1 arme

* ſſ 6666868 4 ... * —V 4 - Ei

——

Dr

OEHHEHEIEHKENTENZEREISEREHENENEIEKEREEEENENIE) ® RE 2 * Er Be . = NE a BEA ZEN TE

©

DAN

u a BirE > + x wur L* EA 4% 8 ; * ———— * * *

Emanuel Geibels

Geſammelle Werke.

In acht Bänden.

Dritter Band.

Wene Gedichte, Gedichte und Gedenkblätter,

Hfuffgarf. Berlag der J. ©. Cotta’shen Buchhandlung. 1883.

; nn; I 7 * * 9 gart. —— yo * 2 2 Fr

5 * —* J— u; . ng E .

/ #7 u * F * RA N

wg . f FEN #- Use 2 7 == 25 4 a - u A x - > i —— I; * * [3 BL. * 00 ig a Bir: 2 ü az 8 7 y q > % | | E 5 _ n . en - . 1} %* ms * 4 * * 2 * x re Dog N \ ' Sıbı j

Inbhablt.

Neue Gedichte.

Vermiſchte Gedichte. Erſtes Buch.

Genejung . Mythus vom Dampf . Herbſtnacht Der Aether Fauſts Im Frühling Lieder zu Volksweiſen 1. Der Landsknecht 2. Betrogen 3. Lieb’ und Leid Abſchied Unterwegs . er Aus Griechenland . \ i Nitornelle von den orlerhtfchent Inſeln ee Tr ei a Schwerer Abjihied . LER er 2 Lied (nad) Byron) . Nach Sonnenraſt Elyſium Waldgeſpräch. Vom Beten O du, vor dem die Slürme Wandrers Rachtlied Sonett . |

14—

3h-

Hiſtoriſche Studien Mein Friedensihluß .

Lieder aus alter und neuer Zeit.

Durch die wolfige Maiennacht

O gedentit du der Stunt’ .

Ihr Rebengärten an den Klüften

Nun fommt die Nacht am Himmelszelt Das ift das alte Giebelhau:

O wüßt' ich’3 nur zu jagen

Ich Lieg’ im tiefen Schachte i Menn du jemals in ein leuchtend Auge . Menn es rothe Roſen jchneit . i Am Herbite, warn die Trauben glühn

O wie flo mir beglüdt der Tag

Das iſt der Liebe eigen . 4

Fern in leifen dumpfen Schlägen ; Nun winkt's und flüftert’3 aus den Bären Mein Rod geht langjam durch die Nacht. 63 jtand in meinem Hage . . . ; Ad, das iſt der Schmerz der Einen Dur Reif und Froſt $ Auch der Schmerz iſt Gottes Bote E

Nun will der Oſt fich lichten . : Wohl flog mit rothen Wimpeln einft . Seiner Tage dunkles Ringen .

Nun ſich Laub und Anospe dehnen . Ueber der dunfeln Haide

Lilie du im Rojengarten ;

Laß dich nicht gereun der Shrären‘,

O laßt mir meine ſtille Weije

Sieh das ilt es, was auf Erden .

Durh Erd’ und Himmel leije .

Nach des Siechthums langer Plage.

Sprüche. 1—48

Vermifchte Gedichte, Zweites Bud). Die Erbe —— Herakles auf dem Deta .

Sch fuhr von St. Goar N

Kein Hauch von Flur und Wald

Aus dem Schenkenbuch 1—17.

Frühlingsmpthus . ul

Höchttes Leben .

Die Braut

Auf dem See

Romanze.

Mädchenlied.

Gudruns Klage

Volkers Nachtgeſang.

Abſchied von Lindau.

Indiſche Weisheit.

Blauer Himmel

Wort und Schrift Ä

Die Sehnjucht des Meltweifen : Der Tod des Tiberius .

Der Bildhauer des Hadrian .

Sonett des Dante ;

Balmjonntagmorgen .

Zwei Palmen .

Gejang des Prieſters

Ada. Tagebuchblätter

Gedichte und Gedenkblätter.

Lieder aus alter und neuer Zeit.

Du willſt in meiner Seele leſen Die Möve flog zu Neſt. ? Menn über’3 Schneefeld mit Gebranje Wie jäufelt über Thal und Hügel Sn diejen Frühlingstagen

Der ich alter Zeit Gejchichten

Im Mind verhallt Trompetenton . Auf den grünen Auen .

Nun ſchwindet allgemach im Blatı . leder den jtillen Seen . x O Sommerfrühe blau und hold

Seite 76 NE 719-353 84 84 85 86 86 87 87 89 91 93 95 95 96 103 105 105 106 108

110—122

125 126 126 127 128 129 129 130 131 131 132

Nordojtwind hatten wit . » 2... 0... Ginitmal® hab’ ich ein Lied gewußt . . . . Auf glatten Fluten ſchwamm der Abendjtern . Die Naht ift Har, die Nacht ift fühl . . Minne hält, das wilde Kind. . 2... O wo ift, wo iſt das Glüd zu Haufe Die Freuden, die rofigen Tänzerinnen

Ach, wer hat es nicht erfahren . Daß holde Jugend nur zur Liebe tompe- Ach, wohl war dir hienieden.. : Oftmals, wenn ich ganz allein . Will das raſche Blut dir ftoden Am zerfallnen Burggemäuerr . . . Das iſt's, was ſüßen Troſt mir —— Der als Morgenſtern am Himmel. Meil ich ohne Groll und Klage. Wie manchen Blick du frei und freier

Vermiſchte Gedichte, Erjtes Bud.

Schön Ellen.

Omar .

König Nomans Zins

Don y8ſ8ſ8ſ Ra an Bilfioret . 1223.01, NE Bothiell . 2

Märchen .

Rheinfahrt 1. —* i

Liebesleben .

Theodor Körner

Idyll

Vorüber .

Giſella. re

Tempora mutantur . . ....

Weihnacht :

Ihr Eugen Jungfrau n

Erinnerungen aus Griechenland.

Zu dem jchönen Griehenvole . -. . .. . In dieſen Säulengängen . . . . .*®. Wo des Delwalds Schatten Härmmern

VI

Seite geilen Schritts durchwallt der a 175 Hoch mit Orangen beladen 176 Sm Schatten der Platane. u REEL NEE BES. BIerD. ih. Dich, DETRENEN + „u 1.2.0. 0. 0 de) ET Wie webt jo jtil der Sonnenjchein 178 O fieh, wie hinterm Waldgebirge . SUR Wenn auf jonnverbrannten Matten . . ... 2 .......180 Zwei Schweitern jah ich heut —— gr a A IB Diefer Gartenjaal . . A RE ERSTE Weil man in der ftegenfint . Nds 6 a Mac FERN LEN ats tanplangen regen. N. 666 Be SMONBESUNtergange. 2. 2.8.0 ee 2er 185 Br Rephime:s Icyimphengrofte .. 2... 6 Bat: nr ch, Jalt erkuroken. yo. 2 N Be Baluien übern ABcotinen. . >... 2, +1... 2 en Die Nacht war träumerifh, wir zogen .............. 188 ne Re DURUE Te

Sprüde. a a RE > PLANE Sy Pe A Be 12 Zwölf Jugendlieder, Wie mir Blut und Athem ſtockte 20s Sm Walde Iodt der wilde Tauber . -»- » : 2... 204 D iprich, was willjt du dich Ihämen. . . 2 2.2... 204 Erin deine Sreilen oo. 2 en 208 Wir jagen im offenen Gartenjaal . - 66 Ber BEIEHHEL DAB DAUE 6666 EEE ER ER BAUIAP 6666666 Eur BEE DW DIEDer 6 SE TEE entbyt. uoat Beibe’ 2. "1:2 m Er ante bexeitt,'o-Tadıt, und Kühle :. 0 2.2.20 Sure, were Die, Sehnpieut mie... . 2... 2027885210 Ta Ti blatt und blamer immer 1111 Vermiſchte Gedichte. Zweites Bud).

Eee 3 Be 2

en a Re EHE

Mädchenlieder 1. und 2.

Mittwenleid {

Scheidlieder 1. und 0.

Sintram 1—3.

Traumleben

Lied

Eheſpruch

Neformation .

Geſchichte und ohennent

Sonett :

In ein Album Schulgeſchichten

Eutin .

Grite Begegnung .

Die Lachswehr.

Ein Traum . ;

Am 26. Auguft 1859

Um Mitternacht

Mittagszauber .

Am Diterjamitag .

Hene Gedichke.

Geibel, Geſ. Werte It.

Vermiſchte Gedichte, Erſtes Bud).

Cübeck und Carolath.

Geneſung.

Has dumpfer Schwüle Was mir jo frisch

Mit unfichtbarem Fittich Die Stirne rührt,

Bilt du's endlich Himmelstochter Geneſung?

Leiſe ſinkt's wie Gewölk Zerrinnender Nebel Mir von den Sinnen! Klarer, tiefer

Dünkt mir der Himmel, Der Quellen Wogen Rührt wie ferne Muſik Mein erwachend Ohr, Und von den Wipfeln Der ſchwarzen Tannen Auf mich hernieder Dämmern Gedanken.

ee

Ach, nob kann ich dich nicht Fallen, o Mufe,

Noch verfagit du

Dem irrenden Finger

Dein Saitenfpiel;

Aber ſchon ſpür' ich

An ahnender Seele

Dein tröftlih Naben,

Im Windesodem

Flattert dein Hauch ſchon, Und jeh’ ich fern durch die Stänme Auf Waldeswiefen

Des Sonnenftrahls Bewegtes Spielen,

So ift mir's oft,

Es fei das Wallen

Deines weißen Gemwandes,

Aythus vom Dampf.

63 ruht auf klarem Berlenthrone

Die Meerfey im Kryſtallpalaſt,

Der Feuergeift mit güldner Krone Durchſchweift die Lüfte fonder Raſt; Sie meiden ſich mit finfterm Grollen, Sie jtören, was des andern ift;

So lang des Eroballs Achſen rollen, Währt unverföhnt ihr grimmer Zmilt.

Da fängt in erzgetriebnen Schranfen

Der Menſch, der Schöpfung Herr, die zwei, Daß dienjtbar feines Haupts Gedanken

Ihr ungeftümes Walten fei.

Er bändigt ihren Grimm gelaſſen,

Er gibt dem dumpfen Trieb das Ziel; In's Brautbett zwingt er die ſich haſſen Zu unerhörtem Minneſpiel.

Und ſieh, aus ihrem dunkeln Bunde,

Aus Lieb' und Abſcheu, Brunſt und Kampf Erwächst in mitternächt'ger Stunde

Das ſtarke Rieſenkind, der Dampf.

Mit wildem Toſen, hochgeſtaltig

Entſpringt er aus der Wiege Haft,

Durch all ſein Weſen gährt gewaltig

Des Vaters Zorn, der Mutter Kraft.

Er fühlt's in ſeinen Adern ſieden,

Ihm dünkt kein Werk zu ſchwer, zu groß, Doch ach, es ward ihm nicht beſchieden Ein Feld des Ruhms, ein Heldenloos. Nicht darf er in die Wolken greifen, Nicht ſpielen mit des Blitzes Loh'n,

In Lüften nicht die Welt durchſchweifen, Ein freigeborner Königsſohn.

Nein, wo der Menſch von Eiſenſchienen Sein unabſehbar Netz geſpannt,

Da muß in hartem Frohn er dienen, Ein Herkules im Knechtsgewand,

Da muß er mit des Windes Flügel Wettlaufen in erglühter Haſt

Und über Haide, Strom und Hügel Dahinziehn die gethürmte Laſt.

Des Mühlrads ungeheure Speichen Muß er im Schwunge raſtlos drehn, An's Schiff geſchmiedet muß er keichen Als Ruderknecht bei Sturmeswehn,

Be 1

Gr muß den Riefenhammer führen

Zu ewig wiederholtem Schlag,

Des Webſtuhls Spulen faufend rübren; Ein neues Werk bringt jeder Tag.

Seit Jahren trägt er's, doch im Stillen Gedenkt er jeines Stammes noch,

Und feindlih allem Menfchenwillen, Ingrimmig knirſcht er in jein Joch.

D wenn von feiner Kraft getrieben

Ihr Nachts durchflogt ein weit Gebiet, * Vernahmt ihr bei der Funken Stieben, Vernahmt ihr nie ſein dräuend Lied?

„Frohlocket nur, ihr Herrn der Erde! Ihr Staubgebilde bläht euch nur, *

Daß ihr uns herzwangt zur Beſchwerde,

Die alten Götter der Natur! Ein ſchnöder Raub iſt eure Krone,

Ein Hochverrath iſt euer Ruhm;

Denn uns verſtießet ihr vom Throne

Und theiltet unſer Fürſtenthum.

N

z "wm. PX

„Wohl dienen wir euch nun als Knechte,

Und dulden eurer Geißel Schlag;

Doch murren wir im Schooß der Nächte,

Und harten auf der Sühnung Tag.

63 bleibt des Glüdes Sonnenwende

Für fein Gefchleht won Herrſchern aus; Auch euer Reich hat einſt ein Ende! * Auch euer Bau zerfällt in Graus!

„Wenn ihr dereinſt in Eiſenbande A Des legten Eilands Wildniß ſchlugt, Wenn prunfend ihr dur alle Lande | Die Fadel ſtolzer Weisheit trugt,

a 1

Wenn dann von euren Königjelleln Ihr greifet nach des Himmels Schein: Dann Springen jählings unfre Feilen, Dann bricht der Tag des Zorns herein,

„Dann wird Des Vaters Krone bligen, Und jeder Blitz iſt Meltenbrand;

Dann wird bis zu der Berge Spigen Die Mutter ziehn ihr Schaumgewand; Dann will ich jelbit auf freier Schwinge Durch's Al, Zerftörung braufend, wehn, Und überm Trümmerfturz der Dinge Aufjauchzen, und in's Nichts vergehn.”

Herbſtnacht.

Ich ſchreit' hinan die Waldesbahn

In Finſterniß und Schweigen,

Da kommt ein Sauſen dumpf heran,

Da rührt ſich's in den Zweigen.

Der Geiſt der Nacht iſt aufgewacht,

Er ſingt in dunklen Zungen;

Hei, wie ſo wild das braust und ſchwillt Von Berg zu Berg geſchwungen!

Dahin, daher, wie Wogen im Meer,

Wiegen die Wipfel und ſchwanken,

Schon rieſelt das Laub herab in den Staub, Schon brechen Aeſt' und Ranken;

Der Eiche Firſt erſeufzt und birſt,

Die Fichte kracht vom Hange,

Der Waldbach ziſcht, verkehrt in Giſcht,

Wie eine bäumende Schlange.

Im Buſch verirrt die Eule ſchwirrt,

Die Augen roth ihr funkeln,

Der Damhirſch ſetzt vom Sturm gehetzt Quer über den Steig im Dunkeln.

Das kreiſcht und ruft aus Fels und Kluft! Das iſt ein Flattern und Raſen! Dazwiſchen ſchallt aus hoher Luft

Des wilden Jägers Blaſen.

Laß ſchallen ſein Horn, laß ſieden den Born! Laß Buſch und Wipfel brauſen!

Laß krachen die Tann' in des Windes Zorn! Mir ſoll darob nicht grauſen.

Ich weiß einen Bann, der zwingen kann Den Nachtgeiſt, wie er wüte:

Von dir ein Lied, Geliebte, zieht

Mir wonnig durch's Gemüte.

Beim Lampenſchein jetzt harrſt du mein Im warmem Erkerſaale,

Aus rankendem Grün rings Blumen glühn, Von Düften qualmt die Schale;

Du horchſt empor mit leiſem Ohr:

„So war's der Nachtſturm wieder?“ Entfeſſelt rollt der Locken Gold

Dir über die Stirn hernieder.

Gott grüß' dich Kind! Ich ſchreite geſchwind Wie der Pilger zum tröſtenden Bilde.

Deine Hand ſo weiß, wie wird ſie mit Fleiß Das Haar mir ſchlichten, das wilde!

Wie wird dein Mund bis zum Herzensgrund Mit Küſſen den Froſt mir zerthauen!

O ſelige Raſt! Drum weiter in Haſt

Durch die Nacht, durch den Sturm, durch das Grauen!

ee Rz ı 5

EEE

Der Uether.

Hoher Aether, hoher Aether, Geſtern ſonnig, heut mit janften Schatten meine Schläfe fühlen,

D wie preif’ ih deine Wunder! Wie ein Vater ruhig beiter

Trägſt am Bufen du den Erdfreis, Und er lächelt dir und läßt dich Seines Weſens Duft und Blüte, Seine ganze Schönheit jaugen; Denn die hohen Berge athmen

Zu dir auf, die Wälder ftreun bir Rauſchend ihren beiten Weihrauch, Thal und Fluß und Quelle dampfen Dir ihr täglid Morgenopfer,

Und die Menſchen gleih als zög' cs Ewig fie zu deiner Stille Senden dir zu jeder Stunde Ihrer Bruſt lebend’gen Odem, Ihre Lieder, ihre Seufzer.

Und du nimmſt die reichen Gaben Willig hin und ſammelſt alle; Aber nicht für dich In Wolken Deine Stirn verhüllend wandelſt Du den Schatz in lautern Segen, Und in lichten Feuerflammen

Und in Tropfen und in Güſſen Gibſt du wonniglich befruchtend Ihn der durſt'gen Erde wieder.

Hoher Aether, hoher Aether,

Wie der Geiſt des Dichters biſt du, Der, auf Flügeln über'm bunten Farbenſpiel des Lebens ſchwebend,

Be | ee

Seine Schönbeit jelig einjaugt.

Und dann wogt's in ihm, dann wölft ſich's Wunderbar, er kann die Fülle

Seiner Schäge nimmer halten,

Und wie du in Blitz und Regen

Steigt er nieder im Geſang.

Fauſts Iugendagefang.

Durch Klippen, die im Frühroth baden, Durch Schwarzer Thäler Einjamteit Hinzieh' ih auf entlegnen Pfaden,

Und Geijter nur find mein Geleit. Mein Herz, das im Gewühl verdortte, Hier fühlt ſich's heimathlih erwacht, Die Wildniß lehrt mich ernſte Worte Und Räthſel deutet mir die Nacht.

Und du, o Sturm, wenn laut im Grimme Dein Toſen durch die Klüfte bricht,

Mir iſt's wie eines Bruder Stimme,

Die Muth und Kraft in's Herz mir jprict; Ihr Wogen, die zuthal ihr braufet,

Ihr Fichten an des Sturzes Rand,

Ich weiß es was ihr ſchäumt und jaufet, Denn ib, auch ich bin euch verwandt.

Tränkſt vu nit mih auch, Mutter Erde, Mit deiner Milh aus heil’ger Bruft? Grziehit du, daß gejtählt ich werde,

Mich nicht duch Kampf zu jeder Lujt? Neigſt du den Blick, den ftrahlend hellen, Nicht, Vater Aether, zu mir her,

Und zeigjt mir meine Spielgefellen | In Berg und Luft, in Wald und Meer?

|

Re N a et

Den Geier ſeh' ih einfam ſchweben,

Und mein Gedanke holt ihn ein,

Der Wolfe Dunstbild jeh’ ich weben,

Und ihr verhaltner Groll ift mein.

Und wenn erlöst dann in den Schlünden Der Donner fpringt von Hang zu Hang, Dann jauchzt's in meiner Seele Gründen, Und meine Bruft wird voll Gefang.

D Blitzeslodern, Felfenkühle,

D Sturm und Waldnacht nehmt mich bin, Und wie ich ganz mich euer fühle,

Gebt Liebesantwort meinem Sinn!

In euern Füllen untergehen

Laßt dieſes Herzens Einzeljchlag,

Bis ich von eures Odems Wehen

Mein eigen Lied nicht fcheiden mag!

Im Frühling.

Wie geht nun, da fih brach der Stürme Wüten, Durch's Frühlingsthal ein wundervolles Weben! Es weiß in jugendlichem Freudebeben

Kein Wefen mehr fein Innerſtes zu hüten,

Des Baumes Seele dringt hervor in Blüten,

Die Blume läßt den Geiſt als Duft entfchweben, Zum Liede wird des Vogels tiefites Leben

Und licht in Flammen ſchmilzt der Wolfe Brüten.

Mir ift es oft in diefen lichten Tagen, Als ränge die Natur in heil’gem Triebe Ein göttlihes Geheimniß uns zu jagen:

—— 85; 4

Ein Wort, das darum nur gejtammelt bliebe, Werl wir ihr jelber nicht entgegentragen | Ein reingeltimmtes Herz voll Glanz und Liebe, |

Fieder zu Dolksweifen.

1: Der Landsknecht. |

Gin Landsknecht bin ich worden

In des Feldhauptmanns Heer,

Dem frommen Landsfnechtsorden, Dem fing’ ih Preis und Ehr.

Wer fährt jo gut mit frifchem Muth In diefen böfen Zeiten,

AS wie der Kriegsmann thut!

Die Fahne joll mid führen,

Die Fahne, meine Braut.

Wenn fih die Trommeln rühren, Wie ruft fie da jo laut!

Kein beßre Luft, als feft im Sturm Für fie den Feind erjchlagen,

Und jtehen als ein Thurm.

Ich hab’ nicht viel zu jparen

Als wie ein reiher Gaud;

Wohin wir mögen fahren,

Da nehm’ ih, was ih braud.

He Bäuerlein, Bäuerlein, ſchürz' dih nun! Den Krug thu’ aus dem Keller,

Thu’ an den Spieß das Huhn!

- Mu ur u

es gg

Drei Würfel und ein Starten

Die find in jedem Schanf;

Es fommt, mir aufzumarten,

Ein Dirnlein ſchlank und blant.

Mein Feinslieb das heißt Braun und Blond, Schneeweiß und Roth-wie-Roſen,

Ein andres jeden Mond.

Und reißen mir die Kleider,

Das Schafft mir wenig Harm;

Mir maht der Wein, der Schneider, Einen Naufchemantel warm;

Der dedt mich zu vor aller Plag Im Graben und auf der Schanzen Bis an den jungen Tag.

Und fommt eine Kugel balde

Und nimmt mir fort ein Bein:

Es wächst viel Holz im Walde,

Ich darf nicht traurig fein.

Gi, was mid Strümpf’ und Schuh gefoit, Nun mag ich's baß vertrinfen;

Das iſt ein tapfrer Troſt.

Und werd' ich gar erſchlagen,

Erſchlagen auf breiter Haid:

Vier Spieße müſſen mich tragen,

Ein Grab ſteht gleich bereit.

So ſchlägt man mir den Pummerlein pum, Der iſt mir neunmal lieber,

Als aller Pfaffen Gebrumm.

Wer hat dieß Lied geſungen

Zu Pfeif' und Trommelſchlag? Einem Landsknecht iſt's gelungen, Da er zu Augsburg lag.

ARTE

Im arünen Baum da fehrt’ er ein, Und küßt' ein fehwarzbraun Mädel Und trank einen fühlen Wein.

*)

ir

Betrogen.

Auf Flügeln jaust der Wind daher,

Es rinnen und rauſchen die Quellen.

Du baft mich geliebt, doch du liebſt mich nicht mehr, Und äugelit nah andern Gefellen.

Was foll mir dein ſchwankender wanfender Sinn? Fabrbin, Fahrhin,

Fahrhin mit den Winden und Wellen !

Ad, was iſt jo flatternd als Weibertrei !

Du kannſt fie nicht halten noch binden.

Ad, was ilt jo bitter als Liebesveu,

Wenn die goldenen Schlöffer verſchwinden! Wohl winkt ih und rief ich vergebens zurüd, Mein Glück, mein Glüd,

Das treibt mit den Wellen und Winden.

3 Lieb' und Leid.

Wie flüchtig rinnt die Stunde, Da in verfhrwiegner Gut Sid neiget Mund zu Munde Und Herz am Herzen ruht!

Der Mond hört auf zu feheinen, Kühl gebt des Morgens Hauch Kurz Lachen, langes Weinen, Das it der Liebe Braud.

Und doc, wiewohl fie Leiden Allzeit zum Lohne giebt,

Nie mag von Liebe ſcheiden Mer einmal recht geliebt.

Gr trägt die heißen Schmerzen Viel lieber in der Bruft,

AS daß er nie im Herzen Von ſolchem Glüd gewußt.

Abſchied.

Leb wohl, leb wohl mein Kind, und keine Klage! Noch einen Kuß, noch eine Neige Wein!

So licht und freundlich waren dieſe Tage,

Laß freundlich auch den Abſchied ſein.

Sieh, wenn hinab zu ſüdlich fernen Borden Im langen Wanderzug der Kranich ſchwirrt, Begleitet ihn ein Traum vom grünen Norden, Er ſpürt es, daß er wiederkehren wird.

So wird auch uns von unſerm kurzen Glücke Ein Schimmer fort und fort im Herzen ſtehn, Und treu Gedenken ſei die goldne Brücke Vom Scheidegruß zum Wiederſehn.

a

Anterwegs.

Nun zieb’ ich bin, du liebes Kind,

Friſch wor mir fährt der Morgenwind, Und rübrt mit fanftem Schauder leis Die Wipfel die vom Frührotb glühen. Ach jeit ich Dich mein eigen weiß,

Nie reich dünkt mir die Welt zu blühen !

Altüberall, im Schmelz der Auen,

Im zarten Lichtgewölf, im Wald,

Slaub’ ih dich, Lieblihe Geitalt,

Gleich wie duch Nebel noch zu jehauen. Die Sonne hebt aus dunfelm Bad)

Dein lähelnd Auge mir entgegen;

Es täuſcht der Glieder anmutbvoll Bewegen Der Schattentanz des Laubes nad.

Und wenn urplöglih dann im Wind

Das holde Gaufelipiel zerrinnt,

Dann jchließ’ ich raſtend wohl die Nugenlieder ; Und Sieb, ein neues Wunder thut ſich fund: Ich find’ in meines Herzens Grund

Dih Harer nur und ſchöner nur dich wieder,

Aus Griedenland.

Ich ſaß im Abendichein

Auf Naros Traubenflippe ; Der Krug mit dunklem Wein Erfriſchte meine Lippe.

ae

Da ſah ich, wie im Thal Mit Frucht und Silberblüten Die Gärten jonder Zahl Im Sonnenduft verglühten ;

Ich ſah am Fels empor

Hoch über luft'gen Stiegen, Reblaub um Säul’ und Thor, Die ſchmucken Häufer liegen;

Ach ſah der Heerde Zug,

Den Hirten mit dem Stabe, Die Jungfrau ſchöpft' im Krug Am Bach die frifche Labe.

Und ferne bligt’ im Ring Das Meer vergoldet wieder, Denn hinter Paros ging Die Sonne langjam nieder.

Da kam's mir in’s Gemüt: Hier unter diefem blauen Gezelt, wo's ewig blüht,

Wie gut wär's Hütten bauen!

63 würde dir der Baum, 63 würden Feld und Reben Dir mühlos wie im Traum Des Lebens Nothdurft geben.

Gin Weib von dieſes Lands

Gottähnlihem Geſchlechte,

Sie flöchte Liebesglanz

In deine Tag’ und Nächte. Geibel, Gej. Werke. II.

Nicht in gelabrten Wut, In Nebel nicht begraben, Genößeſt du mit Luft

Der großen Mutter Gaben.

Du ſähſt im Sonnenschein Ihr formenbildend Walten, Und dürfteſt weiſe fein

Und heiter wie die Alten.

So träumt ih vor mich bin In ſelig Schaun verfunfen, 65 war mein ganzer Sinn

Dom Glanz des Südens trunfen,

Doch froh gedacht’ ich's kaum, Da ſprach das Herz mit Beben: Das iſt ein ſchöner Traum, Doch iſt's ein Traumbild eben.

Wie ſollte dir, o Thor, Erblühen Raſt und Friede, Wo nimmermehr ein Ohr Aufhorchte deinem Liede!

Bei Palm' und Rebgewind Bald würde dich's verlangen Zum Wald, wo du als Kind Vertieft dahingegangen.

Von deinem Volke los

Und ſeinem Kampf und Trachten Müßt' aller Füll' im Schooß Dein einſam Herz verſchmachten.

EICHE el

Und ob ein griechiſch Weib, Schön wie die Morgenröthe, Dir freudig Seel’ und Leib Zum Eigenthbume böte:

63 fönnt’ ihr fremder Braud, Ihr ſüdlich Thun und Denken Dir nie den Veilchenhauch

Der deutſchen Minne jchenken.

Drum auf, genieße frei

Den Glanz, der dich ummebet! Nur wie die Biene jet,

Die leiht im Sammeln jchwebet.

Sm Oelwald Attika’s

Am Strand Homers erringe Der Schönheit ew’ges Maß, Daß e3 dein Lied durchdringe.

Grfülle pilgernd bier In tiefen Athemzügen Die ganze Seele dir Mit heiterem Genügen;

Doch wolle Stab und Gurt Nicht raftend won dir legen; Das Größt’ ift die Geburt, Und nur daheim ift Segen.

a gr ur,

a

Aitornelle von den griechiſchen Inſeln. Corfn.

Auch Grufteypreſſen Trägſt du, Corfu, ſonſt würde wer hier athmet Nur Roſen pflücken und des Grabs vergeſſen.

Ithaka. Als ſchroffe Klippe Im Meer ragt Ithaka, doch gab ein Echo, Ein ew'ges, ihr Homers geweihte Lippe.

Lesbos.

Süß war vor allen Die Reb' auf Lesbos Gipfeln, herb erſt ward ſie, Da Sappho's wilde Thräne drauf gefallen.

Paros. Voll Ehrfurcht liegen In Abendglorie ſeh' ich Paros Berge, Draus, Hellas, deine ſchönen Götter ſtiegen.

Naxos. Durch Höhn und Tiefen Fuhr Dionyſos hier im Pantherwagen, Daß heute noch von Wein die Spuren triefen.

IE

Salamis.

Nur Fiſcher wohnen An deinem Strand, doch harfet Heldenlieder Der Wind um deines Feljens Zackenkronen.

Thermia.

Von ſchroffen Küſten Umgürtet hauchſt du ſüße Luft dem Kranken Und ſtrömſt Geneſung ihm aus Felſenbrüſten.

Greta.

Hier ruhn, im Kranze Bon Blüt’ und Frucht, als Zwilling’ Herbit und Frühling ; Doch Ida's Scheitel jtrahlt im Silberglanze.

Delos.

O heilig Eiland! Verwüſtet liegſt du, baumlos, menſchenöde, Nur deines Phöbus Auge grüßt wie weiland.

Chios.

Dir ward beſchieden Des Jammers viel, doch über Schutt und Thränen Reift goldner nur die Frucht der Hesperiden.

Fee ne

Hydra, Auf dürft’gen Kiffen Streng zogſt du dein Geſchlecht, da fällt! es Tannen Und ward ein Heldenvolf auf flücht’gen Schiffen.

Andros.

In Myrtenlauben Singt Liebe hier die Nachtigall, und ſilbern Den Fels umflattern Aphrodite's Tauben.

Santorin.

Hieher ihr Zecher! Hier reift der Gott des Feuers Feuertrauben, Und bat das Giland jelbjt geformt zum Becher.

Sebfer Gruß.

Fahrmwohl, fahrwohl! Du ziehſt von binnen, Und all mein Glüd zieht mit dir fort; Doch ſahſt du feine Thräne rinnen,

Und diefe Lippe Sprach fein Wort; Fahrwohl, fahrwohl! Du ahneſt nicht

Den Dorn, der mir in3 Leben fticht.

Ad, als in meines Herbites Trauer Du trateit, Frühlingsliht um's Haupt, Da ging dur diefe Bruft ein Schauer, Die nie zu lieben mehr geglaubt;

Am Wunder, das an mir gefchah, Fühlt' ih, ein Engel war mir nal.

——

Und da du meinem Spiel dich neigteſt, Und forſchend nach der Lieder Sinn Die junge Seele ganz mir zeigteſt, Und aller Himmel Tiefen drin:

O wie mir da die Thräne quoll,

Und war doch höchjter Freuden voll!

Mir war's, der Mond ſei aufgegangen, Mein dunkler Wandel ward voll Licht;

sch träumte hin im jchönen Prangen

Und dat’, ein Kind, der Zukunft nicht, Fahrwohl! In Wolken ſinkt der Mond, Und Nacht wirds. Doc ich bin's gewohnt.

Fahrwohl, Holdſel'ge, ſei gejegnet,

Und ſei geſegnet, wem du nahſt;

Auch er, dem einſt dein Herz begegnet, Wann du mich längſt vergeſſen haſt Fahrwohl, fahrwohl! Was geht's dich an, Daß ich dich nie vergeſſen kann?

Schwerer Abſchied.

Niemals werd' ich das vergeſſen, Wie dein Arm mich noch umfing, Jedes Wort beim bangen Preſſen Dir in Thränen unterging.

Ab, wir lernten erft im Scheiden Unfre Liebe ganz verftehn,

Und doch war’3 uns beiden, beiden: 's ijt auf Nimmerwiederſehn!

BEN re

Seit der Stunde jener Schmerzen Nob den Drud von deiner Hand Fühl' ich fühl auf meinem Herzen, Nie ib damals ibn empfand.

Und wenn Alles ſchweigt um mic, Mir auf's Bett die Sterne jcheinen, Iſt mir oft ich böre dich

In der Ferne weinen.

gie. Nah Byron.)

Schlaflofer Augen Sonne, trüber Stern,

Det thränenvoller Strahl erzittert fern,

Du zeigft das Dunkel, das vor dir nicht weicht;

Wie dir entſchwundnen Glüds Crinnrung gleicht!

Sp glimmt was war, vergangner Tage Licht,

65 glimmt, doch machtlos wärmt fein Schimmer nidt: Ein Nachtſtrahl für des wachen Kummers Pfühl, Deutlih, doch ferne klar, doch o wie kühl!

Nach Honnenraft.

Nah Sonnenraft, wenn unter Schauern

Das Thal verſank in Dämmerfcein,

Da iſt mir's oft, als ging’ ein Trauern

Durh Berg und Flur, durh Baum und Stein:

Als ſäh'n mit brünftigem Verlangen

Wie um Grlöfung fie mid an:

„O nimm von uns dieß ftumme Bangen, Den ſchweren taujendjähr'gen Bann!

ar ee

25

Wir ſtarren, weck' uns auf zum Leben! Wir find gefangen, brih uns Bahn! Laß wieder tönen uns und fchmweben, Wie wir's im Anfang einjt getban.

An deinem Geijt laß uns genejen, Daß wir dabinziehn jtoffbefreit,

Ein jpielend Bild nur unfer Wefen, Dem Flügel deine Stimme leibt.

Wie wir in Gottes Schooß einjt rubten, Gedanken, los vom Zwang des Orts, Sp laß uns flingend wieder fluten,

Im leichten Element des Worts!“

Das iſt der Kreis, durch's All gejchlungen, Der Poeſie geheimiter Sinn;

Dem Wort iſt alles Ding entjprungen, Ins Wort jtrebt alles Ding dahin.

Elſyſium.

Chor aus einer Komödie.

Heitre Nächte, heitre Tage Feiert der erwählten Schaar In Elyſiums duft'gem Hage, Wo Muſik die Lüfte hauchen, Und aus Waſſern, ſpiegelklar, Goldne Blumen tauchen.

O mie löst ſich hier das Trauern! D mie ſtirbt in Lebensſchauern Süß dahin des Siechthums Leid!

yasni

Ewig jugendliche Glieder Sind binfort der Seele Kleid, Leicht wie Schwangefteder.

Mer vom Lethe getrunfen,

Ihm auf immer verfunten

Sind die Träume des Scheins; Doch zur Entfaltung genejen Mus, was Blüte gemejen

Seines fterblichen Seins.

Selig jo mit feligen Schatten Wallt er über Asphodelosmatten Hin im Dämmer des Lorbeerhains.

Waldgeſpräch.

Aus einer Komödie.

Linde. Guten Abend. Wie ſtehts?

Eichbaum. Einſtweilen noch feſt.

Feſtſtehn dünkt mich das allerbeſt' In dieſen irren Zeiten, Wo unter uns der kleinen Welt Ein raſtlos Wandeln nur gefällt, Ein Schwanken, Streiten und Gleiten. Schau' ich ſo aus meiner Ruh Der eitlen Haſt der Menſchen zu, Wie in Sorgen ihr Tag vergeht, Und was ſie bau'n der Wind verweht: Dann mit den bärtigen Wurzeln munter Faſſ' ich tief in den Grund hinunter,

ee

Der uns trägt feit undenflicher Zeit, Dann mwipfl ich mit Zweig und Laube Roller und höher vom Staube Wolkenhinan in die Lüfte weit.

Und tief erquickt aus des Erdreihs Kerne, Getränkt vom Thauen der Sterne, Rauſch' ich behaglic vor mich bin,

Und freue mich, daß ich nicht bin

Wie dieß Geſchlecht.

Linde. Bruder, haſt Recht. Sind ſie nicht Thoren? Für eine Spanne Zeit geboren, Füllen ſie die mit Grillen und Mühn; Wiſſen nichts von der Wonne, Badend im Glanz der Sonne Still von innen heraus zu blühn; Im heimlichen Wachſen und Weben Zu ſchauern wonnereich, Alte Tage träumend zu leben, Und neue zugleich. Laß ſie denn ſchwanken In ihren Gedanken, Täglich ſcheitern und neu ſich erkühnen! Wir bleiben feſt an unſerm Ort, Lächeln darein und rauſchen fort, Und grünen. Stimmen

(in den Wipfeln weiter wandelnd). Wir ftehn in Sonn’ und Sternenſchein An unferm Ort, und lächeln drein, Und raufchen fort und grünen.

22) Dar

Dom Deten.

Du ſagſt, du magjt nicht beten, denn es ſei Doch alles vorbejtimmt. Wie? „Sit dein Gott Denn ſchon geitorben, feine heil’ge Vorficht

Gin bloßes Uhrwerk, das an Fäden jehnurrt, Der todte Nachlaß eines großen Künjtlers ?

Sit er nicht heut noch da und webt und Ichafit Am nimmer fert’gen Werk? Gibt diefer Duft Von jungen Roſen, der durch's Fenfter quillt, Nicht holde Bürgjchaft feiner Gegenwart,

Und daß er lebt und liebt? Und wenn er lebt, Wie hätt’ er Macht nicht, au dein Herzenzflehn, In jeines Rathes Schluß mit aufzunehmen,

Sp wie der Dunitkreis deinen Hauch empfängt, Und dann Erbörung über dich zu regnen?

O du, vor dem die Hfitrme ſchweigen.

O du, vor dem die Stürme ſchweigen, Vor dem das Meer verſinkt in Ruh, Dieß wilde Herz nimm hin zu eigen Und führ' es deinem Frieden zu: Dieß Herz, das ewig umgetrieben Entlodert allzuraſch entfacht,

Und, ach, mit ſeinem irren Lieben Sich ſelbſt und andre elend macht.

Entreiß es, Herr, dem Sturm der Sinne, Der Wünſche treulos ſchwankem Spiel; Dem dunkeln Drange ſeiner Minne,

Gib ihm ein unvergänglich Ziel;

Auf daß es, los vom Augenblide, Bon Zweifel, Angit und Neue frei Sih einmal ganz und voll erquide, Und endlich, endlich ſtille fei.

Babel.

Und fie ſprachen: „Was brauchen wir fürder des Herin? Mag im Blauen er thronen, wir gönnen’s ihm gern! Doch die Erd' iſt für uns, wir find Könige drauf,

Laßt uns ſchwelgen und glühn! Sie bejcheert uns vollauf.

Denn die Flur gibt uns Weiden, und Brod das Gefild, Und den Fifh gibt der Strom, und die Forftung das Wild, Und die Harfe den Ton, und die Rebe den Schaum,

Und das Weib ihren Reiz und das andre ift Traum.

Und zum Zeugniß der Herrihaft, zum Zeugniß der Kraft Laßt uns gründen ein Mal, das die Zeit nicht entrafft: Einen Thurm, drum die Wolken fih lagern im Kreis, Dem da droben zum Troß und uns felber zum Preis!

Und der Jubel des Volks ob der Rede war groß,

Und fie fchritten ans trogige Werk mit Getos;

Durh den Wald fcholl das Beil, durch's Geflüfte der Karit, Und es fank die Cypreſſ' und der Porphyr zerbarit.

Und fie ftrichen die Ziegel und brannten den Thon,

Hoch jhlugen aus baudigen Defen die Loh'n;

Hoch ſchritt durch's Gewühl das Kameel mit der Kalt, - Und die Kelle des Maurers war nimmer in Raſt.

30

Ind es fnarrte die Wind’, und es ächzte das Tau, Und e8 wuchs wie ein Berg in die Lüfte der Bau: Cine ſchwebende Stadt, dran der Blick fich verlor, Und Zinn’ über Binnen und Thor über Thor.

Die Monde, die Jahre verjtrihen im Flug,

Schon rührten den Gipfel die Wolfen im Zug,

Da vermaß fi ihr Herz, und fie jubelten laut:

„un ſteht's! Und mer ftürzt, was wir haben gebaut?

Unfer Name wird gehn von Gejchleht zu Geſchlecht, Wie Göttern, fo wird man uns opfern mit Recht; Denn das ewige Werk, es ift morgen vollbracht.”

Und fie harften und zechten, und ſchwarz fam die Nacht.

Doch der Engel des Herrn mit dem feurigen Schwert,

Der dem Ahn einit die Pforten von Eden gemehrt,

Stieg herab im Gewölk, da fie lagen im Schlaf;

Hoh ſchwang er das Schwert, und es flammt’, und es traf.

Und wie Schall der Poſaunen erflang’3 durch den Strahl, Da ſchwankten die Binnen und jtürzten zuthal,

Da zerbariten die Pfeiler mit dumpfem Gefrad,

Und die Bögen, die Mauern, fie taumelten nad.

Und ein Schein war ergofjen wie Schwefel und Blut, Und es wirbelte Raub, und der Raud ward zur Glut, Und die Lohe, gefaht von den Schwingen des Sturms, Umſchwoll wie ein Segel die Trümmer des Thurms.

Doch verjtört aus dem Schlaf zu der Stätte des Bau’s Heritürzten die Menjchen und fchauten den Graus; Bleih ftarrten fie hin in verzweifelndem Leid,

Und zerrauften ihr Haar, und zerrifien ihr Kleid,

+)

ee

Und fie däuchten ſich fremd von Geſtalt und Gejicht, Und fie fchrieen fih an und verjtanden fich nicht, Denn ihr Auge war trüb und verblendet jein Stern, Und verwirrt ihre Zungen vom Zorne des Herin.

Da wandten fie fih won Entjegen erfaßt,

Wie der Hirfeh, wenn das Hüfthorn ihn Shredt aus der Kalt, Und es ward eine Flucht, wie noch feine geſchah,

Und Gewühl und Geheul und Gewimmer war da.

Und Gefihter voll Angit, wie der Marmor jo blaß, Und Lippen voll Fluhs und gejtammelter Haß, Und verworrener Hader, und baftige Fracht,

Und Gewieher und Wagengedröhn dur die Nacht.

Wie Spreu vor dem Wirbel nah Süd und nad Nord Gen Aufgang und Niedergang jtoben fie fort,

Und die Fadel des Brandes erleuchtete jtumm

Ihren Pfad und fein Einziger fhaute fih um.

Und das Feuer verglomm, und die Flucht war vertost, Und es graut’ und die Sonne erhub fih im Dit; Doh in ſchweigender Dede gewahrte jie nichts,

Als den wehenden Schutt auf der Statt des Gerichts.

Wandrers Naditlied. 1848.

Vergangen it nun mand ein Fahr, Daß ih hier jung und fröhlih war; Da ſchritt ih oft des Wegs daher, Nun kenn’ ih faum die Straße mehr.

Wohl rauſcht der Wald und trägt fein Kleid, Sein grünes, wie in alter Zeit;

D Hoffnung, wie der Wald jo grün,

Mas mußteſt du fo raſch verblühn!

Das Waffer von den Bergen rinnt, Den leichten Rau zerführt der Wind, Die Welt hat fih verwandelt gar,

Ich ſelbſt bin nimmer, der ich war.

Mein Herz, jo freudig einit, jo weit, Hat feine Luft an diefer Zeit,

Mo weiſe Lippe Thorheit jpricht,

Und deutſche Treu wie Glas zerbricht.

Das ift mein Gram zu jeder Stund: Sie baun und legen feinen Grund, Sie rechten fondern Maß und Hulp, Und tilgen Schuld mit größrer Schuld.

Nur du, der überm Sternenzelt Das Richtmaß aller Dinge hält, Du biſt dir ſelbſt geblieben gleich, Und aller Treu und Gnade reid.

D nimm mid, Herr, in deine Hut, Und gib mir einen fejten Muth, Daß ich getroft den ſchweren Tag, Wie einjt den guten, tragen mag.

1 | |

Eee

Sonett.

Der Acker, ewig umgewühlt vom Pfluge, Erſchöpft ſich endlich, gute Frucht zu tragen: So wird zuletzt nach höchſter Blüte Tagen Der Geiſt der Völker ſiech und lahm im Fluge.

Das Wiſſen überſchärft ſich ſelbſt zum Luge,

Die Kunſt wird Machwerk, alles Glauben Fragen, Und Zweifel, wägend ſtets anſtatt zu wagen, Würgt jede That beim erſten Athemzuge.

Ausging die Zeugung, während tauſend Zungen Von Freiheit, Kraft und Größe prahlend dichten, Als ſei der Menſchheit Gipfel nun erſchwungen.

Doch plötzlich dann mit donnerndem Vernichten Erbraust der Strom der Völkerwanderungen, Aus Weltenſchuütt ein Brachfeld aufzuſchichten.

Hiſtoriſche Skudien.

Mephiſtopheles. Wie, Fauſte, find' ich hier im Wald Dich über deinen Büchern hocken? Verſchleppſt du die gelahrten Brocken Jetzt gar in dieſen Frühlingsaufenthalt? Wie mag dein Geiſt im Staub vergilbter Schriften ruhn, Wenn dringend dich zu beſſrem Thun Des Sproſſers brünſt'ge Schläge locken?

Fauf, Lab mih! Sch bin an hohem Werke; - Sie fühl ih mich ſo friſch getränkt, Geibel, Geſ. Werke. II. E 3

ar ge

Als wenn ib in den Schooß vergangner Beit verfenft Auf der Gefhide leifes Wachsthum merke,

Und auf den Rathſchluß, der fie Ienft.

Am liebſten thu' ich das im Freien;

Dies Blühn umber, dies innige Gebeihen,

Dies raſche Welfen bier und dort,

Doch plötzlich folgt auf überkräfttges Schwellen, Grläutert mir die dunfeln Stellen

Und giebt zu mandem Räthfel mir das Wort. Das große Weltgefeg, nah dem im ew’gen Reigen Die Völker ſinken oder ſteigen,

Und mwechjelnd alles Leben fommt und flieht Mit ſchärfrem Auge weiß ich’S feſtzuhalten,

Wenn klar im Spiegel der Natur fein Walten Sih abermals vor mir vollzieht.

Slephifiopheles, Ich will die nicht den Spaß verderben; Mir aber wär’ ein troftlog Lied. Die Summa heißt: Was lebt, muß fterben. _ Lang wird am Krug geformt, und eh’ man fich’S verfieht, Sp ftößt er an und liegt in Scherben. Das Wie erfährit du jedenfalls zu fpät; Drum fcheint mir deine Müh’ ein fruchtlos Unterfangen, Was kümmert's did, wenn’s leidlich dir ergeht, Warum es andern fo und fo ergangen?

Fauf. Du ſprichſt im Ernit, als fönntejt du nicht jehn, Wie eine Zeit die andre trage. Sind denn der Vorgeſchlechter Tage Der feite Grund nicht, drauf wir ftehn ? Das Ervdreih nicht, drin unfers Lebens Baum Bewußt und unbewußt unzähl’ge Wurzeln jenfet, Und das ihn fort und fort mit Nahrung tränfet

Bis in des Wipfels Blütenſaum?

Ja mehr noch: Was in Luſt und Wehen Jemals in die Erſcheinung trat,

Iſt's nicht für immer, nicht für uns geſchehen, Ermuntrung, Warnung, Troſt und Rath? Das nennſt du fruchtlos, was den Geiſt

Vom Druck unſichrer Einſamkeit errettet, Indem's ihn an ein reiches Geſtern kettet

Und deutend ihm die Bahn für morgen weist? Denn wer nur das Vergangne recht erkannt, Wird auch das Gegenwärtige durchſchauen;

Er wird getroſt mit doppelt ſichrer Hand

Am großen Bau der Zukunft bauen.

Mephiſtopheles. Mein Freund, das klingt pathetiſch zwar, Und viele haben ſo geſprochen; Nur ſchade, ſoll die Zeit nun in die Wochen: So iſt's am Ende doch nicht wahr. Schau dich nur um im weiten Ringe Nach Altem oder Neuſtem, wie es kommt, Ob je die Einſicht in geweſ'ne Dinge Dem wilderregten Augenblick gefrommt. Und lag der Fall auch noch ſo nah, Und ließ er ſich mit Händen faſſen, Wann hat ein Fürſt durch das, was einſt geſchah, Wann hat ein Volk ſich warnen laſſen? Der Menſchheit ewig wandelnde Gerichte, Die Lehren des Geſchicks, das alle Welt regiert, Sie wurden ſtets an dumpfem Sinn zunichte; Man lernte nichts aus der Geſchichte, Als wie Geſchichte man docirt.

Fauft So ſchlägſt du frei die Hoffnung nieder, Die kaum die Seele mir gejchwellt?

en

Mephiſtopheles. Verſuch's und hoffe nur; ich habe nichts dawider, Doch ſeh' ich, wie ſie iſt, die Welt. Sie wird auch ſchwerlich anders werden, Solange nach wie vor auf Erden Der Menſch, indeſſen er genießt, Das Ungemach vergißt, das dem Genuß entſprießt. Verdarb er ſich auch hundertmal den Magen, Er läßt ſich's immer wiederum behagen, Wenn friſch der Becher um die Tafel geht; Und Größrem ſollte der entſagen, Der ſolchem Reiz nicht widerſteht? Glaub' mir, die Herrſchaft iſt ein Zauber eigner Art, Und ſtark genug, den Stärkſten zu bethören. Wer oben ſteht, mag keine Weisheit hören, Und würde ſie von Engelchören Ihm durch ein Wunder offenbart. Was ſoll das Maß ihm, hat er doch die Macht! Er denkt, ſo müſſ' es ewig bleiben, Und ſpürt er ſelbſt, daß drunten in der Nacht Die Kräfte ſchon, die ihn verderben, treiben: Er ſchlägt ſich's aus dem Sinn mit Vorbedacht.

Fanſt. Doch wenn nun endlich reif zum Falle Das Alte aus den Fugen bricht?

Mephiſtopheles. Je nun, dann kracht's. Dann ſchrei'n und toben alle, Und jeder Mund iſt voll von Recht und Licht. Da ſiehſt du himmelhoch von goldnen Zeiten ſchwärmen Im Grunde iſt's ein nutzlos Lärmen, Die Namen ändern ſich, die Dinge nicht. Bald eingerichtet ſind die neuen Herrn, Und lernen ſacht im alten Gleiſe fahren;

RR:

Was eben noch ihr Hort und Stern,

Heißt Irrlicht ſchon nach wenig Jahren,

Und endlich alles Uebels Kern.

So treibt fih’S fort mit ruhelofem Drehen

Im Kreis, wie Mühlenräder geben,

Da frommt fein Rath, da gilt fein Halt;

Nur” das fteht feit im ew'gen Mühlen:

Mer die Gewalt hat, übt Gemalt,

Und wieder: wer nicht hören will, muß fühlen.

Mein Friedensſchluß. (1850.)

Wohl netzt' ich heiß mit Thränen meine Pfühle Und rang in Qualen, mic emporzuhalten; Denn furdtbar brannte diefer Zeiten Schwüle.

Es lag die Welt in grimmem Kampf zerjpalten, Und zu der Heere feinem konnt’ ich ſtehen; Hier ſah ih Wahnſinn, dort Verſtocktheit walten.

Das allertiefite Weh war mir geſchehen; Denn meiner Sehnjuht Bild, nun war's gefommen, Doch wüſt verzerrt, ein Gräuel anzufehen.

Das trieb mich raſtlos um, von Gram beflommen; Doch endlih, al3 ich lange Nächt’ und Tage Gerungen, ward von mir die Lajt genommen.

Nur wen das Shidjal ftumm iſt, der verzage; Zu wem der Gott fpriht aus der Weltgefchichte, Dem ſingt er Troft zulegt zur Zeit der Plage.

Dur blaffe Dämm'rung führt er ihn zum Lichte Und zeigt ihm, wie von hoher Bergeszinne, Vergangnes und Zukünft'ges im Geftchte.

Und jo von ihm geleitet ward ich inne: Es kämpft fih ein Gedank' in brünft’gem Hoffen Dur jede Zeit, daß er Gejtalt gewinne.

Doch in den Staub geboren weist er offen Nicht gleih fein Antlig; Geiſt und Bild find zmeie; Verhüllt erit glüht er unter niedern Stoffen.

Durch mißgefhaffner Formen lange Reihe Die Seelenwandrung bat er zu vollenden, Bis er verflärt erglänzt im Licht der Weihe.

Sp rang der Vorwelt Sehnſucht aller Enden Zum Schönen; doch bis ſie's gelernt zu faflen, Wie taftete fie lang mit ſchweren Händen!

Wie lange band fie Dinge, die ih haſſen, Im Bau der Sphinx, im Zwitterleib des Greifen, Und thürmte ſchwunglos trüb gebrüdte Maflen.

Und dennoch lag im Wilden, Rohen, Steifen Der Keim ſchon, der bejtimmt war, einft im Bilde Der Schaumgebornen wonnig auszureifen,

Wie fie mit Götterläheln die Gefilde Durchzieht und taufend Blumen weckt im Schreiten, Ganz Liebreiz, ganz Holvfeligkeit und Milde.

Nun geht der Freiheit Geift durch dieſe Zeiten; Die Mafjen rührt er, daß fie ſich getrauen, Nah dumpfem Sinn den Leib ihm zu bereiten.

a

Doh eine Binde liegt um ihre Brauen, Ihr Thun ift maßlos, fiebrifh ihr Geberden; Nur eine Götzin jchaffen fie voll Grauen.

Und taufend Opfer fallen ihr auf Erben, Denn ihre Sagung it mit Blut gejchrieben. Das ſind Geburtswehn; anders wird es werden.

Das Bild, aus krankem Sinn emporgetrieben, Drin fphinzgeftaltig Menſch und Thier fih einen, Zerberftend wird's dahin in Aſchen ftieben.

In reinerem Gefäß dann wird erjcheinen Der heil’ge Funke, feine Kraft zu proben, Denn jede Wandlung läßt ihm mehr vom Seinen;

Bis endlich, wie die Schönheit aus dem Toben Des Meers, die Göttin aufiteigt aus den Schladen, Unſchuldig, auf der Stirn den Strahl von oben;

Im Glanzgelod ruht jtatt der Krone Zaden Der Kranz ihr von des Delbaums Silberlaube, Und alle Welt beugt feiernd ihr den Naden.

Die Stunde, da fie jo entfchwebt dem Staube, Nicht träum’ ich noch mit Augen fie zu grüßen, Doch aud verzweifeln läßt mih nit mein Glaube.

Er giebt mir Kraft, zu ftehn auf franken Füßen, Den Spiegel jedem Zerrbild kühn zu zeigen, Und doch dem Keim zu huld’gen drin, dem füßen.

Und weil ih muß beim Kampf des Tages fchmweigen, Den Larven Schlagen, hab’ ich aufgerichtet Dies Lied als Mal, daß ich der Freiheit eigen.

- In ihrer Zukunft Sinn hab’ ich gedichtet.

SIENEL aus

alter und neuer Bett.

E:

Dur die wolkige Maiennadt Geht ein leifes Schallen,

Wie im Wald die Tropfen fat Auf die Blätter fallen.

Welch ein ahnungsreicher Duft Quillt aus allen Bäumen! Dunfel webt e3 in der Luft Wie von Zufunftsträumen.

Da, im Haud, der auf mich finft, Dehnt fih all mein Wefen,

Und die müde Seele trinkt Schauerndes Genefen.

Müde Seele, hoffe nur!

Morgen fommt die Sonne,

Und du blühft mit Wald und Flur Hell in Frühlingsmwonne.

II.

O gedenkſt du der Stund‘, als auf ſchimmernder Bahn Ueberm See von Sankt Wolfgang uns wiegte der Kahn, Mo die Felswand fich gipfelt aus laubiger Nacht,

Und die Tiefe der Flut ift wie lichter Smaragd?

Hohfommerzeit war's, und der Tag war uns hold, Denn der Abend zerrann wie in fchmelzendes Gold, Und fein Widerſchein mölbte fich leuchtend im See, Mit Wald und Geklipp und den Firnen von Schnee.

Bon dem Kirchlein am Hang mit den Fenjtern voll Glut Schwamm fejtlih Geläut zu ung her auf der Flut,

Zmei Gloden, die eine wie helliter Geſang,

Tiefftimmig die andre von jehütterndem Klang.

Und al3 wär' er begabt mit Empfindung und Sinn, 3og leifer und leifer der Nahen dahin,

Wie getragen von wehender Fittihe Schlag

Durch den Himmel, der über und unter uns lag.

D Stunde des Heils, da im endloſen Ring

Wie des Himmels Ummölbung die Lieb’ uns umfing, Und was tief in den fehauernden Herzen ung flang In einander verſchmolz wie der Gloden Gejang!

EM.

Ihr Rebengärten an ven Klüften, Ihr Nelken, die vom Fels ihr laufcht, Mie habt ihr heut mit euren Düften Mir rätbjelhaft den Sinn berauſcht!

Durb all mein Wesen flutet wieder Vergefine Luft, erinnernd Leid;

Im Zwielicht kommt's auf mich bernieder Wie Flügelſchlag der Jugendzeit.

Mir it, als rührte meine Wange Ein Kuß von unfihtbarem Mund; Da bäumt fih wild wie eine Schlange Die Sehnfuht auf vom Herzensgrund.

Die Arme jtred’ ich voll Verlangen Ins Dunkel, das mi heiß umgiebt; D fomm, o fomm, laß dich umfangen! Wo biſt du, Seele, die mich liebt?

IV. Nun kommt die Naht am Himmelszelt, Der Pfad wird ſchwarz und ftill die Welt, Die müden Füße ſchwanken; Das Mühlrad wogt in Schaum und Flut, Mein Herz das wogt in 2iebesglut » Und ſehnlichen Gedanken.

Wo biſt du nur zu dieſer Stund, Da wir ſo oft von Herzensgrund Geſpräch und Kuß getauſchet?

Wo biſt du nur, und denkſt du mein, Nun wieder dir um's Kämmerlein Die Lind' im Nachtwind rauſchet?

Ein Kranich, der vom Schwarm verflog, Schwirrt über mir im Dunkel hoch, Und ruft betrübt den andern

3

Wir beide tragen gleiches Leid; Ah Gott, in Nacht und Einfamteit Wie traurig it das Wandern!

Und fomm’ ich heim an meinen Drt, Wohl grüßen mich die Kinder dort Am Thor und auf den Gaflen; Doch bei den lieben Freunden mein, Mir wird's wie in der Fremde fein, Diemweil ich dich muß laffen.

Ich feufze Tags: wär’ ich bei dir!

Ich träume Nachts: du fprichft mit mir, Und fahr empor und meine.

Denn all mein Freud’ und Glüd und Ruh, Denn meine Heimat bilt ja du,

Du Eine, die ich meine,

V.

Das iſt das alte Giebelhaus,

Wohl kenn' ih Treppen, Flur und Saal! Sie ſtehn wie vormals, da ich bier Seliebt zum erftenmal.

Dem Mond gleich mwechjeln Zeit und Herz, Nun wohnen andre Menfchen dort,

Und andre Liebe trägt mein Sinn;

Doch blieb gefeit der Dirt.

Zum Felt heut ging ih hin im Schwarm, Da fam’s auf mich, nicht weiß ich, wie Ich hörte nicht Gefang und Spiel

Und dachte nur an Sie;

I ae

Und dacht' an meine junge Zeit, Und wie wir's anders gar gemeint, Und an ihr Auge blau und lieb, Das, ab, um mich gemeint.

Und als ih auf vom Sinnen fuhr, Die Welt umber begriff ih faum:

Als jei der Traum mein Leben, war's, Und all mein Leben Traum.

NE:

D müßt’ ich's nur zu fagen, Mas mich in diefen Tagen Bedrückt mit folder Bein !

In Lieder wollt’ ich’3 bannen, Da trüg’s der Wind von dannen, Und. wieder könnt' ich heiter fein.

Doch was unausgefproden

Sm Herzen fort muß pocen, Mas ftumm und unreif wühlt, Das ängftigt mi al3 Kummer, Das hab’ ich ftet3 im Schlummer AS einen jhmweren Alp gefühlt.

Drum frommt dir fein Zerftreuen, Es wird fih nur erneuen,

D Herz, warum bu zagit;

Du mußt e$ ganz durchdringen, Damit du’3 friſch bezwingen

Und im Gejang verfühnen magit.

Be

Dein Gram muß unter Thränen Sich zeit’gen erjt und dehnen

Im Wachen und im Traum;

Dann fommt ein himmlifh Wallen, Und von dir wird er fallen,

Sp mie die reife Frucht vom Baum.

VII.

Ich lieg' im tiefen Schachte,

Ein rother Edelſtein,

Von Nacht bedeckt, und ſchmachte Zu glühn im lichten Schein.

Da droben geht die Sonne; Ich träume manch Gedicht Von ihrer Strahlenwonne Aber ſie ſieht mich nicht.

VIII.

Wenn du jemals in ein leuchtend Auge Schauteſt, und in ſeiner feuchten Tiefe

Eine liebe Menſchenſeele ruhn ſahſt,

O ſo blick empor zum Himmel heute!

Denn ein glänzend aufgeſchlagnes Auge

Iſt auch er, und durch den blauen Schimmer Magſt du in den Abgrund aller Liebe, Magſt du tief in Gottes Herz hinabſehn.

IX."

Wenn es rothe Roſen ſchneit, Wenn es Liebe regnet,

Oeffne, Herz, dem Glück dich weit, Das ſo hold dich ſegnet.

Halt' im Liede feſt den Glanz Solcher Freudentage,

Doch ins Heut verſunken ganz Nicht nach Morgen frage.

Weißt du doch, der Roſenzeit Folgt die Sonnenwende, Und die Liebe lohnt mit Leid Immerdar am Ende.

X.

Im Herbſte, wann die Trauben glühn Und froh die Keltern ſchallen, Da hebt der Sinn mir an zu blühn, Das Blut mir an zu wallen.

Es treibt das Herz mich hin und her, Und zuckt wie eine Flamme; Verleugnen kann ich's nimmermehr, Daß ich von Winzern ſtamme.

Denn kam ich auch am Oſtſeeſtrand Das Licht der Welt zu ſuchen;

Mein Stammhaus ſteht im Frankenland Im Dorf zu Wachenbuchen.

Et

Da lauſcht aus Rebenlaub hervor Das Zeichen der Familie,

Auf hellem Schild hoch über'm Thor Die roth und weiße Lilie.

Und rings umber ift Weingebiet,

Und golone Ströme rinnen,

Es klingt der Tanz, es ſchallt das Lied Der roſ'gen Winzerinnen.

Erſt meinen Vater trieb fein Stern Zur Hanfaftadt im Norden,

Mo er im Weinberg dann des Herrn Ein rüft’ger Winzer worden.

Und wie mein Urahn Moſt geſchenkt Für durſt'ger Wandrer Kehlen,

Hat er mit Gnadenwein getränft Die gottesdurſt'gen Seelen.

Wohl z0g fein hoher Geift auch mid Auf ernjte Lebensbahnen,

Doch Stets, wann's heebftet, rühret ſich In mir das Blut der Ahnen.

Und Ruh noch Raft nicht hat mein Sinn, Bis ih im Kreis der Becher

Geküßt die Ihönfte Winzerin,

Geleert den vollften Becher.

xl.

O wie floß mir beglüdt ver Tag Als ausraftend ich weiland Unter deinen Cypreſſen lag, Naros, blühendes Eiland!

a |

Ab, noch hatte des Lebens Joch Mund mich nimmer gerieben; War im Hoffen ein Knabe noch Und ein Jüngling im Lieben.

Eins nur kannt' ich als hohe Wflicht, AN mein Sinnen und Denken Fromm mit jeglihbem Morgenlicht In das Schöne zu jenen.

Und jo träumt ich zur Meeresbucht Täglich nieder vom Riffe,

Droben glühte die golone Fruct, Drunten zogen die Schiffe.

Fern um finfende Tempel lag’s Wie vorweltlihe Schauer,

Doch der Zauber des heut’gen Tags Dämpfte jegliche Trauer.

Und im finnenden Mükiggang Zwiſchen Wogen und Winden Reifte leife zum Frühgeſang Mein aufblühend Empfinden.

XI.

Das ijt der Liebe eigen,

Mit Worten muß fie ſchweigen; Sie fpricht mit ſüßen Zeichen Bon Dingen ohne Gleichen.

E3 jagt die Hand am Herzen: Hier innen trag’ ih Schmerzen, Und möchte doch dies Leiden Um alle Welt nicht meiden.

De

Im Auge fpriht die Thräne: Wie ih nah die mich fehne! Mein Wollen, Denken, Sinnen 63 will in deins verrinnen.

63 ſpricht der Lippe Züden: D laß dich an mich drüden, Auf daß im Feuerhaude

Sih Seel’ in Seele tauche!

So mebt in ftummen Zeichen Sich Botſchaft fonder Gleichen ; Bon Herz zu Herzen geht fie, Doch nur wer liebt verjteht fie.

XIII.

Fern in leiſen dumpfen Schlägen Iſt das Wetter ausgehallt,

Und ein goldner Strahlenregen Flutet durch den feuchten Wald.

Wie am Grund die Blumen funkeln! Wie die Quelle ſingt im Fall! Silbern aus den tiefſten Dunkeln Blitzt das Lied der Nachtigall.

Ach, und in dem ſüßen Schallen,

In dem Glanz durch's lichte Grün,

Herz, erkennſt du in dem allen

Nicht dein eigen ſelig Blühn? Geibel, Geſ. Werke. II. 4

A =

Laß dein Singen denn und Preijen Und in Andacht laufche zu,

Mie der Frühling deine Weifen Doch noch ſchöner fpielt, al3 du.

REN,

Nun winkt's und flüftert’3 aus den Bächen, Nun duftet?3 aus dem Thal herauf;

In ungeftümer Sehnſucht brechen

Die Anospen und die Herzen auf.

Des Hirſches Trott erklingt im Walde, Im Blauen fchifft der wilde Schwan, Den Aelpler treibt’3 zur fonn’gen Halde, Der Schiffer löst den ſchwanken Kahn.

Das find die alten Zauberliever,

Die hell ins Land der Frühling fingt, Daß tief durch alles Leben wieder Ein ungeduldig Hoffen dringt.

Und in das jchallende Getriebe Hineingezogen wallſt auch du,

Und ſuchſt, o Herz, das Haus der Liebe Und pilgerjt nad dem Land der Ruh.

XV. Mein Roß geht langjam durch die Nat, In Blumen jteht die Haide, Am Monde ziehn die Wolfen fact, Wie Lämmer über die Weide,

Da kommt ein felig Stillefein

In mein bewegt Gemüte:

Mir ift es, jeßt gedenkſt du mein, Du Herz von reiner Güte,

Es ijt dein Gruß, was mir fo lind Im Windeshauch begegnet;

D fühl aud du den Gruß, mein Kind, Der taufendmal dich fegnet.

XVI.

Es ſtand in meinem Hage

Ein Eichbaum kronenlos; Von jähem Wetterſchlage

Zerſpalten war ſein Schooß.

Ihn ſchmückten keine Blätter, Kein Vöglein kam ihm nah, Er ſtand in Sonn' und Wetter Ein dunkler Rieſe da.

Und ſah ich fern ihn ragen, Geſchah mir's wie ein Leid; Ich ſchaut' in ihm zerſchlagen Die deutſche Herrlichkeit.

Doch als mit Braus gefahren Der Frühling heuer kam, Mocht' ih am Baum gewahren Ein Beihen wunderſam.

EB NE

Von neuer Kraft durcdquollen Urplöglih trieb der Schaft, Die fnorr’gen Zweige ſchwollen Getränkt von üppigem Gaft;

Hervor brach unverdrofjen

In taufend Knospen bald,

In taufend lichten Sproſſen Des Lebens Urgemalt.

Und wo noch jüngſt vom Stamme So fahl die Aeſte ſahn,

Schien eine grüne Flamme

Zu fpielen himmelan.

Und wie der Wind die Zungen: Der Flamme raufchend bog, Und wie die Vögel fungen

Im dichten Laubgewog,

Da fam auf mich hernieder Ein frifher Hoffnungstraum: Getroft! Sp grünt auch wieder Dereinit des Reiches Baum.

XV1.

Ah, das ift ver Schmerz der Schmerzen, Daß mit feinem Schwall ver Tag Selbjt ein heilig Leid im Herzen

Trüb uns überfluten mag;

Be Le

Daß wir Göttlihes erfahren,

Aber nimmer ungejtört

In der Bruft es mögen wahren, Weil der Sinn dem Staub gehört.

Wie der Geiſt inbrünftig ringe Um ein ftilles Friedenglüd:

Der gemeine Strom der Dinge Reißt uns mächtig jtet3 zurück.

Und aufs neu von Schuld belajftet, Und auf3 neu verzehrt von Neu, Bleibt im Zwieſpalt, der nicht raftet, Nur die Sehnjuht uns getreu.

Ah, dann fühlen wir’s, uns bliebe Nichts, als trojtlos Selbitgericht, Mär’ auf Erden nicht die Liebe Und die Gnad’ im Himmel nicht.

XVII.

Durch Reif und Froft im falben Hage Schreit' ih dahin bei rauhbem Wehn; So fühl’ ih, ad, dur meine Tage Mit leifer Klage

Des Herbites fühle Schauer gehn,

Wo bijt du, reihe Jugendwonne,

Du trunfner Glanz mir im Gemüt? Ah, bleih und läffig hangt die Sonne Im Nebel, die fo ſchön geglübht.

«SER

Die Freuden brechen auf und wandern, Zugvögelfhwärme, fern hinab,

Und eine Hoffnung nach der andern Fällt welt vom Baum des Lebens ab.

Nur du, gedämpfte Liedesweiſe,

Du meiner Sehnſucht tröftli Wort, Du bliebſt mir treu und raufchejt leiſe Auch unterm Eife

Wie eine heiße Duelle fort.

XIX.

Auch der Schmerz iſt Gottes Bote; erniter Mahnung heil’ge Morte Bringt er uns und öffnet leife tiefgeheimer Weisheit Pforte,

Aber unfer irrend Auge, vielgetrübt vom Staub der Mängel, Nicht erkennt es in der dunfeln Schattentracht fogleich den Engel.

Daß fein bittrer Kelch uns fromme, ach, es dünkt ung eitles Mähnen,

Und das eigne Heil mißachtend, grüßen wir's mit heißen Thränen.

Grit wenn fcheidend der Verhüllte wiederum fih von ung wendet,

Sehn mir plöglih über'm Haupt ihm eine Glorie, die uns blendet.

Durch die dunkeln Schleier brechen Silberflügel, klar getheilte, Und die Seele ahnt es ſchauernd, welch ein Gaſt bei ihr verweilte.

XX.

Nun will der Oſt ſich lichten, Die Hähne krähn von fern, Und über ſchwarzen Fichten Erglänzt der Morgenſtern.

Und wie das Haar mir ſtreifen Die Lüfte kühl erwacht,

Da mag ich's kaum begreifen, Daß ich geweint zu Nacht.

Zergangen iſt mein Trauern; Ich fühl' es tief zur Friſt, Wie du in dieſen Schauern, O Herr, mir nahe biſt.

Und deines Friedens ſelig, Mit ruhig heiterm Blick

In deine Hand befehl' ich Auch dieſes Tags Geſchick.

XXI.

Wohl flog mit rothen Wipfeln einſt Mein Schiff in junger Zeit;

Dann kamen Sturm und Wetter, Da trug ich ſchweres Leid.

Doch wie der frühe goldne Traum Zerging des Kummers Laſt;

Nun ſchau' ich nach den Sternen Vom Steuer, ernſt gefaßt.

Ta ee

Was immer fam, ich hab's erkannt,

Am legten war es gut; Das hat mein Herz gegürtet Mit einem feiten Muth.

Jahr zu, mein Schiff, fahr fröhlich zu

Durh Glanz und Nebelrauch! In deinen rajchen Segeln Der Wind ift Gottes Haud.

XXII.

Seiner Tage dunkles Ringen, Seines Volks Begehr und Streit, Alles mag der Dichter ſingen, Aber viel gehört der Zeit.

Mag er zorn'gen Kampf erheben, Wenn's der Augenblick gebeut; Doch dazwiſchen ſoll er weben Was ſich fort und fort erneut.

Denn es werden einſt Geſchlechter, Die auf ſeinen Siegen ſtehn, Ungerührt im wunden Fechter Nur ein prächtig Schauſpiel ſehn.

Das nur wird durch ihre Reihen Gehn mit vollem Widerklang, Was er von den ew'gen Dreien, Gott, Natur und Liebe ſang.

ne

XXI.

Nun fih Laub und Anospe dehnen, Und der Wald in Beilhen blüht, Glüht auch mir das alte Sehnen Wie ein Feuer durch's Gemüt.

Ruhig jind nur die da ftarben; Herz, du ſpürſt zu diefer Friſt An dem Brennen deiner Narben, Daß du noch lebendig bift.

XXIV.

Ueber der dunkeln Haide

Mie weit, wie ar die Nacht! Mein Aug’ in ftiller Weide Verſinkt in ihrer Pracht.

Aufblinkend fließt durch's Blaue Wie Gold der Sterne Zug; Ich jpüre, wie ich's fchaue, Der Erde leifen Flug.

Das Haupt zurücdgebogen, Emporgejpannt den Blid, Fühl' ich's in mir wie Wogen Leis flutender Muſik,

Als käm' ein Widerhallen Von jenen Harmonien, Darin die Sphären wallen, Durch meine Bruſt zu ziehn.

Te XXYV, Lilie du im Rojengarten, Leicht und hoch auf ſchlankem Stamme

Schwebit du in den Morgenlüften, Eine zarte Silberflamme.

Mie dein Kelch dem Strahl erjchloflen Sih nad unten fejt verjchränfet: Eigen ſcheinſt du kaum der Erde, Nur dem Himmel, der dich tränket.

Ab, du grüßeft mich von Einer, Die ich rein, wie dich, erkannte, Die ich einjt mit füßem Namen Seele meiner Seele nannte,

Die mich lehrte, wie die Liebe

Himmlifch fich enthüllt in Schmerzen

Wenn ich ihrer nur gedente, Wird es Sabbath mir im Herzen,

XXVI.

Laß dich nicht gereun der Thränen, Die du liebend einſt geweint! Unverloren blieb dein Sehnen, Ob du's anders auch gemeint.

Was als Blume du zu pflücken Allzuraſchen Sinns geglaubt,

Sieh, nun flammt's, dich zu entzücken, Dir als Sternbild über'm Haupt.

ne 7 Dr XXVI.

D laßt mir meine jtille Weife, D reißt mich nicht hervor an's Licht! Mich dürjtet nicht nach eurem reife Und eure Bahn ift meine nicht.

Dem Sänger find genug der Schlingen Vom eignen heißen Blut gelegt;

63 frommt das Map in allen Dingen, Und doppelt, wo man Geijter wägt.

Sit diefer Brust ein Ton bejchieden,

Der jtimmt in eures Herzens Schlag: Wohlan, jo gönnt mir Raft und Frieden, Daß ih ihn voll verjtrömen mag!

Doch nit wo bei der Kerzen Funkeln Den Reigen wilde Laune führt, Der Gott hat immer nur im Dunkeln Die Seele tönend mir berührt.

Cr flieht die Stätten, wo die Menge

Sih Götzen formt und dann zerbricht; Drum laßt mich mwerth fein feiner Strenge Und reißt mich nicht hervor an’s Licht!

XXVIII.

Sieh das iſt es, was auf Erden Jung dich hält zu jeder Friſt, Daß du ewig bleibſt im Werden, Wie die Welt im Wandeln iſt.

Er

Mas dich rührt im Herzensgrunde, Einmal fommt’s und nimmer jo; Drum ergreife kühn die Stunde, Heute weine, heut fei froh!

Sieb dem Glüd dich voll und innig, Trag' es, wenn der Schmerz dich preßt, Aber nimmer eigenjinnig

Ihren Schatten halte feit.

Heiter jente was vergangen

In den Abgrund jeder Nacht!

Soll der Tag dich frifh empfangen, Sei getreu doch neu erwadt.

Frei dich wandelnd und entfaltend, Wie die Lilie wächst im Feld, Wachſe fort und nie veraltend Blüht und klingt für dich die Welt.

XXIX. Durch Erd’ und Himmel leiſe Hinflutet eine Weiſe Wie fanftes Harfenwehn, Die jedem Dinge Fündet, Wozu es ward gegründet, Woran es foll vergehn.

Sie jpriht zum Adler: Dringe Zur Sonne, bis die Schwinge Dir trifft ein Wetterjchlag! Spriht zu den Wolfen: Regnet, Und wenn die Flur gejegnet, Zerrinnt am golonen Tag!

EP

Sie fpriht zum Schwan: Durcmalle Die Flut und dann mit Schalle

Gin jelig Grab ermirb!

Sie fpricht zur Feuernelfe:

In Duft glüh' auf und melfe!

Zum Weibe: Lieb’ und ftirb!

XXX.

Nah des Siechthums langer Plage Endlich diefe lichten Tage,

Blauer Himmel, ſtiller See; Rebenduft in fonn’gen Lüften, Tannen über ſchwarzen Klüften, Und von fern der Gletſcher Schnee! Ah, da fommt noch einmal wieder Innig Wohlfein auf mich nieder, Und im warmen Born der Lieder Löst fih auch das legte Weh.

Sprüde.

I.

So lang du wallſt auf Ervenbahnen, Dem Irrthum, Freund, entgehit du nicht; Doh läßt dich Irrthum Wahrheit ahnen, Irrthum ift Farbe, Wahrheit Licht.

2.

Freude ſchweift in die Welt hinaus, Bricht jede Frucht und koſtet jeven Wein; Riefe dich nicht das Leid nah Haus,

Du kehrteſt nimmer bei dir felber ein.

3:

Wider den Schmerz dich zu vermauern, Sit fo verkehrt wie maßlos Trauern;

Du follft von ihm di mahnen lafjen,

In dir dein Höchſtes doppelt feit zu faflen.

RE

Du weißt, ein Leid aus Gottes Hand Durchläutert dich wie Feuerbrand.

Sp lerne, wenn dich Menfchen Fränfen, Daß Gott au dies dir fehict, zu denken ; Das mindert zwar nicht ihr Verfehulden, Aber e3 reinigt dein Erdulden.

5.

Das magſt du ſelbſt am Kleinſten ſpüren: Wo die Schuld gegangen hinaus,

Immer durch dieſelbigen Thüren

Tritt die Buße zu dir ins Haus.

b.

Schreibe mit unbedachtem Stift

Kein leichtes Wort an die leere Wand! Daß keinen Reim dir eine Geiſterhand Darunterſchreibe, der ins Herz dich trifft,

(+

Wenn mas Gott dir zur Freude befcheert Deine Thorheit in Leid verkehrt,

Wird er dich Fünftig der Müh' überheben, Und das Leid dir ſchon fertig geben.

SE

8.

Mie follen die Freuden dir wiederfommen, Menn du fie ruchlos aufgenommen !

Sp mande trat zu dir ins Haus,

Und ging als Sünde wieder heraus.

EN

Zerlege nur und ruhe nimmer!

Wie fein dein Scharflinn mißt und trennt, In allem Höciten bleibt dir immer

Ein unergründlih Clement.

10.

Heißt dein Herz dich Gutes thun, Thu e3 rein um deinetwillen ; Läßt das Schöne dih nicht ruhn, Bild’ es, deinen Trieb zu ftillen; Doch das lafje dich ungeirrt, Was die Welt dazu jagen wird.

34;

Warum du wider alles Hoffen

Noch niemals mitten ins Schwarze getroffen? Weil du's nicht laffen konnteſt, beim Zielen ‘Immer ins Bublitum zu jchielen.

12. Sobald ſich Wahrheit nur, das junge Kind, Don weiten zeigt und ruft: „Macht auf geſchwind!“ Sp lauert auch ſchon grimmig hinterm Thor Die alte Lüg' und ſchiebt den Riegel vor.

1, Lüge, wie fie ſchlau fich hüte, Bricht am Ende ftet3 das Bein; Kannſt du wahr fein nit aus Güte, Lern’ aus Klugheit wahr zu fein.

14. Menn du giebit, gib ungefehn, Ganz dem Freund und mild dem Armen; Thu’3 aus innigem Erbarmen, Und vergiß es, wenn's gejchehn.

15 Undanf iſt ein arger Galt; Uber an den angethanen Liebesdienjt den Freund zu mahnen, Sit jo arg wie Undank fait.

16. Wenn dir die Freude zu trinfen beut, Thu’ einen herzhaften Zug für heut; Willft du den Krug bis zum Grunde genießen, Wird dir die Hefe dazwiſchen fließen.

Seibel, Ge. Werke. II. 5

17. Sp du als Wirth zu Tiſch dich fegeft, Schenke du nur vom beiten Wein; Denn wie du deine Gäſte ſchätzeſt, Sp wird dir felbjt das Gajtmahl fein.

18. Gönne dem Herbjt zum Eigenthume Den blafjen Kranz doc, der ihn ſchmückt! Sit denn die Witer feine Blume, Weil dich die Roſe höher entzüdt?

19. Greift nur nad jedem bunten Schein, Euch den Gejellfhaftsjaal zu ſchmücken! Aber die Kunſt geht nicht hinein, Sie müßte gar zu tief ſich büden.

20. Biſt vu betrübt, befeligt, Herz, Sp meide der Gejellihaft Fragen; Dein höchſtes Glüd, dein tiefſter Schmerz Sind ihnen nichts, als Stoff zum Schwagen.

21. Recht ift hüben zwar wie drüben, Aber darnach Jollit du traten, Eigne Rechte mild zu üben, Fremde Rechte ftreng zu achten.

22.

Kenn’, o kenne deine Sphäre, Laß fie nimmer ohne Noth!

Bilt du Seefiſch, bleib’- im Meere, Süßes Wafler ift dein Top.

23.

Mas du gründlich verjtehjt, das mache, Mas du gründlich erfuhrit, das jprich ! Bilt du Meijter im eignen Face, Schmäht fein Schweigen im fremden did. Das Reden von Allem magjt du gönnen Denen, die jelbjt nichts machen können.

24.

Laß dir den frifhen Muth nicht beugen

Durch des BVerzweiflers Jammerſpruch.

Er johreit: „Die Zeit kann nichts mehr zeugen,“ Sonſt fühlt’ er felbit ſich als Eunud.

25.

Mit wen’gen fommjt du nimmer fort, Doh hunderttaufend bring’ zufammen ; Dann fpri es aus, das rechte Wort, Sp jegeft du die Welt in Flammen.

26. Viel lieber Hoffart unverblümt, Als wenn bei feines Unwerths Proben Dir Einer feine Bejcheidenheit rühmt, Und doch nur will, du jollit ihn loben.

27. Mit unſrer Tagskritik verdarb ich's leider, Daß ih fie nie um ihre Weisheit frug; Sie Hopft no ſtets die abgelegten Kleider, Die ih vor fünfzehn Jahren trug.

28. Bon greifen Knaben welche Bande Tobt dort heran, und lärmt und jchreit? Sie reden irr vom Menfchenverjtande Und find beraufht von Nüchternbeit.

29. Wirf dein Talent nicht jo hinaus, Beleidigung damit zu rächen! Die Biene, die verfuht zu ftechen, Bringt feinen Honig mehr nah Haus.

30. „Wie fol ih mich im großen Schwalle Zur Geltung bringen, jag’. mir's an!“ Mah Eins nur treffliher als alle, Nur Eins, was fo fein andrer fann.

31.

Klug ift, wer jtetS zur rechten Stunde fommt, Doch Flüger, wer zu gehn weiß, wann es frommt.

IR.

Der jpielt leicht übermüthig Spiel,

Wem gleih der Sieg vom Himmel fiel; Mer fiegen lernt’ in Niederlagen,

Wird auch das Glüd des Siegs ertragen.

33.

Da3 wollen wir PBlaten nicht vergefien, Daß wir in feiner Schule geſeſſen; Die ftrenge Pflicht, die römische Zucht, Sie trug uns allen aute Frucht.

Aber wir möchten dabeı nicht bleiben, Das Dichten wieder deutich betreiben, Und gehn, wohin der Sprache Geift Mit ahnungsvollem Laute weif't.

34.

Was rühmft du deinen jchnellen Ritt! Dein Pferd ging durh und nahm dich mit.

35.

Srrational erfcheint das Leben; Die Kunſt foll feine Brüche geben.

36. Zwed? Das Kunjtwerf bat nur einen, Still im eignen Glanz zu rubn; Aber durch ihr bloß Erjcheinen Mag die Schönheit Wunder thun.

37. Höchſtes Glück ift Furzes Bligen, Fühl's und fprih: auf Wiederkehr! Ließ' es dauernd fich bejigen, Waär' es höchſtes Glüd nicht mehr.

38. Nur nicht dies und das verlangen Sollit du, wenn die Stunde fommt; Was fie bringt, das lern’ empfangen, Und fie bringt gewiß, was frommt.

39. Zanke nie, wenn deiner Klarheit Herb ein Graufopf widerſpricht; Reigentanz und junge Wahrheit Lernen fih im Alter nicht.

40. Nicht ein Sinn, erfühlt zu Eis, Ueber Sünden wilder Jugend Richte nur, wer ftark in Tugend Selbſt doch von Verfuhung weiß.

41. Bangt dir um deiner Knaben Seelen, Sp halt’ fie ſcharf in Sitt’ und Zudt; Ihren Glauben magjt du Gott befeblen, Denn Glaub’ ift erſt des Lebens Frudt.

42. Streb’ in Gott dein Sein zu jhlichten, Werde ganz, jo wirft du ſtark: AU dein Handeln, Denken, Dichten Quell’ aus Einem Lebensmark. Niemals magjt du reinjten Muthes Schönes bilden, Gutes thun, Wenn dir Schönes nicht und Gutes Auf demfelben Grunde ruhn.

43, Wo Schönheit fih und Güt' entzwein, Da wird die Schönheit nit mehr rein, Oder die Güte nit ganz mehr ſein.

44,

Gott würde dich jo hart nicht fallen, Hätteft du fanft dich führen laſſen.

45. Kommt dir ein Schmerz, jo halte ftill, Und frage, was er von dir mill. Die ew’ge Liebe jhidt dir feinen Blok darum, daß du mögejt meinen.

46.

Wird die Luft auch trüb und trüber, Wandellos bleibt Gottes Huld: Leide dich nur, es geht worüber, Wenn du Eins gelernt: Geduld.

47.

Wie ein Adler aus dem Blauen

Sit der Schmerz, der feine Klauen Jählings ſcharf ins Fleifeb dir jchlägt, Aber dann mit jtarfem Flügel

Ueber Wipfel dih und Hügel

Zu des Lebens Gipfeln trägt.

48.

Giebt die Noth dich wieder frei, Prüfe dich mit frommem Eifer,

Ad, und wardſt du drin nicht reifer, Sprich noch nit: fie iſt vorbei.

Vermiſchte Gedichte.

Bmweites Bud.

Münden.

Die Erde.

Wohl haft du einjt mit hoher Wonne Mein junges Herz geträntt, Natur,

Wenn mid der Glanz der Frühlingsjonne Zur Ferne zog durh Wald und Flur; Bertieft in mich, mit halbem Lauſchen

An deinen Wundern jtreift’ ich hin,

Und wob in all vein Blühn und Rauſchen Der eignen Bruft geheimjten Sinn.

Do heilig erniter iſt Die Feier, Damit du jest mein Herz ummebit, Wenn du den falt’gen Iſisſſchleier Dom hohen Antlig lüften hebit; Wenn du vom Reiz der bunten Schale Mein Auge till zur Tiefe lenkſt,

Und aus des heut’gen Tages Strahle Ins Dämmerliht der Urzeit ſenkſt.

et

Da offenbart im Schwung der Auen, In ſchwarzer Grotten Säulenſchooß Sib mir der Welle leifes Bauen,

Des Feuers jacher Zornesitoß;

Da fingt der Gurt geborjtner Schichten Ein beilig Lied mir vom Entitehn, Und läßt in wandelnden Gelichten

Die Schöpfung mir worübergehn.

Und wieder ſchau ich's, wie mit Toben, Dom unterird’fhen Dunſt gedrängt, Der flüfj’ge Kern des Erdballs droben Die meergebornen Krujten jprengt; Wie er, ein Strom von zähen Gluten, Bis in die Wolfen rauchend ftürmt, Und über Thäler dann und Fluten Zergipfelt zum Gebirg ſich thürmt.

D Rieſenkampf der Urgemalten,

Drin eine Welt fih gährend rührt,

Der von Gejtalten zu Geſtalten

Mich auf ein legt Geheimniß führt ! Denn mie ih raftlos rückwärts dringe Bon Form zu Form, erlifht die Spur; Ich fteh’ am Abgrund, draus die Dinge Der erſte Lebenspuls durchfuhr.

Da fällt ins zagende Gemüte

Ein Glanz aus tiefſten Tiefen mir: „Im Anfang war die ew'ge Güte, Und tauſend Engel dienen ihr!“

Und wie ſie licht in Flammen wallen, In Fluten brauſen allerorts, Empfind' ich ſchauernd über allen Den Hauch des unerſchaffnen Worts.

Herakles auf dem Defa.

Halt aus! Und ob's wie frejjend Feuer aud) Bis ans Gebein dir zehrt; dies ijt das lebte, Was du zu dulden hajt, halt aus mein Herz!

In Qualen no des Todes preij’ ich dich,

D Vater Zeus, Erhabner; denn ich weiß,

Du halt dem Sohne, dem in Sterblichkeit Geborenen, auch dies zum Heil verordnet, Und ziehit durch Leid und Hige den du liebit, Weil er dich ſucht, in deine Klarheit nad.

Aus eitel Kampf und Mühfal mwebteit du

Mein irdiſch Loos, und wie des Ringer3 Stunde Am Tag der Spiele ging mein Leben hin. Hab’ ih vom Aufgang bis zum Niedergang Den Erdkreis nicht bemandert? Hab’ ich nicht, Der nadte Mann, gerungen bis aufs Blut Mit all der Riefenbrut der ſchwangern Wildniß, Die, aufgequollen aus dem Element,

In troß’ger Urkraft jeder Sühnung lachte,

Bis diefe Sehnen ihre Wuth ervrüdt?

Hab’ ich nicht deines Himmels ſtolz Gemölb Getragen auf den Schultern hier, und bin Hinabgeitiegen zu den Pforten drunten

Der ew’gen Nacht, dab ih den Wächter dort Mit meiner Hand, den grimmen, bändigte ?

Nicht reut der Arbeit mih. Im Schweiß des Kampfes Wuchs in der Brujt der Kühnheit Blüte mir,

Des Harrens Muth, und meiner Glieder Kraft

Ward wie gejchmiedet Erz. Doc preiſ' ich dic

Um Größeres. Denn wo die Brüder mir

IRB SE

Troſtlos verzagten, oder eingehüllt

In dumpfen Trotz unwillig nur dem Schidfal, Wie einer maßlos fremden Macht, fich beugten, Da gabjt du mir’s, durch alles Irrſals Graus Das Walten deiner Segenshand zu ahnen; Und immer, wenn ich der gewalt’gen Noth, Der unbeugjamen, fejt ins Auge blidte,

Zulegt erfannt’ ic in den jtrengen Zügen Dein Antli doch, o Vater, wie's auf mid Auch jo Verheißung lächelnd nievderfah.

Heil mir! Denn wieder wie durch Schleier ſeh' ich's Zu diefer Stunde. Horb, Schon rollt, ſchon rollt Um Deta’3 Gipfel aus entwölktem Blau

Dein naher Donner Gnade fündend ber,

Und winkend zudt wie Adlerflügelſchlag

Dein Bli herab. Hab’ Dank, hab’ Dank, es lodern Um mich die Scheiter; über, unter mir

Schlagen der Löjung Flammen jaudzend auf,

Und wie das Staubgeborne endlich, endlich

Sleih wie ein mürb Gewand berniederflodt,

Trägt mid des Rauches blühend Goldgewölk Hinauf, hinauf zu dir, und jchauernd trink' ich

In deinem Odem, der won oben mir

Begegnet, Jugend und Unjterblichkeit.

Dh fuhr von Hf. Goar.

Ih fuhr von Sankt Goar Den grünen Rhein zu Berge; Ein Greis im Silberhaar War meines Nachens Ferge.

MD N, 1:

Wir plauderten nicht viel, Die Felfen ſah ich gleiten Dahin im Wellenfpiel,

Und dachte vor’ger Zeiten.

Und als wir an der Pfalz Bei Caub vorüber waren, Kam hellen Lieverfhalls

Ein Schiff zu Thal gefahren.

Ins weiße Segel ſchien

Der Abend, daß er glühte; Studenten faßen drin,

Mit Laub umkränzt die Hüte,

Da ging von Hand zu Hand Der Kelch von grünem Glafte; Das ſchönſte Mägdlein ftand In golonem Haar am Mafte;

Sie ftreute Rofen roth Hinunter in die Wogen, Und grüßte, wie im Boot Wir ſacht vorüberzogen.

Und horch, nun unterfchied

Das Singen ich der Andern: Da war's mein eigen Lied,

Ich jang e8 einft vom Wandern;

Ich ſang's vor manchem Jahr, Berauſcht vom Maienſcheine, Da ich gleich jenen war Student zu Bonn am Rheine.

Be, 7a

Wie ſeltſam traf's das Ohr Mir jetzt aus fremdem Munde! Ein Heimweh zuckt empor

In meines Herzens Grunde.

Ich lauſchte, bis der Klang Zerfloß in Windesweben;

Doch ſah ich drauf noch lang Das Schifflein glänzend ſchweben.

Es zog dahin, dahin

Still ſaß ich, rückwärts lugend; Mir war's, als führe drin Von dannen meine Jugend.

Kein Hauch von Flur und Bald.

Kein Hauch von Flur und Wald! Dom Fluß ein Raufhen faum! Mein Schritt allein erjchallt Gedämpft im mweiten Raum.

Ihr Sternenzmwielicht gießt

Die Lenznacht erdenwärts,

Und ihre Friſche fließt

Verjüngend an mein Herz. |

Die mild in mir gejtrebt,

Des Tags Begier, entmweicht; | In meinen Adern ſchwebt | Das Leben liht und leicht. |

Faft iſt's, als jtreifte fühl Mir eine Geijterhand

Vom Haupte das Gefühl Der Schwere, die mic band.

ea

Und fchauernd wonniglich

In dunkler Lüfte Schwall Ergießt die Seele ſich

Und ſchwimmt gelöst im Al.

Aus dem Hchenkenbud). 1.

Mein her! Wein, damit du es lernit, Herz, geduldig zu harren;

Weil du fehier mir brächeſt am rnit, Gehn wir unter die Narren.

Weil zwei Schritte vor deiner Thür Nichts vom Leben mehr dein ift, Laß das Klügeln und forjche dafür, Wo der feurigite Wein ift.

Schwärmen wollen wir eine Zeit Bei den trunfenjten Wirthen; Aber e3 liege das Schwert bereit Unter dem Grün der Morten.

2.

Handeln und fingen in guten Tagen,

In böfer Zeit dazwiſchen fchlagen,

Diver, bijt du verdammt zu ruhn:

Nur nit in müßiges Grollen verfinfen ! Immer noch beijer ift Schwärmen und Trinken, ALS fih ärgern und gar nichts thun.

80

Gegrüßt jei, wer mir kühnbeſchwingt

Gedanken bringt und Lieder fingt!

Gegrüßt, wer harmlos mir vertraut,

Was ihn bevrüdt, was ihn erbaut!

Doch wer mir Gelahrtheit brodt in ven Wein, Der joll mein Zechgenok nicht fein.

4.

Bringet Kerzen, Wein und Saiten, Doch dann lat dem Ding den Lauf! Freude läßt fich nicht bereiten,

Mie die Blume geht fie auf.

d.

Recht zu trinken it auch eine Kunſt,

Die nicht jeglicher weiß zu faſſen;

Du folft ven Wein in dir walten laſſen, Aber als Feuer, nicht als Dunft.

6.

Menn du Flafhen frifch entjiegelit, Thu's mit Sinn und thu's als Meifter; Denn es ilt daS Reich der Geilter, Deſſen Pforten du entriegelft.

[# Das ſoll dir nicht verhohlen fein, Drmuz und Ahriman haufen im Wein; Unter dem Stöpfel im Goldenen, Blanten Schweben die freudigen Lichtgedanken; Ahriman kauert am Boden der Flafche, Und lauert, daß er dich erhaſche.

8. 63 prüft fein Schwert an Flod und Flaum Sein Gold im Tiegel der Kenner: Der Weinſtock ift der Erfenntniß Baum Für die Seele ver Männer.

SE

Lak mir die Knaben vom Feite Denn fie haben noch nichts erlebt! Das it am Weine das Beite,

Daß die Erinnerung drüber jehmwebt.

10. Set mir, joll ich heiter ſchlürfen, Nicht den ſchmächt'gen Schoppen her; Mag ih auch nicht mehr bedürfen, Doh empfinden mill ich mehr.

Flaſchen laßt mich auf dem Tifche, Fäller an ven Wänden fehn.

Daß mich gründlich was erfrifche, Muß es aus dem Vollen gehn.

Geibel, Gef. Werte. II. 5

BE

11.

Das iſt im Wein die Gotteskraft,

Daß er zerfprengt des Staubes Haft Und deinen Geift auf goldner Schwinge Entrüdt zum Mittelpunkt der Dinge, Wo du die Erde jehauft von fern

Im Gternendor als lichten Stern.

12.

Tief am Grund im güldnen Becher

Liegt der Schlüfjel zum Paradies:

Willſt du ihn finden, fo jet nur ein Zecher Wie Sofrates und wie Hafis.

13.

Suche den Hauch vom Jugendlenze

Beim Wein zu nah nicht noch zu weit!

Gr weht nur eben auf der Grenze Zmifchen dem Rauſch und der Nüchternheit.

14.

Schütte dein Herz in den Becher nur, Sp müfjen die Sorgen verfinfen,

Aber die Thorheit ift leicht von Natur, Die wird nicht mit ertrinfen.

15. Mein, ver glühende Freier, D mie jcehmeichelt er traut! Feurig hebt er den Schleier Meiner Seele, der Braut.

Feurig hebt er ven Schleier, Und fie läßt ihm jein Recht; Aus der trunfenen Feier Sproßt ein Liedergeſchlecht.

16. Augen feurig und feuriger Wein, Mo die zujammen hantieren, Da müßt’ ich ja fühl wie der Nordpol fein, Um nicht den Kopf zu verlieren,

Lab ihn denn fahren dahin, ven Wicht! Er ſchuf mir nur Grillen und Schmerzen; Berliebte und Trunfene brauchen ihn nidt, Sie denken mit dem Herzen.

2.

Der Schenk beſchließt. Frohſten Austauſch hin und wieder Bot ih heut als wackrer Schenk; Gabt ihr Stimmung mir und Lieder, Gab ich euch mein beſt Getränk.

Mild durchwärmt und leicht erhoben, Friſch zu jedem Werk und klar, Sollt ihr's mir erſt morgen loben, Daß mein Wein vortrefflich war.

——

Frühlingsmyfhus.

Mie fchauert heute durch die Lüfte Gin allgewalt’ger Sehnſuchtshauch! 63 dringt bis in die tiefiten Klüfte Der Sonnenjtrabl durch Dunft und Raud.

Und drunten bebt ſich's ihm entgegen, Wie er vie eif’gen Schleier Tüpft;

Du fpürft es, wie in jungen Schlägen Das Herz der Erd’ erwachend büpft.

Aus ihrem Bufen ringt ein Fäceln Wie leifes Athmen fich hervor,

Sie ſchlägt mit träumerishem Lächeln Des Waſſers blaues Aug’ empor.

Da geht aus uralt dunfeln Tagen Ein Klang durch meine Bruft dahin, Sm Räthjelwort verjhollner Sagen Vernehm ich ahnungsvollen Sinn;

Und über’3 dampfende Gefilve

Sing’ ih das Lied als Frühlingsgruß, Wie einft vom Zauberihlaf Brynhilde Gmporgebebt vor Sigurds Kup.

Höchſtes Leben.

O linder Frühwind, Schein der Sonne,

Wie füllt ihr heut mir Herz und Sinn! Getaucht in euch empfind' ich ganz die Wonne, Das holde Wunder, daß ich bin.

2

Es ſchwebt mein Geijt in freudigem Genügen, Gelöst von jeder Mühe, jedem Zwang;

Er athmet nur in leifen Zügen,

Allein fein Athmen wird Gejang.

Und wie ein kühles Feuer im Gemüte

Mir fpielend Ruhn und Thun in eins verklärt, Fühl' ich entzüdt; dies it des Lebens Blüte, Und preije den, der mir auch das beicert.

Die Braut. Am Tage vor der Hodzeit.)

Wie ſchmachtet' ih noch jüngſt Um ſeinetwillen!

Und dennoch wein' ich nun Für mich im Stillen.

Ach, als er heute mich So heiß umfangen, Kam in die Seele mir Ein endlos Bangen.

Schluchzend an ſeinem Hals Konnt' ich nicht ſprechen; Mir war's, als wollte was In mir zerbrechen.

Das höchſte Glück, jo nah, Macht, daß ich bebe

O Liebſter, wüßteſt du, Was ich dir gebe!

ES gar >

Auf dem Hee.

Nun fließt die Melt in fühlem Monvenlicht,

Die Berge find in weißem Duft verſunken;

Der See, der leif’ um meinen Kahn fih bricht, Spielt fern hinaus in irren Gilberfunfen,

Do fein Geftad’ erfenn’ ich nicht.

Wie weit! Wie ftill! Da jchließt in mir ein Sinn Sih auf, das Unnennbarfte zu verjteben;

Uralte Melovieen geben

Durch meine Bruft gedämpft dahin.

Es finkt, wie Thau, der Ewigkeit Gedanke

Kühl fehauernd über mich und füllt mich ganz, Und mid umflutet fonder Schranfe | Ein uferlojes Meer von weißem Glanz. |

Romanze.

Die mit dem Reiz der braunen Glieder Im Tanz bezaubert jeden Sinn,

Sie ſchwingt das Tamburin nicht wieder, Flamenca, die Zigeunerin.

ee

———

Sie trug das Haar im Purpurnetze, Den blanken Fuß im Seidenſchuh; Nun deckt der Schattigſte der Plätze Den Schlaf des ſchönen Wildlings zu.

N

D raftet nicht am Maulbeerftamme, Ihr Knaben, feid auf eurer Hut! 63 jpielt im Dunkeln eine Flamme Empor vom Boden, wo fie ruht.

Und oft beim Duft der Nachtviole, Sagt man, daß fie den Rafen fprengt, Und mit langfamem Blid zur Kohle Dem, der fie jchaut, das Herz werjengt.

Mädchenlied.

Der du am Sternenbogen Als Erſtling kommſt gezogen, Schön vor den Brüdern du, O ſei mit deinem Strahle Gegrüßt ſei tauſendmale Lieblicher Bote der Ruh!

Schon löſeſt du das Bangen, Das mich am Tag umfangen, Mit kühlem Dämmer ſacht, Und läſſeſt mir im Innern Aufgehn ein ſüß Erinnern Wie eine Blume der Nacht.

Gudruns Klage.

Nun geht in grauer Frühe Der ſcharfe Märzenwind, Und meiner Qual und Mühe Ein neuer Tag beginnt.

Ich wall' hinab zum Strande Durch Reif und Dornen hin, Zu waſchen die Gewande Der grimmen Königin.

Rn

Das Meer ift tief und berbe, Doch tiefer ift die Pein,

Von Freund und Heimatserbe Allzeit geſchieden fein;

Doch herber iſt's, zu dienen In fremder Mägde Schaar, Und hat mir einjt gefchienen Die güldne Kron’ im Haar.

Mir ward fein guter Morgen,

Seit ih dem Feind verfiel:

Mein Speif’ und Trank find Sorgen, Und Kummer mein Gefpiel.

Doch berg’ ich meine Thränen

In ſtolzer Ginfamleit;

Am Strand den wilden Schwänen Allein ſing' ich mein Leid.

Kein Dräuen ſoll mir beugen Den hochgemuten Sinn; Ausduldend will ich zeugen, Von welchem Stamm ich bin. Und fo fie hold gebahren,

Wie Spinnweb acht' ich's nur; Ich will getreu bewahren

Mein Herz und meinen Schwur.

O Ortwin, trauter Bruder,

O Herwig! Buhle werth,

Was rauſcht nicht euer Ruder, Was klingt nicht euer Schwert! Umſonſt zur Meereswüſte Hinſpäh' ich jede Stund:

Doch naht ſich dieſer Küſte Kein Wimpel, das mir kund.

——— —— ——

SET? ©. Me —— Er

NH

Ich weiß es: nicht vergeſſen

Habt ihr der armen Maid;

Doch iſt nur kurz gemeſſen

Dem ſteten Gram die Zeit.

Wohl kommt ihr einſt, zu ſühnen; Zu retten, ach, zu ſpät,

Wann ſchon der Sand der Dünen Um meinen Hügel weht.

Es dröhnt mit dumpfem Schlage Die Brandung in mein Wort; Der Sturm zerreißt die Klage Und trägt beſchwingt ſie fort.

O möcht' er brauſend ſchweben Und geben euch Bericht:

„Wohl laſſ' ich hier das Leben, Die Treue laſſ' ich nicht!“

Volkers Nachtgeſang.

Die lichten Sterne funkeln

Hernieder kalt und ſtumm;

Von Waffen klirrt's im Dunkeln,

Der Tod ſchleicht draußen um. Schweb' hoch hinauf mein Geigenklang! Durchbrich die Nacht mit klarem Sang!

Du weißt den Spuk von dannen

Zu bannen.

Wohl finſter iſt die Stunde,

Doch hell ſind Muth und Schwert; In meines Herzens Grunde

Steht aller Freuden Herd.

SD U

O Lebenzluft, wie reich du blübjt! O Helvenblut, wie kühn du glühft! Mie gleicht der Sonn’ im Scheiven Ihr beiden,

Sch vente hoher Ehren, Sturmluft’ger Jugendzeit,

Da wir mit feharfen Speeren Hinjauchzten in den Streit.

Hei Scildgefrah im Sachſenkrieg! Auf unfern Bannern ſaß der Sieg, Als wir die erften Narben

Erwarben.

Mein grünes Heimatleben, Wie tauchſt du mir empor! Des Schwarzwalds Wipfel weben Herüber an mein Ohr; So ſäuſelt's in der Rebenflur, So braust der Rhein, darauf ich fuhr Mit meinem Lieb zu zweien Im Maien.

O Minne! wunderſüße, Du Roſenhag in Bluſt, Ich grüße dich, ich grüße Dich heut' aus tiefſter Bruſt! Du rother Mund, gedenk' ich dein, Es macht mich ſtark wie firner Wein, Das ſollen Heunenwunden Bekunden.

Ihr Kön'ge, ſonder Zagen Schlaft ſanft, ich halte Wacht; Ein Glanz aus alten Tagen Erleuchtet mir die Nacht.

A,

Und fommt die Früh’ im blut’gen Kleid: Gott grüß dich grimmer Schwerterftreit ! Dann magſt du, Tod zum Reigen

Uns geigen!

Abſchied von Lindau. Herbſt 1854.

Valet muß ich dir geben,

Du alte Lindenſtadt;

Schon glüht an deinen Reben Wie Purpur Blatt um Blatt; Schon jtiebt es von den Wipfeln Und dunkler treibt der See, Und auf der Berge Gipfeln Grglänzt ver erjte Schnee.

Du bijt mir hold gemefen ; Sp nimm des Gaftes Dan, Der hoffnungsvoll Geneſen Aus deinen Lüften tranf, Den nah verjährter Plage Am grünen Fiutenring Durchſonnter Frühherbfttage Beglüdte Raſt umfing.

Da lernt’ ih fromm auf's neue Die Stimmen all verftehn,

Die durch des Himmels Bläue Im Zug des Windes gehn; Was in den Wellen fchauert, Mas in des Waldes Grund Sehnſüchtig glänzt und trauert, Noch einmal ward’3 mir fund.

Ich ſah, wenn längft verfunfen In Schwarz der Thäler Grün, Am Schneehorn purpurtrunten Ein heiß Erinnern glühn;

Wo grimm dur Klippenbogen Der Gießbach Bahn fi ſchuf, Erſcholl mir's aus den Wogen Wie trotz'ger Jubelruf.

Und wie im ſegelhellen Beſonnten Griechenſchiff

Mich einſt auf blauen Wellen Das Lied Homers ergriff, Sprach hier in dunklen Zungen Aus Felsgeklüft und Tann Der Geiſt der Nibelungen Geheimnißvoll mich an.

Verſenkt in tiefes Lauſchen

Oft ſaß ich bis zur Nacht;

Da kam's wie Adlersrauſchen Auf mich herab mit Macht; Durch meinen Buſen zückte Verwandter Drang und Klang, Und was mich hob und drückte, Ward flutender Geſang.

O ſtillvertiefte Stunden, Labſal der Sängerbruſt,

Wohl ſeid ihr hingeſchwunden Raſch mit des Sommers Luſt. Doch wallt das Herz lebendig Mir auf nach eurer Ruh, Und frohgekräftigt wend' ich Der Heimat heut mich zu.

——

Dort winkt mir nach der Muße Manch liebgewordne Pflicht;

Es winkt mit hohem Gruße Des Herrſchers Angeſicht,

Der, jedem Flügelſchlage

Des deutſchen Geiſtes hold, Der Hoffnung künft'ger Tage Ein licht Panier entrollt.

Die Kunſt in Laub und Blume Umwob des Vaters Thron; Nun ringt mit ſolchem Ruhme Gedankenvoll der Sohn.

Den Ernſt der Weisheitſchule Geſellt er jenem Flor,

Und neigt vom Königſtuhle Dem deutſchen Lied ſein Ohr.

Wohl mag' ich treu ihm danken, Der für den Wanderſtab

Mir frommen Wirkens Schranken, Mir Herd und Heimat gab,

Und, weil er ſelbſt tief innen Die heil'ge Flamme nährt,

Mit fürjtlih hohen Sinnen

Des Dichters Freiheit ehrt.

Indiſche Weisheit.

Der Ganges rauſcht; vernimm im Abendroth Die Lehre von der Wandlung nah dem Top.

Mas it, das iſt von Anfang her geweſen, Und mwird im Tod zu neuem Sein genefen,

I u

Der Inhalt bleibt, doch mwechjelt fort und fort Die Signatur nad ew’ger Satzung Wort.

Woran dein Herz zulegt gedacht auf Erden, Darein wirft fterbend du verwandelt werden.

Trifft did, o Jäger, no voll Morvbegier Der Tod: den Wald durchſchweifſt vu einjt als Thier.

Warſt du vertieft, ver Schöpfung Lied zu laufchen, Als Blume wirft vu blühn, als Welle raufchen.

Und fo dein Gold dir zwang den dumpfen Sinn, Zum Erz in Bergesſchacht fährft du dahin.

Wohl faßt vor ſolchem Schickſal di ein Beben: Doch jteht’S bei dir ins reinfte Licht zu ftreben.

Geden? an Gott zur Stunde, da der Pfeil Des Todes ſchwirrt, und du wirſt Sein ein Theil:

Gin Tropfen, liht ins Meer zurüdgefunfen, Spielend in Seiner Glut ein reiner Funfen.

Doch dieß erwäge: jählings naht der Top Und feiner jagt dir, wo noch wann er droht;

So jei, daß er nicht überrafcht dich fälle, Dein Auge jtet3 gekehrt zur em’gen Helle,

Und deines Weſens Blüte todtbereit In Gott verſenkt zu jeder Stund’ und Zeit.

Blauer Himmel.

Du Netherblau, vom jel’gen Licht getränft, Durchſicht'ge Tiefe, drein der Blick ſich jentt,

Bis er geblendet taumelt, Abgrund du, Unendlicher, der Heiterkeit und Ruh,

Wie ſchafft dein ſüßer Hauch den Geift mir leicht, Den ftaubumfchräntten, der dir, ach, nicht gleicht, Und doch, von deiner Klarheit angerührt,

In fih den Keim verwandter Zukunft fpürt! Denn ſchauernd ahnt er, jo gejättigt ganz

Bon heil’gem Frieden ruhn im lautern Glanz, Sp Licht und Segen jtrömen mühelos

Aus eigner nie erfhöpfter Füllen Schooß Das wird, ob aud nad langer Wandlung Bein, Zulegt die Blume feines Wejens fein.

Dort und Schrift.

D Wunder fonder Gleihen, wie im Laut Sich der Gedanke jelbjt daS Haus gebaut!

D zweites Wunder, wie dem Blid die Schrift Den Schall verfinnlicht, der das Ohr nur trifft!

Nicht Willtür ſchuf das Wort, fonjt wär’ es hohl; Es iſt des Geift’3 nothwendiges Symbol.

Und forſchſt du meiter, ift der Buchſtab nur Des flüſſ'gen Lautes feſte Klangfigur.

—— ——

Eu do

Die Sehnſucht des Weltweifen.

Die fernen Flöten hör' ich fchallen, Der Feierhymnus wogt darein;

Es wälzt fih zu des Tempels Hallen Des Volkes Strom im Morgenjcein. Der Knaben rotbe Fadeln ſtrahlen Auf weißer Feltgewandung Zier;

Die Priejter tragen goldne Schalen Und führen den befränzten Stier.

Wohl möcht’ ih mit den Andern ziehen Und jubeln in des Opfers Rauch;

Doch auf den Stufen, da ſie fnieen, Umfäufelt mich fein Zebenshaud.

Der Kindheit milde Schleier ſanken, Die mid umfangen, lieb und eng,

Und vor dem fiegenden Gedanken Grlag der Götter bunt Gebräng.

Doh mie fih des Olymps Geftalten Gleih Träumen lösten nebelhaft,

Da war e3 mir, als flöll ihr Walten Zurück in Eine heil’ge Kraft;

Aus allem, was der Tag vollendet, Spricht göttlich ho ein ein'ger Sinn, Und meine Seele jtürzt geblendet

Por diefes Reichthums Füllen hin.

D du, nen ih zu nennen zage,

Du ew'ger Geift, deß reines Licht Noch durch den Dunft ver Götterfage In taufend Farben fpielend bricht;

Den fie in taufend Bildern ehren, Und dem doch nie ein Bildniß alich, Du, den ih nimmer Fann entbehren, Du Einziger, wie fajj’ ich Dich!

Sm Weltall ſucht' ich ohn' Ermatten

Dih zu ergründen voll und ganz;

Doch Nachts verhüllit vu dich in Schatten, Und birgft am Tage dih im Glanz.

Und wenn das Morgenroth mich mwedte, Und überglüht aus meinem Traum

Die Hand ich taftend darnach ſtreckte:

63 war nur deines Kleides Saum.

Mohl ruft der Donner deinen Namen, Mohl zeigt ver Blig uns deine Spur; Doch, ob fie deine Boten famen,

Sie bringen halbe Kunde nur.

D, was von dir die Dinge ftammeln Mit dunkelm Deuten fort und fort, Wirſt du's, Erhabner, nie verfammeln Sin ein lebendig klares Wort?

Mird nie dein liebenvder Gedanke

Vol Wehmuth über unjer Leid

Herab fih neigen in die Schranke

Der jehnfuhtbangen Sterblichkeit? Wirſt nie dein blendend Licht du laſſen, Dih nah und menfhlic Fund zu thun, Daß wir mit Armen dich umfajjen Und fromm an deinem Bufen ruhn?

Ad, tief in meiner Seele Grunde Da ſchläft ein Ahnen wundervoll: Der Lauf ver Zeiten bringt die Stunde, Da ſolches Heil geſchehen joll. Seibel, Gej. Werke IN. 7

en BR van

O ſelig, denen du dein Weſen Dann fichtbar hold entgegenjentit, Die du zu himmliſchem Genefen Aus deines Lebens Modern tränfft!

Dann wird der Baum der Menfchheit grünen; Dann werden ihren alten Zwiſt

Der Himmel und die Erde fühnen

Durch den, der beider theilbaft iſt.

Ein janftes Leuchten wird durchdringen

Des Schickſals unverſtandne Bein;

Das Leben wird den Tod verfchlingen,

Und ein Geſetz der Liebe fein.

Der Tod des Tibertus.

Bei Cap Mifenum winkt ein fürſtlich Haus

Aus Lorbeerwipfeln zu des Meeres Küften

Mit Säulengängen, Moſaiken, Bülten . Und jevem Prunfgeräth zu Felt und Schmau2.

Dft ſah es nädhtliher Gelage Glanz,

Wo lock'ge Knaben, Epheu um die Stirnen,

Mit Bechern flogen, filberfühige Dirnen

Den Thyrſus ſchwangen in beraufhtem Tanz,

Und Jauchzen ſcholl, Gelächter, Saitenfpiel,

Bis auf die Gärten rings der Frühthau fiel.

Do heut, wie ftumm das Haus! Nur hier und dort Ein Feniter hell. Und wo die Säulen düftern,

Wogt am Portal der Sklaven Schwarm mit Flüftern, Es fommen Sänften, Boten fprengen fort;

Und jedesmal dann zudt umher im Kreife

Ein Fragen, das nur fheu um Antwort wirbt:

le gt, RR

„Das fagt ver Arzt? Wie jteht es?“ Leiſe, leiſe! Zu Ende geht's; der greife Tiger ftirbt.

Bei matter Ampeln Zwielicht droben lag

Der kranke Cäfar auf den Purpurkiſſen.

Sein fahl Geficht, von Schwären wild zerrifien, Erſchien noch graufer heut, als ſonſt es pflag. Hohl glomm das Auge. Durch die Schläfe wallte Des Fiebers Glut, daß jede Ader jchlug;

Niemand war bei ihm, al3 der Arzt, ver alte, Und Macro, der des Haufes Schlüſſel trug.

Und jest mit halberftidtem Schredensruf

Aus feinen Deden fuhr empor der Siede,

Hochauf fih bäumend: Schaff' mir Kühlung, Grieche! Eis! Eis! Im Bufen trag’ ih den Veſuv.

D mie das brennt! Doc grimmer brennt das Denken Sm Haupt mir; ich verfluh’ es taujendmal,

Und kann's doch lafjen nicht zu meiner Qual;

O gieb mir Lethe, Lethe, mich zu tränfen! Umſonſt! Dort wälzt ſich's wieder ſchon heran

Wie Rauchgewölk, und ballt ſich zu Geſtalten Sieh, von den Wunden heben ſie die Falten

Und ſtarren mich gebrochnen Auges an,

Germanicus, und Druſus, und Sejan

Wer rief euch her? Kann euch das Grab nicht halten? Was ſaugt ihr mit dem Leichenblick, dem ſtieren,

An meinem Blut und dörrt mir das Gebein?

's iſt wahr, ich tödtet' euch; doch mußt' es ſein.

Wer hieß im Würfelſpiel euch auch verlieren! Hinweg! Weh mir! Wann endet dieſe Pein!

Der Arzt bot ihm den Kelch; er ſog ihn leer, Und ſank zurück in tödtlichem Ermatten; Dann, aus den Kiſſen, blickt' er ſcheu umher,

Nr FA

Und frug verftört: Nicht wahr? Du ſiehſt nichts mehr? Fort find fie, fort, die fürchterlichen Schatten Vielleiht auch war’3 nur Dunjt. Doc glaube mir, Sie famen oft ſchon Nachts, und wie fie quälen,

Das weiß nur ib. Doch ftill! Komm’ jet’ dich hier Nah, nah; von anderm will ich dir erzählen.

Auch ib war jung einft, traut’ auf meinen Stern, Und glaubt’ an Menjhen. Doch der Wahn der Jugend Zerſtob zu bald nur; und, ins Innre lugend, Verfault erfand ich alles Weſens Kern.

Da war fein Ding fo hoch und baar der Rüge, Der Wurm ſaß drin; aus jeder Großthat jahn

Der Selbitfuht Züge mich verfteinernd an,

Lieb’, Ehre, Tugend, Alles Schein und Lüge! Nichts unterfhied vom reißenden Gethier

Dies Kothgeſchlecht, als im ehrlofen Munde

Der Falfchheit Honig und im Herzensgrunde

Die größre Feigheit und die wildre Gier.

Mo war ein Freund, der nicht den Freund verrieth? Gin Bruder, der nicht Brudermord geftiftet?

Ein Weib, das lächelnd nit den Mann vergiftet? Nihtswürdig alle jtet3 dafjelbe Lied.

Da ward auch ich wie fie. Und meil nur Schreden Sie zähmte, lernt’ ih Schreden zu erweden;

Und Krieg mit ihnen führt’ id. Zum Genuß Ward ihre Dual mir, ihr verendend Röceln,

Sch ſchritt ins Blut hinein bis zu den Knöcheln Doch auch das Graufen wird zum Ueberdruß.

Und jest, nur noch gequält vom Strahl des Lichts, Matt, trojtlos, reulos ſtarr' ih in das Nichts.

Sein Wort ging tonlos aus; er feuchte leis Sm Krampf, von feinen Schläfen floß der Schweiß, Und graß verjtellt, wie eine Larve, ſah

101

Sein blutlos Antlitz. Zu des Lagers Stufen Trat Macro da: Soll ich den Cajus rufen, Herr, deinen Enkel, den Caligula? Du biſt ſehr krank Doch Jener: Schlange, falle Mein Fluch auf dich! Was geht dich Cajus an! Noch leb' ich, Menſch. Und Cajus iſt wie Alle, Ein Narr, ein Schurk', ein Lügner, nur kein Mann! Und wär' er's, frommt' es nicht; kein Held verjüngt Rom und die Welt, wie er mit Blut ſie düngt. Wenn's Götter gäb', auf dieſem Berg der Scherben Vermöcht' ein Gott ſelbſt nicht mehr Frucht zu ziehn, Und nun der blöde Knab'! Nein, nein, nicht ihn, Die Rachegeiſter, welche mich verderben, Die Furien, die der Abgrund ausgeſpien, Sie und das Chaos ſetz' ich ein zu Erben! Für ſie dies Scepter! Und im Schlafgewand Jach ſprang er auf, und wie die Glieder flogen Im Todesſchweiß, riß er vom Fenſterbogen Den Vorhang fort, und warf mit irrer Hand Hinaus den Stab der Herrſchaft in die Nacht. Dann ſchlug er ſinnlos hin. Im Hofe ſtand In ſich vertieft ein Kriegsknecht auf der Wacht, Blondbärtig, hoch. Zu deſſen Füßen rollte Des Scepters rundes Elfenbein und ſprang Dom glatten Marmorgrund mit hellem Klang An ihm empor, als ob's ihn grüßen wollte. Cr nahm es auf, unmwifjend, was es jei, Und ſank zurüd in feine Träumerei. Er dacht' an feinen Wald im Weferthal: Die vüftern Wipfelkronen ſah er ragen; Er ſah am Maljtein die Genojjen tagen, Blank jedes Wort wie ihrer Streitart Stahl,

112

Und treu die Hand zum Sühnen wie zum Schlagen. Und an fein liebes Weib gedacht' er dann;

Er ſah fie fiten an des Hüttleins Schwelle

Im langen gelben Haar, wie fie, mit Schnelle

Die Spindel wirbelnd, in die Ferne jann,

Wohl ber zu ihm; und vor ihm jpielt am Rain Sein Knabe, der den erjten Speer ih ſchnitzte,

Und dem fo kühn das blaue Auge blitte,

Als ſpräch's: Ein Schwert nur, und die Welt ijt mein! Und plöglih floß dann wie, verjtand er faum Ein andres Bild in feinen Heimatstraum;

Vor feine Seele drängt’ es ſich mit Macht,

Mie er dereinjt in heißen Morgenlanden

Als Wacht an eines Mannes Kreuz gejtanden,

Bei deſſen Tod die Sonn’ erloſch in Nadt.

Wohl lag dazwiſchen mand durchſtürmter Tag,

Doch konnt' er nie des Dulders Blick vergefjen, Darin ein Leidensabgrund unermejjen

Und dennoch alles Segens Fülle lag

Und nun wie fam’3 nur? über feinen Eichen Sah er dies Kreuz erhöht als Giegeszeichen,

Und feines Volks Geſchlechter jah er ziehn,

Unzählig, jtromgleih; über den Gefilven

Bon Waffen wogt' e3; und auf ihren Schilven Stand jener Mann, und Glorie ſtrahlt' um ihn.

Da fuhr er auf. Aus des Palaſtes Hallen

Kam dumpf Geräuſch; der Herr der Welt war tobt; Gr aber jhaute kühn ins Morgenroth,

Und ſah's mie einer Zufunft Vorhang wallen.

18

Der Bildhauer des Hadrian.

So ſteht nun jehlanf emporgehoben

Der Tempelhalle Säulenrund;

Getäfelt prangt die Kuppel droben,

Von buntem Steinwerk glänzt der Grund. Und hob aus Marmor hebt fich dorten Das Bild des Donnrers, das ich ſchuf; Du rühmjt es, Herr, und deinen Worten Folgt taufendftimm’ger Beifallsruf.

Und doch, wie bier vor meinen Bliden Das eigne Werk fih neu enthüllt,

Mich jelber will es nicht erquiden,

Und faſt wie Scham ift, mas mich füllt. Ob nichts am hohen Gleichmaß fehle, Ob jedem Sinn genug gethan:

Kein Schauer quillt in meine Seele, Kein Unnennbares rührt mid an.

D Fluch, dem dieje Zeit verfallen,

Daß fie fein großer Puls durchbebt,

Kein Schnen, das, getheilt von allen,

Im Künftler nach Geſtaltung ftrebt,

Das ihm nicht Raſt gönnt, bis er’3 endlich Bemältigt in den Marmor flößt,

Und jo in Schönheit allverftändlich

Das Räthſel jeiner Tage löst!

Wohl bänd’gen wir den Stein, und füren, Bewußt berechnend, jede Zier,

Doch, wie wir glatt ven Meißel führen, Nur vom PVergangnen zehren wir.

104

O troftlos kluges Auserlefen,

Dabei fein Blig die Bruft durchzückt! Mas ſchön wird tft ſchon da gemejen, Und nachgeahmt ift was uns glüdt.

Der Kreis der Formen liegt bejchlofjen, Die einft der Griechen Geift bejeelt; Umſonſt durchtaſten wir verdrofjen

Ein Leben, dem der Anhalt fehlt.

Wo lodert noch ein Opferfunten ?

Wo blüht ein Felt noch, das nit hohl? Der Glaub’ ift, ac, dahingeſunken,

Und todter Schmud ward fein Symbol.

Sieh ber, no braun find dieſe Haare, Und nit das Alter ſchuf mich blaß; Doch gäb’ ich alle meine Jahre

Für einen Tag des Phivias;

Nicht weil des Volks verftummend Gaffen, Der Welt Bewundrung ihm gelohnt; Nein, weil ver Zeus, den er gejchaffen, Ihm jelbjt ein Gott im Sinn gethront.

Das war fein Stern, das war jein Segen, Daß ihn mit ungebrodhnem Flug

Der höchſten Urgejtalt entgegen

Der Andacht heil’ger Fittich trug.

Er durft’ im Neigen der Erfornen

Boll Glanz nod den Olympos jehn, Inde wir armen Nachgebornen

In götterlofer Wüſte jtehn.

Da uns der Himmel ward entrifjen, Schwand aub des Schaffens himmliih Glück; Wohl willen wir's, doch alles Wiſſen

Bringt das Verlorne nie zurüd.

15

Und feine neue Kunjt mag werden, Bis über diefer Zeiten Gruft Ein neuer Gott erfcheint auf Erden, Und feine Briejterin beruft.

Sonett des Dante.

Sobald die Nacht mit dunklem Flügelpaar Die Erd’ umfängt, dab jeder Strahl verblaßt: In Luft und Meer, im Wald von At zu Ait, Und unterm Dach wird jtill was rege war.

Denn Schlaf, der durch die Glieder wunderbar Sid ausgießt, gönnet dem Gedanken Rait, Bis daß auf's neu den Tag mit feiner Laſt Aurora wedt im blonden Zodenhaar.

Ich Unglüdjel’ger nur bleib’ unerquidt; Denn Seufzen, feindlich aller Ruhe, ſchafft Mein Auge jchlaflos und mein Herz voll Bangen.

Und, gleih dem Bögelhen im Garn verftridt, Je mehr ich juche zu entfliehn der Haft, Sp mehr im Wirrfal find’ ich mich gefangen.

»Palmfonnfagmorgen.

Es fiel ein Thau vom Himmel himmlifch milo, Der alle Pflanzen bis zur Wurzel ftillt;

Lab dein Sehnen,

Laß die Thränen! 63 fiel ein Thau, der alles Dürften ftillt.

106 —:

Ein fanftes Saufen kommt aus hoher Luft, Still grünt das Thal und jteht in Veilchenduft; Göttlih Leben Fühl' ich weben, Ein fanftes Saufen fommt aus hoher Luft.

Wie Engelsflügel blist es über Land;

Nun ſchmück' dich Herz, thu an ein rein Gewand! Sieb, die Sonne Steigt in Wonne,

Wie Engelsflügel bligt es über Land.

Macht weit das Thor! Der König ziehet ein, Die Welt foll jung und lauter Friede fein; Streuet Balmen ! Singet Pſalmen! Hofannah fingt, der König ziehet ein.

Zwei Pfalmen.

l.

Aus diefem Thal des Kummers

Vernimm, o Herr, mein Flehen!

Voll Angſt, beraubt des Schlummers

Lieg’ ih die Nacht hindurch in heißen Wehen; Durch mein Gebein rinnt irr ein fiebernd Graujen, Die wilden Wafjer gehen

Hoch über meine Seele hin mit Braufen.

Nicht weiß ich, mo ich bleibe,

Von Thränen ftrömt mein Bette;

Es ift an meinem Leibe | Gefundes nichts und nichts, was Frieden hätte.

17

Von Stöhnen heifer ven?’ ich meiner Fehle; O rette, rette, rette Aus diefes Jammers Abgrund meine Seele!

Mohl fühl’ ich, ich bin ſchuldig,

Sch jelbit an meinem Schaden:

Doch du bift, Herr, geduldig,

Gin Heiland und ein Aızt von großen Gnaden. Und wäre Sünde, roth wie Blut, die meine, Du kannſt mich lauter baden,

Daß ih wie frifchgefallner Schnee erjcheine.

Du kannſt auch löſen wieder

Dies Leid, das mir gejchehen,

Kannſt vie zerjchlagnen Glieder

Aufriehten, daß fie fejt wie Säulen jtehen. O birg dein Antlik nicht zu diefer Stunde! Für Recht laß Gnad' ergehen,

Daß ih am eilt, daß ih am Leib gefunde!

Sieh an mein qualvoll Schwanfen

Gleich der verdorrten Blume;

Wie ſoll mein Staub dir danken,

Sp du der Gruft mich giebjt zum Cigenthume? Die Todten ſchweigen deiner Herrlichkeiten ; Doch hell zu deinem Ruhme

Mill ich mein Elingend Harfenfpiel bejaiten.

D hilf, daß ich den Zagen

Dein gnädig Walten deute,

Und wie du Noth und Klagen

In Reigen kehrſt, und nimmft dem Tod die Beute. Denn ſanft im Säufeln fommft du nah dem Wetter; D komm, o bilf auch heute,

Mein Fels und meine Burg, mein Hort und Retter!

108

Nah Ichwerer Irrfahrt langen bangen Stunden, Nun endlih hat die Schwalb’ ihr Neſt gefunden,

Sie baut im Vorhof an des Herrn Altären, Das iſt die Statt, da trodnen alle Zähren.

Da fäufeln in ven Palmen Heimatlüfte, Da blühn vie Lilien, Frieden ihr Gedüfte.

Da ſpringt wie Silber Elar der Born der Gnaden, Die Seele trinkt und fie genest vom Schaden.

Die blutroth war von Sinnenlujt und Grolle, Wird rein wie Schnee und junger Lämmer Wolle,

Mo ift ihr Leid nun? Wie ein Traum zerronnen. Mo bleibt ihr Seufzer? Er verging in Wonnen.

Ein Tag der Raſt in diefen Säulenhallen Sft mehr, denn draußen taufend Jahre mwallen.

Und befier ift’S, hier an den Schwellen wohnen, Als in der Welt ob allen Reichen thronen.

Geſang des rieflers.

Der du einft in freier Liebe Dich in unfern Staub gebannt, Unſrer Bruft verworrne Triebe, Ah, und all ihr Leid erkannt; Der du felbjt in jenen Tagen Schmedteft ver Verfuhung Bein, Denen, die im Kampf erlagen, Reiner, kannt vu gnädig fein.

19

Ach, du weißt, in Sehnfucht ſchweifen Tauſend Geifter weit und breit; Doch, vom Schein bethört, ergreifen Für das Weſen fie das Kleid.

Was nur geiftlih mag gelingen, Mas nur göttlih kann erftehn, Wollen fie im Fleiſch vollbringen Sollen fie verloren gehn?

Die da fuchen ohne Steuer Heimmehbang ein Ruhgeftad,

Die ein irre Liebesfeuer Hintreibt auf der Sinne Pfad, Die im Dämmer tauber Schadhten Graben nad der MWahrheit Licht, Alle, die nah Freiheit ſchmachten, Meinen Dih und mwifjen’3 nicht.

D beim Worte, das die Rächer

Von der Sünderin verwies,

Bei der Milde, die dem Schächer

Noh am Kreuz das Heil verhieß,

Bei dem Glanz, der himmliſch blendend Um Damascus Weg geflammt,

Und, den Sinn des Eifrers wenden, Ihn gejfalbt zum Botenamt:

Zeuch, o Herr, die durſt'gen Seelen, Die in dunkler Troftbegier

Im DVergänglichen ſich quälen, Zeuch fie liebend all zu dir!

Statt der Schale, dran fie Eleben, Laß fie Shaun der Dinge Kern, Steig in ihrem dunfeln Leben, Steig’ empor als Morgenjtern!

Ada,

Tagebucblätter,

Was heißt dur Wald und Aue Mich wieder träumen gehn? Auf's Moos geſtreckt ins Blaue Durch ſtille Wipfel ſehn?

Woher dies ſanfte Glimmen, Das in's Geblüt mir dringt? Dies leiſe Harfenſtimmen,

Das mir im Sinn erklingt?

Ich forſch' in meinem Innern, Allein ich rath' es kaum:

Iſt's nur ein hold Erinnern? Iſt's goldner Hoffnung Traum?

Doch weiß ich: alſo blühte Mein Leben wunderſam, Als einſt mir ins Gemüthe Die erſte Liebe kam.

——

Schaffe, Mutter Natur, mit Schweigen Dein ſtilles Werk in der Tage Kreis Wachſe geborgen unter den Zweigen, Wachſe, blühe, mein Edelreis!

Die erquicklichſte Helle

Wirf, o Sonn', herab aus dem Blau! Träufle, Himmel, auf dieſe Stelle Deinen ſüßeſten Thau!

Denn hier iſt heil'ger Ort, es bricht Ein junges träumendes Leben Mit ſcheu ſehnſüchtigem Beben Aus zarten Hüllen ans Licht.

Schon rühren ahnungsreich

In ihm ſich himmlische Kräfte. Wirke, wirfe dein ftil Gefchäfte, Mutter Natur, und hüte zugleich!

Ach, fernhin ziehn mich fremde Sorgen; Aber von fern auch ſeg'n ich dich leis Seglihen Abend, jeglihen Morgen;

Im Grün geborgen

Wachſe, blühe mein Edelreis!

Noch webt der Kindheit Dämmrung ihr um’s Haupt Und läßt fie träumen faum von fünft’ger Blüte; Dein Wahn nur ilt’3, der mehr zu jpüren glaubt; Drum ftill, mein Herz, und dein Geheimniß hüte.

Doch einjt, ach, wird fie einjt die Deine fein?

Wirſt du noch alternd ihrer Jugend taugen?

Mein gläubig Herz ſpricht: Ja, mein Kopf fpriht: Nein, Und heiß vom Herzen ſchießt mir’3 in die Augen.

112

So ſchwank' ih Stund’ um Stunde. Nacht wird Tag, Und Tag wird Nacht im langen bangen Warten.

Wann fommft du Mai? Wann blüht die Rof’ im Garten, Daß ih mein Shidjal wiſſen mag!

Schlage nicht die feuchten Augen Bang erglühend niederwärts; Meine nur, wenn ich dich Fülle, Meine nur, geliebtes Herz !

Junges ſüßes Leben jchauert

In dem tiefen Seelenlaut;

Mein’ und küſſe nur! Die Rojen Sind am jchöniten, wenn e3 thaut.

Lab Andre nur im Reigen

Mit lautem Gruß mir nabn, Du biſt mein lieblih Schweigen, Und ſiehſt mich freundlih an.

Dein Auge tief und minnig, Es jagt mir Tag für Tag, Was nimmer jo herzinnig Die Lippe fünden mag.

So hat die Frühlingsjonne

Auh Schall und Rede nicht, Und doch mit ftiler Wonne Durchſchauert ung ihr Licht.

Mir gab ven Wohllaut eigen, Der dir den Blid beſchied; Sei du mein lieblih Schweigen Und ib mill fein dein Lied.

13

Als ich vertieft heut lag am Waldesrand, Und bangt’ um deine Liebe, fiel von jelber Mir ein vierblättrig Kleeblatt in die Hand.

Und als ich jpät im Dunkeln dein gedacht, Am offnen Fenfter in den Garten lehnend, Da ſchoſſen Stern’ um Sterne dur die Nacht.

Was hilft's der Melt, vaß fie mich von dir trieb? Nun find mir Erd’ und Himmel Boten worden, Und jagen grüßend mir, du haft mich lieb.

Des Mondes Silber rinnt

Im Wald von Zweig zu Zweigen, Im Thal die Nebel fteigen, Entſchlafen ift der Wind.

Und wie fein Halm ſich regt, Kein Zäublein, feine Rante, Hat jeder Schmerzgedanfe Sich auch zur Ruh gelegt.

Wie Har erſcheinſt du mir In meiner Seele Grunde! Mir ift zu diefer Stunde, Sch redete mit dir.

Ich fühl's in jel’ger Ruh:

Eins ſind wir, auch geſchieden Gut' Nacht, und ſolchen Frieden, Geliebte, hab' auch du!

Geibel, Geſ. Werke. III. 8

a ya

Meil mein Mund ven Eugen Leuten Dft nur halbe Antwort jtammelt, Heißen fie mich den Herftreuten, Doch ih bin in dir gefammelt.

Lab an Babels Thurm fie bauen! Aber mich joll eins nur freuen, Fromm in innerlihem Schauen Mir dein Bildniß zu erneuen.

Und fo leb’ ih Stund' um Stunde Ginfam mitten im Getriebe,

Still durchſonnt im Herzensgrunde Vom Bemwußtfein deiner Liebe.

So wunderfüß hab’ ich geträumt zu Nacht,

Und fann mich doch des Traums nicht mehr entjinnen; Doch fühl ih noch erwacht

Gin fanftes Feuer durch die Bruſt mir rinnen,

Das fröhlih mid zu jedem Werke mad.

Gewiß, das ift dein lieber Wille,

Das it dein Gruß, du haft aus deiner Stille

In rother Frühe zu mir hergedacht.

Mag au heiß das Sceiden brennen, Treuer Muth hat Troft und Licht;

Mag auh Hand von Hand Jich trennen, Liebe läßt von Liebe nit.

Keine Ferne darf uns fränfen, Denn uns hält ein treu Gedenfen.

Sit fein Wafjer jo ohn’ Ende, Noch jo ſchmal ein Feljenfteg,

ze 33

Daß nicht rechte Sehnjucht fände Drüberhin ven ſichern Weg.

Keine Ferne darf uns kränken, Denn uns hält ein ſtark Gedenken.

Ueber Berg’ und tiefe Thale,

Mit ven Wolken, mit dem Wind, Täglich, ſtündlich tauſendmale Grüß' ich dich, geliebtes Kind, Keine Ferne darf uns kränken, Denn uns hält ein friſch Gedenken.

Und die Wind' und Wolken tragen Her zu mir die Liebe dein,

Die Gedanken, die da ſagen:

Ich bin dein und du biſt mein. Keine Ferne darf uns kränken, Denn uns hält ein lieb Gedenken.

Ueberall, wohin ich ſchreite,

Spür' ich, wie unſichtbarlich

Dein Gebet mir zieht zur Seite Und die Flügel ſchlägt um mich. Keine Ferne darf uns kränken, Denn uns hält ein fromm Gedenken.

Und ich bin ſo froh und ſtille,

Muß ich noch ſo ferne gehn;

Jeder Schritt iſt's Gottes Wille Iſt ein Schritt zum Wiederſehn.

Keine Ferne darf uns kränken,

Denn uns hält ein froh Gedenken.

116

65 war im tiefiten Waldrevier

Im Moos zu Füßen ruht’ ich dir; Kein Lüftchen ging vom blauen Zelt, Sp jtill der Ort, fo fern die Welt!

Da jah auf deinem Angeficht

Ich blühn des Himmels reinjtes Licht, Es glänzt’ in deinem Auge feucht Der Liebe heiligjtes Geleudt.

Und mie ich jog den Himmelsſtrahl, Zerging in mir der Erde Qual; Getaucht in deiner Liebe Schein,

Da ward ich jung, da ward ich rein.

Ein Siegel lag auf meinem Mund, Mir mwar’s, du bijt auf heil’gem Grund; Was nur dem Menjchen Höchſtes ward, Hier iſt's dir ſelig offenbart.

Und durd die Bruft mir friſch und fühl Hinrann der Cmwigfeit Gefühl,

Darin die Stunde Jahre wiegt,

Im Athemzug ein Leben liegt.

Wie lang wir blieben, weiß ich nidt; Weiß nur: mein MWefen war voll Licht, Mir waren unfer, Sch und Du,

Und Öott der Herr jah jegnend zu.

Der Wald wird dichter mit jedem Schritt; Kein Pfad mehr, fein Steig!

Nur die Quelle riefelt mit

Durch Farrenfraut und Brombeergezweig;

117

Ach, und unter den Eichenbäumen Das Gras wie buch, wie weich das Moos!

Und vie himmliſche Tiefe wolkenlos Wie blaut jie dur die MWipfel hier!

Hier will ich raſten und träumen, Träumen von dir,

Nun haſt du dich ergeben

Mir ganz mit Seel’ und Leib,

D du mein fühes Leben,

Mein Lieb, mein Kind, mein Weib.

Nimm bin denn fonder Schrante, Nimm hin auch du, was mein! Mein innerjter Gedanke,

Mein legt Gefühl ift dein.

Gott ſchickt hinfort uns beiden

Gin Glüd nur, Eine Notb;

Und Nichts mehr kann uns jcheiden, Es ſcheid' uns denn der Top.

D fühl's an meines Herzens Schlage, Wenn du mich jhweigend an dich drüdit, Wie du mit jedem neuen Tage,

Geliebte, höher mich beglüdit.

Ad, jeit in holdem Selbjtvergefjen Der Lippe Zagheit dir zerrann, Nun lern’ ich jelig erſt ermefjen, Welch Kleinod ich an dir gewann,

&

In deines Herzens lauterm Grunde Erſchließt ſich mir die reichſte Welt! Hinunter lauſch' ich Stund' um Stunde Wie in ein wehend Lilienfeld.

Du willſt nur lieben, glauben, ahnen; Und doch, mit dieſem ſtillen Sinn Auf des Gedankens kühnſten Bahnen Wie feſt und ſicher wallſt du hin!

Oft ſtaun' ich, wie dein klar Gemüte

Der Dinge tiefſte Tiefen mißt

Und bliebſt doch ganz ein Kind voll Güte, Und ahnſt es nie, wie reich du biſt.

Ueber die ſonnigen Bergesgipfel

Kommt es gefloſſen wie Liebeshauch, Schauerndes Leben durchflutet die Wipfel, Hoch in Blumen entlodert der Strauch.

Alles Gealterte will ſich verjüngen,

Alles Gebundene ſanft ſich befrein, Herz, wie jauchzeſt auch du in Sprüngen In den klingenden Frühling hinein!

Ziehende Schwäne droben im Blauen,

Drunten die quellende Blütenluſt

Ach, und im Garten hinab zu den Auen Wandelt mein Weib mit dem Kind an der Bruſt!

119

Nun komm, mein ſüßes Weib, und raſten wir, So lang es dämmert, noch im Erker hier, Und horchen, wie im Winde reingeſtimmt Das Spätgeläut den See herüberſchwimmt; Ja, Feierabend iſt, und ſelig müd

Geſchloſſnen Auges lehn' ich in die Pfühle, Und wie ich deine Wang' an meiner fühle, Glänzt mir auch das noch leiſe durch's Gemüt, Wie wunderlieb mich heut zur guten Nacht Dein Kind aus blauen Augen angelacht.

Wachſt du noch einmal auf zum Schmerz Aus dumpfem Schlaf, zerdrücktes Herz?

Was ſchlägſt du noch? O Gott, ſie haben Mein Weib und all mein Glück begraben.

Nun hallt der Menge dumpf Gebraus Allmählich auf den Gaſſen aus

Und müde von des Werks Beſchwerde Kehrt jeder zum vertrauten Herde.

Beglückt wer nach mühſel'gem Tag In Liebesarmen ausruhn mag!

Ich bin allein; im Herzensgrunde Bricht blutend auf die alte Wunde.

Am Fenſter lehn' ich ſtill und ſeh Dichtflockig niederwehn den Schnee, Die Nacht bricht ein; die Glocken ſummen Den Abendſegen und verſtummen.

20

Der Schnee fällt draußen auf ein Grab, Da jchläft, die ich geliebet hab’,

Die mich geliebt, wie feinen, feinen

Ein Weib geliebt o könnt’ ich weinen!

Mie die Stunden leije fluten, Mel’ auf Well’ im ew’gen Lauf, Hört die Wunde jacht zu bluten, Hört das Herz zu zuden auf.

Wie Gejang entfernter Schwäne Lockt der Lenz mich. wieder fort, Und zur Wohlthat wird die Thräne, Zur Erlöfung wird das Wort.

Und den Schmerz, der mich zerrifien, - Da ih jtumm vor ihm erlag, immer könnt ich nun ihn miffen, Seit ih von ihm Hagen mag.

Mie gereift von heil’gem Feuer Wächst mein Herz in ihm empor; Ad, und himmliſcher und treuer Lieb’ ih nur was ich verlor.

Meiner Heimat Buchen grünen Schöner diejes Jahr, venn je, Und berüber von den Dünen

Rollt ver Wogenſchlag der See.

21

Waldesrauſchen, Meeresbraufen,

D wie wuchs mir wunderjam

Sonjt die Bruft von ſüßem Graufen, Wenn ih euern Gruß vernahm!

Durch der Wipfel dunkles Meben, Auf der Tiefe mächt'gem Schooß Fühlt' ih Gottes Odem jchweben, Und mein Herz ward fejt und groß.

Meeresbranden, Waldesichauer, O fo übt auch heut getreu, Uebt an meiner tiefen Trauer Gure ſtille Macht auf3 neu!

Singt dem Müden, Sehnſuchtskranken Das verwail’te Herz in Ruh!

Dedt mit Ewigkeitsgedanken

Der Geliebten Grab mir zu!

Ach, und wie mein irdiſch Weſen Euer Haud mit Kraft durdquillt, Laß mid ahnen ein Genefen, Das auch dieſes Heimweh ftillt!

Manchmal, al3 ob ich dich noch hätte, Menn mir der Tag verging in Schmerz, Trittft du in Träumen an mein Bette, Und legjt mir ſtill vie Hand aufs Herz.

63 mwebt um deine reinen Züge

Der jtille Glanz ver Ewigkeit;

Doch blidt vein Aug’, als ob es früge: „Was härmſt du dich? Sch bin nicht weit.“

12

Und bift du plöglih dann verſchwunden, Wohl wein’ ich wieder, doch es fühlt Mein Herz zugleich mit feinen Wunden Den Himmelsbaljam, ver fie kühlt.

Ein Hauch iſt über mir geblieben, Ein Troſt, wie ihn das Pfingſtfeſt bringt, Das fühe Wiffen, daß vein Lieben Auch durh den Tod noch zu mir dringt.

Gedichte und Gedenkblütter.

al ae #- Rn

[3

4

Lieder

aus

alter und neuer Zeit.

F

Du willſt in meiner Seele leſen

Und ſtill mein beſtes Theil empfah'n;

So ſchau mein unvergänglich Weſen

Im Spiegel meiner Lieder an.

Ich bin die Weiſe, die dich rühret,

Ich bin das Wort, das zu dir ſpricht, Der Hauch, den deine Seele ſpüret,

Ich bin's und dennoch bin ich's nicht.

Denn ſieh, noch oft mit heißem Ringen Durch Schuld und Trübſal irrt mein Gang, Doch drüber zieht auf reinen Schwingen Die ew'ge Sehnſucht als Geſang.

So ſtürmt der Bach in dunkeln Wogen Zum Abgrund, drein er ſich begräbt,

Indeß der ſiebenfarb'ge Bogen

Verklärend überm Sturze ſchwebt.

11.

Die Möve flog zu Neit, Der Mond hält oben Wacht, Des Meeres Braujen fommt Bon ferne durch die Nadıt.

Sch jehreit’ hinab zum Strand, Die Seeluft jtreift mein Haar, Da kommt mir’3 ins Gemüth Mas jemals ſüß mir war.

Und wie die Wolfen dort Sich raſch verwandelnd ziehn, Ziehn durch die Seele mir Grinn’rungsträume bin.

Sie wechſeln für und für, Sie grüßen und zergehn; Dein Bild nur, wie der Mono, Bleibt klar inmitten jtehn.

III.

Wenn über's Schneefeld mit Gebrauje Des Neujahrs rauhe Stürme ziehn, Wie lieblich iſt's, im fihern Haufe Die Glut zu jhüren im Kamin!

Nun darf das Herz ih frei gehören, In feine Tiefen fehrt es ein, Und Geiſter lernt’3 emporbejhmwören, Genofjen jeiner Raſt zu jein.

See ee ee ei a

SE

Kommt denn mit unhörbaren Tritten, Ihr Helden längſt verjchollner Zeit! In falt’ger Toga kommt gefhritten, Im blutbeftrömten Banzerkleid!

Ich jeh auf euren narb’gen Zügen, Im Auge, das verfintert droht,

Die Spur von hohen Thatenflügen, Von mwildem Glüd und jähem Top.

Und wenn mir eure Kränze jagen, Daß Ruhm und Sieg euch einjt gelabt, Ahn’ ich zugleich was ihr getragen Und ſtolz der Welt verjchwiegen habt.

Vielleicht, daß durch der Muſe Walten, Wie ihr mir ernſt vorüberſchwebt,

Por Einer plötzlich der Geſtalten

Mein ſchweigend Saitenfpiel erbebt

Und, wie fih Klang gejellt vem Klange, Wie Bild um Bild fih reich enthüllt, Ein groß Geſchick mir mit Geſange

Die lange Naht des Winters füllt,

IV.

Mie jäufelt über Thal und Hügel Der Gruß des Frühlings heut jo mild! Bon fern erklingt's wie Schwalbenflügel Und traumhaft brütet’s im Gefild.

Im Stamm der alten Linde fteigen

Die Säfte jhon geheimnißvoll;

Sie ſpürt's und fchauert mit den Zweigen Bor Freuden, daß ſie grünen joll.

SDR TS

Zwar deden Schleier zartgewoben Des Himmels Angefiht noch ganz, Do rinnt dur ihr Geſpinnſt von oben Verheißungsvoll ein weißer Glanz.

Gr gleiht dem rätbjelfüßen Schimmer, Der um des Mädchens Züge fchmebt,

Das ſich geliebt fühlt, doch noch immer Ihr Glüd ſich zu befennen bebt.

V;

In diefen Frühlinastagen, da genejen

Das Herz nicht will vom ſüßen Sehnſuchtsleid, Wie jpriht, was einjt bei Platon ich gelejen, Pertraut mih an aus dunkler Fabel Kleid! Geſchaffen, jehreibt er, ward als Doppelwejen Der Menſch vereinft im Anbeginn ver Zeit,

Bis ihn ein Gott, weil er nicht Schuld gemieden, In feine Theile, Mann und Weib, geſchieden.

Ein heilig Räthjel deutet mir dies Wort;

Mer fühlt’ es nie, daß Bruchftüd nur fein Leben, Ein Ton, nur angejhlagen, zum Akkord

Mit feinem Gegenton ſich zu verweben?

Wir all find Hälften, ad, die fort und fort

Nach ven verlornen Zmwillingshälften jtreben,

Und dieſes Suchens Leid im Weltgetriebe

Wir heißen's Sehnſucht, und das Finden Liebe.

6

29

VI.

Der ich alter Zeit Geſchichten Schrieb, als Schnee bedeckt die Flur, Jetzt, o Frühling, in Gedichten Deine Thaten ſchreib' ich nur.

Täglich merk' ich an, wie linder Sich die Kraft der Sonne rührt, Und die Blumen, deine Kinder, Aus dem Thal zum Gipfel führt;

Wie in tieferm Grün die Halde Schwellend prangt, vom Thau erfriſcht, Wie vollzähl'ger ſtets im Walde

Sich der Chor der Stimmen miſcht.

Heut aus zarter Knoſpenhülle Weiß und dicht wie Silberſchaum Brach des Birnbaums Blütenfülle, Morgen blüht der Apfelbaum.

Wichtig für mein froh Verzeichniß Däucht mir, was ich nur vernahm Iſt's nicht auch ein Weltereigniß, Wenn die erſte Roſe kam?

Im Wind verhallt Trompetenton Und ferner Paukenſchlag; Es zieht durch's Feld die Proceſſion Am ſchönſten Frühlingstag.

Geibel, Geſ. Werke. III. 9

120

Die Fahnen wehn im Sonnenfcein, Die Kreuze blinfen vorn;

Don taufend Stimmen murmelt’3 drein, Sie flehn um Wein und Korn.

Weit hinter'm Zug, verfpätet, geht Durch's blüh’nde Saatgewind, Verſunken in ihr ſtill Gebet,

Ein hold blauäugig Kind.

Ihr roſig Antlitz iſt ſo klar, Ihr weiß Gewand ſo rein, Um ihre Stirn das goldne Haar Fließt wie ein Glorienſchein.

So wallt ſie hin, das ſüße Bild, Den Palmzweig in der Hand,

Als zög' ein Engel durch's Gefild, Und ſegnete das Land.

VIII.

Auf den grünen Auen Wallt der Sonnenſchein; Berg' und Burgen ſchauen Winkend in den Rhein.

Weiß vom Blütenſegen Liegt mein Pfad beſtreut, Durch das Thal entgegen Schwebt mir Feſtgeläut.

Wie mir da im Innern Jeder Schatten weicht

Und ein hold Erinnern Wonnig mich beſchleicht!

13831

Lieblichſte der Frauen, Still gedenk' ich Dein! Auf den grünen Auen Wallt der Sonnenſchein.

IX. Nun ſchwindet allgemah im Blau Der Feuerglanz der Sterne; Der arten liegt im frifchen Thau Und weiß im Duft die Ferne.

Schon ſingt die Nachtigall im Strauch Ihr Lied mit leifrer Kehle;

Aus Oſt ein wunderfühler Hauch Durdflutet mir die Seele.

Von Allem, was zum Staube zieht, ‚sm Schlafe reingebavdet,

Wie fühl’ ih mich zu That und Lied Mit Flügelkraft begnadet!

Mir ift’s, als ob mein Genius Mir Gruß und Handſchlag böte Und prächtig über Wald und Fluß Geht auf die Morgenröthe,

X.

Ueber ven ftillen Seen

Erglänzt des Bollmonds Schein: Ein träumerifches Wehen Durchläuft ven Buchenhain.

12

Am thau'gen Hügelpfade An Düften wallt das Korn Und fern vom Waldgeſtade Herüber grüßt ein Horn.

Wie jchwebt zu dieſer Stunde Mein Geift in leihtem Flug! Geheilt it jede Wunde,

Die mir die Fremde flug.

Kaum zeugt von Kampf und Plage Verwachſ'ner Narben Spur Und an die golonen Tage Der Jugend dent’ ih nur.

Wie damals füllt mich innig Gin holdes Glüdsvertraun ; Ich fühl’, zu Haufe bin ich, D laßt mih Hütten bau'n!

XI.

D Sommerfrühe blau und hold!

Es trieft der Wald von Sonnengolp, In Blumen fteht die Wieje;

Die Nofen blühen roth und weiß Und durch die Fluren wandelt leij’ Ein Hauch vom Paradieſe.

Die ganze Welt ift Glanz und Freud, Und bift du jung, jo liebe heut Und Roſen brich mit Wonnen! Und wardſt du alt, vergiß der Bein Und lerne dich am Widerjchein Vom Glück der Jugend jonnen !

XI.

Nordoftwind hatten wir, die See ging hoch; Die Wogen rollten an mit jhäum’gem Kamme Und fprigten gifchend auf am Hafendamme, Der Tag ſah durch Gewölk, das flatternd 309.

Da ſchrittſt auch du den Quaderpfad entlang, In's ftraffe Tuch die herbe Fülle jchmiegend, Den jchlanfen Leib auf leichten Hüften wiegend, Beihmwingt und fejt der Kleinen Füße Gang.

Und plöglih fiel ein Strahl aus Wolfen da Und zeigt’ auf deiner Stirne mir die Güte, Und zeigte mir im Auge dein Gemüthe,

Das frifh und ſcheu doch in die Weit noch Jah.

Sp ſtandeſt du und ſogeſt tief geftillt

Den feuchten fühlen Haud, von Wind und Wogen Wie eine Meereslilie janft gebogen,

Geſchloſſ nen Mädchenthums ein reizend Bild.

Mir aber ſchwoll das Herz, mein Athem flog, Ich mußt’, ih würde nie dich wiederſehen,

Und doch war mir fo wohl, jo wohl geſchehen Norvojtwind hatten wir, die See ging hoch.

XIII.

Einſtmals hab' ich ein Lied gewußt, Einſt in goldenen Stunden

Sang ich's, da ich ein Kind noch war; Aber mir iſt's entſchwunden.

134

Lieblich ſchwebte die Meile bin,

Meih wie Schwanengefieder;

Ab, wohl ſuch' ih vurh Feld und Walo, Finde nimmer fie wieder.

Manchmal mein’ ich, es wogt ihr Laut Ueber ver Flur in den Winden,

Aber er iſt verhallt im Nu,

Will ih ihn greifen und binden.

Dft auch, wenn ich bei Nacht entjchlief, Streift urplötzlich und leije

Ueber mein Herz mit Traumeshand Die verlorene Weife.

Aber fahr’ ih vom Kijjen auf, Kann ih mich nimmer befinnen ; tur vom Auge noch fühl! ih ſacht Brennende Thränen rinnen.

Und doch mein’ ich, fänd’ ich ven Klang: All die heimlihen Schmerzen

Könnt’ ich wieder, mie einjt als Kind, Mir mwegfingen vom Herzen.

XIV. Auf glatten Fluten ſchwamm ver Abenpftern, Ein grünlid Gold umdämmerte die Fluren: Die Thürme Lübeds fpiegelten fich fern Und leife zog der Nahen, drin mwir fuhren.

Die Luft ward fühl, Geſang und Scherz zerrann Gemach in traulic flüfterndes Gefofe,

Ein weißer Mädchenarm ariff dann und mann In's feuchte Blau nah einer Waflerroie.

135

Nachdenklich ſaß die Lieblichſte der Schaar, Ein jechzehnjährig blühend Kind am Steuer; Den milden Epheufranz im lod’gen Haar, Faft glich fie jener, die mir einjt jo theuer.

Und plöglih jtand es vor der Geele mir, Mein ganzes Glüd, mein ganzes Leid von weiland, Und tiefe Sehnfucht fiel mich an nad dir, Du meiner Jugend fernverjhollnes Eiland!

XV. Die Nacht ift klar, die Nacht ift kühl, Am Himmel ſchießen die Sterne Du haft mi einft jo lieb gehabt Und mid gefüßt jo gerne.

Du haft mich einjt jo lieb gehabt, Mo blieb dein heiß Gefühl? Am Himmel ſchießen die Sterne, Die Nacht iſt klar und fühl.

AN: Minne hält, das milde Kino, Einen Braud, wie blind fie fahre, Daß ihr vierundzwanzig Jahre Lieber ſtets, als vierzig, find; Altersfroft und graue Haare Treiben fie zur Flucht geſchwind.

Bei des Herzens Roſenfeſt Gilt vor aller Weisheit Schätzen Selig Stammeln, ſüßes Schmwägßen

136

Lipp’ auf Lippe ftumm gepreßt; Geiſt wird nie den Mund erfegen, Der jih feurig küſſen läßt.

Was verftridte denn fo jäh

Einſt das junge Herz Iſolden,

Daß fie fih mit ihrem Holden Glühend ftürzt” in Shmadh und Weh? Triſtans Locken wallten golden,

König Markes weiß wie Schnee.

Darum feße dich zur Wehr,

Glänzt in’s alternde Gemüthe

Dir der Schönheit Strahl, und hüte Dih por nichtigem Begehr; Minneglüd will Jugendblüte,

Und du änderſt's nimmermehr.

XV1. D mo iſt, mo ift das Glüd zu Haufe, Daß ich's endlich finden mag und greifen, Und mit jtarker Feflel an mich binden! D mo ift, mo iſt das Glüd zu Haufe?

„No des Mondes Sichel ſchwimmt im Waſſer, Wo das Cho ſchläft am hohlen Felfen,

Wo der Fuß des bunten Regenbogens

Auf dem Rajen jteht, da geh’ es fuchen !”

XVII. Die Freuden, die rofigen Tänzerinnen, Mit Kränzen und Fadeln, mit Spiel und Gefang, Wie fliehn fie auf ſchimmernden Sohlen von binnen! Uber der Kummer hat jhleihenden Gang.

a == 7 Bin

Berhallt ift das Felt und das fühe Gelächter

Der ſchwärmenden Dirnen, ad, eh’ ich's gedacht;

Nun tappt er um’3 Haus mir, ein grimmiger Wächter, Und ruft mir die langlamen Stunden der Nacht.

XIX. Ad, wer hat es nicht erfahren, Daß ein Blid, ein Ton, ein Duft Was vergefien war jeit Jahren Plöglih vor die Seele ruft!

Alſo fommt in dieſer füßen Frühlingzzeit von Wald und Fluß Sold Erinnern oft und Grüßen, Daß ich tief erfchreden muß.

Weiſen, die gelodt ven Knaben, Dämmern auf in meinem Ohr: Dunkle Sehnſucht, längſt begraben, Zuckt wie Blitz in mir empor.

Und mwenn hoch die Sterne Icheinen, Geht im Traum dur) meinen Sinn Winkend, mit verhalt'nem Weinen, Die verlorne Liebe bin.

XX. Daß holde Jugend nur zur Liebe tauge, Sch mweiß es wohl, und daß mein Lenz entſchwand; Doch fehn’ ich mich nah einem treuen Auge, Doch jehn’ ih mich nad einer weißen Hand.

138

Nach einem Auge, das mit hellerm Scheine Aufleuchte, wenn mein Tiefſtes ich enthüllt, Und das in jenen bängſten Stunden weine, Wo meines ſich nicht mehr mit Thränen füllt;

Nach einer Hand, die hier und dort am Wege Mir einen Zweig noch pflücke, herbſtesfarb, Die mir zum Raſten weich die Kiſſen lege, Und mir die Wimpern ſchließe, wenn ich jtarb.

XXI. Ach, wohl war dir bhienieven, Als dein Lenz noch gewährt, Piel vor Andern bejchieden, Mas das Leben verklärt.

Wo durch's bunte Gedränge Nur hinſchweifte dein Gang, Brachſt vu Roſen die Menge, Sangjt du friſchen Gefang.

Ja, mit feligem Neigen, Als dein Sommer verblübht, Mard in Liebe dein eigen Noch das reinſte Gemüth.

Darum dämpfe die Klage, Menn das Nebelgemog Nun jpätherbitliher Tage Deinen Himmel umzog.

Lerne ftill dich bejcheiden, Sanftmuth lern’ und Geduld, Und mit Lächeln im Leiden Zahl’ dem Glüde die Schuld;

139

Und der vergangenen Wonne Fromm im Herzen gedenk,

Jeden Blid noch der Sonne Preiſ' als ein himmliſch Gejchent.

RE Dftmals, wenn ih ganz allein Brüte, Nahtumgeben, Fließt's wie fanfter Mondenſchein Plöglih in mein Leben.

Jeden Drud, den ich empfand Schmerzlich und beflommen, Fühl' ih wie von Engelshand Sacht hinweggenommen.

Süßer Jugendſchauer quillt Ueber mein Gemüthe,

Und es dehnt fih tief geftillt, Wie im Thau die Blüte.

Staunend finn’ id, was gejchehn, So den Schmerz zu bannen? Diefes Friedens himmliſch Wehn, Diefer Glanz, von wannen?

Und ein Ahnen will zulegt In mein Herz ih ſenken, Daß geliebte Todte jetzt Drüben mein gedenken.

19.

XXI.

Will das rafhe Blut dir jtoden, Wahre nur der Seele Schwung; Fällt ver Reif auf deine Loden, Liebe nur, fo bleibft du jung.

Lieb’ und mußte Sie dich laſſen, Die dein Herz einft felig fand, Darfit vu doch ihr Kind umfafjen, Blieb dir doch dein Vaterland.

XXIV. Am zerfallmen Burggemäuer Ueber'm ſchwarzen Fichtenhag

Glüht's nch einmal auf wie Feuer, Und verfunfen ijt ver Tag.

Schauernd rühren fih die Wipfel, Drunten jchwillt der Rhein mit Macht, Und vom Thal empor zum Gipfel Steigt wie ein Geſpenſt die Nacht.

Da befällt ein heimlich Graufen Mir im Dunkeln Herz und Sinn: „Steine brödeln, Wellen braufen, Und wie bald bijt du dahin!”

XXV. Das iſt's, was ſüßen Troſt mir bringt Und Jugendmuth im Alter,

Daß mir, Natur, noch hell erklingt Dein tauſendſtimmiger Pſalter;

ee e.e —3 ice

nl DE LU

Daß heute noch die Seele mir Vergeht in ſüßem Grauſen, Wenn mir zu Häupten im Revier Die mächt'gen Wipfel brauſen;

Daß, wie als Kind, ich jauchzen mag, Am Dünenſtrand zu ſitzen,

Wenn über mich vom Wogenſchlag Des Giſchtes Flocken ſpritzen;

Daß mich in dunklem Sehnſuchtsdrang Die Berge ziehn, die blauen,

Daß mir beim Sonnenuntergang Noch mag die Wimper thauen;

Daß ſtets, vom Frühlingsſturm erfaßt, Mein Herz noch ſchwärmt und dichtet, Daß mir des Herbſttags goldne Raſt Noch ſtets die Bruſt beſchwichtet.

Wieviel ich Täuſchung auch erfuhr Im Leben und im Lieben,

Du biſt mir allezeit, Natur,

Du biſt mir treu geblieben.

Du haſt, wenn Unmuth mich befiel, Ihn ſanft hinweg gehoben,

Haſt mir dein leuchtend Farbenſpiel In jede Luſt gewoben;

Und wollt’ ih ganz im Schmerz vergehn, So zeigtejt du mir milde

Von Leben, Tod und Auferjtehn

Den Kreis im Spiegelbilve.

12

D laß mich ftill an deiner Hand Fortwallen, Heiliggroße,

Bis ib vom Schlummer übermannt Mag ruh'n in deinem Schooße!

XXVI. Der als Morgenſtern am Himmel Glänzte, bei des Tages Schluß Vor dem andern Sterngewimmel Geht er auf als Hesperus.

Früh und ſpät vom ſelben Golde Glüht der Saum des Firmaments, Und des Herbſtes letzte Dolde

Gleicht der erſten Dold' im Lenz.

Alſo gehn, wie ſich dazwiſchen Auch in buntem Unbeſtand

Der Entfaltung Stufen miſchen, End' und Anfang Hand in Hand.

Und ſo kann ich, rauſcht in leiſen Melodie'n mein Saitenſpiel,

Ein Gefühl nicht von mir weiſen, Das mir ſagt: Du biſt am Ziel.

Denn die letzten meiner Lieder, Wenn ich recht zu hören weiß, Klingen wie die erſten wieder

Und vollendet iſt der Kreis.

13

XXVL. Weil ich ohne Groll und Klage Dies Gejhid des Lebens trage Und den Sturm zur Ruh beſchwor: Meint ihr, daß ich drum vergeſſen, Was ich einjt fo reich beſeſſen, Mas ih, ab, jo früh verlor?

Zwar die Thränen find zergangen, Zu des Tags bewegtem Prangen Lernt' ich lächeln, wie vorher;

Doch geräuſchlos, tief im Herzen, Gehn die nie verwund’nen Schmerzen Wie ein leifer Strom durch's Meer.

XXVII.

Wie manden Blid du frei und freier In's Walten der Natur gethan, Aufs neue hinter jedem Schleier Sieht doch die alte Sphinx dich an.

Du kannſt ihr nimmer Antwort geben, Wenn fie die legte Frag’ entbot;

Ein ewig Räthſel ift das Leben

Und ein Geheimniß bleibt der Tod.

Vermiſchte Gedichte,

Erſtes Bud.

Schon Ellen.

„Run gnade dir Gott, du belagerte Schaar! Mas frommt nod, daß ich's verjchweige? Wir haben nicht länger Brod noch Wein; Das Pulver geht auf die Neige.

Und fommt nicht Hülfe, und fommt fie nicht bald, Den mwimmelnden Feind zu beitehen,

Sp jehn wir die Sonne, die roth dort fteigt, Wohl nimmermehr untergehen.“

Lord Edward ſprach's; trüb ftanden umber Die tapferen Waffengenofjen; Schön Ellen lehnt’ an des Felvjtüds Rap, Vom bunten Plaid umflofjen.

Sie ftarrt’ hinaus in die leere Luft,

Als ob ein Zauber fie bannte,

Und plöglih fuhr fie empor wie im Traum, Ihr dunkles Auge brannte.

15

„Nun ſchaut, ihr Brüder, nun ſchaut vom Thurm! Und habt ihr nichts vernommen?

Mir däucht, ich höre ganz fern den Marjch,

Den Marſch: die Campbell kommen.

Sch höre die große Trommel dumpf,

Sch höre des Pibroch's Weife, | Wie einft am Tweed ich gejungen das Lied, So fpielt in den Winden e3 leiſe.“

„„Ach, Mädchen, was redeit du Traum und Trug! Dom Thurm ift nichts zu ſehen, Als blaue Luft und gelber Sand Und fern des Rohrfelds Wehen.

Doh unterm Wall, da wühlt der Feind, Vieltaufend Waffen jhimmern;

Die Aerte bligen, mit denen ſie ſchon Zum Sturm die Leitern zimmern.““

Und die Sonne ftieg in die Mittagshöh, Und die Sonne begann fi zu neigen; Sie Iuden die Stüde zum legtenmal,

Sie drüdten die Hand ji) mit Schweigen.

Schön Ellen ſtarrt' in die leere Luft,

Ihr bleiches Gefiht war erglommen:

„Ich hab's euch gejagt, und ich ſag' es auf’3 neu, Sch hör’s: die Campbell kommen.

Ich höre den dumpfen Trommeljchlag

Zum gellenden Pibrochstone,

Ich höre den fhütternden Schritt auf dem Grund, Den Schritt der Bataillone, "—

Geibel, Geſ. Werte. IH. 10

—:16

„„Ach, Mädchen, wir ſpähen und ipäben umfonft; Und ſchon bricht ein das Verderben;

Der Feind, ſchon legt er die Leitern an;

Nun gilt's mit Ehren zu jterben!

Fahrt wohl denn Weib und Kind daheim,

Und ihr Hoclands-Geen und Haiden!

Und nun, Kameraden, gebt Feuer, mit Gott! Und die Schwerter hervor aus den Scheiden !””

Und die Salve kracht’, und der Sturm ward heiß, Und Dampf lag über ven Wällen,

Und als ver Fähndrich zu Boden anf,

Da faßte die Fahne Schön Ellen.

„Kun steht, ihr Brüder, nun ſteht! Ganz nah, Ganz nah jest hör’ ich die Weiſe!“

Sie rief's und ſieh, da zerbarit das Gewölk, Und der Blid ward offer im Sreife.

Und da blißt’ es heran durch das meite Gefilo, Und da fam’s in Geſchwadern gezogen,

Mit gewürfeltem Plaid und mit Federn vom ar, Und Englands Banner flogen;

Und da brad’3 in den Feind, wie Hochlandsſturm, Und jest von allen vernommen,

Hoh über vem Rauch fortwogte der Marjch,

Der Mari: die Campbell fommen.

Und ver Feind zerjtob und fie zogen in's Thor, Und Ellen fang, wie fie bliefen:

„Run find fie gefommen, wie euer vom Herrn, Der Name des Herrn jei gepriejen !”

147

Omar.

Inmitten ſeiner Turbankrieger,

Die Stirne voll Gewitterſchein,

Zog Omar, der Chalif, als Sieger

In's Thor der Ptolemäer ein.

Umrauſcht von Mekka's Halbmondbannern, Ritt langſam er dahin im Zug,

Ihm folgte mit den Bogenſpannern

Ein Negerſchwarm, der Fackeln trug.

Sie zogen durch die öden Gaſſen,

Durch Siegesthor und Säulengang,

Drin klirrend nur der Schritt der Maſſen, Der Hengſte Stampfen wiederklang; Schon lenkte zu den Porphyrſtufen

Der alten Hofburg der Chalif,

Da warf vor ſeines Roſſes Hufen

Ein Greis ſich in den Staub und rief:

„O Herr, der Sieger warſt du heute, Und dieſe Stadt des Nils iſt dein,

So nimm als reiche Schlachtenbeute Ihr Gold und Erz und Elfenbein.

Die Thürme ſtürz' in Schutt zuſammen, Zerbrich den Bilderſchmuck des Hains, Die Tempel ſelber gib den Flammen! Nur eins verſchone, Herr, nur eins!

Sieh hin! Wo dort die Sphinxe grollen Am Thor, die Hüter unſres Ruhms, Da ſchläft in hunderttauſend Rollen Der Geiſterhort des Alterthums.

148

Mas, feit der Erdkreis aufgerichtet, In That und Wort fich offenbart, Mas je gedacht ward und gedichtet, Dort liegt's der Nachwelt aufbewahrt.

O gieb ven Schab, aus allen Reichen Der Welt gehäuft mit treuem Fleiß, Sieb dieß Vermächtniß ohne Gleichen, Der Menjchheit Erbtheil gieb nicht Preis! Nein, heilig ſei auch dir die Stätte,

Die jede Mufe fromm geweiht,

Streck drüber deine Hand und rette

Der Zukunft die Vergangenheit!“

Doch Dmar zieht die Stirn in Falten

Und ſpricht, indem fein Auge flammt:

„Ich bin genaht, Gericht zu halten,

Mas drängt du, Thor, did in mein Amt? Hinmweg, daß meines Zorns Geloder

Nicht dich fammt deinen Rollen trifft!

Die Schäte, die du rühmft, find Moder Und was du Weisheit nennft, ift Gift.

Schon allzulang am unfruchtbaren Vielwiſſen fieht die Welt erichlafit;

Der Staub von mehr als taufend Jahren Liegt wie ein Alp auf jeder Kraft.

Des Lebens Baum ließ ab zu lauben, Seit dran ver Wurm des Zmeifels zehrt: Mo it ein Herz noch, friih zum Glauben! Mo ift ein Arm noch, ſtark zum Schwert!

Daß endlich diefe Dumpfheit ende, Bin ich gefandt, vom Herrn ein Blig. Auf! Scleudert denn die Feuerbrände In der verjährten Krankheit Sig!

149

Und wenn, ummwogt vom Flammenmeere, Der aufgethürmte Wuft zergeht,

Ruft: Gott ift groß! Ihm fei die Ehre! Und Mahomed ift fein Prophet!”

Honig Moman’s Zins. Nah altbretoniihen Heldenliedern.)

Um die Meeresbuchten zieht der Nebel,

Zieht in Wolfen um des Schlofjes Thürme, Das vom Felſen auf ven Strand herabfieht ; Horh, da Klingt vom Thal herauf das Hifthorn, König Noman kehrt zurüd vom Waidwerk,

Mit den Jägern Fehrt er, mit den Braden. Jeder trägt was er im Forſt erbeutet,

Der ven Auerhahn und der den Rehbod,

Doch ver König jelbit, der ſtarke Walpherr, Trägt den Preis der Jagd, den mächt’gen Eber.

Als der Zug die Brüde nun erreicht bat, Steht am Gatterthor, des Königs harrend, Von Arez der achtzigjähr'ge Häuptling.

Um ihn stehn im Halbfreis feine Söhne, Schwarzgewaffnet all, in ſchwarzen Kleidern, Zorn und Kummer auf der düſtern Stirne. Freundlih zu dem Alten tritt ver König: „Sei gegrüßt an unfern Pforten, Häuptling! Sei gegrüßt und ſprich, was dein Begehr ilt, Und warum du kommſt im Trauerfleide ?” Ihm verfegt der Greis: „Wohl mag ich trauern; Große Noth und Schmach ift mir gefchehen, Mir und dir und unferm ganzen Volke.

. Denn als jüngjt zur ftarfen Burg von Rennes

150

Du den Zins gefandt an Frankreichs König, König Karl, ven fie ven Kahlen beißen,

War's mein jüngfter Sohn, der blonde Kado, Der die Wagen führte mit den Schäßen. Ungepanzert zog der Ahnungslofe,

Galt es doc, ein frievlih Werk zu jchlichten. Aber da man nun im Schlofje droben

Wog die Säde, war zu leicht der eine;

Denn es fehlten fieben Pfund an taufend.

Da ergrimmte der Wardein von Frankreich, Tobt' und ſchrie: So ſei's denn Blut für Silber! Mas der Fürft nicht zahlt, das zahlt der Bote! Wutherfüllt ven Lanzenknechten winkt’ er,

Daß fie fih auf meinen Knaben jtürzten.

Wie ein Wildpret ſtachen fie ihn nieder,

Und den Leichnam warfen fie vom Walle,” Alfo fpricht der Greis. Die tiefe Stimme Bittert ihm vor ungemweinten Thränen.

Doch der König ſteht verjtummt, es fejleln Schmerz und Ingrimm furchtbar ihm die Lippe; Mit gewalt’ger Fauft das Haupt des Cbers Preßt er, daß das Blut in diden Tropfen Niederſprüht auf fein Gewand von Linnen; Dann, gefaßt, verfegt er diefe Worte:

„Sei getroft, o Greis! Du jollft erfahren,

Daß im Himmel droben nodb ein Gott lebt, Und ein König, der dich rächt, auf Erden.

Bei dem Haupte dieſes Ebers ſchwör' ich's: Nicht vom Saft ver Rebe will ich trinken,

Noch dies Blut von meinem Kleive wajdhen, Bis die Schmach, die uns geſchehn, getilgt ward!” Spricht's und jchreitet in's Gewölb des Thores; Schmweigend folgen ihm die düſtern Gäſte.

151

Wie verwandelt jtehn des Schlofjes Hallen, Geit der König geht im blut’gen Kleive.

Kein Gefang mehr fehallt und fein Gelächter, Staub bevedt die feitgewohnten Tafeln

Und die Spinnen weben am Crevenztiich ; Nur der Waffenſchmiede dumpfes Hämmern Klingt empor vom Zwinger und die Brüde Dröhnt vom Hufſchlag raſch entjandter Boten.

Über als zum andernmal im Jahre

Nun der Tag jih naht, ven Zins zu zahlen, An ven Strand hinab mit feinen Dienern Zieht der Fürft, ein ſeltſam Werk befehlend. Kiejel heißt er fie am Ufer jammeln,

Flache Kiejel, wie das Meer fie auswirft, Heißt fie die, als wären’3 Silbermünzen, Häufen, wägen und in Säde jchnüren

Und die ganze Laft auf Wagen jchichten. Schmwertumgürtet jteigt er dann zu Roſſe, Steigt zu Roß mit jtattlichem Gefolge,

Und die Wagen führt er jelbjt nah Rennes.

Als der Zug nun anlangt vor der Beite, Wohl verwundert's den Wardein von Frankreich, Daß der König jelbjt ven Zins geleitet;

Doc, jein Kleid von Scharlach umgemorfen, Gilt er flugs hinab, das Thor zu öffnen.

Sei willkommen, jpriht er, König Noman! Steig’ herab vom Roß und auf die Reife

Laß dir einen Becher Weins gefallen !

Auch ein filbern Wafchgefäß voll Wafjers

Soll man bringen; dein Gewand ift blutig. Doch der König fpricht mit finjtrer Stirne: Laß den Wein, Wardein, und laß das Waſſer!

12

Trinken und das Blut von meinem Kleide Mill ib waschen, wenn der Zins bezahlt ift!

Schweigend jchreiten fie empor die Stufen

Nah dem Saal der Burg, die Knechte folgen Keuchend unter dem Gewicht der Steine.

Dort, wie’3 Brauch ift, wägen fie die Säcke, Wägen fie auf erzbeichlag’'ner Wage,

Die herabhängt vom Gewölb der Halle.

Richtig wird der erfte Sad befunden

Rom Wardein und richtig auch der zweite; Doch beim dritten Sade ruft der Franke: Haltet ein! Nicht reiht was ihr gebradt habt! Wieder fehlen fieben Pfund an taufend!

Nuft’3 und beugt fih grollend auf die Wage, Mit ver Fauft ven Sad hinabzuſtoßen.

Doh der König ſpringt herzu, und jaufend Fährt fein Schwert dem Frechen in den Naden, Fährt durch Fleifh und Bein mit ſcharfem Siebe, Daß das Haupt, vom blut’gen Rumpfe fpringend, In die Schale rollt mit dumpfem Klange. „Wohl! Nun ift die Zahl der Pfunde richtig! Bringt fie meinem Better Karl und jagt ihm: Nur noch Kieſel zinſ't ihm der Bretagner!“

Starr noch vor Entjegen ftehn die Franken, Als ver König ſchon zu Roſſe ſitzet;

Lachend fprengt er aus dem Thor der Veſte. Aber draußen ftößt er in fein Hifihorn, Sieb, da bligen Lanzen rings und Schwerter, Schaar an Schaar mit flatternden PBanieren Nah'n die Männer jedes Gau’s, es führt fie Don Arez der achtzigjähr’ge Häuptling.

Bald im Sturm gewinnen fie die Veſte

19

Und von Schlabt zu Schlacht, von Sieg zu Siege

Folgen jie dem föniglichen Moler.

Alſo ward ver legte Zins an Frankreich Blutig ausgezahlt durh König Noman.

Der Hpielmanıı von SYS.

(Bretoniſch.)

Im Forſt von Lys am tiefen See Erglüht die Mittagsſtunde, Die hundertjährigen Eichen ſtehn Verſchlafen in der Runde.

Kein Lüftchen geht, man hört von fern Den Specht in Waldesmitten,

Da kommt der Spielmann durch den Buſch, Der braune Geſelle geſchritten.

Er trägt ein Wamms von Flicken bunt, Trägt Farr'nkrautblüt' am Hute,

Sein ſchwarzes Auge lacht und bligt, Er jingt mit lachendem Muthe:

„sh bin des grünen Waldes Kind, Die Thierlein kennen mich alle;

Woher ich komme, das weiß der Wind, Der Wind, wohin ich mwalle.

Des Bauern lad’ ich hinterm Pflug, Des Grafen hoch im Saale;

Mein Truchjeß ift der Brombeerftrauc, Mein Schenk der Quell im Thale.

14

Im Winter fchlaf’ ich bei dem Fuchs, Im Lenz auf jonnigem Rafen,

Und wird die Weile mir lang einmal, So heb' id an zu blajen.“

Er zieht hervor die Pfeif' aus Rohr, Den Klang verfucht er leife; Fremdartig durch die ftille Luft, Verlockend ſchwillt die Weiſe.

Sie jauchzt wie wirbelnder Lerchenſchlag, Sie klagt wie Unkengeſtöhne,

Wie Kinderjubel und Todesqual

Lachen und weinen die Töne.

Und wie er ſanft und ſanfter bläst,

Da regt ſich's in den Büſchen,

Da kommt es geſchlüpft durch's hohe Gras Mit leiſem Rieſeln und Ziſchen;

Jetzt hebt ſich vom Boden ein grünes Haupt Auf grünem gleißenden Rücken,

Zwei Augen glühn wie Edelgeſtein

Und funkeln vor Entzücken.

Das iſt die Schlangenkönigin,

Sie kommt bezaubert vom Schalle, Und hinter der Alten, wie Heeresgefolg, Die Schlangen des Waldes alle.

Sie ſchließen den Kreis gleich wie zum Reih'n, Sie ringeln und züngeln vor Wonne,

Um ihre ſchillernden Leiber ſpielt

Durch's Laub der Strahl der Sonne.

15

Und fieh, nun jchlüpft um des Spielmanns Hals Die Königin zärtlich und leife,

Gr fennt das Liebfofen der Freundin ſchon

Und bläst die ſchmelzendſte Weije.

Doch als des Schals ihn dünkt genug, Da fest er vom Munde die Pfeife, Die Schlange, wonnegejättigt, löst Langſam die glänzenden Reife.

Sie gleitet hinweg durch's wogende Gras Und ſucht ihr Neft in den Tannen,

Die Schweitern ſchießen ihr rauſchend nad; Der Spielmann wandert von dannen.

Er fingt: „Sch bin des Waldes Kind, Die Thierlein kennen mich alle;

Moher ich fomme, das weiß der Wind, Der Wind, wohin ich mwalle!”

Die Nacht zu Delforefl.

„Sagt’3 dem König, meinem Herrn, Daß der einz’ge Sohn und Erbe Seines mweiland Senejchalls,

Sagt's ihm, daß er ſchuldlos ſterbe!

„Niemals hab’ ih mit dem Feind Ränkevoll Verkehr gepflogen ; Die! dem König hinterbradt, Hier beſchwör' ich's, daß fie logen.

„Doch ich fürcht', er glaubt’ es gern, Denn nah unjern Leh’n und Landen, Nah dem Schloß von Belforeft

Hat ihm längjt ver Sinn gejtanden.”

156

Alfo Spricht Graf Aimery,

Als er nieverfniet am Blode; Blitzend fährt herab das Beil, Und es ſchallt die Todtenglode.

Doch wer wagt's, des Grafen Wort Vor des Königs Ohr zu tragen!

In den Foriten von Poitou

Schmeift er jhon, ven Hirſch zu jagen.

Dort von edler Spur verlodt Irrt er Nachts im Waldesgrunde; Vor das Schloß von Belforeit Kommt er um die zmwölfte Stunde.

Langſam, wie er ftößt in’3 Horn, Sinft vor ihm die Brüde nieder, Langſam in den Angeln dreht

Sich da3 Thor und jchließt ſich wieder.

Doch fein Diener läßt ſich ſchau'n; Nur des Monds gedämpfter Schimmer Leuctet ihm zum Ahnenfaal

Dur die ausgejtorbnen Zimmer.

Aber dort im GSteinfamin

Gieht er roth ein Feuer bligen, Sieht den todten Seneſchall

An der Glut im Lehnftuhl figen.

Der erhebt fih vor dem Galft,

Und mit halberlofjhnem Klange Spridt er: „Kommt ihr endlich, Sire? Euch erwartet hab’ ich lange.”

197 0

„Kur um eins Euch fund zu thun, Stieg ich aus der Gruft der Väter, Daß vom Stamm ver Belforeft

Nie gezeugt ward ein Verräther.“

ALS der König das vernahm, Warf ihn tiefes Graufen nieder; Sinnberaubt am Morgen fand Sein Gefolg im Saal ihn wieder.

Sieches Leid beſchlich ſeitdem, Tiefer Trübſinn all ſein Weſen; Von der Nacht zu Belforeſt

Iſt er nimmermehr geneſen.

Bokhwell.

Wie bebte Königin Marie,

Als durch's geheime Pförtlein ſpat Mit ungebog'nem Haupt und Knie In ihr Gemach Graf Bothwell trat!

Ihr ſchön Geſicht ward leichenweiß; Sie zuckt' und ſah ihn fragend an: Er wiſchte von der Stirn den Schweiß Und ſagte dumpf: „Es iſt gethan.“

„Es iſt gethan, dein ſüßer Mund War nicht für Buben ſolcher Art, Heut Abend um die achte Stund' Hielt Heinrich Darnley Himmelfahrt.“

Sie ſchrie empor: „Verzeih dir Gott!

Nimm all mein Gold, nimm hin und flieh!“ Da lacht' er laut in grimmem Spott;

„Was ſoll mir Gold für Blut, Marie?

18

Ich liebe dich, und wenn ich mid Der Höll' ergab zu dieſer Frift: Sp mwar’3 um dich, allein um dich, Weil du der fchönfte Teufel bift.

„Die Hand, die einen König fchlug, Greift auch nad) einer Königin.“

Er rief's, und Grau'n in jedem Zug, Starr wie ein Wachsbild ſank fie hin.

Gr hub fie auf; fie fühlt’ es nicht,

Daß ihr in’s Fleiſch fein Stahlhemd ſchnitt; Ihr Iodig Haupthaar wallte dicht

Um feine Schulter, wie er jchritt.

Gr jtieß den Ring an ihre Hand,

Gr ſchwang fie vor fi feit aufs Roß, Und jagt’ in's wetterfchwüle Land Hinaus mit ihr gen Dunbar-Schloß.

Schwarz war die Nacht, als wäre rings Erloſchen jeder Stern des Heil;

Nur mandmal in den Molfen ging's, Gleichwie das Bligen eines Beils.

Aärchen.

Schön Manar trat aus dem wilden Wald, Sie trat in den prächtigſten Garten;

Da blühten die Roſen roth und weiß

Und luſtig ſprangen die Waſſer.

Und über den Roſen und Waſſern ſtieg Ein Schloß mit ſchimmernden Kuppeln, Zwei Flügelpferde ſtanden am Thor Aus grünem Erz gegoſſen.

19

Schön Manar ſchritt in das Schloß hinein, Empor die ſchweigenden Treppen ;

Zwölf Harfen hingen im Pfeilergang,

Die Spinnen woben darüber.

Und als fie trat in den erften Saal, Da ftand eine Tafel gerüjtet

Und funfelnder Wein in lichtem Kryſtall, Doh Niemand Fam, ih zu legen.

Und als fie trat in das zweite Gemach, Da lag auf feivdenen Kifjen

Das ſchönſte Weib in goldnem Gelod, Doch jchlief fie bleiernen Schlummer.

Und als fie trat in den dritten Saal,

Da ſaß bei verhangenen Fenjtern

Im dämmernden Raum auf güldenem Stuhl Sin ſchattenhafter König.

Sein Antlitz war nicht jung noch alt, Sein Haar war unbejchoren;

Auf feinen blafjen Zügen lag

Ein unergründliches Elend.

Schön Manar ſprach voll Mitleid: „Herr, O brüte nit bier jo düſter!

Die Welt ijt draußen voll Sonnenjcein Und voll von Rojen der Garten,

„Das gehſt du nicht, am funfelnden Wein Dein traurige Herz zu erquiden ? Mas weckſt du die jchlafende Jungfrau nicht Mit Küffen zu Luft und Liebe?’

0

Der König hub zu ihr empor

Die gramerlofchenen Augen;

Er jehüttelte trüb das Haupt, doch kam Kein Wort von feinen Lippen.

Cr ſchlug den Purpurmantel zurüd

Von feiner linken Seite,

Da war fie nicht Fleifeh, da war fie nicht Bein, Da war fie fehwarzer Marmor

Aheinfahrk. I.

Nun wird es licht, nun will der Frühling nahn, Durch blaue Lüfte Schifft der wilde Schwan,

Bon Berg zu Bergen webt der Sonnenftrahl, Es jauchzt der Bach und jpringt in's Blütenthal, Die Wolke treibt im Wind, die Seglerin, Mas wogſt du, Herz! D ſprich, wohin, wohin?

D Herz, du möchtet mit dem Schwane ziehn,

Du möchteſt mit dem Bach zur Tiefe fliehn,

Du möchteſt fahren in die Welt hinein

Mit Märzenwind und Frühlingsfonnenihein Wohin? Wohin? D ftill! Was fragit du viel? Du meißt die Richtung und du fennit das Ziel.

In hohen Wafjern braust der grüne Rhein, Die Berge ſchau'n, die Burgen ftill hinein; Durch Felsgeflüft und Reblaub geht vie Bahn; Dort haust die Fey, die dir es angethan. Spann’ aus die Flügel denn! Was zögerjt du? Zur ihr! Zu ihr! Denn dort nur haft du Ruh!

II.

Nun geht’3 auf dampfbeichwingtem Schiffe Zuthal vom Fels ver Loreley:

Beſonnte Weiler, ſchwarze Niffe,

Zerfall'ne Warten fliehn vorbei.

63 grüßen Kirchen, grüßen Schlöſſer, Bezaubernd wechjeln Berg und Thal, Des Stromes dunfelgrün Gewäſſer Wird flutend Gold im Abenpitrahl.

Aus allen Gärten Blütendüfte, Von allen Thürnen Glodenfpiel, In Rofenglut getaucht die Lüfte O jchöne Fahrt zum fchönften Ziel!

Am Bord die Mufifantenbande

Hebt an ein Lied von Nhein und Wein, Das Echo ruft vom Klippenftrande

Und Schaum und Räder braufen drein.

D Klang und Sang aus heller Kehle, O Frühling, wie beraufcht ihr mich! Ein Jauchzen geht durch meine Seele: Du Schönes Weib, ih grüße dich!

Vibesleben.

Märchen dämmern herauf, Reizende Märchen.

Kennſt du die Sage? Durch's Blau der Mondnacht Geibel, Geſ. Werke. II. 11

192

Wolkenvorüber

Rauſcht der Greif.

Schwebend trägt er

Die Sultansfinver,

Trägt fie gebettet

Unter den mächtigen Schwingen Ueber das Meer,

Ferne, ferne hinaus

Zu jeligen Inſeln.

Neide, Geliebte,

Neide fie nicht,

Die Sultanskinver! Trägt nit uns beide Auf Hreifenflügeln

Hoch hinauf

Der Geift der Dichtung? Unten verfinfen

In filberner Dämm’rung Land und Meer, Schwinden im Nebel Schranken und Sorgen, Mir aber ruhen

Unter dem weichgefiederten Fittich Sicher gebettet,

Aug’ in Auge,

Arm in Arm,

Einjam jelig.

Märchen leben wir, Reizende Märchen.

165

Theodor Körner.

Als wider Frankreihs räuberifchen Geier

Das Waidwerk anhub durch die deutfchen Lande, Da ſchoß, die Seelen zu geweihtem Brande Entzündend, Blitz auf Blitz aus deiner Leier.

Zum Schwerte ftürmtejt du in zorn’ger Feier Dein Volk empor aus thatenlofer Schande, Und jelbjt voran im ſchwarzen Jagdgewande Die Eifenbraut erforjt du dir al3 Freier.

So fangjt und rangft du, unſre Noth zu fühnen, Und wardſt in beivem gleich getreu erfunden, Dein Lied befiegelnd durch den Tod der Kühnen.

Drum, wenn mand edler Kranz im Flug der Stunden Dahinwelkt, wird noch friſch der deine grünen, Bethaut mit Opferblut aus heil’gen Wunden.

Doyll.

Hoch auf des Eilands ſchroffem Vorgebürg, Vom himmelblauen Meer umgürtet liegt

Das Kloſter, deſſen offnen Bogengang

Mit weißem Glanz die Morgenſonne füllt. Doch kühl noch iſt's im Garten, wo der Hauch Der See gelind die ſchwarzen Rieſenwipfel Der hundertjährigen Cypreſſen wiegt,

Und friſch vom Thau der Nacht die Roſe blüht. Dort wandelt erſt im dunkeln Ordenskleid

Ein alter Mönch; die tiefgefurchte Stirn,

Der Zug gedämpfter Wehmuth um den Mund Verrathen, daß er einſt die Welt gekannt

164

Und daß er erft gejcheitert ihr entjagt.

Jetzt übt er treulich jede Fromme Pflicht

Und mallt, ver Roſen und des lichten Meers Kaum achtend bin, vertieft in fein Brevier. Doch als ein ſchöner blauer Schmetterling

Sich ihm aufs Buch fegt, lächelt er und wagt Den leichtbefhwingten Gaft nicht fortzufcheuchen, Und ſchaut dem Zwinkern feiner Flügel zu, Der Zeit gedenkend, da er jelbjt noch froh Geflattert durch des Lebens Sonnenjcein.

Vorüber!

Das Dampfroß ſchnaubt entlang der Halde, Da, plötzlich, öffnet ſich das Thal,

Und ferne dämmert über'm Walde

Ein Schloß empor im Abendſtrahl.

Mit Thurm und Erkern ſeh' ich's ragen, Es naht, es grüßt, es flieht vorbei; Mir aber träumt von alten Tagen,

Von einem ſchönen Monat Mat.

Wie flog zu jenen grünen Schatten

Beim Frühroth einjt mein leichter Schritt!

In Blumen ftanden Forit und Matten

Und meine Seele blühte mit.

Des Liedes tiefen Drang im Bujen,

Verſchwärmt' ich jung und jorgenfret

Den goldnen Tag dort mit den Muſen

Es war im fhönen Monat Mai. |

Doh wenn der Mond um Buſch und Gipfel Sein traumhaft Silberliht ergoß, Beraufhend durch die Naht der Wipfel

Der Nachtigallen Stimme floß,

195

Dann harrt' ich, daß fie mir erjchiene, Sie, meines Waldes jchlanfe Fey, Die lockendunkle Melufine

63 war im ſchönen Monat Mai.

Und jeßt, entgegen meinem Gruße,

Als ging der Mond noch einmal auf, Unbörbar, mit bejchwingtem Fuße

Den Baumgang jchwebte fie herauf.

Mir ſchoß das Blut in Stirn und Wangen, Der Lipp' entfuhr ein Freudenfcrei;

Mit Armen durft’ ich fie umfangen

63 war im ſchönen Monat Mai.

Ihr Sterne, die mit klarem Funfeln

Ihr in dieß Thal hernievderfcheint,

Ihr wißt allein, wie wir im Dunteln Geküßt, gejubelt und gemeint!

Ahr wißt's, wie wir jo jelig waren,

Sp jelig und jo rein dabei,

Rein, wie man’3 ift mit achtzehn Jahren 63 war im jhönen Monat Mai.

D, dent ih dran, fo fliegt der Schauer Noch heut mir durch die müde Bruft; Erquidend fließt in meine Trauer

Gin Sonnenblid vergeßner Luft.

Mag nimmermehr dieß Herz genejen, Sind Glanz und Frühling längjt vorbei: Glückſelig bin auch ich geweſen;

63 war im ſchönen Monat Mai.

16

Sifella.

Du biſt nit ſchön, noch rein von Feble; Dod ob die Welt auch hart gefinnt Did unter die Verlornen zähle:

Du rührſt das Herz mir, armes Kind,

Denn mitten unter Schein und Lüge, Verdeckt von leichter Schlade nur, Erfenn’ ih noch an dir die Züge Der gottbegnadeten Natur.

Schien je ein hold Gefäß erforen

Zum Dienjt der Kunſt, die du ermäblt, Sp warejt du's, der angeboren,

Was hundert Vielbekränzten fehlt:

Der ſtumme Zauber der Geberve,

Die Stimme, welche Thränen jpricht, Für alles Glüd und Web der Erde Der Schrei, der aus dem Herzen bridt.

Doch weit iſt's von der Kraft zum Siege, Wenn ihr das Glüd die Hand nicht bot; Wohl jtand die Muſ' an deiner Wiege, Doch bei der Muſe ftand die Noth.

Und was als lichtes Angebinvde

Die Eine dir bejcheert der Fey'n, Die andre hüllt' es, ach, dem Kinde In Duft und Spinnweb troftlos ein.

Kein Sternbild ſahſt du leitend funfeln, Kein Führer ging dir treu voran;

Du tajteteft allein im Dunkeln

Di fort auf ungemifjer Bahn.

17

Sung, rathlos, ohne Schuß und Pflege, Vom eignen heißen Blut verwirrt

Mer hebt den Stein auf, wenn vom Wege Sich ahnungslos dein Fuß verirrt!

Gmporgeblüht auf fonn’gen Matten Wärſt du vielleiht der Stolz der Flur, Nun bradteft du's, verblaßt im Schatten, Zu einer fargen Blüte nur.

Die Perle, die, vom Staub gereinigt, Für feine Krone zu gering,

Verloren unter Sand und Steinicht Bertrat fie wer vorüberging.

Und doch, um die zerfprungnen Stücke Spielt no ein Glanz jo ächter Art, Daß ih die Thräne nicht zervrüde Um das, was hier verloren ward.

Ach, faſt bedünkt's mich jebt ein Segen, Daß du dahingehjt leichtgeherzt,

Kaum ahnend, was in dir gelegen Und melde Zukunft du verfcherzt.

Tempora mutantur.

Die Stätten meiner Jugend ſah ich wieder,

Doch zeigen fie mir faſt ein fremd Gelicht;

Rings wuchſen Giebel, fanfen Wipfel nieder

Und jelbjt das Flußbett ift das alte nicht;

Ya, Freund, ven Hauch, der unterm Schlag der Gloden

Die Welt durchſchauert, ſpür' ich doppelt bier;

Gr blies nicht bloß das Braun aus unfern Loden, Berwandelt ward die Zeit und wir mit ihr.

18

Mie lag im goldnen Märchenduft die Ferne,

Da uns nob eng der Heimat Bann umgab!

Vom erjten Berg ſchon ſah'n wir andre Sterne

Und Zaubergerte jhien der Wanderftab.

Sehnſüchtig wuchs das Herz, wenn jeine Weijen

Das Poſthorn fang im nächt'gen Waldrevier

Sept pfeift der Dampf und läßt im Sturm uns reifen; Nerwandelt ward die Zeit und wir mit ihr.

Von Ort zu Ort die traute Liebesfunde,

Die Grüße, die der Freund dem Freunde rief,

Wie bang erharrten wir fie Stund’ um Stunde,

Und zum Greigniß ward der jpäte Brief.

Verhallend jelbit, als Echo nur, empfingen

Der Weltgefhichte Donnerbotichaft wir

Jetzt trägt der Blis das Wort auf Feuerſchwingen, Perwandelt ward die Zeit und wir mit ihr.

Vom Zauberduft der blauen Blume trunfen

Des Herzens Näthjeln jann der Dichter nad);

Er klagt' um Sonnen, die hinabgejunfen,

Und rief ver Vorwelt mächt'ge Schatten wach.

Der Freiheit Mufe fhlih nur auf ven Zehen

Bei Nacht zu ihm, als wär's Verbrechen ſchier

Heut läßt fie auf dem Markt ihr Banner wehen, Verwandelt ward die Zeit und wir mit ihr.

Gruß euch, ihr Münſter mit ven hohen Schiffen, Gebraus der Orgel, dunkles Chorgeftühl, Wo ein Geheimnik, ewig unbegriffen, Uns Wahrheit ward durch unjer wahr Gefühl! Auf feinen Flügeln jedes Zweifels Schrante Hoch überfliegend, fampflos glaubten wir Sept heifeht fein Recht am Glauben der Gedanke; Verwandelt ward die Zeit und wir mit ihr.

169

Wohl trugen wir das Vaterland im Herzen,

Doch liebten wir wie Knaben, ſtumm und zart;

Zum Freund nur ſprach der Freund von ſeinen Schmerzen

Und von dem Kaiſer mit dem Flammenbart.

Das Wort vom Reich, ob niemals ganz verklungen,

Doch ſcheu nur ward's geflüſtert dort und hier

Heut rauſcht es fort im Volk von tauſend Zungen, Verwandelt ward die Zeit und wir mit ihr.

Ya, vorwärts geht's, des Webſtuhls Spulen jaufen, Die Welt ward meiter, freier Blid und Sinn; Doch mie des Lebens Ströme jchwellend braufen, Wuchs nah Genuß die Gier und nach Gewinn. Da fingt bei Nacht wohl, eh’ die Sterne jchwinden, Vom engen Sugendglüd die Sehnfuht mir Doh komm nur Tag! Du follit mich wader finden! Verwandelt ward die Zeit und wir mit ihr.

Deihnadt.

Wie bewegt mi wunderjam Euer Hall, ihr Weihnachtsglocken, Die ihr kündet mit Frohlocken, Daß zur Welt die Gnade Fam.

Ueberm Haufe jhien der Stern Und in Lilien ftand die Krippe, Wo der Engel reine Lippe Holiannah ſang dem Herrn.

Herz, und was geſchah wordem, Dir zum Heil erneut fih’S heute: Dies gedämpfte Feitgeläute

Ruft auch dich nach Bethlehem.

r“ hei En

10

Mit den Hirten darfſt du ziehn, Mit den Königen aus Oſten

Und in ihrer Schaar getroſten Muths vor deinem Heiland knie'n.

Haſt du Gold nicht und Rubin, Weihrauch nicht und Myrrhenblüte: Schütt' aus innerſtem Gemüte Deine Sehnſucht vor ihm hin!

Sieh, die Händchen zart und lind Stredt er aus, zum Born der Gnaden Die da Kinder find zu laden,

Komm! Und fei au du ein Kind!

Dhr Klugen Dungfrau’n.

Ihr Eugen Jungfrau'n In eurer Kammer, O ſchlummert nimmer, Rüſtet die Lampen!

Längſt ſchwand in der Ferne Des Abendroths Pracht; Schon künden die Sterne Die Mitte der Nacht.

Seid munter und wacht! Mie lang’ wird es währen, Sp nahet ver Bräutigam, Der König der Ehren. Drum ſchlummert nimmer, Rüſtet die Lampen!

111

Nun ſalbt euh mit Düften! Legt an das Gejchmeid! Umgürtet die Hüften

Mit purpurnem Kleid!

Der Herr ift nicht meit. Auf gülonen Gejhirren Bald gilt's ihm zu zünden Weihrauch und Myrrhen. Drum ſchlummert nimmer, Rüſtet die Lampen!

Durch Wälder und Wogen Durch's finſtere Land, Still kommt er gezogen, Die Kron' in der Hand. Sein Herz iſt entbrannt Von himmliſcher Minne; Doch forſchend verzieht er, Zu prüfen die Sinne. Drum ſchlummert nimmer, Rüſtet die Lampen!

Weh denen, die liegen, Vom Schlaf unterjocht, Wenn endlich, die Stiegen Beſchreitend, er pocht. Verlöſcht iſt ihr Docht. Verſtoßen vom Funkeln Des Feſtes dann gehn ſie Und meinen im Dunkeln. Drum jhlummert nimmer, Rüſtet die Lampen!

Doch die da fih ſchmückten Und warteten jein,

Er führt die Entzüdten Zur Herrlichkeit ein. Holvfeliger Schein

Iſt drinnen ergoflen,

Wo hoch um das Lager Die Lilien ſproſſen.

Drum ſchlummert nimmer! Nüftet die Lampen!

Erinnerungen aus Griechenland.

ır

%

Zu dem fhönen Griechenvolfe Ueber’3 blaue Mittelmeer

Shift in dichter Schwalbenwolke Monnevoll der März daher.

Am Hymettus blühn die Wiejen, Und ein warmer Strahlenguß Röthet deine Säulenriejen, Supiter Olympius!

Und wo bligend am Geſtade Der Iliß worüberihmillt,

Stehn in Veilchen alle Pfade, Grünt der Lorbeer im Gefild.

Herz, wie badeſt du im frijchen Blütenduft der ſel'gen Flur!

Sprich, o ſprich, was ſoll dazmwijchen Dieſer Laut der Sehnſucht nur?

Ach, dich mahnt's in ſüßem Grauſen, Wie durch's ſchnee'ge Waldgebiet Deiner Heimath jetzt mit Brauſen Erſte Frühlingsahnung zieht.

1714

In diefen Säulengängen, Wo um vermorfeht Geftein Sich taufend Blüten drängen, Wie träum’ ich gern allein!

Mit räthſelhaften Schauern Beklemmen bier die Bruft Erinnrungsvolles Trauern Und reichſte Jugendluſt.

Wohl klagt das Herz bekümmert Um dieſe ſchöne Welt,

Die rettungslos zertrümmert Gemach in Staub zerfällt;

Doch ſpür' ich, von den Düften Des jungen Tags umglüht, Daß auch auf Göttergrüften Der Frühling wieder blüht.

Granaten bringt und Reben Verſöhnend jedes Jahr, Und ſüß iſt heut das Leben, So wie's den Alten war.

Ach, wäre jener Sonnen Erlauchtes Roſenlicht

Nicht auch in Nacht zerronnen, So liebt' ich heute nicht.

*

A

II.

Wo des Delmalds Schatten dämmern, Raſt' ich matt vom Sonnenſchein; Fern am Berg bei ihren Lämmern Lagern Hirten und ſchalmei'n.

Müd' eintönig ſchwimmt die Weije Durch den Mittagspuft heran, Und mir träumt, es jei das leije Flötenfpiel des großen Pan.

IV.

Reifen Schritts durchwallt der Mittag Des Hymettus Marmorflüfte ;

Auf den wildzerriſſ'nen Kuppen Liegend brennend blau die Lüfte,

Meit und breit im Feljenkefjel Brütet märchenhaft Verftummen ; Nur, daß in den Thymusbüjhen Taujend Bienen ſchwärmend fummen.

Zautlos durch's Geröll am Abhang Klettern kurzbevließte Schafe; Unter'm wilden Zorbeerbaume Liegt der Hirtenbub’ im Schlafe;

Ihm zur Seite Stab und Tajche Und die rohrgejchnigte Flöte; Durch die mandelbraunen Wangen Schimmert ſacht des Blutes Röthe.

——

Schöner Knab', an deinen Zügen Weiß ich kaum mich ſatt zu ſchauen. Um den Mund welch ſtiller Zauber! Welche Hoheit auf den Brauen!

Traun, im alten Land der Götter Biſt du ſelbſt von Götterſtamme, In ein irdiſch Weib verkleidet Säugt' Erato dich als Amme.

Was du träumſt ſind eitel Lieder, Und es tragen von den Klippen Dir die Bienen, wie dem Pindar, Honig auf die jungen Lippen.

V. Hoh mit Drangen beladen Miegt fih das jhaufelnde Boot Bon Poros Felsgeitaden Hinaus in's Abendroth.

Die Jungfrau ſitzt am Steuer Und nimmt des Segels wahr; Des Tages letztes Feuer

Umſäumt mit Gold ihr Haar.

Berauſcht von Glanz und Düften, Das Herz in tiefer Ruh,

Bedünkt mich faſt, wir ſchifften Den ſel'gen Inſeln zu.

VI.

Im Schatten der Platane Hält von der Reiſe Laſt Die kleine Karavane

Zu Nacht um's Feuer Raſt.

Zum Pfühle dient der Raſen, Zur Seite blitzt die Wehr; Die müden Roſſe graſen Entſattelt um uns her.

Schlaf liegt auf allen Wimpern; Nur unſer Wächter dort Scheucht mit Guitarrenklimpern Den Druck vom Auge fort.

Ich ſeh' noch, wie die Flamme In Aſchen roth verglimmt,

Und hinter'm Bergeskamme Empor der Halbmond ſchwimmt.

Dann, wie durch's Laub der Bäume

Der Nachtwind ſchauernd rinnt, Hüll' ich mich ein, und träume Von dir, mein deutſches Kind.

VII.

Niemals werd' ich dich vergeſſen, Wie ich einſt im Kranz dich ſah, Deiner Palmen und Cypreſſen, Reizendes Parichia!

Geibel, Geſ. Werke. III.

12

18

Aus dem Meer auf Felsterrafjen Steigft du fanft und dichter Wein Hüllt die fäulenreihen Gaſſen Dir in grüne Schleier ein.

Brunnen raufben, Vögel rufen, Roſen glühn im Laubgeflecht, Und hinauf, hinab die Stufen Wallt ein göttergleih Gejchlect:

Blonde Knaben, deren Brauen Träumerifcher Ernſt ummebt, Schlanke marmorjhöne Frauen Deren Schritt wie Reigen jchmwebt.

Ob die Fabelwelt der Dichter Längſt zerronnen: hoch und rein Spielt um diefe Angefichter Noch von ihr ein Widerſchein;

Und in fremder Märchenhülle, Menn jie dir vorübergehn, Glaubſt du Phöbus Lodenfülle, Aphroditens Reiz zu jehn.

Wahrlid, aus dem Weltgetriebe Flücht' in dieſe jtille Bucht

Mer die Sehnjucht, wer die Liebe, Mer der Schönheit Urbilo jucht!

VIH.

Wie mwebt jo ftill der Sonnenſchein Im Säulenhof! Die Fächer

Der hoben Palmen ſchau'n herein Ueber die flachen Dächer.

ne 3 3 Ken

Ein wilder Roſenbuſch umzmweigt Das Bogenthor der Halle;

Sm Borphyrbeden wallt und jteigt Der Born mit leifem Schalle.

Dort Shlürft, im Haar das rothe Feß, Den Arm im golonen Reife,

Das ſchönſte Kind von Melanes

Den Rauch der Waflerpfeife.

Sie ſchaut behaglih himmelan,

Sie fräufelt leichte Ringe,

Und denkt dabei man Jieht’3 ihr an An lauter füße Dinge:

An ihren Schab, der nah Corfu Gejhifft zum Weinverhandeln, An ihren bunten Kakadu,

An Fruchtkonfekt und Mandeln;

Und an den Halsihmud von Opal, Den morgen in Naria

Sie tragen foll zum erjtenmal

Am Felt ver PBanagia.

IX. D Sieh, wie hinterm Waldgebirge jacht Ein ſel'ger Schein emporquillt in die Nacht! Dort, in der Pinienwipfel Finfterniß, Den flüht'gen Wagen hemmt jet Artemis, Und fteigt in Glanz gehült am Felfenhang Zum Jüngling nieder, der ihr Herz bezwang.

190

Er ſchlummert ahnungslos; jie weckt ihn nicht, Sp lieblich glüht vom Traum fein Angeſicht; Verſunken läßt fie in entzüdtes Schau’n

Auf Wang’ und Stirn ihm leife Küfje thau'n. Wohl harren Erd’ und Himmel unerhellt,

Doch wer vergift nicht, wenn er liebt, die Welt!

Da fchnauben fühl vom Thau die Zelter jchon, Sie reift fih los: „Fahrwohl Endymion!“ Ein einz’ger Kuß noch, und mit fihrer Hand Die Zügel faßt fie, halb zurückgewandt,

Und fanft vom Hang fich löfend, über'm Tann In's Blaue, zaudernd, ſchwebt ihr Lichtgefpann.

x: Wenn auf fonnverbrannten Matten Die Cicade ſchrillt von fern, Raſt' ich in des Lorbeer Schatten Bei den alten Dichtern gern.

Sanft wie voller Segel Schwellen Trägt Homers geflügelt Wort

Mich durch Sturmgefahr und Wellen, Volksgewühl und Schlachten fort.

In Olympia's jtaub’ge Bahnen Reißt mih Pindars Giegeschor, Und des Neihylus Titanen

Steigen troß’gen Blick's empor.

Doch von allen, die ich mähle, Schmwichtigt mit erhabner Ruh Keiner mir jo ganz die Seele, Hoher Sophofles, wie du.

1831

Von erliegender Herven Unverjtand’nem Rieſenleid Führteft du dein Volk zum hohen Urbild Schöner Menjchlichkeit;

Riefeſt aus dem Schoof der Nächte, Die von Mitleid nie gewußt, Shren Theil der Schidjalsmächte In die freigewordne Bruft;

Daß, was aus des Herzens Falten Räthſelvoll gezeitigt ſproß,

Mit der Götter hehrem Walten Sich zum goldnen Ring beſchloß.

Alſo zwiſchen ſtarrer Sitte, Zwiſchen frecher Neu'rung Wahn Wallteſt du in ſchöner Mitte Hoch und heiter deine Bahn;

Klärteſt mit dem Hauch der Muſen Fromm der Leidenſchaften Glut, Und ein heilig Maß im Buſen Prieſeſt du als höchſtes Gut.

Sel'ger, dem ſein Wort zu lohnen Das entzückte Griechenland

Seine reichſten Lorbeerkronen

Um die Vrieſterſchläfe wand;

Der noch heut, vom wandelbaren Strom der Zeitflut unverſehrt,

Heut nach zweimal tauſend Jahren Schönheit uns und Weisheit lehrt!

12 XI. Zwei Schweitern ſah ich heut geſchmückt, Die zum Altare gingen,

Da bört’ ih am Granatenbaum Die jpröde Dritte fingen.

Sie fang: geplündert jteht der Baum, Die Aepfel find gefallen,

Doh blieb am Alt, am höchſten Aft Der ſüßeſte von allen.

Mer pflüden ging vergaß ihn wohl, Den Apfel ohne gleichen;

Wer pflüden ging vergaß ihn nidt, Er konnt' ihn nicht erreichen.

RI

Diefer Gartenfaal, in dem

Ich den Herbſt verſchwärmt jo felig, Zeigt fih weniger bequem,

Nun es Winter wird allmäbhlid.

Kein Kamin! Und durch's Gefach Zieht's und durch den Riß der Scheiben. Und von oben durch das Dach

Regnet's mir auf's Blatt im Schreiben,

Schirmbewehrt und fröjtelnd tritt Ein der Freund; wir wollten leſen; Plato’s Gajtmahl bringt er mit Uber dort ijt’3 warm gemejen.

138

Liebjter Menſch! Mir jteht ver Wunſch Heut nad feinem Philoſophen Nein, ich jehne mih nah Punſch

Und nad einem deutſchen Ofen.

XI.

Meil man in der NRegenflut Draußen jchier ertränfe, Sammeln wir uns wohlgemuth Abends in der Schenfe.

Lodernd prafieln im Kamin

Dürre Lorbeeräfte,

Und der Wein von Santorin Märmt das Herz der Gäfte.

Sreunde fommt und plaudern mir! Gleih Homeros Helden,

Abenteuer habt auch ihr

Mancher Fahrt zu melden.

Gebt Bericht, wo fih im Meer Euer Segel bläbte,

Melch Gebiet ihr faht umber, Welcher Menſchen Städte;

Wie ihr aus Cyclopenhand Nur mit Noth euch löſ'tet, Wie euch im Phäakenland Schöne Frau'n getröſtet.

Manchen hielt vielleicht ſogar, Dank dem raſchen Gotte! Ein entfeſſelt Lockenhaar

In Kalypſo's Grotte;

14

Ah, und das erfuhrt ihr aud, Mas es heißt, mit Thränen Nah der Heimat fernem Rauch, Wie Ulyß, ſich jehnen.

XIV. Nun auf tagelangen Regen Endlich jih die Luft erhellt, Mie begrüßt auf allen Wegen Holvverwandelt mi die Welt!

Sanft von zitternd grünem Schimmer Liegt die Thalflur überhaudt, Mährend Silberduft noch immer Don dem Schnee der Berge raudt.

Schüdtern laufht vom Hügelfaume, Golonen Blids, der Krofus vor, Und am milden Mandelbaume Bebt durchſicht'ger Blütenflor.

Ah, und über Wald und Wieje Dieſes bräutlich zarte Licht,

Das wie Glanz vom Paradiefe Durch geflodte Wölkchen bricht !

Wahrlich, ſehnt' ih mich noch eben Nah dem nord’ihen Herd zurüd:

Heut’ empfind’ ich hier das Leben

Wie ein mühlos heitres Glüd.

Leicht, als ob fie Flügel trügen, Wiegt fih meine Seele nur Auf den leifen Athemzügen Diejer findlihen Natur;

18

Und e3 fehlt mir nur das Eine, Daß ich folhen Wonnetag

Nicht verklärt im Widerfcheine Deines Auges fehauen mag.

IV:

Beim Mondesuntergange

Erglänzt wie Gold das Meer, Schwarz blidt mit fchroffem Hange Leukadia's Felfen her.

Da taucht mir tief im Sinne Gleihwie aus Dämmerflor Bon Sappho’3 wilder Minne Die alte Mähr’ empor.

Dem Bolfe der Hellenen Sang jie zum erftenmal Die eiferfücht’gen Thränen Berlorner Liebesqual.

Noch leben jene Gluten, Die tönend fie durchwühlt, Bis ſie in dieſen Fluten Ihr brennend Herz gekühlt.

Und oft bei Nacht dort oben, Wenn hoch die Wolken gehn, Das Haupt vom Kranz umwoben Sieht ſie der Schiffer ſtehn.

Geſpenſtiſch weht ihr Schleier, Und über'm Wogendrang Im Winde ſchwebt zur Leier Sehnſüchtig ihr Geſang:

186

„Schon ſenkt der Mond ſich trübe, Die Mitternacht bricht ein;

Mein Herz vergeht vor Liebe

Und weh, ich bin allein!“

xVl.

Vor Kephiſſia's Nympbhengrotte Am ummölbten Wajjerfall

Preis dem jhönen Frühlingsgotte Singt im Bush die Nachtigall.

Ihre goldnen Weifen dringen Durch's Geflüft hinab, hinauf; Sieh und am Granatbaum jpringen, Am Jasmin die Blüten auf. '

Auf der Flut, durch Pinienwipfel Zitternd, jpielt der Sonnenſchein, Und Penteli's Marmorgipfel . Schaut von oben ftill herein.

Schöner Tag, wie von den Mufen Selbjt zu ihrem Dienft geweiht! Doch es feffelt mir den Bufen Süße Frühlingsmüpdigfeit.

Schauen fann ih nur und laufchen In entzüdtem Müßiggang

Auf des Felfenbornes Rauſchen, Auf der Nachtigall Gejang;

Und dazwiſchen holder Mythen

Denk' ich, wie beim Monvdenglanz Hier am Quell, zur Zeit der Blüten, Hingefhwebt der Nymphen Tanz.

197

XVN.

Heute wär’ ich fait erichroden Dir zu Füßen bingeftürzt,

Als du plöglich deiner Locken Wilden Reichthum losgeſchürzt.

Glänzend um die ſchlanken Glieder Wallt' ihr feſſelloſer Schwall

Auf des Teppichs Purpur nieder Wie ein ſchwarzer Waſſerfall.

Ach, und als du nun die braunen Räthſelaugen aufwärts ſchlugſt Und in reizendem Erſtaunen, Was mich ſo verwirre, frugſt,

Als du dann zum Spiegel hüpfteſt Und die Schnur von Perlen dir Tändelnd um die Stirne knüpfteſt O wie ſchön erſchienſt du mir!

Lauſchend, keines Wortes mächtig Stand ich, athemlos gebannt, Wie verzaubert in ein prächtig Märchen aus dem Morgenland.

XVIII.

Drei Palmen über'm Bronnen, Ein braun Gefild umher,

Und fern im Glanz der Sonnen Geklüft und blaues Meer.

18

Rings weidet um die Palmen Die Heerde weiß und bunt, Und juht nad jaft’gen Halmen Am halbverſengten Grund.

Daneben lehnt im weiten Dichtwoll'gen Widdervließ, Ein Bild uralter Zeiten,

Der Hirt am Schäferſpieß.

Scharf blickt er in die Runde Und pfeift dazwiſchen hell Dem zottig gelben Hunde, Der ſeiner Wacht Geſell.

Der Mann, der Hund, die Ziegen, Palmbäume, Fels und See Mir iſt, als ſäh' ich liegen

Ein Stück der Odyſſee.

Sah'n Himmel gleich und Erde Ihr alt Geſetz vergehn,

Der Hirt mit ſeiner Heerde Blieb unverwandelt ſtehn.

XIX. Die Nacht war träumerifh, wir zogen Hinab des Barnes dunkle Schlucht, Da grüßt uns plöglicd weit im Bogen Eleufis mondbeglänzte Bucht.

Wir jah’n Kithärons Gipfel winfen,

Und unjrer Rofje Huf betrat,

Die Bergwand rechts, das Meer zur Linken, Des heil’gen Wegs uralten Pfad.

19

Hier floß, die Feier zu bereiten, Das Haupt befränzt mit Asphodil, Dereinjt der Feltzug der Geweihten Bei Fadelglanz und Flötenjpiel.

Fromm zu Demeters Heiligthume

Den Strand bin mwallten fie vie Bahn, Des Nebenbluts, der Waizenkrume Tiefveutig Sinnbild zu empfahn.

„Sn Flammen mwird das Korn zum Brode, Die Traube gährt zermalmt zum Wein, Des Lebens Blüte reift im Tode.”

So Elang das Chorlied durch die Reih'n.

So klang's und taufend Herzen jchmwollen, Vom Graus der Schattenwelt befreit, Getröitet von dem räthjelvollen

Gedanken der Unfterblichleit.

Da plögli hielten unjre Pferde

Eleuſis war erreiht; e3 bot

Der Gajtfreund ung den Wla am Herde, Und bradt’ uns dienend Wein und Brod.

XX.

Auf Chäronea's Haide

Im alten Schlachtgefild Liegt wie verſteint im Leide Ein marmorn Löwenbild.

Es mahnt, daß kühngemuthet, Wo jetzt die Diſteln wehn, Im Kampf dereinſt verblutet Die Jugend von Athen.

100

O Hellas, welche Lippe

Sagt, was dein Herz erlitt, Als hier des Fremdlings Hippe Der Freiheit Lilien ſchnitt!

Was half dir da der Muſen Verhängnißvolle Gunſt, Im götterreichen Buſen Das heit're Licht der Kunſt?

Der Tiefſinn deiner Weiſen, Der Sänger Lorbeerzier, An jenem Tag von Eiſen, Was frommt' es alles dir?

Ach, krank im Kern des Lebens Von eiferſücht'ger Glut, Verſtrömteſt du vergebens

Dein letztes Heldenblut.

Weil du gelöſ't mit Pochen

Des Pfeilbunds ſtark Geflecht, Sank, Schaft für Schaft zerbrochen, Dahin dein ganz Geſchlecht.

Mit eh'rnem Schluß die Zügel Ergriff Barbarenhand

O ſchau in dieſen Spiegel, Schau her, mein Vaterland!

Sollt’ ein ſchönes Glück mich kränken, Meil es allzurafch entjloh?

Kurz Begegnen, lang Gedenken Macht die Seele reih und froh.

2.

Menn du des Dafeins Kranz zu erwerben, Menn du dich jelbit zu wollenden begehrit, Leb', als müßteſt du morgen jterben, Streb’, als ob du unjterblich mwärft.

3.

Thu’ du redlich nur das Deine, Thu's in Schweigen und Bertrau’n; Nüfte Balken, haue Steine!

Gott, der Herr, wird bau’n.

De

Nur das mag wie mit feſtem Erz

In Freundſchaft zwei Genofjen binden, Wenn Geift und Geift fih, Herz und Herz In einem höhern Dritten finden.

5.

Lorbeer ift ein bittres Blatt, Dem, der's ſucht, und dem, der's hat.

6.

Willſt du Großes, laß das Hagen, Thu’ nach fühner Schwimmer Braud! Rüftig gilt's die Flut zu fchlagen, Doch es trägt die Flut dich auch.

Ein Segen ruht im ſchweren Werke;

Dir wächst, wie du's vollbringſt, die Stärke; Beſcheiden zweifelnd fingſt du's an,

Und ſtehſt am Ziel, ein ganzer Mann.

8.

Nur zu oft vom Born entfernt Trübt die Welle ſich, die klare; Heil, wem das Unmittelbare

Blieb, als er die Kunſt gelernt!

19

Das Mannicfaltige

Läßt ſich erlernen;

Das Urgemaltige

Kommt von den Sternen.

10.

Begeiftrung ift aus Gott ein Funken Gie ruht gleih ihm voll Schöpferluft Ganz in's geliebte Werk verfunfen,

Und ſchwebt doch drüber klarbewußt.

ji 11.

Wenn Schuld und Kummer dich bevrängen, Die Beicht’ erleichtert dir das Herz;

Der Dichter beichtet in Gejängen

Sid rein von Leidenschaft und Schmerz.

12. x

Werden dir des Geijtes Schwingen | Matt im Flug, jo laß fie ruh'n! Schönes läßt fi nicht erzwingen, | Gutes kannſt du heut au thun.

Geibel, Gej. Werfe. II. 13

14

13. Mas mich ſüßer fait wie du, Lenz, erquidt und tränft? Sonnenflare Herbitesrub, Melde dein gedenkt.

14, Das hat der Alte voraus vor dem Jungen, Daß er im Heut zugleich das Gejtern lebt. Und daß ein Feitfranz von Erinnerungen Sih ihm um jede gute Stunde mwebt,

15; Ahnung fieht vom fernen Gipfel Dft das Künft’ge ſcharf und Klar; Näher deden Buſch und Wipfel Was von weitem deutlih war.

16. Mit Koffern, Schachteln, Reifejäden Dein Glüd zu juchen ziehſt vu aus? Freund, nimm ven leichten Wanderjteden, Du bringit es wahrlid eh'r nah Haus.

17. Mas ih wünſchte vor manchem Jahr, Hat das Leben mir nicht bejcheert, Aber e3 hat mich dafür gelehrt, Daß mein Wunjdh ein thörichter war.

a

18. Zweifelhaften Talenten helfen, Mie oft im Zorn verfchmwur ich’S ſchon! Doch fam dann eins nur dur von zwölfen, Sp trug's für alle Frucht und Lohn.

19. So Lob als Tadel unverdroffen Laß, Künftler, über dich ergehn ! Du weißt, der Schaum ift bald zerflofjen, Doch was du tüchtig fchufft, bleibt jtehn.

20. Der Maulwurf hört in feinem Loc Ein Lerchenliev erklingen, Und jpricht: wie finnlos ift es doc, Zu fliegen und zu fingen!

21. Mas du nicht magft geijtig faſſen, Sollft vu ungefungen lafjen; Körperfchmerz und Sinnenbrunft Liegen außer'm Reich der Kunſt.

22. Nimmer wirft du Unfterbliches ſchaffen, Nun vom Kampfe die Welt erbraust, Wenn du nicht über vem Lärm der Waffen Schon den Bogen des Friedens ſchauſt.

1%

23. Mas ver Wiffenihaft gefällt, Wird darum der Kunjt nicht taugen; Beide jehau’n dieſelbe Welt, Doch mit ganz verfchieonen Augen.

24. Willſt du fingen, jo ſchlage die Leyer, Aber philoſophire nicht, Oder es geht mit deinem Gedicht, Wie mit Penelope's Schleier.

25 Das Laub vom dunfelgrünen Straud, Wie ſchmucklos däucht es allen! Aber ſtünd' es im Kranz nicht auch, Wem würde der Kranz gefallen?

26. Als jung und ſtark wir waren, Da hatten wir nichts erfahren; Als wir ein Willen gewonnen, War unfre bejte Kraft zerronnen.

27. In Erinn’rung nur zu jchmweben Wie im Wind ein mwelfes Blatt Hüte dich! Nur das heißt Leben, Wenn dein Heut ein Morgen bat.

Be a

28.

Das füllt mit Jubel, füllt mit Klage

Die Blätter der Geſchichte Jahr um Jahr: Die Menſchheit jchreitet fort mit jedem Tage, Der Menſch bleibt ewig ver er war.

29.

So ift es, war's und wird es fein: Gebt Freiheit! rufen die PBartei’n,

Mit was für Farben fie fih ſchmücken; Das heißt: Gebt uns das Reich allein, Daß mir die Andern unterdrüden !

Sp ilt es, war’3 und wird es fein.

30.

Leere Drohung, übler Braud,

Wird des Feindes Hohn nur fhärfen; Kannſt du feine Bliße werfen, Freund, jo laß das Donnern aud.

31.

Läßt fich nicht vermeiden der Strauß, Sp fafje fühn das Schwert am Hefte. Im Angriff wachſen dir die Kräfte, Dem feigen Zaubrer gehn fie aus.

32, Autorität herrſcht über'm Rhein In Kirche, Staat und Dichtung; Bei uns dünkt keiner ſich zu klein, Er hat ſeine eigene Richtung.

33. Beſſer bei uns iſt der einzelne Streiter; Wüßten wir nur zuſammen zu gehn! Als Maſſe bringen ſie's drüben weiter, Weil ſie noch zu gehorchen verſtehn.

34. „Woher fo viel des Abgejchmadten, Das längjt erichien als abgethan?“ Mir find einmal Autodidalten Und ganz von vorn fängt jeder an.

35. Leicht überfhätt der enle Mann Da3 was er ſelbſt niht machen kann; Verkleinernd unter das Seine Herabzieht’3 der gemeine,

36. Gilt's Frauen zur Vernunft zu bringen, So laß den allgemeinen Ton; Mie Elug fie reden von den Dingen, Sie meinen ftet3 nur die Perjon.

af. Haft du gethan einen thörichten Schritt, So thu’ zurüd ihn jchnelle; Du machſt ihn nimmer gut damit, Daß du behaupteft die Stelle.

38. Ihr kommt, das Haus mir umzufehren, Und jtedt mir's über'm Kopf in Brand, Und will ich meiner Haut mich wehren, Sp ſchimpft ihr mich intolerant.

39. Erſpart doch mir und euch die Dual, Und drängt mich nicht mit eurer Lehre! Denken und Glauben liegt einmal Nicht in des guten Willens Sphäre.

40. Ihr habt bei ſchlimmer Zeit in engen Schranfen Bemwahrt die Summe driftliher Gedanfen; Doch diefe engen Schranken find noch drum Die Kirche nicht und nicht das Chriftenthum.

41. Soll ewig denn als Pförtnerin Am Kichthor die Dogmatik jtehen? Gönnt endlich jedem einzugehen, Der fich befennt zu eures Heilands Sinn.

42. Liebe, die von Herzen liebt, St am reichjten, wenn fie giebt; Liebe, die von Opfern fpricht, Iſt ſchon rechte Liebe nicht.

43.

Auf des eignen Lebens Bahnen Schau nur unbejtohnen Blicks, Und die Fäden des Gejchids Wirt du auch im Weltlauf ahnen.

44, Glaube, dem die Thür verjagt, Steigt als Aberglaub’ in's Fenſter; Wenn die Götter ihr verjagt, Kommen die Geſpenſter.

45. Je größer deine Flügel, So mehr halt' dich im Zügel! Unkraut auf gutem Acker Gedeiht erſt doppelt wacker.

46. Eins iſt ſchlimmer noch als ſündigen: Sünd' als Tugend zu verkündigen.

47. Wenn die Stimme de3 Geiftes jpricht, Horch' und folg’ ihr freudigen Muthes; Nur mit der Stimme de3 braufenden Blutes, Mit der thörichten Schweiter verwechsle fie nicht!

48. Das Höchſte bleibt ein freier Wille, Der, unverwirrt von Fleifh und Blut, Sic) jelbjt getreu in Sturm und Stille Das Gute, weil e3 gut ift, thut.

49, Nennt's nicht eitel Kraftverichwendung, Wenn ich dieß und das begann; Manches wuchs nicht zur Vollendung, Doh ich jelber wuchs daran.

50. Den Künftler frag’ am fert’gen Werke: Zu ſcheiden weiß er's nimmerdar, Wieviel er ſchuf aus freier Stärke, Wieviel ein hold Empfangen war,

51. Aus tiefiter Seele Dank dem Herrn, Der mir das Lied gegeben ! Kann's für die Welt nicht fein ein Stern, Ein Stern iſt's für mein Leben.

52.

Ich fang mein Glüd aus vollem Herzen,

Der Wehmuth Klage wob ich drein;

Doch giebt’3 auch ftummgeborne Schmerzen, Und was ich litt, weiß Gott allein.

Zwölf Jugendliever.

I.

Mie mir Blut und Athem jtodte, Süßer Schred mein Herz befing, Als die ſchöne Blonvdgelodte Heut an mir vorüberging !

Kaum vermocht' ich fie zu grüßen; Mie verzaubert blieb ich ftehn, Lang no den beſchwingten Füßen Im Enteilen nachzujehn.

War's das Haar, das fein und golden Leicht fih Eraust’ um Stirn und Schlaf? War's ein Strahl aus dieſen holven Blauen Augen, der mich traf?

War's ihr Gang, der reizend ſchwebte? Diefer Mund, der ſchweigend ſprach? Meine ganze Seele bebte,

Und nod immer bebt jie nad.

Alſo bebt wohl bis zum Grunde Der Jasminbuſch wonnevoll,

Menn er jpürt, es fam die Stunde, Da er wieder blühen foll.

24

Im Walde lodt der wilde Tauber, Am Stillen See der Weißdorn blüht, Da kommt der alte Frühlingszauber Gewaltig über mein Gemüth.

Mir ift, als ſollt' ich Flügel dehnen In's Harvertiefte Blau dahin;

Mein Auge Shmwillt von heißen Thränen, Und doch in Freuden ſteht mein Sinn.

Geheimnißvolle Glut ergreift mid)

Bei tiefer Nacht oft wunderbar,

Und wie mit füßer Ahnung jtreift mid Im Traum ein flatternd Lodenhaar.

Und Morgens dann in rother Frühe Erwacht mein Herz jo reich und froh, Als wüßt' es, daß fein Glüd ſchon blübe, Und müßte nur noch ratben, wo?

II.

O ſprich, was millft du dich ſchämen, Daß ih dich, Weinende, ſah?

Es wohnen Lieben und Grämen

Im jungen Herzen ſo nah.

Nimm hier im blühenden Mooſe Dein lieblich Gleichniß in Acht: Am Tage lächelt die Roſe

Und ſteht in Thränen bei Nacht.

I:

Seit ich trat in deine Kreife, Goldgelodte Zauberin,

Ward ich frohgemuth und weise, Froh und weile, wie Merlin.

Mie ver Falter im Entpuppen Dringt mein Sinn befreit empor; Mir vom Auge fiel’3 wie Schuppen Und erfchloffen ward mein Ohr,

Jetzt vweriteh’ ich, was im Bade Singt und Klingt mit frohem Schall, Und der Blumen jtille Sprace, Und ven Schlag der Nachtigall;

Lerne, was der Frühmind flüftert,

MWenn’s im Walde blüht und Tenzt, Mas aus Kluft und Wolfe vüftert, Was aus Sternen niederglänzt.

Ach, und frag’ ih dann mit Liedern In dies Stimmgerwog im Kreis, Kommt fo lieblih ein Ermwidern, Daß ich's faum zu fallen weiß.

Weißt du, Kind, was all das Scallen Laut und leiſe mir erzählt?

„Daß dein Herz getreu vor allen,

Ach, und daß es mich erwählt.“

a. =

Mir faßen im offenen Gartenjaal, Verſunken war die Sonne;

In wilden Zweifeln ging mein Herz, Im Sturm von Weh und Wonne.

Da ſchlug im Busch die Nachtigall, Und plöglib unter Thränen In ſel'gen Schaudern fühlt’ ich dich An meinem Herzen lehnen.

Und jtille ward’, es fam die Nacht Gejhlihen auf den Zehen,

Und dedt’ uns zu, daß unjer Glüd Die Lilien nicht fühen;

Sie wären geworden feuerroth Bor Luft und vor Verlangen,

Roth, wie dein Mund, der mich geküßt, Und mie deine brennenden Wangen.

VI.

Sei geſegnet das Haus und geſegnet die Flur,

Wo ein Herz einſt das Wunder, zu lieben, erfuhr! Denn die Lieb' iſt der Strahl, der aus Eden uns blieb, Als der Engel des Schwertes den Ahnherrn vertrieb.

O ſelig Geheimniß, das Keiner erräth,

Wenn, was jüngſt noch ſo fremd war, ſich ſchauernd verſteht, Und erlöſ't von dem Selbſt, das in Aſche verſtiebt,

Sich die Seele der Seele zu eigen ergiebt!

207

Da weht e3 wie Frühling vom Himmel in’s Herz,

Und es blühn die Gedanken, wie Veilden im März;

Du vollendeft im Spiel, was dir nimmer gelang,

Und das Auge wird Glanz, und das Wort wird Geſang.

Wohl enteilt jie geflügelt, die Eöftliche Zeit,

Und mit Scheiden und Meiden kommt einfames Leid. Doch die Thräne der Sehnfucht, entrollt fie au heiß, St ſüßer als Luft, die von Liebe nicht weiß.

Drum gejegnet das Haus und gejegnet die Flur,

Wo ein Herz einjt das Wunder, zu lieben, erfuhr! Denn die Lieb’ ijt der Strahl, der aus Eden uns blieb, ALS der Engel des Schwertes den Ahnherrn vertrieb.

vi.

Sit es denn möglich?

Und jo viel Jahre

Lebt’ ich jehon früher?

Sah Himmel und Erde, Und lacht’ und härmte mich Um Schatten?

Und nun, urplöglid, In dreien Tagen Lieben und Scheiden !

D halte, mein Herz,

Halte die Fülle!

Nun erſt brad ich

Vom Baume des Lebens,

Hab’ ich gefojtet

Dom Baum der Erfenntniß,

Und weiß, was Freud’ und was Leid ift.

208

VII.

So bijt du's wieder, DVertrauter Raum? Die Jahre ſchwanden, Mir ift’s, wie Traum.

Die Jahre ſchwanden, Seitdem voll Gram Auf jenen Stufen Ich Abſchied nahm.

Noch zieht, wie damals, Im Thal der Fluß, Es rauſcht der Garten Mir ſeinen Gruß;

Am Fenſter grünt noch Der Reben Kranz Nur wir, wie ſind wir Verwandelt ganz!

Die wir uns bauten Mit kühnem Sinn, Die goldnen Schlöſſer, Wo ſind ſie hin!

Die goldnen Träume, Von Lieb' und Luſt Und doch, was wogſt du, Beklemmte Bruſt?

IX.

Ich fuhr empor vom Bette,

Darauf ih ſchlafend lag;

Ein Schlag geſchah an meine Thür, Ein Schlag und noch ein Schlag.

Ein wunderbarer Schauder

Seht riefelnd durch mein Blut; In's Fenfter fällt ein fremdes Licht, Der Himmel fteht in Glut.

Sch weiß nicht, mas da glühet,

Iſt's Früh-, iſt's Abendroth?

Ich weiß nicht, hat die Liebe gepocht, Oder war es der Tod?

X.

Komm herein, o Nacht, und kühle Diefe Gluten, diefen Schmerz! Aus dem Wirrfal der Gefühle Wie errett’ ih nur mein Herz!

Mo mir einft fo glüdlich waren, Hab’ ich wieder fie gejehn,

Und aufs neue, wie vor Jahren, Iſt's um meine Ruh’ geſchehn.

Lodernd aus der Aſche Steigen

Flammen, die jegt Frevel find;

Denn fie ift nicht mehr ihr eigen,

Ach, und ift fo hold und blind, Geibel, Geſ. Werte. II, 14

210

Weil an ihrer Reinheit Blüte Nie ein trüber Hauch gerührt, Ahnt ſie nicht in ihrer Güte, Welchen Brand ſie lächelnd ſchürt.

Harmlos zeigt ſie, kindlich offen, Sich beglückt, wenn ich erſchien Aber ich, in's Herz getroffen,

Ach, was kann ich thun, als fliehn!

Wecke, wecke die Sehnſucht nicht! Laß mich meiden dein Angeſicht, Meine Seele zu wahren!

Nicht ertrüg’ ih der Stimme Laut, Die dein Heimlichjtes mir vertraut, Ab, vor Jahren, vor Jahren.

Mas dein bebender Mund geftand, Als ih glühend am Waldesrand Dir zu Füßen gejeflen,

Mas beim Scheiden im Burggemach Mir dein ftrömendes Auge jprad, Nimmer kann ich's vergefien.

Ach, drum rufe mich nicht zurüd! Unfer goldenes Jugendglüd

Ging auf immer in Scherben.

Lab mich fliehn in die Fremde meit! Denn die Geiſter der alten Zeit Müßten uns beide verderben.

211

X.

Nun fib blau und blauer immer Ueber mir der Himmel tieft, Goloner jtetS des Herbjtes Schimmer Durch die rothen Wipfel trieft,

Nun empfind’ ich's, wie ein Schleier Schwer mir von der Seele fällt, Und mein Auge wandelt freier Durch den lichten Reiz der Welt.

Sa, getaucht in Sonnenftille, Ueberjtrömt von Sonnenkraft, Badet fih der franfe Mille

Rein vom Schmerz der Leidenſchaft.

Und jo leb’ ih wunſchlos wieder Leichtgewob’ne Tage hin,

Und ein Nachwuchs beitrer Lieder Bürgt, daß ich genefen bin.

Nur durch meine Nächte ſchwimmen Manchmal, eh’ mich Schlaf befiel, Noch der alten Sehnfuht Stimmen, Mie verhallend Harfenfpiel.

Vermiſchte Gedichte, Bweites Bud.

Sommernacht.

Willſt du wieder bei mir ſein, Muſe, die mich längſt gemieden? Ach, in dieſem Sternenſchein Welche Fülle, welch ein Frieden! Horch! Gedämpfter Klang erwacht In den unberührten Saiten; Nimm mich hin denn, ſüße Macht! Schon von ferne durch die Nacht Hör' ich Götter ſchreiten.

Dulin. Es raufht der Wind, es rinnt die Welle, Beflügelt ſchwebt das Schiff dahin;

An jenes Kreidefelfens Schwelle Dort, fagt ver Schiffer, lag Julin;

Sulin, die hohe Stadt am Sunde, Die ftil die Meerflut überihmwoll; Wie klingt die fabelhafte Kunde Mir heut an’ Herz erinn’rungsvoll!

213

Ich den? an meiner Kindheit Tage, Da mir, von Märchenluft befeelt, Die Schweiter jene Wunderſage Des Abends vor der Thür erzählt.

Noch ſteht's mir deutlich im Gemüthe: Mir jaßen auf der Bank von Stein, Am Nahbarhaus die Linde blühte, Am Himmel quoll des Mondes Schein.

Die ſchlanken Zadengiebel hoben

So ernjt jih, wo der Schatten fiel, Und dann und wann erflang won oben Bon Sankt Marien das Glodenipiel.

Dann ging's hinein zum Nachtgebete Und linder Schlaf umfing mich drauf; Ich baute die verſunk'nen Städte

Im Zraume prächtig wieder auf.

D Knabenträume rein und belle,

D Jugendluſt, wo gingt ihr hin!

65 rauſcht der Wind, es rinnt vie Welle, Wo find Vineta und Julin?

Zrene.

Du biſt ſo ſchön an Seel' und Leib, Wohin du wandelſt, hohes Weib, Da muß an deinen Blicken

Sich jedes Herz erquicken.

Und ſolche Reinheit wohnt in dir,

Du weckſt nicht Sehnſucht noch Begier; Ein Glanz des Friedens leiſe

Webt um dich her im Kreiſe.

a

Sp wandelt ftill durch's Grün der Au Die goldgelodte Sonnenfrau,

Und bringt den Blumen allen

Gin neidlos Mohlgefallen.

Mädchenlieder.

1% Sch bin gegangen Den Mai empfangen, Doch bradt’ er feinen Gruß für mid; Die Wolken zogen, Die Schloſſen flogen, Gin ei’ger Hauch vom Fluſſe ſtrich.

Wer mag der Blüten Sm Garten hüten, Wenn alfo weht der ſcharfe Wind? Um den ich bange, Wie ſchweigt er lange Und räth e3 feiner, was er finnt!

Mer mag den Segen Im Herzen pflegen, Menn Zmeifel kühl die Bruft bejchlich ! Ich bin gegangen Den Mai empfangen, Doch bracht' er feinen Gruß für mid.

2.

Und wenn der Tag die Nacht gefüßt, Da stirbt fie hin in füßem Top;

Ihr jeliges Berbluten,

Das ift das Morgentoth.

Da...

Sch liebe dih wie die Nacht den Tag, Sch Tann dich nie erwerben

D dürft’ ih denn an deinem Kuß Berblutend jterben !

Wittwenleid.

Ach, das iſt es, was ich klage, Daß vom alten Traum umwebt Mir das Herz mit jedem Schlage Statt in's Frühlicht künft'ger Tage Rückgewandt in's Spätroth ſtrebt;

Daß es ſtets nach einem Glücke Bangt, das nimmer wiederkehrt, Und, wie reich die Welt ſich ſchmücke, An der eingeſtürzten Brücke

Stumm in Heimweh ſich verzehrt.

Scheidelieder. (Zu Melodien.) t.

Im Winde fommt ein feharfer Ton, Die wilden Schwäne wandern jchon, Die ſchöne Zeit geht jcheiven ;

Du haft mich fommerlang gefüßt, Kun fteht nah Anderm dein Gelüſt, Wie follt’ ich’3 dir verleiven!

Am Berge liegt ein weißer Streif, So fiel auf deine Lieb’ ein Reif, Heißt: Ueberdruß und Reue;

za

In MWinvdeswirbeln fliegt der Staub, Es bricht ver At, es ftiebt das Laub, Marum nicht deine Treue?

Fahr bin, ich weiß nun, wie du liebit; Ein Herz, das du nur halb vergiebit,

Das gönn’ ich jedem andern.

Fahr hin! Dein Weinen dünkt mich Hohn, Die wilden Schwäne wandern jchon,

Und ib, au ich will wandern.

2. Dur die wüſte weite Haide Trägt mein Noß mit meinem Seide Matt mich fort, der Abend graut. Ueber mir die Wolfen jchweifen, Und der Wind mit hohlem Pfeifen Wandert durch das Haidekraut.

Wo ich nur zu gern geblieben, Hat mein Dämon mich vertrieben, Ach, vom Glücke war ich blind; Und nun muß ich wieder fliehen Raſtlos, wie die Wolken ziehen, Heimatlos, ach, wie der Wind.

Hinfram.

(Aus einer Novelle.)

BR Im weißen Mondlicht dehnen Sich Strand und Klippen bleich umher; Es baden die Sirenen Und ſingen fern im Meer.

2317

Es fingen die Sirenen,

Den Klang verjteh’ ih nur zu gut: Mein Blid vergeht in Thränen, Mein Herz vergeht in Glut.

Die Königin im Schwarme,

Wohl fenn’ ich fie, mein tödtlih Glüd; Sn ihre weißen Arme

Führt, ac, fein Weg zurüd.

Kühl weht es dur die Klippen ; Mir iſt, als ob ich jterben müßt’; Sie hat mir von den Lippen

Die Seele fortgefüßt.

2.

Spielende Flammen hoffnungslofer Liebe, Was lodt ihr mich und züngelt ohne Ruh? Bezwungen jtrebt vom tödtlich füßen Triebe Dies Herz euch zu.

Wohl kennt es euer trügeriſch Gefunfel,

Und glaubt der ſchmeichelnden Verheißung nicht; Doch ach, ſo troſtlos iſt das kalte Dunkel,

So ſchön das Licht!

Schon rührt mein halb erſtarrtes Blut ſich wieder, Schon weht's mich an wie Frühlingswonnegraus, Und die gelöste Seele bricht in Lieder

Und Thränen aus,

Stürb’ ih im Froſt nicht, wenn ich fühllos bliebe? Nein, jtolz verglühn ift beſſerer Geminn.

Spielende Flammen hoffnungslojer Liebe,

Nehmt mich dahin!

Aus allen Himmeln lieg’ ich bergejtürzt

Im Sclangenthburm, verfehmt, ein Mann des Hohns; Ich kann ihn nicht zerbrechen, weh, und auch Vergeſſen nicht, was fonft mar.

Ich wollte König fein, und fpielte drum

Verweg'nes Spiel ich felbit zerſchlug mein Glüd, Sch ſelbſt, und nichts hab’ ich gerettet, nichts,

Als meinen Stolz und meine Harfe.

Ziſcht auf, ihr Nattern! Ringle, Qualenbrut ! Hier bin ih; meine Seiten jtrömen fchon Von euren Bilfen, nagt! Ich finge drein, Und fingend will ich jterben.

Traumleben.

O haſt du niemals ſelbſtvergeſſen Auf dürrem Moos und Farrenkraut Im Wald am Waſſerſturz geſeſſen Und ſchweigend in die Flut geſchaut?

Du ſahſt die Welle nahn und ſchäumen, Du ſahſt ſie ſchimmernd weiter ziehn, Und dich befing ein waches Träumen, In dem dir doch kein Bild erſchien.

Und Stunden kamen, Stunden gingen, Doch du vernahmſt nicht ihren Schritt, Du warſt verloren in den Dingen, Und webteſt, wallteſt, rauſchteſt mit.

ir RE

219

Ya, ganz, als ob euch nichts mehr jchiebe, Empfand ſich deine Seele nur

Als einen Laut noch in dem Liede

Der allumfangenden Natur;

Da war fein Draußen mehr, fein Drinnen, Du jchmebteit, frei vom Bann der Zeit, Ausruhend mit gelösten Sinnen

Im Schooße der Unenplichkeit.

Lied. Ach, du fliehſt vergebens Was dich härmt und kränkt;

Keinem wird des Lebens Bittrer Zoll geſchenkt.

Wenn der erſte ſüße Jugendleichtſinn ſchwand, Bleibt dir an die Füße Stets ein Weh gebannt.

Zu den höchſten Matten, Unter's ſtillſte Dach Wandelt, wie dein Schatten, Dir die Sorge nach;

Miſcht zu jedem Glanze Sich als Nebel ſtill, Nagt an jedem Kranze, Der dir blühen will;

Bis du, unter Schmerzen, An durchkämpftem Tag Dir errangſt im Herzen, Was ſie bänd'gen mag:

120

Muth, der fturmentgegen Neuen Pfad ſich bahnt, Demuth, die den Segen Auch im Trübfal ahnt.

Eheſpruch.

Das iſt die rechte Ehe,

Wo zweie ſind gemeint

Durch alles Glück und Wehe Zu pilgern treu vereint:

Der Eine Stab des Andern Und liebe Laſt zugleich, Gemeinſam Raſt und Wandern, Und Ziel das Himmelreich.

Reformation.

Woll' uns deinen Tröſter ſenden, Herr, in dieſer ſchweren Zeit, Da die Welt an allen Enden Durſtig nach Erlöſung ſchreit! Denn es geht ein heilig Sehnen Durch der Völker bangen Sinn, Und fie ſeufzen unter Thränen: Hüter, iſt vie Naht bald hin?

Ah, jie fühlen’s: alles Wiſſen, Ob's den Stoff der Welt umfaßt, Bringt, vom Ew'gen losgeriſſen, Kein Genügen, feine Raft.

CELL

ERBAN N

Doch die Suchenden, Beſchwerten Treibt levitiſch Schwertgezück,

Treibt der Spruch der Schriftgelehrten Hart und eng in ſich zurück.

Was einſt Troſt und Heil den Maſſen, Ward zur Satzung dumpf und ſchwer; Dieſer Kirche Formen faſſen

Dein Geheimniß, Herr, nicht mehr. Tauſenden, die fromm dich rufen, Weigert ſie den Gnadenſchooß,

Wandle denn was Menſchen ſchufen, Denn nur du biſt wandellos.

Aus dem dunkeln Schriftbuchſtaben, Aus der Lehr' erſtarrter Haft, Drin der heil'ge Geiſt begraben, Laß ihn auferſtehn in Kraft!

Laß ihn über's Rund der Erde Wieder fluten froh und frei,

Daß das Glauben Leben werde, Und die That Bekenntniß ſei!

Flammend zeug' er, was vereinigt Einſt der Boten Mund getönt, Wie's, vom Zeitlichen gereinigt, Sich dem Menſchengeiſt verſöhnt! Zeug' es, bis vor ſolcher Kunde Jede Zweifelſtimme ſchweigt,

Und empor vom alten Grunde Frei die neue Kirche ſteigt.

22

Sefdiihte und Gegenwart.

Du, die im Wirrfal diefer Tage

Sih zur Prophetin Gott erjah,

Mie hoch und ernft mit deiner Wage, Geſchichte, ftehit du vor mir da! Sibylle, der vom keuſchen Munde Das Zeugenwort der Dinge tönt,

Die mit jahrtaufenvdalter Kunde

Des jüngjten Morgens Leid verjöhnt.

Wohl haft du ewig unbeftoden,

Bon Zorn und Liebe nie entflammt, Den Sterbliben ihr Recht geſprochen, Doch ſchmückt dich heut ein höher Amt. Mit kühner Hand im Zeitenbuche Aufblätternd was von Anfang war, Machſt du mit priejterlihem Spruche Das Weltgeheimnik offenbar.

Denn tief im Schutt bis an die Brüjte, Das Haupt von Flugiand überjchneit,

Lag ſchweigend, wie die Sphinx der Wülte, Dein Räthſelbild, Vergangenheit.

Das Auge, das an Stirn und Falten Nur bier und dort ein Zeichen las, Berlor, vom Nächſten feitgehalten,

Des Ganzen ungeheures Map.

Doh nun allmählih aus den Tiefen, Die nimmermüder Fleiß durchgräbt, Sich übervedt mit Hieroglyphen

Des Riejenleibes Umriß hebt:

\

El

Nun in untrüglicer Geſtaltung

Der Sprache Fußſpur vielverzweigt Uns der Geſchlechter frühe Spaltung Und ihren frühjten Bund uns zeigt:

Nun rollt vor dem betroffnen Blide In fejtgegliedertem Verlauf

Die Kette ſich der Weltgejchide

Mie ein vollendet Kunſtwerk auf;

Nun ſehn wir reifend durch die Zeiten, Das Antlig wandelnd Zug um Zug, Des Gottes Offenbarung jhreiten, „Die jeder gab, was fie ertrug.

Wohl laftet über weiten Räumen

Unfihrer Dämm'rung trüber Flor,

Doch wächst in Bildern dort und Träumen Die Sehnfuht nah dem Licht empor;

Wohl jtürzt was Macht und Kunft erjchufen, Wie für die Ewigkeit bejtimmt;

Doch alle Trümmer werden Stufen,

Darauf die Menjchheit weiter Elimmt.

Und wie wir fo aus Nacht zum Glanze Den Wandel der Gejchlechter jehn, Erkennen wir den Blid aufs Ganze Die Stätte, va wir jelber jtehn;

Wir fpüren, froh des hohen Waltens,

Das jeder Zeit ihr Ziel verliehn,

Den heil’gen Fortgang des Entfaltens

Im Tag aud, ver uns heut erjchien.

Und ob fih rings Gewitter thürmen

In Weit und Oſt um unjern Pfad,

Uns jhwant, daß auch in diefen Stürmen Ein gottgefandter Frühling naht;

224 1

Und aus der Kräfte dunklem Gäbren | Ummittert ung geheimnißvoll | Der Hauch, der was erftarb verzehren,

Und was da lebt verjüngen foll.

Da ſchwillt, was immer uns betroffen, Das Herz von muth’ger Werveluft,

Da füllt ein unvergänglih Hoffen Zufünftigen Heiles ung die Bruft.

Zum Kern des Lebens wird der Glaube, Von dem das Kleid der Formel fällt, Und mir verehren tief im Staube

Den Gott im Tempelbau der Welt.

Sonett. 1856.

Mer will's denn läugnen, daß in unjern Tagen Ein raſcher Pulsſchlag fich lebendig regt,

Daß rings ein friiher Geiſt die Melt bemegt, Und die Gedanken neue Flüge wagen?

Die Wiſſenſchaft zertrümmert ohne Zagen Manch dumpfe Schranke, die uns eingehegt; Der Baum der Freiheit, ver ſchon Blüten trägt, Verheißt vereinft uns golone Frucht zu tragen.

Ein Großes aber mangelt viefer Beit: Das eigne Dach und Fach, das mit Vertrauen | Die Bruft erfüllt, und drin die Raſt gedeiht. .

Noch heimatlos, bei Sturm und Wettergrauen, Sigt fie auf Trümmern der Vergangenheit Und Quadern, für der Zukunft Bau gehauen.

25

In ein Album.

(Nach Lamartine.)

Das Buch des Lebens liest ſich nur ein einzig Mal; Du kannſt darin nicht blättern, wie's dir wohlgefällt, Noch bei der Stelle mweilen, die dich feilelte;

Denn unerbittlih wenden fich die Blätter um.

Zum Abſchnitt „Lieben“ Fehrten wir zurüd, wie gern! Und find ſchon auf der Seite, wo es Sterben beißt.

Schulgeſchichten.

Wer jemals, war es noch ſo kurz, auf ſchmaler Bank Am ſchrägen vielzerſchnitt'nen Tiſch als Schüler ſaß, Der kennt den Reiz von Schulgeſchichten. Laßt mich denn Der Art ein Paar berichten! Aber du vergieb, Mein würd'ger Rektor, wenn ich heute ſcherzend dein Im Lied gedenke, zürne nicht dem Uebermuth; Nein, wenn noch Schatten lächeln können, lächle mit! Noch ſeh' ich dich im langen Rock von braunem Fries, Kniehoch geſtiefelt, hager, auf dem Schulhof ſtehn, Die Uhr in Händen, mit geſtrengem Herrſcherblick Jedweden Lärm des allzulauten Knabenſchwarms, Jedweden Unfug dämpfend, bis des Glöckleins Ton Vom Pappelplatz uns wieder in die Claſſen trieb. Dein ganzes Weſen denn du nannteſt nicht umſonſt Kant deinen Meiſter trug des kategoriſchen Imperativus Stempel; jede Miene war Und jedes Wort unmeigerliber Machtbefehl. Doch wohnt’ in harter Schale dir ein weich Gemüth; Denn mohl erinnr' ich’S, wie beim herben Leiobericht Dom frühen Tode Konradins, von Magdeburgs Zerſtörung plöglich jchluchzend dir die Stimme brach, Geibel, Geſ. Werke. III. 15

BT.

Erſtickt von Thränen menſchlich warmen Mitgefühls. So ſtehſt du feſt in meiner Seel', ein würdig Bild. Doch nun erzähl' ich was ich lachend mit erlebt, Als du zerſtreut einſt, ohnedies ein wenig taub, Geſchichte wiederholteſt und, den Blick auf's Buch, Antwort von einem heiſchteſt, der abweſend war.

Wer ſchlug die Schlacht bei Bauzen, Meyer? „Meyer fehlt!“

's iſt falſch. Der Nächſte! „Meyer fehlt” ’3 iſt wieder falſch.

Der Nächſte! „Meyer iſt nicht da!” Der Folgende!

„Der Alte jeheint im Kopf verrüdt!“ Ganz recht, mein Sohn.

Nur hätt! es Meyer wiſſen müſſen, jo wie du.

Ein faum verhalt'nes Kichern folgte, doch du fuhrft,

Nichts ahnend, ruhig im Eraminiren fort.

Ein andermal erglühte freilich zorniger

Die Stirne dir und böjen Sturm verheißend Fang

Dein ſächſiſch Deutih in's Ohr mir, als du plöglich mid Hinweg vom Nepos auf den Gang bhinausberiefit.

Nicht eben herzhaft folgt’ ih, war am Tag zuvor

Doch auf dem Kirchhof von der Jugend Tertias

Ein blut’ger Hauptitreich wider die Verbündeten

Der Nachbarſchulen nur zu fiegreich ausgeführt.

Denn mehr als Einer war geſchunden heimgefehrt,

Und nah den Rädelsführern, deren ärgiten ich

Mich jelber wußte, wurde nun im peinlichen

Verhör geforicht, als gält es Catilinas Haupt.

Bald war die Schuld ermittelt, und gelind genug

Erging der Spruch auf Carcer. Doch nun jollt’ ih noch Angeben, wer zugleich mit mir das Volk verführt,

Vor allem aber, ob ich mich der Fäufte bloß

Bedient im Treffen oder zur Befräftigung j

ee 2 DR ren rn zn

227

Der unglüdjeligen Prügel einen Stod gebraucht, Ein telum subalare, wie der Rektor ſprach. Ich nicht, werjegt ich, aber von den Anderen Etwelche mögen

Mögen! ! fiel er heftig ein, Gleich tief empört als Neftor und Grammatikus, Fall angewandter Conjunctiv! Ein Factum iſt's! Und eh’ ich deſſen mich verjehen, hatt’ er mir Mit ſchlaffer Hand die Negel in’s Geficht geprägt, Daß mir der Baden jtundenlang wie Feuer war. Doch trug mir diefes Argument ad hominem Heilfame Früchte. Nimmer hab’ ich mich feitdem Des Conjunctivs befliffen, wo's ein Factum galt; Selbft nicht bei Hof. Und das war manchmal fchwer

genug.

Fufin.

Vom alten Lübeck, wenn die Zeit der Pfingſten fommt, Hinaus in's Weite treibt mich ftet3 die Wanderluft, Im jungen Grün zu jchwel’gen; nach Eutin zumeift, Dem waldumkränzten, zieht es mich, wo mir der Freund Bon Alters her, der rechtsgelehrte, heimisch ift.

Ein Stündchen Weges fommt er mir entgegen wohl Und lenkt den offenen Wagen, der uns beide faßt, Zum Thor des Gajthofs, wo im fühlen Saale fchon, Auf faubrer Tafel, die ein Kelch mit Roſen ſchmückt, Das Mahl der Wirth vorforglih uns gerüftet hat. Bei Tiſch behaglich plaudern wir, und nimmer geht Der Stoff uns aus; denn find wir alten Knaben aud An Sinn und Neigung urverfchieven: treu verknüpft Der Boden uns, drin unfres Lebens Wurzeln jtehn. Und was it füßer, als der goldnen Jugendzeit

22383

Beim Mein gedenken, mancdes tollen Knabenſtreichs, Und jener hoben Stunden, da fehnfüchtig uns Des Herzens Ueberfülle ſchier die Bruft gejprengt!

Sp dehnt mit Luft verzögert fih das Mahl hinaus; Grit Spät Nachmittags, wenn die Lüfte draußen fich Gemach verfühlten und der pflichtgetreue Freund Gewiſſenhaft noch einmal zu den Aften kehrt,

Mad’ ich mich auf ins Freie. Zwar der Ugley ward, Der wie ein Schild aus Edelſtein im dunkeln Kranz Des Waldes ruht, vem nächſten Abend aufgefpart; Doch bier ift lieblich jeder Weg, den du betrittit.

Die lange Straße geht's hinab; zur Rechten bleibt Der Sitz der Stollbergs, ftattlih, wie der Adel baut, Mit Steingefims und Mappenfchildern ausgeziert. Doh nah dem Thor, im Lindenfchatten, winkt mir dort Am Bug der Gafje Itillzuftehn ein ander Haus, Beſcheidnen Anjehns, aber gern von mir gegrüßt: Das Haus, in defjen jeebefpültem Garten einft

Am Sommerabend, voll ivyllifcher Heiterkeit

Aus ird'ner Pfeife Wölkchen dampfend, Heinrih Voß sm Schlafrod zwiſchen Flievderbüfchen wandelte.

Sei mir gepriejen, Alter, der den Knaben du,

Ein treuer Dolmetſch, in die fonnige Fabelmelt

Der Griechen führteft, wenn fih auch ihr Goldgeweb Ein wenig unter deiner Hand vergröberte,

Und oft zu ſchwer Joniens flüffige Weife dir

Von niederdeutfcher Lippe quoll. Luiſens auch Gedenk' ih gern, um deren ländlich Angeficht

Voll derber Friſche manch homeriſch Lächeln fpielt; Nicht zu vergeſſen, daß an ihr emporgelehnt

Die ſchönere Schweſter, Dorothea, uns erwuchs,

Von anderm Vater freilich, deſſen Hoheit ihr

Die Stirn umleuchtet, aber ihre Schweſter ſtets.

29

Doh mo verweil' ih? Längit ſchon aus des Städtchens Thor

Hat unvermerft bingleitend mich der Pfad entführt.

In offner Landſchaft find’ ich mich, wo See an See

Mit holdem Gruß blauäugig aus der Tiefe lacht,

Und über janften Hügeln ſchwebend, wipfelreich,

Der Buchenforft auf jäulenhohen Stämmen wogt.

Gelockt vom Schatten tret’ ih in die Finsternis

Des grünen Doms. O, welche Kühle fäufelt hier

Vom Laubgewölbe! Welch geheimnißvoller Duft

Umweht die braunen Quellen und den blühenden

MWaldmeijterteppich, der den ganzen Hang bevedt,

Und füllt vie Seele märchenhaft dem Raſtenden

Mit allem Zauber jhauernder Waldeinſamkeit!

An diefer Stätte grüßte wohl zum erjtenmal

Die Muſe deinen tonbegabten Sohn, Eutin,

Auf weißem Zelter jchwebend, die romantische

Im wilden Laubkranz; hier erwuchs im Buſen ihm,

Den ihrer Locken weitbhinflatternd Gold gejtreift,

Die tiefe Walphornftimme, die Breciofen uns,

Den Schüsen Mar und Guryanthens Liebe fang,

Und dann in Englands Nebeln, ac, zu früh verlofc.

Gedenkſt du jeiner, ſchwermuthvolle Nachtigall,

Die du vom See jetzt, jilbern, durch die Blätternacht

Dein ſchmelzend Gramlied ftrömen läſſeſt, Ton an Ton

Mie Tropfen Thau's hinperlend? Dover klagſt du nur,

Daß wieder drüben jener Sonnen eine jinkt,

Draus fih dein kurzer Frühling webt? Du mahnft mich recht;

Auch unfre Tage find gezählt. So laß uns venn

Der Stunde froh fein, die jo ſchön nicht wiederfehrt!

Den Schritt beflügelnd tret’ ih aus den Stämmen ſchon

- Des Hügelforftes auf den freien Rand hinaus,

Und mie ſich flutend Heut’ges und Vergang'nes mir

230

Im Herzen mifchen, jeh’ ih dort im ftillen See Des Abends Goldgewölk verglühn, doch über'm Wald Sein weißes Licht dreinträufelnd, ſchwebt der Mond empor.

Erſte Begegnung.

Lieblih war jie als Kind, ſchwarzäugig; ſchimmernde Bläſſe, Wie fie die Perle dir zeigt, lag ihr um Wangen und Stirn, Daß fremdartig fie fat im Kreife ver blonden Geſchwiſter, Wie ein ſüdlich Gewächs unter den heimischen jtand. Aber ich ſah fie zuerjt elfjährig am Ufer des Meeres, Da fie vom Bad heimfam in der Gefpielinnen Schwarm, Froh des Föftlihen Tags; denn im Seewind raufchte die Brandung Hoh und im fonnigen Blau flatterte weißes Gewölk. Leicht mie ein Rehlein jprang jie dahin, lang flog ihr das dunkle Haar, zum Trodnen gelöst, über die Hüften herab. Doch mid rührte die feine Geftalt, mich rührte des Auges Abnungsfeliger Glanz, der wie ein Näthjel mid zog; Und wie Jünglinge find, die bligfchnell jeder Empfindung Folgen, beflügelten SchrittS eilt’ ich ver Lieblihen nad) Und von hinten fie leif’ an ven zierlihen Schultern er: greifend, Lehnt' ich im Scherz ibr Haupt jaht an die Bruft mir empor. Aber fie machte fich los, und tief aus jchattigen Wimpern Unbeſchreiblichen Blids ſchaute fie lange min an Vorwurfsvoll und freundlich zugleih. Da zudte das Herz mir, Wie in des Waidmanns Hand über verborgenem Duell

*

231

Plöglih die Ruthe fih rührt. Nicht weiß ih, war es der Blick nur, Mar e3 ein Zukunftshauch, was mir die Seele bewegt? Doh wie ein Träumender fchritt ich hinaus in die Dünen, und lang noch Dacht' ich des lieblichen Kinds, das ih am Hafen gejehn.

Die Tachswehr.“ 1857.

Du Stiller Garten, der den fchattigen Ulmengang

Sm blauen Flufje fpiegelt, wo zur Frühlingszeit

Die Nachtigall ihr tönend Neſt am Waller baut,

Wie lieb’ ih dich! Und immer, wenn zur Vaterſtadt Mein Weg mich heimführt, ſuch' ich dich vor Allem auf: Denn deine Pfade reden mir, und lieblih weht | Aus deiner Lauben Dunkel mich Erinn’rung an. Zwar längit verſchwunden iſt der ziemlich jteife Prunk Gefhornen Laubwerks; wo ih an der Blätterwand Durchbrochner Heden oft mit buntem Kies gejpielt, Da blüht auf offnem Rafenplag die Roſe jetzt

Und frei zur Wieſenlandſchaft und die Krümmungen Des Stroms entlang zum Eichenhügel jchweift der Blid Doch immer raufchen deine hohen Wipfel noch,

Noch immer ftredt fih, buntbeflaggter Kähne Biel, Gejtuft auf’3 Waſſer dein Altan, von dem ich einft Fünfjährig fpielend in des Flußgotts Arme alitt, Sein fihres Opfer, wenn den jhon Gejunfenen

Des treuen Bruders Taucherfunft nicht rettete.

Sei ihm dafür nad ſechsunddreißig Jahren heut

Der fromme Dank erjtattet, ven ich dazumal

1 Die Lachswehr, ein Garten am Ufer der Trave, unweit Lübed,

232

Vergaß, nicht abnend, meld Geichent das Leben jei. Das lernt’ ich erit, al3 mein erwachend Knabenherz Gemwalt’ger pochte, wenn ich dort am Gitterwerf

Zum Nabbargarten lauſchend ftand, ob nicht ein Ton, Ein roſig Kleid nicht, ſchimmernd durch's Jasmingebüſch, Des liebſten Mädchens Nähe mir verkündete.

Denn dort im ländlich weinumrankten Giebelhaus Wohnt' ihr die Freundin. Selten kam die Liebliche, Doch allgewaltig trieb mich ſtets die Hoffnung her.

So träumt' ich manchen Sommerabend hier entlang Am ſtillen Ufer, in der Bruſt unendlicher

Gefühle Dämm'rung: und wenn nun das Abendroth Mit leiſem Zittern auf dem feuchten Spiegel ſchwamm, Verſucht' ich, von der Muſe frühem Hauch berührt, Was unausſprechlich war zu ſagen. Nie gelang's, Doch ſelig war dies Stammeln, wie die Jugend ſelbſt. Ach, als ich ſpäter, ſchon gebräunt von Griechenlands Glorreicher Sonne, die mich reifere Kunſt gelehrt,

Hier wieder hinſchritt, hatt' auch ſchon des Lebens Ernſt Mir vom Gemüth den Flaum geſtreift: verſunken war Die goldne Frühe jenes erſten Liebesglücks,

Und beſſre Lieder ſang ich, aber ſchmerzerfüllt.

Da lernt' ich jene Tage kennen, die ſo ſchwer

Dem Jüngling laſten, wenn der frohe Blütenſchmuck Nun abgefallen, doch noch nicht die Frucht gereift,

Die Zeit des bangen Wartens und der Einſamkeit. Beſtürmt von Zweifeln rang ich damals, o wie oft Umſonſt nach Klarheit in mir ſelbſt! Verfehlt erſchien Mir all mein Streben, Täuſchung ſelbſt der Muſe Ruf, Der immer wieder lockend an mein Herz erging:

Und wenn ich dann, von haſt'ger Arbeit tief erſchöpft, Hier Stille ſuchte, fand ich heiße Thränen nur,

Wie ſie auf öder Klippe weint, wer ſcheiterte.

Doch Rettung ſandte mir ein Gott. Du riefeſt mich,

233

Mein wadrer Malsburg Segen deiner Gruft dafür! Gajtfreundlih in dein waldumrauſchtes Gjcheberg,

Und dort auf fonn’gen Höhn mich lüftend, Tosgelöst Vom Fleinen Drud des Lebens, lernt’ ich mächt’ger bald Die Flügel rühren und der eignen Kraft vertraun.

Gejangerfüllte Wanderjahre lebt’ ih nun,

Dur Freud’ und Leid vom Lied getragen. Nhein und Spree Und Nedar grüßt’ ich, und zulest den Oderſtrand,

Wo hoch im alten Ehrenſchmuck die Eiche grünt.

Doch wo ich weilt’, in vielbewegtem Stadtgewühl,

Auf ftillem Landfig: immer wieder ftrebte mir

Das Herz zur Heimath, immer wieder fucht’ ich euch, Traumftätten meiner Jugend, auf, als müßt’ ich bier Der Wünfche Ziel einft finden und mein höchjtes Glüd.

Und jo geſchah's. Nah manchem Jahre ſchautet ihr, In's goldne Licht des ſcheidenden Auguft getaucht.

Ihr alten Mipfelfronen, meinen Chrentag.

Da jaß ich droben im befränzten Gartenjaal

Ein jelger Mann, und rings an froher Tafel hin

Die Schaar der Lieben, Haupt für Haupt, und neben mir Im Schmud der Myrte holverglübt die ſüße Braut, Die mir Beglüdtem an des Herbites Grenze noch

Den vollen Frühling ihrer jungen Seele gab.

Da jang zum Becerflang das Waldhorn, Segen flo In Scherz und Ernjt von allen Lippen, und mein Herz Bol Dank aufjubelnd faßte feine Wonne kaum,

Ab, ſonder Ahnung, daß auch diefe Seligkeit Dahingehn jollte, wie ein rajcher Sommertag.

Doch was auch fam, und ob de3 Lebens Kleinod mir Zu früh geraubt ward: einmal war's mein eigen doc Das höchſte Glüd, und unvergänglih blüht von ihm ‚Ein janfter Nachglanz mir in tiefjter Seele fort,

Und lehrt mich Elaglos tragen, was ich tragen muß.

234

Du aber, trauter Garten, der du frifchbelaubt

Dich wie ein Kranz um meines Lebens Bilder fchlingit, Sei mir gefegnet! Smmer dichter wölbe fich

Dein fchattig Grün, und weit bis auf ven Fluß hinaus Am Windesodem walle deiner Nojen Duft!

Und wenn mein Kind nun, wo ich mit der Mutter einft Beglüdt dahin ſchritt, wenn mein blondes Töchterchen Zu meinen Füßen im bejonnten Grafe fpielt

Und Blumen pflücdt, dann rührt euch ſchauernd über ihm Und rauſcht, ihr hohen Wipfel, raufcht ihm Träume zu Glückſel'ger Zukunft, aber mir Erinnerung!

Fin Traum.

Bon langer Neife fam ich heim, jo träumte mir,

Und trat in’3 Haus, mein ſüßes Weib ich wußte nicht Sm Spiel des Traumes, daß fie mir gejtorben war An’s Herz zu drüden nach fo mandem öden Tag, Und faſt verging in Ungeduld die Seele mir.

Doch wie ich fragte, hieß es, daß ſie droben ſei

Im obern Stockwerk: raſchen Fußes ſtürmt' ich denn Hinan die Treppen, aber nirgends fand ich ſie.

Und wieder höher wies man mich, und wiederum

Von dort hinaufwärts über Stufen ohne Zahl

Zu Elimmen hatt’ ic, bis zulegt im oberjten

Geſchoß ein glänzend heller Saal ſich öffnete.

Da ſaß fie zwischen fremden Blumen, ftillwertieft,

Das Haupt gelind zur Seite neigend, ganz wie fonit, Wenn fih in ernftes Sinnen ihr Gemüth verlor,

Nur himmliſch jhöner. Süße Düfte wallten rings Und ſolche Klarheit war umber, daß ich verftummt, Vom Glanz geblenvet auf der Schwelle zauderte,

235

Sie aber wandte, wie den Kelch im Sommerhauch

Die Lilie wendet, ſanft zu mir das Antlitz her

Und ſah mich an voll Liebe, daß das treue Licht

Der braunen Augen tief mir in die Seele drang,

Sie ganz erfüllend. Aber als ich nun nach ihr

Die Arme breitet', ach, da war das holde Bild

In Duft zerronnen plötzlich dem Erwachenden.

Kühl floß der Mondſchein über mein verwittwet Bett, Und heiße Thränen weint' ich in den Schooß der Nacht.

Am 26. Auguſt 1859.

Ich denke ſtill zurück

An heut vor ſieben Jahren; Das war das höchſte Glück, Was damals ich erfahren.

Das war das höchſte Glück, Wohl hieß ich's froh willkommen; Doch haſt du's, Herr, zurück

Aus meiner Hand genommen.

Die Blüte, die ich pries, Die reine, dornenloſe,

Sie blüht im Paradies Nun längſt als weiße Roſe.

Ach, nimmer den Verluſt Meint' ich zu überſtehen; Die Wund' in meiner Bruſt Haſt du allein geſehen.

2356

Doc bleibt ein heil'ger Schmerz Im Staub nicht ewig ranken, Und heute joll mein Herz

Nicht Hagen, ſondern danken,

Daß, was jo ſchön und hoch Mir ward an jenem Tage, Ich als Erinn'rung doc Gtillglänzend in mir trage,

Und daß du mild von hr, Bis ich fie wiederfinde, Ein ſüßes Abbild mir Beicheert in ihrem finde.

Am Mitternacht.

Im Saal gevanfenvoll

Saß ih bei Lampenſchein; Durch's offne Fenſter quoll Die Sommernadt herein.

Dein Bild, von treuer Hand Geihmüdt mit frifhem Kranz, Sah von der dunfeln Wand Mih an im Dämmerglanz.

Da, auf der Sehnfuht Pfad PVertiefte fih mein Sinn, Und bimmliih leuchtend trat Dein Weſen vor mich hin;

ER

ET.

Ach, wie du lilienrein

Nie nah dem Deinen fruait, Und lächelnd ſelbſt vie Bein Wie eine Heil’ge trugit.

Und überm Abgrund dann, Dem vdüftern, Tod und Grab, Hing mein Gedan? und fann In feine Tief’ hinab.

Werd' ich dich wiederſehn? Kann je, was Liebe hier Erwarb, verloren gehn?

Und weißt du noch von mir?

D gib mir, haft vu Macht, Ein Zeichen noch fo ftumm! Da ſchlug es Mitternacht

Und zaudernd blidt’ ih um.

Ein füßes Duften flog

Dom Kranz, der zitternd hing, Und um die Lampe zog

Ein weißer Schmetterling.

Wiklagszauber.

Im Garten wandelt hohe Mittagszeit,

Der Rafen glänzt, die Wipfel chatten breit; Von oben fieht, getaucht in Sonnenſchein Und leuchtend Blau, der alte Dom herein.

233

Am Birnbaum figt mein Töchterhen im Gras; Die Märchen liest fie, die als Kind ich las; Ihr Antlig glüht, es ziehn dur ihren Sinn Schneewitthen, Däumling, Schlangenkönigin.

Kein Laut von außen jtört; 's iſt Feiertag

Nur dann und wann vom TIhurm ein Glodenjchlag ! Nur dann und wann der mattgedämpfte Schall

Sm hohen Gras von eines Apfels Fall!

Da fommt auf mih ein Dämmern wunderbar; Gleichwie im Traum verjchmilzt was ift und war: Die Seele löst fih und verliert fich meit

In's Märchenreich der eignen Kinderzeit.

Am Oſferſamſtag. 1864.

Am Dfterfamftag war's, da jchritt ich till In's Land hinaus; zu meinen Füßen jhoß Der Iſar grüne Woge ftrudelnd hin,

Und fern im Dufte lag das Hochgebirg.

Und wie vom halbentwölften Himmel ber

Gin lindes Säufeln fam und über mir

Die erjte Lerch' unfihtbar wirbelnd jtieg:

Da ſchmolz in meiner Brujt das jtumme Leid, Und feuchten Auges warf ih mid in's Gras, Und dacht' an unjern theuren König Mar.

Und fieh, mir war's, er ftände vor mir da, Lebendig mwiever, mit dem milden Blid

239

Und doch verklärt von erniter Majejtät:

Der Friedensfürit, ven mehr al3 jedes Wort Das freie Glüd des Stamms, den er beherricht, Die frohe Blüte feines Reiches preist;

Der jtille Meberwinder, der jich felbjt

Beſiegt, um feinem Volk genugzuthun,

Und jeder Willfür, jeder Leidenschaft

Den Zügel des Gewiſſens angelegt;

Der ächte Sohn vom Stamme Wittelsbach, Getreu, beharrlich, heil’gen Willens voll,

Der mit dem legten Athemzuge noch

Einjtand für deutihes Recht und dem der Zorn Um deutihe Schmach den Todespfeil geſchärft. Das war der König! Bayern weint um ihn, Wie an des Vaters Gruft die Tochter weint, Und Deutjchland legt den Kranz auf feinen Sarg.

Und andre Bilder ftiegen vor mir auf.

In feiner Hofburg ſah ich ihn, umringt

Dom Kreife feiner Lieben, frohgelöst Aufathmen von der Laſt des Herricheramts, Ein fürjtlih Vorbild reiner Menſchlichkeit; Und durch's Gewühl der Gafjen, die fein Ruf In reihem Schmud erftehn bieß, folgt’ ich ihm, Und jah ihn wandeln unter jeinem Bolf, Leutſelig, liebreich, jedes fremden Glüds

Sich miterfreuend, hülfreich jeder Noth.

Denn föltlicher als jeine Krone war

Das Herz, das unter jeinem Purpur ſchlug, Das lautre ſtets ſich ſelbſt getreue Herz,

Aus dem auf Alles, was er fprach und jchuf, Ein Sonnenitrahl der reinjten Güte fiel.

Das war's, was ihm die Seelen unterwarf; Und, wenn er grüßend durch die Menge jchritt

2490 °

Und jedes Auge glänzte, das ihn jah,

Mer ſpürt' es nicht, daß noch ein ſchöner Band, ALS angeftammter Treue, bier ſich wob

Aus Dankbarkeit, Hingebung und BVertraun!

Und jener trauten Stunden dacht’ ih dann Im hoben bilvderdunfeln Teppicjaal,

Mo er, mit ernjten Männern im Gejpräd, Das ftillgeihäft'ge Walten der Natur,

Der Vorzeit Bücher fich enträthjeln ließ. Denn eine nimmermüde Sehnſucht zog

Ihn zu des Lebens Tiefen. Nicht begnügt Mit der Erſcheinung, ſucht' er ihr Geſetz,

Und jede neuerfannte Wahrheit galt

Ihm eine Stufe, die er fih erkämpft.

Und oft, wenn vor dem wiſſensdurſt'gen Geiſt Ein Strahl ihm aufging jener Gottesfraft, Der ewig Einen, die im leiſen Blühn

Der Pflanze, wie im Auf: und Niedergang Der Völker und der Zeiten fih enthüllt:

Da flog ein Leuchten über feine Stirn,

Und böber ſchlug fein Herz, als wär’ er jelbit Der Weisheit Jünger, nicht ihr Vogt und Hort.

Doc liebt’ er’3, wenn um folder Stunden Emit Grheiternd ſich der Kranz des Schönen flocht, Und mie er felbjt in jungen Jahren wohl Geprüft die Saiten, bis des Scepters Pflicht Ungern das holde Spiel ihn meiden ließ, Verlangt' ihn nah der Mufe Gajtgeichenf.

Denn göttlihen Geſchlechts noch ehr!’ er fie,

Und in der Forfcher ftrengen Kreis entbot

Er die ihr dienten, daß fie mit Gefang

Des Buſens Wellenihlag ihm ſchwichteten.

Auch mir beſchied fein Föniglicher Auf

Die neue Heimat. Hold gewährt er mir, Monah des Dichter Herz zumeijt begehrt: Sorgloſe Freiheit und ein freundlich Ohr,

Das feinen Werfen lauft’. Und was ein Gott In hoben Stunden mächtiger beſchwingt

Mir auf die Lippen legte, wurde fein.

Ach, mwürd’ger einſt die vollgereifte Frucht,

Die unterm Herbitlaub meines Lebens ſchwillt, Ihm darzubringen hofft' ich, und dafern

Ein Kranz mir je noch blühte, jollt!! er ihm Zuerjt gehören, der ihn mild gepflegt

Da riß ein allzufrüh Geſchick ihn fort

Zu jenen Sphären, die fein fterblich Lied Grreicht, und nichts als Thränen heißen Danks Für den geliebten Todten hab’ ich heut,

Den Todten? Nein! Ob auch das Gruftgewölb Den jchmerzensmüden Leib empfing: er lebt! Nicht in den Blättern der Geichichte bloß,

licht bloß im Mund des Liedes, noch im Erz, Das fromme Treue dankbar ihm erhöht;

In fein Landes Segen und Gebeihn,

In jeines Volks Gefittung lebt er fort,

Er lebt in unjern Herzen, lebt im Sohn,

Der was er anhub, zu vollenden ringt;

Und daß er alſo fortlebt, ſei ung Troft

In unjerm Leid. Denn jeins verging in Olanz.

So dacht' ih und erleichtert hob fih mir

Die jhwerbeflemmte Bruft. Ich jprang empor Und jah zum Himmel, ſah ven Strom hinab; Da brach die Sonne leuchtend durch's Gewölk. Geibel, Geſ. Werfe. II. 16

den jede Ball, isn Ent ya get —— J— Der Hoffnung goldnes B id zu tragen m bien,

Und durch das Thal, im Wind bermagenb, 1 ! lan Der Oſterglocen Auferſtehungsruf.

Emanuel Geibels

Selammelte Werke.

In acht Bänden.

Dierfer Yand.

Spütherbftblätter, Heroldsrufe.

Hfuffgart. Berlag der J. ©. Eotta’jchen Buchhandlung. 1883.

4,3

SrDaLlTt.,

Spätherbftblätter. Vermiſchte Gedichte.

Und wieder treibt e3 in den Tannen Der Spielmann .

Nauſikaa

Der Tod des Perikles Wittenborg Aus verſchollenen —— In der Frühe FE Unter den alten Rüſtern

König Abels Ende . Mitjommernadt .

Lied und Ton

Hütet euch!

Romanze

An die Sonne

Regenzeit

Ferien

Erinnerung

Charmion .

Ein Brief .

Aus Travemünde

Deprecation

Der Nil

Lebensſtimmung

An eine junge Sängerin

Am Hünengrabe

J N = FR

Seite Eine Sommernädht + lt . 7 ee Sonntagämorgen im Walde . 2... 0 n us Spielmanns Heinilehbr . . .. 1%...

Oſtſeelieder. Als ich ung wueeeeeee 0. Schon lichten ich uüüeee Am Mittag glänzt die Sonne. . . 2 a Menn über'm Meer das Frühroth Brent a Sit das Spiel des Wafjfermann3 . . . . 2 2 2.2. 8 Sin blauer Nacht bei ns 2 —— Ich lieg’ in Träumen . . . ———— . 54 63 taucht daB Meer nelinde ::". ..7% 7.22", 15 Sir Eee An der Bucht im Lootfenhaufe- . ". . ...... €3 Tiegt am Öden Dünenftramd ; u... 23': =... RE Sanft verglimmt des Tages Helle . - . . 2 2.202.080 Es pfeift mit hohlem Klange.... --./ .4.0 .. IE SERIBEEE Auf das Meer, das fernbinaus- . . . . 2) ss Kun kommt der Sturm geflogen . . » 2 .2..2..2.0..89 Rad bem Skurtt: . „. - 2). 20% 2 kr Idyllen.

Das Mädchen vom Don. . - ». 2" 1[ Eine Seeräubergeihihte . . » -_ 2.0. 22 0 Sr are

Gelegenheitsgedichte.

Feſtlieder: 1. Zur Schinfelsfeier. . . SI) 3 Zur Gröffnungsfeier der Naiverfität Strakburg . 78

. Zur Begrüßung der aus ara; heimfehrenden

BTERBERT +3, 7 ee Einem Freunde ins Album . . . ..20..%0.07.0 MEERE Ir. 83. .%; "0 SM EEE lleberfall. (Zu einem en Dotsämitte) 2. I RE Einem Schulmanne . . . 2 ME m. . ee ee A Sn das Mozartalbum. 2 Stcolodilromange .. : „u: 2. 20 Des ASEhiled > .. ...-u 0.2 ee

Sprüde 1-32 .......... 11111

N v

Lieder ans alter und neuer Zeit.

Mit geheimnißvollen Düften .

Kun vingt bei Frühlingswettern

Neber die Berge wandelt .

Die Nachtigall auf meiner Flur

Nun kehrt zurüd die Schwalbe .

In den mondverklärten Lüften .

Herz, was willft du? . .

Nun ift auch diefer Bann gehrorhen Das war in jungen Tagen : Schweig, wenn dir vom Ueberfluſſe

zen: Butt, Det I Dil; .... . s Wenn hinabgeglüht die Sonne

Vieles lernt der Dichter tragen .

Ach, und auf3 neue .

Saft, ihr Lieben, o laßt Hrich gti. Mein Herz iſt jchwer, mein Auge wacht Mir fuhren auf der Stillen Oder

Spät auf hoher Schloßverande . Kun braut e3 herbſtlich auf den Auen Oft in tiefer Mitternadt . 2 Schon reift es Nachts im Mieiengrimde Traurig jehritt ih Hin am Bad) Nauher Tag will rauhe Meije

Nun um deine Pfade leis . B

63 kommt der Lenz, es jchmilzt bet Schnee Sm Spätherbitlaube jteht mein Leben

Nachleſe älterer Gedichte.

König Artus Tod

Die Goldgräber Höchſtädte.

Gruß aus dem Geige Gela 5 Seiblingafeier i in Athen Mädchenlied . kr Neugriechijcher Mythus Ein Brief

Frühling .

Hochjommer . Stoßjeufzer .

100 101 102 102 103 104 104 105 105 106 107 107 108 1085 109 110 111 112

113 114 117 119 120 121 122 123 124 126 127 128

* k £ ie s Sg Seite Keoninocktum . . 273.02 1 Die Shine priht 2. Transeat! . . ee Zwei Mädchenlieder: 1. Spanti 2. 2 2, Rordblih . 0 22000 ne 1 BSerlfuhung . © 0 3m Du na RIES x "Shwaned. 7. ee Heingetetttt En a Die Sängerin . . . ee Romanze vom Werwolf a umb 2) Romanze vom Elfenbrunnnenn Farttttttteee ee 21 Kuna ei] 0) 1) | ee RE ee Se Deutſches Aufgebot 1-8) a u A Lieder aus einem Singipiele: 1. 2ied des Katlenfüngert® . . : .- 2 2. Hedwige Kid !.. Di. er. 2 ae 8. Boat . 20 4. Shlußdor . . . 2... fe VE Helena. Lieder aus einer Novelle Hoc Bindat . 2:2. 0.0 88 Dijtichen aus dem Wintertagebudhe. K—IX.. 2.0. a 8 Par en Su AlE Br FE Jugendlieder.

Eis bedeckt des Fluſſes Schooß. . . 1:2 Es fommt der Wind mit Schall gezogen. 2 2 FE Wenn nur nicht das ſchönſte Mädhen . . . ... . . 174 Der Mond ift aufgejtiegen . . ER EG Wenn die Nacht mit lindem Raufden 2 20 2 ee Es fteht auf feinem Katbeder : .-. . ... 1.7 Ai Ai Bei dem fenrigften der Dichtts Nun jteigt auf Flügeln . . . Mögen die klugen Genoſſen mich läftern a Und rennt die Welt nah Gut und Geld . . . . . . 180 Wieder jteht die Welt in Blüten . . . » . 2... 181

Als der Liebjten Gruß und Hub -. -. - » ».2.20... 182

ae

Neben dem Pfad aus den blühenden Bäumen Seit zum Güngling ich erjtand.

Nichtig wären meine Ziele . . . .

Durch die Wipfel, durch die Matten .

In Blüten prangt der Apfelbaum

Wieder hab’ ich fie gejehen . . .

Ein blau Geheimniß ift dein Blid

Zräume, die im morgenrothen .

Der Mond ift längft hinunter .

Mein jüß Geheimniß, wie verberg’ ich's nur!

Seit du mir dein Herz gegeben . Kun dom Hauch der Mufen . Nachts auf dem Archipelagus

Heroldsrufe. Zeitgedichte. Von 1849 bis 1866.

Deutſchland 1849 ...

Wie rauſcht ihr Vaeshatten Klage .

Gorferenz von Sonden

Böſe Träume

Fahnentreu . .

Ein Gedenfblatt

A TE - .

Halte die Sofa J Pauſe.

Ungeduld .

Wann, o warn?

Seid ein! :

Gejang der Brätorianer

Einſt geihieht’3

Deutſchlands Beruf . er Beim Ausbruche des Kriegs . Das Lied von Düppel Mufitfeit . In den Tagen des Sonflts r Zur Antwort , Eiſerne Zeit .

Das Lied vom Reiche

Seite

182 183 184 184 185 186 187 187 188 188 189 189 190

4 det 7

Bon 1866 bis 1871

Am Jahresſchluſſe 1866.

Den Banleuten

Frühlingslied

Was wir wollen

Vorwärts!

Hanſeatiſches Feſtlied Deutſches Leben Aus den Salzburger —— Ein Ruf über den Main Harr' aus!

Deutſche Wanderſchaft

An König Wilhelm . Beneditt XIII

Drei Vögel

Kriegeid" . . .

Gin Palm koiber Babel Dentjche Siege .

An der Mojel . { Am dritten September 1870 x Trinfiprudg .

Der NMlaon . .

An Deutichland.

Zur Friedenzfeier..

ee el

Spätlrerhjthlätter.

Geibel, Gej. Werke, IV.

\

ee ee EEE

Vermiſchte Gedichte,

Un wieder treibt e3 in den Tannen Und wieder lodt’3 vom blauen Zelt, Ein Flügelvehnen, Segelipannen Geht ungeduldig durch die Welt.

Die muntre Schwalbe zmwitjchert helle Ihr Wanderlied im Sonnenftrahl, Der Eisblod jpielt dahin al3 Welle, Die Schneekluft wird zum Blütenthal.

Aufs neue ftrebt mit fühnem Steuer Nach fernem Glüd die Sehnfudt fort; Verſchwiegne Liebe brennt wie Feuer Und ftammelt ſacht ihr erjtes Wort.

D Hoffnung, Mufe diefer Tage, Berührſt du fanft mein Saitenfpiel, Daß ih den Klang nod einmal wage, Der meinem Volt einjt wohlgefiel?

*

Der Hpielmann.

Sie jagen, im Freien einft lag er zu Nacht, Da haben ihm Feyen die Fiedel gebracht,

Da bat auf den Klippen bei Monduntergang Der Nir ihm die Lippen gelöst zum Geſang.

Nun geigt er und fingt er, nun fingt er und geigt, Die Herzen bezwingt er, jebald er fich zeigt;

Im Dorf an der Linde, im Fürjtenpalaft

Wie drängt fih gefehwinde der Schwarm um den Gaft!

Schon hebt er den Bogen, jchon weckt er den Schall, Da ftrömt es wie Wogen aus klarem Kryſtall;

Wie ſchwellen die reinen fo jtarf und jo weich! Wer's hört, der muß meinen und jauchzen zugleich.

Mas lächelt vor Wonne der Greis dort und ſchwärmt? Er träumt, daß die Sonne der Jugend ihn wärmt. Was blidt in die Runde der Kriegsmann fo kühn? Dom Siegsfeld die Wunde beginnt ihm zu glühn.

Mas ftaunen befangen die Anaben im Kreis?

Mas brennt auf ven Wangen der Mädchen jo heiß? Im bangenden Sinne die Luft und die Dual,

Den Zauber der Minne verjtehn fie zumal.

Dem Waidmann erklingt e3 wie grüßendes Horn, Den Schnitter umfingt es wie Wachteln im Korn, Den Schiffer am Lande befällt’3 wie ein Web, Cr hört daS Gebrande der rollenden See.

Und wo fih im Kreiſe verblutet ein Herz,

Da fühlt ihm die Weiſe ven brennenden Schmerz; Aufathmet’3 betroffen, al3 träufelte mild Balfamisches Hoffen vom Sternengefilv.

ara Tyan

Wie AMolersgefiever jet ſchwingt fih der Schall, Seht fäufelt er nieder wie Tropfen im Fall, So wandeln die Boten des jüngften Gerichts ; Sp grüßen die Todten vom Drte des Lichts.

Nun fterben die Klänge, nun fehmweigen fie ganz Da jubelt die Menge, da bringt fie den Kranz;

Doch jtolz ſich verneigend, als drück' ihn ver Lohn, Ins Dunkel ift ſchweigend der Spielmann entflohn.

Beim Glanze der Sterne, von Winden umraufcht Schon wandert er ferne, wo Niemand ihm laufct; Da geigt er in Thränen fich ſelbſt noch ein Stüd: Verlorenes Sehnen, begrabenes Glüd.

Nauſikaa. 1858.

Als Odyſſeus fortgezogen

Heimwärts vom Phägqkenſtrand

Und ſein Schiff am Saum der Wogen Fern im Abendroth verſchwand,

Zu des heil'gen Felſens Zinne

Schritt empor Nauſikaa,

Die mit kummerſchwerem Sinne

Ihren Gaſtfreund ſcheiden ſah.

Und wo ſchwarz die Fichten ſtanden Um Poſeidons Säulenhaus,

In des Meeres dumpfes Branden Lauſchte bangend ſie hinaus;

In geballten Wolken ſchwebend Dräut' ein Wetter dort heran

Und, die Arme fromm erhebend, Hub ſie ſo zu flehen an:

TE

„Der du auf kryſtall'nen Stufen Thronſt in beil’ger Finfterniß,

Gott des Meers, vernimm mein Rufen Und des alten Grolls vergiß!

Laß den Helden Raft gewinnen,

Der fo glorreih kämpft’ und litt!

Ah, mein Denken und mein Sinnen, Meine Seele nimmt er mit.

Nie vergeſſ' ich jener Stunde,

Da der fturmverjhlagne Mann Dort am Strand im Pappelgrunde Gleich mein ganzes Herz gewann, Da ih zu des Vater Schwelle Froh den hohen Gajt geführt, Ahnungslos, daß mich der jchnelle Pfeil des Gottes ſchon berührt.

Ah und als zu Naht am Feuer

Seiner Rede Wohllaut floß,

Märchenhafter Abenteuer

Fremde Welt vor uns erjchloß,

Wie beraufht an feinen Lippen

Hing mein Ohr, und froh und bang Folgt ih ihm durch Schlacht und Alippen, Sturmgeheul und Nirenfang.

Tage dann in fel’gem Schweigen Lebt’ ich, wie die Blume lebt, Die dem Helios zu eigen

Nur zu ihm den Blid erhebt. Wenn fein Lächeln mich getroffen, Blühte jtillbeglüdt mein Sinn, Und in heimlih jüßem Hoffen Schritt ih wie auf Wolfen bin.

Bere ran

Schöner Traum, der leichtgewoben Mih umfpielt wie Frühlingsmweh'n, Nur zu fpät, al3 du zerjtoben, Sollt’ ich deinen Ernit verſtehn! Ab, ſchon unauslöſchlich brannte Mir das Herz in füßer Dual, Als er fih Odyſſeus nannte

Und Penelopes Gemahl.

Wohl der Sehnſucht irres Feuer Barg ih da in tiefjter Bruft, Doch er ward mir doppelt theuer, Seit mir fein Geſchick bemußt. Selbjt des Götterzornes Lohen, Wie fie züdten um jein Haupt, Zeigten mir die Stirn des Hohen Reiher nur vom Kranz umlaubt.

Ginfam, wenn die Sterne fchienen, Rang ich oft mit meinem Schmerz, Doch die Kraft, dem Freund zu dienen, Strömte Balfam in mein Herz.

Ihm die Heimkehr zu erringen

Zu des theuren Eilands Budt,

Mob ih, ah, des Segel3 Schwingen Für des eignen Glüdes Flucht.

Aber nun er fortgezogen, Schredt mich, was ich ſelbſt gethan; Wieder jeh’ ih auf den Wogen, Strenger Gott, dich furchtbar nahn. O halt’ ein, halt’ ein Bertilger! Zügle diefes Sturmes Wehn!

Laß den jchwergeprüften Pilger Nicht am Ziel noch untergehn!

Bear ke

Blind nad feines Feindes Leben

Zückt der Menſch das Racheſchwert, Göttervorrecht iſt: Vergeben,

Ueb' es heut, er iſt es werth!

Oder wenn dich, Erdumfaſſer,

Nur ein Opfer ſühnen kann,

Nimm dies Haupt, o Fürſt der Waſſer, Für das ſeine nimm es an!“

Horch, da braust es durch die Lüfte, Horch, da ſaust's im Fichtenhain, Um des Ufers Felsgeklüfte

Strömt wie Blut des Abends Schein. Rieſenhoch mit Schaumgetriefe Schwillt der Woge Kamm empor Und ein Donner aus der Tiefe

Ruft Gewährung an ihr Ohr.

Und ſie nimmt vom Haupt den Schleier Und fie löst ihr wallend Haar

Und befränzt’s in ftiller Feier

Mit den Lilien vom Altar.

Einen Gruß, indem fie fchreitet,

Winkt fie noch ins Abendroth,

Und, die Arme weit gebreitet,

Lächelnd ſpringt ſie in den Tod.

Sieh und wie die Flut mit Kochen Ueber ihr zuſammenſchwillt,

Iſt der alte Fluch gebrochen,

Iſt des Gottes Zorn geſtillt.

Bei des Mondesaufgangs Helle Schimmernd liegt die Tiefe da Und den Dulder trägt die Welle Sanft im Schlaf nach Ithaka.

Der Tod des Werikles.

Führt mich hinaus! Verſinkend blidt der Tag Aus golonen Wimpern über Salamis

Und kühler vom Piräus weht's herauf.

Mein Auge will noch einmal, eh es ſich

Auf immer zufchließt, ruhn auf diefer Stadt; Denn über Alles hab’ ich fie geliebt

Und liebe fie noch heut in ihrer Noth, Wiewohl fie mein vergaß.

D mein Athen, Juwel von Hellas, ſtolze Herricherin Des Meers und aller Götter Liebling einft, Könnt’ ich dich, Kodrus gleich, durch meinen Tod Dom Fluch erretten, der im fahlen Dualm Dumpfbrütend über deinen Zinnen hängt, Wie freudig ftürb’ ih! Doch es ward mir nicht So ſchön vergönnt; die bleiche Stirne foll Kein Kranz mir fhmüden. Lautlos hingerafft, Wie eine dunkle Well’ im dunfeln Strom, Berfin® ich mit im allgemeinen Xeiv.

Meint nicht, ihr Treuen! Immer war's mein Stolz, Daß feines Bürgers Thräne jemals floß

Um meinetwillen; laßt mich dieſen Ruhm

Bewahren bis an's Ende! Klagt auch nicht,

Daß dies gejtählte Herz, bevor es brad),

Noch jo viel Leid erfuhr. ES trifft der Gott

Mit fchärfitem Pfeile, wen er einft erhöht.

Und wenn mein Phidias im Kerker ftarb,

Menn der mit Mil der Weisheit mich genährt ! Geächtet floh, wenn Kleiner Haß fich frech

1 Anaragoras,

SF

An Sie gewagt, die meine Mufe war,

Sp mißt: ih nehm’ es hin als meines Glüds Ausgleihung, und dafern ih allzu Fühn, Verführt vom Neize des Gelingens, je

Mic überhob, als Buße meiner Schulo.

Durch meine Seele dunkel mahnend tönt

Das Lied der Cumeniden, das ich nie Vergefien konnte. Zürnend fang es mir,

Zum Wanderjtab jchon greifend, Aeichylus,

AS ih die Pfleger fromm erftarrten Brauchs, Die Alten, von den Nichterjtühlen warf, Vielleicht, wen damals ich mein Herz bezähmt, Hinausgefchoben hätt! ich diefen Tag

Und feine Noth, vielleiht vielleiht auch nicht! Denn viel ift Schiefal was als That erfcheint, Und wie der Apfel, wenn fein Wind vom Aſt Ihn fchüttelt oder feine Hand ihn pflüdt, Unmiderruflih grünt und reift und fault,

Sp grünt und reift und fault die Kraft des Volks,

Im Anfang berbe, dann vom milden Saft Der Freiheit jchwellend, der fie Tag für Tag In reichrer Füll' und Zierde prangen macht, Bis endlich diefer Saft, wenn er das Werk Der Zeitigung vollbracht, zum Gährungsitoff Ausartend, langjam alles Feſte löst.

Wir aber find zumal in dies Gejeh

Mit eingejchloffen, feine jtille Macht

Trägt wie ein Strom uns; Alles fünnen wir Mit ihr verbündet, ihr zuwider nichts,

Wer fie begreift, iſt weiſe, wer fie nutzt,

Sit ſtark, und wer mit reinem Herzen ihr Zu dienen weiß, ift glüdlid. War ich's doch Und Alles fiel mir zu, was herrlich heißt, Sp lang’ ich jteuern durfte mit der Flut!

SIT

Doh als ich wider ihren Schwall den Kiel Gerichtet, ward ih machtlos fortgejpült. Denn wer bezwingt das Unabmwenplice ! Der Tag der Ueberreife fam, es fällt

Die Veit die Geijter wie die Leiber an; Wir find am Faulen und das Glüd ift hin.

Doch ziemt mir's nicht zu Hagen. Eine Welt Bon Schönheit, aufgeblüht in Stein und Erz Und goldner Nede, bleibt als Zeugin jtehn, Was dieſe Stadt vermocht und wer ich war. Denn hätt’ ich nicht die flücht’ge Stunde kühn Am Haar ergriffen, nicht das Farbenfpiel Der jungen Lebensfonne Strahl um Strahl Berfammelt wie in eines Spiegels Rund

Und jeder Kraft ihr höchſtes Ziel enthüllt, Mer weiß, fie hätt’ in reichem Stückwerk ſich Umſonſt zerfplittert und um einen Kranz Mär’ Hellas ärmer, wie zum zweiten Mal Kein Gott ihn beut. Ich hab’, als ich ihn wand, Im Augenblid Unfterblichkeit gelebt,

Und willig jteig’ ih drum hinab. Lebt wohl!

Vitkenborg.

Das war Johannes Wittenborg,

Der Admiral vom Bunde,

Er nahm Bornholm, das feſte Schloß, Und fuhr hinab zum Sunde.

Und wo er traf ein Dänenſchiff, Das ſtolz die Sägel blähte, Verbrannt' er's oder führt’ es mit Als Beute für die Städte.

a

Und als er fam vor Heljingör, Das Volk ergriff ein Zagen,

Dem König däuchte plöglih ſchwül Die Luft zu Kopenhagen.

Er fandte Brief und Boten aus,

Den Admiral zu grüßen:

„Lab ab vom Kampf und fomm ans Land, Mir wollen Frieden Schließen.

Und bis vollführt das Sühnungswerk Dem Bund und uns zum Frommen, Sm alten Schloß von Heljingör

Sei mir als Gaſt willkommen!“

Im alten Schloß zu Heliingdr Da Shallen Pauken und Zinfen, Die Diener rennen aus und ein, Die gülonen Becher blinken.

Bei Tafel jigt Hans Wittenborg Gewappnet wie zum Gtreite, Die Königstohter aus Dänemark Die fist an feiner Seite.

Die Königstohter aus Dänemarf, Die weiß jo ſüß zu bliden,

Ein Goloneg iſt ihr mwellig Haar, Um Herzen zu beitriden.

Sie lacht und ſchwatzt und läßt ſich hold Sein zaudernd Wort gefallen, Sie ſchenkt ihm ein und trinkt ihm zu, Sein Blut beginnt zu mallen.

Mer

Schön Sigbrit hebt die Tafel auf, Da rufen lauter die Geigen, „zegt ab den Panzer, Admiral, Nun geht's zum Fadelreigen.“

Und als er tanzt mit ihr im Saal, Da ſchwindeln ihm die Sinne, Ihm its, als ob aus ihrer Hand Ein Strom von Flammen rinne,

Sie merkt e3 wohl und fhaut ihn’ an Und flötet leif’ im Tanze:

Gieb uns Bornholm und dir gehört Die Roſ' aus meinem Kranze.

„Die Rof’ aus Eurem Kranz ift ſchön, Aubin erbleicht daneben;

Mit Freuden gäb’ ich drum mein Blut, Bornholm kann ich nicht geben.”

Gieb uns Bornholm, das fefte Schloß, Und nimm dafür zur Stunde,

Nimm bin dafür, du ftolger Mann, Den Kuß von meinem Munde,

Sie flüſtert's leiſ', ihr Aug ift heiß, Sp wonnereich ihr leben, Sie zieht ihn ſacht zum Schloßaltan, Da iſt's um ihn geſchehen.

Er hat verrathen Schloß Bornholm, Um ſeine Luſt zu büßen Vom Himmel ſchoß ein Stern herab Ins Meer zu ſeinen Füßen.

a RE

Meh dir, Johannes Wittenborg ! Weh dir um diefe Stunde!

Du baft geminnt des Dänen Kind, Was bleibft du nit am Sunde?

Was fegelit du zur Heimat Fed, Der du die Treu gebrochen? Zu übel in ver alten Stadt Wird fcharfes Recht geiproden.

Zu Lübeck in der alten Stadt

Am Mittwoh nah den Falten,

Da Schalt vom Thurme dumpf Geläut, Da flaggen ſchwarz die Maften.

Zum Marfte wallt ein Trauerzug Aus Sankt Marien: Thüren, Das it Johannes Wittenborg, Den fie zum Tode führen.

Bekümmert jtehbt das Wolf umber, 63 meinen laut die Frauen; Dem jungen Admiral nur fpielt Ein Lächeln um die Brauen.

Er jchreitet hohen Haupts zum Blod, Als ging’s zum Fadelreigen:

„Und muß ich jterben um Bornholm, So warft du doc mein eigen!“

Ein Röslein nimmt er aus der Bruft, Das wuchs an Seeland: Strande,

Er drückt's noch einmal an den Mund, Dann fniet er hin im Sande,

Re

Die Glode dröhnt, das Nichtbeil fällt, Sein Haupt rollt hin am Grunde; Gr bat bezahlt mit jeinem Blut

Den Kuß von Sigbrits Munde,

Aus verfdiollenen Tagen.

12

Es war ein ſchöner Tag im ſchönen Wien, Die Linden blühten und die Sonne jchien, Und Arm in Arm, uns felber überlafjen, Durchſchritten wir die morgenfriſchen Gaſſen.

Prunkläden hier, Paläſte ſtolz und grau, Dort ſchwarzgethürmt Sankt Stephans Rieſenbau, Und rings aus laub'gen Gärten durch's Gedränge Herflatternd Roſenduft und Geigenklänge.

Ein Märchen däucht' es uns, ein Traumgeſchick: Sonſt ruhlos überwacht in Wort und Blick, Und plötzlich nun im bunten Volksgetriebe Der großen Stadt allein mit unſrer Liebe!

Beſchwingt ins Grüne lenkten wir den Schritt, Die Vögel jauchzten und wir jauchzten mit, Bis wir zuletzt nach ſel'ger Irrfahrt Stunden Den Weg zu Belvederes Schloß gefunden.

Von Panzern drinnen beim gedämpften Strahl, Von Türkenbeute blitzte Saal an Saal

Und friedlich neben den erſiegten Waffen

Hing was der Meiſter Farbenkunſt geſchaffen.

he u

Da grüßt’ uns plötzlich lächelnd von der Wand Der ſchönſte Frauenktopf von Palma's Hand; Bezaubert ftaunt’ ih, bis ins Herz erichroden, So glid) er dir mit deinen goldnen Loden.

Und füllen wollt’ ih das holdſel'ge Bild,

Du aber wehrteſt mir und ſpracheſt mild: „Barum nah jtummem Reiz ven Blid erheben? Du haſt's ja befjer, halte dich ans Leben!”

Und wieder durch die Gärten ſchwärmten wir Und von den trunfnen Lippen jtrömte mir Ein übermüthig Lied der Liebesmwonne,

Die Roſen blühten und es ſchien die Sonne.

Und denk' ich dran, jo weht's durch meinen Sinn Mie Rojenduft und Sonnenglanz dahin.

D Stadt Sankt Stephans, daß dich Gott behüte, Wo meiner Jugend ſchönſtes Märchen blühte!

2.

Herr Walter, deſſen Ruhm erflungen, Sp meit die deutjhen Ströme gehn, Als er fih Land und Leut' erfungen, Da jauchzt' er auf in Lievdeszungen: Ich hab’ ein Zehn! Sch hab’ ein Lehn!

Herr Walter von der Bogelmeide, Und mwüßtet Jhr was mir gejchehn, Mie ih zu Freuden fam aus Leibe, Ihr börtet fingen mich mit Neide: Ich hab’ ein Zehn! Ich hab’ ein Lehn!

Mein Lehn find eitel rothe Nofen,

Die Tag und Nacht in Blüte jtehn,

Frau Minne ließ es mich erloofen,

Mit Scherz beſtell' ich's und Liebkoſen; Sch hab’ ein Lehn! Sch hab’ ein Lehn!

3.

Noch ruh’n die Höh’n vom Duft ummoben Und neblig dampft es überm Feld; Doch Sonnenahnung dämmert proben

Am Himmelszelt.

Dem zweifelhaften Tag entgegen

Reif’ ich ins ftille Land hinein,

Und grüße dich zum Morgenjegen Und denfe dein.

Wohl ſchied die Welt uns ftreng auf’s neue, Doch muthig blieb mein Herz und feit; Sch weiß, daß nimmer deine Treue

Dom Freunde läßt.

Denn nicht ein blind Gefühl der Stunde, Kein Zauber flücht’ger Sinnenglut, Uns bindet was im tiefjten Grunde

Der Seelen ruht.

Mag drum in Sehnfuht und Beſchwerde Noch manch verwaister Tag vergehn, Mir jagt mein Genius: ich werde

Dich wiederſehn.

Und all mein Leid wird von mir fallen, Wenn mich dein Arm umſchlungen hält, Wie dort am Berg in Windeswallen Der Nebel fällt. Geibel, Geſ. Werke. IV. 2

KANN Rn =:

Er fällt mit Haft, mich grüßt azuren

Der Himmel, wie dein Auge ganz,

Und in mein Herz und auf die Fluren Strömt Sonnenglanz.

In der Frühe.

Friſch won kühlem Thau durchquollen Schauern Wald und Erlenbruch; Aus des Ackers ſchwarzen Schollen Dampft ein kräft'ger Erdgeruch.

Still noch iſt's auf allen Wegen, Nur vom Dorf die Glocke ruft Fernher ihren Morgenſegen Durch die ſonnendunſt'ge Luft.

Von dem Strom, wo ich gebadet, Eh der letzte Stern entfloh,

Mit verjüngter Kraft begnadet Kehr' ich heim, des Tages froh.

Ahnungsvoll im Buſen klingt mir Dunkler Melodie'n Gewühl

Und den leichten Schritt beſchwingt mir Ein beglückend Vorgefühl.

Was bedeutet dies Empfinden? Soll ich die Geliebte ſehn? Oder flutet in den Winden, Muſe, deines Odems Wehn?

A 1 WED

Unter den alten Rüſtern.

Ihr alten Rüftern Wie füß zur Raſt Läd't euer Flüftern Den müpden Gaft!

D mogt und fchattet Um’s Haupt mir fühl! Noch dröhnt's ermattet Vom Stadtgewühl,

Wo, nie entlaſtet, Das Leben rollt, Gewinnſucht haſtet, Parteiwuth grollt,

Nach Brod die Menge Und Spielen ſchreit Und hohl Gepränge Die Kunſt entweiht.

Vom eitlen Rauſchen Wie bin ich ſatt! Nun will ich lauſchen Auf Blüt' und Blatt;

Nun will ich hören Die Weiſe nur,

Die du in Chören Mir ſingſt, Natur,

Die große Weiſe, Die, wo ſie klingt, In Schauern leiſe Mein Herz verjüngt,

Ba». SE

Das Lied vom Wachjen Und vom Vergehn, Nach dem die Achjen Der Welt fih drehn.

König Ubels Ende. Schleswigſche Sage.

König Abel hatt! einen jchweren Traum, Nicht länger läßt's ihn ſchlafen,

Er jpringt vom Bett und tritt hinaus Zum Söller überm Hafen.

Es jcheint ver Mond, es raufcht die Schlei Mit dumpfem Wellenjchlage ;

Der König ftarrt hinab, er denkt

Der Schuld vergangner Tage.

Und wie es Eins vom Dome jchlägt, Kommt unten auf den Wogen Gejpenftiih aus dem Nebelouft

Ein ftummer Kahn gezogen.

Gr jchwebt heran im meißen Licht, Unbörbar geht das Ruder

„Hilf Gott! Der dort am Steuer ſitzt, Das ift mein todter Bruder!

Langjam an feinem Halſe quillt

Das Blut aus breiter Wunde, In feinem Haar noch Elebt das Schilf, Der Schlamm vom Stromesgrunde,

RT

Er jtiert mich an mit glaf’gem Blid,

Mein Blut gerinnt vor Grauen;

Gr hebt ven Arm und winkt, und winkt Meh mir, ih kann's nicht Schauen!”

Herr Abel ftürzt zurüd ins Schloß, „Laßt mir den Biſchof wecken!“

Cr keucht's und birgt fein fiebernd Haupt In feines Lagers Deden.

„Fluch dir, Fluch dir unjelig Solo, Du Königskron’ im Norden!

Wohl heit ich Abel, doch um dich Zum Kain bin ich worden.

Fluch Burpur dir! Du gleißteft mir Sp zaubrifh vor den Sinnen; Nun ſengſt du mich wie Feuersglut, Sn Dual muß ich von binnen.”

Was pocht und hämmert in der Wand? Das fommt vom Todtenwurme,

Was klirrt und Elingt? Das Fenster jpringt Meitklaffend auf im Sturme.

Und ſieh, zwei jchwarze Naben ziehn Herein mit heiferem Schreien, Sie flattern kreiſchend um daS Bett Und fliegen hinaus zu dreien.

Der Bifhof kommt, er ſchlägt ein Kreuz, Die Naben fieht er fliegen,

Er fieht ven König ſtarr und todt

Auf jeinem Purpur liegen.

a Le

Mitſommernacht.

Durch's Gewölk die Sterne lauſchen Und der Lilie Duft erwacht;

Willſt du mich, wie ſonſt, berauſchen, Dunkelſchwüle Sommernacht?

Deiner Elfen Schwärme kreiſen Lockend wieder um mich her, Doch auf ihre Zauberweiſen Find' ich nicht die Antwort mehr.

Ach, es wird von keinem Sehnen Zärtlich mehr dies Herz bethört,

Und zugleich mit ſeinen Thränen Hat ſein Hoffen aufgehört.

Nur was einſt ſo ſüß mir däuchte Und ſo ſchmerzlich als Verluſt, Zieht wie fernes Blitzgeleuchte Mir erinnernd durch die Bruſt.

Fed und Von.

Verzaubert lag, verſchollen, Dornröschen gleich im Walde tief,

Das Lied auf ſtaub'gen Rollen,

Das Muſenkind, und ſchlief.

Da bricht durch's Dorngeſtrippe

Mit hellem Ruf ein Königsſohn, Da küßt mit warmer Lippe Die Schläferin der Ton.

13

Und ſieh, zu rafhen Schlägen Urplöglih ift ihr Herz erwadt;

Sie hebt fi ihm entgegen,

Ihr Auge weint und lacht.

Dom Lager aufgefprungen Die Arme ftridt ſie um ihn ber; Sie halten ſich umjchlungen Und laſſen ſich nicht mehr.

Und auf der Liebe Flügel

Nun ziehn die beiden treugefellt Wohl über Strom und Hügel Hinaus in alle Welt.

Hüket euch!

Wo am Heerd ein Brautpaar ſiedelt, Seid auf eurer Hut, ihr Knaben, Wahrt, ihr Mädchen, euer Herz!

Denn am Morgen, denn am Mittag Wie ein Duft von wilden Roſen Schwebt die Glut verſtohlner Küſſe Dort bezaubernd in den Lüften. Ach, und wenn der Abend dunkelt, Unverhüllt durch die Gemächer Wandelt mit geſchwungner Fackel Eros dann, und unabläſſig

Sprüh'n der Sehnſucht irre Funken Weiterzündend um ihn her.

Wo am Heerd ein Brautpaar ſiedelt, Seid auf eurer Hut, ihr Knaben, Wahrt, ihr Mädchen, euer Herz!

Pa RE

Romanze.

Ueber'm Schloß und feinen Gärten Brütet heiß im Dunſt der Mittag; Wie in einem Märchen wandl' id) Durch die ſchwüle Todtenſtille.

Schlummertrunken um die Thürme Hängt der Epheu; vor den Fenſtern Liegen Schalter, mit geſchloſſ'nen

Wimpern ſcheint das Haus zu träumen.

Auch die hohen rothen Blumen

Nicken wie im Schlaf geſpenſtiſch, Schweigend am verfallnen Springborn Sonnt ſich eine grüne Schlange.

Zum ſmaragd'nen Ring verſchlungen Züngelt ſie und blickt mit klugen Augen zu mir auf, als wüßte Manch Geheimniß ſie zu melden,

Manch verſchollenes Geheimniß Von der ſchönen Königstochter, Die des Abends hier gewandelt, Wenn der blonde Page ſeufzte,

Bon den Schwüren, die die Mondnacht Hört im Dunkel jener Lauben,

Von dem Blut, das dort gefloffen,

Wo die rothen Blumen ſchwanken.

Schon beſchleicht ein heimlich Grauen Mir das Herz, da dröhnt die Schloßuhr Eins, und raſchelnd in die Büſche Schlüpft zurück die grüne Schlange.

Be ——

A a u

% e h; :

re ae

Un die Home.

Mieder fteigt der Nebel, wieder Strömt ins Thal der Regen nieber, Das fih grau und freudlos dehnt, Bift du ganz denn mir im Norden Treulos worden

Du, nah der mein Herz ih jehnt?

Die du do zu tauſend Malen Liebevoll mit deinen Strahlen

Mich mie eine Braut umfingft

Und mir jtill des Liedes Blüte

Sm Gemüthe

Weckteſt, wenn du kamſt und gingit.

Saft bedünkt es mich, man vaubte Dir dein Goldgelod vom Haupte, Sammt der Krone von Rubin, Und nun wallit vu, hohe Sonne, Eine Nonne,

Nur im Schleier noch dahin.

Ah und faum in diefem blafien Zwielicht weiß ich’3 mehr zu fallen, Wie du einjt fo jung und ſchön Mir in göttergleihem Prangen Aufgegangen

Ueber Delos Felienhöhn.

RE

Regenzeit.

Geh' ich nach dem ewgen Regen Durch den Wald bei früher Zeit, Ei wie macht auf allen Wegen Sich das Volk der Pilze breit!

Zwiſchen Dorn und Hagebutte Truppweiſ' auf des Pfades Rand Stehn ſie hier in weißer Kutte, Dort im braunen Mönchsgewand.

Andre blähn gleich Cardinälen Sich im flachen Scharlachhut, Ach, und vollends nicht zu zählen Iſt die ſchwarzgefleckte Brut.

Dicht geſchaart und immer dichter Durch's Revier von Ort zu Ort Wälzt das ſchwammige Gelichter Seine Propagande fort;

Klimmt mit unheimlicher Schnelle Hügelan aus jeder Schluft, Haucht von jeder ſumpf'gen Stelle Seinen Brodem in die Luft.

Friſchen Sonnenathem ſende, Güt'ger Himmel, ſend' ihn bald! Sonſt verdumpft uns noch am Ende Dies Gezücht den ganzen Wald.

Sommer 1873.

DE le

Ferien. 1875.

Am Waldhang überm Wiejengrunde

Wie ruht ſich's gut zur Mittagjtunde, Menn nur mit ſanftem Hauch der Wind Durch's Laub der Wipfel flüjternd rinnt!

Hier, vor der Welt und ihren Sorgen

Im Schooß der Einſamkeit geborgen, Genieß' ich endlich frei von Zwang Den langentbehrten Müſſiggang.

Da ſaugt mein Leib aus Luft und Sonne Des Daſeins reinſte Pflanzenwonne, Indeß der Geiſt zu freiem Spiel Ins Blaue flattert ohne Ziel.

Doch träum' ich nicht von Ruhmeskränzen,

Von Sternen mehr, die täuſchend glänzen; Den Jüngling lockten ſolche Höhn; Dem Alten däucht das Nächſte ſchön.

Ich hör' im Forſt den Jäger blaſen,

Ich ſehe wie die Rinder graſen, Der Storch durch's Ried hochbeinig ſtelzt Und ſchimmernd ſich das Mühlrad wälzt.

Auch kommt mir bei der Wipfel Wogen Bisweilen noch ein Reim geflogen, Der, wie die Seele ſchweift und ſinnt, Zum Liede ſtill ſich weiter ſpinnt.

Doch nur für mich. Im Marktgedränge

Wer horcht' auch auf die leiſen Klänge? Mein beſtes gab ich; gönnt mir's nun Im Grünen ſpielend auszuruh'n.

Frinnerung.

Spät Abends wohl, wenn draußen ſturmdurchſchauert In Naht und Schnee die öde Gafje trauert

Und um den Thurm das Volk der Kräben lärmt, Trägt mi ein Traum zu jenen Frühherbittagen, Die ih mit jugendfeligem Behagen

In Attika's Gebirg verſchwärmt.

Da ſcheint des Alters trüber Bann gebrochen, Mein Blut hebt leicht und fröhlich an zu pochen, Ich habe wieder zwei und zwanzig Jahr.

Ein ſanfter Lichtſtrom rieſelt um mich nieder Und trunk'nen Auges grüß' ich Alles wieder, Mas damals mein Entzüden war:

Das tiefe Blau durchrauſcht vom Flug der Tauben, Die luft'ge Villa, die aus Miyrtenlauben

Dom Hang Bentelis nah) dem Meere jah,

Die Pinienſchlucht getaucht in Abendgluten

Und jene Grotte mit den Silberfluten

Im Delmald von Kephifiia.

Da kommſt auch du blauäugig Kind, Agathe,

Im ſchwarzen Haar die Blüte der Oranate,

Herab den Felspfard, in der Hand ven Krug;

Sp wandelt’ Hebe wohl im Götterreigen,

Doch unbewußt des BZaubers, der dein eigen, # Schwebſt grüßend du worbei im Flug. F

AT

Charmion. Elegie.

Täglich Geſtöber und Sturm und wiederum Sturm und Gejtöber ! Ewig bemwölft, bleiſchwer lajtet der Himmel herab; Kniehoch liegen die Gaſſen verfchneit und es ächzt, nur mühſam Durchs Pfadloſe die Bahn wühlend, das ſchwere Geſpann. Kaum noch dem leichteren Schlitten gelingt die gefährliche Reiſe, Oft einſinkend im Schnee ſtrauchelt das klingelnde Roß. Und ſo ſitz' ich zu Hauſe gebannt; ſchon dunkelt das Zwie— licht Ueber die Stadt und umſonſt ſtrebt mir ins Freie der Sinn. Lodert denn auf im Kamin, ihr tröſtlichen Flammen, und ſcheuche Wärmender Becher, den Druck trüber Gedanken mir fort! Euch auch ſuch' ih hervor aus dem Schrein, ihr verwit- ternden Blätter, Die ich dereinjt im Genuß goldener Tage bejchrieb, Als ich, ein Wanderer, nodb mit dem trunfenen Auge der Jugend An den Gejtaden umher ſüdlicher Meere gejchmeift. Seltfam blidt ihr mih an im G©eflader des nordischen Heerdes, Fremd fajt, aber ihr habt bald mir die Geele gelöst, Und im belebenden Hau der Erinnerung fehmwebt die be: freite Wie von Flügeln des Schwanz leiſe getragen hinaus. Sieh, ſchon finft das Gewölk, durch die flatternden Schleier 2 ergießt ſich Goldener Glanz, weithin dehnt fi im Grunde die Flut,

re

Und im Kreije verjtreut, umjpült won jchmeichelnder Woge, Tauchen ins leuchtende Blau fonnige Gipfel empor. Seid mir gegrüßt! Wohl kenn’ ich euch noch, ihr jeligen Inſeln, Die des ägeiſchen Meers purpurner Gürtel umſchlingt: Naxos Rebengebürg und des taubenumflatterten Andros Winkende Höhn, von der Nacht ſchwarzer Cypreſſen ge— kühlt, Und in Blüten verhüllt Parichias ſchwebende Gaſſen, Die vielſäulig vom Meer über den Felſen ſich ziehn. Zaubriſche Stadt! Wohl ruh'n fie verwaist, die gefeierten Schluchten, Wo zu göttlichem Reiz einſt ſich der Marmor beſeelt; Aber es erbte bis heut ſich in dir unſterblicher Anmuth Abglanz fort und bezwingt wonnig dem Pilger das Herz. Ach, ih erfuhr's, und das ſchmerzliche Glück, das launiſch diejelbe Stunde mir gab und entriß, wieder beraufcht es mich heut. Sieh, dort wandeln fie hin, mit vem Krug auf dem Haupte, die Mädchen, Leiht im Sandalengeſchnür ſchwebt der beflügelte Fuß; Hier wel reine Gejtalt, welh Haar! Schon bijt pu den Preis ihr Buzumerfen bereit, aber die Schönere naht, Ach, und die Schönfte von allen zulegt, die Schmwefter des Schiffers, Der ſein gaſtliches Dach gern mit dem Fremdling getheilt. Sechzehn Sommer erlebte ſie kaum, doch blickt aus den dunkeln Wimpern ein ſehnſuchtsvoll träumendes Auge bereits Und frühzeitig gereift am Strahle der milderen Sonne Birgt die vollendete Bruſt ſchon ein erwachend Gefühl. Winkſt du mir, Charmion, reizendes Kind? Vom ſprudeln— den Brunnen Ueber die Stufen empor ſoll ich dir folgen in's Haus?

"I N a ze 4

en

& : * & v 2 *

=

ee 1, ae

Wohl, ich gehorhe dem Blid, und du führſt mich ins duftende Gärtchen, Mo der Granatbufh prangt, wo das Baſilikum fprießt Und SHejperiens Baum uns im Schatten empfängt, mit der Fülle Goldener Aepfel zugleich, filberner Blüten gefhmüdt. Stumm dort bieteft du mir die zerbrochene Frucht ver Drange, Mir die Hälfte und nimmft finnend die Hälfte für dich. Soll e3 ein Zeichen mir fein, Holdſelige, daß du mir gut bijt? Daß es dich ſchmerzt, mich jo bald fcheiden zu jehen? Du niet Und mit ftreifender Hand vie achatenen Locken entfejjelnd Schmiegſt du did an mich und reichjt weinend den Mund mir empor.

Mer bezwänge fih va! Wer ftieße vie föftliche Gabe Froſtig zurüd, ein Barbar, wenn fie die Grazie beut! Ginmal laß mich im Kuß die ambrofiihen Lippen berühren,

Einmal ſchling' ih den Arm um ven bezaubernven Wuchs, Und umfangen von dir, im Innerſten jchauernd, empfind’ ich's, Wie dein pochendes Herz heiß an das meine ſich drängt. Hältſt du mich feſt? Laß ab! Du ſollſt ver beglückenden Stund' einſt Heiter gedenken und nie was du mir ſchenkteſt bereu'n. Laß, und trockne das ſüße Geſicht! Schon hör' ich den Bruder, Der zum Hafen ans Schiff dringend den Säumigen ruft.

Lebe denn wohl! Lebwohl! Und ſei für immer geſegnet! Ewig jugendlich hier bleibſt du ins Herz mir geprägt. Aus dem azurenen Meer wird ſtets dein Auge mich grüßen, Jede Cypreſſe des Hains, Schlanke, gemahnt mih an

dich,

u HE RER

Bei den Roſen Athens will dein id) denken, und wenn mic Kalt und vdüfter dereinjt wieder der Norden umgraut, Soll dein reizendes Bild im byperboreifchen Dunkel Mir wie die Sonn’ aufgehn, Charmion, Tieblihes Kind,

Fin Brief. 1864.

Aus meines Kranfenzimmers Haft, wo böſe Gicht Den einft jo rüjt’gen luftgewohnten Wandersmann Aufs Lager hinwarf, ſend' ich meinen Gruß dir heut, Zwar fein Tyrtäus, wenn ich gleich zur Dänenfahrt Beharrlih aufrief, aber ganz jo lahm, wie er.

Und während draußen über Strom und Hügel nun Und durch den herbjtlih bunten Wald im Sonnenduft Die Tage wandeln, deren friiher Hauch mir fonjt

So mandes Lied im Bufen mwedte, ſchmacht' ich hier In dumpfen Wänden zu verftummter Raft verdammt, Dem flügelwunden Kranic ähnlich, der mit Harm Den hellen Ruf des Bruderſchwarms von fern vernimmt.

Im Weitern freilich, wenn nicht eben allzuarg

Das Uebel wüthet oder das erhitte Blut

Bei Naht ven Schlummerlojen ängitet, fühl” ich mich

Co elend nicht, dem liebevoll mand treu Gemüth

Die trübe Zeit theilnehmend zu erheitern jtrebt.

Bald fommt ein Freund und jagt mir was die Welt bewegt Und breitet willig vor dem vielfah Fragenden

Die Schätze neuen Wifjens aus, bald füllt ein Strauß Bon jpäten Roſen, ven der Wirthin Güte band,

Den Raum mit Wohlgerühen, bald, nach Schwalbenart Mein Bett umflatternd, ſchwebt mein blühend Töchterchen Leichtfühig, jedes Winks gemärtig, aus und ein

3 ı

Und jcheucht mit heit’rem Plaudern mir die Grillen fort. Dazwischen greif’ ich, weil ein ernfter Tagewerk

Der Arzt verbot, na alten Büchern, wie fie juft

Zur Hand mir liegen. Tiecks zerlef'nen Phantafus Durchblättr' ich wieder, kühl ummeht vom Dämmerliht Des Märchenwaldes, oder Fouqués Zauberring,

Der einjt des Knaben fabelhaft Entzücden war,

ALS zwiichen hoben Dächern fauernd, heimlich er,

An Stirn und Wangen glühend, Blatt um Blatt verfchlang, Und der noch heute durch des Planes kühnen Wurf

Und bunte Fülle mein erinnernd Herz ergüßt.

Auch läßt der Herbit, als wollt’ er feinem Freunde nicht Ganz treulos werden, dann und wann ein Lächeln mir Aufs Lager fallen. Bon der Erde jeh’ ich zwar Nichte, als den Wipfel eines großen Apfelbaums

Und durch's Gezweig mit feiner Thürme Zwillingsbau Den alten Dom, der mir am Sonntag Orgelton Herüberjendet und gedämpften Chorgejang;

Doc drüber weithin breitet fi der Himmel aus

Und zeigt bei Tag auf leuchtend blauem runde mir Den Zug der Wolken; aber, wenn der Abend finkt, Zum Feuermeere wird er, drin phantaftifche

Gebirge ſchwimmen, Gärten die von Purpur blühn, Und golone Schlöfjer, bis das prächt'ge Farbenjpiel, Nachdem e3 aller Eveljteine Glut durchlief

Dom Licht des Sapphirs zum gejhmolz'nen Blutrubin, Gemach erlifcht und filbern, einer Fadel gleich,

Der Abendftern aus dämmergrünen Lüften taudt.

Das ijt die Stunde, da im Buch vergangner Zeit

Erinnrung bilvdert. Weithinaus, wohin die Fahrt

Des Lebens einjt den nimmermüden Pilger trug,

Schweift, wachen Traums, in fefjellofem Flug ver Sinn

Und ſucht die Stätten feiner alten Freuden auf. Seibel, Geſ. Werke. IV. | 3

ER

Aus Sonnennebeln hell mit ihren Tempeln fteigt

Die Burg Athens; das alte Schloß im Habichtswald Das forftumraufchte, wo der Dichter till geveift, Taucht grüßend auf, am Lurleyfeljen braust der Rhein, Ein Echo wedend ungejtümer Jugendluſt,

Und fern, vom weißen Säntisgipfel überragt,

Azurnen Schimmers, wie ein Stüd vom Himmel, blaut Der See von Lindau, deſſen üppig Rebgeftad

Den ſchönſten meiner Herbſte ſah. Wo find fie hin, Die golonen Tage? Wo die Treuen, die mit mir

Den Segen ihres Strahls getheilt? Ad, fröftelnd rinnt Durch meine Bruft der Schauer der Vergänglichkeit, Und tiefe Wehmuth fällt mih an

Doch plöglih rauſcht Der Pforte Vorhang; leiſe mit der Kerze tritt Mein Kind herein, ein lieblich Bild der Gegenwart, Und wie es ſorgſam mit beſchwingter Hand mir nun Die Kiſſen ordnet und ſich zärtlich an mich ſchmiegt: Da weicht der Schatten, der mein bangend Herz beſchlich, Und dankbar fühl’ ich, ausgeföhnt mit meinem Loos, Wie reih ich noch gejegnet bin und lebe gern.

Aus Vraveminde. Epiftel,

Liebiter, du jendeit mir freundlichen Gruß und fragjt mich mit Antheil,

Wie mir die Stille behagt, feitvem am Ufer der Ditfee

Auszuruhen der Arzt mir gebot, und was ich beginne?

Wenig genug in der That, doch das Wenige gänzlich nad eignem

Wohlgefallen einmal und befreit won manderlei Plage,

EEE 1 RR

Die mich zu Haufe verfolgt. Hier drängt fein fader Be: ſucher,

Um von Literatur, Jeſuiten und Aktienſchwindel

Gleich Geiftlofes zu ſchwatzen, ſich auf, fein Elimpernder Nachbar

Scheucht mir die Mufe hinweg mit nie abreißendem Walzer,

Kein langweilig Geihäft, das anſpruchsvoll an die Thür pocht,

Hält mich plöglih zurüd, wenn die fonnige Friſche des Morgens

Dringend ins Freie mich lodt. Und föftliche Juniustage

Golven und blau, ſtets wieder erfrifcht in leichten Gemittern,

Gönnt uns der Himmel bis heut. Auch fand ih ein wohnlich Quartier aus,

Wie's dem Poeten gefällt, nicht ſchmuckvoll, aber behaglich,

Dftwärts jchauend, mit breitem Altan, an der Mündung des Hafens,

Nahe ven Gärten des Bads und dem jchlank auffteigenven Leuchtthurm.

Süß iſt's, müſſig zu gehn nach dem Drang anſtrengender

Wochen.

Morgens ein Buch des Homer, aus Shakſpeare Abends ein Aufzug

Weiht und beſchließt mir würdig den Tag. Im Uebrigen halt' ich,

Nur mit Wetter und Wind, mit Sonn' und Waſſer ver— kehrend,

Alles Gedruckte mir fern; kaum daß nach Tiſch' ich die

Zeitung

Raſch durchfliege, zu ſehn; ob Bismark etwa, des Reichs—

tags

Donnerer, wieder einmal die olympiſchen Locken geſchüttelt, (Zwar drei Haare nur ſind's, wie es heißt, doch fie wirken das Gleiche)

ARE. > te

Was in Paris durch die Gafjen man fchreit, was heimlich in Rom jpinnt,

Dver 08 bleibt ja zuleßt ſich jelbit doch jeder ver Nächſte

Ob im Theater ein Stüd mir durdfiel, oder beflatjcht ward.

Aber der Seewind weht und verweht Politik und Kritik mir.

Prädtig entfaltet das Meer im Jumelengejchmeide des Mittags

Ringsher feinen unfterblihen Reiz und willig gefefjelt

Leb' ih in ſüßem Vergeſſen dahin und genieße der Stunde,

Bald in den fonnigen Tang am flacheren Strande gebettet Saug’ ih den Athem ver Flut und vertiefe mich jtill in den Zauber Ihres Farbengemogs, wie fie leif’ aufrauſchend heran— ſchwillt, Vorn wie Opal, malachitgleich dann, dann tiefer ſmaragd— grün, Bis ſie zuletzt unermeßlich ſich dehnt in dunkelnder Ferne Blau wie gediegener Stahl. Bald wandr' ich am Fuße des ſchroffern Felsgleich ſtarrenden Ufers entlang, im ſchlüpfrigen Meer— ſand Zwiſchen Quallen und Kies nach Bernſtein ſuchend und Muſcheln Sammelnd, mie ih als Knabe gethan (es ergötzt mich noch heute), Oder vom weitvorſpringenden Damm, wo ſtärker die Woge Am Gequader ſich bricht und über der rollenden Brandung Weißaufſpritzendem Giſcht mit Gekreiſch hinflattert die Möwe, Blid’ ih hinaus in die offene Bucht und ſehe die Schiffe Wechſelnd fommen und gehn, ſchwangleich mit ſchimmern— den Segeln

Diefe, die andern mit Rädergebraus und feuchendem Schlote, Draus das Gefräufel des Rauchs aufftrebt wie ein jchwan:. fender Helmbuſch. Majeftätifch ziehn fie dahin, mit der wimpelnden Flagge Prunfend, wie fie ver Stolz jeemächtiger Völker und jet auch) Wieder des unfrigen ift, die gehügelte Flut aufpflügenn, Daß fie in Furchen von Schaum breit nachwallt. Aber

dazwiſchen

Tanzt manch ruderndes Boot und die hurtigen Barken der Fiſcher,

Braunbeſchwingt wie die Schwalben der See, ſchrägſtehen— den Maſtes,

Schießen vorüber im Flug. Doch wenn dann friſcher am Abend

Aus Nordoſten ver Wind herbläst und vie Stimme ver Brandung

Dumpfer ertönt, da befteig’ ich zur Fahrt wohl jelbjt mit dem alten

Normwegjteurer ven Kahn und im Spätroth, über der Tiefe Kreuzend, wiegen wir uns, von ver jchluchzenvden Welle

gejchaufelt,

Bis im Duft uns die Küfte verihwimmt und in purpurner Dämmrung.

Rings dann Himmel und Flut und feierlih Braufen, da ſchwillt mir

Meit vom mächtigen Haude vie Bruft, das Unenpliche ſchauert

Dunkel empfunden mich an und erquidt aufathmet vie Seele.

Dann aus Nebeln des Meers auftauchend grüßt mich vie Muſe

Wohl mit verheißendem Blick, und wie ferne Muſik auf der Nachtluft

Fittichen ſchwebt, undeutlichen Klangs, ſo regt ſich die Ahnung

HE

Künftiger Lieder in mir, noch wortlos. Aber indeſſen

Hat mein Lootſe das Gegel gewandt, aus Lämmerge— wölken

Steigt ins Blaue der Mond und das glühende Auge des Leuchtthurms

Streift mit zitterndem Glanz das Gewog und leitet uns heimwärts.

Sieh, ſo rollen die Stunden dahin in ſteter Verwandlung,

Aber ſich gleich an Reiz und raſch vollendet der Tag ſich;

Einſam zwar, doch beſcheid' ich mich gern. In geſammelter Stille

Fühlt' ich mich glücklicher ſtets, als im ſummenden Schwarm der Geſellſchaft,

Der zum Ernſte zu träg und zu ſteif für den Scherz; es genügt mir,

Wenn mich bisweilen ein Freund heimſucht, beim Becher zu plaudern.

Laß mich denn immer der ſtärkenden Raſt fortſchweigend genießen,

Löſ't ſich der Druck doch ſchon der erſchütterten Nerven und freier

Täglich erheb' ich das Haupt; vielleicht auch glückt mir im Schweifen

Zwiſchen Wellen und Wind ein Geſang noch, der dich

erfreu'n mag. Sommer 1872.

Deprecafion. Epiſtel.

Stets von allem Geſchäft in ver Welt das verhaßteſte war mir Briefe zu jchreiben, So leiht mir das Wort in leben: diger Rede

Sur, ur

Fließt, wenn die Sache mich reizt, fo ſchwer entjtrömt es der Feder,

Langſam, brüchig und falt, als ob auf dem längeren Umweg

Aus dem Herzen aufs Blatt mir Gefühl und Gedanke gefrören.

Kaum, daß ich munter begann, gleich blickt die verwünſchte Kritif mir

Ueber die Schulter herein und den Ausdruck allzu bedenklich

Wägend verpfuſch' ich ihn leicht zu farblos fteifer Correctheit,

Statt im behaglihen Fluß friſchweg won ver Leber zu plaudern

Ganz, wie der Schnabel mir wuchs. Zum Theil wohl hab ih’3 vom Pater,

Der, ob Meifter des Wort's, fih befann, zwei Zeilen ver Poſt nur

Anzuvertrau’n, und, an Freundichaft reich nie Briefe ge- mechjelt.

Drum dafern ihr im Ernft, wie ihr jagt, mir freundlich geſinnt ſeid,

Drängt unnöthig mich nicht zum Schreiben und fordert inſonders

Antwort nicht auf jedes Gefühl. Gern ſend' ich euch Auskunft,

Bündige, gilt's ein Geſchäft, doch zu brieflicher Herzens— ergießung

Fehlt mir fürwahr das Geſchick und fehlt vor allem vie Neigung.

„Uber es glüdte dir doch mand Lied; wie darfjt du behaupten,

Daß dir die Fleinere Mühe zu viel?“ Nun, jeglicher hat ja

Seine Begabung für fih und der jchnell hinſchießende

Habicht

Sit Ichwerfällig zu Fuß. Niemal® auch hab’ ih am Schreibtiſch

ze

Müblam was ich gejungen erdacht. Stets fam es von jelbjt mir,

Draußen im Freien, auf jchweifendem Gang, wenn der Odem des Frühlings

Leif’ hinzog durh den Wald, mich bezaubernd, oder zur

Herbitzeit, Wenn von den Mipfeln das Laub jacht riejelte, goldenen Thränen

Aehnlich, und tief im Gemüth die entjchlummerte Schwer: mutb medte.

Oder im Bette, des Nachts, aufdämmert' es mir und am Morgen

War e3 zu Rhythmen erblüht und fertig ſchrieb ich es nieder.

Freilich ändert’ ich wohl mit Bedacht und vie Feile des Künſtlers

Braucht' ich mit Fleiß, doch zuvor in geheimnißvoller Empfängniß

Ward mir immer das Beſte zu Theil als himmliſche Gabe.

Nie willkürlich darum, wenn die innere Nöthigung ausblieb,

Hab' ich zu dichten gewußt, auf Begehr, wie der Meiſter des Handwerks

Raſch das Verlangte beſchafft, zu Geburtstagsfeier und Hochzeit

Oder zum Neujahrsgruß. Und verſucht' ich es dennoch, der Bitte

Weichend, ſo ward es darnach: ein zuſammengeſtoppeltes Machwerk

Statt des lebendigen Lieds. Nur wenn in beglückender Stunde,

Wie ſie dem Alternden, ach, nur noch ſelten erſcheint und im Fluge,

Mir freiwillig die Muſe genaht, da vermocht' ich zu ſchaffen,

Was mich ſelber erfreut' und vielleicht auch Anderen ächt ſchien.

der WIE Fragment.

Aus dem Verborgenen quillt das Heilige. Keiner ijt jemals

Seinem Brunnen genaht, noch fennt er die Räthſel des Urſprungs,

Welchen die Sage verhüllt in goldene Wundergewölke;

Aber es ſtrömt Jahrtauſende durch und erquickt die Ge: ſchlechter.

Alſo, mächtiger Nil, umwallt vom Dufte der Fabel,

Steigſt auch du zu den Völkern herab und bewahrjt das Geheimniß

Deiner Geburt in verſchloſſener Bruſt. Wir fragen vergebens,

Ob du gigantiſchen See'n dicht unter der Sonne des Gleichers

Selbſt ein Gigant entſtiegſt, ob tauſend hüpfende Quellen

Dir, von Güſſen geſchwellt, vielarmig die Wiege bereitet.

Schweigſam wandelſt du her durch Urwaldnacht, in das Brauſen

Rieſiger Wipfel vertieft und das Lied weiſſagender Vögel,

Mit breitblättriger Blumen Geflecht ſchwermüthig dich kränzend.

Aber es wirft ſich dir jet, vom Aufgang kommend der wilde

Zmwillingsbruder ans Herz und froh der Vereinigung flügelit

Du den gemefjenen Schritt und bezwingjt nicht länger die Sehnſucht,

Die allmächtig den Jüngling ergreift, in die Ferne zu ſchweifen.

Ob ins untere Thal des Gebirgs Felsriegel die Pforte

Dir zu ſperren verſucht, du zerſprengſt ihn jauchzend, und ruhſt nicht,

Bis du den Arm um Meroẽë ſchlingſt, wie ein fürſtlicher

Sieger - Um die gewonnene Braut, die hold ihm lächelt, zu weilen. Doc fie lächelt umſonſt; du entreißejt dich ihr und beharrlich

= MR

Ueber der Klippen Geftuf durch unendlicher Strudel und Fälle Mühſal ſchreiteſt du fort, der erhabneren Pflichten gedenkend. Denn ſchon wartet das Tiefland dein und verſchwenderiſch

follit du Ueber das weite Gebiet bis hinunter ans Meer, wie ein König, Deine Gaben verftreu'n und das Horn ausjhütten des Gegend. Sebensſtimmung.

Hab' ich einſt ehrgeizigen Wunſch als Jüngling

Unbedacht im Buſen genährt: ich bannt' ihn

Längſt; dem Weltlaufkundigen geht kein Gut mehr Ueber die Freiheit.

Mag wer will am Seſſel der Macht, um Einfluß

Buhlend, ſtets abhängiges Loos ertragen,

Oder, laut vom Volke bejauchzt, des Volkes Laune gehorchen!

Mir gefällt's, nach eigenem Trieb in ernſter

Muße, fern vom Stimmengebraus des Marktes,

Bald im Schickſalsbuche der Zeit die dunkle Schrift zu enträthſeln,

Bald am Reichthum griechiſcher Kunſt und Schönheit,

An Homers einfacher Gewalt zu prüfen

Was die Neuzeit Mächtiges ſchuf, von andern Sternen geleitet,

Oder tagwerkmüde dem Zug der Wolken

Nachzuſchau'n und irgend ein Lied zu ſummen,

Wie's dem einſam Träumenden Hoffnung eingiebt Oder Erinnrung.

An eine junge Hängerin.

Ach, noch einmal diefe Töne, Die mir Flügel in das fchöne HZauberland der Jugend ſind! Laß fie jchmellen voll und leiſe! Dieſe Weife

Sang einjt deine Mutter, Kind.

Am Klavier dort in der Nifche Saß fie, wenn des Abends Frijche Klar ins offne Fenjter drang; Golden wob's um ihre Loden, Und wie Gloden

Schwebte wogend ihr Geſang.

Ad, das war vor langen Jahren,

Eh’ ih in die Melt gefahren,

Hoh im Sturm noch trieb mein Herz; Aber jtetS bei ihrem Liede

Kam ein Friede

In des Jünglings Luft und Schmerz.

Grau jest, mit gedämpftem Feuer, Einſam kehr' ich; die mir theuer Bingen alle falt zur Ruh;

Sie auch jchläft, die ſüße Roſe, Unter'm Mooſe,

Doch ihr Ebenbild bijt vu.

Singe, Kind, und in die blauen Augen lab mich tief dir fchauen! Jugendheimwärts träumt mein Sinn, Und von längit entihwund’nen Lenzen Zieht ein Glänzen

Durh die müde Bruft dahin.

2

Am SHinengrabe.

So wölbſt du wieder über mir Dein Schattenzelt von At zu Aſt? Willkommen, trautes Waldrevier, Du Stätte meiner Jugendraſt! Dahingerauſcht find zwanzig Jahr, Seit ich bei dir zu Gaſte mar.

Die Sonne jcheint herab auf eud, Ihr Buchen, wie fie weiland jchien, 63 jingt im blüh'nden Dorngefträud Der Fink die alten Melodien;

Das Bächlein. raufht im alten Ort Und wie im Traume wandl’ ich fort.

Doch plöglih bier zum Meer hinab Vertauſcht erfheint mir rings die Welt; Im Walde lag das Hünengrab,

Nun liegt es auf dem freien Feld, Und mo der Jüngling einit dem Horn Des Jägers laufchte, wogt das Korn.

Gejegnet jei vem Bauersmann

Des treu bejtellten Aders Frudt!

Doch tiefe Wehmuth fällt mid an, Geden? ih an der Dinge Fludt.

Ach, wie das Grün des Waldes ſchwand Die Blüte, drin mein Leben jtand.

Mo find die Tage klar und reich, Da ih im laub’gen Junimond Der jommerfrohben Schwalbe gleich Im alten Forjthaus dort gewohnt, Da jedes Frühroth, jede Nacht Beglüdend mir ein Lied gebracht?

m ae

|

DE ee

Wo find die Freunde, die mir dort Den Becher gaftlich eingefchenft,

Der starke Bruder, defjen Wort Begeijternd uns wie Wein getränft? Ab, hingeſunken, Haupt an Haupt, Den Wipfeln gleich, die hier gelaubt.

Genug des Harms! Empor mein Herz, Und halt! im Wechſel muthig Stand! Zu tragen lerne großen Schmerz

Mer große Freuden einjt gefannt, Und wer im Cignen Schiffbrud litt, Der leb’ im Ganzen doppelt mit.

Der Raſen dedt mein beſtes Glüd

Und jchleihend Siechthum blies mid an; Doch preif’ ic dankbar mein Gejchid, Das mir bis heut den Faden fpann: Sch ſah's no, wie mein Vaterland

Zu jungen Ehren auferjtand.

Und ob der Roſt der Jahre mir Gemach den Ton der Harfe dämpft, Noch flattert meines Lieds Panier,

Mo man für Reih und Kaifer kämpft, Und mahnt, wo zwijhen Gau und Gau Der Main fih mälzt, zum Brüdenbau.

Getroft denn, einfam Herz! Es zieht Hell vor dir her wie Frührothichein ; Du darfit vielleiht dein letztes Lied Dem Tag noch aller Deutſchen weih'n, Dem Tag des Heils, von dem du kühn Hier einjt geträumt im Waldesgrün.

Sommer 1869.

ar

Fine Sommernacht.

Wie glänzte tief azuren

Der See und raufchte acht, Als wir von Lindau fuhren In Har geftirnter Nacht!

Sanft weht’ es von den Hügeln, Und leife wie ein Schwan

Mit ausgefpannten Flügeln

Zog unjer Schiff die Bahn.

Sie faß in warmer Hülle, Das Kind an ihrer Bruft, Verſunken in die Fülle

Der Lieb’ und Mutterluft.

Und wie ins GSterngefunfel Entzüdt ic ſchaut' empor,

Kam leife durch das Duntel Ihr Flüftern an mein Ohr:

„D Mann, feit uns bejchieden Dies ſüße Glüd zu Drei’n, Wie fühl’ ich ſchon hienieden Den ganzen Himmel mein!“

Sie ſprach's und plötzlich linde Umfloß ein Glorienlicht

Ihr ſelig zu dem Kinde Geneigtes Angeſicht.

Der Mond war aufgegangen Am Saum des Firmaments, Und über's Waſſer klangen Die Glocken von Bregenz.

Honnfagsmorgen im Walde.

Mie reinigft du die Seele mir vom Staube, Du blauer golobefchwingter Frühlingstag !

63 prangt die Welt im frifehverjüngten Laube, Die Pfade blüh'n, wohin ich jehreiten mag; Und jehnlih jhallt der Auf ver wilden Taube Und lodt mich tief und tiefer in ven Hag, Bis um mich ber, wo feine Spur mehr leitet, Waldeinſamkeit die grünen Schleier breitet.

D, welch ein Duft hier, welch ein ftilles Sproſſen! Das Veilchen grüßt, die Blüte fpringt am Strauch; Don fernen Thürmen fommt Geläut gefloſſen

Und mischt fih in der Schöpfung Opferraud,

Und im gelinden Säujeln ausgegofjen

Empfindv und athm’ ich reinjten Lebenshauch;

Ich fühl's, ih hab’ ein Heiligthum betreten,

Und all mein Wejen wird ein mwortlos Beten.

Da fpielt vom Geift, der einft in Feuerzungen Herabfuhr, au um meine Stirn ein Wehn;

Boll Ehrfurcht lern’ ih, was mir fremd geflungen, AS zeitlih Kleid des Ewigen weritehn!

Gedank' und Andacht find in Eins verjehlungen Wie Farben, die im reinen Licht vergehn,

Und meiner Bruft iſt jener Gottesfrieden,

Der fein Bekenntniß hat, noch braucht, bejchievden,

A

Hpielmanns Heimkehr.

Nun ſchüre die Glut mir empor auf dem Herd, Denn dahin ift die jonnige Zeit;

Der Sturm fauft über die Halde,

Und es fallen die Blätter im Walde

D du Jugend, wie liegft du jo meit!

Einst zog ib hinaus in die Elingende Welt, Da ftanden die Roſen in Bluft.

Von der Nachtigall lernt’ ich das Reifen, Und ich habe die ſchmelzendſten Weijen Und die feurigiten Lieder gewußt.

„Gott grüß’ euch im Grünen, Gott grüß’ euh im Schloß! Mer fredenzt mir den funtelnden Wein?

Gott grüß' eud im dämmernden Städtchen!

Und ich ſpiel' euh zum Reigen, ihr Mädchen,

Und die Scönfte joll Königin jein!

„Gott grüß’ euch, ihr eifernen Reiter! Wohin Bei des Frühlichts blutigem Roth!

In das Feld, in die Schladht, in das Wetter? D fo laßt zum Trompetengejchmetter

Mich euch fingen von Gieg und von Tod!

„Und ihr Pfleger des Geiftes mit jinnender Stirn, Gott grüß’ euch und reiht mir die Hand!

Von der Schöpfung geheiligtem Ringe,

Don dem Wandel der irdiihen Dinge

Hab’ ih mandes geſchaut und erkannt.“

Und id mwanverte fern, wo das Haupt des Olymps Goldſchwingig der Adler umzieht,

Und ih tranf aus dem Rhein, aus dem grünen, Und ih ſaß auf den Gräbern der Hünen

Und ih fang an ven Gletfhern mein Lie.

ur

Doch die Jahre vergingen wie Spreu vor dem Wind, Müd bin ih nah Haufe gekehrt;

Ah die einft fih gefreut mit dem Knaben

Sind zerftreut, jind dabin, find bearaben,

Und ein ander Geſchlecht ſitzt am Herd.

Ach wende die Augen um und um; Mer ijt, der den Alten noch fennt?

Da dunkelt's am himmlischen Bogen, Und es fommen die Sterne gezogen, Und die Sterne find treu bis ans End.

Geibel, Ge. Werke. IV. 4

Oſtſeelieder.

Als ich jung war, da trieb's mich Ueber Land, über Meer,

Mit den Schwalben zu wandern War all mein Begehr.

Und das Land der Citronen, Und die marmornen Höh'n Und die Palmen von Hellas Nur däuchten mir ſchön.

Doch die Unraſt der Jugend, Wie ſchwand fie dahin! Heimkehrte der Mann

Mit verwandeltem Sinn.

Jetzt weiß ich, was tiefer Genügen mir ſchafft:

In den Boden gewurzelt Zu üben die Kraft,

Zum Geſange zu reifen Was ſtill mich durchglüht, Und ein Echo zu wecken Im deutſchen Gemüth.

a

Und ob ich im Lied wohl Die Fremde noch grüß, Doch iſt wie die Heimat Kein Land mir fo ſüß.

Wo der Buchenwald raufct Und der Dorn blüht am Zaun Und ins Meer geht die Trave, Laßt Hütten mich baun!

2.

Schon lichten fih umber

Im Buchenforft vie Steige,

Ein wunderfrifher Hauch

Läuft flüfternd durch vie Zweige.

Und plötzlich dunkelblau Gleichwie aus Stahl gediegen Seh' ich dich, heil'ges Meer, Zu meinen Füßen liegen.

Sei mir gegrüßt, o Flut, Mit ſehnſuchtvollen Schlägen, Wie einer Mutter, ſchwillt Dir meine Bruſt entgegen.

Wie oft auf deinem Schooß Haſt du gewiegt den Knaben, Wie oft ſein kindiſch Spiel Geſchmückt mit bunten Gaben!

Und als der Jüngling dich Geſucht in ſchweren Tagen, Haſt du ſein Herz geſtählt Zum Tragen und zum Wagen;

I

Haft am Unendlichen

Sein endlih Leid ihn meſſen Gelehrt und im Geſang

Des bangen Muths vergefien.

D fei mir hold auch heut Und laß mi wie vor Jahren Die Wunder deines Sturm Und deiner Still’ erfahren,

Daß ih Genefungsluit Aus deinem Odem trinke, Und all mein Herzeleid In deinen Grund verfinke!

2 57

Im Mittag glänzt die Sonne, Es ſchweigt die See und ruht; Blaugrün mie eines Pfauen Hals Herſchillert ihre Flut.

Sch lieg’ auf warmer Düne Dom feuchten Hauch gekühlt,

Und kann nicht fatt mich ſchauen, Wie Farb’ in Farbe fpült;

Wie blenvdend ihre Schwingen Die Möve ſenkt und hebt,

Und traumhaft fern am Horizont Des Dampfihiffs Säule jchmwebt.

re

4.

Wenn über'm Meer das Frühroth brennt Und alle Küften rauchen,

Mie lieb’ ih dann ins Clement

Befreit hinabzutauchen !

Tiefpurpurn ſchwillt um mich die Flut Und zittert, Well’ an Welle;

Mir däucht, ich bad’ in Drachenblut Mie Siegfried einft, ver Schnelle.

Mein Herz wird feft und wie es laufcht Von junger Kraft durchdrungen, Neriteht’3 was Mind und Woge raufcht Und aller Vögel Zungen.

5.

Iſt das Spiel des Waſſermanns Geſtern aus der Flut erklungen, Oder war es nur der Wind, Der jo wunderbar geſungen?

Bald wie ferner Orgelſchall,

Bald wie Neol3harfen tönen,

Floß die Weife durch die Nacht, Jauchzend nun und nun mit Stöhnen;

Die wenn tiefe Schwermuth fingt Von vergangnen fel’gen Stunden, Wie wenn Inbrunſt fih zu Tod Bluten will aus fühen Wunden.

Und ich lag und dachte dein,

Und zum Traumbild ward mein Sehnen: Ueber's wilde Meer zu dir

Flog ich mit den zieh'nden Schwänen.

6.

In blauer Nacht bei Vollmondſchein Was rauſcht und ſingt ſo ſüße? Drei Nixen ſitzen am Mövenſtein Und baden die weißen Füße.

Es hat der blonde Fiſcherknab

Gehört das Singen und Rauſchen,

Ihm brennt das Herz, er ſchleicht hinab, Die Feyen zu belauſchen.

Da ſauſen empor im Mondenlicht Drei weiße wilde Schwäne Das Waſſer ſpritzt ihm ins Geſicht, Verklungen ſind die Töne.

*

Ich lieg' in Träumen

Am Hünengrab

Und blick' auf's Schäumen Der See hinab.

Mir klingt im Sauſen, Das fernher zieht,

Im Wogenbrauſen Ein uralt Lied.

IR ABn

Unwiderſtehlich Befängt's den Sinn Und nimmt allmählich Mich ganz dahin.

O Märchenwonne! Die Seele ruht Gelöst in Sonne, In Wind und Flut,

Zurüdgegeben Ans Clement, Um mitzuleben Mas feiner nennt.

8.

Es raufht das Meer gelinde, Gewölkumſchleiert finft der Tag Und Iodend ziehn im Winde Gefang und Harfenichlag.

D laß dich nicht bezwingen,

Wie ſehnſuchtsvoll dein Herz erbebt! Das ift der Meerfrau Singen,

Das über'm Waſſer ſchwebt.

Sie ſang dieſelbe Weiſe,

Da ſie hernieder ins Gewog Mit Liebesarmen leiſe

Den König Harald zog.

An ver Bucht im Lootjenhauie Hab’ ih mich zur Ruh gelegt, Wo ver nahen See Gebraufe Wie Gefang ans Ohr mir jchlägt.

Bei dem Schall ver Wellenlievder Wogt in eins, was fern und nah, Und mir träumt, ich führe wieder Auf ver blauen Adria.

Goldfruchtdüfte der Levante Flattern jchon ins Schiff herein, Schon aus Nebeln vämmert Zante Ueber’s Meer im Roſenſchein.

Und das Sciffsvolt jummt und flötet, Und am Maft im Abenpweh'n

Seh ih dich vom Strahl geröthet, Schottlands ſchlanke Tochter, jtehn.

Wohl umleuchtet weit im Bogen Uns der Wogen himmliſch Blau, Aber blauer als die Wogen

Glänzt dein Auge, ſchöne Frau.

Lächelnd mir im Silberbecher Reichſt du Cyperns Traubenblut, Und id trink', ein ſel'ger Zecher Wo dein füßer Mund geruht.

Und ummallt vom Lodengolve, Drin der Seewind wühlt zum Scherz, Scheinjt du völlig mir Iſolde, Und wie Triftans ſchwillt mein Herz.

EB R AL.

Thöricht Herz, laß ab zu jchmellen! Halt die raſche Glut zurüd! Gaukelnd neden Wind und Mellen Dich mit längjt entſchwund'nem Glüd.

10.

63 liegt am öden Dünenftrand

Das Klofter halb zerfallen,

Um Gang und Stufen weht das Schilf, Die Flut ſpielt in die Hallen.

Und wo die Pfeiler ſtehn im Schutt, Da kreiſt bei Sturm und Stille,

Bei Tag und Nacht ein Mövenſchwarm Mit ängſtlichem Geſchrille.

Das ſind die Seelen, glaubt das Volk, Der Urſulinerinnen,

Die hier meineidig einſt geſchwelgt

In frecher Luſt der Sinnen.

Nun müſſen ſie mit Klageruf

Den morſchen Bau umfliegen,

Bis einſt die Stätten ihrer Schuld Im Meer begraben liegen.

LE,

Sanft verglimmt des Tages Helle Und, vom legten Strahl geküßt, Liegt die glatte Meereswelle

Wie geihmolz’ner Amethyft.

BE

Kaum ein Lüftchen rührt die Schwingen, Schweigen rings und Abenpdglut!

Nur der Fischer leifes Singen

Schwebt verhballend auf der Flut.

Jetzt erſtirbt's; ihr Nachen gleitet Ohne Laut dem Hafen zu,

Und um meine Seele breitet Sich dein Zauber, Meeresrub.

12.

63 pfeift mit hohlem Klange Der Herbitwind übers Meer; Ich ſitz' am Dünenhange,

Mein Sinn ijt trüb und fchmwer.

Zu meinen Füßen bäumen Die Wellen ohne Ruh,

Sie bäumen und verjhäumen Und träumend ſchau' ich zu.

Wie bald ijt jo zerronnen Mas dich bewegt, o Herz! Ein Schaum nur deine MWonnen, Ein Wogenfchlag dein Schmerz.

13.

Auf das Meer, das fernhinaus Dunfelt wie von grünem Erze, Fällt ein breiter Sonnenftreif

Durh des Sturmgemölfes Schwärze,

ERBAUT

Sieh, und bunt von Strand zu Strand Spannt fein Thor der Regenbogen; Weiß befegelt unter ihm

Kommt ein Drlogichiff gezogen.

Deutſche Flagge, ſei gegrüßt!

Steure kühn durch Wind und Welle, tat und Wolfen hinter dir,

Bor dir Sonnenaufgangshelle!

14.

Nun fommt der Sturm geflogen, Der heulende Nordoſt,

Daß hoch in Rieſenwogen

Die See ans Ufer tot.

Das ijt ein raſend Gifchen, Ein Donnern und ein. Schwall, Gewölk und Abgrund mijchen AN ihrer Stimmen Schall.

Und in der Winde Saufen Und in der Möve Schrei’n, In Schaum und Wellenbraufen Jauchz' ich berauſcht hinein.

Schon mein’ ic, daß der Reigen Des Meergotts mih umballt, Die Wogen feh’ ich fteigen

In grüner Roßgeſtalt

Und drüber hoch im Wagen Vom Nixenſchwarm umringt Ihn ſelbſt, den Alten, ragen, Wie er den Dreizack ſchwingt.

15.

tab dem Sturm am Himmelsrande Schwebt der Mond um Mitternacht; Langſam, jehimmernd her zum Gtrande Rollt die Flut und brandet jacht.

Ihre dumpfen Schläge mahnen An ein Herz, dad müde pocdt; Keine Spur mehr läßt dich ahnen, Welch ein Chaos bier gekocht.

Sagt, wohin dies wilde Schwellen Jauchzender Titanenluit?

Mer begreift euch, Meeresmellen ? Mer begreift did, Menſchenbruſt?

Idyllen.

Das Mädchen vom Don.

Mein Freund Gregor, mit dem ich manchen Tag Verſchwärmt einſt zu Athen, wo damals er, Der nordiſchen Geſandtſchaft zugeſellt,

Bei müſſ'ger Zeit mit mir die Alten las, Beſuchte letzten Herbſt, da ſüdwärts ſchon

Die Schwalben wanderten, mich unverhofft

Im ſtillgeword'nen Bad am Oſtſeeſtrand.

Ein ſehnlich Ruhbedürfniß hatt? auch ihn Dorthin geführt und bei verwandter Stimmung Und gleichem Freimuth fiel es uns nicht ſchwer, Das alte Bündniß zu erneu'n. Wir ſah'n Beim erſten Gruß, daß fünf und zwanzig Jahr Uns nicht verwandelt hatten, nur gereift,

Und bald in trautem Austauſch, wie vordem, Verplauderten wir wieder Tag für Tag

Des Abends Neige, nun der Gegenwart Streitfragen prüfend, nun ins Zauberland Erinnrungsreicher Jugendtage ſchwärmend.

In ſolcher Stunde während über'm Meer

Der Vollmond aufſtieg und die Brandung fern

Herübergrollte lenkt' er das Geſpräch

Einſt auf ein Mävdchen, das er zu Athen Gekannt und das auch mir begegnet war, Miewohl nur flüchtig. Doch es zählt ihr Bild Zu jenen, deren Reiz man jehwer vergißt,

Sah man fie einmal nur. Nicht ungerührt Vernahm ich drum ihr wechjelvoll Gejichid,

Und wie's der Freund erzählt, erzähl’ ich's nad.

Cie war die Nicht im Haufe. Früh vermaist Und arm an Gut nur, wuchs fie bei den reichen Verwandten auf, des Oheims Liebling zwar, Allein der jtolzen Baj’ im Aug’ ein Dorn; Denn fie war ſchön gleich ihr, fremdart’ger nur In ihrem Reiz, der an die Märchenmelt Hohafiens mahnte. Schlug die Wimpern jie Des mandelförm’gen Auges plöglih auf,

So war's wie Blig; man dacht' an Turandot. Zum Räthſel wölbten fich die feinen Brau’n, Und mwenn ſie's losband, floß ihr blaufhwarz Haar Bis zu den Knöcheln. Gerne ſah's der Ohm Und hieß fein artig Nirlein fie vom Don;

Doch wenn er gütig war und fie mit Schmud Behängt' und prächt'gen Stoffen, peinigte

Die Bafe fie mit Launen, ließ von ihr,

War die leibeigne Zofe nicht zur Hand,

Das Haar fich ftrählen und ven Ballftaat rüjten, Und ſchmollt' und jhalt um jeden Eleinen Fehl. So wuchs fie auf geliebkoſ't und gequält, Prinzeß in der Gejellihaft, Ajchenbrödel

Am eignen Herd. Dod trug fie Glanz und Drud Mit gleiher Spannkraft, wie zur Frühlingszeit Die herbe Anospe Sonn’ und Regenguß

Erträgt und fortihmwillt. Niemals fand ich fie

Be ee

Verſtimmt noh müde; nur verihloß fie jich, Wie fie vom Kind zur Jungfrau leiſ' erwuchs, Gemach in Schweigen, flüchtig Lächeln ward

Ihr jilberhelles Lachen, feuchtern Glanz

Gewann ihr Aug’, und wenn fie, jpät noch wach, Am Flügel träumte, wühlten ihre Hände

Anstatt in muntern Weiſen, wie vordem,

Sin Chopins dunkeln Zaubermelodien.

So jtand’s, als ib nah Mittag einſt im Herbſt, Da Baſ' und Oheim auf Bejuc zur Stadt, Bon unferm Sommerlandfiß am Kephiß

Mit ihr hinausritt. Auf den Feldern rings Lag jilbernes Gefpinnft, das Purpurlaub

Der NRebenhänge brannt! im Sonnenjgein,

Und vom Gebirg ber dur die Pinien zog

Der Wellenfhlag der himmliſch reinen Luft. Entzüdt aufathmend lachte fie mich an,

Und hob den Zaum und gab dem Roß die Gerte, Und ſauſend flogen wir dahin am Wald

Und über’s Blachfeld, wo der Haidegrund, Elaſtiſch, Flügel unjern Rennern lieh,

Dem alten Klojter zu, das halb zerjtört,

Bon Schwalben nur bewohnt und wilden Tauben, Sm wald'gen Kefjel lag. Zum Neven gab

Der hajt'ge Ritt nicht Zeit, doch trunfen hing Mein Blid am Bild ver fehönen Reiterin,

Wie fie in ihres Stamms entfeſſelter Nomadenluft den biegjam jchlanfen Leib

Im Sattel wiegt’ und jauchzt' und wilder ſtets, Den Schleier hoch im Wind, vorauf mir flog, Bis wir die Schludt erreiht. Doc als ich dort Abjap und langfam nun hinab am Zaum

Ihr türkiſch Grauroß führte durch's Geröll,

Da hub ſie plötzlich an: Nicht wahr Gregor?

BR AR 1 Eau

‘hr meint es qut mit mir, ich darf euch traun, Und ſchweigen könnt ihr aud ?

„Gewiß.“

Ich bin

So gar allein. Der Ohm iſt Sechzig bald Und mit Geſchäften ewig überhäuft, Die Baſ' ein Gletſcher. Schweſtern hab' ich nicht, Auch keinen Freund Gregor, wenn ihr's nicht ſeid, Und Jemand muß ich's ſagen, wenn ich nicht Erſticken ſoll an meinem Glück.

„Marie! Um Gott, ihr liebt? Denn ſo ſpricht Liebe nur.“ Sie ſchlug die ſeid'ſen Wimpern langſam auf Und nidte nur und glühte. Vor uns lag Des Klofters Pforte jegt, umranft mit Mein, Bon riefigen Platanen überwölbt. Helft mir vom Pferde, ſprach fie, dort im Grün Saga’ ih euch mehr. Und bald auf mächt'gem Blod, Den Jahr um Jahr mit golv’nem Sammt gepolitert, Mir gegenüber jaß fie, Gert und Hut Sm Shoot nadläflig, und indeß umber Die Roſſe graf'ten und des Taubers Gurren Vom Wipfel jcholl, erzählte fie:

Ich kannt’ ihn Aus meiner Kindheit her, da ih am Don Noch bei der Mutter wohnt’ auf unjerm Gut. Er mar des Priefters Sohn und mein Genoß In Lehr’ und Spiel, in Allem mir voraus, Doch freundlich ftels zu mir, obwohl die Anaben Im Dorf ihn fürdteten; denn er bezwang Die Stärfiten jelbft. Im Winter, wenn der Schnee Um Mittag fnifternd blinkte, fuhr er mich Im leiten Schlitten windſchnell durch den Park Und ſchnallt' auf feitgefror'nem Teich die Eiſen Mir an zum Lauf, und jauchzend ſaust' ih dann

EINEN EL

An feiner Hand die blanke Fläch' entlang.

Zu Neujahr bracht’ er Heil’genbilver mir, Gemweiht vom Bifhof, und am Oſterfeſt

Die ſchönſten Gier ftetS mit Kreuz und Lamm. Dod wenn's in Wald und Garten Frühling ward Und grün die Steppe wie ein wellig Meer

Sich dehnte, ging die rechte Luft erit an;

Wir haften Falter, fonnten uns im Gras,

Und jahn’ im Blau die wilden Schwäne ziehn. Verzauberte Prinzeſſen nannt' er fie,

Und wundervolle Märchen wußt' er dann

Mir zu erzählen, daß ich athemlos

Ihm lauft und fatt nicht ward. Auch half er mir Im arten bei ven Blumen gern und pflanzte Ins Mohnbeet funftreih meinen Namenszug,

Ein blühend M in Burpurroth und Blau.

Und wenn in Feld wir jchweiften, lehrt’ er mid) Des Finken Lodruf und den Drofjelihlag,

Und zeigte mir der Wachtel Nejt im Korn.

Sein Mantel ward im Forjt mein Sit, fein Arm Trug durch's beſchilfte Ried mich, dab ich nicht Die feinen Stiefel neste, fur, er mußte

Mir ſtets zu dienen, ohne daß ich bat.

Und fiel mir etwas ſchwer, jo jprad er nur

Mit Elarer Knabenjtimme: Laß doch mid!

Und was ih mwünjchte war im Nu gethan.

Sch aber nahm das Alles hin, als könnt' es Nicht anders jein und dankt’ ihm faum dafür.

Da ftarb die Mutter, fieben Jahre ſind's,

Und unter Thränen zog ich fort und kam

Hieher zum Oheim. Doc, wie Kinder find,

- Dom Reiz des Neuen leicht zerjtreut und ganz

Erfüllt vom Gegenmwärt’gen, lebt’ ich bald

Sm Eleinen Glück und Leid des Tages wieder, Geibel, Ge. Werke. IV. 5

Re

Und blaß im Nebel binter mir verſchwamm Mas früher war. Der Mutter Bild allein Blieb hell in mir. An Boris dacht ich kaum; Nur manchmal träumt' ich noch von ihm, doch kam's Nicht oft und wie ein Wetterleuchten bloß,

Das aufzuckt und verſchwindet ohne Spur.

Da hört' ich plötzlich, vor'gen Winter war's

Um Faſchingszeit, er dien' im Heere jetzt

Und ſei als Stabscourier mit eil'ger Botſchaft Hieher entſandt. Ich freute, wie ein Kind, Mich auf das Wiederſehn, doch hatte dran

Die Neugier mit der Freundfchaft gleichen Theil, PVielleiht im Stillen auch die Luft, mich ihm Im vollen Schmud zu zeigen, die er nur,

Ein unreif Ding, in ländlich ſchlichter Tradı Bisher gejehn; was weiß ich's heut? Genug, Gr fam, wir hatten Ball, und er war ba.

Sch hätt! ihn faum erkannt, jo ſchlank und hoch, Sp männlih jtand er da im jehimmernden Ulanenfleid, gebräunt vom Sonnenjtrahl

Des Kaufajus; doch harrt' ih lang umfonft.

Er jhien mich nit zu jehn, und als er endlich Herantrat, zaudernd, war's, als läg’ auf ihm Ein fremder Zwang, der, wie er fteif mich grüßte, Auh mich befing. Wir fpradhen dies und das Bon heut und geftern, wie’3 Geſellſchaftsbrauch, Und ſuchten jelbit zu jcherzen, doch wir fanden Den alten Ton nicht mehr. Auch al3 er drauf Zum Tanz mich führte, blieb er jtumm und berb; In ih verjunfen, jtatt mir ins Geſicht

Zu bliden, ſtarrt' er in den Glanz der Kerzen, Und wenn vom Strome der Muſik gemwiegt

Im raſchen Takt wir durch die Reihen flogen, Eiskalt in meiner fühlt ich feine Hand.

Faſt war ich froh, als Geig' und Flöte ſchwieg, Und mich die Baſ' entſandte, friſche Sträußer Beim Gärtner zu beſtellen. Draußen erſt Beſann ich mich, daß er mit keinem Wort

Der alten frohen Zeit am Don gedacht,

Und grollt' auf ihn und fremdzuthun gleich ihm Entſchloſſen war ich, als ich wiederkam.

Da, wie ich raſch empor die Treppe ſprang,

Riß mir das Band am Schuh. Ich ſchlüpfte ſacht Ins Seitenzimmer, dort den Fehl zu beſſern,

Doch eingeſchnürt in Seiden, wie ich war, Behängt mit Schmuck und Spitzen, müht' ich mich Vergebens ab und, hülflos, brach ich faſt

In Thränen aus. Da ſchreckt' ein leicht Geräuſch Mich jählings auf und er war neben mir. Marie Paulowna, ſprach er, laßt doch mich!

Und eh ich's weigern konnte, kniet' er ſchon

Und hatt’ es raſch beſchickt. Ich ſtand verwirrt, Umſonſt ein ſcherzend Wort des Danks noch ſuchend, Da fühlt' ich plötzlich, daß ein heißer Kuß

Den Fuß mir ſengte; wie ein Feuerſtrom

Schoß mir's ans Herz und zürnend wollt' ich fliehn; Doch konnt' ich's nicht; denn als er ſprachlos jetzt, Bleich vor Erregung, nur mit ſtummem Flehn Das Auge zu mir aufſchlug, las ich drin

Das glühendſte Geſtändniß, wie's kein Wort

Je faſſen mag, und überwältigend

Durch meine Blindheit brach's, wie Sonnenlicht. Nun wußt' ich plötzlich, daß er mich geliebt

Von Jugend auf, daß all ſein Froſt vorhin

Ein Kampf nur war, die tiefe Glut zu bergen, Und daß nun ein glückſelig Ungefähr

Zuſammen uns geführt auf immerdar.

Ein Wonnetaumel fiel mich an, ein Rauſch,

22 UN

Und lachend, jauchzend, weinend, wie ein Kind, Lag ih an feiner Bruft, bis die Muſik

Uns enden bieß, die zur Mazurfa rief.

Mie anders ſchwebt' ich jegt an feinem Arm Durch's Lichtermeer des Saals, das Herz gejchwellt Vom jeligften Triumph! Wie anders jtrömt’ Ihm jest das Wort, und was das Wort nicht ſprach, Das ſprach der Blid, der warme Drud der Hand, Ein Glüd nur, daß die Baſe, dicht umdrängt Dom Kreis des Hofes, mein nicht achtete,

Sie hätte jonjt mein ſtrahlend Glüd gejehn

Und raſch vernichtet. Ach ihr kennt fie ja, Die feinen Willen duldet neben ihrem,

Und fennt ven Zwang, dem ich mich fügen muß.

Drei Tage blieb er und wir fahn uns viel,

Im Saal vor aller Welt und insgeheim

Im Garten, wo die Veilchen dufteten,

Menn tief im Blau des Halbmonds Sichel ſchwamm. In folder Frühlingsnadht au, Lieb’ und Treu Auf ewig uns gelobend, ſchieden mir

In bittern Schmerzen. Aber größer war

Das Glüd, das er zurüd mir ließ. Uno heut Das ifts, Gregor, was mich nicht ſchweigen ließ Heut jchreibt er mir, daß er am Kaukaſus

Beim Lagerfturm die erſte Schanze nahm.

Zwei Jahre noch, jo wird er Oberft fein

Und holt mid heim. Was find zwei Jahre denn, Wenn man jo jung noch ijt, Gregor, wie ich,

Und liebt!

Sie ſchwieg, und wie fie jegt den Blid Glüdftrahlend zu mir aufihlug, Stirn und Haar Dom legten Abendgoldlicht überjtrömt,

Das durh die Zweige brad, erjhien fie mir Verklärt fait, wie das Bild der Hoffnung felbft.

aan

Mit treuem Handſchlag dankt’ ich ihr und hub Sie ehrerbietig dann aufs Grauroß wieder. Die nun als Braut vor meiner Seele ftand. Und dureh die Felder, drauf im Dämmerjchein Noch jommerlich, wie leifer Geigenton,

Das Nactlied der Cicaden ſchwebte, ritten Wir beide jtill und voll Gevanfen heim.

Am nächſten Morgen war der Ohm zurüd Und Alles ging im alten Gleis. Marie Blieb jtill und heiter nah wie vor. Wir Jahn Uns faum allein und nur ein Blick bisweilen, Ein raſch geflüftert Wort gemahnte mic

An ihr Geheimniß. So verging der Herbit. Man z0g zur Stadt und bald darauf entführte Ein wicht’ger Auftrag mic) nad Petersburg, Der Wochen lang mich dort gefejlelt hielt.

Erſt gegen Weihnacht fam ich heim. Ich fand, Als ich jofort mich vorzuftellen ging, Das Haus im Feſtſchmuck, Pforten und Gefims Befränzt mit Wintergrün, die Dienerjchaft Im reichen goldbetreßten Gallakleid, Das Vorgemach voll Weihrauchduft. Was gibt's? Frug ich den Pförtner

Je, ſo wißt ihr's nicht? Marie Paulowna hält Verlobung heut.

Marie Paulowna, ſagſt du?

Ja, wer ſonſt! Die Nichte unſres Herrn Verlobt? mit wem? Sag' an! Ei nun, ſie darf zufrieden ſein.

Br

Der alte Staatsrath führt fie heim, ihr wißt, Der reihe Hinkfuß aus der Krimm, der jtet3 Vierjpännig fährt. An dreizehntaufend Seelen Bringt er ihr zu. Beliebt nur einzutreten! Die Feier ift vorüber und ihr fommt

Zum Glückwunſch eben recht.

Ich ſtarrt' ihn an Als wie vom Blitz betäubt, doch faßt' ich mid) Und jchritt hinauf. Im Saale brannten jchon Die hohen Kerzen und es wogte rings Ein Schwarm von Gäſten fummend durcheinander. Da trat die Wirthin lächelnd auf mich zu: Willlommen bier, Gregor! Sch meiß, ihr nehmt An unferm Glüde Theil. Nun darf Marie Der Sorgen ledig in die Zukunft fehn. Der Staatsrath ift ein Chrenmanı; er warb Bei mir zuerjt, mit Freuden jagt’ ih Sa, Und herzlich dankt fie mir’s, das theure Kind. Nur fam es faft zu raſch und hat fie mehr, Als nöthig war, erregt. Sp fpürt fie heut Ein wenig Kopfweh, das fie zaghaft macht, Doch morgen wird fie blühn wie eine Roſe. Sp plauderte die Dame, daß ich nicht Zu Worte fam und nur mit ftummem Gruß Zurüdtrat ins Gewühl. Da jtreifte mich Mein alter Freund Euhar. Welch freudlos Felt Kommft du zu feiern, raunt’ er mir ins Ohr, Die arme Braut! Wie hat fie fi gefträubt Vor diefem Unglüdsbund! Man jagt fogar, Sie wollt’ entfliehn, allein ihr Fluchtverſuch Mißlang und mehrlos endlich, mattgequält, Ergab ſie jih in Alles.

Zaudernd ſucht' ich Marien jest und fand fie. Angehaucht

ER

Don Marmorbläffe, regungslos, die Wimpern Gejenkt, daß man die Spur der Thränen nicht Gewahre, jtand fie da, den Kranz im Haar, Im meißen Brautkleid Iphigenien ähnlich,

Da zum Altar fie jchritt. Und neben ihr, Sein höflichft Lächeln um den welken Mund, Zum Süngling aufgejtugt, der lahme Greis, Gewandt mit ftet3 bereitem Flüfterwort

Ihr Schweigen dedend und den üblichen Glückwunſchtribut als Leu des Tags empfangenv. Ich trat heran. Sie reichte zitternd mir

Die kalte ringgefhümdte Hand und ſah

Mich wie um Mitleid flehend an, indeß

Ihr Bräutigam mich mit einer lauen Flut Gewählter Bhrafen überfchüttete

Und mir fein Glüd und feine Güter pries. Erſchüttert eilt’ ich fort.

Am andern Tag Hieß es, Marie jei franf, ein hitzig Fieber Hab’ über Naht fie plöglich heimgesucht, Sie red’ im Irrſinn und der Arzt des Haufes Befürchte für ihr Leben. Wochenlang Lag fie darnieder fo. Sch hätt ihr fait Den Tod gewünicht,; doch ihre Jugendkraft Bezwang die Wuth des Uebels. Sie genas Und Alles blieb beim Alten.

Als die Hochzeit Gefeiert wurde, war ich fern bereits, Dom ſchönen Süden nach Paris verjeßt, Und lange Sabre blieb ich ohne Kunde Von Allem, was Mariens 2008 betraf. Da ſprach ein Maler, ver aus Moskau kam, Nicht ahnend, daß fie einjt mich Freund genannt, Mir wiederum von ihre. Gie leb’, erzählt’ er,

A

Wie eine Fürftin dort, noch immer ſchön,

Hoch angejehn als Schüterin der Kunit

Und viel umfreit als kinderloſe Wittwe,

Doc jedes Zeichen wärm’rer Huldigung

Stolz von fich weifend. Nur ein General,

Einjt der Tſcherkeſſen Geißel, dürfe ſich

Des Vorzugs rühmen, ihr vertraut zu fein,

Ein ſchweigſam erniter Kriegsmann, vor der Zeit Im Feld ergraut und unvermählt gleich ihr.

Ob er fih Boris nannt’, erfuhr ich nie.

Fine Zeexäubergeſchichte. Erzählung eines alten Stenermanns.

Wir hatten Del geladen und Korinthen Und fegelten vergnügt mit unjrer Fracht Bon Malta auf Gibraltar, Jochen Schütt, Der Lüb’ihe Capitän, mit fünf Matroſen, Und ih, Hans Kiekebuſch, als Steuermann. Der Wind blies luftig und wir waren ſchon Sardinien vorbei, als hinter uns Norvoither ein verdächtig Segel auffam, Das wie mit Siebenmeilenitiefeln lief. Bedenklich fudte Jochen Schütt durch's Glas Und jchüttelte ven Kopf und fudte wieder, Und immer länger ward jein jehlau Geficht. Berdammte Suppe! brach er endlich los, Der Haifiih joll mih ſchlucken, wenn das nicht Tuneſer jind, Spisbuben, dies auf ung Und unſern ſchmucken Schooner abgejehn ! Bei Gott, jest heißt es: Alles Weißzeug los Und jtramm gejegelt!

Leider war's zu jpät. Ein Viertelſtündchen noch, da mußten wir,

KERLE EFT TEE EEE

Pi ER

Daß Flucht unmöglih. Gleich darauf au ließ Das Kaperjhiff die rothe Flagge ſchon

Vom Topmajt fliegen, und ein Schuß befahl Uns beizulegen. An Bertheidigung

War nicht zu denken: Sieben waren wir,

Die höchſtens Sonntags mal im Lauer Holz Mit Schrot gefnallt, und drüben an die Vierzig, Berwegnes Raubvolf insgefammt, auf Mord Und Todtſchlag eingeübt, wie wir auf’3 Kegeln. Mit einer einzgen Salve hätten fie

Uns meggefegt; drum hieß uns Soden Schütt Gerubig bleiben und ihn machen lafjen.

Ein Stüdchen, meint’ er, hab’ er ausgedacht, Das uns vielleiht noch aus der Dinte hülfe. Zwar jpiel’ er auf Va banque damit, indeß Am Ende fein wir Chriſtenmenſchen doc,

Und Gott im Himmel könn' ein Einfehn haben. Sp brümmelnd jtieg er zur Kajüt’ hinab

Und nahm die Andern mit; nur mir befahl er Auf Ded zu bleiben und dem leidigen

Beſuch, als käm' er auf ein Frühſtück bloß, Mit Höflichkeit zu ihm den Weg zu meifen.

Mir ſchlug das Herz bis an den Hals, al3 nun Mit jegliher Minute der Corſar Uns näher rüdte. Bald erkannt’ ih ſchon Die Fuhsgefihter mit den Rattenzöpfen, Das Negervolf, das in den Tauen hing. Jetzt jah ich, wie ſolch rothbefappter Schuft Den Enterhafen hob, jest machtens' ihm Zehn andre nah und jegt ein einz’ger Schlag, Ein ungeheurer Rud, und Bord an Bord Mit dem QTunefer lagen wir. Ein Mohr, Die breite Kling’ im Maule, jprang zuerit

Re

Auf unfer Schiff, dann fam der Hauptmann felbit, Cinäugig, jtachelbärtig wie ein Kater,

Am grünen Bund den Halbmond von Rubin, Und dann die Andern, meijt ein quittengelb Zerlumpt Gefindel, doc mit langem Rohr,

Mit Beil und Mefjer Mann für Mann verfehn. Mir lief's den Rüden falt wie Eis hinab.

Doch macht' ich nad des Gapitäns Geheiß

Den Ihönjten Büdling und, verbindlich dann Den Weg anzeigend, fuhr ich wie ein Kellner In Sprüngen die Kajütentrepp’ hinab,

Auch poltert” es alsbald mit ſchwerem Tritt

Mir nah und, ein Piſtol in jeder Hand,

Trat Meiſter Einaug' in die Thür, doc blieb er, Als er fih umſah, wie ein Zaunpfahl jtehn. Denn vor ihm jaß, den Hut auf Einem Ohr, Aus kurzer Pfeife Dampf und Funken paffend, Auf offner Bulvertonne Soden Schütt,

Und ringsumber lag wie ein Zauberfreis

Ein breiter Streif von Pulver aufgejtreut,

Mir jtanden hinter ihm und muditen nidt;

Er aber, ruhig ſitzenbleibend, that,

Als wüßt' er gar von feinem Harm, und ſah Den Türken an und jagte: Guten Tag!

Was jteht zu Dienften, wenn ich bitten darf? Und als nun der jih wie ein Buterhahn Aufplujtert und in feinem Kauderwelſch

Zu follern anfängt und, wie das nicht fledt,

Die Zähne weiſ't und mit Geberden droht,

Sagt Johen Schütt: Ja, Türk'ſch verfteh’ ih nicht, Mein lieber Herr; doch parlez vous francais? Und dazu pafft er toller ſtets und macht

Den Meerihaumfopf wie einen Schornftein fprühn, Daß mir, bei Gott, ſchon daucht, wir fliegen auf. Das ſchien denn unjerm Rinaldini aud

TEE

Ein ſchlechter Spaß; er wurde grün vor Wuth, Und plöglih macht’ er Kehrt und ſchoß hinaus,

Nun ging ein heftig Schnattern droben an, Und dann ein Poltern, Schieben, Ziehn und Winden, Als kehrten jie vom Schiffsraum bis auf's Ded Das Unterjte zu oberit, während wir In taufend Aengiten wie die Hühner uns Um unjern Gapitän zujfammendrüdten, Der feine Sylbe ſprach und langjam nur Fortqualmte. Zwar die Ladung, wuhten wir, Mar gut verfichert, doch wir fürchteten, Die Heiden würden, wenn ſie's ausgeraubt, Das Schiff aus purer Bosheit finfen maden, Und dann, ihr Lüb'ſchen Thürme, gute Nacht! So ging ein langes banges Stündlein hin. Da plöglih hörten wir dur all den Lärm Die Bootsmannspfeife kreiſchen, ein entjeglich Gedräng’ entitand an Bord, wie Flucht beinah, Und furz darauf geſchah ein Stoß und Rauſchen, ALS riſſ' ein Donnerwetter Schiff von Schiff; Und dann mit eins war's ftil. Wir warteten Ein Weilchen noch und horchten, doch es pfiff Auch nicht die Maus im Loch; kein Zweifel mehr, Sie waren fort.

Was nu? ſprach Jochen Schütt, Die Luft an Bord ſcheint wieder klar zu ſein, sh denk', wir ſehn uns mal den Schaden an; Und jtieg hinauf auf's Ded, und wir ihm nad.

Da ſah's denn gräulid aus. Im großen Stall Der Arche Noäh war nicht folh ein Wuft,

Als aller Welt Gethier das Schiff geräumt. Packſtroh und Scherben rings, Korinthenfäfer, Delpiepen, Werkzeug, Zwiebeln, Kochgeräth,

Im tolliten Wirrwarr Alles durcheinander,

——

Als wär' in allerbeſter Arbeit juſt Das große Plünderfeſt geſtört. Und ſo Verhielt ſich's auch. Denn won Nordoſten kam, Indeß der Türk, wie ein gejagter Habicht, Nach Süden fortſchoß, eine engliſche Fregatt' heran mit vollem Wind und ließ Die blaubekreuzte Flagge luſtig weh'n. Das gab ein Jubeln, ein Umarmen jetzt! Der Schiffsjung fiel auf ſeine Knie, der Koch Der letzt in Portsmouth überwintert, ſchwang Die Zipfelmütz' und ſang God save the king! Doch Jochen Schütt nahm eine Zwiebel auf Und roh daran und nieſt'; ich merkt’ es wohl, Wir jollten ihn nicht weinen jehn. Dann zog er Den Hut und fprab: Nun danfet Alle Gott! Heut thut mir’s leid, daß ich nicht fingen fann, Weil ih beim alten Haaje Schulen Tief. Den Engelmann jhidt uns der Himmel jelbit. Auch feinen rothen Sehsling gab ich mehr Für unjer Xeben, blieb er aus. Nun Tiefs Noch gnädig ab.

Gin wahrer Segen aud), Sagt’ ih, Cap’tän, dab euch das Pulver einfiel, So fam uns felbjt der Engelmann zu jpät. Sa, Bulver! lacht’ er, und die Schlauheit bligt’ Ihm aus den Augen, Bulver! Hat ſich was! Wir haben feine zwanzig Schuß an Bord, Das ſchwarze Zeug, wovor der Heivenferl Die Angft gekriegt, war Rübſaat aus Schwerin, Und mein Canarienvogel frißt davon, Ein riht’ger Mann muß ſich zu helfen willen, So hilft ihm Gott wohl auch. Und nun jeht nad, Db uns das Volk auch über'm Rum gemejen. Ich ven?, ein Schlud foll gut thun auf den Schreck.

Gelegenheitsgedichte. Sprüde.

Seftlieder.

r. Bur Schinkelsfeier,

Menn beim Wein die Herzen Elopfen Und das Felt zum Liede drängt, Ziemt fih’3 daß die eriten Tropfen Man ven großen Todten jprengt. Leuchtend waltet ihr Gedächtniß Ueber uns, Gejtirnen gleich;

Und in ihrer Kraft Vermächtniß Fühlen wir ung froh und reich.

Und fo foll in unfern Weifen Heut gerühmt der Meifter fein, Den die Steine müßten preifen, Würden Menſchenzungen Stein; Der, vom hundertjähr'gen Drucke Welſcher Mißkunſt unberührt, Siegreich aus erlerntem Schmucke Uns zum ew'gen Maß geführt.

| -] on |

Denn zur Schönheit ging mein Sehnen Mie mit Flügelichlag empor

Und die Schwäne der Hellenen

Sangen um fein junges Obr,

Bis er, ganz dabingegeben

Seiner Heimath heil’gem Ruf, Deutſcher Kunſt und deutichem Leben Neuer Formen Fülle jchuf.

Mas vollendet und bejchlofjen Reich in feinem Geijt ſchon lag, Ach, niht Alles durft’ es ſproſſen Unter feiner Hand zu Tag;

Ad, vom Feuerhauh der Mufen Ward er allzufrüh entrafft;

Doch in feiner Jünger Bufen Mebt ein Odem feiner Kraft.

Klingt denn an und nennt den Namen, Und bei ihm bejchwört es heut,

Treu zu pflegen jenen Samen,

Den er jegnend ausgeitreut,

Bis zur wundervollen Blume

Ihr den Keim entfaltet jchaut,

Bis ihr, eurem Volk zum Ruhme, Deutihem Geift das Haus erbaut.

2. Zur Gröffnungsfeier der Univerfität Straßburg, Stimmet an den Preisgejang, Unjer Feſt zu frönen !

Hell, wie Gottfried Harfe Klang, Laßt ihn heut ertönen;

Be (9

Denn die Stund tft hochgeweiht, Da fih alt!’ und neue Zeit Mundervoll verſöhnen.

Der mit heil’gem Braufen zieht Ob des Rheines Gründen, Was ſich lang entfremdet mied Will der Geiſt verbünden;

Aus der Vorzeit Mark genährt Will er auf dem alten Herd Junge Flammen zünden.

Preis dem großen Vaterland, Deſſen Hauch wir ſpüren,

Dem wir ſchwören, Hand in Hand Dieſe Glut zu ſchüren!

Preis der Schweſter deutſcher Kraft, Preis der freien Wiſſenſchaft, Deren Bau wir führen!

Gleich dem Münſter dort am Strom Wolkenwärts gewendet,

Steigt ins Blau ihr Rieſendom Ewig unvollendet.

Jeder ſoll willkommen ſein,

Der nur Einen Quaderſtein

Uns zum Werke ſpendet.

Wenn ſich dumpfen Sinns die Welt Abmüht am Erwerbe,

Sind zu Hütern wir beſtellt

Für der Menſchheit Erbe,

Daß was geiſtgeboren iſt

Nicht verkomm' in dieſer Friſt,

Noch das Schöne ſterbe;

a

Daß fih Glaub’ entfalt! und Recht Frei von dumpfer Schrante,

Von Geſchlecht fih zu Geſchlecht Ueberliefrung rante,

Daß Natur ihr ernft Geficht

Uns enthüll', und kühn ins Licht Steure der Gedanke.

Aber wo jein freies Reich Man umitellt mit Negen, Ihn vervehmtem Wilde gleich Sin den Tod zu bhegen:

Da mohlauf Studentenmuth, Für der Wahrheit heilig Gut Alles einzufegen!

Schlag im Flug denn jonnenan, Deutſcher Geift, die Schwinge! Wider Stumpffinn, Lug und Wahn Blitzgewaffnet ringe,

Daß in folhem Ritterthum

Dein und Straßburgs alter Ruhm Glorreih ſich verjünge!

3.

Bur Begrüßung der aus Frankreich heimkehrenden Truppen.

Heil euh im Siegerkranz Streiter des Vaterlands!

Gott war mit eud.

Slorreih in Wacht und Schladt Bradt ihr des Erbfeinds Macht, Halft in verjüngter Pracht Bauen das Reid.

Ka?

Ginig in Süd und Nord Stehn wir getroft hinfort Jeder Gefahr;

Schirmende Flügel ſpannt Mieder vom Ordensland Bis an der Mofel Strand, Kaifer, dein ar.

Blühe, du deutſches Reich, Wachſe der Eiche gleich Markig und hehr!

Friede beglücke dich, Freiheit erquicke dich, Herrlichkeit ſchmücke dich Vom Fels zum Meer.

Finem Freunde ins Album. 1863.

Gefeglos nieht und nicht gefnechtet fein,

Das war es, was der Vorwelt Sänger jehon Als einzig hohes Glüd der Staaten pries, Mer aber theilt das rechte Maß uns zu? Und fand e3 Einer, wer gebeut dem Strom Der Zeit, bei diefem Maße ftillzuftehn?

Denn ew'ge Wandlung ift ver Welt Geſetz, Unwiderruflich wähst und ftirbt die Pflanze Und vom erklomm'nen Gipfel geht’3 hinab, Drum hadre nicht zu bitter, wenn noch oft Dem kühnen Freiheitsprang in deiner Bruft Die Schranfe wehrt; nein, jegne dein Gejhid, Daß deine Spanne Leben in vie Zeit

Des Wahsthums und des Aufwärtzitrebens fiel. Geibel, Gej. Werke. IV. 6

——

Denn der Vollendung kurzen Tag zu ſchau'n

Iſt Wenigen beſchieden; niemals glänzt

Sein goldner Strahl auf mehr als Ein Geſchlecht, Und ſüßer iſt's, für der Entfaltung Recht

Im frohen Kampf zu ſtehn, und, muß es ſein, Zu fallen in des Werdens Zuverſicht,

Als, wenn die Kräfte der Bewegung erſt

Im Sieg verdarben, wider ihren Schwall

Den Damm zu bau'n und eine morſche Welt

Zu ſtützen, die aus allen Fugen geht.

An C. G. B.

Wie ſollt ich, Freund, dich um dein Glück beneiden, Schenkt Andern Andres doch des Himmels Gunſt; Zwar deines Schloſſes Hallen ſchmückt die Kunſt, Und deine Diener gehn in Sammt und Seiden,

Von hundert Aeckern darfſt du Garben ſchneiden, In deinen Forſten ruft des Hirſches Brunſt, Und tauſendſtimmig brüllt und blökt und grunzt Ein zahllos Heerdenvolk auf deinen Weiden;

Du weißt Arabiens beſten Hengſt zu zügeln, Und dürſtet dich's nach edlem Feuerwein, So trieft er dir ins Glas von eignen Hügeln.

Doch gönn' ich dir's. Mit Wen'gem froh zu ſein, Gab mir ein Gott und gab ein Roß mit Flügeln, Und wenn's mich trägt, ſind Erd' und Himmel mein.

Ueberfall.

(Zu einem alten Holzjehnitte.)

Am Monde hin jtreichen Die Wolfen im Flug;

Auf der Haide, der bleichen, Geht leife ver Zug.

Nur ein beimlihes Rufen Läuft fort durch die Reih'n, Und es Elirrt wie von Hufen Und Harnifchen drein.

Schwer zwifchen den Neitern Die Karthaune hinfährt; Mit Pechkranz und Leitern Sind fie bemwehrt.

Sie ziehen zur Veſte, Entgegen der Schanz, Ungeladene Gäfte

Zum blutigen Tanz.

Hintan reitet Einer

Auf dürr, dürrem Thier, Sein Antlitz grinst beinern Aus dem roft’gen Bifier.

Um das Banzerhemd fchlottern Grablinnen ihm ber;

Seine Zügel find Dttern,

Eine Senf’ ift fein Speer.

BET

est laufcht er vom Rößlein, Jetzt fpornt er’3 zum Lauf; D da drüben im Sclößlein Ihr Schläfer wacht auf!

Finem 5chulmanne.

Wenn den Damm ihr eingerifien, Der gewehrt dem halben Willen, MWähnt ihr, dann zu Aller Frommen Sei der Tag des Lichts gefommen ? Ah, es wird nur allzufrühe

Euch gereu’n der eitlen Mühe.

Zu des Tempels heil’ger Enge

Laßt nur ein die dreifte Menge! Nie mit unreif dumpfen Sinnen Mag fie Wahrheit dort gewinnen; Heiſcht fie doch bequeme Lehre, Und das Aechte bleibt das Schwere.

Flacher Afterweisheit Sätze Werden unſres Tiefſinns Schätze, Unſrer Bildung Hort zerwühlen Und hinweg die Ehrfurcht ſpülen, Bis zuletzt im ſeichten Schwalle Sich die Gleichheit fand für Alle.

Wenn die Rohheit dann entbunden, Jedes Ideal verſchwunden,

Wohl ein Grauſen mögt ihr ſpüren; Denn ihr halft es ſelbſt vollführen: Die ein Volk des Geiſtes waren, Ihr erzogt ſie zu Barbaren.

u

Un Ss. ©. 9.

Mo fo leiht in fonnenflaren

Tagen einjt der Herbit uns floß,

Hell dort wieder, wie vor Jahren, Blüht der Garten, glänzt das Schloß.

Wieder blauend mir zu Füßen Wallt im Grund der, Strom entlang Und vom Forft herüber grüßen Büchſenknall und Waldhornflang.

Doh wie mir ein reich Grinnern AN die Luft erft voll befeelt,

Fühl ich tief zugleich im Innern, Fühl ich ſchmerzlich, wer uns fehlt.

Ah und wenn ih dann die Dlide Nah dem Landhaus dort am Hang, Nah den lichten Fenftern jchide, Schwillt das Herz mir wehmuthbang;

Immer mein’ ich, plößlich wieder Müſſe dort die Pforte gehn

Und vein liebes Bild herniever Vom Altan zum Strome jehn.

In das Mozarfalbum.

Mag die Welt vom einfah Schönen Sich für furze Zeit entwöhnen, Nimmer trägt ſie's auf die Dauer, Schnödem Ungeſchmack zu fröhnen.

ARTE eh

Bald, vom Taumelfeft erfättigt Anſpruchsvoller Trugfamönen, Sehnt fie ſich zurüd zum Gipfel, Den die ächten Zorbeern Erönen, Und mit Wonne lauſcht fie wieder Goethe's Liedern, Mozarts Tönen.

Krokodilromangze.

Sch bin ein altes Krofovil

Und ſah Schon die Dfirisfeier;

Bei Tage fonn’ ih mih im Nil, Bei Naht am Strande leg’ ich Eier.

Sch weiß mit liſt'gem Wehgekreiſch

Mir Stets die Mahlzeit zu erwürken; Gewöhnlich freſſ' ih Mohrenfleiſch

Und Sonntags manchmal einen Türken.

Und wenn im gelben Mondlicht rings Der Strand liegt und die Feljenbrüche, Tanz’ ich vor einer alten Sphinx,

Und laufh’ auf ihrer Weisheit Sprüche.

Die Klauen in ven Sand gepflanzt, Tieffinnig ſpricht fie: Tochter Thebeng, Friß nur was du verdauen Fannft ! Das ist das Näthjel deines Lebens.

——

Als Spilog.

Allmählich fühl' ich meine Kraft erlahmen

Und flattern möcht' ich nicht auf müden Schwingen; Wer vierzig Jahr Gedichte ſchrieb und Dramen,

Der gönnt es Jüng'ren, um den Preis zu ringen. Drum eilt' ich, werthe Herrn und ſchöne Damen, Mein letztes Liederbuch euch darzubringen,

Und will dabei zum Abſchied läßt ſich's wagen Mit meinem Dank auch meinen Harm euch ſagen.

Denn eure Gunſt zwar ließet ihr vor Vielen Mir angedeih'n, doch hat mich eins verdroſſen, Daß bei des Jünglings unvollkomm'nen Spielen Ihr allzufrüh in Beifall euch ergoſſen,

Doch, als er vorwärts drang zu würd'gen Zielen, Ein halbes Ohr nur ſeinem Ernſt erſchloſſen,

Als wär' allein der leichte Schmelz der Jugend, Nicht reife Kunſt des Dichters Zier und Tugend.

Von oben freilich flammt in Feuerzungen

Die Kraft herab; doch uns gehört das Streben; Noch keinem iſt was Dauer hat gelungen,

Der nicht das Pfund gemehrt, das ihm gegeben. So hab' auch ich beharrlich fortgerungen

Und ſchritt, im Lernen wachſend, durch das Leben; Drum ſeid mir endlich unbefang'ne Richter,

Und wägt ihr mich, ſo wägt den ganzen Dichter.

ER Se

Sprüche.

1.

Laß dich nicht irren von Kritikaſtern Und wie du bift, fo gieb dich ganz. Trägſt du nicht NRofen, fo trägft du Aftern, Sie finden wohl aud ihre Stel! im Kranz.

2.

Was gereift in ftiller Stunde, Grit ein aufhorchſames Ohr Lockt aus deines Buſens Grunde Wie ver Lenz die Saat hervor.

3.

Das ift die Wirkung edler Geifter:

Des Schülers Kraft entzündet fih am Meifter; Doch fhürt fein jugendlicher Hauch

Zum Danf des Meiſters Feuer aud.

4.

Sprich nicht, wie jeder feichte Wicht, Bon Heuchelei mir ſtets und Lüge.

Wo it ein reih Gemüth, das nicht Den Widerſpruch noch in ſich trüge?

ER ER

5.

Süß ift’s, den Reiz der Welt zu jaugen, Menn Herz und Sinn in Blüte jtehn, Doch füßer no, mit deines Kindes Augen Die Welt noch einmal friſch zu ſehn.

6.

Das ift das alte Lied und Leid,

Daß dir Erfenntnik erjt gedeiht,

Wenn Muth und Kraft verraucden;

Die Jugend kann, das Alter weiß,

Du kaufſt nur um des Lebens Preis Die Kunft, das Leben recht zu brauden.

7.

Verruchtes Dilettantenmwejen!

Hat Einer wo ein gut Gedicht gelefen, Zerpflüdt er flugs den jchönen Strauß, Thut Unkraut, Strob und Dijteln drunter, Und bindet jih vergnügt und munter Am Umfehn einen neuen draus.

8.

Cr jhoß nah dem Hafen und fchoß vorbei, Den Hirſch zufällig traf jein Blei;

Da wird er nun von Jungen und Alten Für einen gewaltigen Schügen gehalten.

Thu nur brav Heu in die Raufen Und miß den Hafer nicht knapp, So kommt der Schimmel gelaufen, Und rufſt du ihn gleich: Rapp!

10.

S'iſt eben manchen Leuten eigen, Daß ihnen Schlichtes nicht geräth; Sie müſſen immer ins Fenſter jteigen, Auh wenn die Hausthür offen jteht.

11. Dein Ja jei Ja, dein Nein jei Nein Und ſcharf das Schwert an deiner Lende; Die beite Staatskunſt bleibt’3 am Ende Doch, tapfer und gerecht zu fein.

12.

Mer da fährt nah großem Ziel Lern’ am Steuer ruhig fißen, Unbefümmert, wenn am Siel Lob und Tadel hochauf jprigen.

13.

Sollen die Gäjte dir fommen zum Schmaufe, Bewirthe fie vom Beſten frifch ;

Mer denkt, er hab’ es beſſer zu Haufe,

Der fegt fih nicht an deinen Tiic.

14. Wie oft wird in politifhen Fragen Dein Herz die Antwort dir verfagen ! Das Recht iſt meiſtens zweifelhaft; Da hältſt du's denn mit Muth und Kraft.

15.

Die Zeit zum Handeln jedesmal verpafien

Nennt ihr: die Dinge fih entwideln lafjen. Mas hat fih denn entwidelt, jagt mir an, Das man zur rechten Stunde nicht gethan?

16.

Stets zweifchneidig ift große Kraft; Willſt du fie feſſeln deswegen? Lieber was fie dir Uebles ſchafft Nimm in ven Kauf zum Gegen.

1%

O miß die Welt nicht mit dem Blick Kurzſicht'ger Tagespolitik!

Sie fieht im Reichthum der Naturen Nur ſchwarz und weiße Schachfiguren.

18.

Es it der Glaub’ ein ſchöner Regenbogen,

Der zwiſchen Erd’ und Himmel aufgezogen, Ein Troft für Alle, doch für jeden Wandrer Je nad) der Stelle, da er fteht, ein andrer.

19.

Du ſollſt nach frommer Sitte

Die Hände betend in einander legen,

Die Hand andächt'ger Bitte

In die des Danks für den empfang’'nen Segen.

20.

Willſt du den Unſinn überwinden, Lern’ ein Symbol ver Wahrheit finden; Die Welt wird nie das Abgejchmadte Aufgeben für das bloß Abjtrafte.

21.

Wollt ihr in der Kirche Schooß Mieder die Zerftreuten fammeln, Macht die Pforten breit und groß, Statt fie jelber zu verrammeln !

22.

Durftig ftehn fie am Gemäfler, Stehn und ftreiten wuthentbrannt: Trinkt ſich's aus der Schale bejler Dver aus ver hohlen Hand?

23.

Religion und Theologie

Sind grundverſchiedene Dinge,

Eine fünftliche Leiter zum Himmel die, Sene die angebor'ne Schmwinge.

24. Mächtigen Feitiehritt lehre die Sprache, Leichthinſchwebenden Tanz im Gedicht, Aber brich ihr die Glieder nicht! Seiltänzerfünfte find nicht ihre Sache.

25.

Ein berzlih Lied gedeiht wohl ftill In Bufh und Walvdesgrüne,

Doch mer Tragödien dichten will, Braucht Weltverkehr und Bühne.

26.

Daß dir zu hoch Fein Gipfel ift,

Gi, laß mich's an der That erproben! Statt deine Schwingen mir zu loben liege, jo du ein Adler bift.

27.

Mohl kommt's, wenn Einer ein Bildwerk ſchnitzt, Daß rings umher der Abfall ſpritzt,

Aber man wirft doch die Späne

Dem Publikum nicht in die Zähne.

28.

Was hilft's, auf Flügeln der Reklame Ein Stündlein flattern durch die Welt, Wenn ſchließlich doch, o Thor, dein Name Wie Ikarus ins Waſſer fällt?

29. Soll dir frommen ein Schlag, das merke, Führ' ihn gleih mit entfcheidender Stärke ! Nur nichts Halbes, wo dir bewußt, Daß du das Ganze vertreten mußt! G 30. n = Loszuwerden den alten Zopf Sft ein vernünftig Begehren, 2 *

Aber wer wird darum den Kopf Gleich rattenkahl ſich ſcheeren!

31. Am guten Alten In Treuen halten,

Am kräft'gen Neuen Sich ſtärken und freuen, Wird Niemand gereuen.

32.

Wenn das Glück, die leichte Dirne, Launiſch dir den Rücken kehrt, Hebe doppelt kühn die Stirne, Gürte doppelt feſt das Schwert.

Raſch verwelkt ein Kranz aus Zweigen, Die du ſpielend dir gewannſt;

In der Noth erſt magjt du zeigen Mer du bift und was du kannſt.

Lieder

aus

alter und neuer Beit.

IR

Mit geheimnißvollen Düften

Grüßt vom Hang der Wald mich ſchon, Ueber mir in hohen Lüften

Schwebt der erſte Lerchenton.

In den füßen Laut verfunfen

Mall ih hin durch's Saatgefild,

Das noch halb von Schlummer trunfen Sanft dem Licht entgegenichmwillt.

Welch ein Sehnen! Welh ein Träumen! Ah, du möchteſt vorm Verglühn

Mit ven Blumen, mit den Bäumen, Altes Herz, noch einmal blühn.

BE

Die Sehnſucht des Weltweifen.

Die fernen Flöten hör' ich fchallen, Der Feierhymnus wogt darein;

Es wälzt fih zu des Tempels Hallen Des Volkes Strom im Morgenicein. Der Knaben rothe Fadeln ftrahlen Auf weißer Feſtgewandung Zier;

Die Priejter tragen golone Schalen Und führen den befränzten Stier.

Wohl möcht’ ih mit den Andern ziehen Und jubeln in des Opfers Raub;

Doch auf den Stufen, da fie fnieen, Umfäufelt mich fein Lebenshauch.

Der Kindheit milde Schleier janfen, Die mid umfangen, lieb und eng,

Und vor dem fiegenden Gedanken Erlag der Götter bunt Gedräng.

Doh mie ſich des Olymps Geftalten Gleih Träumen lösten nebelhaft,

Da war e3 mir, als flöjl ihr Walten Zurüd in Eine beil’ge Kraft;

Aus allem, was der Tag vollendet, Spricht göttlih ho ein ein'ger Sinn, Und meine Geele jtürzt geblendet

Bor diejes Reichthums Füllen hin.

D du, den ich zu nennen zage,

Du ew'ger Geift, deß reines Licht Noch durch den Dunſt der Götterfage In taujend Farben fpielend bridt;

en

Den fie in taufend Bildern ehren, Und dem doch nie ein Bildniß alich, Du, den ih nimmer Fann entbehren, Du Einziger, wie faſſ' ih dich!

Im Weltall ſucht' ih ohn' Ermatten

Dich zu ergründen voll und ganz;

Doch Nachts verhüllit vu dih in Schatten, Und birgft am Tage dih im Glanz.

Und wenn das Morgenroth mich medte, Und überglüht aus meinem Traum

Die Hand ich taftend darnadı ftredte:

Es war nur deines Kleides Saum.

Mohl ruft der Donner deinen Namen, Wohl zeigt der Blik uns deine Spur; Doch, ob fie deine Boten famen,

Sie bringen halbe Kunde nur.

D, was von dir die Dinge ftammeln Mit dunkelm Deuten fort und fort, Wirſt du's, Erhabner, nie verfammeln In ein lebendig klares Wort?

Mird nie dein liebenvder Gedanke

Vol Wehmuth über unjer Leid

Herab fih neigen in die Schranfe

Der jehnfuhtbangen Sterblichkeit? Wirſt nie dein blendend Licht du laſſen, Dich nah und menſchlich fund zu thun, Daß wir mit Armen dich umfajjen Und fromm an deinem Bufen ruhn?

Ach, tief in meiner Seele Grunde Da Ichläft ein Ahnen wundervoll: Der Lauf ver Zeiten bringt die Stunde, Da ſolches Heil gejchehen joll. Seibel, Gej. Werke. IM. 7

ie

Da jhmilzt in Friedensihauern Mas jtürmifch mich bewegt,

Wie einft, wenn mir die Mutter Die Hand aufs Haupt gelegt.

Und fhöner nur duch Thränen Erblick' ih Fluß und Thal D Heimat, ſüße Heimat, Gegrüßt jei taufendmal!

6.

In den mondverklärten Lüften

Welch ein Zauber ſüß und frempd, Nun ein Strom von Blütenvdüften Markt und Gafjen überſchwemmt!

Fern vom Fluß aus Bufh und Fliever Schluchzt die Nachtigall herauf Traum der Jugend, fommjt du mieder? Alte Sehnſucht, wachſt du auf?

Dunfeljelig wie vor Zeiten Wächst das Herz mir in der Bruft, Süßer Schmermuthb Schauer ftreiten Mit beflomm’ner Werdeluft,

Bis mir über dem Gemühle Klar die alte Liebe jteht,

Ah, und alles, was ich fühle, In Erinn’rung untergeht.

Pr Zi

Herz was willſt du? Warum fchrwillft du? Was bewegt did jo mit Madt?

War dies Bangen und Verlangen

Denn nicht längft zur Ruh gebracht?

Was vor Jahren du erfahren, Deiner Jugend reinjtes Glüd, Erſtes Leiden, ſchwerſtes Scheiden, Mer beſchwor es dir zurüd?

Herz was willſt du? Warum jchwillit du? Ah, du weißt was dir gejchehn:

Die Erkor'ne, Frühverlor’ne

Sollſt vu heute wiederſehn.

8.

Nun ift auch dieſer Bann gebrochen

Und frievlih jehließt der Tag und klar Mir grüßten uns mit Herzenspochen, Doch ward fein Wort von dem gejprocen, Was unfrer Jugend Traum einft war.

Dom Stern und Unftern meiner Reife, Dom Land Homers erzählt ich ihr; Sie ſprach vom alten Freundesfreife, Doch floß die Ned’ uns träg und leife, Und endlich ganz verjtummten wir,

Da jprang fie auf, und rafch wie immer Gefaßt, ergriff fie meine Hand,

Und zog mic) aus des Mittags Schimmer Ins hohe, halbverhängte Zimmer,

Mo ihres Knaben Wiege jtanv.

2 "in

Sie bog fih auf das Kind hernieder Und winkte lächelnd mir zu nah’n; Verſchlafen dehnt! es roſ'ge Glieder, Und jetzt erhub's die Augenlieder Und ſah mit ihrem Blick mich an.

Da hab' ich's auf die heißen Wangen Geküßt mit leiſem Segenswort,

Und all mein Trauern und Verlangen War wie ein Rauch im Wind zergangen, Und frei und heiter ſchritt ich fort.

*

Das war in jungen Tagen, In goldner Frühlingszeit,

Da mir verhüllt noch lagen Des Lebens Qual und Streit.

Wie däucht' auf allen Wegen Die Welt mir da ſo ſchön! Im reichen Blütenſegen

Wie prangten Thal und Höhn!

Der Himmel glänzt' und blaute, Als wär' er aufgethan,

Und glückverheißend ſchaute

Die Ferne rings mid an.

Da ward ein heimlich Klingen In meiner Seele wach;

Die Meifter hört’ ich fingen, Und fang ven Meiftern nad:

.108 +

Ich ſang in dunklem Triebe Aus frohbewegter Bruft Don Vaterland und Liebe, Don Wald: und Wanverluft.

Und wie im leichten Neigen

Der Neim den Reim gebar, Kaum wußt' ich, was mein eigen, Was nur ein Echo war.

Da ift der Wind gekommen Und bat im raſchen Flug Die Lieder mitgenommen, Sie waren leicht genug;

Und hat fie fortgetragen

Durch's Land hin Fed und froh Das war in jungen Tagen,

Kam nimmer wieder fo.

20,

Cchmeig, wenn dir vom Ueberfluſſe Zönend nicht die Seele Jchwoll! Nicht an jedem Tag zum Schuſſe Seinen Bogen ſpannt Apoll.

Keinen wahrlich darf's verdrießen, Daß zu tieferm Ernſt geweiht, Geltner dir die Weifen fließen, ALS in muntrer Jugendzeit.

Doch mit Fug wird dir's vwerübelt, Wenn du Form und Neim erzwingft, Und, was froſtig ausgegrübelt,

Als begeiftert Lied uns bringft.

11.

Sch bin, der ich bin, Und lernt’ ih von Bielen: Nah eigeniten Zielen Stand immer mein Sinn.

Gin Strahl Poeſie Beihien mir die Pfade, Sch ſpürt' ihn als Gnade, Und rühmte mich nie.

Und bat fich’S gefüat, Und laßt ihr mich gelten, Sp glaubt, daß ich ſelten Mir jelber genügt.

Und mißt ihr dahin

Mein Lied nicht zu nehmen, Sp darf's mich nicht grämen; Sch bin, der ich bin.

T2.

Wenn binabgeglüht die Sonne, Steht der Mond ſchon über'm Thal, Und den Abglanz ihrer Wonne Gießt er aus im feuchten Strahl.

Alfo bleibt im tiefiten Herzen

Bon verfunfnem großem Glüd Tröftlih für die Naht der Schmerzen Uns ein Widerſchein zurüd.

ee. WE

103

Meine Sonne ſchied für immer, Meine Liebe ſchön und jung;

Laß mich ruh'n in deinem Schimmer, Sanfter Mond, Erinnerung!

13. Vieles lernt der Dichter tragen, Doch am ſchwerſten das Entjagen, Wenn in Wolfen unerreiht Ihm fein Ideal entweidt.

Menn er fpürt: es ward dir eben Nur dein Maß der Kraft gegeben, Statt des Zauber3 der Geftalt Nur ein Ton, wie bald verhallt!

Dennoch gib vi, Herz, zufrieden, Daß dir diefer Ton bejchieden, Dankbar unter Leid und Luft Reif ihn aus in treuer Bruft.

Macht’ er doch zur Zeit des Lenzen Einjt ver Liebjten Auge glänzen, Heut’ im herbitlih Fühlen Hauch Mas dich labt erwarb er aud.

Iſt's fein Ruhm auf weiter Erde, Iſt's ein Blumenfranz am Herde; Iſt's fein jauchzend Volk, Poet,

Iſt's ein Freund, der dich verſteht.

14.

Ach, und auf's neue Immer dies Sehnen? Diejes DVerlangens Brennende Thränen? Was dir im Lied doc Glückt zu geitalten, Lernft du's im Leben Nimmer zu halten ?

Meinft du den Frieden Kaum dir gewonnen, Wieder im Wind jehon Iſt er zerronnen, Tauchſt in die Lüfte Klingend Gefieder, Aber die Erpfraft Zieht dich hernieder.

Zauber der Sinne Hält dich ummoben, Himmlifhes Heimmeh Treibt dich nah oben; Streben und Sinfen Und wieder Streben, Seele des Dichters, Sit das dein Leben ?

15. Laßt, ihr Lieben, o laßt mid ftill Trauern um das verlor'ne Glüd! Für die Tage, die nicht mehr ſind, Ah, was gibt die Grinn’rung?

15

Wohl mit Rofen und Grün befrängt, Wie Schneewittchen im Sarg von Glas, Schläft die ſchöne Vergangenheit

Mir im Herzen gebettet.

Doch fein freundlicher Zauber löſ't,

Ach, kein Sehnen die Wimpern ihr,

Und der feſte Kryſtall des Schreins Bleibt auf ewig geſchloſſen.

16.

Mein Herz ift ſchwer, mein Auge wacht, Der Wind fährt feufzend dur die Nacht; Die Wipfel raufchen weit und breit,

Sie rauſchen von vergangner Zeit.

Sie raufhen von vergangner Zeit,

Von großem Glüd und Herzeleid,

Dom Schloß und von der Jungfrau drin Wo ift das Alles, Alles bin?

Wo ift daS Alles, Alles bin?

Leid, Lieb’ und Luft und Jugendſinn? Der Wind fährt ſeufzend durch die Nacht, Mein Herz iſt ſchwer, mein Auge wacht.

Wir fuhren auf der ſtillen Oder

Durch Wälder, wo das Schweigen wohnt; Der Abendröthe fern Geloder

Verglomm und dämmernd ſtieg der Mond.

106

Da mahnt’ es mich, daß mwir vor Jahren Am foritumkränzten Templerſchloß

Schon einmal jo dahin gefahren,

Da Mondliht auf den Waſſern floß.

Ah, damals jung und fröhlich beide, Voll goloner Hoffnung Herz und Sinn, Und beide heut in jtillem Leide

Weil unſer ſchönſtes Glüd dahin.

Und wie ich's dachte, flog ein Schauer Durch meine Bruſt, doch ich empfand, Daß uns noch inniger die Trauer

Als einſt der Jugend Luſt verband.

18.

Spät auf hoher Schloßveranve Saßen wir und ſah'n hinaus; Iraumbaft überm finftern Lande Rollt' ein leifes Donnern aus.

Aus den Wäldern jtieg, den feuchten, Kühler Duft, und fern herauf Schlug die Naht im Wetterleuchten Dann und warn die Wimpern auf.

Märchendunkel war die Stunde, Und ihr fremder Zauber rief Auf die Lippen, was im Grunde Deiner Bruft verfiegelt jchlief;

Und erleihternd mir vom Herzen, R "Mie ein Blutftrom, quoll es ſacht i Mas mich, ab, fo reih an Schmerzen Und zugleich jo jelig mad.

= 17 >

19,

Nun braut es herbitlih auf den Auen, Den bunten Forjt entlaubt der Nord,

Und ſchwirrend jteuert hoch im Blauen Der Zug der Wandervögel fort.

Geheime Schwermuth riejelt bange

Mir durch's Gemüth im Windeswehn Fahr wohl mein Wald am Bergeshange! Und werd’ ih grün dich wiederſehn?

Ach, fiher trägt ver Schwan die Kunde, Wann's Zeit zu wandern, in der Bruft, Doch wer verkündet Dir die Stunde, D Herz, da du von binnen mußt?

20.

Oft in tiefer Mitternacht

Faßt mic ein unendlich Bangen Um die Tage, die vergangen

Und mich nicht ans Ziel gebracht.

Was ich jung umſonſt geſucht,

Kann ich's alternd noch erringen?

An die ausgewachſ'nen Schwingen Hing ſich, ach, des Siechthums Wucht.

„Wirf denn hin den Zauberſtab, Eh' er dir entſinkt mit Schmerzen! Nimm die letzte Glut im Herzen Ungeſungen mit ins Grab!“

105

Still, o ftill! Ich lern' es nie, Stumme Tage Elug zu weben. Troſtlos Darben wär’ ein Leben Ohne dich, o Poeſie!

Nach dem Kranz, der vor mir ſchwebt, Muß ich ringen Stund' um Stunde, Wie der Aar, der flügelwunde, Sterbend noch zur Sonne ſtrebt.

21.

Schon reift es Nachts im Wieſengrunde Und dennoch geh'n, vom Sonnenhauch Gelöſt in warmer Mittagſtunde,

Noch Knospen auf am Roſenſtrauch.

So treibt, obwohl es herbſtlich trauert, Mein Herz, das allzuviel verlor, Doch von Erinn’rung überſchauert Noch dann und wann ein Lied hervor.

Wohl fühl' ich tief dann im Gemüte, Dies Wachsthum als ein kurzes Glück, Doch nimmer bringt die ſpäte Blüte

Den längſt verlornen Mai zurück.

22.

Traurig ſchritt ich hin am Bach, Sieh, da trat auf leichten Füßen Sanft zu mir der Lenz und ſprach: „Deine Jugend läßt dich grüßen.“

BER

109

Und er blies mich an und jäh Brach dur meines Trübfinns Kruſte Solch' Gefühl von Wonn’ und Weh', Daß ich lautauf weinen mußte,

AU mein Weſen dehnte ſich, Gleich als ſollt' es Flügel breiten, Und ein Klang durchbebte mich Wie von angeſchlag'nen Saiten.

Wirf denn ab des Zweifels Laſt, Herz, du darfſt noch nicht verzichten! Nun du wieder Thränen haſt, Magſt du wieder blüh'n und dichten.

23. Rauher Tag will rauhe Weife; Nun am Heerd der Waffenjchmied Schwerter fegt, wer lauſcht im Kreife Noch auf dein gedämpftes Lied?

Laß dir's willig, Herz, gefallen, Geht die Zeit doc fühnen Gang; Dies Getös auch wird verhallen, Wenn dein Volk fein Ziel errang.

Wenn die Burg einjt feiner Ehren Ausgebaut ins Blaue ftrebt,

Nah Gejängen wird's begehen,

Drauf ein Hauch des Friedens ſchwebt.

Schönheit wieder vom Poeten Fordert dann ein froh Geſchlecht; Frühling, Lieb’ und Andacht treten In ihr uralt heilig Recht.

10°

Und im Klange deiner Lieder, Ob dich länaft vie Erde fühlt, Dur die Bruft der Jugend wieder

Wanvdelt, was du einjt gefühlt. 1867.

24. Nun um deine Pfade leis Welke Blätter ftieben, Eng und enger wird der Kreis Täglich deiner Lieben.

Die im Fugendmorgenroth Dir Geleit gegeben,

Ab, wie viele nahm der Tod, Mie viel mehr das Leben!

Neue Freundſchaft ſchließt fich ſchwer An des Winters Grenze,

Wurzeln treibt das Herz nicht mehr, Wie dereinſt im Lenze.

Zwar im Kampf nicht wird es dir An Genoſſen fehlen,

Doch euch knüpft ein gleich Panier, Nicht der Zug der Seelen.

Auch mit Jüng'ren wohl ein Stück Läßt ſich's fröhlich ſchweifen,

Doch nur halb dein Leid und Glück Mögen ſie begreifen.

Darum, ſoll nicht freudenarm Dir die Welt verblaſſen, Lern' in Liebe doppelt warm, Was dir blieb, umfaſſen.

N

Den du jung umbergejtreut Leicht in leichten Gaben,

Laß an deinem Schaß fich heut Wen'ge ganz erlaben.

Eisumfrornem Rebenjaft

Gleiche, der zufammen

Drängt im engjten Raum die Kraft Aller jeiner Flammen.

25.

63 kommt der Lenz, es ſchmilzt der Schnee, Der Rhein hebt an zu braufen,

Mit Jauchzen wirft er vom Geflipp

Hinab fih bei Schaffhaufen.

Und als er fürder mwallt im Thal,

Den Wasgau fieht er winfen;

„Nun grüß did Gott du deutjches Land Zur Rechten und zur Linken!

Nun grüß dich Gott du Münjterthurm! Was Ihauft vu trüb hernievder ?

Die Wunden, die die Liebe jchlug,

Die Liebe heilt fie wieder.”

Und als er fommt hinab zum Main, Da Sieht er hoch im Bogen Die Brüde zwiſchen Nord und Süd, Der Eintraht Mal, gezogen.

Mit Blut gefittet jteht der Bau Aus taujend Heldenwunden ;

„Nun ſcheidet feine Macht fortan Was Noth und Tod verbunden.”

a

So ſchwank' ib Stund’ um Stunde. Nacht wird Tag, Und Tag wird Nacht im langen bangen Warten.

Wann fommft vu Mai? Wann blüht die Rof’ im Garten, Daß ich mein Schidjal wiſſen mag!

Schlage nicht die feuchten Augen Bang erglühbend niederwärts; Meine nur, wenn ich dich Fülle, Meine nur, geliebtes Herz !

Junges ſüßes Leben jchauert

In dem tiefen Seelenlaut;

Mein’ und küſſe nur! Die Rofen Sind am ſchönſten, wenn e3 thaut.

Lab Andre nur im Reigen

Mit lautem Gruß mir nahn, Du bijt mein lieblih Schweigen, Und ſiehſt mich freundlih an.

Dein Auge tief und minnig, Es jagt mir Tag für Tag, Was nimmer fo herzinnig Die Lippe fünden mag.

So hat die Frühlingsionne

Auch Schall und Rede nicht, Und doch mit jtiller Wonne Durchſchauert ung ihr Licht.

Mir gab ven Wohllaut eigen, Der dir den Blid beſchied; Sei du mein lieblih Schweigen Und ib mill fein dein Lied.

13

Als ich vertieft heut lag am Waldesrand, Und bangt' um deine Liebe, fiel von felber Dir ein vierblättrig Kleeblatt in die Hand.

Und als ich jpät im Dunkeln dein gedacht, Am offnen Fenjter in den Garten lehnend, Da ſchoſſen Stern’ um Sterne dur die Nacht.

Mas hilft’ der Welt, daß fie mich von dir trieb? Nun find mir Erd’ und Himmel Boten worden, Und jagen grüßend mir, du hajt mich lieb.

Des Mondes Silber rinnt

Im Wald von Zweig zu Zweigen, Im Thal die Nebel fteigen, Entſchlafen ift der Wind.

Und mie fein Halm fich regt, Kein Läublein, feine Ranke, Hat jeder Schmerzgedanfe Sich aud zur Ruh gelegt.

Wie klar erjcheinjt du mir In meiner Seele Grunde! Mir ijt zu dieſer Stunde, Sch redete mit dir,

Ich fühl's in jel’ger Ruh:

Eins ſind wir, auch geſchieden Gut' Nacht, und ſolchen Frieden, Geliebte, hab' auch du!

Geibel, Geſ. Werke. III. 8

——

O Ginover, o Lanzelot,

Ich hegt' euch, wie die Brut der Schwan, An meiner Bruſt. Verzeih' euch Gott, Was ihr an eurem Herrn gethan!

Weh, da ihr brach't die Treu' an mir, Erloſch das Sternbild unſres Ruhms, Die Ehr' iſt todt und über ihr

Stürzt ein die Welt des Ritterthums.

Wildwuchernd um den Trümmergraus Schießt auf Gewaltthat, Lug und Liſt; Ich fühl' es, meine Zeit iſt aus, Und bettle nicht um Lebensfriſt.

So fahr denn wohl du treuer Mann! Ha! Siehft du dort das Schiff der Fey? Bekränzt mit Lilien ſchwebt's heran,

Und Rofen glühn, als wär’ es Mai.

Im Winde Elingt ein ſüßes Wort

Und lullt mid ein wie Harfenton ;

An Bord! An Bord! Nun geht es fort Ins ftille Zand, nach Avalon !

Die Holdgräber.

Sie waren gezogen über das Meer,

Nah Glück und Gold Stand ihr Begehr,

Drei milde Gefellen, vom Wetter gebräunt, Und kannten fih wohl und waren fih freund.

Sie hatten gegraben Tag und Nadt,

Am Flufe die Grube, im Berge den Schadt, In Sonnengluten und Regengebraus

Bei Durft und Hunger hielten fie aus.

TEEN ee een

15

Und endlich, endlich, nach Monden voll Schweiß, Da ſah'n aus der Tiefe fie winken den Preis, Da glüht’ es fie an durch das Dunkel fo hold, Mit Bliden der Schlange, das feurige Gold.

Sie braden es los aus dem finfteren Raum, Und als ſie's faßten, fie hoben es kaum,

Und als ſie's wogen, fie jauchzten zugleich: „Run find wir geborgen, nun find wir reich!“

Sie lachten und Freifchten mit jubelndem Schall, Sie tanzten im Kreis um das blanfe Metall, Und hätte der Stolz nicht bezähmt ihr Gelüft, Sie hätten’3 mit brünftiger Lippe gefüßt.

Sprab Tom, der Jäger: Nun laßt ung ruhn! Zeit ıjt’3, auf das Mühſal uns gütlih zu thun. Geh, Sam, und hol uns Speifen und Wein, Ein lujtiges Felt muß gefeiert jein.

Wie trunfen fchlenderte Sam dahin

Zum Fleden hinab mit verzaubertem Sinn; Sein Haupt umnebelnd beihlihen ihn jacht Gedanken, wie er fie nimmer gedacht.

Die Andern ſaßen am Bergeshang,

Sie prüften das Erz und es blitt’ und es klang. Sprab Will, der Rothe: Das Gold ift fein; Nur Schade, daß wir e3 theilen zu Drei’n!

„Du meinjt?” Fe nun, ich meine nur fo.

Zwei würden des Schabes befjer froh

„Doch wenn —“ Wenn was? „Nun, nehmen wir an, Sam märe nit da” Sa, freilih, dann

16

Sie jhwiegen lang; die Sonne glomm

Und gleißt' um das Gold; da murmelte Tom:

„Siebft du die Schluht dort unten? Warum? „Ihr Schatten ift tief und die Felſen ſind ſtumm.“

Verſteh' ich dich recht? „Was fragit du noch viel! Mir dachten es beide, und führen’s ans Ziel.

Ein tüchtiger Stoß und ein Grab im Geftein,

So iſt es gethban und wir theilen allein.”

Sie ſchwiegen auf'3 neu. Es verglühte der Tag, Wie Blut auf dem Golde das Spätroth lag; Da fam er zurüd, ihr junger Genoß,

Bon bleiher Stirne der Schweiß ihm floß.

„Nun ber mit dem Korb und dem baudigen Krug!“ Und fie aßen und tranfen mit tiefem Zug. „Hei luftig, Bruder! Dein Wein ift ſtark; Er rollt wie Feuer durh Bein und Marl.

Komm, thu’ uns Beſcheid! Ich trank fehon vorher; Nun find vom Schlafe die Augen mir fchmwer.

Ich ftred’ ins Geflüft mid. „Nun, gute Ruh! Und nimm ven Stoß, und den dazu!”

Sie trafen ihn mit ven Mefjern gut; Er ſchwankt' und glitt im rauchenden Blut. Noch einmal hub er fein blaß Gelicht: „Herr Gott im Himmel, du hältft Gericht!

Wohl um das Gold erjchluget ihr mid;

Weh' euch! Ihr feid verloren, wie ich.

Auch ih, ih wollte ven Schaf allein,

Und miſcht' euch tödtliches Gift an den Mein,”

117

Höchſtädt.

Marlbrough zieht aus zum Kriege, Die Fahnen läßt er wehn;

Da reicht zu Kampf und Siege Die Hand ihm Prinz Eugen.

Sie muſtern ihre Truppen

Bei Höchſtädt auf dem Plan: „Gut ſtehn im Brett die Puppen, Friſch auf, wir greifen an!“

Und wie ſie mit den Haufen Dem Feind entgegenziehn,

Da kommt gejagt mit Schnaufen Ein Hofcourier aus Wien.

Er ſpringt im bunten Staate Vom Roß und neigt ſich tief: Vom hohen Kriegshofrathe,

Durchlauchtigſter, ein Brief!“

Der kleine Kapuziner

Schiebt ihn ins Wamms bedacht: „Der Herrn ergebner Diener! Das leſ' ich nach der Schlacht.

Jetzt iſt kein Zaudern nütze, Jetzt heißt es: dran und drauf! Schon ſpielen die Geſchütze Tallard's zum Kampf uns auf.“

Er wirft ſich auf die Franzen, Marlbrough bleibt nicht zurück; Bei Höchſtädt an den Schanzen Das ward ihr Meiſterſtück.

118

Mohl kracht's von Wall und. Thurme, Wohl ſinken Roß und Mann,

Doch vorwärts geht's im Sturme, Die Feldherrn hoch voran.

Im dichten Kugelregen, Den Degen in der Hand, Erklimmen fie verwegen Des Lagers fteilen Rand.

Da padt den Feind ein Grauſen, Da flieht er fern und nah

Und hinter ihm mit Braufen Erſchallt's: Victoria!

Und mie des Kaifers Reiter Nachraſſeln Stoß auf Stoß, Da frommt fein Haltruf weiter, Gemorfen ift daS Loos.

Grfiegte Fahnen prangen Zweihundert an der Zahl, Man bringt daher gefangen Tallard, den General.

Doch Abends, al3 die Flaſchen Im Kreis ums Feuer gehn, Da zieht aus feiner Tajchen Sein Brieflein Prinz Eugen;

Studirt’3 und reicht’3 dem Britten, Der blikt hinein und ladt: „PBarbleu! Die Herrn verbitten In Wien fih jede Schladt.

che >

119

Nur Huge Retirade

Saupir’ uns, meint der Wifch; Grlej’ner Senf! Nur Schade, Für dießmal Senf nah Tifch!“

Hruß aus den Gebirge.

Auf den dunkelgrünen See Schaut vom Berge die Kapelle, Fernher glänzt der Alpen Schnee In entwölkter Mittagshelle,

D wie lieb’ ich diefen Dit,

Wo der Welle Schaum im Grunde, Wo die jtillen Rieſen dort

Zeugen waren unjerm Bunde!

Ganz wie damals braust zu mir Dumpf herauf der Schlag ver Fluten, Als wir weltvergefjen hier

Hand in Hand am Kirchlein ruhten,

Als dein Auge feuchten Blicks Selig nah in meines jchaute, Und ein Himmel alles Glüds Mir aus feinen Tiefen blaute.

Heut, Geliebte, bift du weit,

Doch du bijt mir nicht entfchwunden, Nimmer ſcheiden Raum und Zeit Herzen, die ſich jo gefunden.

Ob zum fernjten Lorbeerhain Südwärts du die Schritte lenkeſt, Stündlich, wie ich denke dein, Weiß ich, daß du mein gedenkeſt.

1720

Und aus der Grinnrung Luft

Pocht mein Herz mit frohen Schlägen, Deiner treuen Huld bewußt,

Schon dem Wiederſehn entgegen.

Gela.

Friſche Lüfte, die von Oſten Ueber's Meer beflügelt ziehn, Laſſen Frühlingsluſt mich koſten, Ob der Sommer längſt erſchien.

Alſo läßt bei reifen Jahren

Trotz der Narben im Gemüth Gela mich ein Glück erfahren, Wie es nur der Jugend blüht.

Süßen Tiefſinn bald im Munde, Schalkhaft bald wie Ariel, Weckt ſie mir im Herzensgrunde Jeglicher Empfindung Quell.

Oftmals plaudert ſie ergötzlich,

Doch dazwiſchen zauberhaft

Sprüht's aus ihren Wimpern plötzlich Wie ein Blitz der Leidenſchaft.

Spricht ſie dann: du biſt mir theuer, So erbebt mir Herz und Sinn,

Und ein zart ätheriſch Feuer

Strömt durch meine Adern hin.

Ach, da faßt mich wohl ein Bangen Um des eignen Mai's Verluſt, Doch ſie wirft mit heißen Wangen Stürmiſch ſich an meine Bruſt,

>=

121

Lacht mih an aus Thränengüſſen, Und ihr lachend Auge jpricht: Küffe nur und laß dich küſſen, Denn ein Dichter altert nicht.

Frühlingsfeier in Athen. An G. 8.

Noch dent’ ich des Tags, da du fonnengebräunt

Heimfehrteit von Zante's Geftaden, o Freund, Um das Felt zu begehn

In dem jchönen, dem veildhenbefränzten Athen.

Mit wehenden Loden und freudigem Gruß

Hinſchritteſt du leicht, alS bejchwingte den Fuß Dir ein ahnend Gefühl,

Und ich folgte dir nach in des Volkes Gewühl.

Schon ftand der Hymettus in purpurner Glut,

Mie ein König im Schmud, und die tönende Flut Goß Kar wie Rubin

Durch die Blumen des Thals der Iliſſus dahin.

Und die Jünglinge prüften die Kraft des Gejpanns

Mettjagend im Feld, und es ſchwebte der Tanz Blondlodiger Frau'n

Um die Säulen des Zeus, die im Strom fich bejchau’n.

Doch, die Schläfe mit bacchiſchem Eppich umlaubt,

Saß ſchweigſam die Schönfte, das finnende Haupt Auf die Cither gelehnt,

Mit dem dämmernden Blid, der nah Liebe ih fehnt.

12

Und es traf dich ihr Aug’ und du grüßteft fie Fühn, Und ich ſah fie erbleichen und haſtig erglühn;

In beflügelter Eil' Hatt' euch Eros berührt mit dem feurigen Pfeil.

Und er lehrt' euch was zärtliche Trunkenheit ſpricht,

Und die Fremdheit der Zungen verwehrt' es euch nicht; Ihr vernahmet im Wort,

Im geſtammelten, nur der Empfindung Akkord.

Und der Tag war verglüht und ihr wußtet es kaum,

Und, die Sterne zu Häupten, in ſeligem Traum Hinwalltet ihr ſacht

Durch's ambroſiſche Dunkel der attiſchen Nacht.

ädchenlied. Neugriechiſch.)

Der Blumen wollt' ich warten, Vergeſſend was mein Herz erfuhr, Doch jede Blum' im Garten Spricht mir von Liebe nur.

Die Roſe will vergluten,

Die Lilie ward vor Sehnſucht bleich, Und die Granaten bluten Zerſpalt'nen Herzen gleich.

Es weint aus hundert Sproſſen Die Rebe, die zum Stock ſich zweigt,

Und Thränen, reich ergoſſen,

Geſtehn was ſie verſchweigt.

13

Und was ich nie zu jagen, Mas ich gewagt zu denken kaum, Das ruft in ſel'gen Klagen Die Nachtigall vom Baum.

Sie ruft jo ſüß verſtändlich, Daß du, auch du es faſſen mußt;

D fomm und laß mich endlich

Ausruhn an deiner Bruit!

Neugriechiſcher Aythus.

Hoch auf Suniums Felſenklippe An zerborſtner Tempelwand Zwiſchen Schutt und Dorngeſtrippe Lehnt' ich, als der Abend ſchwand.

Um die Säulenknäufe flogen

Mövenſchwärme kreiſchend her, Und im endlos weiten Bogen Mir zu Füßen lag das Meer.

Und indeß im Spätrothſcheine Fern den Blick ich ſchweifen ließ, Plauderte die braune Kleine,

Die vom Thal den Pfad mir wies.

Vieles wußte ſie zu melden Von der großen Perſerſchlacht, Von Themiſtokles, dem Helden, Welcher Hellas frei gemacht;

Wie er klug den Sieg erworben, Durch geweihten Spruch belehrt, Wie er drauf verbannt geſtorben, Und im Tod erſt heimgekehrt.

124

Dort an jener Feljenede,

Sprad fie, glänzt an ftillem Tag Durch die grüne Wafjerdede

Ein verfunfner Sarfophag.

Drinnen lag der Held begraben, Doh da3 Meer hat ihn erwühlt Und die großen Wogen haben Sein Gebein hinweggefpült.

Aber einft, hab’ ich vernommen, Mird der Retter Griechenlands Aus der Tiefe wiederfommen Und uns führen gen Byzanz;

Mird uns dort das Neich bejtät’gen Und erhöh’n das Kreuzpanier! Alfo ſprach das Hirtenmädchen, Und die Augen glänzten ihr.

Fern vergingen Luft und Welle In azurner Finfterniß,

Und des Vollmonds erſte Helle Dämmert’ über Salamis.

Fin Brief.

Das waren golobejhwingte Tage,

Die ih im fonnigen Waldrevier,

Der Welt entrüdt und ihrer Plage, Noch einmal jung, verſchwärmt mit dir.

Nun kehrt in feine Stillen Gleife Zurüd mein 2eben allgemad,

Doch Klingt in tieffter Bruſt mir leiſe Das Eho meines Glüdes nad.

RE ———

5

Zwar bannt die Pflicht mich jtreng in Schranfen, Und manchmal nur im Tageslauf

Taucht überm Strome der Gedanken

Mir wie ein Stern dein Bildniß auf.

Doch wenn getreu beim Abenpneigen

Das Werf, das mic erfüllt, vollbracht, Dann fteuert, wieder ganz dein eigen, Die Seele dur das Meer der Nat.

Dann red’ ich wach zu dir und malle Vereint mit dir des Traumes Bahn, Die trauten Stätten grüß’ ich alle, Die unjrer Liebe Werden fahn ;

Den Buchengang, den uns der Morgen In berbitlih golonen Duft getaucht, AS du von meiner Stirn die Sorgen Mit liebem Wort hinweggehaudt;

Das Hüttlein in des Parkes Schatten Don Roſ' und wilden Wein umkränzt, Auf deſſen Schwelle du dem Matten Den friſchen Trunk fo oft kredenzt;

Das graue Jagdſchloß über'm Weiher, Wo mir entzüdt ins Laubgewog Hinabgelaufcht, indeß der Reiher Durch's Spätroth feine Kreife 309.

Und wieder hör’ ich froh erjchroden Den Laut, der meine Seele bannt, Mich jtreift das Wehen deiner Loden, Den Drud empfind’ ich deiner Hand.

126

Ab, Alles, Alles fommt aufs neue, Mas mich jo reih und froh gemadt; Das Sanfte Mondlicht deiner Treue Schwebt über mir die ganze Nacht.

Und Morgens dann in goloner Frühe, Wenn faum der legte Stern erblich, Geſtärkt zu jeder Lebensmühe

Erwacht mein Herz, und jegnet dich.

Frühling. (Nach dem Franzöfiichen.)

Der Lenz ift da; der laue Weſthauch fpielt, Die Fenfter, die der Froſt verſchloſſen hielt, Deffnen ji rings mit frohem Lärmen;

63 bricht ein Strom herein von Duft und Licht Und lodt unwiderſtehlich. Hörſt du nicht

Die Kinder auf den Gaſſen ſchwärmen?

Der Lenz iſt da; er ruft auch mich zum Felt; Am Nahbarhaufe die Kaftanie läßt Die Blütenfeverbüfche wallen;

Zum Thor gleich bunt entpuppten altern zieht Ein Schwarm von Mädchen, der am erften Lied Sich freuen will der Nachtigallen.

Froh jinnend folg’ ich nad, die Brüd’ entlang;

Dom Fluſſe ſchallt Gelächter und Geſang;

Die Gärten thun fih auf im Kranze:

Wie labt ven Blid des Nafens grüner Sammt,

Gejtidt mit Perlen Thau’s! Wie wogt und flammt Das Tulpenbeet im Sonnenglanze!

N. >

Nun winkt das Dorf. Im Thurme läutet’s, horch! Bom hohen Strohdach überſchaut der Stord)

Ernſt Eappernd jeines Weichbilds Grenzen; Dazwiſchen ſchallt's vom Krug wie Geigenſtrich, Und unterm blüh’nden Birnbaum tummelt fich Das Volk in ländlih ſchlichten Tänzen.

Ich aber wandle ftill, bis tief im Wald

Des Neigens Jubel hinter mir verhallt;

Da pocht mein Herz in raſchern Schlägen,

Denn aus den Büfchen tritt, ven Blid voll Glanz, Im goldnen Haar ven jungen Veilchenfranz,

Die Mufe lächelnd mir entgegen.

Hochſommer.

Von des Sonnengotts Geſchoſſen Liegen Wald und Flur verſengt, Drüber, wie aus Stahl gegoſſen, Wolkenloſe Bläue hängt.

In der glutgeborſtnen Erde Stirbt das Saatkorn, durſtig ächzt Am verſiegten Bach die Heerde, Und der Hirſch im Forſte lechzt.

Kein Geſang mehr in den Zweigen! Keine Lilie mehr am Rain!

O wann wirſt du niederſteigen, Donnerer, wir harren dein.

Komm o komm in Wetterſchlägen! Deine Braut vergeht vor Weh Komm herab im goldnen Regen Zur verſchmachtenden Danae!

18

Stoßfeufzer.

Stand ih einft ein Baum im Walde, Schlanker Stamm mit breitem Wipfel, Hört am Tag die Vögel fingen, Hörte Nachts den Sturm erbraufen, Hielt mit Sonne, Mond und Sternen Zwieſprach, wann es mir behagte, Und im Lenz in meinen Schatten Saß mit feinem Lieb der Jäger.

Heut entlaubt, ein fahler Pfeiler, Steh’ ich in des Königs Vorfaal, Schranzentritte hör’ ich fchleichen, Höflingsworte hör’ ich flüftern, Und geſchminkte Weiber knixen Um mic ber und lächeln Lüge O mie jehn’ ih Tag’ und Nächte Mich zurüd zum grünen Walde!

Aequinockium. 1867.

Allgewaltig aus Nordoſten Brauſ't der Märzwind über Land, Und es bebt in ihren Pfoſten Meines Hauſes Giebelwand.

Durch die Schlöte mit Gewimmer Fegt der losgelaſſ'ne Hauch,

Trüb verzuckt des Herdes Schimmer Und die Halle füllt der Rauch.

129

Siegel prafjeln, Thüren Ichlagen, Dürres Aftwerk Fracht und bricht, Dod in all das Unbehagen Lächelt meine Muf’ und fpricht:

Nur getroft! Sich zu erneuen Ringt die Welt im Jugenddrang; Darfſt die kurze Noth nicht ſcheuen, Rauh iſt jeder Uebergang.

Auf den Braus des wüſten Tages Folgt der Lenz im Goldgewand; Merk' es dir, Poet, und ſag' es Deinem deutſchen Vaterland!

Die Schöne ſpricht:

Ich ward zur Kerz' im Saale Beitimmt dur Schickſalsſchluß Und wenn ich leucht' und ſtrahle, So thu' ich was ich muß.

Wer wagt's und zeiht der Tücke Mein reines Element,

Weil ſich die trunkne Mücke

Die Flügel dran verbrennt?

Wann hieß ich keck dich ſchweifen Um dieſe Flammen? Sprich! Drum, wenn ſie dich ergreifen, So ſchilt dich ſelbſt, nicht mich. Wer ſich des holden Scheines Nicht wunſchlos freun mag, ei, Sein Schickſal trag' er meines Iſt, ſchön zu ſein und frei.

Geibel, Gef, Werte. IV. 9

130.

Transeat!

Haft do fonjt in deinen Tagen Manchen derben Stoß. ertragen, Manches Ah und manden Krad, Ohne daß das Herz dir brad;

Und nun mwolltft vu Grillen fangen, Weil ein Traum in Schaum zergangen? Greif zum Beer und vergiß! Transeat cum ceteris!

Zwei Mädchenlieder. 10 Spaniſch.

Geſtern noch ſchwur er, Nur mich zu lieben, Heut' mit der Blonden Tändelt er drüben. Spät noch im Düſtern Kamen ſie flüſtern, Mutter, und trieben Zärtlichen Scherz.

Mutter, im Mondlicht Hab' ich's geſehen, Jegliches Wörtlein Konnt' ich verſtehen: Daß er mich laſſe, Daß er mich haſſe, Weh mir, vergehen Werd' ich vor Schmerz.

231

Fluch’ ihm, o Mutter, Fluch' ihm Ververben, Daß er nicht leben Könne, noch jterben! Fieberverſchmachtet, Wahnſinnumnachtet Stückweiſ' in Scherben Brech' ihm das Herz!

II. Wordifch,

Die Luft ift grau und grau das Meer,

Der Wind fegt pfeifen prüber her,

Die Möve Ereifcht, die Brandung wallt,

Wie ward mein Herz jo jterbensalt! Traurig rinnen die Tage.

Wohl hab’ ich andre Zeit gekannt,

Wir fuhren im Nahen, Hand in Hand,

Das Meer war blau, die Sonne jdien,

Ich ſah und wußte nichts, als ihn; Selig waren die Tage.

Nun liegt der Kahn und fault am Strand,

Gr aber ging ins fremde Land,

Gr ging, ein hohes Weib zu frei'n,

Gott geb’ ihm Glüd! Das Leid ift mein. Traurig rinnen die Tage.

Verſuchung.

Trau' dir ſelber nicht allzuviel

Und wend' auf deinem Gange,

Wende das Haupt auch nicht zum Spiel Nah der Sünde, der Schlange!

Ihr Auge dunkel wie die Nacht Verſteht jo reizend zu bliden;

Du weißt es, daß fie dich elend macht, Und läſſeſt dich doch beftriden.

Im Harz.

Ich Komm vom Ilſengrunde Durch Waldgeklüft und Moor In früher Morgenftunde Den Brodenpfad empor.

In Bufh und Wipfeln ſauſte Der Wind mit friihem Schall, Dazwiſchen wogt' und braujte Von fern der Waſſerfall.

Und jteiler ward’3 und jteiler, Jetzt ſchloß der Forſt ſich auf, Und ſtärker quoll vom Meiler Der Brandgeruch herauf.

Und jetzt vom Dunſt umwoben, Erblickt' ich uberm Tann

Auf ſchroffer Wand ihn droben, Vom Berg den wilden Mann.

13

Im Eichenkfranz, die Lenden Umſpannt vom Blätterfchurz, Stand er, die Keul’ in Händen, Hoch überm Waſſerſturz.

Und wie der Schaum die Klippen Hinabſchoß ohne Ruh,

Sang er mit bärt'gen Lippen Ein mächtig Lied dazu: |

„Zwei Dinge lernt’ ich preifen Bon Alters her zumeift:

Im Berge wählt das Eifen,

Im Walde raufeht der Geilt.

Die Beiden halt’ in Ehren,

Sp wird im Zeitenlauf

Kein Feind dich je verjehren; Glüdauf, mein Volk, Glüdauf!”

Gr ſang's und jteigend mallte Der Nebel um ihn ber,

Und als das Lied verhallte,

Gewahrt' ich ihn nicht mehr.

Schwanek.

Ferne blaut die Alpenkette,

Die im Sonnendufte ruht; Drunten tief auf kieſ'gem Bette Zwiſchen Wäldern brauft die Flut.

Und hinaus zu jenen Gipfeln

Und zum wilden Fluß ins Thal Blidt vie Burg aus rothen Wipfeln Im gedämpften Morgenjtrahl.

134

Dankbar preife feine Sterne, Mer dort oben Tag für Tag Holdverſchwiſtert Näh' und Ferne Sinnend überjhauen mag,

Mo die heitre Ruh der Gletſcher Sein Gemüth ind Ew'ge neigt, Mo des Stromes Schaumgepläticher Shm ein Bild des Lebens zeigt.

Dort, wenn einft verjtummt mein Pjalter, Dom Gemühl des Tages weit

Möcht’ ich ſonnen mid im Alter

In verſchwiegner Einſamkeit,

Und vom Glück, das ich beſeſſen, Noch gelabt im Widerſchein Ohne Harm die Welt vergeſſen Und von ihr vergeſſen ſein.

Heimgekehrk.

Leif’ am Samstagabend Hallt die Vesper aus;

Vor das Thor im Zmwielicht Lockt's auch mich hinaus.

Um die legten Giebel Mebt noch rother Duft, Taubenſchwärme rauchen Dur die golone Luft.

Grüß euch Gott, ihr Wipfel! MWurdet ihr jo hoch?

Ah auch bin verwandelt, Doh ihr fennt mih nod.

15

Hier mit den Gefpielen

Schlug ic froh den Ball,

Dort als Jüngling taucht' ih In des Fluſſes Schwall.

Unter jener Eiche,

Mo der Brunnen rinnt, Harrt' ich oft, wie jelig! Auf das fchönfte Kind.

Ab, und dort im Garten, Jauchzend nah dem Harm Eriter Trennung, ſank ich In der Mutter Arm.

Nein, bier bin ich fremd nicht, Bin nit einfam mehr.

AU ihr theuren Schatten Wandelt um mid her.

Weit in Wonn’ und MWehmuth Geht das Herz mir auf Sieh und überm Walde Olänzt der Mond herauf.

Die Hangerin.

Bor Andern kalt zu jeheinen Hab’ ich mich längft gewöhnt, Doch halt’ ich faum das Weinen, Wenn diefe Stimme tönt.

Die golonen Weijen triefen Ins Herz wie Bollmondfchein Und ziehn in alle Tiefen Der Wehmuth mich hinein.

16

Das find aefungene Thränen; Es klagt und flutet drin

Das ganze Leiden und Sehnen Der Franken Sängerin.

Schon brennt auf ihrem blafjen Geficht ein liegend Roth;

Sie kann das Singen nicht lafjen Und weiß es ijt ihr Tod.

Komanze vom Werwolf.

1,

Nah dem Walde zog der Ritter, Früh wor Tage z0g er aus, Sich ein Wildpret zu erjagen, Trüg’ es Klauen oder Flaum. Da erkannt’ er auf der Haide Giner Wölfin Spur im Thau, Und die friijhe Spur verfolgend Durch Gebüſch und Farrenkraut Fand er eine jhöne Jungfrau Schlafend unterm Eichenbaum. Bon des Frühroths eriten Strahlen Lag fie roſig angehaudt,

Nur in ihres Golohaars Schleier Gingehüllt und grünes Laub. Da fie reizend ihn bevünfte, Weckt' er fie mit Küffen auf, Dedte fie mit feinem Mantel, Hub fie auf fein Roß hinauf, Und in feinen Armen führt’ er Als Gemal fie in fein Haus.

u

137 0

Sieben Monden dort in Freuden MWohnten fie als Mann und Frau, Und es war umber im Lande Kein beglüdter Baar zu ſchau'n. Nächtens theilte fie fein Lager, Tags verfah fie Hof und Haus, Spann den Flahs und wob das Linnen, Sang dazu und ſchwatzte traut. Nur, befragt um ihre Herkunft, Schüttelte ſie ſtets das Haupt Und beſchwor er ſie zu reden, Brach ſie laut in Weinen aus.

2.

Als die Zwölfnacht nun herankam Und der Reif im Forſte lag,

Bat ſie ihn die Jagd zu meiden, Bis erfüllt das alte Jahr,

Und, wiewohl es ſchwer ihn dünkte, Sagt' er zu was ſie verlangt. Aber einſt, da gegen Abend

Sie verfallen war in Schlaf,

Zog er, ſeine Luſt zu büßen, Dennoch heimlich aus zur Jagd. Lange ſchweift' er durch die Haide Ohne daß ein Wild er traf,

Bis er eine Wölfin endlich Laufen ſah am Waldeshang.

Die bedünkt' ihn gute Beute, Schleunig nahm er ſeinen Stand, Und den ſchärfſten ſeiner Pfeile Schoß er, ſie zu tödten, ab.

Doch mit Winſeln in die Büſche Sprang das Unthier und entrann,

13

Und umſonſt, es aufzufinden, Spürt' er dur den ganzen Wald. Aber als er drauf nah Haufe Kam in fpäter Mitternacht,

Fand er dort in Blute ſchwimmend Auf dem Lager jein Gemal,

Mie fie wimmernd aus der Seite Einen ſcharfen Pfeil fih wand. Schmerzlih ſchrie fie auf zum Himmel, Als fie den Geliebten jah,

Schaute dann, die Lippen regend, Kummervollen Blid3 ihn an,

Doch bevor fie reden fonnte,

Mar ihr Herz im Tod erjtarrt. Bei der Leiche ftand der Ritter Von Entjegen übermannt,

Denn den eignen Pfeil erkannt’ er, Der die Bruft der Gattin traf, Und zerriffen unter'm Bette

Lag ein blutig Wolfsgewand.

Komanze vom Elfenbrunnen.

„Wiſſ' es Blanka, meine Tochter,

Weil du ſünd'ger Liebe Sproß,

Hab' ich früh ſchon in der Wiege

Dich dem Heiland anverlobt.

Morgen reiten wir ſelbander

Nach Sankt Annas Kloſterhof,

Daß du dort ein Nönnlein werdeſt, Dir zum Heil und mir zum Troſt.“

Mag kein Nönnlein werden, Vater, Denn mein Herz iſt jung und froh;

139

Tanz und Jagd gefällt mir beſſer, ALS zu fingen auf dem Chor; Schad' auch wär's um meine Loden, Sie zu kürzen ſchonungslos,

Schad’ um meine weißen Füße,

Die nur ſeidne Schuh gewohnt.

„Nach dich fertig, meine Tochter, Beier weiß ih was dir frommt. Morgen ziehn wir früh vor Tage Nah Sankt Annas Klojterhof.” ALS die Jungfrau das vernommen, Zäumte jie ihr milchweiß Roß, Zäumt’ es unter bittern Thränen, Ritt hinab zum milden Forft. Ganz in ihren Gram verjunfen Sah jie nicht, wohin fie 309,

Kam zur tiefften Walvestiefe,

ALS das Spätroth ſchon verglomm, Kam zulegt zur alten Line,

Mo der Elfenbrunnen quoll. Aufgewedt vom Waſſerrauſchen Ihren Blid erhub fie dort,

Sieb, da ritt ein ſchöner Anabe Neben ihr auf ſchwarzem Roß, Trug im Haare Linvenblüte,

Trug am Gurt ein filbern Horn, Und begann jo jüß zu blafen,

Daß ihr Gram davor zerſchmolz Und ihr Herz von heißer Sehnjucht Nah dem jhönen Fremdling ſchwoll. ALS fie envlih, ganz bezaubert, Sid zu ihm hinüberbog,

Hielt mit Dlafen ein der Knabe, Hub im Sattel fih empor,

10

Und umfing fie, wie fie ritten, Mit den Armen liebevoll. Langſam, in den Blumen weidend, Schritten ihre Zelter fort, Schritten ſacht hinein ins Dunkel, Mo fih jeder Pfad verlor.

In den Lüften ging ein Singen, Dur die Wipfel fchien ver Mond.

Andern Morgens leer am Schloßthor Stand der Jungfrau milchweiß Roß, Do Sie felber blieb verjchollen Für und für im wilden Forit.

»arabel.

Die Frucht, die hoch im Wipfel hing, Daß fie des Gärtner Blid entging, Verkehrte lautrer nur in Saft

Die eingefogne Sonnentraft.

Und ward, wie fie zu oberſt ſchwoll, Zmwiefältig edler Süße voll,

Ein Goloball, von des Herbjtes Luft Roh überhaucht mit Purpurduft. Zulegt im leifen Windesmwallen

Macht fie die eig’ne Schwere fallen. Der Gärtner hebt fie auf und fpricht: Die hatt’ ih auch und wußt' es nicht, Und legt fie obenauf beim Feſte

Als Zier des Mahls für edle Gälte,

nr N

141

Pfarrhausidyl.

Der Samjtagabend dämmert. Draußen floct Der Schnee herab. Im Zimmer dunkelt's tief Und nur des Dfens Fladerfchein umjpielt Den großen Schreibtiih und den Bücherſchatz, Der Band an Band fih an den Wänden reiht. In jeinem Armftuhl ruht, zurüdgelehnt,

Der junge Prädikant und überfinnt

Den Tert noch einmal, den er andern Tags Grläutern fol. Die Predigt hat er ſchon Vollendet in der Früh, und eben jegt

Schmwebt ihm der Hebergang zum Amen vor, Der Segensſpruch, mit dem er fchließen will, Wie wohl ein Gärtner den gelung’nen Strauß Zulegt noch frönt mit einer Lilie.

Bewegt in tiefiter Seele findet er

Das rechte Wort und hoch und höher trägt Ihn des Gedanken's Nolerflug hinan:

Da tritt jein junges Weib herein mit Licht, Doch mie fie des geliebten Mannes Stirn Dom Strahl des Geijtes überleuchtet fieht, Erſcheint er plöglih ſchöner ihr, wie fonft, Voll fremder Hoheit, faſt wie ein Prophet, Und zaudernd bleibt fie auf der Schwelle jtehn.

Räkhſel.

Durch Höll' und durch Himmel erklingt's wie ein Hauch, Und im leiſeſten Herzſchlag vernimmſt du es auch;

Es ſchwebt bei den Horen zuvörderſt im Rhein,

Und was hoch iſt und herrlich, das ſchließet es ein.

12

Ob ſtumm auch erjcheint’3 dir in jeglicher That,

Und die Heerſchlacht beginnt's, und bejchließet im Rath; Aus der Lohe, der wehenden, winkt es dir zu

Und es ſchärft fih im Licht und erftirbt in der Ruh.

Dem Gedanken verjagt fih’s, nicht faßt's ver Verſtand, Doch in Blindheit ergreif's und du haſt's in der Hand. Sanft ſchwellt's dein Gefühl und vollendet dein Sch Und zu Erz wird das Herz, dem es treulos entwich.

Deuffhes Hufgebot.

Aus einer Gantate,

F

Der Kaifer jaß mit Schwert und Bud Im Stuhl aus Erz gediegen,

Er wog das Recht und fand den Sprud, Und Groll und Hader jchmwiegen.

Da ſcholl's am Thor wie Roſſeshuf,

Da hub ih lauter Jammerruf

Im Gang und auf ven Stiegen:

2.

„Es brach der Erzvermülter, Der Heide brad ins Land,

Von feinen Pfaden düſter

Zum Himmel raudt der Branv. Durh Hüttenihutt und Saaten Stürmt heulend jeine Wuth, Und feine Roſſe waten

Bis an den Zaum im Blut.

13

Dem Gräuel wie ein Rabe Fliegt das Gerücht voraus, Da greift entjegt zum Stabe Das Volt und wandert aus. Sie jehmweifen ohne Stätte Dem jcheuen Wilde gleich, O Raifer hilf und rette Vom Untergang das Reich!“

3.

Und die Gtirne des Kaiſers ward finiter wie Nacht

Und binter ſich jtieß er den Seſſel mit Macht, Hinwarf er den Mantel, den rotheı,

Und er jhlug an den Schild lautvröhnenden Schalls

Und es jtoben, vie Zügel verhängt, aus der Pfalz Nach allen vier Winden die Boten.

Und die Gauen hindurch, wo die Donau ſchwillt, Wo die Elbe ſich wälzt durch das Waizengefild, Wo den jtrudelnden Rhein fie befahren, Aufflammten die Feuer von Berg und von Thurm, Und die Gloden erflangen und läuteten Sturm, Und zum Heerbann ftrömten die Schaaren.

4.

Horh, von den Dünen, Horch, aus dem Tann Mogen die fühnen Sadjen heran:

Riefige Streiter Röthlichen Barts, Frieſiſche Reiter,

Jäger vom Harz.

14

Bligend im blanfen Panzergeſchmeid Folgen die Franken Freudig zum Streit; Helmbüſche winken, Fahnen im Flug; Pauken und Zinken Führen den Zug.

Siehſt du den Leuen Dort im Panier? Hörſt du es dräuen: Bayern allhier! Trutzig und bieder Schreiten ſie hin, Eiſern die Glieder, Eiſern der Sinn.

Horch und im tauſend— Stimmigen Chor Jubelt es brauſend: Schwaben empor! Adliche Degen, Städtiſche Macht, Singend entgegen Zieh'n ſie der Schlacht.

5.

Ins Lager nun zum Kampf geſchmückt Sind die Geſchwader eingerückt,

Und vor dem Zelt des Kaiſers weht Das Banner, drin der Engel ſteht.

Doch drüben, wo das breite Feld Des Halbmonds Sichel trüb erhellt,

15

Liegt, zahllos wie der Sand am Meer, Ein Drachenknäul, das Ungarbheer.

Da mwühlt und wimmelt Hauf an Hauf, Vieltaufend Feuer fladern auf, Unbeimlih durch den rothen Dampf Dröhnt Erzgeklirr und Hufgeltampf.

Roßſchweife flattern wild und fremd,

Der Stierhelm gleibt, das Schuppenhemd, In Schädelbechern Freift der Wein,

Und gelle Lieder jchallen drein:

6. Geſang der Ungarn,

Bei Wetters Gluten

Sind wir gezeugt;

Die Milh der Stuten

Hat uns gejäugt;

Wie Blig drum züden

Mir dur die Welt,

Und Rofjes Rüden

Iſt unfer Zelt. Hohuſſa, das rauchende Land zu ducchjtürmen, Das Mahl für die Geyer und Wölfe zu thürmen, Das iſt's was den Söhnen der Steppe gefällt!

Glüdflammend it heute Das Opfer vollbradt; Unendliche Beute Verheißt uns die Schlacht! Mit Rob denn und Wagen Koh einmal ins Feld! Zum tödtlihen Jagen | Die Köcher bejtellt. Geibet, Ge. Werke, IV. 10

146

Hohuſſa, die Schwerter, die krummen, gejchliffen ! Mir paden die Krone mit blutigen Griffen Und morgen gehört ung die zitternde Melt.

)%

Chor der Priefter.

Der du einft mit Donnerkrahen Dih zum Abgrund niederſchwangſt, Und die Wuth des Höllendrachen Mit dem Flammenjchwert bezwangit, Komm vor unfrem Heer zu fchreiten, Deutiher Waffen Kampfgeſell!

Fürft des Lichtes, hilf uns jtreiten, Hilf uns fiegen, Michael!

8. Geſang des deutſchen Heeres.

Sp jhmwören wir, getreuen Muths In Kampf und Todeswehen Bis auf den legten Tropfen Bluts Für Einen Mann zu ftehen ; Aus Weſt und Oft, aus Süd und Nord, Deutſchland heißt das Looſungswort, Hie deutjches Reich für immer!

Mir fragen nihts nah Ruhm und Glanz, Die find gar bald verborben ; Uns hat die Noth des Vaterlands, Die harte Noth geworben.

Für Weib und Kind, für Haus und Herd Züdten wir das ſcharfe Schwert,

Zu fiegen over zu jterben.

1417

Komm an denn, Feind, wenn deutſches Mark Zu ſpüren dich gelüftet ! Hie fteht ein Volk in Eintracht ſtark, In Gottes Kraft gerüftet. Schmettre Kriegspofaunenklang ! Braufe, braufe Schlachtgeſang. Hie deutſches Reich für immer!

Steder aus einem Gingjpiele :

Der Rattenfänger von Badarad).

8

Lied des Rattenfüngers,

Ich kenn' eine Weiſe, Und ſtimm' ich mein Rohr, Da ſpitzen die Mäuſe, Die Ratten das Ohr; Sie fommen gejprungen, Als ging’ es zum Felt, Die alten, die jungen Aus jeglihem Weit; Aus Nigen und Pfützen, aus Keller und Dad Da hüpft es und jchlüpft es und wimmelt mir nad.

Und greif ih mit Schalle Den Triller dazu,

So ſchaaren ſich alle Gehorſam im Nu.

145

Sie lüpfen, vom Zauber

Der Töne gepadt,

Die Schwängzelein jauber,

Und jpringen im Takt. Sie fpringen und ſchwingen fich hinter mir drein, Und munter hinunter zum jtrudelnden Rhein.

Und blaj’ ih dann tiefer

Die Zuge zum Schluß,

Da rennt das Geziefer

Mie toll in ven Fluß;

Da rettet fein Schnaufen,

Kein Zappeln fte mehr,

Sie müſſen erjaufen

Wie Pharaos Heer; Die Welle verſchlingt ſie mit Saus und mit Braus, Dann ſchwing' ich den Hut und das Elend iſt aus.

2. Hedwigs Lied.

Mein Falk hat jich verflogen, Berflogen über Feld; Mein Schaß iſt fortgezogen In die weite, weite Welt. Nun geht das dritte Jahr dahin, Daß ih in Sorgen harr’ auf ihn, Und frohthun muß mit Schmerzen Im Herzen.

Ah, Liebjter, weh thut Scheiden Ins fremde Land hinaus,

Doch bittrer ift das Meiden Daheim im öden Haus,

19

Bon früh bis fpät den ganzen Tag Den? ich, wie dir's ergehen mag, Und fie Nachts alleine Und meine.

Der Frühling fommt gegangen, Kaum feh’ ich's, wie er blüht; In Bangen und Verlangen Berzehrt ſich mein Gemüth. D fomm und bringe Trojt und Glüd Und bring mir meine Ruh zurüd! Der Frühling kommt zum Walde Komm balve!

3 Lockruf.

Ihr Jungfrau'n, ihr ſüßen, Nun ſchürzet euch ſacht, Den Frühling zu grüßen In wonniger Nacht.

Hört ihr ihn ziehn in den Lüften? Melodiſch leiſ' Den Zauberkreis

Webt er aus Tönen und Düften.

Schlummerlos rinnt

Des Brunnens Geſchwätz,

Der Vollmond ſpinnt

Sein ſilbernes Netz, Die Nachtigall ſingt in den Zweigen.

Ihr Lockruf ſchallt:

„In den Wald! In den Wald! In den blühenden Wald zum Reigen!“

19

In Sehnjuchtsträumen, Am dumpfen Haus Mas wollt ihr jäumen? Hinaus! Hinaus

In des Mai's hochzeitliche Feier ! Mo vie Blumen fi ſacht Aufthun in der Nacht,

Lüftet die Liebe den Schleier.

4. Schlußchor.

Nun bringt mit Schall das volle Faß Hervor aus Kellerstiefen, Und laßt ins grüne Römerglas Sein flüſſig Feuer triefen! Wir haben Tag' und Monde lang In dürrer Pein gelegen; Willkommen denn im Ueberſchwang, Willkommen goldner Segen! Wein! Wein! Wein!

Du Tröſter ohne Gleichen,

Du thuſt dich kund an Herz und Mund

Mit Wundern und mit Zeichen.

Die Fledermaus, die unſern Sinn Geſchreckt mit böſen Träumen,

Die ſchwarze Sorge fährt dahin,

Sobald die Becher ſchäumen.

Der Baum des Lebens blüht und laubt Bon friſchem Saft durchdrungen,

Und wer noch jüngjt fih ſtumm geglaubt, Der jaudzt in hellen Zungen.

151

Mein! Wein! Wein! Du Tröjter ohne Gleichen, Du thuft dich fund an Herz und Mund Mit Wundern und mit Zeichen.

Wir führten heut mit Jubellaut Ein treues Paar zujammen; Wie Maienrojen glüht die Braut, Des Jünglings Blick wie Flammen. Doch jelbjt Frau Minne tritt zurüd Bor deinem Freudenſchwalle; Für Zwei nur ijt der Liebe Glüd, Das Trinken ift für Alle, Mein! Wein! Wein!

Du Tröſter ohne Gleichen,

Du thuſt dih fund an Herz und Mund

Mit Wundern und mit Zeichen!

Selena.

Lieder aus einer Novelle.

1%

Bei der Winterlampe Schimmer

Wie ein Siedler eingejchlofjen

Ueberm Bücherſtaub verdrofjen

Brütet’ ich im öden Zimmer.

Nichts mehr hofft’ ich von der Stunden Freudlos abgemejj’nem Flug;

Ad, es war mir längjt entjchwunden, Daß die Welt einit Roſen trug.

Horch, da rauſcht' es auf den Stufen - Wie von leichten Götterfchritten,

Ye

Horb, da pocht' es an mit Sitten Und ich hab’ Herein! gerufen.

Aber jählings, glanzerichroden, Sprachlos taumelt’ ich zurüd;

Denn, den Kranz in reichen Loden, Stand in meiner Thür das Glüd.

2.

Süngling mit dem golonen Bogen, Schöner Gott der Poeſie,

Dftmals warjt du mir gewogen, Doch ſo dankt’ ich's dir noch nie.

Denn in nie gehofften Flammen Führteſt du aus öder Nacht,

Hoher mich mit ihr zuſammen, Die mich jung und ſelig macht.

Hat ein Mitleid ohne Gleichen Dein olympiſch Herz bewegt,

Daß du plötzlich dieſen reichen Schatz in meinen Arm gelegt?

Oder haſt du nur in Eile,

Eh die Senne dir entrauſcht, Deinen Pfeil mit Eros Pfeile, Ach, zu meinem Glück vertauſcht?

Nun haſt du, Flüchtling, uns verlaſſen Und Licht und Luſt floh mit dahin:

Verwaiſt im Nebel ruhn die Gaſſen Und kaum begreif' ich wo ich bin.

13

Beveutungslos erihhallt der Menge Geſchäft'ger Lärm zu mir empor; Was weiß ich von des Tags Gedränge? Sch weiß nur, daß ich dich verlor.

Und flücht ich Abends zu den Brettern, Die mir dein Zauber jüngit bejeelt,

Ad, Eanglos jtehn fie, von den Göttern Perlafjen, da die Prieſt'rin fehlt.

Da rettet fih der Schmerz nad innen, Und wie die müde MWimper fiel, Beginnt vor halb entjchlafnen Sinnen Erinnerung ihr phantaſtiſch Spiel.

AN die Gejtalten jeh’ ich wieder,

Drin du dich wechjelnd offenbart,

Den Blid, den Gang, den Schwung der Glieder, Den füßen Leib, der Sprade ward.

Bethörend dringt zu meinen Ohren Die Stimme wieder, deren Klang, Aus wildbewegter Brujt geboren, Die ganze Seele mir bezwang.

Sp ſchleicht in fchattenhaftem Sehnen

Die Naht mir, die fein Schlummer kürzt, Bis endlih wild ein Strom von Thränen Grleichternd aus den Augen jtürzt.

O hätt’ ich niemals koſten dürfen

Vom Kelch, der mir mein Selbit entrafft ! Nur Poeſie dacht’ ich zu jchlürfen,

Und trank Das Gift der Leidenschaft.

Wenn der Schönheit goldner Pfeil Mitten dich ins Herz getroffen, Konnteſt du ein größer Heil, Frohverjüngter, jemals hoffen ?

Mas verlangjt du nah Beſitz? Lern’ auf jo viel Glüd entbehren! War doch Seligkeit der Blitz, Deſſen Flammen dich verzehren.

I.

Gnolih hab’ ich’S überwunden, Was jo wild in mir geglüht, Und die golonen Frühlingsitunden Grüßt geläutert mein Gemüth.

Doch im freigewordnen Bufen Blieb dein Wejen mir geprägt Heiter, wie das Bild der Mufen, Das mid ſchöpferiſch bewegt.

AU mein Tag gehört dem Werke Wieder und die Nacht der Ruh, Doch es quoll mir junge Stärke Aus der Bruft Gemittern zu.

Und fo dank' ih dir und lerne Fromm den Götterichluß verjtehn, Der dich mir glei einem Sterne Aufgehn ließ, und untergehn.

Ah, und doch in manden Stunden Sehnt wie nad verlor'nem Glüd Sich dies Herz nach feinen Wunden, Nach ver füßen Qual zurüd.

15

Nach Pindar.

Viel zu können von Natur

St der Vorzug hoher Geifter; Seinen Maßjtab nimmt der Meifter Aus der eignen Fülle nur.

Doch der Krittler eitle Schaar Hat von je mit Nabenjtimme Angekrächzt in hohlem Grimme Wider Zeus erlauchten Aar.

Diftichen

aus dem Wintertagebude.

L

Ueber die Fluren dahin im Schneefturm wandelt der Winter, Mit eintönigem Weiß dedt er die Farben des Jahrs; Statt der Roſen im Garten erblühn Eisblumen am Fenfter,

Und am Herde den Bla räumt der Betrahtung das Lied.

Niet die Empfindung allein, auch was in ernfter Erfahrung Ihn das Leben gelehrt, ſpreche ver Lyriker aus,

Aber am Herzen gereift zum Herzen rede die Weisheit, Aber im Strom des Gefühls jei der Gedanke gelöst.

Mie aus Jupiters Stirn einft Pallas Athene, jo jprang aus Bismard3 Haupte das Reich mwaffengerüjtet hervor.

Thu es der Göttin gleich, Germania! Pflanze den Delbaum, Sei dem Gedanken ein Hort, bleibe gemwafjnet, wie fie!

1597

Ruhig, ſicher und feſt, wie das Himmelsgewölbe der Atlas,

Auf der Schulter von Erz trägſt du die Säulen des Reichs.

Möge der Tag fern ſein, der einſt von der Bürde dich abruft,

Denn kein Zweiter fürwahr lebt, der ſie trüge, wie du.

1.

Ins Unendliche ftrebt ji die Bildung der Zeit zu erweitern, Aber dem breiteren Strom droht die Verflachung bereits.

Fülle die Jugend mit würdigem Stoff und in frober Be— geiſtrung Lehre ſie glühn! Die Kritik kommt mit den Jahren von ſelbſt.

Immer behalte getreu vor Augen das Höchſte, doch heute Strebe nach dem, was heut du zu erreichen vermagſt.

Nicht wer Staatstheorien docirt, ein Politiker iſt nur Wer im gegebenen Fall richtig das Mögliche ſchafft.

Stets zu Schwärmen geſellt ſich das Volk der geſchwätzigen Staare, Einſam ſucht ſich der Aar über den Wolken die Bahn.

Beſter, du haſt ein Gewiſſen für das, was ſittlich und wahr iſt, Warum fehlt es dir, ach, nur für das Schöne ſo ganz?

18°

Nicht bloß wer im Gemüth abjtreifte ven Zügel der Sitte, Mer ſich des Häßlichen nicht ſchämt, er ift au ein Barbar.

Eile mit Weile! Den Kahn erſt lerne zu fteuern im Hafen, Ch zur Entvedungsfahrt mächtige Segel du jpannit.

Stolz und fchweigend enthüllt fein Werk uns der Meifter ; im eitlen Selbitlob birgt ein Gefühl heimlicher Schwäche ſich nur.

Tiefer erjcheint trübitrömende Flut, durchſichtige flacher, Aber das Senfblei lehrt oft, daß dich beides getäufcht.

Iſt denn die Blume nur da zum Zerglievern? Weh dem Geſchlechte, Das, anſtatt ſich zu freu'n, jegliche Freude zerdenkt!

Thorheit bleibt's, im Geſang um den Preis der Geſchichte zu ringen, Doch der poetiſche Stoff kann ein hiſtoriſcher ſein.

Freilich für ein Gedicht iſt Schönheit immer das Höchſte, Nur nicht jeglicher Zeit Höchſtes ein ſchönes Gedicht.

Ward dir Großes verſagt, ſo übe die Kunſt an beſcheid'nen Stoffen und ſtrebe mit Ernſt, Meiſter im Kleinen zu ſein.

In dem Eaftalifhen Born, dem begeifternven, jprudelt ein - Tropfen Lethe; jeglihen Schmerz dämpft er, jo lange du fingit.

III.

Ueber die zadigen Giebel der Stadt hängt brütender Nebel Düjter herab, es erjchließt faum noch die Wimpern der Tag. Drunten, gedämpft vom Schnee, wogt jacht das Getriebe der Galle; Nur undeutlich herauf dringt der verjchleierte Laut. Selbſt vie metallene Stimme des Thurms ruft heifer vie Stunden, Stodend, als ſchickte die Zeit jtille zu jtehen fich an. Trauriges Zwielicht rings! Auf Knab' und entzünde die Lampe! Kommt ihr Bücher, die Welt dunkelt, jo flücht' ich zu euch. Dich heut wähl’ ich vor allen, Horaz ; mit lächelnvder Weisheit Haft du des Trübfinns Bann oft mir gelöst, wie ein Freund. Größere kenn’ ich, als Dich; doch gerecht für jegliche Stimmung, Mie du ven Knaben erfreut, bliebjt du dem Alten getreu.

Wie dem parnaffifchen Fels zwei Häupter entragen, fo gipfeln Ueber dem Epos Homers Lyrif und Drama ih auf.

Ob dic Diele geihmäht, Euripides, neben den Beſten Sei mir im bakchiſchen Kranz, mächtig Erregter, gegrüßt.

Preif’ ich gewaltiger Aeſchyſus auch und Sophofles fchöner: Dein Zeitalter des Kampfs jpiegelte Keiner, wie du.

10

Nimmer gelinat's dir, Freund, uns Pindars Lied zu beleben, Mies in Olympias Hain einjt die Hellenen ergriff. Zwar wir erbau'n uns noch heut an dem Tiefjinn feiner

Gedanken, Spüren des Fittichs Schwung, der den Begeifterten trug, Ahnen die Rhythmengewalt der fih kühn aufthürmenden Worte, Aber der reine Genuß bleibt uns auf ewig verjagt. Mas ein lebendiger Schab ihm war und ein Bern der Empfindung, Ward zum dunklen Geweb froftiger Namen für uns; Pflückt' er doch jeinen Gefang vom blühenden Baume des Mythus, Und fein forjchender Fleiß weckt den erjtorbenen auf.

Milton däucht mir der Briten Poet; der gewaltige Shal: fpeare Iſt der germanifchen Welt eigen, fo meit fie fich dehnt.

Mollt ihr den Sänger Armins mir troftlos fehelten und bitter? Scheltet die bittere Zeit, welche das Lied ihn gelehrt. Gern als erquidender Thau auf Lilien wär’ es gefallen, Aber ins dürre Gezweig ſchlug es al3 Hagelgewölk.

Gern auch koſt' ich einmal von Byrons heißem Gemwürztranf, Aber den täglichen Krug reihe mir Vater Homer.

Nennt Epigonen uns immer! Ein Thor nur fhämt fi de3 Namens, Der an die Pflicht ihn mahnt, würdig der Väter zu fein.

IV.

Einfam trauert Apoll. Wann denkt noch feiner ein Süng- ling? Heute beherrfeht den Parnaß Plutus, der blendende Gott; Siehe mit Schaufel und Karjt, Ealifornifhe Minen zu wühlen, Nach dem entheiligten Berg ziehn ſie begehrlich hinaus.

Deutſche Muſe, du weinſt? „Einſt war ich die Tochter des Himmels Eueren Dichtern; ein Feſt bracht' ich, ſobald ich erſchien. Jetzt im Gewande der Magd, auf der Stirn unwürdige Tropfen, Muß ich um ſchnöden Gewinn fröhnen im Qualm der Fabrik.“

Aus dem Tempel der Kunſt wann geißelt ein anderer Leſſing Zürnend wieder den Schwarm feilſchender Krämer hinaus? Nicht um die Gunſt mehr frei'n fie der Muſe, ſie frei'n um die Mitgift, Und im gemeinen Erwerb ſtirbt das entweihte Talent.

Neue Theater zu bau'n, ſtets zeigt ihr euch willig und ſchmückt ſie Prächtig von außen und ſtellt eure Poeten davor; Aber im Inneren bleibt's, wie es war, und der prunkende Becher Wird mit ſchalem Getränk heute wie geſtern gefüllt. Geibel, Geſ. Werke. IV. 11

162 Corgt doch lieber für edleren Wein! Wir würden mit beſſer'm Dank ihn ſchlürfen, und wär's aus dem beſcheidenſten Krug.

Seit der Gewinnantheil euch zufiel, treibt ihr das Dichten tur als Geſchäft noch und bringt was dem Philiſter bebagt: Poſſen und ſchlüpfrige Späße, verjegt mit moralifcher Rührung, Oder auf Stegen dahin klappernde dürre Tendenz. Freilich, der Caſſe geveiht’s, und ihr ſchafft euch jenes Be: bagen, Aber ein Zorbeerblatt trägt das Gewerbe nicht ein.

Laßt vom barbarijhen Brauch und ruft zu der tragiſchen Muſe

Feſtlich geſchmückten Altar wieder die Schweſter herein!

Von dem Gewühle des Tags zu Melpomenes reinen Geſtalten

Kann euch die Brücke von Gold nur Polyhymnia bau'n.

Wie der Gewaltigſte ſelbſt im Kampf mit den Mächten des Schickſals Hinſinkt, wenn er, vom Pfad irrend, in Schuld ſich ver— ſtrickt, Zeigt die Tragödie dir und erſchüttert in Furcht dich und Mitleid, Weil der Verirrung auch du fähig dich fühlſt und der Schuld.

ei

198

Könige führ’ uns ver Tragifer vor und vergangene Zeiten, Doch der Komöde das Volf, wie e3 fich heute gebahrt.

Tief zu erfchüttern vermag uns ein bürgerlich Drama, doch bleibt ihm

Eines verfagt: das Gemüth wieder vom Drud zu befrei'n,

Meil uns vie Nähe des Stoffs zudringlich beflemmt und

im engen

Kreiſe dem Helden der Raum fehlt zu erhabenem Fall.

Wenn aus vergangener Zeit ein Geſchick uns der tragiſche Dichter Vorführt, form' er den Stoff frei, wie die Muſe gebeut. Lebt in ſich ſelber das Werk, ſo mag's der hiſtoriſche Krittler Immer bemängeln, der Kunſt hat es Genüge gethan.

Epiſch iſt fertige That, der Dramatiker zeigt den Ent— ſchluß uns, Wie er im Kampfe der Bruſt reift und zur Handlung erwächſt.

Zweifelt ſo lang ihr entwerft, doch mitten im Guſſe des Kunſtwerks Denkt an den Spruch der Kritik, denkt an das Publikum nicht!

Nicht bloß ſtrömende Fülle, den Genius zeigt die Geduld auch,

Die, wenn karger der Strom flutet, zu warten verſteht.

14

Wollt ihr Schäße gewinnen und Macht, fo thut euch zu: jammen, Aber das Schöne gelingt ewig dem Einzelnen nur.

Irre die Muthigen nicht. Oft glüdt Teichtblütiger Jugend, Mas bei gediegnerer Kraft zweifelnd das Alter nicht wagt.

® en

Bringt mir das Luftipiel nichts, als ein geiftlos Bild des gemeinen Lebens, was brauch’ ich darum erft ins Theater zu gehn?

Weichliche Nührung erſchlafft das Gemüth; die Erfchütte- rung jtählt eg, Aber die finfende Kunft badet in Thränen fich gern.

Züchtig und Ear ift die Kunſt; ihr fucht fie im Raufche der Sinne; Wenn euch der Schwindel ergreift, glaubt ihr begeiftert zu fein.

Weil dir die Nerven der Duft aufftachelt des fpanifchen Pfeffers, Trägt er deswegen den Sieg über die Roſe davon?

Ob dich ein Genius führt, nicht weiß ich's, aber ein Dämon Hat dich die Schwächen der Zeit meiſterlich nutzen gelehrt.

15

Wer den beflemmenden Dunfjt im Gewächshaus lange ge: jogen, Athmet erquidt tief auf, tritt er hinaus in den Mai; Alſo athmet' ih auf vom Drud muſikaliſcher Stidluft, ALS du, Figaro, jüngjt wieder vorüber mir zogit.

N Sei mir gegrüßt, o, Elingender Froft, du bringst uns die Sonne Wieder zurüd; tiefklar wölbt fich das ſchimmernde Blau; Siehe, da drängt fi die Jugend hinab zur fpiegelnden Gisbahn, Melde des Nordwinds Hauch über der Tiefe gebaut. Auf der gediegenen Flut weld buntes Gewimmel! 63 wiegt jich Meithin kreiſend die Schaar auf dem beflügelten Stahl. Wie fie fih ſuchen und fliehn! Hell flattern die Schleier der Mädchen, Mo ſich die Lieblichjte zeigt, jtürmen die Jünglinge nad). Zaghaft, nahe dem Ufer verfucht jich der Minvergeübte, Doch in die Weite des See's lodt es den Meifter hinaus.

Ueber dem Spiegel von Eis am Hang lehnt jigend ein Ichlanfes Mädchen, fie hat das Gewand eben zum Laufe gefchürzt. Bor ihr fnie’t vienjtfertig ein Knab' und mit glüdlichem Lächeln Schnürt er den blanfen Kothurn ihr an den zierlichen Fuß. Welch anmuthiges Bild, wie fie freundlich zu ihm fich herab: neigt, Daß ihr Odem das Haar janft ihm, das lodige, jtreift,

16

Mährend er treu ſich bemüht, Funftmäßig die Riemen zu ihlingen Und den gehobenen Fuß falt mit den Lippen berührt. Zögernd wend’ ih mich ab und gedenk' im erinnernden Herzen, Wie ih den reizenden Dienjt einſt Meluſinen gethan.

In das verjchneite Gefild mit jtattlich befiederten Rappen Fliegt, von Schellengeläut Elingend, ein Schlitten hinaus, Weithin blitt das Metall des Geſchirrs und die Vließe ver Pardel, Prächtig mit Purpur geſäumt, bläh'n ſich gehoben im Wind. Aber die Jungfrau ſchmiegt an den Freund ſich mit bren— nenden Wangen, Der das erleſ'ne Geſpann kräftig und ſicher beherrſcht. Eros flattert den Roſſen voraus und im gaſtlichen Forſthaus Für das begünſtigte Paar deckt er den Tiſch am Kamin.

Kahl ſteht jeglicher Strauch, doch läßt uns der Winter die Roſen, Die er der Erde geraubt, feurig am Himmel erblühn. Sieh, welch ſeliger Glanz aus den lodernden Gärten herab— ſtrömt! Ueber das ſilberne Feld flutet ein purpurner Duft, Und der entblätterte Wald, vom Rauhreif zierlich umfiedert, Glüht, in den Schimmer getaucht, roth wie Corallengeäſt.

VI. Nichts iſt ſo ganz mir verhaßt, wie verſtimmt hochmüthige Trägheit; Wenn dir die Krone gebührt, geh und erob're ſie dir!

167

Aber vermagft du es nicht, jo lab dein Schmollen und - Zaubern, Lern’ in bejcheivenem Kreis tüchtig und thätig zu fein.

Freilich verdammt ihr mit Fug den poetiſchen Dilettantig- mus, Doch noch bedenklicher ſcheint euer politiiher mir; Denn das Regieren verlangt, wie das Dichten, ven Meifter; es wirft nur Meiter ein thöricht Geſetz, als ein verfehltes Gedicht.

Unglüdjelig Gefhid, daß ih meijt in brennenvdem Ehrgeiz Grade das halbe Talent an das Erhabenjte wagt! Nach der ambroſiſchen Frucht, wie Tantalus, ſtreckt e3 vie Hand aus, Aber der Zweig ift zu hoch, aber ver Arm iſt zu kurz.

„Beſter, ein Sträugchen für mich!“ Da mäht er ven Anger und jchüttet Unkraut, Blumen und Gras hoch mir vom Karren vor’3 Haus. Freilih, zum Strauße genügt’s. Doch wüßt' ich bejjeren Dank ihm, Hätt’ er ſich felber und mir leichter die Freude gemacht.

Nicht zu früh mit der Koft buntjchedigen Wiſſens, ihr Lehrer, Nähret ven Knaben mir auf; felten geveiht er davon. Kräftigt und übt ihm den Geiſt an wenigen würdigen

Stoffen; Euer Beruf iſt erfüllt, wenn er zu lernen gelernt.

168

Königin ift die Geftalt; ihr dient anmuthig die Farbe, Wie ein köftliches Kleid ſchöner die Schöne dir zeigt. Aber entferne den Schmud und fie mag dih noch immer

bezaubern, Mährend das leere Gewand jede Beveutung verliert.

Heut noch ftöbert der Schnee, wie gejtern; aber es weht mir Still durch's tieffte Gemüth Ahnung des Lenzes dahin. Wem verdank' ich das fühe Gefühl? Seid ihr’s, Hyacinthen, Die ihr am Feniter den Kelch träumerifch duftend er=

ſchließt,

Iſt's mein Töchterchen dort im Gemach, das, leiſe zur Arbeit

Singend, mich an das Geſchwirr ſteigender Lerchen ge— mahnt?

Was Empedokles einſt mich gelehrt, hier leg' ich es nieder, Wie ich's im eignen Gemüth häufig erwogen behielt: Wandlung iſt das Geheimniß der Welt. In ſteter Entfaltung

Unabſehlich geſtuft bildet das Leben ſich aus.

Unter den gröberen Stoffen gebunden zugleich und behütet Dehnt ſich der edlere Keim ſtill zur Befreiung empor. Alſo ſchläft in der Schale des Ei's das geflügelte Vöglein,

So in der Puppe Gehäus reift ſich der Schmetterling aus. Und ſo tragen auch wir umhüllt vom irdiſchen Körper Schon im Innern den Keim eines veredelten Leibs, Jenen ätheriſchen Strom, der, über die Nerven ergoſſen, Flüſſig, empfindlich und zart jegliches Glied uns durch— dringt. !

. 169

Diejer, ſobald in den Staub die verweslihe Hülle zurüd: ſinkt, Strömt mit dem ewigen Theil von der erkaltenden aus, Und nach außen gekehrt, zur Geſtalt ſich formend, um— ſchließt er Mit durchſichtigem Kleid leicht den unſterblichen Geiſt, Körperlich zwar, doch zarteſten Stoffs, unfaßlich dem Auge, Nur im Schauder vielleicht noch von den Sinnen erkannt. Aber das Neue geleitet alsdann ein verborgener Rathſchluß Auf vielſtufigem Pfad neuen Entfaltungen zu.

VII.

Nicht wie die Mumie ſei, dem Phönix gleiche die Kirche, Der ih den Holzftoß felbjt thürmt, wenn die Kraft ihm erlahmt. Freudig den ſterblichen Leib, den gealterten, gibt er ben Flammen, Weiß er do, daß ihn die Glut jugendlich wiedergebiert.

Gebt ihr dem Göttlihen irdiſche Form, wie wollt ihr e3 hindern, Daß fie das irdiſche Loos alles DVergänglichen theilt? Alternd eritarrt fie zulegt und im Drude verfümmert der hohe Sönhalt, oder zerjprengt, fih zu befreiin, das Gefäß.

Statt fih des Wiſſens der Welt zu bemächtigen zieht fi die Kirche Don den Gedanken des Tags weiter und weiter zurüd, Lebt in vergangener Zeit und ſpricht in verjchollenen Zungen, Ah, und verwundert fih dann, daß fie ver Tag nicht veriteht.

10

Stets aufs neue verfucht ihr den Strom im Becher zu faflen: Mas im Gemüth nur lebt, prägt ihr zu jtarrem Begriff; Religion wird Theologie und Glaube Befenntniß; Aber die Formel erzeugt täglich erneuerten Zwiſt.

Unfichtbar wie das Mafjer den Baum von der Wurzel zum Gipfel Tränkt, und jeglihem Zweig Blätter und Blüten ermedt, So durchſtröme mit Kraft dein innerſtes Mejen der Glaube, Doch man erfenn’ ihn nur an der gezeitigten Frucht.

IX. Spanifches bringt mir die Poſt? Was ſeh' ih! Die eigenen Lieder Sind's; im caftilifchen Vers jtaunend erfenn’ ich mid jelbit. Was ih als Züngling fang, wie vertraulich zugleih und mie fremd doch Grüßt es mich hier und erfcheint frifcher und zierlicher fait, Wie mein Töhterhen jüngit, zum Faſchingsballe gerüftet, In des Zigeunergewands Flittern mir doppelt gefiel.

Harmlos warf ih euch hin, ihr Gejänge der Jugend, und immer Blieb mir ein Räthſel die Gunft, die man fo reich euch gemährt; Denn leichtwiegend erjcheint ihr zumeift dem gereifteren Urtheil; Nur im melodiſchen Hauch ſchwebt ihr gefällig dahin.

Aber ich darf mich rühmen, daß nie der Erfolg mich ver:

blendet,

Daß ih des Kranzes Geſchenk treu zu verdienen geſtrebt.

In die Tiefen der Bruſt und des Weltlaufs ſucht' ich zu dringen,

Und mit heiligem Ernſt rang ich zum Gipfel der Kunſt. Viel zwar blieb mir verſagt, doch reift auch Manches im Stillen, Dran ſich ein deutſches Gemüth wohl zu erfreuen vermag, Wenn ich die Räthſel der Zeit und des Herzens im Liede zu deuten, Oder im ernſten Kothurn feſtlich zu ſchreiten gewagt. Und ſo bitt' ich: Verzeiht was wild und jugendlich aufſchoß, Und im wuchernden Laub laßt euch gefallen die Frucht!

Durch's Hellounfel der Nacht hinfchreit’ ih am Hafen; die feine Sichel des Halbmonds ſchwebt über den Giebeln ver Dura. Rings in der Stadt fein Laut! Nur fern in den Lüften ein Braufen Hör ich, und unter dem Eis ſchluchzen die Waſſer des Stroms, Und im gelinderen Hauch, der plöglich Wangen und Stirn mir Anrührt, flattert ein Gruß, nahender Frühling, von dir.

Aus dem erwahenden Forjt heimfehrend bringt mir ein holdes Kind Schneeglöckchen zum Feſt, friſch an der Halde gepflückt. O, willkommen im Strauß, ihr Erſtlingskinder der Sonne! Euer gewürziger Hauch duftet wie Jugend mich an,

12

Und, den gemefjenen Ernft abjtreifend der Wintergedanfen, Sehnt jih nach freierem Spiel, vollerem Klange das Herz. Liegt, ihr Glöckchen, denn bier bei vem legten ver Diftichen ! Morgen Spann’ ih zu Lenzmelodie'n andere Saiten mir auf.

Jugendlieder.

1835 - 1842.

1

Eis bevedt des Fluſſes Schooß Und am Wald liegt Schneegebreite, Herz, und wieder ruhelos

Treibt es dich hinaus ing Weite?

Ob auch drunten Strom und Au Noch im Kleid des Winters flimmert, Doch mich lodt dies tiefe Blau, Drin's wie golone Hoffnung fehimmert,

Doch mid lodt ein leifer Ton,

Der dahinzieht ob den Gründen, Märchenhaft, als wollt’ er ſchon Ganz von fern den Lenz verkünden.

2.

Es fommt der Wind mit Schall gezogen, Der Wind, in deſſen lauen Wogen Die Kraft des Frühlings raufht und rinnt;

*

174

Aus blauen Augen lacht der Morgen, So fahrt dahin ihr Winterſorgen! Es kommt der Wind, es kommt der Wind!

Nun wird es hell um Berg und Halde, Nun grünt's im Thal, nun laubt's im Walde, Durch Veilchen jauchzend ſpringt der Quell; Kein Buſch, der nicht von Blüten prangte! Und wo ein Herz in Zweifeln bangte,

Nun wird es hell, nun wird es hell!

Haſt du mich lieb? Ich ſchwieg und harrte, Da rings die Welt in Banden ſtarrte, Und jeder Keim gefeſſelt blieb. Doch nun ſich Alles drängt zu Tage, Nun halt' ich's nicht, nun ſprich, nun ſage: Haſt du mich lieb? Haſt du mich lieb?

3.

Wenn nur nicht das ſchönſte Mädchen, Das da blüht im ganzen Städtchen, Wohnen wollte juſt am Weg,

Den ich ziehn muß ins Colleg!

Solcher Augen tiefen Schimmer, Solche Lippen ſah ich nimmer, Solch Gelock von rothem Gold, Wie's um ihre Schultern rollt.

Seh' ich im Vorübergehen

Morgens ſie am Fenſter ſtehen, Ueberläuft's mich, ach, ſo heiß, Daß ich kaum zu grüßen weiß.

15

Wenn nur dann am felben Wege Nicht die ftille Schenke läge,

Wo im Gärtlein rebumfrängt Man den beiten Wein frevenzt!

Dort, die Glut mir fortzufpülen, Sud’ ih einen Trunf im Kühlen; Doh die Nachtigall vom Baum Singt mid ein in Liebestraum.

Und in fein Geſpinnſt verfinfend

Trink' ih ſchwärmend, ſchwärm' ich trinfend, Bis es vollends mir entſchwand,

Daß mein Sinn auf Weisheit ftand.

4.

Der Mond it aufgeftiegen Und fpiegelt fih im Rhein, Die ſieben Berge liegen Im matten Silberjchein.

Ich athme traumverfunfen Die ſtromgekühlte Luft,

Mein ganzer Sinn iſt trunfen Bon Rebenblütenduft.

Da kommt aus fernen Tagen Gin Klang in mein Gemüth, Die Wunderwelt der Sagen

Erſchließt fih mir und blüht.

Ich ſeh' am Fels des Draden Die Jungfrau todgemeiht,

Die Streihe hör’ ich krachen Des Schwerts, das fie befreit.

1716

Am Inſelrain im Düjtern Wallt bleih die Nonne bin Und jeufzt ins Wellenflüftern Um ihren Paladin.

Und jest den Strom hinunter Mer ſchifft im Stahlgewand? Das iſt der König Gunter, Gr fährt gen Iſenland.

Da taucht, ihm nachzuſchauen, Im Haar den Binjenfranz, Der Schwarm der Wafjerfrauen Empor im Monvdenglanz.

„D König, Stolz von Sinne, Du weißt nicht was dir droht; Du fährjt hinaus nah Minne Und führeft heim die Noth!“

Sie fingen’ bang und traurig, Indeß das Schifflein flieht, In tiefiter Seele ſchaurig Nachzittert mir das Lied.

Da dröhnt von Honnef droben Der Schlag der Mitternacht, Und alles iſt zerjtoben,

Sch bin vom Traum erwacht.

Doh glüht vom Haud der Sagen

Das Blut mir wie von Wein

Die Nachtigallen ſchlagen, Der Mond ſcheint in den Rhein.

J r Du —— Das

Or

Wenn die Naht mit lindem Raufchen Durch die Gärten zieht am Plab, Gruß um Gruß noch auszutauschen, Treibt's mich dann zu meinem Schatz.

Ganz von Reblaub überfponnen

Iſt das Haus, darin fie wohnt, Zwiſchen Blumen jpringt ein Bronnen, Durch vie Linden ſcheint der Mond.

Unterm Fenjter dort verjtohlen Meine Cither Schlag’ ih an,

Mit dem Duft der Nachtviolen Schwebt mein Lied zu ihr hinan,

Und ſie fennt mein leijes Grüßen, Und am Borhang raufcht es facht, Und ein Strauß fällt mir zu Füßen, „Süßer Freund, hab’ gute Nacht!“

6.

Es jteht auf feinem Kathever Der Hofrath und docirt, Der Meijter, ver mit Nubme Ebraica traftirt,

Rings laufchen die Studenten Andächtig, wie er fpricht; Da ſtutzt er, und bedenklich Umwölkt ſich fein Geficht,

Geibel, Gej. Werke, IV. 12

or

Hier fteht ein Aleph, ruft er, Was will das Mleph bier? Mo kommt es her? Bergebens Den Kopf zerbredh’ ich mir.

Mit neun und neunzig Gründen Darauf beweiſt er ſcharf,

Daß hier bei Leib und Leben Kein Aleph ſtehen darf.

Und wer den Tert verballbornt, Beſchließt er indignitt,

Hätt' beſſer Schafe gehütet, Als Habakuk edirt.

Er ſchlägt auf's Buch im Zorne, Da ſpringt das Aleph weg Was ihn ſo ſehr verdroſſen War nur ein Fliegendreck.

Bei dem feurigſten der Dichter Nichts, als öde Textkritik, Nirgends in die Flammenlichter Seiner Seel' auch nur ein Blick!

Notenkram zu jeder Zeile,

Conjekturen hin und her! Dieſen Kelch der Langenweile Trink' ein Andrer willig leer.

Aus dem ſchönen Alterthume Weht mich hier kein Odem an; Nur die duftlos welke Blume Im Herbar zergliedert man.

a

Beſſer fünftighin dein Weſen

Zu verftehn in Scherz umd Schmerz, Werd’ ich dich beim Weine lejen Statt im Seminar, Properz.

8.

Nun ſteigt auf Flügeln Der Abendluft

Von allen Hügeln

Des Weinſtocks Duft.

Durch's Spätroth hallet Geläut vom Dom, Und purpurn wallet Im Thal der Strom.

Und wie dort weſtlich Der Tag verglüht, Dehnt froh und feſtlich Sich mein Gemüth.

Mir klingt im Buſen Ein tiefer Ton Seid hold, ihr Muſen, Dem Muſenſohn!

9.

Mögen die klugen Genoſſen mich läſtern, Daß ich den Büchern den Rücken gekehrt! Roſe und Lilie, die reizenden Schweſtern, Lehren mich was mich kein Weiſer gelehrt.

180

Roſe, die neckiſche, gaukelt im Reigen,

Bunt wie ein Schmetterling flattert ihr Scherz; Lilie, die ernſte, verhüllt jih in Schweigen, Aber ihr Schweigen bezwingt mir das Herz.

Reizende Schweitern, nicht kann ich's entſcheiden, Welche von beiden mich höher entzückt,

Aber im holden Verkehr mit euch beiden

Fühl' ich dem Staube mein Leben entrückt.

Schönes zu bilden und Hohes zu wagen Weckt ihr im Spiel mir den freudigen Drang; Was ich in dämmernder Seele getragen

Wird zur Geſtalt und erklingt als Geſang.

Dichtend den Knoten verworrener Looſe Lehrt ihr mich ſchlichten in heiterer Ruh; Sei mir Thalia, bezaubernde Roſe!

Sei mir Melpomene, Lilie du!

10.

Und rennt die Welt nach Gut und Geld, Mir will nur eins behagen:

Sm Lebensprang bei Sang und Klang Mich friſch hindurchzuſchlagen.

Wohl führt der Pfad, den ich betrat, Durch Kampf und Dornenhecken, Doch ächten Muth und Jugendglut Darf kein Beſchwerniß ſchrecken.

Und rückt ihr Mann für Mann heran Mit Stangen und mit Netzen:

Ihr ſollt mich doch in euer Joch Nicht, ihr Philiſter, hetzen.

131

Und wie du nidjt und fchelmifch blicit Mit zärtlihem Begehren:

Du ſollſt das Haar mir nimmerdar, D Delila, bejcheeren.

Mi lockt fein Glück ins Thal zurüd; Auf hohen Bergeszinnen

Da wächſt als Preis ein grünes Reis, Das Reis muß ich gewinnen.

11.

Wieder jteht die Welt in Blüten Und die Rebe jchwillt am Fluß. Nun ade gelahrtes Brüten! Nun ade Horatius!

Soll ih nur lateinisch immer

Lefen, daß man dichten kann?

Nein, auf deutſch im Frühlingsfhimmer Stimm’ ich felbit ein Lied mir an.

Singend wandern, wandernd jingen Mill ih nah Studentenbraud; Zwiſchen Rolandseck und Bingen Spannt Apoll den Bogen aud.

Mo vom Berg die Burgen fcehauen, Wo die Lurley harft von fern, Miſſ' ib Tiburs Blütenauen

Und Bandufias Nymphe gern.

Und im abendrotben Städtchen

Am Kredenztiſch weiß wie Schnee

Lacht und ſchwatzt das Schenkenmädchen Ganz ſo ſüß, wie Lalage.

12

Menn dann voll die Nömer blinken Sing’ ih mit des Alten Wort: „Heut, ihr Brüder, gilt's zu trinken, Morgen trägt die Flut uns fort.“

Zwar e3 flattert auf moderner Schwinge nur mein leichter Reim, Doch wir tauchen für Falerner Nicht den Saft von Rüdesheim.

12.

Als der Liebjten Gruß und Kup Täglich neu mir blühte, Stumm des Lebens Ueherfluß Trug ich im Gemüthe.

Niemals wollte mir ein Lied Ihr zum Preis gelingen;

Erſt feitvem fie von mir fchied, Lehrt das Leid mich fingen.

13.

Neben dem Pfad aus den blühenden Bäumen

Winkt mir von ſchwarzen Cypreſſen ein Hain,

Unter den Schatten zu ruhn und zu träumen; Gräber umjäumen,

Sinfende Kreuze den moofigen Rain.

Friede mit euch, die geſchieden vom Tage, Der mih mit Schmerz noch und Hoffnung durchglüht! Nimmer, ihr Stillen, bevürft ihr der Klage, Aber die Frage Weckt ihr, die alte, mir tief im Gemüth:

13

Folgte von dem, was ihr liebend beſeſſen,

Euch ein Erinnern zur Stätte der Ruh?

Habt ihr im Säufeln der fhwarzen Cypreſſen Alles vergeſſen,

Laft fo wie Luft, und die Liebe dazu?

14.

Seit zum Jüngling ich erjtand Aus der Kindheit Traume, Dir gehör' ih, Vaterland, Wie das Blatt dem Baume.

Meines Weſens Eigenbild Haſt du mir gegeben,

Und aus deiner Wurzel quillt Fort und fort mein Leben.

Was aus deiner Zweige Nacht Spricht in Geiſterzungen, Das nur hält mit ſtiller Macht Mein Gemüth bezwungen.

Und wieviel im Waldrevier Auch der Stimmen ſchallen, Stets am ſchönſten ſingen mir Deine Nachtigallen.

Wenn dein Wipfel himmelwärts Rauſcht in Thau und Sonne, Schauert leiſe durch mein Herz Ein Gefühl der Wonne;

14

Aber wenn im Sturmgetog Deine Zweige ſchwanken, Schwanft es mit in ruhelos Sorgenden Gedanken.

Nie den Spalt in deinem Schaft, Der durch Marf und Rinden Unvernarbt noch immer Elafft, Lernt’ ich zu verwinden.

Doch der Hoffnung auch entjagt Meine Seele nimmer,

Daß dereinit ein Morgen tagt, Der ihn jchließt für immer.

15.

u en |

Nichtig wären meine Ziele, Weil ih dein, o Mufe, bin? Ah, es ahnt im ſüßen Spiele Nie die Welt den ernften Sinn.

Sei getrojt nur, Herz, und finge Deinen Reihthum, fing’ ihn fühn! Daß die Blume Samen bringe, Sprich, was kann fie thun, als blühn?

16.

Durch die MWipfel, durh die Matten Klingt’s von Frühlingsmelodien, Haſtig wechſeln Licht und Schatten, Wie im Wind die Wolfen ziehn.

15

Haftig wechjeln Luft und Bangen In der Bruft mir fort und fort, Und ein räthjelhaft Verlangen

Treibt mich) um von Ort zu Drt.

In die Saiten wollt’ ich greifen, Doch mir glüdt fein ruhig Spiel, Naftlos fuchend muß ich jchweifen, Ach, und weiß von feinem Ziel.

Iſt's der Nachtigallen Schlagen Mas mir jo verwirrt den Sinn? Oder zieht im Taubenwagen Dur die Luft Frau Venus hin?

17

In Blüten prangt der Apfelbaum, 63 duftet der Hollunder,

Mir ift, als wandelt! ich im Traum In diefer Zeit ver Wunder.

D Walvesgrün, o Sonnenlicht, Wie ift mir denn gejchehen! Ich hab’ ein roſig Angeficht Im Frühlingsglanz geſehen.

Ihr dunkles Auge lacht ſo ſüß

Aus güldnen Lockenringen.

Gott grüß, du ſchöner Stern, Gott grüß! Nichts andres kann ich ſingen.

Und ſteigſt du nimmer, ſchöner Stern, Herab um meinetwillen,

Ich ſchau dich ſelig an von fern

Und ſegne dich im Stillen.

16

Sp viel es Blüten ſchneien mag, Sp viel es Tropfen regnet

Von Dftern bi3 Johannistag, So vielmal fei gejegnet !

18.

Wieder hab’ ich fie gejehen

Und gefangen bin ih ganz;

Ach, wer rühmte fih, dem Glanz Dieſes Blids zu widerſtehen?

Diejes Mundes reine Blüte Men bezauberte fie nicht?

Was ſie redet iſt Gedicht,

Was ſie lächelt Huld und Güte.

Mit der Anmuth Zauberſtabe Pocht ſie an die Geiſter an, Und den Schatz, den er gewann, Bringt ihr jeder froh zur Gabe.

Und doch ſchmückt ihr Thun daneben Solcher Majeſtät ein Zug,

Daß kein Wunſch in kühnem Flug Wagt zu ihr emporzuſtreben.

Einer guten Fey vergleichbar Wandelt ſie mit freiem Sinn Allen zum Entzücken hin, Ach und Allen unerreichbar.

11

1 $: 2

Ein blau Geheimniß ift dein Blick,

Ein rothes Näthfel fehweigt dein Mund; Mir träumt jo füß von nahem Glüd, Mir bangt jo ſchwer im Herzensgrund.

Sch jorg und frag’ um mein Gefhid, Doch feine Antwort wird mir fund, Ein blau Geheimniß bleibt dein Blick. Ein rothes Räthſel ſchweigt dein Mund,

20.

Träume, die im morgenrothen Dufte flattern leichtbeſchwingt, Sind dem Dichter Götterboten, Deren Mund Verheißung fingt.

Heute durch den Blumenzwinger Sah ih dich im Traume gehn; Sinnend mit erhobnem Finger

Bei ven Rofen bliebjt du jtehn;

Pflücdteft endlich aus den Zmeigen Zwei der fchönften Knoſpen dir, Nahmft die rothe dir zu eigen, Doch die weiße gabjt du mir.

Und jo hoff’ ich till, mir blübe Insgeheim ſchon deine Huld; Rothe Roje jagt: ich glühe, Meife Roſe fpricht: Geduld!

21.

Der Mond ift längft hinunter; Schon dämmert's im Gemach, Doch blieb mein Auge munter Und meine Seele wadı.

Gleih einem Feuertranfe Bis tief ins Marf hinein Durchglüht mich der Gedanke, Don dir geliebt zu fein.

22.

Mein ſüß Geheimniß, wie verberg’ ich's nur!

O, ſchwer iſt's auch, den Kelch der Liebe ſchlürfen Und Niemand auf der Welt es ſagen dürfen, Welch unergründlich Heil uns widerfuhr.

Mir iſt, es müßt' in Funken unverhüllt

Mein lodernd Glück aus meiner Seele ſpringen, Wie Glocken müßt's in meiner Stimme klingen, Daß all mein Leben ſelig ſich erfüllt.

Doch ſeh' ich dich alsdann beim Morgenlicht

So harmlos walten in der Schweſtern Kreiſe,

Dem Gaſte freundlich nach gewohnter Weiſe,

Nur ſtummer noch, wie ſonſt, dann faſſ' ich's nicht;

Dann dünkt ein Traum mir dieſer Sonnenſchein,

Ein Schattenſpiel der Tag und ſein Gewimmel

Wann kommſt du wieder, Mond, und blickſt vom Himmel Auf unſre ſüße Einſamkeit zu Zwei'n!

Seit du mir dein Herz gegeben, Däucht im engften Kreis mein Leben Mir erfüllt und mwohlbeftellt.

Deine Lippen küſſ' ich trunfen,

Und verfunfen

St die Welt.

Menn wir Seel! um Seele tauchen, Zieht des Tags Gewölk und Rauſchen Unvernommen ung vorbei,

Wo du bift, da jcheint die Sonne Und in Wonne

Blüht der Mai.

Nur dein Weinen oder Lachen

Kann mich trüb und frob noch machen, Und beglüdt gejteh’ ich's ein:

Lieb’ iſt aller Selbſtſucht Blüte

Sm Gemüthe,

Nur zu Zwei'n.

24.

Nun vom Hauch der Mufen Dir die Seele jhmillt,

Dem bewegten Bujen

Lied um Lied entquillt:

Rab es dich nicht Fränfen, Menn im Heitgetos Sie fein Ohr dir ſchenken; Das iſt Dichterloos.

1%

Rühre deine Schwinge Dir zur eignen Luft,

Um den Kranz nicht finge, Singe, weil du mußt.

Greif mit vollem Schlage An die Saiten ein,

Und vor allem wage Ganz du felbjt zu fein!

Nachts auf dem Archipelagus.

Um das Steuer, dran ich Tiege, Spült die Hare Flut gelinve; Meine Barfe wird zur Wiege, Miegt mich ein gleih einem Kinde.

In mein Ohr mit leifen Zungen Spridt der Traum, mein Nachtgejelle, Wenn jein Flüfterwort verflungen, Singt der Wind und raufht die Welle.

Und wie Augen licht und heiter Grüßen hoch herein die Sterne; Weiter fliegt das Schifflein, weiter Wie auf Flügeln in die Ferne. * * * Wie auf Flügeln in die Ferne Schweift mein Sinn viel hundert Meilen, Nur an Einem Ort noch gerne Mag der einſt ſo flücht'ge weilen.

11

Steht ein Schloß mit hohen Zinnen Ueberm Strom, umraufcht von Eichen; Die ich liebe, wohnt darinnen,

Die ih nimmer fann erreichen.

Mo am Hang der Weißdorn blühte, Stieg ind Thal fie täglich nieder, Und ich grüßte fie und glühte

Und fie grüßte zärtlich wieder.

Und zulegt unmiderftehlich Trieb's mi, Alles zu bekennen, Und auf meiner Stirne jelig Fühlt' ich ihre Lippen brennen.

Ah, wir büßen’3 nun mit Schmerzen: Sie daheim in prächt’ger Leere, Einjam ich, verwaift im Herzen, Auf dem weiten dunfeln Meere.

* * Auf dem weiten dunkeln Meere Kommt's wie Blumenduft gezogen, Und das Eiland der Cythere Taucht im Mondlicht aus den Wogen.

Klar erleuchtet auf den Gipfeln Glänzt der Schnee im Silberſcheine, Tief im Thal mit rieſ'gen Wipfeln Rauſchen dunkle Tempelhaine.

Um den Schutt von Kypris Hallen Spinnt der Wein dort ſeine Blätter, Schwärmt ein Heer von Nachtigallen, Und ich hör' ihr fern Geſchmetter:

192

„Komm! Im viefen reinen Lüften, Wo's von Rofen und Cypreſſen Wuchert über Göttergrüften, Liebe fih das Leid vergeſſen!“

* *

*

Ließe ſich das Leid vergeſſen, Nimmer als das einzig meine Hätt' ich dann das Glück beſeſſen, Deſſen Flucht ich jetzt beweine.

Würde mir mein Schmerz entriſſen, Müßt' ich auch die Liebe meiden, Müßt' ich auch das Leben miſſen Eins ſind Leben, Lieb' und Leiden.

heroldsrufe. Zeitgedichte.

„Ihr Sterne ſeid mir Zeugen, Die ruhig niederſchaun,

Wenn alle Brüder ſchweigen Und falſchen Götzen traun,

Ich will mein Wort nicht brechen Und Buben werden gleich,

Will predigen und ſprechen

Vom Kaiſer und vom Reich.“

Sax von Schenkendorf.

Seibel, Geſ. Werke, IV. 13

Bon 1849 bi3 1866,

Deutfdland. 1849.

Ein Sahr lang rangeſt du in bittern Wehen Gleich einem Weibe, das da will gebären, Hinjtrömen ſah ich deine blut’gen Zähren,

Und deine Seufzer, Deutjchland, hört’ ich gehen.

Wohl trug ich Leid, dich jo in Dual zu jehen, Doch Eine Hoffnung wagt’ ich fromm zu nähren, 63 werd’ aus deines Schooßes dunklem Gähren Die Eintracht wie ein lächelnd Kind erjtehen.

Mid trog ein Wahn. Dein Weinen ging verloren, Berloren alle Noth, jo du erlitten; Doch die darüber jauchzen acht ich Thoren.

Denn Ahnung jagt mir, jtet3 umfonjt bejtritten, Nun werde folhe Frucht einjt ungeboren Mit jcharfem Stahl aus deinem Leib gejchnitten.

1%

Die raufdht ihr Wahesidatten. 1849.

Wie raucht ihr Waldesſchatten

So fühl noch weit und breit!

Wie ſchaut im bunten Kleid

Ihr Blumen nur jo luftig aus den Matten! Mie mögt ihr Vöglein pfeifen

In dieſer argen Zeit!

Mir iſt jo trüb, ih kann es kaum begreifen.

Iſt's doch ein Traum gemejen,

Der ſonder Spur verſchwand,

Daß du, mein deutſches Land,

Noch einmal ſeiſt zu Ehren auserleſen.

Und wo in vor'gen Tagen

Der Stuhl des Kaiſers ſtand,

Wächſt fort das Gras; das muß ich ewig Klagen.

Klage. 1850.

Das treibt das Blut mir heiß ins Angeficht, Daß, wo ich ſchweifen mag im fremden Lande, Ich hören muß des deutſchen Namens Schande, Und darf nicht jagen, daß man Lüge fpricht,

Db mir vor Gram und Scham das Herz darob zerbricht.

Denn ab, der Mund, einjt aller Treue Hort,

Der deutihe Mund, deß Spruch gleich theuren Eiven, Don Zucht und Wahrheit lernt’ er fich zu ſcheiden; Berbrehlih worden ift wie Glas jein Wort,

Und jeine Schwüre thaun wie Schnee um Oſtern fort.

159

Und du, o deutſches Schwert, das ſcharf gefegt

Durch hundert Schlachten kühn ſich Bahn gebrochen, Was zagſt du, in der Scheide nun verkrochen,

Als wärſt du Schilf, das keine Wunden ſchlägt, Sobald nur Moskaus Zar die Stirn in Runzeln legt!

Ach, da's um Treu und Muth bei uns geſchehn, Da neigt' ihr Haupt und ſtarb die deutſche Ehre Fragt nach bei Schleswig zwiſchen Meer und Meere! Dort liegt ſie eingeſcharrt; die Winde gehn

Mit Pfeifen drüber hin. Wann wird ſie auferſtehn!

Confexenz von Jondon. 1852.

D Land am blauen Sunde

Mit deutſchem Blut getauft, So bijt du denn zur Stunde Verrathen und verkauft!

Die Herrn am grünen Tijche Verdammen dich zum Joch; Zwar jehienen faul die Filche, Allein man briet fie dod.

Mo Franzmann, Brit’ und Ruſſe Nah ihrem Sinn getagt,

Da ziemt’s, daß man zum Schluſſe Gehorſamſt Amen jagt.

Mas gilt denn auch der Bettel Bon Deutſchland's Ehr’ und Ruhm, Glüdt nur der Küchenzettel

Für's dän'ſche Königthum?

198

Was ſind zwei Herzogshüte, Die man vom Reiche bricht, Wenn Seiner Lordſchaft Güte Ein Lächeln uns verſpricht?

Und doch, ihr Köch' und Meiſter, Mir bangt, daß blitzbewehrt

Ein Schwarm einſt zorn'ger Geiſter Aus eurem Keſſel fährt.

Dann wirds wie Sturmesbrauſen Durch Deutſchlands Stämme gehn, Dann werdet ihr mit Grauſen Die Welt in Flammen ſehn,

Bis jenes Blatt der Schande,

Das feig ihr unterſchriebt, Verzehrt vom Rieſenbrande In alle Winde ſtiebt.

Böſe Träume. 1850.

Ich ließ mein Rößlein graſen Im Wald an Baches Rand Und lag auf kühlem Raſen Und dacht' ans Vaterland. Und bei des Baches Rinnen Entſchlief ich untern Baum; Da wob vor meinen Sinnen Ein dreifach Bild der Traum.

Ich ſah ein Volk von Immen, Das ohne Weiſel fuhr

Und mit verworrnen Stimmen Hinſchwärmte durch die Flur.

199

Nach allen Winden zogen

Sie ziellos kreuz und quer, Und hatten ſich bald verflogen Und fanden ſich nimmermehr.

Ich ſah ein Bündel Pfeile In blöder Knaben Hand, Die trieben kurze Weile Und löſten Ring und Band. Sie ſpielten mit den Rohren Uneins und ungeſchickt;

Die Hälfte ging verloren, Die Hälfte ward zerknickt.

Ich ſah, wie ein Karfunkel Verſchmäht am Kreuzweg lag; Von Staube war er dunkel, Zerſpellt von Stoß und Schlag. Die Krone der Welt zu ſchmücken Geſchaffen däucht' er mir;

Nun haſchte nach den Stücken Der fremden Raben Gier.

Da wacht' ich auf beklommen Und ftieg zu Roß in Halt; Die Sonne war verglommen, Das Spätrothb war verblaßt, Im fühlen Abendſchauer

Von dannen ritt ich ſtumm. Mein Herz vergieng in Trauer Und wußte wohl, warum.

Fahnenkreu. 1850.

Weil auf blut'gem Plane Heut ihr Stern erblich, Ließeſt du die Fahne Deiner Wahl im Stich?

Deine Waffen ehrlos Würfſt du in den Sand Und ergäbeſt wehrlos Dich in Feindes Hand?

Nein! Und mag den Streichen, Strauchelnd Schritt für Schritt, Zahme Klugheit weichen:

Weiche du nicht mit!

Kannſt du nimmer ſiegen, Zeugen darfſt du frei Durch ein ſtolz Erliegen Für dein Feldgeſchrei.

Bis ſie dich durchbohren, Trutze drum und ficht;

Gieb dich ſelbſt verloren, Nur dein Banner nicht.

Andre werden's ſchwingen, Wenn man dich begräbt, Und das Heil erringen, Das dir vorgeſchwebt.

201

Fin Hedenkblaft. 1851?

Am Samfjtag Morgen vor Balmarum war's Im Jahre, da man Neun und Bierzig jchrieb, Daß mid die golone Sonne des Aprils

Aus meinem alten Neit am Hafendamm Hinab ins Freie lodte. Draußen zog

Der Fluß, von mädt’gen Segeln fchon belebt, Dlauglänzend hin und in den Lüften ſchwamm Des Frühlings ahnungsvolles Hoffnungslien. Mir aber wuchs das Herz bei diefem Ton, Als müßt er Glück verkünden. Ruhiger Gedacht' ih an der Zeit verworr'nen Kampf Und an die Zukunft, deren Loos vielleicht

In dieſem Augenblid geworfen ward.

Da, wie ih jo am Damm des Ufers noch Bertieft hinabſchritt, Fam mein FJugendfreund, Der blonde Maler, haftig und erregt,

Daß Bart und Haar ihm flog, des Wegs daher, Und fein des Lächelns ungewohnt Gejicht Erglänzte wie vom Frühroth überjonnt.

So rief er mir entgegen: Weißt du's jchon? Und da mein Blid ihn fragte, quollen ihm Ausg tiefiter Bruft die Worte: Freue dich! (Und jeine Stimme zittert’, als er ſprach) Ein deutſcher Kaifer ijt gewählt am Main Und feine Boten fendet ihm das Neid.

Und während er von Allem, wie's gejchah, Mir nun Beriht gab, fieh, da ſchmückten fi Die alten Zadengiebel längs dem Fluß

Mit froben Fahnen ſchon und grüßend flog An mandem Schiff ein deutſcher Wimpel auf,

1202

Und mallte breitentrollt im Morgenwind.

Und jest, von Thurm zu Thurm einfallend, ſcholl Der Gloden Chorgefang und fündigte

Das Felt der Palmen an. Mir aber war's,

Als lautete man ein das deutjche Neich,

Und das Hojannah, das in meiner Bruft Andähtig widerllang, zwei Königen,

Die ihren Einzug hielten, galt’s zumal,

Dem himmlischen und dem von diefer Welt,

Auf Windesihwingen flog von Haus zu Haus Die Kunde weiter, da begann im Glanz

Die Frühlingsfonne dur die Gaſſen hin

Ein feitlih Wogen. Freunde taufhten rings Bewegten Handſchlag, Feinde grüßten fich,

Als wäre plöglich aller Zwiſt gejühnt,

Und mandes Auge, das ich längit im Staub Der Akten oder überm Rechnungsbuch Verhärtet glaubte, jahb ich freudenfeucht.

Denn was wir alle, ſei's mit klarem Geift, Sei's dunkel nur im angebornen Trieb Gewünſcht, gehofft, erjehnt, nun ſchien's erfüllt.

Sch aber jtieg zu Pferd und ritt hinaus

Die Stille ſuchend. O wie däuchten mir

Boll Melodie die Lüfte, die im Flug

Das Haar mir ftreiften, wie jo jchön der Wald, Der faum von grünem Schimmer überhbauht Sungfräulih ſchauert' in des Werdens Luft!

Die Quellen braujten, aus den Wipfeln Scholl Der Ruf der Vögel und jeitab vom Pfad

Wob um die Stämme zitternd Dämmerlidt.

In folher Waldnacht ſaß wohl Heinrich einft, Der blonde Sachſenheld, ven Finkenfchlag Belaufhend, als ihm Herzog Eberhard

205

Den Burpur und die heil’ge Lanze bot.

Sch ſah ihn vor mir feit und wetterbraun

Im Shlichten Jagdwamms und im Kreis umber Der großen Botſchaft Werber allzumal.

Er aber fprang empor vom Vogelheerd,

Dem Adler gleich, der feinen Flug beginnt,

Und nahm das Pfand des Reichs und that den Schmur, Dem deutſchen Volk ein Vaterland zu bau’, Und Klar im ruh'gen Feuer feines Blids,

In feines Worts einfacher Hoheit lag

Die Bürgichaft dei, was er verhieß. Da bog Das Knie vor ihm die ftolge Frankenſchaar

Und huldigt' ihm mit Jauchzen, und mein Herz, Im Sonnenaufgang frübjter Ruhmeszeit

Das Bild des heut’gen jchauend jauchzte mit, Und Thränen weint’ ich, Thränen, wie ein Mann Cie weinen darf, wenn überwältigend

An feine Bruft ein großes Schidjal pocht.

Es war ein froher Tag

Mas jpäter kam, Ihr wißt es alle. Steinen Hüter fand Das uralt heil’ge Kleinod unſres Volks. Die Hand, ſchon zum Ergreifen ausgejtredt Verſchloß ſich plöglih und zu Boden fiel Des Reiches Apfel. Waiſen blieben wir, Mie wir's gewejen drei und vierzig Jahr, Und an den Weiden hängten wir aufs neu Die Harfen auf und dur die Saiten ging Des Windes Seufzen. D wann bringt ein Tag Dem Baterlande die Geftirnung wieder!

204

An 3. ©. Vebruar 1851.

Durch die Hare Luft im Winde Segeln heut mir die Gedanken,

Dich, mein hoher Freund, zu grüßen Zieh’n fie nach dem Strand der Over,

Nicht im engen Kranfenzimmer,

Wo ih, ach, dich ließ beim Scheiven, Sm bereiften Winterforjte

Suchen fie den rüjt’gen Waidmann.

Friſchen Muth und hellen Auges Hoffen fie dich dort zu finden, Heiter, wie in jenen Tagen,

Da du zu Gaftein dich fonnteft.

Schönes Wildbad! Oft noch fteigft du Bor mir auf; in meine Träume Weht e3 fühl dann wie Gebirgsluft, Klingt es wie des Aelplers Cither.

Wieder dann die fhmwarzen Tannen Seh’ ich niden über'm Abgrund Und den Sturzbah durchs Geklüft Hör’ ich leidenſchaftlich braufen.

Und die himmelhohen Wände Gipfeln fih vor mir wie Zinnen Einer Geijterburg; du trafit Dort mit fih’rem Blei die Gemfe.

205

Dann geden® ich auch des Tages,

Da durch Alpenrofenfelver,

Durch Geröll und Schnee wir klommen Nach des Gamskahrkogels Spitze.

Mühſam war ver Pfad; die Pferde Stugten oft am jähen Abhang, Aber droben im kryſtallnen Mittagsglanze welch ein Ausblid!

Um uns ber unendlih lag e3 Wie ein Meer von Riefenwogen, Jede Wog' ein Bergesgipfel, Jeder Woge Schaum Lamwinen.

Und du nanntejt mir die Höhen: Watzmann, Herzog Ernſt, Großglodner Doch den höchſten Berg in Oeſtreich

Hab’ ih damals nicht gejehen.

Schwarzenberg iſt der geheißen, Und zur Zeit jo hoch geworden, Daß er feinen falten Schatten Wirft von Wien bis in die Ditjee,

In dem Schatten diejes Berges Wachſen auch die Zauberjtäbe, Welche jebt die Welt regieren Und das deutjche Reich injonders.

Hajeljtöde nennt das Volk fie; Ach, von weißen Herenmetitern Nah dem Takt gejchwentt, du glaubjt nicht, Welche Wunder fie verrichten,

* 2060

Blutroth wandeln ſie in Schwarzgelb, Adler in geduld'ge Spatzen,

Ja, man lernt ſogar Geſchichte

Und Geographie von ihnen,

Lernt, daß Slaven ſtets und Deutſche Sind ein Brudervolk geweſen,

Daß ein Dänenfluß die Eider,

Und daß Preußen liegt im Monde.

In der freien Reichsſtadt Lübeck Hör' ich täglich jetzt ihr Sauſen; Die Muſik ſpielt auf dazu:

Gott erhalte Franz den Kaiſer!

's iſt ein ſchönes Lied, ich lerne Schon die Weiſe; binnen kurzem Wird man von Trieſt bis Rendsburg Doch nichts andres ſingen dürfen.

Ja, wer weiß, wenn ich zum Herbſte An der Oder heim dich ſuche,

Ob's im Wald von Heinrichsluſt Nicht bereits die Vögel pfeifen.

Doch genug! Lebwohl mein Fürſt, Und verzeih mein formlos Scherzen; Seit die Welt ſo ungereimt ward, Schreib' ich ungereimte Verſe.

20

Ssalte die Hoffnung feft! 1851.

Wenn der Morgen, der heute tagt, Nichts als Trümmer dich Schauen läßt, Unter Trümmern noch unverzagt Halt’ im Herzen die Hoffnung feit!

Mag dies irre Gefchleht mit Hohn Ihrer jpotten, werzweifle nie, Und im Sterben an deinen Sohn Als dein Kleinod vererbe ſie;

Daß er harre, wie du getreu

Und gerüftet zu friiher That,

Menn zu jcheiden vom Korn die Spreu Einſt der Tag der Erfüllung naht,

Jener Morgen von Gott gejandt, Der bei Elingendem Schwerterjtreich Im zerjtüdelten Baterland

Neu aufrichtet das deutſche Reich.

»anfe. 1856.

Mer will's denn läugnen, daß in unfern Tagen Ein raſcher Pulsſchlag ſich lebendig regt,

Daß rings ein frischer Geiſt die Welt bewegt Und die Gedanken neue Flüge wagen?

Die Wiſſenſchaft zertrümmert ohne Zagen Manch dumpfe Schranke, die ung eingehegt, Der Baum der Freiheit, ver ſchon Blüten trägt, Verheißt dereinſt uns golone Frucht zu tragen.

208

Ein Großes aber mangelt diefer Zeit: Das eigne Dach und Fach, das mit Vertrauen Die Bruft erfüllt und drin die Rajt gedeiht.

Noch heimatlos, bei Sonn’ und Wettergrauen Sigt fie auf Trümmern der Vergangenheit Und Quadern, für der Zukunft Bau gehauen.

Angeduld. 1857.

So winterlich noch ſchaudern Die Lüfte weit und breit;

O Lenz, was ſoll dein Zaudern? Es iſt ſchon Blühens Zeit.

Im Thal und in den Herzen Das Eis iſt ſchier zerthaut;

Nun ruft nach dir mit Schmerzen Die bange Sehnſucht laut.

O komm, uns zu erquicken

Und bring' in Donnerſchlag, In Guß und Sonnenblicken Den Auferſtehungstag.

Wir können's kaum erwarten: Wann wird die Eiche grün? Wann wird im deutſchen Garten Die Kaiſerkrone blühn!

- I

Dann, o warn? 1858.

Wann doch, wann erfcheint der Meifter, Der, o Deutfhland, dich erbaut, Wie die Sehnjucht edler Geifter Ahnungsvoll dich längſt geichaut:

Eins nah außen, jehwertgemwaltig Um ein hoch Banier geſchaart! Innen reich und vielgeitaltig, Seder Stamm nad feiner Art!

Seht ihr, wie der Negenbogen Dort in fieben Farben auillt? Dennoch hoch und feit gezogen Mölbt er fih, der Eintracht Bild.

Auf der Harfe laut und leife Sind gefpannt der Saiten viel; Jede tönt nach ihrer Weiſe, Dennoch gibt’3 ein Elares Spiel,

D wann raufhen ſo verfchlungen Eure Farben Süd und Nord! Harfenfpiel der deutſchen Zungen Mann erklingit vu im Akkord!

Lak mich's einmal noch vernehmen, Lab mich's einmal, Herr, no jehn! Und dann mill ich's ohne Grämen

Unfern Vätern melden gehn.

Geibel, Geſ. Werke. IV. 14

210

Heid eins! 1859.

Wie lang noch eiferfüht’gen Muthes Verzehrt ihr euch in Streit und Neid? Ihr Volksgeſchlechter deutſchen Blutes Beſinnt euch endlich, wer ihr ſeid!

Schon donnert's über'm Eidergrunde, Schon wölkt ſich's am Geſtad des Rheins; Es rinnt der Sand der elften Stunde Und jedes Sandkorn mahnt: ſeid eins!

Seid eins! Von Gau zu Gau verkündigt Ein Feſt der Sühnung insgemein!

Wo all' in gleicher Schuld geſündigt, Iſt's da ſo ſchwer denn, zu verzeihn?

Seid eins! Vom Schmähn und vom Verklagen, Dom Hadern ‚laßt, wer Führer ſei;

Der Kühnfte joll das Banner tragen

Und der am treuften deutſch und frei.

Seid eins! Kein Griff nach fremder Krone! Der Eihbaum mipfle vielverzweigt,

Doh Heil dem König auf dem Throne, Der vor des Reichs Banier fich neigt!

Seid eins und laßt euch nicht zerfpalten Durch Priefterzorn und Läugnerfpott ! Mag jeder feiner Kirche malten,

Wir glauben all an Einen Gott.

211

Seid eins im Glück, feid eins im Leiden In Wort und That, in Spruch und Schlag, Was auch der Erbfeind, euch zu fcheiden, Verheißen oder dräuen mag!

Seid eins, fo donnert feinen Segen Der Herr der Herrn vom Himmel drein, Und fprechen mögt ihr allerwegen: „Hie deutſches Schwert! fo foll es fein!“

Geſang der Präforianer. 1859.

Heil dem Gewalt’gen, Heil dem Kaifer, Dem Herrn im blut'gem Kriegsgezelt! Gr giebt uns Gold und Lorbeerreifer, Wir geben ihm dafür die Welt,

Denn ſcheu vor unfrer Adler Bligen Zu Boden fliegt der Völker Blick;

Mir tragen auf den Lanzenjpigen

Das Heil des Reichs, der Welt Gefchid.

Als Herrſcher ziehn wir durch die Lande,

Er hat den Willen, wir die Macht; Hohnlachend jedem Widerſtande

Läßt er uns los im Feld der Schlacht.

Ob tauſend über tauſend ſinken,

Was kümmert's ihn? Er zwingt das Glück; Wir bringen ihm beim Schall der Zinken Aus jedem Sturm den Sieg zurück.

Dann lobt und koſ't er ſeine Meute Und was uns zufiel, theilt er ein;

Für ihn der Ruhm; für uns die Beute, Für uns die Weiber und der Wein!

212

Da bricht die Luft aus allen Zügeln, Da flammt die Feuersbrunit ins Thal; Auf Städtefhutt und Leichenhügeln Beginnen wir das Bacchanal.

Sp mwälzt er uns wie Lavafluten

Bon Giegesfeld zu Siegesfeld

Und fchreibt von Naht zu Nacht mit Gluten Sein Machtgebot and Himmelszelt.

Er ſpricht, wer wagt zu widerſprechen!

Mer fragt noch, was beichworen jei!

Er will, und die Verträge brechen,

Die mooS’gen Tafeln, morjch entzwei.

Mag Enirfehend ihn der Bürger haſſen:

Er bangt und fehweigt, das ift genug;

Der Pöbel jubelt auf den Gafjen

Stet3 dem, der ihn in Ketten jchlug.

Mas ift das Recht? Ein Schred der Yahmen, Mas ift die Freiheit? Wahn und Spott, Mas find die Götter? Hohle Namen;

Der Kaifer ift auf Erden Gott.

Triumph! Triumph! Und wenn bienieden Kein Wort mehr fhallt, als feines nur, Dann ift das Kaiſerthum der Frieden, Dann ijt erfüllt fein hoher Schwur.

Drum Heil dem Starken, Heil dem Kaifer, Dem Herrn im blut’gen Kriegsgezelt!

Er giebt uns Gold und Lorbeerreijer,

Wir geben ihm dafür die Welt!

a,

Finft geſchiehl's. 1859.

Einft gefchieht’s, da wird die Schmach Seines Volks der Herr zerbrechen; Der auf Leipzigs Feldern ſprach, Wird im Donner wieder fprechen.

Dann, o Deutjchland, jei getroft! Diefes ift das erſte Zeichen, Menn verbündet Welt und Dft Wider dih die Hand fih reichen.

Menn verbündet Oft und Weit

Wider dich zum Schwerte faſſen, Mille, daß dich Gott nicht läßt, So du nicht Dich ſelbſt verlafjen.

Deinen alten Bruderzmift

Wird das Wetter dann verzehren; Thaten wird zu diejer Frilt, Helden dir die Noth gebären

Bis du wieder jtarf, wie jonft, Auf der Stirn der Herrfchaft Zeichen, Vor Europas Bölfern thronft, Eine Fürftin fonder Gleichen.

Schlage, jchlage denn empor Läutrungsglut des Weltenbrandes! Steig’ als Phönix draus hervor, Kaiſeraar des deutſchen Landes!

214

Deuffhlands Beruf.

1861. u

Soll’3 denn ewig von Gemittern Am ummölften Himmel brau’n? Soll denn ſtets der Boden zittern, Drauf wir unfre Hütten bau’n? Dver wollt ihr mit den Waffen Endlih Raft und Frieden jchaffen?

Daß die Welt nicht mehr, in Sorgen Um ihr leichterihüttert Glüd,

Täglich bebe vor dem Morgen,

Gebt ihr ihren Kern zurüd!

Macht Europas Herz gelunden

Und das Heil ift euch gefunden,

Ginen Hort geht aufzurichten,

Einen Hort im deutſchen Land!

Eudt zum Lenfen und zum Schlichten Eine jchwerterprobte Hand,

Die den gülonen Apfel halte

Und des Reichs in Treuen malte.

Sein gefürjtet Banner trage

Jeder Stamm, wie er’s erfor, Aber über alle rage

Stolzentfaltet eins empor,

Hoch, im Schmud der Eichenreifer Wall es vor dem deutſchen Kaijer.

MWenn die heil’ge Krone wieder Gine hohe Scheitel ſchmückt, Aus dem Haupt dur alle Glieder

HR

Stark ein ein’ger Wille zückt, Wird im Völferrath vor allen Deutſcher Spruch aufs neu erfchallen.

Dann nicht mehr zum Weltgeſetze Wird die Laun’ am Seineftrom, Dann vergeblih feine Nebe

Mirft der Fiſcher aus in Nom, Länger nicht mit feinen Horden Schredt uns der Koloß im Norden.

Macht und Freiheit, Recht und Sitte, Klarer Geift und ſcharfer Hieb, Bügeln, dann aus jtarker Mitte Jeder Selbſtſucht wilden Trieb,

Und es mag am deutſchen Weſen Einmal no die Welt genejen.

Beim Ausbruche des Krieges mit Danemark. Vebruar 1864.

Wir waren alfo lang im Traum gelegen,

Daß uns der Kraft Gedächtnig ſchier entſchwunden, Ein ſchwüler Zauber hielt ven Sinn gebunden, Da bligt es auf o jeder Blig ein Gegen!

Ich grüße dih, du heil’ger Feuerregen,

Du Sturm des Zorns nach jo viel bangen Stunden! In deinen Flammen werden wir gefunden,

Und jauchzend ſchlägt dir diefe Bruſt entgegen.

Vorbei iſt's endlih mit dem Dräu'n und Rügen, Es jpricht die That, wo Worte nichts verfingen;; Das Schwert durhhaut das Schmachgemweb der Lügen.

216

Vorwärts ihr Adler mit den ſtarken Schwingen! Schon athmet Deutfchland auf bei euren Flügen, Und ftimmt die Harfen, euren Sieg zu ſingen.

Das Fied von Dippel. April 1864.

Mas klingt aus den Städten wie helles Feitgeläut? Die Paufen und Drommeten, was jubeln fie heut? Was braufen und jagen die Waller der Schlei? Der Feind ift gefchlagen ind Schleswig ift frei?

Bei Düppel dort am Meere, vor Alſen am Sund Da rangen die Heere auf blutgetränftem Grund; Da galt’3 auf die Schanzen im Siegesſturmgewog Den Aoler zu pflanzen anftatt des Danebrog.

Bon Kugeln umfungen, vom heißen Tod umkracht

Die märkiſchen Jungen, wie jtritten fie mit Macht! Wie lernten fie das Steigen auf fehlüpfriger Bahn! Es ging wie im Neigen; der Beeren war voran,

Wohl mander der Braven ſank mit ihm in den Sand; Du fielft, o tapfrer Naven, dad Schwert in der Hand. Und du am Pulverfaſſe, getreuer Winkelried!

Der Klinkeſchen Gafje gedenkt noch mand ein Lied.

Doch al3 auf den Wällen nun flog das Giegspanier, Da bliefen die Gefellen: Herr Gott dich loben wir! Das hat fih erfhmungen wie Abels Opferbrand, Das ift hinausgeflungen bis tief ins deutjche Land.

Im fonnigen Meere nun fpiegelt fih aufs neu

Die preußiihe Ehre, die alte deutſche Treu;

Und mar fie gejhändet, wie ftrahlt fie doppelt rein! Und habt ihr fie verpfändet, ihr löftet fie ein,

BE

Ihr Meifter der Staaten und geht ihr nun und tagt, So mwoll euch Gott berathen, auf daß ihr nicht zagt! Spredt: Nichts von Vertragen! Nun bleibt e3 dabei, Der Feind ift gefchlagen und Schleswig it frei.

Aufikfeft. Sommer 1864.

Singt und jubelt nur und laßt Schäumen die Pokale,

Doch beruft den trüben Gaſt Nicht zum Freudenmahle.

Tiefe Schwermutb überfommt Mih beim Schall der Lieder; Bringt was unjerm Bolfe frommt Kein Geſang doch wieder,

Mährend ihr die Eintracht preift Bei des Feltes Kerzen,

Geht durchs Land ein finjtrer Geift Und entzweit die Herzen.

Durh der Weifen Jubelton, Durh den Prunk der Reden Hör’ ich fern ein Dröhnen jchon Eh'rner Schickſalsfäden.

Ach, und will im Wein ich dann Was mich quält erſticken,

Schaut mich draus die Zukunft an Mit Meduſenblicken.

218

In den Vagen des Gonflikfs. 1865.

Das ift ein troftlos Sylbenjtechen, Miptrauen hier, Verjtimmung dort;

Sie möchten wohl von Sühnung ſprechen, Doch feiner trifft das rechte Wort.

So wächſt die Kluft von Tag zu Tage,

Man reizt und höhnt, man trußt und jchmollt, Ob draußen auch mit dumpfem Sclage Dernehmlih jhon das Wetter arollt.

Grhigt befämpfen ſich die Reiben Zur rechten und zur linken Hand Und über'm Hader der Parteien

Denkt feiner mehr ans Vaterland.

3ur Untworf. 1865.

Wenn von außen der Feind uns droht, Wohl mit Elingenden Saiten

Im gewappneten Aufgebot

Ziemt's dem Dichter zu jehreiten.

Eifern wie ein geihwungenes Schwert Soll jein Hymnus ertönen,

Bis ihm gnädig ein Gott bejcheert, Siegerjtirnen zu frönen.

Uber wo mit Gewalt und Liſt Haupt feindjelig und Glieder Sich befehden im innern Zwiſt, Da verftummen die Lieder.

219

Ch fie diente, der Volfspartei’n Zwietracht weiterzutragen,

Lieber wollt’ ih am nächſten Stein Dieje Harfe zerichlagen.

FSiferne Zeit. December 1865.

Unter'm alten Eichenbaum,

Wo das Volk ihm laufht im Kreife, Dumpf, gleihwie aus bangem Traum, Singt der Spielmann jeine Weiſe: Haltet Muth und Schwert bereit! Eiſern, eifern iſt vie Zeit.

Sühnung hofft’ ich mandes Jahr Und getrojt zu neuen Siegen Sah ih ſchon den Doppelaar Mit vem Yar der Zollern fliegen. Weh, der Sieg gebar den Streit, Eijern, eijern iſt die Zeit.

Dort ein Kaijertbum im Oft,

Hier ein Neih vom Fels zum Meere, Eins des andern Schirm und Troft,

Beide gleih an Macht und Ehre Schöner Traum, wie liegft du meit!

Eiſern, eiſern iſt die Zeit.

Trotz im Auge, Groll im Mund Stehn die jüngſt noch Kampfgeſellen; Ach, nicht birgt das Land am Sund Ihres Haders tiefſte Quellen. Deutſchland gilt was ſie entzweit; Eiſern, eiſern iſt die Zeit.

20

Deutſchland gilt’3 und rubelos

Glimmt die Zwietracht fort der Beiden, Daß in aller Gauen Schooß

Die da Brüder find fih ſcheiden

Und des Haſſes Saat gebeiht;

Eiſern, eifern ift die Zeit.

Horb, ſchon läßt fih dumpf bei Nacht Unterm Grund ein Braufen jpüren, Hoch zu Roſſe wie zur Schlacht

Ziehn in Wolfen die Walfyren,

Angſt und Schwüle weit und breit! Eiſern, eijern ift die Zeit.

Brich herein denn, Schidjalstag ! Ende dieſe Noth im Wetter! Unter Sturm und Donnerjchlag Send’ uns einen Hort und Retter! Deutihlands Purpur liegt bereit, Gijern, eiſern ift die Zeit.

Das Lied vom Weide. ? jedenfall3 vor 1866.

Friſch auf und unverdroſſen, Wie grimm die Welt auch thut! Die Zwei find dir Genojjen, Dein Gott und deutiher Muth. Ob's Herz ſchier bricht,

Verzage nicht,

Die Zähne beiß zufammen!

Es fügt ſich doch

Wofür ſo hoch

Die beſten Herzen flammen.

21

Nicht knechtiſch MWohlbehagen, Noch blutig Gaufeljpiel

Aus wälſcher Gleichheit Tagen Iſt unſres Volkes Ziel. | Doch birgt fein Herz

Nicht mehr den Schmerz

Um die zerboritne Eiche,

Doh wählt das Wort Allmächtig fort,

Das MWort vom deutfchen Neiche.

Wohl hält der alte Drache Vielköpf'ger Eiferſucht

Am Baum des Lebens Wache Und weigert uns die Frucht. Doch, wie er faucht

Und Flammen haucht,

Laß dich nicht mit zerſpalten! Getroft im Graus,

Mein Volk, halt aus!

Gott wird der Hoffnung walten.

Der Treue fanns nicht fehlen, Beharren bringt Geveihn;

Was reif ward in den Seelen, Das ſchafft fih Fleiſch und Bein. 65 wird die Noth

Shr laut Gebot

Im Schlachtendonner ſprechen; Und kommt's nicht jetzt,

So kommt's zuletzt

Mit Biegen oder Brechen.

Das iſt die einz'ge Sühne Das iſt des Liedes Schluß,

22

Das iſt der Lenz, der grüne, Der endlich werden muß:

Vol Macht und Ruhm

Das Kaiſerthum,

Dem freien Volk zum Frommen. Drum, wie's au toſt,

Herz, ſei getroft!

Das Reich wird dennoch kommen.

Bon 1866 bis 18571.

Um Zahresſchluſſe. 1866.

Haft du endlich allveritändlich, Schidjal, deinen Spruch gethan, Und wie Frühlingsbraufen endlich Weht's das deutſche Leben an? Sa, der Bannfluch iſt gebrochen, Der beflenımend auf uns lag, Und befreit, mit Herzenspochen Grüßen wir den jungen Tag.

Mo an Böhmens wald'gen Borden Giebenmal die Schlacht getobt,

Hat der Ihmarze Aar vom Norden Seiner Schwingen Kraft erprobt; Sn den Staub von ihr getrümmert Sank die Feſſel, die jo lang

Jeden Hoffnungstraum verkümmert, Der aus deutſcher Seele ſprang.

Doch, wie ſtolz im Feld der Waffen Euer Wurf, ihr Sieger, fiel; Halb erſt ſteht das Werk geſchaffen, Unſrer Sehnſucht hohes Ziel.

24

Andern Grund no gilt's zu legen, Als des Schwertes freudlos Recht; dur in freier Liebe Segen

Knüpft Geſchlecht fih an Geſchlecht.

Wallt denn, eurer Lorbeerzweige Würdig, unſrem Volk voran! Jeder eitle Hader ſchweige,

Jeder Hohn ſei abgethan.

Zeigt, wie ſchön dem Heldenmuthe Weisheit ſich und Güte paart, Und am ſtammverwandten Blute Ehrt des Geiſtes Eigenart.

Aber ihr, die dieſer Zeiten

Sturm gebeugt, erhebt das Herz! Künftig Heil will ſich bereiten

Und die Wandlung nur iſt Schmerz. Brach auch Theures euch zuſammen, Lernt aufs Ganze gläubig ſehn! Lodernd muß der Holzſtoß flammen, Soll der Phönix auferſtehn.

Drum getroſt! Und ſchwört in treuer Kraft zum großen Vaterland,

Und des heil'gen Opfers Feuer Schürt es ſelbſt mit frommer Hand! Werft der Eiferſucht Gedanken, Werft den alten Groll hinein! Brauſend auch die letzten Schranken Spült hinunter dann der Main.

O wann kommſt du, Tag der Freude, Den mein ahnend Herz mir zeigt, Da des jungen Reichs Gebäude Himmelan vollendet ſteigt,

25

Da ein Geilt der Eintracht drinnen Wie am Pfingitfeft niederzückt

Und des Kaiſers Hand die Zinnen Mit dem Kranz der Freiheit ſchmückt!

Den Hanleufen.

(Bei Eröffnung des erſten norddeutichen Parlaments.)

Nun aus Oft und Weft der Sturm Droht heranzubraufen,

Laßt uns gründen einen Thurm, Daß wir drinnen hauſen!

Daut die Mauern Stark und fügt Felt die Balkenſtützen,

Menn’s zur Zeit auch nur genügt, Uns im Braus zu fehüßen.

Sind wir unter fiherm Dad Glücklich erjt geborgen,

Läßt für wohnliches Gemach Sich ſchon weiter ſorgen.

Aber jetzt verſäumt die Friſt Nicht mit Glanzentwürfen

Und vor dem, was lieblich iſt, Schafft was wir bedürfen!

Schon aus naher Wolfen Schooß Grollt der Zorn der Winde; Gilt, daß er nicht obdachlos Abermals uns finde! Geibel, Gej. Werke. IV. 15

226

Mann verbrauft der Hagelichlag An den nadten Wänden,

Mögt ihr froh am beitern Tag Mas ſie ſchmückt vollenden.

Freudenfhall und Farbenflor Rufe dann zum Felte, Und es öffne ſich das Thor Meit für theure Gäfte.

Frühlingslie. 1867.

Nun vergiß der Klagelieder Und erhebe dein Gemüth! Endlich fteigt der Lenz hernieber, Der für dich, mein Volf, erblübt.

An der taufendjähr'gen Eiche Drängt fi junger Knospen Schwall, Gin prophetiich Lied vom Reiche Schmettert drein die Nachtigall.

Sieh, und dichter ſtets, getrofter Brit hervor das lihte Grün; Nur gen Süd ein jtarr bemooster Aft no zaudert mitzublühn.

Kommt herab denn, Himmelskräfte,

Maienthau und Sonnenschein! Treibt den Strom der Lebensjäfte Bis ins legte Reis hinein!

u = N an 7 ag *

27

Steht verjüngt vom Frühlinasbraufen Erjt der ganze Baum in Bluft, Wird der Freiheit Aar drin haufen, Deutſches Volk, zu deiner Luft.

Eines haft du fehon errungen, Daß die Melt, die dich erkennt, Ehrfurdtsvoll in allen Zungen Deinen Namen wieder nennt.

Was wir wollen. April 1867.

Mas joll dies Spiel der Liit, Dies Klirren mit dem Schwerte, Als ob nah Raub und Zwiſt Das deutſche Volk begehrte? Ein treuer Wunſch allein

Steht uns ins Herz gegraben: Mir wollen einig fein

Und wollen Frieden haben.

Mag jeder, wie's ihm flug Bedünkt, fein Haus verwalten! Wir find uns jelbjt genug Und lafjen gern ihn jchalten. Uns iſt's nicht Gall’ im Wein, Menn Andre froh fich laben; Wir wollen einig jein

Und wollen Frieden haben.

Nur, wie wir ohne Groll

Das Recht des Nahbars ehren, Sp fordern wir, man joll Auch unjres uns gewähren.

223

Kein Normund red’ und drein Wie mwillenlofen Rnaben;

Mir wollen einig fein

Und wollen Frieden haben.

Mir wollen endlich feit Ausbaun die deutihen Hallen, Nicht wie fie Oſt und Melt, Nein, wie fie uns gefallen. Reicht uns die Hand am Main, Ahr Bayern und ihr Schwaben! Wir wollen einig jein

Und mollen Frieden haben.

Mir hafjen’s insgefammt

Um eitlen Ruhm zu Fechten, Doch hoch zur Nothwehr flammt Das Schwert in unfrer Rechten. Dem Störenfried allein

Sei's in die Bruft gegraben! Mir wollen einig fein

Und wollen Frieden haben.

3 | i

DYormwärts ! Sommer 1867.

Durh Deutſchlands Gauen hallt das Wetter aus, Die Luft wird hell, entſchieden iſt der Strauß; BZertrümmert liegt, das feiner Schmach gemehtt, Das Haus am Main, ohnmächt’ger Zwietracht Herd, Und über'm Schutt, auf bejjern Feld gegründet, Steigt auf der Bau, der ſchon das Reich verkündet.

229

Einfügt Jih Stein um Stein, Und fällt zerſprengt Manch alter Schmud, dran unjer Herz noch hängt, Mir bringen ihn getrojt, wie traut er war,

Dem großen Baterland zum Opfer dar,

Und trinken veichres Leben frohgemuthet

Im Strom der Sraft, die aus dem Ganzen flutet.

Du aber friegeriih Geſchlecht, beftellt,

Ein Hort zu fein der jungen deutjchen Welt, Mit deinen Zielen wahfe! Was das Schwert Begann, vollend’ es deiner Siege werth!

Das Haupt umkränzt mit friihem Gichenlaube Laß was verwelft ijt hinter dir im Staube!

Durhbrih in jugendlicher Helvenkraft

Der längst zu eng gewordnen Formel Haft! Wirf ab den Starrfinn, ver was fröhlich blüht, Gemwaltfam nah der Schnur zu ziehn ſich müht! Des jungen Weins lebend’ge Ströme lafjen Sich nimmer in die alten Schläuche fallen.

Du kämpfteſt nicht nach) feellos dumpfem Braud, In deinen Fahnen wob des Geiſtes Haud);

Das ſchuf ven Sieg dir, daß im Schlachtgewog Sein Braufen über deinen Fahnen 309;

Mit ihm im Bunde vorwärts! Laß ihn walten Und die da todt find fih an Todtes halten!

Du führft ven Adler, zieh und denn voran

Mit Adlersflug auf morgenrother Bahn!

lieg in der Freiheit Sonne kühn hinein,

Und du wirft deutſch und dein wird Deutjchland fein, Dom Schnee ver Gletſcher bis zum Bernjteinmeere Glorreich verjüngt in Eintracht, Macht und Ehre,

230

Sanfeafifhes Feſtlied.

Am Tage des Aufziehens der Bundesflagge,) v

Es iſt erwacht mit hellem Schall Ein wunderfräftig Wort, | Das ſchwingt wie Ofterglodenhall E Don Gau zu Gau fich fort;

Das jauchzt, wo man zur Harfe greift

Beim froben Schaum des Weins,

Das brauft, wo man den Flammberg jchleift: „Du deutiches Land bit eins!”

Vernimm's du alte Hanfaftadt

Und jtimme freudig ein!

An Deutihlands Eiche fei ein Blatt, In feiner Burg ein Stein!

Schon weht der deutichen Flagge Bier Von deiner Schiffe Bug,

Und heilverfündend raufcht in ihr Der Zukunft Athemzug.

Das Reih, das unsre Sehnfucht war, Das Reich pocht an mit Macht; Bald hält ein junger Kaijeraar

Ob deinem Schilde Wadt;

Ein neues Leben bricht herein

Stark, einig, groß und frei

Das ganze Deutjchland ſoll es jein, Und du ſei mit dabei!

231

Deukſches Leben.

1867.

Was ſteht ihr düſter und betroffen,

Die ihr ein deutſch Panier doch tragt, Nun endlich, endlich unſrem Hoffen

Ein Morgen der Erfüllung tagt?

D bannt von eurer Stirn die Wolfe! Verſcheucht den wüſten Traum ver Nacht, Als wär’ es aus mit unjrem Volke, Weil's anders kam, als ihr gedadıt.

Denn als der Sturm der fieben Wochen Die Welt erfhüttert nah und. fern, Wohl hat er morſche Zier gebrochen, Doch nimmer unſres Weſens Stern.

Aus tauſend Quellen um die Wette Brauſt unverſiegt von Ort zu Ort, Brauſt ſtolzer nur im neuen Bette

Der Strom des deutſchen Lebens fort.

Noch wettert durch der Schlacht Gedröhne Das Schwert, ein Blitz in deutſcher Hand, Noch wiſſen lächelnd unſre Söhne

Zu ſterben für das Vaterland.

Und die in ſchwindelnden Gedanken

Die Herrn der Welt ſich ſchon geglaubt, Mit bangem Neide ſehn die Franken

Den Kranz des Siegs auf unſrem Haupt.

Noch waltet am ererbten Heerde

Der deutſche Bauer ſchlicht und ſtark, Beharrlich, wie die Kraft der Erde, Die treu ihn nährt mit ihrem Mark.

22

Noch wählt auf hohem Schloß, dem Ruhme Naceifernd, den der Ahn gewann,

Man kühner Sproß zum Ritterthume

Des Geiftes und des Schwert3 heran.

Noh blüht gejegnet in der Runde

Der Städte Wandel, Kunft und Fleiß; Noch wurzelt dort im fejten Grunde Des Bürgerfinns der Freiheit Reis.

Im Wettkampf jeder Kraft erichaffen Geveiht das Neue Tag für Tag,

Doch bürgt die ernſte Pflicht ver Waffen, Daß alte Zucht nicht voften mag.

Noch läßt zu nimmermüdem Streben Die Forfhung ihre Fadel wehn,

Der Vorzeit reihen Schag zu heben, Der Schöpfung Räthjel zu verjtehn; Und wenn befränzt und vielbewundert Die golone Zeit der Dichtung jchied, Noch rauſcht dem eifernen Sahrhundert Begeiftrung manch geflügelt Lie.

Noch jteht in unſres Lebens Mitte

Wie eine feite Burg das Haus,

Und jtrömt den Segen edler Sitte Vom Heerd auf die Gejchlechter aus; Noch birgt Fih in der Jungfrau Sinne Der Unſchuld und der Ehren Hort, Roh ſcheucht der Cherub reiner Minne Dom Jüngling den Berjucher fort.

Noch wacht mit brünftigen Gebeten

Die Mutter über ihrem Kind,

Noch treibt’3 den Dann, vor Gott zu treten, Wenn er ein ernjtes Werk beginnt;

23

Und bricht dur ſtarrer Satzung Schranfe Der ungedämpfte Geiſt fih Bahn,

Nur treuer wipfelt fein Gedanke

In freier Andacht himmelan.

Drum laßt vom Zagen, laßt vom Grollen! Im Sturme wuchs uns nur die Kraft Und mächtig in Gezweig und Schollen Den Lenz verfüindend treibt der Saft. Erjtorbnem meint ihr nach vergebens,

Sp kommt und thut den Brüdern gleich, Und auf dem Grund des alten Lebens Helft uns erbau'n das neue Neid!

Aus den Halburger Tagen. Spätjommer 1867.

Deutjhes Volt, was jäumft du länger? Schau, wie deinem alten Dränger Schon vor deiner Eintracht grauft, Mie er mit beflemmten Sinnen

Dieſe Zinnen

Steigen fieht, die du erbauft.

Und du mollteft von dem Werfe Deines Wahsthums, deiner Stärke Laſſen, nun es halb gereift,

Weil mit eingezogner Klaue

Dir der Schlaue

Seinen alten Lockruf pfeift?

Freilih möcht’ er dich zerjpalten; Kennt er doch den Sprud der Alten: „Leicht gebietet wer entzweit.”

234

Freilib drum in die Gemüther Deiner Hüter Sä't er Argwohn, Hab und Neid.

Aber lab dich nicht verwirren! Achte feinen Rath dem irren Jener erſten Schlange gleich ! Baue weiter unverdrofjen !

Ihm zum Poſſen

Bau es aus das deutſche Reich!

Stämme wälz' und Quaderſtücke An den Main und wirf die Brücke Ueber den entſühnten Strom, Und, den dort die Fluten waſchen, Aus den Aſchen

Richt' empor den Kaiſerdom!

Und zur Antwort auf die leiſe Buhlende Sirenenweiſe,

Die ſo lind ſich wiegt im Weſt, Laß verkünden ſeine Glocken

Mit Frohlocken

Deines Schirmvogts Krönungsfeſt!

Fin Auf über den Rhein. October 1867.

Nun fteht das Haus gegründet Und prangt im Frührothſchein, Nun iſt das Wort verfündet; Kommt ber und tretet ein!

235

Kein Fremdling ſoll euch hindern, Kein Machtſpruch fern und nah, Nach allen ihren Kindern Verlangt Germania.

Ihr jollt nicht länger tragen Der Waifen jchwarz Gewand, Ihr jollt nicht fürder fragen: Mo iſt das Vaterland?

Den Hort euch zu gewinnen, Der jüngjt ein Traum noch war, Reicht nur in treuen Sinnen Die Hand den Brüdern dar!

Ahr raſchen Allemannen Glüdauf! Mit Fubelton

Aus eures Schwarzwald: Tannen Antwortend grüßt ihr ſchon.

Ihr habt die heil’ge Lohe

Der Freiheit ſtets genährt,

Nun Ihürt getreu vie hohe

Auf größerm Dpferheerd!

Mas jaumt ihr ernten Schwaben, Borfämpfer einft im Reich?

Mohl ift an Geilt und Gaben Kein Stamm dem euren gleich; O laßt ven Schag nicht roten, Ihr follt auch über'm Main

Wo Lichtgedanken ſproßten,

Die Bannerträger ſein.

Ihr löwenherz'gen Bayern,

Ihr Franken klug und kühn, Wie lange wollt ihr feiern, Wo Deutſchlands Ehren blühn?

236

Den Arm, erprobt im Schlagen, Den Blid voll Weltveritand Mollt ihr fie träg verfagen Dem großen Vaterland?

Empor! hr hofft vergebens,

Ein Volk im Volk zu fein,

Schon reißt der Strom des Lebens Die dumpfen Echranten ein, Vertraut euch jeinen Wogen

Und ſucht ein bejjer Heil! Allmächtig angezogen

Zum Ganzen ftrebt der Theil.

Wohl habt ihr's oft vernommen, Vom Eberhard das Lied,

Wie er, dem Neich zum Frommen, Sein ftolzes Herz befhied Und großen Sinns die Krone, Darnach er jelbjt begehrt,

Des Nordens jtarfem Sohne Darbot am DBogelheerd.

D laßt fein Bild euch mahnen 1 Und zieht aus Süd und Melt, Zieht hin mit euren Fahnen Zum ſchönſten Sühnungsfeit Und bringt, die uns verloren, Doch nie vergeljen war,

Dem Haupt, das Gott erforen, Die Kaijerkrone dar!

1 Der Schluß des Gedichte, das bereits im Jahre feiner Entjtehung im „Salon“ abgedruckt wurde, erſchien dort auf ven Wunſch der Redaktion in etwas veränderter Faſſung. IH Habe hier die urjprüngliche Lesart wieder bergeftellt.

a

Harr' aus! December 1867.

63 ftürmt im rauhen Kleid von Eifen

Beſchwingten Schritt dahin die Zeit,

Kaum, daß fie dir und deinen Weifen Gin Ohr noch leiht.

Umbrauft von ihrer Gleiſe Dröhnen,

Bon ihres Marktes ew'ger Halt,

Mie fände fie zum Dienft des Schönen Die heitre Rajt!

Mie ging’ in ſelbſtvergeſſ'ner Freude

Das Herz ihr auf beim Flötenlaut,

Die jhallend zu des Staats Gebäude Die Quadern baut!

Dem Stoff erjt ringt fie ab, dem feiten,

Das Werk, dran unſre Sehnſucht hängt;

Sp murre nit, daß auch die Beiten Der Stoff befängt,

Und daß ihr Blid, vom Schaugepränge

Zerftreut, das alle Sinne reizt,

Vorüberichweift, mo keuſche Strenge Mit Farben geist.

Willit du den müden Werkmann jchelten,

Den raſch unächter Prunk beſticht?

Nur laß ſein Maß für dich nicht gelten Und dein Gedicht.

Dem Gott gehorchend, der die Leyer

Dir weihte, harr' in Treuen aus!

Es folgen Wochen goldner Feier Der Zeit des Baus.

233

Daß dann ein fpäter Kranz dir werde,

Vergiß des Tages flücht'ge Gunft,

Und opfre ftandhaft fort am Heerde Der reinen Kunft.

Deukſche Wanderfdaft. Frühling 1868.

Der Wald fteht in Blüte, die wilden Schwäne zieh'n, Mir klingt's im Gemüthe wie Wandermelodie'n;

Zum Stab muß ich greifen, lebwohl altes Haus!

Und fingend wieder fchweifen ins deutſche Land hinaus.

Ihr blauenden Gipfel, ihr Thäler Gott grüß!

Ahr dunfeln Eichenwipfel wie raufcht ihr fo füß! Ihr wollt mir’3 erzählen, daß endlich hoffnungsvoll Durch alle veutihen Seelen ein Lenzodem quoll.

Durch Steingeklüft und Forjten zu Elimmen, o Luft! Auf ſchwindelnden Horften zu lüften die Bruft.

Tief unten verklingen die Gloden weit umher,

Gin Adler hebt die Schwingen vom Feljen zum Meer.

Ins Braufen ver Quellen wie pocht der Hämmer Schlag! Da fördern die Gejellen das Eiſen zu Tag,

Da wächſt in rother Erde das Schwert für den Feind, Der uns am deutſchen Heerde noch dreinzureden meint.

Nun kommst auch du geſchwommen im frührothen Schein, Willkommen, willlommen du dunfelgrüner Rhein!

Du träntjt mit goloner Freude dein blühend Geländ, Und weißt von feiner Scheide, die jeine Stämme trennt.

239

Mie lang wird es währen, Altvater, jo preßt

Man wieder deine Beeren zum Kaijerfrönungsfeft,

Da kommt auf deinen Wogen im Purpurgewand

Der Hort des Reichs gezogen, das Banner in der Hand.

Dann ruhen alle Waffen, dann ift es vollbracht,

Dran taujend Jahr geichaffen, das Merk vdeutiher Macht, In Norden unde Süden ver legte Zwiſt gejühnt

Und Freiheit und Frieden, jo weit die Eiche grünt,

An König Wilhelm. Lübeck, den 13. September 1868.

Mit feſtlich tiefem Frühgeläute

Begrüßt Di bei des Morgens Strahl, Begrüßt, o Herr, in Ehrfurdt heute Dich unſre Stadt zum erjtenmal;

Dem hoben Schirmvogt ihr Willlommen Neidlojen Jubels bringt fie dar,

Die jelbjt in Zeiten längjt verglommen Des alten Nordbunds Fürjtin mar.

Das Banner, das in jenen Tagen

Den Schweitern all am Ditjeejtrand

Sie fühngemuth vorangetragen,

Hoch flattert's nun in deiner Hand,

In deiner Hand, die auserforen

Vom Herren der Herrn, dem fie vertraut, Das Heiligthum, das wir verloren,

Das vdeutihe Reich uns wieder baut.

Schon ragt bis zu des Maines Borden Das Merk, darob dein Adler wacht, Berfammelnd alle Stämm’ im Norden Die Niejenvefte deutiher Macht;

Mu

Und wie au wir das Banner pflanzen, Das dreifah prangt in Farbenglut, Durbftrömt uns im Gefühl des Ganzen Verjüngte Kraft, erneuter Muth.

Im engen Bett jchlieh unfer Leben Vereinzelt wie ver Bach im Sand; Da haſt du uns was noth gegeben,

Den Glauben an ein Vaterland.

Das Schöne Recht, uns ſelbſt zu achten, Das uns des Auslands Hohn verjchlang, Halt du im Donner deiner Schlachten Uns heimgefauft, o habe Dank!

Nun weht von Thürmen, flaggt von Majten Das deutihe Zeichen allgeehrt;

Bon ihm geſchirmt nun bringt die Laſten Der Schiffer froh zum Heimatsheerd.

Nun mag am harmlos rüft’gen Werte

Der Kunitfleiß jchaffen unverzaat,

Denn Friedensbürgihaft ift die Stärke, Daran fein Feind zu rühren wagt.

Drum Heil mit dir und deinem Throne! Und fliht als grünes Eichenblatt

In deine Gold: und Lorbeerkrone

Den Segensgruß der alten Stadt.

Und ſei's als letzter Wunſch geiproden, Daß noch dereinſt dein Aug' es ſieht, Wie über's Reich ununterbrochen

Vom Fels zum Meer dein Adler zieht.

ec ZU

241

Benedikt XIIL 1869.

Auf der Burg zu Peniskola, die vom Fels zur Dede blick, Am Altar im Kreis der Mönche jteht ver greife Benedikt.

Einjt zum Pontifer erforen, nun entjegt durch Kaiferwort, Barg er, unverjöhnlic grollend, wie ein wunder Aar ſich dort.

„Herr, das Amt der ew'gen Schlüfjel, das du deinem Knechte gabit,

Mer vermag’s mir anzutaften! Lab fie dräun! Ich bin der Papſt.

Ueber Fürſtenmacht und Völker haft du mir Gewalt verliehn ; Wagt zu trogen mir ver Erdkreis, dein Gericht herab auf ihn!“

Und empor das Auge wendend, da des Himmels Blitze jucht,

Spricht er feierlich ven Bannfluch, der die ganze Welt ver: flucht.

Unter Grabgeläut die Kerzen löſcht er aus am Hochaltar: „Alſo ſeid im Buch des Lebens ausgethan für immerdar!“

Dumpf erihallt der Chor der Mönche: Tag des Zornes brih heran! Doch die Sonne wallt wie gejtern ruhig lächelnd ihre Bahn.

Geibel, Gef. Werte, IV. 16

22

Drei Vögel. September 1869,

Ich ftand auf hohem Berge Und Schaut’ hinab ins Thal, Drei Vögel fah ich fliegen Im rothen Abenpftrahl.

Was bringſt du, ſchwarzer Rabe? Du kommſt aus Wälſchland her Ich ſah einen greiſen Fiſcher,

Der warf ſein Netz ins Meer.

Er warf's mit ſtolzen Sinnen, Des reichen Fangs gewiß,

Da ging im Grund ein Brauſen, Das rieſige Netz zerriß.

Was bringſt du, grauer Habicht? Du fliegſt vom Seineſtrand Ich ſah einen kranken Leuen, Der ſich in Aengſten wand:

„Weh mir, es wankt der Boden Und ich bin alt und ſiech! Was mähl’ ich, mich zu retten, Freiheit oder Krieg?”

Was bringft du, weiße Taube?

Du ſchwangſt dDih auf am Main Ein ſchwarzes Wetter ſah ich Vergehn in Sonnenfhein.

3

Gin Regenbogen mölbte

Sich glorreich über'm Strom,

Und mwachfend aus den Trümmern Stieg auf der Kaiferdom.

Kriegslied. Auli 1870.

Emvor mein Volk! Das Schwert zur Hand!

Und brich hervor in Haufen!

Dom heil’gen Zorn ums Vaterland

Mit Feuer laß dich taufen!

Der Erbfeind beut dir Schmah und Spott,

Das Maß ift voll, zur Schlacht mit Gott! Vorwärts!

Dein Haus in Frieden auszubaun

Stand all dein Sinn und Wollen,

Da bricht den Hader er vom Zaun

Bon Gift und Neid gejchwollen.

Komm’ über ihn und feine Brut

Das frevelhaft vergoſſ'ne Blut! Vorwärts!

Wir träumen nicht von raſchem Sieg,

Don leichten Ruhmeszügen,

Ein Weltgericht ift dieſer Krieg

Und ftarf der Geijt der Lügen,

Doch der einft unfrer Väter Burg,

Getroft, er führt auch uns hindurch! Vorwärts!

Schon läßt er klar bei Tag und Nacht

Uns ſeine Zeichen ſchauen,

Die Flammen hat er angefacht

In allen deutſchen Gauen.

Von Stamm zu Stamme lodert's fort:

Kein Mainſtrom mehr, kein Süd und Nord! Vorwärts!

Voran denn, kühner Preußenaar,

Voran durch Schlacht und Graufen!

Wie Sturmwind ſchwellt dein Flügelpaar

Vom Himmel her ein Brauſen,

Das iſt des alten Blüchers Geiſt,

Der dir die rechte Straße weiſt. Vorwärts!

Flieg, Adler, flieg! Wir ſtürmen nach,

Ein einig Volk in Waffen.

Wir ſtürmen nach, ob tauſendfach

Des Todes Pforten klaffen.

Und fallen wir: flieg, Adler, flieg!

Aus unſrem Blute wächſt der Sieg. Vorwärts!

Fin Palm wider Babel. Suli 1870.

Nun ift geihürzt vom Böfen Der Knoten alfo fein,

Kein Rath mehr kann ihn löfen, Er muß zerhauen jein.

45

Ihr habt verworfen den Frieden, Den treuer Sinn euch bot,

So ſoll eu fein befchieden Streit und Jammer und Noth.

Den ihr, befränzt die Schläfen, Gebraut, den Greueltranf, Bis auf die legten Hefen Sollt ihr ihn leeren zum Dank.

Lobjingt nur eurem Gögen

Sn frechem Gaufelfpiel!

Der Herr wird fommen und jeßen Dem wüſten Rauſch ein Ziel!

Sein Odem Sturm des Krieges,

Der die Heerſchaaren fegt,

Sein Schwert ein Schwert des Sieges, Das allen Frevel fchlägt.

Finfter wird fein die Erde Und der Himmel voll Glut, Bis an die Zäume der Pferde Steigen wird das Blut.

Die Ströme werden weichen Aus ihren Ufern zur Frift, Weil mit Schutt und Leichen Ihr Bett verdämmet iſt.

Es wird zertreten der Rächer Die Stätten, da ihr fit,

Daß durh die krachenden Dächer Hochauf die Lohe fprigt.

2146

Und Heulen wird fein auf den Gaſſen Und Hunger Haus bei Haus,

Indeß die Wölfe prafien

Und die Geyer am Schmaus.

Das aber mag nicht enden, Bis ihr dem Lügengeijt Abſchwört und von den Lenden Das Kleid der Hoffahrt reift;

Bis ihr in Neu vernichtet

Aus eurem Herzeleid

Zum Herrn, der euch gerichtet, Um Gnad’ und Sühnung ſchreit.

Erjt wenn aufs Knie gebogen Ihr euch befannt zur Schuld, Wird Er der Zornflut Wogen Zerrinnen lafjen in Huld.

Sanftleudhtend auf der Wolfe Mag dann der Bogen ftehn, Und am zerjchlagnen Bolfe Barmherzigkeit geichehn.

Dann mag verwandelt werden Das Schwert zum Palmenzweig, Und Friede wird jein auf Erven Und fommen wird das Reid.

247

Deuffdie Siege. Auguft 1870.

Habt ihr in hohen Lüften Den Donnerton gehört

Bon Forbah aus den Klüften, Bon Weißenburg und Wörth? Wie Gottes Engel jagen

Die Boten her vom Krieg: Drei Schlachten find gejchlagen Und jede Schlacht war Sieg.

Preis euch ihr tapfern Bayern Stahlhart und mwetterbraun, Die ihr den Wüftengeyern Zuerſt geitugt die Klau’n! Mit Preußens Yar zujammen Wie trugtet ihr dem Tod, Hoh über euh in Flammen Des Reiches Morgenroth !

Und ihr vom Gau der Katten, Und ihr vom Nedarjtrand

Und die aus Waldesjchatten Thüringens Höh'n gefandt,

Ihr bracht, zum Seil gegliedert, Der Prachtgeſchwader Stoß; Traun, was fi fo verbrüdert, Das läßt fi) nimmer los.

Und die ihr todverwegen Don Leihen rings umthürmt Im dichten Eijenregen

Den rothen Fels erjtürmt,

——

Wo blieb vor euch das Pochen Auf Frankreichs Waffenruhm? Sein Zauber iſt gebrochen, Nachbricht das Kaiſerthum.

So ſitzt denn auf, ihr Reiter, Den Roſſen gebt den Sporn, Und tragt die Loſung weiter: Hie Gott und deutſcher Zorn! Schon ließ der Wolf im Garne Ein blutig Stück vom Vließ, Die Maas hindurch, die Marne, Auf, hetzt ihn bis Paris!

Und ob die wunden Glieder

Mit der Verzweiflung Kraft

Er dort noch einmal wieder Empor zum Sprunge rafft:

Dich ſchreckt nicht mehr ſein Raſen, O greiſer Heldenfürſt!

Laß die Poſaunen blaſen

Und Babels Veſte birſt.

Der feigen Welt zum Neide Dann ſei dein Werk vollführt. Und du, nur du entſcheide Den Preis, der uns gebührt! Es ſtritt mit uns im Gliede Kein Freund, als Gott allein, So ſoll denn auch der Friede Ein deutſcher Friede ſein.

249

An der Mofel. Auguft 1870.

Mo der Mofel dunkle Wellen

Um ihr felfig Ufer fchwellen, Schweigt zum drittenmal die Schlacht Und die feuchten Winde tragen Lobgefang und Todtenklagen Fernverhallend dur die Nacht.

Unſre Siegesbanner wogen,

Doch die Bahn, die fie durchflogen, Sit von theurem Blute roth;

Wo der Eifenregen ſprühte,

Sank in Garben, ab, die Blüte Unfrer Jugend in den Top.

D mie viel verwailte Herzen Nennen euch binfort mit Schmerzen Mars la Tour und Gravelotte ! Bleibe Frau’n, zum Tod befümmert, Bräute, deren Glüd zertrümmert, Greife Mütter, tröft! euch Gott!

Aber euch, ihr treuen Zodten, Sei der Brüder Schwur entboten, Zorn'ge Thränen rinnen drein: Nimmer foll, das ihr vergojjen, Euer Blut umfonft geflofjen, Nimmer ſoll's vergefien fein!

Eures heil’gen Willens Erben Schmwören wir auf Sieg und Sterben Treu zu jtehn in Wacht und Schladt:

250

Keiner foll der Raſt gedenken, Noch das Schwert zur Scheide jenfen, Bis das große Werk vollbradt;

Bis des Erbfeindg Truß vernichtet, Bis das Bollwerk aufgerichtet,

Das die Zukunft ſchirmt der Welt, Und mit raufchendem Gefieder

Ueber euren Gräbern wieder Deutihlands Aar die Gränzwacht hält.

Um dritten Hepfember. 1870.

Nun laßt die Gloden Bon Thurm zu Thurm Durchs Land frobloden Sm Yubeljturm! Des Flammenjtoßes Geleucht faht an! Der Herr hat Großes An ung gethan. Ehre jei Gott in der Höhe!

Es zog von Weiten

Der Unhold aus,

Sein Reich zu feiten

In Blut und Graus;

Mit allen Mächten

Der Höll' im Bund

Die Welt zu fnechten

Das ſchwur jein Mund. Furdtbar dräute der Erbfeind.

DER ne 27, ——

BT,

Dom Rhein gefahren Kam fromm und jtarf Mit Deutſchlands Schaaren Der Held der Mark. Die Banner flogen Und über ihm In Wolfen zogen Die ECherubim. Ehre jei Gott in der Höhe!

Drei Tage brüllte Die Völkerſchlacht, Ihr Blutrauch hüllte Die Sonn' in Nacht. Drei Tage rauſchte Der Würfel Fall Und bangend lauſchte Der Erdenball. Furchtbar dräute der Erbfeind.

Da hub die Wage Des Weltgerichts Am dritten Tage Der Herr des Lichts Und warf den Drachen Vom güldnen Stuhl Mit Donnerkrachen Hinab zum Pfuhl. Ehre ſei Gott in der Höhe!

Nun bebt vor Gottes Und Deutſchlands Schwert Die Stadt des Spottes, Der Blutſchuld Heerd.

292

Ihr Blendwerk lodert Wie bald! zu Staub Und heimgefodert Wird all ihr Raub. Nimmermehr dräut und der Erbfeind.

Drum laßt die Glocden Bon Thurm zu Thurm Durchs Land frobloden Im Jubelſturm! Des Flammenſtoßes Geleucht facht an! Der Herr hat Großes An uns gethan. Ehre ſei Gott in der Höhe!

Trinkſpruch am 26. October 1870.

Stoßt an im Saft der beſten Reben! Stoßt an: Land Mecklenburg ſoll leben, Land Mecklenburg mit Schwert und Pflug! Die Perle gab es uns der Frauen

Und jenes Paar mit greiſen Brauen,

Das unſres Ruhmes Schlachten ſchlug.

Schon wallt ſie längſt im Paradieſe,

Die hohe Königin Luiſe,

Die Deutſchlands ſtarken Hort gebar,

Doch flammend ſteht's in tauſend Herzen, Wie ſie zur Zeit der Schmach und Schmerzen Der Engel ihres Volkes war.

25

Und mwollt ihr nad den Helden fragen: Dom Marjchall Vorwärts laßt euch jagen, Dem blankſten Schwert des Vaterlands; Die Welt durhhallten feine Siege,

Doch nie zu Noftod feiner Wiege

Vergaß der Greis im Lorbeerfran;.

Den Andern fennt ihr auch, den Alten, Der hoch und ernit, die Stirn in Falten, Ein Hüter wacht an Preußens Thron. Das iſt des Kriegsgotts Wagenlenfer, Das ijt der fühne Schlachtendenter,

Der Schweiger Moltke, Barchims Sohn.

Drum jtoßt im Saft der beften Neben, Stoßt an: Land Medlenburg foll leben, Land Medlenburg mit Schwert und Pflug! Die Perle gab es uns der Frauen,

Und jenes Baar mit greifen Brauen,

Das unſres Ruhmes Schlachten jchlug.

Der Alan. Dctober 1870.

Früh Morgens um vier, eh vie Hähne noch Fräh’n, Da fattelt jein Roß der Ulan

Und reitet, den Feind und das Land zu erjpäh'n, Den Waffengenojjen voran.

Hinjagt er durchs Blachfeld und pirſcht durch den Forft, Hoc flattert fein Fähnlein im Wind,

Und er lugt von der Höh, wie der Falfe vom Horjt Und wählt fih die Straße geſchwind.

{

In das fonnige Städtchen da jprengt er hinein,

Am Ratbbaus hält er in Rub,

„Herr Maire, nun ſchenkt mir vom ſchäumenden Wein, Und ein Frühſtück gebt mir dazu!

Und jchafft mir die prächtigen Rinder daher,

Die am Thor auf den Weiden ich jah,

Und Hafer für zwanzig Schwadronen, Herr Maire, Denn die Preußen, die Preußen find da.”

Hei luſtige Streife! Hei föftliher Scherz, K. Wenn der Maire feine Büdlinge mad! Doch freudiger wählt dem Ulanen das Herz, r Wenn die Schlaht durch die Ebene fradt; Bi

Menn, die Zügel verhängt und die Lanz’ in der Fault, Das Gejhwader mit jtiebendem Huf

Auf den eijernen Reben des Fußvolks brauft

Unter jhallendem Hurrahruf.

Wohl ipei'n die Haubigen Ververben und Tod,

Wohl deckt fih mit Leichen vie Bahn,

Und die Luft wird wie Blei und die Erde wird roth, Doh vorwärts ftürmt der Ulan.

Und rinnt auch das Blut von den Scläfen ihm warm: Durch Gefnatter und Kugelgejaus

Kühn jet er hinein in den dichteſten Schwarm

Und bolt fih den Adler heraus,

Und Biltoria ſchallt's durch's Getümmel herauf,

Schon mwanfen die feinvlihen Reih’n,

Und das Wanfen wird Fluht und die Flucht wird Lauf, Der Ulan, der Ulan hinterdrein.

255

Hinterdrein durch den Fluß, wo die Brücke verbrannt, Durch das Dorf, das der Bauer verließ,

Mit Gott für König und Vaterland

Hinterdrein, hinterdrein bis Paris,

Dort. giebt3 einen Tanz noch im eifernen Feld, Dis der Franzmann den Athem verliert

Und Wilhelm ver Sieger, der eisgraue Held, Sm Louvre den Frieden diktirt.

Doh wenn dann die blutige Arbeit gethan, Und die Stunde der Heimkehr erjchien, Mie reitet jo ftattlih im Glied der Ulan Am Einzugstag in Berlin!

Da jteht an den Linden die roſigſte Dirn

Und fie jubelt vor Stolz und vor Luft:

O mie lieb ich dich erſt um die Narb’ auf der Stirn Und das eiferne Kreuz auf der Bruft!

An Deutfhland. Sanuar 1871.

Nun wirf hinweg den Mittmenfchleier, Nun gürte dich zur Hochzeitsfeier,

O Deutſchland, hohe Siegerin!

Die du mit Klagen und Entjagen Durch vier und ſechzig Jahr getragen, Die Zeit der Trauer iſt dahin;

Die Zeit der Zwietracht und Beſchwerde, Da du am durhgeborjt’nen Heerde Im Staube faßelt tiefgebüdt,

256

Und faum dein Lied mit leifem Weinen Mehr fragte nah den Evelfteinen, Die einjt dein Diadem geſchmückt.

Mohl glaubten fie dein Schwert zerbrochen, Wohl zudten fie, wenn du gejprocen,

Die Achſel kühl im Völferrath,

Doch unter Thränen wuchs im Stillen Die Sehnfuht dir zum heil’gen Willen, Der Wille dir zur Kraft der That.

Und endlich fatt, vie Schmach zu tragen, Zerrifjeft du in fieben Tagen

Das Netz, das tödtlich dich umjchnürt, Und heifchteft, mit beerztem Schritte Hintretend in Europas Mitte,

Den Pla zurüd, der dir gebührt.

Und al3 ver Erbfeind dann, der Franze, lady deiner Ehren jungem Kranze

Die Hand erhub von Neid verzehrt, Zur Riefin plöglih umgeſchaffen,

Wie ftürmteft du ins Feld der Waffen, Behelmte, mit dem Flammenjchmert!

D große, gottgefandte Stunde, Da deines Haders alte Wunde Die heil’ge Noth auf ewig jchloß, Und munderfräftig dir im Innern Aus alter Zeit ein ftolz Erinnern, Gin Bild zufünft'ger Größe ſproß!

Wie Erz durhftrömte deine Glieder Das Mark der Nibelungen wieder, Der Geift des Herrn war über bir,

2597

Und unterm Schall der Kriegspofaunen Aufpflanzteft du, der Melt zum Staunen, In Frankreichs Herz dein Eiegspanier.

Da war dir bald, mit Blut beronnen, Des Rheins Juwel zurückgewonnen,

Dein Kleinod einft an Kunſt und Pracht, Und deflen leuchtend Grün fo helle

In Silber faßt die Moielmelle,

Der Iotharingifhe Smaragp.

D lab fie nicht verglüh'n im Dunkeln! Verjüngten Glanzes laß fie funfeln Ins Frühroth deiner Ofterzeit!

Denn horch, ſchon brauſen Jubellieder Und über deinem Haupte wieder

Geht auf des Reiches Herrlichkeit.

Durch Orgelton und Schall der Glocken Vernimmſt du deines Volks Frohlocken? Den Heilruf deiner Fürſtenſchaar? Sie bringen dir der Eintracht Zeichen, Die heil'ge Krone ſonder Gleichen, Der Herrſchaft güldnen Apfel dar.

Auf Recht und Freiheit, Kraft und Treue Erhöh'n fie dir den Stuhl aufs neue, Drum Barbarofjas Adler Ereift,

Daß du, vom Feld zum Meere waltend, Des Geistes Banner hoch entfaltend, Die Hüterin des Friedens feift.

Drum wirf hinweg den Wittmenfchleier! Drum Shmüde dich zur Hochzeitsfeier O Deutfchland, mit dem grünften Kranz!

Seibel, Ge. Werke. IV. 1%

BUN

Flicht Morten in die Lorbeerreifer!

Dein Bräut’gam naht, dein Held und Kaifer

Und führt dich heim im Giegesglanz.

Zur Sriedensfeier. 18. Suni 1871.

Flammt auf von allen Spiten,

Ihr Feuer deutſcher Luft

Und wedt mit euren Bligen

Ein Danklied jeder Bruft!

Das graufe Spiel der Waffen

Mit Gott iſt's abgethan,

Und, die das Schwert gefchaffen,

Die Palmenzeit bricht an. Preis dem Herrn, dem ftarfen Retter, Der nad) wunderbarem Nath Aus dem Staub uns hob im Wetter Und uns heut im Säufeln naht!

Nun ward in Eins gejchmiedet

Mas eitel Stückwerk war,

Nun liegt das Reich umfriedet

Vor Argliit und Gefahr.

Dom Alpenglüh'n zum Meere,

Dom Haff zur Moſel weht

Das Banner deutfher Ehre

In junger Majeftät. Preis dem Herrn, dem ftarfen Retter, Der nad wunderbarem Rath Aus dem Staub uns hob im Wetter Und uns heut im Säuſeln naht!

2 ie 0 Bee

Me ie

Wie brauft von Stamm zu Stamme

Ein Leben reih und jtolz,

Seit der Begeiltrung Flamme

Was ſtarr ſich mied verichmol;,

Seit am vereinten Werke

Des Südens Flügelkraft,

Des Nordens klare Stärke

Wetteifernd ringt und ſchafft! Preis dem Herrn, dem ſtarken Retter, Der nach wunderbarem Rath Aus dem Staub uns hob im Wetter Und uns heut im Säuſeln naht!

Der in der Feuermolfe

Doran uns zog im Krieg,

Nun jend’ er unfrem Volke

Die Kraft zum legten Sieg,

Die Kraft, auch aus den Herzen

Der Lüge finftre Saat,

Das Wälihthum auszumerzen

Sn Glauben, Wort und That. Preis dem Herrn, dem jtarfen Retter, Der nah mwunderbarem Rath Aus dem Staub uns hob im Weiter Und uns heut im Säufeln naht!

Zieh ein zu allen Thoren

Du Starker, deutſcher Geilt, Der aus dem Licht geboren Den Pfad ins Licht uns meiit, Und gründ’ in unfrer Mitte Wehrhaft und fromm zugleich In Freiheit, Zucht und Sitte Dein taufendjährig Reich!

Preis dem Herrn, dem ftarten Netter,

« rau um

Der nab mwunderbarem Ratb Ten Aus dem Staub uns bob im Metter Und uns beut im Säufeln nabt!

: - er.

*

u,

PT Geibel, Emanuel 1831 Gesammelte Werke

PLEASE DO NOT REMOVE CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKET

UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY

k ae N r R in - > h * e * * ET BRRERY Dee nn ee *

Var anni ed,

X

f

Y

y

*

————

ER Po”

ER

RTL EI

ae en pn

3 De