn wie wir ſollen zu überwinden u eigenen Veredlung zu verklären. Am 5. März aber, der um unſere Ehe ſchließt, wird die Lücke, die er in unſerem die doppelt ſchmerzliche Wunde ſein. Aller rechte Schmerz etwas Reinigendes, Verklärendes, Weihevolles; wir wollen beten“, daß auch dieſer an uns ſich ſo bewähre.

„An uns und an Dir, mein liebes Kind! Trage ihn in die | und laß uns nicht lange und bange warten, bis wir wiſſen, daß auch Du kannt haft, wie „denen, die Gott lieben, alle Dinge müſſen zum Beſtend

Wie er einſt im Schmerz um den Tod der geliebten Fir Arbeit an der Sachſengeſchichte aufgenommen, im Leid um den äl Knaben ſie weiter geführt, ſo nahm er, mit um des Jammers Herr u werden, die Bearbeitung der zweiten Auflage in jenen Tagen vor. „So wird auch ſie wie die erſte“, ſchrieb er an Haltrich, „ein Kind herben Schmerzes ſein.“ Und als der Frühling kam, mahnte ihn alles wieder an den Verlorenen. „Mit jeder Blume, die früher auch von ihm jo freudig begrüßt, im kleinen Garten das Blütenhaupt hebt, mit jeder wiederkehrenden Schwalbe, die auf dem von ihm ſo freudig durchlaufenen Gang das altheimiſche Neſt aufſucht, erneuert ſich die tiefe Wehmut um das jo früh entſchlafene Kind ... Es vergeht kaum eine Stunde, in der das liebliche Kind mir nicht vor der Seele ſtünde ...“

Im Jahre 1881 erkrankte die Frau, die bis dahin außerordentlich geſund geweſen war, an einem Herzleiden. Es waren bange Monate,

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bis die ſtarke Natur und Gottes Hülfe endlich dem Leben zum Sieg verhalfen. Teutſch litt innerlich in dieſer Zeit viel. Unruhig beobachtete er die Symptome der ſteigenden und fallenden Krankheit, brachte Blumen aus dem Garten und tröſtete mit Zuſpruch. Als die langſam Geneſende einen Sommer hindurch am „Alten Berg“ weilte, in der von dem Schwiegervater des älteſten Sohnes, Kaufmann Nendwich, freundlich zur Verfügung geſtellten Villa, fuhr er täglich nachmittags hinaus und nahm abwechſelnd die Kinder mit, oft auch deren Geſpielinnen, Allen zur Fteude. Die erwachſenen Töchter traten an die Stelle der Mutter, bis ſie wieder genas und das Regiment abermals übernahm. Aber auch von den Töchtern erkrankte die zweite (Friederike) an einem nervöſen Leiden, das noch dadurch geſteigert wurde, daß bei einem Hausbau ein Balken der Vorübergehenden auf den Kopf fiel, die ohnmächtig zuſammen⸗ brach und nur wie durch ein Wunder ſchwererem Unfall entging. Doch wurde auch dieſes Leiden im Lauf der Jahre beſſer.

Neues Leben kam durch die Heirat der Kinder ins Haus. Im Jahre 1877 heiratete die älteſte Tochter Wilhelmine, 1878 der älteſte Sohn, 1885 die zweite Tochter Friederike fie fand eine neue Heimat im alten Stammland in Bonn am Rhein 1886 die vierte Tochter Charlotte, die nach Kronſtadt dem Gatten folgte, 1889 die dritte Tochter Pauline, die in Hermannſtadt, wie die erſte, ihren Hausſtand gründete. Am Glück der Kinder wurden die Eltern wieder jung. Teutſch hatte ſie Alle ſelbſt getraut und die Erinnerung daran blieb den jungen Paaren als ein dauernder Segen. Kopfſchüttelnd verglich er wohl die Bedürfniſſe und die Koſten der neuen Haushaltungen mit den eigenen Anfängen und wollte nicht zugeben, daß es beſſer ſei, das zukünftige Neſt mit allem, was da nötig ſei, auszuftatten manches, meinte er, laſſe ſich auch ſpäter ſchaffen, und es gab in allen Fällen einen ſtillen Kampf mit der Frau, die die Anſprüche der Kinder vertrat und durch⸗ ſette, aber am wohnlichen Behagen, an der äußern Nettigkeit, am innern Glück der neuen Häuſer hatte er dann wieder die größte Freude. Es waren wonnige Tage, wenn mindeſtens Sonntag Alle im väterlichen Haus, am alten Tiſch ſich zuſammenfanden und in Scherz und Ernſt, was der Tag und das Leben brachte, beſprachen. Der Vater, bald Großvater, der an den ſpielenden Enkeln und ihrem Gedeihen ſich freute, war auch hier Führer des Geſprächs, Mittelpunkt der Unterhaltung. Auch im lleinſten Streife hatte er die Gabe, die Herzen höher zu heben. „Vergiß o Menſchenſeele nicht, daß du Flügel Haft“, das empfand auch hier jeder, der mit ihm in Berührung kam.

Das Hauptfeſt des ganzen Haufe Chriſtbaum und den Weihnachtsabend von Hoheit und Reinheit. Des Har 3 vorher darauf, nur ja einen ſchönen un Aſten zu erhalten, wie einſt ſein Vater grumpes“ vorher aus, abends ihn aufs Fei erſten Zimmer wurde der Baum aufgeſtellt aufgeputzt. Wenn dann das ſonſt ſo belebte Erwartung bewegt war, bis der grüne Baum ang das für ihn eine der weihevollſten Stunden im Jugend knüpften ſich daran tauſend erhebende und w und der goldene Schein dieſer Erinnerungen verklärte mehr, je länger die Schatten des Lebens wurden. E den herzergreifenden Klang der großen Glocke von der Schäßburger Schulbergs und die ſtillen Gedanken w Zeiten, die die Liebe ſo vieler Heimgegangener fchr zündeten ſich die Lichter am Baum, die Klingel tönte, die Enkel, die Gattin kamen herein und wenn die Kleinen die T auch das Geſinde wurde ſtets dazu herbeigerufen und Pauſe zur flüchtigen Umſchau unter den Geſchenken Gelegenheit dann trat er vor und las die Verſe, die er zu den Geſchenken hatte, bald heiteren Inhaltes für jedes Mitglied des Hauſes bald mit ernſten Gedanken, zuweilen für das ganze Haus ein Immer wußte er auch hier an unſcheinbare Einzelheiten große meine Gedanken zu knüpfen. Den erſten „Chriſtwunſch,“ den die lernten, hatte er ſelbſt ſächſiſch gemacht:

Wol loat bedakt mät weißem Schnie

De Stadt, det Land, det Thol, de Hih, Doch zea de fromme Kängde kiſt

Mät Froaden tea Herr Jeſu Chriſt,

O braing u wat et as gebrächt,

As Allen Denger Wohrhit Lächt. Amen.

Aus den vielen Chriſttagsverſen aber ſeien hier einige mitgeteilt:

Der Haus frau.

Silberlöffel, Silbermeſſer welch ein Funkeln, welch ein Glänzen,

Will das Glück auch Schulmannsfrauen mit dem goldnen Zweig bekränzen!

Höher noch als Glanz des Silbers iſt des Herzens ſtiller Frieden;

So ſei der auch heut und immer Dir vom heilgen Chriſt beſchieden! ; (1857.

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In der Oktava. | Zu den Sternen auf fliegt der Jugend Blid, Ins Unendliche vorwärts, nie zurück! 1 Gut Heil dem Geift, der die jungen Schwingen | Entfaltet, das hohe Ziel zu erringen. ! \ Da winken mit ihren köstlichen Gaben, Die das Herz erfriſchen, die Seele laben, | Die Göttinnen: Wiſſenſchaft, Poeſie, Und wo ſie walten, welkt das Leben nie. | Drum bringt, die Flucht der Tage zu ſchmücken, 1 In der Studien Ernſt das Herz zu erquicken, | | | Ä

Dem Jünger auf des Wiſſens Gebiet

Das Chriſtkind den Strauß der Dichtkunſt entblüht.

Und von hier und von dort

Rufts fort und fort:

Zu den Sternen auf der Jugend Blick, N Ins Unendliche vorwärts, nie zurück! (1868. 1

Der Mutter.

In Freud und Leid 11 Floh raſch die Zeit; N Ein drittes Jahrzehent fing ſchon an, I Seit wir Hand in Hand gehn des Lebens Bahn. I} In der Vaterſtadt dort an der Kokel Strand, Im geſegneten Pfarrhaus im Harbachland, | N Hier am Zibin nun allüberall "Im Schien uns feiner Gnade leuchtender Strahl. Und blickſt Du um Dich, in der Kinder Kreis N Siehft Du der Mutter edelſten Preis. | Ja, Gott ſegne die wachſende frohe Schar, Daß ſie gedeihe zu ſeiner Ehre immerdar, Und aus ihrem Herzen und ihrem Blick Schöpfe die Mutter das ſchönſte Glück.

Ein Zeichen des hat zur heiligen Nacht

Sieh, Dir der heilige Chriſt gebracht. I} | Nimm es freundlich hin und laſſ' es Dir jagen '

Was die Deinen tief im Herzen tragen:

Mag es lange Dir zeigen ſtets gute Zeit,

Und wenn auch der Himmel mit Wettern dräut,

Wenn die Bande ſich löſen von Recht und Sitte

Und der ſchlimmſte Feind in der eigenen Mitte, vl

So verſteh bei des Zeigers ftiller Bahn, 0

Alles kommt endlich am Ziele an,

Der Gute am guten, der Schlechte am böjen,

So wird es ſtets fein, jo iſt es geweſen.

Dir aber ſei ſtets das Beſte beſchieden

Der Deinen Heil, des Herzens Frieden! (1868.)

Daß fie ohne Unterlaß, e Ihres Volkes wert zu leben Stets mit treuem Sinne ſtreben. > Bilder drum aus alter Zeit N Bringt der heilige Chriſt Euch heut; Deutſche Knaben wachſet dran:

Jeder einſt ein deutſcher Mann!

Im Sommer. Sieh am alten Haus erheben Vier ſich ſchon mit neuem Leben, Vom Zibin zum Burzenfluß Hin zum Rheine klingt ſein Gruß.

Zwei ſind ferne, doch wir fühlen Ihre Seelen uns umſpielen; Über Berg und Tal und Fluß Klingt herein ihr Liebesgruß.

Darum ſchickt der Chriſt ſo gerne Seine Gaben nah und ferne, Einend durch der Liebe Strahl, Die da trennet Berg und Tal.

Freude denn und frommer Frieden Allen Vieren ſei beſchieden

Und ein Strahl vom Weihnachtslicht Fehle ihrem Leben nicht.

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So ſorgte er, wie ein gebildeter Deutſcher, für den Hausbedarf an Poeſie und verſchönte ſich und andern die Stunden. Leicht fügte ſich ihm das Wort zum Verſe und ſo liebte ers hier einen Dank, dort einen Gruß oder Wunſch in gebundener Rede zu ſenden. Der erſten Schwiegertochter legte er auf den Geburtstagstiſch ein Exemplar der Sachſengeſchichte und ſchrieb

1878): dazu ( ) Ein neues Jahr ſteigt Dir hernieder, Das ſchönſte wohl der lieben Braut, Es bringt Dir friſche Frühlingslieder, Wann klangen ſie ſo hold und traut?

Zu ihnen tritt mit frommem Segen Das neue Elternhaus heut gern,

Das betend Deinen Lebenswegen Erfleht das beſte Teil vom Herrn.

Und auf des Hauſes Tiſch, des neuen, Aus alter Zeit legt es ein Bild,

Es möchte gern die Stätte weihen, Die Euer Geſchick fortan erfüllt.

So wohne denn zur Freude Allen Was Ihr erhofft in Treue drin,

Und ferner Jahre Weiterwallen

Grüß ſtets mit neuem Wohlgefallen Des Hauſes holde Prieſterin!

Als ein alter Freund, Senator Hann aus Großſchenk, einen Korb ſchönſter Apfel geſchickt, da dankte er ihm: „Bei einem Wirte wundermild Da war ich jüngſt zu Gaſte, Ein goldner Apfel war ſein Schild An einem langen Aſte.“

So jubelte der Kinder Luſt

Und froher Dank ſchwellt ihre Bruſt, Als neulich Deiner Schätze Pracht Ins erſtaunte Auge uns gelacht.

Du glücklicher Mann, dem der Baum noch blüht, Dem am Zweig die goldne Frucht noch glüht, Wie viel der Blüte, der Frucht verdarb,

Wie manche der ſchönſten Hoffnungen ſtarb!

So bleibe Dir fürder das beſte Teil, In Schaffensfreude all Glück und Heil, Im Garten wie im Herzen blüh, Dir alles Schönſte ſpät und früh. Und zu den Bäumen, von Früchten ſatt, Nimm teurer Mann dies ſchlichte Blatt, Das edle Bild drin bringe Dir Des Segens Grüße für und für. Georg Daniel Teutſch. 28

2

Freunden kleine Aufmerkſamkeiten zu erweiſen, beſonders angenehm. Als ein lieber Freund, Johann Schwager des älteften Sohnes, Oberſt geworden

ihm mit folgenden Zeilen: K =

.

Und wenns dazu der Sachs gebracht, Dann ruft man doppelt ftolz: „Habt Acht!“ f Und wenn nach kurzer Jahre Lauf = Nur ein Stern wieder glänzet drauf, { Dann ruft der Sachſenbiſchof gern Aufs neue: „Präſentiert“ dem Herrn! Eine bekannte Dame, Baronin Waldſtätten, hätte gern e alten Zinnkrug gehabt. Er verſchaffte einen und ſandte ihr i folgenden Verſen:

Das war der böje Kuruzzenkrieg Im Lande Siebenbürgen,

Die Rebellen zogen hin und her Mit Rauben und mit Würgen.

Da kam des Kaiſers Doppelaar Und trieb den Feind von dannen, Wie jauchzte laut der Treuen Schar Und füllte froh die Kannen!

Der Kannen eine ſtehet hier Sie grüßte einſt den Frieden,

Nun ſchmücke ſie ein Friedenshaus, Dem Heil ſtets ſei beſchieden!

Es ſpiegelte ſich in alle dem auch ein Stück von der Vielſeitigkeit ſeiner Natur und dem ſchönen geſelligen Zug, der in ihm lebte. Mit

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Menſchen beſonders auch edeln Frauen zu verkehren war ihm ein Bedürfnis, Freunde bei fich zu jehen eine Freude. „Wenn ich die Freunde nicht mehr ſehen kann, ſo würde es für die Erhebung meines Weſens beinahe angezeigter geweſen ſein, wenn ich Rektor oder Pfarrer geblieben wäre“, ſchrieb er 1872 einmal an Trauſchenfels.

So iſt er und ſein Haus in der Tat immer Mittelpunkt eines großen Freundeskreiſes geweſen. Schon die zahlreichen Kinder mit ihren Freunden und Bekannten, Genoſſen und Geſpielinen brachten vielen Verkehr ins Haus. Auch für dieſen großen Kreis hatte Teutſch Ver- ſtändnis und ſah ſie gerne im eigenen Haus. Es war ihm nie zuviel, wenn die erwachſenen Töchter zu einen Aſchermittwochball einluden, er half ſelbſt die Kerzen auf die Luſter ſtecken und alte Erinnerungen an frohe Schäßburger Tage wurden in ihm wach, wenn er ſinnend den Tanzenden zuſah.

Um ihn ſelbſt ſchloß ſich ein großer Kreis von Bekannten und Freunden im In- und Ausland; was im Biſchofshaus in Hermannſtadt aus und ein ging, war ein Abbild unſeres Völkchens.

Schon im erſten Jahr ſeines neuen Amtes hatte Teutſch, um in dauernder Verbindung mit den Freunden zu ſtehn, ſich einen Donnerstag⸗ abend zuſammengeſetzt, wo ein beſtimmter Kreis ſich regelmäßig bei ihm einfand, um in Geſpräch und Lektüre Anregung und Stärkung zu ſuchen. Zu dem Kreis gehörten zunächſt die in Hermannſtadt wohnenden Mit⸗ glieder des Landeskonſiſtoriums, ſeit 1874 auch der alte Freund und Genoſſe Stadtpfarrer Fr. Müller, dann H. Käſtner, Franz und Karl Gebbel, J. v. Bedeus, A. Arz v. Straußenburg und K. Albrich und ſolange fie da waren die Profeſſoren der Rechtsakademie Schuler⸗Libloy, der Tiroler Ferd. v. Zieglauer, der die ſiebenbürgiſche Geſchichte um mehrere vorzügliche Werke bereicherte (F 1906) und der Gerichtspräſident Baron Fillenbaum, der wie es hieß darum von Hermannſtadt verſetzt wurde, weil er in dieſem Kreiſe verkehrte, der humorvolle Fr. Zweier, Gerichts⸗ rat und eine Zeit lang Reichstagsabgeordneter in Peſt. Eine bedeutende Perſönlichkeit darin war Dr. Karl Wolff, deſſen oben gedacht wurde, ein ſtets froh begrüßtes Mitglied Landesadvokat Dr. W. Bruckner. Ein geiftreicher Mann, ein ungewöhnlich raſcher Arbeiter und köſtlicher Er⸗ zähler, geſcheit und findig, beſaß er eine Eigenſchaft, die in dem Maße ſelten bei einem Sachſen ſich findet, eine weltmänniſche Gewandtheit, die ihn zum geeigneten Vermittler in allen Angelegenheiten machte. Ihm war es zu danken, daß die ſächſiſche Nationsuniverſität, deren Vertreter er war, in den ſchweren Prozeſſen mit den romäniſchen Gemeinden, die

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altes Nationalgut (beſonders Wald) an ſich reißen vollſten Beſitz zum größten Teil rettete. Immer verkehrte er auch mit dem Gegner in ſeiner li wußte im Kaſino das Kartenſpiel meifterlich zu jahrelang Präſes des Hermannſtädter Parteiausſch lang Reichstagsabgeordneter. Er konnte prächtig von feinen | erzählen, ſchrieb gern und gut und freute ſich wie jeder, wer Bücher gefielen. Sein Geiſt und Witz überbrückte Gegenſätze, die ſchwer ſich fanden. * Neben ihnen war bis zu ſeinem frühen Tod 1874 der ſtädter Stadtpfarrer Karl Fuß Mitglied des Kreiſes. Ein 2 Fuß', der beſte Kenner der ſiebenbürgiſchen Käfer und eine ſchwerflüſſigere Natur wie der Bruder, aber an Herzens ihm gleich, von hingebendem Pflichtgefühl, im Dienſt und Wiſſenſchaft ſeine reiche Arbeitskraft verwertend, in ſeinem anſpruchslos, durch und durch wahr und gerecht, zuweilen a aber raſch wieder gut und allen Guten wohlwollend, ein Feind aller Phraſen, mit ſtarkem Sinn für echte Freundſchaft, ein edler Geſelligkeit, hatte man ihn mit ſeinem Bruder überall gern. Monate nach Karl Fuß ſtarb ein anderer aus dem Kreis, der ſeit langer Zeit ein lieber Freund war, Guſtav Seiwert, Senator Hermannſtadt. Der kleine „Henzi“, wie die Freunde ihn nannten, h ſich es angewöhnt, jeden Morgen, bevor er ins Amt ging, beim Bi einen guten Morgen zu wünſchen und von etwaigen neuen Funden a dem Hermannſtädter Rathaus und aus dem Archiv, das er wie ke 1 Zweiter kannte, zu erzählen. War der Biſchof beſchäftigt, jo ſetzte er ſich auf einen Stuhl und las; es kam vor, daß ſie außer dem Gruß kein Wort wechſelten. Seiwert war der beſte Kenner der Hermannſtädter Lokalgeſchichte, jedes alte Haus, jede Gaſſe war ihm vertraut. So ſchilderte er das alte ſächſiſche Leben in ſeinen kulturhiſtoriſchen Novellen, zeichnete ausſterbende Originale mit glücklichem Griff, war eine ſtille und friedliche Natur, die aber doch auch publiziſtiſch am Kampf um das Recht guten Anteil nahm, das hiſtoriſche Material herbeiſchaffte und von der Ver⸗ gangenheit des Volkes gehoben, durch Blicke in dieſe Vergangenheit das Selbſtgefühl der Genoſſen zu heben verſuchte. Den harten Mächten des Lebens nicht immer gewachſen, kannte jeder ihn als treuen zuverläſſigen Freund, der neidlos von ſeinem Wiſſen gerne nach allen Seiten mitteilte. Eine energiſchere, ſchärfere Natur war Dr. Fr. Irtl, bis zu ſeinem Tode ( 1875) auch Hausarzt bei Teutſch. Ein weitſchichtiger Anverwandter

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und Landsmann aus Schäßburg, war er einer der erften Vertreter der neuen Medizin im Lande, der in ſeiner Vaterſtadt keinen rechten Boden gefunden hatte, da die erſten Kuren nicht glückten. So wandte er ſich nach Hermannſtadt, wurde da Spitalsarzt und bald einer der erſten Arzte im Lande überhaupt. Einfach und klar in ſeinem Weſen, kurz und ent⸗ ſchieden in feinen Anſichten hatte er ein Intereſſe, das über die un- mittelbare Fachwiſſenſchaft weit hinaus ging. Er iſt jahrelang eines der einflußreichſten Mitglieder der Hermannſtädter Stadtvertretung und des Presbyteriums geweſen und war in dem ſchweren Kampf der Alt— und Jungſachſen am Ende der ſechziger Jahre eine Stütze des Alt- ſachſentums. Er war ein Schüler Schäßburgs und Teutſchs und unter jenen geweſen, die ihm in Wien 1850 die Botſchaft von ſeiner Er- wählung zum Rektor überbracht hatten. Sie nannten ſich Vetter und hatten einander gern. Er war eine ehrliche und treue Natur und ſeine Zuverläſſigkeit allenthalben erprobt.

Eine mildere Natur und vielfach anders geartet war Guſtav Kapp, (F 1884) der langjährige Reichstagsabgeordnete, ſpäter Bürgermeiſter von Hermannſtadt, aber zäh in ſeinem Weſen und nicht nachlaſſend bis er ein geſtecktes Ziel erreichte. Er band ſich nicht an Stunden, er kam wenn es ſich ergab ſpät ins Amt, aber abends um 10 Uhr konnte man ihn auch noch dort finden, in tiefe Arbeit verſunken. Ihm gebührt das Verdienſt, in die Stadtwirtſchaft Ordnung gebracht zu haben und die verſchuldete Stadtkaſſa geregelt zu haben. Er hatte einen frauenhaften Zug in feinem Weſen, feine Handſchrift war jo zierlich, als ſei es ein Stickmuſter und in freien Stunden ſtickte er an einem Teppich. Aber ſein Charakter war männlich. In Peſt hat keiner ſchärfer als er die ſächſiſchen Forderungen und Rechte verteidigt, Niemand entſchiedener in allen Fällen geſprochen und gehandelt wie er. Von ihm rührten die Programmpunkte von 1868 her, die ein Menſchenalter lang die Grund⸗ lage der ſächſiſchen Politik gebildet haben.

So lang er in Hermannſtadt war, erſt als Prediger, dann als Seminardirektor, war auch C. Klein ein regelmäßiges Mitglied dieſes Kreiſes; auch von der nahen Pfarre in Schellenberg kam er öfter zu den Abenden herein, ein Mann von ſchärfſter Dialektik, gegen die ſchwer aufzukommen war, wenn er etwas zergliederte, um es zu bekämpfen. In den ſchweren politiſchen Kämpfen der ſiebziger und achtziger Jahre war er einer der ſchneidigſten Streiter. Mit Kapp, Arz, Gebbel, Wolff, Wittſtock nah befreundet, verftand er es meiſterlich, den Gegner zu vernichten. Wenn Klein ſich in Verſammlungen erhob und mit ſeiner

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felten verſagenden Ruhe, 1 0 Leib rückte, dann begannen fie unruhig zu werden, ſcharfen Dolch ſchon zwiſchen den Rippen. Alle Seiten ein zu beleuchten, die Konſequenzen nach dieſer oder jener das war ſeine Meiſterſchaft, in der ihn ein v ſichere Schlagfertigkeit, natürliche Beredſamkeit und unterſtützten. Ein inaktiver Zug ſeines Weſens trug die daß er keine größere Wirkſamkeit entfaltete. Er hatte nie zu handeln, in den Vordergrund zu treten und nach öffen! kennung hat er nie gegeizt. Er ſtarb nur 63 Jahre alt nach Siechtum am 13. Febr. 1905 als emer. Stadtpfarrer von H Auch O. v. Meltzl gehörte dem Kreis an, Profeſſor an der R ein ſprachenkundiger, geiſtreicher Mann, wiſſenſchaftlich hochgebild in weltmänniſchen Formen erfahren, politiſch für die Verf

den Magyaren arbeitend, wuchs er in Hermannſtadt in die ſäch Empfindungen mehr hinein, temperamentvoll und augenblicklichen drücken zugänglich, im Herzen deutſch wie einer (T 1906).

Für den Hausherrn war der „Donnerſtag“ durch die ganze hindurch ein Tag der Erwartung. Vor 6 Uhr ſchon ſtellte er im die große Lampe auf den Tiſch, für die Kommenden auf der das ſichtbare Zeichen, daß die Freunde erwartet wurden, in den wurde mehr Holz angelegt am flackernden Feuer im faminartig Ofen hatte er behaglichen Gefallen damit das Zimmer etwas wärm werde, er ſaß am liebſten bei 11135 R., was den meiſten Freunden zu kalt war. Er hatte es gern, wenn auf dem Tiſch blühende Blumen ſtanden, duftende, farbenreiche Hyazinthen, ein roter oder weißer Azaleen⸗ ſtrauch, oder wenn anderes nicht zu haben war, die beſcheidene Reſeda. Er kaufte wohl ſelbſt bei der Heimkehr von einem Spaziergang im Vorbeigehn beim Gärtner die Pflanze; im Sommer ſchnitt er täglich ſelbſt die Roſen und Stiefmütterchen, den Flieder oder was ſonſt der Garten bot und ſtellte ſie ins Zimmer. Wenn die Freunde kamen, wartete er der Nichtraucher von Freunden empfohlene Zigarren auf, ſchnitt dem einen oder dem andern wohl ſelbſt mit einer eigenen Vorrichtung die Spitze ab und zündete das Zündhölzchen an. Der Abend war dem Geſpräch und der Lektüre gewidmet. Es kam vor, daß eines von beiden zu kurz kam, je nachdem Stoff und Stimmung vorhanden war. Die Lektüre war mannigfaltig: G. Freytags Bilder aus der deutſchen Vergangenheit, aus Treitſchkes verſchiedenen Werken, Freytags Mathy, aber daneben auch die Ahnen, Fritz Reuter, aus dem Leben des

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Prinzgemahls Albert von England, den Lebenserinnerungen des Herzog Ernſt, Haſes Annalen meines Lebens, Rankes Briefe und Aufzeichnungen aus ſeinem Leben, O. Jägers pädagog. Teſtament, Buſch Bismarck und feine Leute uff., man ſuchte nach dem Beſten der deutſchen Literatur, manchmal griff man auch nach dem, was eben der Tag brachte. Im Anſchluß an das Geleſene, vor allem an das Erlebte, das die Entwicklung des eigenen Volkes betraf, griff dann das Geſpräch aus, kaum eine Lebensfrage der Gegenwart, der Politik des eigenen Staates, Oſterreichs, Deutſchlands, Europas blieb unberührt. Zuletzt allerdings kam die Rede immer wieder auf die eigenen Sorgen und Kämpfe, Ziele und Aus⸗ ſichten, auf die Lage des ſächſiſchen Volkes und der ev. Kirche. Hier empfand man doppelt ſchmerzlich all das Leid, das dem Volke widerfuhr, ſann auf Mittel der Abhülfe und ſuchte ſich gegenſeitig zu tröſten und zu ſtärken. Dazu war der Biſchof der rechte Mann. Er war imſtande, mit ſeiner Zuverſicht auch andere aufzurichten, ſein blaues Auge ſtrahlte Hoffnung auch in die Herzen ſeiner Umgebung. Nil desperandum klang aus allen ſeinen Worten und Taten.

Die Freunde gingen an dieſen Donnerstagen dann noch gemeinſam zum Abendeſſen ins Wirtshaus; Teutſch ging nicht mit, da es ſich nicht ſchicke für ihn; es wäre ihm ſonſt ſehr angenehm geweſen, dort die Anregungen weiter zu ſpinnen.

Gerade weil ihm das verſagt war, ſah er die Freunde gern und oft auch bei Tiſch in ſeinem Haus. Er führte ein gaſtfreies Haus und es war ihm angenehm, daß er dieſen Zug ſeiner Natur auch mit der Pflicht des Amtes und mit dem Hinweis auf die Stelle im Titusbrief decken konnte, ein Biſchof ſoll gaftfrei jein. Es hat Jahre gegeben, wo das Gaſtzimmer allwöchentlich beſetzt war und im Durchſchnitt auf jeden Tag mehrere Gäſte kamen. Er hielt den Verkehr mit den Spitzen der Geſellſchaft aufrecht, beſonders auch mit den hohen militäriſchen Kreiſen. Er liebte den Soldatenſtand überhaupt und hatte für die Armee, in der er ein zuſammenhaltendes Band des Staates ſah, eine unverhüllte Vor⸗ liebe, die ſeit zwei Söhne in den Reihen ihrer Offiziere ſtanden, noch zunahm. Den hohen Offizieren in Hermannftadt imponierte fein kriegs⸗ geſchichtliches Wiſſen und mit den kommandierenden Generälen Ringelsheim, Bauer, Schönfeld ſtand er auf freundſchaftlichem Fuße. Alte Freundſchaft verband ihn mit Haizinger, deſſen Mutter für die Freundlichkeit, die dem Sohn zuteil wurde, dankbar war. Bei ſolcher Gelegenheit ſah er darauf, daß die Tafel, zwar nie überladen, doch das Beſte bot und auf die trefflichen Weine des gutbeſtellten Kellers, um den er ſich im

Abe einzelnen wenig kümmerte, war er ſtolz und hörte, ſie gern von andern loben. Auch bei dieſen Gelegenheiter punkt der Unterhaltung, Beherrſcher des Geſprächs und und unterhaltlicher Nachbar auch für Frauen, gegen die zu üben er als Zeichen der Bildung anſah. Dabei

zuzuhören, wußte auch den ſchüchternen Nachbarn ins Gef hatte herzliche Teilnahme auch für das Schickſal Fernerſteher die Kunſt, mit großen Auffaſſungen und feſtem Urteil das U zu lenken und doch in ihnen das Gefühl zu wecken, bedeuten und eben wieder ihre Seele zu heben. Geiſtvoller ihm freundlich zu Gebote und über den Humor anderer herzlich lachen. Er hatte ſich allmählich einige ftereotype 2 gewöhnt, die er gern brauchte. Wenn er bei Tiſch dem Rum zum Tee zuſchob, unterließ er ſelten zu ſagen: Geiſtes gießet hinein;“ rief ihn oder einen andern das Amt, dann z er: „Des Dienſtes immer gleichgeſtellte Uhr“; kam er von P

Hauſe, dann hatte er „glücklich gerettet die lebende Seele“; weni ihm ſchien, als werde der Kampf um die höchſten Güter des Volkes u der Kirche immer ärger und unheilvoller, dann ſprach er Wellingtons „Blücher oder die Nacht“; wenn das Geſpräch einen Augenblick füllte er die Pauſe wohl mit der Bemerkung: „So iſt die Sache,“ wobei mit der Hand ſich über das Knie ſtrich. An einem fruchtbeladenen 2 baum ging er nicht vorüber ohne der Goetheiſchen Worte zu gedei

Früchte bringet das Leben dem Mann, doch hängen ſie ſelten Rot und luſtig am Zweig wie ihm der Apfel erglänzt

und das wogende Erntefeld mahnte ihn ſtets an das Wort der Schrift: Siehe, das Feld wird weiß zur Ernte.

In den Jahren 1875—79 veranſtaltete der Schwiegerſohn W. Weiß, der in Hermannſtadt damals der bedeutendſte Sänger war, im Haus der Schwiegereltern muſikaliſche Abende, an denen Teutſch ſelbſt großen Gefallen fand. Er liebte überhaupt Muſik, vor allem die einſchmeichelnden Melodien des Volksliedes und war ein dankbarer Zuhörer, der ſeinem Gefallen ficht- baren Ausdruck verlieh. Gern hörte er die eine oder andere Tochter Klavier ſpielen, den Sohn (Konrad) geigen, am liebſten Geſang, dann Violine mit Klavierbegleitung. Selbft unmuſikaliſch legte er in die Muſik die eigenen Gedanken und Stimmungen des Augenblickes hinein, darum gefiel im nichts was nicht melodibs war. In Konzert und Theater ging er gern, den Lumpaci Vagabundus, den er als Student in Wien geſehen hatte, ſah

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er gern wiederholt auch in Hermannſtadt. Am liebſten waren ihm die klaſſiſchen Stücke, dann gute Luſtſpiele.

Im Hauſe war ihm jeder Fortſchritt moderner Bequemlichkeit und behaglicher Schönheit recht. Wenn Frau und Töchter die Einrichtung verſchönerten, ſah er das gern, er wollte weder im Haus noch an ſich altmodiſch erſcheinen, auf tadelloſe äußere Erſcheinung hielt er viel bei ſich und andern nur an feinen hölzernen Lehnſtuhl vor dem Schreib- tiſch ſollte die Moderniſierung nicht rühren. Er war nicht zu bewegen, ihn mit einem andern zu vertauſchen.

Er hatte das Glück, eigentlich immer geſund zu ſein, kleine Störungen abgeſehen. Eine ſolche war der Rheumatismus, der ihn zu- weilen im linken Arm genierte. Ihn zu bannen iſt er einige Wochen in zwei oder drei Jahren im Salzbad Salzburg bei Hermannſtadt geweſen. Er hat dort überhaupt gern gebadet. Er nahm auch dorthin immer einen Haufen Bücher mit und arbeitete fleißig, ſchrieb die Urkunden aus dem dortigen Archiv ab, ſuchte Thonſcherben aus prähiſtoriſcher Zeit und als Freund Gull, der jährliche Beſucher des Bades, einmal an ſchwerem Zahnweh litt, ſuchte er ihn durch ein Feuilleton im „Sieben- bürgiſch⸗Deutſchen Tageblatt“ aufzuheitern, wo er einen römiſchen In⸗ ſchriftſtein behandelte, der dort gefunden ſein ſollte, aus dem für Kenner durchſichtig im Flavius Josephus Gallo der alte Kämpe Joſef Gull hervorſah.

Zu den menſchlich ſchönſten Beziehungen gehörte die zur Schweſter, die in Schäßburg in kleinbürgerlichen Verhältniſſen ſchon ſeit 1836 ver⸗ heiratet lebte (T1906). In das Haus waren Kummer und Sorge in gar mancherlei Geſtalt eingekehrt und es iſt rührend, wie der Bruder da tröſtete, ſtützte, half. Am Katharinentag (Namenstag der Mutter und Schweſter) „mit dem reichen Schatze ſeiner wehmütigen und erhebenden Erinnerungen“ ſtiegen „die Bilder aus alter Zeit lebendiger als an andern Tagen vor der ſinnenden rückſchauenden Seele auf“ und er fand immer tiefe Worte brüderlicher Geſinnung. „Wie können wir Gott genug danken, daß im Mittelpunkt (jener Erinnerungen) die treuen Eltern mit ihrer frommen Liebe ſtehen, an die der 11. und 25. November mit er— greifender Mahnung uns hinweiſt ... Je älter man wird, deſto mehr lernt man ſich beſcheiden und im engen Kreis das Glück finden, das die Welt umſonſt auf dem lauten Markt des Lebens ſucht“ (1872). Am tiefſten griff ihn überhaupt an, wenn er Frauen leiden ſah. Wenn durch den Tod des Gatten die Frau allein blieb, die ganze Stellung, die ſie in der Geſellſchaft gehabt, nach altem Unrecht von ſelbſt faſt verlor

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und in ſtiller Zurückgezogenheit mit lieben

Kampf mit dem Leben, nur den Angehörigen

jedesmal. So unterließ er es nie, Pfarrer

Frauen Teilnahme zu erweiſen. 0 Was die eigene Frau ihm war, hat er auch in Br

wieder gern bekannt. Zu dem, was ſchon mitgeteilt w

einige Stellen aus Briefen hinzugefügt. {

Es ift heute der 12. Auguft, Karlis achter ( Gefühle und Erinnerungen knüpfen ſich für uns ift heute mein Geiſt hinübergeflogen zu dem grünen unſerm heiligen Berge über der Hülle der Teuern ſich zweien, die ſo ſchnell daneben ſich erhoben haben. Und 1 Gott immer aufs neue, deſſen Gnade mich Dich finden ließ und himmliſcher Liebe ſchöne Vereinigung! Segne Er Dich, des Lebens und erhalte Dich meiner Liebe!

Wien 25.

Es iſt mir lieb, daß Du in Schenk warſt ... Wenn 2 in jenen Kreiſen einſam fandeſt, ſo iſt es mir hier kaum anders ge Es iſt ein eigenes Gefühl, im Gedränge vieler hundert froher? zu ſtehen und niemanden zu kennen und zu wiſſen, daß man nie Teilnahme erregt. Da wird einem wieder klar, daß nicht der der Mauern, nicht die leuchtenden Gasflammen, nicht die Pracht augenblendenden Anzüge, kurz nichts Außeres das Glück des Me ausmacht, ſondern daß dieſes nicht ftattfinden kann ohne das Bewußtſe ein gleichgeſtimmtes und teilnehmendes Herz ſein zu nennen und um ſich zu haben. >

In dieſen Tagen wird das 17. Jahr voll, ſeit mir Gott in Dir dieſes Glück beſchert hat. Ich danke ihm dafür und Dir, mein teures Kind, daß Du mit Deiner Liebe mein Leben verſchönert haft, ja... erhalten. Gott jegne Dich und helfe mir, Dich glücklich zu machen!

Wien 31. Oktober 1867:

Wie ich jetzt in Wien umhergehe, ergreift es mich lebhaft, daß ich gerade vor 30 Jahren als Student zum erſtenmal nach Wien kam. Was liegt alles zwiſchen damals und jetzt! Sichtbar und greifbar aber, wenn ich die Zeit überſehe, tritt mir die Gnade Gottes entgegen, der überall über Verdienſt half und ſegnete. Wir wollen auf ihn hoffen und trauen auch für die Zukunft. Er wird es wohl machen. „Es ſteht in ſeinen Händen.“

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Am 26. Mai 1868 ſchrieb er von Peſt an fie: In den jüngſt⸗ vergangenen Tagen, in welchen ich um des wehen Auges Willen das einſame Zimmer hüten mußte, ſind mehr und lebhafter als ſonſt die Bilder der Jugend an meiner Seele vorübergegangen. Deine teuere Schweſter anfangs und ſpäter Du, ihr bildetet den Mittelpunkt, um den ſo viele unvergeßliche Erinnerungen ſich bewegten. Siehe, Gott hat es über mein Verdienſt gefügt und herrlich hinausgeführt. Ihm wollen wir danken und ihn auch diesmal bitten, daß er dem Hauſe die teuere Mutter, dem Gatten die Gattin erhalte, daß ſie zu ſeiner Ehre die Mädchen lehre, die Knaben wehre! Er ſegne Dich.

Brief an den älteſten Sohn, Hermannſtadt 1. März 1879:

Der erſte Frühlingsmonat iſt denn mit Gottes Hülfe wieder ge— kommen. Wie er in wenigen Tagen Dir den 20. Namenstag bringt, jo Deinen Eltern an demſelben Tag die Vollendung eines Vierteljahrhunderts ſeit ihrer innerlich ſo beglückten Ehe. Wie ſtehen in dieſen Tagen die Bilder jo vieler Erlebniſſe in jo inhaltsvollem Zeitraum mir jo lebendig vor der Seele! Wie vieles hat ſich in ihm erfüllt, was die vor uns ſo vergebens wünſchten zu ſehn; wie tritt dem ſtill prüfenden Selbſtbewußtſein des Einzelnen im eignen kleinen Geſchick namentlich ſo tröſtlich entgegen, daß was man anfangs für ſchlimm anſah, doch die ſegnende Mutter des Guten war. Und dieſe Erfahrung muß uns auch ſtärken in dem, was von öffentlichen Dingen ſchwer auf uns laſtet; des Beſſern nur immer mehr würdig werden, ſo kommt es.

Am 12. Dezember 1881 wieder an die Frau: Ich trete heute in mein 65. Lebensjahr. Gedanken ernſteſter Art über Vergangenheit und Zukunft erfüllen meine Seele, alle aber vereinigen ſich zum innigen Dank gegen Gott, deſſen Vaterhuld mich jo unverdient geſegnet. Gejegnet auch durch Deine Liebe! So wollen wir hoffen und beten, daß ſie uns auch weiter nahe bleiben werde und vertrauensvoll des weiteren Weges

wandeln. An die Frau: Schönberg 29. Juli 1882:

Nach einer Schilderung der Tage in Agnetheln und Schönberg.) Dort wie hier, ja an allen Orten haben ſich wiederholt nicht nur die Pfarrersleute herzlich nach Dir erkundigt. Es iſt nicht möglich, daß jo vieler guter Menſchen Gebet und Segenswunſch fruchtlos ſei; bleibe Du nur, mein liebes Kind, feſt in der Hoffnung und laß es Dir nicht zu ſchwer fallen, daß die Beſſerung langſamer vorwärts geht, als Du und wir wünſchen. Dein Zuſtand iſt ja doch um vieles erträglicher als im vorigen Jahr.

= 1 Im warmen Herbſt hier wenigſtens ift und ich denke, Ihr werdet ſüße Trauben haben wünſche, doch auch Du Dich erträglicher fühlen Abend geradezu ergreifend, wie das letzte Wort des n 82 jährigen Haſe, wo ich zum Tee war, auch ein nachdem ich auf den Wunſch des liebenswürdigen Paaı und geiſtig noch munter und friſch iſt, manches aus u ö Und an die Tochter in Bonn ſchrieb er 1888: ji werde ich den 5. März mit ganz bejonderen Gefühlen beg; ihm ſchließt das vierte Jahrzehnt ſeinen Ring, ſeit wir zum Bund für das Leben reichten. Es war mir ein Go Von den Verwandten ſtand ihm der Schwager und deſſen Frau Eliſe, die Schweſter der eigenen Frau, am Beide hatten am älteſten Sohn, der in Schäßburg das Gy beſuchte, Elternſtelle vertreten, ſie eine tief gemütvolle Frau ſtändnis auch für die Fragen der Bildung und fähig bei aller des Lebens den Schwung der Seele zu behaupten und g Menſchen gut zu fein; er ein Mann mit kindlichem Herzen ſtarken Glauben an den Sieg des Guten in der Welt, der ſein aus aller Brandung des Tages gerettet hatte, an der Wiſſenſchaft Poeſie ſie immer aufs neue entzündete. Wenn er nach Herman kam, dann wars eine Freude im Hauſe, er konnte ſo gut erzählen Späße machen, ſo treu und herzlich ſeine Liebe zeigen und war be Arbeit für das Ganze ſtets in der Linie, dabei auch durch ſeine Stu dem alten Genoſſen des Schäßburger Schulberges vertraut. Kindli im Herzen ſprach er in ſeinen zahlreichen Briefen ſeine Sorgen und ſeine Freuden dem Freunde gegenüber aus, auch durch ſchwere Sorgen in ſeinem Vertrauen auf Gott und die Menſchen nicht erſchüttert, tief und fromm, neidlos gegen alle Größern und jo ohne Verſtändnis für das Böſe in der Welt, daß er gar nicht begreifen konnte, wie ein Menſch lügen oder ſchlecht ſein konnte, dabei überzeugt, daß unſerm Volk noch eine ſchöne Zukunft beſchieden ſei, wenn es feſthalte an den ererbten Gütern der Sprache und Sitte; für deutſche Literatur und Art wie ein Jüngling begeiſtert, der die Briefe, die er von Grimm, Simrock, Haſe u. A. hatte, wie ein Heiligtum bewahrte ſo wirkte er immer wie ein Trunk aus einer klaren Quelle. Mit den Alten konnte er klug reden, mit den Kindern lachen und ſpielen und wenn er beim Abendtiſch trotz beſter Unterhaltung einnickte, und die Kinder durch ihr Lachen ihn

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weckten, dann lachte er ſelbſt am beſten mit. Sein Tod (17. Mai 1886) riß eine Lücke auch in das Haus Teutſchs und in ſeine Seele.

Der nächſte Freund und Arbeitsgenoſſe aber war Friedrich Müller, ſeit 1874 Stadtpfarrer in Hermannſtadt, einſt Kollege in Schäßburg, dann dort ſein Nachfolger im Rektorat, 1869 1874 Pfarrer in Leſch⸗ kirch, von dort nach dem Tode C. Fuß' nach Hermannſtadt berufen. Es iſt kaum ein Tag verſtrichen, daß nicht Beide des Tages Sorgen mit einander austauſchten, Ziele und Pläne für Sicherung des Volkes und der Kirche beſprachen. Er hatte auch früher bei allen wichtigen nationalen Fragen tapfer mitgearbeitet, 1850 als junger Lehrer bei der Einführung des Organiſationsentwurfes, 1860 als ſchneidiger Publiziſt ſcharf mitgefochten in dem Kampf für die Rückerwerbung der Autonomie der Kirche, 1867 mitgearbeitet Teutſch zum Biſchof zu wählen. Er gehörte zu den Naturen, die nichts leicht nahmen, die darum auch an der öffentlichen Not ſchwerer als andere trugen. Er hatte 1860 einmal als ſein Bekenntnis ausgeſprochen: „Wir leben in einer gewaltigen Zeit, vorbereitet durch ein halbes Jahrhundert geiſtigen Ringens, wie die Weltgeſchichte es nimmer geſehen. Die Völker durchgeſäuert bis zum Grunde, die Knaben Männer geworden, eine Zeit reif abzuſchließen, was das Reformationsjahrhundert unvollendet gelaſſen hat, die politiſche Verjüngung der altgewordenen Kulturvölker Europas. Für unſer Völkchen ift dieſe Zeit freilich ein Prüfftein ſeiner Lebensfähigkeit. Wir treten unter nicht günſtigen Auſpizien in dieſelbe ein. Eingekeilt zwiſchen Stämme, denen die Grundbedingungen zur Freiheit, humane Bildung und Gerechtigkeitsgefühl, abgehen, wird es allerdings ſchwer halten, zur Seite des rollenden Rades zu treten und in unſerm Deutſchtum dem Lande das Ferment der Kultur zu erhalten ... Im letzten Augenblick wird Deutſchland die Entſcheidung herbeiführen. Unſere Aufgabe ſcheint nur zu ſein, für dieſen Tag der Entſcheidung ſich zu erhalten, für Naheliegendes zu ſorgen, den materiellen Ruin abzuwenden, die Bildungs- ſtätten der Zukunft zu bewahren, vor allem vor extremen Schritten ſich zu hüten und den Verband mit dem Mutterland noch feſter zu knüpfen, damit es im rechten Augenblick uns nicht aus den Augen verloren habe.“ Und von ſich ſchrieb er: „So lange dieſer Gedanke, die Möglichkeit erhalten zu helfen, als deutſche und ev. Chriſten in unſerm Vaterland leben zu können, in uns lebendig iſt, werde ich nirgends fehlen, wo ver⸗ trauenswürdige Männer meine Mithülfe als wünſchenswert erachten.“

Und ſo fehlte er, von Teutſch von Anfang an in ſeiner Bedeutung erkannt, bei keiner großen Arbeit. Reich an Gedanken, ein ungewöhnlicher

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Redner, der den Gegner ebenſo widerlegen wie immer die ganze Wucht ſeiner geſchloſſenen Per ſchale warf, mit ſeiner Feſtigkeit des Geiſtes ſchroff Genoſſen bannte und beherrſchte, jo kannte er ſelten ein ſcharf traf er den Kern der Sache und konnte und nicht überbrücken. Selten nur zum Lob geneigt, verlaı das Höchſte. Und dazu, freilich nicht für alle ſichtbar, Empfindens, die in dem ſeelenvollen Auge wunderbar zi Blick für die Forderungen der Gegenwart, die in der inn der Kirche neue Formen angenommen und die er unter uns machte. Zum Führer berufen und dazu in guter Führung h ſo trat er mitbeſtimmend neben den Freund und Biſchof, deſſen er werden ſollte. 8 Zu dieſem engern Kreiſe geſellte ſich nun ein viel weiterer und in der Heimat und Fremde. Wer in der Heimat irgendwie in öf Arbeiten beſchäftigt war, auf dem Boden heimiſcher Wif Meiſter ſich bewährte oder als Jünger ſich verſuchte, der hatte ziehungen zum ſächſiſchen Biſchof und fand ſie leicht auch zum Hau Ein freundlicher Zug in ſeinem Weſen war, daß er die Bezi ſeines Vaterhauſes zu den alten „Wirten“, den Gaſtfreunden, bei man auf den Jahrmarktsfahrten einkehrte, dann den alten Bürgerhäi mit denen Vater und Mutter Geſchaftsverbindungen gehabt, aufrecht und in Freundſchaft umwandelte. Dazu gehörte das Haus des Sei ſieders Melzer in Hermannſtadt. Der alte Seiler Müller, eine Schäßburger Wurzel, begleitete ihn ſonntäglich aus der Kirche nach Haufe. * Seit ſeiner Penſionierung 1874 lebte einen Teil des Jahres Joſef Andreas Zimmermann in Hermannſtadt, der alte Freund und Lands⸗ mann von der Kokel, einſt der Wegweiſer, dann der führende Genoſſe mancher Arbeit (F 1896). Teutſch hielt die alte Freundſchaft in angeborener Treue ſehr hoch, jahrelang war es ihm eine Freude, in der Dämmerung auf eine Plauderſtunde zu ihm zu gehen, der nicht nur von alten Zeiten zu erzählen wußte, ſondern auch an den augenblicklichen Leiden und Kämpfen des Volkes und der Kirche innigen Anteil nahm. Er vertraute nicht vielen ſeine geheimſten Gedanken, auch bei Teutſch warf er zu⸗ weilen ein, er ſage ihm dieſes oder jenes nur auf das Verſprechen hin, es nicht aufzuſchreiben. Es war Teutſch eine der ſchmerzlichſten Lebens⸗ erfahrungen zu ſehen, wie die Freundſchaft, die einſt unerſchütterlich ſchien, Schaden litt, als Teutſch nicht alles billigte und nicht alles tat, N} was der ältere Freund in Politik, Kirche und Schule zu tun anriet.

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Durch die Heirat der Kinder traten die Elternhäuſer des Schwieger⸗ ſohnes und der Schwiegertochter in freundliche Beziehungen zu Teutſch und ſeinem Haus. Der Vater des Schwiegerſohnes Wilhelm Weiß (F 1894) war ein bedeutender Muſiker. Als penſionierter Beamter lebte er in Hermannſtadt ſeiner Kunſt und ſeinem Hauſe, er konnte gar herzlich unter guten Freunden fröhlich ſein, die an ſeiner biedern Natur ſich freuten. Der Vater der älteſten Schwiegertochter, Wilhelm Nendwich ( 1887), war Kaufmann, deſſen Vater aus der Zips nach Hermann⸗ ſtadt eingewandert war, ein umſichtiger Mann mit weiterem Geſichtskreis in ſeinem Geſchäfte, das er wie ein Kaufherr des Mittelalters regierte und erweiterte, in Salzburg bewies, daß auch dort Bäume wüchſen, wenn man ſie nur pflanze und pflege und am Alten Berg im Frühling und im Herbſt am Werden und Vergehn der Natur draußen ſich erholte, beide voll Liebe zu den Kindern, in deren Glück ſie das eigene fanden. Ein lieber Freund wurde ihm auch ein Schwager des Sohnes, J. Goldſchmidt, der als Jüngling 1848 unter die Waffen gegangen war, dort ſich eine angeſehene Stellung erworben und das gute ſächſiſche Herz nicht verloren hatte und gar gut über militäriſche und andere Dinge plaudern konnte. Er iſt wenige Wochen nach Teutſch 1893 als General geſtorben. Aus derſelben Zeit war FM. Ludwig Fabini (Fals F 3M. 1906), ein Schüler der Schäßburger Schule, der an Teutſch mit großer Liebe hing, die der alte Lehrer herzlich und hochachtungsvoll erwiderte. Er hat deſſen aufſteigendes Leben im Dienſt des Vaterlandes mit größter Freude verfolgt und als ihm Fabini aus dem bosniſchen Feldzug 1878 das erſte erbeutete Gewehr ſchickte als Zeichen alter Dank⸗ barkeit, war Teutſch ſtolz auf dieſes Gedenken.

Wenn aus Deutſchland jemand kam, dann ging er am Haus des Biſchofs nicht vorbei. Da war einer der älteſten Freunde W. Wattenbach, ſeit dem Philologentag in Wien ein perſönlich Bekannter und durch brieflichen und wiſſenſchaftlichen Verkehr in enger Freundſchaft mit ihm verbunden. Wattenbach hatte ein Verſtändnis für die öſterreichiſchen Fragen, vor allem genaueſte Kenntnis von den ſiebenbürgiſchen und ungarischen und verfolgte mit Intereſſe die Ereigniſſe hierzulande. Er half freudig mit, unſere Literatur, beſonders die hiſtoriſche in Deutſch⸗ land zur rechten Würdigung zu bringen und kam zweimal zu längerem Beſuch ins Land, 1869 und 1881, beidemal Gaſt im Biſchofshauſe. Er wußte ebenſo die trefflichen Weine im Biſchofskeller zu würdigen, von denen der Miniſter Trefort, als er ſie bei ſeiner Anweſenheit in Hermannſtadt 1881 bei einer ihm zu Ehren vom Biſchof gegebenen Tafel

kennen gelernt hatte, Sr. Majeſtät gejagt hatte: Der iſt nicht bloß ein ſehr geſcheiter Mann, er hat Weine im Keller wie die alten Burgen und Volksleben der Sachſen. Die zweite Auflage ſein Mittelalter widmete Wattenbach Teutſch „ſeines Volkes Zierde“ und ſchrieb in die Widmung Worte herzlicher „In ihrem gaſtlichen Haufe in Hermannſtadt ift es mir! die zweite Auflage meiner Anleitung zur Lateiniſchen Abſchluß zu bringen. Sie haben mir in den alten Ba Urkunden der Sächſiſchen Dörfer gezeigt, in den Pfarrhöfen die ı geſchriebenen Manuſtripte, welche ſchon im fünfzehnten Jal Scholaren Ihres Volkes von den Univerſitäten der alten Frucht ihres Fleißes mitgebracht haben. In der Schäßburger? betrachteten wir die Holztafeln der Bergſchule, im Bru Muſeum das prächtige Gebetbuch, deſſen glänzende Verzi niederländiſchen Urſprungs iſt, aber darum nicht minder zeugt niemals unterbrochenen Zuſammenhang der Kolonie mit dem M Frühzeitig ſchon durch verwandte Forſchungen zuſammengeführt, wir uns nun in demſelben befreundeten Vorlage. Ihre E 0 Siebenbürger Sachſen verſäumt es nicht, auch auf dem Gebiet Schriftweſens den Spuren vergangener Zeiten nachzuforſchen: denn auch dieſes Werk mit Freundesgruß zu Ihnen eilen. K doch einer freundlichen Aufnahme bei Ihnen ficher fein.“ Im Arb zimmer Teutſchs ſtand der Hermes des Prapiteles, ein Geſchenk des Freundes und erzählte von der geiftesverbindenden Macht der deutſchen Wiſſenſchaft. Wattenbach hatte ihn 1881 an Teutſch geſchickt mit den launigen Worten: „Sie werden ihn ja nicht als heidniſchen Götzen verſtoßen, ſondern ihm vielmehr danken für die Gabe der Beredſamkeit, die er Ihnen ſo reichlich verliehen hat. Es würde unziemlich ſein, Sie mit dem Bachuskind zu vergleichen, welches er in ſeinen Armen getragen hat und woran nur ein Händchen noch ſichtbar iſt, aber ſeine Gunſt hat er Ihnen ganz unverkennbar in hohem Grade zugewandt. Und jo hoffe ich, daß er auch ferner wohlwollend in Ihrem Hauſe walten wird und bei Ihren Landsleuten den Kunſtſinn anregen, deſſen Mangel einft Boner beklagte. Wenn er ſich auch ſonſt als kluger Führer und Rat⸗ geber nützlich machen kann, ſo wäre das ja ganz brauchbar“. . Ein häufiger brieflicher Verkehr führte die Freundſchaft fort, die Wattenbach auch auf den Sohn übertrug, der in Heidelberg, dann in Berlin auch in ſeinem Haus verkehrte. Dem deutſchen Profeſſor war

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es eine beſondere Freude, im Kreis ſeiner Gäſte gerade von Gieben- bürgen zu erzählen, dortige Weine zu kredenzen, Trachtenbilder und An- ſichten zu zeigen, ſeiner Freunde zu gedenken und unſeres Volkes Treue zu rühmen.

Im Jahr 1884 kam zu den Hermannſtädter Vereinsfeſten und ſpeziell zum Guſtav-Adolf⸗Verein D. Guſtav Fricke, der Vorſtand des Zentralvereins und wohnte ebenfalls bei Teutſch. Die Rede, die Fricke damals in der Hermannſtädter Pfarrkirche hielt, iſt unvergeſſen geblieben und die Eindrücke jener Tage haben uns in den Kreiſen des Guſtav⸗ Adolf-Vereins die beſten Früchte getragen. Im Jahr 1887 wohnte Treitſchke einige Tage dort. Unter den Mauern der Landskrone, an demſelben Punkt, wo einige Jahre früher Wattenbach die Rieſen⸗ mauer der Gebirge bewundert und in die vielgeſtaltigen Berge hinein⸗ geſehn, ſtießen ſie mit Treitſchke in feurigem Wein auf die Hochwacht der Sachſen und die deutſche Wiſſenſchaft an und erfreuten ſich am Blick von der Michelsberger Burg und ſaßen in Heltau auf dem freundlichen Pfarrhof, das deutſche Leben hier an der Energie und ſtolzen Zuverſicht des gewaltigen Mannes ſtärkend. Auch alle anderen, die hier einſprachen, jo 1880 Jannaſch, 1883 Dr. Vormeng, 1884 Dr. Cuny und Weber, 1886 Kiepert, 1890 Dr. Wittenburg, 1888 Dr. Devrient und Frl. Kuhlmann, beide zur Aufführung von Devrients Luther nach Hermannſtadt gerufen, fie alle find Apoftel für Erhaltung des Deutſch⸗ tums in den Karpathen geworden und alle mit einander gehoben von des Biſchofs Perſönlichkeit. Wer von Auswärtigen ſeine hochgemute Natur kennen lernte es ſind viele Hunderte geweſen, die mit ihm in perſönliche Berührung traten, es hat keinen Zweck, lange Reihen von Namen anzuführen, und wer etwas gehört hatte von dem oft als ſinkend und verwelkend hingeſtellten Volksſtamm der Sachſen, der glaubte an deren Zukunft, wenn er den Biſchof kennen gelernt hatte.

Aus München ſandte Dr. G. M. Thomas, Bibliothekar an der t. Hofbibliothek, ſtärkenden Zuſpruch und empfing ſolchen vom Zibin aus. Gleichfalls ſeit dem Zuſammentreffen in Wien 1850 Teutſch befreundet, eine ungewöhnlich tiefe Gelehrtennatur, mit Teutſch in ſtetem Briefwechſel, war er einer jener, die zu allen Zeiten die Liebe für uns, die Pflicht des deutſchen Volkes, unſer nicht zu vergeſſen, in warmem Herzen hegte und für beides eintrat. Da er eine Zeit lang ſtellenlos war, hatte Teutſch ihn noch in den fünfziger Jahren eingeladen, bis ſich etwas ergebe, ſein Gaſt in Schäßburg zu ſein, er hoffte ſogar, ihn für das Schäßburger Gymnaſium zu gewinnen, nun drängte er immer

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Am

aufs neue, den langgeplanten Beſuch im Sachſenland au iſt nicht dazu gekommen. Aber Thomas bekannte in tiefſtem Herzen, was ihm dieſe Freundſchaft bedeute. In Leipzig waren Stephani, Georgi, dann ſeit der Verlags der 2. Auflage der Sachſengeſchichte S. Hirzel Dr. W. Wachsmuth, Direktor der Kreditanſtalt, mit gemütsreichen Frau liebe Freunde, die auch an den Hauſes freundlichen Anteil nahmen, der mit den Jahren wiederholt auch Söhne Teutſchs in perſönliche Beziehung zu d traten. Für Teutſch bildete das Haus, das Leben in der F Glück, das Gedeihen der Kinder die Grundlage ſeiner Ger und Arbeitsfreude. Wenn auch nur kleines Unwohlſein bei e dem andern ſich zeigte, war er überaus ängſtlich und gleich Arzt herbei. Er hielt das auch bei ſich ſo. Unbeſorgt um ſein ſorgte er aufs peinlichſte bei der geringſten Störung. In früheren Ü hatte er oft mit Halsweh zu tun, Abhärtung hatte ihn ziemlich befreit. Wenn der Arzt kam, ließ er ſich gerne in langen Auseinande: ſetzungen Weſen der Krankheit darlegen, er hatte großen Reſpekt vor der ärztlichen Kunſt und auch wiſſenſchaftliche Freude an den ſchritten der modernen Medizin. Er wollte genau den Zuſamm der ärztlichen Anordnungen mit der Krankheit, der Symptome u der Urſache wiſſen und es beruhigte ihn, wenn ers wußte. Im üb wollte er ungeſtört ſein, wenns ihm nicht gut war und es war N unbehaglich, wenn er das Leben im Haufe ftörte, 2 Ein freundlicher Zug ſeines Weſen war die Rückſicht auf die dienende Umgebung. Wohl konnte ſeine Ungeduld, er hatte ſie im Vergleich zu jungen Jahren ſtark gezügelt auch da zuweilen auf- brauſen, aber im ganzen hat niemand Knecht und Magd und Diener freundlicher behandelt als er. Wenn der Lehrjunge aus der Druckerei den Korrekturbogen brachte, redete er freundlich mit ihm, mit dem Poſtboten und Telegraphendiener wechſelte er freundliche Worte. Wenn der Schulmeiſter aus dem fernen Dorf prähiſtoriſche Funde im blauen Schnupftuch eingebunden feinem Biſchof brachte, der bei der Kirchenviſitation darauf aufmerkſam gemacht hatte, dann verlor dieſer die anfängliche Schüchternheit, mit der er eintrat, wenn er das leuchtende Auge ſeines Biſchofs ſah und deſſen natürliche Liebenswürdigkeit ihm entgegenkam. Als einſt ein Diener den weiblichen Hausgenoſſen nicht entſprach und die Tochter erklärte, nach der Kirchenviſitation, bei welcher jener den

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Biſchof begleitete, werde er entlaſſen und in der Zeit der Abweſenheit ein anderer aufgenommen, da ſchrieb Teutſch mitten aus den drängenden Arbeiten der Viſitation: „Dieſe Abſicht iſt mir namentlich aufs Herz gefallen, als ich während der Fahrt ſah, wie ſehr er ſich auf ſeinen Heimatsort freute, wohin er ſeiner Mutter einige Spulen aus Hermannftadt mitnimmt. .. Wir wollen Geduld mit ihm haben.“

Dieſe natürliche Liebenswürdigkeit und Herzensgüte, dieſe vornehme zartfühlende Art ſeines Weſens, die bei hoch und nieder, bei Männern und Frauen ihm die Herzen gewann, ſie hing zuletzt mit ſeiner tiefen Frömmigkeit zuſammen. Wie er immer wieder lehrte, daß das Chriſtentum Leben ſei, ſo war es bei ihm Leben geworden. Am Beginn ſeines 70. Lebensjahres ſchrieb er in das Hausbuch: „Den 12. Dezember 1886, den erſten Tag meines 70. Lebensjahres. Lobe den Herrn meine Seele und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat. Pi. 103, 2.

„Herr Gott, du biſt unſere Zuflucht für und für. Pi. 90, 2.“

Es iſt ein Grundton ſeines Lebens geweſen.

Ein ſonniger Tag fürs ganze Haus war der 24. April 1891, der Georgstag, der als Namenstag des Hausvaters nach alter ſächſiſcher Sitte gefeiert wurde. Es war zum erſtenmal, daß alle Kinder im Elternhaus beiſammen waren, ſeit fie geheiratet hatten. Tochter und Schwiegerſohn aus Bonn (H. v. Gillhauſſen) waren herbeigekommen, die Kinder aus Kron⸗ ſtadt, an der langen Tafel ſaßen mit den Eltern 22 Glieder der Familie, Kinder, Enkel, Schwiegertochter, Schwiegerſöhne. Eine Familienzeitung unter dem Titel „Auf Wiederſehn Teutſches Familienblatt“, zu Ehren des Tages zuſammengeſtellt, kam zur Verteilung, darin ein gut Teil Familiengeſchichte gedruckt war, ſie klang mit dem Tage in Scherz und Ernſt in den Wunſch aus: Gott mög' das Haus bewahren. Vater und Mutter waren frohbewegt und ſegneten die Kinder. Schon der nächſte Morgen führte einen Sohn (Konrad) zu militäriſchen Übungen fort ſie ſind nicht mehr alle zuſammen gekommen; nicht ein viertel Jahr ſpäter ſtarb die lebensfrohſte aus dem Kreiſe, die letztverheiratete Tochter (Pauline Eder) plötzlich. Es waren die längerwerdenden Schatten, die den kommenden Abend ankündigten.

14. Auf hoher Warte.

Es gehört in dem kampfreichen Leben Teutſchs zu den ſchönſten Erſcheinungen, wie er allmählich die Gegenſätze, die fi ihm in äh Weg geftellt, überwand und die mächtige Perſönlichkeit ſiegreich von ſelbſt Mittelpunkt des ſächſiſchen Volkslebens wurde. In der Kirche

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brachte es natürlich das Amt mit ſich, daß er Führer, 2 Vorkämpfer war, auf dem Feld der Wiſſenſchaft hatte f die leitende Stelle verſchafft, in der Politik hatte er eine Stimme, die Verbindung der Sachſen mit der deutſchen $ Proteſtantismus im Deutſchen Reich beruhte weſentlich auf in der erſten Reihe jener ſtand, die ein Verſtändnis des Volkes und ſeiner Lebensbedingungen in den Kreiſen der le Ungarns zu erreichen ſuchten. Die wiſſenſchaftliche Bedeutung Teutſchs beruht nicht was er geſchrieben und veröffentlicht hat, an dieſe Arbeitsleiſt ſich, was er zunächſt auf hiſtoriſchem Gebiet an mittelbaren und baren Anregungen geboten. Im Jahr 1869 berief ihn der älteſte der nationalen Vereine, der Verein für ſiebenbürgiſche Landeskuf Vorſteher und in dieſer Eigenſchaft hat er die Arbeiten des in dem das wiſſenſchaftliche deutſche Leben des Landes ſeinen punkt fand, fünfundzwanzig Jahre geleitet. Man kann jagen, daß er allen bedeutenden Werken nicht nur des Vereins, ſondern auch je die außerhalb desſelben erſchienen find, mindeſtens ſtiller Mitarb geweſen. Der ältere Mann und der junge Kandidat, fie alle fragten b ihm um Rat, wenn fie eine Arbeit aufnahmen, und ihr Stolz wenn die fertige ein lobendes Urteil des Biſchofs fand. So iſt er der Anreger zur Herausgabe der Quellen zur Geſchichte Siebenbürgens aus ſächſiſchen Archiven geweſen, die in Hermannftadt aus dem Hermann⸗ ſtädter und National-Archiv, in Kronſtadt aus dem dortigen Archiv erſchienen. Er kannte die Schätze beider Archive aus eigenen Studien und hatte 1877, vom Kronſtädter Magiſtrat um Rat gefragt, wie das dortige Archiv am beſten zu ordnen ſei, das Gutachten eingehend gegeben und dabei darauf hingewieſen, was für eine Förderung unſerer Geſchichts⸗ wiſſenſchaft aus der Herausgabe von Quellen aus dem dortigen Archiv erwachſen würde, ſpeziell der Rechnungen, „in welchen nicht nur eine reiche Familiengeſchichte liegt, ſondern das ganze politiſche und Kultur⸗ leben nach vielen Richtungen wie in Lichtbildern ſich ſpiegelt“. Infolge davon wurde in Kronſtadt beides in Angriff genommen, die Ordnung des Archivs und die Herausgabe der dortigen Quellen. Im ſelben Jahr hatte der Verein für ſiebenbürgiſche Landeskunde ſich, wieder auf Anregung | feines Vorſtandes, an die ſächſiſche Nationsuniverſität gewandt und um fördernde Teilnahme „für eine Kulturarbeit von hervorragendſter Bedeutung“ gebeten, die Herausgabe der im Archiv der ſächſiſchen Nation und der Stadt Hermannſtadt befindlichen Rechnungen, deren Wert und Bedeutung für

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die Kenntnis des geſamten Lebens eingehend gezeichnet wurde mit dem Hinweis darauf, daß die Kulturgeſchichte des Landes aus ihnen weſentliche Bereicherung ſchöpfen werde. Während die Kronſtädter Quellen ſchon 4 Bände füllen, hat die Univerſität leider ſo wenig Mittel zur Verfügung geſtellt, daß dieſes Unternehmen bei einem Band ſtecken geblieben iſt.

Auf ſeine Anregung und ſein jahrelanges unermüdliches Drängen iſt die Herausgabe von Herrmann: Das alte und neue Kronſtadt zurück⸗ zuführen, das Meltzl in muſtergültiger Weiſe bearbeitete und der Verein für ſiebenbürgiſche Landeskunde herausgab. Es iſt eine Geſchichte Kronſtadt von 17111805, auf dem Boden der allgemeinen Ereigniſſe und dem Hintergrund der Landesgeſchichte von einem Zeitgenoſſen der zuletzt behandelten Epoche kenntnisreich und zuverläſſig geſchrieben. Das Buch ſollte einen Erſatz für die mangelnde Geſchichte des 18. Jahrhunderts bieten. „Auch eine aus den Quellen geſchöpfte Geſchichte des 18. Jahr⸗ hunderts ſchrieb er einmal tut uns außerordentlich not. Auch eine ſächſiſche Geſchichte von 1700 an in Biographien wäre ein gutes Werk, für Bürger und Bauer im Winter eine Stärkung, für die Jugend ein Hinweis auf die Höhe“. Die „Kirchlichen Kunſtdenkmäler aus Siebenbürgen“ (mit Abbildungen) waren die Verwirklichung eines Lieblings⸗ gedankens von ihm; der ungariſche Kultusminiſter gab eine Unterſtützung dazu unter dem Eindruck, den Seine Majeſtät bei Beſichtigung der Hermannſtädter Kirche 1876 empfangen hatte. Die Auswahl der in dieſer Publikation veröffentlichten Denkmäler beruhte vor allem, zum größten Teile von ihm vorgenommen, auf ſeiner Kenntnis der Schätze im ganzen Lande. Die Herausgabe der Kerzer Abtei, der Gedanke der Bearbeitung und Veröffentlichung der ſächſiſchen Burgen geht auf ihn zurück. Er verſtand es, wer mit ihm in Berührung kam, für die Arbeit auf hiſtoriſchem Gebiet zu gewinnen, falls überhaupt Neigung und Fähigkeit dazu vorhanden war.

Ein Lieblingsgedanke war ihm, wenn wir Bilder aus der ſächſiſchen Geſchichte hätten, die mit künſtleriſcher Auffaſſung Hauptereigniſſe aus der Vergangenheit des Volkes darftellten und nun zu jenen breiten Kreiſen als Zimmerſchmuck im Bauernhauſe ſprächen, die nicht viel zum Leſen kommen. Dieſem Gedanken entſprang die Anregung zum Bilde, das der deutſche Schlachtenmaler Georg Bleibtreu auf Teutſchs unmittelbarſte Beſtellung ſchuf: Die Einwanderung der Sachſen nach Siebenbürgen. Wer ihn je gehört hat, wie er jenes Bild erklärte, den langen Zug der Einwanderer, der um den Waldrand biegt, die Führer Hermann und Genoſſen, die die Schwerter in die Erde ſtoßen und darüber ſchwören, ſich und dem

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Lande treu zu bleiben, die ſchen ſich abwendenden K deutſche Pflug und das deutſche Schwert aus dem Lat Mutter, die das Kind in die Höhe hebt, daß es auch vom Land Beſitz ergreifen, den Kaufmann und den ( fi Lehrer und den Bürger, die alle mitgekommen, das ferne Arbeit zu gewinnen, während im Hintergrund die Karpathen grüßen und der Adler über dem Ganzen ſeine ſtillen Kreiſe zieht empfand ſofort, daß hier nicht nur kongeniales Verſtändnis ſpra⸗ ſondern daß er teil hatte an den Gedanken, die das Bild v

Wie er der einigende Mittelpunkt, der Zuſammenhalt auch deutſchen Wiſſenſchaft hier war, das zeigten die jährlichen G 5 ſammlungen des Vereins für ſiebenbürgiſche Landeskunde. Der hält nach ſeinen Satzungen ſeine Jahresverſammlungen als W verſammlungen an den verſchiedenen Orten, wohin eine Einladung ruft. Teutſch hielt ſich nicht nur für verpflichtet, es war ihm ii eine beſondere Freude, auch da er noch nicht Vorſtand war, ſi beſuchen; er hat, ſeit er als Kandidat in Schäßburg 1842 bei der e Generalverſammlung ſeinen Beitritt anmeldete, im ganzen Leben viell nur zweimal dabei gefehlt. Und wenn er nicht dabei war, dann h die Teilnehmer allgemein, ſeit er an der Spitze ſtand, die Empfindung, daß die Hauptperſon fehlte. Es war freilich eine Freude, ihn an ſolchen Tagen zu ſehen und zu hören. Zuerſt führte er durch die Eröffnungs⸗ rede die Geiſter zur Höhe, dann wußte er beim Feſtmahl durch kräftigen Spruch der Stimmung des Tages Ausdruck zu verleihen; in den Sektionen brachte er regelmäßig irgend eine Anregung und hörte nicht weniger gern, was andere brachten, in den freien Augenblicken hatte er ein freundliches Wort für jeden, der ihm nahe kam, alte Freunde und neue Bekannte, hatte auch an ſolchen Tagen für alles Zeit, fehlte nicht am Abend bei der Liedertafel, auf dem Ball, in jungen Jahren ſelbſt ein guter Tänzer, ſpäter als Vater an der Luſt der Söhne und Töchter ſich freuend, ging zum Kommers und es waren unvergeßliche Augenblicke, wenn dann der Biſchof ſich erhob und mit flammenden Worten des Landesfürſten, der deutſchen Wiſſenſchaft, der Macht des deutſchen Liedes und der Frauen, des Vaterlandes und der ernſten Pflicht, allem Guten | zu dienen, gedachte. Meiſterlich verſtand er dabei, allgemeine Gedanken und Eindrücke des Augenblicks in einander zu weben, nach einem geiſt⸗ | vollen Scherzwort und mit einer humoriſtiſchen Wendung in feierlichen Ernſt überzugehen und die Herzen der Hörer emporzuheben.

Er wurde noch mehr Mittelpunkt dieſer „Vereine“, ſeit der Guſtav⸗

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Adolf-Verein von 1862 an zuſammen mit dem Landeskundeverein all- jährlich Volk und Kirche zuſammenführte. Wie der neugegründete Verein ihn 1861 nach Deutſchland ſandte, dort den Anſchluß zu vollziehen, ſo iſt er ſeither ununterbrochen auch in ſeinem Dienſt geſtanden. Im Jahr 1883 wurde die Leitung des Vereines von Mediaſch nach Hermann⸗ ſtadt verlegt und Teutſch ſein Vorſitzer und ſeither kam auch hieher neues Leben hinein. Die chriſtliche Hülfe, die der Verein an den Glaubens- brüdern übte, war ſo recht für ſein warmes Herz, das ihn für jede Not leicht empfänglich machte und für ſein Pflichtgefühl, das ihn dazu trieb, kein Mittel unbenüßt zu laſſen, der Not zu ſteuern. Die Kenntnis jeder einzelnen Gemeinde, auch vieler einzelner Perſonen aus jeder Ge- meinde, die Bekanntſchaft mit der Vergangenheit und der Gegenwart jedes einzelnen Gliedes der Kirche, die Beziehungen, die er zu den leitenden Männern des Vereines draußen hatte, das alles befähigte ihn ganz beſonders für die Leitung dieſes Vereines. Daß durch ihn auch unſere Kirche in den großen Kreis der proteſtantiſchen Kirchen hineingefügt wurde, die dieſer Verein zu einer ſchönen Einheit unterſtützender Liebe zuſammengeführt hat, daß es ein neues Band mit dem deutſchen Pro⸗ teſtantismus war, das gab dieſer Arbeit erhöhten Wert.

Im Jahre 1882 hatte die Hauptverſammlung in Leipzig, bei der Feier des fünfzigjährigen Beſtandes des Vereines, ihn in den Zentral⸗ vorſtand gewählt (auf neun Jahre) und nun war es ihm vergönnt, neunmal nach einander den Hauptverſammlungen beizuwohnen und einen großen Teil Deutſchlands kennen zu lernen. Dieſen deutſchen Fahrten verdankte unſer Volk nicht in letzter Reihe, daß ſeine Lage und ſeine Verhältniſſe im Deutſchen Reich allmählich bekannter wurden.

Bei jener Feier in Leipzig war er ſelbſt anweſend, die oberſte Kirchenbehörde, das Landeskonſiſtorium, hatte ihn als Vertreter geſchickt; die Aufgabe führte ihn zum erſtenmal ſeit 1861 wieder ins Deutſche Reich. Am 7. September reiſte er von Wien ab. Es war eine liebliche Fahrt „durch reizendſtes Kulturland, die Waldeshöhen noch voll Anbau, allüberall einem Garten gleich, durch den hier die Donau, dort die Enns, die blaue Traun, der gelbe Inn die Wogen belebend rauſchen läßt“. Es würde zu weit führen, alle dieſe Fahrten einzeln zu ſchildern, aber aus den Aufzeichnungen über ſie ſei doch das hauptſächlichſte mitgeteilt, weil es ein Bild der Art feines Reiſens gibt. Von dieſer erſten Fahrt ſchreibt er:

Freitag 8. September, Nürnberg. Ins germaniſche Mufeum. Eſſenwein, Frommanı, Die Erfreuten, Wohlwollenden. Wunderbare

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Anſtalt von nicht zu beſchreibendem Eindruck. Welche der! des Genuſſes, der Belehrung. Den ganzen Vormittag dort. 7 zwiſchen den ſtummen engliſchen und liebenswürdigen deutfch Nachmittag durch die Straßen außerordentlich deren Torflügeln noch der k. öſter. Adler, aber der Flug der £ iſt ad altiora gegangen. Viele Gedanken im alten Gemäuer, d Ausſtellung an einem Stück grandioſer Stadtmauer (O durchweg) und formſchöner Türme (zeichnende Knaben) vorü ſchöne Parkanlage mit reichſten Werken des Fleißes und voll von frohen, wandernden, ſitzenden, bajurariſch trinkenden überall lachende Zufriedenheit. Beati ili! Auf der Tramw (ber prachtvolle runde Torturm) die „Sächſin“ mit dem Sad) ſie für einen Oſtpreußen hält ſich begegnend in: „Wenn Einer D kennen —“ In dämmernder Stunde Gang durch die Straßen. Licht teilweis.

Samstag 9. September, Lorenzkirche. Überraſchende Beg mit Krafft aus Hermannſtadt, der ebenſo überraſchend Rohmeder der Gottſchee kommend) trifft und zu mir bringt. Einen Stecher beim weißen Turm. Pfarrer Löſch, commilito Berolinensis nicht dahe an der Nordſee. Seine, die Jakobskirche beim weißen Turm. Nochm, zum germaniſchen Muſeum zu chartogr. (Honterus) Studien. Jahresb von Frommann. Frauenkirche, Sebalduskirche über alle Vorſtellung. „Wenn Einer Deutſchland kennen und Deutſchland lieben ſoll.“ Table d’hote: rechts die geſchwätzigen Franzoſen, links niemand, vis⸗a-vis die deutſch⸗ ausſehenden Engländer, ſie gut deutſch, er gar nicht ſprechend, zu hiſtoriſchen Studien gekommen, für die ſie Dolmetſch haben. Er kennt Pertz. Angenehmes Geſpräch über Makauly, Shakeſpeare, Darwin, deutſche Geſchichte des Mittelalters. Nach Tiſch neue Begegnung mit dem trefflichen Sieben, Kaufmann in Hamburg. Tauſch der Karten. Nachmittag Rat⸗ haus, ſieben Stationen Kraffts, beim Dürerhaus vorüber, dann zu Michahelles, erſter Pfarrer von Sebald, der vom Wörther See gekommen, aber vom Oſten gar nichts weiß, auch keine Sehnſucht darnach hat. Veſpergottesdienſt in der Sebaldkirche. Der junge Kaplan aus dem Dienſte, aber nächſte Woche froh in die eigene Pfarre mit 900 fl. Bonae spei. Freiherr v. Kreß, Vorſtand des Nürnberger Geſchichts⸗ vereins, auf dem Land. Geldwechſeln. Von den drei Lorenzpfarrern nur der mittlere zu Hauſe, Greis, doch wie es ſcheint beſſer unter⸗ richtet; er hat von der Not der ev. Schule vernommen. Gang durch das ſchöne Marientor und das Frauentor zurück, durchweg Mauer, Wall,

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Torturm trefflich erhalten, noch einmal die Lorenzkirche im letzten Tagesſtrahl bewundernd. Hier und bei Sebald würdigſte Pfarrhöfe. NB. Brief nach Haufe. Packen. ½ 11 Uhr auf den Bahnhof. Welch ſchönes Neun-Uhr-Abendläuten von allen Türmen. Und die Leute waren in der Sonnabendveſper und auch die Wochen-Frühkirchen find nicht ganz leer.

Sonntag 10. September. Nachtfahrt in vollſtem Coupe. Am Morgen in Sachſen, das wie ein Garten mit ſeinen gewerbfleißigen Städten vorüberflog. Leipzig!! Nach 21 Jahren wieder. Der treffliche Wachsmuth auf dem Bahnhof. Gratia patris. Die feingebildete liebenswürdige Haus⸗ frau, deren Anmut die ſchönen Räume ſofort noch wohnlicher macht. Gretchen hold, lieb, gut ausſehend. Filius als Feldwebel in den Ma- növern. Fragen und Antworten aus der Heimat, Telegramm für das „Ehezweiglein“ (das erſte Mädchen des älteſten Sohnes geboren 2. Sep⸗ tember). Raſche Zeit. Fricke abs, Criegern in templo, extune offieii causa pauca, hier wie dort von Gretchen geführt. Dr. Stephani zu Tiſch geladen. Anregende und ernſte Reden über den Geiſt, der in den Guſtav⸗ Adolf-Verein dringen will. Nachmittag zu Fricke. Wie freundlich und eingehend, Sie und Er.

Und ſo geht das nun fort, überall das Intereſſe für Siebenbürgen, für die Sachſen, ihr Volkstum und ihre Kirche weckend. In Leipzig beſuchte er weiter Zarncke, Friedberg, Roſcher, Curtius, Baur, Overbeck, Delitzſch, Eckſtein, Howard, Lechler, Hildebrand, Voigt, Hirzel, Noorden, Kahnis, Luthardt, Georgi, Springer, Langer, Obriſtleutnant Vogt, einen Teil natürlich, ohne ſie zu Hauſe zu treffen. Abends großer Tee bei Fricke, wo u. a. Gerock, Wangemann, Hartung, Eigenbrot, Großmann uw. uſw. Am folgenden Tag Fortſetzung der Beſuche bei Schildbach, Simſon, Gottſchall als dem Vorſtand des Leipziger Schillervereins, deſſen Ehrenmitglied Teutſch war Haſſe. Zugleich begann der Guſtav⸗ Adolf-Verein, den er im einzelnen mit innerer Erhebung miterlebte, am 14. September traf ihn die Wahl in den Zentralvorſtand, am 15. Sep⸗ tember folgte der wunderbare Tag in Lützen, dabei immer wieder der Verkehr mit dem lieben Freundeshaus Wachsmuth, wo er wohnte, am 16. September Beſuch bei Moltke, dem Dichter unſeres „Siebenbürgen Land des Segens“, bei König und Pantenius, dann edelſte Tafelrunde bei Hirzel, Nachmittag Beſuche bei Biedermann, Grävenitz, Abſchied bei Fricke und abends im Theater Reiff-Reifflingen. Sonntag Beſuch des Gottesdienſtes in der Univerſitätstirche, Beſichtigung der Sehenswürdig⸗ keiten der Kirche und dann der Kreditanſtalt. Beſuch bei Zenker, Hirzel,

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Hoffmann. „Freundlichſter Mittagstiſch mit dem im Vorgefühl des Wiederſehens. Letzter Gruß an Wirte begleiten mich auf ſchwer erkämpftem Bahnhof. Valete optimi.“ f

Der ſchwarze Bär in Jena nahm ihn abends ſeit 1858. „Wie ſchön Jena geworden mit den Alleen graben, an der Saale uff, dem beſſern Pflaſter, den vit ſeinen Denkſteinen, dem vergrößerten botaniſchen Garten, rings auf den Höhen. Von welch ſteigendem Wohlſtand bei Hartenſtein (die Bibl. die Honterusausgaben —Co Herr kennt mich von Wachsmuth ex 1858, ich hätte m geändert. Klopfleiſch guter Empfang. Haſe, die altehrw erinnert ſich ſofort an 1858, in allem wohl unterrichtet, ſtill⸗ perfer et obdura! Lipſius abs. bloß fie geſprochen, Hilgen Adolf Schmidt vor kurzem von O. Lorenz beſucht; ob ich der ) Teutſch wäre? Wie konſerviert!! Er kränklich, liebenswürdige Wie ich in den Bären heimkehre, liegt die ſchriftliche Einl v Klopfleiſch da, mit der Mitteilung des Kellners, ich würde dort Demnach hin: wohltuend einfach, erfriſcht durch Geiſt und Freun Die erwachſene Tochter betet: Komm Herr Jeſu. Hausfrau mit Thi blauen Augen wie die Töchter liebenswürdigſt. Prähiſtorika. An Brandſchs Grab. Hilgenfeld abermals nicht getroffen. Gädechens, Löhning, mit Heinzes lieblicher Tochter vermählt. Abends bei Haſe, 8 das Patriarchenpaar im edeln Zimmer. Welch freundliche Beg De rebus patriis. „Graf“ der Sachſen das war eine Stelle! keiner? Quia virtus nobilitat hominem. Unvergeßlicher Abend. Im letzten Wort noch ein Gruß ans Haus. Am 19. September mit Lipſius in der Pfarrkirche, dann zu Grimm. Mittag bei Löhnings. Einfach und gewürzt durch Geiſt, Bildung und Liebenswürdigkeit des Hausherrn und der Hausfrau. Beati! 6 Uhr zur Bahn. Alle Gaſſen voll prächtiger Kinder, wie in Leipzig; die freundlichen Kurrendknaben vom Geſang heimkehrend mit ihren Mänteln.“

Der 20. September war Halle gewidmet, wo Dümmler, Naſemann, Kirchhoff, Köſtlin, Knobloch, Beyſchlag beſucht und die Wittenberger Matrikeln eingeſehen wurden, am 21. September kam er nach Berlin. f Da iſts nun gar erftaunlich, was und wen er in neuntägigem Aufenthalt ſieht und ſpricht. Die alte Wohnung, die er in der Heiliggeiſtſtraße als Student bewohnt hatte, ſuchte er ebenſo auf wie die Muſeen und Bibliotheken, wo er nach Honterus forſchte, die Pergameniſchen Altertümer,

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das Beethovenkonzert und das Wintermärchen, das die Meininger auf- führten, das Zeughaus und eine Fabrik landwirtſchaftlicher Geräte, wo er die Bemerkung machte: Unſere Wälder wie verwertbar hier. Sachverſtändige von uns ſollten kommen, ſehen und Verbindungen anknüpfen. Die Stadtbahn „die Bahnzüge laufen wie ſonſt die Fiaker“ die olympiſche Aus⸗ ſtellung und der erhebende Gottesdienſt in der Garniſonskirche, alles ließ er auf ſich wirken. Und nun erſt die lange Reihe der Männer, die er dort beſuchte und kennen lernte: in erſter Reihe Wattenbach den alten Freund, voll herzlichſter Teilnahme für alles, was uns anging, dann Jannaſch, Henry Lange, Falkenſtein, Droyſen, Berner, Curtius, Gneiſt, Kolb, Hepke, Sybel, Treitſchke, Bonitz, Kapp, Virchow, Beſeler, Zeller, Müllenhoff „Haltrichs gedenkend“ Hinſchius, Goldſchmidt, Wehrenpfennig, Hermes, Bunſen, Frenzel, Lehmann, Frl. Mar. Tenger, Brunner, Kiepert, Agidi, Bernard, Websky, Reimer, Weizſäcker, Kögel, Harnack, dann in Charlotten⸗ burg Böckh, Bleibtreu, wo die Anregung zum Bild der Sachſeneinwanderung gegeben wurde, Mommſen, in Potsdam Rogge, Wangemann, Pietſchker. An Frommels warmem Herzen und ſprudelndem Geiſt mit ſeinen prächtigen Erzählungen aus den Tagen in Gaſtein mit Kaiſer Wilhelm erfreute er ſich und ſeinem alten Lehrer Ranke brachte er hochachtungsvollen Gruß. „Welch herzlicher Empfang!! Seine Erinnerung an Litteralien und Apfel. Tiefſte, in großem Fluß an einander gereihte ſtrömende Gedanken über Völker und Nationalitäten, Geſchichte der Nationen und der Menſchheit, den gegenwärtigen Chauvinismus der kleinen Natiönchen und die darin liegende Kulturverwüſtung, über den Verfall Frankreichs, weil ſie kein Königtum, keine Zuſammenfaſſung der allgemeinen Gewalt wollen; über die Mangelhaftigkeit des parlamentariſchen Syſtems auch nach der Richtung, die Minoritäten zu drücken, während der König beſſeres Verſtändnis und Willen zum Schutz habe; über Gott, Vorſehung, Unſterblichkeit, der Menſch zur Religion geboren und beſtimmt, über den Undank in rebus nostris, „aber nichts Widerſinniges kann auf die Dauer aktuell werden, nachhaltig“, obdura. Herzlicher Abſchied, Geſchenk des Bildes von feinem Hauſe. Wiederholt: ich danke Ihnen, danke für den Beſuch. NB. ſeine Lebensart: 9 Uhr aufſtehen, mit kurzer Empfangspauſe (12 Uhr) diktierend bis 4 Uhr arbeiten; dann Spazier⸗ gang, 5 Uhr Mittagstiſch, Raſt in etwas Schlaf; von 7—12 Uhr diktierend arbeiten. Zeitungen leſen, 1 Uhr zu Bett.“

Über Dresden, wo er wieder einen Kreis neuer Freunde fand, kehrte er durch die ſächſiſche Schweiz nach Wien zurück, in ſchwerer Sorge um die leidende Frau zu Hauſe, bis eine telegraphiſche Nachricht

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ihn beruhigte. In Wien nahm er am 9. Oktober Audienz und wurde wie gewöhnlich huldvollſt empfangen. ſprach er zum Kaiſer von der Feier des 50 je ev. Liebesvereins der Guſtav-Adolf⸗Stiftung in L Landeskonſiſtorium unſerer Kirche mich entſendet 0 alleruntertänigſte Bitte, Allh. Eure Majeſtät wollen Dankſagung namens unſerer Kirche für die Gnade, mit der ( die früher beſtandenen Hinderniſſe unſerer Teilnahme a unſere armen Kirchen und Schulen ſo ſegensreichen beſeitigen geruht haben, huldreich entgegennehmen“ und in Leipzig gehaltene Anſprache dem Kaiſer. Der Kaiſer er ſich freue, daß der Kirche von da Hülfe zukomme und f Unterſtützung reichlich ſei? Der Biſchof erwiderte: „Unſere armen und Schulen erhalten ſeitens desſelben vielfache und warm derung, die um ſo bedeutſamer iſt, da ſie die eigene Kraft und der Gemeinden erfriſcht und ermutigt, ſo daß wir Gott und E. Gnade dafür nicht genug danken können“ und der Kaiſer ſprach Freude darüber aus, daß ſolches möglich geweſen. 0

Bei dieſen Fahrten nach Deutſchland war es nur natürlich, in Peſt und Wien hier die amtlichen Angelegenheiten, dort die Beziehungen zu pflegen. In Wien waren die wiſſenſchaftlichen lei Männer zum Teil alte Bekannte, darunter der Präſident der Aka Alfred v. Arneth, dann die Beamten an den Bibliotheken und Mufeen, von den letztern Eitelberger, Bucher u. A. Zu den wertvollſten Bekannten rechnete er ſeit 1887 den deutſchen Botſchafter Prinz Reuß, der mit ſeiner erlauchten Gemahlin, einer Tochter des Großherzogs von Sachſen, dem ſächſiſchen Biſchof außerordentliches Wohlwollen und hochachtungs⸗ volle Freundſchaft erwieſen.

Ehemals waren insbeſonders Zimmermann und Konrad Schmidt die ſtets aufgeſuchten Freunde geweſen, jetzt war es beſonders Eugen v. Trauſchenfels, der als Oberkirchenrat ſeinen Wohnſitz von Kronftadt nach Wien verlegt hatte. Den bedeutend Jüngern verband alte Freundſchaft mit Teutſch. Gemeinſame wiſſenſchaftliche und politiſche Arbeiten, gemein⸗ ſame Sorge um Volk und Kirche hatten ſie zuſammengeführt und die umfaſſenden Kenntniſſe, das edle allem Schein völlig abholde Weſen, | der zuverläſſige Charakter, die Feſtigkeit und Treue des Freundes, hielten in Teutſch die außerordentliche Hochachtung und Liebe, die er gegen ihn hegte, wach. Ein inhaltreicher Briefwechſel hat die Beiden durch faſt vierzig Jahre mit einander verbunden (T 20. Februar 1903).

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Bis zu feinem Tode (31. Januar 1885) war auch E. v. Friedenfels in Wien der ſtets hilfsbereite gefällige Freund, der bei jeder Anweſenheit Teutſchs in der Kaiſerſtadt ſich ihm zur Verfügung ſtellte. Auch mit ihm verbanden ihn die hiſtoriſchen Studien und die einſtige politiſche Arbeit, wie der Herzensanteil an den Geſchicken des Volkes. Friedenfels beſaß ungewöhnlich ausgebreitete Beziehungen, kannte in Wien die maß⸗ gebenden Perſönlichkeiten, hatte politiſch viel erlebt, und war ein jo geiſtvoller Mann, daß er wie Franz Gebbel ſcherzend ſagte, ſogar das Kunſtſtück verſtand, dieſes wenn er wollte zu verbergen. Ein genauer Kenner der vaterländiſchen Geſchichte wußte er aus der zeitgenöſſiſchen Geſchichte vieles, was andere nicht wußten und ſtand bei Teutſch in großer Achtung, die er freundſchaftlich erwiderte.

Der Guſtav-Adolf-Verein von 1883 führte Teutſch nach Lübeck. In München traf er diesmal Freund Thomas und Rohmeder und lernte Döllinger, Carriere, kennen, erneuerte die alten Beziehungen zu Brinz und Ratzel; den Kulturhiſtoriker Riehl, den geiſtvollen Kunſtkritiker Pecht, Löher, Gieſebrecht traf er leider nicht dort. Dann folgte ein ſchöner Tag in Heidelberg, wo wieder die trefflichſten Weber und Hausrath, Schenkel und Zangemeiſter, Schellenberg und Hönig, vor allem Heinze inte⸗ veffantefte und herzliche Beziehungen boten. Über Frankfurt Dr. Euler, Nabert gings dann direkt nach Lübeck, wo das eigenartige alte Leben und die Feſttage wieder tiefſten Eindruck machten. Er traf hier neue Genoſſen des Guſtav-Adolf-Vereins, Schuſter, Natorp, Pank und kehrte mit kurzem Aufenthalt in Berlin und Leipzig in die Heimat zurück. In der Nachverſammlung in Lübeck hatte Teutſch über Siebenbürgen einen Vortrag gehalten und darin ein Bild aus der Vergangenheit und Gegen— wart beſonders auch des evangeliſchen Lebens und feinen Kämpfen gegeben.

Noch ſiebenmal war ihm dieſe Erhebung vergönnt, jedesmal in einem andern Teil Deutſchlands und es iſt erklärlich, wenn er mit den Freunden, die er nun faſt jährlich traf, feſt zuſammenwuchs, vor allem mit Fricke ſelbſt, dann mit Nippold, Rogge, Zäringer, Natorp, Schultz Evler, Pank, Zenker, Hempel, die engere Tafelrunde, die Rogge nach dem Hauptfeſt im behaglichen Extrazimmer zu einem Sympoſion vereinigte, wo in Scherz und Ernſt die Eindrücke des Tages vertieft wurden und ausklangen. Gerade auch bei ſolchem Anlaß war Teutſch gern dabei und er hat immer dazu beigetragen, die Stunden zu beleben und mit⸗ geholfen, daß ihnen Schwung und Inhalt nicht fehlte.

Im Jahre 1884 tagte der Verein in Wiesbaden. Die Sachſenfeſte in jenem Jahr, der Feſtzug der Einwanderung der Sachſen in Her⸗

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mannſtadt hatte auch außerhalb des Landes Ei Reife zum Guftav-Adolf-Feft nach Hermannſtadt, w wohnte, die Gemüter hier mächtig erhoben. Alles Empfänglichkeit für unſere Lage zu erhöhen. Er fuhr Darmſtadt, Frankfurt nach Wiesbaden. Dort forderte die offiziellen Beſuche mit ihm zu machen. Die $ der Hauptverſammlung in Wiesbaden hielt und Frickes A ſei hier mitgeteilt: 4

Die Anſprache lautete:

„Hochwürdigſter Zentralvorſtand! Hochgeehrte Herren un Geſtatten Sie mir denn, daß ich im Namen der evangeli kirche Augsburgiſchen Bekenntniſſes in Siebenbürgen und Behörde, des Landeskonſiſtoriums dieſer Kirche, Ihnen tiefinnig worte und herzlichſten Segensgruß zur Gott gefälligen Arbeit Tage bringe. Dieſe Kirche und ihre Behörde und damit deren der jetzt zu Ihnen ſpricht, tut dieſes aus beſonders warmem ur wegtem Herzen gerade an dieſer Stätte. Denn wir haben es heute b gehört; auf der erſten Verſammlung in Wiesbaden, im haben die erſten zwei Sendboten der ev. Landeskirche A. B. in bürgen an dieſer Stätte geſtanden, um perſönlich entgegen zu nehı den Hauch des Geiſtes, von dem damals die Kunde ſchon mehr 100 Meilen weit dorthin in die fernen Südoſt⸗Karpathentäler faſt die Grenzen der Türkei gedrungen war. Aber fie ſtanden damals nur den Vorhöfen, wiewohl die Tür ihnen von dieſer Seite auch dam ſchon aufgetan war. Der Geiſt aber, den ſie hier hatten kennen lernen, der ihre Seele erhoben hatte, er bauete fort in ihrem Herzen und von da an beginnt die Arbeit und Vorbereitung auch in der evangeliſchen Landeskirche in Siebenbürgen, damit die Tür ihnen als gleichberechtigten Brüdern und Mitarbeitern auch zu dieſem Werke geöffnet werde.

Zehn Jahre dauerten dieſe vorbereitenden Arbeiten ſo ſchwer war damals die Not der Zeit! bis durch die Gerechtigkeit und die Gnade Allerhöchſt Seiner kaiſerl. und königl. apoſtoliſchen Majeſtät Franz Joſef I. geſegnet ſei Er auch von dieſer Stätte es endlich der unerſchrockenen und raſtloſen Arbeit treuer Männer gelang, daß 1861 in den geſegneten Tagen von Hannover durch Ihr herzliches, freund⸗ liches, wahrhaft evangeliſches Entgegenkommen wir aufgenommen werden konnten als evangeliſche Brüder zu Mitarbeitern an dieſem evangeliſchen Werk in evangelischer Treue. Seitdem iſt der barmherzige Samariter

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des gottgefegneten Guftav-Adolf-Vereines feines Weges gegangen auch in der kirchlichen Gemeinſchaft unſerer Landeskirche mithelfend, mit Segen ſpendend, daß das zerſtoßene Rohr auch dort nicht zerbreche. Daß ich deſſen gerade an dieſer Stätte gedenke, damit Sie die Wärme des Segensgrußes ermeſſen, den Ihnen unſere Landeskirche gerade hieher ſendet, wollen Sie gütigſt für gerechtfertigt und billig erachten. Wir haben aber gerade jetzt neuen Anlaß, dieſem gottgeſegneten Verein für eine Wohltat, die er uns gerade in dieſen Tagen wieder erzeugt hat, aus tiefſtem, tiefftem Herzen zu danken. Der Zentralvorſtand hat uns nicht für unwert erachtet, zur 19. Generalverſammlung unſeres Guſtav-Adolf⸗ Vereines, die wir in einer wunderbaren, von Gottes Geiſt getragenen Feſtwoche, in der Woche vom 18. Auguſt dort in Hermannſtadt gefeiert haben, einen Sendboten zu ſchicken, den Sendboten, dem unſer Herz am wärmſten entgegenſchlug, ſeinen eigenen, unſern gegenwärtigen Vorſitzenden. Wie iſt dadurch jene Woche gehoben, wie iſt fie zu einem Ausgangs- punkt neuer Liebe, neuer Kraft, neuen Aufſchauens zum Herrn in neuer Hoffnung auf den Sieg des Gottesreiches geworden! Welch' eine Erhebung iſt es dort ſeinen weit über das halbe Hundert hinaufſteigenden Schülern geweſen, daß fie den treuen Lehrer, dem fie einſt zu Füßen geſeſſen, und von dem ſie in die Tiefen der deutſchen Theologie eingeführt wurden, wieder einmal haben die Hand reichen und ins treue Auge ſehen können! Wie iſt allem Volk wieder nahe getreten das Wort des Herrn, das er in der Schrift durch den Propheten ſpricht: „ich will dich tröſten, wie Einen ſeine Mutter tröſtet!“ Und dann, wie ſehr die Herzen gerade durch die begeiſterte und begeiſternde Rede Ihres treuen Sendboten aufs neue erwärmt worden ſind, daß die Seele mit neuer Kraft den Flug nehmen kann hinauf zur Höhe; wie die Hoffnung aufs neue ſtärker und unerſchütterlicher geworden iſt, daß ſich an jenem kleinen evangeliſchen Häuflein am Alt und an den Kokeln auch fortan die Verheißung des Herrn erfüllen werde: Ich will euch nicht Waiſen laſſen, das kann ich hier die Zeit würde nicht hinreichen nicht weiter erörtern. Sie, geehrteſte Herren, werden aber hienach ermeſſen, daß wir gerade an dieſer Stätte und an dieſem Tage um ſo weniger berechtigt waren zu ſchweigen und mit unſerem Dank zurückzuhalten, zu ſchweigen mit unſeren Segensgrüßen, die in tauſend Herzen dort in der Ferne gerade heute unſerer evangeliſchen Liebesarbeit hier im Geiſte dargebracht werden. Und ſo laſſen Sie mich zum Schluſſe nur noch die Hoffnung ausſprechen, es möge nicht zum letztenmal geweſen ſein, daß der treue Sendbote des Zentralvorſtandes auch zu dem entfernteſten und faſt jüngſten ſeiner

Söhne getreten, und daß alle anderen Söhne bieje Tage durch ähnliche Gemeinſchaft erfreuen mögen, worden ſind in jener Feſtwoche, die „ein Lied im! vergeßlich und im Segen dauern wird in der © daran Teil genommen haben.“ N

Auf dieſe Anſprache erwiderte der Präſident Biſchof, teurer Freund! Ich verzichte darauf die Eindr Geſtaltung zu bringen, die ich mitgenommen habe aus dem bürgen. Es iſt mir geweſen wie eine Fahrt mit einem übers Meer, ringsum die wüſten Wellen einſtiger und vorhandener Unkultur, welche die Brüder dort, innig u verbunden, von je bis heute in treuer Arbeit dem ung r haben überwinden helfen in ſchwerſten Zeiten. Der Dank nicht ausbleiben! Aber rührend war mir ſtets und iſt mi gedoppelt die Treue und Achtheit des deutſchen Weſens, die zehnte mich überraſchende Dankbarkeit für das, was die lieben bürger in Deutſchland auf unſeren Univerſitäten von unſeren deut Profeſſoren und vom geſamten deutſchen Weſen empfangen haben. gibt bei aller Treue gegen das Kaiſerhaus und gegen den un Staat keine treueren deutſchen Männer und keine treueren eva 9 Männer, als die Brüder dort in Siebenbürgen es ſind, und daß Evangelium Augsburger Konfeſſion insbeſondere es iſt, was ihr geworden dort unten faſt an der türkiſchen Grenze, das beweiſen Orte dort, wo der Glaube, der gute evangeliſche Glaube der Augsburgifd Konfeſſion aufgegeben iſt, und wo, wie Sie ſelbſt mir ſagten, ſie infolge⸗ deſſen aufgehört haben, Siebenbürger Sachſen zu ſein im Sinne deutſch⸗ evangeliſchen Weſens. Das gibt zu denken! Es iſt ſo oft beides beiſammen, und Gott fügt es zuſammen, ohne daß wir es ſuchen das Deutſche und das Evangeliſche.

Wahren Sie ſich beides dort unten; unſerer innigſten Sympathien werden Sie zu allen Zeiten gewiß ſein. Mir aber geſtatten Sie perſönlich innigen Dank zu ſagen für Ihre Gaſtlichteit und Liebe in jenen un⸗ vergeßlichen Tagen.“

Den Ausflug nach Rüdesheim machte er in Geſellſchaft mit den Freunden, ein Tag wonnigſter Erhebung. Dann ging er über Mainz, Koblenz nach Köln, voll tieffter Eindrücke von all den herrlichen Sehens⸗ würdigkeiten, immer zugleich in dieſem unſerem Stammland mit heimiſchen hiſtoriſchen Fragen beſchäftigt, zurück über Bonn, Worms, Heidelberg, Straßburg (er ſprach mit Reuß, Holtzmann, Barak, Hottinger, Baum⸗

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garten, Merkel u. A.) Stuttgart Beſuch bei Gerok, Elben, Lübke Ulm, München, wo er diesmal auch Steub und Riehl traf, zurück nach Wien.

Für das folgende Jahr hatte Eiſenach den Guſtav⸗Adolf⸗Verein eingeladen. Es war ein eigenes Zuſammentreffen, daß er in Kopiſch die zum magyariſchen Kulturverein nach Klauſenburg Fahrenden traf, den Präſes Graf Gabriel Bethlen, Teleki, Palffy, Gabriel Ugron, von denen einige den ſächſiſchen Biſchof kannten und nun war er bis Klauſen⸗ burg der halb neugierig halb ſcheu angeſtaunte Mittelpunkt der Geſellſchaft; das Geſpräch berührte in ſcherzhaften und ernſten Reden Näheres und Ferneres, Ugron legte dar, daß das Recht der Krone, in Siebenbürgen die ev. und ref. Biſchöfe zu beſtätigen nichts anderes ſei als eine feierliche Kenntnisnahme der Wahl, Teutſch erfuhr, daß die neue Novelle zum Gemeindegeſetz niemanden zum Dorfshannen zulaſſe, der nicht magyariſch ſprechen, leſen und ſchreiben könne was übrigens ſpäter als Irrtum ſich herausſtellte und fie notierten ſich von ihm einige deutſche Lite- ratur, auf die er ſie aufmerkſam machte, Treitſchke, Poſchinger, Stöcker. Nach kurzem Aufenthalt in Wien beſuchte er die Goldſchmiedeausſtellung in Nürnberg; eine Zierde derſelben waren die kirchlichen Geräte, die er aus der ev. Landeskirche in Siebenbürgen dorthin geſchickt hatte und die er ausgewählt hatte. Am 4. September ſtand er ergriffenen Herzens in Bamberg vor dem impoſanten romaniſchen Dom und am Sarge Kaiſer Konrads III. und ließ aus den Kloſtergärten das Auge ins weite Land hinausſchweifen, fand in Koburg in Dr. Voigtel einen alten Be⸗ kannten, im Stadtpfarrer Müller, „ein prächtiger 75 jähriger Mann“, einen neuen Freund und erhob Herz und Auge an der Veſte und der Landſchaft, an der Natur und hiſtoriſchen Erinnerungen. Der Sonntag traf ihn in Meiningen, „überall Ruhe, bis die Glocke zur Schloßkirche ruft, worauf wie einſt in Schäßburg Männer, Frauen, Studenten, Kinder mit dem Geſangbuch im ſaubern doch prunkloſen Sonntagskleid zur Kirche ſtrömen.“ Er fehlte natürlich nicht und unterließ nicht, den Gang der Predigt und ein kurzes Urteil darüber wie über die Liturgie des Gottesdienſtes zu notieren. Die Verſammlung in Eiſenach führte ihn zum erſtenmal mit Fr. Nippold zuſammen, mit dem er ſchon in brieflichem Verkehr ſtand und ſie fanden ſich raſch. Teutſch hatte das Referat über die Liebesgabe, um die Ciele in Poſen, Mittelbexbach in der Pfalz und Nippes bei Köln rangen. Die Arbeit iſt ihm eine Freude geweſen. Hier redete der Hiſtoriker, der aus dem Vollen ſchöpfte, das warme Herz des ev. Mannes, der am liebſten die Not aller drei zugleich gehoben

Georg Daniel Teutſch. 30

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hätte, Vergangenheit und Gegenwart, große und einem ſchönen Bild verwoben, das unter dem geliums Menſchenleben und Völkerentwicklung zu Als vierter kam bei den Begrüßungen Teu Landeskirche A. B. in Siebenbürgen zum Wort. Die Anſprache lautete: Hochverehrte Väter, teuerwerte 2

So erfüllt ſich denn wieder das Wort des ſpricht: „Siehe, es werden Viele kommen, dieſe von vom Meer, deun der Herr hat ſein Volk getröſtet der Elenden.“ 5

Geſtatten Sie denn auch mir, daß ich in die R Kommenden und Gekommenen mich ſtelle, um Ihnen im $ ev. Landeskirche Augsburger Bekenntniſſes in Siebenbürgen, in ihrer oberſten kirchlichen Behörde Gruß und Segenswort auch neuen gottgeſegneten Saat- und Erntetag zu bringen.

Dazu mahnt uns, die Vertreter jener Kirche, nicht nur des Herzens in dem tiefen Dankgefühl, das die gottgeſegnete dieſes Vereins in ihr immer aufs neue erweckt, ſondern insbeſon auch die Stätte, da wir ſtehen. Knüpft ſich doch an dieſe Stätte, Eiſenach und an die Burg dort oben, eines der älteſten bedeutun vollen Zeugniſſe, daß die Mutter Germania des Sohnes, der einſt, Rufe eines Königswortes folgend, mit ihren Ehren und zu ihren ö eine neue Heimat in Transſilvanien geſucht und gefunden, nicht ve: * Denn in jenem tiefſinnigen bedeutſamen Liede von dem Sängerkriege auf der Wartburg rufen ſie bekanntlich als Schiedsrichter über die Macht der Töne Klingsor üz Ungerlant. Der aber, wie Theodoricus de Thuringia erzählt, wohnt in partibus Hungariae, in terra quae septem castra vocatur, d. h. in den ungariſchen Reichsteilen, in dem Lande, das man die „Sieben Burgen“ nennt. Und wenn der Mann, der damals als Schiedsrichter im Sängerkrieg gekommen ſein ſoll, von der immer tiefer gehenden deutſchen Wiſſenſchaft Gott ſegne auch ſie; denn ſie iſt ein Band der Einigung um Millionen der edelſten Männer wenn Klingsor üz Ungerlant, den die Bilder auch dort auf jener Burg verherrlichen, von dieſer Wiſſenſchaft in die Reihe der Sagen und Mythen gewieſen worden iſt: es iſt doch auch als Sage und Mythe ein Zeugnis des innern geiſtigen Zuſammenhanges zwiſchen Mutter und Sohn, eines Zuſammenhanges, den dieſer gottgeſegnete Verein in unſeren Tagen

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auf der einen Seite jo ſehr vertieft, auf der andern Seite fo ſehr ver⸗ klärt hat.

Und jene fürſtliche Frau, deren frommes Erbarmen in harter Zeit die liederreiche Burg dort oben, auf die mehr als einmal vieler Augen „gewartet“ haben, mit dem Strahlenglanz chriſtlicher Liebe verklärte dieſe fürſtliche Frau war ein Königskind des neuen Vaterlandes jener Ausgewanderten, die Tochter eines Arpaden, des Königs Andreas II. von Ungarn, deſſen Name heute noch in unſerer Kirche und in unſerem Volke geſegnet lebt.

Und jener Jüngling endlich, deſſen helle, freudige Stimme in dieſer ſeiner „lieben Stadt“, wie er ſie ſpäter immer nannte, deſſen herzliches Gebet damals ſchon die Herzen der Beſten gewonnen, der als Junker Georg von jener Höhe das Evangelium in deutſcher Sprache nicht nur ſeinem deutſchen Volke, ſondern der Welt gab jenes Häuflein Ausgewanderter hat in der fernen neu gefundenen Heimat auch teil an ihm. Daß unſer Volk in den entlegenen ſüdöſtlichen Karpathentälern damals einen Hauch ſeines Geiſtes geſpürt, daß ſeine Söhne zu ſeinen Füßen ſitzen konnten und geſeſſen ſind, das hat uns den Weg bereitet, der uns heute hieher in Ihre Mitte geführt hat.

So gehen Gottes Wege!

Indem wir ihm, dem Herrn, auch in dieſer Stunde dafür danken, bringen wir zugleich Dank und Segensgruß dem Vereine dar, der mit in erſter Reihe ſein Werk treibt, in dem frommen Gebet auch unſerer fernen Kirche, daß ſich an ihm in alle Zeit erfülle das Wort ſeiner Verheißung, da er ſpricht: „Ich will dich ſegnen, ich will die ſegnen, die dich ſegnen, und du ſollſt ein Segen ſein.“

Das walte Gott auch weiterhin!

Es erwiderte Präſident D. Fricke:

„Teurer Freund! Was ſoll ich Ihnen jagen, das ich Ihnen nicht ſchon gejagt hätte, gejagt hätte im vorigen Jahre in Hermannſtadt ſelbſt in dem lieben unvergeßlichen Siebenbürgen, in Ihrem mir jo wert ge- wordenen Hauſe, geſagt hätte auf einer unſerer Verſammlungen, denn Sie ſind einer der Treueſten und wenn wir an der Oſtſee tagen der in unſerer Mitte erſcheint. Es iſt herzliche Teilnahme mit der großen Aufgabe, die Sie da unten zu löſen haben, und die wir, wie Sie wiſſen, mit Ihnen auf betenden Herzen tragen. Insbeſondere möchte ich betonen und hoffen, daß Ihnen nicht direkt oder indirekt der Weg

zu den deutſchen Univerſitäten, der Ihnen ein ſo wertvoller iſt, ver⸗ 30*

Be

ſchloſſen werden möge. Iſt es denn ein WVerbre Boden Wiſſenſchaft zu ſchöpfen, für einen unleugbar d auch wenn er nur 220.000 Seelen umfaßt? Ich habe da zu der Gerechtigkeit des Landes, deſſen loyale Glieder S denn Sie wollen treue Staatsbürger Ungarns ſein, TE Verbindung mit uns, weder mit unjeren Univerfitäten, noch Werke, nicht wird abgeſchnitten werden.

Gott erhalte uns Ihre Liebe: daß die unſerige wird, deſſen dürfen Sie verſichert ſein.“ *

Die Stunden auf der Wartburg, der Abſtieg mit engere Tafelrunde der „Treuen“, wo Thikötter aus Bremen den

Salzungen ſind ihm unvergeßlich geweſen. Von Eiſenach Gotha (Pfarrer Müller, D. Dreyer, Aldenhoven) und machte nach Siebleben zu G. Freytag, wo die freundliche Aufnahme mit Champagner beſiegelt wurde und die lange ernſte Rede tiefe? und reiche Kenntnis des ſchweren Kampfes zeigte, den die deutſche überall zu beſtehen hat. Über Erfurt und Weimar wieder nach wo die alten Bekannten in alter Treue ſich ſeiner freuten. Beim Kaffee im Garten an Nippolds Villa verſammelte ſich am 15. Sep ein lieber Freundeskreis, auch Haſe kam. Zum Abſchied umarmte küßte der faſt 90 jährige Greis den faſt 70 jährigen Freund, noch Blick aus den ſeelenvollen Augen es war der Abſchied für das Leben. Als Teutſch in den Gaſthof zurückkehrte, fand er den 1. Band der Kirchengeſchichte mit der Widmung vor „in achtungsvoller Liebe treu⸗ ergeben D. Carl Haſe.“ Dann ſprach er in Leipzig nochmals bei den alten Freunden ein, Frau Wachsmuth erwartete ihn auf dem Bahnhof und führte ihn ſofort in die ſchöne Gartenwohnung nach Connevitz. Bei dieſem Aufenthalt lernte er Maurenbrecher und Wuſtmann kennen. Am 20. September war er wieder in Wien.

Die Fahrt 1886 nach Düſſeldorf hatte beſondern Reiz, da inzwiſchen eine Tochter (Friederike) nach Bonn geheiratet hatte und eine jüngere Tochter (Pauline) ihren erſten Ausflug in die Welt mit dem Vater an den Rhein machte. Es war in der Tat eine ſonnige Fahrt, auf der der frohbewegte Vater der geift- und temperamentvollen Tochter Wien, Paſſau, Nürnberg, Frankfurt, Rüdesheim zeigte und in Bonn im Haus der Tochter, wo die Schweſter nun zurückblieb, an deren Häuslichkeit, der ausgebreiteten Bildung und vornehmen Lebensauffaſſung des Schwieger⸗ ſohnes Hugo v. Gillhauſſen ſich erfreute. In Düſſeldorf hielt Frommel

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eine gewaltige Predigt und der ſächſiſche Biſchof ſprach das Gebet vor den Verhandlungen und wurde wie ſeit 1884 regelmäßig zu den offi⸗ ziellen Beſuchen zugezogen, vertrat auch den Zentralverein, eine beſondere Herzenserhebung, bei der Hauptverſammlung des rheiniſchen Vereins. Hier im alten Stammland der Sachſen „ging ihm das Leben ſo lieblich ein“, Land und Männer und Frauen, Vergangenheit und Gegenwart füllten ſeine Seele. In Köln bot das Haus Dr. Hermens mit der liebenswürdigen Frau freundliches Willkommen, Oskar Jäger erfreute ihn mit der Nachricht, daß er bei einem feſtlichen Schulakt Sachſenadel von Marienburg habe deklamieren laſſen.

Seine Anſprache in Düſſeldorf an den Verein aber lautete:

„Geſtatten Sie, hochwürdiger Herr Vorſitzer, hochgeehrte Herren und teuerwerte Brüder, daß ich den vorausgegangenen Grüßen und Segenswünſchen im Namen und Auftrag der oberſten Kirchenbehörde der evangeliſchen Kirche A. B. in Siebenbürgen, ihres Landeskonſiſtoriums, auch den Gruß und Segenswunſch dieſer Kirche aus tiefbewegtem Herzen hinzufüge.

Denn grade in dieſen Tagen ſchließt das erſte Vierteljahrhundert ſeinen Ring, ſeit dieſe Kirche durch Gottes Gnade, durch die Huld Allerhöchſt unſeres Kaiſers und Königs Franz Joſef I. Gott ſegne Seine Majeſtät! und durch Ihr Wohlwollen hat eintreten können in die Teilnahme an der Liebesarbeit unſeres Vereines, die den Empfangenden und Gebenden gleichmäßig zur Höhe führt.

Sieben neuerbaute und eingeweihte Kirchen und wohl die doppelte Zahl von Schulen und Pfarrhäuſern erzählen ſeitdes dort von den Wundern der Liebe, die der Herr durch feinen Boten, den Guſtav⸗Adolf⸗ Verein an uns getan. Darum konnten wir auf dieſer Höhe ſeiner fünfund⸗ zwanzigjährigen Treue an uns nichts anders, als auch hier des Dankes voll den Gedenkſtein ſetzen bis hieher hat der Herr geholfen.“

Ja, es iſt doch noch eine Ruhe vorhanden dem Volke Gottes!“

Und hier kommt grade für uns noch ein weiteres Herz⸗ erquickendes hinzu.

Es hat in dieſen Tagen mit Recht immer wieder die Seelen gehoben: wir ſtehen am Rhein. Dort drüben rauſchen ſeine Wellen und ſie erzählen, wie vor ſiebenhundert Jahren ein ſtarkes Männergeſchlecht, das an ſeinen Ufern wohnte, das an der Sieg, an der Lahn, an der Lippe, an der Nahe, der Moſel, der Ahr den freien Boden baute und des Reiches Heerſchild trug, rheiniſche Franken, wohl mit einem Tropfen

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niederſächſiſchen Blutes, dem Rufe ungariſcher Könige f den fernen Südoſtmarken ihres Landes, in den transſilvan und Bergen, die gefährdete Grenze zu ſichern und zu der dort unbekannten europäiſchen Kulturarbeit eine Stätte 3 In welchem Maße zum Heil des Landes und zur Volkes jene Anſiedler das getan und wie ſie dadurch vo Bürger ihres neuen Vaterlandes geworden, bezeugt die 6 mehr als 700 Jahren und zugleich wie die Fernen ſtets der geſamten neuen Heimat Sinn und Geiſt und Treue d Mutterlandes nie aus dem Herzen gelaſſen, daraus die beſte Kraft ihre Aufgabe und für ihre Arbeit ſchöpfend, eine Arbeit, deren W. 1 feit einem Vierteljahrhundert nun auch Ihr, unfer Verein auf d Gebiet der Kirche und Schule mit ſeiner evangeliſchen Liebestätigkeit und lebenfördernd nährt, nicht allein mit ſeinen reichen Gaben, auch, daß das tiefe apoſtoliſche Wort, das wir am Anfang unſeres 5 voll Erhebung vernahmen, ſich an uns erfülle: da ich die Brüder f ward ich geſtärkt.

So empfangen Sie denn nochmals den herzlichen Dank un rer Kirche für ſolche Stärkung und gewähren Sie uns die Bitte um die Fortdauer Ihrer Bruderliebe auch im zweiten Vierteljahrhundert!“

Fricke antwortete: „Sie wiſſen, hochgeehrter Herr und Freund, mit wie innigen Sympathien unſer Verein und nach der unvergeßlichen gaſt⸗ lichen Aufnahme dort insbeſondere ich perſönlich mit Ihnen und den lieben Brüdern in Siebenbürgen verbunden ſind. Sie ſtehen hier aus grauer Zeit auf dem Boden ihrer Heimat. Gott ſtärke und ſegne Sie weiter auf Ihrem ernſten Poſten.“

Auf der Rückkehr knüpfte er in Bonn mit den Größen der Uni⸗ verſität neue Beziehungen an, vor allem war ihm auch der Verkehr mit dem altkatholiſchen Biſchof Reinkens wertvoll. Am 16. September ſollte das Dampfichiff fie 10 Uhr 15 Min. fortführen. Wie fie zum Rhein kommen, iſt das Schiff 15 Min. früher fortgefahren nach einer neuen nicht gehörig bekannt gemachten Fahrordnung; nun ſtürmen ſie zur Bahn, da fährt der Zug eben fort. Doch freuten ſich alle mit einander der geſchenkten Stunden, dann kam Nachmittag tiefbewegt das Scheiden. In Mainz, Worms, Heidelberg, Karlsruhe, Ulm, Augsburg, München kürzerer oder längerer Aufenthalt, des Vaters Freude am Genuß des Kindes wachſend, die Tochter über die vielen neuen Bekannten erſtaunt und fähig alles Neue zu verſtehen, an Theater und Blumen beide ſich gleich erfreuend Teutſch unterließ nicht in München auf der Roſen⸗

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ausſtellung die ſchönſte Roſe aufzuſchreiben es waren wunderbare Tage. Da Freund Thomas nicht in München, ſondern krank in der Sommerfriſche war, beſuchte Teutſch ihn dort bei Kufſtein in der Kien⸗ bergklamm. „Dein liebes Kommen brachte dem leidenden Freund Lab⸗ ſal und Mut ſchrieb Thomas ihm ſpäter und im Gefolge eine Reihe herrlichſter Sonnentage, ſo ſchön wie ſelten um dieſe Jahreszeit. Sei ſtets geſegnet aus der Höhe, du Streiter und Held im edelſten Sinne.“ Im März 1887 ſtarb der liebe Freund; es war Teutſch eine wehmütige Freude, ihm noch einmal ins treue Auge geſehen zu haben. Er kehrte mit der Tochter über Wien und Peſt nach Hauſe zurück. Im Jahre 1887 begrüßte Nürnberg den Guſtav⸗Adolf⸗Verein in ſeinen Mauern. Zuerſt hielten ihn wieder ſchwere Fragen in Peſt, die 9 jährige Schulpflicht, die magyariſche Sprache in der Volksſchule ſtanden eben auf der Tagesordnung. Auf der Fahrt bot Wien Gelegenheit mit dem beim Militär ſtehenden Sohn (Wilhelm) einige Tage zuſammen zu ſein, dann die erſte Begegnung mit Sophie, der Großherzogin von Sachſen. Die hohe Frau war in Wien zur Taufe eines Enkels beim Schwiegerſohn dem deutſchen Botſchafter und Biſchof Teutſch hielt ſich für verpflichtet, ihr den Dank der Kirche für die überaus große Förderung darzubringen, die fie dieſer erwieſen, indem fie die evang. Krankenpflegerinnen im Sophienhaus in Weimar heranbilden ließ, die die neuerrichtete Anſtalt in Hermannſtadt beſorgen ſollten. Die Großherzogin empfing ihn in Mauer, dem Sommeraufenthalt des deutſchen Botſchafters und nahm huldvoll und voll edeln Wohlwollens den Dank entgegen und nötigte zum Sitzen. Das Geſpräch kam von ſelbſt auch auf die Sachſen und deren Herkunft, auf ihre Lage. Die Großherzogin erſuchte den Biſchof, zum Frühſtück dazubleiben, da ihr Schwiegerſohn den Biſchof kennen zu lernen wünſche. So gingen fie ins Untergeſchoß, wo die erſte Vorſtellung und Begegnung mit dem Prinzen Reuß und ſeiner Gattin erfolgte. Das Geſpräch war von der erſten Minute wie mit alten Bekannten im beſten Gang, der Biſchof führte die Frau des Botſchafters zu Tisch; beim Abſchied trug die Großherzogin ihm Segenswünſche an die Hermannſtädter Krankenpflegeanſtalt auf, Prinz Reuß lud ihn ein für allemal. wenn er nach Wien komme, um 6 Uhr zu Tiſche. Noch am ſelben Abend fuhr er nach Wels, den dortigen Pfarrer zu befuchen, den er ſeit der Univerfität, faſt 50 Jahre, nicht geſehen. Er ging es war Sonntag zur Kirche. „Wie er auf die Kanzel kommt, in Handbewegung und Mienenſpiel & rade Klebeck.“ Es war nachher ein rührendes Wiederſehn mit guter Rede aus alten und neuen Tagen. In Nürnberg eröffnete er die 2. Hauptſitzung mit Gebet, beſorgte im Namen

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des Zentralvorſtandes die Tiſchrede auf die Feſtſt auf die Frauen, und zum Wiederſehn mit den lieben Ge Beſuch der Tochter aus Bonn, die für zwei Tage die la gemacht hatte und nun den beſten Teil der Fi e lernte. Teutſch ſelbſt mußte ſofort nach Hauſe reiſen, weil König nach Klauſenburg kam und dort auch die Kirchen ihre darbringen ſollten, was denn auch am 23. September g 24. September war natürlich auch der ſächſiſche Biſchof geladen und wurde huldvollſt durch Anſprache ausgezeichnet. jeſtät ſprach zu den Sendboten der Kirche das erhebende „Verſichern Sie Ihre Glaubensgenoſſen, daß Ich denſelben m wollende Geneigtheit, ſowie ihren berechtigten Anforderungen und Meinen Schutz und Schirm auch fernerhin gerne zuwenden u hatte für den Biſchof auch bei der Hoftafel insbeſonders freundli⸗ auszeichnende Worte. a Am 13. Mai 1888 war Teutſch zunächſt bei der Enthüll Maria Thereſia⸗Denkmals in Wien, der Guſtav-⸗Adolf⸗Verein fan Halle ſtatt. Kurz vor der Fahrt fragte Fricke bei ihm an, ob er e ſein Stellvertreter einzutreten bereit ſei für den Fall feiner Verhinde und eben teilte Fricke mit, daß er wahrſcheinlich nicht kommen Der Gedanke erhob Teutſch mächtig, daß für dieſe Ehre der ſächſiſc Biſchof überhaupt in Frage kam, doch wünſchte er dringend um vieler Urſachen willen Frickes Erſcheinen. Über Eger und Plauen fuhr er nach Leipzig, wo er mit Wachsmuth ein wehmütiges Wiederſehen feierte. Die geiſtvolle liebenswürdige Frau war am 18. Dezember 1886 geſtorben. „Der Mann ernſt, groß, mild gefaßt, die noch ſchöner gewordene und nun vereinſamte edle Beſitzung, wo die alten Myrtenblüten mit dem ſchönen Roſenflor und die grauen Linden ſich wieder verjüngt haben, während die Herrin mit ihrer Liebe fehlt. Ernſt freundliche wehmütige Erinnerung an Sie, die der liebevolle Gatte in ergreifender Weiſe verklärt von edelſter Treue gerne pflegt ...“ Wenig ſpäter ſtarb auch Wachsmuth (26. Juli 1890), auch dem Freundeshaus in Hermannſtadt zum größten Leide. In Leipzig erweiterte ſich der Kreis der alten zahlreichen Be⸗ kannten, mit denen Teutſch die Sedanfeier in der Zentralhalle mit- machte und am folgenden Tage vom Balkon des Rathauſes den Feſtzug mit anſah „tiefſten unauslöſchlichen Eindrucks. Welch ein Segen, wenn ein Volk Freude an ſeinem Staat hat.“ Dabei vergaß er nicht, an

das Sedansmädchen des Sohnes herzlichen Glückwunſch zum ſechſten Geburtstag zu ſchicken.

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Fricke kam nach Halle. Teutſch vertrat den Zentralvorſtand bei der Hauptverſammlung Sachſens, wo Beyſchlag edel und herzlichſt den Gruß erwiderte und beim Mittagsmahl Teutſch auf die einigende Macht des deutſchen und evangeliſchen Geiſtes ſein Glas erhob, am folgenden Tag beim allgemeinen Feſtmahl auf die Stadt Halle. Das alte und immer neue edle Sympoſion mit den Freunden machte auch hier den Abſchluß, an den am nächſten Tag der Ausflug nach Eisleben ſich anſchloß. Teutſch ging dann nach Merſeburg, wo der Dom ihm neu war und die Bekanntſchaften mit dem Vorſtand des ev. Bundes Graf Winzigerode, A. v. Schulenburg, Leuſchner, Frau v. Schele neue wertvolle Beziehungen boten. Die Tochter von Bonn hatte auch nach Halle kommen können, den Vater zu ſehen, für Beide eine Freude. Teutſch ging dann nach Weimar, wo er beim Großherzog Karl Alexander für die Ordensverleihung anläßlich des 70. Geburtstages im Vorjahre danken wollte. General- ſuperintendent Heſſe begleitete ihn. Der Großherzog empfing ihn im Bel⸗ vedere und nahm den Dank huldvollſt entgegen, den der Biſchof für die Auszeichnung darbrachte, wobei er ausſprach, wie dieſe zugleich ſein Volk und ſeine Kirche ſo ſehr geehrt und geſtärkt. Dann folgte lange Rede und Gegenrede über die Zuſtände in Oſterreich und Ungarn, über den Univerſitätsbeſuch auch in Jena, der Großherzog geſtattete die Überjendung der Sachſengeſchichte. Dem Geſpräch folgte gemeinſames Frühſtück, an dem der Erbprinz und die Erbprinzeſſin, der Miniſter Graf Beuſt, dann die Hofdamen der Kaiſerin Auguſta, Gräfin Oriola und Frl. v. Watzdorf, ſowie Prinzeſſin Eliſabeth, eine Tochter des Großherzogs, Frhr. v. Egloffſtein u. A. teilnahmen. Teutſch ſaß zur Linken des Großherzogs, von einem in Rot gekleideten Neger bedient. Nach Tiſch wurde Kaiſerin Auguſta, in einem Rollſtuhl gebückt, ins große Empfangszimmer geſchoben und der Biſchof auch ihr vorgeſtellt. „Welch ein Geiſt dort zur Höhe führt!“ In Gotha hätte er gern dem Herzog für ſeine Ordensauszeichnung auch den perſönlichen Dank ausgeſprochen, doch war der hohe Herr in Koburg und Miniſter von Bonin übernahm in freundlicher Zuſicherung die Aufgabe, den Dank zu vermitteln. Auch Guſtav Freytag konnte er in Siebleben, wo Freytag unwohl ans Zimmer gefeſſelt war, wieder befuchen ; deſſen letztes Wort war, ob wir Nachwuchs hätten? So lange die rechten Führer da ſeien, brauche man nichts zu fürchten. Die Rück⸗ fahrt erfolgte über Leipzig, Dresden (Berlepſch, Edelmann, Rüling, Sulze leider nicht getroffen), und Brünn, wo eine Begegnung gar herz⸗ licher Art mit der Familie Mikſiesek stattfand, ein gutes Wiederſehn nach 27 Jahren! Am 24. September war er wieder daheim.

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Hier konnte er in Anweſenheit der Vorſteherin in Weimar, Berta Döbling, die neue Kranfenpflegean im November einweihen, nachdem er kurz vorher im geweſen war und im Januar 1889 neuerdings hinging Sorgen um die Konverſion der Zehntrente, die damals für die Kirche bildete. Er hatte ſeinerzeit mitgeholfen, Zehntentſchädigung zu erkämpfen, nun ſollte er fie ihr n Wenn nämlich die Kirche ihre vinkulierten Zehntobligationen und dafür die weniger tragenden neuen Staatsſchuldverſch nahm, jo ſank dadurch das Erträgnis ſoſehr, daß die Pfa nicht mehr in der urſprünglichen Höhe ausbezahlt werden ein namenloſes Unglück vieler Familien bedeutete, da die £ Renten an ſich ſchon nicht mehr ausreichten, eine Familie zu e Dieſe finanziellen Fragen lagen Teutſch überhaupt ferner. Mit guter Freunde arbeitete er ſich doch auch in dieſe hinein, daf verſtand und nun gelang es, vor allem von Dr. Bedeus unt Peſt durch das Wohlwollen der Regierung die Devinkulierung des 5 Millionen Gulden betragenden Zehntentſchädigungskapitals zu und die Papiere fo günſtig zu verkaufen und neue gut rentierende ſchaffen, daß die Kirche nicht nur die alten Renten voll ausbezahlen k. ſondern aus dem Überſchuß auch noch einen Reſervefond gründen kon Die Landeskirchenverſammlung ſprach Teutſch und Bedeus für umſichtige und glückliche Löſung der Sache im Jahr 1890 den Dank aus. Die wenigſten hatten ein richtiges Bild von den außerordentlichen ſchweren Sorgen, die beide bei der Tragweite der Sache und bei der Verantwortung, die ſie traf, gehabt haben.

Das Jahr 1889 führte ihn zur Guſtav-Adolf⸗Vereinsverſammlung nach Danzig, die Reiſe ſelbſt durch größtenteils unbekannte Gebiete, zuerſt durch Nordungarn mit ſeinen wundervollen Naturſchönheiten und den Trümmern deutſchen Lebens, dann nach Breslau. Über die Fahrt durch Nordungarn ſchrieb er an die Frau: „Die Landſchaft, ſchon von Gödöllb immer reizender, nimmt allmählich Gebirgscharakter an, und hat tiefe Eindrücke in mir zurückgelaſſen, jo die Bergrieſen der Matra, dann das aufſteigende Defilee hinter Salgo-Tarjän mit feinen formſchönen Bergen, die dunkeln Bergtrümmer von Fülek, die bergumkränzte Hochebene bis Altſohl, die alte Burg dieſer einſt deutſchen Stadt, dann der nieder⸗ ſteigende, in die mittlere Bergeshöhe hoch über der Gran eingegrabene Bahnzug, der den Bergbuchten folgend unglaubliche Krümmen macht, und über Kremnitz reizendſten Anblick gewährt, endlich das durch Groß- |

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artigkeit geradezu überraſchende Landſchaftsbild der Thuroczer Hochebene, die von Hochgebirgsſpitzen großartigſter Formen umrahmt ift: wenn das alles in deutſchem Wort und Bild veröffentlicht wäre, Tauſende würden alljährlich hinkommen, es zu ſehen und Herz und Auge daran zu erheben.“ Von Breslau hatte er gehofft, mit Dr. Schulg-Evler und Frau die weitere lange Fahrt zu machen, doch war der Freund leider krank. Die liebens⸗ würdige geiſtvolle Frau konnte ihn in einigem vertreten. Teutſch übernahm von ihm das fertige Referat über die Liebesgabe und hat es an ſeiner Stelle in Danzig vorgeleſen. Breslau entzückte ihn, beſonders auch, daß er in der dortigen Stadt- und Univerſitätsbibliothek eine überraſchende Zahl Honterusiſcher Werke fand und vieles im ſlaviſchen Koloniſtenland an die Heimat erinnerte, nicht nur der große Ring in Breslau an den großen Ring in Hermannſtadt. In Poſen fand er an Dr. Wittenburg einen ungewöhnlich kenntnisreichen und kundigen Führer, der ihn mit dem Oberpräſidenten Grafen Zedlitz⸗Trützſchler bekannt machte, und der nun ſofort eine geiſtvolle Tafelrunde zu anregendſter Geſellſchaft am Abend bei ſich verſammelte. Am 1. September war er in Danzig. Was dieſes Nürnberg des Nordens an gewaltigen Eindrücken aus Vergangenheit und Gegenwart bot, die Landſchaft und das Meer, die Fahrt nach Zoppot, die alte Ziſterzienſerkirche in Oliva, Marienburg, das Zuſammenſein mit den alten lieben und neuen liebgewordenen Freunden (Koch, Tſchackert, Döhring, Steinbrecht), er hat die Tage als Höhepunkte in ſeinem Leben angeſehen. Fricke gedachte ſeiner beſonders, der trotz der weiten Entfernung dorthin gekommen ſei „auf den Flügeln der Begeiſterung für deutſche Art, für deutſche Wiſſenſchaft und für die deutſche ev. Kirche.“ Bei der Feſttafel ſprach Teutſch den Trinkſpruch auf Danzig, wie er es vermochte, alle Eindrücke jener Tage in ein großes Bild zuſammenfaſſend, der Oberbürgermeiſter erwiderte dankend mit einem Hoch auf Teutſch, für den letztern ebenſo überraſchend als tiefergreifend. Über Stettin, wo Bootfahrt und Strandgang nach Häringsdorf prächtig waren, gings nach Berlin, wo ein Abend bei Treitſchke, dann bei Wehrenpfennig ihm unvergeßlich blieb, beim erſten bemerkte er beſonders „in Allem der töſtlichſte Humor und die innige Freude ſtarker Überzeugung“, mit der Treitichte auch ausführte: Die Sachſen in Siebenbürgen werden nicht untergehen. Auch in jenen Tagen wieder die Berührung mit unglaublich vielen Bekannten und Freunden (darunter Pröll, dem warmen Freund der Sachſen, Hepte, Ungern⸗Sternberg, Jähns, Kehrbach), ein Beſuch des reizenden Babelsberg, ein Abend bei Rogge in Potsdam. Das viel⸗ beſuchte Gaſtzimmer beherbergte ihn am 13. September, die Morgen⸗

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andacht der Familie, an der auch Stubenmädchen und il erquickte ihn wie die Herzlichkeit und Freundlichkeit des ganz Den Schluß bildeten wieder dornige Verhandlungen in P Angriffe auf unſer kirchliches Leben.

Und noch einmal iſt es ihm vergönnt geweſen, den ſuchen, im Jahr 1890, wo dieſer in Mannheim tagte. er die Frau mit, die die Tochter in Bonn auch einma Ihm wars eine Freude, ihr die Herrlichkeiten Wiens, N rg furts zu zeigen. Von dort holte die Tochter die Mutter ging nach Mannheim, wo die alten Freunde ſich gleichfalls Teutſch vertrat den Zentralvorſtand beim Badiſchen Hauptve bei der Feſttafel fiel ihm der Trinkſpruch auf Mannheim zu. Humor bemerkte ein Freund ſpäter, die Mannheimer hätten dieſem Trinkſpruch gelernt, was für eine Vergangenheit und die Stadt habe. Der Ausflug nach Heidelberg und nach Speier die ſchönen Tage. Dann holte er die Frau aus Bonn und in? einer Stiefenkelin gings nun der Heimat zu mit kurzem Auf Heidelberg, München, Salzburg, Wien und Peſt. Am 8. Oktober ſie wohlbehalten in Hermannſtadt, wo die jüngſtverheiratete T (Pauline Eder) die Wirtſchaft zur Zufriedenheit geführt hatte.

Dieſe deutſchen Fahrten ſind ihm in all den Jahren eine O der Erholung und Erhebung geweſen, wie kaum ein anderes. Er immer erfriſcht und verjüngt heim. Für ſein Volk und ſeine Kirche bedeuteten ſie noch mehr. Sie haben das Verſtändnis und die Kenntnis unſerer Lage gemehrt und in weite Kreiſe getragen und ſoviel in dieſer Beziehung auch noch zu tun übrig bleibt, jede Fortſetzung kann an ihn anknüpfen. Was für einen Eindruck. Teutſch ſelbſt in jenen Kreiſen gemacht, mag Hofprediger Rogge ſchildern, der alſo über ihn ſchreibt (Aus 7 Jahrzehnten II. Band, S. 352): „Vielleicht die wertvollſte und innigſte Freundſchaft, die mir aus der jahrelangen gemeinſamen Zur gehörigkeit zum Zentralvorſtand erwachſen iſt, und deren Verluſt eine tiefe Lücke in meinem Leben bedeutet hat, habe ich mit dem unvergeßlichen ſiebenbürgiſchen Bischof D. Teutſch geſchloſſen. Es iſt ihm wohl keiner im Leben auch nur flüchtig begegnet, der von dem Zauber dieſes Mannes nicht hingenommen geweſen wäre. Dem Eindruck ſeines geiſtvollen, milden und doch durchdringenden Auges und ſeiner Ehrfurcht gebietenden Geſtalt, die ſeine biſchöfliche Würde niemals verleugnete und doch niemals vor- dringlich zur Schau trug, vermochte ſich keiner zu entziehen; aber das echte Gold deutſcher Treue, das aus ſeinen Augen leuchtete, vermochten

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doch nur die erſt vollkommen zu würdigen, die das Glück hatten, zu ſeinen näheren Freunden zu zählen, und ich bin ſtolz darauf, auch von ihm ſelbſt zu dieſen gerechnet worden zu ſein. Die Stunden, in denen er gelegentlich ſeiner Reiſen ins Deutſche Reich als Gaſt in meinem Hauſe und an meinem Tiſche geweilt hat, gehören zu meinen unver⸗ geßlichſten Erinnerungen. Wenn er auf den Hauptverfammlungen das Wort ergriff, dann lauſchte alles in atemloſer Stille, und kein Gruß wurde vielleicht lieber vernommen als der von Teutſch aus dem fernen ſiebenbürgiſchen Sachſenlande überbrachte. Wußte er ihn doch auch mit einer Wärme und Herzinnigkeit auszurichten, durch die er jedem, der ihm zuhörte, das Herz abgewinnen mußte. .... Teutſch war die edelſte Ver⸗ förperung der beften Eigenſchaften und Anlagen der ſächſiſchen Volksſeele.“

In der Tat, wohin man in Deutſchland tritt, man begegnet ſeinen Spuren. „Ihr Biſchof ift der populärſte Mann in Guſtav⸗Adolf⸗Kreiſen“, konnte ein Beſucher dieſer Verſammlungen einem Sachſen ſagen und gewiß, man kannte ihn dort, den jungen Greis mit ſeinen blauen Augen und weißen Haaren und wenn er mit dem eigenen ſiebenbürgiſchen Akzent, der dem deutſchen Ohr doch fremd klingt, das Begrüßungswort ſprach, beim Feſtmahl die Ehren der Stadt pries, aus alten Häuſern und Eindrücken des Augenblicks, aus Geſchichte und Gegenwart in ſchwung⸗ vollen Worten ein herzergreifendes Bild vor den Hörer ſtellte, auch nach anſtrengenden Sitzungen nie müde und immer bereit und immer in der Lage, geiſtvolles Geſpräch vertiefend weiter zu führen, da hatten alle, die ihn hörten und kennen lernten, den Eindruck, dieſer ernſte und doch wieder fo heitere Mann, der große Gelehrte und freundliche Menſch, der Kenner der Vergangenheit und der Politiker, der ſchwungvolle geiſtreiche Redner und der ſinnige Beobachter, der Freund edler Frauen und ſchöner Blumen, der Forſcher in Archiven und Bibliotheken und der herzenskundige Menſchenkenner mit ſeinem Trieb zu lernen und Neues zu verarbeiten, mit ſeiner ſo durchaus vornehmen Geſinnung ſei kein gewöhnlicher Mann.

Gerade wenn wir dieſe Seite ſeiner Lebensarbeit überſehen, müſſen wir dankbar und ſtaunend bekennen: was doch ein Menſch in hingebender Arbeit für ein Volk leiſten kann. In Mannheim ſprach Fricke aus den Herzen aller, „wie dankbar wir dafür ſind, daß unſer verehrter treuer Biſchof Teutſch immer wieder unter uns erſcheint und uns erquickt!“

Wo perſönliche Anweſenheit unmöglich war, da ſollte mindeſtens ſchriftlicher Gruß den Zuſammenhang mit dem deutſchen Geiſtesleben bezeugen und ſtärken. Insbeſonders boten dazu die Jubiläen der Uni⸗

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verſitäten und bedeutender Lehrer dort Veranlaſſung, ſo T Heidelberg (1886), Göttingen (1887), wohin das den Feſtgruß ſandte, immer vom Biſchof ſelbſt g machers hundertjähriger Geburtstag bot Anlaß, Univerſität zu ſchreiben, Haſes Jubiläen, ihm den bringen. In feiner geiſtvollen Weiſe ſchrieb Hafe in ſeinem tember 1880): „Schon vor einem Jahrhundert hat der mod gedanke für nötig gehalten, mit der Eigentümlichkeit eines wack ſtammes auch ſein althergebrachtes gutes Recht zu bedrohn: der rechtlichen Behauptung desjelben ein Georg Haner nicht deſſen anſchauliches Lebensbild uns unlängſt durch kundige gezeichnet wurde les ift gemeint der Artikel Haner in der All. graphie von Teutſch), jo fehlt auch der Gegenwart nicht Georg und wird auch der Zukunft nicht fehlen, geſtützt auf Tüchtigkeit dieſes Volkes, das im Volksherzen ſelbſt es fühlt, dem ererbten Recht und der ehrbaren Sitte auch die feſte Treu ev. Glauben der Väter gefährdet ſein würde, während das treue halten an religibſer und volkstümlicher Eigentümlichkeit im u freien Staate auch eine Bürgſchaft iſt für das treue Feſthalten ſtänden, welche geſchichtlich geworden und durch altväterliche Übe geweiht iſt. Möge der gnädige Gott, der den Völkern ihre beſondere verliehen und ihre Grenzen beſtimmt hat, ſeinen reichen Segen den alten und noch immer jungen Sachſenboden ausſchütten.“ Wer auf ſo hoher Warte des nationalen und kirchlichen Lebens ſtand wie Teutſch, in jedem Augenblick dafür zu ſorgen befliſſen, daß keines Schaden leide und das eine und andere geſtärkt werde, konnte das moderne Mittel der Publiziſtik nicht entbehren. Die Freude am Zeitungsſchreiben war ihm aus jungen Jahren geblieben. Wohl legte die Stellung als Biſchof vielfach Reſerve aus, auch die Zeit reichte nicht immer für alles, was auch in dieſer Beziehung als wünſchenswert erſchien, aber er hat ſelbſt als Biſchof in wichtigften Augenblicken auch auf dieſem Weg zu ſeinem Volk geſprochen. Beſonders im „Siebenbürgiſch-Deutſchen Wochenblatt“, das er mit hatte gründen helfen, dann im „Siebenbürgiſch⸗ Deutſchen Tageblatt“ trat er für alle lebens- und entwicklungsfähigen Überlieferungen der Väter ein, für alle berechtigten Grundbedingungen unſeres Fortbeſtandes: für die Einheit des Sachſenlandes, für Glaubens- und Gewiſſensfreiheit, für Selbſtverwaltung der Gemeinde, die Autonomie der Univerſität, für das Recht des eigenen Komes, den Gebrauch der deutſchen Sprache im öffentlichen Amtsverkehr, in Kirche und Schule,

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für die autonome Verfaſſung der ev. Kirche, für den ev. Glauben, für Aufrechthaltung der ſiebenb. Religionargeſetze. Als beſondere Aufgabe ſah er an, immer wieder die Vermittlung zwiſchen dem ſächſiſchen und dem deutſchen Geiſtesleben zu übernehmen. Wenn irgend ein großes Geiſteswerk in Deutſchland erſchien, war es ihm eine Freude, es hier anzuzeigen, wie er gern für hieſige literariſche Erſcheinungen in Deutſchland ein Wort einlegte, und auf der anderen Seite lenkte er die Aufmerkſamkeit der Volksgenoſſen auf die bedeutendſten Erſcheinungen der magyariſchen hiſtoriſchen Literatur. Es läßt ſich denken, was für einen unbeſchreiblichen Eindruck bei ſeinem ganzen Weſen das Jahr 1870 auf ihn und auf die Sachſen machen mußte. Schon im Dezember 1869 hatte er an den Schwager Joſef Haltrich geſchrieben: „Der deutſche Geiſt tritt in die erſte Reihe. Das muß auch uns zugute kommen, falls wir desſelben nicht unwürdig werden. Darum möchte ich jetzt meinem Volk doppelt ernſt zurufen: Kopf oben und die Herzen warm, allerdings auch allem Guten: nun Schulter an Schulter gedrängt, den Gerechten aber muß das Licht immer wieder aufgehen und Freude den frommen Herzen“. Und als nun das Jahr 1870 den gewaltigen Kampf zwiſchen Deutſchland und Frankreich brachte, ein Kampf zugleich zwiſchen dem Proteſtantismus und Romanismus, und Deutſchtum und Proteſtantismus in ungeahnten Siegen ihre Lebensmacht zeigten, da ſchwellte ein Hochgefühl ſeine Bruſt, das ein Verzagen nicht kannte. „Die Lehren, ſo faßte er das Ergebnis dieſes einzigen Jahres einmal zuſammen daß Lüge und Hohlheit und Frevel doch am Ende den eigenen Herrn ſchlagen, ſind mit ſo unver⸗ gleichlichen Flammenzeichen in den ehernen Tafeln der Weltgeſchichte ein- gegraben, daß niemand mehr, der treu an den ewigen Gütern hält, verzweifeln oder kleinmütig werden darf.“ Und an Wattenbach ſchrieb er am 31. Januar 1871: „Es find doch noch ſittliche Mächte, die die Geſchicke der Völker und Staaten leiten, ſie haben das ſchwere Gericht vollzogen, unter dem jetzt der Lügengeiſt Frankreichs ſich windet und krümmt. Ihre fortwährende Läuterung und Stärkung wird die Aufgabe des neuen Deutſchen Reiches fein, deſſen Auferſtehn wir hier jo herzlich begrüßten, wie die Treuen am Rhein und Main.“

Er hatte die Überzeugung, daß die Aufrichtung des Deulſchen Reichs weſentlich dazu beitragen werde, daß der Gedanke des Rechts und der Kultur überall neue Förderung finden werde und daß das Deutſchtum jenſeits der Grenzen des Deutſchen Reiches neue Stützen in dieſem Aufſtreben der deutſchen politischen und geiftigen Mächte finden werde. Für uns trat freilich das Gegenteil ein.

Br

Die Artikel aber, die er 1870 und 1871 in Deutſche Wochenblatt“ über Straßburg, Rom, ſchrieb, find fo bezeichnend für ihn, daß ſie wert werden. Sie ſind zugleich ein Abglanz der Stimmungen im ſächſiſchen Volke in jenen Tagen. *

Zum zweiten September. *

„Kommen wird einſt der Tag“, ſo lautet ſeit fa tauſenden das tiefernſte weisſagende Wort des blinden das allem was da ſtehet, wenn es nicht auf dem Fels ruht, den einſtigen Fall verkündet. 1

Dieſer Tag des Falls, des lange tauſendfach ift endlich auch dem ſtolzen Imperator an der Seine g Gebäude der Lüge, das er und die Seinen mit allen raffinierteſten Deſpotismus aufgerichtet und begünſtigt von der derer, die ſtark hätten fein ſollen, faſt ein Menſchenalter ſchon gerichtet von der unbeſtochenen öffentlichen Meinung innerſten Grunde wankend ſeit den gottgejegneten erſten deutſchen Waffen, ift endlich in grauenvollem Sturze am zweiten zuſammengebrochen.

Die einzige noch übrige kampffähige Armee Frankreichs in Sedan kriegsgefangen ergeben, mit ihr der, wie es ſcheint, in ihrer Mitte befindliche Kaiſer, von dem ſchon ſeit Wochen in 9 nicht einmal die Rede war.

Damit iſt aufs neue das an unausſprechlichem Jammer jo Prinzip gerichtet, das er vertrat, mit deſſen, ſelbſt Beſſere, blendend 0 Schimmer er Europa zwanzig Jahre verwirrt und irregeführt, der Cäſarismus. Wie er in neuer, unerhörter, herausfordernder Anmaßung die Adler auf das blühendſte Stück deutſcher Erde tragen wollte, daß er die byzantiniſche Geſinnung ſeines wankelmütigen Volkes durch neuen Raub ködere, hat der von dieſem Volke ſo vielfach gehöhnte und mit Füßen getretene deutſche Geiſt ſich erhoben und den Frevler an feinen heiligſten Gütern zu Boden geſchlagen.

Denn das iſt das Großartige, das weithin in die dunkle Nacht der Gegenwart mit neuer Hoffnung Aufleuchtende, das die wahrhaft tiefe Weihe der gewaltigen Tat, daß der geeinigte deutſche Volksgeiſt es Nift, daß die in der Seele dieſes Volkes lebendigen und ſchaffenden fittlichen Mächte es find, die die finſtern Dämonen galliſchen Übermuts und napoleoniſcher Selbſtvergötterung, die ihm mit frechem Hohn allen

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künftigen Anſpruch auf Selbftachtung in den Staub treten wollten, mit blutiger Züchtigung niedergeworfen hat.

Der freimachende Geiſt der großen Ideen vom 31. Oktober 1517, der in den verſchiedenſten Formen trotz alledem und alledem die Seelen der Beſten erfüllt, in welcher Weiſe ſie immerhin Gott preiſen mögen, der einigende Geiſt, der ſeit Leſſing und Kant in den Schöpfungen der deutſchen Unſterblichen die Herzen des Volkes zuſammengeführt, der Geiſt der Rechtsachtung, der Wahrheitsliebe, der ſittlichen Freiheit und Einheit hat in der entſcheidenden Stunde der ſchwerſten Gefahr für dieſe heiligen Güter die deutſchen Stämme und Staaten zuſammengeführt, daß ſie im Augenblick einig freudigen Mutes unter ihre über alles Lob erhabenen Führer ſich geſtellt und ehernen Schrittes die feindlichen Heere zermalmend mit ihrem Herzblut Europa von der Diktatur der Lüge gerettet haben.

Wehe denen, die die entſetzliche Bluttat zu verantworten haben!

Doch Gott ſei Dank, daß das Weltgericht der Weltgeſchichte, wenn auch bisweilen langſam, aber ſtets gewiſſen Schrittes vorwärts ſchreitet. Der zweite September kann ſelbſt dem Zweifelnden eine neue Bürgſchaft dafür ſein.

Die Folgen, die ſich daran knüpfen werden, nicht in äußerer Staatenabgrenzung, ſondern in innerer Neubegründung des, durch den Cäſarismus an der Seine und ſeine ſo weit reichenden Wirkungen, ſo tief zerrütteten Rechtes und Friedens in Europa, jetzt ſchon beſtimmen oder auch nur andeuten zu wollen, wäre vermeſſen.

Eines aber ift gewiß. Wie ſelbſt der diaboliſch-politiſche Rechen- künſtler, der jetzt ruhmlos, ſogar des erhebenden Gefühls perſönlicher Teilnahme am Kampfe vom rächenden Geſchick nicht gewürdigt, in der Hand des gehaßten Feindes iſt, erfahren mußte, was er nie gekannt oder nie beachten wollte, die Macht der ſittlichen Idee, die ihn durch die deutſchen Waffen geſchlagen, erfahren, daß nur auf dem Boden des Rechtes und der Wahrheit ſich dauernd ein Bau ſtaatlichen und po- litiſchen Lebens aufführen läßt, erfahren, daß der Grundſatz des römiſchen Deſpoten: laß ſie immerhin haſſen, wenn ſie nur von Furcht erfüllt ſind, zum Schluß doch ein „Ende mit Schrecken“ hat: ſo wird es ein Beiſpiel und eine Warnung ſein für alle, die bisher desſelbigen Weges fuhren und mit dazu helfen, daß das Reich der Lüge und des Unrechtes und der Selbſtſucht, die ſich oder das eigene Volk auf Koſten anderer rechtsverachtend heben will, gemindert wird.

Ihnen allen ruft der zweite September ernſt mahnend zu:

Diseite justitiam, et non temnere Divos!

Lernet gewarnet nun Recht und nicht verachten die Götter!

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Georg Daniel Teutſch.

2 Nom. 71 Es gibt doch kein größeres, kein gewaltigeres deres Drama, als das der Weltgeſchichte. Bi Menſchenalter ſtilleſtehend, wenn aber die Zeit Sprunges alle Hinderniſſe überwindend: ſo ſchreitet ſie heiligen Ziele zu, das Menſchengeſchlecht immer mehr zum freien Gebrauche der ihm innewohnenden Kraft nach den Forderungen des Vernunft und Sittengeſetzes, und hier im raſchen Übergange alle hemmenden Kräfte der Einzelner, ſei es ganzer Völker zu überwinden, die der Zieles im Wege ſtehen. \ Und gerade vor unſern Augen entrollt ſich in dieſer wicklung der Dinge ein Akt, wie ihn großartiger und jpai Geiſt keines Dichters hätte erſinnen können. Den einen Teil, den Fall des Cäſarismus mit dem ſeiner Lüge und Korruption, haben wir bereits mit wenigen gekennzeichnet; gegenwärtig ſtürzt ihm, der ſein Schützling ſeit vie Jahren war und nur von des franzöſiſchen Chaſſepot Wundern Gnaden das kärgliche Lebensflämmchen nährte, der römiſche Pap in Trümmern nach.

Ja, in einem grauenvollen Fall Paris und Rom, Napoleon der Papſt, der Schützer und der Schützling, beide in ihrer S vergötterung allgewaltig, vor deren Augen Wink die Welt erzittern fol wo bot die Weltgeſchichte je ein großartigeres Bild?

Denn des römiſchen Papſtes weltliche Macht iſt am Ende. Italiens Heerſcharen ſtehen vor den geſchloſſenen Toren Roms; zum Vatikan hinauf tönt laut hallend der Einlaß begehrende Schlag, und niemand iſt der ihm wehre.

Mit nicht langſamem Fuße hat diesmal die Nemeſis ihr Racheamt vollzogen. Pio nono war's, der Italien zur Einheit rief, zur Einheit, unter deren Banner Mailand und Venedig vom deutſchen Herrn geriſſen werden mußte: nun verſchlingt ſie auch ſeine ewige Stadt.

Der franzöſiſche Kaiſer war's, der das ſtaatenverwirrende Nationa⸗ litätsprinzip in jenen Kämpfen laut rufend auf den Schild hob: nun kann er gefangen zuſehen, wie es ſich vom deutſchen Standpunkt an Frankreich bewährt.

Auch ſonſt bieten die beiden mehr als eine erſchütternde Analogie.

Wenige Wochen, daß der Cäſar an der Seine ſich die große Lüge | feiner Exiſtenz durch die noch größere einer neuen „freien“ Volks⸗ |

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abſtimmung beſtätigen ließ: da fegt das Geſchrei der Straße ſeine Macht hinweg, da tritt der Ruf vereinzelter weniger Schreier ſeinen Purpur in den Kot und von den ſieben Millionen Stimmen erhebt ſich keine, keine einzige zur Rettung ſeines Anſehns, ja Europa ſieht in dem Geſpräch einiger Blätter, er werde wieder auf den Thron zurück⸗ kehren, den Ausdruck eines nie dageweſenen unerträglichen Hohnes.

Und der Papſt! In dem Augenblick, wo er die lang geplante Vergötterung ſeines Amtes und ſeiner Perſon auf dem Papiere endlich durchgeführt, wo die zum Glaubensſatz und zur Bedingung der Seligkeit für die trauernde katholiſche Kirche erhobene Behauptung, um nicht zu jagen Anmaßung der Irrtumsloſigkeit oder Unfehlbarkeit des römiſchen Papſtes die Gedanken und Gewiſſen ſo vieler Millionen, auf welchen die Bildung und Geſittung der Menſchheit mitberuht, in unlösbare Feſſeln ſchlagen ſollte: in dem Augenblicke fällt das Papſttum in Rom ſelbſt und die Stadt ſinkt von der „Hauptſtadt der Welt“, die ſie freilich ſeit Jahrhunderten nicht mehr war, zur Hauptſtadt eines Staates herab, der ohne ſie nicht mehr ſein will.

Pulvis et umbra Staub und Schatten!

Und wie haben ſie in den letzten Jahren ſich nicht durch Flüche zu helfen geſucht! Die Gewiſſensfreiheit, die Gleichberechtigung der Kirchen und die freie Forſchung, die Selbſtändigkeit und eigenberechtigte Entwicklung des ftaatlichen Lebens; alles was die moderne Welt groß und ſchön macht, es iſt von neuen Bannworten des römiſchen Stuhles getroffen worden und hätten ſie die Macht gehabt, wie ſie ihnen Gott ſei Dank gefehlt, ſo wäre eine neue undurchdringliche Nacht auf die Völker herabgeſunken, erhellt nur von den friſch angezündeten Feuern der Inquifition.

Und nun ſtehen die Truppen Italiens vor den Toren Roms und Civitavechia hat ihnen die ſeinen freiwillig geöffnet.

Eine neue Zeit beginnt damit. Wieder fällt eine Macht, die in ſich unberechtigt und innerlich hohl und nichtig war. Aufs neue ftürzt ein Prinzip, das den Forderungen der fortſchreitenden Erkenntnis, den ewigen Grundſätzen des wahrhaft göttlichen Rechtes ſich ſo dauernd und hartnäckig verſchloß. Das Verſtändnis und die verhältnismäßige Beachtung derſelben hatte jene Macht einſt groß und zu einer Kulturträgerin ge⸗ macht. Daß ſie dieſes nun verläugnet, reißt ihr die Krone vom Haupte und nicht ſchützt ſie der verblichene Strahlenglanz des geweſenen Ruhmes, nicht die große Erinnerung vergangener Jahrhunderte. Wer feine Zeit und damit Ziel und Weſen aller Zeiten nicht verſteht, oder ſich an die Stelle derſelben ſetzt, der rechne nicht auf ein gutes Ende.

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Was aber wird der Fall Roms für unſer Seit Jahren ringen die denkenden Glieder der ka um jenen Einfluß auf die Geſtaltung derſelben, de Apoſtelgeſchichte begründet iſt. Wird der ungariſche die jo lange zögernde Hand zur Hülfe nicht beſe Schwarzenberg, wie man lieſt, verweigert die X fehlbarkeitsdogmas; was wird in Ungarn geſchehen Biſchöfe haben zum großen Teil männlich und ſtark liche Revolution gekämpft, die die alte Kirchenlehre werden ſie das Konzil, das ſeine Hand dazu bot, für Beſchlüſſe für bindend anerkennen?

Nun das alte Papſttum in Rom gefallen, wird einzelnen katholiſchen Landeskirchen Luft und Licht zu ei freierer Entwicklung leichter gewährt ſein. Möchten die, die angeht, nur ihren Beruf erkennen.

Von einer andern nicht minder großen Bedeutung des 0 für Proteſtantismus und ſtaatliche Entwicklung ſoll hier 9 nicht die Rede ſein.

Genug. Paris und Roms Fall in einem Monat: das iſt erſchütterndes und erhebendes Drama der Weltgeſchichte.

Straßburg.

dem muoz zehant fin herze in fröiden Gottfried v. Mit ebenſo raſchem als unaufhaltſamem Schritt wandeln die 6 Frankreichs und Deutſchlands ihrem Ziele zu. Am 28. September hat ſich Straßburg dem deutſchen Herrn ergeben; Erwins Münſter ſteht nicht mehr in Frankreich, die alte deutſche Reichsſtadt kehrt ins Vater⸗ haus zurück. „Am 28. September 1681“, ſo meldet das Telegramm, „am Jahrestag der Kapitulation kam Straßburg in franzöfiichen Beſitz“. Einhundertneunundachtzig Jahre hat das Lügenwerk von Liſt und Verrat Ludwigs XIV. gedauert; es iſt bekannt und ein Schmach⸗ blatt in der Geſchichte, wie der „große“ franzöſiſche König damals mitten im Frieden, ohne irgend einen Schein des Rechtes, ſelbſt ohne eine „Volksabſtimmung“, die deutſche Stadt im alten deutſchen Land, den Schlüſſel zum Oberrhein, plötzlich überfallen, fi unterworfen und ſogleich durch Vauban zu einem Trutzwerk gegen Deutſchland wie für die Ewigkeit befeſtigen ließ.

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In der Tat, faſt zwei Jahrhunderte hat das ſchnöde Unrecht gedauert. Doch es hat ſich wieder erfüllt das tiefe Wort im Munde des deutſchen Volkes, daß es in unſers Herrgott Wörterbuch ftehe: lange iſt nicht ewig.

Wer noch an das hiſtoriſche Recht glaubt, der kann über Straßburgs und damit des geſamten Elſaß Rückerwerbung durch Deutſchland nur jene reine Freude empfinden, die eben der Sieg dieſes Rechtes erzeugte. Der treue Bürger der ungariſchen Krone insbeſondere kann darüber kaum ein anderes Gefühl kennen, denn hier rühmt man ſich, es ſei der uner- ſchütterliche Grundsatz, daß ein Volksrecht nicht verjährt und wie der ungariſche König am großen Krönungstag mit dem alten geweihten Schwerte die Hiebe nach den vier Weltgegenden führt zum Sinnbild, daß er alles behalten und nötigenfalls wieder erringen wolle, was des Reiches ſei oder geweſen, ſo muß dies Recht jedem Volk zuerkannt werden.

Und namentlich wer nur durch die Macht des Schwertes oder noch ſchlechtere Mittel den Raub an ſich geriſſen, der laſſe ſich gefallen, wenn der Stärkere und noch dazu mit beſſerm Recht das alte Eigentum ſich heimholt!

Ja, wer in frevelhaftem Übermut Krieg und Tod über Hundert- tauſende heraufbeſchwörend das linke Ufer des deutſchen Mittelhrheins will, der darf nicht klagen, wenn deutſche Macht und altes deutſches Recht ſich das linke Ufer des deutſchen Oberrheins nimmt.

Dem ſchnöden Worte Jules Favres: „Ich habe Vertrauen in die Gerechtigkeit Gottes, welcher unſere Geſchicke entſcheiden wird“, antwortet die Stimme des begeiſterten Sängers von 1813:

Es kommt ein Tag der Rache

Für aller Sünder Haupt,

Dann ſieget Gottes Sache,

Das ſchauet wers geglaubt;

Dann wollen wir erlöſen

Die Schweſter fromm und fein

Aus der Gewalt der Böſen,

Die ſtarke Burg am Rhein,

Die Burg, die an der Straßen

Des falſchen Frankreich liegt,

In der nach ewigen Maßen

Erwin den Bau gefügt! Sie iſt erlöjet; der 28. September hat mit deutſchem Geiſte und deutjcher Ausdauer es vollbracht. =

Uns Sachſen aber weht vor vielen andern in Straßburgs Rücktehr in die alte Heimat geradezu ein Hauch der Befriedigung an, der mit

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aus dem Gefühl der Dankbarkeit entſpringt, die wir welche ſeit der Reformation Menſchenalter lang an der Schul- und Geiftesbildung ſtand. Aus ihren Quellen die Söhne unſers Volkes getrunken. Vom „Geiftesh Straßburger Rektors Johannes Sturm haben auch männer ſich genährt, von der weithin leuchtenden deutſchen Reichsſtadt auch unſere Jünglinge zahlreich eher der deutſchen Wiſſenſchaft in die Schulen und Kirchen der fernen deutſchen Karpathentäler heimgebracht. Der Petrus Krämer hat im Jahre 1681 den Einzug der Fra burg mit angeſehen; nach ihm aber ſind in den nächſten ; nur noch vier ſächſiſche Studenten dort geweſen; die franzöſiſche H ſcheint fie verſcheucht zu haben. Sechsundzwanzig hatten i Menſchenalter dort Studien gemacht. a

Nun wird wieder der deutſche Reichsadler auf dem turm einem der edelſten Werke deutſcher Baukunſt der Rhein iſt auch hier endlich Deutſchlands Strom, nicht D Grenze. „Kein deutſches Schulkind ſoll mehr gezwungen werden, fei Vaterunſer in wälſcher Sprache dem Schulmeiſter herzuſagen und franzöſiſcher Beamter ſoll deutſche Bauern und Soldaten ſch weil fie jeine Sprache nicht verſtehn.“

Es iſt wieder ein altes Unrecht gefallen!

Darum kann das rechte Menſchengemüt nicht anders als ſich fr daß die Prophezeihung von Rückerts alter Straßburger Tanne ſich erfüllt hat. Als fremde Waffen ſie umklirrten und die mächtige ſchlagen ward, wie ſchmerzlich klagte ſie da:

Lebt Adler wohl und Falken, Ich fall' in Schmach und Graus Und gebe keinen Balken Zu einem deutſchen Haus; Man wird hinab mich ſchleppen Und drunten aus mir nur Verſehn mit neuen Treppen Mairie und Präfektur.

Aber wie die Schatten des Todes ſchon in ihren Wipfeln rauſchten:

Doch jüng're Waldgeſchwiſter Ihr hauchet friſch belaubt Teilnehmendes Geflüſter Um mein erſtorbnes Haupt; |

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Euch alle ſterbend weih' ich Zu ſchön'rer Zukunft ein Und alſo prophezei’ ich Wie fern die Zeit mag ſein: Einſt einer von euch allen, Wenn er ſo altersgrau Wird, wie ich falle, fallen, Gibt Stoff zu anderm Bau, Da wohnen wird und wachen Ein Fürſt auf deutſcher Flur; Dann wird mein Holz noch krachen Im Bau der Präfektur.

Der Friede.

Mit den erſten Tagen des neuen Lenzmonates hat der länder⸗ verbindende Metallfaden der Welt endlich die langerſehnte Botſchaft gebracht, daß des ſchweren Krieges ein Ende ſei und das Schwert wieder dem Pfluge das Feld räumen werde.

Tiefaufatmend begrüßt die Menſchheit die Nachricht, die eine Felſenlaſt ſchwerſter Sorgen von Millionen Herzen wälzt.

Es iſt wieder Friede und welch' ein Friede!

Deutſchland hat ihn erkämpft, erſiegt von Frankreich, das ſeit dem dreißigjährigen Krieg in Deutſchland nur einen geographiſchen Begriff ſah, ein Land zur Befriedigung ſeiner Vergrößerungsgelüſte, ein Spiel ſeiner Ehrſucht und Eitelkeit!

Und der Krieg, tatſächlich bloß die kurze Spanne von ſechs Monden umfaſſend, iſt doch faſt erdrückend durch die Menge der Groß- taten, die er aufweiſt, durch das heiße Ringen gewaltigſter Kräfte, durch den erſchütternden Gegenſatz von Sieg und Niederlage, durch den jähen Wechſel von Höhe und Fall, der nie aufhören wird die Seelen der Menſchen zu bewegen.

In zweihundertzweiundzwanzig Tagen nach der frevelvollen fran⸗ zöſiſchen Kriegserklärung hat das deutſche Heer dreiundzwanzig große Schlachten geſchlagen . . .

Es ift ein Gericht, wie die Weltgeſchichte noch keines kennt, das in dieſem Krieg der 222 Tage ſich vollzog!

Und daß es deutſcher Geiſt vollzog, das ift für uns das doppelt Erhebende. Denn deutſche Intelligenz, deutſche Bildung, deutſche Männer- kraft, deutſche Pflichttreue, die nicht wich noch wankte, auch wenn im Feindesfeuer Tauſende und Zehntauſende ſtürzten, endlich, Gott fei Dank, daß wir es ſagen können, deutſche Eintracht hat das große

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Werk zu raſchem und herrlichem Ende geführt. Da ha gefehlt, nie iſt eine zu ſpät gekommen, wenn der Feldherr ihr einmal die Stelle angewieſen; da hat! des Marſches, keine Mühſal des Belagerungsdienſtes, Schlacht die Ruhe, die Kaltblütigkeit, den Eifer jener be würdigen Männer brechen können; da hat kein Gege Nord, von Staat oder Kirche die Treuen gehemmt o Gedanke, der alle Herzen bewegte, ein Ziel, das vor all und noch die brechenden Augen erleuchtete: des Vaterland Ehre und Friede, ſo haben ſie es vollendet! Vom Rhein an die Moſel, Sedan, Metz, Paris, Belfort, i Trümmer den Lügenthron des napoleoniſchen Cäſarismus z ſelbſt auf dem Meer die junge deutſche Flagge ſiegreich: Jahrhunderten wird es wie eine Mythe und Märe vorkomm Nun kehrt der Friede wieder, teuer erkauft vom d das wohl 40 000 feiner Söhne in der fremden Erde zurii e Möge fie den Treuen leicht ſein, wie der Siegespreis, den fie ei ein hoher iſt! N Denn von dieſem Frieden wird eine neue Ordnung Europas i Anfang nehmen. Schon daß er den Sturz jenes verbrecheriſchen lismus beſiegelt, der ein Staatsweſen, oder richtiger die eigene Heri auf das allgemeine Stimmrecht der ungebildeten Maſſe allein wollte, iſt eine Tatſache von unberechenbarer Tragweite. Nun es aufs neue, daß da nicht Freiheit, ſondern nur Deſpotismus ei kann und auch das ſchärfſte Schwert in einer unſittlichen Hand Dienſt verſagt. Was dauern ſoll, muß auf anderem Grunde ruhe Daß durch die Gunſt des deutſchen Krieges und der deutſchen Siege Italien ſeine volle Einheit und ſeine altgeſchichtliche Hauptfte dt gefunden, iſt für die Weiterentwicklung Europas von nicht geringerer Bedeutung. Rom nicht mehr des Papſtes: das iſt ein Glied in der Kette, die zum apoſtoliſchen Chriſtentum hinabreicht, das bedeutet die Möglichkeit, wenn ſie auch nur langſam kömmt, daß die trennenden Unterſchiede der Kirchen in der höheren Einheit des rechten Chriſtlichen ſich verſöͤhnen könnten. Wer weiß, ob nicht der Friedensſtein, den fie jetzt geſetzt, ein Wegweiſer wird hiezu; haben doch die Glieder aller Kirchen Deutſchlands mit der gleichen opferwilligen Hingabe ihr Blut dafür vergoſſen, und die in den Donnern des Krieges faſt überhörte Vermeſſenheit menſch⸗ licher Unfehlbarkeit wird die im Frieden nicht mehr auseinanderreißen, die im Sturm der Schlachten treu zu einander geſtanden.

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Doch bedeutſamer als alles für die Zukunft Europas ift die Wiedergeburt Deutſchlands, die als herrlichſte Siegesfrucht der Friede bringt. Wie ſchmerzlich klagte der Sänger:

Einſt ſaßeſt du hehr In der Mitt' auf deinem Throne, Und die Völker in jeder Zone Saßen auf ihren Sitzen umher. Nun biſt du in dir zerfallen, Dein Haushalt zerrüttet, Dein Schatz verſchüttet Unterm Einſturz deiner Hallen.

Wie würde ſein Lied jetzt klingen den Geeinigten den Bundesgenoſſen Das iſt die Eintracht, die da wieder Deines Leibes zerfallene Glieder O Deutſchland hat zuſammengeſchloſſen.

Ja ein Deutſches Reich, ein deutſcher Kaiſer, ein deutſcher Reichstag aus des Volkes Wahlen, der Neubau erſtanden aus dem Zusammenwirken der deutſchen Fürſten und der deutſchen Vertretungen: die Weisſagung, die in den Arbeiten der Paulskirche im Jahre 1848 lag, hat ſich erfüllt, die Sehnſucht, die jeit Menſchenaltern die edelſten der Nation begeiſtert hat, hat ihr Ziel gefunden. Die zur Zeit der Schwäche von Räuberhand getrennten Söhne find wieder ins Vaterhaus zurückgebracht; faſt vierzig Millionen durch Sprache, Geſittung, Bildung verbunden, in dem Boden einer großen Vergangenheit wurzelnd, eine der erſten Literaturen der Erde beſitzend, reich an den edelſten Tugenden der Arbeit und der idealen Güter des Lebens, treten, für die gemeinſamen ſtaatlichen Aufgaben zu einem großen Organismus geeinigt, durch die neue Friedenspforte in das europäiſche Völkerleben ein.

Das muß Folgen haben zum Heile aller Staaten, die den Fort⸗ ſchritt und den Frieden wollen, ungeahnte.

Wenn Deutſchland früher der Schauplatz aller Kriege war: wer wird fortan mutwilligen Angriff auf es wagen?

Es ſelber aber wird den Frieden pflegen. Denn nicht gedungene Söldner, ſeine beſten Söhne führen den Krieg und laſſen ihr Leben. Das muß ein ernſtſchwerer, heiliger Ruf unabweislicher Pflicht ao der fie wieder ins Feld führt. Im Eigenbeſitz von allem, was a Leben bedarf und ſchmückt, wird es nicht nach Fremdem die Hand

ſtricken. Eine Neubegründung des zerrütteten Rechtes und des duc

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eigenſüchtige Willkür ſo oft geftörten Friedens von ſeiner geſunden Innerentwicklung ausgehen. ] Der Segensſtrom derſelben aber wird allen und Völkern zugute kommen. Auch unſerm Staat, a ſächſiſchen Volke. Die tauſend Fäden des Verkehrs, Donau und Elbe bereits hieher ſchlingen, werden ſich neue Beziehungen des Rechtes und der Gefittung w Vom neuen Blütenbaum der landwirtſchaftlichen, gewerblic ſchaftlichen Fortſchritte des nach Innen und Außen n Reiches wird eine reiche Fruchtfülle auch uns zufallen. Sind namentlich Fleiſch von ihrem Fleiſche und wurzeln mit des Gemütes, der Welt⸗ und Lebensanſchauung in jenem deshalb von den größten ungariſchen Königen für ſo n ihrer Krone gehalten. Die Achtung, die der deutſche Name auch uns antreiben, ſeiner würdig zu ſein; unſer, der Väter Bürgerſtreben wird nicht nur im engern Heimatsreiche A finden; den Verräter wird auch des Mutterlandes Verachtun marken. Schon die großen Taten der letzten Monate haben uns fache Erhebung gebracht. Es iſt kein ſächſiſches Bauernhau nicht die Herzen höher geſchlagen haben bei der Kunde von den Taten; unſere Gaben für die verwundeten deutſchen Krieger Angehörigen, mit denen das wackere Nösnerland helleuchtend gegangen, haben Herz und Blut zu erkennen gegeben. Darum begrüßen wir den deutſchen Frieden um ſo herzlicher. Nach dem blutigen Zerſtörungswerke des Krieges wird nun frohe Arbeit des Auf- und Fortbaues am neuen Staats- und leben beginnen. Und wie dort vor dem Kriege, ſo wirds jetzt im Frieden den fremden Zweiflern und Spöttern gehn. Das weisſagende Wort des Sängers erfüllt ſich: „Laß dich's nicht kümmern! Dein Baumeiſter Wird der Herr mit den Scharen der Geiſter, Der dich neu wird bauen aus den Trümmern!

Heil Deutſchland, Heil ſeinem Frieden!

Auch ſpäter ſprach er hie und da durch die Zeitung zu ſeinem Volke, als das Wochenblatt ſich in das „Siebenbürgiſch⸗Deutſche Tageblatt“ umgewandelt hatte, in dieſem. Beſondern Anlaß boten ihm bedeutſame Erinnerungstage: die Aufhebung des Edikts von Nantes, die 400 jährige

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Erinnerung an die Beſtätigung des Andreaniſchen Freibriefs für die Geſamtheit der Sachſen, zum 300 jährigen Todestag Stefan Bathoris, zum Jubiläum der Univerſität Heidelberg, Göttingen. Sie ſind alle im „Siebenbürgiſch-Deutſchen Tageblatt“ erſchienen. Auch perſönliche Anläſſe ließen ihn zur Feder greifen: Wachsmuths hundertjähriger Geburtstag, Mommſens 70. Geburtstag, Gulls 70. Geburtstag u. A. Zur Mitarbeit an deutſchen Blättern ließ die viele ſonſtige Arbeit keine Zeit. Nur in den Preußiſchen Jahrbüchern hat er wiederholt auch über Lebensfragen und die Lage der Sachſen geſchrieben.

Die Begeiſterung Teutſchs für das deutſche Leben, die hingebende Arbeit im Dienſt ſeiner Gedanken im ſächſiſchen Volk hat bei vielen, die nicht imſtande ſind zu begreifen, daß die Begeiſterung für eine Sache das Verſtändnis einer andern nicht ausſchließt, die nicht verſtehen, daß in der Verteidigung und Hochhaltung des eigenen Rechts zugleich ein Grund liegt, auch das Recht anderer zu achten, ihm wiederholt den Vorwurf zugezogen in magyariſchen Zeitungen bildete dieſer jahre⸗ lang eine ſtändige Rubrik —, daß er das magyariſche Volk gehaßt habe. Er war ſchon viel zu ſehr Hiſtoriker, um ein ganzes Volk in Bauſch und Bogen zu verdammen. Was er verabſcheute, das war das unheilvolle Syſtem, das den an der Spitze Stehenden vielfach unmöglich machte, fi) auch nur um die Hauptſachen zu bekümmern, jo daß in wichtigſten Fragen zuletzt untergeordnete Organe mit ihrem Strebertum, ihrer Un⸗ wiſſenheit, ihrem Haß gegen das ſächſiſche Volk und die ev. Kirche die Entſcheidung gaben. „Ja, wenn man es mit den Miniſtern Szapary, Cſaky, Szögenyi, Bethlen ... zu tun hätte ſchrieb er einmal das find europäiſche Menſchen, wenn wir auch mit allen ihren Anſchauungen nicht immer übereinſtimmen. Aber ſie verwalten in den ſeltenſten Fällen. Das tut der jeit 1850 großgewachſene Ficzko, dem dreifach chauviniſtiſches Erz die Bruſt umpanzert, und dann wehe dir Armer, der du auf das Nationalitätengeſetz und die ſiebenbürgiſchen Religionargeſetze dich berufeſt: Le vele! (d. i. nieder damit). Darum hat er es nie daran fehlen laſſen, auf das Tüchtige im magyariſchen Volk aufmerkſam zu machen. Was insbeſonders in ſeiner Literatur Bedeutſames auch für uns erſchien, das hat er regelmäßig unferen Kreiſen empfohlen, ſo die Arbeiten Szabos, Szilagyis, Fraknois, Bods u. A. Als ſeine vornehmſte Auf⸗ gabe ſah er es an, in den maßgebenden Kreiſen endlich die Überzeugung um Durchbruch zu bringen, daß es im Intereſſe Ungarns liege, die Sachſen in Siebenbürgen zu ſtärken, zu erhalten, nicht aber fie zu ſchwaächen, und daß es Ungarn heute ebenſo wenig wie vor Jahrhunderten ſchade,

Be, 0

das ſächſiſche Gemeinweſen hier deutſch zu erhalten Kreiſen, zu Zeiten auch in jenen der Regierung ſächſiſche Tagespolitik werde vom ſächſiſchen glaubten, wußten nicht, wie ſchwer es immer Politik auf einen Ton zu ſtimmen und wie ſie verſchiedener Strömungen geweſen iſt, die oft neb nicht ſelten gegen einander liefen. Daß in Leb 0 wichtigſten Augenblicken, wo unfer Verhalten auf alle von Einfluß war, auch ſein Rat gehört und er daru war bei feiner Stellung im geſamten Volksleben jelbft gehörte zu ſeinem Weſen, daß er mit den Führern des auch in den Jahren des ſchwerſten Kampfes als Ei Frieden im Auge hatte. Er hoffte dieſen in der Art, Recht des ſächſiſchen Volkes anerkannt und es auf dem Boden die weitere Entwicklung feines deutſchen und evangeliſchen auch zum Beſten des Staates, werde aufnehmen können. So zum Frieden geneigt geweſen. Denn gerade er mußte täglich erkennen, wie viel beſte Kraft im verzehrenden Kampf verl die viel notwendiger zum innern Aufbau geweſen wäre. Als ſelbſt die Kampfesmüdigkeit mehr und mehr überhand nahm, er um ſo mehr, eine Ausgleichung der beſtehenden Gegenſätze den Sachſen und der ungariſchen Regierung und ebenſo Sachſen ſelbſt herbeizuführen. So hat er mitgeholfen, den e von 1890 zu ermöglichen. Schon im Jahre 1882 ſprach Trefort im September mit Tei wir müſſen einmal gründlich reden, daß Friede zwiſchen uns und Sachſen wird, ein Wort, das er damals nicht zum erſtenmal re Teutſch wies darauf hin, daß es ſich hier um Perſonen- und . fragen handle. Die ſchlechten Obergeſpäne, die die Sachſen tyranniſierten, die chauviniſtiſchen Schulinſpektoren müßten entfernt werden und die Geſetze auch den Sachſen gegenüber gehalten werden. Da kam im Jahre 1888 der ſchwere Kampf gegen das Mittelſchulgeſetz und vor der Hand wurden die Friedensausſichten wieder geringer. Um ſo auffallender war, daß ein Vertrauter Tißas Jul. Horvath im September 1883 Teutſch im Auftrag des Miniſterpräſidenten aufforderte, mit dieſem in Verhandlung zu treten. Als Teutſch im Oktober auf der Rückreiſe von Lübeck in Wien mit Szögenyi ſprach, gab auch dieſer dem Wunſch Ausdruck, es möge zu einem Frieden kommen. Doch wolle Tißa den Schein meiden, als werde er durch die Verwicklungen mit Kroatien zu dieſem Schritt

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gezwungen. In Peſt teilte Horvath Teutſch mit, Tißa bäte ihn, am folgenden Tag 10 Uhr bei ihm vorzuſprechen. Bei der Gelegenheit ſagte Tißa zu ihm: „Ich muß eine Gewiſſensfrage an Sie richten. Wünſchen die Sachſen wirklich den Frieden? Horvath hat mir davon geſagt und ſo iſt er hinuntergegangen, nicht in meinem Namen, aber mit meinem Wiſſen, um mit Ihnen zu ſprechen.“ Teutſch ſetzte mit tiefem Ernſt auseinander, daß er zwar kein politiſcher Mann, aber nach dem, was die öffentliche Meinung unwillkürlich dem Beobachter bringe, beſtätigen könne, daß ein ernſtes Friedensbedürfnis immer dageweſen, daß die Nation ſich in den Zuſtand der Verteidigung gedrängt geſehen, den Frieden aber um ihrer eigenen Kultur⸗ arbeit und nach ihrer geſchichtlichen Vergangenheit um ſo mehr wünſche, als er zugleich ein Bedürfnis des Vaterlandes, des Staates ſei und die „brüderliche Union“ von 1437 in den gegenwärtigen Zuſtänden doppelt darauf dringe, der Friede auch durch die richtigen Männer, eine gute und gerechte Verwaltung und eine gewiſſenhafte, wohlwollende Ausführung der Geſetze ſchnell herbeigeführt werden könne, wobei der Überzeugung Raum ge⸗ geben werden könne, daß auch der 30. Geſetzartikel von 1883 (das Mittel⸗ ſchulgeſetzz den alten Religionargeſetzen näher gebracht werden würde. Die erforderlichen Auskünfte würden gewiß die Vertreter der Nation im Reichstag und in der Univerſität geben und wenn man ſich an ſie wende gerne mithelfen. In den weitern akademiſchen Erörterungen über den Gegenſtand ergab ſich allerdings, daß ſie in der Auffaſſung über loyale Ausführung der Geſetze oft auseinander gingen und Tißa der Meinung war, die Sachſen ſollten mit Vertrauen erweckenden Taten vorangehen. Nachdem im Jahre 1885 wiederholt Gelegenheit geweſen war, bei Trefort darauf hinzuweiſen, daß kein einziges Friedenshindernis von der Regierung beſeitigt worden ſei, auch im Verkehr mit Sennyei nicht nur das hiſtoriſche Recht ſondern auch der Gedanke volles Ver⸗ ſtändnis gefunden hatte, daß es im Intereſſe des Staates liege, die Sachſen nicht zugrunde zu richten, während tatſächlich die Angriffe auf die Schulen fortwährend zunahmen, ſowohl in bezug auf den magya- riſchen Sprachunterricht als die neunjährige Schulpflicht und die Lehr⸗ bücher uff., fand Teutſch erſt 1886 wieder Gelegenheit mit dem Miniſter⸗ präſidenten Tißa zu reden; doch betraf die Unterhaltung nichts Aktuelles. Bei der Überreichung der großen Gravaminalvorſtellung aus dem Jahre 1886 im Januar 1887 ſagte Tißa: Wir haben immer den Frieden gewollt und find auf dem Boden des Geſetzes geſtanden, worauf Teutſch diplomatiſch erwiderte: „Dasſelbe glauben wir getan zu haben; da müſſen doch wohl nur Mißverſtändniſſe den Unfrieden verſchulden, die doch aus

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dem Weg zu räumen fein werden“. Die Verhand ſtellung boten wiederholt Gelegenheit, auch auf da zwiſchen den Sachſen und der Regierung zu kommen, und Trefort im Amt waren, war es unmöglich, die 0 aus dem Wege zu räumen. Ehrlich hatte dabei Graf mitgeholfen, der 1886 nach Brennerbergs Tod zum Obergeſpan ernannt, aus eigener Anſchauung die jäc kennen lernte und nun das Seine dazu beitrug, das klagen gegen die Sachſen zu berichtigen und insbeſonders da ihnen Staatsfeindlichkeit vorzuwerfen, darlegte. Dem Regime T galt der Entſchluß deutſch zu bleiben ſchon als Staatsfe ſo iſt es eben zu erklären, daß es zum Frieden nicht k er regierte. 7 Im Frühjahr 1890 fiel er endlich. „Und des Eiſes Rinde Das war die Empfindung nicht nur in ſächſiſchen Kreiſen. 2 der Überzeugung, ſpätere Zeiten würden es mehr noch als die ſpüren, daß kaum jemand Ungarn ſoviel geſchadet habe, als T ihn ſei der Chauvinismus ſo groß gezogen worden, daß er des magyariſchen öffentlichen Lebens geworden, er habe ein 9 regiment eingebürgert, das nicht das öffentliche Wohl, ſondern Parteiangehörigen erſtrebte, er habe das billige Mittel gefunden, nicht volkstümliche Maßregel dadurch wett zu machen, daß er auf Nationalitäten losſchlug beſonders auf die Sachſen, die ihm unfympat! waren, deren Recht er zertrümmerte und zertreten ließ und jede Auße ihres deutſchen Lebens mit Mißtrauen verfolgte. Sein Nachfolger w Graf J. Szapary, als Kultusminifter blieb Graf A. Cſaky, ſchon Treforts Tod an dieſer Stelle. Szapary hatte nun in der Tat nicht nur Redensarten für den Frieden. So trat denn am 17. Juni 1890 in Hermannſtadt der Sachſentag zuſammen und beſchloß das Volksprogramm von 1890. Mit Szapary hatte man von ſächſiſcher Seite ſich ins Einvernehmen geſetzt, er hatte ſein Einverſtändnis mit dem Programm erklärt. Teutſch war Anfang Juni in Peſt und der Miniſterpräſident benützte den Anlaß, über einige Punkte des Programmes ſich des nähern zu erkundigen und Teutſch gab befriedigende Aufklärungen. Szapary hatte erfreut dem Prinzen Reuß, der damals in Peſt war, mitgeteilt, daß der Friede mit den Sachſen im Werden ſei und der deutſche Botſchafter hatte betont, wie erſprießlich das für Ungarn und für die Regierung ſein werde. Denn in Deutſchland glaube man an eine Verfolgung der Sachſen auf Grund

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der Mitteilungen öffentlicher Blätter, von Reiſenden uff. Das rege auf, trenne die Sympathien und ſei dem Bundesverhältnis abträglich, worauf Szapary verſicherte, das ſolle nun anders werden.

Das Sächſiſche Volksprogramm aber, das vom Sachſentag ein- ſtimmig angenommen wurde, lautete:

„Vom Drange beſeelt, das ſiebenbürgiſch⸗ſächſiſche Volk ſeiner Kulturbeſtimmung auch unter den veränderten Zeitverhältniſſen als ein entwicklungs- und leiſtungsfähiges Glied des ungarischen Staatsganzen, mit deſſen Beſtand ſein Geſchick eng verknüpft iſt, zu erhalten, haben die in Hermannſtadt am 17. Juni 1890 verſammelten Vertrauensmänner des ſächſiſchen Volkes für deſſen Haltung im öffentlichen Leben, unter teilweiſer Abänderung des in Mediaſch am 5. Juni 1872 zuſtande gekommenen ſächſiſchen Nationalprogrammes und des in Kronſtadt am 8. und 9. Juni 1881 vom Zentraläusſchuſſe der ſächſiſchen Volkspartei beſchloſſenen Reichstagswahl-Programmes, die folgenden, bis zu deren Abänderung durch einen im Einverſtändnis mit dem Zentralausſchuß gefaßten Beſchluß des Volkstages ausſchließlich geltenden gemeinſamen Richtpunkte feſtgeſtellt:

1. Erhaben über jeder Diskuſſion und derſelben völlig entrückt muß ſtehen das unerſchütterliche Prinzip der Unteilbarkeit der von der aller⸗ durchlauchtigſten Dynaſtie Habsburg⸗Lothringen beherrſchten öſterreichiſch⸗ ungariſchen Monarchie, ſowie der Unteilbarkeit der Länder der ungariſchen Krone; ebenſo das Prinzip gemeinſamer Vertretung und Verteidigung dieſer Monarchie nach Außen, wie im Innern das Prinzip konſtitutioneller Regierung aller ihrer Teile.

Der geſicherte Beſtand der Monarchie und ihrer Teile geſtattet keine Lockerung des im Jahre 1867 zwiſchen den beiden Staaten der Monarchie zuſtande gekommenen ftaatsrechtlichen Ausgleiches. Alle Beſtrebungen, welche auf eine ſolche Lockerung hinzielen oder dieſelbe herbeiführen könnten, müſſen abgelehnt und bekämpft werden.

2. Alles, was erforderlich iſt, den ungariſchen Staat mehr und mehr zu einem Rechtsſtaate zu geſtalten, muß demſelben bereitwilligſt zugeſtanden werden. Die wahrhaften Bedingungen ſeines Beſtandes, einer guten Geſetzgebung, einer ehrlichen und ſtarken Regierung, einer gerechten Juſtiz und einer guten Verwaltung dürfen niemals verweigert werden.

Der an ſich vollberechtigte Staatsgedanke, ſowie die notwendige Einheit und Exiſtenz des Staates dürfen jedoch niemals zum Vorwande für etwaige Eingriffe dienen, durch welche berechtigte Lebensgebiete des ſächſiſchen Volkes gefährdet oder geſchädigt werden können.

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Auch darf die innerliche Teilnahme ſtaatserhaltenden und kulturfördernden S und Munizipium, in Kirche und Schule durch und Vielregiererei nicht ertötet werden.

Zum Zweck möglichſt ausgiebiger Mitarbeit Staates iſt es anzuſtreben, daß ſächſiſche Jüngli Anzahl dem Staatsdienſte in allen ſeinen Abteil!

Geſetzwidrige, der Achtung des Staates und Bürger gleich abträgliche Übergriffe der Träger der vol und ihrer Organe wie ſie innerhalb des Königsbodens müſſen mit allen geſetzlich erlaubten Mitteln bekämpft iſt die Heilung der diesbezüglichen gerechten Beſch Auch iſt darauf hinzuwirken, daß die Folgen des beklag beſeitigt werden, welcher die Geſetzgebung veranlaßt hat, Rechte der ſächſiſchen Nation gegenüber den Dominien S | der gleichen Beurteilung mit den übrigen auf demfelben ruhenden urbarialen Rechten zum Nachteile jener zu entziehen.

3. Der Staat als ſolcher hat keine Konfeſſion und daru keine poſitiven Aufgaben auf dem Gebiete religiöſen Glaut aber die Verpflichtung, nicht nur ſelbſt das religibſe Inn Bürger und das Rechtsgebiet der von ihm anerkannten genoſſenſchaften zu achten, ſondern auch für die gegenſeitige R der Religionsgenoſſenſchaften unter einander zu ſorgen.

Die von der Geſetzgebung des Jahres 1868 neuerdings ver die vollkommene Rechtsgleichheit und Autonomie der einzelnen gewährleiſtenden ſiebenbürgiſchen Religionargeſetze find als unanta Staatsgrundgeſetze zu betrachten.

4. Die Staatsſprache als ſolche hat ihre Berechtigung.

Die Beſtimmungen des G.-A. 44 vom Jahre 1868 über Gleichberechtigung der Nationalitäten aber und die ſpäter zuſtande gekommenen Geſetze, inwieweit ſie das der Staatsſprache durch den obigen Geſetz⸗Artikel eingeräumte Übergewicht zum Nachteile der Natio⸗ nalitäten nicht vermehren enthalten das mindeſte Maß von Freiheit und Berechtigung, welches den nicht ungariſchen Nationalitäten dieſes Landes gebührt.

5. Das ſächſiſche Volk wird jede, auf die Wohlfahrt aller Bürger des ungariſchen Vaterlandes gerichtete, insbeſondere jede den wirtſchaftlichen Fortſchritt und die geiſtige und ſittliche Fortentwicklung fördernde Tätigkeit und Hilfe der Geſetzgebung und Regierung dankbar begrüßen.

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Zugleich aber fühlt ſich dasſelbe im Intereſſe der Selbſterhaltung von der Pflicht durchdrungen, aus eigener Kraft im Wege der Preſſe, in Vereinen, in kommunalen, munizipalen, kirchlichen und anderen Körperſchaften an der Verbeſſerung feines Loſes zu arbeiten, feinem Fortſchritt ſchädliche Gewohnheiten zu bekämpfen, ſeinen Wohlſtand durch Hebung der Produktion und weiſe Sparſamkeit zu fördern und unhaltbar gewordene Einrichtungen auf dem Gebiete des wirtſchaftlichen, geſellſchaft⸗ lichen und kulturellen Lebens durch zweckmäßigere Betriebsweiſen und Organiſationsformen zu erſetzen.

Insbeſondere ſind zunächſt anzuſtreben:

in den Landgemeinden die Kommaſſation, die Hebung der Viehzucht, die Einbürgerung beſſerer Geräte und bewährter Maſchinen, der Beſuch von Ackerbauſchulen und Muſterwirtſchaften und die Gründung länd⸗ licher Erwerbs- und Wirtſchaftsgenoſſenſchaften, ſowie eine geordnete Gemeindeverwaltung;

in den Städten die Vervollkommnung der Fachausbildung der Gewerbetreibenden, unbeſchadet der tatkräftigen Förderung des Klein⸗ gewerbes die Einbürgerung von Großinduſtrie durch Errichtung vom Fabriken, Bildung von Produktivgenoſſenſchaften oder Entwicklung von Einzelbetrieben zum Großbetrieb, die Erleichterung des Verkehrs durch Verbeſſerung der Kommunikationsmittel und Einrichtungen des Handels, ſowie eine auf der Höhe des modernen Städteweſens ſtehende Kommunal⸗ verwaltung;

für Stadt und Land die Schulung eines tüchtigen, auch erprobte Einrichtungen mehr fortgeſchrittener Länder für uns nutzbar machenden Verwaltungsperſonales;

in Kirche und Schule, bei Vermeidung unnützer Kräftezerſplitterung, die Aufrechthaltung, Fortbildung und Erweiterung unſeres geſamten Volks-, Mittel- und Fachſchulweſens.

6. Den Reichstagsabgeordneten der ſächſiſchen Wahlkreiſe ſteht es frei, im Einverſtändniſſe mit ihren Wählern, außerhalb der Parteien des Abgeordnetenhauſes zu bleiben oder einer und derjelben Partei oder auch verſchiedenen Parteien beizutreten, inwiefern dieſe auf der Baſis des ſtaatsrechtlichen Ausgleichs vom Jahre 1867 ſtehen (Punkt! dieſes Programmes). re

7. Die Reichstagsabgeordneten der ſächſiſchen Wahlkreiſe, die auf dem Boden des gegenwärtigen Programmes ſtehenden Reichstagswähler und die von ihnen beftellten Kreisausſchüſſe, ſowie überhaupt alle jene, welche zur Erreichung der im Vorſtehenden bezeichneten oder aus der

Georg Daniel Teutſch. 32

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Fortbildung dieſes Programmes ſich ergebenden im öffentlichen Leben, insbeſondere in Vereinen, kommunalen und munizipalen Vertretungen, ſowie i Univerſität berufen find, werden es als ihre ? Erreichung dieſer Ziele nach Möglichkeit anzuſtreben u

8. Zur Förderung der Aufgaben dieſes Pro Volkstag der Sachſen einen Zentralausſchuß mit dem S ſtadt uff.“ 5

Im großen und ganzen iſt nichts in dem $ Sachſen nicht früher oft wiederholt hatten. Aber die 0 deſſen, daß fie ganz auf dem Boden des ungariſchen Staatsr vor allem die Möglichkeit, die durch Punkt 6 geboten wur ſächſiſchen Abgeordneten auch in die Regierungspartei eintr machte in Peſt und in Ungarn überhaupt den beſten bewies auch für die Kreiſe, die das bisher bezweifelt hatt Sachſen, bei aller Entſchiedenheit ihr deutſchnationales Leben zu erhalten, einen ehrlichen Frieden auf dem Boden des Geſetzes Die Folge war denn auch ſofort, daß die von ſächſiſcher S 1882 als Hinderniſſe bezeichneten Perſonen aus dem Wege wurden, in Hermannſtadt, Schäßburg, Biſtritz traten neue O an die Spitze der Verwaltung, die Drangſalierungen der S minderten ſich und eine Zeit lang konnte man die Hoffuung Friede ſei wirklich hergeſtellt. Es war leider nur eine kurze die durch Szaparys Sturz (November 1892) raſch zerrann.

Bei all den Aufgaben aber, die Teutſch aufgriff und allen Arbeit en, die er aufnahm, ſo zahllos, daß ſie eine gewöhnliche Kraft völlig zer⸗ ſplittert hätten, hat er als höchſtes Ziel angeſehn, in feinem Volk und ſeiner Kirche die idealen Lebensgüter zu ſtärken und die Kraft in beiden zu mehren, nach dieſen Gütern zu ringen. Die Überzeugung, die er am Schluß der Sachſengeſchichte ausſprach, blieb ihm Leitſtern des Lebens: „In dem ewig friſchen Quell des Chriſtentums, in dem belebenden Strahl deutſcher Bildung, um all des andern zu geſchweigen, ruht eine unerſchöpfliche Kraft der Erhaltung und Wiedergeburt. Von uralter Zeit hat das Sachſentum in unſerer Heimat ſeine eigentliche innere Stärke verdankt hervorragender geiſtiger ſittlicher Bildung, ſeiner treuen Anhänglichkeit an Geſetz, Fürſt und Vaterland, und dem Geiſt des Heldenmuts, der von jenen Gütern nimmer läßt. Dadurch hat es feſten Fuß gefaßt und dienſtbar einer großen Beſtimmung, deren Heiligkeit nicht immer erkannt wird, dem Licht und der Freiheit eine Stätte bereitet

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an der Grenze der Chriſtenheit fern von dem teuern Mutterland. Die Mittel aber, die es gegründet, können es auch ferner und werden es erhalten, wenn es ſich ſelber treu bleibt. Das geſchieht, wenn es ſeine Stellung im Staat und zur Aufgabe desſelben nicht verkennend, die großen Errungenſchaften der Zeit auf allen Gebieten des Lebens, ins⸗ beſondere auch des gewerblichen und landwirtſchaftlichen würdigend und aufnehmend, in alter Treue gegen Recht, Fürſt und Vaterland nach immer fortſchreitender geiſtiger und ſittlicher Bildung ſtrebt, feſt hält an der guten alten Sitte und an den heiligen Gütern des Volkstums, der Schule und Kirche, den böſen Geiſt der Zerfahrenheit und Selbſtſucht verbannt, dem Sinn für geſetzliche Freiheit, Ordnung und Gemeinwohl eine immer feſtere Wohnung macht in ſeiner Mitte. Wenn dieſer Geiſt, der Geiſt der beſſeren Zeit der Väter, unter uns waltet, dann ruht auch unſere Zukunft auf nicht unſicheren Stützen. Denn hierin iſt die ehren⸗ volle Fortdauer jedes Volkes und Gemeinweſens bedingt, mehr als in Pergamenten und Verfaſſungsformen, die nur ſo lange kräftig ſind, als der Menſch es iſt, dem ſie gelten.“ Dieſen Geiſt der Väter im Volk wach zu erhalten, die Menſchen innerlich zu kräftigen, das war ſein Streben. Und ſo hat er in der Tat Glauben und Wiſſenſchaft, Geſittung und Pflichtgefühl in ſeinem Volk gehoben, im Volke in böſen Zeiten das Vertrauen auf ſich ſelbſt wach erhalten.

Es konnte bei ſolcher Stellung nicht ausbleiben, daß in Heimat und Fremde ſein Name viel genannt wurde und auch äußere Ehren von der Wertſchätzung, die er genoß, Zeugnis ablegten. Im Jahr 1882 ernannte die theologiſche Fakultät von Jena ihn zum Ehrendoktor der Theologie Saxonum qui Transsilvaniam incolunt historiographum meritissimum, virum doctum strenuum sobrium, cum in schola tum in ecclesia regenda bene probatum, Germanorum morum tra- ditaequae libertatis defensorem intrepidum, die juridiſche Fakultät von Berlin 1884 zum Dr. juris „wegen der ausgezeichneten Verdienſte um die Geſchichte und die Lehre des ev. Kirchenrechts“, die bayeriſche Ala⸗ demie der Wiſſenſchaften hatte ihn 1874 zum auswärtigen Mitglied ernannt, die Göttinger Geſellſchaft für Kirchenrecht 1880, die ungarische Landeskommiſſion für Kunſtdenkmäler 1875. Er ſelbſt faßte dieſe Ehren, über die er ſich freute, nicht fo ſehr perſönlich, er ſah fie als Ehrung des Amtes, der Kirche, des Volkes an. „Außer der perſönlichen Kraft. anregung ſchrieb er 1881 im Zusammenhang mit der Göttinger Ernennung an Wattenbach den der Eintritt in ſolchen Kreis natur⸗

gemäß zur Folge hat, wird die Stellung im Kampf mit dem Gegner 82˙

500 erheblich verſtärkt und der Mut der Genoſſen in %

vermehrt.“ ! 7 mail Äußere Ehren hat dieſe Kirche und dies Volk Aber ſie brachten ihm in vollem Maße ihre Hochach entgegen. Der 70. Geburtstag gab den vielen Freun und Ferne Gelegenheit, von ihren Geſinnungen auch abzulegen. Er ſelbſt hätte den Tag am liebſten in der Ins Hausbuch ſchrieb er: „Lobe den Herrn meine Seele nicht, was er dir Gutes getan Pi. 103, 2.“ und „Herr Gott, d Zuflucht für und für Bj. 90, 2.“ In Hermannſtadt aber fan 12. Dezember 1887 Hunderte und Hunderte von Volks- und genoſſen zuſammen, ihrem Biſchof zu ſagen, wie groß die Dankbarkeit gegen ihn ſei. Zuerſt kam die Familie zum Gli leider hatte die Tochter aus Bonn nicht kommen können lange Reihe von Korporationen und Einzelner, von morgens ununterbrochen, die Landeskirchenverſammlung voran, dann der kundeverein, die Schulen, die politiſchen Spitzen, die Vertreti anderen Kirchen, die Stadt Hermannſtadt, die ihm das Ehrenbü verlieh, das Militär, eine Deputation der Kirchenbezirke, 200 Mar ſtark, darunter nahezu aus jedem Dorf Vertreter, die Kapitel, die 8 vereine, Schäßburg und Agnetheln, die frühere Heimat des Zubila das Presbyterium von Hermannſtadt, faſt dreißig Abordnungen, zahlreiche einzelne Perſonen. An vielen einzelnen Orten wurde der gefeiert, in den Lehrerverſammlungen und Schulen; Stiftungen Widmungen in den Einzelgemeinden, die ihn ja alle perſönlich in Mitte geſehen hatten, ſollten die Erinnerung an die Feier lebendig er⸗ halten. Die Landeskirchenverſammlung hatte das Bildnis Teutſchs mit dem ſeines Vorgängers für den Sitzungssaal malen laſſen, einzelne Kapitel hatten Feſtſchriften veröffentlicht, die Gymnaſien alle vereinigt

den J. Band der Siebenbürgiich-fächfiichen Schulordnungen in den Mo-

numenta Germaniae paedagogica, vom Sohn bearbeitet, gewidmet

„dem langjährigen Lehrer und Rektor, dem Geſchichtsſchreiber ſeines

Volkes und ſeiner Kirche, dem Mitbegründer und Verteidiger der Ver⸗

faſſung der ev. Landeskirche, dem Oberhaupt der ev. Schulen in Sieben⸗

bürgen als Zeichen des Dankes für reiche Förderung von Glauben,

Wiſſenſchaft und Geſittung“ viele viele Einzelgemeinden hatten Zeichen

der Liebe und Anhänglichkeit geſchickt und gebracht, Freund J. B. Teutſch

aus Schäßburg ſandte 70 Flaſchen „Kokelwaſſer“, einen trefflichen Wein,

dem der Biſchof dieſen Namen gegeben hatte. Für alle hatte er, im

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Amtskleid im großen Empfangsſaal der Amtswohnung ftehend, ein Bild rüſtiger Kraft, ein Wort des Dankes und ausgereifter Lebensweisheit. Draußen blies der Dezemberwind durch die Gaſſen, hier war heller Sonnentag. Die Landeskirchenverſammlung fügte In Memoriam“ ein Blatt in die Verhandlungsprotokolle jener Tage ein, das kurze Nachricht von dem Feſttag aufbewahrt, aber auch in den Herzen aller Treuen ift er unvergeſſen geblieben. Als der Landeskirchenkurator H. Käſtner im Namen und mit der Landeskirchenverſammlung den erſten Glückwunſch darbrachte und der Sprecher mit den ſchönen Worten geſchloſſen: Heil uns, daß der Mann, der die Spitze unſerer Kirche ift, auch obenan ſteht in der Liebe und Verehrung ſeines Volkes, da erwiderte Teutſch tiefergriffen:

„Ich hätte herzlich gewünſcht, daß dieſer Tag, der nach der Mahnung des Pſalmiſten mehr als die vorangegangenen mich zu ſtiller Einkehr ruft, ohne öffentliche Kundgebung vorübergegangen wäre.

Sie, verehrte Herren und Freunde, haben es anders gewünſcht und getan; ich darf das Wohlwollen, das darin für mich liegt, nicht verkennen, und fühle tief den Dank, zu dem es mich verpflichtet. Em⸗ pfangen Sie ihn in dem neuen Gelübde, treu zu bleiben dem Geiſte, der unſere Kirche und all die tauſend in ihr niedergelegten höchſten Lebensgüter erhalten hat und weiterhin durch Gottes Gnade erhalten ſoll.

Ich habe dabei ein tiefes Bewußtſein, wie der einzelne, wer er auch ſei, immer nur ein Scherflein gibt zum großen Ganzen, das eine Bedeutung hat nur in der Geſamtheit der wirkenden Kräfte.

Ebenſo wie das Beſte was wir haben und geben nicht unſer Verdienſt, ſondern nur ein Teil des Schatzes iſt, den wir hier den Vätern verdanken, dort den Zeitgenoſſen ſchulden, ſo drängt es mich in der tiefen Bewegung dieſes Augenblicks nächſt Gottes Gnade mit herzlichem Danke der Heimgegangenen und der Lebenden zu gedenken, deren Teil es iſt, wenn meine Arbeit etwas beitragen konnte zu dem, was in der Zeit, in die der Herr unſer Leben geſtellt hat, unſerer Kirche, unſerem Volke, dem Vaterland not tut. 2

Sohn eines bürgerlichen Hauses, das eine Heimſtätte aller jener ſtillen Tugenden war, welche das Leben erhalten und adeln, Schüler einer Schule, an der eine Reihe vorzüglicher Lehrer, unbeirrt, durch 5 gemeine Not des Lebens, die aufflammenden jungen Geiſter zur Höhe führte, dann teilhaft des großen Glückes, an der erſten Univerſität des Mutterlandes die erſten Meiſter der Wiſſenſchaft Hören zu können, in die Heimat zurückgekehrt, in der glücklichen Lage drei Jahre arbeitsfroher

geiftiger Sammlung genießen zu können mit dem erſten Bibliotheken des Landes tiefere Einblicke in Geſchichte zu tun, dann in auffteigender Lehr Anregung ſo reich, in langen glücklichen Jahren der Umganges, der Arbeit mit den Beſten unſeres Volkes daran wachſend, in der ereignisreichen Zeit jener Jah Geiſt geftellt vor all das Große und Ernſte, das fie bras das Erbe, das gottgeſegnete, in das ich von Jugend an 0 und deſſen Segen mich hieher geführt hat zu dem Tage, den wollen, Ihre Nachſicht jo feſtlich geſtaltet hat. Und darum I mich den Gedanken der ſchönen Feier, die Sie hier zuſamm von meiner Perſon, die ſo oft Ihrer Nachſicht bedurfte, die Kirche, in deren Dienſt ich ſtehe. Was wäre unſer ohne ſie! Und wenn gerade von der Höhe dieſes Tages, den Güte eine bereits ſinkende Lebensſonne mit goldenem Strahle klärt, der Blick zurückgeht in größere Kreiſe auf eine Zeit ebe reicher Hoffnungen, wie bitterer Täuſchung, immer aber voll Arbeit und edler Treue: ſo können wir die flüchtige Stunde nicht b bezeichnen, als indem wir insgeſamt auf den Denkſtein desſ fromme Gelübde eingraben: Semper iidem! Die Treue iſt es Welt in Angeln hält, und ein Geſchlecht, das der Vergangenheit, ſich ſelber nicht treu bleibt, hat ſchon dadurch ſein Recht auf Ehre Leben verwirkt. So wollen wir feſthalten an dem Erbe der Väter, deſſen Krone die Kirche mit ihren Gütern als edelſtes Kleinod ſtrahlt

Und wenn Sie mich auch weiterhin unter die berechtigten arbeiter, Mitkämpfer, Mitdulder für dieſe Aufgaben reihen, jo empfan Sie dafür meinen herzlichen Dank, mit dem ich denn auch für die Zukunft ſo lange es dem Herrn des Lebens gefällt mich und meine Arbeit nun im Schein der Abendſonne Ihrem Wohlwollen, Ihrer fördernden und tragenden Mithilfe empfehle. Ich will dabei nicht auf⸗ hören zu wachen und zu beten, daß ich immer richtiger verſtehe das Wort des Herrn: Siehe, ich komme, ich komme bald; halte was du haſt, daß Niemand deine Krone nehme.“

Das Feſtmahl im Geſellſchaftshauſe vereinigte etwa 500 Perſonen aus allen Ständen des Volks, aus allen Teilen des Landes. Sein einſtiger Schüler, dann langjähriger Mitarbeiter und Genoſſe, einſt ſein Nachfolger im Schäßburger Rektorat, ſpäter im Biſchofsamt, Stadtpfarrer von Hermannſtadt Dr. Fr. Müller ſprach zündende Worte: Teutſch iſt eine Geſchichte oder eine Summe von Gedanken, die keiner Auslegung bedürfen.

Die vier Jahrzehnte, die der Jubilar gewirkt, find nicht zu denken ohne dieſen Namen, die Zukunft iſt nicht zu denken ohne die Gedanken, für die er gekämpft. Darum iſt es nicht leicht zu ſagen, was er iſt und was wir von ihm hoffen. Er bedeutet: Ehre und Treue, von der Arbeit zu reden iſt überflüſſig. Die Abgeordneten aus allen Teilen des Landes haben heute ſeine Arbeit hervorgehoben, dieſe aber wird vergeiſtigt durch den Gedanken der Ehre und Treue; im Haus hat er tüchtige Söhne und Töchter groß gezogen, ſeiner Vaterſtadt im Bewußtſein jeiner Pflicht gedient und ebenſo ſeinem Volk, dieſes Volkes Name ſei früher wenig gekannt geweſen, heute klingt er überall in Ehren. Er hat das Bild von ſeines Volkes Geſchichte wahrheitsgetreu gezeichnet, mit Lügen läßt fie ſich nicht mehr fälſchen. Ehre und Treue hat er gehalten dem Vater⸗ lande, ſeine Ziele, unſere Ziele gehen nicht hinaus über das Vaterland, es ſei denn, daß es ſich um allgemeine menſchliche Ziele handle. Er hat eine Lebensarbeit daran geſetzt, daß Recht Recht bleibe. Wir ſinds, denen er Ehre und Treue gehalten hat, wir Alle. Nun denn ſo geben auch wir ihm, wie gewohnt, die Ehre und Treue. Wer ſeine Ehre und Treue angreift, der greift uns an und wer ihn untreu ſchilt, ſchilt uns alſo. „Unſer Gelöbnis ſei darum, feſt und treu zu ihm zu ſtehen, ſo lange als er unter uns wandelt. Biſchof Teutſch, der ſtarke Steuermann feiner Kirche in kummervoller Zeit, der wahrheitſuchende Geſchichtsſchreiber ſeines Volkes, ihm auch hier heute ein dreifaches Hoch.“ Der jubelnde Zuruf auf die Worte ſtieg noch, als das Telegramm des Herzogs Ernſt von Koburg mitgeteilt wurde, das eben einlangte, womit der Herzog „zum heutigen Feſttag in Anerkennung Ihres geſegneten Wirkens das Comthurkreuz 2. Klaſſe Meines Hausordens zugleich mit Meinen wärmſten Glück⸗ wünſchen“ ſandte. Der Jubilar aber faßte ſeinen Dank für all die Hul⸗ digungen jenes ſchönen Tages darin zuſammen, daß er die Blicke der Freunde „auf eine Sonne“ lenkte, „die Alle führt“, auf die Pflicht „du ſollſt!“ Dieſer Gedanke der Pflicht halte jene zuſammen, die im Kampf um das Recht den Mut nicht ſinken laſſen und auf den endlichen Sieg des Guten hoffen. N Am folgenden Tag langte eine neue Auszeichnung von Weimar an. Die Zuſchrift lautete: „Zu dem ſiebzigſten Geburtstag, den Euer Hochwürden heute begehen, ſende ich in Gemeinſchaft mit der Groß. herzogin Ihnen herzliche Glückwünſche, die um jo aufrichtiger gemeint ſind, je lebhaftere Anerkennung ich als ev. Chriſt und als Nachkomme deutſcher Fürſten, die für den ev. Glauben gekämpft und gelitten haben, Ihnen als dem verdienſtvollen Leiter der ev. Kirche und Schule, als

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dem einfichtigen Vertreter deutſcher Wiſſenſchaft ur in Siebenbürgen entgegenbringe. Als ein äuß erkennung verleihe ich Ihnen das Comthurkreuz mit! Hausordens der Wachsamkeit oder vom weißen 8 Gott den Allmächtigen aber bitte ich, daß er ev. Kirche in Siebenbürgen behüten und Sie noch Kraft derſelben erhalten möge.

Weimar, 12. Dezember 1887.

Dazu nun die lange, lange Reihe der Glückwünſche a vom Guftav-Adolf-Berein, Schulverein in Berlin, Verein deutſcher Intereſſen im Ausland in München, vom badiſchen „dem deutſchen Gelehrten, dem apoſt. wirkenden Kirchenmann, herzigen teuern chriftlichen Bruder und Mitarbeiter“, von den t Fakultäten in Berlin, Leipzig, Marburg, Gießen, Heidelberg, ſich mit dem Jubilar „eins fühlt im dem Beſtreben, der deutſch das edelſte der Güter, den Glauben an das Evangelium und Freiheit des Geiſtes zu erhalten,“ das germaniſche Muſeum in berg, die ſächſiſchen Studenten von den verſchiedenen Univerfit: ihnen die vielen hundert Freunde und Bekannten aus Ungarn, dar e N. Bay, Szilagyi, Hunfalvy, der unitariſche Biſchof Ferencz Joſef, 2 Profeſſor Kovacs aus Debrezin, aus Oſterreich, dem Deutſchen Rei fehlte faſt Keiner, mit denen das Leben ihn zuſammengeführt hatte. Tr

enen al deutſchen Bifchofs Name bleibt, Solang das Seeblatt Sproffen treibt, a Solang am Burzenbach und Alt, . Der Sachſen ſtolze Sprache ſchallt.

Es war ein Tag der Freude und des Stolzes für das ganze ſächſiſche Volk, für die ganze ev. Kirche in Siebenbürgen. Seine Auffaſſung des Tages ſpiegelten die Dankſchreiben wieder,

von denen das an den Großherzog von Sachſen Carl Alexander aljo lautete: 1

Ew. königl. Hoheit! Allerdurchlauchtigſter Großherzog!

Ew. königl. Hoheit haben die Gnade gehabt, mit Allh. Entſchließung vom 12. Dezember d. J. mich allerunterthänigſt Unterfertigten zum Comthur mit dem Stern Allerhöchſt Ihres Hausordens der Wachſamkeit oder vom weißen Falken zu ernennen und huldreichſt geruht, in Gemeinſchaft

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mit Ihrer königl. Hoheit, der Allerdurchlauchtigſten Frau Großherzogin mir zum Eintritt in das achte Jahrzehnt meines Lebens in einer mich tiefergreifenden Weiſe herzliche Glückwünſche zu überſenden. N

Je inniger die Verdienſte des Hohen Fürſtenhauſes mit den großen Taten und Entwicklungen unſers teuern Mutterlandes in Vergangenheit und Gegenwart verbunden ſind, je mehr die deutſche Wiſſenſchaft und Kunſt, die ev. Kirche insbeſonders Hochdemſelben verdankt, je reicher der Lebensſtrom iſt, der auch uns von der Hochſchule Jena unſerm, ſeit Jahrhunderten ſo fern von der alten Heimat lebenden, doch Dank Gottes Gnade und dem Schutz unſers erlauchten Herrſcherhauſes, ihrer geiftigen und religiöſen Schätze ſich immerfort erfreuenden Volks zu- gute gekommen: um ſo tiefer iſt der Dank, den ich Ew. königl. Hoheit für jene Auszeichnung ehrerbietigſt darbringe, in der zugleich meine Kirche, mein Volk ſich ſo hochgeehrt und geſtärkt fühlt in ſeiner Treue für feine angeſtammten höchſten Lebensgüter.

Geruhen Ew. königl. Hoheit den Ausdruck dieſes Dankes huldvoll entgegen zu nehmen und zugleich Allergnädigſt der Vermittler desſelben bei Ihrer königl. Hoheit der Allerdurchlauchtigſten Frau Großherzogin zu ſein, Höchſtwelcher mich ſchon der mir unvergeßliche gnädige Empfang vom 9. September d. J. in Mauer und die Wohltaten des Sophien⸗ ſtiftes an unſere Schülerinnen für Krankenpflege zu unwandelbarer Ver⸗ ehrung verpflichten.

In tiefſter Ehrerbietung uſw.

Hermannſtadt, 22. Dezember 1887.

Im Danke an den Zentralvorſtand des ev. Vereines der Guſtav⸗ Adolf⸗Stiftung in Leipzig ſprach er aus, „daß Ihr wohlwollendes Ge⸗ denken in allen Kreiſen, die damals hier jo zahlreich verſammelt waren und zu welchen es in der Folge drang, jenen Sinn, jenen Geiſt, jene Treue aufs neue verklärt und geſtärkt hat, mit welcher wir, des Vater⸗ landes treue Söhne, unſer Mutterland und die heiligen Lebensmächte ſeiner Reformation, ſeiner Geſittung und Bildung nie aus dem Herzen laſſen können noch wollen.“

An die Theologiſche Fakultät der Univerſität in Jena ſchrieb er: „In Ihrer ergreifenden Erinnerung empfanden wir es alle aufs neue tief, was wir durch Gottes Gnade an den deutſchen Univerſitäten und in erſter Reihe an ihren Theologiſchen Fakultäten haben und wie dankbar wir den treuen Vätern fein müſſen, welche die Freiheit ihres Beſuches mit io ftarfen, bis jetzt unzerſtörbaren Bürgschaften des Geſeßes ſchirmten, wie

r

dankbar wir den Behr unſeres Volkes Söhne jo wi ſchöpfen laſſen. An Ihrem Segensgruß zuhalten an dem Erbe der mit ihren Lebensgütern des Glaube als edelſtes Kleinod ſtrahlt.“ N An Frau Charlotte Bleibtreu Charlottenburg ſandte er folgenden

Und Segenswunſch. Ernſt ſinnend gedachte

Der Geiſt da

Vergangener Zeiten, Freudenvoller, leiderfüllter Kampfreicher Tage,

Und in der Geſchicke Wandel Stand mild verklärt

Der Eltern Bild,

Des Vaters Treue

Der Mutter Liebe

Und um ſie leuchtete

Der Strahlenkranz

Der alten heiligen Verheißung, Der mild bewährten:

Ich will dich tröſten

Wie Einen ſeine Mutter tröſtet. Sieh, neuen Muttergruß Sandte an jenem Tag

Das Mutterland

Den fernen Söhnen,

Die vom Hauch ſeines Geiſtes

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Leben, an feiner Liebe Strahl

Sich erquiden.

Bur mahnenden Männerrede Geſellte ſich

Edler Frauen Wort

Und klang wie Orgelton und Glockenklang In den Herzen des fernen

Oft verlaſſenen Bruderſtammes Und von Mund zu Munde

Von Haus zu Hauſe

Flog das tröſtende Wort Stärkend, erhebend mit neuer Kraft Den Mut zur Arbeit

Zur pflichtfrohen deutſchen Arbeit Für der Väter heiliges Erbe,

Das gern ſtets geſchützt

Von der Könige Beſten

Der Heimat Schmuck war

Seit langen Jahrhunderten.

Sie aber die Edlen, Die aus dem Schatz des reichen tiefen Frauengemütes Den „treuen Gruß“ Den Treuen geſandt, Sie ſchirme Gott, Gnädig beglückend Was hehr Ihrem Herzen und lieb, Und ſeine Verheißung Leuchte lieblich Über allen Wegen des Lebens: Ich will dich ſegnen Und du ſollſt ein Segen fein! Ihrer Güte liebliches Licht aber Leuchte wir bitten Auch ferner den Fernen Milde Erquickung!

Hermannſtadt, 23. März 1888.

An die vielen, vielen Einzelnen, denen er nicht schriftlich danken lonnte, ſchickte er die kleine Abhandlung: Über die Anfänge der fieben- bürgiſch-ſächſiſchen Geſchichtsſchreibung (1888) „zum Ausdruck tiefen Dankes für die Teilnahme am 12. Dezember 1887.“

An den Freund Fr. W. Schufter in Broos aber ſchrieb er in der Erinnerung an jene Tage: „Ich könnte es nicht ertragen ohne die erquickende Zuverſicht, daß fie nicht einer vergänglichen Perſon, ſondern der heiligen

Sache gelten, in deren Dienft mit jo vielen mich geftellt hat“ und an die ferne Tochter erhebenden Tage allerdings auch tief demütig ge und immer an Blüchers ſchönes Wort, das der man ihn einſt wieder ſehr lobte, ſprach: ih: all dem Ruhm; feine Tollkühnheit, Gneiſenaus Bei großen Gottes Barmherzigkeit, die hätten es getan. in ihrem tiefſten Grunde, insbeſonders auch die land, den Ideen, der Nationalität galt, für ſchwer kämpft und leidet, das hat mich und erhoben und zu neuem Ausharren geſtärkt“. An ieſe er ein Jahr früher geſchrieben: „Dein freundliches burtstag) hat nicht wenig dazu beigetragen, meine ernſt tief dankbare Stimmung an jenem Tag zu verklären. Vater wurde im 52. Lebensjahr heimgerufen, als ich eben der Univerſität zugebracht; mir hat Gottes Gnade ſo viel gegeben und was beinahe noch höher zu preiſen, von den Beſchwerden des Alters mich bisher faft gar nichts ſpüren lange und ſo ſchwer kranken Mutter die alte Geſundheit faſt geſchenkt und mir gute Kinder gegeben. Laß uns dem oben auch weiterhin vertrauen!“

15. Der ſinkenden Sonne nach.

Mit dem Gedanken an den Tod hat Teutſch ſich viel beſch Nicht nur wenn liebe Freunde und Bekannte ſchieden, auch Tagen der Erinnerung, an Wendepunkten im eigenen Leben gin dieſen Gedanken nach, wobei die liebende Sorge immer wieder ui Zurückbleibenden ſich drehte. Geſprochen hat er ſelten davon und faſt immer nur andeutungsweiſe. Es gehörte zu den Gebieten, über die er am beſten mit ſich ſelbſt reden konnte. „Es ſteht in Gottes Hand“ war zuletzt Ausgang und Schluß der Empfindungen. Dem älteſten S hatte er das verpflichtende Wort abgenommen, es ihm zu ſagen, wenn ſeine Kräfte abnähmen und er dem Amt nicht mehr gewachſen ſei, ſolches aber wie das häufig geſchehe ſelbſt nicht merke, daß er beizeiten zurücktrete. Es gäbe nichts Traurigeres als wenn Leute an leitender Stelle ſich überlebten. Er hielt ſich für geſund, wie er es ja auch tat⸗ ſächlich in ſeltener Weiſe war und hörte und hatte nicht gern, wenn man ihn als „alten Herrn“ behandelte. In früheren Jahren war er öfter

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auf den Götzenberg geftiegen, das nahe Gebirge bei Heltau Wittftod ging in der Regel mit und noch 1887 erfüllte er ſich einen Lieblings- wunſch, zum Bulleaſee im Fogaraſcher Hochgebirge hinaufzuſteigen, ein wundervoller Ausflug in prächtigſter Geſellſchaft und herrlichſtem Wetter, der ihn außerordentlich erhob, obwohl die Anſtrengung eine zu große geweſen war; doch hatte ſie ihm nicht geſchadet. Die ſchönen Tage im Dezember 1887 hatten ſeine Seele mächtig gehoben, er ſtand ein Junger unter den Alten freudig im Glied, bereit den alten heiligen Gütern zu dienen.

Zunächſt hatten jene Jubeltage einen böſen Nachklang. Das Mini⸗ ſterium Tißa wollte die Antwort auf die vielfachen Erklärungen jener Tage und auf deren Grundton: daß die Sachſen hier als treue ungariſche Staatsbürger deutſch bleiben wollten, nicht ſchuldig bleiben. Den Anlaß bot der Tod Kaiſer Wilhelms I. in Berlin im folgenden Jahr.

Als Kaiſer Wilhelm am 9. März 1888 geſtorben war, war die Teilnahme der ganzen Welt eine ungewöhnliche. Auch in Ungarn gaben das Herrſcherhaus, Parlament und verſchiedene Körperſchaften ihr Ausdruck, ſo auch die Vertretung von Peſt, von Hermannſtadt und mit den vielen glaubte auch das ev. Landeskonſiſtorium mit dem Ausdruck der Teilnahme nicht zurückhalten zu ſollen. Es ſandte aus ſeiner Sitzung vom 13. März 1888, durch den Minifterpräfidenten Tißa, eine Adreſſe an den deutſchen Bot⸗ ſchafter in Wien Prinz Reuß, die auch in den Tagesblättern veröffentlicht, wörtlich alſo lautete:

Euere Durchlaucht!

Durch Gottes Ratſchluß iſt Allerh. Se. Majeſtät, der deutſche Kaiſer und König von Preußen Wilhelm I. am 9. März d. J. von dieſer Erde abberufen worden.

Ein Herrſcherleben, hochbegnadet von Gott, wie ſeit Jahrhunderten fein zweites, durch große Taten in Krieg und Frieden, gewaltigſter geſchicht⸗ licher Entwicklungen Träger und Vollzieher, geſchmückt mit allen menſch⸗ lichen und chriſtlichen Tugenden, lange Jahre hindurch für Europa des Friedens Schirm und unſerer Monarchie, unſeres geliebten Kaiſers und Königs den Gott ſegne treuer Freund und Verbündeter; jo ſteht fein Bild leuchtend auch in den Herzen der Völker dieſes Landes, ſo lebt es in der Seele dieſer Landeskirche, die den tiefen Schmerz, den der Heimgang des erhabenen Herrſchers in Seinem Reich, in Seinem Volk, überall wo die Herzen für Großes und Edles ſchlagen, wachruft, in inniger Teilnahme lebendig mitfühlt.

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Das eben zu feinen ordentlichen Be konſiſtorium der ev. Kirche A. B. in Si mit der dieſelbe ſeit Jahrhunderten dem bunden weiß, gedrängt, dieſer innigen Teil. kirche tief empfundenen Ausdruck zu geben.

Genehmigen Eure Durchlaucht damit ic Hochachtung, mit der wir ſind Eurer Durchlaucht

Hermannſtadt, 13. März 1888. a

Die Adreſſe wurde, wie die amtliche Vorſchrift es e Miniſterpräſidenten Tißa geſchickt, mit der Bitte um Als Antwort erhielt das Landeskonſiſtorium folgenden „Das Landeskonſiſtorium .., hat in feiner Vorſtellung mich erſucht, ſeine anläßlich des Ablebens Sr. Majeſtät n des deutſchen Kaiſers und Königs von Preußen ang 3 adreſſe an den kaiſerl. deutſchen Herrn Botſchafter Heinrich Reuß gelangen zu laſſen. \

„In dieſer Beileidsadreſſe ift mir dieſer Satz aufgefallen Landeskonſiſtorium .. der ev. Kirche fühlt fi in jener Di dieſelbe ſeit Jahrhunderten dem Vaterland ſich unauflösli bunden weiß, gedrängt .. uſw.“, und gerade deshalb wollte vor allem andern die Überzeugung darüber verſchaffen, ob man ſchuldigen Treue gegen Staat und Fürſt in den Kreiſen, die nicht aus ſchließlich von ungariſchem Standpunkt urteilen, aber das Weſen die Pflichten durchaus verſtehen können, es für vereinbar halte, daß die B eines Staates gegenüber was immer für einem anderen Staat ein gebung der Treue machen.

„Infolgedeſſen habe ich mich überzeugt, daß meine Auffa richtig iſt, wonach die Bürger welchen Staates immer, ihre Treue gegenüber ihrem eigenen Fürſten und ihrem eigenen Vaterland, jene, in deren Namen das Konſiſtorium ſpricht, nur dem ungarijd König und dem ungarischen Staat bekennen können, und indem ſie 1 dies in einer anderen Richtung tun, beiden gegenüber ihre ſchuldigen Pflichten verletzen.

„Indem ich übrigens nicht vorausſetzen will, daß das Konſiſtorium bei der Verfaſſung der fraglichen Adreſſe die Abſicht des Hochverrates geleitet habe und obwohl ich weiß, daß das Konſiſtorium dieſe fehlerhafte Adreſſe außerhalb des geſetzlichen Weges auch unter der Hand an ihren Beſtimmungsort gelangen ließ, habe ich im Hinblick auf jenes außer⸗

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ordentlich betrübende Ereignis, das ihr zum Anlaß diente, der an mich gerichteten Bitte dem Weſen nach Genüge geleiftet, indem ich den ge⸗ meinſamen Herrn Miniſter des Außern erſuchte, die ſeitens des Kon- ſiſtoriums kundgegebene Beileidsäußerung dem deutſchen Botſchaſter zur Kenntnis zu bringen.

„Prinz Reuß hat, wie er nämlich im Wege unſeres gemeinſamen Miniſters des Außern mitteilte, die Beileidsäußerung Sr. Majeſtät dem deutſchen Kaiſer und preußiſchen König Friedrich III. auch zur Aller⸗ höchſten Kenntnis gebracht und mich erſucht, hievon ſowie von dem Danke Sr. Majeſtät des Kaiſers und Königs Friedrichs III. das Kon⸗ ſiſtorium zu verſtändigen.

„Indem ich dieſem Anſuchen hiemit entſpreche, kann ich nicht unter⸗ laſſen, das Konſiſtorium darauf aufmerkſam zu machen, daß es für die Zukunft ſolcher Ausdrücke oder Kundgebungen, aus denen gefolgert werden könnte, daß das Konſiſtorium außerhalb der Grenzen der Länder der ungariſchen Krone ſein Vaterland erblicke, ſtrenge ſich enthalten möge.

Ofenpeſt, 15. April 1888. Tißa m. p.“

Im ſelben Augenblick wurde die offiziöſe und damit zugleich die geſamte magyariſche Preſſe zu einem Keſſeltreiben gegen die Sachſen los⸗ gelaſſen, das ſeinesgleichen nicht gehabt hatte. Da es zu töricht geweſen wäre, die Adreſſe als Ausgangspunkt zu nehmen das durfte man vor Europa doch nicht riskieren ſo war bald ein anderer gefunden. Die Berliner Kreuzzeitung hatte einen Artikel über ungariſche Verhältniſſe gebracht, beſonders über den Einfluß der ungariſchen Politik auf die Armeeverhältniſſe, und nun hieß es: der Artikel will Uneinigkeit zwiſchen dem König und der Nation herbeiführen, er ift aus ſächſiſchen Kreiſen nach Berlin gekommen, er iſt in Hermannſtadt in der Umgebung des Bischofs geſchrieben, der Biſchof iſt überhaupt der Führer dieſer vater» landsverräteriſchen Clique, der man das Handwerk legen muß und die unwürdige Hetze ſpitzte ſich ſehr entſchieden gegen die ev. Kirche und die Perſon des Biſchofs zu. Das Manöver iſt heute klar. Offiziell wurde die Kirche und der Biſchof des Hochverrates aus Anlaß der Adreſſe beſchuldigt, oder des näher zu beſprechenden Satzes darin, vor der öffent⸗ lichen Meinung Ungarns, die immer bereit war auf den Prügelknaben, die Sachſen, herzufallen, geſchah dasſelbe im Anſchluß an die Kreuz' geitungsartifel und beide Aktionen ſollten vereinigt der Kirche den Boden unter den Füßen entziehen, um eventuell neue ſchwere Schläge vorzu' bereiten. Das Landeskonſiſtorium erkannte jofort die Gefahr. Die ſächſiſche

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Publiziſtik wies nach, daß der Artikel der Kreuzzeitung Federn ſtammen könne, die Zeitung erklärte auch, ei arbeit, Trefort ſelbſt ſagte ſpäter Teutſch, fie wüßten lebe in Peſt. Gegen die offizielle Beſchuldigung de 8 durfte keine Waffe der Verteidigung unbenutzt gelaſſen u hatte telegraphiſch um eine Audienz beim König nac vorauszuſetzen, daß es Vielen eine beſondere Freude die ſchwere Anklage auch dort anzubringen. Am 20. Peſt, „mit vielen ernſten Gedanken“, doch den Blick am grün, an den blühenden Bäumen erfreuend. Am 21. A der Miniſterpräſident Tißa. „Ich dankte ihm zunächſt Teutſch —, daß er meinem Erſuchen (um Empfang) freundli ſofort nach ſeinem Erlaß hätte ich das Landeskonſiſtorium wollen, aber da drei ſeiner Mitglieder als Abgeordnete hi und andere krank wären, ſei die ſofortige Einberufung u weſen. Bis denn dieſes ſich äußere, da es ja zunächſt ſeine hätte ich bei der inhaltſchweren Bedeutung derſelben, für eine Loyalität gehalten, keinen Augenblick Zeit zu verlieren, um die | obwaltenden Mißverſtändniſſe aufzuklären. Denn etwas Schwereres unſere Kirche, die bald auf vier Jahrhunderte makelloſer Treue weiſen könne und ihre Behörden nicht treffen, als wenn auch n leiſeſte Hauch des Zweifels dieſer in den Kreiſen der höchſten Verw bei dem oberſten konſtitutionellen Ratgeber der Krone ſich erhebe. ſeien es uns und dem Staat ſchuldig, ſolchen etwaigen Keimen Boden zu geben und nicht Zeit zu laſſen, daß fie unberechtigt ſchlügen. Damit überreiche ich ihm ein ungariſches Exemplar, nehme N ein deutſches und bitte ihn, mir die ſachliche Darlegung zu geſtatten. „Zunächſt erkläre ich die Unrichtigkeit in Abſatz 4, „daß das Konſiſtorium die Adreſſe außerhalb des geſetzlichen Weges unter der Hand an ihren Beſtimmungsort gelangen ließ“; er behauptet, das gewiß zu wiſſen; ich betone wiederholt und nachdrücklichſt, daß das Konſiſtorium nur ein Exemplar der Adreſſe ausgefertigt, dieſes in ſeine Hände gelegt mit dem Erſuchen, es an den deutſchen Botſchafter zu befördern. Er ſolle ſo gut ſein, ſich durch Nachfrage beim Prinzen Reuß von der Richtigkeit zu überzeugen. Er ſchwankt dann, von Hermannſtadt ſei gewiß eines an Prinz Reuß gekommen; ich: vom Konſiſtorium gewiß nicht; es kann nur ein Zeitungsblatt ſein, von dem das Konſiſtorium nichts weiß. Dann: „in jener Treue, in der ſie ſich ſeit Jahrhunderten dem Vaterland unauflöslich verbunden weiß“. Ich weiſe hin, daß Vaterland |

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nur eine Bedeutung habe, für uns das Land der ungariſchen Krone, daß es sprachlich unmöglich ſei, dem Wort einen anderen Sinn zu unter- legen. Er beſteht darauf, daß wir mit dem Ausdruck Deutschland ge- meint hätten; es könne gar nichts anders gemeint ſein und ſchiebt uns die große Liſt zu, das eben in der Abſicht, man werde es dort ſchon ſo verſtehen, künſtlich ſo gemacht zu haben. Es iſt das erklärlich aus ſeinem nicht vollen Verſtändnis der deutſchen Sprache, der zweifellos ſtattgefundenen Hetzerei und ſeinem großen Mißtrauen gegen die Sachſen. Er habe auch bei Anderen, Nichtungarn, ſich Rats erholt und hier habe man es abſolut fo verſtanden wie er. Auf mein erſuchendes An⸗ deuten, er möge mir dieſe Kreiſe bezeichnen, damit ich auch dort den Irrtum aufklären könne, weicht er aus. Ich lege weiter dar: wie uns doch niemand für ſo blöde halten dürfe, daß wir bei dem von ihm vorausgeſetzten Gebrauch des Wortes dieſen Weg der Adreſſe gewählt hätten. Wir könnten ja gemeint haben, erwidert er, in ſo bewegter Zeit werde das, wie die Wiener ſagen, durchrutſchen. Aber dann würde es ja nicht in der Zeitung erſchienen fein darauf wendet er ferner nichts ein. Ferner: die ganze Vergangenheit unſerer Kirche und ich könne wohl ſagen, auch mein weißes Haupt bürge wohl, daß wir ſeiner Majeſtät gegenüber uns nicht mit ſolcher Schuld des Hochverrates belaſteten. Tißa: Er habe ja auch geſagt, daß er dieſes nicht annehmen wolle. Es ſei füge ich hinzu ja auch deshalb undenkbar, weil ein ſolcher Sinn der Adreſſe eine Beleidigung des befreundeten Fürſtenhauſes geweſen wäre, welches dieſe gar nicht habe annehmen können. Sie ſei, erklärt Tißa, in der Tat ihm auch nicht zugeſchickt worden, ſondern Reuß nur in Kenntnis geſetzt durch den Miniſter des Auswärtigen, daß das Landeskonſiſtorium das Beileid ausgeſprochen habe; denn „ich habe ja keinen Anlaß, das vor Ihnen zu verheimlichen, ich habe die Adreſſe Sr. Majeſtät vorgelegt und Se. Majeſtät hat ſelbſt in der betreffenden Stelle die Bedeutung gefunden, daß in Vaterland Deutſchland gemeint ſei.“ Ich danke Tißa ſehr für dieſe Mitteilung, darnach werde es aber zum höchſten Gebot loyalſter Pflicht für mich, daß auch bei Sr. Majeſtät dieſes Mißverſtändnis aufgeklärt werde. Ich erſuche Se. Exzellenz, das zunächſt zu tun und zu erwirken, daß ich ſelbſt Gelegenheit erhalte, aller⸗ höchſten Ortes perſönlich die Sache aufzuklären, bis auch das Landes- konſiſtorium es tun könne. In der etwaigen Vorausſetzung, daß das Mißverſtändnis vielleicht bis zum Thron vorgedrungen ſei, hätte ich bereits telegraphiſch und brieflich Herrn von Papai erſucht, mir eine Andie zu erwirken; jetzt bäte ich auch Se. Exzellenz doppelt dringlich *

Georg Daniel Teutſch.

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Tißa verſprach es. Auf des Biſchofs Frage, ſei, was er hier auseinandergeſetzt auch ſchriftlich Miniſterpräſident: „notwendig nicht; aber wenn Sie es mit Befriedigung zur Kenntnis nehmen.“ Es ſächlich geſchehen. „Im Anhang kam die Rede auf den Sachſen; ich betone mit großem Ernſt, wie wir

sacrae Hungariae coronae fühlten, wie uns die genannt, hier klar unſere Beſtimmung ſähen, nach W

ſeinem alten Schluß, die Sachſen ſollten durch Taten ben treue Bürger Ungarns. Die ganze Verhandlung würdig, Zeichen des Mißwollens begleitet.“

Teutſch blieb einige Tage in Peſt. Es iſt für fein 2 zeichnend, daß er auch in dieſen drückendſten Sorgen die des Geiſtes, das Intereſſe für anderes nicht verlor. So b Hampel. Da war eine größere Geſellſchaft beiſammen, Pulßky gerade beſchäftigt, die Inſchrift eines friſch gekauften, augen ſächſiſchen Kelches zu leſen. Teutſch nahm ihn und las die ſchwer Inſchrift fließend ab; darob allgemeines Erſtaunen, das noch wuchs, er erklärte, er kenne den Kelch ſeit mehr als 30 Jahren und habe 1870 bei der Kirchenviſitation im Biſtritzer Bezirk in Petersdorf i der Hand gehabt, ihn im Viſitationsbericht beſchrieben und der ſei eben dieſer Gemeinde im Spätjahr 1887 geſtohlen worden. Kelch wurde natürlich der Gemeinde ſofort zurückgeſtellt.

Am 24. April fuhr Teutſch nach Wien. Der Namenstag, der zu Hauſe ſächſiſcher Sitte gemäß gefeiert wurde, ſtimmte wieder ernſter und er ſchrieb in die Aufzeichnungen: Deo gratias! Veni, domine, eum adjutorio tuo. Fiat voluntas tua! Am 26. April fand die Audienz bei Sr. Majeſtät ftatt, wo der Biſchof mündlich und schriftlich ähnliche Erklärungen gab wie beim Miniſterpräſidenten. Das Mißverſtändnis iſt denn auch dort allmählich aufgeklärt worden. Auch Szögönyi nahm die Aufklärungen entgegen und hielt für unmöglich, daß die irrige Auf⸗ faſſung nach alle dem ſich weiter erhalte. In ähnlicher Weiſe erklärte der Miniſter des Auswärtigen Graf Kalnoky, den Teutſch bei dieſer Gelegenheit kennen lernte, es fei unmöglich, jene Beſchuldigung aufrecht zu erhalten und verſprach, er werde an ſeiner Stelle mitwirken, daß das Mißverſtändnis beſeitigt werde und betonte die Bedeutung, welche

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die Sachſen für das Land hätten und die Achtung, in welcher fie im Ausland ſtünden. Trefort gab die Unmöglichkeit und Unzuläſſigkeit der Tißaiſchen Interpretation zu, meinte aber, alle hätten die Stelle jo ver- ſtanden. Die Sache werde wohl abgetan ſein. Am 1. Mai war Teutſch wieder zu Hauſe. „Den Ausgang ſegne Gott, der die Herzen der Menſchen lenkt wie Waſſerbäche.“ Das Landeskonſiſtorium gab bald dieſelben Auf- klärungen, die der Biſchof gegeben und ſo war die Sache in der Tat beigelegt. Nebenbei mag bemerkt werden, daß die beanſtandete Stelle urſprünglich in jener Adreſſe nicht drin war. Sie wurde im Landes⸗ konſiſtorium eingefügt auf den Antrag eines Mitgliedes, damit man nicht am Ende in der Adreſſe an ſich ſchon etwas Anſtößiges finde, ſolle dem Gefühl der Treue gegen das Vaterland natürlich Ungarn Ausdruck gegeben werden. Dieſe ſpätere Einfügung erklärt die nicht glückliche Stiliſierung.

Wie ſchwer aber gerade ſolche ungerechte Angriffe Teutſch trafen, das verſteht derjenige, der weiß, wie es ſein Stolz war, daß ſein Volk und er mit ihm ſagen konnte, was einſt Harteneck von ſich geſagt: „Gott und mein Gewiſſen ſind Zeugen, daß in meinen Adern kein einziger Tropfen Blut rollt, dem die Treue gegen meinen durchlauchtigſten Herrſcher mangelt; ich werde unaufhörlich beſtrebt ſein, meinen Eifer und meine Treue gegen meinen allergnädigſten König zu bezeugen.“

Das Ganze war eben ein Beweis dafür, wie ſehr das ſächſiſche Volk und die evangeliſche Kirche noch mitten im Kampf ſtanden.

Und von ſolchem, zum Teil immer ſchwerer werdenden Kampf ſind auch die letzten Lebensjahre Teutſchs angefüllt geweſen.

Noch war die ſchwere Irrung um Ausſcheidung der magyariſchen Gemeinden aus der Landeskirche und im Zuſammenhang damit der Kampf um ungeſchmälerte Auftechthaltung der Staatsdotation für die Kirche nicht beendigt, als neue Angriffe auf die Schulen begannen. Im Bericht, den das Landeskonſiſtorium 1890 der Landeskirchenverſammlung vorlegte, ſchrieb es: „Die Volksſchule iſt in der abgelaufenen Periode die am heftigſten umſtrittene, am meiften gefährdete Anſtalt der Landes⸗ kirche geweſen. Von dem Lehrplan und den Lehrern bis zur Benennung der einzelnen Schulanſtalten hat es kein Rädchen des Volksſchulorganismus gegeben, um welchen nicht heißer, faſt täglich ſich erneuernder Kampf hätte geführt werden müſſen. Eine einläßliche Darftellung der Geſchichte unſerer Volksſchule in den letzten fünf Jahren würde ein Buch füllen.“

Mit Mühe gelang es notdürftig die Anerkennung der acht⸗ und

neunjährigen Schulpflicht zu erreichen. Untergeordnete Organe, Stuhl⸗ 33*

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richter und Dorfsnotäre und Ortsrichter griffen in einz in die Schule in einer Art ein, daß völlige Desorganif konfiszierten Lehrmittel, wollten magyarijche Lehrbücher Schulen aufzwingen, Schulinſpektoren verlangten die Anf Hilfslehrern zur Erteilung des magyarifchen Unterrichtes, Lehrerverſammlungen und verlangten ungehörige Ausdehnun: riſchen Sprachunterrichtes. Das Miniſterium ſelbſt verbot alle Landkarten mit deutſchen Ortsbezeichnungen und bea Gründen des „Patriotismus“ naturgeſchichtliche Lehrbücher, Deutſchland gedruckt waren. Die Oberſtudiendirektoren bean einen Teil der Gymnaſialgebäude, jo daß auch auf dieſem Störungen vorfielen. Die innere Organiſation wurde dadurch er daß die griechiſche Sprache im Gymnaſium auf 4 Jahre beſchränkt Es läßt ſich denken, welche peinliche Lage es für das konſiſtorium und am meiſten für den Biſchof war, immer wieder ſelben Sache bittend und vorſtellend bei den Miniſtern zu mit Berufung auf das Recht, deſſen Anerkennung trotz der Geſetze ſo ſelten zu erlangen war. Da brachte das Jahr 1890 eine neue ſchwere Angelegenheit. In der richtigen Erkenntnis der Bedeutung der Kindergärten und der Bewahranſtalten hatte das Landeskonſiſtorium am Anfang achtziger Jahre eine Regelung dieſer Frage begonnen; ein Kurs it Kronſtadt ſollte die notwendigen Leiterinnen heranbilden. Nun wurden 1886 einige Kindergärten beanſtandet, mit dem Hinweis darauf, da } die Leiterinnen nur in Peſt dürften herangebildet werden und unter allen Umftänden die Kenntnis der magyhariſchen Sprache für ſie not⸗ wendig ſei. Es gelang nur mit vieler Mühe endlich die Anerkennung der Kronſtädter Anſtalt unter der Bedingung zu erreichen, daß die Prüfungen der Kindergärtnerinnen unter Teilnahme eines Regierungs- organes abzuhalten ſeien. Die Berufung auf die kirchenſtaatsrechtlichen Geſetze und die Autonomie der Kirche wurde einfach beiſeite geſchoben. Da erſchien anfang 1890 vom Miniſter ein Geſetzentwurf betreffend das Kinderbewahrweſen, das neue ernſteſte Gefahren in ſich barg. Der Miniſter berief zur Beratung des Entwurfs eine Fachkommiſſion zuſammen, zu der auch der ev. Biſchof der ſiebenbürgiſchen Landeskirche geladen wurde. So fuhr er am 8. Februar 1890 nach Peſt und nahm dort an der Enquete teil. Es waren traurige Tage. Der Grundgedanke des Geſetzent⸗ wurfes war: zwangsweiſe Errichtung der Kindergärten, obligatoriſche Verpflichtung darin die Kinder auch magyariſch zu lehren, das letztere wie

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es ſich zeigte die Hauptſache, auch dieſes Geſetz ein neues Glied in der Kette der ſtaatlich veranſtalteten Magyariſierung. Was für ein Geiſt in der Enquete ſelbſt herrſchte, dafür zeugte, daß Madaraß, als Teutſch in deutſcher Sprache redete, ſofort heftig dagegen polterte, daß da jemand ſich getraue, deutſch zu reden. Der Miniſter wies ihn zur Ruhe. Teutſch verſuchte in der Enquete und in wiederholten Beſprechungen mit dem Miniſter, das Unrecht abzuwehren. Seine Anſchauung war, daß Ungarn mit dieſem Geſetz die bisher eingehaltene Bahn verlaffe. Bisher ſei die Erziehung der nichtſchulpflichtigen Kinder Sache der Eltern geweſen, die Geſellſchaft und die Kirche hätten ihre Mithilfe gewährt; Zwang ſei hier verderblich, verſtoße gegen das Recht der Kirchen, komme ſonſt nirgends vor; die Zweiſprachigkeit des Kindergartens ſei gegen deffen Prinzip, ſei undurchführbar, eine Schädigung der geiſtigen Ent⸗ wicklung der Kinder, eine neue böſeſte Saat des Unfriedens, da ja kein Hehl gemacht werde, daß es ein neuer Schritt zur raſchen Magyariſierung ſei. Es war alles vergebens. Als in täppiſcher Weile Szathmary auf das Vorgehn der Ruſſen und der Deutſchen im Elſaß hinwies und dagegen mit einem Ausfall auf den „Jargon der Sachſen“, daß fie in dieſer Enquete den ſächſiſchen Biſchof anhörten, wiewohl er in einer „fremden Sprache“ rede, obwohl die Sachſen faſt 800 Jahre im Land ſeien, da erwiderte er in wuchtigen Worten in perſönlicher Bemerkung: Er rede hier deutſch in ſeiner Mutterſprache, im Geiſt des 44. Geſetzartikels von 1868, ſtehend auf dem Boden des Prinzips, das durch die Weisheit und Gerechtigkeit der größten ungariſchen Könige in dieſem Staat ſeit Jahrhunderten geheiligt ſei, deren nicht letzte auch die Sachſen in dies Land gerufen, gleichfalls zur Kulturarbeit. Und wie fie dieſe verrichtet, daß beweiſe Vergangenheit und Gegenwart in gleicher Weiſe. Darum ſei die Sprache, die er hier rede, keine fremde, deutſch ei in Ungarn eine Landessprache, für die er den gebrauchten Ausdruck Jargon ernſt zurückweiſen müſſe. Die Sachſen ſprächen eine Mundart der deutſchen Sprache; die geſamte germaniſtiſche Philologie erkenne und rühme ihren Wert und jeder, der das Verhältnis zwiſchen Schrifte ſprache und Mundart kenne, verſtehe das und verſtehe überhaupt die Bedeutung der Mundart für die Sprache, wie A. Kovats ſoeben den Wert der ungariſchen Mundarten für dieſe Sprache als Jungbrunnen und immer neue Lebenskraft zu ihrer Fortbildung gerühmt habe. Der ganze Kampf in der Enquete war völlig umſonſt. „Die Geiſter und Gewiſſen der Männer ſind nicht mehr imſtande das Recht und das Rechte zu verſtehn; in ſolche Verdunklung hat ſie der Hochmut des

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Erfolges und die fündhafte Theorie, daß das Land Bewohnern ſamt ihren Leibes- und Seelenkräften dem m ha zu eigen gehöre, geführt. In mir aber tritt immer ſtärker auf, daß es für mich eigentlich unwürdig und demt ihnen über große wiſſenſchaftliche, politiſche und verhandeln und zu kämpfen. Sie können und wollen es ſchrieb er in jenen Tagen. Aber er hielt um der Sache Beim Abſchied meinte Cſaky: er habe wohl verſtanden, w ſchied liege zwiſchen den Prinzipien, die Teutſch vertrete Gründen, die die anderen leiteten. Dieſe hätten die Kämpfe die Ungarn ſo oft um ſeine Nationalität beſtanden und wollten vermehrte Staatsallmacht zum Schutze dieſer gegen ſoviele und Nationalitäten, die ja zum Teil nach Außen gravitierten. erwiderte, darum könne man ſich bei jenen nicht ſelten ext derungen des Gedankens nicht erwehren, was die Herren wohl würden, wenn eine ſtärkere Macht für ihre Sprache, wie das ja geſchehn, jenes Maß von Forderungen in Anſpruch nähme. Uns g insbeſonders dürften ſie doch nie vergeſſen, daß jede Schwächung uns ſprachlichen Lebensgebietes, jede Herabdrückung unſeres nationalen 0 wußtſeins Waſſer auf anderer Mühlen ſei. Wo in Siebenbürgen der Sachſe aufhöre, trete nicht der Magyare an feine Stelle. 1

Die öffentliche Meinung in Ungarn hatte den Geſetzentwurf vorneherein vom Standpunkt der Magyarifierung begrüßt und jubeln! willkommen geheißen. Die Nationalitäten ſahen darin ein Unrecht. Die Sachſen wehrten ſich in der Publiziſtik, im Reichstag, das Landes⸗ konſiſtorium nahm Stellung dagegen, das Schauſpiel der vergangenen Jahre wiederholte ſich.

Noch dreimal iſt Teutſch im Jahre 1890 in Peſt geweſen, ſtets um all der ſchweren Fragen willen, die die Kirche und Schule bedrängten, in denen kleinere Erleichterungen nach dem Sturz Tißas gewährt wurden, im großen konnte Szapary, ſelbſt wenn er ſofort gewollt hätte, nicht das Syſtem brechen.

Der Geſetzentwurf, vom Abgeordnetenhaus angenommen, kam am 9. März 1891 vor das Magnatenhaus. Teutſch hielt ſich für verpflichtet, dort nicht zu ſchweigen. Seit er 1885 Mitglied des Magnatenhauſes geworden war, ergriff er zum zweitenmal das Wort. Zum erſtenmal war es in der Wehrgeſetzdebatte geweſen, wo er (9. April 1889) in kurzen Worten die Annahme des Wehrgeſetzes begründete. Er bedauerte bei ſolcher Gelegenheit doppelt ſchmerzlich, daß er magyariſch nicht ſo gut

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konnte, als er es ſelbſt wünſchte. Darum ſprach er magyariſch aus ſolchem Anlaß nicht frei, ſondern las die Rede. Bei jenem erſten Fall meinte er, einem ungariſchen Freunde gegenüber ſich entſchuldigend, es werde in bezug auf die Sprache kaum hinreichend fein, deutſch würde er es beſſer machen, worauf dieſer lachend bemerkte, das ſchlechteſte ungariſch ſei dort beſſer als das beſte deutſch. Die Rede ſelbſt, in der er ſeine abweiſende Stellung gegen das neue Geſetz begründete, entwickelte ebenſo die pädagogiſchen wie die rechtlichen und geſetzlichen Gründe dagegen.

Das Geſetz wurde auch vom Magnatenhaus angenommen und ift rechtskräftig geworden.

Es war kaum geſchehen, ſo zogen neue Gewitterwolken auf. Eine dunkle über dem Leben im Hauſe. Am 18. Juli 1891 ſtarb plötzlich die jüngſtverheiratete Tochter Pauline vermählte Heinrich Eder (geb. 17. Auguſt 1860), nachdem fie am 6. Juli einem Knaben das Leben ge- ſchenkt. Die Geneſung war glatt vor ſich gegangen, der Arzt hatte ſie für geſund erklärt, da machte eine Lungenlähmung am frühen Morgen des 18. Juli ihrem Leben ein Ende. Sie war die lebensfroheſte der Schweſtern geweſen, die Seele voll Heiterkeit, voll Temperament und Friſche, eine ge⸗ ſchloſſene Perſönlichkeit, tapfer, klug mit ſcharfgeſchnittenem Geſicht, muntern Augen und neckiſchen Reden, im tiefen Gemüt beſonders empfänglich für Freundſchaft. Die Eltern traf der Schlag ſchwer. Als man ſie um 4 Uhr morgens hinrief, konnten ſie nur ohnmächtig dem Ringen des ieben Kindes nach Atem zufehn, der um 5 Uhr ſtillſtand. „Gott tröfte uns ſchrieb der Vater ins Hausbuch und laß leuchten Dein Antlitz, ſo geneſen wir.“ „Nun, Gott hat es gewollt ſchrieb er nach dem Begräbnis an die Tochter nach Bonn ich danke ſeiner Gnade tief innig für das, was er an dem lieben Kind uns in ſeinem Leben ge— geben und was er uns in ſeinem Andenken gelaſſen. Auch im Sarge ſegnete er es. Ich habe nie ein edleres ergreifenderes Bild einer Ent⸗ ſchlafenen geſehen. Wie Pauline auf dem weißen Seidenpfühl da lag, in ihr Brautkleid gekleidet, in der rechten, auf der Bruſt ruhenden Hand die Roſen, die ich ihr jeden Morgen brachte, das bleiche Antlitz von ihren dunkeln Haaren umrahmt, der Ausdruck des edeln Geſichts, abge⸗ ſehen von der Bläſſe wie im Leben, unentſtellt, um den Mund ein Zug wehmütigen Lächelns, wie wenn fie jagen wollte: ich habe überwunden, da war das arme Kind von einer weihevollen Schönheit umſtrahlt, wie die Heilige Majeftät des Todes fie nur guten Menſchen vertlärend der, eiht. Auch das ift eine Gnade Gottes, die ich tief dankbar empfinde.“ Das Knäblein nahmen die Großeltern zu ſich und übertrugen die Liebe

der Tochter auf das Kind, Teutſch aber erinnerte ſich daran, wi einſt unter ganz gleichen Umſtänden am Sarg der erſten Fra t und deren Mutter den neugeborenen Knaben zu ſich genot Mutterſtelle vertreten. Zu der Trauer um die H gan, ſich neue ſchwere Sorge. Eine jüngere Tochter fiel in ſchweren T ebenſo ein Enkelkind, beide wochenlang in Lebensgefahr. Nach I Krankheit erſt genaſen beide, es war ein harter Sommer.

Teutſch ſuchte wie er es zu tun gewohnt war, in der Troſt. Der Verein für ſiebenbürgiſche Landeskunde ſollte d verſammlung in Schäßburg abhalten; er bereitete die E rede vor zum erſtenmal ſeit vielen Jahren ohne ſie zu halten. ging angeſichts der Ereigniſſe im Haus nicht nach Schäßburg, wo ſchwer vermißt wurde. Der liebe Freund und Vetter J. B. 2 hatte ihn ſeit lange ins neue ſchöne Haus geladen, das er ſich am erbaut, nun ſollte endlich endlich der ſchöne Nachmittag „auf feld“ oder im „Fuchsloch“ die alten Genoſſen und Freunde zur Stunde vereinigen, die ſie beim Abſchied 1863, als der neue Agn Pfarrer die Heimat verließ, in Ausſicht genommen hatten; es n auch diesmal nicht möglich. Auch nach Görlitz zur Guftan-Adolf-Verei verſammlung konnte er unter dieſen Umſtänden nicht fahren, um ſo ſchmerzlicher, da er mit dieſem Jahr ſtatutengemäß aus dem Zentral⸗ vorſtand ausſchied.

Auch ein anderes Ereignis übrigens hielt ihn von der Görlitzer Verſammlung fern. Seine Majeſtät der Kaiſer und König kam im September nach Siebenbürgen und hielt einige Tage in Biſtritz Hof. Da ſollten auch die Kirchen ihre Huldigung darbringen. So zog denn Teutſch im Namen der Landeskirche mit einer Deputation am 10. Sep⸗ tember dorthin. Im Freundeshaus Budaker wurde er in der alten herzlichen Weiſe aufgenommen und die alte Freundſchaft erquickte ihn aufs tiefſte, und nicht weniger das Leben jener Tage, obwohl es ihn ſchmerzlich berührte, daß u. a. der Stadtpfarrhof, entſchieden gegen das Geſetz, gehindert wurde, die ſächſiſche blaurote Fahne aufzuhiſſen. Als Geheimnis wurde ihm auf dem Bahnhof mitgeteilt, daß Seine Majeſtät beſonders gnädig gegen den ſächſiſchen Biſchof ſein werde. In der Tat trat der König, nachdem er den Zug verlaſſen, bald zu ihm: „Ich freue mich ſehr, Sie wieder zu ſehen und grüßen zu können,“ worauf Teutſch erwiderte, er bringe die Größe der Südgrenze, die ſich freue an der Freude des Vaterlandes teilzunehmen. Das ſächſiſche Volksleben, das ſich beim Einzug zeigte, die prächtigen Volkstrachten in vorzüglicher

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Aufſtellung der Leute, machten auf alle tiefen Eindruck und daran hatte wieder Teutſch ſeine herzlichſte Freude. Bei der offiziellen Huldigung der Kirche hatte der Kaiſer-König wieder gnädige Worte für die Kirche, voll Huld gegen den Biſchof, ſprach ſeine Freude aus über die ſächſiſche Stadt, das ſchöne Volk, die alten Trachten und hatte die Gnade am 13. September unter der Führung des Biſchofs die ev. Kirche anzuſehn wie 1876 die Hermannſtädter Kirche. Seine Majeſtät hatte große Freude daran wie am freudigen Zulauf des Volkes, „den gnädigen Kaiſer“ zu ſehen und auch bei der Hoftafel am ſelben Tag erfreute ſich der Biſchof der Allerhöchſten Huld, die ihm auch Erzherzog Albrecht wie bei früheren Begegnungen auch jetzt erwies. Der Beſuch der Kirche durch den Herricher lockte auch andere hohe Herrn dazu, jo erklärte Teutſch auch den Miniftern und andern aus der Begleitung das ſchöne Gebäude. Es iſt bezeichnend für ihn, daß er in dieſen Tagen, wo der Verkehr mit den Spitzen ſich drängte, zwei Pfarrerswitwen zu beſuchen nicht unterließ, die er aus früherer Zeit kannte; den Einſamen tat ſolches Gedenken doppelt wohl. Ein Spaziergang zum reizenden Schieferberg, ein Ausflug nach Heiden⸗ dorf und Baierdorf war zum Schluß noch möglich. Dann fuhr er über Mönchsdorf, wo die Reſtauration der alten romaniſchen Kirche zu ärgerlichen Händeln mit der Regierung geführt, nach Lechnitz um von da nach einem ſchönen Mittag auf dem reizenden Pfarrhof A. Wohls nach Hauſe zu fahren.

Die Tage hatten ihm innerlich wohlgetan. Am 21. September ging er zu ſtiller Erholung zum Schwiegerſohn Eugen Jekelius + 1901) und zur Tochter nach Kronſtadt und in ihrer freundlichen Häuslichkeit, dem Umgang mit den Freunden, dem Beſuch des Archivs, einem Ausflug nach Neuſtadt fand er die alte Spannkraft wieder. „Es iſt doch ein Troſt zu ſehn, wie auf dem ſtillen Hügel das Gras wächſt im jungen Frühling ſchrieb er etwas ſpäter an Fr. W. Schuſter, der den Tod des Sohnes in der Ferne beklagte und mit frommem Segenswunſch die aufgehende Roſenknoſpe darauf zu legen. Aber die Erde ift überall des Herrn und ein Heil, daß wir nur Pilgrime und Gäfte auf derſelben ſind.“

Eine Erhebung bereitete ihm am 10. November die Einweihung des neuerbauten Landeskirchenſeminars in Hermannſtadt in Anweſenheit der Vertretung der ganzen Landeskirche, wobei es ein freundliches Zuſammentreffen war, daß der älteſte Sohn, als Direktor der Anſtalt, nach dem Weihegebet des Vaters die Feſtrede hielt. 5

Weihnachten dieſes Jahres war von ſtiller Wehmut erfüllt, die auch in den Verſen widerklang, die er dem Hauſe unter dem brennenden Weihnachtsbaum las.

Su Weihnachten 1891. So ſtrahlt er wieder leuchtend der Und aus dem Grün der duftenden

Wie Frühlingsahnung von des Lenzes Sonnigen Blüten und nen

Ja Winternacht und ſeelenerfriſchend Das duntle Schicſal neben dem heitern So führt den Staubgebornen auf dem Wechſelnden Gange das ernſte Leben. Auch du erfuhrft es! Welch eine Wonne wars, Als Maienglanz froh lachte auf's volle Haus Zu Ach. da des Sommers Ahren ſanken,

Stand auch das froh’fte der Herzen ſtille! Darum blickt Wehmut heut' aus der Zweige Grün; Ein Augenpaar nur ſieht nicht den herben Schmerz

Geſegnet ſei's, daß einſt im Knaben Wieder erblühe der Mutter Hochſinn! Ihr aber, denen gnädig das Leben lacht, Die hier des Baumes leuchtender Strahl vereint, Die von der „Zinne“ Grüße ſenden,

Oder am Rheine der Fernen denken: Empfangt in Liebe, was hier die Liebe bringt, In Liebe wandelnd weiter dem Ziele zu,

Das Herz geheiligt im Gedenken

Ihrer, die frühe der Vater heim rief.

Zu dem Leid im Haufe kam die quälende Sorge um das öf entlich Wohl. Nicht weniger als vier ſchwere Fragen ſtanden drängend vor Kirche, die alle die Grundlagen ihres Beſtandes zu erſchüttern dro das ſtaatliche Geſetz über die Lehrergehalte auch an konfeſſion 1 Volksſchulen, die Beanſtandung der Verbindung zwiſchen Lehrer⸗ und Pfarramt, die Verfaſſungsfrage der Kirche und das Drängen der unga⸗ riſchen ev. Kirche zu einer Union mit der ſiebenbürgiſchen Landeskirche. Alles zuſammen machte immer aufs neue den Eindruck, daß eben der Sturm auf dieſe Kirche als das letzte Bollwerk des ſächſiſchen Volkes weiter fortgeſetzt und zum Teil neu aufgenommen werden ſolle, während die ſeit vielen Jahren ſchwebende Frage nach der Organiſation der Univerſität und deren Verfügungsrecht über ihr Vermögen vom neuen Miniſter Szapary nach dem Geſetz endlich befriedigend gelöſt und in Hermannſtadt ein Sachſe, G. Thalmann, als Komes⸗Obergeſpan ein⸗ geſetzt wurde, was die Sachſen mit allgemeinſter Freude erfüllte,

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da er in gewiſſenhafter und kluger Weiſe das von A. Bethlen begonnene Werk fortſetzte, die Gemüter allmählich durch Gerechtigkeit und Einhaltung der Geſetze zu beruhigen.

Das Geſetz über die Lehrergehalte bezeichnete einen ſchweren Eingriff in die Autonomie der Landeskirche. Nicht nur nach den alten fieben- bürgiſchen Religionargeſetzen, auch nach dem Volksſchulgeſetz von 1868 war die Regelung der Gehalte ein Recht der Konfeſſionen, jetzt wurde das Gehaltsminimum von ſtaatswegen feſtgeſetzt. Zugleich wurden fünf⸗ malige Quinquennalzulagen beſtimmt, die den Einzelgemeinden ſchwerſte, zum Teil faſt unerſchwingliche Laſten auflegten. Die Ausſicht, die der Staat eröffnete, armen Gemeinden zu helfen, war die Ausſicht auf ein Danaergeſchenk, denn bei einer ſolchen Unterſtützung nahm der Staat das Recht der Lehrerernennung in Anſpruch und die Schulen kamen auf dieſem Weg in die Hände des Staates. Es muß aber immer wieder betont werden, daß das Recht der Kirchen, die Schule zu erhalten, allein in Ungarn die Möglichkeit gibt, nichtmagyariihe Schulen zu erhalten. Dazu ſtanden im Geſetz Beſtimmungen, wornach Lehrer, die einer „ſtaats⸗ feindlichen Richtung“ huldigten, zu disziplinieren ſeien was ja ganz richtig iſt aber als „ſtaatsfeindlich“ wurde u. a. jede Handlung be⸗ zeichnet, „welche gegen die im Geſetz beſtimmte Anwendung der Sprache gerichtet ift, möge dieſe ſtaatsfeindliche Richtung in dem Unterrichtslokal oder außerhalb desſelben, auf dem Gebiet eines anderen Staates, in Wort oder Schrift, mittelſt Druckſchrift, bildlicher Darſtellung, Lehr⸗ bücher oder ſonſtiger Lehrmittel zum Ausdruck gelangt ſein.“ Solche Unbeſtimmtheit und dazu die Richtung des öffentlichen Geiſtes im letzten Menſchenalter mußte die ev. Landeskirche in Siebenbürgen abermals eine ſchwere Gefahr erkennen laſſen. Mittel zur Abwehr beſaß ſie keine, da Vorſtellungen und Aufklärungen in Peſt nichts wirkten. „Unſere Deputierten ſchweigen, um die Sache nicht ſchlechter zu machen, ſchreibt Teutſch und wiſſen nicht, daß fie dadurch eben am ſchlechteſten wird.“ n

Wichtiger noch war die Verfaſſungsfrage der Kirche, die der Miniſter aufgerollt hatte. Unter dem 29. Dezember 1888 hatte er das Landeskonſiſtorium aufgefordert, die „Verſaſſung“ einer eingehenden Reviſion zu unterziehen und alle jene Ausdrücke aus ihr zu entfernen, die mit der gegenwärtigen Verfaſſung Ungarns im Widerſpruch ſtünden. Das Landeskonſiſtorium war ſich deſſen wohl bewußt, daß die Ausdrucks weiſe mancher Stellen in der Verfaſſung der ev. Landeskirche, die eben vor 1867 entſtanden war, vom Standpunkt des ungarischen Staats-

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rechtes beanftandet werden könne und jo nahm das Lat ſelbſt keinen Anſtand, ſofort an dieſe Arbeit heranzutreten. eine Verfaſſungsänderung, auch wenn ſie bloß Ausdrücke die Landeskirchenverſammlung vornehmen. So beſchloß denn kirchenverſammlung im Jahre 1890 über Antrag des Kon Anderung einer Reihe von Ausdrücken, die dem Wunſch des Rechnung tragen ſollte. Statt Großfürſtentum Siebenbürgen hinfort bloß Siebenbürgen heißen, ſtatt Landesſtelle Sta ftatt Kaiſer König, ſtatt öſterreichiſcher Staat ungariſcher Die Landeskirchenverſammlung nahm dieſe Anderungen 1890 an und am 19. Mai wurde der Miniſter von dieſen Ande Kenntnis geſetzt. Da machte zu großer Überraſchung des ſiſtoriums der Miniſter unter dem 30. September zu dieſen 2 neue „Bemerkungen“, die nun nach einer Seite gingen, auf Kirche nicht gefaßt war. Der Miniſter beanſtandete die Benennuf Kirche, u. zw. ebenſo das Wort Lande s kirche als Siebenbürgen Zuſammenhang damit Landes kkonſiſtorium, Landeskirchenverſan uff., u. zw. mit der Begründung, daß Siebenbürgen durch die Verein mit Ungarn aufgehört habe ein „Land“ zu ſein, daß es demnach geſtattet ſei, den Ausdruck Siebenbürgen und Land zu gebrauchen keine Behörde, die in dieſem Gebiet einen Machtkreis habe, einen Ti mit „Land“ führen könne. Das Landeskonſiſtorium wies in eingehender Darſtellung nach, daß zunächſt zu den wohlerworbenen Rechten und Freiheiten der Kirche auch die Benennung gehöre, daß „Siebenbürgen“ auch in den ungarijchen Geſetzen fortwährend vorkomme, daß dieſer Ausdruck gar keinen nach⸗ teiligen Einfluß auf die ſtaatsrechtliche Stellung des einheitlichen Ungarn übe, von welchem Siebenbürgen ein Gebietsteil ſei und die Be⸗ zeichnung Landes konſiſtorium uff. bezeichne eben nichts anderes als das räumliche Geltungsgebiet dieſer Kirche. Es iſt charakteriſtiſch für das Mißtrauen, das man beiderſeits gegen einander hegte, daß dieſe Fragen lange Verhandlungen zur Folge hatten. Die Regierung arg⸗ wöhnte hinter dem hiſtoriſchen Namen Siebenbürgen Sondergelüſte und die Landeskirche Einſchränkung ihrer Autonomie und ihrer Rechtsgrund⸗ lage in der Beanſtandung des Titels Landeskirche. Teutſch iſt wiederholt in der Angelegenheit in Peſt geweſen und hat mit den Miniſtern ver- handelt. Der Kultusminiſter hatte auf den Einwand, daß in den un- gariſchen Geſetzen das Wort Siebenbürgen fortwährend vorkomme, die heitere Entgegnung, das ſei nur ein Beweis dafür, „daß bei uns die

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Geſetze nicht immer mit der gehörigen Sorgfalt redigiert worden“. Szapary und Cſaky waren den Einwänden zugänglich, aber der Juſtiz⸗ miniſter, Deſider Szilagyi, der ſein Urteil auch abgab, weil es ſich um ſtaatsrechtliche Fragen handelte, wollte nicht nachgeben. Dabei wurde allerdings betont, daß die Autonomie der Kirche nicht berührt werden ſolle. So einigte man ſich auf einen Mittelweg: die Bezeichnung Landes⸗ kirche ſollte beibehalten, Siebenbürgen aber durch „die ſiebenbürgiſchen Landesteile Ungarns“ erſetzt werden, obwohl Siebenbürgen weder bei der ref. noch der kath. Kirche beanftandet wurde. Das Landeskonſiſtorium nahm die Anderungen vor, die Landeskirchenverſammlung erteilte ihm Indemnität für die Überſchreitung ſeiner Kompetenz, die durch die Notwendigkeit raſche Handelns entſchuldigt wurde. Am 13. April 1892 nahm der Miniſter die Mitteilung der Anderungen zur Kenntnis und ſchrieb dazu: „Indem es mir zur aufrichtigen Freude dient, daß hiemit die in Rede ſtehende Angelegenheit zur Befriedigung ſowohl des Staates als der Kirche die endgiltige Erledigung gefunden hat, kann ich nicht unterlaſſen, gleichzeitig meiner Überzeugung Ausdruck zu geben, daß auf Grund der nunmehr endgiltig feſtgeſetzten Verfaſſungsvorſchriften jedes einzelne Organ der Kirche im eigenen Wirkungskreis in patriotiſcher Richtung arbeitend, dem Wohle ſowohl des Staates als ſeiner Kirche zu dienen nach Möglichkeit beſtrebt ſein werde.“ 8

Die Vorſicht und der Ernſt, mit der dieſe Sache behandelt wurde, erklärte ſich aus der Befürchtung der Kirche, daß hinter dieſen Be⸗ mängelungen der Ausdrücke am Ende Fallen lägen, um die Selbſt⸗ ftändigfeit der Kirche zugunften einer nähern Verbindung mit der ungariſchen ev. Kirche einzuengen.

Die ſiebenbürgiſche ev. Landeskirche beſitzt ſeit der Reformation eine durchaus ſelbſtändige Stellung und iſt insbeſonders auch von der ev. Kirche in Ungarn kirchenregimentlich völlig getrennt. Die ungariſche ev. Kirche aber machte zeitweiſe Verſuche zu einer kirchenregimentlichen Vereinigung, die die ſiebenbürgiſche Kirche ſehr entſchieden abwies. Es iſt nicht ſchwer, die Urſachen hiefür zu erkennen: die Rechtsgrundlagen der Vergangenheit und die Entwicklung der Gegenwart, die Rechtsſtellung der Kirche im einzelnen, Verfaſſung und Leben, alles iſt anders dort und hier. Als der Verſuch einer Vereinigung im Jahre 1848 gemacht wurde, und der Generalkonvent aller ev. Glaubensgenoſſen anfang Sep⸗ tember 1848 in Peſt zufammentrat, hatte auch die Landeskirche Sieben⸗ bürgens ihre Vertreter hingeſchickt, mit dem ausdrücklichen Auftrag, alles was dort beſchloſſen würde bloß zur Kenntnis zu nehmen und in

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keine definitiven Entſcheidungen ſich einzulaſſen. Es 1 geblieben, daß die Erklärung deſſen und die entſchiedene! ſetzung des Biſchofs Binder, wir wollten Deutſche ſein einen ſolchen Sturm in der Verſammlung des Generalkon daß der Vorſitzende Baron Pronay es für angezeigt der Sitzung Biſchof Binder am Arm zu nehmen und den Aufgeregten zu beſchützen.

Nach langen Bemühungen war es den vier ev. Kir in Ungarn gelungen, 1891-93 die Generalſynode zuftande welche die Aufgabe hatte, eine gemeinſame Kirchenverfaſſung gariſche ev. Kirche zu ſchaffen. Die Einladung der fi Landeskirche zu dem konſtituierenden Generalkonvent war in Ausſicht genommen worden. Im März 1890 teilte der G inſpektor Baron Pronay, ein Sohn des oben genannten, dem L konſiſtorium mit, der Generalkonvent habe eine förmliche beſchloſſen, die ſeinerzeit erfolgen werde. Das Landeskonſiſtorium wortete dieſe Zuſchrift dahin: „daß wir abgeſehen von der Beh die unſerer Kirche in letzter Zeit von der h. Generalverſammlus Konvents der ungarländiſchen vier ev. Kirchendiſtrikte A. B. zuteil g

weder in den Bekenntnisſchriften unſerer ev. Kirche, noch von der heiligen Schrift ihr geſtellten Aufgabe,

weder in ihrer geſetzlichen Rechtsgrundlage, noch in ihrer jahrhui alten geſchichtlichen Entwicklung, welche beide von jenen der ungarlän ev. Kirche ſo vielfach verſchieden ſind, *

weder im Syſtem ihres gegenwärtigen autonomen Verfaſſungs⸗ und Verwaltungsorganismus, noch in ihrer ſozialen Gliederung,

weder im Hinblick auf ihr beſonderes Wohl, noch in Erwägung des Geſamtwohls der ev. Kirche Ungarns,

einen zureichenden Grund finden, der unſere Kirche zum Anſchluß an die ungarländiſche ev. Kirche und zur Teilnahme an jener Synode zu beſtimmen vermöchte.

„Indem wir denn von einer Einladung zur beabſichtigten Synode an die ev. Kirche Siebenbürgens, da dieſe jener Einladung zu ent⸗ ſprechen nicht in der Lage wäre, Umgang zu nehmen erſuchen, geben wir uns der vertrauensvollen Erwartung hin, daß die ev. Schweſter⸗ kirche in Ungarn, welcher wir auch zur bevorſtehenden Synode für ihre Entwicklung und für ihr Gedeihen aufrichtig Gottes reichſten Segen wünſchen, in der vorliegenden Erklärung unſererſeits nicht eine Verleugnung des rechten ev. Geiſtes und der unter ſeinem Walten ſtehenden höchſten

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Lebensgüter, finden werde, da unſere Kirche nach wie vor auf dem Grunde der ihr durch die vaterländiſchen Geſetze verbürgten Autonomie mit den Mitteln des göttlichen Wortes beſtrebt ſein wird, zu beten und zu arbeiten, daß das Evangelium auch hier ſich je mehr und mehr erweiſe als eine Kraft Gottes, ſelig zu machen alle, die daran glauben und ſein Reich komme.“

Unter dieſen Umſtänden iſt denn auch die förmliche Einladung zur Synode unterblieben.

Tief griff in den Organismus der Kirche auch die Verordnung des Miniſters vom Januar 1891 ein, die das Verbot der Vereinigung von Pfarrer- und Lehrerſtellen ausſprach. Das Landeskonſiſtorium war der Überzeugung, daß die Verordnung ſchon im Hinblick auf die Autonomie der Landeskirche für ſie keine Geltung habe, dann auch mit Rückſicht darauf, daß alle Lehrer, die ein geiſtliches Amt in dieſer Kirche bekleiden, die vom Staat geforderte und anerkannte Qualifikation als Lehrer beſitzen. Inzwiſchen ſchickten ſich wieder politiſche Ortsbehörden in verſchiedenen Teilen des Landes an, die Minifterialverordnung zu vollziehen. Das Landeskonſiſtorium machte Vorſtellungen an den Miniſter, doch die Gründe des Rechtes, die Rückſicht auf die tatſächlichen Verhältniſſe, Berufung auf die Geſetze hatten zunächſt keine Wirkung.

In all dieſen Angelegenheiten weilte Teutſch auch im Jahr 1892 wiederholt in Peſt. Im Juni des Jahres auch um an dem 25 jährigen Krönungsjubiläum teilzunehmen. Die Feier war in ihren Aufzügen und Schauſtellungen wie ein Märchen aus tauſend und einer Nacht. „Es iſt kein Wunder, wenn ein ſolches Bild dem gedrückten Volk tief in die Seele ſchlägt und es aus jeder Wiederholung desſelben immer wieder die geſteigerte Vorſtellung der Allmacht und Unerſchütterlichkeit der obern Zehntauſend davonträgt. Am prachtvollſten und eigentümlichſten war die Kutſche mit Geleit des Erzabtes von Martinsberg. Alles durchaus mittelalterlich oder Rokoko ex tempore Mariae Theresiae. Aber trotz alle dem noch viele Fracke mit weißen Halsbinden, jedoch kein Bürgertum, keine Gelehrtenariſtokratie kenntlich oder ſichtbar. Den europäifchen ſtaatsmänniſchen Kopf muß es doch jeltjam anmuten, ein höchſtes modernes Staatsfeſt repräſentiert nur von der mittelalterlichen Erſcheinung hohen magyarifchen Adels und katholischer Hierarchie und von dem Farbenglanze dieſer fein ganzes Gepräge erhaltend.“ Der König war wieder gegen Kirche und Biſchof gnädig und huldreich; i Majeſtät beim Cercle ihn anredete, knüpfte Teutſch an die Biſtritzer Tage an und der König betonte: ja es waren ſchöne Tage.

Teutſch hatte in jenen Tagen die Freude, auch mit dem Prinzen⸗

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paar Reuß, mit Deines, u. A. in anregendfter Weiſe zu den Miniſtern konnte er neben den laufenden Angelege Frage des indebite geleifteten Zehntens wieder einmal in Seit Graf A. Bethlen ins Miniſterium getreten war, wurde ſtändlich in allen Angelegenheiten gleichfalls angegangen immer aufgeſucht.

Durch ein Mißverſtändnis war die Meinung verbreitet, am 10. (ſtatt 10. Juli) erfüllten ſich die fünfzig Jahre, jeit Teutſch der Kirche und Schule ſtand. Er ſelbſt ift dadurch eine Zeit Meinung geweſen; am 10. Juni liefen eine Anzahl Glückwünsche ein, von Freunden aus der Heimat, dann von Vay, von der Unga hiſtoriſchen Geſellſchaft, zum erſtenmal auch vom Kultusminifter: ſelbſt ſchrieb in die Aufzeichnungen jener Tage: D. t. o. m. gratias! Gnade. „Ich gedenke der vergangenen Zeiten bis hieher ...“ bei uns Herr, auch wenn es Abend wird und der Tag ſich neigen Am Tag nach ſeiner Heimkehr feierte das Haus den Tag im engſten $ er hatte gebeten, von weiteren abzuſehen. Als jein Wohl bei? ausgebracht wurde, da ſagte er, wie er Gott dankbar ſei für di Liebe und Treue, die er im Leben gefunden habe, insbeſonders auch eigenen Haus und er bitte Gott, ſie hier immerfort zu erhalten. Nach dem Eſſen gingen alle in den freundlichen Hausgarten. Da ſchnitt er Roſen ab und teilte fie an die weiblichen Glieder des Hauſes aus. Der älteſte Sohn hatte den 2. Band der Siebenbürgiſch-ſächſiſchen Schul⸗ ordnungen „dem Vater“ gewidmet, ein Teil ſeines Lebens war darin ſchon Geſchichte geworden und es kennzeichnet ihn, daß er, nachdem er mit feuchtem Auge dafür gedankt mit leuchtendem Blick im Anſchluß an die große Arbeit fragte: Und was für eine Arbeit nimmſt Du jetzt auf?

Am 15. Juni 1892 trat die 15. Landeskirchenverſammlung zuſammen, ernſte Arbeiten harrten ihrer. In der Eröffnungsſitzung brachte ſie durch den Kurator H. Käſtner den Glückwunſch zum 50 jährigen Dienſtjubiläum dar: „Wir die Gleichzeitigen ſo ſprach er waren ja mit die Zeugen Ihrer Taten und können ſie würdigen und die Jüngern unter uns haben mit Staunen und Bewunderung gehört und geleſen, was nimmermüde Arbeitsfreudigkeit, Geſchick und Ausdauer im Vereine mit reichem Wiſſen im Zeitraum eines halben Jahrhunderts zu leiſten imſtande geweſen iſt. Und wenn auch wie in der Natur nicht alle ſchönen Blüten zur reifen, Frucht gedeihen, nicht alle Ihre Bemühungen von glücklichem Erfolg begleitet geweſen ſind, ſo können Sie doch beim Rückblicke in die Ver⸗

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gangenheit auch ſehr ſchöner Erfolge ſich erfreuen, ja die unparteiiſche Geſchichte wird, deſſen ſind wir gewiß, Ihren Namen mit goldenen Lettern in ihre Annalen eintragen.“ Mit dem Hinweis darauf, daß „wir alle wiſſen, was wir an Ihnen haben, was Sie für uns gelitten und geftritten, gearbeitet und geduldet haben,“ empfahl der Redner ihn dem allmächtigen Schutz Gottes und ſprach die beſten Glückwünſche aus.

Tiefergriffen antwortete der Biſchof: „Nach der reichen Fülle von Wohlwollen und Güte, die mir vor fünf Jahren auf der Höhe meines ſiebzigſten Lebensjahres in jo erhebender Weiſe dargebracht wurden, habe ich wohl glauben dürfen, daß der Tag, an dem ich vor 50 Jahren in den Dienſt unſerer Kirche berufen wurde, in jener Stille an mich herantreten werde, die es mir möglich machte, allein mit mir im dank⸗ baren Herzen den Denkſtein von Eben-Ezer zu ſetzen: „Bis hieher hat der Herr geholfen.“ Allein ſchon vor Wochen haben zu meiner nicht⸗ freudigen Überraschung die öffentlichen Blätter mich aus jener wohl⸗ tuenden Hoffnung aufgeſchreckt, als ſie der Welt verkündeten, was ihr in der Tat ſo fern lag.

„Nun haben Sie, hochgeehrter Herr Landeskirchenkurator, mit jener Herzlichkeit, die ſchon in unſerer langjährigen gemeinsamen ernſten Arbeit wurzelt, zugleich im Namen der ſoeben zu mehrfach ſchwerem Werk verſammelten Vertreter unſerer teuern Landeskirche jener Zeit gedacht, und naturgemäß neben dem tiefen Gefühl großen Dankes gegen ihn den Herrn Herrn, deſſen Gnade mächtig war auch über mir, großen Dankes gegen alle Güte und Liebe und Treue und Freundſchaft, die mir ein langes Leben hindurch, es wunderbar verſchönernd, zur Seite gegangen, das ernſte Gefühl ſtiller Wehmut in mir wachgerufen. Denn ſie haben einen Wanderer begrüßt, den fein Weg der finfenden Sonne nachführt und aus den Wipfeln, die die Abendröte vergoldet, und nicht nur aus ihnen ſpricht es mahnend zu ihm: Warte nur, balde! Ja, wenn der Blick des von der Höhe Herabſteigenden ſich zurückwendet, fällt er, ach, nur zu oft auf Trümmerhaufen, welche Werke bedecken, an denen er einſt mit den Beſten unſeres Volkes und unſerer Kirche zu arbeiten ger würdigt geweſen, und das Wort des Sehers und Sängers vom neuen Leben, das aus den Ruinen blüht, umhüllen gar oft ſo dunkle Wolken.

„Doch dieſer Stunde ziemt die Klage nicht und nicht die Mut, loſigkeit nicht angeſichts des zweifelloſen ſtarken Willens unſeres Volkes, das auch weiter leben will, leben der Väter würdig, um die auch für den Staat koſtbaren Güter ſeines Daſeins als wertvolles 2 den Nachtommen zu hinterlaſſen; es ziemt Klage und * nicht

Georg Daniel Teutſch

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gegenüber dem neuen großen Arbeitsfeld, das auch un öffnet, wo tauſend fleißige Hände regen helfend ſich in N nicht im Hinblick auf das Reich der Wiſſenſchaft, auf d 0 Jugend Gott ſegne ſie! ſich mit freudigem Eifer in die der Alten ſtellt. So kann ich denn nur aufs neue meinen Dank ausſprechen für das Wohlwollen, das Ihr freundli Teilnahme dem, in fünfzigjährigem Dienſt der Kirche ergraut dargebracht hat, mit dem ſich die ebenſo herzliche Bitte ver alle wollen ihm mit Ihrer fördernden und tragenden Liebe dem weitern Weg, ſolang ihm Gott die Kraft dazu gibt, wie b zur Seite ſtehen.

„Gott ſegne Sie Alle in Haus und Amt!“

Die Landeskirchenverſammlung erledigte zunächſt die frage, indem fie die Anderungen des Konſiſtoriums genehm dann für die aufbauende Arbeit der Kirche einige neue Bauſteine

Schon 1890 waren Beſtimmungen über Erhöhung der Lehr in den Volksſchulen geſchaffen worden, 1892 geſchah dasſelbe ziehung auf die Gehalte der Mittelſchullehrer. Es war zweifellos gewor! daß der Kampf ums tägliche Brot, dem ſie ausgeſetzt waren, ih ſchwer zu ſchädigen drohte und ſo gab das Konſiſtorium dem Di aus Lehrerkreiſen endlich nach, die Gehaltsbeſtimmungen nicht den O gemeinden zu überlaſſen, ſondern erhöhte Gehalte als Verpflichtung zuſtellen. Es hat lange gebraucht, bis Teutſch überzeugt wurde, daß es wirklich nicht unberechtigte Sucht nach Erwerb war, die aus dem Drängen der Lehrerkreiſe ſprach, ſondern der Schrei der grimmen Not. Er dachte an die eigenen kargen Gehalte der Lehrerzeit und meinte eine Zeit lang, es fehle der Idealismus der alten Zeit, bis er erkannte, daß es in der Tat dringend nötig ſei, zu helfen. Daß die Beſoldungsfrage nicht allein zu entſcheiden ſei, ſondern eine ganze Reihe anderer Fragen dabei mit zu behandeln ſeien, war ihm klar. Zur Vorbereitung hatte das Konſiſtorium im April 1892 eine Mittelſchulenquete zuſammenberufen, die der Biſchof am 20. April eröffnete. Die mit der Gehaltsfrage eng zuſammenhängenden Fragen wurden eingehend erörtert und auf dem gemeinſam gefundenen Grunde löſte die Landeskirchenverſammlung die Sache. Es war der größte Fortſchritt, daß die Gymnaſien in bezug auf die Gehalte den doch oft kleinlichen Geſichtspunkten der Presbyterien entzogen wurden und die Geſamtheit helfend eintrat.

Das letztere war allerdings nur dadurch möglich, daß auf dem Gebiet des Seminarweſens ein Schritt getan wurde, der eine neue Bahn

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betrat. Alle Organiſationen und Reorganiſationen des Seminarweſens auch nach 1878, bekanntlich hier die Anſtalten zur Heranbildung der Volksſchullehrer und Hilfsgeiſtlichen wie der Pfarrer an den kleineren Orten hatten nur das Eine bewieſen: es war unmöglich, die fünf Seminarien der Landeskirche aufrecht zu erhalten. Die erhöhten Forde⸗ rungen der Gegenwart, Mangel an Schülern, Mangel an Mitteln, alles zwang, der Verſchwendung endlich zu ſteuern, die in der Erhaltung von fünf Anſtalten lag, wo eine genügte. Es war ein Schritt zu dieſer notwendigen Konzentrierung der Anſtalten, als die Landeskirchenverſammlung 1890 den Bau des Landeskirchenſeminars in Hermannſtadt beſchloß und dieſes den Anforderungen der Gegenwart entſprechend einrichtete. Schon 1892 war es möglich, der Landeskirchenverſammlung die Aufhebung der andern Anſtalten zuzumuten. Der Beſchluß iſt denn auch gefaßt und durch⸗ geführt worden und iſt von weittragenden, im voraus vorgeſehenen Folgen geweſen. Die Vorbildung der Volksſchullehrer und der Hilfs⸗ geiſtlichen wie der nicht akademiſchen Geiſtlichen in der Kirche ift dadurch eine einheitliche geworden und das Zuſammenſein der Jugend aus dem ganzen Lande hat den Gedanken der Einheit und Zuſammengehörigkeit der Kirche weiter gefeſtigt. Ein Teil der durch die Konzentrierung ftei⸗ gewordenen Mittel wurde nun ſofort zur Erhöhung der Gehalte an den Mittelſchulen verwendet.

Auch nach zwei anderen Richtungen waren in den letzten Jahren innerhalb der Kirche neue Wege betreten worden, die davon Zeugnis ablegten, wie immerfort neben dem Schwert auch die Kelle gebraucht wurde: es war ein allgemeiner ev. Frauenverein gegründet und die Sorge für die Diafpora neu aufgenommen worden. Die Anregung zur Gründung des Frauenvereins war vom Superintendentialvikar Dr. Fr. Müller ausgegangen und bei der Sorge für die Diaſpora hat er wieder in erſter Reihe mitgewirkt.

Bei der 11. Landeskirchenverſammlung 1883 war eine Beſprechung über die Frauenvereine abgehalten worden, Dr. Müller hatte den Plan und die Aufgaben derſelben entwickelt und das Landeskonſiſtorium brachte die Angelegenheit in Fluß, indem es einen Entwurf der Statuten an hterien mitteilte und die Gründung von Ortsvereinen als el hinſtellte, die dann ſofort zu einem Geſamtverein zuſammen⸗ zuſchließen ſeien. „Unſere ev. Kirche jo hieß es in jenem Rund⸗ ſchreiben iſt im Laufe des letzten Jahrhunderts, wie ſehr fi ſch ſonſt bemüht hat Schritt zu halten mit andern Kirchen in allem, worin ev.

Christentum zum Ausdruck gelangt, nach einer Seite hin doch 17 ſtart g 34

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insbeſonders hinter den Schweſterkirchen Deutſchlands daß nach dieſer Seite hin nicht länger zu zögern heilige i

Die Armenpflege im weiteften Sinn des Wortes liegt 1 urſprünglich im eigenſten Weſen des Chriſtentums, daß vom reichſten Segen ſich ausſchließen heißt. Nun hat war a unſerer Kirche zu keiner Zeit an fröhlichen Gebern gefehlt, und na;

auch für ſolche Zwecke; aber die Verwendung dieſer Gaben geregelt genug, zog die perſönliche Mitarbeit zu wenig he verfehlte jo nicht ſelten ihre beſte Abſicht. Wir müſſen d was anderwärts in dieſer Hinſicht geſchehen und erfahren die geordnete kirchliche Arbeit an der Linderung der zahlreii ftände in Haus und Gemeinde darf uns nicht länger fremd bleil

„Insbeſondere wird hier mitzuhelfen eine ebenſo ſchöne evangeliſche Aufgabe der Frauen ſein, eine Aufgabe, die ihnen ihre Natur, das Vorbild der älteſten apoſtol. Kirche und das Bei ev. Kirchen anderer Länder jetzt gleichmäßig ans Herz legen.“ Es e denn auch ſofort in etwa fünfzig Gemeinden ev. Frauenvereine, d dieſe Ziele aufnahmen, in wenigen Jahren waren es hundert un das war die Hauptſache, daß in 10 Jahren des Beſtandes durch Vereine 107.146 fl. 79 kr. aufgebracht worden waren, ſondern daß Kräfte in den Dienſt des Volkes und der Kirche geſtellt worden war die bisher brach gelegen. Neben die großen Leiſtungen des Hermannſtä Vereins, die ev. Krankenpflegeanſtalt u. ä. ftellten ſich die kleinen Orte mit ihren rührenden Zügen tätigen Chriſtentums und wenn alljährlich bei den Hauptverſammlungen, die zuſammen mit dem Guſtav⸗Adolf⸗ Verein tagten, der Biſchof das Schlußwort oder das Schlußgebet ſprach, dann fühlten die Anweſenden, wie auch hier das Schriftwort ſich bewährte: „Ich will dich nicht verlaſſen, noch verſäumen.“

Die Sorge für die Diaſpora iſt unſerer Kirche erſt von der Gegenwart aufgenötigt worden. Solange das befriedete Leben der alten Zeit hier die geſchloſſenen Gemeinden zuſammenhielt, gab es keine oder doch faſt keine diaſporierten Evangeliſche. Erſt als das Leben mit ſeinem ſchwerer gewordenen Erwerbe die Leute zwang, auch in der Fremde ihren Erwerb zu ſuchen, mußte die Kirche dafür ſorgen, daß ſie ihr nicht entfremdet wurden. Schon die 6. Landeskirchenverſammlung im Jahr 1870 nahm die Zuweiſung der zerſtreut lebenden Glaubensgenoſſen an einzelne Muttergemeinden in Ausſicht, um ſie geiſtlich verpflegen zu laſſen. Doch war die Durchführung erſt 1887 möglich, nicht ohne daß natürlich bis dahin in Einzelfällen und dort wo größere Gruppen Evan⸗

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geliſcher zuſammen waren, zeitweitige Paſtorierung stattgefunden hätte. Die Landeskirchenverſammlung von 1887 faßte zugleich den Beſchluß, einen Reiſeprediger anzuſtellen mit der beſonderen Aufgabe, für die Diaſpora zu ſorgen. Im Jahre 1890 gelang es endlich, einen Mann für dieſes ſchwere Amt zu erhalten, das erſt nach etlichen Wandlungen, wie es bei einer neuen Inſtitution kaum anders möglich iſt, feſten Boden unter den Füßen gewann.

Eine andere Angelegenheit, die lange Jahre die öffentliche Meinung beſchäftigt hatte, fand weſentlich auf ihr Drängen 1893 eine Löſung, das war die Präſentation der Pfarrer. Die Koſten der Einführung in das geiſtliche Amt, in manchen Bezirken ausſchließlich auf dem neuge⸗ wählten Pfarrer laſtend, waren faſt unerſchwinglich hoch geworden. Als trotz allen Drängens eine Anzahl Bezirke nicht Hand an die Heilung legen wollte, nahm das Landeskonſiſtorium die Sache in die Hand und machte eine Ordnung, wornach die Koſten ſtets zwiſchen Pfarrer und Gemeinde zu teilen ſeien und für dieſe Koſten beſtimmte Grenzen feſt⸗ geſetzt wurden. Zugleich wurde auch der kirchliche Akt der Einführung in eine neue Form gebracht und einheitlich geregelt. 2

Viel Arbeit machte in den letzten Jahren die Penſionsanſtalt. Es galt immer aufs neue Vorkehrungen zu treffen, daß die Leiſtungen nicht geringer waren als die der ſtaatlichen Anſtalt und da ſie ganz aus Mitteln der Kirche, urſprünglich nur der Geiſtlichen und Lehrer errichtet und erhalten wurde, ſpäter auch der kirchlichen Gemeinden, war es ſchwer, den vielfachen Anſprüchen zu genügen. Dr. Bedeus und Direktor Karl Albrich haben das bleibende Verdienſt erworben, die Anſtalt leiſtungs⸗ fähig gemacht und gerettet zu haben.

Wie viel tiefe innere Aufgaben übrigens Teutſch auch in den letzten Jahren ſich und der Kirche ſetzte, das ſprach er in der Eröffnungs⸗ rede zur 15. Landeskirchenverſammlung 1892 aus: „Die Agende wird in einigen Wochen zum Drucke kommen. Darnach iſt eine neue Ausgabe des Geſangbuches in Ausſicht genommen, die nach den bisherigen Vor⸗ arbeiten und nach den gemachten Erfahrungen wohl in Bälde erfolgen kann und erfolgen wird; eine Neuordnung des Gottesdienſtes, die nach den Ergebniſſen der Kirchenviſitation und nach den Außerungen aus mehr als einem Kirchenbezirk ein tiefgefühltes Bedürfnis ift, wird ſich nature gemäß daran ſchließen. Noch ſchwerere organisatorische Aufgaben ſcheint eine nahe Zukunft bringen zu wollen. Nach den Entwicklungen, in die unſer Mittelſchulweſen von außen und innen gedrängt wird, kann die Kirche in kurzem vor der großen Frage ftehen, wie fie für die vera

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bildung eines tüchtigen, theologiſch gebildeten, arbeitsfrei

Evangelium begeifterten kirchlichen Nachwuchſes zum ſorgen haben werde, zum geiſtlichen Amt, an das gleich und ſchwerere Aufgaben herantreten. Von welcher Bedeu Frage, zeigt die Mahnung der Geſchichte, daß der Völker Los beſtimmt wird durch ihr Verhalten zum wohl kaum je dringender als in der Gegenwart rechter Arbeiter bedurfte.“ .

„Daß auch dieſe Stellen der gemeinen Not des Tages, d immer ſo viele drückt, zum Heil der Kirche ſelbſt entzogen w müſſen, mehr als das bisher geſchehen konnte, iſt keine Frage.“

Unter ſolchen Umſtänden war es ihm ein Troſt, die! fähigkeit der Kirche immer aufs neue ſich bewähren zu ſehen, für den Guftav-Adolf-Berein in dreißig Jahren 118.900 ſammelt und von 1867—1890 für kirchliche und Schulbauten erwähnt) 1,634.9 15 Gulden verwandt, nicht gerechnet was die aus eigenem nur für die Volksſchule jährlich aufbrachten 250.000 Gulden!

Die neuen Ziele aber, die Teutſch ſetzte, der Fünfundſiebzigjäh find ein neuer Beweis für die Spannkraft feines Geiſtes Man darüber im Zweifel ſein, was größer bei ihm war, die Fähigkeit jungen Mannes, bei den neuen großen Zielen für ſein Volk, die a Grundlagen feſtzuhalten oder des ausgereiften Mannes, der feſt auf de Boden der gewordenen Verhältniſſe ſtand und dabei imſtande war, das Neue zu erkennen und das Abſterbende beiſeite zu ſchieben. g

Inmitten dieſer Sorgen und Nöte aber griff er am liebſten zu Erholung in die Wiſſenſchaft. „Von den ermüdenden Arbeiten des Amtes und dem immer wiederkehrenden Kampf gegen Schlechtigkeit und Dummheit die letztere auch in der eigenen Mitte gedrückt, mußte ich mich zu Anfang des Jahres wieder einmal in die Stille der Wiſſenſchaft retten, um Lebens- und Arbeitsfriſche zu erneuern,“ ſchrieb er 1884 einmal an Schuſter in Broos und gerade in den letzten Jahren tat er es mit beſonderer Erhebung. Denn dieſe Blicke in die alte Zeit erhielten ihm die Kraft zum Kampf mit der neuen und er hoffte dieſe Wirkung auch auf andere. Wo er einen Zug ſächſiſcher Treue und Ausdauer fand, da wars ihm, als begegne er ihm im Leben und er freute ſich daran.

Die äußere Veranlaſſung zu wiſſenſchaftlichen Arbeiten boten die Generalverſammlungen des Landeskundevereins ; die Eröffnungsreden wuchſen, ſeit in den letzten Jahren keine Denkreden ſich ergaben, zu

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größern Eſſays aus; einer behandelte aus Anlaß der Generalverſammlung in Mühlbach den Anteil Mühlbachs an der ſiebenbürgiſch⸗ſächſiſchen Geſchichtsſchreibung im weiteren Sinn, ein zweiter im Anſchluß an Birthälm, den Ort der Verſammlung, Einiges aus deſſen Vergangenheit und bot Proben aus G. P. Binders Gedichten. Die letzten Jahre nahm er aus der Wiederkehr der 90 er Jahre Anlaß, die Zeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts zu behandeln. So boten die Reden zur Eröffnung der Jahresverſammlungen des Landeskundevereins 1890, 1891 und 1892 tief ausgeführte Studien über die ſiebenbürgiſchen und ſächſiſchen Zuſtände unter Joſef II., den Klauſenburger Landtag 1790/91 und die literariſche Bewegung unter den Sachſen vor hundert Jahren. Als vierte hatte er die Entſtehung, Inhalt und Bedeutung von Schlözers Arbeiten über unſere Geſchichte in Ausſicht genommen. Sie alle zeigen die Vorzüge ſeiner Geſchichtsſchreibung. Auf den Quellen ruhend erfaſſen fie das Weſen der Dinge, die Darſtellung kein ſtürmiſches Drängen, ſie ſpiegelt im ruhigen Fluß der Erzählung das abgeklärte Bild des Forſchers, der von der Höhe feiner Zeit und einer ausgereiften Welt- und Lebens⸗ anſchauung in die Tiefen der Vergangenheit ſieht, der nicht verhehlt, auf welcher Seite für ihn Recht und Unrecht ſteht und dem die Ereigniſſe der Vergangenheit zum Gleichnis der Gegenwart werden. Auf dem Hinter⸗ grund der ganzen ereignisreichen Zeit zeichnete die erſte Arbeit die Tage Joſefs, was auch die ſächſiſche Nation von ihm erlitten hat, Brukenthals be⸗ deutſame Perſönlichkeit, den Kampf der Sachſen um ihr Recht. „Damit wurde zugleich eine neue Macht in der, ihrem alten Rechtsſtand zurückgegebenen Nation lebendig. Es galt die Gerechtigkeit von Joſefs Widerruf zu beweiſen und ähnlichen möglichen Stürmen für die Zukunft vorzubeugen: dazu griff ſie zu den Waffen der Wiſſenſchaft.“ Im Zuſammenhang damit ſtanden Schlözers Arbeiten. „Mit einem Schlage hatte die Siebenbürgiſch⸗ deutſche Verfaſſungs- und Rechtsgeſchichte angefangen. Und das iſt ein großes Ergebnis der Joſefiniſchen Periode für das Volksleben der Sieben⸗ bürger Sachſen und deſſen weitere Geſtaltung. Aus der Nacht des Druckes jener Zeit ging die neue ernſte Teilnahme der deutſchen Wiſſenſchaft an feinem Himmel auf. Sie iſt ſeither nicht untergegangen und wird nie untergehen.“ N 1

Die zweite Abhandlung ſchloß unmittelbar an diese an. Sie zeichnete den Rückſchlag gegen die Zofefinifche Zeit, die Reſtauration unter Leopold II. und den Klauſenburger Landtag von 1790/91. Alle Fragen, die durch das kommende Jahrhundert die Gemüter hierzulande bewegten, traten auf jenem Landtag ſchon hervor, was dort in der Ver⸗

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faſſungsfrage, den Nationalitäts-, konfeſſionellen und Spr geſchah, war ein Wetterleuchten der kommenden Kämpfe. ſuchung bot beſonders darin Neues, daß fie die ( artikel bis zu ihrer Beſtätigung behandelt, die ihnen Form gab als der Landtag ſie beſchloſſen hatte. = hundert, das auf dieſe Gejege folgte, iſt die Entwicklung nach ihren konſervativen, nach ihren fortſchrittlichen oder uf Tendenzen unter ihrem Einfluß und unter der Einwirkung geſtanden, welcher bei ihrer Schaffung tätig war, zu vollerem kam oder neu lebendig wurde. Darin liegt für Siebenbürgen Nationen, für ſeine Rechts- und Kulturgrundlagen mit die außero Bedeutung derſelben.“ Die Rede ſchloß mit den Worten, denen mütige Seitenblick auf die Gegenwart ein eigenes Gepräge der Spitze eines jener Geſetzartikel haben die Stände in 9 Weiſe das Ziel bezeichnet, um deſſen Erreichung willen ſie ihn „um die beſtändige Harmonie der brüderlichen Liebe und des zu bewirken und hiedurch die öffentliche Befriedigung des Vater unerſchütterlich zu machen.“ Gewiß ein Ziel, „des Schweißes der wert und das in der Aufgabe des Rechtsſtaates liegt.“ 0 Die letzte der drei genannten Abhandlungen, vorgeleſen zur öffnung der 45. Generalverſammlung des Vereins für ſiebenbürg Landeskunde, führte auf den literariſchen Kampfplatz in die Zeit hundert Jahren. Des Verfaſſers Freude überträgt ſich auch auf Leſer, daß die Bücher ſich mehrten, die das Recht dieſes vielgedrückten ſächſiſchen Volkes nachwieſen, fein Recht als deutſcher Landſtand zu be⸗ ſtehen verteidigten, die Kraft für dieſes Recht einzuſtehen ſtärkten. Neue Gedanken kamen ins Volk, der Zeitgeiſt ſpiegelte fich auch in den kleinen Erſcheinungen hier wieder. Die Zeichen einer neuen Periode, „kleine Bächlein, die in neugegrabenen Betten dahinfließen; aber es iſt doch ein größerer Geſichtskreis, der ſie umſchließt und eine Fülle neuer anregender Erkenntnis kommt dem deutſchen Haus und der deutſchen Schule zu.“ Für den Verfaſſer aber war es bezeichnend, wie er ſchloß: „So wuchs im ſächſiſchen Volk und dem ihm aufgedrungenen Kampf ums Recht die Kenntnis ſeiner Vergangenheit und das Verſtändnis der Grundlagen ſeiner ſtaatsrechtlichen Stellung; die innere Teilnahme an den nationalen Intereſſen erfaßte die Gemüter tiefer und der Hauch des Idealen, der nie fehlt, wo ein Recht verteidigt wird, hob die Seelen. Und wenn es wahr iſt, daß es ein Verſtändnis der Gegenwart nicht gibt ohne Kenntnis der früheren Zeiten, ſo gewährt ein Rückblick auf jene geiſtig⸗ſittliche

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Bewegung, von welcher uns jetzt gerade ein Jahrhundert trennt, nicht nur jenen feſſelnden Reiz, den jedes Verfolgen „der geiſtigen Adern der Dinge“ in ſich ſchließt, ſondern nährt auch die Wurzeln des Lebens der Gegenwart durch jene Kraft, die nach einem tiefen Wort Rankes aus der Erinnerung an die alte Zeit und die großen Beiſpiele der Vorfahren dem Denkenden gerne erwächſt“.

An Trauſchenfels hatte er im Anſchluß an dieſe Arbeiten am 22. Januar 1891 geſchrieben, er hoffe, „daß das Ergebnis derſelben doch vielleicht etwas beiträgt zur Aufrechthaltung des Volksgeiſtes.“ Ihm ſelbſt hatten ſie erſchütternd nahgelegt, „wie der Deſpotismus, den das Jahr 1790 begrub, in der parlamentariſchen Regierungsform der Gegenwart noch revolutionärer und zerſtörender uns gegenüber wirkt!“

Unmittelbar an die Hauptverſammlung unſerer Vereine 1892 jollte ſich für Teutſch die Reiſe nach Bremen zur Verſammlung des Guſtav⸗ Adolf-Vereins ſchließen. Er freute ſich außerordentlich darauf. Wie oft hatte er ſeinen Jungen vorgeſagt: Roland der Rieſ' am Rathaus zu Bremen geſehen hatte er ihn und die Stadt noch nicht, in der unter anderem eine Zeit lang auch Dräſecke gelebt und gewirkt, deſſen Predigten er ſo hoch hielt. Dabei wollte er wieder die Tochter in Bonn beſuchen und zugleich ein großes Stück Welt der zweitjüngſten Tochter (Bertha) zeigen. So fuhren denn Vater und Tochter am 26. Auguſt 1892 von Hermannſtadt fort. In Wien trafen fie den Schwiegerſohn, Gymnaſiallehrer W. Weiß, der beſonders in der muſikaliſchen Aus⸗ ſtellung den kundigſten Führer machte und erfreuten ſich an der immer neuen Schönheit der Donauſtadt und an allem, was ſie an Kunſt und Staunenswertem bot. Da traf ſie die unangenehme Nachricht, daß aus Anlaß der Cholera in Hamburg die Verſammlung in Bremen abgeſagt war. So entſchloß ſich Teutſch zu einer kleinen Rundfahrt in Osterreich da es angeſichts der Vorſichtsmaßregeln an der Grenze läſtig war, die Fahrt auch nur nach Bonn zu wagen. Sie fuhren über Salzburg leder in böſem Wetter Reichenhall nach Gmunden und Iſchl, wo das Wetter auch nicht beſſer wurde und am 7. September ſie wieder nach Wien zurückſcheuchte. Dort konnte Teutſch die alten Bekannten wieder grüßen, darunter F 3 M. Schönfeld und Bauer, hatte mit Deines „eine Stunde voll ſprühendſten Lebens“, fand bei Kalnoly und dem Prinzen Reuß die alte herzliche Aufnahme und traf nach 27 Jahren wieder mit dem greifen Vorchgrave zujammen, der nicht nur über die Einwanderungsfrage der Sachſen, ſondern auch die gegenwärtige Not des Landes und Staates ſich ſehr unterrichtet zeigte. Nach kurzem

Aufenthalt in Pet waren fie am 18. September w 19. September waren es 25 Jahre, daß er Biſchof „Gnade um Gnade“ empfand er es und das Pſalmwort der Seele, mit dem er den Tag des fünfzigjährigen Di und Schule bezeichnet hatte: „Herr deine Güte reicht ſo iſt und deine Wahrheit ſo weit die Wolken gehen“. An die Bonn aber ſchrieb er: „Wenn man das 70. Jahr überjd fallen einem ſolche Tage haufenweis in den Schoß, wie im Baume die reifen Früchte. Mich ergreift dabei immer ftille er im Gefühl, wie ich der ſinkenden Sonne nachgehe, aber Empfindung tiefen, tiefen Dankes für das, was Gott in mir namentlich auch durch treffliche Menſchen geſchenkt.“ Die vorbereitete Anſprache an den Guftav-Adolf-Berein in jo bezeichnend für ihn mag hier eine Stelle finden. So reden wollen: . „Vom Fels zum Meere,“ das geflügelte Wort, unter deffen das Deutſche Reich Gott ſegne es von neuem geboren iſt z als alter Herrlichkeit, es hat für unſere evangeliſch-proteſtantiſche noch tiefere Bedeutung, umfaſſendern ökumeniſchen Sinn; es iſt Überſchrift eines „Liedes im höhern Chor.“ Nicht der hoch Gebirgswall, nicht die ungaſtliche Meerflut, jo ſpricht hier ein mahne Banner, darf die evangeliſchen Herzen und Gemeinſchaften trennen, im Geiſt und in der Wahrheit unſeres Herrn und Heilandes vereinigt, ſeinem Worte folgend, am gemeinſamen Werk evangeliſcher Liebesarbeit bauen wollen. Und ſo hat es ſich mit Gottes Gnade gefügt, daß durch die Huld unſeres erlauchten Monarchen Gott ſegne ihn! auch aus den fernſten Grenzen des treuverbündeten Nachbarreiches die mithelfenden Arbeiter an dieſem Jahres- und Freudenfeſt des Guſtav⸗Adolf⸗Vereines nicht fehlen. So kann auch ich aus der weit entlegenen Felſenburg der Südoſtkarpathen Ihnen, teuerwerte Herren und Brüder, heute den Segens⸗ gruß jener Kirche bringen, die faſt zu derſelben Zeit, als das von Menſchenſatzungen gereinigte Evangelium hier am deutſchen Meere ſeine ewige Lebenskraft bewährte, dort, damals ‚im Rachen der Türken“ von deutſcher Glaubenstreue gegründet, und deutſchem Märtyrertume erhalten wurde. Wir bringen dieſen Segensgruß Ihnen aus um ſo dankbarern Herzen, je tiefer wir ſeit dem Menſchenalter, da Sie uns ſo brüderlich aufgenommen, empfinden, was Ihre Handreichung uns bedeutet, und mehr als das, der Geiſt des Troſtes, der Stärkung, der Vertiefung der religiöſen Erkenntnis und des religiöſen Lebens, der wie eine Engels⸗

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begleitung mit ihr zu uns kommt. So erfüllt ſich nicht nur in den Tagen, wie die gegenwärtigen find, jondern immerdar, wenn der Geiſt unſeres Vereines an ihre Pforte pocht, an jenen fernen Gemeinden das Wort, das die Apoſtelgeſchichte von Paulus verkündet: da er die Brüder ſah, dankte er Gott und gewann neue Zuverficht, und eben darum bringt unſere oberſte Kirchenbehörde ihm heute, da er in das ſiebente Jahrzehnt ſeiner gottbegnadeten Arbeit eintritt, dankbar den Heilsgruß, mit dem einſt Moſes einen Stamm Israels ſegnete: „Er ſei geſegnet mit Söhnen, er ſei angenehm feinen Brüdern und tunke ſeinen Fuß in Ol; Eiſen und Erz ſei an ſeinen Schuhen; dein Alter ſei wie deine Jugend.“

„Und alles Volk vom Fels zum Meer ſage dazu: Amen!“

Ihn ſelbſt bewegte zu Hauſe wieder doppelte Sorge. Ein Sohn, der eben mit den juridifchen Studien und Prüfungen fertig war (Dr. Konrad Teutſch) hatte angefangen, an ſchwerem Aſthma zu leiden, gegen das die Arzte keine Mittel fanden; auch der Aufenthalt im Höhenklima und in üdlichen Orten brachte wenig Linderung und wie Teutſch jedesmal durch Krankheitsfälle im Hauſe ſehr angegriffen wurde, drückte ihn auch dieſes ſtark nieder und machte ihn höchſt beſorgt, bemüht zugleich alles zu tun, um doch der Krankheit Herr zu werden. Dazu kam wieder die öffentliche Not, die kirchenpolitiſche Frage drängte ſich immer mehr in den Vordergrund. .

In Siebenbürgen war es altes Landesgeſetz (Beſchluß des Land- tags 1790/91), daß in gemiſchten Ehen die Kinder der Konfeſſion der Eltern zu folgen hätten, die Knaben dem Vater die Mädchen der Mutter und alle gegenteiligen Reverſe hatten keine Gültigkeit. Die Kirchen hatten dabei in leidlicher Ruhe neben einander geſtanden. Die gemiſchten Ehen lonnten in beiden Kirchen der Brautleute getraut werden. In Ungarn war ſeit den Thereſianiſchen Katholiſierungsverſuchen und den Joſefiniſchen Wirren über dieſe Religionsfrage ſchwerer Kampf ausgebrochen, der nach langen Verhandlungen auch mit der römiſchen Kurie endlich in der Art gelöft worden war, daß gemiſchte Ehen mit voller Gültigkeit auch vor dem evangeliſchen Pfarrer geſchloſſen werden konnten; den Brautleuten ſtehe frei, ſich über die Religion der Kinder zu einigen, aber ſolche Verträge hätten keine bindende Kraft, es ſollte deren Durchführung nicht erzwungen werden können. Dieſer halben Maßregel machte das Jahr 1868 ein Ende, indem die Beſtimmung der ſiebenbürgiſchen Geſetze voll. inhaltlich über ganz Ungarn ausgedehnt wurde. Jahrelang ift damit ein gutes Auskommen geweſen. 8 Rene

Nun kam es doch vor, daß hin und wieder die Taufe in einer

anderen Kirche vollzogen wurde, als zu welcher der Täi Geburt gehörte. Der ungariſche Kultusminiſter ordnete müſſe der Geiſtliche, der fie vollziehe, dem Geiſtlichen j anzeigen, zu der der Täufling nach dem Geſetz gehöre.

Da weigerte die katholiſche Kirche in Ungarn ſich! Verordnung zu vollziehen. Die Weigerung hing augen Mobilifierung des Romanismus in allen Ländern zuſammen und einen Angriff des Ultramontanismus auf den modernen Staat, in Ungarn ſich wehren mußte. Zunächſt war die ungariſche entſchloſſen, dem Geſetz Geltung zu verſchaffen. Aber ſofort rid der Anſturm der katholiſchen Kirche eben gegen dieſes Geſetz ihr immer ein Dorn im Auge geweſen und verlangte deſſen ebı Es war für Teutſch eine außerordentlich ſchmerzliche Erfahrung, ſchon 1890 in Peſt Andeutungen erhielt, man werde am Ei Widerſtand der katholiſchen Kirche durch Einführung der zu brechen verſuchen. In einem Geſpräch mit Vay ſetzte er ei auseinander, daß dadurch erſt recht ewiger Krieg und ſchwerſte Sch des Proteſtantismus entſtehen müſſe. Dasſelbe ſetzte er dem Juſtizm Szilagyi gegenüber auseinander, es gebe nur ein Mittel zum | i die Aufrechthaltung und Durchführung des Geſetzes und in einer ein— gehenden Unterredung mit Cſaky im Dezember 1890 tat er das g Er erkannte zugleich immer deutlicher, daß die katholiſche Kirche zu die Aufhebung des Geſetzes von 1868 erſtrebte. .

Und nun iſts geradezu überwältigend, wie alles, was dieſem Leben Inhalt gegeben, in den letzten Monaten noch einmal ihm zuteil wird, Erhebung und Sorge, Kampf und Frieden, und wie in einem gewaltigen Tonſtück erhebend und erſchütternd zugleich ausklingt. {

Im Oktober 1892 erhielt auch die evangeliſche Kirche Siebenbürgens wie die evangeliſche Kirche in Oſterreich und in Ungarn vom deutſchen Kaiſer die Einladung zur Einweihung der Schloßkirche in Wittenberg; eine perſönliche Einladung gelangte außerdem an den Biſchof. Es ſchien als ſolle es ihm ein Erſatz für Bremen ſein. Am 25. Oktober fuhr Teutſch denn abermals dem Norden zu. In Leipzig hatte er einen ge⸗ nußreichen Abend bei Zenker, beſte Stunden bei Pank und konnte Fricke zur 50 jährigen Mitgliedſchaft im Guſtav-Adolf- Verein den Glückwunſch darbringen und unterließ nicht, die Tochter des lieben Freundeshauſes Margarethe Wachsmuth zu beſuchen. Am 30. Oktober fuhr er nach Wittenberg und nun folgte das ſchöne Feſt, das die evan⸗ | geliſch deutſche Welt zu einer großen Einheit um die Gedanken der Refor⸗

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mation ſcharte, wobei der deutſche Kaiſer das herrliche Bekenntnis des evangeliſchen Glaubens ablegte. „Ich rechne den Tag zu den erhe⸗ bendſten meines Lebens ſchrieb er an die Tochter in Bonn die Feier war durch Schönheit, Glanz, Würde, innere Bedeutung nach allen Richtungen hin geradezu ausgezeichnet, der Eindruck derſelben muß bei allen unverlöſchlich ſein. Du kannſt dich in meine Empfindungen hinein⸗ denken, als ich auf dem Marktplatz dort auf jo weihevoller Stelle vor Luthers ehernem Standbild von ſo vielen alten Freunden freudig begrüßt eine neue große Zahl Trefflichſter perſönlich kennen lernte. Die kirchliche Feier war geradezu ergreifend, der hiſtoriſche Feſtzug ein Kunſtwerk, die Aufführung von Herrigs Lutherfeſtſpiel, vor einem Parterre vor Fürften‘, auf das höchſte gelungen.“ Am Abend des 30. Oktober war er beim Superintendenten Quandt im alten Pfarrhof, wo Bugenhagen gewohnt, mit dem lieben Freund Rogge, mit Frommel, Pank, Tſchackert, Rietſchel u. A. in gehobener Stimmung beiſammen. Als er mit Erdmann im ſchönen Mondſchein auf langem Umweg nach Hauſe ging, ſtiegen die Erinnerungen an 1839, wo er als Student dort geweſen war, in ihm auf und die Gedanken flogen in die alte Zeit zurück. Am nächſten Tag lernte er den Präſidenten des preußiſchen Oberkirchenrats Barkhauſen, Kultus⸗ miniſter Boſſe und Goßler kennen schmerzlich war ihm, daß ihm trotz allen Suchens nicht gelang, Hermens im Gewühl zu entdecken, den ein eigenes Mißgeſchick gleichfalls hinderte, mit Teutſch zuſammenzutreffen. Bei der kaiserlichen Tafel ſaß er an der inneren Seite zwiſchen dem Württembergiſchen Geſandten v. Moſer und dem baieriſchen Oberkirchen⸗ ratspräſidenten Stähelin, die 5. Stelle vom Kaiſer, neben dem der Großherzog von Weimar ſaß, Teutſch gegenüber der Erb⸗Großherzog von Weimar. Letzterer begann über die breite Tafel hinüber ein Geſpräch mit Teutſch, da trat ein Hofbeamter zu Teutſch: Seine Majeſtät wünſche ihm zuzutrinken. Mit fliegenden Worten belehrte der Württembergiſche Geſandte ſeinen Nachbarn über das was zu tun ſei und ſo ſtand Teutſch flags auf, Se. Majeftät wintte huldvoll mit dem Glase und krank, Teutſch verbeugte ſich tief, trank ſein Glas aus und ſetzte ſich nach neuer Ver⸗ beugung wieder nieder. Nach Tiſch ging die Geſellſchaft zum Feſtſpiel. Vor dem Eingang traf Teutſch mit Goltz und Frommel zuſammen, kein einziger Platz ſei mehr zu haben. Ein Hofbeamter ſchaffte Rat und fie erhielten nebeneinander drei leere Stühle in der zweiten Reihe. 1 Schlußworte flüſterte Frommel Teutſch freudig zu, das rühre von ihm her und ſei beſonders für dieſen Tag gemacht. Der Abend war wieder den Freunden gewidmet. Den Schluß bildete ein langer Spaziergang mit

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Rogge und Nippold, wobei die ernſte Rede die und vieles andere berührte. 3 >

Auf der Rückkehr konnte er in Wien tröftliche H Arzten wegen dem Sohn Konrad erhalten und war mit des Oberkirchenrates Dr. Franz, einem alten Beka Reuß geladen, und erfreute ſich, wie immer bei der Wien, an der freundlichen Häuslichkeit eines Neffen, Dr. dort einen ſchönen Wirkungskreis gefunden und die alte im Herzen trug. Am 9. November war er wieder daheim.

Unter ſolchen Eindrücken war die Geburtstagfeier am zember voll Zuverſicht und Erhebung, wenn auch nicht ohne „Das letzte Viertel ſchrieb er ins Hausbuch das Los gefallen aufs Liebliche, mir iſt ein ſchön Erbteil worden. Ich Herrn, der mir geraten hat.“ Pf. 16. 5, 6. „Der 76. ſchrieb er an die Tochter nach Bonn, hat mir den Eintritt in Viertel des Jahrhunderts eines Menſchenalters gebracht, das ganz doch ſo ſelten beſchieden ſein kann. Nun es ſteht in Seinen Über die ernſte Schwelle ſchreitend iſt meine Seele voll Dankes für „Gnade um Gnade“, die mir bisher aus Gottes Barm zuteil geworden. Mutter und Kinder hatten mitten im Winter auf Tiſch duftigen Blumenſchmuck gezaubert und ſo ſei denn das Weitere bisher dem Herrn empfohlen!“

Dieſelbe Stimmung umſchwebte den Weihnachtsabend, an dem er das Haus mit folgenden Worten grüßte:

Fu Weihnachten 1892. Aus längſter Nacht wächſt wieder der junge Tag; Sieh', neu zur Höhe kehrt ſich der Sonnengott Und ſtilles Ahnen grüßet im Herzen Seliger Hoffnung den künft'gen Lenz ſchon.

Den Boten ſandte huldreich die Weihenacht; Von Bergeshöhen kam er zum Menſchenkind Dem Himmel nah aus reinern Lüften

Ferne dem Staub der gemeinen Tiefe:

So ſei gegrüßt uns ſtrahlender Chriſtbaum du, Im Kleid der Hoffnung tröſtend nach dunkler Nacht, Und Dankgefühle tief und heilig Heben die Herzen, die hier dir ſchlagen. Daß liebreich waltend gnädig des Lebens Herr Gebot dem Schickſal: laſſe du ab nun hier Daß ſtill'rer Wehmut ſie am heil'gen Abend gedenken des herben Leides.

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Ja, jei geſegnet leuchtender Chriſtbaum du, Der du zu dir des Hauſes Gemeinde ruſſt, Die in des Lebens wilden Stürmen Sicherſten Hafen des Friedens bietet. Und auch die Fernſten, welchen es nicht vergönnt Dein Licht zu ſehen, ſie ſind im Geiſte hier, Und mit den Alten eint die Jugend, Einet in Freude ſich kindlich Lallen. So ſei geweihet heilige Freude du, Und was die Liebe ſpendend von Herzen dir Gebracht, empfange zur Segensgabe, Die aus den Tiefen zur Höhe führet.

Die politiſchen Vorgänge aber zwangen zu neuem ſchwerem Kampfe ſich zu rüſten. Zunächſt gegen die kirchenpolitiſchen Geſetze, die die Regierung, zuletzt doch unvermutet dem Lande vorlegte und gegen die Teutſch nach langem Überlegen und innerem Kampfe Stellung zu nehmen ſich verpflichtet fühlte. Nicht aus dogmatiſchen Urſachen. Was die evan⸗ geliſche Kirche in Deutſchland angenommen hatte, das konnte ſie mit Rückſicht auf das Dogma auch hier. Aber vom Standpunkt der be⸗ ſtehenden Geſetze, der Autonomie der ev. Landeskirche, mit Rückſicht auf die Gefahr, die dem Proteſtantismus in Ungarn drohte, wenn das Geſetz über die Religion der Kinder in gemiſchten Ehen aufgehoben würde, und den ſtetigen Kampf, der ſich daran anſchließen mußte. Teutſch ſah klar, daß es ſich hier nicht um einen Kampf gegen den Ultramon⸗ tanismus handelte, wie man in Deutſchland vielfach fälſchlich meinte, ſondern daß die Aufhebung jenes Geſetzes eben das Ziel des Ultra- montanismus, der bereit war, um dieſes Ziel ſelbſt die Zivilehe in Kauf zu nehmen. Aber auch aus nationalen Rückſichten entſchied ſich Teutſch gegen dieſe Geſetzesvorlage. Denn Zivilmatrikel und Zivileheſchließung wurden von vorneherein als ein neues Mittel der Magyariſierung aufgefaßt. Den nichtmagyariſchen Völkern, darunter auch den Sachſen, drohte damit abermals neue Schädigung.

Dieſelben Monate ftellten die Kirche vor eine andere ſchwere Frage. Mit dem Schluß des Schuljahres 1892/98 ging die zebnjährige Friſt zu Ende, in der es den Kandidaten der ev. Landeskirche geſtattet war, nach Schaffung des Mittelſchulgeſetzes 1883, die Lehramtsprüfung vor der ſtaatlichen Kommiſſion in deutſcher Sprache abzulegen. Die Kirche hatte um Verlängerung der Friſt gebeten, und Teulſch hatte ſchriflic und mündlich bei Cſaky die Bitte unterſtützt. Er wies darauf hin, daß für die Sachſen die Mittelſchulen ein weſentliches Mittel zur Erhaltung

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ihres Volkstums und ihrer Kultur ſeien, daß dieſe Kultur

gegen die Romaniſierung ſei und daß das ſächſiſche Volk du deutſche Kultur vorzugsweiſe zu den konſervativen und Kräften des Landes gehöre. Die magyariſche Lehra das alles außerordentlich. Auch darauf konnte er hinn Union Siebenbürgens mit Ungarn und die dieſer vorau tiationen des Reichstages, auch das Unionsgeſetz ſelbſt dingungen der deutſchen Kultur der Sachſen, damit alſo auch ihre de Schule, unter den Schutz des ungariſchen Staates geſtellt, und

Sachſen ein inneres Recht auf die Erhaltung ihrer Kultur und hätten. Auf den etwaigen Einwand, was die chauviniſtiſche bärdigkeit dazu ſagen werde, wenn den ſächſiſchen Lehramtsfi dieſes Zugeſtändnis gemacht werde, erwiderte er: daß es ill nötig ſei, den Ausschreitungen des Chauvinismus zu begegnen, d länger dieſer geduldet werde, je nachfichtiger man gegen ihn ſei, größeres Verderben werde er über Ungarn bringen. *

Niemand hatte Hoffnung, das Anſuchen werde Erfolg ha der Tat wurde es vom Miniſter einfach abgelehnt. Damit aber die Kirche an einem Scheideweg. Teutſch hatte mit ſteigender Beſt geſehen, wie das Studium der Theologie bei den Kandidaten, die Lehramt und Theologie ſich vorbereiten ſollten, mehr und mehr in Hintergrund gedrängt worden war, wie der Kirche daraus ſchwe Schaden drohte; ihm wars nicht fraglich, daß der Zwang magyariſcher Lehramtsprüfung die weitere Einengung des theologiſchen Studiums zur Folge haben werde. Dann aber war die bisherige Verbindung zwiſchen Lehr- und Pfarramt nahezu unhaltbar. Damit war aber zugleich eine Grundlage der bisherigen ſächſiſchen Entwicklung, ein Hauptſatz der Kirchenverfaſſung erſchüttert.

Ein halbes Leben hatte Teutſch daran geſetzt, dieſe Verfaſſung ſchaffen zu helfen, ein halbes Leben fie auszubauen und zu verteidigen. Nun ſtand er am Ende vor der Notwendigkeit, ſelbſt einen Grundſtein auszubrechen und durch einen neuen zu erſetzen.

Das iſt der Höhepunkt des Tragiſchen in ſeinem Leben geweſen, das damit begann, daß er im ſelben Augenblick, wo er zum Biſchof berufen wurde, gezwungen wurde, ſämtliche Grundlagen des nationalen und kirchlichen Lebens zu verteidigen, wo er hoffen durfte, auf dem feſtgelegten Grunde weiter zu bauen.

Aber es iſt auch das Zeichen ſeiner ungewöhnlichen Kraft, daß j er nicht zurückſcheute, mit 76 Jahren die Hand an den Neubau zu

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legen. Er war in feinem Herzen jung geblieben, weil er immer Neues lernte und immer etwas vor ſich hatte und im Frohgefühl der Geſundheit die Kraft zum Schaffen beſaß. Es war ihm immer ein ſchmerzlicher Gedanke geweſen, daß mit ſeinem Namen ſoviel Trümmer und die Erinnerung an eine große Zerſtörung verknüpft ſein werde; wenn die Ge⸗ ſchichte recht urteilt, wird ſie vielmehr den Baumeiſter bewundern, der unter den Trümmern, die eine böſe Zeit geſchaffen, ſoviel Leben erhalten half und ſoviel Kraft hatte, auf Trümmern immer neu zu bauen.

Unter ſolchen Umſtänden iſt es nicht zu verwundern, wenn der Hauch der Entſagung, der ſelten einem ſchaffenden Menſchenleben erſpart bleibt, auch um ihn ſeinen Schleier wob. Starke Naturen empfinden fie mehr als ſchwache, weil fie die Kluft zwiſchen dem Erſtrebten und Erreichten ſtärker fühlen. „Ich ſehe im Augenblick nirgends einen lichten Punkt ſchrieb er am 31. Dezember 1892 an Trauſchenfels Zu⸗ ſammenbruch auch der letzten konſervativen Grundlagen der Geſellſchaft, damit neue Staatsallmacht, neuer Jeſuitenſieg daraus erwachſe. Das iſt die Morgenröte des neuen Jahres. Aber wir wollen in deutſcher Treue unſere Pflicht tun. Ich wollte es wäre Abend oder Blücher käme.“

„Aber wir wollen in deutſcher Treue unſere Pflicht tun“ zuletzt wußte er doch, „daß aller Weltlärm nur ein Windhauch ſei“ und immer wieder brach in ſeiner ſtarken Seele durch, was er der letzten Landeskirchenverſammlung geſagt: „Uns ziemt die Klage nicht und nicht die Mutloſigkeit.“

Aus dieſem ſeinem innerſten Weſen heraus ſuchte er zunächſt für ſich die neuen Grundlinien für die neuen Ziele zu ziehen, die die Zeit setzt. Vor allem mußte die Möglichkeit geſchaffen werden, daß die Kirche ſich einen tüchtigen theologiſch gebildeten arbeitsfreudigen Nachwuchs chaffe, dem der Weg ins Pfarramt auch ohne den Dienft in der Mittel ſchule eröffnet werde. Weil das Los der Völker und der einzelnen Menſchen zuletzt durch ihr Verhalten zum Evangelium beftimmt wird, jollte dieſes tiefer ins Volk hineingetragen werden und die äußere Befferftellung des Pfarramtes ſollte nur ein Mittel für die innere Kräftigung werden.

Die neuen Ziele deutete er in Richtpunkten an, die er dem Landes⸗ konſiſtorium vorlegte. w

Sie umfaßten die zufünftige Schul- und Kirchenpolitik der Landes. kirche. Ausgehend von der Tatſache, daß die Mittelſchullehrer nicht mehr ins Pfarramt übergehen würden, erörterte er die Folgen und zog, alle Erwägungen heran, die notwendig ſeien, um der Kirche für N

Georg Daniel Teutſch.

6 einen tüchtigen Pfarrerſtand zu ſichern. Die Da mächtnis und die Entwicklung der Kirche iſt die hier erwogen wurden.)

Bevor es an die Beratung dieſer umfaſſenden zwangen die kirchenpolitiſchen Vorlagen die Kirche zur Immer deutlicher trat es zutage, daß es ſich hier um e Romanismus im Bunde mit dem Magyarismus handelte,! dem Landeskonſiſtorium und ſeinem Biſchof als Manne Wie Teutſch die Sache hiſtoriſch und politiſch anſah, Artikel, die er im Siebenbürgiſch⸗Deutſchen Tageblatt ü veröffentlichte. Sie ſind wert, nicht vergeſſen zu werden.

Sur Frage der Sivilmatrikel und der Sivilehe. j Ein orientierender Überblick. >

Der 53. Geſetzartikel von 1868 beftimmt ($ 12): „Von 8 gemiſchten Ehen ſtammenden Kindern folgen die Söhne der | des Vaters, die Töchter aber der Religion ihrer Mutter. widerſtreitende, wie immer geartete Verträge, Reverſe oder find auch in Zukunft ungiltig und können in keinem Falle $ haben.“ Daraus folgt von ſelbſt die Taufe der Betreffenden Kirche ihrer „Religion“, wie denn der Siebenbürger Geſetzartikel 57 nach welchem der ungariſche von 1868 eigentlich gebildet worden, drücklich feſtſetzt, daß die Söhne in der Religion des Vaters, die in der der Mutter auch getauft und erzogen werden ſollen.

Trotz der zweifelloſen Beſtimmung des Geſetzes kam es vor, d 5 Kinder ungeſetzlich von katholiſchen Geiſtlichen getauft („Wegtaufungen“) und damit in die katholiſche „Religion“ aufgenommen wurden, zu der ſie doch nicht gehörten. Beſchwerden dagegen traten nach den Mitteilungen des Miniſters Cſaky ſeit 1874 auf. Sie wurden an die betreffenden Biſchöfe geleitet und dieſe haben in zahlreichen Fällen, welche der Minifter eben im Abgeordnetenhauſe zur Kenntnis brachte, dem Geſetz gemäß ihre Pfarrer angewieſen, die Matrikularabſchrift über die an dem, geſetzlich der andern Konfeſſion angehörigen Kinde vollzogene Taufe dem kompetenten Pfarrer dieſer Konfeſſion zur Eintragung in die eigene Matrikel zuzu⸗ ſtellen. Darnach fanden denn jene Biſchöfe in dem genannten Geſetze

und in dem Vollzug desſelben nichts, was gegen ein Dogma der katholiſchen Kirche verſtoße.

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4) S. Anhang 4.

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Als aber dieſe „Wegtaufungen“ und die Beſchwerden darüber ſich mehrten, trat der Mangel immer fühlbarer hervor, daß der 53. Geſetz⸗ artikel von 1868, § 12 auf die Verletzung des Geſetzes keine Strafe ſeſtſtellt. Dem ſuchte das ungariſche Strafgeſetz von 1879 (Artikel 40) abzuhelfen, indem es (8 53) verfügte, daß, wer eine minderjährige Perſon, welche das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, entgegen den Be⸗ ftimmungen des 53. Geſetzartikels von 1868 in eine andere Religions⸗ genoſſenſchaft aufnehme, mit Gefängnis bis zu zwei Monaten und an Geld bis zu 300 Gulden zu beſtrafen ſei.

Da wandte ſich der ungariſche katholiſche Epiſkopat nach Rom. Von hier erhielt er unter dem 21. Juli 1880 die Weifung: Die katholiſchen Seelſorger ſollten, in der Abſicht, den angedrohten Strafen zu entgehen, ja von der Taufe, von der katholiſchen Erziehung und von den andern katholiſchen Sakramenten niemanden von denjenigen zurückweiſen, die das Staatsgeſetz „den ketzeriſchen Sekten“ überantwortet. Auch ſollten die Taufſcheine der „Weggetauften“ ja nicht hinausgegeben werden, weil das eine Gewährleiſtung für die Ketzerei ſei. Der Vatikan hatte plötzlich über Nacht dem ungariſchen Staat den Krieg erklärt. Das geſchah kurze Zeit ſpäter, als die Monarchie durch Andraſſys ſtaats⸗ männiſche Umſicht mit Deutſchland jenen Bund des Friedens und der gegenſeitigen Verteidigung geſchloſſen Hatte (7. Oktober 1879), der jo ſehr geeignet war, mit dem Frieden Europas zugleich die ganze politiſche Geſtaltung desſelben aufrecht zu halten; es war wie eine päpſtliche Antwort hierauf.

II.

In Ungarn aber verſuchten die durch „Wegtaufungen“ ſeitens katholiſcher Pfarrer in ihrem Recht verletzten Kirchen dieſes Recht durch gerichtliche Klagen gegen jene Geiſtlichen auf Grund des oben erwähnten Strafgeſetzes zu wahren; doch der oberſte Gerichtshof wie das „Vater⸗ land“ erzählt, auf Information des Kardinals Haynald ſprach auf. fälligerweiſe die in erſter Inſtanz Verurteilten frei. Da erließ Kultus⸗ miniſter Trefort infolge immer wiederkehrender Beſchwerden unter dem 11. Juni 1884 eine Verordnung, die den Seelſorgern bei ſonſtiger Strafe nach $ 53 des 40. Geſetzartitels von 1879 auftrug, die ungeſetzlichen Taufatte nicht in ihre Matrikel einzutragen, ſondern, den kompetenten Seelſorger binnen acht Tagen davon zu verſtändigen; aber die katholiſchen Biſchöfe, zwei ausgenommen, teilten den Minifterialerlaß ihren Pfarrern nicht mit. Nach Treforts Tod (Auguſt 1888), bis zu welchem ein fauler Friede in der Sache fich herausgebildet hatte, ſah ſein . Graf

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Cſaky ſich beſtimmt, einzugreifen. Er verſuchte mit dem Simor ein Einvernehmen zu erzielen, doch dieſer ging Miniſter beabſichtigten Verſchärfungen des Verfahrens Geſetz verletzenden Geiſtlichen nicht ein und forderte vielmehr d des 53. Geſetzartikels von 1868. Im Gegenſatz hiezu erließ de unter dem 26. Februar 1890 die Verordnung, die dieſem doch endlich Geltung verſchaffen ſollte: der Geiſtliche, der Geſetz einer andern Konfeſſion angehöriges Kind tauft, hat auszug binnen acht Tagen dem zuftändigen Seelſorger zu überſen hat den Taufakt in ſeine Matrikel einzutragen und iſt allein einen giltigen Taufſchein auszufolgen. Wer jene Anzeigepf erfüllt, begeht eine Übertretung, die von der politiſchen Behörde Strafe von 10 bis 100 Gulden zu ahnden ift. 4 Gegen dieſen Erlaß des Miniſters, der nicht im Wege der an die katholiſchen Pfarrämter hinausging, erhob ſich unter dem Kuratklerus ein Sturm der Entrüſtung. Eine ſolche „M Ketzerei“, erklärte er, gehe gegen ſein Gewiſſen. Die Biſchöfe, anfar ſchwankend, wandten ſich wieder nach Rom. Die von hier komt Entſcheidung verſtärkte die kampfluſtige Haltung der Extremſten. Breven vom 7. Juli und 26. September 1890 ſetzte Kardinal Ran den Fürſtprimas Simor in Kenntnis, es könne vom päpſtlichen ( nicht geduldet werden, daß die katholiſchen Pfarrer (Plebani) in ziehung der betreffenden Miniſterialverordnung den andersgläu Seelenhirten (ministris) die Taufe der aus gemiſchten Ehen ſtamme Kinder anzeigten. Auch ſolle die Nachſicht zur Schließung einer gemiſchten Ehe nur dann erteilt werden, wenn der katholiſche und akatholiſche Brautteil jede Bürgſchaft leiſte, welche bei Miſchehen nach natürlichem und göttlichem Recht erforderlich ſei (das heißt: Bürgſchaft gebe zur Erziehung aller Kinder in der katholiſchen Konfeſſion) und wenn die Biſchöfe ſich die moraliſche () Gewißheit verſchafft hätten, daß dieſes Verſprechen aufrichtig ſei und trotz der Verordnungen der Regierung werde erfüllt werden. Zugleich wurde ausgeſprochen, daß das Geſetz von 1868 „ſobald dies die Zeit erlaubt, aufgehoben oder geändert werden muß“. „Magyar Allam“ veröffentlichte, wiewohl die Biſchofskonferenz die Geheimhaltung beſchloſſen hatte, in ſeiner Nummer vom 18. Dezember 1890 die beiden Breven, in deren Beſitz er, wie Simor öffentlich beklagte, „Nur durch die größte Indiskretion oder ſonſt auf eine nicht anſtändige Weiſe gelangen konnte.“ Der „friſche, fröhliche Krieg“ Roms gegen den ungariſchen Staat war in vollem Gange; auch der Vermittlungsvor⸗

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ſchlag des Miniſters: der wegtaufende Geiſtliche ſolle den Taufſchein nicht dem zuſtändigen Seelſorger, ſondern der politiſchen Behörde ein⸗ ſenden, wurde von Rom abgelehnt.

III.

Da kam die Sache im November 1890 im Zuſammenhang mit den Verhandlungen über das Budget des Kultusminiſteriums vor dem Abgeordnetenhaus zur Sprache. Nach mehrtägiger heftiger Redeſchlacht ſprach dieſes beſchlußmäßig aus: der Vollzug von $ 12 des 53. Geſetz⸗ artikels von 1868 ſei notwendig, die zu dieſem Zweck erlaſſene Miniſterial⸗ verordnung vom 26. Februar 1890 geſetzlich. Zugleich wurde die Erklärung der Regierung gebilligt, daß ſie im Fall weiterer Schwierigkeiten die Einführung von Zivilſtandsregiſtern beantragen werde, damit die Geſetz⸗ gebung auf dieſem Wege den Schwierigkeiten der Durchführung des 53. Geſetzartikels von 1868 ein Ende mache.

Auf dieſe Drohung antwortete der Fürſtprimas dadurch, daß er die obenerwähnten päpſtlichen Breven als Manuſkript gedruckt an die Biſchöfe hinausgab und dieſe für den 16. Dezember zu einer Konferenz berief. In der eben bevorſtehenden Sitzung des Magnatenhauſes ſollte dann die Schlacht geſchlagen werden. Zur allgemeinen Überraſchung jedoch unterblieb ſie, was, wie es hieß, auf den Wunſch der Krone geſchehen; man ſuchte und hoffte noch immer durch neue Verhandlungen mit den Biſchöfen und mit Rom einen friedlichen Ausgleich.

Bald darauf, 23. Januar 1891, ſtarb Fürſtprimas Simor; ihm folgte am 27. Oktober Dr. Klauß Vaßary, bis dahin Erzabt ber Benedittinerabtei von Martinsberg. Die Erwartung, daß er den Frieden bringen werde, erwies ſich bald als täuſchend; in ſeiner Rede in der Generalverſammlung des Stefanvereines am 22. März 1892 erklärte er, daß der Konflikt zwiſchen der katholiſchen Kirche und dem Staat nur durch Abänderung von § 12 des 53. Geſetzartikels von 1868 beſeitigt werden könne. Dieſe Anſchauung machten die Biſchöſe bald zu der ihrigen, als fie unter Vaßarys Vorſitz am 10. Mai 1892 beihlofen:

Die Überſendung von Matrikelauszügen betreffend Taufen von Kindern aus gemiſchten Ehen an die weltlichen Behörden fei unzuläflig; auch dürften Eltern, Paten, Hebammen zur Übermittlung von ſolchen Matrikelauszügen an die weltlichen Behörden nicht verpflichtet werden; die Anderung von 8 12 des 53. Geſetzartikels von 1868 jei 3

Eine ſolche Anderung wies der Kultusminifter Graf Cſath, 24 in dem Abgeordnetenhaus im Mai 1892 anläßlich der Budgetverhandlunge

die Wegtaufenfrage wieder zur Sprache kam, jedoch jeine Verordnung vom 26. Februar 1890 einen Tei führenden Geiſtlichen in „eine Art von Gewiſſenskonflikt“ gel erklärte er in der Sitzung vom 19. Mai, es ſei „die der Regierung, binnen kürzeſter Zeit beſondere Ziviln Kinder aus gemiſchten Ehen ins Leben zu rufen und in m Zeit der Geſetzgebung einen diesbezüglichen Geſetzentwurf Sämtliche Ausführungen des Miniſters erfuhren von der 2 Hauſes die lebhafteſte Billigung.

Dieſem Gegenſatz zwiſchen dem römiſch⸗katholiſchen dem Staatsgeſetz gab der neue Fürſtprimas in der Sitzung des hauſes vom 4. Juni 1892 öffentlich und entſchieden Au ſogenannten Vermittlungsvorſchlag, den er erörterte. Die 1 jenes Geſetzartikels folle zwar nicht formell aufgehoben, aber dahin werden, daß fie nur in dem Falle gelte, wenn die in gemiſcht lebenden Eltern nicht ſelbſt über die kirchliche Zugehörigkeit der entſchieden hätten. Wenn dieſe „Erklärung“ des Geſetzes die Zu der Regierung nicht finde, jo fordere die katholiſche Kirche die A von $ 12 des 53. Geſetzartikels von 1868. Die Regierung erklärte Vorſchlag für unannehmbar und ſprach aufs neue den Entſchluß für die Kinder aus gemiſchter Ehe eine Zivilmatrikelführung d Staatsorgane ins Leben zu rufen.

IV.

Das war die Sachlage, als am 20. Juli 1892 die Seſſion des Reichstags geſchloſſen wurde. Bis er wieder zufammentrat (26. Sep⸗ tember) war ſie nicht beſſer geworden; es hatte vielmehr ein ſcharfer Ton auch aus der Mitte der reformierten Kirche in die Wirren hinein⸗ geklungen. In der Generalverſammlung des reformierten Kirchendiſtriktes jenſeits der Donau in Komorn am 5. September ſprach der Biſchof Gabriel Pap in ſeinem amtlichen Berichte aus: der Staat möge ver⸗ hindern, daß die Geiſtlichkeit einer Religionsgenoſſenſchaft mit ihrer Kirche die Saat einer andern Religionsgemeinde vernichte und eine Konfeſſion die Rechte der andern mit Füßen trete.

Inzwiſchen hatte die Regierung auch andere kirchliche Fragen in ihr Programm aufgenommen: die Vorlage eines Geſetzentwurfes über die freie Ausübung der Religion und die Gleichberechtigung der Kon⸗ feffionen, dann die Aufnahme der jüdiſchen Konfeſſion unter die rezipierten Konfeſſionen.

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Mitten in die Arbeiten der Regierung zur Löſung dieſer Fragen trat eine politifche Kriſis. Sie iſt nach ihren letzten Ursachen und treibenden Kräften noch nicht genügend aufgeklärt. Der Miniſterpräſident Graf Szapary trat ab; ein neues Miniſterium unter der Präſidentſchaft von Dr. Alexander Wekerle übernahm die Regierung; es waren weſentlich die früheren Miniſter, Graf Cſaky blieb Kultusminiſter. Da rief die Kunde doch große und berechtigte Überraſchung hervor, daß die neue Regierung ihr kirchenpolitiſches Programm plötzlich erweitert habe; in beiden Häufern des Reichstages gab der Miniſterpräſident am 21. November 1892 als solche Erweiterungen an: Einführung der allgemeinen Zivilſtandesregiſter und der obligatoriſchen Zivilehe auf Grund eines neu zu ſchaffenden ſtaatlichen allgemeinen Eherechtes. Dadurch würden dann die Beſtimmungen von § 12 des 53. Geſetzartikels von 1868 über die Erziehung der Kinder aus gemiſchten Ehen (dem Wunſch der römiſch⸗katholiſchen Kirche gemäß) entfallen. 1 Über dieſe neuen Ziele der Regierung „zur Herftellung des kirchlichen Friedens“ entbrannte nun allenthalben friſcher Krieg. Ganz eigentümliche Gedanken ruft dabei insbeſondere die Tatſache hervor, daß zahlreiche Munizipien des Landes plötzlich ihre Zuſtimmung zu den Zivilmatrikeln und der Zivilehe erklären, während doch bis dahin ein wirklich vor⸗ handenes Bedürfnis des Volkes darnach nie laut geworden iſt.

N.

In den denkenden Kreiſen der nichtkatholiſchen Kirchen aber zwingt dieſer ganze Vorgang und die geſamte Entwicklung zu ernſteſten Erwägungen und Fragen.

Der römiſch-katholiſche Klerus verſagt einem zu Recht beftehenden Staatsgeſetz, das er jahrelang befolgt hat, plötzlich offen den Gehorfam: hatte und hat denn der Staat wirklich kein geſetzliches Mittel, dieſen Gehorſam zu erzwingen und iſt er deshalb moraliſch genötigt, das Geſetz zu ändern? . N

Der römifch-tatholifche Klerus beruft ſich zu Rechtfertigung feines Ungehorſams auf das Dogma, auf ſein Gewiſſen und den Papſt: tann, wenn solche Vorwände Rechtskraft haben sollen, angeſichts der Tridentiniſchen Beſchlüſſe, der päpſtlichen Enzyklika vom 8. Dezember 1864 und der Infallibilität des Papſtes ein moderner Rechtsſtaat, kann eine gleichberechtigte Kirche neben der römiſch⸗katholiſchen beſtehen?

Die ungariſche Staatsregierung verhandelt jahrelang mit 2 und dem ungariſchen Epiſtopat über die Bedingungen, unter we che

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die katholiſche Kirche dem Geſetze ($ 12 des 53. Geſetzartikels folgen wolle: verhandelt fie mit den andern, doch gle Kirchen hierüber gleichfalls? h Die römiſch⸗katholiſche Kirche Ungarns will einem Staatsgeſetz nicht Folge leiſten und der Staat ſieht ſich inf zur Wahrung feines Rechtes zu gewiſſen Maßnahmen genötigt welchem Rechte ſollen nun die andern Kirchen, welche das Geſetz befo gegen ihren Willen an ihrem Recht, ihren jahrhundertalten Or ng deren Erhaltung weſentlich mit eine Bedingung ihrer ſegensreichen ſamkeit iſt und das Staatswohl fördern hilft, geſchädigt und organiſiert werden? u Wir enthalten uns vor der Hand weiterer Fragen, obwohl reicher Fülle naheliegen. Nur auf einiges ſei noch kurz hingewi Die Regierung iſt bis zur letzten Wendung immer en geweſen, an der Beſtimmung des Geſetzes, daß in gemiſchten Ehen Knaben der Religion des Vaters, die Mädchen der der Mutter feſtzuhalten. Miniſter Cſaky ſelbſt hat jene Beſtimmung wiederholt das Ergebnis, als den Abſchluß des langen Kampfes bezeichnet, der zunächſt den proteſtantiſchen Kirchen zu ihrem Recht geholfen und un⸗ leugbar allen Konfeſſionen mit gleichem Maße meſſe: wenn, wie nun beabſichtigt wird, die Einführung der obligatoriſchen Zivilehe jenes Geſetz aufheben ſoll, ſo wird ja in dieſem Punkt gerade Roms Wille erfüllt; von der Regierung und dem Staat Ungarn heißt es dann laudabiliter se subjecit, und nach ſolchem Vorgange iſt weiterhin alles, alles möglich und folgerichtig bis zur Wiederherſtellung des Reichstagsartikels von 1525: Lutherani comburantur (Die Lutheraner ſollen verbrannt werden). Der ausgeſprochene Zweck der Regierung bei dem ganzen Vorgange iſt, den Frieden zwiſchen den Kirchen herzuſtellen. Dieſer Zweck wird aber bei Aufhebung des oft genannten Geſetzes über die kirchliche Zu⸗ gehörigkeit der Kinder in gemiſchten Ehen durch Zivilmatrikel und Zivilehe nicht erreicht. Vielmehr würde eine friſche Saat ewigen Krieges zwiſchen den einzelnen Kirchen ausgeſtreut, der Kampf um die Kinderſeelen in das Innere der Familie hineingetragen, und gewiß, nach des Grafen Cſaky eigenem Wort im Unterhaus vom 19. Mai 1892, das Übel nicht beſeitigt, ſondern ein neues (größeres) geſchaffen. Namentlich die minder⸗ mächtigen proteſtantiſchen Kirchen wären man denke an den Beicht⸗ ſtuhl, an den Reichtum und die politiſch ſoziale Stellung der katholiſchen Kirche dieſer ſchutzlos preisgegeben. Endlich iſt es doch äußerſt auffällig, daß in der geſamten An⸗

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gelegenheit immer nur vom ungariſchen Geſetzartikel 53 von 1868, nie vom Siebenbürger Landtagsartikel 57 von 1790 geſprochen wird. Dieſer, von Siebenbürgen immer als koſtbares Gut geachtet, enthält dem Inhalt nach mehr als der ungariſche: in gemiſchten Ehen jollen die Knaben in der Religion des Vaters, die Mädchen in der der Mutter erzogen und getauft werden und alle Verträge dagegen nichts gelten. Beſteht dieſer „Religionarartikel“ denn für dieſe Landesteile nicht mehr? Als die Krone mit Reſtript vom 25. Dezember 1865 die Vertretung Siebenbürgens an dem ungariſchen Reichstag genehmigte, geſchah es mit der ausdrücklichen Erklärung, daß hiedurch die Rechtsbeſtändigkeit der bisher erlafjenen Geſetze keineswegs alteriert werde. Ebenſowenig iſt der 57. Klauſenburger Landtagsartikel vom Jahre 1790 ſeither geſetzlich aufgehoben worden. Er hat für Siebenbürgen nur das uralte, hier geltende, aus dem Boden der ſeit der Reformation in dieſem Lande unantaſtbaren Rechtsgleichheit der verſchiedenen Kirchen erwachſene Recht neu gewährleiſtet; im Schutz desſelben iſt das Land Menſchenalter lang im ganzen von dem peinlichen Argernis der Jagd nach Kinderſeelen frei geblieben: ſollen wir das alte Bollwerk mit eigener Hand zerſtören, um der trüben Flut Bahn zu brechen, die den Frieden zwiſchen den Kirchen, die Unbefangenheit, die bisher durch das Geſetz gebotene Ruhe zahlreicher Familien fortwährend ſchwer zu gefährden droht?

Der Siebenbürger Reichstagsabgeordnete, der die Vergangenheit und das Recht ſeines Heimatlandes kennt und achtet, der zugleich die Bedeutung von $ 12 des 58. Geſetzartikels von 1868 für das ganze Vaterland verſteht, und ſeine Beſtimmung insbeſondere für die proteſtantiſchen Kirchen nach des Miniſters Cſaky eigenem tiefem Worte als den „natürlichen und logischen Ausfluß des Syſtems, welches in Ungarn die Verhältniſſe zwiſchen Staat und Kirche regelt“, als „den Abſchluß eines langen Kampfes“, als den Schutz der Minderheit gegen den Mächtigern zu würdigen weiß, der ferner nicht zugeben will, daß Ungarns Geſetze und insbeſondere die Geſetze, welche das Recht und Leben der Kirchen betreffen, dem Diktate Roms unterliegen: der Siebenbürger Abgeordnete wird für Aufhebung des ſo oft genannten Geſetzes und an Stelle desſelben für Einführung der Zivilmatrikel und der obligatoriſchen Zivilehe noch weniger ſtimmen können, als alle andern Abgeordneten; er wird vielmehr der Regierung andere geſetzliche Mittel und es gibt deren ohne Zweifel entſprechende ſuchen helfen, die geeignet find, den Ungehorſam von Elementen, welche ſich gegen das Staatsgeſet auflehnen, zu brechen.

Be

Von denfelben Anſchauungen ging das Land Stellungnahme gegen den Geſetzentwurf aus. Die Geſamtminiſterium fie iſt auch aus Teutſchs Feder f alles ſcharf zuſammen. Wie recht er und das Landestonf hatten, das kann heute nicht beſtritten werden. )

Erholung gewährte ihm in dieſen ſchweren Arbeit wiſſenſchaftliche und kirchliche Arbeit. In den letzten Jahren beſonders die großen hiſtoriſchen Werke Sybels und D f dann die Selbſtbiographien, die in ſeltener Vortrefflichkeit erſchienen waren: von Guſtav Freytag, Karl Gerok, Alfred v. Haſe, Ranke. Er hatte die Verfaſſer alle gekannt, vieles von erlebt, was dort dargeſtellt wurde, kannte auch einen Teil der die darin eine Rolle ſpielten. So zog ein Stück des eigenen $ ſeiner Seele vorüber. Insbeſonders entzückte ihn Ranke und Haſe: Geiſter Beide. Dieſe Helle, dieſe Tiefe, dieſe Weitherzigkeit, dieſe le Funken des Humors hier und dort. Ich gäbe viel darum, wenn ich Frau gekannt hätte.“ Er hatte die ſchöne Gabe, was ihm Schönes Edles in anderer Menſchen Leben entgegentrat, als Förderung des ei Weſens zu empfinden. Zugleich begann er das Material für die über Schlözer zu ſammeln, die den Inhalt der Eröffnungsrede | Generalverſammlung des Landeskundevereines bilden ſollte, die Sächſiſch⸗Regen eingeladen war.

Vor allem beſchäftigte ihn aber die letzte Redaktion der Agende, in einigen Wochen ſollte ſie zum Druck kommen. Er hatte in den letzten Jahren viel daran gearbeitet, immer wieder gebeſſert, verworfen, neu gebeſſert. Gerade weil er ihren Wert für das kirchliche Leben hoch anſchlug, legte er den größten Maßſtab daran. Der tiefere Einblick in das kirchliche Leben Deutſch⸗ lands, die eigenen tiefergehenden theologiſchen Studien hatten, während er daran arbeitete, den eigenen Standpunkt etwas verſchoben. Nicht als ob er jemals die Grundſätze ſeiner Theologie hätte verlieren oder den Ergebniſſen der Wiſſenſchaft kühler hätte gegenüberſtehen können, aber der große Zug der Gegenwart, der in unſerem Volksleben den Ratio⸗ nalismus zu überwinden ſuchte und nach Vertiefung des religibſen Lebens ringt, trat auch in ihm deutlich zutage und die fortſchreitende Agende legte dafür Zeugnis ab.

In einem war ſeine Anſchauung unverändert geblieben, es ſei nicht Aufgabe der ev. Kirche, zu irgend einem alten Bekenntnis zurückzukehren, ſie müſſe vielmehr in ſelbſtändiger ſchöpferiſcher Arbeit die ev. Prinzipien

) Die Vorſtellung wird im Anhang 5 abgedruckt.

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aus dem Geiſt der Gegenwart und für die Bedürfniſſe des lebenden Geſchlechtes wiedergeben. Er hatte innerlich die große Wandlung mit⸗ gemacht, in die das jüngere Geſchlecht unter uns bewußt eingetreten iſt, den Schritt von der Auffaſſung der Kirche als Inſtitution zu perſön⸗ lichem Chriſtentum. Auch als Inſtitution, beſtimmt die Güter auch des nationalen Lebens feſtzuhalten, mußten wir und müſſen wir die ev. Kirche feſthalten, das Leben brach in ſeinen weſentlichen Geſtaltungen zuſammen, wenn der Kirche hier dieſer Inhalt genommen wurde, aber daneben trat immer entſchiedener das andere. Und dieſes perſönliche Chriſtentum war ihm aus den eigenen Lebenserfahrungen erwachſen, ſo recht erlebt und zugleich aus der tiefergehenden Theologie der Gegenwart erftanden, deren Erſcheinungen er voll Teilnahme verfolgte.

Daneben fand er Zeit, die letzten Bände der Szilagyiſchen Monumenta comitialia regni Transsilvaniae (14. und 15. Bd.) im Korreſpondenzblatt anzuzeigen, was er ſeit ihrem Erſcheinen regelmäßig mit großer Freude getan hatte.

Und wieder kam der Frühling (1893), die grüne Spitze durchbrach die graue Hülle am wilden Wein, der nun den ganzen freien Gang am Hauſe überzogen hatte, die Roſen wurden wieder aufgebunden, der Flieder und der Aprikoſenbaum und die Forſithia im Garten blühten und das Gebirge leuchtete in wunderbarer Pracht von der Südgrenze des Landes herüber. Zu Oſtern brachte ein Neffe, Konrad Haltrich, der Sohn des lieben Freundes und Schwagers, der gern und oft nach Hermannſtadt gekommen war und immer viel Erhebung mitgenommen, ſeine junge Frau zum erſtenmal hin; es waren frohe Tage. Anfang Mai rüſtete er zur neuen Fahrt nach Peſt; er wollte in der Budgetdebatte des Magnatenhauſes Stellung gegen die Kirchenpolitik der Regierung, nehmen. Vor der Abfahrt ſprach er in ſeiner großen Weiſe von den neuen Aufgaben der Kirche, in abgeklärter Ruhe über feinen Tod, auf den er vorbereitet war, den er aber nicht in unmittelbarer Nähe glaubte, bon jeinen beiden nächſten Nachfolgern, von der Zukunft der Kirche. Am 6. Mai fuhr er nach Peſt, grüne Felder und Blütenbäume winkten auf der Fahrt in die Bahn herüber. In Peſt erfüllte ihn die Haltung der ſächſiſchen Abgeordneten, die mit wenigen Ausnahmen keine Vorſtellung von dem Ernſt der Lage hatten, mit schmerzlichen Gedanken. Sie waren teilweiſe entſchloſſen, auch dieſen Schritt der Regierung zu billigen. Teulſch ftellte einigen vor, es müſſe einen Punkt geben, wo man nicht anders könne als: bis hieher und nicht weiter. Die Kirche halte ihn angeſichts der Konfistahin! heilgſter Rechte, die das mutwillig heraufgezerrte Programm der Kirchenpolitik in

Mi

ſich ſchließe und der ſchweren inneren Schädigung der kommen. Am 9. Mai kam er im Magnatenhaus zum ſprach er: 0 *

„Ew. Exzellenz, Herr Präſident! Hohes Magnaten Tagesordnung des hohen Magnatenhauſes fteht gegenwärtig d voranſchlag für das bereits zu ſeinem fünften Monat Jahr. So dringend denn auch die Erledigung jenes Gegenſt hat ſich doch in die Beratung nach dem Vorgang des ? hauſes jene Frage gedrängt, welche allerdings ſeit M alle Kreiſe unſeres Vaterlandes, ihrer folgenſchweren Bede ſprechend, auf das tiefſte beſchäftigt, und eigentlich in dem k - zuſammengefaßt werden könnte, bis wohin in Ungarn die Macht un Geltung des Geſetzes reiche. Es iſt das neue kirchenpolitiſche 9 der Regierung. Und da die geehrten Herren Vorredner darüber 9 fo bitte ich, auch mir zu geſtatten, in dieſer, das koſtbare Gut des Friedens ſo tief berührenden Angelegenheit auch einige prophylaktiſch Worte zu jagen.

Da muß ich denn ſofort erklären, daß ich jener brennenden e gegenüber auf dem Standpunkt ſtehe, welchen die hohe Regierung bis zum November des vorigen Jahres einnahm, das iſt: $ 12 des 53. Ge⸗ ſetzartikels vom Jahre 1868 müſſe erhalten werden. Ich kann hievon um ſo weniger weichen, als Siebenbürgen für dieſes die Gleichberechtigung der Kirchen hier mit zum Ausdruck bringende Recht noch ein zweites Bollwerk, ein noch älteres inhaltſchweres Geſetz beſitzt, den 57. Klauſen⸗ burger Landtagsartikel von 1791. Derſelbe ſtellt ausdrücklich feſt. daß in gemiſchten Ehen die Kinder sexum suorum parentum sequantur et masculi in patris, femellae vero in matris suae religione educentur ac baptisentur, contractibus quibusvis in contrarium nihil valentibus. Und dieſes Recht wurde nicht erſt damals gemacht; es war uraltes Recht von der Väter Zeit her und wurde damals nur aufs neue unter den Schutz des Geſetzes geſtellt. Eine Einwendung von Seite des Dogmas irgend einer Kirche iſt weder damals noch ſpäter dagegen geltend gemacht worden. Auf dem Boden dieſes Rechtes und unter dem Schutz dieſes Geſetzes hat Siebenbürgen, um von früheren Zeiten nicht zu reden, ſeit⸗ her, alſo länger als ein Jahrhundert, auf dem Gebiete der gemiſchten Ehen im großen und ganzen den kirchlichen Frieden gewahrt. Wo iſt nun ein zureichender Grund vorhanden, daß es jenes Recht und Gejeß aufgebe, oder daß ihm beide genommen werden? Ich könnte nie dafür ſtimmen.

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Allerdings ift in einzelnen Teilen des Staates in letzter Zeit der Geiſt des Ungehorſams lebendig geworden, der ſich weigert, die Beſtim⸗ mungen von § 12 des 58. Geſetzartikels vom Jahre 1868 zu befolgen. Es iſt hier nicht der Ort zu unterſuchen, wo die tiefſte Wurzel dieſer jedenfalls vom Standpunkt der ſtaatlichen Ordnung ſehr betrübenden Erscheinung liege, und wie dem Übel im Anfang vielleicht leichter hätte gewehrt werden können. Tatſache iſt, daß infolge hievon die Regierung zu Kampfmitteln außerordentlichſter Art greifen zu wollen erklärt hat zur Einführung der Zivilmatrikeln und der obligatoriſchen Zivilehe. Wenn dieſe eingeführt ſeien, ſo würden die bisherigen geſetzlichen Be- ſtimmungen über die Kindererziehung in gemiſchten Ehen aufhören.

Ich enthalte mich, von dieſen Maßregeln jenes bibliſche Wort zu gebrauchen, das ſich dem um den Frieden Beſorgten faſt unabweisbar aufdrängt; gewiß aber iſt, daß eben der Friede, um deſſentwillen man doch kämpft, auf dieſem Wege nicht erreicht werden kann. Denn wer um des Dogmas willen das bisherige Geſetz nicht befolgen zu können glaubt, dem wird auch eine den Eltern gegebene Freiheit, über die kirch⸗ liche Zugehörigkeit der Kinder eigenmächtig zu beſchließen, gegen dasſelbe Dogma verſtoßen; der Kampf der Mächtigeren gegen Mindermächtige wird noch heftiger entbrennen, und das Ideal der Beſten: Gleichberech⸗ tigung und Friede zwiſchen den Kirchen trauernd das Haupt ver⸗ hüllen. Schon 1890 haben die Rufer im Streit im Archiv für katholiſches Kirchenrecht für jeden Fall entrüſtet die Fortdauer des Krieges angekündigt und wer die Geſchichte und den Boden kennt, auf dem jene Anſchauungen ftehen, der kann nicht daran zweifeln, daß eine ſolche Behandlung der Sache ewigen Kampf und Unfrieden zur Folge haben müßte. .

Ich erlaube mir, hiebei nur noch auf eines hinzuweiſen, da ins einzelne einzugehen nur dann am Platze ſein würde, wenn die formulierten Vorlagen zu beſprechen wären. Es iſt dies zunächſt die mir zweifelloje Gewißheit, daß es in einem Rechtsſtaate Mittel geben muß und auch im vorliegenden Falle ſolche nicht fehlen, welche einem beſtehenden Ge ſetze die erforderliche Beachtung und Befolgung zu verſchaffen imſtande find, fo daß es der in Ausſicht genommenen Kampfmittel nicht bedarf, abgeſehen davon, daß dieſe ja jenes Geſetz ſelbſt nicht aufrechtzuerhalten beabſichtigen, ja gerade jene Kirchen und ſie ſind die Mehrzahl ohne irgend eine Entschädigung, die dafür den dem Geſetze ungehorſamen in Ausſicht geſtellt wird, depoſſedieren wollen, welche dem Geſetze ge⸗ horſam waren.

Das andere iſt die Tatjache, daß beide Mittel gleichbedeutend ſind

Zug mit dem plötzlichen völligen Umfturz einer daß in den großen Kreiſen des Volkes ein Verſtändnis dafür gewiß nicht vorhanden iſt; die derſelben den ſittlichen Gehalt der Lebensanſchauung der Mehrzahl des Volkes zu vermindern nur zu ſehr g in dem Umſturz bedeutungsvoller kirchlicher Ordnun Leben ſchwer zu ſchädigen droht alles Tat deſſen ftetige und ruhige Entwicklung ſelbſt dadurch ernſtlich warnen ſollten, dieſen Weg zu betreten. Ich n ihm, gerade auch um des Staates willen, darauf n Budget nehme ich an.“ Bei der Abſtimmung ſtimmte er für das Budget, ı Antrag Szapary auf Mißbilligung der Kirchenpolitik der der mit 81 gegen 56 Stimmen angenommen wurde. Beim traf er mit dem Kultusminiſter Cſaky zuſammen. Dieſer die Hand: „Bedauere ſehr, bedauere ſehr,“ Teutſch im ſelben Aug „es war mir außerordentlich ſchmerzlich.“ Noch einmal ſprach er au Kultusminiſter über die Angelegenheit, dann über das Bei der Lehrer, auch über den indebite geleiſteten Zehnten mit v maßgebenden Männern. Beſonders intereſſant war ihm eine Unte: mit dem Primas Vaßary, dem er ſich als einer der Vizepräſi hiſtoriſchen Kommiſſion der Millenniumsausſtellung als dem Präi vorſtellte. Am 12. Mai abends fuhr er mit Obergeſpan The von Peſt ab, mit guter Rede über die Tagesfragen, die ihn bei jenem Aufenthalt zum erſtenmal in ſolcher Weije innerlich ſehr, ſehr ange- griffen hatten. Er hat allen Ernſtes erwogen, ob er nicht, wenn die ſächſiſchen Abgeordneten die in Ausſicht ftehenden Geſetze annähmen, verpflichtet ſei, ſein Amt niederzulegen. Als er am folgenden Tag in Kopiſch ankam, fühlte er Blaſenbeſchwerden, die in Hermannſtadt ihn ſofort den Arzt rufen ließen. Das Übel beſſerte ſich aber ſehr raſch und nach wenigen Tagen ging er wieder aus, ſein Schritt war jo elaſtiſch wie früher, das Auge ſo hell wie ehemals, der Schwung der Seele, der Flug der Gedanken, die Freude an der Natur und der Arbeit unge⸗ brochen. Er kam, wie ſo oft ſeit dem Neubau des Seminars und ſeit der Sohn dort wohnte, in den ſchönen Garten, der dort gepflegt wurde, zuweilen ohne nach jemandem zu fragen bis zum Ausſichtshügel, ſah von dort die Sonne untergehn und ſprach dann erſt im Hauſe ein. So feierte die Familie Pfingſten am 21. Mai mit erleichtertem Herzen. Er aber erinnerte ſich wehmütig daran, wie hoffnungsfroh er

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mit den Freunden im Jahre 1858 zum großen Philologentag nach Wien gezogen, und welcher Gegenſatz nun zu alledem vorhanden ſei.

Am 27. Mai fuhr er nach Sächſiſch⸗Regen zur Einweihung des neuen Gymnaſiums. Er nahm auch ſeine Frau mit, der er lange ſchon dieſen Teil der Heimat zeigen wollte, für den er immer eine Vorliebe gehabt hatte, wo Natur und Menſchen, die letzteren mit dem ein⸗ ſchmeichelnden Dialekte, ihm gar lieb waren. Am 28. Mai vollzog er die Einweihung, die ſamt den Empfängen und Beſuchen, dem Feſteſſen und anderen Anſprüchen, die an ihn herantraten, ihn nicht angeſtrengt hatte. Die alten Freunde, darunter Stadtpfarrer Orendi, ein Schüler, ſpäter Kollege am Gymnaſium in Schäßburg, bei dem er wohnte und den er hoch ſchätzte, dann die alten Reener Schüler, vor allem Dr. Hellwig. dann Senator Seibriger, uff. ſahen mit Freude, daß er wie ehemals an allem Anteil nahm, für alles Intereſſe hatte und an der ſächſiſchen Arbeit, dem evangeliſchen Leben dort ſich ſichtbar erhob. Von Sächſiſch⸗ Regen fuhren ſie nach Biſtritz, wo wieder die alte Treue ihm erfriſchend entgegenkam und die Tage verſchönte; das Haus Budaker, in alter Freundſchaft dem feinen zugetan, Pfarrer Müller aus Jaad, Gymnaſial⸗ direktor Fiſcher u. A. ſtellten ſich zur Verfügung und mit ihnen gingen ſie zum Schieferberg und ſahen den reizenden Blick auf die wachſende Stadt und das ſchöne Tal; er kam erfriſcht zu Hauſe an.

Da überfiel ihn am 10. Juni die Krankheit abermals, heftiger als zuvor. Zunächſt unterließ er die gewohnten Arbeiten nicht, unter⸗ ſchrieb die amtlichen Ausfertigungen, las die Zeitungen die Allgemeine Zeitung ſeit jungen Jahren u. a. wie er gewohnt war mit der Feder in der Hand und mit Bezeichnungen wichtigerer Abſchnitte und Stellen, arbeitete an der Agende, führte wie durch alle Jahre genau Buch über die Einnahmen und Ausgaben und zeichnete gewiſſenhaft die Krantheits⸗ erſcheinungen auf, nicht ohne bange Sorge, was werden ſolle, wenn die Krankheit länger dauere. Dr. Süßmann, der treue kenntnisreiche und teilnehmende Hausarzt war von Anfang an bejorgt geweſen, unterſtützt von Dr. Oberth. Doch ſtand Teutſch auf und konnte im Zimmer herum. gehen. Immer ein ungeduldiger und jtets beſorgter Patient, war er jeit dem ſchweren Typhus 1863 nicht mehr ernſtlich krank geweſen. Auch jetzt griff er zur Arbeit, er begann die Ausarbeitung der Rede über Schlözer, die Tage der Generalverſammlungen unſerer Vereine hatte er ſchon ausgewählt, die Arbeit an der Rede hielt ihn aufrecht: „ich konte dieſe Tage nicht aushalten ohne die Arbeit an der Denkrede.“ Oft hatte er in den zerſtörungsreichen Jahren ſeines Lebens, bei den auflöſenden

Mächten, die über uns her waren, empfunden, wie doppelt he Amt der Geſchichte ſei, denn es ſchafft zugleich und bewahrt nun wurde ſie ihm, wie ſie's in ſchwerem Leide 1846 und zweimal geweſen war, noch einmal perſönliche Tröſterin. Sch ſönlichkeit, ſein Rechtsſinn, ſeine Gewiſſenhaftigkeit er, ernſte Mahnung gegen diejenigen, die ſo leicht bereit N zudenken“, wandte er auf Tageserſcheinungen in unſerer Mitte vor allem in Kronſtadt die Zeichen ſich mehrten, die darauf daß ein Teil dort ſich anſchickte, mit den kirchenpolitiſchen abzufinden, war ihm tief ſchmerzlich. Das Evangelium vom nach Trinitatis „Fahret auf die Höhe“, ließ er ſich zum Bett und las es mit erhobener Seele, es war ihm immer ein liebes geweſen. Eine geſteigerte Weichheit der Seele, auch in geſunden hie und da, mehr noch in kranken war an ihm bemerkbar, der u hei lichſte Gedanke, der an ein langes Siechtum. Als Ende Juni die S ch geſchloſſen wurden, kamen die Enkel, wie ſie es zu tun gewohnt und zeigten dem Großvater die guten Zeugniſſe. Er las ſie und gab Tränen in den Augen ihnen fromme Segenswünſche auf den weit Lebensweg. Am 29. Juni trat plötzlich eine große Herzſchwäche doch beſorgte er am 1. Juli noch Amtsgeſchäfte, am Sonntag (2. 3 freute er ſich an den blühenden Roſen, die die Töchter täglich friſch neben ſein Bett ſtellten und machte Pläne für die Zukunft: die nächſte Denkrede ſollte Michael Albert gelten, dem ſächſiſchen Dichter, der im Frühling geſtorben war, im nächſten Konſiſtorium wollte er neue Schritte zum Schutz der bedrohten Rechte der Kirche anregen, da machte am 2. Juli abends, die Glocken läuteten eben 8 Uhr ein Herzſchlag dem reichen Leben ein Ende. Sein letztes Wort, da er den Armen der Gattin entſank, die den nach Atem Ringenden hielt, war: „ich muß“. Als die Kinder weinend um das Bett des Toten ſtanden, fand die Mutter das erſte erlöſende Wort: „Wir wollen unſerem himmlischen Vater danken, daß er uns dieſen irdiſchen Vater ſolange erhalten hat.“

Er ſtand im 76. Jahr ſeines Lebens, faſt 26 Jahre war er Biſchof geweſen, in wenigen Tagen hätte er das 51. Dienſtjahr vollendet.

Seinen Tod empfand Kirche und Volk wie die eigene Familie ſie hatten den Vater verloren.

Die fünfzig Jahre ſeines Wirkens und Schaffens umfaſſen eine Zeit der größten Wandlungen für das ſächſiſche Volk und die evang. Kirche in Siebenbürgen und mit allen wichtigen Ereigniſſen iſt ſein Leben und ſeine Arbeit aufs innigſte verknüpft. Aus den zerſtreuten kirchlichen

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Kapiteln, die fich gleichgültig oder feindlich gegenüber ſtanden, als der junge Kandidat die erſten Artikel über die Notwendigkeit einer neuen Kirchenverfaſſung ſchrieb, hat er eine einheitliche Kirche zuſammenge⸗ ſchmiedet, durch die Arbeit an der Verfaſſung ſelbſt, durch deren Ausbau und Verteidigung, nicht zuletzt durch feine machtvolle Perſönlichkeit an der Spitze der Kirche. In die bunte Mannigfaltigkeit und die willkürliche Unordnung der Schulen hat er Einheit und Ordnung gebracht und ihrer Arbeit neue hohe Ziele geſteckt. Die Geſchichte des ſächſiſchen Volkes hat er aus dem Staub der Archive an das Licht der Gegenwart gebracht, fie zu einem Teil des Volkslebens gemacht, ſeinem Volk eine ẽhiſtoriſche Literatur ſchaffen geholfen, wie ſie ſchöner und reicher kein deutſcher Volksſtamm beſitzt. Durch ihn ift das nationale Bewußtſein, der Gedanke der Zuſammengehörigkeit zu einem unverlierbaren Beſitz des ſächſiſchen Volkes geworden, er hat es mitgelehrt, die neuen Aufgaben der Gegen⸗ wart mit politiſchen Augen anzuſehen und immer wieder gezeigt, daß die lezten Grundlagen des Lebens die ſittlichen Kräfte find, ohne die das Volk verdorren und zergehen muß, Glaube und Treue, Pflichtbewußtſein und Gewiſſenhaftigkeit und hat ſie gemehrt und geſtärkt. Er hat der Kirche hier, den Proteſtantismus in unſerer Mitte neuerdings erinnert, daß neben der großen nationalen Aufgabe, die ihnen zugefallen, die größere nicht verloren gehen dürfe, das Reich Gottes zu pflanzen und die Ver⸗ tiefung des religiöſen Lebens in der Gegenwart unſer aller Aufgabe ſei. Er hat in erſter Reihe unſer Volk aus der Vereinſamung hier heraus⸗ gehoben, den geiſtigen Zuſammenhang mit Deutſchland neu geſchaffen, dort das Intereſſe, das Verſtändnis für uns geweckt und an die Pflicht gemahnt, auf uns nicht zu vergeſſen. Er hat in raſtloſer, wenn auch wenig erfolgreicher Arbeit ſich abgemüht, in den leitenden Kreiſen Ungarns Verſtändnis für unſer Volk und deſſen Aufgaben zu wecken, die er als ſtaatserhaltende anſah und hat die Hoffnung nicht aufgegeben, daß jenes Verſtändnis und damit die notwendige Verſtändigung kommen werde und kommen müſſe. Wir halten Haus mit Gedanken und Anschauungen, die er uns in die Seele gelegt und ſtreiten um Ziele, die er uns geftedt. Und wenn mit den neuen Arbeiten, die der Tag bringt, der alte Glaube an die Zutunft unſeres Volkes und unſerer Kirche hier friſch auflebt und in neuen Sorgen nicht verloren geht, jo müſſen wir immer wieder auch ihm dafür danken. Sein feſtes, tapferes, frommes Herz, das in ruhiger Zeit dauerhaft regelmäßiger Arbeit lebte, in Tagen der Not ihn wie den Deichhaupt' mann in die Lücke des durchbrochenen Dammes ſich an den gefährdeten Platz ſtellen ließ, fein Weſen, das mit heiterer Überlegenheit und *

36 Georg Daniel Teutſch.

Willen durch die Gewalt feiner geweihten Macht des fittlichen Pathos die Freunde er und vornehm, nie den eigenen ſondern den und zuverſichtlich auf den Sieg des Rechts es hat die Kraft, auch wo er nicht mehr unter und Glaubensgenoſſen fromm, dauerhaft, zur

Luther hat einmal das ſchöne Wort einem Volk hat wollen helfen, hat ers nicht mit nicht anders, denn daß er einen Mann oder die regierten beſſer denn alle Schriften und Geſetze. Büchern noch Vernunft, es liegt daran, daß Gott Leute

Als einen ſolchen Mann hat das ſächſiſche Volk und Kirche in Siebenbürgen Teutſch ſchon bei ſeinem Leben ſtarb, wuchs dieſe Empfindung. Die Tatſache ſelbſt, daß i mag uns zum Troſt gereichen, denn das Volk fteht nicht ſeiner Geſchichte, das ſolche Männer hervorbringt. Aber auf das, was er ihm geweſen, ſoll es mit dem alten P Bitte ausſprechen, doppelt inbrünſtig inmitten des Kampfes Aufgaben des Tages: „daß Dein Geiſt bei mir fei zwiefältig!“

I:

Denkſchrift der fächfifchen Landtagsdeputierten in Betreff der Union, 20. Juni 1848.

Zu S. 480.

Löbliche Stände!

Die Sachſen in Siebenbürgen, die dritte ſtändiſche Nation unſers Vaterlandes, haben, erkennend die gegenwärtige Weltlage und in gerechter Würdigung der heißen Sehnſucht ihrer Mitſtände nach einer engern Ver⸗ einigung mit der heiligen Krone, auf Grundlage der pragmatiſchen Sanktion ihre Zuſtimmung zur Wiedervereinigung Siebenbürgens mit Ungarn gegeben. Indem fie dadurch bewieſen, daß fie frei von Engherzigkeit die angeſtrebte Kräftigung des gemeinſamen Vaterlandes, wie immer, ſo auch jetzt, gerne fördern, nehmen ſie alle jene Rechte in Anſpruch, und haben es ſchon bei der Zuſtimmung zur Union getan die nicht nur in dem Königs⸗ worte aller ungariſchen Herrſcher, dem Eide der Stände und zahlloſen Landesgeſetzen, als unverletzlich gewährleiſtet, ſondern auch in dem ewigen angebornen Urrechte jedes Volkes begründet find.

Die Sachſen hat vor 700 Jahren ein ungariſcher König, doch als Deutſche,]) vertragsmäßig ins Land gerufen. (Dasſe) war dazumal eine Wüſte: fie haben es zum Wohnſitz für Menſchen umgeſchaffen; eine breite Heerſtraße wilder Horden war es, die ungehindert auf derſelben einbrachen und das in häufigen Bürgerkriegen zerrüttete ungariſche Reich ſchädigten: fie haben die [ferne Grenze] wie die Geſchichte zeigt, mit Burgen befeſtigt und den Frieden geſchirmt. Auch ſie haben alſo das Land mit ihrem Blut ſich gewonnen. Sie waren, wie einer der größten ungariſchen Könige rühmt, quibus confinia et finitimae partes regni velut sublimibus columnis fuleiuntur. In der Roheit der frühern Jahrhunderte ſind fie für Sieben bürgen“) die Träger der Geſittung und Bildung geweſen; ſie haben er einer Zeit, wo faſt in ganz Europa die ſchroffe Scheidung in Herrn 5 Knechte die naturgemäße Fortentwicklung hinderte und die Menſchheit nl würdigte, unſerm Vaterland das erhebende Bild bürgerlicher Freiheit gew 1)

) Die im Text in Klammern gedruckten Worte ſind in der dem Landtag

vorgelegten Denkſchrift umgeändert, u. zw. in der in den Noten angeführten Art:

Nation auf Grund freier Übereinkunft. Das Niederlaſſungsland. ſüdlichen Teile unſeres Vaterlandes. unſer Vaterland.

3

und indem 5 ihr rde jegt auf der ganzen Staatsleben zu Grundlagen d ſchiedenartigen Völker zu vei Alles 1 die S daß Königswort, Staatsverträge ihre Volkstümlichkeit geachtet und Staatsbegriffe, wie er auch in der Selbſtregierung keine Eingriffe g tümlichkeit und Selbſtregierung, Wiedervereinigung Siebenbürgens n Nation ihre Beiſtimmung gaben, als keinen Augenblick zweifelnd, daß ſowohl Wohl als der Rechtsſinn ihrer jetzigen dieſelben, weil ebenſo begründet in dem ewigen [Urrecht]?) für unverletzlich an mit dem neuen Staats- und Völker

Als die aus den bereits angeg des ſächſiſchen Volkes, die es in ſeiner B 1 ſich vorbehalten, bezeichnen [wir:]*) 5

$ 1. Das Territorium des“) Sachjenlandes | Ganzes, das ohne Beiſtimmung der ſächſiſchen geſchädigt oder verändert werden kann. *

§ 2. Die ſächſiſche Univerſität, als äußere lichen Nationalverbandes, deren zeitgemäße Um Genehmigung des konſtitutionellen ungariſchen Kön angelegenheit bildet, hat unter dem Vorſitz des lebenslänglichen Präſidenten, welcher in der verfa erwählen iſt, fortzubeſtehn:

a) in einem Appellationshof für Zivilrechtsſtreitigk fälle bei Einführung der Schwurgerichte den Ka Zeit aber den Reviſionshof für das Sachſenland b in einem Abgeordneten-Konflux, der das Geſamt als deren unantaſtbares Eigentum verwaltet und [i des Leopoldiniſchen Diploms und dem 13. Artikel von Recht der innern Geſetzgebung, wohin auch Organiſation un der Nationalgarde gehört,“) ungehindert ausübt.

) gebildeten Erde.

) alle geſtrichen.

) Naturrecht.

4 Nund beanſpruchen die Unterfertigten als Vertreter der f

im Sinne des 3. P. des Leopoldiniſchen Diploms und des 13: 179) und der Verband des S.

Jin feiner bisherigen Geſtalt, nach welcher es aus 9 Stühlen un

ſowie aus teils juſtiziellen, teils Verwaltungs-, teils aber in

dazu gehörigen Ortſchaften beſteht wie bisher jo auch weiterhin.

) ſächſiſchen Nationsgrafen.

°) fehlt in der Denkſchrift.

) Zuſatz: Zunft⸗ und Gewerbeordnung gehört.

BI

$ 3. Ebenſo wird den einzelnen Kreiſen, wie jeder einzelnen Kommune des Sachſenlandes die im Weſen echter konſtitutioneller Freiheit begründete Selbſtverwaltung, darunter die freie Wahl ihrer Kreis- und Gemeindebeamten, ſowie die eigene Verwaltung und Verwendung ihres Kreis- und Kommunal vermögens gewährleiſtet.

9.5 In allen äußern und innern Angelegenheiten des Sachſenlandes iſt wie bisher die deutſche Sprache Amts- und Geſchäftsſprache. Doch iſt es Privaten ungariſcher und walachiſcher Nationalität geſtattet, ſich an die W Behörden mündlich und ſchriftlich in ihrer Mutterſprache zu wenden.]!

§ 5. Sämtlichen Konfeſſionen wird die freieſte und ſelbſtändigſte Regelung und Verwaltung ihrer Kirchen- und damit unzertrennlich verbundenen Schulangelegenheiten,?) bloß mit Emporhaltung des allgemeinen, doch erſt konſtitutionell zu begründenden Auſſichtsrechts des Staates gewährleiſtet. “)

Das, Löbliche Stände, ſind die Rechte, die wir, die Vertreter des ſächſiſchen Volkes im Namen desſelben und für dasſelbe bei ſeinem neuen Eingehen in den ungariſchen Reichsverband in Anſpruch nehmen. Von welcher Wichtigkeit dieſe Rechte für feinen fernen Beſtand und damit für das Wohl des Geſamtvaterlandes ſeien, bedarf keiner weitern Auseinanderſetzung. Dem Begriff eines vernünftigen Staatslebens widerſtreiten ſie nicht; denn er kann in dem geläuterten Sinne der Gegenwart nicht zum Zweck haben, alle Eigentümlichkeiten der von Gott ſtammenden verſchiedenen Nationalitäten zu zerſtören; Verſuche dazu richtet die Geſchichte. Mit dem Weſen der Union ſind ſie wohl vereinbar, ja ſie folgen aus demſelben, da Gleich⸗ berechtigung und Erhebung der verſchiedenen Volkstümlichkeiten der beiden Heimatländer zu wahrer Teilnahme am Staatsleben und Staatszweck ihr ſchönes Ziel iſt. Endlich kann in der Bruft jedes ſächſiſchen Patrioten durch die durch ein Landesgeſetz zu ſchaffende Verſicherung der aufgezählten ebenſo ſelbſtverſtändlichen, wieſo auf den Grundgeſetzen Siebenbürgens ſich gründenden Rechte, nur die erwünſchte Sympathie für die neue Ordnung entſtehen, ohne welche das h. Wort der Union zur Trauer der ſächſiſchen Nation eine leere kalte Formel bleibt und in Herz und Gemüt zu wirklichem Freudengefühl, zu lebendigem ſegensvollem Leibe niemals werden kann.) 0 3

Darum, Löbliche Stände, fordern wir Sie, indem wir Ihnen dieſe Denkſchrift in dem Namen der Sächſiſchen Nation überreichen, bei der ewigen erechtigkeit, den beſchwornen Grundgeſetzen des Vaterlandes] ) und dem brüderlichen Bande, das uns ſeit Jahrhunderten vereinigt [und fortan noch enger vereinigen ſoll) ) auf, dieſe [hier niedergelegten recht- undl i) gejegmäßigen, unſern nationalen Fortbeſtand allein sichernden) Forderungen des ſächſiſchen

Voltes der betreffenden Deputation mit dem Auſtrage zu übergeben, einen

2 f lt in der Denkſchrift. - 3 7 die freie 2 und Verfügung über die Schulfonde und Einkünfte, di i der Pfarrer. 5 * Kenia 1 a Be aller vaterländiſchen evang. Fase mu. gemeinden und Schulen klar und entſchieden ausgefprodhen, WIEN. e Bu und Unterrichtsſprache die deutſche Sprache auch hinfort gebrauch

) fehlt im Entwurf,

eigenen dieſe 2 n deſſen Annahme ſeitens des Grundbedingung ſähe,

Wahrheit werde. Der ( Abgeordneten um ſo z bereits in Betreff der Szeklei

wart, daß nur der Gerechte ſtark iſt. Herz für Fortſchritt und a Schirm mehr als je gerade jetzt Germanen angewieſen ſind [Und fo möge denn durch Ihre für die Sachſen eine Quelle des Heiles Väter nicht aufhören, aus dem um fl beiden Heimatländer, wir jagen bald, d (Schließlich behalten wir unfern vor und verlangen die Einverleibung dieſer d

2. Repräfentation der ſächſiſchen Nationsuniverſite

Eure k. k. apoſtoliſche Maj Allergnädigſter Kaiſer und H

Seit Siebenbürgen im Jahre 1688, das damals ſelbſtändige „Reich,“ in freiem Vertrage „zum König kehrte“ und „unter den väterlichen und ſtarken Schutz des Kaiſers und erblichen Königs von Ungarn Leopold 1. und trat; ſeit die in Hermannſtadt verſammelten Stände 30. März 1722 die pragmatiſche Sanktion annahmen und Hermannſtadt dieſelbe, um ein dauerndes Zeugnis „der u dienſte des Hauses Oſterreich für dieſes Fürſtentum“ und der dankbaren Geſinnung ſeiner Bewohner zu geben, im Jahre den Landesgeſetzen einverleibte: hat es einen, die Intereſſen und ſeiner verſchiedenen Völker tiefer berührenden und für wicklung des Reiches von dieſer Seite bedeutſamern Staatsakt als die ſeit kurzem wieder zum Verhandlungsgegenſtaud gework Siebenbürgens mit Ungarn.

In der Denkſchrift fortgelaſſen. 5 ) Lautet in der Denkſchrift: Indem wir ſchließlich unſern S Recht eventuell ihre diesbezüglichen Anträge und Anſichten gehörigen

Orts u feiner Zeit vorzubringen vorbehalten, verbleiben wir der L. Stände ergebenſte! (folgen die Unterfchriften),

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Wenn die treugehorſamſte ſächſiſche Nationsuniverſität, veranlaßt durch das Allerhöchſte Reſtript vom 25. Dezember 1865, worin die Bejorgnis vieler den Anfang einer tatſächlichen Verwirklichung jener Union erblickt, ſich in homagialer Ehrfurcht gedrängt fühlt, als das legale Organ der Geſamtbevölkerung des Sachſenlandes ihre diesbezüglichen Rechtsanſchauungen und Rechtsbedenken mit derſelben Offenheit, wie in ihrer alleruntertänigſten Repräſentation vom 6. November 1865 dem Allerhöchſten Throne zu unter- breiten, ſo iſt ſie dabei erfüllt von der Pflicht und gehoben vom freudigen Bewußtſein, im Sinne der Allergnädigſten Entſchließung vom 18. Oktober 1862 „einen neuen Beweis ihrer ſtets bewährten Treue und Anhänglichkeit“ an Allerhöchſt Eure Majeſtät und das Allerhöchste Kaiſerhaus zum Ausdruck zu bringen. J.

Daß Siebenbürgen, als es noch vor der Schlacht bei Mohatſch (1526) im Reichsverbande des Königreichs Ungarn ſtand, ſelbſt damals mit dieſem nicht verſchmolzen war, ſondern nach vielen Richtungen hin ſein eigentüm⸗ liches, von dem Ungarns prinzipiell verſchiedenes Rechts, Staats- und Völkerleben hatte, das ſich ſchon ſeit der älteſten Zeit eigener Landtage und eigener, mit legislativen Befugniſſen ausgeſtatteter Vertretungen ſeiner pofitifch-berechtigten Nationen erfreute; daß die ſächſiſche Nation insbeſondere in unmittelbarer Unterordnung unter dem König in Verfaſſung, Vertretung und Rechtspflege ein für ſich beſtehender, „beſonderer Zweig der ungariſchen Krone“ war: davon geben die Geſchichte und die Rechtsbücher Ungarns durch die lange Reihe jener Jahrhunderte lautredend Zeugnis. Es entſpricht daher die Rechtsanſchauung der ſiebenbürgiſchen Stände der geſchichtlichen Wahrheit vollkommen, wenn dieſelben im I. Artikel von 1744 erklären: »Transsil- vaniae principatus antea quidem aliquot retro seculis sacrae regni Hungariae coronae membrum, sed tune quoque pro seorsiva et distinctae ab eo jurisdietionis provincia sub Vaivodarum directione et partium Transsilvanarum titulo 1 diversisque nonnullis suis particularibus legibus ac statutis frui is ac gavisus.c E

165 iſt eine Tuſache daß nach der Schlacht bei Mohatſch ein zwölf⸗ jähriger Krieg, in dem die ſächſiſche Nation in opferfreudiger, von Eurer Majeſtät Allerdurchlauchtigſtem Ahnherrn Ferdinand 1. rühmend anerkannter Treue zum Haufe Oſterreich ſtand, Siebenbürgen von Ungarn ke n

Anderthalb hundert Jahre lang ein für ſich beſtehendes ſelbſ 5 ige Fürſtentum, als ſolches von dem öffentlichen Recht Europas aner ce ſchloß es am Ende des 17. Jahrhunderts jene Verträge, die 1 for 5 Fürſten aus dem Haufe Oſterreich gaben, ohne Dazwiſchenkunſt a ab; ja es iſt bezeichnend, daß ſich die Stände Siebenbürgens 1 en gegen den, hie und da auftauchenden Gedanken einer Vereinigung des

i f f So gaben die ſiebenbürgiſchen

mit Ungarn auf das entſchiedenſte wehrten. So 9 weſſenen Auf. Stände 1692 ihren Abgeordneten an den kaiserlichen Hof den gemeſſe 5 : 15 170 iakei benbürgiſchen Hofkanzlei von der trag, ſich gegen jede Abhängigkeit der ſiebenbürgiſch in Diefe ſich aus⸗ ungariſchen zu erklären, gegen jede „Inkorporation Ken laſſe für Sieben⸗ zuſprechen. Denn die »politica indispensabilis A 70 5 ese bürgen eine ſolche Abhängigkeit nicht zu; und wieder: »status

rerum Transsilv: »ne cancellaria Trans »ullo modo immisceatur, » dinativnem.«

Von da an unter er Haufe Sſterreich, Höchſtw trugen, hat Siebenbürgen wicklung erfreut, die die alten Fürſten und des türkiſchen Joche irgend ein Beſtreben einer engern

Erſt der Rückschlag gegen weckte dasſelbe; die ſiebenbürgiſchen tag von 1790/91, die Stände des Ki Preßburger Landtag begannen ſich ſchäftigen.

Da iſt es von höchſter 2 ſiebenbürgiſchen Ständen aufgefaßt alleruntertänigſten Repräſentation an Se, 7. März 1791 inter Transsilvaniae prin quae salvis Munieipalibus nostris i »iniri poterat, jam pridem coalita subsistit »nostra non eo vergit, ut novam aliquam, »saperet, Legesque et Jura ac Privilegia »posset, Unionem cum regno Hungariae »modo, ut praecautiones illae, sub quibus ad ı »redivimus, eo magis in suo vigore co Stände, die dieſe Repräſentation Seiner Majeſtät es unter Sanktion der Krone im Geſetze (Art. VI.! daß Siebenbürgen ein für ſich beſtehendes, eine eigene keinem andern Reiche unterworfenes Land jei: »indivisi cum omnibus regnis et provineiis, quoad sim »possessionem et mutuam defensionem, unionis nexu »ticam sanctionem.«

Dieſer Rechtslage und dieſer Rechtsanſchauung ent der von der tiefen Bedeutung der Frage für Land und Gründlichkeit der Behandlung, wenn die Stände, veranlaßt verleibung der ſogenannten Partes reapplientae in der All Repräſentation an Seine Majeftät Kaiſer Ferdinand vom 28. aufs neue erklären, daß eine Union Siebenbürgens mit Ungar vorangegangener Beratung und geſetzlicher Schlußfaſſung beider Sanktion der Krone zum gewünſchten Ziele kommen könne, der Landtag die ſyſtematiſche Deputation in publico-politieis a habe, darüber zu beraten, ob die Union Ungarns und Siebenbi möglich ſei, daß das Gemeinwohl dadurch gefördert werde, namentlich 0 Nutzen oder Schaden dem Lande Siebenbürgen daraus en ki das bis ins einzelſte ausgearbeitete Gutachten der ſyſtematiſchen & ut hierüber ſolle den Jurisdiktionen des Landes gleichfalls zum Zweck

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ratung mitgeteilt werden, damit ſie darnach im Sinne der Geſetze ihre Abgeordneten zum Landtag inſtruieren könnten: ob und unter welchen Be- dingungen ſie die Union wünſchten.

Da die ſyſtematiſche Deputation dieſem Auftrage in den nächſten Jahren nicht nachkam, ſo erneuerte der Landtag von 1846/47 denſelben, zeuge der Repräſentation der Stände vom 3. November 1847. Im Zu- ſammenhang damit weiſt die III. königliche Propoſition des Allerhöchſten Reſtriptes vom 5. Mai 1848 den, auf den 29. Mai desſelben Jahres nach Klausenburg einberufenen ſiebenbürgiſchen Landtag an: „daß über die Ver- einigung Unſers Großfürſtentums Siebenbürgen mit Ungarn, wie ſelbe in der, von den Ständen zu Ende des ſiebenbürgiſchen Landtags von 1847 erſtatteten Repräſentation in Anregung gebracht worden ift, mit Berück⸗ ſichtigung der Munizipalgeſetze und der geſetzlichen Verhältniſſe der drei Nationen die der Wichtigkeit des Gegenſtandes angemeſſene reifliche Bera- tung gepflogen werde.“

Wie, abgeſehen von dem Einfluße jener Bewegung, welche 1848 Europa und insbeſondere Oſterreich erſchütterte, unter Nichtbeachtung dieſer, ſowie der übrigen königlichen Propoſitionen, unter Nichtbeachtung der im XI. Artikel von 1790/91: De modo assumendorum et pertraetandorum in comitiis negotiorum namentlich unter ge, dann unter 7 enthaltenen geſetzlichen Beſtimmungen der I. Artikel von der Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn zuſtande gekommen, der den VII. ungarländiſchen Artikel von 1847/48 „von der vollſtändigen Vereinigung beider Länder,“ weil die „Nationaleinheit und Rechtsidentität dieſelbe erheiſchen,“ annahm, iſt eine allbekannte Tatſache. Die bemerkenswerte Zuſchrift des damaligen ungariſchen Miniſteriums vom 14. Juni 1848 nannte die Vereinigung der beiden Länder ſchon eine „Verſchmelzung der beiden Schweſternationen“

Es iſt eine für das Land und für das Geſamtreich gleich glückliche Fügung, daß jener Artikel nicht zu voller Geſetzeskraft erwachſen iſt. Dieſe treugehorſamſte ſächſiſche Nationsuniverſität, wie fie bisher immer dieſe Rechts. anſchauung im Sinne der beſtehenden Geſetze zu vertreten ſich verpflichtet gefühlt, teilt in dieſer Beziehung auch gegenwärtig vollkommen jene ſtaats⸗ rechtliche Anſicht, welche die am 12. Dezember 1865 von der Mehrzahl der ſächſiſchen Vertreter in Klauſenburg abgegebene Sondermeinung gegen die Geſetzeskraſt des I. Artikels von 1848, mit bisher von keiner Seite widerlegten Gründen, ausgesprochen = erlaubt ſich daher, jene Sonder⸗ meinung ehrfurchtsvoll hier anzuſchließen. EN

De Nationsuniverfität fühlt ſich hiebei gehoben en Bewußtſein, in der Beurteilung der Rechtsgültigkeit jenes e 98 Allerhöchſt Eurer Majeſtät in der vollkommenſten Übereinftimmung af En

Es war ein beglückendes Zeichen erhebender kaiſerlicher Ben ge Majeſtät kurz darauf, nachdem Allerhöchſtdieſelben am 2. Dezem 5 ar kraft der pragmatiſchen Sanktion Oſterreichs Thron beſtiegen, = Pr kaiſerlichen Manifeſt vom 21. Dezember 1848 dem ee und volte in Siebenbürgen“ die hocherfreuliche Anerkennung jeiner Su 25 = En „hohen Aufopferung“ in den ſchweren Stürmen jener Tage auszuſp

geruhten.

Und als Eure k. fanden, nach einer z 0 gewalt zur Regelung der innern fi das „beſtändige und unwiderrufliche zu erlaſſen, wurde innerhalb frühere Verfaſſung wiederherg dieſes Großfürſtentums von vieles anderen zu geſchweigen, das Al präſidenten Grafen Rechberg, vom herſtellung der ungariſchen und ſieb ſames Zeugnis gibt. P

Unter allen ſtaatsrechtlichen Akten, jenem Tage vollzogen, gibt es keinen e Siebenbürgens von Ungarn präjudizierend, burger Artikels von 1848 anerkenne.

Das Staatsgrundgeſetz vom 26. Feb fürſtentum Siebenbürgen eine eigene Vetretung über die Art und Weiſe der Entſendung d 1864 die Sanktion der Krone erhalten, nad Handſchreiben vom 26. Februar 1861 an den 9 Hofkanzlei Freiherrn von Kemeny jene Feſt Regelung durch die Landesgeſetze zugewieſen hatte.

Das Allerhöchſte Reſkript an den ungariſchen 1861 erklärt: „Was die, ohne die freie Zufti „Sachſen beſchloſſene Union des Großfürſtentums „betrifft, ſo muß vor allem bemerkt werden, daß „Geſetzeskraft niemals zuſtande gekommen iſt, auch faktif „Verkündigung auseinanderfiel und als unausführbar zu „lange Siebenbürgens Bewohner nicht-ungariſcher Zunge »intereſſen durch eine ſolche Vereinigung bedroht ſehen un „auch den Intereſſen und Forderungen des Geſamtreiches „Garantie geleiſtet iſt.“ a

Auf demſelben Grunde beruht das Allerhöchſte Reſkript v tember 1861, womit der ſiebenbürgiſche Landtag nach Karls wurde; ähnliche Erklärungen enthalten die Allerhöchſte Mi beiden Häuſer des Reichsrates vom 23. Auguſt 1861 und die Entſchließung vom 20. Februar 1863 auf die Repräſentation Szolnoker Komitates vom 26. Dezember 1862.

Als dieſe treugehorſamſte ſächſiſche Nationsuniverſität in untertänigſten Repräſentation vom 29. März 1862, U. -Z. 33. 18 der von den Vätern übernommenen Miſſion ad retinendam feinen Augenblick im Zweifel ſich dahin ſtellte, wohin Pflicht, Gew Überzeugung fie rief: zu Eurer Majeſtät und zu der Verfaſſung des Rei als ſie die Staatsgrundgeſetze vom 20. Oktober 1860 und 26. Februar! freudig begrüßte, welche Allerhöchſt Eure Majeſtät geruht hatten als Verfaſſung des Reiches zu verkündigen; als ſie ſich in allen, der R tretung nicht vorbehaltenen Angelegenheiten auf den Boden des all

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bürgiſchen Staatsrechtes, der ſelbſtändigen Vertretung und

Landes im Sinne des Ottoberdiploms ſtellte: da reg gg univerfität die erhebende Genugtuung zuteil, daß Allerhöchſt Eure k. k. apoſtoliſche Majeſtät mit Allergnädigſter Entſchließung vom 18. Oktober 1862 zu erklären geruhten: „In den patriotiſchen Worten der Repräſentation der „ſächſiſchen Nationsuniverſität vom 29. März l. J. erkenne ich mit wahrer „Freude einen neuen Beweis ihrer ſtets bewährten Treue und Anhänglichkeit „an Mich und Mein Haus.“

„Die darin entſchieden ausgeſprochene Anhänglichkeit an die, durch „Mein kaiſerliches Diplom vom 20. Oktober 1860 und Mein kaiſerliches „Patent vom 26. Februar 1861 gewährte Verfaſſung meines Reiches dient „mir ebenſo zur wahren Befriedigung als die aufrichtige Bereiterklärung „der Geſamtbevölkerung des Sachſenlandes, zum Aufbau der innern ſtaats⸗ „rechtlichen Verhältniſſe Meines Großfürſtentums Siebenbürgen und ſeiner „Beziehungen zu Meinem Geſamtreiche auf einem ſiebenbürgiſchen Landtage „mitzuwirken.“

Erfüllt von den Gefühlen der Dankbarkeit und Freude beeilte ſich die ſächſiſche Nationsuniverſität, den Wortlaut dieſer Allerhöchſten Entſchließung in allen ſtädtiſchen. Stuhls⸗ und Diſtriktskommunitäten zur öffentlichen Kenntnis zu bringen; die dadurch aufs neue in alle Kreiſe der Bevölkerung dringende erhebende Kunde ſo belobender Anerkennung Allerhöchſt Eurer Majeſtät, des geliebten Kaiſers und Landesfürſten, konnte natürlich nicht anders, als die Überzeugung von der Beſtändigkeit und Unverbrüchlichkeit des, mit dieſen Rechtsanſchauungen und den bedeutungsvollen Erklärungen Eurer Majeſtät gleichmäßig übereinſtimmenden Rechtsſtandes immer tiefer gründen und die Nation ermuntern, auf dem betretenen Wege zum Heile des engern und weitern Vaterlandes vereint mit dem Monarchen zu beharren.

Und als die treugehorſamſte Nationsuniverſität in ihrer allerunter⸗ tänigſten Dankadreſſe vom 27. Januar 1863 aufs neue gelobte: „Eurer „Majeſtät in feierlicher Stunde wiederholt ausgeſprochener feſter Entſchluß,

Ades Reiches Einheit zu wahren und das begonnene Werk der Verfaſſung „zur Vollendung zu bringen, gibt uns den Mut, fortſchreitend auf der ein, „geſchlagenen Bahn für die Krone, das Vaterland und das Geſamtreich „unſere Pflicht zu erfüllen. Wir werden ſie niemals vergeſſen;“ wurde die Bevölkerung des Sachſenlandes aufs neue freudig erhoben durch die Allerhöchſte Entſchließung vom 17. Februar 1863, wodurch Eure Majeftät jene Dankadreſſe „Allergnädigſt zur befriedigenden Kenntnis zu nehmen geruhten. 3 2 5

In gleicher Weiſe iſt der romaniſchen Nation in Siebenbürgen für

ihre den Staatsgrundgeſetzen und dem alten Rechte der Unabhängigkeit

Siebenbürgens von Ungarn zugewendeten Rechtsanſchauungen unter 8

in der kaiſerlichen Entſchließung vom 18. Oktober 1862 die Allerhöchſte

Billigung zuteil geworden. 0

: Als a Eure Majeſtät, „bejeelt von dem Wunſche, die >

„Angelegenheiten Siebenbürgens recht bald zur Befriedigung aller 3 5 „bewohnenden Volksſtämme auf einem eigenen Landtag nn „Beſtimmungen vom 20. Oktober 1860 und 26. Februar 1861 über

„staatsrechtliche Verhältniſſe z „holt ausgeſprochenen Abſicht höchſtem Reſkript vom 21. „Siebenbürgen nach Her „andern geſetzlichen und anwendbar und Geſchäftsordnung zu erlaſſen Free: Wa Bedeutung dieſer Initia der Bürgerpflicht getragene Teilnahme lichen Rechtsſtandes im Sinne der Staat Dankgefühl übertroffen werden, das ſich „Regentenpflicht“ beugte, welche ſelbſt aus der Gerechtigkeit der Sache und dem den freudig mitwirkenden Kräften die Üb immer mehr und mehr erſtarken ließ. Aufs neue widerklangen in tauſend E den Worte des Allerhöchſten Begrüßung: Landtag vom 15. Juni 1863: „Da die im 2 „des Großfürſtentums Siebenbürgen mit Ungarn „niemals zuſtande gekommen und auch faktiſch „iſt, jo haben Wir Uns bereits in Unſern Entſch „1860 bewogen gefunden, dieſelbe unberührt zu fa „herſtellung der ſiebenbürgiſchen Landesvertretung zu Unter ſolchen Eindrücken legten die „wirklichen „bevölkerung des Großfürſtentums Siebenbürgen,“ wie Allerhöchſten Begrüßungsreſkripte genannt werden, in der al Adreſſe vom 21. Auguſt 1863 den Ausdruck ihres Dankes, Treue, Hingebung und Anhänglichkeit an den Stufen des? nieder; und wenn Eure Majeſtät in dem Allerhöchſten Ref tember 1863 in der Erledigung jener Adreſſe der Lan begeiſternde Anerkennung auszuſprechen geruhten: „Mit Freude „hat die von Euch, liebe Getreue, den landtäglich verſam „Unſers geliebten Großfürſtentums Siebenbürgen auf Unſer fi „eröffnungsreſkript vom 15. Juni unterm 21. Auguſt l. J. an „Adreſſe Unſer väterliches Herz erfüllt,“ dann: „Ihr, liebe G „die richtige Erkenntnis der wahren Sachlage .. Ihr habt gerei „reiche Kenntniffe und Erfahrungen, patriotiſchen Eifer und. Selb „bewährt ..; fahret fort an dem ſchwierigen Werke mit würdig „und erprobter Loyalität zu arbeiten“: jo gilt dies aus dem 9 geliebten Landesfürſten jeden treuen Sohn des Vaterlandes mit unerſchüt Vertrauen erfüllende Wort der Huld und des Rechtes auch jener Adreſſe, worin die Landesvertreter erklärten: „der Landtag legt einen „Wert auf die jahrhundertlang bewahrte Selbſtändigkeit und Inte „des Großfürſtentums als eines beſondern, unabhängigen Gliedes „ungariſchen Krone und kann in voller Übereinſtimmung mit der von „Majeſtät ausgeſprochenen Erklärung die im Jahr 1848 beſchloſſene Vereinigu „Siebenbürgens mit dem Königreich Ungarn als mit voller Geſetz. 5

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„zuſtande gekommen nicht betrachten und ihr um ſo weniger Rechtsgültigkeit „zuerkennen, als dieſelbe infolge der unmittelbar . ren „Ereigniſſe auch tatſächlich ſogleich auseinander gefallen war.“

Die Geſchichte der Verfaſſungsentwicklung welchen Landes immer hat nicht oft eine ſo erhebende Übereinſtimmung zwiſchen den Faktoren der Geſetzgebung zu verzeichnen.

Auch außerdem gelang es, mit dieſem Landtag während der Seſſionen von 1863/64 Geſetze zu vereinbaren, die ebenſo dem Geiſt der Staatsgrundgeſetze entſprechen, als ſie bei ſachgemäßer Handhabung in den Grenzen und auf dem Boden der wiederhergeſtellten ſiebenbürgiſchen Verfaſſung geeignet find, die berechtigten Wünſche und Bedürfniſſe des Landes und ſeiner verſchiedenen Nationen zu befriedigen.

Wir dürfen es wohl jagen, daß dieſe Tätigkeit des ſiebenbürgiſchen Land- tages neben dem Bewußtſein der erfüllten Bürgerpflicht ihren höchſten Lohn darin fand, als Allerhöchſt Eure Majeſtät in der Allerhöchſten Thronrede bei Schließung des Reichsrates am 15. Februar 1864 zu erklären geruhten:

„Zur beſondern Befriedigung gereicht es Mir, in Ihren Reihen

„auch die von Mir berufenen und die gewählten Vertreter Meines

„Großfürſtentums Siebenbürgen zu erblicken.“

„Noch war der Jubel des Feſtes nicht verhallt, mit welchem

„jenes Land, das eine feſte Burg an der Weſtgrenze Meines Reiches

„iſt, ſeine vor einem halben Jahrtauſend vollzogene Vereinigung mit

„der Krone Oſterreichs beging, als von der Oſtgrenze her Sie, Meine

„Herren Abgeordneten Siebenbürgens, mit freudiger Zuverſicht die

„Bahn zu jener gemeinſamen Tätigkeit betraten, welche ein neues,

„täglich mehr ſich ſeſtigendes Band um Meine Völker ſchlingt.“

„Mit wahrer Genugtuung habe Ich dieſe Erſcheinungen begrüßt,

„in welchen Ich den Ausdruck eines ſegenvollen Einverſtändniſſes mit

„Meinen Abſichten und die Bürgen einer glücklichen Zukunft erfannte;“ als Allerhöchſtdieſelben in der am 14. November 1864 bei der feierlichen Eröffnung der III. Reichsratsſeſſion geſprochenen Thronrede |

„die verfaſſungsmäßige Tätigkeit, welche ſchon in Meinem

„Großfürſtentume Siebenbürgen erfreulich waltet,“

vor den verſammelten Vertretern des Reiches huldvoll anerkannten.

II.

Seither haben Eure Majeſtät ſich beſtimmt gefunden, den Landtag von Hermannſtadt aufzulöſen, eine andere Vertretung des Landes auf 8 andern Grundlage nach Klauſenburg einzuberufen, und derſelben 1850 Allerhöchſtem Reſkript vom 1. September 1865 als ande un alleinigen Gegenſtand der Beratung die Reviſion des 1. Geſetzarti = pe 1848 über die Vereinigung era en bezüglich beiden Ländern gemeinſamen Intereſſen zuzuweisen, 5

Treu ihrer angeflammten Bürgerpflicht und Gebrauch ere ihren altehrwürdigen, von Allerhöchſt Eurer Majeſtät er * anerkannten Verfaſſungsrechte hat dieſe treugehorſamſte 1 hs univerſität in ihrer alleruntertänigſten Repräſentation vom 6. No!

die Anſchauungen, Wünfche ı der Bevölkerung der jächfi find, Eurer Majeſtät allı dieſe ſich anſchauungen auch gegenwärtig Überzeugung ermutigt, daß keiner Akte mit dem dort enen volle Rechtskraft nicht zukomme, Denn in der Allerhöchſten ronrede Landtages am 14. Dezember 1865 Stände auf, den VII. Geſetzartikel von mit Siebenbürgen) einer ernſten und ziehen, wie der Landtag Siebenbürgens J. Artikels von 1848 einberufen worden. daß dieſer Artikel volle Rechtsgültigkeit Ebenſo geruhen Eure Majeſtät dort ſichtigten Verſtändigung nicht die Rechtsvern kontinuität“ zu nehmen, ſondern den gemein der pragmatiſchen Sanktion, und der pragmatiſchen Sanktion ungeſchmälert aufı auf die Integrität der ungariſchen Krone beziehen. Indeſſen ſetzt die pragmatiſche Sanktion in reichs geradezu ein von Ungarn unabhängiges, für nomes Siebenbürgen voraus und es iſt für die g bezeichnend, daß der Landtag Siebenbürgens jenes dem Oſterreich in feinem jetzigen fundamentalen Beſt früher als Ungarn angenommen hat (1722), ja daß von 1790 91 gerade nach der pragmatiſchen Sanktion (j Sanctionem in conformitate articuli III. anni »indivisibili ac inseparabili cum omnibus regnis et simultaneam duntaxat possessionem et mutuam def nexu“ bleiben joll, eine Anſicht, die auch in der all Seine Majeſtät Kaiſer Ferdinand gerichteten Bitte des ſtändiſchen Ausſchuſſes vom 1. Mai 1848 gerade vom Geſamtmonarchie eine eben ſo ernſte als warme Verteidigung Auch daß Eure Majeſtät bei der Eröffnung des unge tages Allerhöchſtihren landesväterlichen Willen ausſprachen, es Unionsfrage „nicht nach dem toten Buchſtaben der Geſetze eine „und zweifelhafte, ſondern im Einklang mit allen lebenskrä „durch deren vertrauensvollen Anſchluß eine dauernde und nachh „finden,“ iſt geeignet der Beſorgnis die Beruhigung zu Frage der Vereinigung Ungarns und Siebenbürgens bezüglich ih ſamen Intereſſen ohne die angeordnete ernſte und eindringliche und zwar jedes der beteiligten Länder für ſich und in ſeinem das Geſetz und die Natur der Sache das mit ſich bringt, zur E nicht kommen konne. kr Inzwiſchen hat, nachdem die Majorität des Klauſenburger Land

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die Reviſion des J. Artikels von 1848 abgelehnt, das Allerhöchſte Reſkript vom 25. Dezember 1865 zu „geſtatten“ geruht, „damit die Löſung der „die Geſamtmonarchie berührenden ſtaatsrechtlichen Fragen keinen Aufſchub „erleide, daß der gegenwärtige Krönungslandtag Ungarns, welcher ſich mit „der Regelung jener Fragen zu befaſſen haben wird, nach der Art und Wahl- „ordnung vom Jahre 1848 zur Wahrung der Landesintereſſen beſchickt werde.“

Die unerſchütterliche Verfaſſungs- und Bürgertreue, die uns beſeelt, unſere nie wankende Hingabe und „altbewährte Anhänglichkeit“ an Aller- höchſt Eure Majeſtät und das Allerhöchſte Kaiſerhaus ermutigen die treu⸗ gehorſamſte Nationsuniverſität, Eurer Majeſtät die ſchweren Rechtsbedenken nicht zu verſchweigen, die jenes Mittel zur Löſung der obſchwebenden Fragen im Hinblick auf das beſtehende ſiebenbürgiſche Staatsrecht notwendig erregen muß.

Im Sinne des „feierlich verkündeten“ Staatsgrundgeſetzes vom 20. Oktober 1860 wurde für Siebenbürgen die frühere Verfaſſung hergeſtellt. Nach dieſer und insbeſondere nach dem, noch in voller Geſetzeskraft beſtehenden VI. Artikel von 1791 iſt es keinem andern Lande, auch Ungarn nicht, untergeordnet oder einverleibt. Die Vertretung Siebenbürgens kann daher verfaſſungsgemäß zur Teilnahme und Mitwirkung an der Vertretung und Geſetzgebung keines andern Landes, auch Ungarns nicht, gerufen werden.

Wohl mit Rückſicht hierauf findet das Allerhöchſte Reſkript vom 25. De⸗ zember 1865 jene Beſchickung des ungariſchen Landtages in der Tat bloß zu „geſtatten“, nicht mit Berufung auf das Geſetz anzuordnen.

Das lebhafte Verfaſſungs⸗ und Rechtsbewußtſein der Geſamtbevölkerung des Sachſenlandes hat bereits bei der Einleitung zu den angeordneten Wahlen in zahlreichen Erklärungen der ſächſiſchen Stuhls und Diſtriktsver⸗ ſammlungen Ausdruck gefunden. Während ſie in der dieſer Bevölkerung eigenen Neigung, zu einer friedlichen Löſung der obſchwebenden Wirren beizutragen, ungeachtet mancher Verfaſſungsbedenken an den Wahlen für den letztzuſammen⸗ berufenen Landtag ohne Einsprache ſich beteiligten, haben fie jetzt in beachtens⸗ werter Weiſe darauf hingewieſen, daß eine Beſchickung des Peſter Landtages ſeitens Siebenbürgen nicht in der Verfaſſung dieſes Landes begründet ſei und entſchiedene Verwahrung gegen jede Folge und Folgerung hieraus eingelegt.

Das Allerhöchſte Reſtript vom 25. Dezember 1865 geſtattet dieſe Beſchickung: „damit die Löſung der die Geſamtmonarchie berührenden ftaats- „rechtlichen Fragen keinen Auſſchub erleide.“ Doch Siebenbürgen ſeinerſeits hat die Löſung bereits vollzogen durch die infolge der Allerhöchſten k. Pro- poſitionen beſchloſſene und Eurer Majeſtät Allerhöchſter Sanktion gewürdigte Inartikulierung der Staatsgrundgeſetze, und wenn die Fortbildung des Ver⸗ faſſungslebens eine Umgeſtaltung jener Staatsgrundgeſetze erforderte, ſo wird die Bevölkerung des Sachſenlandes gerne bereit ſein, auf verfaſſungs⸗ mäßigem Wege mitzuhelfen, daß Allerhöchſt Eurer Majeſtät erhabene, eine dauernde Rechtsgeſtaltung des Reiches bezweckende Absicht in Erfüllung, gehe.

Das Allerhöchſte Reſkript vom 25. Dezember 1865 weiſt e. darauf hin, daß der gegenwärtige Landtag von Ungarn der Krönungslan 2 ſei, und da kurz vorher Eurer Majejtät allergnädigſte Abſicht . ie iſt, daß die hochwichtige Frage der Regelung der ſtaatsrechtlichen 2 tniſſe

Georg Daniel Teutſch.

zur Berufung Siebenbüi „zur 11 der Landesint Re

Aber für eine ſolche ungariſchen gibt ungariſche, noch das ſieben noch viel weniger die Art und Weise 5 an den Beratungen oder Schlußfaſſungen

Und wenn auch die Bevölkerung Majeſtät mit hoher Freude entgegenſieht, ſo daß der gegenwärtige Landtag in Peſt ein K Pflicht der 1 der Vertretung © der ſächſiſchen Nation bei dieſem hochwichtigen hergeleitet werden.

Denn ſeit Siebenbürgen durch die Unt 1688 und durch den Grundvertrag des L 4. Dezember 1691 unter erbliche Fürſten aus dem und damit „zum König von Ungarn zurückgekehrt,“ eigene Vertretung bei der Krönung des d

Ja als die ſiebenbürgiſchen Stände in ihrer a tation vom 1. März 1791 an Seine Majeſtät K richteten, daß Ungarns Könige aus dem erlauchten Haufe Oft ihrer Krönung das Leopoldiniſche Diplom und alle Gewohnheiten und Freiheiten dieſes Fürſtentums beſtätigten, ausgefertigte Diplom aber den zum feierlichen Krönungsakte zu Abgeordneten Siebenbürgens übergäben (sad securitatem tum est illud nostrum desiderium« erklärten die Stände) ſich mit derſelben Bitte zugleich an die ungariſchen Stände Seine Majeſtät mit Allerhöchſtem Reſkript vom 7. Mai 1791 ausdrücklich ab.

Und in der Tat ſteht dieſe Allerhöchſte Erklärung mit dem fieben! Staatsrecht in vollem Einklang, da nicht nur, wie bereits erwähnk,. bürgen unter den Fürſten aus dem Allerdurchlauchtigſten Haus an der Krönung des ungariſchen Königs nie teilgenommen, ſo Securitas“ der ſiebenbürgiſchen Stände in eigenen, dem Lande Incuguraldipl en, nämlich bis 1791 in den ſogenannten Alle Aſſetur tripten und von 1791 an in der, verbo Nostro et P adeque apud Nos et augustam domum N nung ‚abilie vollzogenen Beſtätigung des Leopoldiniſchen ſowie in d ung der geſamten Rechtslage des Landes und

rezipterten endlich in dem feierlichen Eid des Landes ürſten il Gewehr

Gewicht: iſt ferner die Erwägung, daß die Rund dieser treugehorſamſten Nationsuniv

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immer anerkannte Zugehörigkeit Siebenbürgens zur ungariſchen Krone nicht, wie gegenwärtig in einigen Kreiſen angenommen zu werden ſcheint, gleich⸗ bedeutend iſt mit Zugehörigkeit zum Königreich Ungarn.

Auch Galizien und Lodomerien gehört nach dem wiederholten Rechts- auſpruch des ungariſchen Landtages zur ungariſchen Krone und die hohe Regierung hat ſeinerzeit dieſen Rechtsanſpruch prinzipiell nicht verneint.

Was die Zugehörigkeit Siebenbürgens ad sacram regni Hungariae coronam in ſich ſchließe und bedeute, iſt in den vaterländiſchen Geſetzen klar und unzweideutig bezeichnet.

Sie ſchließt in ſich und bedeutet, daß dasselbe geheiligte Haupt aus dem Allerdurchlauchtigſten Hauſe Oſterreich, das die Krone von Ungarn trägt, nach dem Leopoldiniſchen Diplom und der pragmatiſchen Sanktion zugleich und nach demſelben Erbrecht Fürſt des, eine eigene Verfaſſung beſitzenden Landes Siebenbürgen iſt. Der VI. Artikel von 1790/91, der dieſe Beſtimmung enthält, hat geradezu die Überſchrift: De Transsilvaniae cum Hungaria nexu.

Sie ſchließt in ſich und bedeutet: »neque ex eo, quod Transsilvania „sub divo Leopoldo I. ad coronam regni Hungariae redierit, eadem cum laesione jurium et constitutionum suarum municipalium ad »statum pristinum, qui sub Vaivodis fuit, aut reincorporationem »cogi possit« (Art. II. 1790/91), was die ſiebenbürgiſchen Landesſtände in ihrer Repräſentation an Seine Majejtät Kaiſer Leopold II. vom 7. März 1791 fo ausdrücken: Cum Transsilvania eo tempore, quo ad legitimum »Regum Hungariae imperium redivit, libera electione ac plenaria »legislativa potestate gaudens independensque principatus fuerit, ac in »potestatem divi Leopoldi ejusque successorum, qua regum Hungariae, »sponte et libere, certis sub conditionibus concesserit, hine .... »nec sub eo praetextu, quod sub divo Leopoldo I. ad coronam »Hungariae rediverit, vel quod unionem, quae tum facta est, lucu- »lentius testatam reddiderit, ad statum sub priscis Vaivodis vigentem, aut reincorporationem principatus hie adigatur . 5

In dem Umſtande demnach, daß nach der ſtaatsrechtlichen Bezeichnung Siebenbürgen »ad sacram regni Hungariae coronam« gehört, kann dieſe treugehorſamſte Nationsuniverſität einen geſetzlichen Grund nicht finden, aus dem Siebenbürgen zum Krönungslandtag von Ungarn, oder zu der dort beſtehenden Verhandlung der, ir und 5 . be⸗ rührenden ſtaatsrechtlichen Fragen einberufen werden 8 .

E geruhen ferner in dem Allerhöchſten Reſkript vom 25. Dezember 1865 huldvoll zu erklären: daß durch die Vertretung Sieben. bürgens an dem ungariſchen Landtage „die Rechtsbeſtändigkeit der e „erlaffenen Geſetze keineswegs alteriert werde,“ dann: „die definitive 5 „beider Länder, welche Wir nur auf Grundlage der geregelten ſtaatsrecht 75 „Verhältniſſe der Länder der ungariſchen Krone untereinander und zu dem

Reiche irkli ö en wir überdies von der gehörigen Berück' „Reiche verwirklichen können, mach u Großfürſertuns Siebenbürgen

„ſichtigung der ſpeziellen Landesintereſſen des Gr f Br „und von der Gewährleiſtung der Rechtsansprüche der 5 2 „nalitäten und Konfeſſionen und von der zweckmäßigen Regelung

„adminiſtrativen Fragen des Landes abhängig.“ 5

univerfität auch hier der Überzeugung Beratung und Schlußfaſſung beider involvierenden Fragen in der Tat n der Sache nicht e Mi ſei.

Wie Allerhöchſt Eure Gerechtigkeit zu erklären geruhten, daß könne auf Grundlage der geregelten echt der ungariſchen Krone unter einander und gehorſamſte ſächſiſche Nationsuniverfiffit b Repräſentation vom 6. November 1865 die ſtaatsrechtlichen Verhältniſſe Ungarns zum dingung einer befriedigenden Löſung der Unions

Denn eine endgültige Beſchlußfaſſung über bürgens mit Ungarn bezüglich deren gemeinſamen im Intereſſe des Reiches noch der Völker Sieber nicht Ungarn der landesväterlichen, in der All 14. Dezember 1865 ausgeſprochenen 8 b kommend, die Reviſion jenes Teiles der Geſetze wird, welcher auf die berechtigten Anpüche 1 Wirkſamkeit der Herrſcherrechte und die Begrenzung der? Bezug hat, oder mit den Lebensbedingungen der Gef Einklange ſteht.

Jeder Schritt zur Union Siebenbürgens mit Ungarn, Verhältniſſe dauernd geregelt und endgültig feſtgeſtellt find, der obſchwebenden großen Verfaſſungsfragen mindeſtens erji handlung über eine ſolche Union aber in den ungariſchen wäre von vornherein eine tatſächliche Beſeitigung der 1 Verfaſſung und hieße die Intereſſen der ſiebenbürgiſchen Nationen ſie wichtigſten Frage von unberechenbaren Majoritäten ab ig

Ja. die Stellung der ſächſiſchen Nation insbeſondere in rechtlichen Verbande Siebenbürgens iſt nicht das Produkt eines deichkuſſes, nicht einmal des ſiebenbürgiſchen Landtages, ſondern Verträgen mit den rezipierten Nationen und der Krone; wie k andere Vertretung hierin Anderungen beſchließen? uf dem Grunde dieſer Rechtsüberzeugung iſt es wohl nicht auseinander zu ſetzen, daß die in dem Allerhöchſten R ? 1865 bezeichnete, mit dem Prinzip der Gleichheit v inberi 1 für den Peſter Landtag, nämlich der! ft nicht hat. Die treugehorſamſte falls auf den V. Artikel von 1744, 91 berufen.

5 und Diſtrittsverſammlungen

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alle, aus einer ſolchen, im Geſetze nicht begründeten Wahlordnung, oder aus der angeordneten Mitwirkung zu ihrer Verwirklichung etwa entſpringenden oder herzuleitenden Folgen oder Folgerungen im voraus entſchiedene Ver⸗ wahrung einlegten, jo erſcheint das ebenſo in der ſächſiſchen, als in der Landes- und Reichsverfaſſung begründet.

Geruhen Allerhöchſt Eure Majeſtät es huldreichſt entgegen zu nehmen, wenn bei ſolcher Sachlage dieſe treugehorſamſte ſächſiſche Nationsuniverfität, getragen von dem unauslöſchlichen Bewußtſein ihrer Bürgerpflicht, ſich jenen Verwahrungen anſchließt.

Gewiß, es wäre eine erſchütternde Säkularſeier jener wahrhaft kaiſerlichen, auch jetzt noch tief in den Herzen eingegrabenen Huld Ihrer glorreichen Majeſtät, der erlauchten Kaiſerin Maria Thereſia, mit der Höchſtdieſelbe Siebenbürgen im Jahre 1765 zum Großfürſtentum erhob auch darum, weil das Land »nulli alii regno, vel dominio, sive clientelae, sive alio subjectionis »vineulo obnoxia« fei, wenn ihm jetzt, gerade nach einem Jahrhundert, die ſelbſtändige Entscheidung über ſeine künftigen Lebensbedingungen verſagt fein ſollte.

III.

Auf dem Grunde dieſer Geſetze und Rechtsüberzeugungen ſtehend, gibt ſich die treugehorſamſte ſächſiſche Nationsuniverſität der Erwartung hin, daß der Landtag in Peſt über die ſchwebende Frage einer nähern Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn in bezug auf ihre gemeinſamen beiderſeitigen Intereſſen, oder über andere dahin einſchlagende Fragen, insbeſondere über jene, die Rechtslage der ſächſiſchen Nation berührenden, einſeitig in eine auch Siebenbürgen bindende Verhandlung und Schlußfaſſung nicht werde eingehen wollen. Sollte das aber doch der Fall fein, jo müßte dieſe Nationsuniverſität, als das einzig legale Organ der ſächſiſchen Nation, im vollſten Vertrauen auf die angeſtammte Gerechtigkeit Eurer k. k. apoſtoliſchen Majeſtät, hiemit feierliche Verwahrung einlegen gegen jeden derartigen Beſchluß, der ihr Rechtsgebiet als ſolcher, oder ihre ſtaatsrechtliche Stellung als ſiebenbürgiſchen Landſtandes berühren, verrücken, ſchmälern oder ſchädigen könnte.

Die treugehorſamſte ſächſiſche Nationsuniverſität hält unverbrüchlich feſt an dem, auf dem uralten Vertragsgrunde der rezipierten Nationen Sieben⸗ bürgens erwachſenen, durch die Sanktion der Krone geheiligten und ohne ihre, der Nation, Beiſtimmung unabänderlichen XIII. Artikel von 1791: De universitate Nationis Saxonicae aliisque Sedium, Civitatum et Oppidorum in gremio ejusdem Nationis existentium Communitatibus in legali activitate ac libertate conservandis. eh

Sie hält feſt an der huldreichen Verheißung Eurer k. t. apoſtoliſchen Majeſtät, daß ſelbſt durch die Geſtattung der Vertretung Siebenbürgens am ungariſchen Landtag die Rechtsbeſtändigkeit der bisher erlaſſenen Geſetze keineswegs alteriert werde.

Sie iſt endlich getrage er Anderung der Rechtslage der ſächſiſche Zuſtimmung dieſer treugehorſamſten Univer der Geſamtbevölkerung des Sachſenlandes, 1

n von der Zuverſicht, daß Eure Majeſtät eine n Nation ohne Mitwirkung und ſität, als des allein legalen Organes ie zugeben werde.

fie zugleich die reich geben werde, die ©

Willen hätte. Eben darum fühlt ſich unerſchütterlichem 7 = j auch jetzt mit der agialen N Thron 5 treten: Eure Majeftät geruhe in I den geſetzlichen Einfluß Siebenbürgens geſtaltung des Reiches ungeſchmälert zu Siebenbürgens und Ungarns o ſichtigung unſerer alleruntertänigjten 9 der verfaſſungsmäßigen abgeſonderten 1 ſiebenbürgiſchen Landtages nach deſſen geſetzlich Eure k. k. apoſtoliſche Majeſtät! Es iſt willigkeit, mitzuhelfen zur Neubegründung eines Innern befriedigten Oſterreich, nicht die Luft am E opferfähigen und verſöhnlichen Sinnes, der uns unſere Rechtsbedenken, unſere Rechtsverwahrungen Recht vertrauensvoll zu unterbreiten. Vor einer, dem dem Werke der Verſöhnung abgeneigten Gefinnung bewahrt an freudigen Opfern hiefür ſo reiche Vergangenheit. Wir haben ein Bewußtſein, was wir dem Andenken ſind, an die in Zeiten ſchwerſter Wirren (1542) Eurer Ahnherr König Ferdinand I. ſchrieb: »Majestas regia gr »erit .. et aliquam perpetuam provisionem in memoris »suae illis cum tempore constituat.. .. Si dominus »Majestati suae pacificam possessionem regni, Majestas »geret et exhibebit erga eos, et talem gratiosum et beneficum »aget, ut ipsi habeant causam perpetuo orandi pro Maje: »et ejus posteris.« Wir find eingedenk deffen, wozu uns Kaiſer Rudolfs ehrende vom 4. November 1600 verpflichtet: »Posteaquam in nostram po »reductam Transsilvaniam intelleximus, nihil nobis prius dus »quam ut Vos, qui et origine et lingva et quod caput est, »animi integritate, Germani, nostrum seilicet genus estis, in »animaremus ... hocque agimus, ne vos qua nobis devoti »fidei poeniteat.« Nie wird aufhören die Flamme reinſter Begeiſterung für Eure J zu entzünden und die opferwilligſte Hingabe für Thron und Staat ii Herzen alles Sachſenvolkes zu nähren jenes in die Tafeln unſerer Gejd unausloſchlich eingeſchriebene Allerhöchſte Manifeſt Eurer Majeftät 21. Dezember 1848 „an Unſer getreues Sachſenvolk in Siebenbü „Als Wir bei dem Antritt Unſerer Regierung alle unter Unſerer faifeı „Krone vereinigten Völker überblickten, war es Unſerem Herzen woh

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„und hat Uns hohen Troſt gewährt, in einer Zeit, wo jene heiligen Bande „der Treue und Anhänglichkeit der Völker an den Thron vielfachen Ver⸗ „ſuchungen ausgeſetzt und die Begriffe von Freiheit und Unabhängigkeit zur „Verwirrung der Gemüter mißbraucht wurden, die hohe Aufopferung zu „erkennen, mit welcher Ihr bereitwillig Haus und Hof, Pflug und Werkſtätte „verlaſſen und mit freudiger Hingebung von Gut und Blut die Waffen „ergriffen habt, um den ſeit Jahrhunderten beſtehenden Bau der Gejamt- „monarchie, ihre Einheit und Kraft, ſo wie die Rechte Unſeres kaiſerlichen „Hauſes in dem Augenblick drohender Gefahr zu ſtützen und zu ſchirmen. „Thron und Staat, für die Ihr gekämpft, werden Euch die verdiente Anerkennung „zollen und die Bürgſchaften zu ſchätzen wiſſen, welche Euere, von Unſeren „Ahnen ſo oft belobte Tapferkeit, Ausdauer und Treue, vornehmlich aber „Euer Sinn für Ordnung und Geſetzlichkeit und der vernünftige Gebrauch „der, hiedurch unter Euch heimiſch gewordenen Freiheit für den Glanz der „Krone und den Beſtand des Staates gewähren.“

Dieſer Geiſt der Ausdauer, der Treue, des Rechtes, der Geſetzlichkeit, der ſich zu dem, Völker und Reiche erhaltenden Grundſatz, daß Wahrheit zwiſchen Fürſt und Volk ſei, bereits in der von Allerhöchſt Eurer Majeſtät huldvoll entgegen genommenen Adreſſe des Hermannſtädter Landtages freudig bekannte; dieſer Geiſt altererbter Bürgertugend, der in der Zugehörigkeit zum Reiche, im unbeirrten Rechtsgefühle und im unerſchütterten Vertrauen des Volkes auf die Heiligkeit der Krone die ſicherſten Bürgſchaften für das Gedeihen des Verfaſſungswerkes und für die Größe Oſterreichs ſieht: dieſer Geiſt iſt es, von deſſen Pflichtgebot erfüllt und ermutigt, dieſe treugehorſamſte Nationsuniverſität auch diesmal vor den Thron Eurer Majeſtät tritt.

Geruhen Allerhöchſtdieſelben unſere alleruntertänigſten Bitten huldvoller Berückſichtigung und gnädiger Gewährung zu würdigen.

Wir ſind uns tief bewußt, darin eine Pflicht gegen Thron und Staat erfüllt zu haben.

Gott ſegne Eure Majeſtät! Gott ſegne das Vaterland!

Die wir in homagialer Ehrfurcht verharren Eurer k. k. apoſtoliſchen Majeſtät

treugehorſamſte Untertanen Hermannſtadt, 3. März 1866. . 1 die Universität der ſächſiſchen Nation in Siebenbürgen.

Allergnädigſter Kaiſer und ®

In der Unterhausſitzung des u 1882 hat Seine Exzellenz der Herr Ku daß der, in der letzten Seſſion uner Mittelſchulen neuerdings zur Beratung richtsausſchuß zugewieſen werde, und das 2 angenommen. Der Herr Kultus- und i neue Verhandlung des „Geſetzentwurfes über di ſchulunterricht“, den Hochderſelbe nachdem der Motivenbericht vom 19. März von ihm eingebrachte, zu Ungunſten der nichtmagyariſchen Lehranſtalten weſe am 11. Mai 1881 von der Tagesordnung abgeſetzt Motivenbericht vom 6. Oktober 1881 an dieſem Tag vor eingebracht hatte, der aber vom Unterrichtsausſchuß Sitzung vom 22. März 1882 abgelehnt worden war. Es iſt dies derſelbe Geſetzentwurf, gegen den die treug Landeskirche A. B. in Siebenbürgen in der alleruntert des ehrfurchtsvoll unterzeichneten Landeskonſiſtoriums 1881 den Allergnädigſten Schutz Allerhöchſt Eurer kaiſer apoſtoliſchen Majeſtät vertrauensvoll zu erbitten ſich gedrun ſie mit ihrer Petition von demſelben Tag ſich zugleich an das hohe baus mit dem dringlichen Erſuchen um Ablehnung des Entn derſelbe Geſetzentwurf, den die ungarländiſche evangeliſche Kirche Augsburgiſchen und 9 Betenntniſſes in ihrer Eingabe vom 4. Februar 1882 an des Unterrichtsausſchuſſes als ein, Gravamen“ bezeichnete jener A er die als unerſchütterliche Rechtsbaſis dieſen Kirchen bezüglich 1 g ich Friedensſchlüſſen und Grundgeſetzen, darunter dem XX VI. 1 gewährleiſtet werde; Eminenz der Kardinal-Erzbiſchof von Kalotſa D. L ch im Auftrage des Kardinal-Erzbiſchofs von Gr zowie als Dolmetſch der Wünſche des ganzen Epiſkop den Unterrichtsausſchuß vom 9. Februar 1882 al as auf unhaltbarer und zweifellos nichtiger Grundla

a:

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gegen den der ſiebenbürgiſche römiſch-katholiſche Status in ſeiner Eingabe an das Abgeordnetenhaus vom 23. Januar 1882 ernſte Beſchwerde erhob; 1 griechiſchkatholiſche erzbiſchefliche Dbertonfiftorium von Blaſendorf namens der katholiſchen Kirche des griechiſchen Ritus in ſeiner Eingabe vom 3. Februar 1882 an das Abgeordnetenhaus einen unvereinbaren Widerſpruch ſowohl gegen die ſiebenbürgiſchen Religionargejege, als gegen den XLIV. Geſetzartikel von 1868 „über die Gleichberechtigung der Nationali- täten“ erkannte, deshalb ernſt um die Zurückweiſung desſelben bittend;

in dem endlich die griechiſch-orientaliſche romäniſche Kirche Ungarns und Siebenbürgens in der Eingabe ihres Erzbiſchofs und Metropoliten Miron Roman an das Abgeordnetenhaus vom 20. Februar 1882 nicht nur eine ſchwere Verletzung des auch ihr gewährleiſteten autonomen Rechts ſtandes, ſondern auch eine Gefährdung des nationalen Charakters der Kirchen nicht⸗magyariſcher Zunge bitter beklagte, damit gleichfalls um die Ablehnung des Geſetzentwurfs und um die Anhörung für einen etwa künftig einzu⸗ bringenden erſuchend.

Dieſer Geſetzentwurf vom 6. Oktober 1881 ſollte alſo nach dem Antrag des Herrn Kultus- und Unterrichtsminiſters und nach dem Beſchluß des Abgeordnetenhauſes vom 12. Oktober 1882 aufs neue in Verhandlung genommen werden.

Der Unterrichtsausſchuß, der den Entwurf zunächſt vorberaten ſollte, konſtituierte ſich in der Tat bereits am 12. Oktober 1882. Nach dem Bericht aller öffentlichen Blätter iſt dieſe Konſtituierung der einzige Akt, den der Ausſchuß in jener Sitzung vornahm. Die erſte darauf folgende Sitzung hielt er am 17. Januar 1883 ab. Das in derſelben aufgeleſene und gegen die Einſprache einzelner Mitglieder verifizierte Protokoll enthielt: der Unter⸗ richtsausſchuß habe nach ſeiner Konſtituierung am 12. Oktober 1882 ein Subkomitee von fünf Mitgliedern über Erſuchen des Unterrichtsminiſters zur Umarbeitung des 1881 er Geſetzentwurfes entſendet. Gewiß iſt, daß bis dahin weder von dieſer Entſendung, noch von einer etwaigen Tätigkeit dieſes Subkomitees durch die öffentlichen Blätter etwas in weiteren Kreiſen bekannt geworden war. Dasſelbe überreichte jedoch dem Unterrichtsausſchuß ein Operat, das, wie öffentliche Blätter, darunter Magyar tanügy mitteilen, auf Grundlage eines, von dem Herrn Kultus- und Unterrichtsminiſter ihm zugeſtellten, 28 Paragraphen umfaſſenden neuen Entwurfs von ihm, dem Subkomitee, unter Mitwirkung eines dem Unterrichtsminiſterium ange- hörigen Rates zu 103 Paragraphen erweitert worden war, und das vom Herrn Unterrichtsminiſter ſelbſt approbiert ſei. Es iſt das demnach ein neuer Geſetzentwurf, der gegen die bisherige parlamentarische Ordnung vor dem Reichstag nicht eingebracht worden iſt, der einen Motivenbericht, aus dem die Anſchauung der Regierung bezüglich deſſen legaler Geneſis und ‚m. fachlichen Ziele erkannt und beurteilt werden könnte, nicht hat, und für den die Genehmigung der Krone wohl nie nachgeſucht worden iſt. 15 R

Der der öffentlichen Beurteilung gar nicht zugängliche, x ae früher nicht veröffentlichte, dieſem Landeskonſiſtorium nun auf 3 ent 112 Wege bekannt gewordene „Geſetzentwurf über die Mittelſchu ei en = Qualifizierung der Lehrer derſelben“, der von jenen fünf Mitgliedern

Georg Daniel Teutſch. 38

BR

Unterrichtsausſchuſſes verfaßt und von dieſem worden iſt, involviert die abſolute Negation des, insbeſondere der evangeliſchen Landeskirche A. ihres Mittelſchulweſens durch Landesgeſetze,

zuletzt durch den Unionsartikel (XLIII) von 1868 gewährleiſteten und ſanktionierten autonomen R die faſt unbeſchränkte Verfügung der wechſelnden parlame treten ſoll, die darin nicht ein Aufſichtsrecht, ſondern dahin nicht zuſtehendes Verwaltungs⸗ und R cht ſchulen zugeſprochen erhält. Was in den 0 an Beſtimmungen fand, die von irgend einer 0 zeugten und nach dieſer Richtung hin von irgend einer u. war, iſt faſt durchweg ausgetilgt; übrig geblieben ſind nur Rechtes, verſchärft durch eine Reihe noch härterer, die L Kirche und unſerer deutſchen Nationalität noch ſchwerer ge Schon der Geſetzentwurf vom 6. Oktober 1881 dem Geſetzentwurf vom 20. März 1880 eine außerordentlich f unſeres Rechtsſtandes; der neue Entwurf der Fünf⸗Männer ausſchuſſes geht hierin noch viel, viel weiter.

Es ſei geſtattet, einige Beſtimmungen desſelben zur Geiſtes, von dem er geführt wird, kurz zuſammenzuſtellen,

Nach dieſem Entwurf beſtimmt der Kultus- und Un für die konfeſſionellen Mittelſchulen mit Ausnahme des Relig Umfang und Maß der obligaten Lehrgegenſtände doch als ein und nicht höher als für die ſtaatlichen Anſtalten (8 8).

Der Kultus- und Unterrichtsminiſter ſetzt im Verordnung Disziplinarverfahren gegen Schüler feſt ($ 14); die konfeſſionellen behörden find verpflichtet, die auf die Schüler und Lehrer ihrer Mitt bezüglichen Disziplinarbeſtimmungen, das Verfahren mitinbegriffen, d Miniſter zur Kenntnisnahme zu unterbreiten ($ 38).

Die Fachlehrer an den Mittelſchulen dürfen zu nicht mehr als = Zeichenlehrer zu nicht mehr als 20 wöchentlichen Stunden vi j werden ($ 17).

Alle Lehrer, die vor dieſem Geſetz nicht wenigſtens 5 Jahre an einer öffentlichen Mittelſchule gedient haben, müſſen die Lehramtsprüfung (nach dem neuen Geſetz) binnen zwei Jahren ablegen; alle andern, nach den ber ſtandenen Geſetzen abgelegten Prüfungen und Befähigungsdiplome werden demnach mit rückwirkender Geſetzeskraft für nichtig erklärt 18). .

Zur Maturitätsprüfung der konfeſſionellen Mittelſchulen entſendet der Miniſter ſeinen Kommiſſär 23), deſſen Anſicht über den Erfolg der Prüfung nach dem Beſchluß des Unterrichtsausſchuſſes vom 31. Januar; allein entſcheidend iſt.

Die Norm für die Maturitätsprüfung ſtellt der Miniſter feſt; die Prüfungszeugniſſe find magyariſch auszustellen, und (auf Verlangen) nur lateiniſche Überſetzungen geſtattet ($ 25).

Die Univerſitätsſtudien für die künftigen Lehrer der Mittelſchule dauern, vier, beziehungsweiſe fünf Jahre ($ 54).

587

Die Prüfungskommi Mittelſchulen En mmiſſionen auch für di 5 ſtellt der Mini e Lehrer der konfeſſi Wee = - Klauſenburg (8 8 aus Profeſſoren der 3 5 8 rüfungsnorm, das Ma der i ee 1 255 = Minifter en zu fordernden 1 5 ehrfach und allı i ege fe (5 60) prüfung die dort erforderli e Lehrer, wiewohl ſie i 5 liche, i a fie in der Maturitä entfprechende Kenntnis de . ue wah b . en Bedürfnis wohl magyariſche Sprache, Stiliſti 8 eee eg i der letzteren und Kenn iliſit und Literatur, Überficht ü ie with 5 unis d. 2 über die Entwi 9 we Segen 60 58). er Hauptwerke der hervorragenden Scheler „Die Sprache der Lehramtsprü we deutſchen Anſtalten ae 8 auch für die Lehrer an aus⸗ 1 er Miniſter wird indeſſen 3 ee u ge 8 zu doch muß auch in di i Genie nn 1 Se die magyarifche u Alle Mittelſchulen be i r Sonn Dir nr der von der Regierung ernannte k. 1 ie konfeſſionellen, munizi alen i i * die eee e ürtigen Staaten und d i eee ee e und materielle Unterſtützungen 5 e e ee, von Privaten und Geſellſchaften nur in dem 5 en 1“ auf die Leitung der Anſtalt und deren L . et eee behält noch irgend eine Bedingung ſtellt (8 8 3 1 Durch dieſe Bestimmungen werden ih nach de he errichten vom 2. Februar die, aus „ihrer ki ice eee N h ergebenden Verbindungen der geſetlich rezibi eee a ſich befaſſenden 5 1255 2 wi 1 Begen ſittlicher Gebre —— Bi gs 5 une Mittelſchule von der r 1 Ba und die Stiftungen 3 . e e Verfügung getroffen haben, über Vort de iniſters S 1 . lichen Unterrichts zwecken der Sean e 3 3 1 N laſſen über die Ziele ware 24 10845 en, allerdings keinen Zweifel übri l. ' 4 aber erſt, wenn ſie vom Sta 8 be a ndpunkt der Rechtskontinui für die evangeliſche Landeskirche A. B. in Si ee eee a „B. in Siebenbürgen insb 1 ſie gemeſſen werden an dem Ma ſtab . eee dee 1 1 e des 8 ji beb Banden und 5 nichts nn 8 alben, der ſie ſeit Jahrhunderten im Beſitz einer 2 bie Die Errichtung, Organiſation und Lei rief nn S a OR nd eitung der Mittelſchule, die Beſtimmung des 92 pe und der Prüfung der Lehrer ganz und ohne Einfluß * Den hender Elemente in ihren Wirkungskreis ſtellte und ſtellt i Verfaſſung, die aus der geſchichtlichen Entwickl ange a au bn ntwicklung des Landes erwachſen, chtes ſtehend, durch welches der weſtfäliſche Friede 38*

der weſentlichſten Tele ihrer Dieſem neuen Angriff zeichnete Landeskonſiſtorium g vollen Amtspflicht, die ihren ernſten Allergnädigſt zur Kenntnis genommenen „Das Beſte der evangeliſchen in 8 ihrer Schulen ihrer Gläubigen aus allen BR vertreten und zu wahren“ abermals vor den erhabenen kaiſerlichen und Kirche zu treten und den gerechten Schutz A treugehorſamſt zu bitten, Euere kaiſerliche und wolle die nachfolgende Erörterung Allergnädigſter 2 Gewährung zu würdigen geruhen.

IE

Geſtatten Allerhöchſt Eure Majeſtät All uns aufgedrungenen Notwehr zunächſt um der bittern Schmerzgefühl Ausdruck geben, daß der Herr miniſter die Schaffung und Anwendung geſetzlicher die Mittelſchulen der evangeliſchen Landeskirche A. B. in notwendig erachtet, deren Dringlichkeit er in ſeinem 19. März 1880 und vom 6. Oktober 1881 mit dem „u haften Zuftand einiger ſowohl konfeſſionellen, als Munizipal- ı Mittelſchulen“, dann mit „ſtaatsfeindlichen Umtrieben“, Mittelſchulen hätten in Unterſuchung gezogen und geſperrt begründen und rechtfertigen will.

Das ehrfurchtsvoll unterfertigte Landeskonſiſtorium hat ſeiner alleruntertänigſten Vorſtellung vom 17. Mai 1880 ( dargelegt, daß unſer Mittelſchulweſen zu keiner dieſer ſchweren Beſchu je Anlaß gegeben hat; wir wiederholen hier, daß weder früher irgend ein ämtlicher Akt vorliegt, der auch nur eine diesbezügliche enthalte, und müſſen daher aufs neue die innere Berechtigung eines für unſere Mittelſchulen zurückweiſen, welches feine Begründung in g Schulzuſtänden ſucht, deren Vorhandenſein in unſerer Landeskirche mi zuweiſen iſt.

Wie wenig ſachlich begründet überhaupt weſentliche Beſtimn jenes Geſetzentwurfes ſich zeigen, wie weit ſie vielmehr von eigen und berechtigten Erziehungs- und Unterrichtsforderungen abliegen, ei nur noch an einem Falle näher erläutert.

Der neue Geſetzentwurf fordert an den künftigen Mittelſchulleh Bedingung der Zulaſſung zur Lehramtsprüfung vierjährige Univerſit und darauf eine einjährige praktiſche a an einer Mittelſe beziehungsweiſe ein fünftes Univerſitätsjahr ($ 54). Die evangeliſche

589

kirche in Siebenbürgen verlangt von ihren Kandidaten, gleich der in Oſterrei und im Deutſchen Reich geltenden, NH in Yan ie nen Regierung erlaſſenen frühern Norm, dreijährige Univerſitätsſtudien und der wiſſenſchaftliche und pädagogiſche Stand ihrer Schulen hat, wie bereits erwähnt, der Staatsregierung nie Anlaß zu einer Beſchwerde gegeben.

Dieſe außerordentlich große Erſchwerung der Mittelſchullehrerlaufbahn durch Verlängerung der Vorbereitung von drei Jahren auf fünf Jahre rechtfertigt der miniſterielle Motivenbericht vom 6. Oktober 1881, neben der Hinweiſung auf die Wichtigkeit des Lehramts, vorzugsweiſe mit einer. in nz hervorgetretenen Überfüllung jener Laufbahn. Der Motivenbericht ſagt wörtlich:

„Die eine Urſache des, ſeit zehn Jahren wahrgenommenen Andranges „zur Lehrerlaufbahn iſt die, weil es keine Laufbahn gegeben hat, auf welcher „der, aus der Mittelſchule ausgetretene junge Mann ſeinen Zweck in kürzerer „Zeit und leichter hätte erreichen können und ſchon jetzt überſchreitet die „Zahl der diplomierten Lahramtskandidaten um vieles die Zahl jener, welche „eine Unterkunft finden, was zu einem ſchon drohenden Profeſſorenproletariat „führt. Schon dieſer Grund allein empfiehlt es, daß die Profeſſorenlaufbahn „erſchwert werde.“

Wir wollen dieſemnach nicht bezweifeln, daß auf dem Gebiet des ſtaatlichen Mittelſchulweſens eine Überzahl von Kompetenten zu dem gut beſoldeten Lehramt ſich dränge, wohl mit infolge der überaus reichen Unterſtützung der Studien mit ſtaatlichen Stipendien in 4 Jahren 70.000 Gulden an 73 Kandidaten und Profeſſoren; ämtlicher Bericht des k. ung. Miniſteriums für Kultus und Unterricht an den Reichstag, Budapeſt 1873, S. 114 —, wobei nur das eine auffällige Erſcheinung iſt, daß eben an den miniſteriellen Gymnaſien im Jahr 1880 über 30 Prozent der ordentlichen Profeſſoren und 80 Prozent der Supplenten die Lehramtsprüfung nicht abgelegt hatten und ſo der vorgeſchriebenen beruflichen Qualifikation ent. behrten (Schwicker: Die ungar. Gymnaſien. Nach amtlichen Quellen. Budapeſt 1881, S. 345). Ja, die Zahl der Ungeprüften hatte im letzten Jahr um vier Prozent zugenommen. Jedenfalls müſſen wir ernſte Verwahrung ein. legen gegen die Anwendung einer Schulpolitik auf das Mittelſchulweſen der evangeliſchen Landeskirche Siebenbürgens, die die Lehramtsſtudien deshalb „erſchweren“ will, weil zu Viele ſich demſelben widmen, ſchon darum, weil dieſes tatſächlich in dieſer Landeskirche nicht der Fall iſt. 8

Im Gegenteile, die durch einen ſtaatlichen Zwang geſchaffene Not⸗ wendigkeit einer Vermehrung der Studienjahre würde hier die Folge haben,

deutſchen Gymnaſien

daß ein Lehrermangel einträte und eine Anzahl unſerer ſchon daran zugrunde ginge. . f ge Wir können Niemandem die ſachliche Berechtigung zu einer ſolchen

Verfügung über uns zuerkennen. 5

bürgen die Autonomie über ihre dan bedingungen, ohne je in irgend eine Verhandlung mit i

derſelben“ beabfichtigt. r Geſtatten Euere Majeſtät auch bei dieſem klärung, die 9 1 150 8050 ler vember 1880 ( tt s zutreffender 2 diefer Landeskirche in Sachen der Mittelſchulfrage abz achteten, wie wir es ſchon früher, am 13. Mai 1874 in Zuſchrift an den Herrn Kultus- und Unterrichtsminiſter g ein berechtigtes öffentliches Intereſſe den Staat zu Un bildungen des Mittelſchulweſens auf dem Boden des ſollte, wie dieſe der XX VI. Geſetzartikel von 1790/01, für Ungarn, in Ausſicht nimmt, werden wir dem nicht ſtehen. „Gewiß iſt es“, ſo erklärten wir bereits am 13. Miniſter, und wiederholen hier, „daß unſere Landeskirche „forderungen und wirklichen Lebensbedingungen des Staates „gegenüber getreten iſt und nie als ſolcher gegenüber treten „ſelbſtverſtändlich iſt es, daß der Rechtsſtaat im Fall eines „nicht de nobis sine nobis beſchließen, ſondern mit der b »in jene Verhandlungen und Vereinbarungen eintreten wird „Natur der Sache, der Idee des Rechts und dem Wohle b „Lehre dieſer Kirche gleichmäßig nicht in menſchlicher Willkür, „göttlicher Anordnung wurzelnder Lebensordnungen geboten find. ſo wieſen wir weiter hin, „wird die Kirche allerdings berechtigt „Staat, bezüglich von der Regierung zu verlangen, daß ſie ſelbſt die „Aufgaben der Mittelſchule als einer Anſtalt wahrer Wiſſenſchaft und ed „ſittlichtreligibſer Erziehung als leitendes Prinzip vor Augen habe „der Schule oder der „Oberaufſicht“ über fie niemals bloße Mittel zu „nationalen oder konfeſſionellen Zwecken ſehen und ſuchen werde.“ Auch es endlich gewiß nicht als ein Verſtoß gegen die, namentlich in den ſieben⸗ bürgiſchen Religionargeſetzen verbürgte Gleichberechtigung der Kirchen angeſehen werden können, wenn wir an ſolche ſtaatliche Beſtrebungen und Arbeiten das Verlangen ſtellen, daß darin der „Organiſation“ der evangeliſchen Landes⸗ kirche A. B. in Siebenbürgen nicht weniger Wohlwollen, nicht geringere Rechts⸗ achtung entgegengebracht werde, als der „Organiſation“ anderer Kirchen. Dieſes treugehorſamſte Landeskonſiſtorium hat bereits in ſeiner aller⸗ untertänigſten Vorſtellung vom 17. November 1880 (Abſchnitt I), dann vom 23. November 1881 (Abſchnitt I, 7 und Abſchnitt II) den Rechtsſtand nachgewieſen und die eingehende Begründung desſelben in einer mehr als dreihundertjährigen Entwicklung durch alle vaterländiſchen Fundamentalgeſetze dargelegt, wornach dieſer Landeskirche, die ihrer Verfaſſung nach zugleich als Schulgemeinde organifiert iſt, in der Autonomie über ihr Schulweſen das Recht Mittelſchulen zu errichten und einzurichten, zu erhalten und zu leiten, mit Ausſchluß jedes außer ihr ſtehenden Einfluſſes, als ein Grundrecht, und die Grundrechte, fundamentalia jura, waren nach der einſtimmigen Rechts⸗ anſchauung der ſiebenbürgiſchen Stände und der Krone unveränderlich und

unantaſtbar bis zur Gegenwart zuſteht.

591

In der Tat haben ſelbſt die beiden Motivenberichte des Herrn Kultus⸗ und Unterrichtsminiſters vom 19. März 1880 und vom 2 Oktober 1881 dem letzten, von den fünf Mitgliedern des Unterrichtsausſchuſſes vorgelegten Entwurf fehlt leider, wie ſchon oben erwähnt worden, ein Motivenbericht den bezeichneten Rechtsſtand zu berühren nicht unternommen, ſondern die legale Befugnis zur Aufhebung desſelben de nobis sine nobis bekanntlich mit ungarländiſchen Geſetzen zu begründen geſucht, mit Geſetzen, die für unſere Landeskirche nie Geltung gehabt haben und gegenwärtig nicht haben.

Involviert ſchon an und für ſich ein ſolcher Akt die Initiative zu einer Verfaſſungsverletzung, ſo wird jene Anſchauung, welche tatſächlich, wie der jüngſte „Geſetzentwurf über die Mittelſchulen und über die Qualifizierung der Lehrer derſelben“, die ungariſche Legislative zu jeder Anderung oder ftill- ſchweigenden Beſeitigung der, der Kirche die Autonomie über ihr Mittel- ſchulweſen ſichernden ſiebenbürgiſchen Religionargeſetze für kompetent erachtet, noch hinfälliger, wenn die Geneſis der Union zwiſchen Siebenbürgen und Ungarn ebenſo nach der Natur der Sache, als im Licht der dieſelbe ſtaats⸗ und völkerrechtlich konſtituierenden Akte ins Auge gefaßt wird.

Denn damit verhält es ſich folgendermaßen:

Siebenbürgen, zu keiner Zeit ein derartiger Beſtandteil Ungarns, wie z. B. der Peſter oder Preßburger Komitat, jondern auch vor der Schlacht von Mohatſch beſondern eigenartigen Rechtes teilhaftig Verböczy: Opus tripartitum juris consuetudinarii inelyti regni Hungariae, pars tertia; Geſetzartikel des Fürſtentums Siebenbürgen 11744 war jahr- hundertelang nach jener Schlacht ein von Ungarn getrennter, unter eigenen Fürſten für ſich beſtehender Staat, in dem die drei rezipierten Nationen, Ungarn, Szekler, Sachsen und die vier rezipierten Religionen, darunter die mit der ſächſiſchen Nation zuſammenfallende evangeliſche Augsburger Bekenntniſſes, die vollen ſtaatsbürgerlichen Rechte beſaßen. Dieſe Unabhängigkeit von Ungarn änderte ſich, nicht als Siebenbürgen am Schluß des 17, Jahrhunderts ver⸗ tragsmäßig unter Erbfürſten aus dem erlauchten Hauſe Osterreich das auch die Krone von Ungarn trug, trat: »Transsilvaniam«, jo heißt es im VI. Artikel von 1790,91 »tam sua sacratissima Majestas, quam secuturi ejusdem ex augusta domo Austriaca successores . . » velut propriam habentem constitutionem, nullique alteri regno subjectam juxta proprias leges et constitutiones legitime confirmatas 57 gubernabunte.

Die Union zwiſchen Ungarn und Siebenbürgen forderte daher einen bilateralen legislativen Akt, der zwiſchen beiden Ländern ſeinem Weſen nach ein Vertragsrecht ſchuf. ee

ir en dieſes Zweckes“ erklärte der ungarländiſche Reichstag im VII. Geſetartikel von 1848: „Ungarn iſt e 8 „ſchiedenen Geſetze und Freiheiten Siebenbürgens, welche nebſt 5 daß "fie die vollkommene Vereinigung nicht hindern, die Freiheit der Fine „und die Rechtsgleichheit begünſtigen, anzunehmen und aufrecht zu erha het

Als das Jahr 1848 und was ihm folgte zu jener Union sur 5 hatte, erachteten Eure Maſeſtät es für notwendig, die 5 7 und Siebenbürgens mit dem Allerhöchſten Reſtript vom 1. 5 5 5 5 b wodurch der ſiebenbürgiſche Landtag für den 19. November nach Klauſenburg

ey

berufen wurde, ebenſo mit dem Allerhöchſten Ri 1865, wodurch der ungariſche Kri Peſt einberufen wurde, zu neuer 1 0 Eure Majeſtät in der Thronrede bei Eröffnung am 14. Dezember 1865 zu bezeichnen geruhten, „nach dem toten Buchſtaben der Geſetze eine „ſondern im Einklang mit allen lebenskräftigen „trauensvollen Anſchluß eine dauernde und Eine ſolche durfte man auch nach den 5 ungariſchen Reichstages von 1861 und nach den, in desſelben enthaltenen zahlreichen Zuſicherungen ſeiner glieder hoffen, die ſchließlich einen Ausdruck in ſanden, welchen die vom Reichstag „in An frage entſandte Kommiſſion“ machte. So bezeichnete ſie geſetzlicher Verfügungen, welche „die der ein täten als Korporationen garantieren“, als vorhanden auch „der einzelnen Glaubensgenoſſenſchaften, welche Autono „auf kirchliche Angelegenheiten, ſondern auch auf die „und Führung ihrer Schulen erſtreckt mit der ausd „daß alle jene Punkte, welche ſich auf die kirchlichen Gemeinden „beziehen, als Ausflüſſe jener unſerer vaterländiſchen Geſetze zu „Find, welche die autonomen Rechte der einzelnen Kor a „und deren Aufrechthaltung ihrem vollen Inhalt nach „die Rechte der Proteſtanten beider Konfeſſionen ... garanti ; „geſetze .. . wir an dieſer Stelle beſonders hervorgehoben haben „die derart feſtgeſtellten Rechte ſämtlicher auf dem La „befindlichen Nationalitäten werden als Grundgeſetz proklamiert un „den Schutz der Nationalehre geſtellt.“ Solche öffentliche Erklärungen und Verheißungen des um Reichstag von 1861 lagen vor, als der nach Klauſenburg ei ſiebenbürgiſche Landtag in ſeiner alleruntertänigſten Repräsentation \ 18. Dezember 1865 Eure Majeſtät bat, die Vertreter Siebenbürgens behufs Wiederaufnahme der 1848 unterbrochenen Unionsverhandlungen zu dem, auf den 10. Dezember nach Peſt einberufenen Reichstag zu berufen, indem er Eurer Majeſtät zugleich einerſeits die hiegegen abgegebene r. meinung der Mehrheit der ſächſiſchen Abgeordneten, andererſeits mit der Bitte um Berückſichtigung die Eingabe der Minderheit der ſächſiſchen Abgeordneten unterbreitete. Jene Sondermeinung beantragte: Der ſiebenbürgiſche Landtag möge die Bedingungen der Vereinigung von Ungarn und Siebenbürgen ſeinerſeils nach allen Richtungen hin, beſonders aber auch zur Sicherung der Rechtslage der verſchiedenen Nationen und Kirchen in Siebenbürgen näher feſtſtellen, damit dieſe ſodann unter der Sanktion der Krone durch einen gegenſeitig abzuſchließenden Staatsvertrag zwiſchen den beiden Ländern bleibend ver, bürgt werde. | Die von den Ständen zur Berückſichtigung empfohlene jähfiihe Mr 7 noritätseingabe nahm unter anderem in Anſpruch: „die in den ſiebenbürgiſchen

593

„Landesgeſetzen garantierte volle Gleichberechtigung, Freiheit und abſolutes „Selbſtgouvernement der evangeliſch⸗lutheri ir „andern Glaubensgenoſſen.“ e ee e e e erh De

Hierauf geruhten Eure Majeſtät mit allerhöchſtem Reſkript vom . zember 1865 auf jene Repräſentation des e ee ee 18. Dezember und die, derſelben beigeſchloſſenen Akte allergnädigſt zu erklären:

„Es iſt fortan Unſere ... Abſicht, daß die hochwichtige Frage der „Regelung der ſtaatsrechtlichen Verhältniſſe des Großfürſtentums Sieben „bürgen . . . einer befriedigenden Löſung zugeführt werde.“

{ Indem Eure Majeftät gleichzeitig „geſtatteten“, „daß der gegenwärtige „Krönungslandtag Ungarns, welcher ſich mit der Regelung jener Fragen zu befafjen haben wird,“ von Siebenbürgen „zur Wahrung der Landesintereſſen“ beſchickt werde, fügten Allerhöchſtdieſelben die inhaltsſchwere Beſtimmung hinzu:

„Die definitive Union beider Länder machen Wir überdies von der „gehörigen Berückſichtigung der ſpeziellen Landesintereſſen Unſeres Groß⸗ „fürſtentums Siebenbürgen und von der Gewährleiſtung der auch durch „Euch gewürdigten Rechtsanſprüche der verſchiedenen Nationalitäten und „Konfeſſionen und von der zweckmäßigen Regelung der administrativen Fragen „des Landes abhängig.“

Die ſtaats- und völkerrechtliche Erledigung dieſer Akte enthält zunächſt der am 6. Dezember 1868 von Eurer Majeftät ſanktionierte XLIII. Geſetz⸗ artikel von 1868 „über die detaillierte Regelung der Vereinigung Ungarns und Siebenbürgens“. Die Beſtimmungen desſelben, beſchloſſen von einer Vertretung, an der auf Allerhöchſt Eurer Majeſtät ausdrücklichen Ruf zu dem beſonders bezeichneten Zwecke der „Wahrung der Landesintereſſen“ auch die Abgeordneten Siebenbürgens teilnahmen, enthalten zweifellos ein Staats⸗ grundgeſetz mit der Geltung eines bilateralen Staatsvertrags und bezeichnen den Rechtsſtand der ſiebenbürgiſchen Landeskirchen in § 14 folgendermaßen:

„Alle jene Geſetze Siebenbürgens, welche auf ſiebenbürgiſchem Gebiet und „in den ehemals ſogenannten ungarischen Teilen die Religions-, Ausübungs⸗ „und Selbſtregierungsfreiheit der geſetzlich inartikulierten Religionsgenoſſen⸗ „ſchaften, Kirchen- und Kirchenbehörden, ſo auch deren Gleichberechtigung, gegen⸗ „ſeitige Verhältniſſe, und beziehungsweiſe deren Wirkungskreis gewährleiſten, „werden nicht nur unberührt aufrechterhalten, ſondern gleichzeitig auf die „griechiſch⸗ und armeniſch⸗katholiſche, jo auch auf die griechiſch⸗orientaliſche „Kirche ausgedehnt.“ .

Dieſe Religionargeſetze Siebenbürgens, deren „unberührte Aufrecht, erhaltung“ § 14 des Unionsartikels auch für die Zukunft gewährleiſtet, hat dieſes treugehorſamſte Landeskonſiſtorium in ſeiner alleruntertänigſten Vor⸗ ſtellung vom 17. November 1880 (Abſchnitt I) und vom 23. November 1881 Abschnitt II) Allerhöchſt Eurer Majeſtät darzulegen für ſeine Pflicht erachtet. Vertrag, den demnach die beiden, bis dahin von einander unabhängigen Länder Ungarn und Siebenbürgen in dem Staatsgrundgeſetz des XXIII. Artikels von 1868, und namentlich in $ 14 desſelben unter der Sanktion der Krone mit einander ſchloſſen, wurde denn anerkannt:

daß die ſiebenbürgiſchen Religionargeſetze und die den Kirchen und Kirchenbehörden nach ihrem alten Wirkungskreiſe durch jene gewährleiſtete

Georg Daniel Teutſch, 28

In dem

*

Be

Autonomie über ihre Mittelſchulen, welche denſelben durch keinen anderweiten Einfluß geſchmälerte Recht der und Beaufſichtigung jener Schulen ſichert, jener Bedi unter der die ungarländiſche Legislative im VII. hatte: „Ungarn iſt bereit, alle beſondern Geſetze und „welche nebſt dem, daß fie die vollſtändige Vereinigung mi „Nationalfreiheit und Rechtsgleichheit begünſtigen, anzun „zu halten;“ l = es gewährleiſtet jener Unionsvertrag geradezu die rechterhaltung“ jener Geſetze und des geſetzlichen

Behörden“ auch über ihre Mittelſchulen ohne allen Vorbehalt, geringſten Andeutung, daß etwa eine ſpätere wandelbare Majorität einer jener Kirchen gegen ihren Willen und ohne ihre jenen Rechtsſtand ganz oder teilweiſe abſprechen und nehmen könne, Grundvertrag derſelben auf Grund ihres mehr als dreihundertjc und völkerrechtlich gewährleiſteten Beſitzes aufs neue ſanktioniert

Die erſte Forderung aber, welche die in dem Unionsvertrag beg Teile zu erheben berechtigt find, ift die einer loyalen Achtung, einer Vollziehung des Geſetzes. Iſt es doch der Natur der Sache nach nur in Vorausſetzung beſchloſſen worden!

Eine einſeitige Beſchränkung oder Aberkennung des, in jenem mentalgeſetz der evangeliſchen Landeskirche A. B. in Siebenbürgen mit d Gewährleiſtung der ſiebenbürgiſchen Religionargeſetze abermals ſan r Rechtsſtandes bezüglich ihrer Mittelſchule liegt daher ſtaatsrechtlich nicht Wirkungskreis des ungariſchen Abgeordnetenhauſes, beziehungsweiſe ungariſchen Legislative, da ihre Machtbefugnis nicht eine abſolute, unbe⸗ ſchränkte iſt.

Ein tatſächlicher, jene moraliſche ſteht doch das Unionsgeſetz gewiß auch „unter dem Schutz der Nationalehre!“ und ſtaatsrechtliche Grenze nicht achtender Vorgang, der hier nur die Folge hätte, den konfeſſionellen und nationalen Frieden zu ſtören, zugleich eine alte Kulturarbeit in einem noch immer kulturarmen Lande auf das ſchwerſte zu gefährden, ſtünde nicht mehr auf dem Boden des Rechtes, ſondern auf dem der Willkür, der Gewalt und würde einſt von dem unparteiiſchen Urteil der Geſchichte als Wort- und Vertragsbruch gekennzeichnet werden müſſen.

III.

Das treugehorſamſte Landeskonſiſtorium erfüllt daher ebenſoſehr eine Pflicht gegen ſeine Kirche, als gegen den Staat und Allerhöchſt Euere Majeftät, wenn es gegen eine derartige beabſichtigte Verfaſſungsverletzung das Wort der Beſchwerde und Rechtsverwahrung erhebt, und jedes legale Mittel gebraucht, damit jener Entwurf nie zum Geſetz werde. Es ſieht ſich dazu um ſo mehr gedrängt, als derſelbe der evangeliſchen Kirche nicht nur den, ihr zuſtehenden altberechtigten Einfluß auf ihre Mittelſchule bis zu einem Mindeſtmaß nehmen will, ſondern die Verfaſſung der Kirche ſelbſt als ſolcher in einem ihrer weſentlichſten Teile geradezu mit Zerſtörung bedroht.

Indem wir alleruntertänigſt bitten, daß es uns geſtattet ſei, dies-

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bezüglich auf die Ausführungen in unſerer Vorſtellun,

1 IV) bee faucht 3 hinzuweiſen, geruhe Eure Majeſtät, die nachf

Allergnäbigſter Erwägung sn eigen, ichfolgende kurze Zuſammenſtellung

Im Sinne unſeres uralten Kirchenrechtes und nach dem ausdrücklichen Wortlaut der gegenwärtigen Kirchenverfaſſung beſteht zwiſchen unſerer Schule und Kirche eine derartige Verbindung, daß mit Ausnahme einzelner beſonders beſtimmter Fälle niemand zu einem geiſtlichen Amt gelangen kann, der nicht zuvor in einem Schulamt gedient hat. ; = 15. . für die Mittelſchule haben daher die

ufgabe, ihre Univerſitätsſtudien jo einzurichten, daß fie ſich zugleich geiſtliche Amt der Kirche era gi be irn

Die wiſſenſchaftliche Befähigung der Kandidaten wird durch eine, für jeden der beiden Berufskreiſe beſonders abzulegende Prüfung vor einer, durch das Landeskonſiſtorium aus Fachmännern beſtellten Prüfungskommiſſion er⸗ mittelt, und zwar zunächſt durch die, weſentlich nach dem Vorbild der öfter- reichiſchen eingerichtete Lehramtsprüfung, ſpäteſtens zwei Jahre darauf durch die theologiſche Prüfung.

Aus den Lehrern der Mittelſchule, die dieſe beiden Prüfungen abgelegt, und meiſt zehn bis fünfzehn Jahre das Lehramt bekleidet haben über den Erfolg ihrer Lehrerwirkſamkeit und damit über den Zuſtand jener Schulen hat der Staat nie eine Klage geführt, vielmehr wiederholt ſeine Anerkennung ausgeſprochen wird der größte Teil unſerer Pfarrſtellen durch die Wahl der Gemeinden beſetzt.

Und wieder: dieſer Zuſammenhang allein ermöglicht durch die Vor⸗ rückung der Lehrer in beſſer dotierte Pfarrſtellen daß von der evangeliſchen Landeskirche Siebenbürgens (210.500 Seelen) fünf Obergymnaſien, zwei Untergymnaſien, eine Ober- und eine Unterrealſchule erhalten werden können, die alle mit den erforderlichen akademiſchen Lehrern und mit Lehrmitteln verſehen im letzten Schuljahr (1881/82) 1523 Schüler zählten, darunter 526 Nichtevangeliſche, 367 Nichtdeutſche, unter dieſen 102 Magyaren, 161 Romänen.

Es iſt unzweifelhaft, daß die Organiſation unſerer Kirche in einem ihrer weſentlichſten Teile geradezu zerſtört würde, wenn, wie der neue Geſetz⸗ entwurf über die Mittelſchulen es beabſichtigt, Verfügungen von Staatswegen getroffen würden, welche jenen Zusammenhang zwiſchen Schule und Kirche tatſächlich unmöglich machen. ; x A

Das geſchieht aber, wenn unſer Lehramtskandidat feine Prüfung in Peſt oder Klauſenburg vor einer, aus Profeſſoren dieſer Univerſitäten beſtehenden Kommiſſion, dazu in magyariſcher Sprache ablegen muß. 4 5

Denn um dieſes tun zu können, müßte er ſeine Studien an einer dieſer beiden magyariſchen Univerſitäten machen und würde ſo tatſächlich vom Beſuch der deutſchen Hochſchulen Wiens, der Schweiz, des Deutſchen Reichs ausgeſchloſſen. Auf dieſen allein iſt es jedoch möglich, ſich zugleich für das Lehramt der Mittelschule und für das geiftliche Amt der ev. Kirche ane ſo wie die dadurch ermöglichte Verbindung

Dieſe Studienordnung aber, h chte Ve un zwiſchen Schule und Kirche hat ſich Jahrhunderte hindurch für beide Heils 39*

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anſtalten gleich ſegensreich erwieſen. Eine Zerſt von außen her iſt, wir müſſen es, ſo ſchwer es uns gleichbedeutend mit einem Angriff auf den Beſtand gleichbedeutend mit einer jo ſchweren Perſekution Vergangenheit noch nie geſehen hat, und wie ſie gerechten Abſichten Allerhöchſt Eurer Majeſtät gewi Dabei ſei es zugleich geſtattet, auf die ſchwere Ki zuweiſen, die jenes Geſetz für unſere Kirche, unſere Schule in ſeinem Gefolge haben müßte. Daß die gegenwärtige Zahl ſchulen bei jenem Geſetz nicht beſtehen könnte, iſt ſchon erwähnt. von den Quellen der für uns vor allem naturgemäßen, weil Bildung, die uns an die deutſchen Hochſchulen hinweiſt, deren und durch nichts beengter Beſuch uns durch die altſiebenbü keinem legislativen Akt aufgehobenen Geſetze: Approbatae con regni Transsilvaniae, pars III, titulus XIV, articulus 11653), Oo: constitutiones regni Transsilvaniae pars III, titulus IX, (1669), ſowie durch den Staatsvertrag des Leopoldiniſchen Diplo 4. Dezember 1691 und Geſetzartikel 1: 1752 genügend verbürgt iſt überhaupt die deutſche Schule, die deutſche Geſittung, das deutſche Vo hier allmählich verkümmern, ein Zuſtand, der doch weder von den wal Intereſſen des Landes, noch der Monarchie oder des Allerhöchſten Herrſchen geboten erſcheint und der ebenſowenig vor dem Urteil des Rechtes und Prinzipien beſtehen könnte, auf welche das ungariſche Staatsweſen feinen gegründet wurde, und auf deren Boden allein Ungarn angeſichts der europäi Kultur- und Rechtsordnung auf die fördernde Teilnahme der öffentlichen Meinung und auf gedeihliche Entwicklung wird hoffen können. 1

IV.

Das führt das ehrfurchtsvoll unterzeichnete Landeskonſiſtorium zu einem weitern Grunde, um deſſentwillen, falls es von der angeſtammten Treue gegen die Krone und Allerhöchſt Eure Majeſtät nicht abfallen will, nie aufhören darf, mit allen geſetzlichen Mitteln gegen jene Beſtrebungen zu kämpfen, die in dem neuen „Geſetzentwurf über die Mittelſchulen und die Qualifizierung der Lehrer derſelben“ ihren, wenn auch nur unbewußten Ausdruck finden. Es iſt gegenüber der althiſtoriſchen Entwicklung von Ungarn und Sieben- bürgen der Geiſt der neuen revolutionären Doktrin, die die Magyariſierung des geſamten Landes als das oberſte und mit allen Mitteln zu erſtrebende Ziel des Staates und der Ausübung feiner Hoheitsrechte hinſtellt. Wir haben bereits in unſerer alleruntertänigſten Vorſtellung vom 23. November 1881 (Abſchnitt II) mit Tatſachen nachgewieſen, daß ſich als tieferer Kern des Mittel⸗ ſchulgeſetzes die Magyariſierung der Mittelſchule herausſtelle; die gegenwärtige Feſtſetzung desſelben durch den Unterrichtsausſchuß erhöht dieſe Gewißheit. |

Es ſei nur einiges anzuführen geſtattet.

Während die miniſterielle Geſetzesvorlage vom 20. März 1880 und vom 6. Oktober 1881 gegen das klare Geſetz „über die Gleichberechtigung der Nationalitäten“ für die Zukunft unmöglich machen ſollte, daß der Staat | eine deutſche Mittelſchule errichte, ja, wieder gegen das klare Geſetz die |

i irg

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Errichtung anderer als magyariſcher Mitte izipi Gemeinden verbot, und N. e den ae Br ie Unterrichtsſprache bloß Konfeſſionen, Vereinen und Einzelperſonen 5 A 5 hat der Unterrichtsausſchuß durch feinen Beſchluß vom 24 3 en gebn ä dieſes Recht abgeſprochen, abermals im Gegenſaß geg nzweifelhafte Beſti 2 i W wage 470 ſtimmung von § 26 Geſetzartikel XLIV : 1868, „So wie bisher jeder Bürger des Laı . ür ei

„Nationalität, jede Gemeinde, Kirche und re 8 „ebenſo werden ſie auch fernerhin das Recht haben, mit eigenen Mitteln „oder im Aſſoziationsweg Elementar-, Mittel- und höhere Schulen zu errichten „Zu dieſem Zwecke, und auch behufs Errichtung anderer, zur Förderung „von Sprache, Kunſt, Wiſſenſchaft, Landwirtſchaft, Handel und Gewerbe „dienender Anſtalten können die einzelnen Bürger des Landes unter der „geſetzlichen Aufſicht des Staates Geſellſchaften oder Vereine bilden, nach „ihrer Konſtituierung Statuten ſchaffen, im Sinn der durch die Staats „regierung beſtätigten Statuten vorgehen, einen Geldfond bilden und dieſen „(mit dieſem) gleichfalls unter der Aufſicht der Staatsregierung auch ihren „geſetzlichen Nationalitätsanforderungen entſprechend gebaren.

„Die auf ſolche Weiſe zuſtande gekommenen Bildungs- und ſonſtigen „Anſtalten die Schulen jedoch mit Einhaltung des Volksunterrichts⸗ „geſetzes ſind gleichberechtigt mit den ähnlichen und auf derſelben Stufe „befindlichen Anſtalten des Staates.

5 „Die Sprache der Privatinſtitute und Vereine wird durch die Gründer „beſtimmt.“

h Es ift unmöglich angeſichts dieſer Geſetzesbeſtimmung nicht der Ver⸗ heißung zu gedenken, der die in Angelegenheit der Nationalitätenfrage vom Reichstag 1861 entſandte Kommiſſion in ihrem, dieſelben Beſtimmungen enthaltenden Geſetzentwurf Ausdruck gab: „die derart feſtgeſtellten Rechte „ſämtlicher auf dem Landesterritorium befindlichen Nationalitäten werden als „Grundgeſetz proklamiert und unter den Schutz der Nationalehre geſtellt.“

Nicht weniger rückſichtslos ſtellt ſich die Tendenz der Magyariſierung im neuen Geſetzentwurf auch in einer anderen, abermals nach jener Abſicht hin verſchärften Beſtimmung heraus.

Während die miniſterielle Geſetzesvorlage vom 20. März 1880 den vaterländiſchen Religionargeſetzen entſprechend, den Kirchen die Beſtimmung über den Bildungsgang ihrer Mittelſchullehrer, damit auch den freien vollen Beſuch der ausländiſchen Univerſitäten und ebenſo das alte Recht ließ, Kommiſſionen für die Lehramtsprüfung aufzuftellen und die Normen hiefür feſtzuſetzen, dem Staat bloß ein Oberaufſichtsrecht vorbehalten; während ſelbſt die Regierungsvorlage vom 6. Oktober 1881 den Kirchen wenn auch unter (ungeſetzlichen) Bedingungen und Einſchränkungen das Recht zuerkannte, in Anſtalten, die ihnen geeignet ſchienen, für die Bildung ihrer Lehramts⸗ kandidaten Sorge zu tragen und dieſe im eigenen Wirkungskreis der Prüfung zu unterziehen:

vom Subkomitee des Unterrichtsausſchuſſes hergeſtellte

läßt der neue, i cht uſſes Geſetzentwurf ſelbſt dieſe kargen Reſte des alten religionar-geſetzlichen Rechts⸗

9

ſtandes fallen und das Recht 8 kandidaten zu normieren, Prüfungsnorm für Prüfung ſelbſt durch die ihr beliebigen abhalten ſchließlich und allein der Regierung, d. i. dem und Die Prüfung ſelbſt ſoll mündlich und ſchriftlich in abgelegt werden, auch von demjenigen, der nicht der magya angehört und der nie an einer magyariſchen Anſtalt dienen Jahre lang iſt ein Diſpens hievon in Ausſicht geſtellt; und in jedem Fall „magyariſche Sprache und Literatur magyariſchen Sprache und Stiliſtik), Überſicht über die E magyariſchen Literatur und Kenntnis der Hauptwerke der h Schriftſteller“ gefordert.

Dieſe Forderung ſoll auch für die Lehrer und amtsk, evangeliſch-deutſchen Mittelſchulen unſerer Landes gelten, dieſe die, vom praktiſchen Bedürfnis gebotene Kenntnis der mag Sprache bereits in der Maturitätsprüfung nachgewieſen haben und weiterhin die deutſche Literatur für reichſte, reinſte und edelſte Bildung unerſchöpfliche Quelle bietet, jo daß bei jener Forderung die Be zweifellos eine ſolche Beſchränkung erleiden müßte, welche gewiß allgemeine, noch die Fachbildung der Betreffenden zu fördern geeignet könnte, woraus mit Naturnotwendigkeit keine Verbeſſerung jener M folgen würde.

Doch der neue Geſetzentwurfſtellt fich eben in den Dienſt der Magyarifi

jenes Geiſtes, in dem der, von dem Herrn Kultus- und Unterrichtsm dem Reichstag vorgelegte amtliche zehnte Jahresbericht über den Zuſtand des ungariſchen Schulweſens (Seite 150) die Hauptſtadt Budapeſt „des Danks der Nation“ deshalb für würdig erklärt, weil keine deutſche Volksſchule mehr in ihrer Mitte beſtehe, wiewohl fie 120.000 deutſche Einwohner zählt und der Minifter für öffentlichen Unterricht nach 8 17 des XII V. Geſetz⸗ artikels von 1868 „verpflichtet“ iſt, „in den Staatslehranſtalten möglichſt „dafür zu ſorgen, daß die Bürger einer jeden Nationalität des Landes, wenn „ſie in größern Maſſen zuſammenleben in der Nähe der von ihnen bewohnten „Gegend ſich in ihrer Mutterſprache bilden können bis dahin, wo die höhere „akademiſche Bildung beginnt“,

jenes Geiſtes, in dem der Unterrichtsausſchuß 1881, wie ſeitens der Regierung in der Sitzung desſelben vom 22. März 1882 erklärt wurde, darum beſchloß, daß die Lehramtsprüfung bloß in magyariſcher Sprache abgelegt werde, weil „der ungariſche Staat ſolche Schulen nicht dulden „dürfe, deren Profeſſoren nicht magyariſch verſtehen, da dieſelben erfahrungs⸗ „gemäß Feinde der ungariſchen Staatsidee ſind und derſelben Feinde erziehen.“

Es iſt unglaublich, daß auch der Herr Kultus- und Unterrichtsminiſter ſich dieſe Motivierung angeeignet habe, wiewohl die öffentlichen Blätter un⸗ widerſprochen damals dieſe Mitteilung brachten.

Jedenfalls erfüllen wir nur eine Pflicht der Wahrhaftigkeit, wenn wir bei dieſem Anlaß hier, da uns ſonſt jede Gelegenheit dazu fehlt, offen erklären, daß jene Behauptung unſerer Landeskirche gegenüber eine Entſtellung und Verleumdung ſei. |

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Solcher Geiſt aber bezeichnet eben den Abfall von jenen Prinzipien, die einſt das Königreich Ungarn gegründet (Decretum 8. Stephani regis, liber I caput 6; Andreae II regis deeretum, articulus XIX im Corpus juris Hungariei) und von feinen größten Königen geachtet das Reich blühend gemacht haben, den Abfall von jener Staatsweisheit, die die ſächſiſche Nation „ad retinendam coronam“ nach Siebenbürgen gerufen und durch den Rechtsſchutz, den ſie ihr zuteil werden ließ, dem Land einſt einen deutſchen Landſtand gegeben hat jener Staatsweisheit, die ſelbſt in ihrer jüngſten, ſei es auch ſchwächer gewordenen Triebkraft neben dem Unions⸗ geſetz das Geſetz „über die Gleichberechtigung der Nationalitäten“ geſchaffen Artikel XIIV: 1868), an dem wie an jenem der neue Geſetzentwurf weſent⸗ lichſte und wertvollſte Beſtimmungen ſo nebenbei geradezu vernichten will.

Der Freund des Rechtes, des Vaterlandes, der Krone kann darin, mit tiefer Trauer, nur jenen revolutionären Geiſt erkennen, der ſeine Ver- körperung in Koſſuth gefunden. Denn ein Teil ſeines, ſeinerzeit unter andern auch im Pesti Hirlap immer wieder verkündeten Programmes war es bekanntlich, das in Wort und Tat die vollſtändige Magyariſierung des Landes, der ganzen bürgerlichen und kirchlichen Geſetzgebung, Verwaltung, Rechts⸗ pflege, der öffentlichen Erziehung bis zu jeder Dorfſchule herab forderte: „eilen wir, eilen wir! Maghariſieren wir die Kroaten, Romänen und Sachſen, ſonſt gehen wir zugrunde!“

Es bedarf keines weitläufigen Beweiſes, daß der neue Mittelſchul⸗ geſetzentwurf Geiſt von dieſem Geiſte ift, wie denn die weitere Verhandlung desſelben ohne Zweifel neue Zeugniſſe dafür bringt. Indem er alle Ergebniſſe der geſchichtlichen Entwicklung Ungarns und Siebenbürgens als nicht vor⸗ handen anſieht, ſich durch das poſitive, in Staatsverträgen, Friedensſchlüſſen, alten und neuen Fundamentalgeſetzen und Königseiden wurzelnde, in jedem Rechtsſtaat unverletzliche Recht der evangeliſchen Landeskirche Siebenbürgens nicht gebunden erachtet, an die Stelle desſelben vielmehr ſeine abſolute Willkür ſetzt, und in dieſer die deutſchen Mittelſchulen, die deutſche Kultur jener Kirche und ihre eigenberechtigte Organiſation, damit aber weſentliche Lebensbedingungen derſelben tötlich ſchädigt, alles aus dem vermeintlichen Recht eines ſeparatiſtiſchen Nationalitätsprinzips, das alle andern Nationen dem eigenen Volkstum unterwerfen und einverleiben will: tritt der Geſetz⸗ entwurf eben aus dem Kreis organiſcher Entwicklung heraus und in den der Revolution hinüber, deren Folgen für unſer Volt und unſere Kirche jener Drohung Koſſuths ſchmerzlich nahe kommen würden, die er am 17. März 1849 an Bem ſchrieb: „... werde ich keine Sachſen auf dem Gebiet u ungariſchen Krone dulden, ſondern ſie alle aus dem Lande jagen, gr 7 Schutzes, aller Freiheit des Geſetzes verluſtig erklären. „Briefe L. Koffuth: an Bem. Herausgegeben von Aladar Makray. Peſt 1870. Seite 2.)

V. f iſtori der

Eben deshalb aber iſt das treugehorſamſte Landes konſiſtorium 8 unerſchütterlichen Überzeugung, daß Eure kaiſerliche e Majeſtät, Allerhöchſtwelche dem neuen „Geſetzentwurf über die

und die Qualifizierung der Lehrer derſelben“ die Genehmigung zur Vorlage

wohl nie erteilt haben, erwachſenden Geſetze, auch gebt wen, geſetzen, wegen wegen der durch nichts verſchuldeten an der evangeliſchen Landeskirche jener Kulturzerſtörung und Desorganifation, die Geſetzes dieſe Kirche und ihre deutſchen 1 müßte, die Allerhöchſte Zuſtimmung und t geruhen . drr e * Denn ho, Strömungen und einſeitiger Parteileidenſchaften ſteht die Krone u die kaiſerlichen und königlichen Auktorität, nach göttlicher und n berufen, aller und damit auch des geringern Teiles R nicht zuzulaſſen, daß unter dem Schein und der Form einem Gliede des Staates mit einem althergebrachten, leiſteten Fundamentalrechte zugleich ſolche geiſtige und ſittliche werden, die ſein Weſen und feinen Beſtand mitbedingen jahrhundertelang in unentwegter Treue zum Aufbau des S und zum Glanz der Krone das Seine beigetragen hat. Ale. Durch ihre Mittelſchule, durch den in dieſer lebenden Geiſt Wiſſenſchaft, welche eben nur dort noch in dieſen Landen eine hat, iſt die evangeliſche Kirche, die ſächſiſche Nation in S zu jenem Gliede des Reichs geworden, das in den letzten drei Jahn von Euerer Majeſtät erlauchten Vorfahren, von Allerhöchſt Euerer ſelbſt erhebendſte Zeugniſſe ehrender Anerkennung erhalten hat. Sollte es je geſchehen können, daß im Gegenſatz zu jenen za erhabenen Enunziationen der Krone und des Allerhöchſten Krönun auf welche vertrauend die evangeliſche Landeskirche Siebenbürgens auch der, durch den Unionsvertrag zwiſchen Ungarn und Siebenbürgen geſtalteten Ordnung des Staates auf dem, noch letzthin ihr wiederholt gei leiſteten altheiligen Rechtsboden ihre treue Arbeit für die Bildung und das religiös-ſittliche Leben ihres Volkes, doch gewiß zum Aufbau des geſamten Vaterlandes, pflichtfreudig fortgeſetzt hat ſollte es je geſchehen können, daß dieſer Rechtsboden durch den Beſchluß einer Legislative, in der von allen Kirchen des Landes die proteſtantiſche allein keine Vertretung hat, zerſtört würde: fo geruhen Allerhöchſt Euere Majeftät Allergnädigſt zu erwägen, ob nicht eine zahlreiche, immer loyale Bevölkerung dadurch irre werden könnte im Glauben, daß der Staat eine ſittliche Inſtitution ſei, ob nicht die evangeliſche Landeskirche Siebenbürgens, welche nach dem alten Recht dieſes Landes die ehemalige dritte ſtändige Nation desſelben, die Sachſen, umfaßt, in einem ſolchen Vorgang geradezu eine Schädigung der Auktorität der Krone ſchmerzlich beklagen müßte, beklagen einen unheilvollen Gegenſatz | gegen jenes ſtaatsbildende Prinzip, unter deſſen Agide das erlauchte Haus Oſterreich ſo viele Königreiche und Länder unter ſeiner Krone vereinte, das Prinzip: die Heiligkeit des Rechtes im kleinen wie im großen zu ſchützen, allen Volksſtämmen des Reichs das gleiche Wohlwollen entgegenzubringen,

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Aller Bildung und Wohlfahrt gleichmäßig zu fördern, keinen dem andern zum Opfer dahingeben zu laſſen.

Um jenes Prinzipes willen ſegnete Siebenbürgen vor zweihundert Jahren den Tag, an dem es in den Schutz und Schirm dieſes erlauchten Hauſes getreten, und pries ſich glücklich im dankbaren Gefühl, fortan dauernd euro⸗ päiſcher Rechtsordnung ſicher zu ſein: sub umbra alarum Tuarum!

Erfüllt von derſelben Überzeugung und unerſchüttert ſeſthaltend an dem Glauben und dem Vertrauen auf Allerhöchſt Euerer Majeſtät ſtarken und gnädigen Rechtsſchutz wagt es denn die treugehorſamſte evangeliſche Landes- kirche A. B. in Siebenbürgen durch das ehrfurchtsvoll unterfertigte Landes- konſiſtorium unter ehrerbietigem Anſchluß der gleichzeitig an den Hohen ungariſchen Reichstag überreichten Denkſchrift, abermals alleruntertänigſt zu bitten:

Allerhöchſt Eure kaiſerliche und königlich-apoſtoliſche Majeſtät geruhe Allergnädigſt zu verfügen, daß eine Regelung des ungariſchen Mittelſchul⸗ weſens durch den ungariſchen Reichstag nur auf Grund einer ſolchen Vorlage ſtattfinden dürfe, durch welche altgeſetzliche Grundrechte der evan- geliſchen Landeskirche A. B., ſowie des deutſchen Volkstums in Sieben⸗ bürgen unangetaſtet bleiben;

beziehungsweiſe:

Allerhöchſt Eure kaiſerliche und ktöniglich⸗apoſtoliſche Majeſtät geruhe Allergnädigſt, einem etwaigen, auf Grund des, vom Subkomitee des Unter- richtsausſchuſſes des ungariſchen Abgeordnetenhauſes vorgelegten „Geſetzent⸗ wurfes über die Mittelſchulen und über die Qualifikation der Lehrer derſelben“ mit Beſeitigung der ſiebenbürgiſchen Religionargeſetze ſowie weſentlicher Beſtimmungen des XIII. und XLIV. Geſetzartikels von 1868 beſchloſſenen Geſetze die Allerhöchſte Sanktion zu verſagen.

Die wir in homagialer Ehrfurcht vertrauensvoll verharren

Allerhöchſt Eurer kaiſerlichen und königlich-apoſtoliſchen Majeſtät

Hermannſtadt, 5. Februar 1883. treugehorſamſte Untertanen

Das Landeskonſiſtorium uff.

A

602 4. N Vorläufige Erwägungen anläßlich des 2

24. Dezember 1892, 5. 46849, der das Geſu 0

um Belaſſung der deutſchen Lehramtsprüfung au

für die Kandidaten unſerer Kirche abſchlagig (8-3. 2837/1892). >.

1. Wenn unſere Kandidaten die Lehramtsprüfung riſcher Sprache ablegen müſſen, jo tritt ſofort die Frage Regel das zu leiſten imſtande ſein werden bei einem d an deutſchen, und einem bloß einjährigen Studium an ma ſchulen. Für jene Kandidaten, welche ſich für das Lehrfach der Sprache und Literatur vorbereiten, iſt die Verpflichtung des deutſchen Hochſchulen von der 14. Landeskirchenverſammlung 2 Jahre heruntergeſetzt. (Landeskonſiſtorial⸗Erlaß ddto 19. 3. 957. 1890.)

2. Sollte dieſe Maßregel auf alle Kandidaten ausg w würde die Folge zweifellos zunächſt die ſein, daß das Studium der logie bei einem bloß zweijährigen Beſuche deutſcher Hochſchulen noch in den Hintergrund trete, als das bisher ſchon der Fall war.

3. Die Eignung und Neigung für das geiſtliche Amt der würde bei ſolchem Bildungsgang der Kandidaten auf ein * 7 herabſinken, wodurch die tatſächliche Scheidung des Lehramts der * ſchule vom geiſtlichen Amt außerordentlich gefördert würde.

4. Ich ſage gefördert würde, da die Anfänge desſelben bereits vor⸗ handen ſind. Die alte organiſche Verbindung zwiſchen dem Lehramt der Schule und dem geiſtlichen Amt iſt nämlich in jüngſter Zeit durch mannig⸗ fache Urſachen gelockert worden. Solche find unter andern bei manchen Mangel an Tiefe des theologiſchen Studiums, der einen innern Beruf zum geiſtlichen Amt nicht aufkommen ließ; die geſunkene Dotation vieler Pfarr⸗ ſtellen bei gleichzeitig erhöhter Dotation der Lehrerſtellen, die außerdem für Erziehung der Kinder uſw. das Stadtleben in die Wagſchale legen, Koſten der Präſentation u. a.

5. Dabei kann nicht überſehen werden, daß es auch ſolche Fälle gibt, in welcher durch theologiſche Vorbildung, ſowie durch Neigung und die geſamte Perſönlichkeit zum Pfarramt ſehr geeignete Lehrer der Mittelſchule den Zugang zu dieſem eben nicht erhalten.

6. Infolge von alle dieſem hat ſich die Kirche bereits genötigt geſehen (XIII. Landeskirchenverſammlung 18. Dezember 1887, Landeskonſiſtorial⸗ Erlaß vom 18. Dezember 1887, 3. 2650) die Dienſtzeit für akademiſche Kandidaten behufs Bewerbung um ein Pfarramt herabzuſetzen, mit der Be⸗ | ſtimmung, daß zur Wählbarkeit in eine Pfarre, deren Zehntrente 600 Gulden | nicht überſteigt, ein Schuldienſt überhaupt nicht erforderlich iſt. Und dieſe Herabſetzung der Dienſtjahre wird weiter gehen müſſen nach der von der XV. Landeskirchenverſammlung beſchloſſenen Gehaltserhöhung für die Mittel-

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ſchullehrer. Wenn der Kandidat die Ausſi einer er = an der Mittelſchule in ein Gehalt en Guten ei se fetten geſchehen, daß er eine Pfarre übernimmt, die 600 Gulden 3 Er 2 hat, (a1 Pfarren haben eine Zehntrente unter 800 fl.) und 5 25 jährigem Schuldienſt in ein Gehalt von 1300 beziehungsweiſe 1550 Gulden oder noch mehr hinaufrücken kann, ſind wohl manche von den 115 Bi 5 5 welche eine Zehntrente zwiſchen 800 und 1550 Gulden 3 ze Gefahr, W eo. akademiſchen Pfarrer zu erhalten. N Re

7. Tritt nun bei dem künftigen Zwang z ſchließli iſche Lehramtsprüfung eine weitere 1 eee e zunehmende Gleichgültigkeit gegen das geiſtliche Amt, und wachſender Mangel an wahrhafter innerer Befähigung für dasſelbe ein; wirken ferner die Dotationsverhältniſſe der Mittelſchule und der Pfarrer, ſowie alles andere was ſeit einiger Zeit jo vielen Mittelſchullehrern die Pfarre nicht mehr als begehrenswert erſcheinen läßt, oder den Eintritt in dieſelbe erſchwert, wenn nicht gar unmöglich macht, in der frühen Weiſe, oder geſteigert fort: ſo tritt an die Kirche, die ſchon um ihres Beſtandes willen die Pflicht hat für die möglichſt gute Beſetzung ihres Pfarramts zu ſorgen, die Notwendigkeil ſhufſe 15 erwägen, wie in dieſem Verfall der alten Ordnung Hülfe zu

A} Da in der letzten Zeit aus den dargelegten Urſachen der Gang der Dinge in der Richtung der Trennung des alten organiſchen Zuſammenhangs zwiſchen Mittelſchule und geiſtlichem Amt begriffen erſcheint und der Zwang der magyariſchen Lehramtsprüfung dieſe Entwicklung nur beſchleunigen kann, ſo iſt es notwendig beizeiten das Endergebnis ins Auge zu faſſen. Wenn jene zwingenden Verhältniſſe nicht geändert werden können, ſo wird folgerichtig daraus entweder die tatsächliche, oder die kirchengeſetzlich normierte Auflöſung der alten Verbindung zwiſchen dem Lehramt der Mittelſchule und dem geiſtlichen Amt der Kirche entſtehen.

9. Es entſteht ſofort die Frage: welche Folgen kann dieſelbe für unſer Volksleben und die grundlegenden Mächte ſeines gedeihlichen Beſtandes haben?

10. Für das Gymnaſium würde jene Auflöſung nach mehr als einer Richtung unheilvoll fein.

11. Unſer Volk würde die gegenwärtig beſtehenden Mittelſchulen, die materiell bisher weſentlich durch den Übertritt ihrer Lehrer in beſſer dotierte Pfarren mit erhalten wurden, alle weiter auf die Länge nicht erhalten können, wenn die Lehrerſtellen durchweg ſo dotiert werden müßten, daß ſie den Lehrern für ihre geſamte Lebens- beziehungsweiſe Dienstzeit, ein den ſtets ſteigenden Forderungen entſprechendes auskömmliches Gehalt gewähren. Daß ſolche Forderungen aber eintreten würden, daß vielleicht ſelbſt der Staat ſie zu erfüllen zwingen würde, dafür ſprechen alle Zeichen der Zeit. Jene „Trennung von Schule und Kirche“ heißt dann in unſerem Fall über kurz oder lang, Unter- gang einiger unſerer Mittelſchulen.

12. Doch auch den beſtehenden droht aus jener Loslöſung von dem Verband mit der Kirche, die jede Anſtalt zu einem kleinen engbegrenzten Status für ſich macht, vielfaches Unheil. Ein Lehrkörper von zwölf, oder weniger Individuen, in welchem lange lange Jahre hindurch fein Alter ab-

=

geht und kein Junger zuwachſt, iſt in großer Gefahr Invaliden zu werden, das der Wiſſenſchaft abſtirbt, ni Fluß der pädagogiſchen Entwicklung ſteht, fi) in den Geiſt mehr hineinfindet und ſich in eine Zahl vereinzelter Son

13. Wie ſerner das Verhältnis dieſer künftigen, aus! mit der kirchlichen Organiſation herausgetretenen Lehr gegenwärtig ſchon zu einem Teile große Teilnahmsloſigkeit Kirche und dem religibſen Leben zu herrſchen ſcheint, ſich zur k veligiöfen Erziehung der Jugend, ferner zu der, von kirchlichen führenden Schulaufſicht ſtellen würde, entzieht ſich vorläufig der

14. Jedenfalls wird aber die Vorbildung der Kandidaten amtes, wiewohl ſie dann zugleich Theologie zu ſtudieren nicht gel andere Schwierigkeiten zu überwinden haben. Abgeſehen davon, damit ein Reich der Geiſtesbildung abſeits liegen bleibt, deren ein wenigſteus doch dem evang. Mittelſchullehrer kaum entbehrlich fin denn die Kandidaten in Preußen in der Lehramtsprüfung nach dem R vom 12. Dezember 1866 nachweiſen, daß ſie Kenntnis der eine allgemeine Überficht über die Geſchichte ihrer Kirche, dann hinreie Bekanntſchaft mit dem Inhalt und Zuſammenhang der heil Schrift bei \ können fie theologiſcher Stipendien nicht teilhaft werden und müßten Freiwilligenjahr dienen; zu vier Studienjahren, und dem Übungsjahr ein ſech „Dienſt“jahr! . bei unſerer Armut ſchwer zu erſchwingen. Und dann bei einem Geſamtſtatus von nicht 100 wann die Anſtellung? *

15. Für den Fall einer derartigen Trennung des Mittelſchullehramts und des akademiſchen geiſtlichen Amtes dürfte man ſich nicht damit tröſten, daß unſre akademiſchen Kandidaten den Weg zu dieſem durch das Lehramt der Bürgerſchule und der höhern Volksſchule zu machen hätten, um ſo praktiſcher pädagogiſcher Schulung teilhaftig zu werden. Wohl iſt der Weg bisher offen geweſen; aber in der letzten Zeit hat die Regierung Schwierigkeiten gemacht, die wir nur mit Mühe haben überwinden können, weil im ſtaatlichen Schulgeſetz, das uns die ſchwere Schranke zieht, für eine ſolche Qualifikation ſich kein Paragraph findet. Es bleibt eben nur das Seminar übrig, zu wenig Stellen als Durchgangsſtellen für die geſamte akademiſche Geiſtlichkeit.

16. Für das geiſtliche Amt unſerer Kirche würde jene Trennung zunächſt die Folge haben, daß ſeine Kandidaten ſtrenge Fachſtudien für das Mittelſchullehramt nicht zu machen, und Prüfungen daraus nicht zu geben hätten, ihr wiſſenſchaftlicher Bildungsgang demnach jene Vielſeitigkeit verlöre, die ihm bisher eigen war. Die Studiendauer würde drei Jahre nicht zu überſteigen brauchen, aber darunter auch nicht ſtehen bleiben können.

17. Die eigentlichen theologiſchen Fachſtudien würden natürlich außer⸗ ordentlich gewinnen und eine wirkliche, ſo notwendige Vorbereitung zum geiſtlichen Amte, welche Berufsfreudigkeit ſchafft und die Vorbedingung zu ſofortiger geſegneter Tätigkeit in erhöhtem Maße gewährt, ſelbſtverſtändlich viel mehr und leichter bieten, als das gegenwärtig geſchieht, oder geſchehen kann.

18. Eintretendenfalls würde zu erwägen ſein, ob nicht für das erſte theologiſche Studienjahr eine Anſtalt inmitten der Landeskirche zu errichten | ſei, welche neben einleitenden und exegetiſchen Studien insbeſondere auch

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für vaterländiſche Kirchengeſchichte und vaterländiſches Ki i zu eingehender Arbeit gäbe, 2 die viel zu . zwei letztern Wiſſenſchaften unter uns ſich zu ſichtbarem Schaden immer mehr kenntlich macht.

1059. Eine Prüfung am Ende des erſten theologiſchen Studienjahres hätte über die Berechtigung zum Beſuch der deutſchen Hochſchulen zu ent- ſcheiden. Nach der Rückkehr von dieſen 4 Semeſter hätte nach Verfluß von 6 Monaten die Schlußprüfung ſtattzufinden.

* 20. Jedenfalls iſt aber der Verluſt nicht gering zu verauſchlagen, der ſich bei einer Auflöſung der alten geſetzlichen Verbindung zwiſchen Schule und Kirche für das geiſtliche Amt dadurch ergibt, daß dem Träger dieſes als Vorbereitung zum geiſtlichen Berufe der geiſt- und charakterbildende Dienſt in der Schule nicht mehr offen ſteht. Denn nach meiner Erfahrung und meiner Empfindung gehört für einen, dem Dienſt der Kirche ſich widmenden jungen Mann, der ein wirklicher Jünger der Wiſſenſchaft iſt, die treue, berufsfreudige, hingebende Arbeit im Lehramt der Mittelſchule, die ihrer Aufgabe bewußt und vom Hauch des Idealen getragen iſt, im Geiſtes. und Herzeusverband mit gleichſtrebenden Genoſſen, zu den reichſten und reinſten Segnungen Gottes eine erhaltende und ſtärkende Kraft für jedes künftige Berufsleben, und zugleich eine nicht hoch genug zu veranſchlagende Vor⸗ bereitung für künftige pfarrämtliche Sorge für die Schule.

21. Doch wenn auch dem künftigen geiſtlichen Amte dieſes alles fort- fallen ſollte, jo iſt die Beſorgnis, daß es ſofort in dieſe oder jene günſtige oder berufliche Einſeitigkeit verfallen müſſe, nicht gerechtfertigt. Wer die theologiſchen Fakultäten und die deutſchen Univerſitäten mit ihrer geiſter⸗ befreienden Wiſſenſchaft kennt; wer Einblick tut in die Kreiſe der deutſchen Theologen und der evangeliſchen Pfarrgeiſtlichkeit dort und hinblickt auf die dort und hier das Leben bewegenden Mächte, der wird ruhig auch einer Entwicklung entgegenſehen, die unter uns, falls die Zeit uns zwingen ſollte, auf dem Gebiet der Kirche und Schule neue Bahnen einſchlägt.

22. Zum Schluße iſt noch zu bemerken, daß bei der meritoriſchen Beratung der Sache zwei Miniſterialerläſſe nicht zu überſehen ſein werden:

a) der Erlaß vom 5. Mai 1886, 3. 15690 (L. K.. 909. 1886), der darauf dringt, daß unſre Studierenden der Theologie und des

Lehramtes auf den deutſchen Univerfitäten mehr Zeit als bisher auf

ihre Lehrfachgegenſtände und weniger auf Theologie verwenden möchten,

widrigenfalls ihre Zulaſſung zur Lehramtsprüfung nicht erfolgen könne: b) der Erlaß vom 19. Juni 1888, 3. 23724 L. K.- 3. 1460 1888), welcher bei Kanditaten der Theologie, die die theologiſchen Studien abſolviert und ſämtliche theologiſche Prüfungen abgelegt haben, im Fall dieſelben die Profeſſ orenbefähigung aus den philologiſchen und geographiſch⸗ hiſtoriſchen Fächern zu erlangen wünſchen, den vollſtändig beendigten theologiſchen Lehrkurs (3 Univerſitätsjahre) für zwei Lehramtsſtudienjahre annimmt, während bei ſolchen Kandidaten der Theologie, die ER Profeſſorendiplom aus den mathematiſchen und naturwiſſenſchaftlichen

Fächern wünſchen, die (3) theologiſchen Studienjahre nur für ein Lehramts⸗

ſtudienjahr angenommen werden.

23. Jedenfalls erinnert aber auch dieſe Notlage für die dringliche Erhöhung der Dotation einer Pfarrſtellen Sorge zu tragen.

Die vorliegende Punktation erſchöpft den ihre Aufgabe war, orientierend einige der haupt zeichnen, welche bei der dringlichen Beratung dieſer

berückſichtigt

Schul-, Kirchen- und Volksleben nicht un werden bi

5.

kirchenpolitiſchen Geſetze, 17. April 1895. (Su 6. 5

An das Hohe königlich ungariſche Geſamtminiſterium, zu Handen Seiner des Herrn Miniſterpräſidenten Dr. Alexander Wekerle in Budapeſt.

Hohes Miniſterium! *

Das neue kirchenpolitiſche Programm der hohen Regierung legt hochachtungsvoll unterzeichneten Landeskonſiſtorium die ernſte Pflicht für die nachfolgende kurze Erörterung die wohlwollende Würdigung derſelben zu erbitten. : 2 u

Wir ſtellen zuvor mit wenigen Strichen die Sathlage dar.

Paragraph 12 des 53. Geſetzartikels von 1868 beſtimmt: „Von den „aus gemiſchten Ehen ſtammenden Kindern folgen die Söhne der Religion „ihres Vaters, die Töchter aber der Religion ihrer Mutter. Dem Geſetze „widerſtreitende wie immer geartete Verträge, Reverſe oder Verfügungen find „auch in Hinkunft ungiltig und können in keinem Falle Rechtskraft haben.“

Dieſes Geſetz wurde jahrelang ohne irgend eine Einwendung von allen Kirchen pflichtgemäß befolgt und als ſpäter einzelne Übergriffe in Ungarn begannen, indem römiſch⸗katholiſche Pfarrer Kinder tauften und damit in dieſe Kirche aufnahmen, welche nach dem Geſetze einer anderen Kirche angehörten, haben römiſch⸗katholiſche Biſchöfe wieder jahrelang, wie aus den Mitteilungen Sr Exzellenz des Herrn Kultus- und Unterrichtsminiſters Grafen Albin Cſaly in der Sitzung des Abgeordnetenhauſes vom 7. März d. J. hervorgeht, wieder⸗ holt im Sinne des Geſetzes das Erforderliche zur Sanierung jener Geſetzes⸗ übertretungen getan.

Als dieſe ſich deſſenungeachtet mehrten, verſuchte ſowohl die Geſetz⸗ gebung, als der Herr Miniſter für Kultus und Unterricht im Verordnungsweg zum Schutz des Geſetzes Maßregeln zu treffen, die wir hier übergehen können, weil ſie allgemein bekannt ſind. Die letzte dieſer, die Kultusmini⸗ ſterialverordnung vom 26. Februar 1890: daß der Geiſtliche, der ein nach dem Geſetz einer anderen Konfeſſion zugehöriges Kind taufe, den Matrikel⸗ auszug binnen acht Tagen dem zuſtändigen Seelſorger zu überſenden ver⸗ pflichtet ſei, bei ſonſtiger Strafe von 10 bis 100 Gulden; der zuſtändige

.

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Seelſorger habe den Taufakt in ſeine Marritel einzutragen und ſei allein zur Ausſtellung eines giltigen Tauſſcheines berechtigt iſt vom Abgeordneten. haus im November 1890 ausdrücklich für geſetzlich (in sensu legum erfloſſen) anerkannt worden, zugleich mit der beſchlußmäßig ausgeſprochenen Erklärung: der Vollzug von § 12 des 53. Geſetzartikels von 1868 ſei notwendig.

. Alle dieſe Maßregeln haben bisher den Ungehorſam der römiſch⸗katholiſchen Geiſtlichen gegen die genannte Geſetzesbeſtimmung zu brechen nicht vermocht. . Inzwiſchen hatte ſich nämlich der ungariſche römiſch⸗katholiſche Episkopat in dieſer Frage an den päpſtlichen Stuhl nach Rom gewandt und von hier unter dem 21. Juli 1880 die Weiſung erhalten, die Taufe auch an ſolchen zu vollziehen, welche das ungariſche Staatsgeſetz „den Sekten der Ketzer überliefere“ beiläufig geſagt ein Ausdruck, der ſelbſt und an ſich ſchon gegen das ungariſche Staatsgeſetz verſtößt und ſolche Tauſſcheine an die zuſtändige Kirche nicht hinauszugeben.

Ahnliche Verordnungen der römiſchen Kurie haben ſich ſeitdem bekanntlich wiederholt, fo ddto. 7. Juli und 26. September 1890 an den Fürſtprimas. Es find offene Kriegserklärungen gegen den ungariſchen Staat. Die offen ausgeſprochene Forderung geht nun dahin, die Geſetzesbeſtimmung über die Erziehung der Kinder aus gemiſchten Ehen müſſe aufgehoben werden, weil fie gegen das Dogma der römiſch⸗katholiſchen Kirche verſtoße.

Wiederholte Verſuche der Regierung, dieſen Gegenſatz auf gütlichem Wege beizulegen, ſind erfolglos geblieben. Dabei erklärte dieſelbe ſtets in ernſter Weiſe, ſo auch vor dem Abgeordnetenhaus im November 1890, daß das mehrfach erwähnte Geſetz nicht geändert werden könne, noch dürfe, weil durch eine Abſchaffung desſelben, nach des Kultusminiſters Grafen Cſaky ebenſo be⸗ zeichnendem als wahrem Wort vom 19. Mai 1892 im Abgeordnetenhaus, das Übel nicht beſeitigt, ſondern durch ein neues (größeres) erhöht würde.

Um ſo größer war die Überraſchung, als bald nach dem Wiederzuſammen⸗ tritt des Reichstages im Herbſt 1892 das nach dem Abgange des Miniſter⸗ präſidenten Grafen Szapary neugebildete, doch in der Mehrzahl aus den früheren Mitgliedern beſtehende Miniſterium in jener Frage plötzlich den alten Kurs verließ, ſich einem neuen Kampfziel und neuen Kampfmitteln zuwandte und ein neues kirchenpolitiſches Programm aufſtellte. N

Der neue Miniſterpräſident Dr. Alexander Wekerle entwickelte es in der Sitzung des Abgeordnetenhauſes vom 21. November 1892.

Um den durch den Ungehorſam des römiſch⸗katholiſchen Klerus gegen den § 12 des 53. Geſetzartikels von 1868 geſtörten Frieden wieder herzu⸗ ſtellen, ſollen (nur zwei der neuen Kampfmittel ſeien erwähnt) allgemeine Zivil ſtandesregiſter ſtatt der bisherigen kirchlichen Matrikeln, und ebenſo ſtatt der bis herigen kirchlichen Eheſchließung die obligatoriſche Zivilehe geſetzlich eingeführt werden, dann aber und hiedurch die Geſetzesbeſtimmung, daß die Kinder aus gemiſchten Ehen der Religion ihrer Eltern folgen und kein Revers, keine andere wie immer geartete Verfügung hiegegen irgend welche Rechts kraft hat, entfallen. a Fr

i Als Grund hiefür wird geltend gemacht, daß jene Gesetze benen dem Dogma der römiſch-katholiſchen Kirche widerſpreche. Die Weiſungen der römiſchen Kurie beſagen dasſelbe.

Hohes Miniſterium! gierung in der vorliegenden durch die Begründung, welche und müßten gegen eine wirkliche im Intereſſe des Staates, als von dem Verwahrung einlegen. N

Denn, die Tatſache alles Beiwerkes einfach der Stand der Dinge dar?

Es beſteht ein Staatsgeſetz über die Erz Ehen nach dem für alle Kirchen giltigen des Vaters, die Mädchen der Religion der

Alle Kirchen, auch die römiſch⸗katholiſche,

Plötzlich gefällt es einigen römiſch⸗katholiſchen zu beachten, Taufen, die geſetzlich einer andern Kirche und ſich hiefür auf das Dogma ihrer Kirche zu bei

Die Biſchöfe dieſer Kirche wenden ſich nach Rom; die hier fordern fie zum Ungehorſam gegen das Geſetz auf.

Die Regierung, nach fruchtloſen Unterhandlungen mit und einigen vergeblichen Verſuchen, dem Staatsgeſetz Achtung z nimmt in Ausſicht es aufzuheben. .

Das heißt die ungariſche Geſetzgebung einfach abhängig mac Dogma der römiſch⸗katholiſchen Kirche, fie preisgeben den Entſchli Auslegungen der römiſchen Kurie, heißt, daß der Staat von der feiner eigenen Verfaſſung ſtaats- und völkerrechtlich zuſtehenden S abdiziert.

Denn in der Tat, bei dem Prinzipe, daß kein Geſetz mit dem & der römiſch-katholiſchen Kirche in Gegenſatz ſtehen dürfe, kann ein m paritätiſcher Staat, ein Rechtsſtaat, der unter anderem die Gleichber: der Kirchen verwirklichen will, nicht beſtehen. Wer die Tridentiniſchen Be das Bullarium Romanum, die Enzyklika vom 8. Dezember 1864 allem anderen zu geſchweigen kennt, kann darüber nicht im Zweifel ſein.

Und was müßte man vom Standpunkt der Staatsmoral in ethiſcher Beurteilung eines Vorganges ſagen, der mit einem der tiefſten Prinzipien alles Rechtes: Suum cuique in unauflöslichem Widerſpruch ſteht,

eines Vorganges, der nach langen Verhandlungen der Regierung mit der, dem Staatsgeſetz offen ungehorſamen Kirche ihrem Willen entſprechend dieſes Staatsgeſetz aufhebt,

und in den, an die Stelle desſelben tretenden Beſtimmungen allen anderen, dem Staatsgeſetz gehorſamen Kirchen, ohne daß ſie gefragt worden wären, ohne daß man auch mit ihnen verhandelt hätte (und ſie ſind doch geſetzlich alle gleichberechtigt!) uralte Rechte nimmt und ihr diesbezügliches, auch für das religiöſe Leben hochwichtiges Arbeitsfeld zerſtörend einſchränkt.

Und das alles nicht darum, weil in der organiſchen Entwicklung des Staats- und Volkslebens ein berechtigtes, wirkliches Bedürfnis nach einer ſolchen Neuerung ſich geltend gemacht hätte, ſondern weil die Regierung dieſes Kampfmittels zu bedürfen meint, um den Ungehorſam gigen das

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Staatsgeſetz zu brechen und den durch dieſen Ungehorſaf ö irch⸗ lichen Frieden wieder herzuſtellen. K e ren Nun ſoll in dem Kampf, der zur Aufrechterhaltung jenes Geſetzes begonnen wurde, dieſes Geſetz ſelbſt aufgegeben werden und werden damit diejenigen Kirchen geſtraft werden, die es befolgten! .. . Diejenigen Kirchen, die jenes Geſetz als ein Bollwerk gegen die Übergriffe des Mächtigern, als einen Hort des Friedens nach langem kirchlichem Kampfe dankbar verehrten, wie denn der Herr Kultusminiſter ſelbſt in der Sitzung des Abgeordnetenhauſes vom 19. Mai 1892 jenes Geſetz als den „natürlichen und logiſchen Ausfluß des Syſtems, welches in Ungarn die Verhältniſſe zwiſchen Kirche und Staat regelt“, als „den Abſchluß eines langen Kampfes“, der „unleugbar alle Konfeſſionen mit gleichem Maße meſſe“, hervorhob und würdigte.

Und darum würde die Aufhebung jenes Geſetzes den, durch Unge⸗ horſam gegen dasſelbe geſtörten kirchlichen Frieden am wenigſten herſtellen. Gerade die tiefſten Urſachen, die jenen Ungehorſam veranlaßten, werden dafür ſorgen, daß jener Friede nicht komme. Es iſt für den, der die Geſchichte, und insbeſondere die Geſchichte Ungarns kennt, nicht notwendig, dieſes des weitern auszuführen.

Dagegen wird es geſtattet jein, darauf hinzuweiſen, welch eine Verwirrung der Begriffe in den weitaus zahlreichſten Kreiſen des Volkes die Einführung der ſtaatlichen Matrikel und der obligatoriſchen Zivilehe hervorrufen muß,

wie ſehr dieſelbe den ſtaatserhaltenden konſervativen Mächten im Volksleben Abbruch zu tun geeignet iſt,

welch ein Brandmal der Minderwertigkeit und Rechtsloſigkeit ſie den, dem Staatsgeſetz gehorſamen Kirchen, deren Organe in der Führung und Handhabung der Matrikel ſtets dem Geſetz entſprechend vorgegangen find, unverdient aufdrückt,

wie die treue Arbeit derſelben im Dienſt des Evangeliums durch jene Depoſſedierung und Degradierung vielfach eingeſchränkt und geſtört werden muß, ja wie in manchen Kreiſen im Gefolge davon durch den Umsturz alt⸗ ehrwürdiger kirchlicher Ordnungen zugleich eine Zerſetzung auch des religiöſen und kirchlichen Lebens droht, die in Verminderung des ſittlichen Gehaltes der Lebensanſchauung und Lebensführung derſelben dem Staate ſelbſt nur zu ſchwerſtem Schaden gereichen kann.

III.

Doch zu dieſen Gründen geſellen ſich noch andere, nicht minder ſchwer⸗ wiegende, welche dieſer kirchlichen Oberbehörde die ernſte Pflicht auferlegen, gegen die bezeichneten Punkte im neuen kirchenpolitiſchen Programm der Regierung ihre Stimme zu erheben. Denn die Kirchen Siebenbürgens, damit auch dieſe evangeliſche Kirche, find, was die kirchliche Zugehörigkeit der iſchten Ehen betrifft, durch ein doppeltes Bollwerk geſchüßt. Geſetzartikel von 1868 ſchirmt ſie der noch immer zu Recht 1791. Er lautet vollinhaltlich:

Kinder aus gem Neben dem 5i Be beſtehende Siebenbürgiſche Geſetzartikel 57 von j Erga communem statuum et ordinum consensum, benigne annuente Majestate sacratissima, determinatum est: uf proles e diversarum religionum parentibus, sive mixtis matrimonus suscipiendae sexum

D 2 40 Georg Daniel Teutſch

Be

suorum parentum sequantur et masculi matris suae religione educentur ac bapt in contrarium nihil valentibuse. Unter 1791 nicht ein neues Recht ſchuf, ſondern nur de geltende Kirchenſtaatsrecht zum kat letzten Jahrhundert in dieſem Punkte im großen gelebt; wo wäre für das Land ein zureichender Geſetz geändert würde? Auch die Führung der ſtaatsrechtlicher Geltung, die ausſchließlich kirchliche dem alten Verfaſſungsrecht des Landes ſo verwachſen, Sitten, Gewohnheiten und Rechtsanſchauungen des ſiebenbürgiſchen Religionargeſetze und Staatsverträge \ auf die zahlreichen Beſtimmungen in den Landesgeſetzbüchern App Compilatae constitutiones regni Transsilvaniae, auf 3 diniſchen Diploms vom 4. Dezember 1691, auf die Beſtimmungen burger Landtages von 1791, auf $ 14 des 43. Geſetzartikels von ſo vielfach gewährleiſtet, und es haben dieſe kirchlichen Rechte und und Einrichtungen dem Staate bisher ſo gar keinen Schaden man in einer organiſchen Entwicklung des Staatslebens, wie ſie Staat um ſeiner ſelbſt willen anſtreben muß, vor einem en jener Rechte, Ordnungen und Einrichtungen doch füglich ſicher

Und da der Ausgang zu dieſen Vorgängen in dem, durch die? der römiſchen Kurie geſteigerten Ungehorſam des römiſch⸗katholiſchen gegen ein Staatsgeſetz liegt, ſo müſſen wir unſerer rzeugung geben, daß ſich doch jedenfalls ein anderer geſetzlicher Weg werde laſſen, dieſen Ungehorſam zu brechen, ſtatt den andern, die Geſetze achte Kirchen ſtaatskirchenrechtlich begründete und durch nichts verwirkte, altheil Ordnungen, Einrichtungen und Rechte abzuerkennen und zu nehmen. 4

Das hochachtungsvoll unterzeichnete Landeskonſiſtorium kann daher in Pflicht feines Amtes und zugleich im vollen Bewußtſein deſſen, was ſeine Bürgerpflicht gegen den Staat erfordert, nicht anders, als die loyale Bitte an die hohe Regierung zu ſtellen:

Hochdieſelbe geruhe nichts zu veranlaſſen, was den Beſtimmungen von $ 12 des 53. Geſetzartikels von 1868 und ebenſo des 57. Siebenbürgiſchen Geſetzartikels von 1791 irgendwie Eintrag tun könne, vielmehr im Sinne der Allerhöchſten Beſtätigungsklauſel alles Erforderliche zu tun, daß ſie von allen Getreuen beobachtet und gehalten werden,

ſodann im Zuſammenhang hiemit von weitern Schritten, welche die, Einführung von ſtaatlichen Matrikeln oder Zivilſtandsregiſtern, ſowie der obligatoriſchen Zivilehe, insbeſondere auch inmitten dieſer Kirche zum Ziele haben, Umgang zu nehmen.

Hermannſtadt, aus der Sitzung vom 17. April 1893.

Das Landeskonſiſtorium der evangeliſchen Landeskirche A. B. in den ſiebenbürgiſchen Landesteilen Ungarns.

D. Georg Daniel Teutſch, Karl Fritſch, Biſchof. Schriftführer.

Namen und Sachregiſter.

A.

Abriß der Geſchichte Siebenbürgens 34. 35. 226. 414.

Abſchiedspredigt in Agnetheln 261.

Abſolutismus 179 f. 184 f.

Ackner 130.

Adleff 7. 13.

Adreſſe ung. Notabilitäten 1857, 224.

Adreſſe des ung. Reichstags 231.

Agende 400 ff. 533. 554. 559.

Agnetheln 61. 62. 199. 205 ff. 227. 235 ff. 261. 396. 421. 431. 500.

Agyagfalva 51.

Agidi 459.

Akademie der Wiſſenſchaften in Wien 81. 124. München 499.

Akademie, Errichtung einer theologiſchen in Hermannſtadt 336.

Aldenhoven 468.

Albert 96. 560.

Albrich K. 342. 435. 533.

Allerh. begnehmigte Vorſchrift 142 f.

Allg. deutſcher Schulverein 299. 504.

Allg. deutſche Biographie 419.

Allg. ev. Frauenverein 402. 531.

Almen 62. 63. 64.

Alt Dr. 138 f.

Alvintz 210.

Ameiſe (Zeitung) 18.

Amtseid des Biſchofs 259.

Anteil Mühlbachs an der |. |. Geſchichts⸗ ſchreibung 535.

Anzeiger für die Kunde deutſcher Vor⸗ zeit 129.

Apolda 138.

Arad 13. 210

Arbegen 62.

213.

Arkeden 200.

Arneth 460.

Arz Albert 344. 435. 437. Arz Guſtav 394.

Audienzen 83. 220. 269. 276. 288. 290. 460. 472. 514. 521.

Aufwand f. Kirche und Schule 396. 534. Aufzeichnungen aus 1849, 53.

Augsburg 113. 178. 470.

Augsb. Allg. Zeitung 184. 200. 221. 559. Auguſta, Kaiſerin 473.

Ausſcheiden der Csangogemeinden 302 ff. Autonomie der Kirche 142. 270 f.

Autonomie, Kämpfe für 273. 279. 285. 287. 295. 302 f. 304 f. 367. 368. 523. 543 ff. 584.

B.

Bachableitung in Schäßburg 185. Baden 174. Badiſcher Oberkirchenrat 504. Baldacſyſtiftung 403. Balthes Will 262. Bamberg 465. Banffy 285. Baierdorf 521. Barak 464. Barkhauſen 541. Bartholomä⸗Kronſtadt, Auspfarrung 162. Bartſchai 26. Baumgarten (Straßburg) 464. Baſel 173. 174. Batthyaniſche Bibliothek 25. Bauer, Komm. General 439. 537. Baur v. 109. 113. 117. Baur (Leipzig) 457. Bedeus J. d. A. 74. 99. 101. 106.

10˙

509 f. Beiträge z. Geſch. K. Ludwigs Bekokten 59. 60. 61. 245. Beleredi-Maylath 227. Beldi 207. Belgrad 167. Bell G. 96. Bell 392. Belleſchdorf 394. Bem 52. 61. 64. 66. 68. 599. Beneke 20. 21. Benkneriſcher Garten 216. Berger 225. Bergleiter A. 106. Bergleiter, Biſchof 400. Bergleiter Adolf 208. Bergmann 134. Berlepſch 473.

Berlin 15. 16 ff. 113 ff. 140 f. 174. 268 f. Bonin 473,

425. 458 f. 461. 499. 504. 506. 511. Bernard 459. Berner 459. Bertheau 168. Bertleff 244. Berwerth Charlotte 38. Berwerth Dr. Fr. 542. Berwerth Wilhelmine 39. Berwerth Wilhelm 96. 200. 235. Beſeler 459. Bethlen, Gräfin 68. Beihlen, Graf Gabriel 296. 465. Bethlen, Graf Andr. 491. 494. 528. Bethmann-Hollweg 174. Beuſt 233. Bewahranſtalten 516 f. Beyſchlag 458. 473. Biedermann 457. Binder G. 27. 34. 49. 53. 69.

Binder G. P. (Biſchof) 9. 35. 51. 80. 82. 105. 138. 146. 148. 159. 252. 254. 257. 342. 351. 353. 400. 417. 526. 535.

85. 93. 98.

171. 199. 207. 209. 251.

Binder Joh. 8. Binderjubiläum 105. Binder (Mediaſch) 178.

Boner 247.

Bonitz 73. 83. 459.

Bonn 705 1 470. 476. 500. 537. 541. 542.

Bopp 21.

Böckh 140. 459.

Borchgrave 537.

Boſſe 541.

Brandſch C. 76. 105. 215. 341. 365.

Brandſch R. 458.

Braunſchweig 166. 168.

Breckner Mart. 235. 236.

Bremen 468. 537.

Breslau 132. 141. 168 474. 475. Briefen, aus Teutſchs 13. 20. 48. 82. 83, 84. 110 ff. 119. 133 f. 156. 168. 177.

180. 187. 189. 192. 194. 209. 210. 212. 214. 217. 220. 221. 225. 226. 227. 228. 234. 243. 247. 248. 252. 254. 255. 260. 261. 262. 264. 274. 343. 344. 345. 398. 412. 421. 426. 427. 428. 435. 441. 442 f. 451. 453. 474. 479. 499. 507. 508. 519. 521. 523. 534. 537. 538. 541. 542. 545.

Brinz 461.

Broos 106. 131. 181. 301. 534.

Bruhe 168.

Brukenthaliſche Bibliothek 26.

613

Brukenthal Mich. 122. Deines 528. 537. Brukenthal Luiſe 422. Delitzſch 451. Bruckner Dr. W. 435. Demole 176. Brückner 168. Denkreden 416 ff. Brunner 459. Denndorf 186. Brünn 136. 167. Deva 26. 133. Bucher 460. Devrient 449. Buchhandel 139, Diaſporafürſorge 531.

Budaker 101. 106. 151. 138

34. 140. Dismembrationen 3

148. 213. 340. 348. 365. 520. 559. Disziplinarordnung 353. 355. Bunſen 459. Dobra 133. Burger 168. 179. Dorner 174. 175. Bürgerwehr 40. 41. 53. Doves Zeitſchrift f. Kirchenrecht 128. Bürſt Dr. 208. Dozſa 35.

6 Döbling Berta 474. = = Döhring 475.

Capeſius 245. | Solinger 461. Carl Alexander Großh. v. Sachſen 473. Draſer 19.

503. 504. 541. E gat Dräſecke 21. 241. 537. Caſſel 168 f Dreizehn Dörfer 181. x > En Rag Dresden 18. 119. 137. 165. 459. 473. Charlottenburg 459. 506. Dreyer 468

Chriſt 174. 5

Clam-Gallas 68. | ae = 459

C itz 4 | he 8

Cons 5; Dualismus 227. 233. 568. A | Dümmler 138. 141. 458. Konten Dunnesdorf 57.

Cölle v. 167. * dorf 468. 469. 472. Coquin 107. ee

Crenneville 207. 228. 5 Criegern 457. | 5 . Si 5. 5 3 49 Ebert 168. 3 49 518. 525. 540. 543. 549. | 5 = 4867686 608 525. 540. 548. 549. ein 184. 188. 457 Cſangogemeinden 302 ff. Edelmann 2 Cſontoſy 283. Eder H. 519. Cuny 449. Eder J. C. 34. 121. 2 Curtius 140. 457. Eder, Abt (Salzburg) 225. Curtius (Berlin) 458 Eder Pauline 451. 468. 470. 476. 519. 0 x He IB Cuxhafen 140. | Enger 283. 1 Czegled 133 Ehen, gemiſchte 539 ff. Czekelius 263 Eheordnung 251. 353. eee Ehrenfeuchter 166. 168.

D. Ehrungen 499. 500. 508. 528. Danzig 474 f. Eigenbrot 457. 8 Darmſtadt 168. 462. Einard, Frau 176.

Einquartierung bei Beamten 183. Eiſenbahn 18. 210. 212. Eiſenach 23. 465.

Deak 220. Debrezin 504. Dees 344.

Eisleben 473.

Eitel 245.

Eitel, Königsrichter 246.

Elben 465.

Elges 14. 15. 19.

Eliſabethſtadt (Epeſchdorf) 52. 54. 57. Emmerich 350.

Engenthal 397.

Enyed 80. 289.

Eperies 167.

Erdmann 541.

Erdy 134.

Erfurt 23. 468.

Erlangen 23. 174.

Ernſt Fr. 96. 340.

Ernſt Herzog von Coburg 473. 503. Eſſenwein 455.

Euler 461.

Eötvös 190. 194. 228. 231. 273. Ev. Bund in Genf 173.

Exner 73. 83.

F. Fabini J. 160. 164. 165. 401. 417. Fabini Ludwig 52. 447. Fabini Theodor 52. Fabritius Dr. 106. Fabritius Johann 237. Fabritius K. 96. Falkenſtein 459. Fallmereyer 82.

Familienleben 420 ff. ſ. Teutſch G. D.

Februarpatent 191. Ferdinand K. 50. Ferencz Joſ. 504. Fichtner 226. Filtſch Daniel 400. Finaly 191. Firnhaber 124. Fiſcher G. 559. Flashar 174. Fogaraſch 62. 245. Fogaraſſy 207. Foith 11. Forchhammer 140. Fraknoi 283. 491. Frankfurt a. M. 461. 462. 468. 476.

614

1. 83. 220. 269. 276 .. 20 A 02 & 462. 469. = 5 Franz 542. 4 Frauenverein 402. 551. Frauendorf 85. Frenzel 459. Freytag G. 468. 478. 1

ce 140. 168. 179. 449. 457. 461. 84% 470. 472. 475. 477. 540.

Friedberg 457.

Friedenfels 43. 135. 197. 461. Friedrich III. 511. Friedrichshafen 178. Friedsmann 244.

Fritſch K. 344. 610.

Frommann 455. 456.

Frommel 459. 468. 541. Fronius 96. 201. 209. 237. 417. Funk A. 400. - Fuß C. 15. 25. 100. 106. 256. 259. 417. 436.

Fuß M. 76. 102. 106. 131. 133. 134. 135. 141. 338. 358. 362. 365. 417. 418.

Fülek 474.

G. Gädechens 458. Galatz 168.

Gebbel Franz 254. 343. 344. 345. 346. 348. 358. 435. 437. 461.

Gebbel Karl 282. 342. 348. 435.

Geffken 168.

Geiſtliche Deputation in Wien 80.

Gelzer 174.

Generaldechant über den 416.

Generalkirchenviſitationen 327. 387 ff.

Genf 173. 177.

Georgi 457.

Gergeſchdorf 394.

Gerok 457. 465.

Gersdorf 138. 139. 457.

Geſangbuch 371. 533.

Geſäß 62.

Geſchichte der Siebenbürger Sachſen 24. 34. 38. 69. 124 f. 413. 450. 473. 498.

Beine des Schäßburger Gymnaſiums

Bejäihtgeiinng über die Anfänge der ſ. ſ. 507.

Geſenius 19.

8

Geſetzartikel XIII: 1791, 275; 57 :1791,609. 42:1870, 275. 43:1868, 272. 273. 274. 276. 304. 306. 315. 320. 593. 38: 1868, 283. 14: 1868, 283. 309. 517. 597 f. 18: 1879, 280 f. 335. über den Königsboden 275. Mittelſchulgeſetz 287. Kindergärten 516 f. Lehrergehalte 523. 53: 1868, 539 ff. 546 fl. 606. Gewerberegelung 186. Gierelsan 338. 392. Gieſebrecht 461. Gieſel 76. Gießen 504. Gillhauſſen H. v. 451. 468. Giskra 217. 218. 221. 225. 228. Glatz 283. Gläſſer 51. 52. Gleichberechtigung der drei Landesſprachen 210. Gmunden 537. Gneiſt 459. Göbbel 15. 27. 39. Goethe 8. 245. Gödölls 474. Görkau 167. Gött 31. 345. Göttingen 167. 168. 174. 499, Gooß C. 8 f. 10. 12. 27. 37. 43. 46. 49. 50. 93. 98. Gooß C. jun. 417. 418. Goldſchmidt Johann 434. 447. Goldſchmidt (Berlin) 449. Goltz 541. Goßler 441. Gotha 23. 468. 473. Gothenburg 168. Gottſchall 457. Gottſchling 15. 27. Gottſchling (Mergeln) 244. Görlitz 520. Gräſer 76. 148. Grävenitz 457. Greißing L. v. 343,

15

Griechiſche Sprache 516. Grimm (in Jena) 458.

Grimm Brüder 129. 444. Grimm Jakob 116.

Grimma 168.

Groiß 207.

Grooth Klaus 140.

Großau 148.

Großkokeln 284.

Großkopiſch 357.

Großmann 166. 168. 179. 457. Großſchenk 62. 208. 288. 244. 245. 341. Großpold 361. 394. Großſcheuern 338. Großwardein 214.

Grün Anaſtaſius 11. 225.

Gull 49. 70. 97. 196. 201. 206. 213. 215. 216. 230. 232. 299. 342. 348. 441. 491.

Guſtav⸗Adolf⸗Verein 164 ff. 215. 449 f. 455 ff. 504. 505. 520. 534. 536.

Guſtav⸗Adolf⸗Verein, Anſprache in Wies⸗ baden 462; Eiſenach 466; Düſſeldorf 469; Bremen 538. Ref. über Liebes gabe 465.

Gutzkow 137.

Gyeres 130.

Gymnaſialweſen 8. 10. 37. 73 ff. 282f. 366 ff.

Haber 167.

Hagen 20. 21.

Hager 238. 253. 431.

Hain 85. 96.

Haizinger 244. 439.

Halder 134.

Halle 19. 23. 119. 138. 458. 472 f.

Halm 134.

Haltrich Eliſe 444.

Haltrich J. 70. 85. 95. 97. 106. 116. 117. 129. 130. 137. 139. 150. 179. 200. 220. 226. 227. 235. 260. 273. 274. 345. 350. 417. 418. 428. 444. 459. 479.

Haltrich Konrad 555.

Halvelagen 65. 107.

Hamburg 187 f. 140. 141. 168. 456. 537.

Hampel 514.

Haner ©. 478.

| Häner 9. 246.

Hann Fr. 106.

Hann 246. 433.

Hannover 165, 166 ff.

Harnack 459.

Hartenſtein 138. 458.

Harth C. 106. 361. 423.

Hartung 457.

Häringsdorf 475.

Haſe 23. 138. 241. 444. 458. 468. 478. Haſſe 457.

Hauſer 53. 57. 59.

Hausrath 461.

Häuſſer 126. 413.

Haydl 258.

Haynald 123. 195. 196. 207. 287. 547. Haynau 289.

Heckenaſt 283.

Hedrich 16.

Heidelberg 168. 178. 425. 448. 461. 464.

470. 476. 504. Heidendorf 521. Heinze 299. 364. 461. Helfert 83.

Hellwig 559.

Heltau 340. 360. 390. 396. 423. 449. 509.

Hempel 461. Hengſtenberg 114. Henndorf 56. 59. 65. Henning G. 99. Hepke 459. 475. Heppe 174.

Herbert M. 342. Herbich 102.

Herbſt 217. 228. Hermann 19.

Hermannſtadt 11. 24. 41. 43. 45. 52. 53. 66. 67. 74. 78. 109. 131. 133. 136. 143. 161.

509. 521. Hermannſtädter Zeitung 66. 341. Heſſe 473. Heſſenmüller 168. Hermens 461. 469. 541. Hermes 459. Herrnhauſen 172. Herzog 174. 175. Herzog Realenzyklopädie 128. 163. 416.

81 =

165. 174. 190. 194. 199. 205 ff. 213. 227. 228. 261. 273. 276. 294. 299. | 336. 339. 350. 402. 409. 474. 498. 500.

Jickeli 208,

Heufler L. v. 75. 80. Heydte 52 ff. Hildebrand 457. Hilgenfeld 458. Hinſchius 459. Hintz J. 106. Hirzel 413. 450. 457. Hiſtoriſche Arbeiten 34. 35. 81. 1200 127f. 129. 130. 131. 163. 226. 414. 415. 416. 419. 452. 507. Hlubek 167. Hochverratsvorwurf 510 f. Hoffmann 167. 168. 170. 171. Hoffmann (Leipzig) 458. Holgmann 174. 464.

Honterus 128. 171. 173. 226. 292. 416. 419. 458. 475.

Hornyanßky 128. 133. Horvath 11.

Horvath Jul. 492. 493. Hottinger 464.

Höfer 21.

Hönig 461.

Howard 168. Howarth 457. Hundertbücheln 4. Hunfalvy 283. 504. Hurban 167.

Indebite geleifteter Zehnten 403. 528. 558.

Inſtallationsrede als Rektor 86.

Intervall 351. 360. 407.

Ipoly⸗Stummer 134.

Irrfahrt Heydtes durch das Land 53 ff.

Irtl Fr. 84. 208. 255. 486.

Iſchl 587.

Jägerbataillon, ſächſ. 52.

Jäger Oskar 469.

Jähns 475.

Jahrbuch f. Vertretung 371.

Jannaſch 449. 459.

Jakab Al. 283.

Jakobsdorf 65. 244.

Jekelius Eugen 521.

Jellachich 50.

Jena 23. 119. 138. 140. 468. 499. 504. 505.

168. 245. 458.

617

Joſef II. Siebenb.⸗ſächſ. Zuſtände unter 535. Julirevolution 29.

Jungſachſen 228 f. 234.

Jurid. Fakultät in Hermannſtadt 75.

Kahnis 457.

Kaiſerfeld 221.

Kalnoki 514. 537.

Kampf gegen die Bureaukratie 30.

Kampf um die Cſangos 305.

Kaiſer J. 348.

Kapitel und Synode 405.

Kapp 230. 344. 437.

Kapp (Berlin) 459.

Karlsburg 25. 123. 195. 213.

Karlsruhe 470.

Käsmark 329.

Käſtner 342. 358. 435. 501. 528.

Kauffmann 244.

Keisd 35. 119. 144.

Kehrbach 475.

Kemeny, Baron Franz 195. 230. 278.

Kemeny, Graf 81. 130.

Keul Mart. 7.

Kiel 139. 168.

Kiepert 177. 449. 459.

Kindergartengeſetz 516 ff.

Kiraly 135.

Kirchenpolitiſche Frage 539 ff. 555 ff. 606.

Kirchenviſitation (Eine) im 17. Jahrh. 128.

Kirchhoff 458.

Kirchl. Kunſtdenkmäler 453.

Kirchl. Verhältniſſe 142. Verfaſſungs⸗ arbeiten 142 ff. 145. |. Autonomie.

Kirieleis 395.

Kirtſch 396.

Kiſch 20.

Kiſſingen 23.

Klausenburg 45 f. 68. 109. 123. 210. 213. 227 ff. 273. 465. 472.

burg über den Landtag 1790/91, £ 536.

Klebeck 15. 471.

Klein 428. 437.

Kleinſchenk 62. 245.

Klein-Schergied 394.

Klopfleiſch 458,

Kronſtadt 11. 31. 35. 43. 76.

Klosdorf 200.

Klöß 15. 25.

Knall 238.

Knobloch 458.

Koblenz 464.

Koburg 465. 503.

Koch 475.

Kögel 459.

Köhler 266.

Kolb 459.

Kolbenheyer 135. 167.

Köln 116. 464. 469.

Komet 135 f.

König in Hermannſtadt 277. Königsberg 168. 171.

König (Leipzig) 457. Konſiſtorialverfaſſung 142 f. Köſtlin 458.

Kopiſch 65. 465.

Koronka 215.

Koſſuth 50. 67. 599.

Kovacs 504.

Kovacs über ung. Dialekte 518. Krankenpflegeanſtalt in Hermannſtadt 474. Kraft 11.

Krafft 456.

Kraſſer 360. 434.

Krauſe 168.

Krauß G. 57.

Kreiſch 68.

Kremnitz 474.

Kreß Frhr. v. 456. Kreuzzeitung 511. 512. 514. 106. 162. 212. 228.

181. 182. 189. 193. 210. 495. 521.

302. 336. 339. 418. 460. 560.

Kronſtädter Zeitung 198. 345.

Krönungsjubiläum 527. Krummacher 174. 175. Kufſtein 471. Kuhlmann Frl. 449. Kunſtgeſchichte 114. 453.

2: Lander Joh. 96. Landeskirche, Zur Geſch. der 416.

| Landeskirchenſeminar, Einweihung 521.

2

Landeskundeverein 26. 20 34. 127. 130. 131. 166. 190. 534. 551.

Laudkartenverbot 516.

e 81. 8 109. 205 ff. 8 0

227 f. 273. Lange Henri 450. Langer 457. Laſſel 213. 337. 358. Laſſeln 65. Laſſere 176. Laßlofy 207. Lechler 457. Lechnitz 521. Legrand 174. Lehrbücher ſ. Schulbücher. Lehrbücherverbot 516. Lehmann Paul (Lehrer) 459. Lehrergehalte 523. 530. Lehrerleben 27. 37. 92. 94. Lehrer, Mitglied der Kommunitäten 97. Leichenkarten 37. Leiningen 52. Leipzig 19. 119. 132. 135. 138. 139. 165.

168. 425. 426. 450. 455. 457. 461. 472. 473. 504. 505. 540.

Leiſtungen für Kirche und Schule 396. 534,

Lektüre 11. 15. 26. 37. 69.488. 554. Lemeny 47.

Leopold. Diplom 275. 596. 610. Leſchtirch 62. 246. 339. Leſegeſellſchaft 37.

Leuſchner 473.

Lichtenſtein 133.

Lichtenſtettiner 167.

Liefland 175.

Lindner 167.

Lipſius 165. 458.

Litterae obscurorum virorum 96. Liter. Bewegung 1790 f. 535. 536. Losreißung der Cſango 302 f. Löher 299. 461.

Magdeburg 138. Magnatenhaus 334. 518. 55

Magyariſierungsverſuche der 385. 517. 543. 584.

Magyar Allam 548. nr Sprache in den

Mainz 464. 470. Mannheim 476. 477. Marburg 174. 504. Mardiſch (Muerdeſch) 62. Maria Thereſia 42. Marienburg (Ort bei Schäßburg) 54. Marienburg (bei Danzig) 475. a Marienburg G. Fr. 49. 51. 94. 417. Markgrafſchaft Sachſenland 180. Martinsdorf 62. 63.

Martinsberg 62.

Mätz 96. 245.

Mauer 471. 505.

Maurenbrecher 468.

Megay 25.

Melanchthonfeier 105.

Melzer 446.

Mergeln 244.

| Meyerpot 62.

Mediaſch (Medwiſch) 51. 58. 61. 76. 97. 105. 165. 167. 174. 178. 341. 495,

Meier Prof. in Tübingen 109,

619

Meiningen 23. 465.

Meißen 19.

Melauchthonfeier 105.

Meltzl 438. 453.

Memorandum der Altkonſervativen 224.

Merkel 465.

Merſeburg 473.

Meſchen 68.

Meſchendorf 144.

Metternich 18. 39.

Michaelis J. 106.

Michahelles 456.

Michelsdorf 392.

Michelsberg 190. 390. 423. 449.

Mierniesky 166.

Miko 190.

Mikſicsek 200. 473.

Militärgeiftliche 402.

Mittelſchulenquete 530.

Mittelſchulgeſetz 282 ff. 287 ff. 290 f. 367 ff. 584.

Mitterbach 167.

Minorität, Schutz der 211.

Mocſary 278.

Moltke 457.

Mommſen 141. 459. 491.

Möhra⸗Salzungen 468.

Mölker Abt 225.

Mönchsdorf 521.

Mortesdorf 62.

Moſer v. 541.

Mundra 62.

Mühlbach 133. 178. 535.

Müllenhoff 140. 459.

Müller Friedrich 70. 84. 95. 97. 108. 123. 130. 131. 139. 144. 150. 165. 178. 181. 194. 226. 227. 228. 235. 339. 348. 358. 361. 365. 402. 435. 445. 502. 531.

Müller J. 63.

Müller Dr. 174.

Müller, Stadtpfarrer (Schäßburg) 266.

Müller (Stadtpfarrer Gotha) 468.

Müller (Pfarrer in Jaad) 559.

Müller, Stadtpfarrer (Koburg)

Müller, Seiler 446.

München 82. 109. 122. 168. 178. 449. 461. 465. 470. 471. 476. 504.

465.

| N. Nabert 461.

Narragonia 97. Naſemann 458. Nationaldotation 77. 78. 79.

Nationsuniverſität 44. 49. 78. 79. 122. 183. 196. 198. 229. 232. 275. 568.

Natorp 461. 468.

Naville 175. 176.

Neander 21.

Neithauſen 144.

Nemes, Graf 207.

Nendwich 429. 447.

Neppendorf 208. 423.

Neugeboren, Biſchof 3

Neumeiſter 168.

Neuſtadt 521.

Nipp 52. 57.

Nippold 461. 465. 468. 542.

Nitzſch 140.

Nobbe 137.

Noorden 457.

Notabelnkonferenz 195.

Nürnberg 23. 129. 178. 455. 468. 471. 476. 504.

O.

Oberkonſiſtorium 51. 73. 99. 146. Oberſchützen 167. Obert Franz 106. 213. 216. 340. 358. Oberth Dr. 559. Ödenburg 135. 167. Ofen 134. Offener Brief Treforts 336. Oktoberdiplom 191. Oliva 475. Oppert Dr. 140. Ordinationen 372.

409. Orendi G. 96. 559. | Organiſationsentwurf 73. Oſtdeutſche Poſt 221. Overbeck 457.

Ordinationsreden 372ff.

| P. Pädagogiſche Schriften 36. Palfy 135.

Palffy 465,

Pant 426. 461. 540. 541.

Pantenius 457.

Pap G. 550.

Papai 513.

Paſſau 468.

Pauler 283.

Pecht 461.

Pechy 283.

Penſionsordnung 251. 295. 533.

Perikopen 371.

Peſchendorf 65.

Peſt 12. 39. 50. 109. 133. 135. 220. 288. 264. 283 ff. 471. 474. 476. 509. 512. 516. 518. 524. 525 ff. 538. 540 ff. 555 f.

Petersdorf 398.

Petersdorfer Kelch 514.

Petöfi 68.

Pfarramt und Lehramt 369. 543. 595. 602.

Pfarrerswahlen, Zur Geſch. der 128.

Pfarrwahlgeſetz 161.

Philippi 353.

Philologentag in Wien 131.

Phleps 148.

Pien 394.

Pietſchter 459.

Pirnaer Wochenblatt 18.

Piski 63.

Piſetum 217.

Platendenkmal 98.

Pöppig 137.

Porubsky 167. 168. 174.

Potsdam 116. 174. 459. 475.

Pott 134.

Prag 119. 136. 165.

Predigten 241. 254. 261.270. 390. 391. 409.

Pronay der A. 526.

Pronay d. J. 282. 292. 526.

Proteſtantenpatent 148.

Proviſ. Vorſchrift 143 f. 146 f.

Proviſ. Beſtimmungen 156 f.

Prüfungskommiſſion 249.

Präſentationsnorm 402. 533,

Pröll 475.

Publiziſtiſche Arbeiten 29. 30. 32. 128. 159. 184. 199. 221. 345. 478. 480 f. 546 f.

Puchner 50. 66. 67.

Pulßky 282. 514.

Puskar 215.

Rationalismus 241. 554. Ratin Dr. 213.

Ratzel 461.

Rauch 138.

Realſchule in Schäßburg 98. Rechtsquellen der ev. Kirche 1. Rede bei der Rektorinſtallation 86. Reformatio ecel. Cor. 226. Alf

Reformation im Siebenbürger land 127.

Regaliſten 206. 211. 216. 228. Regensburg 23. 462. Regulativpunkte 184. 196. Rehner 238.

Reichenhall 537.

Reichenſtein 196.

Reichesdorf 62. 64. 67. Reichseinheit und Dualismus 187. 189. Reichsrat (verſtärkter 188). 216. ff. Reiff 109. 114.

Reimer 459.

Reinkens 470.

Reiſe durch Böhmen 18.

Reiſe durch die ſächſiſche Schweiz 18. Reiſe durch Deutſchland 1839, 23. 1858, 133. 1860, 166 f. 178.

Reiſe durch Deutſchland zu den Guſtav⸗ Adolf-Verſammlungen 455 ff.

Reiſe durch die Schweiz 177.

Reife durch Oſterreich 537.

Reiſeprediger 402. 533.

Reiſſenberger 106.

Reps 11. 31. 130. 228.

Reuß Prinz Botſchafter 460. 471. 494. | 509. 511. 512. 528. 537. 542.

Reuß Straßburg 464.

Reußdorf 394.

Reſchner 35. 122. 417.

621

Reteſchdorf 59. 60. 61. Rethy 212.

Reveß 282.

Revolution 39 f. Rezipierte Konfeſſiouen 41. Rheinfall 177.

Riebel 55.

Riehl 461.

Riggenbach 174. Ringelsheim, Kommand. General 439. Ritter 20. 21. 117. 140. Rogge 159. 461. 475. 476. 541. 542. Rohmeder 456. 461. Rohrbach 245.

Rom 482.

Roſcher 457.

Roßbach 109.

Roth Dr. 266.

Roth Elias 47.

Roth St. L. 68. 97. Rotteck 15.

Rödiger 134.

Rukur 62.

Rumänen 32. 47. 198. Rüdesheim 464. 468. Rügen 118.

Rüling 473.

S.

Sachſenland, Belagerungszuſtand 184. 27555 Geſetz und Recht 274. Zerreißung

Sachſengeſchichte 24. 34. 38. 69. 124. 413. 450. 473. 498.

Sachſentag 492. 495.

Sächſiſch⸗Regen 35. 67. 133. 181. 294. 350. 554. 559.

Salamon 80.

Salgo-Tarjün 474.

Salmen 73. 79. 97. 131. 181.

Salzburg 441. 537.

Salzburg (Oſterreich) 476.

Satellit 29.

Scariatin 68.

Scopationsfeſt 75. 104.

Schaas 52. 66. 340.

Schaaſer Bach, Ableitung 185.

Schagung 207.

195. 196.

Schaſer 122. Schäfer 458. Schäßburg 3 ff. 24 ff. SE. 102 197. 19. a 144 aan er. 185. 186. 189. 194. 208. 228. 294. 399. 418. 421. 430. 437. 453. 498. 500. 520. ‚Stele, Frau v. 473. Schellenberg (Heidelberg) 461.

Schenkel. Allg. k. Zeitſchriſt 416. Schenker Dr. 134. 167. 171. 174. 176. 216. Scheſäus 417.

Schiel Fr. 11.

Schiel, Brüder 106.

Schiel S. 148. 214. 251. 339. 417. 418.

Schildbach 457.

Schillerabende 199. Schillerfeier 105. Schleiermacher 478. Schlözer 34. 121. 122. 535. Schmeidler 168. Schmerling 191. 196. 210. Schmidt 15.

Schmidt Konrad 43. 46. 69. 106. 148. 171.

195. 196. 206. 207. 210. 216. 218. 229. 247. 256. 257. 262. 274. 341. 460.

Schmidt Heinrich 106. 191. 213. 345.

Schmidt Wilhelm 106.

Schmidt (Schenk) 245.

Schmidts 11.

Schneider, Orator 213.

Schneider, Urwegen 339. 358.

Schönauer Suj. Eli. 4. 6. 7. 8. 12.

Schönauer, Rittmeiſter 11.

Schönberg 61. 62. 244.

Schönbrunn 84.

| Schönfeld, Kommand. General 439. 537.

Schröer 134.

Schuberth 134.

Schulanfänge, Über die älteſten 416.

Schulbücher 36. 92. 294. 307. 368. 516.

Schule in Schäßburg 7. 9. 30. 73 f. 92 f. 102 ff.

Schule, Angriffe auf die ey 294. 367. 517. 527.

Schulenburg 473.

Schuler⸗Libloy 34

Schulfragen 51. 75

Schultonferenzen 366.

365. 401.

536. 5

216. 221. 225.

. 435. Schule. 530.

Schuller Georg 96. 107 e Bo Schuller Michael, Pfarrer in

Schuller 0 TR Mu 252. 256. 338. 417.

Schullerus Joſ. 244. Schullerus der alte 244. Schullerus G. A. 245. 365. Schulordnung 252. 356. Schulreden 105.

Schultz Evler 461. 475. Schulvereinsdemonſtrationen 299 f. Schunn Jakob 400.

Schuſter ae W. 70. 106. 183. 194. 401. 521.

Schuſter 127 als Pfarrer in Burgberg) 15.

Schuſter (Generaljup. Hannover) 461. Schuſter M. A. 27.

Schuſter Traugott 167. 174. Schwarz 20.

Schwarz (Jena) 23.

Schwarz Dr. 208.

Schwarzenberg Gouverneur 99. Schwebs 175.

Schwegler 109.

Schweiz 177.

Seibriger 559.

Seiden 480.

Seiwert Guſtav 106. 208. 417. 436. Seiwert Johann 417.

Seiwerth W. 8.

Seligſtadt 245.

Seminar 36. 76. 78. 92. 359 f. 521. 531.

Semmering 134.

Sennyei 493.

Seraphin 245.

Severinus 20.

Sickel 136.

Sieben 456.

Siebleben 468. 473.

Siebenbürgen und Ungarn 222. 568.

Sieb.⸗Deutſches Wochenblatt 346. 478. 480 ff.

Sieb.⸗Deutſches Tageblatt 343. 347. 478. 490. 491. 546.

Sieb. ⸗ſächſ. Schulordnungen 500, 528.

Stellenluxus 403. Stenzel 274. Sterka⸗Sulutz 195. Sternheim 41. 44. 97. Stettin 118. 475. i Stephani 165. 168. 179. 450. Stoy 168.

Straßburg 464. 484.

Strauß 20. 21.

Streitſchriften 299. Strohmeier 99. 187. Stuttgart 178. 465.

Sulze 473.

Süßmann 559.

Swinemünde 118.

Sybel 459.

Synode 160. 250. 405.

Synodalverhandlungen (Urkundenbuch) 415. 420.

Szabo 491.

Szabo Dr. 80.

Szamos⸗Ujvar 207.

Szapary 491. 494. 495. 498. 518. 521. 525. 551. 558.

Szaß, Prof. 289.

Szaß, Sektionsrat 304. 306. 317.

Szathmarer Friede 272.

Szathmary 517.

Szegedin 133.

Szeliſcht 181.

Szilagyi A. 282. 491. 501. 555. Szilagyi Deſ. 525. 540.

Szlavy 283.

Szolnok 109.

Szögyenyi 491. 492. 514.

T.

Tageblatt, S.⸗D. 347. |. S.⸗D. T.

Tagebuch 10. 16. 18. 20. 23. 24. Talmeſch 35. 181. 397.

Tartlau 353.

Tatſch 395.

Teleki 465.

Temesvar 133. 216.

Tempel 168.

Tenger Mariam 459.

Territorialfrage des Sachſenlandes 180.

182. 275. Tetzner 167. Teutſch Daniel 4.

Teutſchs Frau 38. 39. 80. 82. 84. 106. 133 f. 177. 210. 226. 244. 248. 252. 261. 421. 425. 429. 442 f. 468. 476. 508.

559. 560.

Teutſch G. D., Haus und Familie 38. 99. 101. 137. 210. 247. 263. 420. 421. 425. 429 f. 439 ff. 450. 68. 471. 472.

500. 519. 537. 539. 542. Teutſch Johann 96.

Teutſch Katharina (Mutter) 4. 5. 99. 441. Teutſch Katharina (Schweſter) 5. 441. Teutſch Martin (Vater) 4. 6. 19. 24. 264.

265. 441. 501. 508. Teutih J. B. 97. 201. 500. 520. Thalheim 390. Thalmann G. 522. 558.

Theologie und Lehramt 369. 543. 595. 602. Theol. Auſchauungen 240 f. 372 ff. 554.

Thikötter 468. Thilo 19. Tholuck 19, 241.

Thomas 82. 109. 110. 122. 132. 134. 135. 178. 64. 412. 449. 450. 461. 471.

Thun, Graf Leo 132. 135. Tißa Koloman 207. 22

292. 335. 492 ff. ?

623

Unionsbedingungen 44. 229. 565. Unionsgeſetz 274.

Togaten 104. 107.

Torma 504.

Török 282. 329.

Törzburg 302.

Transſilvania 29.

Trappold 10. 56. 59. 62. 65. 144. 186. 200. 201. 235.

Trauſch 417.

Trauſchenfels E. v. 106. 152. 156. 187. 189. 194. 198. 209. 216. 243. 345. 435. 460. 537. 545.

Trauteuberger 167.

Trefort 231. 273. 278. 280. 281. 289. | 335. 336. 408. 447. 492 ff. 512. 515. 547. Treitſchke 419. 449. 459. 475. 504. Tſchackert 475. 541.

Tübingen 109. 113 ff.

Turnanſtalten, Konzeſſ. von der Gewerbe⸗ behörde 186.

Turuhalle in Schäßburg 98.

Tweſten 20. 21.

| n. Udvarhely 43. 54. Ugron Gabr. 465. Uflanddenkmal 98. Uhlemann 21.

Ulm 164. 465. 470. Ulrich Dr. 139.

Ung. Reichstag 42. 47. 50. 197 f. 230 f. 232. 274. 275. 278. ſ. Geſ. Art.

Ungern⸗Sternberg 475. Union Siebenbürgens mit Ungarn 38.

39 ff. 45 f. 50. 189. 192. 193. 196 f. 207. 228. 229. 230 f. 273. 289. 565. 568.

Union der ev. Kirchen 525. 526.

Univerſitätsjubiläum Tübingen, Göttingen, Heidelberg 478.

Urban 61.

Urkundenbuch zur Geſchichte Siebenbürgens 122 f.

Urkundenbuch der ev. Landeskirche 128. 163. 412. 415. 420.

Urwegen 394.

überſiedlung nach Agnetheln 199. 235;

nach Hermannſtadt 261.

Berfaffung der Landeskirche 161 Verfaſſung der Landeskirche, 1 Ausdrücke 523 f. Vertrauensmänner 146. 148. 152

W politiſche, in und Hermannftadt 193. 194. Vilagos 68.

Virchow 459.

Viſcher 109. 110. Viſitationsartikel 356.

Vogel Dr. 137.

Vogt 457.

Voigdt 168. 171. 179.

Voigt 457.

Voigtel 465.

Volksfreund (Michaelis) 30. Volksprogramm, ſächſiſches 495. . auf 278. 279. 335. 515.

Vormeng 449. Vorſtellung gegen Volksſchulgeſetz 279.

Wachsmuth (Vater) 129. 132. 134. 137.

138. 165. 491.

Wachsmuth (Sohn) 137. 426. 450. 457. 468. 472.

Wachsmuth Margarethe 457. 540. Wächter 276.

Wächter J. 417.

Wagner, Kaufmann 13. 264. Waldhütten 62. 65.

Waldſtätten, Baronin 434. Wangemann 457.

Wattenbach 132. 134. 135. 141. 398. 413.

448. 449. 459. 479. Weber 449. 461. Websky 459. Wegſcheider 19. Wegtaufungen 540. 547 f.

Wilhelm 1. 541.

Wintzingerode, Graf 473. 0

Wirtſchaftliche Ziele 30. 288.

Wittenberg 23. 119. 540,

Wittenburg 449. 475.

Wittſtock H. 35. 101. 106. 213. 348. 360. 365. 423. 437. 509.

Wochenblatt S.⸗D. 346. 478. 480.

Wohl A. 521.

Wohlgemuth 184.

Wolff Dr. C. 299. 344. 347. 348. 437.

Wolkendorf 53. 69. 144.

Wolkendorf (Burzenland) 390.

Wollheim Hermann 21.

Worms 464. 470.

Wultſchner Fr. 200.

Wurmloch 148.

Wuſtmann 468.

Wuttke 138.

Würzburg 23.

09. 167. 42. 537.

35.

3. Zam 12. Zangemeiſter 461. Zarncke 138. 457. Zäringer 461. Zay 299. Bedlig-Trügichler 475. Zehntrente Beſteuerung 285. Zehntentſchädigung 81. 140.

Zehntrecht der ev. Landeskirche 128.

Zehnte indebite 403. 528. 558. Zehntrentenkonverſion 474. Zeiden 390.

Zeller 459.

Zenderſch 130.

625

Zenker 457. 461. 540.

Zenſur 31. 40. 184.

Zied 244.

Zieglauer 435.

Ziegler Joh. 96.

Zimmermann J. A. 33. 78. 79. 134. 135.

145. 146. 206. 216. 226. 233. 260. 274. 402. 446. 460.

Zimmermann aus Darmſtadt 168. 179. Zittel 168.

Zivilehe,⸗matrikel uff. 543 ff. 546 ff. 606. Zoppot 475.

Zſchokkes Novellen 15, Schweizergeſchichte 35. 125. 413.

Zuckmanteln 4. Zumpt 20. 21.

ze, RT)

ler IE

ungeahnter ftatt ungen 194, 17 Ernennung ſtatt Ern 506, 1, Heilsanſtalten ſtatt K

Erklärung zu Seite 218 und 219: Vers 4: „Der Herr Freut Sebusland“ der Abgeordnete von Mühlbach Joſef Filtſch; Vers 6: „Der aus dem Harbachtal“ G. D. Teutſch; Vers 7: „Der grimme Hagen“ Vers 8: „Der Kanzler“ Baron Reichenſtein, damals Vizehofkanzler b ſiebenbürgiſchen Hofkanzlei; Vers 9: „Schuler“ Schuler⸗Liblon, Profeſſor Rechtsakademie in Hermannſtadt; Vers 11: „Der Rat aus dem Oberger M. Binder aus Hermannftadt.

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